[figure]
Angenehme Sommerszeiten! euer
feuerreicher Strahl,
Von der Sonnen Glut entſprun-
gen, der belebt Feld, Berg und Thal;
Der erwaͤrmet die Natur, durch
den Einflus ſeiner Guͤte,
Und erhizt bei dem was lebt, ein
friſch wallendes Gebluͤte.
Eure Anmuth naͤhrt die Triebe,
die der Lenzen angeflammt,
Und verdoppelt das Ergoͤzzen, das aus den Ge-
ſchoͤpfen ſtammt,
Das der Vater alles Lichts, in dem Fruͤhling, wie
verjuͤnget,
Aus dem Schoos der Erde zeugt, und nun zu der
Reiffe bringet.
Eure holde Liebligkeiten, womit ihr die Welt be-
ziert,
Womit ihr die Sinnen weidet, und des Geiſtes
Auge ruͤhrt,
Zweyter Theil. ADie
[2]Der Sommer.
Die entzuͤnden meinen Trieb, dem die heilgen An-
dachts-Pflichten,
Der euch uns zur Luſt geſchenkt, wie es billig zu
entrichten.
Wenn der Lichts-Monarch die Sonne, ſein recht feu-
rig Angeſicht,
Zu des Krebſes Zeichen kehret, und mit ſeiner Hiz
durchbricht;
Wenn er durch den rothen Mund des erhizten Loͤ-
wen brennet,
Und die Jungfrau gluͤend macht, da er durch den
Thierkreis rennet:
So ſind dieſe Anmuts-Zeiten da, wo man den Som-
mer fuͤhlt,
Wo die ſchwuͤle Hiz erwaͤrmet, und der ſanfte Schat-
ten kuͤhlt;
Alsdenn lebet die Natur, die uns ſpeiſt mit ihren
Bruͤſten,
Und den ganzen Tag erquikt, mit den Vorwurf
ſuͤſſer Luͤſten.
O! du Schoͤpfer aller Dinge! O! wie herrlich iſt
dein Nath,
Der die Einrichtung der Zeiten, weislich abgemeſ-
ſen hat,
Und dieſelbe ſo regiert, daß man in den Tages-
ſtunden
Nichts als guͤldne Wonne ſieht; daß man wenn
das Licht verſchwunden,
Jn den ſtill und duͤſtren Naͤchten, bis zur frohen
Morgen-Glut,
Da die Welt ſich wieder reget, ſanft und ſuͤß auf
Polſtern ruht.
Auf! laſt uns die Sommerluſt, zu des Allerhoͤch-
ſten Ehren,
Von
[3]Der Sommer.
Von den Morgen bis zur Nacht, wie ſie folget, ſehn
und hoͤren.
Kaum hat ſich in dieſen Tagen lichter Sonnen-
Glanz verſtekt,
Da die Nacht die Schatten breitet; ſo wird wie-
derum erwekt
Das vergnuͤgte Morgenroth, deſſen lichte Purpur-
ſtrahlen
Dieſe ſchwarze Demmerung allgemaͤhlig uͤbermah-
len.
Es geht aus den dunklen Tieffen erſt ein rother Strahl
hervor,
Der durch das Gewoͤlke ſchimmert, der ſteigt im-
mer mehr empor:
Da macht Licht und Finſternis, an den dunklen
Himmels-Bogen,
Ein von Licht durchſtrahltes Grau, bis die Schat-
ten ſind entflogen.
Dieſes roth entglomne Prangen, gruͤſſet die ent-
ſchlafne Welt,
Als ein froher Morgenbote und erhellt das gruͤne
Feld:
Darauf zeigt ſich wiederum mit den ſanften Blik
die Sonne,
Und verklaͤrt ſich allgemach mit der Schimmerreichen
Wonne.
Da ſchwingt ſie mit ſchnellen Lauffen, ihren hei-
tren Anmuthsſtrahl,
Ueber die erhabnen Berge, und erwekt das Feld
und Thal:
Welch ein Anblik voller Luſt! ruͤhret die erwekten
Sinnen,
Man ſieht in den feuchten Thau, lauter Seegens
ſtroͤme rinnen.
A 2Auf!
[4]Der Sommer.
Auf! entſchlafne Erdenbuͤrger! auf ermuntert eur
Geſicht!
Da das Auge dieſer Erden, das verneute Sonnen-
licht
Alles in den Schimmer ſezt! Auf, erwegt das Feld,
die Auen,
Seht, die frohen Wunder an, ſeht hier lauter Per-
len thauen.
