Vorwort

[5]

Eine Parteifahne weht nicht über diesem Buch. Die Fünfzehn, welche hier an einem Orte beieinander stehen, treten uns nicht mit dem Kampfruf entgegen: Wir sind die Fünfzehn. Sie haben sich nicht bewußtvoll und mit Absichten zu einem Rütlibund zusammengetan, zu einer Schule und Dichtergemeinschaft, um ein besonderes und bestimmtes künstlerisches Kredo mit vereinigten Kräften zum Siege und zur Herrschaft zu führen.

Diese Sammlung ist ein Werk der Auslesekunst und des Geschmacks eines Einzelnen. Es ist das Werk Paul Friedrichs. Wie mir scheint, wollte er uns zunächst hineinführen in das „Neuland“ der deutschen Lyriker, die seiner Generation angehören, die in den siebziger und achtziger Jahren das Licht dieser künstlerischen Welt erblickten. Was leistet, welche Werte bietet die Dichtung dieser Jungen und Jüngsten? Von dem, was diese junge Lyrik bisher an Gaben hervorbrachte, gibt uns die Sammlung einen Erntestrauß in die Hand, — einiges von dem Schönsten und Reifsten, das auf ihrem Acker erblühte.

Einiges Reifste und Schönste, — Fertiges und Gefestigtes. Vollständigkeit war nicht geplant. Ein allumfassender literaturgeschichtlicher objektiver Überblick über alle Richtungen und Entwicklungen unserer jüngsten Lyrik wird hier nicht geboten. So mancher Name fehlt. Das Buch ist mehr ein Musenalmanach auf das Jahr 1911, und wie bei jedem Musenalmanach ist die redaktionelle Auswahl auch durch allerhand Zufälle und Willkürlichkeiten bedingt und beschränkt...

[6]

Dennoch besitzt diese Sammlung, wenn nicht nach außen hin, so doch nach innen hin, einen in sich abgeschlossenen Charakter. Im großen ganzen und allgemeinen verspürt man einen einheitlichen Grundzug, und die sehr verschiedenen Gedichte sehr verschiedener Dichter schließen sich doch wieder zu einem Kunstwerk zusammen. Gerade das verleiht der Auslese Paul Friedrichs ein persönliches Gepräge und den höchsten Wert. Sorgfältig und mit prüfendem Blick hat er nur solches auserkoren und zusammengestellt, das seiner eigenen Kunst nahesteht und verwandt ist, das seinem ästhetischen Gefühl und Gewissen persönlich besonders zusagen muß. Ein Programm und ein Kredo Paul Friedrich zeichnet sich ziemlich unverkennbar ab. Das Buch will uns hinführen zu dem, was nach seinem Glauben und Gefühl die höchste Kunst ist, das letzte Ziel und Ideal der Dichtung ist und sein soll.

Die Ideal- und Ideenlyrik unserer jungdeutschen Poeten kommt in diesem Buch vor allem zum Ausdruck. Ihr kosmisches Empfinden. Pantheistisch-monistisches Gott- und Naturgefühl, die Religion und Andacht des modernen Menschen, der, ein Dichter und ein Denker, den Mysterien des Lebens nachsinnt und nachgrübelt. Zur Dichtung des Ernstes und der Strenge, der Nachdenklichkeiten und Beschaulichkeiten, die in priesterlicher Haltung hinweist auf das Ewige und auf den Höhen der Menschheit wandelnd, die Schöpferin und Erzeugerin aller Ideale ist, will Paul Friedrich die Künstler wieder zurückführen. Und daß er einen höchsten Sinn des Lebens verkündigen und in seiner Dichtung zu verkörpern vermag, das ist und bleibt allerdings stets das höchste Werk des Poeten.

Julius Hart.

[7][8]

Schuld

[9]
Über den Fluten
träumt eine Trauerweide,
sehnsuchttief.
Wo in die Fluten
sich senkt die Weide
in langendem Leide —
dort aus den Fluten —
mir ist, als ob ein Ruf mich rief
sehnsuchtschwer:
„Komm her!“
Dort in den Fluten
unter der Weide —
da ist's, wo mein Glück — wo mein Lieb entschlief. —
Schuld — hatten wir beide.

Wir gingen schweigend!

[10]
Wir gingen schweigend durch die schweigende Nacht.
Die Bergeshöhen schliefen; fernher schwebte
schlummernder Tannen Atem. Blätterbäume
am stillen Wege träumten sommerschön. —
Horch! heimlich Rieseln! — fern welch hehres Rauschen!
Welch heilig Raunen wandert durch die Welt! —
Glühwürmchen leuchten lieb um unsern Fuß —
fern tausend Sterne über unserm Pfad!
Wir wandern schweigend durch die schweigende Nacht —
Wir atmen kaum — — zwei arme Menschenhände
begegnen da sich still — in stiller — Nacht. —
Horch! in zwei Seelen hat sich jetzt verirrt
— von fern — ein Ton — vom Glück. —

Komm bald
(Ein Zwiegebet)

Nun ist bald all meine Jugend verblüht —
Nun ist bald all meine Glut verglüht!
Wo bleibst du, Wesen, dem all dies blieb?
Ich kenne Dich nicht — und ich hab Dich so lieb!
Meine Seele dürstet nach Deinem Glück!
Ich möcht' es Dir bringen mit einem Blick!
[11]
Meine Seele sehnt Deine Seligkeit!
Und Dir sie sein — o Seligkeit!
Komm bald!
Verzweiflung packt mich! Wahnsinnige Wut,
Dem Schicksal fluchend, durchrast mein Blut!
Du bist da! Wo? Wo? Deine Seele schreit
nach mir aus unendlicher Einsamkeit:
„Komm bald!
Es ist bald all meine Jugend verblüht!
Es ist bald all meine Glut verglüht!
Wo bleibst Du, Geliebter, dem all dies blieb?!
Ich kenne Dich nicht — und ich hab Dich so lieb!“

Künstlers Wandersang

Ich wandre durch Wetter und Sturm.
Um mich ächzen die alternden Eichen,
es bricht ihre knorrige Kraft.
Um mich zittern die jugendfrischen Tannen,
es zagt ihr himmelanstrebender Mut,
ihr jugendlich göttlich Mitmirwollen!
Es stürzen die Spitzen zu Tal. —
Trauer tötet mein Herz.
Ruhig wandr' ich durch Wetter und Sturm. —
[12]
Ich wandre zum großen Gipfel.
Weit ist der Weg —
Weiß wer den Weg?
Unter mir schwanden verschwemmte Pfade —
Steg nicht stützt mehr den Fuß —
Menschenbetretene Bahnen enden — —
Weiter streb' ich — zum Gipfel!
Ahnend ergreift ihn mein Geist!
durch endlose Öden
arbeitet emsig er auf.
Gipfelentstürzte
Steintrümmer steigt er
stürmend hinan!
Doch den vertrauenseligen Tritt —
stützt ihn der starke starrende Steinblock?
Mir unterm Fuße weg,
nicht den Schwung meiner Seele ertragend,
furchtbar rollt er zur Tiefe.
Aber schon schwang sich,
vertrauend auf sich,
zum höhern mein Tritt,
Felsblock auf Felsblock
tollkühn tretend,
zum gähnenden Abgrund donnernd.
Weiter! weiter!
[13]
über vergangener
starrer Welten
stürzende Trümmer
siegend hinweg!
weiter! weiter!
höher! höher!
wetterumwühlt,
grauenumgrüßt!
blitzumbrandet,
sturmumjauchzt!
sturmüberjauchzend hinan!! — —
Ich — sehe den Gipfel! —
Ich sehe der Wolken
wildgeballte
Riesenmauern
machtlos zerbrechen!
Ich sehe der Sonne siegendes Licht!
Ich betrete — schweigend den Gipfel.

Föhne

Ein bang Gewölk zieht rings herauf;
er kommt, er naht, der Föhn.
Horch! horch! schon rauscht sein Sang herab
von ewigen Eiseshöhn.
[14]
Seine Feuerseele fand wohl nicht
da oben, wonach ihn sehnt.
Nun braust er in der Menschen Tal
— horch! wie er sucht und stöhnt.
Er heult durch den Hochwald — er fand wohl nicht,
er stürzt sich tief in den See,
er wühlt in den Wogen — er fand wohl nicht,
es reißt ihn wieder zur Höh!
Er singt an hoher Felsenwand,
in jeder traurigen Kluft.
Nun zagt sein schweres Klagelied
weit durch die leere Luft.
Hör jetzt den wilden Verzweiflungsschrei!
Brechen jetzt will er die Welt!
Da ächzet der Wald, von der Felswand ein Block
donnernd in Tiefen zerschellt!
Ich wollt', der Wirbel jetzt packte mich
und schmetterte mich in den Grund!
Und er kommt! und er naht! und ich spür's: das ist...
jetzt... jetzt meine letzte Stund...
Jetzt packt er mich... jetzt... — jetzt steht er — still?
Plötzlich... was mag ihm sein? —
Er streichelt weh mir über die Hand:
„Ich grüße Dich — Bruder mein.“
[15][16]

Sonett für Friederike Brion

[17]
War sie ihm bloß ein schwermutvoller Klang?
ein Traum? ein Hauch? ein Blühn? ein Sterngeflimmer?
vielleicht der schmale Streifen Mondesschimmer,
der sein Gemach als Silbergurt umschlang?
War sie das Große, das die Nächte lang
uns schlaflos macht, da eine Stimme immer
denselben Namen spricht, bis sich das Zimmer
auflöst in lauter Wellen von Gesang? —
Ich weiß nur dies: sie ward des Herbstes Braut.
Die Stunden fielen ihr, wie Blätter fallen,
vom Baum der Zeit zu Füßen, ohne Laut.
Gesenkten Blicks, doch wie durch hohe Hallen,
schritt sie des Abends, ganz von Träumen schwer,
in finsteren Alleen hin und her.

Der verlorene Sohn

Immer durchwandr' ich denselben Wald...
Stämme an Stämme... dunkles Gezweige...
ach, wann leiten die schattigen Steige
mich zu freundlichem Aufenthalt?
[18]
Nirgends winkt ein erleuchtetes Haus,
Wälder als Wächter versperren die Ferne...
Alle Lampen, Geschwister der Sterne,
blies der Atem der Finsternis aus.
Was sie wohl jetzt in der Heimat tun?
Mutter macht Licht mit zitternden Händen
deutlich seh' ich den Schein auf den Wänden
und auf den Wangen der Schwestern ruhn.
Sprechen sie heute wieder von mir? ...
bald wird es Zeit sein, schlafen zu gehen...
Meine Kammer wird einsam stehen:
niemand schläft in ihr.

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

Weiße Straße sinkt zu Tale,
Lichter sammeln sich im Land.
Nun, so sei zum letztenmale
Himmelhin der Blick gewandt!
Mond, die goldne Opferschale
schwankt in schwarzer Wolkenhand.
[19]
Tiefer muß der Pfad sich neigen,
ahnend ist mein Herz erregt;
wie das letzte Laub an Zweigen,
die der Herbstwind leicht bewegt.
Endlich werd ich niedersteigen;
wo die Erde Häuser trägt.
Eine Türe werd ich halten,
seufzend wird die Klinke gehn;
durch die Ritzen, durch die Spalten
kann ich in die Stube spähn
und ich darf die beiden alten
Eltern endlich wiedersehn. —
Sieh, ich bin hinabgestiegen,
wärmer fühl ich Luft und Wind,
seh das Dorf in Lichtern liegen
und das erste Haus beginnt..
Heimat! — Herz an Herz zu schmiegen,
naht sich ein verirrtes Kind.

Die Liebliche und die Landschaft

[20]
Sink ins Dunkel, liebes Zimmer,
ob auch hell die Lampe brennt.
Ach, daß doch die Sehnsucht immer
nur die eine Landschaft kennt!:
weißes Haus und kleiner Garten,
dem ein finstrer Wald sich naht —
doch man darf auf Wiesen warten —:
sehr verengt sich schon der Pfad.
Wird sie auf der Wiese ruhen,
Hände unterm Haupt verschränkt,
mit vom Tau benetzten Schuhen,
Haar und Wangen taubesprengt?
Keine Blumen mag sie pflücken,
ach! wie tut das Gras so kühl... !
Bienensang... und Tanz von Mücken...
und des Himmels Ferngefühl... !
Aber kann ich sie nicht finden,
frisch hinab den sanften Hang!
Seh ich nicht den Fluß sich winden
weiße Häuserreihn entlang?
Boot gelöst und Ruderschläge,
Strahlen schweben, Wasser blinkt...
[21]
Und sie kommt zum Uferwege.
Und jetzt steht sie still und winkt. —
Ward das Kleid vom Windesfächeln
über Blumen leicht geweht?
Rührend Schlanke, wie dein Lächeln
mir im Blick und Herzen steht!
Dein gedenk, dir hingegeben,
sehn' ich mich um Glück und Ruh
und der Landschaft strömt mein Leben
ewig, unaufhaltsam zu.

Melancholie

Mir ist die Welt verschneit,
mein Haus hat blinde Scheiben —
ich muß in Einsamkeit
Briefe und Lieder schreiben.
Bald wird der Knabe März
Eisblumen kindisch pflücken
vielleicht will er mein Herz
damit zum Willkomm schmücken.
Geliebte, mir so fern,
erfüllt sich Wunsch und Warten?
Wann grüßt der schönste Stern
[22]
freundlich den ärmsten Garten?
Mit Tränen oft benetzt,
hab ich die schlichten Beete —
ach, wer begießt sie jetzt,
da ich ihn nicht betrete? —
Die Nacht ist hoch und kühl,
Wolken und Lichter schweben. —
Auffunkelt ein Gefühl,
Erloschnes zu erleben.
Erinnrung sinkt in Traum,
Traum neigt sich in Verzichten. —
Davon ein Abglanz kaum
gespiegelt in Gedichten.

