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DIE
GESCHICHTE DES EISENS

IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG.

ZWEITE ABTEILUNG.
DAS XVI. UND XVII. JAHRHUNDERT.
[]
[]
DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IN TECHNISCHER UND
KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG
VON
Dr. LUDWIG BECK.
ZWEITE ABTEILUNG.
DAS XVI. UND XVII. JAHRHUNDERT.
MIT 232 EINGEDRUCKTEN ABBILDUNGEN.
BRAUNSCHWEIG,:
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1893—1895.
[][[V]]

VORWORT.


Indem ich die zweite Abteilung meiner Geschichte
des Eisens
der Öffentlichkeit übergebe, sei es mir ge-
stattet, einige erläuternde Worte vorauszuschicken.


Der Plan des Werkes, eine umfassende Geschichte des
Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung
zu bieten, ist unverändert festgehalten; allein es liegt in
der Natur der Sache, daſs mit der fortschreitenden Ent-
wickelung der Eisenindustrie der technische Standpunkt
mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Im ersten Teil
überwog das kulturgeschichtliche Element, in den übrigen
wird das technische vorherrschen, doch werden sich auch
hier überall kulturgeschichtliche Anknüpfungen finden.


Eine grosse Schwierigkeit bot die Gliederung des Stoffes.
In der alten Geschichte konnte die Einteilung nach Nationen
vorangestellt und die technischen Erörterungen derselben
untergeordnet werden, in der neueren Geschichte ist dies
nicht mehr möglich, hier müssen die technischen Gesichts-
punkte das Einteilungsprincip bilden, während die nationale
Teilung zurücktritt. Dies wird mit jedem neuen Jahrhundert
mehr der Fall, indem die Eisenindustrie um so mehr inter-
national wird, je mehr sie sich der Gegenwart nähert. Um
[VI]Vorwort.
die Fülle des Stoffes überhaupt bewältigen zu können und
eine chronologische Ordnung festzuhalten, sind für die
Haupteinteilung Abschnitte nach den Jahrhunderten ge-
wählt worden. Jedes Jahrhundert zerfällt sodann in einen
allgemeinen technischen Teil und in einen lokalen Teil, in
welchem die Geschichte der einzelnen Länder abgehandelt
wird. Diese Landesgeschichte enthält vielfach Beispiele
für die allgemeine Geschichte. Je näher man aber der
Gegenwart kommt, je mehr tritt der zweite Teil gegen
den ersten zurück. Für das neunzehnte Jahrhundert läſst
sich diese Einteilung überhaupt nicht mehr streng fest-
halten. Denn während in den früheren Jahrhunderten, wie
in der ganzen alten Zeit die Nachrichten über die Technik
der Eisenbereitung so spärlich sind, daſs die Hauptarbeit
darin bestand, das Material dafür zusammenzusuchen, so
entwickelte sich seit der Erfindung der Dampfmaschine,
besonders aber in unserem Jahrhundert eine solche Fülle
der technischen Litteratur, daſs die Mühe umgekehrt darin
bestand, in dieser Hochflut des Stoffes das Steuer fest-
zuhalten, um den Kurs nicht zu verlieren. Bei der groſs-
artigen Entwickelung der Eisenindustrie im neunzehnten
Jahrhundert, bei der fast verwirrenden Teilung und Spe-
cialisierung der technischen Prozesse war es durch die
Menge des Materials nicht mehr möglich, an so groſsen
Zeitabschnitten festzuhalten, es muſsten, um den histo-
rischen Fortschritt klarstellen zu können, kürzere Perioden
gewählt werden. Leider ist es bei dieser Art der Behand-
lung nicht immer möglich gewesen, Wiederholungen zu
vermeiden. Der Verfasser hat sich die gröſste Mühe ge-
geben, dieselben möglichst zu beschränken und wo sie für
das Verständnis unvermeidlich waren, ihnen neue Seiten
abzugewinnen gesucht.


[VII]Vorwort.

Eine andere kaum lösbare Schwierigkeit lag darin,
den ungeheuren Stoff so zu bearbeiten, daſs er das Inter-
esse des Technikers ebenso wie das des Nichttechnikers
fesselt. Eine ganz leichte Arbeit wird es für den Laien
in der Technik nicht sein, sich durch das Werk durch-
zuarbeiten. Trotzdem wagt der Verfasser zu hoffen, daſs
es jedem Gebildeten verständlich sein wird. Freilich ge-
hört dazu freundliches Entgegenkommen der Leser, sowie
gütige Nachsicht der berufenen Kritiker.


Rheinhütte-Biebrich, im Juni 1895.


Dr. L. Beck.


[[VIII]][[IX]]

INHALTSVERZEICHNIS.
Die Eisenhüttenkunde im 16. Jahrhundert.


[]

DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IM
SECHZEHNTEN JAHRHUNDERT
.


[][[1]]

DIE
EISENHÜTTENKUNDE
IM
SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERT.


Einleitung.


Eine neue Zeit begann um das Jahr 1500. Eine gewaltige Be-
wegung hatte alle Geister in Europa ergriffen. Es vollzog sich ein
Gärungsprozeſs, in dem das Alte in nichts zu verschwinden schien
vor dem Neuen.


Auf allen Gebieten machte sich ein revolutionäres Streben fühl-
bar. Der künstliche Bau der scholastischen Weltweisheit, auf theo-
logischer Grundlage errichtet, stürzte in Trümmern vor dem frischen
Hauch des Humanismus und vor der überzeugenden Kraft der Natur-
wissenschaft. Himmel und Erde schienen sich zu verändern. Der
alte Himmel war nicht mehr das über den Erdkreis gespannte Ge-
wölbe, an dem Sonne, Mond und Sterne sich in täglichem Laufe um
die ruhende Erdscheibe bewegten; der neue Himmel erweiterte sich
zum unendlichen Raume, in dem Welten ihre gesetzmäſsigen Bahnen
wanderten und deren Mittelpunkt — schon ahnte man dies und bald
bewies es der gelehrte Kanonikus von Frauenburg, Nikolaus Koper-
nikus
— die Erde nicht war. Auch die alte Erde war nicht mehr
dieselbe. Hatte doch der kühne Genuese Christoph Kolumbus
im festen Glauben, daſs die Erde nicht die Scheibe sei, auf deren
abgekehrter Seite sich die Hölle befinde, wie sie sein groſser Lands-
mann Dante in der „göttlichen Komödie“ so ergreifend geschildert
hatte, sondern daſs sie Kugelgestalt habe, es gewagt, seinem Glauben
und seinem Kompaſs vertrauend, nach Westen in den unbekannten,
unendlichen Ozean hinauszusteuern mit dem kühnen Entschluſs, die
Erdkugel zu umfahren, um einen kürzeren Weg nach dem Goldlande
Indien zu finden. Glänzender Erfolg hatte sein kühnes Unternehmen
Beck, Geschichte des Eisens. 1
[2]Einleitung.
gekrönt. Eine neue Welt war entdeckt, mit neuen Menschen und
Tieren bevölkert und so gesegnet mit Gold und Silber, daſs ihr
Reichtum unerschöpflich zu sein schien. Da erkannte auch der ein-
fache Mann, daſs die alte Erde, wie sie die Priester bis dahin gelehrt
hatten, ein Märchen gewesen war.


Aber auch alle menschlichen Verhältnisse, sowohl auf dem Ge-
biete der Politik, des Rechts, der Religion, der bürgerlichen Ordnung
wie der gewerblichen Thätigkeit rangen nach Erneuerung.


Auf dem politischen Gebiete hatten sich in der zweiten Hälfte
wichtige Ereignisse vollzogen. Den gröſsten Eindruck hatte die
Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 auf das
abendländische Europa gemacht. Damit war der letzte Rest des einst
so stolzen römischen Reiches in den Staub gesunken. Byzanz, die
mehr als tausendjährige Hauptstadt des oströmischen Reiches, das
östlichste, stärkste Bollwerk christlichen Glaubens und europäischer
Gesittung, war in die Hände der Ungläubigen, der kriegslustigen
Türken gefallen. Ein allgemeiner Schrecken, ein tiefer Schmerz
erfaſste die Christenheit. — Aber aus diesem politischen Untergang
erblühte neues Leben. Das Reich, welches allein noch unmittelbar
an das klassische Altertum anknüpfte, erlag, aber der Geist des
klassischen Altertums wurde dadurch erst im Abendlande lebendig.
Die groſse Schar der von den ungläubigen Barbaren ausgetriebenen
Gelehrten und Künstler aller Art wurden in Italien, besonders in
Rom, von dem hochgebildeten Papste Nikolaus V. mit offenen Armen
aufgenommen. Sie brachten die reichen litterarischen Schätze nach
Rom, welche der Grundstock der berühmten Vatikanischen Bibliothek
geworden sind.


Die griechischen Klassiker waren bis dahin im Abendlande noch
so gut wie unbekannt gewesen. Papst Nikolaus lieſs lateinische
Übersetzungen ihrer Werke anfertigen und streute dadurch selbst
den segensreichen Samen aus, der zum Humanismus und zur Refor-
mation der Kirche führte, freilich zugleich auch zum Sturze der
scholastischen Philosophie und zum Abfall des Protestantismus von Rom.


Hatte der Islam im Osten Europas gesiegt, so unterlag er im
Westen. 1492 fiel Granada und mit ihm der letzte Rest der hoch-
gebildeten arabisch-islamitischen Herrschaft in Spanien. Auch dieses
Ereignis trug dazu bei, den wissenschaftlichen und künstlerischen
Gesichtskreis der europäischen Abendländer zu erweitern. Jetzt erst,
nachdem man den Mauren nicht mehr feindlich gegenüberstand, lernte
man den Reichtum ihrer wissenschaftlichen Werke, besonders auf den
[3]Einleitung.
Gebieten der Mathematik, Medizin und Chemie, sowie die herrliche
Pracht ihrer Bauwerke würdigen und bewundern.


Der römische Geist breitete sich mit überraschender Schnelligkeit
aus und wirkte zersetzend nach den verschiedensten Richtungen hin.
Wie dies auf dem philosophisch-wissenschaftlichen Gebiete der Fall
war, so geschah es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf
dem des Rechtes. Der heidnische Geist des römischen Rechtes
kämpfte wider die christliche Grundlage des kanonischen, welches bis
dahin allein maſsgebend gewesen war. Die Zeit war reif zur Aufnahme
der römischen Rechtslehre und so fand diese rasch Eingang.


Die römische Jurisprudenz geht aus von der Idee des Staates
als der Quelle des Rechtes. Die ganze politische Entwickelung am
Schlusse des Mittelalters drängte aber zur Staatenbildung, zur Bildung
starker politischer Körper, gröſserer Machtgebiete hin.


In Spanien war durch die Vereinigung von Kastilien und Ara-
gonien unter Ferdinand und Isabella, sowie durch die gänzliche
Vertreibung der Mauren ein mächtiger Staat entstanden, dessen Macht
und Glanz noch erhöht wurden durch die Reichtümer, die aus der
neuen Welt ihm zuströmten.


Frankreich hatte sich nach jahrhundertelangen Kämpfen zu einem
starken geschlossenen Einheitsstaat durchgerungen. Der langwierige
Kampf mit England um die Herrschaft Nordfrankreichs war in der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Gunsten Frankreichs entschie-
den worden. In der zweiten Hälfte befestigte Frankreich seine
militärische Macht besonders durch die Einführung eines stehenden
Heeres und sein Ansehen und Besitz erweiterten sich beträchtlich
durch den Untergang seines gefährlichsten Rivalen, des Herzogs Karl
des Kühnen von Burgund. Der siegreiche Feldzug König Karls VIII.
durch Italien und die Einnahme Neapels war ein Triumphzug nicht
nur der königlichen Macht Frankreichs, sondern auch ganz besonders
der modernen Artillerie.


England fing erst jetzt an, seinen Beruf zu erfassen. Das Streben
seiner normannischen Herrscher, eine starke Kontinentalmacht in
Europa zu begründen, war trotz glänzender Waffenthaten zuletzt
gescheitert: es muſste sich vor dem siegreichen Frankreich zurück-
ziehen. Die Kämpfe des mächtigen Feudaladels hatten fast ein Jahr-
hundert lang die Entwickelung im Inneren und eine zielbewuſste
Politik nach auſsen gehemmt. Endlich hatte die Schlacht bei Bos-
worth am 22. August 1485 und der Tod Richards III., des letzten
Königs aus dem Stamme der Plantagenets, dem traurigen Kriege der
1*
[4]Einleitung.
roten und weiſsen Rose ein Ende gemacht. Heinrich Tudor bestieg
als Heinrich VII. den englischen Thron, und wenn er auch kein
Fürst von hervorragender Begabung war, so war doch seine Regierung
eine kluge und sparsame, vor allem aber begriff er klar, daſs Eng-
lands zukünftige Entwickelung von seiner bevorzugten Insellage bedingt
sein müsse. Er lieſs deshalb die kriegerische Kontinentalpolitik seiner
Vorgänger fallen und trat in freundschaftliche Beziehung mit der
ersten Seemacht der damaligen Zeit, mit Spanien. Im Inneren aber
stärkte er durch Schwächung des Adels und durch Kräftigung des
Bürgerstandes die Einheit des Reiches.


Auch das skandinavische Reich im Norden Europas rang nach
Entwickelung einheitlicher Macht. Äuſserlich war diese ja schon von
der genialen Königin Margarete durch die Kalmarische Union im
Jahre 1397 erreicht worden. Aber eine innere Verschmelzung der
drei stammverwandten Königreiche Dänemark, Schweden und Nor-
wegen wurde hierdurch nicht erzielt. Ihre Lebensbedingungen waren
zu verschieden, als daſs die künstliche Vereinigung eine dauernde
hätte sein können. Jedes der drei Reiche strebte nach selbständiger
Einheit und schon hatten in Schweden die blutigen Kämpfe begonnen,
die zu diesem Ziele führen sollten.


Sehen wir bei den westlichen und nordischen Reichen Europas
eine ausgesprochene centripetale Entwickelung, so scheint bei den
Reichen der Mitte, Deutschland und Italien, das centrifugale Streben
den Sieg behalten zu sollen. Italien ist zerrissen durch widerstreitende
Interessen, Deutschland durch die wachsende Macht der Lehens-
fürsten, durch welche die Kaisermacht immer mehr eingeschränkt
wird. Aber trotz dieser Zersplitterung läſst sich doch bei den Einzel-
fürsten Italiens und Deutschlands ein ebenso energisches Streben
nach Machterweiterung und nach Erhöhung der Souveränität erkennen,
wie wir dies bei den einheitlichen Staaten des Westens gesehen
haben. In dieser Beziehung ging das Haus Habsburg, bei dem die
römische Kaiserkrone jetzt durch Gewohnheit erblich geworden war,
selbst allen anderen voraus, indem es planmäſsig seine Hausmacht
auf Kosten der kaiserlichen Macht vergröſserte und den mächtigen
österreichischen Staat gründete.


Alle diese Bestrebungen nach Erhöhung der Fürstenmacht, nach
Gründung starker staatlicher Verbände, fanden eine kräftige Stütze
und eine sittliche Rechtfertigung in dem römischen Recht, das, aus
den gleichen Verhältnissen hervorgegangen, auf dem Begriff der
Souveränität des Staates aufgebaut war. Deshalb unterstützten die
[5]Einleitung.
Fürsten die Einführung des römischen Rechtes in egoistischem Inter-
esse. Sie befreiten sich dadurch von der lästigen Bevormundung
durch die Priesterschaft, deren maſsgebende Stellung eine Voraus-
setzung des kanonischen Rechtes bildete. Auch das germanische Recht,
welches mit dem kanonischen in der kommunistischen Grundlage,
wonach der Besitz ursprünglich der Gesamtheit, der Gemeinschaft ge-
hört, übereinstimmte, wurde von dem römischen Recht mit seiner
scharfen Definition des Eigentums und seinen klaren Bestimmungen
zum Schutz des persönlichen Besitzes verdrängt zum Vorteil der
Reichen und Mächtigen, zum Nachteil der Armen und Besitzlosen.


Freilich lieſsen sich die Beschränkungen, welche das kanonische
und zum Teil auch das germanische Recht der Mobilisierung des
Eigentums in den Weg legte, nicht aufrecht erhalten in einer Zeit,
in der Handel, Verkehr und Gewerbthätigkeit nach Ausdehnung und
Entwickelung strebten. Besonders die Wucherverbote, welche jedes
Zinsnehmen für das mobile Kapital für sündhaft, die jeden Handel,
der nicht Tauschhandel war und der mit der Absicht, einen Gewinn
zu erzielen, betrieben wurde, für unchristlich und wucherisch erklärten,
konnten ohne groſse Nachteile nicht fortbestehen. Die schönen Grund-
begriffe des deutschen Rechtes, Ehre und Treue, erwiesen sich un-
zulänglich in Handel und Verkehr und wurden ersetzt durch die be-
stimmteren Paragraphen des Justinianischen Gesetzbuches über das
Eigentum.


Damit zog aber zugleich ein ganz neuer Geist in das wirtschaft-
liche Gebiet. Auch auf ihm verdrängten neue Anschauungen die alten
Gewohnheiten. Der Begriff des Geldes als Maſs für alle Werte kam jetzt
erst zu allgemeiner Anerkennung. Daraus entsprang die Festsetzung von
Preisen für Waren, für Güter und für die Arbeit. Es entsprang aber ferner
daraus eine Wertschätzung des Besitzes von geprägtem Geld, die man
früher kaum gekannt hatte und die zu einseitiger Übertreibung neigte.
In engem Zusammenhange damit entwickelte sich eine gröſsere Beweg-
lichkeit des Vermögens, insbesondere des mobilen Vermögens; — die
fast vollständige Gleichstellung der beweglichen mit den unbeweglichen
Gütern; die scharfe Unterscheidung von Eigentum und Forderung 1).


Waren dies Vorteile für das wirtschaftliche Gebiet, so brachte uns
die Übernahme der römischen Gesetzeserbschaft auch Nachteile. Der
Römer kannte die freie Arbeit nicht, für ihn gab es nur Sklaven-
arbeit; er verachtete infolgedessen die gewerbliche Arbeit, und frei-
[6]Einleitung.
willige Arbeitsleistung gegen Lohn war ihm ein Unding. Diese nie-
drige Auffassung der Würde und des Wertes der Arbeit ist auch in
der römischen Gesetzgebung festgehalten. Diese dem germanischen
und auch dem christlichen Geiste fremde Anschauung schlich sich nun
mit den fremden Gesetzen gleichzeitig ein. Zur Abwehr gegen
diese Entwürdigung schlossen sich die genossenschaftlichen Organi-
sationen auf den Gebieten der Gewerbe und des Handels, die Gilden,
Zünfte, Gewerkschaften, Handelsgenossenschaften u. s. w. fester zu-
sammen und auf diesem Gebiete blieb der deutsche Geist Sieger.
Die germanische Einrichtung der Genossenschaften erhielt sich
siegreich auf dem Felde des geistigen und des wirtschaftlichen Lebens;
— nicht am wenigsten bei den Eisenarbeitern, sowohl beim Bergbau,
als bei dem Hüttenbetriebe und der Verarbeitung des Eisens.


Auf kirchlichem Gebiete hatte gleichfalls eine gewaltige Gärung
alle Gemüter ergriffen. — Wie auf allen Gebieten des Lebens der
Glaube an die Autorität des Priestertums erschüttert war, wie eine
allgemeine Auflehnung gegen die geistliche Bevormundung in den
Gemütern Platz griff, so war dies am unmittelbarsten auf kirchlichem
Gebiete der Fall. Der Glaube an die Autorität der Kirche schwand
mit dem Fortschritt der allgemeinen Bildung. Die Priesterschaft hatte
nicht mehr das Privileg eines überlegenen Wissens vor den unter-
richteten Laien, ja die niedere Geistlichkeit zeichnete sich mehr
durch Roheit und Mangel an Gesittung, als durch das Gegenteil aus.
Der Papst selbst aber hatte seinen hohen Beruf vergessen, er war
nicht mehr der Nachfolger des Apostels, der Stellvertreter Christi
auf Erden, sondern ein weltlicher Fürst, der seinen Ruhm darin
suchte, der erste zu sein in Üppigkeit und weltlichem Glanz, und zu
diesem Zweck wurden die Ablaſspfennige von den Armen und Be-
drängten in ganz Europa unablässig zusammengebettelt. Eine allgemeine
Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies des Glaubens, nach
dem einfachen idealen Christentum der alten Zeit, da die Apostel
und die Priester wetteiferten in Frömmigkeit, Demut, Opferwilligkeit
und im Glauben, erfaſste die Christenheit. Trauer und Verstimmung
zog in die Herzen der besten Männer ein, wenn sie das gegenwärtige
Treiben der Geistlichkeit und ihres obersten Hauptes betrachteten.
Auch hier bereitete sich eine Revolution vor.


Fragen wir uns nun aber, wie es denn kam, daſs gerade um
diese Zeit eine solche allgemeine Gärung sich bemerklich machte,
warum eine solche Bewegung alle Geister in Europa ergriffen hatte,
warum alles nach Neugestaltung drängte? Zwei technische Er-
[7]Einleitung.
findungen waren es hauptsächlich, welche die alten Ver-
hältnisse über den Haufen warfen und eine neue Zeit ins
Leben riefen: die Erfindung des Schieſspulvers und die
Erfindung der Buchdruckerkunst
.


Wie unsere Zeit unter der Signatur des Dampfes steht, so stand
die Zeit um das Jahr 1500 unter der Signatur des Pulvers und des
Buchdruckes. Auch wir leben in einer stürmischen Zeit der Neu-
gestaltung, des Fortschrittes und ihren Ausgangspunkt hat diese
Periode in der Verbesserung der Dampfmaschine durch James Watt;
denn durch diese Erfindung wurden die Kräfte der Menschen verviel-
fältigt, durch diese Erfindung wurden neue, ungeahnte Verkehrsmittel
geschaffen, welche die Bewohner der ganzen Erde in neue, enge Be-
ziehungen gesetzt, tausenderlei neue Erwerbsmittel geschaffen haben. —
Ähnlich waren die umgestaltenden Wirkungen der beiden Erfindungen
am Ausgange des Mittelalters, die des Pulvers und des Buchdrucks.


Über die Erfindung des Schieſspulvers und ihre Bedeutung
für die Geschichte der Eisenindustrie haben wir uns bereits im ersten
Bande (S. 892) ausführlich ausgesprochen.


Indem wir daran anknüpfen, führen wir hier nur weiter aus, wie
durchgreifend ihr Einfluſs auf die Umgestaltung der Bewaffnung und
des Kriegswesens war und wie durch sie eine ganz neue Politik in
Europa geschaffen wurde. Was wir oben in flüchtiger Skizze zu
schildern versucht haben, das Streben, stärkere Machtgebiete zu bilden,
hatte seinen Grund und Ausgang in der veränderten Kriegsführung
infolge der Einführung der Feuerwaffen. Die Tapferkeit des einzelnen
Mannes, seine Gewandtheit in der Führung der Waffen, selbst die Vor-
trefflichkeit seiner kostspieligen Schutzbewaffnung verlor mehr und
mehr an Bedeutung gegenüber der Zahl und der Güte der Feuer-
röhren, von geübten, wenn auch nur abgerichteten Händen bedient.
So sank der Wert des freien Ritters mit dem Glanze der mittel-
alterlichen Kampfweise. Und wie der Wert des gewappneten Mannes
gegenüber dem Handrohr gering wurde, so wurden es die Bollwerke
des Rittertums, die Mauern und Türme ihrer Burgen gegenüber dem
schweren Geschütz, den Stücken und Bombarden. Nicht mehr war
der Fürst der mächtigste, der die glänzendste Ritterschaft um sich
versammeln konnte, sondern der, welcher die Geldmittel besaſs, die
meisten Schützen und die besten Büchsenmeister zu bezahlen.


In Deutschland hatte die Geschützkunst ihren Ausgangspunkt,
ihre eigentliche Heimat. Deshalb waren es zunächst die reichen
deutschen Städte, deren politische Macht und deren Ansehen wuchs
[8]Einleitung.
durch ihr Geschützwesen. Sie hatten zuerst geordnete Schützengilden,
eine geordnete Landwehr.


Gegen sie konnten die einzelnen Ritter nichts mehr ausrichten,
auch nicht das Aufgebot ganzer Ritterschaftsverbände durch die
Landesfürsten. Die deutschen Städte lieferten die besten Truppen
für das Reichsheer, sowohl in Beziehung auf Geschicklichkeit als Aus-
rüstung des einzelnen Mannes. Ein stehendes Heer war dies noch
nicht, aber ein Stock waffentüchtiger Leute, um den sich die lose
Masse der damaligen Reichsheere gruppieren konnte. Ein solcher
zuverlässiger Stock fehlte dem kriegslustigen Frankreich, deshalb ver-
fielen seine Könige zuerst darauf, sich eine besoldete, stehende Truppe
zu schaffen. Schon Karl VII. sah sich hierzu gezwungen, um die
wilde Söldnerschar, welche nach Beendigung des englischen Krieges
beschäftigungslos geworden war, die sogenannten Armagnaks, in Pflicht
und Sold zu halten.


Diese Truppe, welche aus 5000 Armbrustschützen zu Fuſs und
zu Pferd bestand, bereitete aber durch ihre schlechte Disziplin dem
französischen Königtum mehr Verlegenheiten als Vorteile. Deshalb
ging Karls Nachfolger Ludwig XI. dazu über, eine Leibgarde von Be-
rufssoldaten aus fremden Söldnern, meist Schotten und Schweizern, zu
bilden. Dadurch wurde die Einrichtung des stehenden Heeres eine
bleibende für Frankreich, und bald sahen sich die übrigen europäischen
Staaten gezwungen, Frankreichs Beispiel nachzuahmen. Dies hatte
groſsen Einfluſs auf die Waffenfabrikation. Die gleichförmige Be-
waffnung gröſserer Heeresmassen verlangte Massenfabrikation und so
entstanden die ersten Gewehrfabriken.


Welchen Einfluſs die Entwickelung des Geschützwesens auf das
Eisengewerbe ausgeübt hat, haben wir im ersten Teil unserer Geschichte
bereits ausführlich nachgewiesen. Die erste Verwendung des neu
erfundenen Eisengusses war für die Herstellung von Kanonenkugeln.
Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daſs das Bedürfnis der Artillerie
die Erfindung des Eisengusses veranlaſst hat.


War die Erfindung des Schieſspulvers zunächst für die politische
Entwickelung Europas von gröſstem Einfluſs, so war es die Erfin-
dung der Buchdruckerkunst
für die geistige Entwickelung.


Die mächtige Bewegung der Geister, die nervöse Erregtheit,
welche für den Anfang des 16. Jahrhunderts symptomatisch ist, hatte
ihren Grund und Ursprung in der so wunderbar einfachen und doch
in ihrer Wirkung so unermeſslichen Erfindung des Johann Gens-
fleisch
, mehr bekannt unter dem Namen seiner Mutter v. Guten-
[9]Einleitung.
berg aus Mainz: der Einführung der beweglichen Typen zum Schrift-
druck.


Keine Erfindung des menschlichen Geistes hat so durchschlagen-
den Erfolg, so rasche Anerkennung und Verbreitung gehabt wie diese.
Es ist deshalb wohl am Platze, bei derselben zu verweilen.


Göthes treffende Antwort auf die Frage: was ist Erfindung?:
„der Abschluſs des Gesuchten“, ist eine anerkannte Wahrheit, deshalb
spielen aber doch die Umstände, der glückliche Zufall eine groſse
Rolle bei der Bethätigung einer Erfindung. Wie dem aber auch sei,
nicht die Auffindung einer neuen Thatsache allein bedingt den Wert
einer Erfindung, sondern ihre praktische Verwertung. Der Erfinder
muſs die Geschicklichkeit und die Mittel haben, seiner Idee eine
zweckmäſsige Gestalt zu geben. Die Konzeption eines neuen Gedankens
genügt noch nicht zu einer epochemachenden Erfindung. Die Über-
setzung des Gedankens in die Praxis ist in den zahlreichsten Fällen
der schwierigste und wichtigste Teil des Unternehmens. Ja selbst
das Geschick, die Idee in eine praktische Form zu bringen, genügt
nicht, wenn die materiellen Mittel zur Ausbeutung fehlen, und alles
dies zusammengenommen hat keinen Wert, wenn kein Bedürfnis für
die Erfindung vorliegt. Der Erfolg einer Erfindung ist demnach durch
vier Faktoren bedingt: den Gedanken, die praktische Einkleidung, die
Mittel zur Einführung und das Bedürfnis für die Sache. Wie manche
schöne Idee hat keinen Anklang gefunden, weil nur einer dieser
Faktoren fehlte; weil sie verfrüht war, weil das Geschick oder die
Mittel für ihre Einführung in das Leben fehlten oder weil sie kein
Interesse erweckte.


Bei der Erfindung der Buchdruckerkunst trafen alle genannten
Bedingungen für den Erfolg auf das glücklichste zusammen, aber
auch nur durch das Zusammenwirken mehrerer gleichstrebender
Personen.


Die Idee des Druckes mit beweglichen Lettern und die praktische
Ausarbeitung derselben sind das unbestrittene Verdienst Johannes
Gutenbergs
; für das Kapital und die geschäftliche Ausnutzung der
Erfindung sorgten die mit Gutenberg verbundenen Mainzer Bürger
Johann Faust und der hochbegabte Peter Schäffer, welchem
letzteren wahrscheinlich die Erfindung des Letterngusses zugeschrieben
werden muſs.


Wie sehr aber die Erfindung dem Bedürfnis der Zeit entsprach,
das bewies der groſsartige Erfolg. Von Mainz aus verbreiteten sich
in überraschend kurzer Zeit Druckereien über ganz Europa.


[10]Einleitung.

Mit den Büchern wurde das Wissen überall hingetragen. Die
Wissenschaft war von nun an nicht mehr in unzugänglichen Klöstern
und Bibliotheken eingesperrt, sie war frei und hielt ihren Triumphzug
von Ort zu Ort. Die Lernbegierde wurde wach. Bis dahin hatte der
Laie kein Bedürfnis empfunden, Schriftliches zu lesen, das war aus-
schlieſslich Sache der Priester und der Gelehrten gewesen. Jetzt, wo
die neuen Druckschriften auf den Jahrmärkten zum Kauf ausgelegt
wurden, wollte jeder diese Kunst besitzen, um zu sehen, was in der
Welt vor sich ging und was die groſsen Männer des Altertums gelehrt
hatten. Die ganze Welt wurde eine Gemeinde von Wissensdurstigen,
deren Evangelium den Druckereien entströmte. Die ganze Welt
rückte näher zusammen durch die Kenntnisse, welche die neuen
Schriften verbreiteten. Ein neues, reges, geistiges Leben erwachte in
der ganzen gebildeten Welt, dessen lebenskräftige Wirkungen sich
bald auf allen Gebieten menschlichen Wissens fühlbar machten. An-
fangs waren es die Bibel, die Schriften des Neuen Testamentes, die
Schriften der Kirchenväter, zugleich mit den Werken der alten heid-
nischen Klassiker, die am meisten Verbreitung fanden, bald aber
waren es geographische, mathematische und naturwissenschaftliche
Schriften, die das gröſste Interesse erregten. Die Wissenschaft, die
bis dahin entweder ganz einseitig oder encyklopädisch gewesen war,
trennte sich in besondere Gebiete, zog deren Grenzen und bearbeitete
dieselben mit Eifer und Gründlichkeit. Eine enthusiastische, hoffnungs-
freudige Stimmung durchzog die gebildete Welt, welcher Ulrich von
Hutten
so schön Ausdruck verlieh in den Worten: „O Jahrhundert,
die Studien blühen, die Geister erwachen, es ist eine Lust zu leben!“


Auch auf das Gebiet der Eisentechnik dehnte sich dieser belebende
Einfluſs der Buchdruckerkunst aus. — Durch das gesteigerte Bedürfnis
der Zeit war das Interesse an der Metallgewinnung und Verarbeitung
ein allgemeines geworden. Aber noch fehlte es an systematischer
Behandlung der Metallurgie als Wissenschaft. Alles war Empirie
einzelner enger Kreise. Diese hatte bereits herrliche Blüten gezeitigt
auf dem Gebiete der Metallverarbeitung. Die Klingenschmiede,
Sarworchte und Plattner, dann die Kunstschmiede und Schlosser
lieferten Meisterwerke und bildeten hochangesehene Handwerkszünfte;
dagegen war die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen bis zum
15. Jahrhundert nicht weiter gekommen, als wie sie schon zur Zeit
der Herrschaft der Römer gewesen war. Sie wurde meist von den
Bauern als Nebengewerbe betrieben und nur an solchen Orten, die
von der Natur mit besonderem Reichtum guter Eisenerze gesegnet
[11]Einleitung.
waren, gab es Eisenarbeiter, welche ihr Gewerbe berufsmäſsig betrieben,
doch standen diese meist nicht auf der Höhe, noch in dem Ansehen
der übrigen Hüttenleute. Gold, Silber, Kupfer und Blei wurden
weit höher geschätzt als das Eisen, deshalb schenkte man deren
Gewinnung gröſsere Aufmerksamkeit und ein höheres Interesse. Eisen
war ja freilich das unentbehrlichste Metall und keine Thätigkeit im
Frieden wie im Kriege war denkbar ohne dieses. Aber die gütige
Natur hatte es so reichlich und aller Orten hervorgebracht, daſs
seine Erze fast wertlos schienen, und seine Gewinnung war so ein-
fach, daſs ein jeder es auszuschmelzen im stande war. Deshalb
erregte seine Darstellung die Beachtung der Gebildeten nur im ge-
ringen Grade, und was diese darüber zu berichten wuſsten, ging nicht
über das hinaus, was Plinius bereits mitgeteilt hatte. So ist die
ganze mittelalterliche Litteratur über das Eisen, mit Ausnahme der
wenigen Schriften, die wir im ersten Bande besprochen haben, unter
denen die des Theophilus Presbyter (siehe I, 974) hervorragt, nur
eine Wiederholung der bezüglichen Stellen des Aristoteles, Theo-
phrast, Plinius
und Strabo, zu denen nur noch Albertus
Magnus
als Autorität hinzutrat. Dies war in der ersten Periode
des Buchdruckes kaum anders zu erwarten, denn in dieser wollte man
zunächst hauptsächlich erfahren, was die berühmten Schriftsteller des
Altertums von der Natur und den natürlichen Dingen gewuſst und
was sie darüber gelehrt hatten. So ist diese meist encyklopädische
Litteratur eine Rekapitulation des Wissens der Alten, eine Repetition
für die Neuen. Eines der charakteristischsten Bücher dieser Periode,
welches groſse Verbreitung in ganz Europa fand und in zahlreichen
Auflagen gedruckt wurde, ist das Werk De rerum inventoribus, über
die Erfinder der Dinge, des Polydorus Vergilius von Urbino.
Dieses Buch, dessen älteste Auflage 1499 erschien, hat allein im
16. Jahrhundert 39 Auflagen erlebt 1). Es wurde in allen Ländern
Europas gelesen und ist interessant durch den freien Geist, in dem
es geschrieben ist, durch die Bekämpfung des Aberglaubens, die
scharfen Bemerkungen über den Hochmut und die Ausschweifungen
der Geistlichkeit, sowie die freisinnige Behandlung der Frage der
[12]Einleitung.
Abkunft der katholischen Gebräuche. In dieser Beziehung trug es
viel zur Aufklärung im 16. Jahrhundert bei und half mit die Refor-
mation vorzubereiten.


Technische Belehrung, die man nach dem Titel erwarten sollte,
bietet dagegen das Werk nur wenig. Es ist eine Zusammenstellung
von Namen meist mythischer Persönlichkeiten, die den Griechen,
Römern und Juden als die Erfinder der Künste und Handwerke
galten. Das Eisen ist nur kurz in dem 19. Kapitel des II. Buches
abgehandelt, welches den Titel führt: „Wer zuerst Gold, Silber,
Eisen, Blei, Erz, die Werkzeuge, das Feuer für sich, dann aus Kiesel
und aus Holz, sowie die Blasebälge und die Kerzen erfunden hat.“
Aber vergeblich sucht man nach sachlichen Mitteilungen; man findet
nur Namen und bezüglich des Eisens nur die von Plinius, Clemens
von Alexandria, Herodot, Strabo, Josephus und in der heiligen
Schrift namhaft gemachten Erfinder desſelben. Über die Eisen-
gewinnung zur Zeit des Verfassers selbst erfahren wir nichts.


Die Eisenindustrie hatte aber im 15. Jahrhundert eine groſse
Umwälzung erfahren. Wir wissen dies, wenn auch kein Schriftsteller
dieses Jahrhunderts davon Kunde giebt. In den Anfang des 15. Jahr-
hunderts fällt die Erfindung des Eisengusses und der Übergang zum
Hochofenbetrieb, also von der direkten zu der indirekten Eisenberei-
tung, zur Roheisenerzeugung. Wir haben diesen Umschwung und
die Ursachen, welche dazu geführt haben, bereits ausführlich im
letzten Theile des I. Bandes dieses Werkes dargestellt und begnügen
uns, kurz die Hauptmomente zu wiederholen.


Der Ausgangspunkt sowohl der Erfindung des Eisengusses als
des Überganges zur Roheisendarstellung bildete die Benutzung des
Wassers als Betriebskraft bei der Eisenbereitung. Hauptsächlich nach
zwei Richtungen wurde die Wasserkraft nutzbar gemacht: zur Be-
wegung eiserner Hämmer beim Ausschmieden der Luppen und zur
Bewegung der Blasebälge. Dadurch wurden beim Schmieden wie
beim Schmelzen weit gröſsere Wirkungen erzielt, als das vordem
geschehen war. Beim Schmelzen der Erze war die Wirkung der
verstärkten Windzufuhr, anfangs zum Schrecken des Schmelzers, eine
solche, daſs er das Eisen gar nicht mehr als eine zähe, wachsartige
Masse, die sich unter dem Hammer schmieden lieſs, aus dem Ofen
erhielt, sondern als ein flüssiges Metall, das erstarrt, unter dem Ham-
mer auseinander flog. Dieses Eisen war so flüssig, daſs es sich wie
geschmolzenes Erz in Formen gieſsen lieſs. Zum zweitenmal und
zwar in einem Herdfeuer vor dem Winde niedergeschmolzen, ver-
[13]Einleitung.
wandelte es sich in weiches, schmiedbares Eisen, welches gleichmäſsiger
und in vielen Fällen auch besser war, als das seither in Luppenfeuern
und Stücköfen bereitete. Diese entschiedenen Vorteile, welche die Be-
nutzung der Wasserkraft gewährte, gaben die Veranlassung, daſs sich
die Eisenindustrie von den Höhen der Berge, aus der Einsamkeit der
Wälder in die Thäler zog, wo an Stelle zahlreicher kleiner Schmelz-
feuer stattliche Öfen mit Hüttengebäuden, Wasserrädern, Blasebälgen,
Pochwerken und schweren Hämmern entstanden, in denen das Eisen
in groſsen Massen im Vergleich zu den armseligen Rennfeuern der
Waldschmieden gewonnen und verarbeitet wurde. Es entstand der
Fabrikbetrieb, die eigentliche Eisenindustrie. Nur langsam vollzog
sich diese tief einschneidende Umwandlung. Ihr entgegen stand die
alte Gewohnheit, die Bequemlichkeit des früheren Verfahrens und die
Kostspieligkeit der neuen Anlagen. Aber unaufhaltsam verbreiteten
sich die neuen Eisenwerke, die alten Waldfeuer immer mehr in ent-
legene, unwirtsame, verkehrsarme Gebiete zurückdrängend. Um das
Jahr 1500, dem Zeitpunkte, mit dem wir diesen Theil unserer Ge-
schichte beginnen, war der Sieg des neuen Verfahrens über das alte,
der Sieg des Hochofenbetriebes über den Rennwerksbetrieb im Prinzip
errungen, und aus dieser Zeit stammt auch das erste litterarische
Zeugnis, welches diesen neuen Hüttenprozeſs besingt und verherrlicht,
ein Lied des Nikolaus Bourbon, welches wir deshalb hier unverkürzt
in möglichst wortgetreuer Übersetzung mitteilen und an die Spitze
stellen.


Zuvor nur einige Worte zur Einleitung. Nicola Bourbon war
der Sohn eines Eisenhüttenbesitzers von Vandeuvre 1). Er schildert
in poetischer Form in einem lateinischen Gedicht, welches im Jahre
1517 in Paris gedruckt wurde, die Erinnerungen seiner Knabenzeit,
die er im elterlichen Hause auf der Eisenhütte, wo er die Arbeiten
des Vaters und seiner Arbeiter beobachtete, daran teilnahm und sie
lieb gewann, verbracht hatte. Danach hatte er sich wissenschaftlichen
Studien gewidmet, und zwar mit Erfolg, das beweist die Gewandtheit,
mit der er in lateinischen Versen seine Schilderung und seine Be-
geisterung auszudrücken weis, und er schildert anschaulich und mit
liebevoller Wärme den Betrieb des väterlichen Eisenwerkes, wobei
ihm der ernste Zweck der Belehrung deutlich vorschwebt. Deshalb
ist seine Schilderung nicht nur ansprechend, sondern systematisch
[14]Einleitung.
geordnet und lehrreich. Er schreibt von sich als einem jugendlichen
Dichter. Zu solcher Vollkommenheit in Beherrschung der latei-
nischen poetischen Diktion dürfte es der Sohn des Hüttenmeisters
von Vandeuvre aber kaum vor etwa dem 25. Lebensjahre gebracht
haben, so daſs die Zeit, an die sich die Erinnerungen, welche er uns
vorführt, knüpfen, gewiſs in das erste Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts
zurückgehen.


Das Gedicht 1) „von der Eisenschmiede“, verfaſst 1517 von Nico-
laus Bourbon
, lautet:


„Es war eine Winternacht; schwere Dunkelheit deckte die Erde;
die Luft war bewegt, mit Regen überladen; die Winde bliesen mit
Heftigkeit; eine schwere Müdigkeit teilte sich den ermatteten Gliedern
mit: da erschien mir plötzlich Vulkan im Traume; sein Gesicht war
schwarz und schrecklich; wie wenn er eben das Feuer verlassen,
rieselte der Schweiſs von seinem ganzen Leibe; sein Haupthaar war
mit Eisenrost bedeckt und aus seinen wilden Augen zuckten Blitze.
Bei ihm waren drei seiner Gesellen, Riesen unglaublicher Gestalt,
völlig nackt, des einen Auges beraubt: Cyklopen, wie man sie einst-
mals nannte. Sie umstanden Vulkan, während er, der Gott, ohne
meinen Schlaf zu unterbrechen, mich mit strafenden Worten ansprach:
„Jüngling, Undankbarer, der du deines Vaters und deines Vaterlandes
vergiſst, warum verlierst du deine Zeit in dieser schmachvollen Un-
thätigkeit? Warum vergeudest du unnütz deine besten Tage? Du
versündigst dich an dem Namen, an dem Ruhm, an dem Talent deines
Vaters, an ihm, der in Frieden seine Eisenarbeiter leitete, in seiner
verständigen Umsicht es verstand, ihren Eifer zu erwecken und jede
Leistung nach ihrem Verdienst zu belohnen. Unglücklicher! Warum
vernachlässigst du so den väterlichen Ackergrund? Weshalb dies un-
dankbare Vergessen der Wälder, die du so oft in deiner Jugend ge-
schaut, du und deine Kameraden in frohem Spiel mit jungen Mädchen
unter ihrem Laubwerk. — Diese Quellen, diese Bäche, welche diese
lieblichen Wiesengründe bewässern und deren Gewässer den Schmieden
[15]Einleitung.
deines Vaters von so groſsem Nutzen sind, — die hast du vergessen?
Die zauberischen Plätze, deren Anblick selbst die Himmlischen entzückt,
sind die deinem Gedächtnis entschwunden? Menschlichen Wünschen
scheint es schöner wie das Thal Tempe; es ist weniger bewölkt als
die elysischen Inseln, so lieblich ist die Temperatur, so reich und
mannigfaltig sind die Erzeugnisse. Also verachtest du dein Vaterland,
deine heimischen Penaten, unglückseliges Kind? Dieses Land, so würdig
der Musen, soll es nie besungen werden? Soll es ewig in unwürdiger
Dunkelheit begraben bleiben?


Höre denn, welchen Rat ich dir erteilen will: wenn du klug bist,
grabe meine Worte in deines Herzensgrund: ich will, daſs du deine
Verse dazu weihest, diese Schmiede zu besingen und daſs du auf diese
Art allen Menschen, die es noch nicht wissen, die Kunst der Ge-
winnung des Eisens
lehrst, dieses Metalls, so verderblich und doch
gleichzeitig so kostbar; des Eisens, das die Quelle so groſsen Segens
und so groſsen Unheils ist, des Lebens und des Todes! Nur mit seiner
Hilfe kann man ja den wilden, unkultivierten Boden bearbeiten, um
ihn fruchtbar zu machen für reichliche Ernten für die Menschen: die
Bäume, die Weinberge, von denen man die wilden Schöſslinge weg-
schneidet, damit sie von neuem in frischem Grün erstehen und sich
mit Frucht bedecken.


Mit dem Eisen baut man die Häuser, durchschneidet man die
harten Felsen: es ist jedem menschlichen Bedürfnis von Nutzen.
Aber anderseits dient es zum Männermord, zu unseligen Kriegen,
zur Rache, und geschleudert von Kriegsmaschinen oder von Menschen-
händen dient es, den schrecklichen Tod zu beschleunigen.


Wohl denn, wenn du in deinem Stolz uns Gehorsam weigerst,
so weist du wohl, was du zu fürchten hast für die Heimstätte deines
Vaters. Noch nicht lange ist es her, daſs du es nur zu sehr erfahren
hast, wenn du dich erinnerst der schrecklichen Wirkung unseres Zornes:
meine Glut hat deine Verse verzehrt, ich habe das gastfreundliche
Haus deines Vaters zur Beute der Flamme werden lassen, ja Gras
würde jetzt an der Stätte jener Schmiede wachsen, wenn nicht der
gnädige Herrscher des Olympos Einhalt geboten hätte, gerührt durch
die Thränen deiner kindlichen Liebe.“


Er sprach’s und gefolgt von seinen Cyklopen verschwand er in
dem Schoſse der Dunkelheit.


Lange Zeit grübelte ich über diese Worte nach, erschüttert von
einem Auftrage von so hoher Stelle und ich beschloſs, das auszuführen,
was mir befohlen war. So beginne ich denn schon heute, denn ich
[16]Einleitung.
mag damit nicht zögern, nicht, weil ich, o Vulkan, deine Blitze, deine
Donner, deine tobenden Stürme fürchtete, aber ich lächle bei dem
Gedanken, meine müde Seele für einige Zeit wachzurufen, und ihrem
dichterischen Verlangen einen freien Aufschwung zu gestatten. Wolle
du gnädig unser Unternehmen begünstigen, du mächtiger Schieds-
richter der Welt, du, der einzige geschmückten Hauptes, der mit einem
Losungswort uns schützen kann, denn du bist der höchste Gott: ver-
leihe deinem jungen Kinde die erforderliche Kraft und Weisheit. —


Auf dem Gebiete von Vandeuvre giebt es einen Platz, worauf
eine Eisenhütte (ce que nous nommons une forge) sich befindet. Sie
liegt am Ufer des Flusses Barse, mitten in Wiesen und in der Nähe
eines hohen Turmes, den einst vandalische Krieger errichtet hatten,
wie dies die Geschichte und aufgefundene Monumente uns lehren;
daher trägt jenes Gebiet den Namen Vandeuvre, dessen Nachbar-
gebiet Langres groſsen Ruhm erworben hat. Hier ist, wie ich sagte,
der Platz, wo die Eisenhütte liegt; hier ist es, wo mein Vater Bour-
bon (o möchten die gütigen Götter ihn mir erhalten) die Arbeit
leitet. Zunächst wählt er sich Arbeiter aus, die es verstehen, Bäume
zu fällen, lange Mühe zu ertragen und die Axt zu führen; diese führt
er in den Wald. Die Steinesche, die sich leicht fällen läſst, die
wilde Esche, sowie die andern Eschenarten, die Steineiche, die Fichte
und die Buche, Baumarten, die schon den Alten zur Feuerung ge-
dient haben, stürzen krachend unter den Streichen der Axthiebe.
Der ganze Wald hallt davon wieder; Haufen von Holz erheben sich
nach allen Seiten hin. Der erfahrene Holzhacker schont das Unter-
holz, der unwissende hackt die Stechpalme mit, der Buchs lehnt sich
auf: denn die Kohle, aus diesen Hölzern gebrannt, ist zu nichts nütze;
und wenn man sie anzünden will, so prasselt sie auf, wie das Holz
des Lorbeers, wirft eine leuchtende Flamme aus und erlöscht rasch;
die Arbeit aber läſst nach und der Arbeiter schäumt vor Wut. Hat
man nun gefunden, daſs die Menge des geschlagenen Holzes genügt,
so beginnen die Waldbewohner, arme Leute, nur schlecht bekleidet,
aber stets zufrieden mit ihrem Los und geübt, Beschwerden zu er-
tragen, das Holz zu messen, und die Holzhacker zählen die gefällten
Stämme; sie beeifern sich aber, zu prüfen und die genaue Zahl auf-
zunehmen, damit sie sich nicht irren bezüglich der Kohle, die sie
meinem Vater abliefern, und daſs anderseits mein Vater nicht mehr
bezahle als sie verdienen.


Jetzt sucht ein jeder einen entblöſsten, völlig trockenen Platz,
denn die Kohle brennt sich nicht gut auf feuchtem Boden und verzehrt
[17]Einleitung.
sich zu Asche. So sucht auch der geschickte Arbeiter die hoch-
gelegensten Plätze aus, um das Holz auf völlig trockenem Boden auf-
zurichten. Dann baut er einen Holzstoſs auf von ungeheurer Masse,
breit und rund an der Basis, oben wie eine Pyramide abschlieſsend.
Alsbald bedeckt er dessen Oberfläche mit Eichen- und Buchenblättern,
dann mit schwarzer, schwerer Kohlenlösche, so ist das Holz, das davon
bedeckt wird, nicht mehr der Luft ausgesetzt. Wenn der Augenblick
gekommen ist, das Feuer anzulegen, bedient man sich einer engen
Öffnung, die darunter durchläuft und mit Sorgfalt hergestellt ist, die
einen Kanal inmitten des Meilers bildet und dazu dient, das Feuer
anzulegen; alsdann, sobald dies geschehen, verschlieſst er diese Öffnung
hermetisch mit Blättern und lettiger Erde; weder Wind noch Luft
können eindringen. Das Feuer, indem es mit der Luft in Verbindung
zu treten sucht, kriecht langsam, aber vergeblich in das Innere, wobei
sich sein Fortschreiten durch lautes Geräusch bemerklich macht.
Säulen von Dampf steigen in die Luft auf, so dicht und schwer und
von so durchdringendem Geruch, wie die, welche der Tartarus aus-
atmet, oder wie der Wirbelwind, den der Sage nach Cacus, der Sohn
Vulkans, gegen Herkules ausspie in dem Moment, ehe er den Todes-
streich für seinen tempelschänderischen Raub in der Höhle des Berges
Aventin durch Herkules empfing. Es ist nötig, daſs der Arbeiter
sieben Tage und Nächte wacht, damit die Kohlen richtig gebrannt
werden, daſs er die Regen vorausbeachte und den Wind, der von
Süden bläst (Föhn), was der Anblick des Himmels sei und daſs er
die Sterne beobachtete. Er lasse sich nie täuschen durch den Fuhr-
mann und sein träges Gespann, noch durch Orion, welcher die Regen
voraussagt, er kenne vollständig die verschiedenen Phasen des Mondes.
Während sich das Brennen der Kohle vollzieht, kann sich der Köhler
von Zeit zu Zeit ausruhen am Fuſse des Meilers. Sobald der Hahn
seinen Morgengesang ertönen läſst, kommt seine Frau, um ihn bei
seiner Mühe zu unterstützen: sie bringt ihm Knoblauch, Salz, Zwiebel,
Öl und einen Schlauch Landwein, sowie ein Stück fetten Speckes.
Sie wacht einige Nächte, um dem ermüdeten Gatten Gesellschaft zu
leisten, fürchtet nicht teilzunehmen an der Mühe der Nachtwache,
sorgt für seine Ruhe, bereitet ihm sein Lager, reinigt seine Hütte
(für deren Errichtung er zuvor sorgen muſs); unser Mann arbeitet
ohne Ermüdung, genieſst seine Ruhe; sie immer vergnügt wie er.
Nach Verlauf von sieben Tagen ist das Kohlenbrennen vollständig
zu Ende geführt, und man sieht das Feuer aufhören. Dann deckt
man den Meiler ab mit der Hilfe von Harken, das Holz erscheint,
Beck, Geschichte des Eisens. 2
[18]Einleitung.
und hat eine vollständige Umwandlung erfahren. So erscheinen die
Holzblöcke, die noch kurze Zeit vorher weiſs von Farbe und feucht
waren, jetzt schwarz und trocken; indeſs sind sie nicht vermindert
durch die Einwirkung des Feuers, ändern nur die Farbe und be-
kommen neue Eigenschaften. Jetzt muſs der Fuhrmann kommen
(denn der Regen schadet der Kohle), der mit Pferd und Wagen bis
nach der Behausung des Eisenschmelzers hinfährt. Hiervon jetzt
genug.


Und nun wollen wir reden von den Arbeiten der Bergleute
(terrassier) und meine Bemerkungen über sie, die mir nicht, trotz
meiner Jugend, entgangen sind. So nennt man nämlich die Arbeiter,
welche nach unendlicher Mühe und langer Zeit es dahin bringen, die
Eisenerze an die Oberfläche zu bringen, die, ohne Unterlaſs grabend,
in die Eingeweide der Erde dringen, um dort die Eisenadern zu
finden, die in der Tiefe verborgen sind, und die das Metall empor-
ziehen mit Hilfe eines Seiles und einer Maschine, die sich in sich
selbst dreht. Ihr könnt nun wohl fragen, wie ich es wissen kann,
durch den bloſsen Anblick des Platzes, ob er Erz enthält? Die Kinder,
selbst die Bauern wissen es, denn die rote Farbe zeigt es an, und es
giebt keinen so unfruchtbaren Boden, wo man nicht Eisen finden
könnte. Aber merkt Euch, was in der Regel das Erz besserer Güte
anzeigt, das ist, daſs es viel wiegt, dessen Farbe ins Gelbliche spielt,
und daſs es im Bruche funkelt; dann kann man seiner Güte gewiſs
sein, und wird sich, wenn man es schmilzt, in seiner Hoffnung nicht
täuschen; dann dürfen wir auch eines groſsen Überflusses von Eisen
versichert sein. Was aber das Erz betrifft, das von leichtem Ge-
wicht ist und von blasser Farbe, solches wird vom Feuer verzehrt, wie
Mist und läſst im Ofen nichts zurück, als eine Masse fremder Bestand-
teile trotz der Hilfe von Blasebälgen, die dabei nichts nützen können.


Nun muſs man das ganze Erz der gewöhnten Operation, der
Waschung, unterziehen; ist es zu dick und zu sehr gemischt, so legt
man es erst auf Kohlen, um es zu brennen, nachdem es hiernach in
kleine Stücke zerbrochen ist, wäscht man es in einem Wasserlauf,
der zu diesem Zwecke hergerichtet ist, alsdann wird es zu dem Auf-
gange am Fuſse des Ofens gefahren. An dem Ufer des Flusses Barse
liegt der Hochofen, wie man ihn nennt, von quadratischer Form,
massig aufgeführt, aus gewöhnlichen Steinen, inwendig aber aus sehr
harten Sandsteinen gebaut, welche in bewundernswertem Grade der
Zerstörung durch die Flamme und Hitze zu widerstehen vermögen.
Zwei ungeheure Blasebälge aus Ochsenhaut speisen von der Rück-
[19]Einleitung.
seite aus den Ofen und gehorchen einem Rade, welches unaufhörlich
vom Wasser gedreht wird. Sie bewegen sich und blasen einer nach
dem andern, indem sie abwechselnd sich füllen und entleeren, und
ihre Bewegungen folgen mit groſser Gleichmäſsigkeit aufeinander.
Vor dem Ofen steht der Schmelzer (denn so ist der Name dieses
Arbeiters), er läſst geschickt das Eisen, welches „Guſseisen“ genannt
wird, aus dem Ofen flieſsen, verlangsamt oder beschleunigt die Be-
wegung der Bälge, entfernt mit eisernen Haken die Schlacken und
regelt die Glut des Feuers; er sondert das gereinigte Eisen von dem
ungereinigten und wacht Tag und Nacht, abgehärtet durch die Arbeit
und an alle Mühsale gewöhnt; wie man sagt, schläft er kaum eine
halbe Stunde und seine Mühe hört in den zwei Monaten, die man
das Eisen in dem Inneren des Ofens läſst, nicht auf. Auf ihm ruht
es, die Blasebälge zum Auswechseln der ersten, wenn sie dienst-
untauglich geworden sind, instand zu setzen, und die Hitze zu erneuern
und das Feuer zu unterhalten. Da strömen feurige Eisenbäche aus
dem Ofen; das geschmolzene Metall flieſst unter zischendem Geräusche,
Flammenwirbel und Rauch ausstoſsend, welcher bis zu den Gestirnen
sich zu erheben scheint. Also hauchte der Ätna Flammen und Rauch
aus, als Encela vergeblich seinen gewaltigen Körper frei zu machen
suchte, und mit Mühe nur noch Atem holen konnte bei seinen ver-
geblichen Anstrengungen; ein Knall ähnlich dem Donner bricht los;
Flammen schlagen sprühend hervor und die Gewässer des Meeres
schäumen auf. Während der Arbeit unterstützt ein zweiter Arbeiter
den Schmelzer und hat die Aufgabe, frische Kohlen und Erze in den
Ofen, sobald ein leerer Raum dort entstanden ist, durch seine weite
Gicht zu schütten; dieser Arbeiter verharrt stets oben auf dem Ofen,
wie ein treuer Wächter, ähnlich in seiner Gestalt und seinem Äuſseren
dem Fährmann der Unterwelt; er hat um sich Arbeiter, welche zuvor
die Formen machen, von runder und hohler Gestalt aus Lehm, dann
gieſsen sie das Eisen in diese Formen hinein und gieſsen selbst
(unerhörtes Wunder) Bomben (so nennt man diese höllischen Werk-
zeuge, dämonische Erfindungen, Zeugnisse der Wut und des Zornes
der Götter, schreckliche Waffen, welche Vulkan zum ersten Male den
Deutschen in die Hände gegeben hat), auſser diesen gieſsen sie
Mörser, welche dazu dienen, die Mauern niederzuwerfen und Städte
und Festungen bis auf ihre Fundamente zu vernichten. Ähnlich dem
Blitz, der die Flamme und das Feuer trägt, schleudern diese furcht-
baren Maschinen Bomben, deren Wirkung ähnlich der des Don-
ners ist.


2*
[20]Einleitung.

Das Eisen, welches aus dem Ofen kommt, nennt man noch nicht
reines Eisen. Bald wird es durch einen andern Arbeiter der aber-
maligen Einwirkung des Feuers unterworfen und in einem Ofen ein
zweites Mal gereinigt, und er macht es genugsam weich, damit es
die Gestalt von Kugeln (Luppen) annimmt. Alsdann erscheinen ge-
schickte Arbeiter, es zu glätten und auszustrecken. Sie haben einen
ungeheuren Eisenhammer, durch die Gewalt des Wassers getrieben.
Sie erhitzen das Eisen noch einmal, indem sie es mit starken Zangen
ergreifen und in die Mitte des Feuers halten, um es, wenn es auf
Weiſsglut erhitzt ist, in die Gefäſse, zu diesem Zwecke vorgerichtet,
zu tauchen. Darin ahmen sie den Chalybern nach, bei welchen der
Fluſs Bibueras flieſst, dessen Wasser die Natur des Eisens weich
macht, geschmeidiger und geeigneter zur Herstellung von Waffen.
Hat das Feuer durchgewirkt, bearbeitet man es mit kräftigen Hammer-
schlägen. Die ganze Umgegend, Luft, Berge und Wälder hallen
davon wieder bis in ihre innersten Tiefen. Dann kann man die
Eisenstücke in überraschender Weise sich ausdehnen und die Form
langer, dünner Schnüre annehmen sehen; man könnte es für Wachs
halten. Wenn das Eisen gut geschmiedet und ausgeschlagen ist, war
es die Pflicht meines Vaters, es zum Wochenschlusse sorgfältig zu
wiegen. Alsdann sieht man rasch den Köhler, den Platzarbeiter, den
Schmelzer, die Schmiede heraneilen; sie versammeln sich freudig zur
Empfangnahme des festgesetzten Lohnes und freudig verlassen sie
meinen Vater. Mein Vater, um nicht Gefahr zu laufen, irgend einem
den rechtmäſsigen Lohn zu schmälern, führt ein Buch über den Ver-
dienst jeglichen Arbeiters; er will weder jemand betrügen, noch von
ihm betrogen sein. Solcherart weis er genau, was einem jeglichen
zukommt. Die Arbeiter, wenn sie das Geld in der Tasche haben,
kommen nun zusammen, um die Mühsale, die sie erlitten, in der Freude
eines Mahles zu vergessen. Wein und Fröhlichkeit beleben sie. Dieser
trinkt seinem Nachbar zu, welcher gierig an einem Knochen nagt; jener
ist zur Erde gesunken, vom Schlafe übermannt, und ermüdet von dem
schlechten Wein, den er getrunken. Das Haus erschallt von ihrem
Geschrei; eine unerhörte Verwirrung greift Platz; sie schwatzen die
verschiedenartigsten Dinge durcheinander. Man möchte glauben, La-
pithen vor sich zu sehen, wenn man sieht, wie die Becher durchs
Zimmer fliegen, Schlägereien entstehen, wobei Tische umgeworfen
werden und oft Blut flieſst. Solchen Aufregungen pflegt sich die länd-
liche Bevölkerung zu überlassen, wenn der Wein sie irre führt. Die
Folge dieser Ausschweifung aber ist, daſs ein einziger Tag die Früchte
[21]Einleitung.
der Mühen verzehrt, welche sie Tag und Nacht zu ertragen hatten,
und sie aufs neue in lange Dürftigkeit versetzt. Aber warum sich
erstaunen? Thun sie doch nichts, als den Gewohnheiten und Sitten
der Groſsen nachzuahmen; denn wenn die Hirten schlafen, verirrt
sich die Herde; aber täuschen wir uns nicht, ich will ja nicht sagen,
daſs ihre Habgier schläft; denn nichts läſst sich vergleichen, ihren
Fleiſs und ihren Eifer, ihre Einkünfte zu vermehren, die Ungerechtig-
keiten zu verteidigen, welche keinen andern Zweck haben, als das
arme Volk in ihr Garn fallen zu lassen und sie zum Opfer ihrer ver-
brecherischen Ränke zu machen. Doch welche Unklugheit! Warum,
armer Bourbon, sprichst du dich aus über diese kühne Freibeuterei?
Warum, Unsinniger, suchst du dir nicht die Gunst der Groſsen zu
fangen? ......


Was mich anlangt, so habe ich bis dahin meinen Gegenstand
ausgemalt, ich bin aus Klugheit bei dem Kapitel des Eisens über
manche Dinge hinweggegangen, welche wohl unser Interesse verdien-
ten; ich habe zahlreiche Einzelheiten weggelassen, die mir einen
älteren Dichter als mich und ein umfangreicheres Werk fordern
würden. Was die Dinge anlangt, die ich bekannt gegeben habe, so
habe ich sie nur leichthin behandelt für den einzigen Zweck, die
Jugend zu unterrichten; deshalb, ihr jungen Leute, nehmt dieses kleine
Gedicht mit Wohlwollen an, das Gedicht eines Kindes, dieses soll die
Einleitung unserer Lieder sein.


[[22]]

SCHRIFTSTELLER
DES
SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERTS
.


Georg Agricola.


Wenden wir uns zu dem Leben und Wirken des Mannes, den
man mit Recht den Vater der Mineralogie und mit noch höherem
Recht den Vater der Metallurgie nennt, der zuerst die reichen Schätze
empirischer Kenntnisse auf diesen beiden Gebieten der Naturwissen-
schaft mit philosophischem Geist durchdrungen und in lichtvoller
Ordnung behandelt hat.


Georg Bauer, der als Schriftsteller nach der Sitte der Zeit
seinen Namen latinisierte und sich Georgius Agricola1) nannte,
wurde am 24. März 1494 zu Glauchau in der Grafschaft Schönburg
geboren. Er erwarb sich eine gründliche humanistische Vorbildung,
doch trat schon früh eine entschiedene Neigung für die Naturwissen-
schaften bei ihm zu Tage. Nachdem er sich für das Lehrfach ent-
schlossen hatte, wurde er bereits 1518 Rector extraordinarius für die
griechische Sprache bei der „groſsen Schule“ in Zwickau.


Eine grammatische Abhandlung, die er 1520 schrieb, erregte Auf-
sehen und brachte ihn mit namhaften Gelehrten in Verbindung,
namentlich mit Petrus Mosellanus, der damals als Professor in
Leipzig wirkte 2). Dieser bestärkte Agricola in seinem Streben, sich
noch weiter auszubilden. Zu diesem Zweck gab derselbe 1522 seine
Stelle in Zwickau auf und bezog die Universität Leipzig als Lektor
[23]Georg Agricola.
bei Petrus Mosellanus. Dieser Aufenthalt war entscheidend
für seine künftige Richtung. Durch seinen eigenen Genius, wie durch
den Geist der Zeit zum Studium der Natur hingezogen, widmete er
sich der Medizin und der Chemie. Sein Trieb zu noch gründlicherer
Ausbildung, sowie des Mosellanus Tod veranlaſsten ihn, nach zwei-
jährigem Aufenthalt im Jahre 1524 Leipzig zu verlassen und in das
gelobte Land der Wissenschaften — insonderheit der Naturwissen-
schaft — nach Italien zu ziehen.


Daselbst verbrachte er über zwei Jahre auf den berühmten Uni-
versitäten von Bologna und Padua im eifrigen Studium besonders der
Medizin und Philosophie. Agricola erwarb sich dort den medizi-
nischen Doktorhut, sowie viele hochgebildete Freunde. Auf seiner
Rückreise von Italien kam er, angezogen von den reichen Mineral-
schätzen des Erzgebirges, nach der rasch erblühten Bergstadt Joachims-
thal in Böhmen, und lieſs sich auf den Rat von Freunden daselbst
als Arzt um so lieber nieder, als er hier die beste Gelegenheit fand,
seinem Lieblingsstudium, der Mineralogie, nachzugehen. Sein Inter-
esse für die Mineralogie stand in unmittelbarer Verbindung mit seinem
medizinischen Beruf. Er war überzeugt, daſs ein gründliches Studium
der Mineralien das beste Mittel sei, den Arzneischatz zu vermehren
und zu verbessern. Er schreibt selbst: „Diese Lücke in der Heil-
kunde“ — nämlich, daſs man die Heilmittel nicht sorgfältiger studiere,
was nur da richtig geschehen könne, wo sie in der Natur vorkämen
— „war vorzüglich der Grund, der mich bewog, einen Bergort zu
meinem Aufenthalt zu wählen.“


Aber der mächtige Eindruck, den das praktische Leben in dem
rührigen, silberreichen Joachimsthal auf ihn machte, weckte bei dem
strebsamen Gelehrten ein ganz neues Interesse. Er sah, welche
mannigfachen Kenntnisse und welche Erfahrung zur Anlage und zum
Betriebe der Bergwerke, zum Ausschmelzen und zur Scheidung der
Metalle nötig sind, und er erfaſste diese Seite der praktischen Natur-
wissenschaft mit dem ganzen Feuer seines strebsamen Geistes. Sieben
Jahre blieb er in Joachimsthal, neben medizinischen und klassischen
Studien hauptsächlich mit Mineralogie beschäftigt in fast täglichem
Umgange mit bergwerkskundigen, praktischen Männern, wie dem Hütten-
schreiber Lorenz Bermann und dem reichen Gewerken Bartho-
lomäus Bach
. Dieser Anregung entsprang die 1528 veröffentlichte
originelle Schrift „Bermannus sive de re metallica“, eine in klassi-
scher, dialogisierender Form gehaltene lateinische Schrift über Berg-
bau und Hüttenkunde. Dieses Büchlein erlebte zahlreiche Auflagen
[24]Georg Agricola.
und Übersetzungen, darunter die bereits genannte von Schmid
(Freiberg 1806).


Bermannus erweckt in vieler Hinsicht unser Interesse. Fesselt
zunächst die Form, das lebendige Gespräch, so erfreut bald noch mehr
der reiche Inhalt und die glückliche Verbindung der klassischen
Überlieferung mit der praktischen Gegenwart. Diese ist in genialer
Weise durch die dramatische Form erreicht. Bermannus, der
Joachimsthaler Freund des Agricola, der erfahrene Praktiker, erörtert
die wichtigsten auf Bergbau und Hüttenkunde bezüglichen Fragen,
mit zwei in den Schriften der Alten wohlerfahrenen Medizinern Jo-
hannes Nävius
und Nikolaus Ancon, und obwohl der eine seinen
empirischen Standpunkt, die andern beiden die gelehrte Theorie kon-
sequent festhalten, finden sie sich doch am Ende immer zusammen,
indem die Kenntnisse des einen die der andern ergänzen, bestätigen
und erweitern. So soll die kleine Schrift zugleich ein Beweis dafür
sein, wie wichtig das Zusammenwirken von Praxis und Theorie ist. Zu-
gleich ist sie eine liebenswürdige Huldigung, die Agricola, seinem
Freunde Bermann, dem er seine Worte in den Mund gelegt und
dessen Namen er dadurch unsterblich gemacht hat, darbringt 1). In
diesem Büchlein finden wir die Hauptgesichtspunkte aller späteren um-
fassenden Werke Agricolas in leichter Weise skizziert. Das gefällige
Schriftchen, welches in klassischer Form doch so ganz aus dem praktischen
Leben gegriffen war, erregte allgemeines Interesse und den lebhaften
Beifall der gelehrtesten Männer jener Zeit, wie dies aus den beiden
anerkennenden Briefen des Erasmus von Rotterdam2) und des
Petrus Plateanus, welche den zahlreichen späteren Auflagen vor-
gedruckt sind, beweisen. Auch für die weitere Entwickelung und die
äuſseren Lebensschicksale des Agricola war der Erfolg dieses Buches
von maſsgebendem Einfluſs.


[25]Georg Agricola.

Agricola war aber nicht nur Gelehrter, sondern auch ein Mann,
der an dem öffentlichen Leben lebhaften Anteil nahm und die Fragen
seiner Zeit mit Wärme ergriff. 1529 war Sultan Soliman vor Wien
erschienen. 1530 erschien eine geharnischte Schrift Agricolas:
Oratio de bello Turcicis inferendo, eine Art Kreuzzugspredigt gegen
den Türken, die groſsen Anklang fand und die eigentlich der Aus-
gangspunkt des für Agricolas Leben so wichtigen Verhältnisses zu
dem späteren Kurfürsten Moritz von Sachsen wurde. Auch der Re-
formation Luthers hatte er sich anfangs mit Begeisterung zugewandt.
Es geschah dies in der Zeit, als er noch Lehrer in Zwickau war.
Besonders war ihm, wie allen wohldenkenden Deutschen, der Ablaſs-
kram des römischen Papstes in der Seele verhaſst und er trat ihm
mit beiſsenden Epigrammen entgegen 1). Aber dabei blieb er nicht
stehen. Wie es sein innerstes Wesen verlangte, allem auf den Grund
zu gehen, vertiefte er sich sogar in theologische Studien und schrieb
ein Büchlein „von den Überlieferungen der Apostel“, „de traditionibus
apostolicis“. Und doch sollte die feindliche Stellung zur Reforma-
tion dem nach Wahrheit Strebenden am Abend des Lebens verhäng-
nisvoll werden.


Der Beifall, den seine Schriften, insbesondere sein Bermannus
fanden, lenkten die Blicke seiner Landsleute auf ihn und so entschloss
er sich im Jahre 1531, einem Ruf der Bergstadt Chemnitz zu der
Stelle eines Stadtphysikus Folge zu leisten. Wahrscheinlich geschah
diese Berufung auf Veranlassung des Herzogs von Sachsen selbst,
der ihm nicht lange danach auch die Stelle des ersten Historiographen
des sächsischen Fürstenhauses (der albertinischen Linie) übertrug. Als
solcher verfaſste er das genealogische Werk: „Dominatores Saxoniae“.


Die Trennung von dem freundlichen Joachimsthal wurde ihm
schwer. Aber jetzt erst fand er die Muſse, den Schatz der Erkennt-
nis, den er dort mit rastlosem Fleiſse gesammelt hatte, der Welt in
herrlichen Schriftwerken zu offenbaren. Schon 1533 erschien die
mehr einleitende Schrift De mensuris et ponderibus, Libri V. Die
Reihe berühmter Werke, die ihn unsterblich gemacht haben, begann
er aber erst zehn Jahre später zu veröffentlichen, so durchdacht und
ausgearbeitet, daſs sie in ihrer klassischen Vollendung heute noch
unsere Bewunderung erregen. Im Jahre 1544 erschienen die Schriften,
die als die Fundamentalwerke der Geologie anzusehen sind:


[26]Georg Agricola.
  • De ortu et causis subterraneorum, Libri V (Von der Entstehung
    und Ursache der unterirdischen Dinge).
  • De fontibus medicatis (Über die Heilquellen).
  • De balneis (Von den Bädern).
  • De natura eorum, quae effluunt exterra (Über die Natur der
    Erdausströmungen), eine geologische Abhandlung, der eine im Novem-
    ber 1545 verfaſste Widmung an den Kurfürsten Moritz von Sachsen
    vorgedruckt ist.

Hieran reiht sich noch 1548 die sonderbare Schrift: De animanti-
bus subterraneis (Von den lebenden Wesen im Inneren der Erde), in
welcher die Existenz der Berggeister verfochten wird.


Noch gereifter und bedeutungsvoller waren die hierauf folgenden
mineralogischen Werke des Agricola, von denen die Schrift De vete-
ribus et novis metallis 1) mehr eine historische Einleitung ist, in
welcher die Geschichte der Kenntnis der Metalle behandelt wird,
während das groſse Werk De natura fossilium, Libri X 2), die zehn Bücher
von den Mineralien, die Grundlage der wissenschaftlichen Mineralogie,
insbesondere der Oryklognosie geworden ist. Dieses wichtige Werk
erschien im Februar 1546 ebenfalls mit einer Widmung an Herzog
Moritz von Sachsen.


Daneben arbeitete der fleiſsige Mann ununterbrochen an dem
Werke, das am meisten seinen Ruhm begründet hat und das auch
für uns das wichtigste ist, an den zehn Büchern De re metallica (über
das Hüttenwesen). Es war dies sein Lieblingswerk, an dem er bis
zu seinem Tode hämmerte und feilte, dessen Veröffentlichung er aber
nicht mehr erlebte. Es war sein Schwanengesang. Obgleich in der
Hauptsache schon im Jahre 1550 vollendet, gelangte es erst 1556
nach Agricolas Ableben zum Druck und zwar in Basel, wurde aber
in diesem ersten Jahre bereits dreimal aufgelegt. Bis zum Jahre
1614 sind sieben Auflagen davon erschienen, sowie zwei deutsche
Übersetzungen, die eine von Philipp Bechius 1580 bei Sigmundt
Feyrabend in Frankfurt a. M., die andere 1621 in Basel.


Die äuſseren Lebensschicksale des groſsen Mannes hatten sich
leider nicht so gestaltet, wie er es verdient hätte. Selbstlos wie er
[27]Georg Agricola.
war, opferte er sich für die Allgemeinheit und muſste in den letzten
Jahren seines Lebens die Bitterkeit der Armut kennen lernen.


In noch schmerzlichere Bedrängnis brachte ihn sein Verhältnis
zur Reformation. Er hatte der Sturmtrompete von Wittenberg mit
derselben Begeisterung gelauscht, wie alle aufgeweckten Geister seiner
Zeit. Auch ihm waren Luthers Hammerschläge an der Kirchenthüre
zu Wittenberg sympathische Klänge gewesen. Aber die Konsequenzen
dieser tief eingreifenden Revolution waren dem gewissenhaften, auf
ernstes Studium gerichteten und entschieden konservativen Gelehrten
nicht erfreulich. Die Bauernkriege, die er auf die Reformation zu-
rückführte, miſsbilligte er; noch weniger aber konnte der reichstreue
Mann sich mit der Auflehnung der protestantischen Fürsten gegen
den Kaiser befreunden. Der Schmalkaldische Bund war ihm ein Un-
recht. Zu diesen sich mehr und mehr verschärfenden Anschauungen
wirkten verschiedene Verhältnisse bestimmend mit. Sein Aufenthalt
in Italien und das intime Verhältnis zu seinen katholischen Lehrern
mögen schon dazu beigetragen haben, noch mehr sein Verhältnis zu
Erasmus von Rotterdam, dem er in freundschaftlicher Verehrung
ergeben war, am meisten aber in älteren Jahren seine innigen Bezie-
hungen zu Kurfürst Moritz von Sachsen, diesem hochbegabten, ehr-
geizigen Fürsten, dessen rege Natur, wissenschaftliches Streben und
hochfliegende Pläne Agricola mächtig anzogen. Es bestand zwischen
dem jugendlichen Fürsten und dem gereiften Gelehrten ein geradezu
freundschaftliches Verhältnis und Agricola hatte seinem Fürsten
für viele Wohlthaten zu danken. Kurfürst Moritz gewährte ihm
schon bald nach seiner Thronbesteigung, besonders auf die Empfehlung
seines vertrauten Rates Dr. Kammerstädt freie Wohnung, einen
Jahresgehalt und Steuerfreiheit zur unbehinderten Fortsetzung seiner
wissenschaftlichen Studien. Im Jahre 1546 war Agricola durch die
Wahl seiner Mitbürger in Chemnitz nicht nur in den Stadtrat ge-
wählt, sondern auch — eine Ausnahme der Regel — sofort zum
Bürgermeister ernannt worden. Dieses Ehrenamt wurde ihm dreimal
von neuem übertragen, ein Beweis, wie sehr ihn trotz abweichender
Religionsansichten seine Mitbürger achteten. Aber in der Konflikts-
zeit wurde er der streng protestantisch gesinnten Bürgerschaft ver-
dächtig und infolgedessen nach vielen Verdrieſslichkeiten trotz
sechsjähriger tadelloser Amtsführung im Jahre 1552 seines Amtes
entsetzt. Die hauptsächliche Veranlassung hierzu war sein persön-
liches Verhältnis zu Kurfürst Moritz und seine laute Verurteilung
der schmalkaldischen Wirren. Agricola stand fest und unerschüt-
[28]Georg Agricola.
terlich auf der Seite des Kaisers und zwar mit solcher Begeisterung,
daſs er als betagter Mann noch zu den Waffen griff und sich dem
Heere Karls V. gegen die aufrührerischen Böhmen anschloſs, „zur
Bewährung seiner volkstümlichen Treue mit Hinterlassung seiner
Kinder und schwangeren Gattin, ja mit Aufopferung seiner Habe“,
wie er selbst schreibt. Die Chemnitzer dagegen hielten es mit dem
Schmalkaldischen Bunde und mit dem Kurfürsten Johann Friederich.
Diesem war es 1547 kurz vor der Schlacht von Mühlhausen gelungen,
die Stadt Chemnitz in seine Hände zu bekommen. Als dann Herzog
Moritz nach der Schlacht vor den Thoren erschien, verlieſs Agricola
die Stadt und zog mit diesem, ein Schritt, den man ihm nachmals in
gehässiger Weise als Feigheit oder gar als Verrat an der Stadt aus-
gelegt hat. In Wahrheit war Agricola nicht nur ein guter Deut-
scher, sondern auch ein guter Sachse, was er dadurch bewies, daſs
er, als ihn im Jahre 1534 Herzog Heinrich der Jüngere von Braun-
schweig unter fürstlichen Versprechungen zur Mithilfe der Wieder-
aufnahme des Berg- und Hüttenwesens im Harze einlud, er diesen
Ruf dankend ablehnte.


Seine Opposition gegen die reformatorischen Bestrebungen, wo-
durch er sich so vielen Verdruſs schuf, verdient achtungsvolle Beur-
teilung, denn sie entsprang bei ihm nur aus edler Vaterlandsliebe.
So warm er sich anfangs der Bewegung zur Abstellung der Miſsbräuche
in den katholischen Kirchen angeschlossen hatte, so sehr beklagte er
nachmals die politische Uneinigkeit, die infolge derselben in Deutsch-
land eingerissen war. Er hoffte auf Herzog Moritz als Wiederhersteller
der deutschen Einheit. In diesem Sinne schrieb er in der Zueignung
seines Werkes De natura eorum quae effluunt ex terra bereits 1545
an den Fürsten: „Mögest du und dein Bruder, die Ihr von Gottes-
furcht erwärmt seid, beten, daſs er unser durch Religionsirrungen
gespaltenes Deutschland wieder zu seiner früheren Eintracht zurück-
führe.“


Der sektiererische Geist, der in Deutschland immer mehr um sich
griff, war ihm ein Greuel. Er konnte nicht einsehen, wie es ver-
schiedene Arten des Christentums geben könne. Ihm war die christ-
liche Religion etwas viel Höheres als das Bekenntnis, und so blieb es
ihm unverständlich, warum sich diese nicht in der alten Form be-
kennen lassen solle. Die leidenschaftliche Wut gegen die ihm ehr-
würdigen Formen der früheren Gottesverehrung, die Spaltungen und
die Zwietracht, welche die Reformation bewirkt hatten, erschienen
ihm als ein Unglück, als ein Attentat gegen die Kultur. Kurz, er
[29]Georg Agricola.
sah diese weltbewegende Zeitfrage von dem Standpunkte des Patrioten
und des von humanistischem Geiste erfüllten Katholiken an.


Schon als Herzog Heinrich der Fromme, des nachmaligen Kur-
fürsten Moritz Vater, an die Regierung gekommen war, und die
Lutheraner bevorzugte, wurde Agricola wegen seines Festhaltens
am Katholizismus eine förmliche Verwarnung erteilt. Hierzu bemerkt
ein zeitgenössischer Biograph Melchior Adam: „Viele unbedacht-
same Schritte mancher lutherischen Gelehrten und Schriftsteller, ein
ärgerliches Leben vieler neuen Anhänger der gereinigten Lehre, die
fanatischen Greuel des Bauernkrieges und der Bilderstürmer, die
durch die Kirchenverbesserung erfolgte schnelle Abstellung alles
Gepränges bei kirchlichen Gebräuchen hätten ihn nie zur evangelischen
Bekehrung vermögen können.“ Es war ein achtungswerter Mut, daſs
er in dieser Zeit, trotz aller äuſseren Verlockungen seinem strengen
Gewissen folgend, dem Katholizismus auch im äuſserlichen Bekennt-
nis treu blieb. Wohl aber verbitterten die Kränkung seiner Absetzung
als Bürgermeister wegen seiner religiösen Anschauung, und der Hohn
und Spott, den er ertragen muſste, die letzten Jahre seines Lebens und
beschleunigten seinen Tod. Der als Gelehrter so milde Mann konnte
sich im Kreise von Freunden und Mitbürgern nicht immer die Mäſsi-
gung abgewinnen, frivolen Spott schweigend zu ertragen und es gab
eine feige Clique in Chemnitz, die sich förmlich ein Geschäft daraus
machte, den alten Herrn zu reizen. Es lag dann in seinem Wesen
aufzubrausen und heftig seine Meinung zu verfechten. Diese unbe-
schränkten, lauten Bekenntnisse bei einem Disput dieser Art sollen
auch seinen frühen plötzlichen Tod herbeigeführt haben, und schmach-
voll war die Behandlung, welche der edle Mann noch nach dem Tode
von seinen Mitbürgern zu erdulden hatte. Am 21. November 1555
geschah es, daſs Agricola ganz unerwartet während eines heftigen
mündlichen Zwistes in einer Gesellschaft mit Neuprotestanten von
einem Schlagfluſs getroffen dahinstarb. Diese beklagenswerte Veran-
lassung seines Todes erweckte erst recht den Haſs und den Ingrimm
der neugeordneten evangelischen Behörden von Chemnitz, und da sie
den Lebenden nicht anzufassen gewagt hatten, rächten sie sich an
dem Toten, indem sie ihm ein ehrliches Begräbnis verweigerten. Ihm
als früherem Bürgermeister und kurfürstlichem Historiographen und
Pensionär mit freier Wohnung hätte nach altem Herkommen eine
Grabstätte in der Hauptkirche gebührt, statt dessen entschied der
Pastor Herr Johann Tettelbach, daſs ihm eine jede Beerdigung
auf städtischem Gebiete zu versagen sei. So lag denn der Leichnam
[30]Georg Agricola.
Agricolas fast fünf Tage unbeerdigt, wie der eines Verfluchten, bis
sich die wenigen Freunde des Verewigten an den damaligen Bischof
Julius von Pflug in Zeitz, sieben Meilen von Chemnitz, wendeten.
Dieser gewährte der Hülle des groſsen Mannes eine anständige Ruhe-
stätte in der dortigen Stiftskirche mit friedlicher Abholung und allem
Gepränge, wie es der katholische Ritus vorschreibt. Dies erfolgte
aber erst am sechsten Tage nach seinem Hinscheiden, Mittwoch nach
Katharina im Jahre 1555. Auf seinem Grabe wurde ein schöner
Denkstein mit Inschrift errichtet. Sie lautet:


„D. O. M. Giorgio Agricolae, Medicinae Doctori et Cons. Chem-
nicensi, viro pietate atque doctrina insigni, deque Republica sua
optime merito, cujus nomen scripta, quae reliquit, praeclara, immor-
talitati consecrarunt. Spiritum autem Christus in sua illa aeterna
tabernacula transtulit.


Uxor et Liberi lugentes F. C.


Mortuus est aetatis suae 62. 10 calend. Nov. Anno post Chri-
stum natum 1555.“


Es ist ein melancholisches Schicksal, daſs oft die besten Männer
von den Nächststehenden ihrer Zeit nicht verstanden werden, denn
während der Leichnam des Georg Agricola solche Schmach seitens
seiner Mitbürger erfuhr, war sein Ruhm als Gelehrter schon über das
ganze gebildete Europa verbreitet. Und wie begründet dieser Ruhm
war, dafür spricht der Umstand, daſs er bis zu unserer Zeit nicht
abgenommen hat. Er war einer der gröſsten Naturphilosophen, die
je gelebt haben. Unübertroffen ist er in seinen Schriften durch die
wunderbare Durchdringung von Praxis und Theorie. Die Empirie,
die damals allein die Technik und selbst die Naturwissenschaft be-
herrschte, genügte ihm nicht, er strebte nach systematischer Behand-
lung, besonders der Mineralogie und Metallurgie. Dabei sind seine
Schriften klassisch in Ausdruck und Form, lebendig und kernig,
anmutig und kräftig, scharfsinnig und originell. Gesner, mit dem
er in wissenschaftlichem Verkehre stand, nennt Agricola den deut-
schen Plinius. Melanchthon schreibt von ihm: Argenti venas
olim celebravit Albertus Magnus Sed hunc longe vicit Georgius
Agricola
Medicus. In einem der Lobgedichte, die sein Freund und
Landsmann Georg Fabricius nach seinem Tode auf ihn verfaſste,
heiſst es:


[31]Georg Agricola.
Viderat Agricolae, Phoebo monstrante libellos

Jupiter et tales edidit ore sonos:

„Ex ipso hic terrae thesaurus eruet Ores

Et fratris pandet tertia regna mei!“

Ein anderer hervorragender Zeitgenosse, Joh. Bodinus schreibt
über ihn 1): Metallicam disciplinam ita tractavit Georg. Agricola,
homo Germanus, ut Aristoteles ac Plinius in eo genere nihil intellexisse
videantur.


Und ähnlich schreibt Thuanus, der ihn unter den groſsen,
klassischen Schriftstellern aufführt:


Er hat in diesem Jahrhundert über Bergwerkswesen, Fossilien
und unterirdische Geschöpfe mit solcher Sorgfalt geschrieben, daſs er
in dieser Gattung die Alten übertraf.


Dabei durchweht seine Schriften bei aller Lebhaftigkeit des Aus-
druckes ein Geist ruhiger Objektivität, wie er nur umfassendem
Wissen, verbunden mit dem reinen Streben nach Wahrheit, eigen ist
und sein Urteil der Geist der Gerechtigkeit und Mäſsigung. Er sagt
selbst an einer Stelle: „Wenn ich die Ergebnisse meiner Forschung
schriftlich mitteile, bin ich wohl zuweilen genötigt, mit einigem Nach-
druck die Schriften anderer zu bekämpfen und zu widerlegen, aber
wahrlich nicht aus unredlicher Absicht, achtungswerte Männer herab-
zusetzen, Männer, welche der Erforschung der Natur so viele Zeit
und Mühe geopfert haben, sondern im Feuereifer, die schwarzen Nebel
zu zerstreuen, welche unsere Kenntnisse von der unterirdischen Natur
umhüllen und ein neues Licht darüber anzuzünden. Erreiche ich
diesen Zweck nicht ganz, stifte ich durch meine Arbeit nicht den ge-
hofften Nutzen, so ist es dem heiligen Dunkel zuzuschreiben, hinter
welchem die Natur vorzüglich die Gegenstände im Inneren des Erd-
körpers verbirgt.“


Daſs ein Arzt der erste Lehrer der Bergbau- und Hüttenkunde
wurde, kann uns nicht wunder nehmen. Die einzelnen Disziplinen
der Naturwissenschaft waren zu jener Zeit noch nicht getrennt, das
Studium der Medizin umfaſste sie alle. Agricolas Genie lenkte sich
aber mit Vorliebe der praktischen Naturforschung zu und er ver-
teidigt die Würde derselben mit Nachdruck. „Multi habent hanc
opinionem, rem metallicam fortuitum quiddam esse et sordidum opus,
atque omnino ejusmodi negotium, quod non tam artis indigeat, quam
[32]Georg Agricola.
laboris.“ Und an einer andern Stelle: „Metallicus sic oportet mul-
tarum artium et disciplinarum non ignarus.“


Dies schrieb er hauptsächlich gegenüber dem hochmütigen Dünkel
derjenigen, die ihre schwindelhafte Mystik für etwas Höheres hielten,
als die praktische Naturwissenschaft, und deren unwahrhaftige Hohl-
heit Agricola mit scharfen Worten geiſselte. Er stand klar und
fest auf dem Boden der Beobachtung; die Spekulation ohne diese
Grundlage verwarf er, nur was er selbst gesehen und erkannt hat,
will er beschreiben: „Sic sane a me id praetermissum, quod nec ipse
vidi, neque legi, nec ex hominibus fide dignio cognovi; id profecto,
quod non vel vidi, vel lectum aut auditum suspendi, non est
scriptum
.“


Von diesem Geist des wahren Naturforschers erfüllt, schrieb er
seine Werke 1), schrieb er besonders seine zwölf Bücher De re metal-
lica. Dieses Werk ist für uns das wichtigste. Wir haben bereits er-
wähnt, daſs es erst nach seinem Tode im Jahre 1556 im Druck erschien,
obgleich die Widmung desselben an Kurfürst Moritz und Herzog August
von Sachsen schon von 1550 datiert ist. Jedenfalls feilte der ge-
wissenhafte Mann noch immer an diesem seinem Lieblingswerk, denn
das Horazische decem prematur in annis war auch sein Grundsatz.
Ja, so vollendet das Werk vor uns liegt, so scheinen doch noch Ab-
schnitte darin zu fehlen, wie dies aus einer Stelle hervorgeht, in der
er sagt, die Beschreibung der Formerkunst werde er in seinem Werke
„De re metallica“ geben; — diese ist er aber schuldig geblieben.


In der Widmung führt er zunächst die Bedeutung des Bergbaus
besonders mit Hinweis auf die Landwirtschaft aus. Freilich, fährt er
fort, sei es weit schwerer für ihn, über den Bergbau zu handeln als
dem Columella — dessen Werk De re rustica, Libri XII ihm als
Vorbild gedient zu haben scheint und dem er Titel und Einteilung
nachbildete — über die Landwirtschaft. Denn Columella habe noch
mehr als 50 griechische Schriften und 10 lateinische Werke als
Quellen benutzen können, während ihm von klassischen Schriften nur
die Bücher des Plinius zum Studium hätten dienen können.


„In unserer Sprache sind aber nur zwei Schriften verfaſst, die
eine „„über die Aufsuchung der Metalle und metallischen Stoffe““, sehr
verworren und von unbekanntem Autor, die andere handelt über die
Erzgänge, über welche auch der Engländer Pandulphus gehandelt
[33]Georg Agricola.
haben soll. Diese deutsche Schrift verfaſste Kalb aus Freiberg, ein
nicht ununterrichteter Arzt.“ Doch spricht Agricola auch von dieser
Schrift geringschätzig. Beide sind wohl gänzlich verloren gegangen.
Dagegen rühmt er das Werk des Italieners Vanuccio Biringuccio,
das ihm genau bekannt war und das er, wie er bemerkt, zum Teil
benutzt habe. Er erwähnt noch, daſs er dieses Buch von Franziscus
Bodoarius, einem Patrizier Venedigs und einem sehr gelehrten und
würdigen Mann, zum Geschenk erhalten habe.


Agricolas Werk De re metallica zerfällt in zwölf Bücher. Während
das erste eine allgemeine Betrachtung über die Bedeutung der Erz-
gewinnung giebt, handeln die fünf folgenden vom Vorkommen der
Erze und vom Bergbau, das siebente von der Probierkunst, das achte
vom Waschen, Aufbereiten und Rösten der Erze, das neunte von den
Schmelzprozessen und Schmelzvorrichtungen im allgemeinen, das
zehnte von der Scheidung von Gold und Silber und von der des
Bleies von beiden, das elfte hauptsächlich von der Gewinnung des
Silbers aus den Erzen, das zwölfte endlich behandelt die Bereitung
des Salzes, des Salpeters, des Alauns u. s. w.


Über die Darstellung von Eisen und Stahl ist nur kurz im neun-
ten Buche, in dem alle Schmelzverfahren zusammengestellt sind, Nach-
richt gegeben. Überhaupt sind die Mitteilungen über das Eisen
weniger ausführlich, als wie über die andern Metalle. Es ist das für
uns sehr zu beklagen, aber nicht verwunderlich, da in jener Zeit das
Eisen trotz des gestiegenen und immer steigenden Bedarfes noch das
Stiefkind unter den Metallen war. Es wurde an vielen Plätzen, aber
meist in wenig umfangreichen Betrieben gewonnen, von Leuten, die
ihre Arbeit ganz empirisch betrieben, vielfach sogar noch von den
Bauern als Nebengewerbe. Das Ausschmelzen des Eisens schien so
einfach zu sein, seine Verarbeitung aus einer Reihe vererbter Hand-
griffe zu bestehen, so daſs es das Interesse der Gelehrten nicht auf
sich zog und auch die Habsucht der Besitzenden, namentlich der
Fürsten nur in geringem Grade reizte.


Dennoch sind die Mitteilungen Agricolas über das Eisen inhalts-
reicher und bedeutender, als man gewöhnlich annimmt, man muſs
sich nur nicht mit den zwei kurzen Abschnitten über die Eisen- und
Stahlbereitung im neunten Buche der Metallurgie, wie dies gewöhn-
lich geschieht, begnügen, sondern sämtliche auf das Eisen bezügliche
Stellen, die in den verschiedenen Werken zerstreut sind, zusammen-
stellen. Wir wollen dies in systematischer Weise zu thun versuchen
und die Stellen wörtlich nach dem lateinischen Originaltext wieder-
Beck, Geschichte des Eisens. 3
[34]Georg Agricola.
geben. Es wird sich dann zeigen, daſs Agricolas Kenntnisse vom
Eisen doch recht umfassend waren und daſs uns über dasſelbe auſser
von Vanuccio Biringuccio, nichts Besseres geschrieben worden ist
bis zu den Schriften von Reaumur und Swedenborg im vorigen
Jahrhundert. Auch in betreff des Eisens blieben die Werke Agri-
colas
die wichtigste Quelle der Erkenntnis der Gebildeten während
der folgenden zwei Jahrhunderte.


Über die erste Erfindung des Eisens findet sich im ersten Buche
de veteribus et novis metallis folgende sorgfältige Zusammenstellung
aus den klassischen Schriften des Altertums:


Die Telchinen, welche aus Kreta zuerst nach Cypern und dann
nach Rhodus kamen, betrieben sowohl Eisen- als auch Kupferwerke.


Aber in Asien haben die Chalyber zuerst das Eisen erfunden:
in Kreta wiederum Faunus und die Diktäer, wie Herodot schreibt,
jener im Gebirge Dicta, diese im Ida. Eine Eisenwerkstätte erfanden
auch die Cyklopen, welche berühmte Erz- und Eisenschmiede waren:
die Lötung des Eisens ersann Glaukos von Chios: die Kunst des
Gieſsens Theodoros von Samos. Aber Cynira, der Sohn der Agriopa,
erfand die Zange, den Hammer, den Rengel und den Amboſs, wie
Diodor von Sizilien berichtet. Andere aber lehren, daſs Vulkan die
Kunst der Bereitung des Eisens, Erzes, Goldes, Silbers, kurz aller
Metalle für den Gebrauch der Menschen, die des Feuers bedürfen,
zuerst erfunden und gelehrt habe. Weshalb die Arbeiter in diesen
Dingen jenem Gott ihre Gelübde und Opfer darbringen: und das
Feuer zur ewigen Erinnerung an die von ihm empfangene Wohlthat
mit dem Namen des Vulkan benennen: wie die Soldaten den Krieg
Mars, weil er die ersten Waffen bereitet und die ersten Kriege ge-
führt habe.


Über die geographische Verbreitung des Eisens und über die
wichtigsten Plätze, wo Eisen gewonnen wird, giebt das zweite Buch
desſelben Werkes eine ausführliche und interessante Zusammenstellung,
die um so wichtiger ist, als darin auch Bemerkungen über die Ver-
wendung des Eisens in einzelnen Gegenden eingestreut werden, die
von technischer Bedeutung sind.


Von den alten und neuen Metallen. 2. Buch.


Es bleibt noch das Eisen übrig, mit dessen Erzen alle Gebirgs-
gegenden angefüllt sind. Die Hügel Britanniens erzeugen es, wie
Strabo schreibt: das diesseitige Spanien, wie das ganze Gebiet der
Pyrenäen, nach Plinius, der ferner berichtet, daſs in dem seewärts
[35]Georg Agricola.
gelegenen Kantabrien, da, wo der Ozean die Küste bespült, ein Berg
hoch und steil hervorragt, der — unglaublich zu sagen — ganz aus
diesem Stoff besteht. Sodann befinden sich bei Perigord und Bourges
in Gallien Hütten, in denen Eisen dargestellt wird. In Deutschland
findet sich, wie ich schon im vorhergehenden Buche erwähnt habe,
Eisen in den böhmisch-mährischen Bergen (Luna sylva), wie Ptolo-
mäus
schreibt: dieses gruben nach Cornelius Tacitus die Gothinen.
Dann kommt Steyermark (Noricum), dessen Eisen von den Versen
der Dichter besungen wird. So Ovid:


„Härter noch als Eisen, geschmolzen in norischem Feuer.“ Weiter-
hin liegt im Tyrrhenischen Meer Elba: „Die Insel gesegnet mit un-
erschöpflichem Metall der Chalyber.“ Diese nennen die Griechen
Äthalia und von ihr erzählen sie, wie auch die Latiner, daſs das Eisen
wieder wachse. Aber Varro hat berichtet, daſs alles in Stäbe ge-
streckt werden könne, was nach Populonia, einer tuskischen Stadt,
hinübergebracht werde. Fernerhin gruben die Diktäer auf Kreta
Eisen. Sodann war, wie Strabo erzählt, Kupfer und Eisen gemein
im lilandischen Felde auf Euböa. Aber in Asien fand man Eisenerze
bei Andira: im Gebiete der Chalyber: in den Gebirgen Palästinas, die
nach Arabien zu schauen: in Carmanien. Und wie in Europa das
norische und hispanische Eisen am meisten in den Liedern der Dichter
gepriesen wird, so in Asien das chalybische. Deshalb haben dieselben
Dichter den Namen Chalybien oft für Eisen miſsbraucht. In Afrika
aber findet sich Eisen auf der Insel Meroe.


Weil nun in allen gebirgigen Gegenden Eisen im Überfluſs vor-
kommt, so will ich nur die Erzgebiete anführen, die in unserer Zeit in
gröſster Blüte stehen. Es giebt jetzt auch bei den Schotten, die in
Britannien wohnen, wie in Spanien und Frankreich viel und gutes
Eisen. Ebenso in Deutschland in der Gegend, die man die Eifel
nennt, und zwar im Gebiete des Grafen von Manderscheid. Woselbst
auch eiserne Öfen, die wir in den Warmräumen gebrauchen, gegossen
werden. Die Art und Weise, wie diese gegossen werden, will ich in den
Büchern über die Metalle beschreiben. (Ist aber leider nicht geschehen!)


Aber noch an vielen andern Plätzen des groſsen Deutschland
wird dieses Metall dargestellt, welche einzeln aufzuführen mir unnötig
erscheint, weshalb ich nur die besonders hervorragenden anführen
will. So wird im Harz bei Muckshol, welches etwa 12000 Schritt
von Nordhausen entfernt liegt, Eisenstein gegraben, welcher nahezu
abgebaut zu sein scheint, und der Mennige ähnlich erscheint. In
Hessen ist bei Waldungen Überfluſs an Eisenstein, sowie bei der
3*
[36]Georg Agricola.
Stadt Siegen und im ganzen Sauerland, nach der kölnischen Seite
zu, wo ebenfalls eiserne Öfen gegossen werden.


Sodann hat der Thüringer Wald (sylva Semana) sehr viel Eisen-
erz: noch mehr das norische Land diesseits der Donau, wo an Güte
die Erze bei Amberg gegen Sulzbach zu nicht weniger vortrefflich
sind. Ferner wird an vielen Orten im Fichtelgebirge Eisen gegraben,
ganz besonders bei Wunsiedel: im Elbogenschen (in Böhmen) bei
der Lessau-Mark: im Meiſsnischen, insbesondere bei dem Dorf Pela,
da, wo man nach rechts hin in das reiche Joachimsthal kommt, welches
Bergwerk von seinem Entdecker Burkart und dem abschüssigen Ort
seinen Namen hat. Sodann das zwischen dem Wald von Rascha und
dem Kloster von Grünhain, welches man den Memmeler nennt: aber
das beste soll das bei Lauenstein und Gieſshübel sein, wo auch eiserne
Öfen gegossen werden. Es ist nicht weit von Pirna gegen Süden ge-
legen. Bei Sagan in Schlesien wird auf Wiesen Eisenstein gegraben,
vermittelst zwei Fuſs tiefer Schürfe. Tiefer darf man der Wasser
wegen nicht niedergehen. Nach zehn Jahren wird das wieder erzeugte
Eisen von neuem gegraben, gerade wie das elbanische, das ebenso
sehr schwer ist. Weit voran steht aber das schwedische, welches
Osemund genannt wird. Es wird in Upland gegraben, in einem Wald,
der von Kupferthal bis zum Hafen Tuna sich erstreckt: ferner in Ostgot-
land bei dem Dorf Advidha: bei der Stadt Tingualla an der Grenze
Schwedens und Norwegens: in Norwegen zwischen Socnadal und Osterdal
und im Gebiet Tillemarchia, drei Meilensteine von der Stadt Schida
(in Drontheim?). Endlich wird in Norikum nicht weniger und häufig
Stahleisen reichlich gewonnen und dargestellt, zumeist in Kärnten
und Vordernberg. Doch nun auch genug vom Eisen.


Von den Eisenerzen berichtet Agricola ausführlich in seinem
gröſsten mineralogischen Werke „De natura fossilium“, allerdings
ohne Berücksichtigung des hüttenmännischen Standpunktes. Wir
geben in dem Folgenden einen Auszug seiner zum Teil sehr weit-
läufigen Mitteilungen.


Über den Eisenrost sagt er im dritten Buche: „Der Eisenrost
(Hammerschlag) ist sozusagen eine Ausscheidung des metallischen
Eisens. Der Eisenrost wird in der Erde ebenso selten ge-
funden, als das gediegene Eisen
. Man nennt ihn im Lateinischen
bald ferrugo, bald rubigo. Ersteres, weil er sich wie ein Ausschlag
an das naſs gemachte Eisen anlegt; letzteres, weil seine dunkle Farbe
ins Rötliche schielt. Daher ihn auch einige rot, andere schwarz
[37]Georg Agricola.
nennen. Er ist ebenso adstringierend, aber weniger ätzend als der
Vitriol. Die Schuhmacher bedienen sich seiner zum Schwärzen des
Leders. Aus der Wäsche und den Kleidern sind Rostflecken schwer
herauszubringen.“


Ausführlich handelt dann Agricola über die wichtigsten Eisen-
miner im fünften Buche. Er giebt darin zunächst eine allgemeine
Einteilung aller Steine in vier Geschlechter:


1. Eigentliche oder gemeine Steine (Magnetstein, Hämatit,
Gips etc.). 2. Edelsteine (Diamant, Smaragd etc.). 3. Marmorarten
(die sich schleifen lassen). 4. Fels- und Gebirgsarten (Sandstein,
Kalkstein).


Zu dem ersten Geschlechte rechnet er den Magnetstein (Magnes),
über den er sehr eingehend berichtet: „Der Magnetstein ist wegen
seiner wunderbaren Kraft, das Eisen an sich zu ziehen, unter allen
Steinen der berühmteste und bekannteste. Die Griechen haben ihm
die Namen: Magnes, magnetes, heraklischer Stein und Siderit bei-
gelegt. Magnes und Magnetes wird er genannt nach seinem Ent-
decker, der ihn auf dem Ida fand — eine Mutmaſsung des Nikan-
der
, wie Plinius berichtet —, oder nach der asiatischen Provinz
Magnesia, einem Hauptfundort desſelben. Deshalb singt Lucretius
von ihm:


Quem Magneta vocant patrio de nomine Graii,

Magnetum quia sit patriis in finibus ortus.

Die Benennung „heraklischer Stein“ bezieht sich entweder auf
die Stadt Heraklea oder auf den Herakles. Denn wie Herakles die
gräſslichen, unbändigen Ungeheuer bezwang, so zieht der Magnet das
Eisen, den Besieger aller Körper auf Erden, an sich und hält ihn
gefangen. Diese Kraft erwarb ihm auch den Namen Siderit. Der
Magnet hat das Ansehen des polierten Eisens und bricht auch ge-
wöhnlich auf Eisensteingruben, freilich nur auf wenigen, denn ihrer
giebt es bekanntermaſsen sehr viele. Es sind entweder kleine
Stückchen davon in dem Eisenerz eingeschlossen oder er bildet mäch-
tigere und gröſsere Mittel.“ Unter den Fundorten, die er nun auf-
führt, erwähnt er die spanische Provinz Kantabrien, eine nordische
Insel, nicht weit von Lappland, verschiedene Plätze in Deutschland,
sowie Magnesia, „linkerhand vom See Böbeis“ und andere mehr.
Nachdem er die wichtigsten physikalischen Kennzeichen: Farbe, Festig-
keit und Schwere beschrieben hat, fährt er fort: „Einige Magnete
[38]Georg Agricola.
ziehen das Eisen stark an, andere schwach; jener heiſst weiblicher
Magnet.“ — „Der ganz gute Magnet begnügt sich nicht damit, das Eisen
an sich zu ziehen und festzuhalten; er teilt sogar diese Kraft dem
Eisen mit, so daſs dieses nunmehr selbst anderes Eisen an sich zu
ziehen und festzuhalten vermag. Wenn man mehrere eiserne Ringe
auf einem Tisch herumstreut und hält einen magnetischen Ring dar-
über, so zieht dieser dieselben an, so daſs sie an ihm herabhängen.
Ein Magnet, den man einem eisernen Ringe nahe bringt, teilt letz-
terem die magnetische Kraft mit, so daſs dieser Ring einen zweiten,
der zweite einen dritten und so ferner anzuziehen vermag; in wel-
chem Falle dann die Ringe reihenweise und wie die Glieder einer
Kette aneinander hängen, ohne daſs einer in den andern verschlun-
gen ist. Von diesen Ringen hängt jedoch der erste am festesten und
die folgenden immer lockerer, bis sie zuletzt gar nicht mehr halten.
Diese Erscheinung hat von jeher die gröſste Bewunderung erweckt.
Das gemeine Volk pflegte zu Plinius’ Zeiten das magnetische Eisen
„lebendiges Eisen“ (ferrum vivum) zu nennen. Empedokles, ein
Philosoph aus Agrigent, soll dem Magnet eine Seele beigelegt haben. —
Die Theologen halten die Ursache dieser Kräfte des Magnetes für
übernatürlich, die Ärzte für natürlich, obgleich unerklärbar.“


Nun folgt eine Aufzählung scheinbarer Wunder, die mit dem
Magnet auszuführen sind, so z. B. die eiserne Kugel, die von einem
Spiegel, durch einen verborgenen Magnet, angezogen wird, dann die
schwebende Figur im Serapistempel zu Alexandria und endlich der
bekannte Versuch des Baumeisters Dinokrates (der aber nicht
gelang), ein magnetisches Gewölbe in einem Tempel der Arsinoe so
zu konstruieren, daſs das Bild der Göttin im Mittelpunkte ganz frei
schweben sollte.


Hieran knüpft Agricola verschiedene anekdotenhafte Berichte
über die Entdeckung des Magneten, wie Bergleute, welche ihr Gezähe
in der Grube zurückgelassen, am andern Tage ihre Schlägel und
Eisen nicht mehr an ihrem Platze, sondern an der Decke hängend
gefunden hätten, sowie die bekannten arabischen Märchen von den
Magnetinseln. Von dem ökonomischen Gebrauche des Magneten er-
wähnt er, daſs, nach Angabe des Plinius, die Glaser sich ehemals
des Magnetes bedient hätten, weil sie glaubten, daſs er die Kiesel-
feuchtigkeit ebenso an sich ziehe, wie das Eisen. Auch die Ärzte
machten Gebrauch davon, wie man beim Galen und Dioskorides
nachlesen könne. Des Kompasses bedienten sich die Schiffer und die
Bergleute. Gebrannt nähme er die Farbe des Hämatites an, wofür man
[39]Georg Agricola.
ihn auch ehemals verkauft habe. Nachdem er noch den Stein „thea-
medes“, der eine dem Magnet entgegengesetzte Natur habe, so daſs
er das Eisen abstoſse, statt anziehe, und der beiden indischen Inseln,
auf deren einer der, welcher Nägel an den Schuhen hat, hängen
bleibe, während er auf der andern den Fuſs nicht aufzusetzen ver-
mag, erwähnt hat, wendet er sich zu den dem Magnetstein verwandten
Steinarten, dem Hämatitos und dem Schistos. Was er über diese
sagt, lassen wir wörtlich folgen:


In den Eisengruben, oft aber auch in eigenen, findet man Hä-
matite
und Schistos (Blutsteine und Glaskopf oder Faserstein),
zwei (unter sich und dem Magnet) verwandte Steine, die auch aus
derselben Materie verdichtet sind und nur in der Gestalt und in
einigen andern Eigenschaften voneinander abweichen. Hämatite
werden sie genannt, teils weil sie die Farbe des Blutes haben, wie
dies Galen, der darin dem Theophrast folgt, bemerkt: teils weil
sie, wie einer oder der andere meint, am Schleifsteine gerieben einen
blutroten Saft geben.


Der Schistos aber wird so genannt, nicht weil er gespalten oder
leicht spaltbar wäre, denn das ist er nicht, sondern weil er aussieht,
als sei er gespalten (d. h. von faseriger Struktur). Seine einzelnen
Teile sind so zusammengesetzt, als seien sie gerade wie Holz zusammen-
gewachsen, ähnlich wie bei dem Salmiak.


Viele Gegenden Deutschlands erzeugen diese Steinarten, so Sach-
sen in der Hildesheimer Gegend, jenseits des Moritzbergs, und zwar
in Quadern. In demselben Sachsen beim vierten Meilensteine von
Goslar, da, wo man nach dem Berge zu geht, den sie dort mit seinem
Eigennamen „Kalte Birke“ nennen, diese nennen wir den Goslarischen.


Am Harze finden sie sich an verschiedenen Plätzen, vorzüglich
aber bei Harzgerode, wo Schistos vorkommt, und bei Ilefeld, einem
Kloster im Gebiete des Eichsfeldes. In Hessen, das ein Teil des
Landes der Katten bildet, in den Bergen bei Gladenbach. Zu Müsen
in einer Grube der Hermunduren, welche sie „die Goldkrone“ nennen.
Ein Überfluſs an Schistos findet sich etwa 5000 Schritte von der
Stadt Marienberg (im Erzgebirge). In Böhmen in den Eisengruben
der Lessau-Mark (Karlsbader Gegend), ebenso zuweilen in den Silber-
bergwerken von Joachimsthal. Jedoch an beiden Orten nur hier
und da: wie auch in den Eisengruben von Norikum diesseits der
Donau, zwei Meilensteine von Amberg entfernt, wenn man von Sulzbach
nach Westen geht. Überall, wo Hämatit und Schistos gefunden wer-
den, sind die Felsen rot und die Erde von derselben Farbe und aus
[40]Georg Agricola.
diesen sind sie ursprünglich entstanden. So schreibt auch gleicher-
maſsen Dioskorides, daſs sich Hämatit in der roten sinopischen
Erde fände. Ferner erzeugt Spanien Schistos; Arabien, Ägypten,
Afrika und Äthiopien Hämatit. Die verschiedenen Steinarten weichen
aber in der Farbe ab. Denn entweder sehen sie aus wie verdichtetes
Blut und daher eben haben sie den Namen Hämatite: oder sie haben
die Farbe des Eisens und dann wieder sind die äuſseren Teile von
gelber Farbe: wie sie Müsen (oder Meiſsen? Misena) erzeugt (brauner
Glaskopf). Oder sie sind ganz schwarz, wie diejenigen, welche an
dem oben erwähnten Berge „Kalte Birke“ gegraben werden. Wie
denn auch, wie Sotacus berichtet, in Afrika ein schwarzer Schistos
wächst, den sie wegen der Farbe wie Holzkohlen Anthrazit nennen.“ .....


Agricola fährt dann fort, die einzelnen Varietäten des Schistos
zu beschreiben, wobei er besonders den weichen Eisenrahm und Eisen-
glimmer dem harten Eisenglanz, wie er besonders bei Müsen vor-
komme, gegenüberstellt. Dann wendet er sich zu den Farben, welche
man durch Mahlen oder Brennen aus diesen Steinarten gewinnt, dem
roten, gelben und schwärzlichen Ocker. Dabei hebt er hervor, daſs
die Farben des gebrannten Schistos lichter sind, als die des unge-
brannten. Er unterscheidet die vielen Varietäten in klarer Weise.
Er schreibt nicht nur dem Hämatit, sondern auch dem Schistos einen
adstringierenden Geschmack zu; kommt sodann auf die verschiedene
Härte der einzelnen Arten, wobei im allgemeinen zu bemerken
sei, daſs der Schistos um so härter sei, je mehr er wie Eisen glänze.
Er erwähnt seine vorzüglichen Eigenschaften als Polierstein für die
Goldschmiede. Danach führt er die verschiedenartigen eigentümlichen
Formen auf, in denen besonders die Glasköpfe gefunden werden.
Endlich wendet er sich eingehend zur Verwendung des Hämatites
und Schistos in der Heilkunde.


Die Beschreibung des Agricola ist eine durchaus mineralogische.
Von der Verwendung dieser Steinarten als Erze zur Gewinnung des
Eisens spricht er nicht. Dennoch ist sie auch für uns von groſsem
Interesse ihrer Gründlichkeit und Klarheit wegen.


Über das Eisen als Metall, seine Eigenschaften und seine Ver-
wendung handelt er dagegen ausführlich in einem interessanten und
für uns sehr wichtigen Kapitel des achten Buches „de natura fossilium“
folgendermaſsen:


Ich wende mich zu dem Eisen, von dem die Alten nirgends be-
richten, daſs es gediegen vorkomme. Solches, das seine Farbe trägt,
wird allerdings im Sand der Flüsse gegraben und gefunden, wenn
[41]Georg Agricola.
auch nur selten. Aber eben dieses ist noch nicht völlig rein: so daſs
die schwarzen Graupen, aus denen das Zinn geschmolzen wird, reiner
sind und weniger Schmelzens bedürfen, als diese Eisenkörner und
Stückchen, was auch Albertus Magnus wohl bekannt war. Denn er
schreibt, das Eisen wird in einer wässerigen Erde in der Gestalt von
Hirsenkörnern, aber sehr verunreinigt gefunden. Die Farbe des un-
polierten Eisens fällt ins Schwärzliche, die des polierten ins Mattweiſse.
Das aus dem Erz geschmolzene Eisen ist flüssig und kann geschmolzen
werden: wenn man es darauf, nachdem die Schlacken abgezogen sind,
nochmals glüht (frischt — refrixit), so wird es weich, so daſs es unter
dem Hammer gestreckt und zu Blechen ausgebreitet werden kann,
aber gieſsen läſst es sich dann nicht mehr leicht: es sei denn, daſs
man es in dieselbe Art Öfen bringt und niederschmelzt. Alles Eisen
ist hart, deswegen giebt es auch von allen Metallen den gröſsten
Schall. Aber das eine weicht darin von dem andern ab.


Denn einiges ist zähe und dies ist das beste, anderes nur mittel-
mäſsig, deshalb auch nur von mittlerer Güte: anderes spröde und
kupferhaltig: dieses ist das schlechteste. Von der ersten Sorte ist
das schwedische, norwegische und norische, von der zweiten das von
Lauenstein und Gieſshübel im Meiſsnischen und das von Sulzbach in
den norischen Bergen diesseits der Donau; zu der dritten gehört das,
welches auf dem Amboſs unter dem Hammer wie Glas auseinander
fliegt: und das noch andere Fehler in sich vereinigt. Aus dem Eisen,
wenn man es öfter schmelzt und von den Schlacken reinigt, entsteht
das, was die Griechen στόμωμα nennen, die Lateiner aber, wenn ich mich
nicht irre, öfter acies — Stahl. Von dieser Art war das serische, par-
thische, norische, comensische. Bisweilen wandelt sich das Eisen in-
folge der Güte seiner Erze in Stahl, wie auch noch heute das norische:
bisweilen durch das Wasser, in das man es öfter eintaucht, wie zu
Como in Italien und zu Bilbilis und Turassio in Spanien. Der Stahl
wird zu höherem Preise als das übrige Eisen verkauft.


Wird das Eisen öfter gereinigt, so verliert es viel an Masse und
Gewicht. Das Eisen wird verdorben durch einen Fehler, den man den
Rost (ferrugo et rubigo) nennt; er entsteht durch die Berührung mit
Feuchtigkeit, am raschesten mit Menschenblut. Mit Meerwasser kann
man diese Flecken am schnellsten wieder herausbringen: und man
schützt es davor durch mancherlei Umhüllungsmittel, durch Mennige,
Bleiweiſs, Gips, Bitumen und flüssigen Teer. Das glühende Eisen
bricht leicht, wenn es nicht durch Hammerschläge dicht gemacht ist.
Aus Eisen werden mehr Gegenstände gefertigt, als aus irgend einem
[42]Georg Agricola.
andern Metall. Auſser als Geld haben es die Lacedämonier zu Ringen
benutzt: Halsketten davon trugen die hispanischen Frauen: zu Delphi
waren sehr schöne Kratere davon, ein Geschenk des lydischen Königs
Alyattes, ein Werk des Glaukos von Chios: eiserne Statuen waren in
dem lakonischen Skias, ein Werk des Theodoros von Samos. Aus
Eisen macht man ferner Schlüssel, Thürangeln, Schlösser, Nägel,
Gitter, Thüren, Thorflügel, Spaten, Stangen, Heugabeln, Haken, Drei-
zacke, Dreifüſse, Setzeisen, Hämmer, Keile, Hauen, Äxte, Sicheln,
Grabscheite, Keilhauen, Ambosse, Ketten, Hebel, Karste, Pflugscharen,
Baummesser, Pfannen, Schüsseln, Löffel, Bratspieſse, Messer, Dolche,
Degen, Beile, Speere, Wurfspieſse, Lanzen und andere Waffen, die
ihre Namen von verschiedenen Völkerschaften führen. Ferner Wurf-
lanzen, Mörserkeile, Fuſsangeln, Brustharnische, Helme, Beinschienen,
Kugeln, die aus den ehernen Geschützen geschleudert werden, Hand-
schellen u. s. w. Doch jezt genug vom Eisen .....


Nun endlich kommen wir zu dem, was Agricola vom hütten-
männischen Standpunkte aus über die Bereitung und Verarbeitung von
Eisen und Stahl in seinem Werke „De re metallica“ mitteilt.


Zunächst bemerkt er über die Prüfung der Eisenerze auf ihren
Gehalt an Eisen im fünften Buche, worin er von der Probierkunst
handelt, folgendes:


Endlich wird das Eisen im Schmiedefeuer probiert; es wird gleich-
falls geröstet, zerstoſsen, gewaschen und getrocknet. Dann wird ein
Magnet in die Masse (das Gekrätz) gelegt, welcher die Eisenteilchen
an sich zieht: diese werden dann, nachdem sie mit einer Feder ab-
gestrichen worden sind, in einen Tiegel gebracht, und wird der Magnet
so oft in dies Pulver gelegt und die Teilchen abgestrichen, bis nichts
mehr da ist, was der Magnet anziehe. Diese werden mit Salpeter
im Tiegel eingeschmolzen bis zum Fluſs und so wird ein Eisenkorn
ausgeschmolzen. Zieht der Magnet rasch und leicht die Eisenteilchen
an sich, so schlieſsen wir, daſs das Eisenerz reich sei: scheint er sie
aber eher abzustoſsen, so enthält das Erz wenig oder kein Eisen.


Agricola kennt nur diese eine trockene Probe, wie denn über-
haupt auch in dem folgenden Jahrhundert der Eisengehalt der Eisen-
erze einzig durch die Schmelzprobe im Tiegel bestimmt wurde.


Nun kommen die beiden wichtigen Kapitel im neunten Buche,
welche von dem Ausschmelzen der Erze, von der Stabeisen- und Stahl-
bereitung handeln.


(Luppenfeuer.) Eisenerz, das besonders gut ist, soll in einem
Ofen geschmolzen werden, der dem folgenden fast gleich ist. Der
[43]Georg Agricola.
Schmelzherd soll 3½ Fuſs hoch und an 5 Fuſs breit und lang sein:
in dessen Mitte sei ein Tiegel 1 Fuſs tief und 1½ Fuſs weit. Wie-
wohl er höher oder niedriger, breiter oder enger sein kann, je nach-
dem mehr oder weniger Eisen aus dem Erz bereitet wird. Dem
Meister (Renner) soll ein gewisses Maſs Eisenerz gegeben werden, ob
er daraus viel oder wenig Eisen schmelzen kann: will dieser seine
Arbeit beginnen, so wirft er erst Kohlen in den Tiegel, darauf so viel
gepochtes Eisenerz, gemischt mit ungelöschtem Kalk, als eine eiserne
Schaufel fassen mag. Dann werfe er abermals Kohlen hinein und
dies öfter und streue das Eisenerz darauf und zwar so lange, bis
allmählich ein Haufen daraus entstehe, welchen er, nachdem die
Kohlen entzündet, mittels Blasebälgen, die künstlich in ein Rohr
(die Form) zusammengeführt sind, durch den Wind zur Glut an-
facht und so ausschmelzt, welche Arbeit er bald in acht, bald in
zehn, manchmal auch in zwölf Stunden vollbringen kann. Damit
ihm aber das Feuer das Gesicht nicht verbrenne, wie dies zu ge-
schehen pflegt, bedecke er es ganz mit einem Hut, an dem jedoch
Löcher angebracht sind, durch welche er sehen und atmen kann.
An dem Ofen sei eine Zugstange, mit der er, so oft es die Arbeit
verlangt und sie verlangt es, sobald die Bälge zu viel Wind in den
Ofen einblasen, oder sobald er selbst die übrigen Erze und Kohlen
aufgiebt, oder sobald er die Schlacken abzieht, das Schuſsgerinne,
durch welches das Aufschlagwasser auf das Rad geleitet wird, und
die Welle, welche die Bälge niederdrückt, in ihrer Bewegung hemmt
oder sich umdrehen läſst: auf diese Weise flieſst das Eisen in eine
Masse (Stück) zusammen, von zwei bis drei Zentner Gewicht, je nach
der Reichhaltigkeit der Erze. Alsbald öffnet der Meister das Schlacken-
loch mit dem Spieſs und läſst, nachdem die Schlacken ganz ab-
geflossen sind, die Masse erkalten: sodann soll er und die Gesellen
dieselbe mit eisernen Brechstangen aus dem Ofen auf den Boden
schaffen und sie mit hölzernen Hämmern, die dünne, aber 5 Fuſs
lange Stiele haben, zusammenschlagen, damit er die Schlacken, welche
ihr noch anhängen, abklopfe und sie dieselbe zugleich dicht mache
und ausbreite. Denn wenn sie sogleich auf den Amboſs gelegt, mit dem
groſsen Hammer, der von den Hebedaumen der Welle, die das Wasser-
rad bewegt, aufgehoben wird, geschlagen würde, flöge sie auseinander:
während so kann sie bald mit Zangen aufgehoben unter demselben
Hammer mit einem scharfen Eisen (Schrotmeiſsel) in vier, fünf oder
sechs Stücke, je nachdem sie groſs oder klein war, geteilt werden:
aus diesen, nachdem sie von neuem in einem andern Herd ausgeheizt
[44]Georg Agricola.
und wiederum auf den Amboſs gebracht worden sind, fertigen die
Schmiede quadratische Blöcke (Kolben), Pflugeisen, Radschienen, zu-
meist aber Stangeneisen, von denen vier, sechs oder acht den fünften
Teil eines Zentners wiegen: aus diesen pflegen sie dann abermals ver-
schiedene Werkzeuge anzufertigen. Bei jedem Hammerschlag schüttet
ein Junge mit einer Kelle Wasser auf das glühende Eisen, das die
Schmiede formen: daher kommt es, daſs diese Schläge einen so lauten
Schall geben, daſs man es weithin von der Hütte hört. Nachdem
das „Stück“ aus dem Ofen, in dem die Erze geschmolzen worden
sind, herausgebrochen ist, bleibt im Tiegel hartes Eisen, das sich
nur schwer strecken läſst, zurück: aus diesem kann man die Köpfe der
Pochstempel (Pocheisen) und andere ganz harte Gegenstände machen.


(Stücköfen.) Aber für die Eisenerze, welche kupferhaltig sind
oder nur schwer, wenn sie geschmolzen werden, flieſsen, muſs man
mehr Arbeit und stärkeres Feuer anwenden, denn man muſs sie nicht
nur, um die metallischen Teile von den nicht metallischen zu trennen,
unter einem trockenen Pochwerke zerkleinern, sondern sie auch rösten,
wie die Erze anderer Metalle, damit die schädlichen Säfte sich ver-
flüchtigen, und sie waschen, daſs alles, was leicht ist, von ihnen ge-
schieden werde. Sie sollen aber in einem Ofen, der dem ersten ganz
ähnlich, nur viel höher und weiter, um viel Erz und Kohlen fassen
zu können, geschmolzen werden; dieser wird nun ganz mit Erzen,
welche nicht über nuſsgroſs sein dürfen, und mit Kohlen angefüllt,
welche die Schmelzer auf Stufen, die auf der einen Seite des Ofens
angebracht sind, hinauftragen und einwerfen. Aus solchem Erz, wenn
es einmal oder zweimal geschmolzen ist, wird dann ein Eisen erhalten,
das geeignet ist, in dem Herd eines Eisenofens von neuem ausgeheizt
und unter jenem groſsen Eisenhammer ausgebreitet und mit scharfen
Eisen in Stücke zerschroten zu werden.


(Stahl.) So macht die Kunst mittels Feuer und Zuschlägen das
Eisen und aus diesem den Stahl, welchen die Griechen στόμωμα
nennen. Man wähle solches Eisen aus, das leicht flieſst, dabei hart
ist und das sich leicht ausstrecken läſst. Denn wenn es auch aus
Erzen, die mit andern Metallen gemischt sind, erblasen schmilzt, so
ist es doch entweder weich oder spröde (fragile). Ein solches Eisen
aber soll zuerst glühend in kleine Stücke zerschlagen, sodann mit zer-
kleinerten, leichtflüssigen Zuschlägen vermischt werden: danach mache
man in dem Frischherd einen Tiegel, aus demselben angefeuchteten
Pulver, aus welchem man die Tiegel macht, die sich vor den Öfen,
[45]Georg Agricola.
in welchen man die Gold- und Silbererze schmelzt, befinden, mit
einer Weite von 1½ Fuſs und 1 Fuſs tief. Die Bälge aber sollen
so gesetzt werden, daſs sie durch die Form in die Mitte des Tiegels
blasen: hierauf fülle man den Tiegel mit den besten Kohlen und
setze ringsherum Bruchsteine, welche die Eisenstücke und die darüber
geschütteten Kohlen zusammenhalten: aber sobald die Kohlen in
Brand sind und der Tiegel glüht, läſst man den Wind blasen und
der Zerennmeister giebt von der Mischung von Eisen und Fluſssteinen
so viel auf, als ihm einzuschütten geboten erscheint; in diese taucht
er, sobald sie geschmolzen ist, vier Eisenluppen, von denen eine jede
30 Pfund wiegt, ein und soll sie bei starkem Feuer fünf oder sechs
Stunden schmelzen und dabei mit einer Krücke das flüssige Eisen
öfter umrühren, damit die kleinen Öffnungen der Luppen den zarte-
sten Teil derselben einsaugen, welche Teile durch ihre Kraft die
fetten Teile der Luppen verzehren und ausdehnen: wodurch sie weich
und einem Hefenteig ähnlich werden. Hierauf soll der Meister unter
Beihülfe des Vorläufers eine Luppe mit der Zange herausziehen und
auf den Amboſs bringen, damit der Hammer, der durch das Rad ab-
wechselnd auf und ab bewegt wird, sie ausbreite. Ist dies geschehen,
so wirft er sie noch heiſs in das Wasser und löscht sie ab: das so
Abgelöschte bringt er wiederum auf den Amboſs und zerbricht es, in-
dem er es mit demselben Hammer schlägt. Indem er die Stücke
sofort betrachtet, sieht er, ob noch irgendwo sich Eisen zeigt, oder
ob die ganze Masse dicht und in Stahl umgewandelt erscheint. Da-
nach nimmt er ein Luppenstück nach dem andern mit der Zange
heraus und zerbricht es nach dem Ausrecken in Stücke, dann macht
er die Mischung (das Werk — den Sauer) wieder heiſs und setzt von
der frischen einen Teil zu: welcher das ersetzt, was die Luppen
aufgesaugt haben und die Kräfte des übrigen Teils auffrischt, so daſs
es die Masselstücke, welche danach wieder in den Herd eingelegt
werden, besser reinigt, deren jedes er, nachdem sie wie die ersten
ausgeheizt sind, mit der Zange fasst, unter den Hammer bringt und
in die Form von Stäben ausreckt. Diese wirft er noch glühend in
ganz kaltes, flieſsendes Wasser, das nahe dabei sein muſs, wodurch es
sich sofort verdichtet und in lauter Stahl verwandelt wird, welcher
viel härter und weiſser ist als Eisen.


Fügen wir hier noch hinzu, daſs Agricola das Verzinnen eiserner
Geschirre erwähnt 1) und daſs er über die Verwendung der Stein-
[46]Georg Agricola.
kohle im Schmiedefeuer von den Eisenschmieden im Meiſsnischen
bereits im Bermannus berichtet, so haben wir wohl alle Stellen zu-
sammengestellt, die in seinen Werken auf die Eisenindustrie Bezug
haben 1).


Einen besondern Wert erhält das Buch des Agricola „De re
metallica“ noch durch die vorzüglichen Zeichnungen, mit denen es
ausgestattet ist. Dieselben sind in realistischer Weise von einem be-
gabten Künstler, der selbst metallurgisches Verständnis hatte, nach
der Natur aufgenommen. Es war dies Basilius Wefring, Bürger
in Joachimsthal, wie Mathesius in seiner Joachimsthaler Chronik
bezeugt, welcher die 264 Zeichnungen jedenfalls unter Agricolas
Leitung angefertigt hat.


Vanuccio Biringuccio.


War Georg Agricola der hervorragendste deutsche metallur-
gische Schriftsteller des 16. Jahrhunderts, so war dies für die Völker
romanischer Zunge der Italiener Vanuccio Biringuccio.


Er war ein Zeitgenosse des Agricola, als metallurgischer
Schrifsteller sogar sein Vorläufer, denn die erste Auflage seiner
Pyrotechnia erschien bereits 1540. Auch war dem Agricola das
Buch des Biringuccio bekannt, als er sein Werk „über die Metalle“
schrieb, und er bekennt selbst in seiner Vorrede, es benutzt zu haben.
Das Buch des Agricola ist aber so originell, so ganz auf eigener
Erfahrung und Beobachtung aufgebaut, daſs sich kaum nachweisen
läſst, wo er sich der Schriften des Italieners bedient habe. Trotz
der Vortrefflichkeit der Hüttenkunde des Agricola bleibt es aber
doch zu beklagen, daſs durch den Beifall und die Anerkennung,
welche dieses Werk sich sofort nach seinem Erscheinen in Deutsch-
land erworben hatte, das höchst originelle und inhaltsreiche Buch
des Biringuccio bei uns unbeachtet blieb, so daſs dieses, während es
in Italien und Frankreich denselben Ruhm erlangte, wie bei uns die
Metallurgie des Agricola und in zahlreichen Auflagen verbreitet
wurde, in Deutschland so gut wie unbekannt blieb, und als J. Beck-
[47]Vanuccio Biringuccio.
mann in seinen „Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen“ (Bd. I,
S. 133 etc.) 1780 wieder die Aufmerksamkeit darauf lenkte, galt
dies fast mehr der litterarischen Kuriosität als dem reichen In-
halt, der noch heute eine Quelle der Belehrung bietet, welche erst
von den neuesten metallurgischen Schriftstellern richtig gewürdigt
worden ist 1). Leider giebt es keine deutsche Übersetzung des Werkes.


Das Buch des Biringuccio heiſst einfach „Pyrotechnia“ oder
genauer „Della pirotechnia, libri X“. Dasselbe ist aber kein „Feuer-
werksbuch“, wie deren mehrere in dieser Periode erschienen sind
und die sich darauf beschränken, die Künste vorzutragen, die ein ge-
prüfter Büchsenmeister verstehen muſs, sondern es ist ein systematisches
Lehrbuch der Metallurgie, in dem allerdings der Guſs und die Be-
arbeitung der Kanonen, die Pulverbereitung und die Minierkunst mit
behandelt sind. Es ist in italienischer Sprache in Briefform verfaſst.


Konnten wir von Georg Agricola eine ziemlich ausführliche
Lebensbeschreibung geben, so wissen wir von Vanuccio Biringuccio
(oder Biringoccio) fast nichts, als das, was er hier und da in seinem
Buche über sich selbst eingestreut hat.


Er war von edlem Geschlecht in der Stadt Siena geboren, in
welchem Jahre aber ist unbekannt. Er studierte Mathematik und
Naturwissenschaften und wurde ein bedeutender, ja ein berühmter
Ingenieur. Mazuchelli2), der einzige Schriftsteller, der von Birin-
guccio
etwas zu sagen weis, nennt ihn einen Mathematiker, sehr
erfahren besonders in der Kenntnis und der Schmelzung der Metalle,
der um die Mitte des 16. Jahrhunderts gelebt habe. Er sei von ver-
schiedenen Fürsten und Staaten seiner Kenntnisse wegen berufen
worden, so von Peter Aloysius Farnese — den sein Vater Papst
Paul III. 1545 zum ersten Herzoge von Parma gemacht hatte, der
aber schon im Jahre 1547 ermordet wurde, von Herkules II. von Este,
Herzog von Ferrara, der 1534 bis 1559 regierte 3) — und ebenso von
der Republik Venedig. Mazuchelli nennt ihn den ersten Italiener,
der über Metallurgie geschrieben habe.


[48]Vanuccio Biringuccio.

Aus den in seinem Buche zerstreuten Stellen über sich selbst geht
hervor, daſs er in jüngeren Jahren die Bergwerke und Eisenwerke
des Fürsten Pandolfo im Thale von Boccheggiano zu leiten hatte
und daselbst bedeutende Maschinenanlagen ausführte. Denn in dem
Kapitel über die Eisenerze (Lib. I, Cap. VI) sagt er: „Die meisten
Eisenerze sind so sehr mit andern Metallen vermischt, daſs sie sich
nur mit Mühe davon befreien lassen, wie ich solches in unserer
Gegend bei Siena, als ich noch ein junger Mann war, erfahren habe,
und zwar in dem Thale von Boccheggiano, wo sich mehrere Fabriken
für Eisenbereitung des mächtigen Fürsten Pandolfo, deren Betrieb
ich zu leiten hatte
, befanden. Ich nahm zu den Eisenerzen von
Elba noch diejenigen, welche in der Nachbarschaft gefunden wurden,
hinzu und mit dem einen und dem andern habe ich schöne Erfah-
rungen gemacht.“ In einem andern Kapitel, wo er von den Blase-
bälgen und den Übertragungen spricht, erzählt er, daſs er in dem
genannten Thale von Boccheggiano eine groſse Maschinenanlage ge-
macht habe, bestehend aus einem groſsen Kübelrad, das eine Anzahl
Bälge in Bewegung setzte, so daſs diese vier Feuer gleichzeitig be-
dienen konnten, wofür man sonst vier Wasserräder nötig hatte. Er
fügt bescheiden hinzu: „Ich kann Euch dies nicht durch eine Zeich-
nung deutlich machen, denn es wäre für mich eine zu schwierige
Sache, es zu zeichnen.“


Ferner erfahren wir von Biringuccio, daſs er zu seiner Aus-
bildung groſse Reisen, besonders nach Deutschland gemacht und
daſs er in diesem Lande seine Kenntnisse vom Erzschmelzen sehr
erweitert hat.


Da, wo er in dem Kapitel „von den Öfen“ vom Ausschmelzen
der Kupfer- und Silbererze spricht, sagt er: „Ich erinnere mich, in
Deutschland, wo solche Kunst vielleicht am meisten in der ganzen
Christenheit geübt wird und blüht, nicht allein diese Anordnung der
Schachtöfen, sondern auch die Vorbereitung zum Schmelzen gesehen
zu haben.“ Er schildert sodann das in Deutschland übliche Ver-
fahren, silberhaltige Kupfererze in Schachtöfen zu schmelzen und
fügt hinzu, daſs er sich desſelben selbst bedient habe.


Ebenso bemerkt er bei den Flammöfen, daſs solche in Deutschland
auch zum Schmelzen von Erzen in Anwendung seien, daſs er zwar
selbst keine gesehen habe, daſs sie ihm aber dort mit Worten so gut
erklärt worden seien, daſs er eine Beschreibung davon liefern könne.


Besondere Erfahrung hatte er in dem Guſs, sowie in dem Aus-
bohren der Geschütze, welche Künste er meisterlich beschrieben hat.
[49]Vanuccio Biringuccio.
Als Stückgieſser scheint er hochberühmt gewesen zu sein und als
solcher hauptsächlich wurde er von Fürsten und Städten berufen.
Er beschreibt die Flammöfen zum Schmelzen des Kanonen- und
Glockenmetalles nach den Verbesserungen, die er selbst dabei gemacht
und wie er sie konstruiert habe. „Ich will Euch nur von der Art
von Öfen sprechen, welche ich ausgeführt habe, so oft ich dazu Ge-
legenheit hatte, wobei ich von keiner der oben erwähnten Formen
Gebrauch machte, sondern von allen diejenigen Teile nahm, welche
mir am zweckmäſsigsten schienen.“


Ebenso beschreibt er Maschinen zum Ausbohren der Geschütze
seiner eigenen Erfindung. Er spricht dabei von Erfahrungen, die er
an unterschiedlichen Plätzen gemacht habe, wie z. B. zu Florenz, und
von verschiedenen von ihm angewendeten Konstruktionen. So bohrte
er schwere Stücke aus mittels einer starken Holzspindel, in der acht
Bohrmesser eingesetzt waren. Das Riesengeschütz Leofante aber
bohrte er mit einem groſsen „französischen Bohrer“, wahrscheinlich
einem Radbohrer, aus.


Aus alledem ersehen wir, daſs er ein thätiger, erfindungsreicher
Ingenieur war 1). Sein Todestag ist uns ebenso unbekannt, wie der
Tag seiner Geburt und wir wissen nicht, wo seine Gebeine beigesetzt
worden sind.


Vanuccio Biringuccio war ein Mann der ausübenden Praxis
und dies drückt auch seinem Buche den Stempel auf. Es ist nicht
in gewähltem Latein geschrieben, wie das des Agricola, sondern in
seiner Muttersprache, leichthin erzählend, sogar des Autors toscanischen
Dialekt nicht verleugnend. Es ist nicht so gelehrt und im einzelnen
durchdacht und abgemessen, wie Agricolas Schriften, aber seine
Ausdrucksweise ist gefällig, klar und lebendig. Meisterhaft sind seine
Schilderungen und Beschreibungen technischer Vorgänge, anschaulich
und unmittelbar, wie dies nur derjenige vermag, welcher die Dinge,
die er beschreibt, selbst kennt und erlebt hat. Dabei hält er sich
fern von aller Pedanterie und bleibt auch in ausführlichen Einzel-
beschreibungen noch fesselnd. Die leichte Briefform unterstützt dies
wesentlich. Sie ist zwar nicht ganz streng festgehalten, aber indem
der Verfasser immer eine dritte Person anspricht und ihr die Dinge,
die er vorträgt, zu verdeutlichen bestrebt ist, wird er von selbst deut-
lich und der Leser versetzt sich unwillkürlich an die Stelle des
Angeredeten. Der Zweck, zu belehren, liegt schon in dieser Form,
Beck, Geschichte des Eisens. 4
[50]Vanuccio Biringuccio.
wenn er auch nur gelegentlich betont wird. Dabei ist der umfang-
reiche, spröde Stoff meisterlich disponiert, logisch geordnet und über-
sichtlich behandelt.


Werfen wir nun einen Blick auf das Werk selbst.


Die erste Ausgabe erschien im Jahre 1540 in Venedig in Folio
mit einer Zueignungsschrift von Moncelesi an Navo, aber ohne den
Namen des Verfassers unter folgendem Titel: Della pirotechnia,
libri X dove ampiamente si tratta di ogni sorte e diversita di miniere,
ma ancora quanto si ricerca intorno alla pratica, di quelle cose, di
quel che si appartiene a l’arte della fusione, ovver gitto de metalli
come d’ogni altra cosa simile a questa. — In Venezia per Ventorino
Roffinello 1540. 4°. —


Eine zweite Ausgabe erschien ebenfalls anonym 1550. „Venezia
per G. Padovano a instanzia di Curzio Navo.“


Eine dritte Ausgabe mit dem Namen des Autors erschien um
1558 zu Venedig und schon im folgenden Jahre eine neue vierte
Auflage in Kleinoktav, welche ich besitze und deren Titel verdeutscht
folgendermaſsen lautet: „Des G. Vanuccio Biringuccio von Siena
zehn Bücher von der Feuerkunst, in denen nicht nur von den Ver-
schiedenheiten der Mineralien gehandelt wird, sondern auch von der
Art ihrer Gewinnung; sowie von dem, was zur Kunst des Schmelzens
und Gieſsens gehört, Glocken und Geschütze zu machen, Kunstfeuer-
werk und andere sehr nützliche Dinge. — Von neuem durchgesehen
und gedruckt mit den Abbildungen der bemerkenswertesten Dinge zu
Venedig in der Druckerei des P. Gironimo Giglio und Genossen 1559 1).“


Vorgedruckt ist dem Texte ein Vorwort des Vanuccio Birin-
guccio
von Siena an den Herrn Bernardino Moncelese von Salo.


Eine fünfte Auflage erschien zu Bologna 1678.


Es giebt drei französische Übersetzungen der Pyrotechnia, die
älteste von 1556 par Jacques Vincent à Paris chez Claude Fremy,
die zweite von 1572, die dritte von 1627. Die Übersetzung von
Vincent ist unvollständig, indem verschiedenes darin ausgelassen ist.
Eine späte lateinische Übersetzung erschien 1658 zu Köln in Quart.


Das Werk zerfällt, wie der Titel besagt, in zehn Bücher, deren
Hauptinhalt der folgende ist:


Nachdem in der Einleitung einiges über den Bergbau gesagt ist,
handelt das erste Buch von den Metallen und deren Erzen; das zweite
von den Halbmetallen und deren Zugutemachung; das dritte von dem
[51]Vanuccio Biringuccio.
Probieren der Erze, von ihrer Vorbereitung zum Schmelzen, von den
Blasebälgen, Öfen und den Hüttenwerken und den Hüttenprozessen,
wobei auch schon des Saigerns des Schwarzkupfers gedacht wird; das
vierte von der Goldscheidung und der Bereitung des Scheidewassers;
das fünfte von den Legierungen des Goldes, Kupfers, Silbers und
Zinnes; das sechste von der Formerei, besonders von dem Gusse der
metallenen Geschütze und Glocken; das siebente enthält die Be-
schreibung der Schmelzöfen, der Bälge und Balgengerüste, der Bohr-
mühlen zum Kanonenbohren und des Gusses eiserner Kugeln; das
achte handelt vom Gusse kleiner Gegenstände; das neunte vom De-
stillieren, Sublimieren und von der Münzkunst, sowie vom Gold- und
Eisenschmieden, von der Zinnverarbeitung, der Schriftgieſserei, Draht-
zieherei, dem Vergolden, der Anfertigung von Metallspiegeln und end-
lich noch von der Töpferkunst und dem Kalkbrennen; das zehnte von
der Bereitung des Schieſspulvers, der Feuerwerkerei und Minierkunst.


Ohne auf den reichen Inhalt der einzelnen Bücher näher ein-
zugehen, wollen wir nur eine Übersicht derjenigen Kapitel geben, die
mehr oder weniger direkt auf das Eisenhüttenwesen Bezug haben.


Im ersten Buche trägt das sechste Kapitel die Überschrift von
den Erzen des Eisens und von seiner Natur. In demselben ist nicht
nur eine Beschreibung der Eisenerze gegeben, sondern auch schon
das Ausschmelzen der Erze geschildert. Deshalb läſst Biringuccio
hierauf sogleich die wichtige Darstellung „von der Praxis der Stahl-
bereitung“ als siebentes Kapitel folgen.


Im zweiten Buche sind nur etwa die Kapitel über die Kiese und
Vitriole, dann über den Magnetstein und die Ocherarten zu erwähnen.


Im dritten Buche sind folgende Kapitel für uns von Interesse:
„Von dem Verfahren, alle Erze zu probieren“; „Die Vorbereitung der
Erze zum Schmelzen“; „Über die Gestalt der Blasebälge und der
Schmelzöfen“; und „Von der Art und Weise, wie man beim Ver-
schmelzen der Erze zu verfahren hat“; endlich das Schluſskapitel
„Über die Eigenschaften und Verschiedenheit der Holzkohlen und die
Art, wie man sie zu bereiten pflegt“.


Das vierte und fünfte Buch enthalten nichts auf das Eisen Be-
zügliches.


Das sechste Buch dagegen, welches den Guſs der Kanonen und
Glocken beschreibt, ist für die Formerkunst von gröſster Wichtigkeit,
wie schon aus der Aufzählung der einzelnen Kapitel hervorgehen wird.
Sie lauten: „Über die Beschaffenheit des Formsandes“; „Über die
Herstellung der Formen“; „Über die Verschiedenheit der Geschütze
4*
[52]Vanuccio Biringuccio.
und ihrer Dimensionen“; „Über das Formen der metallenen Ver-
zierungen“; „Über das Formen der Kanonen“; „Wie man die Seele
der Geschütze formt“; „Wie man den dritten Teil des Geschützes,
„die Büchse“ genannt, formt“; „Über die Guſstrichter und die Wind-
pfeifen bei den Formen“; „Über das Trocknen der Formen“; „Was
man bei der Herstellung der Geschütze wissen und beachten muſs“;
endlich „Groſse Glocken zu formen und zu gieſsen“.


Hieran reiht sich unmittelbar das siebente Buch, welches haupt-
sächlich die Vorrichtungen zum Schmelzen und Gieſsen und die ver-
schiedenen Arten desſelben schildert, und zwar in den folgenden
Kapiteln: „Wie man die verschiedenen Flammöfen (Reverberieröfen)
zum Metallschmelzen macht“; „Über deren Konstruktion“; „Wie man
die Schmelzgrube, die Schüssel oder den Test macht“; „Wie man
den Korb macht“; „Von dem Schmelzen in Tiegeln, — im Herde (a
crogiolo), — in kleinen Wind (Gebläse) öfen“; „Über das Schmelzen
der Bronze und anderer Metalle im allgemeinen“; „Bemerkungen
über den Guſs von Geschützen“; „Über Bronzen und über zusammen-
gesetzte und legierte Metalle überhaupt“; „Über verschiedene Er-
findungen betreffs der Blasebälge zum Metallschmelzen“; „Über das
Fertigmachen der Geschütze und der Geschützwagen“; „Über den
Guſs der eisernen Kugeln für grobe und leichte Geschütze“.


Das achte Buch handelt 1) zunächst von verschiedenen Arten
Formsand zu machen, um kleine Bronzeguſsstücke darin zu gieſsen;
2) Von der Art, das Salz zu präparieren, um die Lauge dem Formsande
beim Gieſsen zuzusetzen; 3) Von den Regeln und der Art des Formens
im Staubsande mit Gieſsrahmen oder hölzernen Kästen in der Klein-
gieſserei; 4) Methode, den Staubsand zu machen, um jedes Metall in
die feuchte Form zu gieſsen und die Art des Formens; 5) Methode,
verschiedene Modelle (relievi) abzuformen; 6) Von verschiedenen
Stoffen, welche die Eigenschaft haben, das Metall flüssiger zu machen.


Im neunten Buche, welches die allgemeine Überschrift „Von
verschiedenen andern wichtigen Wirkungen des Feuers“ trägt, sind
die für uns wichtigsten Kapitel das von den Eisenschmieden und das
vom Ziehen des Eisendrahtes.


Das zehnte Buch enthält nichts, was sich speziell auf die Eisen-
industrie bezieht.


Aus dieser Inhaltsübersicht ergiebt sich schon, daſs Biringuccios
Mitteilungen über das Eisen viel mannigfaltiger sind, als die des
Agricola; sie sind auch, soweit dies das Gebiet der Technik betrifft,
also über das Schmelzen, Gieſsen, Schmieden von Eisen und die Stahl-
[53]Vanuccio Biringuccio.
bereitung, viel ausführlicher, und so verlockend es wäre, sämtliche
bezügliche Stellen in ausführlicher Übersetzung, in ähnlicher Weise,
wie wir es bei Agricola gethan haben, zusammenzustellen, so würde
dies doch zu weitläufig werden und zu unnötigen Wiederholungen
Veranlassung geben, weil wir die betreffenden Stellen der Pyrotechnia
doch wieder bei der speziellen Geschichte der Eisentechnik im 16. Jahr-
hundert bei jeder einzelnen Schilderung anführen müssen. Da erscheint
es uns aber als eine Ehrenschuld, dem groſsen, zu wenig bekann-
ten Metallurgen gegenüber, seine Aussprüche möglichst wortgetreu
wiederzugeben.


Georg Agricola und Vanuccio Biringuccio sind diejenigen
Schriftsteller, deren Werke das Fundament der metallurgischen Wissen-
schaft gelegt haben. Alle folgenden Autoren auf diesem Gebiete im
16., 17. und noch teilweise im 18. Jahrhundert stehen auf ihren
Schultern und sind kaum über sie hinausgekommen. Wir können
bei diesen späteren deshalb auch meist kurz verweilen.


Sonstige Schriftsteller des 16. Jahrhunderts, die
über das Eisen geschrieben haben.


Ein Zeitgenosse Georg Agricolas war Christoph Enzelius
von Saalfeld, der unter demselben Titel wie jener ein Buch De re
metallica schrieb1). Es ist dies aber durchaus keine Hüttenkunde,
sondern vielmehr ein Kompendium der Mineralogie, in der Haupt-
sache nur ein Auszug aus den Schriften des Agricola. Eine gewisse
ausdrucksvolle Kürze und Übersichtlichkeit war es wohl zumeist, die
Philipp Melanchthon veranlaſste, die Drucklegung des Buches
zu veranlassen, denn kein geringerer als der berühmte Reformator
und vielseitige Gelehrte stand ihm Pathe. Enzelius, der, wie Agri-
cola
, ebenfalls Arzt war, schrieb sein mineralogisches Kompendium
ausdrücklich zum „Gebrauch der Medizin“. Doch scheint er dem
Ruhm und der allgemeinen Anerkennung der Schriften des Agricola
gegenüber zaghaft gewesen zu sein, seine Schrift zu veröffentlichen.
[54]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
Dies bewirkte Melanchthon, der, wie Luther und Mathesius
ein groſser Freund und Förderer der Mineralogie und der Bergbau-
kunde1), den pädagogischen Wert des mit gründlichem Fleiſs und
mit Verständnis ausgearbeiteten Buches wohl erkannte. Er schickte
es bereits im August 1551 mit einem empfehlenden Einführungs-
schreiben an seinen Freund, den Drucker und Verleger Christian
Egenolf
in Frankfurt mit der Bitte, es drucken zu lassen. Doch geschah
dies erst 1557 von den Erben des inzwischen verstorbenen Egenolf. In
dem erwähnten Briefe, welcher dem Buche an Stelle einer Vorrede
vorgedruckt ist, sagt Melanchthon ausdrücklich, daſs das Buch
durchaus nicht den Anspruch mache, mit den Schriften des berühmten
Agricola in Wettbewerb zu treten, daſs aber die fleiſsige Arbeit
wohl ein dankenswerter Beitrag zur philosophischen Wissenschaft sei.


Der Abschnitt über das Eisen (Lib. I, Cap. XXVIII) bietet dem
Historiker nur wenig, doch werden wir auf einige Bemerkungen über
Gangerz und Sumpferz und das daraus gewonnene Eisen, sowie über
Torf und Steinkohlen später zurückkommen.


Ein Schüler und Freund des Agricola und sein begeisterter
Verehrer war der gelehrte Georg Fabricius von Meiſsen. Er war
es, der nach Agricolas plötzlichem Tode die Drucklegung des Werkes
„De re metallica“ besorgt hat. Das diesem Werke vorgedruckte,
schwungvolle lateinische Gedicht „an den Leser“ trägt aber bereits
die Jahreszahl 1551. Auſser verschiedenen Lobgedichten auf Agri-
cola
verfaſste Fabricius auch einige metallurgische Schriften, die
aber erst nach seinem Tode im Druck erschienen2). Sie enthalten
indes nur Worterklärungen und Erläuterungen zu Agricola.


Ein origineller Schriftsteller war dagegen Lazarus Erker von
Annaberg, der das erste selbständige Werk über die Probierkunst ge-
schrieben hat. Er behandelt darin allerdings fast ausschlieſslich die
Prüfung der Gold-, Silber-, Kupfer- und Bleierze. Was er über das
Probieren der Eisenerze sagt, werden wir später mitteilen, hier sei
nur erwähnt, daſs daraus hervorgeht, daſs zu seiner Zeit der Hoch-
ofen- und Frischprozeſs schon allgemeine Verbreitung gefunden hatte.
Sein Probierbuch erschien 1574 unter folgendem Titel: „Beschrei-
bung der allerfürnemsten Mineralischen Ertzt vnd Berckwerksarten,
dieselbigen ...... trewlich vnd fleiſsig an Tag geben durch Lazarus
[55]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
Erckern.“ Die Vorrede ist an den „allerdurchleuchtigsten etc. Herrn
Maximiliano den Andern“ gerichtet und schlieſst mit der Unterschrift
„geben Prag, nach Christi vnsres Seligmachers geburt im ein Tausent
fünff hundert und vier und Siebenzigsten Jahre den III. Septem-
bris u. s. w. Lazarus Ercker von Sant Anna Berck“ ......, „gedruckt
zu Prag inn der Alten Stadt durch Georgen Schwartz M.D.LXXIIIj.“
Dieses Werk fand groſsen und dauernden Beifall. Es blieb lange das
angesehenste Probierbuch und wurde infolgedessen auch in den
folgenden Jahrhunderten mehrfach neu aufgelegt1). Es existiert noch
eine ganze Anzahl von „Probierbüchlein“ aus dem 16. Jahrhundert,
unter denen die von Cyriakus Schreitmann von 1578 und das
von Modestin Fachs von 1595 die bekanntesten sind. Doch ist in
sämtlichen das Eisen nur nebenher behandelt, indem die Silber- und
Goldproben den Hauptinhalt ausmachen.


Von weit gröſserem Interesse selbst vom technischen Standpunkt
aus sind die originellen Bergpredigten des Mathesius, Pfarrers
von Joachimsthal, namentlich diejenigen, welche in seiner „Sarepta
oder Bergpostill“ enthalten sind.


Es ist eine merkwürdige Zeit und merkwürdige Umstände, denen
dies eigenartige Werk seine Entstehung verdankt. Eine kurze Schil-
derung derselben wird uns, ebenso wie die Lebensbeschreibung des
Agricola, ein richtigeres Bild davon geben, als lange kulturgeschicht-
liche Auseinandersetzungen.


Der Bergbau auf silberhaltige Erze im Erzgebirge hatte gegen
das Ende des 15. Jahrhunderts einen wunderbaren Aufschwung ge-
nommen, besonders auf der sächsischen Seite waren im Meiſsnischen
durch die Erschürfung reicher Silbererzänge blühende Städte, wie
Schneeberg, Annaberg und Marienberg, entstanden, welche mit ihrem
Bergsegen den Herzog Albrecht von Meiſsen zum reichsten Fürsten
Deutschlands machten. Bekannt ist, daſs einst in Schneeberg eine
so groſse Silberstufe gewonnen wurde, daſs der Herzog mit seinen
Gästen in der Grube daran zu Tafel sitzen konnte, wobei er in die
[56]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
Worte ausbrach: „Der Kaiser Friedrich ist ein mächtiger Herr, aber
solch einen Tisch, daran wir sitzen, hat er doch nicht.“ Aber die
Glanzzeit der sächsischen Bergstädte dauerte nicht lange. Der Reich-
tum, den die Natur bot, verwöhnte die Bergleute, so daſs sie nur
raschem und mühelosem Gewinn nachgingen. Die reichen Mittel, die
über der Thalsohle lagen und durch Stollen aufzuschlieſsen waren,
wurden rasch abgebaut, dann aber verlieſsen die meisten durch den
leichten Erwerb zu Abenteuern geneigten Bergleute die Bergwerke,
um an einem andern Orte, wo man „fündig“ geworden war, in gleicher
Weise ihr Glück zu versuchen. Es waren ähnliche Zustände, wie wir
sie in unserm Jahrhundert bei den Goldfeldern von Kalifornien und
Australien erlebt haben. In gleicher Weise lockte der Ruf des Silber-
reichtums des Erzgebirges Abenteurer aus allen Ländern und aus
allen Ständen an. Städte entstanden in unwirtbaren Gegenden in
erstaunlich kurzer Zeit, um oft ebenso rasch wieder zur Unbedeutendheit
herabzusinken, wenn der Bergsegen erschöpft war. Dies war bei dem
sächsischen Silberbergbau im zweiten Jahrzehnt des sechzehnten
Jahrhunderts bereits eingetreten. Die reichen Erzmittel waren ab-
gebaut, die Ausbeute lieſs nach, die fahrenden Bergleute sahen sich
nach lohnenderer Arbeit um.


Da erklang plötzlich die Kunde von reichen Silberanbrüchen „im
Thal“ im böhmischen Erzgebirge. „Zum Thal“ — noch hatte der
Platz keinen andern Namen — wurde die Losung der Bergleute.
„Im Thal, im Thal mit Mutter und All“, das war der Ruf, der durch
das ganze Erzgebirge scholl, wie Mathesius berichtet. Zwei säch-
sische Bergleute, Bach aus Geyer und Öser aus Schlackenwerth,
waren es gewesen, die wahrscheinlich im Jahre 1510 den ersten Berg-
bau „im Thal“ eröffnet hatten1). Doch war ihr Erfolg nicht groſs
und fehlte es ihnen an Mitteln, ihren Bau fortzusetzen. Da bildete
sich 1515 in Karlsbad eine Gewerkschaft zur Ausbeutung der Erz-
gänge im Thal, der namentlich der Hauptgrundbesitzer der Gegend
Graf Stefan Schlick beitrat. Diese erzielte schon 1516 glänzende
Ausbeute und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht davon im
Erzgebirge. Scharenweise kamen Bergleute und Kolonisten gezogen.


Überall fand man Silber, gediegen oder als reiches Rotgiltigerz,
unter dem Rasen und unter Baumwurzeln, ähnlich, wie in Peru oder
Bolivia. Im folgenden Jahre 1517 war schon eine Ortschaft entstanden
[57]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
mit einer Kapelle. 1518 wählten die Bergleute bereits zwei Berg-
meister und einen Bergrichter, und die Grafen Schlick, die sich als
Bergherren ansahen und das Regal beanspruchten, erlieſsen eine neue
Bergordnung mit zeitgemäſseren Bestimmungen als die alte Wenzes-
laussche; auch prägten sie die ersten Silbermünzen, da sie sich das
Münzrecht gleichfalls anmaſsten, die unter dem Namen der „Thaler“
bald in alle Welt gingen und sich als Münzname dauernd erhalten
hat. Das erste Schulhaus wurde bereits 1518 erbaut. 1520 wurde
die in drei Jahren entstandene Stadt im Thale unter dem Namen
Joachimsthal zur freien Bergstadt erhoben. In demselben Jahre wurde
auch schon die berühmt gewordene Lateinschule daselbst eröffnet.


Es war eine eigentümlich gemischte Gesellschaft, die sich in der
neuen Stadt zusammengefunden hatte. Viel unruhige Köpfe waren
darunter, das bewiesen die Aufstände, die in den Jahren 1523 und
1525 ausbrachen, aber auch viele tüchtige, nach Besserem ringende
Kräfte, das bezeugen die vielen gemeinnützigen Stiftungen aus eigener
Kraft und eigenen Mitteln und die gute städtische Verwaltung. Im
Jahre 1525 wurden die bei dem Aufruhr vernichteten Statuten der
Stadt erneuert und Dienstag nach Mariä Geburt öffentlich bekannt
gemacht. Diesem Statut war bereits eine sehr gute Handwerker-
ordnung mit ausführlichen Lohnfestsetzungen, selbst einer Apotheker-
taxe beigefügt; ferner ein Luxusgesetz für Hochzeiten, Vorschriften
über Leichenbestattung, eine Feuerordnung u. s. w. Die Stadt wuchs
immer gröſser, so daſs Sebastian Münster1) berichtet: „Umb das
jar Christi 1526 hat man im Joachimsthal angefangen zu bawen, und
ist dies Thal so voll Gebavs gesteckt worden oben und unden, daſs
die Heuser auff einander hocken und eine anzeigung geben einer
groſsen Stadt“, und im Bermannus sagt Agricola 1528, daſs Joachims-
thal an Städte wie Erfurt und Prag erinnere. Die erwähnten Auf-
stände entstanden teils aus dem Widerstreben der unruhigen Bevöl-
kerung gegen eine strenge Handhabung der Ordnung besonders in
Bergsachen, teils aus dem Widerstande gegen die Heeresfolge, welche
die Bergleute den Grafen Schlick mit Recht weigerten; endlich aus
dem Zerwürfnis der Schlickschen mit dem Kaiser, welches zuerst
darin seinen Ausdruck fand, daſs König Ferdinand I. nach seiner
Thronbesteigung im Jahre 1528 den Grafen Schlick das angemaſste
Münzrecht entzog. Indessen hören wir nach der Unterdrückung des
Aufruhrs vom Jahre 1525 nichts mehr von ernsten Kämpfen in der
[58]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
Stadt, vielmehr war die darauf folgende Zeit eine Periode glänzender,
friedlicher Entwickelung. Im Jahre 1527 kam Agricola als Stadt-
arzt nach Joachimsthal. 1530 wurde aus freiwilligen Beiträgen ein
Spital und ein Friedhof erbaut und 1534 bis 1537 eine neue Kirche
ganz aus eigenen Mitteln errichtet.


Die Joachimsthaler hatten sich von Anfang an entschieden der
Reformation Luthers zugewendet. 1532 wurde Johannes Mathe-
sius
als Rektor an die Lateinschule berufen. Er war am 24. Juni 1504
zu Rochlitz in Sachsen geboren, von angesehener Familie, die mehrere
gelehrte Glieder besaſs, darunter Burgard Mathesius, der lange
Rektor bei St. Sebald in Nürnberg und später Vikar vom Stifte Bam-
berg war. Johanns Vater Wolfgang war Ratsherr zu Rochlitz.
Auch in diese Stadt, in deren Umgebung schon früher Bergbau be-
trieben wurde, war das Silberfieber, welches damals das ganze Erz-
gebirge ergriffen hatte, eingezogen. Der alte Wolfgang beteiligte
sich eifrig dabei, scheint aber sein ganzes Vermögen dabei zugesetzt
zu haben, so daſs, als er im Jahre 1521 starb, der verwaiste sieb-
zehnjährige Johannes fast mittellos dastand. Doch hatte er bereits
einen Blick in das Bergmannsleben thun können, denn sein Vater
hatte schon in dem Jahre 1518 dem vierzehnjährigen Sohne eine An-
stellung als Zubuſseeinnehmer auf einer Zeche verschafft gehabt.
Nach des Vaters Tode aber verlieſs er Rochlitz und zog, seinem inneren
Berufe folgend, als fahrender Schüler nach Nürnberg, wo sein Vetter
Burkhard Rektor war. Es folgten nun wechselvolle Jahre der
Prüfung für Johannes. Mit Luthers Schriften wurde er 1525 zuerst
bekannt. Sie erweckten in ihm die Sehnsucht, den kühnen Reforma-
tor persönlich kennen zu lernen, und so zog er 1528 zum erstenmal
nach Wittenberg, das damals in höchster Blüte stand, wo neben
Luther Philipp Melanchthon, Justus Jonas und Johann
Bugenhagen
wirkten. Sein Herzenswunsch war erfüllt, er saſs als
eifriger Schüler zu den Füſsen des groſsen Mannes, dem er später so
viel näher treten sollte.


Damals gestattete ihm die Knappheit seiner Mittel nicht, seinen
Wunsch, auch noch Theologie zu studieren, zur Ausführung zu bringen.
Er muſste für seinen Lebensunterhalt sorgen und so nahm er nach
zwei Jahren 1530 die ihm von seinen ihn hochschätzenden Lehrern an-
gebotene Stelle als Lehrgehülfe des Andreas Misenus zu Altenburg
an. Von da wurde er bereits 1532, wie oben erwähnt, als Rektor an
die Lateinschule nach Joachimsthal berufen. Hier begann und endete
sein segensreiches Wirken. Leicht wurde ihm das anfangs freilich
[59]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
nicht gemacht. Er, der streng an Luthers Lehren hielt, fand
mancherlei Widersacher. Zwar bekannten sich die Joachimsthaler
mit Eifer zu der neuen evangelischen Lehre, aber es spukte viel Un-
klarheit in den Köpfen dieser Bekenner. Den Samen dazu hatte der
erste Pfarrer von Joachimsthal, Joh. Sylvius Egranus (Johann
Wildauer
aus Eger), selbst gegeben, der zwar, ehe er 1521 von
Zwickau hierher berufen wurde, mit Luther eng verbündet gewesen
war im Kampfe gegen Thomas Münzer und die Wiedertäufer, der
aber sonst mehr der katholisierenden Richtung zuneigte und durchaus
nach seinem Kopfe reformieren wollte. Schon vor ihm aber hatte das
Silberfieber und der Ruf „zum Thale“ neben manchen fahrenden
Schülern und Studenten, die ihrer alma mater den Rücken gekehrt
hatten, um hier rasch reich zu werden, auch den unruhigen Karl-
stadt
hierher geführt, der mit seinem fanatischen Eifer auch schon
manche Köpfe verdreht hatte. Daſs auch die Wiedertäufer eifrig und
mit Erfolg hier für ihre Lehre warben, sieht man aus den strengen
Maſsregeln, welche die Grafen Schlick gegen sie ergriffen. Alle An-
feindungen und Schwierigkeiten — die allerdings so groſs waren,
daſs nur die Bitten und der treue Beistand des Stadtarztes Dr. Nae-
vius
ihn davon zurückhielten, seine Stelle aufzugeben und Joachims-
thal zu verlassen — überwand Mathesius durch seine Treue und
Tüchtigkeit in seinem Lehrberuf.


Von Jahr zu Jahr erkannten die Bürger Joachimsthals immer
mehr den Wert des gerechten, aufrichtigen, gelehrten Mannes und
bald wandten sich ihm aller Herzen zu. Daſs die berühmtesten pro-
testantischen Gelehrten, wie Melanchthon, Eoban Hesse, Justus
Jonas
und Georg Spalatin, in diesen Jahren 1535 bis 1537 nach
Joachimsthal kamen, um ihm und der berühmt gewordenen Latein-
schule, wo lateinische und griechische Schauspiele unter seiner Lei-
tung mit bestem Erfolge aufgeführt wurden, ihren Besuch abzustatten,
trug gewiſs auch viel zur Erhöhung seines Ansehens bei. Ein rühren-
der Zug ist es aber, daſs die Dankbarkeit seiner Schüler und deren
Eltern ihm die Mittel verschafften, den höchsten Wunsch seines Lebens,
nämlich noch einmal nach Wittenberg ziehen zu dürfen und unter
Luthers Leitung seine theologischen Studien zu vollenden, zur Er-
füllung zu bringen.


Im Jahre 1538 machte ihn der Steiger Mathes Sax aus Dank-
barkeit für den seinen Kindern erteilten Unterricht zum Mitgewerken
bei einer neuen Zeche, wovon Mathesius in der Vorrede zu seiner
Sarepta sagt: „Unser lieber Gott hat mir durch meiner Schüler
[60]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
dankbare Eltern etliche Küxlein zugeworfen, davon ich zwei Jahre zu
Wittenberg zum andernmal studiert und eine schöne kleine Liberei
erzeugt habe.“ In Wittenberg gestalteten sich die Verhältnisse für
ihn auſserordentlich günstig. Er wurde Luthers Tischgenosse und
schloſs sich ihm in inniger, vertrauter Freundschaft an, so daſs nach
Luthers Tod keiner so berufen war, das Leben des groſsen Mannes
zu beschreiben, wie Mathesius. Hier in Wittenberg erhielt er erst
sein charakteristisches Gepräge. Er kehrte, von einer stattlichen
Deputation von Joachimsthaler Bürgern eingeholt, im Jahre 1541 als
Pfarrer in das ihm liebe und zur Heimat gewordene Thal zurück.
Luther hatte die sieben Mitglieder der Deputation im eigenen Hause
bewirtet und so freundlich empfangen und wiederkommen heiſsen,
daſs dieselben im folgenden Jahre 1542 ihren Besuch wiederholten.


Mathesius fand in seinem neuen Amte viel Arbeit vor. Sein
Hauptstreben, das auch von Erfolg gekrönt war, ging dahin, eine
strengere Kirchenordnung in seiner Gemeinde einzuführen. Natürlich
begegnete er hierbei mancherlei Widerstand. Aber auch die politischen
Verhältnisse brachten ihm viel Unruhe. Die Grafen Schlick, die
eifrige Protestanten und seine treuen Beschützer waren, hatten sich
viele Hoheitsrechte angemaſst, für die sie keine Rechtstitel besaſsen und
die ihnen von der kaiserlichen Regierung bestritten wurden. Dieser
Konflikt spitzte sich zum förmlichen Kampfe um den Besitz von Joachims-
thal zu, bis im Jahre 1545 der Kaiser die Grafen Schlick mit Ge-
walt zur Entsagung zwang. Eine kaiserliche Kommission nahm die
Stadt für den Kaiser in Besitz. Die alten Privilegien wurden auf-
gehoben und neue veröffentlicht. — Bei diesem ganzen Streit hatte
Mathesius auf der Seite der Grafen Schlick gestanden, sowohl aus
persönlicher Überzeugung, als weil er von der katholischen kaiserlichen
Regierung für seine Gemeinde fürchtete. Als nun die kaiserliche
Regierung an die Joachimsthaler Bürger das Ansinnen stellte, Kriegs-
volk zu stellen zur Einnahme der sächsischen Orte Pletten und Gottes-
gab, verweigerten diese, auf altes Bergrecht sich stützend1), die
Heeresfolge, und Mathesius forderte in seinen Predigten zum Wider-
stande auf. Dafür wurde er mit Bürgermeister und Rat zur Ver-
antwortung nach Prag geladen. Es war gewiſs ein saurer Gang für
den pflichttreuen Mann. Von Mitte November 1545 bis Ausgang des
Jahres muſsten sie warten, wurden dann aber mit glimpflichem Ver-
weis entlassen. Mathesius wurde allein vor den Kaiser beschieden
[61]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
und der kluge Herr, der bekanntlich ein eifriger Freund und Förderer
des Bergbaues war und dem deshalb Joachimsthal sehr am Herzen
lag, sprach so freundlich, milde und verständig mit Mathesius, daſs
dieser dem einzigen Verlangen des Kaisers, für die Folge sich aller
aufreizenden Reden gegen die Obrigkeit zu enthalten, gern entsprach.
Der Kaiser hatte durch seine Freundlichkeit sein Herz gewonnen und
er blieb ihm in aufrichtiger Treue ergeben, wie manche Stellen seiner
Predigten bezeugen. Nun aber brach der Schmalkaldische Krieg aus, der
neue Unruhen über Joachimsthal, das natürlich fest beim Schmal-
kaldischen Bunde hielt, brachte. Doch die Schlacht bei Mühlberg am
24. April 1547 entschied rasch das Schicksal der Stadt. Sie ergab
sich dem kaiserlichen Bevollmächtigten Graf Hassenstein, freilich
war der gröſste Teil der Bürger zuvor geflohen. Den Grafen Schlick
wurden ihre Güter genommen, Graf Albin Schlick floh nach Thürin-
gen zum Grafen von Gleichen, wo er starb. Der immer noch mächtige
Einfluſs der Schlick war damit gebrochen. Die Stadt wurde glimpflich
behandelt, doch wurden ihr die alten Privilegien genommen. Am
10. Oktober 1547 erteilte der König der Stadt ein neues Privilegium
in 14 Artikeln. In diesen wurde sie für alle Zeiten als freie Berg-
stadt anerkannt, doch wurden die Freiheiten der Bürger darin wesent-
lich eingeschränkt. Von da ab folgte nun eine lange Zeit der Ruhe
für Joachimsthal, in der das segensreiche Wirken ihres treuen Pfarrers
sich erst recht entfalten konnte. Freilich, die Glanzzeit Joachimsthals
kehrte nicht mehr zurück, um so mehr aber Ruhe und Ordnung, so
daſs Mathesius in seiner Joachimsthaler Chronik vom Jahre 1562
schreiben konnte: „In diesen vergangenen 14 Jahren ist gottlob kein
Todtschlag hier geschehen.“ Auch er fühlte sich glücklich in Joachims-
thal, er liebte den Ort und seine Gemeinde, wie er auch von ihr ge-
ehrt und geliebt wurde. Deshalb lehnte er auch alle Berufungen zu
glänzenderen Stellungen, darunter auch die zu einer theologischen
Professur in Leipzig ab. Befriedigt schreibt er in der Einleitung zur
Sarepta:


„Darneben hat mir Gott in diesem Gebirge unter den Herrn
Schlicken gnädigen Herren gute und beständige Freunde, gehorsame
Pfarrkinder und gottselige, fleiſsige Kollegen, einesteils gute Nach-
barn, dankbare Schüler, die vielen Städten mit Ehren dienen, gegeben.
Überdies eine bequeme luftige Wohnung und ein tugendliches Weib
aus ehrlicher Freundschaft, liebe Kinder, treues Gesinde und darneben
mit gelehrten Leuten groſse Kundschaft machen lassen, und feinen
Hausfrieden und manche ehrliche Freude in diesem Thale mit ver-
[62]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
trauten Leuten bescheret.“ Der häufige Besuch gelehrter und hoch-
verehrter Freunde verschönte ihm auch den Aufenthalt. Melanch-
thon
besuchte ihn noch zwei Jahre vor seinem Tode im Jahre 1558,
welchen Besuch er dem schon erkrankten Freunde im folgenden Jahre
erwiderte.


Mathesius selbst nahm der Tod plötzlich mitten in seiner Berufs-
thätigkeit weg. Den 8. Oktober 1565 an einem Sonntage, als er eben
über das Evangelium von der Auferweckung des Sohnes der Witwe
gepredigt hatte, rührte ihn in der Kirche der Schlag und in wenigen
Stunden war er eine Leiche. Die dankbare Knappschaft stiftete dem
Vielbeweinten im Jahre 1572 ein Grabdenkmal.


Mathesius, ähnlich wie sein groſser Freund Luther, in der
harten Schule des Lebens gebildet, hatte einen biederen Sinn, einen
treuen, edlen, echt deutschen Charakter. Dabei war er ein Mann nicht
nur von tiefer, sondern von fast universeller Gelehrsamkeit. Er ge-
hörte zu den hervorragendsten Theologen, Philologen und Pädagogen
seiner Zeit; Geschichte, Münzkunde, Musik und die Dichtkunst pflegte
er, am meisten aber interessieren uns seine mineralogischen, berg-
und hüttenmännischen und technischen Kenntnisse, die ganz hervor-
ragend waren. In der Jugend schon auf den Bergbau hingewiesen,
wuchs sein Interesse an dem Berufe in Joachimsthal, das sein Ent-
stehen und sein Bestehen allein diesem Industriezweige verdankte.
Er studierte nicht nur die Bücher des Agricola, der ja auch den
gröſsten Teil seines bergmännischen Wissens in Joachimsthal gesammelt
hatte, sondern er unterhielt sich mit Vorliebe mit den Bergleuten,
fuhr selbst mit an und sammelte seltene Mineralien mit solchem Eifer
und Erfolge, daſs er sich rühmen konnte, in seiner Sammlung Stufen
zu besitzen, die selbst Agricola nicht habe1). Aus diesem warmen
Interesse für den Bergbau und aus der Anregung, die Luther — selbst
eines Bergmannes Sohn — gegeben hatte, hielt er jedes Jahr zu
Joachimsthal eine besondere Bergpredigt, und die Sammlung dieser
Bergpredigten ist das originelle Buch, welches er unter dem Namen
Sarepta — bekanntlich eine altbiblische Bergstadt — veröffentlichte.
Das Buch erschien 1562 unter dem Titel: „Die Sarepta oder Berg-
postille, samt der Joachimsthaler kurzen Chronik.“ Sie enthält
16 Predigten, welche der Reihe nach Gold, Silber, Kupfer, Eisen,
Zinn, Blei u. s. w., sowie das Schmelzen, Münzwesen und Glasmachen
[63]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
umfassen, daran schlieſst sich dann eine chronistische, kurz gehaltene
Darstellung der Geschichte von Joachimsthal von der Zeit seiner
Entstehung an.


Die Predigten sind eine merkwürdige Verquickung von Technik
und christlicher Theologie, aber so wahr, ernst gedacht und treffend,
daſs sie noch heute tiefen Eindruck machen. An das, was der Berg-
mann sieht und erlebt, knüpfen sich die Gleichnisse an, welche die
Allmacht, die Güte, das Wirken Gottes, wie die Pflichten der Men-
schen bezeugen sollen, und dies geschieht in so sachverständiger, ein-
gehender Weise, daſs in gewissem Sinne die Sarepta doch ein Lehrbuch
der Metallurgie genannt werden kann. Den Zweck, ein technisches
Lehrbuch zu schreiben, verfolgte Mathesius zwar durchaus nicht,
er verwahrt sich in seiner Vorrede sogar ausdrücklich dagegen, aber
die mineralogischen und technischen Erklärungen, die mitgeteilten
Ansichten über die Bildung der Mineralien, die Lagerung der Gesteine,
den Bergbau, die Gewinnung und Behandlung der Metalle zeugen von
so viel Erfahrung und Geist, daſs sie für den Historiker zu einer
Quelle der Belehrung werden.


Die Predigt, die uns für unsern Zweck besonders interessiert, ist
die achte der Sarepta, gehalten um 1558 und überschrieben: „Berg-
Predigt vom Eisen, Stahel vnnd der Regiment Seulen Danielis.“ Sie
knüpft an das Traumbild des Königs Nebukadnezar von der gewal-
tigen Bildsäule, dessen Haupt von Gold, dessen Brust und Arme von
Silber, dessen Bauch und Lenden von Erz, dessen Schenkel von Eisen,
dessen Füſse aber teils Eisen, teils Thon waren (Daniel II), und zwar
redet er insbesondere von den eisernen Füſsen, „daran etliche irdene
Zehen waren“. „Weil wir den bisher vom löthigen und silbrichten
Golde und vom Silber und Kupfer geprediget, wollen wir im Namen
des Herrn aller Herren heute von Eisen und Stahl reden und erstlich dies
Metall, des kein Haus auf Erden gerathen kann, preiſsen und von seinem
Namen, Natur und Eigenschaft und wie man es gräbt, rennet, schröt,
zu Stahl machet, bergläufftiger Weise bei euch Bergleuten handeln,
wie denn Daniel selber als ein Bergmann von des Eisens Stärke und
Kraft redet.“


Mathesius giebt nun zunächst eine ausführliche Skizze über das
Alter und die Geschichte des Eisens. Er hält das Eisen mit dem
Kupfer für das älteste Metall, „denn da Adam graben und roden,
Eva spinnen und wirken, Kain mähen und schneiden, Abel, Seth und
Enoch opfern und schlachten sollten, konnten sie des Eisenwerks
nicht gerathen“. Wenn uns dieser naive Beweis auch nicht genügen
[64]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
dürfte, so giebt der Prediger hiernach eine reichhaltige Zusammen-
stellung andrer Beweisstellen aus den alten Schriften, besonders aus
der Bibel, worin er seine gründliche Kenntnis der hebräischen Sprache
beweist. Seine sprachlichen Untersuchungen und Betrachtungen sind
in der That höchst neu und geistreich. So spricht er beispielsweise
die Vermutung aus, der Name der Stadt Barcelona stamme von dem
hebräischen barzel, Eisen, her, denn es sei eine Stadt der Phönizier
gewesen und diese hätten dort das berühmte spanische Eisen ein-
gehandelt, der Name sei also gerade gebildet wie etwa Ferrara in
Italien oder Eisenach in Thüringen, „darinn der würdig Herr D. Luther
seliger in die Schul gangen“.


Hierauf verbreitet er sich über das Vorkommen des Eisens und
die Eisenbergwerke, wobei er hauptsächlich die der Nachbargebiete
in Böhmen und Sachsen erwähnt. Er giebt genaue Angaben über
Maſs und Gewicht, wonach die Erze gekauft werden, wie auch über
den Preis des Eisens. Sodann beschreibt er die Vorbereitung der
Erze und das Ausschmelzen derselben. Schildert dann die Arten des
Eisens und wie man Stahl aus Eisen macht. Hierbei macht er
wieder mancherlei Anmerkungen, z. B. daſs die Innsbrucker Harnisch-
macher jetzt den gröſsten Ruhm hätten, dem Stahl die richtige
Härtung zu geben, was dem dortigen Wasser zugeschrieben werde.
Die Bergleute weist er darauf hin, wie wichtig bei dem Berggezäh
das richtige Anschweiſsen des Stahles sei.


Auch seine Betrachtungen über die innige Verwandtschaft von
Stahl, Eisen und Kupfer sind, wenn auch nicht richtig, doch inter-
essant. Er führt nämlich aus, daſs, wie Eisen sich in Kupfer ver-
wandle beim Eintauchen in gewisse vitriolische Laugen, so entstehe
aus Eisen Stahl, sei also im Wesen nichts Verschiedenes. — So findet
sich in dem technischen Teile dieser groſsen Predigt eine ganze Reihe
von historisch wichtigen Bemerkungen, und wenn der Leser etwa glauben
möchte, daſs eine so ausführliche technische Einleitung zu einer
Predigt höchst ermüdend sein müsse, so wird jeder Berg- und Hütten-
mann, der sie liest, den entgegengesetzten Eindruck empfangen.


An Bergleute war aber die Predigt gerichtet. Ihr Interesse wurde
durch diese praktische Einleitung, die an ihr eigen Wissen und
Können anknüpfte und doch vieles Neue und Merkwürdige brachte,
so angeregt, daſs sie im stande waren, die folgenden groſsartigen Aus-
führungen der Predigt zu verstehen. Denn nun entrollt der Prediger,
indem er wieder zu dem Ausgangspunkte, der riesigen Bildsäule, die
Nebukadnezar im Traume erschienen war und ihn so in Schrecken
[65]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
versetzt hatte, zurückkehrt, ein gewaltiges Bild der Weltgeschichte
und des Weltgerichtes mit prophetischem Hinweis auf schwere Zeiten,
die über unser deutsches Vaterland hereinbrechen würden (30jähriger
Krieg); mit der ernsten Mahnung zu rechtzeitiger Einkehr. Die
ganze Predigt ist von hohem historischen Interesse1).


Unter den im 16. Jahrhundert erschienenen Fachschriften, in denen
sich beachtenswerte Angaben über Eisen und Stahl finden, sind ferner
noch zu erwähnen: Kentmanns Mineralogie 1565 und Conrad
Gesners
Abhandlung: De omni rerum fossilium genere, gemmis,
lapidibus metallicis etc. 1565.


Die mystisch-alchemischen Schriften jener Periode, wie die des
Morienus Romanus De re metallica, metallorum transmuta-
tione etc. 1564 und des Th. Moresinus Liber novus metallorum
causis et transsubstantiatione 1593 verdienen kaum der Erwähnung.
Bedeutsamer ist dagegen des Nic. Monardo Gespräch über das
Eisen
, welches 1580 in spanischer Sprache unter dem Titel: Dialogo
del hierro y de sus grandezas etc. zuerst erschienen ist2). Es ist in
Gesprächsform geschrieben und werden darin drei Personen, ein
Doktor, ein Apotheker und ein Eisenhändler, ganz in der Weise von
Agricolas Bermannus, redend eingeführt.


Der Eisenhändler Octunus, der aus Kantabrien gebürtig ist und
die Eisenindustrie seines Heimatlandes genau kennt, giebt auf Ver-
anlassung des Doktor Monardo eine Schilderung derselben, und
führt alsdann aus, zu welchen Zwecken Eisen und Stahl verwendet
werden. Dr. Monardus erklärt im zweiten Gespräche die Natur
von Eisen und Stahl und seine Bedeutung in der Medizin. Nachdem
Burgus, der Apotheker, auf des Doktors Veranlassung, die Bereitung
der Eisen- und Stahlarzneien beschrieben hat, schildert Monardus
Beck, Geschichte des Eisens. 5
[66]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
die mannigfaltige Heilkraft derselben. Das Ganze ist wirklich, wie
der Titel sagt, „ein nützlich und lustig Gespräch“, und die prak-
tischen Zusätze des deutschen Übersetzers Jeremias Gesner erhöhen
noch seinen Wert.


Andreas Cesalpini von Arrezzo (geb. 1519), Professor in Pisa
und Leibarzt des Papstes Clemens VIII., war, wie Monardo, ein
berühmter Mediziner und Botaniker, und schrieb, wie dieser, ein Buch
über die Metalle, welches zuerst 1596 zu Rom und dann 1604 zu
Nürnberg unter dem Titel: „De metallicis libri tres“ gedruckt wurde.
Es ist eine sehr schätzbare Mineralogie, in der auch dem Eisen und
Stahl ein Kapitel gewidmet ist (Lib. III, Cap. VI), doch sucht man
technische Angaben darin vergebens.


Interessanter und wichtiger hierfür sind zwei encyklopädische
Werke. Das Buch De rerum varietate des Cardanus und der Piazza
universale des Garzoni.


Hieronymus Castellioneus Cardanus aus Pavia, geboren
1501, gestorben 1576, war einer der gelehrtesten und scharfsinnigsten
Männer seiner Zeit. Besonders berühmt ist er als Mathematiker und
Cardans Regel zur Lösung der Gleichungen vierten Grades trägt
heute noch seinen Namen. Ursprünglich Theologe, wendete er sich
der Mathematik und den Naturwissenschaften zu, wurde 1553 Professor
der Mathematik in Mailand, 1559 Professor der Medizin in Pavia
und 1562 zu Bologna. Er beherrschte das ganze Gebiet der Natur-
wissenschaften. Von seinen Schriften fanden besonders die Bücher
De subtilitate (1550) und De rerum varietate (1556) groſse Ver-
breitung. Das letztere wurde wiederholt ins Deutsche übersetzt, zuerst
von Heinrich Pantaleon, der Arznei Doktor, unter dem Titel:
Offenbarung der Natur und natürlicher Dinge, 1559. Cardanus
war sehr eigenartig in seinem Denken, wenn auch ein eifriger Astro-
loge und fest an Geistererscheinungen glaubend, trat er doch den
alten überlieferten Doktrinen als Revolutionär gegenüber. Er ver-
warf sie und erklärte alles aus dem Genius. Aus drei Universal-
prinzipien: Materie, Form und Seele und aus drei Elementen: Erde,
Luft und Wasser erklärte er das Wesen aller Dinge. Die Physik
und Mechanik verdanken ihm wichtige Entdeckungen: er untersuchte
die Schwere der Luft durch Versuche und lehrte zuerst das Parallelo-
gramm der Kräfte für den Fall, daſs die Kräfte im rechten Winkel
wirken1). — Die Offenbarung der Natur ist eine Encyklopädie des
[67]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
gesamten damaligen Wissens, darin sind auch die Metalle abgehandelt
und seine Bemerkungen über Eisen und Stahl sind sehr beachtens-
wert und werden bei den betreffenden Abschnitten mitgeteilt werden.


Noch mannigfaltiger und reichhaltiger sind aber die Mitteilungen
über Eisen und Eisengewerbe in dem originellen „Schauplatz“ des
Garzoni. Thomas Garzoni, einer der gröſsten italienischen Saty-
riker, war geboren zu Bagna-Cavallo in der Romagna 1549. Er hieſs
eigentlich mit seinem Taufnamen Oktavius, wofür ihm aber bei seinem
Eintritt ins Kloster im Jahre 1566 der Name Thomas gegeben wurde.
Sehr früh zeigte sich seine hohe Begabung und eine unbändige Lern-
begier. Schon im 11. Jahre verfaſste er ein italienisches Gedicht,
das groſsen Beifall fand, obgleich es nichts schilderte, als die ge-
wöhnlichen Händel der Kinder. Im 14. Lebensjahre studierte er
bereits zu Ferrara Rechtsgelehrsamkeit, gab aber dieses Studium auf,
nachdem er in seinem 17. Jahre Ordensbruder geworden war. Er
starb, kaum 40 Jahre alt, als ein Canonicus regularis Lateranensis in
seiner Vaterstadt den 8. Juni 1589. Garzoni, obgleich Ordensbruder,
war durch und durch Realist und besaſs eine groſse Kenntnis aller
Lebensverhältnisse und eine vorzügliche Begabung, sie zu schildern.
Er war ein scharfer Satyriker, aber im Geiste des Aristophanes,
und erfüllt von dem Glauben an die siegreiche Kraft des Realismus.
Seine drastischen Schilderungen der menschlichen Schwächen sind
packende Sittenpredigten. Rastloser Fleiſs und aufreibende Thätig-
keit machten seinem Leben früh im 40. Lebensjahre ein Ende.


Auſser seinem Buche „La piazza universale“, das ins Lateinische,
Französische und Deutsche übersetzt wurde, haben die satyrischen
Schriften: „L’hospitale de’ pazzi incurabili“, das deutsch als „das
Spital unheilbarer Narren und Närrinnen“, und „La Sinagoga de
gl’ignoranti“, in denen er die Gebrechen seiner Zeit verspottet und
geiſselt, besondern Beifall gefunden. Der „Piazza universale“, dessen
erste Ausgabe im Jahre 1580 erschien, ist eine Schilderung aller
Berufsarten, Künste und Gewerbe, sowohl nach Ursprung und Ent-
stehung als in technischer Beziehung. Die 1651 von M. Merian
herausgegebene deutsche Übersetzung führt den Haupttitel: Thomae
Garzoni
Piazza Universale oder Allgemeiner Schauplatz aller Künste,
Professionen und Handwerke, und wenn auf dem ausführlicheren
zweiten Titel gedruckt ist „jedermänniglich, weſs Standts der sey,
sehr nützlich und lustig zu lesen“, so ist dies ganz der Wahrheit
entsprechend. In der Anlage erinnert das Buch an des Polydorus
Vergilius
’ Geschichte der Erfindungen, ist aber viel reicher an
5*
[68]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
praktischem Inhalt und zeigt, mit jenem verglichen, recht deutlich
den bedeutenden Fortschritt der Technik im Laufe des 16. Jahr-
hunderts. Was er über Bergbau und Hüttenkunde mitteilt, ist meist
aus Biringuccios Pyrotechnia entnommen, doch findet man auch
viele originelle Mitteilungen, namentlich über die Kleineisengewerbe.
So handelt z. B. der 46. Diskurs: „Von Schmieden insgemein, in specie
aber von Grobschmiedten, Kupferschmiedten, Messerschmiedten, Waffen-
schmiedten, Schlossern, Scheerschmiedten, Schleiffern, Zinngieſsern,
Spengelern oder Laternenmachern, Nadelmachern, Täschenbeschlagern,
Sporern, Gürtlern und Huffschmiedten.“ Der 69. Diskurs, der über-
schrieben ist: „Von Bergleuten, von Rothgieſsern und sonderlich von
Geschütz- und Glockengiessern“, behandelt zunächst das Aufsuchen
der Erze und Erzmittel, das Schürfen, Probieren und Rösten der
Erze, die Anlage des Bergwerkes, die Einteilung der Mineralien,
die Ansichten über die Natur der Metalle, das Vorkommen derselben,
die Kunst des Gieſsens und Formens besonders von Glocken und
Kanonen, wobei wieder hauptsächlich Vanuccio ausgeschrieben ist.


So gab es also nach dem Mitgeteilten im 16. Jahrhundert bereits
eine Litteratur des Eisens, wenn dieselbe auch zumeist nur in ver-
schiedenen Werken eingestreut ist. Was sie uns bietet, giebt nur ein
unvollständiges Bild der Eisentechnik jener Periode. Zur Vervoll-
ständigung desſelben müssen noch viele andere Quellen herangezogen
werden.


Über die Verwendung des Eisens zur Bewaffnung finden wir vieles
in den Kriegsbüchern, die eine eigenartige Litteratur bilden und von
denen wir die des Leonhard Fronsperger 1557 und des Grafen
Reinhard zu Solms 1559 besonders namhaft machen. Manches
findet sich in Chroniken, wie z. B. besonders in der Meiſsnischen
Chronik des Albinus vom Jahre 1589.


Wichtige Aufschlüsse geben die Berg- und Hüttenordnungen, die
Hammerwerkseinigungen, von denen besonders die Sulzbacher zu er-
wähnen ist. Auch aus den Waldordnungen und den allgemeinen
Landesgesetzen läſst sich manches entnehmen. Die Archive, besonders
die der wichtigen Bergstädte, die Staatsarchive, die der Bergämter
und königlich preuſsischen Regierungen enthalten in den auf Berg-
bau und Hüttenwesen bezüglichen Akten, besonders aber in den
betreffenden Rechnungen noch Schätze der Belehrung über die Ver-
gangenheit, doch sind dieselben meist noch ungehoben. Eine Be-
arbeitung dieses Materiales ist zeitraubend und sehr schwierig, weil
sie nur an Ort und Stelle vorgenommen werden kann. Hoffentlich
[69]Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
erwacht aber das Interesse für derartige Untersuchungen mehr und
mehr, so daſs sich aus den Ergebnissen der Lokalforschungen mit
der Zeit ein richtigeres und vollständigeres Bild der Entwickelung
der Eisenindustrie im 16. Jahrhundert darstellen läſst, als dies bis
jetzt noch möglich ist.


Zum Schlusse erwähnen wir noch, daſs auch das Studium der
Mechanik, des Maschinenwesens, der Ingenieur- und Baukunst, worüber
im 16. Jahrhundert bereits eine recht umfangreiche Litteratur vor-
handen ist — wir führen die Werke von Albrecht Dürer, Tar-
taglio, Rivius, Ramelli, Besson
und Zonka an —, manchen
Aufschluſs über das Eisenhüttenwesen jener Periode giebt.


[[70]]

ALLGEMEINER TEIL.


Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze
und Aufbereitung
.


Die Ansichten der Gelehrten des 16. Jahrhunderts über die
Natur und das Wesen des Eisens
waren noch die der aristote-
lischen Philosophie. Das Eisen galt als ein durch Verdichtung von
Dämpfen im Schoſse der Erde entstandenes Metall. Nach der Lehre
der Alchimisten bestand es wie alle Metalle aus den zwei Materien
oder „Prinzipien“, aus Schwefel und Quecksilber. Mercurius est ma-
teria metallorum cum sulphure sagte Geber. Davon sei der Schwefel
der Vater, das Quecksilber die Mutter. Die natürliche Hitze des
Schwefels zwinge und backe das Quecksilber in den Erdspalten der-
maſsen zusammen, daſs aus beiden alle Metalle geboren werden: und
aus diesen beiden Veränderungen entstehen allerlei unterschiedliche
Metalle1). Demnach bestehen alle Metalle aus derselben Materie und
unterscheiden sich nur durch die gröſsere oder geringere Reinheit
derselben. Im Golde sind sie am reinsten, und manche sagen, alle
Metalle hätten Gold werden sollen, aber die Unvollkommenheit des
Schwefels und des Quecksilbers hätten es verhindert. Eisen enthält
diese Materien im Zustande der gröſsten Verunreinigung. Dies lehrte
schon Geber2), und Encelius drückt dies folgendermaſsen aus: Wenn
poröses, erdiges und unreines Quecksilber mit Schwefel, der gleich-
falls unrein, stinkend und erdig und von fester Beschaffenheit ist,
sich vereinigt („tanquam si pene morbidus cum matre menstruosa
coit“), entsteht Eisen. Aus dieser Zusammensetzung werden nun auch
die Eigenschaften des Eisens abgeleitet, zunächst seine unansehnliche
Farbe. Monardo sagt, das Eisen sei finster, schwarz und grob,
[71]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
weil es aus solcher Materie seinen Anfang genommen habe. Ence-
lius
beschreibt das Eisen als metallisch, sehr bleifarbig, wenig röt-
lich von unreinem Weiſs, magnetisch (? participans) und hart. Sodann
wird seine Schwerschmelzbarkeit von seiner Unreinheit hergeleitet.
Cäsalpinus1) sagt: Seine unedle Natur wird zunächst bezeugt durch
seine Unschmelzbarkeit, die von den vielen trockenen, sehr dicken und
erdigen Dünsten herrührt, ferner wird dieselbe durch seine schmutzig-
graue Farbe (colore livido) bewiesen, wie es denn auch am raschesten
Rost anzieht und in Staub zerfällt. Im Feuer aber steht es besser
wie die übrigen unreinen Metalle, wegen der vielen erdigen Bei-
mengung. Albertus Magnus sagt schon: Wenn das Eisen glüht,
wird es rot, weil es mehrenteils irdisch ist. — Endlich wurde auch
die Härte des Eisens aus der Unreinigkeit seiner Materie hergeleitet.


Über die schlechten Eigenschaften, welche wir seine „Unarten“
nennen, und den Einfluſs fremder Beimengungen auf dieselben teilen
die metallurgischen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts nur wenig mit.
Agricola unterscheidet noch nicht zwischen Kalt- und Rotbruch;
er sagt nur in seiner Hüttenkunde: „Das schlechteste Eisen, welches
wie Glas auf dem Amboſs zerspringe, sei kupferhaltig, ferrum fragile
et aerosum.“ Sodann macht er im achten Buche bei der Röstung die
Bemerkung, der Schwefel schade dem Eisen am meisten. Basilius
Valentinus
sagt von dem Eisenerz in bezug auf das darzustellende
Eisen: „Eisenstein nimmt die höchsten Metalle an sich, Gold, Silber,
Kupfer, Zinn und Blei, davon es spröde und ohnartig wird, aber
Gold und Silber schaden ihm nichts, die machen es geschmeidig;
welches nur kupferflöſsig oder mit geringen Metallarten vermischt
ist, das zerfällt auch leichtlich.“


Der Stahl wurde im allgemeinen als ein gereinigtes Eisen an-
gesehen. Am ausführlichsten erklärt dies Albertus Magnus. Er
sagt 2): Der Stahl ist keine andre Art Metall als das Eisen, nur
feiner, indem die wässerigen Teile des Eisens durch Destillation von
dem Eisen abgeschieden sind, dadurch wird es härter und dichter
infolge der Kraft des Feuers und der Feinheit seiner Teile, welche
[72]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
härter werden, so oft man sie glüht. Er wird weiſser durch die
gröſsere Abscheidung des Erdigen, und wenn er zu sehr gehärtet wird,
zerspringt er und läſst sich unter dem Hammer zerkleinern wegen
seiner zu groſsen Austrocknung.


Dies war auch die Ansicht derjenigen Metallurgen, welche, wie
Agricola und Biringuccio, sich nicht so ganz auf den Boden der
überlieferten Theorieen des Aristoteles und der Alchimisten stellten.
Von dem Standpunkte der letzteren aus war diese Läuterung leicht
zu erklären. Nach Monardos Ansicht wurde durch die fortgesetzte
Behandlung des Eisens im Feuer ein Teil des erdigen Schwefels aus-
getrieben. Die hellere, silberähnliche Farbe des Stahls galt als ein
Beweis der Reinigung. Cäsalpinus sagt, daſs man dieselbe noch
weiter (also wohl bis zum reinen Silber) fortsetzen könne, daſs
man dies aber nicht thue, des groſsen Abbrandes wegen und weil
das Eisen in dem unvollkommenen Zustande der Läuterung für viele
Zwecke am geeignetsten sei.


Aus dieser Mischung von Schwefel und Quecksilber in unreinem
Zustande erklärte man auch die medizinischen Wirkungen von Eisen
und Stahl, die in den Schriften der Metallurgen des 16. Jahrhunderts,
welche fast alle Ärzte waren, eine hervorragende Rolle spielen. Schon
Galen hatte das Eisen für kalt und trocken erklärt, weshalb es als
Medikament trocknend und zusammenziehend wirken muſste. Man
teilte damals die Körper nach ihrer arzneilichen Wirkung in zwei
Klassen: in solche, die kühlend, trocknend und beruhigend, und in
solche, die wärmend, lösend und belebend wirkten. Das Eisen und
seine Verbindungen spielten aber schon im hohen Altertum eine her-
vorragende Rolle als Arzneimittel. Es galt im allgemeinen als kalt
und trocken, aber seine Anwendung war eine so vielfältige, daſs es
auch in Fällen angewendet wurde, wo wärmende und lösende Mittel
geboten waren, deshalb erklärten es viele, wie schon Galen und
Avicenna, für warm und trocken. Monardo giebt sich in seinem
angeführten Gespräch Mühe, diese Widersprüche zu lösen, indem er
auf die Zusammensetzung der Materie des Eisens selbst zurückgeht.
Er sagt: das Eisen bestehe aus dem hitzigsten Schwefel und dem
kältesten Quecksilber. Des Quecksilbers Natur sei wässerig und irdisch,
dieses herrsche im Eisen vor, deshalb wirke dieses kühlend, trocknend,
die Hitze des Schwefels aber bedingte seine lösende Wirkung. Da
nun der Stahl mehr von Schwefel gereinigt sei, so wirke dieser mehr
kühlend und trocknend, während das ungereinigte Eisen mehr wärmend
und lösend wirke.


[73]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.

Agricola hält sich von diesen theoretischen Spekulationen im
ganzen fern, dagegen behandelt er wiederholt die mineralogisch wich-
tige Frage, ob das Eisen in gediegenem Zustande in der Natur ge-
funden werde. Im allgemeinen verneint er dies, wie die meisten
Naturforscher dieses Jahrhunderts, doch gerät er bei dieser Frage in
Widersprüche, weil er das meteorische Eisen nicht von dem terrestrischen
unterscheidet. In seinem Werke, dem Bermannus, spricht er sich noch
für das Vorkommen von gediegenem Eisen aus. Er sagt: „Es ist
sicher, daſs reine Massen von Eisen, sowie auch kleine Körner davon
gefunden werden, wie dies schon Albertus wuſste“, und wiederholt
diese Behauptung an einer andern Stelle 1). Dagegen sagt er in
seinem späteren Werke De natura fossilium: die Alten hätten nirgends
über das Vorkommen von gediegenem Eisen berichtet und die Körner,
welche seine Farbe hätten und zuweilen im Sande der Flüsse ge-
funden würden, seien so unrein, daſs sie erst geschmolzen werden
müſsten, um sie zu verwenden. Da er sie mit Zinngraupen vergleicht,
so dürften hier Magneteisenkörner, die sich oft in Seifenwerken finden,
gemeint sein. Meteoreisen kennt Agricola nur aus den Schriften
des Avicenna. Er verhält sich aber skeptisch gegen den auſser-
irdischen Ursprung der Meteorsteinfälle und will dieselben lieber von
vulkanischen Wirkungen herleiten 2). Encelius behauptet dagegen
bestimmt, daſs gediegenes Eisen in der Erde gefunden werde. Nach
ihm „ist das Eisen zweierlei Art, entweder natürliches oder ge-
schmolzenes. Das natürliche ist rein und wird in Bergwerken in
Körnern oder Klumpen gefunden; die Deutschen nennen es „gediegen
Eisen“ 3)“.


Georg Fabricius führt einen beglaubigten Meteoreisenfall in
Sachsen an, den er folgendermaſsen beschreibt 4): Verschiedene ver-
sichern es, daſs eine Eisenmasse, ähnlich einer Schlacke, aus der Luft
niedergefallen sei in den Waldungen von Neuhofen bei Grimma, diese
Masse sei von groſsem Gewicht gewesen, so sehr, daſs man sie wegen
ihrer Schwere nicht fortbringen konnte, noch lieſs sich ein Wagen
[74]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
an die Stelle bringen, wegen der Unwegsamkeit des Ortes. Dies er-
eignete sich aber vor dem sächsischen Bürgerkriege, den die blutsver-
wandten Fürsten gegeneinander führten. Ebenso berichtet Scaliger
von dem Fall einer meteorischen Eisenmasse 1).


Über die Oxyde des Eisens hatte man, dem damaligen Stande
der Wissenschaft entsprechend, sehr unklare Vorstellungen. Der
Eisenrost galt allgemein als eine Krankheit des Eisens, welcher das
Eisen verzehre. Agricola nennt ihn ein vitium metalli, von der das
Eisen durch die Feuchtigkeit wie von einem Ausschlag befallen werde 2).
Im Schoſse der Erde werde er ebenso selten gefunden, wie das
gediegene Eisen. Schon Plinius unterscheidet ferrugo und rubigo
und Agricola sagt, manche nennen ihn rot, manche schwarz 3).
Doch wird der Hammerschlag, das Eisenoxyduloxyd, welches beim
Schmieden des Eisens abfällt, nicht als etwas dem Rost Verwandtes,
sondern als ein Rückstand der Verbrennung, als eine Asche (cinis)
angesehen, die mehr den Schlacken (ramenta oder recrementa ferri)
verwandt war. Kentmann unterscheidet Frischschlacke, Stock-
schlacke und Hammerschlag 4). Monardo schildert den Eisenrost
als eine Krankheit, die man auch als solche behandeln müsse und
giebt Mittel gegen das Verrosten an. Er sagt: „Es hat das Eisen
seine Krankheit, welche dasſelbe verzehrt, nämlich den Rost, aber
dawider sind viele Arzneien erfunden, also daſs man dasjenige, so aus
Eisen gemacht, sauber, ohne Staub und in trocknen Orten behalte,
dasſelbe oft gebrauche, mit Gold oder Silber überziehe, blau anlaufen
lasse, mit Baumöl, Hirschwachs, Spieke, Fett von Geflügeln, Cerusin
mit Essig versetzet u. s. w. einschmiere 5). Wenn’s aber verrostet, ist
nichts bequemer, denn mit der Feile darüber her dasſelbe abgefeilet,
in Essig gelegt und durch ein Feuer gezogen, so bringt man den
Rost hinweg, es wäre denn schon ganz angefressen und verzehret, da
kann keine Arznei mehr helfen.“ Cardanus spricht sich noch genauer
über die Ursache und das Wesen des Rostes aus. Er setzt klar aus-
einander, daſs dasſelbe nicht durch die Luft allein, sondern wesent-
[75]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
lich durch das Wasser bei Zutritt von Luft entstehe. Deshalb be-
streiche man Sachen, die nicht rosten sollen, mit Öl, welches die
Feuchtigkeit abhält. „Dieweil denn das Öl den Rost weret und das
Wasser solchen machet, vermerkend, wiewol daſs der Rost weder von
der Kälte noch von der Feuchte entstehet. Denn das Öl ist an ihm
selbst kalt und mag auch feucht werden oder an ihm selbst sein.
Darum wird der Rost von einer faulenden Wärme, es faulet aber das
Wasser, darum ist dieses Ding ein Gift.“ Obgleich man annahm,
daſs beim Verrosten der Metalle etwas verzehrt werde, also eine Ge-
wichtsverminderung eintreten müſste, war man doch mit der That-
sache, daſs die Metalle bei ihrer „Verkalkung“, d. h. Oxydation, an
Gewicht zunehmen, schon früh bekannt. Geber wuſste dies schon
vom Blei und vom Zinn. Ganz bestimmt sprach es Paul Eck von
Sulzbach um 1490 aus, aber die Alchymisten nahmen keine Notiz
davon. Cardanus, der dieselbe Beobachtung bei dem Blei gemacht
hatte, erklärte die Erscheinung in seinem Werke De rerum subtili-
tate aus der Entweichung der himmlischen Wärme, der er also ähn-
lich wie die Chemiker des vorigen Jahrhunderts eine negative Schwere
zuschrieb. Skaliger verdunkelt diese Idee des Cardanus nur, indem
er ausführt, es würde das Metall durch Reduktion von in ihm ein-
geschlossener Luft schwerer, wobei er spezifisches und absolutes Ge-
wicht verwechselt.


Die Erze betrachtete man als Mineralien, die unmittelbar aus
der Hand der Natur hervorgegangen seien und deshalb als die ein-
fachen, elementaren Stoffe, die sich beim Schmelzen durch Zutritt
von irgend etwas in Metalle verwandelten. Die Mineralien waren
nach Aristoteles ebenfalls aus irdischen Ausdünstungen gebildet,
und zwar die Steine aus trockenen, die Metalle aus feuchten, wes-
halb die Steine unschmelzbar und zerreiblich, die Metalle schmelz-
bar oder dehnbar wären. Diese Einteilung war indes nur so lange
haltbar, als man nur die alten sieben planetarischen Metalle: Gold,
Silber, Elektrum, Kupfer, Eisen, Blei und Zinn kannte. Schon Geber
sah sich gezwungen, die Metalle in edle und unedle zu trennen und
zu letzteren auch einige Halbmetalle zu rechnen. Im 16. Jahrhundert
unterschied man bereits folgende Halbmetalle: Quecksilber, Antimon,
Arsen, Kobalt, Wismut und Zink, die dadurch gekennzeichnet waren,
daſs sie sich unter dem Hammer nicht strecken lieſsen. Die Steine
teilte schon Aristoteles ebenfalls in zwei Gruppen ein, von denen
die der einen aus fetten, die der anderen aus mageren Dünsten entstan-
den waren; die erste umfaſste die brennbaren Fossilien, wie Schwefel,
[76]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
Auripigment, die Bitumina, wozu auch die Kohlen gehörten, sowie
noch einige andere Mineralien; die zweite Gruppe umfaſste alle
übrigen Steinarten. Agricola nahm schon vier Klassen an: Gemeine
Steine, Edelsteine, Marmorarten und Felsarten.


Die Eisenminer, nämlich Magneteisenstein, Hämatit und Glaskopf,
gehören zur ersten Klasse. Agricola beschreibt die mineralogischen
Kennzeichen derselben ausführlich, jedoch nicht als Eisenerze. Eisen-
erz ist kein mineralogischer, sondern ein hüttenmännischer Begriff.
Eisenerze nennen wir diejenigen Steine, aus denen Eisen mit Vorteil
gewonnen werden kann. Es giebt sehr eisenreiche Mineralien, wie
Magnet- und Schwefelkies, die, weil sie diese Bedingung nicht erfüllen,
keine Eisenerze sind. Wenn wir die Eisenerze in die fünf Haupt-
gruppen: Magnet-, Rot-, Braun-, Spat- und Thoneisensteine teilen,
so ist dies ebenfalls eine praktische und keine mineralogische Ein-
teilung, wenn auch jede dieser Erzarten durch ein besonderes Eisen-
mineral charakterisiert ist. Die mineralogische Einteilung der oxy-
dischen Eisenverbindungen, um die es sich hier allein handelt 1), ist
unabhängig von der hüttenmännischen. Man muſs deshalb beide
nebeneinander betrachten.


Agricola in seinen mineralogischen Schriften unterscheidet die
oxydischen Eisenverbindungen am genauesten, ohne indes von ihrer
chemischen Zusammensetzung irgend welche Kenntnis zu haben. Er
beschreibt zunächst den Magnetstein, sodann die Hämatite und den
„Schistos“, indem er darin der Einteilung und Bezeichnung des
Plinius folgt. Sie gehören alle zur ersten Klasse der Mineralien,
zu den „eigentlichen oder gemeinen Steinen“.


Was Agricola vom Magnetsteine berichtet, ist auszugsweise be-
reits mitgeteilt worden 2). Er hält ihn nicht für ein Eisenerz, sagt
aber, daſs er die Farbe von poliertem Eisen habe und auch zumeist
in Eisensteingruben gefunden werde, wo er entweder in kleinen
Stücken im Erze eingesprengt oder in mächtigeren, gröſseren Mitteln
vorkomme. In Deutschland führt er die folgenden Fundorte an: im
Harze jenseits Harzburg, sieben Steine (Meilen) von Goslar entfernt,
wo es aus einem besondern Schachte gefördert werde: in den meiſs-
nischen Bergen in Eisenerzlagern nicht weit von Schwarzenberg und
von Eibenstock, vornehmlich in der Grube, welche man die Magnet-
grube nenne; ferner nicht weit von dem Orte Pela, da, wo man zur
Rechten in das reiche Joachimsthal herabsteigt, welches Eisenberg-
[77]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
werk von seinem Entdecker Burkart und dem steilen Orte seinen
Namen erhalten hat; im Gebiete der Franken; in Böhmen gleichfalls
in den Eisenbergwerken des Lessawaldes, der zwischen der Stadt
Schlackenwerth und deren Warmbad Karls IV. (Karlsbad) gelegen
ist. Agricola weis zwar, daſs gebrannter Magnetstein dem Hämatit
gleiche und als solcher verkauft werde, mit keiner Silbe aber erwähnt
er seine Verwendung als Eisenerz. In Deutschland wurde zu jener Zeit
Magneteisenstein nicht als solcher benutzt und die Beimengung von
Magnetstein in den Erzen galt sogar als der Güte des Eisens nachteilig.


Die von Plinius überkommene Einteilung der übrigen Eisenerze
in Hämatite und Schistos ist eine wenig glückliche.


Der eine Name ist von der Farbe, der andere von der Form
abgeleitet; nach unserer Bezeichnungsweise würden wir sie mit Blut-
stein und Glasköpfe übersetzen müssen, dies entspricht auch Agricola,
in dem von ihm selbst aufgestellten Wörterverzeichnis, doch sagt er
bei dem undefinierbaren Worte „Schistos“ selbst: „Glasköpfe oder Blut-
stein, denn viele Deutsche unterscheiden ihn nicht von dem Hämatit“.
Es ist dies auch gar nicht möglich, da der rote Glaskopf Blutstein
ist und der faserige Blutstein Glaskopf, ja, die Deutschen bezeichnen
mit dem Namen Blutstein vorzugsweise den roten Glaskopf. So bleibt
denn auch Agricolas Beschreibung, die wir oben bereits im Wort-
laute mitgeteilt haben 1), trotz ihrer Ausführlichkeit, unklar, namentlich
ist das, was er unter dem Namen Schistos beschreibt, vom mineralo-
gischen Standpunkte aus ein wahres Sammelsurium. Es ist eigentlich
eine Schilderung der gebräuchlichen Eisenerze, der Rot- und Braun-
eisensteine, von deren technischer Verwendung der Verfasser aber
nicht spricht.


Eine weniger wissenschaftliche, aber mehr praktische Einteilung
und Beschreibung der Eisenerze giebt uns Vanuccio Biringuccio2).


„Wie zuvor erwähnt“, schreibt er, „wird das Eisenerz in den
rauhesten Bergen gefunden, und dieses wird von den Alchimisten
unedel genannt, weil es grobe, erdige Bestandteile mit sich führt,
woher es kommt, dass das Eisen in der Glut des Feuers mehr erweicht
als schmilzt, auch wegen seiner schlechten Beimengungen und groſsen
Porosität leicht rostet und, wenn man es verarbeitet, sich verzehrt,
indem es sich in Schlacke verwandelt.


(Wie gute Erze beschaffen sind: 3) Die Eisenerze zeigen sich,
wie gesagt, verschiedener Art. Das gute soll hell und schwer sein,
[78]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
von festem Korn und rein von Erde und Gangart, wie von jeder Metall-
beimischung. Diejenigen von brauner Farbe und die, welche schwarz
sind oder die Farbe der Trauer (calamita — des Magnetes?) haben,
sind nicht viel wert, weil sie fast alle Spuren von Kupfer enthalten.


Mir sind vier verschiedene Arten bekannt. Die erste ist jene
helle (chiara), von der ich Euch sagte, daſs sie vollkommen ist, wenn
sie schwarz ist; die zweite jene glänzende (lucente) von kleinem Korn,
welche leicht zerreiblich und nicht sehr gut ist. Die (dritte) schwarze,
von groſsem Korn hat wenig Wert, weil sie fast immer Kupfer und
andere Metallbeimischungen mit sich führt. Die vierte ist schwarz,
von kleinem Korn und mehr oder weniger gut, je nach dem Gestein,
in dem sie sich findet. Die Erze, welche eine metallische Beimischung,
wenn auch nicht viel, haben, kann man nur durch langandauernde
und starke Feuer reinigen, denn es sind verdorbene Materien, die
auf andere Weise voneinander kaum zu trennen sind. Von diesen
macht man deshalb, da man sie nicht zur vollkommenen Weichheit
bringen kann, weil sie sich aber leicht schmelzen lassen, Artillerie-
kugeln und andere Guſswaren, welche, je nach der Menge der Ver-
unreinigung, auch mehr oder weniger zerbrechlich sind. Diese Erze
erzeugen sich, wie der Augenschein lehrt, in allen Gesteinsarten in
den Bergen, aus welchen das beste, reinste Wasser hervorbricht, und
wo die Luft gut ist. Oft erzeugt es sich in einem weiſsen Gestein,
ähnlich dem Marmor, wenn es aber, mit diesem verbunden, geschmolzen
wird, so wird das Eisen selten weich. Es findet sich ferner für sich
in einer gewissen losen, roten Erde, dieses ist sehr zerreiblich und
zeigt schwarze Flecken und gelbe Linsen. Ähnlich findet es sich
auch in einer gewissen gelben Erde, die fast so leicht ist wie Schlamm,
aber ich rate Euch nicht, bei diesem Eure Zeit zu verlieren, weil es
nicht rein ist. Ihr werdet dies noch genauer beurteilen können, wenn
Ihr dabei grün oder blau gefärbte Steine findet, oder beim Zerbrechen
gelbe Körper wie Knöpfe oder schwarze wie Kohlen.“ Nachdem
Biringuccio weiterhin auseinandergesetzt hat, wie man auf chemi-
schem Wege die Verunreinigungen der Erze nachweisen kann, worüber
wir an anderer Stelle sprechen wollen, fährt er fort: „Dasjenige Erd-
reich (mergola), an dem man erkennen kann, wo gutes Eisen sich
findet, ist der Bolus oder eine andere erdige Substanz, rot, weich
und fett, welche, wenn man sie mit den Zähnen zermalmt, kein
Knirschen wie von Erde zeigt, denn hierin erweist sich nach der
Meinung der Praktiker ein sehr vollkommenes Erz. Dieses ist aber
nicht in Gängen (filone) geordnet.


[79]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.

Um endlich zu erzählen, von welcher Art sich auſserdem noch
Eisenerz findet, so ist das meiste von der Sorte, welche die Eisen-
rostfarbe (color ferruginoso) zeigt, das, nach meinem Wissen, nicht
sehr gut ist. Hiervon, wie von einer anderen schwarzen Sorte, habe
ich viele im Gebiete von Siena, im Thale von Boccheggiano, sowie
an vielen anderen Plätzen gesehen . . . .“


Encelius unterscheidet die nutzbaren Eisenminer in Eisenerz
und in Eisenerde, ersteres findet sich in den Gebirgen und wird
bergmännisch gewonnen, wie z. B. in seiner Heimat bei Saalfeld,
letzteres findet sich im Flachlande, unter dem Ackerboden als eine
rote Erde, die vom Roste gewissermaſsen angesteckt ist, wie in
Schlesien und in Brandenburg. Es ist dies das Wiesenerz oder der
Raseneisenstein, der in ganz Norddeutschland auf Eisen verschmolzen
wurde, den Kentmann als Torgauer Erz, von lebergelber Farbe und
schwammartig, „darauſs man vil eysen rennet“, aufführt. Lazarus
Erker
1) giebt folgende Beschreibung: „Der Eysenstein der ist braun,
vnd zeucht sich seine farb dahin, das er im gemeyn fast einem
verrosten Eysen gleich sihet. Der beste und gar reiche Eysenstein
aber, der frisch ist, des Farb ist blawlecht (bläulich), was vergleicht
sich einem gediegen Eysen. Etliche Eisenstein seyn magnetisch, die
durch jre Natur das Eysen sichtiglich zu sich ziehen, welches wie
auch hernach berichtet wirdt, aus ihrer beyder verborgner hitz her-
kommt . . . . . Der Stahelstein aber, der ist dem Eysenstein an
seiner farb gar vngleich. vnd sihet etlicher gleich wie eine gelb-
lichter spart
. . . . .“


Die Entstehung der Erzlager schreibt Cardanus den Gestirnen
zu, von denen die Sonne den mächtigsten Einfluſs hat. Deshalb
seien die Erze nach den Breitengraden verschieden verteilt, und wegen
der gröſseren Sonnennähe habe Potosi so viel Silber, Italien dagegen
so wenig, aber viel Eisen, weil es nicht gar zu warm, aber auch nicht
ganz kalt ist.


Die Eisenerze wurden meist durch Tagebau gewonnen. An
manchen Orten, wo reiche Erzlager zu Tage ausstrichen, wurde das
Erz aufgelesen, oder es wurden im Herbste, nachdem die Ernte ein-
gethan war, Schurfgräben aufgeworfen und das Erz oberflächlich aus-
gegraben. So geschah es in alter Zeit im Siegerlande und in der
Herrschaft Sayn-Altenkirchen, und da hierbei oberflächliche Gänge
[80]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
und Erdhaufen entstanden, die denen der Maulwürfe („Moll“) ähnlich
waren, welche „Mollhügel“ hieſsen, so nannte man diese Art der Erz-
gewinnung „moltern“ und das Erz Moltererz 1). Diese Art der Ge-
winnung stand dem Grundbesitzer frei und war nicht von einer Be-
lehnung oder Mutung abhängig. Nachdem auf einem Grundstück
der Molterstein gewonnen war, wurden die Gräben zugeworfen und
der Acker wieder bestellt. In ähnlicher Weise geschah die Gewinnung
der Rasenerze in Norddeutschland, Holland u. s. w. Agricola be-
richtet 2), daſs man bei der Gewinnung der Wiesenerze in Schlesien
zwei Fuſs tiefe Schurfgräben aufwerfe. Tiefer dürfe man wegen dem
Grundwasser nicht niedergehen, doch wüchse das Erz nach, so daſs
es nach zehn Jahren von neuem gegraben werden könne.


Wie das Seeerz in Schweden gewonnen wurde, haben wir aus-
führlich im ersten Bande beschrieben 3). Wo mächtige Erzlager waren,
enstanden gröſsere Tagebaue, wie schon in ältester Zeit auf der Insel
Elba, am Erzberg bei Eisenärz, zu Hüttenberg in Kärnten u. s. w.
Aber auch durch regelmäſsigen Gangbergbau wurden schon im Mittel-
alter die Eisenlager ausgebeutet, und in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts nahm der Bergbau einen so allgemeinen Aufschwung,
daſs auch viele gröſsere Eisenerzlager durch regelrechte Stollen,
Schächte und Strecken erschlossen und abgebaut wurden.


Die Anwendung von Wasserrädern als Bewegungsmaschinen für
kräftige Pumpwerke ermöglichten erst den eigentlichen Tiefbau, den
Abbau unter der Stollensohle.


Die Eisensteinbergwerke wurden indes zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts meistens noch ausschlieſslich nur über der Thalsohle mit
Stollenbetrieb abgebaut, Tiefbau war für den geringpreisigen Eisen-
stein damals noch zu kostspielig. — Regelmäſsiger Streckenbergbau
auf Eisenerze fand besonders in Gebirgsgegenden statt. Im Harz ist
er sehr alt. Als man im Jahre 1795 den alten Stollen der Vollmer-
grube zwischen Elbingerode und Wernigerode, der winkelig, eng und
nur durch Schrämmarbeit hergestellt war, aufräumte und erweiterte,
fand man die Jahreszahl 1227 im Gestein eingehauen. An den mäch-
tigsten und bekanntesten Erzstöcken ging man schon früh vom Tage-
bau zum Stollenbau über, so auſser am Harz im Stahlberg bei Müsen
im Siegerlande, am Erzberg bei Eisenärz, in Sulzbach und an vielen
andern Orten.


[81]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.

Auch das Feuersetzen kam bei der Gewinnung der Eisenerze hier
und da in Anwendung; so geschah dies noch Ende des vorigen Jahr-
hunderts zu Frauenberg im Erzgebirge, wo man den Magneteisenstein
auf diese Weise gewann und an dem beschwerlichen Verfahren fest-
hielt, weil dadurch zugleich das Erz eine teilweise Röstung erfuhr.
Es würde zu weit führen, alle im 16. Jahrhundert betriebenen Eisen-
bergwerke aufzuführen; wir werden bei der Geschichte der Eisen-
industrie der einzelnen Länder Gelegenheit haben, die wichtigsten
derselben namhaft zu machen.


