Eine Parteifahne weht nicht über diesem Buch. Die Fünfzehn, welche hier an einem Orte beieinander stehen, treten uns nicht mit dem Kampfruf entgegen: Wir sind die Fünfzehn. Sie haben sich nicht bewußtvoll und mit Absichten zu einem Rütlibund zusammengetan, zu einer Schule und Dichtergemeinschaft, um ein besonderes und bestimmtes künstlerisches Kredo mit vereinigten Kräften zum Siege und zur Herrschaft zu führen.
Diese Sammlung ist ein Werk der Auslesekunst und des Geschmacks eines Einzelnen. Es ist das Werk Paul Friedrichs. Wie mir scheint, wollte er uns zunächst hineinführen in das „Neuland“ der deutschen Lyriker, die seiner Generation angehören, die in den siebziger und achtziger Jahren das Licht dieser künstlerischen Welt erblickten. Was leistet, welche Werte bietet die Dichtung dieser Jungen und Jüngsten? Von dem, was diese junge Lyrik bisher an Gaben hervorbrachte, gibt uns die Sammlung einen Erntestrauß in die Hand, — einiges von dem Schönsten und Reifsten, das auf ihrem Acker erblühte.
Einiges Reifste und Schönste, — Fertiges und Gefestigtes. Vollständigkeit war nicht geplant. Ein allumfassender literaturgeschichtlicher objektiver Überblick über alle Richtungen und Entwicklungen unserer jüngsten Lyrik wird hier nicht geboten. So mancher Name fehlt. Das Buch ist mehr ein Musenalmanach auf das Jahr 1911, und wie bei jedem Musenalmanach ist die redaktionelle Auswahl auch durch allerhand Zufälle und Willkürlichkeiten bedingt und beschränkt...
[6]Dennoch besitzt diese Sammlung, wenn nicht nach außen hin, so doch nach innen hin, einen in sich abgeschlossenen Charakter. Im großen ganzen und allgemeinen verspürt man einen einheitlichen Grundzug, und die sehr verschiedenen Gedichte sehr verschiedener Dichter schließen sich doch wieder zu einem Kunstwerk zusammen. Gerade das verleiht der Auslese Paul Friedrichs ein persönliches Gepräge und den höchsten Wert. Sorgfältig und mit prüfendem Blick hat er nur solches auserkoren und zusammengestellt, das seiner eigenen Kunst nahesteht und verwandt ist, das seinem ästhetischen Gefühl und Gewissen persönlich besonders zusagen muß. Ein Programm und ein Kredo Paul Friedrich zeichnet sich ziemlich unverkennbar ab. Das Buch will uns hinführen zu dem, was nach seinem Glauben und Gefühl die höchste Kunst ist, das letzte Ziel und Ideal der Dichtung ist und sein soll.
Die Ideal- und Ideenlyrik unserer jungdeutschen Poeten kommt in diesem Buch vor allem zum Ausdruck. Ihr kosmisches Empfinden. Pantheistisch-monistisches Gott- und Naturgefühl, die Religion und Andacht des modernen Menschen, der, ein Dichter und ein Denker, den Mysterien des Lebens nachsinnt und nachgrübelt. Zur Dichtung des Ernstes und der Strenge, der Nachdenklichkeiten und Beschaulichkeiten, die in priesterlicher Haltung hinweist auf das Ewige und auf den Höhen der Menschheit wandelnd, die Schöpferin und Erzeugerin aller Ideale ist, will Paul Friedrich die Künstler wieder zurückführen. Und daß er einen höchsten Sinn des Lebens verkündigen und in seiner Dichtung zu verkörpern vermag, das ist und bleibt allerdings stets das höchste Werk des Poeten.
Julius Hart.