Erinnerung an den schönsten Tag

O, das Zimmer, das einst ihre zierlichen Schritte empfangen,
noch hält es den Widerhall fest, inbrünstig mit Estrich und Wand.
Und ihr Möbel, an denen sie leicht und lächelnd vorübergegangen,
euch hat sie berührt mit dem Kleid und mit spielend-hingleitender Hand!
[23]
Und Licht war — o Licht lag beglückt auf den Bildern, Licht lag auf den Rahmen,
lag auf dem Boden verstreut... und war denn der Spiegel nicht Licht?
Weit dehnte das Zimmer sich da — und alle, die späterhin kamen,
standen noch immer in Glanz und Wunder und wußten es nicht!
War eine Stunde so groß wie diese? war je eine Gnade
dieser, der göttlichen, gleich, da Himmel nicht Himmel mehr schien,
Erde nicht Erde mehr war? Da Wolken sich teilten in Pfade
und der Schritt sich beflügelt erhob, zu Herrlichem hin...
O was war Traum und Leid und Schicksal? — Strahlende Stunde,
wunschlos trank ich dich auf, wie einer durch Nebel hin schwebt!
Alles war Glück in mir und ich hatte doch von ihrem Munde
niemals mehr als Gruß und freundliche Worte erlebt...

Der Verliebte, wieder allein

[24]
Wie lange standen wir vor ihrem Haus?
O soviel Liebes hatt' ich noch zu sagen! —
Ist dies mein Schritt? Wie? haucht mein Herz sich aus,
daß mich — ich lache ja! — die Lüfte tragen!?
Breit ich euch, Arme? — Diese Hand umfing
die liebe Schwester, selig im Verweilen.
Doch: muß ich durch so fremde Straßen eilen? —
zurück zu ihnen, die ich mit ihr ging!
Und: war dies nicht vielleicht zu schön für mich:
wie unsere Blicke, halb im Lächeln, sich
zu... leisestem Geständnis heimlich trafen?
Nun freu' ich mich auf einmal auf die Nacht.
Ich werd' im Bette liegen und nicht schlafen,
immer nur lauschen: wie mein Herz leis lacht...

Aus einem Zyklus: „Schlaflose Nächte“

[25]
Laß, Schlaf, an das Herz mich dir sinken;
Traum ist so schönes Land!
Ferne Gewässer blinken.
Wiesen sind ausgespannt...
— das Zimmer, das ist ja ein schwebender Garten,
mein Herz ist drin ein Rosenbeet...
im hohen Gras will ich liegen und warten,
ob sie nicht wieder vorübergeht...
— — — Warten... o warten! ....
Abendwind weht....
dunkle Stunde..., ist es schon spät?

Iphigenie

[26]
Ich brauche nur die Augen zu schließen,
so kann ich sie sehn:
unter dem Himmel, den alle Sterne verließen,
über die Wolken wie über Berge gehn.
Weiß ist ihr Antlitz, weiß ihr Gewand:
schwebend, von wehendem Hauch geschwellt, —
aber weißer noch ist der Göttin Hand,
die sie hält,
daß sie nicht Sehnsucht zur Erde befällt.
Denn noch ist ihr Blut nicht geklärt
von Leid und Trauer.
Drum ist auch der Himmel wie von einer Mauer
aus Winden gegen die Erde versperrt.
Winde, die sie aufhielten im Fall,
wenn sie die Sehnsucht zu heftig ergriffe
nach Mykenäs Mauer und Wall,
nach weißem Gespinst, nach gescheuchtem Ball,
nach Gruß und Tanz und der Waffen Schall
und dem Hafen voller Schiffe....
[27][28]

Ecce homo!
Wilhelm Schmidtbonn in Treuen zugeeignet

[29]
Was wissen wir von uns, von allen andern?
Wir halten unsere Hände tiefverschlungen
Und blicken in die glanzbeseelten Augen
Und glauben dies und jens zu sehen,
Doch fassen können wir es nicht, denn dieser,
Er kann die Hände plötzlich lösen, wütend,
Ein Fremder, den du nie gesehen, niemals
Gesprochen, deinen weißen Hals umspannen,
Dich würgen, bis du leer und nichtig bist.
Wie goldne Glocke, deren Klöppel fehlt,
Und kann vor deiner Leiche sich die Haare,
Besinnungslos vor Schmerz, ausraufen, klagen
Und weinen nächtelang bis in den Morgen
Und schafft doch niemals wieder jenen Klöppel.
— Und blicken von dem Söller in die dunklen
Verhangnen Wälder, quälen uns mit Worten,
Mit Süchten und Spitzfindigkeiten, bluten
In unsern Wechselleiden, ahnend, das wir,
Das Ich und Du, voll Liebe sind und wissen's
Nicht und können es nicht fassen.

Dirnenlied

[30]
Unsre Flammen brennen
Vor den Türen
In der Nacht.
Unsre Flammen führen
In den sternbesäten Garten.
Sieh, wir schlagen die Zimbeln!
Komm!
Hör die Brunnen rauschen,
Die vom Markt,
Und die Sterne,
Unsre Glutensterne,
Kommen zu uns aus der Ferne.
Sieh, wir schlagen die Zimbeln!
Komm!
Nimm das Heute, Heute,
Laß das Morgen!
Heut ist Nacht.
Was dich jemals reute,
War von gestern, nicht von heute.
Sieh, wir schlagen die Zimbeln!
Komm!
Über unser Bette
Gießt die Ampel
[31]
Roten Schein
Und aus unsern Kelchen
Blinkt ein tiefverborgner Wein.
Sieh, wir schlagen die Zimbeln!
Komm!
Unsre weißen Brüste
Hat noch keiner
Ausgeküßt,
Deine, meine Lüste
Jubeln in das einzge Heute,
Sieh, wir schlagen die Zimbeln!
Komm!

Neun Uhr morgens im Bett

Es ist ein träumendes Versinnen,
Es ist ein lächelndes Verzichten,
So fern von allem Schmerz und aller Freude,
Daß, steigen Tränen auf,
Sie in dem dunklen Brunnen
Versinken dieser Schweigsamkeit.
So streck ich meine müden Glieder aus
Und träume über diesen Lichtspalt,
Der in mein Zimmer spielt.
[32]
Ich bin's zufrieden, daß ich,
Vom Dunkel eingehüllt, hinruhe
Und kose drum das schwache Licht.
Sonst aber liegt mir alles ferne
Und fernher nur trifft auch der Menschen Lärm,
Ihr breites Schwatzen, ihre tönenden Gänge,
Ihr höhnischer Mund, ihre tötende Hand.
Ach, alles liegt mir fern, so selig ferne,
Durch Tür, durch dicke Mauer,
Durch mein Zimmer bin ich davon getrennt.
Ich bin allein.
Und das ist gut, so gut, so wunderselig gut,
Denn Tage gibt's, an denen Welt
Und Leben schmutzig sind,
So über alles Fühlen schmutzig,
Daß man die Finger schauernd an sich zieht.

Das ist der Traurigkeiten Stunde
Dem Andenken Paul Verlaines in Ehrfurcht

[33]
Das ist der Traurigkeiten Stunde,
Wo du nicht weißt mehr, was dein Sein,
Ob du nur Seele, die dem Leib entsprungen,
Ob du nur Körper bist allein
Und ob du klingst und ob du schon verklungen.
Wo alles Schauen wunderbar sich weitet,
Wo häßlich klar ein jeder Lauf,
Daß alles sinnlos, ohne Ende gleitet
Den Berg herunter und hinauf,
Das ist der Traurigkeiten Stunde.

Die Verlorenen

[34]
Und einer spielte einsam
Die Geige, deren scheue Lichter
An dunkeln Häusermauern
Entlang in Nächte führten,
Die andern aber saßen
Und blickten auf zur Decke,
Erstarrt und tränenlos,
Und horchten rauchend.
Zwei müde Kerzen
Verflackerten und eine Lampe
Schien gelb,
Der eine aber spielte
Die Geige.
Und alle wußten von dem einen Tag,
Wo sie mit langen schmalen Booten
Hineingefahren waren in
Die glatte Fläche.
Die Ruder hatten den Schimmer
Empor ans Licht gebracht. —
An einem wunderklaren Morgen,
Die Linden hatten fernher grün gegrüßt
Die Eichen und die weißen Häuser,
Dort hatten sie gestanden,
Die Mädchen, und gelacht, gewinkt.
[35]
Und alles hatte nur gelockt, gewinkt —
An einem wunderklaren Morgen.
Die Boote hatten ihren Weg
Erknirschend durch den kühlen Schimmer
Gegraben
Und hinten hatten Bänder
Geblitzt. —
An einem wunderklaren Morgen.
In alle war das Wort geschrieben:
Verheißung.........
... Die Flackerkerzen, die zwei,
Erloschen plötzlich, nur die Lampe schien.
Der aber spielte weiter,
Die Geige, immer weiter,
Sich selber überschluchzend.
Und wieder wußten alle
Von einem Tag.
An einem grauen Abend
Aufwehende Nebel, Schnee,
Und müder Regen,
Gestalten, nur Erscheinungen,
Nicht Mensch.
Sie gehn den Strom entlang,
Die Mäntel hochgezogen,
Der Strom, er schläft,
[36]
Wie eine Kuppel wölbt
Sich über ihn
Der wehende Nebel —
An einem grauen Abend,
Sie schweigen und gehn fort,
Die fernen Streckenlichter
Erglimmen trüb und fahl,
Ganz wie Spelunkenlichter.
An ihnen braust ein Zug vorbei
Im steigenden Rauchschleier
Erglühende, jauchzende Funken.
Sie brennen und jubeln
Und sinken, verfallen
Im steigenden Rauchschleier,
Sie fröstelt. —
Die letzten Brücken tauchen in
Den Strom.
Sie werden immer wandern da,
Denn ihre Seelen haben welke Flügel.
Ein Leichenkutscher stolpert,
Besoffen, fluchend in die Nacht vorbei.
Sie schweigen...
Und heute — morgen — übermorgen?
Wozu?
An einem grauen Abend
[37]
Aufwehende Nebel.......
.... Die Lampe lischt aufschauernd aus
Und in das Zimmer kriecht
Das Dunkel.
Die Geige zittert weinend,
So ganz — ganz leise.
Ganz — leise......
— — — — — — — — — —
Und schweigt — — —
Sie denken nichts und doch soviel.
Sie können nicht mehr weinen,
Sie können nicht mehr lachen.
Sie meinen,
Da — jetzt und jetzt wird sich
Die Türe öffnen,
Lichtströme werden
Einbrechen und herein wird schweben
Ein lichter Mann, der auf dem Haupt
Die Dornenkrone trägt,
Sie langsam auf die bleichen,
Verlornen Stirnen küssen,
Sie segnen, während sie erschauern.
Die Sonne wird aufgehen,
Die wunderklaren Morgen,
Und weit verschwimmen
[38]
Die grauen Abende.
Und Licht — und Licht
Und Kranz und Krone,
Und siehe — jetzt und jetzt,
— — Er aber will nicht kommen.
Er wird nie kommen.
Die draußen haben unter sich
Sein Reich geteilt
Wie seinen Mantel.
Vielleicht... Umsonst... Doch jetzt...
Die Pforte bleibt geschlossen.
Sie schweigen, keiner rührt sich
Und ihre Seelen sterben.
Sie können nicht aufweinen.
Ganz dunkel ist es worden.

Lied des Adam

Immer bin ich allein,
Immer wander ich über die Erde,
Trage auf meinen Schultern
Die Axt aus Stein
Und in meinen Händen
[39]
Hammer und Messer.
Wirken muß ich tagaus, tagein,
Muß Bäume höhlen zu Nachen,
Muß Äcker bestellen und Felder,
Muß weiden die Herden.
Hunde bellen mich an,
Geier und Raben umfliegen
Mich und mein wirrgeknotetes Haar.
Aber noch bin ich.
Noch drohn meine Hände ihnen
Und den Wölfen, die mich
Im Glanz der Sterne umheulen.
Aber ich bin noch,
Wenn auch blutig und geschunden,
Bin ich noch Adam, bin noch Adam.
Wie ich dem Geschicke trotze,
Das mich brach und von den Meinen schied,
So hab ich Trotz für alles,
Was sich an mich drängt.
Habe Trotz und meine Axt.
Keiner kann an mich rühren.
Nur denk ich's, wie es geschah,
Reiß ich die Felder brüllend auf,
Wühle die Schollen empor.
Möchte den Mund mir zutun
[40]
Mit Erde, unserer Erde,
Will ja nicht denken, wo
Eva jetzt ist,
Und wo Abel und Kain
Und wo alle die Meinen.
Den Mund will ich zerbrechen,
Der danach fragt.
Hör es, mein Mund!
Hör es und schweig!
Du bist ja mit mir geflohn
Vor ihnen, fremd wie ich
Ihren Antlitzen geworden.
Auch du trägst nur Haß
Gegen sie, die alles verbrach:
Eva —
O keine Kohle ist glühender
Als mein Haß gegen sie!
Und doch gedenk ich derer,
Die einst mir war,
Damals, als Tiere uns dienten,
Wolken unsere Schiffe waren,
Wälder unsere Tische,
Berge unsere stummen Wächter,
Gedenk ich derer,
Wird alles in mir weh und wund
[41]
Und all Verhärtetes bricht auf.
Wie sie sich an mich schmiegte,
Wie ihre Lippen rot waren.
Und wie Fleisch von Kirschen
So weich ihre Wangen.
O und ihr Haar,
O und ihr Mund,
Der so süße Worte sprach,
Wie ich sie nie mehr gehört!
O Eva, meine Eva,
Warum mußte das geschehn? —
— Da fuhren wir auf,
Schauten einander an.
Flohen, flohen wie Wasser über den Berg,
So sehr lag Fremde in unsern Augen.
Gleiches fühlten wir nicht mehr,
Wir aßen ohne Wort und schliefen nicht
Und fühlten nur den Haß in unsern Adern kochen.
Die Welt ward umgekehrt
Und Letztes wurde Erstes
Und Tier und Ding und Mensch ward Feind.
Da brach ich einen Baum entzwei
Und ging allein, allein hinaus,
Um dich zu suchen,
Jenes Bild der ersten Eva,
[42]
Deren Mund so süßes Wort entflog,
Und deren Stirn noch keine böse Falte trug,
Dich such ich, Gnadenquell,
Krug aller Heiligkeit,
Speer aller Seligkeit,
Dich such ich immerdar in meinem Wandern.
Dir meine Liebe,
Dir meine Kraft,
Dir meine Arme,
Dir meine Sennen,
Dir mein Mark!
Eva, Eva, süßeste Eva,
Sei mir gegrüßt!
[43][44]

Hexenküche
Eine Allegorie

[45]
Wer steht dort in der dunkeln Kammer
Und schwingt auf eine Eisenklammer
Den Hammer?
Ich bin der Jammer!
Wer webt da an dem Totenkleid?
Ich bin das Leid!
Wer ist's, der dort die Flammen speit?
Der Neid!
Ihr Schwestern, was drängt euer gellender Schritt?
Nimm uns mit!
Wir lassen uns borgen
Von heute auf morgen —
Wer seid ihr? Die Sorgen!
Sieh dort jene Esse, wie raucht und loht
Der dampfende Schlot!
Davor steht ein Weib und schürt die Glut
Mit Wut:
Ich backe aus Blut
Euch Brot —
Ich bin die Not!
Was glänzt dort so bunt in dem düsteren Raum?
Kannst du es erkennen, ich sehe es kaum!
[46]
Es ist eine schillernde Qualle aus Schaum:
Ein Traum!
Eine Seifenblase bläst dort ein Kind,
Geschwind, geschwind
Zerrinnt sie in Wind.
Was bläst du, Knabe, mit leuchtendem Blick?
Fang's auf, ich blase das Glück!
Horch, hörst du's nicht rauschen wie Sensenklang?
Ein schwellender, reiner, entzückender Sang
Zum Schleifen erklingt
Wer ist's wohl, der singt?
Die Parze singt und das Schleifrad saust,
Ein Windeswehen die Alte umbraust,
Drin wirbeln vergilbte Blätter viel,
In tollem Jagen, in heißem Spiel.
Ohne Ruh, ohne Ruh.
Immerzu!