Das geförderte Erz wurde in Haufen auf der Halde aufgefahren,
und zwar in der Weise, daſs der Neunte oder Zehnte, welcher als
Abgabe gewöhnlich dem Landesherrn zu entrichten war, für sich ge-
stürzt wurde.


Wenn das Erz keiner besondern Aufbereitung bedurfte, so war
es jetzt zum Verkauf oder zum Verschmelzen fertig und konnte die
Probe genommen werden.


Das Probieren der Eisenerze geschah, wie das Probieren der
Erze überhaupt, auf trockenem Wege. Die „trockene Erzprobe“
war bereits im 16. Jahrhundert zu einer Vollkommenheit entwickelt,
daſs dieser Zweig der Chemie bis zu unserer Zeit wenig Änderungen
und Verbesserungen erfahren hat. Die metallurgische Chemie, die
unter dem Namen der Probierkunst begriffen wurde, war eine in sich
abgeschlossene Wissenschaft oder nach der Ausdrucksweise der Alten
„eine Kunst“. Sie zeichnete sich sehr vorteilhaft vor den geheimnis-
vollen Operationen der Alchimisten und Adepten durch Einfachheit
und Klarheit aus. Bei ihr bildete die Wage bereits das wichtigste
Instrument; sie war die einzige Form der chemischen Analyse. So
ist die Probierkunst, obgleich fast ausschlieſslich von Berg- und
Hüttenleuten für ihre praktischen Bedürfnisse gepflegt, in gewisser
Beziehung der Ausgangspunkt der modernen Chemie geworden; denn
erst dadurch, daſs man mit der Wage in der Hand alle chemischen
Vorgänge prüfte, enstand die exakte chemische Wissenschaft.


Die Operationen des Probierers waren im wesentlichen die Ope-
rationen des Hüttenmannes bei der Zugutemachung der Erze auf den
kleinen Raum des Laboratoriums mit seinen Tiegeln, Kapellen, Muffeln,
Windöfen und Handblasebälgen reduziert.


Wie die Ausschmelzung der Eisenerze ein einfacher Vorgang
war, so war es auch das Probieren derselben auf ihren Gehalt. Es
war dies eine einfache Tiegelprobe. Das gepulverte Eisenerz wurde
in einem Tiegel mit Kohlenpulver gemengt zu einem Regulus, König,
Beck, Geschichte des Eisens. 6
[82]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
oder Probierkorn geschmolzen. Das Schmelzen geschah im Schmiede-
feuer oder in einem Probierofen, bei dem der Schmelzherd durch
einen eisernen Ring ersetzt wurde. In diesen wurde der Tiegel ein-
gesetzt, die Kohlen eingetragen und mittels eines Doppelbalges von
drei Werkschuh, also etwa einem Meter Länge, das Feuer angefacht.
Fig. 1 giebt die Abbildung eines Probierofens nach Agricola.


Die Ermittelung des Eisengehaltes der Erze war der Hauptzweck
der Probe, doch konnte man dasſelbe Verfahren auch anwenden, um
die vorteilhafteste Zusammensetzung von Erzen und Zuschlägen, den
sogenannten „Möller“ zu ermitteln. Man nannte dieses „die Be-
schickungsprobe“. Diese war indes im 16. Jahrhundert noch kaum

Figure 1. Fig. 1.


in Anwendung. Zur richtigen Schmelzprobe gehörte das richtige
Probenehmen. Denn da der Zweck der Probe darin bestand, den
richtigen Durchschnittsgehalt an Eisen zu ermitteln, so war es un-
zulässig, ein einzelnes Erzstück zur Probe auszusuchen, man schöpfte
vielmehr mit einer Schaufel von verschiedenen Stellen des Erzhaufens
kleine Mengen, bildete aus diesen ein kleineres Haufwerk, von dem
man in gleicher Weise wieder die Probe nahm, die dann zerkleinert
und gut gemischt den möglichst richtigen Durchschnitt ergab. Das
Erzpulver setzte man dann nach gehöriger Vorbereitung mit dem
nötigen „Fluſs“ in die „Tute“ ein. Ehe wir dies näher beschreiben,
wollen wir das erwähnen, was die Schriftsteller des 16. Jahrhunderts,
die über die Probierkunst geschrieben haben, mitteilen. Es sind dies
[83]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
besonders Georg Agricola und Lazarus Erker. Was ersterer im
siebenten Buche De re metallica darüber gesagt hat, haben wir oben
(S. 45) bereits angeführt. Er röstet das Erz, zieht die eisenhaltigen
Teilchen mit dem Magnet aus, sammelt diese, mischt sie mit einem
Fluſs und schmelzt sie in einer Tute im Schmiedefeuer. Der Eisen-
könig wird gewogen.


Auch Lazarus Erker bedient sich bei der Eisenprobe des Mag-
netes und giebt in seinem Probierbuche (p. CXXXI) fast die gleiche
Vorschrift, nur etwas weitläufiger, wie Agricola. Unter der Über-
schrift „wie man probieren soll, ob ein Eysenstein reich an Eysen
sei“ schreibt er: „Solche und dergleichen Eysensteine kann man durch
kein andere weiſs leichtlicher und baſs probiren, dann durch den
Magneten. Darumb so du denselben versuchen wilt, so röst ihn (wie-
wohl ihn etliche ungeröst nehmen), reib ihn klein und nimb einen
guten Magneten, welze oder zeuch den darinnen herumb, so hangt
sich der gute Eisenstein alle an den Magneten, den streich mit einem
Hasenfuſs herab und hebe wiederumb mit dem Magneten den Eysen-
stein auff, so viel du aufheben kannst und so zuletzt was liegen
bleibt, daſs sich nit aufheben will lassen, daſs ist taub und nicht
guter Stein. Hiemit kannstu sehen, ob eine Bergkart Eysen hat, oder
ob ein Eysenstein reich oder arm an Eysen sey, dann wie gemelt,
so hebt der Magnet kein ander metal auff, dann allein Eysen und
Stahel.


Der Stahelstein aber, der ist dem Eysenstein an seiner farb gar
vngleich und sihet etlicher gleich wie ein gelblichter spart, den hebt
der Magnet roh, wie auch etliche Eysenstein, gar nicht auff, so man
aber den Stahelstein röstet, so ferbt er sich, daſs er dem reichen
Eysenstein an der farb gleich ist, dann hebt der Magnet denselben
gar gern und noch ehr und lieber als den Eysenstein . . . . .


So durch solche Prob durch den Magneten befunden wird, daſs
der Eysenstein gut und reich ist, so können dann die Hammerschmid
mit ihren zuschlegen denselben im groſsen fewer ferner probiren und
versuchen . . . . .“


Charakteristisch für die alte Eisenprobe ist die Vorbereitung
der Erze, besonders das Rösten oder Brennen derselben und das Aus-
ziehen mit dem Magnet. Aber auch die Schmelzung wich in mancher
Beziehung von der jetzt gebräuchlichen ab. Die Tiegel waren zwar,
wie die Abbildungen bei Agricola und andern beweisen, dieselben
wie heutzutage (Fig. 2). Es waren die sogenannten „hessischen“
Tiegel oder Tuten von Groſsalmerode, die am Boden rund, am
6*
[84]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
oberen Rande dreieckig ausliefen. Dieselben wurden erst mit einem
Gemenge von Kohle und Lehm etwa 3 mm dick an den Wänden
ausgeschlagen. Die Mischung bestand gewöhnlich aus 2 Tln. Kohlen-
pulver und 1 Tl. Lehm. Dann wurde dies kohlenreiche Gemisch,
welches die Reduktion bewirkte und aus 3 Tln. Kohlenstaub und
1 Tl. Lehm hergestellt war, eingetragen. Man drückte dieses fest
ein, so daſs nur eine kleine Öffnung in der Mitte zum Einsetzen
der Probe verblieb. Die Probe bestand aus dem Eisensteinpulver und
dem Fluſs, welche zuvor in einem Mörser gehörig gemischt worden
waren. Als Fluſs giebt Agricola nur Salpeter an. Jedenfalls
wendete man Fluſsmittel an, welche die beigemengten Silikate leicht
verschlackten und ein flüssiges Glas gaben, während man in späterer

Figure 2. Fig. 2.


Zeit auch solche Zuschläge als Fluſs-
mittel gab, welche der Beschickung
in Hochöfen entsprachen, also Kalk,
Thon und Kieselerde. Es läſst sich
vermuten, daſs man bei kalkhaltigen
Erzen schon damals neben dem Sal-
peter auch noch Glas zugab.


Die Schmelzung geschah in der
Regel in einer Schmiedeesse vor dem
Winde. Die Tiegel wurden mit Lehm
befestigt und durch ein Stück Holz-
kohle, das zu einem Deckel geformt
war, verschlossen. Auf diesen Deckel
wurde dann zum weiteren Schutze vor dem Winde noch etwas Kohlen-
stübbe aufgedrückt. Man gab anfangs gelindes, dann heftiges Feuer.
In etwa einer Stunde war die Probe fertig. Das Gewicht des Eisen-
kornes gab das Ausbringen an Roheisen aus dem untersuchten Erze
an. Aus dem Aussehen der Schlacke und des Regulus, sowie aus
dessen Verhalten konnte man auf die Güte und Beschaffenheit des
Eisensteines schlieſsen.


Eine Eisenprobe auf nassem Wege gab es damals noch nicht.
Nur qualitativ lieſs sich Eisen durch flüssige Reagentien nachweisen.
Schon Plinius erwähnt die Galläpfeltinktur als ein Reagens auf
Eisen, und Paracelsus wies damit das Eisen in den Mineralwässern
nach. — Interessant ist die Art, wie Biringuccio die Verunreini-
gungen der Eisenerze auf nassem Wege nachweist. Er schreibt: Man
kann auch die Reinheit der Erze auf die Weise erkennen, daſs man
die Masse in eine starke Lauge (liscia forte — jedenfalls Scheide-
[85]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
wasser) einträgt, und sie, indem man sie herausnimmt, über ein gut
unterhaltenes Feuer bringt, wobei es auf die Farbe des Rauches an-
kommt, der sich entwickelt. Wenn sie längere Zeit in der Lauge
gewesen ist, wobei man mit einem Blasebalge oder einem andern
Rohre langsam hineingeblasen hat, so erkennt man an den Blasen,
die sich bilden, an der Verschiedenheit der Farben ihre Verunrei-
nigung, welche vom Kupfer herrührt.


In Nürnberg gab es schon in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts eine öffentliche Probieranstalt, die sich ganz besonders mit
Erzproben beschäftigte.


Aus dem Eisengehalte lieſs sich die Schmelzwürdigkeit und der
Wert des Erzes bestimmen. Nur gutartige und reiche Erze lieſsen
sich mit den unvollkommenen Hilfsmitteln jener Zeit mit Vorteil
verwenden, und viele Eisensteine, die jetzt gesucht und geschätzt
sind, wurden damals als zu arm oder zu schwer schmelzig verworfen.
Da man nur reiche, gut schmelzige Beschickungen verwenden konnte,
war man gezwungen, die Erze durch vorbereitende Behandlung, durch
Waschen, Rösten u. s. w. zu reinigen und anzureichern. Diese Vor-
bereitung der Erze
muſste weit sorgfältiger geschehen, als heut-
zutage, und bildete deshalb einen viel wichtigeren Teil der hütten-
männischen Praxis, als dies jetzt der Fall ist.


Agricola schreibt, man müsse die unreinen und schwer
schmelzbaren Erze so sorgfältig rösten, wie die Erze anderer Metalle.
Zur Vorbereitung sollte man sie erst unter einem Trockenpochwerk
zerkleinern, sodann sie rösten, damit die schädlichen Säfte sich ver-
flüchtigen und sie dann waschen, damit alles, was leicht ist, von
ihnen geschieden werde. Die Gröſse der Erzstücke, die man aufgiebt,
soll nicht über Nuſsgröſse betragen. — Das Zerkleinern der Erze
ist die erste und wichtigste Vorbereitung der Erze für den Schmelz-
prozeſs. Es ist einleuchtend, daſs auf kleinere Stücke, infolge der
gröſseren Oberfläche, die reduzierenden Gase und die Hitze intensiver
einwirken, und daſs die gleichmäſsige Gröſse der Erzstücke einen
gleichmäſsigen Ofengang bewirkt. Biringuccio sagt, daſs diese Zer-
kleinerung des Erzes zu Nuſsgröſse die einzige Vorbereitung sei, deren
die Erze von Elba bedürften; dagegen müſsten unreinere Eisenerze
ausgelesen, geröstet, nochmals gut sortiert und verwaschen werden. —
Die Handscheidung war diejenige Art der Aufbereitung der Erze,
welche, wegen ihrer Einfachheit und Billigkeit, auch bei den ge-
ringeren Erzsorten gebräuchlich war. Man konnte dazu Frauen,
Kinder und Greise, die zu anderer Arbeit nicht mehr zu gebrauchen
[86]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
waren, verwenden. Das Scheiden mit der Hand bestand in dem Zer-
klopfen der Erzstücke mit einem Handhammer oder „Fäustel“ auf
einem Stein oder einem Stück Eisen (Amboſs) als Unterlage, „den
Bocken“, und dem Auslesen, „Ausklauben“, der tauben, unhaltigen
oder unreinen Teile, „denn unnütz Erz mit dem nützen zu verschmelzen
ist schädlich“, sagt Agricola. Es geschah dies meistens schon auf
der Halde. War das Erz mit Thon stark gemengt, lettig oder lehmig,
so muſste dieser erst ausgewaschen, die unhaltigen Stücke aus-
geklaubt
werden. Die über nuſsgroſsen Erzstücke wurden zerkleinert.

Figure 3. Fig. 3.


Figure 4. Fig. 4.


Das Auslesen, „Ausklauben“, geschah auf groſsen Tischen, den Klaub-
tischen.


Fig. 3 zeigt einen Scheider mit dem Scheidehammer C und dem
Erzfaſs E bei der Arbeit. Fig. 4 ist ein Klaubtisch, an dem Mädchen
arbeiten (aus Agricola). Biringuccio hebt die Wichtigkeit des
Sortierens der Eisenerze ebenfalls besonders hervor 1): „Wer
aber das Eisen weich machen will durch die Güte des Eisenerzes
selbst, abgesehen von der Behandlung und den Kohlen, der muſs einen
geschickten und erfahrenen Sortierer haben, der genau das Reine
und das Unreine auswähle und sie durch das Urteil seines Auges
und dadurch, daſs er sie zerbricht, voneinander sondert.“


[87]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.

Zuweilen geschah das Zerkleinern der Erze unter einem groſsen
Hammer mit platter Bahn, der durch Wasser bewegt wurde. Die
Anwendung des Bock- oder Pochhammers, der in seiner Konstruk-
tion dem Stabeisenhammer ähnlich war und nur durch die flache
Hammerbahn und den plattenartigen Amboſs abwich, fand im Norden,
namentlich in Schweden, mehr Eingang, während in Mitteleuropa die
Stempelpochwerke gebräuchlicher waren. Agricola beschreibt
nur die letzteren bei der Erzzerkleinerung; dieselben waren seiner Zeit
im Erzgebirge bereits in allgemeiner Anwendung, während sie in den
übrigen europäischen Ländern erst später Eingang fanden. So bediente
man sich in Frankreich noch ausschlieſslich der Mörser und Siebe zur
Zerkleinerung der Erze und erst im Jahre 1579 soll das erste Poch-
werk aufgestellt worden sein 1).


In Deutschland waren dagegen die Trockenpochwerke schon
im 15. Jahrhundert in Anwendung. Sie gehörten zu denjenigen Arbeits-
maschinen, welche, wie die groſsen Schmiedehämmer, infolge der Be-
nutzung des Wassers als bewegende Kraft erfunden wurden. Wahr-
scheinlich pochte man zuerst nur mit einem Stempel, später dann
mit drei oder noch gewöhnlicher mit vier. Auch das Naſspoch-
werk
, durch welches erst eine rationelle Aufbereitung der fein ein-
gesprengten Erze ermöglicht wurde, ist in Deutschland erfunden
worden, und geschah dies bereits in den ersten Jahren des 16. Jahr-
hunderts.


Der sächsische Edelmann Sigismund von Maltiz lieſs im Jahre
1505 oder 1507 die ersten Naſspochwerke zum Pochen der Zinnerze
erbauen 2). Agricola schreibt: Maltiz habe das Naſspochwerk
erfunden, und im Jahre 1512 die ersten zu Dippoldiswalde und Alten-
berg erbaut 3). In Joachimsthal baute einige Jahre später Paul
Grommestetter
, aus Schwarz gebürtig, daher Schwarzer genannt,
das erste Naſspochwerk zur Aufbereitung der Silbererze. 1521 wurde
dann ebendaselbst ein groſses Pochwerk, um über den Plan zu waschen,
angelegt, welches groſse Ersparnisse brachte. 1525 baute Hans
Pörtner
das erste Naſspochwerk zu Schlackenwalde. Auſserhalb
[88]Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
Sachsen und Böhmen scheinen damals Pochwerke noch nicht im Ge-
brauch gewesen zu sein. Wenigstens wurde das erste Trockenpoch-
werk im Harze, welches nur mit einem Stempel arbeitete, erst 1524
unter der Regierung Heinrichs des Jüngeren von Peter Philipp
zu Wildemann angelegt. Während bei dem Trockenpochwerk die an
Stempeln befestigten Pocheisen auf eine offene Pochsohle, welche aus
einem mit Eisenblech beschlagenen Eisenklotz hergestellt war, auf-

Figure 5. Fig. 5.


schlugen, war die Pochsohle bei dem Naſspochwerke mit einem starken
Kasten umgeben, in dessen einer Wand ein Gitter oder ein Sieb
eingesetzt war, durch welches das Wasser mit dem Pochmehle aus-
strömte. Zum Zerkleinern der Eisenerze wendete man das Naſs-
pochwerk nicht an, weil dies zu kostspielig gewesen wäre, man auch
die Zerkleinerung des Erzes nicht bis zur Pulver- oder Schliegform.
sondern nur bis zur Nuſsgröſse erstrebte. Fig. 5 zeigt ein Trocken-
pochwerk mit vier Stempeln nach einer der zahlreichen Abbildungen
[89]Rösten der Erze.
in Agricolas De re metallica. Es werden immer zwei Pochstempel
durch Daumen an der Welle gleichzeitig gehoben. In Fig. 6 sind
Wasserradwelle mit Daumen (a), Pochstempel mit und ohne Poch-
eisen (b, c), Pocheisen (d) für sich, Spannring (e) und ein Hebe-
daumen (f) für sich dargestellt. Ausführlichere Angaben über die

Figure 6. Fig. 6.


Figure 7. Fig. 7.


Konstruktion der Pochwerke jener Zeit findet man im achten Buche
De re metallica.


Das Verwaschen der Erze geschah in Schlämmgräben oder
Schlammgerinnen, wie es Agricola in Fig. 7 darstellt. In der Regel
war bei den Eisenerzen nur ein Abwaschen der lettigen Beimengung
nötig. Ein Verwaschen durch Siebe kam bei Gangerz kaum vor,
wohl aber bei den Wiesenerzen oder Raseneisensteinen.


Rösten der Erze.


Die wichtigste Vorbereitung der Erze zum Schmelzprozeſs ist das
Rösten. Auch dieser Prozeſs war in früheren Zeiten von gröſserer
Bedeutung und allgemeiner gebräuchlich als heutzutage, denn in
unsern jetzigen gewaltigen Hochöfen vollzieht sich die Röstung im
Schacht des Hochofens von selbst. Ganz anders war dies bei den
alten Rennfeuern und Stucköfen. Da muſste die Röstung als eine
[90]Rösten der Erze.
selbständige Operation der Schmelzung vorausgehen, und man röstete
auch solche Erze, die heutzutage infolge der starken Gebläse einer
solchen Vorbereitung gar nicht mehr bedürfen. Denn die Röstung ist
nicht nur eine chemische, sondern auch eine mechanische Vorbereitung
der Erze. — Agricola drückt dies bereits 1) klar und bestimmt
folgendermaſsen aus: Die Erze werden aus zweierlei Ursachen ge-
röstet, entweder damit man die harten weich und zerbrechlich mache,
um sie leichter mit Fäusteln oder Pochwerken zerkleinern zu können,
oder damit die fettigen Beimengungen, wie Schwefel, Bitumen, Arse-
nik (Auripigment und Sandarach) verbrannt werden: der Schwefel ist
aber am häufigsten in den Erzen und schadet allen Metallen —
auſser dem Gold — mehr denn die andern: am meisten aber schadet
er dem Eisen.


Das Rösten der Eisenerze ist ein Brennen auf einem Glühfeuer.
Es wurde angewendet:


  • 1. Wenn die Erze zu fest waren, um sich leicht zerkleinern zu
    lassen, wobei die Röstung nur ein Auflockern der Masse bewirkte.
    Es geschah dies bei Magneterz, besonders aber bei dichtem Roteisen-
    stein und Eisenglanz.
  • 2. Wenn eine höhere Oxydation zweckmäſsig schien, namentlich
    bei Erzen, welche das Eisen im Zustande des Oxyduls enthielten, weil
    dieses sich verschlackte und groſsen Schmelzverlust erzeugte und da-
    durch zugleich eine Rohschlacke bildete, welche entkohlend wirkte
    und Frischeisenbildung zur Folge hatte. Dieses war der Fall bei
    Magneteisensteinen und bei Frisch- und Schweiſsschlacken, welche
    auf Eisen verschmolzen werden sollten.
  • 3. Wenn fremde Verbindungen, welche dem Eisen schädlich sind,
    entfernt werden sollen. Es kommen hier besonders Schwefel, Arsenik und
    Zink in der Form von Schwefelkies, Arsenikkies, und Blende in Betracht.
  • 4. Wenn Wasser und Kohlensäure ausgetrieben werden sollen.
    Während dies jetzt meistens im Schacht des Hochofens geschieht,
    wurde dies früher durch Rösten bewirkt, weil die Abkühlung durch
    die zur Verflüchtigung der genannten Beimengungen gebundene
    Wärme, bei den niedrigen Öfen nachteilig wirkte. Es war dies
    besonders bei Spateisenstein und Sphärosideriten notwendig.

[91]Rösten der Erze.

Das Rösten geschah in freien Haufen, in Stadeln oder in Öfen.
Das Rösten in Haufen erforderte keine baulichen Vorrichtungen, es
geschah auf ebenem Boden über einer rostartigen Holzlage. Diese Art
der Röstung haben wir bereits bei der alten Eisengewinnung in
Schweden und in Steiermark kennen gelernt 1). Agricola sagt: Diese
Art des Röstens ist bei allen Arten von Erzen in Anwendung. Zunächst
wird die Erde ausgegraben, so daſs eine viereckige Fläche, welche
nach der Stirnseite frei ist, entsteht. Auf diese wird eine Lage
von Holzscheiten gelegt, darüber eine zweite im rechten Winkel,
welches man den Rost nennt: dies wiederholt man, bis die Schicht
eine bis zwei Ellen hoch ist: hierauf wird dann das Erz, welcher Art

Figure 8. Fig. 8.


es sei, nachdem es zu-
vor mit Hämmern zer-
kleinert worden ist, aus-
gebreitet: erst das gröb-
ste, dann das mittlere,
zu oberst das feinste,
so daſs der Haufen die
Form einer Pyramide
erhält. Derselbe wird
wie ein Kohlenmeiler
gedeckt und dann ent-
zündet.


Zu dem Rösten in
Stadeln gehört ein meist
längliches, viereckiges
Mauerwerk, das auf einer der Schmalseiten offen ist. Es ist dies die
Röststadel oder Röststätte. Ringsum sind Zuglöcher angebracht. Das
Aufschichten des Erzes und des Brennmaterials geschieht in ähnlicher
Weise wie bei den freien Haufen, doch ist hierbei weniger Brenn-
material nötig, auch hat man das Feuer mehr in der Gewalt.


Im Agricola finden sich verschiedene Abbildungen von Röst-
stadeln und dem Rösten der Erze in denselben. Fig. 8 stellt die
Zurichtung des Holzrostes in einem Röststadel dar, Fig. 9 zeigt links
einen besetzten Stadel im Brand, rechts einen nach vollendeter Röstung,
der abgewässert wird. Agricola giebt die Maſse der Röststadeln für
Kupferstein zu 12 Werkschuh Länge, 8 Breite und 3 Tiefe an. Auch
Biringuccio spricht nur vom Rösten der Eisenerze in Stadeln. Er
[92]Rösten der Erze.
sagt, der Schmelzer müsse die Erze „in einem offenen Ofen rösten“
(à forno aperto la ricuoca) und zwar wiederholt. „Wenn er sie dann
röstet und wieder röstet und sie gut ausdampfen läſst, ehe er sie
verschmilzt, erhält er ein gutes Eisen, das sich leicht bearbeiten
läſst.“ Was hier unter forno aperto gemeint ist, läſst sich allerdings
nicht bestimmt behaupten. Dem Wortlaut nach müſste man zumeist
an die eigentümlichen, hohen Röststadeln oder Röstöfen denken, welche
Agricola am Ende seines achten Buches erwähnt: Hae fornaces

Figure 9. Fig. 9.


structuram habent similem struc-
turam fornacum, in quibus venae
excoquuntur, nisi quod ex priore
parte pateant: altae vero sunt
pedes sex: latae quatuor.


Die Röstöfen, wenn solche
überhaupt damals schon ange-
wendet wurden, waren Schacht-
öfen. In ihrer einfachsten Ge-
stalt waren es schachtförmige
Gruben in trockenem Boden in
steil abfallenden Hügeln, ähnlich
den primitiven Kalköfen oder
Kalkgruben. Besser sind die
gemauerten Schachtöfen, die
einen runden oder viereckigen
Querschnitt und meistens die Gestalt eines umgekehrten Kegels oder
einer Pyramide hatten.


Es ist möglich, daſs die Röstung in Schachtöfen in den Gegenden,
wo Spateisensteine verschmolzen wurden, wie besonders im Sieger-
lande und am Erzberge in Steiermark, ferner in der Dauphiné, Graf-
schaft Foix, Roussillon und Navarra, schon sehr früh im Gebrauche
war, doch fehlen darüber bestimmte Angaben.


Möglich, daſs Biringuccios Forno aperto, den wir oben als
Röststadel erklärt haben, ein unten offener Schachtofen bedeuten soll.


Auch das Rösten von wertvolleren Erzen in einem backofen-
artigen Flammofen beschreibt Agricola bereits.


Eigentümlich war das Rösten der Erze in den Rennherden zu
Corsica. Es geschah in denselben Herdöfen, in denen auch die Erze
reduziert und eingeschmolzen wurden, und bildete den ersten Teil
dieser Arbeit. Hierbei wurde die Röstung viel weiter getrieben, als
dies sonst gebräuchlich war, so daſs die Erzmasse bereits zusammen-
[93]Rösten der Erze.
sinterte und schon eine teilweise Reduktion eintrat. Das Nähere
hierüber findet sich im ersten Teile, S. 785.


Hatte das Rösten nur den Zweck, allzu feste Erze mürbe zu machen,
aufzulockern, so war jetzt vor dem Einschmelzen nur noch ein Zer-
klopfen nötig; handelte es sich aber um die Oxydation beigemengter
schwefel- oder arsenikhaltiger Kiese oder Glanze, oder auch von
Phosphorverbindungen, so folgte der Röstung ein Abwässern und
Auslaugen. Dies konnte durch Einleiten von Wasser in die Röst-
stadel, wie dies in der Zeichnung von Agricola, Fig. 9, dargestellt
ist, geschehen, oder durch Ausbreiten im Freien, wonach dann der
Regen die Auflösung und Wegführung der schädlichen Salze bewirkte,
oder durch Behandlung in besondern Wässerungskasten, die etwa
3 m breit und 6 m lang waren und 5 bis 10 t faſsten. Die Erz-
haufen blieben ein bis drei Jahre an der Luft liegen, wobei immer
wieder von Zeit zu Zeit Wasser darauf geleitet wurde, ehe sie zur
Verwendung in den Schmelzofen kamen.


Man kann das künstliche Rösten und Abwässern durch die lang-
same, aber lange fortgesetzte Einwirkung der Atmosphärilien, also
durch das Verwittern an der Luft ersetzen. Dieses geschah viel-
fach bei Spateisensteinen, die man auf diese Weise „reif“ werden
lieſs. Freilich müſsten die Erze dann viele Jahre auf der Halde
liegen, ehe sie verschmolzen werden konnten, und da dies groſses
Betriebskapital erfordert, so kommt dieses Verfahren heutzutage, wo
man bestrebt ist, alle Prozesse möglichst abzukürzen, um die Produk-
tion zu erhöhen, nur noch ausnahmsweise in Anwendung.


Wiederholtes Rösten und Auslaugenlassen durch den Regen
empfiehlt Biringuccio als die beste Vorbereitung. Er beschreibt
dies (Pyrotechnia, Lib. I, Cap. VI) also: „Nachdem die Erze am
offenen Feuer halb geröstet sind, und Regengüsse sie benetzt, und
die Sonne sie wieder getrocknet haben, läſst sie der „„Sortierer““
eine Zeitlang liegen. Ehe er sie dann zum zweitenmal ganz klein zum
Röstofen bringt, sieht er sie Stück für Stück durch, indem er nun
das aussondert, was äuſserlich die Spur eines andern Metalles zeigt.
Wenn er sie dann röstet und wieder röstet, und sie gut ausdampfen
läſst, ehe er sie einschmilzt, so erhält er ein gutes Eisen u. s. w.“


Nun war das Erz so weit vorbereitet, daſs es verschmolzen werden
konnte. Selten aber waren die Erze so zusammengesetzt, daſs dies
ohne weiteres ohne Zusätze, welche die Schmelzung beförderten, also
ohne sogenannte Zuschläge geschehen konnte. Da die Gangart in
den meisten Fällen eine kieselige oder thonige, d. h. eine saure war,
[94]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
so war ein basischer Zuschlag erforderlich, und hierfür diente von
altersher der Kalk. Dieser wurde im Altertume meist in gebranntem
Zustande, als gelöschter Kalk, mit dem die zerklopften oder gepochten,
feinen Erze eingebunden wurden, angewendet. So beschreibt es
Agricola bei den Rennfeuern. Die niedrige Temperatur im Schmelz-
herde war die Veranlassung zu diesem Verfahren, indem die An-
wendung von ungebranntem Kalke den Prozeſs sehr verzögert und
den Kohlenverbrauch unverhältnismäſsig gesteigert haben würde.


Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.


Das verkohlte Holz — die Holzkohle — war das wichtigste
Brennmaterial für das Ausschmelzen der Erze, sowie für alle hütten-
männischen Operationen in früheren Zeiten. Dies wird bestätigt so-
wohl durch Ausgrabungen 1), wie durch viele Stellen griechischer und
römischer Schriftsteller. Bei keinem finden wir indes eine genaue
Beschreibung des Vorganges der Holzverkohlung, wir wissen nur, daſs
sie in Gruben und Haufen oder Meilern geschah. Der erste, der
ausführlicher über die Holzverkohlung geschrieben hat, ist Vanuccio
Biringuccio
2). Er unterscheidet die Holzverkohlung in Meilern
und die in Gruben, und berichtet darüber im zehnten Kapitel des
dritten Buches seiner Pyrotechnia, welches überschrieben ist „Von
den Eigenschaften und Verschiedenheiten der Kohlen und wie man
sie zu machen pflegt“, folgendes:


.... „Gewiſs glaube ich, daſs die Menschen eher die Erze ent-
behren könnten, als die Brennmaterialien (das Feuer), wegen des
mannigfaltigen Nutzens derselben, und sie (die Natur) hat auſser
den Bäumen an mehreren Orten auch Steine gemacht, welche die
Natur von wirklichen Kohlen haben, und womit sie in jenen Ländern
das Eisen bearbeiten, die andern Metalle schmelzen und Steine zu-
bereiten, um Kalk zum Mauern zu machen. Aber wir wollen hier
jetzt nicht an entfernte Dinge denken, da wir ja sehen, daſs die
Natur jedem Bedürfnisse entspricht und hinsichtlich der Erze bietet
sie zur Hilfe, wenn nicht auf denselben Bergen, so doch in der Nach-
barschaft, stets eine reichliche Menge von Bäumen dar, denn sie weiss,
wie viele man davon nötig hat. Die Holzkohle ist der Stoff, welcher
[95]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
in erster Linie für das Schmelzen wichtig ist und besonders, daſs
man sie von guter Qualität habe, deshalb muſs man sich über die
Bereitung der Kohlen und über die Verschiedenheit der Holzsorten
unterrichten, über welches beides ich nun berichten will.


Zuerst spreche ich von der Verschiedenheit der Hölzer, wovon
jeder Praktiker genaue Kenntnis haben muſs. Denn alle jene Ope-
rationen, welche ein nachhaltiges, kräftiges und lebhaftes Feuer nötig
haben, erfordern eine Kohle, die von kräftigem und festem Holze
gemacht ist und nicht von weichem.


Wo man aber Flammfeuer nötig hat, wie in den Reverberieröfen,
ist die Kohle unnütz, hierzu bedient man sich des reifen, trockenen
Holzes. — Harte Kohlen nennt man die von gewissen Holzarten, welche
von Natur erdig sind, wie die Eiche, Buche, (eccio?), Ulme, Esche
und andere grobe und harte Holzarten; weiche Kohlen aber macht
man aus den gewöhnlicheren Holzarten, die mehr lufthaltiger Natur
sind, wie die Tanne, Weide, Ulme, Haselstaude und ähnliche von
sehr weicher und schwacher Qualität. Alle Kohle ist aber nichts
anderes als die hitzige und trockene Holzsubstanz, aus der die wässe-
rigen und fetten Teile, die das Holz enthält, durch das Feuer aus-
getrieben sind. — Man muſs auch das Holz lange Zeit gespalten an
einem trockenen Orte lagern lassen, oder es in einen Wärmeofen
bringen, um es trocken zu machen; denn so lange es noch Feuchtig-
keit enthält, brennt es nicht zu Asche und widersteht dem Feuer.“


Biringuccio betrachtet nun das Wesen der Verbrennung, deren
Intensität einerseits von der elementaren Substanz des Holzes, ander-
seits von der Art und den Mitteln der Verbrennung abhängig sei.
Bei der Verbrennung unterscheidet er drei Vorgänge: erstens die
Ausdunstung der Feuchtigkeit des Holzes, welche ein unreiner Dampf
sei, welcher bei starker Hitze sich entzünde und die Flamme bilde,
zweitens die Verbrennung der Kohle und drittens die Abscheidung
der erdigen Bestandteile des Holzes in der Asche.


Obgleich die Kohle nicht die lebhafte Flamme des Holzes ent-
wickele, so gäbe es doch eine viel stärkere Hitze als dieses, weil die
Feuchtigkeit ausgetrieben, die „lebendige Kraft“ sehr konzentriert sei
und die Luft besser eindringen könne. Holz ohne Kohlen gäbe auch
trotz des Blasebalges keine genügende Hitze zum Schmelzen. Dabei
sei es noch sehr wichtig, das Holz je nach dem Standort, wo es ge-
wachsen, auszuwählen. — Lasse man diese Vorschriften auſser acht,
so mache man sich leicht vergebliche Mühe und Kosten. So z. B.,
wenn man Gold, Silber, Kupfer oder andere Metalle schmelzen wolle
[96]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
und dazu Birkenkohle nehme, würde man sich wohl umsonst abmühen,
ebenso, wenn man etwas dickes Eisen schweiſsen (bollire) wolle und
dazu Kohlen von Weiden, Tannen, Maſsholder, Espen oder ähnlichen
Holzarten nehme, würde man schwerlich die genügende Kraft der
Hitze erzielen, Kohle von Kastanien, Weiden und ähnlichen Bäumen
könne der Eisenschmied überhaupt nicht gebrauchen.


„Im allgemeinen ist es nicht ratsam, Kohle zu brennen an Orten,
wo gutes Holz nur spärlich vorkommt, auſser wenn man dazu ge-
zwungen ist. Die Güte des Holzes allein genügt aber nicht, die Art
der Bereitung muſs auch die richtige sein, und Kohlen von derselben
Holzart können starken oder schwachen Brand machen, je nachdem
sie auf die eine oder die andere Art gemacht, mit einer oder der
andern Erde gedeckt sind, und es macht einen groſsen Unterschied,
ob das Holz noch jung ist oder von alten Bäumen, oder ob es rein
ist oder astreich, ob es gesund und stark geschlagen wurde, ob zu
einer oder der andern Jahreszeit, ob das Holz trocken und ausgereift
oder noch grün war, ob es dann gut aufgesetzt und lufttrocken war,
und so macht es auch einen groſsen Unterschied, ob die Bäume auf
hohen Bergen, wo sie frei stehen und die Sonne Kraft hat, oder ob
sie an schattigen und sumpfigen Plätzen gewachsen sind. Wo man
nur Flamme braucht, ist es gerade umgekehrt, indem das Feuer und
die Flamme, das die letzteren geben, sehr stark ist. Manchem mag
dies unglaublich scheinen, aber Versuche werden ihn davon über-
zeugen und den Grund will ich sogleich angeben; da nämlich nur
das Holz auf den Bergen gehörig austrocknen und die verbrennliche
Feuchtigkeit verdichten kann, wird die Porosität vermindert, wodurch
das Feuer nur schwer in das Innere eindringen und die inwendige
Feuchtigkeit nur schwer aus den kleinen, engen Poren ausdünsten
kann zum Brennen, so daſs sie sich fast ohne Flamme verzehrt. Bei
dem Holze, welches im Thale oder im Sumpfe wächst, ist dies nicht
der Fall. Wenn hier durch das Feuer die überflüssige, kalte, wässerige
Feuchtigkeit verjagt ist, bleibt das Holz locker und porös zurück. Durch
dieses dringt das kräftige Feuer mit Leichtigkeit ein, was bei frisch
geschlagenem Holze wieder viel weniger geschieht, als bei trockenem.


Lassen wir aber jetzt das Holz beiseite, und wenden wir uns zu
unserm eigentlichen Gegenstande, zur Kohle. Die Kenntnis derselben
ist für die Feuerung von gröſster Wichtigkeit. Man muſs die Art
des Holzes kennen, muſs wissen, daſs es nicht länger als ein Jahr
geschlagen ist und ob es auf trockenem oder an einem feuchten und
weichen Orte gewachsen ist. Denn nasses Holz, welches das Wasser
[97]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
wie ein Schwamm aufgesaugt hat, taugt nichts, obgleich solches Holz
zur Fundamentierung von Gebäuden sehr geeignet sein kann und ich
habe selbst solche Hölzer herausziehen sehen, die über 400 Jahre im
Boden staken und so frisch aussahen, als ob sie gestern eingesetzt
worden wären.


Nun will ich Euch aber die Herstellungsarten der Holzkohlen
lehren ..... Es giebt deren zwei. Die erste und von allen die beste
nennt man die Meilerverkohlung (à pagliaro — eigentlich nach Art
des Strohschobers). Um sie auszuführen, wählt man einen für das
Holz, welches geschlagen werden muſs, geeigneten Platz. Er sei eben,
und wenn er es nicht ist, mache man ihn so und gebe ihm die Form
einer kreisrunden Stätte (una ara tonda), in die Mitte stecke man
vier starke Stangen ins Geviert oder drei ins Dreieck, so daſs sie
nahezu eine halbe Elle voneinander stehen und um diese herum legt
Ihr Kreis über Kreis all Euer gespaltenes Holz, mit klein gemachten
Klötzen (Schmalholz) dazwischen, in Gestalt einer abgestumpften
Pyramide oder eines Strohschobers, woher der Name kommt. Um
gute Kohle zu machen, muſs das Holz wenigstens sechs Monate oder
ein Jahr getrocknet sein. Man setzt aber mit gewissen Zwischen-
räumen Lage über Lage, bis Ihr die Höhe und Breite erreicht
habt, welche Ihr dem Meiler geben wollt, und in der Mitte zwischen
den Stangen laſst Ihr eine Leere bis oben hin. Wenn dies geschehen
ist, bedeckt Ihr alles aufs beste mit Farnkrautblättern und mit
Pfriemkraut und darüber mit guter Erde, so zähe und trocken,
wie man sie gräbt, und deckt so bis obenhin, indem man die Decke
etwa eine Hand dick macht, alles gut zubereitet und gut geschlossen,
daſs sie nichts durchläſst, ausgenommen, wo man am Kopfe zehn
oder zwölf Luftlöcher läſst, um den Rauch und die Feuchtigkeit,
welche das Holz und die Erde enthalten, entweichen zu lassen.
Nachdem dies geschehen, laſst Ihr auf den Boden des Loches in
der Mitte zwischen den Stangen Feuer werfen und darüber trockene
Reiser und dürre Blätter und füllt es damit bis obenhin oder so
weit, daſs Ihr glaubt, daſs das Feuer sich überall mitteile. Alsdann
verschlieſst man auch noch diese oberste Öffnung mit Erde und läſst
nur die Luftlöcher offen. So kommt nach und nach in sechs bis
acht Tagen der ganze Meiler in Brand und kocht (treibt). Wenn
man sieht, daſs an den Luftlöchern der starke Rauch aufhört, kann
man annehmen, daſs er gar ist. Alsdann verschlieſst man ihn oben,
ringsherum und überall mit derselben Sorte von Erde, so daſs alle
Luftlöcher nichts ausatmen können, damit das Feuer, weil sein Aus-
Beck, Geschichte des Eisens. 7
[98]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
atmen gehemmt ist, sofort ersticke und verlösche. Auf diese Art
bleibt all Euer Holz in Kohle verwandelt ohne Asche oder Feuchtig-
keit. Auch könnt Ihr, wenn Ihr sie nicht ganz abkühlen lassen,
sondern sofort davon haben wollt, davon nehmen, indem Ihr eine
Seite der Erde der Decke, die Ihr gemacht habt, abhebt, wenn
dies auch wegen der Hitze keine ganz unbeschwerliche Sache ist.


Man macht auch noch Holzkohlen auf eine andere Art, und zwar
machen es auf diese Weise meistens die Schmiede, wenn sie Kohlen
von Birken oder Kastanien machen; dieselben werden dadurch härter,
aber weniger gut. Man macht eine Grube in der Erde, anderthalb
Ellen im Durchmesser und ebenso tief. Man füllt sie und häufelt sie
auch mit Birkenwurzelstöcken oder gespaltenem Kastanienholz oder
anderm Holze, und läſst in der Mitte eine Höhlung vom Gipfel bis
zum Boden, um das Feuer darin zu entzünden. Das übrige wird mit

Figure 10. Fig. 10.


Farnkraut oder Besen-
pfriem bedeckt und
darauf mit Erde, wie
ich es oben bei der Her-
stellung der groſsen
Meiler beschrieben
habe, und ebenso ver-
fährt man auch beim
Feuergeben und Aus-
löschen. Aber weil
nur wenig Feuer (d. h.
Brennholz) hier eingesetzt wird, so ist es in acht bis zehn Stunden
völlig gar. Sie müssen auch von gutem Holze gemacht werden, be-
sonders wenn man nicht mit dem Winde starker Blasebälge arbeitet,
da sie wegen ihrer Härte nicht so gut brennen, als die in Meiler
gemachten. Aber wenn sie in Brand gebracht sind, halten sie gut
an. Gute Kohle muſs von gutem, trockenem Holze sein, gar und
nicht verbrannt, wodurch sie zerfallen und matt werden, während gare
Kohle groſse, feste Stücke giebt, die einen Klang geben wie Glas.“


Zum Schlusse hebt Biringuccio noch hervor, wie wichtig es
ist, daſs die Holzkohlen trocken aufbewahrt werden, indem sie,
wenn sie feucht werden, unter Funkensprühen knisternd auseinander-
fahren.


Die Meiler, die Biringuccio beschreibt, sind die sogenannten
„wälschen“, welche einen aus Stangen (Quandelstäben) hergestellten
Quandelschacht haben, durch welchen der Meiler von der Mitte aus
[99]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
von oben angezündet wird. Es sind ferner „stehende Meiler“, d. h.
solche, bei denen die Holzscheite aufrecht stehend, nur wenig gegen
die Achse geneigt, in Kreisen um den „Quandel“ gestellt werden. Es
ist dies also dieselbe Art Meiler, welche auch bei uns und in dem
ganzen westlichen Europa die gebräuchlichste ist. Die „slavischen“
Meiler 1) mit horizontaler Zündgasse sind mehr im östlichen Europa
und die „liegenden“ Meiler, bei denen das Holz horizontal um die
Achse gelegt wird, in Skandinavien gebräuchlich. Auch ist die Be-
schreibung so klar und verständlich, daſs wir kaum noch etwas
hinzuzufügen haben. Die theoretischen Betrachtungen, namentlich
über den Unterschied von hartem und weichem Holze und über die
Verbrennung, sowie über die Verkohlung, sind sehr beachtenswert.


Werfen wir noch einen Blick auf die beigefügten Abbildungen,
Fig. 10 und 11. Dieselben sind, wie die meisten Zeichnungen Birin-

Figure 11. Fig. 11.


guccios, sehr skizzen-
haft und nicht durch-
aus zuverlässig. So ist
der fertige Meiler, der
in Fig. 10 rechts dar-
gestellt ist, viel zu steil;
bei solcher Rüstung
würde die Decke gleich
herabfallen. Aus dem
angefangenen Meiler zur
Linken erkennen wir,
daſs das Holz in vier Stockwerken, in der oben beschriebenen Weise
nach dem Quandel zu geneigt, aufgebaut ist. Der Köhler zur Linken
des Bildes schleppt das zum Verkohlen bestimmte, nach Maſs zu-
gerichtete Holz herbei. Nach der Art, wie er es trägt, dürfen wir
schlieſsen, daſs es die noch jetzt gebräuchliche Länge von 60 bis
70 cm hat, so daſs der ganze Meiler eine Höhe von ungefähr 2 m
haben dürfte. Es ist in der Zeichnung nicht angedeutet, daſs in den
aufeinander folgenden Stockwerken des Meilers die Holzscheite immer
mehr geneigt sind, so daſs dieselben in dem obersten, der sogenannten
„Haube“, welche den Abschluſs bildet, mehr liegen als stehen. Doch
halten wir dies für ein Versehen des Zeichners. Denn im allgemeinen
geht sowohl aus der Zeichnung, wie aus der Beschreibung hervor, daſs
das Kohlenbrennen in Meilern damals im wesentlichen gerade so be-
7*
[100]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
trieben wurde wie heutzutage, und wie dies wohl auch schon 2000
Jahre zuvor der Fall war, was sich aus dem, was Theophrast und
Plinius darüber mitgeteilt haben, schlieſsen läſst.


Die Köhlerei ist ein nur auf Erfahrung beruhendes Gewerbe, um
das sich die Spekulation in früheren Perioden nicht bekümmerte,
und welches die Theorie, die sich seit kaum mehr als einem Jahr-
hundert damit befaſst hat, auch nicht mehr wesentlich fördern konnte.
Vanuccio gebührt aber das Verdienst, den technisch hochwichtigen
Vorgang bei der Holzverkohlung zuerst eingehend, klar und ausführ-
lich beschrieben zu haben: und wie keine frühere Schilderung existiert,
die dieser an die Seite gestellt werden könnte, so ist auch in den
folgenden 200 Jahren bis zu Wallners Schrift über die schwedische
Holzverkohlung (1740) nichts Ausführliches darüber veröffentlicht
worden. Wir finden nur in einzelnen Werken, wie in Garzonis
Schauplatz (113. Gespräch) Auszüge aus Biringuccio. Sehr mit
Unrecht wird in der einschlägigen Fachlitteratur auf diesen Auszug,
der zum Teil ein wörtlicher Abdruck ist, öfter hingewiesen, während
ich die viel gediegenere, umfangreichere Quelle in der Pyrotechnia
nirgends erwähnt gefunden habe. Über die Grubenverkohlung, wahr-
scheinlich die älteste Art der Verkohlung, die aber in Deutschland
und in Nordeuropa jetzt ganz ungebräuchlich ist, besitzen wir über-
haupt keine besseren Nachrichten, als die oben angeführten. Aus der
beigefügten Abbildung, Fig. 11, geht hervor, daſs bei diesem Verfahren
nicht zugerichtetes Scheitholz, sondern Astholz und Wurzelstücke
verkohlt wurden, denn solche trägt der Köhler auf der linken Seite
in die Grube ein, der Knabe rechts hält einen ziemlich geraden Ast,
der jedenfalls als Quandel dienen soll, um den oben beschriebenen
mittleren Zugkanal herzustellen. Aus der Abbildung der in Brand
befindlichen Grube erkennen wir, daſs das Holz noch über der Grube
aufgehäuft war. Die Grubenkohlen sind, wie oben erwähnt, hart und
zu vielen Zwecken nicht zu gebrauchen, auch fallen viele schlechte
Brände, und ist der Abbrand bei ihrer Herstellung gröſser als in Meilern;
aber sie lassen sich leicht und rasch herstellen, und wenn Garzoni
erzählt, daſs die Kohlenträger, die er unter die Klasse der Fachini
rechnet, und welche zu seiner Zeit die Holzkohlen für die Küchen und
die Schmiede hausierend in den italienischen Städten herumtrugen,
ihre Kohlen häufig selbst machten, so läſst sich vermuten, daſs dies auf
dem einfachen und raschen Wege der Grubenverkohlung geschah.


Die Verwendung der Steinkohlen war zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts noch eine sehr beschränkte. Doch wurden sie in den Gegen-
[101]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
den, wo sie zu Tag anstanden und mit leichter Mühe gewonnen
werden konnten, sowohl zum Hausbrand als auch in den Schmieden
benutzt. Dies berichtet Biringuccio in der bereits oben angeführten
Stelle 1), wo er sagt, daſs man in jenen Ländern, wo sich Steinkohlen
fänden, solche verwende, um Eisen zu bearbeiten, Metalle zu
schmelzen, Backsteine zu machen und Kalk zu brennen. Aber die
Verwendung der Steinkohle in Schmiedefeuern geht in viel frühere
Jahrhunderte zurück. Ein Schmied soll es gewesen sein, der die
Steinkohlen im Bistum Lüttich im Jahre 1198 entdeckte und zuerst
verwendete 2).


Die Chronik Lamberts des Kleinen, welche von Reinerus, einem
Mönch von St. Jacob zu Lüttich, fortgesetzt wurde, setzt die Ent-
deckung der Steinkohlen 15 Jahre später, erwähnt aber dabei ebenfalls
gleich ihre Verwendung für Schmiede und Metallarbeiter. Zum Jahre
1213 ist darin bemerkt: „Das Jahr geht zu Ende, vorher aber will
ich noch drei nützliche und höchst merkwürdige Entdeckungen in
unsrer Gegend anführen, nämlich Mergelerde, die zur Verbesserung
des Bodens dient, schwarze Erde, den Holzkohlen sehr ähn-
lich
(terra nigra carbonum simillima), welche für Schmiede,
Metallarbeiter und arme Leute als Feuerungsmittel von
groſser Bedeutung ist
, und drittens, daſs Blei in unsrer Gegend
aufgefunden worden.“ Hundert Jahre früher aber werden schon „Kol-
kulen“, Kohlengruben, im Wurmrevier bei Herzogenrath erwähnt 3),
auf dem zur Augustinerabtei Klosterrath gehörigen Grund und Boden.
Dies dürften die ältesten Steinkohlengruben des europäischen Fest-
landes sein. In England wird der Anfang des Steinkohlenbergbaues
bis vor die Zeit Wilhelms des Eroberers um die Mitte des 9. Jahr-
hunderts zurückdatiert.


Während in Aachen und Lüttich, wie in Deutschland überhaupt
die Steinkohlen nicht zu den Regalien gerechnet wurden, ihre Ge-
winnung vielmehr dem Grundbesitzer zustand, erklärte Wilhelm der
Eroberer dieselben in England für Regal und verlieh dasſelbe mit
den übrigen Bergregalien an die Groſsen des Reiches.


Die Steinkohlengruben von Staffordshire bei Newcastle-under-Lyne,
welche damals schon in Betrieb standen, oder bald danach eröffnet
wurden, erklärte er als Grundherr (Lord of the manor) für königlichen
[102]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
Besitz. Die Steinkohlen von Newcastle-on-Tyne werden im Jahre 1234
zum erstenmal erwähnt. In diesem Jahre bestätigte König Heinrich III.
das Privileg, welches sein Vater, König Johann, Newcastle gegeben
hatte, worin er den genannten „ehrlichen Leuten“ (probi homines)
auf ihr Gesuch hin das Recht verlieh, Kohlen und Steine in dem ge-
wöhnlichen Feld auſserhalb der Mauer, genannt Castle-Moor, zu graben,
wie es scheint, nur für den eigenen Gebrauch. Doch wurden diese
Steinkohlen bald danach bereits zu Schiff nach London gebracht.
Im Jahre 1273 erhebt zum erstenmal der in London ansässige Adel
bei König Eduard I. Beschwerde gegen den überhand nehmenden Ge-
brauch der Steinkohlen (sea coals) — es waren hauptsächlich Ge-
werbetreibende, namentlich die Färber und Bierbrauer, die sich der-
selben bedienten — und den damit verknüpften Belästigungen durch
Rauch und üblen Geruch. Infolgedessen wurden auch Verordnungen
dagegen erlassen, doch nahm der Gebrauch und die Zufuhr von New-
castle-on-Tyne nach London trotzdem ständig zu. Zur Zeit Eduards III.
waren die Wälder in der Umgegend von London bereits so dünn und
infolgedessen das Holz so teuer geworden, daſs die ärmere Bevölke-
rung auf die Benutzung der Schiffskohle angewiesen war.


Eduard III. trug wesentlich zur Hebung des Steinkohlenbergbaues
von Newcastle bei, denn wenn Eduard I. den „ehrlichen Leuten“ von
Newcastle nur erlaubt hatte, Kohlen im Felde Castle-moor zu graben,
so gab Eduard III. die ganzen Felder von Castle-moor und Castle-
field den Bürgern von Newcastle in Eigentum, mit dem Recht der
Steinkohlengewinnung. Richard II. legte 1379 den ersten Zoll auf
die Kohlenschiffe, die von Newcastle nach London kamen. Dieser
Zoll warf später groſse Summen ab. Trotz des Zolles und trotz der
wiederholten Petitionen des Adels und der Bürgerschaft von London
gegen das schädliche und ungesunde Brennmaterial (to prohibit the
further use of so noxious and unhealthy a kind of fuel) stieg die
Einfuhr fortwährend. 1421 war dieselbe bereits so groſs, daſs Hein-
rich V. besondere Kommissäre anstellte, wegen des richtigen Maſses
und der richtigen Verzollung. Seit dieser Zeit war die Steinkohle
das allgemein gebräuchliche Brennmaterial in London.


Über das Alter des westfälischen Steinkohlenbergbaues haben
wir bereits im ersten Bande 1) Mitteilungen gemacht, auch dort ver-
wendeten die Schmiede bereits die Steinkohlen. In Sachsen soll die
Steinkohlengewinnung bis in das 10. Jahrhundert zurückreichen 2).
[103]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
Der älteste Bergbau wurde zu Zwickau betrieben. Derselbe war zu
Anfang des 15. Jahrhunderts bereits in starker Ausbeute, obgleich
damals das Klafter Holz nur sechs bis sieben Groschen kostete, die
Steinkohle also nur einen sehr niedrigen Preis haben konnte. Die
erste schriftliche Steinkohlenordnung für Zwickau wurde 1520 er-
lassen und zwar von den Besitzern, dem Stift Grünhain und dem
Ritter von der Planitz; 1532 folgte die erste und 1552 die zweite
kurfürstliche Kohlenordnung. Die Steinkohlen wurden schon früh
vielfach von den Schmieden benutzt. In den alten Schmiedeartikeln
vom Jahre 1348 heiſst es: „daz sullet ir wizzen, daz alle smide, die
niederhalb der mur sitzen, mit nichte sullen smiden mit steinkolen“ 1).


Bei Wettin im Saalkreise wurden 1466 Steinkohlen entdeckt. Daſs
die Kohlen von Potschappel bei Dresden und die böhmischen Braun-
kohlen im 16. Jahrhundert bereits bekannt waren und benutzt wurden,
geht aus Kentmanns Mineralogie hervor, der die ersteren als Bitu-
men Bohemicum, die andern als carbones bituminosi et fossiles non
procul Dresdae anführt. Der Grubenbetrieb auf die Braunkohlen auf
dem Meiſsner in Hessen, die aber ebenfalls Steinkohlen ähnlich sind,
wurde unter Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel im Jahre 1578
von dem bekannten „Pfarrer, Salzgreven und Holzvoigt“ von Allen-
dorf, Johannes Rhenanus, eröffnet 2). Schon 1571 hatte der Land-
graf auf einen Bericht des Rhenanus über das Kohlenvorkommen
am Meiſsner geantwortet, daſs er gewillt sei, zum Besten seiner armen
Unterthanen das Kohlenbergwerk zu bauen. Rhenanus benutzte die
Kohle hauptsächlich zum Salzsieden. Er stieſs dabei aber auf Schwie-
rigkeiten und lieſs deshalb 1588 — was damals noch etwas Neues
war — einen eisernen Rost anfertigen. Auch Roste von „gebackenen
Steinen“ für Holz- und Kohlenfeuer konstruierte er, woraus hervor-
zugehen scheint, daſs man das Holz vordem noch ohne Rost ver-
brannt hatte.


Über das Wesen und die Entstehung der Steinkohlen herrschten
bereits im 16. Jahrhundert Meinungsverschiedenheiten, zumeist darüber,
ob die Kohle, wie die Theologen wollten, etwas Fertiges, mit der Erde zu-
gleich Erschaffenes oder etwas nachträglich Entstandenes, ähnlich den
organischen Wesen sei. Die meisten Naturforscher dieser Periode
halten die Steinkohle für ein eingetrocknetes Harz. Georg Agri-
cola
3) ist der Meinung, daſs die Steinkohle ein fetter, harziger, mit
[104]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
einer schwefligen Materie vermischter Saft sei, der in der Erde
verhärtet und zu Stein geworden sei. Cardanus nennt die Stein-
kohlen „Judenpech“, d. i. Asphalt. Er sagt: England ist voll von
schwarzem Judenpech, welches man Bitumen nennt, womit man auch
dort Steine aus Erde brennt. Und Libavius1) sagt: Die Steinkohlen
sind gegrabene, schwarze, harzige oder Pech-Kohlen, hart wie Steine
und sehr schweflig, gar leicht anzubrennen, daher sie auch zum Ein-
heizen und zu Schmiedearbeiten sehr bequem und dienlich sind.
Christoph Encelius kommt unserer modernen Anschauung näher,
indem er ihre Entstehung vom Torfe ableitet. Er sagt: Der Torf
ist ein Bitumen, welches durch die Sonnenhitze an der Oberfläche
der Erde ausgetrocknet ist, er ist ohne Zweifel die Mutter der Stein-
kohle, welche ein durch die Hitze im Inneren der Erde fest gewordenes
Bitumen ist 2).


Über die Verwendung der Steinkohlen haben wir bereits ver-
schiedene Stellen angeführt. Ihre Hauptverwendung im 16. Jahrhundert
war für den Hausbrand der ärmeren Leute und in den Schmieden.
Auſserdem wurden sie benutzt zum Brennen von Ziegel- und Back-
steinen, von Kalksteinen, zum Salzsieden, dagegen konnte man sie
zu andern metallurgischen Operationen, zum Schmelzen der Erze,
zum Frischen des Eisens u. s. w. in jener Zeit noch nicht verwenden.
Agricola spricht sich über den Gebrauch der Steinkohlen am deut-
lichsten, und zwar im vierten Buche des groſsen Werkes „De natura
fossilium“, welches überhaupt die beste und ausführlichste Abhandlung
jener Periode über die Steinkohlen ist, folgendermaſsen aus 3): Denn
die Erz- und Eisenschmiede bedienen sich der Steinkohlen, die ihnen
viel länger anhält. Aber weil sie durch ihren Fettgehalt das Eisen
verdirbt und brüchig macht, so nehmen die, welche feinere Arbeiten
machen, sie nicht, auſser wenn sie an Holzkohlen groſsen Mangel
[105]Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
haben. Mit demselben Bitumen kochen die, denen das Holz fehlt,
ihre Speisen, heizen damit die warmen Stuben, in denen sie im
Winter ihr Leben verbringen, und brennen damit Kalk, den bösen
Geruch aber vertreiben sie meistens mit Salz, das sie in das Feuer
werfen. Die Bauern streichen damit (mit dem daraus gewonnenen
Teer) die Weinstöcke an, damit dadurch die Würmer, welche die
jungen Triebe abnagen, getötet werden. Derselben heilsamen Wirkung
wegen bestreichen sie sich zuweilen die Augenlider und Haare damit.
Als Medizin aber wirkt es austrocknend und abführend. Aus dem
harten, glänzenden aber macht man menschliche Figuren: kleine
Kugeln, an denen man die Gebete abzählt (am Rosenkranze), Edel-
steine für Ringe und Knöpfe für die Geldtäschchen. Dieses wird in
unsrer Zeit „Gagat“ genannt.


Im allgemeinen war aber die Verwendung der Steinkohlen zu
Anfang des 16. Jahrhunderts noch eine sehr geringe und auf die
Gegenden, wo Steinkohle auf Tagebau gewonnen werden konnte,
beschränkte. Doch beginnt in dieser Periode die Steinkohle Export-
artikel zu werden. Zunächst in England, wo sich die Ausfuhr von
Newcastle aus nicht auf den Handel mit London beschränkte, sondern
Steinkohlen auch nach Schottland, ja sogar bereits nach Holland,
Hamburg und Dänemark verladen wurden. Lüttich handelte mit
Steinkohlen. Auch auf dem Rheine fing man an, Steinkohlen zu ver-
schiffen. 1545 ging ein Schiff mit Eisen von einem badischen Hütten-
werke nach der Grafschaft Berg und brachte als Rückfracht Stein-
kohlen zurück, die wie Holz verzollt wurden 1).


War die Bedeutung der Steinkohle für die Metallurgie im 16. Jahr-
hundert nur eine sehr geringe, so war die des Torfes fast gleich
null. Die Verwendung des Torfes für den Hausbrand war freilich in
Deutschland längst gebräuchlich. Friesland und Holland sind die
klassischen Länder dafür. Schon Plinius erzählt von den alten
Bewohnern Frieslands, den Chauken 2), daſs sie eine lehmige Erde
mit den Händen zusammenballten, an der Sonne oder mehr noch
durch den Wind trocknen lieſsen und damit sowohl ihre Speisen
kochten als ihre Behausungen erwärmten. Die frühesten Nachrichten
über Torfgräbereien stammen aus dem 12. Jahrhundert 3). Ein Abt
Ludolf erlaubte im Jahre 1113 einem Nonnenkloster in der Nähe
von Utrecht, auf einem Teile seiner Torfmoore (vena vom altfrie-
[106]Von den Öfen.
sischen venne, holländisch veen) zum eigenen Gebrauche Torf (ces-
pides = gestochener Rasen, Stechtorf) zu graben. Das Wort Torf,
Torff, Turf, latinisirt turba, turbo, turbae, turfa, kommt am Ende des
12. Jahrhunderts zuerst vor 1). Hieraus entstand das Wort turbaria
für Torfmoor (1259 bei Matthäus Paris), und turbagium, das Recht
Torf zu graben (1308 in einem Diplome Philipps des Schönen). Im
13. Jahrhundert wurde der Gebrauch des Torfes im westlichen
Deutschland allgemeiner. In der Eisenindustrie fand er aber noch
keine Verwendung, weder im Mittelalter noch im 16. Jahrhundert.


Von den Öfen.


Die Öfen sind die wichtigsten Apparate für die hüttenmännische
Behandlung der Erze. Schon Plinius sagt, daſs die Gestalt der
Eisenschmelzöfen von groſser Verschiedenheit sei: fornacium magna
differentia est. Im 16. Jahrhundert finden wir bereits alle Haupt-
arten von Öfen, deren wir uns heute bedienen, in Benutzung. Der
Herdofen und der Tiegel waren wohl die ältesten Schmelzgefäſse
und schon seit vorgeschichtlicher Zeit in Anwendung. Die Herdöfen
treten uns bei Agricola als Stadeln, Gruben, gestampfte und ge-
mauerte Herde, Feinbrennherde, Treibherde und Garöfen mit und
ohne Gebläse entgegen. Ebenso erscheint der Schachtofen von seinem
Übergange zur Stadel als forno aperto bei Biringuccio bis zum Eisen-
hochofen mit Gebläse in mannigfacher Form und Gestalt. Die Ge-
bläseöfen erscheinen als Windöfen, Tiegelöfen, Muffelöfen, Töpferöfen,
Glasöfen, Destillieröfen u. s. w. Auch die Flammöfen von dem uralten
Backofen ausgehend, erscheinen bereits in ihrer charakteristischen
Form mit getrennter Rostfeuerung. Agricola behandelt die Öfen
zwar nicht in systematischer Weise, er giebt aber bei der Schilderung
der verschiedenen hüttenmännischen Vorgänge mehr oder weniger
genaue Beschreibungen der angewendeten Öfen mit trefflichen Zeich-
nungen. Biringuccio dagegen hat in seiner Pyrotechnia ein selb-
ständiges Kapitel „Von den Formen der Schachtöfen und der gewöhn-
lichen Öfen zum Schmelzen der Erze“ 2).


[107]Von den Öfen.

Dasselbe handelt selbstredend nicht von den Eisenschmelzöfen
allein, sondern von allen Arten von metallurgischen Öfen und wird
charakteristisch folgendermaſsen eingeleitet:


Man hat wohl acht zu geben, mit welchen Mitteln man vor-
gehen muſs, um die Schmelzfeuer zu bereiten. Solche sind insbesondere
die Öfen (forni), die man nach Bedarf und nach den Eigenschaften
der Mineralien herrichten muſs. Gewöhnlich hat man zu diesem
Zwecke Schachtöfen (maniche von manica = Ärmel), oben weit und
am Fuſse eng, welche mit Holzkohlen und dem Winde von gewaltigen
Blasebälgen ein mächtiges Feuer geben, sowohl weil es eingeengt, als
auch weil es seitlich vor Abkühlung geschützt ist, und das Feuer wird
nach dem Belieben der Meister um so gröſser, je mehr sie den Wind
verstärken durch zwei oder drei Paare von Blasebälgen (Fig. 12) 1).
Aber unsinnig viel Gewalt darf man nicht anwenden, weil dies oft

Figure 12. Fig. 12.


schadet anstatt zu nützen;
denn man verzehrt dann
die Güte der Erze, indem
man sie verdampfen und
sich in Rauch auflösen
läſst, weshalb die Flamm-
öfen
für Holz und Koh-
len, geschlossen und gut
konstruiert, oft besser ge-
eignet sind als Schacht-
öfen. Wenn man sich
dieser bedient, wird das Erz zuerst, indem es geröstet wird, sehr gut
abgedampft, dann pocht man es und nachdem man es herausgenommen
hat, mischt man die Beschickung, und durch solche Maſsregeln muſs
man es dahin bringen, wenn es nicht von Natur leicht schmelzbar ist,
daſs man den Widerstand seiner Härte besiegt, indem man stets Vorsicht
und Geduld eines Meisters anwendet. Und eben zu diesem Zweck
erinnere ich mich, in Deutschland, wo solche Kunst vielleicht am
meisten geübt wird und blüht in der ganzen Christenheit, nicht
allein die Anordnung der Schachtöfen, sondern auch die Vor-
bereitung zum Schmelzen gesehen zu haben. Zu welchem Zweck sie
die Kupfererze, die auch viel Silber enthielten, nachdem sie sie in
Stückchen wie Bohnen zerbrochen hatten, mit dem vierten Teil Eisen-
[108]Von den Öfen.
schlacken und dem andern Viertel gestoſsenem Bleierz und etwa ein
Drittel von dem Ganzen gestoſsenen Marmor auf einem Estrich mischten
und nachdem sie eine Schichte daraus geformt hatten, davon in einen
Kasten faſsten und sie zum Schmelzen in den Schachtofen brachten.
Von dieser Mischung (Möller, Beschickung) und den Kohlen wurde
der Ofen immer voll gehalten, und sowie die Kohlen verzehrt wurden
und die Erze schmolzen, gab man immer wieder davon auf. Wenn
ich dies betrachte, halte ich es für gewiſs (ja ich bin dessen sehr
sicher, weil ich mich selbst dessen bedient habe), daſs jedes andere
Erz, welches seiner Natur nach nicht sehr weit von dem genannten
entfernt ist, auf gleiche Weise sich reduzieren würde, wie dies bei
der Reinigung durch die Schmelzung aus der Art und Weise,
deren die andern sich bedienen, erscheint. Es ist dies die groſse Pforte,
die man passieren muſs, um sicher auf andere Wege zu kommen, die

Figure 13. Fig. 13.


nach den gewünschten
Zielen führen.


„Kap. III. Von den
Formen der Schacht-
öfen
(maniche) und
der gewöhnlichen
Öfen
(forni) zum
Schmelzen der Erze
.“


(S. 114.) „Um Schacht-
öfen zu machen, muſs
man Steine haben, welche
dem Feuer genügend widerstehen (verschiedene passende Steinsorten
werden aufgeführt) 1)“ ..... (S. 115.) „Ich werde die gewöhnliche
Form (der Schachtöfen) angeben, denn die Abweichungen sind weiter
keine, als daſs die Mauern doppelt gemacht werden, oder nochmals
verdoppelt bei den Blasebälgen (auf der Formseite). Auch giebt es
Meister, die sie (im Schmelzraum) in verschiedenen Formen zu machen
pflegen, der eine lang und schmal, der andere unten etwas ge-
krümmt. Wieder andere machen sie da, wo der Wind der Bälge ein-
tritt, mehr oder weniger weit. Aber um zum Schlusse zu kommen,
alle lassen sie den Ofen an eine Mauer anlehnen 2), welche für das
Wasser zum Bau des Wasserrades, welches die Bälge bewegt, geeignet
ist, und gewöhnlich giebt man ihnen die Form eines Mühlentrichters,
[109]Von den Öfen.
an der Öffnung weit und am Boden eng (Fig. 13) 1) und man macht
in der Regel deren vier oder sechs, je nach der Menge der Erze,
die man verarbeiten will, oder je nachdem man Wasserkraft hat,
und die Werke, welche die Blasebälge treiben, paſst man so den Ver-
hältnissen an, daſs mit dem Wasser und vermittelst eines Wasser-
rades alle Öfen, oder so viele Ihr davon wollt, auf einmal arbeiten,
was gewiſs nicht nur eine sinnreiche, sondern auch eine sehr nützliche
Sache ist u. s. w......“


„Ich wende mich wieder zu den Schachtöfen. Zuvor habe ich
schon gesagt, daſs sie an eine Mauer angebaut werden und einige
schneiden sie sogar in diese ein. Aber um nicht soviel Mühe zu haben,
muſs man jeden Ofen zwischen zwei Pfeilern, etwa 2½ Ellen von-
einander entfernt und 4 oder mehr Ellen hoch setzen, welche die
Höhe des Ofens noch überragen, damit diese (die Öfen) keinen Schaden
thun, und zwischen diesen Pfeilern baut man den Ofen von jenen
Steinen, welche, wie ich oben gesagt habe, nicht schmelzen, indem
man sie mit wenig Kalk aufmauert, genau als Geschwister (Zwillings-
öfen), und am stärksten da, wo sie am meisten von dem Feuer zu
leiden haben. Um ihnen die Form ihrer Höhlung zu geben, muſs
man zuerst als Fundament eines solchen Ofens eine etwas nach vor-
wärts geneigte Ebene herstellen, ½ Elle hoch von der Erde, über
welcher man anfängt zu mauern und eine viereckige Höhlung zu
machen, 1½ Hand breit und von jeder Ecke dieses Bodens spanne
man zwei Schnüre in die Höhe, welche die Gestalt der umgekehrten
Pyramide angeben (Fig. 13 a), welche von der äuſsersten Mündung 2/4
(wahrscheinlich Ellen in der lichten Weite) habe und vom Grunde
aus sei die Höhe 2 Ellen, oder 1¾, denn in der That ist weder
in der Länge noch in der Breite ein wenig mehr oder weniger von
Belang, denn ob man diese Dinge gerade so oder so machen will,
hängt von den Ansichten der Meister ab. Wenn dies geschehen ist,
schlieſst man vornen mit gutem Mauerwerk, welches beinahe gerade
steht. In Wahrheit aber, um es gut zu machen, muſs man alles mit-
einander aufmauern, um die Mauern gut miteinander zu verbinden,
und die genannte Vordermauer muſs nur so hoch gemacht werden,
daſs der Schmelzer ohne zu groſse Unbequemlichkeiten dahin ge-
langen kann, um Kohlen und Erze aufzuheben. Ich mache darauf
aufmerksam, daſs, je strengflüssiger die Erze sind, desto länger muſs
[110]Von den Öfen.
das, was Ihr schmelzen wollt, im Feuer bleiben, sie kommen dann
mehr erweicht und heiſser an den Ort, wo das Feuer durch die Ge-
walt des Windes am mächtigsten ist. Hinter diesen Schachtofen, von
der Seite der Mauer, wo die Blasebälge sind und das Wasserrad oder
eine andere Einrichtung sie bewegt, setzt man eine Form von Kupfer,
welche an ihrem breitesten Teil die beiden Mündungen der Blase-
bälge aufnimmt, damit durch das Loch dieser Form innerhalb des
Ofens immer ein einziger, kontinuierlicher Luftstrom entstehe und
nicht deren zwei. Vorausgesetzt, daſs nicht zwei Formen von zwei
Paar Blasebälgen eingesetzt werden, deren Mundstücke in gerader
Linie so gerichtet sind, daſs der Wind beinahe in der Mitte des Ofens
den begegnenden treffe und sich nach abwärts wende. An der Vorder-
seite des Ofens sei eine Öffnung mit einer Einpassung (Brust), in
welche ein steinernes Thürchen eingesetzt wird, um durch dieses die
Erze im Inneren nach Bedürfnis heben, setzen oder zurecht schieben
zu können, und alsdann macht man am Fuſse dieser Brust mit dem
Boden gleich ein kleines Loch, durch welches die geschmolzene Materie
herauskommen soll und man macht auch nahe bei dem Ofen, wo
dieses kleine Loch herausgeht, einen Herd aus Eisenplatten oder
Steinplatten in die Erde gemauert nach Art eines Scheffels oder von
ähnlicher Gröſse (einen Tiegel). Seitlich davon macht man eine
Grube in die Erde, 1 Elle breit und ½ tief. Nachdem Ihr alle diese
Dinge gemacht habt und nun mit dem Ofen arbeiten wollt, so nehmt
Kohlenstaub und Thon oder Pfeifenerde und etwas Asche 1), welche
in einem hölzernen oder steinernen Becken mittels eines mit dem
Rade der Blasebälge verbundenen Hammers von Holz, indem er sie
tüchtig zusammenschlägt und zwar in feuchtem Zustande und mit
so viel Wasser, daſs sie gut zusammenhalten, vermischt werden.
Wenn man sie so zugerichtet hat, nimmt man sie, und macht davon
den Boden des Ofens, und schlägt ihn bestens mit einem abgerundeten
Stein oder Holz, um ihn fest zu machen, wie bei den Aschenherden;
auch giebt man ihm eine kleine Neigung nach dem kleinen Loche
hin, damit das geschmolzene Metall leicht herausflieſsen kann, und
dann schlieſst man mit dem eingefugten Steine und Lehm die Öffnung,
welche man vorher gelassen hat, um den Boden (des Ofens) herzu-
richten. Erhaltet nur das kleine, zwei Finger breite Loch, das Ihr
lieſset, um das Metall und Schlacke nach Eurem Belieben zu dem
[111]Von den Öfen.
Herde zu leiten. Und wenn dies geschehen ist, füllt man mit der-
selben Mischung von Kohlenstaub und Erde den Herd, welchen Ihr
vor dem Ofen gemacht habt, und durch Schlagen preſst Ihr sie zu-
sammen und macht sie gut fest, und indem man dann in der Mitte
herausschneidet, nimmt man etwas heraus, und macht einen Tiegel
bis auf den Boden, eine Hand breit. Seitlich macht man ein Loch,
um einen Ausgang zu schaffen, welcher in die seitliche Grube hinaus
geht, von der ich sagte, daſs sie in die Erde gemacht werden müsse.
Dann macht man zwischen der Ausfluſsöffnung des Ofens und dem
Tiegel einen Kanal. Wenn ihr sehet, daſs der Raum zwischen dem
Boden (des Ofens) und der Mündung der Blasebälge voll von ge-
schmolzenem Metall und Schlacke ist, macht man den Ofen mit einem
Eisen auf und läſst die ganze Schmelzung, die man gemacht hatte,
heraus durch jenen Kanal in den Tiegel. Dort scheidet sich alle
metallische Substanz ab, indem man sie sich setzen läſst, weil sie
schwerer und weniger schleimig ist, und die erdigen Teile, geschmolzen
und in Schlacke verwandelt, trennen sich, und stehen oben schwimmend,
so sage ich Euch, wie die geschmolzenen Erze sich reinigen. Und
also, wie ich es Euch gesagt habe, errichtet und macht man die
gewöhnlichen Schachtöfen.


Einige haben die Schachtöfen schon doppelt gemacht mit zwei
Paar Blasebälgen, indem sie den einen Ofen in den andern anordneten
[d. h. übereinander, wie der mittlere Ofen der Abbildung (Fig. 13 b)
gezeichnet ist], und so bewirkte man, daſs die Schmelzung vom ersten
in den zweiten floſs. Dies scheint mir eine Sache zu sein, die nicht
nur doppelte Mühe und mehr Kosten verursacht, sondern die auch
mehr abergläubisch als nützlich ist. Denn wenn Euch der Hohlraum
eines Schachtes zu wenig erscheint, was Euch verführt, zwei Öfen zu
machen, so macht einen langen anstatt zwei, und setzt auch, wenn
es nicht schon hinreicht, zwei oder drei Paar Blasebälge hinein, so
viele Ihr für gut haltet. —


Einige andere machen die Schachtöfen (maniche) wie wirkliche
Ärmel (manica = Ärmel), woher erstere den Namen haben, unten
weit und gebogen wie ein Ellbogen, und von da ab gerade, wie Ihr
aus der vorstehenden Figur (Fig. 13 c), welche neben die andern
deutlich gezeichnet ist, sehen könnt. Von diesen flieſst alles, was
schmilzt, in eine Grube oder einen Tiegel, den man da anlegt. Seinen
Wind nimmt er ungefähr in der Biegung des Ellbogens auf oder
vier Finger breit darüber. Aber diese Form gefällt mir nicht, wenn
man nicht wenigstens ¾ von der vorderen Mündung zustopft (Ofen
[112]Von den Öfen.
mit offener Brust, Sumpfofen). Denn mir scheint, daſs die Kohlen und
Flammen, von der Kraft des Windes getrieben, mehr durch die Mün-
dung herausfliegen müssen, als davon darin bleibt. —


Einige andere vertauschen die Schachtöfen mit andern Öfen.
Weil sie weiche Mineralien zu schmelzen haben, machen sie Schmelz-
öfen gewöhnlicher Art mit Wind (Herdöfen). Und wieder andere
machen Flammöfen (Reverberieröfen) für Holz, weil sie kein kräftiges
Feuer geben wollen, wie dasjenige ist, welches die Schachtöfen mit
Wind und Kohlen geben, welche sich in der That für Blei, für Zinn
und gewisse verwitterte Erze nicht eignen. Sie sagen auch, daſs sie
in den so beschaffenen Öfen schmelzen, weil sich die Erze in solchen
Feuern nicht bis zur Verdampfung ausdehnen und das Feuer sich
gelinder darin entwickelt, sie sagen sogar, daſs es ungefähr so sei,
als ob die Erze vor dem Schmelzen darin geröstet würden. Obgleich

Figure 14. Fig. 14.


ich niemals einen
solchen Ofen ge-
sehen habe
, so sind
sie mir doch mit Wor-
ten so gut erklärt wor-
den, daſs ich, indem
ich diese Euch wieder-
hole, denke, daſs sie
Euch genügen könn-
ten. Auch will ich zum
besseren Verständnis
sie durch Zeichnung
erklären. Aber seien sie, wie sie wollen, mir scheinen sie mehr zum
Rösten als wie zum Schmelzen dienlich. Nach dem, wie ich es ver-
standen habe, macht man in die Erde ein gemauertes Fundament,
rund, wie ein ebenes Rad, welches 2½ Ellen im Durchmesser hat,
eine Höhe von der Erde, oder wenn Ihr wollt, eine Dicke von ½ Elle,
und in der Mitte desſelben macht man ein Loch, wie das eines Mühl-
steines, ¾ Ellen breit oder wenig mehr, und darunter bringt man
einen Hohlraum an, welcher beinahe von einer Seite des Rades bis zur
andern geht, durch welchen man Feuer gehen lassen kann (Fig. 14). Und
dann mauert man über diesem Rad a und setzt den Hohlraum in der
Mitte fort, indem man ihn jedoch fortwährend verengt, bis er 1½ Ellen
hoch ist, ähnlich einer Trompete (Trichter) oder einem umgestürzten
Laugekorb und dies hat als Rohr zu dienen, in welchem das Feuer
aufsteigt. Und wenn Ihr an seinem Ende angekommen seid, macht man
[113]Von den Öfen.
eine Ebene (Herd), welche vier Abläufe nach den äuſseren Seiten hin
hat, d. h. sie sei an vier Stellen geteilt. Der Mund, aus dem die Flammen
zuströmen, habe eine Weite von ⅓ Elle und von da sich erweiternd um
⅛ Elle, wo er sich nach auſsen öffnet. Mit einer Mauer von ¼ Elle
umschlieſst man und baut ein Gewölbe, und deckt überall auf das
beste in der Höhe von 1¼ Elle und unten an jedem Ende, wo ein
Ablauf hinkommt, macht man ein kleines Loch, damit man einen
Kanal habe, durch welchen das geschmolzene Erz herauskommen und
ablaufen kann. Unter diesem sei eine Grube, welche je nach den
Materien, welche herausflieſsen, sie aufnehmen. Und drei und vier
Finger breit über der Ebene des Ofens (im Inneren) macht man
zwei kleine Löcher, um das Erz sehen, legen und behandeln zu kön-
nen, welche mit zwei kleinen Thürchen nach Belieben geöffnet oder
geschlossen werden können. Und an dem Gewölbe, ein wenig über
diesen Löchern, macht man vier Ausputzöffnungen, damit der über-
schüssige Rauch und Flammen austreten können. Dies ist die Ofenform,
wie man sagt, welche aber nach meiner Meinung nicht sehr leistungs-
fähig ist.


Einige machen auch, wie ich gehört habe, zum Schmelzen der
Erze gewöhnliche Flammöfen, aber sie machen sie lang und nicht
rund. Die Abläufe der Böden haben sie nach der Seite hin, wo die
Flammen eintreten, um da die Erze immer leicht erreichen und so
die Schlacke darausziehen zu können, und auch, damit das Feuer sie
überall besser trifft; und den Weg für das Feuer machen sie durch
den hinteren Teil und unter der Ebene des Ofens, was für mich auch
keine Sache ist, die mir gefällt, wenn ich sehe, daſs das Erz die
Eintrittsöffnung des Feuers besetzt hält, indem es als Schlacke oder
Metall ausflieſst.


Einige andere schmelzen die Erze mit einfachen Holzflammen,
dadurch, daſs sie diesen verschiedene Eingangswege in die Öfen geben,
von welchen Öfen und Instrumenten zum Schmelzen der Erze ich
hier Mitteilung machen wollte, damit auch Ihr davon sprechen könnt;
wenn es sich aber darum handelt, sich eines zu bedienen, so würdet
Ihr, nach meinem Rate, mit dem Schachtofen arbeiten, weil er
leistungsfähig ist und mehr Erfolg verspricht, besonders bei gewissen
Arten von Metallen; welche mächtige Feuer zum Schmelzen erfordern.


Das Eisen, wovon ich bezüglich des Erzes genug gesagt habe,
will ich auch in diesem Kapitel nicht mit Stillschweigen übergehen
und will Euch sagen, daſs die Hilfsmittel, deren man sich bedient
zum Schmelzen und Reinigen desſelben, wenn man sie auch Öfen
Beck, Geschichte des Eisens. 8
[114]Von den Öfen.
(forni) nennt, doch in Wirklichkeit Schachtöfen (maniche) sind. Aller-
dings sind sie viel gröſser und auch in anderer Weise dem Zwecke
mehr angepaſst als die gewöhnlichen, weil das Eisen wegen seiner
schlecht gemischten Erdigkeit eine gröſsere Menge Feuer erfordert
und gröſsere Gewalt, und deshalb macht man jene groſsen Blase-
bälge und jene groſsen Hohlräume zur Aufnahme der Kohlen; woher
ich jene Schachtöfen 7 und wohl auch nahezu 8 Ellen hoch und
2½ Ellen weit gesehen habe in seinem Durchmesser in der Mitte
und unten 2 Ellen.


Und wer sie gut machen will, der schneidet sie in eine Grotte
(Abhang) ein, so daſs man auf der Fläche darüber die Erze leicht
lagern kann und die Kohlen, indem man dort leicht die Traglasten
der Tiere, die sie herbei bringen, ablegen kann. Wohl verstanden,
keiner dieser Schachtöfen ist so klein, daſs er nicht 50 bis 60 Säcke
Kohlen verlangte, und ebenso fortwährend sechs oder acht Lasten
Erz, und deshalb ist es nicht zum Verwundern, daſs man viel Wind
nötig hat, um das Feuer lebendig zu erhalten und daſs man groſse
Blasebälge braucht. Von diesen habe ich schon gesprochen und Euch
schon vorher durch Abbildung (Fig. 12) gezeigt, wie sie gerade zum Ofen
stehen, und daſs sie ihren Wind in ein Rohr schicken beinahe am
Boden des Ofens mit einer Mündung (Form — lugello), welche den
Wind abwärts weist. Und wenn man jene Wasserkünste gemacht
hat, welche man auf andere Weise (als mit Wasser) nicht machen
könnte, trägt man die Frucht der Mühseligkeiten davon, welche man
ertragen hat, entweder Eisen oder Kupfer oder Silber oder welches
Mineral es sei, von welchen allen man keines ganz entbehren kann,
weil man sonst wegen wenig Wissen viel Nutzen entbehren würde.“


Handelt das vorstehende ausführliche Kapitel des Biringuccio
mehr von den Schachtöfen, so beschreibt er im weiteren Verlaufe
seiner Darstellung der verschiedenen Schmelzmethoden auch die
andern Ofenarten mit groſser Gründlichkeit. Was er oben bereits über
die Flammöfen mitgeteilt hat, wird erweitert und ergänzt durch das
erste Kapitel des siebenten Buches: „Wie man Flammöfen für den
Erzguſs macht etc.“


Nachdem er einleitend bemerkt hat, daſs dies auf sehr ver-
schiedene Weise geschähe, fährt er fort: „Um Euch aber durch die
groſse Verschiedenheit der Anordnungen nicht zu verwirren, werde
ich Euch nur von der Art sprechen, welche ich ausgeführt habe,
so oft ich dazu Gelegenheit hatte, wobei ich von keiner der oben
erwähnten Formen Gebrauch machte, sondern von allen diejenigen
[115]Von den Öfen.
Teile nahm, welche mir am zweckmäſsigsten schienen. Zuerst habe
ich die Feuerstelle ausgewählt, alsdann den ganzen Hohlraum genau
von der gewünschten Gröſse auf die Erde gezeichnet und auch die
Mauerstärken darum. Damit Ihr dies besser versteht, wollen wir
annehmen, ich hätte einen Durchmesser von 2½ Ellen nötig gehabt.
Dann habe ich mir eine gerade Linie von 3½ (oder 3⅔) Ellen ge-

Figure 15. Fig. 15.


zogen und habe sie unten
durch eine Linie von
⅔ Ellen geteilt für
die Eintrittsöffnung der
Flammen, siehe Fig. 15.
Dann habe ich bei
2 Ellen eine Linie durch-
gezogen von 2¼ Ellen
Länge und habe so eine
Kreuzform gebildet. Am
hintersten Ende habe ich eine Linie von einer Hand Breite gezogen
und habe alle von Punkt zu Punkt mit geraden Linien umzogen und
an die Enden der gröſsten Arme des Kreuzes habe ich die Fenster
gezeichnet oder richtiger zu sagen, die Ausströmungsöffnungen der
Flammen. Dann habe ich den Raum gezeichnet, wo man das Holz

Figure 16. Fig. 16.


zur Feuerung einlegt
und habe die Dicke der
Mauer, von der ich
haben wollte, daſs sie
sich zwischen das Erz
und diesen Raum stelle,
angegeben. Hiernach
habe ich noch soviel
ringsherum aufgetragen,
wie ich haben wollte,
daſs die Dicke der Mauer
überall betrage, welche ich vom Boden an aufwärts immer 1 Elle (oder
wenigstens ¾ Ellen) stark gemacht habe. Und nach dieser Anord-
nung habe ich mauern und die massiven Wände des Feuerraumes
aufführen lassen, auſsen bis zu 1 Elle hoch über den Boden, und
wenn ich sie der Kostenersparnis wegen hohl gemacht habe, so lieſs
ich sie mit Asche und Erde ausfüllen und mit Stampfen festmachen.
Dann habe ich darüber einen ebenen Boden von Ziegelsteinen her-
stellen lassen, welcher durchgehends nach der Abstichöffnung hin
8*
[116]Von den Öfen.
Fall hatte (etwa ½ Elle oder weniger), damit die geschmolzene
Bronze nicht stehen bleiben könne, noch nach vornen flösse. Dar-
über lieſs ich noch eine Ebene von Ziegelsteinen mit eingeschnitte-
nem Ablauf mauern, wozu ich nicht nur die Steine mit den schärfsten
Kanten auswählte, sondern sie auch noch abschleifen lieſs, um sie
besser aneinander passend zu machen. Dann habe ich darüber nach
derselben Anordnung der Zeichnung den Hohlraum vollenden lassen, wie
ich ihn beschrieben und auch hier gezeichnet habe, Fig. 16 1) (a. v. S.),
und der gewissermaſsen die Form einer Laute ergiebt.


Wenn nun dieser erste Teil gemacht ist, schneidet Ihr etwa zwei
Ziegelsteine heraus, entweder hochkantig oder flach, wie es Euch am
besten scheint, und da hinein legt Ihr den Abstich, aus einem
pyramidenförmigen Eisen gebildet, so daſs das breite Ende dem ge-
schmolzenen Erze zugekehrt ist, so daſs dieses dagegen drückt und
so den Ofen um so besser verschlieſst. Ich habe verschiedene Me-
thoden befolgt, um die Ziegel so auszuschneiden und, wenn ich konnte,
habe ich es am liebsten mit einem der Steine so gemacht, welche das
Feuer berühren. Dann lieſs ich die Mauern nach der Anordnung
ausführen, daſs ich die Fensterchen (die Züge) mit zwei Abschrägungen
versah und mit einer Öffnung von wenigstens einer halben Elle
im Inneren. Bei der vierten Elle, um welche der Meister dann die
Mauer erhöht hatte, lieſs ich den Zirkel des Gewölbes, welches den
Ofen bedeckt, anfangen. Und auſserhalb habe ich die Mauern
gerade aufführen und an der Stelle der Fenster auskehlen lassen
nach Art von Schieſsscharten, welche sich nach auſsen erweitern und
nach innen verengen, und in dieser Höhe habe ich die Mauer ein-
gezogen und um ¼ Elle schwächer gemacht, wobei ich jedoch über die
Höhe hinausging, wo das geschmolzene Erz mit seinem groſsen Gewichte
schiebt. Nachdem nun das Gewölbe geschlagen war und die Bogen
über den Fenstern, lieſs ich den Raum folgen, wo man das Holz zum
Feuermachen einlegt. Hierzu lieſs ich zuerst eine groſse Grube
machen, tief und lang, wie der ganze Ofen, diese lieſs ich ½ Elle
tiefer als die Ebene der Eintrittsöffnung des Feuers mit einer Ein-
deckung aus Bogen, welche über die Breite dieses Grabens gespannt
wurden, versehen. Diese standen drei Finger voneinander entfernt,
nach und nach sich erweiternd, so daſs vom ersten bis zum letzten
etwa ⅓ bis 1 Elle oder mehr Fall nach der Mündung hin, wo man
[117]Von den Öfen.
das Holz aufgiebt, war. Und auch im Inneren habe ich zwischen den
Mauern eine gewisse Wölbung geben lassen, damit die Seitenmauer
die Flamme nach und nach zur Eintrittsöffnung (in den Schmelzraum)
hindränge, und die an der Mauer an der Front nach einwärts dränge
und am Kopf breiter werde. Das Gewölbe aber verlaufe so, daſs es
vorne bei der Eingangsöffnung des Holzes eng anfängt, und indem
es sich erhebt, weiter wird, bis wo das Feuer einzutreten hat, damit
die Flammen sich drängend vorwärts gehen und gedrängt vom Gewölbe
und dem Anpaſs der Brustwehr (der Feuerbrücke) ganz vereinigt
in den Schmelzraum eintreten. In dieser Gestalt habe ich nicht nur
das Gewölbe des Feuerungsraumes anfangen lassen, sondern auch den,
in welchem die Bronze sich befindet. Doch habe ich zu bewirken
gesucht, daſs das Gewölbe der Feuerung etwas niedriger sei, als das
des Ofens, und daſs die erwähnte Wölbung an dem Teile der Mauer
wenig über der Ebene des Bogens anfängt und sich aufstützt, damit
die Flamme zum Durchzug nach dem Fuchse, welcher nach dem
Ofen führt, hingedrängt werde. Und so führe ich das Gewölbe über
der Abstichöffnung niedrig, damit die zurückgeworfenen Flammen
stoſsweise auf das Metall fallen. Die Höhe von der Ebene der Bogen
bis zur Ebene der Eintrittsöffnung lasse ich ½ Elle machen und
die Dicke zwischen dem Holzfeuer und dem Schmelzherde ¾. Über
dem Bogen, der offen geblieben ist, lasse ich das andere Gewölbe
folgen, welches den Ofen da, wo das Metallbad ist, bedeckt. Dieses
macht man konkav, aber so niedrig, daſs von der unteren Ebene bis
zu seiner gröſsten Höhe ungefähr 1¼ Elle ist, oder etwas weniger,
damit es die Flammen und deren Hitze der Bronze näher bringt.
Auch will ich, daſs das Gewölbe nach der Abschüssigkeit des Bodens
in gleichem Grade herabsteige, damit die Flammen nicht in der Höhe
bleiben, sondern nach der Richtung des Abstichloches hingejagt werden,
um den Boden zu erhitzen und die darüber befindliche Bronze, worin
das Wichtigste des Ganzen liegt. —


Nachdem dieses Gewölbe nun so gemacht war, habe ich das über
den Fenstern (Zuglöchern) gemacht, welche offen gelassen wurden,
damit die Flamme dort austrete. Um aber in den Ofen sehen und
die Bronze darin bearbeiten zu können, werden zwei kleine Öffnungen
von ⅛ Elle oder ein wenig mehr Weite durch die Mauer geführt.
So können die Flammen herausschlagen, um andern zum Eintreten
Platz zu machen, wenn die kleine Thür vor dem Ausgangspförtchen
verschlossen ist, wie Ihr einsehen werdet. Diese oder eine andere
von den erwähnten Formen könnt Ihr nach Belieben machen, wenn
[118]Von den Öfen.
Ihr nur darauf achtet, den Raum, wo das Holz liegt, geräumig zu
machen, damit er genug fassen kann, und entsprechend sei der
Schmelzraum ausreichend, damit nicht viel Metall und wenig Feuer
da sei.“ Nun folgt eine ausführliche Ermahnung, den Ofen im Inneren
sorgfältig mit feuerfestem Thon auszukleiden, dann den Ofen gehörig
zu trocknen und anzuwärmen, danach alle entstandenen Risse aus-
zubessern und mit Holzasche auszustreichen, damit kein Metall durch
die Risse dringe ..... „Aber es könnte sein, daſs die erforderliche
Metallmasse so groſs wäre, daſs Ihr es nicht für gut halten würdet, Euch
einem einzigen Ofen anzuvertrauen, sondern es machen würdet, wie
Leonardo da Vinci, der ausgezeichnete Bildhauer, welcher den groſsen
Koloſs eines Pferdes, das er für den Herzog von Mailand zu machen
hatte, aus drei Öfen auf einmal goſs. Das Gleiche habe ich gehört

Figure 17. Fig. 17.


von einem Glockengieſser
in Flandern, welcher, als
er sein Material schmel-
zen wollte, dies in zwei
Öfen thun muſste, da es
ihm mit einem das erste
Mal nicht gelang. Doch
kann ich nicht glauben,
daſs einem, der die Menge
des Feuers zu der Menge
des Materials richtig
bemiſst, im Groſsen wie im Kleinen dies nicht gelingen sollte. Ich
sage zwar nicht, daſs, wenn ich so etwas zu machen hätte, ich mir
anmaſsen würde, das zu wissen, was andere nicht wissen, aber so weit
es den Feuerkanal und den Feuerraum anlangt, so würde ich
denselben so groſs machen, daſs ihm die Flammen nicht fehlen würden.
Um es aber noch besser zu machen, würde ich deren zwei anlegen
(Fig. 17), so daſs jeder für sich die Flammen nach dem Schmelz-
raume bringe, in der Weise, daſs sie beim Eintritte in das Innere
voneinander getrennt wären, dann aber sich verbänden und Eins
würden. Denn ich weis wohl, daſs, wenn die Kanäle sich begegnen
würden, die Flammen sich beeinträchtigen, und in ihrem Laufe, um
auf die Bronze zu schlagen, sich hindern würden dadurch, daſs sie
sich einander vertrieben.


Damit Ihr aber das, was ich Euch sage, besser versteht, zeige
ich Euch hier in einer Zeichnung den Grundriſs des Ofens, wie ich
ihn machen würde, Fig. 17.


[119]Von den Öfen.

Ich will nicht fortfahren, ohne Euch auch etwas zu sagen von
denen, welche ihre Öfen oval machen und zwar quer zu dem
Eingange des Feuers (Fig. 18). Da es sich nach einer und derselben
Richtung bewege, so müsse von der Eintrittsöffnung bis zur Abstich-
stelle ein Raum von einer gewissen Weite sein, damit die Flamme,
ehe sie durch die Fenster (Züge) austritt, erst zweimal auf jeder Seite
über der Bronze herumwirbele, wie es die Zeichnung zeigt.


Die, welche der Meinung sind, daſs es besser sei, den Ofen der
Länge nach oval zu machen, haben vielleicht noch einen besseren
Beweggrund, wenn sie sagen, der Ofen enthalte in dieser Form eine
gröſsere Menge vereinigter Flammen über der Bronze und zwischen
derselben und daſs das Feuer, wo es in gröſserer Menge vorhanden
sei, auch gröſsere Kraft besitze; wenn man in der Bronze aber arbeiten

Figure 18. Fig. 18.


wolle, so lasse sich dies
bei diesem Ofen leichter
thun.


Diejenigen, welche bei
der runden Form stehen
bleiben, führen zwei sehr
wichtige Gründe dafür
an. Der eine ist, daſs
diese Art Öfen seit lan-
ger Zeit im Gebrauche
sind und daſs die vielen
Erfahrungen, die man mit ihnen gemacht hat, sehr dienlich sind.
Auſserdem glaube ich aber, daſs ein weiterer Grund darin besteht,
daſs in einem Kreise alle Strahlen nach der Mitte hinstreben, und
daſs das Feuer, welches in jenem Hohlraume eingeschlossen ist, sich
nicht anders verhält, als die Sonne in einem Hohlspiegel, von welcher
wir sehen, daſs sie Feuer entzündet.


Das ist es, was ich von den verschiedenen Ofenformen gefunden habe.


Nun bringe man in dem Euch rätlich erscheinenden Ofen die
Bronze an den dafür bestimmten Ort, ¼ Elle vom Boden entfernt
auf Ziegelsteine oder kleine Bronzestücke, und lege tüchtig Holz ein,
damit die Flammen überall darum schlagen; mit Hilfe eines Schür-
eisens und trockenen Holzes entzündet man das Feuer, so viel, daſs
alles flüssig wird. Wenn dann die Bronze gut geschmolzen ist, läſst
man, indem man das Abstichloch öffnet, sie durch einen Kanal in
die Form laufen, so daſs sich alle Hohlräume derselben füllen, wie
ich seiner Zeit genau und ausführlich zeigen werde .....“


[120]Von den Öfen.

Sind Biringuccios ausführliche Abhandlungen über die Schacht-
und Flammöfen von hohem historischen Interesse, so verdienen seine
Schilderungen des Schmelzens in Herden und in Tiegeln im Windofen
gleichfalls unsere Beachtung. Sie sind im siebenten Buche der Pyro-
technia enthalten. Das zweite Kapitel desſelben ist überschrieben:

Figure 19. Fig. 19.


Die Arten des Schmel-
zens in der Schüssel (ca-
tino — im Herde) und
andere Arten des Metall-
schmelzens mit Kohlen
und Blasebälgen.


„Das Schmelzen im
Herde (in der Schüssel)
und im Korbe (Schanz-
korbe) ist gleichsam ein
und dieselbe Sache, und
bei dem einen wie bei dem andern bedient man sich der Kohlen und
der Blasebälge, die man je nach der Menge dessen, was man schmelzen
will, klein oder groſs macht, oder man bringt mehrere oder weniger
an, je nach dem Falle. Man macht die Schüssel, Fig. 19, oder
Wanne, oder das Schmelzbecken, wie es die Meister nennen, aus
Backsteinmauerwerk und Thon nach Art der Schmiedeessen, und mit-

Figure 20. Fig. 20.


ten vor die Düsen der
Blasebälge macht man
eine runde Höhlung nach
Art einer Waschschüssel,
oben weit und am Boden
eng, mit einem Loche zum
Entleeren, in welches
man, damit man es nach
Bedarf verstopfen kann,
einen eisernen Dorn
steckt oder einen ge-
schnittenen, zugespitzten Backstein. Dann wird das Ganze gut mit
Asche ausgestrichen und die Düse so angepaſst, daſs der Wind auf
die Mitte trifft, damit er das Metall nicht nur schmilzt, sondern
auch warm erhält. Zuerst füllt man nun mit Kohlen und brennt
sie gut aus, dann füllt man von neuem mit Kohlen, setzt sie in Brand
und läſst sie nach und nach von selbst ersticken, alsdann beginnt man
mit dem Schmelzen, indem man ein oder zwei Paar Blasebälge in
[121]Von den Öfen.
Bewegung setzt und oben auf die Kohlen das Material legt, welches
man schmelzen will. Wenn es geschmolzen ist, zieht Ihr den Dorn
heraus, den Ihr in den Boden gesteckt habt, und führt das Metall
durch einen Kanal nach Euren Formen (Fig. 20).


Zwischen dem Korbe (Fig. 21 a) und der Schüssel (Fig. 21 b),
dem Kessel oder der Wanne, wie ich sie beschrieben habe, ist kein
Unterschied, als daſs der Korb auf einem groſsen, freien Platze gemacht
wird. Er setzt sich zusammen aus Hölzern, die in kreisrunder Form
in die Erde geschlagen und dann überflochten werden mit Ruten von
Kastanien, Weiden oder Nuſsbäumen, ganz so, wie ein Tragkorb
oder Schanzkorb, jedoch so hoch und so weit, wie es Euch nötig
scheint. Dann füllt man ihn mit festgestampfter Erde und macht in
der Mitte eine runde Höhlung, so tief und so breit, wie Ihr glaubt,
daſs sie das Material, welches man schmelzen will, fassen könne.

Figure 21. Fig. 21.


Nachdem Ihr den Boden
gemacht, ein Abstichloch
für die Bronze ange-
bracht, einen eisernen
Dorn gut eingesetzt und
alles gehörig mit Asche,
die mit Salzwasser an-
gemacht ist, bestrichen
habt, brennt Ihr sie aus.
Nachdem Ihr dann die
Blasebälge an ihre Stelle
gesetzt habt, richtet Ihr die Düsen so, wie Ihr es bei dem Herdofen
(der Schüssel) gethan habt und schmelzt nieder. Der erste von diesen
Korböfen, den ich gesehen habe, war in Palermo. Später sah ich
noch mehrere an verschiedenen Orten, und mit einem solchen Appa-
rate goſs der Meister eine Glocke von etwa 1000 Pfund. Sehr viel
gebrauchen ihn gewisse savoyische und französische Meister, welche
umherziehen und Glocken gieſsen, und habe ich schon welche von
diesen gesehen, die zwei bis drei Paar Blasebälge darum setzten, und
habe auch solche gesehen, die anstatt aus Baumzweigen und Hölzern
aus Mauerwerk gemacht waren, wie kleine Türmchen, und diese ge-
fallen mir sehr gut, und wenn ich je damit zu arbeiten hätte, würde
ich keine andere machen, als solche aus Mauerwerk.“


Diese Öfen erinnern bereits an kleine Kupolöfen. Bemerkenswert ist
an denselben ihre Beweglichkeit. Es waren nicht geradezu transportable
Schmelzöfen, wie sie Reaumur im Anfange des vorigen Jahrhunderts
[122]Von den Öfen.
zuerst beschrieben hat, aber diese Schanzkorböfen lieſsen sich überall
leicht und rasch aufrichten, so daſs die erwähnten hausierenden
savoyischen und französischen Meister vielleicht selbst das ganze Gestell
zu dem Schmelzofen mit sich führten, daſs sie dann nur am Orte, wo
sie Arbeit fanden, frisch ausstampften und auskleideten.


Diese Korböfen sind ferner auch dadurch von besonderm Inter-
esse, als sie den charakteristischsten Übergang des Herdofens in den
Schachtofen darstellen. Und als Schachtöfen sind sie wieder die
ersten Beispiele von Massenöfen, d. h. von Öfen, deren Inneres nicht
gemauert, sondern gestampft ist.


Zur Schmelzung noch kleinerer Metallmassen diente das Schmelzen
im Löffel, welches wir noch ähnlich bei den hausierenden Löffelgieſsern
und Zinnflickern finden. Biringuccio beschreibt dieses Verfahren
im dritten Kapitel als „die Art, im Löffel zu schmelzen“.


Der Gieſslöffel, Fig. 22 a, ist ein kleines Schüsselchen mit einem
Gitter von Eisenstäben wie ein Vogelkäfig überzogen, derselbe hat

Figure 22. Fig. 22.


einen Handgriff, um ihn
leicht von der Esse neh-
men und ihn dahin tra-
gen zu können, wo es
Euch paſst. Er ist ein
allgemeines und gewöhn-
liches Gerät der Meister,
wo es sich um kleine
Guſswaren handelt, denn
bei einem groſsen Ge-
wichte würde man ihn
auch, wenn man Hebel und Winden zu Hilfe nähme, nur schwer mit
den Armen aufheben können, und wenn man es dennoch thäte, so
könnte man nur mit Anstrengung die vorerwähnte Schüssel heben und,
wenn dabei ein Fehler gemacht würde, könnte es zu Verlust führen.
Auch hierzu bedarf man einer Esse und ein paar guter Blasebälge b,
welche groſs und gut mit Leder (Tuch) beschlagen sind. Das er-
wähnte Schüsselchen aber wird von guter, gebrannter Erde gemacht,
gehörig mit Asche bestrichen, dann setzt man es vor die Düse, indem
man oben rings um den Rand einen Kranz von zwei oder drei Back-
steinen macht, damit diese die Kohlen besser und in gröſserer Menge
zusammenhalten. Alsdann zündet man an, und wenn man die Kohlen
in dem Löffel gut in Brand gesetzt hat, legt man die Stücke des zu
schmelzenden Materiales nach und nach darauf, die, wenn sie ein-
[123]Von den Öfen.
geschmolzen sind, in den Behälter herabflieſsen. Dann hebt man den
Löffel heraus und trägt ihn dahin, wo die Formen aufgestellt sind
und gieſst damit.


Ich habe auch mit offenem Gieſslöffel gieſsen sehen, d. h. ohne
Esse und ohne glühende Asche darum, sondern mitten in einem
Raume, wo der nackte Löffel auf einem eisernen Dreifuſse stand.
Die Blasebälge hatten lange Röhren und die Mündungen, aus denen
der Wind kam, gingen über den Rand des Löffels. Der Löffel selbst
hatte eine groſse Weite und war vorn höher als hinten; um den
Rand war ein vier Finger breiter Reif von Eisen gelegt, um die Kohlen
zusammenzuhalten. Auf diese Weise habe ich mehrmals Silber in
gröſserer Menge schmelzen sehen, es schmolz sehr gut und sauber,
und man arbeitete mit groſser Leichtigkeit und Kohlenersparnis. Und
für den Fall, daſs ein Körnchen zufällig aus dem Löffel flösse, stellte
der Meister eine Schüssel mit Wasser darunter, damit auch das
kleinste darin aufgefangen würde und sich darin sammele.


Kap. III. Die Art, im Tiegel zu schmelzen, Fig. 23.


Das Schmelzen im Tiegel ist das Verfahren, welches bei kleinen
Gegenständen gebräuchlich ist. Es geschieht auf zweierlei Weise, mit

Figure 23. Fig. 23.


Wind aus Blasebälgen
oder mit dem Zugofen.
Das Schmelzen mit Blase-
bälgen, das ich zunächst
beschreiben will, ist am
gebräuchlichsten, man
schmilzt auf diese Art
schnell und sie ist
den Goldschmieden und
jedermann sehr bekannt.
Ich brauchte daher wohl
auch nichts darüber zu sagen, dennoch, um Euch zu belehren, wenn
Ihr es vielleicht nicht wissen solltet, sage ich Euch die Vorschrift.
Zunächst richtet man eine kleine Esse zu mit einem Paar Blasebälgen,
die mit der Hand oder auf andere Weise betrieben werden. Dann
nimmt man einen Tiegel von der Gröſse, die man nötig hat, und füllt
ihn mit dem Material, das man schmelzen will. Dann entzündet man
auf der Esse vor der Öffnung, wo der Wind ausströmt, eine solche
Menge Kohlen, als man denkt, sie könnten gut den Tiegel be-
decken. Dann setzt Ihr den mit dem Schmelzmaterial gefüllten Tiegel
mitten in die angezündeten Kohlen über den Windstrom, zwei oder drei
[124]Von den Öfen.
Finger von der Wand, wo der Wind austritt, oder mehr oder weniger,
je nach der Gröſse des Tiegels oder der Mächtigkeit der Blasebälge.
Man läſst dann alles nach und nach in Brand geraten, und sobald
man es schön rot sieht, facht man mit dem Winde an und verstärkt
das Feuer, und so läſst man es so lange kräftig wirken, bis alles gut
geschmolzen ist. Dabei müſst Ihr darauf achten, daſs Ihr den Tiegel
immer in der Mitte, aufrecht, zwischen den Kohlen erhöht und gut
bedeckt haltet, zu diesem Zwecke bedient sich der eine eines halben
Ringes von Stabeisen, der andere macht ihn von Ziegelstücken auf
der oberen Fläche der Esse, und dies geschieht nur, um die Kohlen
zusammenzuhalten und um mehr darüber aufhäufen zu können, damit
man ein stärkeres Feuer bekomme und die Luft nicht über der Fläche
durchdringen könne. Wenn dann das Metall eingeschmolzen und von
aller Asche und Kohlen rein ist, gieſst man es nach Belieben in die
Formen.


Es giebt einige (besonders Messinggieſser), welche zur gröſseren
Bequemlichkeit eine gemauerte Höhlung machen, rund oder quadra-
tisch von einem Palmo (= 25 cm) Durchmesser, oder etwas mehr
oder weniger, und quer darüber nahe dem Rande bringen sie
zwei oder drei Eisen an, daſs der Wind von den Blasebälgen sie
unterhalb trifft und läſst sie so gleichsam die Rolle eines kleinen
Schachtofens spielen. Dann stellen sie die Tiegel auf die Eisen mit
der Beschickung und füllen sie und häuflen sie mit Kohlen, setzen,
sobald es warm wird, die Blasebälge in Bewegung und schmelzen es.
Und solche Meister sagen, daſs sie durch Erfahrung gefunden hätten,
daſs das Messing auf diese Weise seine Farbe besser erhalte, als auf
irgend eine andere, auch schmelze man schneller und werde alles
auf diese Weise ohne viele Mühe aufs beste geschmolzen.


Kap. VI. Über die Art, in kleinen Windöfen (fornello a vento)
zu schmelzen.


Diese Art, mit dem Windofen (Fig. 24) zu schmelzen, wird von
vielen der Schmelzen mit dem Luftofen (Zugofen) genannt, und läſst
sich mit geringer Mühe ausführen. Man macht zunächst, je nach Be-
lieben, einen kleinen oder groſsen Ofen mit Tiegeln und Kohlen, aber
ohne Wind von Blasebälgen, jedoch nicht ohne Zugluft, welche aus
dem Raume, in dem man den Ofen macht, und aus der Anordnung
des Ofens hervorgeht, und welche im Laufe der Zeit das Schmelzen
derjenigen Sache und derjenigen Menge bewirkt, welche Ihr schmel-
zen wollt, die aber im richtigen Verhältnisse zu dem Hohlraume,
dem Feuer und der Luft, welche soviel wie möglich Zug erzeugen
[125]Von den Öfen.
soll, stehen muſs. Um dies zu erreichen, macht man zunächst den
Ofen aus Mauerwerk, oder man arbeitet ihn aus einem Felsen-
vorsprung oder einer Wand von Lehm heraus, oder man kann sie
auch tragbar machen aus Eisenstäben mit Lehm, wie ich es Euch
beschreiben werde. In welcher Weise Ihr es aber auch macht, so
müſst Ihr ihn an einen Ort stellen, der Zug erzeugt. Ihr könnt ihn
z. B. in ein groſses Zimmer stellen oder zwischen Thür und Fenster.
Man macht ihn von runder oder quadratischer Form nach Belieben.
Aus Backsteinen läſst er sich am besten quadratisch machen. Nach-
dem man den Platz ausgewählt hat, macht man ihn unten ½ oder
auch ¾ Elle weit und 1¼ Elle hoch, und an der Ausmündung ⅓ Elle,
oder, wenn Ihr wollt, auch mehr; mit dem Boden gleich macht man
ein Loch ¼ Elle oder mehr weit und einen Palmo (= 25 cm) hoch.
An der Mündung macht man einen Rost aus eisernen Querstäben, auf

Figure 24. Fig. 24.


welchen man in der
Mitte ein Stück Ziegel-
stein legt, so groſs wie
der Boden des Tiegels.
Diesen hat man beim
Schmelzen darauf zu
stellen, damit er immer
gerade steht, auch wenn
die Kohlen sich ver-
zehren. Wenn er in der
Mitte des Feuers erhöht
eingestellt ist, füllt man den Hohlraum ganz mit Kohlen, nachdem
man vorher den Tiegel mit dem zu schmelzenden Material gefüllt hat.


Und so laſst Ihr alles stehen, ohne es anzurühren, ausgenommen,
daſs Ihr Kohlen zufügt, wenn die, welche Ihr aufgelegt habt, verzehrt
sind, bis daſs es geschmolzen ist.


Diese Öfen schmelzen schneller oder langsamer, je nachdem die
Kohlen sind und der Ort, wo sie gemacht sind, oder je nachdem sie die
Zugluft bequem aufnehmen können. Auch macht man sie, wie gesagt,
zuweilen tragbar auf einem groſsen, eisernen Dreifuſs, wie ein mit
Lehm ausgekleideter kleiner Tragkorb. Am Boden macht man einen
Rost, und wer will, daſs es schneller schmelze, stellt eine Schüssel
mit Wasser darunter, in welches die brennenden Kohlen fallen, welche
durch die Öffnungen des Rostes gehen, und, indem sie sich löschen,
verursachen sie durch ihre Hitze eine Verdunstung, welche Zug ver-
ursacht, der sehr nützlich ist. Diese Schüssel mit Wasser hilft auch
[126]Von den Blasebälgen.
denen viel, welche Gold oder Silber schmelzen, denn wenn irgend
ein Körnchen davon durch Zufall herabfällt, wie es vorkommt beim
Hantieren oder Kohlenauflegen, so fällt es in die Schüssel voll Wasser
an einem sicheren Orte, wo man es leicht wiederfinden kann.


Ehe wir uns nun zur Beschreibung der verschiedenen Arten des
Ausschmelzens der Eisenerze im Speziellen wenden, müssen wir noch
die wichtigsten mechanischen Hilfsmittel, wie sie im Anfange des
16. Jahrhunderts zur Beförderung der Schmelzung gebräuchlich waren,
betrachten.


Von den Blasebälgen.


Das wichtigste mechanische Beförderungsmittel der Schmelzung
ist das Gebläse. Als solches war in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts zum Schmelzen der Erze fast ausschlieſslich der Blasebalg
in Anwendung. Zwar war möglicherweise in den Hochgebirgsgegen-
den der Pyrenäen und der Alpen auch das Wassertrommelgebläse im
Gebrauch, da dieses aber weder von Biringuccio noch von Agri-
cola
, noch von irgend einem andern Schriftsteller des 16. Jahr-
hunderts erwähnt wird, so haben wir keine Veranlassung, schon an
dieser Stelle auf seine Konstruktion näher einzugehen. Über die Blase-
bälge dagegen besitzen wir ausführliche Mitteilungen sowohl von Agri-
cola
als von Biringuccio, und diese ergänzen sich gewissermaſsen,
indem ersterer mehr die Konstruktion des Balges, letzterer mehr die
Arten der Bewegung desſelben behandelt. Man kannte damals nur
den Lederbalg. Der Holzblasebalg, der später im Hüttenwesen so
allgemeine Verbreitung fand, war noch nicht erfunden. Der Form
nach waren die Bälge fast ausschlieſslich Spitzbälge. Der cylindrische
Lederbalg mit kreisrundem Boden und Deckel, wie ihn nach Agri-
colas
Beschreibung die Lusitanier beim Zinnschmelzen verwendeten
(s. Fig. 303, Bd. I), war eine Ausnahme. Agricola beschreibt die
Konstruktion des Spitzbalges zum Erzschmelzen genau (Lib. IX, De
re metallica). Wir wollen den Hauptinhalt im Auszuge mitteilen
mit einigen Zeichnungen des Originals. Jeder Blasebalg (Fig. 25)
besteht aus dem Balgleib und dem Balghaupt. Der Balgleib ist zu-
sammengesetzt aus zwei Holzbrettern, „den Backen“, aus zwei Rahmen
und aus zwei Balgledern. Der obere Backen oder der Balgdeckel
[127]Von den Blasebälgen.
ist eine Handbreite (palmus = 75 mm) 1) dick, fünf Werkschuh und
drei Handbreiten (= 1,725 m) lang, am hinteren Teile, dessen Ecken
gerundet oder gebrochen werden, 2½ Werkschuh (0,75 m) breit,
am vordern, da, wo das Balghaupt sich anschlieſst, eine Elle (0,60 m).


Der ganze Balgleib verengert sich also nach dem Balghaupt.
Die Balgbacken sind in der Regel aus zwei Fichtenbrettern zusammen-
geleimt, diese pflegt man auſsen mit zwei schmalen, spitz zulaufen-
den Lindenbrettern zu umgeben. In letztere werden die Nägel des
Balgleders eingeschlagen. Diejenigen, welche diesen Rahmen von
Lindenholz nicht anwenden, nehmen die Fichtenbretter entsprechend
dicker. An dem oberen Balgbrett, dem Balgdeckel, befindet sich ein
Spundloch und der Balgsterzel oder Balgarm. Das Spundloch ist
meistens eine viereckige Öffnung, sechs Querfinger (= 112,5 mm) lang
und vier Querfinger (75 mm) breit. Es ist wie ein Schiebkästchen

Figure 25. Fig. 25.


eingerichtet und wird mit einem Schieber als Deckel geschlossen, der
zwei Palmen einen Querfinger (168 3/3 mm) lang und breit und drei
Querfinger (56¼ mm) dick ist. Diesen oberen Schieber öffnet der
Schmelzer mehr oder weniger dann, wenn der Druck im Balg zu
stark wird, so daſs das Zerplatzen des Leders zu befürchten steht.
Andere haben für denselben Zweck statt dieses viereckigen Schiebers
runde Löcher im Balgdeckel, in welche ein Zapfen eingesteckt wird, der
nach Bedürfnis gelockert oder herausgenommen werden kann. Der
Balgsterzel bildet den Hebel, auf welchen die Daumen drücken oder
der Balg sonst bewegt wird, also den Angriffspunkt der bewegenden
[128]Von den Blasebälgen.
Kraft. Er besteht aus einem starken Holz, 525 mm Länge und 150 mm
mittlerer Breite. Es ist auf den Deckel aufgeleimt und mit Holz-
nägeln aufgestiftet und ragt sieben Querfinger über dem Deckel vor.
Gegen dasſelbe ist auf der entgegengesetzten Seite des Deckels ein
zweites Holz von 750 mm Länge und 75 mm Dicke dawider geleimt
und verstiftet zur Verstärkung, um den Zug und Druck auszuhalten.
Der untere Balgbacken, der Boden (Fig. 26), ist, wie der Deckel, aus
zwei starken Fichtenbrettern und zwei schmalen Lindenbrettern zu-
sammengeleimt; er ist von gleicher Breite und Dicke, aber länger,
weil er zugleich die untere Seite des Balghauptes bildet. Der Balg-
boden enthält das Ventil, den „Windfang“. Dieser Windfang befindet
sich eine halbe Elle vom Ende. Er ist in der Mitte 300 mm lang und
225 mm breit und durch einen Steg in der Mitte, der, nicht aus

Figure 26. Fig. 26.


dem Boden herausgeschnitten,
einen Teil desſelben bildet und
81,25 mm breit ist, geteilt. Der
Deckel des Windfangs aber,
der 356 mm lang und 281 mm

Figure 27. Fig. 27.


breit ist, wird aus einem „subtilen“ Brettchen gebildet, das mit einer
Ziegenhaut bekleidet ist; der haarige Teil desſelben ist nach unten
gekehrt, während die Haut an einer Seite mit Stiften an den inneren
Balgboden aufgenagelt ist. Das Leder besteht, den beiden Öffnungen
im Boden, welche sieben Querfinger voneinander abstehen, entsprechend,
aus zwei Stücken. Durch jeden der Schlitze geht ein Riemen, welcher
auſserhalb an der unteren Seite des Bodens befestigt ist und bewirkt,
daſs die Klappen nur bis zu einer gewissen Höhe sich öffnen und
nicht überschlagen können. Drei Spannen von dem hinteren Ende
des Bodens ist ein starker, eiserner, etwas zusammengedrückter Ring
in demselben befestigt. Die beiden Bügel zwischen Balgboden und
Deckel sind Rahmen von der Gestalt der Backen; sie liegen zwischen
diesen und dienen dazu, das Balgleder daran zu befestigen, um ihm
mehr Halt zu geben.


Sie sind aus vier Lindenbrettern von 75 mm auf 37 mm ausge-
schnitten. Das Balghaupt oder der Balgkopf bildet einen Kasten für
[129]Von den Blasebälgen.
sich, der auſser nach der dem Balgleib zugekehrten Seite ringsum ge-
schlossen ist. An der dem Balgleib abgewendeten Seite befindet sich
die Öffnung für die „Balgliese“ oder Düse, so heiſst das Blechrohr,
durch welches der Wind ausströmt. Das Leder des Balges wird aus
Ochsen- oder Pferdehäuten bereitet. Aber Ochsenleder ist besser als
Roſsleder. Die zwei, aus je einer Haut bestehenden Lederstücke, die
am hinteren Teile des Balges in der Mitte zusammenstoſsen, sind
3½ Werkschuh (= 1,05 m) breit. Sie werden an den Balgbacken und

Figure 28. Fig. 28.


Bügeln mit Riemen und
eisernen Hakennägeln
festgenagelt (Fig. 27).
Die länglichen Nagel-
köpfe, 47 mm breit, so
daſs an den Backen
einer den andern be-
rührt; an den Bügeln
stehen sie weiter von-
einander ab, damit das
Leder nicht zu sehr
gespannt wird und zer-
reiſst. Andere nehmen
statt der Nägel eiserne
Schrauben. Das Balg-
haupt ist mit einem
drei Querfinger breiten,
eisernen Bande um-
zogen. Die Düse ist
von Eisenblech und
vorn drei Querfinger
weit, im Ganzen drei Werkschuh (900 mm) lang. Das Balghaupt ist
mit dem beweglichen Balgdeckel durch ein doppeltes Scharnier ver-
bunden.


Diese Bälge hatten keinen Windsammler, der als Regulator diente,
sondern sie bliesen den Wind nur stoſsweise, beim Zusammenpressen
aus. Deshalb muſsten, um dem Schmelzofen fortwährend Wind zu-
zuführen, mindestens zwei Bälge zusammen blasen, und zwar in der
Weise, daſs abwechselnd der eine saugte, während der andere blies 1).


Beck, Geschichte des Eisens. 9
[130]Von den Blasebälgen.

Zuweilen kombinierte man auch drei Bälge zu einem System,
doch waren zwei die Regel und spricht man daher von den Bälgen oder
von dem Bälgenpaar. Die Bälge ruhten auf einem starken Gerüste,
dem Balggerüste, Fig. 28 (a. v. S.), über dessen Konstruktion Agricola

Figure 29. Fig. 29.


ebenfalls eingehende
Mitteilung macht. Die-
ses Gerüst stand in dem
hinteren Teil der Hütte,
unmittelbar hinter der
Mauer, gegen welche

Figure 30. Fig. 30.


die Schmelzöfen angebaut waren. Auf derselben Seite befand sich
auch das Wasserrad, welches die Bälge bewegte. Die beiden Balg-
liesen bliesen zusammen in ein gemeinschaftliches, trichterähnliches

Figure 31. Fig. 31.


Blech, die Form, welche in die Ofenwand eingelassen war. So kam
nur ein Luftstrahl in den Ofen. Die Form, Fig. 29, wurde aus Kupfer-
oder Eisenblech zusammengefalzt. Ihre Länge betrug 487¼ mm. Das
Blech nahm man 9½ mm, am Boden aber 19 mm dick.


[131]Von den Blasebälgen.

Der Querschnitt der Form war nämlich kein voller Kreis, sondern
auf der unteren Seite, wo sie auf dem Mauerwerk des Ofens auflag,

Figure 32. Fig. 32.


war sie abgeplattet. Die
vordere Öffnung war
56 mm breit, 47 mm hoch.
Der hinterste, breiteste
Teil hatte 500 mm. An
diesem weitesten Teile
pflegten die Bleche nicht
ganz übereinander zu grei-
fen, so daſs ein Schlitz blieb.
Die Düsen der Bälge, welche
in die Form mündeten, hat-
ten vorn 94 mm lichte Öff-
nung.


Die Bewegung der Bälge
wurde vermittelt durch höl-
zerne oder eiserne Daumen,
Kämme oder sogenannte
Wellfüſse, welche in eine
Welle, manchmal die Was-
serradwelle selbst, fest eingezapft waren. Diese drückten entweder
direkt auf den Balgsterzel und preſsten so den Balg zusammen oder

Figure 33. Fig. 33.


auf einen Zughebel, der an
dem Balgsterzel befestigt war.
Die Gegenbewegung, der Auf-
gang des Balges, wurde durch
ein Gegengewicht, welches an
einer Hebelstange, einer Art
Balancier, dessen anderes Ende
mit der Zugstange des Balges
verbunden war, bewirkt.


Die Bewegung der Bälge
geschah indessen in jener Zeit
nicht immer durch Wasserkraft,
sondern vielfach noch durch
Menschen und Tiere.


Es überschreitet den Rahmen unserer Aufgabe, auf die Art und
Weise der Benutzung dieser Kräfte näher einzugehen. Dieses müſste
in einer Geschichte des Maschinenbaues behandelt werden. Wohl
9*
[132]Von den Blasebälgen.
aber gehört es zur Vervollständigung unseres Geschichtsbildes, die
Formen der Verwendung der lebenden und der toten motorischen
Kräfte in jener Periode übersichtlich vorzuführen, um so mehr, da
alle Fortschritte auf diesem Gebiete unmittelbare Fortschritte der
Eisenindustrie veranlaſst haben.


Die direkte Bewegung des Balgdeckels mit der Hand kommt bei
den gewöhnlichen Hüttenbälgen, wie wir sie oben beschrieben haben,
nicht vor, wohl aber finden wir diese Art der Kraftübertragung bei

Figure 34. Fig. 34.


Figure 35. Fig. 35.


den früher beschriebenen cylindrischen
Bälgen (siehe Bd. I, S. 957) in Anwen-
dung. Die einfache Umsetzung der Kraft
mittels Hebel und Zugstange (Fig. 30,
a. S. 130), wie wir sie bei den Schmieden
noch meistens sehen, war bei den groſsen
Hüttenbälgen nicht wohl anwendbar, wohl aber bei den Bälgen kleiner
Frisch- und namentlich der Zerennfeuer. Da aber auch bei diesen
die Bewegung durch die Zugstange auf die Dauer zu anstrengend war
und nicht die nötige Sicherheit für einen kontinuierlichen, gleich-
mäſsigen Luftstrom, wie er erforderlich war, bot, so unterstützte man
die Arbeit des Menschen entweder durch ein Tretwerk, ähnlich wie
bei einer Orgel, oder durch das Tretrad. Ein solches Tretwerk, in
Verbindung mit einem System von drei Blasebälgen zur Grubenventi-
lation und sehr primitiver Kraftüberleitung mittels Lederschnur, giebt
die Abbildung des Agricola, Fig. 31 (a. S. 130). Die Treträder waren
[133]Von den Blasebälgen.
schon ziemlich mannigfaltiger Konstruktion. Am einfachsten waren
die Horizontalräder, in welchen zwei Arbeiter umliefen, welche sich mit
den Händen an einem feststehenden Gerüst halten, Fig. 32 (a. S. 131).
Wirkungsvoller und weniger anstrengend für die Arbeiter waren die
aufrecht stehenden Laufräder, in deren Inneren gewöhnlich zwei
Männer in der Weise liefen, daſs sie auf den an der Innenseite des
Radkranzes angebrachten Stufen aufstiegen und dadurch das beweglich
aufgehängte Rad durch ihr Gewicht umtrieben. Während sich also
das Rad herum bewegte, blieben die Treter immer in derselben Höhe.
Ein solches Rad von etwa 4 m Durchmesser ist nach Agricola
Fig. 33 (a. S. 131) abgebildet. Gab man dem Laufrad einen sehr

Figure 36. Fig. 36.


groſsen Durchmesser, wie in Fig. 34, so konnte durch den langen
Hebelarm schon eine bedeutende Kraft ausgeübt werden.


Bei den Treträdern wendete man auch Tiere an, besonders Hunde
und Ziegen, die förmlich für diese Arbeit abgerichtet wurden, und
solche von Hunden bewegte Laufräder zum Ziehen des Blasebalges
finden sich heute noch bei den Nagelschmieden im Gebrauch 1). In
Fig. 35 ist ein solches von Ziegen bewegtes Laufrad aus dem
Agricola abgebildet. Pferde lieſsen sich in dieser Art Laufrädern
nicht gut verwenden. Diese lieſs man aber in einer andern Art von
Rädern, bei welchen die Trittleisten an der Auſsenseite des Rad-
[134]Von den Blasebälgen.
kranzes angebracht waren, laufen, wie dies Agricola Fig. 36 (a. v. S.)
darstellt. Der Fleiſs des Pferdes wird hier in sehr eigentümlicher

Figure 37. Fig. 37.


Art dadurch angespornt, daſs
ihm der Futterkorb so vor
die Nase gehängt ist, daſs
es, um ihn zu erreichen, ge-
zwungen ist, auf die Tritt-
leisten des Laufrades, das
dann immer unter ihm aus-
weicht, zu treten.


Weit zweckmäſsiger wurde
die Kraft des Pferdes aber
an dem Pferdegöpel, Fig. 37
und Fig. 38, wie er jetzt
noch im Gebrauch ist, ausge-
nutzt. Fig. 39 zeigt die Be-
nutzung des Göpels zur Be-
wegung eines Bälgepaares
nach Agricola.


Bei weitem der beste und
auch am meisten angewandte
Motor zum Betriebe der Hüt-
tenbälge war die Wasserkraft,
die durch Wasserräder über-
tragen wurde. Es waren dies

Figure 38. Fig. 38.


in Deutschland in der Regel oberschlächtige Räder. Bei Agricola
finden wir wenigstens keine andern abgebildet. Sehr mannigfaltig war
[135]Von den Blasebälgen.
die Art der Kraftübertragung vom Motor auf den Balg. Über diesen
Gegenstand hat sich Biringuccio weitläufig in seinem Kapitel über die
Blasebälge (Lib. VII, Cap. VII: Modi di diversi ingegni de accomo-
dare mantici per fondere metalli) ausgesprochen und teilen wir das
Wichtigste daraus in folgendem mit: „Ein wichtiges und notwendiges
Mittel für die meisten Schmelzungen sind die Blasebälge, bei denen
man nicht nur darauf sehen muſs, daſs sie geschmeidig und ausreichend
mit Tuch (Leder) beschlagen sind, sondern auch lang, von groſsem Hub
und von gutem Aussehen, daſs sie gute Ventile haben, lange und
gute Röhren (Düsen) und daſs sie nicht durch Risse Wind verlieren.
Die Art, sie einzurichten, ist sehr wichtig für ihre Wirkung und
deshalb werde ich jetzt einige einfache Maschinen angeben, um sie mit

Figure 39. Fig. 39.


Wasser oder mit Menschenkraft zu bewegen, damit ihr Euch vorkom-
menden Falles derselben bedienen könnt. Obgleich ein jeder Meister
diesen Effekt nach seinem Gutdünken hervorzubringen pflegt, so
stimmen doch alle in der Absicht überein, kräftig und schnell zu
erhitzen, um das Material zu schmelzen. Da man einen starken,
mächtigen Wind anstrebt, damit das Feuer entsprechend sei, und
da die Menschenkräfte groſsen Dingen gegenüber schwach sind, so
sucht man nach Maschinen, indem man verschiedene Hebel anwendet
oder die Hilfe des Wassers. Deshalb ordnen einige ein Kübelrad an,
sechs, sieben oder acht Ellen im Durchmesser, je nach der Lokalität
und der Wassermenge, so daſs seine Welle unter dem Ende des
Brettes, welches auf der Rückseite unten an den Bälgen sich be-
findet (dem Balgsterzel), durchgeht und daſs in dieser Welle an den
richtigen Stellen zwei einander gegenüberstehende Querhebel (Daumen)
[136]Von den Blasebälgen.
befestigt sind, Fig. 40. Das obere Brett der Blasebälge, der Deckel,
sei fest, während das untere, der Boden (gerade umgekehrt wie bei
Agricola), durch nichts gehalten, herabfalle und den Blasebalg öffne.
Dieser dehne sich aus, bis er über die Daumen des Wasserrades an-
komme, worauf die von der Wasserkraft bewegten Daumen das Ende
des Brettes unten am Blasebalge heben und gegen den oberen Teil

Figure 40. Fig. 40.


drücken, und wenn sie —
die Daumen — vorüber-
gegangen sind, fällt der
Balg wieder zurück; auf
diese Weise wird das
Ende des Brettes unten
am Balge immer wieder
von dem Ende des Dau-
mens mitgenommen, wie
Ihr aus der Zeichnung
erseht.


Auch richtet man die Blasebälge für Wasserkraft noch auf mehrere
andere Arten ein, wovon ich zwei beschreiben will, damit Ihr Euch vor-
kommenden Falles mit diesen oder mit Teilen derselben ausrüsten
könnt. Man mache zuerst ein Kübelrad, wie das vorhin erwähnte und

Figure 41. Fig. 41.


am Ende seines Zapfens,
auf dem es ruht, bringe
man eine gekröpfte Achse
an, wie bei einem Schleif-
stein, welcher Krumm-
zapfen, indem er sich
hebt, eine Stange nie-
derdrückt und indem er
herabgeht, dieselbe in
die Höhe zieht (d. h. den
gegenüber liegenden Teil
eines zweiarmigen Hebels). Diese Stange ist über den Blasebälgen
quer gelagert und hat zwei Arme, wie ein Kreuz, an welchen die
Deckel der Blasebälge angehängt sind, von denen das Rad bei seiner
Umdrehung immer einen in die Höhe zieht (siehe Fig. 41, die un-
richtige Zeichnung des Biringuccio)1).


[137]Von den Blasebälgen.

Die andere Art macht man ähnlich, wie die eben beschriebene.
Auch sie besteht aus einem Wasserrad, am Ende von dessen Welle
sich ein ähnlicher Krummzapfen befinde. Über den Blasebälgen sei
ein Querhebel in Zapfen ruhend, welcher an einem Ende ein Gegen-
gewicht hat, am andern den Griff, auf der Seite des Krummzapfens,
welche, indem er sich dreht, den Hebel hinunterzieht und hinauf-
schiebt und dieser, an geeigneter Stelle mit den Bälgen verbunden,
wird den einen davon niederdrücken, während das Gegengewicht
gehoben wird, und der andere hebt sich, wenn dieses wieder herunter-
sinkt. Biringuccio giebt hierzu die nebenstehenden Abbildungen
(s. Fig. 42), die übrigens, wie viele seiner Zeichnungen, recht mangel-

Figure 42. Fig. 42.


haft sind, namentlich
ist die Anordnung des
Krummzapfens durch-
aus falsch.


Viel verständlicher
ist die Abbildung des
Agricola, Fig. 43 a. f. S.
Hier werden die Böden
der Bälge durch Well-
füſse niedergedrückt und
sodann durch Gegen-
gewichte aufgezogen. Jeder Balg hat hier seinen eigenen Balancier
und Kontragewicht, wie dies in Deutschland wenigstens am gebräuch-
lichsten war. Das Gegengewicht pflegte entweder ein dicker Stein zu
sein, welcher an dem der Zugstange entgegengesetzten, breiten Ende
des Querhebels oder Balanciers festgebunden war, oder besser war es
ein viereckiger eiserner Kasten, der, in ähnlicher Weise auf dem
Hebel befestigt, mit Steinen oder Eisenstücken gefüllt und beschwert
wurde. Bei dieser Anordnung war es leicht, das Gegengewicht zu
vermehren oder zu vermindern, je nachdem der Balg rascher oder
langsamer gehen sollte.


Biringuccio wendet sich nun in seiner Beschreibung zu den
durch Menschenkraft bewegten Bälgen, wie sie besonders bei Schmiede-
feuern gebräuchlich waren, indem er folgendermaſsen fortfährt: Man
macht auch für Menschenkraft durch verschiedene Hebel noch man-
cherlei Bewegungsvorrichtungen für Blasebälge. Die gewöhnlichste
und gebräuchlichste ist die mit einem aufrechten, in Zapfen gelagerten
Kreuz mit einer Querstange, welche an dem oberen Arme befestigt
ist und an dem Querarm vorbeigehend, herabläuft bis zu einer Höhe
[138]Von den Blasebälgen.
von einer halben Elle vom Boden. An die Arme dieses Kreuzes
hängt man die Blasebälge (Fig. 44) an und so schiebt ein Mann,

Figure 43. Fig. 43.


indem er sich um einen Schritt bewegt, den Griff des Hebels einmal
vorwärts und zieht das andere Mal rückwärts und auf diese Art werden
[139]Von den Blasebälgen.
die Bälge bewegt, indem sie aufsteigen, wenn sie gezogen werden
und sich senken, wenn sie losgelassen werden.


Eine andere Art wird viel gebraucht, weil der Arbeiter selbst,
wenn er das Eisen nicht schmiedet, ohne Hilfe eines andern die
Blasebälge bewegen kann. Zu diesem Zwecke stellt man einen Pfosten
aufrecht mitten zwischen die Blasebälge (Fig. 45, a. f. S.) und darüber
legt man ein Holz in Zapfen mit einem Gegengewicht am einen Ende,
während man an das andere einen Strick bindet, welcher an einer
Stange herabgeht, die längs der ganzen Schmiede auf die Erde gesetzt
und so angebunden ist, daſs sie etwas Neigung von der Erde ab hat.
Wenn man nun mit einem Fuſs darauf steigt und so das Seil be-
lastet, so wirkt es wie das Schwungrad einer Glocke und so, indem
man herauf- und herabsteigt von jener Stange, werden die Blasebälge

Figure 44. Fig. 44.


gezogen und abgelassen
und machen dadurch
Wind und zwar mit sehr
gutem Erfolge.


Viele, namentlich die
Metallgieſser, bringen
die Blasebälge dadurch
in Bewegung, daſs sie
ein Hanfseil an der Decke
oder einem andern über
den Blasebälgen befind-
lichen Gegenstand befestigen, so daſs es in der Mitte über sie zu
hängen kommt, an dieses bindet man ein Querholz (das einen
Balancier bildet, der mit den Bälgen verbunden ist, an denen sich
der Arbeiter zugleich festhält) und das die Meister „glogo“ zu nennen
pflegen, und indem er auf die Bälge springt, abwechselnd auf den
einen und auf den andern, läſst man sie, indem man sie belastet,
Wind erzeugen und es erzeugt sich soviel, daſs man eine beliebige
Menge Material schmelzen kann (Fig. 46, a. f. S.)1).


Auch legte man, um je einen der Bälge aufsteigen zu machen,
eine horizontale Welle mit Zapfen über den Ort, wo die Blasebälge
aufgestellt sind, mit zwei Armen, die durch einen Hebel bewegt werden,
welcher von unten in das Ende des Holzes zunächst dem äuſseren
Zapfen gesteckt ist. Wird dieser Hebel von einem oder zwei Männern
[140]Von den Blasebälgen.
zwei Schritte vor und zwei Schritte zurückgetrieben, so hebt sich bald
der eine, bald der andere Blasebalg, wie Ihr aus der Zeichnung
(Fig. 44) erseht.


In dieser und vielen andern Weisen kann man es auch noch
machen: So macht man z. B. ein groſses doppeltes Rad, so daſs ein

Figure 45. Fig. 45.


Mensch darin gehen kann
(Tretrad) und welches
auf der einen Seite
stellenweise gezahnt sei.
Auch kann man statt
eines halben Zahnrades
ein Holz aufrecht stellen
(eine leiterartige Zahn-
stange), welches einen
Hebel in die Höhe hebt,
der eine in der Mitte in
Zapfen gelagerte Stange treibt, an welche die Ringe des Blasebalges
angehängt sind. Wenn sich dann das groſse Rad dreht, so greifen die
Zähne in das Sprossenwerk des Hebels, bewegen ihn (am gegenüber-
liegenden Ende) aufwärts und treiben den Wagebalken, an dem die
Blasebälge angehängt sind. Der eine bewegt sich durch diesen Antrieb
nach oben, der andere durch sein Fallen nach unten. Und so be-

Figure 46. Fig. 46.


wegen sie sich, um das
zu thun, was erforder-
lich ist (Fig. 47) 1).


Es giebt unendlich
viele Arten aufzuheben,
niederzudrücken und zu
ziehen, welche man alle
anwenden könnte, um
derartige Wirkungen
hervorzubringen, und ich
erinnere mich, daſs, als
ich über diese Maschine nachdachte, ich zu dem Schlusse kam, daſs
alle jene Wirkungen, welche sich mit Wasser hervorbringen lassen,
im Falle der Not auch durch Menschenkräfte erzeugt werden könnten,
und daſs ebenso alles, was man mit Menschenkräften macht, viel
leichter durch das Wasser gemacht werden könnte. Unter anderm
[141]Von den Blasebälgen.
habe ich eine Maschinerie in einem Gebäude des Thales von Boccheg-
giano angeordnet, welche mit einem einzigen Rade in einem und dem-
selben Raume vier verschiedenen Essen diente und diese Maschinerie
that dieselben Dienste wie vier Wasserräder. Es war dies ein Kübelrad,
wie gewöhnlich, und an seiner Welle waren die Arme (Hebedaumen)
angebracht, welche die Blasebälge bei der ersten Esse hoben. Ferner
war an dem Ende der Welle, wo der Zapfen war, ein Krummzapfen,
welcher, indem er sich in einem hölzernen Stempel umdrehte, einen
Hebel in die Höhe hob und ihn beim Rückgange wieder abwärts be-
wegte, und dieser schob einen Arm von einer andern Welle, welche
bis über die Blasebälge einer andern Esse reichte und bei den Schüben,
welche er machte, hob er bald den einen, bald den andern Arm, an die
die Blasebälge angehängt waren. Und von dieser ging wieder eine

Figure 47. Fig. 47.


andere Stange aus, die
eine andere Welle an-
trieb, welche horinzontal
über einem andern Paar
Blasebälge lag und
welche in gleicher Weise
durch den Schub, welchen
sie hervorbrachte, die
Blasebälge hob, die an
die andern beiden Arme
angehängt waren. Und
so brachte die eine Welle (des Wasserrades) von einem Gerät zum
andern, indem sie auf dieselbe Weise die andern trieb, die Wirkung
hervor, daſs alle vier einzeln oder zu zwei oder zu drei, je nach
dem Willen des Meisters, sich bewegten. Und ich glaube, daſs man
es mit noch mehr so machen könnte, wenn das Wasser mächtig
genug wäre, um die Hebel zu heben, welche die Wasser treiben,
worauf man zu achten hat. Was aber die Anordnung betrifft, so ist
dies eine leichte Sache, denn von der ersten Bewegung kann man zu
vielen übergehen. Aber was mir bei dieser Wirkungsweise der Instand-
haltung entgegen zu sein scheint, ist das Bestehen aus so vielen
Teilen und daſs so viel Gewicht zu bewegen und so viele Kräfte
fortzupflanzen sind, so daſs bei jedem Spiele der Maschinerie ein
groſser Lärm entstand durch die Stöſse der Hölzer.


Ich kann Euch das nicht durch Zeichnung deutlich machen, denn
es wäre für mich eine zu schwierige Sache, es zu zeichnen. Mögen
Euch die genügen, welche ich Euch geboten habe und welche Euch
[142]Von den Blasebälgen.
den Weg zeigen können zu dem, was Ihr nötig habt, wenn meine
Worte nicht genügend waren, um es auszudrücken.“


Dieses Problem, mehrere Feuer und mehrere Bälgepaare von
einem Wasserrad aus zu betreiben, welche Biringuccio so klar

Figure 48. Fig. 48.


und lebendig beschrieben hat, ist
eine Lieblingsaufgabe der späte-
ren italienischen Mechaniker des
16. Jahrhunderts geblieben, und wir
können es uns nicht versagen, zum
Schlusse eine Lösung derselben,
welche Agostino Ramelli in
seinem Werke: „Le diverse et
artificiose machine“, Parizi 1588
(Fig. CXXXVII, Fol. 213), in einem
vorzüglichen Kupferstiche ausgeführt
hat, hier in verkleinertem Bilde
zum Schlusse mitzuteilen (Fig. 48).
Ramelli giebt dazu folgende Er-
klärung1):


Mit Hilfe der hier abgebildeten
Maschine kann man in einer und
derselben Zeit das Eisen in zwei
Feuern erhitzen mit Hilfe von nur einem Wassergerinne. Während
dieses Gerinne durch die Kraft des Wasserlaufes das Rad umdreht,
dreht er die Kurbel, welche an dem Ende der Radwelle befestigt ist,
und an welche die Stange befestigt ist, die an ihrem andern Ende
[143]Von den Blasebälgen.
den kurzen Arm (Hebel) faſst, welcher mit dem Wellbaum verbunden
ist, und durch die Umdrehung der Kurbel auf- und abgezogen wird,
wodurch er bei seinem Auf- und Niedergange den Wellbaum hin und
her dreht, was alles durch den kurzen Arm geschieht. In diesem
Wellbaum ist ein anderer kurzer Arm befestigt, welcher an seinem
Ende in zwei Ringe ausläuft, welche durch die Bewegung hin- und
hergehen und mittels dieser Ringe ist derselbe mit zwei andern kurzen
Armen verbunden, welche in den zwei Wellbäumen befestigt sind,
und durch seinen Hin- und Hergang bewegt er diese Wellen vor- und
rückwärts. Jede dieser ist wieder mit zwei kurzen Armen versehen,
welche mit den Zugstangen der Blasebälge verbunden, diese aufziehen,
und durch diese Bewegung bewirkt, daſs einer um den andern Wind in
die erwähnten Feuer bläst, wie aus der Zeichnung leicht zu verstehen ist.


[[144]]

DAS
AUSSCHMELZEN DER EISENERZE
.


Luppenschmiede.

Das Ausschmelzen der Eisenerze geschah zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts in Rennherden, in Stücköfen, in Blauöfen und in
Hochöfen.


In den Herden und Stücköfen erhielt man unmittelbar ein zu
einer Luppe zusammengebackenes, schmiedbares Produkt, man nennt
dies deshalb das direkte Verfahren, in den hohen Öfen oder Hoch-
öfen erhielt man geschmolzenes, flüssiges Roheisen, welches man durch
eine zweite Operation, das Verfrischen, erst in Schmiedeeisen oder
Stahl umwandelte, deshalb heiſst dieses Schmelzverfahren das in-
direkte
. Dieses letztere war eine neue Erfindung, deren Anfänge sich
bis in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts zurück verfolgen lassen.
Über die älteren direkten Methoden der Eisengewinnung, wie über die
Erfindung des Hochofenbetriebes, der Roheisendarstellung, haben wir
im ersten Bande ausführlich gehandelt. Wir werden uns deshalb
bezüglich der direkten Methoden in der Hauptsache auf das beschränken,
was Agricola und Biringuccio über das Schmelzverfahren zu ihrer
Zeit mitteilen, um dann ausführlicher auf das Wesen des Hochofen-
prozesses, der zwar beim Beginne unseres Zeitabschnittes schon bekannt
war, aber noch wenig Verbreitung gefunden hatte, einzugehen. Nur
in einzelnen Gegenden, und zwar hauptsächlich im Stromgebiete des
Rheines, war er in Anwendung. Daher kommt es, daſs er Agricola
ganz unbekannt geblieben ist und auch Biringuccio nur von Hören-
sagen, wie es scheint, von ihm spricht. Beide beschreiben in ihren
Werken nur die indirekten Schmelzmethoden, welche zu ihrer Zeit
die gebräuchlichsten waren.


Besonders waren es die Rennherde oder Luppenfeuer, welche
die weiteste Verbreitung hatten und in allgemeiner Anwendung stan-
den, denn diese lieſsen sich ohne Mühe und Kosten überall leicht
[145]Luppenschmiede.
aufrichten und waren nicht, wie die Stück- und Hochöfen, von einer
Wasserkraft abhängig. Allerdings war man zu Beginn des 16. Jahr-
hunderts auch bei dem Luppenfeuer vielfach zur Benutzung der
Wasserkraft, sowohl zur Bewegung der Blasebälge, als auch zu der
des Schmiedehammers übergegangen. Aber daneben standen noch viele
Luppenfeuer auf den Bergen in wald- und erzreichen Revieren, deren
Bälge mit Menschenhand oder vermittels eines Tretwerkes — woher
die Bezeichnung „Trethütten“ kommt — bewegt, und deren Hämmer
nur von den kräftigen Armen des „Waldschmiedes“ geschwungen
wurden.


Der Schmelzofen dieser Rennwerke, die man auch Zerennfeuer,
Luppenschmiede, Iserschmitten, Waldschmitten nannte, war ein ein-
facher Herd. Derselbe war in den meisten Fällen gemauert. Bei
leichtschmelzigen Erzen genügte sogar eine einfache Grube, die mit
losen Steinen, um die Kohlen zusammenzuhalten, umgeben wurde. So
war es beim Ausschmelzen der vorzüglichen Erze von Elba zu
Biringuccios Zeiten noch der Fall. Er sagt 1): „Die Erze von Elba
sind von solcher Güte, daſs es, um das Eisen herausziehen und zu
seiner Reinheit zu bringen, nicht der Gewalt heftiger Feuer und vieler
Vorrichtungen bedarf, wie dies bei andern Erzen der Fall ist, sondern
indem man es einfach in einer Schmiede vor die Mündung des Blase-
balges bringt, schmelzt man bei einem ordentlichen Feuer ein sehr
weiches und leicht zu behandelndes Eisen aus, von dem man leicht
jedes beliebige Schmiedestück herstellen kann, wie wenn es Silber oder
ein anderes leicht zu verarbeitendes Metall wäre.“


Wie ein solcher Luppenherd hergestellt wurde, beschreibt Birin-
guccio
folgendermaſsen:


„Die Erze, nachdem man sie zuvor in kleine Stücke von Nuſs-
gröſse zerbrochen hat, werden an dem dafür bestimmten Platze in
einem Haufen aufgefahren. Alsdann macht man um diesen Haufen
herum eine Einfriedigung (clausura) in Form eines Kreises aus dickeren
Erzstücken oder aus andern, tauben Steinen, die man nur dorthin
stellt, um die Kohlen und das Feuer zusammenzuhalten. Mit diesen
Kohlen bedeckt man aufs beste die zu reduzierenden Erze. Alsdann
läſst man die durch ein Wasserrad bewegten Bälge an und schmilzt
nur mit einem Feuer von acht bis zehn Stunden. Auf diese Art
reinigt man es von dem Erdigen, welches es enthält, und es verbleibt
das Eisen geläutert, in einer Masse, ähnlich einem Wachsklumpen,
Beck, Geschichte des Eisens. 10
[146]Luppenschmiede.
welcher sich leicht aus der Umwallung herausheben läſst. So zieht
man es warm aus dem Herde und bricht es mit Handkeulen in
mehrere Stücke. Man erwärmt dann ein jedes der Stücke von neuem
und schmiedet sie unter dem Hammer zu Luppenstäben. Nachdem
dies geschehen, bringt man diese in dieselbe Esse zurück, heizt
sie gut aus, und teilt sie mit den erwähnten Keulen, und schmiedet
sie aus, entweder (rund) in Gestalt von Ruten, oder viereckig oder
wie man will. Ist die Arbeit vollendet, so findet man, daſs das Erz
sich um nicht mehr als um 40 bis 45 Prozent verringert hat, der
Rest ist das reinste Eisen, ein Ausbringen, wie es bei keinem andern
Eisenerze vorkommt.“


In der That war ein so einfaches Schmelzverfahren, das bei einem
Feuer gleich ein gutes, fertiges Schmiedeeisen bei einem Ausbringen
von 55 bis 66 Prozent gab, nur bei so vorzüglichem Erze, wie das
von Elba war, möglich.


Für reiche und gutartige Erze war das Verschmelzen im Luppen-
feuer leichter und vorteilhafter als im Schachtofen. Dies hebt auch
Agricola in seiner bereits oben (S. 42) mitgeteilten Schilderung
eines Rennfeuers hervor. Der Schmelzapparat, den er beschreibt, ist
aber nicht so einfach, wie der vorige, sondern er ist sorgfältig aus
Mauerwerk hergestellt, das ungefähr 1,5 m breit und lang und 1 m
hoch ist. In der Mitte dieses massiven Mauerwerkes befindet sich der
eigentliche Schmelzherd in Form eines flachen Tiegels von etwa 45 cm
Durchmesser und 30 cm Tiefe. Der Herd, der aus Gestübbe gestampft
ist, wird erst mit Kohlen angewärmt, auf diese werden dann lagen-
weise Gichten von Erz und Kohlen in regelmäſsigem Wechsel auf-
getragen und der Wind angelassen. Dem Erze wird nach Bedürfnis
noch gebrannter Kalk als Fluſsmittel beigemischt. Das Schmelzen
dauert acht bis zwölf Stunden. Während des Einschmelzens läſst der
Schmelzer von Zeit zu Zeit die Schlacke abflieſsen. Den Wind regu-
liert er durch eine Zugstange, welche mit einer Schütze verbunden
ist, die den Zufluſs des Aufschlagwassers regelt. Das reduzierte Eisen
sammelt sich in einen Klumpen von 100 bis 150 kg zumeist am Boden
zusammen. Der Meister untersucht dessen fortschreitendes Anwachsen
mittels einer Eisenstange, hebt und wendet dieselbe von Zeit zu Zeit,
läſst, wenn er ihm gar zu sein scheint, die Schlacke durch das ge-
öffnete Schlackenloch völlig abflieſsen, räumt die Kohlen weg und hebt
mit Hilfe seiner Gehilfen, meist deren zwei, dem Knechte und dem
Schlackenläufer, die Luppe mit eisernen Brechstangen und der groſsen
Luppenzange aus dem Herde auf den Boden der Schmiede. Hier wird
[147]Luppenschmiede.
sie zunächst mit starken Holzhämmern mit fünf Fuſs langen Stielen
abgeklopft, um die Schlacke, die ihr anhängt, zu entfernen und sie
oberflächlich zu dichten.


Beistehende Abbildung (Fig. 49) illustriert die Beschreibung des
Agricola.


Bei A sehen wir den Schmelzofen, der unter einer Esse steht, zur
Abführung der Gase, über dem Herde des Ofens den flammenden

Figure 49. Fig. 49.


Kohlenhaufen, dessen
Glut der Meister mit
seiner linken Hand mit-
tels eines Hebels (B),
der mit der Schütze
verbunden ist, regu-
liert, während er mit
seiner rechten einen
Luppenstab zum Aus-
heizen in das Feuer
schiebt. Ein um den
unteren Teil des Ge-
sichtes geschlungenes
Tuch, das Mund und
Nase bedeckt, schützt
ihn vor der Glut und
den schädlichen Gasen.
Aus dem Schlacken-
loch C zur rechten Seite
flieſst die Schlacke
reichlich ab, während
das reduzierte Eisen
auf den Boden des Her-
des vor dem Winde zu-
sammenschweiſst. Hat
sich die Luppe gebildet,
so wird der Rest der
Schlacke abgelassen,
die Kohle fortgeräumt und die Luppe E mit Brechstangen und Zangen
auf den Hüttenboden gehoben. Hier wird sie von den Knechten mit
groſsen hölzernen Hämmern abgeklopft. Alsdann wird sie unter den
Wasserhammer gebracht und mit einem Setzeisen (I) im Kolben (F)
zerteilt. Diese werden in einem besondern Feuer ausgeheizt und in
10*
[148]Luppenschmiede.
Luppenstäbe (G) geschmiedet, die dann weiter zu Schienen, Pflug-
eisen u. s. w. ausgeschmiedet werden, wie dies im Vordergrunde unserer
Abbildung dargestellt ist. Das Ausheizen geschieht nach unserm
Bilde in dem Schmelzherde selbst, während im Texte gesagt ist, daſs
dies in einem besondern Herde vorgenommen werde.


Diese Art der Eisenbereitung in Rennherden war in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts die gebräuchlichste und hat sich auch
bei uns in Deutschland neben den Hochöfen noch lange Zeit erhalten.
Trotzdem ist uns über dieses Verfahren nur sehr wenig überliefert
und wir müssen neuere Berichte zu Hilfe nehmen, um uns das Bild
der Vergangenheit auszumalen. Auſser bei Biringuccio und Agricola
finden wir nur noch bei Monardo in seinem „Lustigen Gespräch von
Stahl und Eisen“ einige nähere Angaben über die Rennarbeit aus
dem 16. Jahrhundert. Monardo selbst schreibt allerdings nur wenig
von den in Spanien gebräuchlichen Catalanschmieden 1), dagegen hat
der deutsche Übersetzer, Jeremias Gesner, in einem wertvollen
Zusatze des in seiner Heimat in Schlesien damals (1615 und früher)
übliche Verfahren folgendermaſsen beschrieben: In Schlesien und in
andern benachbarten, ebenen Landen wird der Eisenstein in sumpfigen
Orten bald unter dem Rasen gegraben, sind kleine, rote Stücke, die
werden gewaschen, fuderweise auf Hammer- und Schmelzhütten ge-
fahren, auf eine Grube voll glühender Kohlen schaufelweise gestreuet,
eine nach der andern, bis genug ist, — da schmelzet es zu Haufen; —
wenn die Grube voll ist und wohl zusammengeflossen, welches die
Hammermeister mit einem Stachel erforschen, räumen sie die Kohlen
weg und stechen die Grube ab, so flieſsen die Schlacken heraus (an
etlichen Orten werfen sie Kalksteine unter dem Schmelzen zu, die
scheiden die Schlacken ab), danach heben sie den Klumpf oder Luppe
aus der Schmelzgrube, schlagen mit groſsen Hämmern die übrigen
Schlacken vollends ab und treiben die Luppe zusammen. Danach
schleppen sie solche Luppe mit den Haken auf einen groſsen Hammer,
von Wasser getrieben, pochen die Schlacken wohl heraus und spalten
sie vielmal zu kleinen Stücken. Diese werden hernach auf einer
sonderen Esse geglüht und wieder auf den groſsen Hammer ge-
bracht, allda sie zu Schienen oder Stäben formieret und gemacht
werden.


Auf dem Schmiedeberge aber im schlesischen Gebirge wird das
Eisenerz oder Stein in tiefen Gängen und harten Felsen gebrochen,
[149]Luppenschmiede.
wie auch in Böheim, Mähren, Österreich und Steiermark, und geschmolzen
wie oben.“


Die leichtschmelzigen Raseneisensteine Niederschlesiens wurden
demnach in höchst primitiven Gruben, ähnlich wie sie Biringuccio
beschreibt, geschmolzen.


Betrachten wir den Rennwerksbetrieb im allgemeinen, so lassen
sich einige allgemeine Erfahrungssätze, die zum Teil schon aus dem
früher Mitgeteilten hervorgehen, feststellen. Die Gröſse des Herdes,
sowohl die Weite als die Tiefe, sind bedingt durch die Art der Erze
und der Kohlen, sowie durch die Stärke des Windes. Bei leicht-
flüssigen Erzen, schweren Kohlen und kräftigem Winde wird man
diese Dimensionen gröſser wählen, als im umgekehrten Falle. Der
Abstand der Form vom Boden schwankte bei den deutschen Luppen-
feuern von 30 bis 50 cm. Die Form lag in der Regel ganz horizontal,
wie bei den Hochöfen. Der Herd war auf Lehmgrund oder auf Mauer-
werk mit Gestübbe ausgeschlagen. Derselbe wurde zum Beginne des
Schmelzprozesses erst „ausgebrannt“, d. h. es wurde erst eine Kruste
von Erz eingeschmolzen, welche den festen Boden für die Luppe und
die flüssige Schlacke bildete. Das Erz wurde schaufelweise auf die
aufgehäuften Kohlen aufgetragen und wurde die folgende erst auf-
geworfen, nachdem die vorhergehende durchgeschmolzen, „durchge-
trieben“, war. Je schneller das Erz durchtrieb, je roher wurde die
Luppe, indem bei der höheren Temperatur das reduzierte Eisen
Kohlenstoff aufnahm; je langsamer das Durchtreiben geschah, je garer
wurde die Luppe, je geschmeidiger, schmiedbarer das Eisen, aber je
geringer war auch das Ausbringen, indem ein groſser Teil des Erzes
unreduziert in die Schlacke ging. Den vorteilhaftesten Mittelweg zu
finden war die Kunst des Renners. Auch hatte er es dadurch in der
Hand, ein weicheres oder härteres Eisen zu erzeugen.


Hierauf gründeten sich auch die beiden hauptsächlichen Methoden
der deutschen Luppenfrischarbeit, die wir nach den Ländern, wo sie
hauptsächlich in Anwendung waren und sich am längsten erhalten
haben, die schlesische und die pfälzische Rennarbeit nennen
können. Bei ersterer wurde das Erz unmittelbar auf gares Eisen
verschmolzen, bei letzterer wurde erst eine rohe oder halbgare Luppe
erblasen, welche dann in einem zweiten Feuer zu Gareisen umge-
schmolzen wurde.


Das günstigere Ausbringen bei dem ersten Einschmelzen im pfäl-
zischen Luppenherde wurde wieder ausgeglichen durch den starken
Abbrand beim Umschmelzen, der oft bis zu 30 Prozent betrug. Im
[150]Luppenschmiede.
schlesischen Herde wurden die Luppenstücke wieder in demselben
Herde ausgeheizt, wie es auch in der Abbildung des Agricola
(Fig. 49) dargestellt ist. Das Ausbringen war bei gut geführter Arbeit
günstiger, doch war diese auch schwieriger und nicht für alle Erz-
arten geeignet. — In Oberschlesien war das Verfahren wieder anders.
Hierbei trug man Erz und Kohlen lagenweise auf und schmolz mit
in den Herd geneigter „stark stechender“ Form ein. Damit die Erze
nicht durchrollen, sondern so wie aufgegeben niederschmolzen, be-
feuchtete man die Erze mit Wasser, ja man rührte sie an manchen
Orten zu einem förmlichen Brei an, den man über die Kohlen aus-
goſs. Die Kohlengichten von 3 bis 4 Kubikfuſs blieben dabei konstant,
während man mit dem Erzsatze je nach dem Gange des Schmelz-
prozesses wechselt. Das Eisen schmolz bei lebhaftem Winde rasch
und also mehr roh ein, und wurde dann auf dem Boden durch den
stehenden Wind zur Gare gebracht. Dies wurde beschleunigt durch
öfteres Abstechen der Rohschlacke und Aufbrechen des angesetzten
Eisens. Hier ist also Roheinschmelzen und Frischen in demselben
Herde verbunden. Die oberschlesischen Luppenherde waren aus feuer-
festem Thone oder aus Ziegeln rund aufgeführt 1). Alle sechs Stunden
war eine Luppe von 1¼ bis 1½ Ztr. fertig, so daſs in sechs Arbeits-
tagen wöchentlich 36 bis 40 Ztr. Stabeisen geschmiedet werden konnten.
Nach Karstens Angabe brauchte man in Oberschlesien für Tarnowitzer
Erze im Luppenfeuer zu 1 Ztr. Stabeisen 60 rhein. Kubikfuſs Holz-
kohlen, und erzielte dabei ein Ausbringen an Eisen von 12½ Prozent
des Gewichtes der Erze, während beim Hochofen- und Frischprozesse
zur Darstellung von 1 Ztr. Stabeisen nur 42 rhein. Kubikfuſs Kohlen
bei 17 Prozent Ausbringen aus denselben Erzen erforderlich sind 2).


Bei den oberschlesischen Erzen ist also der Rennwerksbetrieb
entschieden unvorteilhafter als das indirekte Verfahren, und dies ist
allgemein der Fall bei geringhaltigen Erzen. Bei reichen Erzen kann
er unter Umständen bezüglich des Kohlenverbrauches günstiger sein,
dagegen wird der Abbrand an Eisen bei den Luppenschmieden immer
gröſser sein. Dies liegt in der Natur des Prozesses. Derselbe muſs
so geführt werden, daſs das Eisenerz gerade reduziert ist, wenn es vor
[151]Luppenschmiede.
die Form kommt, damit es keine Zeit hat, Kohlenstoff aufzunehmen.
Diese Grenze ist aber unmöglich mit Sicherheit zu treffen, dickere,
festere Stückchen werden nicht oder unvollkommen reduziert vor die
Form kommen und sich im Schmelzraume verschlacken.


Die Schlacke muſs möglichst eisenreich und dickflüssig sein, damit
sie nachträgliche Kohlung verhindert, und das reduzierte Eisen nicht
ganz bedeckt und von der Wirkung des Windes abschlieſst. Es ist
dies dieselbe Art von Schlacken, die sich in den prähistorischen
Schmelzstätten gefunden haben (Bd. I, S. 525). Ihrer Zusammensetzung
nach sind es Gemenge von Singulo- und Subsilikaten, die sich aber
meist dem Singulosilikat nähern, wie dies aus den von Berthier
angestellten Analysen hervorgeht 1). Übrigens schwanken die Schlacken
sehr in ihrer Zusammensetzung je nach den Erzen. Das Eisen ist
öfter bis nahe zur Hälfte durch Mangan ersetzt. Richard teilt
folgende mittlere Zusammensetzung mit:


  • Kieselsäure   33,542
  • Thonerde   1,905
  • Eisenoxydul   41,771
  • Manganoxydul   12,310
  • Kalk   8,541
  • Magnesia  1,321
  • 99,390 2)

Die französischen Luppenschmieden, welche sich besonders in den
Gebirgsländern Südfrankreichs bis in dieses Jahrhundert erhalten
haben, sind bereits im ersten Bande (S. 792) ausführlich beschrieben
worden. Der darin betriebene Schmelzprozeſs unterscheidet sich von
der deutschen Rennarbeit dadurch, daſs die Erze, welche mit Kohlen-
staub gemischt aufgegeben werden, zuerst einer scharfen Röstung,
die so weit getrieben wird, daſs die Erze zusammenbacken, in dem
Schmelzherde selbst unterworfen werden, dieser folgt dann das Ein-
schmelzen in denselben Herden und ohne daſs die gebackenen Erze
herausgenommen werden. Dieses Schmelzverfahren beschränkte sich
nicht auf Südfrankreich, es war in den ganzen spanischen Pyrenäen,
besonders in den alten Sitzen der Basken, in Biscaya, Guypozcoa und
Navarra, sowie in den cantabrischen Bergen in Anwendung. Man
[152]Luppenschmiede.
pflegte die verschiedenen Arten des Prozesses unter dem Namen
Katalanschmieden zusammenzufassen.


Wir verweisen wegen derselben auf unsere ausführliche Schilderung
im ersten Bande, wo auch bereits das, was Monardo über dieses
Schmelzverfahren überliefert hat, mitgeteilt ist.


Einige Ergänzungen werden wir bei der Geschichte des Eisens
in Frankreich und Spanien nachbringen 1).


Einen weiteren Aufschluſs über die Luppen- oder Rennfeuer des
16. Jahrhunderts geben uns die interessanten Faktoreirechnungen der
Gittelder Hütten am Harze 2). Sie beziehen sich auf den „Massen-
ofen“, die „Deichhütte“, die Oberhütte und Clusingshütte. Von diesen
war Clusingshütte im 16. Jahrhundert ein gröſseres Rennwerk mit
eigenem Hüttenteiche. In der ersten Zeit von 1573 bis 1580 war
dasſelbe verpachtet. Von 1580 bis 1590 fehlen die Rechnungen.
Dagegen wurde es 1590 und später von der fürstlich braunschwei-
gischen Herrschaft in eigener Regie betrieben, und geben uns die
zwei Quartalsrechnungen von 1590 einen Einblick in den Betrieb
dieses Werkes.


Wir sehen aus den Rechnungen, daſs nicht nur im 16., sondern
noch während des ganzen 17. Jahrhunderts die „Zerennhütten“ sich
noch neben den Hochöfen und den Frischhütten erhielten, und zwar
nicht nur auf den groſsen Höfen und Bauerngütern, wo dieser Betrieb
nach alter Väter Weise noch lange fortgesetzt wurde, sondern auch
auf den fürstlichen Hütten, neben den Frischschmelzen her. Der
[153]Luppenschmiede.
Grund hierfür lag in dem billigen Preise und in der Qualität des
Zerenneisens, weshalb es namentlich von den Bergschmieden der Ober-
harzer Bergwerke vorgezogen wurde.


Ein weiterer Grund lag darin, daſs die Anlage einer Zerennhütte
sehr einfach war, infolgedessen nur wenig Anlagekosten und auch nur
geringe Betriebskosten erforderte. Die Wasserkraft war das einzig
Wichtige und Wertvolle bei einer solchen Anlage. Sie hatte zwei
Räder zu treiben, eins für den Hammer und eins für die Blasebälge,
das Hammerrad und das Blaserad, und brauchte lange nicht so stark
zu sein, als für einen Hochofen oder Massenofen.


Der Schmelzherd selbst hatte einen gemauerten Boden, auf dem
der Herd mit Lehm und mit Gestübbe aufgeschlagen wurde. Er hatte
wie auch die oberpfälzischen Zerennherde, nur auf einer Seite, auf
der Formseite, einen eisernen Zacken, „Taggen“ genannt.


Aus den Baukostenrechnungen ergiebt sich, daſs einen neuen
Herd zu machen 10 Groschen, also etwa 1 Mk. kostete, das gesamte
Eisen für den Herd ist mit 1 Fl. 4 Gr., also etwa mit 3 Mk. angesetzt.
Die Form war von Kupfer, das Blasewerk waren Lederbälge.


Es wurde hauptsächlich sogenanntes „Waageisen“ gemacht. Eine
Waag war gleich ⅓ Centner, ungefähr 18½ kg und war ursprünglich
wohl dasjenige Gewicht, welches ein Schmied auf dem Rücken von
Gittelde nach Zellerfeld zur Bergfaktorei trug. Auſser zu Waageisen
wurde das Produkt des Zerenneisens direkt zu gewissen ordinären
Werkzeugen ausgeschmiedet, hauptsächlich zu Pflugeisen und Kellen-
blättern. Der Preis des Zerenneisens war beträchtlich niedriger als
der des Frischeisens („Zweigeschmolzenen Eisens“). Im Jahre 1590
kostete „Zweigeschmolzenes Eisen“ per Tonne 200 Mk., „Clusings-
eisen“ (Zerenneisen) 160 Mk. Dementsprechend waren aber auch die
Gestehungskosten. Dieselben berechnen sich für die Tonne:


[154]Stücköfen.

Hieraus ersieht man, daſs der Verlust an Eisen im Zerennfeuer
beträchtlich gröſser war, als bei den beiden Prozessen des Schmelzens
im Hochofen und des Verfrischens zusammengenommen, dagegen stellte
sich der Kohlenaufwand und der Arbeitslohn viel niedriger.


Im ganzen wurde in den zwei Quartalen des Jahres 1590 nach
Ausweis der Rechnungen auf der Clusingshütte 7740 kg Zerenneisen
gemacht, was, das Jahr zu 300 Arbeitstagen gerechnet, 51,6 kg für den
Tag entsprechen würde.


Stücköfen.

Waren die Rennherde zu Anfang des 16. Jahrhunderts auch noch
die am meisten verbreiteten Vorrichtungen zum Ausschmelzen der
Eisenerze, so genügten sie doch nicht, sobald es sich um die Ver-
hüttung von schwer schmelzbaren, unreinen Erzen handelte. Solche
bedurften längeren Verweilens in der Reduktionszone und höherer
Temperatur in der Schmelzzone, als dies bei den Luppenfeuern mög-
lich war. Für solche Erze waren deshalb Schachtöfen vorzuziehen
und wendete man solche auch schon seit alter Zeit hierfür an 1). Es
waren dies die sogenannten Stücköfen oder Stucköfen, auch Wolfs-,
Plaa-, Blau- und Bauernöfen genannt, in welchen das Eisen sich eben-
falls zu einem Klumpen von schmiedbarem Eisen — Stück oder Stuck,
Wolff, Luppe, Maſs und Guſs genannt — am Boden sammelte und
wenn dasselbe die gewünschte Gare und Gröſse erlangt hatte, mit
Brechstangen aufgebrochen und mit Haken und Zangen aus dem Ofen
gezogen wurde. Diese Eisenklumpen waren meist beträchtlich gröſser,
als die Luppen der Rennfeuer.


Biringuccio teilt über das Verschmelzen der Eisenerze in
Schachtöfen folgendes mit. Nachdem er die groſse Reinheit der elba-
nischen Erze gerühmt hat, fährt er (Lib. I, Cap. VI) fort: „Aber es
giebt nur wenige, welche nicht mit andern Erzarten gemischt sind
und nicht in ihrem eigenen Wesen in einem groben und rohen Zu-
stande vorkommen, wodurch es nötig wird, daſs sie durch groſse Öfen
hindurchgehen bei mächtigem und lustigem Feuer, wozu viele Kohlen
gehören und eine Menge Arbeiter, denn auf andere Weise könnte
seine Roheit nicht bemeistert werden. Keines ist nämlich ganz ohne
[155]Stücköfen.
böse Beimischung oder Spuren von andern Metallen, von welchen es
oft so durchdrungen ist, daſs man es nur mit Mühe davon befreien
kann, wie ich solches in unserer Gegend bei Siena, als ich noch ein
junger Mann war, erfahren habe, und zwar in dem Thale von
Boccheggiano, wo sich mehrere Fabriken für Eisenbearbeitung des
mächtigen Fürsten Pandolfo befanden, deren Betrieb ich zu leiten
hatte. Ich nahm zu den Eisenerzen von Elba noch diejenigen, welche
in der Nachbarschaft gefunden werden, hinzu und mit den einen und
den andern (d. h. mit dieser Gattierung) habe ich schöne Resultate
erzielt.“ Diese Erze, die denen von Bascaya, Bresciana und Buti ähn-
lich sind, muſsten erst sorgfältig geröstet, ausgelesen, sortiert und
gewaschen werden. Sodann sind mehrere Hochöfen (forni) — so nennt
man die Schachtöfen, die einen groſsen Schmelzraum haben — nötig,

Figure 50. Fig. 50.


die so geformt und
gestaltet sind, wie es
in nebenstehender
Fig. 50 dargestellt ist.


Mit diesem Ofen sind
ein Paar groſse Blase-
bälge verbunden, die
ganz dicht an der
Ofenmauer anliegen,
nach Art eines groſsen
Flügelpaares von 6 bis
8 Ellen (braccia = 3,50 m bis 4,67 m) 1) Höhe, welche durch ein starkes
Wasserrad bewegt werden. Sie haben eine groſse Öffnung zum Blasen.
Und so bringt man mit ihrem mächtigen Winde, der in diese Schacht-
öfen ungefähr 2½ Ellen vom Boden durch ein Rohr geschickt wird,
und nachdem man sie mit Kohlen gefüllt hat, das Erz zum Schmelzen
und je nach der Sorte einmal oder zweimal, bis es in gutes Eisen
verwandelt ist, das man zur Schmiede geben kann, weil es sich gut
ausstrecken läſst. Trotzdem kommt es sehr oft vor, daſs bei aller
Sorgfalt es nicht möglich gewesen ist, das Erz zu einer solchen
Weichheit zu bringen, daſs es sich verarbeiten läſst wegen der Tücke
seiner Beimengungen, welche beim Schmelzen sich unzertrennlich mit
ihm vereinigen. Wenn man aber durch irgend eine Sache (einen Zu-
schlag) dieser abhelfen kann, um es leicht löslich zu machen, so ist
dies die beste und leichteste Art, um es zu gröſserer Vollkommenheit
[156]Stücköfen.
zu bringen. — Erze finden sich aber von vielen Sorten und man reinigt
sie auf mancherlei Weise, je nach ihrer Beschaffenheit und je nach
dem Wissen und Können der Schmelzmeister.“


Nach der Verschiedenheit der Vorbereitung der Erze, des Schmelz-
verfahrens und der Qualität der Kohlen falle das Ausbringen aus
denselben Erzen sehr verschieden aus. Er zweifle nicht, daſs Kohlen
von weichen Holzarten auch das Eisen weich und sehnig mache,
während es umgekehrt durch harte Kohlen hart, fest und von ge-
brochener Sehne werde. Und nun kommt Biringuccio auf die
bereits angeführte Wichtigkeit der Vorbereitung der Erze, um weiches,
sehniges Eisen zu erzeugen. — Dies gelinge indes trotz sorgfältigster
Vorbereitung nicht immer: „Kommt es nun aber dennoch, daſs es
durch seine eigene Natur und trotz aller Sorgfalt kein weiches, son-
dern nur hartes Eisen giebt, so ist es in diesem Falle gut, Stahl
daraus zu machen, ja es ist sogar weit besser, als weiches Eisen daraus
machen zu wollen. Manche nennen wohl solches Erz schon Stahl
und nicht Eisen (-erz). Aber so weit ich sehe, irren diese, denn
es läſst sich keine solche Verschiedenheit zwischen Stahl
und Eisen wahrnehmen, daſs es schon in den Erzen zu unter-
scheiden wäre
. Auch habe ich niemals von diesen Theoretikern
(speculatori) erfahren können, welche Eigenschaften sie diesen zu-
schreiben. Ich glaube vielmehr, daſs man es Eisenerz nennen kann,
wenn man auch, indem man bei richtiger Behandlung doch kein
weiches Eisen giebt, besser Stahl daraus macht, wie ich weiter unten
ausführlicher darlegen will.“


Agricola beschreibt ebenfalls von der Schmelzung der Eisen-
erze im Schachtofen nur den Stückofenbetrieb 1). Er ist, wie Birin-
guccio
, der Ansicht, daſs derselbe für unreinere, schwer schmelzigere
Erze, die mehr Arbeit und stärkeres Feuer bedürfen, vorzuziehen sei.
Diese Erze bedürfen sorgfältiger Vorbehandlung durch Zerkleinern,
Rösten und Waschen und werden dann in Schachtöfen eingeschmolzen,
die den zuvor von ihm beschriebenen Krummöfen ganz ähnlich, nur
viel höher und weiter seien. Einen solchen Ofen, von dem Agri-
cola
die in Fig. 51 reproduzierte Abbildung A giebt, wird ganz mit
Kohlen und gepochtem Erz, das nicht über nuſsgroſs sein darf, an-
gefüllt, welche der Schmelzer in flachen Körben (Rispen) aufgiebt,
indem er auf den Stufen einer Treppe, die an der Ofenwand ange-
bracht ist, in die Höhe steigt und sie in bestimmter Reihenfolge ein-
[157]Stücköfen.
wirft, den Ofen damit anfüllt, und ihn gefüllt hält, bis Erz genug
eingetragen ist, um eine genügend groſse Luppe zu erhalten. Auch
Agricola bestätigt, daſs dieses Niederschmelzen bei manchen Erzen
zweimal erfolgen muſste, um eine Luppe von gutem Eisen zu erhalten.
Diese wurde mit einem groſsen Setzeisen B unter dem Wasserhammer in
Stücke zerhauen, welche auf einem besondern Herd, dem Löschherd, von

Figure 51. Fig. 51.


neuem ausgeheizt und
ausgeschmiedet wur-
den. Die Beschreibung
des Agricola ist noch
unvollständiger, als die
des Biringuccio, da-
gegen trägt seine bes-
sere Zeichnung vieles
zum Verständnis bei.
Auf dieser Zeichnung
erblicken wir zunächst
den Ofen A. Es ist ein
viereckiger Schacht-
ofen mit offener Gicht
und geschlossener
Brust. Er ist mit
regelmäſsig geformten
Steinen gebaut, die un-
ten, nach dem Schmelz-
raum zu, an Gröſse zu-
nehmen. Diese Steine
können der Zeich-
nung nach ebensowohl
gebrannte Ziegelsteine
als wie behauene Sand-
steine sein und dies
stimmt ganz mit Agri-
colas
Angaben über
den Bau der Schachtöfen im allgemeinen im Anfang des neunten
Buches seiner Hüttenkunde überein, wo er ausdrücklich sagt, daſs
solche Öfen in der einen wie in der andern Weise aufgeführt würden,
daſs aber gute Natursteine ihrer gröſseren Widerstandsfähigkeit wegen
sowohl gegen Feuer als gegen den „Kobalt“, d. h. gegen die chemische
Einwirkung der Dämpfe, vorzuziehen seien. Der Ofen hat rechtwinke-
[158]Stücköfen.
ligen Querschnitt und erweitert sich etwas nach oben. Es ist kein
Grund, anzunehmen, daſs das Ofeninnere anders gestaltet war, er ähnelt
also weit mehr den schwedischen Bauernöfen, als den späteren Stück-
öfen, welche einen Kohlensack hatten und nach der Gicht zu sich ver-
engten. Der Ofen hat auf der Vorderseite eine Brust, d. h. eine Öffnung
im Mauerwerk, die mit Lehm oder Lehmsteinen verschlossen ist und am
Ende jeder Charge zum Zweck der Entleerung des Ofens, besonders
des Ausbrechens des „Stuckes“ ausgebrochen und vor Beginn der näch-
sten Charge wieder neu hergestellt wird. Auch die Schlacke wird durch
diese Brust aus Öffnungen, welche man mit einem eisernen Spieſs
hineinstöſst, abgelassen. Die Bälge dagegen liegen auf der Rückseite.
Die ganze Anordnung ist also ganz wie bei den Metallschmelzöfen und
gerade so stellt dieselbe Biringuccio in Fig. 50 dar, welcher die
Anordnung des Ofens und der Bälge in der Queransicht, also recht-
winkelig, zu der Darstellung des Agricola zeigt. Diese Anordnung
ist sowohl die natürlichere, als auch die der historischen Entwicke-
lung entsprechendere. Sie weicht aber durchaus von den in Steier-
mark wohl schon damals gebräuchlichen Stücköfen ab. Die Gestalt
und Gröſse der lezteren war indes durch besondere lokale Verhält-
nisse bedingt, die wir später erläutern werden, und wir dürfen wohl
annehmen, daſs die oben erwähnten Ofendimensionen die Anfangs des
16. Jahrhunderts allgemein gebräuchlichen waren.


Wir sehen ferner den Aufgeber, der die Treppe am Ofen hinauf-
gestiegen ist, um die Beschickung in den Ofen zu werfen. Zum
Schutz gegen die Ofengase hat er Mund und Nase mit einem Tuch
verbunden. Die Gestalt des Mannes ist in der Zeichnung zu groſs
ausgefallen. Wäre sie richtig, so betrüge die Ofenhöhe nur etwa
1,60 m; während Agricola ausdrücklich sagt, daſs die Eisenschmelz-
öfen viel weiter und höher (multo ampliora et altiora) seien, als die
zuvor beschriebenen Erzschmelzöfen (Krummöfen), deren Höhe er auf
sechs Werkschuh angiebt, was auch dadurch bestätigt wird, daſs diese
direkt vom Boden aus beschickt werden, während der Aufgeber beim
Eisenschmelzofen zu diesem Zwecke erst eine Treppe hinaufsteigen
muſs. Acht Werkschuh oder 2,40 m wird deshalb als die niedrigste
Höhe der Stücköfen von der Art, wie sie Agricola beschreibt, anzu-
nehmen sein. Biringuccio giebt auch kein Maſs für die Ofenhöhe
an, dagegen bestimmt er die Gröſse seiner Blasebälge zu sechs bis
acht Ellen gleich 3,50 m bis 4,67 m und danach würde die Höhe des
Ofens, vorausgesetzt, daſs die unvollkommene Zeichnung einigermaſsen
im Maſsstab gezeichnet ist, etwa 3⅓ m betragen. Zehn Fuſs, also
[159]Stücköfen.
3⅓ m, ist die Höhe, welche von den meisten älteren Stücköfen an-
gegeben wird und dürfte wohl schon im 16. Jahrhundert das normale
Höhenmaſs gewesen sein. — In der Abbildung des Hüttenraumes vor
dem Ofen zieht Verschiedenes unsere Aufmerksamkeit auf sich.


Unmittelbar vor dem Ofen befindet sich eine runde Vertiefung,
ein Sumpf, in den die Schlacke floſs, um dann, wenn die Oberfläche
genügend erkaltet war, in Scheiben abgehoben und aus der Hütte ge-
fahren zu werden. Vor diesem Sumpf liegt die in Stücke zerhauene
Luppe. Es lassen sich 14 Stücke zählen. Neben diesen liegen die
Holzhämmer, mit denen die Luppe, sobald sie aus dem Stückofen ge-
zogen ist, abgeklopft wird. Links lehnt an dem Hammergerüst der
groſse Schrotmeiſsel oder das Setzeisen, mit dem die Luppe zerteilt
wird. Dies geschieht unter dem Wasserhammer, den wir vorn links
erblicken. Er hat eine breite, platte Bahn und schlägt auf einen
Amboſs, der fast wie ein Tisch von quadratischer Form gestaltet ist.
Die platte Gestalt ist notwendig, weil die Luppe erst zu einem flachen
Kuchen ausgeschlagen wird, der dann erst mit dem groſsen Schrot-
meiſsel unter dem Hammer in Stücke zersetzt wird. Diese Arbeit
ist soeben vollendet und so benutzen der Schmiedemeister und sein
Geselle die Pause, um ihre Mahlzeit einzunehmen, während der Knecht
des Schmelzers auf der rechten Seite des Bildes damit beschäftigt
ist, einen Füllkorb mit Erz zu füllen. Die Holzkohlen sind vom Erz
getrennt, in einem besondern Haufen mehr nach vorn gelagert. Die
Luppenstücke müssen zur weiteren Verarbeitung in einem andern
Feuer, dem sogenannten Löschherd, der aber auf dem Bilde nicht zu
sehen ist, ausgeheizt werden.


So giebt uns die Zeichnung des Agricola ein recht anschauliches
Bild der wichtigsten Arbeiten bei dem Stückofenbetrieb.


Über Konstruktion, Bau, Anwärmen und Betrieb der Stücköfen
können wir noch mancherlei aus Agricolas allgemeiner Beschreibung
der Schachtöfen entnehmen. So erklärt er es für eine unbedingte
Notwendigkeit, daſs unter jedem Schachtofen sich ein gemauerter
Hohlraum, die Abzucht, befinde, damit der Boden des Herdes trocken
liege und die Feuchtigkeit des Untergrundes die Schmelzung nicht
beeinträchtige. Er giebt darüber folgende Vorschrift 1):


[160]Stücköfen.

Unter jedem Tiegel oder Herd eines Schmelzofens muſs in der
Tiefe von einer Elle eine verborgene Abzucht sein, drei Werkschuh
lang, drei Spannen breit und eine Elle hoch, aus Bruchsteinen oder
Ziegeln gemacht und ganz mit Steinplatten gedeckt: denn wenn dies
nicht geschähe, würde die Kraft des Feuers die Feuchtigkeit aus der
Erde ziehen ...., wodurch groſser Schaden entstände. Dieser Hohl-
raum muſs Abführungskanäle nach auſsen haben. Denn nachdem der
Ofen auf gutem Fundament aufgebaut ist, wird der Herd aus Gestübbe
geschlagen. Das Gestübbe wird aus Kohlenstaub und Lehm bereitet.
Zu diesem Zwecke wird erst die Holzkohle unter einem Pochwerk,
das nur Stempel von Holz hat, zerstampft und sodann gesiebt. Der
Lehm wird erst getrocknet, dann durchgehordet und hierauf in den
Kasten, in dem sich das Kohlenpulver befindet, hineingesiebt. Nach-
dem es gut gemischt ist, wird es in eine Grube eingetragen, in der
es angefeuchtet längere Zeit liegen bleibt. Die Grube ist mit Brettern
zugedeckt. Man nimmt zwei Teile Kohlen auf einen Teil Lehm.
Der Zubereitung eines guten Gestübbes legt Agricola groſsen Wert
bei. — Nachdem dann der Ofen im Inneren sorgfältig mit Lehm aus-
gestrichen, teils um die Fugen zu decken, teils die Steine vor der
Glut zu schützen, wird auf dem Boden des Ofens der Herd mit Ge-
stübbe sorgfältig geschlagen. Die Art, wie dies gemacht wird, die
Werkzeuge, die dabei gebraucht werden u. s. w., beschreibt Agricola
weitläufig. Nachdem die Brust des Ofens mit Lehm geschlossen wor-
den ist, folgt das Anwärmen. Dieses bezweckt zunächst ein gutes
Austrocknen, sodann eine Erwärmung des Schmelzraumes, damit das
Mauerwerk durch die zu plötzliche Erhitzung beim Schmelzen nicht
Schaden leide und sich die geschmolzene Masse nicht an die noch
kalten Wände ansetze und dadurch das ganze Schmelzwerk störe.
Das Eintragen des Feuers geschieht dabei durch die Form. Ehe man
das Erz aufgiebt, schlägt man etwas Schlacke vor; läuft diese wohl-
geschmolzen ab, so kann man mit dem regelmäſsigen Aufgichten be-
ginnen. Dies geschieht in der Weise, daſs abwechselnd Kohlen und
Erz aufgetragen und in Lagen ausgebreitet werden. Dabei ist es
alter Brauch, den Kohlensatz gleich zu halten, mit dem Erzsatz aber
nach Bedürfnis, d. h. nach der Hitze im Ofen, nach der Art der
Erze u. s. w., zu wechseln.


Waren die von Agricola und Biringuccio beschriebenen und
dargestellten Arten der Stücköfen wohl diejenigen, welche in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die gröſste Verbreitung hatten,
so entwickelten sich diese Öfen in Gestalt, Gröſse und Betrieb ver-
[161]Stücköfen.
schieden in verschiedenen Gegenden und wir müssen schon in dieser
Periode verschiedene Arten von Stücköfen nebeneinander unterscheiden.


Die einfachsten und primitivsten Schachtöfen waren die in
Schweden gebräuchlichen Bauernöfen. Wir haben die Konstruktion
und den Betrieb derselben bereits ausführlich im ersten Bande 1) be-
handelt. Dieselben waren noch kleiner und unvollkommener, als die
zweite, bereits oben beschriebene Art, welche bis in dieses Jahrhundert
in Ungarn unter dem Namen „Slovakenöfen“ in Anwendung waren
und die sich in Siebenbürgen, der Walachei und Bulgarien noch heut-
zutage finden 2). Als dritte Art möchten wir die steirischen Stück-
öfen, die sich bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in Steiermark
erhalten haben, bezeichnen; als vierte endlich die niedrigen Blauöfen

Figure 52. Fig. 52.


der Grafschaft Henneberg, welche noch in diesem Jahrhundert zu
Schmalkalden betrieben wurden.


Zu unserer Schilderung der schwedischen Bauernöfen haben wir
hier nur noch einiges Weniges nachzutragen. Swedenborg, welcher
in seinem trefflichen Buche „de ferro“ eine genaue Beschreibung
dieser Öfen giebt 3), hält das Verschmelzen der Sumpferze (vena palu-
dinosa) zu Sumpfeisen (ferrum palustre-„Myrjern“) für die älteste
Art der Eisengewinnung in Schweden. Die ältesten Öfen sind nach
seiner Beschreibung diejenigen mit einem Balg, der getreten wird,
wie sie zu seiner Zeit, in den ersten Dezennien des vorigen Jahr-
hunderts, noch in Dalekarlien gebräuchlich waren. Er beschreibt
dieselben folgendermaſsen:


„In Dalekarlien wird der Schmelzofen (ustrina), Fig. 52, irgendwo
in der Ebene angelegt, indem man eine Grube von drei Fuſs Tiefe,
Beck, Geschichte des Eisens. 11
[162]Stücköfen.
fünf Fuſs Länge und vier Fuſs Breite macht. Die Weite am Boden
beträgt zwei Fuſs. Er wird ohne Kanal zur Abführung der Feuchtig-
keit, ohne Bodenstein und ohne die sorgfältige Konstruktion des
Schmelzraumes (foci), wie dies bei den gröſseren Öfen geschieht, sondern
nur aus flachen Steinen, die mit Thon verstrichen werden, hergestellt.
Der Boden besteht nur aus trockener Erde mit etwas Schlacken ver-
mischt. Anders ist es in Ångermanland: hier hat der Schmelzraum
zwei Öffnungen zum Windeinblasen. Der Herd oder Tiegel ist nicht
unähnlich denjenigen, in welchen man das Kupfer zu reinigen pflegt,
aber er ist tiefer als die in Dalekarlien gebräuchlichen und nach
obenzu weiter. Die Lederbälge werden von Wasserrädern getrieben,
weshalb auch die Öfen gröſser sind und eine gröſsere Menge Erz in
derselben Zeit darin geschmolzen werden kann; indessen sind diese
Art Öfen noch nicht überall in Ångermanland im Gebrauch. Ferner
sind auch im westlichen Dalekarlien, sowie in Lima gröſsere Öfen
erbaut worden, welche mit zwei Bälgen (flabella, eigentlich Fächer)
verbunden sind; sie sind breiter und haben eine Öffnung, durch welche
die Schlacke ausläuft; es kann in diesen in der gleichen Zeit die
doppelte Menge Erz geschmolzen werden. Im übrigen besteht der
Boden der Öfen in Ångermanland aus einer Steinplatte; die Tiefe des
Schmelzherdes ist 1½ Ellen, der obere Umfang 1½ Ellen im Durch-
messer und von kreisrundem Querschnitt bis zur Form. Der Raum
darunter aber ist quadratisch von ⅜ Ellen Seitenlänge, mit ab-
gerundeten Ecken. Die Form liegt vom Boden 4 Zoll ab.


Sonst macht man (bei den alten Öfen) keinerlei Öffnung, um die
Schlacke abzulassen, wie dies bei den Hochöfen der Fall ist, sondern
wenn sich die Schlacke gesammelt hat, so daſs sie bis zum Formmunde
gestiegen ist, so läſst man sie durch diese allgemeine Öffnung ab-
flieſsen; für gewöhnlich verbleiben aber diese flüssigen Unreinigkeiten
in dem Schmelzraume bis zur Beendigung der ganzen Schmelzung, und
wenn sie erstarren, bilden sie die Oberfläche der Eisenluppe.


Doch damit ich nicht so oberflächlich die Konstruktion dieser
kleinen, aber durch ihr Alter und ihre Einfachheit bemerkenswerte
Anlagen übergehe, will ich eine genauere Beschreibung davon geben.


Man legt dieselben an trockenen Plätzen an, in Wäldern oder in
abfallenden, von Hügeln umkränzten Seitenthälern, wo sie vor Wind
und Sturm geschützt sind: besser noch ist es, wenn man einen Ort
sucht, wenn er zu finden ist, am Ufer eines Baches, welcher ein
Wasserrad treiben und die Bälge (flabella) bewegen kann, die man
andernfalls, wenn kein Wasser zur Hand ist, treten muſs. Sie werden
[163]Stücköfen.
auf dem nackten Boden aufgerichtet, indem man erst eine Mauer von
½ bis ¾ Elle Dicke herstellt, hierauf wird der Tiegel oder Schmelz-
herd aufgeführt, dem man eine länglich-viereckige Gestalt giebt,
1½ Ellen lang, ½ bis ¾ Elle breit, 1 Elle senkrechte Höhe. Wo der
Tiegel (das Gestell) aufhört, beginnt der Schacht des Ofens, welcher
sich kegelförmig nach oben erweitert bis zu 2½ Ellen Durchmesser.
Von dem Boden des Herdes bis zur Gicht giebt man ihm eine Höhe
von 4½ Ellen und der Mauer eine Dicke von ¼ bis ½ Elle.


Die Innenwände des Ofens, sowohl des Schachtes als auch des
Schmelzraumes, werden mit dem besten Thon ausgestrichen. Der
Boden des Ofens wird mit Kohlenpulver bedeckt und zwar mit frischem,
wenn der Ofen neu gebaut und die Schmelzung erst begonnen wird,
während man später die übrigbleibenden Kohlen mit darunter mischt.
Unten wird dann die Form, durch welche die Führer den Wind in
den Ofen treiben, hergerichtet und zwar ½ Elle vom Bodenstein: der
Formrüssel erhält eine ganz schwache Neigung nach innen zu, so
daſs ein Tropfen Wasser eben noch von selbst auslaufen kann. Die
Wände des Öfchens werden mit Balken umkleidet, derart, daſs ein
Abstand von ¼ bis ¾ Elle zwischen diesen und dem Steinmauer-
werk bleiben, welcher mit lehmigem Sand (pulvere terreo) ausgefüllt
und bis obenhin festgestampft wird. Wenn die Arbeit lebhaft geht
und das Feuer durch das Mauerwerk schlägt und die Holzumkleidung
zu verzehren droht, so bändigt man die Glut durch Anspritzen von
Wasser. Meistenteils werden zwei Lederbälge angewendet. Wenn
man mit zweien bläst, nennt man die Hütte „Twekielling“, wenn nur
mit einem „Enkielling“. — Der Durchmesser des Wasserrades beträgt
drei Ellen und die Länge der Hebelstange, welche von dem Rade be-
wegt wird, sechs Ellen. — Wenn aber kein Bach vorhanden ist, so
wird der Balg von einer Frau oder einem Mann bewegt. Die Frau
dreht Spindel und Faden dabei und besorgt so doppelte Arbeit, indem
sie mit Füſsen und Händen thätig ist, doppelten Gewinn erhoffend 1).


Die Art und Weise, wie die Schmelzung der Erze vor sich geht,
haben wir bereits im ersten Bande ausführlich auseinandergesetzt 2).
Das Charakteristische war, daſs mit rohem Holz geschmolzen wurde.
Dasſelbe wurde über dem Ofen aufgehäuft, wie es in Swedenborgs
skizzenhafter Zeichnung (Fig. 53 a und b, a. f. S.) dargestellt ist. Die
erste Operation bestand in der Hauptsache nur in der Holzverkohlung,
11*
[164]Stücköfen.
damit war aber ein allmähliches, sich bis zur Schmelzhöhe steigerndes
Vorwärmen der Ofenwände verbunden, welche der Vorbereitung der Erze
sehr zu statten kam. Nur hieraus läſst es sich erklären, daſs Versuche,
das Sumpferz mit Holzkohlen in denselben Öfen einzuschmelzen, un-
günstige Resultate hatten und nur ein ungares Produkt lieferten.


Das Feuer wurde bei den alten dalekarlischen Öfen durch die
Form eingetragen. Beim ersten Schmelzen, wobei der Ofen noch

Figure 53. Fig. 53

a.


kalt war, erhielt man ½
groſses Pfund 1) (5 kg) Eisen,
aber schon nach dreimal 24
Stunden fielen 1½ bis 2
Lieſspfund (15 bis 20 kg). Die
ausgeschmolzene Masse wurde
mit Haken aus dem Ofen
gezogen und mit der Zange
unter den Hammer gebracht
und erhielt hier eine runde
Form, indem alle Auswüchse
niedergeschlagen wurden. Man
pflegte sieben Schmelzen in einer vollen Schicht (Tag und Nacht)
zu machen. Der normale Zeitaufwand für eine Schmelzung betrug

Figure 54. Fig. 53

b.


zwei Stunden und reicht diese Zeit gerade hin, daſs ein Mann soviel
Holz spalten und zurichten konnte, als für das Schmelzen nötig war.
An einem solchen einfachen Ofen (Enkielling) waren nämlich in der
Regel nur zwei Arbeiter beschäftigt, der eine, der das Holz spaltete
und aufgab und der andere, der die Bälge trat. Das Aufbrechen,
Schmieden u. s. w. besorgten dann beide gemeinschaftlich.


[165]Stücköfen.

War das ausgebrachte Eisen unrein, so muſste es in einem
Löschherde umgeschmolzen werden; war es aber gut geschmolzen,
so brachte man es unmittelbar unter den Hammer und schmiedete
es aus. Dabei wurden die Verunreinigungen herausgetrieben und es
blieb nur zähes Eisen zurück. Allerdings pflegte hierbei die Hälfte
des Gewichtes der Luppe in Verlust zu gehen.


Diese alten dalekarlischen Bauernöfen sind wohl als die primi-
tivsten Stücköfen anzusehen. Ähnliche Öfen gab es in Finnland und
Ruſsland. Diejenigen, welche Agricola und Biringuccio beschrieben
haben, waren in Süddeutschland, Italien, überhaupt in dem ganzen
südlichen Europa heimisch und waren auch diejenigen, welche sich
am längsten erhalten haben und sich in den südlichsten Ländern
Europas heute noch finden.


In Kärnten waren die „Stücköfen“ im 16. Jahrhundert in all-
gemeinem Gebrauch. Sie standen in den Plaahütten, welche den
Radmeistern gehörten. Sie hatten rechtwinkeligen oder cylindrischen
Querschnitt und waren sechs bis acht Fuſs hoch 1). Die Brust wurde
einfach mit Lehm geschlossen. Der „Brustseite“ gegenüber lag die
„Wasserseite“, während der Wind seitlich durch die „Eſseisenseite“
eintrat. Dem Eſseisen, d. h. der Form gegenüber lag die Windseite.
Erz und Kohle wurden lagenweise aufgegeben und die zusammen-
gesinterten, halb geschmolzenen Erze mehrmals auf die Oberfläche
gebracht, bis sich endlich im Sumpfe der Eisenklumpen, „das Stück“,
ein halb rohes, halb gefrischtes Produkt, ansammelte, welches als
solches in den Handel gebracht wurde. Eine Schmelzung dauerte
8 bis 12 Stunden und wurden Stücke von 8 bis 12 Ztr. erzeugt. Der
Kohlenaufwand betrug noch im vorigen Jahrhundert bis zu 60 Kubik-
fuſs pro Zentner und das Ausbringen aus den besten Hüttenberger
Erzen nur 20 bis 24 Prozent.


Neben diesen Stuckhütten, welche keinen Wasserhammer hatten,
bestanden schon seit Anfang des 15. Jahrhunderts in Kärnten die
„Deutsch-Hämmer“. Diese enthielten neben einem kleinen Stückofen
einen Löschherd und einen Wasserhammer. Das geschmolzene
Stück, welches kleiner war, wie das einer Stuckhütte, wurde sogleich
in drei bis vier Stücke zerschroten, im Löschherd ausgeheizt und
direkt zu verschiedenen Grobwaren oder auch zu Stahl ausgeschmiedet.
Dieses sind die Hütten, wie sie Agricola beschrieben hat. Ihre
Besitzer hieſsen Hammermeister. Über die ökonomischen und recht-
[166]Stücköfen.
lichen Verhältnisse dieser Eisenhütten und Hämmer in Kärnten und
Krain werden wir später zurückkommen.


Ähnlich waren die Stücköfen in Ungarn, welche sich als „Slo-
wakenöfen“ bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts in Ungarn
erhalten haben. Zu dieser Art gehörten auch die Stücköfen, welche
um das Jahr 1770 noch in der Wochein in Krain in Anwendung
waren. Da dieselben im Betriebe einige Absonderlichkeiten zeigen,
wollen wir sie hier kurz beschreiben 1).


Über die Wochein und den uralten Eisenhüttenbetrieb daselbst,
der namentlich zur Zeit der Römerherrschaft blühte, haben wir
bereits im ersten Bande berichtet 2). Es scheint, daſs sich der alte
Betrieb in dem geschützten Thale ohne groſse Störungen und deshalb
auch ohne groſse Veränderungen durch viele Jahrhunderte erhalten
hat. Die Stücköfen, die hier gewöhnlich als Wolföfen bezeichnet
wurden, hatten ein viereckiges Rauhgemäuer von 8 Fuſs Seiten-
länge und 11 Fuſs Höhe, vom „Wolfbett“ bis zum „Einsturz“, d. h.
vom Boden bis zur Gicht, und waren aus gewöhnlichen Kalksteinen
aufgeführt. Das inwendige Futter wurde aus einem glimmerartigen
Sandsteine und schwarzem Thon hergestellt. Dieser Sandstein war
sehr feuerbeständig, ein wahrer „saxum fornaceum“. Das Innere des
Ofens hatte kreisförmigen Querschnitt, zwei Fuſs Durchmesser das
Wolfbett und einen Fuſs der Einsturz, in der Mitte aber war der
Ofen weiter. In dem Rauhmauerwerk befanden sich zwei halbmond-
förmige Gewölbe von zwei bis drei Fuſs Höhe, das eine führte zur
Ofenbrust, das andere zum Schlackenabstich. Die Öffnung für die
Brust war die wichtigste, denn diese war zugleich auch die Formseite.
Hier lagen die Bälge, welche den Wind in den Ofen trieben, und hier
wurde der Wolf ausgebrochen, wenn die Schmelzung beendet war.
Sie hatte zwei Fuſs im Quadrat. Die Blasebälge lagen auf Walzen,
um sie leicht zurückschieben zu können, wenn der Ofen aufgemacht
wurde. Die Brust wurde nur mit Thon zugemacht; die Form war
ein einfaches rundes Loch, welches mit einem hölzernen Keil durch
denselben gestoſsen wurde. Die Ofenwand des andern Gewölbes war
dagegen mit Ziegeln vermauert, so daſs in der Mitte nur ein Schlitz
blieb von vier bis sechs Zoll Breite und zwei Fuſs Höhe. Dieser
wurde ebenfalls mit Thon zugemacht und bildete das Abstichloch für
die Schlacken, das leicht hoch oder niedrig geöffnet werden konnte.
[167]Stücköfen.
Häufiger aber brachte man statt dieses Schlitzes viereckige Öffnungen
in verschiedener Höhe an, welche mit einem eisernen, mit Lehm be-
schlagenen Stöpsel zugestopft wurden und dienten diese dann als
Schlackenlöcher. Das Eigentümliche bei den Wolfsöfen der Wochein
war, daſs die Form nicht in der gleichen Höhenlage blieb, sondern
daſs man dieselbe anfangs ganz tief, nahe dem Boden, ansetzte und
sie dann während dem Betriebe höher und höher legte. In der
tiefsten Lage lieſs man sie so lange, bis aus dem Eſsloche Funken
und kleine Schlackenkerne herausflogen; wenn dies geschah, so wurden
auf den Seiten in dem Brustgewölbe kleine Öffnungen gemacht, um
der Schlacke Abfluſs zu geben.


„Fängt nun einmal der Wolf an, sich nach und nach zu setzen,
oder wie man sonst zu sagen pflegt, zu wachsen, so wurde ein anderes
Esloch zween Zoll höher gemacht oder besser gesagt, ausgebrochen
und der Blasebalg erhöhte sich, sowie auch die Schlackenlöcher, sowohl
in dieser als in der andern Fläche.


Je desto mehr steigt man auch mit dem Esloch, gemeiniglich
bis unter den gewölbten Bogen oder den Mauerzirkel; da wird aber
auch auf der Brustseite der Thon, der die Öffnung verstopft hat, weg-
gebrochen, wo man denn noch während der Schmelzung die Masse
oder den Wolf stocken sieht.“


Diese alte Schilderung von einem erfahrenen Hüttenmanne, aus
Krain gebürtig und selbst Gewerke — wie aus den eingestreuten Be-
merkungen der Beschreibung hervorgeht —, ist sehr beachtenswert.
Der Schluſssatz soll heiſsen, daſs man die mit Thon „vermachte“
Brustwand gegen Ende der Schmelzung oben aufbrach, um den Wolf
im Herd beobachten zu können und gerade auf diese Art den Zeit-
moment bestimmte, wann der Wolf fertig war und man die Bälge
abführen durfte.


Um einen Wolf zu machen, wurden 40 bis 50 Zentner Erz ge-
nommen, wozu, nachdem der Ofen gehörig ausgeheizt war, beinahe
die gleiche Menge Kohlen eingesetzt wurden. Als Zuschlag gab man
nur zu 3 Zentner (315 Pfund) 60 bis 70 Pfund „Nägelschnutt-Sinter“,
d. h. Hammerschlag, wie er bei den Nagelschmieden fiel. „Das
Schlackenauge“ — jedenfalls auf der Schlackenabstichseite — „wird
stets geräumt und offen gehalten; nach 18 bis 20 Stunden, wenn der
ganze Erzsatz eingesetzt ist und der Ofen eingeht, werden auf der
Walze die Bälge zurückgeschoben, die Brust eingerennt und der Wolf
oder die geschmolzene Eisenmasse mit Haken herausgezogen, welcher
dann gemeiniglich 15 bis 17 Zentner an Gewicht hat. Man nimmt
[168]Stücköfen.
jedoch nicht gleich bei Öffnung der Brust einen solchen Wolf heraus,
sondern man muſs so lange warten, bis er „gestockt“ hat; hat man
ihn einmal aus dem Ofen, so wird er unter einen 13 Zentner schweren
Hammer gebracht, eine ungeheure Schwere, und in acht, auch mehr
Stücke zersetzt, welche man in der dortigen Hüttensprache Kothlizhe
nennet, sowie das mit den Schlacken aus dem Ofen flieſsende Eisen
Pogahze 1) genannt wird. Nachdem der Wolf aus dem Ofen und in
dem Grunde mit Wassereinsprengen abgekühlt ist, so werden die
darin befindlichen eisenhaltigen Schlacken abgekratzt und in den
Fluſs geworfen, wo dann das Eisen sich durch das Anprellen der
Stein absondert, welches alle Arbeiter, wenn sie Zeit haben, besonders
aber die Weiber und Kinder, aus den Flüssen zu sammeln pflegen
und von den Hüttenverwesern gegen eine gesetzte Taxe eingelöst
wird. Dies ist bei den dortigen Hütten das sogenannte Probiraina
oder Waschwerk und wird auch als ein Zusatz mit dem Erz ver-
schmolzen.“ Auch diese Art, das Wascheisen zu gewinnen, ist höchst
primitiv, deshalb wahrscheinlich sehr alt.


Die Kothlizhe (massa) wurde dann weiter in den Plähfeuern ver-
arbeitet, worüber später berichtet werden wird.


In Steiermark hatte sich schon in früher Zeit aus den Hand-
und Tretöfen, die auf dem „Arzberge“ und dem Prebügel gestanden
hatten, der Stückofenbetrieb an den beiden Hauptthälern zu Eisenerz
und zu Vordernberg entwickelt. Auch hier waren die Öfen anfangs
klein. Da man aber durch den Mangel an Holzkohlen in nächster
Nähe gezwungen war, die Masseln oder Stucke in unverarbeitetem
Zustande zu verkaufen, so kam man bald dazu, die Öfen gröſser zu
bauen und gröſsere Stücke zu erzeugen, weil hierdurch an Kohlen
wie an Arbeitslohn gespart wurde. Kohlenmangel und die Art des
Eisenhandels waren also die Veranlassung für die einigermaſsen ab-
weichende Konstruktion der Stücköfen in Steiermark. Wir haben
diese bereits im ersten Bande (S. 819 u. s. w.) geschildert und be-
schränken uns hier darauf, die charakteristischen Unterschiede noch-
mals hervorzuheben 2). Swedenborg in seinem Werke De ferro (1734)
und Jars in seinem Reiseberichte von 1758 haben im vorigen Jahr-
hundert nach eigener Anschauung die besten Schilderungen davon ge-
liefert. Das Eigentümliche der steirischen Stücköfen bestand haupt-
sächlich darin, daſs die Blaseöffnung und die Ausziehöffnung auf
derselben Seite lagen, so daſs durch die Lehmwand, welche am Schluſs
[169]Stücköfen.
der Schmelzung jedesmal ausgebrochen wurde, auch geblasen wurde.
Die Ursache hierfür lag an der Stellung der Öfen zu den Wasserrädern.
Man hatte bei diesen Stückhütten nur ein Wasserrad, welches die Bälge
in Bewegung setzte, dagegen kein zweites, wie in den Deutschhämmern,
um einen Hammer zu treiben, da ein solcher überhaupt nicht vor-
handen war. Die Bälge muſsten bei jedem Aufbrechen abgehoben
und auf die Seite gerückt werden, damit sie beim Ausziehen der
Luppe durch die Glut nicht verbrannten. Das Ausziehen der schweren
Luppe konnte nicht, wie bei den kleineren Öfen, mit Haken geschehen,
sondern geschah durch ein Ziehwerk mittels einer schweren Zange,
die an einer Kette befestigt war. Diese Kette wurde ebenfalls von
der Wasserradwelle in Bewegung gesetzt. Das 13 bis 14 Zentner
schwere Stück konnte deshalb auch nicht, wie da, wo man sich eines
Wasserhammers bediente, in eine Anzahl von Luppenstücken, wie sie
zum Ausheizen und Verschmieden geschickt waren, zerteilt werden,
sondern zwei Arbeiter hieben sie erst mit Beilen bis auf die Hälfte
ein und teilten sie dann mit schweren Hämmern und Keilen völlig
in zwei Stücke (Halbmassen), von denen ein jedes also sechs bis sieben
Zentner wog und die so auf die Hammerwerke bei St. Gallen ge-
fahren wurden.


Swedenborg beschreibt den Betrieb der Stücköfen zu Vordern-
berg
, wie er sie um das Jahr 1710 gesehen hatte, von denen ihm
aber erzählt wurde, daſs dieselben schon seit 800 Jahren im Gebrauch
seien 1). Es waren damals 16 solcher Öfen vorhanden, die alle einer
dicht neben dem andern an dem reiſsenden Fluſs im Vordernberger
Thale gelegen waren. Ein jeder war mit einem Dach überbaut und
hatte sein besonderes Rösthaus.


„Die Höhe eines Ofens betrug 14 Fuſs, der Durchmesser des
oberen Hohlraumes dicht über der Form (der Kohlensack) 4 Fuſs, am
Boden aber 2 Fuſs. Das Innere des Hohlraumes wurde auf das sorg-
fältigste mit Lehm ausgefugt und bestrichen.


Wenn das Erz geröstet werden sollte, so wurde zuerst eine Lage
von Kohlen und hierauf eine von Erz ½ Fuſs dick ausgebreitet, hierauf
wieder eine Lage von Kohlen und darüber Erz und so in dreifacher
Folge; zuletzt wurde der Rest des erforderlichen Erzes in der Form
eines Scheiterhaufens aufgeschichtet; diese Rösthaufen hieſsen Grametl.
Hierauf wurde Feuer untergelegt, welches drei Wochen erhalten
wurde, damit das Erz durch die langandauernde Röstung leichter zu
[170]Stücköfen.
Pulver zerstoſsen werden konnte, weil es alsdann im Ofen besser zu Eisen
zusammenschmolz. Das zerkleinerte oder gepulverte Erz wurde mit
Hilfe von Wasser- oder Handrädern auf die Gicht des Ofens empor-
gezogen (Fig. 55).


Wenn der Ofen nun mit Kohlen gefüllt war, wurde ein Satz Erz
aufgetragen, der dem Maſse einer Tonne gleichkam. Die Kohlen-
füllung sank nach einiger Zeit nieder, indem das Feuer langsam durch-
drang: war dies geschehen, so wurden acht Maſs Kohlen, die in Körben
geteilt waren, aufgetragen und hierauf Erz lagenweise ausgebreitet, was
15 Stunden hindurch fortgesetzt zu werden pflegte. Mit diesem
Brennmaterial gestattete man dem Erz, indem die Kohlen sich durch
das Feuer verzehrten, bis zur Form niederzugehen und so erschien
vor der Form die Luppe, „Masse“ 1) genannt, die sich, wie erwähnt,
in einem Zeitraume von 15 Stunden ansammelte. — Die Schlacke
wurde auf der Brustseite nahe den Düsen der Blasebälge laufen lassen.


Beim Ausbrechen des Eisenklumpens fand man immer über
jenem noch einen Teil flüssigen Eisens, welches besonders und von
dem Eisenstück getrennt herausgelassen wurde und welches Graglach
hieſs 2): es war dies eine Materie des besten und ausgesuchtesten
Roheisens und wurde diese Sorte für geeignet gehalten, entweder in
Stahl umgewandelt zu werden oder Geräte (utensilia) daraus zu machen 3).
Nachdem diese abgelassen, wurde die zurückgebliebene Materie, die
Luppe oder „Halbmassen“, welche eine Breite von 5 Fuſs einnahm,
aus dem Ofen gezogen und von Männern, solange sie noch heiſs
war, in zwei Teile geteilt, von denen ein jeder Teil 10 Zentner schwer
zu sein pflegte, so daſs man jeden Tag und Nacht eine Masse von
20 Zentnern zu erhalten pflegte.


Dieses Verfahren, das Eisen zu schmelzen, das Schmelzwerk täg-
lich von neuem zu beginnen und eine feste Eisenluppe aus dem Ofen
zu ziehen, sei, wie viele sagen, schon seit 800 Jahren, also etwa seit
910, im Gebrauch; und wenn sie auch zugestehen, daſs eine gröſsere
Menge von Eisen gewonnen werden könne, wenn die Schmelzung nach
der in Kärnten gebräuchlichen Weise (in Floſsöfen), kontinuierlich und
nicht mit Unterbrechungen geschähe, so behaupten sie doch, bedürfe
es die eigentümliche Trägheit ihres Erzes, daſs ein Wechsel kurzer,
unterbrochener Schmelzungen stattfände, denn sie glaubten, daſs ihre
[171]Stücköfen.
Erze ein anhaltendes und soviel schärferes Feuer nicht ertragen, noch
daſs sie dann jenes beste Eisen, welches die Oberflächen der Luppen
enthalten, erlangen könnten. Übrigens waren sie in der Lage, in
jeder Woche sieben solcher Stücke in einem Ofen erzeugen zu können.“


Swedenborg beschreibt nun weiter den Stückofenbetrieb in
„Steiermark“, wobei, da er Styria im Gegensatz zu Vordernberg ge-
braucht, wohl nur an Eisenärz gedacht werden kann. Was er
hierüber anführt, ist nicht eigene Erfahrung, sondern den Mit-

Figure 55. Fig. 54.


teilungen eines „glaubhaften
Gewährsmannes“ entnommen.
Er sagt, man habe drei ver-
schiedene Ofenarten, groſse,
mittlere und kleine. Die
groſsen seien 18 Fuſs, die
mittlern 14 Fuſs hoch. Von
den kleinen giebt er die Höhe
nicht an, doch dürfen wir
dieselben wohl zu 10 bis 12
Fuſs annehmen. Diese letz-
teren seien die ältesten und
auch die zahlreichsten, wes-
halb uns diese hier auch allein
interessieren. Sie wären in
ihrem unteren Teile quadra-
tisch von zwei Fuſs Seiten-
länge. Indem sich der Ofen
über der Form bis etwa zur
Mitte der ganzen Höhe bis
zu vier Fuſs erweitert, ging
der quadratische Querschnitt
in einen kreisrunden über. Von der gröſsten Weite in der Mitte verengte
sich der Ofen nach oben bis zur Gicht auf einen Fuſs. Swedenborg
vergleicht die Gestalt des Ofeninneren mit einem italienischen, aus-
gebauchten Krug. Die inneren Ofenwände wurden aus feuerfestem
Lehm aufgestampft und sollen diese 12 Jahre lang gehalten haben 1).


Die nebenstehenden Zeichnungen, Fig. 54 und 55, sollen das
Bild eines der groſsen steirischen Stücköfen geben, wozu aber Sweden-
[172]Stücköfen.
borg bemerkt, daſs die mittleren und kleinen nur durch die Maſse
verschieden seien. Danach hätte der Ofen in einem Rauhmauerwerk
gestanden, in dessen vorderen Teil ein Gewölbe eingebaut war, durch
welches man zur Ofenbrust gelangte. Charakteristisch sind besonders
die Gestalt des Ofeninneren und das Schlackenloch, welches sich
links von dem Formloch befindet.


In der Zeichnung Fig. 55 soll der Moment dargestellt werden, in dem
der Ofen aufgebrochen ist, um das Stück herauszuziehen. Die faden-

Figure 56. Fig. 55.


artige Linie deutet die Kette
an, mittels der dies geschieht.
Sie wickelt sich um die Blase-
welle auf. Die Blasebälge,
welche durch die Hebedaumen
bewegt werden, sind aus-
gehängt und auf die Seite
geschoben. Es geschah dies
mittels des Zughebels. Der
einfache Aufzug, durch welchen
die Erzkörbe zur Ofengicht
gehoben werden, wird gleich-
falls durch die Blasewelle be-
wegt. — Ein solcher Ofen
hielt mehrere Jahre, während
das Gestell alle Vierteljahr
erneuert werden muſste.


In den kleinen Öfen er-
hielt man alle 6 Stunden ein
Stück von 2¼ bis 2½ Zent-
ner Gewicht, so daſs in 24
Stunden 8 bis 10 Zentner Eisen
gewonnen wurden. Es wurden
20 bis 24 Gichten, jede zu 2 Faſs Erz und ein Maſs Kohlen (wovon
drei einen Sack ausmachten), aufgegeben. Im Durchschnitt wurde
in Eisenerz beim Stückofenbetrieb aus 1 Zentner Erz 39¼ Pfund
Rauheisen ausgebracht und wurde zu 1 Zentner Eisen 2 Faſs gleich
10 Wiener Scheffel Kohlen gebraucht. Über weitere Einzelheiten des
steirischen Stückofenbetriebes, z. B. über die Herstellung der Lehmform,
lese man im ersten Bande nach 1), wo ein ausführlicher Auszug aus
[173]Stücköfen.
Jars1) Beschreibung des steirischen Stückofenbetriebes von 1765
mitgeteilt ist.


Die vierte Art der Stücköfen, welche in Thüringen, in der Graf-
schaft Henneberg, besonders bei Suhl und Schmalkalden, seit vielen
Jahrhunderten betrieben wurde, verdient unsere Aufmerksamkeit einer-
seits, weil es der älteste nachweisbare Stückofenbetrieb in Deutschland
ist, der sich auch am längsten, nämlich noch bis in die vierziger
Jahre unseres Jahrhunderts, erhalten hat, anderseits, weil er das deut-
lichste Beispiel des unmittelbaren Überganges vom Stückofen- zum
Hochofenbetriebe darbietet. Wir haben das Wichtigste darüber bereits
im ersten Bande mitgeteilt 2). Der Bergbau auf dem Stahlberge bei
Schmalkalden soll der Überlieferung nach bereits im Jahre 385 unserer
Zeitrechnung von einem Steiermärker eröffnet worden sein. Wenn
dies auch sagenhaft ist, so spricht doch nichts gegen die Möglichkeit.
Im Stahlberge finden sich Erze, die den steirischen sehr ähnlich sind.
Es ist der Spateisenstein und das aus der Verwitterung desſelben
entstandene Braunerz. Die Übertragung des steirischen Betriebes
hierher erscheint deshalb durchaus wahrscheinlich. Jedenfalls bestand
hier schon Eisensteinbergbau und Eisengewinnung in jener Zeit, als
slawische Stämme sich im Thüringerwalde anzusiedeln suchten 3).
Die ersten Anlagen befanden sich auf dem Rücken der Berge, da, wo
die Eisenlager zu Tage ausstrichen. Man ging den reichsten Erzen
nach. Roteisenstein, Eisenglanz und Glaskopf suchte man zu ge-
winnen, während man das Spaterz unbenutzt liegen lieſs.


Das Ausschmelzen der Erze geschah in Luppenfeuern, deren
Bälge mit Hand oder Fuſs betrieben wurden. Alte Schlackenhaufen
auf den Höhen legen noch Zeugnis ab von diesem Betriebe. Als
der Bergbau gröſseren Umfang annahm und man anfing, die Wasser-
kraft der Bäche für den Schmelzprozeſs dienstbar zu machen, was
bereits im 13. Jahrhundert geschehen zu sein scheint 4), wurden zwar
die alten Rennfeuer zum Teil noch beibehalten, wie zu Altenrode im
Thüringer Thale und am Kaltenbach bei Steinbach-Liebenstein. Da-
[174]Stücköfen.
neben aber entstanden in der Nähe von Schmalkalden und Suhla
Stücköfen. Dieselben waren fast genau so, wie die von Swedenborg
beschriebenen kleinen steirischen zugestellt. Das Innere, das aus
feuerbeständigen Sandsteinen der jüngeren Sandsteinformation her-
gestellt war, hatte die Gestalt von zwei mit den Grundflächen auf-
einander gestellten, abgestutzten Kegeln oder Pyramiden, denn die
ältesten Öfen der Art scheinen viereckigen Querschnitt gehabt zu haben 1).
Die Weite am Boden betrug 2½ Fuſs, im Kohlensack 4 Fuſs 2 Zoll
und an der Gicht 1½ Fuſs, die Höhe der älteren Öfen 12 Fuſs. Der
Kohlensack lag in der Mitte der Ofenhöhe. Auf der Gicht war ein
trichterförmiger Aufsatz von einigen Fuſs Höhe aufgebaut, um besser
aufgeben zu können (Fig. 56). Die Form lag 14 Zoll über dem
Bodenstein, ganz horizontal, und ragte 3 Zoll in den Herd hinein.

Figure 57. Fig. 56.


Der Bodenstein, der aus Kieselkonglomerat bestand, hatte 2 bis 3 Zoll
Fall nach der Brustseite zu. Die „Vermalterung“, d. h. der Möller,
bestand nach Quantz’ Angabe im vorigen Jahrhundert aus ⅓ Stahl-
berger, ⅓ Mommeler Eisenstein und ⅓ Lech oder Schlacke, welche
beim Zängen der „Deuls“ (Luppenstücke) abfiel. Der Ofen wurde
erst mit 12 Stützen gleich 1½ Fuder Kohlen gefüllt, angezündet und,
nachdem das Feuer durchgebrannt war, mit Erz und Kohlen be-
schickt.