Seht durchſtrahlte Tropfen rollen, ſeht wie lieblich
alles blizt
Wie die naſſen Berge rauchen, wie der Anger Feu-
er ſprizt,
Wenn das Licht den Thau durchſcheint; ſeht wie
ſich der Schimmer bildet,
Der hie alles bunt gefaͤrbt, da verſilbert, uͤberguͤl-
det.
Wer kan dieſes blendend Spielen, auf den friſchen
Feldern ſehn,
Ohne HErr! der Sonnen Sonne, deinen Na-
men zu erhoͤhn,
Da in Millionen Zahl, auf den Auen, Aekern,
Huͤgeln
Sich in jeden Troͤpfgen Thau, lauter kleine Son-
nen ſpiegeln,
Die in funkelnden Criſtallen, von der Sonnen Ge-
genſchein,
Von den groſſen Himmels Lichte, lauter kleine Bil-
der ſeyn.
Wenn dies guͤldne Feurwerk glimmt, das von Son-
nenlicht herſtammet,
Und mit tauſend Farben ſpielt; ſo wird dadurch
angeflammet
Jn der Bruſt der Andachts-Zunder, da ein dank-
bahres Gemuͤt,
Durch
[5]Der Sommer.
Durch die Kreatur entzuͤndet, auf derſelben Schoͤp-
fer ſieht,
Der der Brunquell alles Lichts, und da muß in
unſern Herzen,
Auch zu ſeinen Ruhme gluͤhn, des Gebetes Raͤu-
cherkerzen.
Welch ein freudiges Empfinden, uͤber dieſer Som-
merluſt,
Reget ſich in unſrer Seelen, und ergoͤzzet unſre
Bruſt,
Wenn des Himmels Heiterkeit, lauter ſuͤſſe Biſams
Duͤfte,
An den fruͤhen Morgen haucht, und damit die ſtil-
len Luͤfte
Als mit holden Duͤnſten fuͤllet; da was aus den
Kraͤutern zieht,
Wenn die ſanften Weſten ſaͤuſeln, wie ein lieblich
Rauckwerk gluͤht
Und uns den Geruch erquikt. O! ein angenehmes
Blaſen,
Das die Lebens Geiſter ſtaͤrkt, kreucht unſichtbar
durch die Naſen
Zum Gehirn den Siz der Seelen, daß dies geiſtig
Labſahl ſchmekt.
Und durch die erregten Nerven uns zur Munterkeit
erwekt.
Alles lacht in der Natur, wenn die Sonne hoͤher
ſteiget,
Und ſich in vollkomnen Glanz an den Firmamente
zeiget;
Dieſe frohe Munterkeiten wekken denn des Mor-
gens fruͤh,
Aus den ſanft empfundnen Schlummer und erfri-
ſchen, Menſch und Vieh,
A 3Daß
[6]Der Sommer.
Daß ſie aus den Lagern gehn, worin ſie die Nacht
verhuͤllet;
Weil durch warme Heiterkeit, das was lebt, mit
Luſt erfuͤllet.
Alles regt ſich voller Freuden, das Gevoͤgel fliegt
hervor,
Und ſchwingt ſich mit hellen Hauſſen in die freie Luft
empor,
Es erfuͤllt mit ſuͤſſen Klang, Wald und Feld, die
von den Schallen,
Wollgeſtimmter Melodein, allenthalben wieder-
hallen,
Und das lnſtige Gefieder ſchwingt ſich auf der duͤn-
nen Bahn,
Bald in jene blaue Ferne, wo es frei erzehlen
kan,
Was es vor ein Trieb ergoͤzt; bald geht es zum
dunklen Schatten,
Jn den kuͤhlen Aufenthalt der Gebuͤſche ſich zu
gatten
Mit den ſtillen Buhlerinnen, die nach ihren Frei-
er girrn,
Und um ſeine zarte Liebe, klaͤglich thun und lokkend
ſchwirrn.
Bald rauſcht dieſes leichte Volk, wiederum aus ih-
ren Neſte,
Und kuͤhlt die erhizte Bruſt, durch den ſchmeichel-
haften Weſte,
Der die Sonnen Hizze mildert, die nun immer
ſtaͤrker brennt,
Wenn ihr feurig Angeſichte nach den Mittags Zir-
kel rennt.
Da der Voͤgel muntres Heer in den Oberkreiſen
ſchwebet,
Macht
[7]Der Sommer.