Mittagsglast
(Komponiert von A. Ritter)

[47]
Kornmuhme flirrt mit tödlich heißem Munde
Durchs reife Korn und seine goldnen Fluten;
Der hohe Mittag brütet in der Runde,
Die Luft liegt ausgetrocknet in den Gluten —
Schlummre nicht ein! Denn jetzt ist Zauberstunde —
Im Walde raunt der Sommer mit den Druden —
Die Sonne flammt wie eine tiefe Wunde,
Die Mohnen in den goldnen Feldern bluten.

Keuschheit

Keuschheit, wunderliches Weib,
Dufterschaffenes bleiches Schemen,
In dem Haar den weißen Kranz
Halberblühter Wasserrosen.
Lächelnd stehst du vor mir da.
Unbewußt, in dunklem Sehnen,
Traumbild du, Astarte gleich!
Tief in deinen feuchten Augen
Liegt's wie Knospen, liegt's wie Träumen,
Wie ein weicher Tag im März.
Keuschheit, frühem Tod Geweihte,
[48]
Deine Engelsflügel schwinden,
Deine Blicke werden schärfer,
Stolzer um die zarten Lippen
Zeichnet sich ein herber Zug...
Jetzt erkennst du dich... du fühlst es...
Daß du besser bist und größer
Als die Andern...
Du — erkennst dich — — — und — Du stirbst! —

Der arme Kaspar und der Tod

Jüngst träumte mir:
Vor einer Gruft,
Die hohl und schwarz und schaurig gähnte,
Und die ich ohne Ende wähnte
Ränge ich mit dem Tod.
Der klapperdürre Schuft
Machte mir armem Kaspar große Not.
Schon war ich meinem Ende nah,
Da — stolperte Freund Hein —
Ich weiß nicht mehr wie es geschah,
Ich sprang zurück, er fiel hinein...
Da griff ich nach der Hippe
Und schlug so lang
[49]
Auf sein Gerippe,
Bis ihm der Schädel sprang.
Pang!
Rasch warf ich Sand und Erde auf,
Bis ich den Spalt geschlossen ganz,
Dann sprang ich selber oben drauf
Und tanzt ihm einen Totentanz.
Ein Kreuzlein pflanzt' ich auf sein Grab,
Dran hing ich beim Gekrächz der Raben
Ein Blatt, dem ich die Aufschrift gab:
Menschen! Hier liegt † † †
der Tod begraben.
Dann sprang ich über die Kirchhofsmauer,
Risch und gesund.
Da kam das lachende Leben her,
Es frug nicht lange nach meinem Begehr:
Ich küßt' es auf seinen roten Mund.

Der Egoist

[50]
Draußen vergraut ein Großstadttag. —
Dumpf tönt das Branden von seiner Flut —
Abschüttl' ich den Dunst, der auf mir lag —
Hier oben ist's still und alles gut.
Nun bleibe da draußen, was heut mich verdroß —
Ein Ruck — der Riegel springt ins Schloß...
Ich bin zu Haus;
Langsam ziehe den Tag ich aus.
Und dann
Zünd' ich all meine Lampen an.
Noch dröhnt mir im Ohre der wilde Lärm,
Noch seh ich der bleichen Larven Gehärm,
Noch tanzt vor dem Blick mir ein Schattenschweben
In flutender Hast...
O Leben!
Wie schwer, wie schwer ist deine Last!
Aber mich soll heut keiner mehr stören,
Will nichts mehr sehn und nichts mehr hören.
Ich weiß, daß Arme frierend stehn,
Mit ausgestreckten Händen flehn,
Ich weiß, daß viele mäht der Tod,
Daß groß die Roheit, groß die Not...
Jetzt buhlt und feilscht das Laster grell...
[51]
Was schert das mich!
Ich bin Ich!
Heut brennen die Lampen doppelt so hell!
Auch ich hab einst von Menschen geschwärmt,
Um falsche Herzen mich müd gehärmt,
Hab auch in dieser rastlosen Flucht
Mit leeren Händen nach Treue gesucht,
In alle Gassen hab ich gespäht,
Um Freundschaft gebuhlt, um Liebe gefleht,
Aber sie waren wie Stein:
Ich blieb allein!
Da deckte der Stolz meine Wunden zu —
Nur manchmal schmerzen noch die Narben —
Und ich hab Ruh!
Laß lärmen die Armut, jammern die Not,
Laß sausen das Leben, wüten den Tod —
Das Poltern und Pfeifen, Geschrei und Geschell —
Was schert das mich?!
Mir brennen die Lampen heut doppelt so hell.

Ein Sommertag
(Wannsee)

[52]
Ein Junisonntag war's, du lagst im Gras,
Das leis im Winde seine Rispen bog
Und blicktest, aufgerichtet auf den Arm
Mit weiten, durstigen Augen nach dem See,
Der tief umbuscht zu unsern Füßen lag.
Im herben Wind zog traumhaft, mövengleich
Manch helles Segel auf der Fläche hin,
Die silbern in der Sonne schimmerte.
Von drüben winkte einer Villa Bau
Hell und gelassen durch das Kieferngrün.
— — — — —
Was sann dein Herz? die Sehnsucht nach der Ferne
Glomm dir im Auge wie ein fremdes Licht.
Ich ruhte still in deinem Schoß. Die Augen
Bald auf des Sommerhimmels Blau gerichtet,
Das tief sich im Unendlichen verlor,
Bald deine großen Kinderaugen suchend,
Die über mir weit in die Zukunft sahn.
Ein niegekannter Friede war in mir;
Das Blut, das Jahre stürmisch in mir schrie,
Es ebbte sacht und alles Sehnen schwieg.
Nur eine müde, träumende Erwartung
Durchdrang mich wie ein namenloses Glück.
[53]
Ich sog den Duft von deinem jungen Leib,
Den ich noch nie in meine Arme schloß
Und dessen Herz und Liebe du mir gabst
Und fühlte, daß dies warme Leben mein.
Und eine Stunde stand vor meinem Traum,
Wo dieser Hüllen allerletzte fallen
Und sich dein schlanker, weißer Leib mir stumm
In junger Liebe Schauern schenken würde
In seiner herben, unberührten Schönheit.
Doch der Gedanke war mir Glück genug
Und wie ein weißer Falter gaukelte
Er mir um meine halbgeschlossenen Augen,
Indes mein Kopf in deinem Schoße lag.
Ich wagte jenes Glück noch nicht zu stören
Und unbeweglich, ganz durchdrungen nur
Von des Erwartens stummer Seligkeit
Lag ich an deinen jungen Leib geschmiegt,
Bis uns des Tages goldnes Licht versank.

An Camilla Eibenschütz
als Wendla Bergmann in „Frühlings Erwachen“

[54]
Wendla, du seltsames Träumerkind,
In deinen Augen zittert das Weib,
Wendla, hörst du den Frühlingswind?
Hüte dein Herze, hüt deinen Leib!
Der Lenz, der ist ein Nimmersatt,
Horch, wie der Wind um die Dächer schnaubt.
Hat er dir schon dein Kränzel geraubt?
Nun welkst du hin wie ein Rosenblatt,
Wendla!
Wendla, was hat dich so blaß gemacht?
Du bist so arm und bist so reich —
Kind, Mädel, Mutter in einer Nacht —
Wendla, bald kommst du ins Himmelreich.
Doch dich, du junge Künstlerin,
Die du dies Bild zum Leben erweckt —
Dich segne die Kunst, dein ahnender Sinn
Hat unbewußt das Höchste entdeckt.
Kind, Mädchen, Mutter in einem stand
Lebendig vor unsrem schauenden Blick,
Nun, wo dein silbernes Lachen schwand,
Ruft es die Sehnsucht vergebens zurück!

Impromptu macabre
Les petites femmes

[55]
Alle Frauen sind selbstsüchtige Kinder,
Im Egoismus bald herber, bald linder;
Sie hassen den Ernst und alle Beschwerden
Und leben nur, um geliebt zu werden.
Das Herz soll all ihre Launen decken,
Sie spielen mit ihm ein wenig Verstecken;
Ernährer, Erzeuger ist ihnen der Mann,
Im übrigen geht er sie gar nichts an.
Ihr einziger Wnnsch ist Kinder zu haben
Und sich an Zucker und Tand zu laben.
Wir Männer sehn sie bewundernd gehn —
Wir lieben sie, weil wir sie nie verstehn.
Die Frauen wissen die Angel zu werfen,
Aber auch Widerhaken zu schärfen,
Halb durch Verschwenden, halb mit Geizen
Anzulocken und aufzureizen.
Ihr Mund ist schüchtern, die Augen sind keck
Und die „Schönheit“ ist der Mausespeck...
Frauen sind Schattenträume des Lichts,
Seltsame Kombinationen aus Nichts,
Von einem Teufelsgehirn erdacht
Und täuschend — menschenähnlich.. gemacht.

Pierrot und der Mond

[56]
In den blauen Sommernächten,
Wenn die silbernen Narzissen
In den Himmelsauen blühen
Wandelt Pierrot durch die Felder.
Und er denkt an Colombine,
Die mit Kastor Küsse tauscht.
Wenn die silbernen Narzissen
In den Himmelsauen blühn.
Pierrot starrt hinauf zum Himmel,
Wo des Mondes weiße Rose
Groß und leuchtend aufgegangen
Unter silbernen Narzissen.
Und mit einer stolzen Geste
Greift der blasse Träumer Pierrot
Zwischen all den Himmelsblumen
Nach des Mondes weißer Rose.
Schluchzend bricht er sie vom Himmel
Und die spitze, weiße Nase
Drückt er weinend in den Mond —
In den blauen Sommernächten.

Traumala

[57]
Ich will den Duft der Ferne in dir spüren,
Du sollst das Abbild deines Landes sein —
In deinen Augensternen spiegle sich
Der dunkeln Weiher weltverlorne Schönheit,
Der Wälder schwarzer Samt, das weite Meer.
Aus deinen Haaren steige leis ein Duft
Der Fruchtbarkeit der wirren Ackerfelder;
Dein Atem sei dem weichen Südwind gleich,
Der durch die Pappeln und Zypressen flüstert
Und der um junge Rosen leis gebuhlt,
Um Rosen der Provence.
In deiner Glieder wellenhafter Rundung
Liege ein Abglanz hügeliger Landschaft,
Vom Blütenschnee des Frühlings überhaucht;
Und deine Lippen seien schwellende
Granaten, Blüten einer heißren Sonne —
Deiner Heimat zärtlich liebe Laute
Sollen sie leise lispeln wie Musik.
So will ich mich in deinen Armen ruhend
Verlieren aus der öden, unwirtlichen
Steiftrocknen Kälte meines rauhen Nordens,
Den ich so hasse, wie ich doch im Grund
Die tiefen Gründe meines ernsten Volks
Mit wehmutsvoller Liebe lieben muß.
[58]
Der Schein ist schal, indes er euch verklärt.
Erst unter tauber Schlacken hartem Stein
Ruht dieses Volkes Gold, schläft seine Seele...
Du hörst sie selten und du denkst, wie kalt
Wie frostig — sind die Menschen hier, ohn' Lächeln
Und ohne Herz. Du irrst dich Kind, es schläft,
Schläft unter Dornen wie die deutschen Mären.
Doch viele, es ist wahr, sind lebend tot.
Sie schaffen nur noch ohne Ziel und Sinn
Und rauchen vor Geschäftigkeit und Ehrgeiz.
Sie machen, daß ich friere in der Heimat
Und Wärme mir an fremdem Herzen suche,
Du Tochter eines glücklicheren Lands. —
Ich will den Duft der Ferne in dir spüren,
Du sollst mir selbst geliebte Ferne sein,
Die dennoch nah ist, weil das Nahe fern.
Und wenn einst meine letzte Stunde schlägt,
Dann sei dein Atem eines dunkelblauen
Weltabgewandten Meeres erstes Grüßen,
Auf dem ein großes, gelbes Segel steht,
Das mich zu unbekannten Ufern trägt,
Zu neuen Weltgestaden, wo ich dich,
Die mir dann Fremde wieder suchen werde. —

Rassen
(Aus dem Französischen von Lucie Delarue-Mardrus)

[59]
Ihr, die ihr einen Stammbaum habt
Und mit ihm durch Glück und durch Unglück trabt
Und zu wissen glaubt, was für Blut
Euch im Herzen schwehlt oder träge ruht —
Ihr könnt mir nicht sagen, aus welchem Gebraus
Von Stolz oder Elend ich kroch heraus,
Noch was für Menschen vor langen Jahren
Meine Ahnen, die ich nicht kenne, waren.
Auch ich weiß das Rätsel nicht zu lösen,
Doch ich fühle Millionen verschiedenster Wesen
In mir sich bekämpfen.
Und weiß ich, wieviel
Ich selbst bin in diesem verworrenen Spiel?
Wenn ich Abends am Fluß, wo Fabriken dröhnen,
Meine Ahnen sehe als Bettler, die frönen
Oder Apachen, verrohte, verwegne,
Deren Gestalten ich streifend begegne,
Oder wenn ich in meinen Kissen
Reglos liege in Dämmernissen
Und mich plötzlich ein Schauer durchgleitet,
Daß mein Blick sich angstvoll weitet,
O, dann wünsch' ich aus tiefen Schmerzen
Euren Tod in meinem Herzen,
[60]
All ihr Weibtiere, Damen und Seelen,
Die mir im Blute tanzen und schwehlen;
Liebesvetteln mit dürren Hirnen,
Keusche Jungfern, Freudendirnen,
Wilden Rudels wüstes Gehetze,
Frauen vom Meer, Frauen vom Land,
O, meine Mütter, ihr Gegensätze!