Auf ein Füllfaſs (circa 1 Kubikfuſs) Erz gab man ein Füllfaſs
Kohlen, was etwa dem vierfachen Volumen entsprach. Auf diese
Weise wurden 15 Gichten gesetzt. Alsdann stach man die Schlacke
ab, die man fortwährend abflieſsen lieſs. Dieselbe wurde des Wasch-
[175]Stücköfen.
eisens wegen zerklopft. Im Herde des Ofens beginnt die Eisenmasse
sich aufzubauen. Entsprechend wie dieses geschieht, läſst man die
Schlacke sich ansammlen, damit die Masse im Ofen warm gehalten
werde, weil im entgegengesetzten Falle das Losbrechen des „Gusses“
sehr erschwert werden würde. Dies geschieht einfach dadurch, daſs
man mit dem Schlackenstich, den man anfangs ziemlich nahe dem
Boden angesetzt hatte, allmählich in die Höhe geht. Auf die ersten
15 Gichten folgen noch weitere 21 bis 24. Der Schmelzer prüft mit
dem Formhaken, ob sich das Eisen genügend im Herde aufgebaut
hat. Ist dies der Fall, so werden zwei leichte Gichten, d. h. Kohlen-
gichten ohne Erzsatz, aufgegeben. Sobald diese vor die Form gerückt
sind, stöſst man die Ofenbrust, die nur mit Lehm, Ziegeln und
Schlackenbrocken zugemacht war, auf und bricht den „Guſs“ mit
Brechstangen los und zieht ihn mit Haken heraus. Man bedeckt
ihn sofort mit Kohlenstübbe, damit er warm bleibt, und zerschrotet
ihn unter dem Wasserhammer in zwei Teile, die auch hier „Stücke“
hieſsen und von denen Quantz den Namen „Stückofen“ ableitet.
Das eine Stück kommt sogleich in das Löschfeuer, um es warm
zu halten, während das andere in kleine Teile zerschroten wird. Zu
dieser Arbeit sind acht Arbeiter erforderlich. Währenddem macht
der Schmelzer den Ofen wieder zu, giebt dann im Anfang nur Kohlen
auf, dann wieder abwechselnd Erz und Kohlengichten, bis er nach der
15. die Schlacke laufen läſst u. s. w., wie oben beschrieben. Gewöhnlich
wurde der Ofen am Sonntag mit Kohlen gefüllt, am Montag die Bälge
angelassen und am Samstagmorgen ausgeblasen. So geschah es im
vorigen Jahrhundert. Früher aber ward der Ofen jedesmal ganz
niedergeblasen und nach dem Ausziehen des „Guſsstückes“ die ganze
Arbeit wieder von vorn angefangen. Man nannte dies die „einfachen
Güsse“, im Gegensatz zu den, bei der die ganze Woche fortgeführten
Arbeit gewonnenen „doppelten Güssen“.


Das Eigentümliche des schmalkaldischen Betriebes bestand aber
darin, daſs man in denselben Öfen, wenn das Bedürfnis vorlag, auch
Roheisen, sogenanntes „Scheibeneisen“, schmolz und wurde dabei nach
Quantz’ Angabe nichts geändert, als daſs man die Form 2 Zoll tiefer
legte, so daſs dieselbe statt 14 Zoll nur 12 Zoll über dem Bodenstein
lag und daſs man sie nicht in den Ofen hineinragen lieſs. Doch lag
nicht hierin allein die Ursache der veränderten Wirkung, sondern in
der Art und Weise, wie der Betrieb geführt wurde. Man setzte
kleinere Erzgichten, blies schärfer, indem man die Bälge rascher
wechseln lieſs, und stach die Schlacken nicht ab oder nur soweit es
[176]Stücköfen.
dringend nötig war, so daſs das Eisen immer durch eine Schlacken-
decke vor der entkohlenden Wirkung des Windes geschützt war.


Hier haben wir also den unmittelbaren Übergang des Stück-
ofenbetriebes zum Hochofenbetrieb
, und in der That sind im
Schmalkaldischen die „Blauöfen“, niedrige Hochöfen mit geschlossener
Brust, unmittelbar aus den Stücköfen entstanden.


Fassen wir den Stückofenbetrieb als Schmelzprozeſs ins Auge,
so unterscheidet sich derselbe von dem Herdofenbetriebe wesentlich
dadurch, daſs der ganze Prozeſs im Inneren des Ofens verläuft und
der Arbeiter hierbei durch sein Eingreifen, sein Nachhelfen mit der
Brechstange u. s. w. diesen nicht befördern kann. Dagegen hat er
mit der Rennarbeit das gemein, daſs der Betrieb ein unterbrochener
ist und unmittelbar eine schmiedbare Luppe erzielt wird. Während
aber bei den Rennfeuern Reduktion, Kohlung, Schmelzung und Ent-
kohlung fast gleichzeitig und in einem örtlich eng umschlossenen
Raume vor sich gehen, findet dies im Stückofen in zeitlicher und
örtlicher Aufeinanderfolge statt, indem die Reduktion sich in dem
erweiterten Ofenraume oberhalb der Form vollzieht, während die
Schmelzung und Entkohlung vor der Form geschehen.


Vom Hochofenbetrieb unterscheidet sich der Stückofenbetrieb aber
wesentlich dadurch, daſs die Kohlung eine unvollständige bleibt, daſs
das Erz reduziert, aber nur wenig gekohlt vor die Form gelangt und
hier noch durch die Einwirkung des Windes des etwaigen Über-
schusses an Kohle beraubt wird. Deshalb setzt man die Eisenmasse
möglichst unmittelbar der Einwirkung des Windes aus, indem man
die Schlacke fortwährend ablaufen läſst und der Form meistens eine
Neigung nach dem Ofeninneren zu giebt. Daſs bei einem solchen
Schmelzprozeſs die Schlacke sehr eisenreich ausfallen muſs, so daſs
sie mehr einer Frisch- wie einer Hochofenschlacke gleicht, ist ein-
leuchtend, denn einerseits ist die Reduktion oberhalb der Form keine
vollkommene, so daſs die vorhandene Kieselsäure noch reichlich Eisen-
oxydul vorfindet, anderseits wirkt der Wind, der meist durch eine
nach unten geneigte Form eingeführt wird, frischend auf das Eisen
im Gestell ein, wobei eine weitere Menge Eisenoxydul in die Schlacke
übergeführt wird. Die abgestochene Schlacke ist höchstens ein Sin-
gulosilikat, welches 53 bis 54 Proz. Eisen- und Manganoxydul enthält 1).
Dies Eisenoxydul in der Schlacke wirkt wie beim Frischprozeſs ent-
kohlend auf das Eisen. Dabei hat die Schlacke einen niedrigen
[177]Stücköfen.
Schmelzpunkt, weshalb die Form fast immer dunkel geht und häufig
gereinigt werden muſs. So wird also bei dem Stückofenbetriebe nur
ein Teil des Eisens aus den Erzen als metallische Masse abgeschieden
und ist der Schmelzverlust demnach ein sehr hoher. Nur reiche,
leichtschmelzige Erze lassen sich überhaupt so behandeln, bei armen
Erzen würde fast alles Eisen in die Schlacken gehen, das wenige
Eisen selbst aber, da es durch das Übermaſs an Schlacke der Ein-
wirkung des Windes entzogen würde, als Roheisen sich abscheiden.
Auch bei richtig geführtem Betriebe ging doch immer etwa die Hälfte
des in den Erzen enthaltenen Eisens in die Schlacke. Es kann dies
nicht als ein Fehler angesehen werden, sondern der Prozeſs erforderte
eine so eisenreiche Schlacke. Natürlich wurde er dadurch sehr un-
ökonomisch. Wenn er sich trotzdem, auch nachdem der Hochofen-
prozeſs erfunden war, in wichtigen eisenerzeugenden Gebieten so lange
erhalten hat, so liegt dies daran, daſs bei verhältnismäſsig geringen
Anlagekosten und einfacher Arbeit ein Eisen von ganz vorzüglicher
Güte erzeugt wurde. Dies ist natürlich, weil erstens Reduktion und
Schmelzung bei möglichst niedriger Temperatur erfolgen, wobei die
schädlichen Verunreinigungen des Eisens, besonders die Phosphorsäure,
noch nicht zu Phosphor reduziert und in das Eisen übergeführt werden
und weil zweitens die nachträgliche Einwirkung des Windes und der
Eisenoxydulschlacke im Herde eine weitere Reinigung bewirkt. Daſs
das Produkt, welches bei dem Stückofenbetriebe erhalten wird, in
sich nicht gleichförmig ist, daſs bei geringen Abweichungen in der
Beschaffenheit der Erze, ihrem Eisengehalt, ihrer Schmelzbarkeit u. s. w.
bei jeder Schmelzung eine andere Qualität fällt, ist einleuchtend. Es
kann ebensogut ein ganz weiches, wie ein ganz hartes, stahlartiges
Eisen im Stückofen erzeugt werden.


In der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts hatten die
Stücköfen eine groſse Verbreitung. In ihnen und in den Rennherden
wurde der weitaus gröſste Teil des benötigten Eisens dargestellt.


Blauöfen.

Obgleich die Einführung des Hochofenbetriebes und der dadurch
bedingte Übergang von der direkten zu der indirekten Eisengewinnung
ein so wichtiges Ereignis war, daſs es den bedeutsamsten Abschnitt
Beck, Geschichte des Eisens. 12
[178]Blauöfen.
in der ganzen Geschichte des Eisens bildet, so daſs man die Zeit
vor der Einführung der Hochöfen als die alte Zeit, diejenige seit der-
selben als die neue Zeit in der Geschichte der Eisenindustrie bezeichnen
muſs, so ist dieser Übergang doch durchaus kein plötzlicher und
gewaltsamer, sondern ein ganz allmählicher gewesen, der sich nicht
als eine geniale Erfindung oder Entdeckung, sondern als praktische
Erfahrung beim Stückofenbetriebe darstellte, welche wahrscheinlich
nicht einmal an einem einzelnen Platze zuerst gemacht und von diesem
aus verbreitet wurde, sondern sich überall, wo ausgedehnter Stück-
ofenbetrieb geraume Zeit betrieben wurde, von selbst ergab.


Wie leicht dieser Übergang war, haben wir bereits bei der
Schilderung des schmalkaldischen Blauofenbetriebes gesehen. Man
konnte in demselben Ofen durch geringe Abänderungen der Wind-
führung, des Erzsatzes und des Schlackenabstechens einmal eine Luppe
schmiedbaren Eisens, das andere Mal flüssiges Roheisen erhalten.
Führte man den Betrieb in letzterer Weise, so hatte man den Vorteil,
daſs man immer fortblasen konnte, indem man nur in kurzen Zwischen-
räumen die geschmolzene Masse Eisen und Schlacken aus dem Herde
ablaufen lieſs. Man brauchte nicht den Betrieb zu unterbrechen, wie
dies der Fall war, wenn man den Ofen als Stückofen auf Erzeugung
einer schmiedbaren Luppe führte. Dieser charakteristische Unter-
schied, daſs man fortblasen konnte, war auch die Veranlassung, daſs
diese Art Öfen in Thüringen, wie auch in andern Gegenden Mittel-
und Norddeutschlands, den Namen „Blauöfen“ erhielten, ein Name,
der, wie wir bereits früher nachgewiesen haben, keineswegs von der
blauen Farbe, sondern von der alten Bezeichnung „Blaseöfen“, steierisch
Plaaöfen, herzuleiten ist 1). Mit dem Ausdrucke Plaaofen wurden in
Steiermark ursprünglich die Stücköfen im allgemeinen bezeichnet,
ebenso waren die alten thüringischen Blauöfen Stücköfen, während
später der Ausdruck Blauöfen in Deutschland denjenigen niedrigen
Schachtöfen mit geschlossener Brust, in welchen flüssiges Roheisen
aus den Erzen erzeugt wurde, beigelegt wurde. Diese Öfen waren
aus den Stücköfen entstanden und wichen in ihren Dimensionen kaum
von denselben ab. Konnte man doch in denselben Öfen den Betrieb
in der einen und der andern Weise führen. Sobald man aber darauf
ausging, flüssiges Roheisen zu erzeugen und Öfen nur für diesen Zweck
erbaute, bediente man sich bei der Zustellung der Erfahrungen, die
man bei den Stücköfen bereits gemacht hatte. Insbesondere machte
[179]Blauöfen.
man den Schmelzraum kleiner, legte die Form tiefer, 12 Zoll statt
14 Zoll, und verengerte den unteren Ofenraum. Dadurch erhielt
man eine höhere Temperatur im Schmelzraum, infolgedessen auch
eine höhere Temperatur über demselben, wodurch das Eisen vollstän-
diger reduziert und gekohlt wurde, als dies beim Stückofen der Fall
war. Indem man ferner den Wind nicht auf das Eisen im Herde
einwirken lieſs, dadurch, daſs man der Form eine horizontale, meist
sogar eine etwas nach aufwärts gerichtete Lage gab, und das ge-
schmolzene Eisen immer mit Schlacke bedeckt hielt, erreichte man
schon den Zweck, flüssiges Roheisen zu erhalten. Die Vorteile dieses
Schmelzverfahrens lagen darin, daſs man ein besseres Ausbringen aus
den Erzen und geringeren Kohlenverbrauch hatte. Das bessere Aus-
bringen war dadurch bedingt, daſs bei der höheren Temperatur das
Eisen vollständiger reduziert und die Erdbasen verschlackt wurden,
wodurch weniger Eisenoxydul in die Schlacke übergeführt wurde. Der
geringere Kohlenverbrauch wurde hauptsächlich dadurch herbeigeführt,
daſs der Betrieb ununterbrochen fortging, während er beim Stückofen
mit jedem neuen „Guss“ oder „Wolf“ von neuem begonnen werden
muſste.


In allen übrigen Dingen hielt man sich dagegen fast ängstlich an
die Erfahrungen, die man bei den alten Stücköfen gemacht hatte. Dies
geschah namentlich bezüglich der Gestalt und der Gröſsenverhältnisse.


Man machte die Blauöfen ursprünglich nicht höher als die Stück-
öfen, und hielt genau daran fest, daſs die gröſste Ofenweite in der
Mitte, der Kohlensack also in der halben Höhe lag. Man behielt die
Gestalt zweier, mit der Basis aufeinander gestellter abgestutzter Pyra-
miden oder Kegel bei. Obgleich die Erhöhung der Öfen, namentlich
die des Schachtes, sich schon früh als vorteilhaft erwiesen haben
muſs, ging man doch nur sehr allmählich von den alten Maſsen ab.
Die hohen, d. h. mehr als 18 Fuſs hohen Blau- und Floſsöfen gelangten
erst im vorigen Jahrhundert zur Einführung. Sie verdrängten dann
allerdings rasch die niedrigen Blauöfen, welche sich nur für die
Verarbeitung der Bohr- und Drehspäne bei den Gewehrfabriken zu
Suhl und Neustadt-Eberswalde bis in dieses Jahrhundert erhalten
haben.


Die alten Blauöfen waren, wie erwähnt, nicht höher als die Stück-
öfen. Ein Ofen von 14 Fuſs Höhe hatte folgende Hauptmaſse. Die
Höhe vom Boden bis zum Kohlensacke war gleich der Höhe vom
Kohlensacke bis zur Gicht, also gleich 7 Fuſs. Die Weite des Ofens
an der Gicht betrug 2 Fuſs, im Kohlensacke 5 Fuſs und am Boden
12*
[180]Blauöfen.
3 Fuſs. Bei den ältesten Öfen war das Untergestell viereckig. Der
Bodenstein pflegte aus einem einzigen groſsen Stein zu bestehen. In
Schmalkalden nahm man dazu eine Kieselbreccie. Der Bodenstein
war 4 Fuſs lang, 3½ Fuſs breit, 1½ Fuſs dick und fiel nach dem
Abstiche 2½ Zoll, nach der Form 1 Zoll. Unter dem Bodensteine
lagen Kreuzkanäle von 1½ Fuſs Höhe, ähnlich wie bei den Stück-
öfen. Die Öfen, welche aus Sandstein erbaut wurden, hatten ein Ar-
beits- und ein Formgewölbe.


Wenn auch zwischen den deutschen Blauöfen, wie sie in Thüringen
und am Harze gebräuchlich waren, und den Floſsöfen der österreichi-

Figure 58. Fig. 57.


Grundriſs.


Figure 59. Fig. 58.


Aufriſs von der Formseite.


schen Alpenländer ein wesentlicher Unterschied nicht bestand, so
wollen wir doch eine jede Ofenart für sich behandeln.


Über die thüringischen Blauöfen hat Quantz die ausführlichste
Auskunft gegeben. Ihre Konstruktion ist aus nebenstehenden Abbil-
dungen, Fig. 57 bis 60, ersichtlich, ihre Maſse haben wir bereits
bei dem schmalkaldischen Stückofenbetriebe mitgeteilt. Die Brust
oder der „Abstich“, wie Quantz sie bezeichnet, war ähnlich wie
bei den Stücköfen, 2 Fuſs breit und 14 Zoll hoch. Sie wurde
erst mit Kohlenstübbe zugestampft, später aber, wenn das Gestell
erwärmt war, mit Sandsteinen zugesetzt und mit Lehm verschmiert.
Diese Versetzsteine schlossen sich aber nur auf der einen Seite an
die Herdwand an, auf der andern verblieb ein 3 Zoll breiter Spalt,
der mit Lehm verwahrt wurde und als Stichöffnung zum Ablassen
von Schlacken und Eisen diente.


[181]Blauöfen.

Nachdem die Brust geschlossen war, wurde der Ofen zum Anheizen
mit Kohlen gefüllt, und zwar schüttete man zunächst auf die Sohle
des Herdes weiche Kohlen. War der Ofen bis zur halben Höhe
gefüllt, so führte man durch die Form einige glühende Kohlen ein
und blies diese mit dem Balge langsam an, bis man sich überzeugt
hatte, daſs das Feuer um sich griff. Hierauf füllte man den Ofen
vollends bis zur Gicht. Wenn dann nach drei bis vier Stunden die
Kohlen völlig in Brand geraten und bereits etwas niedergebrannt
waren, wurde zuerst ein Füllfaſs voll Kohlen und eine Schaufel voll

Figure 60. Fig. 59.


Aufriſs von der Stichseite.


Figure 61. Fig. 60.


Profil durch A B.


Eisenstein, welche zu-
vor auf der Gichtplatte
erwärmt worden waren,
aufgegeben und das Ge-
bläse angelassen.


So wie sich der
Ofen mehr und mehr er-
wärmte, wurde auch der
Eisensteinsatz verstärkt und in demselben Verhältnis lieſs man auch
die Bälge schneller wechseln. Ehe der Eisenstein aufgegeben wurde,
stürzte man denselben auf die Gichtplatten, welche den erweiterten
Trichter zur Gicht bildeten, um ihn vorzuwärmen, die Feuchtigkeit
auszutreiben und schon die Röstung einzuleiten. Letzteres wurde
auch durch ein hohes Aufgeben, d. h. ein hohes Aufhäufen des Erzes
über der Gicht, erreicht. Beim Aufgeben wurden die groben Kohlen
nach der Formseite hingezogen, um den Luftzug im Ofen zu unter-
halten und den Eisenstein auf der Windseite niederzuschmelzen.
Man gab überall sehr kleine Kohlengichten von 4 bis 5 Kubikfuſs,
wovon bei regelmäſsigem Ofengange stündlich vier durchgesetzt wurden.


Besondere Zuschläge oder Flüsse wurden nicht gebraucht, man
suchte vielmehr die richtige Schlackenbildung in bezug auf Menge
und Zusammensetzung durch entsprechende Gattierung der verschie-
[182]Blauöfen.
denen Eisensteinsorten zu erreichen. Hierbei war man bestrebt, nicht
mehr Schlacke zu erzeugen, als für den Zweck nötig war, indem man
dieselbe in der Regel nicht während dem Niederschmelzen, sondern
mit dem Eisen zusammen abstach. Nach dem Füllen und Anblasen
vergingen 12 bis 14 Stunden, bis man zum erstenmal das Stichloch
mit dem Handstachel aufstieſs, und die aus Eisen und Schlacken
bestehende Schmelzmasse in eine aus Stübbe und Sand hergestellte
runde Grube vor dem Ofen laufen lieſs. Hatten sich im Ofen Ansätze,
sogenannte „Hurten“, gebildet, so wurde der Abstich weiter aufge-
brochen und dieselben mit dem Rengel losgestoſsen und herausgeschafft.
Das Abstichloch oder das Auge wurde dann in den ersten Tagen mit
Gestübbe, später aber mit feuchtem Lehm zugestopft.


Die geschmolzene Masse in der Grube wurde mit Wasser besprengt,
wodurch sich die Schlacke abschied, erstarrte und abgehoben werden
konnte. Dies wurde zwei- bis dreimal je nach der Menge der
Schlacken wiederholt.


Der Roheisenkuchen blieb so lange in der Grube liegen, bis seit
dem Ablassen wieder vier Gichten aufgegeben waren, alsdann wurde
er hervorgezogen und unter einer Wasserrinne abgekühlt. Dadurch
wurde das Eisen abgeschreckt, wonach es sich leichter zerschlagen
lieſs und die Schlacke leichter absprang. Auch lieſs sich das ab-
geschreckte Eisen leichter im Löschherde verfrischen.


Dieses Eisen, welches die Form eines flachen Kuchens hatte, hieſs
„Scheibeneisen“. Dasſelbe pflegte im Löschherde zu Stahl verfrischt
zu werden, sollte es aber zu Eisen gefrischt werden, was in Schmal-
kalden nach der Kaltfrischmethode geschah, so lieſs man es in Leisten
laufen und darin langsam erstarren. Man gewann es dann als so-
genannte „Gänse“ oder „Gänze“.


Das Roheisen der schmalkaldischen Blauöfen war dickgrell, des-
halb zur Gieſserei nicht geeignet, um so mehr zur Stahlbereitung, und
zwar pflegte man das Stückofeneisen mit dem Scheibeneisen hierfür
zusammen zu verfrischen. Für Stabeisen arbeitete man auf „blumige
Flossen“, während man für die Stahlfeuer mehr Spiegelflossen zu
erzeugen suchte. Wie sehr Stückofen und Blauofen verwandt waren,
erweist sich auch daraus, daſs man, wenn man den Blauofen ausblasen
wollte, zum Schlusse noch ein Stück darin herstellte. Dieses war eine
Accidenz des Schmelzers. Zu dem Zwecke gab er vor dem Ausblasen
noch soviel Eisenstein, als die Kohlen tragen konnten, auf, schmolz
das Ganze nieder und brach dann die gebildete Luppe, welche mehrere
Zentner schwer war, nachdem er die Ofenbrust eingestoſsen hatte,
[183]Blauöfen.
ganz wie beim Stückofen auf. Auch diese Luppe wurde im Lösch-
feuer mit Scheibeneisen zu Stahl verfrischt.


Hieraus erkennt man auch, wodurch man überhaupt dazu kam,
den Blauofenbetrieb von dem Stückofenbetriebe zu trennen.


Man bedurfte bei dieser Art der Stahlbereitung auſser dem Stück-
eisen auch dickgrelles Roheisen. Dies bildete sich in den steierischen
Stücköfen zwar nebenher als Graglach, allein man hatte es nicht in
der Hand, die Menge desſelben zu bestimmen, und so erwies es sich
als vorteilhafter, dieses flüssige Eisen in besondern Öfen oder durch
besondere Schmelzungen für sich darzustellen.


War der Blauofen im richtigen Gange, so wurde nach je acht
Sätzen, meistens alle 1½ bis 2 Stunden, abgestochen und dabei jedes-
mal ein Kuchen von 1½ bis 2½ Zentner Eisengewicht erhalten.


Auf diese Weise verschmolz man in den hohen Blauöfen in
24 Stunden gewöhnlich 3 bis 3½ Fuder Eisensteine mit 3½ bis 4 Fuder
Kohlen, und erhielt davon 30 bis 35 Zentner Roheisen. Man rechnete
auf ein Fuder Stahlberger Eisenstein 10 Zentner, auf ein Fuder von
der Mommel 9½ Zentner. Die kleinen Blauöfen arbeiteten weniger
günstig. Bei dem 1½ fachen Kohlenaufwande lieferten sie im Tage
nur 12 bis 15 Zentner Roheisen.


Anfangs fiel meistens Spiegeleisen, „sperriges“ (= spatiges) Eisen
genannt; dies ging dann in ein strahliges Eisen von feinem, dichtem
Korn, weiſsgrauer Farbe und glatter Oberfläche über. Dieses war
das harte Eisen zur Stahlarbeit. Für das Kaltfrischen suchte man
dagegen ein schnellfrischendes Eisen zu erblasen. Es war dies eine
Art „luckiger Floſs“, ganz weiſs, feinstrahlig, inwendig voller Löcher,
die oft bunt angelaufen waren, die Oberfläche voller Blasen. Dieses
kohlenstoffarme Roheisen ging rasch im Frischherde. Die Schlacke
war weiſs, schaumig, bimssteinartig bei dem heiſsen Gange, sonst
dicht, von bräunlicher Farbe, unmittelbar auf dem Eisen aber grün
und glasig.


Die hohen Blauöfen, welche Hochöfen mit geschlossener Brust
waren, in denen nur Roheisen und niemals schmiedbares Eisen her-
gestellt wurde, kamen, wie oben erwähnt, erst im vorigen Jahrhundert
in Schmalkalden zur Einführung und können deshalb auch hier noch
nicht näher berücksichtigt werden.


[184]Floſsöfen.
Floſsöfen.

Früher schon fanden dagegen ähnliche Öfen in den deutsch-
österreichischen Alpenländern, und zwar zuerst in Kärnten, Eingang,
wo man bereits im 16. Jahrhundert auf der Urtler Hütte vom Stück-
ofen zum Hochofenbetriebe überging, oder richtiger gesagt, man baute
Schachtöfen, in denen man nur flüssiges Eisen darstellte. Diese Öfen,
welche, wie die Stücköfen, eine geschlossene Brust hatten, nannte man
Floſsöfen. Die Stadt St. Veit besaſs den ersten derartigen Ofen.
In einer alten Rechnung des dortigen Stadtarchives heiſst es 1):


„Kurz nach Publizierung der Bergordnung im Jahre 1567 wurde
der Stadt St. Veit ein förmliches kaiserliches Privilegium und Kon-
zessionsbrief für einen Floſsofen in Urtl gegeben, und zu den der
Stadt gehörigen Hämmern zu St. Salvator wurden im Jahre 1580 nur
Flossen vom Urtlerofen zugeführt.“ Diese Erfindung stammte aus
Deutschland, was daraus klar hervorgeht, daſs man diese neuen Öfen
deutsche Floſsöfen“ nannte. Sie waren keine einheimische Er-
findung, hatten sich nicht organisch aus den Stücköfen entwickelt,
sondern wurden als etwas Fremdes aus der Fremde eingeführt.


Münichsdörfer teilt folgendes über dieselben mit: „Die ersten
Floſsöfen in Kärnten hatten rechteckigen Querschnitt, erst in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging man auf runden Querschnitt
über; erstere mit rechteckigem Querschnitte nannte man die deut-
schen Floſsöfen, letztere mit rundem, weil zuerst in Steiermark in
Ausführung gebracht, die steierischen oder innerberger Floſsöfen. —


Der reichen Stadt St. Veit waren die Mittel zum Baue eines
Floſsofens in Urtl gegeben. Die Floſsöfen waren 12 bis 14 Fuſs hoch,
es wurde mit einer Form geblasen und der Wind in Spitzbälgen er-
zeugt. Man unterschied auch hier, wie bei den Stucköfen die Brust-,
Wasser-, Wind- und Eſseisenseite. Der Querschnitt der Öfen war,
wie erwähnt, zuerst rechteckig, die Form des inneren Raumes gleich
zwei übereinander gestellten Pyramiden mit dem Kohlensacke in der
Mitte; Weite des Kohlensackes nur 3 Fuſs, der Gicht 17 bis 18 Zoll;
Weite des Eisenherdes am Boden von der Brust- zur Wasserseite
18 Zoll, von der Wind- zur Eſseisenseite 34 Zoll, die Formhöhe über
dem Boden 13 Zoll. Die Öfen waren aus einem feuerbeständigen,
granitischen Gesteine aufgeführt.


[185]Floſsöfen.

In einem Jahre führte man meist nur zwei Kampagnen ab, und
es betrugen die Jahreserzeugungen eines solchen Floſsofens im Anfange
5000 bis 6000 Zentner Flossen, das Stück nahe bei 5 Zentner Gewicht.
Man stach die Flossen in Masseln oder Gänzen von 4 Fuſs Länge,
1 Fuſs Breite und 4 Zoll Dicke. In 24 Stunden wurden sieben bis
acht Stücke solcher Flossen erzeugt mit einem Kohlenaufwande von
22 bis 26 Schaff à 15,5 Kubikfuſs pro Meiler Roheisen. Drei Stück
Flossen wurden ein Zug genannt.“ Dies kam jedenfalls daher, daſs
man je drei Abstiche der Gänze mit dem Haspelwerke herauszog. Um
Stahl zu machen, lieſs man das dafür erblasene Roheisen in eine
vor dem Ofen aus Stübbe hergerichtete Grube, ähnlich wie beim
Kupferschmelzen, laufen und begoſs sie, nachdem sich Eisen und
Schlacke gut abgeschieden hatten, mit Wasser, zog erst die Schlacke
ab und goſs dann von neuem Wasser auf. Die dünne eiserne Scheibe,
die durch die Abkühlung entstand, hob man ab und goſs wieder
Wasser auf, so fuhr man fort, bis man 20 bis 25 „Blatteln“ abgehoben
hatte. Diese wurden dann geröstet und zu Stahl verfrischt.


So wichtige Vorteile diese Erfindung der Roheisendarstellung
brachte, so ist doch sehr bemerkenswert, daſs diese neue Methode
der Erzschmelzung nur sehr langsam Eingang in den eisenerzeugen-
den Ländern Österreichs fand, daſs viemehr der Stückofenbetrieb
noch zwei Jahrhunderte lang herrschend blieb. Viel trug dazu die
zunftmäſsige Gewöhnung der Arbeiter, die jeder Neuerung abhold
war, bei. Denn als die Stadt St. Veit, die Vorteile des kontinuierlichen
Betriebes einsehend, im Jahre 1606 auch in Hüttenberg einen Floſs-
ofen erbauen wollte, erhoben sich alle Radgewerke von Mosing,
Hüttenberg und Lölling und die Eisenhändler von Althofen wie ein
Mann gegen die Konzession und schilderten in einem Protokolle das
Elend, die „Verderbnis“, welches durch Erbauung eines zweiten Floſs-
ofens über die Märkte Hüttenbergs und Althofens hereinbrechen
müſste. Der Gewerke Urban Latacher wurde in der Gewerken-
versammlung in dieser Angelegenheit als Schreiber erwählt, und ihm
20 Thaler hierfür zugebilligt. Er erhielt den Auftrag, sich zur nieder-
österreichischen Regierung nach Gratz zu begeben, um mündlich und
schriftlich gegen die Erbauung des Floſsofens zu protestieren. Für
die Reise erhielt Latacher 10 Dukaten und Vergütung der Reise-
kosten.


Wirklich erwirkten die Gewerken die Hintertreibung des Baues,
allein man riet ihnen, in Hüttenberg in Gemeinschaft einen Unions-
ofen zu erbauen, was im Jahre 1606 in der Gewerkenversammlung
[186]Hochöfen.
zwar zum Beschlusse erhoben, aber aus Uneinigkeit der einzelnen
Gewerken auch nur auf dem Papiere verblieb. Ein Gewerke wollte
an dem zu erbauenden Floſsofen mehr Anteile erlangen als der zweite;
Karl Vellner zu Treibach verlangte sogar die Hälfte. Als man dies
Begehren abwies, erbaute er im Jahre 1606 in Treibach auf eigene
Rechnung, ungeachtet des Verbotes seitens des Vizedomes und Berg-
richters ohne Konzession einen Floſsofen, den zweiten in Kärnten.
In einem Zeitraume von etwa 100 Jahren entstanden nur vier der-
artige Öfen: um 1580 der zu Urtl, 1606 die Floſsöfen in der Heft
und zu Treibach und 1650 der zu Gilligstein bei Eberstein.


Hochöfen.

Der wichtigste Fortschritt der Eisenindustrie, welcher den Ab-
schluſs der alten und den Übergang der neuen Geschichte bildet,
war die Einführung der Hochöfen. Sie fällt bereits in die erste
Hälfte des 15. Jahrhunderts 1). Aber diese Verbesserung, die zuerst
im Rheingebiet Eingang gefunden zu haben scheint, verbreitete sich
äuſserst langsam, so daſs dieselbe noch in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts auf Westdeutschland und Ostfrankreich beschränkt
blieb. Agricola berichtet uns nichts über Hochöfen, denn weder in
Sachsen, noch in Böhmen, Schlesien oder Österreich waren dieselben
bekannt geworden und augenscheinlich hatte der gelehrte Metallurg
nie einen solchen Ofen selbst gesehen. Auch Biringuccio geht
nicht näher auf dieselben ein, doch hatte er Kenntnis von ihnen
und werden wir das wenige, was er darüber sagt, nachher mitteilen.


Zuvor ist es nötig, das Wesen des Fortschrittes, der in der Ein-
führung des Hochofenbetriebes lag, sowie den Unterschied der Hoch-
öfen von den seither beschriebenen Ofenarten zu beleuchten. Der
Übergang zum Hochofenbetrieb war bedingt durch die stärkere und
gleichmäſsigere Windzufuhr, und diese ergab sich von selbst, sowie
man angefangen hatte, die Wasserkraft für die Bewegung der Blase-
bälge in Anspruch zu nehmen. In den alten Windöfen, Waldschmieden
und Bauernöfen, deren Bälge gezogen oder getreten wurden, konnte
[187]Hochöfen.
man nur eine armselige Produktion erzielen; dies wurde anders, als
man die Plahäuser, Hütten- und Hammerwerke in die Thäler ver-
legte und Bäche und Flüsse die Räder treiben lieſs, welche die Bälge
in Bewegung setzten. Dadurch konnte man in den Zerennherden
und noch mehr in den Stücköfen gröſsere Eisenmassen auf einmal
schmelzen, als dies früher der Fall war. Man lernte die Stücköfen
höher und weiter zu bauen und gröſsere Mengen von Erz auf einmal
einzuschmelzen. Trotzdem blieb die ganze Eisengewinnung nur eine
beschränkte, denn man konnte in den genannten Öfen nur reichhaltige
und leichtschmelzige Erze verhütten. Für den Rennwerksbetrieb
waren nur die leicht reduzierbarsten Erze zu verwenden, denn hierbei
muſste sich ja Reduktion und Schmelzung fast in demselben Punkte,
in dem engbegrenzten Verbrennungsraum vor der Form, vollziehen.
Im Stückofen war dies etwas besser, indem die Erze länger im Ofen
verweilten und dadurch besser vorgewärmt wurden, und Reduktion
und Schmelzung räumlich und zeitlich mehr getrennt waren. Da
man aber auch hier die Temperatur niedrig führen muſste, um den
Zweck zu erreichen, indem bei gesteigerter Temperatur sofort die
Qualität und das Ausbringen des Eisens ungünstig beeinfluſst wurden,
so konnte man auch für diesen Prozeſs nur reiche, reine und gut-
artige Erze verwenden. Solche Erze bilden aber nur den kleinsten
Teil der vielen und mächtigen Eisenerzablagerungen, die überall auf
der Erde verbreitet sind. Um schwerer schmelzbare Erze mit Vor-
teil zugute machen zu können, muſste der Hochofenprozeſs erfunden
werden.


Der Stückofenbetrieb führte von selbst darauf hin. Wir haben
bereits gesehen, wie leicht sich der Übergang vom Stückofen zum
Blauofen und zum Floſsofen vollzog. Man hätte bei diesen letzt-
genannten Ofenarten stehen bleiben können, wie dies auch in
manchen Gegenden geschah, aber auch in diesen lieſsen sich nur
bessere und reiche Erze mit Vorteil verhütten. Waren die Erze
arm, so fielen zu viel Schlacken, waren sie strengflüssig, so ge-
langten sie unreduziert vor die Form und ein groſser Teil des Eisens
ging in die Schlacken. Bei dem Stückofenbetrieb muſste man nach
Einführung des Wasserradbetriebes die Erfahrung machen, daſs,
wenn man den Wind verstärkte, dadurch, daſs man gröſsere Bälge
verwendete oder die Bälge rascher wechseln lieſs, der gröſste Teil
des Eisens in flüssiger Form abgeschieden wurde. Dies war für
den Zweck dieses Betriebes nicht erwünscht, denn das Stück wurde
dadurch kleiner und wuchs nicht zusammen, es „stockte“ nicht.
[188]Hochöfen.
Seitdem man aber gelernt hatte, den „Graglach“, das geflossene
Eisen, für sich oder mit dem Stückeisen zusammen zu verfrischen,
war man längst von der Meinung abgekommen, dieses geflossene
Eisen als etwas Unnützes anzusehen. Im Gegenteil muſste man bald
zur Erkenntnis kommen, daſs es für manche Erze vorteilhafter war,
dieselben nur auf flüssiges Eisen zu verschmelzen und dieses nachher
zu weichem Eisen oder zu Stahl zu verfrischen, als direkt Schmiede-
eisen zu erzeugen. Man wurde auch schon bei dem Stückofen-
betrieb darauf hingeführt, daſs dies um so rascher und vollkommener
geschah, je enger man den Ofen vor der Form und je weiter und
höher man den Schacht machte. Durch ersteres wurde die Schmelz-
temperatnr im Herde erhöht, durch letzteres die Reduktion und Koh-
lung des Eisens befördert, weil die Erze viel länger im Ofen ver-
weilten, wodurch genügende Zeit zur vollständigen Reduktion und
Kohlung geboten wurde. Auch konnten sich bei der höheren Schmelz-
temperatur diejenigen Bestandteile der Erze, welche deren Streng-
flüssigkeit bedingten, verschlacken oder reduzieren.


Aber hierbei entstand eine andere Schwierigkeit. Dadurch,
daſs man den unteren Ofenraum zusammengezogen hatte, um die
Schmelzhitze in demselben zu steigern, hatte man keinen Platz mehr,
das Eisen und die Schlacke in den engen Tiegel zu fassen.


Man hätte also fortwährend in ganz kurzen Zwischenräumen ab-
stechen müssen, um so öfter, je kräftiger geblasen wurde, je besser
die Schmelzung verlief. Dies hätte aber nicht ohne Unterbrechung
der Schmelzung und Abkühlung des Ofens geschehen können. So
muſste man daran denken, den Sammelraum für das flüssige Eisen
gröſser zu machen, und dies erreicht man dadurch, daſs man den
Tiegelofen in einen Sumpfofen umwandelte
, d. h. daſs man
den Raum unterhalb der Form derart erweiterte, daſs er bis vor den
Ofen vorragte. Hierdurch entstand der Hochofen, dessen charakte-
ristischstes Merkmal in früherer Zeit die offene Brust war.
Die offene Brust war aber noch durch einen andern Umstand be-
dingt. Je unreinere und schwerschmelzigere Erze man verhüttete,
je leichter bildeten sich feste Ansätze und Verunreinigungen im Ge-
stell. Um diese entfernen zu können, muſste man mit Brechstangen
im Gestell arbeiten können, und dies war nur möglich bei der offenen
Ofenbrust. Dadurch, daſs der untere Teil des erweiterten Gestelles,
der „Herd“ oder „Eisenkasten“, bis vor die Ofenwand verlängert
wurde, entstand der dem Hochofen eigentümliche Vorherd, durch
welchen man zum Inneren des Ofens gelangen konnte, der aber
[189]Hochöfen.
während dem Schmelzen sorgfältig mit Kohlenstübbe geschlossen ge-
halten wurde, um die Abkühlung des Herdes möglichst zu vermeiden.


Den Namen Hochöfen oder Hohöfen bekamen aber diese Öfen nicht
von diesen wichtigen, inneren Änderungen, sondern von der mehr ins
Auge fallenden Erscheinung, daſs sie höher aufgeführt wurden, als die
alten Stücköfen. Freilich waren diese Hochöfen im Vergleich mit
unsern heutigen Riesenöfen armselige Bauwerke. Die ganze Er-
höhung gegen die Stücköfen betrug 5 bis 6 Fuſs, so daſs die Hoch-
öfen des 16. Jahrhunderts meist nur eine Höhe von 16 bis 18 Fuſs
hatten. Die Erhöhung war veranlaſst durch die notwendige Ver-
gröſserung des Schachtraumes. Diese und die gleichzeitige Ver-
engerung des Gestelles gab die Veranlassung zu einem neuen Ofen-
teil, der „Rast“, welche die Verbindung zwischen Ofenschacht und
Gestell bildete. Leider giebt es keine Abbildungen von Hochöfen
aus dem 16. Jahrhundert. Um dem Leser eine Vorstellung eines

Figure 62. Fig. 61.


Hochofens aus früherer Zeit und seiner einzelnen Teile geben zu
können, müssen wir uns mit der Darstellung eines Holzkohlen-
hochofens aus dem vorigen Jahrhundert begnügen.


Der eigentliche Schmelzofen steht in einem massiven Rauh-
gemäuer von Bruchsteinen oder Backsteinen. In diesem Rauhgemäuer
(A A, Fig. 61) sind unten zwei Gewölbe ausgespart, welche den Zu-
gang zu dem Schmelzofen gestatten. Das vordere (B B, Fig. 61, und
62, 63 a. f. S.), welches meist das gröſsere ist, heiſst das „Arbeits-
gewölbe“, und diese Ofenseite, die Brust- oder Stichseite, weil hier
[190]Hochöfen.
der Zugang zu dem Ofeninneren ist, hier also Eisen und Schlacken
abgelassen und von hier aus das Gestell gereinigt wird. Die gegen-
überliegende Seite heiſst die Hinter- oder Rückseite. Die Seite, auf
welcher sich die Blasebälge befinden und der Wind durch die Form
in den Ofen tritt, heiſst die Form- oder Blaseseite, die gegenüber-
liegende Seite, gegen welche der Windstrom der Blasebälge gerichtet
ist, die Windseite. Das Ofeninnere wurde aus möglichst feuerfestem
Material hergestellt. Namentlich muſste man für den unteren Teil des
Ofens, den eigentlichen Schmelzraum, gute, feuerbeständige Steine
wählen. Die drei Haupträume des Ofeninneren sind der Schacht
E P (Fig. 62, 63), die Rast K P und das Gestell K. Der Schacht nimmt
den oberen, gröſsten Raum ein; er erweitert sich von seiner oberen

Figure 63. Fig. 62.


Figure 64. Fig. 63.


Öffnung, der „Gicht“ E, bis zu der unteren Öffnung P, dem „Kohlen-
sack“. Der Kohlensack bildet meistens nur eine Fläche, wie in unserer
Abbildung, zuweilen aber sind an dieser weitesten Stelle des Ofens
die Wände ein kurzes Stück senkrecht geführt, so daſs ein cylindri-
sches Zwischenstück entsteht, wovon wohl die Bezeichnung Kohlensack
herrührt. Vom Kohlensack bis zum oberen Rande des Gestelles ist
der Ofen zusammengezogen (I I K) und dieser trichterförmige Ofenteil
heiſst die „Rast“, der untere, engste Ofenteil, welcher den eigent-
lichen Schmelzraum bildet, das „Gestell“. In dieses mündet die Wind-
form M (Fig. 62) etwa in halber Höhe ein. Den Raum über den
Formen nennt man das Obergestell, den unter denselben das Unter-
[191]Hochöfen.
gestell. Das Untergestell erweitert sich über die Vorderwand hinaus
zum Herd oder Eisenkasten c (Fig. 63), dem Sammelraum für die ge-
schmolzene Masse. Der aus dem Ofen hervorragende Teil des Herdes
heiſst der Vorherd. Der über demselben befindliche Stein, welcher
die Vorderwand über dem Herd abschlieſst, heiſst der Tümpelstein I
(Fig. 63). Er wurde meist noch an seiner vorderen Unterkante durch ein
starkes Eisen, das Tümpeleisen i, geschützt. Tümpelstein und Tümpel-
eisen bilden zusammen den Tümpel, der besonders viel auszuhalten hat,
sowohl durch Hitze und Abkühlung als durch das Arbeiten im Gestell.
Nach vorn ist der Herd durch einen groſsen, vorgesetzten Stein F
(Fig. 63) abgeschlossen, welcher der Wallstein oder der Damm heiſst.
In demselben ist entweder an der einen unteren Seite die Rinne ein-
gehauen, welche das Stichloch oder den Abstich bildet, welcher mit
Lehm geschlossen gehalten wird, den man durchstöſst, wenn man

Figure 65. Fig. 64.


das flüssige Eisen abzapfen,
„abstechen“ will, oder er
schlieſst überhaupt nur auf
der einen Seite fest an die
Ofenwand an, während auf
der andern ein Schlitz bleibt,
der mit Lehm zugestopft
wurde und in dem man den
Abstich anbrachte. An den
Wallstein lehnt sich auf der
dem Stich entgegengesetzten
Seite die Schlackentrift an,
über welche die über den
Wall flieſsenden Schlacken
abgelassen werden. Wie erwähnt, muſs der untere Teil des Ofens aus
besonders feuerfestem Material hergestellt sein; wählt man hierzu Steine,
so nennt man dies eine Steinzustellung, stampft man das Gestell aus
feuerfestem Thon, dem grober Quarzsand eingemengt wird, auf, so
heiſst dies eine Massenzustellung. Letztere war da gebräuchlich,
wo feuerfeste Steine nicht zu haben waren. Die alten Steingestelle
hatten in der Regel viereckigen Querschnitt, während man die
Massengestelle meist rund machte.


Ein Steingestell späterer Zeit ist in Fig. 64 dargestellt; a a ist der
Bodenstein, welcher die Sohle des Herdes bildet. Derselbe ist bei
gröſseren Hochöfen aus mehreren genau abgepaſsten Steinen zusammen-
gesetzt. Unter dem Bodenstein befindet sich eine Schicht Sand oder
[192]Hochöfen.
gestampfter Lehm, darunter eine eiserne Platte o o, welche die Kreuz-
Abzüchte n n, die zur Ableitung der Bodenfeuchtigkeit im Fundament
ausgespart sind, bedecken. d ist der Wallstein, ihm gegenüber be-
findet sich der Rückstein c, zu beiden Seiten die Backensteine b b.
c
ist der Tümpelstein mit dem Tümpeleisen f und dem Tümpel-
blech g. Die Steine h i, in denen die Formlöcher ausgespart sind,
heiſsen die Formsteine. Die alten Hochöfen hatten nur ein Formloch
und zwar meistens in der Ofenseite rechts vom Formgewölbe.


Die gröſsten Schachtöfen zum Schmelzen der Eisenerze, welche
Biringuccio erwähnt, waren 7 bis 8 Ellen, also etwa 4,20 bis
4,80 m, hoch. Sie waren am Boden 1,20, im Kohlensack 1,50 m
weit und scheinen demnach eher Stücköfen als Hochöfen gewesen
zu sein 1). Doch waren auch die letzteren im 16. Jahrhundert nicht
höher. Tölle und Gärtner berichten, daſs die ältesten Hochöfen
im Harz etwa 16 bis 18 Fuſs hoch gewesen seien. Sie waren vier-
eckig, hatten aber eine kreisrunde Gicht von 2 Fuſs 6 Zoll Durch-
messer; der Schacht war 13 Fuſs hoch, dagegen das Gestell auſser-
ordentlich eng. Es war vor der Form nur 10 Zoll weit, oben 12 Zoll
und 36 bis 40 Zoll hoch. Die Blasezeit war 25 Wochen, die aber
meist nicht erreicht wurde. Das Rauhmauerwerk war 5 Fuſs 10 Zoll
im Quadrat. Die beste Beschreibung eines Hochofens und seines
Betriebes aus jener Zeit ist noch diejenige, welche in dem Gedicht
des Bourbon enthalten ist.


Danach war der Ofen von Vandeuvre, dessen starke Blasebälge
aus Ochsenhaut, durch ein Wasserrad, welches die Wasser des Flusses
Barsa umtrieben, von quadratischer Form massiv von Natursteinen
aufgeführt, das Rauhgemäuer aus gewöhnlichen Steinen, das innere
„Ofenfutter“ aus einem sehr harten Sandstein, der besonders feuer-
beständig war. Der Wind trat durch die hintere Seite in den Ofen,
so daſs die Formseite der Arbeitsseite entgegengesetzt war, wie dies
auch bei den alten Stücköfen des Agricola und Biringuccio
(Fig. 50, 51, a. S. 155, 157) der Fall war. Der Schmelzer sticht das „Guſs-
eisen“ auf der Vorderseite des Ofens ab und entfernt die Schlacken
mit eisernen Haken. „Da strömen feurige Eisenbäche aus dem Ofen;
das geschmolzene Metall flieſst unter zischendem Geräusche, Flammen-
wirbel und Rauch ausstoſsend, welcher bis zu den Gestirnen sich zu
erheben scheint.“ Der Betrieb war ein kontinuierlicher und dauerte
eine Hüttenreise, zwei Monate. Den Ofen bediente der Schmelzer,
[193]Hochöfen.
der die Stärke des Windes regelte, die Bälge im Stand hielt, die
Schlacken entfernte und das Eisen abstach. Auf der Gicht befand
sich der Aufgeber, der in regelmäſsigem Wechsel Erz und Kohlen
aufgab. Dann waren noch Former bei dem Ofen beschäftigt, welche
die Guſsformen aus Lehm herstellten. Über Konstruktion und Maſs-
verhältnisse aber giebt uns das Gedicht keinen Aufschluſs.


Lange vor dieser Zeit waren schon Hochöfen im Siegerland im
Betriebe gewesen 1). Dort wurden bereits im Jahre 1443 gesetzliche
Bestimmungen erlassen, um das Wasserrecht zwischen den Schmelz-
werken und Mühlen, sowie den Eisenhütten untereinander zu ordnen.
Zahlreiche Eisenhütten waren damals in der Grafschaft Nassau-Siegen
entstanden und dadurch, daſs sie ununterbrochen Tag und Nacht
viele Wochen hindurch mit starken Bälgen bliesen, beeinträchtigten
sie den Betrieb der Getreidemühlen, weshalb am 21. Juli 1443 diese
wichtige „Verordnung“ erlassen wurde, die ein „Weistum“ genannt
wird, „wie es mit dem Schmelzen und Mahlen zu halten, wenn zwei
Hütten oder Mühlen in einen Graben gehen“.


Es wird darin bestimmt, daſs, wenn bei kleinem Wasser das-
selbe unzureichend sei, beide Werke zu treiben, die Besitzer darum
losen sollten, wem das Vorrecht gebühre. — Der Erlaſs eines
solchen Gesetzes läſst darauf schlieſsen, daſs solche Streitfälle
oft vorkamen, daſs zahlreiche Hütten im Betriebe standen und
daſs diese keine neuen Anlagen sein konnten, geht sowohl daraus
hervor, daſs die Verordnung ein „Weistum“, d. h. eine schon seit
langer Zeit anerkannte Rechtsgewohnheit war, als auch, daſs den ur-
alten und für das tägliche Brot unentbehrlichen Getreidemühlen keine
Vorrechte vor den Schmelzhütten eingeräumt wurden. Eine so groſse
Wichtigkeit hatten letztere schon in jener Zeit für das Siegerland.
Ihre groſse Anzahl wird bestätigt durch die nassau-siegenschen
Renteirechnungen vom Jahre 1444, worin bereits 29 „Blasehütten“
aufgeführt werden 2). Darunter werden namentlich folgende genannt:
vier Hütten auf der Eisern, zwei auf der Gosenbach, die Hütte des
Tilmann Fick (jetzt der Ort Fickenhütten), eine bei Caan und eine
unterm Hain, beide am Weiſsbach gelegen, ferner die Blashütten bei
Dreisbach, Osthelden, Niederndorf, Freudenberg, Weidenau, auf der
Ubach und auf der Allenbach, welche als die „neue Hütte“ bezeichnet
wird. Diese Blasehütten waren Hochofenwerke und keine Stückhütten.
Beck, Geschichte des Eisens. 13
[194]Hochöfen.
Dies geht unter anderm auch daraus hervor, daſs Blasehütten und
Hammerhütten ganz getrennt waren. In ersteren wurden die Erze
zu Masseleisen verschmolzen, in den letzteren wurde das Masseleisen
zu Stabeisen oder Stahl verfrischt. Freilich war ihr Betrieb noch
höchst einfach und unvollkommen. Die Hüttenreisen dauerten nicht
länger als drei bis vier Wochen und der Aufwand an Kohlen und
Eisenstein war ein sehr groſser. Immer neue Werke kamen hinzu
und die alten dehnten ihren Betrieb aus, so daſs um das Jahr 1500
bereits Schwierigkeiten entstanden, sowohl wegen des Wassers als
wegen des Holzes und es muſsten weitere gesetzliche Beschränkungen
eingeführt werden. Dies geschah durch die „Kurbriefe“, welche vor
allem darauf hinzielten, die Produktion der Hütten in ein bestimmtes
Verhältnis zu dem Erträgnis der Waldungen zu bringen.


Die Kurbriefe waren „die Gesetze der Massenbläser und Hammer-
schmiede“, deren wichtigste Bestimmungen diejenigen über die be-
schränkte Hütten- und Hammerzeit waren. Den ersten und deshalb
für uns wichtigsten, vollständigen Kurbrief erteilte im Jahre 1516
Graf Johann1). Aber dieses Gesetz, „nach dem Hütten und Hämmer
künftig betrieben werden sollten“, war kein neuer Entwurf, sondern
eine Zusammenstellung von älteren landesherrlichen Verordnungen,
von Schlüssen und Übereinkünften der Massenbläser und Hammer-
schmiede unter sich und von altem „undenklichem Herkommen, das
ihnen mehr wie schriftliche Gesetze, das ihnen ein Heiligtum war“.
Der Kurbrief entstand auf das Gesuch der Massenbläser und Hammer-
schmiede, welche darin „die uralte Massenbläser- und Hammer-
schmiedezunft“ genannt werden, die alten Ordnungen mit einigen
neuen, ihr Handwerk betreffenden Artikeln, die sie überreichten, in
ein Ganzes zu bringen und dafür die obrigkeitliche Bestätigung zu
erteilen. Es war darin insbesondere bestimmt, daſs eine Massen-
hütte oder Blashütte im Jahre nur zwölf Wochen und nicht länger,
die Woche zu sechs Tagen gerechnet, betrieben werden sollte. Und
weil das Anheben der Massenhütten auf den Tag des heiligen Kreuzes
den Massenbläsern ungelegen, ja schädlich wäre, weil sie dadurch
gegen Pfingsten ablassen müſsten, so sollten künftig die Hütten gleich
nach Ostern anheben und die Reise bis Pfingsten dauern, so daſs
jede Hütte in dieser Periode sechs Wochen blasen könnte, ohne daſs
ein Hammer sie behindern dürfe. Von Pfingsten bis Michaelis ver-
hielt es sich dann umgekehrt und hatten die Hämmer in diesem
[195]Hochöfen.
Zeitraume das Vorrecht auf dem Wasser und die Hütten durften
ihnen davon nichts entziehen, wenn solches nicht überflüssig war. —
Von Michaelis bis Weihnachten erhielten dagegen die Hütten dieses
Vorrecht, welches dann wieder an die Eisenhämmer oder Hammer-
hütten überging. Es sollte indes jedem unbenommen sein, bei vollem
Wasser mehr wie sechs Wochen, auch die zwölf Wochen hinterein-
ander „in einer Reise“ zu blasen, jedoch — „auf sein Ebenteuer“,
d. h. auf seine Gefahr und Wagnis und mit dem Beding, daſs kein
Hammer auf irgend eine Art behindert werde. Keinenfalls sollte
aber eine Hütte länger als zwölf Wochen im Jahre blasen und eine
jede, die hiergegen handle, von jedem Tag, den sie zuviel blies, dem
heiligen Kreuz mit sechs Pfund Wachs, der herrschaftlichen Kasse
mit sechs und den Brüdern oder der Zunft mit zwei Gulden verfallen
sein. Auch verordnet dieser Kurbrief, daſs kein Massenbläser und
Hammerschmied mehr Kohlen kaufe oder sich in Vorrat anschaffe,
wie er nötig habe, damit sowohl der Arme wie der Reiche die er-
forderlichen Kohlen bekommen könnten und alle Kohlen sollten mit
dem im Lande eingeführten Kohlenmaſs gemessen werden. Bereits
im Jahre 1528 muſste Graf Wilhelm, jedenfalls weil damals schon
Kohlenmangel einzutreten begann, die Hüttenzeit der Massenbläser
von zwölf Wochen auf acht Wochen herabsetzen und die Strafe für
jeden Tag, der überhüttet wurde, auf zehn Gulden erhöhen. Das
Kohlenmaſs wurde folgendermaſsen festgesetzt: ein Wagen sollte
2 Fuder zu 5 „Zain“ oder „Zehn“, wie es früher hieſs, haben. Der
Zain ist also der zehnte Teil des Wagens und faſst 17⅔ Kubikfuſs,
so daſs das Fuder 88⅓, der Wagen 176⅔ Kubikfuſs Inhalt hatte.
Dieses Maſs hat sich bis in dieses Jahrhundert erhalten. — Das
Gewicht des Eisens wurde nach „Stalln“ gerechnet. Ein Stalln Roh-
eisen war von alters her bis zum Jahre 1851 gleich 150 Pfund.
16 Stalln machten einen Wagen Roheisen aus. Stabeisen wurde nach
„Wag“ gerechnet, eine Wag geschmiedetes Eisen wog 120 Pfund und
war es Vorschrift, daſs aus einem Stalln Roheisen eine Wag ge-
schmiedetes Eisen dargestellt wurde. Über die Abänderung dieser
Gewichte, sowie über das Gewicht des Stahls im Siegenschen werden
wir später zu sprechen Gelegenheit haben.


Becher, dem die siegenschen und Dillenburger Akten noch
vollständig zugänglich waren 1), sagt, über den Bau und die Ein-
13*
[196]Hochöfen.
richtung der hohen Öfen des 16. Jahrhunderts habe er nie eine
Nachricht gefunden 1). Für die Angabe, welche Simmersbach in
seiner Geschichte des Siegerländer Bergbaues macht, daſs nach der
Tradition im Siegerland im 12. Jahrhundert Blauöfen von 10 Fuſs
Höhe zuerst in Aufnahme gekommen seien, im 15. Jahrhundert schon
Hochöfen von 20 bis 22 Fuſs Höhe im Brauch gewesen seien, ist es
mir nicht gelungen, irgend welche Quelle aufzufinden.


Daſs die Hochöfen im Siegerland bereits im 15. Jahrhundert eine
solche Höhe gehabt hätten, scheint sehr unwahrscheinlich, denn
Becher sagt, die Hochöfen zu seiner Zeit, also gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts, seien in der Regel 19 und 20 Fuſs hoch ge-
wesen 2); die Öfen des 16. und 17. Jahrhunderts seien aber viel un-
vollkommener gewesen, oder, wie er sich ausdrückt 3), „daſs die Öfen
die jetzige vorteilhafte Struktur nicht gehabt“, und da ihre Produk-
tion eine viel geringere war, als die der Öfen des vorigen Jahrhunderts,
so läſst sich daraus mit Wahrscheinlichkeit schlieſsen, daſs sie auch
weniger hoch waren.


Die Hochöfen des Siegerlandes waren von Natursteinen erbaut,
mit feuerfesten Sandsteinen im Inneren ausgekleidet. Die uralten
Sandsteinbrüche an der „kalten Eiche“, dem Paſs zwischen Dill und
Sieg, zwischen Dillenburg und dem Siegerland heiſsen schon in sehr
früher Zeit „die Gestellsteinbrüche“. Die Hochöfen hatten viereckigen
Querschnitt, sonderbarer Weise war derselbe weder quadratisch noch
rechtwinkelig, sondern er stellte ein verschobenes Viereck dar mit
einem rechten, zwei stumpfen und einem spitzen Winkel. Letzteren
nannte man die „lange Eck“. Diese Art der Zustellung war uralt,
die siegenschen Hochofenmeister hielten abergläubisch daran fest
und es ist kaum zweifelhaft, daſs schon die ersten Hochöfen, also auch
die des 16. Jahrhunderts, in dieser Weise konstruiert waren, weshalb
wir diese absonderliche Bauart hier näher betrachten müssen. Über
der Form gab man dem Gestell eine Neigung nach der Windseite
1)
[197]Hochöfen.
zu von drei bis sechs Zoll, so daſs die Formwand um soviel der
Windseite zugeneigt war, die Windseite ebensoviel zurückwich. Der
Stellmeister nannte dies aus dem Winkel bauen und that dies aus
der Ursache, damit die Form während des Betriebes geschont werde,
was wohl nur so verstanden werden kann, daſs infolge dieser schiefen
Stellung das schwerere Erz mehr vor der Form, die leichtere Kohle
mehr auf der Windseite niedergingen, dadurch der Fokus der Hitze
nicht so unmittelbar vor der Form lag. Nebenstehende Zeichnung
(Fig. 65) giebt das Profil eines solchen Ofens mit geschobener Ecke.

Figure 66. Fig. 65.


Es ist die Abbildung des Grünebacher Hoch-
ofens im Amte Freusburg, aus den vierziger
Jahren dieses Jahrhunderts 1). Die Achsenlinie
des Gestelles fiel nicht mit der des Schachtes zu-
sammen. Der Ofen hatte eine Höhe von 20¾
Fuſs. Die Gicht bildete ein verschobenes Vier-
eck von 26 auf 24 Zoll Seitenlänge; der Kohlen-
sack, der von der Form- zur Windseite etwas
geneigt ist, hat 7 Fuſs auf 8 Fuſs im Querschnitt.
Der Ofenschacht bildet demnach eine unregel-
mäſsige, abgestumpfte Pyramide, deren Grund-
fläche nicht in der horizontalen Ebene liegt.
Die Achse des Gestelles neigt sich gegen die
des Schachtes und liegt das Mittel des 4 Fuſs
hohen Gestelles im Verhältnis von 10 : 4 der
Form näher als dem Schachtmittel. Das Ober-
gestell ist durch eine gekrümmte Fläche an
den Kohlensack angeschlossen. So entsteht
die eigentümlich verschobene Ofenform, die in der Zeichnung dar-
gestellt ist.


Die Form lag etwa 15 Zoll über dem Bodenstein und in der
Mitte, also 1 Fuſs von der Rückwand und 1 Fuſs vom Tümpel ab. —
Die Rast war ungefähr 2 Fuſs hoch und machte mit der Horizontalen
einen Winkel zwischen 30 und 40 Grad.


Über den Betrieb der alten siegenschen Blasehütten im 15. und
16. Jahrhundert macht der erfahrene Becher mancherlei Mitteilungen,
die er hauptsächlich aus alten Rechnungen geschöpft hat. Im allge-
meinen stellt sich danach der Betrieb sowohl der Hütten- als der
Hammerwerke als ein noch sehr unvollkommener dar. Becher
[198]Hochöfen.
führt als Beispiel, und es ist dies das älteste, welches ich kenne, die
Betriebsabrechnung von drei Hüttenreisen an, die im Jahre 1553 in
den Hütten zu Rinzenau, auf der Ahe (früher Ohe) und auf der zu
Freudenberg von der Landeshoheit gehüttet wurden. Diese drei
Reisen, worüber wir die genaue Abrechnung in der Eisenhütten-
geschichte des Siegerlandes bringen werden, umfaſsten 24 Hütten-
wochen. Man verblies in dieser Zeit 576 Wagen Eisenstein und
660 Wagen Kohlen und erhielt auf diesen drei Hütten an Roh- und
Wascheisen ungefähr 100 Wagen und an „Edeleisen“ (Rohstahleisen
oder Spiegeleisen) 26 Karn. Danach fielen aus 4 Wagen Eisenstein
und 4½ Wagen Kohlen in 24 Stunden zirka 12 5/9 Stalln Eisen. Mit
diesem Ergebnis war man allerdings selbst damals nicht zufrieden
und stand am Schlusse der Rechnung die Bemerkung, daſs, „wenn
der Landesherr allen Stein mit den Kohlen hätte kaufen sollen, so
wäre in Verlust geblasen und geschmiedet worden“. Bei günstigem
Betriebe sollten in 24 Stunden aus 4 Wagen Eisenstein und 4 Wagen
Kohlen 16 Stalln oder ein Wagen Roheisen erfolgen oder, nach Ge-
wicht berechnet, aus 2920 kg Spateisenstein in 24 Stunden 1200 kg
Roheisen erblasen werden. Hierzu wurden 707 Kubikfuſs Kohlen
verbraucht. Der Wagen Spateisenstein ist hierbei zu 730 kg ange-
nommen und entspräche das Ausbringen 41,1 Proz. des Erzgewichtes.
Unter der gleichen Annahme betrug dagegen das Ausbringen der
drei obengenannten Hütten im Jahre 1553 bei 12½ Proz. mehr
Kohlenverbrauch nur 32,24 Proz.


Im Ganzen war das Ausbringen der siegenschen Hütten ein
günstiges, infolge der Reichhaltigkeit und Leichtschmelzbarkeit der
Erze. Die benachbarten dillenburgischen Hütten, welche die schwerer
schmelzbaren Roteisensteine oder weniger reiche Brauneisensteine ver-
schmelzen muſsten, hatten eine viel geringere Produktion. Als Beispiel
hierfür kann die Ludwigshütte bei Biedenkopf in dem vormaligen hessi-
schen Hinterlande angeführt werden 1). Diese hatte in der Periode von
1588 bis 1601 das stärkste durchschnittliche Ausbringen, nämlich
15 41/63 Ztr. = etwa 850 kg, dazu wurden 4 61/63 Fuder Eisenstein und
4 31/63 Fuder Kohlen verbraucht. Das höchste Ausbringen wurde im
Jahre 1597 erzielt, während in dem unmittelbar vorausgehenden Jahre
[199]Hochöfen.
das geringste Ausbringen von nur 7 43/84 Ztr. = zirka 405 kg bei 4 17/84
Fuder Eisenstein und 5 Fuder Kohlen erhalten wurde.


Jedenfalls waren die Erze, welche in diesem Jahre verschmolzen
worden waren, viel geringhaltiger. Indessen fiel auch die Produktion
um so geringer aus, je mehr Guſsware und je weniger Massel erzeugt
wurden. Im Siegerlande gingen um diese Zeit schon einzelne Hütten
fast allein auf Guſswaren.


Weiteren Aufschluſs über den Hochofenbetrieb im 16. Jahr-
hundert geben uns die Faktorei-Rechnungen der Gittelder Hütte am
Harz.


Der „Massenofen“ zu Gittelde scheint erst unter Herzog Julius
von Braunschweig erbaut und in Betrieb gesetzt worden zu sein.
Über den Betrieb geben die vorhandenen Rechnungen ziemlich voll-
ständigen Aufschluſs; über die Konstruktion des Ofens erfahren wir
aber nur wenig. Er war niedrig, hatte viereckigen Querschnitt, bei
jeder Reise wurde ein neues Gestell („Tell“) eingebaut; dieses wurde
aus Bruchsteinen, welche der Meister zu brechen und zu behauen
hatte und wofür ihm ein Mariengulden vergütet wurde, hergestellt.
Die Erze, welche von dem benachbarten Iberg kamen, wurden zum
Teil geröstet oder richtiger gebrannt, denn der Zweck war weniger
eine Oxydation als das feste Erz mürbe zu machen, um es besser
pochen zu können. Fast aller Eisenstein wurde „gebockt“, d. h. mit
Hämmern klein geklopft. Die Erze wurden also in zerkleinertem, fast
pulverförmigem Zustande aufgegeben. Das Eisen, welches gewonnen
wurde, war sogenanntes „Stahleisen“, welches auf den nahegelegenen
Hammerhütten, der Oberhütte und der Deichhütte verfrischt wurde.
Es war teils weiſses, teils graues Roheisen. Aus demselben wurden
auch die „Pucheisen“ für die Pochwerke der Oberharzer Bergwerke
und die „Taken“, d. h. die eisernen Zacken, für die Frischfeuer der
Hammerhütten hergestellt. Das Herrichten der Guſsformen war
Sache des Schmelzmeisters und erhielt er acht Mariengroschen Former-
lohn für den Zentner Pucheisen. Der Massenofen ging nur zeitweilig
und waren die einzelnen Hüttenreisen meistens sehr kurz. Aus der
Zeit von 1573 bis 1590 sind zehn Quartalsrechnungen vorhanden. Nur
in fünf Quartalen war der Massenofen überhaupt in Betrieb und
wurde in dieser ganzen Zeit nur 127 Tage geblasen, so daſs sich die
Länge einer Hüttenreise pro Quartal im Durchschnitt auf 25 4/10 Tage
stellt. 1573 und 1590 betrugen die Reisen je 15 Tage, 1575 24 Tage,
1577 28 Tage und 1578 sogar 45 Tage, dieses war eine ausnahms-
weise lange Kampagne.


[200]Hochöfen.

Das Rösten der Erze geschah in einfachen Haufen mit Holz.
Der Holzverbrauch betrug in den fünf Quartalen, in welchen 593½
Fuder Erze verschmolzen wurden, 101 Malter. Das Malter Holz
kostete 3 Groschen 10 Pfennige. Die gesamten Röstkosten einschlieſs-
lich des Holzes betrugen 47 Gulden 8 Mariengroschen 8 Pfennige
oder für die Tonne des erzeugten Eisens 1,12 Mk. — Zum Ver-
schmelzen des angeführten Erzquantums von 593½ Fuder waren
678 Fuder Holzkohlen erforderlich oder pro Tonne ausgebrachten
Eisens zu 5,33 Fuder Eisenstein 6,09 Fuder Kohlen. Die gesamte
Erzeugung betrug 2045 Ztr. Stahleisen und 180 Ztr. Pucheisen; die
Tagesproduktion 17,52 Ztr. oder 968 kg 1).


Die Produktionskosten stellten sich folgendermaſsen:


Der prozentale Aufwand an Erz und Kohlen dem Gewichte nach
läſst sich nur annähernd berechnen, da beide nicht gewogen, sondern
gemessen wurden und es sich nur ungefähr schätzen läſst, was ein
Fuder Erz oder ein Fuder Kohle wog.


Der Eisensteinbergbau des östlichen Harzes hat eine ältere und
bedeutendere Geschichte als der des westlichen, trotzdem wurde auch
hier der Hochofenbetrieb erst verhältnismäſsig spät eingeführt. Der
Hochofen von Ilsenburg, welcher im Jahre 1546 erbaut wurde 2),
scheint der erste und älteste des Harzes gewesen zu sein.


Über die alten Hochöfen des Ostharzes wissen wir aber nur sehr
wenig. Sie waren jedenfalls nicht hoch, denn es erregte groſses Auf-
sehen, als gegen Ende des 16. Jahrhunderts Hanns Sien oder Sieme,
ein Mann aus dem Voigtland 3), zu Wiede (Wieda) einen Hochofen
von 24 Fuſs (= 7 m) Höhe erbaute. Übrigens waren schon die alten
Öfen auf festem Grund gebaut und mit Abzüchten für die Feuchtig-
[201]Hochöfen.
keit versehen. Die Abzüchte wurden mit breiten Steinen gedeckt, auf
denen eine Schicht „Schutt“ aufgestampft war, auf welchem dann
der Bodenstein aufgelegt wurde. Der Ofensockel, d. h. das untere
Rauhmauerwerk, war 5 Fuſs 10 Zoll im Quadrat und 5 Fuſs hoch.
Der Ofenschacht war 13 Fuſs hoch und geneigt, an der Basis vier-
eckig, oben rund. Das Gestell war 36 bis 40 Zoll hoch, oben 12 Zoll
weit. Vor der Form betrug die Weite 10 Zoll, die Länge bis zum
Wall 22 Zoll. Das ganze Gestell hatte nur etwa 5 Kubikfuſs Fassungs-
raum. Die gesetzlich zulässige längste Blasezeit betrug 25 Wochen,
doch wurde diese selten erreicht. Da kam, wie bereits erwähnt,
gegen Ende des Jahrhunderts Hans Sien und erbaute seinen neuen
groſsen Ofen, den gröſsten am ganzen Harz. Das Rauhgemäuer des-
ſelben hatte 7 Fuſs im Quadrat und seine Höhe betrug 24 Fuſs; die
Gicht, d. h. die Plattform der Gicht, hatte 4 Fuſs im Quadrat. Die
Maſse des Gestelles blieben unverändert, so daſs also nur der Schacht
wesentlich höher wurde. Ob die geneigte Stellung von Schacht und
Gestell beibehalten wurde, wird nicht angegeben, doch scheint dies
nicht der Fall gewesen zu sein und bestand vermutlich darin, ab-
gesehen von der gröſseren Schachthöhe, welche als eine technische
Verbesserung insofern jedenfalls anzusehen war, als sie eine bessere
Vorbereitung und Verschmelzung strengflüssiger Erze erlaubte, der
Hauptunterschied gegen die alte Bauart. Der neue Hochofen erregte
das gröſste Aufsehen im ganzen Harz und Hans Sien wurde so
berühmt, daſs er an verschiedene Orte zur Errichtung neuer Öfen
berufen wurde. Als richtiger „Meister“ hielt er seine „Kunst“ sehr
geheim, teilte sie niemand mit und vererbte sie allein auf seinen
Sohn Christoph, der dann nach des Vaters Abgang der berühm-
teste Ofenbaumeister des Landes war. Diesem folgte nach seinem
Ableben Hans Valtin (Valentin) Teichmann von St. Andreasberg,
der die kupfernen Formen einführte, während vorher durch den Stein,
d. h. ohne Metallform, geblasen worden war. Von Teichmann ging
die Kunst an die gleichfalls in Andreasberg heimische Familie
Köhler über und blieb bei derselben bis zum Ende des vorigen
Jahrhunderts. Ähnlichen Verhältnissen begegnet man auch in andern
Gegenden und liefern dieselben den Beweis, wie empirisch der Ofen-
bau betrieben wurde, wie gering die theoretischen Kenntnisse der
Hüttenherren, Ofenmeister und Massen- oder Maschenbläser waren.
Diese vererbte geheime Kunst der Ofenzustellung war auch der Grund,
daſs Verbesserungen kaum aufkommen konnten und daſs man in ge-
wissen Bezirken an gewissen Ofenformen mit abergläubischer Ängst-
[202]Hochöfen.
lichkeit festhielt. Indessen soll dadurch das Verdienst der ersten
Ofenbaumeister, namentlich des Hans und Christoph Sien, in
keiner Weise geschmälert werden. Ihnen darf man wohl das Ver-
dienst zuschreiben, das charakteristische Harzer Ofenprofil, welches
für die lokalen Verhältnisse damals das zweckentsprechendste war, auf
Grundlage von Versuchen und Erfahrungen erfunden, ausgearbeitet
und eingeführt zu haben.


Wie am metallreichen Harz, so hat auch in dem industriellen
Sachsen die Einführung der Hochöfen erst verhältnismäſsig spät
stattgefunden. Allerdings sagt G. Agricola bereits in seiner Ab-
handlung De vet. et novis metallis, welche im Jahre 1545 verfaſst
sein dürfte, daſs in den Eisenhütten zu Lauenstein und Gieshübel
ebenfalls eiserne Öfen gegossen wurden. Dort müſsten also um jene
Zeit bereits Hochöfen im Gange gewesen sein. Bestimmte Nach-
richten über den Bau von Hochöfen finden sich aber erst aus der
Regierungszeit des Kurfürsten August. Im Jahre 1575 lieſs dieser
auf den Rat Bernsteins bei Schöneck einen „Massenofen“ und
Stahlhammer errichten, um die dortigen Eisensteine und Waldungen
besser verwerten zu können. Weit früher wurden Hochöfen im Mosel-
gebiet und in der Eifel betrieben.


In der Grafschaft Ottweiler wurden schon zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts Guſswaren aus dem Hochofen gegossen. Wir erfahren dies
aus einem Vertrage vom Montag nach Vincula Petri 1514, durch den
Graf Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken die „Isenschmitt bei
Wiebelskirchen, uff der Oster gelegen“, mitsamt dem Eisenerz in
der Grafschaft Ottweiler an Lux von Nassau und Johann von Lichten-
stein gegen den halben Ertrag in Erbpacht verleiht; die Pächter
sollen nach dem Vertrage dem Grafen jährlich 10 Zentner Eisen,
ferner den zehnten Wagen Eisenstein und von jedem Wagen Holz-
kohlen 2 Albus geben, dagegen alles Eisen für den Gebrauch des
Grafen zu 1 rhein. Gulden den Zentner liefern, für eiserne „Heffen
(Töpfe) 1 Ort und 1 Heller bezahlt nehmen, für „Öfen, Büchsen
oder Büchsensteine zu gieſsen
“ nur 1 Gulden.


Ebenso war in der Eifel der Guſs eiserner Öfen schon in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Gange, und zwar ohne Zweifel
direkt aus Hochöfen. Agricola erwähnt derselben und Petrus
Albinus
schreibt in seiner im Jahre 1590 erschienen Berg-Chronika:
„Aber in der Herrschaft Schleiden am Hellthal, desgleichen in der
Herrschaft Kronenberg und Kieln (nicht fern von der Grafschaft
Manderscheidt) find man guten Eisenstein, daraus man fürbündig
[203]Hochöfen.
gut Schmiede-Eisen macht und Eisern öfen geuſset, die da weit
hinaus ins Oberland, als Franken, Schwaben u. s. w. verführet
werden; dessen schon Agricola mit diesen Worten gedenket:
„Ferrum laudatum et copiosum est Germanis, qui incolunt regionem
quam Eifelam nominamus et quidam in ditione comitis Mander-
scheiti, ubi et ferreae fornaces, quibus utimur in caldariis, conflantur.“
Die meisten dieser Eisenwerke lagen in dem sogenannten Schleidener
Thal. Auf die ältesten Werke daselbst werden wir später noch zu
sprechen kommen. Des eigentümlichen Betriebes, der sich bis zur
Mitte unseres Jahrhunderts dort erhalten hat und unter dem Namen
der „Schleidener Thals Arbeit“ bekannt war, müssen wir hier
näherer Erwähnung thun, weil er in origineller Weise manche Eigen-
tümlichkeiten des alten Stückofenbetriebes beibehalten hat. Wir
teilen über denselben aus einem Aufsatze des Oberbergrats Fulda zu
Bonn vom Jahre 1823 1) das Folgende mit: In der Hütte, welche
noch den alten Namen Raidwerk führte, stand der Hochofen mit dem
Hammer unter einem Dache. Zu jedem Hammer gehörten zwei Feuer,
ein Frischfeuer und ein Wärmfeuer. Es wurde nur Roheisen zum
Verfrischen erzeugt und auſser dem eigenen Bedarf an Hüttenguſs,
nämlich Zacken, Boden u. s. w., kein Guſswerk angefertigt. Die
Erze, welche verhüttet wurden, bestanden aus Thon- und Raseneisen-
stein und aus braunem Glaskopf. Die Erze waren sehr leichtflüssig
und bedurften keines Zuschlages von Kalk. Die Höhe des Ofeninneren
betrug 19 Fuſs 3 Zoll. Die 3 Fuſs 6 Zoll hohe Rast hatte auf der
hinteren Seite einen Neigungswinkel von 45 Grad, auf den drei
übrigen Seiten von 60 Grad. Die Form lag geneigt, stach etwa
¼ Zoll auf den Fuſs in den Herd und ihr Rüssel war 2¼ Zoll breit
und ⅞ Zoll hoch. Sie bestand aus vier geschmiedeten eisernen,
aneinander geschobenen, aber fest zusammengreifenden Schienen,
welche den Vorteil gewährten, durch die Verschiebung derselben die
Formöffnung weiter oder enger stellen zu können, je nachdem der
Prozeſs des Schmelzens oder des Läuterns es erforderte. Die Schmel-
zung verlief leicht und einfach. Das Eisen der ersten Blasewoche
war graphitreicher, weshalb es zum Vergieſsen verwendet wurde. In
den darauf folgenden Wochen fiel bei normalem Betriebe ein halbiertes
Roheisen, welches verfrischt wurde. Das ganze Hochofenpersonal be-
stand aus dem Meister (Schmelzer), dem Stechknecht und zwei Auf-
gebern.


[204]Hochöfen.

Die Eigentümlichkeit der „Schleidener Thals Arbeit“ bestand
darin, daſs schon in dem Hochofen selbst ein Vorfrischen für das nach-
folgende Verfrischen im Herd stattfand. Man nannte dies das „Destil-
lieren“, die Arbeit dabei war die folgende: sobald das Gestell bis auf zwei
Zoll unter der Form mit Roheisen ausgefüllt war, machte der Meister
mittels des Formstechers unmittelbar über der Formöffnung mit Lehm
oder Schlacke eine künstliche Nase von etwa zwei Zoll Länge. Dadurch
wurde der volle Windstrom auf die Oberfläche des flüssigen Eisens
geleitet, von dem man die Schlacke möglichst rein abzog. Der Wind
wurde nun verstärkt und der Vorherd durch einen Klumpen erstarrter
Schlacke fester verwahrt, um zu verhindern, daſs kein Eisen über
den Wall geworfen wurde. Das Eisen im Gestell kam in eine
wallende Bewegung, es trat eine langsame Entkohlung ein, die
Schlacke färbte sich dunkler, das Eisen, das zuvor eine rote Farbe im
Gestell hatte, wurde heller. Dabei wurde aber das Niederschmelzen
der Gichten nicht unterbrochen, sondern nur verlangsamt, etwa im
Verhältnis von 3 : 5. Die Schlacke wurde dünnflüssiger, so daſs sie
leicht unter der krustenartigen Schutzdecke des Vorherdes hindurch-
lief. Die erkaltete Schlacke war porös, leicht und von dunkler Farbe,
der Frischfeuer-Rohschlacke sehr ähnlich und würde es noch mehr
gewesen sein, wenn nicht die stets nachschmelzende Hochofenschlacke
ihre Beschaffenheit geändert hätte. Die helle Farbe des flüssigen Eisens
und der Eintritt feinen Funkensprühens aus dem Gestell in die Form
waren die Zeichen, daſs der Läuterungsprozeſs sein Ende erreicht
hatte. Früher wurde nicht abgestochen, aber auch nicht später, weil
jene Funken schon eintretendes Verbrennen von Eisen andeuteten.
Die Dauer der Läuterungszeit war sehr verschieden, je nach der
Weite des Gestelles, so daſs sie zwischen 1 bis 4 Stunden schwankte.
Das Eisen, welches beim Abstechen lebhaft Funken warf, war nach
dem Erkalten im Bruch porös und fast silberweiſs („luckiger Floſs“).
Nach dem Laufenlassen wurde die Schutzdecke des Vorherdes weg-
gebrochen, der Herd gereinigt und mit Kohlenstübbe geschlossen und
die Nase hinter der Form abgestoſsen, worauf das regelmäſsige Nieder-
schmelzen wieder begann. Das geläuterte Eisen wurde nun auf einer
Art von Wallonherd verfrischt. Durch die beschriebene Vorbereitung
verlief der Frischprozeſs sehr rasch. Er erforderte, bei sehr geringem
Kohlenaufwand, für jede Luppe nur etwa ¾ Stunden, so daſs in einem
Herde täglich 32 Luppen von je 30 bis 35 kg gemacht wurden.


Wie alt diese „Schleidener Thals Arbeit“, die nur bei sehr gut-
artigen und leichtschmelzigen Erzen möglich war, in jener Gegend
[205]Hochöfen.
ist, läſst sich nicht bestimmt angeben. Sie hat aber den Charakter
eines sehr alten Betriebes und dürfte wohl bis in das 16. Jahr-
hundert zurückreichen.


In Frankreich und Italien war der Hochofenbetrieb schon im
Anfang des 16. Jahrhunderts im Gebrauch, dies beweist für Frank-
reich das in der Einleitung mitgeteilte Gedicht des Nikolas Bour-
bon
, für Italien die Angaben des Biringuccio.


In den nordischen Ländern Europas, besonders in den eisen-
reichen Staaten England und Schweden, fanden die Hochöfen erst ver-
hältnismäſsig spät Eingang: in England um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts, in Schweden sogar erst gegen Ende desſelben. Nach beiden
Ländern scheinen sie von Deutschland aus verpflanzt worden zu sein.


Durch die Einführung des Hochofenbetriebes erlitt die ganze
Eisenfabrikation eine tief eingreifende Umwandlung; einesteils da-
durch, daſs man dazu überging, das Schmiedeeisen aus dem Roheisen
anstatt direkt aus den Erzen darzustellen, andererseits, daſs man das
flüssige Eisen in Formen goſs, wodurch eine ganz neue Industrie, die
Eisengieſserei, ins Leben gerufen wurde. Das Vergieſsen geschah
direkt aus dem Hochofen und zwar meist neben der Darstellung von
dem Roheisen für den Frischprozeſs, der Erzeugung von „Gänzen“,
„Floſsen“ u. s. w. her. Auch goſs man anfangs nur die einfachsten
Gegenstände, worunter Pocheisen und Kugeln die wichtigsten waren.
Allmählich lernte man aber auch verzierte Gegenstände, namentlich die
mit mannigfachem Bildwerk geschmückten Ofenplatten zu gieſsen,
wozu die Erzeugung von grauem Roheisen notwendig war, und wir
ersehen aus den Rechnungen, daſs um die Mitte des 16. Jahrhunderts
im Siegerlande bereits sieben Hochöfen fast ausschlieſslich auf Guſs-
werk gingen. Das Nähere werden wir in einem besondern Kapitel über
den Eisenguſs mitteilen.


[[206]]

DIE
SCHMIEDEISENBEREITUNG
IN
FRISCHFEUERN
.


Das Frischen.

Das Ausschmelzen der Eisenerze zu flüssigem Roheisen in den
Hochöfen hatte einen andern neuen Hüttenprozeſs zur unmittelbaren
Folge, die Darstellung des geschmeidigen Eisens durch ein oxydieren-
des Schmelzen des Roheisens in Herden oder den „Frischprozeſs“.
Auch dieses Verfahren entstand nicht auf einmal in dem Kopfe eines
Erfinders, sondern bildete sich ganz allmählich aus dem alten Schmelz-
prozeſs und längst bekannten Erfahrungen heraus und nahm in ver-
schiedenen Ländern nach der Art der Roheisensorten, nach dem
Produkt, welches man darzustellen strebte und nach dem Umfange des
Betriebes verschiedene Formen an, die uns als verschiedene Frisch-
methoden überliefert sind. Ursprünglich bildete sich das Eisen- und
Stahlfrischen im Anschluſs an die Stückofenarbeit aus. Das groſse
Stück oder die Masse, welche, wie wir gesehen haben, ein sehr un-
gleichmäſsiges Produkt darstellte, wurde erst in zwei Hälften (Halb-
massen) geteilt, welche, um sie weiter verarbeiten zu können und sie
zu gleichmäſsiger Ware zu verschmieden, in kleinere Stücke (Deule)
zerhauen, in besondern Herden erhitzt und dann unter dem Hammer
verarbeitet wurden. Diese Herde waren einfache Gruben aus Lehm
und Lösche hergestellt. Bezweckte diese Operation ursprünglich
nur ein Ausheizen der Luppenstücke, so ergab sich daraus von
selbst auch eine Verbesserung des ungleichmäſsigen Produktes, indem
die rohesten und unreinsten Teile abschmolzen, die halbgaren vor
dem Winde entkohlt, d. h. gefrischt wurden, und die ganze Masse
reiner und gleichförmiger wurde. Dabei machte man bald die Er-
fahrung, daſs man härteres oder weicheres Eisen, Stahl oder Schmiede-
[207]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
eisen in denselben Herden und mit denselben Materialien erhalten
konnte, je nach der Auswahl derselben und der Art des Einschmelzens.


So lernte man beispielsweise in den österreichischen Alpenländern
schon früh vorzüglichen Stahl dadurch bereiten, daſs man mehr von
dem beim Stückofenschmelzen mitfallenden flüssigen Roheisen, dem
„Graglach“, in dem Herde einschmolz und den „Deul“ dann in und
mit diesem Bade von kohlenstoffreicherem Eisen verfrischte. Ja, man
muſste bald zu der Überzeugung kommen, daſs man vorteilhafter
arbeitete und einen gleichmäſsigeren Stahl erzielte, wenn man, statt
das im Stückofen erzeugte unreine Product einem Nachfrischen zu
unterwerfen, das geflossene Eisen für sich allein verfrischte. Dies
führte zur Umwandlung der Stücköfen in Blau- und Hochöfen und
zur Einführung des eigentlichen Frischprozesses. Derselbe hat sich
also ganz allmählich aus der Behandlung des Stückofeneisens im Lösch-
herd entwickelt und müssen wir deshalb dieses Verfahren zuerst einer
kurzen Betrachtung unterziehen.


Schon bei den alten Rennfeuern hatte man häufig einen be-
sondern Löschherd zum Ausheizen der Luppen 1). In demselben
fand aber kein eigentliches Frischen statt, sondern nur eine Reini-
gung insoweit, als beim Erhitzen des Luppenstücks bis zur Schweiſs-
hitze die eingemengte Schlacke und die rohesten Eisenteile ab-
schmolzen.


Nicht viel anders war es beim Ausheizen der beim Stückofen-
betrieb erzeugten Halbmassen, Schirbeln, Deule u. s. w. Dies ge-
schah in Steyermark, wie bereits erwähnt, aus ökonomischen
Gründen nicht am Erzberg selbst, sondern in dem etwa 60 Kilometer
entfernten Hüttenort St. Gallen. Die Art und Weise, wie dabei ver-
fahren wurde, haben wir bereits kurz im ersten Bande mitgeteilt 2),
es ist aber nötig, daſs wir hier nochmals etwas genauer die Vorgänge
betrachten, wobei wir uns hauptsächlich an die Schilderung des
Augenzeugen G. Jars3) halten.


Der Herd, in welchem die Halbmassen der Stücköfen verarbeitet
wurden, war einer Schmiedeesse gleich und nur ungefähr einen Fuſs über
die Hüttensohle erhöht. Er war abweichend von den thüringischen
Löschherden 4), welche weder Boden- noch Formzacken hatten, von
eisernen Platten umgeben, von welchen die eine einen wesentlichen
Teil des Herdes ausmachte. Diese hatte nämlich in verschiedener
[208]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
Höhe Öffnungen von ½ Zoll Durchmesser, welche dazu dienten, die
Schlacken in eine darunter befindliche 2 Fuſs tiefe Grube ablaufen
zu lassen. Der eigentliche Herd wurde aus angefeuchteter Lösche
aufgestampft, darüber breitete man etwas Schlacken von der vorher-
gehenden Arbeit aus, welche den Herdboden bildeten.


Der Wind wurde durch zwei einfache Bälge erzeugt, welche in
eine Form bliesen. Nachdem der Herd ganz mit Kohlen gefüllt war,
legte man eine der groſsen Luppen oder Halbmassen, wie sie von
den Stücköfen von Eisenerz kamen 1) und welche zwischen 7 und
8 Zentner wogen, darauf, bedeckte dieselben ganz mit Kohlen und
lieſs das Gebläse angehen. Wenn es nötig war, gab man mehr
Kohlen auf und fuhr mit dem Gebläse fort, bis die ganze Masse in
Weiſsglut war. Während dieser Zeit schied sich etwas Eisen nebst
den Schlacken ab und sammelte sich auf dem Boden des Herdes.
Sobald sich eine gewisse Menge davon angesammelt hatte, öffnete
man mit einem eisernen Stachel eines der kleinen Löcher in der
Schlackenplatte und lieſs die Schlacke in die Grube, in welche man
vorher etwas Wasser gegossen hatte, laufen. Doch stach man immer
nur einen Teil der Schlacke ab, um dem Herd nicht zu viel Wärme
zu entziehen. Das abgeschmolzene Eisen sammelte sich allmählich
in Klumpen auf dem Boden.


Sobald man sah, daſs die Masse hinlänglich vom Feuer durch-
drungen oder weich war, was man vermittelst eines eisernen Stachels,
den man in dieselbe hineinsticht, erkannte, zog man dieselbe mit
Hilfe einer groſsen Zange, welche an einem Krahne befestigt war,
heraus und indem ein Mann das Ende des Hebels niederdrückte,
hob er das Stück in die Höhe; man schwenkte den Krahnen herum
und derjenige, welcher den Hebel regierte, brachte das Stück auf
den Amboſs. Man lieſs alsdann den Hammer angehen und denselben
verschiedene Schläge auf die Mitte des Stückes thun, um es etwas
auszubreiten, setzte hierauf das Setzeisen an und teilte es durch
wiederholte Schläge des Hammers in zwei Teile. Hierbei löste sich
ein Teil des Eisens ringsum an der Oberfläche, welches weicher war,
als der in der Mitte befindliche Stahl, los. Während diese Arbeit
des Teilens unter dem Hammer vor sich ging, brachte man die eine
abgeschrotene Hälfte zurück auf den Herd, damit sie nicht nur warm
blieb, sondern, währenddem die andere Hälfte in zwei weitere Stücke
geteilt wurde, noch mehr Hitze annähme. Eins dieser beiden Stücke
[209]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
brachte man in einen andern Herd, während das andere nochmals
geteilt wurde. So fuhr man mit dem Teilen fort bis zu Stücken von
12 bis 20 kg. Bei jedem Teilen fiel etwas Eisen ab, welches man
sammelte, bis man genug hatte, um eine Frischluppe daraus herzu-
stellen.


Die auf diese Art aus dem Kern der Masse (nucleus ferri 1) ge-
hauenen Stücke waren fast reiner Stahl, welche man in das Feuer
brachte, um sie auszuwärmen und daraus viereckige Stäbe von 2 Zoll
Stärke und 2 bis 3 Fuſs Länge zu schmieden. Wenn sie so aus-
geschmiedet waren, warf man sie, so wie sie vom Hammer kamen,
in flieſsendes Wasser. Alsdann schlug man diese Stangen über
einem Amboſs entzwei, wobei sich dann verschiedene Sorten zeigten:
einige waren noch mit Eisen vermischt, andere bestanden aus mehr
oder weniger gutem Stahl und wurde alles in den Hammerhütten
sortiert. Die besten Stücke, aus denen man den berühmten steyri-
schen Stahl machte, sprangen wie Glas, zeigten nach der Härtung
ein feines Korn, ohne Flecken oder Risse, indes war dieser Stahl
doch noch nicht vollkommen und deshalb hieſs er Rauh-, Rauch-
oder Rohstahl. Andere Stangen waren kein Stahl, aber doch auch
hart und spröde, weshalb man es Harteisen nannte. Es war nach
mehrmaligem Ausschmieden immer noch geeignet, um Sensen, Klingen
und andere gewöhnliche Werkzeuge daraus zu machen. Wenn man
diese Stücke zum Ausschmieden heiſs machte, warf man gewöhnliche
Frischschlacken auf, welche das Eisen umhüllen und vor der ent-
kohlenden Wirkung des Windes möglichst schützen sollten. Beim
Ausheizen des Stückeisens geschah dies nicht, weil dieses genug
Schlacke und Unreinigkeiten mit sich führte. Sonst wurde bei jedem
Auswärmen zum Ausschmieden Schlacke zugesetzt, die dann, wenn
sich zu viel davon im Herde angesammelt hatte, von Zeit zu Zeit
abgelassen wurde.


Die Hämmer, unter welchen man zu St. Gallen die Stücke
schmiedete, waren verhältnismäſsig schwer. Sie waren 90 cm hoch,
ihre Bahn war 60 cm lang und 5 cm breit, am Kopf oder Gesicht
hatten sie 45 und am Helm 39 cm Durchmesser. Ihr Gewicht betrug
490 kg. Ein kleines Rad, welches an einer Welle von 75 cm Durch-
messer angesteckt war, bewirkte die Bewegung, dieses Rad hatte
2,40 m im Durchmesser und Schaufeln, auf welche eine beträchtliche
Quantität Wasser fiel.


Beck, Geschichte des Eisens. 14
[210]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.

Alles Eisen, welches bei dem Teilen vom Stücke abgefallen und
bei Seite gelegt worden war, wurde ähnlich wie das Floſseisen ver-
frischt, nur blieb es nicht so lange im Feuer. Wenn es aus dem Herde
kam, brachte man die Luppe, um sie rundum zu behämmern, auf
den Amboſs, alsdann teilte man sie in verschiedene Stücke oder
Kolben. Unter dem Hammer erkannte der Schmied an der Härte
die Stücke, welche gutes, weiches Eisen gaben, und die, welche
Stahl enthielten. Die letzteren Stücke schmiedete er zu vier-
kantigen Stäben von 45 mm Stärke aus, welche er ebenso härtete
wie den Stahl. Dieselben entsprachen aber mehr dem Harteisen und
wurden zu ordinären Werkzeugen verarbeitet, zu den Schneiden aber
muſste man guten Stahl nehmen.


Das gute Eisen war nach dem Ausschmieden weich und ge-
schmeidig und für Bleche sehr geeignet.


In ganz ähnlicher Weise wurde das Osmundeisen in Schweden
behandelt.


Aus obiger Beschreibung der Behandlung und Verarbeitung des
Stückofeneisens ersieht man, wie nahe dieselbe dem Frischprozeſs
verwandt war und zu demselben hinführte. Denn wenn auch der
Prozeſs in der Hauptsache nur ein Reinigen durch Ausheizen be-
zweckte, so wurde doch schon bei der ersten Operation, dem Er-
hitzen der groſsen Luppen, das abtropfende rohe Eisen durch den
Wind gefrischt und sammelte sich als gefrischtes Eisen am Boden an.
Dieses und das beim weiteren Ausheizen und Schmieden fallende
Eisen wurde dann in dem Herde einer Operation unterworfen, die
füglich ein Frischen genannt werden kann. Nur war das eingesetzte
Material ganz ungleich, indem es teils aus Roheisen, teils aus Stahl,
teils aus weichem, teils aus verbranntem Eisen bestand. Es sollte
im Feuer in erster Linie zusammengeschweiſst werden, in zweiter
Linie wurde es aber auch gefrischt. Die Verschiedenheit des dabei
erzielten Produktes war weniger von der Führung des Prozesses, als
von der Beschaffenheit des eingesetzten Materiales abhängig. Den-
noch war das ganze Verfahren von dem Verfrischen des Flosseneisens,
also dem eigentlichen Frischprozeſs, so wenig verschieden, daſs Jars
kaum zwischen beiden unterschieden hat.


Ebenso wie in Steyermark führte in Thüringen, besonders im
Schmalkaldischen und Hennebergischen, die Verarbeitung des Stück-
ofeneisens zur Frischarbeit. Hierüber giebt Quantz1) die ausführ-
[211]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
lichsten und besten Nachrichten, die wir im Folgenden auszugsweise
mitteilen.


Die thüringischen Löschfeuer hatten keinen eigentlichen
Herd, sondern bestanden bloſs aus einer Grube von Kohlenlösche, welche,
wenn „das Feuer“ neu gemacht wurde, angefeuchtet und festgestampft
wurde. Ein gut gestampfter Herd hielt ¼ Jahr und länger. An einer
Seite der Grube war die Stirnmauer von Sandsteinen aufgeführt, in
welcher die kupferne Form 6 bis 7 Zoll, je nach der Gröſse der
Blasebälge, hervorragte. Die Höhenlage der Form war keine be-
stimmte, sondern eine durch die Schmelzoperation von Fall zu Fall
bedingte, doch war ein gröſserer Abstand zwischen Formmaul und
Gestübbesohle erwünscht, weil man dann eine gröſsere Menge Roh-
eisen einschmelzen konnte. Das Formmaul war halbkreisförmig, wie
ein liegendes D, 45 mm im Durchmesser und 4 bis 5 Grad geneigt.
Die Hämmer waren viel leichter, als die zu St. Gallen, 175 kg schwer,
hatten 1 m Hub, und wurden von einem zirka 2 m hohen Wasserrade
bewegt. Der Amboſs war, wie ein schwerer Schmiedeamboſs, in einem
Eichen- oder Tannenblock befestigt, doch war er aus Guſseisen her-
gestellt und hatte eine Unterlage von einigen groſsen Eisenstücken,
welche man „Chavatten 1)“ nannte. Der Hammerstock stand nicht
in der Erde fest, sondern machte eine elastische Bewegung, welche
durch einen starken Baum, der unter dem Hammerstock der Länge
nach hingelegt war, vermittelt wurde. Die Hammerbahn war verstählt.


Die Löscharbeit begreift zweierlei Arbeiten, das Ausschmieden
und das Schmelzen des Deuls 2). Beide Arbeiten geschehen in dem-
selben Herde, aber nicht gleichzeitig, sondern eine nach der andern.
Wenn die Arbeit ihren Anfang nimmt, wird das Kohlengestübbe auf
dem Boden der Grube ausgebreitet, darauf Kohlen geschüttet und
da, wo die Einhaltezangen zu liegen kommen, eine Brustwehr von
Kohlengestübbe gemacht. Das Gebläse wird angelassen und wenn
die Grube etwas ausgewärmt ist, werden die Stücke vom vorigen
Deul in zwei oder drei Hitzen zu Stäben ausgeschmiedet. Hierbei
wird von Zeit zu Zeit Stocklech (Hammerschlacke) aufgegeben, damit
das Feuer nicht zu trocken gehe und der Abbrand nicht zu groſs
werde. Schweiſssand wird dagegen keiner gebraucht. — Von dem
14*
[212]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
aufgegebenen Stocklech und von dem, was beim Ausschmieden der
Stäbe abfällt, wird auf dem Boden eine kleine Luppe, „der Frisch-
vogel“ genannt, von dem die Arbeiter sagen: er müsse das Herz
oder einen zähen Grund haben, bereitet.


Ist das Ausschmieden der Stücke des vorigen Deuls geschehen,
so wird mit dem Schmelzen eines neuen Deuls begonnen. Hierzu
verwendet man die Produkte des Blauofens, die zerteilten „Güsse“
und Scheibeneisen 1). Statt der „Güsse“ wurde in späterer Zeit häufig
altes Eisen gebraucht, doch können wir hiervon an dieser Stelle
absehen. Zuerst wurde das Guſsstück eingeschmolzen, es waren dies
etwa 15 kg schwere Teilstücke der Masse, welche beim Stückofen-
betriebe erhalten worden war. Diese Stücke spannte man in eine
Zange, welche man schon während des Ausschmiedens, um das Eisen
vorzuwärmen, der Form gegenüber einlegte. Sobald das Einschmelzen

Figure 67. Fig. 66.


Figure 68. Fig. 67.


beginnen sollte, schob man sie dicht vor die Form ins Feuer. Das
Stückeisen vereinigte sich, indem es niederschmolz, mit dem Frisch-
vogel und bildete die Schutzdecke von garem Eisen auf der Stübbe-
sohle, welche unbedingt erforderlich ist, damit sich das nachher ein-
zuschmelzende Scheibeneisen darauf anfrischen kann. Auf der bloſsen
Stübbesohle könnte das Roheisen nicht frischen, sondern würde die-
selbe durchbohren und für den Arbeiter verloren gehen. Geschah
dies doch trotz der Schutzdecke zuweilen, wenn ein zu groſses Stück
Scheibeneisen auf einmal und ungefrischt auf den Herdboden ge-
langte, dann wurde die Stelle, worauf ein solches Stück Scheiben-
eisen fiel, wieder roh und flüssig und ging durch die Stübbe.


[213]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.

Auf das Niederschmelzen des Guſsstückes folgt das Einschmelzen
des Scheibeneisens, welches den wichtigsten Teil des Prozesses bildet.
Ob in ältester Zeit, wo mehr Guſsstücke und weniger Scheibeneisen
fielen, schon in ganz gleicher Weise gearbeitet wurde, ist zu be-
zweifeln, in späteren Zeiten, wo das Scheibeneisen das Hauptprodukt
war, bestand auch die Hauptkunst des Löschschmiedes darin, bei
jeder einzelnen Operation möglichst viel Scheibeneisen zu verfrischen.
Hierbei wurde folgendermaſsen verfahren.


Während dem Einschmelzen der Guſsstücke legt der Arbeiter
ein Stück Scheibeneisen, in eine Zange gespannt, zum Erwärmen der
Form gegenüber ans Feuer und sowie das Einschmelzen des Guſs-
stückes geschehen und eine gare Sohle gebildet ist, bringt er das
erwärmte Scheibeneisen in der Zange recht vor die Form und läſst
es niederschmelzen. Neben diese Zange bringt er eine zweite Zange
mit ebensolchem erwärmten Scheibeneisen, und wenn das Eisen in
der ersten Zange eingeschmolzen ist, noch eine dritte und vierte, bis
er von diesem Scheibeneisen zu einem Deul genug hat. So werden
etwa zwei Zentner eingeschmolzen, doch ist die Menge wechselnd
und je mehr Scheibeneisen man auf ein niedergeschmolzenes Guſs-
stück einschmelzen kann, desto vorteilhafter ist es. Dies ist ab-
hängig von der Stärke der Bälge, der Güte der Kohlen und der
Geschicklichkeit des Arbeiters. Wird zu viel von den Guſsstücken
im Verhältnis zum Scheibeneisen gesetzt, so wird der Deul zu
„trocken“. Setzt man zu viel Scheibeneisen, welches dem Deul „den
Saft giebt“, so wird die Gare verzögert und der Kohlenaufwand er-
höht. Die Zangen mit dem Scheibeneisen schmelzen nie rein ab,
sondern es bleibt an denselben mehr oder weniger gefrischte Masse
hängen. Sie werden nach dem Ausziehen in einen Wassertrog ge-
worfen und dann das anhängende Eisen mit dem Hammer abgeklopft.
Dieses wird dann sofort wieder aufs Feuer geworfen. Bei der letzten
Zange, wo also das Einschmelzen des Scheibeneisens vollendet und
der Deul „seiner Geburt nahe“ ist, befindet sich das an der Zange
angeschweiſste Eisen bereits in einem völlig gefrischten Zustande.


Wiewohl nun der Arbeiter gleich im Anfange des Schmelzens
für eine ziemliche Menge gares Eisen gesorgt hat, so würde diese
doch nicht hinreichen, die ganze Menge Scheibeneisen, welche zu
einem Deul geschmolzen wird, ohne andere Hilfsmittel in gares Eisen
zu verwandeln. Hierzu dient der Zusatz von Stocklech und Hammer-
schlag, welche beim Zängen des Deuls und dem Ausschmieden ab-
fallen, und hiervon giebt der Löscher mehr oder weniger auf, je
[214]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
nachdem das Feuer heiſs oder frisch geht. Er giebt dieselben vor
der Gicht oder der Form gegenüber auf und damit reguliert er die
Gare des Gutes im Herde. Ein anderes Mittel für denselben Zweck
besteht in dem Vorschieben oder Zurückziehen der Zangen mit dem
Scheibeneisen, wodurch das Abschmelzen desſelben beschleunigt oder
verlangsamt wird. Geht es im Feuer zu heiſs, d. h., ist das Gut zu
dünn und weich im Herde, so zieht der Arbeiter die Zange mit dem
Scheibeneisen etwas zurück und giebt mehr Stocklech auf. Geht im
Gegenteil das Gut zu frisch, so hält er mit dem Aufgeben des Stock-
lechs ein und schiebt das Scheibeneisen etwas in das Feuer vorwärts.
Den Gang der Arbeit erkennt man teils an der Flamme, teils und
vorzüglich aber an den Spieſsschalen oder „Stachelweichen“, d. h.
der Masse, welche sich beim Arbeiten in dem Herde mit dem Spieſs
an diesen anlegt. Je kleiner diese Spieſsschalen und je röter sie
sind, je heiſser geht es im Feuer, und umgekehrt desto frischer, je
länger sich diese Schalen an den Spieſs anlegen, je fester sie an
demselben haften und je weiſser ihre Farbe ist.


Da die Schlacke beim Löschfeuer äuſserst flüssig ist, so wird sie
von dem starken Gebläse, mit kleinen Mengen des frisch einge-
schmolzenen Roheisens, nach den äuſseren Teilen des Herdes ge-
trieben, wo sie sich ansetzt. Dies geschieht zumeist unter der Form,
an der Vorderseite und der Form gegenüber, während die Hinter-
seite, wo kein Gestübbe anliegt und wo die Kohlen aufgegeben werden,
frei bleibt. Von hier aus muſs deshalb das Angesetzte öfters los-
gebrochen und wieder in das Feuer gestoſsen werden, damit die Form
frei bleibt, das im Lech befindliche Eisen aussaigert und das Eisen im
Herde eine genügende Schlackendecke, um es vor dem Verbrennen zu
schützen, behält. Unterlieſse man dies Hereinstoſsen des Lechs, so
würde das Eisen zu trocken und spröde ausfallen, weil es seines
Saftes beraubt würde. Auch giebt das eingeschmolzene Scheibeneisen
in dem Lech seinen überflüssigen Kohlenstoff ab und wird zu garem
Eisen. Deshalb läſst der Löscher nur sehr selten den Lech ablaufen
und nur im Falle des gröſsten Überflusses sticht er einen Teil des-
ſelben durch das „Lachthol“ ab.


Wenn die letzte Zange Scheibeneisen eingeschmolzen ist, so
läſst man das Gebläse mit derselben Geschwindigkeit noch einige
Minuten fortgehen, um auch das zuletzt geschmolzene gar zu machen.
Es entsteht alsdann ein Kochen oder Aufwallen im Feuer. Glaubt
der Arbeiter, daſs das zuletzt eingeschmolzene Eisen gefrischt sei, so
räumt er einen Teil des die Brustwehr ausmachenden Gestübbes weg,
[215]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
läſst das Gebläse langsamer gehen und schafft mit einer langgestielten
Kratze die Kohlen vom Deul weg. Hierauf wird mit der Kratze unter-
sucht, ob der obere Rand des Deuls weich oder hart sei. Findet
sich der Rand noch weich, mithin noch nicht gehörig gefrischt, so
werden nochmals grobe Kohlen aufgegeben, die weggescharrten Kohlen
mit der Kratze wieder darüber gezogen und das Gebläse noch einige
Minuten schwach angelassen. Wenn die groben. Kohlen gröſstenteils
verzehrt sind, so ist auch der Deul fertig. Die Kohlen werden nun
abermals mit der Kratze weggeschafft, der Rand des Deuls nieder-
geschlagen, die kesselförmige Vertiefung voll Kohlenlösche gefüllt und
das in derselben zurückgebliebene Lech vom Winde fortgejagt. Das
Kohlengestübbe der Brustwehr wird alsdann vollends weggeräumt
und ein zweiter Arbeiter schützt unterdessen das Gebläse ganz ab.
Jetzt wird der Deul losgebrochen, in die Höhe gebracht, einer von
den Arbeitern faſst ihn mit der Zange und zwei andere mit dem
Brecheisen darunter, wuchten ihn so heraus, daſs er auf die hohle
Seite vor dem Herd zu liegen kommt. Man beklopft ihn nun mit
einem Vorhammer, um die sehr poröse Masse näher zusammen-
zubringen, wobei eine groſse Menge leichtflüssiges Lech herausläuft,
welches hier „Rinnlech“ heiſst und beim Schmelzen der Guſsstücke
wieder zugesetzt wird. Je mehr Rinnlech bei einem Deul verfällt,
desto besser ist das Stabeisen, umgekehrt, desto schlechter, weil dann
das Lech dem Arbeiter vor der Zeit entschlüpft und das Eisen einer
trockenen Hitze ausgesetzt war.


Nunmehr kommt der Deul unter den Wasserhammer, unter
welchem er durch Hin- und Herbewegen zu einem runden, etwa 3 Zoll
starken Kuchen gezängt und mit dem Setzeisen in zwei gleiche Hälften
zerschroten wird. Die eine Hälfte wird gleich wieder ins Feuer ge-
bracht, welches unterdessen wieder hergestellt worden, die andere
Hälfte aber wird noch in vier kleinere Stücke zerschroten, welche
man dem Stückezängen unterwirft, um die Teile noch mehr zu ver-
dichten und den Stücken eine rundere Gestalt und verminderte
Oberfläche zu geben, wodurch das Abbrennen im Feuer sehr ver-
mindert wird. Hierauf wird die andere Hälfte wieder aus dem Feuer
herausgeholt und mit ihr ebenso verfahren. Während nun diese
zweite Hälfte zerschroten und gezängt wird, ist das erste Stück von
der ersten Hälfte schweiſswarm und wird zu Stäben ausgereckt. Aus
einem Deul erfolgten 1½, 1¾ bis 2 Zentner Stabeisen. Der gewöhn-
liche Abgang an Roheisen wurde auf ¼ gerechnet oder aus 100 Pfund
Roheisen muſsten 75 Pfund Stabeisen geliefert werden. Der Löscher
[216]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
war für den Abgang an Roheisen nicht verantwortlich, erhielt aber
auch den Überschuſs an Stabeisen nicht bezahlt. Auf einen Zentner
rechnete man drei Stützen Kohlen. Diese Angaben waren nur unge-
fähre, um so mehr, da weder Kohlen noch Roheisen zugewogen wurden.


Das Eisen, welches in den Löschfeuern erzeugt wurde, war von
vorzüglicher Güte und besaſs einen hohen Grad von Weichheit und
Zähigkeit. Die Oberfläche der Stäbe war glatt und rein wie beim
Stahl. Das Stabeisen aus den Löschfeuern wurde meist für Draht
und Gewehrläufe verarbeitet.


Die im vorstehenden beschriebene Löschfeuerarbeit geht zwar,
wie wir gesehen haben, vom Ausheizen des Stückeisens aus, ist aber
bereits eine richtige Frischarbeit und wir haben dieselbe deshalb so
ausführlich geschildert, weil der ganze Prozeſs einfach und verständ-
lich ist. Dabei kann er als die Grundlage der übrigen Frisch-
verfahren angesehen werden, so daſs wir bei den Erklärungen dieser
in der Folge hierauf verweisen und dieselben dadurch abkürzen
können. Man ersieht bereits aus obigen Darstellungen, wie die Be-
handlung des Stückofeneisens im Löschherd, unter Zusatz von Roh-
eisen, von selbst zur Verarbeitung des Roheisens für sich allein, d. h.
zu der eigentlichen Frischarbeit führen muſste. Da indes nicht alle
Eisensorten in derselben Weise behandelt werden konnten, die Eisen-
arten aber ihrem Wesen nach fast so verschieden waren, wie die
Erze, aus welchen sie gewonnen wurden, so ergab sich hieraus eine
groſse Zahl voneinander abweichender Frischmethoden, die teils
geographisch, wie die deutsche, die steirische, die wallonische, die
englische u. s. w. Frischarbeit, teils technisch, wie Kochfrischen, Kalt-
frischen, Warmfrischen, Bratfrischen, Tiegelfrischen, unterschieden
wurden. Alle haben den gleichen Zweck: Roheisen in Stabeisen oder
Stahl umzuwandeln und bei allen geschieht dieses durch ein oxy-
dierendes Schmelzen in einem Schmelzherd, dem Frischfeuer. Die
Entfernung des im Roheisen vorhandenen Überschusses an Kohlen-
stoff ist dabei die wichtigste Aufgabe des Frischprozesses 1).


Frischen“ wurde dieser Vorgang im Deutschen genannt, weil
dieser Bezeichnung die Auffassung zu Grunde lag, daſs etwas Ver-
dorbenes — das Roheisen — wieder frisch gemacht, in seinen besseren
Zustand, den des geschmeidigen Eisens, übergeführt würde. Daſs das
Roheisen als ein unvollkommener oder verdorbener Zustand des
Eisens angesehen wurde, geht aus seinem Namen hervor. Nach der
[217]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
alten steirischen Bezeichnung Graglach wurde wenigstens das beim
Stückofenbetrieb fallende Roheisen nur als eine Schlacke (Lacht)
oder ein Schwefelmetall (Lech) angesehen 1). Roheisen bezeichnet
etwas Unvollkommenes und die englische Bezeichnung „pig-iron“ hat,
wie im Deutschen „Saueisen“, etwas Verächtliches. Daſs das Frischen
dieses Eisens als eine Reinigung desſelben angesehen wurde, geht
deutlich aus der gleichbedeutenden englischen und französischen Be-
zeichnung für dasſelbe — refining-proceſs, affinage — hervor. Diese
Reinigung wurde vollbracht durch die frische Luft, den Gebläsewind.
Über den chemischen Vorgang dabei war man im 16. Jahrhundert
noch völlig im unklaren. Wie zum Hochofenprozeſs, so war man
auch zum Frischprozeſs nur auf dem Wege der Erfahrung und Beob-
achtung, also durchaus empirisch, gekommen.


In der Hauptsache ist das Wesen des Frischprozesses ja leicht
zu begreifen; es ist eine Reinigung durch ein oxydierendes Schmelzen,
wobei in erster Linie der Überschuſs an Kohlenstoff, auſser diesem
aber auch die in dem Roheisen enthaltenen sonstigen Beimengungen,
besonders Silicium, Phosphor, Schwefel und fremde Metalle, entfernt
werden sollen. In seinen Einzelheiten ist aber der Frischprozeſs vom
chemisch-metallurgischen Standpunkte oft recht schwer zu verstehen,
weil sich die Vorgänge, örtlich und zeitlich, fast gleichzeitig vollziehen
und der unmittelbaren Beobachtung vollständig entzogen sind. Die
Fortschritte der Erkenntnis des Wesens der Frischprozesse bilden, wie
die aller andern Eisenhüttenprozesse, selbst einen Teil der Geschichte
des Eisens und könnten wir uns deshalb mit dem, was wir oben
hierüber gesagt haben, begnügen. Wenn wir trotzdem hier schon
eine kurze Skizze des chemisch-metallurgischen Vorganges bei dem
Frischprozeſs geben, so ist dies ein Exkurs, der nur dazu dienen soll,
dem Leser das Verständnis des Folgenden zu erleichtern.


Der chemische Unterschied des Eisens in seinen charakteristischen
Modifikationen als Roheisen, Stahl und weiches Eisen ist bedingt
durch seinen Kohlenstoffgehalt 2). Das Roheisen enthält davon am
meisten, den übrigen Eisenarten gegenüber also einen Überschuſs.
Auſser Kohlenstoff enthält aber das Roheisen noch andere Bei-
mengungen, besonders die bereits oben genannten Silicium, Phosphor,
Schwefel und fremde Metalle, und es enthält davon um so mehr, aus
je unreineren Erzen, mit je aschenhaltigerem Brennmaterial und bei
je höherer Temperatur es erzeugt ist. Diese Beimengungen sind für
[218]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
das Roheisen nicht geradezu als Verunreinigungen zu betrachten, indem,
wenn man das Roheisen für Gieſsereizwecke verwendet, einzelne
dieser Beimengungen in gewissen Grenzen sogar erwünscht sind,
ebenso wie auch für die modernen Prozesse von Bessemer und
Thomas-Gilchrist, bei dem ersten ein gewisser Siliciumgehalt, bei
dem zweiten ein gewisser Phosphorgehalt geradezu eine Notwendig-
keit sind. Für den Frischprozeſs sind alle oben genannten Bei-
mengungen als Verunreinigungen zu betrachten, welche zugleich mit
dem Überschuſs an Kohlenstoff abgeschieden werden müssen. Wird
nun das Roheisen, wie es bei dem Frischen geschieht, eingeschmolzen
und der Wirkung des Windes ausgesetzt, so oxydiert zuerst das
Silicium zu Kieselsäure, welche sich unmittelbar mit vorhandenem
oder gleichzeitig gebildetem, oxydiertem Eisen zu einem Eisenoxydul-
silikat und zwar zu einem Bisilikat von der Zusammensetzung
FeO.SiO2 verbindet, und zwar so lange, als noch unoxydiertes Sili-
cium vorhanden ist 1).


Hierauf wird nur Eisen oxydiert, welches von dem Bisilikat auf-
genommen wird, bis der Verbindungszustand des Singulosilikates,
2 FeO.SiO2, erreicht ist. Dieses ist die niedrigste Silicierungsstufe
des Eisenoxyduls. Die gebildeten Silikate scheiden sich beim Frischen
als flüssige Schlacken ab. Bis dahin hat eine Einwirkung auf den
gleichzeitig vorhandenen Kohlenstoff im Eisen kaum stattgefunden.
Von diesem Moment an ändert sich der Vorgang. Die Oxydation
des Eisens schreitet fort, da aber Eisenoxydul für sich nicht bestehen
kann und alle Kieselsäure chemisch gebunden ist, so verbindet es
sich mit der höheren Oxydationsstufe des Eisens, dem Eisenoxyd, zu
der sehr beständigen Verbindung von Eisenoxyduloxyd und diese hat
die Eigenschaft, sich leicht in dem Eisensingulosilikat aufzulösen.
Nun erst, wenn Eisenoxyduloxyd im gelösten Zustande vorhanden
ist, beginnt eine Oxydation des Kohlenstoffs durch dasſelbe: das
Oxyduloxyd giebt einen Teil seines Sauerstoffs an den Kohlenstoff
ab, welcher dadurch in der gasförmigen Form des Kohlenoxyds aus-
geschieden wird. Das reduzierte Eisenoxyduloxyd nimmt aber mit
groſser Begierde wieder Sauerstoff aus der Luft auf, um dann, in
den früheren Zustand zurückgekehrt, bei erneuter Berührung mit
Kohlenstoffeisen in gleicher Weise auf den Kohlenstoff einzuwirken.
Das Eisenoxyduloxyd ist demnach der Vermittler zwischen dem Sauer-
[219]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
stoff der Luft und dem Kohlenstoff des Eisens. Da aber selten das
zu verfrischende Eisen soviel Silicium enthält, um die genügende
Menge Schlacke aus sich selbst zu bilden, diese aber schon des eben
geschilderten Zweckes wegen nicht entbehrt werden kann, so pflegt
man Eisenoxydulschlacke zuzusetzen, und zwar in der Regel solche,
welche bereits Eisenoxyduloxyd in Lösung enthält. Es sind dies die
Garschlacken, von denen die Stockschlacken, Hammerschlacken, Rinn-
schlacken u. s. w., kurz alle diejenigen, welche bei der mechanischen
Bearbeitung des Eisens aus diesem ausgepreſst werden, die garsten,
d. h. die an Eisenoxyduloxyd reichsten sind. Durch den Zusatz
dieser eisenoxyduloxydhaltigen Schlacken wird das Frischen be-
fördert.


Diese chemischen Vorgänge bilden die Grundlage aller Frisch-
prozesse, worunter nicht nur das Herdfrischen, der alte Prozeſs,
mit dem wir uns hier beschäftigen, sondern auch die neuen Prozesse
des Puddelns, des Bessemerns u. s. w. begriffen sind. Der Kohlen-
stoff ist kein zufälliger, sondern ein notwendiger Bestandteil des
Eisens, während Silicium, Schwefel, Phosphor und Mangan zufällige
Beimengungen sind, die in ganz verschiedenen Mengen auftreten.
Das Silicium wird durch das Frischschmelzen leicht abgeschieden,
wie wir gesehen haben. Anders verhält es sich mit dem Phosphor.
Dieser oxydiert zwar auch bei niedriger Temperatur, wird aber bei
höherer Temperatur wieder reduziert und verbleibt im Eisen, für
welches er ein sehr schädlicher Begleiter ist, da er dasſelbe im hohen
Grade kaltbrüchig macht. Die Abscheidung des Phosphors durch
oxydierendes Schmelzen erfolgt also nur bei einer Temperatur, die
dem Schmelzpunkt des Roheisens nahe liegt. Nun unterscheidet
man beim Frischen zwei Perioden, die hauptsächlich durch die
Wärmeentwickelung unterschieden sind, das Rohfrischen und das
Garfrischen. Bei dem Rohfrischen wird der gröſste Teil des Kohlen-
stoffs oxydiert und das Roheisen etwa bis zur Stufe des Stahls ent-
kohlt. Während dieser Zeit wird durch die Umwandlung des festen
Kohlenstoffs in das gasförmige Kohlenoxyd viel Wärme gebunden und
der Schmelzmasse entzogen, dadurch bleibt die Temperatur während
dieser Periode relativ niedrig. In der zweiten Periode geht die Ent-
kohlung langsamer von statten, es entweicht wenig Kohlenoxydgas,
während mehr Eisen verbrennt, welches seine ganze Verbrennungswärme
dem Schmelzgut abgiebt, wodurch die Temperatur beim Garfrischen
bedeutend gesteigert wird. Nur in der ersten Periode oxydiert Phos-
phor und geht als Phosphorsäure in die Schlacke, während in der
[220]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
zweiten die Hitze so steigt, daſs die Phosphorsäure wieder reduziert
wird. Der Phosphor läſst sich also nur dadurch entfernen, daſs man
unmittelbar vor dem Eintritt des Garfrischens die Schlacke absticht.
Immer bleibt indes die Abscheidung des Phosphors beim Frisch-
prozeſs nur eine unvollkommene. Viel vorteilhafter lassen sich
phosphorhaltige Erze im Rennfeuer verschmelzen, weil in diesem die
Temperatur viel niedriger ist als im Hochofen und gar nicht bis zu
dem Punkte, wo die Phosphorsäure der Erze reduziert wird, steigt.
Diese Thatsache hat besonders viel dazu beigetragen, daſs sich in
den Gegenden, wo hauptsächlich Raseneisensteine verhüttet wurden,
die Rennfeuer so lange erhalten haben.


Schwefel hat bekanntlich groſse Affinität zum Eisen und wenn er
auch durch den Sauerstoff der Luft oxydiert wird, so geschieht dies
doch nur langsam. Da jedoch der Frischprozeſs im Vergleich mit dem
Puddel- und Bessemerprozeſs langsam verläuft, ist die Abscheidung
des Schwefels bei jenem vollkommener als bei diesen. Die Gegenwart
von Mangan unterstützt wesentlich die Abscheidung des Schwefels.


Mangan ist ein erwünschter Bestandteil des Roheisens, welches
verfrischt werden soll, besonders bei der Stahlbereitung. Der Grund
liegt zunächst darin, daſs Mangan sich sehr leicht verschlackt, es
oxydiert leichter als Eisen und sein Oxydul bildet mit Kieselsäure
eine sehr flüssige Schlacke. Diese Manganoxydulschlacke hat aber
nicht die Lösungsfähigkeit für Eisenoxyduloxyd, wie die Eisenoxydul-
schlacke, dadurch verzögert sie die Entkohlung des Eisens und dieses
ist namentlich bei der Stahlbereitung in den meisten Fällen er-
wünscht. Infolgedessen entsteht überhaupt aus manganreichem
Roheisen leichter Stahl, als aus manganfreiem. Die Dünnflüssigkeit
der Manganschlacke hat den doppelten Vorteil beim Frischen, daſs
sie einerseits das Eisen besser einhüllt, als die zähe Eisenschlacke,
und daſs sie anderseits, wenn das Eisen anfängt teigartig zu
werden, besser aussaigert. So einfach die Theorie des Frischprozesses
danach erscheint, so mannigfaltig ist doch die praktische Ausführung,
je nach der Qualität des Eisens. Zunächst verhält sich einmal das
graue Eisen im Frischfeuer ganz anders als das weiſse. Letzteres,
welches den Kohlenstoff in gebundener Form enthält, frischt rasch,
ersteres, welches den Kohlenstoff mehr oder weniger in der ausge-
schieden Form als Graphit enthält, frischt langsam. Es muſs nämlich
aller Kohlenstoff desſelben erst in den gebundenen Zustand über-
geführt werden und hierauf beruht eine Reihe von Vorbereitungs-
arbeiten, welchen graues Eisen zum Verfrischen unterworfen wird,
[221]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
die wir später im einzelnen kennen lernen werden, die aber alle den
Zweck haben, den Kohlenstoff in den gebundenen Zustand über-
zuführen, also graues Eisen in weiſses umzuwandeln. Da aber der
Zweck des Frischens nicht bloſs der ist, den Kohlenstoff abzuscheiden,
sondern auch die schädlichen Beimengungen zu entfernen und dies
um so langsamer geht, je unreiner das Roheisen ist, so ergiebt sich
auch hieraus, daſs man das Frischen beschleunigen oder verzögern
muſs, je nachdem weniger oder mehr Beimengungen abgeschieden
werden müssen. Die Verzögerung sucht man besonders bei dem
ersten Teil des Frischprozesses, dem Rohfrischen, zu erreichen, da-
durch, daſs man das Eisen länger im Zustande des Roheisens erhält
und dies geschieht durch rasches Einschmelzen und Zusatz indiffe-
renter Schlacke, welche das eingeschmolzene Eisen vor dem Winde
schützt. Beschleunigt wird die Entkohlung durch langsames Ein-
schmelzen vor dem Winde und Zusatz von Garschlacke, ferner durch
das Arbeiten mit der Brechstange im Eisen, durch Rühren und Auf-
brechen, wodurch das Eisen immer wieder der Einwirkung des Windes
ausgesetzt wird. Ebenso wird durch eine tiefere Herdgrube der
Prozeſs verzögert, durch eine flachere derselbe beschleunigt. Zu
starker Wind und zu groſse Hitze verzögern mehr die Kohlen-
abscheidung als daſs sie sie beschleunigen. Eine starke Neigung der
Gebläseform, ein „stechender Wind“ gart nicht beim Einschmelzen,
sondern wirkt mehr auf das Eisen im Herde. Von diesen Gesichts-
punkten aus sind die vielen verschiedenen Frischmethoden, welche
wir in der Folge kennen lernen werden, zu beurteilen.


So wenig Agricola und Biringuccio uns Mitteilungen über
den Hochofenprozeſs machen, so wenig thun sie dies über den
Frischprozeſs. Dennoch wurde derselbe in Verbindung mit dem
Hochofenbetriebe im 16. Jahrhundert bereits in ausgedehnter Weise
angewendet und entwickelte sich in verschiedenen Gegenden, der
Eigenart des Roheisens entsprechend, in ganz verschiedener Weise.
Es ist nicht zu bezweifeln, daſs sich schon in diesem Jahrhundert
der Frischprozeſs nach seinen drei Hauptrichtungen ausgebildet hatte
und daſs, während im Salzburgischen, in Tirol und Oberitalien die
Einmalschmelzerei“ betrieben wurde, in der Eifel bereits die
Wallonschmiede“ bestand, während am Oberrhein, in Baden und
Schwaben, wo man graues Eisen zu verfrischen hatte, die deutsche
Aufbrechschmiede
zur Ausbildung gelangte, welche bald der wich-
tigste Frischprozeſs nicht nur für Deutschland, sondern für ganz
Europa wurde.


[222]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.

Die Einmalschmelzerei lehnt sich am meisten an die oben
beschriebenen alten Verfahren des Ausheizens und Reinigens des
Stückeisens an. Sie setzt ein gutartiges, schnellfrischendes, weiſses
Roheisen, welches den Kohlenstoff im gebundenen Zustande enthält,
voraus. Nur ein solches läſst sich bei einmaligem Niederschmelzen
im Frischherde in Stabeisen umwandeln. Deshalb konnte dieses Ver-
fahren auch nur da Eingang finden, wo ein solches Roheisen ge-
wonnen wurde, und das war in Deutschland, besonders in den öster-
reichischen Alpen und im Siegerlande der Fall.


Ursprünglich stellte man in denselben Herden Stahl und Stab-
eisen dar, ja wo es die Natur des Eisens erlaubte, war die Frisch-
arbeit mehr auf Stahl als auf Schmiedeeisen gerichtet. Wenn wir
in unserer historischen Schilderung die Stabeisenbereitung von der
Stahlerzeugung von Anfang an getrennt behandeln, so geschieht dies
nur der gröſseren Deutlichkeit wegen.


Eine der ältesten und einfachsten Frischmethoden, welche graues
Roheisen verarbeiteten, war die salzburgische Sinterarbeit. Sie
schlieſst sich an die alte Rennarbeit an. Das graue Roheisen wurde
glühend unter einem schweren Hammer gepocht, ähnlich wie ein
fester Eisenstein. Der Roheisensand wurde mit Glühspan (Sinter)
gemengt, mit Wasser begossen auf eine hohe Kohlenschicht des
Frischherdes gleichsam aufgegichtet 1). Um das Roheisen zu pochen,
wurde es in einem kleinen, offenen Herde in starke Glühhitze ver-
setzt, dabei jedoch darauf geachtet, daſs nicht eine teilweise Schmel-
zung eintrat. Graues Roheisen lieſs sich leichter pochen als weiſses.
Der nach beendetem Pochen noch teilweise glühende Eisensand
wurde rasch in Wasser gekühlt, was eine nicht unmerkliche Reini-
gung, insbesondere von Schwefel, verursachte. Der Frischherd, in
welchen das gepochte Eisen eingesetzt wurde, war 21 Zoll lang,
27 Zoll breit und mit eisernen Zacken ausgesetzt, hatte aber einen
Löscheboden. Eigentümlich war ihm die drei Fuſs hohe Wolfs-
mauer. Das „Eſseisen“ (die Form) war 12 bis 15 Grad geneigt.


Der Prozeſs begann mit dem Ausheizen der zwei bis drei Masseln
von der letzten Luppe, während welcher Periode kein Roheisen in
den Herd kam und das Schweiſsen in gewöhnlicher Art, zunächst
mit der steirischen Löscharbeit übereinstimmend, durchgeführt und
dabei der Frischboden gebildet wurde. Das Ausheizen dauerte etwa
1½ Stunden. Nach dessen Beendigung wurde der ohnedies nicht
[223]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
starke Wind noch mehr geschwächt und der ganze Zerenn- oder
Frischprozeſs mit schwachem Winde durchgeführt. Für jeden „Dachel“
wurden etwa 55 kg gepochtes Roheisen und 20 kg Hammersinter
(Glühspan) in gut vermengtem und mit Wasser befeuchtetem Zustande
auf einer eigenen Platte neben dem Herde vorbereitet. Bevor von
diesem Gemenge aufgegeben wurde, erhöhte man den Löschkranz
über der Arbeitsplatte auf etwa zwei Fuſs, wodurch vereint mit der
hohen Wolfsmauer ein kleiner Schacht entstand, welcher sofort mit
Kohlen gefüllt wurde. Über diese Kohlen wurde nun eine Schaufel
voll des genannten Gemenges, möglichst gleich verteilt, aufgesetzt
und dann noch etwas Wasser darüber gegossen.


Durch die zwei bis drei Fuſs hohe Kohlensäule, den schwachen
Wind und das Anfeuchten mit Wasser wird dem Gemenge von
Roheisensand und Glühspan durch längere Zeit Gelegenheit ge-
geben, in der höheren Temperatur und in Berührung mit Kohlen
aufeinander einzuwirken. Hier tritt zunächst das ein, was man das
Glühfrischen“ nennt. Es ist nämlich eine höchst bemerkens-
werte Thatsache, daſs oxydische Verbindungen, welche Sauerstoff
abzugeben geneigt sind, und dazu gehört nicht nur das Eisen-
oxyduloxyd, sondern auch das Eisenoxyd, dem Roheisen schon durch
einfachen Kontakt in der Glühhitze den Kohlenstoff zu entziehen im
stande sind. Diese Wirkung steigert sich allerdings mit dem Über-
gange in den flüssigen Zustand, indem dadurch die Berührungsfläche
eine viel gröſsere wird, die chemische Aktion bleibt aber in beiden
Fällen die gleiche und wird jedenfalls nur durch den gasförmigen
Zustand der wirkenden Agentien vermittelt. Immerhin tritt bei dem
Eisen diese Art der Kontaktwirkung in ganz besonders auffälliger
Weise auf und beruhen darauf groſsartige Industriezweige, wie die
ganze Cementstahlbereitung und die Herstellung des schmiedbaren
Gusses. Die Benutzung dieser Wirkung zur Vorbereitung des Eisens
bei dem Frischprozeſs ist in vielen Gegenden und in verschiedener
Weise zur Anwendung gekommen.


Das Glühfrischen ging allmählich in Schmelzfrischen über
und zuletzt schmolz alles über dem Frischboden gar ein. Mit dem
einzusetzenden Quantum muſste man sich aber ganz nach dem
Feuergang richten, indem sehr leicht bei zu viel Nachsatz ein
Rohschmelzen eintrat. Man wartete deshalb in der Regel mit dem
folgenden Satz, bis der erste nahezu eingeschmolzen und frische
Kohle aufgeschüttet war. 15 bis 20 Pfund mochten als das durch-
schnittliche Satzgewicht und 8 bis 12 Minuten als die gewöhnliche
[224]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
Zeit von einem Satze zum andern gelten. Da hierbei viel Schlacke
entstand, muſste öfters „Sinter“ abgestochen werden, der anfangs roh
war, aber immer garer wurde. Der Zerenn- oder Frischprozeſs währte
1½ Stunden; eine weitere halbe Stunde war zum Ausbrechen und
Zängen der Luppe und neuem Vorbereiten des Frischherdes nötig.
Die ganze Zeitdauer für Herstellung einer Luppe, die noch mit dem
alten Namen „Renn“ bezeichnet wurde, betrug etwa 3½ Stunden und
erhielt man dabei 65 bis 75 kg Stabeisen. Der Bedarf an vor-
gemessenen Fichtenkohlen stellte sich für 50 kg Stabeisen auf 40 bis
45 Kubikfuſs (140 bis 160 kg) — ein ganz enormer Kohlenverbrauch.


Diesem Verfahren nahe verwandt und ebenfalls von hohem Alter
ist die Müglaarbeit1), die noch vor 30 Jahren in der nördlichen
Lombardei und zu Prinör in Südtirol betrieben wurde. Die Mügla-
frischschmiede wurde in Kärnten Brockenschmiede und in Frank-
reich bergamaskische Schmiede (affinage Bergamasque) ge-
nannt. Auch sie erforderte ein ganz eigentümliches „Vorfrischen“, d. h.
eine ganz eigene Art der Vorbereitung des Eisens vor dem Frischen 2).
Es wurde nämlich das Roheisen in Partieen von 5 bis 10 Zentner in
einem ziemlich groſsen, mit Zacken (Eisenplatten) ausgesetzten und
mit stark geneigter Form versehenen „Hartzerennherd“ in 1½ bis
3 Stunden eingeschmolzen. Alsdann wurde der Herd bis auf das
blanke Metallbad abgeräumt, zerkleinerte und gare Zuschläge partieen-
weise eingetragen, mit einer Holzstange durchgerührt, und das Eisen
sofort mit einer schaufelartigen Stange in kleinen Partieen auf ein
über der Gichtplatte verbreitetes Bett von gepochter Garschlacke ge-
schafft und mit letzterer abermals durchgerührt. Die gröſseren Roh-
eisenbrocken wurden nach Thunlichkeit im Herde zerstoſsen oder auf
der Gichtplatte zerschlagen und so das ganze Roheisenquantum
schlieſslich in einen wie Granalien zerkleinerten, mit garen Zuschlägen
und Lösche untermischten Zustand verwandelt. Nachdem der Herd
wieder mit nasser Lösche ausgeschlagen worden war, wurde die Hälfte
dieses Gemenges sogleich in denselben zurückgebracht und das Ge-
bläse ganz sachte angelassen. Zunächst vor der Form wurde die
Masse bald kalt geblasen; über der Form glimmte dieselbe aber fort
und an der Oberfläche stellten sich allenthalben blaue Flämmchen
ein. Man suchte das Feuer durch die ganze Masse gleichmäſsig zu
verbreiten. Wo es an einer Stelle auszublasen begann, wurde feines
[225]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
Brockwerk nachgetragen und mit einer Schaufel festgeschlagen.
Die Masse frittete dabei zusammen, was durch Nachtreiben und
Schlagen mit der Schaufel befördert wurde. In 30 bis 40 Minuten
war das ganze Haufwerk über der Form zusammengebacken. Nun
wurde das Gebläse abgeschützt, der Herd mit Wasser gekühlt und
die zusammengefrittete, gebratene Masse ausgebrochen. Mit den
rückständigen, losen Bröckchen wurde sodann wieder in gleicher
Weise vorgegangen und so aus dem ganzen Roheisenquantum meist
drei derartige Klumpen, die Kortitsch, Kartitsch oder Kotizzi hieſsen,
gebildet, die im erkalteten Zustande wieder jeder in etliche Stücke
zerschlagen und dann an die Frischherde abgegeben wurden. Dieses
Vorfrischen kann als ein vereinigtes Braten (Glühfrischen) und Hart-
zerennen (Feinen) angesehen werden. Die Frischherde waren klein,
nur teilweise mit Zacken versehen, übrigens wie bei der Löscharbeit
in Steiermark und Kärnten mit Lösche ausgeschlagen. Es wurden
kleine Luppen von 40 bis 55 kg erzeugt, welche, zu Masseln ge-
drückt, im Beginn jeder Luppenbildung unter einem Schwanzhammer
von 3 bis 4 Zentner Gewicht ausgeschmiedet wurden. Das Aus-
heizen muſste vollkommen geschehen, weil das Ausrecken in einer
Hitze erfolgte. Der einzuschmelzende Kartitsch wurde in der Regel
erst eingesetzt, wenn der Ausheizprozeſs nahe zu Ende war. Das
Regulieren des Einschmelzens wurde mit der Brechstange bewirkt
und hatte das ganze Verfahren groſse Ähnlichkeit mit der kärnt-
nerischen Löscharbeit. Die Dauer von einer Luppe zur andern betrug
1½ bis 2½ Stunden, wovon reichlich die Hälfte der Ausheizprozeſs
in Anspruch nahm. Das Stabeisen war von vorzüglicher Güte, meist
mehr weich als hart. Der Abbrand (Kalo) war nicht bedeutend, weil
alle die eisenreichen Abfälle beim Vorfrischen zugute gemacht wurden,
er betrug einschlieſslich des Vorfrischens 14 bis 16 Prozent. Der
Kohlenaufwand war nach der Art der Kohlen, die aus Kastanien-,
Birken-, Buchen- und Fichtenholz erzeugt waren, verschieden. Dem
Gewichte nach konnten auf 100 kg Stabeisen 250 kg Kohlen gerechnet
werden, was bei Fichtenkohle ungefähr 70 Kubikfuſs entsprach. Der
Kohlenverbrauch war demnach ein sehr beträchtlicher.


Auch in Kärnten, wo im Jahre 1567 der erste Flossenofen bei
Urtl erbaut wurde, betrieb man die ältere Frischarbeit mit „Kortitsch“,
der oben beschriebenen lombardischen Müglafrischarbeit wahrschein-
lich sehr ähnlich. An deren Stelle trat dann später die Arbeit mit
gebratenen Blatteln, die eigentliche kärntnerische Löscharbeit; da dies
aber erst im Laufe des 17. Jahrhunderts geschehen zu sein scheint,
Beck, Geschichte des Eisens. 15
[226]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
so werden wir dieselbe erst später beschreiben. Dasſelbe gilt von
den steirischen Löschfrischen und der Zerennarbeit.


Im Siegerlande dagegen betrieb man die Frischarbeit schon
früher. Bereits vor der Mitte des 15. Jahrhunderts werden die „Hammer-
hütten“ getrennt von den „Blasehütten“ erwähnt. Die Frischherde und
Hämmer befanden sich in der Regel in besondern Gebäuden, ge-
trennt von den Hochöfen, wenn auch meist in nächster Nähe der-
selben. Auch im Besitz waren sie häufig getrennt. Die Hammer-
hütten hatten, wie die Blasehütten, ihre besondern Hammerzeiten
und Hammertage, die gesetzlich in der Weise geregelt waren, daſs
sie in einer bestimmten Aufeinanderfolge stattfanden, so daſs einmal
der Hochofen, das andere Mal die Frischhütte die ganze verfügbare
Wasserkraft ausnutzen konnte. In den alten Hammerhütten wurde
sowohl Stahl als Schmiedeeisen gefrischt. Das Frischverfahren 1), das
sich in ganz eigenartiger Weise im Siegerlande entwickelt hat, war
ebenfalls eine Einmalschmelzerei, die aber schon manches Verwandte
mit der deutschen Brechschmiede zeigte. Das ältere Verfahren war eine
Kleinfrischerei. Erst allmählich, als der Kohlenmangel immer fühlbarer
wurde, entwickelte sich das eigentümliche Verfahren, welches später
als siegensche Einmalschmelzerei bekannt war. Bei letzterem ver-
arbeitete man ein aus Spat- und Brauneisenstein erblasenes strah-
liges bis stark halbirtes Roheisen mit Buchenkohlen auf ein unvoll-
kommen ausgeschweiſstes Materialeisen von groben Dimensionen. Der
Frischherd war mit eisernen Zacken und eisernem Boden hergestellt.


Ehe wir in die nähere Beschreibung desſelben eingehen, wollen
wir kurz einige allgemeine Bemerkungen über das Charakteristische
des Feuerbaues für den Frischprozeſs vorbringen, wie er sich schon
im 16. Jahrhundert aus den Löschherden entwickelt hat. Derselbe
besteht aus der Herdgrube, in welcher der Prozeſs sich vollzieht,
und der Esse, dem „Assenkorb“ oder „Eſskogel“, welche über dem
Frischherd aufgeführt wird, zur Abführung der Hitze und zum Auf-
fangen der Funken, also zum Schutz der Menschen und Gebäude.


Wie aus den alten Rechnungen der Gittelder Eisenhütten
hervorgeht, war die Feueresse des Frischherdes am Harz, wo sie
„Assekorb“ hieſs, wirklich wie ein umgestülpter Korb aus einer Art
Flechtwerk von dünnem Stammholz oder Zweigen, welches dick mit
Lehm verschmiert wurde, hergestellt; in andern Gegenden war sie
gemauert und zwar als viereckiger, pyramidaler Turm von 10 bis
[227]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
15 m Höhe. Gewöhnlich wurde indessen der untere Teil mit senk-
rechten Wänden aufgeführt und auf diese dann die Pyramide, welche
die eigentliche Esse bildete, aufgesetzt. Dieselbe hatte an der
Basis eine lichte Weite von etwa 2 m im Quadrat, während die
obere Öffnung ½ m Seitenlänge hatte. Die Arbeitsseite, d. h. die
nach der Hütte zugewandte Seite, von welcher aus der Frischer den
Herd bediente, war stets frei. Öfter blieb aber, um den Herd noch

Figure 69. Fig. 68.


zugänglicher zu machen, auch noch eine der daranstoſsenden Seiten
frei, indem man das darüber befindliche Mauerwerk mit einer Trag-
säule unterfing. Obenstehende Skizze (Fig. 68) aus Swedenborgs
Werk De ferro zeigt eine schwedische Frischesse von solcher Bauart
aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts. Die zweite offene Seite
lag dann stets der Formwand gegenüber. Diese und die Hinterseite
blieben geschlossen. Das Mauerwerk war mit Eisenschlieſsen zu-
sammengehalten und im Inneren der Esse waren zuweilen Funken-
bleche in Zickzackstellung angebracht.


Die Feuergrube selbst war in frühester Zeit nur aus Lehm und
Kohlenlösche gestampft. Bei der steirischen Löschschmiede wurde
15*
[228]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
der Herd aufgemauert, ähnlich wie wir dies bei den Katalanschmieden
früher bereits kennen gelernt haben 1). Doch brachte man auf der
Arbeitsseite bereits ein mit Löchern zum Ablassen der Schlacke ver-
sehenes Blech, das „Sinterblech“, an, während man die Formseite, an
der sich die meisten Ansätze bilden, die mit dem Spieſs weggestoſsen
werden müssen, durch eine stärkere, 2 bis 3 Zoll dicke Eisenplatte,
den sogenannten „Abbrand“, schützte. Die Hinter- und Windseite
waren dagegen immer gemauert, und zwar waren die Wände nach
rückwärts gelehnt in einem Winkel von 80 bis 85 Grad und liefen
in einer abgerundeten Ecke zusammen. Die Hinterseite (Wolfseite)
war zirka ½ m erhöht durch die „Wolfmauer“. Den Boden pflegte
man aus einer Steinplatte zuzurichten. Bei der deutschen Aufbrech-
schmiede, wo viel energischer im Herde gearbeitet werden muſste,
schützte man dagegen sämtliche Wände und den Boden durch eiserne
Platten, oder richtiger gesagt, man baute den ganzen Frischherd aus
Eisenplatten zusammen. Die Seitenplatten hieſsen in Deutschland
„Zacken“ (Taken), in Steiermark und Österreich „Abbränder“, in
Kärnten und Krain Steine oder Feuerplatten, der Herdboden hieſs
auch Frisch- oder Feuerboden. Die Zacken, welche man in Deutsch-
land aus dem Hochofen goſs, wurden nach den vier Herdseiten
unterschieden, als 1) Vorder-, Arbeits- oder Schlackenzacken, auch
Vorherd-, Eſsbank-, Sinter- oder Rolplatte; 2) die Eisenplatte der
Formseite hieſs der Formzacken, in Österreich auch Eſseisenplatte;
3) gegenüber lag der Gicht-, Wind- oder Rührzacken (welsch Ria);
4) der Arbeitsseite gegenüber der Hinterzacken, auch Aschen-
oder Wolfszacken genannt. Doch verstand man unter Aschenzacken
gewöhnlich eine zweite, auf den Hinterzacken lose aufgesetzte Platte,
welche den Zweck hatte, die durch die Flamme in die Esse getriebene
Asche zurückzuhalten und zu verhindern, daſs sie nicht in den Herd
zurückfalle. War ein besonderer Schlackenzacken vorhanden, so be-
fand sich in demselben entweder eine groſse Öffnung oder es waren
in demselben mehrere über einander liegende Löcher zum Ablassen
der Schlacken angebracht, welche nur mit Kohlenlösche zugestopft
wurden.


Die vier Zacken erhielten in der Regel aber nicht immer eine
gleiche Höhe, und zwar war die Höhe des Formzackens maſsgebend.
Auf den Vorderzacken oder das Sinterblech wurde häufig eine be-
sondere, 52 mm dicke eiserne „Eſsbank“ horizontal aufgelegt, ebenso
[229]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
auf den Windzacken die „Gichtplatte“. Den Aschenzacken haben
wir bereits oben erwähnt. Bei dem deutschen Frischherd war der
Frischboden gewöhnlich kleiner als der innere Herdraum, um ihn
nach Bedürfnis höher oder tiefer legen zu können, bei den übrigen
Frischmethoden war er dagegen gröſser. Die Zacken standen meist
nicht senkrecht zum Boden, sondern waren nach auſsen oder nach
innen geneigt. Der Formzacken war meist in den Herd geneigt,
um den Wind dem Herdboden zuzulenken und den Rückprall des-
ſelben zu verhindern. Die übrigen Zacken waren dagegen meist aus
dem Herde geneigt. Die Abweichungen der Neigung der Frisch-
zacken gab zunächst Veranlassung zu der Mannigfaltigkeit der Herd-
zustellungen, die wir bei den verschiedenen Frischmethoden kennen
lernen werden. Ebenso bildeten die Zacken von oben gesehen oft
kein Quadrat, indem die Platten von verschiedener Länge waren.
Die Windform bei den Frischfeuern hatte stets eine — mehr oder
weniger — geneigte Lage, man nannte dies das „Stechen“. Die Form
oder das „Eſseisen“ war von Kupfer, in dieselbe mündeten die zwei
Balgdüsen (Tiesen — Deuten), die in der Regel von Eisenblech waren.
Die normale Gestalt war so, daſs die Fläche des Bodens mit der der
Mündung einen rechten Winkel bildete; war dieser Winkel kleiner
als ein rechter, so sagte man, die Form sei überfeilt oder sie habe
ein „Untermaul“; war der Winkel gröſser als ein rechter, so war
die Form unterfeilt oder hatte ein „Übermaul“; seitliche Abweichungen
hieſsen Vorder- oder Hintermaul. Es ist einleuchtend, daſs diese
Stellung der Formmündung groſsen Einfluſs auf die Richtung des
Windes hatte.


Figure 70. Fig. 69.

Figure 71. Fig. 70.

Diese allgemeinen Bemerkungen werden genügen, das Verständnis
der Beschreibung der Frischmethoden zu erleichtern und kehren wir
jetzt zur Schilderung der siegenschen Einmalschmelzerei zurück.
Der Frischherd, in welchem dieselbe in diesem Jahrhundert ausgeführt
wurde, ist in obenstehender Skizze (Fig. 69 und 70) dargestellt 1).


[230]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.

Die Form c war halbrund, 33 mm breit, 26 mm hoch und so
stark geneigt, daſs der Windstrom im letzten Viertel der Herdlänge
den Boden traf. Die Düsen d waren kreisrund, 22 mm weit. An
Stelle des Zackens befand sich an der Arbeitsseite ein vierseitiges
Gehäuse a, durch welches man bequem mit einer Brechstange nahezu
horizontal längs des Bodens hinfahren konnte. Das Abstechen der
Schlacke geschah gleichfalls durch dieses Gehäuse, indem die ein-
geführte Brechstange langsam zurückgezogen wurde. Der Raum b,
Vorherd genannt, blieb bei der Arbeit mit Lösche gefüllt. Das Ge-
bläse bestand aus zwei Lederbälgen, die jedoch einen sehr gepreſsten
Windstrom, angemessen den harten Kohlen, lieferten.


Man arbeitete in der Regel mit zwei Herden, aber nicht gleich-
zeitig, sondern der eine löste den andern ab. Der Hammerschlag
bestand aus einem Aufwerfhammer von 400 kg Gewicht und 1,256 m
Hub, mit einer kaum 52 mm breiten Bahn, während der Amboſs eine
halbkreisförmige Bahn hatte. Diese eigentümliche Konstruktion hatte
der Hammerschlag deshalb, weil die ganze groſse Luppe vorerst zu
einer einzigen Massel zusammengedrückt, diese sodann sehr in die
Länge gereckt und schlieſslich durch den Hammer selbst zu zwei
Stücken durchgeschlagen wurde. Aus diesen wurde nur grobes
Materialeisen von quadratischem Querschnitt von nahe 52 mm Seiten-
länge, „Kolben“, niemals fertiges Grobeisen ausgeschmiedet. Das
Roheisen wurde in Form vom Gänzen (und darauf gelegten Brocken)
vorerst über der Gichtplatte unter einer Neigung von 25 bis 30 Grad
in den Herd so weit vorgerückt, daſs es einzuschmelzen begann. Von
der Arbeitsplatte aus wurden über die Form die beiden Masselstücke
zum Ausheizen eingehalten. Vor allem schmolz man jedoch einige
Garschlacken, „Schwallbrocken und Stockweich“, ein.


Jedes Masselstück erhielt zwei Hitzen, die anfangs, solange der
Herd sich noch nicht gehörig in Saft befand, trocken und sengend
waren, wodurch gewöhnlich die erste Hälfte des Stabes unganz und
schalig erschien. Waren die Massel und Kolben aus dem Herde ent-
fernt, was in 1½ bis 2 Stunden erreicht war, so wurde auch von
der Arbeitsseite aus eine Roheisenganz eingelegt.


Das während der ersten Periode nur auf der Gichtseite nieder-
schmelzende Roheisen wurde öfters mit der Brechstange nach der Mitte
des Herdes und durch die Öffnung a nach oben mehr vor den Wind
geschafft und dadurch das Garen befördert. Darin lag schon eine
gewisse Ähnlichkeit mit der Arbeit bei der deutschen Frischschmiede.
Doch blieb das siegensche Frischen mehr eine wirkliche Einmal-
[231]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
schmelzerei als die Brechschmiede, indem nur die zuerst nieder-
schmelzenden Eisenpartieen durch das erwähnte Arbeiten mit der
Brechstange in der Gare beschleunigt wurden. — War auf diese
Weise ein garer Frischboden erzielt, so wurde mit der Brechstange
von unten noch bisweilen gelüftet, aber nicht mehr durchgebrochen. —
So oft mit der Brechstange von unten im Herde gearbeitet wurde,
lieſs man beim Zurückziehen der Stange Schlacke abflieſsen. Dadurch
blieb der Feuergang ein trockener, wodurch der Frischprozeſs be-
fördert, zugleich aber der Eisenabbrand vermehrt wurde. Durch die
starke Windpressung und den verhältnismäſsig flachen Herdbau war
der Feuergang überdies ein hitziger, daher besonders in der letzten
Periode, wo der Boden in die Nähe der Form gerückt war, viel
„Dünneisen“ sich einstellte. Dünneisen war ein halbflüssiger Zustand
des mehr oder weniger gefrischten Eisens, der dann eintrat, wenn
die Temperatur im Herde sich sehr erhöhte, was zumeist erst gegen
Ende des Garfrischens geschah, weil dann mehr Eisen verbrannte
und sich der Frischboden erhöhte, die Hitze also auf einen kleineren
Raum eingeschränkt wurde. Man brach das Dünneisen, das durch
den Wind nach dem Rande getrieben wurde und da erstarrte, in
Brocken los und hob es vor die Form, wo es unter Aufkochen frischte.
Bei diesem Verfahren wurden 300 bis 350 kg Roheisen zu einer Luppe
eingeschmolzen, die in nur drei Stunden gar gefrischt waren. Trotz
diesem raschen Gange fiel ein gutes Eisen, dessen Güte durch eine
nachträgliche gute Schweiſsung noch sehr erhöht wurde. Viel trug
dazu die Qualität des Roheisens, besonders dessen Mangangehalt bei.
In einer siegenschen Frischhütte mit zwei Herden und einem Hammer-
schlag frischten vor 50 Jahren fünf bis sechs Mann in 24 Stunden
acht bis neun Luppen, welche an 2000 kg Materialeisen als Kolben
ergaben. Der Eisenabbrand betrug 25 Prozent, der Kohlenaufwand
6 Kubikfuſs Buchenkohle pro Zentner.


In der älteren Zeit war der Hammerschmied gebunden, aus
einem Stalln Roheisen, = 75 kg, eine Wag Schmiedeeisen, = 60 kg,
zu schmieden, was also einem Abbrand von nur 20 Prozent entspräche.
Da aber der beste Hammer bei gutem Gange nur sieben Wag,
= 420 kg, in 24 Stunden lieferte, so läſst sich schlieſsen, daſs damals
nur ein Herd benutzt wurde, und daſs die Einsätze viel kleiner
waren, indem dieselben vermutlich für jede Charge nur einen Stalln
= 75 kg betrugen und daſs der Hammerschmied das gefrischte Eisen
sogleich zu fertigem Stabeisen ausschmiedete. Dies wird auch durch
die Überlieferung bestätigt. Die Arbeit mit den groſsen Luppen und
[232]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
den schweren Hämmern, „die Reckeisenschmieden“, wurde erst in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Siegerlande eingeführt,
während man vorher nur „Kleineisenschmieden“, welche viel kleinere
und einfachere Herde und leichtere Hämmer hatten, besaſs. Unsere
obige Schilderung, welche ein Reckeisenfeuer aus der letzten Zeit
ihres Bestehens, aus den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts,
beschreibt, ist demnach eigentlich verfrüht. Wir haben sie aber
trotzdem hier schon gebracht, weil wir über die alten Kleineisen-
feuer genaueres nicht wissen und die Reckeisenschmiede aus den
Kleineisenschmieden nur durch Vergröſserung der Herde und Hämmer
hervorgegangen sind. Das Wenige, was wir über die siegenschen
Kleineisenschmiede des 16. Jahrhunderts wissen, werden wir bei der
Geschichte des Siegerlandes mitteilen.


Ganz abweichend von dem Verfahren im Siegerlande entwickelte
sich die Frischarbeit in der westfälischen Mark und einem Teile des
Sauerlandes, welche als märkische Osemundschmiede bekannt war.
Der Name Osemund stammt wahrscheinlich aus dem Schwedischen 1),
denn so hieſs das halbfertige Eisen, das Produkt der Bauernöfen,
welches durch den hanseatischen Handel aus Schweden nach Deutsch-
land kam und seiner Güte wegen geschätzt wurde. Nicht nur in dem
Gebiete der Städte Danzig und Lübeck wurde dasſelbe verarbeitet,
sondern es wurde auf weiten Wegen bis nach Westfalen verführt 2),
in die Gegend, die seit alters her der Hauptsitz der Drahtfabrikation
und der Panzermacherkunst war, denn kein Eisen gab so feinen und
doch starken Draht. Ursprünglich bestand die Darstellung des Ose-
mundeisens nur darin, daſs man den rohen Osemund aus Schweden,
ganz wie in Steiermark die Halbmasseln der Stücköfen, in einem
Herde, der wohl auch nur ein Löscheherd gewesen sein wird, aus-
heizte und in wiederholten Hitzen zu Stäben, welche das Material
für die Drahtbereitung lieferten, ausschmiedete. Als aber im Laufe
des 16. Jahrhunderts die Ausfuhr des rohen Osemund aus Schweden,
durch dessen Könige aus dem Geschlechte der Wasa eingeschränkt
und zeitweilig gänzlich verboten wurde, sahen sich die märkischen
Osemundschmieden gezwungen, Ersatz für das schwedische Eisen zu
schaffen. Da inzwischen die Frischarbeit überall Eingang gefunden
hatte, so fanden sie denselben in dem vorzüglichen Roheisen aus den
Herrschaften Sayn-Altenkirchen und Siegen, welches sie durch ein
[233]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
ganz eigentümliches Frischverfahren zu vorzüglichem Drahteisen zu
verarbeiten lernten. Diese Frischarbeit behielt den Namen der Ose-
mundschmiede deshalb bei, weil das Drahteisen nach wie vor unter
dem alten Namen Osemund an die Drahthütten verkauft wurde,
trotzdem das neue Verfahren von dem früheren wesentlich verschieden
war. Die Osemundschmiede ist eine Anlaufschmiede im vollsten Sinne
des Wortes. Alles gefrischte Eisen wird an dem glühenden Ende
einer Eisenstange angeschweiſst, d. i. „anlaufen“ lassen, und in dieser
Form als „Anlauf“ dem Schmelzherd entnommen 1). Man schmolz
dabei grelles Roheisen, und zwar von einer über dem Hinterzacken
eingesetzten Ganz vor der Form jedesmal soviel gar ein, als zu einem
Kolben erforderlich war. Das Eisen, welches sich vor dem Winde
gefrischt hat, wird sofort als Anlauf aufgefangen und ausgeschmiedet.
Diese Osemundschmiede erfordert daher ein vorzüglich reines, gar-
schmelziges Eisen und verursacht eine angestrengte Arbeit, weil das
Anlaufenlassen und Ausschmieden ununterbrochen wechseln. Gare
Zuschläge sind unerläſslich und die Arbeit kann nicht beginnen, ehe
ein Bad von Garschlacken, Schwahl- und Hammerschlacken, der soge-
nannte „Kloot“, eingeschmolzen war. Die Breite des Herdes vom
Form- zum Gichtzacken betrug 0,36 m, die Länge 0,80 m; der Boden
war aber nur 0,50 m lang, indem der ganze Vorherd mit Lösche aus-
gestampft wurde. Das Feuer war 0,20 m tief und die Form 0,20 m
vom Hinterzacken entfernt. Sie ragte 6 cm in den Herd und hatte
ein auſserordentlich starkes Stechen. Man wendete einen sehr hef-
tigen Wind an und lieſs das Roheisen 0,15 bis 0,18 m über der Form
schmelzen, um es flüssig in den Windstrom zu bringen. Der Gicht-
zacken stand deshalb auch 20 cm höher als die Form. Beim Schmelzen
wurde die Ganz der Form bis auf 18 cm genähert und die nieder-
gehenden Roheisentropfen erhielten teils durch den Wind, teils durch
die garen Zuschläge im Herde die nötige Gare. Deshalb backten sie
bald zu mehreren kleinen Brocken zusammen, welche der Frischer mit
einem Handspieſs lüften und vor den Wind führen muſste, während er
eine Anlaufstange in das Feuer brachte und sich bemühte, die kleinen
Frischklumpen an der Anlaufstange anschweiſsen zu lassen. Dies ge-
schah unter fortwährendem Umdrehen in dem Windstrome. Waren
auf diese Weise etwa 10 kg Eisen angelaufen, so wurde der Kolben aus
dem Feuer genommen, sogleich ausgeschmiedet, von der Anlaufstange
abgehauen und diese wieder zum Anlaufen eingehalten. Meistens war
[234]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
alle Viertelstunde ein Anlaufkolben fertig, weshalb mehrere Anlauf-
stangen im Gebrauch sind. Je flüssiger und garer das Schlackenbad
im Herde und je gröſser die Hitze war, in welcher das Eisen durch-
gewirkt wurde, desto vorzüglicher war es in der Güte. Die Kleinheit
der Kolben trug dazu wesentlich bei.


Das märkische Osemundeisen war berühmt wegen seiner Weich-
heit, verbunden mit Zähigkeit. War der Kohlenverbrauch groſs,
infolge der kleinen Luppen, so sparte man dagegen das Ausheizen
zum Verschmieden; er betrug pro 100 kg etwa 46 Kubikfuſs oder
166 kg bei einem Abbrande von 25 Prozent. Zum Ausrecken bediente
man sich leichter Schwanzhämmer. Das Eisen für die Drahthütten
wurde in Stäben von etwa 3 m Länge, welche nicht abgeschlichtet
wurden, sondern die Hammerbisse deutlich zeigten, gezaint, für
andere Zwecke wurde es unter dem Namen Land- oder Knüppeleisen
in kurze Schienen (Knüppel) von etwa 1 m Länge und 10 kg Gewicht
geschmiedet.


In anderer Weise gestaltete sich die Frischarbeit da, wo man es
hauptsächlich mit grauem Roheisen, welches schwerer frischte, zu
thun hatte. Dies war in den meisten Gegenden sowohl Deutschlands
als auch Frankreichs der Fall. Hier fand die als deutsche Frisch-
schmiede
bekannte Aufbrechschmiede die allgemeinste Ver-
breitung.


Zuerst begegnen wir derselben als Schwabenschmiede in
Süddeutschland, besonders im südlichen Baden und Württemberg.
Schmilzt man graues Roheisen in einem Frischfeuer ein, so gelingt
es nicht, dasſelbe durch ein einmaliges Niederschmelzen vor dem
Winde zu entkohlen, es gelangt vielmehr bei dem ersten „Rohein-
schmelzen“ in einem noch ganz rohen Zustande auf den Herdboden.
Eine teilweise Entkohlung ist allerdings dann schon eingetreten,
namentlich wird aber bei diesem ersten Schmelzen aller graphitische
Kohlenstoff in den gebundenen Zustand übergeführt. Der ganze Vor-
gang ist also nur eine Vorbereitung des Eisens für das folgende
Einschmelzen, das eigentliche Frischen, und entspricht in gewisser
Beziehung dem Hartzerennen oder dem Feinprozeſs. Es unterscheidet
sich aber von diesem wieder darin, daſs das Eisen nicht als flüssige
Masse auf dem Herde sich sammelt, sondern daſs man einen teig-
artigen Zustand anstrebte und dessen Bildung, wenn nötig, durch auf
Gar- und Kaltgang wirkende Mittel: als schwacher Wind, Ablöschen
mit Wasser, kalte, gare Zuschläge, unterstützte. Die ganze Masse
wurde alsdann aufgebrochen, und zwar zumeist in einzelnen Brocken,
[235]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
und wieder über den Wind gebracht, und zum zweiten Male nieder-
geschmolzen. Dies hieſs das erste Rohaufbrechen, dem das zweite
Roheinschmelzen folgte. Bei letzterem wurde auch noch nicht die
vollständige Gare erzielt, sondern es entstand durch dieses zweite
Frischen eine stahlähnliche Masse. Diese war schon weit fester und
wurde entweder in einer Masse oder in nur wenigen gröſseren Brocken
aufgebrochen; dies hieſs das Garaufbrechen. Das hierauf folgende
letzte Niederschmelzen, wobei eine Luppe von weichem Eisen erhalten
wurde, hieſs das Gareinschmelzen oder Luppenmachen. Bei diesem
traten denn auch wieder verschiedene Abweichungen ein, je nachdem
die Luppe im ganzen ausgebrochen wurde oder ein Teil des nieder-
schmelzenden garen Eisens auf einem eisernen Spieſs, dem sogenannten
„Anlaufstab“, gesammelt und von Zeit zu Zeit ausgeschmiedet wurde,
was „Anlaufnehmen“ genannt wurde, oder daſs Teile der schon unter
der Form gesammelten garen Masse herausgerissen an den schweiſsen-
den Anlaufstab geklebt und nach wiederholtem Hitzen ausgeschmiedet
wurden, was man mit „gezwungenem Anlauf“ oder „Judenfrischen“
bezeichnete.


Schon dieser flüchtige Überblick zeigt, wie viele Modifikationen
bei der Aufbrechschmiede möglich sind und vorkommen.


Die schwäbische Schmiede oder die gewöhnliche deutsche
Frischschmiede
war von diesen wohl die älteste. Weil sie nur mit
kleinen Luppen von 75 bis 100 kg Roheiseneinsatz arbeitete, bezeich-
nete man sie auch als Kleinfrischerei. Es wurde sehr verschiedenes
Roheisen dabei angewendet, oft das allergeringste. Der Frischherd
war immer mit Zacken ausgesetzt; die Bodenplatte zuweilen von unten
durch Wasser oder Wind gekühlt und am Arbeitszacken befand sich
ein gröſseres, viereckiges Schlackenloch, höher oben waren mehrere
kleine, runde Schlackenlöcher angebracht. Der Windzacken war
nach auſsen geneigt. Die Maſse eines schwäbischen Herdes für
100 kg Roheiseneinsatz giebt Tunner1) folgendermaſsen an: Die
Länge des Herdes am Boden betrug 21 Zoll, in der Formhöhe 22 Zoll,
die Breite 27 Zoll, die Tiefe von der Form nieder 9 Zoll, von der
Arbeitsplatte aber 12 Zoll. Unter der 2½ Zoll dicken Bodenplatte
befand sich ein Rohr zur Kühlung. Der Schlackenzacken hatte
unten einen quadratischen Ausschnitt von 3 Zoll, um erforderlichen
Falls mit der Brechstange unter das Schmelzgut gelangen zu
können, auſserdem noch sechs Stichlöcher übereinander bis zur Form-
[236]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
höhe. Die Form hatte 6/4 auf 5/4 Zoll Öffnung und hatte 5 Grad
Neigung.


Der Herd wurde in der Weise vorbereitet, daſs man den Boden
und hauptsächlich die Ecken mit Lösche ausschlug. Darauf kam
ein Bett von Garschlacken, das nach der Windseite zu am stärksten
wurde. Hierauf wurde das Roheisen eingesetzt und zwar auf der
Windseite am besten in regelmäſsigen Stücken in der Weise, daſs
zum gleichzeitigen Ausheizen der Massel der nötige Raum vor der
Form frei blieb. Da auch bei dieser Frischmethode in der Regel nur
Materialeisen, also Schmiedeisen in groben Dimensionen, geliefert wurde,
so waren gewöhnlich bloſs zwei groſse Massel auszuschweiſsen, welche
gleichzeitig nebeneinander Platz hatten. Wollte man Stabeisen er-
zeugen, so wurden die ausgeheizten Massel in mehrere Kolben zer-
teilt, aus denen die kleineren Stäbe geschmiedet wurden. Dies ver-
zögerte aber das Ausheizen sehr, von 5/4 bis zu 9/4 Stunden. Während
des Ausschweiſsens wurde das eingesetzte Roheisen öfters gelüftet und,
je nachdem es die auszuheizenden Stücke ermöglichten, der Form
genähert. Da bei der schwäbischen Schmiede die ganze Eisenmenge
gleich anfangs ausgeheizt werden muſste, so schmolz viel Garschlacke
ab, welche das Garen des eingeschmolzenen Roheisens beförderte.


War die Ausheizperiode kurz und das einzuschmelzende Roh-
eisen schwer frischend, so dauerte es nach beendetem Ausheizen noch
¼ bis ¾ Stunden, bis alles Roheisen eingeschmolzen war. In einem
solchen Falle wurde oft vor beendetem Einschmelzen zu oberst etwas
Rohschlacke abgestochen und Gar- oder Hammerschlacke auf der
Gichtseite nachgetragen; jedenfalls geschah dies bei schwer frischendem
Eisen nach vollbrachtem Einschmelzen, um das Eisen bald in jenen
teigartigen, halbstarren Zustand zu bringen, der für das Rohaufbrechen
notwendig war. Das Aufbrechen selbst muſste mit Kraft und Be-
händigkeit und nach einer gewissen Ordnung vollbracht werden. In
der Regel wurde in der von der Arbeitsseite oder dem Vorherde und
dem Formzacken gebildeten Ecke begonnen, indem man mit der steil
eingeführten Brechstange nach der diagonal gegenüberliegenden Ecke
durchbrach. Sodann wurde am Boden längs des Formzackens durch-
gebrochen und das Eisen nach der Herdmitte gewuchtet. Darauf
wurde der Formzacken selbst gereinigt, indem man nach dieser Wand
unter der Form durchbrach und nach der Herdmitte wuchtete, wobei
man besonders danach trachtete, die am hinteren Ende der Formwand
angesammelte Masse hervor und nach der Mitte zu bringen. Hierauf
wurde mit der Brechstange zur Ecke zwischen Vorherd und Wand-
[237]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
zacken gegangen. Daselbst wurde vorerst wieder am Boden nach
der diagonal gegenüberliegenden Ecke durch- und aufgebrochen,
sodann am Boden dem Windzacken entlang und dann vom Wind-
zacken selbst nach der Mitte gebrochen. Zuletzt wurde von der
Mitte des Schlackenzackens am Boden durchgefahren, um etwa noch
am Boden befindliche Teile loszubrechen, den Vorherd zu reinigen
und die in der Herdmitte von allen Seiten angesammelte Masse über
den Windstrom zu heben. Bei diesem oft beschwerlichen Aufbrechen
diente die eiserne Arbeitsplatte als Stützpunkt für die Brechstange,
wie auch die Eisenauskleidung des Herdes notwendig war, um den
Stöſsen und Schlägen der Brechstange widerstehen zu können.


Gewöhnlich wurden die aufgebrochenen Teile mit der Brech-
stange so hoch gehoben, daſs diese auf der Arbeitsplatte eine hori-
zontale Lage erhielt. Nur bei einem schlackigen Gange pflegte man
höher aufzubrechen, um der vielen eisenreichen Schlacke durch eine
vermehrte Berührung mit den Kohlen wieder Gelegenheit zur teil-
weisen Reduktion zu verschaffen. Immer aber muſste die aufgebrochene
Masse von Kohlen bedeckt erhalten werden. Die letzte Arbeit mit
der Brechstange nach dem Aufbrechen war gewöhnlich die Reinigung
der Formmündung und eine solche Anordnung der aufgebrochenen
Teile, daſs der Wind frei darunter blasen konnte. Die im Herde
zurückgebliebene Schlacke bildete mit der aus der aufgebrochenen
Masse abflieſsenden eine neue Kruste am Herdboden, die dem nach-
schmelzenden Eisen als Unterlage dienen muſste. Das nun zum
zweiten Male vor dem Winde niederschmelzende Eisen muſste jeden-
falls viel garer als das erste Mal zu Boden gelangen und sich als
strengflüssiger daselbst wenig ausbreiten, um so weniger, als in dieser
Garperiode mit schwächerem Winde gearbeitet wurde. Dadurch baute
es sich vor der Form auf und reichte bald in die Nähe derselben, ehe
noch die Hälfte des ausgebrochenen Eisens wieder eingeschmolzen
war. Es bildete sich vor der Form eine Schale oder Pfanne, aus der
die Schlacken in groſsen, weiſsen Proben unmittelbar vor der Form
in die Höhe getrieben wurden. In diesem Zustande wurde das Eisen
vom Winde rasch oxydiert. Um dem entgegenzuwirken, brach man
diese gare Partie wieder auf und schaffte dadurch zugleich dem nach-
schmelzenden Eisen von neuem Raum unter und vor der Form.
Dieses wiederholte sich mehrmals, bis nach mehrfachem, meist vier-
maligem Aufbrechen Eisen und Schlacken sich vollständig geschieden
hatten, derart, daſs die Schlacke ein Bad am Herdboden bildete,
während alles Eisen sich über dem Windstrome in einer mehr oder
[238]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
weniger porösen, zusammengeklebten, hell aussehenden Masse befand,
aus der kein rohes, leichtflüssigeres Eisen mehr aussaigerte. Alsdann
war die Periode des Frischens mit Aufbrechen beendet. Je mehr
das Eisen in dieser Periode mit Kohlen bedeckt blieb, je geringer
war der Abbrand, je weniger, je rascher ging das Frischen vor sich,
aber auf Kosten der Güte und des Ausbringens.


Nun wurde zum Luppenmachen geschritten. Zunächst wurde der
Herd sorgfältig gereinigt und alle kleinen Eisenbröckchen mit der
Hauptmasse vereinigt. Dann wurde diese mit Stangen und Haken
derart gerückt und geordnet, daſs sie in der gröſsten Hitze vor der
Form niedersank und das Einschmelzen der Luppe rasch erfolgte.
Zu diesem Zwecke wurde der Wind verstärkt. Man sorgte dafür,
daſs die Form rein blieb und der Wind überall Durchgang fand.
Muſste man Schlacken abstechen, so sollte dies erst gegen Ende des
Luppenmachens geschehen. Bildete sich Dünneisen, so wurde der
Wind geschwächt, was überhaupt gegen Ende des Prozesses geschehen
muſste. Alle zerstreuten Eisenpartieen wurden mit Stangen und Haken
an die Luppe festgedrückt und geschlagen, um sie an dieselbe an-
zuschweiſsen. War alles eingeschmolzen und die Luppe geebnet, so
wurde noch eine Schaufel feiner Hammerschlacke aufgesetzt und mit
dem Haken eingerührt. Zeigte sich hierbei an der Spitze des Hakens
kein anklebendes Dünneisen, so wurde der Wind eingestellt und zum
Aufbrechen der Luppe geschritten. Bei guter Schmelzung durfte die
Luppe an keiner Seite des Herdes festsitzen, was am ersten unter
der Form eintrat.


Die erhaltene Luppe wurde unter dem Hammer zu einem Stücke
gedrückt und dieses dann in der Mitte in zwei Massel zerteilt. Je
kleiner die Luppe oder der Eiseneinsatz war, je besser hat sie der
Frischer in der Gewalt, je gleichförmiger fiel das Produkt aus. Da-
gegen konnte der Frischer, je geschickter und fleiſsiger er war, um
so gröſsere Eisenmengen regieren und um so mehr Stabeisen bei
nahezu demselben Kohlenaufwande erzeugen.


Zuweilen wurde in der Periode des Garens und Luppenmachens
Anlaufeisen genommen, aber nur sogenannter „reiner Anlauf“. Dies
geschah, indem man eine Eisenstange einlegte, an welche das herab-
tropfende reine Eisen anschweiſste. Man beförderte die Bildung des
Anlaufs durch öfteres Wenden der Anlaufstange. Auf diese Art er-
hielt man ein sehr reines Eisen, das besonders zu Draht verarbeitet
wurde. Doch nahm man nicht mehr als 15 bis 20 Prozent als An-
lauf, indem die übrige Luppe entsprechend weniger gut ausfiel.


[239]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.

Das Arbeitspersonal bei einem Feuer und dem dazu gehörigen
Hammerschlage bestand aus drei Mann: dem Frischer, dem Schmied
und dem Wassergeber. Jeder Frischer muſste des Schmiedens und
umgekehrt jeder Schmied des Frischens kundig sein, damit sie sich
gegenseitig ablösen konnten. Jeder Frischer hatte dabei seine ge-
frischte Luppe selbst auszuschmieden. Die Erzeugung eines Feuers
betrug um 500 kg in 24 Stunden, der Eisenverlust 18 bis 25 Prozent,
der Kohlenverbrauch 17 bis 24 Kubikfuſs auf 100 Pfund Eisen. Je
weniger Kohlenverbrauch, je gröſser war der Abbrand. Als weiches
Eisen war das Eisen der Schwabenschmieden gut, weniger, wenn das
Eisen hart fiel. Je kleiner die Luppen, je besser war die Qualität,
je gröſser aber auch der Kohlenverbrauch.


Am Rhein bildete sich aus der deutschen Brechschmiede für schwer
frischendes Eisen ein abweichendes Verfahren aus, welches darin
bestand, daſs man das Roheisen ganz roh einschmolz, so daſs man
es gar nicht aufbrechen konnte, ohne es vorher stark abzukühlen.
Man nannte dies das Kaltfrischen, auch Kaltbläserarbeit oder
rheinisches Frischen im Gegensatz vom eigentlichen deutschen
Frischen, dem Warmfrischen. Sobald das Eisen geschmolzen war,
suchte man die flüssige Eisenmasse bis zur völligen Erstarrung da-
durch kalt werden zu lassen, daſs man das Gebläse abschätzte, die
Schlacke vor dem auf dem Boden befindlichen Eisen mit der Herd-
schaufel wegscharrte und Wasser darauf goſs. War so die Arbeit
zehn Minuten bis eine halbe Stunde unterbrochen, so wurde der
ganze erstarrte Eisenklumpen aufgebrochen, umgewendet, Kohlen und
häufig auch eine Quantität Quarzstücke darunter gebracht und noch
einmal langsam eingescholzen.


Bei diesem zweiten Einschmelzen wurde das Eisen zur Gare ge-
bracht. Diese Arbeit war für den Frischer recht bequem, weil er
weder beim Einschmelzen noch beim Frischen im Herde zu arbeiten
brauchte; die Unterbrechung der Arbeit, die groſse Abkühlung des
Herdes, das Abkratzen der Schlacke, wobei Eisenverlust unvermeidlich
war, machten aber dies Verfahren zu einem unökonomischen. Dennoch
hat es Verbreitung gefunden und werden wir später darauf zurück-
kommen.


In Burgund, im nordöstlichen Frankreich und in Belgien ent-
wickelte sich die Aufbrechschmiede aus denselben Anfängen wie in
Schwaben und am Rhein in ähnlicher, aber doch wieder in be-
sonderer Weise. Dieses Frischverfahren, welches unter dem Namen
französische Schmiede, Franche-Comté-Schmiede oder
[240]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
hochburgundisches Frischen (méthode Comptoise) bekannt ist, war
folgendes 1):


Man verwendete, wie bei der schwäbischen Schmiede, graues oder
halbirtes Roheisen, welches mit Fichtenkohle eingeschmolzen wurde,
und zwar nicht in Brocken, sondern von einem groſsen Stücke, einer
Roheisenganz, welche über den Hinterzacken eingerückt wurde, ab.
Man beschleunigte den Frischprozeſs durch vieles und behendes
Arbeiten mit der Brechstange und machte in der Regel kleine Luppen
von 65 bis 75 kg Roheiseneinsatz. Die Arbeit war eine sehr an-
gestrengte und darum von alters her die Einrichtung, daſs der Frischer
nur eine Luppe machte, dann seine Luppe schmiedete und danach
erst wieder als Frischer für die Dauer einer Luppe, d. i. für 1½ bis
2 Stunden, eintrat. Nach vier Luppen, d. i. nach 6 bis 8 Stunden,
traten drei andere Arbeiter in die Schicht, wovon wieder zwei ab-
wechselnd Frischer und Schmieder waren, während der dritte Wasser-
geberdienste verrichtete.


Der Herd war im Vergleich mit dem Einsatze ziemlich groſs,
was durch das ungewöhnlich viele Arbeiten mit der Brechstange not-

Figure 72. Fig. 71

a.


Figure 73. Fig. 71

b.


wendig wurde. Die Herdstellung war auf hitzigen Gang gerichtet.
Obenstehende Skizze (Fig. 71 a und b) zeigt die Zustellung eines Comté-
Herdes aus unserm Jahrhundert. Der Schlackenzacken, welcher eine
gröſsere rechtwinkelige Öffnung und zu beiden Seiten je vier Stich-
löcher hatte, war vier Zoll aus dem Herde geneigt. Während die
Roheisenganz zum Einschmelzen auf Rollen über den 30 bis 40 m
hohen Hinterzacken vorgeschoben wurde, erfolgte gleichzeitig das
Ausheizen der von der letzten Luppe erhaltenen zwei Schirbel. Ganz
und Luppe lagen gegeneinander, wie aus der Skizze ersichtlich, und
muſste Vorsicht gebraucht werden, daſs sie sich nicht berührten.
Das Ausheizen dauerte, da nur Materialeisen oder Grobeisen dar-
gestellt wurde, längstens 5/4 Stunden; in dieser Zeit war auch die
[241]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
65 bis 80 kg schwere Roheisenganz eingeschmolzen. Die bereits ab-
geschmolzenen Partieen wurden mit der Brechstange nach der Mitte
und vom Boden vor die Form geschafft. Hierdurch und durch Ein-
tragen garer Zuschläge auf der Windseite wurde das Garen unter-
stützt, auch wurde schon in dieser Periode wiederholt Schlacke ab-
gestochen, um das Frischen durch den Wind zu beschleunigen. Je
roher der Gang sich zeigte, desto häufiger wurde mit der Brech-
stange schnell hintereinander durch das flüssige Eisen gefahren. Das
an der Stange hängen bleibende Eisen, die „Spieſsvögel“, wurde
abgeschlagen und wieder oben auf das Feuer gelegt. Durch dieses
Arbeiten mit der Stange wurde ein Kochen im Eisen veranlaſst und
dadurch das Garen beschleunigt. Bei leichtgarendem Eisen war es
möglich, daſs schon nach vollendetem Einschmelzen eine solche Gare
im Eisen erreicht wurde, daſs sogleich zum Garaufbrechen geschritten
werden konnte, in der Regel ging aber diesem ein ein- oder mehr-
maliges Rohaufbrechen voraus. Das Aufbrechen, wie das Luppen-
machen geschah ähnlich wie bei der schwäbischen Schmiede, nur wurde
dabei mit mehr Wind gearbeitet, wodurch die Masse flüssiger blieb
und muſste der Frischer mehr mit der Brechstange arbeiten, wobei
fortwährend die Spieſsvögel, nach deren Beschaffenheit der Fortschritt
der Arbeit beurteilt wurde, wieder aufgegeben wurden. Das Eisen
der Comtéschmiede war von guter Qualität. Die Chargendauer betrug
1½ bis 2¼ Stunden. Die wöchentliche Produktion eines Feuers mit
sechs Mann belief sich auf 3500 bis 4500 kg Grobeisen, der Kalo
20 bis 25 Prozent und der Kohlenverbrauch auf 100 kg Stabeisen
betrug 34 bis 40 Kubikfuſs (120 bis 140 kg).


Wieder eine andere Entwickelung nahm der Frischprozeſs am
linken Ufer des Niederrheins in den für die Eisenindustrie so wich-
tigen Gebieten der Eifel, von Lüttich, Namur und dem Hennegau.
Das dort heimische Frischverfahren heiſst seit Jahrhunderten die
Wallonschmiede“, hauptsächlich aus dem Grunde, weil Wallonen
diesen Prozeſs in Europa verbreitet haben. So wurde dasselbe
namentlich nach Schweden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
durch Wallonen eingeführt und verdrängte vielfach die ältere
deutsche Schmiede. Ob den Wallonen aber das Verdienst der ersten
Erfindung dieses Verfahrens allein zusteht, erscheint zweifelhaft, viel-
mehr ist es nicht unwahrscheinlich, daſs die Eifel und zwar ins-
besondere das Schleidener Thal die Heimat dieses Prozesses gewesen
ist. Jedenfalls hat sich hier das Verfahren in seiner altertümlichen,
eigenartigen Weise am längsten erhalten. Es ist deshalb auch die
Beck, Geschichte des Eisens. 16
[242]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
Eifeler Wallonschmiede, welche wir im folgenden beschreiben
wollen.


Was die Wallonschmiede im allgemeinen von den seither be-
schriebenen Frischmethoden unterscheidet, ist, daſs bei ihr eine
gröſsere Arbeitsteilung durchgeführt ist, in der Art, daſs das Ausheizen
und das Frischen in zwei verschiedenen Herden vorgenommen wird.
Hierdurch kann das Frischen beschleunigt, also eine gröſsere Produk-
tion erzielt werden, und die Qualität wird verbessert, weil Frischer
und Heizer ihre ganze Aufmerksamkeit nur auf eine Thätigkeit zu
richten haben. In diesem Sinne ist die Wallonschmiede als ein
Fortschritt im Frischverfahren zu bezeichnen.


Was die Arbeit selbst anlangt, so ist sie dadurch charakterisiert,
daſs man dabei bestrebt war, rasch zu arbeiten und viele kleine
Luppen hintereinander fertig zu machen.


Bei den Eifeler Wallonschmieden, besonders bei denjenigen im
Schleidener Thal, befanden sich Hochofen, Frischherd und Ausheiz-
herd unter einem Dach. Das eigentümlichste war, daſs hier der
Frischprozeſs eigentlich schon im Hochofen eingeleitet wurde. Wir
haben dieses merkwürdige Verfahren bereits bei den Hochöfen be-
schrieben 1). Dieses „Läutern“ hatte keinen andern Zweck, als das
Eisen bereits im Hochofen selbst teilweise zu entkohlen, in ähnlicher
Weise, wie es später in den englischen Feineisenfeuern geschah. Das
so verbreitete, im Bruch weiſsglänzende Roheisen lieſs sich leicht
bei einmaligem Einschmelzen verfrischen. Der Herd 2), in welchem
dies ausgeführt wurde, hatte nur auf zwei Seiten eiserne Zacken,
nämlich Form- und Hinterzacken, die beiden andern Seiten waren aus
angefeuchteter Lösche hergestellt. Fig. 72a und b giebt die Darstellung
eines Eifeler Wallonherdes. Der Formzacken war sehr niedrig und
ragte nur 12 cm über den Boden, der Hinterzacken 30 bis 36 cm,
beide waren in etwas stumpfem Winkel gegeneinander gestellt. Die
Formmündung betrug 4 cm auf 2½ cm, die Formneigung 2 bis 6 Grad,
also sehr flach, das Überliegen 10 bis 12 cm. Man schmolz mit
Buchenkohlen und war die Windpressung eine entsprechend starke.
Das Eisen wurde in Form einer langen Ganz von 30 cm Breite und
etwa 20 cm Dicke von der Hinterseite in den Herd gerückt.
Vorn ruhte die Roheisenganz während des Einschmelzens auf dem
Rande des Hinterzackens, rückwärts auf einer untergeschobenen
Walze, um vermittelst einer Wuchtstange, welche auf einer ver-
[243]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
zahnten Unterlage a ihre Stütze fand, bequem vorgerückt werden
zu können.


Nachdem der Herd mit feuchter Lösche ausgeschlagen war,
wurde er mit Kohlen gefüllt, diese entzündet und über denselben
einige gare Schwalbrocken, etwas altes Eisen und einige Schaufeln
Hammerschlacke aufgesetzt; zugleich wurde die noch kalte Roheisen-
ganz über den Hinterzacken vorgerückt. Nach ¼ stündigem schwachem
Blasen waren die garen Zuschläge und das alte Eisen eingeschmolzen
und der Frischboden gebildet. Alsdann wurde die inzwischen bis

Figure 74. Fig. 72

a.


Figure 75. Fig. 72

b.


zum Schmelzpunkt er-
hitzte Ganz weiter vor-
geschoben und der Wind
verstärkt. Nach Bedarf
wurden schaufelweise
Kohlen, die meist aus
Gestrüpp und Astholz
erzeugt waren, in der
Mitte nachgetragen, wäh-
rend man am Rande, be-
sonders an der Arbeits-
und Windseite, durch
feuchte Lösche oder durch
Begieſsen das Feuer ein-
dämmte. Während des
Einschmelzens der Ganz
wurde mit der Brech-
stange öfter das Schmelzgut am Boden gelüftet und von den Rändern
nach der Mitte geschafft. Ebenso wurde mit der Brechstange die Form-
mündung rein gehalten. Schlacken brauchten nur selten abgestochen
zu werden, indem nur wenig Garschlacke vorgegeben wurde und der
Gang im ganzen mehr trocken verlief. In dem Maſse, als der Frisch-
prozeſs in der Gare fortschritt, wurde das Einschmelzen beschleunigt,
was durch Verstärkung des Windes und Vorschieben der Roheisen-
ganz geschah. Während des Frischens wurden nur wenig gare Zu-
schläge nachgetragen. Waren auf diese Weise 25 bis 35 kg Roheisen
eingeschmolzen, so war das genügende Material für eine Luppe im
Herde vorhanden. Das Einschmelzen wurde unterbrochen, indem
man die Roheisenganz sechs bis acht Zoll in die Höhe hob und nun
trachtete der Frischer mit der groſsen Brechstange zwischen Form-
zacken und Luppe zu kommen, wonach er letztere nach der Wind-
16*
[244]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
seite zu wuchtete, um sie unter der Roheisenganz durch und dann
erst in die Höhe zu bringen. Nach erfolgtem Ausbrechen der Luppe
wird der Herd besonders vor der Form und in der hinteren Ecke
von Ansätzen gereinigt. Diese wurden, wenn es nur verschlackte
Masse war, aus dem Herde entfernt, die eisenreichen Partieen da-
gegen nach der Mitte geschürt. Hierauf wurden frische Kohlen nach-
getragen, die Roheisenganz wieder niedergelassen und bei mäſsigem
Winde die nächste Charge eingeleitet. Die zweite und die folgenden
Luppen schmolzen, weil alles schon vorgewärmt war, noch rascher
ein als die erste. Um die Bildung eines guten Frischbodens zu be-
fördern, gab man gern von Zeit zu Zeit etwas altes Eisen auf. Bei
warmem Herde war gewöhnlich schon nach zehn Minuten die er-
wünschte Gare erreicht, wonach der Wind verstärkt und die Ganz
vorgeschoben wurde, wie oben geschildert.


In dieser Weise wurde die Arbeit im Frischherde die ganze
Woche durch fortgesetzt, indem die zwei vorhandenen Frischer sich
alle sechs Stunden ablösten. Während dieser Zeit frischte einer acht
bis zehn Luppen.


Die aus dem Frischherde kommenden Luppen wurden sogleich unter
einem etwa 200 kg schweren Aufwerfhammer zu Masseln gedrückt. Sie
zeigten sich dabei infolge des trockenen, hitzigen Feuerganges nicht
schlackig, sondern mehr körnig, dicht, warm, demnach sehr gar gefrischt.


Die erhaltenen Masseln wurden zum Ausschweiſsen einem be-
sondern Ausheizherd übergeben. Es war dies ein einfacher, offener,
mit Zacken ausgesetzter Herd, nicht ganz 0,60 m lang und breit, zum
Abstechen der Schlacken mit einem entsprechenden Schlackenzacken
versehen, im übrigen am Boden und an den Seiten mit feuchter
Lösche ausgeschlagen. Die Form war etwas mehr geneigt und etwas
gröſser als bei dem Frischherde.


Die in gute Schweiſshitze versetzte Massel wurde unter dem
eigenen Hammer erst vollkommen ganz gemacht, sodann zu Draht-
knüppel oder anderm Stabeisen ausgeschmiedet. Die einzelne Massel
erhielt gewöhnlich vier Hitzen. Das Ausschweiſsen geschah bei den
Wallonschmieden um so besser, weil man nicht gleichzeitig auf die
Bildung eines guten Frischbodens, sondern nur auf die Sache selbst
bedacht zu nehmen hatte. Auch erlangte der Heizer, der nur diese
eine Arbeit betreibt, hierin eine groſse Geschicklichkeit und Sicherheit.


Es war unvermeidlich, daſs ein Teil des Äuſseren der auszu-
heizenden Massel abschmolz und hieraus bildete sich allmählich wieder
eine Luppe. Diese füllte den Herdraum nach und nach an und muſste
[245]Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.
dann ausgebrochen werden. Dies geschah in der Regel alle vier bis
sechs Stunden. Diese Schweiſsluppen wurden wie die Frischluppen
gezängt, ausgeschweiſst und ausgeschmiedet. Das von ihnen erhaltene
Stabeisen, welches etwa 10 Prozent der Produktion betrug, war un-
gleicher und unreiner, als das aus den Frischherdluppen, und wurde
deshalb für sich sortiert.


Bei vollem Betriebe waren an Arbeitern zwei Frischer, zwei
Schweiſser und ein Gehilfe, zusammen also fünf Mann, vorhanden.
Diese produzierten in 24 Stunden 1000 bis 1250 kg gut ausgeheiztes
Stabeisen in gröberen Dimensionen. Der Kohlenaufwand betrug auf
100 kg etwa 20 Kubikfuſs, wovon reichlich die Hälfte zum Aus-
schweiſsen verbraucht wurde. Der Eisenabbrand ergab durchschnitt-
lich 25 Prozent des eingesetzten Roheisens.


Dieses war das Verfahren in der Eifel, wie es zu Ende der
dreiſsiger Jahre dieses Jahrhunderts ausgeübt wurde.


Bei den belgischen Wallonschmieden machte man noch kleinere
Luppen, von 20 bis 30 kg, und brauchte zu einer derselben meist nur
eine halbe Stunde. Über weitere Modifikationen, welche dieses Frisch-
verfahren in andern Ländern erfahren hat, werden wir später zu
berichten haben.


Wir haben im vorstehenden diejenigen Eisen-Frischmethoden ge-
schildert, welche sich mit einiger Sicherheit bis in das 16. Jahrhundert
zurückverfolgen lassen. Allerdings haben wir hierbei uns meistens
an Berichte aus diesem oder dem vorigen Jahrhundert halten müssen
und entsprechen dieselben wohl nicht ganz den einfacheren Verhält-
nissen des 16. Jahrhunderts, namentlich in bezug auf den Feuerbau,
auf Kohlenverbrauch und Schmelzverlust. Dennoch dürften diese Be-
schreibungen das möglichst richtige Bild der wichtigsten Frisch-
prozesse, wie sie sich bereits im Laufe des 16. Jahrhunderts ent-
wickelt hatten, geben. Wir sehen schon hier je nach der Art des
Roheisens und der Arbeiter eine groſse Mannigfaltigkeit der Ver-
fahrungsweisen. Diese Mannigfaltigkeit nimmt in den folgenden Jahr-
hunderten noch bedeutend zu und erscheint fast verwirrend, doch
wird sie klar und verständlich bleiben, wenn man sich die dreifache
Entwickelung der Frischprozesse, wie wir sie geschildert haben, als
Einmalschmelzerei, als Aufbrechschmiede und als getrennte Arbeit in
der Wallonschmiede vor Augen führt. Unter diese drei Gruppen
lassen sich alle die zahlreichen Frischverfahren, die wir noch kennen
lernen werden, einteilen.


[[246]]

DIE STAHLBEREITUNG
IM
SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERT
.


Wir wenden uns nun zu der Gewinnung des Stahls im 16. Jahr-
hundert.


Ursprünglich und solange man das Eisen und den Stahl direkt
aus den Erzen als ein schmiedbares Produkt gewann, war dies kein
von der Eisengewinnung getrennter Prozeſs. Man verfuhr sowohl in
den Rennherden als in den Stücköfen in ganz gleicher Weise und
es war nur von der Natur des Erzes und vom Zufalle abhängig, ob
das erhaltene Produkt hartes, stahlartiges Eisen oder weiches Schmiede-
eisen war. Deshalb hatte der Stahl auch nicht seine nähere Be-
zeichnung von der Bereitungsart, sondern von der Gegend, aus der
er stammte. Man unterschied nicht, wie heutzutage, Schweiſsstahl,
Brennstahl, Guſsstahl, Fluſsstahl u. s. w., sondern steirischen, flan-
drischen, kölnischen, brescianischen, spanischen, damascenischen, in-
dischen u. s. w.


Wenn aber auch die Erze ihrer Natur nach zur Stahlbereitung
mehr geeignet waren, so war doch die ausgeschmolzene Masse kein
gleichförmiges Produkt, sondern ein Gemenge von weichem Eisen
und rohem Stahl und bedurfte erst weiterer Behandlung, um brauch-
baren Stahl daraus herzustellen.


War nun der Ausfall der Schmelzung bei den Luppenfeuern und
Stücköfen vielfach durch den Zufall beeinfluſst, so lernte man an
den Orten, wo ein regelmäſsiger Betrieb mit gleichbleibenden Erzen
sich entwickelte, doch auch gewisse Verfahrungsweisen kennen, die
die Erzeugung von Stahl mehr begünstigten. Ein Beispiel hierfür
haben wir an den Bauernöfen in Schweden. In diesen wurde, wie
[247]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
bekannt, in der Regel das rohe Osemundeisen dargestellt. Von Zeit
zu Zeit aber führte man in denselben Öfen und mit denselben Erzen
den Betrieb auf Stahl 1). Dies geschah immer erst, nachdem man
bereits einige Zeit Eisen in dem Ofen geblasen hatte, so daſs der-
selbe gehörig durchgewärmt war. Das Verfahren selbst haben wir
bereits früher geschildert (Bd. I, S. 813). Der erzeugte Stahl war
natürlich gering und nur für ordinäre Werkzeuge, namentlich für
Beile verwendbar.


Neben dieser Methode der Stahlbereitung in den Bauernöfen
direkt aus den Erzen gab es noch eine andere, welche darin bestand,
daſs man statt des Erzes Stücke von rohem Osemundeisen in den-
selben Öfen zu Stahl verschmolz. Dieses Verfahren beschreibt
Swedenborg2). Man nahm dabei nur die äuſseren gekohlteren,
mit Roheisen vermischten Partieen der Osemundluppen, weil der
innere weichere Kern sich nicht gut eignete. Diese wurden in
kleine Brocken zerteilt und so aufgegeben. Beim Niederschmelzen
muſste man vor allem darauf achten, daſs sie nicht in Fluſs gerieten,
indem dann die Arbeit vergeblich war. Sobald dies zu befürchten
stand, muſste der Wind abgestellt werden, bis die Masse wieder fest
geworden war. Alsdann wurde Schlacke zugesetzt und die Schmelzung
wieder begonnen. Gelang es auf diese Weise, das Eisen nicht ge-
flossen, sondern als eine geschweiſste Masse einzuschmelzen, so erhielt
man Stahl, der allerdings noch ziemlich weich war, sich aber durch
Ablöschen im Wasser gut härten lieſs.


Dieses Verfahren war in Dalekarlien gebräuchlich, wo man den
so bereiteten Stahl zu Äxten, Sensen und ähnlichen Werkzeugen ver-
arbeitete.


Von diesem Verfahren ist das ähnliche, ebenfalls in Skandinavien
gebräuchliche, die Umwandlung von Osemundeisen in Stahl in einem
besondern Herde, welches wir im ersten Bande beschrieben haben 3)
und worauf wir hier einfach verweisen, zu unterscheiden.


An diese alten aber in Schweden noch in diesem Jahrhundert
angewendeten Methoden der Stahlbereitung schlieſsen sich diejenigen,
welche Agricola und Biringuccio im 16. Jahrhundert beschrieben
haben, unmittelbar an.


Agricola, der, wie wir wissen, nur den Stückofenprozeſs kannte,
sagt, man wähle für die Stahlbereitung solches Eisen aus, das leicht
[248]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
flieſst, dabei hart ist und sich doch leicht strecken läſst. Es ist dies
hartes, stahlartiges Stückofen- oder Renneisen. Solches Eisen soll
glühend in kleine Stücke zerschlagen, mit zerkleinerten, leicht-
flüssigen Zuschlägen vermischt, in einem kleinen Herde oder Tiegel
aus Lösche von 1½ Fuſs Weite und 1 Fuſs Tiefe vor dem Winde
niedergeschmolzen werden. Die Form erhält dabei eine so geneigte
Lage, daſs der Wind die Mitte des Tiegels trifft. Der Prozeſs wird in
der Weise eingeleitet, daſs der Tiegel mit Kohle gefüllt und diese noch
hochgehäuft über denselben gefüllt werden. Um dieselben zusammen-
zuhalten, wird ein Kranz von Bruchsteinen um dieselben herum-
gesetzt. Sind die Kohlen durchgebrannt und der Tiegel vorgewärmt,
so wird der Wind angelassen und die Mischung von Eisen und
Fluſsstein (ferri et lapidis liquescentis mixturam) oben aufgegeben.
Hierdurch entsteht ein flüssiges Bad im Schmelzherde. Ist dies ge-
bildet, so werden vier Eisenluppen von je 15 kg Gewicht eingesetzt
und in dasſelbe eingetaucht. Man läſst sie fünf bis sechs Stunden
schmelzen, und wird währenddem mit einer Krücke das flüssige Eisen
öfter umgerührt, damit die Poren der Luppen die zartesten Teile aus
dem Bade einsaugen. Hierbei erweicht sie sich wie ein Hefenteig.
Alsdann zieht sie der Meister mit Hilfe des Vorläufers heraus, schmiedet
sie zu Stäben aus, die er noch heiſs in das Wasser wirft und sie so
ablöscht. Die Stangen werden unter dem Hammer in Stücke zer-
brochen und diese nach ihrer Härte und Stahlnatur sortiert. In
gleicher Weise verfährt er mit allen vier Luppen. Sind sie alle ver-
schmiedet, so giebt er, um den Abgang und das Bad zu erneuern,
wieder von der Mischung von Eisen und Fluſsstein auf und der Prozeſs
beginnt von neuem.


Ganz ähnlich lautet Biringuccios viel ausführlichere Be-
schreibung von der Stahlbereitung. Er bringt dieselbe bereits im
ersten Buche seiner Pyrotechnia, nachdem er zuvor im sechsten
Kapitel von den Eisenerzen gehandelt und hierbei bereits hervor-
gehoben hat, daſs, obgleich gewisse Erze sich mehr zur Stahlerzeugung
eignen als andere, man doch nicht annehmen dürfe, daſs das Eisen
im Erze bereits verschiedener Natur sei, daſs vielmehr der landläufige
Ausdruck „Stahlerz“ in diesem Sinne ein unsinniger sei. Hierauf
fährt er mit dem siebenten Kapitel folgendermaſsen fort: „Obwohl
es scheinen könnte, daſs man diesen Gegenstand mehr im neunten
Buche suchen sollte, wo ich von der Schmelzung des Eisens reden
will und im einzelnen hierüber zu handeln gedenke, so hat es mir
doch gut geschienen, weil die Stahlbereitung gewissermaſsen ein Zweig
[249]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
der im obigen Kapitel behandelten Eisenbereitung ist, es nicht zu
weit davon zu trennen, auf daſs es nicht wie eine andere Sache er-
schiene.


Aus diesem Grunde habe ich davon schreiben wollen, daſs der
Stahl nichts anderes sei, als dasſelbe Eisen, nur mittels besonderer
Kunst zubereitet und durch vieles Auskochen im Feuer (decottion
del fuoco) zu einer vollkommenen Mischung gebracht und zu Eigen-
schaften, die es zuvor nicht besaſs, sowie durch die Hinzufügung ge-
eigneter Stoffe seine von Natur trockene Beschaffenheit fettig und
von einer gewissen Feuchtigkeit und hierdurch mehr weiſs und dicht
wird, so daſs es seine frühere Natur gleichsam zu verlassen scheint,
indem durch das viele Feuer seine Poren erst erweitert und erweicht
werden, dann aber durch die Gewalt der Kälte des Wassers nach
vertriebener Hitze sich zusammenziehen und so erst verwandelt es
sich in eine harte Materie und durch die Härte wird er spröde.
Man kann dies von jedem Eisenerz machen, sowie man
auch von jedem fertigen Eisen Stahl machen kann
. Wohl
ist es wahr, daſs aus dem einen ein besserer gemacht werden kann,
als aus dem andern, wie auch mehr aus einer Art von Kohlen als
aus der andern und wie er auch besser oder schlechter ausfallen
wird, je nach dem Verständnis der Meister.


Das beste Eisen, ihn gut zu machen, ist das, welches keinerlei
Verderbnis durch andere Metalle in sich hat, welches mehr zum
Schmelzen geneigt ist und mehr Härte besitzt als ein anderes. Mit
solchem Eisen bringt man geriebenen Marmor oder andere Fluſssteine,
um es zu schmelzen, zusammen, welche die Kraft haben, seine Eisen-
natur aufzuheben und seine Porosität zusammenzuziehen, daſs es da-
durch dicht und feinkörnig (frei von Blättern) werde. Also nehmen
die Meister, wenn sie solche Arbeit vornehmen wollen, von dem (Roh-)
Eisen, welches durch den Schmelzofen gegangen oder auf andere
Weise bereitet ist, diejenige Quantität, welche sie in Stahl verwandeln
wollen, und brechen es in kleine Stücke. Dann machen sie an der
Esse vor dem Windloche einen runden Tiegel, der eine halbe Elle
im Durchmesser hat und zu einem Dritteil aus Thon und zu zwei
Dritteilen aus Kohlen, welche mit einem Hammer zerklopft und gut
gemischt sind, gemacht ist. Diese Masse wird mit so viel Wasser,
als er, wenn man ihn in der Faust zusammendrückt, zurückhält, an-
gefeuchtet. Wenn man diesen Tiegel so gemacht hat, ähnlich einer
Urne (ceneraccio statt cenerario = Aschenkrug, Totenurne), aber mit
mehr Tiefe, so bringt man die Windöffnung in der Mitte so an, daſs
[250]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
die Nase etwas nach oben steht, damit der Wind in die Mitte des
Tiegels bläst. Alsdann füllt man das ganze Innere mit Kohlen und
macht drum herum einen Kreis von Felsstücken oder taubem Gestein,
um die Eisenbrocken und die Kohlen, welche man oben draufgelegt
hat, zurückzuhalten und bedeckt dann das Ganze mit einem Haufen
Kohlen. Sobald man sieht, daſs alles, besonders der Tiegel, gut in
Glut ist, so fängt der Meister an, die Blasebälge in Bewegung zu
setzen und oben darauf, während die Bälge spielen, von jenem Eisen-
gemisch, nämlich zerkleinertes Eisen, gemengt mit Marmor 1), ge-
pulverter Schlacke und mit andern schmelzbaren Steinen, die wenig
erdig sind, und mit diesem Gemische füllen sie den Tiegel, soweit
es ihnen gut scheint. Alsdann legen sie von dem Eisen, welches sie
vorher unter dem Hammer bearbeitet haben, drei oder vier Stücke
im Gewichte von je 30 oder 40 Pfund in dieses Bad von geschmol-
zenem Eisen, welches Bad von den kunstverständigen Meistern die
„Eisenkunst“ (l’arte di ferro) genannt wird. Mitten in diese ge-
schmolzene Masse halten sie es bei starkem Feuer vier bis sechs
Stunden, indem sie oft mit einer Krücke darin herumrühren, ähnlich
wie die Köche ihre Speisen bereiten, und sie halten es so lange
darin, indem sie es drehen und wenden, bis sich jenes Eisen zu-
sammenballt und in seine Poren die feinen Substanzen aufnimmt,
welche sich innerhalb jenes geschmolzenen Eisens finden, deren gute
Eigenschaften (le virtu delle quali) aufgesaugt werden, wodurch die
groben Bestandteile, welche in den Eisenluppen enthalten sind, zer-
teilt werden, bis die Masse wie ein Teig wird (simili à una pasta).
Wenn es dann so erscheint, so wissen die Meister, daſs jene feinere
Kraft ganz eingedrungen ist und nehmen ein Stück davon heraus.
Und um sich durch die Erfahrung der Probe noch besser hiervon zu
vergewissern, bringen sie es unter den Hammer, recken es aus und
werfen es plötzlich so heiſs als möglich in kaltes Wasser, um es ab-
zukühlen. Das so gekühlte zerbrechen sie und prüfen, ob es in allen
seinen Teilen die Natur geändert hat, so daſs es nicht mehr ein
Blättchen von Eisen in sich hat, und wenn sie finden, daſs es bis zu
dem Grade der Vollkommenheit gekommen ist, wie sie es haben
wollen, so nehmen sie es mit einem Paar groſser Zangen oder mit
den Schwänzen (code = Anlaufstange), die an den Luppen gelassen
werden, warm heraus, zerschneiden es in je sechs bis acht Stücke
[251]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
und bringen diese dann zum Ausheizen in dasſelbe Bad zurück,
indem sie noch etwas zerriebenen Marmor und Eisen zum Schmelzen
einsetzen, um dadurch das Bad aufzufrischen und es gröſser zu
machen, sowie, um ihm das zu ersetzen, was das Feuer ver-
zehrt hat, damit das, was durch Schwenken Stahl werden soll, in
solchem Bade besser fein gemacht werde. Also nimmt man am
Ende, wenn die Ware gut ist, Stück für Stück mit der Zange
heraus, bringt sie zum Ausschmieden unter den Hammer und macht
die Stangen daraus, die Euch bekannt sind. Wenn dies geschehen
ist und sie noch gut warm sind, so daſs sie durch die Hitze weiſs
aussehen, so wirft man sie plötzlich in einen möglichst kalten Wasser-
lauf, wovon eine Ansammlung gemacht sein muſs, damit der Stahl
sich rasch ablöscht und auf diese Weise die Härte annimmt, welche
gewöhnlich Ablöschhärte (tempera) genannt wird. Auf diese Weise
verwandelt es sich in eine Materie, welche gar nicht mehr der ähnlich
ist, die es zuvor war, ehe man es ablöschte; denn zuvor erschien
es nicht anders als ein Stück Blei oder Wachs, während es hier-
durch eine solche Härte erlangt hat, daſs es fast alle harten Stoffe
übertrifft, und es bekommt eine ganz weiſse Farbe, weit mehr, als es
der Natur des Eisens entspricht, ja fast ähnlich dem Silber, und das-
jenige, welches das weiſseste und feinste Korn hat, ist die beste
Sorte. Unter denen, die ich gut kenne, lobt man den von Flandern
und in Italien den von Valcamonico in Brescia und auſserhalb der
Christenheit den damascenischen, den chormanischen (von Kerman,
siehe Bd. I, S. 257, 259), den lazzieninischen und den von Agiambi
(indische Stahlsorten) als den besten, wie diese ihn aber erhalten
und ob sie ihn machen, kann ich nicht sagen, obwohl mir mitgeteilt
worden ist, daſs sie keinen andern Stahl haben als wie wir, daſs sie
diesen aber zerfeilen und mit einem gewissen Mehl einen Teig daraus
machen und kleine Kuchen daraus formen, diese geben sie den
Gänsen zu fressen, deren Mist, wenn er erscheint, sie sammeln, ihn
durch Feuer zusammenziehen und in Stahl überführen1).


Ich glaube dies nicht recht, wohl aber denke ich, daſs das, was
sie erzielen, wenn nicht durch die Güte des Eisens, so doch durch
die Art der Härtung (tempera) geschieht.“


Dieser Bericht Biringuccios über die Stahlbereitung ist von
hohem historischen Interesse und er stimmt mit Agricolas weit
kürzerer Darstellung in so auffallender Weise überein, daſs die Ver-
[252]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
mutung nahe liegt, daſs hier Agricola des Biringuccios Schilde-
rung benutzt habe. Was Biringuccio beschreibt, ist der alte Stahl-
bereitungsprozeſs, der sich bis in unsere Zeit unter dem Namen der
Brescianschmiede — in Österreich auch unter dem Namen der
Paaler Schmiede — erhalten hat. Ursprünglich wurde derselbe, wie
deutlich aus der Schilderung erhellt, mit Stückofeneisen betrieben.
Die rohesten Partieen des Stückes, sowie auch das Graglach wurden
ausgesucht und zuerst flüssig eingeschmolzen, in dieses Bad von
flüssigem Eisen, welches hinsichtlich seines Kohlenstoffgehaltes wohl
dem luckigen Floſs nahe stand, wurden die Luppen von weichem Eisen
eingetaucht und im Feuer behandelt. Das flüssige kohlenstoffreichere
Eisenbad wirkte cementirend auf die kohlenstoffarmen Eisenluppen.
Als dann später der Hochofenbetrieb an Stelle des Stückofenbetriebes
trat, änderte sich dies Verfahren nur insofern, als man wirklich
luckigen Floſs aus dem Hochofen zur Herstellung des Eisenbades
einschmolz.


Die uralte Brescianschmiede hat sich in den Provinzen Brescia
und Bergamo bis in unsere Zeit erhalten1). Aus der Brescianschmiede
ist die kärntnerische Rohstahlschmiede entstanden, die deshalb auch
als die unechte Brescianschmiede bezeichnet wird. — Der Feuerbau
war früher gemauert und Boden und Seitenwände von Steinen her-
gestellt, diese heiſsen deshalb bei dem kärtnerischen Rohstahlfeuer
noch jetzt „Steine“, obgleich sie jetzt aus Guſseisenplatten hergestellt
werden, und zwar unterscheidet man den Form-, Ria-, Rol- und
Löschstein auf der Form-, Wind-, Arbeits- und Hinterseite. In der
Steinumfassung wird der eigentliche Schmelzherd mit Lösche gestampft.
Dies muſs bei der Brescianschmiede mit noch gröſserer Sorgfalt ge-
schehen, als bei dem kärntnerischen Rohstahlfeuer, weil er weit mehr
auszuhalten hat, einerseits dadurch, daſs viel am Boden mit Zangen
und Stangen gearbeitet wird, anderseits weil eine gröſsere Menge
flüssigen Eisens — in Kärnten „Sauer“ genannt — längere Zeit in
demselben gehalten werden muſs. Das Stampfen des Löscheherdes
geschah deshalb mit eisernen Stauchern. Aus dem letzterwähnten
Grunde machte man auch den Schmelzherd tiefer, als bei der kärnt-
nerischen Schmiede, so daſs er, wie auch Biringuccio erwähnt,
mehr einen Tiegel bildete. Der Abstand vom Formstein bis zum
Herdboden betrug 20 Zoll (0,60 m), der Abstand bis zur Mitte des
Löschbodens 10 Zoll (0,30 m), dabei war noch ringsum ein Lösche-
[253]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
rand von 3 bis 4 Zoll Höhe aufgesetzt, um die Seitenwände des Herdes
zu schützen. Die Form lag steil, um die Hitze nach unten zu
bringen, in einem Winkel von 16 bis 20 Grad. Damit man mit der
„Moja“, d. i. mit der langschäftigen, 15 kg schweren Zange und
mit Stangen die „Deule“ leichter zu Boden lassen und aus dem
tieferen Herde herausholen, ebenso beim Ausbrechen der tiefer im
Herde liegenden „Cotta“ (Luppe) leichter unter dieselben gelangen
könne, ist der „Rolstein“ (die Schlackenplatte) um ungefähr 5 Zoll
aus dem Herdmittel gerückt, wodurch eine Art Vorherd wie bei der
Aufbrechschmiede gebildet wird.


Der erste Teil der Brescianarbeit war die Herstellung des flüssi-
gen Eisenbades oder des „Sauer“. Hierzu nahm man früher wohl
das „Graglach“, später „Blattel“, d. h. durch Abschrecken mit Wasser
gebildete Scheiben von weiſsem Roheisen, oder auch „Strizelflossen“
(graues oder halbirtes Roheisen). Das Einschmelzen der Masse von
etwa 50 bis 75 kg geschah auf der Riaseite möglichst rasch. Gleich-
zeitig mit der Sauerbildung geschah das „Putzen“ der Teile — „Deule“ —,
in welche die „Cotta“ der letzten Schmelzung und zwar kreuzweise zer-
schroten worden war. Dem Putzen im Feuer war schon ein Abklopfen
der Deule mit Handhämmern in kaltem Zustande vorausgegangen.
Man teilte die Cotta in vier statt in zwei Teile, wie bei der kärntner
Rohstahlarbeit, weil sie, um gehörig in den Sauer eingelassen werden
zu können, nicht zu groſs sein durften. Zum Deulputzen kommen
stets die Deule von zwei Cottas, welche in einer Schicht gemacht
werden, also acht Stücke, welche im Beginn der Arbeit mauerartig
über den Löschstein, mit ihrer rauhen Seite nach dem Feuer gekehrt,
aufgestellt werden, von wo ein Stück nach dem andern zum Putzen
geholt wird. Während ein Stück zur Cementation im Sauer liegt,
wird das nächstfolgende schon zum Schweiſsen und Putzen vor die
Form gebracht, wobei es mit der Moja gefaſst wird. Charakte-
ristisch für die Brescianschmiede ist, daſs jeder Deul in den Sauer
eingetaucht und längere Zeit darin verweilen lassen wird. Durch die
Bildung von Garschlacke, sowie durch das von den Deulen abschmel-
zende Eisen wird der Sauer allmählich selbst gar und geht in einen
teigartigen Zustand über. Gelingt es nicht, den Sauer bis zur Be-
endigung aller acht Deule zu erhalten, so läſst man den Rest für
die nächste Schicht. Das Sauermachen und das Deulputzen dauerte
mit acht Stücken ungefähr sechs Stunden.


Sobald der letzte Deul geputzt und zu „Greifen“ (Presa), d. i.
zu Kolben geschmiedet ist, schreitet man zum „Aufrichten“ des
[254]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Sauers, d. h. zum Luppenmachen aus dem jetzt gefrischten Eisen des
vorgeschmolzenen Eisenbades.


Da man nun darauf bedacht sein muſste, den Sauer bis zur
Vollendung der Cementation des letzten Deules möglichst flüssig zu
erhalten, gleich darauf aber in den zum „Aufrichten“ geeignetsten
halbgaren Zustand zu bringen, so wurde nach Entfernung des letzten
Deules der Sauer durch Einschmelzen garer Zuschläge, Mügla ge-
nannt (meist Hammerschlacke und die abgeschlagenen Ränder der
Deule), gedämpft. Damit dieses um so schneller erfolgte, richtete
man sich zum Vorglühen der Mügla auf der Herdplatte über dem
Riastein eine Kohlenglut vor, die hernach samt der glühend ge-
machten Mügla ins Feuer kommt. Nun kommt die Arbeit, die
Biringuccio so treffend mit der eines Koches vergleicht. Der
Meister muſs mit der Stange den Brei durcharbeiten, sowohl um
den Mügla gehörig einzurühren als auch um die garende Eisenmasse
richtig vor den Wind zu bringen und zu einer Luppe aufzubauen.
Da die „Massa“ groſs ist, schafft man sie mit der Rennstange zu-
nächst nach dem Sinterblech hin, um sie dann von hier aus all-
mählich nach der Mitte und dem hinteren Raume des Herdes durch-
arbeiten und verteilen zu können und dadurch ein ebenes Verkochen
des Ganzen zu bewirken. Das Sauerdämpfen und Aufrichten nahm
meist eine Stunde Zeit in Anspruch, wenn der Sauer nicht zu roh
war, in welchem Falle ein zweites Aufrichten stattfinden muſste.
Gleichzeitig mit dem Aufrichten muſs aber ein guter, neuer Frisch-
boden für das folgende Einschmelzen gebildet werden. Es ist dies
ein möglichst glatter Herdboden aus garem, zusammengeschweiſstem
Material, und einen solchen richtig herzustellen, ist die wichtigste
Arbeit des Frischers, weil sie am meisten dazu hilft, daſs das nächst-
folgende Frischen gut, rasch, vorteilhaft und ohne besondere An-
strengung verläuft.


Das Aufrichten des Sauers ist eine Art Aufbrecharbeit, wie wir
sie bei der deutschen Frischschmiede kennen gelernt haben. Ihr
Zweck besteht darin, alle Eisenteile, insbesondere die roheren, der
entkohlenden Wirkung des Windstromes auszusetzen; dabei ist aber
das eigentümliche, daſs gleichzeitig ein Rest Sauer für die folgende
Operation verbleiben soll. Es werden also die garen Eisenbrocken
gewissermaſsen aus dem Bade herausgefischt. Erstarrte der Sauer
im Bade, so war die untere Seite Roheisen und nicht Stahl, und
gerade dieses Material am Boden und Rand war es, welches man
wieder für das Bad oder den Sauer benutzte.


[255]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.

Eigentümlich war, daſs man von den acht Presa- oder Greifen-
stücken gewöhnlich vier zu Kolben (Kölberln) ausschmiedete, während
man vier nur nachputzte und ausschmiedete, so daſs acht Presa ein-
lagen, während eine Operation nur vier ergab.


Die Luppe, die aus dem Sauer entstand, war die Cotta. Ihre
Herstellung erforderte fünf bis sechs Stunden. In der Tagesschicht
wurden zwei Cotta gemacht und war hierzu bei regelmäſsigem Gange
ein Zeitaufwand von ungefähr 18 Stunden erforderlich; war das Bad
zu roh, so konnte die Arbeit sich freilich lange hinausziehen.


Im allgemeinen strebte man bei der Brescianarbeit einen harten
Stahl an, suchte deshalb das Bad immer frisch zu erhalten, was
durch Nachsatz von Blatteln geschah.


Diese Arbeit ist historisch eine der interessantesten in der
Entwickelung der Eisenindustrie. Sie ist eine Cementation von
stahlartigem, aber seiner Natur nach doch noch weichem Eisen,
in einem Roheisenbade, welches allerdings von besonderer Reinheit
und Beschaffenheit sein muſs. Es tritt dadurch eine Kohlenstoff-
aufnahme oder, wie es Biringuccio charakteristisch nennt, ein Auf-
saugen der guten Eigenschaften des Bades ein.


Dieses Verfahren fordert noch heute die Aufmerksamkeit des
Eisentechnikers im hohen Grade heraus und wenn es durch andere
Methoden verdrängt worden ist, so hat dies nur darin seinen Grund
gehabt, daſs die Arbeitskosten zu groſs waren.


Die kärntnerische Rohstahlarbeit ist aus der Brescianschmiede
hervorgegangen, was schon daraus zu entnehmen ist, weil bei ihr
alle die romanischen Bezeichnungen der letzteren beibehalten wurden.
Für das technische Verständnis wäre es am besten, die Beschreibung
der kärntnerischen Rohstahlschmiede gleich hier folgen zu lassen.
Doch kann dies deshalb nicht geschehen, weil die kärntnerische Roh-
stahlschmiede ihre charakteristische Ausbildung nicht vor dem
17. Jahrhundert erlangt hat. Stahlschmieden hat es allerdings schon
lange vor der Zeit in Kärnten und Krain gegeben, aber sie standen
in Verbindung mit den Stücköfen und werden mit dem von Birin-
guccio
beschriebenen Verfahren übereingestimmt haben. Erst nach
Einführung der Floſsöfen konnte sich aber erst das verbesserte Ver-
fahren der kärntnerischen Rohstahlarbeit entwickeln, also erst Ende
des 16., wahrscheinlicher im 17. Jahrhundert.


Dagegen entwickelte sich im westlichen Deutschland, wo der
Hochofenbetrieb viel früher eingeführt wurde, auch schon früher ein
Stahlfrischverfahren. Es war dies die siegensche Rohstahlarbeit.
[256]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Ähnlich wie im alten Noricum eigneten sich im Siegerlande die
manganreichen Braun- und Spaterze ganz besonders zur Stahl-
bereitung. Seit Jahrhunderten lieferte schon der Müsener Stahlberg
sein berühmtes Stahlerz, bekannt unter dem Namen „reiner Müsener
Grund“. Ursprünglich hatte die alte Zunft der Stahlschmiede in
Siegen ihren vortrefflichen Stahl in Luppenfeuern aus diesen Erzen
dargestellt. Nachdem aber der Hochofenbetrieb zur Einführung ge-
langt war, schmolz man aus dem Müsener Grund und ähnlichen
Erzen das „Stahleisen“ oder Spiegeleisen. Aus diesem wurde durch
ein eigentümliches Frischverfahren, welches sich bis in unsere Stein-
kohlenzeit hinein erhalten hatte, der vorzügliche siegensche Stahl
gemacht.


