Das war um des fünften Heinrich Zeit,
Der brach dem Bischof von Straßburg den Eid.
„Und wer mir Clemens als Papst nicht erkennt,
Den treffe in Rache, was sticht und brennt.“
Und er raubte in Ruffach das Bistum und Schloß
Und er stürmte die Stadt mit Heer und Roß.
Herr Vogt, geht hin, zeigt eiserne Hand,
Bis sie Clemens als Herren von Rom erkannt!
Der Vogt übte Willkür mit Wut und Graus —
Das Glück schlich weinend zum Tor hinaus...
Einst blaute ein schimmernder Ostertag,
Da glimmten die Blüten wie Kerzen am Hag;
Da stieg es wie Weihrauch vom Blumengefild,
Vom Kirchlein sangen viel Stimmen mild —
Und ängstlich huschten die Bürger hinein,
Als könnt wer die heilige Schwelle entweihn.
Grad fällt ein Goldstrahl ins Kirchentor,
Da wandelt ein herrliches Mädchen hervor.
So rein ist die Stirn und so scheu ihr Tritt
Da trotzt ihr entgegen ein eherner Schritt.
Es bricht sich der eiserne Vogt die Bahn:
„Euch hat der Kaiser in Acht getan;
Ihr alle seid mir zu eigen und Frohn.
Ich such meiner Lust den süßesten Lohn.“
Zwei Knechte schleppen die Maid hinweg;
Da tritt in die Reihen der fahle Schreck.
Und die Mutter sinkt flehend zur Erde hin:
„Auf, Männer! Macht eisern die Faust und den Sinn!
Wenn der Kaiser und Vogt unser Heiligstes zwingt
Und die Freiheit mit Wildheit niederringt,
Dann ist's Zeit, daß das Gräßliche, was sie gesät,
Das Schwert der Verzweiflung niedermäht...“
[90]Die Männer schaun wie verwirrt und gebannt,
Und keiner regt zu Taten die Hand.
Da erhebt sich die Mutter in höchster Not,
Ihr Wort klingt gewaltig wie ein Gebot:
„Und knebelt er eure Männerkraft,
So ruf' ich ein Höheres aus der Haft,
Ihr Frauen, aus eures Herzens Glut
Erweck' ich der Mutter heiligen Mut!
Wem warmes Blut in den Adern rinnt,
Der eile zum Kampf für ein schuldloses Kind!“
Da fahren sie stolz wie Löwinnen auf —
Sie entreißen den Männern der Schwerter Knauf,
Und die Entflammten wachsen zum Heer
Und greifen in heiliger Wut zum Speer —
Und wie sie den Bergpfad stürmen hindann,
Da fällt's von den Männern wie dumpfer Bann.
Die Ruffacher strecken mit Hieb und Stich
Den Vogt und alles was kaiserlich...
Und Heinrich der Fünfte enteilt zu Roß
Nach Kolmar mit seinem zerschmolzenen Troß...
Die Sage kündet: Der Kaiser vergaß
Die Krone, und ward gar schreckensblaß;
Und Mantel und Szepter fand er nicht mehr,
Noch fürstlich Gewaffen und Manneswehr.
Doch die siegenden Frauen haben zur Nacht
Noch Krone und Szepter zum Kirchlein gebracht;
Und den Mantel, purpurdunkel und fein,
Den hüllten sie um den Altarschrein...
Wenn die Liebe im Frauenherzen erwacht,
So loht sie empor zu reinerer Macht,
Als Mannesmut und Herrschergewalt,
Und alles Schöne in freier Gestalt;
So wird sie in heiliger Leidenschaft
Des Weltrundes tiefinnerste Kraft.