An das Feuer

Wie ich dich liebe, rote Flamme
In deiner hungrig züngelnden Gier...
Bin ich doch Bruder vom gleichen Stamme,
Sehe ich doch mein Abbild in dir!
Sehrend leckst du mit lechzender Zunge
An deiner Beute, sei's Kohle, sei's Holz;
Wirfst dich auf sie in tückischem Sprunge —
Liebst sie, bis sie zu Asche schmolz.
Heiß ist dein Lieben, heiß wie mein Sehnen,
Das nach dem Höchsten, dem Fernsten flammt,
Lockend dein Lied, das von den Sirenen
Und ihren brünstigen Töchtern stammt.
[61]
Rasch ist dein Leben, rasch wie mein Leben,
Das sich vor Glut in sich selber verzehrt —
Gebend im Nehmen, gebend im Geben
Und doch am Ende sich nur verheert.
Wie ich dich liebe, hungriges Feuer
Wenn du dich flackernd zum Sternenraum bäumst,
Glühend, ein rasendes Ungeheuer,
Weil du nicht fandest, was du träumst.
Zischend vor Zorn, berauscht und trunken
Von deiner tödlichen Wildheit und Macht,
Bis du in Leuchten zusammengesunken,
Sterbend am schweigenden Hasse der Nacht.
Seh ich dich, fühl ich die Wange sich röten
Wie von Gewalten verderblich schön,
Die uns vergöttlichen, wenn sie uns töten,
Die uns zerstören, weil sie erhöhn!

Allrausch

[62]
Seit mich die heiße Inbrunst überkam,
Ward mir ein dunkler Sturm das ganze Leben,
Fühl ich mich innen wie verwandelt heben,
Wächst mir aus jedem Rausche neue Scham.
Nicht Höhn noch Tiefen kenn ich; was infam
Mir deuchte muß sich willig drein ergeben,
Sich in der Dinge Teppich zu verweben,
Weil mir das Licht der Werte Schleier nahm.
Nun kreist in mir das Blut erlöster Wälder,
Das Blut der Herden und der schwangren Frauen
Und aller tiefsten Fruchtbarkeit Gebot.
Der Geist der Städte und der Duft der Felder
Ward mir zu wundervollem Allerschauen
Und heißer Schöpferwehen heiliger Not.
[63][64]

Schneepalast

[65]
Zum Schneepalast verzaubert über Nacht
Sind die frostklaren Gärtchen unterm Fenster;
Wie frischer Linnen Glanz liegt's drüber hin;
Doch der verzweigten Äste Netzgewirr
Verrät sich durch die Decke künstlicher
Und schärfer nur.... Mit wucht'gem Tone hebt
Das Schwarz der Stämme sich vom Boden ab,
Und Heller strahlt des Himmelshermelins
Bräutliche Weiße, wenn aus Schattennacht
Sie hymnisch wie zum Quell des Lichtes steigt.
Und immer zarter und vielfältiger
Wird nun der Farben Stufung: dämmern doch
Des Abends violette Töne schon
Langsam empor — und wie in seligen
Akkorden schmilzt verdämmernd Weiß und Schwarz
In sie hinein — ein Schöpfungs-Einklang quillt
Aus allen tiefen Bronnen der Natur —
Und traurig-fahler Winterhalbmond schwebt
Im hohen Zwischenreich von Tag und Nacht.

Alte Briefe

[66]
Aus alten Briefen steigen Bilder auf
Wie Geister, die ein dumpfes Grab verschloß —
Das drängt aus Zeit- und Seelengrund herauf,
Von Frauen, Freund und Feind ein Schattentroß...
Meiner Erinnerung Beschwörungswort
Gab ihnen kurzen Lebens Frist und Schein —
Nun ziehen sie aus ihrem Ruheport
Zu allen Toren meines Herzens ein...
Und mancher Schatten sieht mich so verwirrt
Mit hohlen, lebensücht'gen Augen an —
Und greifbar, wie ein dunkler Vogel schwirrt,
Drängt sich's mit Geisterkraft an mich heran.
Mit tausend Lippen saugt sich Lieb und Haß
Aus Grabesnacht an meiner Seele fest —
Doch durch die Scharen wandelt stumm und blaß
Ein fremder Geist, der sich nicht deuten läßt...
Der lächelt mir mit Liebesmondenblick
Wie eines Traumbilds Auferstehung zu
Und grüßt wehmütig mich und mein Geschick
Und winkt die wildverworrne Schar zur Ruh'...

Dämmerung

[67]
Leise fließt in den Abend der Tag;
Auf leichten Schwingen wiegender Luft
Gleitet die Dämmerung her......
Noch ist es Tag — aber die Formen blassen;
Noch ist es Tag — aber die Schatten wachsen;
Licht und Dunkel verrinnen in schwebendem Ton...
Noch umspielt mich am Schreibtisch ein letztes, zartes
Hauchen des Tages; die Bäume nicken aus Schleiern;
Aber der Abend ist schon in der Dämmerung nah...
Steigt bald im Krönungsmantel die sternenhehre
Nacht empor zum einsamen Weltenthrone?
Oder sinkt unergründliches Dunkel herab?
In des Dämmers feinen Gebrochenheiten
Werden ferne Küsten und Märchen lebendig,
Aber auch Schauer der Gründe wittern darin...
Und meiner Arbeit versagt schon die Neige des Lichtes;
Zwischen zwei Welten zieht sich die schmale Grenze;
Und mich bangt und fröstelt — noch ist es Tag....

Stimmungen

[68]
In feuchtem Glanz aus kurzem Regenschauer
Löst sich der Sonne untergehend Licht —
Schon tropft es lieblicher, schon fächelt's lauer,
Und Abendschleier hüllt das Weltgesicht...
Und schimmertrunken sprühen Sonnenkränze
Am Himmelsrande wolkensprengend auf;
Die Wipfel tanzen leichte Silbertänze
Und wirbeln Düfte zum Gewölb' hinauf....
An anderm Tag: Mit stillen Heiterkeiten
In reifer Sommerblüte steht die Welt —
Voll feierlichem Prunke sind die Weiten
Und atmen Wonne wie ein Lustgezelt....
Auf weiche Rasen durch das Dach der Bäume
Fließt üppiger, goldwarmer Sonnenguß;
Nun steht sie atmend wie der Traum der Träume,
Glührotes Auge, flammenheißer Kuß...
Da glänzt des Schiffes Bord vom Sonnenhauche,
Und heil'ge Schönheit quillt aus Sonnenblut —
Verzaubert liegt in bläulich feinem Rauche
Die Welt, die zwischen Licht und Schatten ruht...

Morgen

[69]
Eben noch alles im tiefsten Dunkel,
Nacht und Nichts:
Da plötzlich
Vor mir
Im leeren Raum
Flackert ein Lichtstreif:
Der Morgennähe
Erster nachtverängsteter Gruß —
Und wie am ersten Weltenmorgen
Treten Formen aus Nacht und Nichts,
Eine bekannte, doch neue Welt
Voll unwirklicher Wirklichkeit....
Biedere Larven von Ofen und Stühlen
Wachsen wie Rätsel ins Licht hinein;
Aber dem ersten hellen Ring
Folgen huschende Lichter nach;
Schon fing sich im Sonnennetze
Die wunderlich-vielförmige Welt;
Und grell-verdrossen
Sieht den Schlaflosen der Alltag an.

Wünsche

[70]
Warum fliegen die Wünsche so hoch?
Müssen's doch wissen,
Daß sie hoch oben im Blauen verwehen,
Mit den flatternden Wölkchen zergehen,
Daß sie bald elend zu Boden gerissen —
Warum fliegen die Wünsche so hoch?
Und doch können sie es nicht lassen,
Möchten Erd' und Himmel umfassen
Und der Sonne ins Antlitz schaun —
Und in der azurenen Reine
Aus den Fäden von goldnem Scheine
Ihren Träumen ein Nestchen baun.
Irgendwo lockt unendliche Schöne,
Zittern ewigen Glückes Töne,
Und ewig zieht's den Wunsch ihnen nach —
Und was tut's, wenn in endlosen Räumen
An des Traumlands flimmernden Säumen
Er sich die schwärmende Schwinge brach?!

Die Sterne

[71]
O Stern des Wunders und der Abenteuer!
O heil'ger Stern des ewigen Bestand's!
Wie jäh erloschen Eure Doppelfeuer
Im Dunste winterlichen Nebellands!
Das war ein selig Locken und Geloben
In Eurem süßen, treuen Sphärenlicht, —
Und kehrt' ich den bedrängten Blick nach oben,
Das bloße Schauen stärkte mein Gesicht.
Denn wie ein Gruß der großen Dioskuren,
War es vom Firmament herabgeweht,
Und alle Fülle Eurer Lichtnaturen
Ergoß sich in mein irdisches Gebet....
Ach, warum brach der Pol aus meinen Himmeln
Und wohin schwand mein leuchtend Sternepaar?
Wie Millionen kalte Augen wimmeln
Lieblose Lichter über meinem Jahr...

Sonnentag im Walde

[72]
Himmelsfriede,
Waldfriede
Blaut und grünt um mich
Und wiegt mich
Wie auf blankem Spiegel,
Hegt mich
Wie in tiefem Schoß,
Indessen ich,
Dem Stamm zu Füßen
Und ins Buch vertieft,
Doch öfter
Über seine sonnenbemalten
Blätter hinweg
Ins Blaue träumend,
Mit diesem Friedensgeist vertraut,
Welt fühle,
Mich fühle
Und immer so
In holdem Reigen
Eins und zwei....
Über mich ziehen
Leise Säuselchöre
Durch die dämmernden Wipfel,
Deren Schattenzacken
[73]
Blaue Himmelsflecke,
Zitternde Lichtsäulen
Überfunkeln....
Neben mir regt sich
Des kleinen lebendigen
Waldgewimmels
Hundertfältiges Getrieb —
Und trägt friedfertige
Geschäftigkeit
In Friedensruhe,
Die des Kampfes
Und der Stadt vergaß....
Und unbewegt
Steht der leuchtende Tag
Überm Wald,
Der wie im Halbtraum nickt;
Des Sommers unverzerrtes
Seelen-Antlitz
Blickt mir entgegen,
Und immer wieder
Wie leise Psalmen
Rauscht es wipfelan
Und erdenwärts.....

Zwang

[74]
Nichts können wir dazu tun, nichts davon;
Es walten große Hände über uns.
Und peinlich abgewogen, zugezählt
Ist unsres Schicksalsmaßes jedes Lot...
Wir aber gehen wie in Rausch und Wahn
Der Freiheit durch dies Leben; dünken uns
Noch in des Labyrinths Verstrickungen
Der eignen Taten Täter; schmieden selbst
An unsres Schicksals heißgeglühtem Ring
Und wissen nicht, daß Etwas unsre Hand,
Die kraftgeschwellte, wie am Faden lenkt.
Und lauschen angstvoll in die Dämmerung,
Als heischt' sie Sühne der unschuld'gen Schuld,
Und werfen uns vor Mächten in den Staub,
Aus denen doch die erste Sünde floß...
Dem Altar eines unbekannten Gotts
Versprüht wird Blut und Seele; und das Rad
Des Daseins dreht sich über Rausch und Wahn
Und Qual und Reue fühllos durch die Nacht...
[75][76]

Aus „Telemach“

[77]

I.

Ich komm' zu dir aus einem Schattenland,
In dem mein Geist sich lange Zeit vergraben.
Ich tret' in deiner Klarheit hellen Saal,
Ein Pilger auf den Pfaden seiner Seele.
Was zögerst du? Ist mein Gesicht so fahl,
Daß du erschrickst vor längstvergangener Fehle?
Du kennst mich nicht — und doch: wir beide haben
Den gleichen Stein im Ring auf unsrer Hand.
Durch eine Frühlingslandschaft trug den Schritt
Die Anmut deines schicksalvollen Lebens.
Am Himmel zog der weißen Wölkchen Lauf,
Dein lichter Tag war gold- und rosenfarben, —
Und doch hobst du die Kränze lächelnd auf
Der Blumen, die verwelkt am Wege starben.
Noch in die Heiterkeit des sanften Strebens
Nahmst du die Klänge dunkler Stunden mit.
Derweil schritt ich auf rauher Bergeswand,
Ein blasser Büßer, hin in armem Hemde:
Die Sonne zögerte bei meiner Qual
Zum Untergang in Wolken sich zu neigen;
[78]
Jedoch ich fand den Weg zum grünen Tal,
Den Weg zu dir, und du verstehst mein Schweigen.
Ich kam zu dir aus der verbotenen Fremde
Und dennoch reichst du mir die schmale Hand.

II.

Ich lese den Roman und denke: ich und du.
Dein Krankenzimmer liegt im blauen
Gedämpften Lampenlicht — du schweigst sehr blaß
In deinen weißen Kissen — aber was
Für Bilder sind's, die deine Augen schauen
Auf meinen Lippen? Deine Hand bewegt
Sich hin zu mir, und eine Welle schlägt
Mich auf zu dir.... Das Buch fällt auf die Decke,
Die Hände trennt noch eine kurze Strecke.
Zu weit.. zu weit.. sie bleiben wo sie sind..
Zu spät.. zu spät.. der Augenblick verrinnt
Wo ich dir mehr als dein Gesetz gewesen,
Wo deine Augen, wechselnd wie das Meer,
In meinen untertauchten, wo du mehr
Als Liebe nur in mir gelesen..
Ich lese weiter, was wir dachten: ich und du.