Daſs die Darstellung des Stahleisens der eigentliche Zweck des
Siegerländer Hochofenbetriebes war, geht daraus hervor, daſs man
dieses Stahleisen auch „Edeleisen“ nannte, während man die übrigen
weiſsen, halbierten und grauen Roheisensorten als „Nebeneisen“ be-
zeichnete.


Als Brennmaterial verwendete man harte Kohlen, vorzugsweise
von Eichen und Buchen. Bei der Herstellung des Stahlherdes wurde
erst ein bedeckter Abzugskanal angelegt, hierauf folgte trockener
Schotter, dann eine Lehmsohle und über dieser ein Boden von Sand-
steinen. Die Seitenwände wurden aus eisernen Zacken gebildet, nur
an Stelle der Schlackenplatte tritt öfter ein von auſsen unter der
Arbeitsplatte befestigter Kasten mit einem einzigen gröſseren Schlacken-
loche am Boden, ähnlich wie wir es bei der siegenschen Frisch-
schmiede bereits kennen gelernt haben. Länge und Breite der
Herdgrube waren wenig verschieden und betrugen etwa 90 cm. Form
und Gichtzacken waren sehr stark geneigt und der von der Form
und Hinterwand gebildete Winkel war etwas gröſser als ein rechter.
Wir begegnen also auch hier der „schiefen Ecke“, welche für die
alten Siegener Hochöfen charakteristisch war. Die schiefe Stellung
des Formzackens bezweckte, dem Winde eine Richtung nach dem Vor-
herde zu zu geben, weil hier die gröſsere Abkühlung stattfand. Der
Formzacken war an 15 cm, die übrigen Seiten an 40 cm hoch, nur
die Aschenseite war etwa 12 cm niedriger. Die Gichtplatte ragte
über den Gichtzacken in den Herd hinein, wie aus nebenstehender
Abbildung (Fig. 73a und b), aus welcher die ganze Zustellung deutlich
zu erkennen ist, ersehen wird. Die Formmündung war halbrund,
45 × 22 mm, und lag die schmiedeeiserne Form wenige Grade ge-
neigt, so daſs bei leerer Herdgrube die auf den Herdboden gestreute
[257]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Lösche in einem solchen Halbkreise fortgeblasen wurde, wie es die
Skizze zeigt. Die Windpressung war entsprechend den harten Kohlen
eine hohe.


Über den Boden des neu zugestellten Herdes streute man einige
Schaufeln voll Hammerschlag aus, um beim Anheizen eine Glasur
zu bilden, welche die Sandsteine vor dem Springen schützte. Dann
wurde der Herd eine oder auch mehrere Stunden abgewärmt. Als-

Figure 76. Fig. 73

a.


Figure 77. Fig. 73

b.


dann setzte man auf die
glühenden Kohlen 25 bis
30 kg Garschlacken und
setzte darauf das Roh-
eisen in Gestalt regelloser
Brocken von etwa 4 cm
Dicke, aber nicht auf ein-
mal, sondern nach und
nach partieenweise, in
gröſseren Pausen. Jeder
solcher Roheisensatz hieſs
eine „Heiſse“. Gewöhnlich
wurden zu einer Charge
in etwa sechs Stunden
fünf bis sieben Heiſsen ein
gesetzt, indem stets das
bereits eingeschmolzene
Gut einen gewissen Grad
der Gare erlangt haben
muſste, bevor die folgende Heiſse eingesetzt wurde. Dies durchaus
abweichende Verfahren war die charakteristische Eigentümlichkeit
der siegenschen Rohstahlarbeit. Man arbeitete auf groſse Luppen
hin, konnte aber unmöglich das dazu nötige Roheisenquantum mit
einem Male vor dem Winde zur Gare bringen, um so weniger, da
das Spiegeleisen und das Nebeneisen rohschmelzig und schwerfrischend
war. Um also ein gleichmäſsig durchgefrischtes Produkt zu erlangen,
war das partieenweise Einschmelzen unerläſslich. Ein Aufbrechen,
wie beim Stabeisen, war bei der Stahlbereitung ausgeschlossen, weil
dadurch wieder einzelne Partieen zu gar geworden, zu Schmiedeeisen
entkohlt worden wären.


Mit dem Einschmelzen der ersten Heiſse, aus etwa 20 kg Neben-
eisen bestehend, welche auf der Windseite in der durch Punkte in
der Skizze bezeichneten Lage eingesetzt wurden, zugleich geschah
Beck, Geschichte des Eisens. 17
[258]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
in dem frei bleibenden Raume des Herdes nach der Formseite
zu das Ausheizen von zwei Schirbel des letzten Schreies. „Schrei“
war die siegensche Bezeichnung für die Stahlluppe. Ein solcher
Schrei, welcher 150 bis 200 kg wog, wurde in der in neben-
stehender Skizze (Fig. 74) angedeuteten Weise radial in acht bis
zehn Schirbel zerschroten. Zwei davon wurden an den keilförmigen
Enden mit Heizzangen gefaſst und in das Feuer eingesetzt, während-
dessen man die übrigen auf die niedrige Arbeitsseite übereinander
legte, um sie vorzuwärmen. Hatte der Schirbel in der Zange die rich-
tige Hitze, so wurde er unter den Hammer gebracht, um die rauhe

Figure 78. Fig. 74.


Seite vorsichtig dicht zu machen. Ein Schirbel
brauchte zwei bis drei Hitzen, bis man ihn an
der äuſseren Seite zu einem flachen Griffe
ausschmieden und zu einem Kolben machen
konnte. Anfangs muſste man den Schirbel
hoch über die Form halten, sobald er aber
zu schweiſsen begann, wurde er tiefer gelassen
und mehrmals in dem Schlackenbade ge-
wendet. Der Kolben wurde endlich, nachdem er nochmals im Herde
ausgeheizt war, zu einer Stahlstange ausgereckt und diese zur Här-
tung glühend in den Löschtrog geworfen. Der Stahl warf beim
Ausschmieden viel Funken aus, welches die Stahlschmiede von einem
Gehalte an Kupfer herleiteten1). Sobald der erste Schirbel aus-
geschweiſst war, rückte der zweite an dessen Platz dicht über der
Form, während der dritte an die Stelle des zweiten eingelegt wurde,
und so ging das Ausheizen und Ausschmieden sämtlicher Schirbel
fort und war meist eine Stunde früher beendet, als der neue Schrei
vollendet war.


Gleichzeitig mit dem Ausheizen nahm die Stahlfrischarbeit ihren
Fortgang. Das Einschmelzen wurde bei schwachem Winde begonnen,
damit sich erst die Schlackenkruste über dem Steinboden und darüber
ein ganz flüssiges Schlackenbad bildete. Alsdann wurde der Wind
verstärkt und das [Roheisen] rasch eingeschmolzen, so daſs es voll-
kommen flüssig den Boden bedeckte und durch eine Schlackendecke
von nahezu 10 cm vor der direkten Einwirkung des Windes geschützt
war. So wurde das Garen nur durch die Garschlacke bewirkt und
ging rasch von statten, weil die Eisenmenge klein, die Schlacken-
[259]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
menge groſs war. Nach einer halben Stunde trat ein teigartiger
Zustand ein, der von dem Rande beginnend nach der Mitte fort-
schritt. Man nannte dies „das Wiederkommen der Heiſse“. Fingen
die Ränder an, sich fest und hart anzufühlen, so wurde die zweite
Heiſse eingesetzt. Man setzte hierbei die doppelte Menge desſelben
Eisens, weil die zweite Heiſse die erste wieder vollständig auflösen
sollte. Man reinigte den Herd, stach etwas von der roh gewordenen
Schlacke ab und ersetzte diesen Abgang durch gare Zuschläge. Die
Dicke der Schlackendecke muſste bei der zweiten, wie bei den folgen-
den Heiſsen immer etwas abnehmen, damit die Schlacke nicht zu
nahe der Form kam und diese verbrannte. Das Einschmelzen der
zweiten Heiſse dauerte eine halbe Stunde, das Reinigen des Herdes
ebenfalls eine halbe Stunde und bis zum Wiederkommen der zweiten
Heiſse verfloſs meist eine weitere halbe Stunde. Nun wurde die
dritte Heiſse, bestehend aus 32 bis 35 kg Spiegeleisen, rasch einge-
schmolzen. Diese dritte soll die zweite Heiſse nicht mehr vollständig,
sondern nur bis auf einen etwa 15 cm breiten Rand auflösen. Das
Einschmelzen dauerte eine viertel Stunde, bis zum Wiederkommen
eine Stunde. Man lieſs sie hierbei schon etwas garer werden, als bei
den beiden ersten Malen, so daſs man mit der Brechstange selbst in
der Mitte nicht mehr recht durchkommen konnte. Alsdann setzte
man die vierte Heiſse, aus 30 bis 33 kg Spiegeleisen bestehend. Diese
sollte die vorhergehende nur in der Mitte dergestalt bis zum Boden
auflösen, daſs ungefähr eine 36 bis 45 cm weite Vertiefung entstand
und sollte in dreiviertel Stunden wiederkommen. Auch bei dieser
wurde, wie bei den vorhergehenden Heiſsen, etwas Schlacke ab-
gestochen und durch mehr oder weniger gare Zuschläge ersetzt.
Man führte den Gang, um ihn zu beschleunigen, gegen das Ende
ziemlich trocken und sodaſs beim Wiederkommen sich schon lichte
Spieſsvögel (wildes Dünneisen) zeigten. Nun wurde die fünfte Heiſse,
aus 20 bis 25 kg Spiegeleisen bestehend, eingesetzt, welche nur noch
in der Mitte eine Vertiefung von etwa 27 cm Weite bis auf den Boden
niederfraſs und in dreiviertel Stunden wiederkam. Die Gare beim
Wiederkommen lieſs man dabei noch etwas weitergehen, wobei man
den Garspan mit der Brechstange aus der Mitte und nicht vom
Rande nahm. Bevor der Garspan sich zeigte, wurden schon Klümp-
chen von garem Eisen mit der Schlacke vor dem Winde in die Höhe
geworfen. Um dies und zu weites Vorschreiten in der Gare zu
hindern, gab man etwas feuchte Lösche in das Feuer oder goſs
Wasser durch die Form, um den Gang weniger hitzig zu machen.
17*
[260]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Meist folgte noch eine sechste Heiſse von etwa 15 kg Spiegeleisen,
die in einer halben Stunde einschmolz und wiederkam. Es wurde
dabei nur eine Vertiefung von etwa 12 cm in der Mitte des nun bald
fertigen Schreies aufgefressen. Den Garspan lieſs man so weit vor-
schreiten, daſs er sich mit Schlägen an die Brechstange zwar noch
leicht löste, aber dabei nicht mehr zerfiel. Erschien nach dieser
Gare der Schrei in der Mitte nahezu angefüllt, so wurde der Wind
eingestellt und der Frischprozeſs als beendet angesehen. Blieb aber
noch eine Grube in der Mitte, so wurde diese durch eine siebente
Heiſse von etwa 10 kg gefüllt, welche man zu der eben beschriebenen
Gare vorrücken lieſs.


Nach abgestelltem Gebläse wurde alles bis auf die blanke Schrei-
oberfläche abgeräumt und abgekratzt, und der Schrei mit der groſsen
Brechstange aufgebrochen, auf die Hüttensohle geworfen und hier
mit der unteren Seite nach oben gekehrt und alsbald unter den
250 bis 300 kg schweren Aufwerfhammer gebracht, unter dem er in der
oben angegebenen Weise in acht bis zehn Schirbel zerschroten wurde.


Inzwischen wurde der Herd in Ordnung gemacht und mit einer
neuen Charge begonnen.


Die gehärteten und zerbrochenen Stahlstangen wurden nach dem
Bruche sortiert und zwar in Edelstahl, Mittelkür und Mock oder nach den
alten Bezeichnungen in „gut edel Stahl, gemein Stahl und Klappern“.
Zur ersteren Sorte kam, was leicht brach und im Bruche als reiner,
harter Stahl erschien, das aber, was auch bei stärkeren Schlägen nicht
brach und im Bruche grobkörnig und licht erschien, zur zweiten Sorte.
Es fielen in der Regel drei Teile Edelstahl auf einen Teil Mittelkür.


Die Dauer einer Schreibildung mit Vor- und Nacharbeiten belief
sich auf etwa acht Stunden. In dieser Zeit produzierten drei Mann
150 bis 200 kg Stahl. Der Abbrand betrug etwa 25 Prozent und
der Verbrauch an Buchen- und Eichenkohlen pro 50 kg 20 Kubikfuſs.


Wir sind in unserer vorstehenden Schilderung der siegenschen
Rohstahlarbeit der Darstellung Tunners1) gefolgt, weil dieselbe sich
durch Klarheit auszeichnet. Sie stammt aus dem Anfange der fünf-
ziger Jahre und stimmt im wesentlichen überein mit dem sehr gründ-
lichen Berichte des Hütteninspektors Stengel vom Rohstahlwerke
zu Lohe bei Siegen, aus dem Ende der zwanziger Jahre in Karstens
Archiv für Bergbau und Hüttenkunde vom Jahre 1829, Bd. XVIII,
S. 332 u. f.


[261]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.

Man darf aber nicht glauben, daſs die Rohstahlarbeit im Sieger-
lande im 16. Jahrhundert bereits in so vollkommener Weise, wie wir
sie dargestellt haben, betrieben wurde. Hier gilt dasſelbe, was wir
bei der siegenschen Einmalschmelzerei bemerkt haben1), und zwar
in noch höherem Grade. Wurden doch die siegenschen Stahlhütten
während des gröſsten Teiles des 16. Jahrhunderts mit Hand- oder
Tretbälgen betrieben. Das Wesen des Prozesses war aber damals
schon dasſelbe und werden wir das Wenige, was wir über die siegen-
schen Stahlhämmer jener Zeit wissen, bei der Eisengeschichte des
Siegerlandes im 16. Jahrhundert noch bringen.


Vergleicht man das Verfrischen des Roheisens zu Stahl mit dem
zu Eisen, so liegt der Hauptunterschied darin, daſs das Garwerden
im ersteren Falle unter dem Winde und durch fast ausschlieſsliche
Einwirkung der Schlacke geschieht, während im zweiten Falle das
Garen vor und über dem Winde und mehr unmittelbar durch den-
selben bewirkt wird. Hieraus ergiebt sich von selbst, daſs das Stahl-
frischen langsamer vor sich geht, deshalb mehr Kohlen erfordert und
mehr Eisen dabei verschlacken muſs. Die Arbeit selbst erfordert
gröſsere Geschicklichkeit. Aus diesen Gründen war der Stahl stets
teurer als das Eisen.


Die Zementstahlfabrikation im heutigen Sinne war in
jener Periode noch nicht in Anwendung, wohl kannte man aber die
Thatsachen, auf welchen dieselbe beruht und benutzte sie, wie bereits
im Mittelalter und wohl auch schon im Altertume, bei der Einsatz-
härtung
. Dies geht deutlich aus folgender Angabe des Lazarus
Erker
hervor: „Wie dann das Eysen in langwieriger
starker Hitze mit harten oder buchenen Kohlen, ohne
Abgang, geglühet zu gutem Stahl kann gemacht werden
.“
Die Einsatzhärtung bezweckte nur eine Oberflächenhärtung fertig aus-
geschmiedeter Gegenstände und wurde meist in kleinen eisernen
Kisten, die im Schmiedefeuer geglüht wurden, vorgenommen.


Einen groſsen Wert legte man auf das Härtewasser, d. h. die
Flüssigkeit, in welcher der heiſse Stahl abgelöscht wurde, wodurch
er seine Härte erhielt. Man glaubte irriger Weise, daſs das Eisen
bei der Härtung einen Stoff aus diesem aufnehme. Ein gutes Härte-
wasser war daher das groſse Geheimnis jedes Stahlschmieds. Cosmos
de Medici
erfand 1555 ein Härtewasser aus Pflanzensäften, welches
angeblich solche Kraft hatte, daſs Franciscus Tadda mit einem
[262]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
darin gehärteten Meiſsel ein Becken zu einem Springbrunnen und drei
Reliefs von vorzüglicher Kunst anfertigen konnte.


Wir wollen hier noch einige Stellen über den Stahl aus Schriften
des 16. Jahrhunderts zusammenstellen.


Über die Stahlbereitung macht Monardo eine Mitteilung. Nach
dem er gesagt hat, daſs der Unterschied zwischen Stahl und Eisen
in den Erzen begründet sei, fährt er fort: „Der Welsche Stahl hat
auch eine andere Bergart, daselbst sind mancherlei Eisenbergwerk
und Adern, deren eine auch schmeidiger Eisen gibt als das andere.
Den Stahl aber, so zu uns (nach Spanien) von dorther gebracht wird,
richten sie also zu: Ihres schmeidigen Eisens nehmen sie soviel als
sie wollen, schlagen es zu dünnen kleinen Platten oder Blechen,
darnach reiben sie Marmorstein und Eisenschlacke zu Staube, ver-
mischens und werfens mit glühenden Kohlen in einen sonderlichen
darzu bereiteten Ofen, zündens wohl an, daſs das Feuer stark werde:
und endlich werfen sie ihr sprödes Eisen darzu, so zwingt es das
Feuer, daſs es fleuſst zu einem Klumpff, daraus wird Stahl und jene
langen Stangen gemacht, die anhero in Menge gebracht werden.“


Der Beschreibung nach könnte man an eine Art Guſsstahlfabri-
kation denken, doch will er augenscheinlich die Brescianstahlbereitung
beschreiben.


Über Stahlhärtung, d. h. den Stahl hart oder weich zu machen,
finden wir mancherlei Angaben, bei denen ein gut Teil Aberglauben
mit unterläuft. Cardanus schreibt: „Das eysen und der stahel
werden durch gesafft (Säfte) weich, aber man muſs ihn zum öfteren
mal darinnen ablöschen, als in dem Sauerampfer- oder Schirling-
saft, desgleichen in dem Öl, in wöllichem zu dem siebenden malen
Bley gegossen. Und wenn man das glühend eysen besprenget mit
Nieſswurz, Agstein oder Euphorbio und danach zu mehr malen mit
ihm selbst lasset kalt werden.


Das eysen wird hart mit dem Melanthien- oder schwarzen
Koriandersaft und mit Mäusörleinsaft, so Pilosella genennet, welches
seinen namen von den vielen Haaren hat empfangen, so sich oft
säubern. Dieses Kraut hat volle Blätter, die hart und allewegen
grün sind, fast wie die salbey und schmecken wie der Lorbaum
(Lorbeer) und hat einen halb weiſsen und grünen Stengel mit Tupf-
linen gesprenget, so gern auf den Bergen wachset.


Obwohl dieses eysen geringer dann der stahel geachtet, ist es
doch viel besser das eiſs mit aufzubrechen. Dann es bricht nitt von
ihm selbst, noch wann etwas anders daran stoſset, wöliches beydes dem
[263]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
stahel beschicht. — Wenn man auch den stahel mit eysen bereybt,
nimmt es ihm seine rauhe.“


Ferner: „Der Stahl ist edler als das Eisen und ist zweierlei,
nämlich gemachter und gewachsener. Jener ist hart und darum
gebrechlicher als das Eisen. Der gemachte wird aus dem härtesten
und saubersten Eisen und von Marmorstein. Der beste ist der von
kleinen und weiſsen Kernen scheint, nicht rostig, kein spalt hat und
leichter (!) dann das Eisen ist. Wann er wohl gereinigt, darnach
glühend mit Rettigsaft und mit Erdwürmerwasser zu gleichen Maaſsen
3—4 mal abgelöscht ist, so schneidet er Eisen wie Blei.“


Wecker stellt in seinen 17 Büchern, De Secretis, folgende ältere
Angaben zusammen: „Wie man Eisen erweicht:


Das Eisen wird weich durch den Saft der Schaalen von Bohnen
und Malven, wenn man es in diesem und nicht in Wasser ablöscht.
Damit es aber geschmeidig werde, läſst man es in Ackererde aus-
dorren, indem man es lange darin liegen läſst: Durch den Regen
wird es weich, indem das, was erdig ist, allein zusammenflieſst, das
feuchte aber, was im Feuer besser steht und jenem wie ein Gift ist,
weggenommen wird. Deshalb wenn es öfter ausgedörrt wird, und
lange im Boden liegt, wird es um so zäher. Eiserner Draht, wenn
du ihn für sich erhitzest und abkühlen läſst, wird so weich, daſs du
ihn wie Bindfaden gebrauchen kannst (Cardanus).


Fange in einem Gefäſs oder einer Schüssel menschliches Blut
auf und lasse es stehen, bis das dicke Blut sich absetzt, gieſse dann
das Blutwasser ab und hebe es sorgfältig zum Gebrauch auf. Streichst
du dann die erwärmte Waffe mit einem Pinsel mit diesem Serum an,
so saugt es das Blutwasser auf und macht die Waffen weich (Ex lib.
Germanico).


Oder: Nimm geläuterten Honig, frischen Harn vom Ziegenbock,
Alaun, Borax, Olivenbaumöl und Salz, und nachdem du diese gehörig
gemischt hast, tauche das Eisen hinein und lösche es ab (idem).


Oder: Bestreue Leder mit Hornspänen und besprenge es mit
Salmiak, hülle das Leder um das Eisen und laſs es durch das Eisen
verbrennen, so wird es weich (idem).


Wie man den Stahl hart macht:


Der Stahl wird hart in kaltem Wasser, wenn er in diesem ab-
gelöscht wird und wenn die Farbe des Stahls bläulich ist, so wisse,
daſs der Stahl seine natürliche Hitze erlangt hat (idem).


Um den Stahl so hart zu machen, daſs er anderes Eisen leicht
schneidet: destilliere Erdwürmer, sowie besonders auch Rüben und
[264]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Wurzeln von Gurken. Mische alles nach gleichem Maſs. In diese
Flüssigkeit werde das Eisen eingetaucht. Es wird noch härter, wenn
du dieses wiederholst (Nostradamus).


Daſs das Eisen hart und wieder weich wird:


Reibe Kraut (des Lorbeers? verbenam) mit Stengeln und Blättern
zusammen, drücke den Saft durch ein leinenes Tuch und hebe es in
einem Glasgefäſs zum Gebrauche auf. Willst du Eisen hart machen,
so mische den Saft mit der gleichen Menge Menschenharn von einem
Manne, du kannst auch noch den Saft von Erdwürmern — die
Deutschen nennen sie „Engerlinge“ — hinzufügen: wenn das Eisen
an dem Teile, den du härten willst, glüht, so tauche ihn in diesen
Saft, bis goldne Flecken erscheinen. Wenn du aber nur die blaue
Farbe wahrnimmst, so merkst du daraus, daſs er noch nicht hart
genug ist. Auch wird das Eisen in Jauche (in aqua stercoris) ab-
gelöscht. Einige pressen den Saft aus den rothen Schildkröten und
löschen darin das Eisen ab (Ex lib. Germanico).


Wie Eisen in Stahl verwandelt wird:


Die Rinde des Punischen Apfelbaumes verwandelt das Eisen in
Stahl, wenn es mit diesem lange in Wasser gekocht wird (Cardanus).


Stahl aus Eisen zu machen:


Nimm dünne Platten (Blech, laminas) vom besten Eisen, dazu
Pferdehufe und Kochsalz oder Asche von Reisig oder von irgend
einem Aschensalz. Diese trage man lagenweise in ein Thongefäſs ein
und zwar so, daſs die oberste und die unterste Lage aus Hufspänen
und Salz bestehen: sodann steigert man bei geöffnetem Gefäſs die
Hitze bis zur vollen Glut während mehrerer Stunden, so erwirbt es
sich wegen seiner Härte den Namen Stahl und dies um so mehr,
wenn man es in kaltem Wasser, in Würmersaft oder einer Abkochung
von Hufen oder einer Lösung von Laugensalzen ablöscht.


Wie man den Stahl weich macht, daſs man ihn treiben
kann
:


Den Stahl mache man weich durch eine Lauge aus Eichenholz-
asche und ungelöschtem Kalk, die man zwei Stunden lang vermischt
stehen läſst. In diese Lauge wirft man den Stahl und läſst ihn
14 Tage lang darin: wenn du ihm aber wieder dieselbe Härte wie
zuvor geben willst, so lege ihn in kaltes Wasser.


Oder: Nimm Salmiak, ungelöschten Kalk und füge hierzu etwas
venetianische Seife, mische durch fleiſsiges Umrühren und tauche den
Stahl darin völlig ein, laſs ihn 3, höchstens 4 Stunden darin und
gieſse langsam ab … So verfährt man mit kleinen Stahlstückchen.
[265]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Du kannst aber groſse weich machen, wenn du sie in eine Mischung
von Kuhmist, Eiweiſs und saurem Leim eintauchst (Ex lib. Germanico).


Wie man die Messerschneiden hart und dicht macht:


Mische den durch ein leinenes Tuch gepreſsten Saft von Regen-
würmern mit Rettigsaft zu gleichen Teilen; dieser macht die Schneiden
der Messer, Schwerter und anderer Instrumente, wenn sie zwei- oder
dreimal darin abgelöscht werden, so hart, daſs man anderes Eisen
leicht damit schneiden kann, wie wenn es Blei wäre. [Dies erfuhr
Mizaldus1) von einem Pariser Klingenschmied.]


Oder: Du kannst die beständigsten Schneiden von Schwertern,
Degen oder andern Instrumenten auf diese Art erhalten. Nimm ein
Pfund Urin eines Knaben, dazu eine starke Hand voll Ruſs und füge
4 Unzen Leinöl dazu; mische alles und erhitze es; hierauf glühe
die Schneide des Schwertes, Degens oder sonstigen schneidenden
Werkzeugs und tauche sie in die Abkochung dieser Mischung, so
werden sie richtig gehärtet (probe temperentur).


Wie das Eisen getrieben wird:


Das weich gemachte Eisen wird in der Weise getrieben, daſs du
das, was du formen willst, auf das Eisen zeichnest, auf der Rückseite
werden Bleiklötze untergelegt, und nun werden die Teile, die du ein-
drücken willst, mit einem kleinen Hammer geschlagen; diese müssen
hervortreten, da sie das untergelegte Blei nicht zurückhält: so ent-
stehen die feinsten Bilder von Tieren und Pflanzen, wie in Wachs
gedrückt und mit scharfen Messern ausgeschnitten. Wenn es aber
durch kaltes Wasser, sobald es glühend wird, abgelöscht wird, so
muſs man acht geben, daſs es nicht hart und spröde (minime ductile)
wird. Denn durch die Kälte des Wassers wird die innewohnende
Hitze bezwungen und es verzehrt rasch die eingeborene Feuchtigkeit
des Eisens, wegen der es weich ist, deshalb muſs man beim Ab-
löschen darauf achten, daſs es nicht spröde und hart wird (Cardanus).


Wie die Waffen geätzt werden (caelentur):


Dies geschieht so: Pech, Leinöl und Weihrauchöl kochen Sie
zusammen, bis es dick wird und tragen diesen sogenannten Firnis
auf; darauf zeichnen Sie mit dem Stifte (Grabstichel), was Sie wollen,
dann bringen Sie an die Stellen, wo der Firnis weggekratzt ist,
[266]Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
Scheidewasser: diesem wird Silberamalgam und Grünspan zugemischt
und in 24 Stunden ätzen Sie die Zeichnung so schön in das Eisen,
wie es nicht besser mit einem Siegel in Wachs abgedrückt werden
kann.


Wie man das Rosten des Eisens vermeidet:


Wenn das Eisen Spuren von Rost angenommen hat, so nimmt
diese das Weinsteinöl (oleum tartari) weg u. s. w. (Mizaldus).


Wie man eiserne, stählerne und eherne Waffen vom Roste
reinigt
und sie glänzend erhält:


Sie werden mit einem Gemisch von Essig und Alaun bestrichen
oder mit Bleiweiſs und Hirschtalg (cervi medulla), denn dies ist halt-
barer als Öl. Aber das aller haltbarste und nützlichste ist, wenn man
ganz feine Bleispäne in einem bleiernen oder eisernen Mörser unter
Zufügung von etwas Nardenöl (oleum de spica), was des Wohl-
geruches wegen geschieht, gehörig durcharbeitet und damit das Eisen
oder den Stahl einreibt. Auf diese Art kannst du jedwede Waffe in
Wasser und feuchter Luft frei von jeder Art von Rost tragen (Ex
quodam armorum perito fabro).


Wer noch sonst an wunderlichen Härtemitteln aus jener Zeit,
wo man „nach unendlichen Rezepten — das Widrige zusammengoſs“,
seine Freude hat, den verweisen wir auf die kleine Schrift „Von
Stahel und Eysen
: Wie man die selbigen künstlich weych vnd
hart machen soll … Mit viel andern künstlin, wie man Goldt von
Sylber Farben, vff ein yedes Metall, mancherley weyse machen sol,
darzu auch wie man in Stahel vnd Eysen oder vff waffen etzen sol.
Desgleychen auch mancherley art, warm vnd kalt Eysen vnd
Messing \&c., zu löten. — Getruckt zu Maintz bey Peter Jordan
im Mertzen des M. D. XXX. II. Jars.“


Die Verwendung des Stahls war im 16. Jahrhundert noch eine
äuſserst beschränkte und selbst in den Ländern, welche durch ihren
Stahl berühmt waren, wie Steiermark und das Siegerland, trat die
Stahlbereitung weitaus zurück gegen die Eisengewinnung. Durch die
Einführung und Ausbildung des Stahlfrischens nahm die Stahl-
erzeugung und der Stahlverbrauch zwar zu im Vergleich mit der
früheren Periode, in der man den Stahl in Stücköfen und Luppen-
feuern mehr zufällig gewonnen hatte, doch nahm die Verwendung,
Benutzung und Verarbeitung des Stahls einen wesentlichen Auf-
schwung erst durch die Erfindung der Zementstahlfabrikation und
der Guſsstahlfabrikation im vorigen Jahrhundert.


[[267]]

DIE EISENGIESSEREI
IM
SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERT
.


Wir wenden uns nun zu denjenigen Betrieben, welche aus dem
Rohmaterial, aus Roheisen, Schmiedeeisen und Stahl Kaufmannswaren
erzeugen. Es sind dies besonders für das Roheisen die Gieſserei, für
Stabeisen und Stahl die Schmiedekunst in ihrer mannigfaltigen Ge-
staltung, die Draht- und Blechfabrikation.


Ob die Einführung des Hochofenbetriebes mehr durch das Be-
dürfnis der Schmiedeeisenerzeugung oder der Guſseisenerzeugung
bedingt war, ist eine Frage, die sich nicht unbedingt entscheiden
läſst. Bisher haben wir dieselbe nur von ersterem Gesichtspunkte
aus behandelt, betrachten wir sie nun auch von der andern Seite.


Die Metallgieſserei stand bereits im grauen Altertume bei
den Kulturvölkern auf einer so hohen Stufe der Entwickelung, daſs
wir noch heute darüber staunen. Beispiele für diese allbekannte
Thatsache hier anzuführen, ist überflüssig, viele sind im ersten Bande
dieses Werkes verzeichnet. Gewiſs hat es seitens der geschickten
Erzgieſser nicht an Versuchen gefehlt, auch das Eisen zum Zwecke
des Gieſsens zu schmelzen und in flüssige Form zu bringen. Sie
scheiterten an der Schwerschmelzbarkeit des Eisens und an ihren
unvollkommenen mechanischen Hilfsmitteln, insbesondere an ihren
schwachen Blasebälgen. Die Alten gewannen das Eisen aus den
Erzen nur als schmiedbares Eisen. Dieses hat aber eine so hohe
Schmelztemperatur, daſs es bis vor noch nicht sehr langer Zeit, trotz
unserer Dampfgebläse, für die praktische Verwendung als unschmelz-
[268]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
bar galt. Nun könnte man einwenden, daſs Schmiedeeisen in Be-
rührung mit Kohle in hoher Temperatur Kohlenstoff aufnimmt und
zuletzt in den Zustand des leicht schmelzbaren Roheisens übergeht.
Aber auch dieses ist so schwer schmelzbar, daſs es in nennenswerten
Quantitäten, wie es zu einem auch kleinen Guſsstück erforderlich ist,
auch die Folles taurini des Vulkan wohl kaum schmelzen konnten.
Dabei hat das Eisen noch andere Eigenschaften, die seiner Ver-
wendung als Guſsmetall im Wege standen. Das weiſse Eisen schwindet
so stark, daſs es kaum die Form richtig ausfüllt. Dabei ist es spröde
und in dünnen Stücken gegossen so zerbrechlich, daſs es für den
praktischen Gebrauch untauglich ist. Das graue Eisen, welches für
die Gieſserei allein verwendbar ist, erfordert zu seiner Darstellung
und zum Umschmelzen eine noch höhere Temperatur als das weiſse
und ist nur, wenn es noch beträchtlich über seinen Schmelzpunkt er-
hitzt ist, so dünnflüssig, daſs es sich für dünnwandige Guſsstücke
eignet. Solche allein aber erstrebten die Gieſser des Altertums; für
Massenguſs, grobe Guſsstücke, war kein Bedarf. — Dies alles macht
es leicht erklärlich, warum die Alten den Eisenguſs nicht kannten
und nicht anwendeten.


Anders wurden die Verhältnisse, als man anfing, die ungemessene
Kraft des Wassers zum Bewegen der Blasebälge zu benutzen und
mit Hilfe stärkerer Bälge und höherer Öfen die Eisenerze aus-
schmolz. Da ergab sich flüssiges Roheisen von selbst; ursprünglich
ganz wider den Willen des Schmelzers; nachdem man aber die guten
Eigenschaften desſelben kennen und zu verwerten gelernt hatte, ver-
schmolz man die Erze mit Absicht auf Roheisen allein. Zu diesen
guten Eigenschaften gehörte auch die, daſs sich Guſswaren daraus
herstellen lieſsen.


Allerdings vermochte man ursprünglich nur die allergröbsten Stücke
zu gieſsen, denn das Eisen kam kalt aus dem Ofen, floſs träge und
war in der Regel weiſs. Blöcke für Amboſse, Pocheisen, Pochsohlen
und Kugeln, das waren die ersten Guſswaren, die man auch da her-
stellen konnte, wo das Eisen durchaus nicht den Anforderungen eines
guten Gieſsereieisens entsprach. Der Meister oder Massenbläser stellte
die Formen dazu selbst dar und man leitete beim Abstechen das
flüssige Metall durch Rinnen den Formen zu, die nicht weit vom
Stichloche, neben dem Flossenbette, angebracht waren. Erfahrungen
führten zum Fortschritte und bald lernte man die Vorzüge des bei
gröſserer Hitze erblasenen grauen Eisens für die Gieſserei erkennen.
Man trachtete danach, feinere Guſswaren herzustellen, zunächst für
[269]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
die Zwecke des Krieges kleine Kanonen1), die allerdings sehr plump
ausfielen, dann für die Zwecke des Friedens und des häuslichen
Gebrauches, namentlich jene Ofenplatten, welche den unteren Teil der
Kachelöfen umkleideten. Während die Kanonen ganz in Lehm auf-
gedreht wurden, bediente man sich für die Ofenplatten, welche auf
der einen Seite oft mit sehr reichem Bilderschmucke verziert waren,
kunstvoller Modelle. Doch wurden diese Platten nur in offener Form,
als Herdguſs, gegossen, so daſs die eine Seite rauh blieb. Erst all-
mählich ging man dazu über, hohle Körper, wie namentlich Koch-
töpfe, in ringsum geschlossenen Formen herzustellen.


Im Anfange des 16. Jahrhunderts war man bereits soweit ge-
kommen. Dies wird unter anderm durch den wichtigen Vertrag
des Grafen Johann Ludwig von Saarbrücken über die Eisenhütte
zu Wiebelskirchen in der Grafschaft Ottweiler (s. oben S. 202) vom
Jahre 1514 bestätigt, worin er sich den Verkauf zu festen Preisen
vorbehält, und zwar für eiserne „Heffen“ (Guſstöpfe) 1 Ort und
1 Heller, für „Öfen, Büchsen oder Büchsensteine zu gieſsen“ 1 rhein.
Gulden der Zentner.


Daſs man eiserne Töpfe mit drei Beinen schon im 16. Jahr-
hundert goſs, geht aus folgender Stelle aus Lazarus Erkers Be-
schreibung der allerfürnemsten mineralischen Erz- und Bergwerks-
arten von 1574 (S. 60) hervor: „Wie man in einem eisernen Krug
Scheidewasser brennen soll.“ „Ob du aber in einen eyssern ge-
gossenen
oder geschnittenen Krug, den satz setzen, vnd schaid-
wasser brennen wilt, so setze den Krug mit seinen kurzen Beinen,
nur auff die eyssernen trählen oder rost, daſs er fein gewiſs stehet:
So aber der krug keine Beine hatte, so muſs derselbige auf ein drei-
füſslein, gleich einem Kolben zu stehen kommen.“ Die Formen
wurden damals noch alle in Lehm hergestellt. Die Herstellung eines
guten Formlehms war schon damals eine Hauptsorge der Gieſser.


Gualterius H. Rivius schreibt 1547 in seiner „neuen Per-
spektiva“, im dritten Buche (p. XLII):


„Der natürliche Gieſssand wird dieser Zeit gefunden in der
gegent vmb Cremona herumb in Welschlanden, aber der künstlich
hierzu bereit wird, muſs von solchen stucken gemacht werden, von
solcher materie, die der former wol vnd on allen schaden bestendig-
lich leiden mag. Darumb, wie gesagt, gar mancherley Gieſssand, vn
[270]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
tag zu tag, von mancherley Künstlern erdacht werden, denn etliche
gebrauchen dazu Pimsenstein, andere gebrannt Bein, andere Hammer-
schlag und Eisenfeylicht, etliche gebrannt Ziegelstein, noch andere
Schmergel vnd viel dergleichen stuck vnd materialia, — aber von
solchen Gieſssanden allen, so mir noch zukommen, vbertreffen die
beide, der ein von Eysenrost, der ander von gebranntem Ziegelstein
wol bereidet, die andern alle zusammen. Wie aber solche beide zu
bereiten, anzufühlen, in die Guſsflaschen zu bringen, abzutrucknen
vnd abformen, was man gieſsen will, die formen schlieſsen, abtrucknen,
ausglühen, flammen, mit lufft- ung guſslöchern versehen, wohl ver-
streichen vnd das Metall heiſs genug hineinzugieſsen, erfordert Be-
richt und Augenschein.“ — Empfiehlt „als sonderlich heimliches stück:
den Sand mit eines jungen Kneblins Harn anzufeuchten und ihn so
fein zu malen, daſs man ihn kaum mehr zwischen den Fingern fühlt“.


Die hohe Stufe, auf welcher die Formkunst im Beginn des
16. Jahrhunderts stand, lernen wir nicht nur aus den erhaltenen
Guſswerken jener Zeit kennen, sondern auch aus den Schriften
Vanuccio Biringuccios, der selbst ein sehr erfahrener Metall-
gieſser war und von allen seinen vielen praktischen Kenntnissen
diese am höchsten schätzte. In seiner Pyrotechnik behandelt er des-
halb auch den Abschnitt über die Formerei und Gieſskunst mit be-
sonderer Gründlichkeit, und wenn sich seine Ausführungen auch mehr
auf den Metallguſs als den Eisenguſs beziehen, so können wir uns
doch nicht versagen, die betreffenden Kapitel, besonders diejenigen,
die sich auf den Guſs von Kanonen beziehen, hier in vollständiger
Übersetzung mitzuteilen.


Im fünften Kapitel des sechsten Buches, welches die Überschrift
führt: „Von der Art, die Formen der Geschütze zu machen“, schreibt
er: „.... Zuerst muſs man ein Modell machen, genau wie das Ge-
schütz sein soll, entweder von Holz oder von Lehm und mit den
Ornamenten von Karniesen und Verstärkungen, welche an dem Ge-
schütze sein sollen. Nehmen wir an, das Modell solle von Holz sein.
Alsdann muſs man ein tannenes Holz aufsuchen, welches in einem
Stück von der gewünschten Länge und Dicke sein muſs, trocken,
dicht und reif, mit wenig oder gar keinen Knorren und um so viel
länger als das Geschütz, als die Auflager am Kopfe und am Fuſse
ausmachen, womit man es in ein Lager legen muſs, damit es sich
drehen kann, wie auf einer Drehbank und noch um so viel länger,
als über der Stelle, wo die Mündung ist, Ihr einen verlorenen Kopf
anfügen müſst für den Guſs. Nun muſs man es ausarbeiten oder
[271]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
ausarbeiten lassen, entweder rund oder mit Fasungen, oder gewölbt,
oder mit halben Fasungen, wie es Euch gefällt. Mit gröſstem Fleiſse
und Aufmerksamkeit auf die Maſse werde es richtig eingeteilt und
nahe dabei muſs man zwei feste Angeln in die Erde setzen, eine am
Kopfe und eine am Fuſse, wie man bei den Bratspieſsen thut und
wie Ihr in der Zeichnung seht. Ist dies geschehen, so setzt Ihr dahin,
wo Ihr die Mündung haben wollt und an den Fuſs, wo man abfeuert,
da es vor Augen ist, die Karniese aus Stücken, die sich abnehmen
(abstreifen) lassen, wenn Ihr die Holzspindel aus der Form zieht,
welche dann in der Form zurückbleiben, und ebenso die Wülste, Ein-
fassungen und andere Ornamente, welche Ihr auf das Modell auf-
gesetzt habt. Um aber vor allem den Boden (culatta, das Schwanz-
stück — die Traube) am Fuſse einsetzen zu können, macht, entweder
von Lehm oder von Holz und gut mit Talg oder Wachs befestigt,
eine runde Scheibe, etwas konisch (glockenförmig), drei Finger dick
und einen Finger oder mehr gröſser im Durchmesser oder Umfang
als die Friesen, welche am Fuſse, am dicksten Ende, des Geschützes
sind und gerade oberhalb der Stelle, wo die Friesen der Mündung
ausgeschnitten sind, macht in ähnlicher Weise einen „verlorenen
Kopf“, wie man es nennt, damit dadurch an der Mündung des Ge-
schützes eine gröſsere Menge Kanonenmetall angehäuft werde und
man dort einen Überfluſs von Metall gebe, damit es fester und dichter
werde, und gerade darüber macht Ihr eine andere Scheibe, gleichfalls
konisch (glockenförmig), aber entgegengesetzt und kleiner im Ver-
gleich mit derjenigen, welche Ihr am Fuſse gemacht habt. Diese
dient als Einpaſs und Führung (des Kernes) der Seele, ebenso wie
die andere für die Traube. Aber alle beide (Scheiben) seien unten
(wo sie auf der Spindel aufsitzen) mit Asche oder mit Talg be-
strichen, wie es auch die Friesen der Mündung sind, damit, wenn
man die Spindel herauszieht, sie loslassen. Auch macht Ihr zwei
seitliche Ansätze (maniche, eigentlich = Ärmel, hier die Schildzapfen),
rund und länglich, wie zwei Walzen, etwas konisch gegen das Ge-
schütz hin anlaufend. Die Maſse davon, sowohl die Dicke als auch
die Länge, sind gleich dem Durchmesser der Geschützkugel oder auch
nach Belieben. Diese befestigt man mit zwei langen Nägeln, um sie,
wenn die Lehmform gemacht ist, nach Belieben herausziehen zu
können. Dieselben setzt man an bei zwei Fünftel der Länge des
Geschützes, gemessen vom Boden des Geschützes an bis zu der Stelle,
wo die Verstärkungen oder Verdickungen (ringrossature), wie man es
nennt, beginnen.


[272]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Nachdem nun dieses Modell mit feiner Holzasche bestrichen ist,
oder auch mit Talg oder einem andern Fett, womit man es von
Kopf bis zu Fuſs gut glättet und Ihr mit Talg oder Lehm die Wülste
richtig gemacht habt, streicht Ihr mit einem Pinsel die erste Schicht
von Thon (luto sottile) darüber und wenn kein Talg oder Wachs
darunter ist, könnt Ihr gleich die Wärme von einem Feuer darauf
wirken lassen, um es zu trocknen, und könnt so die Form um so
schneller fertig stellen; wenn nicht, so laſst es von selbst an der
Sonne oder im Winde trocknen oder auch ganz allmählich an der
Luft, wenigstens bis zur zweiten oder dritten Lehmschicht, und so oft
es getrocknet ist, fahrt Ihr fort, es zu verdicken, bis es Euch nahezu
genug erscheint. Sobald Ihr an der vorletzten Schicht seid, wickelt
Ihr eine Schicht Draht, je zwei Finger breit (in der Steigung der
Spirale) voneinander entfernt, darum und tragt sodann noch eine
Schicht Lehm auf, um den Draht zu befestigen. Sobald diese trocken
ist, armiert Ihr die ganze Form mit acht oder wenigstens mit sechs
Eisenstäben, die so lang sind wie die ganze Form, und mit so viel
eisernen Ringen, daſs einer von dem andern eine drittel oder höch-
stens eine halbe Elle entfernt ist und macht sie widerstandsfähig,
indem Ihr sie bindet und zusammenzieht, entweder durch ihren eigenen
Griff (d. h. den Anzug der Ringe) oder vermittelst Draht und dar-
über legt Ihr nochmals eine Schicht Lehm, damit sich diese Armatur
noch fester an ihrem Orte erhalte, und ich rate Euch, für diesen
Zweck alle Sorgfalt anzuwenden, denn es ist für das Gelingen des
Werkes sehr wichtig, daſs Ihr es stark armiert. Nachdem dies aufs
beste geschehen ist, trocknet Ihr es und gebt ihm überall eine gute
Hitze von Kohlen oder Holzfeuer, so lange, bis Ihr denkt, daſs sie
bis in das Modell eingedrungen sei und daſs sie überall das Wachs
oder den Talg (aus dem die aufgesetzten Verzierungen hergestellt
wurden) aufgelöst habe; alsdann hebt Ihr die Form mit Flaschen-
zügen oder durch Menschenkraft aus ihren Lagern und stoſst mit
einem Balken, nach Art eines Widders (Mauerbrechers), gegen das
Ende der Spindel, welche in den Lagern ruhte, nachdem Ihr vorher
den übergespritzten Lehm davon entfernt und die Nägel, welche
einige Teile zusammenhalten, wie Schildzapfen und Friesen, heraus-
gezogen habt. Indem Ihr die ganze Form in Bewegung setzt, stoſst
Ihr den vorderen Teil, welcher heraussteht, gegen eine Mauer, hier-
durch wird die Spindel herausgetrieben und Ihr erhaltet die leere
Form sauber, je nach dem Fleiſse, den Ihr darauf verwendet habt.
Sodann tragt Ihr Sorge, daſs alle Risse, welche im Inneren oder
[273]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
auſsen entstanden sind, mit zartem, feinem Lehm ausgestrichen sind,
und so erhaltet Ihr die Hauptform, welche die Auſsenseite des fertigen
Geschützes giebt; jedoch ist sie noch nicht in allen Teilen voll-
ständig, denn es fehlt noch das einzusetzende Halseisen (die Führung),
welches in der Mittellinie die Seele unterstützt und noch andere
Teile, sowie es auch nochmals zu erwärmen und mit Wachs zu be-
streichen ist, wie Ihr später hören werdet.


Aber ich will nicht unterlassen, Euch über alle Arten von Mo-
dellen zu unterrichten, also auch über diejenigen, welche nicht von
Holz sind, weil man keine so starke Tanne hat oder kein so langes
Holz, als nötig wäre. Wenn man das Modell dann doch rund machen
will mit geringeren Kosten und als ein richtiges Meisterstück, so
macht man es von Lehm (di terra). Zuerst, wenn Ihr kein Tannenholz
von der richtigen Dicke und Länge habt, so könnt Ihr so viele Stücke
zusammenfügen, daſs durch Verbindung mit Bolzen, Leim und eisernen
Ringen das Ganze so stark wird, als ob es aus einem Stücke be-

Figure 79. Fig. 75.


stünde. Oder, und das geht leichter, wenn man nur Holz von der
richtigen Länge hat, so lagert man auf zwei Böcken c c (Fig. 75),
wie Ihr es bei der andern Form gemacht habt, eine möglichst dicke
Spindel d d, im Rauhen spindelförmig bearbeitet, und diese umwickelt
man mit einem Seil E, überall dicht aneinanderliegend bis an das
Ende, und trägt dann eine Schicht Thon darauf, oder zwei und drei,
bis man schlieſslich gerade zu der gewünschten Dicke gelangt. Man
gleicht dann gut ab mit der Kante eines Brettes (tavola, hier
Schablone), wobei man auch, wo es nötig ist, die Verstärkungen
macht oder die Fasungen und Gewinde, die man leicht anbringen
kann, indem man mit dem Zirkel die Zwischenräume einteilt und
von dem Runden den Lehm wegnimmt, wo es nötig ist, indem man
Beck, Geschichte des Eisens. 18
[274]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
es dreht, als ob es Holz wäre. Aber weil dies, wenn es auf einmal
gemacht wird, eine Form giebt, welche durch Schlagen auf die
Spindel nicht herausgeht, so müſst Ihr, ehe Ihr den äuſsersten Um-
fang (die volle Stärke) N N erreicht habt, wenn Ihr von auſsen noch
um einen starken Fingerbreit entfernt seid, mit dem genannten Brette
abgleichen und glätten. Sodann tragt Ihr eine Schicht Asche auf
und darüber soviel Thon, bis Ihr Euer Ziel (d. h. den richtigen
Durchmesser) erreicht habt. Hiernach schneidet Ihr in dasſelbe Brett,
mit welchem Ihr unter Umdrehung das Modell abgeglichen habt, oder
in ein anderes in den äuſseren Rand eine Auskehlung, damit sie den
Wulst über den Friesen mache und die Scheibe zur Führung der
Seele und ebenso am Fuſse die andere, untere, um die Form der
Traube einzulegen. Und wenn Ihr dann Eurem Geschütze die Run-
dung geben wollt, so schneidet zuvor an der Mündung, sowie am
Fuſse beim Zündloch oder an den Enden Verstärkungen ein; und
indem Ihr es dann dem Modell nähert, welches Ihr aus Lehm ge-
macht habt, so daſs es überall berührt, formt sich der Wulst aus
Lehm, die Friesen aber macht Ihr entweder von Talg oder von Lehm
an ihre Stelle, indem Ihr das Modell immer in seinen Lagern dreht und
indem Ihr sie genau so macht, wie Ihr wollt, daſs das Geschütz sei.


Alsdann salbt Ihr es ganz mit Talg oder mit Schweinefett ein,
und wenn Ihr es dann verzieren wollt mit Blätterwerk, Wappen oder
Verbrämungen, so könnt Ihr es nun thun. Hierauf bedeckt Ihr es
mit Thon in der Weise, wie oben angegeben, und auf dieselbe Weise
nehmt Ihr auch durch Schlagen die Spindel heraus. Weil aber beim
Trocknen des Thones das Feuer die Feuchtigkeit nach innen treibt
und die Erde ausdehnt, so ist es oft schwierig, das Modell aus der
Form herauszubringen. Achtet aber nicht darauf, sondern schlagt
immer kräftig darauf zu, damit es sich, wenn nicht an einer andern
Stelle, von der Aschenlage loslöst, von der ich sprach, als Ihr noch
einen Finger breit vom Umfange waret. Innerhalb der Form wird
dann alle der Thon bleiben, von dem ich alsdann sagte, daſs er auf-
getragen werden solle, welcher, wenn Ihr ihn auf einer Seite auf-
geschnitten und ihm so den zirkulären Halt genommen habt, sich
zerbröckelt und herunterkommt, vorausgesetzt, daſs bei den Wülsten
und Karniesen, die Ihr gemacht habt, keine Unterschneidungen vor-
kamen, was nötig machen würde, mit einem langen, abgeschrägten
Eisen sie langsam nachzufahren, um die Form nicht zu verletzen.


Damit Ihr aber die Praxis des Formens besser versteht, müſst
Ihr wissen, daſs jede Geschützform aus drei notwendigen Teilen be-
[275]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
steht, einige selbst aus vier und andere aus sechs. Von den dreien
ist der eine die Hauptform, welche das Äuſsere bildet, wie ich ge-
zeigt habe, der zweite ist die Seele, welche den hohlen Raum im
Geschütze bildet, in den das Pulver kommt und aus dem man die
Kugel abschieſst, der dritte ist der Boden (die Traube), welcher
die Form unten schlieſst und die ganze Last des Metalls trägt. Einen
vierten Teil kann man als Führung aufsetzen, wenn man diese nicht
an die Seele anzuheften pflegt, wie ich an seinem Orte zeigen werde,
und die beiden Teile, welche die sechs voll machen, wenn dieser den
vierten bildet, sind die Türmchen (Ansätze), in denen die Formen
der Schildzapfen sich befinden. Indem ich hier das veranlasse, was
zur Vollendung der äuſseren Form notwendig ist, was ja in der
Hauptsache schon geschehen ist, bemerke ich Euch, daſs noch das

Figure 80. Fig. 76.


Einsetzen des Eisens fehlt, welches am Fuſse die Seele in der Mitte
des Rohres unterstützt, wenn dies auch eigentlich der letzte Teil
sein sollte, von dem ich zu sprechen habe. Aber es kommt nicht
darauf an, wo ich es vortrage, wenn Ihr Euch nur bei Bedürfnis
dessen bedient, denn es ist in der That eine sehr wichtige Sache
und soviel ich weiſs, hat man noch kein besseres Mittel gefunden, es
einzusetzen, als das, welches ich Euch angeben werde. Das erste, und
wie mir scheint, auch das beste ist das Halseisen (la gogna), Fig. 76 a,
welches einen Ring von Eisen bildet, genau so weit als die Seele dick ist,
und welches vier Füſse hat, übers Kreuz angeschweiſst (oder gelötet —
salda). Oder man durchbohrt die Dicke des Eisens und steckt die Füſse
durch diese Löcher ein, so daſs schlieſslich jeder Fuſs in die äuſsere
Form eintritt, welche es passieren läſst. — Oder man schneidet genau
soviel aus der Form als genügt, um sie einzufügen. — Man nimmt
18*
[276]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
das Eisen und setzt es eine Handbreit unter den Friesen am Fuſse
und indem man es gut mit Lehm befestigt oder mit eisernen Keil-
chen oder Steinsplittern, macht man, daſs der Ring, welcher die Seele
aufzunehmen hat, genau in der Mitte steht. Einige pflegen auch
vier Eisen zu machen, welche durch vier Löcher, eins dem andern
gegenüber, in die Form gesteckt werden, Fig. 76 b. Diese haben vorn
eine Art Gäbelchen (forcelletta), welche Teile eines Kreises bilden. Diese
befestigt man an derselben Stelle der Form, welche ich oben an-
gegeben habe, und jedes von ihnen, indem es von seiner Seite schiebt,
stützt die Seele und hält sie in der Mitte. Manche andere wenden
nicht diese, sondern eine abweichende Art an. An Stelle dieser
Eisen machen sie eins, welches sie in die Traube einsetzen und
welches sie die „Festung“ (la rocca) nennen, Fg. 76 c. Seine Form wird
gebildet durch zwei gekreuzte Eisen, die in der Mitte gebogen sind,
so daſs sie eine Kuppel bilden, jeder Teil bildet auſserdem einen
Fuſs, welcher ähnlich aufsteht wie ein Tischfuſs. Und über dieser
Kuppel sind vier Eisen (ein Kreuz bildend), welche einen in jene
Kuppel eintretenden und an ihr befestigten Fuſs haben, und sie sind
geformt wie eine Mauerkrone (Festung) oder wie ein kleiner Arm-
leuchter. Jenes Eisen setzt sich in das Bodenstück (die Traube)
und mit der Kuppel und der Krone erreicht es eine solche Höhe,
daſs es gerade bis dahin reicht, wo die Seele mit der Spitze endigt,
und seine Öffnung ist so groſs, daſs es die Seele an der Spitze gerade
umschlieſst. Dies sind alle die Arten von Eisen, welche ich gesehen
habe, um die Seele in der Mitte zu halten, wovon ich auch an anderer
Stelle noch zu reden gedenke und Euch, so gut ich kann, durch
Zeichnung Aufklärung geben werde.


Vorausgesetzt nun, daſs Ihr eins der oben genannten Eisen in
die Form gesetzt habt oder daſs Ihr Euch entschlossen habt, das
andere zu nehmen, verkittet Ihr es gut ringsum und dann glättet
Ihr im Inneren alles mit einem an eine Stange oder ein Rohr ge-
bundenen, in Wasser oder Eiweiſs gebadeten Schwamm und mit Asche
aus Hammelhornspitzen, welche auf Porphyr oder mit Wasser auf
gebrauchten Mühlsteinen fein gemahlen wurden, indem Ihr damit die
Poren verstopft, welche sich in der Decke bildeten und manchmal
durch das Abbrennen des Wachses oder Talges entstehen. Und so
zerlegt und sorgfältig gelagert, laſst Ihr die Form trocknen.


[277]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Kapitel VI: Wie man die Seelen in den Geschützformen
machen muſs
.


Der zweite Teil der Geschützform ist die Seele (resp. der Kern
für die Seele), ohne welche man die Höhlung nicht machen könnte,
wo das Pulver sich aufhält und die Kugel, und durch welche diese ge-
trieben wird. Um die Seele (Fig. 76 d und 77) zu machen, muſs man
zweierlei wichtige Punkte beachten. Zuerst müſst Ihr ins Auge fassen,
welche Mittel Ihr habt, daſs die Seele stehe und sich gerade erhalte, und
zweitens, aus welcher Lehmmischung sie sein muſs, damit sie dem
Guſs widersteht und doch aus dem fertigen Geschütze nicht schwierig
herauszubringen ist. Inbezug auf ersteres giebt es kein Mittel, als
eine Spindel von Eisen von geeigneter Dicke, daſs sie das Gewicht
des Lehmes trage und sich durch die Hitze des Feuers nicht biege
und auch nicht vibriere, wenn man sie in den Lagern dreht und

Figure 81. Fig. 77.


damit hantiert. Sie
muſs um eine Elle
oder etwas darüber
länger sein als die
Form des Geschützes,
auch sei sie genau
rund gearbeitet und
spindelförmig, und an
jeder Verbindungs-
stelle sei sie bei guter
Hitze geschweiſst. Am
oberen Ende sei eine
durchbohrte Zunge (calcagnole bucarato) und auch unten an der Grenze,
welche der Länge der Form entspricht, seien ein oder zwei Löcher, um
durch sie Schlieſsen stecken zu können und so den Kern mit der
äuſseren Form zu verbinden und auch darüber eine Scheibe anbringen
zu können. Dieses Eisen wird auf zwei Lagerböcke gelegt und damit,
wenn man es dreht, es sich richtig drehe und in sich nicht hin und
her bewegen kann, macht man ein Gäbelchen von Eisen, welches sich
am Fuſse in eine mit der Feile gemachte Vertiefung (Kerbe) einlegt,
und ebenso eins am Kopfende.


Darauf hat man den Lehm zuzurichten, um die Seele daraus an-
zufertigen, welcher zähe sein muſs, um nicht zu springen, und gut
[278]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
zubereitet, und vor allem muſs man darauf achten, daſs keinerle[i]
Steinchen darin seien und daſs er mit etwas Scherwolle, viel durch-
gesiebtem Pferdemist und etwas reiner, gewaschener Holzasche ver-
setzt werde, damit er von mürber, zerbrechlicher Struktur sei. Um
ihn dann um so leichter aus dem Geschütze herausbringen zu können
und um ebenso das Eisen auf einmal herausziehen zu können,
wickelt Ihr über das Ganze ein Seil von gewöhnlicher Dicke, indem
Ihr alle Handbreit von dem Eisen einen Finger breit unbedeckt laſst,
nachdem Ihr es vorher mit Asche bestrichen oder mit Werg bekleidet
habt, das in derselben Weise mit Asche bestrichen wird. Oder aber
Ihr erwärmt Euer Eisen etwas und dann bedeckt Ihr es eine starke
Schnur dick mit Holzasche oder gemahlener Kohle, die mit Lehm-
wasser oder Eiweiſs zu einem Teig angemacht ist, und dann, wenn es
getrocknet ist, nehmt Ihr von Eurem gemischten Lehm und tragt davon
durchaus eine Schicht davon auf und bindet ihn mit ein wenig Werg
und laſst alsdann diesen ersten Lehm bestens trocknen. Und nach
und nach verdickt Ihr sie, bis Ihr beinahe zu der Dicke gelangt,
welche der Durchmesser der Kugel haben soll, indem Ihr immer jede
Schicht Lehm bestens trocknet. Alsdann nehmt Ihr ein Brett von
Nuſsbaum oder anderm Holze, so lang als wie die Seele ist und
noch so viel mehr, daſs es über die Lagerböcke hinausreicht, denn in
diesen habt Ihr sie zu formen. Und das Brett sei von solcher Dicke,
daſs der Lehm, wenn es sich ihm nähert, zusammengedrückt werde
und daſs es, indem man die Seele dreht, nicht berste oder sich biege,
und an einer seiner Seiten habe es eine nach unten abgeschrägte
Schneide und diese sei mit einem groſsen Hobel möglichst gerade
gemacht. Dieses Brett wird — (wie ich schon oben bei den Lager-
böcken gesagt habe, da, wo der Zapfen vorsteht) — mit zwei Haften
gut befestigt, jedoch so weit von der Seele entfernt, als Ihr wollt,
daſs die Lehmdicke werde. Indem Ihr nun die eiserne Spindel dreht,
tragt Ihr über den schon aufgetragenen Lehm noch mehr auf und
zwar soviel, bis er gleichmäſsig an der Schneide des Brettes an-
kommt und dann vollendet Ihr sie, indem Ihr sie so gut glättet und
zwar mit etwas weichem Thon vermittelst eines Lappens, und wenn
sie vollendet und getrocknet ist, hebt Ihr sie von den Lagerböcken
und fügt ihr das, was am Fuſse und an der Spitze fehlt, aus gutem
Lehm nach und nach zu. Und wenn Ihr sie durchaus gut vollendet
und getrocknet habt, so bestreicht Ihr sie mit weicher Holzasche
und dann, zur Zeit, wann Ihr gieſsen wollt, erwärmt Ihr sie noch-
mals in der Weise, welche ich seiner Zeit erklären werde.


[279]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Es giebt einige Meister, welche ihre Seelen dadurch befestigen,
daſs sie einen Eisendraht darüber wickeln, zwei Finger voneinander;
andere bringen ihn hinein, wenn sie die Seele bis auf einen halben
Finger dick beendigt haben; andere wieder geben nichts auf diese
Verstärkungen, indem sie sagen, daſs solcher Draht beim Heraus-
nehmen der Seele ein groſses Hindernis sei. Da ich aber nicht
dieser Ansicht bin, habe ich ihn auf beide Arten angewendet, wie es
mir gut schien, je nach der Art des Geschützes. Auch herrscht
unter den Meistern dieser Kunst eine gewisse, noch nicht beseitigte
Meinungsverschiedenheit darüber, ob man am Fuſse der Seele einen
Teil machen soll, der eine gewisse Differenz in der Rohrweite ergiebt
und den man „die Kammer“ nennt. Der eine thut dies, der andere
thut dies nicht und hüllen sich hiermit in den Mantel eines groſsen
Geheimnisses und stehen auch in diesem Rufe, indem sie ganz ver-
rückte Lügen vorbringen und versprechen, daſs aus diesen Geschützen
nicht nur Kugeln, sondern auch Blitzstrahlen geschleudert würden,
obgleich sie doch am Ende auch nichts anderes leisten, als diejenigen,
welche es nach der andern Art machen. Und wenn Ihr fragt, welche
Gründe sie bewegen, so wissen sie Euch nur schlecht zu antworten.
Schlechter aber als alle machen es diejenigen, welche die Höhlung
des Rohres enger zulaufen lassen, denn wenn sie genug Pulver an-
wenden wollen, so verringern sie dadurch die Länge des Laufes der
Kugel im Rohre, welches eine der Ursachen ihres Fluges ist, denn
man sieht ein, daſs, je länger das Rohr eines Geschützes ist, mit um
so gröſserer Kraft und um so weiter wird dasſelbe Feuer die Kugel
treiben. Es irren deshalb diejenigen, welche am Fuſse verengen, weil
sie, wie gesagt, das Stück verkürzen, auch irren sie deshalb, weil sie
gezwungen sind, eine bestimmte Menge Pulver anzuwenden, indem,
wenn dieselbe nicht angewendet wird, die Kugel nicht an den Platz
kommen kann, den sie enger gemacht haben, wodurch dann ein leerer
Raum zwischen dem Pulver und der Kugel entsteht, welcher dem
Geschütze zu groſsem Schaden gereichen kann. Bezüglich des
Schieſsens ist aber sicher, da die Erfahrung es lehrt, daſs um so
mehr Kraft vorhanden ist durch die Vermehrung des Feuers, je mehr
Pulver in einen Raum eingeschlossen ist und je mehr man ihm Ge-
legenheit giebt, sich in einem Moment zu entzünden, um so stärker
und konzentrierter ist auch seine Kraft und um so schneller fliegt
die Kugel heraus, was für die Artillerie soviel bedeutet, als: je
schneller sie aus dem Geschütze herausfährt, desto gröſser ist die
Treffsicherheit.


[280]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Mir scheint es aber, wenn Ihr denn Kammern machen wollt, so
macht solche, welche das Feuer und das Rohr vergröſsern, und das
sind diejenigen, welche sich in einem gewissen Verhältnisse erweitern
und besonders in der Mitte mehr als am Grunde, ähnlich einem
Gerstenkorn, oder diejenigen, welche aufrecht wie die weite Öffnung
einer Trompete oder der Kopf eines Bolzens dastehen (siehe Fig. 77).
Einige sagen auch, daſs, wenn man aus den Grenzen heraustritt, die
man den Abmessungen giebt, dies der Schönheit Eintrag thue, worin
sie jedoch irren, indem sie nicht wissen, daſs man mit Verstärkungen,
Ornamenten und Friesen alles bedecken kann, worüber man Zweifel
hat, ob es dem Auge gefällt. Ich weiſs nur, daſs jene Kanonen diese
eine Unbequemlichkeit haben, daſs der Kanonier, wenn er das Ge-
schütz lädt, das Pulver darin nicht so gut zusammenschieben kann,
wie in einem gleichmäſsigen Rohre. Euch sei nun die Wahl über-
lassen, welche von den Arten Euch am besten gefällt, wovon ich ge-
sprochen habe und welche Ihr auch hier gezeichnet sehet.


Kapitel VII: Arten, den dritten Teil der Form der
Geschütze, den Boden (die Traube), zu machen
.


Nachdem ich nun von zwei Teilen der Form der Geschütze ge-
sprochen habe, muſs ich noch von dem dritten reden, nämlich von
der Anfertigung der Traube. Diese macht, auſserdem daſs sie ein
Teil ist, der immer mit einiger Bildhauerei verziert ist, den Boden
aus, schlieſst die Form ab und nimmt die ganze Last der Bronze auf.
Deshalb muſs man sie mit Fleiſs und Umsicht machen, indem man
dafür sorgt, daſs sie stark werde, sowohl im Thon als durch eiserne
Bandagen. Man kann sie auf verschiedene Weise machen. Jeder
Meister wählt diejenige, welche er kennt oder welche ihm die beste
scheint, je nachdem er Vergnügen daran hat, sie schön zu machen,
oder je nachdem die Geschütze sind, oder wie es eben dem Meister
am bequemsten ist. Es giebt einige, welche, wenn die Geschütze rund
sind, das Modell auf der Drehbank machen, entweder von Holz oder
von Lehm, wenn sie aber mit Fasungen sind, so machen sie es von
Holz oder Lehm mit der Hand kantig nach dem Muster der Scheibe.
Das, was der Form nach nicht herausgehen würde, machen sie
mit Talg fest oder machen es ganz von Talg oder auch von Wachs
in der Art, daſs es herausgehe, und so können sie Karniese oder
andere beliebige Vorsprünge von Holz oder Lehm daraufsetzen und
[281]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
ebenso auch Blätterwerk, um es mit der Hand oder durch Erwärmen
wegnehmen zu können.


Über dieses Modell, wenn Ihr es nach Belieben gemacht habt,
müſst Ihr Lehm mit Scherwolle vermischt auftragen und nach und
nach müſst Ihr die Form dicker machen. Unten müſst Ihr sie eben
machen, wie einen Sitz, und darüber müſst Ihr den männlichen Teil
eines Einpasses anbringen, welcher genau am Fuſse in die groſse
Form paſst, wie eine Schachtel in ihren Deckel, indem Ihr es mit
einem Eisen abdreht, wenn es trocken ist, oder indem Ihr es mit
einem Ringsegment abstecht, wenn es feucht ist, oder vermittelst
eines Zirkels, den Ihr vom Mittelpunkte aus über die Form führt,
indem Ihr alles Überstehende mit dem Meissel wegnehmt und Lehm
zufügt, wo es fehlt, bis es gerade in die Einfügungsstelle paſst. Und
wenn dies geschehen ist, umwickelt die Form gut mit Draht und
armiert sie auch mit einer Kappe von Reifen und Eisenplatten und
füllt alle Zwischenräume gut mit Lehm oder Ziegelbrocken mit
Lehm, wie es Euch gefällt, und spannt die Form gut in die Armatur
und dann nehmt mit Hilfe von Feuer oder auf andere Weise den
männlichen Teil (das Modell) heraus und Ihr habt die Hohlform,
welche Ihr noch mit zartem Lehm ausbessert, wo es nötig ist. Ich
sagte schon, daſs es so viele verschiedene Wege giebt, dies zu machen,
als es Köpfe und Ansichten der Meister giebt. Ich habe das, was
ich beschrieben habe, nicht allein ausgeführt, sondern weil mir Ver-
zierungen immer gefallen haben, so habe ich auch am Fuſse der
Geschütze, die ich gemacht habe, jenseits der Friesen, wo es mir
geeignet schien, Figuren angebracht, Menschen- oder Tierköpfe ganz
in Relief, Vasen und ähnliche Dinge, die ich immer entweder ganz
von Wachs oder von Thonerde gemacht habe und welche man fast
genau so herstellt, als man haben will, daſs sie in Guſs werden sollen.
Darüber habe ich dann eine Form gemacht auf einem der beiden
Wege, hauptsächlich um die Einpassung so zu machen, daſs sie genau
in den Hohlraum der ersten Form paſst. Um dies zu erreichen,
habe ich auch über einem Brette ein Hohlmodell gemacht, genau so
hoch wie die Scheibe (am Hauptmodell), welche den Hohlraum am
Fuſse ergiebt, und in der Mitte dieser Rundform, welche oben ein
wenig weiter ist als unten, habe ich das Modell der Traube gesetzt
und es alsdann mit Lehm bedeckt und bin dabei der Form gefolgt,
welche so dick war, wie der Durchmesser der groſsen Form, und habe
es dann mit Draht und kappenförmigen Eisenstäben bestens gebunden,
und wenn die Form dann gut getrocknet war, habe ich das Modell ent-
[282]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
weder mit Feuer oder mit Haken oder andern Eisen herausgenommen
und habe gleichzeitig den Hohlraum des Einpasses abgeformt ge-
funden und das Modell der Traube, welche ich ausbesserte, wenn
einige Teile dessen bedurften. Auf diese Weise stellte ich den Boden
der Leonfante in Florenz her, welches ich, da es eine verwickelte
Sache war und seine Vase mehr als eine Elle im Durchmesser hatte,
nur schwer ausführen konnte. Oft habe ich ihn auch, um Mühe und
Auslagen für Holz zu vermeiden, ohne ein solches Modell gemacht,
indem ich die Traube von Lehm anfertigte, wie ich Euch gesagt
habe, und sie mit Fett oder Talg einrieb, worüber ich dann den Thon
auftrug, aus dem ich dann mit Hilfe von Maſsen und dem Meiſsel
den Einpaſs machte. Wie Ihr aber auch die Form des Bodenstückes
macht, sorgt dafür, daſs sie gut paſst und daſs sie recht trocken
sei, auch aus Lehm von guter Mischung und gut mit Eisenstäben
armiert, welche sternförmig zusammengefügt und zu einer Kappe
gebogen sind, und an jedem Eisenende sei ein Zoll herabgebogen
und ein guter Reif darum nach Art eines Korbes. Laſst Euch
die Mühe und die Kosten nicht verdrieſsen, alles gut zu machen,
denn oftmals öffnet sich die Form im Inneren durch die Belastung
oder die Hitze wie ein Granatapfel, und wenn auch durch solche
Risse die Bronze nicht heraustritt, so bewirkt dies doch, daſs dein
Werk von schlechter Form wird, und daſs man es mit Schneide-
instrumenten und Meiſseln mit vieler Mühe bearbeiten muſs. Zum
Schluſs müſst Ihr die Form mit Asche bestreichen, und wenn Ihr
gieſsen wollt, müſst Ihr sie wieder erwärmen, wie ich es seiner Zeit
beschreiben werde und wie es Gebrauch ist.


Kapitel VIII: Art, die Scheibe oder den Teller zu
machen, womit man die Seele am Kopfende in der Mitte
der Form hält
.


Wenn Ihr die Scheibe nicht zugleich mit der Seele so macht,
daſs sie an ihrem Platze mit dieser zusammen angefertigt wird, so
müſst Ihr sie für sich allein machen. Dies geschieht dadurch, daſs
Ihr auf einem Tische oder auf einer andern ebenen Unterlage eine
Platte von Lehm ausbreitet, so dick und breit, daſs sie der Scheibe
entspricht, welche Ihr an den verlorenen Kopf des ersten Modells
gemacht habt. Nachdem Ihr mit einem Zirkel die Scheibe genau
vorgezeichnet habt, wenn die Platte trocken ist und mit einem Meiſsel
[283]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
oder mit einer Raspel weggenommen, was überflüssig ist, setzt Ihr
sie in die Höhlung am Kopfende genau ein. Und auf ähnliche Weise
macht Ihr ein Loch in die Mitte der Scheibe, genau so weit, wie die
Dicke der Seele. Wenn die Scheibe in der Form an ihre Stelle ein-
gesetzt, und dann die Seele durch das Loch in dieselbe gesteckt
ist, geht sie gerade durch die Mitte der Form, so daſs sie dadurch
veranlaſst wird, mit dem eisernen Reif zusammenzutreffen, welchen
Ihr am Fuſse der Form zu diesem Zwecke eingesetzt habt (wie ich
oben gesagt habe). Und wenn Ihr die Scheibe nicht mit der Seele
zusammen aus einem Stücke macht, ist dies die Art, wie Ihr not-
wendigerweise verfahren müſst. Aber wenn Ihr sie mit der Seele
aus einem Stücke macht, was mir besser gefällt, weil man dann ge-
nauer arbeitet, so macht man in die Schneide des Brettes, welches
die Seele abgleicht, am Kopfende einen Ausschnitt, welcher, wenn er
sich mit Lehm füllt, genau die Erhabenheit bildet, welche die Höh-
lung über dem verlorenen Kopfe ausfüllt.


Es giebt andere, welche über ein rundes Holz, das genau die
Dicke der Seele hat, einen runden Ballen machen und ihn, wenn er
trocken ist, sägen oder mit einem Eisen drehen und davon eine,
zwei, drei, vier oder so viele Scheiben abnehmen, als nötig ist, um
sie an ihrer Stelle genau einzusetzen, zu welchem Zwecke Ihr sie
gemacht habt. Auch kann man mit einem Reif, der in ein Brett
eingelassen ist, indem man ihn dreht, aus weicher Erde die Scheibe
genau herstellen. Oder man kann sie machen, indem man sie in
einer Form, welche genau auf die richtige Gröſse mit einer runden
Erhabenheit in der Mitte, welche das Loch für den Eintritt der Seele
bildet, gemacht ist, abformt. Einige andere giebt es, welche, um die
Seele genau in die Form einzusetzen, weder eine Scheibe, noch
irgend ein Eisen anwenden, sondern sie formen das Auflager (für
den Kern) und machen es genau von der Weite, die es haben muſs.
Aber diese können schlecht den verlorenen Kopf machen und müssen
auch die Eingüsse tief und durch die Seitenwand der Form setzen,
was nach meiner Ansicht weder gut, noch zuverlässig ist.


Kapitel IX: Arten, wie man die Seelen in den Geschütz-
formen befestigt
.


Wenn ich auch früher schon in dem Kapitel von der Herstellung
der ersten Form der Geschütze von dem Befestigen der Seele ge-
[284]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
sprochen habe, damit Ihr es besser und richtiger verstündet, so will
ich Euch doch hier von neuem und zusammenhängender darüber
berichten, denn dies ist eine Sache, welche ebenso zum Nutzen des
Patrons, als zur Ehre des Meisters beiträgt. Denn wer die Seele
nicht in die Mitte setzt, verschwächt das Geschütz und kann nicht
richtig schieſsen, auch zeugt es von groſser Unerfahrenheit des
Meisters, kurz, es ist eine Sache, die notwendigerweise gut gemacht
werden muſs. Das erste, wovon ich sprach, ist ein Eisen, einen
Finger dick, in einem Kreise gebogen, mit vier ins Kreuz gestellten
Armen oder auch mit dreien. Dieses setzt man am Fuſsende eine
Hand oder eine halbe Elle breit vom Ende in die Form, da, wo das
letzte Karnies anfängt. Und dieses Eisen befestigt man, indem man
genau miſst, in der Mitte des Durchmessers, und die Arme paſst man
in den Thon der Form und macht sie mit eisernen Keilchen oder
Steinsplittern gut fest, damit sich nichts bewegt. — Die andere Art
ist die mit vier Eisen, wovon jedes oben ein Gäbelchen hat in der
Art, daſs dieses einen Teil der Rundung ausmacht. Diese vier Gäbel-
chen bilden einen Kreis, wenn auch keinen vollständigen, von dem
Durchmesser der Seele. Die Füſse derselben in den Thon gesetzt,
befestigt man ähnlich wie die andern. — Das andere Eisen, welches
ebenfalls dazu dient, die Seele zu halten und dessen sich einige be-
dienen, besteht zunächst aus zwei Eisen, welche halbkreisförmig ge-
bogen sind. Da, wo sie übereinander liegen, ist eine Bekrönung
(Mauerkrone) von vier Eisen befestigt, welche dieselbe Öffnung hat
wie der Durchmesser der Seele. Dieses Eisen setzt man in die Traube
ein. — Nach meiner Ansicht ist es aber das beste, einen Ring zu
machen mit vier eisernen Stäben, welche durch vier Löcher gehen
und in die Form eingesetzt werden und indem diese Pflöcke von
auſsen durch diese Löcher durchbohrt werden, kommt der Reif genau
in die Mitte. — Gebraucht von dem, was Euch paſst.


Auf der entgegengesetzten Seite setzt man die durchlöcherte
Thonscheibe auf, von der ich Euch vorhin gesprochen habe. Man
kann auch an Stelle dieser ein ähnliches Halseisen in die Höhlung
für den verlorenen Kopf oder nach Belieben etwas höher oder tiefer
einsetzen, wie Ihr es am Fuſse gethan habt. Aber mir gefällt es
(in anbetracht des Einfallens von Kohlen, Thon und Pulvern) besser,
die Form durch die Scheibe bedeckt zu haben, als unbedeckt, wie
es bei dem genannten Eisen der Fall sein würde. Denn wenn mir
auch die weite Einguſsöffnung gefällt, so scheint sie mir doch ge-
fährlich wegen verschiedener Umstände, die mir sehr wichtig zu sein
[285]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
scheinen. Deshalb habe ich die Scheibe entweder für sich oder an
die Seele anhängend gemacht.


Von den Eisen am Fuſsende, von denen ich gesprochen habe,
gefallen mir alle andern besser als das, welches in das Bodenstück
eingestellt wird. Denn es zeigen sich mir dabei zwei Schwierig-
keiten. Erstens, daſs, ehe man die Seele einsetzt, man das Boden-
stück an die Form setzen und befestigen muſs, worauf man dann
erst die Seele einsetzt, indem man ein brennendes Stückchen Wachs-
kerze einführen und mit Geschick und Geduld von oben operieren
muſs, wobei man, um auf den Grund zu sehen, an dem offenen
Eingusse stehen muſs. Dabei ist es leicht möglich, daſs Erde, Kohle
oder sonst etwas hineinfallen kann, und wenn es auch so fiele, daſs
Ihr es sähet, so müſste es doch darin bleiben, wenn nicht alles von
neuem gemacht werden soll, was bei keiner der andern Methoden
so vorkommen kann. Mir hat es im Gegenteil immer gefallen, nicht
nur alle Einguſslöcher und Luftpfeifen, ehe man die Traube einsetzt,
mit Stopfen zu verschlieſsen, sondern auch noch ein Tuch darüber
zu binden. Die andere Schwierigkeit besteht darin, daſs sich bei dem
Belasten eine Seite des Fuſsgestelles etwas heben kann, wenn man
auch, um sich davor zu schützen, die Arme des Auges lang macht
und die Seele, von der Scheibe an gemessen, genau so lang, wie sie
ein Geschütz von der Mündung an gemessen sein muſs.


Nun müſst Ihr aber verstehen, daſs die Form, wenn man die
Seele einsetzen will, in einer Grube vor dem Ofen steht, so tief, wie
die Form selbst hoch ist, und daſs man die Seele von oben mit einem
Flaschenzug an ihre Stelle setzt. Wenn dies alles in Ordnung ist,
könnt Ihr alsdann ans Gieſsen denken. Ich habe Zeichnungen hier
beigesetzt für den Fall, daſs ich es Euch nicht genügend erklärt
haben sollte, damit Ihr verstehen könnt, was die Scheibe, die Hals-
eisen und die Mauerkrone sind.


Diese ausführliche Beschreibung der Herstellung einer Kanonen-
form, wie sie so gründlich nur ein Praktiker, der selbst im Kanonen-
gusse thätig war, geben konnte, liefert den deutlichen Beweis, auf
welcher Höhe die Formerkunst im Beginn des 16. Jahrhunderts be-
reits stand. Die Schilderung bezieht sich allerdings zunächst auf
die Herstellung jener Riesengeschütze von Bronze, worin gerade im
15. und 16. Jahrhundert das Groſsartigste geleistet wurde (siehe Bd. I,
S. 939). Von Guſseisen wurden nur kleine Geschütze gefertigt, weil
man einesteils nicht im stande war, so groſse Massen von Eisen in
flüssigen Zustand zu bringen, andernteils die aus Eisen gegossenen
[286]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Kanonen nicht die Sicherheit boten, wie die Bronzegeschütze, indem
sie bei starker Pulverladung leicht zerplatzten. Man goſs deshalb in
der Regel nur kleine Positionsgeschütze aus Eisen, besonders Böller,
wie sie auf Stadttürmen, Wällen und Burgen aufgestellt wurden, mehr,
um Signale zu geben, als zur Verteidigung (siehe Bd. I, S. 912). Die Art
der Einformung war aber ganz die von Biringuccio beschriebene.


Alle alten Gesahütze sind über einen Kern gegossen. Das Aus-
bohren der Seele aus dem Vollen ist eine spätere Erfindung. Da-
gegen wurden die Seelen der gröſseren Geschütze nachgebohrt, und
auch hierüber giebt der italienische Schriftsteller eine genaue Be-
schreibung (S. 239), auf welche wir später zurückkommen werden.


Der Guſs der Metallgeschütze erfolgte aus Flammöfen, in
denen man das Kupfer und Zinn, aus denen das Kanonenmetall be-
reitet wurde, einschmolz. Was er über diese Flammöfen, die oft
schon sehr groſse Dimensionen annahmen, mitteilt, haben wir bereits
in dem Kapitel von den Öfen angeführt.


Ebenso ausführlich, wie den Geschützguſs, behandelt Biringuccio
den Glockenguſs. Doch wollen wir diesen, da er der Eisengieſserei
ferner liegt und um nicht zu weitläufig zu werden, übergehen. Von
gröſster Wichtigkeit für uns ist aber das, was Biringuccio
(Lib. VII, Kap. IX) über den Guſs eiserner Kugeln mitteilt.


Wir haben den Wortlaut dieses für die Eisengieſserei so wich-
tigen Kapitels bereits im ersten Bande (S. 945) mitgeteilt. Birin-
guccio
erklärt den Guſs eiserner Kugeln für eine neue Erfindung
der Deutschen, die in Italien erst durch den Kriegszug Karls VIII.
von Frankreich gegen Neapel im Jahre 1495 bekannt geworden sei.
Seit der Zeit war sie aber zu allgemeiner Anwendung gekommen.


In etwas schwerfälliger, aber doch verständlicher Weise be-
schreibt Biringuccio das Verfahren, welches nicht darin bestand,
jede Kugel, die man gieſsen wollte, für sich einzuformen, sondern
sich eine metallene Kugelform, in welcher man dann beliebige Mengen
Kugeln gieſsen konnte, herzustellen. Zu diesem Zwecke muſs man
sich zunächst ein Modell der Kugel in richtiger Gröſse aus Holz oder
Lehm herstellen. Dazu macht man sich ein Formbrett mit einer Ver-
senkung, in welche gerade die eine Hälfte der Kugel hineinpaſst.
Die andere Hälfte formt man dann über dem Modell und auf dem
Formbrette mit Hilfe eines Rahmens oder Formkastens mit Gips oder
feinem Lehm ab, indem man gleichzeitig den Einguſs und die Wind-
pfeife mit einformt. Die so hergestellte Form gieſst man nicht voll
Metall, sondern benutzt sie selbst wieder als Modell, indem man sie
[287]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
mit Asche oder Öl bestreicht, abformt und ausgieſst. So erhält man
die eine Hälfte der Schale oder Kugelform (Fig. 78); die zweite
symmetrische Hälfte stellt man ganz in derselben Weise her. Beide
müssen so aufeinander passen, daſs die beiden Halbkugeln sich
genau zur Vollkugel schlieſsen, wenn sie aufeinander gesetzt sind.
Natürlich hat es keine Schwierigkeit, die Schale oder Coquille statt
für eine Kugel gleich für mehrere herzurichten, wofür man statt
einem Kugelmodell mehrere einformen und durch Rinnen verbinden
muſs. Biringuccio sagt, man habe Kugelformen, in denen man

Figure 82. Fig. 78.


sieben Kugeln auf einmal gieſsen könne.
Das Guſsmaterial kann man aus geringem
Roheisen, aus Brucheisen, ja sogar aus
Schmiedeeisen machen. Letzteres erfordere
allerdings starke Bälge und mehr Kohlen,
weshalb die zuerst genannten Materialien
vorzuziehen sind. Nach Biringuccios Be-
schreibung wird nämlich das Eisen in einem
kleinen Schmelzofen (Kupolofen), der 1½ Ellen hoch und 2/4 Ellen
breit (0,90 m × 0,45 m) aus feuerfesten Steinen erbaut ist, mit Blase-
bälgen eingeschmolzen. Die zwei Düsen sollen in die Mitte blasen,
aber nicht in gleicher Höhe, sondern eine etwas höher als die andere.
Die Mündungen der Düsen sollen weit sein, damit der Wind reich-
lich in den Ofen strömen kann. Am tiefsten Punkte ist der Ab-
stich, durch den man das geschmolzene Eisen durch eine Rinne nach
der Form leitet. Ist das Schmelzgefäſs gehörig zugerichtet, getrocknet
und vorgewärmt, so füllt man es ganz mit Kohlen voll, die man noch
über den Rand erhöht aufschüttet, weshalb man, um dies zu können,
noch Backsteinstücke um die Kohlen herumsetzt, um sie zusammen-
zuhalten. Alsdann läſst man den Wind an. Ist alles gut in Brand,
so trägt man mit einer Schaufel oder einem Löffel die Stückchen
Eisen auf, die man schmelzen will. Das, was ungeschmolzen die Form
passiert, hebt man mit einer Brechstange wieder über den Wind und
achtet ferner darauf, daſs sich die Formöffnung nicht versetzt. Ist
alles richtig eingeschmolzen, so sticht man ab und läſst das Eisen
durch eine eiserne Rinne nach den nebeneinander aufgestellten
Formen laufen, bis das Eisen im Einlauf hervortritt. So füllt man
sie alle und macht so die eisernen Kugeln für die Artillerie.


Manche machen ihre Schmelzgefäſse anders, andere setzen, um
das Eisen flüssiger zu machen, Antimon, Kupfer oder Arsenik zu,
Mittel, die Biringuccio tadelt.


[288]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Diese Schilderung ist von dem gröſsten geschichtlichen Interesse,
denn man kann sie kaum anders auffassen, als daſs das Eisen in
kleinen Schachtöfchen von 0,90 m Höhe umgeschmolzen wurde, daſs
man also schon damals, nach unserer heutigen Ausdrucksweise, Guſs
zweiter Schmelzung anfertigte, und zwar geschah dies Umschmelzen
nicht in geschlossenen Tiegeln, sondern in kleinen Gebläseschacht-
öfen
, die, abgesehen von ihrer Kleinheit, mit unsern Kupolöfen,
deren Erfindung man seither den Engländern zuschrieb und in die
zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts setzte, übereinstimmen. Diese
von dem erfahrenen italienischen Gieſser mitgeteilte Thatsache wirft
zugleich ein helles Licht auf manche seither schwer erklärliche Vor-
kommnisse, namentlich, daſs gerade in den groſsen Städten, besonders
in Paris und Nürnberg, der Eisenguſs bereits im Anfange unseres
Zeitabschnittes in Blüte stand, während man in dem Weichbilde
dieser Städte doch nicht an Hochofengieſsereien denken kann.


Auch die Art der Herstellung von Metallformen für die Kugeln,
sogenannter Coquillen, in denen eine Anzahl von Kugeln gleichzeitig
gegossen werden konnten, legt Zeugnis dafür ab, daſs die Eisen-
gieſserei zu Biringuccios Zeit in vielen Richtungen schon weit ent-
wickelt war.


Mit derselben Sorgfalt wie die Schmelzöfen, das Formen und
Gieſsen, beschreibt Biringuccio auch die Bereitung eines guten
Formsandes und das Formen und Gieſsen in Formkasten. Und wenn
er dies auch nur zum Zwecke des Gusses kleinerer Gegenstände von
Bronze oder Edelmetall beschreibt, so geht dennoch klar daraus
hervor, daſs auch die Sandformerei, die für den Eisenguſs ja aller-
dings erst im vorigen Jahrhundert Bedeutung erlangt hat, dem groſsen
italienischen Meister bereits bekannt war.


Das erste Kapitel des achten Buches lautet:


Verschiedene Arten Formsand zu machen, um Bronze
darin zu gieſsen für kleine Guſsstücke
.


„Im allgemeinen sind, um solchen Formsand zu machen, alle
Arten von Sand, Tuff oder ausgewaschenem Bodensatz von Flüssen
und Erden, die von Natur ein zartes, mageres Korn haben, geeignet
für solchen Guſs, entweder für sich allein oder mit Beimischungen.
Denn sie haben die Eigenschaft, die Metalle gut aufzunehmen, wegen
einer gewissen Trockenheit, welche sie in sich haben, auch mischt
man solche künstlich zu vielen Sorten, von welchen ich alle die-
[289]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
jenigen erwähnen will, welche die Erfahrung mich als gut kennen
gelehrt hat. Aber zuerst möchte ich von den natürlichen reden,
weil sie eigentliche Erden (proprie terre) sind und man immer, wo
sie gerade sind, so viel davon haben kann, wie man nötig hat. Da
sie auch ihrer Natur nach leicht zu zerkleinern sind, gefallen sie
mir sehr. Aus diesen macht man Lehm und mischt damit, indem
man ihn schlägt, Scherwolle von wollenen Tüchern, ausgelaugte
Holzasche und Pferdemist, formt Brode daraus und trocknet sie, als-
dann setzt man sie in einen Ofen und erhitzt sie. Oder man macht
dies auf andere Weise; kurz, sie werden bestens erwärmt. Dann zer-
stöſst man sie und siebt sie mit einem geeigneten Siebe, oder man
mahlt sie auf der Farbmühle der Töpfer oder mit der Hand auf dem
Porphyr mit Wasser zu einer solchen Feinheit, wie man es wünscht,
oder damit man sie zart machen und von neuem mahlen kann, läſst
man das Wasser abtrocknen und dörrt dann mit Feuer, und dann
nimmt man soviel Salzlauge, als sie einsaugt, trocknet und stöſst sie
wieder, und wenn dies geschehen ist, und Ihr sie zu seiner Zeit ver-
arbeiten wollt, feuchtet Ihr sie wieder mit Wasser an oder mit
Wein (!) oder mit Urin oder Essig, bis sie zusammenhält, wenn Ihr
sie mit der Faust zusammendrückt und alsdann formt man mit der-
selben, wie Ihr es hören werdet. Man bereitet auch Formpulver aus
gemahlenen und durchgesiebten Ziegelsteinen, Tripel, Rebenasche,
Dachziegeln und Röhren, von gebranntem Schmirgel, Zinnasche,
Stroh und auch von verbranntem Papier, von Pferdeäpfeln oder
Schafmist, sowie von vielen andern Dingen. Und bei allen besteht
die Güte in dreierlei, nämlich in dem guten Aufnehmen des Metalles,
in der Zartheit bis zur Unfühlbarkeit und in betreff der Lauge, daſs
sie die Erden hart und zähe macht, wenn sie trocken sind. Neben
den genannten habe ich vorkommenden Falles eine Art gebraucht,
die, so oft ich sie angewendet habe, einen guten Erfolg gab. Ich
nahm zwei Teile Bimsstein und einen Teil natürliches Eisenoxyd und
mahlte dieses auf dem Porphyr oder in dem Mörser, womit die
Töpfer ihre Farben mahlen, und zuletzt setzte ich die Lauge aus
präpariertem Salze zu. Ich habe gefunden, daſs dieses Verfahren die
besten Dienste leistet, wie ich Euch sagte, sowohl was das Aufnehmen
des Metalles betrifft, als auch das Formen jeder noch so kleinen
Sache, weil die Mischung sehr zart war. Und wenn das Modell,
welches man abformte, nicht sehr bedeutend war, diente sie zu zwei,
drei und vier Abgüssen, ohne daſs man neu zu formen gehabt hätte,
so daſs sie auch in dieser Hinsicht mir die besten Dienste leistete.“


Beck, Geschichte des Eisens. 19
[290]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Das zweite Kapitel enthält Vorschriften, die Salzlaugen, welche
zur Bereitung eines guten Formsandes am geeignetsten sind, zu be-
reiten. Wir übergehen dasſelbe, weil es für die Eisengieſserei keine
Bedeutung hat. Von Interesse ist aber, daraus zu ersehen, daſs man
in Italien die billige Seesalzlauge oder Formzucker als Bindemittel
für zarte Sande benutzte.


Von gröſserer Wichtigkeit ist das dritte Kapitel:


Von den Regeln und der Art des Formens in Pulver, in
Gieſsrahmen oder hölzernen Kästchen in der Kleinindustrie
.


„In zwei verschiedenen Weisen pflegt man gewöhnlich die kleinen
Sachen in Erde (Lehm, in terra) zu formen, vorausgesetzt jedoch,
daſs sie keine Unterschneidungen haben, welche sie in der Form
zurückhalten; entweder in Formkasten von Bronze oder in Kästen
von Holz, mit Pulvern aus natürlicher oder künstlicher Erde, halb
und halb, und dieses auch je nachdem die Sache groſs oder klein
ist. Wenn Ihr nun mit weicher Erde formen wollt, so müſst Ihr
Euer Modell mit Öl oder Schweinefett einschmieren, oder Ihr über-
zieht es mit Kohlenpulver, Asche oder Knochen des Tintenfisches
(sepia), oder Ihr versilbert oder vergoldet es trocken mit Gold oder
Silber, oder überzieht es mit Stanniol. Dann macht Ihr aus weicher,
etwas härtlicher Erde zuerst eine Platte (ein Aufstampfbrett), so dick
und so groſs, daſs sie bequem Euer Modell (relievo) in sich aufnehmen
kann, wovon Ihr sorgsam die Hälfte hineinsetzt und dann trocknen
laſst. Alsdann salbt Ihr wieder darüber oder stäubt es ein und macht
dann die andere Hälfte, und wenn beide gut trocken sind, nehmt Ihr
aus der Mitte Euer Modell heraus, und oben macht Ihr Eure Ein-
güsse und Windpfeifen, und wenn die Form verkittet werden muſs,
so thut Ihr es, und endlich, wenn sie erwärmt ist und dann zusammen-
gesetzt und gut verbunden, könnt Ihr nach Eurem Belieben gieſsen,
indem Ihr alle die Erfahrungen benutzt, die ich Euch bei dem Messing-
guſs mitgeteilt habe.


Aber wer von einer Sorte von Arbeitsstücken eine groſse Menge
zu machen hat, muſs der Bequemlichkeit wegen die Methode mit
dem Pulver (Formsand)
wählen, weil sie kurz ist und wenig Zeit
und Auslagen erfordert. Wenn Ihr diese anwenden wollt, müſst Ihr
mehrere Paare von bronzenen Rahmen oder hölzernen Kasten haben,
etwas höher als die Hälfte des Modells, das Ihr formen wollt, und
reichlich so lang als dieses. Auf einen ebenen Tisch stellt Ihr die
[291]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
eine Hälfte des genannten Formkastens, gefüllt mit Pulver, das etwas
angefeuchtet ist, wie ich Euch gesagt habe, damit, wenn man es mit
den Fingerspitzen oder der Hand drückt, es sich möglichst zusammen-
ballt. Mit einem scharfen Eisen gleicht Ihr es dann ab, schiebt es
hiernach auf ein ebenes Brettchen und wendet es um. Alsdann stäubt
Ihr es ein, damit es sich nicht an den andern Teil anhänge, und blast
den überflüssigen Staub weg. Nun formt Ihr die Sache, die Ihr
formen wollt, indem Ihr sie bis zur Hälfte eindrückt auf ein- oder
zweimal, indem Ihr sie immer wieder herausnehmt und wieder hinein-
drückt. Dann setzt man den andern Rahmen wieder auf an seinen
Ort und füllt ihn mit Erde und drückt sie fleiſsig zusammen und
stampft sie und gleicht sie dann mit einem Schabmesser auſsen ab,
wie Ihr es bei dem andern Teil gethan habt. Dann hebt man mit
einem Messer oder einem andern Eisen den einen der Kastenteile
auf und nimmt den abgeformten Gegenstand heraus. Wenn er gut
abgeformt ist, thut Ihr weiter nichts; wenn nicht, so setzt Ihr ihn
wieder hinein, und wenn einige Teilchen sich beim Herausnehmen
gehoben haben, und Ihr nicht wollt, daſs man sie an der Bronze (an
dem Guſsstücke) wegnehmen muſs, setzt Ihr ihn vorsichtig wieder
ein, indem Ihr ihn etwas mit Salzwasser benetzt oder mit Eiweiſs
oder mit Lösung von Gummi arabicum oder mit sonst einem kleben-
den Wasser. Nachdem dies geschehen ist, macht Ihr die Eingüsse
und Windpfeifen oder Ihr macht sie schon gleichzeitig und so, daſs
sie mit dem geformten Gegenstande zusammenhängen, und setzt als-
dann die Form zum Trocknen aufrecht ans Feuer. Wenn es sich
um Gegenstände handelt, welche immer einen Kern erfordern, um
solche von Bronze oder anderm Metall hohl und dünnwandig zu
gieſsen, wie Postamente, Leuchter, Schellen, Glocken, Mörserchen oder
ähnliches, so macht Ihr diesen Kern über einem Eisen mit einer
Form aus demselben Pulver, oder mit einer Schablone, oder mit der
Hand aus weicher Erde (Lehm), oder auch von Asche, laſst ihn dann
gut trocknen und erwärmt ihn, und dann setzt Ihr ihn in den Hohl-
raum des Formkastens an seinen Platz, wie die Marken es anzeigen.
Alsdann beruſst Ihr die Form mit der Flamme einer Talgkerze oder
der einer Öllampe, dann setzt Ihr sie zusammen und verschlieſst sie
sicher zwischen zwei ebenen Brettchen mit einer Zwinge, oder durch
Umwickelung mit einem Seile, oder auf andere Weise. Und wenn
das vollendet ist, gieſst Ihr sie mit dem gewünschten Metall aus.
Dieselben Regeln, die ich Euch für die kleinen Rahmen gesagt habe,
gelten auch für die groſsen und für die hölzernen Kasten, worin ich
19*
[292]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
schon Geschütze (moshete) von 300 Pfund Gewicht habe gieſsen
sehen, sowie groſse Kandelaber, Fackelhalter und sehr gewichtige
Sachen, und in der That ist es eine schnelle und leichte Arbeits-
weise.“


Nachdem Biringuccio im dritten Kapitel erst die Massen-
formerei, dann das Formen in feuchtem Sande im Kasten, den Kasten-
guſs, aufs deutlichste beschrieben hat, führt er das letztere Thema
im vierten Kapitel noch weiter aus.


Kapitel IV: Methode, ein Pulver zu machen, um jedes
Metall in die feuchte Form zu gieſsen, und Arten des
Formens
.


Um Mühe und Zeit zu sparen, ist gegen die natürlichen Kunst-
regeln das Gieſsen in feuchter Erde erfunden worden, eine Sache,
die viele erstreben, aber wenige ausführen, weil sie nicht leicht ist
und auch nicht sicher im Erfolg erscheint. Um dies auszuführen,
nimmt man einen Teil gelben Tuff von zartem Korne oder sehr

Figure 83. Fig. 79.


zarten, gut gewasche-
nen Fluſssand, der in
einem Ofen gebrannt
ist. Dann nimmt man
den dritten Teil Asche
von Schafmist und
ein Zwölftel von der
ganzen Menge altes
feingesiebtes Mehl und
mischt alle diese Dinge
gut zusammen, indem
man sie stampft. Dann
feuchtet man mit Urin oder Wein an und formt in Rahmen oder Holz-
kasten, was man will, ein. Nachdem man die Modelle herausgenommen
hat, macht man die Eingüsse und Windpfeifen, wenn Ihr sie nicht zu-
sammen mit dem Gegenstande geformt habt; alsdann beruſst Ihr die
Form wie gewöhnlich mit einer Lampe oder Talgkerze, setzt dann
die Formen zusammen und, nachdem das Metall geschmolzen ist,
gieſst man nach Belieben. Es giebt einige, die auf diese Weise Glöck-
chen, Schellen, kleine Mörser und andere Arbeiten machen. Und
bei den Glocken und Mörsern ist es nötig, wenn man die Seele (den
Kern) nicht von weicher Erde machen will, die Form wenigstens
[293]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
aus drei Teilen anzufertigen, wie die Zeichnung (Fig. 79) Euch zeigt,
so daſs, wie Ihr seht, die Rahmen oder Kasten jeder seine Einpässe
habe und die Stege, welche sich hineinsetzen und man sorge dafür,
daſs der untere Einpaſs ungefähr ⅙ der ganzen Form (in der Höhe)
betrage. Zuerst formt man den Körper in Hälften oder in drei
Teilen und dann macht man das Innere mit einem Teile, der alles
verbindet und zusammenhält.“


Biringuccio schildert hierauf im fünften Kapitel noch „die Art,
verschiedene Modelle zu formen“, doch bietet dieses kein besonderes
historisches Interesse und genügt es, darauf zu verweisen. Das, was
wir aus des Italieners „Feuerkunst“ mitgeteilt haben, reicht hin,
um zu zeigen, wie weit Formerei und Gieſserei in den ersten Jahr-
zehnten des 16. Jahrhunderts in Italien schon vorgeschritten waren,
und wie die Metallgieſserei schon die meisten technischen Vorteile
kannte und benutzte, welche nach und nach auch in der Eisengieſserei
zur Einführung gelangten.


Ofenplatten.

Von hohem Interesse ist es auch, die Eisenguſsstücke, die uns
aus jener Zeit erhalten sind, näher kennen zu lernen. In erster
Linie ist dies eine groſse Anzahl eiserner Ofenplatten mit bild-
lichen Darstellungen geschmückt, die auch dadurch ein besonderes
historisches Interesse darbieten, weil nicht selten die Jahreszahl ihrer
Herstellung und zuweilen auch der Name des Gieſsers, des Form-
schneiders oder des Hüttenherrn darauf angebracht sind. Einiges
über diese Ofenplatten haben wir bereits im ersten Bande (S. 948)
mitgeteilt. Dort wurde auch schon erwähnt, daſs ihre Herstellung
bis in das 15. Jahrhundert zurückgeht.


Der reiche Bilderschmuck gehört verschiedenen Stilarten an,
entsprechend der Übergangszeit, in welche ihre Entstehung fällt. Die
ältesten Plattenbilder unseres Zeitabschnittes sind in ihrem Stil spät-
gotisch, während die jüngeren der Renaissance angehören.


Die Darstellungen selbst sind höchst mannigfaltig. Diese Platten,
welche man früher ganz unbeachtet lieſs, weil sie überall zu finden
waren, die man als altes Eisen zerschlug und wieder in den Schmelz-
ofen warf, verdienen die Aufmerksamkeit im höchsten Grade. Jetzt,
[294]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
wo sie anfangen seltener zu werden, wendet man ihnen denn auch
gröſseres Interesse zu und fängt an, sie in öffentlichen und Privat-
sammlungen aufzubewahren. In vielen Museen findet man Muster
davon aufgestellt, wie z. B. im bayerischen Nationalmuseum in
München, im germanischen Museum in Nürnberg, im märkischen
Museum in Berlin, in den Altertumsmuseen in Wiesbaden, Marburg,
Frankfurt a. M., Lübeck, Stuttgart, Altena, Erbach i. O., Nancy,
Cluny in Paris u. s. w.


Gröſsere Privatsammlungen sind die von E. Schott angelegte in
Ilsenburg, von Georg v. Cölln in Hannover, von Eduard Metz,
Hüttenbesitzer in Esch, einem Antiquitätenhändler in Toul u. a.


Diese gegossenen Eisenplatten bildeten entweder die Umkleidung
des unteren Teiles der alten Kachelöfen, oder sie waren Teile von
ganz aus Platten zusammengesetzten Kastenöfen, welche den Kachel-
öfen nachgebildet waren. Die Kachelöfen kamen im 14. Jahrhundert
in Aufnahme, nachdem auch die Anlage von Schornsteinen in den
besseren Gebäuden allgemeiner geworden war. Ursprünglich waren
es einfache, in das Zimmer hineingebaute Kasten, in welchen ein
Herdfeuer brannte, welches von auſsen unterhalten wurde, so daſs
der Rauch nicht ins Zimmer drang, während die erhitzten Wände
ihre Wärme dem Wohnraume abgaben. Das Heizen geschah mit
ganzen Holzscheiten, ohne Rost, höchstens auf einem eisernen
Bock. Diese gemauerten Kasten verzierte man durch Anbringen
tellerartiger Kacheln und in dieser Gestalt findet man diese Öfen
noch heute in den Alpenländern. Sie nahmen einen sehr groſsen
Raum ein und versperrten einen groſsen Teil des Zimmers. Diesem
abzuhelfen, ging man zunächst dazu über, sie mehr in die Höhe
zu bauen, indem man über dem Feuerungsraum einen Aufsatz an-
brachte. Die Wirkung des Feuers erhöhte man aber dadurch,
daſs man den unteren Teil, den Feuerkasten, mit eisernen Platten
umgab, welche, als gute Wärmeleiter, die Hitze, sowohl leitend,
wie strahlend, dem Zimmer rascher mitteilten. Infolgedessen
konnte man den Umfang der Öfen wesentlich beschränken. Noch
mehr Wärme erzeugten die ganz aus eisernen Platten aufgeführten
Öfen; denselben lag die Konstruktion der Kachelöfen zu Grunde.
Sie hatten einen groſsen länglichen Unterkasten und einen hohen
Aufbau, und sprangen bei den älteren Öfen weit ins Zimmer vor.
Die späteren Öfen waren viereckige Kasten, mit eisernem oder
thönernem Aufbau. Anfänglich wurde diese Art von Öfen nur in
groſsen Räumen, besonders in Stadthallen, Bankettsälen, Refek-
[295]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
torien u. s. w., angewendet. Schon die Vornehmheit dieser Räume
gebot eine künstlerische Ausschmückung. Das klassische Beispiel für
die ältere Art ist der groſse Ofen im Saale der Veste Koburg, welche
Puttrich abgebildet und beschrieben hat. In ihm kommt der ganze
feine Geschmack jener Zeit zum Ausdruck. Er gilt als Nürnberger
Arbeit und ist es auch kaum zweifelhaft, daſs Nürnberger Form-

Figure 84. Fig. 80.


schneider die Zeichnungen und Modelle angefertigt haben, der Guſs
selbst könnte dagegen vielleicht auf einem thüringischen Hüttenwerke
stattgehabt haben. Mit der Abbildung (Fig. 80) geben wir die
Beschreibung Puttrichs1):


„Zwei lange Wände auf jeder Seite, und zwei schmale in einem
spitzen Winkel vorn zusammenlaufende Wände bilden den manns-
[296]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
hohen Unterteil des Ofens, der auf vier Löwen als Füſsen ruht. Den
weit kleineren Oberteil bildet ein gleichfalls eiserner Aufsatz mit
glatter Decke. Die lange, nach vorn gewendete Wand des Unterteils
besteht aus zwei breiteren und einer schmäleren Abteilung, die an-
einander gefügt sind. Auf jeder der breiteren Abteilungen ist der
heilige Antonius dargestellt, dessen bärtigen und mit einer Mütze
bedeckten Kopf eine breite Glorie umgiebt. Er trägt ein durch einen
Gürtel zusammengehaltenes weites und langes Unterkleid, über welches
ein fast ebenso langer, vorn über beide Arme fallender Mantel geworfen
ist. In der Rechten hält er ein Buch, in der Linken ein an einem
hohen Stabe befestigtes kleines Kreuz (mit den Glocken). Über seinem
Haupte erhebt sich ein mit Blätterwerk verzierter gotischer Spitz-
bogen, in dessen Seite sich ein Wappen mit Malteserkreuz befindet.
Neben ihm, gleichsam mehr in den Hintergrund tretend, steht die
heilige Katharina mit Buch und Schwert, deren jugendlicher Kopf
mit herabwallenden Locken von einer Glorie umgeben ist. Ein langes
Untergewand umhüllt ihren schlanken Körper und von den Schultern
fällt ein ähnlicher Mantel, wie ihn der heilige Antonius trägt. Über
ihrem Haupte wölbt sich ebenfalls ein verzierter gotischer Spitzen-
giebel. Die dritte Abteilung der langen Wand (ebenso die auf
der Abbildung sichtbare schmale Wand) ist mit dem Wappen der
Herzöge von Sachsen verziert, dessen reicher Helmschmuck unter
einem gotischen Spitzgiebel steht, darunter sieht man einen kleinen
Wappenschild mit dem thüringischen Löwen. — Der Ofenaufsatz
zeigt an der breiten — nach vorn gewendeten — Wand drei schmale
Felder, auf deren mittelstem Maria mit dem Christkinde im Arme,
auf einem Halbmond stehend, dargestellt ist. Ein Heiligenschein
umgiebt ihr unbedecktes Haupt und eine Glorie ihren übrigen Körper,
der in ein langes Untergewand und einen darüber fallenden, bis zum
Knie reichenden Mantel gekleidet ist. Auf dem rechten Seitenfelde
steht die heilige Katharina, auf dem linken befindet sich ein kleines
Wappen mit dem thüringischen Löwen. Diese drei Felder sind
gleichfalls mit gotischen Spitzgiebeln verziert. Auf der einen
schmalen Wand der Vorderseite ist ein geharnischter Ritter zu Pferde
abgebildet, mit dem Helmschmuck des herzoglich sächsischen Hauses
versehen. Sämtliche beschriebenen Gestalten weisen in Zeichnung,
Stellung (die zum Teil etwas sehr Graziöses haben), Gewandung und
Ausführung der Einzelheiten auf einen tüchtigen Künstler des
15. Jahrhunderts hin, welcher dazu die Entwürfe geliefert hat. Die
Schärfe und Genauigkeit des Gusses aber verdient ebenfalls groſses
[297]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Lob und so zeigt sich dieses Guſswerk als ein sehr zu beachtender
Kunstgegenstand.“


So weit Puttrich. Die Richtigkeit seiner Annahme, daſs der Ofen
dem 15. Jahrhundert entstammt, ist nicht zu bezweifeln. Genau läſst
sich allerdings das Jahr seiner Anfertigung und Aufstellung nicht
bestimmen, da aber aus einer Inschrift am Seitenbau des Koburger
Schlosses hervorgeht, daſs im Jahre 1485 groſse Bauveränderungen
vorgenommen wurden, so ist die Vermutung nicht ungerechtfertigt,
daſs auch damals der groſse Ofen aufgestellt wurde. Dagegen ist
die Jahreszahl 1450, die öfter angegeben wird, u. a. auch von dem
alten Diener, der als Fremdenführer das Schloſs zeigte, wohl zu hoch
gegriffen. Der Ofen wurde, wie aus der ganzen Anlage und Aus-
schmückung ersichtlich, auf besondere Bestellung für den Zweck an-
gefertigt, und daſs er von einem Nürnberger Künstler herrühre, ist
alte Überlieferung. Der Guſs dagegen könnte möglicherweise, wie
erwähnt, auf einer benachbarten thüringischen Eisenschmelze statt-
gehabt haben.


Im Steinachthal bei Sonneberg, nicht weit von Koburg, hat man
beim Graben von Fundamenten, 5 m unter dem Boden, die Reste eines
alten Eisenhüttenwerkes und dabei 10 bis 15 Stück Guſsgänze aus-
gegraben. Die Gegend heiſst von alters her der Hüttengrund. Wir
erwähnen dies nur, um weitere Nachforschungen anzuregen. Es ist
bis jetzt von Guſsarbeiten von dort nichts bekannt geworden, während
in oder bei Nürnberg schon frühzeitig auch in Eisen gegossen wurde.


In den Sälen der Schlösser und Rathäuser waren diese Art Öfen
zu Anfang des 16. Jahrhunderts häufig im Gebrauche und wollen wir
noch einige Beispiele anführen. Im Schlosse zu Cassel befanden sich
solche Öfen zu Anfang des 16. Jahrhunderts, denn als Landgraf
Wilhelm II. wegen der schweren Krankheit, die ihn befallen hatte,
durch die Regentschaft im Schlosse interniert worden war, beschwerte
er sich 1508, „daſs man ihn in eine groſse kalte Stube mit einem
räucherigen, zerbrochenen eisernen Ofen gebracht habe 1)“.


Als einer der älteren erhaltenen Öfen dieser Art galt der im
Rathaus zu Wolfach, welchen Mone genau beschrieben hat 2). Der-
selbe zeigt bereits den Stil der Renaissance, wie er bei Öfen des
16. Jahrhunderts aus Nassau und Hessen besonders oft gefunden wird.
Er hat mehr einen bürgerlichen Charakter, wie er für städtische und
[298]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Privathäuser paſste, mit Darstellungen und Inschriften der heiligen
Schrift.


„Der Ofen im Rathaussaale zu Wolfach ist von viereckiger Form
und mit sechs groſsen, gegossenen Eisenplatten, wovon zwei auf jede
der drei frei stehenden Seiten kommen, umkleidet. Die obere Platte
der Vorderseite, schreibt Mone, ist 82 cm breit und 76 cm hoch, die
untere Platte 63 cm hoch. Die beiden Seitenflächen haben jede
95 cm Breite, die Höhe ist dieselbe, wie bei den Platten der Vorder-
seite. Alle Platten sind mit halb erhabenen Figuren verziert; auf
der Vorderseite befinden sich oben zwischen Laubwerk zwei kleine
Medaillons mit den Zeichen des Formschneiders und des Metall-
gieſsers und ihren Namensbuchstaben P — S und J — P. Die Um-
schriften derselben sind in Kapitälen, aber sehr undeutlich im Guſs
ausgefallen und teilweise nicht lesbar, die des ersten Medaillons lautet:
gesch(n)iden von phi. iac. soldan in usig, die des zweiten: gegossen von
iohannes pf … in usig. Die Platten wurden also in Usingen in
Nassau verfertigt, was auch die andern Inschriften bestätigen.


Die untere Abteilung dieser Platte enthält die Darstellung der
Geschichte der Judith; auf der linken Seite ist das Zelt des Holo-
fernes, worin Judith und ihre Magd den abgeschlagenen Kopf des-
ſelben in einen Sack stecken. Rechts ist die Belagerung und Er-
stürmung von Bethulia dargestellt, vor welchem Kanonen aufgepflanzt
sind und die Stürmenden bereits in das Thor eindringen, auf dessen
Brückengeländer „betulien“ steht. Vor der Stadt auf einem Hügel ist
ein Mann an einen Baum gebunden mit der Beischrift: achiar
(l. achior, nach Judith 6, 9). Unten läuft eine Inschrift über die
ganze Breite der Platte, ist aber nur in wenigen Worten lesbar:
holvernes got … von iudit gerochen und wart g . . at.


Auf der unteren Platte dieser Vorderseite stehen drei Figuren,
jede 40 cm hoch: ein Krieger, auf dessen Schild ein Drache, ein
Heiliger mit dem Kreuze, ein anderer, der unter dem Arme eine
Gesetztafel hält, vielleicht Moyses.


Die beiden Seitenplatten rechts und links haben gleiche Figuren,
nämlich die Geburt Christi und die Erschaffung des Menschen in
groſsen Medaillons eingeschlossen. Über dem Medaillon der Geburt
Christi steht auf einem Bande: iohannes . ew . sanctus . mt . xx., mit
den Emblemen der Evangelisten Johannes und Markus, und in den
unteren Ecken des Medaillons sind die des Lukas und Matthäus an-
gebracht. Der Stall ist als eine Kirche mit Pfeilern dargestellt, das
Christuskind liegt auf dem Boden, Maria kniet vor ihm und auf der
[299]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
andern Seite zwei Engel, die Köpfe von Ochs und Esel dazwischen,
neben den Pfeilern rechts steht Joseph mit einer Kerze, über ihm klein
die Hirten und Engel auf dem Felde, links zum Portale kommen die
Hirten herein. Bei der Erschaffung des Menschen trägt Gott Vater
eine Kaiserkrone, und Adam liegt schlafend am Boden. Die er-
schaffenen Tiere und Pflanzen, die vier Winde in den Ecken, Sonne,
Mond und Sterne umgeben den Schöpfer. Unten läuft in zwei Zeilen
folgende Inschrift über die ganze Breite der Platte: g.schneden und
gegossen in der grafschaft nassav, geschneden von soldan zum
franckenberg in us. Zweite Zeile: . . sanctus matheus got schuff den
menschen.


Auf der unteren Platte dieser Seiten stehen vier Figuren, ein
Kaiser mit dem Doppeladler auf dem Schilde, ein Mann in der Tracht
eines Lanzknechtes, auch mit dem Doppeladler, ein König mit ge-
teiltem Schilde, rechts drei Kronen übereinander, links undeutlich,
und ein Bischof.


Im Guſs haben manche Teile gelitten, indem die Formen stellen-
weise zersprungen sind und dadurch die Figuren und Inschriften ver-
schoben und undeutlich wurden. Die Gestalten sind aber alle gut ge-
zeichnet und gehören dem Anfange des 16. Jahrhunderts an, sind
daher so alt wie das Rathaus, welches 1500 erbaut wurde. Denn an
der Auſsenwand desſelben unter dem Dache ist das Wappen der
Stadt, eine stehende goldene Wolfsangel im roten Schilde ausgehauen
mit der Inschrift: completvm hoc opvs m. ccccc.


Die Parallele der Geburt Christi und der Schöpfung hat ihre
theologische Richtigkeit und mag auch für andere Öfen gebraucht
worden sein, wie der Umstand andeutet, daſs diese Darstellung an
dem Ofen zweimal vorkommt; die Belagerung von Bethulia war aber
eine spezielle Beziehung für die Stadt, um in ähnlichen Gefahren
sich an dieses Beispiel zu erinnern.


Für die künstlerische Leistung der nassauischen Eisengieſserei
im 16. Jahrhundert ist dieser Beleg schon darum nicht gering zu
schätzen, weil daraus geschlossen werden kann, daſs sie in einem
vorteilhaften Rufe stand, sonst hätte sie wohl nicht eine Bestellung
an einem so entfernten Orte wie Wolfach erhalten. Der Formen-
oder Modellschneider dieser Ofenplatten war aber ein besserer Künstler
als der Gieſser, denn das Metall hat eine rauhe und poröse Ober-
fläche, die sie von dem feineren Eisengusse unterscheidet. Der Ofen
steht an der Vorderseite auf zwei kleinen gegossenen Löwen als
Postamenten, die 30 cm hoch und deren Köpfe ziemlich gut geformt
[300]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
sind. Eine Jahreszahl habe ich am ganzen Ofen nicht gefunden,
woraus ich schlieſse, daſs solche Platten in der Gieſserei vorrätig
waren und nicht erst bei der Bestellung gemacht wurden. Da die
Stadtrechnungen und Ratsprotokolle nicht so weit zurückgehen, so
läſst sich über den Preis des Ofens nichts angeben.“


Der Wolfacher Ofen, der nach Mones Ansicht aus dem Jahre
1500 stammt, würde der älteste bekannte nassauische, von denen
sich aus späterer Zeit zahlreiche Beispiele finden, sein. Mones
Datierung ist aber unrichtig, denn gerade die Inschrift, welche
Philipp Soldan als Formschneider angiebt, beweist, daſs er jünger
sein muſs, denn Soldan, von dem wir Näheres wissen, wirkte zwischen
1537 und 1555.


In Nassau-Siegen wurden allerdings schon zu Anfang des Jahr-
hunderts Ofenplatten gegossen. Der beiden eisernen Öfen, welche Graf
Johann I. von Nassau-Dillenburg im Jahre 1508 dem Grafen Philipp
dem Älteren von Waldeck zur Haussteuer schenkte, haben wir schon
früher Erwähnung gethan (Bd. I, S. 978). Ebenso schickte Graf
Wilhelm von Nassau zwei Öfen für das Heidelberger Schloſs, die in
Siegen gegossen waren.


Nach der Reformation fanden die Kastenöfen mit gegossenen
Eisenplatten, auf welchen Darstellungen aus der Bibel enthalten
waren, allgemeine Verbreitung und wurden gerade diese Art Platten
im Nassauischen, Solmsschen, in Hessen, Waldeck u. s. w. in
Massen angefertigt. In dem süderländischen Museum zu Altena
befindet sich eine Anzahl Ofenplatten, die nach Ausweis ihrer In-
schriften aus dem Nassauischen und dem Waldeckschen stammen.
Die älteste davon, auf welcher die Historie vom reichen Manne und
dem armen Lazarus dargestellt ist, stammt aus dem Jahre 1549 und
ist zu Schwalefeld in Hessen von dem Gieſsermeister Churt Scharff
gegossen, das Bild aber ist ein Werk des berühmten Formschneiders
Philipp Soldan von Frankenberg in Hessen 1). Von letztgenanntem
Meister ist jetzt durch die verdienstvollen Bemühungen des Herrn
L. Bickell in Marburg eine ganze Reihe von Platten bekannt ge-
worden, welche derselbe in der unten erwähnten Schrift abgebildet
und beschrieben hat. Indem wir auf diese Schrift verweisen, wollen
wir hier nur die schmälere Vorderplatte eines Ofens aus dem Schlosse
zu Spangenberg, welche sich jetzt in der Sammlung des hessischen
Geschichtsvereins im Schlosse zu Marburg befindet, näher beschreiben.
[301]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Der Hauptgegenstand der Darstellung (Fig. 81) ist ein wohlgelungener
Kruzifixus, hinter welchem in vier Seitengruppen der Sündenfall, die
Anbetung der ehernen Schlange, die Auferstehung und die Erlösung
abgebildet sind. Sind diese Motive auch etwas stark zusammen-
gedrängt, so macht das Ganze doch einen künstlerischen, reichen

Figure 85. Fig. 81.


Eindruck. Unter dem Bilde
befinden sich die Wappen von
Hessen und Sachsen.


Von den Inschriften, die
sich zum Teil auf dem Bilde
selbst befinden, sind zwei von
besonderm Interesse, weil sie
über den Ursprung der Platte
Zeugnis geben. Die eine ist
die Aufschrift des Sarkopha-
ges: PHILIPVS SOL AN
FORMSC …, die andere die
Umschrift des doppelten Mono-
grammschildes: PETER.ROLS-
HVSEN . KVRT . SHARPE .
APENGE . ISSER. Auſserdem
befindet sich über dem säch-
sischen Wappen die Jahres-
zahl 1548. In diesem Jahre
wurde die Platte gegossen,
nach dem Modell, welches
Philipp Soldan geschnitten
hatte, von dem Ofengieſser
Kurt Scharpe auf einer dem
Kloster Haina gehörigen Eisen-
hütte, deren Hüttenmeister
Peter von Rolshausen war. Diese sämtlichen Namen kommen
wiederholt auf hessischen Platten vor.


Ein anderer bekannter Gieſsermeister des 16. Jahrhunderts war
Peter Sorge zu Kraftsolms, später zu Weilmünster in Nassau.


Von diesem Meister, dessen Platten am Mittelrhein, besonders
im Nassauischen sehr beliebt gewesen zu sein scheinen, da sich da-
selbst häufig solche mit seinem Namen finden, besitze ich eine aus
dem Jahre 1586. Dieselbe ist Fig. 82 abgebildet. Die drei Felder,
in welche dieselbe geteilt ist, sind durch verzierte Säulen, welche
[302]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
dekorierte Gurtbögen gewölbter Hallen tragen, abgeteilt. In dieser
Umrahmung ist die Geschichte der Enthauptung Johannis nach
Matthäus, Kap. 14 in drei Bildern dargestellt.


Links erblickt man Herodes auf seinem Königsthron, neben ihm
die Herodias, vor ihnen steht der Scharfrichter mit seinem Schwerte,
der den grausamen Befehl in Empfang nimmt. Die ausdrucksvolle
Haltung des linken Armes deutet an, daſs er dem König Vorstel-
lungen macht über das Unrecht der That. Über dem König, inmitten
der Halle, schwebt ein groſser Stern, durch den in naiver Weise der

Figure 86. Fig. 82.


Stern Bethlehems und die
Nähe des Reiches Christi
dargestellt ist. Das Bild
zur Rechten zeigt die Ent-
hauptung des Johannis vor
dem Thor der Königsburg,
dicht dabei steht schon die
Tochter der Herodias mit
der Schüssel, bereit, das
abgeschlagene Haupt des
Propheten in Empfang zu
nehmen. Im Mittelbilde
sieht man das hartherzige
Weib den Kopf des Jo-
hannis in den Königssaal
tragen, dahinter aber steht
in ausdrucksvoller Haltung der Scharfrichter mit hochgeschwungener
Geisel, die blutige That und ihre Urheber verfluchend. Er drückt
in charakteristischer Weise die Empfindung der Christenheit aus.
So ist in drei Bildern in schlichter und doch höchst bezeichnender
Darstellung die ganze Geschichte der Enthauptung Johannis wieder-
gegeben. In dem untersten gröſseren Schilde befindet sich folgende
Inschrift:


Johannes wirt verdampt zvm Todt

Zw. Fisch wirt reichen vnd fvnf Brodt

Petrvs im Mer am Glauben felet.

In der Mittelschnalle aber liest man:
N. Peter Sorge Hvttenmeister zv Chraft-Solms
vnd Gertrud Scheres v. Cassel s. H. F. (seine Hausfrau) Anno 1586.


Dieselbe Platte mit der Jahreszahl 1597 aber ohne die Widmung
befindet sich an einem Ofen im Wiesbadener Museum (Fig. 83), der
[303]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
zugleich ein charakteristisches Beispiel eines eisernen Ofen mit Thon-
aufsatz und glasierten Kacheln darstellt 1).


Nachdem man einmal die Vorteile der eisernen Öfen praktisch
erprobt hatte, fanden sie Eingang in den Häusern der Wohlhabenden,
und zwar so allgemein, daſs die Anschaffung eines solchen Ofens sehr
häufig das erste Geschenk war, welches der Neuvermählte oder dessen

Figure 87. Fig. 83.


Angehörigen der Frau oder
dem neuen Haushalt stifteten.
Während man sie im 15. Jahr-
hundert und auch noch im
ersten Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts nur in Rats- und
Herrschaftshäusern antrifft, so
finden sich dieselben seit der
Reformationszeit in allen bes-
seren Bürgerhäusern. Wenn
auch dieses zeitliche Zusam-
mentreffen nur ein zufälliges
ist, so verdient es doch be-
merkt zu werden, weil die
Vorstellungen der Reforma-
tionszeit, angeregt durch das
Lesen der Bibel und die Be-
kanntschaft mit den Erzäh-
lungen des Alten und des Neuen Testamentes, die Ausschmückung
dieser Ofenplatten in hohem Maſse beeinfluſst hat. Man kann die
Platten in dieser Beziehung förmlich nach Stil und Gegenstand der
Darstellung einteilen, in solche vor und nach der Reformation, sowie
in katholische und protestantische. Erstere zeigen gotische Deko-
rationsmotive und Bilder von Heiligen. Bei letzteren herrschen
Renaissanceverzierungen und Darstellungen aus der biblischen Ge-
schichte vor, welche meist mit längeren Aufschriften von Bibelstellen,
Versen u. s. w. verbunden sind.


Beliebte biblische Darstellungen auf Ofenplatten jener Zeit
waren:


  • 1) Aus dem Alten Testament: Die Schöpfung, die Erschaffung der
    Eva (Soldan). — Adam und Eva. — Sündenfall. — Cherubim
    mit dem Schwert vor dem Garten Eden; Moses I, Kapitel II. —
    [304]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
    Die Opferung Isaaks. — Pharao im Roten Meer. — Moses und
    die Anbetung der ehernen Schlange in der Wüste. — Ge-
    schichte von Loth und seinen Töchtern. — Joseph und seine
    Brüder. — Joseph und die Potiphar. — Josua, die fünf Könige
    hängen lassend. — Das Wunder der Elisa zu Sarepta mit dem
    Ölkrug der Witwe (besonders beliebt, in zahllosen Wieder-
    holungen). — David und Uria. — Urteil des Salomo. — Judith
    im Lager des Holofernes, umgeben von Kanonen und Schanz-
    körben. — Judith mit dem Haupte des Holofernes. — David
    und Goliath. — Prophet Jonas verkündet das Ende von Niniveh. —
    Die Geschichte Hamans.
  • 2) Aus dem Neuen Testament: Geschichte Johannis des Täufers. —
    Der bethlehemitische Kindermord. — Geburt Christi. — Christus
    wird getauft. — Abendmahl und Fuſswaschung. — Gefangen-
    nehmung und Gebet Christi am Ölberge. — Geiſselung und
    Gang nach Golgatha. — Die Hochzeit zu Cana, Christus ver-
    wandelt Wasser in Wein (diese wie des Elias Wunder be-
    sonders verbreitet, namentlich auf dem Lande und in Häusern
    der weniger Begüterten). — Jesus und die Samariter am
    Brunnen. — Die Speisung der 5000. — Petrus auf dem Meere. —
    Der barmherzige Samariter. — Die Geschichte vom verlorenen
    Sohn. — Der reiche Mann und der arme Lazarus. — Geschichte
    von dem Reichen und dem Armen. — Christus im Tempel,
    Kreuzschleppung, Kreuzigung und Auferstehung. — Das jüngste
    Gericht. — Sehr beliebt war auch in Nassau eine bildliche
    Darstellung zu der Stelle im Kap. X des Evangelium Johannis:
    Wer nicht zur Thür hineingeht in den Schafstall, sondern
    steigt anders ein, der ist ein Dieb und Mörder.

Ein anderer Gegenstand der Darstellung waren Bilder von
Heiligen. Solche finden sich in älterer Zeit mit gotischer Ornamentik,
wie bei dem Koburger Ofen oder in durchaus katholischen Gegenden.
Im Schlosse Elz ist eine alte Ofenplatte mit gotischer Ornamentik,
auf der David und die heilige Katharine dargestellt sind. Auf einer
andern befindet sich St. Christophorus. Weltliche Gegenstände der
Darstellung waren besonders Wappen. Der Adel und die Städte
lieſsen ihre Wappen auf den Ofenplatten anbringen. Dabei erscheinen
öfter Figuren von Rittern oder Landsknechte als Schildhalter oder
als Begleiter, auch tjostierende Ritter. Ferner finden sich Porträt-
figuren. Seltener sind rein weltliche Darstellungen. Eine Ausnahme
macht die beliebte Darstellung der Begegnung Coriolans mit seiner
[305]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Mutter, welche ganz im Stil der biblischen Darstellungen gehalten
ist; ein bemerkenswertes Beispiel der Verquickung christlicher und
heidnischer Motive, die für die Renaissance so charakteristisch ist. —
Die allegorischen Darstellungen, welche man häufig findet, gehören
mehr dem folgenden Jahrhundert an. Der gesunde, realistische Sinn
des 16. Jahrhunderts machte im 17. Jahrhundert einem geschraubten,
spekulierenden Wesen Platz, welches in allegorischen oder symbo-
lischen Darstellungen seinen entsprechendsten Ausdruck fand. Damit
begann sich aber auch die Geschmacklosigkeit breit zu machen.
Fides — Virtus — Justitia als symbolische Figuren waren am be-
liebtesten. Später begnügte man sich sogar mit der Aufschrift dieser
Namen.


Am häufigsten findet sich die Figur der Gerechtigkeit mit der
Wage. Eine hübsche Verbindung der alten und der neuen Richtung
zeigt die Darstellung, wovon sich eine Platte im Stuttgarter Museum
befindet, vom König Melchisedek, begleitet von Fides und Prudentia
(1624). Die bildlichen Darstellungen des 17. Jahrhunderts stehen
weit hinter denen des 16. zurück, besonders gab in Deutschland der
30jährige Krieg dem Kunstgeschmack einen schweren Stoſs. Dagegen
findet man in Frankreich und den Niederlanden, welche weniger von
der Kriegsfurie zu leiden hatten, noch sehr schöne Platten aus jener
Zeit. Eine dieser aus der Sammlung Metz mit der Jahreszahl 1696
zeigt Maria und Joseph mit dem 12jährigen Christuskind in der
Mitte, darüber Gott in Wolken schwebend, in Stil und Behandlung
der van Dykschen Schule und von vorzüglicher Ausführung. — Im
17. Jahrhundert finden sich statt der Wappen einzelner Adels-
geschlechter, die selten werden, neben den Wappen der groſsen
Reichsfürsten, wie Churpfalz, Chur-Mainz, dem Reichsadler u. s. w.,
häufig Zunftwappen, d. h. Wappen mit Emblemen der Stände und
Gewerbe. Zu Ende des 17. Jahrhunderts entwickelt sich eine eigene
Richtung der Darstellung, indem Gebäude, Kirchen in flach ge-
haltenem Relief dargestellt werden, oft in sehr glatter Ausführung.
Es fällt diese zusammen mit der Herstellung der Ofenplatten in
Kastenguſs anstatt in Herdguſs. Ein Beispiel dafür bildet eine schöne
Platte im Museum zu Stuttgart mit der Kirche auf dem Schöneberg
bei Ellwangen, der Jahreszahl 1700 und der Inschrift: mons venustus
Ellvaci. Im 18. Jahrhundert wurde der Bilderschmuck der Platten
immer dürftiger, bis man denn zu Anfang des 19. Jahrhunderts zu den
schmuck- und geschmacklosen Platten mit moralisierenden Aufschriften
kam. Diejenigen mit der Aufschrift: „Vergesset nicht bei dem Genuſs,
Beck, Geschichte des Eisens. 20
[306]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
daſs auch der Arme leben muſs“, waren vor etwa 50 Jahren die
gangbarsten und beliebtesten am Mittelrhein.


In den Platten des 16. Jahrhunderts steckt dagegen wirklicher
Kunstwert. Viele sind nach Zeichnungen von A. Dürer, H. Alde-
grever
, V. Solis und Jost Amman entworfen. Ob der letzt-
genannte, welcher ebenso sehr als Formenschneider, wie als Kupfer-
stecher berühmt war, selbst Modelle zu Platten geschnitten hat, ist
nicht bekannt, aber es ist wahrscheinlich. Vielfach bezogen die
Hüttenwerke ihre Plattenmodelle von berühmten Formenschneidern
in den groſsen Städten, z. B. die Siegerländer aus Köln. Ein solches
Modell wurde oft jahrelang benutzt. So findet sich die oben be-
schriebene Platte des Peter Sorge, die Enthauptung Johannis des
Täufers darstellend, mit ganz verschiedenen Jahreszahlen. Ebenso
verhielt es sich mit den Soldanschen Platten. So trägt die oben
erwähnte Platte (Fig. 81) aus Schloſs Spangenberg die Jahreszahl
1548. Dieselbe Platte befand sich an einem Ofen im Rathause zu
Marburg, welcher 1542 aufgestellt wurde. Die Baurechnungen der
Stadt Marburg aus diesem Jahre enthalten darüber folgende Einträge:


  • Item Suntags post Regum Eyn ysern Ofen in den Sail zu
    gyſsen verdingt zu weinkauff mit dem Meister verthan   V fl
  • Item freitags nach Oistern Meister philipps vf den ysern
    ofen zehen thayler (ausgestrichen) Zum ysern ofen
    Im Sail.
  • Item Meister philipps Soldan hait den ysern ofen gesetzt
    vnd gewehrt vermoge des gedungts vnd mit ysern
    done angestrichen Ime geben einen thailer, thut   1 ℔ VI fl
  • Item dem vorgenannt Meister philipps ist XIII tage hin-
    gewest vnd vf die Murer müssen warten die steyne zu
    hawen Ime die cost geben II gulden, thut   1 ℔ X fl
  • Item nachdem der meister X tage vf die steyne gewartet
    Ime vor sein verseumnus geben   1 ℔ III fl

Auſserdem fand sich auf einem der Baurechnung beigefügten
Zettel folgende Notiz: der Ofen soll „9 Viertel (Elle?) hoch und un-
gefähr 26 Ctr. Breilsgewicht schwer sein, der Centner für 1 Thlr.
8 Albus und 1 Gulden Landwehr berechnet, mit zwei Füſsen und mit
den Bildnissen auf der einen Seite die Schöpfung Adams und Evas
und an der andern Seite wie Christus der Schlange den Kopf zer-
tritt, verziert“.


Beliebte Modelle wurden aber nicht nur jahrelang benutzt und
geflickt, sondern sie wurden auch von neuem nachgeschnitten. So
[307]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
sind Soldansche Modelle weit über 100 Jahre nach ihrer Entstehung
noch nachgeschnitten worden. Nach der Hüttenrechnung von 1680
lieſs die Eisenhütte Fischbach damals die beiden Soldanschen Mo-
delle „Erschaffung der Welt“ und „Geburt Christi“ durch den
Hospitalschreiner von Haina wiederholen. Diese Nachschnitte fielen
denn meist höchst stümperhaft aus. Bickell führt in seiner Schrift
noch mehrere Beispiele von Nachschnitten und Verkleinerungen Sol-
dans
cher Modelle an 1). Bei der Gelegenheit führt er noch die
Namen mehrerer Formschneider, welche für hessische Hütten arbeiteten,
an, so Jost Luppolt, Schreiner zu Treysa, und Schillink von Imk-
husen in der Grafschaft Waldeck, beide gegen Ende des 16. Jahrhunderts.


Wir geben im folgenden, im Anschluſs an das bereits Erwähnte
noch ein Verzeichnis einiger bemerkenswerter Öfen und Ofenplatten
aus dem 16. Jahrhundert, welches, obgleich unvollständig, doch für
Freunde des Altertums von Interesse sein dürfte. Vielleicht giebt es
Veranlassung, noch mehr die Aufmerksamkeit auf diese alten Zeugen
der Eisengieſserei zu lenken, welche nicht nur vom technischen,
sondern auch vom künstlerischen Standpunkte von Bedeutung sind 2).


In der Ofenplattensammlung zu Ilsenburg, welche von Hütten-
inspektor Schott angelegt wurde, befindet sich eine Platte mit männ-
lichem Porträt, wahrscheinlich Karl V. darstellend, von einem Lorbeer-
kranz umgeben, mit der Jahreszahl 1527 3).


In dem Schlosse zu Trausnitz, der sogenannten neuen Turnitz,
steht ein groſser eiserner Ofen vom Jahre 1529. Derselbe ist an der
Fuſsplatte 1,58 m lang und 1,69 m breit, seine Höhe beträgt 2,64 m.
In der Höhe von 1,40 m erheben sich zwei durch eine Zwischenwand
getrennte vierkantige Aufsätze. Das Ganze besteht aus in Rahmen
geschraubten Platten, letztere sämtlich mit Reliefs versehen. Es
wechseln ab: 1) ein Bild 1529, H. L. (Herzog Ludwig), das bayerische
Wappen, darüber zwei dicke Engel, welche gegeneinander schauende
Delphinen als Guirlanden halten, und wieder darüber ein geflügelter
Engelskopf. — 2) Christus mit der Dornenkrone; 3) die Madonna
mit dem Kinde; 4) St. Christophorus — alle drei in ganzer Figur
und unter gotisch stylisiertem Baldachin.


20*
[308]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Im bayerischen Nationalmuseum in München befinden sich schöne
Platten mit der Jahreszahl 1532, welche aus dem Schlosse Neuburg
stammen. Ferner ein ganzer Ofen aus der Gaststube des Pfalz-
grafen Ott-Heinrich im Schlosse Grünau bei Neuberg a. d. Donau.
Er ist von ganz ähnlicher Konstruktion wie der Ofen der Feste
Koburg, nur kleiner (siehe Grundriſs Fig. 84), 1,10 m lang und
1,20 m hoch ohne die Füſse, mit den Füſsen 1,55 m. Die Seiten-
platten, von denen je zwei eine Langseite bilden, sind in acht Felder
eingeteilt; von denen die sechs oberen das Bild eines Mannes und
einer Frau — des Pfalzgrafen und seiner Gemahlin —, die drei
unteren, welche niedriger sind, Medaillons mit Köpfen enthalten.
Die drei Schmalseiten am andern Ende, welche mit dem Falz 20 cm
breit sind, zeigen das pfälzische Wappen.


In dem herrlich gelegenen Schlosse Elz an der Mosel befindet
sich in einem der Säle ein groſses Kamin mit schweren Feuerböcken.
Die Feuerplatte trägt das gräflich Elzsche Wappen mit der Jahres-
zahl 1537, eine zweite die gräfliche Geschlechtstafel und drei weib-
liche Figuren.


Von den von Bickell erwähnten und beschriebenen hessischen
Öfen und Platten führen wir noch folgende an: Die älteste Kaminplatte

Figure 88. Fig. 84.


angeblich mit der Jahreszahl 1488 be-
fand sich (nach Lotz, Kunsttopo-
graphie von Deutschland) im Pfarr-
hause zu Ravengiersbach, doch ist
dieselbe leider, wie so viele andere,
Ende der fünfziger Jahre als altes
Eisen verkauft und eingeschmolzen
worden.


Die Stadt Cassel kaufte den Mönchen des Karmeliterklosters, die
von der Reformation bedroht waren, im Jahre 1526 einen groſsen
eisernen Ofen ab, welchen sie auf dem Rathause wieder aufstellen
lieſs. Der bezügliche Vermerk in der Stadtrechnung von 1526 lautet:
„12 gl. 8 alb. 7½ hlr. hatt gekost der Eisern ove vffen Rhadthaus
mit kauffen, apbrechen, furen vnd widder zusetzen, ist gegeben den
Monchen, andelogern, steinmitzen vnd dem furman“ 1).


Eine interessante schmale Stirnplatte befindet sich in der Kirche
zu Biedenkopf von 1535 mit einem „Paar“ in zeitgenössischer, vor-
nehmer Tracht, darunter das Gieſsermonogramm. Die Platte wird
[309]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
oben durch ein wimpergähnliches, aus Ästen gebildetes Ornament ab-
geschlossen, in welchem zwei Ziegen an einer Weintraube naschen.
Die Figur des Mannes ist mit groſsem Schlachtschwert umgürtet.


Sehr bemerkenswert ist der alte Ofen in der Bibliothek der
Stiftskirche zu Fritzlar, auf welchem die Historie vom reichen Mann
und dem armen Lazarus dargestellt ist, mit der Jahreszahl 1539.
Darüber befinden sich gleichfalls zwei Monogrammmedaillons mit den
Umschriften Peter von Rolshusen und Konrat Scharpe mit der Jahres-
zahl 1537 in echt Soldanschem Laubwerk. In diesem Jahre hat
also der Frankenberger Formschneider dieses Modell geschnitten. Das
Bild ist vorzüglich komponiert, besonders „die in behäbiger Breite
aufgepflanzte Gestalt des protzigen reichen Mannes mit hochmütig
zurückgeworfenem Kopfe vorzüglich erfunden“ (Bickell). Das
Orchester und die geschäftigen Diener sind ausdrucksvoll dargestellt.
Ein Abguſs desſelben Modells mit der Jahreszahl 1550 befindet sich
in der Plattensammlung auf dem Marburger Schlosse 1).


Dasſelbe beliebte Motiv ist von Soldan wiederholt behandelt worden.
Eine andere schöne Darstellung, bei der die Hauptfiguren im Profil
erscheinen, befindet sich auf einer Platte des süderländischen Museums
zu Altena i. W. Auf denselben finden sich zwei Umschriften um
Medaillons, die eine „Philips Soldan Formschneider in Hessen“, die
andere „gegassen von Churt Scharff zu Schwalfelt (in Waldeck) 1549“.


Die Seitenplatte zu der oben beschriebenen Stirnplatte des Ofens
vom Schlosse Spangenberg stellt in zwei Rundbildern die Erschaffung
der Eva und die Geburt Christi dar.


Die Platten eines zweiten Ofens aus dem Schlosse Spangenberg
sind ebenfalls nach Soldanschen Modellen gegossen, wie die In-
schriften beweisen. Auf der Stirnplatte sind Carolus Magnus und
Julius Cäsar in mittelalterlichem Kostüm dargestellt, während die
Seitenplatte in der Hauptsache eine Wiederholung der eben erwähnten
Platte mit den zwei Rundbildern ist. — Ferner befinden sich in der
Marburger Sammlung zwei Platten aus dortigen Bürgerhäusern, die
Erzählung vom barmherzigen Samariter darstellend, auf welchen
ebenfalls die Namen Philipp Soldan und Conrad Scharf vorkommen,
doch ohne Jahreszahlen. Andere Platten der Sammlung stellen die
Kreuzigung, den Sündenfall und das jüngste Gericht dar und rühren
gleichfalls von Soldan her. Sie stammen vermutlich aus den fünf-
ziger Jahren des 16. Jahrhunderts.


[310]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

In dem Riesensaale zu Schmalkalden befindet sich ein eiserner
Ofen, dessen Untersatz Soldansche Platten enthält, während der
Aufsatz aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammt.


Auf dem v. Buttlarschen Schlosse zu Riede steht ein im Jahre
1564 gegossener Ofen. Auf den Seitenplatten, welche durch eine
Leiste in eine breite obere und schmale untere Zone geteilt sind,
steht oben rechts die Erschaffung der Eva, oben links Lucretia und
auf einer verwischten Inschrift Reinhard Schenk zu Schweinsberg,
welcher 1559 bis 1573 Obervorsteher von Haina war.


Von Jost Luppolt besitzt die Marburger Sammlung ebenfalls
mehrere Platten: eine Bekehrung Pauli (1583) und Geschichte vom
verlorenen Sohn (1591), eine „eherne Schlange“.


Folgende interessante Notiz über Waldecksche Öfen findet sich
im Salbuch der Herrschaft Itter: „1591 waren die Früchte sehr rar
und teuer, zu dessen Andenken die Gräfin Maria von Waldeck groſse
eiserne Öfen gieſsen lassen mit der Historie aus 2 Reg. 4 Elisae
Wunder zu Sarepta.“


Auch nassauische Platten befinden sich in der Marburger
Sammlung, darunter eine Stirnplatte mit der Darstellung: wie Josua
die fünf Könige aufhängen läſst, alle Figuren in den Eisenrüstungen
des 16. Jahrhunderts. Die Platte trägt die Jahreszahl 1579, Bickell
hält aber das Modell für älter, etwa 1530.


Von den Harzer Platten der Ilsenburgischen Sammlung erwähnen
wir nur die alte von 1549 (von Schott irrtümlich 1509 datiert), die
Geschichte Hamans nach Buch Esther darstellend (Wedding, a. a. O.,
Taf. I, Fig. 1). Ferner eine mit der Geschichte Josephs (Genesis
39) Anno 1578 und eine andere mit der Jahreszahl 1581, welche die
Opferung Isaaks darstellt (a. a. O., Taf. I, Fig. 4), vier weitere Platten
mit den Jahreszahlen 1584, 1586, 1589 und 1590 sind von Wedding,
a. a. O., Taf. II abgebildet.


Aus der Sammlung des Nationalmuseums in München erwähnen wir
noch folgende Platten: Zwei zusammengehörende (Nr. 15 und 16 des
Katalogs) durch mit Ranken verzierte Querbänder geteilt, in dem oberen
Felde befindet sich das kurbayerische Wappen mit einem Bogen von
spätgotischem Maſswerke, in den unteren Feldern auf der einen
Jacobus major, auf der andern Petrus unter Bogen. Die Platten sind
1,19 cm hoch und 52 cm breit und stammen aus der Zeit von 1532.


Zwei andere zusammengehörige Platten mit der Jahreszahl 1532
sind gerändert, durch ein mit Masken verziertes Band quer geteilt,
in der oberen Hälfte der einen ist die heilige Barbara mit Maſswerk
[311]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
überdacht, in der unteren Hälfte eine weibliche Heilige mit gekreuzten
Armen, über ihrem Kopfe die Zahl 1532. In der oberen Hälfte der
andern Platte ist Christus die Wundmale zeigend dargestellt, dar-
über 1532, in der unteren Maria mit dem Kinde. Die Platten sind
119 cm × 20,5 cm.


Eine andere Platte ist mit Stäben eingefaſst und geteilt; im
oberen Felde sieht man Jacobus major, in dem unteren St. Barbara. —
Es scheint, daſs diese fünf Platten zu einem Ofen gehörten.


Eine andere groſse Platte, der Zeit zwischen 1520 bis 1550 an-
gehörig, ist in sechs Felder geteilt, worin sich oben Heilige und unten
Wappen befinden. Gröſse 115 cm × 81 cm.


Auf einer weiteren Platte (Nr. 25) findet sich das Ligsalzische
Wappen, darunter die Inschrift Katharina Lisantzin seine Hausfrau
1534. Eine (Nr. 30) mit der Jahreszahl 1540 zeigt oben das Urteil
Salomos, unten zwei Wappen; eine andere (Nr. 19) aus der Zeit um
1550 ist längs geteilt und zeigt links und rechts bärtige Männer im
Profil, darüber Wappen, darunter ein geharnischter Ritter mit Lanze.


Eine reich geschmückte Platte (Nr. 29) von 158 cm Höhe und
95 cm Breite zeigt links von einem säulengetragenen Bogen umrahmt
die Erschaffung der Eva, darüber links die Erschaffung des ersten
Menschen und rechts den Sündenfall, rechts von diesem Bogen be-
findet sich ein Brautpaar, darüber ein Kranz, der einen männlichen
Kopf umgiebt, darüber Mann und Frau, über diesen innerhalb eines
Kranzes ein weiblicher Kopf mit Hut. Während diese Darstellungen
die unteren zwei Drittel der Platte ausfüllen, ist im oberen Drittel ein
Wappen schräg in vier Felder geteilt mit zwei Kolbenhelmen; rechts
und links unterhalb des Wappens die gleiche Jahreszahl 1568. Links von
dem Wappen sieht man ein adeliges Paar nach links gewendet, rechts
von dem Wappen drei Posaunenbläser nach links schreitend. Hier
haben wir also eine rein weltliche Darstellung, welche sich auf eine
Hochzeit bezieht, vor uns. Auf einer Platte erblickt man einen Ritter
mit zwei Wappenschildern, daneben die Inschrift Wilhelm von Frey-
berg 1570. Eine andere Platte (Nr. 34) mit der Jahreszahl 1590
zeigt in fünf Feldern nebeneinander Sol, Jupiter, Mars, Mercurius
und Luna.


Von den guſseisernen Ofenplatten im Germanischen Museum in
Nürnberg erwähnen wir nur eine mit der Taufe Christi im Jordan
und der Jahreszahl 1567.


Der alte eiserne Ofen im Lutherzimmer auf der Wartburg zeigt
Christus und die Samariterin und Adam und Eva im Paradiese.


[312]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Von den Platten der Sammlung Metz in Esch ist die älteste mit
Jahreszahl eine von 1538. Sie zeigt in der Mitte den deutschen
Doppeladler in einem Bogen, der von zwei Säulen getragen wird,
darauf die Inschrift PLUS OVLTRE, darüber auf einem Schilde die
Jahreszahl 1538, die Ornamentik ist im Renaissancestil, die Deko-
ration phantastisch: ein nackter Knabe sitzt auf einem Schilde auf
einem wasserspeienden Kopfe; dasſelbe Ornament läuft quer gestellt,
unsymmetrisch auch oben durch.


Eine zweite Platte derselben Sammlung zeigt gotische Aus-
schmückung. Über einem gotischen Bogen befindet sich eine
Schnalle mit der Jahreszahl 1547, darunter das Bild der Gerechtig-
keit mit Wage und Sanduhr.


Von den Platten im Museum für die vaterländischen Altertümer
zu Stuttgart trägt die oben erwähnte mit der Begegnung Coriolans
mit seiner Mutter die Jahreszahl 1550.


Eine Platte, die ich besaſs, stellte Loth mit seinen Töchtern dar
(Mosis I, 19) und trug die Jahreszahl 1547. Sie war in Dreieichen-
hain gelegentlich einer Bauveränderung ausgegraben worden.


Hefner-Alteneck hat einen Ofen mit eisernem Untersatz,
welcher sich in Geisenheim befindet, abgebildet. Auf demselben be-
findet sich das Nassau-Saarbrücker Wappen und die Jahreszahl 1530 1).


Im Altertumsmuseum zu Lübeck ist eine Ofenplatte (Katalog-
nummer 2315) mit Judith mit dem Haupte des Holofernes, darunter
vier Ritterfiguren und die Jahreszahl 1558.


In der gräflichen Waffensammlung zu Erbach befinden sich
mehrere alte Guſsplatten. Eine mit der Jahreszahl 1563 ist geteilt.
Links befindet sich das Erbacher Wappen, darüber die Aufschrift
Georg Gr. z. Erbach und H. z. Breuberg, links das Pfälzer Wappen
mit der Überschrift Elisabeth Gr. z. Erbach geborene Pfalzgräfin;
unter diesen ist auf der linken Seite oben ein Landsknecht, darunter
Maria mit dem Kinde abgebildet, auf der rechten Seite der Sünden-
fall mit Adam und Eva.


Eine zweite noch schönere Platte derselben Sammlung ist in
einen Kamin eingelassen. Sie gehörte der Familie Rodenstein.
Links ist das Rodensteiner Wappen mit der Überschrift Philippus z.
Rodenstein 1573, rechts das Habernsche Wappen mit der Überschrift
Margrete v. Rodenstein g. v. Habern. Das darunter befindliche groſse
Bild zerfällt in verschiedene Abteilungen mit Bildern aus der Leidens-
[313]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
geschichte. Oben rechts sieht man das Abendmahl und die Fuſs-
waschung, das Hauptbild in der Mitte stellt die Gefangennehmung
und das Gebet am Ölberge dar. Unten erblickt man die Geiſselung
und den Gang nach Golgatha.


Den eisernen Ofen im Rathaussaale zu Rapperswyl hat Lübke
beschrieben 1):


„Der Ofen ist von kolossaler Gröſse und besteht aus einem
länglich viereckigen Unterbau, nach vorn mit dreiseitiger Polygon-
bildung abgeschlossen, und aus einem beträchtlich zurücktretenden
sechseckigen Oberbau mit zwei breiten, parallelen Hauptflächen und
vier Diagonalseiten. Am Unterbau enthält jede der beiden Lang-
seiten zwei obere und zwei untere Bildfelder, die durch blatt-
geschmückte Rundstäbe getrennt werden. Es sind figurenreiche, mit
landschaftlichen und architektonischen Gründen überfüllte Darstel-
lungen, meistens bewegte Szenen, ganz im Kostüm der Zeit Kaiser
Maximilians und in einem Stile, der Einwirkungen Holbeinscher
Kunst verrät. … Man erkennt Salomos Urteil und Daniel in der
Löwengrube, alles im Kostüme des 16. Jahrhunderts. An den Schräg-
seiten sieht man die Wappen von Uri, St. Gallen und das von
Rapperswyl mit den beiden Rosen, vom Reichsadler beschützt. Am
Oberbau sind an den Schmalseiten die beiden Johannes, der Täufer
und der Evangelist, sodann der heil. Märtyrer Felix und Regula,
ihren abgehauenen Kopf in den Händen tragend, dargestellt. Vor den
beiden gröſseren Feldern zeigt das eine den thronenden Weltrichter
mit den Fürbittern Maria und Johannes, unten eine Schar bärtiger
Männer in Mänteln. Dabei die Inschrift: Non consideres personam
pauperis nec potentis sed juste judica proximo tuo quia ego sum
judex et testis dicit dominus. Das andere Feld wird durch die
Figur eines Bannerträgers mit der Fahne von Rapperswyl ausgefüllt.
Unter ihm ein Krummstab mit dem Buchstaben C und der Jahres-
zahl 1572. Dies Datum ist auffallend spät für den Stil und Kostüm-
charakter der unteren Darstellungen, die auſserdem viel besser sind,
als die plumpen, schlecht gezeichneten und flau drapierten Figuren
des Oberbaues. Es scheint, man habe hier nach älteren Modellen
gearbeitet und aus eigener geringer Kraft dann das Obere hinzu-
gesetzt.


Die gröſseren Platten waren sehr oft in Felder geteilt, welche
mit verschiedenen Darstellungen, die ein gemeinsamer Gedanke ver-
[314]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
knüpfte, geschmückt waren. Wir erwähnen beispielsweise eine aus
der Sammlung Metz mit der Jahreszahl 1592. Während das mittlere
Hauptfeld die Darstellung im Tempel zeigt mit der Unterschrift:
„Die Weisen sich verwunderten, daſs sie solches vom Kinde hörten,
Mat. 2. Cap., Luc. 2. Cap.“, wiederholt sich links und rechts die
gleiche Darstellung der Auferstehung mit der Unterschrift: „Christus
von den Toden uferstanden, Mat. 16. Cap.“


Häufig sind diese geteilten Platten mit Namensaufschriften, teils
der Gieſser und Formschneider, wie die oben beschriebene von Peter
Sorge, teils der Besteller. Die Aufschrift ist dann gewöhnlich in
Form einer Schnalle oder eines Streifens an irgend einer passenden
Stelle angebracht. Eine solche, in meinem Besitz befindliche, mit
der Jahreszahl 1582 und dem Namen Jost Lvppolt zv Treis be-
zeichnete Platte stellt die Geschichte vom Reichen und dem Armen
dar. Rechts oben sieht man den reichen Mann mit dem Teufel
in der Hölle, rechts unten den Armen im Himmel, umgeben von
Engeln, links oben sitzt der Reiche beim Gastmahle mit üppigen
Frauen und Musikanten, rechts unten der Arme, dem die Hunde
die Schwären lecken. Das Ganze ist eine schwache Nachahmung
der erwähnten Soldanschen Schnitte.


Wir haben bereits oben erwähnt, daſs es eine Anzahl schöner
Platten mit dem Namen Peter Sorge giebt. Auſser der Fig. 81
abgebildeten mit der Jahreszahl 1586, welche sich ganz gleich, aber
mit der Jahreszahl 1597 im Altertumsmuseum in Wiesbaden befindet,
besaſs ich eine mit der Darstellung des Abendmahls.


Im bayerischen Nationalmuseum befindet sich eine mit dem
Wunder des Elisa und der Unterschrift:


Das Oehl gar reichlich sich vermehrt,

Der Sohn vom Tod zum Leben kehrt,

Im Tod sich Gottes Güt beweist,

Mit wenig Brot viel Menschen speist.

H. Philipps Sorg, Hütten-Meister zu Weilmünster. Dieses war
der Sohn des Peter Sorge.


Die verzierten Ofenplatten wurden nicht nur zur Umkleidung
des Feuerraums der Kachelöfen oder der Kastenöfen gebraucht,
sondern sie dienten auch als Rückwand der Kamine, wie z. B. im
Schlosse Elz. In der Eifel, in Lothringen und Luxemburg war über-
haupt eine andere Art der Stubenheizung gebräuchlich. Dort ging
[315]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
nach alter Sitte die Erwärmung der etwas höher gelegenen Wohn-
stube vom Herdfeuer, welches sich in der weiten Halle oder Tenne
im Mittelraume des Hauses an einer Ecke unter einem mächtigen
Rauchfange befand, aus, und zwar in der Weise, daſs das Herdfeuer,
welches offen auf einem Feuerbocke brannte, gegen die Rückseite der
Heizplatte schlug, deren Vorderseite sich in dem Wohnraume befand.
Diese Seite der Platte, die man Taken (taque) nannte, war verziert
und gab ihre Wärme leitend und strahlend dem Wohngemach (Stouff)
ab. Über dieser Platte befand sich ein schrankartiges Gestell, „das
Tackenschaaf“, in welches man Sachen zum Wärmen, z. B. Milch
zum Rahmen, einstellte. Ein Umklappebrett diente als Büffett und
Haken zum Aufhängen nasser Kleidungsstücke. Diese Art Feuerungs-
anlagen finden sich noch hier und da in der Eifel. Überhaupt sind
in der ganzen östlichen Eifel die alten verzierten Platten noch häufig
zu finden. In den Nebenorten der Mosel habe ich vor einigen Jahren
deren noch viele gesehen. Auch in der Rhön und in Thüringen
findet man diese Plattenöfen noch häufig, hier aber als Kastenöfen mit
Blechaufsatz. Die Feuerung geschieht in der Regel von der Küche aus.


Diese Öfen waren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
in Deutschland sehr verbreitet, wenn auch mit manchen Abweichungen,
je nach der Gegend. In der deutschen Übersetzung des Monardo
schreibt der Schlesier Geſsner 1615:


„Von gegossenen, eisernen Platten, darauf Bilder und Historien
formieret, werden Öfen in die Wohnstuben gemacht, welche von
schlechtem Feuer sich sehr erhitzen und nicht unbequem sind, aber
man muſs fleiſsig acht haben, daſs nichts festes daran geschmieret
werde, sonsten folget ein gar wiederwärtiger Gestank davon (sonder
zweifel wegen des groben Schwefels und Quecksilbers, welche in der
Hitze mit der Festigkeit sich nicht vertragen können), kann auch
nicht bald gedämpffet werden. Gleichfalls geschieht auch an den
Röhren von Eisen, so in die Öfen angekleibet werden und darinen
man abgekochte Speisen, Gebratenes und anders pflegt warm zu
halten. Wenn nun davon etwas verschüttet wird, hilft eingestreutes
Salz, Wachholderbeer, Rosenwasser nichts, es muſs die Glut im Ofen
den stank ausbrennen.“


Die Teuerung des Holzes fing schon im 16. Jahrhundert an, sich
fühlbar zu machen und diese gab Veranlassung, holzsparende Öfen
zu erfinden. Es wurden auch bereits mancherlei Erfindungen in
dieser Richtung gemacht und Privilegien erteilt. So schreibt 1550
Cardanus (de subtilitate CCCCXXXIII): „Man hat jetzt zumal in
[316]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Meyland einen Brennofen im brauch, in welchem man vyl ding
kochen kann, der auch ganz nützlich ist. Denn man bedarff allein
den dritten teil holtzes, dieweil das feuwr eingeschlossen, und drei-
mal mehr krafft dann sonst hatt. Du muſst diesen viereckig aus
kreiden, gibs und Ziegel machen, an der lenge und breite soll er
zweier ellenbogen oder dreier schueren groſs sein, vnd an der höhe
anderthalben ellenbogen; oben auf soll er vier dapffere vnd ronde
Löcher haben, nach dem die häfen oder geschirr groſs sind. Zu-
oberst bedeck ihn gar mit kupffer, vnd do die Löcher sind, schneid
das kupffer aus vnd mach aus den stücken deckel. Wenn du aber der
geschirren nicht bedarffst, so leg den deckel wider auff, damit der ofen
nindert (im Inneren) lufft habe. Under dem oberen Boden ist eine höle
und ein viereckig thürlein, zu welchem man das holz und kolen hinein
thut. An der seytten aber zu vnderst ist vyl ein weitteres vnd
niederes thürlein. In mitten deſs boden hatt es ein schlecht eyſsen
gitter, durch welches man die eschen hinauſs thut. Also ist bekannt,
daſs das thürlein, durch welches man holz anlegt, an dem oberen
teil ist, das andere aber an dem andern ...... Kann, wenn man
die Feuerthür öffnet auch am Spieſs Fleisch braten … doch spart
man dann nicht soviel Holz.“


Hier haben wir also bereits den vollkommenen gemauerten Koch-
herd mit Rost, Aschenfall und Kochplatte, welche im vorliegenden
Falle allerdings von Kupferblech und nicht von Guſseisen ist. 1582
erhielten Leonhard Denner, Wolfgang Pommer und Peter
Nuſsbaum
zu Nürnberg ein kaiserliches Privilegium auf einen holz-
ersparenden Ofen.


Auf die Verbesserungen an den Stubenöfen, welche im 16. Jahr-
hundert in Vorschlag gebracht wurden, wollen wir hier nicht näher
eingehen, da dieselben besondere Wichtigkeit nicht erlangt haben
und besser im folgenden Jahrhundert, in dem die Frage der Holz-
ersparnis in den Haushaltungen eine viel gröſsere Bedeutung erhielt,
mit abgehandelt werden.


Die eisernen Plattenöfen verdrängten zum Teil die Thonkachel-
öfen, indessen war ihre Anschaffung noch kostspielig. Wir haben
bereits gesehen, daſs ein solcher Ofen im Anfange des 16. Jahr-
hunderts ein fürstliches Hochzeitsgeschenk bildete. Der eiserne
Ofen im Kloster Wolf an der Mosel, der 1507 angeschafft wurde,
kostete 11 Goldgulden 1) (etwa 80 Mk. nach jetzigem Werte). Von
[317]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
dem Ofen in Augsburg berichtet Werlichs Chronik 1): „a. 1510.
Augsburg den 2. Januar ist in der groſsen Gerichtsstube allhier ein
groſser eiserner Ofen, 40 Zentner schwer, den man von Basel hierher-
gebracht und der 40 Gulden (ca. 240 Mk.) gekostet hat, gesetzt worden.“


Ein anderes Beispiel bietet der Ofen in der Ratsstube von
Bischofswerder. Derselbe wurde im Jahre 1565 angeschafft und
kostete 29 Gulden (circa 174 Mk.). Agricola erwähnt (1550) die
Grafschaft Manderscheid, das Sauerland und Bergishübel in Sachsen
als Plätze, wo eiserne Öfen gegossen werden. Im Siegerlande gingen
im Jahre 1567 sieben Hütten fast ausschlieſslich auf „Guſswerk“,
welches man für 40 Räder-Gulden den Wagen verkaufte 2).


Im 15. Jahrhundert (1414) werden in Köln bereits „Eisenofen-
macher“ unter den städtischen Handwerkern, die keine eigene Zunft-
statuten haben, aufgeführt 3).


Den Ofenplatten nahe verwandt waren guſseiserne Grabplatten,
die ebenfalls aus jener Zeit stammen, aber viel seltener sind. Eine
sehr alte guſseiserne Grabplatte in England erwähnt Lower4).
Sie befindet sich in der Kirche zu Burwash in Sussex. Auf der-
selben ist ein Kreuz mit halb zerstörter Umschrift: Orate P. annena
(anima?) Jhone Colins. Aus dem Stil des Kreuzes und der Schrift
schlieſst Lower jedenfalls irrtümlich, daſs die Platte aus dem 14. Jahr-
hundert stamme.


Diese Angabe ist wohl ebenso unrichtig wie die von Flachat,
Barrault
und Petiet5), daſs man in den Niederlanden den Eisen-
guſs schon im 13. Jahrhundert gekannt und 1400 im Elsaſs eiserne
Öfen gegossen habe.


In Nassau, Hessen und Waldeck befanden sich viele guſseiserne
Grabplatten, die aber meistens ihres geringen Metallwertes wegen
eingeschmolzen worden sind. „Allein aus der Kilianskirche zu Kor-
bach wurden bei der Mollerschen Restauration für 137 Thlr. alte
Grabplatten verkauft, ein minimaler Beitrag zu den etwa 100 fach
gröſseren Baukosten und ein vernichtender Schlag für die Kunde eines
wichtigen kunstgewerblichen Zweiges 6).“ In der Jakobikirche zu
Lübeck befindet sich eine schöne Grabplatte eines Drosten von Fürsten-
berg von 1559.


[318]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Glatte Grabplatten mit einfacher Aufschrift finden sich indes
noch viele aus dieser Zeit in Süddeutschland. An der alten Kirch-
hofsmauer bei der protestantischen Kirche in Wimpfen sind deren
zwei von 1560 und 1572 nebeneinander. Die Inschrift der ersteren
lautet:
Anno Dō. 1560 den 21 Aprill
ist cristenlich verschaiden
der erwirdig und hochgelehrt
Sigemundus Koch von Ulm
baider Rechten Doctor Curfl.
Menzischer Rhat. Des Leichnam
allhier begraben lieget zu erwarten
Die fröhliche Uferstehung sein
und aller Gläubigen. Amen.


Die Platten wurden, wie schon früher erwähnt, im offenen Herd
gegossen, nur die Leisten, mittelst deren die Platten durch Ver-
schraubung verbunden und deren Querschnitt meist ein Kreissegment
bildete, waren in „Leistenladen“, d. h. in hölzernen Formkasten ge-
gossen.


An die Ofenplatten reihen sich die Feuerböcke an, welche
namentlich in den Gegenden, wo Kaminfeuerung gebräuchlich war,
besonders in Frankreich, oft reich verziert, in künstlerischer Aus-
führung vorkommen. Häufig war es geschnittene Arbeit, doch findet
man auch viele in Guſs hergestellt. Ein prachtvolles Beispiel, an-
geblich vom Jahre 1500, aus einer französischen Privatsammlung
(M. du Bouys) zeigt Fig. 85 1). Schon im 15. Jahrhundert waren
diese verzierten Feuerböcke (chenets) in Frankreich beliebt. In dem
Inventar des Schlosses von Bruyère, vom Jahre 1423, findet sich
folgender Eintrag:
2 vielx chenès d’ancienne façon a croce.
2 chenès de fer à cosse et à orillons, prisesens 10 s.


Sehr schöne Feuerböcke derart findet man im Schlosse Elz
an der Mosel; ein sehr groſser trägt die Inschrift:
Flames sont Fleurs
O vie reprant ma vie.


Man goſs im 16. Jahrhundert auch bereits guſseiserne Töpfe.
Dieselben wurden ganz in Lehm geformt. Eines der ältesten Bei-
[319]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
spiele ist der Topf mit drei Füſsen im bayerischen Nationalmuseum
(Fig. 86), welcher aber irrtümlich im Katalog (sub Nr. 3830) als aus
dem 14. Jahrhundert stammend bezeichnet ist. Der Punkt und die
gebrochene Linie deuten die sichtbare Stelle des Eingusses und der
Guſsnaht an.


Ein sonderbares und bereits recht kompliziertes Guſsstück ist
das von Gay1) abgebildete tragbare Öfchen (chaufette) aus Guſs-
eisen aus dem 16. Jahrhundert (Fig. 87).


Die gröſsten Leistungen der Gieſs- und Formkunst jener Periode
liegen aber gleichfalls wieder auf dem Gebiete der Waffentechnik.

Figure 89. Fig. 85.


Figure 90. Fig. 86.


Figure 91. Fig. 87.


Kampf und Verteidigung waren die stärksten Triebfedern zu auſser-
ordentlichen Anstrengungen auch auf dem Felde der Technik. Im
ersten Bande dieses Werkes haben wir bereits auf die groſsartige
Thätigkeit auf diesem Gebiete hingewiesen 2), ebenso haben wir die
hierauf bezüglichen Kapitel V. Biringuccios mitgeteilt, es genügt
also, ergänzend hier anzufügen, was aus der Geschichte jener Zeit
noch nachzutragen ist. Die ältesten eisernen Geschütze waren
geschmiedet, doch fing man schon vom Anfange des 15. Jahrhunderts
[320]Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
an, Geschütze aus Guſseisen herzustellen 1). Den im ersten Bande
mitgeteilten Beispielen tragen wir noch einige nach. In dem Archiv
von Como wird eine gegossene eiserne Kanone vom Jahre 1429 er-
wähnt 2). In dem Archive de la Côte d’Or (J. Granier, Inventaire
de l’artillerie de Dijon, p. 11) findet sich folgender Eintrag aus dem
Jahre 1433: „A Ph. Mideaul, maçon, pour 7 pierses faites pour le
plus gros canon de fer de fondue 7 grs. 5 gros canons de fondue
de fer non enfustés ny assis.“ Ferner: „1440 à Dijon: Un viel canon
de fer de fondue, sur 2 roues sc.“ und „1468: 3 gros canons de fer de
fondue dont l’ung est enfusté et assis sur 2 petites roues de bois 3).“


In den Rechnungen der Stadt Lille 4) sind vom Jahre 1431
folgende Preise mitgeteilt: „Jaques de Katelare, Kanonier von
Brügge, erhält für 5 eiserne Kanonen von 8890 Pfund, zum Preiſs
von 2 gros das Pfund 444 l. 10 s. und für 100 Steinkugeln für diese
Kanonen zu 4 s. der Stein 20 l.“


Karl der Kühne hatte zu seiner Zeit die beste Artillerie, die
hauptsächlich aus den reichen flandrischen Städten stammte. „In

Figure 92. Fig. 88.


dem Treffen bei Murten führte er viel Geschütz bei sich, das er
vorzüglich gegen die Reiterei der Schweizer richten lieſs und dadurch
eine groſse Niederlage unter ihnen anrichtete, bis das zweite Treffen
des Schweizer Fuſsvolks sich der Batterieen durch einen raschen An-
lauf bemächtigte“ (Bilibaldi Pirckheimeri, Bellum Helvetic, Lib. I,
p. 10).


Fig. 88 zeigt eine guſseiserne Kanone Karls des Kühnen, welche
die Schweizer in der Schlacht von Granson 1475 eroberten und die
[321]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
sich im Arsenal von La Neuville, Kanton Bern, befindet 1). Sie hatte
ein sehr langes Rohr von 6⅓ Pariser Fuſs, dabei ein ganz kleines
Kaliber, so daſs sie nur Eisenkugeln von 3 Pfund schoſs. Eine
genauere Prüfung des Geschützes wäre sehr wünschenswert.


Häufig war nur die Büchse von Eisen, während der Lauf von
Bronze war. Eine solche Büchse vom Jahre 1500 ist in Fig. 89 ab-

Figure 93. Fig. 89.


bildet. Eine alte guſseiserne Kanone mit der
Jahreszahl 1[5]11 (1511, nicht wie irrtümlich ver-
mutet wurde 1411) wurde zu Bois-le-Duc auf-
gefunden 2).


Im allgemeinen waren die guſseisernen Ka-
nonen im 15. Jahrhundert klein und dienten
meist zur Verteidigung der Thore von Städten
und Burgen. Eine gröſsere Bedeutung erhielten
dieselben erst unter Kaiser Maximilian, der ja
überhaupt so viel für die Entwickelung der Artillerie gethan hat.
Er lieſs bereits gröſsere Stücke von Eisen gieſsen.


Wie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Kaiser Fried-
rich III., die französischen Könige Ludwig XI. und Karl VIII. und
Herzog Karl der Kühne von Burgund sich besondere Verdienste um
das Geschützwesen erworben hatten, so thaten dies in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts besonders die deutschen Kaiser Maximilian I.
und Karl V.


Eine kurze Skizze der Entwickelung des Artillerie- und Waffen-
wesens in dieser Periode dürfte hier am Platze sein, weil dieselbe
auf das engste mit der Entwickelung der Eisentechnik verknüpft ist.


Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.


Über die Geschichte der Artillerie im Mittelalter haben wir
bereits im ersten Bande gehandelt.


Das Geschützwesen galt als eine freie Kunst. Die Büchsen-
meister waren zünftige Künstler, die nach eigener Wahl gegen Be-
Beck, Geschichte des Eisens. 21
[322]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
zahlung in irgend welchen Dienst traten. Erst in der Mitte des
15. Jahrhunderts waren aber die Verhältnisse der Artillerie so weit
gefestigt und geordnet, daſs der Erlaſs der „Privilegien“ durch
Kaiser Friedrich III., welche wir schon früher mitgeteilt haben 1),
erfolgen konnte.


Wirkliche Büchsenmeister waren übrigens nur bei Hauptstücken:
„Wer ein Scharfmetz, Basilisken, Nachtigall, Singerin und Chartaun
beschieſst, der ist ein Büchsenmeister, der aber Drachen, Schlangen
und andere kleine Büchsen schieſst, der ist ein Schütz.“


Nürnberg hatte 1449 zur Bedienung der 100 Büchsen auf den
Türmen der Stadtmauer 144 Büchsenmeister. Dem Namen nach gehörten
sie dem eingeborenen Bürgerstande, dem Gewerbe nach besonders den
Rotschmieden und Kandelgieſsern an. Im Heere Karls des Kühnen,
bei der Belagerung von Neuſs, befanden sich 200 Büchsenmeister, die
200 Feuerschlünde bedienten. — Nürnberg übertraf an kriegerischer
Ausrüstung alle Städte Deutschlands. Minutoli giebt (in dem kaiser-
lichen Buch Albrechts Achilles) Nürnbergs Besitz an Schuſswaffen
für das Jahr 1462 auf 78 Schirm-, 228 Stein- und 2976 Haken-
büchsen an, dazu kamen 12000 Armbruste. Hierfür waren vorhanden
4000 Stein- und 53000 Bleikugeln, 146000 Pfeile und 200 Zentner
Pulver. Eiserne Kugeln werden nicht erwähnt. Ganz anders lauten
die Inventarien zu Ende des Jahrhunderts und zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts. In diesen ist fast nur noch von eisernen Kugeln die Rede.
So heiſst es in dem „Notaverzeichnis, was an einem kleinen Feldzuge
zu Geschütz gehört“, welches Leonhard Ecker im Jahre 1504 für
den Herzog Albrecht von Bayern fertigte 2):


  • Scharpfmetzen schieſsen   70 Pfd. Eisen,
  • Quartern und Nachtigallen schieſsen   40 „ „
  • Rotschlangen schieſsen   20 „ „
  • Feldschlangen schieſsen   8 „ „
  • Falkonet schieſsen   6 „ „

Nach diesen folgen die doppelten und die einfachen Haken-
büchsen. Im Archiv von Dijon werden im Jahre 1514 aufgeführt:
200 eiserne Kanonenkugeln und 100 Paar Coquillen zum Gieſsen der-
selben 3).


[323]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.

Wir begegnen hier auch bereits einer einheitlichen Einteilung
der Geschütze nach dem Kugelgewicht. Eine solche wurde schon im
letzten Viertel des 15. Jahrhunderts erstrebt und stellt einen groſsen
Fortschritt des Artilleriewesens dar. Eine ältere italienische, die noch
fast durchaus auf Steinkugelgewicht basirt ist, stammt aus dem
Jahre 1480 1). Danach schossen:


  • Bombarden   300 Pfd. Stein,
  • Groſse Mörser   200 bis 300 „ „
  • Gewöhnliche oder mittlere Mörser   50 „ „
  • Cortona   60 bis 100 „ „
  • Passe-volant   20 „
    • Bronze oder
      Eisen,
  • Carbatane   2 bis 3 „ Blei,
  • Espringarde   10 bis 15 „ „
  • Escopette   4 Octavi (von denen
    30 auf das Pfund von 340 g Gewicht gingen).

Eine feste Grundlage erhielt aber die Kalibrierung der Geschütze
erst, nachdem die eisernen Kugeln zu allgemeiner Einführung gelangt
waren. Kaiser Maximilian 2) gebührt das Verdienst, die erste ratio-
nelle Kalibrierung der Geschütze durchgeführt zu haben. In seinem
„Zeugbuche“ (1500 bis 1510 entstanden) sind die Normalvorschriften
für das von ihm selbst erdachte und von seinem Hauszeugmeister
Freiesleben zu Innsbruck ins Werk gesetzte Geschützsystem mitgeteilt.
Danach werden alle Geschütze in vier „Arten“ eingeteilt und zwar in


  • 1. Hauptbüchsen, schieſsen Steinkugeln, aber auch bereits eiserne
    Kugeln und ruhen auf Rosten (Laden).
  • 2. Kartaunen mit dünneren und längeren Rohren: Scharfmetzen,
    Nachtigallen, Kartaunen, Notpuchsen, schieſsen sämtlich eiserne
    Kugeln, wogegen die Viertelpuchsen kurze Rohre haben und
    Steine schieſsen. Die Kartaunen hatten 5 bis 85 Kaliber Länge.
  • 3. Schlangen von 20 bis 40 Kaliber Länge, besonders groſse
    heiſsen Basilisk oder Wurm, andere werden als lange Schlangen,
    Mittelschlangen, Kammerschlangen, ganz eiserne Schlangen
    bezeichnet.

21*
[324]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
  • 4. Mörser, die zum Werfen, namentlich von Brandkugeln, dienten.
    Diese waren meist gegossen.

Diese Maximilianische Haupteinteilung blieb die Grundlage aller
der vielen nachfolgenden „Geschlechts“einteilungen der Geschütze,
nur wurden die Grenzen durch die zahllosen Unterarten, für welche
es verwirrend viele Namen und Bezeichnungen gab, verwischt.


Karl V. bemühte sich gleichfalls viel um das Geschützwesen, und
unter ihm wurde eine noch genauere Kalibrierung durchgeführt.
Künstler und Mathematiker widmeten ihre Kräfte dem Artillerie-
wesen und schufen die Artilleriewissenschaft. Wir nennen unter
diesen, auſser Kaiser Max selbst, Albrecht Dürer, Jacob Preuſsz,
Hartmann, Biringuccio
und Tartaglia.


Kaiser Maximilian I. that persönlich viel für die Verbesserung
des Geschützwesens, sowohl für Material und Konstruktion, als
besonders für die Beweglichkeit der Feldartillerie. Die Artillerie
war seine Lieblingswaffe, und er wurde in seinen Bestrebungen
von tüchtigen Büchsenmeistern unterstützt, wie von Hans Apolt-
zeller, Hans Schnell
(siehe Bd. I, S. 934), Hans Sarls (Bd. I,
S. 931) und besonders von Freiesleben. Vor seiner Zeit wurden
die plumpen Geschütze fast ausnahmslos noch auf schweren Karren
gefahren, von denen sie erst mit groſser Mühe abgeladen werden
muſsten, um in Position gebracht zu werden. Maximilian führte
die Lafetten ein und verbesserte dieselben wesentlich. Hierdurch
erst erlangte die Artillerie, die bis dahin fast nur für den Festungs-
kampf gedient hatte, ihre Bedeutung im offenen Kampfe. Bei seinem
Feldzuge gegen Venedig führte Maximilian bereits 106 Räder-
geschütze. Für diese Art Geschütze waren die alten, unförmigen, aus
schmiedeeisernen Stäben zusammengefügten Rohre nicht zu gebrauchen,
sondern man bedurfte leichter gegossener Rohre, und wenn auch der
Bronze hierfür der Vorzug gegeben wurde, so fing man doch bereits an,
auch Geschützrohre aus Eisen zu gieſsen. Die Verdienste Maximilians
um das Geschützwesen werden im „Weiſs-Kunig“ gepriesen. Es wird
hervorgehoben, daſs er Geschütze machen lieſs, mit denen er nur
Eisen schoſs, die „scharfen Metzen“ genannt wurden. „Er hat auch
anderes neues Geschütz erdacht und gieſsen lassen und genannt
Nachtigall, Singerin und Dorntral und sie haben auch nichts anders
geschossen denn Eisen“. — „Ferner hat er ganze eiserne Büchsen
schmieden und in das ganze Eisen das Rohr bohren lassen.
Diese eisernen Büchsen haben die andern Eisenbüchsen, die auf den
Kern geschmiedet waren, weit übertroffen.“


[325]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.

„Der König hat diejenigen Büchsen, welche Kartaunen genannt
werden und die früher mit groſser Mühe auf Erdböcken liegend ab-
geschossen worden sind, auf Wagen und Räder dergestalt zurichten
lassen, daſs man die Kartaunen auf diesen Wagen abgeschossen und
auf denselben auch über Land geführt hat.“ Kaiser Max taufte
seine Hauptstücke gern mit scherzhaften Namen, wie der Weckauf,
der Burlepaus, die Sirene von Görtz, der Weibel im Haus, Jung-
frau Buhlerin, die schöne Helena, Purrhindurch und Schnurrhin-
durch u. s. w.


Die Kartaunen und Schlangen teilte Kaiser Max anfänglich in
drei Gruppen und fünf Kaliber: in die Groſsen: Scharfmetzen und
Kartaunen; in die mittleren: Nachtigallen, Singerinnen und Dorntral,
und in die Kleinen: Falkonetten und Kammerschlangen. Später
schrieb er folgende Kugelgewichte vor: Die Scharfmetzen sollten
80 Pfd., die „Doppel-Quartaunen“ 50 Pfd., die einfachen 36 Pfd., die
Singerinnen 25 Pfd. eiserne Kugeln schieſsen. Dieses war das schwere
Geschütz, die Mauerbrecher. Als Feldgeschütz dienten Notschlangen,
die 10 Pfd., Falkaunen, die 6 Pfd. und Falkonetten, die 2 Pfd. Eisen
schossen.


Die für Stein- und Brandkugeln (Kunstfeuer) bestimmten Geschütze
hieſsen Stein- und Feuerbüchsen, auch Haufnitzen. Eine Haufnitz
warf, wie auch ein Mörser, Steinkugeln von 25 bis 200 Pfd. Gewicht.


Die Bedeutung der Artillerie wuchs im 16. Jahrhundert von Jahr
zu Jahr. Fahrbare Metallgeschütze und eiserne Kugeln verdrängten rasch
die alten steinspeienden Ungeheuer. Als die Venetianer 1515 Verona
belagerten, gaben sie in elf Tagen über 20000 Kanonenschüsse ab
und auf Mezières wurden 1521 von dem Grafen von Nassau und
Franz von Sickingen 5000 eiserne Kugeln in vier Tagen geschossen.


Die beste Übersicht über die Einteilung der Geschütze, wie sie
zu Karls V. Zeiten üblich war, giebt der sächsische Zeugmeister
Jacob Preuſs in seiner „Ordnung, Namen und Regiment alles
Kriegsvolks, vom Geschlecht, Namen und Zahl aller Büchsen in einer
ganzen Arkeley (Artillerie) eines Feldzugs oder Zeughaus gehörig.
Von jedes Gewicht, Schwere, Steyn und Loth. — Straſsburg 1530“.
Er schreibt vom „Geschlecht und Namen aller Geschütze“: „Es seind
aller Büchsen nit mehr denn VIII Geschlecht, die man auf der
Achsen scheuſst. Nämlich IV Mauerbrecher und IV Feldgeschütz, ob
man ihnen gleich tausend Namen gab, sind jedoch nit mehr, an die
Rohr- und Feuerbüchsen“. Die Zahl jedes Geschlechts in einer
Arkeley ist folgende:


[326]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
  • 1. Metzikana, Taetzel (Täuffel?), Scharfmetzen   schieſst 1 Ztr. Eisen,
    wiegt in ihrem Rohr 100 Ztr.
  • 2. Cana, die wir nennen Basilischgo,   schieſst 75 Pfd., wiegt 75 Ztr.
  • 3. Duplicana, deutsch Nachtigallen   „ 50 „ „ 50 „
  • 4. Triplicana, „ Singern.   „ 50 „ „ 50 „
    (3. und 4. sind ein Geschlecht)
  • 5. Quartana, Not- oder Viertelbüchsen   „ 25 „ „ 25 „

Dies sind die Mauerbrecher. Dazu kommen 4 Geschlecht der
Veldtgeschütz:


  • Trakhana, Drachen oder Notschlangen, schieſsen   16 Pfd. Eisen,
  • Schlangkana, Schlangen, schieſsen   8 „ „
  • Valkant, Falken, schieſsen   2 „ Blei
  • Falkhona, halbe Schlangen, schieſsen   4 „
    • Eisen oder
      Blei.

Hiervon 18 Mauerbrecher und 37 Feldgeschütz — thut die ganze
Summe eines Zeughauses 55 Büchsen.


Dazu kommen noch die Mörser, „Morthier“, die man nennt Narren
oder Boler. Ihr Rohr wiegt 50 Ztr., schieſst 1 Ztr. Stein. Halb-
Morthier, das Rohr wiegt 25 Ztr. Kleine Morthier oder Boler 1½ Ztr.,
wirft 8 Pfd.“


Die Einteilung des Artilleriematerials blieb in Deutschland auch
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wie sie unter Karl V.
festgesetzt war, wenn dies auch in den Verzeichnissen durch die
vielerlei Benennungen oft verdunkelt ist. Als Pulversatz rechnete
man bei Stein ¼, bei Eisen 7/24, bei Blei ½ Kugelgewicht.


In Frankreich teilte man unter Heinrich II. die Geschütze nach
sechs Kalibern ein:


  • Canon   schoſs 33 Pfund, Bespannung 21 Pferde,
  • Grand Coulevrine   „ 15 „ „ 17 „
  • Coulevrine batarde   „ 7 „ „ 11 „
  • Coulevrine moyenne   „ 7 „ „ 4 „
  • Faucon   „ 2 „ „ 3 „
  • Fauconneau   „ 2 „ „ 2 „

Napoleon1) giebt für das Jahr 1540 folgende Einteilung:


[327]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.

Tartaglia1) giebt für Italien um dieselbe Zeit folgende Ein-
teilung:


Die Bombarde (Doppelkanone) schoſs eine eiserne Kugel von
100 bis 120 Pfund, war 9 bis 10 Fuſs venetianisches Maſs lang und
wog 8800 bis 12459 leichte italienische Pfund:


Die groſse Colubrine schoſs 120 Pfund, war 15 Fuſs lang und
wog 13000 Pfund.


Die Colubrine, welche 50 Pfund schoſs, war 12 Fuſs lang und
wog 6600 Pfund.


Die Kanone schoſs 50 Pfund, war 8 Fuſs lang und wog 4000
Pfund.


Eine Kanone, so 30 bis 86 Pfund schoſs, hieſs Batarde.


Die halbe Kanone schoſs 20 Pfund, war 7 bis 8 Fuſs lang und
wog 2200 bis 2500 Pfund.


Die Colubrine von 20 Pfund Kugelgewicht war 10 Fuſs lang und
wog 4300 Pfund.


Eine andere Colubrine von 16 Pfund war 8 Fuſs lang und hatte
1750 Pfund an Gewicht.


Eine dritte von 14 Pfund war über 8 Fuſs lang und wog 2233
Pfund.


Die Passevolante schoſs 16 Pfund, war 8 Fuſs lang und hatte
1400 Pfund Gewicht.


Der Sacer von 12 Pfund Kugelgewicht war 9 Fuſs lang und wog
2150 Pfund.


Ein anderer Sacer von 12 Pfund war 8 Fuſs lang und wog
1400 Pfund.


Der Sacer von 10 Pfund war 8 Fuſs lang und wog 1300 Pfund.


Die Aspide schoſs 12 Pfund, war 5 Fuſs lang und hatte mit dem
Sacer einerlei Gewicht.


[328]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.

Die Falkone schoſs eine Kugel von 6 Pfund, war 7 Fuſs lang
und wog 890 Pfund.


Das Falkonett schoſs eine bleierne Kugel von 3 Pfund, war
5 Fuſs lang und wog 400 Pfund.


Auſserdem hatte man Steinbüchsen (Bombarden), von denen
die gröſseren eine steinerne Kugel von 250 Pfund schossen, 10 Fuſs
lang waren und 8900 Pfund Metall enthielten.


Die zweite Art schoſs 150 Pfund Stein, war 10 Fuſs lang und
wog 6146 Pfund.


Die dritte Art schoſs 100 Pfund Stein, war 10 Fuſs lang und
wog 5000 Pfund.


Die vierte Art schoſs 100 Pfund Stein, war 8 Fuſs lang und wog
4500 Pfund.


Die Böller (contaldi) endlich schossen 30 bis 45 Pfund Stein,
waren 7 Fuſs lang und wogen 1600 bis 2740 Pfund.


In Spanien folgte man seit Karl V. der deutschen Einteilung.
Später erstrebte man Vereinfachung und Bouquoy reduzierte die
Geschlechter der Geschütze auf vier:


  • Kanonen   schossen 40 Pfund und hatten 23 Pferde,
  • Halbkanonen   „ 24 „ „ „ 15 „
  • Viertelkanonen   „ 10 „ „ „ 9 „
  • Achtelkanonen   „ 5 „ „ „ 5 „

Diese Einteilung wurde auch von den Niederländern an-
genommen, und sie entspricht so ziemlich der Einteilung in Frons-
pergers
Kriegsbuch (I, S. 85), bei welcher zugleich die Bedienungs-
mannschaft mitgeteilt ist. Sie lautet:


Die Kartaunen schieſsen 40 Pfund, erhalten 2 Büchsenmeister
und 16 Gehilfen.


Die Schlangen schieſsen 15 Pfund, erhalten 2 Büchsenmeister
und 10 Gehilfen.


Die Falkaunen schieſsen 6 Pfund, mit einem Büchsenmeister und
6 Gehilfen.


Die Falkonetten schieſsen 3 Pfund, mit einem Büchsenmeister
und 3 Gehilfen.


Nicolaus Tartaglia1) wandte zuerst mathematische Grundsätze
[329]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
auf die Geschützkunst an. Er untersuchte vor allem die Flugbahn
der Geschosse und bewies, daſs dieselbe eine krumme Linie sei. Ob-
gleich selbst nicht Artillerist, wurde er 1531 zu Verona von be-
freundeten Bombardieren aufgefordert, durch Experimente fest-
zustellen, ob der Elevationswinkel von 30 Grad oder von 45 Grad
der günstigste sei. Er stellte durch seine Versuche den Winkel von
45 Grad als den vorteilhaftesten fest und bewies dies mathematisch
1537 in seiner Schrift „Della Nova Scienzia“, welche, wenn auch nicht
in allen Punkten korrekt, doch die Grundlage einer wissenschaftlichen
Behandlung der Geschützkunst wurde. Von ihm wurden verschiedene
Instrumente für artilleristische Zwecke erfunden. So gab er neben-
stehenden Maſsstab (Fig. 90) an, um die richtige Bohrung der Seele
eines Geschützes zu messen. Die Erfindung desſelben schreibt er
einem Alberghitto zu 1).


Ähnliche Instrumente waren allerdings in Deutschland schon
vor seiner Zeit im Gebrauch. So hatte bereits Albrecht Dürer
eine Richtmaschine angegeben. Es war dies eine vermittelst eines
besondern Fuſses und Armes und mit einem Haken, der in einen
Ring am Bodenstück der Kanone eingehakt war, dazu eingerichtete
Hebelwinde. Auch Jacob Preuſs erwähnt bereits den Richtmaſsstab.

Figure 94. Fig. 90.


Der älteste derselben war
das sogenannte „Grund-
brett“, ein geteilter Viertel-
kreis. Derselbe wurde bald
verbessert und so findet
er sich in Leonhard
Fronspergers
2) Kriegs-
buch (Frankfurt 1573, fol. 134 etc.) abgebildet. Tartaglia machte
auch, wie Biringuccio, Angaben über die Wandstärken der Ge-
schütze: er gab denselben an dem Stoſs den ganzen, an der Mündung
den halben Durchmesser der Kugel als Wandstärke. Ferner setzte
1)
[330]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
er das Verhältnis des Volums der Kugeln von Blei, Eisen und Stein
fest, und zwar:


  • Blei zu Eisen = 36 zu 90
  • Blei zu Stein = 1 zu 4.

Fronsberger setzt das Verhältnis der Gewichte von Stein : Eisen :
Blei = 1 : 4 : 6, wobei er bemerkt, daſs geschmiedete eiserne Kugeln
ein wenig schwerer seien als gegossene. Um den Artilleristen die
Berechnung zu ersparen, stellte Tartaglia eine Tabelle der
Kugelgewichte und Durchmesser nach den verschiedenen Materien
von 1 bis 200 Pfund auf, welche er in seinen Questi e Inventioni
1546 zu Venedig veröffentlichte. Etwas früher schon (1540) hatte
Georg Hartmann, Mechaniker zu Nürnberg, aus dem Bambergi-
schen gebürtig, den Kaliberstab, der die Durchmesser der steinernen,
eisernen und bleiernen Kugeln nach Nürnberger Maſs und Gewicht
enthielt, konstruiert. Dieser kam bald in allgemeine Aufnahme
und wurde die Veranlassung, daſs lange Zeit hindurch Nürnberger
Maſs und Gewicht in der ganzen deutschen Artillerie maſsgebend war.


Über die Anfertigung der Kanonen, sowie über den Guſs der
eisernen Kugeln hat Vanuccio Biringuccio in seiner Pyrotechnia
die besten und ausführlichsten Mitteilungen gemacht, welche wir
bereits angeführt haben. Die Geschütze wurden damals noch alle
über einen Kern gegossen. Die ältesten gegossenen Geschütze waren
nicht gebohrt, deshalb auch nicht glatt und zentrisch. Aber schon
vor 1500 konstruierte man Bohrmaschinen mit groſsen Bohrern, mit
Hilfe deren man die groſsen Stücke ausbohrte. Es war dies eine
groſse Verbesserung. Auch hierüber giebt Biringuccio eine genaue
Beschreibung mit Zeichnungen 1), welche wir ihrer Wichtigkeit wegen
ebenfalls in wörtlicher Übersetzung mitteilen. Er sagt (Buch VII,
Kapitel 8): „Wo ich konnte, habe ich ein groſses, doppeltes Rad
gemacht, so daſs ein Mensch darin gehen konnte, um es in Bewegung
zu setzen. Aber wenn ich dies nicht konnte, habe ich es mit einem
Lafettenrade (als Spillen oder Schwungrad) gemacht. In die Nabe habe
ich ein Holz eingepaſst und in die Mitte desſelben eine Eisenstange
gesetzt mit einem Krummzapfen, ähnlich dem, welchen das früher (bei
den Blasebälgen) erwähnte Wasserrad bewegt und am andern Ende
(des Holzes in der Nabe) habe ich einen guten vierkantigen Kopf an-
gebracht und habe das Rad auf diesen Zapfen gelegt. In den Kopf
desſelben habe ich eine dicke Stange eingesetzt, so lang als nötig
[331]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
war, um den Boden des Geschützes zu erreichen, und am Ende
derselben habe ich ein vierkantiges Stück Stahl anschweiſsen lassen,
dessen vier Kanten gerade und scharf und gut gehärtet waren,
damit, wenn sie in das Geschütz gesetzt und gedreht wurden, sie
genau die Rundung erzeugten (siehe Bd. I, Fig. 300). Dies ist
die gewöhnliche Art. Man hat sie (die Bohrer) aber auch von
Bronze mit Vertiefungen gemacht und hat vierkantigen Stahl ein-
gesetzt, um jene Unbequemlichkeit zu vermeiden, welche das Härten,
Schleifen und genaue Justieren jenes Eisen- und Stahlklumpens
macht, damit er schneidet. Alsdann habe ich das Geschütz, welches
ich bohren wollte, auf ein Modell (d. h. eine passend ausgehöhlte
Unterlage) von Ulmen-, Nuſsbaum- oder anderm Holze aufgepaſst,
welches unten eben und wie ein kleiner Schlitten gemacht war und
habe es mit eisernen Bändern gut befestigt, oder mit Seilen, oder
wie es mir gut schien, damit der Bohrer es beim Schneiden nicht
hebe. Und dann habe ich diesen (Schlitten) auf ein Gerüste gesetzt
(Fig. 300, Bd. I), welches wenigstens doppelt so lang war als das
Geschütz und habe es stark und fest gemacht. Und zwischen das
Bett, worauf das Geschütz ruht, und die genannte Ebene habe
ich drei Querwälzchen gesetzt, damit das Geschütz, wenn es gezogen

Figure 95. Fig. 91.


würde, leicht vorwärts
ging. Und um es zu
ziehen, habe ich quer
davor eine kleine
Winde gelegt, so daſs
sie zwei Stricke gleich-
mäſsig anzog, welche
an der Seite des Bettes
vermittelst zweier
guter eiserner Ösen
befestigt waren. Auch
habe ich eine andere Winde hinten angebracht, um es zurückziehen
zu können, wenn es sich verlief und um die Bohrspäne und den
Bohrer herauszuziehen. Als ich mit dieser Vorrichtung fertig war,
lieſs ich durch drei oder vier Mann das Rad drehen, setzte zuerst
den eisernen Schaft in den Kopf oben und unten gut ein und schlug
durch ein Loch, welches quer durchging, einen Keil und dann habe
ich mit der Winde bei der Mündung des Geschützes angezogen und
den Schaft, langsam an der Winde drehend, bis zum Grunde gehen
lassen und so habe ich in zwei oder drei Wiederholungen, indem ich
[332]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
die Schneiden des vierkantigen Stahls immer um eine Federdicke
oder etwas mehr wachsen lieſs, das Geschütz sehr gut und sauber
ausgebohrt ......


Aber besser gefällt mir das Bohren mit dem Doppelrade, worin
ein oder zwei Menschen gehen können, als das mit dem Lafettenrade,
in anbetracht dessen, daſs sich auf seiner Achse Kämme (Zähne) an-
bringen lassen, welche in eine Walze (ein Zahnrad) eingreifen, welches
als Achse einen andern Bohrer hat (siehe Fig. 91, a. v. S.), womit man,
da er sich gleichzeitig dreht, auch gleichzeitig ein zweites Geschütz
ausbohren kann, und zwar hat dieser Bohrer einen viel gröſseren
Effekt als der, welcher an der eigentlichen Radachse sitzt. Dies läſst
sich bei dem Lafettenrade nicht anbringen, weil die Menschen mit
den Armen keinen so groſsen Effekt hervorbringen können.


Auch habe ich einen gleichen Erfolg beim Bohren noch mit
mehreren andern Sorten von Bohrern erzielt, welche ich Euch mit-
teilen will, damit Ihr nötigenfalls nicht auf eine einzige Sorte be-
schränkt seid. In Florenz habe ich Erfahrungen mit verschiedenen
Arten gemacht. Unter andern machte ich, um eine Feldschlange aus-
zubohren, einen Schaft von trockenem Stecheichenholz, in der Dicke
ein wenig geringer als die Höhlung des Geschützes, in welchen an
Stelle des stählernen Meiſsels acht Schneiden von gehärtetem Stahl
einander gegenüberstehend eingelassen wurden, mit drei eisernen
Ringen, einer unten, einer in der Mitte und einer oben mit geeigneter
Verbindung, um sie nach Bedürfnis anlegen oder abnehmen zu können.
Von den Schneiden kamen vier ans Ende und vier etwas weiter
zurück und so leistete mir der Schaft beim Bohren der Feldschlange
sehr gute Dienste. Auſserdem machte ich, um den Leofante an dem-
selben Orte zu bohren, nach dem Gutachten eines gescheiten Schmiedes,
einen Bohrer, ähnlich denen, deren sich einige Drehermeister be-
dienen und welche sie Bohrer nach französischer Art nennen, welche
wie Höcker (gabbic) aussehen; aber dieser war wie ein Stück von
einer gehärteten stählernen Rinne mit scharfen Schneiden. Dieser
wurde mit einem groſsen Rade gedreht und schnitt sehr gut, aber
manchmal schneller und mehr oder weniger und entsprach nicht
allen gerechten Anforderungen. Wenn man aber, wie gesagt, einen
stählernen Bohrer zum Bohren von Kanonen oder Doppelkanonen
machen will, oder auch, wenn er an das Ende einer Eisenstange an-
geschweiſst werden soll, so ist es sehr schwer, ihn so zu machen, daſs
er viereckig bleibt und daſs er die Kanten gut behält, sowohl in
betreff des Schmiedens, als auch, weil er eine zu groſse Masse für
[333]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
das Schweiſsen und für das Härten hat, sowie auch für das Schärfen
auf dem Schleifrade. Deshalb muſs man daran denken, wie man es
sich erleichtert, und zu diesem Zwecke macht man einen Bohrkopf von
Bronze, ein wenig dünner als der Durchmesser der Kugel und in diesen
macht man vier oder höchstens sechs Kanäle, welche auf dem Grunde
schwalbenschwanzförmig stehen und da hinein werden vier stählerne,
gut gehärtete und geschliffene Messer gesetzt (siehe Fig. 300, Bd. I), und
zwar sage ich vier, weil vier besser arbeiten, als wenn es mehr sind,
in anbetracht, daſs man sich um so mehr ermüdet, je mehr solcher
Messer angreifen. Nachdem dann dieser Bohrkopf in eine viereckige
Eisenstange oder dicke Holzstange von genügender Länge eingesetzt
und oben eine Schlieſse quer durchgetrieben ist, damit sie nicht
herausgehen kann, bohrt man vermittelst des Hebelarmes eines groſsen
Handrades, oder eines Tretrades, in oder auf dem Menschen gehen
oder ein Pferd oder Wasser. Also bohrt man nicht nur in Geschütze,
wie man sie heutzutage gewöhnt ist, sondern auch in Mörser und
nimmt alles Überflüssige und jedes Hindernis weg, welches die
Kugel im Herausgehen hindern könnte. Dieses sind die Arten des
Bohrens der Geschütze, welche angewendet werden und welche ich
angewendet habe oder gesehen oder gehört habe, daſs sie angewendet
werden.“


Aus dieser ausführlichen Schilderung ersehen wir, daſs auch die
Bearbeitung des Gusses bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts auf hoher Stufe stand. Der Bedarf an Geschützmaterial
wuchs im Verlaufe des 16. Jahrhunderts ganz auſserordentlich und da
die Bronze teuer war, wendete man sich mehr und mehr dem Guſs-
eisen zu. In den nordischen, eisenreichen Ländern, in Schweden und
in England, war dies namentlich der Fall, indem man die schweren
Schiffskanonen vorzugsweise aus dem billigeren Eisen goſs. Nach
alter Überlieferung 1) wäre es ein Franzose Peter Baude gewesen,
der im Jahre 1547, im ersten Jahre der Regierung Eduards VI., die
ersten eisernen Kanonen in England gegossen haben soll, während
Ralph Page bereits um 1540 bei Buckstead in Sussex Geschütze
von Bronze gegossen haben soll. Mallet nennt dagegen John
Owen
als denjenigen, der in demselben Jahre die erste Eisenkanone
goſs. Wahrscheinlich war Peter Baude im Dienst des John
Owen
. Wie die Königin Elisabeth alles that, um die englische
Marine zu heben, so war sie auch eifrig für die Förderung der Ge-
[334]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
schützgieſserei besorgt. Die eisernen Kanonen wurden hauptsächlich
in Sussex gegossen, und zwar in solcher Menge, daſs England, welches
vordem einen groſsen Teil seines Eisenbedarfs vom Auslande be-
zogen hatte, jetzt Eisen in Form von Kanonen ausführte, und so
kam es, daſs die Spanier mit englischen Kanonen gegen die Eng-
länder fochten. Auf diesen Gegenstand lenkte Sir Walter Raleigh
die Aufmerksamkeit des Parlaments, indem er die guſseisernen Ka-
nonen für eine Stärke des Landes und einen nationalen Schatz er-
klärte und ausrief: „Gewiſs, früher war eins unserer Schiffe zehn
spanischen überlegen, jetzt aber sind sie durch unsere Kanonen
kaum zu besiegen im Einzelkampf.“ In der That legten die Spanier
groſsen Wert auf die Erwerbung englischer eiserner Kanonen und
strebten mit allen Mitteln danach. Wir kommen bei der Geschichte
Englands hierauf zurück. Welche Massen von Kanonen aber bereits
für die Ausrüstung der Kriegsschiffe erforderlich waren, geht aus der
Equipierung der groſsen Armada hervor 1). Dieselbe führte nicht
weniger als 2431 Stücke. Die groſse Flotte war in acht Geschwader
geteilt:


  • Das Portugiesische   hatte 12 Schiffe und 389 Kanonen,
  • „ Baskische   „ 14 „ „ 302 „
  • „ Kastilische   „ 16 „ „ 474 „
  • „ Andalusische   „ 11 „ „ 315 „
  • „ von Guipuzcoa   „ 14 „ „ 296 „
  • „ Levantische   „ 10 „ „ 319 „
  • „ von Urcas   „ 25 „ „ 466 „
  • „ „ Pattaches   „ ? „ „ 204 „

Ende des 16. Jahrhunderts erwarb sich Thomas Johnson, der
um 1590 lebte, groſse Verdienste um die Verbesserung des Gusses
eiserner Kanonen.


Nicht minder groſsartig entwickelte sich die Fabrikation guſs-
eiserner Geschütze in Schweden. Während Gustav Wasa bei seinem
Regierungsantritte noch kein im Lande gegossenes Geschütz besaſs,
war Schweden gegen Ende des Jahrhunderts wegen seines Reich-
tums an solchen Geschützen in ganz Europa berühmt. Botero
schreibt in seiner Erdbeschreibung 1592: „Der König von Schweden
hält stets 50 Kriegsschiffe, von denen jedes 40 Stück grobes Geschütz
hat. — Man vermeint, es habe der König 8000 Stück grobes Geschütz,
so meistens von Metall. Auf dem Schlosse Stockholm werden 400
[335]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
gezählt.“ Daſs aber diese Geschütze zum weit gröſsten Teile aus
Eisen gegossen waren, geht aus andern Nachrichten hervor. Die
Artillerie unter König Johann (1574 bis 1592) zählte bereits 3459
Geschütze, darunter 2027 aus Guſseisen 1).


Aus allen diesen Angaben erkennt man deutlich, welchen Um-
fang die Fabrikation guſseiserner Geschütze im Laufe des 16. Jahr-
hunderts erlangt hatte. Deutschland war auch hierin voraus-
gegangen.


Zur Förderung des Artilleriewesens trugen auſser den Fort-
schritten des Eisenhüttenwesens noch wesentlich die Artillerie-
schulen
, die Zeughäuser und die damit verbundenen Gieſs-
häuser
bei.


Die älteste Artillerieschule hatte Venedig. Alte Gieſs-
schulen gab es in Amberg und München. Kaiser Max stiftete da-
nach eine in Innsbruck. Karl V. gründete eine Artillerieschule zu
Burgos in Spanien und eine andere in Sizilien. Ebenso legte der-
selbe Kaiser Stückgieſsereien in vielen Städten seines ausgedehnten
Reiches an, so zu Burgos, St. Sebastian, Malaga und Barcelona
in Spanien, in Mecheln und Utrecht in den Niederlanden und zu
Crema, Mailand, Neapel und Messina in Italien. In Deutschland
lag dafür kein Bedürfnis vor, denn dort bestanden solche in den
meisten groſsen Städten. Nürnberg und Augsburg trieben sogar
ausgedehnten Handel mit Geschützen. 1502 lieſs der Rat von Augs-
burg ein neues schönes Gieſshaus und ein Zeughaus, „welches gemeinig-
lich der Kazenstadel genannt wurde“, an dem Judenkirchhofe er-
bauen 2) und gleich damals goſs der Stückgieſser Niclas Oberacker
aus Konstanz 35 metallene Stücke und einen Mörser, welche alle
in das Zeughaus gestellt wurden. Der Augsburger Stückgieſser
Georg Löffler war so berühmt, daſs Karl V. öfter Stücke bei ihm
gieſsen lieſs und ihn später ganz in seinen Dienst nahm. Das Gieſs-
haus brannte wiederholt und zwar in den Jahren 1556 und 1601.
Damals war Wolfgang Neidthardt, der Stadt Stück-, Glocken-
und Figurengieſser, berühmt. Er stammte aus Ulm, wo schon sein
Vater Stück- und Glockengieſser gewesen war. — Das Zeughaus zu
Augsburg, hinter St. Moritz gelegen, war so reich mit Geschützen
und Gewehren ausgerüstet, daſs damit die Wälle besetzt und die
ganze Bürgerschaft bewaffnet werden konnte. 1578 veranstaltete die
[336]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
Stadt Augsburg ein Wettschieſsen mit Feldgeschützen, „das groſse
Falkonetschieſsen“. Das Fest dauerte sechs Wochen lang und er-
schienen 912 Schützen, davon jeder gegen ein Einstandsgeld drei
Schuſs auf die 800 Schritt entfernte Zielstatt that.


Nürnberg stand in bezug auf seine Bewaffnung und Waffen-
fabrikation nicht hinter Augsburg zurück. Schon vor dem Jahre
1398 bestanden Hämmer- und Schmelzwerke an der Pegnitz, welche
in dem genannten Jahre Hammerfreiheit erhielten. Von dieser Zeit
an wurden hier viele Wehren und Waffen geschmiedet und ansehn-
licher Handel damit getrieben. Conrad Celtes, welcher sich in
den Jahren 1488 bis 1492 in Nürnberg aufhielt, schreibt 1):


Norici quondam ad amnis (Pegensi) ripas, liquatorias et ferrarias
elaborandi molliendique ferri officinas etc. exstruxent, rotasque impetu
et rapiditate amnis circumactas machinasque ad varios usus et artes
inventas fabricavere.


Demnach scheint in dieser Zeit an der Pegnitz eine Eisenschmelze
bestanden zu haben.


In Frankreich verbesserte der Feldzeugmeister d’Estrées unter
Heinrich II. die Geschützgieſsereien. Auch Karl IX. that viel für
das Artilleriewesen.


In allen gröſseren Städten Deutschlands gab es Zeughäuser,
in denen die Geschütze und Gewehre, mit welchen die Bürgerschaft
im Kriegsfalle bewaffnet wurden, aufbewahrt waren. Wie reich das
Nürnberger Zeughaus ausgerüstet war, haben wir bereits oben gesehen.


Die älteren Kriegsschriftsteller machten bereits Angaben, was
zur vollständigen Ausrüstung eines Heeres an Geschütz und Kriegs-
gerät erforderlich ist. So Leonhard Ecker im Jahre 1504 in seinem
für Herzog Albrecht in München angefertigten „Notaverzeichnis, was
in einem kleinen Feldzuge zu Geschütz gehört“. Ebenso Jacob
Preuſs
„vom Geschlecht, Namen und Zahl aller Büchsen in einer
ganzen Arkeley eines Feldzugs oder Zeughaus gehörig. Von jeds
Gewicht, Schwere, Steyn vnd Loth. Straſsburg 1530.“


Fronsperger giebt 1557 im zweiten Teile seines Kriegsbuches, der
„von Wagenburg und Feldläger, item von allerlei Geschütz und Feuer-
werk“ handelt, einen Ausrüstungsanschlag einer Armee von 20000 bis
30000 Mann. Auf diese sind zu rechnen: 18 Mauerbrecher als Belage-
rungsgeschütz und 37 Feldstücke, nämlich 5 Drachen, so 15 Pfund Eisen
schieſsen, 6 Schlangen oder 8-Pfünder, 10 Falken oder 4-Pfünder,
[337]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
14 Falkonette, die 2 Pfund Blei schossen und 2 Haubitzen. Endlich
16 Mörser, 2 von 50 Pfund, 2 von 100 und 12 achtpfündige. In Ab-
sicht der Munition werden auf jedes Geschütz täglich 36 Schüsse
gerechnet, die Haubitzen ausgenommen, die nur 18 Schüsse erhalten,
und ist der ganze Anschlag auf vier Tage gerechnet.


Ferner giebt Fronsperger in seinem Kriegsbuche (S. 154) eine
„Beschreibung von Zeughäusern“ und sagt darin: „An das Zeughaus
soll das Gieſshaus, darin die Stück und andere notturfft gossen, darin
zween Windöfen gebaut, und vor den Windöfen Dammgruben, vnd
im Gieſshaus am Eck soll ein Borzeug, daran die Doppelhaken und
andere kleine Stück gebort, auch ein Borzeug in dem Gieſshaus in
der Mitt’ über sie durch den Boden verfaſst, daran die groſsen Haupt-
stück innen ausgebort. Es soll auch am Eck des Gieſshauses die
Schlosserei mit 2 Essz gebawt, eine Werkbank mit 6 Schraub-
stöcken, einige Bank vnd Amboſs sampt von den zugehören … Die
Schmitten soll an daz Thor mit 3 Essen und Feuern, sampt ein Ge-
wölb, darin Eysen und Blech und was zu einer Schmitten gehörig
behalten …


Das Zeug- und Gieſshaus sei 150 mal 50 Werkschuh, davon das
Gieſshaus 70, also 70 × 50.“


Die technischen Fortschritte des Geschützwesens im 16. Jahr-
hundert lagen in erster Linie im Material und in der Bearbeitung
der Stücke, sodann in der Benutzung eiserner Kugeln an Stelle der
Steinkugeln und im besseren Guſs derselben.


Ein weiterer Fortschritt, der hiermit eng zusammenhing, bestand
in der Verminderung des Kugelgewichtes, bei gröſserer Schuſsweite und
Treffsicherheit der Geschütze. Dies wurde durch das bessere Material
und die sorgfältigere Herstellung erreicht. Das Kugelgewicht des
schweren Geschützes betrug unter Ludwig XI. 500 Pfd., unter Lud-
wig XII. und Franz I. 50 Pfd. und sank unter Heinrich II. auf
36 Pfd. Im gleichen Verhältnis nahm das Gewicht der Geschütze
ab und ihre Beweglichkeit zu. Die Tragweite und Trefffähigkeit
wurde erhöht durch gute Bohrung und besseres Pulver. Doch suchte
man dieselbe noch weiter zu steigern durch Verlängerung des Rohres.
Man war in der ganzen ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der An-
sicht, je länger das Rohr, je gröſser die Tragweite des Schusses.
Dadurch verfiel man auf ganz unverhältnismäſsige lange Geschütz-
rohre, obgleich deren Herstellung sowohl im Gieſsen als im Bohren
weit gröſsere Schwierigkeiten machte. Diese Art Geschütze hieſsen
„Schlangen“.


Beck, Geschichte des Eisens. 22
[338]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.

Die groſse Schlange, welche zu Ehrenbreitenstein stand, hatte
die respektable Länge von 5,69 m. Ihre Inschrift lautet:


Wenn man mir giebt Ladung satt,

Schieſse ich bis Andermatt.

Andernach liegt aber wohl drei Stunden von der alten Feste
Ehrenbeitenstein entfernt.


Karl III. von Lothringen lieſs 1598 zu Nancy eine solche von
21 Fuſs 11½ Zoll gieſsen, die nur eine Kugel von 18 Pfd. schoſs,
also ungefähr 53 Kaliber hatte. In Neapel stand eine zu Genua ge-
gossene Schlange, die 27 Fuſs lang war und 48 Pfd. schoſs, also
47 Kaliber lang war. Auch die aus Eisen geschmiedeten Geschütz-
rohre Julius II. von Braunschweig waren unverhältnismäſsig lang.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelangte man aber zu
der Überzeugung, daſs die Schuſsweite nicht im Verhältnis zur Länge
zunehme, deshalb wurde die obengenannte Riesenschlange von Neapel
auf Luys Callados Rat erst auf acht, dann auf sieben Kaliber ab-
geschnitten und schoſs danach bei höchster Elevation 1500 Schritt
weiter als zuvor. Weit früher schon hatte Rivius in seiner Bau-
kunst, welche 1547 zum ersten Male in Nürnberg gedruckt wurde,
darauf hingewiesen, daſs die übermäſsige Länge des Rohres die
Schuſsweite der Kanonen verkleinere. Ebenso hatte Graf v. Lynar
bereits 1572 durch Versuche nachgewiesen, daſs ein 12 Fuſs langes
Geschütz dieselbe Schuſsweite hatte, wie ein 13 bis 17 Fuſs langes
von gleichem Kaliber. Infolge dieser Erfahrungen kehrte man zu
richtigeren Proportionen zurück.


Eine für die Artillerie höchst wichtige Erfindung der Eisengieſs-
kunst im 16. Jahrhundert war die Herstellung von Hohlgeschossen,
von Bomben und Granaten. Sie dienten als Brand- und als Spreng-
geschosse. Schon im Altertume kannte man Brandgeschosse. Es
waren dies irdene Gefäſse, die mit brennenden Stoffen gefüllt waren.
Diese „Feuertöpfe“ wurden aus Ballisten geworfen. Nach Erfindung
der Pulvergeschütze erfand man Kugelgeschosse, die aus zwei Halb-
kugeln aus Bronze oder Messing hergestellt und im Inneren mit
Brandzeug gefüllt waren. Dieses wurde durch ein Zündrohr (bomba)
in Brand gesetzt, während die Kugel selbst aus Mörsern geworfen
wurde. An Stelle dieser traten dann im 16. Jahrhundert hohl
gegossene Eisenkugeln, die, wenn sie als Brandkugeln dienen sollten,
eine oder mehrere Öffnungen erhielten, aus welchen der Brandsatz
herausbrannte. Wurden sie aber statt mit brennbarem Zeuge mit
Pulver gefüllt, so flogen sie, nachdem dieses entzündet war, in Stücke
[339]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
und richteten dadurch groſse Verheerung an. Diese Sprenggeschosse,
die jetzt fast ausschlieſslich angewendet werden, erhielten erst eine
Bedeutung, nachdem man den Guſs eiserner Hohlkugeln erfunden
hatte. Diese wichtige Erfindung verdient deshalb eine kurze Be-
trachtung. Wann und wo sie gemacht wurde, läſst sich mit Be-
stimmtheit nicht angeben; doch fällt sie in die Mitte des 16. Jahr-
hunderts. Weder Biringuccio (1540) noch Tartaglia erwähnen
die Hohlkugeln, während Fronsperger (1573) in seinem Kriegs-
buche von denselben als eine bekannte Sache handelt. Es ist des-
halb ein Irrtum, wenn Strada angiebt, sie seien von einem Bürger
von Venlo erfunden und zuerst im Jahre 1588 vom Grafen Mans-
feld gegen die Stadt Wachtendonk gebraucht worden. Die hohlen
kupfernen Kugeln, welche die Türken im Jahre 1522 bei der Be-
lagerung von Rhodus auf die Stadt warfen, waren Brandkugeln und
jedenfalls aus Schalen zusammengesetzt. Dagegen wurde, sicherer
Nachricht zufolge, Karl von Rochefaucault bei der Belagerung von
Rouen im Jahre 1562 durch eine zerspringende Granate erschlagen.
Im Felde wurden die Sprenggeschosse noch nicht verwendet, sondern
nur beim Festungskriege, hierbei aber ebensowohl zum Angriff wie
zur Verteidigung. Man schoſs sie anfänglich nur aus Mörsern, erreichte
aber damit nur geringe Schuſsweite. Versuche, Granaten aus Kanonen
zu schieſsen, miſslangen. Dagegen erfand man ein kurzes, weites
Geschütz, die Haubitze, mit der man die Sprengkugeln in flacher
Bahn auf groſse Entfernungen schleuderte.


Indes war diese Neuerung im niederländischen Kriege noch
nicht zur allgemeinen Durchführung gekommen, denn bei der Be-
lagerung von Nymwegen warf Martin Schenk aus Mörsern viele
Brandkugeln auf die Stadt, konnte aber damit nicht über den Fluſs
schieſsen. Dagegen war der Kriegsschriftsteller Fronsperger 1557
ganz vertraut mit den Hohlkugeln, sowohl Brandkugeln als Bomben.
Er bezeichnet die letzteren mit dem Namen der „sprengenden Kugeln“.
Er unterscheidet Brand- und Sprengkugeln und schreibt darüber 1):
„Hiernach folget, wie man die Eysernen Kugeln, so mit dem ob-
gesetzten Gezeug eynzufüllen, gemacht werden sollen. — Zu den
ersten nimb ein Eysen holgegossen Kugel, die oben ungefehrlich
eines Daumens groſs ein Loch hat.“ Diese soll man mit dem
„Gezeug“, d. h. dem Brandsatz, füllen, das Loch alsdann bis zum
Gebrauche mit Wachs verkleben. Zum Gebrauche wird dann das
22*
[340]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
Wachs entfernt und die Kugel, einer andern Kugel gleich, in den
„Böler“ geladen. — „Oder man nehme die obengemeldete hohl ge-
gossene Kugel und fülle dieselbe mit gutem Pulver. Wenn das Pulver
darin angeht, so knallt es hart, verspringt und giebt viele Scherben,

Figure 96. Fig. 92.


die dann ohne Scha-
den nicht vergehen.“


Weiter schreibt
Fronsperger S. 187
von den „Kugeln, die
zu dem Versprengen
der Wälle, Pulver-
türme und anderer
Bollwerke geschossen
und geworfen werden“.
Davon giebt es zwei
Arten: „Die erste ist
eine mit Pulver ge-
füllte Hohlkugel mit
einem eisernen Zünd-
rohr, das in eine runde
Öffnung paſst. Sie ist
aus einer Stückbüchse
zu schieſsen. Das Zünd-
rohr wird durch das
Pulver der Ladung entzündet. Schieſse alsdann in einen Wall oder Turm,
so brennt das Gezeug in dem Rohre bis auf das Pulver und wenn das-

Figure 97. Fig. 93.


ſelbe angeht, so verspringt die Kugel und zerreiſst, was sie trifft, ist
aber gar sorglich mit umbzugehen.“ Die andere Art dient als Brand-
kugel und besteht aus zwei hohlen Halbkugeln. Darin wird eine
mit Pulver gefüllte Hohlkugel eingelegt, die Zwischenräume mit
[341]Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
„Gezeug“ gefüllt und die Halbkugeln durch ein Band zusammen-
geschlossen.


Die Herstellung dieser Hohlkugeln ist ein glänzender Beweis
für die Leistungsfähigkeit der Eisengieſskunst des 16. Jahrhunderts.
Die Aufgabe war, einen bis auf eine kleine Öffnung rings geschlossenen
hohlen Körper zu gieſsen. Dies wurde durch einen hängenden Lehm-
kern, welcher über eine eiserne Spindel angefertigt war, erreicht
(Fig. 92 1). Die Spindel hatte der Länge nach eine Rinne, die so-
genannte Luftfuge, zur Abführung der Luft aus dem Inneren des
Kerns. In dieselbe wurde ein Draht eingelegt. Die auf der Lehm-
drehbank aufgespannte Spindel umwickelte man an der Stelle, wo
der Lehmkern angesetzt werden sollte, mit einem Strohseil, und
bildete damit den inneren Körper des Kerns (Fig. 92 a), diesen über-
strich man mit Lehm und lieſs ihn trocknen. Alsdann überzog man
ihn zum zweiten Male mit Lehm und drehte ihn mit Hilfe einer
Schablone auf der Drehbank glatt und genau nach der Gestalt, die
er erhalten sollte (Fig. 92 b, c). Nun nahm man die Spindel mit dem
kugelförmigen Kern ab, verschmierte die von der Schraubenspitze
am Boden zurückgebliebene Öffnung, zog den Luftdraht heraus und
trocknete ihn. Nachdem man die hierbei entstandenen Risse mit
feinem Schlichtlehm verstrichen hatte, brannte man den Kern. Dies

Figure 98. Fig. 94.


geschah auf einer mit Löchern versehenen
eisernen Platte, in welche man mehrere Kerne
zugleich einsteckte (Fig. 93, a. v. S.), dieselben
mit Holzkohlen überschüttete und das Brennen
so lange fortsetzte, bis das Stroh im Inneren
ausgebrannt war. Hierauf wurden die Kerne
geschwärzt.


