19/5430.
An Nikolaus Meyer
Endlich muß ich doch auch einmal wieder, mein werthester Herr Doctor, das lange Stillschweigen brechen und zu der kleinen dritten Person Ihrer Familie glückwünschen. Wir haben an diesem erwünschten Ereigniß lebhaften Theil genommen und sind versichert, daß der kleine Ankömmling recht wohl in die Familie passen werde. Lassen Sie uns von Zeit zu Zeit hören, daß Sie sich alle recht wohl befinden und durch Unterbrechung der Correspondenz das gute Verhältniß nicht unterbrochen worden, das immer zwischen uns bestanden hat. Von meinem Carlsbader Aufenthalt kann ich nur Gutes erzählen. Es ist mir daselbst recht wohl gegangen und bis jetzt empfinde ich noch immer erwünschte Folgen. Ich wünsche, daß es diesen Winter so durchdauern möge. Sonst weiß [429] ich von uns viel zu sagen. Meine Arbeiten gehen immer sachte vorwärts und ich hoffe, sie nach und nach ins Publicum zu bringen. Ein Exemplar von meinen Werken sende ich, wenn die 12 Bände beysammen sind. Das einzelne Abschicken ist gewöhnlich Irrungen oder Verwechselungen ausgesetzt.
Sie haben uns die Zeit über so mancherley ge schickt, daß ich wohl wünschte, wir rechneten einmal zusammen. Sollte durch Ihre oder meine Abwesenheiten von Haus auch einige kleine Unordnung entstanden sey, so wird das Gedächtniß meiner Frau wohl wieder nachzuhelfen wissen. Das Service ist sehr hübsch und glücklich angekommen. Mögen Sie uns diesen Winter manchmal irgend einen guten Bissen schicken, so werden wir Sie auch abwesend unter unsere Gäste zählen.
Sagen Sie mir doch bald etwas Näheres über Ihren Zustand. Der Arzt hat den Vortheil, daß er in allen Fällen brauchbar und gerade am willkommensten ist, wenn es am übelsten hergeht.
Hat bey diesen Bewegungen sich nichts von Kunstwerken hervorgethan, die früher in wohlhabenden Häusern vergraben lagen? Wie sieht es um Ihre wissenschaftlichen und geselligen Anstalten, wie um den ästhetischen Theil aus? Nehmen Sie sich noch manchmal des Theaters an? Unsere Schauspieler haben in Leipzig, wie Ihnen wohl schon aus öffentlichen Blättern bekannt ist, großen Beyfall gefunden, [430] den ich ihnen um so lieber gönne, als sie sich wirklich in der letzten Zeit sehr viel Mühe gegeben haben. Auch noch zuletzt sind, bey einem hier aufgeführten Vorspiel zur Eröffnung des Theaters, sehr große Kunststücke, in Recitation und Declamation eines schwierigen Textes, geleistet worden.
Übrigens leben wir für den Augenblick in der größten Ruhe. Wir sehen und hören nichts von Militär und gehen also ziemlich gelassen der Jahresepoche des 14. Oct. entgegen. Ja wir gedenken mit Beruhigung der Äußerst bänglichen letzten Tage, die wir vor jener Epoche verlebten. Gern einnern wir uns dabey auswärtiger Freunde, welche denn doch auch, bey dieser großen Welterschütterung, persönlich nicht allzu viel gelitten.
Gedenken Sie auch unser. Grüßen Sie Ihre liebe Frau von uns allen, küssen Sie den lieben Kleinen und lassen uns allerseits in der Hoffnung leben, uns einander irgendwo einmal wieder zu sehen.
Weimar den 7. Oct. 1807.
Goethe.