1788, 13. October.


Mit Caroline Herder

Goethe kam den Montag zu mir. Von Müllern sagte er, er sähe völlig wie ein Domherr, und das ist wahr. Übrigens gefällt er ihm so halbwegs. Die Zeit war freilich zu kurz. Vom Kaiser sagte er, er hätte das Haus Österreich durch diesen Krieg so heruntergebracht, daß es sich in hundert Jahren nicht erholen werde. Ich sagte: »So wird's unserm Herzog auch gehen.« – »Ja, nicht anders«, antwortete er; »und so geht's uns allen, wenn wir unsere Eigenheit irgendwo oder am unrechten Ort, wie es gemeiniglich geschieht, durchsetzen. So ist mir's von Jugend auf gegangen; ich war frei und reich, konnte sie also öfters und mehr durchsetzen, als ein anderer, und ich weiß am besten, wo und wie sie mir geschadet; und wenn ich mich jetzt nicht so zusammennähme, so würde es noch mehr geschehen. So schadet dem Herder jetzt seine Eigenheit. Niemand wird es glauben, aber Zartheit und Nachgiebigkeit ist seine Eigenheit, und nun leidet er darunter. Hätte er gefühlt, wer er ist und wie ihm manquirt worden, er hätte von Augsburg aus sich nicht so gütig betragen. Und daher kommt's manchmal, daß er hernach am unrechten Ort gegen Menschen das Rauhe hervorkehrt.« Diese goldnen Worte waren, als wenn [107] sie aus unser beiden Seelen herausgeredet wären. Ich sagte ihm, daß Du es so gut als ich wüßtest, daß wir bei jeder Gelegenheit es merkten und es oft übel empfänden. Bei Deinem Verhältniß zu Dalberg sagte er ferner: »Und wenn ihn Herder 3000 Rthlr. kostet, so ist's nicht zu viel; er hat ihm ja noch immer seine Person nicht bezahlt.« Ferner sagte er: »Die Seckendorf zeigt einen unsäglichen Verstand in ihrer Einrichtung: es ist das schönste Haus in Rom. Mit Eclat und Anstand will sie den Schritt gut machen. Sie versteht ihr Handwerk, und der künftige Kurfürst [Karl Freiherr v. Dalberg] kann's bezahlen.«

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