Die Modelle, mittels welcher die äuſsere
Form der Bomben hergestellt wurde, bestanden
aus zwei sauber gearbeiteten Halbkugeln aus
Messing, welche im Inneren Griffe zum Heraus-
nehmen hatten (Fig. 94). Die obere Schale
enthielt die Kernmarken. Bei schweren Kugeln
wurden geschmiedete Henkel mit eingegossen.
Beim Einformen bediente man sich eines Rah-
mens oder Formkastens (Fig. 95 a, b, c, a. f. S.). Durch diesen gingen die
Spindeln der Lehmkerne, welche in dem mittels der Modelle her-
[342]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
gestellten Hohlraume durch einen Stift schwebend gehalten wurden.
Der Einguſs war im Oberkasten und stand durch eine Rinne mit
der Form in Verbindung. Die Gase, welche sich beim Gieſsen aus
dem Kerne entwickelten, entwichen durch die Rinne der Spindel
und wurden beim Eingieſsen mit einem brennenden Spane entzündet.

Figure 99. Fig. 95

a.


Figure 100. Fig. 95

b.


Figure 101. Fig. 95

c.


Das Formen der Hohlkugeln erforderte die gröſste Genauigkeit.
Das Gieſsen eiserner Geschütze über einen Lehmkern, das Formen
und Gieſsen von Hohlgeschossen gehören schon zu den schwierig-
sten Aufgaben der Gieſskunst, aber das 16. Jahrhundert hatte
dieselben bereits gelöst.


Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.


Nicht minder groſsartig erscheinen uns die Leistungen der
Schmiedekunst jener Zeit, wenigstens auf gewissen Gebieten, und
es ist dies um so erstaunlicher, wenn man die Mangelhaftigkeit der
Werkzeuge ins Auge faſst. Die Handschmiederei war es, welche die
vollendetsten Werke hervorbrachte. Die herrlichen Arbeiten, welche
namentlich die Plattner im 16. Jahrhundert schufen, stehen uner-
reicht da.


[343]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Über die Verarbeitung des Eisens und des Stahls existieren nur
wenige genauere Nachrichten aus jener Zeit, wir sind auf die er-
haltenen Arbeiten selbst angewiesen, wenn wir uns ein Bild des Ge-
werbes jener Zeit machen wollen. Wichtige Mitteilungen finden
sich nur in Biringuccios Pyrotechnia. Darin handelt das sechste
Kapitel des neunten Buches „von der Kunst des Eisenschmieds“:


„Sehr mühsam und viel mühsamer als die vorbeschriebene (Kunst
des Kupferschmiedes) ist die Arbeit des Eisenschmiedes, weil er fort-
während groſse Gewichte zu handhaben hat und vor dem Feuer der
Esse steht, da er nicht anders das harte Eisen erweichen kann, als
durch starkes Erhitzen desſelben. Hier hantiert er mit groſsen und
starken Zangen, das Eisen inmitten des Feuers haltend, oder es
herausziehend, um es zu betrachten, oder er streut Sand darüber
oder Tuff oder andere Erde. Bald legt er frische Kohlen auf, bald
bespritzt er das Feuer oder schiebt es zusammen oder reinigt es und
endlich schlagen sie mit mächtigen Keulen und schweren Hämmern
das erhitzte Eisen und strecken es aus, so, wie man es sieht nach
Vollendung der Arbeit, die sie in den Händen haben. Und also
haben diese unglücklichen Arbeiter (wie man leicht begreift) niemals
Ruhe, bis sie am Abend des mühsamen, langen Tagewerks, welches
für sie schon mit dem ersten Hahnenschrei beginnt, ganz ermattet und
manchmal ohne sich um das Essen zu bekümmern, sich schlafen
legen. Will man ihre Thätigkeit betrachten und die verschiedenen
Teile dieses Handwerks, so scheint es mir, daſs es in viele Arten zer-
fällt. Der eine ist nur Meister für grobe Eisenteile, wie Anker,
Ambosse, Ketten für Mauern oder Geräte für die Artillerie, der andere
für Pflugscharen, Spaten, Hacken und ähnliche Eisenwaren zum Be-
arbeiten der Erde oder für landwirtschaftliche Schneidewerkzeuge;
andere wieder für leichtere Eisenwaren, als Messer, Dolche, Schwerter
und andere Waffen zur Verteidigung mit Spitzen oder Schneiden …
Aber alle (diese Künste) bestehen im guten Erhitzen des Eisens oder
des Stahls, den man bearbeiten will, und in einer gewissen Geduld,
die Sache gut auszuarbeiten und sie mit dem Hammer und der Feile
oder dem Schleifrade zur Vollendung zu bringen; vor allem, damit
sie nicht blätterig werden. Und wenn die Arbeit aus Eisen und
Stahl zusammen bestehen soll, muſs man dafür sorgen, daſs sie gut
miteinander vereinigt werden, und wenn sie gehärtet werden muſs,
daſs sie vernünftig gehärtet werde. Aber viele irren sich darin, so
daſs diejenigen, welche die genannten Fertigkeiten haben, sich gute
Meister nennen können, in anbetracht dessen, daſs viele, indem sie
[344]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
glauben, das Eisen zu erwärmen, es verbrennen und viele sich fürchten,
es zum richtigen Grade der Erhitzung zu bringen (so daſs sie es
hart bearbeiten), so daſs es sich abschuppt und splittert, ohne zu-
sammenzuschweiſsen. Einige bearbeiten das Eisen sehr gut und den
Stahl schlecht; andere sehr gut den Stahl und das Eisen schlecht
(was dem, der es hört, unglaublich scheint). Und indem ich schlieſs-
lich diese Künste betrachte, scheint es mir, daſs das Ganze in einer
guten Praxis besteht, in anbetracht, daſs diese Arbeiter Leute ohne
Bildung sind, meist Bauern und roh, die, wenn sie eine Sache machen
können, doch von der andern nichts verstehen. Indes können sie
doch das, was sie gelernt haben, bis zu einem gewissen Grade machen,
und sicherlich befriedigt diese Kunst viele Bedürfnisse … Sie hat
auch ihre Geheimnisse, wie das Löten in der Hitze, was mit Kupfer
geschieht. Dabei muſs man Sand oder Tuff oder andere schmelzbare
Erde anwenden, welche beim Erhitzen das Feuer abhält, so daſs sie
die Kraft der Hitze mäſsigt. So wendet man auch verschiedene
Härtewasser oder Kräutersäfte oder Öle (so wie man sie auch bei
den Feilen anzuwenden pflegt mit gewöhnlichem Wasser) an. Man
muſs jedoch gut acht geben auf die Farben, welche (beim Erkalten)
sich zeigen und dann muſs man auch je nach der Arbeit und der
Feinheit des Stahls sie beim Abkühlen richtig anzufassen wissen.
Aber die erste Farbe, welche sich zeigt, wenn Ihr erhitzt ablöscht,
ist weiſs, man nennt es Silberweiſs. Die zweite ist gelb, d. h. gold-
gelb, und die dritte azur- oder pfauenblau, wird von ihnen violett
genannt, die vierte ist aschfarbig. Am Ende von welchen Farben
(je nachdem Ihr mehr oder weniger hart härten wollt) Ihr ablöscht;
wenn Ihr es aber ganz hart machen wollt, erhitzt Ihr das Eisen
sehr stark und dann löscht Ihr es in der Härteflüssigkeit, die Ihr
präpariert habt, oder in klarem, kaltem Wasser ab, indem Ihr es
plötzlich untertaucht. Man muſs auch wissen die Stelle, die man
härten will, zu bestreichen und vorzubereiten, d. h. mit Seife be-
streichen oder mit der Spitze eines Widderhorns, während das Eisen
heiſs ist, damit es besser sichtbar wird, wenn der Moment seiner
Färbung eintritt. Ebenso muſs man das Härtemittel der Feilen
kennen, welches aus dem Ruſs von Hörnerspitzen oder Klauen von
Ochsen, gestoſsenem Glas und gewöhnlichem Salz gemacht wird,
indem man alles mit Essig anmacht. Damit beschmiert man dann
die Feile und indem man hier gut erhitzt, taucht man sie dann plötz-
lich in Essig oder in Urin oder in kaltes Wasser. Auch muſs man
verstehen, einen Bruch in einer Säge zu löten oder einen solchen in
[345]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
einer Sichel oder in einem Schwert, indem man ein wenig gering-
haltiges Silber und Borax oder zerstoſsenes Glas nimmt. Die Stelle
des Bruches erhitzt man mit einer glühenden Zange, indem man sie
so fest schlieſst, daſs die Lötung erfolgt, und so läſst man sie auch
sich abkühlen. — Ferner muſs man wissen, das Eisen zu bearbeiten
(treiben), wenn es Spuren von andern Metallen enthält (so daſs es
sich weder heiſs noch kalt mit dem Hammer bearbeiten läſst), indem
man es erhitzt und dann darüber streut: Asche von Traubenschalen
oder von Schneckenhäusern oder Pulver von gebranntem Kalk.
Ebenso ist es ein Geheimnis, es weich zu machen, indem man es mit
Bittermandelöl bestreicht und es dann mit Wachs gemischt mit assa
foetida und etwas Kalisalz bestreicht und darüber bekleidet man es
mit Lehm gemischt mit Pferdeäpfel und gestoſsenem Glas. Alsdann
wird es in ein gut brennendes Kohlenfeuer gesetzt, während einer
Nacht oder bis das Feuer verlöscht und dann nehme man es heraus
und man wird es weich und dehnbar finden. — Nicht weniger wichtig
ist das Härten durch Ablöschen in Rettigsaft oder in dem Tau, der
sich unter den Blättern der Erbsen findet. — Man muſs es auch mit
Kalk zu reiben wissen, um ihm Glanz zu geben und es schön zu
machen, auſser dem Wegnehmen mit dem Schleifrade (Polieren).
Man muſs es auch in Rost auflösen (Ätzen) können mit einer Beize
aus Salmiak, Sublimat, Grünspan und ein wenig Galle mit Essig,
damit das, was Ihr mit dem Stifte vorgezeichnet habt (indem Ihr
ihm einen Überzug von Firnis oder Wachs gebt, der es schützt, so
weit Ihr nicht wollt, daſs es vom Wasser weggenommen werde), bleibe.
Wenn das Eisen mit diesen Dingen bestrichen wird und fünf bis
sechs Stunden so bleibt, so sind dann alle Zeichnungen, die Ihr
darauf gemacht habt, eingegraben. — Man muſs auch die guten
Eigenschaften eines andern Wassers zu benutzen wissen, welches aus
grünem, weinsteinsaurem Kupfer (verde ram tartaro) und gewöhn-
lichem Salz gemacht wird, worin Ihr das, was Ihr vergolden wollt,
badet, es abtrocknet, erwärmt und nochmals badet, so daſs es geneigt
wird, Quecksilber anzunehmen. Wird dies dann mit Goldamalgam
eingerieben oder solches mit einem Lappen aufgetragen, so bleibt es
vergoldet. Man muſs auch auf andere Weise zu vergolden verstehen,
durch Plattieren, indem man das Eisen, welches man vergolden
will, zuerst mit einem vierkantigen, gehärteten, schneidenden Stahl
glättet, dann faſst man es mit Zangen, welche Spitzen haben (um es
nicht zu berühren und mit der Hand fettig zu machen) und schneidet
es ganz fein überall wie eine Feile ein und auch quer über Kreuz.
[346]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Dann erhitzt man es, bis man sieht, daſs es rot werden will (indem
man es zeitweilig herausnimmt und von Asche reinigt) und legt dann
eine etwas starke Silberplatte darüber, welche mit einem Polierstahl
von hartem Blutstein (Lapis ematis) oder gehärtetem Stahl andrückt
und darauf trägt man etwas Quecksilber, welches man mit einer
Platte Silbergold bedeckt (und darüber noch zwei oder drei, oder so
viel man will, um besser zu vergolden) und auf dieses Gold kann
man mit einem kleinen Meiſsel (einer Stanze) Blätterwerk und Ara-
besken aufschlagen, wie es einem gefällt, aber man muſs an einigen
Stellen unter den Erhöhungen oder Profilen das Gold oder Silber
mit einem Schabeisen geschickt wegkratzen, damit es schöner und
reicher aussieht, denn es zeigt dann Gold und Silber zugleich. Man
profiliert dann mit einem Pinsel mit Bernsteinfirnis, trocknet ihn
bei Ofenwärme und brennt ihn, wodurch die Profile schwarz und
glänzend werden. Dies ist ein sehr groſses Geheimnis, so daſs es
mir noch nicht ganz bekannt ist, obgleich ich viele Mühe daran ge-
wendet habe. — Dies ist die Art, wie man jene feinen vergoldeten
Arbeiten macht, bei denen Bäume und tierische Figuren aufs Feinste
auf Dolche und andern Waffen angebracht sind und welche man
Tanza-Arbeiten nennt. Und so macht man auch die Verzierungen
in Damaskus, daſs man in die Gefäſse kleine Stückchen Gold ein-
legt, wie man sieht; aber mir scheint, daſs sie nicht zeigen, wie; man
sieht nur, daſs sie viel Mühe und Zeit dazu nötig haben müssen.
Kurz, wenn ich die ganze Praxis des Eisenschmiedes zusammenfasse,
so scheint es mir, als ob sie ohne Vergleich die meisten Geheimnisse
hätte und vielleicht sinnreicher als die andern Metall-Handwerke;
so daſs, wenn es nicht eine so mühsame Arbeit wäre ohne jede Zart-
heit, man sagen könnte, es sei die rühmenswerteste Beschäftigung.
Denn wenn ich erwäge, daſs die Meister dieser Kunst ihre Arbeit
ohne Form oder Zeichnung oder Stempel machen und daſs ihnen
das Sehen mit den Augen und ihre Urteilskraft genügt und daſs sie
sie nur durch Schlagen richtig und wohlgefällig machen, so scheint
mir dies etwas Groſses zu sein. Was sollen wir aber erst von denen
sagen, welche die Wurfmaschinen machen, die der Kraft widerstehen
müssen, die man ihnen giebt und deren Hörner sich so biegen müssen,
daſs sie gleich sind, so daſs es solchen Meistern nicht allein obliegt,
sie richtig zu konstruieren, sondern sie auch richtig zu härten. Erwägt
man überdies, an wie viele Arbeiten der Eisenschmied Hand anlegen
muſs, so scheint es mir schlieſslich, daſs in dieser Kunst ein groſses
Wissen enthalten ist. Denn jedwede Kunst (auſser den Wissen-
[347]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
schaften und der Malerei) hat diese nötig als ihr wichtigstes Glied
und deshalb würde ich sagen (wenn es nicht wegen des Adels des
Materials wäre), daſs nach meinem Dafürhalten diese Kunst vor der
des Goldschmieds den Vorrang verdiene.“


Dieses hohe Lob, welches Biringuccio der Kunst des Eisen-
schmiedes spendet, ist nicht übertrieben im Hinblick auf die herr-
lichen Kunstwerke, welche die Schmiede des 16. Jahrhunderts hervor-
gebracht haben. Das höchste Lob gebührt vor allem den Waffen-
schmieden
, ganz besonders den Plattnern und den Klingenschmieden.
War schon im frühen Mittelalter die Kunst des Waffenschmiedes in
Deutschland so hoch geehrt, daſs sein Totschlag ebenso geahndet
wurde, wie der eines Adligen, so wurden seit der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts, insbesondere seit Kaiser Maximilian, die Panzer-
schmiede Gefährten der Fürsten und Genossen der Künstler. Die
Treibarbeiten des 16. Jahrhunderts, die besonders bei den Schutz-
waffen, den Eisenrüstungen der Vornehmen, in Anwendung kamen,
sind aber auch Kunstleistungen ersten Ranges, unübertroffen, un-
erreicht, ja trotz aller Fortschritte unserer Hilfsmittel für unsere
gegenwärtige Technik unerreichbar; denn gerade unsere modernen
mechanischen Hilfsmittel haben aus dem freien Künstler einen
Schablonenarbeiter gemacht.


Was von der Treibarbeit gilt, gilt nicht minder von der Kunst
des Eisenschneidens (Glyptik), die im 16. Jahrhundert hoch
angesehen war, jetzt aber fast gänzlich verschwunden ist. Für
diese Arbeiten lieferten aber auch die genialsten Künstler jenes an
künstlerischen Genies so reichen Jahrhunderts die Entwürfe, wie
Wohlgemuth, Albrecht Dürer, Michel Angelo, Filippo
Nigrolo, Schwarz, van Achen, Brockberger, Johann Milich

und andere, ja sie führten sie oft mit eigenen Händen aus, wie
Nigrolo und Giovanni Battista Ghisi. Es ist ein Genuſs, der
sich zur Begeisterung steigert, wenn man die in Eisen getriebenen
und geschnittenen Werke jener Zeit, an denen der mächtige Karl V.
seine höchste Freude hatte, und von denen wohl die schönsten sich
in der Armoria Real zu Madrid jetzt befinden, näher betrachtet und
wer nicht Gelegenheit hat, diese in Natur zu bewundern, wird durch
das herrliche Tafelwerk von Jubinal „La Armoria Real de Madrid“ mit
den vorzüglichen Zeichnungen von Sensi sich auf jeder gröſseren
Bibliothek diesen Genuſs verschaffen können. Karl V., dem die Welt
zu Gebote stand, hatte an keiner Art von Kunstleistung eine höhere
Freude, als an diesen wunderbaren Werken der Waffenschmiedekunst,
[348]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und als er lebenssatt der Herrschaft entsagte und sich in das Kloster
San Yuste zurückzog, nahm er seine herrlichen Prunkrüstungen mit
und ergötzte sich noch an ihrem Anblicke. 14 vollständige Rüstungen
kunstvollster Arbeit und viele auserlesene Waffenstücke fand man
nach seinem Tode bei ihm im Kloster. Sein Sohn Philipp II. lieſs
sie nach Madrid überführen, und sie wurden der Grundstock der be-
rühmten Waffensammlung der Armoria Real.


Nicht minder prächtig und kunstvoll sind aber die Rüstungen,
welche sich in den Waffensammlungen zu Dresden und im kaiser-
lichen Zeughause — jetzt Waffensammlung des österreichischen
Kaiserhauses — zu Wien befinden. Diese sind fast alle deutsche
Arbeit, wie auch viele der Waffenstücke der Madrider Sammlung
deutschen Ursprungs sind. Am meisten blühte die Plattnerkunst in
Augsburg und Innsbruck.


Die deutschen Künstler des 16. Jahrhunderts überflügelten ihre
Lehrmeister in Italien, wo die Waffenschmiedekunst seit dem Mittel-
alter ihren Hauptsitz aufgeschlagen hatte. Brescia war der alte
Hochsitz der Waffenschmiede und sandte seine kriegerischen Erzeug-
nisse nach allen Ländern Europas aus. Schon im 13. Jahrhundert
erhielt es deshalb den Beinamen l’armata. Mit ihm wetteiferten
Belluno und das von Garzoni vielgenannte Seravalle im Friaulischen,
von wo Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. einen groſsen Teil
der Waffen für ihre Söldnerheere bezogen. Wohl lieferten diese
Städte hervorragende Meisterarbeiten, wie denn Caino, der Klingen-
schmied, und Vittore Camelio, dem man die Erfindung des leichten
Stahls, d. h. besonders leichter Stahlwaffen, zuschreibt, Brescianer
waren: im allgemeinen aber zeichneten sie sich mehr durch Massen-
produktion aus, während die kunstvollen Prunkwaffen in den groſsen
Residenzen Italiens hergestellt wurden. Da ist es denn zuerst und
vor allem Mailand, dessen Waffen durch ganz Europa berühmt waren.
Hier war im 16. Jahrhundert die gröſste Erzeugung, und hier saſsen
die berühmtesten Künstler. Zumeist erwarb sich die Familie Nigroli
hohen Ruhm. Sie hat am meisten zu dem auſserordentlichen Auf-
schwunge der mailändischen Waffenindustrie beigetragen. Zuerst war
es Petrolo da Missaglia aus der Familie Nigroli, welcher im
Anfange des 15. Jahrhunderts als ein Meister der Waffenschmiede-
kunst hervorragt. Ihm folgte sein Sohn Tomaso, dessen Platten-
harnische weltberühmt wurden. In Mailand sind die geschlossenen
Plattenrüstungen entstanden und die Nigrolis haben ein Hauptver-
dienst daran. Als Tomaso um 1468 starb, hinterlieſs er seinem
[349]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Sohne Antonio eine der groſsartigsten Werkstätten der Welt, eine
Faktorei von riesiger Leistungsfähigkeit 1). Die Stadt Mailand lieſs
dem venetianischen Gesandten Giorgio Contarini, der auf seiner
Reise nach Deutschland 1492 diese Stadt berührte, auch die Werk-
stätte der Missaglia als eine hervorragende Sehenswürdigkeit zeigen,
und Contarini erschöpfte sich in Ausdrücken der Bewunderung
über deren Gröſse und Leistungsfähigkeit 2).


Mailand wurde der Sammelplatz hervorragender Waffenkünstler,
unter denen wir hier auſser den Nigrolis nur Pietro Cantoni,
der um 1500 für Kaiser Maximilian I. arbeitete, sodann den be-
rühmten Tausiator Giovanni Pietro Figino, den man zuweilen
sogar den Erfinder der Tauschirkunst genannt hat, ferner den aus-
gezeichneten Treibarbeiter und Goldschmied Bartolomeo Campi
nennen, der zugleich Kriegsingenieur war und als solcher der Republik
Venedig, dem Herzog von Urbino, Heinrich II. von Frankreich und zu-
letzt Philipp II. von Spanien diente, in dessen Dienst er 1573 bei der
Belagerung von Harlem starb. Von ihm befindet sich ein prachtvoller
getriebener Schild, gefertigt für Kaiser Karl V. um 1550, in der
Sammlung zu Madrid. Für denselben Kaiser und für Alessandro
Farnese arbeitete (1550 bis 1570) Lucio Piccinino, hervorragend
als Waffenschmied, Treibarbeiter und Tausiator; dasſelbe gilt von
Giovanni Serabaglia aus der Familie der Busti, der um 1560 für
Erzherzog Ferdinand von Tirol arbeitete. Im Zeichnen und Entwerfen
von Prunkwaffen zeichneten sich Caradosso, Agostino Busti und
der oben schon erwähnte Ghisi, genannt Mantuano, sowie auch
Bertano aus.


In Florenz machte sich der Einfluſs der groſsen italienischen
Ornamentisten des Cinquecento besonders geltend. Vermittelt wurden
die phantasievollen Arabesken und Grotesken, welche den Kunst-
arbeitern als Vorbilder dienten, durch zahlreiche Stiche im Verlage
von zumeist römischen Kunsthändlern, so des Lafreri, des Rossi
(Rubeis)
u. a. Durch diese Blätter gelangte auch der italienische
Ornamentenstil nach Deutschland und den Niederlanden, in welchen
beiden Ländern alsbald massenhaft ähnliche Stiche erschienen, in
denen die erhaltenen Vorbilder dem nationalen Geschmacke ent-
sprechend variiert sind, so daſs wir von da an von niederländischem
und deutschem Ornamentenstil sprechen können. Hervorragende Meister
[350]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
als Treibarbeiter und Tausiatoren waren zu Florenz im 16. Jahr-
hundert die Gebrüder Lani, Pifanio Piripe, genannt Tacito und
Repa. Auch in andern Städten Italiens wirkten noch bedeutende
Meister in dieser Periode, doch müssen wir uns begnügen, deren
Namen in einer Zusammenstellung später mitzuteilen.


Die Blüte der deutschen Waffenschmiedekunst fällt etwas später als
die der italienischen, obgleich berühmte deutsche Meister aus dem frühen
Mittelalter bekannt sind. Die Waffenschmiedekunst wurde gefördert
von den groſsen gewerbreichen freien Städten und von einzelnen
Fürsten. Unter letzteren zeichneten sich im 15. Jahrhundert die
Grafen von Tirol, Friedrich mit der leeren Tasche und Sigismund, der
Gründer der berühmten Stückgieſserschule, aus.


Das gröſste Verdienst um die Waffenschmiedekunst erwarb
sich Kaiser Maximilian. Er kannte die Plattnerarbeit auf das
genaueste und war darin selbst thätig, wie im „Weiſs-Kunig“ be-
richtet wird 1).


„48. Wie der junge Weiſs-Kunig gar künstlich war in der
Platnerey und Harnaschmaysterey“. Darin wird hervorgehoben, daſs das
theoretische Wissen nicht ausreiche und daſs einer nur gute Waffen
mache, der auch mit den Waffen zu fechten verstehe, wie der junge
Weiſs-Kunig, der darin seinen eignen Wappenmeister übertroffen.
Derselbe gab selbst Verbesserungen an, besonders die, daſs er das
Anschrauben des Hauptharnischs selbst verrichten konnte, und dazu
keinen Wappenmeister brauchte. „Auſs dem mag ein Jeder verstehn,
das dis kunig gewest ist, ein Lerer unnd Offenbarer andern kunigen
in der harnischmeisterey und wappenmeisterey.“ In Innsbruck hat
er eine groſse Plattnerei aufgerichtet. Mehrere aus dem Geschlechte
(des Verfassers) Treizsaurbeyn haben die Harnische so hart gemacht,
daſs man mit keiner Armbrust durchschieſsen konnte. Diese Kunst
ging mit ihrem Ableben verloren. Aber ein Knecht dieser zu Muleyn,
Caspar Riederer, hatte diese Kunst erlernt und sie dem jungen
Weiſs-Kunig gelehrt. Dieser hat sie seinem Hofplattner Conrat
Seisenhofer
gelehrt. Der Weiſs-Kunig hat vielen mächtigen Fürsten
„kiriſs“ machen lassen und verehrt als willkommene Geschenke.


In Hans Burgkmeyers Abbildung (Fig. 96) zu dem angeführten
Kapitel „Der Weiſs-Kunig“ sehen wir den Kaiser bei einem Harnisch-
[351]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
macher. Er giebt augenscheinlich dem Gesellen, der im Begriff ist,
eine Haube auszutreiben, gute Lehre. Auf dem interessanten Bilde
finden sich alle Werkzeuge und die verschiedenen Thätigkeiten des
Plattners dargestellt. Die ersteren sind einfachster Art. Haupt-
sächlich sind es verschieden gestaltete Ambosse und Hämmer, so-
dann Feilen, Punzen, Meiſsel, Zangen, eine Stockschere. Das Treiben
erfolgte kalt. Die Haube wurde, wie dies früher gebräuchlich war,

Figure 102. Fig. 96.


aus dem Ganzen getrieben und zwar nur mit dem Hammer, ebenso
die Hohlkehlen („Pfeifen“, „Riffeln“) der sogenannten Mailänder Har-
nische, die aber Maximilianische genannt werden müssen, denn der
Kaiser selbst war es, der deren Einführung veranlaſste, und diese Art
von „Pfeifenrüstungen“ wurden weit mehr in Innsbruck als in Mai-
land gefertigt. Überhaupt wurde Innsbruck durch des Kaisers Be-
mühungen der wichtigste Platz für die Plattnerkunst während seiner
Regierung. Zur Zeit, als die geschlossenen Plattenharnische in Auf-
nahme kamen, arbeitete schon zu Innsbruck die Plattnerfamilie
Treitz, deren Harnische weit berühmt waren. Ihre Werkstätte bildete
eine Schule für Waffenschmiede, aus welcher unter andern auch
[352]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Hans Seusenhofer, der Harnischmacher Maximilians I., hervorging.
Um 1470 hatte Maximilian den berühmten Plattner Lorenz Plattner
aus Augsburg, der, wie sein Name beweist, einer alten Familie dieses
Berufes entstammte, in seine Dienste genommen und dieser legte die
groſse Plattnerei in Innsbruck für den Kaiser an. Dort soll er die
Kunst erfunden haben, 30 Vorderteile und 30 Rückenteile auf ein-
mal auszuformen, wodurch er in einem Jahre eine groſse Anzahl
Landsknechtsharnische machen konnte1). So konnte rasch die erste
stehende Söldnertruppe, welche Maximilian 1490 in seinem Feldzuge
gegen Ungarn anwarb, ausgerüstet werden. — Für die besseren
Rüstungen war damals und bis Ende des 15. Jahrhunderts der
gotische Stil maſsgebend. Wir haben eine Rüstung dieser Art im
ersten Bande bereits ausführlich beschrieben. Ein Harnisch derselben
Gattung vom Jahre 1480, Nürnberger Arbeit, welcher dem Kaiser
selbst gehörte, befindet sich in der kaiserlichen Waffensammlung zu
Wien und ist von Quirin Leitner abgebildet2).


Diese Rüstung ist schön und vollkommen in der Technik, spät
gotisch in der Ornamentierung, ganz geschlossen, und an allen Beuge-
stellen kunstvoll geschoben. Die geschobenen langen Schnabel-
schuhe haben 210 mm lange Schnäbel. Das Gewicht des ganzen
Harnischs, einschlieſslich des 5 Pfund 28 Loth schweren Helmes
(Schaller), beträgt 38 Pfund 28 Lot. Das Schwert hat eine 1090 mm
lange Klinge mit einer 285 mm langen, geraden, vierseitigen und ver-
goldeten Parierstange mit den Anfangsbuchstaben H. M. I. A. D. des
Wahlspruchs „Halte Maſs in allen Dingen“, als Mitglied des von
Alphons V. gestifteten Ordens der Mäſsigkeit. Die Klinge ist an der
Angel 41 mm breit, auf beiden Seiten bis an die Spitze laufendem
Hohlschliffe, der auf der ganzen Länge mit geätzten Verzierungen
bedeckt ist. Zwischen den Verzierungen auf der Vorderseite befindet
sich das burgundische Kreuz und obiger Wahlspruch; auf der Rück-
seite dasſelbe Kreuz und eine unleserliche Inschrift. In derselben
Sammlung befindet sich ein bei Leitner, Tafel IV abgebildeter Mai-
länder oder Pfeifenharnisch (armure cannelée). Derselbe hat ein
Gewicht von 41 Pfund 16 Lot. Der Zweck dieser Rüstung war,
durch die Kehlung den verbesserten Angriffswaffen gröſseren Wider-
stand zu bieten. Mit der Verbesserung der Feuerwaffen konnte aber
dieser Zweck nicht mehr erreicht werden und so kamen diese Art
[353]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Rüstungen, welche durch die Treibarbeit kostspielig waren, um die
Mitte des 16. Jahrhunderts wieder ab. In den Formen dieser Art
der Rüstungen war schon mit der Gotik gebrochen. An die Stelle
der langen, spitzen Schnabelschuhe trat das gerade Gegenteil der
breiten, abgestutzten, sogenannten Entenschnäbel, und sodann die noch
plumperen, den Holzschuhen ähnlichen „Bärenklauen“. Alle Formen,
die vorher winkelig oder zugespitzt waren, wurden bogenförmig und
abgerundet. Der geriefte Küraſs ist stärker gewölbt wie früher, um

Figure 103. Fig. 97

a.


Figure 104. Fig. 97

b.


ihn auch dadurch widerstandsfähiger zu machen. Die Maximilianische
Rüstung bestand meistens aus blank poliertem Stahl, so daſs sie hell
in der Sonne erglänzte (harnais blanc).


Fig. 97 a, b zeigt eine vollständige Maximilianische Rüstung von
Vorder- und Rückseite1). Der Helm (armet) hat eine gekehlte Haube
(tymbre) mit nur wenig vorspringendem Kamm (crête), einfaches be-
wegliches Visier (vue) und das Kinnstück (ventail), welches mit einem
Haken an dem Helme befestigt war, der geöffnet werden muſste, um
den Helm absetzen zu können. Mit dem Kinnstück ist hier das
Kehlstück (gorgerin) in eins verbunden, während der Nackenschirm
Beck, Geschichte des Eisens. 23
[354]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
aus drei geschobenen Schienen besteht. Ebenso war die Halsberge
(hausse col), welche auf beiden Seiten geöffnet werden konnte, aus
drei Schienen zusammengefügt. Nun folgt der eigentliche Harnisch
(harnais), aus Brust- (plastron) und Rückenstück (dossière) bestehend,
die im vorliegenden Falle aus je einer Platte ausgetrieben sind.
Unter dem Harnisch trug der Ritter zu weiterem Schutze einen ge-
steppten Wams (gambeson) und darüber ein Panzerhemd, welches die
von dem Harnisch etwa nicht bedeckten Öffnungen schützte. An den
Harnisch schloſs sich der Schurz (braconnière), aus Schienen ge-
schoben, welcher die Lendengegend deckte, an den Vorderschurz
(pansière, braconnière) schlossen sich die ebenfalls geschobenen Schöſse
(Krebse, tasettes) an, die bis zu den Schenkeln reichten. Auf dem
oberen Harnisch über den Schultern saſsen die Achselstücke (spal-
lières) mit hohem Rande zum Schutz gegen Lanzenstöſse. An die
Achselstücke schloſs sich das Armzeug (brassards) mit den gewölbten
und ebenfalls gekehlten Meuseln (cubitière) zum Schutze des Ell-
bogens. An das Unterarmzeug waren die kunstvoll gefingerten Hand-
schuhe (gantelets) angebracht. Auf der rechten Vorderseite war am
Harnisch der Rüsthaken (arrêt) angebracht zum Einlegen der Lanze.
Die Schenkel schützten die Dielinge (cuiss), oben aus zwei Schienen
geschoben, dann aus einem gekehlten Stücke bis zu dem gewölbten
Kniestück (genouillères). Darauf folgten die Beinschienen (grèves),
in früherer Zeit aus Halbschienen, ähnlich den Schenkelstücken, in
unserm Falle aber schon vollkommene Beinröhren. Die Schuhe
(pedieux) sind kunstvoll geschobene „Bärenklauen“.


An Stelle der einfachen „Pfeifen“ traten später bei reicheren
Rüstungen Facetten. Prachtvolle Rüstungen dieser Art befinden sich
in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien.


In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die geschlossene
Rüstung immerhin noch ihre Bedeutung für den Krieg gehabt, durch
die zunehmende Verwendung und die Verbesserung der Feuerwaffen
trat aber der Wert der geschlossenen Rüstungen für den ernsten
Kampf mehr und mehr zurück, dagegen behielten sie ihre Bedeutung
für den Turnierkampf, vor allem aber als Prunkgewänder der Fürsten.
Infolgedessen legte man immer gröſseren Wert auf die äuſsere Aus-
schmückung der Rüstung durch Treibarbeit, Tauschierung, Damas-
zierung, Vergoldung, Ätzung u. s. w. „Oft wird das ernste Waffen-
kleid zu reiner Goldschmiedearbeit“, sagt Semper. Diese Art von
Prachtrüstungen gingen von Italien, zum Teil auch von Spanien aus,
in Deutschland aber fanden sie erst ihre höchste Vollendung.
[355]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Biringuccio findet es ganz selbstverständlich, wie wir oben gesehen
haben, daſs ein geschickter Schmied mit dem Polieren, Brunieren,
Ätzen, Versilbern und Vergolden, dem Plattieren, Tauschieren und
Damaszieren wohl vertraut sei, Arbeiten, die man heutzutage von
keinem Eisenschmied erwartet. Dazu kam noch das Ziselieren,
Stechen, Schneiden, die Niello-Arbeit und das Emaillieren. Diese
Kunstübungen entwickelten sich in Italien durch die im 15. Jahr-
hundert nach Italien geflüchteten griechischen Künstler, welche bei
den reichen und prachtliebenden Fürsten Aufnahme und Unter-
stützung fanden, besonders bei den Medicäern in Florenz, denen aus
dem Hause Este in Ferrara, sowie den Visconti und Sforza in Mai-
land. Nicht minder fand dieses Kunstgewerbe in der reichen Repu-
blik Venedig eine Heimstätte.


In Spanien war es zum Teil maurischer Einfluſs, der den Sinn
für Pracht und glanzvollen Waffenschmuck veranlaſste. Dies zeigt
sich deutlich an den herrlichen Rüstungen in der Armeria real zu
Madrid, welche man dem letzten maurischen Könige Boabdill zu-
schreibt und den prunkvollen Waffen Ferdinands des Katholischen
und seiner Gemahlin Isabella.


Nach der Entdeckung Amerikas wuchs der Reichtum in ganz
Europa, besonders in Spanien und Deutschland, und dies trug viel
dazu bei, die Prachtliebe in der Bewaffnung zu steigern und diesen
Zweig der Kunstschmiederei zu fördern. Karl V. hatte die Vorliebe
für schöne Waffen von seinen beiden Groſsvätern Kaiser Maximilian
und König Ferdinand dem Katholischen geerbt, und unter seiner
Herrschaft entwickelte sich die Plattnerkunst zur höchsten Blüte,
am allermeisten in Deutschland. Namentlich war es die Kunst des
Treibens in Eisen, welche Werke hervorbrachte, die unerreicht da-
stehen. Man begnügte sich nicht mehr mit dem Austreiben von
Zierlinien, Buckeln, Arabesken, man ging dazu über, geradezu Ge-
mälde in Eisen zu treiben, Bildwerke von solcher Fülle, Schönheit
und Zartheit, wie sie der Goldschmied nicht schöner hervorzubringen
vermochte, und die uns zur Bewunderung um so mehr hinreiſsen,
wenn wir die Sprödigkeit des Materials und die Einfachheit der Hilfs-
mittel bedenken. Kein Wunder, daſs die fürstlichen Zeitgenossen
Kaiser Karls seine Vorliebe für diese Art Kunstgebilde teilten, und
daſs sie sich auf seine Nachkommen vererbte. Besonders war es der
ritterliche Franz I. von Frankreich, sowie die reichen Fürsten aus
den Häusern Farnese und Este in Italien, die sich an schönem
Waffenschmuck erfreuten und die berühmtesten Plattner beschäftigten.


23*
[356]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

In Deutschland waren es besonders die österreichischen, bayeri-
schen und kursächsischen Fürsten, welche die Waffenschmiedekunst
förderten.


Der Innsbrucker Plattnerschule haben wir bereits gedacht. Auſser
zu Innsbruck blühte das Plattnergewerbe besonders in Nürnberg und
Augsburg. In Nürnberg erbte Wilhelm von Worms der Sohn die
Kunst und den Ruhm seines Vaters (siehe Bd. I, S. 866); neben ihm
wirkten Hans Grunewalt, Konrad Lochner und Valentin
Siebenbürger. Albrecht Dürer
, der groſse Meister, übte seinen
segensreichen Einfluſs auch auf das Plattnergewerbe aus. Im Auf-
trage des Kaisers Max zeichnete er 1517 einen Harnisch, den der
berühmte Kolman Helmschmied ausführte, der aber leider zu-
grunde gegangen ist. Neben Dürer zeichneten viele andere Nürn-
berger Maler Entwürfe für Waffenstücke, so Hans Baldung Grün,
die beiden Burgkmair und Albrecht Altorfer, während A. Alde-
grever
besonders in der Ausschmückung erfindungsreich war. Groſsen
Einfluſs übten ferner: L. Cranach, Aug. Hirsvogel, Virgil Solis
und die Goldschmiede Jamnitzer.


Aber zu höherer Blüte noch als zu Nürnberg gelangte im
16. Jahrhundert das Plattnerwesen in Augsburg, wo eine Reihe von
genialen Meistern teils gleichzeitig, teils in rascher Aufeinanderfolge
wirkten. Der gröſste Ruhm umgiebt die Familie Kolman Helm-
schmied
, deren Werke in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurück-
reichen. Dem ältest bekannten Sprossen der Familie Georg folgte
dessen Sohn Lorenz († 1516), der um 1490 für Maximilian I.
arbeitete, diesem folgte der Enkel, der berühmte Kolman († 1532)
und diesem wieder der Urenkel Desiderius, der durch seine
Leistungen selbst die italienischen Meister in Schatten stellte. Desi-
derius Kolman
, aus der Familie Helmschmied, genoſs euro-
päischen Ruf und brachte das Höchste und Schönste hervor, was die
Plattnerkunst je geleistet hat. Seine Treibarbeiten sind bei aller
Fülle streng im Stil und bewahren den Charakter der getriebenen
Metallarbeit1). Daſs er auch entsprechende Preise dafür erzielte,
ersehen wir aus den Rechnungen König Philipps II. im Archiv zu
Madrid. Danach wurde von diesem für eine Rüstung 9000 Mark be-
zahlt2). Neben diesem sind hier noch zu nennen: Wilhelm Seusen-
[357]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
hofer aus Innsbruck, Matthäus Frauenbrys, Anton Pfeffen-
häuser
und viele andere. Mit den Plattnern arbeiteten Goldschmiede,
Emaillisten und Ätzmaler, von denen wir Jörg Sorg, Marquart,
Christof Lenker, Schanternell, Attemstätter
und den Ätz-
maler Roth nennen. Groſsen Einfluſs übte Hans Holbein d. J.
Die Plattnerkunst blühte ferner in Landshut, wo Franz Groſs-

Figure 105. Fig. 98.


schedel, in Dresden, wo
die Rosenberger, in
Annaberg, wo die von
Speyer
berühmte Meister
waren; während Hans
Mielich
in München und
Christof Schwarz von
Ingolstadt im Zeichnen
und Entwerfen von Waffen
und Waffenverzierungen
groſses leisteten. Wir wer-
den später noch ein voll-
ständigeres Verzeichnis be-
rühmter Plattner mitteilen.


Die Schönheit der besten
Werke der Plattnerkunst
in dem engen Rahmen
unseres Buches auch nur
annähernd zu schildern, ist
unmöglich. Wir müssen
auf die vorerwähnten
groſsen Tafelwerke von
Jubinal und Quirin
Leitner
, auf Rades
photographische Sammlung von Ornamenten aus dem Königlichen
Historischen Museum zu Dresden und ähnliche Werke verweisen.


Indessen können wir doch nicht umhin, einige der Hervorragend-
sten derselben zu schildern. Wir beginnen mit der bekannten Rüstung
Kaiser Maximilians I. (Fig. 98) zum „deutschen Stechzeug“, sowohl
„zum löblichen gemeinen deutschen Gestech“ als im „Gestech im
hohen Zeug mit geschlossenem Sattel“ zu gebrauchen: Das Muster
2)
[358]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
einer geschlossenen Turnierrüstung, welche noch aus dem letzten
Viertel des 15. Jahrhunderts stammt. Die Rüstung, welche sich in
der kaiserlichen Sammlung zu Wien befindet, ist ein Meisterstück
der Plattnerei, und machen wir namentlich auf die Treibarbeit an
der Tatze der Zügelhand aufmerksam. Die starke Rüstung wiegt
68 Wiener Pfund.


Ein Kunstwerk ersten Ranges ist die weltberühmte Pracht-
rüstung für Mann und Roſs des Kurfürsten Christian
II. von
Sachsen in dem Königlichen Historischen Museum zu Dresden. Wäh-
rend sie früher für eine italienische Arbeit gehalten wurde, erkannte
man sie schon vor längerer Zeit als ein Meisterstück Augsburger
Plattnerei und schrieb sie allgemein dem berühmtesten Meister
Desiderius Kolman zu. Aber sowohl diese Annahme, als die sie
immer begleitende Angabe, sie sei für 14000 Thaler angekauft worden,
haben sich durch die neueren Untersuchungen des Dresdener Museums-
direktors Dr. Erbstein als irrtümlich erwiesen, indem dieser sie
bestimmt als ein Werk des Augsburger Plattners Anton Pfeffen-
häuser
nachgewiesen hat. Nach Erbstein1) wäre die herrliche
Rüstung, welche sich in dem oben angeführten Werke von Rade
in 22 wohlgelungenen Blättern abgebildet findet, erst um das Jahr
1600 entstanden und im September 1606 seitens des Kurfürsten
von Heinrich Knopf aus Nürnberg zu Schleusingen um 8800 Gulden
oder 7700 Reichsthaler (etwa 35000 Mark nach heutigem Werte)
angekauft worden. Sie wurde 1611 bei des Kurfürsten Leichen-
begängnis als Freudenküraſs gebraucht und der fürstlichen Leiche
vorgeritten. — Die getriebenen Reliefbilder in Medaillonform sind
auf der Mannesrüstung dem Sagenkreis des Troer- und Argonauten-
zuges entnommen, auf der Pferderüstung der Herkulessage 2). Die
Medaillons auf der Brustplatte des Küraſs zeigen die Rückführung
der Helena aus dem brennenden Troja und den Kampf des Hektor
und Achilles zu Pferde (!); die auf den Vorderflügeln der Achsel-
stücke Ares, wie er auf seinen von Wölfen gezogenen Wagen den
Hain durcheilt, und Jason mit dem Widderfell; auf der Rückenplatte
des Küraſs erblickt man die Einführung des hölzernen Pferdes nach
Troja und die Zerstörung Ilions (Fig. 99).


Die Medaillons auf der Pferderüstung zeigen vorn den Kampf
[359]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
des Herkules mit den Kentauren, dann links vom Reiter den Ring-
kampf des Herkules mit dem Riesen Antäus, den Fang des eryman-
tischen Ebers, den Kampf des Herkules mit dem Riesen Cakus, den
Kampf mit der Hydra, das Heraufbringen des Cerberus aus der

Figure 106. Fig. 99.


Unterwelt; weiter auf dem Rücken den Kampf des Herkules mit dem
dreiköpfigen Riesen Geryon; darunter rechts unten den Raub der
goldenen Apfel der Hesperiden und den Kampf mit dem Drachen,
die Überlistung des Atlas, die Bändigung des rasenden Stieres des
Minos in Kreta; ferner am zweiten Seitenblatte: das Erdrücken der
[360]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Schlangen durch Herkules als Kind und schlieſslich (neben dem ersten
Bilde): die Erwürgung des nemäischen Löwen. Die Medaillons sind
umschlungen von wunderbaren Arabesken im reinsten Stil. Herrlich
tritt an der Panzerbrust das Gorgonenhaupt hervor, während auf der
Rückseite sich aus einem schönen, gekrönten Frauenkopf, wohl der

Figure 107. Fig. 100.


der Helena, die reichen Guirlanden entwickeln. Voll Ruhe und
Schönheit ist der Brugunderhelm (Fig. 100), und ein Meisterstück
ist die Roſsstirne. Jeder Teil der Rüstung ruft unsere Bewunderung
hervor, ebensowohl durch die reiche Ausschmückung, als durch die
vollendete Arbeit, z. B. bei den gefingerten Handschuhen, wie über-
haupt bei allen geschobenen Teilen. Herrlich ist auch die Aus-
schmückung des Sattels, wovon die Abbildung eines Teiles des Sattel-
baumes (Fig. 101) einen Begriff giebt.


[361]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

„Über den Verfertiger dieser Prachtrüstung (schreibt Erb-
stein
) sind mannigfache Vermutungen geäuſsert worden, von denen

Figure 108. Fig. 101.


nur die Zuteilungen an den Augsburger Plattner Desiderius Kol-
man
und den Landshuter Plattner Franz Groſsschedel genannt
[362]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
sein mögen, Meister, die aber in früherer Zeit arbeiteten, als die
Rüstung thatsächlich entstanden ist. Heinrich Knopf, von dem
sie gekauft wurde, war nur der Unterhändler, nicht der Verfertiger;
er selbst war ein Goldschmied und „Konterfekter“ in Nürnberg,
von dem Schaugroschen bekannt sind, die er selbst gegossen. Von
gleicher Hand wie diese Prachtrüstung und zum Teil mit gleichen
Verzierungen geschmückt ist der in derselben Sammlung daneben
stehende schwarze Prunkharnisch mit goldenen, getriebenen Ver-
zierungen, welcher ein paar Jahre zuvor, nämlich 1604, von eben
demselben Heinrich Knopf für den Herzog Johann Georg zu Sachsen,
den Bruder des Kurfürsten Christian II. und nachmaligen Kurfürsten,
erkauft wurde und welcher wiederum Übereinstimmung mit dem
Prunkharnisch des Kaisers Rudolf II. († 1612) im Kaiserl. Königl.
Artillerie-Arsenal-Museum zu Wien zeigt. Alle drei sind nach
Zeichnungen eines der süddeutschen Maler Christof Schwarz
(† 1597), Hans Mielich († 1579), Johann von Aachen, Box-
berger, Friedrich Suatris
und anderer, welche Entwürfe für die
Werkstätten der Waffenschmiede lieferten, angefertigt, und da sich
nun aktenkundig ermitteln lieſs, daſs die zweite derselben von
„Antoni Pfeffern“ (d. i. Anton Pfeffenhäuser) für Johann
Georg I. zu Augsburg geschlagen worden, so hätten wir als den
Meister aller dieser drei Prachtrüstungen den seiner Zeit schon hoch-
berühmten Pfeffenhäuser in Augsburg — dessen Bild auf einer
Medaille erhalten ist — gefunden, also denselben Meister, der schon
zu Zeiten des Kurfürsten August, mehr aber noch zu denen der
beiden Christiane der berühmteste Plattner in Augsburg sein muſste,
da alle besseren Rüstungen, die in den letzten 25 Jahren des
16. Jahrhunderts und den ersten des 17. von den äuſserst kunst-
sinnigen und prunkliebenden sächsischen Fürsten angeschafft wurden,
ausschlieſslich von ihm herrühren, und alle im Historischen Museum
noch vorhandenen, ihm oder seiner Werkstatt sicher angehörenden,
die höchste Vollkommenheit erkennen lassen. Jedenfalls hatte
Pfeffenhäuser die tüchtigsten Kräfte zur Seite, deren ja immer
mehrere zur Herstellung solcher Kunstwerke sich die Hand reichten:
treffliche Zeichner, Treiber und Ätzmaler.“


Im Paradesaale des Dresdener Museums befinden sich noch
mehrere vorzügliche Rüstungen Anton Pfeffenhäusers, so der
unter Nr. 1 aufgeführte vollständige, blankeiserne Prachtharnisch
zum Freiturnier; Nr. 3 eine vollständige Rüstung für Mann und Roſs
zum Freiturnier, blank und reich verziert, für Kurfürst Christian I.,
[363]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
die auch bei dessen Leichenbegängnis 1591 von dem Freudenritter
vorgetragen wurde; ferner Nr. 7 ein streifig geätzter, teilweise ver-
goldeter, vollständiger Harnisch, der angeblich dem Herzog Johann
Wilhelm zu Weimar († 1573) angehört haben soll. Am bedeutend-
sten ist aber auſser der oben beschriebenen Rüstung Christians II.
die schon erwähnte Prunkrüstung (Nr. 6) des Herzogs, nach-
maligen Kurfürsten Johann Georg I. Von schwarzem Grunde heben
sich getriebene und vergoldete, äuſserst gefällig angeordnete Ver-
zierungen ab, welche die gröſste Verwandtschaft mit denen auf dem
Prunkharnisch Christians II. zeigen und die Zusammengehörigkeit
beider feststellen. Letztere wird auch durch die Erwerbung beider
Kunstwerke von einem und demselben Verkäufer, Heinrich Knopf
aus Münster — später in Nürnberg und Schleusingen — bestätigt.


Eines der herrlichsten Werke auf dem Gebiete der Stahltreib-
arbeit ist die Prunkrüstung Kaiser Rudolfs II. in der Waffen-
sammlung des österreichischen Kaiserhauses1). Der kunstvolle Har-
nisch ist nach dem Entwurfe des Münchener Malers Christof
Schwarz
ausgeführt2). Der Stahl ist im ganzen Grunde matt
gehalten, aus dem die nackten Körperteile blank hervortreten. Alles
als Bekleidung gedachte ist mit Gold tauschiert. Diese Tauschierung
ist von unaussprechlicher Zartheit. Auf der Brust sind die Thaten
des Herkules dargestellt. In der Mitte steht Herkules auf die Keule
gestützt, zur Rechten ist die Bändigung des Cerberus, zur Linken
der Kampf mit der Hydra dargestellt. Auf den beiden Vorder-
flügeln (Schulterschildern) erblickt man den Kampf des Herkules mit
Antäus, auf dem Rücken in der Mitte Herkules die beiden Säulen
haltend, zur Rechten die Einfangung des kretensischen Stieres, zur
Linken der Kampf mit dem nemäischen Löwen.


Von besonderm Interesse ist ein Harnisch Erzherzog Ferdinands
von Tirol in der Ambraser Sammlung, weil alle Wechselstücke zu
ihm erhalten sind 3). Er ist, wie aus den noch vorhandenen Rech-
nungen hervorgeht, gefertigt von dem berühmten Augsburger Plattner
Jörg Seusenhofer zu Innsbruck 1547. Die Rüstung (Fig. 102, a. f. S.)
ist getrieben, geätzt und mit vergoldeten Strichen und Emblemen,
heraldische Adler darstellend, verziert. Die Ätzarbeit wird Hans
[364]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Perckhamer in Innsbruck zugeschrieben. „Das Kunstwerk“ be-
zeichnet die Höhe der Epoche der Plattnerei, als man begann, die
Harnische durch Kombination einzelner Teile zu den unterschied-
lichen Turnierformen, wie zum Feldgebrauch, je nach Bedarf zu ver-
wenden. Durch die beigegebenen Wechselstücke war man im stande,
sechs bis sieben verschiedene Harnische zusammenzustellen. Diese

Figure 109. Fig. 102.


Methode der Wechselstücke kam
schon zur Zeit Kaiser Maximilians
auf und wahrscheinlich hat er selbst
die Anregung dazu gegeben. Auſser
als Prunkharnisch lieſs sich der Har-
nisch Erzherzog Ferdinands durch
die verschiedenen Wechselstücke für
folgende Kampfarten umstellen: für
das „Gestech über das Dill“, für das
„Freiturnier“, für das „Fuſsturnier“
und für das „Realgestech“. Der
deutsche Fuſskampf kam bekanntlich
um die Mitte des 16. Jahrhunderts
ab, doch ist er bei unserer Rüstung
noch berücksichtigt. Es würde zu
weit führen, den komplizierten Har-
nisch mit seinen Wechselstücken hier
zu beschreiben und verweisen wir des-
halb auf Boeheims Abhandlung.
Wir erwähnen nur, daſs der Küraſs
stark gewölbt, den Übergang zum
„Gamsbauch“ zeigt. Der Helm ist
burgundisch (bourgignot), und läuft
sein unterer gewulsteter Rand in den
aufgeworfenen Kanten des Kragens
um. Der Harnisch für den Fuſs-
kampf trägt die Jahreszahl 1547, als
Plattnerzeichen einen Stechhelm mit aufgesetztem S, das Meister-
zeichen von Hans Seusenhofer, dem Vater von Jörg, und als
Beschauzeichen den österreichischen Bindeschild (Fig. 103).


Reich und prächtig ist der von Quirin Leitner Tab. LVI ab-
gebildete Prunkharnisch Karls V. von ganz blauem Stahlgrunde, von
dem sich die aufgelegten ornamentalen Streifen von stark vergoldetem
Kupfer effektvoll abheben.


[365]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Eine herrliche Treibarbeit ist der in demselben Werke Tab. LXI
dargestellte Prunkschild, auf welchem die Erwerbung des goldenen
Vlieſses durch Jason dargestellt ist. Der Entwurf wird Hans Mie-
lich
(† 1575) zugeschrieben. Weitere hervorragende Werke der
Treibkunst ist der als „bouclier de la fortune“ bekannte pracht-
volle Schild, in der königlichen Waffensammlung zu Madrid, mit
einer Fortuna als Hauptfigur, auf dem der Name des Verfertigers

Figure 110. Fig. 103.


Matheus Trawen-Brys, eines niederländischen Künst-
lers, und die Jahreszahl 1543 eingeschlagen ist.


Der in Jubinals Werke (Tab. XII) abgebildete
Schild Karls V. wird dem Benvenuto Cellini zuge-
schrieben. Ebenso der prächtige, goldüberzogene Rund-
schild (Rundell) mit den vier Medaillons, Kämpfe der Lapithen und
Centauren und Szenen aus der römischen Geschichte darstellend
(Tab. VIII).


Eine schöne Sturmhaube desſelben Kaisers mit reichem Bilder-
schmucke, Szenen aus Virgils Äneis darstellend, befindet sich in
der Wiener Sammlung.


Die hohen Kämme, welche im 16. Jahrhundert Mode wurden,
sind meist mit der Haube aus einem Stücke getrieben. Es sind dies
erstaunliche Leistungen der Treibkunst.


Ein hervorragendes Werk dieser Kunst ist auch ein Sattel in
der Waffensammlung der Grafen zu Erbach, ein bewegtes Kampf-
bild darstellend. Derselbe soll dem Grafen Joachim von Ortenberg
angehört haben 1).


Betrachten wir diese, unsere Bewunderung herausfordernden,
Treibarbeiten vom technischen Standpunkte, so erscheint es uns fast
undenkbar, daſs dieselben in der schlichten Weise wie es in Burgk-
meyers
Bilde (Fig. 96) dargestellt ist, nur mit Hammer und Amboſs
dargestellt wurden, die feineren Zeichnungen erforderten jedenfalls
auſser zahlreichen und verschieden gestalteten Punzen eine weiche
Unterlage, sie wurden in einem Treibkitt ausgetrieben, als welcher
Pech, Wachs, oder bei Stahl zumeist Blei benutzt wurde. Eigentliche
Gesenke waren bei diesen komplizierten Kunstwerken kaum zu ver-
wenden, und auch die Zeichnung konnte dem Künstler nur wenig
Hilfe gewähren. Er war ganz auf sein künstlerisches Verständnis
angewiesen. An dieses wurden aber um so gröſsere Anforderungen
[366]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
gestellt, als er das Bild, welches er ausarbeitete, nicht wie der Bild-
hauer unmittelbar vor Augen hatte, sondern die Tausende von
Schlägen mit dem Treibhammer oder mit der Punze meist von der
verkehrten Seite führen muſste. Dazu kam noch die Schwierigkeit,
daſs bei längerem Kalttreiben das Eisen oder der Stahl spröde wurde
und immer neuen Ausglühens bedurfte. Unsere Stanzen und Pressen
waren jenen Künstlern unbekannt, selbst das Blech war nur mit dem
Handhammer ausgetrieben. Die Feile benutzte der Künstler bei
dieser Art von Arbeit kaum.


Die Treibarbeit beschränkte sich aber nicht auf die Ausschmückung
der Waffen allein, sondern sie wurde für mancherlei Kunstschmuck
benutzt. Ausgetriebene Stahlplatten wurden eingerahmt und wie
Bilder an die Wände gehängt. — Eine der berühmtesten Treib-
arbeiten war der Stuhl des Thomas Rücker1), welchen die Stadt
Augsburg für Kaiser Rudolf II. anfertigen lieſs. Derselbe befindet
sich jetzt zu Langford-Castle in England, wohin er den Weg aus der
Schatzkammer in Prag über Schweden, vermutlich im 30jährigen
Kriege gefunden hat. An diesem Stuhle sind die Rückwand, Seiten,
Armlehnen und Füſse in kleine Kreise oder längliche Vierecke von
der Gröſse eines Thalerstückes eingeteilt und diese in hocherhabener
Arbeit mit einigen Tauſend Figürchen gefüllt, welche fortlaufend die
Geschichte des römischen Reiches von dem Abzuge des Änäas von
Troja an, durch das König- und Kaisertum hindurch, mit der des
deutschen Reiches verbunden, bis auf die Zeiten Rudolfs II. dar-
stellen. An der Spitze der Rücklehne befindet sich das Stadtwappen
von Augsburg und die Aufschrift: Thomas Rucker fec. 1574.


War die mühselige Arbeit des Treibens vollbracht, so folgte die
kunstvolle Arbeit des Dekorierens. Biringuccios Schilderung giebt
davon schon eine Vorstellung. Dennoch wollen wir in kurzen Zügen
diese der heutigen Eisentechnik fremd gewordene Kunst kurz schildern.


Das farbige Anlassen, in dem die Meister der Plattnerkunst
eine so groſse Geschicklichkeit besaſsen, beruht auf bekannten Eigen-
tümlichkeiten des Stahls 2). Die blaue Anlauffarbe war die am meisten
gebräuchliche. Die tauschierten Mailänder Waffen zeichneten sich
durch mattgrauen Grund, gegen den die reiche Goldzier wohlthuend
abstach, aus.


Auſserdem aber färbte man das Eisen durch Glühen und Beizen
und zwar braun und schwarz. Die schwarze Farbe ist dem Eisen
[367]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
am natürlichsten und bildet sich von selbst bei jedem reduzierenden
Glühen, wie es beispielsweise bei der Herstellung der Schwarzbleche
geschieht. Die schwarze Farbe wird hierbei durch das Eisenoxydul-
oxyd hervorgebracht. Dies erreichte man am einfachsten durch
das Glühen in Holzkohlenpulver; ein beliebtes Mittel war aber auch
Ochsengalle, welche dem Stahl nach dem Ausglühen einen Moschus-
geruch verlieh. Eine intensivere Schwärze erreichte man durch die
Erzeugung eines schwachen Überzuges von Schwefeleisen, wofür man
vielerlei Rezepte hatte, z. B. ein Gemisch von Kalk und Schwefel,
oder Spieſsglanz für sich aufgetragen u. s. w. Die Farbe lieſs sich
glänzender hervorheben durch einen Firnis von Leinöl oder durch
Bernsteinlack. — Schwarze Rüstungen, mit vergoldeten Knöpfen ge-
ziert, waren in Italien, besonders in Venedig, schon gegen Ende des
15. Jahrhunderts Mode. Im Laufe des 16. Jahrhunderts, besonders
gegen Ende desſelben, wurden sie auch in Deutschland beliebt. Die
Dresdener Sammlung ist besonders reich an schwarzen Rüstungen
aus dieser Zeit.


Das Brunieren oder Braunbeizen des Stahles geschah mit der
sogenannten „Spieſsglanzbutter“, einer Lösung von Schwefelantimon
in Salzsäure. Der weiche, ungehärtete Stahl wurde mit dem Polier-
stahl glatt gerieben, und dann die Spieſsglanzbutter mit Baumöl ver-
mischt auf die völlig trockene Fläche mit einem Pinsel dünn und
gleichmäſsig aufgetragen. Die Geräte wurden in einem warmen
Raume abtrocknen gelassen und dann mit Öl und einem wollenen
Lappen abgerieben. Von diesen blauen, schwarzen oder braunen
Grundflächen hoben sich die goldenen, silbernen oder kupfernen
Verzierungen prächtig ab. Auf die einfache Vergoldung und Ver-
silberung brauchen wir nicht näher einzugehen, sie sind genügend in
dem angeführten Kapitel des Biringuccio beschrieben.


Hieran reiht sich unmittelbar die Ätzmalerei, welche im Jahre
1512 von Albrecht Dürer erfunden wurde und im 16. Jahr-
hundert sich zur höchsten Vollendung entwickelte. Ätzmaler nannte
man diejenigen Künstler, welche es verstanden, die reichen Arabesken,
Friese u. s. w., zu welchen häufig die bedeutendsten Maler jener Zeit,
wie Dürer, Albrecht Altorfer, Sebald Beham, Jost Ammon,
Virgil Solis, Peter Flötner
und vor allem Heinrich Alde-
grewer
die Entwürfe gemacht hatten, auf den Stahlgrund zu über-
tragen. Hierüber erschien bereits 1567 ein Kunstbüchlein, „wie man
auf Marmelstein, Kupfer, Messing, Zihn, Stahl, Eisen, Harnisch und
Waffen etc. etzen und künstlich vergülden soll etc., durch Andream
[368]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Helmreich von Eisfeld, Rechenmeister und Stuhlschreiber zu Halle.
Leipzig 1567“.


Das Ätzen der auf einem Ätzgrunde hergestellten Zeichnungen
geschah mittels des Ätzwassers, einer sauren Flüssigkeit, für die es
vielerlei Rezepte gab. In der Regel ätzte man den polierten Grund
schwarz und lieſs die Zeichnung blank. Schöne Rüstungen dieser Art
sind im germanischen Museum in Nürnberg (aus der Sulkowskischen
Sammlung). Noch eine andere uralte Kunst blühte in jener Zeit wieder
herrlich auf, die Tauschierung (tausia, opus mallei), die gediegenste
Art der Metallverzierung. Wir haben derselben im ersten Bande
bereits an vielen Stellen Erwähnung gethan. Gerade die Germanen
scheinen an dieser Art der Metallverzierung die gröſste Freude ge-
habt zu haben, es ist wenigstens ganz erstaunlich, wie viele tauschierte
Arbeiten, und zwar zumeist Silber in Eisen tauschierte, in den fränki-
schen und alemannischen Gräbern gefunden werden. Die Tauschierung
geschah in zweierlei Weise: entweder mit dem Rauhhammer und
aufgeschlagener dünner Folie von Gold oder Silber, wie bei der
früher beschriebenen (Bd. I, S. 284) „Bratzkischen Arbeit“, welche
besonders für gröſsere Flächen geeignet war, oder mit eingegrabenen
Linien, welche mit Gold-, Silber- oder Messingdraht ausgelegt und
ausgeschlagen wurden. Eine seltenere, aber sehr solide Art der Tau-
schierung an Schwertgriffen u. s. w. bestand darin, das Eisen bis zu
gewisser Tiefe förmlich aufzuspalten und ein Stück Blech oder einen
dickeren Draht einzulegen und dann das Ganze wieder, wahrschein-
lich kalt, abzuschmieden. In der Tauschierung hatten die altdeutschen
Schmiede bereits Herrliches geleistet. Im eigentlichen Mittelalter
war diese Kunst in Europa sozusagen verloren gegangen, aber im
15. Jahrhundert gelangte sie zuerst in Italien wieder zu hohem An-
sehen. Der gröſste Künstler darin war ein Venetianer Paolo Azzi-
mina
, und angeblich soll man nach ihm diese Art der Metalldeko-
ration, in der sich nachmals viele Künstler auszeichneten, lavora all’
azimina genannt haben.


Auſser Azzimina selbst waren in dieser Kunst im 16. Jahr-
hundert besonders hervorragend Paolo Rizzo in Venedig und die
schon früher erwähnten Waffenschmiede Filippo Nigroli und seine
Brüder, die für Karl V. und Franz I. arbeiteten, die Piccininis,
Romero
und andere. Auch in Frankreich fand gerade diese Art
der Arbeit und zwar diejenige, welche mehr auf die künstliche
Damaszierung, also auf die Arbeit mit dem Rauhhammer hinaus-
kommt, groſsen Beifall und Verbreitung. In Deutschland leisteten
[369]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
besonders die Augsburger Groſses in dieser Kunst. Das Zeichen der
Augsburger Tauschierer war ein Pinienapfel (siehe unten).


Eine andere Kunst der Metallverzierung, in welcher die Italiener
das Gröſste geleistet haben, war das „Niello1). Es ist dies etwas

[figure]


Ähnliches, wie die Tauschierung. Bei ihr wurde eine dunkel
gefärbte Metalllegierung in dem eingegrabenen hellen Metall-
grunde eingeschmolzen. Diese Ausfüllungsmasse war meist
ein Schwefelmetall, Schwefelsilber und Schwefelkupfer, oder
ein Gemenge von Silber, Kupfer, Blei, Schwefel und Borax, wie es bei
den sogenannten „Tulaarbeiten“ noch gebräuchlich ist. Das Wort Niello
(von nigellum, Schwärze) bedeutet ursprünglich eine aus Metallen und
Schwefel zusammengeschmolzene schwarze Masse, welche von altersher
angewendet worden ist, um Silber zu färben. Nach Plinius (Hist. nat.
XXXIII, 46) bedienten sich schon die Ägypter zum Färben und Mat-
tieren des Silbers einer Mischung von Silber, Kupfer und Schwefel zu
gleichen Teilen. Des Theophilus Angaben sind im ersten Bande, S. 976
mitgeteilt. Cellini nahm 1 Unze Silber, 2 Unzen Kupfer, 3 Unzen Blei
und Schwefel „soviel wie eine geballte Hand“. Zur Zeit der Renais-
sance grub man Linien und Zeichnungen in das Metall (Gold oder
Silber), bedeckte diese gravierte Platte mit der zu kleinen Körnern
zerstampften und mit Borax gemischten Niellomasse, brachte diese
auf Holzfeuer in Fluſs, putzte nach dem Erkalten diese Masse von
der Oberfläche wieder weg und gab dem in den Vertiefungen fest-
sitzenden Schwarz durch Politur Glanz. Solche dekorierte Metall-
platten wurden Niello genannt 2)


Das „Niello“ grenzte wieder unmittelbar an das „Email“. Hier-
für wurde ein leichtflüssiges, bunt gefärbtes Silikat ein- oder auf-
geschmolzen. Diese Art der Verzierung war indessen für mittel-
alterliche Bewaffnung, ihrer geringeren Haltbarkeit wegen, in nur
beschränkter Anwendung.


Eine andere Kunst der Eisenbearbeitung, welche heutzutage fast
ganz verschwunden ist, stand im 16. Jahrhundert auf der höchsten
Stufe ihrer Entwickelung, es war dies die Schneidekunst oder
Glyptik (scalptura). Diese mühevolle Technik ist hauptsächlich
durch die Gieſskunst verdrängt worden, bei welcher man die ver-
zierten Formen modelliert, abgieſst und, wenn nötig, mit der Feile
nacharbeitet. Bei der alten Schneidekunst aber verwendete man
Beck, Geschichte des Eisens. 24
[370]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
ein nur im Rauhen vorgeschmiedetes Stück Schmiedeeisen oder Stahl
und arbeitete daraus, wie der Bildhauer aus dem Marmor, die
Verzierungen und Figuren mit Meiſsel und Grabstichel heraus. Da-
durch hatte die Arbeit den reinen Charakter der Kunst, und auf
keinem Gebiete hat der geniale Benvenuto Cellini wohl so Groſses
geleistet, als in der Stahlschneidekunst. Bei den Degengriffen war
die geschnittene Stahlarbeit besonders beliebt, und eine der schönsten
Schneidearbeiten, die Benvenuto zugeschrieben werden, ist der als
l’epée au mascaron bekannte Degen der Armeria Real in Madrid.


Die Figuren treten herrlich hervor, voll Leben und Ausdruck.
Die Klinge zeigt das Waffenschmiedezeichen , welches nicht als
toledanisch bekannt ist. Ein schön geschnittener Griff mit pracht-
voller Tauschierung eines Degens Kaisers Karl V. befindet sich in

Figure 111. Fig. 104.


der Wiener kaiserlichen Waffensammlung
(siehe Fig. 104). Die Hilze ist von Elfen-
bein. Auf dem geschnittenen Knopfe ist
der heilige Georg im Kampfe mit dem
Drachen dargestellt, während der durch-
brochene Bügel in Löwenköpfen ausläuft
und Kämpfe der Lapiden und Centauren
zeigt. Der geschnittene Stahl ist tauschiert
und vergoldet.


In der Regel waren es Schwertfeger,
welche diese kunstvollen Griffe anfertigten.
Zwei in dieser Kunst berühmte Meister
des 16. Jahrhunderts lebten in Torgau 1),
es waren die Meister Franz und Paul, von
denen sich eine ganze Sammlung von Rap-
pieren und Dolchen mit aus Eisen geschnittenen Griffen, woran sich
figurenreiche Bilder aus dem Alten und Neuen Testamente (z. B.
die Geschichte vom verlorenen Sohn, die Geburt Christi, Adam und
Eva, die Geschichte Josephs, Moses und die Israeliten u. s. w.),
mythologische Darstellungen, Jagdstücke, Wappen und das Mono-
gramm des Kurfürsten August und dessen Gemahlin Anna (zwei
gegeneinander gestellte und verschlungene A) vorfinden. Für ein
derartiges Rappier erhielten die Meister 100 Gulden.


[371]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Auch die Kunst des Eisenschneiders beschränkte sich nicht auf
die Ausschmückung der Waffen, sie fand mancherlei Anwendung zur
Dekoration. So wurden namentlich eiserne Thürklopfer, Pfortenringe
und Feuerböcke häufig mit reicher geschnittener Arbeit verziert. Ab-
bildungen schöner Arbeiten finden sich bei Labarte, Viollet le
duc, v. Hefner-Alteneck
1) und anderen.


Wir wollen hier eine übersichtliche Zusammenstellung der be-
kannten Plattner dieses Zeitabschnittes folgen lassen:


Von Italienern 2) nennen wir in erster Reihe die berühmten
Glieder der Familie Nigroli oder Negroli in Mailand: Petrajolo
und sein Sohn Tomaso da Missaglia, welche die Marken (Fig. 105 a)
führen und Tomasos Sohn Antonio da Missaglia, welcher 1492
ebenfalls als Herzoglicher Hofplattner starb, von welchem die Zeichen
(Fig. 105 b) bekannt sind. Zu derselben Familie gehörten in der Mitte
des 16. Jahrhunderts die drei bekannten Brüder Francesco, Gia-

Figure 112. Fig. 105

a.


Figure 113. Fig. 106

a.


Figure 114. Fig. 105

b.


Figure 115. Fig. 106

b.


como und Philipp Nigroli. Francesco arbeitete für den kaiser-
lichen und mantuanischen Hof und war im Hofstaate des Kaisers
angestellt, während die beiden andern Brüder meist zusammen für
den kaiserlichen Hof, für Frankreich und die Herzöge von Savoyen
und Urbino arbeiteten; sie führen das Zeichen Fig. 106 a, zeichnen
aber meistens mit vollem Namen Fig. 106 b.


Zu Florenz wirkte gegen Ende des 15. Jahrhunderts Viviani
Michelagnolo
für Julian von Medici. Ein anderer hervorragender
Mailänder Plattner um die Wende des 15. Jahrhunderts war Bernar-
24*
[372]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
dino Cantoni, der für Kaiser Maximilian I. beschäftigt war. Ein
berühmter Mantuaner aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts war
Caremolo di Modrone (geb. 1489, gest. 1543), der für den spani-
schen und mantuanischen Hof thätig war. Ein römischer Tausiator,
der um 1520 für den mantuanischen Hof arbeitete, war Vincenzo
Valerio
; berühmter war Giov. Pietro Figino (um 1540) in Mailand.
In Florenz wirkten um diese Zeit als Treibarbeiter und Tausiatoren
die Gebrüder Lani, Adriano (um 1530) und Aluigi. Um die Mitte
des Jahrhunderts zeichneten sich aus der Plattner Lorenzo Guiano
in Brescia, und Repa und der bedeutende Treibarbeiter Piripe, später
Pifano, genannt Tacito, in Florenz. In Mailand arbeitete der
Bolognese Hieronymus Spacini als Treibarbeiter für Karl V. und
Antonio Giov. Biancardi; ferner Bartolomeo Campi, hervor-
ragend als Goldschmied, Treibarbeiter und Kriegsingenieur. Er diente
der Republik Venedig, Guidobald II. von Urbino, Heinrich II. von
Frankreich und zuletzt Philipp II. von Spanien, in dessen Diensten
er 1573 vor Harlem starb. Von ihm befindet sich ein für Karl V.
(um 1550) getriebener Prunkschild in Madrid. Giovanni Serabaglia,
aus der Familie der Busti, arbeitete als Waffenschmied und Tausiator
(um 1560) für Erzherzog Ferdinand von Tirol. Um diese Zeit war
der Verfertiger eines berühmten Prunkschildes, Giov. Battista Ghisi,
genannt Mantuano (geb. 1503, gest. 1575), in Mantua thätig. Plattner
der zweiten Hälfte und des Endes des 16. Jahrhunderts waren Ber-
nardo Civo
(um 1560), ein Schüler des Biancardi, und Bellino
Ferrante
(um 1570), ferner Lucio Piccinino, aus einer bekannten
Waffenschmiedfamilie, der 1550 bis 1570 als Waffenschmied, Treib-
arbeiter und Tausiator für Karl V. und Allessandro Farnese, wie
die Vorhergenannten, in Mailand thätig war. Ebendaselbst arbeiteten
Pompeo Turcone (um 1580) und Pompeo della Chiesa, könig-
licher Plattner, Treibarbeiter und Tausiator, welcher um 1590 für den
spanischen Hof beschäftigt war, und Antonio Romero um dieselbe
Zeit gleichfalls in Mailand für Alfonso II. d’Este von Ferrara. Auſser
den schon angeführten zeichneten sich noch als Tausiatoren aus
Damianus de Neron (um 1550) in Venedig, Bartolomeo Pietti
(um 1560) in Mailand, und ebendaselbst Franzesco Pillizone, ge-
nannt il Basso; besonders aber Paolo Rizzo, auch unter dem Namen
Paolo Azzimina (um 1580) in Venedig. Im Zeichnen und Ent-
werfen von Waffen erwarben sich besonderen Ruhm Polidore de
Carravaggio
(Caldara), ein Schüler Raphaels, der um 1530 viele
Degengriffe entwarf.


[373]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Frankreich hat nur wenige Plattner von Bedeutung hervor-
gebracht, aber seit Ludwig XI. waren die französischen Könige be-
müht, fremde Meister der Waffenschmiedekunst in ihr Land zu ziehen.
Die meisten derselben waren Mailänder, die nach Frankreich aus-
wanderten. Der berühmteste Plattner Ludwigs XI. war Thomas de
Milan
, der 1466 bis 1471 für ihn in Lyon arbeitete. Nicolo Spi-
nelli
, auch Nicolas de Florence genannt, fertigte ebenfalls zu Lyon
um 1485 kostbare Degengriffe. Unter König Franz I. arbeitete Am-
broise Caron
aus Mailand als Plattner zu Bordeaux und Franzesco
Forcia
als Tausiator (1537 und 1538) zu Lyon. Berühmt als Tausia-
toren waren die Glieder der Familie Gambeo in Mailand, Lyon und
Paris. Die beiden Brüder Battista und Cesare, die besonders
wegen ihrer Degengriffe renommiert waren, verlieſsen 1549 Lyon,
um in Paris in den Dienst des Königs zu treten. Um dieselbe Zeit
lebte in Paris ein tüchtiger Tausiator Germain Pilon.


Von viel gröſserer Bedeutung für die Entwickelung der Plattner-
kunst waren die burgundischen Meister, welche die prachtliebenden
und streitbaren Herzöge Philipp der Gute und Karl der Kühne an
ihren Hof gezogen hatten, und welche die Gründer einer niederländi-
schen Plattnerschule wurden, die in Brüssel ihren Hauptsitz hatte.
Chastel Thierry zu Brüssel war Hofplattner Philipps des Guten
1432/33, neben ihm arbeitete Jehan Wisseron 1423 bis 1440 eben-
falls für den Herzog und ebenso wird Massin de Fromont 1438
bis 1440 als Hofplattner genannt. Guérart de Haynau war Waffen-
schmied Herzog Philipps 1444. Bei dem Regierungsantritte Karls des
Kühnen zählte Burgund eine Reihe hervorragender Plattner; da waren
um 1460 Lancelot de Vestale und Lancelot de Gindertale Hof-
plattner zu Brüssel und andere. Von der berühmten Plattnerfamilie Du
Cornet
arbeiteten um 1468 für den Herzog Baltasar zu Brügge und
Valentin zu Valenciennes. Ambroise Ruphin war um 1470 ein
berühmter Plattner in Brüssel. Durch den Sturz Karls des Kühnen
erlitt das blühende Gewerbe der Waffenschmiede in Burgund einen
Stoſs. Aber nachdem Maximilian Erbe des nördlichen burgundischen
Reiches, wo diese Industrie ihren Sitz hatte, geworden war, blühte es
wieder empor. Um ihm aufzuhelfen, veranlaſste der Kaiser zwei Brüder
aus der Plattnerfamilie Merate in Mailand, Gabriel und Franzesco,
in seinen Dienst 1495 nach Flandern auszuwandern, und waren die-
selben bis 1509 in Arbois thätig. Neben diesen werden Pierre
Wambaix
und Jehan Watt 1496 als Plattner in Brüssel genannt.
Hervorragend aber war Francis Scroo von 1480 bis 1496 Hofplattner
[374]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Maximilians I. in Brüssel. Jaques Merveilles war 1510 Plattner
in Tours. Nach Maximilians Zeit ging das niederländische Plattner-
gewerbe wieder zurück; die Waffenschmiede verlegten sich mehr auf
die Büchsenmacherei. Dagegen zeichneten sich die Maler Hans Bol
(† 1583) und Jacob de Gheyn (1565 bis 1615) durch Entwürfe für
Waffendekorationen und Zeichnen von Prunkwaffen aus.


In Deutschland erblühte das Plattnergewerbe, wie wir gesehen
haben, hauptsächlich in den drei Städten Innsbruck, Nürnberg und
Augsburg. In Innsbruck hatte Erzherzog Sigmund von Tirol (1439
bis 1490) die Kunst in Aufnahme gebracht. Die Plattnerfamilie
Treytz [P. Z. 1), Fig. 107 b] lieferte vortreffliche Harnische, die nach
allen Ländern Europas gingen. Sie zeichneten sich bei aller Fein-
heit und Eleganz der Arbeit durch ungewöhnliche Härte aus, so daſs
sie bei geringer Schwere den Leib vor den stärksten Pfeilen zu

Figure 116. Fig. 107

a bis r.


schützen vermochten. Aber diese in der Familie als Geheimnis be-
wahrte Kunst ging, wie im Weiſs-Kunig berichtet wird, nach ihrem
Erlöschen verloren und wurde erst wieder durch Maximilian mit
Hilfe seines Leibharnischmachers, der es in seiner Jugend von den
Treytz gelernt hatte, aufgefunden. Von den Treytz war der älteste
Konrad, der schon vor 1469 verstarb, ihm folgte Jörg, der von 1469
bis 1478 thätig war, Christian war um 1484 bedeutend, der Hervor-
ragendste aber war Adrian 1469 bis 1517, dessen Werkzeichen
dieses war: 


[375]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Wie die Treitz unter Erzherzog Sigismund, so waren es die
Seusenhofer unter den Kaisern Maximilian und Ferdinand, welche
die Plattnerei zu Innsbruck nicht nur in ihrem alten Ruhm erhielten,
sondern denselben noch vermehrten. Konrad Seusenhofer er-
scheint als Plattner zu Innsbruck urkundlich zuerst 1502, in welchem
Jahre Kaiser Max ihm eine Arbeit übertrug, 1504 war er Hofplattner
und 1506 wurde ihm der Neubau der Hofplattnerei übertragen. Er
starb im Jahre 1518. Gleichzeitig mit ihm lebten in Innsbruck
Matthäus und Hans Seusenhofer, beide Plattner, letzterer ur-
kundlich ein Bruder des Konrad. Nach Konrads Tode wurde
Hans Seusenhofer Hofplattner und Leibharnischmacher. Er starb,
85 Jahre alt, im Jahre 1555. Sein Amt und Ruhm gingen auf
seinen berühmten Sohn Jörg (P. Z., Fig. 107 e) über, welcher die
vorerwähnte Rüstung Erzherzog Ferdinands von Tirol und die be-
kannte Rüstung König Franz I. von Frankreich, welche im Museum
des Louvre steht, verfertigte. Die letzterwähnte Rüstung wurde
zwar im Auftrage des Königs ausgeführt, kam aber nicht zur
Ablieferung und gelangte infolgedessen später in die Ambraser
Sammlung, von wo sie Napoleon I. 1809 wegnehmen und nach
Paris verbringen lieſs. Verkehrterweise wurde sie immer als ita-
lienische Arbeit bezeichnet. Ein Vetter Jörgs war jener Wilhelm
Seusenhofer
, der nach Augsburg übersiedelte, wo er 1555
als Bürger und Plattner vorkommt. Von österreichischen Platt-
nern nennen wir noch Heinrich Obresch in Gratz um 1590
(P. Z., Fig. 107 q).


In hoher Blüte stand auch die Plattnerei in München, wo sie
von den bayerischen Herzogen gepflegt wurde. Ambrosius Gemlich
(um 1530) und J. A. v. Schönberg waren bekannte Meister. In
den Rechnungen für an den König Philipp II. gelieferte Harnische
kommt wiederholt ein Münchener Meister Bolfe, Bulff, Vulff (viel-
leicht Wolf?) vor. Derselbe erhält 1551 für eine Rüstung einmal
250 Escudos de oro, nach spanischen Hofrechnungen. Ferner erhält
ein Münchener Plattner (mailleur) für gewisse Waffenstücke 114 Esc.
Genannt werden ferner als Hofplattner der Herzöge von Bayern
1578 Martin Hofer und 1592 Paulus Schaller und im Jahre 1600
erhielt Anton Miller, „Plattner zu Augsburge umb gemachte Küraſs
für ihre Durchlaucht Herzog Maximilian und Albrechten zu Bayern
zum Freirennen 140 Gulden“.


Auch in Landshut blühte die Kunst. Ein hervorragender Plattner
daselbst war Franz Groſsschedl (P. Z., Fig. 107 h). Dieser lieferte
[376]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
1568 für die jungen Herzöge Wilhalmb und Ferdinand von Bayern
sechs Kürasse, wofür er nach einer Hofrechnung 1325 Gulden
4 Schilling 3½ Denar erhielt 1). — Nach Dresden wurden viele
Plattner durch die sächsischen Kurfürsten gezogen. Folgende
Dresdener Meister sind bekannt: Hans Undeutsch (1560), Peter
von Speyer
(1560) (P. Z., Fig. 107 l), Wolf Beppighorn (Peppingen-
horn, Bebinckhorn)
aus Kassel (1577 bis 1591), Hans Rosen-
berger (Rockenberger)
, der 1543 Bürger in Dresden wurde. Er
arbeitete für die Höfe des Kaisers, der Rheinpfalz, von Sachsen und
Mecklenburg bis 1570 und Sigmund Rockenberger, der 1554 Hof-
plattner wurde, bis 1572, ferner Wolf Pahlen (Pohlen), Hans
Dätschner
. Unter diesen ragte namentlich Peter von Speyer
aus Annaberg hervor, von dem sich verschiedene Rüstungen, darunter
zwei prächtige Knabenrüstungen, in dem Königl. Museum in Dresden
befinden. Von demselben Meister, der aber als ein Augsburger Plattner
aufgeführt wird, ist eine schöne Rüstung vom Jahre 1560 im Berliner
Zeughause. Jedenfalls ein Verwandter des Vorgenannten war der
nicht minder berühmte Meister Wolf von Speyer zu Annaberg, der
viel für Kurfürst Moritz von Sachsen arbeitete. Mehrere schöne
Rüstungen sächsischer Ritter und Fürsten im Turniersaale des Königl.
Museums rühren von ihm her. Ebenso im Schlachtensaal ein schwarzer
Trabharnisch mit einem vor dem Kruzifix knieenden und betenden
Ritter in Ätzarbeit, „um 20 Gulden auf des Kurfürsten Leib ge-
schlagen“.


In dem blühenden Nürnberg setzten die Söhne des alten Wilhelm
von Worms
(P. Z., Fig. 107 a), besonders einer, welcher den Vornamen
des Vaters trug, die Kunst desſelben fort. Er war Hofplattner
Karls V. Von gleicher Profession und Geschicklichkeit war sein
Schwager Valentin Siebenbürger (P. Z., Fig. 107 k), der 1531
Meister wurde und „des Vatters Kunst und Kundschaft trefflich be-
förderte“. Er starb nach 1547. Ein berühmter Meister der alten
Zeit war Hans Grünwald (P. Z., Fig. 107 d), der 1503 starb; ebenso
Veit mit der Marke: (P. Z., Fig. 107 n). Ein hervorragender Eisen-
schneider und Plattner war Kunz Lochner (P. Z., Fig. 107 g). Neu-
dörfer
berichtet von ihm 2): „Er machte aus Stahl und Eisen aller-
hand schöne Werke und zwar dermaſsen künstlich, indem er solche
gar trefflich zu treiben wuſste, daſs sie der Arbeit von Silber gleich
geachtet wurden. Maximilian, der damalige Herzog von Österreich,
[377]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
gab ihm, um diese seine Kunst noch weiter zu bringen, eine jähr-
liche Pension. Er starb am 23. August Anno 1567.“ Bekannt sind
ferner noch Hans Becher († 1589), Hans Ringler (um 1560)
(P. Z., Fig. 107 o) und Martin Rotschmied († 1597) (P. Z., Fig. 107 p).
Zur höchsten Entwickelung kam die Plattnerkunst in Deutschland
in Augsburg. Des Lorenz Plattner, welchen Kaiser Maximilian
nach Innsbruck berief, haben wir schon gedacht. In dem alten Augs-
burger „Achtbuch“ wird sein Name bei dem Jahre 1470 gefunden.
Umgekehrt wanderte Wilhelm Seusenhofer von Innsbruck nach
Augsburg aus und wurde hier ein berühmter Meister. Er war von
Karl V. und Ferdinand I. hoch geschätzt wegen seiner besonders
prunkvollen Rüstungen, die reich mit Gold verziert waren, welche
Arbeiten von Augsburger Goldschmieden ausgeführt wurden († 1547).
Von der Familie Helmschmied, mit dem Zunamen Kolman, haben
wir schon berichtet. Lorenz († 1516) (P. Z., Fig. 107 c), Kolman
(† 1532) (P. Z., Fig. 107 f), der berühmteste aber war dessen Sohn
Desiderius Kolman Helmschmied um 1552, von dessen Werken
viele der schönsten in das Ausland gingen. Ebenso haben wir den
Anton Peffenhauser (P. Z., Fig. 107 m), von dem sich Pracht-
arbeiten in der Dresdener Sammlung befinden, schon erwähnt. Er
arbeitete auch für den bayerischen Hof. Nach einer Rechnung im
bayerischen Staatsarchiv von 1550 erhielt er „umb 7 Küraſs sambt
Zubehör für den Ritter Jörgen (von Bayern) auf den Corporis-Christi-
Tag 577 Gulden 47 Kreuzer“.


Andere berühmte Augsburger Plattner waren Hans Maystetter,
der auſser in Augsburg auch in Gratz und Wien thätig war und 1510

[figure]


von Maximilian I. bestellt wurde, ferner Hans Frauen-
breis (Frauenpreiſs)
(P. Z., Fig. 107 i), der Vater, und
Matthäus Frauenbreis, dessen Sohn (1549 bis 1575);
beide zeichnen (siehe nebenstehend).


Meister Hans arbeitete um 1551 für Philipp II. von Spanien;
Martin Marquart um 1568 für Kaiser Maximilian II., und Konrad
Richter
um 1551 für den kaiserlichen und den tirolischen Hof. Ein
Plattner, Wilhelm Brabenter, wahrscheinlich aus Solingen, lebte
gegen Ende des 16. Jahrhunderts.


Bedeutende Maler beeinfluſsten die Plattnerkunst und zeichneten
für dieselbe. An ihrer Spitze steht Albrecht Dürer (1471 bis 1523)
in Nürnberg, sodann Nikolaus und Albert Glockendon (1514 und
1532), ebenfalls zu Nürnberg, Heinrich Aldegrever zu Soest (1502
bis 1558), Hans Baldung, genannt Grün, in Straſsburg (1470 bis
[378]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
1545), Hans Burgkmair zu Augsburg (1473 bis 1531), in Diensten
Maximilians I. und Karls V., Hans Holbein (1498 bis 1554), Jörg
Sorg
zu Augsburg (mit dem Zeichen Fig. 107 r), Schwager des Kol-
man Helmschmied
, zeichnete für diesen und dessen Sohn Desi-
derius
Harnische, darunter solche für Maximilian II., Virgil Solis
zu Nürnberg (1514 bis 1562), ausgezeichnet als Ornamentist und
Zeichner von Prunkwaffen, ferner Hans Milich in München († 1572),
Christof Schwarz in Ingolstadt († 1594), Theodor de Bry in
Frankfurt a. M. (1528 bis 1598), Johann von Achen in Köln († 1600),
Johann Boxberger zu Salzburg, Augsburg, Landshut und München,
und Matthias Zundt zu Nürnberg.


Als Ätzmaler waren ausgezeichnet Albert Glockendon (1532),
Augustin Hirschvogel (1503 bis 1553), Daniel und Georg Hopfer
(um 1566) in Augsburg, Mathias Kinig in Innsbruck (um 1560),
Hans Polhammer, ebenfalls in Innsbruck (1547 bis 1564), Hans
Sramayr
in Wien (um 1580).


Als Eisenschneider zeichnete sich auſser den schon genannten
Kunz Lochner und Thomas Rücker noch Othmar Wetter aus, der
um 1590 in München und Dresden prächtige Schwert- und Degen-
griffe schnitt. Als Vergolder verdient noch Jacob de Morales, von
Geburt ein Spanier, im Dienst Ferdinands I., genannt zu werden.


Heinrich VIII. von England war ein groſser Waffenliebhaber 1).
Damals bezogen die Engländer ihre Waffen noch gröſstenteils aus
dem Auslande, namentlich aus Deutschland und Italien. König Hein-
rich legte bedeutende Waffenfabriken in England an und engagirte
dafür fremde Waffenschmiede. Ferner richtete er groſse Waffenlager
oder Zeughäuser ein zu Westminster, Greenwich und im Tower. Die
hervorragenden Waffenschmiede waren fast sämtlich Deutsche. In
Greenwich befand sich eine ganze Kolonie derselben, the Almain
armourers, welche die „deutsche Waffenfabrik“, die wichtigste Eng-
lands, bildeten. An der Spitze derselben stand der berühmte Waffen-
schmied Asamus, eigentlich Erasmus Kirchner (Kyrkener,
Kerkener)
, dessen Vorname in Asamus verketzert wurde. An der
Spitze des Zeughauses von Westminster stand des Königs Hofwaffen-
schmied Hans Hunter, dem Vornamen nach gleichfalls ein Deutscher.
Schon König Heinrich VII. hatte fremde Waffenschmiede nach Eng-
land gezogen. Darunter werden genannt zwei Franzosen, Philipp
de Vigne
und Ralph de Pontew, „makers of brigantines to the
[379]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
king“, ein Spanier Vincent Tutellar (Tenteler, Tutolez), welcher
einen Jahresgehalt von 20 Pfund Sterling bezog. Von englischen
Waffenschmieden werden John Smyth und Robert Lytton in jener
Zeit erwähnt. Unter Heinrich VIII. werden von englischen Waffen-
schmieden William Gurre (brigantine maker), Andrew und Ralph
Brand, Richard Pelland
und John Diconson und von fremden,
auſser den bereits angeführten, zwei de Wats, Peter Fava, Crochet,
van Ureland
und Bollato genannt. Die englischen Plattenharnische
waren fast immer schwarz, weil diese angeblich der Einwirkung des
Seewassers besser widerstanden.


Wir haben schon erwähnt, daſs wir über die Arbeit der Panzer-
schmiede, auſser dem wenigen, was Biringuccio mitteilt, kaum irgend
welche unmittelbare Nachricht besitzen. Doch verdienen, auſser der
schon angeführten Zeichnung von Burgkmair, die Abbildungen des
berühmten Holzschneiders Jost Ammon, welche in seinem Buche
„Stände und Handwerker“ mit Versen von Hans Sachs (1568) ent-
halten sind 1), unsere Beachtung. Er trennt den „Blatner“ (Loriacus)
und den „Pantzermacher“ (Laminarius). Zu ersterem dichtet Hans
Sachs
folgende Verse:


Gute Stehle Harnisch ich schlagen kan,

Beyde für Roſs vnd auch für Mann,

Gantze Küriſs vnd die Roſspar,

In die Schlacht, wohl versorget gar,

[380]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Auch zu Thurnir, Stechn vnd Rennen,

Sonst allr art, wie mans mag nennen,

Für den Gmeinhauffen, schlecht gemacht,

Das haben die Spartaner auffbracht.

Schwungvoller lauten des Schopperus Verse:


Laminarius. — Der Plattner.
Huc properate viri, quos strenua sustinet aetas,

Qui grave fulminei Martis amatis opus.

Tempora qui rigido consumitis omnia ferro,

Et premitis varias obsidione domos.

Figure 117. Fig. 108.

Sanguinolenta truces hîc arma parantur in hostes,

Malleus hîc varia fulminat arte meus.

Hîc fera belligeras in proelia jungite dextras,

Aptet et hîc humeris quilibet arma suis.

Jam mihi cornipedum sonus auribus insonat asper,

Hîc quasi mi coram stet cataphractus eques.

Zu deutsch etwa:


Hierher ihr Männer eilt, denen frisch noch das Alter erhalten,

Denen des blitzenden Mars mühsame Arbeit gefällt.

Die ihr der Zeiten Beschwer mit starrendem Eisen bezwinget,

[381]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Und durch Belagerung zwingt, manche stattliche Burg.

Hier gegen schrecklichen Feind werden blutige Waffen bereitet

Und mein Hammer erdröhnt hier in verschiedener Kunst.

Hier zu dem wilden Kampf bewehrt er die krieg’rische Rechte,

Hier biet’ ich jeder Gestalt passende Waffen zum Kauf.

Tönt nicht der rauhe Klang behufter Füſse ins Ohr dir?

Und hier vor meinem Blick steht das geharnischte Roſs.

Die Plattner zu Nürnberg hielten alljährlich zu Fastnacht ein
„Gesellenstechen“, ein scherzhaftes Turnier, wobei sie nicht zu Pferde
saſsen, sondern auf hohen Stühlen, woran vier Rädlein waren. So,
in leichter Rüstung, lieſsen sie sich durch ihre Gesellen und Lehr-
buben auf den Schwabenberg ziehen und „räumten einander ab“.
Solch ein Gestech fand noch im Jahre 1579 statt 1).


Mit den Plattnern in naher Beziehung standen die Panzer-
schmiede
, welche die Ringelpanzer aus Draht fertigten. Diese waren
in früherer Zeit, ehe die Plattenharnische Eingang fanden, ein sehr
wichtiges Gewerbe gewesen, welche als Sarworchte (Sarwürcher, sar-
burher, Brünner u. s. w. 2) in vielen gröſseren Städten Deutschlands, wie in
Köln, Nürnberg u. s. w., eine zahlreiche und angesehene Zunft bildeten.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verschwanden sie als selbständige
Zünfte, indem das Bedürfnis für Panzerhemden nach der Einführung
der geschlossenen Plattenrüstungen sehr nachlieſs. Auch wurde durch
die Einführung der Drahtzüge das Drahtschmieden verdrängt und so
wurde die Fertigung der Ringelpanzer ein Nebengewerbe der Draht-
fabrikation. Die Panzerer wurden gezwungen, sich auf andere Artikel
zu verlegen, wie Pferdegebisse, Steigbügel 3) und Kleineisenwaren,
und heutzutage begreift man unter Panzerarbeiten in Westfalen die
Herstellung von Fischangeln und dergleichen kleinen Eisen- und
Stahlartikeln. Der Hauptsitz der Panzerer war, wie noch heute, Iser-
lohn, aber auch die Panzerschmiede Ratingens waren weit berühmt,
obgleich dort jetzt keine derartige Arbeit mehr gefertigt wird.


Damals aber, zur Zeit des Jost Ammon, wurde die Anfertigung
von eigentlichen Ringelpanzern, welche als Panzerhemde unter den
Plattenrüstungen getragen wurden, noch gewerbsmäſsig betrieben.


Hans Sachs besingt ihn also:


Ich bin ein Pantzermacher frembd,

Ich mach die Stählen Pantzerhembd,

[382]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Auch Pantzer Ermel vnd Pantzerstrich,

Die man tregt, offen vnd heimlich,

Auch von Pantzer gut Stählen Krägn,

Ich kann auch Pantzer rollen und fegen,

Wo sie mit Rost anlauffen thon,

Midias Pantzermacher fieng an.

Schopperus Anpreisung lautet:


Huc ades ô miles qui Martia bella frequentas,

Angustumque teris pulverulentus iter.

Figure 118. Fig. 109.
Est aliquid quod te velut horter amicus amicum,

Tu rude consilium consule quaeso boni.

En tibi loricam fulvo prius aere rigentem,

Sume, tuis humeris non grave pondus erit.

Hostis inhumani validos quae sustinet enses,

Hanc modicis nimmis posthabuisse voles?

Quin eme loricam radiis quae vulget ahenis,

Non leve pingnus erit, quod tueatur herum.

Wolf Pohle war damals ein berühmter Panzerschmied in Dresden.


Weitere Mitteilungen über die Eisenschmiede finden sich in
Garzonis Piazza universale, obgleich dieselben gröſstenteils dem
[383]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Biringuccio entnommen sind. Der 46. Diskurs handelt von den
Schmieden und beginnt folgendermaſsen:


Von der Schmiedkunst oder Handwerck vnd deren Inuention, wird
vnterschiedlich von vnderschiedlichen Authoribus, die auch einander
der beynahe zuwider sind, geschrieben. Dann Plinius gibt vor, es
sey dieses Handwerck von dem Cyclopibus erfunden worden: Daherr
dann die Lateinische Poeten dreyer tapffern Schmidtknechten ge-
dencken, welche dem Vulcano in seiner raucherigen Hölen vnd
Werckstatt weydlich helffen zuschlagen, nemblich deſs Brontis,
Steropis
vnd Pyragmonis. Clemens Alexandrinus schreibet
solches den Vngern zu. Strabo, lib. 14, sagt, die Telchini haben
es erfunden, vnnd dem Saturno seinen ersten Sebel geschmiedet.
Diodorus ist bey sich selbst vneins, vnd schreibt es bald den
Idalis Dactilis, bald aber dem Vulcano zu.


Josephus aber vnd die H. Schrifft vor ihm sagt, Genes. 4, daſs
Tubalcain ein Meister in allerley Ertz vnd Eysenwerck sey gewesen.


Dieses Handwercks Eygenschafft, Würckung vnd Zugehör wirdt
erkandt, wann man desselbigen vnderschiedliche species vnd Wercke
betrachtet, wie wir dann allhie, wo nicht alle, doch so viel als mög-
lich, die, so bekandt sind, nach einander setzen vnd beschreiben
wöllen.


Er beginnt nun mit den Grobschmieden genau nach der Schilde-
rung des Biringuccio. Dann fährt er fort:


Ihre Arbeit ist früh aufzustehen, Kohlen auff die Ässe schütten,
Fewer aufblasen, das Eysen drein legen, glühen, kühlen, heraus-
ziehen, schmieden, treiben, formieren, temperieren, allerhand Arbeit
darauſs machen, die Riſs löten, feilen, pallieren, anstreichen etc.


Den Vnfleiſsigen aber fehlet es biſsweilen, wann sie Stahl vnnd
Eysen mit einander arbeiten sollen, daſs sie entweder das Eisen ver-
brennen, oder aber es so hart vnd vngeschmeidig machen, daſs es
sich schifert, vnd nicht lest mit dem Stahl vereinigen: oder finden
sich wol solche, die das Handwerck nicht recht gelernet, dz sie zwar
in einem, aber nicht in dem andern arbeiten können: vnnd wann sie
beyde sollen mit einander arbeiten, wissen sie nit, wie sie es sollen
angreiffen: oder aber wissen die notwendigste Handgriff vnd Secreta
nit, vnd arbeiten also mit doppelter Mühe, vnnd richten doch nichts
sonderliches damit auſs, wie man gemeiniglich an den Dorffschmidten
sihet, die gar wenig von gebürlichen Vorteilen vergessen haben.


Schmiedtwerkzeug sind Ässe, Balge, Zangen, Amboſs, Bloch,
Horn Amboſs, Hohl Amboſs, Klein Amboſs, Hämmer, der Platthammer
[384]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
der Treibhammer, der Meiſsel, die klein Hämmer, die Schraubstöck,
klein vnnd groſs, Biſszangen, Beugzangen, Ziechzangen, vnterschied-
liche Feilen, groſs vnd klein, rundt, halb rundt, dreyeckt, viereckt,
schmal, breit, Segfeilen, Messerfeilen, Driller, Schäre, Vorschlag,
Durchschlag, vnd andere stück mehr.


Die Mängel, so bey diesem Handwerck vorlauffen, oder vielmehr
Betrug, dessen sie sich biſsweilen behelffen, sind vielerley, wöllen nur
etliche erzehlen: Biſsweilen verkauffen sie Schlacken für Eisen, was
sie mit dem Gewicht verkauffen, da mag sich der Bawer wol für-
sehen, daſs sie ihm nicht drey Pfundt für zwey rechnen, dann er hat
kein Glück dabey, biſsweilen vbersetzen sie den Ackersmann der-
maſsen, daſs er vmb einer Hawen, oder vmb einer Sensen willen seine
Sonntagshosen muſs versetzen, vnnd auch wol das Wammes darzu.
Ihre Arbeit ist biſsweilen gestickelt, schieffericht, oder sonst mangel-
haft, da wissen sie die so fein anzustreichen, daſs man es nicht gewar
wirdt, biſs man sie anfanget zu gebrauchen: bringet man sie ihnen
wider, vnd begert Wehrschafft, wie sie an etlichen Orten schuldig, so
haben sie ihre Entschüldigung schon bereidt, nemlich, sie seyen keine
Wehrschafft wider zu groſsen Gewalt schuldig etc.


So sind sie bey ihrer Arbeit gar saubere Leutlein, besudelt vnd
beschmitzet wie die Schornsteinfeger, welches ich nicht für einen
Mangel rechene, sondern ist ihnen zu gut zu halten, sintemal es diese
Arbeit nicht anders gibt, vnd ist ein Schmidt, so auff die Wercktag
sauber gewaschen, weiſsen Kragen, vnd seidene Kleider tregt, nicht
dreyer Heller wert, wann er schon viel tausendt in der Kisten
hette.


Es folgen nun die einzelnen Spezialitäten der Metallschmiederei
und wir wollen den „Kesseler“ nicht auslassen, obgleich der Kupfer-
kesseler gemeint ist, weil das meiste, was hier von der Treibarbeit
desſelben erwähnt ist, ebensowohl von dem Eisen- und Stahltreiber
gesagt werden kann.


Kesseler, oder Kupfferschmidt, sind die, so durch gewalt deſs
Hammers ihre Arbeit, wie die nun möchte genennet werden, auſs
einer rohen Massa Kupffers biſs zum ende treiben. Solche stück
Kupffer sind biſsweilen gar vnfreundtlich zu handeln: müssen der-
halbẽ auch zu vorhabender Arbeit bereitet werden, vnnd geschiehet
dasſelbige auch in der Ässe vnd im Fewer, allda das Kupffer ge-
läutert, oder wider in einen Klumpen gegossen oder getrieben wirdt,
auff daſs man es hernach mit groſsen schweren Hämmern, so an
etlichen orten mit Mühlen gehalten werden, treibe, vnnd zur Arbeit
[385]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
bequem mache. Biſsweilen legen sie auch halbgetriebene Arbeit ins
Fewer, wann sie durch das schlagen zu hart worden, daſs sie die
hernach, wenn sie widerumb kalt, vollends auſstreiben mögen. Darzu
dann allezeit groſse Mühe, Arbeit vnd Fleiſs erfordert wirdt, da muſs
man biſsweilen groſse, biſsweilen kleine Hämmer brauchen, biſsweilen
lange, biſsweilen kurtze, vnnd mit dem schlagen die Arbeit biſsweilen
in die lenge, biſsweilen in die breite, biſsweilen in die enge, biſs-
weilen in die weite, biſsweilen auſswendig, biſsweilen innwendig
treiben, vnd ihr allerhand Gestalt geben, wie man die haben wil.
Dieses Metall ist gar weich vnnd geschmeidig, vnd lest sich treiben,
wann es rein ist, vnnd einen rechten Meister hat, wie man es haben
wil, allerhandt Arbeit darauſs machen, welches aber mit groſsem
Fleiſs muſs geschehen, vnnd sihet man an der Arbeit, wann ein
rechter Meister darüber gewesen, wann nemlich dieselbige vberall in
einer dicke, die Hammerschläg gleich, vnnd keiner breiter als der
andere, auch in ihrer gewisse Ordnung stehen, daſs nicht einer hie,
der ander dort hinauſs sihet.


Wann es sich zutregt, daſs sie auch löten müssen, so thun sie
dasſelbige entweder mit geringem Silber, oder mit gebranntem Kupffer
vnd Borax, oder aber, welches das gemeinest ist, mit Zin vnd Bley
vnter einander gemenget, vnnd strewen ein wenig Colophonium auff
den Ort, da sie löten wollen, auff daſs es desto besser haffte, haltẽ
darnach einen heiſsen kupffern Lötkolben darauff, vnnd formieren die
Lötung wie es ihnen gefellet.


Man hat auch im brauch kupfferne Gefäſs, sonderlich darinn
man kochet, oder nur Speise darinn leget, zu vberzinnen, damit
die Speise keinen bösen Geschmack, oder gefährliche Qualitet vom
Kupffer bekomme, welche Vberzinnung auch mit vorgemeldetẽ Löt
geschiehet. Solches aber ins Werck zu richten, seudt man erstlich
ein wenig Saltz vnd Essig in demselbigen Gefäſs, vnnd reibt es wol
innwendig mit derselbigen Brühe, darnach geust man ein wenig Zin,
darunter ein vierdte teil Bley, vnnd ein wenig gepülffert Colophonium
hineyn, fasset solches in eine Zange, vnd reibet das Geschirr allen-
halben damit, wo man es vberzint wil haben, so wirdt es wie ein
gepalliert Silber. Welche also arbeiten, die müssen ihre Arbeit offt
glühen, vnnd wider in Wasser ablöschen, damit die Kupfferschwärtze
rein herauſs gehe, so bleibet es auch hernach lang schön.


Hierzu gehört erstlich ein guter Meister, v῀ bequemer Werck-
zeug, nemblich die Amboſs, als der hohe Amboſs, der nider, dz lang
Horn, der Hand Amboſs, der lange Hammer, der Platthammer, der
Beck, Geschichte des Eisens. 25
[386]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
rundt Hammer, der klein Zierhammer, die Zangen, die Schneidt- vnd
Beiſszangen, die Ässe, die Belge. Die Arbeit ist, das rohe Kupffer in
Täffelin gieſsen, schlagen, treiben, auſswendig vnd innwendig for-
mieren vnnd verzinen. In ihren Werckstatten findet man allerhand
Arbeit, als Kessel, allerhand Gattung, Züber, Kübel, Eimer, Töpffen,
Becken, Löffel, Lampen, Gelten, Drat, Seigen, vnd derngleichen Ge-
fäſse mehr.


Es ist zwar ein löblich Handwerck, aber nit löblich, daſs sie
sich vnterstehen den Einfältigen Eisen für Kupffer zu verkauffen,
dann an den Kesseln vnnd allen Gefäſsen, so hengen haben, findt
man gute starke eiserne Reiff, so offtermals nicht viel weniger, als
der Kessel, wiegen: an denen Gefäſsen aber, so Füſs haben, findet
man auch drey oder vier starker Füſs, als wann ein eiserner Kroppen
darauff stehen solte. Ist etwas eyngelöttet, so ist das Loht auch dick
vnd starck genug, daſs es wol halte, vnd ehe anderswo, als am Löht
breche.


Solches hat zwar das Ansehen, als geschehe es vmb der Weh-
rung, dörffen auch wol einem Einfältigen zeigen, wie stark vnd wol
er versehen: aber glaub es nicht, sondern es ist nur ein Vorteil, der
in das siebende Gebott gehöret, wie du leichtlich sehen wirst, wann
du ihm auch einen newen guten Kessel bringest zu vertauschen, so
ist er flugs da, schlegt die eiserne Henge und Ringe ab, dargegen
lest er seine daran, vnd wilt du seinen Kessel haben, so muſstu
seinen Ring vnd Henge für Kupffer bezahlen: ihn aber wirst du
nicht bereden, daſs er deinen vmb halb Gelt annehme. —


Das Treiben in Eisen war die Hauptthätigkeit der Plattner.
Von den Plattnern, Waffen- und Büchsenschmieden handelt Garzoni
auffallend kurz. Er sagt darüber folgendes:


„Plattner und Waffen- und Büchsenschmiede werden die genandt,
so allerhandt Waffen, beydes zur Defension vnd zur Offension machen:
Als Sturmhüt, Bickelhauben, Krebs oder Brustdecken, Armschienen,
Beinschienen, Handschienen, Pantzer, allerhand Schild vnd Tartschen,
Spieſs, Hellparten, Partisanen, Fuſseisen: Item Messer, Wehr, Hack-
messer, Beil, Äxte, Sägen, sodann allerhand Rohr, als Doppelhacken,
Muſsqueten, Vogel und Bürschrohr, Carabiner, Pistolen, Buffer, Fäust-
ling vnd was dergleichen mehr ist, davon im Diskurs von der militia
weitere Meldung soll geschehen.


Diese Handwerk florieren jetziger Zeit zu Sarravalla, Brescia und
Meyland mehr als in irgend einer andern Stadt in gantz Italien, —
in Teutschland aber zu Cölln, Braunschweig und Nürnberg. Unter
[387]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
den Alten werden Aceseus Patarensis und Helicon Cariftius
von Plinio insonderheit gerühmt.“


Jost Ammon giebt uns die bildliche Darstellung der ver-
schiedenen Eisenschmiede, wie sie in Deutschland zünftig getrennt
waren. Fig. 110 zeigt uns den Grob- und Hufschmied.


En candens ferrum dum forcipe verso tenaci,

Brachia magnificis viribus usa levo.

Non sine me celeres aurigae novit habenas,

Currus, inaccessas aut valet ire vias.

Figure 119. Fig. 110.
Non agilis vacuum rota cucurreret ulla per orbem,

Ante meam si non experiatur opem.

Excussis neque liber equus volat ullus habenis,

Ungula ni dextram sentiat ante meam.

Adde quod et morbos relevem sapienter equorum,

Malleus et ferrum mulceat omne meus.

Sieh, das glühende Eisen wende ich mit der Greifzange um,

Mit den durch wunderbare Kraft gestählten Armen halte ich es empor.

Ohne mich würde weder der Fuhrmann sein rasches Gespann lenken,

Noch die mühevollen Pfade überwinden.

25*
[388]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Nicht würde je das leichte Rad durch den leeren Erdkreis dahineilen,

Wenn es nicht zuvor meine Arbeit kennen gelernt hätte.

Und nimmer würde das freie Pferd je dahinfliegen im jagenden

Riemenzeug,

Wenn nicht seine Hufe zuvor meine Faust gefühlt hätten.

Dazu noch erleichtere ich weislich die Krankheiten der Pferde,

Mein Hammer erweicht ein jegliches Eisen.

So schildert ihn Schopperus; schlichter läſst Hans Sachs den
Hufschmied sprechen:


Ich Huffschmied kan die pferd beschlagen,

Darzu die Räder, Karn vnd Wagn,

Schwäntzen und Lassen ich wohl kan,

Den Pferden, die auch Schäden han,

Ich kann Heyln, Retzen vnd Reiden,

Den Feyfel vnd die Angstel schneidn,

Zu den Ciclopen trag ich Gunst,

Die erfunden des Schmidwercks Kunst.

Von den Plattnern und Panzermachern haben wir bereits ge-
sprochen, von den Büchsenschmieden und Sporern, den Naglern und
Nadlern werden wir noch zu reden haben.


Das Schmieden der Hauben und Helme war eine der wichtigsten
Aufgaben der Plattner, doch werden die Helm- und Hauben-
schmiede
zuweilen als selbständige Gewerbetreibende neben den
Plattnern genannt, namentlich in Nürnberg und Augsburg. Schon
1348 wird in Nürnberg H. Hagen, ein Haubensmit, als Bürge er-
wähnt, und als in demselben Jahre der Aufstand der Zünfte gegen
den Rat und Kaiser Karl IV. ausbrach, spielten die Haubenschmiede
eine hervorragende Rolle. Hermann, wegen seines langen Bartes
„der Geiſsbart“ genannt, und sein Bruder Ulrich, beide Hauben-
schmiede, gehörten zu den Hauptanführern. Unter denen, die es am
tollsten trieben, werden die Haubenschmiede Vingerlein und Hainz
erwähnt und in dem neuen Rat, den die siegreichen Aufständigen
wählten, saſsen fünf Haubenschmiede. Als hervorragende Meister
werden im Mittelalter noch genannt: Hilpolt 1359 und Hans Pfeil
1424, beide in Nürnberg. Die Innung bestand noch bis 1624. In
Augsburg erscheint ein Martin Helmschmied 1371. Die Familie
Kolman in Augsburg legte sich wohl infolge ihres Gewerbes den
Namen Helmschmied bei. Die Haube wurde aus dem Ganzen ge-
trieben, also nicht wie in neueren Zeiten aus zwei Hälften zu-
[389]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
sammengelötet. Über die Entwickelung der Hauben- und Helm-
formen bis zum Ausgange des 15. Jahrhunderts haben wir im ersten
Bande (S. 866 bis 870) berichtet. Um diese Zeit wurde der Visierhelm
allgemein gebräuchlich, und zwar wurde sowohl die Schale (Schaller,
salade) mit Visier versehen, als die Kesselhaube. Die erstere Art
erhielt ihre schönste Entwickelung in dem Burgunderhelm. Bei
diesem war die Schale durch einen Kamm (crête) verstärkt und mit
Schirm, Wangenklappen und Nackenschutz versehen.


Der Hauptunterschied zwischen Burgunderhelm (bourgignot) und
gewöhnlichem Helm (armet) bestand darin, daſs bei dem letzteren
die vorderen und rückwärtigen Halsreifen einfach den oberen Rand
des Kragens überragen, während bei dem Burgunderhelm der untere

Figure 120. Fig. 111.


Rand nach innen hohlziegelartig ge-
kehlt ist und daſs diese Kehlung bei
aufgestürztem Helm über den gewul-
steten Rand des Kragens greift, so
daſs Helm und Kragen zu einem
Stücke verbunden erscheinen, wäh-
rend die Beweglichkeit vollständig
erhalten bleibt. „Er ging im Kragen
um (vergl. Fig. 100).“ Durch die
Verbindung mit Halsberge und Bart-
haube wurden sie den eigentlichen
Visierhelmen ganz ähnlich. Diese
Helme wurden oft reich verziert; so
trug schon Philipp der Gute im Jahre 1443 einen solchen, der reich
mit Edelsteinen besetzt war. Einer der schönsten erhaltenen Bur-
gunderhelme mit prachtvoller Treibarbeit, die Geschichte des Äneas
darstellend, ist der in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien
befindliche, Fig. 111 abgebildete.


Der eigentliche Visierhelm, welchen die Deutschen im Gegensatz
zu dem groſsen Topf- und Stechhelm den kleinen Helm oder Helmlin
(französisch armet, englisch helmet) nannten, entwickelte sich aus der
Kesselhaube (bacinet — bassinet).


Er besteht aus dem festen Teile, welcher den Schädel schützt,
der Glocke (Helmdom, französisch tymbre, englisch bell) und den
beweglichen Teilen, die zum Schutze des Gesichtes dienen, und welche
die Franzosen unter der Bezeichnung le mézail zusammenfassen. Sie be-
stehen aus dem Kinnstück (ventail), welches die untere Hälfte des Ge-
sichtes umschloſs und seitwärts aufgeschlagen wurde, wenn man das
[390]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Helmlin auf- und absetzen wollte. Sodann aus der Nasenberge
(nasal), welche durch Zapfen an der Glocke befestigt und mit Luft-
löchern versehen war, und endlich aus dem Helmfenster (vue), das
sich um denselben Zapfen wie das Nasal drehte, aber über diesem
lag und zwei Einschnitte hatte 1). Durch das geschobene Kehlstück
wurde der Helm mit dem Harnisch verbunden. Fig. 100 zeigt den
Helm der Rüstung Kurfürst Christians II. mit halb aufgeschlagenem
Visier.


Eine besondere Helmform gewann durch den Einfluſs der Spanier
in Europa allgemeine Verbreitung. Es war dies der Morian (franzö-
sisch und englisch morion, von dem spanischen morro, runder Körper),
die runde Kesselhaube mit hohem Kamm, aber ohne Visier, Nasal,
Halsberge und Nackenschutz. Dagegen hatte er Ränder, die über
Gesicht und Nacken in Spitzen ausliefen, so daſs sie im Profil einen
Halbmond bildeten. Fig. 112 a stellt einen französischen Fuſs-

Figure 121. Fig. 112

a.


Figure 122. Fig. 112

b.


soldaten-Morian, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, Fig. 112 b
einen deutschen Morian aus derselben Zeit, wie sie von der Bürger-
wehr der Stadt München getragen wurden, dar. Sie sind oft mit schöner
Grabstichelarbeit verziert oder geätzt, aber man findet auch Pracht-
stücke mit reicher getriebener Arbeit, wie solche in den Waffen-
sammlungen zu Dresden und Madrid zu sehen sind.


Ebenso wie Harnisch und Helm waren auch die übrigen Teile
der Rüstungen reich verziert, und mit gleicher Kunst und gleicher
Pracht war die eiserne Schutzrüstung der Pferde geschmückt, be-
sonders die Roſsstirn und der Sattel, die Steigbügel und die Sporen.


Die „Sporer“, welche in manchen groſsen Städten selbständige
Zünfte bildeten, meist aber mit den Schlossern zünftig waren, ge-
hörten zu den Kleinschmieden, und wollen wir das Wenige, was
wir über dieses Gewerbe, das schon auſserhalb des Rahmens unserer
Betrachtung liegt, zu sagen haben, hier vorbringen.


[391]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Schopperus besingt die Sporer zu Jost Ammons Abbildung
(Fig. 113) in folgenden Versen:


Calcarius, der Sporer.
En tibi fortis eques calcaria ferrea vendo,

Alta quibus flectas colla ferocis equi.

Hic saltem validos fodias animosior armos,

Ibit adhortatum fortior ille tuum.

Nam nisi nostra pedi calcaria nectis utrique,

Non equitis praestans nomen habere potes.

Figure 123. Fig. 113.
Praeterea sonipes calcaribus absque premetur,

Si, pedibus veluti rusticus urget, ages.

Ergo para modicis calcaria splendida nummis,

Ars quia dedecoris nil dabit ista tibi.

„Hier verkaufe ich Dir eiserne Sporen, tapferer Reiter,

Mit denen Du den starren Nacken des wilden Pferdes bändigen kannst.

Mit diesen nicht einmal starken Waffen wirst Du lebhafter stechen,

Und rascher geht Dein also Angesporntes.

Wenn Du nicht unsre Dir an beiden Füſsen anbindest,

Wirst Du nicht den Namen eines hervorragenden Reiters haben können.

[392]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Dazu wirst Du mit klingendem Fuſs mit den Sporen den Druck geben,

Während der Bauer nur mit seinen Hacken drückt.

Deshalb verschaffe Dir gegen geringe Zahlung diese herrlichen Sporen,

Es wird Dir jene Kunst nicht zur Unehre gereichen.“

Hans Sachs aber sagt:


Ich mache Sporen von Stahl vnd Eyſsen,

Geschwertzt vnd Zint, die man thut preyſsn,

Die doch den Gaul nit hart verletzn,

Welch Pferd sich tückisch widersetzn,

Den mach ich ein scharffes gebiſs,

Daſs ja von statten treibt gewiſs:

Dem Bauwren mach ich’s gröber viel,

Der es nur wolfeyl haben wil.

Häufig, und dies sehen wir auch in Jost Ammons Zeichnung,
machte der Sporer auch Steigbügel, Stangengebisse und sonstige Aus-
rüstungsstücke des Pferdes.


Die Radsporen kamen bekanntlich erst gegen Ende des 13. Jahr-
hunderts in Aufnahme. Das Rad war ursprünglich fünfspitzig, doch
kamen in Deutschland schon im 14. Jahrhundert achtspitzige Räder
auf und im 16. Jahrhundert finden sich häufig Räder von 12, 15 und
18 Spitzen.


Trutzwaffen.

Legte man auf die Herstellung der Schutzwaffen im 16. Jahr-
hundert groſsen Wert, so war dies noch mehr bei den Angriffs-
waffen
der Fall. Ein Schwert oder einen Dolch zu tragen war
noch jedem Freien erlaubt. Eine Wehr zu haben, war sogar die
Pflicht jedes Bürgers. Der Bedarf war also ein groſser, und die
Klingenschmiede und Messerer bildeten hochangesehene Verbände
unter den Eisenarbeitern, die sich neben den Schildmachern (scuta-
tores) am frühesten als selbständige Gewerbeverbände von den
Schmieden abgesondert hatten. Waren schon in alter Zeit einzelne
Städte, wie beispielsweise in Deutschland Regensburg, Passau und
Köln, in Italien Mailand und Brescia (Armata), in Spanien Sevilla
und Toledo berühmt durch ihre Schwertschmiede, so fing im 16. Jahr-
hundert diese Art der Industrie sich noch mehr an zu konzentrieren
[393]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und zur Fabrikation zu werden. Allerdings nicht ganz zur Fabri-
kation in unserm Sinne, so daſs einzelne Groſsunternehmer oder
Gesellschaften in groſsen Werken Massenproduktion bestimmter
Artikel auf eigenes Risiko mit Lohnarbeiten betrieben hätten, son-
dern in dem alten Sinne der Fabrik, daſs eine Anzahl selbständiger
Meister in einer Stadt oder einem Gebiete nach gewissen zunft-
mäſsigen Vereinbarungen zusammenarbeiteten, während der Vertrieb
der betreffenden Ware, der eigentliche Verkauf von andern besorgt
wurde. Diese Art der Produktionsweise, welche sich ganz besonders
bei den Schwertschmieden Westfalens im Solinger Bezirk planmäſsig,
mit der vollen Auffassung des Wertes der Arbeitsteilung schon im
Mittelalter entwickelt hatte, haben wir in Band I, S. 849 bereits aus-
führlich geschildert. Wir knüpfen an die dort gegebene Darstellung
einfach an.


Die Herzoge von Berg unterstützten die Thätigkeit ihrer fleiſsigen
Industriebevölkerung, namentlich die ihrer in ganz Europa bekannten
Schwertschmiede durch vernünftige Gesetze und Privilegien. 1374
wurde der Ort Solingen, der hauptsächlich von Eisenschmieden be-
wohnt war, zu einer „Freiheit“ erhoben; mit dem Rechte, sich mit
Mauern, Wällen und Thoren zu versehen und einen Wochen- und
Jahrmarkt abzuhalten 1). Im Jahre 1401 hatte dann Herzog Wilhelm
von Berg den Härtern und Schleifern ein Privileg mit einer zunft-
gemäſsen Verfassung erteilt; am 9. März 1412 erhielten die Schwert-
feger und Reider, am 25. November 1472 die Schwertschmiede und
am 6. April 1487 die Kreuz- und Knopfschmiede die gleichen Ver-
günstigungen. Der Verkauf der Solinger Klingen ging hauptsächlich
über Köln und läſst sich wohl annehmen, daſs die im Mittelalter so
berühmten kölnischen Klingen groſsenteils aus dem Bergischen und
aus dem Solinger Bezirk stammten. Eigentümlich war die strenge
Arbeitsteilung, welche ihren gesetzlichen Ausdruck fand in den ge-
schlossenen „Bruderschaften“, auch „Ambachte“ oder „Handwerke“
genannt. Es gab deren drei: die Schwertschmiede, die Härter und
Schleifer und die Schwertfeger und Reider. Wir haben über deren
Gewohnheiten und Rechte bereits im ersten Bande berichtet (S. 850)
und werden später bei der Lokalgeschichte noch einiges hierzu nach-
tragen. Was der Solinger Klingenindustrie einen besondern Auf-
schwung und ein Weltrenommee gab, war die gute Ware und deren
[394]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
sorgfältige Kontrolle. Dieselbe drückte sich aus durch das Meister-
zeichen und durch die als Zwang eingeführte Abstempelung. Es gab
vereidigte „städtische Zeichenmeister“ und das Kontrollzeichen war
damals das Wappen der Fürsten von Ravensberg. Die Fabrikmarken
oder richtiger das Meisterzeichen hat bei keiner früheren Industrie
eine so wichtige Rolle gespielt, als wie bei der Klingenschmiederei.
Eine echte „Wolfsklinge“ zu besitzen, war der Stolz eines deutschen,
wehrhaften Mannes und da ist es nun eigentümlich, daſs sich Solingen
und Passau über die Priorität des Wolfszeichens als Schwertmarke
streiten können. Passau, welches ein sehr alter Schwertschmiedeplatz
war, hat dabei den Vorteil der bestimmten historischen Überlieferung.


In einer alten Passauer Chronik wird berichtet, daſs der Passauer
Schwertschmiedezunft im Jahre 1349 das Wolfszeichen verliehen
worden sei. Die Stelle lautet:


Als man 1, 3, 4 und 9 gezählt,

Hat man Passau gar wohl gewöllt;

Herzog Albrecht umb diese Zeit,

Die Klingenschmiede hat befait,

Begabt mit dem Wolfszeichen;

Seitdem Niemand solch’ Wehre scharff

In Österreich sonst machen darff,

Mit Zeichen — desgleichen.

Das Passauer Wappenbild ist ein silberner Wolf in rotem Felde
und dürfte das Wolfszeichen wohl hiervon abzuleiten sein. Das
Zeichen Fig. 114, das nur eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf
hat, wurde auf den Klingen eingraviert und mit Messing eingelegt 1).


Indessen sind Passauer Klingen mit diesem Zeichen von so hohem
Alter kaum bekannt, während man Solinger Wolfsklingen viel häufiger
in den gröſseren Waffensammlungen findet, so besonders zahlreich
in dem Historischen Museum zu Dresden, auf der Feste Koburg und
im Berliner Zeughause 2). Die Gestalt des „Wolfes“ war meist roh,
nur durch wenige Hiebe, Striche oder Punkte (siehe Fig. 115) dar-
gestellt 3). Daſs es ursprünglich das Fabrikzeichen eines durch seine
Klingen berühmten Solinger Meisters namens Wolf war, der um das
Jahr 1414 gelebt haben soll, ist nur eine Sage, indem sich das
Wolfszeichen (Fig. 115 a) bereits auf einem dem 13. Jahrhundert an-
[395]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
gehörigen Schwerte des Historischen Museums zu Dresden befindet;
Fig. 115 b ist auf einem Schwerte aus dem 14. Jahrhundert, das im
Berliner Zeughause aufbewahrt wird. Da sich schon sehr früh neben
dem Wolf andere Meisterzeichen befanden, so läſst sich annehmen,
daſs der Wolf in ältester Zeit das allgemeine zunftmäſsige Zeichen der
Solinger Schwertschmiede war. Sehr früh erscheint neben dem Wolf
der Reichsapfel, doch wurde auch dieser nicht von einer einzigen

Figure 124. Fig. 114.


Figure 125. Fig. 115

a.


Figure 126. Fig. 115

b.


Familie geführt, sondern erscheint in verschiedenen Verbindungen;
so findet man auf Klingen des berühmten Schwertschmieds Jo-
hannes Wundes
, der zwischen 1560 und 1610 in Solingen lebte,
neben dem Wolf und dem Reichsapfel (Fig. 116 c, d) seinen vollen Namen
mit seinem berühmten Emblem, dem Königskopf (Fig. 117). Gronau

Figure 127. Fig. 116

c, d.


Figure 128. Fig. 117.


giebt in seinem Werke
über die Geschichte der
Solinger Eisenindustrie aus-
führliche Nachrichten über
die Klingenzeichen und auf
einer groſsen Tafel eine
Zusammenstellung aller
ihm bekannt gewordenen
Marken seiner Vaterstadt 1).


In Solingen gestaltet sich das System der Fabrikzeichen zu einem
förmlichen „industriellen Wappenadel“, über welche, damit niemand
in den Gerechtsamen seines Zeichens geschädigt werde, in den zwie-
fach vorhandenen „Zeichenrollen“ genaues Register geführt wurde.


Diese Zeichen muſsten von dem, der ihre Eintragung in die
„Rollen“ nachsuchte, ersonnen sein und durften den schon vorhan-
[396]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
denen nicht zu ähnlich sehen. Bevor ein Zeichen genehmigt wurde,
hatte die Amts- und Kirchenbehörde es zu „publizieren und zu
affigieren“, d. h. im Bilde an die Thüren des Amtsgebäudes und der
Kirche anzuschlagen und an drei aufeinander folgenden Sonntagen

Figure 129. Fig. 118.


in den drei Amtskirchen Solingen, Wald und Gräfrath, später auch
noch in Haan und Kronenberg „zu verkündigen“.


Wurde kein Einspruch gegen die Führung des Zeichens erhoben,
so wurde dasſelbe auf den Namen des betreffenden Schwertschmiedes
(Fabrikanten) erb- und eigentümlich in die Zeichenrolle eingetragen.


[397]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Die Zeichen konnten verschenkt, vertauscht, verkauft und als
Pfand versetzt werden; sie vererbten sich in der Familie. So erwarb
Peter Weyersberger 1774 das oben erwähnte Klingenzeichen des
„Königskopfes“ von den Erben des renommierten Klingenschmiedes

Figure 130. Fig. 119.


Johannes Wundes, der es 200 Jahre früher (1584) in die Zeichen-
rolle hatte eintragen lassen, für vier Kronenthaler und dieses neben
dem nicht minder bekannten „Ritterhelm“ sind heute noch die Fabrik-
marken der weltberühmten Schwertfabrik von Weyershäuser, Kirsch-
baum u. Comp
.


Bekannte Namen und Zeichen von Solinger Klingenschmieden
des Mittelalters und des 16. Jahrhunderts sind folgende:


[398]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

1. Jahr, Namen und Zeichen (Fig. 118, a. S. 396).


  • 1430. O. Pols.
  • 1450 (1495). Johannis Köller (Koller, Keuller), Fig. 118, Nr. 1 und
    Clemens Kuler, der in Spanien arbeitete „Clemens Kuler en Ale-
    mania. Mi sinnal es el navio“.
  • 1520. Boegel, Bürgermeister von Solingen.
  • 1550. Augustin Boel. — Johannes Keindt.
  • 1560 (1600). Johannes Wundes, Fig. 118, Nr. 2, 3, 4.
  • 1569. Boest „der junger“.
  • 1573. Wilhelm Weyersberg (Wiersberg, Wersberch), Bürgermeister von
    Solingen, Nr. 5.
  • 1580 (1600). Theis Wundes, Nr. 6, 7.
  • „ Alich, Nr. 8.
  • „ Meves Berns, Arnold Berns, Nr. 9.
  • „ Johannes Hoppe.
  • „ (1600). Theil Köller, Nr. 10.
  • „ Peter Lobach (Lobich), Nr. 11.
  • „ Clemens Stamm, Nr. 12, 13.
  • „ Wilhelm Klein.
  • „ Heinrich Pater, Nr. 14.
  • „ Johann Tesse, Bürgermeister von Solingen.
  • 1585. Clemens Tesse, Nr. 15, 16.
  • 1588. Clemens Horn (Horum, Harne), Nr. 17, 18.
  • 1590. Heinrich und Wilhelm Brabanter.
  • „ Johannis Kirschbaum (Kirsbaum), Nr. 19.
  • „ Clemens Meigen.
  • 1591. Johannis Wundes „der Jung“.
  • 1591. Theis Weyersberg.
  • 1594. Othmann Wette.
  • 1597. Audreis Munsten (Andreas Münster, Münsten, Müngsten), Nr. 20,
    21, 22 (Degen im Dresdener Museum).
  • 1597. Peter Munsten, Bürgermeister von Solingen, Nr. 23, 24 (pracht-
    voller Degen im Museum zu Sigmaringen).
  • 1597. Peter Munsten „der junger“, Nr. 25.
  • 1600. Johannes Mum (Mumm, Moum), Nr. 26, 27, 28, 29, 30, 31.
  • „ Peter Pather (Paether, Poeter), 32, 33, 34.
  • „ Peter Schimmelbusch.
  • „ Johannis Wilms, 35, 36, 37, 38, 39.
  • „ Clemens Keuller. — Peter Munnich. — Paulus.

2. Zeichen ohne Namen (Fig. 119, a. v. S.).


  • Sehr alte Zeichen, wahrscheinlich älter als der Wolf, Nr. 40 und 41; Zeichen
    von 1280, Nr. 42; von 1350, Nr. 43 und 44; von 1400, Nr. 45, 46, 47; von 1450,
    Nr. 48, 49, 50, 51, 52 und 53; von 1480, Nr. 54 und 55; von 1500, Nr. 56, 57, 58
    und 59; 1490 bis 1550, Nr. 60; von 1550, Nr. 61, 62; von 1559, Nr. 63; von 1570,
    Nr. 64; von 1580, Nr. 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72; von 1580 bis 1600, Nr. 73;
    von 1590, Nr. 74, 75; von 1600, Nr. 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82.

[399]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Von bekannten deutschen Klingenschmieden des 16. Jahrhunderts
nennen wir ferner noch Ambrosius Gemlich in München um
1536, der für Karl V. schmiedete; zur selben Zeit den Schwert-
feger Nicolaus Berthold von Nürnberg, der später Rüstknecht am

Figure 131. Fig. 120.


sächsischen Hofe wurde; Konrad Lo-
benschrod
in Nürnberg († 1592); auch
der berühmte Eisenschneider Rücker
war seines Zeichens ein Schwertfeger.


Auf Klingen der Dresdener, Berliner
und andern Sammlungen finden sich
noch folgende Namen: Hans und Mel-
chior Bartel (Bertolot), Balzer Hacker,
Ulrich Jahn, Hans Mammitzsch, Othmar
Wetter, Melchior Werner, Christof Zell
(Zoll), Hans Prûm von Messene, Christof
Lindner von Nürnberg (1562), Ulrich
Diefstetter von München, Christof Weiditz
von Augsburg, Johann Broch, Paul
Fritsch, Anton Keil, Georg Kreisig, Babert
Seyfried, Anton und Israel Schuch, Ulrich
und Thomas Jahn (1567) und Franz
Kaphan, der mehr Messerklingen
schmiedete.


Hinsichtlich der Schwertformen
knüpfen wir an das in Bd. I, S. 853
Gesagte an. Die Hauschwerter ent-
wickelten sich seit der Mitte des
15. Jahrhunderts zu auſserordentlicher
Gröſse bis zu den gewaltigen Zwei-
händern oder „Bidenhander“ (franzö-
sisch espadon, italienisch spadone, eng-
lisch two-hands-swords) (Fig. 120),
welche natürlich nur von Kämpfern zu
Fuſs geschwungen werden konnten.
Denn nur in mächtigem Zirkelschwung
konnte die unförmige Waffe wirkungs-
voll gebraucht werden. Dazu gehörte ebensoviel Kraft als Geschick-
lichkeit, und ein „Meister vom langen Schwerte“ zu sein, galt in
jener Zeit für eine gewaltige Ehre. Auch in dieser Kunst war der
für alle körperliche Übungen begeisterte Kaiser Maximilian wohl
[400]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
bewandert, und Burgkmaiers schöne Abbildung der Fechtübungen
des jungen Max mit dem Bidenhander giebt eine charakteristische
Darstellung der Fechtweise. „Diese Waffe hatte den Zweck 1), in die
Massen gefällter Spieſse Bresche zu fegen, indem sie, mit zwei Händen
mächtig geschwungen, durch die Wucht des Hiebes die getroffenen
Stangenwaffen teils zerschlugen, teils wenigstens niederdrückten und
so den den Bidenhandern nachfolgenden Spieſsern, Hellebardierern
und Keulenträgern eine Gasse bahnten. Auch zum Angriffe auf ge-
panzerte Ritter dienten die Bidenhander, und zwar wirkten sie hier
in Rotten von 50 bis 100 Mann mit furchtbaren Hieben auf die Flanken
der Ritterhaufen, insbesondere gegen die Pferde, während der Reiter
in der Front von Spieſsern beschäftigt wurde. In Deutschland endlich
wurden die Zweihänder mit Vorliebe zur Verteidigung der Mauer gegen
die Leiterersteigung verwendet.“ In der Regel waren die Klingen, die
oft an drei Ellen lang waren, glatt, zweischneidig, zu einer Bogenspitze
zulaufend, ganz wie die alte Spatha, aus der sie sich entwickelten. Aber
diese Formen erfuhren mancherlei Modifikationen. Zunächst arbeitete
man den unteren Teil des Schwertes gar nicht als Klinge aus, sondern
lieſs ihn als Vierkanteisen ohne Schneiden stehen. Dieses Eisen, das
auf der einen Seite in das Heft überging, trennte man anderseits von
der eigentlichen Klinge durch zwei angesetzte Dorne, „Parierhaken“.
Sodann gab man den Bidenhändern zuweilen eine gezahnte, öfter
eine gewellte Form. Dieses waren die „Flammberge“, welche durch
ihre Form besonders gegen Eisenharnische wirkungsvoll waren. Das
Material, aus welchem diese Klingen hergestellt wurden, muſste natür-
lich ein gutes sein, doch war es kein ausgesuchtes, sondern ein
guter Schweiſsstahl, von nicht zu groſser Härte, weil sonst die Klingen
bei den gewaltigen Hieben gegen Stahlpanzer gesprungen wären.


Anders war dies bei den Stoſsdegen, welche ebenfalls im 16. Jahr-
hundert zu besonderer Anerkennung im ernsten Kampfe gelangten.
Die Deutschen hatten schon im 15. Jahrhundert die „Pörschwerter“,
d. h. Bohrschwerter. Lange Degen mit sehr harten Spitzen, welche
dazu dienten, dem mit geschlossenem Plattenpanzer bewehrten Krieger
durch Stoſs an den schwachen Stellen zwischen dem Geschiebe in
den Körper einzudringen. Die deutschen Bohrschwerter gingen in
die leichteren Panzerstecher über und wurden in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts verdrängt durch die spanischen Stoſsdegen und
die Rappiere, die sich über ganz Westeuropa verbreiteten und eine
[401]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Zeitlang die Hiebwaffen beinahe zu verdrängen schienen. Aus dieser
Zeit stammt der hohe Ruf der „Toledoklingen“, die sich durch ihre

Figure 132. Fig. 121.


Form — sie waren tief eingeschliffen, meist von
vierkantigem oder dreikantigem Querprofil — und
durch ihre vorzügliche Härtung auszeichneten.
Diese trefflichen Klingen waren nicht eigentlich
aus Stahl hergestellt, sondern aus dem harten,
stahlartigen Eisen, welches bei den Katalan-
schmieden 1), namentlich in Biscaya, zu Bilbao etc.
gewonnen wurde. Die Klingen wurden aber,
nachdem sie vorgeschmiedet waren, durch ein
Härtemittel gestählt und gerade durch ihre vor-
zügliche Härtung — die Klingen sind nämlich,
ähnlich den orientalischen Klingen, verhältnis-
mäſsig hart — waren die Schwertschmiede von
Toledo berühmt. Toledo wurde unter Karl V. und
seinem Sohne Philipp der renommierteste Waffen-
platz Europas. Fig. 121 stellt einen Degen Phi-
lipps II. dar. Die Klingenschmiede von Toledo
hatten ähnlich wie die von Solingen ihre Meister-
zeichen. Jubinal in seinem mehrfach erwähnten
Werke La armeria Real de Madrid giebt eine
Liste berühmter Klingenschmiede von Toledo und
ihrer Zeichen.


Dieselbe beginnt aber erst mit der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts 2). Von dieser Zeit an
aber wurde die Klingenschmiederei zu Toledo in
groſsem Umfange, fast fabrikmäſsig, wenn auch
gerade wie in Solingen nur von selbständigen ge-
prüften Meistern in eigenen Werkstätten betrieben.


Auch in Spanien erbte sich die Waffenschmiede-
kunst in einzelnen Familien durch mehrere Gene-
rationen fort, wie namentlich die Familien Ruiz,
Sahagun
und andere. Wir haben zwar schon im
ersten Bande (S. 846) die meisten hervorragenden
toledanischen Klingenschmiede angeführt, doch
wollen wir die Liste hier vervollständigen, zugleich mit den Schwert-
marken, Fig. 122 (a. f. S.). Aus dem 15. Jahrhundert sind nur wenige
Beck, Geschichte des Eisens. 26
[402]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Namen spanischer Klingenschmiede überliefert, denn bis zur Ver-
treibung der Mauren lag die Kunst groſsenteils in deren Händen.
Reduan, der Waffenschmied Boabdils, ist wahrscheinlich identisch
mit Julian del Rey, dem maurischen Schwertschmied, der 1495
zum Christentum übertrat, wobei Ferdinand der Katholische Taufpate
war. Rey führte einen Halbmond und ein springendes Tier (Fig. 122,
Nr. 1), wohl eine Nachahmung des deutschen Wolfszeichens. Er
arbeitete in Granada, Saragossa und Toledo. Dem 15. Jahrhundert

Figure 133. Fig. 122.


gehört auch Juan Orengo zu Tortosa an. Von der Familie
Ruiz in Toledo erscheint zuerst Antonio der Alte um 1520;
Sebastian Ruiz war 1568 bis 1570 Rappiermacher Kaiser Maxi-
milians II., 1579 kehrte er nach Spanien zurück; er führte die
Klingenzeichen Fig. 122, Nr. 2. Juan Ruiz ist um 1590 bekannt.
Johannes Delaorta, auch de la Horta, um 1545, führt die Zeichen
Fig. 122, Nr. 3. Juan de Alman, wahrscheinlich de Alemania, ein
Deutscher, ist um 1550 in Toledo bekannt und führte zwei Sterne
(Fig. 122, Nr. 4) als Zeichen. Dasſelbe führte sein Bruder Gilde Alman
um 1560. Berühmte Schwertschmiede waren die Martinez in Toledo.
Von diesen war Juan Martinez der Ältere um die Mitte des
16. Jahrhunderts Espadero del Rey und führte die Devise: „In
te Domine speravi non“ und das Zeichen des Espadero, die ge-
[403]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
krönte Lilie, ferner den Halbmond (Nr. 5). Juan Martinez der
Jüngere führte dieselbe Devise in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts und das Zeichen Nr. 6. Juani oder Jvanni führte um
1554 den Halbmond wie Juan Martinez sen. und man hält beide
für identisch. Zu unterscheiden sind Joannes zu Valencia in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der für Karl V. arbeitete und
Juanes genannt der Alte zu Toledo. Ebendaselbst arbeiteten um
1560 die Klingenschmiede Lupus Aguado, Sohn des Juan Mu-
telo, Miguel Cantero
mit dem Zeichen Fig. 122, Nr. 7; auch
signiert er zuweilen „Opus laudat Artificium. Miguel Cantero“. Be-
rühmt war die toledanische Familie Hernandez, von denen Seba-
stian
der Ältere um 1570 die Marken Nr. 8 führte. Unter dem
Namen Jusepe de la Hera erscheinen vier Meister vom Alten bis
zum Urenkel herab. Die beiden älteren führen das Zeichen Nr. 9,
die beiden jüngeren Nr. 10. Von der Familie Sahagun wirkte
Alonso der Ältere um 1570 in Toledo und führte die Zeichen Nr. 11.
Hortuno de Nicolas Aguirre der Ältere um 1580 in Toledo
führte zwei Zeichen Nr. 12. Franzisco de Alcazes arbeitete mit
seinem Zeichen Fig. 122, Nr. 13 in Toledo und Madrid. Eine be-
rühmte toledanische Klingenmarke war die Schere Nr. 14 des Do-
mingo Sanchez Clamade
, genannt el Tigerero, um 1590. Domi-
nigo Corrientes
führte die Zeichen Fig. 122, Nr. 15 und il maestro
Domingo der Ältere ebenfalls in Toledo Nr. 16. Ähnlich war das
Schild des Franzisco Gomez Nr. 17. Adriano de Lafra mit
dem Zeichen Nr. 18 arbeitete auſser in Toledo auch in San Clemente
und Petro de Lazama (S. Z., Nr. 19) desgleichen in Sevilla.
Dominigo und Pedro de Orozco zu Toledo führten die Marken
Nr. 20. Alonso de los Rios (Nr. 21) arbeitete auſser in Toledo
auch in Cordova und Juan de Salcedo (S. Z., Nr. 22), ebenso in
Valladolid. Der Toledaner Pedro de Toro zeichnete wie Fig. 122,
Nr. 23. Franzisco de Zamora arbeitete auch in Sevilla. Zum
Schlusse nennen wir die bekannten beiden Zabala zu Toledo, von
denen Juan Martinez de Garcia, genannt Zabala der Alte, um
1550 das Zeichen Nr. 24 und Andreas Martinez de Garcia, ge-
nannt Zabala der Junge, das Zeichen Nr. 25 führte.


Von der Technik der toledanischen Klingenschmiede wissen wir
nur wenig. Sie bezogen ihr Eisen von dem Bergwerk Mondragon 1),
nicht weit von Guypuzcoa. Das Erz wurde daselbst in einem
26*
[404]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
roten Thon gefunden und gab natürlichen Stahl. Es war angeblich
das einzige Erz in ganz Spanien, das dies that. Man nannte es
hierro gelado, gefrorenes Eisen. Es scheint indes, daſs die Klingen-
schmiede den ausgeschmiedeten Schwertern noch eine künstliche Här-
tung gaben, von der später oft als von einem verloren gegangenen
Geheimnis die Rede ist. Jedenfalls waren die toledanischen Klingen
sehr hart und glichen darin mehr den echten Damascenerklingen.
Da die Kunst der Schwertschmiede von den Mauren überkommen
waŕ, so mögen sich wohl auch die im Orient gebräuchlichen Kunst-
griffe vererbt haben. Dies scheint auch aus folgenden Überlieferungen
hervorzugehen. Manche behaupteten, die toledanischen Klingen würden
nur im Winter gehärtet und wenn sie zum letzten Male aus der
Schmiede gekommen, so wären sie in dem kältesten Wetter mit der
gröſsten Geschwindigkeit in der Luft geschwenkt worden. Dasſelbe
wird vielfach von orientalischen Schmieden, namentlich denen zu
Damaskus berichtet. Andere sagen, sie seien bis zur Kirschrothitze
glühend gemacht und dann in ein Gefäſs mit Öl oder Fett gesteckt,
hierauf ebenso lange in warmes Wasser getaucht worden und das
alles im härtesten Winter. Noch andere sagen, sie wären von natür-
lichem Stahl von Mondragon, mit einem Streifen von gemeinem Eisen
in der Mitte verfertigt, um sie biegsamer zu machen und dann auf
gewöhnliche Weise im Winter gehärtet worden.


Hochberühmte Klingenschmiede lebten in Italien 1). Dem 15. Jahr-
hundert gehörten noch an: Pierus, der um 1446 für Papst Eugen IV.
arbeitete und zeichnet: „Pierus me fece“, und Patrolaus, von dem
es indes zweifelhaft ist, ob er aus Italien stammt. Um 1500 war
Vittore Camelio, dem man die Erfindung eines leichten Stahles
zuschreibt, in Brescia thätig; ebendaselbst lebte Serafino, genannt
Bresciano, der sich auch als Tausiator auszeichnete und um 1540
für Franz I. von Frankreich arbeitete. Eine berühmte Waffen-
schmiedefamilie waren die Piccinini in Mailand; von ihnen zeichneten
sich Antonio (1509 bis 1589) und sein Sohn Frederigo (bis 1600)
als Klingenschmiede aus; Antonio markierte (Fig. 123 a älteres,
b jüngeres Zeichen). Den gröſsten Ruhm im Auslande, namentlich
in England und Ruſsland, erwarb sich Andrea Ferrara zu Belluno
(1530 bis 1583). Pietro Sirrico zu Florenz arbeitete um 1550 für
Karl V. Matinni Antanni (Antonio Martini oder Martino Antani),
der um 1550 den gekrönten Mohrenkopf als Marke (Fig. 123 c) führte.
[405]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Giovanni Motta arbeitete um dieselbe Zeit in Neapel. Pietro
Antonio Furmigano
war ein Klingenschmied zu Padua um 1570,
welcher die Marken des Juan Martinez sen. benutzte. Giovanni
Serabaglio
zu Mailand haben wir schon früher genannt; sein Kollege
und Landsmann Rivolta zeichnete: Il Rivolta in Milana alla Corona.
Unter den italienischen Klingenschmieden gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts ragt am meisten Pietro Caino zu Mailand hervor. Er
führt verschiedene Marken und zwar nebst dem Namen noch drei-

Figure 134. Fig. 123.


mal hintereinander die Buchstaben P. S. M., ferner den Stempel
Fig. 123 d, zuweilen auch einen Mond. Ferner verdienen noch Er-
wähnung Cinalti der Ältere zu Pisa, Desandri zu Brescia, der
mit dem Worte Scacchi zeichnet (Fig. 123 e), Giorgio Giorgiutti
zu Belluno, Francisco Lopez zu Neapel, Albregh Paras zu
Florenz, ein Niederländer von Geburt, und Petro de Napoli zu
Neapel. In Frankreich ist Jehan Lemoyne um 1600 als Klingen-
schmied zu nennen, er hieſs „Maitre de l’epée couronnée“. Aus dem
15. Jahrhundert erwähnen wir noch Jehan Noli zu Tours um 1488.


In Brüssel arbeitete um 1490 der Klingenschmied Hughes Brug-
man
und um 1460 der Schwertfeger Jehan God. Gille de Jaghere
war um 1540 Klingenschmied in Gent. Ein berühmter Spieſsmacher
war Martin de Rycker 1520 bis 1530 in Brügge.


[406]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Über das ältere Verfahren der Klingenschmiederei haben wir im
ersten Bande (S. 849) bereits das Wichtigste mitgeteilt. Durch die
Einführung der Reckhämmer und die fabrikmäſsige Darstellung von
Gerb- oder Raffinierstahl kam ein groſser Umschwung in diese Indu-
strie, was wir später bei dem Abschnitte über die Reckhämmer
näher erörtern werden. Hier wollen wir nur noch einiges über das
Fertigmachen der Schwerter, wie es namentlich in Solingen gebräuch-
lich war, zu dem früher Mitgeteilten hinzufügen.


Die Arbeitsteilung bei der Schwertfabrik fand ihren Ausdruck in
der scharfen Trennung der drei privilegierten Bruderschaften: 1) der
Schwertschmiede, 2) der Härter und Schleifer, 3) der Schwertfeger und
Reider. Alle drei Bruderschaften waren gegeneinander streng abge-
schlossen. Um Mitglied in einer zu werden, muſste man aus derselben
geboren und in dieselbe aufgenommen sein; niemals konnte also ein
Schmied Schleifer oder ein Schleifer Feger werden 1). Hatte der Schwert-
schmied seine „schwarze“ Klinge fertig geschmiedet, so wanderte sie
in die Hände des Härteschmieds, der ihr durch Erhitzen und Ab-
löschen die erforderliche Elastizität erteilte. Nun empfing sie der
Schleifer, der sie zuerst auf einem groſsen runden Schleifstein be-
arbeitete, und zwar geschah dies nach einer alten Abbildung (siehe
Bd. I, S. 1030) in der Weise der Rauhschleifer, welche über dem
Steine saſsen, so daſs der Stein gegen sie lief und die Klingen mit
den Händen und mit Unterstützung der Knie anhielten. In späterer
Zeit saſsen die Schwertschleifer vor dem Steine, so daſs derselbe von
ihnen weglief. Alsdann wurde die Klinge noch auf einem Hohlsteine
bearbeitet. Weil durch das Schleifen die Klinge ihre Federkraft
zum Teil einbüſste, wanderte sie zum Härter zurück und empfing die
„blaue Härtung“. Ihr blankes Aussehen erhielt sie wieder in der
Schleifmühle durch „Pliesten“ auf einer Holzscheibe mit Schmirgel
und Öl und durch Polieren. Nun empfing der Reider die Klinge,
wenn sie nicht vorher noch geäzt, graviert und vergoldet wurde,
was von besondern Arbeitern geschah. Für den Reider lieferten die
Kreuz- und Knaufschmiede die Griffe, die Gefäſsarbeiter die Gefäſse
und die Schwertfeger die Scheiden. Aus allen diesen Teilen setzte
der Reider das fertige Schwert zusammen, es wurde „gereidet“
d. h. fertig gemacht.


Bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts waren die Schwertgriffe
verhältnismäſsig einfach geblieben. Von da ab wurden dieselben,
[407]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
durch den sorgfältigeren Handschutz viel mannigfaltiger; es bildeten
sich die reichen Schwertgefäſse aus mit Eselshuf, Querparierstangen,
Hinterparierstange, Bügel, Korb u. s. w. Das Gefäſs eines spanischen
Degens ist aus Fig. 121 zu ersehen. Fig. 124 zeigt ein schönes franzö-
sisches Stoſsschwert, wahrscheinlich König Heinrich II. gehörig, mit
Eselshuf und durchbrochenem Knauf 1). Und Fig. 125 ein deutsches
Schwert mit 1,15 m langer Klinge und reichem Gefäſs. Die Klinge
ist gezeichnet: Peter. Münster. M. Fecit. Solingen. die Waffe be-
findet sich im Museum zu Sigmaringen.


Neben dem Schwert trug man im späteren Mittelalter einen
Dolch. Der Dolch war von jeher eine spanische Nationalwaffe.

Figure 135. Fig. 124.


Figure 136. Fig. 125.


Figure 137. Fig. 126.


Nach spanischer Kampfweise parierte man,
während die Rechte den Degen führte, mit
der Linken mit dem Dolch. Diese soge-
nannte linke Hand fand im 16. Jahrhundert
auch in Italien und Frankreich Eingang, doch meist nur als Zwei-
kampfswaffe. Sie wurden oft mit tief eingezahnter Klinge gemacht,
um den Degen des Gegners zu zerbrechen (Fig. 126). In Deutsch-
land fand der Dolch erst im 15. Jahrhundert allgemeinere Verbreitung.
„Misericordia“ nannte man, namentlich in Frankreich, den Dolch,
mit dem man dem zu Fall gebrachten Gegner den Gnadenstoſs gab.
Die Deutschen, welche diese Waffe annahmen, nannten sie „Panzer-
brecher“, weil man mit der meist dreieckigen Klinge die schwachen
Stellen der Rüstung durchbrach.


Der lange spanische Dolch, der von Anfang des 15. Jahrhunderts
[408]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
an in Europa Verbreitung fand, hatte in der Regel von Stichblatt
oberhalb der Querparierstange einen starken Ring zum Einlegen des
Daumens. Diese Waffe wurde im 16. Jahrhundert mit doppeltem
Ringe getragen und befestigte man sie damit unten an den Piken
oder auf Stöcken, um sie gegen Seitenangriffe zu gebrauchen. So
wurden sie die Vorläufer der Bajonette.


Diese kurze Betrachtung der Dolche führt uns zu dem mit den
Klingenschmieden eng verwandten Gewerbe der Messerschmiede
oder „Messerer“, wie sie im Mittelalter hieſsen. Sie waren meist mit
den Klingenschmieden in einer Zunft vereinigt und die Schwert-
schmiede waren häufig zugleich Messerschmiede. In gewerbreichen
Groſsstädten erscheinen sie aber in der Regel als eine selbständige
Zunft. Daſs dies z. B. in Nürnberg schon gegen Ende des 13. Jahr-
hunderts der Fall war, haben wir im ersten Bande (S. 856) bereits
nachgewiesen. In Frankreich unterschied man schon im 13. Jahr-
hundert die Messerreider und die Messerschmiede (les forgeurs des
lames appellés coutelliers férres) und schon im Jahre 1265 verbot
der Erzbischof von Rouen den Frommen von Montevilliers den Luxus
von verzierten oder mit Gold eingelegten Messern 1).


Aber auch als Wehr wurden die Messer getragen. In Frank-
reich trugen sie die Männer meist in einer Seitentasche (tasse-escar-
celle). Seit dem 14. Jahrhundert trugen die Hofdiener offen ein
verziertes Messer als Abzeichen. Deshalb verspottete 1512 der Pre-
diger Barelete den Modeunfug, kunstreich verzierte Messer offen zu
tragen, indem er deren Träger mit Hufschmieden (marechal ferrant)
vergleicht. Die Frauen im Mittelalter trugen am Gürtel ein Messer,
eine Nadelbüchse und eine Schere am Bande.


Auch die Messerer führten ihre Klingenzeichen und ihre Waren
wurden von Schaumeistern geprüft. Ein Messer trug so ziemlich
jeder erwachsene Mann, war es doch zum Zerlegen der Speisen schon
kaum zu entbehren. Qualität und Gestalt dieser Messer war sehr
verschieden. Auch beschränkten sich die Messerer nicht auf das
Schmieden kleiner Klingen, sondern sie fertigten auch Haumesser
aller Art, wie die alten Sachse, die Waidmesser, die Degen und
andere einschneidige Klingen mit Rücken. Man bezeichnete diese
Waffen in früherer Zeit einfach als Messer. So heiſst es in Thal-
hofers
Fechtbuch: das Messer sei länger als der „Tegen“ (Dolch)
und kürzer als das Schwert. Bei der Rüstung in Bayern 1468 muſste
[409]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
jeder Streiter an seiner Seite ein gutes, langes Messer oder ein wohl-
schneidendes Schwert tragen und bei der Musterung von 1513 ein
jeder seinen Degen oder langes Messer selbst haben 1). Messer ist
manchmal ganz gleichbedeutend mit Schwert. Wenn die Zipser im
14. Jahrhundert ein altes Gesetz hatten, wonach ihre Messer eine
bestimmte Länge haben muſsten, so sind hierunter Seitengewehre
verstanden, und wir finden zu derselben Zeit ein ganz ähnliches
Gebot in Regensburg, wonach niemand verborgene und längere
Messer tragen durfte, als das am Marktturm eingemauerte Maſs
erlaubte.


Deshalb unterschied man auch Langmesserschmiede und Kurz-
messerschmiede. Indes war das Verhältnis der Klingenschmiede zu
den Messerschmieden durchaus verschieden an verschiedenen Orten.
Dies drückte sich deutlich in der Verschiedenartigkeit der Meister-
stücke der Messerer an verschiedenen Plätzen aus. Während an
einigen Orten wirkliche Messerschmiedearbeiten gefordert wurden,
bestand an den meisten Plätzen das Meisterstück in der Anfertigung
von Klingen, wie z. B. in Rothenburg a. d. Tauber nebst verschie-
denen Messern und Dolchen in Herstellung eines Richtschwertes, in
Koblenz in Anfertigung eines Schwertes und Panzerstechers. Deshalb
war aber auch die Vorbildung der Messerergesellen eine ganz un-
gleichmäſsige, und daher kam es, daſs man diesen bei der Aufnahme
als Meister an einem andern Orte in der Regel groſse Schwierig-
keiten machte. Man verlangte von ihnen ein neues Meisterstück
nach des Platzes Sitte und Gebrauch. Am strengsten waren in dieser
Beziehung die Städte, in denen die Trennung zwischen Schwertschmied
und Messerschmied vollständig durchgeführt war, wie in Nürnberg
und Augsburg. In letzterer Stadt muſste ein fremder Messerer-
geselle, der das Meisterrecht erlangen wollte, ein „Jahrsitzer“ werden,
d. h. nach vorangegangener Meldung vier volle Jahre ununterbrochen
arbeiten und in der letzten Zeit binnen einigen Wochen das ihm
aufgegebene Meisterstück verfertigen.


In Nürnberg, wo sich die Trennung von Messerern und Klingen-
schmieden zuerst vollzog, wird im Jahre 1285 zum erstenmal ein
„Mezzerer“ (cultellator) Henricus Merndorfer genannt. Die
Namen der hervorragenden Messerschmiede des 13. und 14. Jahr-
hunderts haben wir bereits angeführt (Bd. I, S. 857). Die ältesten
[410]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Augsburger Messerschmiede, welche im Bürgerbuche aufgezeichnet
sind, waren Christian Mezzerschmit 1301 und Heinrich Vene-
diger
1325.


Die Nürnberger Messerschmiede hatten sich, wie früher erwähnt
(Bd. I, S. 861), bei dem groſsen Handwerkeraufstande im Jahre 1348
im Gegensatz zu den Plattnern, Hauben- und sonstigen Schmieden
auf die Seite des Rats gestellt, infolgedessen erhielten sie nach der
Niederwerfung des Aufstandes von Kaiser Karl IV. besondere Privi-
legien: ihr berühmtes Wappen, die Krone im blauen Felde, durch
welche drei Schwerter gehen, und das Recht, zur Fastnachtszeit ein
öffentliches Schönbartsspiel mit einem Schwerttanz zu halten, während
allen andern Zünften, auſser noch den Metzgern, welche ebenfalls
zum Kaiser gehalten hatten, jeglicher Fastenscherz untersagt wurde.
Der Schwerttanz, eine altgermanische Einrichtung, war ein Vorrecht
der Freien, die ihre eigene Wehr trugen. Den Hörigen war der
Schwerttanz untersagt. Die Verleihung des Rechtes, einen Schwert-
tanz aufzuführen, war deshalb eine groſse Auszeichnung. Dieses Recht
besaſsen die Bergknappen, sowie seit 1350 die Messerer und Klingen-
schmiede. Über den Schwerttanz und den „hochzeitlichen Tanz“ der
Messerer berichtet Siebenkees1) folgendes: „Der Stadtpfänder, der
ihnen eine Mahlzeit ausrichtete, ritt mit ihnen, nebst einem Spieſs-
jungen und acht Einspännigen. Sie tanzten vor dem Rathaus und
hielten eine Fechtschule. Etliche Provisoner wurden verordnet, ihnen
Platz zu machen. Anfangs hielten sie ihn fast alle sieben Jahre,
nachher setzten sie der Kosten wegen länger aus; oft hielten sie ihn
aber wieder schnell hintereinander. — In folgenden Jahren findet
sich die Abhaltung des Tanzes bemerkt: 1490, 1497, 1511, 1516,
1518, 1537, 1539, 1540, 1546, 1558, 1560, 1561, 1570, 1600.


Der den 3. Februar 1600 gehaltene Tanz und das Fechten auf
erhobenen Schildern
ist in Kupfer abgebildet in der Bönerschen
Sammlung.


Neben dem Schwerttanz pflegten sie auch einen andern hoch-
zeitlichen Tanz zu halten, bei welchem Manns- und Weibspersonen
in seidenen und andern stattlichen Kleidungen erschienen. „Sie
kleideten eine Meisterstochter als Kronbraut und zwey als krauſse
Tischjungfern gleich den Geschlechtern“ 2).


[411]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Wie zuvor bemerkt, waren nur in den gewerbreichsten Städten
die Klingen- und Messerschmiede gewerblich und zünftig getrennt,
während sie in der Regel ein Gewerbe und eine Zunft bildeten. So
illustriert es auch Jost Ammon zu Hans Sachsens Versen:


Ich mach Par messer wol beschalt,

Köstlich vnd schlecht, darnach mans zalt,

Von Helffenbeyn, Buchsbaum vnd Sandl,

Mit rot vnd schwarzem Holtz ohn wandl,

Figure 138. Fig. 127.
Mach darzu Langwehr, Dolch vnd Tegn,

Kan etzen, Scheydmachen, vnd Schwert fegen,

Wer dieser meiner arbeit darff,

Der find mein Zeichen grecht vnd scharff.

Schopperus aber besingt den Faber cultarius in folgender
Weise:


Conficio validos de ferri semine cultros,

Ferela quibus scindas luxuriosa gulae.

Tonsor ad officium quibus utitur omnis amatum,

Quos pariter secum femina virque ferunt.

Magnificas fueris si quando vocatus in aedes,

Nec tibi cultellus forte decorus erit.

[412]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Non aliter mensa convivia sedebis in ipsa,

Infestas bubo quam sedet in aves.

Quisquis es ergo meis moderantius utere cultris,

Sollicita frangas aut tua ferela manu.

Ich bereite aus des Eisens Samen starke Messer,

Mit denen du deine Speisen schneidest, die Leckerbissen der Gurgel.

Jeder Barbier bedient sich derselben für sein beliebtes Geschäft,

Wie Männer sowohl wie Frauen solche stets mit sich tragen.

Wirst du einmal in ein prachtvolles Haus gerufen,

Wird dir dann nicht dein zierliches Messer (cultellus) ein groſser

Schmuck sein?

Und nicht anders wirst du dann bei der festlichen Tafel sitzen,

Als wie die Eule unter den feindlichen Vögeln.

Aber wer du auch seist, bediene dich meiner Messer mit groſser

Mäſsigung,

Oder du zerteilest dann deine Speisen mit unruhiger Hand.

Hierzu sei kurz erläuternd bemerkt, daſs es in jener Zeit noch
üblich war, sein eigenes Messer zum Zerlegen der Speisen zu
Schmausereien mitzubringen, indem man das Auflegen von Tisch-
messern noch nicht kannte.


Garzoni trennt ebenfalls in seinem Schauplatz die Messerer
von den Klingenschmieden und sagt von denselben folgendes:


„Zu diesen (den Waffenschmieden) gehören auch die Messer-
schmidt
, welches dann die sind, so allerhandt Messer groſs und
klein, Scheren und andere dergleichen Dinge machen, wie man von
des Demosthenis Vatter liset bey dem Textore, daſs er ein Messer-
schmidt gewesen sey. Die besten werden heutigen Tages zu Cremona,
Brescia, Mayland, Venedig, Neapoli, Laraualle, Friul, Scarperia und
andern Orten mehr gefunden, allda beydes Messer und Scheren, so
sehr gut sind, gemacht werden, mit schönen und künstlichen Schalen
und andern Zierden, wie man sie begehren möchte. An den Teut-
schen Messern ist gemeiniglich nicht viel besonders, wiewohl sie sonst
gar zierlich gemacht werden: dann man nit so sehr nach der Zierde
als nach der Schneiden sihet; und wann dieselbe gut ist, so mag
der Stiel leicht genugsam sein, daſs man es damit halten könne.“


„Die Klingenschmidt und Schwertfeger gehören auch hierher
als Waffenschmidt, und sind die, so beydes die Klingen bereitten,
mit einer oder mit zwo Schneiden, spitz, breit, schmal, kurz, lang, zu
[413]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
einer oder zu zwoen Händen, Rappier, Cortellaschen, Tolchen, Stileten,
Pfriemen etc. und die sie poliren und Gefäſs, Scheiden, Ortbandt
darzu machen: Darzu sie auch ihren sonderen Werkzeug, als Schleiff-
stein, Polirbank, Polireisen, Feilen, Hammer und anderes mehr haben
müssen.“


In Solingen, welches nachmals der wichtigste Platz für die
Messerfabrikation wurde, waren Klingen- und Messerschmiede bis in
die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht getrennt, vielmehr be-
sorgten die Schwertschmiede auch die Anfertigung der „kleinen
Messer“. Am 14. Januar 1571 erhielten aber die Messermacher von
dem Herzog von Berg ein besonderes Privilegium und damit war die
Trennung zwischen Klingen- und Messerschmieden formell vollzogen:
Die Messermacher wurden auch in Solingen ein selbständiges Hand-
werk. Hierzu trug eine Reihe von Umständen bei. Die Schwert-
fabrikation war durch die veränderte Kampfweise infolge der immer
mehr zur Geltung gelangenden Überlegenheit der Feuerwaffen in
Rückgang gekommen. Infolgedessen sahen sich viele Schwertschmiede
gezwungen, sich ganz auf die Fabrikation der kleinen Messer zu ver-
legen. Umgekehrt hatte die Nachfrage nach kleinen Messern sich
auſserordentlich gesteigert, denn um diese Zeit kam der Gebrauch
auf, zu jedem Gedeck bei Tisch ein besonderes Messer zu legen, also
der Gebrauch der Tischmesser, und ebenso kamen die Einschlag-
messer, die man zugeklappt in der Tasche tragen konnte, in die
Mode. Endlich kam noch eine ganz neue Sitte beim Essen in
Übung, nämlich die festen Speisen statt mit den Fingern oder mit
einem Löffel zum Munde zu führen mit einer Gabel zu fassen. Diese
Mode ging von Italien aus und fand nur allmählich bei den germa-
nischen Völkern Nordeuropas Eingang.


Die Anfertigung der Gabeln fiel ebenfalls den Messerschmieden zu.
Das oben erwähnte Privilegium der Messermacher vom Jahre 1571 be-
stimmte, daſs den drei beschlossenen Brüderschaften der Schwertindu-
strie sämtliche Rechte unverkürzt verbleiben sollten; ihnen, ihren
Genossen und Nachkommen stand ebenso wie den Messermachern und
deren ehelichen Söhnen die Berechtigung zu dem Gewerbe zu. Die
ehelich geborenen Fremden sollten noch als Knechte und Jungen in
Arbeit bleiben, weiter aber kein Fremder aufgenommen werden: zur
Kontrole sollten sämtliche Mitglieder in einem Buche verzeichnet
werden 1). Von den vier Ratleuten, welche die Messer zu beschauen
[414]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und das Solinger Beschauzeichen aufzuschlagen hatten, wählte jede
der drei beschlossenen Brüderschaften und das Messerschmiedehand-
werk je einen. Der Vogt wurde aus den letzteren von der herzog-
lichen Behörde ernannt.


Durch die Vorbehalte der drei beschlossenen Brüderschaften sah
sich das Messermacherhandwerk zeitweilig einer sehr unbequemen
Konkurrenz ausgesetzt. Ging die Schwertfabrik schlecht, so legten
sich deren Arbeiter auf das Messermachen und lieferten dann
meistens schlechte Ware, da die Technik immerhin eine andere war.
Betraf der Stillstand zugleich auch die Messerfabrik, so wurde die
Konkurrenz unerträglich, zumal die Messermacher nicht einmal Ver-
geltung üben durften. — Gefährlicher noch als die unbequeme, un-
geregelte Konkurrenz der Schwertbrüder wurde den Messerschmieden
die wirtschaftliche und soziale Stellung, welche die Fertigmacher
einzunehmen begannen. In den früheren Zeiten, als die Beschaffen-
heit der Messer noch eine sehr einfache und die Klinge die Haupt-
sache war, konnte es wirkliche Messermacher in der Art geben, daſs
ein und derselbe Mann Schmied, Reider und Fertigmacher war und
nur gegen Lohn schleifen lieſs. Als nun im 16. Jahrhundert die
Arten der Messer mannigfaltiger und komplizierter wurden, ent-
wickelte sich auch bei diesem Handwerk eine immer weitergehende
Arbeitsteilung und die Anzahl der Hilfsarbeiter nahm zu. Infolge
dieser Arbeitsteilung trat nun ein Faktor in die Produktion, welcher
dieselbe leitete und die in den zerstreuten Werkstätten erzeugten
Fabrikate zu einem Ganzen zusammenfaſste — das war der Fertig-
macher. Er kaufte vom Messerschmied die Klingen, vom Erlschmied
die Platten zum Belegen mit Heften oder zu den Seitenwänden der
Zuschlagmesser, vom Heftemacher die Holzstiele, vom Bändemacher
die messingenen, zinnernen oder silbernen Bände, Beschläge und
Kappen auf, um sie zu fertigen Messern zusammenzusetzen. Da unter
jenen Arbeitern, namentlich unter den Hefte- und Bändemachern,
welche auſserhalb der Zunft standen und daher unprivilegierte Arbeiter
hieſsen, ferner auch unter den Messerschmieden sich viele arme
Leute befanden, welche auſser stande waren, den Vorschuſs auf den
Ankauf des Materials zu leisten, so kauften jene Fertigmacher sämt-
liche Materialien in gröſseren Mengen ein, lieferten sie den Arbeitern
und lieſsen diese um Lohn die einzelnen Verrichtungen ausführen.
In der Messerfabrik beginnt daher schon im 16. Jahrhundert die
Entwickelung vom handwerksmäſsigen zum hausindustriellen Betriebe,
die selbständigen Messermacher werden allmählich zu lohnarbeitenden
[415]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Meistern herabgedrückt. Den Handel besorgten teils die Schwert-
kaufleute, teils die Fertigmacher selbst; aus diesen beiden Gruppen
bildete sich allmählich die sogenannte privilegierte Kaufmannschaft,
welche zu den Brüderschaften gehörte. Daneben gab es noch un-
privilegierte oder wilde Kaufleute, welche neben Remscheider, Lütt-
ringhauser, Elberfelder und andern Artikeln auch Solinger Stahl-
waren führten. Diese hatten, schon bevor das Messermachen im
Jahre 1571 zünftig wurde, ihre Handelsberechtigung gegen Zahlung
von drei Goldgulden erlangt und bei dieser Gewohnheit blieb es auch
ferner; jedoch bedurften sie noch einer Erlaubnis von Vogt und Rat.


Gegen diese drückenden Miſsstände kämpfte das Messermacher-
handwerk mit aller Kraft an und erreichte dadurch eine neue Ver-
ordnung, vom 22. Dezember 1592, welche sowohl der Einschrän-
kung der Konkurrenz der Schwertbrüder als der Übermacht der
Fertigmacher Rechnung trug. Darin wurde bestimmt, daſs fortan
keiner aus den vier Handwerken Meister werden durfte, der nicht
seine Lehrjahre ausgehalten, sein Meisterstück gemacht und sich als
fähig erwiesen hatte sowohl im Schmieden wie im Reiden. Alle
Meister sollten in Zukuft ihre Waren bei sich schmieden, reiden und
fertig machen. Diejenigen, welche nur zu schmieden oder nur zu
reiden verstanden, durften solches fortsetzen, aber nur nach einer
für je 100 Messer nach Gestalt und Güte berechneten Lohnsatzung.
Um bei den selbständigen Meistern das Einkommen gleichmäſsig zu
gestalten und eine Überproduktion zu vermeiden, durfte kein Meister
mit mehr als einem Knecht und einem Jungen arbeiten; allein durfte
er in der Woche 100, mit einem Knecht 150 und mit noch einem
Jungen 250 Messer schmieden. Die Messer sollten von gutem Stahl und
Eisen sein, das Produkt der Hammerwerke wurde verboten. Schlechte
Ware sollte konfisziert werden und dem Herzog verfallen. Wer
auſserhalb des Ortes auf offenem Markt oder sonstwo schlechte
Solinger Ware feilbot, wurde durch das Amt in Strafe genommen.


Diese Verordnung verfehlte nicht ihre Wirkung und trug durch
Einschränkung der Produktion und schärfere Kontrolle zur Hebung
des Messermacherhandwerks bei.


Für die verschiedenen Bedürfnisse erhielten die Messer sehr
verschiedenartige Gestalt.


Man verfertigte Tisch- oder Tafelmesser, Vorleg- und Brot-
messer, Schlachtmesser, Schuhmachermesser
, dann Taschen-
oder Einlegmesser („Kniepe“ genannt), Federmesser, Scher-
messer, Gartenmesser, Schnittmesser
u. s. w. Die Bezeichnung
[416]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
in den Messerfabriken selbst war aber eine noch mannigfaltigere
und je nach dem Fabrikort ganz eigenartige. Auſser Solingen und
Nürnberg, Augsburg und Dresden waren Ruhla in Thüringen, Aarau
in der Schweiz, Lüttich, Namur und Herzogenbusch in den Nieder-
landen, Sheffield und Birmingham in England, Paris, Langres, Tours
und Rouen in Frankreich, Wien und Steier in Österreich die wich-
tigsten Plätze für Messerwaren.


Einen groſsen Aufschwung nahm die Messerfabrikation durch
den von Jahr zu Jahr zunehmenden Verkehr mit fremden Welt-
teilen. Messer gehörten zu den beliebtesten Tauschartikeln im Ver-
kehr mit den wilden Völkerschaften. In Solingen unterschied man
deshalb „Messengut“, die gewöhnlichen Messerwaren, welche auf

Figure 139. Fig. 128.


Tafelmesser vom
Jahre 1180 nach
dem M. S. von Her-
rade de Lands-
berg
im Hortus
deliciarum.


die Frankfurter, Leipziger und Braunschweiger
Messen gebracht oder auch nach andern euro-
päischen Ländern, den Niederlanden, Frankreich,
Italien u. s. w. abgesetzt wurden und „Seegut“,
welches über Amsterdam nach Ost- und West-
indien, Amerika, Afrika und Arabien verschifft
wurde.


Die Messerklingen wurden geschmiedet und dann in Schleifer-
mühlen auf runden Steinen mit Wasser geschliffen. Feine Klingen
machte man ganz aus Stahl, bei den gröberen bestand der Kern aus
Eisen. Zu der Zeit, als man nur das Eisen in Rennherden gewann,
muſsten die Schmiede die ihnen angebotenen Eisenstücke erst auf
ihre Härte prüfen und nach Bedarf aussuchen. Um ein gleich-
mäſsiges Material zu erhalten, muſsten sie das Eisen erst gut über-
schmieden oder gärben. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
aber besorgten dies bereits die Reckhämmer und die Messerschmiede
bezogen ihren „Messerstahl“ in handlicher Form. Der gewöhnliche
Messerstahl, auch „Messermasse“ genannt, war ein mittelharter
Schweiſsstahl, der in kurzen, ⅝ Zoll breiten und ⅛ Zoll dünnen
Stangen geliefert wurde. Aus ihm wurden meistens groſse Schnitz-
und Vorlegmesser in der Weise gemacht, daſs man ihn um das
Eisen legte, welches letztere in der Mitte und zur Angel blieb. —
Eine weit bessere Sorte hieſs „Krampstahl“. Dieser wurde haupt-
sächlich für Tisch- und Schlachtmesser gebraucht. Er wurde mit
besonderer Sorgfalt aus härterem und weicherem Stahl und einer
Eisenanlage von dreieckiger Gestalt gegärbt.


Bei der Herstellung gröberer Messerklingen verfuhr der Schmied
folgendermaſsen: er schmiedete ein Stück Stahl etwa 1 Zoll lang
[417]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und ¼ Zoll dick aus. Der warm gemachte Stahl wurde auf die
Kneipen eines Schraubstocks gelegt und mit einem stumpfen Meiſsel
zusammengerollt. In diesen aufgerollten Stahl wurde ein dünnes
Rundeisen gesteckt, beides zusammengeschweiſst und mit dem Hammer
auf dem Amboſs zu einer Klinge ausgestreckt. Der Rücken entstand
auf der Seite, wo beide Enden des aufgerollten Stückes zusammen-

Figure 140. Fig. 129.


Italienische Messer nach Bart.
Scappi
vom Jahre 1570.


stieſsen, die Schneide auf der ent-
gegengesetzten Seite. Hierauf hieb
der Arbeiter die im Groben gebildete
Klinge von der Eisenstange ab,
indem er von letzterer nur ein Stück
für die Angel stehen lieſs. Alsdann
wurde das ganze Messer wieder rot-
warm gemacht, die Klinge in das Loch
des Stammeisens gesteckt, der aus-
gehöhlte Stempel auf die Angel ge-
setzt und durch einige Schläge des
Hammers auf den Stempel die Scheibe
oder der Absatz unter der Klinge
gebildet. Nachdem die Klinge mit
der Feile oder auf dem Schleifsteine
nachgearbeitet worden war, wurde
sie gehärtet. Da sie sich hierbei in
den meisten Fällen warf, muſste sie
auf dem Amboſs mit dem Richt-
hammer wieder gerade geschlagen
werden. Alsdann wurde sie fertig ge-
schliffen und poliert und abgezogen.


Feinere Messer, sowie die chirurgischen Instrumente wurden aus
ausgesuchtem, bestem Stahl hergestellt.


Zu der Thätigkeit der Messerschmiede gehörte ferner die An-
fertigung der Gabeln und der Scheren.


Es wurde bereits erwähnt, daſs Gabeln zum Essen erst sehr
spät in Gebrauch gekommen sind. Im Mittelalter kannte man in
der Küche nur die groſse zweizinkige Vorleggabel, um einen Braten
zu wenden oder aus dem Topfe zu heben, auch benutzte man in
fürstlichen Häusern in Frankreich Gabeln (furchestes), um Birnen
und Äpfel beim Schälen zu halten; dieselben waren meist von Silber
oder Gold 1). Die Sitte, Speisen mit einer Gabel zum Munde zu
Beck, Geschichte des Eisens. 27
[418]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
führen, kam zuerst Ende des 15. Jahrhunderts in Italien auf und
verbreitete sich von da nur sehr langsam nach den übrigen Ländern
Europas. Am Ende des 16. Jahrhunderts waren die Gabeln in Frank-
reich selbst bei Hofe noch neu, in der Isle des Hermaphrodites (um
1589) wird der Gebrauch der Gabeln am Hofe Heinrichs III. als
weibliche Ziererei verspottet 1). In England fanden sie noch später
Eingang. Königin Elisabeth und Shakespeare aſsen noch nach alter

Figure 141. Fig. 131.


Messer nach Gay, Glossaire archéologique, 15. Jahr-
hundert: A. Couteau à trancher, à manche niellé,
ancienne coll. du comte de Nieuwerkerke. C. Autre
— monté en cristal — app. à M. L. Carraud. B. Petit
couteau de la même gaine. — 16. Jahrhundert: D. Tafel-
messer, Herrn Gay gehörig. E. Fisch- und Küchen-
messer, Herrn Mattias Ghinger gehörig.


Väter Weise mit den
Fingern oder mit dem
Löffel. Thomas Co-
ryate
war der erste,
der im Jahre 1608
diese italienische Sitte
in England einzu-
führen versuchte, aber
er erntete nur Hohn
und Spott und man
gab ihm den Scherz-
namen „Furcifer“ 2).
In Ungarn und Schwe-
den wurden sie auch
nicht früher bekannt
und in Spanien sind
sie bei den geringeren
Ständen heute noch
wenig in Gebrauch.


Daſs sie auch in
Deutschland im 16.


Jahrhundert noch
nicht in allgemeinem
Gebrauch waren, geht
unter anderm aus den
Meisterstücksarbeiten
der Messermacher her-
vor. So gehörte zu dem Meisterstück der Messerschmiede in Frank-
furt unter andern die Anfertigung eines Tischfutterals mit 12 Messern,
samt einer Gabel und einem Stahl. Die eine Gabel war also jeden-
falls nur eine Vorleggabel.


[419]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Die Herstellung der Gabeln geschah in folgender Weise:
Wenn eine Gabel drei oder vier Zacken erhalten sollte, so schmiedete
der Messerschmied für diesen Teil der Gabel das vordere Ende eines
Stahlstabes flach aus und zwar so breit, als die Zacken mit ihren
Zwischenräumen. Der Fuſs der Zacken, „die Stolle“, wurde dann
unter dem Hammer rund, die Angel dagegen völlig ausgeschmiedet.
Alsdann hieb man mit einem Meiſsel die Zwischenräume der Zacken
aus, bearbeitete jeden Zacken mit der Feile und krümmte alle zu-
sammen etwas mit dem Hammer. Der Stollen bekommt dabei meist
eine flachrunde Gestalt. Zweizinkige Gabeln werden anders her-
gestellt. Man läſst beim Schmieden der Gabel ein flaches Stück
stehen, welches halb so lang ist, als die fertigen Zacken, und zer-
schrotet es mit dem Meiſsel der Länge nach in zwei gleiche Streifen.
Diese biegt man dergestalt zurück, daſs sie mit der Stolle einen
rechten Winkel bilden, und schmiedet sie alsdann zu spitzigen Zacken
aus. Hierauf macht man sie wieder warm, treibt sie etwas mit dem
Hammer zusammen und richtet sie auf dem „Gabelrichter“, wobei
der Messerschmied den einen Zacken der Gabel in die Öffnung unter
den Gabelrichter steckt und dem andern auf der Bahn desſelben
den entsprechenden Abstand von der Stolle giebt. Dasſelbe wird
dann mit dem zweiten Zacken wiederholt Alsdann werden beide
nebst der Stolle mit der Feile ausgearbeitet. Die Zacken bekommen
bei allen Gabeln Federhärte, damit sie sich gehörig biegen lassen.
Hierauf werden sie poliert. Die Schalen werden wie die Messer-
schalen verfertigt.


Die Scheren wurden ebenfalls von den Messerschmieden an-
gefertigt. Die fabrikmäſsige Herstellung bestand aber im 16. Jahr-
hundert noch nicht, wenigstens war in Solingen die Scheren-
schmiederei von untergeordneter Bedeutung. Mehr scheinen sie in
den groſsen Industriestätten, wie in Nürnberg, fabriziert worden zu
sein. Besonders berühmt durch seine Scheren war Sheffield.


Die Teile der Scheren haben folgende Namen: die schneiden-
den Klingen heiſsen „die Blätter“, der Ort, wo sie zusammengenietet
werden, „der Schild“, die Schenkel „die Stangen“, welche sich in
Ringen endigen. Die feinen Scherenblätter werden aus gutem Stahl,
die Stangen aber aus Eisen geschmiedet, weil man sonst die Ringe
nicht lochen kann. Die Stahlschneiden werden an das Eisen der
Stangen angeschweiſst. Das Schmieden, Stanzen, Schweiſsen, Feilen,
Härten, Schleifen und Polieren sind bei feinen Scheren nicht ganz
leichte Arbeiten.


27*
[420]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

An die Klingenschmiederei schlieſst sich am nächsten ein anderes
uraltes Gewerbe an, die Sensenschmiederei. Auch dieses Hand-
werk blühte schon im Mittelalter in den Gegenden, in denen heute
noch ihre berühmtesten Sitze sind, in Steiermark und in dem bergisch-
märkischen Lande. Die Kronenberger weiſsen Sensen und Futter-
klingen bildeten schon 1240 einen wichtigen Handelsartikel der Hansa
und 1298 werden die Sensenschmiede in Nürnberg als selbständige
Zunft aufgeführt. Eine sagenhafte Überlieferung erzählt, daſs in dem-
selben Jahre die Sensenschmiede zwei junge Burggrafen mit samt
ihren Pferden erschlagen hätten, weil die Jagdhunde der Grafen das
Kind eines Sensenschmieds in Stücke gerissen hatten. Aus Furcht
hätten sie sich dann aus dem Staube gemacht und den Sensen- und
Sichelhandel, der vordem Nürnberg mit zu so hoher Blüte gebracht
hatte, mit sich fortgenommen. Auch in Freiberg in Sachsen hatten
die Sensenschmiede früh eine eigene Innung.


Im Mittelalter und bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts
wurden Sensen und Sicheln nur mit der Hand geschmiedet.


So stellt es Jost Ammon dar zu folgendem Vers des
Schopperus:


Falcarius — der Sensenschmied.
Demetit herbosum quae falx messoria foenum,

Dulce putatoris ne remoretur opus.

Haec mihi praecipue sedat alto pectore cura,

Acriter ut Cererem falx peractis secet.

Nam mihi de rigidi fabricatur semine ferri,

Scindat ut in curvis denticulata modis.

Ergo quid agricolae etatis? quae causa moretur?

Ocyus ad nostrum quin properate forum.

En falces quodvis ad opus tibi vendimus aptas,

Rura quibus leviter fertiliora metas.

Diese mähende Sichel schneidet die wuchernden Kräuter,

Und sie fördert das süſse Werk des Baumbeschneiders.

Vor allem aber sitzt mir in geschwellter Brust die wichtigste Sorge,

Daſs die Sense mit scharfem Streiche der Ceres Gaben fälle.

Denn von mir wird sie aus dem starren Samen des Eisens gefertigt,

Daſs sie schneidet, ob in Kurven gekrümmt oder gezähnt.

Deshalb, ihr Landleute, was steht ihr noch da? Aus welcher

Ursache zögert ihr?

[421]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Statt daſs ihr hierher zu unserm Markte eilet?

Denn Sensen aller Art zu jeglicher deiner Arbeiten geeignet

verkaufen wir dir,

Mit denen du leicht die fruchtbaren Felder abmähen wirst.

Hans Sachs aber liefert dazu folgende Verse:


Vil Sensen durch mich geschmidet sind,

Mit Hämmerschlagen, schnell vnd schwind,

Die Dengel ich scharff vber dmaſs,

Damit man Meht das grüne Graſs,

Figure 142. Fig. 131.
Daraus denn wirt Grumaht vnd Heuw,

Auch mach ich Sichel mancherley,

Darmit man einschneid das Gertreid,

Durch alte Weiber vnd Bauwren Meid.

Daſs die Sensen auf langen Stangen (Fig. 132, a. f. S.) in den Kämpfen
der Schweizer im 14. und 15. Jahrhundert und in den Bauernkriegen
im 16. Jahrhundert eine groſse Rolle spielten, ist bekannt. In allen
Waffensammlungen sind diese Kriegssensen zu sehen. In der Regel
waren es die gewöhnlichen Ackersensen der Bauern, deren „Hamm“
nur gerade gerichtet wurde. Während der Bauernkriege wurden in
[422]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Österreich die Schmiede, welche sich dazu hergaben, die Sensen in
dieser Weise in Waffen umzugestalten, mit dem Tode bestraft.


Das eigentümliche Sensenschwert mit einem Kalender in Runen-
schrift, welches der Bauernführer und Wiedertäufer Thomas
Münster
, der 1525 hingerichtet wurde, trug, befindet sich in dem
historischen Museum zu Dresden.


Alle diese Sensen und Sensenwaffen waren mit der Hand ge-
schmiedet und muſsten sich die Schmiede das Eisen und den Stahl dazu

Figure 143. Fig. 132.


selbst aussuchen und verschmieden. Wohl erst in
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ging man dazu
über, das Schmieden mit Wasserhämmern in dem so-
genannten „Sensenhammer“ oder der „Blattschmiede“
vorzunehmen. In Steiermark, das wegen seiner
blauen Sensen in ganz Europa berühmt war, machte
man dieselben aus Mock und Kernstahl oder Rohstahl.
Beide wurden zu flachen Stäben ausgereckt, doch
schmiedete man die Stahlstäbe dünner aus. Alsdann
wurden sie in Stücke von etwa 4 Zoll abgehauen,
doch so, daſs die Stückchen Stahl kürzer waren, als
die Stückchen Mock. Von beiden Sorten wurden nun
je ein Stück aufeinander gelegt und mit der Feuer-
zange gefaſst und zwar so, daſs sie oben gleich waren,
an der unteren Seite also der Mock überstand. Sie
erhielten Schweiſshitze und wurden unter dem Hammer
ganz gemacht und ausgereckt, wobei man es nach
vorn etwas dünner ausschmiedete. Alsdann wurde
eine zweite Schweiſshitze gegeben und das Stück
vollends dergestalt gereckt, daſs es nach hinten immer
etwas stärker und breiter wurde und auch zugleich der
Winkel entstand, den man den „Hamm“ nannte
und welcher meistens aus dem hervorragenden Stück Mock bestand.
Das ausgereckte Stück wurde eine „Schiene“ genannt. Diese wurde
zunächst an ihrem vorderen Teil in einer kleinen Esse rotwarm und
mit einem Handhammer etwas spitzig gemacht. Alsdann bekam sie
eine neue Hitze und wurde unter dem Wasserhammer ausgebreitet,
wobei sie die Gestalt der Sense erhielt. Der Rücken, der aus Mock
bestand, wurde alsdann mit Handhämmern fertig gemacht, ebenso
die Spitze und die Schneide, welche vorn gerade geschnitten, auch
etwas wenig und sehr stumpf zugeschliffen wurde. Zuletzt wurde sie
unter einem kleinen, sehr schnell getriebenen Wasserhammer noch-
[423]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
mals kalt überschmiedet, worauf sie zum Härten fertig war. — Zu
diesem Zweck erhielt die Sense bis auf den Hamm mäſsige Rotglut,
nur nach der Spitze zu etwas wärmer als hinterwärts. So warf man
sie in einen Trog mit zerlassenem Unschlitt, woraus sie aber sogleich
von einem zweiten Arbeiter wieder herausgezogen und durch Be-
streichen mit Kastanienrinde von dem anhaftenden Fett befreit
wurde. Dieses brach dabei oft in Flammen aus, weil die Klinge
noch sehr heiſs war. Auch muſste man den Fettkasten selbst kühlen,
damit sein Inhalt bei dem wiederholten Eintauchen der glühenden
Klingen nicht in Flammen aufging, und zwar nicht nur durch Ein-
tragen von kaltem Unschlitt, sondern auch durch Wasserkühlung von
auſsen. Nach dem Abstreichen wurde sie wiederholt durch einen
Haufen glühender Kohlenlösche gezogen, um das wenige Fett noch
abzuwischen und dann wurde sie über einem Essenfeuer hin- und
hergezogen und gleichmäſsig so stark erhitzt, daſs sich der Rest des
noch anhaftenden Fettes in Kohlen verwandelte. Hierauf eilte der
Arbeiter mit der Sense nach einem Trog mit flieſsendem kaltem
Wasser und schlug mit aller Kraft die flache Klinge darauf. Sobald
diese die Oberfläche des Wassers berührte, erfolgte ein Knall. Man
tauchte das Stück nur ganz wenig unter und zog es gleich wieder
heraus. Auf der ganzen flachen Seite, die zuerst das Wasser be-
rührte, war der Sinter fast gänzlich abgesprungen und die Oberfläche
gröſstenteils weiſs, wie bei anderm Stahl, wenn man ihn in Wasser
ablöscht. Auf der andern oder Rückenfläche war schon weit mehr
Sinter. Nun wurde das Stück aufs neue über dem Feuer erhitzt,
doch nicht mehr, als daſs es gelb anlief. Hierauf wurde die Klinge
mit einem hobelartigen Eisen, welches von zwei Mann hin- und her-
gezogen wurde, geschabt und gereinigt. Alsdann erfolgte das Blau-
anlaufenlassen. Dies geschah durch Hin- und Herziehen und ganz
gleichmäſsiges Erhitzen über der Glut einer Esse. War die Sense
durch das Glühen und Ablöschen höckerig und krumm geworden,
so wurde sie zum Schluſs noch mit Hämmern gerade gerichtet.


Die steierischen Sensenfabriken waren in besondere Zünfte ein-
geteilt, welche nach Ortschaften benannt wurden. Im vorigen Jahr-
hundert waren dies folgende, deren Alter aber wohl weit zurückreichte:


  • a) In Steiermark: zu Rottenmann im Viertel St. Eustach;
    im Murgthal daselbst; zu Judenburg im Judenburger Viertel.
  • b) In Unterösterreich: zu Waldhoven.
  • c) In Oberösterreich: im Traun-Viertel, zwischen Winsch-
    garten und Spital, unter Winschgarten am linken Ufer der Teichl;
    [424]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
    an der Schönaubach; zu Kreitz an der Krems; Leonstein; Teuffen;
    Viechtwang; Kirchdorf; Mannsen; Micheldorf.

Jede Zunft hatte ihr besonderes Beizeichen, z. B. die Kirch- und
Michelsdorfer K. M., die Judenburger J., die Rottenmanner R…


Das Zeichen Sonne, welches hauptsächlich nach Spanien ging,
wurde in der Judenburger Zunft geschlagen, ebenso der doppelte
Säbel, doppelte Degen, welcher in Amerika gesucht wurde. In der
Kirch- und Michelsdorfer Zunft: Siebenstern, doppelter Fisch und
Pokal oder Kelche, welche drei Zeichen hauptsächlich nach Ruſsland
gingen.


Die Sensenfabriken in Solingen, ebenso wie die zu Plettenberg
machten weiſse Sensen. In älterer Zeit wurden sie nur mit Hand-
hämmern geschmiedet und gebreitet, später bediente man sich der
Wasserhämmer. Hierbei stellte man den Hauptkörper der Sense aus
zähem, weichem Eisen dar, wofür Stabeisen aus dem Nassauischen
und dem Kölnischen (Sauerland) am beliebtesten war. Man teilte die
Eisenstangen in Stücke, je nach dem Gewicht der Ware, spaltete die
hohe Kante desſelben und legte den Stahl ein. Dieser Stab erhielt
Schweiſshitze und wurde unter einem Wasserhammer geschweiſst und
vorgeschmiedet unter einem andern gebreitet und alsdann mit Hand-
hämmern fertig gemacht. Alsdann wurde die Sense gehärtet und
hierauf, soweit der Stahl in der Schneide lag, gegen den Umlauf
des Steines geschliffen. Hierdurch erhielten sie die weiſse Farbe,
von der sie die Bezeichnung hatten. Nachdem sie gerichtet waren,
wurden sie nach Dutzenden oder Bunden in Stroh gewickelt und
verschickt. Neben den Sensen machte man „Sicheln“, leichte, stark
gekrümmte Sensen, mit denen das Getreide gehauen statt gemäht
wurde, und Strohmesser. Sensen und Sicheln wogen 0,75 bis 2 kg
pro Stück an Eisen und auf den Bund kamen 1,80 kg Stahl; die
Strohmesser variierten von 1 bis 5 kg an Eisen mit 1,75 bis 3,75 kg
Stahl auf das Dutzend. Ein Meister mit einem Gesellen konnte
vor einem Feuer täglich ein Dutzend Sensen oder 15 bis 16 Stück
Strohmesser machen.


Die Plettenberger Sensenschmiede bezogen ebenfalls ihr Eisen
aus dem Sauerland. Sie unterschieden sich von den märkischen
Schmieden hauptsächlich durch die Art des Schleifens. Die Ware
wurde mit dem Stein geschliffen, wobei der Schleifer über dem Stein
saſs, während in der Mark und im Bergischen der Schleifer vor dem
Stein gebückt stand und die Sense mit Gewalt gegen den Angriff
desselben drückte. Ersteres Verfahren gab bessere und haltbarere
[425]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Schneiden, weshalb die Plettenberger Klingen besser und mehr ge-
sucht waren. Von den Plettenberger Zeichen galten Krone, einfacher
und doppelter Wolf als die besten.


Oben wurde der Kriegssensen gedacht und dies führt uns zu
einer kurzen Betrachtung der Stangenlanzen und sonstiger Hieb- und
Stoſswaffen. Der Kriegssense (Fig. 132) schlieſst sich am nächsten
die Kriegssichel (Fig. 133) an; die Schneide der ersteren ist ein-
wärts gebogen, die der zweiten auswärts.


Wie sich die beiden vorgenannten Waffen aus der Sense, so
entwickelte sich aus dieser auch die Gläfe oder der Roſsschinder

Figure 144. Fig. 133.


Figure 145. Fig. 134.


Figure 146. Fig. 135.


(so genannt, weil sie besonders benutzt wurde, um die Kniekehlen der
Pferde zu durchschneiden). Fig. 134 zeigt eine Schweizer Gläfe aus
dem 15. Jahrhundert im Arsenal zu Solothurn. Die Waffe war zum
Hieb und Stich geeignet. Ebenso wie die auch besonders in der
Schweiz gebräuchliche Kriegshippe (Fig. 135). Diese führt uns zu
der alten, aber seit Mitte des 15. Jahrhunderts in allgemeinen Ge-
brauch gekommenen Hellebarde (von Helm und Barte), einer Ver-
bindung von Lanze und Axt. Aus der einfachen Form (Fig. 136 a,
a. f. S.) im 15. Jahrhundert entwickelten sich eine Mannigfaltigkeit
von Gestaltungen (Fig. 136 b und c). Eine Abart der Hellebarde war
die Partisane (böhmischer Ohrlöffel), deren Klinge mehr ein Schwert
mit Flügelspitzen darstellt (Fig. 137) und die wieder eng verwandt ist
[426]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
mit der Korseke, der korsischen Partisane (Fig. 138). Dies führt uns
zurück zu den alten einfachen Formen der Lanze, des Speers oder
Spieſses, der Pike und des Saufängers. Die Landsknechte trugen lange

Figure 147. Fig. 136

a, b und c.


Stangenlanzen, gegen Ende des 15. Jahrhunderts mit Schaften von
7 bis 8 m Länge und einfacher Spitze (Fig. 139 a). Formen, wie in
Fig. 139 b und c abgebildet, trugen die österreichischen und Schweizer
Fuſssoldaten. Mannigfaltigere Formen zeigen die Kriegs- und Turnier-

Figure 148. Fig. 137.


Figure 149. Fig. 138.


Figure 150. Fig. 139

a, b und c.


Figure 151. Fig. 140.


speere, an welche sich der Saufänger oder die Schweinsfeder anreiht.
— Eiserne Streitkolben waren, wie die ungarischen Buzogans (Pusi-
kane), Waffen der Reiter, die auch als Würdezeichen dienten. Der
Streitkolben der Bauern war der Morgenstern, aus einem Knüppel
[427]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
mit eingetriebenen starken Nägeln leicht herzustellen. Zu dieser
Kategorie von Waffen gehörten auch die Kriegsflegel. Eine sehr
vornehme und zugleich altdeutsche Waffe war der Streithammer,
aus der alten Barte entstanden, die Waffe der Heerführer. Er war
oft ganz aus ciseliertem und verziertem Eisen gefertigt (siehe Fig. 140).
An die Barte reiht sich die Streitaxt, die von dem Reiter mit kurzem,
von dem Fuſssoldaten mit langem Schaft getragen wurde, mit schmaler
oder breiter Schneide und mannigfaltiger Gestalt. Alle diese Waffen
wurden, soweit sie nicht von gewöhnlichen Schmieden gemacht
wurden, von den Klingenschmieden oder den Blankschmieden her-
gestellt. Zu ausführlicherer Beschreibung ihrer Bereitungsweise geben
sie uns indessen keine Veranlassung.


Die Büchsenschmiederei.

Die Büchsenschmiederei war ein zünftiges Gewerbe, welches
von einzelnen selbständigen Meistern betrieben wurde, doch ent-
wickelte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts die Herstellung der Hand-
feuerwaffen, die in Konstruktion und Zubereitung verbessert, nach
und nach zur wichtigsten Waffe im ernsten Kampfe wurden, bereits
teilweise zu fabrikmäſsigem Betriebe. Über die Erfindung des Pulvers,
die Verwendung desſelben zu Schuſswaffen und die Wichtigkeit
dieser Neuerung haben wir im ersten Bande bereits ausführlich (Bd. I,
S. 892 etc.) gehandelt.


Die Handfeuerwaffen entwickelten sich aus sehr unvollkom-
menen Anfängen. Aus der Feuerlanze entstand die arabische Madfaa,
das älteste Handgeschütz (siehe Bd. I, S. 895, 899) und dieses gab
wieder das Muster ab für die flandrischen „Knallbüchsen“, die trag-
baren, gestielten Handkanonen (canons à main), welche besonders
in Lüttich angefertigt wurden 1). Diese Knallbüchsen bestanden aus
einem kurzen, engen eisernen Cylinder, welcher hinten in einen
schwachen, bis auf gewisse Länge ebenfalls hohlen eisernen Stab
endigte, dessen Hohlraum als Kammer zur Aufnahme des Pulvers
diente, Fig. 141 (a. f. S.). Zuweilen wurde auch der Stiel in eine Tülle am
[428]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Rohr eingesteckt und durch einen Stift befestigt (siehe Fig. 142). Das
Zündloch befand sich am Ende des Hohlraums auf der oberen Fläche
des Stabes und war mit einer kleinen, pfannenartigen Vertiefung
versehen, in welche das „Kraut“ aufgeschüttet und mittels der Lunte
entzündet wurde. Kugeln dieser Waffe vermochten, wahrscheinlich
aber nur in ziemlicher Nähe, den Harnisch zu durchbohren. Der

Figure 152. Fig. 141.


Reiter (eques scopetarius) befestigte
die Büchse (scopitus) Fig. 141 mit-
tels eines am hinteren Ende des
Stabes befindlichen Ringes an
seinem Brustharnisch und legte
sie beim Gebrauche auf eine vorn
am Sattel befindliche, bewegliche
Gabel auf. Als Reiterwaffe kommt
diese Handkanone daher gewöhn-
lich unter dem Namen „Pétrinal“
(eigentlich poitrinal, Brustbüchse)
vor.


Italien folgte Flandern in Her-
stellung solcher Knallbüchsen; man
fertigte solche 1394 zu Perugia, 1386 zu Padua, 1399 unter dem
Namen „sclopo“ in Bologna an. Diese waren sehr klein; von den
zu Perugia geschmiedeten weiſs man, daſs sie nur eine Spanne

Figure 153. Fig. 142.


(palma, circa 18 cm) lang waren. Sie können als die Vorläufer der
Pistolen angesehen werden.


Die gestielten Handkanonen (Fig. 143) wurden sehr plump aus
Eisen geschmiedet (nicht aus Eisenguſs hergestellt, wie Jähns irr-

Figure 154. Fig. 143.


tümlich angiebt). Das Schmieden geschah aus flachen Eisenstäben über
einem Dorn und wurden die kurzen Rohre nicht nachgebohrt, dagegen
wurde das Rohr durch warm aufgezogene Ringe verstärkt. Das Rohr
war auf beiden Enden offen. Der Stoſsboden wurde dadurch hergestellt,
[429]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
daſs man in das glühend gemachte hintere Ende einen eisernen Keil
trieb. Die Schuſswaffen stachen in ihrer mangelhaften Ausführung sehr
ab gegen die prächtigen Arbeiten der Plattner und Klingenschmiede
jener Zeit. Diese gaben sich aber auch nicht mit der Herstellung
der damals noch verachteten Feuerwaffen ab, sondern überlieſsen die-
selbe dem Grobschmied oder auch dem Schlosser. Am 23. Juni
1387 wollte ein Kleinschmied oder Schlosser zu Merseburg namens
Hoicke ein von ihm geschmiedetes Handrohr probieren und in
seinem Hause beschieſsen, weil er aber nicht wohl damit umzu-
gehen wuſste, miſsglückte der Schuſs, daſs sein Haus in volle
Flammen geriet und fast die ganze Stadt abbrannte 1).


Wie roh solche Büchsen waren, geht auch daraus hervor, daſs
der Reiter sein Pétrinal gelegentlich zugleich als Morgenstern ver-
wendete. Derartige Doppelwaffen (Fig. 144) nannte man Schieſs-
prügel.


Auſser den gestielten Handkanonen gab es aber auch Hand-
feuerwaffen, welche, wie die alten Kanonen (Bd. I, S. 900), eine oder

Figure 155. Fig. 144.


mehrere bewegliche Lade-
kammern hatten, bei denen
also Lauf und Büchse ge-
trennt waren. Gewöhnlich
gehörten zu jedem solchen
Feuerrohr drei bis vier „eiserne Büchslein“. Die geladene Kammer
wurde in das Rohr eingesteckt und durch einen eingeschobenen Keil
oder Riegel festgehalten. Das „Waidloch“ (Zündloch) befand sich auch
hier oben. Da der Verschluſs sehr ungenügend war, ging ein groſser
Teil der Kraft mit den Gasen verloren und oft waren die Schützen
selbst in Gefahr. Diese Kammerbüchsen, welche 9 bis 10 Pfd. das
Stück wogen, wurden vermutlich zuerst in Augsburg und Regensburg
angefertigt. Beide Arten von Feuerrohre hatten keine Holzschaftung.
Der Fuſsschütze schob den langen Stiel seiner Waffe unter den
linken Arm und feuerte mit der losen Lunte in der rechten Hand
ab. Vom Zielen war dabei keine Rede. Man schoſs aus ziemlicher
Nähe im Bogen und die Wirkung war mehr eine moralische, wes-
halb der Name „Knallbüchse“ auch ganz treffend war. Im Zielschuſs
waren die Bogen- und Armbrustschützen noch weit überlegen. Seit
der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Holzfassung, die vereinzelt
auch schon früher vorkam, allgemeiner. Der Eisenstiel wurde durch
[430]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
einen Holzstiel ersetzt, den man jetzt beim Feuern über die linke
Schulter legte. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts gab man der
Büchse, deren Lauf nun auch länger gemacht wurde, einen Schaft,
ähnlich wie er bereits bei den Armbrusten im Gebrauch war. Diesen
faſste man jetzt unter den rechten Arm und stützte den langen,
schweren Vorderteil der Waffe durch eine Gabel. Um den Rückstoſs
aufzufangen, versah man den Lauf nahe der Mündung mit einem an-
geschweiſsten Haken und so entstanden die Hakenbüchsen (haakbuse
— arquebuse, Fig. 145), auch kurzweg Haken genannt, von der an
das Rohr geschweiſsten hakenartigen Spitze a, welche zur festen Auf-
lage und zur Vermeidung des Rückstoſses diente. Schon zu Anfang
des 15. Jahrhunderts verschwanden die Handfeuerwaffen mit getrennter
Kammer; Kammer und Rohr wurden aus einem Stück geschmiedet
und man lud von der Mündung aus. Vorderlader verdrängten die
Hinterlader bei den Handfeuerwaffen gänzlich. — Die Herstellung
der langen Rohre war schon schwieriger. So plump sie uns er-
scheinen, so verlangten sie doch eine gröſsere Kunstfertigkeit. Sie

Figure 156. Fig. 145.


sind aus verschiedenen Stäben zusammengeschweiſst, über einen Dorn
meist achteckig geschmiedet. Einen groſsen Fortschritt erreichte
man Ende des 15. Jahrhunderts dadurch, daſs man am Boden ein
Gewinde einschnitt und das Rohr durch eine Schraube, die soge-
nannte Schwanzschraube, schloſs. Eine weitere Verbesserung der
Waffe bestand in der Verlegung des Zündlochs nach der äuſseren
Seite und der Anbringung einer Art Pfanne. Durch einen Deckel
wurde dann später das aufgeschüttete Pulver vor Nässe und vor dem
Herabfallen geschützt. Diese Fortschritte trugen viel zur Verbreitung
der Handfeuerwaffen bei und führten zu neuen Entdeckungen. Ein
groſser Miſsstand war das Losbrennen mit der Lunte aus freier Hand,
bei gleichzeitigem Zielen. Ein richtiges Abkommen war hierbei
kaum möglich und dies wurde wesentlich besser durch die Erfindung
des Hahnes (Drache, serpentine, Fig. 146 und 147), ursprünglich nur
ein am Schaft befestigtes Eisenstäbchen, dessen oberes Ende zur
Aufnahme der Lunte gespalten war. Durch Schieben mit der Hand
senkte sich die Lunte genau auf die Mitte der Pfanne, wobei der
Schütze im richtigen Anschlag bleiben konnte. Weit vollkommener
[431]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
wurde dieser Zweck erreicht, als der Hahn mit einer Feder oder
vielmehr mit zwei ineinander greifenden Federn verbunden wurde,
welche durch den Drücker ausgelöst wurden. Um die Federn zu
schützen, befestigte man sie auf einer Platte, der „Schloſsplatte“, auf

Figure 157. Fig. 146.


Figure 158. Fig. 147.


deren Auſsenseite der Hahn seine Befestigung fand. Den Abzug
verlegte man später von der Schloſsplatte fort in den Schaft. So
entstand das Luntenschloſs, angeblich in seinen Anfängen schon im
Jahre 1378 (Würdinger). Diese Luntenschloſsgewehre nannte man
ebenfalls Haken oder Hakenbüchsen. Ihre Rohre waren circa 1 m
lang, sie hatten ein Gewicht von 5 kg und schossen vierlötige Blei-
kugeln. Im Felde bediente man sich häufig leichterer Gewehre, der
[432]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
„halben Haken“ oder „Handrohre“, welche 2- bis 2½ lötige Bleikugeln
schossen, doch benutzte man auch bei diesen die Gabel zur Auflage
beim Schieſsen. „Doppelhaken“ oder „Scharfdündeln“ (arquebuse
à croc), die sich durch Länge, Schwere und gröſseres Kaliber von
den einfachen Haken unterschieden — sie waren circa 2 m lang,
wogen 20 bis 25 kg und schossen 12 bis 16 Lot Blei auf 500 bis
600 Schritt —, wendete man meistens nur bei Verteidigung und Be-
lagerung fester Plätze an. Sie hatten in der Regel Schildzapfen und
lagen auf einem dreifüſsigen Bock. Von den leichten Kanonen unter-
schieden sie sich dadurch, daſs sie geschäftet und mit Luntenschlössern
versehen waren. Karl VIII. führte 1495 bei seinem 30000 Mann
starken Heere im Feldzuge in Italien 140 schwere Kanonen, 200 Bom-
barden und 1000 Harquebuttes oder schwere Haken, von denen jeder
über 25 kg wog. Ein Mann brauchte 3 bis 4 Minuten, um einen
Schuſs zu thun. Erst nachdem die ordentliche Schäftung bei den
Hakenbüchsen eingeführt war, wurde ein richtiges Zielen möglich und
dieses führte zu der weiteren Erfindung der Visierung. Die alten
Ladestöcke (Fig. 146) waren von Holz und wurden für sich getragen,
erst viel später kam der eiserne Ladestock auf, der in eine Rinne
am Schaft eingesteckt wurde.


Waren die Luntenschlösser ein groſser Fortschritt gegen das
einfache Zündloch, so hatten sie doch mancherlei Übelstände. Die
glimmende Lunte verlöschte leicht im Regen und der Schein und
Geruch derselben verriet die Bewegungen der Schützen besonders in
der Nacht. In dieser Beziehung war die Erfindung des Radschlosses
(Fig. 148), welche 1515 zu Nürnberg gemacht wurde, ein wichtiger
Fortschritt der Feuerwaffentechnik 1). Sein Mechanismus bestand
darin, daſs ein stählernes, drehbares Rad mit gezahnter Peripherie in
die Pfanne griff und im Inneren des Schlosses durch eine Kette mit
einer starken Schlagfeder in Verbindung stand, welche durch Auf-
ziehen des Rades mittels eines Schlüssels gespannt wurde. Vorwärts
der Pfanne war ein Hahn mit einem Schwefelkies (Pyrit) angebracht,
der sich auf starker Feder bewegte. Um zu schieſsen, spannte man
das Rad, schob den Pfannendeckel zurück und brachte den Hahn auf
das Rad. Ein Druck am Abzuge hob einen Stift aus dem Rade
heraus, welches nunmehr frei, durch die ausschnellende Feder kräftig
um seine Achse gedreht, sich am Schwefelkiese rieb und dadurch
Funken erzeugte, die das Pulver auf der Pfanne entzündeten. Be-
[433]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
sonders verdient um das Radschloſs und seine Verbesserung machten
sich die Nürnberger Büchsenmacher Wolf Danner, Georg Kuhfuſs
im Jahre 1517 und später Kaspar Recknagel († 1632). Das Radschloſs
hatte nun allerdings den Vorzug, daſs es das Mitführen der Lunte über-
flüssig machte, auch im Regen funktionierte und eine ruhigere und sichere
Entzündung gewährte. Letzterer Vorteil ging indessen nach wenigen
aufeinander folgenden Schüssen verloren, da das Rad, infolge seiner
unmittelbaren Berührung mit dem Pulver, bald verschmandete und

Figure 159. Fig. 148.


dann den Dienst ver-
sagte. Nicht selten
wurden daher die Ge-
wehre auſser mit dem
Radschloſs auch noch
mit einem Lunten-
schloſs versehen. Aus
diesen Gründen, sowie
des zeitraubenden Auf-
ziehens und überhaupt
der komplizierten und kostspieligen Konstruktion wegen fand das
Radschloſs nie allgemeine Annahme. Seine Anfertigung und seine
Anwendung beschränkten sich fast nur auf Deutschland, wo es
vorzugsweise zu den Feuerwaffen der Reiterei, namentlich bei den in
Aufnahme kommenden Pistolen (Fäustlinge, Puffer), sowie für
Scheiben, Jagd- und Luxuswaffen benutzt wurde. Die Fuſsschützen
im Felde trugen dagegen meistens Luntenschlösser.


Wichtiger wurde die Erfindung des Schnapphahnschlosses
(Fig. 149, a. f. S.) gegen Mitte des 16. Jahrhunderts, aus welchem das
spätere Feuerschloſs oder Steinschloſs entstanden ist. Das älteste
deutsche mit der Jahreszahl 1540 befindet sich in der Waffensamm-
lung auf Ettersburg bei Weimar, am häufigsten kommt es aber an
spanischen und orientalischen Gewehren jener Zeit vor. Das spani-
sche Schnappschloſs
bestand aus dem Schloſsblech, dem Hahn mit
einem Schwefelkies oder Feuerstein in den Lippen und sichelförmig
gekrümmtem Fuſse, der Studel, der Batterie, der Batteriefeder, der
Pfanne, der Abzugsvorrichtung mit der ersten Rast und endlich der
Abzugsfeder mit der zweiten Rast. Beim Losdrücken wird die Schlag-
feder des Hahnes frei und schlägt diesen mit dem Feuerstein gegen
die auf der Pfanne liegende Batterie, um den zündenden Funken
hervorzubringen. Bei den ältesten spanischen Schnappschlössern wurde,
wie bei dem Radschlosse, Schwefelkies angewendet, weswegen die
Beck, Geschichte des Eisens. 28
[434]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Schlagfläche der Batterie gerippt war. Mit der Anwendung des Feuer-
steins (Flint, daher der Name Flinte) wurde glatte Schlagfläche not-
wendig. Das niederländische Schnappschloſs ist als eine
Verbesserung des spanischen anzusehen. Aber auch das Schnapp-
schloſsgewehr fand ebensowenig wie das Radschloſsgewehr allgemeine
Anwendung, wahrscheinlich auch, weil seine Konstruktion zu teuer
war und zu verwickelt schien. Der Eigensinn der Büchsenmacher

Figure 160. Fig. 149.


und die Gewohnheit der Schützen
widerstand lange der Einführung
dieser Verbesserungen.


Ähnlich verhielt es sich auch
mit den gezogenen Läufen,
die zwar erfunden, doch nirgends
in den Kriegsgebrauch eingeführt
wurden. Dagegen kamen ge-
zogene Läufe bei den Scheiben-
schützen in Aufnahme und bereits
im Jahre 1498 sollen gezogene Handrohre bei einem Scheiben-
schieſsen in Leipzig in Anwendung gekommen sein. Selbstverständ-
lich war die Erfindung des Ausbohrens der Rohre der des Ziehens
vorausgegangen. Die Windung der Züge nannte man den „Drall“;
ihre Anzahl und Gestalt war verschieden; nach ihrer Form unter-
schied man Flachzüge, Stern- und Rosenzüge, welche letzteren der
Nürnberger Büchsenmacher August Kotter (1620) erfunden haben
soll, sowie Haarzüge, wobei viele flache Züge nebeneinander lagen.
Zöllner in Wien und Danner in Nürnberg erwarben sich im 16. Jahr-
hundert besondere Verdienste um die Verbesserung des gezogenen Ge-
wehres. Dieses nannte man später in Deutschland vorzugsweise Büchse.


Die aus jener Zeit stammenden vielläufigen Gewehre, wie Laden-
und Orgelgeschütze hatten nur eine vorübergehende Bedeutung, doch
waren sie die Vorläufer der Revolver und Mitrailleusen. Wie sehr
die Bedeutung der Handfeuerwaffen fortwährend zunahm, ergiebt
sich aus folgenden Angaben: Das Aufgebot von Zürich bestand im
Jahre 1444 aus 2770 Mann, hiervon waren 1604 mit Hellebarten,
649 mit Spieſsen, 458 mit Armbrusten und nur 61 mit Feuergewehren
bewaffnet. 1477 befiehlt bereits Albrecht Achilles für das märkische
Aufgebot: „Die Trabanten sollen geteilt werden in drei Haufen,
nemlich ein viertel, die sollen Buchsenn-schutzen sein, ein viertel
armbrost-schutzenn, vnd der Halbteyl sollen haben Streitaxt oder
Hellenparten; die mit den Streitaxtenn vnd Hellenparten sollen haben
[435]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
von Harnisch, eisenhut, pantzer, goller, prust-krebsz oder schurtz, vnd
zu der streit-axt oder hellenparten ein gut werlich messer oder
schwert.“


Gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden in Deutschland
bei einem Fähnlein von 400 Mann 200 Hakenbüchsen für notwendig
erachtet. Ebenso machten bei den Spaniern und Niederländern die
Feuerschützen die Hälfte der Compagnie aus, zu Ende des 16. Jahr-
hunderts stieg aber dieses Verhältnis schon bis auf zwei Dritteil.
Ein wichtiger Fortschritt war die Einführung der Musketen. Es
waren dies Gewehre mit längerem Lauf, stärkerer Ladung und
gröſserer Wirkung, sowohl in Bezug auf Schuſsweite als Durchschlag-
kraft. Konstruktiv bieten sie nichts besonders Neues. Sie entwickelten
sich aus den Hakenbüchsen und wurden wie diese sowohl mit Lunten-
schloſs als wie mit Rad- und Schnappschloſs versehen. Sie waren
schwerer als die halben Haken und hatten längere Rohre als die
einfache Hakenbüchse, man bezeichnet sie deshalb am richtigsten als
kleinere Doppelhaken. Ihres Gewichtes wegen muſste man sich der
Gabel (forquine, fourquine) zur Auflage beim Schieſsen bedienen.
Faſst man die Muskete als starkes Gewehr mit langem Rohr auf, so
kommt diese Waffe im Gegensatz zu den kurzen Faustrohren in
Deutschland schon im 14. Jahrhundert vor. Augsburg stellte 1381
in dem Kriege der Städte gegen den fränkischen, schwäbischen und
bayerischen Adel 30 so bewaffnete Büchsenschützen. Sie fanden
hauptsächlich in den deutschen und italienischen Städten Verbreitung
und standen im Ruf, daſs ihnen kein Harnisch widerstand. Als Herzog
Wilhelm von Sachsen 1447 bei Erfurt vorbeizog, eilten die Bürger
mit weiten Handbüchsen zur Verteidigung auf die Mauern 1). Andere
Nachrichten geben wieder an, die Musketen seien 1430 in Augsburg
erfunden worden.


Äneas Sylvius sagt: sclopetum (die Muskete, das Feuergewehr)
in Germania primum nostra aetate repertum 2). Aber schon 1423
werden im Hussitenkriege unter den Hülfstruppen des Bischofs von
Olmütz kaiserliche Musketiere (Büchsenschützen) aufgeführt. Bei
Murten schossen 1477 die Schweizer die flüchtigen Burgunder, die
sich auf die Bäume geflüchtet hatten, gleich Vögeln mit Feuerröhren
oder Büchsen (pixidibus) herunter. Der Name Muskete wird vielfach
von dem sicheren Fernschuſs, mit dem man Vögel aus der Luft
28*
[436]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
schieſsen konnte, hergeleitet. Im 16. Jahrhundert war die Muskete
das schwere, weittragende Gewehr im Gegensatz zu den Haken-
büchsen, die man leichter machte und freihändig abschoſs. Das Ver-
hältnis beider Waffen wurde zuerst von Moritz von Oranien regle-
mentarisch dahin festgesetzt, daſs auf ein Pfund 10 Musketen- und
20 Hakenkugeln gehen sollten. Die Musketiere, als eine besondere
Schützenart, spielten zuerst bei den spanischen Truppen im deut-
schen Heere eine hervorragende Rolle und werden bereits 1521 er-
wähnt. Bei Pavia trugen die spanischen Musketenschützen nicht
wenig zum Gewinnen der Schlacht bei. In Frundsbergs Kriegs-
thaten 1568 (S. 49) heiſst es: „es war eine blutige Schlacht, denn
die geschwinden Hispanier umgaben sie und haben allenthalben
bleierne Kugeln unter sie geworfen und tödlich verwundet. Sie
hatten nicht gemeine Handrohr, wie vor der Brauch, sondern lange
Rohr, die man Haken nennet, haben in einem Schuſs etlich Mann
und Roſs erschossen.“ Unter Karl V. befanden sich bei jedem Fähn-
lein zehn solcher Musketiere, die zehn Gulden monatlich Besoldung
bekamen und immer an der Spitze der Kolonne marschierten; bei
den spanischen Truppen waren es später 15, die unter den andern
Handgewehrschützen verteilt waren.