Wacht der niedre Schwarm auch auf, der die Welt
noch mehr belebet;
Hie ſumßt eine Schaar von Wespen, da ein blin-
des Fliegen Heer,
Hie brummt eine Kaͤfer Menge da ſaußt bei der
Wiederkehr,
Mit der ſuͤſſen Laſt beſchwert; eine Menge kleiner
Bienen:
Dieſes toͤßende Geraͤuſch kan uns zum Vergnuͤgen
dienen,
Wenn wir bei den Sommerszeiten, die belebte
Welt anſehn,
Auf ihr freudiges Bewegen ein betrachtend Auge
drehn.
Wenn wir achtſam das beſchaun, was vor freudi-
ges Gefuͤhle,
Jn den Thieren ſich erregt, was vor muntre Gau-
kelſpiele
Jn der freien Luft zu ſehen: ſo erkennen wir da-
bei,
Das der Anmuths-volle Sommer, Menſch und
Vieh ergoͤzlich ſei.
Sehen wir den Schauplaz an, den ſich die Natur
bereitet,
Wie zur ſchoͤnen Sommerszeit alles ausſtaffirt, be-
breitet,
Mit des Graſes Kunſtgewirke, ausgeſchmuͤkt und
uͤberdekt:
So wird durch die Augenweide unſer Herz zur Luſt
erwekt.
Das iſt recht die Kroͤnungszeit, da das Jahr uns
zu erfreuen,
Sich in Feierkleidern zeigt, und mit den Tapece-
reien
A 4Alle
[8]Der Sommer.
Alle Flaͤchen ausgeſchmuͤkket. Alles, wo man nur
hinblikt,
Jſt mit ſeinen Puz gezieret, uͤberbluͤmet, ausge-
ſtikt.
Wenn wir auf die Anger gehn, in die gruͤn be-
wachſnen Wieſen,
So deucht uns, wir gingen da, in verneuten Pa-
radieſen:
Auf des Graſes ſammtnen Dekken, die mit Blu-
men untermengt,
Draus bald Gold, bald Silber ſtrahlet, mit roth,
blau und falb geſprengt,
Liegen in der ſtolzen Ruh, ſo viel Anmuths-volle
Heerden,
Die den Schauern ihrer Luſt ein vergnuͤgtes Luſt-
ſpiel werden.
Wenn die ausgeblizten Strahlen ihnen unertraͤg-
lich ſeyn,
Bloͤkken die bewollten Schaafe, bei der Hizze un-
gemein,
Bis ſie ein gekuͤhltes Bett, an den Baͤchen untern
Linden;
Oder untern Pappelbaum ein recht ſchattigt Schirm-
dach finden.
Allda lagern ſie ſich ſtille in den ſanften Schatten
her,
Rupfen die noch friſchen Keimen, bis ſie wie von
ohngefehr
Ein ſanft rieſelnd Murmeln hoͤrn; alsdenn werden
ſie gleich innen,
Das da im beſchilften Bach vor ſie Labſalsſtroͤme
rinnen.
Jhre lechzende Begierde ſchlurft das Waſſer, wird
geſtillt,
Jh-
[9]Der Sommer.
Jhre Hizze wird von innen, wie von auſſen abge-
kuͤhlt,
Und ſie werden wieder friſch, legen ihre ſanften
Glieder,
Wiederum, als wie vergnuͤgt in das Graſe-Bette
nieder.
Dieſe Ruh bleibt ungeſtoͤhret, bis etwan ſich ihr
Geſchrei,
Nach den Stall und Huͤrden ſehnet, wenn die Ta-
geszeit vorbei;
Oder wenn ein Streit entſteht unter denen geilen
Boͤkken,
Da ſie bei gewagten Kampf, nach den Schiedes-
richter bloͤkken:
Damit ſie ſich nicht die Koͤpfe, bei den an einander
prelln
Der mit Grim geſteiften Stoͤſſe, in der Naſerei
zerſchelln.
Abermahl ein neues Spiel, ſieht man an der ſuͤſ-
ſen Muͤhe,
Auf der gruͤnen Weide an, da die fresbegiergen
Kuͤhe
Schmazzend ihren Hals ausſtrekken und den weiten
Magen fuͤlln,
Bis ſie endlich die Begierde, nach den fetten Kle-
en ſtilln:
Alsdenn lagern ſie ſich auch, liegen bei der ſchwuͤ-
len Hizze,
Als geſaͤttigt ausgeſtrekt, in den lauen Dampf und
Schwizze,
Jm Vergnuͤgen misvergnuͤget, bis die frohe Mit-
tagszeit,
Da ſie werden ausgemolken, ſie von ihrer Laſt be-
freit.