III.

[79]
Kleine Flocken, weiße Flocken,
Wirbeln, stürmen kühn dahin.
Wie sie locken und verlocken
Und verschneien meinen Sinn!
Soll ich folgen? soll ich bleiben?
Ach, schon zieht's mich lieblich hin.
Über Weiten will ich treiben,
Durch die weißen Wälder ziehn.
Will mit hellem Herzen trinken
Schönen Schweigens Anbeginn,
Will als Flocke langsam sinken,
Wenn ich wandertrunken bin.
Will mich an die Erde schmiegen,
Wissend, daß ich einst zerrinn;
Leicht und freudig werd ich liegen,
Wenn erstarren Hand und Kinn.
Kleine Flocken, weiße Flocken,
Wirbeln, wirbeln wild dahin.
Wie sie locken und verlocken
Und verschneien meinen Sinn!

IV.
(Für Constantin Somoff)

[80]
Wachende, die ihr zum Aufgang geht,
Ist euch die Nacht so schwer?
Wenn ihr im Dunkel kein Licht mehr seht,
Sind eure Seelen leer?
Habt ihr euch über die Seele geneigt?
Ach, ihr sprechet zu viel —
Wachende, wisset: wer tief ist — schweigt.
Ach ihr sprechet zu viel.
Und wenn die Sonne dann kommen wird,
Rot im Golde erstehn,
Seid ihr in euren Träumen verirrt,
Werdet sie nicht verstehn.
Wachende, die ihr zum Aufgang geht,
Seht doch, das Dunkel ist leicht:
Wenn ihr die Seelen schweigend versteht
Jedes Grauen der Masken weicht.
[81][82]

Der Spaziergänger

[83]
Nun sank der Mond. Die Nacht ist kahl;
um ihres Saumes Fluten
flirrt eines Lichtleins müde Qual.
Der Traumhund winselt durch das Tal
und glurrt aus dürren Ruten.
Da muß ich schneller die Wege gehn.
Noch weiß ich nicht ihr Ende —
Was hemmt den Fuß mir ungesehn,
haucht ins Gesicht und heißt mich stehn
und tastet um die Hände?
Zurück! Und wärst du auch mein Ich
auf gestrig leisen Zehen.
Bin täglich neu und spute mich,
muß manchen Weg noch bitterlich
bis an sein Ende gehen.

Auf dem Heiligenberge

[84]
Das ist nicht Stille. Wenn auch kaum der leise Wind
an leichten Zweigen rührt.
Denn starken Leibes ringt die Fruchtbarkeit sich blind
vom Boden auf und wühlt und schafft.
Und drüber wölbt aus feinem blauen Glas
sich eine Schale, die den Segen führt.
Ein heller Vogel zieht vorbei und rafft
auf seinen Schwingen tiefen Glanz der Sonne mit.
Über den schweren Boden geht mit schwerem Schritt
wildselig meine Kraft.

Andreas Baumkircher
der tapfere Verteidiger Wiener-Neustadts (1452)

[85]
Die Brücke frei! Zurück Geschmeiß!
und wer den Rückzug nimmer weiß,
dem mähe ich zu Spott und Spaß
den kahlen Schädel weg wie Gras.
Juchhei! Du seltsam grober Klotz,
ich spalte dir noch Kopf und Trotz.
Die Brücke frei! ihr Teufelsfraß.
Sonst lachen euch aus Grund und Gras
gar sonderbare Blümlein an
die Äuglein glotzend aufgetan,
ein halbzerspaltner Turban drauf
und schaun verdutzt zum Himmel auf.
Und aus der Scheide zischt der Stahl,
da fliegen dumm und schreckensfahl
ein Schädel rechts, links zwei und drei
daß bald die Wiese wie im Mai
irrsinnig bunt in Farben loht
und Tau sie träuft wie Mohn so rot.
Und Schlag und Hieb! Und Hieb und Schlag!
Das nenn ich einen Maientag!
Die Brücke frei! Ein Sprung hinauf
und rasselnd saust die Brücke auf.
[86]
Nun kehrt nach Haus zu Spind und Kind!
Das draußen fliegt wie Spreu und Wind.
Und Sieg und Schluß! Nach Haus im Nu,
den Balken an der Türe zu.
Und polternd fliegt das Stahlhemd fort.
Er wirft den Schild und Helm an Ort,
die Schiene, die ihn treu bewehrt,
und nimmt den ersten Topf vom Herd.
Trompetenklang? was gibts zu sehn?
da baumeln Kränze, Banner wehn,
die Ratsherrn stolz im Puderhaar,
mit Halskraus und Brokattalar
und weißer Mädchen Bänderflug.
Was hält nur vor dem Haus der Zug?
Zum König soll ich? Der Teufel drein!
Mein ist die Ruh, die Ehre sein.
Das Tier läßt man im Stalle ruhn;
sagt ihm, er soll desgleichen tun.
Ich will, lädt er mich morgen ein,
sein untertänigster Diener sein.

Hellblauer Fliederstrauch

[87]
Sie haben lange Fahrt gemacht,
müd kehren sie heim um Mitternacht.
Die Leiber schwanken wie glimmender Rauch,
das Roß scharrt tonlos hinterm Strauch.
Sie sprechen nicht und nicken nicht,
sie tragen ein schweres Gottesgericht.
Nur von der Lanze zitterndem Knauf
Da flackern hellblaue Flämmchen auf.
Schwer zögernd schwankt des Helmbuschs Pracht.
Das leuchtet durch Nebel und Mitternacht.
Sie kennen nicht Glück mehr und Leid und Not.
Sie tragen im Herzen tiefseligen Tod.
Den bringen sie stumm aus heimlicher Schlacht
der bangen Fraue um Mitternacht.

Der Blinde

[88]
Um mich ist immer ein feiner Kreis,
der von allen Dingen
tausend Heimlichkeiten weiß.
Steht still an den Wänden,
ihr Blickhaften mit euren Tölpelhänden!
Schuf euch denn nicht ein boshafter Gott
sich zum Spaß und euch zum Spott?
Euer Auge trieft plumpe Gier
nach Dämmerröten und Nebelfernen,
spuckt euer Ich nach stolzen Sternen
und geifert um Glanz und Tand und Zier.
Unrast sitzt euch quälend im Nacken
starrt feist nach kurzem Fraß umher
und saugt euch hohl und matt und leer.
Drum könnt ihr die Dinge nicht greifen und packen.
In meiner Tasche trag ich einen Stein,
ganz warm von Heimlichkeiten.
Langsam tasten die Finger sich ein —
da binden sich Ketten und seltsame Reihn —
und Dinge aus fremden Weiten
kommen an meinen Kreis heran
und flüstern und rühren ihn sachte an,
[89]
daß er klingt an allen Enden.
Sie neigen und tragen ein seliges Licht
in ihren gesegneten Händen.

Die Hochzeit zu Kana

Die Flöte girrt, das Zimbal klirrt,
durch abendliche Bogen schwirrt
ein Fiedelschwarm von Luft und Klang
und Becherruf und Brautgesang.
Dazwischen tönt wie tief im Traum
des Meisters Stimme durch den Raum.
Das Becken gellt, die Pauke bellt.
Hell schwingt ein Ton. Und wieder fällt
das Lied mit wirren Stimmen ein
und hochauf schwält der Fackeln Schein.
Den Meister trägt ein fernes Meer —
kein Laut, nur Schweigen um ihn her.
Das Brautpaar lacht, in banger Pracht
glühn Blüten auf aus tiefer Nacht.
[90]
Und zu einander irrt ihr Blick,
in Tränen glänzt ihr heißes Glück.
Der Herr verbirgt, in Schaun versenkt,
daß sich ins Aug' die Trän' ihm drängt.
Und unbewußt tollt auf die Lust
zu neuer Glut in jeder Brust.
Kein Aug' mehr blickt, das irrt und flirrt,
zerschellt manch trunkner Becher klirrt.
Und niemand hat des Herren Acht.
Der wandelt einsam in die Nacht.
Der Mond liegt müd am Himmelssaum,
kein Ton, kein Hauch im weiten Raum.
Sein Herz nur schlägt so ungestüm
und lautlos spricht die Zeit mit ihm.
Und zeigt ihm auf den Bergeshöhn
Sein eignes Bildnis mächtig gehn.

Nausikaa

[91]
Heißäugig späht die Sommernacht,
Die Mägde schliefen längst schon ein.
Nausikaa sitzt überwacht,
verträumend in des Lämpchens Schein.
Ein Falter fliegt sich tot am Licht,
ein Mücklein dann, sie sieht es nicht.
Sie horcht — das Lämpchen spricht:
Nausikaa, dein Herr ist da
aus Blumen am Gestade,
der Steinefürst von Ithaka.
Schrie nicht dein Herz nach Gnade?
Die Stunden fallen bergetief
und über dem Gelände
da reichen sich von West nach Ost
zwei Tage still die Hände.
Sie will sich heben, kann es kaum,
irrsinnig gaukelt ihr ein Traum
die breiten Schultern wieder
und braune, straffe Glieder.
Ihr Ohr ist toll; wie Pfeifen klingt
der feine Ton und schwirrt und singt:
Nausikaa, dein Herr ist da;
was brennen deine Wangen?
[92]
den Steinefürst von Ithaka,
Will ihn die Braut empfangen?
Sie gürtet sich zum Schlafengehn.
Stark will sie sein und hart.
Wie brennt das Kissen, brennt das Kleid!
Schlaf lockt und flieht und narrt.
In tiefen Ecken Flackertanz,
Geraune, toller Flimmerglanz,
Irrlichter, bunt und groß und klein,
die tanzen sie in Schlummer ein —
Das Lämpchen wie ein Kobold hockt,
summt vor sich hin und girrt und lockt:
Nausikaa — dein — Herr — ist — da —
aus Blumen — Braut — dein — Herr — ist — da
Nau — si — ka — a?!
[93][94]

Zigeuner

[95]
Mein Vater strich auf einem Geigenholz,
als meine Mutter seltene Kräuter fand
in deren Adern Lebenswasser stand;
sie zeigte ihm den reichen Fund mit Stolz.
Und da der Maimond aus der Heide stieg,
— die Soden blinkten in der ersten Saat,
die Mücken schwirrten heiß und führten Krieg —
erwählte er die eine, die ihn bat
in dieser Stunde einen Sohn zu zeugen...
Die Kräuter dufteten — die Geige schwieg —
zwei Schatten sah der Mond ins Gras sich beugen.

Sturm

Brausend schwillt der Pappeln Regenlied;
die verhangnen Heideflächen triefen,
Sturm, du schüttelst wild in allen Tiefen,
füllst mit Zwielicht Hügelland und Ried.
Wie der wolkenschwere Himmel kreist!
Langsam wandernd in die Dämmerungen
fühlen wir, zu Einer Macht verschlungen,
tief im Heidesturm den Weltengeist.

Die Terrasse

[96]
Wunderliche Königinnen
am verträumten Parkgelände —
über ihre kühlen Hände
ließen sie das Mondgold rinnen.
Weiche Schatten aus den Bäumen
glitten über weiße Wangen,
wenn sie von den stolzen Träumen
ihrer stolzen Seele sangen.
Ihre starren Augen spähten
seltsam, wie nach fremden Zielen,
während raschelnd die verwehten
Blätter auf sie niederfielen.
Schweigend wuchs die Nacht, die blasse
ganz von seltnem Sinn getränkte,
bis sich über die Terrasse
groß und weiß der Vollmond senkte. —

Alte Städte

[97]
Städte gibt es, die kein Geschehen fassen —
immer verweilt im Ringe ihrer Mauer
wehender Opferrauch von heller Trauer,
und leichte Träume spielen auf den Gassen.
Graue Mären kränzen sie tausendjährig;
aber die Saiten der Leier spannen zu leise,
dunkelgolden und allem Holden willfährig
ihrer uralten Legenden Wunder und Weise.
Kaum, das Wünsche erwachen, gleich luft'gen Gespenstern,
die Gassen hinab in schmalen, blauen Zeilen,
wo in der Nacht an buntgeschmückten Fenstern
lächelnde Frauen bei blassen Lampen weilen.

Am Meer

Wind und Wogen schlafen ruhig ein
wenn der Abend seine Wasser kühlt.
Nun erwacht mein stummer Traum und fühlt:
alle Seligkeiten werden sein.
In das letzte Blau von fernem Licht
breitet er die feinen Schleier aus;
[98]
horcht mit seinem scharfen Sinn hinaus,
was die große Lebensferne spricht.
Tiefverwandte Laute hört er nun,
da die Stimmen der Betörung ruhn,
und erlauscht mit unermessnem Staunen
Was die Wellen von der Tiefe raunen...

Am Bahndamm

Über die Höhen kommt es gelaufen,
tiefblaues Blut der frühen Nacht.
Schwimmende Wolken glimmen sacht
steigen bergan in wallenden Haufen.
Stampfender Züge grüne Lichter
kreuzen weithin mit schrillem Pfiff;
Sterne grüßen. Der selige Dichter
treibt in die Mondnacht sein Zauberschiff.
[99][100]

Wanderung in der Ebene

[101]
Dies ist mein Land, geebnet, braun und breit.
Aus Grund an Grund gebaut, weithin gelagert ruht die große Sicht.
Wir wandern nach dem Horizont.
Die Erde unter uns birgt Brot. Die Luft ist schwer von Schollenlicht.
Nun fühlen wir der Erde Poren sacht sich weiten.
Wir hören tief das Blut der Acker kreisen.
Der Brodem ihrer Leiber steigt um unser Schreiten.
Wir spüren tief das Leben, über dem wir reisen.
Ein jeder Schritt verwurzelt uns dem unten weit gefügten Land.
Ein jeder Schritt bebt in den Boden fortgebebte Kraft.
Wir wandern in das weite Land und wandern in das tiefe Land.
Wir wurzeln in dem Weg; wir wohnen in der Wanderschaft.