Was den Musketen aber am meisten ihre Überlegenheit ver-
schaffte, war ihre sorgfältigere Herstellung. Waren die alten Faust-
büchsen von Grob- und Kleinschmieden oder von Schlossern nebenher
und ohne besondere Kunst in plumper Weise hergestellt worden, so
vollzog sich in dieser Beziehung eine Wandlung in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts. Es bildete sich ein selbständiges zünftiges
Gewerbe der Büchsenschmiede aus, deren Ansehen und Bedeutung
mit der Bedeutung der Feuerwaffen zugleich wuchs. Gutes Material,
vorzügliche Schweiſsung und sorgfältige Bohrung das war es, was den
Feuerröhren des 16. Jahrhunderts zu immer gröſserer Wirkung und
zu immer gröſserer Preisschätzung verhalf. Bis zur Mitte des 16. Jahr-
hunderts blieb die Herstellung der Handfeuerwaffen eine handwerks-
mäſsige, welche hauptsächlich in den groſsen Städten ihren Sitz hatte.
Auch dieses Gewerbe blühte besonders in Augsburg und noch mehr
in Nürnberg. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann
die handwerksmäſsige Herstellung der Gewehre in eine fabrikmäſsige
überzugehen. Ehe wir dies eingehender darlegen, teilen wir die Ab-
bildung der Werkstatt eines Büchsenschmieds nach Jost Ammon mit
(Fig. 150). Hans Sachs liefert dazu folgenden Vers:


[437]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Ich bin aber ein Büchsenschmid,

Die Büchsen Ror die mach ich mit,

Kurtz vnd lang, Eysern, starck vnd fest,

Auſsbort, auff das glettest vnd best,

Figure 161. Fig. 150.
Der keines ist mir feil darbey,

Biſs es vor wohl beschossen sey,

Auf daſs im schuſs es nicht zerspring,

Vnd einen Mann zu schaden bring.

Des Schopperus Vers lautet:


(Bombardarius — der Büchsenschmied).
Aerea fulmineas tormenta rotantia glandes,

Hîc meus ex rigido malleus aere parat.

Sive minora placent hostes adversus iniquos,

Perferat in bellum quat cataphractus eques.

Seu magis arrident castrensia, qualia currus,

Ante graves urbes vi gemebundus agat.

Utraque reperies vigili confesta labore,

Ne rimas forsan pars trahat ulla causas.

Quae lime conveniunt utentibus ordine recto,

Crux sed abusuros, poena gravisque manet.

[438]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Die ehernen Geschütze, welche die blitzenden Kugeln schleudern,

Bereitet hier mein Hammer aus dem starren Erz.

Gefallen dir von den Kleineren welche, gegen den ungleichen Feind,

Wenn er zieht in den Krieg auf dem geharnischten Roſs?

Oder mehr noch die man aufwärts richtet in dem Lager, wenn sie

Der ächzende Wagen vor die festen Städte führt.

Von beiden wirst du finden, daſs sie mit sorgfältiger Arbeit

gefertigt sind,

So daſs du an keinem Teil Furchen oder Vertiefungen finden wirst.

Sie werden gute Dienste leisten denen, die sie in rechter Weise

gebrauchen,

Zum Unheil aber denen, die sie miſsbrauchen, und schwere Strafe

wartet ihrer.

Figure 162. Fig. 151.

Das Schäften der Büchsen besorgten die Büchsenschäfter,
welche eine selbständige Zunft bildeten. Hans Sachs begleitet
Jost Ammons Zeichnung (Fig. 151) mit folgendem Vers:


Die Eysern Rohr kann ich eynfaſsn,

In Hültzen Schäfft, künstlicher maſsn,

Mit verschrottem Werck, sauber rein,

Mit eingelegtem Helffenbein,

[439]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Kurtz vnd lang, klein vnde groſs,

Die man führet zu Fuſs vnd Roſs,

Wohin reyset ein ehrlich Mann,

Sich der Räuber auffhalten kann.

Die Verzierung der Büchsenschäfte geschah oft mit groſsem Auf-
wand von Mühe und Kunst.


Was den fabrikmäſsigen Betrieb der Gewehrfabrikation herbei-
führte, war einesteils der wachsende Bedarf, anderseits die Be-
nutzung der Wasserhämmer als Arbeitsmaschine zum Schmieden der
Rohre. Nahm der Bedarf an Feuergewehren schon dadurch sehr zu,
daſs dieselben zur Bewaffnung der Bürgerschaft der Städte erforder-
lich wurden, daſs Schützenvereine und Schützenfeste in Aufnahme
kamen, so trugen in noch weit höherem Maſse die stehenden Heere,
die nach dem Muster Frankreichs in allen europäischen Staaten ein-
geführt wurden, zum Massenbedarf bei. Holland hatte gegen Ende
des 16. Jahrhunderts ein stehendes Heer von 20000 Mann, Frankreich
von 14000, Gustav Erikson führte in Schweden zuerst 1542 eine
ständige Garde ein. Die Türkei hatte ihre Janitscharen und Iwan der
Schreckliche gründete 1545 in Ruſsland das Strelitzencorps (strielzi,
strolzi, Schützen). Der Bedarf an Schieſsgewehren steigerte sich aber
auſserordentlich in Kriegsfällen und diese waren häufig genug im
16. Jahrhundert. Dabei wurden oft groſse Truppenmassen ausgerüstet.
Die protestantische Armee im Jahre 1546 zählte 90000 Mann zu Fuſs
und 16000 Pferde; noch gröſser war das Heer, das Karl V. 1532 vor
Wien gegen die Türken sammelte; es bestand aus 90000 Mann zu
Fuſs und 30000 Reitern. Für die Bewaffnung solcher Massen genügte
die handwerksmäſsige Büchsenschmiederei nicht mehr. Der Bedarf
drängte zur fabrikmäſsigen Produktion, zur Arbeitsteilung und gleich-
zeitiger Beschäftigung vieler Hände. Dahin führte auch die gröſsere
Kompliziertheit der Gewehre. Die alte Knallbüchse ohne Schäftung
konnte füglich jeder Schmied anfertigen. Ganz anders war dies bei
den neuen Büchsen mit langem, ausgebohrtem und poliertem Rohr,
mit Rad- oder Schnapphahnschloſs, mit Ladestock und Holzschäftung.
Die Verschiedenheit der Teile zwang schon zur Arbeitsteilung. Diese
wurde erleichtert durch die zunehmende Verbreitung der Zainhämmer
(Reckhämmer). In diesen durch Wasserräder bewegten Hämmern
wurden die Platinen, welche die Büchsenmacher oder die Gewehr-
fabrik zur Herstellung der Rohre nötig hatte, hergestellt. Geschah
dies ausschlieſslich, so nannte man den Hammer einen Platinenhammer.
[440]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Die Platinen waren flache Schienen von etwa 1 m Länge, 10 bis 12 mm
Dicke und 10½ cm am Kopf, 12 cm am Ende Breite. Sie muſsten
durchgehends aus zähem, sehnigem, vollkommen ganzem Eisen be-
stehen. Das Ausschmieden derselben zu Musketen oder Büchsen-
rohren geschah im 16. Jahrhundert allerdings noch meistens mit der
Hand. Sobald Massendarstellung, Arbeitsteilung, Billigkeit unumgäng-
liche Forderungen der Gewehrfabrikation wurden, zog sich aber das
Gewerbe aus den teuren Städten fort in solche Gegenden, wo gutes
Eisen, Holzkohlen und billige Arbeitskräfte zu haben waren. Dies
alles fand sich auf das beste in dem Städtchen Suhl oder Suhla in
der gefürsteten Grafschaft Henneberg im Thüringer Walde vereinigt.
Suhl war ein alter Waffenschmiedeplatz, der schon im 15. Jahr-
hundert besonders die fränkische Ritterschaft mit Panzern und
Schwertern versehen hatte. 1536 gründeten die Eisenarbeiter, welche
sich in Schlosser, Windenmacher, Sporer und Büchsenschmiede ein-
teilten, die erste Innung. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an
nahm die Gewehrfabrikation einen solchen Aufschwung, daſs von da
ab bis zum Jahre 1634 Suhl das „Zeughaus Deutschlands“ genannt
wurde. Sebastian Münster schreibt schon in seiner Kosmo-
graphey (1550):


„Saull ein schöner Marktflecken, allwo ist in dem Düringer Wald
gelegen, darbey gräbt man zu jetziger Zeit vberauſs treffenlich viel
Eisenerzt, besonders auff den Dellberg und Donnberg .... Noch
ein berühmter Berg, auff dem Nitz genannt, da gibt es vberflüssig
viel Eisenerzt, vnd hat man allda ein kunstreich Wasserrad zugericht,
daſs das Wasser ohne Mühe in Kanäle geschöpfft, vnd hindan ge-
leitet wird, so damithin auff dem Schmidfeld auch ein Eysen Erzt-
werk gefunden. Zu dem hat man bey diesen gemeldeten Erztwerken
über die 20 Schmelzhütten, da schmiedet man allerlei Waffen, be-
sonders über die Massen viel Büchsen, sonderlich dieser gattung so
man pflegt Muschketen zu nennen und Handrohr, klein und groſs,
aller gattung und groſse anzahl und viel Feuerschloſs, auch andere
notwendige Waaffen mehr, so in Teutschen und Welschen Landen,
auch in Ungarn, Polen, allenthalben weit und breit geführt werden.“


Valentin und Stephan Klett und Claus Reitz hatten schon
im Jahre 1586 zwei so bedeutende Fabriken, daſs sie der Schweiz 2000
verschiedene Feuergewehre und 500 Präzisionsmusketen auf einmal zu
liefern vermochten. Georg Klett übernahm groſse Lieferungen nach
Ungarn und nach Krakau. Simon Storc lieferte im Jahre 1600
6000 Rohre mit dem königlichen Wappen nach Dänemark.


[441]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Bei dem Rohrschmieden mit der Hand wurde in folgender Weise
verfahren 1).


Der Rohrschmied wählte sich eine Platine oder Schiene nach
einem Maſse und schärfte die beiden langen Seiten dergestalt mit
dem Hammer ab, daſs die Dicke beider übereinander geschlagen
soviel betrug, als die Stärke in der Mitte der Platine. Hierauf wurde
dieselbe rotglühend gemacht und zwischen zwei starken, eisernen
Armen, die spitzwinklig gegen einander im Amboſsstock gestellt
waren, mit dem Hammer möglichst gekrümmt und zusammengerollt;
das aufgerollte Eisen wurde von neuem warm gemacht und um einen
starken und langen Dorn geschlagen. Ein solcher Dorn war immer
nach dem Kaliber jedes Laufes abgemessen, der aus der Platine ent-
stehen sollte; indessen muſste der Durchmesser in jedem Zirkel des
Dorns etwas kleiner sein, als das Kaliber des Gewehres, indem der
Bohrer auf der Bohrmühle die Aushöhlung des letzteren erweiterte.
Die abgeschärften Seiten der Platinen deckten sich nach dem
Schmieden um den Dorn. Sie muſsten nun zusammengeschweiſst
werden und das Rohr muſste zugleich seine völlige Rundung erhalten.
Beides geschah, indem man den Haken des Dorns gegen den Amboſs
lehnte und das gerollte Rohr wieder abzog, diesem Schweiſshitze gab
und es in einem Gesenke beim Zusammenschweiſsen stets im Kreise
herumdrehte.


Sobald nun ein Ende der zusammengerollten Platine bis zur
stärksten Schweiſshitze erwärmt war, so legte sie ein Rohrschmied in
eine passende Vertiefung auf der Bahn des Gesenkambosses, und
ein anderer steckte mit möglichster Schnelligkeit den Dorn wieder in
das Rohr, so daſs er auf beiden Seiten aus dem Rohr hervorragte,
weshalb solches auch bequem gehalten und regiert werden konnte.
Nun richteten beide Arbeiter die Schläge ihrer starken Hämmer auf
die glühend gemachte Stelle des Rohres, welches zugleich beständig
in dem Gesenke umgedreht wurde. Hierdurch schweiſste man den
erwärmten Teil des Rohres nicht nur zusammen, sondern glättete den-
selben auch. Da sich aber die ganze Naht nicht in einer Hitze zu-
sammenschweiſsen lieſs, so geschah dies stückweise und der Rohr-
schmied muſste das Eisen bei jedem Rohr dreimal erwärmen und
doch blieben auch dann noch zuweilen unebene Stellen und Splitter
stehen, weshalb das Rohr noch weiſsglühend und zuletzt rotglühend
mit dem Handhammer in dem Gesenke geebnet wurde. Bei dieser
[442]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
letzteren Arbeit maſs der Rohrschmied das Rohr, und wenn er es zu
lang fand, so stauchte er es an einem Ende mit dem Hammer auf,
bis es die erforderliche Länge hatte. Weil sich aber das auf-
gestauchte Ende etwas umlegte, so wurde die Öffnung des Rohres
auf einen runden und zugespitzten Widerhaken des auf dem Amboſs
steckenden eisernen Armes gesteckt und die Erhöhung auf dem Rohre
mit dem Hammer niedergeschlagen. Zuletzt wurde noch durch das
hohle Rohr hindurchgesehen, um zu bemerken, ob nicht etwa an den
Seiten noch Vertiefungen oder Splitter waren, in welchem Falle das
Rohr von neuem auf dem Dorn geschmiedet werden muſste. So ist
das „rauhe Rohr“ fertig. Die Seelen dieser zusammengeschmiedeten
Rohre waren noch sehr uneben und ungleich, sie muſsten also gebohrt
werden, und zwar erst im Rauhen, dann folgte das Glattbohren. Das
Rauhbohren entfernte die vorstehende Schweiſsnaht im Inneren und
machte das Rohr überhaupt erst rund. Das Glattbohren gab die
ganz egale und glatte Seelenwand (Kugelgleichheit) von vorschrifts-
mäſsigem Kaliber. Man bediente sich dazu der Rauh- und Glatt-
bohrbank. Bei dem Rauhbohren wurde das Rohr in einen Schlitten
gespannt (Fig. 152), der durch ein Spindelgetriebe vorwärts bewegt
wurde, und zwar dem Bohrer, der an ein kleines Wasserrad oder ein
Kammrad, das sich rasch drehte, befestigt war, entgegen. Erst nahm
man einen schwächeren Bohrer, dem ein stärkerer folgte. Der
Schlitten lief in einem mit Wasser gefüllten Trog, um das Erhitzen
des Rohres beim Bohren zu verhindern. Der Bohrer bestand aus
einer cylindrischen Stange, auf deren Ende drei scharfe, spiralförmige
Bohrschneiden aufgesetzt waren. Nach dem Rauhbohren wurde das
Rohr erst auf seine Geradheit geprüft und wenn nötig kalt gerichtet.
Alsdann folgte das Glattbohren, welches mit viel gröſserer Sorgfalt
geschehen muſste. Die Bewegung des Bohrers war an und für sich
langsamer als beim Rauhbohren, auſserdem war aber an der Glatt-
bohrbank eine Vorrichtung angebracht, wodurch man die Vorwärts-
bewegung des Schlittens verlangsamen konnte. Die Arbeit muſste
wegen harter Stellen, Fehlern oder Geraderichten öfter unterbrochen
werden. Wie oft das Rohr beim Glattbohren neu aufgespannt werden
muſste, hing von der Güte desſelben ab, doch unterschied man stets
das Rundbohren, zweimaliges Glattbohren und das Polieren.


Das Rundbohren, welches sich an das Rauhbohren anschloſs,
stellte die Kugelgleichheit her. Hierauf wurde das Rohr äuſserlich
abgefeilt. Alsdann folgte das erste Glattbohren bis auf 0,15 Linie
der normalen Seelenweite zur Entfernung der Bohrringe und Rauh-
[443]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
heiten. Alsdann gelangte das Rohr an den Rohrschleifer. Es folgte
die erste Revision, das Einschneiden der Schwanzschraube und die
erste Schuſsprobe. Nachdem das Rohr wieder gerichtet war, folgte
das zweite Glattbohren bis auf 0,05 Linie unter der Normalweite.

Figure 163. Fig. 152.


Nachdem das Rohr von neuem revidiert und poliert worden war, folgte
das Ziehen und Polieren.


Das Ziehen geschah in Suhl auf einer Handziehbank (Fig. 153),
welche nebenstehend abgebildet ist und deren Manipulation aus der

Figure 164. Fig. 153.


Zeichnung ersichtlich ist. Wie schon erwähnt, waren die Militär-
rohre in jener Zeit nicht gezogen, wohl aber die Scheibenbüchsen
und Jagdgewehre.


Das Fertigmachen der Gewehre beschäftigte auſser den schon
erwähnten Rohrschmieden, Rohrfeilern, Rohrschleifern, Schmirglern
oder Polieren und Rohrverschraubern noch die Schloſsmacher, Stecher,
Garniturmacher, Plattenmacher, Schäfter, Ladestockmacher u. s. w.


Zu Suhl geschah das Schleifen der Militärrohre trocken auf
einem 0,75 m breiten über 2 m hohen Sandstein, auf der oberen Peri-
[444]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
pherie des Steines, so daſs der Schleifer gerade über dem Stein saſs
und das quer über dem Stein liegende Rohr mit beiden Händen auf-
drückte. Vor Einführung der Drehbänke erhielten die Rohre allein
durch das Schleifen ihre richtige äuſsere Gestalt, weshalb der Schleifer
fortwährend mit seiner Leere nachmessen muſste. Hatte es die vor-
geschriebenen Dimensionen, so wurde es noch einmal der Länge nach
abgeschliffen oder „abgelängt“.


Die Gewehrfabriken zu Suhl, zu Ferlach in Kärnten, dessen Ge-
wehrindustrie 1558 von Ferdinand I. gegründet worden war, wie auch
zu Lüttich stellten hauptsächlich die gewöhnlichen Militärgewehre
dar. Bessere Büchsen, Pistolen und Luxusgewehre verfertigten nach
wie vor die Büchsenschmiede in den groſsen Städten und da mit der-
artigen Feuerwaffen groſser Aufwand im 16. Jahrhundert getrieben
wurde, so gab es auch viele ausgezeichnete Büchsenschmiede. Des
gröſsten Rufes nicht nur in Deutschland, sondern in Europa, denn
Deutschland nahm auch in der Herstellung der Handfeuerwaffen die
erste Stelle ein, erfreuten sich die Büchsenschmiede in Nürnberg,
Augsburg und Dresden. Viele Waffensammlungen enthalten herr-
liche Schieſsgewehre aus jener Zeit. Das königliche Museum in
Dresden enthält die reichste und schönste Sammlung der Art.


Berühmte Büchsenschmiede waren die schon erwähnten Wolf
Danner
und Johann Kuhfuſs zu Nürnberg, im Anfang des
16. Jahrhunderts. Von ersterem berichtet sein Landsmann und Zeit-
genosse Johann Neudorfer 1547: „die Rohre an denen Hand-
büchsen von Eisen zu schmidten und darauf dieselben auszubohren
und abzurichten, ist dieser Meister in groſsem Ruhm und wurde vor
allen andern gelobet, wie denn auch an den Büchsen, darauf sein
Zeichen und Namen allerweg eingesenkt ist zu sehen“ 1).


In Augsburg wurden im Jahre 1517 Radbüchsen gemacht und
1553 rühmten sich die Augsburger Büchsenmeister, daſs ihre Arbeiten
den Nürnbergischen an Güte und Sauberkeit weit vorgingen. Diese
wurden ebenfalls geschaut und auf dem Rohr und dem Schloſs mit
dem „Stadtpyr“ bezeichnet. 1590 schrieb Erzherzog Ferdinand an
die Stadt wegen Büchsenmeister für Spanien 2). Gegen Ende des
Jahrhunderts lebte eine ganze Anzahl berühmter Meister in Dresden,
wohin sie durch Kurfürst August, den Gründer des historischen
Museums (1560), der ein leidenschaftlicher Waffenliebhaber war,
[445]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
gezogen worden waren. Wir nennen die Glieder der Familie
Drechsler oder Dreſsler, die drei Helwige, Georg Geiſsler und
Hans Stockmann, von denen sich herrliche Büchsen in der Dres-
dener Gewehrsammlung befinden. Andere schöne Büchsen rühren
von Bartholomäus Hachner und dem Spanier Barthol. Biella
her. Umgekehrt lieferte der Münchener Büchsenschmied Peter Pah
(von 1549 bis 1551) viele Arkebusen nach Spanien an Philipp II., die
hoch bezahlt wurden.


Hans Hofmann in Augsburg schmiedete Falkonette 2 bis 3½ kg
schwer und 7 bis 12 Schuh lang, dergleichen bei einem Pfund schossen.
Um 1566 kamen einige in das Münchener Zeughaus.


Der Windbüchsen wollen wir auch kurz gedenken. Die ersten
sollen von einem Büchsenmacher Guter in Nürnberg 1560 erfunden
worden sein, dieselben wurden wesentlich verbessert von Johann
Lobsinger
in Nürnberg 1569, Gerlach und Sars in Berlin und
andern.


Auſser den Angeführten waren noch berühmte Lauf- und
Büchsenschmiede dieser Periode in Deutschland: Peter Pech in
München 1), der um 1540 für den spanischen Hof arbeitete, Daniel
Samitsch
, lieferte 1544 für König Ferdinand I., Bartholomäus
Marckwart
in Augsburg († 1552), Hans Feil (1576 bis 1592) und
Marx Wildemann (bis 1587), beide in Dresden. Jacob Eberhart
war ein bekannter Büchsenmacher in Suhl (um 1590) und von der
bekannten Büchsenmacherfamilie Klein lebten daselbst um 1586 die
Brüder Stephan und Valentin. Michael Armgerst arbeitete um
1588 in Dresden und Leipzig. Hanns Hörl (zeichnete H. H.) und
Hans Morgenroth waren beide gegen Ende des Jahrhunderts in
Nürnberg thätig.


Auch Italien hatte vorzügliche Büchsenmacher um diese Zeit.
Berühmt war der Laufschmied Maffia zu Pistoja besonders durch
seine langen Läufe, die bis zu 10 Ellen maſsen. Vorzügliche Lauf-
schmiede waren die Cominazzi in Brescia, von denen Angelo
Lazarino
im 16. Jahrhundert lebte. Ettore in Brescia, der seiner
berühmten Radschlösser wegen il gran Maestro da Brescia genannt
wird, war nach Petrini ein Deutscher. Nach demselben Schrift-
steller war Felliciano in Verona, welcher als Zeichen eine Sonne
führte, ein ausgezeichneter Büchsenmacher zu der gleichen Zeit.
Filippo Marchetti zu Brescia zeichnete mit seinem Namen;
[446]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Parigino zu Florenz führte eine Lilie im Schilde als Zeichen.
Antonio Venasolo arbeitete gleichfalls in Brescia als Büchsen-
macher.


Spanien, berühmt durch seine Musketen, bezog in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts seine Feuergewehre aus Deutschland,
erst in der zweiten Hälfte entwickelte sich die heimische Industrie,
die treffliche Meister hervorbrachte, so den Laufschmied Christobal
Frisleba (Freysleben?)
zu Ricla um 1560; Juan Salado, der an
verschiedenen Orten, zuletzt zu Salamanca arbeitete, um 1580.
Micerguilla war um dieselbe Zeit Büchsenmacher zu Madrid.
Pedro Pallacios lebte gegen Ende des Jahrhunderts, ebenso
Pedro Munoz, genannt il Toledano, den wir um 1600 in Sevilla
finden und der mit seinem ganzen Namen zeichnete.


Als flandrischer Waffenschmied wird im 16. Jahrhundert Ettor
genannt, welcher angeblich das Radschloſs erfunden haben soll. Er
ist vermutlich identisch mit dem Ettore von Brescia. Der Büchsen-
macher G. Giammo aus Flandern, der als Marke einen Nagel
führte, arbeitete in England.


Die Herstellung schwerer Geschütze aus Schmiedeisen kommt
im 16. Jahrhundert nur noch vereinzelt vor. Gegossene Bronze-
geschütze hatten die aus Stäben zusammengetriebenen Monster-
geschütze verdrängt, daneben stellte man geringwertigere Geschütze
aus Guſseisen dar. Am längsten behaupteten sich die geschmiedeten
Eisengeschütze in Österreich 1), wo besonders in der Stadt Steier
diese alt angesessene Fabrikation noch fortblühte. Die Erzeugung
dieser Geschütze bildete damals einen nicht unwichtigen Teil der
Eisenindustrie Steiermarks und Österreichs. Dieser Umstand war die
Ursache, daſs, allerdings nur zur Verteidigung der Schlösser des
Adels und kleinerer Städte, Eisengeschütze in Österreich länger im
Gebrauch standen. Daneben blühte die Stückgieſserei gegen Ende
des 15. Jahrhunderts besonders in Innsbruck, wo die berühmten
Stückgieſser Hans Appenzeller, Jörg Endorfer, Jörg Seelos
und Michael Godl, zugleich mit Peter Layminger in Feldkirch
thätig waren, während in Salzburg schon 1438 Hans von Zabern
berühmt war. In Innsbruck entwickelte sich eine berühmte Gieſs-
schule, an der sich neben den obengenannten Stephan Godl und
[447]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Hans Lendenstreich hervorthaten und Peter Laymingers
Sohn Hans, genannt Löffler, erwarb solchen Ruhm, daſs ihm die
Stadt Augsburg im Jahre 1527 die Leitung ihres 1502 durch Nico-
laus Oberacker
gegründeten Gieſshauses übertrug.


Von den Eisengeschützen im Wiener Artilleriearsenal erwähnen
wir zuerst den der früheren Periode angehörigen Riesenmörser
(Fig. 154). Es ist das älteste der auf uns gekommenen Kolossal-
geschütze des Mittelalters. Es hat bei 2,50 m Länge das auſser-
ordentliche Kaliber von 1,10 m und schoſs Steinkugeln von 575 kg
Gewicht. Es hat eine besondere Kammer (Büchse) angeblich von
Guſseisen, welche 134 Pfund Pulver faſst. Der Lauf (Bumhard

Figure 165. Fig. 154.


oder Fluge) ist aus 4 Zoll starken Eisenschienen zusammengesetzt,
welche von auſsen mit 2 Zoll dicken, eisernen Reifen umgeben sind.
Das Geschütz wurde der Überlieferung nach im 14. Jahrhundert in
der Stadt Steier geschmiedet und von dieser dem Kaiser geschenkt.
Die Türken hatten das Geschütz erbeutet und weggeschleppt, im
Jahre 1529 nahmen es ihnen aber die Österreicher wieder ab und
heute prangt es als artilleristische Merkwürdigkeit ersten Ranges und
Trophäe zugleich vor der Waffenhalle des kaiserl. königl. Arsenals
zu Wien.


Von den Eisengeschützen des 16. Jahrhunderts in derselben
Sammlung verdient besonders das als „eiserner Mörser“ bezeichnete
(Nr. 99) 1) von 15 cm Kaliberweite mit schönen Renaissanceverzierungen
Erwähnung, denn es hat ganz die schlanke Gestalt der Bronzekanonen
[448]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
jener Zeit. Die Schildzapfen stehen im Gleichgewicht des Rohres und
haben hohe Scheiben angegossen. An der vorderen Platte steht der
Reimspruch:


DISTELN . STECHEN . SER … FALS

ZVNGEN . NOCH . VIL . MER … 1538.

In der Mitte oberhalb:


EIN . BOLDER . HEIS.

ICH . HANS . PENDER.

ZV . SIGEN . MACHT.

MICH.

Auf der Platte des Stoſsbodens:


H . P . SICH . AN . DICH . DAN . STROF .

MICH.

Dieses schöne Siegerländer Geschütz ist von trefflicher Kon-
struktion und guten Verhältnissen. Dabei ist die Schweiſsung so
vollkommen, daſs es wie aus einem Guſs erscheint.


Die kolossale „faule Magd“ im Zeughaus zu Dresden, aus Eisen
geschmiedet, stammt gleichfalls aus dem 16. Jahrhundert.


Die Schweiſsung der groſsen schmiedeisernen Geschütze blieb
meist eine unvollkommene. Das Schweiſsen und Schmieden geschah
zu Anfang des 16. Jahrhunderts noch vielfach mit der Hand. Neu-
dörfer
(1547) erwähnt den Meister Melcher zu Nürnberg, „welcher
die groſsen Schlangen aus Eisen mit der Hand geschmiedet“. Es
war dies wahrscheinlich der Stadtschlosser Melchior Glaser, dem
1512 gekündigt wurde.


Im weiteren Verlaufe des Jahrhunderts kam die Herstellung
schwerer Geschütze aus Schmiedeisen fast ganz auſser Gebrauch. Um so
bemerkenswerter sind die Anstrengungen des Herzogs Julius von Braun-
schweig um 1570, schmiedeiserne Geschütze von verschiedenen Gröſsen,
zum Teil von groſser Länge, auf seinen Eisenwerken bei Gittelde dar-
zustellen. Er glaubte noch an den in der ersten Hälfte des Jahr-
hunderts allgemein angenommenen Lehrsatz: je länger das Rohr bei
gleichem Kaliber, je gröſser die Tragweite und je sicherer der Schuſs.
Von Guſseisen lieſsen sich lange Rohre mit engen Seelen nur schwierig
herstellen, weil man kein anderes Verfahren kannte, als die Seele über
den Kern zu gieſsen. Schmiedeiserne Kanonen lieſsen sich leichter und
glatter bohren und waren weniger dem Zerplatzen ausgesetzt. Dazu
kam, daſs Herzog Julius ein Interesse daran hatte, für das Eisen seiner
Zerenn- und Frischherde Absatz zu finden. Aber er glaubte auch
[449]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
an die Überlegenheit der schmiedeisernen Geschütze, namentlich
langer Schlangen, und hielt an deren Herstellung mit der ihm eigen-
tümlichen Hartnäckigkeit fest, obgleich seine Zeitgenossen nichts
davon wissen wollten. Besondere Erfolge hat er mit seinen groſsen
Geschützen allerdings nicht erzielt. — Algernon, der Landesfiskal
des Herzogs, berichtet darüber: „Es haben auch seine fürstlichen
Gnaden unter andern geschmiedeten Stücken und Doppelhaken, nach
dieser Zeit zu Gittelde erstlich ein Stück zu 16 Schuhen, der eiserne
Wildemann genannt, und hernach eine Feldschlange 36 Fuſs lang,
mit einem Keil von hinten zu laden, von eitlem, zwei-
geschmolzenem Eisen auf einen eigenen Block schmieden und anhero
(nach Wolfenbüttel) führen, auch in meinem Beiseyn aus der Schlange
auf dem Mühlenberge hinter dem Schloſs nach Bleckenstedt hinaus,
drei Schüsse nach einander thun lassen, da der neue Keil im ersten
Schuſs zerbrach und ein alter aus dem Zeughause geholt ward, der
die beiden andern Schüsse aushielt und noch darinnen steckt, und
liegt die Schlange noch daselbst, nach Braunschweig hinaus auf zwei
eisernen Rädern, die S. F. Gn. noch zu Gittelde hat gieſsen lassen.
Die ebengedachten Schüsse gingen neben Hallendorf ins Holz hinein,
eine gute Weile wegs unter der Festung ins Wasser.“ — Die beiden
Rohre erlebten mancherlei Schicksale, wovon später noch Erwähnung
geschehen wird. Nach manchen Irrfahrten fand endlich das erst-
genannte Geschütz, der wilde Mann, seine Ruhestätte in der Waffen-
sammlung des Königl. Zeughauses zu Berlin. Das Rohr ist aus
spiralförmig aufgerollten Eisenstücken geschweiſst und geschmiedet 1).
Es hat eine Länge von 5,78 m und einen Drachenkopf zur Mündung.
Im Katalog des Königl. Zeughauses findet sich unter Nr. 39 der
Geschütz-Sammlung folgende Beschreibung: „Braunschweigisches
vierundzwanzigpfündiges eisernes Hinterladungsgeschütz.“ „Auf dem
langen Felde unter einer Herzogskrone befinden sich die groſsen
lateinischen Buchstaben H. J. (Herzog Julius), daneben die Jahreszahl
15—86, darunter in einer kranzartigen Umrahmung der Harzer
wilde Mann, darüber ein Band mit der teilweise ausgerosteten In-
schrift:


ICH HEIS DER WILDE M(an)

UND (breche was nicht) BIEGEN KAN.

Am unteren Ende des langen Feldes auf dem achteckigen Teil
des Geschützes liest man:


Beck, Geschichte des Eisens. 29
[450]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Herzog Julius zu Brauns ......

Zu Gittel mich lieſs smiedten

aus zwei geschmulzen eisen,

mein gleichen man kaum kennt.

Auf dem achteckigen Bodenfries befindet sich eine unleserliche
Inschrift, aus der nur die Worte Christian Hausen (wahrscheinlich
der Werkmeister) zu entziffern sind. Der Verschluſs fehlt.“


Obgleich die eisernen Kugeln im 16. Jahrhundert bereits in der
Regel gegossen wurden, so gab es doch auch noch Kugelschmiede
von groſsem Ruf. Ein solcher, Jacob Bühler, lebte zu Nürnberg
zu Neudörfers Zeit, der von ihm berichtet, daſs „ganz wunderbar-
lich zu sehen“ seine Kugeln alle von gleichem Gewicht, gleicher
Höhe und so künstlicher Runde, als wie von Holz gedreht, wären.
Daſs er sich dazu eines Wasserhammers bediente, geht aus einer
Ratsverordnung vom 9. August 1515 hervor, wonach er „den Fisch-
bach nicht versetzen, sondern ungehindert durchgehen lassen solle“
(Neudörfer ed. Lochner, S. 83).


Auch die Preise der Waffen in jener Periode sind nicht ohne
ein historisches Interesse; freilich sind sie sehr schwankend je nach
ihrer Güte und Ausschmückung.


Die Preise der fürstlichen Prachtrüstungen sind unvergleichlich
hoch gegen die einfache Ausrüstung der Bürgerwehr. Eine Anzahl
Wiener Bürgerrüstungen von den Jahren 1506 bis 1571 befindet sich
in der Waffensammlung der Stadt Wien 1). Alle zeigen auf der
Brustplatte das Stadtwappen mit der entsprechenden Jahreszahl.
Nach noch vorhandenen Stadtrechnungen kaufte die Gemeinde im
Jahre 1506 von dem Wiener Bürger Georg Zimmermann 60 Har-
nische um 450 Wiener Pfennige und zahlte dem Augustin Hirsch-
vogel
für das Einätzen des Stadtwappens, Nummern und Jahreszahlen
circa 17 Wiener Pfennige 2).


1461 wurden in Frankreich drei Schuppenpanzer (brigandines)
mit 18 Thlr. und drei Helme (sallades), deren einer mit einer Agraffe
verziert war, mit 12 Thlr. bezahlt 3).


In Frankreich erhielt 1490 der Plattner Caron für einen voll-
ständigen blanken Harnisch („une harrenoys blanc, garny de curasse,
de grand garde-bratz, de arnoys de jambes, de garde bratz droit, de
[451]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
heaulme etc. et de toutes autres piesses aud. harnoys necessaires) den
Preis und die Summe von 31 Thlr. in Gold (escus d’or) 1).


1495 bezahlte der Erbe von Louis de la Tremouille für ein Paar
Dielinge (un harnois de jambe) 27 Franks 3 Sols 9 d.


1510 lieferte der Waffenschmied Jacques Merveille zu Tours
an Msgnr. de la Tremouille eine vollständige Kriegsrüstung für
30 escus d’or, auſserdem erhielt er für Vergoldung 10 esc., für
Knöpfe, Schnallen und vergoldete Charniere 2 esc. u. s. w., so daſs
die ganze Rüstung auf 47 escus d’or (vallent à monnoie 82 l. 5 s.) zu
stehen kam 2).


Wie aus den weiteren von Gay mitgeteilten Rechnungen hervor-
geht, stieg der Preis der Harnische und Harnischteile in der darauf
folgenden Zeit beträchtlich.


1571 verkaufte der Waffenhändler Charles Poille, wohnhaft in
der rue de la Heaulmerie zu Paris, eine komplette Waffenrüstung mit
Wechselstücken für 260 esc. soleil.


In England bezahlte Heinrich VIII. im Jahre 1514 66 Pfund 13 sh.
an den Waffenschmied des Königs von Frankreich;


1515 an Crochet, Waffenschmied König Heinrichs VIII., 19 Pfund
16 sh. 2 d. für eine Rüstung (for harneſs), und in demselben Jahre
erhält Peter Fever für eine vollständige Rüstung (a complete
harneſs) 40 Pfund und 1516 Jacob de Wat für drei vollständige
Rüstungen 30 Pfund 3).


Der schwarze Trabharnisch, den Meister Wolf von Speyer zu
Annaberg für Kurfürst August I. 1567 fertigte und der überdies mit
geätztem Bildwerk versehen, kostete nur 20 Gulden und auch der
schwarzeiserne Feldküraſs mit vielen gelben Nägeln verziert, den im
17. Jahrhundert Kurfürst Johann Georg II. von dem Plattner Chri-
stian Müller
in Dresden anfertigen lieſs, kostete nur 50 Reichsthaler.


Dagegen erhielt Desiderius Kolmann im Jahre 1550 von
Philipp von Spanien für eine gelieferte Rüstung 3000 escudos de oro
und am 27. Februar für eine schwarze Rüstung 400 Dukaten und
nochmals am 12. Mai für eine Rüstung 650 escudos. Christian II.
bezahlte aber für die Prachtrüstung des Anton Peffenhäuser
8800 Gulden oder 7700 Reichsthaler 4), was nach heutigem Geldwert
etwa 35000 Mk. betragen würde.


29*
[452]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Ähnlich verhält es sich mit den blanken Waffen, wenn auch die
Preise bei diesen nicht so weit auseinandergehen. Doch wurde schon
1442 für ein Schwert von Basilica (spada di villa Basilica) in Pisa
80 bis 90 Gulden bezahlt 1), während 1449 für ein Schwert, welches
in Frankreich der Kirche St. Sulpice de Fougerés geschenkt worden
war, beim Verkauf nur 15 s. 6 d. gelöst wurden.


1495 wurden für zwei Degen in Turin 10 Frks. 10 s. gegeben.


1550 zahlt Philipp von Spanien an Comarga zu Augsburg für
fünf Passauer Schwerter (sacavuches) 80 Thaler.


In England erhielt im Jahre 1510 der Messerschmied Marryn
für zwei türkische Messer (Turkey knives) für ein Maskenfest 13 sh.
4 d. für jedes Stück.


Im Jahre 1520 lieſs König Heinrich VIII. für ein Turnier groſse
Waffenankäufe machen, darunter 1000 Mailänder Schwerter (myllen
swords) für 4 sh. das Stück, 600 zweihändige Schwerter (twohanded
swords) für 7 sh. 6 d. das Stück, 100 schwere Schwerter zum Turnier-
kampf zu Pferd, mit massiven Stahlglocken und zwei Bügeln für
10 sh. das Stück. Ferner Schwerter mit Scheiden für 2 sh. 8 d. das
Stück. Bei dieser Gelegenheit wurden die Waffenschmiede Rauffe
Braund
und Richard Pelland nach Flandern und Deutschland
geschickt, um Waffen zu kaufen 2).


1570 wurden in Frankreich für 25 Degen mit reichen Griffen
(25 espées à garde couverte en couleurs d’eau fournies à 23 grans
lacquais dud. Sign.) für die königlichen Hofdiener 100 s. für das
Stück bezahlt 3).


Und etwa um dieselbe Zeit bezahlte Kurfürst August die Degen
und Dolche mit geschnittenen Griffen, welche die Meister Franz
und Paul in Torgau machten, mit 100 Gulden das Stück.


Die Preise von andern Waffen ergeben sich aus folgender Zu-
sammenstellung:


1380 wurden in Frankreich bezahlt „pour 2 espées de fer …
pour couper chandelles et torches en fruicterie pour les maistres
d’ostel … 6 sols. Pour 2 cousteaux de fer à trancher cire 22 sols.


1462 für zwei Bogen und zwei Köcher 4 Thlr. (escus d’or), für
zwei Wurfspieſse und eine Stierlanze 1 Thlr.


1495 für ein Paar Steigbügel und 1 Gebiſs (mors) nach Rech-
nungen des Louis de la Tremouille 7 Frks. 5 sols.


[453]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

1593 zahlte Kurfürst Christian an den Waffenschmied Balzer
Hacker
für einen Streithammer mit durchbrochenen, messingenen
Verzierungen und dem sächsischen Wappen 30 Thlr. Gleven be-
zahlte Heinrich VIII. im Jahre 1521 mit 1 sh. 8 d. das Stück. Sie
gingen aber im Laufe des Jahrhunderts in England im Preise her-
unter, so daſs sie 1553 und 1554 nur mit 18 d. und 20 d. bezahlt
wurden 1).


Für 206 Speere mit Zubehör erhielt Hayward 1519 24 Pfund
5 sh. 8 d.


Stählerne Speerspitzen wurden zumeist von Innsbruck bezogen,
oft zu Tausenden. 1530 wurde das Stück mit 4 d. berechnet. 1525
wurden Jagdspieſse (forest bills) mit 10 d. das Stück bezahlt.


1530 wurden Hellebarden für die Garde mit 4 d. das Stück
bezahlt.


Wenden wir uns zu den Preisen der Feuergewehre, so wurden
im Jahre 1461 in Frankreich zwei Jagdgewehre (espioulz de chasse)
mit 2 Thlr., ein Kriegsgewehr (espioul d’armes) mit 1 Thlr. und zwei
Böller (boulges) mit 4 Thlr. angeführt 2).


In England bezahlte Heinrich VIII. 1511 200 Pfund für 500 Arke-
busen, also 8 sh. das Stück an Ludwig und Alexander de Fava
und 1512 erhielt Peter Corsy bei einer Lieferung von 420 Hand-
gewehren mit Pulverflaschen und Kugelformen (hand guns with bottles
i. e. flasks and moulds fore each) 9 sh. für das Stück.


Aus den Rechnungen Philipps von Spanien erfahren wir, daſs
dieser Fürst am 19. September 1549 an Peter Pah von München
für acht Arkebusen 100 escudos de oro bezahlte. Jedenfalls waren
dies ungewöhnlich kostbare Büchsen von einem berühmten Meister.
Derselbe empfing am 19. März 1551 41 Thlr. für vier Karabiner
(carabujes) und ein andermal erhielt Pedro de Minich, jedenfalls
derselbe Künstler, 30 Thlr. für eine Arkebuse.


Was das grobe Geschütz anlangt, so wissen wir mehr von den
Kosten der Bronzekanonen als von den eisernen. Gegen Ende des
15. Jahrhunderts stellte sich der Preis der Metallkanonen durch-
schnittlich auf 10 Gulden für den Centner.


1479 lieferte Meister Quinque in Dresden fünf Schlangenbüchsen
zu 47 Zentner 20 Pfund Gewicht für 465 Gulden 10 s. 6 d. und
ferner 6 Stück zu 59 Centner für 585 Gulden.


[454]Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.

Von den groſsen Kanonen und Bombarden, welche der Herzog
von Burgund bei der Belagerung von Compiègne benutzte, erfahren
wir folgende Preise:


  • 1. Eine groſse Bombarde, „Romeswalle“, welche
    Kugeln von 28 Zoll Umfang (paux de tour)
    schoſs   2000 Frks. (de 32 gros)
  • 2. Eine andere Bombarde, die rote genannt,
    für Kugeln von 26 Zoll Umfang   1800 „
  • 3. Eine andere Bombarde, „Houpenlier“, für
    Kugeln von 29 Zoll Umfang   1700 „
  • 4. Eine andere Bombarde, „Quenequin“, für
    Kugeln von 23 Zoll Umfang   800 „

Ferner Bombarden, welche dem Prinzen von Luxemburg ge-
hörten und die ihm der Herzog bar bezahlt hat:


  • 1. Eine Bombarde von Kupfer, „Beaurevoir“, für
    Kugeln von 32 Zoll Umfang   1800 Frks.
  • 2. Eine kleine Bombarde, „Burgund“, für Kugeln
    von 12 Zoll   500 „
  • 3. Eine groſse Veuglaire, „Montaigne“, für Kugeln
    von 9 Zoll   100 „

Zu Fronsbergers Zeit waren die Geschütze noch teurer.


Er sagt in seinem Kriegsbuche (XV), daſs eine Scharfmetze, die
80 Pfund Eisen schieſse, 68 Centner Metall haben solle; der Centner
koste 16 Gulden, das Geschütz 1088 Gulden.


Über eiserne Kanonen erfahren wir aus den Rechnungen von
Lille, daſs Jakob von Katelar zu Brügge 1431 für fünf eiserne
Kanonen im Gewichte von 8890 Pfund zum Preise von 2 Groschen
das Pfund 444 Livres 10 s. erhielt, nach unserm Gelde also 0,80 Mk.
für ein Kilogramm.


Über Löhnungen von Waffenschmieden und Kriegshandwerkern
erwähnen wir noch folgendes: Die Büchsenschmiede hatten in der
Regel die Hand- und Feuerröhren, sowie das kleine Geschütz in
Ordnung zu halten. Im Jahre 1475 stellte Herzog Albrecht von
Sachsen den Büchsenschmied Konrad als Werkmeister an. Er
arbeitete mit seinen Knechten in der Büchsenschmiede am Hofe bei
dem Schlosse zu Dresden und schmiedete groſse und kleine Büchsen.
Er erhielt 12 Schock Groschen als Jahresgehalt und besondern Lohn
für jeden verarbeiteten Centner.


Der Büchsenmeister Kaiser Maximilians I., Hans Appenzeller,
erhielt jährlich am 1. Oktober 100 Gulden als Gehalt. Die Metalle
[455]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
wurden ihm gestellt und zwar auf je 10 Centner Kupfer 1 Centner
Zinn.


Die Kriegshandwerker bei der Artillerie (Arkeley) wurden gut
bezahlt. Zur Zeit Fronspergers erhielten Zimmerleute, Schmiede
und Schlosser je 8 Gulden monatliche Löhnung. Ein Zeugmeister,
mit die höchste Charge bei der Arkeley, bezog 150 Gulden, ein Ge-
schirrmeister 50 Gulden monatlich. Die Löhne in England waren
zu Heinrichs VIII. Zeiten niedrig. 1527 erhielt William Long, ein
Pfeilspitzenmacher (arrow-headmaker), 4 d. den Tag, ein Stückkugel-
macher 6 d. pro Tag und gelegentlich des Leichenbegängnisses
König Heinrichs schreibt Lord Cobham am 16. Februar 1547 an
den Lord Protektor, er könne Büchsenschützen (hagbutters) bekommen
für 8 d. pro Tag, wobei sie Waffen und Pulver mitbrächten 1).


Die Kunstschmiederei und Schlosserei.


Gab der Krieg auch in dieser Periode der Eisenindustrie die
mächtigste Anregung und war es besonders der Massenbedarf für die
kriegerische Ausrüstung, welche auf Arbeitsteilung und fabrikmäſsige
Erzeugungsweise der wichtigsten Gebrauchsartikel hindrängte, so
stellte doch auch der Friede immer neue Aufgaben und immer mehr
wurden die Arbeiten des Eisenschmieds unentbehrlich für alle Be-
schäftigungen des bürgerlichen Lebens, für die Landwirtschaft ebenso
wie für die Gewerbe, für die Baukunst, für die Mechanik und für
den Hausgebrauch. Mit der Zunahme der Eisengewinnung nahm
auch seine Verwendung auf allen Gebieten gewerblicher Thätigkeit
zu. Aber nicht nur die Produktion hatte sich durch die Verbesse-
rungen des Hüttenbetriebes erhöht, auch die Güte des Eisens hatte
zugenommen, und dadurch erst eroberte es sich seine unbedingte
Herrschaft als wichtigstes Gebrauchsmetall. Für jede Art von Han-
tierung lieferte es das beste, geeignetste und billigste Werkzeug.
Kam bei seiner Verwendung als Werkzeug hauptsächlich seine Härte
und Festigkeit in Betracht, so war es durch seine Bildsamkeit zu-
gleich ein geeigneter Stoff für den Künstler, der neben der Zweck-
mäſsigkeit vor allem die Schönheit im Auge hatte. In wie hohem
[456]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
Maſse dies bei dem Waffenschmied der Fall war, haben wir an den
Prachtrüstungen kennen gelernt; aber auch im bürgerlichen Leben
verhielt es sich so und das kunstsinnige Zeitalter erfreute sich auch
an der künstlerischen Behandlung des „rauhen“ Eisens.


Am meisten kam dies bei dem Teil der Kunstschmiederei
zum Ausdruck, welcher im Dienste der Architektur arbeitete. Hier
wurde die Bildsamkeit des Stoffes benutzt, um seine Festigkeit künst-
lerisch zu verkleiden und so entstanden jene prächtigen Schmiede-
werke, in denen die Festigkeit und Schwere des Eisens in Anmut

Figure 166. Fig. 155.


und Zierlichkeit aufgelöst
erscheinen, wobei aber doch
der Charakter des Werkes
in harmonischer Verbin-
dung mit Stoff und Technik
zum Ausdruck kam. Es
war der Stolz der Schmiede,
mit dem Hammer allein
ihre schönen getriebenen
und geschmiedeten Werke
zu schaffen. Die Feile als
Werkzeug zur Formgebung
existierte für sie noch
nicht.


Die Mannigfaltigkeit die-
ser Schmiedearbeiten war
eine auſserordentliche.
Man verfertigte aus Eisen
Beschläge, Gitter, Balkone,
Wirtshausschilder, Turm-
spitzen, Glockenhäuschen,
Standleuchter, Grabkreuze,
Brunnenhäuser, Wetterfahnen, Hausgeräte aller Art, als Thürklopfer,
Thürringe, Feuerböcke, Kaminständer, Fackelhalter, Lichterständer,
Kronleuchter, eiserne reich verzierte Tische, Stühle, Kästchen, Koffer,
Truhen, Schlösser, Uhrwerke u. s. w. Wir können nur einige dieser
Schmiedewerke einer kurzen Betrachtung unterziehen, indem wir an
unsere Darstellung der früheren Zeit (Bd. I, S. 837 bis 844) an-
knüpfen.


In dem letzten Jahrhundert der Blütezeit der Gotik, im 15. Jahr-
hundert, wurde es zu einem Bedürfnis, alle Gegenstände des Gebrauchs
[457]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
mit stilvollen Ornamenten zu schmücken. Dies war besonders auch
bei den Thürbeschlägen der Fall 1). Hatte man sich in früherer Zeit
damit begnügt, die Holzthüren mit einem rautenförmigen Gitterwerk
von Flachschienen zu belegen und die Felder dazwischen auszumalen,
so füllte man die letzteren mit durchbrochenem Maſswerk und Orna-
menten von Eisen oder mit gestanzten Blechplatten aus.


Eines der schönsten Beispiele einer Thüre, deren Felder mit
getriebenen und durchbrochenen Ornamenten und Maſswerk von
Eisen gefüllt sind, besitzt die Propstei zu Bruck (Fig. 155) 2). Man

Figure 167. Fig. 156.


sieht hier sogleich, daſs
man es bei dieser in die
spätest gotische Zeit ge-
hörigen Thür mit Hand-
arbeit zu thun hat, da
fast jedes Ornament und
Maſswerkmotiv, welche der
Festigkeit wegen mit einem
gewundenen Rundstab ein-
gefaſst sind, eine andere
Zeichnung besitzt. Um die
Zeichnung der Durch-
brechungen hervorzuheben,
sind dieselben abwechselnd
mit rotem und blauem
Pergament unterlegt, wo-
durch eine groſse Wirkung
erzielt wird.


Die Ausfüllung mit ver-
zierten eisernen Platten war
die am meisten angewendete und hat sich durch viele Jahrhunderte
erhalten 3). Aus dem 15. Jahrhundert besitzt Österreich noch ver-
schiedene dieser Thüren; ein schönes Beispiel giebt das Beschläge an
der Piaristenkirche zu Krems (Fig. 156). Diese Thür ist durch eine
horizontale Eisenschiene in zwei Teile zerlegt; die Felder des oberen
[458]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
sind abwechselnd mit Wappen und Greifen ausgefüllt, während die
etwas gröſseren Felder des unteren Teiles den kaiserlichen Adler mit
dem Habsburger Löwen zeigen (Fig. 157). Die verschiedenen Nägel-
formen und deren rosettenartige Unterlagen sind ein besonderer
Schmuck dieser Thür. Eine ähnliche Thür mit halbem Adler und
Löwen in den Feldern befindet sich noch in der Kirche zu Maria-
Saal in Kärnten und an der Sakristei der Pfarrkirche zu Stadt Steier.
Nicht minder interessant ist das schöne Beschläge an einer Thür des
Rathauses zu Krakau, welches dem 15. Jahrhundert angehört.


Diese Art der Thürbeschläge verdankt zunächst ihre Entstehung
dem Fortschritt der Blechfabrikation durch die Einführung der

Figure 168. Fig. 157.


Wasserhämmer. Die langdauernde Anwendung derselben hatte wohl
darin ihren Grund, daſs durch das einfache Stanzen der Platten ein
groſser Reichtum auf eine verhältnismäſsig billige Weise zu erreichen
war. Die tragenden Bänder dieser Art von Thüren liegen an der
Innenseite und waren ebenfalls, besonders in der Renaissancezeit,
sehr reich ausgeführt. Bemalung und Vergoldung wurden ebenfalls
bei denselben angewendet, doch erhielten sich davon meistens kaum
noch Spuren, da die Farbe auf dem Eisen schlecht haftete.


Mit der Einführung der sogenannten Sakramentshäuschen, welche
oft zu so wundervollen Werken aus Stein, Eisen oder Bronze Ver-
anlassung gaben, war auch der Schmiedekunst Gelegenheit geboten,
bei den meist aus Eisen konstruierten Thüren, hinter welchen das
Allerheiligste so verwahrt wurde, daſs es den Gläubigen doch sichtbar
blieb, Schönes zu leisten.


[459]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.

Die Sakramentshäuschen sind entweder nur Nischen in der Chor-
mauer der Kirche, oder ganz frei stehende, oft bis zu bedeutender
Höhe sich aufbauende architektonische Werke.


Eines der einfacheren Beispiele, wo die eiserne Thür die einzige
Zierde der Spitzbogennische bildet, finden wir in der Kirche zu
Perchtoldsdorf bei Wien 1). Sie ist, wie alle älteren Thüren dieser
Art, eine durchbrochene Gitterthür. Zwei Schienen übereinander,
die mit maſswerkähnlichen Durchbrechungen versehen und mit da-
zwischen eingesetzten Nieten in Rosettenform geziert sind, umrahmen

Figure 169. Fig. 158.


die spitzbogige Nische und eine zweite
solche Umrahmung schlieſst das Gitter ein.
Zwei weitere in Kreuzform über das Gitter
gelegte Schienen geben dem Ganzen erhöhte
Festigkeit und tragen in ihrer Mitte einen
Aufzugsring mit schöner rosettenförmiger
Unterlage. Ein Meisterwerk der Schmiede-
kunst sind zwei eiserne Thüren eines
Schrankes der Abtei von Saint-Loup zu
Troyes. Auf dem einen Flügel ist Christus
mit dem Kelch, auf dem andern die Kreuzi-
gung dargestellt.


Als ein weiterer Teil der Thürbeschläge
sind die Thürklopfer und Griffe anzusehen.
Ihre ältere Form war die eines Ringes.
Auſser den Ringklopfern finden wir an den
mittelalterlichen Prachtbauten die soge-
nannten Hammerklopfer, welche in unzäh-
ligen Variationen gebildet wurden. In
Fig. 158 sehen wir einen solchen von der
Kirche zu Vézelay. Dadurch, daſs er sich in zwei Lagern bewegte,
hatte er eine sichere Führung.


An schönen Gittern ist das 16. Jahrhundert besonders reich.
Selbst bei Privathäusern kamen sie zur Verwendung und daſs Gitter-
thore damals in den Städten bereits in Gebrauch kamen, beweist der
Vers des Hans Sachs (IV, 3, 168):


„Welicher mann an allem ort

Wol überhörn und sehen kan,

Der henket eisern thüre an

Und hat ein frei fröhlich gemüth.“

[460]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.

Die schönsten Gitter finden sich aber in Kirchen und um Grab-
denkmäler, ferner auch um öffentliche Brunnen. Des herrlichen
Gitters um das Grabmal Kaiser Maximilians in Innsbruck, als dessen
Verfertiger Metzger angegeben wird, haben wir bereits gedacht
(Bd. I, S. 844). Vortreffliche Schmiedearbeiten sind die Gitter des
Grabes König Heinrich VII. und der Königin Eleonore in der West-
minster-Abtey 1). Weltberühmt sind auch die Gitter um den schönen
Brunnen zu Nürnberg von Paulus Köker und des Niederländers
Matsys schmiedeisernes Brunnengeländer vor der Kathedrale zu
Antwerpen.


Die Umbildung der streng architektonischen Formen, welche das
16. Jahrhundert mit seinem spätgotischen Charakter mit sich brachte,

Figure 170. Fig. 159.


übertrug sich natürlich auch auf die Schmiedekunst, welche aber
auch in dieser neuen Richtung wahrhaftig Kunstwerke zn schaffen
verstand. Ein schönes Werk aus dem Anfange jener Periode ist das
in Fig. 159 teilweise abgebildete Gitter aus der Pfarrkirche zu
Hall bei Innsbruck 2). An der Stirnmauer des linken Seitenschiffes
der Kirche befindet sich das Grabmal des edlen Geschlechtes Wald-
auf v. Waldstein, welches von diesem Gitter eingeschlossen wird.
In der Abbildung ist der dritte Teil davon ersichtlich und auf der
[461]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
Langseite wiederholen sich dieselben Motive mit nur kleinen Ver-
änderungen. Das eigentliche Gitter zur linken Seite wird durch in
einander gestecktes Quadrateisen gebildet, während die rechte Seite
als Gitterthüre das spätgotische Fischblasenmaſswerk aus Flacheisen,
aber in sehr zierlicher Weise konstruiert, zeigt. Das Schönste an
diesem Gitter ist der obere Aufsatz, welcher den Stempel seiner Ent-
stehungszeit, des verblühenden Rittertums, deutlich an sich trägt.
Die Wappenschilder über der Thüre, welche sich an Wimbergen an-
schlieſsen, sind wahrscheinlich jene der Familie Waldstein, dieselben
sind heraldisch gemalt und vergoldet und zwar ist am Wappen rechts
der Greif im Schilde, Helm und Helmzier vergoldet; das Ornament

Figure 171. Fig. 160.


auf der oberen Seite rot
und unten weiſs. Beim
linken Schilde sind die
Tiergestalten golden und
der gezackte Querbalken
rot, während Helm und
Zier wieder vergoldet und
die Flügel dahinter rot
gemalt sind. Die Kreuz-
blumen auf den Wimbergen
sind verschieden formiert
aus Blech geschnitten und
mit dem Hammer getrie-
ben, ebenso die Kanten-
blumen, welche wie die
Kreuzblumen gearbeitet
und vergoldet sind, während das übrige Konstruktionseisen dunkel-
grün bemalt ist. Bei der längeren Seite des Gitters, welches aus
drei Hauptfeldern besteht, ist in der Mitte wieder eine Thür, über
welcher sich die gleichen Wappen befinden; nur hat das linksseitige
zwei Helme. Die Wimbergenpartieen wiederholen sich hier zu beiden
Seiten und sind statt der Ornamente zwischen den Spitzbogen Vasen
angebracht, aus welchen blumenartige Verzierungen herauswachsen.
Das Ganze ist mit meisterhafter Technik behandelt.


Eines der schönsten Werke der Schmiedekunst, welches Öster-
reich besitzt und welches gleichen Charakter wie der Aufsatz des
Gitters zu Hall zeigt, ist das Sakramentshäuschen zu Feldkirch in
Tirol. Dieses Meisterwerk wurde im Jahre 1509 in der dortigen
Pfarrkirche aufgestellt und leider schon im Jahre 1655 in eine Kanzel
[462]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.

Figure 172. Fig. 161.


[463]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
umgewandelt, wobei der 32 Fuſs hohe Bau zwar geteilt, aber glück-
licherweise nicht beschädigt wurde und nur durch Zubau einer
Stiege u. s. w. teilweise Verunstaltungen erlitt.


Von der herrlichen getriebenen Arbeit giebt die in Fig. 160
(a. S. 461) abgebildete groſse Schluſskreuzblume eine Andeutung.


Figure 173. Fig. 162.

Figure 174. Fig. 163

a, b.


Der Verfall der Gotik bewirkte
keineswegs einen Rückgang in der
künstlerischen Verwendung des
Eisens zu dekorativen Zwecken,
sondern im Gegenteil begann
mit der Spätgotik, der folgenden
Renaissance und den weiteren
Stilwandlungen erst die Zeit einer
besseren und vielseitigeren Ver-
wendung desſelben.


Eines der prachtvollsten Gitter
der deutschen Renaissance (Fig.
161) besitzt der Prager Dom 1).
Mit demselben ist das kunst-
reiche Tumben-Grabmal umgeben, das zum Andenken an Ferdinand I.,
seine Gemahlin Anna und Maximilian II. beim Eingange in die kaiser-
[464]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
liche Gruft steht. Es hat fünf Felder, von denen die zwei Seiten-
felder gleich sind, während sonst jedes abweichend ist. Dieses Gitter
verdient alle Beachtung als eine sehr reiche und geschmackvolle
Arbeit des vom Kunstgeist des 16. Jahrhunderts veredelten Handwerks.
Seine Entstehung ist um 1590 zu setzen. Wir sehen den runden
Eisenstab verwendet, denselben in den phantasievollsten Verschlin-
gungen gezogen, wobei bei zwei Feldern die diagonale Durchkreuzung,
bei zwei andern die Achterfigur und bei den letzten die Schnecke den

Figure 175. Fig. 164.


Figure 176. Fig. 165.


leitenden Gedanken für den Zeichner gaben. Von besonderer Zierlich-
keit erscheinen die Bekrönungen der Felder mit ihren Drahtbouquets
und den groſsen Blätterbüscheln. In reicher Verwendung zeigt sich an
diesem Gitter das geschnittene Eisen zu Pflanzen- und Blumenblättern,
zu Wappenhaltern u. s. w. gebildet mit eingehauenen Ornamenten.


In leichtgeschwungenen Blumen endeten oft die Spitzen der
Geländer, wie z. B. die Blumen an den Spitzen der drei Hauptstäbe
eines Brunnengitters von Sebastian in Niederösterreich vom Jahre
1564 (Fig. 162, a. v. S.) 1).


[465]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.

Fig. 163 a, b zeigen Blumen und Blattwerk aus dem 16. Jahr-
hundert, welche sich im germanischen Museum zu Nürnberg befinden.
Einen ungewöhnlichen Schatz schöner Schmiedearbeiten besitzt das

Figure 177. Fig. 166.


Schloſs Karlstein in Böhmen.
Zu den bewundernswürdigsten
Schmiedearbeiten werden aber
stets die herrlichen Fackel-
halter (Fig. 164 und 165) und
Laternen (Fig. 166) am Pa-
lazzo Strozzi in Florenz ge-
hören 1).


Sie stammen schon aus
dem Jahre 1489 und sind
Meisterwerke des Nicolo
Grosso
, genannt Caparra.
Die beiden Laternen, welche
sich an den Ecken der Façade
des Palastes befinden, sind
von sehr groſsen Dimensionen.
Der Gebrauch solcher La-
ternen war in Italien ein altes
Vorrecht der höchsten Adels-
geschlechter und wurde vom
Staate auch als Auszeichnung
für Verdienste verliehen. An
demselben Palast befindet
sich eine Anzahl Fackel- und
Fahnenhalter. Alle tragen das
Wappen der Strozzi, drei zu-
sammengestellte Halbmonde.
Die Hauptformen sind sorg-
fältig und sauber ausge-
schmiedet, ohne nachgefeilt
zu sein. Die Ornamente sind
meist nur in Linien auf den
groſsen Flächen eingehauen.
Beck, Geschichte des Eisens. 30
[466]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
Vasari sagt 1) von dem Nicolo Grosso, genannt Caparra, im
Leben des Cronaca:


„Noch hat kein neuerer Meister groſse und schwierige Schmiede-
werke mit solcher Vollkommenheit in Eisen ausgeführt. Er war ein
Mann voll Erfindung und Eigensinn; er urteilte mit Schärfe über
sich und andere und wollte nie von etwas Fremdem wissen; auch
gab er niemals irgend jemand Kredit, sondern verlangte bei seiner
Arbeit stets Handgeld, deshalb nannte Lorenzo di Medici ihn
Caparra, d. h. das „Draufgeld“, und er war bei vielen unter diesem
Namen bekannt. An seiner Bude hing ein Schild mit verbrennenden
Büchern. Forderte jemand Frist bis zur Bezahlung, so antwortete
er: ich kann sie dir nicht geben, du siehst, meine Bücher gehen
in Flammen auf, und Schulden können darin nicht verzeichnet
werden.“ —


Kunstvolle Schmiedearbeiten fanden sich auch im Inneren der
Häuser der Vornehmen, besonders war die Ausschmückung der Ka-
mine beliebt. Der kunstvollen Feuerböcke, auch Feuerhunde genannt,
haben wir schon gedacht, als Produkte des Kunstgusses und als ge-
schnittene Arbeiten, aber auch mit dem Hammer allein wuſste der
Schmied sie kunstvoll zu bilden. Die alten Feuerböcke, die dazu
dienten, das Holz über dieselben zu legen und die in den Küchen zu-
gleich als Kochgestelle benutzt wurden, waren für das Zimmerkamin
ein mehr oder weniger reiches, geschmiedetes Gestell, gewöhnlich mit
zwei Füſsen, an welchen nach rückwärts eine horizontal liegende
Eisenstange befestigt war, die hinten einen dritten Fuſs bildete.
Über diese Stange wurde das Brennholz in groſsen Scheiten gelegt,
damit die zum Verbrennen nötige Luft von allen Seiten Zutritt
hatte. Diese Feuerböcke waren nicht mit einander verbunden, sondern
konnten verstellt werden. Dazu kamen noch im 16. Jahrhundert die
Kaminständer, welche ein Ganzes bilden und hinter welche ganz ein-
fache, rohe Feuerböcke in den Kamin gestellt wurden. In Fig. 167 2)
ist ein solcher Kaminständer dargestellt, welcher eine venetianische
Schmiedearbeit aus dem Jahre 1577 ist und zum Kochen bestimmt
war. Letzteres geht deutlich hervor aus den oberen kesselförmigen
Aufsätzen, in welche durchbrochene Kohlenpfannen gesetzt wurden,
über die dann die Kochgefässe zu stehen kamen.


Bei den Feuerböcken für groſse Küchen sind meist zwei solche
Pfannenträger zu beiden Seiten, und an den Böcken Haken ange-
[467]Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.
bracht, in welche die Stangen für das Braten am Spieſse eingelegt
werden konnten. Die Ketten, welche sich durch Haken verkürzen
und anspannen lassen, dienten wohl auch, um Kochgefäſse daran
aufzuhängen.


Die venetianischen Paläste aus der Blütezeit der italienischen
Gotik und der Frührenaissance hatten bei ihren schönen Kaminen
auch einen reichen Schatz solcher eisernen Kaminständer aufzuweisen,
doch sind leider mit dem alten glanzvollen Leben aus diesen Palästen
auch der kostbare Hausrat und damit die Kaminständer verschwunden.


Figure 178. Fig. 167.

Eine vortreffliche Sammlung der Schmiedekunst ist im Königl.
bayerischen Nationalmuseum. Ein Schatz schöner Schmiedearbeiten
findet sich in v. Hefner-Altenecks „Eisenwerke oder Ornamente
der Schmiedekunst des Mittelalters und der Renaissance“ abgebildet.
Von diesen erwähnen wir hier nur noch einen herrlichen schmiede-
eisernen Kronleuchter in der Pfarrkirche zu Vreden in Westfalen,
welcher 8½ Fuſs im Durchmesser und 14 Fuſs Höhe hat und 400 kg
wiegt. Er wurde im Jahre 1489 durch den Schmiedemeister Gert.
Bulsink
, einem Bürger von Vreden, gefertigt und von der Schmiede-
30*
[468]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
zunft der Kirche geschenkt. Er besteht aus Stangen, Ketten, durch-
brochenen Platten u. s. w. von verzinntem Eisen mit trefflichen
Figuren aus Holz geschnitzt, vergoldet und gemalt. Das Meisterwerk
wurde durch den kunstsinnigen Fürsten Karl Anton von Hohenzollern
vom Untergang gerettet und unter Leitung des Professors Andreas
Müller
in Düsseldorf restauriert 1).


Die Schlosserei.


Die Schlosserei, welche jetzt das wichtigste Kleingewerbe der
Eisenindustrie ist, erlangte erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts
ihre Selbständigkeit. Die Verschlüsse der Thüren und Thore der
gewöhnlichen Häuser wurden im Mittelalter noch vielfach aus Holz
hergestellt. Die eisernen Schlösser, die man an Kirchen, Rathäusern
und Häusern der Reichen anbrachte, mehr aber noch bei Truhen,
Geldkasten, überhaupt Aufbewahrungsorten von Wertsachen, anwendete,
wurden ebenso wie die Thürklopfer, Laternen- und Fackelhalter u. s. w.
von den Schmieden angefertigt.


Als selbständiges Gewerbe werden die Schlosser in Deutschland
zum erstenmal im Codex des Wiener Stadtarchivs im Jahre 1463
aufgeführt in dem „Vermerkcht der Ordnung aller Handwercher zu
Wien“. Darin werden sogar die Schlosser zuerst von allen Eisen-
arbeitern angeführt, dann folgen „die Sporer, Ringkler, Nadler, Eisen-
zieher (Drahtzieher), Hufsmit „und jr Knecht“, Plattner, Brunner oder
Sarbürcher (Panzermacher), Helmsmit, Pogner, Pfeilschnitzer und jr
Knecht“ 2). Ob sie aber eine besondere Zunft bildeten, erfahren wir
nicht hieraus. Als solche treten sie zum erstenmal im Jahre 1545
in Schmalkalden auf in einem Streite der Schlosser mit dem Grafen
von Henneberg.


Graf Georg Ernst von Henneberg hatte im Jahre 1545 ein geist-
liches Stift zu Schmalkalden wegen groſser Unzucht aufgehoben,
mit dem Befehl, daſs die Stiftsgeistlichen, welche sich zahlreicher
Nachkommenschaft erfreuten, ihre „Köchinnen“ heiraten sollten. Da-
gegen wollte er den Kindern der sich Fügenden die Rechte Ehelich-
[469]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
geborener einräumen. Dazu gehörte mit in erster Linie das Recht
der Zunftfähigkeit. Dagegen protestierten aber die Zünfte, und die
Schlosserzunft zu Schmalkalden bat den Grafen schriftlich „sie mit
den Pfaffenkindern zu verschonen“.


Die Bezeichnung „Schlosser“ für einzelne Personen erscheint aller-
dings schon viel früher, aber diese Schlosser waren Mitglieder der
Schmiedezunft. Daſs das Anfertigen der Schlüssel und Schlösser
vordem eine zunftmäſsige Arbeit der Schmiede war, geht aus dem
alten Bamberger Recht 1) von 1329 hervor. Darin heiſst es:


„Ez ist auch gesatzt vnd ist verboten allen smiden, di ze Baben-
berg gesessen sein, daz in dcheiner, dcheinen sluzzel nieman machen
soll, na keinem teige, noch wahs (Wachs) oder thon (als Abdruck
zum Modell), wenne einen sluzzel nach dem andern, oder nach einem
sloss den sol er auch machen, ein sluzzel einem biderben manne, daz
der sich versehe, daz es an geuerde sei vnd an arg — vnd welher
smit daz verbricht der als verren (überführt) wurde und da er mit
seinem aide da fur nicht dergibt als oft (V phunt) phenn [5 Pfd.
Pfennige]: hat er den phenn. nicht so soll er von der stat als lang
sein bis er sie gibt.“


Dagegen wird allerdings bereits im Jahre 1330 in Nürnberg ein
„Shlosser Heuter“ und 1348 ein „Slozzer Hertel“ aufgeführt und
bei dem Aufstande der Nürnberger Handwerker, die sich für Günther
von Schwarzburg erklärten, gegen den Rat, der es mit Karl IV.
hielt, war der „Schlosser Lodner“ der geistige Führer und die Seele
der Bewegung. Die Aufständigen siegten und vertrieben den Rat aus
der Stadt. Der neue Rat ertheilte Conrad Lodner wegen seiner
Verdienste den Auftrag, die zerstörten Schlösser und Thüren zu
reparieren. 30 Wochen dauerte seine Arbeit, aber ehe er noch seinen
Lohn dafür erhielt, starb Kaiser Günther. Karl IV. eroberte die
Stadt, setzte den alten Rat wieder ein und lieſs die Urheber des Auf-
standes hinrichten. Lodner, der sich immer mit Energie den Aus-
schreitungen des Pöbels widersetzt hatte, erlitt zwar nicht den Tod,
aber er wurde für immer aus Nürnberg verbannt. Für seine Arbeit
erhielt er natürlich nichts.


Ferner werden als Schlosser im 14. Jahrhundert genannt:
Schnabel in Breslau 1361, und Hoike in Merseburg 1387. Von
Schnabel wird die Anekdote berichtet, daſs er am Sonnabend nach
[470]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
Klemens des Jahres 1361 ein Schloſs vor den dortigen Rat gebracht
habe, welches so subtil und nett gearbeitet war, daſs es nebst dem
Schlüssel eine Fliege mit ihren Beinen, so weit der Rathaustisch war,
ziehen konnte. Er habe dasſelbe etlichemal auf- und zugeschlossen,
um zu zeigen, daſs es praktikabel sei 1).


Hier sei auch das vielberühmte und viel bestrittene Kunstwerk
des Regiomontanus erwähnt, welcher für den Einzug Kaiser
Maximilians I. in Nürnberg einen Adler und eine Fliege von Eisen
verfertigte, welche wirklich geflogen sein sollen 2).


Die Schlosser waren in ihrem Gewerbe nahe verwandt mit den
Groſsuhrmachern, mit denen sie auch späterhin eine Zunft
bildeten, und sie verfertigten wie diese mancherlei mechanische
Kunstwerke
, durch welche sie oft gröſseren Ruhm erwarben, als
durch ihre Schlösser. So machte der Schlosser Hans Schlotheim
in Augsburg für Kaiser Friedrich III. im 15. Jahrhundert ein Schiff
mit Figuren, die sich durch ein compliciertes Räderwerk von selbst
bewegten 3). Er wurde überboten von Caspar Werner4), wahr-
scheinlich zu Straſsburg gegen Ende des 15. Jahrhunderts geboren.
Dieser machte ein Schiff von ¾ Ellen Länge, das durch ein Uhr-
werk aufgezogen, auf dem Tisch herumfuhr. An der Spitze desſelben
befand sich ein Kind, welches ruderte und dabei den Kopf hin und
her bewegte. Am Hinterteil stand ein anderes, in Gestalt eines Amor,
welches einen Pfeil auf ein bestimmtes Ziel abschoſs. In der Mitte
des Fahrzeuges saſs eine weibliche Figur, die nach dem Takte das
Hackbrett schlug.


Berühmter und heute noch bewundert ist die Uhr der Frauen-
kirche zu Nürnberg mit dem sogenannten „Männleinlaufen“. Diese
Bezeichnung hat der Volkswitz dem Werk gegeben, weil sich mit dem
Schlage der vollen Stunden die sieben Kurfürsten um den in der
Mitte auf dem Throne sitzenden Kaiser bewegen und sich vor ihm
verneigen. Die Figuren sind fast einen Meter hoch und von Sebastian
Linthenast
aus Kupfer verfertigt. Dagegen ist alles Übrige, das
eiserne Triebwerk, sowie der ganze Entwurf, von Georg Heuſs5).
Nach seinem Vertrage mit dem Kirchenmeister Sebald Schreiner
[471]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
erhielt er dafür im Jahre 1509 den Betrag von 532 Gulden ausbezahlt 1).
Isaac und Josias Habrecht lieferten die kunstvolle Eisenarbeit
zu der weltbekannten Uhr des Dissipodius auf dem Straſsburger Münster.
Berühmte astronomische Uhren fertigte Gerhard Emmoser für die
Kaiser Ferdinand I. und Max II., sowie Georg Roll unter Rudolf II.
Und Hans Leo Hasler erfand „die durch Uhrwerk selbst schlagenden
Werke“. Auch die Taschenuhren, die bekannten „Nürnberger Eier“
erfand gleichfalls ein Schlosser, Peter Hele, im Jahre 1510. Sie
fanden allgemeine Verbreitung und waren nur unbequem durch ihre
Gröſse; man musste sie in den Hosentaschen tragen. Aber nicht
lange danach machte Peter Heinlein (alias Andreas Heinlein)
bereits so kleine Uhrwerke, daſs er sie in den damals gebräuchlichen
Bisamknöpfen anbrachte 2).


Ein Zeitgenosse des Georg Heuſs, welch letzterer 1524 zu
Nürnberg, hochbetagt und allgemein betrauert, verstarb, war der
nicht minder berühmte Hans (Jacob) Bullmann (Büllmann,
Püllmann
3), ein gewöhnlicher Schlosser ohne tiefere Bildung, aber
von so groſser Geschicklichkeit und Erfindungsgabe, daſs sein Ruf
sich weit über die Mauern seiner Vaterstadt verbreitete. Er erwarb
sich besonderen Ruhm durch seine Schnellwaagen, wie durch
mancherlei mechanische Spielereien 4) und Kunstwerke. Zu den
letzteren gehört namentlich das von ihm erfundene Planetolabium
nach ptolemäischem System. Die Bewegung der Planeten um die
Sonne wurde durch einen Mechanismus und ein Gewicht von 80 Pfund
bewirkt. Das Kunstwerk wurde allgemein angestaunt und nachgeahmt,
und einem anderen Nürnberger Schlosser, Andras Heinlein5), gelang
es im Jahre 1545, ein gleiches Kunstwerk von vereinfachter Kon-
struktion mit nur dem fünften Teile des Gewichtes zum Aufziehen zu
verfertigen. Als Hans Bullmann, der im Jahre 1535 starb, schon
hochbetagt war, erhielt er von König Ferdinand einen Ruf nach
Wien zu kommen, um ein künstliches Uhrwerk daselbst zu reparieren.
[472]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
Er lehnte den ehrenvollen Antrag wegen Alters und Gebrechlichkeit
ab. Da lieſs der Kaiser den alten Schlosser in einer Sänfte von
Nürnberg nach Wien und wieder zurückverbringen.


Waren die eben genannten Schlosser mehr wegen ihrer mecha-
nischen Trieb- und Kunstwerke berühmt, so zeichnete sich der Nürn-
berger Meister Hans Ehemann auf dem eigentlichen Gebiete der
Schlosserei aus. Er ist der Erfinder des Kombinationsschlosses.
Bereits 1520 verfertigte er ein Kammerschloſs für das alte Rathaus
zu Nürnberg, welches groſsen Beifall fand. Zwanzig Jahre später, im
Jahre 1540, erfand er das „Mahlschloſs“. Hieronymus Cardanus
hat dieses Schloſs beschrieben und man hat die Erfindung desſelben
manchmal fälschlicher Weise dem gelehrten Mathematiker und Philo-
sophen selbst zugeschrieben. Dies ist ebenso unrichtig wie die Angabe
des Cardanus, daſs sie dem Janellus Turrianus von Cremona
zuzuschreiben sei. Die Erfindung des Kombinationsschlosses ist eine
deutsche und gebührt allein dem Hans Ehemann. Sein „Mahl-
schloſs“, wie er es nannte, bestand in einem glatten Cylinder mit
einem Bügel, um welch ersteren sich eine Anzahl sorgfältig ge-
arbeiteter, genau aneinander passender Ringe drehten. Jeder dieser
Ringe hatte auf seinem Umkreis in genau abgemessenen Entfernungen
eine Anzahl gleicher Buchstaben oder Zahlen, z. B. sechs. Durch
Verstellen der Ringe kamen die Buchstaben oder Zahlen in ver-
schiedene Stellung zu einander und zwar ergaben sich bei 6 Ringen
und 6 Zeichen 66 = 46656 Kombinationen. Aber nur bei einer der-
selben, welche einem bestimmten Wort oder einer bestimmten Zahl
entsprach, faſste der eingekerbte Riegel in die Kerben oder Oeff-
nungen der Ringe, wodurch sich das Schloſs von selbst öffnete. Die
Kombinationen vermehren sich mit jedem Ringe und Buchstaben
mehr, auſserordentlich. Wenn dieses „Mahlschloſs“ für den prak-
tischen Gebrauch auch mancherlei Unvollkommenheiten aufweist, so
gab es doch den Anstoſs für die späteren Arbeiten von Regnier,
Mallet
und Brahmah. Hans Ehemann erfand auſser diesem
noch ein anderes Geheimschloſs, das von einigen älteren Schrift-
stellern „das Salomonische Schloſs“, von anderen das „Nürnberger
Zankeisen“ 1) oder auch „Nürnberger Tand“ genannt wurde. Auch
die Erfindung der Thüren, die sich nach beiden Seiten öffnen, schreibt
man ihm zu. Ferner war er auch berühmt als Zirkel- sowie als
Kunstschmied. „Er hat den Geudern am Heumarkt ein Gitter von
[473]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
Eisen über die Hausthür gemacht, als wäre es von Messing gegossen“
(Neudörfer). Am 1. April 1551 verstarb der für die Schlosserei so
hochverdiente Meister, der, wie Neudörfer berichtet, „so überfleissig
war, daſs er mit seinem Nachdenken und Suchen seiner Nahrung
vergaſs“.


Mit den Schlossern zünftig waren auch die Winden- oder
Wendenmacher“, und die Anfertigung von Hebwerkzeugen bildete
einen wichtigen Teil der Schlosserei. Als ein berühmter „Wenden-
macher“ wird 1455 Leonhard Stark in Augsburg genannt. Die
genialsten Erfinder und Verfertiger von Hebgeschirren waren aber
die Brüder Hans und Leonhard Danner zu Nürnberg 1). Der
erstere erfand für das Nürberger Zeughaus eine Maschine, die mit
Hülfe von Schrauben ohne Ende schwere Geschütze in die Höhe
winden und leicht auf ihre Lafetten bringen konnte. Er starb 1545 2).
Sein Bruder Leonhard, „Schreiner und Schraubenmacher“, erfand
mehrere neue Sorten von Winden, namentlich aber um 1550 eine
Maschine, die er „Brechschraube“ nannte, mit welcher er Thüren
sprengen und Mauern zerbrechen konnte, wenn er sie zwischen zwei
unverrückbaren Gegenständen anbringen konnte 3). Er brachte eine
Verbesserung an der Buchdruckerpresse an, wodurch der Drucker bei
geringerem Kraftaufwande grössere Spannung erzeugen konnte. Aber
auch als Kunstschmied leistete Leonhard Danner Vorzügliches.
Berühmt war eine schmiedeeiserne Thür von ihm am Rathause zu
Magdeburg, auf welcher eine Frau, am Bette eines Kranken stehend,
dargestellt war. Es bezog sich dies auf ein eigenes Erlebnis zu
Magdeburg in seinen Wanderjahren 4). Der erfindungsreiche Künstler
starb, 88 Jahre alt, im Jahre 1585.


Georg Schmiedhammer und Hans Metzger lebten um 1540
in München und waren berühmt durch ihre Schlosserarbeiten.
Metzger war auch der Verfertiger des prachtvollen, bewunderungs-
würdigen Eisengitters um das Grabmal des Kaisers Maximilian I. in
der Hofkirche zu Innsbruck.


In Wien arbeitete in der Mitte des 16. Jahrhunders Joseph
Daunhofer
, ein hervorragender Schlosser. Dieser verfertigte für eine
der dortigen Kirchen ein Thürschloſs, von dem besonders das Ein-
[474]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
gerichte gerühmt wird. Auſserdem befand sich oben über der
Schlüsselöffnung eine Teufelsfratze, welche beim Umdrehen des
Schlüssels die Zunge herausstreckte. Daunhofer stellte auch ver-
schiedene Arten sehr genauer Waagen dar, und berühmt waren seine
Gitterwerke besonders für Kirchhöfe. Aber auch bei diesen trat
überall seine Neigung zum Seltsamen zu Tage. Der begabte Künstler
verfiel denn auch in traurigen Wahnsinn und entleibte sich selbst
im Jahre 1558.


Liebte Daunhofer besonders Teufelsfratzen, so brachte sein
Kollege und Zeitgenosse Paulus Berg, ein Schlosser zu Dresden,
überall Apostel und Heilige an. Er war besonders durch seine
eisernen Kassetten berühmt, die er mit reichem Bilderschmuck, meist
biblischen Scenen, verzierte. Er erreichte ein hohes Alter und starb
1577 in einem Dorfe bei Dresden.


Johann Rueker lebte um 1550 in Wien; er soll es so weit in
seiner Kunst gebracht haben, dass er kleine Vorlegschlöſschen, wie
Erbsen groſs, zu arbeiten verstand, die man wie Perlen an eine Kette
anreihen und um den Hals legen konnte.


Zur Zeit der „jungfräulichen“ Königin Elisabeth lebte in England
ein Schlosser Namens Marcus Skaliot, welcher aus Eisen, Stahl
und Messing ein künstliches Schloſs von elf Teilen anfertigte, das
einschlieſslich des Schlüssels nur ein Quentchen wog.


Manche Namen tüchtiger Schlosser jener Zeit sind uns noch
überliefert, wie Hans Prüel (um 1557), „der Zeughausschlosser“ in
München, welcher sein Meisterstück dem Herzog Albrecht V. von
Bayern, seinem gnädigen Herrn, verehrte 1), dann Hans Anger (um
1570) und Hans Buschmann zu Augsburg, ohne daſs wir mehr von
ihnen wissen, als ihre Namen.


Auſser Schlüssel und Schlössern fertigte der Schlosser noch
mancherlei andere Arbeiten, deshalb dichtet Hans Sachs von ihm:


Ich mach die Schlothüt klein und groſs,

Rigel, Bender, Schlüssel vnd Schloſs,

Eysern Truhen, Brunnketten, Gitter,

Scheid auch die Schlöt, für vngwitter,

Küchentryfus, Eysern Bräter,

Den Kirchen Han, zeygt Wind vn wetter,

Auch Ofenfuſs, was man wil han,

Von Eysen ich wohl machen kan.

[475]Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.

Schopperus aber besingt den Schlosser in seiner schwülstigen
Weise zu Jost Ammons Abbildung also:


Omnia sollicitis custodibus ostia claudo,

Omnia perpetua limina firma sera.

Sacrilegosque meis claustras procul arceo fures

Qui domini dextram fallere saepe student.

Nulla vel immenso domus aedificatur in orbe,

Figure 179. Fig. 168.
Martis et adverso tempore tuta manet.

Ipsa meae dextrae nisi duros ante labores,

Sentiat, et firma fit bene clausa sera.

Seu fera bella fremant, seu Pax bona floreat orbis,

Qui sapit in terris hac eget arte mea.

Alle die der Verwahrung anvertrauten Thüren schlieſs ich,

Alle die ewig späten Schwellen befestige ich.

Von den geweihten Pforten halte ich ab die Diebe,

Welche so oft das Glück des Herrn zu täuschen bestrebt sind.

Es wird kein Haus in dem unermeſslichen Erdkreis erbaut,

Das von Krieg und schlechter Zeit sicher bewahrt bleibt.

[476]
Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
Der aber wird sein, wenn auch durch schwere Arbeit erlangtes Glück

durch mich empfinden,

Und fest wird ihm sein die spät verschlossene Pforte,

Ob wilder Krieg tobt, ob in heilsamem Frieden der Erdkreis blüht.

Wer auf Erden vernünftig ist, der bedient sich meiner Kunst.

Garzoni schreibt in seinem Piazza universale:


„Zu den Schmieden gehören auch die Schlosser, so allerhand
Schloſs, Schlüssel, Bände, Kolben, Handhaben, Ring, beneben anderem
Eisenwerk mehr, so man täglich in der Haushaltung braucht, machen
können. Am meisten Fleiſs und Kunst wird aber auf die Schlüssel
gewendet, daſs dieselben recht verschieden werden mit ihren Zähnen,
Kreutzen und Röhren: darnach befleiſsigen sie sich auch sehr, daſs
ihre Arbeit wohl gezieret sei, mit Ausfeilen, mit Polieren, mit Flämmen
und anderen Zierden, so in diesem Handwerk bräuchlich sind. Dieses
Handwerk gehet sonderlich in schwang zu Venedig, Brescia, Mayland,
Nürnberg, Augsburg, Braunschweig und anderen Orten mehr, da aller-
hand Schlüssel und Schlösser gemacht werden, zu Stadtthoren, eisern
Geldkisten, gemeinen, kleinen und groſsen Kisten, da groſse Kunst
angewendet wird. — Doch sind die Meister nicht allezeit allerdings
rein, sintemal die Nachtschnaken von ihnen lernen, wie man bey
Nacht die Häuser und Kauffmannsläden mit Diterichen auffmachet;
dienen auch manchem damit, daſs sie wissentlich abgedruckte Schlüssel
nachmachen, dardurch dann sie selbst und andere mit ihnen biſs-
weilen auff die Galeeren kommen, da sie den Fuhrlohn umsonst haben.“


Die Arbeit des Schlossers griff vielfach in die Thätigkeit anderer
Eisenarbeiter über, einerseits in die der Schmiede, insofern sie eben-
falls Beschläge, Gitter u. s. w. anfertigten, anderseits in die des
Mechanikers, als sie auſser den Schlössern Winden, Uhrwerke und
andere Triebwerke herstellten. Nach ihrer Trennung von den
Schmieden blieben sie deshalb in der Regel immer noch mit den
Windenmachern, Sporern, Büchsenmachern und Groſsuhrmachern
zünftig verbunden.


Schöne alte Schlösser und Schloſskasten findet man abgebildet
bei Violet le Duc, Hefner-Alteneck, Riewel und anderen 1).
Eine besonders reiche Sammlung alter Kunstschlösser besitzt das
bayrische Nationalmuseum in München.


[477]Wasserhämmer.

Wasserhämmer, Zain-, Nagel- und
Blechschmiede
.


Wenn wir in unserer vorausgegangenen Betrachtung über die
Schmiedekunst Gewerbe geschildert haben, deren Thätigkeit weit
über die einfache Eisenveredelung hinausgeht, so hatte dies eine
historische Berechtigung darin, daſs die Entwickelung dieser Gewerbe
in das graue Altertum zurückgeht und sich schon bis zu einem ge-
wissen Grade vollzogen hatte, ehe durch die Einführung des Hoch-
ofenprozesses die Eisenindustrie die tiefeingreifende Umwälzung erlitt,
welche die Eisenveredelung in dem Sinne, in dem wir sie jetzt näher
betrachten wollen, zur Folge hatte. In alter Zeit gab es nur Renn-
eisen und eine Arbeitsteilung bestand höchstens insofern, als der
Waldschmied, der das rohe Eisen aus den Erzen schmolz, ein anderer
war als der Dorf- und Stadtschmied, welcher dieses Produkt von ihm
kaufte, um es weiter zu verarbeiten. Aus der überschmiedeten Roh-
luppe muſste sich der Schmied jener Zeit erst das Eisen bereiten,
welches er für die Ware seines Gewerbes als Plattner, Messer-,
Sensenschmied, Schlosser u. s. w. brauchte. Mit der Einführung des
Hochofenbetriebes und der Wasserhämmer trat aber auch in dieser
Beziehung eine weitere Arbeitsteilung ein, die darin bestand, daſs
diese Vorbereitungsarbeit, die Umwandlung des aus den Erzen ge-
schmolzenen Eisens in die Eisensorte, die das betreffende Gewerbe
verlangte, zu einem selbständigen Betriebe sich entwickelte. Nennen
wir dies die Eisenveredelung, so kann zwar in weiterem Sinne sowohl
die Gieſserei, wie das Verfrischen, welche wir schon betrachtet haben,
als eine solche angesehen werden, in dem engeren Sinne verstehen
wir aber unter der gröberen Eisenveredelung nur die Umwandlung
des rohen Luppeneisens in Handelseisen, sei es in Form von Stab-
eisen, Gärbstahl, Blech oder Draht. Zunächst betrachten wir die
Stabeisen- und Gärbstahlbereitung, welche erst durch die Einführung
der Wasserhämmer zu einer selbständigen Industrie wurde.


In den Rennwerken geschah während dem frühen Mittelalter das
Ausschmieden mit Handhämmern. Auch die Stucköfen, obgleich ihre
Blasebälge durch Wasserräder getrieben wurden, waren nicht immer
mit Wasserhämmern ausgestattet, wie wir dies in Steiermark kennen
[478]Wasserhämmer.
gelernt haben, sondern die Halbmasseln wurden in getrennten Hammer-
werken weiter bearbeitet. Später wurde es zwar zur Regel, daſs mit
den Rennfeuern und Stücköfen, wie mit den Frischfeuern, Wasser-
hämmer direkt verbunden wurden. Diese Stabhämmer schmiedeten
aber das Luppeneisen nur bis zu einem gewissen Grade aus. Nach-
dem die Luppe (Masse, Stück, Wolf, Frischstück je nach der Ge-
winnungsmethode) dicht gemacht und in Schirbel oder Deule zerhauen
war, wurden diese zu groben, viereckigen Stäben — Grobeisen —
ausgereckt. Diese theilte man alsdann in entsprechende Längen und
so wurden sie unter den Bezeichnungen Schienen, Kolben, Zaine,
Zaggel, Knüppel, Bengel, Prügel u. s. w. weiter verarbeitet. Hätte
man das Eisen gleich auf der Zerenn- oder Hammerhütte zu den
feineren Dimensionen ausschmieden wollen, wie sie im Handel am
meisten begehrt wurden, so würde dies die Frischarbeit selbst auf-
gehalten haben und dadurch unökonomisch gewesen sein. Dazu
kommt noch, daſs man für das Dichten und Ausschmieden der Luppe
zu Grobeisen schwere Hämmer mit langsamem Gang nötig hatte,
während für die feineren Eisensorten leichtere Hämmer mit raschem
Gang vorteilhafter waren. Endlich aber hatten die Hochöfen und
Frischhütten schon ihre Not, die für ihren Betrieb erforderliche Kohlen-
menge zu beschaffen, für die weitere Verarbeitung wäre dies oft
unmöglich gewesen; diese weitere Verarbeitung war aber auch gar
nicht an die Erzgebiete gebunden, sondern geschah viel besser da,
wo die Kohle billiger war und wo das Zaineisen verlangt wurde. Aus
diesen Gründen ergab es sich von selbst, daſs sich eine mehrfache
Trennung in dem Hammergewerbe vollzog. Das erste Produkt (Halb-
massen, Luppen) wurde mit Stabhämmern in den Hammerwerken und
Frischhütten geschmiedet, die feinen Eisensorten wurden aus dem
so gewonnenen Grobeisen in besonderen Schmieden mit leichteren
Hämmern dargestellt, diese führten den Namen Zainhämmer,
Reckhämmer
und Raffinierhämmer. Der Name Reckhammer
war mehr in der Mark, im Bergischen und im Westfälischen gebräuch-
lich, während im übrigen Deutschland und Oesterreich der Ausdruck
Zainhammer üblicher war. Raffinierhämmer hieſsen die Reckhämmer
für die Stahlveredelung. Die Reck- und Zainhämmer als selbständige
Hammerwerke kamen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf.
Dieselben waren nicht an die Hüttenwerke gebunden, sondern zogen
sich mehr nach den Fabrikationsgebieten, für welche sie die verlangten
Eisensorten verschmiedeten, wie dies namentlich im Bergischen und
der Mark der Fall war.


[479]Wasserhämmer.

Über die Einrichtung der alten Wasserhämmer im 16. Jahr-
hundert sind wir ohne nähere Nachricht. Weder Agricola noch
Biringuccio beschreiben dieselben. Dagegen können wir uns aus
den Abbildungen zur Metallurgie des Agricola ein ziemlich deut-
liches Bild der Eisenhämmer jener Periode machen. Die drei in dem
Werke dargestellten sind Aufwerfhämmer — Fig. 169 zeigt einen

Figure 180. Fig. 169.


derselben. Bei diesem liegt, wie bei den übrigen, die Hammerwelle
parallel mit dem Hammerhelm und möglichst dicht an demselben,
damit die Daumen oder Frösche, welche den Helm zwischen dem
Drehpunkt desselben, der sogenannten Hülse und dem Hammer, in
die Höhe heben, nicht zu lang zu sein brauchen. In unserem Falle
scheint das Aufheben des Hammers nicht wie gewöhnlich durch in
die Hammerwelle eingelassene eiserne Daumen, sondern durch einen
aufgesetzten Trilling (Laterne) bewirkt worden zu sein. Ein Reitel,
d. h. ein elastischer Baum, wider den der Hammerkopf beim Aufwurf
[480]Wasserhämmer.
anschlägt, wodurch der Schlag verstärkt wird, der späterhin bei dieser
Art Hämmer stets in Anwendung war, ist nicht gezeichnet. Infolge-
dessen ist die Konstruktion des Hammergerüstes vereinfacht; es be-
steht in der Hauptsache aus vier Säulen, welche gut verspannt sind,
namentlich nach den Seiten hin, wie aus der Zeichnung zu ersehen.
Der Hammer selbst hat einen viereckigen Querschnitt, dessen längere
Achse rechtwinkelig zum Hammerhelm steht, ebenso sind das Auge
und die Bahn viereckig; der untere Teil des Hammers ist verjüngt.
Der Amboſs hat eine breite, flache, viereckige Bahn. Er ist in einen
starken Holzstock eingelassen, welcher zur Verstärkung mit eisernen
Ringen gebunden ist. Da der elastische Holzblock federt, so wird
dadurch der Reitel einigermaſsen überflüssig. Der Schmied ist auf dem
Bilde gerade beschäftigt, eine Schiene auszurecken. Zu seiner Linken
befindet sich, leicht erreichbar, der Hebel (Schütze) zum Abstellen und
Regulieren des Wasserrades.


Unter der Voraussetzung, daſs diese Zeichnung in den Gröſsen-
verhältnissen richtig ist, würden die Hauptdimensionen ungefähr
folgende sein:


  • Gerüsthöhe 2 m,
  • Helmlänge 1,050 m,
  • Hammerbahn 0,105 × 0,156 m,
  • Amboſsbahn 0,400 m Seitenlänge,
  • Amboſsstock 1,20 m Durchmesser,
  • Amboſsgewicht 30 kg.

Man sieht, es waren sehr kleine Hämmer, die bei diesen Renn-
feuern in Anwendung waren. Ihr Gewicht übertraf das der schwersten
Handschmiedehämmer (Possekel zu 20 kg) nur um die Hälfte. Man
schmiedete darauf nach Agricolas Angabe vierkantige Kolben, Pflug-
eisen, Radschienen, vornehmlich aber Stäbe, von denen vier, oder
sechs, oder acht den fünften Teil eines Zentners wogen (quintam
centum pondii partem) und welche zu allerhand Werkzeugen weiter
verarbeitet wurden. Dies waren also schon kleine Dimensionen. Nach
der Zeichnung würde die Schiene, die der Schmied unter dem Hammer
bearbeitet, 80 cm lang, 7,5 cm breit und 2,5 cm dick gewesen sein.
Der Hammer, welcher bei dem Stückofen dargestellt ist (Fig. 170),
hat eine ganz andere Gestalt. Es ist ein eigentlicher Plätschhammer
mit ganz breiter Bahn, der nur dazu dient, das Stück platt zu
schlagen und mit dem Setzeisen B, das neben dem Hammergerüst
angelehnt und einer steirischen Schrotthacke ganz ähnlich ist, in
Stücke zu zerteilen (magno illo malleo ferreo subjectum dilatetur,
[481]Wasserhämmer.
atque ferro acuto in partes secetur). Agricola nennt ihn den
groſsen Hammer und doch würde er, nach den Maſsen der Zeichnung
berechnet, höchstens an 70 kg kommen. Über ihm befindet sich ein
Reitel R, an dem die Hammerhaube bei jedem Aufwurf anschlagen
muſs, deutlich eingezeichnet. Sonst läſst sich über die Konstruktion
nichts sagen, da nur Hammer und Amboſs zu sehen sind.


Der dritte Hammer des Agricola befindet sich in der Stahl-
schmiede (Fig. 171, a. f. S.). Er ist ähnlich dem bei dem Rennherd,

Figure 181. Fig. 170.


aber beträchtlich gröſser. Es ist ebenfalls
ein Aufwerfhammer und hier sind die in
der Hammerwelle eingelassenen eisernen
Hebedaumen deutlich zu sehen. Auch hier
steht die Hammerbahn rechtwinkelig zur
Helmachse, um das Eisen zu recken oder
zu zainen. Die Bahn ist gerundet, während
die Bahn der Ambosse eine breite, horizon-
tale Fläche bildet. Der Hammer dürfte an
60 kg gewogen haben. Ob der Balken R,
der dicht über dem Hammerhelm gezeichnet
ist, einen Reitel vorstellt, ist nicht ganz
klar, aber wahrscheinlich. Die Hammerwelle
hatte 55 cm Durchmesser, der Helm war
etwa 2 m lang, der Hammerhub betrug
50 cm. Die Stahlschienen werden gerade
so abgeschmiedet wie die Eisenschienen.
Während des Schmiedens wurde Wasser
auf den Amboſs gespritzt, wodurch der
Glühspan abspringt und die Oberfläche des
Stahles blank wird. Nach dem Ausschmieden wurde der noch glühende
Stab in flieſsendem Wasser gehärtet.


Die Aufwerfhämmer, die in der Folge stets mit Reitel versehen
wurden, machte man um so schwerer, je gröſser das auszuschmiedende
Stück (Luppe) war.


In den Zerenn- und Frischhütten erhielten sich die Aufwerf-
hämmer in Deutschland, während in den Reck- und Zainschmieden
Schwanzhämmer in Anwendung kamen. In Österreich, speziell in
Innerberg, wandte man auch in den Hammerhütten die letztere Art
von Hämmern an, und es ist nicht wahrscheinlich, daſs dies je anders
gewesen ist. Ebenso waren bei den Katalanschmieden in Südfrank-
reich und Spanien nur Schwanzhämmer im Gebrauch (siehe Fig. 172).
Beck, Geschichte des Eisens. 31
[482]Wasserhämmer.
Es scheint, daſs diese Art Hämmer überhaupt in Südeuropa allgemein
in Anwendung waren, und dürfte der Schwanzhammer die älteste Form
der Wasserhämmer sein.


Figure 182. Fig. 171.

Ein Schwanzhammer ist bei Agricola nicht abgebildet, daſs die-
selben aber auch in Deutschland bereits im 16. Jahrhundert in An-

Figure 183. Fig. 172.


wendung kamen, ist auſser
Zweifel. In den Zain-
schmieden hat man sie
stets angewendet.


Die Schwanzhämmer ge-
ben im Vergleich mit dem
Aufwerfhammer viel mehr,
aber leichtere Schläge, und
das ist es gerade, was man
beim Ausrecken des Schmiedeeisens in dünne Stäbe nötig hat.


Nicht nur im Siegerland, sondern auch im Sauerland und in der
Mark wurden bereits im 15. Jahrhundert viele Eisenhämmer an die
Flüsse und Bäche verlegt, um die Wasserkraft zu benutzen, und zwar
[483]Wasserhämmer.
in solcher Zahl, daſs sich bereits im Jahre 1525 Herzog Johann von
Cleve veranlaſst sah, eine Verordnung zu erlassen, daſs keine neue
Schlachten in den sauerländischen Flüssen angelegt werden dürften,
die seit Menschengedenken errichteten niedergerissen, die übrigen
den natürlichen Ufern gleichgestellt würden.


Figure 184. Fig. 173.

Diese Hammerwerke bereiteten hauptsächlich den für die Draht-
fabrikation der Mark so sehr begehrten Osemund (Osmund) und diese
Osemundhämmer waren von Anfang an und zu allen Zeiten Schwanz-
hämmer. Wegen des Holzmangels und der Entwaldung verbot Herzog
Wilhelm von Cleve am 2. November 1559 ausdrücklich die Anlage
weiterer Osemundschmieden in dem altenaischen Kreise.


31*
[484]Wasserhämmer.

Die Hämmer, welche sowohl Bessonus wie Ramelli in ihren
Werken über Maschinen, welche beide in den achtziger Jahren des
16. Jahrhunderts erschienen sind, beschrieben und abgebildet haben,
sind Schwanzhämmer. Fig. 173 (a. v. S.) zeigt den Hammer des Ramelli,
dessen Triebwelle durch Krummzapfen und Hebel gleichzeitig die Bälge
eines Schmiedefeuers bewegt. Ist diese interessante Kombination auch
nur als ein Problem anzusehen, so beweist sie doch die Bekanntschaft
mit dem Schwanzhammer und ist eine Bestätigung dafür, daſs diese
Art Hämmer im 16. Jahrhundert in Italien gebräuchlich waren.


Bei dem Schwanzhammer ist der Helm über den Drehpunkt
hinaus verlängert. Diese Verlängerung heiſst der Schwanz und indem

Figure 185. Fig. 174.


dieser von dem in der Hammerwelle befestigten Daumen nieder-
gedrückt wird, hebt sich der Hammer und fällt, sobald die Daumen
auslassen, auf den Amboſs. Infolge dieser Anordnung muſs die
Hammerwelle rechtwinkelig zu dem Hammerhelm stehen, während
das Wasserrad mit demselben parallel läuft, wogegen bei den Aufwerf-
hämmern die Hammerwelle parallel mit dem Helm liegen muſs. Der
Schlag des Hammers wurde dadurch verstärkt, daſs an dem Ende
des Schwanzes ein in eine Spitze auslaufender Ring — „der Prell-
hammer“ — festgekeilt war, welcher gegen ein elastisches Holz, den
Prellhammerstock, aufschlug und von diesem einen Widerschlag er-
hielt. Das Hammergerüst war ähnlich wie bei dem Aufwerfhammer.
Fig. 174 stellt den einfachen, deutschen Zainhammer mit seinem
Gerüste dar; a ist die Hammerwelle, b b die eisernen Ringe,
zwischen denen die Kammen mit ihren Armeisen eingeschlagen
sind, c c ist das Wasserrad, welches meist unterschlächtig war, d e
ist der „Dram“, ein starker, schwerer Balken von Eichenholz,
[485]Wasserhämmer.
dessen eines Ende durch die Hintersäule f geht, während das andere,
vordere Ende von zwei schiefstehenden, meistens etwas krummen
Streben oder Säulen g g umfaſst wird, welche etwas vom Ende in den
Dram eingelassen sind und mit der Hintersäule das eigentliche
Hammergerüst ausmachen. Die Hintersäule f, die man so stark nimmt,
wie sie zu haben ist, wird tief in die Sohle eingegraben und mit zwei
Sohlhölzern umschlossen. Die krummen Streben g g, welche den
Dram tragen, werden mit starken Birkenriegeln oder Schlüsseln über
und unter demselben daran befestigt; h h sind die Büchsensäulen, in
welchen die Hammerhülse in ihrem Drehpunkt in eisernen Büchsen
oder Lagern aufgehängt ist; sie sind unten in das Sohlwerk und oben
in dem Dram mit Riegeln befestigt. l l ist der Zainhammer mit Amboſs
und Amboſsstock, m ist der Prellhammerstock mit seiner Platte.


Ganz ähnlich in ihrer Bauart waren die Osemundhämmer der
Grafschaft Mark, deren Hauptabweichung darin bestand, daſs die
Egge (d. h. die Bahn) des Hammers und des Ambosses im rechten
Winkel gegen den Hammerhelm gestellt war.


Die dünnen, langen Zaine für die Drahtwerke wurden in der
Richtung des Helms quer zur Finne des Hammers gereckt, ohne nach
der Länge geschlichtet zu werden. Das Ausrecken in der Helmlinie
war dadurch ermöglicht, daſs man den Prellhammer weglieſs, dagegen
den Hammerkopf an den verlängerten Dram oder einen Reitel, wie
bei den Aufwerfhämmern, anschlagen lieſs.


Fig. 175 (a. f. S.) giebt die Zeichnung eines Osemundhammers, wie
sich solche in ihrer einfachen Konstruktion bis in dieses Jahrhundert
erhalten hatten 1).


Auf einer 5 Fuſs tief in der Erde gelagerten, 2 Fuſs im Quadrat
starken, eichenen Schwelle a ist die ebenfalls 2 Fuſs im Quadrat
starke, eichene Dramsäule b mit einem Doppelzapfen eingezapft. In
diese ist der starke, eichene Drambalken d eingezapft, der mit seinem
vorderen oder Stirnende auf den Brüstungen der Ausschnitte in den
beiden vorderen Dramsäulen e e ruht, welche mit ihm verriegelt sind.
Die vorderen Dramsäulen wie die Büchsensäulen k k sind in der starken
Sohlschwelle f eingelassen, welche auf vier Grundschwellen i i liegt. Die
ebenfalls geneigten Büchsensäulen sind oben in dem Dram befestigt,
durch Riegel l l untereinander verbunden und zur Verstärkung mit sechs
eisernen Bändern gebunden. Unterhalb des unteren Riegels l liegen
[486]Wasserhämmer.
die guſseisernen Büchsen (Hülsenlager) in dazu eingestemmten Schlitzen
in den beiden Büchsensäulen. Die Art der Befestigung ist aus Fig. 176

Figure 186. Fig. 175.


ersichtlich. Der Osemundhammer schlug nicht, wie sonst bei den
Schwanzhämmern gebräuchlich, mit seinem Schwanzende gegen eine
Prellschwelle an, sondern gegen einen Reitel h. — Zur Bewegung

Figure 187. Fig. 176.


des Hammers war kein Daumkranz auf
der Wasserradwelle angebracht, sondern
die sechs eisernen Daumen wurden un-
mittelbar in die starke eichene Welle
eingeschlagen. Diese Art der Befesti-
gung, die überhaupt nicht sehr haltbar
war, setzte sehr starke Wellen voraus.
Auf beiden Seiten der Daumen waren
dicht neben denselben starke Zugringe
auf der Wasserradwelle befestigt, um das Aufspalten derselben zu ver-
hüten. Der Amboſsstock n war in der Erde auf eine Faschinenpack-
lage, bestehend aus zwei kreuzweise übereinander liegenden Schichten,
aufgesetzt und wurde oben durch zwei 1½ Fuſs tief unter der Hütten-
[487]Wasserhämmer.
sohle eingelegte, denselben zum Theil umfassende Schwellen, in lot-
rechter Lage festgehalten.


Die Chavotte (Schabatte) oder Amboſsschale, d. i. die eiserne
Platte, welche die Unterlage des Amboſs bildet, um das Hineintreiben
in den Stock zu verhindern, wurde in den Amboſs ganz eingelassen.
Der Amboſs hatte eine überaus stark gewölbte, fast halbkreisförmige
Bahn. Mit ebensolcher Bahn war auch der Hammer, dessen Helm
aus unbeschlagenem Holz (Ganzholz) hergerichtet war, versehen.


Zum Osemundfrischen verwendete man fast ausschlieſslich das
vorzügliche Roheisen aus der Herrschaft Sayn-Altenkirchen. Das
Verfahren war, wie wir gesehen haben, das einer Anlaufschmiede.
Der Unterschied im Ausschmieden gegen andere Frischhütten bestand
darin, daſs man das vorzüglich zähe Eisen, welches zu Draht ver-
arbeitet werden sollte, unter den vorbeschriebenen Hämmern zu ziem-
lich dünnen Stäben ausschmiedete. Dabei wurde das Eisen nur gezaint
oder gereckt, indem es quer zur Hammerbahn ausgeschmiedet, nicht
aber geschlichtet wurde, weil man annahm, daſs durch das Abschlichten
die Zähigkeit des Eisens beeinträchtigt wurde. Die Osemundstangen,
die groben Zaineisen gleichen und eine gewellte Oberfläche hatten,
indem die Eindrücke der quer zur Längsrichtung geführten Hammer-
schläge sichtbar blieben, waren meist 10 bis 12 Fuſs lang. Vorschrift
war es, daſs auf ein Becken (42½ Pfund) 27, höchstens 28 Fuſs Länge
in Stäben gehen muſsten.


Die Kolben oder Luppen, welche im Osemundfeuer entstanden,
waren nur 25, höchstens 35 Pfund schwer und wurden in möglichster
Geschwindigkeit zu dünnen Stäben ausgereckt, dabei wurde das Eisen
unter den schnellgehenden Schwanzhämmern zugleich gegärbt; die
Sehne entwickelte sich besser und feiner als unter den groben, lang-
samen Schlägen der schweren Hämmer.


Bei der Osemundschmiede war das Zainen unmittelbar mit dem
Frischprozeſs verbunden. Bei den eigentlichen Zain- und Reckhämmern
wurde dagegen das Produkt der Hütten in besonderen Hammerwerken
verarbeitet. In den eigentlichen Zainhämmern wurde Stabeisen zu
Zaineisen von ½ bis höchstens ⅝ Zoll vierkantigen und 12 bis
14 Fuſs langen Stäben, welche in Bunden verkauft wurden, ausgereckt.
In den Bandhämmern wurde das Grobeisen zu glattem Bandeisen von
1 bis 2 Zoll Breite und kaum ¼ Zoll Dicke ausgeschmiedet. Ferner
machte man sechs- oder achtkantiges Bolzeneisen. Die Gestalt dieser
Hämmer glich den Stabhämmern, nur hatten Hammer und Amboſs
glatte Bahnen bei verschiedener Stellung zu einander, wie aus der
[488]Wasserhämmer.
Fig. 177 ersichtlich ist. Die Hämmer hatten ein Gewicht von 60,
70 bis 80 kg. Insofern sie auch zum Ausrecken des Materials für
verschiedene Kleinschmiedearbeiten gebraucht wurden, führten sie
den Namen Reckhämmer. Dazu gehörten z. B. die Hämmer zum
Ausrecken der Drahtzaine, die Platinenhämmer für die Gewehrfabrik,
die wir schon erwähnt haben, wie auch die Rohrhämmer selbst,
ferner gehörten die Gesenkhämmer für façonirtes Eisen, sowie die
Tiefhämmer zum Austiefen eiserner Geschirre dazu. An diese
schlieſsen sich dann wieder die noch verwandten Blankschmiede-

Figure 188. Fig. 177.


hämmer, sowie Waffen-,
Sensen- und Schaufel-
hämmer und anderseits die
Nagelhämmer an. Alle
diese genannten waren
Schwanzhämmer. Für diese
galten folgende allgemeine
Regeln: Sie sollten leicht,
höchstenfalls 84 kg schwer
sein, denn je leichter der
Hammer, je lebhafter
konnte der Gang sein und
viele leichte Schläge waren
vorteilhafter als wenige
schwere. — Umgekehrt
muſste deshalb aber die
Hammerwelle möglichst
schwer und kurz sein, der
Hammergang also möglichst nahe an das Rad gestellt werden. — Das
Hammergerüst muſste aus schwerem Holze gemacht und 3½ bis 4 Fuſs
tief durch ein Sohlwerk unter der Sohle befestigt sein; letzteres war im
Notfall noch mit einer Verkistung von Stein zu beschweren. — Der
Prellhammer war so leicht wie möglich, soweit dies unbeschadet der
Haltbarkeit geschehen konnte, zu machen. — Der Hammerhelm muſste
aus sehr starkem Holze, so leicht und schmal als er es vertragen
konnte, gemacht werden. — Je länger der Helm zwischen der Hülse
und dem Hammer und je kürzer der Schwanz war, desto gröſser war
der Wurf und desto stärker der Schlag, jedoch mit so viel mehr Er-
schütterung im Hammerwerk. — Je schwerer der Hammer nötig war,
je länger muſste der Schwanz sein, desto weiter muſsten die Well-
daumen auseinander stehen und soviel tiefer muſste auch das äuſsere
[489]Wasserhämmer.
Ende des Schwanzes oder der Nacken des Prellhammers unter dem
Mittelpunkt der Radwelle stehen.


Die Zainhämmer machten 200 Schläge und mehr in einer Minute.
Im 16. Jahrhundert fanden die Zainhämmer, soviel wir wissen, nur
Verwendung als Stabschmiede. Äxte, Sensen, Spaten und Beschläge,
welche in der Folge ebenfalls von dem Zainhammer geschmiedet
wurden, fertigte man damals noch alle mit dem Handhammer. Der
erste Wasserhammer zum Sensenschmieden wurde in Kronenberg in
Betrieb genommen. Dagegen erlangten diese Art von Hämmern bereits
einen groſsen Einfluſs auf die Entwickelung der Waffen- und Werkzeug-
fabrikation, durch die Raffinier- oder Reckhämmer, in welchen Nagel-
oder Schmiedeeisen und Stahl durch Zusammenschweiſsen, Gärben
und Ausschmieden zur Verarbeitung für Klingen und Sensen vor-
bereitet wurden. Diese Art Hämmer, welche im Bergischen speziell
als Reckhämmer bezeichnet werden, wurden zuerst und zwar schon im
16. Jahrhundert bei Lüttringhausen und Burg angelegt. Erst im
17. Jahrhundert finden sie auch im Solinger Bezirk Eingang. Die
Klingenschmiede, welche die Mittel dazu hatten, kauften den Reckstahl
von diesen Hämmern und schmiedeten ihn einfach zu Schwert- und
Waffenklingen aus. Sie konnten infolge dessen viel mehr Ware fertig
schmieden, wie vordem, als sie sich noch ihren Stahl selbst vorbereiten
mussten. Die Handschmiede, die noch nach der alten Art arbeiteten,
kamen durch diese Konkurrenz in Nachteil und blickten natürlich
scheel auf die Reckhämmer.


Die Reckhämmer erfüllten eine doppelte Aufgabe; einerseits
brachten sie das Eisen in die zweckmäſsigste Form, anderseits ver-
besserten sie dasſelbe. Das Umschmieden des Luppeneisens, ob von
Rennherden, Stücköfen oder Frischfeuern, muſste schon an und für
sich eine Reinigung bewirken. Je unvollkommener die Darstellungs-
prozesse des Eisens waren, je ungleichmäſsiger war das gewonnene
Produkt. Die Luppe des Rennherdes bildete ein schwammartiges
Gemenge von hartem und weichem Eisen, untermengt mit Garschlacke
und unvollkommen reduziertem Erz. Nur da, wo der Wind direkt
das geschmolzene Eisen getroffen, hatte sich entkohltes, weiches Eisen
gebildet, welches das rohere Produkt umhüllte. Bei den Stücköfen
war dies noch nicht viel besser und wenn auch die Frischluppen im
ganzen reiner waren, so bestanden sie doch keineswegs aus einem
gleichmäſsig gekohlten Produkt. Durch das Zängen und erste Über-
schmieden der Luppe wurde diese Ungleichheit der Masse zwar ge-
bessert, aber nicht aufgehoben. Erneutes Ausschweiſsen und Um-
[490]Wasserhämmer.
schmieden änderte diesen Zustand wesentlich, denn es wurden dadurch
nicht nur die Unreinigkeiten ausgeschmolzen und ausgepreſst und das
geringe Metall zu einem dichteren Gefüge vereinigt, sondern es trat in
der Schweiſshitze auch eine chemische Aktion ein, in der Art, daſs die
härteren Partieen durch die weicheren entkohlt wurden, umgekehrt
die Stahlpartieen auf das weiche Eisen cementierend wirkten. So
wurde auf chemischem, wie auf mechanischem Wege eine gröſsere
Homogenität des Metalles bewirkt und diese Homogenität des Eisens
war die wichtigste Bedingung seiner Güte. Um diese Gleichmäſsig-
keit aber noch weiter zu steigern, hieb man die ausgereckten Stäbe
in Stücke, sortierte sie nach ihrer Beschaffenheit, verband eine Anzahl
von gleicher Qualität zu einem Packet oder einer Garbe (Fig. 178)
zusammen, brachte diese von neuem in ein Schweiſsfeuer, schweiſste
sie unter dem Hammer und reckte sie zu einem Stab aus, der jetzt
an Güte und Gleichmäſsigkeit das frühere Produkt bedeutend über-
traf. Dieses Verfahren nannte man das Gärben (Gerben oder

Figure 189. Fig. 178.


Raffinieren). Man wendete es für Schmiedeeisen an, weit mehr aber
noch für den Stahl; denn die rohen Stahlluppen waren noch weit ungleich-
mäſsiger in ihrer Zusammensetzung als die Eisenluppen, da kleine
Schwankungen des Kohlenstoffgehaltes schon groſse Unterschiede in
der Härte, Schweiſs- und Dehnbarkeit bedingten. Ein sorgfältiges
Sortieren und Gärben entsprechend den Zwecken seiner Verwendung
war deshalb beim Stahl noch viel notwendiger als beim Eisen. Man
konnte auf diese Weise die verschiedensten Stahlsorten herstellen.
Man schweiſste aber auch zu manchen Zwecken Eisen- und Stahl-
schienen zusammen. Dies geschah ebenfalls unter den Reckhämmern.


Von dieser Art war namentlich der Messerstahl, bei dem ein
Korn von weichem Eisen von mehr oder weniger hartem Stahl um-
geben war.


Bei dem eigentlichen Stahlgärben verfuhr man folgender-
maſsen 1): Der grobe Rohstahl, welcher rotwarm in kaltem Wasser
gelöscht und in kurze Stücke geschlagen worden war, wurde im
Gärbeherd vor der Form kreuzweise in kleine Haufen aufgestapelt,
[491]Wasserhämmer.
mit Kohlen überschüttet und durch das Gebläse weiſswarm gemacht,
einzeln herausgenommen und unter dem Zainhammer (Gärbe- oder
Stahlraffinierhammer) zu dünnen Schienen geschmiedet, welche sogleich
in kaltem Wasser gehärtet wurden. Diese Schienen wurden wieder
in kleine Schienen von etwa 1 Fuſs Länge zerbrochen, 12- bis 15 fach
übereinander gelegt, an einem Ende mit einer groſsen Zange zusammen-
gefaſst, zur weiſswarmen Wellhitze gebracht, unter dem Hammer
zusammengeschweiſst und aufs neue zu feinen Stangen ausgeschmiedet.
Dieses wiederholte man mehrmals und der dadurch verbesserte Roh-
stahl wurde Gärbstahl, Raffinierstahl (acier corroyé, — shear-steel,
refined-steel, — schwed. Garfstål) genannt.


Das wichtigste für den Gärbstahlschmied war die sichere Erkenntnis
der Beschaffenheit des Stahls nach dem Bruch und das entsprechende
Packetieren. Zu Instrumentenstahl z. B. suchte er die härtesten
Schienen (Ribben) aus, welche im Bruch das kleinste Korn hatten, zu
Klingen die mittelharten, ebenen, ohne zackige Kanten, zu Messerstahl
weichere, zu Tischgabeln, groben Federn etc. noch weichere mit Eisen-
stangen zusammen u. s. w. Die äuſseren Ribben im Bündel wurden
meistens etwas dicker gelassen, auch konnten sie Eisenstränge vertragen,
die der Schmied nach auſsen gegen die Kohlen kehrte, wodurch sie
verbrannten und verschwanden. Während des Schweiſsens muſste man
aber das Verbrennen des Stahls durch aufgestreuten, trockenen und
feingesiebten Thon, mit Hammerschlag oder Glühspan vermischt, mög-
lichst zu verhindern suchen, indem sonst der Stahl eine dünne Eisen-
haut bekam.


Bei geringerem Rohstahl muſste man das Gärben öfter wieder-
holen. Man vereinfachte dies dadurch, daſs man erst ein Bündel
(Packet) von 10 Blättern schweiſste und in eine etwa armdicke Stange
ausreckte, diese hieb man alsdann in der Mitte durch, legte die beiden
Hälften aufeinander (doublierte sie), schweiſste und schmiedete sie in
eine ebensolche Rute aus. In dieser hatte man jetzt aber schon
20 Blätter zusammengeschweiſst, wiederholte man dies noch ein-,
zwei- u. s. w. mal, so erhielt man Ruten von 40, 80 u. s. w. Blättern.
War der Rohstahl von Haus aus sehr gut, so bedurfte er nicht so
vieler Blätter. Der beste steirische, der Scharsachstahl, war z. B. nur
aus acht bis zehn Rohstahlblättern zusammengeschweiſst. Bei vier
bis sechs Blättern blieb der Stahl härter, rohstahlartiger.


Münzstahl pflegte man aus Garben von acht bis zehn Blättern
zu schweiſsen und die geschweiſsten Stücke drei-, vier- und mehrmal
zusammenzubiegen, wodurch 64 bis 80 oder 128 bis 160 Blätter in
[492]Wasserhämmer.
die Stange kamen. Für feine Münzstempel muſste das Raffinieren
noch weiter getrieben werden.


Auch der Feder- und Klingenstahl wurde so hergestellt, daſs die
Stangen 160 Blätter enthielten.


Für jeden Zweck verfertigte man einen andern Gärbstahl.


Der aus gefrischtem Rohstahl bereitete Gärbstahl hat gewisse
Eigenschaften, die ihn heute noch für manche Verwendungen unent-
behrlich machen, hierzu gehört besonders, daſs er sich gut bearbeiten,
schweiſsen und schmieden läſst, daſs man ihn öfter umlegen, schweiſsen
und gärben kann, ohne daſs er von seiner Härte verliert. Beim
Härten erträgt er einen hohen Grad von Hitze und bleibt doch
dabei stark, weshalb er sich vorzüglich zu Federn und Klingen eignet.


Die Qualität des Gärbstahls hängt hauptsächlich von folgenden
Umständen ab:


1. Von der Sortierung des dazu angewandten Stahls.


2. Von dem Zusammenlegen der Bündel, wobei zu beachten ist,
daſs die Schienen so genau wie möglich zusammengepaſst werden,
um Zwischenräume zu vermeiden, welche sich sonst beim Schweiſsen
mit Schlacken füllen, die zwar meistens durch den Hammer aus-
gepreſst werden, deren kleinste Teile aber, wenn sie in der Masse
zurückbleiben, Undichtigkeiten verursachen.


3. Von dem Schweiſsen oder Wellen. Dieses erfordert erfahrene
und geübte Schmiede, damit nicht zu wenig Schweiſssand aufgestreut
werde, wodurch der Stahl auf der Oberfläche verbrennen würde oder
auch das Bündel nicht zu lange eingehalten werde, wodurch es sonst
zum Schmelzen kommen könnte.


4. Von den Hämmern. Auſserdem, daſs schwere Hämmer über-
haupt sowohl Stahl als Eisen sprengen, ist es hier um so wichtiger,
daſs der Hammer leicht sei und seine Schläge im Anfang gemäſsigt
werden können, weil das Stahlbündel beim Schweiſsen und wenn es
zuerst unter den Hammer kommt, oft wild und stets so erweicht ist,
daſs es nach den flachen Seiten ziemlich lange gereckt werden muſs,
damit es sich beim Wenden auf die Kanten nicht öffne.


5. Vom Umbiegen oder Umschlagen und wiederholten Schweiſsen.
Es ist klar, daſs jeder Stahl desto gleichartiger werden muſs, je öfter
er umgebogen und geschweiſst werden kann, bis seine Stahlnatur zu
verschwinden anfängt und sich Eisensehne entwickelt.


Es muſs deshalb zu dem auf diese Art zu bereitenden feinsten
Gärbstahl der härteste und beste Rohstahl, welcher zu erhalten ist,
genommen werden.


[493]Nagelschmiede.

Der Gärbeprozeſs war von gröſster Wichtigkeit, weil nur durch
ihn ein reines und gleichartiges (homogenes) Produkt, sei es Eisen
oder Stahl, erhalten wurde.


Die Nagelschmiede.


An die Zainschmiede schlieſsen sich die Nagelschmiede an, ein
Handwerk, welches jetzt schon fast gänzlich im Fabrikbetrieb auf-
gegangen ist, früher aber ein wichtiges, angesehenes und zahlreiches
Gewerbe war. Der Verbrauch an Nägeln war schon im Mittelalter ein
groſser und nahm mit der Entwickelung der Technik zu. Im 16. Jahr-
hundert wurden die Nägel noch fast ausschlieſslich von Handnagel-
schmieden gemacht, während später zum Ausschmieden der groſsen
Nägel in einzelnen Ländern, wie besonders in Schweden, leichte
Schwanzhämmer in Anwendung kamen. Dagegen wurde das Eisen,
aus welchem die Nägel geschmiedet wurden, das Nagel- oder Kraus-
eisen, schon damals mit Zainhämmern ausgereckt. Dasselbe muſste von
zäher Beschaffenheit sein, daſs es sich hin- und herbiegen lieſs, ohne
zu zerbrechen.


Der Nagelschmied bedurfte auſser des Handhammers nur einiger
einfacher Werkzeuge 1) (Fig. 179, a. f. S.). Das „Nageleisen“ ist ein
länglich viereckiges Eisen, welches ein Knöpfchen mit einem Loch hat,
das von oben herab durchgeht (b). Der Nagelschmied steckt das Nagel-
eisen unter einem rechten Winkel in einen eisernen Pfeiler (a), „den
Stützer“, der in dem Amboſsstock befestigt ist. Nahe am Amboſs
steht noch eine kleine Rute von Eisen, daran man den fertigen Nagel
aus dem Loche wieder heraufstöſst. Ferner befindet sich in dem
Amboſs ein starker Meiſsel, „der Blockmeiſsel“ d, eingeschlagen, über
dessen Schärfe der geschmiedete Nagel von dem übrigen noch
glühenden Eisen umgebogen und abgehauen wird. Einer Federzange,
„die Kluft“ (f), bedient sich der Nagelschmied, um die heiſsen Nägel
zu fassen und in das Loch des Nageleisens zum Aufschlagen des Kopfes
einzustecken.


Der Nagelhammer i wiegt etwa 5/4 Pfund (0,63 kg). Seine Bahnen
sind viereckig und eine gröſser als die andere. Der Blasebalg wurde
[494]Nagelschmiede.
meist getreten oder — wie noch jetzt bei den Nagelschmieden in
Reiffenberg und Schmitten in Nassau 1) — mit einem Tretrad, in dem
ein Hund läuft, bewegt. Ist das Eisen zu dick für die zu fertigenden
Nägel, so wird es erst mit Hämmern von etwa 9 kg Gewicht flach aus-
geschmiedet und mit einem starken stählernen Schrotmeiſsel, den man
aufsetzt, gespalten. Die so erhaltenen Ruten werden von einer Seite
glühend gemacht, herausgenommen und von zwei Personen zur Kante,
die der Nagel haben soll, geschmiedet, indem man unter fortwähren-
dem Umwenden die vier Seiten des Stiels herausbringt, den Nagel

Figure 190. Fig. 179.


Nagelschmiedwerkzeug: a das Nageleisen, worin b der Nagel mit einer erhabenen
Krone steckt. In dieser Krone wird der Kopf auf den Nagel mit dem Hammer
umgeschlagen und gestampft. Darunter, neben dem Amboſs, heiſst der eiserne
Stift Lüfter, an dem man den Nagel von unten wieder aus seiner Krone herauf-
stöſst und, weil er noch heiſs ist, auf die Erde fallen läſst. c der Schmiedeamboſs.
d der Blockmeiſsel, darauf ein Nagel vom übrigen Eisen abgebrochen wird. e der
Schmiedehammer zum Nagelschmieden. f die Nagelkluft. g der Schrotmeiſsel,
h eben desgleichen, eine Stange Eisen zu Nägeln der Länge nach zu zerspalten.
i der gemeine Nagelhammer von 5/4 Pfund, den Nagel zu schmieden.


dichtet und zuspitzt. Alsdann bricht der Nagler dieses heiſse ge-
schmiedete Stück da, wo der Kopf des Nagels hinkommen soll, durch
ein gelindes Hin- und Herbiegen über der Schärfe des Blockmeiſsels
ab. Er ergreift es dann mit der kleinen Nagelkluft, steckt es durch
das Loch des Nageleisens, welches nicht gröſser ist, als daſs der Stiel
des Nagels bis dahin, wo der Kopf werden soll, hinabsinkt. Durch
Schlagen des dicken Nagelendes wird der flache Kopf gebildet. So-
gleich schlägt man diesen fertigen Nagel durch einen Schlag neben
dem Lüfter aus seinem Loche von unten in die Höhe heraus, er fällt
[495]Nagelschmiede.
auf die Erde. Man holt ein neues heiſses Eisen, schmiedet es zur
Kante und Spitze, bricht es ab, schlägt wieder in dem Nageleisen
den Kopf auf u. s. f.


Die Nägel sind von sehr verschiedener Gröſse. Die groſsen
Schleusennägel sind bis 18 Zoll lang, die Schiffsnägel 8 bis 10 Zoll,
während die kleinen Zwecken (broquettes), welche Tapezierer, Sattler
und Stellmacher zum Beschlagen feiner Arbeiten gebrauchen, so klein
sind, daſs 1000 Stück nur ¼ Pfund wiegen. Die Nägel werden aber
nicht nur nach Gröſse und Gewicht, sondern auch nach der Form der
Köpfe und nach der Verwendung eingeteilt. Es giebt kantige und
runde Nägel, Nägel mit kleineren und gröſseren, ganzen und halben,
mit glatten, mit pyramidalen, mit konischen, halbkugeligen, soge-
nannten Champignonköpfen, mit dreieckigen, viereckigen (Hufnägel);
ferner Schiffsnägel, Botnägel, Thornägel, Brettnägel, Lattennägel,
Schindelnägel, Schiefernägel, Schloſs-, Reif- und Bandnägel, Hufnägel,
Blasbalgnägel, Schlossernägel, Maurernägel, Schuhnägel (Pinnen),
Tapezierernägel u. s. w.


Die Einteilung der Nägel im Handel ist ferner verschieden nach
den Gegenden ihrer Erzeugung 1). In früheren Zeiten, als die Nagel-
schmiederei noch wesentlich Handarbeit war, hatte sie an den Stätten
der Eisenerzeugung selbst ihre Hauptsitze, so besonders in Steiermark,
Kärnten und Krain, in Thüringen, im Nassauischen, in Westfalen,
in Lüttich, in der Champagne, in Brescia u. s. w. Später, als
die Zainhämmer das Nageleisen überall hin vertrieben, verzog sich
die Nagelfabrikation mehr nach den Plätzen, wo der Hauptbedarf
war, namentlich nach den gewerbreichen Städten. Die Güte des
Eisens war ebenfalls von Einfluſs; so entwickelte sich die groſs-
artige englische Nagelindustrie erst durch die Einfuhr besseren Eisens.
Krain vertrieb seine vortrefflichen Nägel nach Italien, Kroatien u. s. w.
Kärnten setzte ungeheure Massen von Nägeln ab. Die Hauptnieder-
lage war zu St. Veith, von wo sie nach Italien und von da weiter
versandt wurden. Für den österreichischen Handel war der Haupt-
stapelplatz Wien.


Die gröſsten Nägel wurden damals gleichfalls noch von Hand
geschmiedet, und zwar von zwei Personen, von denen die eine den
Schmiede- und die andere den Vorhammer führte, während alle
[496]Nagelschmiede.
übrigen in der oben beschriebenen Weise von einem Schmied fertig
gemacht wurden.


Schopperus widmet dem Nagelschmied folgende Verse:


Clavicularius — der Nagler.
Conficio validos de ferri robore clavos,

Riti quibus figas quiquid ubique lubet.

Sive placet magnis tibi, sive minoribus uti,

Res quibus includas, contineasque tuas.

Huc ades et clavos de grandibus emptor aceruis

Accipe, pro nummis quos cupis esse tuos.

Figure 191. Fig. 180.
Sive domo quicquam vigil aedificabis in alta,

Ostia claviculis claudere sive voles.

Effigiam capient hypocausta vel arcta receptam

Usus in his clavis non tibi vilis erit.

Ich bereite die durch die Stärke des Eisens so dauerhaften Nägel,

Mit deren Hilfe du alles befestigen kannst, was dir beliebt.

Mag es dir mit kleinen, mag es mit groſsen dir gefallen

Deine Sachen zu verschlieſsen oder zu verpacken. —

Komme nur hierher und nimm dir als Käufer für dein Geld

Von dem gewaltigen Haufen, welche du willst.

[497]
Nagelschmiede.
Ob du an dem hohen Hause, an dem du bauest, etwas befestigen willst

Ob du Öffnungen mit kleinen Nägeln verschlieſsen willst;

Ob du ein Bild im Bade oder in der Kammer aufhängen willst:

Der Nagel wird dir für deinen Zweck niemals unnütz sein.

Der entsprechende Vers des Hans Sachs lautet:


Ein Nagelschmied bin ich genannt,

Mach eysern Negel mit der Hand,

Allerley art auff mein Amboſs,

Kurtz vnd Lang, Klein vnd auch Groſs

Bühnnegel, Schloſsnegel, dazu

Faſsnegel, Schuhzweck, ich machen thu,

Haltnegel, pfenningnegel starck,

Find man bey mir, an offnem Marck.

Die Zeichnung Jost Ammons (Fig. 180) ist in verschiedener
Beziehung von Interesse. Der Schmiedeherd ist ganz so konstruiert,
wie wir ihn heute noch bei den Nagelschmieden finden. Es ist so
hoch aufgeführt, daſs der Nagelschmied bequem und rasch seine
Ruten einschieben kann, dann ist er so überbaut, daſs er von ver-
schiedenen Seiten zugänglich ist, so daſs mehrere Nagler ihn gleich-
zeitig benutzen können.


Entsprechend sind auch mehrere Ambosse um das Feuer verteilt,
welche von verschiedenen Schmieden benutzt werden. Bemerkenswert
ist, daſs sich dieselben keines besondern Nageleisens bedienen, sondern
daſs verschiedene Nagellöcher im Amboſs selbst angebracht sind. Der
Blockmeiſsel ist höher, wie in unserer obigen Zeichnung und steht
sehr gut zur Hand.


Die Nagler bildeten eine alte Zunft, aber sie teilten sich schon
früh in Schwarz- und Weiſsnagelschmiede. Letztere hatten ihren
Namen daher, daſs sie verzinnte Nägel zu machen verstanden. Ihre
Werkzeuge, wie ihre Handgriffe bei der Arbeit waren dieselben, nur
verfertigte der Weiſsnagelschmied seine kleinen Nägel sitzend, und
in dem Loche des Stützers unter dem Nageleisen ist durch einen
Keil eine Feder befestigt, welche bis unter das Loch des Nageleisens
reicht. Die Spitze des Nagels, dem man in dem Nageleisen einen
Kopf geben will, reicht bis auf die Feder, und der Arbeiter darf nur
ein wenig unter die Feder schlagen, so treibt sie durch ihre Federkraft
den Nagel aus dem Loche des Nageleisens. Das Verzinnen geschah
wie noch heute in einfachster Weise. Man schüttete die schwarzen
Beck, Geschichte des Eisens. 32
[498]Nagelschmiede.
Nägel in einen steinernen Krug oder Topf, in dem sich Essig und
Kupferwasser befand, lieſs sie in dieser Beize 24 Stunden bei dem
Feuer der Esse stehen, wobei man nur von Zeit zu Zeit umschüttelte.
Dadurch lösen sich Rost und Hammerschlag ab, das blanke Eisen
kommt zum Vorschein. Alsdann bringt man die Nägel in einen
eisernen Topf, worin sich etwa ½ Pfund Talg und ½ Pfund Probe-
zinn befinden, setzt diesen aufs Feuer und schüttelt fortwährend um,
damit sie sich überall gleichmäſsig verzinnen und nicht zusammen-
kleben. Hierauf kommen sie in einen andern Topf mit heiſser Seifen-
siederlauge, worin sie am Feuer erhitzt und umgeschüttelt werden,
um den anklebenden Talg u. s. w. davon abzubringen. Aus dieser
Lauge werden die Nägel in einen Beutel mit feinen Sägespänen gethan
und darin durch Schütteln gereinigt und getrocknet.


Ein Hauptteil des Meisterstücks der Weiſsnagelschmiede bestand
darin, ein halbes oder ein ganzes Tausend ganz kleiner, verzinnter
Nägel zu machen, welche, auf das Wasser geworfen, darauf schwimmen
muſsten.


Das Examen der Nagelschmiede bei der Meisterprüfung in Koblenz
dauerte drei Tage und war schon im 16. Jahrhundert folgendes
Meisterstück vorgeschrieben: Am ersten Tage muſste der Schmied
1500 kleine Nägelchen fertigen, die in eine gemeine Hühnereierschale
gelegt werden konnten. Am andern Tage hatte er folgende Nagel-
formenlöcher darzustellen: ein ganzes Saumspeicherloch, ein halbes
Saumspeicherloch, ein Maſsspeicherloch, ein Scharnägelloch, ein Gesenk-
nägelloch, ein Hofnägelloch, ein Schloſsnägelloch und ein Schuhnägel-
loch; am dritten Tage muſste er aus 7 kg Eisen 1000 Sandellen liefern,
die jedoch nur 10 Pfund wiegen durften 1).


Die Schwarz- wie die Weiſsnagelschmiede hatten fünf- bis sechs-
jährige Lehrzeit, und waren ein geschenktes Handwerk, d. h. sie
durften überall bei den Zunftbrüdern ein Geschenk verlangen.


[499]Blechschmiede.

Die Blechschmiede.


Bleche wurden im Altertum ebenfalls nur mit der Hand geschmiedet
und da dies sehr beschwerlich und zeitraubend war, so spielte die
Blechfabrikation nur eine untergeordnete Rolle. Von einer solchen
kann eigentlich erst seit Einführung des Blechschmiedens durch
Wasserhämmer die Rede sein. Diese fand wohl schon vor dem Jahre
1500 statt. Jedenfalls deutet die gesteigerte Verwendung von Blech
im 16. Jahrhundert auf deren Vorhandensein. Beglaubigte Nach-
richten besitzen wir darüber allerdings nicht. Biringuccio giebt in
seiner Pyrotechnia zu Lib. IX, Cap. IX die Abbildung eines Blech-
schmiedes. Dieselbe steht freilich an der Stelle, wo er von den Gold-
blattschlägern spricht, aber, wie aus der Zeichnung (Fig. 181) deutlich

Figure 192. Fig. 181.


ersichtlich ist, handelt
es sich um das Schmie-
den einer Blechtafel
von Kupfer, Messing
oder Eisen. Der Was-
serhammer, welcher in
Agricolas Metallur-
gie bei der Beschrei-
bung der Stücköfen
abgebildet ist, hat
viele Ähnlichkeit mit
einem Breit-, Plätsch- oder Schlichthammer, wie er bei der Blech-
schmiede gebräuchlich war, obgleich er hier als Luppenhammer
dargestellt ist. Das Verzinnen des Blechs, welches der Blech-
fabrikation einen so groſsen Aufschwung gab, erlangte erst im
17. Jahrhundert gröſsere Bedeutung. Daſs aber Weiſsblech schon
im 16. Jahrhundert in Deutschland hergestellt wurde, geht aus einem
sehr merkwürdigen Privilegium hervor, welches Kaiser Ferdinand 1551
dem steierischen Landeshauptmann Freiherrn Hanns von Ungnad
erteilte. Er erhielt die „Freiheit“, zu Waltenstein eines oder mehrere
Hammerwerke aufzurichten, in denselben schwarzes Blech zu schlagen,
verzinnen zu lassen und damit ungehindert Handel durch 20 Jahre
frei zu treiben 1).


32*
[500]Blechschmiede.

Wir sehen von der Weiſsblechfabrikation hier aber ab und
schildern nur die Herstellung der Schwarzbleche, wie sie früher in
Deutschland üblich war.


Das Ausbreiten des Eisens zu Blech unter dem Hammer geschah
in wiederholten Hitzen 1). Das zur Blechfabrikation angewendete
Eisen muſste möglichst weich, dehnbar und weder rot-, kalt- noch
faulbrüchig sein. Das weiche, zähe Eisen läſst sich zu den dünnsten
Blechen ausbreiten und bedarf weniger Hitzen als hartes, zähes Eisen,
weil es durch das Hämmern nicht so leicht spröde wird. Das Material-
eisen (Modelleisen) in Form von Flachstäben von 3 Zoll auf 1 Zoll
muſste zuerst in Stücke zerteilt werden, deren Länge durch die Maſse
des herzustellenden Bleches bedingt waren. Zuweilen schmiedete man
diese Stürze oder Stümpel auch gleich aus Luppenstücken von 4 bis
5 Zoll Breite 2). Aus jedem Sturz wurden in der Regel zwei Bleche
geschmiedet, nur bei groſsen Blechen wurde zu jedem Blech ein Stück
verwendet. Bei dem Zerhauen unter dem Wasserhammer mittelst
eines Setzeisens erhielten die Stürze fast die doppelte Länge eines
Bleches, indem man die Arbeit vorzüglich auf das Ausbreiten des
Eisens beschränkte. Das Glühen der Stürze geschah in einem ge-
wöhnlichen Frischherd, was viel Kohlen erforderte und worunter die
Bleche oft litten. Man legte die Stürze und die fast fertigen Bleche
auf Brechstangen quer über den Herd, beschüttete sie von allen Seiten
unten und oben mit Kohlen und setzte die Kohlen unter den Stürzen
und Blechen bei langsamem Gang des Gebläses in Glut. Die noch
nicht ausgereckten Stürze, nämlich die nach der bestimmten Länge
verhauenen Stücke des Materialeisens, wurden in Zangen gefaſst und
auf gewöhnliche Art mit Zusatz von etwas Garschlacke im Herde
erwärmt. Den dabei entstandenen Schwahl (Garschlacke) benutzte
man gewöhnlich beim Einschmelzen der Abschnittel, welches bei dieser
alten Methode noch mit der Blechfabrikation verbunden war.


Zur Bereitung der Schwarzbleche waren zwei Hämmer erforder-
lich, einer zum Ausrecken, der andere zum Breiten. Ersterer hatte
4 bis 4½ Centner Gewicht und 22 Zoll Hub. Die Hammerbahn war
etwa 14 Zoll lang und ¾ Zoll breit. Die Bahn des Amboſses war
etwas gewölbt, um das Eisen schneller auszurecken. Je schmaler die
Amboſsbahn, je schneller lieſs sich das Eisen ausdehnen, desto mehr
[501]Blechschmiede.
Sorgfalt war aber auch bei der Arbeit nötig, um glatte und von
Runzeln und Unebenheiten freie Bleche zu erhalten. Man gab dem
Amboſs eine elastische Unterlage, wodurch die Gefahr des Durch-
schlagens der Bleche vermindert wurde. Die Breite der Hammerbahn
wechselte von 4 Zoll bis ¾ Zoll. Eine breitere Bahn gab glattere
und schönere Bleche, verzögerte aber die Arbeit.


Die verhauenen Stäbe oder Stürze wurden im Herde gewärmt
und dann zuerst an dem einen Ende bis auf das Doppelte ihrer Breite
unter dem Hammer ausgedehnt, hierauf sogleich wieder gewärmt, um
auch die zweite Hälfte auszubreiten. War dies geschehen, so wurde
der bearbeitete Sturz zur Hälfte umgebogen und das umgebogene
Ende oder der „Saum“ durch einen Schlag des Hammers zusammen-
geschlagen. Zwei Arbeiter, von denen der eine die vordere, der
andere die hintere Hälfte des Sturzes ausbreitete und zusammenschlug,
wechselten miteinander ab, so daſs der Hammer so lange ununter-
brochen fortging, bis alle Stürze ausgebreitet und zusammengeschlagen
waren. Die bearbeiteten Stürze hieſsen Urwellstürze, sowie die
Arbeit das Urwellen. Ein fertiger Urwellsturz bestand also aus
zwei Hälften, von denen eine jede in der Folge ein Blech gab. Groſse
Bleche wurden einzeln geurwellt.


Alsdann wurden die Urwellstürzen wieder gewärmt und auf die
doppelte Breite ausgeschmiedet und zwar erst das Vorderende, dann
das Saumende. Diese Arbeit hieſs das Gleichen oder Stürzen und
die ausgebreitete Urwellstürze im allgemeinen „Stürze“. Bei der-
selben war groſse Aufmerksamkeit nötig, um nicht zu viel Eisen
in der Mitte stehen zu lassen, weil sich dieses bei den folgenden
Bearbeitungen umlegte und zu Falten in den Blechen Anlaſs gab.
Die Hammerbahn muſste genau die Mitte der Stürze treffen und das
Eisen nach und nach den Seiten zutreiben; umgekehrt durfte der
Hammer nicht erst die Seiten ausbreiten und das Eisen in der Mitte
stehen lassen.


Nun folgte die dritte Bearbeitung der Stürze. Hierzu war, weil
immer mehrere Stürzen zugleich in Arbeit genommen und zusammen-
gelegt wurden, eine gröſsere Hitze notwendig, wobei die aus zwei
zusammengebogenen Hälften bestehende Stürze leicht aneinander
schweiſste. Um dies zu verhindern, tauchte man sie in den sogenannten
„Hahnenbrei“, eine wässerige Flüssigkeit, in welcher Thon, Kreide
und Kohlenstaub eingerührt waren. Die eingetauchten Stürze wurden
in Päcke zusammengelegt. Zu jedem Haufen rechnet man 1 Centner
oder 6 bis 20 Stürze’ je nachdem die Bleche stärker oder schwächer
[502]Blechschmiede.
waren. Jeder Haufen hieſs ein Pack oder eine Zange und die Anzahl
der Zangen, welche mit einemmal in Arbeit sind, wurde eine Zeche
genannt. Jede Zange wurde einzeln gewärmt und unter den Hammer
gebracht. Das Ausschmieden derselben — das „Packschmieden“ —
war beschwerlich und erforderte Kraft und Gewandtheit, weshalb zwei
Arbeiter dazu nötig waren, die einander halfen, den Pack gehörig auf
dem Amboſs zu drehen, damit der Hammer nicht zu oft auf ein und
dieselbe Stelle traf. Zur Unterstützung beim Schmieden und um die
Zange besser auf dem Amboſs halten zu können, war auf jeder Seite
derselben ein Haken in Gestalt eines rechten Winkels — ein soge-
nannter „Knecht“ — im Hammerstock befestigt, worauf der Pack
ruhen konnte. Das Umwenden muſste, obgleich es sehr beschwerlich
war, doch so oft als möglich geschehen, damit die eine Seite des
Packes nicht mehr ausgereckt wurde als die andere; dabei muſste
sorgfältig vermieden werden, daſs der Hammer in die ausgereckten
Bleche nicht Beulen oder Löcher schlug. Das Packschmieden geschah
auch nicht in einer Hitze, sondern muſste oft drei- bis viermal wieder-
holt, und die Zange ebenso oft wieder gewärmt werden. Nach dem
jedesmaligen Schmieden wurden die Päcke auseinander genommen,
um zu sehen, ob Stürze zusammengeschweiſst waren, welche man alsdann
zu trennen suchen muſste. Danach wurden die Stürze in einer andern
Reihenfolge zusammengelegt, als in welcher sie gelegen hatten, weil
sich die in der Mitte der Zange liegenden Stürze, welche am längsten
glühend blieben, am meisten ausdehnten. Waren einige Bleche von
den vorigen Zechen zu kurz geblieben, so wurden diese mit in das
nachfolgende Pack gelegt und wieder mit geschmiedet, damit sie
stärker ausgedehnt würden.


Nachdem die Stürze zum drittenmal geschmiedet waren und die
gehörige Länge erhalten hatten, gelangten sie unter den zweiten
Hammer, um die Unebenheiten und Beulen, welche beim Schmieden
unter der scharfen Hammerbahn entstanden waren, zu entfernen.
Dies geschah dadurch, daſs jeder einzelne Pack auf einem breiten
Amboſs oder auf einer vollkommen glatten Eisenplatte unter einem
Hammer mit breiter Bahn durch langsame Schläge geebnet und
geglättet wurde.


Der Hammer hieſs der Pritsch- oder Abrichthammer und die
Arbeit das Pritschen oder Abrichten der Bleche. Die Amboſs-
bahn war gewöhnlich 12 bis 14 Zoll lang und 10 bis 12 Zoll breit.
Die Abrichtplatte muſste genau horizontal liegen [und] die Hammer-
bahn parallel aufschlagen. Nach dem Abrichten wurden die Päcke
[503]Blechschmiede.
noch mit einem hölzernen Hammer gepritscht, um alle Beulen aus-
zugleichen. Dann waren die Bleche fertig und wurden mit einer
Schere nach dem Maſs beschnitten. Die Maſse der Bleche waren
sehr verschieden. In einem Teile von Norddeutschland wurden sie
24 × 24 Zoll verlangt und muſsten 5 bis 50 Tafeln auf einen
Centner gehen, in andern Gegenden waren 24 × auf 18 bis 20 Zoll
beliebte Gröſsen.


Fehlerhafte Bleche wurden zerschnitten und mit den Abschnitteln
zu gute gemacht. Dies geschah im Wärmeherd des Schwarzblech-
hammers gewöhnlich alle drei Wochen, so daſs drei Wochen lang
Blech geschmiedet und in der vierten Woche Abschnittel und die
kurzen Enden vom Verhauen der Stäbe geschmolzen wurden.


Aus 100 Centner Schwarzblechstäben erhielt man im allgemeinen
60 Ctr. Bleche und 30 Ctr. Abschnittel, so daſs an 10 Ctr. Abbrand
stattfand. Bei dem Verarbeiten der Abschnittel im Schwarzblech-
feuer erfolgten gewöhnlich aus 5 Ctr. Stabeisen 4 Ctr. Bleche und
wurden zu 100 Pfund Blech 22 bis 24 Kubikfuſs Holzkohlen ver-
braucht.


Auch bei sorgfältiger Arbeit hatten die Hammerbleche nie das
glatte Ansehen unserer gewalzten Bleche. Beulen waren nie ganz zu
vermeiden. Dazu war die Arbeit unvorteilhaft, sowohl wegen des
Zeitaufwandes als wegen des Kohlenverbrauchs. Schwere Bleche, wie
unsere starken Kesselbleche, lieſsen sich aber unter dem Wasserhammer
überhaupt nicht herstellen. Solche Bleche kannte man damals
noch nicht.


Die Blechsorten führten verschiedene Bezeichnungen. Am Harz
unterschied man: Kupferblech, Pfannenblech, Eimerbandblech und
Salzpfannenblech. Letzteres war das stärkste und im 16. Jahrhundert
gerade in der Umgegend des Harzes infolge der Blüte der Salzwerke
in groſser Nachfrage. Das Schwarzblech wurde in Bunden verkauft.


Des Bleches bedurfte ein altes zünftiges Gewerbe, das der
Fingerhüter. Schon im Jahre 1373 gab es zu Nürnberg zünftige
Fingerhutmacher und diese Industrie hat sich bis in unsere Zeit
daselbst erhalten. Man schlug die Fingerhüte mit stählernen Punzen
aus Blechtafeln von Messing, seltener von Eisenblech mit freier Hand
aus. So stellt es auch Jost Ammon (Fig. 182, a. f. S.) dar und
Schopperus liefert folgende Verse dazu:


[504]Blechschmiede.
Digitalarius — der Fingerhüter.
Apta verecundis digitalia fingo puellis,

Quae gerat in digitis sedula virgo sui.

Cum tenues docto percurrit pectine telas,

Regibus et rarum munus adornat acu.

Clara respresentat festis quod gesta tapetis,

Quae ninis artifici sunt bene ducta manu.

Figure 193. Fig. 182.
Utitur et sarctor digitalibus, utimur omnes,

Sutor, et haud nostrae respuit artis opem.

Ergo meis emptor de millibus ellige multis

Conveniat digito quod digitale tuo.

Passende Fingerhüte bilde ich den hochzuverehrenden Jungfern

Und jedem Mädchen, welches die Nadel in ihren Fingern führt.

Mit diesen zarten Geschossen näht sie mit klugem Sinn

Und selbst den Königen wird seltnes Geschenk mit der Nadel

verziert. —

Welch ruhmvolle Thaten stellt sie auf den festlichen Tapeten dar,

Die — nicht geringer als Kunstwerke — von wohlgeführter Nadel

stammen.

Auch der Schneider braucht die Fingerhüte und wir alle brauchen

Den Schuster, der ebenfalls die Arbeit unsrer Kunst nicht verschmäht.

[505]
Draht- und Nadelfabrikation.
Deshalb Käufer, wähl’ dir aus meinen vielen Tausenden,

Einer wird passen deinem Finger und deiner Finger Werk.

Hans Sachs aber schreibt vom Fingerhüter:


Auſs Messing mach ich Fingerhüt,

Blechweiſs, werden im Feuwer glüt,

Dann in das Eysen glenck getriebn,

Darnach löchlein darin gehiebn,

Gar mancherly art, eng vnd weit,

Für Schuster vnd Schneider bereit,

Für Seidensticker und Nätherin,

Deſs Handwerks ich ein Meister bin.

Draht- und Nadelfabrikation.


Der Eisendraht war das Material der Panzerschmiede. Vor
dem 14. Jahrhundert wurde er mit Hammer und Amboſs geschmiedet.
Im 14. Jahrhundert wurde in Deutschland die Kunst des Draht-
ziehens
erfunden. In welch einfacher Weise das Ziehen geschah,
haben wir Bd. I, S. 887 bis 890 beschrieben. Im 16. Jahrhundert nahm
zwar der Bedarf an Draht für Panzer ab, aber um so mehr nahm seine
Verwendung für andere Zwecke zu. Namentlich stieg der Bedarf an
Stahldraht für die Nähnadelfabrikation und für Saiteninstrumente,
während weicher Draht für viele häusliche und technische Zwecke,
dann auch für die besonders in Italien beliebten Filigranarbeiten be-
liebt war. Das Ziehen des Drahtes wurde erst bei den Edelmetallen,
bei Gold und Silber, dann bei Kupfer, Messing, Eisen und Stahl an-
gewendet. Für Eisen- und Stahldraht, den man weit kräftiger ver-
langte, als Gold- und Silberdraht, gehörten auch schon des härteren
Materials wegen kräftigere Ziehvorrichtungen. In ihrer Konstruktion
stimmten dieselben aber mit den Drahtzügen für Edelmetalle überein,
nur muſsten die Zieheisen und die Ziehvorrichtungen entsprechend
stärker sein. Biringuccio hat in seiner Pyrotechnia folgende gute
Schilderung des Drahtziehens gegeben:


Lib. IX, Cap. VIII: Von der Praxis, Gold in Drähte zu ziehen,
sowie auch Silber, Eisen, Kupfer und Messing.


[506]Draht- und Nadelfabrikation.

Ich weiſs, daſs es Euch bekannt ist, daſs man, um Goldstoffe zu
machen, oder Goldstickerei, oder Arbeiten, bei denen das Gold für
durchbrochene Stoffe (Filigran) verwendet wird, es nötig ist, das
Gold in Fäden zu ziehen, was wegen seiner Zartheit leicht geschehen
kann .... ebenso auch das Silber und das Zinn. Und ich glaube
auch, daſs sich dies auch mit dem Eisen thun lieſse, wie mit dem
Kupfer und dem Messing, welches, wenn es auch nicht so weich ist,
wie die oben genannten, sich doch, wie man sieht, durch Schlagen
ausdehnt und verdünnt. Und da es in der Farbe einige Ähnlichkeit
mit dem Gold hat, so macht man daraus jene feinen Blättchen, die
man Flittergold zu nennen pflegt. Überhaupt zieht man Draht nach
Bedarf aus Legierungen, welche sich im Feuer bilden, vom Zinn und
Blei an, aus jedem Metall und von jeder Feinheit und Länge, wie es
dem Arbeiter gut scheint, und insbesondere aus denen, die sich aus
Gold und Silber herstellen lassen. Diese werden so lang und fein,
daſs sie sich ebenso wie Leinen- und Wollfäden in Tücher weben
lassen. Auch mit Seide verstickt man sie, ohne irgend welche Un-
gleichheit. Und die Goldarbeiter ziehen solche, um die Ornamente
ihrer Arbeiten leichter und schöner zu machen. Solche Arbeiten,
verschlungen und sehr fest, entweder von Gold oder von Silber, sind
es, welche man durchbrochene Arbeit (stroforo oder Filigran) nennt.
Messing und Stahl, welche härter sind, zieht man ebenfalls, um
Saiten für musikalische Instrumente zu machen, fein oder dick,
je nach dem Belieben dessen, der sie anfertigt. Und schlieſslich ist
in dieser ganzen Beschäftigung nichts Bemerkenswertes enthalten, als
eine gewisse Übung, verbunden mit groſser Geduld. Auf zwei Arten
geht man dabei vor: Die eine besteht im Ziehen auf groſser Walze
(Rollen, Leiern, Bobinen) mit einem Haspel, die andere auf kleiner
Scheibe mit der Hand, wobei man zuvor den Stab mit dem Hammer
so rund und lang ausgeschmiedet hat, als man kann. Mag man sich
des einen oder des andern Instrumentes bedienen, so sitzt das Zieh-
eisen von Stahl, einen halben Palmo (12½ cm) lang mit mehreren
Reihen Löchern von aufeinander folgenden Gröſsen in einem Holz-
klotz, der sehr fest sein muſs, damit man ziehen kann. Dicht dabei
faſst man das Metall mit einer Zange mit breitem, gezahntem Maul und
mit offenen Schenkeln, welche von einem gewundenen eisernen Bügel
erfaſst wird, der unten einen Haken hat, an dem das Ende einer
Gurte oder eines Seiles befestigt ist. Und das übrige wickelt sich,
wenn man dreht, um einen kleinen oder groſsen Haspel. Durch diese
Anordnung zieht sich die Zange beim Ziehen zusammen, und wenn
[507]Draht- und Nadelfabrikation.
sie in diesem Augenblick das Ende des Gold- oder Silberdrahtes
erfaſst hat, welches von dem Arbeiter in eines jener Löcher des Zieh-
eisens gesteckt worden, nachdem es gut mit frischem Wachs be-
strichen und durch Menschenkraft vermittelst Hebeln jene Instrumente
gedreht werden, zieht man die Stäbe der genannten Metalle und läſst
sie nach und nach alle Löcher des Zieheisens passieren, eines nach
dem andern. Weil aber die groſsen Instrumente, wenn der Draht
bis zu einem gewissen Grade reduziert ist, schlechte Dienste leisten,
so macht man zwei Rollen (Scheiben) mit Zapfen auf eine Bank, in
liegender Stellung und zwischen beiden befestigt man das Zieheisen
mit den kleinen Löchern, eines immer kleiner als das andere, damit
man den Draht immer feiner machen kann. Alsdann dreht man eine
der Scheiben und der Draht wickelt sich auf, indem er durch das
Zieheisen passiert. Man befestigt ihn dann an die andere Scheibe,
nachdem er aus dem Zieheisen gezogen und durch ein anderes Loch
gesteckt ist. Und so von Loch zu Loch, indem man jetzt die eine,
dann die andere Scheibe dreht. Dabei hält man den Draht gut ge-
spannt, damit er sich nicht verwirrt und so führt man ihn zur
gröſsten Feinheit. Wenn dieses erreicht ist, setzt man die andern
Spulen auf, indem man immer bedacht ist, daſs man den Draht
während der Arbeit mit frischem Wachs geschmiert hält, was nicht
nur das Durchpassieren durch die Löcher erleichtert, sondern auch
die Farbe gelb und schön erhält. Auch sorge man, daſs die Zieh-
eisen gut passen, daſs die Löcher sich rund erhalten und daſs sie
von gutem, feinstem Stahl sind. Ferner daſs das Gold und Silber,
welches Ihr ziehen wollt, fein und von Natur weich sei und gut
erwärmt gehalten werde bis zu einem solchen Grade, daſs man es
eben noch mit der Hand anfassen kann. Und dasſelbe Verfahren
hält man auch bei jedem andern Metall, wie bei Stahl, Messing,
Eisen und Kupfer ein, aber über das Eisen werden wir in der Folge
eingehender sprechen und alles aufs Genaueste abhandeln.


Bezüglich des Gold- und Silberdrahtes will ich Euch aber
noch sagen, wie man an der Menge des Goldes spart, wenn er in
Tücher verwoben werden soll oder auch um zu betrügen, wie man
es heutzutage fast in allen Geschäften zu thun pflegt. Man
bereitet diesen Draht, wenn er auch aussieht, als ob er ganz von
feinem Golde wäre, doch beinah ganz aus Silber, indem man zu
jedem Pfund nur das Gewicht eines Dukaten von reinem Gold
nimmt, aber jeder, der noch ärger betrügen will, macht den Kern
nicht einmal aus feinem Silber, sondern von vergoldetem Kupfer.
[508]Draht- und Nadelfabrikation.
Um dies zu thun, macht man eine Stange von Kupfer oder von
feinem, gegossenem Silber, und wenn man sie mit dem Hammer rund
gehämmert und sauber gefeilt hat, dreiviertel Elle lang, oder etwas
weniger, lötet man eine Decke von feinem, geschlagenem Gold darüber,
oder wenn es Kupfer ist, so könnt Ihr sie auch von Silber machen
von beliebigem Gewicht. Indem man sie sodann in einem Ofen ein-
schlieſst, bringt man sie zuerst durch Kohlen und Flammen von
Erlenholz fast zum Schmelzen und dann reibt man sie mit einem
trockenen Holze oder mit Calcedon oder Amethyststein, damit die
darauf gelegte Decke sich vollkommen ebnet und vollkommen an die
Sache, mit der sie sich verbinden soll, angedrückt wird. Dann kühlt
man ab und erwärmt wieder, und hämmert und streckt aus und paſst
ein, um die Stange in das Zieheisen bringen zu können, und verfährt
dann in allem so, wie ich gesagt habe. Und dies ist, wenn man es
nicht zum Betrügen thut, eine sehr schöne und wichtige Sache.
Immer dünner wird (durch das Ziehen) das aufgelegte Gold auf dem
Metall, auf das es gelötet ist, das sich aber niemals entblöſst, wenn
auch der Draht so fein gezogen wird, daſs das Auge ihn kaum mehr
wahrnimmt: immer ist er überall auf das Feinste vergoldet.“ — Hier
hat also Biringuccio bereits deutlich die Fabrikation des leonischen
Drahtes beschrieben. — Er fährt alsdann fort: „Soviel nun von der
Einrichtung für Draht, zu welchem Gold oder Silber verwendet wird.
Wo es sich aber um eines der andern erwähnten Metalle handelt,
muſs sie vor allem leistungsfähiger sein (ganz besonders bei solchem
aus starkem Eisen). Hierfür errichtet man ein Wasserhaus mit einem
Wasserrade, woran am Ende des Zapfens ein gekrümmtes Eisen
(Krummzapfen) ist mit einem Ringe, der einen Haken hat, an den
sich eine Gurte mit einer Schleife anschlieſst. Und in einiger Ent-
fernung befestigt man einen Klotz in die Erde mit dem Zieheisen,
und in der Mitte macht man eine Grube in die Erde, so tief bis an
das Knie eines Mannes, in welche der Arbeiter hinein steigt mit einer
groſsen Zange mit eiserner Strippe, welche an dem Gurt befestigt ist
und welche die Schenkel der Zange erfaſst, die sie beim Ziehen zu-
sammenpreſst und beim Schlaffwerden öffnet. Indem er Wasser auf
das Rad giebt, läſst sich der Mann, der die Gurte in der Mitte an-
gehängt hat, durch den Krummzapfen zurückziehen und wieder vor-
wärts stoſsen, wobei er Sorge trägt, das Ende des Drahtes, welches
aus dem Zieheisen heraustritt, bei jedem Rückgange mit dem Maule
der Zange zu fassen, was dadurch geschieht, daſs er in der Grube
auf einem Brette sitzt, welches an den Seiten vermittelst zweier langer
[509]Draht- und Nadelfabrikation.
Eisen an einen Balken angehängt ist, die eine Zapfenverbindung
bilden, welche, je nachdem das Rad schiebt oder zieht, hierhin oder
dorthin schwingt und die groſse Zange bewegt. Und mit dieser Ein-
richtung, indem man das Eisen mit dieser Maschine oft und wieder-
holt zerrt, wird es, wie das Gold, das Silber oder das Kupfer, in die
Länge und Dicke gezogen, welche Ihr wünscht.


Auſser nach dieser Methode habe ich das Eisen noch nach einer
andern ziehen sehen, ohne Maschine am Wasserrade mit einfachen

Figure 194. Fig. 183.


Spindeln (wie ich Euch
gesagt habe, daſs man
es mit dem Golde
macht), aber man
muſs dafür dünnes und
gut gezaintes Eisen
haben. Man könnte
dasſelbe auch mit
einem groſsen Rade
machen, das man, wenn
man kein Wasser hat,
durch Spillen bewegen kann, oder durch ein Pferd, oder durch einen
Menschen darin, welcher es durch Gehen bewegt (Tretrad), oder durch
Gewichte oder Hebel, die ihm Kraft geben. — Und damit möge von
dieser Kunst genug gesagt sein.“


Biringuccio fügt seiner ausführlichen Beschreibung zwei Ab-
bildungen bei. Die eine (Fig. 183), welche bereits früher (Bd. I, Fig. 284)

Figure 195. Fig. 184.


mitgeteilt wurde, illu-
striert den Eisendraht-
zug mit Wasserrad und
Kurbelstange, wodurch
der Arbeiter, der auf
einer Schaukel in einer
Grube sitzt, hin und
her geschoben wird.
Die andere Tafel (Fig.
184) stellt die drei
Methoden der Hand-
drahtzieherei dar.


a) Das Ziehen von grobem Draht mit der Zange mittels einem
aufrecht stehenden Haspel, ohne Bank, das Zieheisen in einen starken
Holzrahmen eingelassen, die Zange wird durch ein Seil bewegt.


[510]Draht- und Nadelfabrikation.

b) Das Ziehen von mittlerem Draht mit der Zange mittels eines
horizontalen Haspels auf einer Bank, das Zieheisen ist in die Bank
eingelassen, die Zange ist an ein Band befestigt, welches sich auf dem
Haspelbaume aufrollt. Diese beiden Arten von Zügen sind als Schlepp-
züge zu betrachten, welche den alten Handzügen, wie Bd. I, S. 888
beschrieben, nachgebildet sind.


c) stellt das Ziehen des Drahtes ohne Zange auf horizontalen
Scheiben dar, welche auf einer Bank befestigt sind. In der Mitte
zwischen beiden befindet sich das Zieheisen.


Bei den Schleppzügen ist jeder Zug so lang, als der Abstand
zwischen Zieheisen und Haspel, abzüglich der Länge der Zange. Ist
dieser Weg zurückgelegt, so muſs die Zange gelöst und wieder bis
zum Zieheisen vorgeschoben werden, um den Draht von neuem dicht
am Ziehloch zu fassen. Bei jedem neuen Zufassen der Zange entstehen
durch das gezahnte Maul der Zange Eindrücke, sogenannte Zangenbisse,
welche die Schönheit des Drahtes beeinträchtigen. Man wird also,
um diese zu vermindern, und um die Arbeit, welche durch das Um-
spannen der Zange jedesmal unterbrochen wird, zu beschleunigen, die
Zuglänge so groſs wie möglich machen. Doch nimmt man die Zug-
länge bei grobem Draht kürzer als bei feinem, weil der grobe Draht
gröſseren Kraftaufwand zum Ziehen erfordert und bei langem Zug
leichter reiſst. Während bei ganz grobem Draht die Zuglänge nur
etwa 25 cm betrug, konnte dieselbe bei den feinsten Drähten bis 1,20 m
betragen.


In Deutschland blühte die Drahtfabrikation in Nürnberg, wo die
Drahtmühlen erfunden worden waren, und im Sauerland (westfälische
Mark), besonders in den drei verbündeten Städten Altena, Lüdenscheid
und Iserlohn. Im Sauerland hatten die Zangen der Drahtzüge nach
den verschiedenen Dicken verschiedene Namen. Die „Rumpelzangen“
zogen den gröbsten Draht, dann folgten „Schumback, Bänkelzangen
und Schockenzangen“.


Zum Ziehen auf den Scheiben (Rollen oder Leiern) konnte man
nur den feinen Draht verwenden, welcher mit den Zangen vor-
gezogen war.


Das wichtigste Instrument für alle Arten von Drahtzügen war
das Zieheisen, in welchem sich die Löcher befanden, welche der
Draht passieren muſste und welche seine Stärke bestimmten. Die
Zieheisen müssen von vorzüglicher Härte und die Löcher vollständig
rund sein. Hiervon hängt die Schönheit und Gleichmäſsigkeit des
gezogenen Drahtes ab. Heutzutage verwendet man hierzu den Guſs-
[511]Draht- und Nadelfabrikation.
stahl, in alter Zeit muſsten aber die Zieheisen geschmiedet werden.
Um aber für die Löcher ein ganz besonders hartes Material zu er-
halten, bediente man sich in der Mark (Sauerland) eines eigentüm-
lichen Verfahrens, durch welches bereits, lange vor der Erfindung der
eigentlichen Guſsstahlfabrikation, eine Art von Guſsstahl erzeugt
wurde. Um ein Zieheisen zu machen 1), schmiedete man erst eine
Eisenform in Gestalt eines Kästchens, etwa 36 cm lang, 9 cm breit
und 1,5 cm dick, mit einem 3 cm hohen Rand aus. In dieses Kästchen
setzte man Stücke von sehr hartem, sogenanntem wildem Stahl (Willer-
stahl), oder auch von kohlenstoffarmem, weiſsem Roheisen ein und
bestreute dieses mit Borax. Das möglichst dicht angefüllte Kästchen
wurde dann mit Leinwand, welche in dickem Lehmwasser eingeweicht
war, bedeckt und in einer Esse vor dem Gebläse so stark erhitzt,
daſs der Stahl oder das Roheisen flüssig wurden. Die Leinwand
bildete eine Decke zur Abhaltung der Kohle, und das dicke Lehm-
wasser, mit welchem es angefeuchtet war, verursachte, daſs sich die
Leinwand erst sehr spät zerstörte und daſs sich, wenn dieses ge-
schehen war, eine dünne Schlackenkruste bildete, welche man beim
Herausnehmen des Eisens sorgfältig abzog. Oft war man genötigt,
das Eisen vor dem Schmelzen des Stahls oder Roheisens mehrere
Male aus dem Feuer zu nehmen und die einzelnen Stückchen mit
dem Hammer auf einem Amboſs fest zusammenzuschlagen. Wenn das
stahlartige Roheisen oder der roheisenartige Stahl völlig geschmolzen
waren und sich aufs Genaueste mit dem Eisenkasten verbunden hatten,
nahm man das Eisen aus dem Feuer, um es vorsichtig zu schmieden.
In den Zustand der völligen Flüssigkeit pflegte das Roheisen oder der
Stahl nur selten zu kommen, obgleich die Masse vollkommen weich
und leicht verschiebbar wurde. Die ganze Masse wurde dann bis zur
doppelten Länge ausgeschmiedet, und die Zieheisen waren bis zum
Einbohren der Löcher fertig. Diese Operation erforderte genaue
Kenntnis des Eisens, Vorsicht und Gewandtheit, damit die Zieheisen
nicht zu hart, zu spröde, oder durch Luftzutritt entkohlt, zu weich
wurden. Letztere waren ganz unbrauchbar, während sich erstere
wohl noch durch längeres Glühen unter einem dünnen Thonüberzug
verbessern lieſsen. Es folgte nun das Einbohren der Löcher. Be-
kanntlich haben die Ziehlöcher eine trichterförmige Gestalt. Die
engste Öffnung, welche den Durchmesser des zu verjüngenden Drahtes
giebt, also am meisten in Anspruch genommen wird, muſs am härtesten
[512]Draht- und Nadelfabrikation.
sein, während man die der Zugrichtung abgewendete Seite gern
weicher macht, weil von dieser aus das Einbohren des konischen
Loches erfolgt. Dementsprechend blieb in obigem Falle die gröſste
Fläche der konischen Öffnung auf der Seite der ausgeschmiedeten
Masse, welche aus dem Kastenboden gebildet war, während die eigent-
liche Öffnung, durch welche der Draht gezogen wurde, durch die
Oberfläche der geschmolzenen Rohstahlmasse gebohrt werden muſste.
Letzteres erforderte besondere Sorgfalt.


Ein sehr wichtiger Umstand beim Drahtziehen ist, daſs das
Ziehen genau in der Achsenrichtung des Ziehloches erfolgt, indem
dieses sonst unrund wird. Deshalb befestigte man Zieheisen und
Scheiben oder Zangen auf einer Bank, um ganz horizontal ziehen zu
können. Durch das Ziehen wurde der Draht hart und spröde. Des-
halb muſste er von Zeit zu Zeit ausgeglüht werden, wodurch er
wieder weich und zähe wurde. Dies geschah in alter Zeit im offenen
Herd über Holzfeuer. Das Verfahren beim Ziehen von feinem Eisen-
und Stahldraht bestand also darin, daſs das Eisen erst unter Zain-
hämmern zu schwächeren Dimensionen ausgestreckt, dann mit Zangen
zu gröberen Drahtsorten ausgezogen und zuletzt auf Scheiben oder
Rollen zu den feineren Dimensionen gebracht wurde. Diese Ein-
teilung giebt auch Biringuccio schon bestimmt an, ebenso bestimmt
deutet er aber auch an, daſs es zu seiner Zeit in Italien noch nicht
eingeführt war, Eisen und Stahl zu so feinen Dimensionen zu ziehen,
wie Gold, Silber und Messing. Ganz so verhielt es sich zu Nürnberg,
welches damals in Deutschland der wichtigste Platz für die Draht-
fabrikation war. Die Nachricht, daſs im Jahre 1570 ein Franzose,
Anton Fournier, die Kunst, den Draht sehr fein zu ziehen, über-
haupt erst nach Nürnberg gebracht haben soll, ist freilich sehr un-
wahrscheinlich. Sie kann sich wohl nur auf eine verbesserte Fabri-
kationsmethode beziehen. Es ist selbst nicht anzunehmen, daſs sich
diese Nachricht, wie viele annehmen, auf die Einführung des leoni-
nischen Drahtes bezieht, da Biringuccio diese Fabrikation als etwas
allgemein Bekanntes beschreibt. Aber in der westfälischen Mark, in
den Städten Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, wurde damals nur
Draht mit Zangen gezogen. Es werden nur Grob- und Kleinzöger-
bänke erwähnt, die „Winnen“ oder Scheiben waren noch unbekannt.
Erst Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde das Ziehen des Kratzen-
drahtes durch Drahtzieher aus Aachen in Iserlohn eingeführt. Man
hatte vordem den Mitteldraht von Altena zum feineren Zuge nach
Aachen geschickt. In Aachen und Lyon wurden dagegen feinere Draht-
[513]Draht- und Nadelfabrikation.
sorten auf Scheibenzügen oder Rollen, wie es scheint, schon im 16. Jahr-
hundert gezogen. Nähere Nachrichten darüber liegen aber nicht vor.
— Daſs aber die Drahtfabrikation zu Lüdenscheid, Altena und Iser-
lohn im 16. Jahrhundert in groſser Blüte stand, daſs sie in zahl-
reichen Drahtmühlen auf Zögerbänken mit Wasserrädern betrieben
wurde, geht aus verschiedenen Verordnungen und sonstigen Nach-
richten hervor. Sie stand in unmittelbarer Verbindung mit den
Osmundschmieden, und werden wir die betreffenden geschichtlichen
Nachrichten bei Schilderung der märkischen Eisenindustrie im
16. Jahrhundert mitteilen.


Wie bekannt, wird die Erfindung der mechanischen Ziehbank
dem Künstler Rudolph aus Nürnberg zugeschrieben. Doppel-
mayer
1) schreibt darüber: „Rudolph, ein Mechanikus, war bei seiner
Ausübung in mechanischen Sachen so glücklich, daſs er eine sehr
nützliche Erfindung, wie man den Draht in einer accuraten Rundung
und gleichen Dicken an einem sehr langen Trumm schicklich ziehen
könne, ungefähr in anno 1400 zu Nürnberg an das Licht gebracht.
Solches Inventum hielt dieser Künstler, als er sah, daſs vieles dabei
zu gewinnen war, sehr geheim.“ Aber sein Sohn verriet das Geheimnis
(siehe Bd. I, S. 889), „worauf denn dergleichen Werke von verschiedenen
nachgeahmt wurden“.


Der berühmte Dichter der Reformationszeit, Eobanus Heſsus,
besingt in seinem Gedichte Vrbs Norimberga 1532 (4. Cap., 27) eine
Nürnberger Drahtmühle mit folgenden Worten: „Wer erblickt, wie
das Werk sich durch das Gewicht der Räder dreht und mit welcher
Kraft es das Eisen streckt, wie wenn es mit Verstand begabt, das
eine wie das andere vollbringt, was tausend Menschen nicht ver-
mochten, ehe diese Kunst erfunden war: Wer erstaunt nicht, wenn
er es sieht und verdammt alle vergangenen Jahrhunderte, welche
solch herrliche Erfindung unseres Menschengeschlechtes niemals
kannten? — Ein groſses Rad, durch die Kraft des Wassers getrieben,
bewegt einen mächtigen Cylinder mit sich, dessen äuſserstes Ende
mit zahlreichen Zähnen bewaffnet ist, welche durch die Kraft bewegt,
die widerstehenden Maschinenteile mit sich reiſsen und bewegen, und
ohne daſs sie selbst aufgehalten werden, treiben sie durch das Rad
und die Wassermengen mit ungeheurer Gewalt den schweren Cylinder.
Daher wo mit solcher Gewalt die untenhängende Maschine ergriffen
Beck, Geschichte des Eisens. 33
[514]Draht- und Nadelfabrikation.
wird, bewegt sie um so schneller die ganze Last oben, indem sie die
Werkzeuge führt, mit denen die Blätter des schwarzen Eisens zer-
schnitten werden (quibus atri lamina ferri scinditur) und sie zu
mannichfachem Gebrauche dünn macht, indem es jetzt diese, jetzt
jene passende Form annimmt, gezwungen, dem Befehle der unbezwing-
lichen Kraft zu gehorchen. Denn du wirst sehen, wie eiserne Köpfe,
Drachen ähnlich, durch den Biſs ein Eisen von dem andern weg-
reiſsen, der hält zurück, der zieht die Masse der Drachen (der Schlepp-
zangen). Und während sie dies thun, drängen sie sich eilig, mit
immer erneuten Angriffen kämpfend, wie wenn es sich beiderseits um
das Leben und nicht um Eisen handle. So packen sie mit raschen
Bissen das rohe Eisen, glätten es zu rundlichem Draht, welcher
aus dem Schlangenmaule genommen in tausend Krümmungen ge-
wunden wird.


Welcher Gott, welcher wunderbare Zufall hat uns diese Kunst
gezeigt? Nicht war es ein Thrazier, nicht ein Creter noch ein Italer,
der durch seinen Verstand es offenbarte und jene Kunst zu mensch-
licher Verwendung uns geschenkt hat, sondern ein Deutscher war es,
ein Nürnberger!“


Daſs der Name Drahtmüller in Nürnberg und Augsburg
schon vor dem Jahre 1400 vorkommt, wurde bereits früher erwähnt.


Garzoni führt die Werkzeuge des Drahtziehers ebenfalls auf,
darunter „die Ziehbank mit ihrem Zubehör, nämlich Modeleisen,
Riemen, Zangen, Arme“.


Jost Ammon illustriert den Metalldrahtzieher mit unten-
stehendem Bild, Fig. 185, in welchem das Ziehen von Messingdraht mit
einer Handscheibe dargestellt werden soll. Hans Sachs’ Verse dazu
lauten:


Den Drat, Kupffer vnd Messing rein,

Zeug ich auff meiner Scheiben klein,

Manch Röllen Drat, Zin ja vnd Wid,

Vnd Dratbürsten für die Goldschmidt,

Auch kommn meiner quintsaiten summ

Herrlich auff das Claucordium,

Auſs kleinem Drat man an viel orten

Macht Hutschnür vnd gedrungen Borten.

Schopperus dichtet dies folgendermaſsen um:


Herrliche Drähte bereite ich dir aus verschiedenen Metallen,

Die wahrlich sehr geschickt zu guten Verwendungen sind.

[515]
Draht- und Nadelfabrikation.
Die, welche durch die Musik süſs tönende Klänge erzwingen,

Vollbringen dies durch Drähte von unsrer Arbeit.

Diejenigen, welche sich an den Vielklängen der Zither laben,

Sie verdanken dies unsren Werkstätten und unsrer Hilfe.

Figure 196. Fig. 185.
Mit solchen Drähten schmücken auch die Knaben ihre ländlichen Hüte,

Damit sie dem Gutsherrn gefallen,

Überhaupt giebt es in der ganzen Welt nichts so geringes,

Daſs nicht dem, der in guter Weise lebt, in etwas zum Nutzen

gereiche.

Mit der Drahtbereitung in engster Verbindung steht die Fabrika-
tion der Nadeln
. Der Aufschwung des Nadlergewerbes fällt zusammen
mit der Erfindung der mechanischen Ziehbänke und der Benutzung
der Wasserkraft zum Drahtziehen. 1370 wurden bereits in Nürnberg
zünftige Nadler erwähnt 1), 1406 ebensolche in Augsburg. Nürnberg
und das benachbarte Schwabbach versorgten bis gegen Ende des
16. Jahrhunderts fast die ganze civilisierte Welt mit Nadeln. Die
Nähnadeln wurden aus Stahldraht gefertigt, während die Stecknadeln
noch ausschlieſslich aus Messingdraht hergestellt wurden.


33*
[516]Draht- und Nadelfabrikation.

Die Nähnadeln wurden im Mittelalter, abweichend von dem
heutigen Verfahren, in der Weise hergestellt, daſs man mit der
Schere ein Stück Draht entsprechend der Länge der Nadel abschnitt,
dies an einem Ende zuspitzte, am andern Ende platt schlug. In
dieses abgeplattete Ende wurde in der Mitte vom äuſseren Rande
aus ein Spalt eingeschlagen, den man zur Haltung des Fadens vorn
wieder zusammenschlug. Der Faden wurde in diesen Spalt ein-
geklemmt. Diese Art von Nadeln nannte man Glufen, und die Leute,
die sie anfertigten, Glufner oder Glufenmacher. Solche Glufenmacher
gab es in Augsburg noch im 15. Jahrhundert. Damals aber war es
schon üblich geworden, die Löcher der Nähnadeln in das abgeplattete
Ende zu bohren und sie mit einer kleinen spitzen Feile — der Fitz-
feile — länglich zu feilen. Dieser Art waren jedenfalls auch die
sogenannten „spanischen Nadeln“, welche in Aachen gemacht wurden.
Dorthin hatte um das Jahr 1520 ein spanischer Niederländer, Wolter
Vollmar
, dieses Gewerbe gebracht und die erste Nadelfabrik an-
gelegt, deren Produkt als „spanische Nadeln“ in den Handel gebracht
wurden, bis dies vom Senat der Stadt im Jahre 1631 verboten wurde,
von wo ab diese Nadeln als Aachener Nadeln verkauft wurden. In
England war zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Fabrikation der
Nähnadeln noch etwas ganz Unbekanntes; 1545 soll ein Neger in
London die ersten Nadeln verfertigt haben, aber er hielt seine Kunst
so geheim, daſs sie mit ihm ausstarb. Erst gegen Ende des Jahr-
hunderts lieſs Königin Elisabeth deutsche Nadler nach England
kommen, welche die erste englische Nadelfabrik in Whitechapel an-
legten. Von der weitgehenden Arbeitsteilung, welche später die
Nadelfabrikation so sehr auszeichnete, hatte man damals noch keinen
Begriff. Der Betrieb war ein handwerksmäſsiger. Garzoni sagt:
„Die Nadelmacher bedürfen keiner sonderlichen Beschreibung,
sintemal der Name das ganze Handwerk begreifet, und wird die
Invention desſelben den Phrygibus von den Alten zugemessen.
Die besten Meister sind heutigen Tags die Lanzaneser und Milaneser.
Es sind aber allerhandt Gattungen der Nadeln, wie jedermänniglichen
bewuſst, denn etliche dienen den Schneidern, etliche den Seiden-
stickern, etliche den Näterinnen, so beydes in Leinwand und Seiden
arbeiten: und sind sonderlich bei den Weibern hoch angesehen. Es
werden deren aber wenig gemacht, so ihre gebührliche Härtung
haben, dann es sind die Nadelmacher auch Schälke und fürchten, sie
möchten zu lange wären. Denn wenn die Schneider eine Nadel
so lange sollten brauchen, wie jene Frau, die achtundzwanzig Jahre
[517]Draht- und Nadelfabrikation.
mit einer Nadel genähet, so müſsten die guten Herren ein ander
Handwerk lernen und hätte man noch übrige Nadeln von hundert
Jahren her. Das ärgste aber ist, daſs die Milanesen für Lanzanesen
werden verkaufft und wird man auch sonst insgemein leichtlich be-
trogen, wenn man sie nicht probiert, und kann man mit einem einzigen
Stich gewahr werden, welches gute oder untüchtige Nadeln sind.“


In der Werkstätte des Nadlers sitzen nach Jost Ammons Ab-
bildung, Fig. 186, drei Personen: der Meister, sein Geselle und sein
Junge. Der praktische Hans Sachs schreibt zu dem Bilde:


Ich mach Nadel aus Eysendrat

Schmid die Leng jeder gattung glatt,

Figure 197. Fig. 186.
Darnach ich’s feil, mach öhr und spitzen,

Als dann hert ichs ins Feuwers hitze,

Darnach sind sie feil, zu verkauffen,

Die Krämer holen sie mit Hauffe,

Auch grobe Nadel nem̃en hin,

Die Ballenbinder vnd Beuwrin.

Schopperus besingt das Handwerk mit folgenden Versen:


Acicularus — der Nadler.
Ad mea sartores, fora currite fortiter omnes,

Sutor, et ad nostrum pellio limen ades.

[518]
Draht- und Nadelfabrikation.
Ars quia naturae perfectrix, atque laborum

Vestrorum, nostra semper egebit ope.

Omnibus hîc ferri de fortis acumine robis

Egregia tenues arte paramus acus.

Mille quibus vestes et purpura pingitur omnis,

Cunctaque, solerti stamina ducta manu.

Mille sed indigeant nostris licis artibus urbes,

Semperque egestatis vi tamen ipse premor.

Zu meiner Bude lauft eilig herbei, alle ihr Flickschneider!

Und über unsre Schwelle schreite, Schuster, wenn du deine Felle

zurecht machen willst.

Eure Kunst, der Natur Vollenderin, sowie Eure Arbeit

Werden immer unsres Beistandes bedürfen.

Euch allen bereiten wir hier mit Kunst die

vorzüglich dünnen Nadeln mit starken Stahlspitzen.

Tausenden sind die Gewänder über und über mit Purpur

bestickt mit von geschickter Hand geschlungenen Fäden.

Tausend Städte aber entbehren des Angebotes unsrer Künste

Und werden immer leiden unter dem Drucke des Mangels.

Nicol. Monardo preist in seinem Dialogo del Hierro 1580 die
Tugenden der Nähnadeln folgendermaſsen: „Sehet an, was das ehren-
und tugendreiche Frawenzimmer durch die Nadel täglich verrichtet,
wie manche schöne Arbeit, Gestick und Geflick, sie damit macht, mit
Seide von allerlei Farben, mit Zwirn und Garn, auf Leinen und
seidenen Tüchern, daſs man sich darüber verwundern muſs, denn sie
nähen allerlei Blumenwerk, Früchte, Tiere vielerlei Art, Geflügel,
Fische und andere seltsame Meerwunder so artig und künstlich, daſs
wegen der natürlichen Farben, welche sie jedem Stücke geben, man
nicht anders meint, als es lebte alles .... Für alle diese wunder-
bare Arbeit ist die Nadel das Werkzeug, so ein kleines, subtiles
Stücklein Stahl, welches man zwischen den Fingern halten und ver-
bergen kann.“


„Die Völker der neuen Welt kaufen diese Nadeln gern und geben
viel Gold dafür, obgleich sie dort rasch rostig werden.“


„Eine andere Art von Nadeln ist die der Schiffsleute, durch
welche die ganze neue Welt entdeckt wurde. Sie sind von Stahl
und an der einen Spitze mit Magnetstein gestrichen. Diese seltsame
Nadel soll ein wälscher Schiffsmann zuerst erdacht haben.“


[519]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.

Maschinenwesen.


Maschinen- und Eisenhüttenwesen stehen in engster Wechsel-
beziehung. Die Fortschritte des Maschinenbaues haben die
Eisenindustrie gefördert, die Fortschritte der Eisenindustrie haben
die Fortschritte im Maschinenbau bedingt und ermöglicht.


Schon wiederholt wurde darauf hingewiesen, welche groſse Um-
wälzung die Eisenindustrie durch die Benutzung der Wasserkraft
erfahren hat. Ihre ganze Grundlage wurde verändert, der Hochofen-
betrieb entstand durch sie und mit diesem der Groſsbetrieb im Eisen-
hüttenwesen. Und nicht nur beim Schmelzprozeſs, sondern auch bei
der Verarbeitung des Eisens verdrängte die Wasserkraft vielfach die
Menschenkraft und bewirkte durch die Steigerung der Leistung die
Konzentration einzelner Industriezweige.


Die Fortschritte der Mechanik sind in alter Zeit sehr langsam
gewesen. Nur das zwingende Bedürfnis konnte die Menschen ver-
anlassen, da, wo die Kraft ihrer Hände durchaus nicht mehr aus-
reichte, Maschinen zu erdenken. Diese Bedürfnisse vermehrten sich
aber mit der Zunahme der Bevölkerung, mit dem Wachsen der Er-
kenntnis, mit der Kultur. Eines der ältesten und mächtigsten Kultur-
bedürfnisse war das nach dem Besitz der Metalle, deren Erze aus
dem Schoſs der Erde gegraben und mit Feuer geschmolzen werden
muſsten. Dem Graben der Erze mit den Händen allein waren aber
enge Grenzen gesetzt. Sobald diese erreicht waren, muſste der Berg-
bau Maschinen erfinden, um das zuströmende Wasser zu entfernen,
die Luft zu reinigen, die Erze zu fördern. Wie der Bergbau die
älteste Groſsindustrie war, so wurde er auch die älteste Industrie mit
Maschinenbetrieb. Schon die Phönizier und Karthager hatten in
ihren ausgedehnten Bergwerken in Spanien kunstreiche Maschinen
zum Heben des Wassers. Im Mittelalter blühte der Bergbau in
keinem Lande so wie in Deutschland; hier wurden denn auch die
mechanischen Hilfsmittel für denselben immer mehr vervollkommnet.
Daſs im Rammelsberg bereits zur Zeit Heinrichs des Löwen maschi-
nelle Vorrichtungen in Anwendung waren, erfahren wir aus der Nach-
richt, daſs im Jahre 1180 Hermann von der Gowische alle
„Künste“ zusammenhauen lieſs, wodurch der dortige Bergbau für
lange Zeit vernichtet wurde. Auf welch hoher Stufe der Maschinen-
[520]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
betrieb in den Bergwerken aber zu Anfang des 16. Jahrhunderts
bereits stand, das ersehen wir deutlich aus Agricolas „de re me-
tallica“. Die sachlichen Schilderungen Agricolas und die beigefügten
anschaulichen Zeichnungen geben ein deutliches Bild des damaligen
Bergwerksbetriebes und machen uns staunen über die Mannigfaltig-
keit maschineller Vorrichtungen über die wir sonst so wenige Mit-
teilungen aus jener Zeit haben.


Aber nicht nur die Praxis, sondern auch die Theorie arbeitete
bereits in jener Zeit an der Vervollkommnung der Maschinen.
Leonardo da Vinci, dessen mannigfaltiges, einfluſsreiches Wirken
wir bereits geschildert haben (Bd. I, S. 986), behandelte die Konstruktion
von Maschinen ebensowohl praktisch wie theoretisch und seiner An-
regung ist es zu verdanken, daſs die Mathematik im 16. Jahrhundert
sich mit Vorliebe praktischen Problemen der Mechanik zuwandte und
daſs hochstehende und gelehrte Leute sich mit dem Maschinenwesen
beschäftigten. Dies gründlich zu erörtern, gehört in die Geschichte
der Mechanik und des Maschinenwesens. Uns interessieren diese Fort-
schritte nur, insofern sie in Beziehung zum Eisenhüttenwesen stehen.
Das meiste Hierhergehörige, z. B. von den Blasbälgen, Wasserhämmern,
vom Drahtzug u. s. w., haben wir bereits in früheren Kapiteln vor-
gebracht. Das Wichtigste über die Motoren ist ebenfalls schon kurz
erwähnt worden. Wir können deshalb von dem einfachen Haspel,
vom Tret- und Laufrad, sowie vom Göpel hier absehen und uns dem
Wasserrad zuwenden, welches seit dem Mittelalter bis in das
19. Jahrhundert die wichtigste Kraftmaschine der Eisenindustrie ge-
wesen ist. In Italien, wo man die Wasserräder mit Vorliebe an
Kanäle legte, wendete man mehr die unterschlächtigen Räder an,
bei denen das Wasser auf radial gestellte Schaufeln durch den Stoſs
wirkte. Man gab diesen Rädern breite Schaufeln, machte sie aber
weniger hoch als mittel- und oberschlächtige Räder. In Ramellis
Zeichnung der groſsen Schmiede, Fig. 48, finden wir ein solches unter-
schlächtiges Rad dargestellt.


In Deutschland wendete man dagegen mit Vorliebe ober-
schlächtige
Räder an, namentlich in den Gebirgsgegenden, wo
hohe Gefälle zur Verfügung standen. Agricola hat nur oberschläch-
tige Räder abgebildet. Bei diesen stehen die Schaufeln, welche
weniger breit sind, als die der unterschlächtigen Räder, nicht radial,
sondern schief, so daſs sie mit den beiden Radkränzen und dem
Boden, welcher bei diesen Rädern vorhanden sein muſs, Zellen bilden,
welche von dem überfallenden Wasser gefüllt werden, so daſs dieses
[521]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
nicht nur durch den Stoſs, sondern auch und zwar hauptsächlich
durch sein Gewicht wirkt. Infolgedessen durften diese Räder, denen
man einen möglichst groſsen Durchmesser gab, sich nicht zu rasch
drehen, weil sonst das Wasser durch die Centrifugalkraft heraus-
geschleudert worden wäre. Die Umfangsgeschwindigkeit betrug je
nach der Höhe des Rades 5 bis 10 Fuſs. Solche Zellenräder
waren dem Leonardo da Vinci schon wohl bekannt, ebenso mittel-
schlächtige und Löffelräder (Bd. I, S. 987 und 988). Was die Be-
festigung der Arme anbetrifft, so sind bei Agricola sowohl Stern-
als Sattelräder abgebildet. Bei ersteren sind die Arme, welche den
Radkranz mit der Welle verbinden, durch die durchlochte Welle
hindurchgesteckt, während bei den Sattel- oder Jochrädern vier
Doppelarme, „das Armgeviere“, die Welle, auf welcher sie aufgekeilt
sind, umschlieſsen und so das „Schloſs“ bilden. Letztere Verbin-
dungsart ist am häufigsten dargestellt, nur bei leichten, schwachen
Rädern sehen wir die Arme durch die Welle gehen. Bei dem groſsen,
interessanten Kehrrad Fig. 187 (a. f. S.), einem Doppelrad mit ent-
gegengesetzt beschaufelten und beaufschlagten Kränzen, ist auch
ein doppeltes Armgeviere angebracht, welches noch durch Hilfsarme
verstärkt ist. Dieses von Agricola genau beschriebene groſse Kehr-
rad, das er „machina, omnium quae aquas trahunt, maxima“ nennt,
hatte 10,65 m Durchmesser, die Welle war 595 mm dick und 10,36 m
lang. Daſs auch die kleinen Stoſsräder von 2½ bis 3 m Durchmesser
schon damals in den Alpen und den Pyrenäen in Anwendung waren,
ist mit Sicherheit anzunehmen und daſs Leonardo da Vinci mit
Kreiselrädern (Turbinen) vertraut war, wissen wir aus seinen
Skizzen. Von einer Anwendung derselben in der Eisenindustrie ist
uns dagegen nichts überliefert. Wenn die Kraft nicht unmittelbar
an der Radwelle wirkte, so wurde sie übersetzt durch Krumm-
zapfen, Hebedaumen, Gestänge oder Getriebe. Die Übersetzungen
durch Benutzung der Reibung mittels Ketten, Seilen oder Riemen
war dagegen noch nicht im Gebrauch, wohl aber kannte Leonardo
da Vinci
die Kraftübertragung durch Reibung mittels Kegel-
rädern
1). Die Übersetzungen mittels Kurbel, Kreuz- und Winkel-
hebel waren bei den „Künsten“ in den Bergwerken schon in alter
Zeit in Anwendung. Eine komplizierte Transmission für den gleich-
zeitigen Betrieb von vier Essen durch vier Paare von Blasebälgen von
einem Wasserrade aus hat Biringuccio beschrieben und ist eine
[522]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
ähnliche Anordnung in der erwähnten Zeichnung des Ramelli
(S. 142, Fig. 48) dargestellt.


Die Radgetriebe waren meistens von Holz, sogenannte Trieb-
stockverzahnungen
. In den Triebstock oder die Laterne (Trilling),

Figure 198. Fig. 187.


welche aus zwei höl-
zernen Scheiben, zwi-
schen welchen sich
Stäbe von hartem Holz
befanden, bestand, griff
ein Kammrad ein, des-
sen Kämme bei paral-
leler Übersetzung ra-
dial, bei Winkelüber-
setzung rechtwinklig
am Rande der Scheibe
aufgesetzt waren. Statt
der Zahnstangen hatte
man leiterartige Ge-
stänge, in welche die
Kämme eingriffen.


Von den vielen in
Agricolas „de re me-
tallica“ abgebildeten
Übersetzungen führen
wir hier nur die eine
an, welche als machina
unica (Lib. VIII) be-
zeichnet wird und bei
der durch ein einziges
Wasserrad gleichzeitig
ein Stampfwerk, eine
Mühle und drei Rühr-
werke bewegt werden.


Die Idee der Transmissionsanlagen, welche für den praktischen
Maschinenbau von so hervorragender Wichtigkeit ist, spielte im
16. Jahrhundert bereits eine groſse Rolle. Leonardo da Vinci ist
reich an originellen Ideen, die er nach seiner Art meist nur skizziert
hat 1). Von praktischem Interesse ist die Übersetzung durch den
[523]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
Viertelkreis bei unterbrochener oder hin- und hergehender Bewegung,
denn dieselbe finden wir bei einem der von Biringuccio beschrie-
benen Blasebälge angewendet 1).


Zu Agricolas Zeit wendete man bei den Bergwerksmaschinen
in Deutschland auch bereits eiserne Zahnräder an. In „de re me-
tallica“ ist ein Becherwerk mit doppelter Stirnradübersetzung,

Figure 199. Fig. 188.


Schwungrad und Kurbel für Handbetrieb dargestellt 2) (siehe Fig. 188),
wozu Agricola (Lib. VI) folgende Beschreibung giebt:


„Das viereckige Gehäuse (des Räderwerkes) besteht aus ganz
eisernen Gittern von 740 mm Höhe, 795 mm Breite und 86 mm
Dicke, in welchen drei eiserne Achsen liegen, die sich in Lagern
oder breiten, eisernen, stahlharten Ringen drehen, sowie vier eisernen
Rädern
, wovon zwei aus Triebstöcken bestehen (Getriebe) und
[524]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
ebensoviel gezahnt sind ..... An den Zähnen beider Räder sind
Schraubengewinde, deren Gänge in die Gewindegänge der Räder ein-
geschraubt werden, so daſs an Stelle von zerbrochenen andere ge-
schraubt werden können. Sowohl die Zähne als auch die Trieb-
stöcke sind von angelassenem Stahl.“


Hier haben wir also bereits ein eisernes Maschinengestell mit
eisernen, vielleicht sogar guſseisernen Zahnrädern, mit einge-
schraubten Stahlzähnen. Dazu kommen noch Antifriktionsrollen von
Stahl und ein hölzernes Schwungrad (rotula lignea, ut propensior ad
motum fiat).


War sonst für solche Zwecke das Holz in allgemeinerer An-
wendung, so finden wir doch schon eiserne Zahnräder in jener und

Figure 200. Fig. 189.


in noch früherer Zeit in Anwendung bei groſsen
Uhrwerken, Winden und Armbrusten. Fig. 189
zeigt das metallene Triebwerk mit dreifacher
Übersetzung zum Spannen einer Armbrust aus
jener Zeit.


Wenden wir uns nun zu den Arbeits-
maschinen
. Auch bei diesen zeigt sich eine
fortschreitende Entwickelung gegen Ende des
Mittelalters und mehr noch im 16. Jahrhundert.


Als Hebezeug dienten neben dem ein-
fachen Haspel bereits Haspel mit Vorgelege
und Hebekrahnen „Kraniche“. Die für die Eisenindustrie, ins-
besondere für die Eisengieſserei später so wichtigen Drehkrahnen
waren in den Schmelzhütten in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts bereits in mannigfacher Anwendung und finden sich bei
Agricola häufig dargestellt. Zum Heben der Metallplanschen diente
der in Fig. 190 gezeichnete einfache Hebekrahnen. Weit stärker
waren die Krahnen, welche zum Abheben der Hüte der groſsen
Bleitreibeherde dienten. Dieselben hatten doppelte Übersetzungen,
welche aber, wie auch in der Fig. 190, von dem Zeichner aus Un-
kenntnis unrichtig und im Widerspruch mit Agricolas genauen
Maſsangaben so dargestellt sind, als ob Trieb- und Übersetzungsräder
nahezu gleichen Durchmesser hätten 1). Zum Heben des Wassers
dienten in den deutschen Bergwerken auſser den Schöpf-„Bulgen“ und
Paternosterwerken auch Pumpen, doch waren die Siefel derselben,
[525]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
wie auch die Leitungsröhren noch durchgehends von Holz, konnten
deshalb wenig Widerstand leisten und infolgedessen auch nur geringe
Wirkung ausüben.


Von den Blasebälgen haben wir bereits früher ausführlich ge-
sprochen. Indem wir darauf verweisen, wollen wir hier nur hinzu-
fügen, daſs man neben den Spitzbälgen auch bereits „Rad- oder
Windflügelgebläse („flabella“), die wir heutzutage „Ventilatoren

Figure 201. Fig. 190.


nennen, in den deutschen Bergwerken als Wettermaschinen an-
wendete. Wenn sie auch beim Schmelzprozeſs noch nicht gebräuch-
lich waren, so verdienen doch diese ersten Windradgebläse unsere
Beachtung. Die einfacheren hatten in dem cylindrischen Mantel
Holzflügel und wurden mit der Hand bewegt. Die Umdrehungen
wurden durch Schwungkugeln reguliert und verstärkt. Agricola
beschreibt diese Wettermaschine folgendermaſsen: Die Fächer (Wind-
flügel, flabella) werden entweder in eine Handkurbelwelle oder in
eine Radwelle eingezapft. In ersterem Falle ist der Haspel entweder
in einer hohlen Trommel, welche aus zwei runden Scheiben und
mehreren aneinander gefügten Dauben besteht, oder in einem vier-
eckigen Gehäuse eingeschlossen. Die unbewegliche Trommel, welche
[526]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
an den Seiten geschlossen ist, hat daselbst zwei runde Löcher von
solcher Gröſse und Zahl, daſs der Haspel sich darin drehen kann, und
auſserdem hat sie zwei viereckige Luftlöcher, von denen das oberste
die Luft aufnimmt, das unterste sie herausläſst, wodurch sie in den
Schacht geführt wird. Die Enden des Haspels aber, welche auf beiden
Seiten aus der Trommel ragen, werden von Pfosten- oder Balken-
lagern, die mit Eisen beschlagen sind, unterstützt. Das eine der-
selben ist mit einer Kurbel versehen, in dem andern sind vier Stäbe

Figure 202. Fig. 191.


befestigt, welche dicke, schwere Köpfe (Schwungkugeln) haben, damit
durch ihr Gewicht der Haspel, wenn man ihn umdreht, zur Bewegung
geneigter gemacht wird. Wenn daher der Arbeiter den Haspel mit
der Kurbel umdreht, so treiben die Flügel .... die Luft, welche sie
durch das eine Luftloch schöpfen, durch das andere, an welches sich
der lange Kanal anschlieſst, durch den sie in die Grube dringt,
heraus. — Die dieser Beschreibung beigefügte Abbildung giebt zwar
ein richtiges Bild von der ganzen Anordnung, die Saug- und Aus-
strömungsöffnungen sind aber nicht deutlich angegeben. Desgleichen
[527]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
in einer andern Abbildung (Fig. 191), in der ein stärkerer Ventilator
mit Wasserradbetrieb und Zahnradübersetzung dargestellt ist.


Von den Ventilatorflügeln schreibt Agricola: „Es giebt von
diesen Flügeln, welche in Zapfenlöchern eines Haspels oder einer
Welle (Fig. 192 a) befestigt werden, drei Arten. Die erste besteht aus
dünnen Brettchen, so lang und breit, wie es die Länge und Breite der
Trommel oder des Gehäuses erfordert (Fig. 192 b). Die zweite besteht
aus ebenso breiten, aber weniger hohen Brettchen, an welche lange,
dünne Späne aus Pappelholz oder einem andern Baume befestigt

Figure 203. Fig. 192.


sind (Fig. 192 c). Die dritte besteht
aus Brettchen, wie die vorigen,
an welchen doppelte oder dreifache
Gänseflügel befestigt sind. Diese Art
ist weniger im Gebrauche als die
zweite und diese wieder weniger als
die erste.“


Wenden wir uns zu den Arbeits-
maschinen
, so haben wir von den-
jenigen zur Formgebung die Wasser-
hämmer, sowohl Aufwerf- als Schwanz-
hämmer, bereits beschrieben; ebenso
die Drahtzüge. Die ersten Anfänge
der Walzkunst fallen bereits in das
15. Jahrhundert. Leonardo da
Vinci
hatte schon die Idee des
Walzwerkes entwickelt (siehe Bd. I,
S. 995). Zur praktischen Ausführung gelangte dieselbe aber erst
im 16. Jahrhundert, und zwar zuerst als Eisenwalz- und Schneid-
werk in Nürnberg und um die Mitte des Jahrhunderts beim Münz-
wesen zum Ausrecken der gegossenen Metallzaine. Für ersteres
haben wir ein wichtiges, klassisches Zeugnis, welches merkwürdiger-
weise bis jetzt nur wenig beachtet worden ist. Es ist das bereits
oben bei der Drahtfabrikation erwähnte des Eoban Hesse. Er
sagt in seiner Schilderung der Eisenmühle zu Nürnberg, daſs durch
das Gewicht der sich drehenden Räder das Eisen mit Kraft
gestreckt werde
, daſs das Rad und die Welle die schweren
Cylinder treibt
und die Werkzeuge, mit denen die Blätter des
schwarzen Eisens zerschnitten werden
, um es zu mannig-
fachem Gebrauch dünn zu machen. Es ist hier unzweifelhaft eine
„Eisenspalterei“ mit Streck- und Schneidwerk beschrieben, welche
[528]Das Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
nach Hesses Zeugnis demnach ebenfalls vor 1532 in Nürnberg er-
funden worden ist.


Daſs es eine deutsche Erfindung war, erfahren wir auch aus
einer englischen Überlieferung, wonach im Jahre 1565 ein Deutscher,
Namens Schütz, der sich mit dem Oberwardein W. Humfrey ver-
bunden hatte, um die königlichen Bergwerke zu übernehmen, die
erste Eisenschneidmühle in England eingeführt hat. — Eine andere
Nachricht besagt, daſs man zum Zerschneiden von Eisen zuerst auf
dem Kirkstall-Eisenwerk bei Bradford Walzen angewendet habe und
zwar schon 1594.


Bei dem Münzwesen geschah das Strecken der Zaine früher mit
dem Handhammer. Bei diesem Verfahren war es aber nicht möglich,
eine immer gleichförmige Dicke und Breite der Flachschiene, worauf
es, um gleichwichtige Münzen zu erhalten, sehr ankam, zu erzielen.
Dies sollte durch das Walzwerk erreicht werden. Man schreibt die
Erfindung und praktische Ausführung desſelben dem Franzosen
Brulier zu.


Wenn man früher diese Erfindung zuweilen eine italienische ge-
nannt hat 1), so läſst sich dies wohl nur auf die Angaben und Skizzen
Leonardos zurückführen; mit mehr Recht dürfte sie als eine deutsche
anzusprechen sein 2), wenigstens befanden sich 1575 in Hall in Tirol
Streck- und Taschenwerke bei der dortigen bedeutenden Münze in
Betrieb, während die Streckwerke in Italien um diese Zeit noch nicht
bekannt gewesen zu sein scheinen, da sie Garzoni in der Ausgabe
von 1579 bei der Beschreibung der Münzkunst nicht erwähnt. Die
erste Errichtung eines Walzwerkes in Frankreich fällt in die Re-
gierungszeit König Heinrichs II. Beckmann schreibt darüber: „Dies
Streckwerk (laminoir) ist von einem französischen Stempelschneider
Antoine Brulier, andere schreiben Brucher, erfunden worden, wie
viele behaupten, als welcher nur der erste Aufseher des ersten Streck-
werkes gewesen ist.“ Dennoch ist es unbestimmt, ob der Stempel-
schneider Brulier oder der Tischler Olivier der Erfinder des
Walzwerkes gewesen ist 3). So viel ist festgestellt, daſs 1552 unter
Oliviers Leitung das Walzwerk zuerst in Gebrauch gekommen ist.
Die unvollkommene Einrichtung dieser Maschine verteuerte die Arbeit
aber so sehr, daſs im Jahre 1585 Heinrich III. diese Art zu strecken bei
[529]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
den königlichen Münzen verbot und sie nur noch für Denkmünzen
und Rechenpfennige gestattete. Erst nachdem Warin in dem Jahre
1639/40 das Walzwerk verbessert hatte und infolge davon die Auf-
sicht über sämtliche Münzstätten Frankreichs erhielt, wurde das Aus-
walzen der Zaine wieder eingeführt, sogar jede Streckung mit dem
Hammer untersagt 1). Die Konstruktion des ersten Walzwerkes von
Brulier hat sich aber in seinen Hauptbestandteilen bei den Münz-
streckwerken erhalten. Dieselben waren anfänglich sehr schwach
gebaut, auf einer Bank aufgeschraubt und wurden mittels Kurbeln
durch Arbeiter betrieben. An der Welle saſs ein Zahnrad, welches
ein Triebwerk in Bewegung setzte, durch welches zwei stählerne
Walzen, deren Abstand voneinander mit dem Schraubenschlüssel
nach Bedürfnis verändert werden konnte, in Umdrehung versetzt
wurden. Zwischen diesen wurden die Zaine durch einen vor den
Walzen angeschraubten Durchlaſs durchgezogen.


In Hall in Tirol befand sich 1575 in der dortigen Münze nicht nur
ein Streckwerk, sondern auch bereits ein Taschenwerk, auf welchem
gleich das Gepräge der Münze mittels geschnittener Walzen her-
gestellt wurde. Pighius hat dieselben auf einer Reise in genanntem
Jahre daselbst gesehen und in seinem Hercules Procidius, Antwerpen
1587 genau beschrieben. Bei Beckmann (Technologie, S. 232) findet
sich der lateinische Originaltext ganz abgedruckt. Der Inhalt ist
folgender: „Wasserräder treiben eine eiserne Maschine, einem Uhr-
werk nicht unähnlich, mit groſser Gewalt um. Sie besteht aus Zahn-
rädern, die ineinander greifen und die in ihrer Mitte zwei Stahl-
walzen von gröſster Härte herumdrehen. Diese bewegen sich wie die
Zahnräder gegeneinander. In diese sind von Künstlerhand die Münz-
bilder eingegraben und zwar so, daſs die Vorder- und Rückseite genan
aufeinander stimmen. Man hat nichts zu thun als die präparierten
Zaine einzuschieben. Die Walzen fassen sie, verschlingen sie und
speien sie auf der andern Seite wieder aus. — Dieses Walzwerk des
Erzherzogs von Österreich kam später nach Spanien, wo es noch
jetzt (1587) mit Wasser getrieben wird.“ Ein ähnliches befand sich
1581 in der päpstlichen Münze zu Rom und ein ebensolches 1599
in Florenz.


Dieses sind die Anfänge der Walzwerksindustrie, welche aller-
dings erst viel später für die Eisenfabrikation eine so auſserordent-
liche Bedeutung erlangt hat.


Beck, Geschichte des Eisens. 34
[530]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.

Auſser den bereits beschriebenen Hämmern mit den um einen
Fixpunkt sich drehenden Helmen kannte man auch bereits Fall-
hämmer. Einen solchen Fallhammer zum Zerkleinern des Schwarz-
kupfers hat Agricola beschrieben und ist derselbe in Fig. 193 dar-
gestellt. Er erinnert etwas an eine Pflasterramme, noch mehr aber
an einen Pochstempel. Der hölzerne Schaft war viereckig, 3,25 m
lang, 222 mm breit und dick; der Kopf des 370 mm langen Eisens
war an der Bahn 148 mm lang und breit, oben 111 mm, unten 37 mm
dick, und war mit dem Holz in derselben Weise verbunden, wie bei
den Pochstempeln. Wie diese erhielt er seinen Hub durch in der
Welle eingelassene Hebedaumen. Gab man dem Eisen an der Sohle
eine breite Bahn, so hatte man den Pochstempel und sind die Poch-
werke auf diese Weise möglicherweise entstanden. Man pochte an-
fänglich nur mit einem Stempel und zwar trocken und auf offener
Sohle. Mit dem Pochstempel zerkleinerte man die Erzstücke, um sie
dann im Schmelzofen aufzugeben. Trockenpochwerke kannte man
in Deutschland schon im 15. Jahrhundert. Im Anfange des 16. Jahr-
hunderts wurden dann in Sachsen die Naſspochwerke erfunden.


Im Altertum hatte man die Erze in Mörsern zerstoſsen und dann
auf Handmühlen gemahlen — eine mühselige und zeitraubende Arbeit;
doch bediente man sich derselben auch in Deutschland noch im
15. Jahrhundert und in Frankreich kannte man bis 1579 keine andere
Art der Erzzerkleinerung. In Deutschland kamen dann wahrschein-
lich im 15. Jahrhundert die Trockenpochwerke auf, bei denen an-
fänglich ein, später mehrere Stempel mit schwerem Pocheisen das
Erz in dem Pochtrog, dessen Boden mit einer starken Eisenplatte
bedeckt war, zerstampfte. Ein Wasserrad setzte die Pochstempel mit
Hilfe von in der Welle befestigten Hebedaumen in Bewegung. Die von
Agricola (Lib. VIII) abgebildeten Trockenpochwerke haben drei oder
vier Pochstempel (vergl. Fig. 5, Seite 88). Das gepochte Erz wurde
durch einen Durchwurf, dessen Boden aus einem Drahtgeflecht be-
stand, geworfen, das Feine alsdann in Setzsieben verwaschen, das
Grobe wieder unter den Pochstempel gebracht. Die eisernen Poch-
stempel, deren Gestalt und Befestigung aus Fig. 5 und 6 zu ersehen
ist, wurden schon sehr früh aus Guſseisen hergestellt. Die Erfindung
der Naſspochwerke, bei welchen das Erz in einem geschlossenen Trog,
dessen eine Seite ein Drahtgitter enthielt, unter Zufluſs von Wasser
zerstampft wurde, wobei das Feine mit dem Wasser durch das Sieb
weggeführt wurde, war ein groſser Fortschritt der Erzaufbereitung
und für den Bergbau von höchster Bedeutung.


[531]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.

Sigismund von Maltitz soll die ersten Naſspochwerke zu
Dippoldiswalde und Altenberg gebaut haben und zwar zunächst für
die Aufbereitung der Zinnerze; 1505 und 1507 werden als die Jahres-
zahlen der Erfindung angegeben 1). Näheres ist nicht bekannt,
namentlich nicht über den Anteil, den Maltitz an der technischen
Ausführung der Idee selbst hatte. Daſs ihm aber das Verdienst ge-
bührt, dieselbe zuerst in die Praxis eingeführt zu haben, bestätigt
auch Agricola. Er schreibt (Lib. VIII) 2), im Jahre 1507 3) habe
Herzog Georg von Sachsen in Meiſsen alle Halden dem „edlen und
fürsichtigen Mann“ Sigmund Maltitz, welcher der Vater von
Johann, dem Bischof von Meiſsen, und von Heinrich gewesen ist,

Figure 204. Fig. 193.


geschenkt. Dieser hat zu Dippoldiswalde und zu Altenberg, an
welchen Orten die schwarzen Graupen, aus welchen man das Zinn
34*
[532]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
bereitet, gegraben werden, alle Trockenpochwerke, die weiten Siebe
und die Mühlen weggeworfen und eine Maschine, um die Erze naſs
zu pochen, erfunden. Naſserz aber nennen wir das, welches mit
Wasser so angefeuchtet ist, daſs es in den Pochtrog flieſst: weshalb
wir es auch zuweilen Naſspochwerk nennen, da es im Wasser geht,
im Gegensatz zu dem Trockenpochwerk und dem Trockenerz, wobei
ohne Wasser gepocht wird.


Diese Naſspochwerke fanden rasche Verbreitung und wurden
bald auch für andere Erze angewendet. Etwa 10 Jahre nach der
Erfindung derselben legte Paul Grommestetter aus Schwatz die
ersten Naſspochwerke zu Schneeberg und zu Joachimsthal an. 1521
wurde das neue gröſsere Pochwerk zu Joachimsthal mit verbessertem
Waschherd, wodurch die Trübe fortgeschwemmt, der Schliech aber
zurückbehalten wurde, erbaut 1).


Zu Schlackenwalde errichtete Hans Pörtner im Jahre 1525
das nasse Pochwerk, während auf dem Harze im Jahre 1524 das
erste Trockenpochwerk und zwar mit nur einem Stempel von Peter
Philipp
erbaut worden ist. Bald darauf aber führten Simon Krug
und Nickel Klerer auch die Naſspochwerke daselbst ein 2). Die von
Agricola beschriebenen Naſspochwerke sind zum Teil schon ganz
bedeutende Anlagen. Er erwähnt, daſs die Stempelköpfe um die Hälfte
schwerer seien als die der Trockenpochwerke. Die eiserne Sohle
des Pochtroges war 888 mm lang, 222 mm breit und 74 mm dick.
Das Sieb an der einen Seite des Troges bestand aus einer starken,
gelochten Eisenplatte. Er beschreibt ferner eine damals gebräuch-
liche Einrichtung, wobei vier Pochwerke auf einer Horizontalebene
hintereinander standen. Die beiden hinteren hatten sehr hohe und
daher schwere Stempel mit tief sitzenden Heblingen. Jedes Poch-
werk wurde durch ein eigenes Wasserrad getrieben und das von den
oberen Rädern abflieſsende Wasser fiel auf die unteren Räder. Wo
die Terrainverhältnisse eine solche Anlage nicht gestatteten, wurden
zwei Paare gewöhnlicher Pochwerke auf zwei in verschiedenen Höhen
gelegenen Ebenen aufgestellt, das Wasser von den oberen den unteren
zugeführt und alles unter ein gemeinschaftliches Dach gebracht.
Hier war jedoch die Bedienung weniger leicht und daher kostspieliger,
[533]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
als bei den vorher beschriebenen Anlagen. — Agricola schreibt
ferner: In den julischen und rhätischen Alpen und in den Kar-
pathen werden jetzt Gold- und Silbererze mit Stempeln, von denen
manchmal mehr als zwanzig in einer Reihe stehen, in langen Trögen
naſs gepocht, welche zwei Platten voll von Löchern haben, durch
welche das zerkleinerte Erz gleichzeitig mit dem Wasser in einen
darunter liegenden Querkanal flieſst …


Selbstredend wurden so groſse Maschinenanlagen durch Wasser-
kraft bewegt. Die Wasserkraft war aber nicht überall zu haben

Figure 205. Fig. 194.


und kamen namentlich
die groſsen gewerbreichen
Städte, deren Industrie
ausschlieſslich auf dem
Handbetrieb beruht hatte,
wenn sie keine Wasser-
kraft besaſsen, in Nachteil.
Die Mechaniker sannen auf
Mittel, demselben durch
maschinelle Einrichtungen
zu begegnen. Die wich-
tigste Maschine als Ersatz
der Wasserräder wurden
die Pferdegöpel (Fig. 37,
38, 39), welche ebenfalls
erst zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts erwähnt werden.
Der erste Göpel zu St.
Andreas bei Joachimsthal
wurde 1517 aufgestellt.
Einen eigenartigen Ersatz
suchte man in der Bewegung
groſser schwerer Pendel, die als Kraftsammler dienten und bei denen
das Trägheitsmoment zum Kraftregulator wurde. Fig. 194 stellt ein
Blasewerk mit Pendelbetrieb nach Besson dar.