A 5Da
[10]Der Sommer.
Da die Eitern ausgeleert, bleiben ſie in Graſe lie-
gen,
Bis etwan ein Muͤkkenſtich oder Heer von blinden
Fliegen
Sie in ihrer Ruhe ſtoͤhret, da ſie denn mit ihren
Bruͤlln,
Die ſonſt ſtillen Weiden ſchrekken und die ſchwuͤle
Luft erfuͤlln.
Schwaͤrmmt das ſtachlicht Muͤkken-Heer auf ſie
los mit wilden Raſen,
So bewegt ſich Kopf und Schwanz dieſe Feinde
wegzublaſen,
Die in blinder Wut verlezzen. Haben ſie genug
gekriegt,
Und nach einen langen Streite, endlich dieſen
Schwarm beſiegt,
So ſind ſie mit ſuͤſſer Luſt, da der heiſſe Schmerz
vergeſſen,
Wiederum darauf bedacht ihre Wanſte voll zu freſ-
ſen.
Welch ein angenehmes Wuͤhlen! das man an den
Viehe ſieht,
Das die ſaftig-fetten Keimen aus der Erde rupfend
zieht,
Das mit emßiger Begier ſeine Futterung verzeh-
ret,
Und indem es ſich erhaͤlt, Menſchen Nahrungs-
Milch beſcheret.
Wunderbarlich ſind die Triebe, an dergleichen
zahmen Vieh,
Wunderbar die Milchgefaͤſſe, darin das, was ſie
mit Muͤh
Von den Anger abgerupft, gleichſam wird verdaut,
geſeiget,
Bis
[11]Der Sommer.
Bis die Milch durch den Canal in die weichen Eu-
tern ſteiget.
O! das zeigt uns deine Guͤte, die du gnugſam kund
gethan,
Und dein weiſeſtes Verhalten, groſſer Schoͤpfer!
deutlich an;
Deine Guͤt und weiſe Macht, wird auf Kraͤuter-
reichen Wieſen,
An den Blumen, Gras und Kraut, an den Vie-
he ſelbſt geprieſen,
Das darauf der Sommer weidet, der des Himmels
Heiterkeit,
Uns zum Nuz und zum Vergnuͤgen auf denſelben
ausgeſtreut.
Dieſes laͤſt die Sommerszeit in den luſtig gruͤnen
Auen,
Jeden Schauer der Natur mit vergnuͤgten Augen
ſchauen.
Wer in ſolchen Luſtrevieren, die erquikkend, rei-
zend, ſchoͤn,
Wo die Anmuth unſre Sinnen weidet, ſich wird
recht beſehn,
Der erheitert das Gemuͤt und ſieht ſolche Lieblig-
keiten,
Die uns durch die Kreatur, zum erhabnen Schoͤp-
fer leiten.
O! ihr Seegens-volle Anger! wo bei heiſſer Son-
nen Glut,
Ein zufriedener Silvander, in belaubten Schatten
ruht,
Jhr koͤnnt uns ein frohes Herz, und ein rechtes
Beiſpiel geben,
Von den ſichren Aufenthalt, derer die zufrieden
leben.
Bei
[12]Der Sommer.
Bei euch iſt in Sommertagen, eine rechte guͤldne
Zeit,
Darin ſich ein frommer Hirte, ob der ſtillen Raſt
erfreut,
Der ein folgſam Vieh regiert, und entfernt von
Gram und Leide,
Auf den Schauplaz der Natur eine frohe Augen-
weide
Tag vor Tag zum Vorwurf waͤhlet, und was ſein
Gemuͤthe fuͤhlt,
Auf den duͤnnen Haberrohre, in die freien Luͤfte
ſpielt,
Da er in der Einſamkeit, ſich dem langen Tag
verkuͤrzet,
Und mit der vergnuͤgten Luſt, ſeine trocknen Spei-
ſen wuͤrzet.
Wir verlaſſen eure Triften, ſuchen einen Aufent-
halt,
Da die Mittags-Sonne brennet, in den dick be-
laubten Wald,
Wo die ſtille Andacht wohnt unter den erhabnen
Eichen,
Untern ſtolzen Fichtenbaum, unter niedrigen Ge-
ſtraͤuchen.