Hymnus

[102]
Nun flicht um deine Stirn aus Birkenbast ein Band,
Laß funkeln Lachen und Gesänge.
Besprenge
Mit gelb- und rotem Wein in unserm Heim Grund, Tor und Wand.
Bekränze
Im Hause rings Gestühl, Gesims, Gebälke und Gerät.
Geh schlank durchs Haus, kredenze
Aus deinem Angesicht
Ein abgespiegelt Licht
Auf weiß- und braun- und kupfernes Gerät.
Dann tu die Fenster auf, tu alle Fenster auf, breit.
Stell' an die Borde Brot und Wein.
Stoß alle Türen auf, lauf hell ins Land hinein,
Lauf hell den Hügel an, stell' dich und winke.
Und weh, und winke
Ringsum dem frohen Horizont, dem blanken klaren Land ringsum.
Sieh, an allen Fenstern glänzt das Brot und brennt der Wein.
Durch alle Fenster, sieh, wie ebene Weißgewölke, wächst ein Schein.
[103]
Der Horizont, das breite Land verwandeln sich in Helligkeit und ziehen ein und werden unsere Gäste sein.
Geweitet atmet nun das Haus, und alles Holz und Eisen blüht durchsonnt.
Schlank und gläsern ragen die steinernen Wände, und die glückseligen Gebälke tragen mit Gesang.
Wir wohnen nah dem Horizont; der Herd blinkt mitten im Gelände.
Erde ward die Diele; Wolken und Gestirne sind das Dach.

Der Kreis

Ich sprach zum Kreis: Du lebst in Wanderschaft.
Du schreitest langsam in gestillter Kraft.
Dein Weg ist ganz erbaut aus Wegeswende,
Und jeder Schritt ist Anfang, Mitt' und Ende.
Es sprach der Kreis: mein Leben ist nicht Glück.
Ich wandre nicht, ich kehre nur zurück.
Ein Stücklein Welt erglänzt mir lieb und licht.
Mein Weg umkränzt es. Er betritt es nicht.

Das Weglein

[104]
Em Weglein schlummert, rechts und links verzäunt,
Das Angesicht von Luft und Schein gebräunt.
Aus breitem Laubzeug ist ein Dach gespannt,
Und eine alte Buche wacht am Wiegenrand.
Sonnin bei Tag, Mondin bei Nacht,
Besuchen das Kind und streicheln es sacht
Und haben ihm auch was mitgebracht.
Blätterschatten und Schattenzaun,
Mondin schenkt es schwarz, und Sonnin schenkt es braun.
Dann kommt der Wind
Und spielt Schattenspiele mit dem Kind.
Schläft Wind, schläft's. Wacht Wind, wacht's.
Aber wenn es wacht, spielt, hascht, lacht's.

Spruch

[105]
Und eins ist not: Sei gläubig. Spende
Dich dem Geschick wie ein Segel dem Reisewind.
Fürchte nicht fremde Gelände.
Sei deiner Zukunft gläubig wie ein Strom dem Meer, in das er rinnt.

Kapriccio

Da kommt der Wind wie ein Geiger aus Ungarns Steppen,
Nimmt die Fiedel her, spielt eins auf durch die himmlischen Wiesen und Auen.
Die Wolken, die jungen Frauen,
Tanzen mit weitschleifenden, weißseidenen Schleppen.
Mittenhinein
Torkelt Mond, der dicke Kahlkopf, trunken von Rheinwein.
Leutselig streut er silberne Taler in steilen
Würfen wie unter Volk auf die wimmelnden Erdmassen und -meilen.

Die Türen

[106]
Wenn über das rissige Pflaster drunten in den Gassen die Wagen dröhnen,
Spüren es oben in den alten Häusern die hölzernen Türen.
Sie zittern,
Sie knarren und knistern und knittern,
Sie schüttern, —
Wie Winde an Luftharfen rühren,
Erregt sie das Fahren zu tönen
Murrende Weisen,
Daß sie eingespannt
In steinerne Wand
Gefangen
Hangen
Seit Jahren und Jahren,
Während drunten die verwandten Bohlen und Hölzer glückselig fahren
Unendliche Reisen.
[107][108]

Hohe Nacht

[109]
Mondenschein wird durch die Bäume weben,
Und sternbestickt wird uns das Lager winken,
In jener Nacht, da wir ans Herz uns sinken,
Gemeinsam Aphrodites Hain durchschweben.
Wir werden eins des andern Atem lauschen,
Und heiß wird unser beider Odem wehen,
Wenn wir am goldnen Tor des Glückes stehen
Und unsrer Liebe tiefe Quellen rauschen.
Denn all mein Sein, es war ein „Dir-Entgegen“ —
Ein majestätisch Ineinanderfluten
Das ist es nun — so reiner Flamme Gluten
Erflehn der Heil'gen wie der Kypris Segen.
Und lautlos werden sinken alle Hüllen —
In keuscher Hoheit brichst du meine Blüte,
Die dein längst war — wir spüren Gottes Güte,
Denn du bist mein und ich bin dein — Erfüllen.

Schweigen im Walde

[110]
Wie Kupfer troff es längs den Kiefernstämmen
Von Sonnengold — smaragden spielt' es in den Buchen,
Und Hieroglyphen malt' es in den Sand —
Du faßtest schweigend meine heiße Hand,
Du setztest an — zu sprechen wolltest du versuchen —
Es spann uns gleich der Mittagszauber ein —
Wie lange? — Keines sprach, soviel es auch gewollt —
Doch unsre Augen leuchteten — vom Sonnengold.

Gebet

Büßen will ich, Herr, und will entbehren,
Will mit meiner Kreuzeslast, der schweren
Mich mit letzter Kraft die steilen Treppen
Des Calvarienberges Golgatha noch schleppen.
Nur vom Weg nicht abseits laß mich stehen!
Stumm verloren nicht — vom Schicksal übersehen —
Schmachtend nach des Lebens frischem Trank
Mit verdorrten Lippen, fieberkrank. —
Will titanentrotzig mit dem Schicksal ringen.
Ruhmvoll unterliegen, kann ich's nicht bezwingen.
[111]
Feinde schaff mir — laß mich ehrlich streiten,
Nur nicht dieser Tage friedvoll Gleiten!
Laß den Sturm all meine Bäume splittern,
Eins nur kann — die Ruhe — mich erbittern.
Wäre seine Wucht zerschmetternd groß: —
Gib mir, Herr, ein volles Menschenlos!

Im Dämmer

Und Schatten sich um alles Lichte breiten;
Ich schmieg' mich in der Kissen weichen Samt —
Der Blutrubin an meinem Busen flammt —
Und traumschwer irrt mein Blick in graue Weiten.
Ach! ungelebten Lebens wehe Schauer
Erschüttern fröstelnd, noch ertrag' ich's kaum,
— wie windverwehter, letzter Sonnentraum —
Die Seele mir in namenloser Trauer.

Auf hohem Piedestal

[112]
Ich will dich nicht als Sklaven sehn
Zu meinen Füßen. Stolz und frei
Sollst du über allen andern stehn.
Sollst nichts Geringes um mich wagen.
Nicht deinen Nacken beugen, — sollst
Dein Haupt hochaufgerichtet tragen.
Und neig dich mir nur gnädig und strahle mir mild,
Aber — verschmähe selbst meine Ketten —
Du, du mein Götterbild!

Ich möchte die Sonne sein

Liebster, ich möchte die Sonne sein,
Möchte dein Dasein mit Glanz übergluten!
Dann, wie der scheidende Sonnenball
— Am eig'nen Licht verbluten.
[113][114]

Stille

[115]
Über allen weiten Feldern
ruht ein Schweigen — es ist Nacht.
Träumend geht ein Wanderer seiner Wege.
Steht noch einmal auf der Brücke.
Und das dunkel-dunkle Wasser
fließt so sacht, so sacht — —
Über allen weiten Feldern
ruht ein Schweigen — es ist Nacht.

Erinnerung

Wenn Welt und Wille schweigen
kehrt still ein Gast bei dir ein.
Verschwimmende Bilder entsteigen
dem tiefverschlossenen Schrein.
Es reichen ferne Gestalten
dir ihre dunkle Hand.
Die unsichtbaren Gewalten
sind freundlich dir zugewandt.
[116]
Ob dich auch Unruh quäle —
es braucht nur ein Wort zu sein,
das fällt in deine Seele
tief und tiefer hinein.
Betroffen stehst du stille
und hemmst den eiligen Gang.
Es ist wie ein Stein, der leise
ins dunkle Wasser sank.
Es ist wie ein Stein, der leise
ins dunkle Wasser glitt,
der nun seine stillen Kreise
weiter und weiter zieht.
Mit diesen eigenen Weisen
hältst du nun gleichen Schritt.
Und mit den stillen Kreisen
zieht deine Seele mit.

Erden-Glück

[117]
Bäume rauschen... ein Vogel singt...
Es träumt die feierliche Stille,
in die kein Laut von draußen dringt...
Sie gehen beide Arm in Arm —
stürmisch, stürmischer klopft das Blut,
sie fühlen, wie der Sommer tut.
Sie fühlen, wie die Lippen glühn —
die Welt versinkt.
Waldstille heißen Atem schwingt.
Bäume rauschen... ein Vogel singt...
Es träumt die feierliche Stille,
in die kein Laut von draußen dringt...
Wie fern am blauen Himmel weiße Wolken ziehn..!

Sonett

[118]
In jeder Seele schläft ein Stück Vergessen:
das niemand stört, das unter starrer Decke
Hindämmert und sich scheut hinaufzustreben,
und nur im Traum erwacht das eigene Leben.
In jeder Seele wacht Erwartung:
die ihre Flügel spannt in blauer Schönheit,
die immer strebt, sich selbst zu lassen,
Fernen zu suchen, Gegenwart zu hassen.
Bereit zu zögern und bereit zu gehen
Tastet sie vorwärts... und bleibt zweifelnd stehen
Und hört im Dunklen raunende Gesänge.
Dann aber, wenn sie sich im Kampf gefunden,
Reckt sie sich auf und schreitet wie ein Sieger,
lachend und jung, noch niemals überwunden.

Großstadt-Morgen

[119]
Ihr Zechgenossen, wie war die Nacht so schön!
Glühender Wein in blitzenden Bechern!
Es tanzte gaukelnd Wort um Wort
am Ohr vorbei, grub sich in die Gedanken.
Das Leben floß um uns, ein wilder Strom,
wie rotes Blut in lustgeschwellten Adern.
Dann wieder kamen Augenblicke
der Stille und des tiefen Sinnens.
Beredtes Schweigen. Einsam saß
einer bei dem andern.
und dunkle Augen sehn sich fragend an
als suchten sie im andern die Erklärung —
doch immer wilder züngelte die Glut. —
Ihr Zechgenossen, wie war die Nacht so schön!
Das ist die Lust der lebensvollen Nächte,
die brandend aufstürmt, sich am Fels zerschlägt,
hoch aufspritzt, dann ins Grab zurücksinkt,
und wieder stürmt und stürmt — entfesselt sind die Mächte.
Nun graut der Morgen,
Freunde, scheiden wir!
Lebt wohl! —
Nur kurz der Abschied,
[120]
nur ein Händedruck...
Und leise fröstelnd tret ich aus der Tür.
Ich war allein.
Nun war es plötzlich still um mich
So still wie Grab.
Leise tret ich auf
Und scheute mich —
Grauliches Dämmern rings.
Und alle Stimmen schliefen mit geschlossenen Augen.
Totgleiche Stille.
Doch schien ein ferner Sinn hierher zu horchen.
In jeder Ecke lauerte Erwachen.
Stumm, grau und steinern
standen alle Häuser,
Geheimnisvoll war hier und da
ein Fenster offen —
als gähnte aus der Finsternis ein dunkler Rachen.
Die Uhren schlugen in der Stille.
Zur frühen Arbeit ziehen die ersten Scharen.
Nur ungenau zu sehen,
durch graue Schleier.
Als dunkle Massen gleiten sie vorbei.
Von Haus zu Haus
huschen die Kinder
[121]
verschwinden in den Toren
klappern mit Kannen und Flaschen.
Und eilen weiter, ein geschäftig Zwergenvolk.
Da drinnen schlafen Menschen.
Die Kinder huschen — zuweilen ein Ruf
Ein Helles Stimmchen
das klang in dieser grauen Einsamkeit
wie Glockengeläut —
So wie Schlitten hinklingeln
über den harten Schnee, über das einsame Feld...
Das alles war mir nah und doch so still,
daß es entfernt mir schien, unwirklich wie ein Bild.
Das ich nicht fassen konnte, das mir zu enteilen schien,
kam ich ihm näher.
Vor mir entbreitet sich ein weiter Platz.
Grau lag der Morgen auf den grünen Sträuchern.
Ein weißlich Leuchten lag auf jedem Blatt.
Wie schrille Seufzer hallten meine Tritte.
Dann blieb ich auf der Brücke stehen, der breiten Brücke.
Lehnte hin an die Brüstung
sah lange, lange in das tiefe dunkle Wasser.
Es wehten junge Winde zu mir her,
Ein rosig Leuchten tupfte auf die Dinge —
und herrlich stieg die frühe Sonne auf —
schwamm in der Silberpracht der ersten Wolken.
[122]
Ihre goldnen Strahlen funkelten
sie fuhren wie Blitze über die seidig-glatten Wasser.
Unwirklich schien die Welt — ein Traum
aufsteigend in der Schöpferpracht des Werdens —
unwirklich schien ich selbst.
Da fühlte ich die Größe dieser Stunde.
Wie im Tal vor hohen Bergen stand ich,
Und langsam ging ich dann nach Hause.
Sann nach und fühlte kaum die Erde.
Und in den Zweigen, in den Sträuchern —
zwitscherten schon die frühen Vögel.
Und langsam wachte all das Erden-Treiben auf.