Auch den Wasserdampf suchte man bereits im 16. Jahrhundert
als Arbeitskraft zu verwerten und nicht ohne Erfolg, wie es scheint.
Leider fehlen uns über diese ersten Dampfmaschinen, die freilich von
den heutigen Dampfmaschinen sehr abweichend waren, jede Beschrei-
bung, so daſs nur die Thatsache der Benutzung des Dampfes zu ge-
wissen Arbeiten konstatiert werden [kann]. Über Leonardo da
[534]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
Vincis Dampfkanone haben wir bereits früher (Bd. I, S. 989) be-
richtet; auch hatte derselbe bereits eine dunkle Idee von der Be-
wegung eines Schiffes mittels Dampf skizziert. Diese Idee ging nicht
verloren und wurde von einem spanischen Schiffskapitän Blasco de
Garay
im Jahre 1545 praktisch ausgeführt. Blasco de Garay
wollte ein Schiff mittels Dampfkraft bewegen, welches zum Trans-
port von Truppen über See dienen sollte. Er baute ein solches
Fahrzeug von 200 Tonnen Last und machte damit eine Probefahrt
vor dem kaiserlichen Hofe zu Barcelona, welche insofern erfolgreich
ausfiel, als das Schiff ohne Segel einen Weg von etwa einer deutschen
Meile zurücklegte, dagegen lieſs die Lenkbarkeit des Fahrzeuges soviel
zu wünschen übrig, daſs die Versuche nicht weiter fortgesetzt wurden.
M. F. de Navarette hat in der „Correspondence astronomique et
geographique“ des Baron Zach (T. XIV, Nr. 1, p. 30) im Jahre 1826
dieses vergessene Ereignis wieder zur öffentlichen Kenntnis gebracht.
Er selbst verdanke die Mitteilung M. Thomas Gonzales, dem Di-
rektor des königlichen Archives zu Simanca; dieselbe lautet 1):


Blasco de Garay, Kapitän zur See,
erbot sich im Jahre 1543 dem Kaiser
und König Karl V. eine Maschine zur
Bewegung von Seefahrzeugen und groſsen
Transportschiffen selbst bei Windstille
ohne Ruder und Segel herzustellen. Trotz
der Hindernisse und Widersprüche, die
diesem Projekt begegneten, befahl den-
noch der Kaiser, daſs ein Versuch da-
mit in dem Hafen von Barcelona ge-
macht werde, welcher dann auch wirk-
lich am 17. Juni des genannten Jahres
1543 zur Ausführung kam.
Blasco de Garay, capitaine de
mer, proposa, l’an 1543, à l’empereur
et roi Charles Quint, une machine pour
faire aller les bâtiments et les grandes
embarcations, même en temps de calme
sans rames et sans voiles. Malgré les
obstacles et les contraritétés, que ce
project essuya, l’empereur ordonna que
l’on en fit l’expérience dans le port de
Barcelona, ce que effectivement eut
lieu le jour 17. du mois de juin de la
dite année 1543.
Garay wollte seine Entdeckung
nicht bekannt werden lassen. Indessen
sah man doch bei der Probe, daſs
sie aus einem groſsen Kessel
mit siedendem Wasser und in
Triebrädern, welche an den bei-
den Enden des Schiffes befestigt
waren
, bestand.
Garay ne voulut pas faire con-
naître entièrement sa découverte. Cepen-
dant on vit au moment de l’épreuve,
qu’elle consistait dans une grande chau-
dière d’eau bouillante et dans des roues de
mouvement attachées à l’un et à l’autre
bout du bâtiment.
Man machte den Versuch auf einem
Schiff von 200 Tonnen, genannt die
„Dreifaltigkeit“, unter Kapitän Peter
von Scarza, welches von Colibre mit
Getreide zu löschen nach Barcelona ge-
kommen war.
On fit l’experience, sur un navire
de deux cents tonneaux, appellé la
„Trincté“, arrivé de Colibre pour dé-
charger du blé à Barcelone, capitaine
Pierre de Scarza.
Auf Befehl Karls V. waren bei dieser
Probe anwesend Don Henriquez de To-
Par ordre de Charles-Quint assi-
stèrent à cette éxperience Don Henri de
ledo, der Gouverneur Don Pedro de
Cordona, der Schatzmeister Ravago,
der Vicekanzler und der Intendant von
Katalonien. In den Berichten, welche
man dem Kaiser und dem Prinzen er-
stattete, billigten alle diese geistreiche
Erfindung im allgemeinen, und ins-
besondere wegen der Raschheit und
Leichtigkeit, mit denen man das Schiff
wenden konnte.
Tolêde, le gouverneur Don Pierre de
Cordona, le trèsorier Ravago, le vice-
chancelier et l’intendant de la Cata-
logne. Dans les rapports que l’on fit à
l’empereur et au prince, tous approu-
vèrent generalement cette ingénieuse
invention, particulièrement à cause de
la promptitude et de la facilité avec
laquelle on faisait virer de bord la navire.
Der Schatzmeister Ravago, ein Feind
des Projektes, sagt aus, daſs es zwei
Meilen (lieux) in drei Stunden ginge;
daſs die Maschine zu kompliziert und
zu teuer sei und daſs man der Gefahr
ausgesetzt sein würde, daſs der Kessel
zerplatze. Die andern Kommissäre ver-
sicherten, daſs das Schiff sich mit der-
selben Geschwindigkeit wenden lieſse,
wie eine Galeere, welche nach der ge-
wöhnlichen Methode manövrierte und
mindestens eine Meile in der Stunde
zurücklegte.
Le trésorier Ravago, ennemi du
projet, dit qu’il irait deux lieux en
trois heures; que la machine était trop
compliquée et trop couteuse, et que
l’on serait exposé au péril que la chau-
dière eclatât. Les autres commissaires
assurèrent que le navire virait de bord
avec autant de vitesse qu’une galère
maneuvrée suivant la méthode ordinaire
et faisait une lieue par heure pour le
moins.
Als der Versuch gemacht wurde,
holte Garay selbst die ganze Maschine,
mit der er das Schiff ausgerüstet hatte,
weg und hinterlegte im Arsenal von
Barcelona nichts als die Hölzer, wäh-
rend er alles Übrige für sich verwahrte.
Lorsque l’essai fut fait, Garay em-
porta toute la machine dont il avait
armé la navire; il ne déposa que les
bois dans les arsenaux de Barcelone et
garda tout le reste pour lui.
Trotz dem Widerstande und den Ein-
wendungen Ravagos wurde die Erfin-
dung Garays anerkannt und wenn der
Krieg, in welchen Karl V. damals ver-
wickelt war, kein Hindernis in den
Weg gelegt hätte, so würde sie ohne
Zweifel weiter gefördert worden sein.
Bei alledem verlieh der Kaiser dem Er-
finder eine höhere Stelle, machte ihm
ein Geschenk von 200000 Maravedis,
befahl, ihm aus dem Staatsschatz alle
Kosten und Auslagen zu bezahlen und
wendete ihm überdies noch andere
Gunstbezeugungen zu.“
Malgré les oppositions et les contra-
dictions faites par Ravago, l’invention
de Garay fut approuvée et si l’expedi-
tion dans laquelle Charles-Quint était
alors engagé n’y eu mis un obstacle, il
l’aurait sans doute favorisée. Avec tout
cela, l’empereur avança l’auteur d’un
grade, lui fit un cadeau de 200000
maravédis, ordonna à la trésorie de lui
payer tous les frais et dépenses, et lui
accorda en outre plusieurs autres graces.“
Dies Alles ergiebt sich aus den Ur-
kunden und Originalaufzeichnungen,
welche im königlichen Archiv auf-
bewahrt sind, unter den Archivalien
über den Zustand des Handels von Kata-
lonien und denen des Sekretariats des
Krieges zu Wasser und zu Lande, des
genannten Jahres 1543.
Cela resulte des documents et des
registres originaux que l’on garde dans
les archives royales de Simancas, parmi
les papiers de l’etat du commerce de
Catologne et ceux du secrétariat de
guerre, de terre et de mer, du dit an
1543.

Diese Mitteilungen des Navarette und des Gonzales sind von
höchstem Interesse und es ist sehr zu beklagen und erscheint auf-
[536]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
fallend, daſs die betreffenden Urkunden noch nicht ihrem ganzen
Umfange nach veröffentlicht worden sind. Über die Konstruktion der
Maschine, die der Erfinder mit Ängstlichkeit geheim hielt, würden
sie zwar auch keinen Aufschluſs geben. In dieser Beziehung müssen
wir uns mit dem Mitgeteilten begnügen, aus dem hervorgeht, daſs
Bewegung und Steuerung des Schiffes durch mit Hilfe von Dampf
in Bewegung gesetzte Räder geschah. Die Bedeutung der Erfindung
Blasco de Garays ist von F. Arago möglichst herabgewürdigt
worden, um Papin, d. h. Frankreich den Ruhm der ersten Erfindung
der Dampfmaschine zu vindizieren; die sachlichen Einwendungen
Aragos sind aber ziemlich unwesentlich. Es ist kein Grund, daran
zu zweifeln, daſs Blasco de Garay den Dampf in irgend einer Weise
als Motor anwendete. Daſs seine Maschine noch nicht mit der Dampf-
maschine Watts verglichen werden kann, ist klar, aber darauf kommt
es auch gar nicht an, sondern nur auf die Thatsache der praktischen
Verwendung des Wasserdampfes als Kraftquelle.


Blasco de Garays diesbezügliche Erfindung steht aber nicht
einmal allein. Auch bei dem Bergbau im Erzgebirge wurde Wasser-
dampf benutzt zur Wasserhaltung und Förderung. Dies erfahren wir
aus des Mathesius Sarepta (1562), dort heiſst es: „Lasset durch
Wasser, Wind und Feuer — Wasser und Berg aus den Tiefsten mit
schönen Künsten heben und treiben, damit die Unkost geringert und
die verborgenen Schätze um so ehr können ersunken und offenbar
werden.“ —


„Ihr Bergleut sollt auch in euren Bergreyen (reigen) rühmen
den guten Mann, der jetzt Berg und Wasser mit dem Wind auf der
Platten anrichtet zu heben, wie man jetzt auch doch am Tag
Wasser mit Feuer heben soll.“


Auch hier sind wir einzig auf diese kurzen Bemerkungen an-
gewiesen und wir wissen nicht, ob das Heben von Wasser mit Feuer
mittels Dampf oder mittels heiſser Luft geschah.


Schon im Altertum kannte man ein Dampfgebläse (Bd. I, S. 582), die
Äolopile. Die derselben zu Grunde liegende Idee wurde im 16. Jahr-
hundert ebenfalls wiederholt auszuführen gesucht, ohne aber einer prak-
tischen Lösung näher geführt zu werden. — Dagegen wurde dieselbe zu
mancherlei Spielereien, wie schon im Altertum, verwendet, von denen
eine der ältesten und berühmtesten der „Püster“ von Sondershausen ist.
Man hat demselben ein auſserordentlich hohes Alter zugeschrieben, ob-
gleich er schwerlich einer älteren Periode als dem Ausgang des Mittel-
alters angehört. Er wurde für ein heidnisches Götzenbild der alten
[537]Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
Sachsen erklärt. In diesem Sinne beschrieb ihn G. Hoche in seiner
„vollständigen Geschichte der Grafschaft Hohenstein“. In dem Kapitel
von der Kultur des Landes und den Religionszuständen in der
heidnisch-sächsischen Zeit beschreibt er das Bild eines „Büsterich“
oder Püster 1), welcher besonders von den Bewohnern der goldenen
Au verehrt wurde. „Der Püster ist ein Bild von Erz gegossen, in-
wendig hohl, faſst ohngefähr einen Eimer Wasser und hält im Ge-
wicht 73 Pfund. Die Höhe ist eine Elle, der Umfang beträgt 5/4 Ellen.
Das rechte Knie ist gebogen, womit er aufkniet; an beiden Füſsen
fehlen die Fuſssohlen, die nicht daran gegossen sind. Die rechte
Hand liegt auf dem Kopfe, die linke ruht auf dem linken Knie.
Mitten auf dem Kopfe hat er ein kleines Loch und eben ein solches
statt des Mundes, beide so klein, daſs man keinen Finger hinein-
stecken kann. Unten ist ein Eisen angegossen und darin ein vier-
eckiges Loch, so daſs man vermittelst eines Riegels das Bild fort-
tragen kann. Dieser Pusterich wurde von einem Herrn von Telgerode
in Rothenburg, einem alten, verwüsteten Bergschlosse im Amte Kelbra
unter einem Steinhaufen in einer alten Kapelle gefunden. Er kam
hernach an einen Herrn von Reiffenstein, von welchem ihn Graf
Günther von Schwarzburg im Jahre 1546 erhielt
. Jetzt ist
er in Sondershausen zu sehen. Die Metallmischung ist nicht fest-
gestellt. Landgraf Moritz von Hessen lieſs die linke Hand ab-
lösen, um sie zu untersuchen, aber es ist nichts darüber bekannt
geworden. Wenn man diesen Püster mit Wasser füllte und die
beiden Löcher zustopfte, ihn dann auf Kohlenfeuer setzte: so fing er
an zu schwitzen, daſs ein Tropfen den andern forttrieb; wenn er
gänzlich erhitzt war: so stieſs er beide Pflöcke aus dem Maul und
Kopfe und sie fuhren dahin mit einem Knall und Krachen als
donnerte es. — Das Wasser spritzte heraus wie Feuerflammen und
verbreitete einen üblen Geruch. Fiel es auf Stein und Erde, so be-
fleckte es diese, gleich als wäre es Schwefel oder Kreide, traf es aber
Holz oder eine andere brennbare Materie, so zündete es sie leicht
an. Dies soll noch unter Graf Anton Heinrichs Regierung in Sonders-
hausen geschehen sein.“


Hoche kommt nun bei seiner Erörterung über den Zweck des
Püsters zu dem Schluſs, daſs es wohl kein Verteidigungswerkzeug (!),
sondern ein Schreckbild der heidnischen Priester gewesen sei.


[538]Chemie.

Eine ganz ähnliche Vorrichtung beschreibt Dr. Plott in seiner
Geschichte von Staffordshire (1674). In der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts machte Jack of Hilton ein kleines hohles Bild-
werk von Erz, um jeden Neujahrstag damit das Feuer anzublasen,
während der Lord von Essington eine Gans dreimal um dasſelbe
trieb, ehe sie gebraten und von dem Lord von Hilton oder seinem
Stellvertreter verzehrt wurde. Plott ist der Ansicht, daſs sowohl
die Vorrichtung wie der Gebrauch noch aus der Zeit der Sachsen
stamme.


Uns scheint das Ganze eine Spielerei gewesen zu sein, die eine
gewisse Verwandtschaft mit der Dampfkanone Leonardos hatte.
Dennoch haben wir auch dieses Spielwerk hier nicht übergangen, weil
es zu den Vorläufern der wichtigsten aller Kraftmaschinen gehört.


Chemie.


Waren die Fortschritte der Mechanik, namentlich durch die
bessere und mannigfachere Ausnutzung der Wasserkraft, von groſser
Bedeutung für die Entwickelung der Eisenindustrie im 16. Jahr-
hundert, so hat dagegen die chemische Wissenschaft hierzu nur wenig
beigetragen.


Die Chemie ist, wie bekannt, erst sehr spät eine Hilfswissenschaft
der Technik geworden. Wenn in jener Zeit sich auch der Gesichts-
kreis aller Wissenschaften erweiterte, so blieb doch gerade die Chemie
gebannt unter dem Wahne einer falschen Lehre und eines falschen
Zweckes. Die falsche Lehre war die von der Transmutation der
Metalle, der falsche Zweck war die Kunst, Gold zu machen. Wohl
durchschauten die praktischen Geister, wie die eines Leonardo da
Vinci
und eines Georg Agricola, die Nichtigkeit und Unwahrheit
dieser Lehren, aber das treibende Element in der Chemie blieb des-
halb doch das Streben nach mühelos zu erwerbendem Reichtum,
das immer wieder seinen Ausdruck fand in Geheimmitteln, aus wert-
losen Stoffen Gold zu machen und das den überlieferten Namen der
Wissenschaft „Alchemie“ gleichbedeutend machte mit dieser schwindel-
haften Kunst. Einen praktischen Boden erhielt sich die Metallurgie in
der Probierkunst, in dem chemisch-metallurgischen Verfahren, die
[539]Chemie.
Erze auf ihren Metallgehalt zu untersuchen. Aber die Probierkunst,
über die wir bereits gehandelt haben, galt gar nicht als ein Zweig
der Alchemie, sondern wurde von dieser von oben herab angesehen.
Dagegen wurde ein anderer Zweck für die Chemie, neben dem Gold-
machen, maſsgebend, dies war die Herstellung von Arzneien. Mit der
Idee der Transmutation der Metalle, welche ihren Endzweck in der
Verwandlung des Stoffes in seine vollkommenste Form, in die des
Goldes, sah, war die Idee der Erhaltung und Potenzierung der Kraft,
insbesondere der Lebenskraft aufs engste verbunden, das Mittel, beides
zu erlangen, war als Endziel aller chemischen Bestrebungen als
theoretischer Schluſs gegeben in dem Stein der Weisen.


Die Erhaltung der Lebenskraft wurde im 16. Jahrhundert das
gemeinschaftliche Ziel der Medizin und der Chemie. Die medizinische
Chemie oder Jatrochemie entstand, deren Prophet jenes abenteuer-
liche Genie Philipp Theophrast von Hohenheim, gräcisiert Para-
celsus
, benannt Aureolus Bombastus, wurde. Er bekämpfte
die Alchemie, d. h. die Goldmacherkunst, um die Jatrochemie, die
lebensverlängernde Chemie, um so mehr anzupreisen. Der Stand der
Wissenschaft als solcher wurde hierdurch kein wesentlich höherer, aber
ein groſser Segen entstand dadurch, daſs die Chemie als Wissenschaft
in die Hände gebildeter Männer überging und die Apotheker ge-
zwungen wurden, sich chemische Kenntnisse anzueignen. Der
Metallurgie stand Paracelsus fern und auf die Hüttenkunde hat
seine Lehre keinen Einfluſs geübt; dennoch dürfen wir dieselbe des
geschichtlichen Zusammenhanges wegen nicht übergehen. Para-
celsus
stand in seiner Auffassung der Elemente auf demselben
Standpunkte wie Basilius Valentinus (siehe Bd. I, S. 972).
Schwefel, Quecksilber und Salz sind ihm die Elemente. Schwefel ist
das verbrennliche, flüchtige, Quecksilber das feste, unverbrennliche,
und Salz das unverändert flüssige. Statt Salz wurde aber in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schon oft Säure und Lauge ge-
setzt, wenn auch ohne klare Definition. Die Ansichten über die Con-
stitution der Metalle blieben unverändert. Die Oxydation der Metalle
oder die Verkalkung betrachtet Paracelsus als ein Austreten der
schwefligen Teile, und da er das schweflige Princip mit der Seele,
das Salz mit dem Körper vergleicht, nennt er die Kalke die Leich-
name der Metalle, tote Metalle. Die Reduktion heiſst deshalb Wieder-
beleben, revivifier, ein Ausdruck, der sich bei den Franzosen bis zu
Lemerys Zeit erhalten hat. Agricola sagt dagegen einfach, daſs
die Calcination der Metalle auf der Verjagung der in ihnen ent-
[540]Chemie.
haltenen Feuchtigkeit beruhe. Der Gehalt an Schwefel wurde als die
Ursache der Verbrennlichkeit der Metalle betrachtet. Daſs die Metalle
bei der Verkalkung an Gewicht zunahmen, wurde zwar in einzelnen
Fällen zugestanden, so z. B. schon von Geber für Blei und Zinn,
und allgemein hat es Paul Eck von Sulzbach um 1490 ausgesprochen.
Von den Alchimisten aber blieben diese Beobachtungen einfach un-
beachtet. Cardanus, der die Verkalkung ebenfalls durch die Aus-
treibung des schwefligen Princips erklärt, sucht die Gewichtszunahme,
die ihm ebenfalls nicht unbekannt war, durch eine gekünstelte Er-
klärung mit der Theorie in Einklang zu bringen.


Daſs Paracelsus das Eisen in Mineralwassern durch Galläpfel-
tinktur nachwies, haben wir bereits früher erwähnt.


Was nun speciell die Ansichten der Chemiker des 16. Jahr-
hunderts über Eisen und Stahl betrifft, so haben wir das Wichtigste
bereits früher (Bd. I, S. 973) mitgeteilt. Mathesius nennt das Eisen
das älteste der Metalle und ist der Ansicht, daſs das Kupfer aus
demselben durch Transmutation entstanden sei, wozu er wohl durch
die Cementkupferbildung geführt wurde.


Libavius hält die Bereitung des Stahls aus Eisen für analog
der Bereitung des Cementkupfers aus Eisen: „ferrum mutatur in
aciem fluorum mineralium et extinctionis adjumento et in cupro
auxilio chalcanthi.“


Paracelsus sagt (de mineral. II, p. 348) von den Eisenerzen:
Hier sind zwei Metalle in einem vereinigt, Eisen und Stahl: Eisen ist
der weibliche, Stahl der männliche Teil, beide können voneinander
getrennt und jeder für sich benutzt werden.


Im allgemeinen aber galt der Stahl wie im Altertum als durch
Hitze gereinigtes Eisen. Basilius Valentinus nennt den Stahl
„das härteste, gereinigtste und geschmeidigste Eisen“; Agricola:
„ferrum saepius liquefactum et a recrementis purgatum“.


Hieronymus Cardanus1) sagt: Es scheint auch, wenn es
auch wohl unrichtig ist, daſs das Reiben die Rauhigkeit (asperitatem)
des Stahles mildert.


Gesner (1516 bis 1565) behauptet bereits, daſs die Lebenswärme
auf der Friktion des Eisens im Blute beruhe.


Caesalpinus stellt in seinem Buche de metallicis 1596 (Lib. III,
Cap. VI) ausführlich die Ansichten der früheren Gelehrten über das
Eisen zusammen; dabei erwähnt er, daſs das Eisen die allgemeinste
[541]Bergbau.
Verwendung habe, weil es das festeste Metall sei. Seine unedle
Natur werde bevorzugt durch seine Unschmelzbarkeit, und weil es
viele trockene und fette und erdige Beimengungen enthalte. Durch
Reinigung entstehe Stahl daraus. Man treibe aber die Reinigung
nicht bis zur Vollkommenheit, weil es zu viel Abgang erleide und
weil es zu spröde und dadurch zum Gebrauche unnütz würde.
Manches Eisen schmelze wie Wasser, das Geschmolzene lasse sich
schwerer umschmelzen. Setze man Schwefel oder Antimon zu, so
schmelze es leicht. Die medizinische Natur des Eisens sei auszu-
trocknen und zusammenzuziehen.


Bergbau, Bergordnungen und Bergmanns-
gebräuche.


Der groſsartige Aufschwung des Bergbaues, der sich zu Anfang
des 16. Jahrhunderts besonders in Deutschland vollzog, hat wesent-
lich zur Förderung der Eisenindustrie beigetragen. Nicht nur, daſs
er ihr das wichtigste Rohmaterial, die Eisenerze, in groſsen Massen
und zu billigen Preisen verschaffte, sondern auch daſs er selbst ein
groſser Abnehmer für Eisen und Stahl war, denn zur Bergarbeit war
nichts so unentbehrlich als das Eisen. Schlägel und Eisen waren die
Werkzeuge, mit denen der Bergmann das Felsgestein bezwang, und
sie waren von Eisen und Stahl. Der Bergbau regte aber auch am
meisten den Maschinenbau an, und auch dieser bedurfte des Eisens.
Berg- und Hüttenwesen standen aber in so inniger Beziehung, daſs
der Aufschwung des einen die Blüte des andern veranlaſste. Berg-
und Hüttenleute fühlten sich als Glieder einer und derselben groſsen
Arbeiterfamilie, sie gehörten einer groſsen Zunft an, hatten gleiche
Rechte und Pflichten, und die Gesetzgebung behandelte sie in den
Berg-, Hütten- und Hammerordnungen meist zusammen. Der Bergbau
hat besonders in der zweiten Hälfte des 15. und in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts Deutschland zu einem reichen Lande gemacht.
Tirol, Böhmen, Sachsen und der Harz wurden die klassischen Länder
des Bergbaues, besonders gesegnet durch ihren Silberreichtum. Der
vordem sprichwörtliche Reichtum der Fugger von Augsburg beruhte
zum groſsen Teil auf ihrem ergiebigen Bergwerksbesitze in Tirol.
[542]Bergbau.
Viele, die vordem arm gewesen, wurden reich durch einen glücklichen
Bergfund. So geschah es nicht wenigen in Joachimsthal. Martin
Heidler
war ein armer Bergmann, der mit seinem Weibe schürfen
ging und selbst vor Ort arbeitete, bald aber wurde er ein reicher
Bergherr, der allein auf dem roten Ganges Zug 100000 Gulden an
Ausbeute machte. Die Familie Münzer zog allein aus ihren Frei-
berger Zechen über 200000 Thaler. Kunz von Glück war ein
armer Bergjunge in Schneeberg, wegen seiner Armut der arme Kunz
geheiſsen. Er zog nach Lothringen und schürfte so glücklich, daſs
er später eine wöchentliche Ausbeute von 1500 Gulden gehabt haben
soll. Kaiser Maximilian adelte ihn mit dem Namen „Kunz von
Glück
“. Ähnlich war es mit Kunz von Ipphoff ergangen. Der
war so arm, daſs er sein letztes Paar Schuhe für eine Schuld be-
zahlen wollte, als er den Gang „reicher Trost“ anhieb und dadurch
zu fürstlichem Reichtume gelangte. Er kaufte das ganze Dorf Ober-
Schelm und erbaute sich darin ein neues, groſses Haus mit der In-
schrift: „Gott und der reiche Trost, haben mich aus meinem Unglück
erlöst.“ Derartige Beispiele sind noch viele überliefert. Die Landes-
fürsten nahmen an dem Bergsegen teil. Herzog Heinrich der Fromme
von Sachsen, der durch Testament und Hausvertrag nur die festen
Schlösser Freiberg und Wolkenstein erhalten hatte, war einer der
thätigsten und glücklichsten Gewerke seiner Zeit.


Viele Augsburger und Nürnberger Kaufmannsfamilien beteiligten
sich an Bergwerksunternehmungen, besonders die Hochstetter und die
Fugger. Die letzteren hatten die Bergwerke von Schwatz von Kaiser
Maximilian gepachtet und zogen alle Jahre 200000 Gulden daraus.
Auſserdem zogen sie aus den Darlehen, die sie dem Kaiser machten,
enormen Gewinn, so daſs die tirolischen Stände berechneten, daſs sie
von jedem Gulden, den sie vorschossen, sechs dafür erhielten. Jacob
Fugger
betrieb namentlich ausgedehnten Bergbau in Ungarn, Kärn-
ten und Tirol. Er erbaute das Schloſs Fuggerau. Ein anderer
tiroler Gewerke, Christian Täzel, lieſs das Schloſs Tratzberg
herrlich aufbauen, und als der Gewerke Hans Füser zu Hall
Hochzeit machte, lieſs er seine Braut mit 4000 Pferden aus Bayern
abholen. — Kein Wunder, daſs solche Beispiele Tausende in die Berg-
werke lockten.


Blühende Städte entstanden in den erzreichen Gebirgen, wovon
wir schon zuvor zu sprechen Gelegenheit hatten. Die bekanntesten
Bergorte des 16. Jahrhunderts waren in den deutschen Alpen:
Schwatz, Rattenberg, Hall, Kuffstein, Kitzbüchel, Gossensaſs, Nons,
[543]Bergbau.
Lienz, Hof-Gastein, Schladming, Hallein, Schellenberg, Berchtesgaden,
Hallstadt, Traunau, Eisenerz, Hüttenberg, Zaring, Bleiberg, Ober-
Vellach, Kirchheim und Ydria; — in Bayern: Sulzbach, Amberg,
Gold-Kronach, Weiſsenstadt, Wunsiedel, Naila; — in Sachsen: Frei-
berg, Altenberg, Geiſsing, Schneeberg, St. Annaberg, St. Marienberg,
St. Katharinenberg im Buchholz, Brand, Ehrenfriedersdorf, Löſsnitz,
Geyer, Eybenstock, Saalfeld; — im Harz: Goslar, Zellerfeld, Grund,
St. Andreasberg, Wildemann; — in Franken: Suhl, Steinheide; —
in Schlesien: Goldberg, Löwenberg, Bunzlau, Kupferberg, Schmiede-
berg, Silberberg, Nikolstadt, Engelsberg, Tarnowitz; — in Mähren:
Iglau, Goldenstein u. s. w.; — in Böhmen: Mies, Przibram, Schütten-
hofen, Budweis, Kuttenberg, Graupen, Schlackenwalde, Preſsnitz,
Gottesgabe, Platten, Gräslitz, St. Joachimsthal u. s. w.


Die Landesfürsten nahmen das gröſste Interesse an der Förderung
des Bergbaues, da er ihnen groſsen unmittelbaren Nutzen abwarf und
Wohlstand, Blüte und Macht ihrer Länder erhöhte. Das Bergregal
war im Mittelalter allmählich in die Hände der Landesherren über-
gegangen und die goldene Bulle hat dies ausdrücklich anerkannt.
Die Belehnungen geschahen also nicht mehr durch den Kaiser,
sondern durch die Fürsten; die Gebühren, Abgaben und Steuern
flossen ihnen zu. Vielfach betrieben sie selbst Bergbau, wozu
ihnen das Vorrecht zustand. Wurde der Bergbau von Privaten,
Gewerkschaften oder Eigenlöhnern getrieben, so hatten diese den
landesherrlichen Zehnten zu entrichten. Die Fürsten schützten
und beaufsichtigten den Bergbau, unterstützten ihn durch billige
Holzlieferung u. s. w. und sorgten für Ordnung durch Erlasse und
Gesetze. So entstanden die Bergordnungen, von denen die meisten
aus dem 16. Jahrhundert stammen. Diese hatten ihre Grundlage in
den überlieferten Berggewohnheiten, Satzungen Weistümern. Die
ältesten deutschen Bergordnungen, wie das Trienter, das Iglauer, das
Kuttenberger, das Freiberger, das Goslarer Bergrecht waren nur
schriftliche Aufzeichnungen solcher überlieferten Rechte und Gewohn-
heiten, hatten also den Charakter von Weistümern. Seit dem 15. Jahr-
hundert aber wurden die Bergordnungen im Namen der Landesfürsten
erlassen und zwar anfangs meist nur für lokale Bedürfnisse. So ent-
stand 1468 die Bergordnung für Schwatz und Gossensaſs, welche
Kaiser Maximilian I. im Jahre 1490 erneuerte. Dieser Art war die
älteste Bergordnung Sachsens, die von Schneeberg, welche von Kur-
fürst Ernst und Herzog Albrecht erlassen und 1477 in Leipzig öffent-
lich angeschlagen wurde. In gleicher Weise wurde 1516 die erste
[544]Bergbau.
Joachimsthaler Bergordnung von dem Grafen Schlick erlassen. Aus
demselben Jahre wie die Schneeberger Bergordnung (1477) entstammt
die alte Salzburger Ordnung. Eine Sammlung bergrechtlicher Be-
stimmungen erschien zu Ende des 15. Jahrhunderts als „Berk-Ord-
nung der Graueschaft zu Nassau des Amptes Siegen“. Die ältere
kurtrierische Bergordnung, welche aber verloren gegangen ist, ent-
stand zwischen 1503 und 1511. Die ursprünglich für den einzelnen
Ort abgefaſsten bergrechtlichen und bergpolizeilichen Bestimmungen
wurden dann häufig als Landesbergordnungen auf das ganze Land
übertragen. In dieser Weise entstand 1509 die älteste kursächsische
Bergordnung, die von Herzog Georg von Sachsen zunächst nur für
Annaberg erlassen war, aus welcher aber die meisten deutschen Berg-
ordnungen herzuleiten sind. So bildete sie z. B. das Vorbild für die
wichtige Joachimsthaler Ordnung von 1518. Die Eide sind in dieser
gleichlautend mit denen der kursächsischen Bergordnung.


Kaiser Maximilian, der lebhaften Anteil an der Entwickelung des
Bergbaues seiner Länder nahm, erlieſs Montag vor heiligen drei
Könige 1517 eine Bergordnung für die Bergwerke in Österreich, Steier-
mark, Kärnthen und Krain 1). Für den Harz erlieſsen 1521 die Grafen
von Hohnstein ein Bergfreiheitspatent für den Silberbergbau zu Lauter-
berg, welcher 1528 die hohnsteinische Bergordnung für Lauterberg
folgte, und 1524 veröffentlichte Herzog Heinrich der Jüngere die erste
vollständige und gedruckte Bergordnung für seine Bergwerke bei
Gittelde im Grunde 2), welche 1532 als Bergfreiheitspatent auf den
ganzen Kommunion-Oberharz ausgedehnt wurde. Die Bergordnungen
wurden namentlich nach eingetretenem Regierungswechsel erneuert
und je nach Bedürfnis durch Zusätze erweitert. So wurde eine neue
kurfürstlich sächsische Bergordnung von Herzog Georg 1536 erlassen,
eine weitere 1554 von Kurfürst August, eine vom 25. Januar 1570
und eine von 1584. — Kaiser Ferdinand, gleichfalls ein groſser Förderer
des Bergbaues, erlieſs viele Bergordnungen. Eine der ersten war sein
„Vertrag mit den böhmischen Ständen wegen des Bergbaues“ 1534;
sodann die neue ausführliche Bergordnung des freien Königl. Berg-
werks S. Joachimsthal von 1548. — Im Jahre 1553 erlieſs er eine
für seine niederösterreichischen Lande, und 1556 die sogenannte
„Schwazer Erfindung“, eine Sammlung älterer Berggesetze. Von
wichtigeren Bergordnungen des 16. Jahrhunderts führen wir noch an:
die Tarnowitzer von 1528, welche auf einer älteren fränkischen be-
[545]Bergbau.
ruht, die Salzburgische von 1532, welche aus der österreichischen
von 1517 entnommen ist, die für Jülich, Cleve, Berg und die Mark
von 1542, die Harzgeroder Bergordnung von 1548, die Naſsau-Catzen-
elnbogensche von 1559, die „Chur-Cöllnische Bergfreyheit“ von 1559,
die Pfalz-Zweibrückensche Bergordnung und Bergfreiheit von 1560
bis 1565 (nach der Joachimsthaler von 1548), die tirolische Berg-
ordnung, errichtet von den Schmelzherren und Gewerken 1568, die
erneuerte kurtrierische von 1564, die hennebergische von 1566,
die homburgische von 1570, die neue ungarische von 1573 (von
Max II.), die neue böhmische von 1575, die schlesische von 1577
(von Rudolf II.), die herzogl. sächsische von 1575, die „ernewerte
Bergkordnung der Grafschaft Hohenstein“ vom 10. März 1576, die
fürstlich braunschweig-lüneburgische Bergordnung vom 18. September
1593, ferner die dänische und die mansfeldische Bergordnung.


In den meisten dieser Ordnungen waren auch Bestimmungen über
das Hüttenwesen enthalten. Bei der Bedeutung, welche das Eisen-,
Berg- und Hüttenwesen erlangt hatte, ist es nicht zu verwundern,
daſs schon frühzeitig Gesetze erlassen wurden, die sich nur mit diesem
beschäftigten. Wir haben schon früher den Schladminger Bergbrief und
die Sulzbacher Hammer-Einigung besprochen (Bd. I, S. 766). Es gab
eine besondere böhmische Eisensteinordnung von 1548 1). Für Steyer-
mark erlieſs Erzherzog Karl „die neue Eisensatzung auf das rauh und
geschlagen Inder- und Vorderpergisch Eisen, Wie es im Fürstentumb
Steyer verkauft soll werden“, am 10. December 1564; für Kärnten
wurde 1567 die hüttenbergische Hammerordnung und für Krain 1575
eine Bergordnung für die Eisenbergwerke erlassen. Im Kurfürsten-
tum Sachsen wurden von den Herzögen Georg, Heinrich, Moritz,
August, Johann Georg I. und II. 1538, 1544, 1546, 1564, 1576, 1583,
1594 und 1614 Eisen- und Hammerordnungen, namentlich für die
Bergstadt Gieshübel, erlassen. Von 1556 existirt eine Eisenordnung
der Herrschaft Schönberg und der Grafschaft Hartenstein2) und
1579 erlieſs Herzog Julius von Braunschweig seine Eisen-Berg-Ord-
nung im Grunde am Iberg.


Auf den Inhalt dieser Berg-, Hammer- und Hüttenordnungen
gehen wir hier nicht näher ein, da wir bei der Geschichte des Eisens
in den einzelnen Ländern Gelegenheit haben werden, dieselben, soweit
sie historisches Interesse darbieten, zu besprechen.


Beck, Geschichte des Eisens. 35
[546]Bergbau.

Die Grundlage für das Bergrecht bildet der alte deutsche Grund-
satz, welcher schon in dem Trienter und in dem Freiberger Bergrecht
ausgesprochen ist: „Der Berg ist allen Bürgern gemein, so Armen als
Reichen.“ Um den Bergbau in ihren Ländern zu heben und Berg-
baulustige anzulocken, gewährten die Fürsten den Bergleuten auſser
freiem Holzbezug noch andere Erleichterungen, als das Recht sich
anzubauen und „bürgerliche Nahrung zu treiben“, Schutz und Geleite,
Freiheit der Wege und des Wassers, Befreiung von Abgaben, Wege-
geld und Zoll, sowie vom Kriegsdienst, freier Handel und Wandel,
ferner eigene Gerichtsbarkeit. An die Bergleute des Mittelalters
wurden aber auch höhere Anforderungen gestellt als an andere ge-
werbliche Arbeiter. Zunächst erwartete man von ihnen gröſsere In-
telligenz, selbständiges Urteil und die Findigkeit, welche zum Bergbau
gehört. Ferner muſste er mit den Bergwerksmaschinen vertraut sein
und solche unter Umständen selbst anfertigen können. Theophrastus
Paracelsus
sagt:


„Das Bergwerk will haben Verstand

Und eine treue Hand.

Wer das Bergwerk will mit bauen,

Muſs Gott und dem Glück vertrauen.“

Die ältesten Aufzeichnungen bergrechtlicher Gewohnheiten zeigen
uns bereits die deutschen Bergleute als ein selbständiges unter-
nehmendes Geschlecht, welches die deutsche Kultur überall hin ver-
breitete, welches den Bergbau in den slavischen Grenzländern sich
dienstbar machte und seine Sprache und Gesetze in die von ihnen
kolonisierten Distrikte einführte. — Die geistige Überlegenheit und
das Ansehen der deutschen Bergleute jener Zeit bildet einen auf-
fallenden Gegensatz gegen die tiefe Stellung, welche der Bergmanns-
stand im Altertum einnahm (vergl. Bd. I, S. 771).


Der deutsche Bergmann trug seine Wehr und wuſste wohl damit
umzugehen. Die Bergaxt oder Bergparte war seine Hauptwaffe.
Solche hat man auch im Boden des Schlachtfeldes bei Wahlstadt, wo
einst die Löwenberger Knappen so todesmutig gekämpft hatten, ge-
funden und in der Rats-Rüstkammer zu Liegnitz aufbewahrt 1). Die
Knappen trugen im Mittelalter häufig sogar Harnische auf der Zeche,
abgesehen von denen, welche geharnischt Tag und Nacht an den
Gruben Wache hielten, damit kein Überfall geschähe. Die Salz-
burgische Bergordnung von 1344 verbot dies, auſser wenn der Berg-
[547]Bergbau.
richter es erlaubte. 1401 wurde den Erzknappen in Krems verkündigt,
daſs sie Waffen und Wehr in dem Berge tragen dürften, dagegen
nicht in der Stadt Gmünden „weder Armst, Spieſs noch Wurfpfeil“.
Die Rammelsberger Schmelzer muſsten eine „Armbrust-Rüstung mit
ihrem Zeug“ und die Knechte einen Spieſs und eine Barte haben.
Von der Wehrhaftigkeit und Tapferkeit der Bergknappen haben wir
früher bereits Beispiele angeführt. 1499 lagen in Tirol ihrer viele
gegen die Schweizer und Graubündner zu Felde, besonders „fünfzehn-
hundert der freudigsten Erztknappen aus Etschland, genannt der
stächlin (stählerne) Hauf“. Nicht nur der Einzelne wuſste mit den
Waffen umzugehen, sondern sie exerzierten auch in Abteilungen. Bei
der groſsartigen Parade, welche die Schwazer Bergleute 1530 Kaiser
Karl V. zu Ehren, gelegentlich dessen Besuches, veranstalteten, zogen
ihrer 5600 alle wohl bewaffnet auf. Sie standen wie in Schlacht-
ordnung und stellten, als der Kaiser ankam, mit geteilten Haufen ein
Treffen vor, so daſs ihre kriegerische Geschicklichkeit namentlich von
den den Kaiser begleitenden Spaniern gar sehr bewundert wurde.
Damals soll Schwaz 30000 Bergknappen gehabt haben. Über die
Stellung der deutschen Bergleute im Mittelalter haben wir bereits
gesprochen. Dieselben genossen 1) in erster Linie volle persönliche
Freiheit und unbeschränkte Freizügigkeit. Sodann bildeten sie unter
sich korporative Verbände, Genossenschaften, „die Knappen gemeinig-
lich“. Das Bergleder war das äuſsere Zeichen des Genossen, der
Ehrlose wurde des Leders verlustig. Sie hatten unter sich Brüder-
schaften, die späteren Knappschaften zur Unterstützung für Krankheits-
fälle, Invalidität und für Altersversorgung. Auch bestanden die
Bergleute auf regelmäſsiger Lohnzahlung in barem Gelde und auf
Normalarbeitszeit, den Bergschichten. Die Bergleute waren groſse
Freunde der Musik. Wie sie ihre eigene Tracht, ihre eigene fach-
männische Ausdrucksweise beim Reden hatten, so hatten sie ihre
eigenen Gesänge und Tänze, die „Bergreigen“, von denen uns viele
überliefert sind. Bei Festen, namentlich in der Faschingszeit, führten
sie einen Schwerttanz auf. Mosch schreibt darüber 1829 2): „Im
südlichen Deutschland ist noch heutigen Tages unter den Salz-
knappen Halleins und Hallstadts ein uralter, eigentümlicher Tanz
üblich, welcher der Schwertertanz heiſst, und welcher auch in den
Bergstädten Sachsens gebräuchlich war.“ Derselbe wurde von neun
35*
[548]Bergbau.
Tänzern, zwei Pfeifern, einem Trommler und zwei Hanswürsten aus-
geführt, welche mit dem Spruch auftraten:


„Wir treten herein ganz edel und fest,

Und grüſsen alle anwesenden Zuschauer aufs Best;

Grüſsten wir einen und den anderen nicht,

So möchtens meinen, wir wären die rechten Schwerttänzer nicht;

Die rechten Schwerttänzer sind wir genannt,

Wir tragen das Schwert in unserer Hand;

Spielmann mach auf den rechten Schwerttanz!“

Hierauf tanzten sie, indem jeder die Spitze des Schwertes von
seinem Nebenmann anfaſste, eine Ronde, sprangen über die Säbel,
legten sie nieder, tanzten herum, hoben sie wieder auf und bildeten
eine Schnecke, aus welcher sich die Tänzer wieder herauswinden
muſsten, ohne die Schwertspitze los zu lassen. Dann trat ein Hans-
wurst in den Kreis und kniete nieder, die Tänzer aber legten ihre
Schwerter auf ihn und der Vortänzer hielt, nachdem er auf die
Schwerter gesprungen, von da herunter den Spruch:


„Da bin ich heraufgestiegen,

Wär’ besser, ich wär’ unten geblieben;

Der Fasching ist ein verthulicher Mann,

Hat all sein Hab und Gut verthan,

Er hat verthan sein Hab und Gut,

Bis auf einen alten, zerrissenen Hut.

Er reist das Land wohl auf und nieder,

Was er bekommt, versauft er wieder;

So spring ich aus dem grünen Kranz,

Spielmann mach auf den lustigen Schwerttanz!“

Nun tanzen die Tänzer abermals eine Ronde, jedoch schneller
als die frühere, während dessen einer nach dem andern unvermerkt
abtritt, so daſs endlich nur der Vor- und Nachtänzer übrig bleiben,
welche sich ein paarmal mit den Schwertern herumdrehen und end-
lich unter einem jubelnden Vivat die Schwerter mit denen der
andern zuschlagen, womit der Tanz schlieſst.


Aber nicht nur dem Frohsinn huldigten die Bergleute, ein ebenso
ausgeprägter Zug war ihre tiefe Frömmigkeit. Dieselbe entsprang
aus dem Ernst ihres gefährlichen Berufes. Nach der Reformation,
der sich die Bergleute fast überall begeistert anschlossen, fand die-
selbe ihren charakteristischen Ausdruck in den Bergpredigten. Vor-
dem hatten die Gewerke und Knappen in guten Zeiten es sich zum
[549]Bergbau.
besondern Verdienst gemacht, Kirchen und Kapellen zu stiften, so
in Kuttenberg, Freiberg, Löwenberg u. s. w. 1). Als aber vor und mit
der Reformation Predigten zum Bedürfnis wurden, fing man an, wie
in Kuttenberg, besondere Prediger für die Bergleute zu bestellen,
ihnen aus eigenen Mitteln Besoldung zu reichen und ihnen besondere
Wohnung, meist neben der Kirche, einzurichten und anzuweisen, so
geschah es Ende des 15. Jahrhunderts schon zu Schneeberg und
St. Annaberg. Die Prediger dieser Bergkirchen wuſsten sehr bald
den Ton zu finden, der in die Herzen der Bergknappen drang, und
der sich vornehmlich auf die Liebe und Anhänglichkeit der Bergleute
zu ihrem Beruf und auf ihren Berufsstolz gründete. Kluge Prediger
suchten zur Versinnlichung der religiösen Wahrheiten dieselben in
die Sprache und Bilder der Bergleute zu kleiden. Der Bergmann
ward dadurch gewohnt, seinen Beruf und seine Redeweise durch die
Schrift, welche gleichsam in seiner Sprache redete, geheiligt zu sehen.
Auf diese Weise entstanden die charakteristischen Bergpredigten, ganz
besonders im Erzgebirge. Der berühmteste Bergprediger wurde
Mathesius (siehe S. 55), der sich in seiner Sarepta einen geist-
lichen Bergmann, die christliche Kirche und Gemeinde aber das
geistliche Bergwerk nennt. Er wuſste in kräftigem Ausdruck, herz-
licher Wärme und sinnvoller Helligkeit das göttliche Wort in die
Sprache und Anschauung des Bergmanns zu übersetzen und den Herzen
der Knappen zugänglich zu machen, wobei er es vorzüglich verstand,
praktische Belehrung mit inniger Gemütsanregung zu verbinden.


Neben der Kirche hielten die Bergleute die Schule hoch. Kein
Stand hat für das Volksschulwesen von jeher so viel gethan als der
Bergmannsstand. Die Opfer, die sie für Kirche und Schule brachten,
waren ihnen ein Gotteszehnt.


Die Schmelzer und Hüttenleute waren die Genossen der Berg-
leute. Die Schmiede und diejenigen, welche das Eisen verarbeiteten,
standen dagegen dem bürgerlichen Handwerk näher, bildeten Zünfte
und hatten ihre Zunftordnungen und Gebräuche.


[550]Waldwirtschaft.

Waldwirtschaft und Waldordnungen.


Ehe wir diese betrachten, wollen wir einen kurzen Blick werfen
auf denjenigen Groſsbetrieb, welcher nächst dem Bergbau dem Eisen-
hüttenwesen am nächsten stand, der Waldwirtschaft. Diese war
für das Berg- und noch mehr für das Hüttenwesen von allergröſster
Bedeutung. Viele Eisenhütten und Hämmer wurden des billigen
Holzes wegen und zur Verwertung des Waldreichtums angelegt, und
die Landesfürsten sowohl wie die Gemeinden unterstützten die Anlage
solcher Werke, weil in den meisten Fällen der Wald ihr Hauptbesitz
und ihre Haupteinnahmequelle war. Der Bergbau gab Veranlassung,
daſs die in der Nähe der Bergwerke befindlichen herrenlosen Wal-
dungen, welche zum Betrieb derselben notwendig waren, bereits zu
Anfang des 16. Jahrhunderts formell von den Landesherren in Besitz
genommen wurden, wobei sich der Eigentumsanspruch auf das Berg-
regal stützte 1).


Mit der Zeit aber trat in den Gegenden, wo die Eisenindustrie
am meisten blüte, Holzmangel ein und nun sahen sich die Landes-
herrn zu Waldschutzgesetzen gezwungen, die aber nicht nur in Schutz-
vorschriften für den Wald, sondern auch in Einschränkungen des
Hütten- und Hammerbetriebes bestanden und dadurch direkt in die
Entwickelung des Eisenhüttenwesens eingriffen.


Der Waldreichtum Europas war im Altertum viel gröſser wie
jetzt. Deutschland war zur Zeit der Kämpfe mit den Römern fast
ganz mit Wald bedeckt und bildete derselbe seine stärkste Schutz-
wehr gegen den Feind. Mit fortschreitender Kultur entstanden Ort-
schaften und Städte, wozu groſse Waldflächen ausgerodet werden
muſsten. Kein Gesetz schränkte vor Karl dem Groſsen diese
Rodungen ein, dieser erlieſs die erste einschränkende Verordnung
(… ubi silvae debent esse, non eas permittant nimis capulare atque
damnare. Capitul. de villis, cap. 36). Da Überfluſs an Wald vorhanden
[551]Waldwirtschaft.
war, so lag keine Veranlassung vor, den Besitz desſelben einzuschränken:
der Wald gehörte allen, er war Gemeingut innerhalb der Grenzen
der Stammesgebiete. Gewisse Waldgebiete reservierten sich die Könige
hauptsächlich wegen der Jagd. Es war dies der silva regis, der schon
in den Gesetzen der ripuarischen Franken erwähnt wird. Aus dem
genossenschaftlichen Besitz der freien Ansiedler entwickelten sich die
Markgenossenschaften. Diese bestanden in Dorfschaften, bei denen
die Feldmark geteilt, die Waldmark aber Gemeingut war, oder aus
Bauernschaften, bei welchen die Märker auf einzelnen Höfen saſsen,
die ungeteilte Waldmark aber Gemeingut war, oder aus gröſseren
Markgenossenschaften, wobei eine Anzahl von Dorfschaften und Holz-
gütern die unverteilte Waldmark (Allmende, Centmark) in Gemein-
schaft besaſsen.


Auch hierbei entwickelte sich also das den Deutschen eigentüm-
liche Genossenschaftswesen. Alles, was sich auf den Wald, seinen
Schutz und seine Nutzung bezog, ordnete die „Markgemeinde“ in der
Versammlung der Genossen, dem „Märkerding“, welchem auch die
Gerichtsbarkeit in allen genossenschaftlichen Angelegenheiten zustand.
Der Markgemeinde standen die Rechte des Waldes zu: „das Gebot
und Verbot“, der „Bann“ und das „Wehrholz“, d. h. das Recht, das
Holz zu wehren und zu bannen, sowie auch die Ordnungsstrafen1).
Die Markvorsteher hieſsen Märkermeister, oberste Märker, Holz-
grafen u. s. w.


Mit der Ausbildung der öffentlichen Gewalt entstand neben und
über dem Markvorstand und dem Märkergericht noch eine staatliche
Behörde, welcher die Handhabung der Schirmgewalt und des Königs-
bannes übertragen war, und welche durch kaiserliche Beamte:
„Schirmherrn, Vögte, Waldboten“ ausgeübt wurden. Die freien Mark-
gemeinschaften lösten sich aber allmählich in zweierlei Richtungen
auf, einerseits in Verteilung zu Sondereigentum unter die Genossen,
anderseits durch Verwandlung der Mark in Alleineigentum eines
Herrn. Hatten die Landesherren ursprünglich nur das Jagdrecht
und die Gebietshoheit in Anspruch genommen, so maſsten sie sich
in der Folge auch Eigentums- oder Obereigentumsrechte für den
Wald an und zogen die Genossenschaftsallmende einfach an sich.
Auch die Errichtung der Bannforsten, aus der silva regis entstanden,
und deren Vergröſserung trug mit zum Untergang der Markgenossen-
[552]Waldwirtschaft.
schaften bei. So sehen wir im 16. Jahrhundert bereits überall die
Landesfürsten als die Herren des Waldes. Von ihnen gingen auch
die auf den Wald bezüglichen Verordnungen und Gesetze aus.


Was die Bewirtschaftung des Waldes anbetrifft, so war an einer
solchen bezüglich der Holznutzung in der älteren Zeit nicht die Rede,
da Holz im Überfluſs für alle Zwecke vorhanden war. Diese bezog
sich mehr auf die Nebennutzungen, wie Weide, Schweinemast und
Bienenzucht. Namentlich war die Schweinemast von groſser Wichtig-
keit und Karl der Groſse regelte durch eine Reihe von Verordnungen
den Eintrieb der Schweine in den Wald, die Behandlung herrenlos
umherlaufender Schweine und die für den Eintrieb zu entrichtenden
Abgaben. Der Schweinehirt war auf den deutschen Hofgütern eine
wichtige Person und durch höheres Wehrgeld geschützt als andere
Hörige.


Die Entnahme von Holz zur Köhlerei war in keiner Weise
beschränkt.


Die Zunahme der Bevölkerung, das Wachsen der Städte und
Dorfschaften, die Entstehung holzfressender Industrieen, wozu nament-
lich die Eisenindustrie gehörte, welche eine regelmäſsige und gröſsere
Entnahme von Holz aus den Waldungen zur Folge hatten, führten
hier und da schon im 13. und 14., allgemein aber im 15. und 16. Jahr-
hundert zu Beschränkungen der Holzentnahme, namentlich der Entnahme
von Bauholz1). Ebenso wurde die Ausfuhr von Bau- und Brennholz
aus der Mark streng verboten; Zeit und Maſs der Weide festgesetzt.
In den siegenschen Haubergen erfolgte schon im Jahre 1447 die Ein-
teilung in regelmäſsige Schläge.


Dagegen wurde den Bergwerken und Hütten, den Eisenschmelzen
und Hämmern das benötigte Holz zum Bauen frei geliefert oder zum
Schlagen angewiesen. Die Waldschmiede, welche sich ihre Kohlen
selbst brannten, waren ebenfalls in der Holzentnahme höchstens in-
sofern beschränkt, als sie keine Stämme, die für Bauholz geeignet
waren, schlagen durften. Sie waren auf Astholz, Unterholz und Fall-
holz angewiesen.


Mit der zunehmenden Ausbildung der Territorialhoheit entwickelte
sich zugleich mit der Forsthoheit ein ausgebildeteres Forstrecht, wel-
ches seinen Ausdruck fand in Forstordnungen, welche von allen mäch-
tigeren Landesfürsten erlassen wurden. Diese Forstordnungen erstrecken
sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts nicht mehr allein auf die landes-
[553]Waldwirtschaft.
herrlichen, sondern auf alle Waldungen innerhalb des betreffenden
Landes. Zu den wichtigeren Forstordnungen gehören:


Die Brandenburgische Forstordnung unterhalb des Gebirges (Fichtel-
gebirges) von 1531 und die Brandenburgische Holzordnung für die
Kurmark von 1547; die Hessische Forst- und Jagdordnung von 1532.
die Braunschweig-Lüneburgische Forst- und Jagdordnung von 1547;
die Württembergischen Forst- und Holzordnungen von 1540, 1552 und
1567; die Bayerische Forst- und Jagdordnung von 1586; die Kur-
pfälzische Forstordnung von 1580 und die Hohenlohesche Forstordnung
von 1579.


Berg- und Waldbau hatten so viele Beziehungen zu einander, daſs
sie in manchen Ländern unter einer und derselben Behörde standen.
Dies war namentlich im Harz der Fall, wo sich die Verhältnisse in
eigenartiger Weise entwickelten, worauf wir später bei dem Harzer
Eisenhüttenwesen zurückkommen werden.


Die Köhlerei bildete einen wichtigen Teil der Waldnutzung und
enthalten die betreffenden Gesetze mancherlei darauf bezügliche
Bestimmungen.


In der Waldordnung, welche Kaiser Maximilian II. für das Kupfer-
werk in „Newensoll“ 1563 erlieſs, heiſst es bezüglich der Holzkohlen:
„Die Holzmeister, Fürdinger oder Khollmaister sollen guet gerecht
khol brennen, gerechte, gefüchte, kholgaren (Karren) und Säkh haben,
das recht gewendlich und guet maſs, in die hüttenwerch libern, darauf
dann die waldmaister oder Waldvörster neben dem Hüttenberayter,
Schaffnern und Hüttenschreibern Ir getrewes, vleissiges aufsehen haben,
vnnd die Verordnung, damit das beschehe thun sollen, vnd dieselben
alle Quartal des Jars bey allen Hütwerchen abeichen und abmessen.“


Bestimmungen über richtiges Kohlenmaſs sind ebenso in den
Hüttenordnungen, wie in den Waldordnungen enthalten.


Das Kohlenbrennen geschah in früheren Zeiten in Deutsch-
land noch vielfach in Gruben. Im 16. Jahrhundert hatten die Schmiede
noch in vielen Gegenden das Recht, ihren Bedarf an Kohlen in Gruben
selbst zu brennen. In dem Spessarter Försterweistum von 1589 heiſst
es: „auch sollen sie einen schmid da han, der soll grobes kohlen
brönnen, vas er der verschmiden mag.“ Man sah das Kohlenbrennen
als eine Wohlthat für den Wald an, indem dadurch mit dem ab-
ständigen und Abfallholz aufgeräumt wurde. So heiſst es in einer
bayerischen, auf eine Eisenhütte bei Bodenwöhr bezüglichen Verord-
nung, der Eisenhammer von … wäre wieder ganghaft zu machen,
„damit das Reisig und Gipflholz, so sonsten ohne das nit zu nuz ge-
[554]Waldwirtschaft.
bracht werden kann, verkohlt werden möchte“1). Und ein andermal:
„Wann die Hämmer also fortan erniederliegen sollten, wüſsten sie
niemehr ihr Vieh zu erhalten, dann die weydt wegen der schaidten,
reisern vnd anderen, so allde verfaullen müsse, bleibe verderbt, da
sousten die Hämmermeister solches afzeprennen schuldig sein.“


In den sächsischen Waldordnungen (1555, 1557, 1560) treten bei
den Verordnungen über das Kohlenbrennen zwei Gesichtspunkte be-
sonders hervor: einerseits möglichste Ausbeute, anderseits Schutz gegen
Waldverwüstung.


Kurfürst August erlieſs 1557 folgenden Befehl an den „Schösser“
auf den Schellenberg: „Auf daſs hinfüro der Betrug mit den Kohlen
desto mehr verhütet werde, wollest du die fleissige und ernste Be-
schaffung thun, daſs, so oft ein Kohlenmeiler gebrannt wird, derselbe
durch die Köhler nicht aufgethan oder den Fuhrleuten vermessen
wird, bis unsre Forstschreiber und Knechte dabei sind und mit den
Kohlen ausschneiden (auf das Kerbholz), wieviel Körbe Kohlen ein
jeder Meiler gehalten und mit Fleiſs Acht geben; daſs jeder Fuhr-
mann die ordentliche Zahl Körbe, so es sich auf einen Wagen ge-
bühret, lade. Wollest auch jedem Fuhrmann einen Zettel, von wel-
chem du jeder Zeit eine Abschrift in ein Buch verzeichnen sollst,
zustellen und darin verzeichnen, wie der Fuhrmann heiſst, wo er
wohnt, wie viel Körbe und wo er geladen, daſs er solchen Zettel dem
Hüttenverwalter zustelle und dieser sich beim Empfang der Kohlen
danach richte.“ — Weitere Verbesserungen führte der Kurfürst beim
Verkauf der Kohlen ein. In den Ämtern Pirna und Königstein hatten
die Hammermeister die Kohlen früher nach „Grubschaften“ gekauft,
wobei sie nicht die Kohlen, sondern das Holz auf dem Stamme kauften.
Dieses lieſsen sie zu ihrem nicht geringen Vorteil oft acht Jahre und
länger ungehauen stehen. Der Kurfürst schaffte 1556 den Verkauf
nach Grubschaften ab und bestimmte, daſs auf einen Wagen Kohlen
2½ Klafter Holz gerechnet werden sollte. Ein Klafter Holz gab fünf
Körbe Holzkohlen nach Freiberger Maſs.


Oft waren bestimmte Waldungen den Bergwerken oder Hütten
zugewiesen, wie z. B. im Harz. Schon Kaiser Friedrich I. hatte dort
einen Wald, den Rammelsberg, geschenkt. Dies geschah, als er sich
aus dem Verbande der Gewerken zurückzog und den Bergzehent
forderte, als Äquivalent dafür schenkte er der Stadt Goslar einen
[555]Zünfte der Eisenarbeiter.
Wald „zum Behuf des Bergwerks“. Aus solchen ursprünglich frei-
willigen Zuwendungen der Landesherren entwickelte sich allmählich
ein bestimmtes Bergrecht, wonach gegen Überlassung von Grund und
Boden und freiem Holz, der Herrschaft der Bergzehent, ein Acker-
anteil und Erbkuksen bestimmt wurden.


Die Beholzung war den Bergleuten ursprünglich ganz frei gegeben.
Nach dem alten Wenzeslausschen Bergrecht war in Böhmen jedem
Bergwerk zunächst ein Ackeranteil für die Viehherde auf die Ent-
fernung, welche ein Bogenschütze erreichen konnte, zugeteilt. In
diesem Umkreise entstanden Ansiedelungen, Schmelzhütten u. s. w.
Auſserdem war die Beholzung freigegeben. Infolgedessen schlugen die
Bergleute Holz wann und wo sie wollten, lieſsen ihr Vieh frei im Walde
herumlaufen und verwüsteten mehr als sie genossen. Diesem Miſsstand
wurde dann einigermaſsen dadurch gesteuert, daſs den Bergwerken
und Hütten bestimmte Wälder zugewiesen wurden und dieses Ver-
hältnis wurde nicht alteriert durch den Wechsel der Landesherrschaft1).
Später durfte, soweit nicht ganze Schläge zum Verkohlen bestimmt
waren, nur geringwertiges Holz und solches, welches an unwegsamen
Orten stand, verkohlt werden.


Zünfte der Eisenarbeiter.


Über die Zünfte, Handwerkssitten und Gebräuche und über die
sociale Stellung der Eisenarbeiter im Mittelalter haben wir das Nötige im
ersten Bande vorgetragen. Das sechzehnte Jahrhundert war die Blütezeit
des Zunftwesens in Deutschland. Die Zünfte (Gilden, Innungen) hatten
sich in den groſsen freien Reichsstädten durch ihre siegreichen Kämpfe
gegen die Geschlechter (die Patrizier) auch politische Rechte erworben
und bildeten politische Korporationen, welche in dem Rat der Stadt
ihre Vertretung hatten. Auf ihrer Wehrhaftigkeit, ihrem Zusammen-
halt beruhte gröſstenteils die Sicherheit der Städte nach auſsen, auf
ihrer Tüchtigkeit der Wohlstand und die Wohlfahrt im Inneren. In
[556]Zünfte der Eisenarbeiter.
den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts waren sie noch Pfleg-
stätten energischen Bürgersinns, von Zucht, Ehrbarkeit und Kunst-
fertigkeit. Durch die inneren Spaltungen Deutschlands nach der
Reformation, durch den Rückgang des Wohlstandes, durch das Wachsen
der landesherrlichen Gewalt trat ein Rückgang in der Tüchtigkeit
und in dem Ansehen der Zünfte ein. Eigennutz und Kastengeist
gewannen die Oberhand; Exklusivität und Formalismus machten sich
breit: Das Bestreben, das Gewerbe in wenig Händen zu monopolisieren,
wirkte lähmend auf die Entwickelung desſelben.


Eine der wichtigsten und ältesten Zünfte waren die Eisen-
schmiede
, die anfangs nur in Waffenschmiede und Grobschmiede
geteilt, bald in eine ganze Anzahl von Innungen zerfielen, die wir
zum Teil schon kennen gelernt haben. Wie die Berg- und Hütten-
leute ihre Berg- und Hüttenordnungen hatten, so besaſsen die Zünfte
ihre Zunftordnungen. Diese hatten sich die Zünfte in den groſsen
Städten auf Grund der bestehenden Gewohnheiten und Gebräuche im
Mittelalter selbst gegeben. Nach der Befestigung der landesherrlichen
Gewalt erlieſsen die Fürsten die Zunftordnungen für ihre Länder und
die älteren, bestehenden Zünfte begaben sich unter den Schutz der
Landesherren und lieſsen sich von diesen ihre Rechte und Ordnungen
bestätigen.


So übergaben die Brudermeister und Zunftgenossen Sanct Lons
oder Loys (Eulogius) der Schmiedezunft zu Saarbrücken und St. Johann
im Jahre 1552 dem Grafen Philipp II. ihre Zunftartikel mit der Bitte,
solche als Landesherr zu bestätigen, was auch geschah. Zu dieser
vereinigten Eulogius- oder Lores-Zunft gehörten damals die Schmiede,
Schlosser, Steinmetzen und Wagner, wahrscheinlich auch die Zimmer-
leute, kurzum die Bauhandwerker. Sie hieſs auch die Hammer- und
Spänhauerzunft. Unter den Schmieden waren nach dem Zunftbuch
von 1550 einbegriffen die Huf- und Waffenschmiede, Schlosser und
Nagelschmiede, auch die Goldschmiede, ferner die Büchsenmacher,
Sporer, Uhr- und Windenmacher, Zirkelschmiede und Spengler.


Die ganze Zunft wurde als eine Einheit aufgefaſst und jeder
Meister durfte nur eine bestimmte Anzahl Gesellen halten. Arbeit
und Gewinn sollten unter den Zunftgenossen möglichst gleich verteilt
sein. Hatte einer einen groſsen Auftrag, wie z. B. die berühmten
Nürnberger Plattner, so wurde ihm ausnahmsweise und nur auf be-
schränkte Zeit vom Rat gestattet, mehr Gesellen einzustellen, auſser-
dem aber konnte er unbeschäftigte Meister für sich arbeiten lassen.
So wurde Dienstag den 20. Juli 1484 dem Hans Grünwalt, Plattner
[557]Zünfte der Eisenarbeiter.
zu Nürnberg, „vergönnt 1), daſs er mit seiner gebührlichen Anzahl
Knecht, die laut der Ordnung zugegeben ist, sein Handwerk in beiden
seinen Häusern arbeiten und üben mag und seines Stückwerkers und
Lehrjungen halb, die beide er in seinem Haus hat, soll es bei der
Ordnung unn Gesetz bleiben und solches soll den geschworenen
Meistern mit ziemlichen Worten eröffnet werden“.


Die hier erwähnten „Stückwerker“ waren Meister, die nicht genug
zu thun hatten, um für sich arbeiten zu können und daher für einen
andern entweder in ihrer Wohnung oder wie hier bei diesem arbeiteten.
Später kam dafür die Benennung „Heimarbeiter“ auf. Am Sonntag
den 7. April 1487 „wird dem Hannsen Grünwalten, Plattnern,
erlaubt, zweier oder dreier Knecht mehr, dann ihm die Ordnung zu-
teilt, einzustellen, dieweil er Herrn Sigmund Grüschenken (dem
Factotum Kaiser Friedrichs II., mit welchem er damals in Nürnberg
war) Arbeiten versprochen, doch bei Herrn Sigmunden Fleiſs zu
thun davon abzustehen“. Grünwalt wird 1489 gerügt, „weil er einen
Rat mit viel König und Fürsten Bitte, um Haltung mehr Knecht, als die
Ordnung zugiebt, mannigfaltig überzogen hat. Nur, wenn er wirklich
dem Römischen König (Maximilian) Harnisch zu machen hat, sollten
ihm für vier Wochen zwei Knecht über die Ordnung vergönnt sein, aber
nicht länger.“ Am 15. Decbr. 1489 wird ihm eine Rüge erteilt, „wegen
mehr Knecht als Gesetz und Ordnung gestatten“. Kein anderer Platt-
ner war damals so begehrt wie Grünewald, der 1503 starb. — Auch
den berühmten Schlossern Jacob Bullmann und Georg Heuſs
wurde bei besonderer Veranlassung eine gröſsere Anzahl Knechte
(Gesellen), als die Ordnung zulieſs, „ausnahmweise“ gestattet.


Wie durch die Zunftordnungen die Zahl der Gesellen, die ein
Meister halten durfte, bestimmt war, so wurden auch die Löhne fest-
gesetzt. Dies geschah namentlich durch die landesherrlichen Zunft-
ordnungen nach Erlaſs der Reichspolizeiordnung von 1548. So führte
auf Grund derselben Joachim II. von Brandenburg eine Erhöhung der
Gesinde- und Knechtelöhne ein, und 1562 fixierte Markgraf Johann
die Gesinde- und Tagelöhne für die Neumark. Mit diesen Lohnfragen
beschäftigten sich zahlreiche Reichstagsabschiede im 16. Jahrhundert.


Durch das ganze Zunftwesen geht ein socialistischer Zug insofern,
als man eine gleichförmige Verteilung des Gewinnes erstrebte. Je
weniger Nachfrage nach Arbeit, je geringer der Verdienst, je mehr
wurde von den Zunftgenossen auf Einschränkung des Betriebsumfanges
[558]Zünfte der Eisenarbeiter.
und der Gesellenzahl gesehen, um so eifriger wurde die Hetze gegen
die „Pfuscher“ betrieben. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte
der Import fremder Waren und Gewerbserzeugnisse durch Krämer
und Hausierer zugenommen. Ebenso arbeiteten manche Gesellen, die,
meist aus Mangel an Mitteln, das Meisterrecht gar nicht erworben
hatten. Gegen diese „Gäste“, welche gewöhnlich als „Amtsstörer,
Pfuscher, Bönhasen“ bezeichnet wurden, führten die privilegierten
Zunftgenossen, so lange sie bestanden, erbitterten Kampf und hielten
förmlich Jagd auf dieselben.


Dasjenige, was den Zünften am meisten ihre Existenzberechtigung
gab, war die Hochhaltung der Berufsehre und die Sorge für die
Erziehung der heranwachsenden Genossen für ihren Beruf. Die
Heranbildung durch Lehrlings- und Gesellenwesen zum Meister war
etwas Groſses, kulturgeschichtlich Bedeutendes. Erscheint uns die
Form, unter der dies geschah, auch sonderbar, manchmal barock, so
leuchtet doch der sittliche Kern durch. Auch für das Eisengewerbe
ist diese Einrichtung von Bedeutung gewesen und bildet einen Teil
seiner Geschichte.


Die Klingenschmiede, Schleifer und Reider haben wir bereits
als gesperrte oder geschworene Zünfte kennen gelernt, die den
Verbleibungseid leisten muſsten, und deren Handwerksgeheimnisse sich
nur vom Vater auf Sohn forterbten. Ähnlich verhielt es sich mit
der uralten Massenbläser- und Hammerschmiedezunft in Siegen
(Bd. I, S. 966), den Osemundschmieden, den Drahtziehern und
andern.


Eine besondere Art der Schmiede waren die Bergschmiede,
welche bei den Bergwerken ansässig waren und das Eisenwerk für
den Bergbau, besonders die Werkzeuge der Bergleute — das Gezähe
— anfertigten und im Stande hielten. Ihnen wurde in den Bergbau
treibenden Staaten besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Im Kur-
fürstentum Sachsen wurde im Jahre 1564 ihre Ordnung neu geprüft
und bestätigt1). Danach wählten sie aus ihrer Mitte zwei „Vier-
meister“ (Fürmeister, Zunftmeister), welche vom Bergvoigt und Berg-
meister bestätigt und vereidigt wurden. Diese hatten die Rechnung
zu legen, und die andern Meister muſsten ihnen nach Maſsgabe der
Ordnung gehorchen. Sie sollten, so oft es nötig, die Meister zusammen-
rufen, die Ältesten zu sich setzen, über alles, was das Handwerk
anging, Rat pflegen, kein unziemlich Geschrei, noch unziemliche Worte
[559]Zünfte der Eisenarbeiter.
zulassen, ein jeder sollte sich zum Wort melden. In jedem Quartal
sollten alle Meister wenigstens einmal auf Zuschickung des Ringes
und Bezeichnung von Tag und Stunde bei dem Viermeister zusammen-
kommen und jeder bei zwei Groschen Strafe erscheinen. Wer Meister
werden wollte, hatte den Bergamtleuten einen Gulden, dem Handwerk
½ Gulden zu Meisterrecht zu geben und seinen Lehr- und Geleits-
brief wenigstens bis zum nächsten Quartal vorzulegen. Beim Begräbnis
eines aus der Bruderschaft muſsten alle Meister mit zum Grabe gehen,
und die jungen Meister je nach der Wahl der Viermeister die Leiche
tragen. Heiratete ein Geselle eines Meisters Tochter oder Witwe,
so hatte er nur die halben Gebühren zu bezahlen, muſste aber das
Meisterstück machen und Eidespflicht leisten. Kein Meister sollte
altes Gezeug oder gestohlenes Gut kaufen, der Bergmeister habe es
denn zuvor besichtigt, — noch falsche Zeichen auf das Eisen schlagen, —
noch verdächtige Arbeit als Ziegenfüſse, „Helewiger“, Hebzeuge und
Haken machen, auſser für unverdächtige Leute. Kein Meister durfte
ohne Vorwissen der Zunftmeister einen Lehrjungen annehmen. Der
Gesellen „guter Montag“ wurde verboten. Kein verehelichter Meister
sollte mit einem andern haushalten, oder verdächtige Personen in Haus
und Schmiede aufnehmen. — Jeder zum Viermeister Gewählte muſste
bei einem Gulden Strafe annehmen; keiner dem andern bei 20 Groschen
Strafe Gesellen oder Gesinde abspännig machen. — Sodann wurden
für alle gangbaren Arbeiten Schmiedetaxen festgesetzt, die aber
nach Ausweis der Rechnungen nie festgehalten wurden. — In einer
Ordnung von 1560 wird weiterhin bestimmt: der Zunftmeister sollte
den Ring zu rechter Zeit ausgehen lassen, und wer denselben nicht
nach Handwerkssitte weiter schickte, vier Groschen Strafe zahlen. —
Der Ring war demnach das Zeichen der Amtsgewalt und das Ring-
schicken war gleichbedeutend mit der amtlichen Ladung. — Bei Beginn
der Verhandlung sollte ein Wachslicht angezündet werden und wer
nicht kam, solange es brannte, zahlte einen Groschen Strafe. — War
das Licht verbrannt, so wurde die Lade aufgethan, die Ursache der
Beschickung von dem Zunftmeister angezeigt, und solange die Lade offen
stand, muſsten des Handwerks Sachen verhandelt und sollte weder
Bier noch Wein getrunken werden: nach Schlieſsung der Lade durfte
jeder zechen, doch nicht für mehr als vier Pfennige; dagegen muſste
jeder alle Quartal einen Groschen in die Lade zahlen. — Ungebühr,
Streit und Frevel wurde mit Geldstrafen gebüſst. Wer z. B. mit
„mordlicher Wehr“ in der Versammlung erschien, hatte fünf Groschen
Strafe zu zahlen.


[560]Zünfte der Eisenarbeiter.

In den Städten geschah die Ladung zur Zunftversammlung durch
die „Umfrage“; die Zusammenkunft selbst hieſs „Morgensprache“,
welche „gehegt“ wurde. Die gehegten Morgensprachen wurden häufig
auch gesellig gefeiert, und zwar mit den Familien der Zunftgenossen.
Den Zünften stand gegenüber ihren Gliedern teilweise die niedere
Gerichtsbarkeit zu. Wollte ein Junge in die Zunft aufgenommen
werden, so muſste er vor allem seine eheliche und ehrliche Geburt
erweisen1). Waren diese und die sonst vorgeschriebenen Bedingungen
erfüllt, so wurde der Junge erst zu einer meist vierwöchentlichen
Probe und danach erst förmlich als Lehrling angenommen. Innerhalb
der ersten 14 Tage muſste er dem Ober- oder Zunftmeister vorgestellt
werden, dann folgte das förmliche Aufdingen. Die Dauer der Lehrzeit
richtete sich nach dem Gewerbe; meistens betrug sie zwei Jahre, so
bei den Huf- oder Grobschmieden, bei den Waffenschmieden aber
drei Jahre. Wenn ein Vater seinem leiblichen Sohn oder Stiefsohn
das Handwerk lehrte, durfte er ihn früher losgeben, wenn er ihn für
genügend ausgebildet hielt. — Das Lehrgeld war verschieden, in den
Städten meist höher. Um Überfüllung im Handwerk zu verhindern,
war es an vielen Orten gebräuchlich, daſs ein Meister, wenn er einen
Jungen ausgelernt hatte, ein Jahr warten muſste, ehe er wieder einen
in die Lehre nahm. Hatte der Junge ausgelernt, so erfolgte die
Lossprechung über allerhand Ceremonien. Auch hatte ihm sein
Meister den Handwerksgruſs beibringen müssen, dessen er sich später
bei der Wanderschaft bedienen muſste. Der Lehrbrief, ein wichtiges
Dokument für den zukünftigen Meister, muſste von dem Lehrmeister,
dem derzeitigen Obermeister und zwei Beisitzern unterschrieben sein.
Diese Lehrbriefe waren, wie auch die mündlichen Zunftverhandlungen,
sehr umständlich und enthielten eine Menge unnützen Wortkram2).
Gerade bei den Eisenarbeitern erhielten sich lange die alten Gebräuche.


Die Aufnahme des Lehrjungen als Gehilfe geschah nun in folgen-
der Weise3): An dem Tage, an dem die Gesellen „Auflage“ hatten
und vor der Lade versammelt waren, muſste sich der Lehrjunge zur
Stelle melden. Es wurde sodann ein Stuhl mitten in die Stube ge-
setzt und der Altgesell hing ein Handtuch über beide Schultern. Die
Enden des Tuches muſsten in ein Handbecken fallen, das auf dem
[561]Zünfte der Eisenarbeiter.
Tische stand. — Nun stand der, so das „Feuer aufblasen will“ (meist
der jüngste Geselle) auf und sprach: „Mit Gunst, daſs ich mag auf-
stehen, mit Gunst, daſs ich mag zuschicken Alles, was man zum Feuer-
aufblasen bedarf u. s. w. …; ich frage zum ersten-, andern- und
drittenmal, was gebt ihr mir für Schuld?“ Darauf antworteten die
Gesellen: „Die Gesellen geben dir einen ganzen Haufen voll Schuld:
daſs du hinkst, daſs du stinkst. Kannst du nun einen finden, der
ärger hinkt und stinkt als du, so stehe auf und hänge ihm den
Schandfleck an, den du anhast.“ — Der Geselle, der das Feuer auf-
geblasen, suchte in der Reihe herum, um einen zu finden, der ärger
daran sei als er. Mittlerweile hat man den Lehrbuden hereingeholt,
der zum Gesellen gemacht werden sollte. Wenn nun jener diesen
erblickte, so ging er auf ihn zu, zog ihn beim Ärmel heran, hing ihm
das Tuch um, setzte ihn auf den Stuhl und sagte: „Dieser hinkt und
stinkt besser als ich.“ — Darauf sagte der Altgeselle zum Lehrbub:
„Weilen du willst ein Geselle werden, so wollen wir um dich treten;
lies dir drei Paten aus, so dich zum Gesellen machen können.“ —
Dies erfolgt. Alsdann wird das Feuer wieder ausgekühlt. Der Pate,
der das Amt übernommen, „um ein Fuder Krebse, um einen polnischen
Ochsen, um ein Maſs Wein und ein gemästet Schwein“, hält alsdann
die „Vorsage“, in welcher dem Lehrjungen gute Regeln für seine
Wanderschaft und Gesellenleben gegeben werden und zwar in ernst-
scherzhaften Reden und Versen: Er soll nicht in der Woche auf die
Wanderschaft gehen, sondern am Sonntag Mittag, wenn er gut ge-
gessen hat und gebetet. Dann soll er seinen Meister und seiner
Meisterin danken, wie sich’s gebührt. — „Mein Pate, wenn du heut
oder morgen einmal wandern willst, so lauf nicht allein zum Thor
hinaus, sondern mache dir erst einen guten Namen bei der Bursch,
spendier erst eine Kanne Bier oder Wein, hast auch Macht, die Kunst-
pfeifer und andere Gesellen mehr mit hinaus zu nehmen, die dir das
Geleite geben, und wenn du auſsen vors Thor kommst, so nimm
drei Federn in deine rechte Hand und blase sie von dir1): die eine
wird fliegen zur Rechten, die andere zur Linken, die dritte wird
fliegen gerad hinaus. Welcher willst du nachwandern?“ — Nun folgt
eine lange Scherzrede über die drei Wege, die vor ihm liegen. Er
soll immer dem geraden Wege folgen. Dann schildert der Pate,
was ihm auf seiner Wanderschaft all begegen wird und ermahnt in
Beck, Geschichte des Eisens. 36
[562]Zünfte der Eisenarbeiter.
spaſshaften Bildern zur Klugheit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und
Tapferkeit. Nach mancherlei Abenteuern komme er endlich an eine
Stadt. Da soll er sein Bündel der Thorwacht geben, in die Stadt
gehen und sich ein Zeichen von einem Meister holen, daſs er ein
Schmied sei. Nun geht er zur nächsten Werkstatt und sagt seinen
Gruſs: „Guten Tag, Glück herein, Gott ehre das Handwerk, Meister und
Gesellen;“ so werden sie danken und sagen: Willkommen, Schmied. —
Als das erbetene Zeichen bekommt er einen Hammer, ein Hufeisen
oder einen Spannring. Damit löst er sein Ränzel am Thor aus und
geht mit demselben zum Meister. Will er nur kurze Rast haben, so
sagt er nach obigem Schmiedegruſs: „Meister, ich wollt ihn ange-
sprochen haben von wegen des Handwerks, ob ihr mich meinen Bündel
wollt ablegen lassen, daſs ich mit Gott und Ehren kann weiter kommen.“
Will er Nachtherberge, so spricht er: „Meister, ich wollt ihn ange-
sprochen haben von wegen des Handwerks, wenn ihr mich und meinen
Bündel wollt beherbergen, daſs ich mit Gott und Ehren kann weiter
kommen.“ Dann wird der Meister sagen: „leg ab“ .... „Wenn du
ihn nun abgelegt hast und der Bruder arbeitet, so schlag ein- oder
zweimal mit und dann sprich: Mit Gunst, Schmied, wie ist es hier
Gebrauch, läſst man sich Arbeit schauen oder geht man aufs Ge-
schenke? So wird er sagen: Es ist hier der Gebrauch, daſs man sich
läſst Arbeit schauen; so gehe denn hin vor den Meister und sprich:
Meister, ich wollt ihn angesprochen haben wegen des Handwerks, ob
Ihr Eurem Burschen wollt die Zeit vergönnen, daſs er mir Arbeit
schau; so wird er sagen: Ja. So gehe denn hin zu dem Burschen
und sprich: Mit Gunst, Schmied, ich wollt dich angesprochen haben
von wegen des Handwerks, ob du mir wolltest Arbeit schauen auf
8 oder 14 Tagen nach Handwerksbrauch.“ Oder ist es Gebrauch,
daſs man aufs Geschenk geht, so gehst du von 8 bis 11 und von
1 bis 4 Uhr; und nun folgt eine humoristische Schilderung, wie er
sich hierbei in der Werkstätte, wie in der Herberge zu benehmen
hat, wobei das „Ausschicken“ nach Bier oder Wein eine wichtige
Rolle spielt.


So giebt die originelle „Vorsage“ eine Schilderung der ganzen
Wanderschaft mit allen ihren Freuden und Leiden. Sie stammt ihrem
Hauptinhalte nach wohl schon aus dem Mittelalter.


Nicht minder alt ist der Schmiedegesellengruſs1). Ein gereimtes
[563]Zünfte der Eisenarbeiter.
Zwiegespräch zwischen dem Altgesellen und dem Fremden, das ge-
sprochen wurde, wenn die Bruderschaft Auflage hielt. — In neckischer
Rede wird der Fremde nach Namen, Geburtsort u. s. w. ausgefragt.
So fragt der Altgesell, nachdem der Fremde seinen Namen genannt,
ob er seinen „feinen Namen sich wohl ersungen und ersprungen habe?“
Der Fremde antwortet:


„Mein Schmied, ich konnte wohl singen,

Ich konnte wohl springen,

Ich konnte wohl mit schönen Jungfern umgehen,

Das alles wollte nichts helfen,

Ich muſste rennen und laufen,

Ich muſste meinen ehrlichen Namen um ein frei Wochenlohn kaufen,

Das Wochenlohn wollte nicht recken,

Ich muſste die Mutterpfennige und das Trinkgeld auch dran stecken.“

Altgesell: „Mein Schmied, in welcher Stadt oder Marktflecken sind dir

solch edle Wohlthaten widerfahren?“

Fremder: „Mein Schmied, in der königlichen See-Handelsstadt Danzig,

Da man mehr Gersten zu Bier mälzt,

Als man hier Silber und Gold schmelzt.“

u. s. w.

Hatte der Lehrling ausgelernt, so war er zur Wanderschaft ver-
pflichtet. Er konnte nicht zünftiger Meister oder auch nur Altgeselle
werden, ohne eine Reihe von Jahren gewandert zu sein. Das Wandern
war doppelt nötig in der Zeit, da Lesen und Schreiben noch kaum
bekannt war und alle Belehrung durch mündliche Mitteilung geschehen
muſste.


Die Gesellen an einem Orte bildeten unter sich eine Bruderschaft,
hatten ihre Herberge, in der sie alle vier bis sechs Wochen regel-
mäſsige Zusammenkünfte abhielten. Das Einkehren in die Herberge
war Pflicht der wandernden Gesellen, die auch ihr Nachtquartier
dort suchen muſsten. Dort erhielten sie ihr Geschenk. War dieses
festgesetzt und jedem bestimmt, so daſs er ein Anrecht darauf hatte,
so war dies ein „geschenktes Handwerk“. „Schenke halten“, hieſs die
Bewirtung, sowie auch das festliche Gelage, welches durch Aufstellung
eines verzierten Pokals, dem Willkommen, eröffnet wurde. Das
Recht, Geschenk oder Willkommen zu halten und sich als „geschenktes
Handwerk“ zu bezeichnen, wurde von der Behörde verliehen. Es wurde
als ein besonderes Vorrecht angesehen. Damit verbunden war das
Recht, das Handwerk zu grüſsen, d. h. den Willkommen zu fordern,
was keinem wandernden Genossen versagt werden durfte, wenn er
36*
[564]Zünfte der Eisenarbeiter.
nicht etwa „gescholten“ war. In ältester Zeit saſsen Meister und
Gesellen zusammen, später getrennt. Es bildete sich die Bruder-
schaft der Gesellen, die getrennt von den Meistern ihre Auflage
hielten. Da sie aber Anrecht an der „Lade“, d. h. an dem Innungs-
vermögen hatten, so kauften sich die Meister durch bares Geld
von den Gesellen los und hieraus wurden die Geschenke und Reise-
unterstützungen bezahlt. Nicht alle Zünfte gaben Geldgeschenke,
auch die Schmiede nicht, obgleich sie sonst zu den geschenkten
Handwerken gehörten.


Bei den Auflagen bestanden ebenfalls ganz bestimmte Gebräuche.
In Magdeburg ging es beispielsweise folgendermaſsen zu1): Wenn die
Bruderschaft beisammen war, klopfte der Altgeselle mit einem Ham-
mer dreimal auf den Tisch und sprach: „Mit Gunst, ihr Gesellen, seid
still! Es sind heute sechs Wochen, daſs wir zuletzt Auflage gehalten
haben; es mag gleich kürzer oder länger sein, so ist hier in Magde-
burg Handwerksgebrauch und Gewohnheit, daſs wir nicht nach fünf,
sondern nach sechs Wochen auf der Herberge zusammenkommen,
Umfrage und Auflage halten. Mit Gruſs zum erstenmal bei der Buse.
Der Knappmeister wird dem ehrbaren Handwerk und mir zu Gefallen
die Lade auftragen nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit.“


Mit allerlei Reden und Ceremonien stellte alsdann der Knapp-
meister die Lade auf den Tisch, öffnet sie in vorschriftsmäſsiger

Figure 206. Fig. 195.


Weise und nimmt die darin befindlichen
Bücher, sowie Tinte, Feder und Kreide
heraus. Alsdann zeichnet er mit Kreide
den Gesellenkreis, aus einem inneren ge-
schlossenen und einem äuſseren offenen
bestehend, zwischen welche die Namen der
Gesellen eingeschrieben werden. Sodann
ruft er die Werkstätten, welche die Auflage
zahlen sollen, der Reihe nach auf. Zuletzt
werden die fremden Gesellen zum Einschreiben aufgefordert. Der
fremde Geselle berührt den Hammer und es folgt der oben erwähnte
Gesellengruſs. Nur ein „gemachter“ Geselle konnte an der Auflage
teilnehmen. War er noch nicht unter den vorgeschriebenen Formeln
losgesprochen, so galt er als Jünger, wenn er auch als Geselle oder
Knecht bei einem Meister um Wochenlohn arbeitete. Solcher durfte
[565]Zünfte der Eisenarbeiter.
keine Handwerksgewohnheiten mitmachen, keinen wirklichen Gesellen
duzen, mit keinem Gesellen um Geld spielen, keinem Gesellen zur
rechten Seite gehen u. s. w.


Die Gesellenbruderschaften kamen öfter in Gegnerschaft zu den
Meistern und wenn auch auf Ehre und Sitte streng gesehen wurde,
so führte doch die einseitige Verfolgung ihrer Interessen zu Unruhen
und Arbeitseinstellungen. Über dieses „Auftreiben“ der Gesellen,
unsern heutigen Streiks entsprechend, haben wir Bd. I, S. 883 bereits
Mitteilung gemacht. Das Einstellen der Arbeit nannte man bei den
Schmieden „den Meistern den Hammer legen“.


Die Gesellen oder „Knappen“ wurden gewöhnlich auf ein Jahr
eingestellt und war es jedem Meister bei Strafe verboten, einem Mit-
meister seine Knappen abwendig zu machen und in seinen Dienst
zu locken.


Nicht jeder Geselle wurde ein Meister, vielmehr war das Meister-
werden sehr erschwert. Auſser der Erfüllung seiner Lehrlings- und
Gesellenpflichten verlangte man von ihm, daſs er erst sein „Mutjahr“
in der Stadt, in welcher er sich als Meister niederlassen wollte, ab-
arbeitete. Dann muſste er eine „ehrbare Jungfer“ als künftige Lebens-
gefährtin bereits bezeichnen können. „Meisterwerden und Heiraten
gehörte zusammen, wie der Löffel zur Suppe.“ Dann muſste er sein
Meisterstück machen (s. Bd. I, S. 880 bis 882; Bd. II, S. 409, 418, 498).
Dieses war in verschiedenen Städten verschieden. Die Meisterstücke
der Huf- und Grobschmiede zu Koblenz wurden bereits erwähnt. Die
Schlosser, welche in Koblenz Meister werden wollten1), muſsten ein
Stubenschloſs, ein Gewölbschloſs und ein Kistenschloſs mit vorge-
schriebenen Riegeln, ein Salzmaſs mit zwei Schlüsseln, einen Schlüssel
mit Kreuzkrücken und eingeschweiftem Bogen und eine Eisenhaltung
verfertigen, die im Feuer 24, fertig aber nur 18 Pfund wiegen sollte.


Ein Nagelschmied, der daselbst Meister werden wollte, war ver-
bunden, am ersten Tage 1500 kleine Nägelchen, die in eine gemeine
Hühnerschale gelegt werden konnten, anzufertigen; am andern Tage
die Nagelformlöcher und zwar ein ganzes Saumspeicherloch, ein halbes
Saumspeicherloch, ein Mastspeicherloch und am dritten Tage aus
14 Pfund Eisen 1000 Sandellen zu verarbeiten, die dann doch nur
10 Pfund wiegen durften.


Das Meisterstück eines Büchsenschäfters bestand in einem deut-
schen Schloſs mit einem Rade, das dreimal herumschlug, in einem
[566]Zünfte der Eisenarbeiter.
7/4 langen Lauf mit acht Kanten und acht Zügen, in einem Hahnen-
spanner und in einem achtkantigen Lauf mit acht Zügen und vier-
eckigen Kugeln.


Ein Schwertfeger sollte ein Schlachtschwert mit geschliffener,
gefegter und polierter Klinge und einen ungarischen Panzerstecher in
vier Wochen fertig haben1).


War das Meisterstück bestanden, so muſste er in den Städten
meist erst ein Haus erwerben, auf dem die Schmiedegerechtsame
ruhte. So war es in Nürnberg, wo 1399 folgendes Gesetz erlassen
wurde: „Ez ist erteilt worden mit der merern weniger Scheppfen vnd
rats, daz fürbas kein Hufsmit, kein Kesselsmit, kein pfannensmit, kein
messingslaher, kein Haws niht kauffen noch besteen (errichten) soll,
do er ynnen arbeit on des rats willen vnd wort. Awsgenommen der
Hewser da von alter eesmiten2) gewesen sind, als das von alter mit
guter gewohnheit vor auch herkumen ist“3).


Dann erst konnte seine Aufnahme in die Zunft erfolgen, was aber
mit ziemlich hohen Kosten verknüpft war.


Schon im Mittelalter entstand mancherlei Unfug in Bezug auf
die Gebühren und Abgaben der wandernden Gesellen. In vielen
Städten muſste sich ein solcher bei seinem ersten Besuch einen Namen
kaufen, d. h. bei der Anmeldung ein ordentliches Stück Geld spenden.
Dieses Namenkaufen artete so aus, daſs die Gesellen ihrem fremden
Kameraden, wenn er nicht genug „Pfennige“ hatte, sogar Mantel und
Rock auszogen und ihm sein Werkzeug wegnahmen. Gegen diese
Ausschreitungen muſsten öfter Verordnungen erlassen werden, so zu
Thorn am 17. März 1437, wo durch den „Vergleich der Meister und
Gesellen der Grobschmiede“ festgesetzt ward, daſs der aus der Fremde
ankommende Geselle, welcher sich bei den Gewerksgenossen einen
Namen kauft (d. h. eingeschrieben wird), nicht mehr als zwei Scot,
wenn er ein Werkmeister, und drei Scot, wenn er ein Vorschläger ist,
zu zahlen hat4).


Viel Streit entstand zwischen den nahe verwandten Innungen
wegen der Grenzen ihres privilegierten Arbeitsgebietes, so namentlich
zwischen Schmieden und Schlossern. In Eſslingen verglichen sich um
1577 die Schmiede und Schlosser betreffs der ihrem Gewerbe zu-
[567]Zünfte der Eisenarbeiter.
ständigen Arbeiten1). Die Schmiede sollten allein fertigen: Haken,
Bronnen- und Kuhketten, Schwanenhälse, Reifspalter und was zum
Mauerhandwerk gehörte; die Schlosser allein: gebrochene Bänder,
Bandhaken, Thor-, Thür- und Ladenbänder, Schlingen und Riegel,
Kutschen-Trüchlein und Kisten, Faſsthürlein und Schrauben, Stiegen-
geländer, Gitter an Stiegen und an Öfen, Spangnägel, eiserne Thürlein,
Fensterstänglein und überhaupt alles, was zu Gebäuden und Woh-
nungen gehörte und wozu man die Feile gebrauchte. Beiden Hand-
werken zugleich war erlaubt: die Verfertigung von Bronnenrinnen,
Gartenkübeln, Beschlägen an Kummethölzern und Kutschentruchen,
Faſsreifen, inneren Ofengittern, Zapfen an Wellbäumen, Schleudern,
Schlieſsen, Schrauben, Hängbändern und Nägeln.


Neben den Zunftverbänden bestanden vor der Reformation allge-
mein, nach derselben in den katholischen Ländern noch geistige Bruder-
schaften der Gewerbetreibenden. Die St. Eulogiuszunft der Schmiede
in Sarbrücken haben wir bereits erwähnt. In Lübeck waren die
Schmiedemeister in der St. Brandani-Bruderschaft vereinigt. Ihren
Altar hatten sie in der Peterskirche, bei welcher eine vom Domkapitel
1450 bestätigte Vicarie eingerichtet war, die immer einem Schmiede-
sohn übertragen werden sollte2).


Die Schmiede gehörten in den meisten gröſseren deutschen
Städten zu den ratsfähigen Hankwerkern, so z. B. in Frankfurt a. M.,
Augsburg, Zürich u. s. w., in Nürnberg waren sie dagegen ausgeschlossen.


Eine sehr wichtige Einrichtung bei den Innungen war die Ver-
pflichtung der Zunftmeister, die abzuliefernden, für den Handel be-
stimmten Handwerksartikel zu beschauen, d. h. auf Güte, Solidität
und Zunftmäſsigkeit zu prüfen. Dies geschah oft durch besondere
Schaumeister und Schauämter.


Die Schauämter waren wichtig für die Erhaltung der Tüchtig-
keit und Solidität des Gewerbes, vor allem aber dienten sie dem
Handel, denn das Beschauen gewährte dem Abnehmer Garantie
für die Güte seiner Ware, und so führen sie uns zur Betrachtung
des Eisenhandels.


[568]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.

Der Handel war im Mittelalter noch sehr eingeschränkt. Schlechte
Straſsen, unvollkommene Transportmittel und die allgemeine Un-
sicherheit erschwerten denselben. Der Kleinhandel wurde zumeist als
Hausierhandel betrieben, und auch die Waldschmiede pflegten,
wie schon im alten Griechenland, ihre Waren und auch das
unverarbeitete Luppeneisen selbst auf die Hofgüter, die Schmieden
und die Märkte zu bringen. Da die Zahl der Produktionsstätten viel
gröſser war als heutzutage, indem überall Eisen aus den Erzen gerennt
wurde, wo Erz und Kohlen vorhanden waren, so war es meist nicht
nötig, Eisen aus groſser Entfernung zu beziehen. Die Rennhütten
hatten ihr Absatzgebiet in der Nachbarschaft, welches entsprechend
ihrer Produktion ein beschränktes war. Anders verhielt es sich schon
mit Qualitätseisen, Stahl und fertigen Waren. Wurden die Klein-
eisenwaren auch vielfach durch Hausierhandel vertrieben, so war
doch für die Eisenwaren der Markthandel der wichtigere. Neben
den Wochen- und Jahrmärkten entwickelten sich die Messen in
den groſsen Städten, welche besonders für den Handel der Industrie-
erzeugnisse von hervorragender Bedeutung waren. Die wichtigsten
Messen waren die zu Frankfurt a. M., Leipzig, Braunschweig und
Frankfurt a. O. Auf diesen wurden auch Eisen und Eisenwaren
gehandelt. War im allgemeinen der Eisenhandel ein lokal beschränkter,
indem die überall vorhandenen Schmiede einerseits ihr Rohmaterial
aus der Nähe bezogen, anderseits die Bedürfnisse der Nachbarschaft
an den gebräuchlichsten Eisenwaren befriedigten, so entwickelte sich
doch in den wichtigeren Eisenproduktionsgebieten neben der Groſs-
industrie auch der Groſshandel, durch welchen die Erzeugnisse in
weite Ferne geführt wurden. Dies geschah entweder zur See, wie
namentlich bei dem Eisen von Elba und Corsica, bei dem von Spanien
und von Schweden, oder auf Flüssen, wie z. B. auf dem Rhein, der
Donau und der Weichsel, oder zu Lande. Der Landhandel, welcher
der gebräuchlichste war, bewegte sich auf bestimmten Straſsen, an
welchen Handelsstädte mit Stapelrecht lagen. Zu den ältesten Eisen-
straſsen gehörten die von Steiermark, Kärnten und Krain nach
Italien. In Steiermark waren Judenburg (Bd. I, S. 782), in Kärnten
St. Veith die wichtigsten Stapelplätze. Dorthin wurden die Eisen-
[569]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
waren gebracht, ausgeladen und zum Kauf ausgelegt, und von da
wurden sie weiter nach Aquileja, Venedig, den norditalischen Städten
und nach der Türkei verführt. In einer Zollrolle von Venedig vom
30. April 1268 werden bereits deutsches Eisen und deutsche Waffen
als Handelswaren genannt (siehe Mone, Zeitschrift des Oberrheins,
Bd. V, S. 8, 27). Ebenso wichtig waren die aus Steiermark von
Eisenerz nordwärts führenden Eisenstraſsen, welche in der Stadt
Steyr ihren Hauptstapel hatten. Wie schon im Altertume und im
Mittelalter, so wurde auch im 16. Jahrhundert Eisen und Stahl aus
diesen (norischen) Ländern meist unter dem Namen steirisches Eisen,
manchmal auch „ungarisches“ Eisen nach allen Ländern Europas
verführt. Der Stahl meist in Fässern verpackt, das Eisen in Stangen,
sowie als fertige Waren, namentlich als Sensen, Waffen u. s. w.
Auch Tirol nahm an dem Eisenwarenwelthandel Österreichs teil;
namentlich waren seit Maximilians Zeiten Innsbrucker Waffen und
Innsbrucker Stahl berühmt. Des bedeutenden Handels der reichen
süddeutschen Städte, namentlich Nürnbergs und Augsburgs, haben wir
schon mehrfach Erwähnung gethan.


Das wichtigste Eisengebiet zwischen Donau und Main war das
Sulzbachische. Das Eisen von Amberg und Sulzbach fand seinen
Absatz meist in der Pfalz, in Bayern, Nürnberg und Regensburg; ging
aber auch von hier aufwärts nach Ulm, dem Bodensee und von da
in die Schweiz. Amberg hieſs deshalb schon in alten Zeiten zu Ulm
die Eisenstadt. Die Bleche wurden seit dem 16. Jahrhundert auch
nach Frankreich, den Niederlanden, nach Sachsen, sowie nach Wälsch-
land, der Türkei und selbst nach überseeischen Plätzen verführt.
Von Amberg ab gingen damals allein jede Woche fünf bis sechs Schiffe
auf der angestauten Vils mit Eisenerz, Eisen und Kaufmannsgut nach
Regensburg. Ein solches Schiff war abwärts mit 350 Centnern be-
laden, während es aufwärts 150 Centner Salz, Getreide und andere
Waren brachte. Eisen von Gieshübel und Pirna, das Agricola
bereits erwähnt, wurde in Sachsen und Böhmen vertrieben.


Thüringisches Eisen, besonders aus der Grafschaft Henneberg,
wurde mit den Waren der Stahl- und Eisenschmiede zu Erfurt,
Leipzig und Nürnberg gehandelt. Westfälisches Osemundeisen wurde
über Köln den Rhein aufwärts bis nach Basel verführt. Ebenso das
Eisen von Diekirch im Luxemburgischen, welches schon im 10. und
11. Jahrhundert den Rhein aufwärts gebracht wurde.


Anderseits gingen die Eisenwaren Westfalens und des Ber-
gischen Landes, besonders Draht und Drahtwaren von Altena und
[570]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Iserlohn und die Klingen, Messerwaren und Sensen von Solingen
und Lennep nach den Niederlanden, besonders nach Antwerpen, von
wo sie über See verführt wurden. Eisen und Stahl des Siegerlandes
wurden besonders in Köln, Worms und Frankfurt zu Markt gebracht.
Nassauisches Eisen wurde zur Messe nach Frankfurt gebracht.


Der Haupteisenmarkt in Frankfurt war an und auf dem Main.
Als 1385 die Stadt städtisches Eisen verkaufen wollte, bot sie das-
ſelbe auf einem Schiffe feil, und als sich keine Käufer fanden, muſste
sie es wieder auf den alten Platz zurückbringen lassen1). Frankfurts
Handel war im 16. Jahrhundert von groſser Bedeutung. Franz I. von
Frankreich nennt Frankfurt in einem Schreiben fast die wichtigste
Handelsstadt der Welt. Die Hansen brachten Metalle, Pulver und
Schieſsgewehre zu Markt; steirisches Eisen und sächsisches Silber
wurden stark gehandelt. Frankfurt war damals der Hauptmarkt für
Westdeutschland und die Niederlande; seine Messe war weltberühmt.
Schon am 31. Januar 1391 hatte Erzbischof Friedrich III. von Köln
den Kölner Kaufleuten, die zur Frankfurter Messe reisten, sicheres
Geleit zugesagt, und ebenso am 26. Juli 1394 der Bürgermeister und
Rat der Stadt Mainz.


Harzer Eisen wurde hauptsächlich in Goslar gehandelt und ging
teils nach den Seestädten, teils über Erfurt nach Thüringen u. s. w.
In Schlesien war in dem Fürstentume Sagan starker Eisenhandel.
Die Eisenwaren gingen meist nach Breslau und von da weiter.
Frankfurt a. O. war der Hauptmeſsplatz für den slawischen Osten.
In Norddeutschland hatte die Hansa den Eisenhandel in Händen, und
zwar handelte sie hauptsächlich mit schwedischem Eisen (Osemund),
das über Lübeck importiert wurde. Dieser Handel bewegte sich teils
auf dem Seewege, teils ging er über Land. Die Hauptstraſse führte
über Soest nach Dortmund und von da nach den Niederlanden. In
den Steuerrollen von Osnabrück vom 15. Jahrhundert wird Stahl und
Eisen als Hauptartikel aufgeführt, getrennt hiervon wird Osemund
und Lenneper Eisen genannt. — Ebenso nennen die Dortmunder Zoll-
rollen Eisen und Stahl, Waffen, Panzer und Harnische als wichtige
Gegenstände des einheimischen Handels wie der Durchfuhr.


Von Dortmund führten Haupthandelsstraſsen nach Köln und nach
Duisburg. Von Köln ging der Handel nach den Niederlanden teils
über Neuſs nach Aachen, teils auf dem Rhein über Duisburg, Wesel
und Emmerich. Alle diese Städte waren zum Schutz mit starken
[571]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Mauern und Gräben umschlossen. Sie erhoben Zölle und Abgaben
von den Eisenwaren und hatten meistens Stapelrecht.


Der Eisenhandel der Hansa war von so groſser Bedeutung, daſs
er in die Entwickelung der Eisenindustrie unmittelbar eingegriffen
hat und müssen wir bei demselben etwas länger verweilen.


Zuvor aber wollen wir noch einiges über die Form des Handels
mitteilen. Die Beförderung der Waren, welche im Mittelalter
meistens auf Saumtieren geschah, war nicht nur erschwert durch die
schlechten Wege, sondern auch durch die Unsicherheit und die vielen
Zölle. Gegen die Unsicherheit schützte im Mittelalter das „Geleit“.
Das Geleit, ursprünglich die Begleitung der Warentransporte durch
Bewaffnete zum Schutze gegen räuberische Angriffe, salvus conductus,
war ein Recht und eine Pflicht, die dem Landesherrn zustand und
wofür die Kaufleute eine Abgabe (pedagium) zu zahlen hatten. Da
es aber der Landesherren in Deutschland auſserordentlich viele gab,
ein jeder aber in seinem Gebiete das Geleitsrecht beanspruchte, so
war das Geleit sehr umständlich und wurde oft zur Plage statt zur
Wohlthat. Es wurde mit der zunehmenden Sicherheit auch gar nicht
mehr oder nur zum Scheine ausgeübt, während die Abgaben dafür
blieben, welche dann die Form eines lästigen Durchgangszolls an-
nahmen. Daneben wurde aber auch noch vielfach Wegezoll, und
zwar nicht nur auf den Landstraſsen, sondern auch auf den Flüssen
erhoben. So waren z. B. auf dem Rhein zahlreiche Zollstellen, welche,
abgesehen von der Abgabe, durch den Aufenthalt für die Waren-
beförderung sehr lästig wurden. War nun das Gut endlich an dem
Markt- und Meſsorte angelangt, so muſste es in die dafür bestimmte
Niederlage (depositio) verbracht werden. Es wurde auf einer
städtischen Wage von dem Wagemeister verwogen. Sowohl hierfür,
wie für die Niederlage wurden Abgaben erhoben. An die Niederlage
knüpfte sich das Stapelrecht (jus stabularum), welches nicht nur
darin bestand, daſs alle durch den Ort geführten Waren, sondern
auch alle in einem gewissen, oft sehr weit gezogenen Umkreise um
den Ort geführten Waren auf die Niederlage gebracht werden muſsten.
Hieran knüpfte sich sodann das Einlagerecht (jus emporii) 1), nach
welchem es den Stadtbewohnern mehr oder weniger ausschlieſslich
zustand, die niedergelegten Waren zu kaufen. Dieses Verkaufsrecht
war mitunter auf wenige Tage oder Wochen beschränkt, bald aber
auch so erweitert, daſs kein Fremder von einem Fremden in der
[572]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Stadt kaufen durfte, selbst nicht auf Märkten und Messen. Es ent-
standen förmliche Verbände einheimischer Eisenhändler, wie z. B. in
Köln „die Gesellschaft vom Eisenmarkt“, welche besonders im 14. Jahr-
hundert eine groſse Rolle in der Geschichte der Stadt spielte. End-
lich wurde aus dem Stapelrecht der Anspruch hergeleitet, daſs die
niedergelegten Waren nur von den Bürgern der Stapelstadt weiter
transportiert werden durften; was sehr vorteilhaft für die ein-
heimischen Fuhrherren und Schiffer, aber sehr lästig für die Waren-
eigentümer war.


Gedenken wir ferner noch der vielen Nebenabgaben, wie Hafen-
geld, Krahnengeld, Kontogeld, Marktgeld u. s. w., so bekommen wir
ein ungefähres Bild von der Umständlichkeit und Beschwerlichkeit
des damaligen Handels.


Daſs aber trotz aller dieser Erschwerungen Erstaunliches auf dem
Gebiete des Warenhandels geleistet werden konnte, hat vor allem
die deutsche Hansa bewiesen.


Der groſse Hansabund, der so viel zur inneren Einigung
Deutschlands beigetragen hat, der Nord und Süd, Ost und West zu-
sammenführte, der den hohen Begriff einer „Germania“, einer
deutschen Nation in alle Länder Europas trug, wurde durchaus nicht
auf dem weitgehenden, groſsartigen Programme, das uns in seiner
Blütezeit imponierend entgegentritt, aufgebaut, sondern er entstand
aus kleinen Anfängen durch lokale Bedürfnisse hervorgerufen. Diese
waren in erster Linie Schutz zur See gegen Piraten und Strandräuber
und Schutz der Handelsstraſsen zu Land gegen Überfälle aller Art.
Zu diesem Zwecke vereinigten sich zuerst Nachbarstädte, welche in
Handelsverbindung traten. Solche Verbindungen hatten im Süden
und Norden schon bestanden, ehe die eigentliche Hansa ins Leben
trat. So hatte Lübeck, die Gründerin der Hansa, verschiedenen
Städtevereinigungen angehört, ehe es an die Spitze des groſsen Bundes
trat. Das Bedürfnis für diesen entstand erst, als die Produkte des
Nordens und Ostens von dem reichen, kaufkräftigen Westen, ins-
besondere von Westdeutschland und den Niederlanden, gesucht wurden.
Hierfür aber war Lübeck durch seine Lage der natürliche Umschlags-
und Vermittelungsplatz, denn hier lief der Handel Dänemarks, Skan-
dinaviens und der Ostseeländer einerseits, sowie der Landhandel mit
Süd- und Westdeutschland und den Niederlanden anderseits natur-
gemäſs zusammen, und dadurch wurde Lübeck der Vorort. Der
groſse Bund entwickelte sich erst allmählich, und es ist schwierig,
den eigentlichen Entstehungsmoment anzugeben. Manche erblicken
[573]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
denselben bereits in dem 1169 gegründeten Bunde der 12 Ostsee-
städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam,
Stettin, Kolberg, Stolpe, Danzig, Elbing und Königsberg gegen
die Seeräuber. Allerdings scheint in diesem Bunde, der hauptsäch-
lich auf Betreiben Heinrichs des Löwen entstanden war, dessen Lieb-
lingsstadt Lübeck bereits der Vorort gewesen zu sein. Den Handel
beherrschten aber damals noch die Kauffahrer der Insel Gotland
und ihre Haupstadt Wisby. Dazu kam, daſs Lübeck nach Heinrichs
des Löwen Tode schwer bedrängt wurde und sich im Jahre 1200
dem Herzog Waldemar von Dänemark ergeben muſste. Erst durch
Kaiser Friedrich, dem es sich 1213 unterwarf und der es 1227 zu
einer freien Reichsstadt erhob, kam es wieder zu Blüte und Ansehen.
Er schloſs neue Handelsbündnisse, so im Jahre 1241 ein Schutz- und
Trutzbündnis mit Hamburg zur Abwehr von See- und Landräubern,
und dieser wichtige Bund wird von den meisten — besonders von
Lambecius — als der Ursprung des Hansabundes angesehen. Ihm
traten alsbald andere Städte bei, namentlich Braunschweig im Jahre
1247, und nun dehnte sich der Bund sowohl nach Zweck und Um-
fang als nach Ansehen rasch aus. Er übertrug das Protektorat des
Bundes den Groſsmeistern des deutschen Herrenordens und erhielt
dadurch starken Schutz für seinen Handel im Osten. Anderseits
trat er in ein Bundesverhältnis mit den rheinischen Städten, welche
schon unter sich verbündet waren und an deren Spitze das blühende
Köln stand. Köln trieb bereits damals bedeutenden Handel mit den
Niederlanden und mit England. In London hatte es groſse Vorrechte
erworben und war Herr des Stahlhofes (steel-yard) (Bd. I, S. 745,
832). Nach Anderson scheinen die deutschen Kaufleute schon 979
in London ansässig gewesen zu sein. Sicher hatten sie, darunter be-
sonders die Kölner, schon im Anfange des 13. Jahrhunderts besondere
Privilegien, sowie Grund und Boden in London. 1239 erlangten sie
weitere Vorrechte durch König Heinrich III. Dieser oder sein Vater 1)
hatte ihnen für Wohnungen und Warenhäuser den Platz an der
Themse eingeräumt, welcher der steel-yard heiſst und seinen Namen
von dem groſsen Handel in Eisen und namentlich in Stahl hatte.
Bald nach diesem Ereignis schloſs sich Köln dem Hansabunde an
und der Stahlhof wurde die Niederlage für alle hanseatischen Kauf-
leute, doch behielten die Kölner das Vorrecht. Dies geschah wahr-
scheinlich im Jahre 1250, wenigstens wird von da an London als
[574]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
eine der vier groſsen Stapelplätze der Hansa genannt. Die andern
waren Brügge, das Centrum des flandrischen Handels, von 1252 (1262)
ab, Bergen für den nordischen seit 1272 und Nowgorod für den
russischen Handel seit 1278. In allen diesen Städten bestanden
groſse Kaufhöfe der Hanseaten, welche sich zu Stadtteilen oder zu
einer Stadt in der Stadt erweiterten. Denn sowohl die Kaufleute als
alle ihre Bediensteten wohnten in dem Kaufhofe. So wohnten alle
deutschen Kaufleute von 1250 ab mehrere Jahrhunderte durch im
Stahlhofe, der wie eine feste Stadt umwallt und mit starken Thoren
versehen war, welche jeden Abend zu bestimmter Stunde verschlossen
wurden. Dann muſste ein jeder in seiner Behausung sein, sonst begab
er sich seines Rechtes und Schutzes. Innerhalb der Mauern des Stahl-
hofes herrschte ein eigenartiges, landsmännisches Leben, welches
durch strenge Ordnung geregelt war. Es hatte einen klösterlichen
Anstrich, da Weiber im Stahlhofe nicht zugelassen waren. Die Be-
amten muſsten sich zur Ehelosigkeit verpflichten. In dieser Weise
trieben die deutschen Kaufleute in London gewinnbringenden Handel,
indem sie lange Zeit den ganzen auswärtigen Handel Englands in
Händen hatten, sowohl Ein- wie Ausfuhr auf ihren eigenen fremd-
ländischen Schiffen besorgten. England besaſs in jenen frühen Zeiten
nur wenige Kaufleute und noch weniger Schiffe.


Die Deutschen nannten ihre groſsartige Niederlage in London
aber nicht Stahlhof, sondern Gildhalle, Gildhalla Teutonicorum. Sie
hatten die Verpflichtung, das Stadtthor der City von London, genannt
Bishop’s gate, zu bewachen und in Reparatur zu erhalten.


Fremde durften im Stahlhofe nicht übernachten. 1280 verlieh
Eduard I. den deutschen Kaufleuten einen Schutzbrief — charter —,
in welchem ihre Privilegien bestätigt wurden. Die deutschen Kauf-
leute bildeten eine geschlossene fremde Macht im englischen König-
reiche, aber das Land konnte sie nicht entbehren, und die Fürsten
zogen groſsen Nutzen durch sie. Daſs sie den einheimischen Kauf-
leuten ein Dorn im Auge waren, ist selbstverständlich, aber auch der
Stadt London wurde diese fremde Festung in der Stadt mit der Zeit
lästig und verhaſst.


Ähnliche Machtstellung erlangten die Hanseaten auch in den
übrigen Ländern, wo sie ihre groſsen Kontore hatten. Natürlich ge-
schah dies nicht ohne Widerstand. Wir wollen chronistisch die
wichtigsten Thatsachen der Entwickelung des Hansabundes aufführen:


1252 erlangen die Hanseaten in Flandern groſse Ermäſsigung der
Zölle und Abgaben; — desgleichen in Sachsen.


[575]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.

1262 wird Brügge zu einem Hauptkontor gemacht. Dieses wuchs
dadurch rasch, denn die Massenartikel der Ostseeländer, wie Eisen,
Kupfer, Korn, Flachs, Holz etc., fingen an, in Südeuropa gesucht zu
werden. Durch die zahlreichen Schiffe der Hanseaten wurden sie zu
allen Küsten gebracht. Brügge war vorzüglich als Niederlage wegen
seiner Verbindung mit den flandrischen Häfen, die sich besonders für
Entrepots eigneten, gewählt worden.


1266 erscheint der Name „Hansa“ zum ersten Male urkundlich
in folgendem Privileg Kaiser Heinrichs III.: Concedimus mercatoribus
de Hamborch pro nobis et Haeredibus nostris, quod ipsi habeant
Hansam suam per se ipsos per totum regnum in perpetuum.


1280 versuchte König Magnus V. von Norwegen die übermäſsigen
Privilegien der Hanseaten einzuschränken. Hierauf blockierten die-
selben alle seine Häfen und zwangen ihn, nicht nur die Privilegien
zu erneuern, sondern auch eine groſse Summe Geldes zu zahlen.


1313 hindern hanseatische Schiffe die Schiffe der Engländer am
Handel mit nordischen Häfen.


1316 stehen die vandalischen Hansastädte, d. h. die christlichen
Städte, an den deutschen Gestaden der Ostsee in groſser Blüte.


1340 haben die Hanseaten die gröſsten Schiffe.


1348 führen sie einen siegreichen Kampf gegen Dänemark wegen
des Sundzolls.


1350 trat Danzig dem Bunde bei.


1360 wurden sie durch ihre geräumigen Schiffe die Frachtschiffer
für ganz Europa.


1361 bis 1370 führten die Hanseaten siegreiche Kriege gegen
Waldemar IV. Atterdag, König von Dänemark. In diesem zerstörten
sie zweimal Kopenhagen, 1361 und 1369, und vernichteten zweimal
die dänische Flotte, 1364 und 1368. Die Führung hatte Lübeck.
Diese Kämpfe sind epochemachend für die Geschichte des Artillerie-
wesens, weil in ihnen zum ersten Male Feuergeschütze im Seekampfe
in gröſserem Maſsstabe angewendet wurden.


Nach Beendigung dieses Krieges stand die Hansa auf dem Gipfel
ihrer Macht. Keine andere Seemacht war ihr gewachsen. Der Bund
umfaſste damals etwa 70 Städte und war in vier Hauptkreise geteilt,
deren Hauptorte Quartierstädte hieſsen: Lübeck war Hauptort der
wendischen und überwendischen Städte, zugleich verwaltete es die
Landesämter und schrieb die Tagfahrten aus; Danzig war die Quartier-
stadt der preuſsischen und liefländischen Städte, Braunschweig die der
sächsischen und brandenburgischen, und Köln die der westfälischen,
[576]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
rheinischen und niederländischen Orte. Die Verwaltung des Bundes
war eine vorzügliche und sein Ansehen so groſs, daſs er öfter zum
Schiedsrichter in Streitigkeiten von Fürsten und Ländern angerufen
wurde. Aber er übte groſse Härte und Unduldsamkeit im Handel
gegen alle, die nicht dem Bunde angehörten und zog sich dadurch
viele Feinde zu.


1370 muſste der besiegte Waldemar die Provinz Schonen den
Hanseaten für die bedungene Kriegsentschädigung zum Pfande geben.


1371 setzten sie den König Magnus von Schweden aus dem
Hause der Folkinger ab und ihren Verbündeten Albrecht von Mecklen-
burg als König ein. Aus diesem Siege und seinen Folgen entstand
aber der Hansa aus den Anhängern der unterworfenen Könige ein
lästiger Feind, die Seeräuber, die zum ersten Male 1384 zerstörend
in der Ostsee auftraten. Sie organisierten sich unter der Bezeichnung
Vitalienbrüder und thaten dem hanseatischen Handel groſsen
Abbruch.


1395 eroberten die Vitalien Bergen, und obgleich sie es angeblich
nur auf die Unterthanen der Königin Margarete abgesehen, plünderten
sie sowohl hanseatische als auch englische Kaufleute. Die Engländer
schoben diese und andere Schädigungen durch die Vitalienbrüder dem
Hansabunde zu, weil allerdings zwei Bundesstädte, Rostock und Wismar,
mit den Vitalienbrüdern im Bunde standen. Es half nichts, daſs diese
beiden Städte aus dem Bunde als Beförderer des Unwesens aus-
geschlossen wurden.


Die Erbitterung der Engländer kam 1399 zum Ausdruck in einer
Anklage der Londoner Kaufmannschaft gegen den Stahlhof wegen
Miſshandlung englischer Kaufleute und Beherbergung von Fremden
und von fremden Waren, mit dem Antrage, den Deutschen (easter-
lings) die Privilegien zu entziehen.


Die Sache wurde beglichen, und 1413, nach dem Tode Heinrichs IV.,
des ersten englischen Königs, der principiell gegen den Bund an-
kämpfte, erhielt der Stahlhof einen neuen Freibrief (charter), der den
wichtigen Artikel enthielt: daſs kein König auch in Zukunft Steuer
oder Zoll erheben dürfe, auſser den alten vereinbarten. Aber der
Kampf der englischen gegen die deutschen Kaufleute in London hatte
begonnen und kam nicht mehr zur Ruhe. Die Kämpfe mit den
Vitalienbrüdern und deren Räubereien dauerten gleichfalls fort. Trotz-
dem war damals die Hansa eine der stärksten Mächte der Welt. Sie
erwies sich reicher und mächtiger als die durch die Kalmarer Union
1397 vereinigten nordischen Königreiche Dänemark, Schweden und
[577]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Norwegen. „Zur Zeit, da kaum ein deutsches Reich bestand, die
böhmischen Hussiten das mittlere Deutschland siegreich durchzogen,
war das deutsche Kaisertum zur See von Kap Finisterre bis Island,
von den Lofoden bis zur Newa sicher geborgen“ (Jähns).


1428 entsendete sie eine Flotte von 248 Schiffen mit 12000 Mann
gegen Kopenhagen, nötigte den König Philipp IV. von Frankreich,
den Briten alle Handlung auf den französischen Küsten zu verbieten;
eroberte mit 100 Schiffen Lissabon, und England muſste den Frieden
von ihr mit 10000 Pfd. Sterl. erkaufen. Vergebens stemmte sich
noch gegen diese Übermacht der Deutschen das patriotische Gefühl
der Skandinavier und Engländer.


Den ersten Rückgang erfuhr die Macht der Hansa durch die
Vereinigung der Niederlande mit Burgund. Von 1431 an ging ihr
Handel mit Holland zurück und 1441 wurde sie von den Holländern
besiegt.


In Deutschland selbst erfuhr der Hansabund eine Schwächung
durch die wachsende Territorialgewalt der Fürsten, welche die Städte
des Bundes in die Landesunterthänigkeit zu bringen strebten.


Ein anderer Grund des Rückganges waren innere Zwistig-
keiten.


In England übte König Eduard IV. auf die deutschen Kaufleute
schweren Druck aus, indem er die Berechtigung ihrer Privilegien in
Zweifel zog, deren Erneuerung im Jahre 1466 nur gegen Zahlung
einer groſsen Summe erfolgte. Die innere Spaltung im Bunde be-
nutzend, übertrug Heinrich VI. alle Privilegien allein auf die Kölni-
schen Kaufleute. Erst nach langen Verhandlungen wurden dieselben
1474 dem Hansabunde wieder zugesprochen.


1493 wurde der Stahlhof überfallen und geplündert. Dies kam
so: Die englischen Kaufleute hatten sich ebenfalls zu einem Bunde
vereinigt, den „merchant adventurers“, welche wichtige Privilegien
erwarben und groſsen Handel trieben. Durch die Feindseligkeiten
Englands mit Burgund und den Niederlanden kamen diese in groſse
Bedrängnis, weil der Handel mit den Niederlanden gänzlich ab-
geschnitten war. Die Deutschen aber zogen gerade aus diesem Um-
stande ungeheuren Vorteil, indem sie die flämischen Waren über
ihre deutschen Häfen einführten. Dies reizte die vielen brotlos ge-
wordenen Tagelöhner, Lehrlinge und andere Bedienstete der merchant
adventurers zu solcher Wut, daſs sie mit bewaffneter Hand den
Stahlhof überfielen und plünderten. Die Bewegung wurde zwar rasch
unterdrückt, führte aber zu langen Verhandlungen, die erst 1504
Beck, Geschichte des Eisens. 37
[578]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
ihren Abschluſs dadurch fanden, daſs die Privilegien des Stahlhofes
durch act of Parliament bestätigt wurden.


Ein schwerer Schlag traf den hanseatischen Handel im Osten
durch die Unterwerfung Nowgorods durch den Zar Iwan Wassilje-
witsch. Nowgorod war eins der gröſsten und gewinnbringendsten
Kontore der Hansa. Der unter dem Schutze von St. Peter in Now-
gorod hausende deutsche Kaufmann erfreute sich gröſserer Freiheiten
als seine Landsleute in den Kaufhöfen von London, Brügge und
Bergen.


Nowgorod kann in gewissem Sinne als der Ausgangspunkt des
russischen Staates betrachtet werden. Bis Ende des 9. Jahrhunderts
selbständiger Herrschersitz, wurde es von da ab eine Statthalterei
der Groſsfürsten von Kiew, behielt aber eine verhältnismäſsig selb-
ständige Stellung. Die Bürger führten ihre Verwaltung selbst und
überlieſsen dem Statthalter nur die Führung im Kriege; Jaroslaw 1.
gab der Stadt die umfassendsten Freiheiten. Später machten sie sich
ganz unabhängig, gründeten einen eigenen Freistaat, erwarben aus-
gedehntes Gebiet, das sich im 12. Jahrhundert bis zur Ostsee er-
streckte, und wurde der Mittelpunkt des ganzen russischen Handels.
Wisby trat mit ihm in lebhafte Handelsverbindung und die Got-
länder hatten lange vor den Deutschen ihren eigenen Kaufhof.
Lübeck und Riga schlossen mit Nowgorod Handelsbündnisse, welche
dann auf die deutsche Hansa übertragen wurden. Die deutsche
Faktorei entstand bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts.
Der Hof von St. Peter, dessen Mittelpunkt die 1184 erbaute Peters-
kirche war, bildete das deutsche Quartier. In der Nähe der deutschen
Niederlassung befand sich der Hof der Gotländer mit der Olafskirche,
die älteste Ansiedlung von Ausländern in der Stadt. Nowgorod
wurde immer reicher und mächtiger, dehnte sein Gebiet bis an das
Weiſse Meer aus, wo sie die Stadt Archangel gründeten. Weit und
breit war die mächtige Stadt gefürchtet und aus den schweren
Kämpfen ging es meist siegreich hervor, so daſs der Ruf aufkam:
Wer kann wider Gott und Groſs-Nowgorod? In diesem groſsen
Handelsstaate war der Bund der deutschen Kaufleute die stärkste
Macht geworden. Riga, welches um 1200 von Deutschen gegründet
war, vermittelte hauptsächlich den Handel mit dem Westen, doch
waren auch viele lübische Häuser in Nowgorod vertreten. Man unter-
schied Wasserfahrer und Landfahrer 1). Die Wasserfahrer hatten in
[579]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
allem den Vortritt. Die Kaufleute des St. Peterhofes sonderten sich
in Landsmannschaften (Mascopien). Sie waren eingeteilt in Meister,
Knappen und Jungen, die in einem riesigen Gebäude, „das Dornsen“
genannt, wohnten. St. Peterhof bildete einen Stadtteil ähnlich dem
Stahlhofe in London, mit eigenen Krankenhäusern, Bierbrauereien u. s. w.
Auch war immer eine Anzahl deutscher Knaben unter 20 Jahren zur
Erlernung der russischen Sprache da, deren Kenntnis für das Ge-
schäft unerläſslich war. Beim Handel mit den Russen war die
gröſste Vorsicht nötig. Kein Russe durfte in St. Peterhof über
Nacht bleiben. Das ganze Quartier war mit ausgedehnten Schutz-
vorkehrungen umgeben. Der Kassenüberschuſs wurde nach alter
Sitte und „der Willkür der gemeinen Deutschen aus allen Ständen“
— so hieſs das Gesetzbuch — nach Gotland abgeführt, um in dem
St. Peterskasten der Marienkirche zu Wisby (welches damals noch die
Quartierstadt des Ostens war) aufbewahrt zu werden. Die vier zum
Kasten gehörigen Schlüssel wurden der Obhut je eines Aldermannes
von Wisby, Lübeck, Soest und Dortmund anvertraut. Zwischen Wisby,
welches an der Spitze der Gotland-Kaufleute stand und Lübeck, dem
Haupte des groſsen Hansabundes, herrschte fortwährend Eifersucht,
bis Wisbys Macht 1361 durch die Dänen vernichtet wurde. Nach
Wisbys Fall wuchs die Bedeutung Rigas, und dieses, sowie die beiden
andern groſsen liefländischen Handelsstädte, Reval und Dorpat, suchten
den Handel in Nowgorod in der Weise für sich auszubeuten, daſs alle
Hanseaten durch ihre Vermittelung kaufen und verkaufen sollten.
Dies gab zu vielen Streitigkeiten mit Lübeck Veranlassung. Da voll-
zog sich von Moskau aus eine Umwälzung innerhalb Ruſslands, welche
dem Handel neue Bahnen wies und die reichen Kaufhöfe der Deut-
schen in Groſs-Nowgorod für immer verödete.


„Die Tage der Unabhängigkeit Nowgorods waren gezählt 1), seit
Iwan III. Wassiljewitsch den Thron Ruriks bestiegen hatte. Diesem
Fürsten, der als Gemahl einer Nichte des letzten Griechenkaisers sich
den Zarentitel beilegte und den Doppeladler als Reichswappen an-
nahm, verdankt Ruſsland seine Befreiung vom Joche der Tataren,
seine Einheit, sein geschriebenes Recht und — seine Knute.“ Die
Geschichte nennt ihn „den Groſsen“, aber auch „den Furchtbaren“.
Nowgorods Macht war ihm unerträglich. Er bekriegte den Freistaat,
schlug die Nowgoroder in der Schlacht an der Schalona am 14. Juli
1471 und unterwarf es seinem starken Scepter. Aber Nowgorod erhob
37*
[580]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
sich wieder und es wurde 1477 zum zweiten Male belagert. Es muſste
sich ergeben und 14 Millionen Kriegsentschädigung zahlen. Damit
war seine selbständige Macht für immer gebrochen. —


Die deutschen Kaufleute hatten schwer zu leiden. Aller Handel
mit Ruſsland wurde ihnen untersagt. Die Insassen von St. Peter und
St. Olaf erhielten von Dorpat die Weisung, Nowgorod zu verlassen.
Endlich kam im Jahre 1484 ein 20jähriger Friede zwischen den
Hansastädten und dem Zaren Iwan Wassiljewitsch zu stande. Aber
dieser Friede wurde nicht gehalten. Iwan verband sich mit König
Johann von Dänemark, einem erbitterten Feinde des Hansabundes.
Dieser machte zur Bedingung, daſs den deutschen Kaufleuten der
russische Markt verschlossen und sie aus Nowgorod vertrieben wurden.
Demgemäſs wurde am 3. November 1493 ein geheimer Vertrag ab-
geschlossen. Am 5. November 1494 erfolgte der verräterische Über-
fall von St. Petershof. 49 deutsche Kaufleute aus Lübeck, Hamburg,
Greifswalde, Lüneburg, Münster, Dortmund, Bielefeld, Unna, Duisburg,
Einbeck, Duderstadt, Reval und Dorpat wurden festgenommen und
ihre Waren im Werte von einer Million Gulden mit Beschlag belegt.
„Die alten, seit 1199 immer von neuem ergänzten und beschworenen
Verträge zerriſs die gewaltige Hand des ersten Alleinherrschers aus
dem Stamme Rurick.“ Von diesem Schlage hat sich der hanseatische
Handel nie mehr erholt. Doch waren es diese äuſseren Schläge nicht
allein, welche die Macht der Hansa erschütterten. Als die Nachricht
von dem Überfalle von St. Petershof im fernen „Naugard“ in Deutsch-
land verbreitet wurde, erzählte man sich gleichzeitig, daſs ein Portu-
giese — Vasco de Gama — Afrika umschifft und zu Wasser nach
Indien gesegelt sei, ja daſs ein kühner Genuese Christoph Kolumbus
westwärts, quer durch den Ocean steuernd, zur indischen Küste ge-
langt sei. Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien durch die
Portugiesen und die von Amerika durch die Spanier veränderte den
Welthandel und traf die Hansa im innersten Mark. Auch die innere
Entwickelung Deutschlands trug dazu bei. Mit der wachsenden
Macht der Landesfürsten sank die Macht und das Ansehen des
Kaisers. Die Hansa hatte aber als „deutsche Hansa“ ihre Rolle ge-
spielt, und wenn ihr auch die schwache Macht der Kaiser unmittelbar
wenig Hilfe gewährt hatte, so stand doch bis in das 16. Jahrhundert
der deutschen Kaiserwürde die anerkannte Oberhoheit in Europa zu.
Die Entwickelung zu nationaler Einheit und das daraus entspringende
Wachstum der Macht der mächtigen europäischen Staaten, Spanien,
Frankreich und England, stellten die Kaisermacht in Deutschland
[581]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
mehr und mehr in den Schatten. Die Kaisermacht wurde aber in
Deutschland selbst zur Ohnmacht durch die Politik der Landesfürsten,
welche unter sich uneins und gespalten das heilige römische Reich
deutscher Nation der Auflösung entgegenführten und es zum Spott der
einigen, jugendkräftigen Nachbarnationen machten.


Die deutschen Landesfürsten suchten Industrie und Handel nur
in ihren eigenen Territorien zu entwickeln und selbständig zu machen,
und wirkten dadurch bewuſst und unbewuſst dem nationalen Wirken
des Hansabundes entgegen.


Noch ein anderes Moment hat zur raschen Auflösung des Bundes
und seiner Macht beigetragen, das war die Art seines Handels. Die
Hanseaten handelten fast ausschlieſslich mit den Rohprodukten der
Länder und vermittelten deren Austausch. Sie haben weder Industrieen
geschaffen, noch Kolonieen angelegt, wie später die Engländer. Des-
halb verschwand auch ihre Spur, nachdem die beteiligten Völker
ihren Handel selbst in die Hände nahmen, so gänzlich.


Demungeachtet stand mit dem Eintritte des 16. Jahrhunderts
die deutsche Hansa noch als eine groſsartige Macht da, aber ringsum
von Verderben bedroht, welches denn auch im Laufe des Jahrhunderts
auf sie hereinbrach. Die Ereignisse, welche das bewirkten, gehören,
soweit sie die Geschichte des Eisens berühren, der Lokalgeschichte
an. Wir wollen nur eine chronistische Übersicht hier geben:


  • 1501 Lübeck und die wendischen Hansastädte kämpfen im Bunde
    mit den Sture gegen Dänemark.
  • 1511 Krieg des Bundes mit Dänemark und Holland.
  • 1512 Beendigung des dänischen Krieges durch den Frieden von
    Malmö.
  • 1515 die Dänen errichten einen Freihafen zu Kopenhagen zum
    groſsen Nachteile der hanseatischen Ostseestädte.
  • 1516 neuer Krieg mit Dänemark, von welchem sich aber Ham-
    burg ausschlieſst, das sich dadurch sehr bereichert.
  • 1520 Kongreſs mit England in Brügge.
  • 1522 unterstützen die Hanseaten Gustav Wasa bei der Er-
    oberung Stockholms.
  • 1525 durch ihre Verbindung mit Wasa und ihren Reichtum ge-
    winnt die Hansa wieder groſsen Einfluſs im Norden.
  • 1527 wird Sten Sture der jüngere auf eine Anklage Gustav
    Wasas
    in Lübeck als Dieb enthauptet.
  • 1532 Lübeck, das sich im Streite mit Holland befindet, sucht im
    Bunde mit König Friedrich von Dänemark die Holländer gänzlich von
    [582]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
    der Ostsee auszuschlieſsen. In diesem Jahre ankerten 400 Kauffartei-
    schiffe ohne Fracht in den holländischen Häfen und 10000 Boots-
    leute suchten Beschäftigung.
  • 1533 die Hansa mit Dänemark im Bunde gegen Wasa; dieser
    hebt alle Privilegien derselben auf. Friede zu Hamburg.
  • 1536 Karl V. öffnet, unter Begünstigung des mit Schweden ver-
    einigten Dänemarks, die Ostsee den Holländern.
  • 1539 Gustav Wasa vernichtet die Freiheiten der Hanseaten
    in Schweden.
  • 1552 widerruft Eduard [VI.] von England die Privilegien der Kauf-
    leute vom Stahlhofe in London. Dieser Widerruf wird
  • 1554 von Königin Marie bestätigt, danach aber wieder auf-
    gehoben.
  • In diesen Jahren tritt ein allgemeiner Rückgang des hanseati-
    schen Handels ein. Die beiden alten groſsen Kontore zu Nowgorod
    und Bergen werden verlassen. Das zu Brügge wird verlegt und zwar
    anfangs nach Dort, später nach Antwerpen. Ebenso wird das Kontor
    von Reval nach Narva verlegt, was nochmals Veranlassung zu einem
    Kriege mit Schweden giebt.
  • 1572 Krieg mit Schweden.
  • 1578 werden in England die Privilegien der deutschen Kaufleute
    vom Stahlhofe in London definitiv aufgehoben.
  • 1582 Königin Elisabeth verachtet die Drohungen des hanseatischen
    Bundes.
  • 1587 reduziert sie die Stellung der Stahlhof-Kaufleute auf die
    ihrer eigenen.
  • 1589 nehmen die Engländer 60 mit Munition beladene hanseatische
    Schiffe fort, welche für Spanien bestimmt waren, mit dem die Königin
    im Kriege war.
  • 1597 wird der Stahlhof in London geschlossen und die deutschen
    Kaufleute aus London ausgewiesen, nachdem auf das Betreiben der
    Hanseaten Kaiser Rudolf II. am 1. August ein Reichsgebot erlassen
    hatte, das am 29. September in Lübeck mit groſser Feierlichkeit
    öffentlich verlesen wurde, welches alle englischen Kaufleute und
    englischen Waren aus dem ganzen Umfange des Deutschen Reiches
    verbannte.

Dieser Sieg ihrer Verblendung war ihr Todesstoſs.


Am Schlusse des Jahrhunderts ist die Macht, der Einfluſs und
der Reichtum des Hansabundes tief gesunken. Der dreiſsigjährige
Krieg führt zu seinem gänzlichen Verfall. Auf dem letzten Hansa-
[583]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
tage, der 1669 in Lübeck abgehalten wurde, waren nur noch sechs
Städte vertreten, welche sich feierlich von dem Bunde lossagten.


Eisen und Stahl gehörten von Anfang an zu den wichtigsten
Handelsartikeln der Hanseaten. Da diese den Eisenhandel in ganz
Nordeuropa beherrschten, so übten sie einen groſsen Einfluſs auf die
Entwickelung der Eisenindustrie der nordeuropäischen Länder aus.


Eisen wird schon in den ältesten Warenverzeichnissen der
Hanseaten aufgeführt.


So wird z. B. in einer Zollliste vom Damme1) vom Jahre 1252
aufgeführt:


  • centenum ferri de Mainboudslaghe 16 Pf.
  • „ „ dicti Kattenelben 12 Pf.
  • „ „ dicti Bakyser
  • „ „ dicti Duryser
  • „ vel quintala ferri de Ispania.

In einer Zollordnung von 1274 2):


  • centenum ferri quod dicitur membroos yser,
  • „ scoef yser, bacyser.

Es wurden also eine ganze Reihe verschiedener Sorten Eisen und
Eisenwaren auf den [hanseatischen] Märkten gehandelt.


In der Pariser Bibliotheque nationale befindet sich ein inter-
essantes Verzeichnis der Länder und ihrer Produkte, welche man zu
Brügge antraf, aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts 3):


C’est li roiaume et les terres desquex les marchandises viennent
à Bruges et en la terre de Flandres, c’est asavoir les choses qui en-
sivent ci apres. Dou royaume d’Ayleterre viennent laines, cuir, plons,
estains, charbon de roche, fromaige. Dou royaume d’Escoche
viennent lainnes, cuir, fromage et sui (suie, Ruſs, oder suif, Talg?).
Dou royaume d’Yllande viennent cuir et lainnes. Dou royaume de
Norweghe viennent gerfaut, merriens (merrain, Daubenholz), cuir
bouli, burre, sui, oint (Fett) et pois, cuirs de bouc, dont on fait cor-
douan. Dou royaume de Dennemarche viennent palefroy (Zelter), cuir,
oint, sui, cendre, harens, bacons. Dou royaume de Suede len vient
vairs et gris, oint, sui, sain (?), cendre et harpois. Dou royaume de
Rossie vient cire, vairs et gris. Dou royaume de Hongrie vient cire,
or et argent en plate. Dou royaume de Behaigne vient cire, or et
argent et estain. Dou royaume d’Alemaigne vient vins Rinois, pois,
[584]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
cendre, marrien, blef, fer et acier. Dou royaume de Polane vient
or er argent en plate, cire, vairs et gris et coivre.


De lesveschie de Liege et dela entor viennent totes oevres de
coivre fait de la baterie (Schmiedearbeit) et de grand marrien. Dou
royaume de Boujerie vient vairs et gris, hermine, sabre (Zobel) et
letisse (?). Dou royaume de Navarre vient filache, dont on fait sarges
(Zwirn), cordouans, batan, ricolisses, amendre, peleterie, drap, dont on
fait voiles et grans nez. Dou royaume d’Arragon vient lex avoirs com
de Navarre et safrens de ris. Dou royaume de Castle vient grainne
(zum Scharlachfärben), cire, cordouans, basenne, filache, lainne,
poleterie, vif argent, sui, oins, commins, henis (Anis), amendre et
fer. Dou royaume de Lion vient autrex avoirs, comme dessus est
dit, sans fer. Dou royaume d’Enteluse, c’est de Sebile et de Cordes
vient miel, oile dolive, cuirs, peleterie, cire, grans figues et raisins.
Dou royaume de Grenate vient cire, soie, figues, raisins et amendres.
Dou royaume de Galice vient sains, vif argent, vin, cuire, peleterie et
lainne. Dou royaume de Portigal vient miel, peleterie, cire, cuir,
grainne, oint, oile, fig ues, raisins, balai (?). Dou royaume de Fees en
Afrique vient cire, cuirs et peleterie. Dou royaume de Marroc vient
autele marchandise et commin et sucre brus (gebrannt). Dou royaume
de Segelmesse, qui siet pris de la mer des arenes, vient dathes et
alluns blans. Dou royaume de Boujie vient peleterie de aigniax,
cuirs, cire et alun de plume (Federalaun). Dou royaume de Tunes
vient autel avoir comme de Boujie. Dou royaume de Mailorgues vient
alun et ris, cuir, figues, qui craissent au pais. Dou royaume de Sar-
deigne vient peleterie. Dou royaume de Constantinoble vient alun de
glace. Dou royaume de Jherusalem, dou royaume de Egipte, de la
terre au souldent vient poivres et toute espicerie et bresis (Brasilholz).
Dou royaume de Hermenie vient coutons et tote autre espicerie dessus
dit. Dou royaume de Thartarie vient drap dor et de soie de mont
de menieres et pelles et vairs et gris. Et de tous ses royaumes et
terres dessus dites viennent marcheant et marchandises en la terre de
Flandres sans sese, qui vienne dou royaume de France et de Poiteu
et de Gascogne et des 3 illes, ou il y a mou de royaumes, que nous
ne sovons nommer, dons tous les ans viennent marcheant en Flandres
et de mait autres terres. Parcoi nule terre nest compare de mar-
cheandise en contre la terre de Flandre.


In diesem interessanten Warenverzeichnisse, welches uns ein
Bild giebt von dem groſsartigen flandrischen Handel zur Zeit der
Kreuzzüge wird auſser kastilischem Eisen nur Deutschlands Eisen und
[585]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Stahl genannt. Die Hanseaten konnten diesen Handel um so eher
monopolisieren, als sie den schwedischen Handel ganz in Händen
hatten. Den Schweden kauften sie den rohen Osmund ab und ver-
handelten ihnen dagegen deutsche Eisenwaren, Stabeisen und Stahl.
Dieser Handel bewegte sich hauptsächlich über Lübeck.


Unter den Vergünstigungen der Kaufleute von Lübeck für Waren,
welche sie nach Antwerpen fuhren, vom 5. Mai 1407, heiſst es be-
züglich der Zollabgaben 1):


Item van elken vate staels enen grote.

Item van elken dusent ysers, tiene quintale

vor en dusent gerekent, anderhaluen gr.

Leider ist bis jetzt nur wenig über den hochwichtigen Eisen-
handel Lübecks veröffentlicht worden.


Auſser Lübeck war Danzig an dem Eisenhandel am meisten
beteiligt. Dieses hatte namentlich den überseeischen Handel mit
England in der Hand, und daher erklärt es sich, daſs schwedisches
Eisen in England lange als „Danzic iron“ gehandelt wurde (Bd. I,
S. 806).


Danzigs Handel, über den wir besser unterrichtet sind 2), giebt
uns ein Bild des groſsartigen hanseatischen Verkehrs der Ostseehäfen
im Mittelalter (1343 bis 1454).


Von hervorragender Bedeutung war der Verkehr mit Portugal
und Spanien. Danzigs Hauptausfuhrartikel war Schiffsbauholz, welches
von allen seefahrenden Nationen gesucht wurde; aus Lissabon kamen
dagegen südländische Waren: Öl, Rosinen, Wein, Pantherfelle u. s. w.
Bei dem Verkehre mit Spanien unterschied man die beiden Land-
schaften Galizien und Biskayen. Die Biskayer waren gefürchtete
Seeräuber, die namentlich den preuſsischen Ordensleuten sehr feindlich
gesinnt waren. Der Verkehr mit Galizien war besser, besonders durch
die groſsen Pilgerfahrten zum heiligen Jakob von Compostella. Diese
wurden schon im 14. Jahrhundert auf eigenen preuſsischen Schiffen,
die zugleich Handelszwecke verfolgten, unternommen. Die Fahrten
nach der Pyrenäischen Halbinsel waren reich an Gefahren, die nicht
nur von den Seeräubern, sondern auch von den konkurrierenden
Nationen drohten. 1379 wurde der preuſsische Schiffer Tidemann
Stricker
auf der Rückkehr von St. Jakob in Galizien von drei eng-
[586]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
lischen Schiffen überfallen, seiner Güter beraubt und erschlagen. 1398
wurden 14 hanseatische Schiffe, reich beladen mit Öl, Wachs, Wein,
Reis, Honig, Talg, und spanischem Eisen auf der Rückkehr von
friesischen Piraten aufgefangen. Ebenso gefährlich waren die Fahrten
nach Frankreich, die „Baienfahrten“. Dänen, Schweden und die
Vitalienbrüder, Friesen, Engländer, Normannen und Biskayer stellten
den reich beladenen Hansaschiffen nach.


Spanisches Eisen, ein wichtiger Importartikel der hanseatischen
Seehäfen, kostete um 1420 die 1000 Pfund 9 goldene Kronen (2 Kronen
= 1 schweren Nobel = 9½ Thlr.), oder 25,65 Mk. die 100 kg.


Die Fehden mit den biskayischen Seeräubern und die Repressalien
gaben Veranlassung zu fortgesetzten Streitigkeiten mit Spanien selbst,
welche dann in Warenverboten und andern vexatorischen Bestim-
mungen ihren Ausdruck fanden. 1434 wurde deshalb ein sechsjähriger
Vertrag zwischen der Hansa und Spanien abgeschlossen, der aber nur
wenig besserte; diesem folgte 1443 erst ein dreijähriger, dann ein
zwölfjähriger Friede (bis 1458). Die wichtigsten Artikel in dem Handel
mit der Westküste Frankreichs — den Baienfahrten — war das
Baiensalz, Seesalz und Weine, welche in Poitou (französischer),
Romanyen (spanischer) und Malvasier (griechischer) unterschieden
wurden.


Aus Nordfrankreich kam ebenfalls Wein im Austausch mit
Häringen und Getreide. Dieser Handel war in jener Periode vielfach
gestört durch den englisch-französischen Krieg.


Der Handel Danzigs mit England 1) war von besonderer Wichtig-
keit. Die Deutschen hatten ihre Niederlage im Stahlhofe zu London.
Die Engländer siedelten sich schon früh in Danzig an. Im 14. Jahr-
hundert gab es bereits eine Niederlassung englischer Kaufleute, das
„englische Haus“, und wie groſsartig der Handel war, erhellt daraus,
daſs im Jahre 1392 auf einmal 300 englische Schiffe zum Getreide-
kauf nach Danzig kamen. Der Hauptartikel der Engländer war
„englisches Gewand“. Eine Specialität Danzigs, die von den Eng-
ländern am meisten gefragt wurde, war Bogenholz. Der Verkehr war
ein so regelmäſsiger, daſs man 1406 der Meinung war, „als ob die
Preuſsen England gar nicht entbehren könnten“. Umgekehrt war
England in schlechten Erntejahren vollständig auf die Einfuhr von
Danziger Getreide angewiesen. Trotzdem entstanden seit dem 15. Jahr-
hundert von 1437 bis 1470 fortwährend Streitigkeiten, die immer nur
[587]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
von Fall zu Fall beigelegt wurden, so daſs ein Mittelzustand zwischen
Krieg und Frieden herrschte. Am 12. Juni 1451 wurde auf der Tage-
fahrt zu Utrecht Friede mit den Engländern geschlossen. Der gegen-
seitige Handel war damals ein sehr bedeutender. 1437 berechneten
die Engländer die Pfundgelder, sowie die Pfahl- und Hafengelder so
hoch, daſs daraus eine Jahreseinfuhr von 400000 Pfd. Sterl. hervor-
geht. Die Hauptartikel der Danziger waren: Getreide und Holz, be-
sonders zum Schiffsbau und Bogenholz, mit dem Holze gingen Segel-
stangen, Schiffstaue und eiserne Anker. Auch wurden ganze
Schiffe für englische Rechnung auf der Lastadie zu Danzig gebaut.
Auſserdem Wachs, Flachs, Rauchwaren (besonders littauisches
Werk), Asche, Teer und Pech. Kupfer, das man aus Ungarn bezog,
Landeisen, das namentlich in der Gegend von Bütow gewonnen
wurde. Von preuſsischen Manufakturwaren wird besonders Lein-
wand aufgeführt. Die Engländer lieferten besonders rohe Wolle,
Wollenzeuge, namentlich Laken und Scharlachtuch. Von Metallen
Zinn und Osemund (schwedischen); ferner Harze. Von fremden
Erzeugnissen brachten ihre Schiffe: Rheinwein und Roſsharnische
(Innsbrucker ?). Inniger noch waren die Beziehungen zu Schottland.
Es bestand eine alte Freundschaft zwischen diesem und Preuſsen.
Für die schottische Wolle lieferten die Danziger Getreide, Holz und
Schiffe, ferner Mehl, Malz, Asche, Theer und Eisen. Beispielsweise
bestand die Ladung eines nach Schottland bestimmten Schiffes aus
16 hundert Wagenschoſs (Getreide), 24 Tonnen Mehl, 21 Tonnen
Teer, 300 Scheffel Malz, 13 Tonnen Eisen und 14 Tonnen Asche.
Das hier aufgeführte Eisen ist Landeisen, nicht Osemund.


Brügge war der Mittelpunkt des groſsartigen Handels von
Flandern und Brabant 1); es war der Sammelpunkt aller Nationen.
Flandrische Tuche gingen durch die ganze Welt. Die Danziger Kauf-
leute kamen in Brügge nur als „Hansen“ in Betracht und nahmen
als solche an den Rechten und Vorteilen der in Brügge von sechs
Aldermännern unter dem Beirat von 18 Kaufleuten geleiteten hansea-
tischen Faktorei teil, teilten aber auch mit jenen alle die Wechsel-
fälle und Verluste, von welchen während der häufigen flandrischen
Volksaufstände und später infolge der englisch-französischen Kriege
auch die Fremden in diesem Lande betroffen wurden.


Bis zu Ende des 15. Jahrhunderts stand bei den Ostseeschiffern
die Meinung fest, daſs an der ganzen niederländischen Küste nur die
[588]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
Wielinge, d. h. die Mündung der Westerschelde in Zwin und Damme
und andern kleineren Plätzen, Häfen zur Aufnahme gröſserer Schiffe
darböten; nur ausnahmsweise wagte man sich nach Antwerpen oder
Bergen-op-Zoom. Da nun Brügge, wenn auch selbst nicht am Meere
gelegen, von altersher durch Verträge mit Sluyz über den Hafen Zwin
verfügte, Damme zu seinem Gebiete zählte und mit beiden durch
Kanäle in Verbindung stand, so bot sich dieses schon durch die ge-
nannten Hafenplätze für alle von der Ostsee nach Westen segelnden
Schiffe als den besten Anlaufplatz dar, um so mehr, da diese mit Holz,
Getreide u. s. w. befrachteten Schiffe immer schwere Ladung und
entsprechenden Tiefgang hatten. Alle Schiffe, die durch den Kanal
nach Frankreich, Spanien und nach Lissabon fuhren, legten hier erst
an, um Proviant u. s. w. einzunehmen.


Als von Danzig in Flandern eingeführte Waren werden ge-
nannt: Wagenschoſs, Klappholz, Knarrholz, lange Riemen, Pipenstäbe,
Tonnen- und Bogenholz (einmal 1386 auch 4500 Sparren an die von
Sluyz zur Befestigung ihrer Stadt), sodann Getreide, namentlich
Roggen, roh oder als Mehl, Asche in verschiedenen Sorten, Wachs,
Pech, Teer, Rauchwaren, darunter auch Zobel und Marder, Flachs,
Garn, namentlich Fischgarn, Osemund, Landeisen und Kupfer.
Von Fischen: Störe in Fässern verpackt und Häringe, deren Fang an
der flandrischen Küste nach einer amtlichen Erklärung von 1434 in
früherer Zeit zu Gunsten der deutschen Kaufleute und erst um diese
Zeit gegen eine besondere Abgabe freigegeben wurde; auſserdem noch
Seehundsfelle, Bier und Wolle.


Die meisten Waren wurden nach Brügge gebracht, wo von den-
selben an das Kontor eine bestimmte Abgabe und zuweilen noch
überdies zur Bestreitung besonderer Bedürfnisse ein Pfundgeld zu ent-
richten war. Nur selten, scheint es, fanden sich mit den Waren die
Eigentümer selbst zum Verkaufe daselbst ein, sondern sie sandten
hierzu entweder einen oder mehrere mit Vollmachten versehene
„Kaufmannsknechte“ mit, oder sie konsignierten die Waren an ihre
in Brügge verweilenden „Lieger“ (Faktoren, Kommissionäre, Agenten),
in der Regel selbständige hanseatische Kaufleute, welche für den Ver-
sender den Kauf abschlossen und die Rimessen zuweilen in Wechseln,
meist aber in flandrischer Ware entsendeten, worüber von Zeit zu
Zeit eine gegenseitige Verrechnung (wedderleging) stattfand. Neben
den deutschen „Liegern“ spielten die flandrischen Hausbesitzer in den
Geschäften der Fremden eine wichtige Rolle, indem sie ihren deut-
schen Hausgenossen nicht nur als die gesetzlichen Makler beim Um-
[589]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
satze der Waren zugewiesen waren, sondern auch für ihre gewesenen
Mieter Waren in Empfang nahmen, aufspeicherten und verkauften.
Dem Gesetze nach konnten nur Inländer solche Häuser erwerben;
dasſelbe wurde aber vielfach umgangen, namentlich durch hypothe-
karische Darlehn, worauf alsdann der Hypothekargläubiger die
Rechte des Hausherrn selbst ausübte, während dieser nur seinen
Namen dazu hergab.


Die Einkäufe wurden teils bei den „fremden Nationen“, teils bei
den Eingeborenen gemacht. Unter den Nationen nahmen die Lom-
barden und Genuesen die wichtigste Rolle als Wechsler und Bankiers
ein. Den südländischen Handel hatten besonders die Spanier inne.
Laken (Tücher), ein Hauptartikel des flandrischen Marktes, lieferten
die Belgier, Engländer, Schotten und Holländer, und waren dieselben
in der „Halle“ — dem Kaufhause — ausgestellt.


Die Holländer nahmen gegen die Danziger, wie gegen die
Hanseaten überhaupt, eine feindliche Stellung ein und legten dem
Handel groſse Hindernisse in den Weg, und zwar die Fürsten ebenso
wie die Städte. Die Herrscher aus dem Hause Wittelsbach zeigten
wenig Verständnis für den Handel. Eine Ausnahme machte nur
Johann der Unbarmherzige, der Gegner der Jacobaea, welcher die
Hanseaten begünstigte. Er gestattete allen Kaufleuten freien Ver-
kehr an der Maasmündung und gab am 1. Mai 1412 der gesamten
Hansa einen Freibrief bezüglich des Strandrechtes. Trotzdem ver-
mindert dies nur wenig die Belästigungen, welche die Deutschen an
der holländischen Küste erfuhren. Seitdem 1432 Holland mit Bur-
gund vereinigt worden war, hörten diese Belästigungen offiziell zwar
auf, aber das Streben der wendischen Städte, die holländischen
Schiffer gänzlich von der Ostsee auszuschlieſsen, führte zu neuen
Zerwürfnissen und 1435 zu einer heftigen Seefehde. In Danzig wurde
den Holländern der Sitz im Artushofe öfter entzogen.


Die Einfuhrartikel der Holländer nach Danzig waren namentlich
Laken aus Leyden und Amsterdam, Häringe und Baiensalz; die Aus-
fuhrartikel: Roggen, Wagenschoſs, Asche, Holz, Pech, Störe, Seehunds-
fett, Talg und Osemund. Besonders wichtig für die Holländer war
es aber, daſs sie ganze Schiffe in Danzig kaufen durften.


Das Verhältnis der hanseatischen Ostseehäfen zu Skandinavien
war von besonderer Wichtigkeit durch dessen geographische Lage, da
es den Zugang zur Ostsee von Westen verschloſs.


Die wendischen und preuſsischen Ostseehäfen blühten, so lange
Skandinavien von ihnen in Abhängigkeit verblieb, und der Sund für
[590]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
die Durchfuhr ihrer Schiffe frei war. Den Preuſsen war dies durch
den Friedensvertrag von Stralsund ausdrücklich zuerkannt worden.
Aber schon im Jahre 1412 legte König Erich, der Nachfolger der
groſsen Unionskönigin Margareta, der feindlich gegen die Hansa
gesinnt war, die Festung Orekrog (Helsinjör) am Sunde an und sperrte
die Durchfahrt gegen Abgabe von einem englischen Nobel für jedes
Schiff. 1435 schlossen Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Wismar
einen Separatfrieden mit Erich, worin sie ihm gegen freie Durchfahrt
durch den Sund Hülfe gegen Schweden zusagten. Skandinavien war
durch seine Armut auf den Import angewiesen, was es dagegen bieten
konnte, waren Metalle und Fische. Unter den Fischen spielten die
Häringe die wichtigste Rolle. Der Häring, der schon seit dem
13. Jahrhundert regelmäſsig zur Laichzeit seine Hauptwanderung
nach dem Sund hin richtete, war für die damals mit Dänemark staat-
lich verbundene Halbinsel Schonen eine Quelle des reichsten Segens 1).
Dort kamen zur Laichzeit zahlreiche Fischer zum Häringsfange zu-
sammen. Durch Verträge mit den dänischen Königen erhielten diese
abgegrenzte Fischerlager am Strande — „Villen“ genannt — ein-
geräumt. Zur Zeit des Häringsfanges herrschte in den Villen ein
bewegtes Leben und ein groſsartiger Marktverkehr; meistens in Buden,
die nur für die kurze Zeit errichtet waren. Jede Ville hatte ihren
besondern Vogt. Die Deutschen hatten eine eigene Kirche und ein
Kloster. Im Anfange des 15. Jahrhunderts änderten die Häringszüge
ihre Richtung. Der Fang wurde schlecht und die Villen gingen
zurück. In den Strandlagern blieb ein verarmtes Gesindel zurück,
das zu allem fähig war, namentlich zu Strand- und Seeraub. Aus
ihm rekrutierten sich die Vitalienbrüder.


Die Handelsverbindung Danzigs mit Schweden war weniger durch
die Nachfrage nach schwedischen Landesprodukten, als durch den
vorteilhaften Absatz, den alle Gegenstände des Danziger Handels in
diesem Lande fanden, hervorgerufen. Schweden war damals ein sehr
armes Land, sowohl durch die Dürftigkeit des Bodens, als durch den
Mangel an Kunstfleiſs. Den Hanseaten war der Handel leicht ge-
macht, denn sie begegneten keiner Konkurrenz. Infolgedessen er-
hielten sie groſse Vorrechte. Die Einfuhr umfaſste alles, was zu einem
besseren Leben gehörte, darunter von deutschen Produkten besonders
Rheinwein und Panzer. Die Ausfuhr, bestand in getrockneten Fischen,
vor allem aber in dem schwedischen Eisen — dem Osemund —.


[591]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.

Der Handel mit Norwegen ging durch das groſse Kontor zu
Bergen. Auch in Danzig gab es eine „Bergenfahrer-Gesellschaft“,
die besonders französische Weine, Poitou und Romanyen dorthin ein-
führte.


Schon in früher Zeit stand Danzig mit Ruſsland, d. h. mit Now-
gorod, in Verbindung. Der Verkehr bewegte sich meistens zur See
(Wasserfahrer), und man unterschied Sommer- und Winterfahrer.
Der Wasserweg der Gotlandfahrer ging durch den Finnischen Meer-
busen, die Newa (Nu) hinauf nach dem Ladogasee in den Wolchow
(die Wolga) hinauf bis Nowgorod. Später wurde in Riga und Reval
angelaufen. Haupteinfuhrartikel waren polnische und oberländische
(besonders flandrische) Tuche. In dem Warenverzeichnisse eines
1430 für Reval beladenen Schiffes werden folgende Eisenwaren auf-
geführt: Brotmesser, ein Faſs, eiserne „Stegrechen“ (Steigbügel),
Eisendraht und Harnische.


Mit Littauen war der Verkehr sehr lebhaft, seitdem Herzog
Witow (Witold) sich unter dem Namen Alexander am 12. Oktober
1398 hatte taufen lassen und mit dem deutschen Orden Frieden
schloſs. Der Handel ging durch das Kontor in Kauen (Kowno), die
„Weichselkähne“ mit Salz beladen gingen gegen Sommer und Herbst
von Danzig ab. Ferner wurden eingeführt: Tuche, Seidenzeuge,
Häringe, Osemund, Zucker, allerlei Spezereien und mannigfache
Industrieerzeugnisse. „Es gab nicht ein Handwerk in Preuſsen, das
nicht davon Nutzen zog.“ Dagegen lieferte Littauen Holz, Asche,
Wachs und Pelzwerk.


Mit Polen stand Danzig schon durch seine Lage an der Weichsel-
mündung in engster Handelsverbindung. Aus Polen kam das Holz,
welches einen Hauptartikel des Danziger Handels bildete, und zwar
kam es auf dem Strome in Flossen, Driften oder Traften (struges
lignorum) genannt. Die platten Fahrzeuge der Polen hieſsen Dubassen.
Am Abladungsplatze wurden die Traften und Dubassen auseinander
genommen und die Ladung samt den Schiffen resp. Flossen verkauft.
Polen lieferte namentlich das Eiben- oder Bogenholz, welches in
England so beliebt war. Es kam aus den Karpathen, besonders von
Krakau und Wislica an der Weichsel und Neu-Szandeck an der
Dunajez. Der Hauptfloſsverkehr war mit dem Herzogtume Masovien,
seit 1381 geteilt in die Fürstentümer Plock und Warschau. Die
Handelsverbindungen gingen bis zum Orient; Juden und selbst
Armenier nahmen daran teil. Das Holz wurde vielfach schon im
Polnischen geschnitten. Kupfer, Eisen und Blei kamen von Ungarn
[592]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
über Krakau, welches den Stapel hatte mit Vorkaufsrecht. Dies wurde,
da es zum Nachteile Thorns war, von den Preuſsen nicht anerkannt
und führte zu vielen Zwistigkeiten. Thorn wurde von Preuſsen mit
groſsen Vorrechten ausgestattet. Alle fremden Kaufleute, die aus
Polen kamen, muſsten ihren Weg über Thorn nehmen. Englisches
Gewand durften sie nur in Thorn kaufen. Die Polen brachten dahin
Pelzwaren, dann Erze und selbst ungemünztes Silber und Gold.
Eine ähnliche Herrschaft wie Krakau für die obere Weichsel hatte
Breslau für Schlesien an sich gerissen.


In Thorn war der groſse Jahrmarkt, wohin Polen und Schlesier
kamen, besonders Händler von Posen, Krakau und Breslau. Eisen,
Blei und Kupfer kam ausschlieſslich über Krakau. Flandrische und
englische Tuche gingen auf diesem Wege bis Konstantinopel.


Die Nürnberger erschienen auf diesen Märkten als „Landfahrer“,
besonders mit Gewürzen und Spezereien, die sie aus Italien brachten
und die deshalb „Venediger Ware“ hieſsen. Sie kauften besonders
Wachs und Pelzwerk. Nach Westdeutschland führten von Danzig
drei Hauptstraſsen, ein Seeweg, ein Landweg und ein kombinierter
Weg. Der erste ging nach den Häfen der Ost- und Nordsee, durch
den Sund und wurde besonders für Holz, Getreide und Salz benutzt.
Wichtiger war der Weg zur See bis Lübeck und von da auf „dem
Graben“, d. h. dem 1398 eröffneten Strecknitzkanale nach Hamburg,
von wo es zur See oder zu Lande weiter ging.


Für leichtere Ware wählte man den Landweg, der über Stolpe,
Kolberg, Stettin, Greifswalde, Stralsund, Rostock, Wismar, Lübeck,
Hamburg nach Bremen und von da in das Gebiet des Bischofs von
Münster führte. Von hier ging es weiter nach den westfälischen und
rheinischen Städten, von diesen nach den Niederlanden, insbesondere
nach Utrecht und Brügge. Lübeck und Hamburg waren die Haupt-
knotenpunkte dieses wichtigen Handelsweges.


Mit den Städten am Rhein und in Westfalen bestand ein
intimer Verkehr, es bestanden sogar viele verwandtschaftliche Be-
ziehungen. Hierzu trugen die groſsen Pilgerfahrten nach Aachen
viel bei. Am häufigsten wird Köln genannt. Kölnische Familien
waren in Danzig ansässig, sodann werden Bonn und Wesel aufgeführt;
von westfälischen Städten: Brilon, Altendorn, Iserlohn, Lippstadt,
Lemgo, Unna und Steinheim; wichtiger war Hamm, sodann Münster,
Hildesheim, Arnsberg, Göttingen und Hameln. Den bedeutendsten
Verkehr mit Danzig scheinen aber Dortmund und Soest gehabt zu
haben. Auch hierbei spielte das Eisen eine Hauptrolle.


[593]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.

Danzigs Kaufmannschaft im weitesten Umfange bildete eine
einzige Korporation, die Artusbrüderschaft, welche in erster Linie
gesellige, in zweiter Linie erst gewerbliche Zwecke verfolgte. Da-
neben bestand die St. Georgsbrüderschaft, zu welcher die Schöppen
und Junker gehörten.


Die Lastadie war die Warenniederlage und Schiffswerft zugleich,
auf ihr stand der Krahnen. Die ein- und auslaufenden Schiffe muſsten
ein „Pfahlgeld“ bezahlen. Die Ware wurde dann auf die Nieder-
lage gebracht und von dem „Braker“ (Kontrolleur) geprüft (gebrakt).
Die Niederlagen hieſsen selbst Braken, so gab es die Holzbrake, die
Aschbrake, Teerbrake, Hopfenbrake u. s. w. Verwogen wurden die
Waren auf der Stadtwage durch besondere Beamte. Eisen und
Kupfer hatte der „Punder“ (geschworener Wäger) vor dem „Wägen“
„nach ihrer Würde zu braken“. Die Warenmarken wurden ein-
getragen auf der „Mercke“. Ein jeder Kaufmann führte sein „an-
geborenes Zeichen“, womit er seine Ware zeichnete. Die Handlungs-
gehilfen wurden eingeteilt in „Kaufmannsknechte“ (Kommis), denen
keine Disposition zustand, und „Liger“, Vertreter, welche dispositions-
fähig waren.


Von den vielen Waren, welche in Danzig gehandelt wurden,
interessieren uns besonders die Eisenwaren, deren Arten und Preise.
1446 kostete ein Stück „Hirschberger“ Draht 14 sc.1). Die Haupt-
eisensorten waren Osemund (schwedisches), Landeisen, das haupt-
sächlich von Bütow kam, ungarisches und spanisches. Über den
Wert des ungarischen Eisens, worunter steirisches mit einbegriffen
war, findet sich 1424 eine Notiz, nach welcher 2 Last gegen 25 Tonnen
Häringe eingetauscht wurden, danach würde sich die Last auf etwa
60 Mark berechnen (1000 kg = 50 Mk.). Spanisches Eisen wurde
nach Mille, wahrscheinlich 1000 Pfund, die übrigen Sorten nach Last
berechnet. 1 Last = 8 Schiffspfund = 12 Faſs.


Beck, Geschichte des Eisens. 38
[594]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
  • Bütowsches Eisen kostete 1427   Mk. 2,12 sc.
  • Osemund „ 1428   „ 3,18 „ bis 4 Mk.
  • „ „ 1445   „ 5 „
  • „ „ 1452   „ 3,18 „
  • Bütowsches Eisen „ 1453   „ 3,08 „
  • „ in Riga „ 1458   „ 3 „
  • Nägel: 1 Schock Bodennägel kosteten 1388   1 Sgr.
  • 1 „ Lattennägel „ 1403   10 Pf.
  • Waffen: 1 Schwert „ 1399   12 Mk.
  • 1 Harnisch „ 1452   18 „
  • 1 Eisenhut „ 1452   2 „
  • 1 Panzer „ 1452   8 „
  • 1 Paar Sporen „ 1399   2 „ 1)

Das Schmiedehandwerk stand in Danzig in hoher Blüte und
spaltete sich in viele Zweige. Es werden genannt: Ankerschmiede,
Grobschmiede, Kleinschmiede, Schlosser, Messerschmiede, Nadel-
schmiede (1357), Flaschenschmiede (1430), Nagelschmiede und Huf-
schmiede. Da alle diese Handwerker zu einer einzigen Zunft unter
gemeinschaftlichen Altermännern vereinigt waren, so übten sie schon
durch ihre Zahl einen bedeutenden Einfluſs aus, und waren deshalb
die Schmiede oft Gegenstand der Beratung auf den Tagefahrten.


In Betreff der Meisterstücke wurde am 4. Dezember 1446 auf
der Tagefahrt zu Marienburg festgesetzt:


  • 1. Die Schlosser sollen schmieden ein schlieſsendes Schloſs
    mit Klinke und Riegel und mit neun Reifen; ferner ein
    Schloſs zu Kontorspind mit zwei Klinken und acht Reifen, und
    endlich eine dreigeregelte „Salzmeste“ mit sechs Reifen.
  • 2. Die Sporer sollen schmieden ein Paar Pfaffensporen mit einer
    Decke über das Rädlein, ferner ein Paar Sporen mit hohen
    „Brosten“, endlich ein Paar Wagensporen.
  • 3. Wer „Pangretzer“ (Panzerschmied?) werden will, soll schmie-
    den ein welsches Gebiſs mit zwei Blumen, ein Paar gute
    Stegreife und „eynen Krogen, der sall vffgeschroten seyn“.

In demselben Jahre bitten die Thorner Messerschmiede, daſs ihr
Magistrat die in Danzig, Elbing und Königsberg bestehende Ordnung
annehme, nach welcher niemand ihr Handwerk treiben darf, der nicht
auſser seinen Kleidern und seinem Handwerkszeug 5 Mark gut Geld
[595]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
besaſs und vor den geschworenen Älterleuten drei Arten von Messer-
klingen schmieden und schleifen könne. Nach der Rolle der Jung-
stadt (einer der drei Stadtteile Danzigs) sollte jeder Schmied, der
Meister werden wollte, nachdem er vier Mark in die Büchse und
vier Pfund Wachs zum Seelengerät geliefert hatte, gleichfalls drei
Meisterstücke machen: der Grobschmied ein Beil, eine Axt und ein
Hufeisen; der Kleinschmied ein Kistenschloſs, ein Klinkschloſs und
ein drittes beliebiges; der Messerschmied ein Kastenmesser, ein
Frauenmesser und einen Wittink; der Plattner ein Paar Handschuhe,
ein Paar Vorstollen und eine Brust u. s. w.


Für ihre religiösen Bedürfnisse kauften die Schmiede 1454 die
Erasmuskapelle in St. Johannis.


Diese Schilderung Danziger Verhältnisse entrollt uns ein Bild
des bewegten kaufmännischen und gewerblichen Lebens in einer
groſsen Hansestadt des Mittelalters.


Zum Schluſs noch einiges über Löhne und Preise. Im Ver-
gleich zu dem Werte der Nahrungsmittel waren die Schmiede und
Eisenarbeiter im 15. und 16. Jahrhundert gut bezahlt. Ihr Lohn
wurde teils nach Zeit, teils nach Stück berechnet. 1460 verdiente
ein Hufschmied im Holsteinischen in 135 Tagen 17 Mark 2½ Schil-
linge1).


1422 kaufte der Probst zu Peertz zwei Fässer Osemund zum
Preise von 2 Mark 8 Schillinge das Faſs und lieſs dieselben zu Nägel
verschmieden. Der Schmied erhielt dafür 6 Mark, mithin war die
Arbeit um ein Sechstel teurer als das Material. In Holstein rechnete
man damals, wie in Schweden, nach Schiffspfund (170 kg), Lispfund
(8,50 kg) und Marktpfund (0,425 kg). Eine Rechnung des Schmieds
Hinrik Schulze zu Kiel lautete:


  • Zum ersten für sechs Anker zu den Balken, die
    wogen 2 Schiffspfunde und 1½ Lispfund. Das
    Schiffspfund 10 Mk., das Lispfund 8 Sch., Summa   20 Mk. 12 Sch.
  • Item: für Krampen zu den Ankern   — „ 8 „
  • Item: den Knechten zu Bier   — „ 2 „
  • Item: von demselben acht Anker zu dem Giebel,
    die wogen 12 Lispfund und 5 Marktpfund, Summa   8 „ 7 „
  • Item: Sechs Dockeneisen in dem Giebel zu dem
    groſsen Fenster, die wogen 11½ Lispfund   4 „ 12 „

38*
[596]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.

Das Faſs Osemund kostete damals in Hannover und Holstein,
wie erwähnt, 2 Mark 8 Schillinge. Das Schiffspfund galt zu Danzig
1428 bis 1451 zwischen 3 Mark 18 Scot und 4 Mark 6 Scot. Der
Faſspreis stieg in späteren Jahren auf 2 Mark 12 Schillinge. Eine
fette Kuh kostete 1411 bis 1508 in Lübischer Münze 2 Mark.


In Sachsen werden im 15. Jahrhundert folgende Durchschnitts-
preise notiert: eine Axt 9 bis 13 Groschen, eine Kratze 1½ Gr., eine
Schaufel 2 Gr., ein Meiſsel 1½ Gr., ein Bergeisen ⅓ Gr., ein
Fäustel 3 Gr., ein Bohrer 2 Gr., ein Hufeisen 6 Pf., eine Mistgabel
2 Gr., eine Sichel 2 Gr., ein Hackmesser 3 Gr., ein Bratspieſs 10 Gr.


Man rechnete das Schmiedeeisen nach Stangen zu 5 und nach
Stäben zu 4 Gr.


In Holstein galten folgende Warenpreise:


1421 kosteten 100 Stück Pflugstahl zu Preetz 18 Sch. (1 Gulden
= 13½ Schillinge); Pferde- und Wagengeräte: ein Paar Bügel 14 Pf.,
ein Halskoppel 2 Sch., ein Striegel 10 Pf., ein Paar Sporen 3½ Sch.,
eine Wagenschiene 1 Sch., für die Bracken und Ketten eines Fracht-
wagens 4 Sch. 1423 kostete ein Pflugeisen 1 Sch. 6 Pf., 1425 war
es 6 Pf. billiger. 1429 wurden 47 Pflugeisen für 23½ Sch. verkauft.
Zwei Heugabeln (1423) 3 Sch. 4 Pf., zwei Mistgabeln und zwei Garten-
gabeln für 3 Sch. Fünf Bicken zu stählen 7 Sch., welch hoher Preis
jedenfalls durch den teuren Stahl veranlaſst war. Gewöhnliche Schlösser
kosteten in Holstein 4 bis 9 Pf., in Sachsen 8 Pf. 1413 wird ein Schloſs
mit Schlüssel mit 4 Sch. (dem Preise eines Lammes), in Sachsen
mit 8 Gr. berechnet. Kunstschlösser kosteten natürlich viel mehr.
Anton Tucher kaufte 1507 bis 1517 mehrfach die Meisterstücke
junger Handwerker in Nürnberg an, dabei zahlte er für ein Truhen-
schloſs mit den dazugehörigen Schlüsseln 6 Gulden 2 Pfund (Heller),
bisweilen 7 bis 8 Gulden. Solche Schlösser dienten aber auch als
Geschenke an Fürsten, wie z. B. an Kurfürst Friedrich von Sachsen.
Zu Preetz kostete das Schloſs für einen Schrank in der Küche
3½ Sch., für ein Scheunenthor 7 Sch. Fünf eiserne Leuchter für die
Mühle zu Lutterbeck kosteten (1423) 23 Sch., ein etwas besserer
sogar 5 Sch. 1458 kosteten zu Preetz:


  • 100 Stück Pfennignägel   10 Sch.
  • 300 „ Scharfnägel   15 „

Ferner werden aufgeführt: 400 Nägel, von denen drei einen Pfennig
kosteten, und 100 Nägel von fünf zu einem Pfennig, sodann für
20 Sch. Schwertnägel und 2000 Stück Lattennägel in Summa 2 Mk.
11⅓ Sch.


[597]Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.

Spieſs- und Pfeileisen machten auch die Dorfschmiede. Von
letzteren wurde in Sachsen das Schock mit 6 Groschen bezahlt.
Bessere Waffen kaufte man in den Städten. Ein Panzer kostete
13 Gulden, eine Pferderüstung 50 Gulden, Armbrüste 3 bis 7 Gulden.
Der billigste Preis für ein Schwert betrug 10 Schillinge, zu Preetz
eine Mark, in Sachsen etwas über einen Gulden.


Vom Oberrhein teilt Mone folgende Preise aus dem Jahre 1584
mit1): ein Kübel Rot- oder Schwarzerz kostete 6 Kreuzer (jetziger
Wert 0,45 Mk.). Der Scheidelohn betrug für einen Kübel Roterz
4 Pf. (= 0,14 Mk.), für einen Kübel Schwarzerz 2 Pf. Ein Centner
Wascheisen kostete 18 Kreuzer. — Der Hammerschmied- und Läufer-
lohn betrug für den Centner 9 Batzen, der Schmelzer- und Aufsetzer-
lohn für den Centner Masseleisen 5 Batzen 8 Rappen. Ein Fuder
Holzkohle wurde damals mit 61 Kreuzer (= 4 Mk.) bezahlt. Der
Centner gefrämtes Eisen (Zaineisen) kostete 3 Gulden 10 Batzen
(14 Mk.), gemeines Eisen 3 Gulden 3 bis 5 Batzen. Zu Basel kostete
ein Centner Schmiedeeisen 1544 nur 2 livres de Bâle = 7 fr. 10 ctm.;
1599 aber 11 fr. 10 ctm.


Bei einer Erbverteilung übernimmt der Schlosser Jacob Bull-
mann
in Nürnberg einen Centner altes Eisen für 10 Pfund Heller.
In Kärnten kostete ein Wiener Centner Schmiedeeisen einen Gulden.


Weitere Preisangaben aus dem 16. Jahrhundert finden sich bei
einzelnen Ländern, namentlich bei dem Harz, angeführt.


[[598]]

BESONDERER TEIL.


Die Geschichte des Eisens in den einzelnen
Ländern Deutschlands
.


Steiermark.

Wenn wir uns zu der Geschichte des Eisens in den einzelnen
Ländern, wie sich dieselbe im 16. Jahrhundert vollzogen hat, wenden,
so müssen wir mit vollem Recht Deutschland in den Vordergrund
stellen. Das Eisen ist mit der germanischen Rasse schon in ältester
Zeit eng verbündet gewesen und Ausgangs des Mittelalters war Deutsch-
land das wichtigste Eisenland, sowohl in Bezug auf die Produktion
als wie auf den Handel. Deutschland deckte durch seine Produktion
nicht nur den eigenen Bedarf, sondern hatte eine ganz bedeutende
Eisenausfuhr nach fast allen Ländern Europas.


An dieser Ausfuhr nahmen vor allem die eisenreichen öster-
reichischen Alpenländer
mit ihrem trefflichen Stahl und Eisen,
ihren Sensen und Waffen, sodann die westdeutschen Eisengebiete,
insbesondere die Mark mit ihrem Draht und das bergische Land mit
seinen Klingen und Messerwaren lebhaften Anteil.


Der Ruhm des norischen Eisens ist so alt wie die Geschichte,
deshalb gebührt ihm bei der Betrachtung der einzelnen Gebiete der
Vortritt. Steiermark, Kärnten, Krain und Tirol sind schon in frühester
Zeit durch ihr Eisen und ihre Eisenwaren bekannt gewesen1). Steiri-
scher Stahl war ein wichtiger Handelsartikel der Hanseaten. So
hielten z. B. im Jahre 1392 die Kaufleute Heinrich Dähten und
Berthold Iken in Lübeck eine Niederlage steirischer Eisenwaren,
[599]Steiermark.
die sie nach Preuſsen und Ruſsland vertrieben1). Ende des Mittel-
alters war der Ruhm dieser Eisen- und Stahlwaren unbestritten.


Fassen wir zunächst Steiermark ins Auge. Der Erzberg bei
Eisenerz
war von der Natur für eine leichte, bequeme Eisen-
gewinnung geschaffen — „ein Geschenk der Götter!“


Cotta2) schreibt darüber:


Der Erzberg, zwischen Eisenerz und Vordernberg in Steiermark,
erhebt sich als ein mächtiger Kegel wohl 1000 Fuſs über den Boden
des Erzbachthales, in welches er herein ragt, und dieser Berg besteht
auf seiner Nordwestseite vom Gipfel bis beinahe zum Fuſs fast ganz
aus mehr oder weniger reinem Spateisenstein. Seine Oberfläche ist
deshalb hier überall von Tagebauen und unterirdischen Abbauen
durchwühlt, aber nur erst ein sehr kleiner Teil der vorhandenen
kolossalen Erzmasse ist bis jetzt abgebaut. Doch nicht der ganze
Berg, nicht sein Inneres besteht aus Eisenstein, sondern vielmehr nur
eine dicke, äuſsere Hülle desſelben. Die Tiefe, bis zu welcher der
Eisenstein in den Berg hinein reicht, beträgt oft horizontal gemessen
gegen 100 Lachter. Darunter folgt dann aber entweder Kalkstein
oder Grauwackenschiefer. Der Kalkstein, welcher zuweilen Krinoideen-
reste enthält, ist nicht recht bestimmt gegen den Spateisenstein ab-
gegrenzt, er verzweigt sich gleichsam in denselben und geht durch
Beimengung von Eisenspat (erzführender Kalkstein, Rohwand) in
denselben über. Durch Umwandlung ist zuweilen Brauneisenerz oder
wenigstens eine braune Färbung des Spateisensteines entstanden,
dieser Masse ist stellenweise Quarz, Kalkspat, seltener auch Eisen-
glanz, Eisenkies, Arsenkies, Kupferkies und noch seltener Antimon-
glanz oder Zinnober beigemengt.


Die Erze des Erzberges enthalten im groſsen Durchschnitt 37 bis
38 Proz. Eisen. Sie sind um so leichter schmelzbar, je weniger Thon
und Magnesia sie enthalten, doch ist ihre Schmelzbarkeit auch be-
dingt durch den Grad der Verwitterung. Man unterscheidet drei
Gattungen Erz:


  • 1. Pflinze oder roher, unverwitterter Spateisenstein;
  • 2. Braun- und Blauerz (Brauneisenstein durch Verwitterung aus
    Spateisenstein entstanden);
  • 3. Ocker — das teilweise ausgeschlämmte Endprodukt der Ver-
    witterung.

[600]Steiermark.

Am leichtflüssigsten sind die reinen Braunerze. Reiner Pflinz ist
für sich weit schwerschmelziger und man war nicht im stande, ihn
in ungeröstetem Zustande für sich zu verhütten. Die Mischung von
⅔ Blauerz und ⅓ Pflinz galt als die beste, doch ist dies nur be-
dingt richtig, weil die Braunerze unter sich verschieden sind. Es
giebt deren, die schwerschmelziger sind als Pflinz.


Zu den glücklichen geognostischen Verhältnissen kommt seine
günstige Lage bezüglich der Abfuhr, denn der Erzberg liegt nahe
der Wasserscheide der wasserreichen Flüsse Enns und Mur und hat
dadurch natürliche Abfuhrwege nach Norden und Süden. Von öster-
reichischem und deutschem Standpunkte aus betrachtete man jene als
sich zugewendete „in dem Berg“ und diese als abgewendete „vor dem
Berg“ und so bildete sich der alte Besitz-, Handels- und Gewerbs-
begriff von „Innerberger“ und „Vordernberger“ Eisen (Bd. 1,
S. 752).


Die Lage des Erzberges1) in einer der höheren Gegenden Ober-
steiermarks nahe der österreichischen Grenze, an deren nördlicher
Seite die Enns, südlich die Mur flieſst, veranlaſste alle Abfuhr des
vorderen Abhanges südwärts nach Steiermark, von der inneren Seite
nordwärts nach Österreich. Für jeden Teil gab es besondere Schmelz-
öfen, Hammerwerke, Stapelplätze, Verschleiſsgewichte u. s. w. und
danach gab es zwei Arten von Gewerken, die innerberger und die
vordernberger Gewerken. Dadurch, daſs der Erzberg in alter Zeit ge-
teilt war und eine politische Grenze bildete und daſs die verschie-
denen Landesherrschaften sich häufig befehdeten, entstanden viele
unnütze Schwierigkeiten. Anderseits suchten verständige Fürsten,
die im Besitz des reichen Erzsegens des Erzberges waren, diesen zu
schützen und zu fördern.


Herzog Wilhelm von Steiermark lieſs die wichtige Eisenstadt
Leoben mit Mauern umgeben und bestimmte im Jahre 1377, daſs
von allen fremden Salz- und Eisenfuhren eine Abgabe für diesen
Zweck erhoben werden solle.


Ein groſser Förderer der steirischen Eisenindustrie war Herzog
Ernst, den auch die Geschichte „den Eisernen“ nennt. Zum Schutz
des einheimischen Eisenhandels erschwerte er die Eiseneinfuhr aus
dem Stift Salzburg. „Am 19. November 1422 erlieſs er ein allgemeines
Verbot, Eisen von Gemünd und Altenhofen in Steiermark einzuführen,
[601]Steiermark.
zu verarbeiten und damit zu handeln; sondern das Eisen aus dem
Eisenerz des inneren und äuſseren Berges soll nach allen Seiten des
Landes und bis nach Italien hin seinen ungehinderten Ausgang, wie
von alters her, behaupten; und alles dieses auf der oberen Straſse
von Leoben aufwärts nach der Mur verhandelte Eisen solle von dem
„Mailer“ (1 Meiler = 10 Ctr.) zwei Gulden in die herzogliche Kammer
zahlen bis auf Widerruf dieser Anordnung1).


Erzbischof Eberhard III. verklagte deshalb Herzog Ernst 1418
bei Kaiser und Papst wegen Bedrückung, besonders weil der Herzog
gegen die Gewohnheit des Altertums die Einfuhr alles hochstiftischen
Eisens und Salzes (von Altenhofen, Gemünd und Hallein) verboten
und alles auf Einfuhr begriffene zu konfiszieren befohlen hätte. Von
den Städten Judenburg und Leoben geschehe den salzburgischen
Kaufleuten gleichfalls hohe Beschwerung. Die Judenburger nähmen
von jeder Wagenlast Kaufmannswaren zwölf und wegen dem Fuhr-
mann des Wagens wegen überdies noch acht Pfennige zu Maut; und
so wie in Leoben von jeder Maſs Eisen einen Pfennig. In Leoben
nähme der Landschreiber gar von jeder Wagenlast Kaufwaren 24 und
von jedem Fuhrmann 12 Pfennige. Obgleich diese Beschwerden so-
wohl von Kaiser Sigismund als von Papst Martin V. anerkannt und
Herzog Ernst Abstellung der Bedrückungen aufgegeben wurde, so er-
folgte doch keine Änderung und Herzog Ernst lieſs sich auch nicht ein-
schüchtern, als 1423 Bann und Interdikt über ihn ausgesprochen wurde.


Ebenso förderte Kaiser Friedrich III. als Landesherr in Steier-
mark den Eisenhandel des Erzbergs. Am Laurentiustag 1449 erlieſs
er eine („abermalige“) Eisenordnung für den Verlagshandel in
Leoben
2) und zwar: „Von jedem Centner Roheisen am Vordernberg
und Innernberg sind in die landesfürstliche Kammer zu bezahlen
15 Pfennige, von jedem Centner geschlagenen Eisens daselbst 20 Pfennige
und auch von dem Eisen, so aus dem Graglach, Zapfen und von dem
Massen abgeschlagenen Zynter geschmiedet wird, ebenfalls 20 Pfennige,
ohne welche Aufschlagszahlung keinerlei Eisen vom Berge geführt
werden darf. Führt man Graglach, Zapfen und Zynter unverarbeitet
vom Berge, so zahlt der Centner 10 Pfennige Aufschlag. Indessen
soll alles Eisen von Vordernberg, Rauheisen, geschlagenes Eisen,
Graglach nach Leoben geliefert und allein nur hier zehn Meiler zu
30 Pfund Pfennige verkauft werden. Der Aufschlag muſs bezahlt
und dann alles Eisen nach den zugewiesenen Straſsen verführt werden,
[602]Steiermark.
damit auch die Mauthstätten zu ihrer Gebühr kommen. Aus Vordern-
berg muſs aber alles Eisen auf Kosten der Radmeister selbst, wie
von alters her, gestellt werden. Wird mit Eisen von dort aus in
anderer Weise und auf andern Wegen gehandelt, so tritt Konfis-
kation und Strafe ein. Die Eisenverleger in Leoben sollen aber den
Vordernberger Radmeistern Vorauslagen und Zahlungen in barem
Gelde machen, nicht etwa mit andern Waren, auſser wenn diese
selbst Waren statt Bargeld wollen. Das Innernberger Eisen hat nach
Österreich, und überhaupt alles Erzberger Eisen nach den von alters
her angewiesenen Straſsen zu gehen. Im Vordernberg dürfen nur vier
Hämmer, und jeder nur mit einem Feuer gehalten werden; ebenso
im Innernberg, aber die Plahhäuser mögen überall gemehrt werden.
Für geschlagenes Eisen im Innernberg sollen für 10 Meiler 28 Pfund
Pfennige gegeben und von dem Käufer der Aufschlag bezahlt werden.
Am Erzberge soll das Roheisen gut geplähet werden, auf daſs die
weitere Fabrikation dabei nicht Verlust und Schaden leide.“ —


Diese alte leobensche Eisenordnung giebt einen Einblick in den
damaligen Eisenhandel und Betrieb, wobei besonders bemerkenswert
ist, daſs Graglach als Handelsware genannt wird.


Infolge des geteilten Besitzes bestimmte Kaiser Friedrich III. am
12. Februar 1451, daſs die übliche Abgabe an die Herzöge Otto und
Albrecht von Österreich, den Abt von Neuberg, die Prioren von
Gaming und Maurbach von je 10 Maſs Eisen oder dafür jedem
10 Pfund Heller, da das Gericht zwischen Eisenerz und Vordern-
berg geteilt wurde, ebenfalls geteilt werden solle.


Am 14. Juli 1453 erteilte Kaiser Friedrich III. den Vordern-
bergern ein Wappen: drei Männchen, eins rot, eins weiſs und das
dritte grau. Die zwei ersten hauen mit „Krampen“ in ein Maſs
(Massel, Luppe), der dritte in den „Arzberg“, illustrieren also die
Hüttenarbeit und die Bergarbeit.


Am 3. Juni, 10. August und 24. September 1469 wurden dem
Peter Pögl, Eisenfabrikanten in Torlein bei Afflenz, Zahlungen für
400 Hackenbüchsen, für 2400 Eisenkugeln zu denselben und für
andere dem Landesfürsten gelieferte Eisenwaren angewiesen.


1478 wurde Mürzzuschlag, welches für den Eisenhandel nach
Wien von groſser Wichtigkeit war, befestigt. Damals waren schlimme
Kriegszeiten; Türken und Ungarn bedrängten Steiermark. Der Eisen-
handel ging infolgedessen sehr zurück. Dies gab Veranlassung zu
verschiedenen Ausnahmsmaſsregeln. So war seit dem Zwiespalt
zwischen König Ladislaus von Böhmen und Kaiser Friedrich III.
[603]Steiermark.
der Eisenhandel in Stadt Steyr — dem Stapelplatz für den Norden —
sehr herabgekommen1), so daſs die Bürger von Steyr nicht mehr,
ihren altherkömmlichen Rechten gemäſs, wie früher, das Rauh- und
geschlagene Eisen in Eisenerz heben, bezahlen und wegführen konnten.
Sie bedurften auch wenig Eisen bei der allgemeinen Handelsstockung.
Trotzdem bestanden sie auf ihren Vorrechten, die ihnen Albrecht I.
1287 (siehe Bd. I, S. 753), Herzog Rudolf II. 1358 und Herzog Albrecht
1370 verliehen hatte. Letzterer hatte bestimmt, daſs kein Eisen aus
Böhmen und Bayern eingeführt werden dürfe, daſs aber altem Her-
kommen gemäſs das innerberger Eisen, um in den Handel zu kommen,
nirgends anders hingeführt werden dürfe, als in die Mautstädte
Steyr und Enns. Die Radmeister am Erzberge gerieten daher mit
ihren Vorräten und weiteren Arbeiten bei dem Bestehen dieser
uralten Gesetze in doppelte Verlegenheit. Auf ihre andringliche
Beschwerde sendete der Kaiser eine Erhebungskommission, und nach
deren Bescheid fertigte er am 18. Juni 1483 folgende Anordnung:


„Die Handelsleute von Stadt Steyr mögen bei den obwaltenden
Kriegsläufen alles Innerberger Eisen heben, bezahlen und es damit
halten, wie von alters her üblich war. Wollen sie dies nicht thun,
so sollen die Rad- und Hammermeister, oder ihre Käufer mit dem
Roheisen ungehindert der Stadt Steyr vorüber Handel und Wandel
treiben dürfen, ohne Verhinderung. Nach Beendigung der Kriegs-
läufe jedoch sollen der Stadt Steyr alle Freiheiten, alle Monate das
Rauheisen im Innerberg zu heben und zu bezahlen, wieder eintreten
und alle andere ihre Gerechtsamen aufrecht bleiben.“


Am 13. September 1490 erlaubte Kaiser Friedrich den Vorder-
berger Radmeistern, wegen der höheren Preise der Kohlen und
Lebensmittel jede dritthalb Meiler Eisen um 12 Schilling teurer zu
verkaufen.


1492 veranlaſste Kaiser Friedrich die Anlage groſser Köhlereien
für Vordernberg; er erlieſs nämlich am Montag vor Margareten
folgende Verordnung: Die frühere Ordnung wegen des freien Rauh-
eisendrittels, dasſelbe für Kohlen und Lebensmittel hintanzugeben,
soll aufhören; dafür sollen die Eisenverleger in Leoben im Vereine
mit den Radmeistern in Vordernberg, zu Leoben und an der Mur
auf geeigneten Stellen groſse Kohlenbrennereien und Kohlenspeicher
aufrichten, an welchen Kohlen erzeugt und von den Radmeistern
selbst geholt, von ihnen aber auch die Kohlenbrennereien mit dem
[604]Steiermark.
nötigen Gelde versehen werden sollen. Wegen der Kohlungsstätten
werde der Kaiser noch besonders mit den Leobenern verhandeln. —
Gleichzeitig traf der Kaiser noch andere wichtige Anordnungen:
Wenn die Eisenverleger zu Leoben Radwerke in Vordernberg Schulden
halber an sich bringen, hätten sie dieselben in rüstigem Betrieb zu
erhalten, weil sie sonst von der Landesfürsten Gnaden eingezogen
werden sollen; und weiter, daſs auf allen Eisenfabrikaten, welchen
Namen sie immer tragen mögen, entweder das eigene Zeichen der
Werkstätte, oder der nahe dabei gelegenen Stadt oder des Marktes
aufgeschlagen sei; weil durch überhandnehmende Vernachlässigung
dessen das leobnische Eisen so sehr auſser Verkehr gebracht werde.
Deswegen wurde auch an die Eisenstätten um Murau der Auftrag er-
teilt, alle Eisenfabrikate, welche aus sogenanntem Waldeisen (nicht
leobnischem Eisen) geschmiedet wurden, mit einem absonderlichen
Zeichen kenntlich zu machen, ja daſs die Eisenfabrikation aus hütten-
bergischem (kärntnischem) oder anderm fremden Eisen gänzlich ab-
gethan werden sollten.


In demselben Jahre erlieſs der Kaiser eine Weisung an Bürger-
meister, Richter und Rat in Bruck an der Mur, Leoben, Knittelfeld,
Vordernberg und Innernberg, ihre sämtlichen Eisenwagen dem landes-
fürstlichen Rat, Kämmerer und Burggrafen zu Steier, Kaspar von
Rogendorf, vorzulegen und dieselben bei ihm berichtigen und gleich-
stellen zu lassen.


Sodann erging am 28. November 1492 ein Auftrag an alle Obrig-
keit, infolge ernstlicher und reiflicher Beratung mit allen kaiserlichen
Räten, mit Ausnahme des Hüttenberger Rauheisens in Kärnten und
desjenigen, so das Stift St. Lambrecht an vier Feuern glühet, alles
fremde Eisen ganz und gar abzuthun, es konfiszieren zu lassen und
dadurch allein nur dem leobnischen Eisen den immerwährenden Absatz
zu sichern, damit das landesfürstliche Kammergut nicht weiter mehr
beeinträchtigt werde.


Am 27. November verpachtete der Kaiser die Eisenmaut zu
Aussee an seinen mächtigen Kämmerer Sigmund Prüschenk, Truch-
seſs in Steier.


Nach Kaiser Friedrichs Tode — am 19. August 1493 — lieſs sich
sein Nachfolger Kaiser Maximilian das Wohl des Eisenhandels in
seinem Erblande Steiermark angelegen sein.


1498 verlieh er die Eisenmaut zu Aussee dem Verweser des
„Hallamts“ (Salzamts) daselbst, und bestellte den Florian Thamer
als Rauheisenwäger im Innerberg des Eisenerzes bei Leoben, alles
[605]Steiermark.
daselbst auf die landesfürstliche Wage kommende Rauheisen dem
kaiserlichen Mautner und dessen Gegenschreiber getreulich anzu-
sagen1).


Um den Erzberg im Steierer Oberlande waren die Wälder im
Laufe der Jahrhunderte bei vermehrtem Bedarf des Roheisens und
der Fabrikate aus demselben im Inlande und Auslande und dem da-
durch erhöhten Holz- und Kohlenverbrauch auf eine beunruhigende
Weise ausgehauen, aus den abgetriebenen Waldplätzen teils Alpen-
weiden, teils Bergwiesen und Saatfelder gestaltet und der Nachwuchs
an Hölzern nicht mehr sorgsam gehegt. Steigernde Holz- und Kohlennot,
bei zugleich sich erhöhendem Preise, machten Verteuerung des Rauh-
eisens notwendig und veranlaſsten allgemeine Klage. Kaiser Maxi-
milian sah sich dadurch und weil er ein leidenschaftlicher Liebhaber
der Jagden war, veranlaſst, hierin abzuhelfen und auch für die Zu-
kunft Ordnung zu schaffen. Dazu erwählte er einen gewandten und
kundigen Mann, Sigmund Paumgartner, und erhob ihn zum
kaiserlichen Waldmeister im Innern- und Vordernberg und fertigte für
dieses Geschäft am Sonntag und Montag nach Lichtmessen 1499
folgende Instruktion2):


„Auf der Mur soll ein durchgehendes Holzrechengebäude nach
Anweisung des dazu beorderten Hallschreibers im Innthale, Hein-
rich Wunst
, erbaut und die Kosten dazu von der kaiserlichen Maut
in Vordernberg bestellt werden. Die landesfürstlichen Hoch- und
Schwarzwälder sollen für das Eisenerz im Vordern- und Hinternberg
eingefriedigt und gehegt, und alle Weiſsschwendung, Brändeanlagen,
Gereute u. dgl. hintangehalten werden, und zwar in den Wäldern am
Prebüchl, auf der Retz, im Retzthal bis hinaus gegen Trofaiach und
hinein in die Lain, unter der Retz hinein auf den Hals und in die
Tragöſs hinab, daselbst überall in der Dürren-Laiing, Ingulstein,
Pfeiffen, im ganzen Thal Tragöſs bis Katherinn und hinaus bis
Schergendorf, zwischen Bruck und Leoben, Selkensbach, Volkenbach,
Feistritz, Klattschach, Voitsberg, Graben, Mötschgraben, in der groſsen
Göſs, am Dewseck, am Kreutz, in der Tannsort, beim Stifte Göſs, um
Kaisersberg, Gussing, Zemobach, Tolling, Lewbring, Rabl, Tannthal,
Tunt, Ranach, Hagensbach, Reiding, Göſs, Krumpen, Traffeng, Laien-
thal, Koytum, Tvaittensberg, Veitscher, Vall unter St. Peter bis an
die Mosgrube. Diese Wälder sollen alle in Bann gelegt und von
[606]Steiermark.
Hammerstätten durch Holzung und Kohlenbrennen darin kein Ein-
griff gethan werden. Nur allein die Radmeister sollen künftighin
ihren Kohlenbedarf aus diesen Wäldern ziehen. Dem Erzberg vor-
behalten zur Lieferung von Holz und Kohlen auf der Mur bleiben
die Waldungen bei Essenstein am Grafenberg bis auf die Alpe und
in die Gradnitz. Auch das Kammerthal, Reidingau, Magdwiese,
Teuersgraben, die langen und kurzen Teiche, Melling, Retzenbach mit
Nebenthälern dieshalb der Liesing und über die Gebirge fort gen
Wildalpen u. s. w., soll alles dem Erzberge zugewiesen sein, und wer
bisher aus diesen Försten Holz zur Hausnotdurft bezogen habe, soll
dasſelbe ferners noch, jedoch nur von dem Waldmeister zugewiesen,
und ohne Nachteil des Erzberges erhalten.“


Sigmund Paumgartner erhielt eine Anstellungsurkunde und
einen Jahresgehalt von 175 Gulden; mit ihm beginnen die eigent-
lichen kaiserlichen Verwaltungsbeamten am Erzberg mit Jahres-
gehalt u. s. w. — Diese Verordnung war in ihren Bestimmungen so
ausführlich gehalten, weil durch dieselbe viel privatrechtlicher Besitz
getroffen wurde und der Kaiser hatte noch lange mit Adeligen,
Stiften, Prälaten und Städten zu verhandeln, ehe diese neue Wald-
ordnung durchgeführt werden konnte.


Auſser dem Paumgartner war der königliche „Urbarreuter“ in
Kärnten Bernhard Tallard ein auch für Steiermark wichtiger
Beamter, denn er hatte „alles rauhe und geschlagene Eisen treulich
zu bereuten und zu beaufsichtigen, damit dasſelbe nicht gegen die
königlichen Verbote und wider alles Herkommen zurück nach Neu-
markt, Schäufling, Murau, oder über die Alpen nach Murau und Obdach,
oder im Lande selbst ohne Bollette auf verbotenen Straſsen geführt
und den Landesherren dadurch Kammergefäll und Aufschlag ent-
zogen werde“.


Am 30. Januar 1500 erlieſs Kaiser Maximilian den Befehl, daſs
die seit Herzog Ernst gepflogene und von Kaiser Friedrich bestätigte
Anordnung festgehalten werden solle, wonach jedermann, welcher
über die Retz, das Teicheneck und den Hessenberg Lebensmittel
jeder Art dem Erzberge zuführe, als Rückladung geschlagenes und
geschrottetes Eisen und Salz ohne Verhinderung führen dürfe;
und zugleich fertigte er an alle landesfürstlichen Amtleute die
Weisung, die Anordnungen des Waldmeisters Sigmund Paum-
gartner
kräftigst zu unterstützen, „damit das Holz nützlich ge-
schlagen, darin gute Ordnung gehalten und die Wälder, daran uns,
als ihr selbst verstehen möget, viel gelegen ist, nicht verödet, und
[607]Steiermark.
daſs das Eisenerz dadurch bei Würden und Aufnahmen gehalten
werde und bleiben möge“.


Am 29. Juni 1502 erlieſsen1) Andrä von Spangstein, Hanns von
Stetten, Kammermeister, und Jakob Villinger, Sr. Majestät Räte und
verordnete Umbereitter in den niederösterreichischen Landen einen
allgemeinen Auftrag: „Vermöge alten Verträgen mit dem Erzstifte
Salzburg soll alles Hüttenberger Eisen nicht nach Steiermark, sondern
gegen Italien hin seinen Verkehr und Absatz haben. Alles sogenannte
Waldeisen2) solle in Steiermark abgethan und nur Erzberger Eisen
verarbeitet werden. Damit aber dadurch die Eisenstätten um Murau,
Scheifling, Judenburg und Knittelfeld nicht erliegen, so sollen die
Rauheisenverleger zu Leoben die genannten Hammerstätten mit Erz-
berger Eisen versehen. Sodann sollen die von Leoben bei ihren
altherkömmlichen 16 deutschen und 2 wällischen Feuern
in
den Hämmern bleiben, jedes Jahr an jedem Feuer und Hammer nur
48 Wagen aufarbeiten, zusammen 864 Wagen, jeden Wagen zu dritt-
halb Meiler oder 25 Centner gerechnet. Weil aber manchmal die
Wägen mehr fassen und führen, welches Mehrmaſs die Überteurung
genannt wird, so sollen die Leobener hierin Grenzen halten oder in
Strafe und Buſse verfallen. Die Hämmer um Leoben sind aber
folgende: Tiburz Grinzendorfer an der Danewitz, Gabekhofers Erben
und Hanns Wülfinger an der Danewitz, Hanns Fluck am Halslen,
Hanns Eisenberger an der Reit, Georg Köpler an der Wallich, Hanns
Weyert, Huger an der Trenk, Hanns Kreidl und Schwarzbeck, Mört
Ausseher in Zeltenschlag, Mathäus Kairen und Andrä Scherr im
Tehrn, Gabeckhofers Erben jenseits der Mur, Michel Fruhewein in
der Göſs, Leonhard von Ernau in der Göſs, Wolfgang Nunthaler in
der Prettau, Niklas Schwarzbeck, Eissenberger, Leonhard, Kreuſs und
Gabeckhofers Erben zwei Wallaschhämmer zu St. Michael.


Um nun alles im gehörigen Betriebe zu erhalten, sollen die
Leobener stets einigen Vorrat an Rauheisen vorliegend haben, um
von diesem auch den Hämmern im Kammerthal einiges zuzuteilen.
Bleibt den Eisenverlegern in Leoben zuviel Rauheisen und zu lange
liegen, so soll ihnen frei gestattet sein, dasſelbe anderswohin zu ver-
kaufen oder selbst zu verarbeiten. Stahlhaltiges Eisen sollen die
Leobener nur auf den zwei Wallaschhämmern in St. Michael ver-
arbeiten, sodann alles solches Eisen den Hämmorn zu Judenburg,
[608]Steiermark.
Knittelfeld und an andere Hammerstätten verkaufen. Mit Kohlen
sollen die Leobener Hammerstätten sich nach Anweisung des Wald-
meisters oder von den Kohlenstätten bei Leoben versehen, damit die
Wälder, so zum Rechen zu Leoben dienen sollen, nicht verödet
werden. Auf alles leobnische Stangeneisen soll das Zeichen des
Strauſses
geschlagen werden, damit dies als das bessere Fabrikat
von dem andern erkannt werde. Beide Eisenwagen in Leoben und
in Vordernberg sollen nach dem Wiener Gewichte einander gleich-
gestellt und berichtigt werden. Wer gegen diese Anordnung handle,
soll seiner Hammergerechtsame sogleich verlustig sein und die
Hammerstätte zu des Landesfürsten Hammer eingezogen werden.
Gegeben zu Leoben am 29. Juni 1502.“


Den Bürgern zu Bruck an der Mur erlaubte der Kaiser in dem-
selben Jahre Knittel-, Schrotten-, Sensen-, Klingen- und Messer-
schmieden zu errichten; dann erteilte er ihnen auch ein eigenes
Stadtwappen, welches auch die dortigen Handwerksmeister neben
ihrem besondern Zeichen, nachdem der Magistrat und die Zech-
meister die Waren beschaut und sie für bewährt gefunden haben,
auf ihr Fabrikat zu schlagen, und dann mit denselben überall hin
Handel zu treiben hätten. Zugleich erlaubte er ihnen, Zünfte und
Handwerksinnungen in ihrer Stadt zu errichten, deren Meister und
Gesellen auch in andern Orten alle Handwerksrechte, Freiheiten und
Ehren genieſsen sollen.


1506 löste Kaiser Maximilian den jährlichen Bezug der Kart-
häuser zu Seiz von 20 Maſs Eisen mit Geld ab.


Am 10. Januar 1507 verordnete er eine eigene Untersuchungs-
kommission1), um alle eingerissene Unordnung am steirischen Erz-
berge zu untersuchen, abzuthun und mit der Erhöhung des Betriebes
und der Bearbeitungsweise auch die Kammergefälle zu steigern.
Nach dem Berichte dieser Kommission erlieſs er folgende Ordnung:
Das leobnische Eisen soll festgehalten werden im Verkehre auf den
altherkömmlichen Straſsen durch das Kammerthal nach Rottenmann,
Radstadt, Salzburg, an die Etsch, gegen Bayern und Schwaben, auch
nach der Mur aufwärts auf Murau, durch das Lavantthal über
St. Andrä und St. Paul bis an die Drau, und hinab nach Marburg
und Pettau bis nach Ungarn und in die windischen Lande, auch nach
der Mur abwärts allenthalben im Fürstentum Steier, auch durch das
Mürzthal über den Semmering, nach Neustadt. Die Bürger in Leoben
[609]Steiermark.
sollen förderhin auf ihren Hämmern nur Eisen, so nicht stahlreich
ist, verarbeiten, und alles stahlreiche Eisen vorzüglich den Hämmern
zu Obdach, im oberen Murthale, dann zu und um Bruck und den
Überschuſs auch den Hämmern im Kammerthale überlassen, und
wenn die letzteren davon nicht genug bekämen, so sollen sie sich
damit von Innerberg her versehen, wie von altem Herkommen ist.
Die Leobener Hämmer sollen nur allein das von den landesfürst-
lichen Umreitern ihnen zugewiesene Holz und Kohlen gebrauchen.
Die Leobener sollen hinfür auch von aller Überteurung ihrer Eisen-
fuhren zu Maut und Aufschlag verhalten werden. Der Eisenwäger
in Leoben soll auch dem Landesherrn verpflichtet sein und jedes
Halbmaſs Eisen mit Wissen des Abnehmers oder Kaufmanns wägen
und verzeichnen. Alles Rauheisen von Waltenstein darf weder nach
Hüttenberg, gen Obdach, Reichenfels und in das Lavantthal, noch
seitwärts auf die Hämmer bei Neumarkt, Murau, Schäufling, Oberwöls
und Judenburg gehen, sondern vorwärts durch Kärnten nach St. Veit,
Völkermarkt gegen Krain, Windischland und Italien. Weil aber viel
Waldeisen in Steier, Kärnten und Krain verarbeitet und dadurch das
Erzberger Eisen in Verruf gebracht wird, so sollen alle Hämmer und
Plahäuser, wo solch Waldeisen gemacht und bearbeitet wird, wie zu
Oberwels, Gmündt, in der Kapelle und an andern Orten sogleich
abgethan werden mit Ausnahme der von alters her befreiten Eisen-
stätten des Stiftes St. Lambrecht mit zwei Feuern daselbst und mit
zwei Feuern zu Zell, des Stiftes Admont mit einem Feuer und des
Stiftes Neuberg mit einem Feuer. Es darf kein gabrilisch Eisen aus
dem Venetianergebiete auf die Etsch gebracht werden. Diese Ord-
nung soll streng aufrecht erhalten und von allen mit dem Eisen-
wesen Beschäftigten genau beobachtet werden bei Verlust des Rad-
werkes und allen andern Gutes eines Übertreters. Die Amtleute,
Mautner und Waldmeister am Erzberge haben diese Ordnung zu
überwachen und wo ihr Ansehen nicht auslangt, den Landeshaupt-
mann, Verweser oder Vicedom in Steiermark zu Hilfe zu rufen.


Hierauf am 25. Januar 1507 lieſs Kaiser Max I. von Innsbruck
aus das allgemeine Verbot ergehen, daſs kein leobnisches Eisen, auch
kein Waldeisen des Stiftes St. Lambrecht über den Pyrn, oder an
den Traun abwärts, oder über den Seeberg, von Zell nach Österreich
gegen Hainfeld, St. Pölten, Hollenburg nach Böhmen hin verladen
werden dürfe; und ein zweiter Auftrag vom 25. Januar 1507 befahl,
allen Verkehr mit Waldeisen, auſser dem oben bezeichneten, in Steier-
mark, Kärnten und Krain zu unterdrücken, die dagegen Handelnden
Beck, Geschichte des Eisens. 39
[610]Steiermark.
zu strafen und die Hammerstätten, so sich damit befassen, abzuthun.
Infolge eines königlichen Auftrages, Innsbruck, den 26. Januar 1507,
verkündigte der Waldmeister in Steier, Sigmund Paumgartner,
der Mautverweser in Vordernberg, Lorenz Schonhaar, und der
königl. Mautner in Eisenerz, Hanns Haug, alle diese Anordnungen
im ganzen Lande Steier, und forderte allen Beamten zur Mithilfe zur
Aufrechterhaltung derselben auf.


Im Jahre 15101) bestätigte der Kaiser der Familie Kornmeſs
die Berechtigung, auf zwei Eisenhämmern in der Laming zwischen
Bruck und Kapfenberg alle Sorten harten und weichen Eisens zu
schmieden und damit zu verkehren.


1513 werden die Verbote wegen des Handels mit Waldeisen von
neuem eingeschärft und angeordnet, daſs dasſelbe eine von dem Eisen
in Leoben verschiedene Biegung und Form haben müsse.


Ebenso wird 1514 das Verbot, leobnisches Eisen über den Pyhrn
zu führen, erneuert, „damit der Ausgang des Eisens von Innerberg
dadurch nicht beirrt werde und das Kammergut, die Radmeister und
Stadt Steier (Steyr) nicht Schaden leiden“.


Und 1515 bestätigt der Kaiser die alte Verordnung des Herzog
Ernst, daſs jeder, der über die Ratz, den Hessenberg und das Teicheneck
Getreide und Lebensmittel zum Erzberg bringe, geschlagenes und
geschrottetes Eisen als Rückfracht laden und verführen dürfe.


Besonders wichtig sind die Jahre 1516 und 15172) durch die
landesfürstlichen Anordnungen in Bezug auf den Verkehr, die Auf-
bringung und Bearbeitung des Erzberger Eisens in Steiermark. Viele
Klagen von den Eisenhändlern in Passau und Nürnberg und andern
Orten wurden schriftlich und mündlich bei der Verwaltung des Erz-
berges angebracht, wie, daſs mit der Ausscheidung der Eisengattungen
die altherkömmliche Ordnung nicht aufrecht gehalten, hartes und
weiches Eisen untereinander gemengt, ja auch in Stahlfäſschen,
welche geheimerweise wieder zurückgesendet werden, eingeschlagen
als andere Ware verkauft und dadurch der Abnehmer betrogen
werde. — Hierauf verordneten die Vorstände vom Erzberge, der Amt-
mann und Forstmeister an dem Eisenerze, Ritter Hanns Haug und
Sigmund Paumgartner, kaiserlicher Waldmeister in Steier, am
8. Oktober 1515 folgendes: „Alles im Innernberg des Eisenerzes, auf
deutschen Hämmern gearbeitete Weicheisen muſs künftighin auf
jeder Stange gemerkt sein; alles harte Eisen der wälschen Hämmer
[611]Steiermark.
muſs auf dem Ringe das Merkzeichen haben. Wo immer Eisen auf
andere Art betroffen wird, ist es dem Landesfürsten verfallenes Gut.
Schon bezeichnete, und mit hartem Eisen im Handel fortgebrachte
Ringe dürfen nicht mehr zurückgebracht werden“. — Bald darauf
wurde weiter verordnet: „Damit mit Eisenfabrikaten aus den Häm-
mern am Innernberg, auf Admontschen Gründen, in Weyer und
zu Steyr niemand übervorteilt werde, so solle alles in den bezeich-
neten Gegenden geschmiedete weiche und harte Eisen, bevor es ein-
geschlagen und gemerkt wird, durch eigens bestellte Kundige beschaut
und geprüft und erst nach deren Gutbefinden zur Hinausgabe in den
Verkehr und Handel zusammengethan werden. Solcher Eisenbeschauer
soll überall einer in Leimbach und Reifling, in St. Gallen und
Weiſsenbach, in der Läuschach, in Weyer, in Reifling und Hollnstein,
in der Reichraming und andern Orten, Hammerstätten der Stadt
Steier, insbesondere zum Beschauen des vorderen Sachals (Stahls)
sein. Nur die gute und probehältige Ware haben sie passieren zu
lassen und alles rotbrüchige und unfleiſsig geblähte Eisen auszu-
scheiden, den kaiserl. Amtmann in Innerberg darüber zu benach-
richtigen, damit dieser bei dem Radmeister oder dessen Bläher
schlechten Rauheisens strenge Nachsicht pflege. Jedoch soll der Be-
schauer wohl unterscheiden, ob nicht vielmehr durch Verheizen oder
durch zu schwere Hämmer oder durch zu vieles Stoſsen in das
Wasser schlechte Ware gemacht werde und die Schuld nicht am
schlechten Rauheisen liege.


Der Beschau des vorderen Stahls an den Hämmern der Stadt
Steier soll jederzeit dem Hammermeister früher angekündigt werden.
Jede Partei hat den ihnen zugeteilten Eisenbeschauer entsprechend
für seine Mühe zu belohnen. Sogleich und bis zum nächsten Palm-
sonntage hat jede Abteilung ihren Eisenbeschauer in den Innernberg
zu senden, wo er von dem kaiserlichen Amtmann im Namen seiner
Majestät in Eid und Pflicht genommen werden muſs, mit der nach-
drücklichen Belehrung, dem Hammermeister und Kaufmann, dem
Reichen und dem Armen, jedem sein Recht zu thun — und dies bei
Verlust seines Erbes und Gutes. — Wird ein Hammermeister zu
einem Eisenbeschauer genommen, so hat der Beschau auf seinem
eigenen Hammer durch zwei andere, verständige, fromme und an-
gesessene Hammermeister zu geschehen. Alles auf den wälschen
Hämmern geschmiedete Eisen muſs auf den Bundringen, das inner-
bergische aber auf den Stangen selbst das vorgeschriebene Merk-
zeichen haben. Vorzüglich soll guter und gerechter Stahl gearbeitet
39*
[612]Steiermark.
und dadurch den schreienden Klagen ein Ende gemacht werden. Ein
Eisenbeschauer darf ohne Versammlung aller Parteien und begrün-
deten Klagen nicht abgeschafft werden. Auch von dieser Anordnung,
sollte jemand sich dadurch beschwert fühlen, darf niemand ohne Vor-
wissen des kaiserlichen Amtes etwas ändern.“


Kaiser Maximilian erlieſs im Jahre 1517 eine allgemeine Berg-
werksordnung, auf welche in der Ferdinandschen von 1553 ver-
wiesen wird.


Sie heiſst: Bergordnung für die Bergwerke in Österreich, Steiermark,
Kärnten und Krain. Montag vor heyligen drey König 1517, ist abgedruckt
in Wagners Corpus juris metallici S. 34 und hat folgenden Hauptinhalt:


  • Von dem „Obristen Perkhmaister“ seiner Stellung und Ver-
    pflichtung   S. 1 bis 3
  • Von der Verleihung, den Grenzen u. s. w.   „ 4 „ 22
  • „Das Wäschwerch“ (Aufbereitung)   „ 23 „ 29
  • Wie es mit dem „verfahren“ (Abbau) allenthalben gehalten
    werden soll   „ 30 „ 129
  • Wie es die gewergken, Huetlewt Vnd arbeiter halten sollen   „ 130 „ 149
  • Die Huetlewt vnd arbeiter sullen es also halten, wie her-
    nach volgt   „ 150 „ 260
  • Wie es mit den feyertagen das gantz Jar vnd an Iren
    abenden gehalten Sol werden   „ 261 „ 264
  • Von wegen Appellacion vnd dingnuſs   „ 265 „ 296

Von diesen Bestimmungen sind für uns von Interesse §. 163: „Es
sol ain yeder Huetman (Steiger) gegen dem Schmid ainen Span haben, vnd
den dem Schmid selber zuetragen, oder ainem dem zuuertrowen ist, zue-
schigkhen, Vnnd die orter getrewlich anschneiden Welche orter dan nit
guet gefunden werden Dy sol Er wider abschneiden Vnd dafur nicht Raiten
geben.


§. 164: Das Eysen vnd venslit sol durch ain Geselschaft kawft vnd
geben werden.


Ferner §. 206: Wan ain Pergman zu der arbeit get an Perg, deſs-
gleichen koler, Schmeltzer, holtzknecht zu der arbeit geen Vnd hat der
knapp sein Perksakh am Rugken, Vnd sein Pergstab in der hant, auch
Schmeltzer, Koler, Pergschmid, holtzknecht, Vnd sein auf dem Weg an Ir
arbeit, oder gen von dem Perg, Vnd von Ir arbeit, die haben Fürsten
Freyung, Wo sy dann ainer oder mer muetwilligklichen an Ruert oder Irrt.
Den oder dye selben sol vnnser Richter an leib vnd guet straffen, doch
sollen sich die Perglevt, koler, Schmeltzer, holtzknecht vnd ander halten
Als sich zu solicher freyhait gepurt.


§. 207: In ainer yeden Schmeltzhuten vnd Auf kolgrueben, darauf
man Arbait, ist vm Erber (ehrbar) sachen fursten freyung, So weit die
vmbfangen mit Rössten vnd slagken, Vnd auf den kolgrueben, So weit die
mit lesch, Auch in den Huten vnd Stuben, Vnd so ainer vnzucht anhueb,
[613]Steiermark.
Wo Er dan an Perg zu ainer grueben oder zu ainer halden kömbt, der hat
auch freyung, Was Erber sach ist.


In Bezug auf den steirischen Erzberg und den Eisenhandel ver-
ordnete der Kaiser noch das Folgende:


Die Vorderberger, welche fast ebensolig bei 20 Lachter tief bauen,
sollen dies mit Anwendung aller Hülfsmittel, Hagelschlagen (?), Ge-
stänge, Solbunte (?), Durchschläge thun, damit eine Grube der andern
Fördernis gebe. Ebenso sollen auch die Eisenerzer bauen, welche
ihre Erze zum teil nahe und an dem Tage herhauen.


Die Radmeister sollen die Öfen nicht übersetzen, den Massen
nicht zu wenig Stahl geben, und bei Strafe kein radbrüchiges und
unsauberes Eisen erblähen. Der Mautner in Vordern- und Innern-
berg soll daher alle Monate einmal die Gruben am Berge und ein-
mal wöchentlich alle Plahäuser begehen und die Fehler abstellen.
Deswegen dürfen die Mautner weder ein Radwerk selbst besitzen,
noch auf ihre Kosten durch andere betreiben lassen. Der kaiserliche
Waldmeister soll auf alle Hölzer, welche dem Erzberge vormals schon
zugezeigt worden und auf Wasser und Land dazu gebracht werden
können, fleiſsiges Augenmerk halten, und die Hammermeister zu
Leoben und andern Orten von denselben ferne halten. Zum Betriebe
des Erzberges soll der Rechen bei Leoben immer im besten Zustande,
und ebenso alles Riſs- und Klauswerk zu dessen Behufe hergehalten
werden. Zwischen Weihnachten und Lichtmessen hat der Waldmeister
den Fürdingern (Holzmeistern) die Zahl des Holzes, so in diesem
Jahre zum Rechen geliefert werden soll, anzudeuten. Fürdinger und
Holzknechte soll man mit billigem Kostgelde nicht säumen, und sie
jederzeit nicht mit Wert, sondern mit Bargeld bezahlen. Das Maſs
von sechs Schuhen soll für die Holzhauer genau aufrecht und alle Jahre
Rechnung gehalten werden. Alles gefällte und gehauene Holz muſs
aus dem Astach (Äste und Zweige) gezogen, vom Holzmesser gemessen,
zuerst an den oberen, dann an den unteren Rechen zu Leoben ge-
bracht werden. Wenn Holz nicht geschlägert wird, hat der Rechen offen
zu bleiben. Für gute Verkohlung am Rechen, auf der Scheibe oder
Lend, hat der Waldmeister zu wachen, alle neue Kohlkrippen oder
Pennen (Wägen) zu „fachten“ (messen) und allen Betrug bei der Kohlen-
maſs hintan zu halten. Dem Waldmeister liegt auch ob, bei allen
Holzleuten zu Wald, Bach, Klause und Kohlstadt gute Manneszucht
und Einigkeit zu halten. Über das empfangene Kohl haben die Rad-
meister alle Woche Rechnung zu halten und bare Zahlung zu leisten.
Alles Holz soll der Waldmeister im Winter auf die Lend bringen.
[614]Steiermark.
daher im Sommer die genügliche Zahl abstocken lassen. Alle Bauten
zu Berg und Hammerstätte müssen vorher dem Waldmeister an-
gesagt werden; er hat immer nur die ältesten Wälder zur Schläge-
rung zu bezeichnen. Für die Vordernberger sollen die Bauern nur
so viel Kohlen liefern, als der Rechen erlaubt, und der Waldmeister
bestimmt, welcher daher von ordentlichem Bezuge des Kohles von
jedem Radmeister in steter Kenntnis zu erhalten ist. Der Wald-
meister ist nicht immer streng an den Buchstaben der Vorschriften
gebunden und kann nach Umständen der Zeit und Witterung das
Zweckdienlichste auch anders anordnen. Die jährliche Verrechnung
mit den Rechenverwaltern pflegt der Mautner des Vordern- und Innern-
berges im Beisein des Landesvicedoms und eines Landrats. Die leob-
nischen Hütten dürfen bei Strafe kein anderes Holz brauchen, als
ihnen durch die Waldbereiter angezeigt wird. Die Bürger zu Leoben
dürfen auf ihren Hämmern nicht mehr denn 500 Centner Rauheisen,
welches nicht stahlreich ist, verarbeiten; das bessere und stahlreichere
Eisen muſs den Hämmern zu Obdach, an der Mur aufwärts, zu Bruck
an der Mur und im Kammerthal gegeben werden. Haben die
Hammermeister im Kammerthal Abgang an leobnischem Rauheisen,
so dürfen sie ihren weiteren Bedarf am Erzberge selbst ankaufen.
Ein Wagen Eisen hält gewöhnlich 2½ Meiler; die sogenannte
Überteuerung an demselben soll von Zahlung der Maut und des Auf-
schlages nicht befreit sein. Waldeisen von Krain, Kärnten und Steier,
wodurch das leobnische Eisen nur in Verruf kommt, darf weiter nicht
mehr und nur allein zu Oberwöls, Gmünd und in der Kapelle, auf
den Schmelzöfen zu St. Lambrecht und Zell, Admont und Neuberg
geglüht und verarbeitet werden. Auch bleibt das gabrilische Eisen,
so auf dem Venediger Gebiete erzeugt wird, untersagt. Die alther-
kömmlichen Verkehrsstraſsen für das leobnische und innerbergische
Rauheisen werden bestätigt und die einzelnen Punkte dieser An-
ordnung zur strengsten Haltung anbefohlen.