Da iſt die gewuͤnſchte Kuͤhlung, in den dichten
Lorbeer-Hain,
Wo die Sonne ruͤkwerts prallet mit den Feuerrei-
chen Schein,
Da das brennend Ungemach uns nicht auf die
Scheitel ſchieſſet,
Noch der ausgedrungne Schweis, mehr auf unſern
Ruͤkken flieſſet.
Angenehme Sommerlauben! dichte Waͤlder! ihr
komt mir,
Als
[13]Der Sommer.
Als bequeme Sonnen-Daͤcher, in der ſchwuͤlen
Hizze fuͤr,
Die nach unſers Schoͤpfers Rath, auf der Berge
ſteilen Hoͤhen
Fuͤr den muͤden Wanderer wol gewebte Luſt-Al-
leen.
Hier entſpringt aus Fels und Stein, manche fri-
ſche Labungsquelle,
Die als wie in Sprudeln kocht, und doch kuͤhl und
klar und helle:
Dabei ſezzet ſich vergnuͤget, ein von Durſt ermat-
tet Herz,
Und vertreibt durch gierig Schoͤpfen, den vorher
empfundnen Schmerz,
Und preißt bei der Silberfluth, die des Durſtes
Qual geſtillet,
Den, der aller Guͤte Born, woraus alles Labſal
quillet.
Hier in dem geweihten Tempel, wo die GOttheit
ihre Spur,
Ehrfurchtsvoll uns merken laͤſſet, wo jedwede
Kreatur,
Die Vernunft und Odem hat, einen heilgen Schau-
der fuͤhlet
Dient ein jedes gruͤnes Blat, uns zum Faͤcher, der
uns kuͤhlet
Bei des Sommers Brand und Hizze. Dieſes merkt
das ſcheuche Wild
Das den ſchlauen Jaͤger fuͤrchtet und die Angſt
von Herzen bruͤllt,
Wenn das Windſpiel es verliert, es verkreucht ſich
unter Hekken,
Die mit einen friſchen Laub ſie in ſanften Schatten
dekken.
Wenn
[14]Der Sommer.
Wenn die ſtille Luft ſich reget, in der Baͤume Gip-
fel rauſcht,
Sieht man wie die ſcheuche Rehe ihre Ohren ſpizt
und lauſcht,
Ob vielleicht ein Treiber koͤmt, der ihm ſeine Ruh
misgoͤnnet,
Es erhebt ſich zu der Flucht, eh mans denkt, iſts
fort gerennet.
Ob es gleich der Wind getaͤuſchet; ſo war doch die
Ahndung da,
Ein nach Wild begierger Jaͤger, war mit ſeinen
Spuͤrhund nah,
Und belebete den Wald, durch ſein Horn bei deſſen
Schallen,
Gaben Klippen, Baum und Buſch ein recht luſtig
Wiederhallen.
Dies ermunternde Gethoͤne wekte alle Thiere
auf,
Die ſich in den Schatten kuͤhlten, und die mit ge-
ſchwinden Lauf,
Die bewachſne Rennebahn, von des Jaͤgers Trieb
bewogen,
Und von jaͤher Furcht geſpornt, ohne Aufenthalt
durchflogen.
Die beliebten Saͤngerinnen, die die ſuͤſſe Mittags
Ruh,
Auf den dichten Gipfeln halten, kamen auch geſchwind
herzu
Sahen dieſen Aufſtand an, dehnten die erfriſchten
Kehlen,
Fingen durch den Luſtgeſang an die Triebe zu er-
zaͤhlen
Die ſie in der Bruſt verſpuͤren, wenn ſie in den
kuͤhlen Hain,
Un-
[15]Der Sommer.
Unter blaͤtterreichen Hauben, vor der Glut beſchir-
met ſeyn.
Dieſe frohe Munterkeit, dieſer Wollklang ſuͤſſer
Lieder,
Dieſes lispelnde Geraͤuſch, dieſes klappernde Ge-
fieder
Das den ſtillen Wald erreget, macht zur ſchwuͤ-
len Sommerszeit,
Ein Gemuͤhte aufgewekket, das ſich in dem Schoͤp-
fer freut,
Der bei heiſſen Sonnenbrand, der die duͤnne Luft
durchgluͤhet,
Ueber ſeine Kreatur, ſolche Anmuths-Dekken zie-
het.