Teich im Park

[123]
Der Teich schlummert mit stillen Wassern.
Dichte Baummassen quellen über die unsichtbaren Ufer.
Baumschatten liegen wie Arabesken auf der Flut.
Blätter rieseln leicht herab und schwimmen auf der Fläche.
Aus dem Dickicht kommen die braunen Enten gekrochen.
Fliegen eine Strecke und fallen dann schwer ins Wasser.
Auf sonnenweichem Rasen liegen die weißen Schwäne,
Wie breite Flecken, die im Grünen schwimmen.
Sie rupfen sich die Federn, die wie lose Blumen fliegen.
Die Hälse liegen nach rückwärts, wie Schlangen auf dem Gefieder.
Plötzlich stürmt ein Schwan wie ein Blitz über das Wasser.
Blauweiße Flügel; wehend; den Hals weit vorgestreckt.
Sein schriller Schrei schießt wie ein Pfeil durch die Stille.
Die Füße berühren im Flug das Wasser.
Dann ist es wieder still, der Teich schlummert.
Dichte Baummassen quellen über die unsichtbaren Ufer.
[124]
Baumschatten liegen wie Arabesken auf der Flut.
Blätter rieseln leicht herab und schwimmen auf der Fläche.
Still reicht die Stunde den Trank tiefer Vergessenheit.
Und die Dinge träumen, als hätte die Zeit keine Macht über sie.

Die Fontäne

Aus rundem Rachen steigt die Wassersäule
Posaunengleich empor und donnert
Ruhlose Wucht, in blaue Luft geschleudert.
Und oben löst sie sich wie Schleier
die flutend stürzen, wehend wallen,
zitternd wie leichte Flocken fallen.
Die höchste Spitze ist wie grauer Rauch —
Wirft zu den Abendwolken lockres Sprühn
die fernen Grüßen gleich am Himmel ziehn.
Es ruhen dunkle Gruppen rings am Becken
Und sie umspielt die wellenglatte Feuchte
Sie speien wie aus dämmernden Verstecken.

Abend im Park

[125]
Und in den Strahlen spielt die letzte Sonne
So daß sie glühn wie Feuergarben
und wirbeln wie ein Spiel von Funken.
Kühl fließt die Luft auf grünem Rasen
Die Menschen gehen hin im Abend
Wie Schatten, still und stumm und leblos,
Als sähe keiner mehr den andern
und hätte Augen, die nach innen blicken
und ginge wie in einem großen Schweigen.
Es ist wie ein gedämpfter Reigen
und die Figuren sind wie ausgeschnitten.
Vergessen sind sie, wenn sie hingeglitten.
Da schluckt das Becken plötzlich. In den Rachen
stürzt jäh die Wassersäule, stürzt zusammen
züngelt nur noch und wallt in weißen Flammen...
Und zuckt noch auf..., um jäher zu ermatten.
Und nun ist Stille in dem Reich der Schatten.
Zu tiefem Sinnen lockt die Abendkühle.

So ging der Tag zur Neige...

[126]
So ging der Tag zur Neige —
Der Wind streicht über Gräser hin,
Das letzte Licht entfernt sich still,
schon schütteln sich die Zweige sacht
und eh wirs wissen, wird es Nacht.
Dann kommt der Wächter Abend an,
der stille alte Wandersmann.
Er geht den Weg so lange schon
und summt sich leise, leise
die stille Abendweise.
Am Brunnen ist ein schöner Platz,
Da kannst du lange, lange ruhn.
Die Menschen schlafen alle nun,
der Brunnen singt dir Melodien —
Kaum merkst du, wie die Stunden ziehn.

Stimme und Gegenstimme

[127]

Stimme:

Was hilfts, sich mit dem Schicksal auszusöhnen?
Es ist nur Trug und schwächlich sanfte Lehre.
Ein Hohngeschenk, um Knechtschaft einzutauschen.
Aufbäumend wirst du wild zurückgeschleudert
und bist, wo dumpfe Glocken tönen
und schwere Fittiche Verzweiflung rauschen.
Es gibt kein Jenseits und der Lohn ist Lüge.
Und alles andere ist nur Wahn und Laune.

Gegenstimme:

Es herrscht ein Zwang, sich mit dem Schicksal auszusöhnen!
Aus diesen Kreisen dringt kein Erdengeist.
Wer sterbend geht, denkt wohl ans Wiederkommen.
Aus höchstem Schmerz hat mancher Glück genommen.
Und nur wer ziellos lebt, geht hin im Dunklen,
gesenkten Blicks und niemals hoffend,
nie wissend, daß zu seinem Haupt
die Nacht sich weitet und die Sterne funkeln.

Am Meer

[128]
Silbern schwimmt die Abendsonne
Auf dem milchig-blauen Meere
Und es breiten sich die Wolken,
Selbst ein Meer, bis in die Ferne.
Bebend legt die Abendsonne
Auf das Meer die Strahlenhände.
Aus den weißen Abendwolken
Tropft die Glut ins Ungeheure.
Und kein Laut tönt in der Stille
Nur zuweilen hebt sich leichthin
Auf dem Meer ein flüchtig Zucken —
Doch die Wellen sind gestorben.
Einsam geht ein Mensch am Strande,
Er verschwindet fast im Raum —
Doch das Auge trinkt die Schönheit,
Und das Herz lauscht den Gesängen,
Die es schwer und tief bedrängen
Wie ein ungeheurer Traum.

Beschluß

[129]
Bin ich denn also ein Mensch nur,
ein winziger Augenblick
und wäre von allem Anfang
besiegelt mein Geschick —
Wird niemand nach mir fragen
und wär ich nicht mehr als ein Hauch
Und wie der Wind verweht,
verwehe ich auch:
So seh ich mit heitren Augen
all dies Erleben an.
Ein schönes Spiel ist alles,
dem ich entrinnen kann.
All der dunklen Fragen
war ich mir bewußt
und ich drückte all die Speere
Freudig in die eigne Brust.

Abendruhe

[130]
Das Dorf hält stille Abendwacht
Es dunkeln schon die Gassen.
Sie sind, als nahe schon die Nacht,
Von jedem Schritt verlassen...
Nun dauerts auch nicht lange mehr,
da dringt kein Laut noch zu mir her.
Da träum ich ganz alleine
Beim stillen Lampenscheine —
Die Lichter löschen nach und nach —
Wenn ich hinaus mich neige,
So ist es mir, als schweige
die ganze Welt, nur — ich — bin — wach.
[131][132]

Komm kühle Nacht — ...

[133]
Komm, kühle Nacht und deck mich ein
Du mußt nun mein Geliebter sein.
Mein Geliebter ging weit,
Zwischen ihm und mir wächst Zeit,
Zwischen uns beiden steht der Gram
Und das Lächeln, mit dem ich Abschied nahm.
Keiner vergißt dem andern die Not
Und heimlich wünscht einer, der andre wär tot.
Ach käme der Tod,
Der machte dich jung
Wie du lebst in geliebter Erinnerung!
Ach käme der Tod,
Der machte uns frei,
Daß einer wieder des andern sei!
— — — —
Das Leben nur läßt uns allein.
Komm, kühle Nacht, und deck mich ein.

Für andre ist die Heimat

[134]
Für andre ist die Heimat,
Für mich ist nur das Herzeleid.
Für mich ist Lust und Einsamkeit —
Für andre ist die Heimat.
Für andre ist ein Frauenschoß,
Ist Bett und Kind
Und Tür und Schloß,
Für mich ist nur der Wind.
Für andre ist das Glück.
Mir ist die Luft von Rosen voll
Der Weg von Tanzesschritten toll,
Nie find ich mehr zurück.
Für andre ist die Heimat,
Für mich ist, was die Nacht erwarb,
Und was im Morgendämmern starb.
Für andre ist die Heimat.

Ich weiß ein Lied

[135]
Ich weiß ein Lied,
Ein fernes Lied,
Das sang mein Liebster, als er schied:
Hörst du den Wind?
Einst wirst du ihn hören,
Wenn wir zusammen sind.
Dann endet alle Not
Alles Entbehren —
Liebe führt uns zu Tod.
Hörst du den Wind,
Gar manche Nacht
Hat er mir einsamste Not bewacht —
Seit wir zusammen sind.
Hörst du den Wind
Wo blieb deine Hand?
Ich gehe allein durch ein fremdes Land,
Wenn wir zusammen sind.
Du läßt mich in Not —
Ich lieb auf den Gassen,
So tief bin ich von dir verlassen
Schmach führt mich zu Tod.
[136]
Ich weiß ein Lied,
Ein fernes Lied,
Das sang mein Liebster, als er schied:
Hörst du den Wind?
Einst wirst du ihn hören,
Wenn wir zusammen sind —
Wenn — wir — zusammen — sind.

Wie ein junger Baum...

Wie ein junger Baum bist du —
Stark, schlank und fein.
Ein wenig rauh die Rinde —
Und beim leisesten Winde
Rieseln die Blätter im Sonnenschein.
Komm, mach die Türe zu!
Was du nicht bist, soll alles schweigen.
Die Nacht durchzieht
Ein junges Lied:
Du bist mein eigen.

Und ist dein Mund...

[137]
Und ist dein Mund vor Sehnsucht rot,
Und bist du mein eigen
In Herzensnot —
Ich küß dir die Hände,
Wenn du weinst — —
Einst,
Vor Jahren kannt ich die Liebe.
Nun ist sie nur ein fernes Lied,
Das meinen Sinnen
Vorüberzieht.
Ich such es zu spielen.
Wenn du weinst — —
Einst,
Vor Jahren kannt ich die Liebe.

Du gehst

[138]
Ich fühle deine liebe Hand
Verloren aus der meinen gleiten —
Und war doch noch ein langer Weg,
Den wir zusammen wollten schreiten,
Ein Weg durch abendgolden Land.
Dein Mund ist nie mehr rot für mich —
Wie lange wars, daß ich ihn küßte,
Daß vor der Liebe atemlos die Zeit
Verstummte, als ob alles wüßte,
Wir leben einzig: du und ich.
Weißt du das kleine Licht in unsrer Nacht?
Wir mußtens an die Erde stellen,
Denn sonst könnt es vielleicht zu viel
Von unsrer Liebe uns erhellen.
Doch dann — vergaßen wir es in der langen Nacht. —
Ich war dir treulos. Nun verläßt du mich,
Du hast die fremde Frau darum gebeten,
Ihr geht an einen Ort, der mich nicht kennt,
Ihr geht auf Wegen, die ich nie betreten — —
So geh! —
Auf allen Wegen findst du mich!
[139][140]

Choral

[141]
In mir ist alle Leere,
In Dir ist alle Macht.
Wenn Deine Huld nicht wäre,
Ich hauchte keine Nacht!
Wenn nicht von Deiner Lende
Mir Lust und Leben käm:
Ich hübe meine Hände
Nicht gen Jerusalem!
In mir ist alle Leere,
In Dir ist alle Macht.
Du bist das Hohe, Hehre,
Ich aber bin geflacht!
Du bist der Berg der Berge,
Ich aber schmales Tal,
Ich Barke, Du der Ferge,
Ich Orgel, Du Choral.
Wie soll ich Dich verkünden,
Den Hirt und Herde preist
Und den in grünsten Gründen
Der Wind willkommen heißt?
Soll ich auf Gipfel steigen
Zu Wassersturz und Sturm,
Soll ich im Staub mich neigen
Vor Dir ein schwacher Wurm?

Gesang des Klausners

[142]
Ihr alle seid noch draußen
Mit eurem Sein und Sinnen,
Mir aber wird das Außen
Schon ganz zu einem Innen.
Was frommen mir die Länder,
Wo sich die Lüge hält?
Mir sinken wie Gewänder
Die Wünsche dieser Welt.
Ich habe kein Geleite,
Als klarer Quellen Takt,
Wenn ich zum Vater schreite,
Und bin in allem nackt.
Durchsichtig wird die Hülle,
Die einst mein Wesen war,
Und meine tiefste Fülle
Glänzt mild und morgenklar.
Mein Weg kennt keine Ferne,
Nicht Flamme noch Begehr,
Und selbst die stillsten Sterne
Sind mir nicht Brüder mehr.
Ich habe ihre Stille
Im Traum schon überlebt,
[143]
Daß mein erlöster Wille
Von sieben Himmeln schwebt.
Was mir der Traum vertraute,
Huscht scheu durch meinen Gang
Und siedelt in die Laute
Sich ein als Gottgesang.
Schon fehlt als Klang der Klänge
Auch nicht der reichste Reim:
An Vaters Herzen hänge
Ich singend, nun daheim.

Hände

I.

Auf Madonnas altem Bilde
Blühen so durchseelte Hände
Aus dem Duft von blauer Milde,
Daß ich wieder die Legende
Von den leisen Lilien glaube,
Die zu Händen sich gebogen,
Auf die gern die Friedenstaube
Frommen Fluges kommt gezogen.

II.

[144]
Aus dem Geriesel zarter Spitzen,
Dem kraus durchbrochenen Seidenzwinger,
Seh' ich in müder Schönheit blitzen
Die bleiche Demut Deiner Finger.
Sie ruhen träumend, fast gefangen
In ihren duftigen Geweben
Und haben nicht mehr das Verlangen,
Hinauszutasten in das Leben.
Einst zog sie eine Stimme stärker,
Nur eine liebe Hand zu fassen.
Und blieben leer. Der seidne Kerker
Sieht sie ergeben und gelassen.
Sie wollen nur noch dumpf sich rühren,
Um ihren Frieden zu erflehen,
Und nicht mehr an den harten Türen
Um fremde Liebe betteln gehen.

III.

Bin ich verachteter, geringer,
Weil ich so selten Blumen trug
In meiner Hand, und nie ein Finger
Die Harfe eines Herzens schlug?
O meine glückverwaisten Hände,
Gleich euren Säumen arm und schmal
[145]
War mir der Frühling. Doch am Ende,
An meines Lebens Abendmahl
Dann wird sich meine Enge weiten,
Und Hände werden in mir sein
Groß wie der Kranz der Ewigkeiten
Und reich an Liebe und Verzeihn.

