1083. An Grete Meyer
1083. An Grete Meyer
Wiedensahl 23. Sept. 96.
Liebe Grete!
Die Pilger zum Hochzeitfest in Leer werden allmählig schon munter. Gestern sind die Hattorfer mit ihren zwei Mädeln, die einstweilen bei der Großmama bleiben sollen, nach Bückeburg gefahren. Tante, die heut früh [77] abgereist ist, wollte dort mit Hermann und Sophiechen zusammentreffen, und jetzt werden sie wohl mit einander zwischen Osnabrück und Bohmte dahin sausen, wo sie sich trennen; Tante nach Barnstorf weiter, Hermann u. Sophiechen nach Hunteburg. Zu seiner Zeit will dann die ganze Gesellschaft (Tante, Sophie Sunder, Onkel Karl, Hermann, Sophiechen, Otto, Else, wahrscheinlich auch Schwester Marie) sich in Barnstorf versammeln, um von da schön warm bei einander nach dem Festort in Ostfriesland zu reisen. – Gestern Abend, als wir beim Thee saßen, fing es recht zu rauschen an im alten Kastanienbaum vor der Thür, und der Regen platschte gegen das Fenster. Heut stürmt und pladdert es weiter; da hat sich denn Tante verständigerweise unsern Postomnibus vor's Haus bestellt und sich abholen laßen. – An den Rosen und Akazien zupft der Sturm wie närrisch; Zweige und Blätter liegen über den Rasen und die Beete verstreut. Nebenan in Nachbars Garten liegen die meisten Äpfel und Birnen herunten. Ein Jüngsken, das noch keine Hose anhat, sammelt eifrig welche in seine Schürze, wobei er dem Näschen "freien Lauf" läßt. Ob dies letztere vom scharfen Winde kommt, oder weil er die Hände nicht frei hat, oder weil's ihm überhaupt so bequemer scheint, das zu ahnen und nachzuempfinden will ich zartfühlend denen überlaßen, die der Kindheit näher stehn und noch nicht so viel hundert Jahre aus der Schul sind wie ich.
Wie gut ist's doch, daß unser Martinchen nun bei der Kühle des Herbstes eine "Gestrickte" besitzt; denn:
Bleib gesund und munter, liebe Grete ("Nachtigall, ich hör dich singen") und schreib auch mal wieder eine kleine drollige Epistel, wie Du's so schön verstehst, an Deinen betagten
Onkel Wilhelm,