Welch ein Schauplaz neuer Wunder, wird auf
den beſaamten Feld
Den vor Luſt entzuͤkten Augen in dem Sommer
vorgeſtellt!
Auf! laſt uns die Schaͤzze ſehn, die zum Nuzzen
und Vergnuͤgen,
Auf den breiten Seegens-Tiſch wollgedekter Aekker
liegen.
Welch ein Vorwurf ruͤhrt die Sinne, wenn die
Sonn die Himmels-Uhr
Jhre heitren Anmutsſtrahlen wirft auf die bewachſne
Flur!
Da wird man mit Luſt gewahr, wie die Fruͤchte
im Gefilden,
Durch den hellen Gegenſchein ſich mit tauſend Far-
ben bilden.
Wenn wir von erhabnen Huͤgeln ſolche Felder uͤber-
ſehn,
Die mit aufgekeimten Saaten, als im Seegen
traͤchtig ſtehn:
So
[16]Der Sommer.
So bewegt das Mannigfalt von den Fruͤchten und
Getraide,
Sein von Anmuth wallend Herz, durch die ſchoͤn-
ſte Augenweide.
Es duͤnkt uns in dieſer Ferne, als wenn das be-
ſaamte Land,
Mit den tuͤrkſchen Kunſtgewirke, mit Tapeten uͤber-
ſpannt;
Hie iſt eine Lage gruͤn, da der Blumen bunte
Spizzen
Wie ein heller Silberſtrahl, wie erhabnes Stick-
werk blizzen.
Da laͤſt ſich ein rothes Feuer, dort ein blaulicht
Flammen ſehn,
Von den roth und blaugemahlten Blumen, die
darzwiſchen ſtehn:
Dort iſt die Tapecerei, wieder anders uͤbermah-
let,
Die wie ein verguͤldtes Tuch, koſtbar in die Augen
ſtrahlet,
Das mit Ranken durchgebluͤmet. Wirft man den
vergnuͤgten Blik,
Auf die breiten Gegenden die in Bluͤte ſtehn, zu-
ruͤk;
So ſieht man die bunte Pracht allenthalben herrlich
glimmen
Und in einer heiſſen Glut, wie in glatten Meere
ſchwimmen.
Wenn die Erndte Zeit ſich naͤhert, und die Hal-
men ſich geſteift
Die die Sonne endlich troknet, und mit ihren
Koͤrnern reift:
So verdoppelt ſich die Luſt, wenn wir bei den ſanf-
ten Wehen,
Auf
[17]Der Sommer.
Auf dem gelben Akkerfeld, die bewegten Halmen ſe-
hen.
Da wallt unſer Herz von Freude, wenn der Wind
die Frucht bewegt,
Und ein lispelndes Geziſche in den Aehren-Meer
erregt,
Und gleichſam den Landman ſagt, daß die Zeit an
ihren Seegen,
Den der Sommer reif gemacht, nun die Siechel
anzulegen.
Es entſteht ein muntres Jauchzen; man wird bald
der Schnitter Schaar,
Die recht froh zu Felde ziehet, in der Erndte-Zeit
gewahr,
Und die ganze Dorfſchaft kommt, die die Senſen
ſcharf gewezzet,
Welche die bewegte Fauſt, mit begierger Luſt an-
ſezzet.
O’ ein angenehmes Kriegen! wo die Erndte-Sie-
chel blinkt,
Und auf jeden Schlag die Beute mit den Feind dar-
nieder ſinkt.
Wo ein luſtigs Feldgeſchrei! ohne alles Blutver-
gieſſen,
Wo von der beſchwizten Fauſt, zwar die heiſſen
Tropfen flieſſen,
Doch aus keinen Wunden rinnen. Welch ein
Schauſpiel giebt das Feld,
Da der Landmann ſeine Voͤlker, wie zur Schlacht
in Ordnung ſtellt:
Da folgt immer Schlag auf Schlag, Hieb auf
Hieb, und Bliz auf Blizzen
Wenn ſie mit geſchwenkten Arm, durch die dorren
Halmen rizzen
Zweyter Theil. BUnd
[18]Der Sommer.
Und in Garben zu ſich ziehen. Welch ein emßiges
Gewuͤhl!
Und das in der ſchwuͤlen Hizze: doch die Arbeit, wird
zum Spiel
Weil ſie in der Aehren-Meng, die ſie froh zuſam-
men binden,
Einen fetten Lebens-Mark, wieder ſich zu ſtaͤrken
finden.