Die Fahrt

Herr, so laß mich ruhig scheiden,
Meine Fahrt wird feierlich.
In die Abendschleier kleiden
Will ich mein entblößtes Ich.
Meine Mutter sei vergessen,
Und was meine Flöte sprach.
Brünstig psalmen grüne Messen
Mir schon alle Wälder nach.
Laß mich salben deine Tage
Mit den reinsten Spezerein!
Laß bei jedem Lerchenschlage
Harfend dich gebenedein.
Waschen will ich deine Füße,
Hängt hier noch ein Erdenstaub,
[146]
Sinken so in deine Süße
Wie der Wind ins Rebenlaub.
Doch dem brandenden Gebrause
Halte ich mich uferfern.
Denn ich fühle mich zu Hause
Schon in Sonne und in Stern
Auf der Wolken weißem Eiland,
Wo die Mondesbarke fährt
Und der Herr, der Herzensheiland,
Alle Jünger licht verklärt.
Hast du Heimweh, treuer Bruder,
Komm in meinen Mondeskahn;
Reichen wird dir Gott sein Ruder,
Folgen dir ein Wolkenschwan.
Wenn nur deine heißen Schwüre
Einen Führerstab umfahn,
Wird die hohe Sternentüre
Deinen Träumen aufgetan.

Blinder Geiger

[147]
Den blinden Geiger möcht ich sehn,
Doch nicht im bunten Saal wie heute,
Da ihm die Menge Blumen streute,
Ich will in seine Kammer gehn.
Und will ihn bitten: „Blinder Mann,
Auf deiner Fidel mir erzähle
Die tiefsten Träume deiner Seele,
Die Einsamkeit dir leise spann.“
Wenn aber seine Fidel schweigt,
Will ich an seinen Augen fühlen,
Welch Weh auf seiner Seele geigt,
Und will ihn bitten, nicht zu spielen.

Die Säule

[148]
Wenn nur du mich nicht verläßt,
Nicht wie Mörtel von mir fällst,
Und noch im Ruinenrest
Meiner Seele Säulen hältst,
Treuer als der Efeu bleibst
Und des Abendsonnenscheins
Schrift in meine Runen schreibst
Wie ein Zittern des Verzeihns.
Wenn nur du mich nicht verläßt,
Werde ich den Sturm bestehn
Und an keinem Todesfest
Meine Säulen sinken sehn.
Denn du wirst der hehrste Halt
Meinem stürzenden Gestein
Und den Pfeilern aus Basalt
Säule aller Säulen sein.
[149][150]

Erinnerung

[151]
Die Welt wird stumm und müde geht
Der Abend durch mein Zimmer,
Erinnerung durch die Scheiben späht,
Wie bleicher Mondenschimmer.
Es hebt sich eine Hand und zeigt
Mir meiner Liebsten Bild —
Im Efeu steht der Wind und geigt,
Bis sich ein Schatten zu mir neigt
Und meine Sehnsucht stillt.

Abend

Schatten von den Hängen schleichen
Wie im Traume hin und her,
Nun sie sich die Hände reichen
Singt auch nicht ein Vogel mehr.
Arm in Arm ruhn Wald und Weiher,
Nebel hängt an Stamm und Ast;
Ferne blinkern Hirtenfeuer,
Wenn der Wind die Flamme faßt.
Dunkler wird es. Hügelüber
Äst ein Reh und äugt empor,
[152]
Tastet scheu am Pfad vorüber,
Bis es sich im Ried verlor...
Langsam bricht des Mondes Blume
Breit im Wolkenspalte auf —
Staunend wie zum Heiligtume,
Blickt der Teich zum Licht hinauf.
Wilder Rosen Opfergluten
Lodern noch im Abendwind,
Wenn des Lichtes flücht'ge Fluten
Lange schon verrieselt sind...
Horch! Jetzt dringt aus Dämmerweiten
Klagend eines Liedes Klang,
Das bedrängt von Dunkelheiten,
Irgendwo ein Mädchen sang...

Maria

[153]
O Wunderbare,
Gieße in die leere Schale
Meines Herzens
Den berauschenden Wein
Deiner Liebe!
Seit ich dich gesehn
Im glitzernden Ballsaal —
Aus den wildbewegten Fluten
Der Tanzenden,
Über denen elektrische Sonnen glühten,
Die in Strahlengarben
Tausendfältig wiederblitzten
Aus Diamanten
Und Wonne leuchtenden Augen —
Aus diesem flimmernden Meer
Strahltest du heraus,
Wie eine Wasserrose schaukelt
Auf sturmdurchwühlter See.
Dein glühender Leib,
Voller Melodien
In rhythmischen Walzertakten bebend,
Wuchs aus seid'ner Hülle,
Wie eine junge Lilie sich aus Blätterpracht
[154]
Empor sucht zum Licht.
Deine sternenfunkelnden Augen,
Die über den erglühten Wangen standen,
Wie weiße Rosen zwischen roten stehn —
Als diese Augen
Mein Blut zur lodernden Glut
Nimmerruhender Liebe zündeten —
Seitdem muß ich an Wunder glauben...
Du weißt nicht, wie meine Hände sich sehnen
Nach deiner schlanken weißen Hand,
Wenn sie im Schlafe nächtens
Über gramzerknüllte Kissen fahren,
Blind hineintasten in die Nacht,
Nach deiner bleichschimmernden Hand...
Maria heißt du?
Maria...
Meine wachen Ohren sogen diesen Ton,
Den deine schmalen Lippen,
Auf denen tausend Küsse üppig blühten,
Für einen andern sangen,
In jener hellen, heißen Nacht,
Die schwere Schatten auf mich warf.
Maria...!
Alle Geister in mir raunen:
Maria;
[155]
Die Einsamkeit mit tausend Lippen flüstert:
Maria;
Und alle Stimmen
Und alle Winde singen nur den einen Ton:
Maria...

Gewitter

Der Sonne letzte Glut verblaßt...
Des müden Abends schwüle Last
Dunkelt aus den Halmen.
Der Mond verbirgt sich hinterm Wald,
Im Sumpfe sich der Nebel ballt,
Und alle Hügel qualmen.
Am Rand der Haide schwarz und schwer
Steigt unruhvoll ein Wolkenheer
Hastig aus den Föhren.
Die Eulen flättern jäh zu Horst,
Im windzerwühlten Kiefernforst
Hört man das Dammwild röhren.
Schon klatscht der Regen hügelauf,
Wie Hufschlag dröhnt's die Flur herauf,
Wild, wie Rossetraben;
[156]
Die Wolken fallen schwer herab,
Die Haide, ein verwüstet Grab,
Liegt unter Nacht begraben.
Das wogt und wühlt wie wirre Schlacht,
Auf Sturmesflügeln hergebracht
Kämpft es auf der Haide:
Gleich Schwerthieb zuckt's im Wolkenspalt,
Der Donner rollt, aufstöhnt der Wald,
Und krachend stürzt die Weide.
Ein Feuer loht! ... Der Sturmwind saust
Und zischt und schnauft, der Plan erbraust
Regenübergossen...
Ein Blitz! Da bricht die Nacht entzwei,
Und jauchzend jagt das Licht vorbei
Auf weißen Wolkenrossen.

So still ist heut die trübe Nacht

[157]
Die blauen Inseln liegen weit,
Von bleichen Nebeln angehaucht,
Der Himmel hat sein Wolkenkleid
Tief in das dunkle Meer getaucht.
Zuweilen, wenn ein Sternlein fällt,
Klagt dumpf ein Ton aus tiefem Meer;
Der wandert durch die stumme Welt,
Als ob ein Mensch gestorben wär.
So still ist heut die trübe Nacht...
Die Winde, die voll Unruh wehn,
In fremden Ländern aufgewacht,
Hier dürfen sie nicht schlafen gehn.
Voll Unrast ist mein Herz wie sie,
Es schweift der sehnsuchtsschwanke Sinn
Nach Zielen und erreicht sie nie —
Man wandert und weiß nicht wohin.

Die Nacht schlägt sich den Schleier um

[158]
Die Nacht schlägt sich den Schleier um
Und macht so Welt wie Menschen stumm.
Der Wind pflückt Blatt und Blüten ab
Und trägt sie auf ein stilles Grab.
Das liegt verschämt, wo Unkraut schwillt,
So einsam, wie ein Haidebild.
Ein Kreuz, das keine Liebe lehrt,
Droht auf zum Himmel, wie ein Schwert.
Und Efeu deckt den Hügel zu.
Kein schmeichelnd Blattwerk stört die Ruh.
Nur von den Gassen seufzt so schwer,
Im Wind verirrt, das Leben her...
Und die hier liegt im kühlen Sand,
Die Welt war nicht nach ihrem Sinn —
Ich habe sie einst gut gekannt:
Sie schlich an meinem Leben hin.

Winter

[159]
Die Haide schläft den ganzen Tag,
So laut der Wind auch weinen mag
Sie weiß nicht, ob es Tag, ob Nacht,
Wenn sie aus schwerem Traum erwacht.
Die Wolken streuen Schnee um Schnee.
Der tiefe Himmel drückt so weh
Und hängt, ein grauzerfetztes Tuch,
Das über Nacht der Sturm zerschlug.
Ein Schlehdorn bebt und fühlt im Wind,
Wie bettelnd steht ein blindes Kind,
So schwer drückt ihn die Winterlast,
Daß er in Not die Erde fast.
Und in der kalten Einsamkeit
Erstarrt das Leben weit und breit
Nur fern ein hungrig Krähenvolk
Krächzt am verwehten Haidekolk.

Fern der Heimat

[160]
Fremd und verwanderten Schrittes,
Die Seele vom Suchen matt,
Schau ich vom Bühle hernieder
Im Abend die dunkle Stadt.
Des Lebens verflogene Rufe
Verzittern überm Land,
Es hält ein stummer Friede
Seine Netze ausgespannt.
Und Sterne schlagen am Himmel
Die Kinderaugen auf,
Warm leuchten aus Dämmerdunkel
Die Giebelfenster herauf. —
Still! Es läuten vom Dome
Die frommen Glocken jetzt,
Sie haben den zarten Schleier
Der tiefen Stille verletzt.
Groß steht in meiner Seele
Eine Wunde aufgetan —
So schlugen einst die Glocken
Meiner Heimat an.
[161][162]

Seidenes

[163]
Ich finde ein seidenes Löckchen
geborgen in seidenem Papier.
Du hattest ein seidenes Röckchen,
und alles war Seide an Dir. —
Es hing am seidenen Fädchen,
daß du mir wurdest zur Frau! —
Nun spinnst du beim Andern im Städtchen
dir Seide — ich weiß es genau.

Und gestern

Und gestern — o, das war ein Sonnenblick
aus lieben Augen, südenwarm und froh.
Und das tut gut! — Weißt du, wenn irgendwo
das weite Land von einem Himmel grau,
der schwer ihm lastet und im Dunkel bricht
den Farbenglanz? — Gedankenleeres Hoffen. —
Da türmt es zu den Seiten schwarz und dicht,
inmitten aber wird es tief und licht,
an einem Stellchen steht der Himmel offen
und strahlt so blau. —

Dein Suchen

[164]
Mit großen Augen blickst du in die Weite
so dunkel, daß ein ferner Stern sie leite,
wo Menschen sind.
So gläubig, daß im heißen Erdenstreite
ein Engel schützend seine Flügel breite
um dich, mein Kind. —
So scheu nur suchen kleine Frauenhände
und beten, daß ein leiser Hauch sie fände
aus Kinderzeit.
Daß eines nur den Ruhelosen bände
und traumbeschattet jeden Tag umwände
Vergessenheit.

Verschieden

[165]
Dem einen strahlt die Sonne
lodernde Glut
Wonne
und Mut.
Dem andern ist sie nichts nütze,
der stöhnt: „wie ich schwitze!“
und nimmt seine Mütze
ab
und wird schlapp.
Und im Walde, da ist es so abendlich düster.
Hörst du der Geisterchen heimlich Geflüster?
Eulen und Hexen treiben ihr Wesen,
reiten auf Besen.
Und wie im Laube es heimlich harrt,
scharrt und knarrt. —
Ein Rascheln und Nuscheln,
ein Huscheln
und Tuscheln —
Ich atme kaum und lausche mit Bangen.
Da naht mir Gefunkel...
ich werde verzagt. —
[166]
Der Stoffel kommt rauchend gegangen
und sagt:
„Verflucht, ist das dunkel.“

Du

Du wirst nun schon in weißen Kleidern gehen,
so licht, daß deiner Schritte Rund sie geben,
wenn leise Maienwinde dich umwehen.
Im bunten Farbenspiel ist alles Leben,
und ich bin fern und kann dich nimmer sehen. —
Und in der Sonne goldigem Versinken
weiß ich dein Haar die letzten Strahlen trinken,
dein dunkles Haar — vom Sonnengold durchtränkt! —
Wenn dich der Weg durch heiße Straßen lenkt,
wo weißer Schimmer aller Augen blendet,
und du das Köpfchen trotzig hochgewendet,
ein lichtes Wesen mir im Glanz verklingt.
Dann fühle ich, wie es herüberwinkt,
so sonnenfern und sonnig ganz und gar,
dein dunkles Haar.

Die Priesterin

[167]
Still, still! — Stumm hinter diesen Brüsten
und hinter meiner Hüften Rund
liegt aller Welten tief Gelüsten —
still, still —
Der Priesterinnen Mund
schweigt klein, und ihrer Augen Senken
entgleitet nur ein scheuer Blick,
und schlanker Glieder enges Schränken
scheucht alles Wärmende zurück.
Still, still — die Arme kaum erhoben
und wehrend wird es zum Gebet:
Bleib fern, du Mensch, dem steilen Droben,
bleib fern, dein heißer Atem weht.
Wie abgetönt den Göttern drinnen,
so kalt und starr sind Brust und Schoß
der ewgen Gleichheit Priesterinnen.
Und Alles Erdenhaften los
entgleiten ihrer Inbrunst Tropfen
auf kaltem, dürstelosem Erz,
und heißer Pulse lautes Klopfen
gibt keinen Rückklang menschenwärts.
Hinweg von hier und hab Erbarmen,
wir sind nicht mehr von Fleisch und Bein!
[168]
Komm her, komm her zu diesen Armen,
sie schlingen sich um harten Stein;
So hart und kalt!
Horch drinnen tönt es schrill! — —
Still — still — —.

Reflexe

Die Uhr schlug zwölf! — Hu, ist das kalt! —
Den finsterschwarzen tiefen Wald
durchstürmen sie in Massen,
das Feuer zu erfassen. —
— — — — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — — — —
Schon wird es licht, schon flammt es warm,
da stutzen sie, es stockt der Schwarm,
am Feuer hockt die Hexe. — —
Und auf Gesichtern, warm und kalt,
und auf den Leibern, jung und alt
rings tanzen die Reflexe.

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