Dieſe Hofnung ſtaͤrkt das Herze und erwekket in der
Bruſt
Der beſchweißten Schnitter Freude; ihre Muͤhe
wird zur Luſt
Wenn ſie mit geruͤhrten Sinn den geſchenkten Nah-
rungsſeegen,
Den der fette Boden traͤgt und von Hoͤchſten flieſt,
erwegen.
O! ein luſtiges Gewimmel! iſt es gleich recht ſchwuͤl
und heis,
So bleibt dennoch unermuͤdet, ihr vergnuͤgter Ernd-
te-Fleis,
Einer bindet, jener haͤuft und ſtellt in geſchwinden
Wandeln,
Die geknuͤpften Garben auf, und macht reiche See-
gens-Mandeln;
Daran eine Aehren-Menge, die auf ihren Halmen
haͤngt,
Ein betrachtendes Gemuͤte zu dem hoͤchſten Geber
lenkt,
Wenn ſie wie mit Fingern zeigt, daß von den be-
ſtirnten Hoͤhen,
Als der GOttheit lichten Thron, ſie und alle Ding,
entſtehen.
Wenn das Feld mit ſolchen Hauffen, als mit Kro-
nen ausgeſchmuͤkt,
Dar-
[19]Der Sommer.
Daran ein geruͤhrtes Auge ſo viel Wunder hat er-
blikt,
Als der Koͤrner groſſe Zahl; ſo ſind da die Erndte-
Wagen,
Dieſe reiche Felderfrucht in die Scheuren einzutra-
gen.
Man bepakt die weiten Leitern, und legt immer
Schicht auf Schicht,
Die beſchaͤumten Pferde ziehen, und das raſchelnde
Gewicht
Rollt, wenn gleich die Achſe knarrt, fort auf den
beſtaͤubten Wegen,
Die beim muntren Pferde Trab, hintern Wagen
ſich erregen,
Und geſtaͤubte Wolken machen, die ſich wiederum
verziehn,
Wenn die aufgehaͤuften Laſten, gaͤnzlich aus dem
Felde fliehn.
O! vergnuͤgte Sommerluſt! da das Feld ſo wird
erreget,
Wenn man die gedeihte Frucht in die Vorrathskam-
mern traͤget;
Hie rauſcht von bewegten Senſen, der getrofne duͤr-
re Halm
Da in Luͤften wiederhallet, der erfreuten Schnitter
Pſalm,
Den ſie mit den Jubel-Chor, aus gedorrten Gau-
men zwingen,
Darin ſie des Schoͤpfers Ruhm, der das Feld ge-
baut, beſingen.
Da knarrt der gedrukte Boden, von des Wagens
Laſt beſchwert,
Der mit raſſelnden Geraͤder uͤber ſeine Flaͤchen
faͤhrt;
B 2Die-
[20]Der Sommer.
Dieſes freudige Geſchrei, wird durch das Geklatſch
verwirret,
Das des Fuhrmans Peitſche macht, damit er die
Pferde ſchirret
Wenn ſie nicht in Fluͤchten rennen. Dieſe frohe
Munterkeit,
Macht die Felder immer rege, bis die dunke Abends-
zeit
Jeden zu der Ruhe weiſt; Alsdenn gehen die ge-
ſchnitten,
Unter jauchzenden Geſchrei, freudig wieder zu den
Huͤtten
Wo ſie die erſchoͤpften Glieder, die von ſaurer Ar-
beit mat,
Wiederum von neuen ſtaͤrken, auf der weichen La-
gerſtat.
Wenn der Morgen wieder graut und die Poſt des
Tages bringet,
Wird der Felder rege Luſt abermahl als wie verjuͤn-
get,
Bis der Seegen eingeſcheuret, den der Vorſicht
Gnadenhand,
Bei des Sommers warmer Milde, ihren Kindern
zugewandt.
GOtt! der du als Brunn des Lichts, woraus al-
les Gute quillet,
Durch der Sonnen rege Glut, jenen Luftkreis an-
gefuͤllet,
Der durch ſein erwaͤrmend Hauchen Geiſt und Blut
zur Luſt anfacht,
Wie gar gros iſt deine Guͤte, deine Weisheit, dei-
ne Macht!
Himmel, Erde, Wald und Feld, das beſchaͤumte
Reich der Wellen,
Sind
[21]Der Sommer.
Sind von deinen Wundern voll, die ſich uns vor
Augen ſtellen.
Du allweiſer Zeit-Regierer, ordneſt alles herrlich
an,
Du giebſt bei des Sommers Hizze, was den Gaum
erfriſchen kan.
Schieſt des Himmels heitrer Strahl uns recht
brennend ins Geſichte:
So ſchenkſt du uns zu der Zeit manch erquikkendes
Gerichte
Das mit ſolchen Saft erfuͤllet, der uns kuͤhlet, labt
und ſpeiſt,
Und auf deine weiſe Guͤte, allemahl zuruͤkke
weiſt.
O! ihr Gaͤrten eure Frucht, laͤſſet den erhizten Keh-
len,
Nicht an dem erfriſchend Obſt, nicht an ſaftgen
Beeren fehlen,
Die uns wie in ſchoͤnen Schaalen wunderbarlich
ſind geſchenkt
Woraus uns die ewge Liebe, als mit ſuͤſſen Nectar
traͤnkt.
Euer Schattenreiches Dach, das aus Laubwerk iſt
verbunden,
Giebet uns bei ſchwuͤler Luft kuͤhlende Erquikkungs-
ſtunden.
Eure ſammtnen Graſe-Dekken die natuͤrlich, rei-
zend, ſchoͤn,
Sind die Polſter ſuͤſſer Ruhe, worauf wir uns
ſanfte drehn,
Wenn der Weſtwind uns einwiegt, und mit fri-
ſchen Laube kuͤhlet,
Darin ſein unſichtbahr Hauch mit gelinden Blaſen
ſpielet.
B 3Men-
[22]Der Sommer.
Menſchen! wenn ihr ſolch Vergnuͤgen zu der Som-
merszeit genießt,
O! ſo denket an die Quelle, woraus ſolch Ergoͤzzen
fließt,
Laſſet durch den Sonnenſtrahl, eure Andacht euch
entzuͤnden,
Merket auf die hoͤchſte Guͤt, bei dem freudigen Em-
pfinden,
Das ſich in den Adern reget; dankt der ewgen
Guͤtigkeit,
Fuͤr die ſuͤſſen Gnadengaben der beliebten Sommers-
zeit;
Preiſet ſeine groſſe Macht, die den Schauplaz die-
ſer Erden,
Bei des Sommers warmer Luſt laſſen zum Gewaͤchs-
haus werden.
Ruͤhmet ſein allweiſes Walten, das im Luſthaus
dieſer Welt,
Denen Luſtbegiergen Sinnen, ſo viel Anmuth vor-
geſtellt.
Lernet daran einzuſehn, wie uns zum vergnuͤgten
Leben,
Die ſtets wuͤrkende Natur, Mittel ſattſam darge-
geben;
Und wie unſers Schoͤpfers Wille, uns darum ſo
viel beſchert,
Daß wir ſeine Guͤte ſchmekten, die uns uͤberfluͤßig
naͤhrt.
Lernet wie wir ſchuldig ſeyn, Jhn mit frohen An-
dachtstrieben
Als das allerhoͤchſte Gut, zu erkennen und zu lie-
ben.
Wenn die Sommerszeit verſtrichen, ſo folgt auf
den warmen Tag,
Bald
[23]Der Sommer.
Bald der truͤbe Herbſt und Winter mit den Froſt
und Kaͤlte nach:
Laſt euch dies ein Denkbild ſeyn, das mit denen
Sommer-Jahren,
Auch die Munterkeit vergeht. Man muß auf dem Win-
ter ſparen,
Wenn die Zeit der reichen Erndte, Boden, Faß
und Keller fuͤllt;
Wenn der Brunquell aller Gaben, von den See-
gen uͤberquillt:
So muß man bei friſcher Kraft der noch muntren
Leibesſaͤfte
Als zur rechten Erndte-Zeit, treiben ſein Berufs-
geſchaͤfte.
Hier ſind immer Zeiten-Wechſel, und der Son-
nen Unbeſtand,
Macht die Aendrungs-volle Erde, wie uns allen
wol bekand,
Zu den groſſen Jnbegrif, wo die Eitelkeit regie-
ret;
Dadurch wird der rege Sinn das zu ſuchen, ange-
fuͤhret
Was beſtaͤndig ewig dauret. Dieſes iſt nur da zu
ſehn,
Wo ſich die vollkomnen Zirkel guͤldner Ewigkeiten
drehn;
Jn der ſeelgen Geiſter-Welt, wo die ewge Sonn
zu ſchauen,
Wo es immer Sommer bleibt, dort in Salems gruͤ-
nen Auen.