Den landesfürstlichen Anordnungen gemäſs ordneten auch die
Eisenverleger in Leoben ihr Anwesen im Bezuge und Verkehre des
Rauheisens von Erzbergen, und damit sich auch der Arme neben
dem Reichen vertragen und desto stattlicher Erwerb und Nahrung
haben möge, setzten sie einstimmig folgende Punkte fest:


„Jeder Eisenhändler zu Leoben darf wöchentlich nur drei Wagen
Rauheisen beziehen, verschmieden oder verhandeln. Das Wagebuch
eines Jeden soll daher alle Vierteljahre, oder zuverlässig mit Abgang
jeden Jahres untersucht werden; und soviel Wagen Rauheisen als
[615]Steiermark.
er über die wöchentlich drei erlaubten bezogen hat, ebensoviele un-
garische Gulden soll er Strafe in die Stadtkasse zahlen. Soviel
Rauheisen jeder Eisenhändler im Jahre und bei gutem Gange des
Handels („in der Würde des Eisens“) bezogen hat, ebensoviel soll
er auch bei stockendem Geschäfte („in Unwürde des Eisens“) den
Radmeistern abnehmen. Gehet der Eisenhandel lebhaft, so steht
jedem frei, stahliges oder unstahliges Eisen zu führen; steht es
stockender mit dem Handel, so soll von Richter und Rat Ordnung
gemacht werden, damit eines und das andere Absatz habe. — Welche
Leobener in Vordernberger Radwerken arbeiten, diesen soll von jedem
solchen Radwerke Ein Wagen Rauheisen abgewogen werden. — Unter
den leobnischen Radgewerken soll kein eigennütziger Verkauf, Aus-
wechsel und Beschau des Rauheisens zugelassen werden. Kein Bürger
darf dem andern durch Bestechung oder hinterrückliche Geldvergabe
in Vordernberg Rauheisen verkaufen; auch darf kein erkauftes Rauh-
eisen bei seinem Hammer abgelegt werden, bevor es nicht in Leoben
auf dem Platze abgewogen worden ist. Schulden der Radmeister
dürfen die Bürger übernehmen und an andere gut machen. Wer
einen dieser Ordnungspunkte übertritt, verfällt einer Strafe von einem
ungarischen Gulden von Fall zu Fall. Diese Ordnung soll aufrecht
erhalten werden, unvergriffen der der alten Rechte der Stadt Leoben.“


In dem Jahre 1517 wurde ferner die Eisenmaut von auſsen ab-
gelöst von Franz von Stetten, und in demselben Jahre bestellte
Kaiser Maximilian den Wolf Schmid zum Zeugwart oder Aufseher
bei der Eisenstätte zu Torl, „damit dort alles nach landesfürstlicher
Ordnung fleiſsig und getreulich geschmiedet und gemacht werde“,
mit einem Jahresgehalte von 52 Gulden. Am 22. Januar 1519 ver-
starb Kaiser Maximilian, nachdem er durch letztwillige Verfügung
bestimmt hatte, daſs die fünf Herzogtümer der niederösterreichischen
Länder mit Görz, Triest, Istrien, Tirol, den Vorlanden und Elsaſs als
ein vereinigtes Königreich seinem Neffen Ferdinand zu alleinigem
Erbbesitz (proportione hereditaria) und zu selbständiger Verwaltung
übergeben werden solle. So wurde Ferdinand Landesherr der öster-
reichischen Alpenländer und wurde ein umsichtiger, väterlicher Ver-
walter seiner Erblande, der Berg- und Hüttenwesen und besonders
auch die Eisenindustrie und den Eisenhandel in jeder Weise zu
fördern suchte.


Zunächst bestätigte er die Anordnungen, welche Maximilian für
Innernberg, Vordernberg und Leoben getroffen hatte. Er siegelte am
10. Oktober zu Grätz den Befehl, „daſs das hüttenbergische Eisen,
[616]Steiermark.
welchem der Verkehr nach Krain, in die windische March und nach
Italien zugewiesen war, nicht andere Ausgangswege, nach Pettau oder gar
rückwärts herauf in die Steiermark nehme; daſs die Leobener darauf
streng zu achten haben und alles böse Waldeisen confiscieren sollen.“


Für Steiermark wurden 1523 besondere Kommissarien zur Unter-
suchung aller Beschwerden und Übelstände ernannt 1). Diese be-
schäftigten sich ganz besonders mit dem Eisenwesen am Erzberge.
Im März des Jahres 1523 waren von ihnen zur Versammlung ein-
berufen die Abgeordneten der Bürger und Eisenhändler zu Stadt Steier,
der Radmeister im Innernberg des Eisenerzes bei Leoben, der Hammer-
meister von Weier (Weyer), von den Stift Admontischen Gründen, St.
Gallen, Reifling, Landlein, Weiſsenbach und Laimbach und die landes-
fürstlichen Amtleute und Waldmeister am Erzberge. Es wurde zur
Ausgleichung langwieriger Streitigkeiten zwischen den Eisenhändlern
in Stadt Steier und den steiermärkischen Fabrikanten um und in
Weier über Bereitung der Eisenfabrikate, Lieferung, Bestellung, Be-
zahlung, Darlehen, Proviant oder Pfannwert und Zahlungsaufschub be-
raten, der Inhalt und die Anordnung der Reformationstabelle des
Kaisers Maximilian I. über Eisen- und Waldwesen mit der vorliegen-
den Übung verglichen, alles Zweifelhafte bestimmter erklärt und
folgendes festgesetzt:


„Die vom Kaiser Maximilian I. erlassene und vom Erzherzoge
Ferdinand I. bestätigte Eisenordnung bleibt in allem und jedem die
feste Richtschnur. Die Handelsleute in Stadt Steier haben alle
Monate alles geschiente Eisen am Erzberge von Rad- und Hammer-
meistern zu heben, dasſelbe nicht mit Proviant oder Naturalien, son-
dern sogleich mit Bargeld zu bezahlen, jeder im Betriebe stehenden
Hammerstätte, wenn es gewünscht wird, 100 Pfund Pfennige zu
Martini jeden Jahres auf Kohl- und Getreidekauf darzuleihen, welches
Darlehen allen andern Forderungen vorstehen, aber gewöhnlicher-
maſsen stets in zwei Raten, zu Georgi und Jakobi, in Abrechnung
gebracht und zurückbezahlt werden soll — die Schulden der Eisen-
händler zu Steier an die Hammermeister in Weier sollen berechtiget,
und alle Eisengattungen sollen von jenen unausgeschieden, nach
altem Herkommen fortwährend dort gekauft und gehoben werden. —
Dasſelbe hat bei allen admontischen Hammermeistern zu geschehen;
nirgend aber darf Ware und Pfannwert bei der Zahlung aufgedrungen
werden, sondern alles ist in Bargeld in gnter, weiſser Münze (mit
[617]Steiermark.
Entfernung aller Putschanndl, Vierer und Haller) zu bezahlen. Tritt
im Eisenhandel Unwierde oder Sperre ein, so soll man billigen
Zahlungsaufschub von drei Monaten gewähren. — Wegen Verkehr
mit gestrecktem Stahl durch die Stadt Steier soll sich diese mit den
Weierern nach ihrem Gebrauche und nach den landesfürstlichen Ord-
nungen vergleichen. —


Die Hammermeister in Eisenerzt sollen gutes, gerechtes Eisen
plaien und schienen, das Erzt nicht unten hineinsetzen, noch obenauf
überschütten, die Öfen nicht zu weit, noch zu der Eile, noch übriger
Schwere richten, noch zu viele Häufen aufeinander wagen, damit
sich das Eisen im Ofen nicht zu sehr häufe und nicht verdeyrn möge,
rotbrüchig und ungeschmeidig werde, im Erzberge auf die Tiefe
bauen, das Erzt auf der Halden wohl ausstutten lassen, gutes Erz
und nicht zu wenig Kohl nehmen, in den deutschen Hämmern
nicht allein Graglach, sondern auch Halbmaſs dazu beigeben, auch
nicht zu viel Hackenstangen, sondern sauberes und geschmeidiges
Eisen machen und schmieden. — Die Hammermeister sollen auch
nicht zu viel Teilung und Abzug des Stahles von den Halbmassen
und demselben Eisen, den Stahl mit besonderm Fleiſse brechen und
ausscheiden, auch nicht Zwizach für Stahl zainen und verkaufen, die
Kolben nicht zu groſs und zu schwer schrotten, noch in Eile über-
heitzen und verbrennen, das harte Eisen nicht neben dem weiſsen
und Tüchleisen (Tacheleisen ?) geben, sondern gerechten und guten
Zeug wie von alten Herkommen ist, heitzen, schienen und schrotten,
auf jede Gattung Eisen des Hammermeisters Mark schlagen, das
weiche Eisen auf den Stangen, und das harte in den wällischen
Hämmern auf den Ringen bezeichnen, damit der Kauf- und Hand-
werksmann nicht betrogen werde, und keinen Ring oder Faſs zu den
Hämmern wieder zurückführen, damit jedes Eisenfabrikat in seinem
guten alten Ruhm und Lob erhalten werde. — Im Kauf und Handel
mit Stahl und Eisen soll es in den Hämmern an Weier und auf den
admontischen Gründen nach der alten Ordnung gehalten werden, und
zwar: für den Centner gezainten Stahl 12 Schillingpfennige, für
Hackenstahl 12 Schillingpfennige, für Brochenstahl 9 Schilling-
pfennige, Sarsachstahl 2 Pfunde Pfennige, Gattereisen 9 Schil-
ling 15 Pfennige, gezaintes Eisen 9 Schilling 15 Pfennige,
Schienen 9 Schilling 15 Pfennige, Stangeneisen 1 Pfund Pfennige,
Zwizach 1 Pfund Pfennige, Kloben 7 Schilling 25 Pfennige,
Brochenstahl, so zum Strecken tauglich ist, 1 Pfund 3 Schil-
linge und 20 Pfennige bezahlen. — Wer seinen Zeug zu höherer Voll-
[618]Steiermark.
kommenheit und dadurch auch zu höherem Preise zu bringen ver-
steht, mag es ungehindert thun. — Wer aus Weier auf seine Faust
Eisen und Stahl nach Stadt Steier führt, mag es auf seine Gefahr
thun; wenn aber ein Eisenhändler in Stadt Steier Eisen oder Stahl
verschreibt, der muſs auch die Wagnis davon auf sich nehmen. —
Eisen und Stahl darf zwischen Kasten und Stadt Steier nirgends
niedergelegt, sondern alles muſs unmittelbar in jene Stadt geführt
werden bei schwerer Strafe. — Wes Eisen oder Stahl an der Frohn-
wage in Stadt Steier gewogen wird, hat den Wagpfennig zu be-
zahlen. — Von Weier her darf kein Vorderbrochenstahl zum Strecken,
noch anderes Eisen, noch von den admontischen Hämmern hinter
sich über die Buchau verführt werden, ausgenommen die Steierer
wollten mit Hinterhalten diese Hammerstätten bedrängen; worüber
dann sogleich dem Amtmanne in Innernberg zur Entscheidung und
Abhülfe Bericht zu erstatten ist. — Überhaupt ist alle Hemmung der
Eisenlieferung zu Wasser und auf dem Lande sogleich dem Amt-
manne zu berichten; und die Wälder nahe an den Landungsstätten
dürfen nicht verhaut, sondern zum Bedarfe des Rastholzes für die
Floſsfahrt gehegt und gebraucht werden. — Damit aber durch
schleuderisches Arbeiten in den Hammerstätten das Erzberger Eisen
nicht in bösen Beruf und Geruch gebracht werde, so soll für alle
Hammerstätten, auf deren gemeinsame Kosten ein eigener, ge-
schworener Eisenbeschauer angestellt werden, der alle guten und
echt befundenen Fabrikate mit seinem besondern Merkzeichen zu
versehen habe, und das Amt mit Fleiſs und Strenge, ohne weder Gut,
Habe, Freundschaft, noch Ansehen zu beobachten, ausüben solle. Nur
mit Vorwissen und Zustimmung des Amtmannes in Innernberg darf
dieser Eisenbeschauer abgesetzt und entfernt werden. Alle der Eisen-
fabrikation und dem Handel verwandten Parteien sollen einander
kräftig unterstützen, daſs der Ausgang des Eisens auf allen vor-
geschriebenen Straſsen fest erhalten, daſs die alte Eisenordnung,
diese Erklärung und alle andern Verträge genau beobachtet werden.
Ohne Vorwissen und Zustimmung eines Amtmannes in Innernberg
soll auch keine Versammlung von Eisenhändlern und Hammer-
meistern gehalten, oder an den bestehenden Vorschriften etwas ge-
ändert werden. Jede Übertretung soll dem Landesfürsten mit 100,
der Obrigkeit, welcher der Übertreter angehört, mit 10, und dem
Amtmanne in Innernberg mit 10 Pfund Pfennigen gebüſst werden.
Nach Gestalt und Gelegenheit des Verbrechens kann sich die Strafe
auch auf Leib und Gut erhöhen.“


[619]Steiermark.

Die Grenze zwischen dem Innern- und dem Vordernberge sollte
der Gebirgskamm, „die Ebenhöhe“, bilden, doch wurde dieselbe oft
bestritten. Erst durch die Bergordnung für die österreichischen
Kammergüter, den Innern- und Vordernberg, welche Ferdinand im
Jahre 1524 erlieſs, wurde „die Ebenhöhe“ bestimmt festgesetzt.


Um diese Zeit gewann der Protestantismus unter den Bergleuten
zahlreiche Anhänger, und im Jahre 1525 brach der Bauernkrieg in
Steiermark aus.


Wie wir aus den verschiedenen Ordnungen schon ersehen haben,
lagen die Radwerke, d. h. die Schmelzhütten mit Stucköfen, deren
Blasebälge durch Wasserräder bewegt wurden, auf der Innernberger
Seite in Eisenerz, auf der Vordernberger Seite in Vordernberg und
Leoben.


Das Eisenerz wurde teils in Rennfeuern, teils in Stucköfen ver-
schmolzen. Erstere lieferten namentlich das geringere „Waldeisen“,
während im letzteren die Massen und Halbmassen erzeugt wurden.
Den Betrieb der steierischen Öfen haben wir oben (S. 168) ausführ-
lich beschrieben. Am Erzberge und in dessen Umgebung wurden
auch viele Kriegswaffen gemacht. Bei den groſsen Rüstungen im
Jahre 1538 wurden „Eisenzeug, Haggen- und andere Büchsen vom
steierischen Erzberge, den Hämmern und insbesondere von den
Hammergewerken Peter Hofkircher zu Mürzzuschlag geliefert“.


Im Jahre 1529 verkaufte Christoph Dauchenberger,
Bürger zu Salzberg, einen Eisenhammer an der oberen Donawitz
(bei Leoben) an Sebald Pögl1).


Dieser Sebald Pögl, Freiherr von Reiffenstein und Arberg,
war ein sehr reicher Gewerke 2), Besitzer von fünf Wallischhämmern
um Leoben, in der Aue, im Törl und an der Laming, und dreier
Radwerke am vorderen Erzberge, und daher ungemein einfluſsvoll
auf das Erzbergwesen selbst. Unter angemaſsten Privilegien und
Bürgerrechten zu Leoben, Bruck und Vordernberg entledigte er sich
aller landesfürstlichen Mautgebühren, umging mit seinen Eisenerzeug-
nissen alle für dieselben bezeichneten Straſsen, miſsachtete die Frei-
heiten der Stadt Leoben beim Verkehr mit seinem Roheisen und
beeinträchtigte auf allen Seiten die landesfürstlichen Kammergefälle.
Auf vielfache Beschwerden hin wurde er 1539 nach Wien citiert, wo
er der Bestrafung durch einen Vergleich entging. Danach sollte er
[620]Steiermark.
38000 Gulden Ersatz an die Kammer leisten, binnen Jahresfrist seine
drei Radwerke samt dem Rechen am Berge, Haus, Hof, Gründe und
Hölzer den Leobnern oder andern dazu fähigen Personen verkaufen.
Es wurde ihm gestattet, das in Jahresfrist daselbst erzielte Roheisen
auf seinen fünf Hämmern zur Hälfte verarbeiten lassen zu dürfen,
die andere Hälfte aber sollte er den Eisenhändlern zu Leoben zum
Verkaufe abliefern. Der Besitz seiner fünf Hämmer mit Ausnahme
des Stahlstreckens wurde ihm auf Jahresfrist gesichert (Wien, 1. Febr.
1539). In diesem wichtigen Rechtsstreite hatte sich der Amtmann in
Vordernberg, Veit Zollner, besondere Verdienste erworben, wofür
ihm König Ferdinand einen Gnadengehalt von 800 Gulden verlieh.


Von dem „Abfall und Verderben“, in welche die Stadt Juden-
burg durch die Zeitverhältnisse gekommen war, suchte sie sich durch
Erhebung eines Eisenbergwerkes „auf der Alm bei der Stadt“ wieder
emporzuhelfen. Ihre Bitte, ein oder zwei Schmelzwerke (Plahütten)
dabei zu erbauen, lieſs Kaiser Ferdinand durch die in Leoben
weilende Eisenkommission untersuchen und bestätigen (8. März 1539).


Gleichermaſsen ward dem Freiherrn Franz Hoffmann um
seiner sehr guten Dienste willen gestattet, einen neuen Bau auf
Eisen zu Erzberg ober Losenstein, dies- und jenseits der Enns in der
Herrschaft Steier, mit ausgedehnter Vollmacht, an den Wässern und
Bächen Enns, Reichraming, Rorbach, Wendtenbach, Tattenbach,
Stirlbach, auf der Laussag aufzuschlieſsen und dazu Plahäuser,
Hämmer u. s. w. zu errichten, für ihn selbst und seine Erben, jedoch
gegen die Bedingung, den Bau sogleich wieder aufzulassen, wenn eine
unparteiische Erhebung darthun werde, daſs dieser Eisenbau dem
Berg- und Kammergute am steierischen Erzberge wirklichen Nachteil
bringe.


Seit Beginn des Jahres 1538 saſs in Leoben die erwähnte
„Eisenkommission“ 1), welche eine „Umgestaltung und Besserung
aller Einrichtungen, welche das Wald-, Berg-, Hütten-, Hammer-
und Handelswesen am steirischen Erzberge betreffen“, herbeiführen
sollte. Besonders gab die immer weiter fortschreitende Entwaldung
des ganzen Gebietes um den Erzberg zu ernster Besorgnis Ver-
anlassung. Deshalb sollte in erster Linie eine neue Waldordnung
entworfen werden. Alle Waldbesitzer wurden zur Teilnahme an den
Beratungen nach Leoben geladen; als solche werden genannt: die
Stifte Göſs, St. Lambrecht und Admont, Graf Georg zu Montfort,
[621]Steiermark.
Wolfgang von Stubenberg, Sebald Pögl, Freiherr zu Reiffenstein und
Arnberg, Seifried von Windischgrätz etc.


Ferner war der Kommission aufgegeben, alle Hammerwerke zu
bereiten. Kein ausländischer Kaufmann sollte Rauheisensendungen
auf inländischen Hammerstätten verarbeiten lassen; dieser Handel
verblieb der Stadt Leoben vorbehalten und Ausländische durften nur
geschlagenes und verarbeitetes Eisen erhalten. Dagegen blieb den
Leobenern die Verpflichtung, die einheimischen Hämmer mit Rauh-
eisen gehörig zu versehen. Ferner sollte die Kommission die Er-
richtung von Eisenkammern in Schwatz, Hall, Aussee und Schladming
zur Besserung des Eisenbezuges in Erwägung ziehen. Dabei sollte
die Abteilung des Rauheisens den Bürgerschaften in Leoben und im
Innernberge verbleiben. Den Hammermeistern sollten Wälder und
Hölzer zum Kohlen zugewiesen werden. Alle Vorschüsse (Vorlagen,
Fuhrlehen) der Leobener an die Radmeister sollten nur mit Vor-
wissen der Amtleute am Erzberge statthaben. Man sollte beraten,
wie die alten Verhältnisse der verbotenen Straſse über den Seeberg
wieder geordnet und die dortige „Waldmarch“ mit Rauheisen hin-
länglich versehen werden könne. Ferner: ob der Getreidekasten in
Leoben für das Bergwesen am Erzberge hinreichend sei?, daſs der
Getreideeinkauf daselbst zur rechten Zeit festgesetzt und jeder Wagen,
der aus dem Murboden um Rauheisen zu holen kommt, stets auch
Proviant, Getreide und Hafer herbeibringe. Den Beamten wurde
aller Handel und Wucher mit Eisen untersagt. Der Amtmann soll
am Berge seſshaft bleiben; Maut und Aufschlag wieder bei den Stock-
und Weggebühren in Vordernberg selbst eingenommen und dort „alles
Amt gehandelt werden“. Ferner sollte beraten werden, ob den
Leobenern die Errichtung eines Plahauses zu erlauben sei, und ob
es nicht besser sei, die Bürgerschaften in Leoben und Vordernberg
hinsichtlich des Eisenbezuges und Handels zu vereinigen.


In diesem Sinne wurde am 16. Juni 1539 zu Leoben eine Ord-
nung erlassen.


Auch die maximilianische Eisenordnung für den Erzberg von
1507 wurde den Forderungen der Zeit entsprechend umgearbeitet
und am 31. August 1539 mit folgenden Hauptpunkten veröffentlicht:


„Dieweil sich dann solch Bergwerk von Tag zu Tag durch Gnade des
Allmächtigen erweitert und nunmehr schwerlicher zu arbeiten, derohalben
destomehr vonnöten sein will, solches Amt mit frommen, geschickten,
fleiſsigen, unverdrossenen, arbeitsamen, verständigen Amtleuten, Wald- und
Rechenmeistern, Rechenschreibern, Wägern des Rauheisens und geschlagenen
[622]Steiermark.
Eisens, Bergrichtern, Stangenknechten und andern zu versehen. Die Amtleute
sollen immer am Berge selbst wohnen, kein anderes Werk oder Hantierung
treiben; die Bergordnung fest aufrecht halten, alles für den Berg Vorteil-
hafte und Nötige erforschen und beraten, über die Radwerker genaue Auf-
sicht führen, ob sie gute Hauswirte in Berg, Haus und Plahaus seyen?
Wöchentlich hat der Amtmann in allen Plahäusern persönliche Nachsicht
zu pflegen und den Berg zu befahren, damit nach der Bergwerksordnung
gebaut und gutes Eisen gebleit werde. Alle Leute zu Berg und Schmelz-
hütten müssen ihm gehorsamen; die Eisenwage ist in seiner Wohnung,
dort wird alles gewogen, genau aufgezeichnet und Maut und Aufschlag ge-
nommen; auf die Wage sollen höchstens sieben Maſs Eisen oder fünf
Meiller zum höchsten, und zwar stets in Gegenwart des Radmeisters und
des Kaufmanns, gebracht werden, auch soll die Wage nur in Gegenwart
des Amtmanns im Erforderungsfalle cimentiert oder richtig gestellt werden.
Das Amt- und Mautbuch liegt im Amte, jedoch nicht zu Jedermanns beliebiger
Einsicht vor, und ebenso das ordentlich eingerichtete Wagbuch. Alle Pön-
fälle, Strafen, Buſsen und Wandel hat der Amtmann selbst mit Hülfe der
Kammer und des Kammerprokurators einzubringen. Kömmt ein Radwerk,
besonders wegen Schulden an die Verleger, in Feier, so soll der Amtmann
den Fortbetrieb desſelben durch eben diese Verleger zu bewirken streben.
Alle Verträge über Vorschüsse oder Darlehen von seiten der Verleger an
die Radmeister dürfen, um Geltung zu haben, nur mit Vorwissen des Amt-
mannes geschlossen werden, weil sie immer nur zum Nachteile des Kammer-
gutes aufgeschlagen haben und die Radwerke in die Hände von Ausländern
bringen. Deshalb darf auch kein Radwerk überhaupt mehr und durchaus
nicht an einen Ausländer verpachtet werden. Jeder soll es mit eigenem
Rücken besitzen und bearbeiten, und nur einem daselbst angesehenen
Bürger darf die Hälfte oder ein Drittel desſelben verkauft werden. Alle
Verpachtungen haben bisher Holzschwendungen und Raubbau in den Berg-
gräben zur Folge gehabt. Die dem Erzberge in Liembach, Hieflau, in den
Teichen zu nahe gelegenen Hämmer dürfen ihm keinen Eintrag thun, weil
alle Wälder umher diesem Berge vorbehalten bleiben, wie es schon bei den
Waldbereitungen im Jahre 1524 festgesetzt worden ist. Daher sollen alle
diese und die Hämmer der Radmeister am Berge selbst von ferneher sich
mit Kohlen versehen oder gar abgethan werden. Diese Hämmer dürfen ihren
Kohlenvorrat nicht vom Rechen beziehen, nicht Rauheisen so Kaufmannsware
ist, verarbeiten, sondern allein nur Hartgrazlach und Klaubach (Graglach
und Wascheisen). Rauhes und geschlagenes Eisen sollen billig gegeneinander
um Proviant verhandelt und die Saumer, welche zum Hieflaurechen und
zum Berge Proviant bringen, mit Rauheisen mehr bedacht werden, als jene,
die ihr Proviant unterwegs verkaufen. Im Amthause darf kein Arbeiter
mit einer Wehr erscheinen, und er muſs sie bei Strafe, wie von alters her
gebräuchlich war, am Eingange des Hauses ablegen. Am ganzen Berg-
und Hüttenwesen muſs gute Polizei und Manneszucht herrschen, und Gottes-
lästern, Ehebruch und Laster, öffentliche Feindschaften, Steuern, heimliche
Winkelräte, Konspirationen, Unzucht, unehrbare und schändliche Hand-
lungen, Bündnisse, Aufruhr u. dergl. böse Händel müssen ferngehalten
[623]Steiermark.
werden; greifen dabei Richter und Bürgerschaft nicht ein, so hat es der
Amtmann zu thun. In Wirtshäusern besonders soll man dergleichen Dinge
nicht gestatten und verdächtige Personen, die mit der verführerischen und
wiedertäuferischen Lehre befleckt sind, endlich Spieler und Saufer unter
den Berg- und Plahausleuten an Werkeltagen in Gasthäusern durchaus
nicht dulden. Zu Berg und Plahaus behandelt der Amtmann alles, Unzucht,
Unwillen, Krieg und faustmäſsige Handlungen in Plahäusern, im Berge und
auf dem Wege zur Arbeit; was aber Fausthandel und Malefiz betrifft im
Markte und im Gerichte, behandelt der Richter, ausgenommen groſse Faust-
händel und Totschläge, welche dem Kammergute offenbar schädlich sind,
werden mit Beziehung des Amtmannes abgethan. Ohne Wissen und Bei-
sage des Amtmannes darf keine allgemeine Versammlung und Zusammen-
kunft im Berge statthaben, bei Leibes- und Lebensstrafe. Richter und
Bürger mögen sich in Dingen, die den Berg nicht berühren, ungehindert
versammeln. Aller Proviant um den Berg her bleibt zum billigen Einkaufe
den Radmeistern vorbehalten, diese sollen dann alles Nötige auf dem Platze
im Markte einkaufen; aller Vorkauf und Verkauf des Proviantes auſser
Land bleibt strengstens verboten. Arbeiter und Lohnführer dürfen von
Radmeistern mit Pfannwert nicht gedrückt oder ihm statt Baargeld Pfann-
wert aufgedrungen werden; auf dem Gaue bleibt der Kauf frei, nur soll
man Fütterung und Futtergründe den Radmeistern immer um ein Billiges
geben. An der Mur und Enns sollen Schiffwege gebaut, der neubegonnene
Schiffweg an der Enns nach Steier, alle Wege und Brücken um den Erzberg
her durch Radmeister, Bürger und durch die Robbot der Unterthanen her-
gehalten werden. Die sehr zu Grunde gerichtete Straſse über den Prebügl
soll man mittels Geldhilfe aus dem Amte und der Beihilfe des Marktes
ernstlich wieder herstellen und das Anhängen von Bäumen zum Einsperren
der Wagen an den sehr steilen Stellen dieses Berges bleibt für immer ver-
boten. Der von den Hammermeistern zu Rottenmann sehr gebrauchte Weg
über das Teicheck soll durch diese wieder gebessert werden. Der Verkauf
von Rauheisen an Ausländer ist strenge untersagt. Jede Maſs Rauheisen
soll ein bestimmtes Gewicht haben. Jedes Plahaus, so schlecht geblähtes
Eisen an die Hammerwerke liefert, soll untersucht und der Mangel sogleich
gebessert werden. In Stadt Steier soll ein eigener Eisenbeschauer an-
gestellt und auf kaiserlichen Namen beeidigt werden. Kein Hammermeister
darf am Berge zum Verkaufe von Rauheisen einen eigenen Faktor halten.
Kein Hammermeister darf einen eigenen Aufschlag, auſser der von
Sr. Majestät bewilligten Steigerung, erheben. Endlich sollen alle Beamten
bei den Holzrechen, der Rechenordnung gemäſs, vorzugehen, strenge ver-
halten werden.“


Die Unsicherheit des Kohlenbezuges war der Ausgangspunkt
vieler dieser Vorschriften, und in demselben Sinne war König Ferdi-
nand eifrig bemüht, eine einheitliche Wald- und Kohlenordnung für
Steiermark zu Stande zu bringen. Der allgemeinen Ordnung wurden
die älteren Waldordnungen von Tirol und dem Erzstifte Salzburg zu
Grunde gelegt, aber die Schwierigkeit bezüglich der Durchführung
[624]Steiermark.
lag in dem von altersher geteilten Besitz am Erzberg. Man muſste
sich immer „mit den Prälaten und Landleuten wegen ihren zu den
Bergwerken gelegenen Hoch- und Schwarzwäldern“ erst abfinden,
doch gingen dieselben auf „geringeres Entgelt“ gegen Garantie des
Landesfürsten ein.


Eine praktische Maſsregel der königlichen Kommission war die,
einen groſsen Holzrechen zu Reifling anlegen zu lassen, und zwar
sollte dies Unternehmen durch ein Darlehen von Kaufleuten, welche
Erzberger Eisen bezogen, ausgeführt werden.


König Ferdinand, der bei seinen vielen Unternehmungen oft Geld
brauchte, hatte, um die groſsen Projekte neuer Bauten von Rechen,
Kohlenbarren, Schiffwegen, Getreidekästen u. dergl. im Jahre 1535
auszuführen, bis zum Jahre 1541 eine „Eisensteigerung“, für den
Centner Eisen bei dem Stocke drei Kreuzer, den Rad- und Hammer-
meistern dagegen „mit ihnen selbst zu Guten“, zwei Kreuzer Aufschlag
festgesetzt; am 11. Februar 1541 befahl er die Fortdauer dieses
Preises durch ein besonderes Generale. Die vorgenommenen Bauten
nahmen aber nur langsamen Fortgang, sowie auch die neue Eisen-,
Wald- und Kohlenordnung nur sehr langsam ins Leben treten wollte,
weshalb sie in diesem Jahre „zur genauesten Haltung“ von neuem
aufs Nachdrücklichste eingeschärft wurde.


Kriegsereignisse in Ungarn, Seuchen, Teuerung der Lebensmittel,
Verminderung der Rauheisenerzeugung in Vordernberg und Erhebung
neuer Hämmer hatten im Jahre 1542 von neuem allerlei Wirren er-
zeugt. Dazu kam, daſs man zur Ausfuhr des Innernberger Eisens
einen neuen Weg über das Teicheneck eröffnet hatte zum Nachteile
der Vordernberger. Auf die deshalb erhobenen Beschwerden wurde
die Benutzung dieses Weges nur so lange gestattet, als in Vordern-
berg Mangel an Rauheisen herrsche. Im Übrigen aber die uralte
Ordnung eingeschärft, daſs das Innernberger Eisen auf Wegen und
in Gegenden nicht verführt werden dürfe, welche dem Vordernberger
Eisen zugewiesen seien.


Im Jahre 1543 überlieſs König Ferdinand 1) dem tüchtigen und
in Lieferungen für die landesfürstlichen Zeughäuser seit langer Zeit
ausgezeichneten Bürger zu Mürzzuschlag Peter Hofkircher eine
Eisenschmelzhütte (Plahaus) ob Spital am Semmering, in der Frösch-
nitz bei dem Hallersteine auf weitere fünf Jahre zum Betriebe und
gab ihm die Erlaubnis, daselbst ein zweites Plahaus von Neuem zu
[625]Steiermark.
erbauen, jedoch gegen folgende Bedingungen: daſs er alle Arbeiten
sogleich einstelle, wenn seine Eisenerzeugnisse dem leobnischen Eisen
offenbaren Eintrag thue; dass er seinem rauhen und geschlagenen
Eisen eine andere Gestaltung und Biegung gebe, wie ihm vom Vordern-
berger Amtmann Veit Zollner vorgezeichnet werde, und endlich,
daſs er an die landesfürstliche Kammer von jedem Centner die Hälfte
von dem, was für das Vordernberger Eisen vorgeschrieben sei,
bezahle.


In den Kämpfen gegen die Türken war viel Geschütz und Muni-
tion verloren und verbraucht worden, so daſs im Jahre 1544 groſser
Mangel daran war. Zur Herstellung des neuen Geschützes, wozu
Anton Fugger in Augsburg 800 Centner Kupfer liefern muſste,
hatten Vordernberg und Eisenerz das Schmiedeeisen zu beschaffen 1),
und der vorerwähnte kunstfertige, thätige Eisengewerke Peter Hof-
kircher
in Mürzzuschlag verfertigte auf Bestellung 4000 Kartaunen-
kugeln, 1000 „Singerinkugeln“, 332 Quartierschlangenkugeln, 6000 Fal-
konettenkugeln, und zwar für die Kugeln über 10 Pfund 2 Gulden
4 Schillingpfennige, für die Kugeln von 10 bis 5 Pfund 3 Gulden,
von 5 bis ½ Pfund 4 Gulden, und für die unter ½ Pfund 5 Gulden
auf den Centner.


Weil das Stift St. Lambrecht mit seinen Eisenerzeugnissen in
zwei Schmelzhütten oder Plahäusern am zellerischen Eisenberge sich
nicht genau an das landesfürstliche Mandat und an die allgemeine
Eisenordnung gehalten hatte, lieſs König Ferdinand am 28. Juli 1545
auf alle dessen Eisenerzeugnisse Beschlag legen, sie insgesamt nach
Mürzzuschlag führen und dessen beide Schmelzhütten sperren, welche
strenge Maſsregel im folgenden Jahre auf die dringende Beschwerde
des Stiftes hin wieder aufgehoben wurde 2).


Im Jahre 1548 erschollen gegen die 19 Radwerke im Innernberg
des Eisenerzes vielfache Beschwerden über Mangel an Rauheisen bei
den Hammerstätten; wobei jedoch diese die Schuld den vielen Häm-
mern beimaſsen, welche der Abt Valentin von Admont hatte neu
erbauen lassen. Aber der Abt wies gegenüber einer königlichen
Kommission das Bestehen vieler Hämmer in Weissenbach, St. Gallen,
Reifling, Landl, Laimbach u. s. w. auf dem Eigenboden der stiftischen
Herrschaft Gallenstein, weit über hundert Jahre, seine Regalien und
den Besitz der Grundherrlichkeit von Gallenstein schon seit des
Stiftes Gründung (1074) nach und behauptete sein Recht.


Beck, Geschichte des Eisens. 40
[626]Steiermark.

Auf vielfache Beschwerden der Bergwerks- und Hämmerbesitzer,
daſs nicht nur in Hoch- und Schwarzwäldern groſse Verschwendung
getrieben, sondern auch der junge Nachwuchs durch die auf die Ge-
birge zur Weide überall aufgetriebenen Heerden von Geiſsen, Böcken,
Schafen u. s. w. völlig vernichtet werde, erlieſs König Ferdinand am
2. März 1551 an alle Waldbesitzer, und wegen der landesfürstlichen
Forsten an den obersten Bergmeister Georg Singer das nachdrück-
lichste Gebot, alle diesen Unfug sogleich abzuthun.


Der Landeshauptmann Freiherr Hanns von Ungnad hatte in
demselben Jahre an König Ferdinand ernstliche Beschwerde ge-
bracht, daſs er durch die Verhinderung des Verkehrs mit seinem
Wallensteiner Eisen groſsen Nachteil erlitten habe. Daraufhin er-
hielt er zum Ersatz und „in Bedacht der ansehnlichen, nützlichen,
beharrlichen, hochersprieſslichen Dienste, so er sider Eingang Unserer
Landesfürstlichen und königlichen Regierung mit ungespartem seinem
Leib und Gut willig und unverdrossen bewiesen hat“, die Freiheit, zu
Wallenstein ein oder mehrere Hammerwerke aufzurichten, in den-
selben schwarzes Blech zu schlagen, verzinnen zu lassen
und damit ungehindert Handel durch 20 Jahre frei zu treiben (Wien,
den 5. August 1551), woraus die wichtige Thatsache erhellt, daſs
damals die Fabrikation von Weiſsblech schon bekannt war und in
Steiermark betrieben wurde.


Im Jahre 1552 erhoben die Eisenhändler in Leoben von neuem
Beschwerde gegen den Miſsbrauch der Freiheiten des kremserischen
und waldsteinerischen Eisens und des Waldeisens der Stifte St. Lam-
brecht und Admont zum Nachteile des Erzberger Eisens in Vordern-
berg und Leoben. Infolgedessen erlieſs König Ferdinand ein Verbot
gegen den Handel mit Waldeisen und allen zu Krems in Kärnten
und zu Waldstein geschmiedeten Fabrikaten in Steiermark, Salzburg
und Tirol mit alleiniger Ausnahme der Wallensteiner Bleche.


Im Jahre 1554 erhoben mehrere Hammermeister Beschwerde 1),
daſs die Hauptwage für Rauheisen zu Eisenerz nicht mehr das ge-
bührliche Gewicht halte und sie bei ihren Fabrikaten dadurch in
hohen Schaden kämen. Es wurde daher eine eigene Kommission zur
neuen Richtigstellung und „Cimentierung“ dieser Wage nach Eisenerz
gerufen und zwar: Georg Serenitz, kaiserlicher Amtmann in
Vordernberg, Leonhard Krummacker, Waldmeister in Steier,
Kaspar Reibenschuh, Bergrichter in Eisenerz, und die Ab-
[627]Steiermark.
geordneten des Eisenhandels und der Fabrikstätten von Stadt Steier,
von Weier, St. Gallen und aus dem Landl. Zur Wagprüfung diente
eine eigene, im Amte aufbewahrte Halbmaſs Rauheisen
von 3 Centnern und
30 Pfund. Nach dieser wurde in Gegenwart
der Kommission die Amtswage wieder richtig gestellt.


In Steiermark bestand schon seit längerer Zeit ein gemeiner
(öffentlicher) Kohlenbarren mit eigens dazu aufgerichteter Kohlen-
ordnung. Hierher brachten admontische Unterthanen der Herrschaft
Gallenstein ihre Kohlen, welche sie für den Erzberg zum Verkauf
gaben. Ein besonderer Kohlenbarrenmeister war bestellt, der alle
eingekommene Kohlen empfangen, bezahlen und weiteres dann den
19 Radmeistern am Erzberge zuteilen muſste, — nach der mit Zu-
stimmung des Stiftes Admont festgesetzten Kohlenbarrenordnung und
dem sogenannten „Faſslpreise“ (Metzen Kohlen). Allein nicht nur die
Radmeister am Erzberge lieſsen für sich selbst Holz in Wäldern ver-
kohlen, welche sie vertragsmäſsig vom Stifte Admont zur Abstockung
inne hatten, sondern auch die Hammermeister in Laimbach, Reif-
ling u. s. w. — und dennoch bezogen diese aus dem gemeinschaft-
lichen Kohlenbarren in Hieflau Kohlen. Darüber entstanden hohe
Beschwerden, welche durch eine Kommission in der Hieflau am
18. Juli 1554 abgethan wurden, indem dieselbe beschloſs: die alte
Kohlenordnung soll aufrecht erhalten werden und die landlerischen
Hammermeister bleiben vom Hieflauer Barren ausgeschlossen und
werden mit ihrem Kohlenbezug in andere bestimmte Waldreviere
und auf andere admontische Unterthanen verwiesen. ....


In den folgenden Jahren litt die steierische Eisenindustrie schwer
durch die Kämpfe gegen die Türken.


Im Jahre 1564 verstarb König Ferdinand, seit 1558 erwählter
römischer Kaiser, mit ihm ein treuer Landesvater Steiermarks, der
für die Förderung der Eisenindustrie eifrig bemüht gewesen war. Die
Regierung der innerösterreichischen Lande ging auf Erzherzog Karl
über. Auch er war bestrebt, das steierische Berg- und Hütten-
wesen auf seiner Höhe zu erhalten. Allerdings ging diese landes-
väterliche Fürsorge mehr und mehr in ein System der Bevormundung
über, welches der freien wirtschaftlichen Entfaltung mehr hinderlich
als förderlich war.


Im Jahre 1564 bereits erlieſs Erzherzog Karl eine neue Eisen-
satzung für den Innern- und Vordernberg, Leoben u. s. w., welche
hauptsächlich eine Preisfestsetzung enthält und die wir in ihrem
Wortlaute folgen lassen:


40*
[628]Steiermark.

Khauf des rauhen vnd geschlagenen Eysens im Inndernperg1).


Erstlichen das rauhe Eysen, in den halbmässen, solln durch die Rad-
maister im Inndernperg den Eysenhandlern, vnd Hammermaistern Innhalt
beruerter General verkhaufft werden, der Cenntn umb fünff Schilling drey
pfenning, vnnd von yedem Centn in die Mautt alda im Inndernperg zwen
Schilling ain pfenning ain haller, Thuet der Khauf, vnnd Maut siben Schil-
ling, vier pfenning, ainen haller.


Das geschlagen Innderpergerisch, oder ärtzter Eysen, so allain im
Inndern Eysenärtzt, auf den Teutschen Hämmern daselbst abgeschmidt,
vnd gegen Profiandt verkhaufft wierdet, die Pürd oder Puschn, so hundert,
fünf vnd zwaintzig pfundt wigt, umb ain pfundt 2), zwen Schilling, drey
und zwaintzig, vnd ain Viertl aines pfennings, khumpt der Cenntn umb ein
phund, achtzehen pfenning, ainn haller.


Zieher, oder Drat Eysn, so in Inndern Eysenarzt, in der Hiflaun, in
dem Teutschen Hamer, aus den halb Mässn gemacht wirdet, die Purd,
oder Puschn, so hundert fünf und zwaintzig pfundt wigt, umb zway phundt
Sechsvndzwaintzig, vnd ain Viertl aines pfennings, Khumbt der Centn umb
ein pfundt, fünf Schilling, funffzehen pfenning.


Der Hammermaister so in der Hilflaun, Lainpach, im Lanndtl, Item
in der obern Reifling, zu Sandt Galln, im Weiſsenpach, vnnd derselben
ortten gesessen, vnnd zu dem Fürstenthumb Steyer gehörig, Geschlagener
Eisenkhauff.


Gemain waich Stanng Eisen, das man auch Khlob Eysen nennt, Item
Flamb vnnd geuiert Stang Eisen, den Cenntn umb ain pfundt drey schilling
neun pfenning, khumbt die Purd so hundert fünfvndzwaintzig Pfundt, wigt
vmb ain pfundt, sechs schilling, drey vnd drey viertl pfenning.


Diese Sorten sollen durch die Hamermaister mit Irem Zaichen an den
Ringen gemerkht werden.


Gezaint Eisen, so man Knopper Eysen haiſst, Item schmal vnd prait
Stegraif Eysn, so Leistn vnnd Panndt Eisn genennt wierdet, Gätter Eysn,
Schar Eisn, das man Riegl Eysn haiſst, Item Schin Eysn den Cenntn vmb
ain pfundt vier Schilling viervndzwaintzig pfenning.


Diese Sorten Eisen, sollen Centn, vnd Puschenweiſs zusammen ge-
schlagen, vnnd am Ring yede Sort bezaichnet werden.


Phluegplech den Cenntn vmb ain pfundt vier Schilling, viervndzwaintzig
pfenning.


Zieher, oder Drat Eysn, so in den Wälischen Hämern aus dem Flug,
vnd werch Sünter gemacht wierdet, den Cenntn vmb ain pfundt, sechs
[629]Steiermark.
Schilling, ainn pfenning, khumbt die Purd, so hundert fünffundzwaintzig
pfundt wigt, vmb zway pfundt, ain Schilling, sechzehen ain viertelpfenning.


Diese Sort solln an allen Stanngen gezaichnet werden, auf das es von
dem Stahl zu erkhennen sey.


Zwizach so man auch Hämer Eysn nennt, den Centnn vmb ain pfundt,
drey Schilling neun pfenning.


Solln in Väſsl eingeschlagen, vnnd das Väſsl mit des Hamermaisters
zaichen vnd ainem Creutz gemerckht werden.


Rauher Stahel den Cenntn vmb ain pfundt drey Schilling vnnd neun
pfenning.


Väſsl Stahel, so man mitl Stahl nennt, den Cenntn umb ain pfundt,
vier Schilling, vnd neun pfenning.


Soll in Väſsl eingeschlagen, vnnd das Väſsl mit des Hamermaisters
Zaichen gemerckht werden.


Vorder, oder Khern, auch pogen Stahl, den Cenntn vmb ain pfundt,
sieben schilling, Neuntzehen pfenning.


Dise Sort, solln durch die Hamermaister, in bemeltem khauf, den Gesel-
schafftern des gestreckhten Stahels, zu Steyer in wird, vnd vnwird gegeben,
vnnd entgegegen die Geselschaffter, von Inen den Hamermaistern, gleicher
maſsen in wird vnd vnwird haben, vnd bezallen, Vnd wie wol zuuor den
Hamermaistern durch die von Steyer, yeder Cenntn diser Sortten nuer vmb
ain pfundt sechs Schillingpfenning bezallt worden, aber vmb das den
Geselschafftern zu Steyer, bemelts Stahelstreckhen allain beleibe, ist durch
Sie die Geselschafter den Hamermaistern zwaintzig pfenning, auſs aignem
Seckhl, auf yeden Cennten obbenennter Sortn zubezallen, Vnd aber nicht
widerumben, auf den gestreckhten Stahel, vber den vorigen khauf zu
schlagen bewilligt worden, Vnd so nun die Neun und zwaintzig pfenning,
darum ein yeder Cenntn, geschlagener Eysenzeug, erhöcht worden, zu
obsteunden vorigen khauf (sambt der Geselschafter zu Steyer, den Hamer-
maistern gethonen bewilligung) zusamen gelegt, gebürt der Cenntn Ge-
streckhter Stahl, vmb ain pfundt, Siben Schilling, Neun und zwaintzig
pfenning zu geben.


Gezaint auch Gemainen hackhn Stahl, vnnd Schwert Stahl, den Cenntn
vmb ain pfundt siben schilling, Neun pfenning.


Dise Sort sol auf dem Ring gezaichnet werden.


Vorder zaichenter Hackhn Stahl, auch gezainter Frumb Stahel, vnnd
Gemainer Scharsach Stahl den Cenntn vmb zway pfundt, zwen Schilling
Neun und zwaintzig pfenning.


In disen Sorten solle der vorder zaichent Hackhn Stahl, an allen
Stanngen, der Frümb Stahel, mit zwaien zaichen an dem Ring, vnd der
gemain Scharsach Stahl, mit ainem zaichen an dem Ring durch den Hamer-
maister gemerckht werden.


Vordern Scharsach Stahel den Cenntn vmb zway pfundt, fünff Schilling,
Neun pfenning.


Dise Sort solle an allen Stangen gezaichnet werden.


Vnd dieweil die andern Hamermaister, so auch das Rauh Innder-
pergerisch Eisen verarbaiten, deſsgleichen die Eisenhandler, so damit hand-
[630]Steiermark.
tierung treiben, in dem Ertzhertzogthumb Österreich vnder, vnd ob der
Enns, gesessen, So wirdet denselben Hamermaistern, vnnd Eisenhandlern
obsteunder gleichmessiger geschlagener Eisenkhauff, durch Hochgedachter
Kay. May. u. sondern auſsgangen Eisensatzung zugleich Publiciret.


Khauf des Rauhen vnd geschlagnen Eisens im Vordernperg.


Das Rauh Eisn, solle durch die Radmaister im Vordernperg, den Eisen-
handlern zu Leoben Inhalt berüerter General verkhaufft werden, der Cenntn
vmb fünff Schilling, vnnd von yedem Cennten in die Maut alda im Vordern-
perg, ain Schilling zwaintzig pfenning, ainn haller, thuet der khauf, vnd
Maut, sechs Schilling, zwaintzig pfenning, ainn haller.


Das Stang, Hackhen, Flamb, vnd Khlob Eisen, so im Vordernperg in
dem Teutschen Hamer daselbst aus dem hert, graglach, vnd waschwerch
gemacht, vnd gegen Profiandt verkhaufft wierdet, der Cenntn, vmb ein
pfundt, vier Schilling, vierzehen pfenning.


Khauf des Rauhen Eysens zu Leoben am Platz.


Die Eisen Handler alda zu Leoben haben biſshero das rauh Eisn da-
selbst am Platz den Hamermaistern nach dem gleichen wagen der auf fünf
vnd zwaintzig Cennten schwer gerechnet worden, vmb zwaintzig gulden,
sechs schilling, sieben vnd zwaintzig pfenning, ainn Haller, vnnd was der-
selb wagn merers als die fünfvndzwaintzig Cennten an gewicht gehalten,
dieselben vbrigen Cenntn, so die vbertheurung genent wirdet, wie von
alter heerkumen, etwas hoher, als ein Cenntn in dem gleichen wagen ge-
rechnet ist, verkhaufft, vnd yeden Cenntn vmb sechs schilling, Fünf und
zwaintzig pfenning, ain haller gegeben. Dieweil wir dann von Inen den
Eisenhandlern Iren biſshero gehabten zuegang an der wag aufgehebt, vnnd
die gegen der Vorderpergerischen wag nach dem Wiennischen Cimant ver-
gleichen lassen, vnnd damit Sy des ein ergetzlichait empfahen, wollen wir
Inen hiemit genedigist zuegelassen haben, das Sy das Rauch Eysen nun
hinfüron, nit mer nach dem gleichen wagen, sonder nach dem Cennten in
der vermeltn vbertheurung der sechs schilling, fünf und zwaintzig Pfenning,
ainn Haller, sambt vnserm yetzo den Radmaistern bewilligtn hilfgelt vnnd
Mauterhöhung der zwelf pfenning, ainn Haller, vnd also jeden Cenntn rauch
Eisen umb siben schilling, Acht pfenning den Hamermaistern verkhauffen
sollen.


Der Hamermaister zu Leoben khauff des geschlagnen Eysens,
in vnd bey der Stat
.


Geuiert vnd Flambeysen, so allain auf den Teutschen Hamern ge-
macht wirdet, vnnd sonst an andern ortten, Stang, Khlob, Stuefhacken, vnd
Haun Eisen genent wirdet, soll der Sämb, so drithalben Cenntn wigt, umb
[631]Steiermark.
drey pfundt fünff schilling, fünff pfen̅ing, gegeben werden, khumbt der
Cenntn umb ain pfundt, drey Schilling, zwaintzig pfen̅ing.


Phlueg, oder Arling Plech, den Sämb umb drey pfundt siben schilling,
fünff pfenning, kumbt der Cenntn vmb ain pfundt, vier schilling, viertzehen
pfenning.


Groſs Schineysen, den Sämb umb drey pfundt, siben schilling, fünf
pfenning, khumbt der Cenntn vmb ain pfundt, vier schilling, viertzehen
pfenning.


Der Hamermaister khauf im Camer, vnnd Poltenthal.


Geschlagen, Stang, Flamb, Khlob, schin, vnd ander waich Eysen, auch
Phlueg, vnd Arlingplech, den Sämb vmb drey pfundt vier schilling fünf
Pfenning, khumbt der Cenntn vmb ain pfundt drey schilling, acht Pfenning.


Zwizach, den Sämb vmb drey pfund, vier schilling, fünf pfenning,
khumbt der Cenntn vmb ain pfundt drey schilling, acht pfenning.


Rauhen Stahl, den Sämb vmb fünff Pfundt, ainn Schilling, fünff Pfen-
ning, kumpt der Cenntn vmb zway Pfundt, vierzehen Pfenning.


Rauhen Mockh, vnnd Miel, den Sämb vmb drey Pfundt, fünff Schilling,
fünff Pfenning, kumpt der Cenntn vmb ain Pfundt, drey Schilling,
zwaintzig Pfenning.


Harnischplech, den Sämb umb neun Pfundt, ainn Schillingpfenning.


Gestreckten Stahel, den Sämb umb Sechs Pfundt, ainn Schilling fünff
Pfenning.


Gestreckhten Mockh, den Sämb vmb vier Pfundt, ain Schilling fünff
Pfenning.


Der Hamermaister Khauff zu Rotenman.


Stangen, Khlob, Hagkhen, Haun, Flamb, grob Schin, Pucher, vnd ander
waich Eisen, den Sämb vmb vier Pfundt, zehen Pfenning, kumpt der Centn
vmb ain Pfundt, vier Schilling, acht und zwaintzig Pfenning.


Rauhen Mockh, mitl vnd zwitzach, den Sämb vmb vier Pfundt, zehen
Pfenning, kumpt der Centn vmb ain Pfundt, vier Schilling acht und
zwaintzig Pfenning.


Zrenn Eisen, den Sämb vmb vier Pfundt, zwen Schillingpfenning.


Rauhen Stahel, den Sämb vmb fünff Pfundt, zwen Schilling, drey und
zwaintzig Pfenning.


Zwitzach Eisen, den Sämb vmb vier Pfundt, sechs Schilling, funft-
zehen Pfenning.


Gestreckten Zwitzach, den Sämb, vmb vier Pfundt, sechs Schilling-
pfenning.


Gatter, Stegraiff vnd Leisten Eisen, den Sämb vmb vier Pfundt, sechs
Schilling, funftzehen Pfenning.


Zain Eisen, den Sämb vmb vier Pfundt, sechs Schilling.


Gestreckhten Mitl, den Sämb vmb vier Pfundt, drey Schilling.


[632]Steiermark.

Gestreckhten Stahel, den Sämb vmb sechs Pfundt, vier Schilling-
pfenning.


Allerlay Waich, Schlosser Thür vnd Ofenplech, den Sämb vmb sechs
Pfund, sechs Schillingpfenning.


Harnisch Plech, den Sämb vmb neun Pfundt, vier Schillingpfenning.


Der Hamermaister khauff zu Khnütlveldt.


Item waich Stangen, Klob, Hackhen, Haun, Flamb, Pucher, Stuef, vnd
grob Schin, auch Schröt Eisen, den Sämb drey Pfundt, siben Schilling,
funftzehen Pfenning, kumpt der Cenntn vmb ain Pfundt, vier Schilling, Acht-
zehen Pfenning.


Mockh, Mitl, vnd Zwitzach, den Sämb vmb drey Pfundt, siben Schil-
ling, funfftzehen Pfenning, kumpt der Centn vmb ain Pfundt, vier schilling,
achtzehen Pfenning.


Phlueg, oder Arling Plech, den Sämb vmb vier Pfundt, zwen schilling,
funftzehen Pfenning, kumpt der Centen vmb ain Pfundt, fünff Schilling,
vier und zwaintzig Pfenning.


Rauhen Khernstahel, den Sämb vmb fünff Pfund, zwaintzig Pfenning,
kumpt der Centn vmb zway Pfundt, acht Pfenning.


Zwitzach Schin, den Sämb vmb fünff Pfundt, zwaintzig Pfenning,
kumpt der Centen umb zwey Pfundt, acht Pfenning.


Der Hamermaister khauff zu Judenburg.


Waich Stangen, Khlob, Hackhen, Haun, Flamb, Pucher, Stuef, auch
Ziech, Moretl, groſs vnnd klain Schin Eisen, den Sämb vmb vier Pfundt,
zehen Pfenning, kumpt der Centen vmb ain Pfundt, vier Schilling, acht
vnnd zwaintzig Pfenning.


Rauhen Mockh, Mitl vnd Zwitzach, den Sämb vmb vier Pfundt zehen
Pfenning, kumpt der Centen vmb ain Pfundt, vier Schilling, acht vnd
zwaintzig Pfenning.


Arling oder Phlueg Plech, den Sämb vmb vier Pfundt, vier Schilling,
fünff Pfenning, kumpt der Centen umb ain Pfundt, sechs Schilling, viert-
zehen Pfenning.


Rauhen Khernstahel, den Sämb vmb fünff Pfundt, ainn Schilling, fünff
Pfenning, kumpt der Centen vmb zway Pfundt viertzehen Pfenning.


Khlain Gätter, vnd khlain schin Eisen, den Sämb vmb fünff Pfundt,
ainn Schilling, fünff Pfenning, kumpt der Centen vmb zway Phundt, viertt-
zehen Phen.


Gestreckhten Kernstahel, den Sämb um sechs Pfundt, vier Schilling,
siben und zwaintzig Pfenning, kumpt der Centen vmb zway Pfundt, fünf
Schilling, fünf Pfenning.


Gestreckhten Mockh, den Sämb vmb vier Pfundt, vier Schilling, siben
Pfenning, kumpt der Centen vmb ain Pfundt, sechs Schilling, funfftzehen
Pfenning.


[633]Steiermark.

Sengsn Khnütl, den Centen vmb drey Pfundt, sechs Schilling, viert-
zehen Pfenning.


Khlingen Schröt, den Centn vmb drey Pfundt, viertzehen Pfenning.


Khlingen Stahel, den Centen vmb zway Pfundt, sechs Schilling, viert-
tzehen Pfenning.


Garbten Stahel, den Sämb vmb neun Pfundt, fünf Schilling, fünf
Pfenning, kumpt der Centen umb drey Pfundt, sechs Schilling, sechſs und
zwaintzig Pfenning.


Der Hamermaister khauff zu Obdach.


Waich Stanngen, Khlob, Hackhen, Haun, vnd Flamb Eisen, den Sämb
vmb vier Pfundt, ainn Schilling, fünff Pfenning, kumpt der Centen vmb ain
Pfundt, fünff Schilling, acht Pfenning.


Rauhen Khernstahel, den Sämb vmb fünff Pfundt, ain Schilling, fünff
Pfenning, kumpt der Centen umb zway Pfundt, viertzehen Pfenning.


Der Hamermaister khauff zu Scheifling vnd Weltz.


Waich Stanngen Khlob, Hackhn, Haun, Flamb, Pucher, Stuef, auch
Ziech, Moretl, groſs vnd klain schin Eisen, den Sämb vmb vier Pfundt,
zwen Schillingpfenning, kumpt der Centen vmb ain Pfundt, fünff Schilling,
achtzehen Pfenning.


Rauhen Mockh, Mitl vnd Zwitzach, den Sämb vmb vier Pfundt, zwen
Schillingpfenning, khumpt der Centen umb ain Pfundt, fünff Schilling, acht-
zehen Pfenning.


Rauhen Stahl, den Sämb vmb fünff Pfundt, sechs Schilling, fünff
Pfenning, kumpt der Centen vmb zwai Pfundt, zwen Schilling, viertzehen
Pfenning.


Der Hamermaister khauff zu Mueraw.


Waich Stanngen, Khlob, Hackhen, Haun, Flamb, Pucher, Stuef, auch
Ziech, Moretl, groſs vnnd klain schin Eisn, den Sämb vmb vier Pfundt,
drey Schilling, zwaintzig Pfenning, kumpt der Centen vmb ain Pfundt,
sechs Schilling, acht Pfenning.


Rauhen Mockh, Mitl vnd Zwitzach, den Sämb vmb vier Pfundt, drey
Schilling, zwaintzig Pfenning, kumpt der Centen vmb ain Pfund, sechs
Schilling, acht Pfenning.


Rauhen Stahel, den Sämb vmb sechs Pfund, zwaintzig Pfenning, kumpt
der Centen umb zway Pfund, drey Schilling, viertzehen Pfenning.


Zwitzach Schin, den Sämb vmb fünff Pfundt, zwen Schilling, drey und
zwaintzig Pfenning, khumpt der Centen vmb zway Pfundt, ain Schilling,
drey Pfenning.


[634]Steiermark.

Clain Gätter Eisen, den Sämb vmb fünff Pfundt, zwen Schilling, drey
und zwaintzig Pfenning, kumpt der Centen vmb zway Pfundt, ain Schilling,
drey Pfenning.


Klingen Schröt, den Sämb vmb siben Pfund, sechs Schilling, drey und
zwaintzig Pfenning, khumpt der Centen vmb drey Pfund, ain Schilling,
drey Pfenning.


Gestreckhten Stahel, den Sämb, vmb sechs Pfundt siben Schilling fünff
Pfenning, kumpt der Centen vmb zwey Pfundt, sechs Schilling, zwen
Pfenning.


Gestreckhter Mockh, den Sämb vmb vier pfund, siben schilling, fünff
pfenning, khumpt der Cennten vmb ain pfund, siben schilling, zwaintzig
pfenning.


Khauf des geschlagnen Eysens zu Bruckh an der Muer.


Allerlay waich stangen, Khlob, Hackhen, Haun, Flamb, Geuiert, vnd
Negel Eysen, den Sämb, vmb drey pfundt, siben schilling, funffzehen
pfenning, khumbt der Cenntn vmb ain pfundt, vier Schilling, achtzehen
pfenning.


Arlingplech, den Cennten vmb ain pfundt, sechs Schilling, viertzehen
pfenning.


Rauhen Mockh, Mitl, vnd Zwizach, den Sämb vmb drey pfundt, siben
Schilling, funfzehen pfenning, khumbt der Cenntn vmb ain Pfundt, vier
Schilling, achzehen pfenning.


Rauhen Khernstahel, den Cennten vmb ain pfundt, sechs Schilling,
vierzehen pfenning.


Zwizach, Schin, Gätter, Stegraif, Leisten, Zain, vnd Ringeysen, den
Cennten vmb ain pfundt, sechs schilling, vierzehen pfenning.


Hvngrisch Sengsn Khnitel, das hundert so zween Cennten wigt, vmb
siben pfundt, Achtvndzwaintzig pfenning.


Teutsch Senngsen Khnitel, als offt Fünfftzig in ainem Puschel, so vn-
gleich mit der waag, ye zu achtzig, ye zu Neuntzig pfundt schwär wegen,
vmb drey pfund, zwelff pfenning.


Zrenn Eisen, den Cennten vmb zway pfundt, vierzehen pfenning.


Waich, Schloſs, Strigel, vnd Thürplech, den Centen vmb drey pfundt.
vierzehen pfenning.


Gärbten Stahel, den Cennten vmb zway pfundt vier Schilling, vier-
zehen pfenning.


Harnischplech, den Cennten, vmb vier pfundt, vierzehen pfenning.


Khauf des geschlagenen Eysens zu Grätz.


Als waich Stangen, Khlob, Hackhn, Haun, Flamb, Geuiert, vnd Nagel
Eisen, den Cennten vmb ain pfundt, fünff schilling, achtundzwaintzig
Pfenning.


[635]Steiermark.

Arling Plech, den Cennten vmb ain pfundt, siben Schilling, Sechs und
zwaintzig pfenning.


Rauhen Mockh, Mittl, vnd Zwizach, den Cennten vmb ain pfundt,
sechs Schillingpfenning.


Rauhen Khernstahel, den Cennten vmb ain pfundt, siben Schilling,
sechs vnd zwaintzig pfenning.


Zwizach, Schin, Gätter, Stegraiff, leisten, Zain, vnd Ring Eysen, den
Cennten vmb ain pfundt, siben Schilling, sechs vnd zwaintzig pfenning.


Hvngerisch Senngsen knütl, das hundert, so zween Cennten wigt, vmb
siben pfundt, drey Schilling, zwen vnd zwaintzig pfenning.


Teutsch Sengsen knütl, als offt fünfzig in ainem puschen, welcher
Puschen vngeuerlich zu Achtzig vnnd ye zu Neuntzig pfunden wegen thuet,
vmb drey pfundt, ainn Schilling, Vier vnd zwaintzig pfenning.


Sichel Eysen, vnd Khlingen Stahel, den Cennten vmb zway pfundt,
fünff Schilling, sechs vnd zwaintzig pfenning.


Zrenn Eysen, den Cennten umb zway Pfundt ainn Schilling, sechs vnd
zwaintzig pfenning.


Waich Schloſs, Strigel, vnd Thürplech, den Cennten vmb drey pfundt,
ainn Schilling, sebhs vnd zwaintzig pfenning.


Gärbten Stahel, den Cennten vmb zway pfundt, ainn Schilling, Sechs-
vndzwaintzig pfenning.


Harnisch Plech, den Cennten vmb vier pfundt, ainn Schilling, Sechs
vnd zwaintzig pfenning.


Khauf des geschlagnen Eisens zu Rackherspurg.


Waich Stangen, Khlob, Hackhen, Haun, Flamb, Geuiert, vnd Negl
Eysen, den Centen vmb ain pfundt, siben Schilling, acht pfenning.


Arling Plech, den Centen vmb zway pfundt, ainn Schilling, sechs
pfenning.


Rauhen Mockh, Mittl, vnd Zwitzach, den Cennten vmb ain phundt,
siben Schilling, Zehen pfenning.


Rauher Khernstahel, den Cennten vmb zway Pfundt, ainn Schilling,
sechs Pfenning.


Zwizach, Schin, Gätter, Stegraif, Leisten, Zain, vnd Ring Eisen, den
Centen vmb zway pfundt, ainn schilling, sechs pfenning.


Hvngrisch Sengsen khnüttl, das Tausent so zwen Centen wigt, vmb
siben pfundt, sechs Schilling, zwelff pfenning.


Teutsch Sengsen khnüttl, als offt fünfftzig in ainem Puschn, welche
vngeuerlich, zu Achtzig, vnd Neuntzig pfundt wegen, vmb drey pfundt,
drey Schilling, vier pfenning.


Sichel Eysen, vnd Khlingen Stahel, den Cennten vmb zway pfundt.
siben schilling, sechs pfenning.


Zrenn Eysen, den Centen vmb zway Pfundt, drey schilling, sechs
pfenning.


[636]Steiermark.

Waich Schloſs, Striegel, vnd Thürplech, den Centen vmb drey pfundt,
drey schilling, sechs pfenning.


Gärbten Stahel, den Centen vmb zway pfundt, siben Schilling, sechs
pfenning.


Harnisch Plech, den Centen vmb vier pfundt, drey Schilling, sechs
pfenning.


Der Hamermaister khauf des geschlagnen Eysens zu
Muertzueschlag
.


Waich, Geuiert, Stangen, Khlob, Flamben, Haun, Hackhen, Schin,
Phlueg, vnnd Arling, Plech Eysen den Sämb vmb vier pfundt, ain Schilling,
fünff pfenning, khumbt der Centen vmb ain pfundt fünf Schilling, acht
pfenning.


So aber die Hamermaister, zu Muertzueschlag, auf Iren selbst costen,
das Eysen in die Newstat, antworten, mügen Sy den Sämb geben vmb
vier pfund, drey Schilling, zwaintzig pfenning, khumbe der Centen vmb ain
pfundt, sechs Schilling acht pfenning.


Darauf gebieten Wir Euch allen, vnd yeden insonderhait, in obbemeltem
Vnserm General hieneben begriffen, erstlich, vnnd wellen, Das Ir bey den
obgestelten, vnd gesetzten Eisenkhauffen, So von Dato der Publicierung be-
rürter Vnser General vnd Eisensatzung angeen, auch biſs auf Vnser wol-
gefallen, vnd wiederruefen vnuerändert gehalten werden sollen, gentzlichen
also beleibet, vnd dieselben khauff darüber mit nichte staigeret, noch ye-
mandt beschwäret, bey der Straff in gedachten Vnserm General vermeldt.
Daran thuet Ir Vnsern ernstlichen willen vnd mainung. Geben zu Wienn
den zehenden tag Decembris, Nach Christi Vnsers Seligmachers geburt im
Fünffzehenhundert vnnd Vier vnd sechzigisten Jar.


Im Jahre 1569 wurde 1), da es den Bergwerken an hinlänglichem
Verschleiſs ihres in Menge erzeugten Eisens, folglich an Geld für den
Betrieb fehlte, landesfürstlicher Seite die „Widmung“ eingeführt.
Es wurden nämlich jedem Eisenschmelz- und Hammerwerk ein nah-
gelegenes Waldgebiet „gewidmet“, indem die Waldbesitzer verpflichtet
wurden, die in diesem Gebiet erzeugten Kohlen nur an die dafür an-
gewiesenen Eisenwerke gegen Vergütung der Erzeugungs- und Zu-
fuhrkosten abzugeben. Zugleich wurde verordnet, daſs jeder Rad-
meister eine bestimmte Anzahl Hammermeister mit Roheisen und die
Hammermeister gewisse „Verleger“ mit sogenanntem „geschlagenen
Zeug- oder Centnergut“ (geschmiedetem Handelseisen) versehen muſsten,
wogegen umgekehrt die Verleger die Hammermeister und diese die
Radmeister mit Geld und Viktualien, als Getreide und Schmalz zu
[637]Steiermark.
versehen oder zu „verlegen“ hatten; auſserdem wurde den Verlegern
gewisse Manufakturisten zur Verlegung und endlich dem ganzen
Eisenbezirk eine gewisse Gegend zugewiesen, aus der ihm der erforder-
liche Proviant geliefert werden muſste.


Dieses Monopol- und Zwangssystem, aus landesväterlicher Fürsorge
entsprungen, das beinahe ganz Österreich ob der Enns und den
gröſsten Teil von Steiermark betraf, war anfangs eine Wohlthat, wurde
aber in der Folge höchst verderblich; denn der Zwang hinderte jeden
Fortschritt. Infolge der „Widmung“ drückte der Verleger die
Hammermeister und diese wieder die Radmeister. Dabei waren die
Verleger häufig schlechte Spekulanten, machten Schulden, was wieder
auf die Gewerken verderblich einwirkte.


Die Verleger der Innernberger Gewerken wohnten alle in der Stadt
Steyr.


Die Aufsicht über das ganze Eisenhüttenwesen und die Durch-
führung der „Widmung“ hatte eine österreichische Hofkommission.


In der ersten Zeit übte die staatliche Fürsorge eine günstige
Wirkung auf die steierische Eisenindustrie aus, infolge dessen wurden
1573 die steierischen Schutzbestimmungen auch auf Oberösterreich
ausgedehnt. Dies geschah durch folgende Satzung:


Römischer Khaiserlicher Maiestät \&c. Satzung in Ostereich vndter der
Ennſs, auff die Innern Eisen — Artztischen Prouiant Sorten, als Artzer Eisen,
Hert, Graglach vnnd Wäschwerch, Vnnd dann das geschlagen Eisen, so
auſs eemeltem Hert, Graglach und Wäschwerch, als Rauchen Sorten gemacht,
vnd alles Scheibbserisch Eisen genennt wird. Mit des Römischen Kaisers
Mayestät \&c. Gnad vnd Privilegien. Anno MDLXXIII 1). —


Wir Maximilian der Ander \&c. entbieten Euch den Proviantführern, so
durch den newen weg die Mendling der Wurtzen des innern Eisenärtzt
Proviant zuführen, vnd dagegen Arzer vnd Puscheisen, Hert, Graglach vnd
Wäschwerch erhandlen, daſsgleichen Euch den Hammerschmieden zu
Hollenstein, Gestling, Luntz, Gäming, Scheibbs, Gresten vnd Purckstal,
welche in ihren kleinen Hämmern ermelt Hert, Graglach und Wäschwerk
zerennen und geschlagen zeug darauſs machen. So wol auch den Eisen-
händlern zu Scheibbs, Purkstall, Greſsten, Melkh, Sanct Pölten vnd allhier
zu Wienn, so mit diesem Eisen, welches Scheibbserisches Eisen genannt
wird, handeln vnd sonst menegklich u. s. w. …


Es werden hauptsächlich „geschlagenes oder Arzter Eisen“ und die
„Rauchen Sorten“, Hert, Graglach und Wäschwerk unterschieden. Steyer
ist der Hauptverlagsort („verleg Statt“), wohin das Eisen geliefert und von
da weiter verhandelt wird. In Bezug auf Gewicht und Preis wird „ein
gewisse Ordnung und Satzung verfaſst, daſs es mit diesem Scheibbserischen
[638]Steiermark.
Eisen, soviel dessen nach den Centen oder Pundtweiſs verkhaufft wird,
gleichfals beschehe vnd hierdurch verhüt, daſs den armen Faust- und Hand-
schmieden, deren sonderlich im viertl ob Wienerwalt ein guete anzahl sein,
das Eisen nit vnndtterweiſs von etlicher aigennutz wegen verthewrt vnd
gestaigert werde.“ Deshalb die Satzung, „darein auch ewr der Proviant-
führer, Hamerschmied vnd Eisenhändler bürgerlicher gewinn, dabey Ihr
ewr ehrliche Rechnung haben mögt, kumen, entschlossen.“ Ebenso soll
diese Ordnung verhindern, daſs die Proviantführer ihren Proviant nicht
höher „zu den Wurzen“ bringen, als sie denselben zu Scheibbs geladen und
gestanden. Deshalb ist auſserdem im Markte Scheibbs eine „sondern“
Markt-Ordnung aufgerichtet. Diese steht unter der Kontrole des „Eisen-
Camerers“. Nach den dortigen Marktpreiſsen plus dem „bürgerlichen
Gewinn“ müssen sie zu Innerperg u. s. w. verkaufen, resp. das Eisen da-
gegen annehmen bei Strafe von „ainhundert Dukaten in Gold“ .... „also
wir auch Euch den Hamerschmieden bey Leib- und Guetsstraff eingebunden
haben, daſs jr jede sort in jrer rechten guete vnd klüene (?) auffbringet, vnd
der arbeit vmb aigen nutz oder ainiger andern versachen wilten, keinen
geferlichen abbruch thuet, deſsgleichen mit vnabgengigen Gewicht ein-
schlahet, vnd Ir die Eisenhandler auch dergestallt verkaufet vnd verhandelt.“


Hierauf folgt eine Preisordnung ähnlich der von 1564:


„Wir … haben uns verglichen, auff das Eisen, so bey der Wurtzen
des jnneren Eisenärtzt gegen Proviant erhandelt, vnd den daraus gemachten,
geschlagenen Zeug, so in diesem vnserem Landt, Scheibbherisch Eisen genannt
wird, ein Satzung aufzurichten.“


Es folgen nun die Preise im Innerberg, zu Scheibs u. s. w.:


Khauff des Rauchen vnd geschlagen Eisens in Innerperg,
so gegen Proviant gehandelt wirt
:


Das geschlagen Innerpergerisch oder Arzter Eisen, so allain im jnneren
Eisenärzt auff den Teutschen Hämmern (gemacht wird). Die Proviant-
führer müssen den erhandelten Proviant zu folgenden Preisen abgeben: in
der Mendling, Hollenstein, Geſsling vnd Luntz, Wäschwerch den Centner
vmb ain Gulden zwen pfennige. Hert und Graglach den Centner vmb
Sechs schilling, zwantzig pfennig. — Zu Scheibbs: Waschwerch den Centner
ain Gulden, zwelff pfennig. Hert vnd Graglach den Centen vmb Siben
Schilling. — Die Bürd geschlagen Innerpergisch oder Arzter Eisen, so ain-
hundert Fünffundzwaintzig Pfundt wigt, vmb zwen Gulden, drey Schilling,
Vierundzwaintzig pfennig, kumbt den Centen vmb ain Gulden, siben Schil-
ling, fünfvndzwaintzig pfennig.


Für die ausgeschmiedeten Sorten werden folgende Preise bestimmt für
1. Burdt Stang-Eisen. Gezaint Steyerisch und Galler Eisen, auch Wagschin
in Eisenärz, Scheibbs, zu Mölk, St. Pölten u. s. w. In Wien „geschlagenes
und Stang-Eisen die Burdt so ain Hundert fünff vnd zwaintzig pfund wigt,
vmb zwen Gulden, 1 Schilling, drei vnd zwainzig Pfennig, kumpt der
Centen vmb zwen Gulden, zwen schilling, sechs pfennig, drey viertel und
halbens. Gezaint Gäller (von St. Gallen), Steyrisch-Eisen und Wagschin,
den Centen vmb zween Gulden, vier Schilling, neuntzehn pfennig.“


[639]Steiermark.

Ein anderer Preis wird festgesetzt für die ansässigen Eisen-
händler für den Platzverkauf; für Wien z. B. der Centner ge-
schlagenes Eisen 2 Gulden 3 Schilling 1 Pfg.; das gezaint Gäller
2 Gulden 5 Schilling 14 Pfg. Auch der Preis für pfundweisen Ver-
kauf für Wien wird normiert. Dagegen wird für Extrasorten als
„Hollschin, Pfluegseeg, Dreyerschin, Crabatische Pfluegplech, Gotschi-
schin, breite und lange Pflueg Eisen“ kein Preis normiert. Der
Schmiedelohn für diese Sorten wird aber erhöht, hauptsächlich der
teuren Kohlen wegen.


Zum Schluſs wird verfügt, daſs die Scheibbserische Eisenkammer
stets ein wohl versehenes Magazin aller tauglichen Eisensorten führen
soll. In einer angefügten Waldordnung (von 1563) wird hervor-
gehoben, daſs die Wallachen 1) kein Holz beim Kohlenbrennen für
das Eisengewerbe verschwenden sollen, auch wird ihnen verboten,
Schafe und Gaisen in den Wald zu treiben.


Im Jahre 1574 erlieſs Kaiser Maximilian II. eine weitere Eisen-
ordnung über den Vorderberger Eisenhandel unter dem Titel 2):


„Römischer Khaiserlicher, auch zu Hungarn vnnd Behaim Khunig \&e.
Ordnung, den Ausgang des Vorderperger, oder Leobenischen Eysen
in Osterreich betreffend (gedruckt zu Wien durch Caspar Stein-
hofer, Anno MDLXXIIII).


Wir Maximilian der Ander von Gottes genaden Erwölter Römischer
Kaiser \&c. … entbieten allen unsren Unterthanen im Erzherzogthumb
Osterreich, sonderlich aber so im Vierttel vnder Wiennerwalt gesessen sein
und dem verschleuſs des Leobinischen Eisens zuethon, vnser gnad u. s. w. …“


(Die Handelsstraſse). „Wiwol von vralters das vorderperger oder
Leobinisch geschlagen Eisen vnnder andern auch sein ausgezaigte Straſs
vber den Sembring, auf Schadwien, Neukhirchen, Neustat, vnnd hierhero
gehabt, vnnd von disem Leobinischen Eisen, ermelt Viertl vnnder Wienner-
walt nottürftig versehen worden, ist vnns doch glaubhaft fürkhommen“ ....,
daſs dieses Eisen sowohl durch das Gebiet von Steiermark als auch auf der
österreischen Seite vielfach „durch Mancherley abweg vnnd Steig durch die
Sämer vnd andere auf das Hungerisch vmb des merern genieſs willen heuffig
verfüret vnd verschwertzt, Dagegen disem vnnserm Land entzogen, Sonder-
lich aber unserer Statt Neustat, Ir Niederlagsgerechtigkeit u. s. w. sowie
unsrer Maut und Zoll“. Dem zur Abhilfe wird verordnet, entsprechend
„der Vorderpergisch Ambts Ordnung, das die Hammermeistern zu Muerz-
zuschlag gegen Proviant sowohl auch mit Pargellt doch mit der gewöhn-
lichen Aufgab des ainen Khreitzer auf jeden Centen die notturft
[640]Steiermark.
Rauch Eisen zu versehung Irer befreidten Hammerwerch erfolgen solle von
alters auch aus solche Muerzzuschlagische Hämmern der geschlag ganz in
Österreich one ein auſser sonderer verlag gegen Prouiant vnnd umb Par-
gelt geben werden.“ Dieses soll auch so bleiben, nämlich, daſs die Mürz-
zuschlager Hammermeister auf ihren sechs befreiten Hammerwerken ihren
Bedarf an Rauheisen so beziehen können, wogegen diese ihr „geschlagen
Eisenzeug“ nach Österreich, insbesondere nach Neustadt verführen müssen
und solches „keinem Sämer, so solch Eysen beyseits der auſsgezaigten
Straſsen füren möcht“, zu geben. — Da aber die Vordernberger Ordnung
gestattet, daſs, wer dem Vordernberg Proviant zuführe, auch Eisen nehme,
so soll dies unbenommen sein, sofern er vom Vordernberger Ambtmann
dafür Bescheinigung hat. — Dafür sollen die von Neustadt auch den Mürz-
zuschlager Hammermeistern soviel wie möglich Proviant zuführen und das
Eisen zu dem festgesetzten Werthe annehmen.


Auch sollen die Hämmer von Schadwein und Neukhirchen von jetzt
ab ebenso gehalten werden und ihr Eisen nach Neustadt und Wien liefern. —
Und soll allen „Sämern“, die zwischen Bruk und Österreich Eisen verführen,
ohne die vorgeschriebene Bescheinigung dies abgenommen und als „con-
trabant“ eingezogen werden. Es soll aber „die Vralt Haubt Landstraſse
von Schladwienn auf Glockhnitz, Neukhirchen, Neustadt vnnd hierher (nach
Wien) für zulässig publiciret, alle anderen Straſsen verboten werden“.


Alles Eisen, was nach Ungarn verführt wird, soll über Wien und Neu-
stadt gehen, worüber die Händler Bescheinigungen führen müssen. Wobei
noch ein jeder bedacht sein und sich verpflichten muss, kein Eisen solchen
Personen zu verkaufen, die es „dem Erbfeindt, dem Türckhen“ zuführen,
worüber die Bürgermeister von Wien und Neustadt besonders wachen
sollen.


Da die Wiener und Neustädter Eisenhändler die ungarischen Jahr-
und Wochenmärkte besuchen und dort keine Eisentaxe besteht, so soll kein
unverarbeitetes Eisen geführt werden, sondern nur sogenannte geschliffene
Ware, was aber speciell die „Sengsen“ (Sensen) anbetrifft, so soll davon
nur eine beschränkte Anzahl passieren. — Die Grenzwächter haben streng
darauf zu achten, daſs kein Eisen ohne Paſsbrief durchgelassen wird.


Es wird sodann auf folgende Bestimmung der Vordernbergischen Amts-
ordnung rekurriert: „Das geschlagen Eisen soll hinfüro, wie biſsher auch
die alten Ordnungen vermügen, die gewöhnlich straſsen, Nemblich durch
das Camerthal auf Rottemann, Auſse, Saltzburg, an die Etsch gen Bayren,
Schwaben, vnnd aller Ortten in das Reich, — Auch die Straſsen nach der
Muer auf Mueraw, vnnd daselbst hin hinder durch das Lauenthall, Sant
Andrea, Sant Pauls bis an die Thra (Drau) vnnd abwertz auf Marnberg
vnnd Pettaw, Volpundts auf das Hungerisch vnnd Windisch Landt, auch
nach der Muer ab vnnd auf diesseiten aus allenthalben in das Fürstenthumb
Steyer, vnnd das Hungerisch, jtem die straſsen durch das Muertztall, vber
den Sembring auf die Neustatt, vnnd khain andere Straſsen gefüert
werden u. s. w.“


Diese Ordnung wird als „ain notturfft vnnsers Landts“ bezeichnet.


[641]Kärnten.

Man ersieht aus diesen vielen Verordnungen, wie ausgedehnt
und wichtig der steirische Eisen- und Stahlhandel war.


Da die Beschwerden der Eisengewerken gegen die einzelnen Ver-
leger in Stadt Steyr nicht aufhörten, so wurden, um mehr Stetigkeit
und Gleichförmigkeit in den Eisenhandel zu bringen, im Jahre 1583
sämtliche Verleger der Stadt Steyr zu einer Gesellschaft unter dem
Namen der Eisenhandlungs-Kompagnie vereinigt, welcher auch
die Stadt selbst in der Art beitrat, daſs die Geschäfte der Kompagnie
im Namen der Stadt geführt wurden und sämtliche Bürger daran
Teil hatten 1).


Viele Umstände traten aber damals ein, daſs sich das Inner-
berger Eisenwesen auch nach Errichtung der Eisenhandlungs-Kom-
pagnie nicht heben konnte. Hierher gehörten besonders auch die durch
die Ausbreitung der Reformation veranlaſsten Unruhen. Im Laufe des
16. Jahrhunderts hatten nämlich beinahe sämtliche Bürger in Stadt
Steyr und ein groſser Teil der Bewohner des umliegenden Landes,
worunter auch viele Hammerwerksbesitzer und Arbeiter, sich dem
lutherischen Glauben zugewendet und als in der Folge mit Ernst auf
ihren Rücktritt zum katholischen Glauben gedrungen wurde, ver-
lieſsen viele lieber das Land, als daſs sie sich zur Glaubensänderung
herbeigelassen hätten. Infolge dieser Auswanderung kamen aber viele
Hammerwerke auf längere Zeit auſser Betrieb.


Kärnten.

Wie in Steiermark der Erzberg zwischen Inner- und Vordernberg
oder zwischen Eisenärz und Leoben eine Quelle des Reichtums durch
die von der Natur hier angehäuften Eisenschätze für Jahrtausende
war, so war der Hüttenberger Erzberg in Kärnten für dieses Land
eine ähnliche Quelle des Wohlstandes und der gewerblichen Thätig-
keit. Auch die geognostischen Verhältnisse sind ähnlich. Dem
jüngeren Gneiſs sowohl als dem älteren Glimmerschiefer sind Urkalk-
lager parallel eingebettet. In diesen Urkalklagern kommen jene aus-
gezeichneten Siderit- und Limonitlager vor, auf denen seit mehr als
Beck, Geschichte des Eisens. 41
[642]Kärnten.
2000 Jahren der kärntnische Bergbau umgeht, der die Blüte der
heimischen Industrie bildet 1). Von alters her hieſs er die „Eisen-
wurzel“ (Bd. I, S. 754).


Zu Ende des 15. Jahrhunderts stritten sich um den wertvollen
Besitz der Landesfürst, Kaiser Friedrich IV. (III.), und das Stift Salzburg,
welches ältere Eigentumsrechte zu haben vermeinte. Die Türken und
die Türkenangst, die den Habsburgern so viel zu schaffen machte,
gaben die Veranlassung, daſs die für den Krieg besser gerüstete welt-
liche Macht den geistlichen Fürstentümern manche Vorteile abrang
und sich als Staatsgewalt konsolidierte. Das reiche Erzstift Salzburg,
das für den Bergbau so viel geleistet hatte und welches den Hütten-
berger Erzberg als seinen Besitz betrachtete, muſste dem berechnenden
Kaiser Friedrich, der wohl am meisten für den Besitz und den
Reichtum des Hauses Habsburg gethan hat, Stück für Stück seine
Rechte abtreten. In dem wichtigen Vertrag vom 30. Oktbr. 1458
wurden dem Erzstift seine alten Rechte in Bezug auf den Salz- und
Eisenhandel zwar noch garantiert 2):


  • 1. Freier Ausgang des halleinschen Salzes in das Land Kärnten
    durch Muran auch nach der Drau und über den Kretschberg, wie es
    vor alters her gehabt.
  • 2. Den freien Gang des salzburgischen Eisens aus der Lelien
    (Lölling) und Moſsnitz (Mosinz) nach der Straſse, wie es vor alters
    her gehabt.
  • 3. Das freie Commerce der Bürger zu Friesach und Althofen
    mit diesem Eisen ohne Hindernis der Bürger zu St. Veit.

Aber als sich 1479 der alte, störrige Erzbischof Bernhard mit
König Mathias von Ungarn gegen Österreich verbunden hatte, nahm
ihm Kaiser Friedrich im Jahre 1481 fast alle seine Besitzungen in
Kärnten ab.


Zehn Jahre lang hatte Kärnten durch die Ungarn schwer zu leiden,
erst unter Kaiser Maximilian kehrten wieder geordnete Zustände zurück.
Er bestätigte auch 1494 den oben erwähnten Vertrag von 1458, doch
blieb er, trotz dem geschriebenen Wort, der Landesherr und am
25. Oktbr. 1535 trat das Erzstift seine Hoheitsrechte durch Vertrag
vollständig an König Ferdinand ab. In diesem mit dem Kardinal
Lang von Wellenburg abgeschlossenen Vertrag wurde bestimmt:


[643]Kärnten.

Daſs jeder Erzbischof zu Salzburg eine taugliche, bergwerks-
verständige Person als Bergrichter nebst zwei Geschworenen mit der
Verbindlichkeit des Amtssitzes in Hüttenberg aufnehmen möge, doch
die Beeidigung derselben sowie Beauftragung, daſs sie nach der Berg-
ordnung getreulich leben und handeln, solle in Gegenwart des Landes-
hauptmanns oder Landesverwesers von Kärnten vorgenommen werden.


Eine Bergordnung solle im Beisein des Vizedoms zu Friesach
verfaſst werden.


Die Verwaltung der Wälder im Burgfried und Landgericht zu
Althofen und Hüttenberg obliegt wie von alters her dem Vizedom
oder über Auftrag desſelben dem Bergrichter zu Hüttenberg.


Die landesfürstlichen Waldungen, welche bisher zu dem Bergwerks-
betriebe von Hüttenberg gebraucht wurden, können auch für die
Zukunft hierfür verwendet werden.


Appellationen über berggerichtliche Erledigungen gehen in zweiter
Instanz an das salzburgische Vizedom-Amt Friesach, in dritter und
letzter Instanz aber an die von dem jeweiligen Landesfürsten ein-
gesetzte Regierung 1).


Danach hatte sich Ferdinand als Landesfürst die oberste Ent-
scheidung angeeignet. Von noch unmittelbarerer Wichtigkeit war die
Frage, wem die Mautgebühren zustanden. Darüber gab es eine voll-
ständige „Eisenfehde“, die zunächst ihren Ausdruck hauptsächlich
darin fand, welche Straſsen für den Eisenhandel festgehalten werden
sollten. Kaiser Friedrich hatte bereits am 30. Oktbr. 1458 mit Erz-
bischof Sigmund I. ein Übereinkommen getroffen, nach welchem das
Hüttenberger und Mosinzer Eisen auf der gewöhnlichen Straſse nach
Althofen, aber nicht über die Alpen nach Steiermark verführt und
der Althofensche Eisenhandel von den St. Veitern nicht beeinträchtigt
werden sollte.


Diese Vereinbarung lautet:


„Item so sol das Eysen das von Salzburg, so zu Hüttenberg, in
der Lelien und in der Moſsnitz gemacht würdet, da bleiben und sol
das von Althoven, auch das von Friesach zu ewigen Zeiten unge-
hindert und ungeirrt seinen Gang haben die gewendliche Straſsen, so
es von Alter her gehabt und sol nicht zuruk über die Alben aufgeen,
als gen Obdach, doch uns und unsern Erben Meut und Auflag, so
sich davon gebüre, vorbehalten ungeverlich. Es mügen auch die von
Friesach und Altenhofen selbst gesten und vertreiben nach iren Not-
41*
[644]Kärnten.
turften ohne unser Burger zu St. Veit daselbs in Kerndten und
menigliches Irrung und Hindernus.“


Die Althofener besaſsen ältere Vorrechte in Bezug auf den Eisen-
handel, welche ihnen von den Salzburger Bischöfen verliehen waren;
die St. Veiter aber wurden von den österreichischen Fürsten unter-
stützt.


Durch Jahrhunderte hatten die Altenhofener die Eisenniederlage
des Hüttenberger Erzlagers, bis der ungarische Krieg eine Unter-
brechung verursachte, indem die Althofener Eisenniederlage fünf Jahre
hindurch aufgehoben wurde.


Es geschah dies im Interesse und nicht ohne Mitwirkung Kaiser
Friedrichs III.


Erzbischof Friedrich V. von Schaumburg erhielt zwar für das
Stift Salzburg das Bergwerk am Hüttenberg zurück, aber die Fehde
der beiden Eisenniederlagsstädte St. Veit und Althofen kam deshalb
nicht zur Ruhe. Nach Wiederaufrichtung ihrer Eisenniederlage be-
mühten sich die Althofener, den Alleinverkauf vom Eisen an sich zu
bringen 1) und die St. Veiter gänzlich aus der Eisenwurze zu ver-
drängen, gestützt auf das historische Recht, laut welchem „das Berg-
werk Hüttenberg, Mosinz und Lölling mit aller Obrigkeit, den Werch-
gaden (Hüttengebäuden), Hämmern, Plahäusern und die Wasserflüsse,
an welchen die Plahäuser und Hämmer stehen, Eigentum der salzbur-
gischen Erzbischöfe seien, die alle Regalien eingehoben haben“. Doch
die St. Veiter kümmerten sich wenig um das historische Recht und
brachten durch Anbietung von sehr geringen Eisenpreisen an die
Althofener Händler, sowie durch heimliche Darlehen an die Radmeister
auf jenes Eisen, welches bereits durch Vorschüsse den Althofener Händ-
lern verlehnt war, groſse Irrungen, sogar Stockungen in den Eisen-
handel. Durch Anbietung eines höheren Eisenpreises am Stock für
Lieferungen von Eisen nach St. Veit mit Umgehung der Althofener
Niederlage und Maut suchten sie die Althofener ganz aus den Bergen
zu verdrängen, ja es kam sogar zu Thätlichkeiten, indem Althofener
und St. Veiter sich gegenseitig Pferde und Wagen auf offenen Straſsen
konfiszierten. Veit Gotthard und Gleiſsmüller waren zwei Eisen-
händler in St. Veit, die hierbei eine hervorragende Rolle spielten.


Die Radmeister selbst richteten aber ebenfalls viel Irrung zu
ihrem eigenen Nachteile unter den Eisenhändlern an. Leichtfertige
Radmeister hatten auf ihr Eisen von St. Veiter und Althofener Händ-
[645]Kärnten.
lern, sogar auf ein und daſselbe Eisen von vielen Händlern Geld und
Pfennwert entliehen, was sie auſser Stand setzte, ihren Verpflich-
tungen nachzukommen und die traurige Folge des gänzlichen Ver-
lustes ihrer Häuser, Huben, Höfe und Bergwerksgüter zur Folge hatte,
den Händlern selbst empfindliche Verluste und namenloses Elend
an die Eisenwurze brachte 1).


Trotz wiederholter feierlicher Erneuerung der Privilegien des
Erzstiftes Salzburg, wonach nur die Althofener die Berge mit Eisen-
verlag versehen sollten, so noch 1494 und 1496 an die Erzbischöfe
Friedrich V. von Schaumburg und Bernhard von Keutschach, beein-
trächtigten die St. Veiter die von Altenhofen immer mehr, gestatteten
ihnen nicht den Verkauf des Eisens an die Gäste auf den St. Veiter
Jahrmärkten, verweigerten die Durchfuhr des Eisens durch ihre Stadt,
wollten ihnen kein Eisen, auſser um einen billigeren Preis, als es
ihnen selbst mit Hinzurechnung von Maut und Weggebühr zu stehen
kam, abkaufen, verboten fremden Leuten den Einkauf in Althofen,
wodurch der Althofener Eisenhandel gesperrt, die Händler dem Ver-
derben nahe waren.


In dieser Bedrängnis errichteten die Althofener eine „Kommune“,
d. h. eine Eisenhandelsgesellschaft mit gemeinschaftlichem Einkauf
und Verkauf. Alsbald riefen auch die St. Veiter eine gleiche ins
Leben.


Für diese Kommunen ergingen landesfürstliche Befehle, laut wel-
chen die Althofener alljährlich eine Zahl rauhen und geschlagenen
Eisens frei ohne Irrung der St. Veiter verhandeln und verführen
durften, alles übrige Eisen nur den St. Veitern verhandelt werden
sollte. — Auch dieser [Anordnung] fügten sich die St. Veiter keines-
wegs und handelten wieder nach Belieben.


Im Jahre 1500 schaffte Kaiser Maximilian sowohl die Althofener
als die St. Veiter als überhaupt alle Kommunen des Landes ab und
befahl im Lande wie von alters her zu handeln. Die Althofener Kom-
mune hatte aber, als sie am 1. Nobr. 1500 aufgelöst wurde, noch
2000 Gulden an die Hüttenberger Radgewerke zu fordern, da aber
ein strenger Winter war und die Hütten und Hämmer still standen,
konnten die Radmeister nicht zahlen. Um zu ihrem Gelde zu ge-
langen, bemühten sich die Althofener, Jahresabschlüsse zu machen, was
den Radmeistern „wegen teuren Pfennwerten“ Veranlassung gab, eine
allgemeine Preissteigerung eintreten zu lassen. Das benutzten die
[646]Kärnten.
St. Veiter wieder und verweigerten neuerdings den Einkauf von den
Althofenern, welche drei Meiler geschlagenes Eisen nach St. Veit führen
lieſsen und drei Bürger mitsandten. Die St. Veiter boten ihnen pro
Meiler 8 Pfund Pfennige (= 8 Gulden oder 16 Mk.), ein Preis, um
welchen es die Althofener in den Bergen angekauft hatten; nun lag
aber schon Maut, Abwaggeld, Fuhrlohn und Zehrung darauf. Ver-
höhnt und verspottet zogen die Althofener Gesandten mit ihren drei
Meiler Eisen, die man in keinem Hause in St. Veit ablegen lieſs, von dem
man aber wohl die Maut und den Aufschlag abverlangte, nach Feld-
kirchen, wo sie endlich ihr Eisen anbrachten. Die über diesen Vorgang
empörten Althofener klagten bei dem Erzbischof; die St. Veiter führten
Gegenklage bei dem Landesfürsten. Diese Klagen und Gegenklagen
dauerten von 1501 bis 1505, ohne daſs den Althofenern daraus ein
Nutzen erwachsen konnte, weil die St. Veiter in der Lage waren, die
Eisenpreise zu bestimmen, indem sie sich die Radgewerke durch Vor-
schüsse geneigt gemacht hatten.


Das Nähere über diese für die damaligen Handels- und Gewerbs-
verhältnisse so charakteristische Eisenfehde findet man im Markt-
archive zu Althofen und hieraus ein Auszug in Münichsdorfers Ge-
schichte des Hüttenberger Erzberges 1). Die St. Veiter gingen als Sieger
aus dem Kampfe hervor, nicht weil sie Recht hatten, sondern weil die
Macht des Landesfürsten, der ihre Partei nahm, gröſser war, als die
der Salzburger Bischöfe. Nach vielen Klagen, Untersuchungen und
Urteilen des Kammergerichts in Wien und Wiener-Neustadt erfolgte
endlich im Jahre 1511 ein Haupturteil, nach welchem den Althofenern
die Eisendurchfuhr in St. Veit verboten, die Freiheit der St. Veiter
geschützt und ihnen ohne Irrung der Althofener der freie Eisenhandel
in den Bergen von Lölling und Mosinz gestattet wurde. — Auch der
Erzbischof von Salzburg muſste sich fügen und tröstete 1512 die ver-
zweifelten Althofener damit, daſs ihnen ja der Eisenhandel nicht gesperrt
sei, daſs sie aber auch die St. Veiter nicht im freien Handel hindern
sollten und dürften.


Seit dieser Zeit war für die Althofener das alleinige Einkaufsrecht
von den Bergen verloren, es muſste aber noch wie früher, um das
salzburgische Gefälle nicht zu schädigen, alles, selbst das von den
St. Veitern in den Bergen erkaufte Eisen, nach Althofen zur Abwage
gebracht und Wag- und Mautgebühr entrichtet werden.


Wegen der Richtigkeit des Gewichtes gab es auch viele Streitig-
[647]Kärnten.
keiten. Im Jahre 1508 wurde durch eine Kommission folgende
Bestimmung getroffen:


„Die Perger und Althofener haben den St. Veitern und allen,
welche Eisen kaufen, 100 Pfund Wiener Gewicht vom geschlagenen
und 110 Pfund Wiener Gewicht vom Rauheisen als einen Centner
anzurechnen und zu geben. Bei rauhem Eisen soll die Zunge der
Wage vor den Globen sein, beim geschlagenen wie von alters her.
Es sollen auch zwei Stück Rauheisen von 5 Centnern genau abge-
wogen, auch dieses Gewicht zimentiert und das Gewicht darauf ge-
schlagen werden. Ein solches Stück hat in Althofen, eines in St. Veit
zu bleiben und bei Streithändeln in Wag und Gewicht haben diese
zimentierten Gewichte zur Richtschnur zu dienen 1).“


Die Hüttenberger „Eisenwurze“ erfreute sich von jeher der be-
sondern Gunst der Landesherren. Schon in ältester Zeit unterschied
man in Kärnten die Haupteisenwurzen-Gewerken, d. h. die Hütten-
berger von den Waldeisengewerken, und standen den ersteren mancherlei
Vorrechte zu. Die Waldeisengewerke (Rennwerke) waren eigentlich
nur geduldet, durften kein Rauheisen verkaufen, sondern alles auf
eigenen Hämmern verschmieden und die Haupteisengewerke nie im
Kohlenbezug hindern. Die Bergknappen nahmen am Hüttenberg eben-
falls eine merkwürdige Ausnahmestellung ein, denn sie waren bis
Anfang des 16. Jahrhunderts Herren des Erzberges und Eigentümer
der Gruben und lieſsen sich von den Gewerken nichts vorschreiben.


Kaiser Maximilian bestätigte 1494 die althergebrachten Gewohn-
heiten und Gebräuche der Berggesellen von Hüttenberg und verlieh
ihnen dadurch Rechtskraft.


„Alle Quartember konnten die Knappen eine Bruderschaft abhalten.
Die Knappen verpflichteten sich, drei Tage auf ihre Rechnung vom
Berg gegen Feinde in oder auſser Landes zu ziehen, aber nicht länger;
wollte sie der Regent länger haben, so soll er sie wie die andern
Dienstleute in Sold geben, sonst sind sie aber niemandem verpflichtet.
Verhandelt ein Berggesell über Sachen, so hat er dem Bergrichter
zu Hüttenberg 72 Pfennige zu geben. Was aus den alten und neuen
Gruben Erz gewonnen wird, soll nach alten Freiheiten, Rechten und
Herkommen mit der Wag, so zum Berg gehört, gehalten werden. Jeder
Bergrichter soll bei dem Eisenerz und am Berg bleiben und am dritten
Tag, nachdem er eine Bergversammlung berufen, das Bergrecht halten.
So sollen auch alle Funde vom Bergrichter empfangen, alle Freiheiten,
[648]Kärnten.
welche die Berggesellen jetzt haben, beschützt und jene, welche gegen
den einen oder den andern dieser Artikel sich vergehen, bestraft
werden 1)“.


Besondere Vorrechte der Knappen zu dieser Zeit waren auſserdem
noch: daſs sie ihr Vieh unentgeltlich in die Weiden der Bauern auf
„Blumbesuch“ treiben konnten, daſs der angesessene Bauer ihnen ein
Stück Land zu einer Flachsansaat unentgeltlich zu geben hatte, daſs
sie das Ast- und Klaubholz in den ungezäunten Wäldern suchen und
nach Hause tragen konnten, daſs von keinem fremden Orte ein Knappe
aufgenommen werden durfte, daſs sie auf den Halden im sogenannten
„Bergzirkel“ kleine Gärten anlegen konnten, daſs an den Wochen-
märkten in Hüttenberg kein Vorkäufer einkaufen durfte, bevor die
Knappen vom Berge kamen und daſs die nächstliegenden Bauern ver-
pflichtet waren, die Knappen in Wohnung zu nehmen.


Die Knappen bildeten eine Bruderschaft und hatten eine gemein-
same Bruderlade, in welche ein jeder seinen Brudergroschen zu ent-
richten hatte.


Die Stuckhütten und Deutschhämmer waren damals noch im
ausschlieſslichen Besitz der Bauern auf den Bergen 2). Diesen Ver-
hältnissen entsprechend war sowohl der Bergbau am Erzberg, als der
Hüttenbetrieb ein planloser, geleitet durch alte Gewohnheiten, die
sich von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, ohne System und Gesetz.
Die Knappen waren gewissermaſsen die Herren des Erzberges, sie
schürften auf eigene Rechnung nach Erzen, lieſsen sich den Fund
belehnen und bauten auf eigene Rechnung, trugen alle Kosten des
Baues und verkauften die Erze und neueren Baue ihrem Rad-
meister. Diese willkürliche Wirtschaft verbunden mit Unkenntnis
und Unwissenheit einerseits, die argen Miſsbräuche, Ausschreitungen
und Bedrückungen im Eisenhandel andrerseits führte zu unaufhör-
lichen Streitigkeiten und brachte das berühmte Bergwerk von Hütten-
berg dem Verfalle nahe. Um hierin Wandlung zu schaffen, schickte
Kaiser Ferdinand 1535 kaiserliche und salzburgische Kommissäre zum
Zweck einer gründlichen Untersuchung an den Erzberg. Die Knapp-
schaft reichte schriftlich Beschwerde ein: „daſs sie das Erz mit vieler
Anstrengung aus der Tiefe tragen müsse; daſs sie, wenn sie auf eigene
Rechnung einen neuen Bau aufschlage, so lange sie nicht Erz habe,
auf eigene Rechnung arbeiten müsse; daſs die Teuerung so überhand
[649]Kärnten.
nehme, daſs sie ein Pfund Schmalz, welches früher 8 Pfennige
gekostet, jetzt um 20, ein Pfund Käse früher um 3, jetzt um 7,
ein Pfund Schweinefleisch früher um 8, jetzt um 16, ein Pfund
Unschlitt für Licht in der Grube früher um 8, jetzt um 14 Pfen-
nige, ein Fuder Holz zur Grubenverzimmerung früher um 4 bis
5 Kreuzer, jetzt um 6 bis 7 Kreuzer kaufen müsse, welche Teuerung
zum Teil die Verkäufer herbeiführten. Überdies wollen die Rad-
meister nun für gleichen Preis um ein Fuder Erz mehr haben,
als zur Zeit, wo alles billiger und das Erz leichter zu gewinnen
war. Weiter führen die Knappen Klage, daſs der Bergrichter nur
zu Althofen und nicht in Hüttenberg beim Berg sitzet, wodurch sie,
wenn sie ihn heimsuchen, gröſsere Auslagen haben. Die Ansaat an
Flachs, welche seit uralter Zeit die verheirateten Knappen bei den
angesessenen Bauern machen durften, da sie die abgetragene Lein-
wand zu Knotengarn in den Gruben brauchten, sei von der Landschaft
verboten worden. Es mögen die Kommissäre diese Beschwerde unter-
suchen und Abhilfe thun 1).


Auf Grund der Untersuchung der Mängel und Gebrechen am
Erzberge entwarfen die Kommissäre im Jahre 1535 eine Bergwerks-
ordnung, doch kam dieselbe damals noch nicht zur Einführung. Erst
32 Jahre später, nachdem die Unordnung den höchsten Grad erreicht,
wurde dieselbe im Jahre 1567 in 53 Artikeln publiziert.


Folgendes sind einige der wichtigsten Grundsätze derselben: „Der
Bergrichter wird vom Landesfürsten ein- und abgesetzt.


Die Ausförderung der Erze geschah damals in Kärnten auf dem
Rücken über sogenannte Tragfahrten. Je ausgedehnter die Tagebaue
wurden, je unökonomischer wurde dies. Es wurde deshalb unter
gewissen Umständen Stollenbau vorgeschrieben. Dennoch erhielt sich
das Austragen in Körben bis Ende vorigen Jahrhunderts. — Jede Grube
muſste einen Hutmann haben. — Die Gruben, welche beliehen wurden,
muſsten bestimmte Grenzen und Gröſse haben, nämlich 20 Klafter in
Höhe und Tiefe, 20 Klafter nach rechts und links vom Anschlag-
punkte gerechnet. Ein solches Lehen nannte man ein „Gebau“. Der
Lehenswerber erhielt darüber einen Lehensbrief ausgestellt. Nach
Belehnung eines Neuschürfes oder einer alt verlegenen Grube war die-
selbe binnen drei Tagen mit Arbeit zu belegen, Joch und Stempel
aufzustellen, sonst fiel sie ins Freie. Durch Bearbeitung einige Zeit
hindurch erlangte sie dann eine dreimonatliche Fristung.


[650]Kärnten.

Der Hutmann führte die Aufsicht über den richtigen Bau, über
Einhaltung der achtstündigen Schicht und über gute Erzscheidung,
damit nicht, wie häufig vorgekommen, das Rauheisen böſs- und
rotbrüchig ist, was vom „bösen Scheidwerk und unsaubern Arzt
kommt“.


Die Knappen gewannen das Erz auf ihre eigene Rechnung und
gaben es dem Radmeister nach einem gestrichenen Maſs oder „Berg-
truhen“, welches der Bergrichter mit den landesfürstlichen und salz-
burgischen Wappen versah und „zimentierte“. Die Erze gaben die
Knappen den Radmeistern, doch muſsten die Gedinge vor Bergrichter
und Gewerken gemacht und muſsten dieselben in das Gerichtsbuch
eingetragen werden. — Die Zahlungsunfähigkeit eines Radmeisters —
ungeachtet er in guter Arbeit stand und Eisen beim Plahaus in Vorrat
hatte — hatte der Knappe mit Geduld zu tragen; wollte er aber
nicht warten, so mochte er sein nach gesetzlicher Maſs auf den Halden
zusammengeschüttetes Erz, um das vor dem Gerichte gemachte Ge-
dinge einem andern Gewerken der gleichen Grube, und wenn es der
nicht nahm, einem Fremden verkaufen.


Der Radmeister sollte auch einem fleiſsigen und ordentlichen
Knappen Vorschüsse leisten.“


1533 war bereits der Hüttenberger Erbstollen angelegt worden,
zu dem jeder Gewerke, der durch den Erbstollen Hilfe erlangte, das
neunte Fuder als Abgabe zu entrichten hatte.


Auch die Rad- und Hammermeister hatten einen Zuschuſs nach
Maſsgabe ihrer Produktion zu leisten.


Jeder von einem Radmeister angenommene Berg-, Plahaus- oder
Hammerarbeiter, Köhler, Kohl- und Erzführer muſste sich dem Berg-
richter vorstellen und sich mit „Paſsport“ legitimieren; so erhielt auch
jeder Austretende nach richtiger Abrechnung von dem Bergrichter
den Paſsport.


„Die Plahausleute, als Player, Gradler, Röstler, erhielten strenge
Befehle, genug Kohl zu geben, damit das Eisen nicht rotbrüchig,
sondern gut geplat werde; insbesondere war strengstens verpönt, an
Wochentagen statt der Arbeit zum Wein zu gehen und die Nacht
im Wirtshaus zu versitzen.


Kein Hammermeister an den Deutschhämmern zu Hüttenberg,
Mosinz, Lölling und im Ebersteiner Thale durfte aus dem hütten-
bergischen Rauheisen unter acht Stangen von gebührlicher Länge in
den Centen schmieden, auſser es wäre das Wasser sehr klein, da
konnte er auch sechs schmieden.“


[651]Kärnten.

Die Handhabung der für den Eisenverkauf vom Landesfürsten
aufgestellten Satzung oblag dem Bergrichter.


Wenn ein Rad- oder Hammermeister von Mosinz, Hüttenberg,
Lölling oder dem Ebersteiner Thale dem andern vor Jakobi seine
gedingten Arbeiter, als Knappen, Plaher, Gradler, Kohlführer, Holz-
knechte, aufredete, sollte er um 5 Pfund Pfennige und 15 Kreuzer
gestraft werden.


Ein Handschmied bekam auf einen ganzen Hammer nicht mehr
als 12 Pfund, die zwei Plaher mitsammen 10 Pfund als Leihkauf, mit
den Gradlern kam man nach Gefallen ab und war die Hälfte des
Leihkaufs vor Weihnachten, die andere Hälfte vor Ende Juni des
nächsten Jahres zu geben. Leihkauf und Geding eines jeden Hütten-
arbeiters wurde beim Berggericht geschlossen und ins Gerichtsbuch
eingetragen. Ein Hammerschmied erhielt pro Centner geschlagenen
Eisens sechs Pfennig, der Gradler pro Centner Graglach vier Pfennige.
Die Gewerken durften weder ihr rauhes noch geschlagenes Eisen über
die Alpe führen, sondern sollten es auf den richtigen Straſsen nach
Althofen wie von alters her zur Abwage bringen.


Jede zum Verkauf gebrachte Eisenware hatte mit dem Zeichen
des Radmeisters vermerkt zu sein.


Die Knappen hatten das Recht der Freien, ein Seitengewehr zu
tragen, jede andere Waffe war ihnen verboten. Gegen den „Hochmut
der Knappen“, Rauf- und Fechthändel, sowie „Rumora“ handeln die
Artikel 34 bis 39 der Bergordnung ganz speciell.


Alle Jahre trat an einem Sonntage zu Hüttenberg ein ordent-
liches Berggericht zusammen, nachdem dasſelbe 14 Tage vorher durch
den Bergboten bekannt gemacht war. Am selben nahmen alle Arbeiter
und Gewerken, Reiche und Arme teil und brachten ihre Klagen vor.
Solange der Bergrichter zu Gericht saſs, hielt er immer den Gerichts-
stab in Händen. Hatte ein wegen Schulden Geklagter diese Schuld
eingestanden, so sollte der Bergrichter die Bezahlung in 14 Tagen
erwirken, widrigens er auf des Schuldners Güter griff und den
Gläubiger zahlhaft machte. Lieſs ein Gläubiger einen Schuldner ein-
sperren, so muſste er ihm alle. Tage um einen Kreuzer Speise geben
und der Gefangene hatte jede Woche 12 Kreuzer von der Schuld
abzutragen.


Nachdem bisher die Hüttenberger Knappen in einer Woche nicht
mehr als drei Schichten arbeiteten, dann aber, um zu ordentlichem
Lohn zu kommen, oft die Tragsäulen der Zechen einrissen und Ein-
brüche herbeiführten, ward das Feiern nur noch an den Sonn- und
[652]Kärnten.
Feiertagen, sowie an den Samstagen vor Weihnachten, Ostern und
Pfingsten erlaubt, an den übrigen Samstagen wurde eine halbe Schicht
gemacht.


Bezüglich des Kohlenbezuges, der seither sehr unordentlich
gehandhabt worden war und zu vielen Streitigkeiten Veranlassung
gegeben hatte, wurde die „Kohlabstrickung“, d. h. daſs einer dem
andern die Kohlen durch Unterbieten wegnahm, verboten und ein
allgemein gültiges Maſs, das Hüttenberger Vässel (Faſs), wovon zwei
einen Samb (Schaff) ausmachen, bestimmt. Der Bergrichter hatte
einen geschworenen Sack von einem Vässel Inhalt als Normalmaſs.
Die Ordnung setzte weiterhin die Zusammensetzung des Berggerichts
und die Taxen fest 1). Diese Taxen, namentlich die Schreibgebühren,
waren im Verhältnis zu dem Tagschichtlohn zu jener Zeit, der
sechs bis acht Kreuzer betrug, als recht hoch anzusehen. Nicht
minder hoch waren die Strafen für alle möglichen Ausschreitungen,
die uns einen Begriff geben von dem Bildungsgrade und Anmaſsung
der Knappen.


Wie überall, so hatte auch in Kärnten der Protestantismus bei
dem Bergmannsstande rasch Eingang gefunden und Hüttenberg wie
Althofen und St. Veit hatten ihre Pastoren. Als Erzherzog Karl die
neue Lehre verbot und deren Bekenner mit Leibesstrafe bedrohte,
wanderten viele Arbeiter und selbst Gewerken aus, wodurch groſse
Arbeiternot an der Eisenwurze eintrat.


Über das wichtigste technische Ereignis dieses Zeitabschnittes,
die Erbauung des Urtler Hochofens kurz nach Publizierung der Berg-
ordnung im Jahre 1567 und der Einführung des Floſsofenbetriebes
in Kärnten haben wir bereits früher berichtet.


Die Besitzverhältnisse am Hüttenberger Erzberg änderten sich im
Laufe des 16. Jahrhunderts in der Weise, daſs die Anteile der Bauern
nach und nach in die Hände spekulativer Eisenhändler von Althofen
und St. Veit gelangten, indem dieselben Vorschüsse gegen Verpfändung
der Anteile gewährten und diese dann in Besitz nahmen, wenn die
Rückzahlung der Schuld nicht rechtzeitig geleistet wurde. Auf diese
Weise verdrängten die reichen „Verleger“ nach und nach die Bauern-
gewerke. War dieses Verfahren nicht immer reell und frei von
Hinterlist, so hatte es für den Betrieb doch groſsen Vorteil, indem
von den neuen Besitzern mit den alten verrotteten Gewohnheiten
gebrochen und technische Verbesserungen eingeführt wurden. So
[653]Krain.
hatte beispielsweise gerade dieser Umschwung zur Einführung des
Hochofenbetriebes an Stelle der alten Stücköfen geführt.


Die Feineisenerzeugung, wie die Herstellung aller Sorten von
Streckwaren, von Draht und Nägeln, sowie die Verfeinerung des
Stahls scheint von italienischen Arbeitern von Brescia, Lecco und
Bergamo, welche sich in den oberen Thälern von Oberkärnten an-
siedelten, nach Kärnten verpflanzt worden zu sein, was aus den seit
langer Zeit üblichen italienischen Bezeichnungen dieser Eisenwaren
hervorgeht, so bei dem Streckeisen: Quadretti, Lamette, Righette,
Ottangoli, Bisquadri, Piattina, Mojettina; bei den Drähten und Zainen:
Verzella, Strafettina, Strafetta, Bordion, Cortina, Fenestrina, Portus,
Ardea, Vella, Cortellini, Pessetti, Sortiti u. s. w.; bei den Nägeln:
Pianetti, Tratti, Grossi, Canali, Gondolini; bei den Stahlsorten: Accialon,
Accialon sottile, Romano, Mezano, da Segha, da Molina, sowie der
Brescianer und Triestiner Kistenstahl. Zum Beweise dessen dient auch
das Kanalthal, der Ponteba am nächsten, welches von Nagelschmieden
den Namen führt, welche eine Sorte Nägel, Canali genannt, erzeugten.


Über die Gründung des Urtler Floſsofens zwischen den Jahren
1567 und 1580 haben wir im allgemeinen Teil berichtet. Wir wollen
hier nur noch nachtragen, daſs nach Münichsdorfer die ersten
Floſsöfen in Kärnten 15 Fuſs Höhe, eine quadratische Gicht von
18 Zoll Seiten, einen Kohlensack von 3 Fuſs im Quadrat und ein
Gestell von 20 auf 21 Zoll hatten. Über der Gicht befand sich eine
Esse von 15 bis 18 Fuſs zur Vergröſserung des Zuges, der durch eine
Form von 1¼ Zoll Höhe und 1½ Zoll Weite, die 12 Zoll über dem
Boden lag, hervorgebracht wurde. Die Tagesproduktion eines solchen
Ofens betrug 30 bis 35 Centner.


Krain.

Krain war das dritte der österreichischen Alpenländer, welches
wegen seines vorzüglichen Eisens von alters her berühmt war. Die
Eisengewinnung daselbst geht gleichfalls bis in das graue Altertum
zurück. Daſs die Römer dieselbe bereits betrieben, wurde im ersten
Bande (S. 507) nachgewiesen. Besonders waren Stahl und Nägel von
Krain berühmt, die meistens nach Italien Absatz fanden. Im Mittel-
alter beherrschte Venedig diesen Handel.


[654]Krain.

Oberkrain erzeugt „eine gewaltig groſse Quantität Erzes vom
besten Eisen und allervortrefflichsten Stahl, so weit und breit durch
die Welt verführt wird“ (Valvassor).


In der Wochein wurde seit den Zeiten der Römer Eisen ge-
wonnen. Die alten Werke lagen mehr in dem oberen Teile des
Thales, nahe dem Hochgebirge, während sich später die Eisenhütten
mehr in das untere Thal zogen. Der Bergbau wurde in der alten
mühseligen Weise fortbetrieben 1). Viele kleine Schächte, selten über
1½ Schuh (!) im Viereck wurden auf den Erzklüften abgetäuft. Von
diesen aus wurde das Erz nur mit Spitzhammer und Keilhaue ohne
Pulver gewonnen und mit dem Haspel zu Tage gefördert, wo es in
kleinen Teichen verwaschen wurde. Stollen und Strecken waren un-
bekannt. Nur mit Mühe konnte man soviel Erz gewinnen, als für
das Jahr nötig war. Die Erze wurden dann im Winter in bedeckten
Trögen auf Schlitten in die Schmelzhütten gebracht. Die Bohnerze
wurden gewaschen, in Röststadeln geröstet und das gröſste Erz mit
Handfäustel zerklopft. Sodann wurde dieses in Wolfsöfen, die wir
bereits S. 166 beschrieben haben, verschmolzen. Es wurde auf „Wölfe“
gearbeitet, welche je nach dem Ausfall der Schmelzung zu Stahl oder
zu Draht, Nägeln und „Gartereisen“ verarbeitet wurden. Das älteste
Werk in der Wochein hieſs der Althammer. Er lag, nach Val-
vassors
Beschreibung 2), „in einer Schlutten zwischen hohem Schnee-
gebirge nahe am Wocheiner See und wurde auf krainerisch Staro-
kladno geheiſsen, welches auf deutsch ebenso viel heiſst als Alter
Hammer“. — „Etwas besser hinab hat es ein anderes Hammerwerk,
da man unterschiedliches Eisenwerk schmiedet und ausarbeitet. In-
sonderheit seynd daselbst viel Draht-Zieher beschäftigt, sowohl
einen ganz dicken als auch den subtilsten Draht und gleichfalls
solchen, welcher den Instrumenten, Zithern und Harpfen bequem ist
ziehen. Für mittelmäſsigen Drahtzug braucht man allhie eine schöne
und curieuse Manier. Es muſs sich ein Mensch auf einen hangenden
Stuhl setzen, daran man ihn fest verbindet und anspannt, alsdann
drauſsen das Wasser aufs Rad gehen läſst. Worauf das Wasser diesen
Menschen geschwind und augenblicklich weit vor und wiederum weit
rückwärts oder hinter sich treibt. Er, der indeſs eine eiserne Zange
in Händen hält, muſs, so oft er vor sich gerafft wird, den Draht er-
greifen, indem er aber wieder hinter sich gerissen wird, den Draht
[655]Krain.
herausziehen und also immerzu fortfahren. Sollte er aber fehlen oder
säumen, und den Draht mit den Zangen nicht ergreifen, so würde
ihm die Bewegung einen solchen Stoſs geben, daſs ihm Lunge und
Leber samt dem Herzen davon krachen und zerstückt oder zer-
quetscht werden möchten. — Ist gar kurios sonderlich den Fremden
zu schauen.“ Es war also hier dieselbe Art des Drahtzuges in Ge-
brauch, welche Biringuccio beschrieben hat (Bd. I, S. 889). Die
Eisenwerke in der Wochein gehörten früher den Tazoli’s und ge-
langten von diesen in Besitz der Familie Locatelli. Auſserdem waren
in jener Zeit Eisenhütten bei Sava, Bleyofen, Jauerburg, Aisnern,
Kropp und Steinbüchel.


Der Bergbau zu Aisnern oder Eisnern (slavonisch Selnelniko,
Vſeleisenka) war gleichfalls uralt und reichte in die Zeit der Römer-
herrschaft zurück. Valvaſsor sagt: „Der Eisenberg (sonst auch
Naseleiso genannt) steht gleichfalls in der hohen Schneegesellschaft
hoch erhaben zwischen Kropp und Eisnern noch oberhalb Jamnig.
Auf diesem Berge findet sich das berühmteste und zugleich älteste
Eisenbergwerk. Es gehörte der Landesherrschaft; im Mittelalter aber
hatten die Geschlechter der Plauzen, Peren, Pettrazzi und Amotta
daran Teil 1). Es blühte besonders im 14. Jahrhundert. Nägel und
Waffen waren die Hauptartikel, welche meist nach Italien gingen.“
Die Erze wurden auch hier in Stucköfen geschmolzen und Val-
vaſsor
berichtet: „Hieselbst macht man gleichfalls aus Eisenerz den
sogenannten Wolff, das ist, man schmelzt aus dem Erz einen groſs-
mächtigen Klumpen, der viel Centner schwer ist und der Wolff ge-
heiſsen wird. Wenn das Erzt gut und auch einem guten Meister
unter die Hand kommt, so wird dem Wolff ein Gewicht von 18 bis
25 Centnern gegeben. Es ist eine Lust, zuzuschauen, wie man eine
so gewaltig schwere, ganz glühende Last aus dem Feuer unter den
Hammer legt und bearbeitet, gleich den Cyklopen. … Aus diesem
groben und schweren Erztklumpen wird das Eisen ausgeschmiedet
und also das Werk allhie auf die Wölff gearbeitet.“ Nach Ausweis
des Herrschaft-Lochkerschen Salbuches war dieses Werk schon 1379
in Flor. Es erhielt Privilegien vom Stifte Freising, Sonntag, St. Ge-
orgii 1423, am 28. Mai 1554 und auch später 1568 und 1621.


Von hohem Alter waren ferner die Eisenwerke in und um Sawa.
Diese Werke gehörten vordem Gewerken und kamen dann in Besitz
der Grafen Bucellini. Valvaſsor (393) sagt: „Vor Alters seyend
[656]Krain.
oberhalb Sava und Pleyofen, ob Asling in den Alben die Gewerke
gewesen, von welchen zu Vierteil- oder halben Öfen bestritten wor-
den: maſsen sie ennoch einen Freiheitsbrief oder Privilegium von
Herrn Friedrichen, weiland Grafen von Ortenburg verweisen
können, so anno 1381 am Tag St. Bartholomaei gedatiert.“ Seitdem
aber die Bucellini die Werke zu Sawa und Jaurenburg in Betrieb ge-
setzet, gingen die Werke „in den Alben“ ein, ausgenommen der alte
Schmelzofen auf dem Gebirge daselbst Roſseck (Roscheza), der noch
von dem Grafen Bucellini von Sawa aus fortbetrieben wurde, „ge-
staltsam sich daselbst an den Alben lauter Bergleute, als Knappen,
Holzarbeiter, Köhler, Kohlen- und Erzfuhrleute befinden.“ Sawa war
besonders berühmt durch seinen guten Stahl, der dort in groſser
Menge bereitet wurde, so daſs er von da in nahe und ferne Länder
verführt wurde, „maſsen er nicht allein häufig nach Italien, sondern
auch von dannen weitergeht“. Durch ein groſses Schöpfrad wurde
fortwährend Wasser in die Höhe gehoben und in einen „Garten“
(Sammelteich) geleitet, so daſs das Hammerwerk immer Wasser hatte
und fortgetrieben werden konnte.


Pleyofen (krainisch Plausch), wo sich ebenfalls Eisenhütten be-
fanden, hat seinen Namen von Plahofen. Die Eisenwerke zu Jauren-
burg gehörten der freiherrlichen Familie dieses Namens. Von ihnen
schreibt Valvaſsor (S. 388): „An diesem Orte läſst der Vulkan
sein Meisterstück in der Stahlarbeit sehen, denn der allerbeste Stahl,
so nirgendswo mag anzutreffen sein, wird hierselbst bereitet; wes-
wegen nicht allein Italien, sondern auch andere fernere Länder den-
selben verlangen; wie denn auch dessen gar viel nach Welschland
und von dort weiter reiset. Hingegen arbeitet man allhie in Eisen
gar nicht, es möchte denn jemanden zu sonderbarem Gefallen ge-
schehen. Wann aber je bisweilen dasſelbe gearbeitet wird, so ist es
ohngezweifelt das beste. — Eben dieses Orts wird gleichfalls der
Krabatische Stahl gemeistert, der so gern Türkenblut saufft und
seinen Feinden erschrecklich vor den Nasen blinkt: denn solchen
durchdringenden scharffen Stahl hat er den perfekten Stahlmeistern
zu Jaurenburg zu danken.“ Ferner waren in Oberkrain die Eisen-
werke zu Kropp (Kropa) und zu Steinbühel (Stainbichl-Komnagoriga)
an der Leibnitz nicht weit von Radmannsdorf. „Man arbeitet auch
an diesem Orte das Werk auf die Wölffe, und schmiedet allerlei
Nägel, Garter-Eisen und dergleichen Dinge mehr, und hat dieser Ort
das Lob erworben, daſs man allda die besten Nägel arbeite.“ König
Ferdinand I. erlieſs am 3. Jan. 1550 für die Herrschaft Radmannsdorf
[657]Tirol.
speziell für die drei Werke zu Kropp, Steinbüchel und Kolnitz eine
Bergordnung. Auf Ansuchen der übrigen Werke erlieſs er dann
später am 23. Febr. 1575 eine allgemeine, aus 36 Artikeln bestehende
Bergordnung für die Eisenbergwerke 1) von ganz Krain, und setzte
einen Oberbergrichter ein.


Tirol.

An der groſsen Blüte des Metallbergbaus und der Metall-
gewinnung in Tirol seit Anfang des 15. Jahrhunderts nahm auch
der Eisenbergbau teil. War auch Tirol bei weitem nicht so reich an
Eisenschätzen wie die Nachbarländer Steiermark und Kärnten, so
fand sich doch Eisen an vielen Orten und wurde schon in alter Zeit
gewonnen. Dem früher Mitgeteilten (Bd. I, S. 628, 732) fügen wir
noch Einiges hinzu. Die alten Eisenhütten bei Persen sollen bis in
die Longobardenzeit reichen. Zu Melles (Molles) in der Pfarre Colaſs
auf dem Wattenser Berge war eine Eisenhütte, die ein gewisser Gott-
schalk
schon im Jahre 1315 zu Lehen hatte 2). Ebenso befand sich
auf dem Sulz bei Volsana, wo guter Eisenstein vorkommt, eine alte
Hütte. Das Dorf alle Fucine am Fuſse des Tonalgebirges hat seinen
Namen von einer Eisenhütte.


Im 15. Jahrhundert begann der Glanz des Tiroler Bergbaues,
durch den Tirol für längere Zeit eines der reichsten Länder der
Welt wurde. Dies geschah, als 1409 in Schwatz der Silbergang am
Frankenberge erschürft wurde. Die groſse Ausbeute fing aber erst 1446
an. 1483 lieferten die Bergwerke bereits 48097 Mark 3 Lot Brand-
silber. 1499 wurden viele Bergknappen von Maximilian im Kriege gegen
Italien gebraucht. 1519 verpfändete der Kaiser in seiner Geldnot
die Schwatzer Bergwerke an die Fugger in Augsburg. 1523 lieferten
36 Gruben mit 30000 Knappen 55855 Mark Brandsilber und an
20000 Centner Kupfer. Noch gröſsere Ausbeute erzielten die Fugger,
welche 1527 vom Frankenberge allein 79000 Mark Silber Ausbeute
machten. 1556 waren 144 Gruben mit 30000 Knappen belegt. Auch
die Gruben im Montafun gehörten den Fugger. Durch den aus-
Beck, Geschichte des Eisens. 42
[658]Tirol.
gedehnten Bergbau kamen auch die Eisenwerke zu groſser Blüte.
Im Lechthal waren im Jahre 1472 solche im Gange. Predazzo
hatte so wichtige Eisenbergwerke, daſs 1490 über 1000 Knappen
hier gewesen sein sollen. Im 15. und in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts war zu Fulpmes ein fürstlicher Eisenhammer und
ein Bergamt. Alt und bedeutend waren die Gruben und Eisen-
werke in Pillersee an der Grenze des Pinzgau. Am Pillersee, wo
die besten Eisenbergwerke sehr hoch im Gebirge liegen, geschah
die Förderung in groſsen Säcken von Schweinshaut. Der Knecht
fuhr auf dem Sack die steile Bergwand herunter, mit einem langen
Stocke, den er rückwärts unter dem Arme hielt und der ihm als
Steuerruder wie als Bremse diente. Abgerichtete Hunde trugen die
leeren Säcke wieder hinauf. Diese Förderung, welche auch bei andern
Bergwerken im Hochgebirge in Anwendung war, beschreibt schon
Agricola in de re metallica.


Ferner waren Eisenbergwerke zum Heiligen Kreuz bei Schwatz
und zu Puch am Ringenwechsel; zu Kleinboden im Zillerthal, in Aren
und in Persen; zu Orsana auf dem Sulz, im Thale Primör. Dem
Hochstift Brixen gehörte das Eisenbergwerk zu Valparola in der
Herrschaft Andraz oder Puchenstein; dieses hatte sein Hüttenwerk
zu Capril, welches schon im venetianischen Gebiete lag. Die Gruben
im Montafun gehörten zum Berggerichte Ümbst und die Eisengruben
bei Fügen zu St. Pancratz im Zillerthal in die salzburgische Probstei
Zell. Zu Aren wurde Magneteisenstein gewonnen.


Die Verhüttung der Erze geschah wie in Steiermark in Stück-
öfen. Zu Pillersee wurde Draht gemacht. An der Grenze gegen
Italien, wo es viele Eisenhämmer und Hütten gab, wendete man früh
eine Art Wassertrommelgebläse an. Der Wind wurde durch einen
Wasserfall in einem geschlossenen Raum in die Höhe gedrückt und
durch ein hölzernes Rohr dem Feuer zugeleitet. Sterzingen hatte
Klingen- und Messerschmiede, Trient war berühmt durch eine be-
sondere Art feiner Taschenmesser. Mila oder Mühlach bei Innsbruck
war in groſsem Rufe wegen seiner Harnischschmiede 1). Hier war die
berühmte Plattnerei, welche Kaiser Maximilian bei Innsbruck an-
gelegt hatte (siehe oben S. 350), deren Harnische nach allen Ländern
Europas gingen.


Auch in Tirol ergriffen die Bergleute und die Gewerken die
Reformation mit Begeisterung, doch wurde dieselbe von den öster-
[659]Österreich.
reichischen Landesfürsten mit Gewalt unterdrückt. Viele wanderten
infolgedessen aus, so auch die angesehensten Bergherren im Pinzgau,
die Herren von Rosenberg, und im Obergau die Herren von Reitau.
Beide Geschlechter wurden wegen ihrer Religion verfolgt, verlieſsen
das Land und ihre Burgen verfielen.


Österreich.

In den österreichischen Stammlanden, ob und unter der Enns,
war die Eisengewinnung nicht bedeutend, wohl aber die Eisen-
verarbeitung. Die österreichische Eisenindustrie stand in der engsten
Beziehung zu der steierischen und ist mit dieser als ein gemeinschaft-
liches Ganzes anzusehen. Namentlich war die Stadt Steyr der privi-
legierte Handelsplatz für das steierische Eisen, und so haben wir es
auch, obgleich in Oberösterreich gelegen, immer als einen steierischen
Eisenhandelsplatz behandelt. Steyr vermittelte hauptsächlich den
Eisenhandel nach dem Norden und war deshalb mit groſsen und
auſserordentlichen Privilegien ausgestattet. Diese gehen zurück bis
in die Zeit der steiermärkischen Ottokare und wurden zusammen-
gefaſst in dem Privilegium Albrechts I. für die Stadt Steyr vom
Jahre 1287. Diese Urkunde befindet sich noch in dem städtischen
Archiv daselbst. Die Privilegien wurden erneuert und erweitert von
Rudolf IV. 1358 und Herzog Albrecht 1370. Nach Verfügung des
Letzteren durfte Eisen weder aus Böhmen und Bayern noch sonst
woher, sondern bloſs aus Eisenerz bezogen werden, und daſs „nach
altem Herkommen dieses Eisen, um in den Handel zu kommen,
nirgends anders hingeführt werden dürfe als in die Mautstädte Steyr
und Enns“. Den Bürgern zu Waidhofen an der Ybbs wird ein-
geschärft, selbst aus Eisenerz nicht mehr Eisen einzuführen, als sie
in ihrer Stadt selbst gebrauchten. Die Bürger von Weyer muſsten
laut Befehl des Herzogs Albrecht von 1384 ihr Eisen, das sie gegen
Steyr herausbringen, in der Stadt niederlegen und den Bürgern der-
selben nach dem Werte verkaufen, welchen zwei ehrbare Rats-
mitglieder von Steyr bestimmen würden, hierauf durften erst andere
Käufer zugelassen werden.


Der Eisenhandel in Steyr wurde von Gewerken getrieben, die in
solchem Ansehen standen, daſs der Kaiser persönlich 1482 für einen
42*
[660]Österreich.
seiner Bediensteten bei dem Rate zu Steyr um die Gewerken-
tochter Elisabeth Kappenfuſs warb. Auch Geldanlehen machte der
Kaiser bei den Gewerken der Stadt.


Der Handel belebte die Industrie und die Zünfte der Eisen-
arbeiter standen in hoher Blüte. Besonders florierte die Fabri-
kation blanker Waffen, und die Messererzunft oder die „Messerer-
zeche“, wie sie genannt wurde, war reich und angesehen. Sie war
durch kaiserliche Privilegien geschützt. 1464 verbot Kaiser Friedrich,
daſs Fremde in Steyr Messer verkaufen durften, und Rudolf II. er-
teilte ein besonderes Privileg 1583. Die Messererzeche war reich be-
gütert, und in dem Stadtarchiv befinden sich noch verschiedene Ver-
kaufsbriefe über Güter an die Messererzeche. Ebenso ist dort noch
das Meisterbuch der Messerer von Steyr von 1570, und ein Vergleich
zwischen den fünf redlichen Messererwerkstätten Steier, Waidhofen
a. d. Ybbs, Wels, Enns und Steinbach a. d. Steier von 1584. Klingen-
schmiede saſsen auſser in Steyr besonders in der Raming und in
Dambach. Im Stadtarchiv finden sich zwei weitere Urkunden, erstens
ein Vergleich zwischen dem Eisenobmann Jacob Strutz und den
„Klingschmieden“ in Dambach über Eisenbezug von 1588 und ein
Freiheitsbrief von Freiherrn Hofmann von Grünbüchel, Burggraf
von Steyr, für die Klingschmiede in der Raming und in Dambach
von 1595, sowie endlich die Klingschmiedordnung von 1559. Es gab
eine ganze Anzahl Zünfte der Eisenarbeiter zu Steyr: die Hammer-
schmiede, Grobschmiede, Zeug- und Zirkelschmiede, Hufschmiede,
Klingschmiede, Messerer, Schleifer, Rohrschmiede, Ahlschmiede, Zweck-
schmiede, Nagelschmiede, Bohrerschmiede, Drahtzieher und Feilen-
hauer. Auſser Messern und Klingen wurden Pieken, Helmbarten,
Partisanen, Cousen, Arkebusen, Büchsen und Gewehre aller Art in Steyr
angefertigt und ist diese Stadt noch heute einer der ersten Waffen-
schmiedeplätze der Welt. Wegen der Mannigfaltigkeit seiner Metall-
waren nannte man es Ende des vorigen Jahrhunderts das deutsche
Birmingham. In Kleineisenwaren liefert es zahllose Artikel, wie denn
in dem Erzherzogtum Österreich hauptsächlich die Kleineisenindustrie
zu Hause ist. In der Nachbarschaft nehmen daran teil: Steinbach.
Sierninghofen, Grünburg, Kleinraming und Trattenbach für Messer
und Klingen, Neuzeug für Ahlen und Bohrer, Dambach, Lausa bei
Losenstein, Garsten und Lahrndorf für Nägel, Königswiesen für Sägen,
Molln für Maultrommeln, Mundelfing für geschmiedete Pfannen, Linz
für Feilen und Raspeln, Steierling, Molln, Pieſsling, Leonstein, Spital
am Pyhrn und Mondsee für Sensen, Groſsraming für Sicheln und
[661]Böhmen.
Hacken. An vielen dieser Plätze geht die Kleineisenwarenindustrie
bis in das Mittelalter zurück. So wurde die Sensenschmiede zu
Mondsee vor über 300 Jahren von den dortigen Mönchen gegründet.
Die vorzüglichen Nägel sind aus steierischem Eisen gröſstenteils noch
mit der Hand geschmiedet.


Sehr alt ist der Eisensteinbergbau und die Eisenbereitung in der
Gegend von Reichenau und am alten Cerwalde. Im Jahre 1205 be-
reits wurde ein Teil des Ertrages von Eisengruben daselbst vom
Herzog von Österreich einem Kloster geschenkt. Die noch weit ältere
Eisengewinnung am Gammeringberg im Oberennsthal haben wir schon
früher erwähnt (Bd. I, S. 731). An noch verschiedenen andern Plätzen
im Salzburgischen fand Eisengewinnung statt. So wird um 1500 ein
Grubenbesitzer Hans Geisbrucker von Lauffen genannt. Dort
werden noch verschiedene Distrikte „im Eisenerz“ genannt. Der
Eisensteinbergbau am Mollenberg wurde im 16. Jahrhundert auf Be-
fehl der Regierung aufgelassen.


Böhmen.

Des hohen Alters der böhmischen Eisenindustrie haben wir
bereits früher Erwähnung gethan (Bd. I, S. 628, 732). Dieselbe blühte
besonders im Berauner und im Pilsener Kreise. Die ältesten Eisen-
steingruben und Schmelzwerke lagen bei Zdechowitz, Horzowitz,
Kommerau und Swata. Komeravium wird bereits im Jahre 596 als
eins der ältesten Eisenwerke von dem böhmischen Geschichtsschreiber
Pubitschka erwähnt. Es wurde von den böhmischen Dynasten,
welche die Waldeigentümer waren, betrieben. Zdechowitz 1) gab das
schönste Eisen in Böhmen „und sind die Gruben allhier die aller-
ersten gewesen, so man in Böhmen unter dem Herzog Croco ent-
decket. — Anno 677 ging ein sehr alter Mann aus des böhmischen
Regenten Croci Geschlecht, mit Namen Botak, hin, das Land zu be-
sehen, nahm fünf Knechte, Brot und Bogen, der wilden Tiere wegen,
mit sich. Da kamen sie auf ein hohes Gebürge, machten daselbst ein
Feuer und ruheten, und als sie mit einer Haw das Land versucht, ob
es auch fruchtbar sei, da fanden sie einen sehr zuträglichen Eisen-
[662]Böhmen.
stein, kehrten derowegen zu ihrem Herrn, dem Croc, und brachten
ihm neue Zeitung, samt dem Geschenk, dessen er sich erfreute,
fertigte alsbald mehr Gesinde ab, auf daſs sie den Stein brechen, mit
Feuer schmelzen und Eisen daraus machen sollten. Botak war ihr
Vorgeher und wohnte daselbst unter dem Gebürge in einem Hofe,
welchen er sich da neu gebauet und demselben den Namen Zdecho-
wice gegeben (Hájek).“ Diese Anfänge des Eisenhüttenwesens ver-
legt man in die Gegend von Časlau.


Als dann zu Herzog Namisls Zeit (im 8. Jahrhundert) beim Bau
des Schlosses Nischbor die Arbeiter Eisenstein gefunden, ward der
Bergbau immer reger 1). Denn der Besitzer desſelben sandte alsbald
nach Zdechowitze, forderte Arbeiter und lieſs den reichen Stein durch
sie schmelzen und so treffliche Geräte fertigen, daſs man mit einem
Eisen das andere schmieden und viel mehr edle Metalle gewinnen
konnte denn vorher. Der Wagen Räder lieſs er mit Eisen beschlagen,
darüber sich männiglich verwunderte, und sandte fünf solcher Wagen,
beladen mit gutem Eisen auf den Wischerad dem Herzog als Ge-
schenk. Dieser, hierüber erfreut, zeigte dies dankbar den Groſsen des
Landes, indem er sagte: „Sehet, dies Alles hat mir mein Freund und
guter Wirt Hes, des Slavoschen Sohn, verehret; und wunderten sich
Alle ob der zuvor ungewöhnlichen Wagen und lobten das Eisen, daſs
es gut wäre.“ Als aber der Herzog nun frug, was er mit dem Eisen
machen sollte, riet ihm Neklo: Ehrenreicher Fürst, laſs Deinen
Schmied, den Bleha, zu Dir fordern und befiehl ihm, daſs er Dir
allerlei seltsame und harte Werkzeuge mache, damit man Steine und
Felsen zerhaue und sende sie auf die Eule zu dem Hostbog und zu
dem Hoschen in das krumme Thal, damit sie desto besser Gold und
Silber gewinnen; die werden Dirs danken und durch Gold lohnen.
Worauf der Herzog dem Rate folgte (Hájeks Chronik).


Zu Althütten waren bei dem Dorfe Hiskow nach Hájeks An-
gabe ebenfalls bereits im 8. Jahrhundert Eisengruben und Schmelzen
und im 16. Jahrhundert befanden sich hier Hochöfen und Hämmer 2).
Die jetzt churfürstlich hessische Zeche Giftberg wurde schon 1463
betrieben. Balling giebt an, daſs die Eisenschmelze zu Karlshütte
bei Beraun schon im 14. Jahrhundert unter Kaiser Karl IV., gleich-
zeitig mit der Burg Karlstein erbaut worden sei. Daſs der Schmelz-
ofen aber ein Hochofen gewesen sei, entbehrt jeder Begründung.


[663]Mähren.

Ein sehr altes Eisenwerk befand sich ferner zu Holoubkau in
der Herrschaft Zbirow, welches im dreiſsigjährigen Kriege zerstört
wurde. Mit deren Metallbergbau blühte auch die Eisenindustrie im
16. Jahrhundert. Agricola erwähnt der Eisensteinbergwerke bei
Lessa und Mathesius, diejenigen im Riesengebirge nahe dem Ursprung
der Elbe 1); Letzterer ferner, in der Vorrede zur Sarepta, den schönen
derben Glaskopf bei Platte und den Magneteisenstein bei Gottes-
gabe. Auf diesen beiden Vorkommen wurde von Schneeberger Berg-
leuten gebaut und zwar zu Platte seit 1530, zu Gottesgabe seit
1531 und besonders seit 1534. Auch wurde Zinn daselbst gewonnen.
Damals bereits, sowie im folgenden Jahre, erhielten sie mit Schwarzen-
berg und Schneeberg von Kurfürst Johann Friedrich ihre Ordnung
und Freiheiten 2). Gleichermaſsen suchten die Kaiser Ferdinand I.
und Maximilian II. den böhmischen Eisenbergbau durch Bergordnungen
und Vergleiche zu heben.


Mähren.

Die reichen Eisenlager in dem mährisch-schlesischen Gesenke
wurden schon in ältester Zeit bebaut (siehe Bd. I, S. 628, 702, 732).
Riesenhafte Pingenzüge zu Klein-Morau und auf dem metallreichen
Hackelsberge bezeugen dies. Von wesentlichem Einfluſs auf den
mährischen Bergbau war die Kolonisation von Iglau durch flandrische
Ansiedler. Der Handel von Flandern über Böhmen und Mähren nach
Ungarn wurde schon Anfangs des 13. Jahrhunderts betrieben und wie
in Prag und Brünn, so sollen auch in Iglau den Kern der deutschen
Ansiedlung flandrische Hansen gebildet haben 3). Buchbergsthal wird
als das älteste Eisenwerk in Mähren und Schlesien genannt.


Im Jahre 1215 schenkte Markgraf Wladislaus dem Kloster Hra-
disch bei Olmütz den Wald bei Lasszian und Domstadtl mit den
Bergen, in welchen Eisen gegraben wird. — Ottokar II. sprach 1269
ebenfalls den Wald dem Kloster zu, gleichermaſsen die Hütten,
molendina quae vulgo „hutte“ dicuntur ad ferrifodinas
spectantia“.


[664]Mähren.

1339 schenkte Stephan v. Sternberg den ganzen Zehend von
seinen Eisenschmelzhütten („gajarum nostrarum aes ferri conflan-
tium“) bei dem Markte Bärn der St. Georgskirche in Sternberg.
3176 war bei Huditz auf dem Nachbardominium Triesch ein be-
deutendes Eisenhammerwerk in Betrieb und 1406 wurde eine im
Jahre 1365 bei Saar angelegte Hammerhütte samt Eisenhämmern von
den Ungaren zerstört. 1409 wurde Čonek v. Ronow, weil er eigen-
mächtig dem Stifte Saar fünf Eisenhämmer entzogen hatte, mit dem
päpstlichen Banne belegt. 1410 bestand ein Hof auf dem Karlsberge
und bei demselben zwei Eisenhütten am Flusse Mora. Mittelalterliche
Eisenindustrie zu Groſs-Mora erwähnt Mosch (a. a. O., Bd. I, S. 92).
Der Bergbau auf Eisen blühte besonders in den deutschen Gegenden
des Olmützer Kreises 1). Die Hussitenkriege übten den verderblichsten
Einfluſs auf den Bergbau- und Hüttenbetrieb in Böhmen, Mähren und
Schlesien. Ein altes Eisenwerk wird bei Kunstadt erst 1350, dann
1500 und 1673 erwähnt, jetzt befindet sich bei Chudolin ein Eisen-
hammer. 1526 wird der Eisenhammer Naideck in der Schlucht Peklo
im Iglauer Kreise genannt und 1588 werden Eisenwerke bei Pernstein
erwähnt. Bei Oskau (auch Hütten genannt) waren seit dem 15. Jahr-
hundert bedeutende herrschaftliche Eisenwerke, welche erst 1730 auf-
gelöst wurden. Auf dem Dominium Eulen waren bei Oberlangendorf,
Friedland (Olmützer Kreis) und Pinkaute im 15. und 16. Jahrhundert
Hochöfen mit Hämmer und Gruben in starkem Betrieb. Alle diese
waren deutsche Anlagen. Die Janowitzer Eisenwerke (Bergstadt in
dem ehemaligen Rabenstein) gelangten 1586 mit drei Eisenhämmern
mit Blasebälgen samt den Gruben an den Freiherrn v. Hofmann.
Die herrschaftlichen Eisenwerke bei Wermedorff lassen sich 400 Jahre
zurück verfolgen. Alte Eisenwerke waren bei Hohenstadt. Nach
einem landrechtlichen Urteil von 1481 war die Stadt Hohenstadt von
Altersher befugt, eine Eisenniederlage aus der Stadt Hämmern zu
halten. Alle Hammerwerke auf dem Eisenburger Gebiete durften
nur in Hohenstadt ihr Bier, Wein, Brot und Fleisch einkaufen und
nur dort Eisenniederlagen errichten. Schon 1350 wird Eisenburg,
mons ferreus, böhmisch Ruda, genannt und 1397 befanden sich dort
drei, 1446 vier Eisenhämmer; 1489 wird einer bei Eisenburg und
einer bei Raſskow erwähnt. Für Mährisch-Eisenburg wurde schon
1539 eine besondere Bergordnung erlassen, so bedeutend war der
dortige Bergbau.


[665]Bayern.

1537 gab Heinrich v. Lomnitz den Gewerken von Jamnitz
neue Freiheiten und gestattete dem Bergmeister auf alle Metalle
Verleihung zu erteilen, Eisen jedoch ausgenommen, welches der
Grundherr nach dem allgemeinen Bergwerksgebrauche in Mähren für
sich behielt. Auf der jetzt lichtensteinischen Herrschaft Goldenstein
standen schon 1575 Eisenhämmer, so namentlich zu Weigelsdorf.
Peſsina, der Vater der mährischen Geschichte (schrieb 1677), weiſs
von Bergbau nichts weiter zu berichten, als daſs es an Metallen, be-
sonders an Eisen, nicht fehle und daſs das hochwälder, römerstädter
und pernsteiner Eisen das beste sei, aus dem sowohl Hausgeräte als
Schieſsröhren, Kugeln und kleines Geschütz erzeugt würden.


Bayern.

Die Eisenindustrie Bayerns war früher verhältnismäſsig viel
bedeutender als heutzutage. Sie blühte besonders im Nordgau (Ober-
pfalz). Die Gegend von Sulzbach und Amberg versah einen groſsen
Teil von Süddeutschland mit Eisen. Dort kommen oolithische Erze
in Spalten im weiſsen Jura vor. Sowohl über die Art des dortigen
Betriebes als über die alte Hüttenordnung, „die Hammereinigung“,
haben wir bereits wiederholt Mitteilung gemacht (Bd. I, S. 766, 783;
Bd. II, S. 149).


Doch verdient die Geschichte der nordgauischen Eisenindustrie
eine eingehendere Betrachtung. Die Hammereinigung der 47 Hammer-
herren vom Jahre 1387 war die Grundlage des Bergrechtes im bayeri-
schen Nordgau. Die Sulzbacher hatten mit den Ambergern das
Privilegium, auf dem Erzberg zu bauen. In einer Urkunde vom Her-
zog Johann von Bayern von 1394 heiſst es: „Wir wollen auch, daſs
Niemant kein Trib vf denselben Pergkh (den Arztberg), noch uf allen
den Pergen, die zu Sulzbach gehörent, do man Pergkhwergkh wurgkht,
oder suecht, keinen Teil auch hat; er sitze dan heuslich in unser
State zu Sulzbach, oder er sey eins gesessen Burgers Sune in der
State, und auch in seinem Prot 1).“


Die Hammereinigung zwischen den Städten Amberg und Sulz-
bach, Montag vor St. Erhardtstag 1387 2), war eine freiwillige Verein-
[666]Bayern.
barung der Bürger der Städte Amberg und Sulzbach und der Bürger
zu Nürnberg ihren „guten Freunden im Schmidtwerckh“ zur gesetz-
lichen Regelung des Betriebs, Verkaufs, der Arbeiter- und Lohn-
verhältnisse auf ihren Eisengruben und Hämmern. Ursprünglich nur
versuchsweise eingeführt, bewährte sie sich derart, daſs sie für Jahr-
hunderte Gesetzeskraft erhielt. Die Vereinigung erstrebte das Monopol
der Eisengewinnung und des Eisenhandels am Erzberg. Es schloſs
diejenigen, welche der Einigung nicht beitraten, vom Erzkauf und
Eisenhandel aus.


Neue „Schinhämmer“ dürfen nicht errichtet werden, wird trotz-
dem einer gebaut, so hat derselbe die ersten acht Jahre keinen
Anspruch auf Erzbezug (X). „Man soll auch keinem Schmidtmenschen,
der ein Schmidt, ein Zerenner oder ein Hauer vorgewesen ist, oder
jetzund ist, der in zehn Jahren von Dato diſs Briefs vmb Lohn
gewerckht hat, kheinen Schinhammer nitt zu khauffen geben, noch
verpfenndten, noch hinterlassen weder nach dem Pfundt noch vmb
Zinſs … u. s. w. und soll ein solcher Hammer währen 8 Jahren
kein Erz erhalten. Wenn aber ein Schmidtmensch einen Hammer
jetzt besäſse und diesen verkiefe oder liegen lieſse, solcher soll in
8 Jahren keinen Hammer erwerben dürfen. Wenn ein solcher doch
einen Hammer verkauft oder verpfändet, erhält er 8 Jahre kein
Erz (XI).“


In der gleichen Frist von 10 Jahren soll auch „kein Plechhammer
zu keinem Schinhammer“ gemacht werden. Wer dies thut, geht
8 Jahre des Erzes verlustig. Oder wer dennoch Erz liefert, hat von
jedem Bergfuder Erz der Gewerkschaft ½ Gulden und von jedem
Centner „Deyels“ (Zerenneisen) einen Gulden zu zahlen (XII).


Jeder der einen Schinhammer hat oder erwirbt, muſs die Ord-
nung beschwören und beachten, sonst erhält er kein Erz und keiner
soll einen Hammer verkaufen oder veräuſsern, auſser an einen sol-
chen, der die Ordnung beschwört und hält. Jeder hat sein Siegel
an die Briefe zu hängen, die in dreifacher Ausfertigung in Amberg,
Sulzbach und Nürnberg verwahrt werden (XIII).


Man soll zweien Schmieden für einen Schmiedeherd nicht mehr
leihen als 16 Pfund-Pfennig; arbeitet ein Schmied mit einem Knecht,
dem Meister ⅔, dem Knecht ⅓. Ebenso für einen Zerennherd nicht
mehr als 12 Pfund Pfennige in derselben Weise (XIV). Wer mehr
leiht, wird mit 30 Gulden gestraft (XV).


„Es soll auch Niemandt khein schwerer Eysen nitt werkhen, dann
12 Schin an einem Amberger Cennten, ohn Geferd: ringer mag ers wol
[667]Bayern.
werkhen. Und wer das vberfehrt, der soll vnns vn jeglichen Pfund Schin-
eysens 6 fl. verfallen sein“ (XVI).


Die folgenden Paragraphen beziehen sich auf die Löhne.


§. XVII. „Vnnd wo man Eysen werkht, des 12 Schin oder 13 Schin
oder 14 Schin einen Amberger-Cennten haben, dauon soll man geben zu
Lohn, denn Schmiden 42 dn. und 36 dn. zu Müne, denn Zerinnern 36 dn. zu
Lohn, und 24 zu Müne, dem Hauer 18 dn. zu Lohn und 12 dn. Müne, unnd
dem Heimpreuer, der Kholen darschütt, von jedem Pfundt Schin 3 dn. Wo
man aber werkhet Radeysen, das 15 Schin oder 16 Schin einen Amberger
Cennten haben oder das ringer ist, davon soll man geben dem Schmidt von
einem Pfundt Schin 36 dn. zu Lohn und 30 dn. zu Münne. Welcher aber
werkht die Wochen 60 Schin Radeysen oder minder ungefehr, der mag
ihnn dennoch wol Münn und Lohn geben alls von schwerem Eysen. Wer
aber desſelben Eysens die Wochen mehr werkht, denn 60 Schin, was er
sein dann dieselben Wochen gewerkht hett, dauon soll er im Münn und
Lohn geben, alls vorgeschrieben ist.“


§. XVIII. „Es soll auch Niemandt denn Münn und Lohn nitt bessern,
weder mit Geben oder mit Geheiſsen, noch mit Vertrösten, noch in keiner
Weis .... wer des vberfehret, der soll vnns von jedem Hammer, da er was
vberfahren hat, je alls oft 30 fl. verfallen sein.“


§. XIX. Für das Geschirr zu machen soll man dem Schmied 30 dn.,
dem Zerenner 12 dn. und dem Hauer 8 dn. geben. Von einem neuen Amboſs
den Schmieden 24 dn., den Zerennern 16 dn. und dem Hauer 8 dn. „Von
einem Wellhert soll man geben denn Schmieden 3 Schilling Pfennig. Dann
einem neuen Zerenher soll man geben denn Zerennern ein halb Pfundt
Pfenning; — dann einer neuen Hülsen den Schmiden 20 dn., denn Hauer
4 dn. Von dem Pucher über gar zu erlegen denn Schmiden 3 Schilling
Pfenning; dann einer neuen Hammerwellen zu binden, denn Schmiden 5 ſs.
und dem Hauer 30 dn. Von einem neuen Hammerzapfen denn Schmiden
30 dn., dem Hauer 10 pf. Von einer neuen Pucherwellen zu bindten, den
Schmiden 30 dn., dem Hauer 6 dn. Von einer neuen Zerennwellen denn
Schmiden 24 dn. und dem Hauer 6 dn. Dann einer neuen Bettlerwellen
denn Schmiden 20 dn., dem Hauer 4 dn. Wer aber mehr gäbe von dem
Geschirr zu machen, dann alls vorgeschrieben ist, der ist unns 6 fl. ver-
fallen. Man mag auch den Nothelffern Kost wohl geben zu den vor-
geschrieben Lohn und Münne. Wer in aber mehr gibt, ist unns 6 fl.
verfallen.“


Über das Dienstverhältnis handeln:


§. XX. „Geschehe auch, daſs ein Schmidvolkh hingieng von einem
der in denn Gesetzen ist, und keme zu einem andern, der auch in den
Gesetzen ist; wann dann der, dem er entgangen ist, oder sein Gewalt hin-
nach khumbt, und dem, der sichs unterwunden hat, zuespricht: so soll er
ihm sein Schmidvolkh zu Stunden volgen lassen, vnd in deſs nitt vorhalten,
noch in seiner Gewalt behalten, ohn alle Geferde, unnd soll im des nitt mehr
arbeiten lassen: es were dann das ein Zerenner ein Eysen zerrennet oder
ob ein Schmidt zur selben Zeit ein Zech werckht, so mag er in dem Zerrenner
daſs Eysen wol lassen auszerrennen, vnd den Schmid die Zech gar lassen
[668]Bayern.
auswercken, vnnd darnach soll er inn das Schmidvolk nit mehr arbeiten
lassen, ohn alle Geferde, oder er soll vns 20 fl. verfallen sein, als offt er
des gemeldet würdt, er müg sich dann mit dem Rechten daruon nemmen,
als vorgeschrieben ist.“


§. XXI besagt: Die Dienstzeit der Schmiede soll vom St. Erhardts-
tag auf ein Jahr sein.


§. XXII. Zu der kalten Kirbey zu Amberg, d. h. zum Herbstmarkt,
an welchem Tage sich die Gewerken versammelten, soll kein Schmidvolk
weder nach Nürnberg, noch Amberg, noch Sulzbach kommen. Niemand
soll sie beherbergen noch beköstigen an dem Tage.


§. XXIII. Wenn die Schmiede neue Hämmer und Amboſse machen,
sind die Zerenner und Hauer bei Strafe gebunden, ihnen zu helfen.


§. XXIV. Wenn ein Schmid Weib und Kind und einen Hof hat, so
soll man ihm nach Notdurft etwas leihen, doch nicht darüber bei Strafe.


§. XXV. Man soll auch den Schmieden zu einer „Liebung“ Feld für
Rüben und Kraut lassen, wer das hat; wer es nicht hat, soll statt dessen
für einen Herd dem Schmid 40 dn., den Zerennern 32 dn. und dem Hauer
16 dn. „Wer in aber mehr Veldts lieſse oder Gelts dafür gebe, dann als
vorgeschrieben ist, der ist uns vn jeglicher Persohn, daran ers überfahren
hat, 1 fl. verfallen.“


§. XXVI. Wenn der Schmied neue Hämmer oder Amboſse macht oder
alte repariert, so soll man ihm zu jeglichem 12 dn. geben „vmb Pier“ (Bier),
und zu einer Hilfe 5 dn. „vmb Pier“.


§. XXVII. Die neuen genommenen Schmiede sollen alle nach „unsrer
Währung“ bezahlt werden. Fremde Schmiede, die nicht „in denn Gesetzen“
sind, sollen nicht mehr Lohn erhalten als nach der Ordnung.


§. XXVIII. Die Hämmer sollen nicht das ganze Jahr gehen, sondern
zu gewissen Zeiten feiern und zwar „von Christtag bis auf St. Matthiastag
und dann wider von Subenten bis auf St. Laurentiustag“. Wer dagegen
handelt, dem soll in acht Jahren kein Erz gegeben werden und wer es doch
giebt, soll für jedes Bergfuder mit einem halben Gulden gestraft werden.


§. XXIX. Man soll auf allen Schinhämmern nur mit einem Herd zu
jedem Hammer arbeiten, auſser „wo man Zech werckt“, da mag man je
zwei Eisen mit zwei Herden wohl miteinander zerennen und sie danach
mit dem Hammer verwercken, „daſs doch also nit mehr gewerckt werde,
dann mit einem Herd, vngefehrde“. „Und wo man zwen Herd in einer
Hütten hat, daſs man mit einem Herd anlassen vnd mit dem andern ab-
schöpfft; daſs soll man mit dem andern Herd nit ehr anlassen, denn wenn
man vor disen Herd, darmit man zerrennet, zu derselben Zeit, zu rechter
Zeit, das Brenneysen abnimmt, ohn alles Geferde; ausgenommen Hannſs
Hegnein
, Vogt zu Vilseck, mag mit zweyen Hämmern, genannt zu der
Rockenbruck und Altenweyher, in den zweyen Hämmern, in jeglichem
Hammer mit zweyen Herden, wol wercken.“


§. XXX. In der Feierzeit bekommt der Schmid Wartegeld und zwar
„Münne und Lohn, als von 6 ſs. Schin, groſs Eisens“. Hat der Meister
einen Knecht, den er nicht verköstigt, so hat er diesem davon ⅓ abzu-
geben. Sind zwei Meister an einem Feuer, so sollen sie teilen.


[669]Bayern.

§. XXXI. In der Feierzeit soll aber kein Schmiedmensch den Hof
verlassen und anders wohin gehen zu arbeiten, auſser mit Willen seines
Herrn. Thuet er es dennoch, so verfällt sein Wartegeld.


§. XXXII. Alle „Ankhrünner“ (?) sollen zu Sulzbach schwören, daſs
sie nur redlich Erz, das Kaufmannsgut sei, liefern.


§. XXXIII. Der Messer zu Sulzbach soll schwören, daſs er recht und
gerecht messe.


§. XXXV. Jeder Hammer soll 40 Pfund Bergfuder Erz von denen
von Sulzbach nehmen und soll die Verrechnung und Verteilung auf unser
Frauentag zu Lichtmeſs in Sulzbach geschehen, „und was jeglichen Ham-
mer angefehlt, daſs er deſs vorgenannten Aerz nemmen soll, daſs soll er zu
Stundt zu Sulzbach versichern auf deſs Jahr“. Die Zahlung für das
bezogene Erz erfolgt ebenfalls zu Sulzbach am St. Katharinentag.


§. XXXVI. Wer nicht pünktlich bezahlt, soll ein Jahr lang kein Erz
erhalten. Wer aber mehr Erz bezogen hat, als bestimmt war, hat von
jedem Bergfuder ½ fl. Strafe zu zahlen.


§. XXXVII. „Und ob daſs were, daſs einer ein Zeichen zu seinem
eigen Hammer aufgeschlagen hett auf die Schin, und daſs einer oder mehr
darnach dasſelb Zeichen, oder ein Gleichnus desſelben Zeichens aufschlüge:
welcher dann geweisen mag, daſs er das Zeichen ehe aufgeschlagen hett,
der soll dabey bleiben und dieser dauon lassen.“


§. XXXVIII. Zuwiderhandlungen gegen die Ordnung werden zunächst
mit Entziehung des Erzes bestraft.


§. XXXIX. Aber auch die Räte der Städte Amberg und Sulzbach
legen sich selbst Strafe auf, sich bei jeder Versäumnis 15 fl. Strafe anzusetzen
und kann jeder jeden Ratsherrn deshalb belangen, „die genannte Peen
zuzusprechen“ „und das sollen wir, die von Amberg oder Sulzbach, welchen
Raht man darumb zuspricht, bezahlen und dieselbe Peen soll fallen das
Drittheil gen Amberg, das Drittheil gen Sulzbach und das Drittheil gen
Nürnberg denen die Schmidwerk haben“ und diese Strafen sollen die von
Amberg unter Mitwissen (Zustimmung) der von Nürnberg und Sulzbach
und des Mahners zu Gotteshäusern oder an Weg und Steg verbauen.


§. XLII bestimmt, daſs, wenn der Rat zu Sulzbach, zu Amberg und
die Nürnberger einhellig wären an dem Gesetz etwas zu ändern, so soll es
geschehen.


Auf den Schluſsparagraphen XLIII folgt die Jahreszahl und die
Unterschriften „diese herangeschribene sind in der Ainigung, vnd des
jeglicher sein Innsigl an dem Brief gehangen hatt“. Es folgen nun
die Unterschriften mit Angabe der zugehörigen Hämmer, im Ganzen
64 Namen mit 76 Hämmern 1).


Hieraus ersieht man, wie bedeutend der Verband und wie ent-
wickelt die Eisenindustrie jener Gegend im 14. Jahrhundert bereits
war. Unter den Gewerken besitzt der im §. XXIX erwähnte Hanns
[670]Bayern.
Hegnein auſser den genannten groſsen Hämmern zu Altenweyher
und Rockhenbruck noch den Hammer zu dem Neuenhaus und den
Hammer an der Herringlohe.


Die vorliegende Hammereinigung ist nur von den Gewerken und
den beteiligten Städten geschlossen, von dem Landesherrn ist darin
nicht die Rede. Im 15. Jahrhundert, in welchem auch in Bayern
der Bergbau groſsen Aufschwung nahm, brachten die Herzöge ihre
Regalitätsansprüche überall zur Geltung. Dieselben erstreckten sich
auf alle Gebiete des Berg- und Hüttenwesens und setzten sich über
die Rechte des Salzburger und Freysinger Erzstiftes ebenso hinaus,
wie über die alten Hofmarchsfreiheiten. Die Herzöge setzten überall
Berggerichte ein und besetzten diese nach ihrer Willkür. Sogar auf
Mühlen, die im Burgfrieden der Städte lagen, wurde, sobald solche in
Eisenhämmer verwandelt worden waren, der Gerichtszwang über die
Hammerknechte dem Hammerherrn eingeräumt 1). — Als deshalb im
Jahre 1464 die sulzbachische Hammereinigung erneuert wurde, so
geschah die Verkündigung nicht im Namen der Städte, sondern im
Namen des Pfalzgrafen Sigmund zu München am Mittwoch vor unserer
lieben Frauen 1464.


„Von Gottes Gnaden Wir Sigmundt, Pfalzgraue bey Rein, Herzog
im oberen und niederen Bayern etc. bekennen als regierender
Fürst u. s. w. öffentlich mit Dem Brief. Als die weysen vnser lieb
getreue Burgermeister und Rate vnser Stadt zu Sulzbach … sich
mit dem weysen vnsern lieben besundern Burgermaistern der Stadt
Amberg, Hammerwerchs und desſelben Handels halben einer Aynung,
Satzung und Ordnung fürgenommen, vertragen, veraint und beflissen
haben, … daſs wir zu ehrlicher Aynung und Satzung vnsern Gunst
und Willen gegeben, gevestiget und bestattet haben, geben, vestigen
und bestatten in auch, … daſs mit Kraft dieses unsres Briefs vnser
Bürger von Sulzbach bei sollichen Pelen, Gesetzen und Artikeln
ungehindert beleiben mügen: so wollen wir, daſs sy soliche vorgenante
Zeit (von 10 Jahren) also dabei bleiben süllen von aller männigk-
lichen ungehindert. Und darumb gepieten wir allen den unsern mit
diesem Brief, daſs sie die vorgenannten vnser Bürger an sollichen
vorgemellten Freiheiten und Geraden nicht hindern noch irren sullen,
sondern sy schuzen und schirmen“ \&c. etc.


Gleichermaſsen verkündigen Bürgermeister und Rat der Städte
Sulzbach und Amberg, daſs diese Hammereinigung von ihnen mit der
[671]Bayern.
„gnedigen guten Gunst, Willen, Wissen und Wert“ des Pfalzgrafen
geschlossen worden sei. Von Nürnberg ist bei dieser neuen Einigung
nicht mehr die Rede.


Der wesentliche Inhalt der Sulzbach-Ambergischen Hammer-
einigung von 1464 ist folgender:


Dieselbe wird aufgerichtet von der „kalten Kirchweyh zu Amberg“
ab auf 10 Jahre (§. I).


§. II. Die Hammermeister müssen sich eidlich verpflichten,
folgende Feierzeiten einzuhalten: „Die Schyenhammermeister“ von
der kalten Kirchweyh zu Amberg ab drei Wochen, dann von dem
heiligen Christtag bis auf unser lieben Frauentag Lichtmesse drei
Wochen voneinander und dann von Pfingsten an vier Wochen an-
einander und sollen in diesen Zeiten „ganz mit iren Hemern feyern,
kein Eysen zerennen, noch Schynnen schmieden, würken und machen
lassen, weder Deuhel noch ander Eysen in keinerlei Weiſs“.


§. III. Jeder Schynenhammermeister muſs 12 Schienen auf den
Amberger Centner und 10 Deuelschienen auf den Amberger Centner
schmieden lassen.


§. IV. In den beiden Städten Sulzbach und Amberg soll je ein
vereidigter „Pfendter“ angestellt werden, der über die Befolgung der
Vorschriften, namentlich in Bezug auf richtiges Gewicht, zu wachen
hat. Trifft er Eisen an, das zu schwer geschmiedet ist, so muſs er
Anzeige machen und fällt der betreffende Hammermeister in eine
Strafe von 40 Pfennigen für jeden Wag oder Amberger Centner.
„Davon sollen vnser gnedigen Herrschafft werden funffzehn Pfening;
der Statt, do der Hammermeister zu Recht stett, auch funffzehn
Pfening und baiden Pfendner zehen Pfening Amberger Wärung.“


§. V. Diese Pfendter können jeden Hammer jederzeit besuchen
aus eigenem oder einem der beiden Bürgermeister Geheiſs. Doch
müssen beide immer zusammen gehen; müssen deshalb auch beide
benachrichtigt werden und darf der Bürgermeister einer der beiden
Städte mit seinem Pfendter nur fahren, wenn der andere dabei ist,
auſser wenn dieser durch Krankheit entschuldigt ist.


§. VI. Findet der Pfendter auf dem Hammer zu schwer
geschmiedetes Eisen, so muſs der Pfendter in seiner Stadt die Anzeige
machen. Kann der Hammermeister nachweisen, daſs dies ohne sein
Wissen und Willen geschehen, so soll er es genieſsen, andernfalls
soll er es büſsen. Es darf auch kein Meister Eisen vor dem Pfendter
verbergen, sondern muſs alles zur Ansicht vorlegen bei seinem Eid.


[672]Bayern.

§. VII bestimmt, was der Pfendter für Verköstigung zu fordern
hat. §. VIII, daſs die elfte Schiene noch gerade auf das Gewicht
gehen darf, schlägt es aber nach dem Eisen aus, so ist der Meister
strafbar.


§. IX. Die Pfendter dürfen von den Hammermeistern keinerlei
Geschenke, „kein Myet, Gab, Schynnen-Eisens nicht fordern noch
nehmen“, nur Futter und Kost für sich und ihre Pferde. Ihren Lohn
bekommen sie vielmehr von den beiden Städten Amberg und Sulzbach.


§. XI. Kein neugebauter Hammer, noch „kein Plechhammer, da
man zu Schynnenhämmern machen willt“, soll aus den Erzbergen
beider Städte Eisenerz verabfolgt werden. §. XII. Dasſelbe soll
geschehen, wenn ein alter Hammer, der kalt gelegen hat, wieder in
Betrieb gesetzt wird und der Hammermeister nicht zuvor die „Eynung“
beschworen hat.


§. XIII. Keinem „Schmidmenschen“ soll ein Hammer überlassen
oder Erz verabfolgt werden, der nicht zuvor fünfzig Gulden rheinisch
in die Aynung bezahlt hat. Hiervon erhält die Herrschaft die Hälfte,
die andere die der beiden Städte, von welcher er das meiste Erz
bezieht.


§. XIV. Von den Deuchel (dem Zerenneisen), die ein Hammer-
schmied im Jahre macht, soll er von jedem nicht mehr wie ein Pfund
Schienen verschmieden (das übrige kommt den Blechschmieden zu).
„So aber das Jahr zu Ende und er nicht verkauft hat, so mag er
denselben verlegen Deuchel zu Schynen schmieden lassen on Geuerde.“


§. XV. Kein Hammermeister darf den Blechhammermeister seine
Deuchel zu kaufen versagen, sonst trifft ihn Strafe von 60 Pfennigen
für jeden Centner. Es soll auch kein Hammermeister „Knüttel-
Deuchel“ machen, er sei denn gezeichnet mit seinem Zeichen.


§. XVI. Es soll kein Hammermeister einem andern Erz aus
seiner Hütte verkaufen, leihen oder verabfolgen, sondern nur auf dem
Bergwerk selbst.


§. XVII. „Wellicher Hamermaister, in dieser Aynung begriffen, ander
Arzt, dann von baider vorgenanten Stett Amberg und Sulzbach Arztpergen,
prennen oder zerennen wolte; derselbig Hamermaister und auch alle Hamer-
maister sollen sollich Arzt auſser halben baider Stett Amberg und Sulzpach
Arztpergen allein prennen und zerennen, und mit keinem Amperger noch
Sulzpacher Arzt nicht vermischen, on als Geuerde. Und diesen Artikel
soll ein yeder Hamermaister, in dieser Aynung begriffen, zu halten
schweren.“


§. XVIII. Wer einen „Bestee-Hammer“ (? — Pachthammer?) hat,
soll nicht zur Aynung zugelassen werden, es sei denn, daſs er sich ver-
[673]Bayern.
pflichte, keinen auf dem Hammer arbeiten zu lassen, der nicht seinen Ver-
pflichtungen der Aynung gegenüber nachkommt.


Der §. XIX behandelt den Markenschutz: „Es sol auch Nyeman in
dieser Aynung dem andern sein Zeichen aufschlahen; darzu soll auch ein
yeder Hammermaister das oder die Zaichen, sy sind sein aigen, oder er hab
die bestanden vor der Aynung, oder er mag im ein neu Zaichen, das sust
Nyeman aufschleht, fürnemen, und in diser Aynung benennen und auf-
schlahn, und auch darauf schweren zu den Hemern oder Hamer, die er
yetzo hette, on als Geuerde: es were dann, daſs einem an Arbaiten oder
Arzt Bruch geschee, und hett; derselbig mag sein Eysen wol vngezaichnet
lassen, doch daſs er dennoch den Deuhel, als uor dauon geschrieben steet,
zaichnen laſse.“


Die §§. XX, XXI und XXII bestimmen Strafen und Gerichtsstand
für falsche Zeichen.


Die folgenden handeln von Dingen und Kündigen der Arbeiten.


§. XXIII. Es soll kein Hammermeister dem andern kein Schmiede-
mensch abdingen vor Ostern. Und wer „sollich verprochen hat, der
soll zu Pene verfallen sein sechs und dreiſsig Gulden rheinisch: der-
selben Gulden sollen geuallen zwelliff der Herschafft, zwelliff der Statt
und zwelliff dem Anclager“.


§. XXIV. Wer sich zweimal hat dingen lassen, muſs bei dem
ersten verbleiben.


§. XXV. Kein Hammermeister darf einen Arbeiter ohne Urlaub-
brief annehmen.


§. XXVI. Keiner darf den gerechten Urlaubbrief vorenthalten.
Streitigkeiten hierüber sollen geordnet werden in der Woche vor
Pfingsten oder vor der kalten Kirchweyh zu Amberg.


§. XXVII. Wer einen Schmiedemensch ohne Urlaubbrief an-
nimmt und arbeiten läſst, verfällt in eine Strafe von 36 Gulden, die
verteilt wird wie oben. Auch muſs er etwaige Schulden des Schmiede-
mensch bezahlen.


§. XXVIII (Kündigung). Es soll auch kein Hammermeister seinem
Schmied, wenn er zwei Wochen vor Pfingsten oder vor der kalten
Kirchweih einen Urlaubbrief verlangt, ihn weigern, noch damit ver-
ziehen: es sei denn, daſs er vermeinte „Gerechtigkeit an ihm zu
haben“ wegen Forderung. In dem Falle soll die Schuld in dem
Urlaubbrief vermerkt werden. Ist er nichts schuldig, so ist der
Urlaubbrief ohne Umstände auszufertigen.


§. XXIX. Weitere Streitigkeiten mit Arbeitern sind nach der
Anzeige in sechs Tagen von dem Rat zu Amberg oder Sulzbach zu
schlichten.


Beck, Geschichte des Eisens. 43
[674]Bayern.

§. XXX. Hat ein Schmiedmensch „Irrung“ mit seinem Meister,
so soll er sich an den Bürgermeister wenden, der diesen dann vorläd.
In der Zwischenzeit darf der Meister gegen den Schmied keinen Zwang
ausüben. Erscheint er nicht beim Termin, so erhält der Schmid-
mensch Recht und der Meister wird mit 6 Gulden gestraft, die zur
Hälfte der Stadt, zur Hälfte der Herrschaft zufallen.


§. XXXI. Wenn ein Meister sich weigert zu erscheinen oder zu
schwören, dem soll zehn Jahre kein Erz gegeben werden, weder dem
Hammer, den er hat, noch dem, den er in der Zeit erwerben wollte.


§. XXXII. Welcher Hammermeister Deuchel mit dem Deuchel-
Schlag bezeichnet, das nicht Deuchel wäre, der soll von jedem Pfund
Schyen zu Wandel geben 10 Gulden, die zur Hälfte der Herrschaft,
zur Hälfte der Stadt zufallen.


Nun folgt eine Reihe wichtiger Paragraphen (XXXIII bis L) wegen
der Lohnfestsetzung, die deshalb auch eine besondere Überschrift
haben.


Danach soll ein Hammerschmied einen Herdschmied zu Lohn
und zu Mynne nicht mehr geben als von jedem Pfund Schynn
66 Pfennige und im Jahr zu der Mynne 14 Pfund Pfennige, fünf
Groschen zu Trinkgeld und ein Paar Hosen nicht mehr als 3 Schilling
Pfennig wert.


Dem Schmiedeknecht von jedem Pfund Schynn 42 Pfennig,
zu Mynne 11 Pfund Pfennig, 4 Groschen Trinkgeld und ein Paar
Hosen wie oben.


Dem „Hantpreyer“ von jedem Pfund Schynn 5 Pfennig, von dem
Hammerschlag 1 Pfennig, von dem gezeichneten Deuchel von jedem
Pfund Schynn 1 Pfennig. Kann er ein ganze Schynn schmieden zu
der Mynne 6 Pfund Pfennig, 21 Pfennig zu Trinkgeld und ein Paar
Hosen wie oben. Einem Handpreyer, der ½ Schynn schmieden kann,
7 Pfennig von jedem Pfund Schynn und zur Mynne 5 Pfund Pfennig,
21 Pfennig Trinkgeld und ein Paar Hosen.


Zwei Zerennern, jedem für einen halben Herd, soll man
nicht mehr geben als von jedem Pfund Schynn 44 Pfennig, zu
Mynne das Jahr 11 halb Pfund Pfennig, 28 Pfennig Trinkgeld und
ein Paar Hosen.


Einem Zerenner von einem Herd von jedem Pfund Schynn
52 Pfennig, zur Mynne 12 Pfund Pfennig, 35 Pfennig zum Trinkgeld
und ein Paar Hosen. Einem Zerennknecht pro Pfund Schynn 36 Pfennig,
an Mynne pro Jahr 8 Pfund Pfennig und 6 Schillings-Pfennig, 28 Pfennig
Trinkgeld und ein Paar Hosen.


[675]Bayern.

Einem „Hauer“ von jedem Pfund Schynn 44 Pfennig, und zur
Mynne das Jahr von der gewöhnlichen Hauerarbeit 4 Pfund Pfennig,
21 Pfennig Trinkgeld und ein Paar Hosen.


Die Knechte werden von den betreffenden Arbeitern gedingt
gegen die Kost. Der Hammermeister leistet eine Vergütung für die
Kost für das Jahr. Diese beträgt beim Zerennherd für einen starken
Knecht 3 Pfund Pfennig, für einen gewöhnlichen Knecht 2 Pfund
Pfennig u. s. w.


Die folgenden Paragraphen (LI bis LXII) handeln davon, was ein
Hammermeister dem Schmiedvolk „von dem Gezeugen zu machen“,
zu Lohne geben soll.


Von einem Hammer oder Amboſs soll er denselben Lohn
erhalten, wie von „einem Pfund Schynn Wercheysens“, und allen
24 Maſs Bier oder 24 Pfennig. — Ebenso wird es gehalten bei einer
neuen Hammerwelle. Von einer Zerennwelle, Pucherwelle oder
Bettlerwelle giebt man die Hälfte. Der Herdschmied erhält für den
Wellherd ein ganzes Jahr zu machen nicht mehr als 3 Schilling
Pfennig und der Schmiedeknecht nicht mehr als 45 Pfennig.


Die Zerenner bekommen für das Geschirr zu machen nicht mehr
denn 30 Pfennig.


Dem Schmiedmeister das Pochwerk im Stand zu halten 60 Pfennig
dem Kneeht 30 Pfennig.


Wenn geschmiedet wird, so hat der Schmiedmeister dem Hand-
preyer die Kost zwei Wochen und dem Schmiedknecht eine Woche zu
geben; so man aber feiert, soll der Hammermeister dem Handpreyer
die Kost oder Kostgeld geben. Läſst ein Hammermeister Radeisen
schmieden, so soll er von 10 Schilling Schynn Radeisen denselben
Lohn geben, wie für ein Pfund Schynn Wercheisen.


Läſst der Hammermeister sein Knüttel-Deuchel zu Schynn schmie-
den, so ist der Schmiedelohn wie beim Werkeisen, der Hauer bekommt
30, der Handpreyer 15 Pfennig. Höhere Sätze als die angegebenen
sind nicht zulässig. Wer darüber hinausgeht, verfällt in 36 Gulden
Strafe.


Die folgenden Paragraphen von (LXIII bis CXV) handeln von
den Blechhämmern, welche in dem Sulzbach-Amberger Gebiet eine
groſse Rolle spielten und Vorrechte genossen. In der charakteri-
stischen Überschrift wird zugleich erläutert, warum in der neuen
Ordnung auch die Blechhammermeister aufgenommen worden sind.


Sie lautet: „Item als die Plechhammermaister nie dann einest mit
emſsigen vleiſsigen Bett (Bitten) vor beider vorgenanten Statt Amberg und
43*
[676]Bayern.
Sulzpach Raten erschynnen sind, dieselben Rate ersucht und gepetten
haben, so man ein Aygnung Schynnhandwercks fürnemen und besliessen
wurde, das man Sy dann mit zu Notturfft darein zu ziehen und zu setzen
nicht vergessen wölle, damit sollicher ir Handel des Plechwercks dest
baſs und lenger zu werden verbleiben, und daſs sy sich damit auch auffent-
halten und erneren mugen: sollich der Plechhamermaister Notturfft uns
fürgehalten angesehen, haben wir uns, baider Stette Amberg und Sulzpach
Rate derselben Sachen und Notturfft des Plechwercks aigentlich erkunnet
und erlernet, und darauff mit guten wohlbedachten Rate, von mercklichs
gemains Nutzs und Notturfft wegen diser Lande, fürgenommen und be-
slossen, daſs wol Nutz und Notturfft sey, nachdem diese Lande hie oben
keinerlay ander Narung und Hantierung, und besunders die maisten
und gröſten mit Eysenwerck und Bergkwerck haben. Und wann aber
das Plechwerck in disen Handel des Eysenwercks trifft, darumb sich wol
zympt und billig ist, daſs ein Ordnung in dem Plechwerck fürgenomen, und
in dieſs briflich Libell begriffen und gesetzt werde; darumb so ist, von
gemains Nuz und Notturfft unser obgnanten Gnedigen Herrn Lannden
und Leuten fürgenomen, und beslossen worden, in Masse hernach
folget.“


§. LXIII. Die Blechhammermeister verpflichten sich bei ihrem Eide
folgende Feierzeiten einzuhalten: von dem heiligen Christtag bis auf u. l. Frau
Lichtmeſs, dann von dem h. Pfingsttag zwei Wochen und danach von der
kalten Kirchweih zu Amberg zwei Wochen.


§. LXIV. „Es soll auch kein Plechhammermeister in dieser Aynung kein
Arzit oder Maschen Eysen zu Deuhel verschmelzen, verprennen oder
verarbeiten. Wellicher das tätte, dem soll kein Schynnhammermeister in
dieser Aynung von keinem Hamer noch sunst keine Deuhel nicht ver-
kauffen, noch geben in keinerley Weiſs.“


§. LXVI. Aber auch nur diejenigen Blechhammermeister, die in der
Einigung sind, erhalten überhaupt Deuchel von den Schynnhämmern.


§. LXVII. Kein Blechhammermeister darf die Deuhel weiter verkaufen
oder Stabeisen (Schynn) daraus schmieden.


§. LXVIII. „Item, es sollen auch alle Schynnhamermaister in dieser
Aynung verpunden sein, keinen Knüttel Deuchel nicht höher zu verkauffen
und zu geben, dann ein Amberger Centner vmb sechs Schilling
Pfennig
Amberger Wärung.“


§. LXIX. „Es soll auch kein Hamermaister in dieser Aynung keinem
Plechhamermaister noch Plechschmied kein Mascheneisen nicht geben
noch verer verkauffen, daſs er dann aus seinem Artzt auff seinem
Hammer gemacht hat
.“


§. LXX. „Item es sollen auch alle Hamermaister in dieser Aynung
keinen Deuchel schmeltzen oder machen lassen, dann soviel man von einer
Zech auff die ander in dem Welherde gemachen mag, diewail man arbait
ungeuerlich.“


§. LXXI. „Es soll auch kein Hamermaister in dieser Aeynung keinen
Deuhelzaichen für Deuhel weder auff Knüttel noch Schynn, dann den in
dem Welherd von einer Zech auff die ander gemachet wird ungeuerlich.“


[677]Bayern.

§. LXXII. Man soll den Blechhämmern kein Erz verkaufen weder
von den Erzbergen, noch den „Schütten“, noch den Hütten.


§. LXXIII. Man darf den Blechschmieden keinen ungezeichneten Deuhel
verkaufen.


§. LXXIV. Dem Blechhammermeister, der die Ordnung nicht beschwört,
soll kein Eisen geliefert werden.


§. LXXV. Die Blechwerke, die Dünnblech („dünſs Plechwerck“)
schmieden, dürfen dasselbe nicht schwerer schmieden, denn „dritthalb Schock
von einem Amberger Centner.


§. LXXVI. „Wellicher aber Bodeneysen (grobes Blech — Pfannen-
blech) schmiden wollt, der soll das schmiden, das ein Schock Eysens einen
Amberger Centner vnd sechs Pfund wög für ein Werung und nit mehr …
vnd auch alle Tag, so er arbait, nicht mer dünſs Plechwercks schmiden oder
schmiden lassen, dann zehen Zangen, vnnd in jegliche Zange nicht mehr
eingleichen, dann zwainzig Sturz, vnd darüber nichts, ausgenommen, ob
einer einen gevallen oder lochoraten Sturz oder zween ungeuerlich auſsen
anlegte, daſs mag er an Schaden wohl thun.“


§. LXXVII. „Und wellicher Bodeneysen schmidt oder schmiden leſst,
der soll auch nicht mehr dann zehen Zangen auf das maist einen Tag
schmiden oder schmiden lassen, vnd in ein Zang zwellif Sturz eingleichen.“
Das dünne Blechwerk „soll in ein Maſs von der Leng und Praitt“ geschmiedet
werden.


§. LXXVIII. Es ist die Pflicht der „Pfendter“ zu Sulzbach und Am-
berg, dafür zu sorgen, daſs „sollich Schwerung, Leng, Prait vnd Zahl des
Plechwercks“ eingehalten wird. Jede Überschreitung muſs angezeigt werden.


§. LXXIX. Erklärt der Blechschmied auf seinen Eid, daſs dies ohne
sein Wissen und Willen geschehen, so soll dies gelten. Auch ist eine
gewisse Gewichtsüberschreitung gestattet.


§. LXXX. Jeder Blechschmied muſs ein eisernes Maſs für die ordnungs-
mäſsige Länge und Breite der Bleche führen.


§. LXXXI. Die Blechschmiede sollen beim Verkauf ihres Blechs den
Käufer stets verpflichten, die Abschnitte („das Abschnitech“) wieder an ihn
zurückzuliefern.


§. LXXXII. Es darf in der Aynung kein neuer Blechhammer erbaut,
noch ein Schynnhammer in einen Blechhammer umgewandelt werden.


§. LXXXIII. Noch darf einer seinen Blechhammer verlassen, noch
verlehnen, es sei denn, daſs der Betreffende die Ordnung beschwört und hält.


§. LXXXIV. Alten Blechhämmern, die danieder liegen und wieder
in Betrieb gesetzt werden sollen, darf kein Deuhel verabfolgt werden, ehe
der Schmied der Aynung beigetreten ist.


§. LXXXVII. Kein Blechschmied soll einen Schynnschmied dingen
und umgekehrt.


Es folgen dann (§. LXXXIX bis CXII) Bestimmungen über die
Löhne etc.


Wer Grobblech schmiedet, soll mit drei Knechten nicht über
3 Centner, mit vier Knechten nicht über 4 Centner schmieden. Dem
[678]Bayern.
Herdschmied, „der das Gerecht führt“ und sich selbst beköstigt, soll
man auf 10 Zangen „Dünner- und Bodenstürzt“ nicht mehr zu der
Mynn geben, denn 20 Gulden zu 20 Groschen und ein Paar Hosen,
oder 10 Groschen und 4 Groschen zu Trinkgeld und die Wochen,
so er arbeitet, 13 Groschen und nicht mehr. Der andere Herdschmied
auf derselben Arbeit erhält zu der Mynn 18 fl. und ein Paar Hosen
oder 10 Groschen, 4 Groschen Trinkgeld und die Woche, die er
arbeitet, 13 Groschen. Dieses ist überhaupt der Wochenlohn eines
Schmiedes. Ein „Gleicher, der in den Zangen fürderlich zaynen
kann“ und ein „Deuhel-Zennger“ erhalten 10 Groschen die Woche.
Dem Gleicher aber, dem man die Kost giebt, soll man die Woche
60 Pfennig geben und für die Mynn die Kost und 10 Groschen für
ein Paar Hosen und 3 Groschen Trinkgeld etc. etc.


Es folgen dann die Vorschriften über das Dingen der Arbeiter,
den Urlaubbrief u. s. w. wie oben. Der Hammermeister muſs jeden
Arbeiter durch Handschlag an Eidesstatt bei der Annahme ver-
pflichten. Alle aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Streitig-
keiten zwischen Hammermeister und Schmiedmensch sollen aber vor
den von den Räten der Städte Amberg und Sulzbach dazu ernannten
Personen (Schiedsrichtern) beglichen werden (§. CXVI). Muſs ein
Hammermeister infolge „Benöttigung und Landzwingung“ (d. h. Arbeits-
einstellung und Strike) seinen Hammer still legen und leidet Schaden,
so soll ihn die Einigung entschädigen (§. CXVII). Der Hammer-
meister, der einen Strikenden in Arbeit nimmt, wird mit 12 fl. gestraft;
ein Schmied, der die Arbeit niederlegt, bekommt jede Woche 3 Schil-
ling Pfennig von seiner Mynn abgezogen. Ein „Landzwinger“ wird
mit Gefängnis bestraft. Jeder Hammermeister ist verpflichtet, einen
solchen Landzwinger, der bei ihm in Arbeit stand, selbst anzuzeigen,
worauf ihm sein Schaden von der „Aynung“ ersetzt wird, unterläſst
er dies aber, so wird er mit 36 Gulden bestraft und verliert alle
Kosten. Hat einer seine Arbeit niedergelegt, so müssen seine Mit-
arbeiter für ihn eintreten und arbeiten, bis ein Ersatzmann gefunden
ist. Muſs ein Hammermeister, um nicht zu feiern, einen Schmiedmensch
von einem andern Hammer leihen, so ist der andere Hammermeister
verpflichtet, solchen herzuleihen und der betreffende Arbeiter zu folgen
bei Strafe von 3 Schilling Pfennig die Woche.


§. CXXV bestimmt, daſs jährlich zu Weihnachten und Pfingsten
eine Kommission des Rates der Städte Amberg und Sulzbach von
sechs Mitgliedern, drei aus jeder Stadt, zusammentreten soll, um des
„Handwercks Notturft“ zu beraten und das Wichtige dem Rat vorzu-
[679]Bayern.
legen. Diese Kommission beruft die Hammermeister zu ihren Sitzungen
nach Bedarf und ist jeder zu erscheinen verpflichtet bei Strafe von
6 Gulden. Die Kosten trägt die Aynung, d. h. die beiden Städte
Sulzbach und Amberg zu gleichen Teilen.


Aus dieser Hammereinigung, die eines der merkwürdigsten genossen-
schaftlichen Gesetze auf dem Gebiete des Gewerbewesens ist und die sich
ganz selbständig aus den lokalen Verhältnissen heraus entwickelt hat,
können wir uns auch einigermaſsen ein Bild des Hammerbetriebes im
Sulzbach-Amberger Gebiet machen. Der Bergwerksbesitz war gemein-
schaftlich und der Bergbau wurde von den Mitgliedern der Einigung oder
von den beiden Städten Amberg und Sulzbach gemeinschaftlich betrieben
und das Erz jedem Hammer zugeteilt. Das Erz wurde in Zerenn-
herden in der früher (Bd. I, S. 783; Bd. II, S. 149) geschilderten
Weise ausgeschmolzen zu Rohluppen, „Mascheneisen“, welche zu
Knüppeleisen und Luppenstäben, „Deuchel oder Deuhel“ genannt,
verarbeitet wurde. Auf letztere muſste der Hammerschmied sein
Zeichen aufschlagen. Die Deuhel wurden dann im Schweiſsherd,
„Wellherd“ genannt, gereinigt und zu Stabeisen: Schienen, Rad-
eisen u. s. w. verschmiedet, oder es kamen Knüppeldeuhel in die
Blechhämmer, wo sie zu Blech ausgebreitet wurden. Die Zerenner
standen niedriger im Lohn als die Schmiede, ihre Arbeit erforderte
demnach ein geringeres Maſs von Geschicklichkeit. Die Hammer-
einigung der Städte Sulzbach und Amberg wurde alle 10 Jahre
erneuert und das geschah regelmäſsig bis zum 30jährigen Kriege.


Die Hammerwerke, welche von den Unterzeichnern der Sulzbach-
Ambergischen Hammereinigung vom Jahre 1387 vertreten wurden,
waren folgende: Zu 1. Talham, 2. Haunratz, 3. an dem Rödenbach,
4. Kretschenreut, 5. Preumbt, 6. Rosenberg, 7. Reicholzschwantt,
8. Stelofen, 9. der Legatzhammer, 10. zu der Zieglmühl, 11. Bruckh,
12. Altenweyher, 13. Rockhenbruckh, 14. zu dem Neuenhaus, 15. an
der Herringlohe, 16. in dem oberen Hirschbach, 17. an der Reichlieb,
18. Wildenaw, 19. Köblitz, 20. Rockhendorf, 21. Diebsfurtt, 22. Schmid-
mühlen, 23. Brechhofen bei Diebsfurtt, 24. Schwarzenfeldt, 25. zu der
Häslmühl, 26. Freudenberg, 27. zu den Stegen, 28. Dreylendorf,
29. Meuschendorf, 30. zu der Holzmühl, 31. mit dem Lauf, 32. Stegen,
33. 34. zwei Hämmer zu Schonsee, 35. zu der Odenmühl, 36. zu dem
Harnungsberg, 37. Woppenreut, 38. zu dem Schelhopfen, 39. zu Gemindt,
40. Grienleins, 41. zum Pfrientsch, 42. in der Lanngaw, 43. zu Laub,
44. Muckenthal, 45. Deinitz, 46. zur Neuenmühl, 47. zu der Gehey,
48. Sechsenreuth, 49. zu den Hütten, 50. Schwarzeneckh, 51. Drefelstein,
[680]Bayern.
52. Sackhaw, 53. Teinz, 54. Eſslohrn, 55. Schneberg, 56. Stegen, 57. Proben-
reuth, 58. Purberg, 59. zu dem Desel, 60. alten Dreswitz, 61. Brenberg,
62. Heilsbeuch, 63. Endtenstein, 64. zu der Hell, 65. Bernau, 66. Dieffen-
bach, 67. Wisenfelden, 68. Floſs, 69. Metzenkhopf, 70. Hopffaw, 71. Oren-
berg, 72. 73. zwei Hämmer an der Drewitz, 74. Wirbenitz, 75. Keywitz,
76. des Egerers Hammer, 77. Stefling.


Bereits im Jahre 1364 wird der Hammer an der Prebach, Land-
gerichts Viechtach, welchen Herzog Albrecht I. von Bayern den beiden
Gewerken Fritzz Alhzart, Münzmeister zu Amberg, und Chunrat der
Hadrar, Bürger zu Regensburg, verliehen hatte. In dem genannten
Jahre 1364 versprechen nämlich die genannten Gewerken urkundlich
ihr Eisen den Unterthanen des Herzogs Albrecht stets zum Amberger
Marktpreis zu verkaufen, während sie andern das Eisen nach ihrem
Belieben verkaufen dürfen 1).


Aus dieser Zeit, nämlich aus dem Jahre 1386, haben sich inter-
essante Angaben über Eisenpreise des Hammerwerks zu Leubs im
Landgericht Pollenstein erhalten 2). Es wurde nach dem neuen
Amberger Centner verkauft (wahrscheinlich = 108 Pfund bayerisch
oder 50½ kg) und nach Regensburger Währung, deren Pfund Pfennig
einen Kurs von 5 Gulden 50 Kreuzer galt.


Groſse Pflugscharen gingen acht auf den Centner, also 13½ Pfund
das Stück, der Preis eines Pfundes war 11 Pfennige (0,46 Mark).


Kleine oder Fitzscharen gingen elf auf den Centner, pro Stück
9 9/11 Pfund, Preis 8½ Pfennig pro Pfund (0,37 Mark).


Stabeisen, wovon 12 Schienen einen Centner wogen, kostete das
Pfund 8 Pfennige (0,34 Mark).


Kleine Schienen, 16 auf den Centner, das Pfund 6 Pfge. (0,26 Mark).


Diese Preise sind gegen unsere heutigen hoch.


Einen wichtigen Freiheitsbrief 3) erteilte im Jahre 1446 Albrecht III.,
der Sohn des Herzogs Ernst, der Gewerkschaft zu Fischbachau,
die auf Eisen und Silber baute und Hammerwerke hatte. Es war
eine Bestätigung älterer Freiheiten, die der Gewerkschaft schon
1426 erteilt worden waren 4). Der Brief hat aber dadurch eine be-
sondere Bedeutung gewonnen, daſs ihn die nachfolgenden Herzoge
zur Vorschrift genommen und auf den gröſsten Teil der Bergwerke
im ganzeu Herzogtum nach und nach erstreckt haben. — Darin wird
[681]Bayern.
gestattet, daſs sie erstens „Aerzt arbaiten und Hamersleg, Hamerstet,
Holtz, Wasser, Weg und Stege darzu und darvon machen, und nemen
sullen, wo in die aller Nutz ist und fugleich ist“. Ferner zweitens, daſs
ihnen „Wunn und Weid“ gegen billige Schätzung abgetreten werde;
drittens, daſs ihnen das Ungeld für den Wein, „den sie daselb aus-
drunkend“, erlassen werde; viertens, daſs sie von aller „Steuer, Hilf,
Forderung, Reiſs- und Herfart“ befreit sind; fünftens, daſs der Berg-
meister alle Händel zu richten hätte, ausgenommen, die das Leben
angingen oder die zwischen Knappen und andern Leuten unterlaufen
würden.


1454 erteilte Herzog Ludwig der Reiche den Hammermeistern
zu Sulzbach einen Geleitsbrief 1), um in bestimmten Zeiten „ihre
Händel und Sachen, das Aerzt und Handwerk antreffend, unter
inander auszutragen, Knechte zu dingen“ u. s. w.


In Sulzbach saſsen hauptsächlich die Hammermeister, während
der Bergbau mehr von den Ambergern betrieben wurde. Nachdem
durch Uneinigkeit der Gewerke der Bergbau im 15. Jahrhundert
längere Zeit danieder gelegen hatte, erteilte Kurfürst Friedrich, Pfalz-
graf am Rhein und Herzog zu Bayern, im Jahre 1455 neue aus-
gedehnte Freiheiten und sprach der Stadt Amberg allen Bergwerks-
besitz zwei Meilen im Umkreise zu: „so wollen wir, daſs nun hinfür
zu ewigen Zeiten alles Eisen-Bergwerckh, so jetzund vmb Statt
Amberg vorhanden ist, vnd daſs hinfüran in zwei Meilen Wegs vnge-
fehrlicher vnnserem Landte gering vmb vnser Statt Amberg in Payern
gefunden und aufgebracht werden kann vnd mag, in ein Gemeind
mit und zu einander gegeben vnnd fürgenohmmen werden soll.“ Der
Bergbau soll gemeinschaftlich betrieben und verwaltet werden und
hat der Rat der Stadt „fünff ehrbar redlich frombe Man“ hierfür zu
ernennen und zu vereidigen. Diese sollen „alles Eisen Bergwerch,
daſs vnnd zumahl vorhanden ist, jeglichen Bergwerckhern seinen Theil
Bergwerckhs vnnd Erz zu Gelt anschlagen“. Eröffnen Bürger der
Stadt Amberg „int den obgenanthen zweyen Meillen“ neue Gruben,
so dürfen sie dieselben zwei Jahre lang für sich betreiben, dann
fallen sie in die Gemeinschaft und werden ihnen veranschlagt. Sodann
sollen drei bis vier „frombe Man“ erwählt werden, die alle Einnahmen
und Ausgaben zu besorgen, zu ordnen und zu weisen haben, jeden
nach seinem Anteil zu Zahlungen heranziehen und ihm seine Einnahme
zuweisen.


[682]Bayern.

Die Stadt Amberg soll bei der Gemeinschaft mit 400 Gulden
rheinisch beteiligt sein, damit sie ein um so gröſseres Interesse an
der Geschäftsführung habe. Weiter wird bestimmt, daſs auf der
Vils von nun an kein Eisenerz als Amberger Eisenerz und
kein Eisen als aus Amberger Erzen oder von Amberger Bür-
gern geschmiedet befördert werden dürfe
. Alle Hammermeister
sollen ihre Erzschulden bezahlen, sonst erhalten sie kein Erz mehr
geliefert. Sollte aber ein solcher Hammermeister versuchen, anders
woher Erz zu beziehen, so verfällt „derselben Hammer-Meister Leib,
Haab und Gueth“ der Gemeinschaft. — Alle Hammermeister „allent-
halben in vnnserm Landt vnnd Gebiethen in Bayern“ sollen ihr
Eisenerz von der Gemeinschaft der Bergwerker in Amberg beziehen.
Der Herzog behält sich „seine alte Gerechtigkeit“ vor, zu bestimmen,
wieviel Erz genommen werden soll und von je 17 Bergfuder ein
Fuder als Zoll- und Mauterz
. — Alle Hammerschmiede und
Schmiedvolk sollen freies Geleit haben zu den zwei Jahrmärkten zu
Amberg, zu Pfingsten und zu der kalten Kirchweih.


So klar und einfach diese Ordnung erscheint, so hatte ihre
Durchführung doch fortwährend mit Schwierigkeiten zu kämpfen.
Bald wurde der Bergbau von einer Gesellschaft, bald von der Ge-
meinde, bald von einzelnen abgesondert betrieben und hierüber wurde
viel gestritten und gerechtet. Vom Jahre 1458 liegt bereits ein Ver-
trag vor zur Begleichung der Irrungen zwischen denen, die in der
Gesellschaft des Bergwerks zu Amberg und denen, die auſserhalb
derselben standen 1). Der Vertrag geht dahin, daſs sich die Auſser-
halbstehenden der Gesellschaft anschlieſsen und mit gleichem Recht
in dieselbe eintreten. Jeder einzelne aber, dem dies nicht ansteht,
hat das Recht, die Schätzungssumme seines Bergwerks in bar aus-
gezahlt zu verlangen.


Am St. Niclasabend 1465 wurde eine besondere Bergordnung für
den Erzberg bei Amberg erlassen 2). Aus derselben geht hervor, daſs
man damals schon anfing, Schächte abzuteufen. Die Ordnung bestimmt
die Beitragspflicht der einzelnen Gewerken zu den Kosten der
Wasserschächte.


Auch die Sulzbacher hatten schon einen alten Freibrief für ihre
Bergwerke, welchen ihnen Herzog Johann 1394 verliehen hatte. Der-
selbe wurde von Herzog Albrecht IV. 1496 bestätigt; namentlich das
Recht der Bürger von Sulzbach, den Hammermeistern wegen rück-
[683]Bayern.
ständiger Zahlung auf empfangenes Erz das „Arzt auf allen Arztbergen
zu Sulzbach“ zu verbieten 1).


Den ihnen ordnungsmäſsig zufallenden Anteil an Eisenerz, das
Zehenterz, verkauften die Herzoge an Bürger zu Sulzbach oder
Amberg. Ein solcher Kaufbrief ist z. B. vom Jahre 1475 vorhanden 2).
Danach verkauft Herzog Albrecht von Bayern den Bürgern zu Sulz-
bach, Jakob Sauerzapf, Jörg Loneis und Hans Tewel und ihren
Erben, seinen Erzzehent an den Eisensteinbergwerken zu Viechtl-
berg, Aichelberg, Hintterberg und Viechtleraib, was und wieviel es
wird, nichts ausgenommen, je ein Pfund-Fuder Erz um 38 Gulden
rheinisch. Sie dürfen das Erz wann und an wen sie wollen weiter
verkaufen.


Ebenso verkaufte Albrecht IV. 1481 seinen Erzzehent an Vordern-
berg bei Sulzbach für 55 fl. rheinisch das Pfund-Fuder Erz und zwar
30 Pfund-Fuder für 1650 Gulden.


Lang andauernde Streitigkeiten über den Eisensteinbergbau erhob
sich anfangs des 16. Jahrhunderts zwischen der Stadt Amberg und
den Gebrüder Plechen. Es waren nämlich nicht alle Gewerke der
Einigung und der Amberger Bergwerksgesellschaft beigetreten, vielmehr
betrieben verschiedene reiche Gewerke ihre Gruben nach wie vor
selbst. Dies führte zu Reibereien, als die Gesellschaft zum Tiefbau
überging, Schächte abteufte und „unter dem Wasser“ baute. Durch
diese Anlagen löste die Gesellschaft auch ihren Nachbargruben das
Wasser und erhob nun Ansprüche auf das so gelöste Erz. Die
Einzelgewerke, an deren Spitze die Brüder Plechen standen, weigerten
aber nicht nur dieses, sondern auch die durch die Bergordnung be-
stimmten Beiträge. Der Rat zu Amberg ging scharf gegen die
Plechen vor und setzte sogar ihren Bergmeister Michael Osterwaiher
zu Karmenszellen gefangen.


Nach langem Streiten und Rechten riefen beide Teile den Herzog
Ludwig selbst zur Entscheidung an und kam durch den Oheim des
Herzogs, Landgraf Johann von Leuchtenberg, Sonntag Oculi 1515 der
erste Vertrag zu stande zwischen Bürgermeister, Rat und Gemeinde
zu Amberg einerseits und den beiden Erhard, Hans und Georg „den
Plechen“, Andres Kastner und Georg Silber alle Bürger zu Amberg
anderseits. Dieser Vertrag oder Vergleich ging dahin, daſs den letzt-
genannten die St. Mangnus-Grube ganz und die Michel-Grube zur
Hälfte zugesprochen wurde, nach ihrem Gefallen, ob und unter dem
[684]Bayern.
Wasser nach Bergordnung zu bauen; daſs sie alle „andere ir jetzt-
habente Grueben und Feng“ auf den Berg den Bürgermeister, Rat
und Gemeinde zu Amberg, ohne Bezahlung von Wert und Kosten in
das Wasser zu bauen, zustellen. Dagegen dürfen sie das über dem
Wasser noch anstehende Erz gewinnen. Letztere Vergünstigung
nutzten die Plechen und ihre Verwandten aber derart ass, daſs sie
auch die vorschriftsmäſsigen Sicherheitspfeiler im Oberbau ihrer Gruben
wegzunehmen begannen. Dieses führte zu neuem Streit, der durch
einen zweiten Vertrag am St. Ursulatag 1515 beglichen wurde. Aber
auch damit war der Friede nicht dauernd hergestellt. Nun verlangten
die Plechen das Erz, welches beim Abteufen im Schacht gewonnen
wurde, oder Entschädigung dafür, ferner wollten sie mit 100 Gulden
entschädigt sein für einen Wassergang, den sie in ihrer Grube höher
und weiter getrieben hätten, als sie zu thun schuldig gewesen wären,
während die Gesellschaft eine Gegenforderung von 1000 Gulden auf-
stellte für Schaden, den sie dadurch gehabt hätten, daſs die Plechen
den Wassergang, den sie zu treiben verpflichtet gewesen wären, hätten
verfallen lassen. Ferner verlangen die Plechen dasſelbe Recht, wie
die Gesellschaft, ihre Erze nach Belieben vermischt zu verkaufen. Sie
beklagen sich, daſs ihnen nicht rechtzeitig Anzeige von dem „ins Wasser
bauen“ gemacht worden sei u. s. w.


Infolge dieser Streitigkeiten muſste der Herzog nach wenig Jahren
von neuem selbst eingreifen und im Jahre 1518 einen dritten Vertrag
herbeiführen 1). Doch auch dieser beschwichtigte den Streit nur auf
kurze Zeit. Er entbrannte von neuem, als die Plechen und ihre Mit-
gewerken einen bedeutenden Bergbau am Kühberg eröffneten und
Hütten und Radwerke daselbst aufschlugen. Dies betrachteten die
Amberger als einen Eingriff in ihre Rechte und als Vertragsbruch
und hinderten die Plechen und ihre Genossen mit Gewalt. Herzog
Friedrich muſste im Jahre 1531 von neuem die Parteien vorladen.
Es kam wieder ein Vertrag zu stande, in dem die Plechen sich ver-
pflichteten, ihre Arbeiten, soweit sie die Amberger Bergwerksgesell-
schaft hinderte, einzustellen, bis diese ihren Bau vollendet. Danach
aber sollten sie auf dem Kühberg frei bauen dürfen. Auch sollte den
Plechen gestattet sein, einen Wasserstollen anzulegen, doch erst dann,
wenn die Amberger ihren Stollen vollendet hätten. Die angelegten
Hütten und Radwerke sollten, wenn sie sich nicht sonst darüber ver-
ständigen können, die Amberger käuflich erwerben. Den Plechen sollte
[685]Bayern.
frei stehen, in die „Gesellschaft und Gemein“ mit ihren Gruben als
Gleichberechtigte einzutreten.


Trotz der Amberger Bergfreiheiten und der Bergordnung von
1465 und der Sulzbacher Hammereinigung hielten es die Pfalzgrafen
für angezeigt, im Jahre 1548 eine neue ausführliche Bergordnung für
die Oberpfalz zu erlassen 1). Dieselbe lehnte sich an die Erben-
dorfer Bergordnung vom Jahre 1521 an und bezog sich allerdings
hauptsächlich auf den Erzbergbau. Im Jahre 1594 erlieſs Pfalz-
graf Friedrich eine „erneuerte Bergordnung des Aerztberges bei
Amberg“ 2).


Auſser den oben angeführten Eisenhämmern von Sulzbach, welche
bereits 1387 der Hammereinigung beigetreten waren, besitzen wir
noch über verschiedene andere Eisenwerke im bayerischen Nordgau
urkundliche Nachrichten.


Der Schinhammer zu Treyerndorf an der Vils im Landgericht
Lengenfeld erhielt von Herzog Sigmund zu Pfingsten 1464 einen
besondern Freibrief 3). Der Hammer gehörte damals dem herzog-
lichen Rentmeister Michel Walrat. Dieser soll den gewöhnlichen
Zins nach altem Herkommen von 4 Pfund rhein. Pfennige jährlich
bezahlen. Dagegen soll weder oberhalb noch unterhalb an der Vils
ein neuer Hammer errichtet werden dürfen. Das Bauholz für den
Hammer erhält er nach altem Herkommen aus den herzoglichen
Waldungen umsonst. Er soll Weg und Steg, Wunn und Wayd haben
für des Hauses und des Viehes Notdurft. Das Holz zum Bauen und
Kohlen soll nach demselben Maſs gemessen werden, wie auf den zu
Treyerdorf und zu Schmidmühlen in derselben Herrschaft. Sie dürfen
in den fürstlichen Waldungen kohlen wann und wo sie wollen, nur
müssen sie den üblichen Forstzins von XII Pfund rhein. Pfennig ent-
richten. Ebenso dürfen sie im fürstlichen Gebiete Lehm und Thon
(Laym und Tegel) graben. Dem Hammerherrn steht ein gewisses
Strafrecht gegen seine Arbeiter zu. Er darf den Hammer ganz oder
zur Hälfte versetzen oder verkaufen.


Ein anderer alter Eisenhammer im Nordgau war zu Bodenwöhr4).
Er entstand aus dem Weichselbrunner Hammer, welcher „seit undenk-
licher Zeit“ landesherrliches Eigentum war. 1464 wurde derselbe,
nachdem er lange still gelegen, von Gilg Kotz mit „landesherrlicher
Gnad und Vergonnung“ nach „Pottenwöhr“ (auch Potenwohr, Poden-
[686]Bayern.
wöhr, Potenwur) versetzt und daselbst ein groſser Hammerteich (der
„Weyer von Potenwur“) angelegt. Gilg Kotz erhielt für sich, seinen
Sohn Hans und dessen Erben einen Erbrechtsbrief. In demselben
wird dem Bodenwöhrer Hammer besonders verwilligt „jetztund und
hinfür zu ewigen Zeiten zu Pauung und Zimmerung des Hammers,
Notturft-, Zimmer-, Geschirr- und Brennholz in unsern Wäldern und
Hölzern zu Bauen und zu nehmen, … doch daſs solche allewegen nach
Rat und Anweisung unserer geschworenen Förster geschehe. Ebenso
in unser und unserer Unterthanen Hofmarken und auch in unserer
Herrschaft Hölzern und Wäldern … wie einst die fürstliche Herr-
schaft selbst — zu kohlen nach Rat unserer Forster“ … „Auch
mögen sie auf unsern oder andern ihnen tauglichen Gründen in
unserer Herrschaft Laim und Tegel zu des Hammers Notturft graben.“
Recht sollen sie beim Pfleger in Neuburg suchen. Auch soll keiner
einen Hammer „oder ein ander gangbar Werk“ unterhalb anlegen.
1549 gehörte der Hammer einem Georg Lonnleutner und 1587 einem
Hanns Spatz.


Im Jahre 1480 erteilte Albrecht IV. dem Eisenhammer zu
Aickolting“ einen Freiheitsbrief 1), indem er „unsern lieben getreuen
Purkarten Kerstorffer, Margarethen seiner Hausfrauen und allen ihren
Erben unser Mul zu Rietenburg an der Altmühl gelegen, genannt zu
Aickolting mit aller Zubehörung übergeben, daſs sie da einen Hammer
pauen und aufrichten sollen und mugen, da jedes Jahr sovil als sechs
und sechzig Pfund Schin zu schmieden“. Auch wird ihnen gestattet,
auſserdem eine Mahlmühle zu bauen. Dazu ist ihnen „vergunt
Hofstet zu Häusern, dazu Weg und Steg, sowie das Wasser.“ Ihr
Recht sollen sie zu Rietenburg suchen. Alle Händel mit ihren Leuten
auſser Malefizsachen dürfen sie aber selbst schlichten. Dafür sollen
sie „zu jährlichen und ewigen Zinſs geben und raichen auf vnsern
Kasten zu Rietenburg XXIIII Gulden reinisch“. „Wir söllen und
wöllen auch allenthalben vmb den Hammer und der Mul kainen
neuen Hammer bey einer Meyl Wegs machen oder stahen lassen, damit
sy an dem Wasser nit beswört werden.“ Bau- und Kohlholz soll ihnen
in den fürstlichen Wäldern angewiesen werden u. s. w. — Bemerkens-
wert ist in dem Brief die Bestimmung, daſs sie den Hammer bauen
und soviel Eisen darin machen sollen. — Der Aickoltinger Hammer
soll seine Entstehung dem Bau der Feste Ingolstadt verdanken. Er
ging anfangs des 16. Jahrhunderts in andere Hände über; 1584 wird
[687]Bayern.
er als Neuen-Kerstorffer Hammer erwähnt 1). Über den Betrieb des-
ſelben sind einige Nachrichten aus dem Jahre 1595 erhalten.


Der Eisenstein wurde von Amberg auf der Vils bezogen, auf der
Erzschütte zu Regensburg ausgeladen und von da zu Wasser oder
zu Land weiter befördert. Der Kohlenbezug war entsprechend dem
vorgeschriebenen Eisenquantum von 66 Pfund Schin. Gewöhnlich
wurden 60 Pfund Schienen und 10 Pfund Deuhel gemacht. Es sollte
jede Woche in dem Zerennherd „3 Pfundeisen aus einem Schilling
Aerzt geschmiedet werden“. Ein Seidel Erz stellte sich auf Mk. 1,23,
ein Centner gute „Werkschün“ auf 2 fl. 48 Pf., etwa Mk. 5,60 2). Auf
einen Centner Schien- und Deuheleisen wurde verbraucht 42 Kubik-
fuſs Reisig und 26,76 Kubikfuſs Meilerkohlen.


Maſsgebend war das Amberger Kohlenmaſs nach dem „Amberger
Stadtschueg“ gemessen, wovon 14 Kubikfuſs (1 Risel) = 16 Kubik-
fuſs des bayerischen Forstmaſses waren.


Weiter werden Eisenhämmer erwähnt zu Altenessing, Wolspach,
Leidersdorf, Prunn und Loch.


1505 und 1506 wurden die neuen Hämmer an der oberen Laber
und der Hochofen (Blauofen) bei Pillenhofen an der Naab gebaut.
Genannt wird 1511 der Hammer zu Schönhofen an der schwarzen
Laber. Er war, wie alle Hämmer des Nordgaues, landesherrlich und
mit Grundbesitz ausgestattet. Wie die andern Hämmer besaſs er in
seinem Gebiete die Vorrechte und Freiheiten der Landsassen gleich
den Hofwerksbesitzern. Auf dem Hammer zu Schönhofen befand sich
ein Schloſsbau. Der Neuenhammer, genannt Ödtmühl, ist wohl der-
selbe, der schon in der Sulzbacher Hammereinigung als Hammer zur
Ödenmühl aufgeführt ist. Die Hämmer an der Laber und der Alt-
mühl muſsten sich gleichfalls der Hammereinigung anschlieſsen.


Die Errichtung des Hammers zu Heimhof 3) fällt in das Ende des
15. Jahrhunderts. Ein Patrizier der Stadt Amberg, Hans Modler,
kaufte von dem Landsassen Georg Eltlinger zwei Tagewerk Grund
und erbaute darauf mit dessen Zustimmung, jedoch gegen den Willen
des Bischofs von Regensburg einen Blechhammer. Die Errichtung
dieses Hammers war dem nahegelegenen Hammerwerk zu Altenhohen-
burg, welches schon 100 Jahre früher bestand und ein hochstiftliches
Lehen war, zu groſsem Nachteil. Die fürstbischöfliche Regierung
[688]Bayern.
machte deshalb auch Schwierigkeiten, namentlich wegen der Fischerei
und des Rechtes, Bier zu brauen. Dieses besaſsen zwar alle Hammer-
werke der Umgegend, es bedurfte aber einer besondern Verleihung.
Ursprünglich beschränkte sich das Brauen auf den eigenen Bedarf,
durch den vielen Verkehr mit Fuhrleuten, Holzknechten u. s. w. wurde
aber diese Grenze meist nicht eingehalten.


Das Eisen von Amberg und Sulzbach fand seinen Absatz zunächst
in der Nähe, in der Pfalz, in Bayern, Nürnberg und Regensburg,
ging aber auch von hier aufwärts nach Ulm, an den Bodensee und
ins Schweizerland und hieſs Amberg in alten Zeiten die Eisenstadt.
Die Bleche wurden auch nach Frankreich, in die Niederlande, nach
Welschland, der Türkei und über das Meer verführt. Der Handels-
weg nach Norden ging über Leipzig.


Der Haupthandelsplatz für das Eisen des Nordgaues war Regens-
burg. Dort waren bedeutende Groſshändler, welche das Eisen in
Schiffsladungen bezogen. Als erster wird um 1520 genannt der
Handelsmann und Ratsherr Wilhelm Wieland, in dessen Händen sich
der oberländische Eisenhandel gröſstenteils befand. Am 30. März
1520 wurden drei Schiffe mit Eisen zu Günzburg mit Arrest belegt
„wegen Juden- und Stadthändel“.


Aus alledem ersieht man, wie bedeutend die Eisenindustrie des
bayerischen Nordgaues, der heutigen Provinz Oberpfalz und Regens-
burg im 15. und 16. Jahrhundert war. Seb. Münster sagt in seiner
Kosmographey (892): „Im Nordgau bei Amberg und Sultzbach ist das
gantz Erdreich voll Eisenerz, dem man auch ohn underlaſs nachgräbt,
und alle flieſsende Wässer daselbst herum mit Hämmern und Eisen-
schmitten verschlagen sind, die Vilſs, die Nab und Pegnitz.“


Weniger wissen wir von der Eisenindustrie der übrigen Provinzen
Bayerns.


Nürnberg, die wichtigste Industriestadt Deutschlands im 16. Jahr-
hundert, nahm auch einen hervorragenden Anteil an der Verarbeitung
des Eisens. Helius Eobanus Hessus singt 1532 in seiner Norimberga:


„Ferrum amet et ferri laudem sibi vendicet uni,

Tractandi per mille modos, ac mille per arteis

In ferrum gens nata, piae seu commoda pacis,

Seu gerat insani furiosa negotia Martis.“

An keinem Orte würden mehr und bessere Waffen gemacht als
in Nürnberg. Hierauf wendet sich der Dichter zu der hervorragenden
Schilderung der Eisenschneid- und Drahtmühlen an der Pegnitz, die
[689]Bayern.
wir oben schon mitgeteilt haben. Aus manchen Anzeichen geht mit
Wahrscheinlichkeit hervor, daſs auch Eisenguſs in Nürnberg gemacht
wurde und daſs wahrscheinlich eine Zeitlang ein Schmelzofen in der
Nähe der Stadt an der Pegnitz betrieben wurde. Leider fehlen hier-
über bis jetzt bestimmte Nachrichten aus dieser Zeit. Dagegen können
wir noch einige ältere Angaben mitteilen.


In Franken gab es bei Nürnberg schon vor dem Jahre 1398
einen Eisenhammer und ein Schmelzwerk. In diesem Jahre erhielt
Nürnberg Hammerfreiheit. Daſs Nürnberger Bürger an der Eisen-
gewinnung und an der Hammereinigung von Sulzbach-Amberg vom
Jahre 1387 beteiligt waren, haben wir bereits erwähnt. Schon 1363
hatte Karl IV. die alten Fürstenrechte der Burggrafen von Nürn-
berg bestätigt und überlieſs ihnen „alle Goldwerk, Silberwerk, Kupfer-
werk, Eisenwerk, Bleywerk, Zinnwerk und alles daz da Erz heizzet,
daſs in ihren Landen und Herrschaften finden werdet“ 1).


Die Nürnberger Hämmer lagen an der Pegnitz und an andern
Flüssen und Bächen. Auf denselben wurde viel Wehr und Waffen
geschmiedet, mit denen die Stadt groſsen Handel trieb. Sie litten
schwer in den Hussitenkriegen. Die Straſse von Nürnberg nach
Böhmen ging über Vilseck und Weiden. Sie heiſst bei Vilseck noch
heute die Eisen- oder Saustraſse.


Eisenbergbau bestand ferner zu Fischerlohe im Mainthal, ferner
bei Wunsiedel. Die Zinn- und Eisenbergwerke verschafften Wunsiedel
1326 die Stadtgerechtigkeit. Zu Agricolas Zeit waren die Eisen-
gruben zu Wunsiedel sehr im Schwunge 2).


Daſs um den Fichtelberg herum viel Eisen gegraben wurde, be-
zeugt Mathesius3).


Albinus erzählt, das bei Neilla gelegene Eisenbergwerk sei
schon 1499 von Nik. Stauden wieder gewältigt worden.


Bei Bayreuth wurde 1515 Eisenbergbau auf dem Wurmstollen
getrieben.


Bei Kemnat 4) war schon im 15. Jahrhundert Eisensteinbergbau,
und der Zündelhammer und der Pechhöferhammer sind bis ins
19. Jahrhundert im Umtrieb geblieben. Sodann trieb man um den
Rothenfels Bergbau auf Eisenstein und die Hölzelmühle war ohne
Zweifel der Eisenhammer, da man hier noch Haufen von Zerenn-
Beck, Geschichte des Eisens. 44
[690]Bayern.
schlacken findet. Gleiches war der Fall am Schwarzenberge bei
Kullmain, obgleich von den dasigen Gruben erst von 1597 Register
vorhanden sind. — Für den Eisenhammer bei Waltershof im Fichtel-
gebirge wurden in den sogenannten vier Öden schon in ältester Zeit
Eisensteine gefördert. Ebenso waren Eisenbergwerke bei Mittenteich
und Pechhofen, Pullenreuth und Fichtelberg im Betriebe.


Im Amte Nabburg wurde auf Eisen gebaut und das Hammerwerk
zu Schwarzenfels an der Naab ist schon uralt.


Ferner war Ausgangs des 15. Jahrhunderts Eisensteinbergbau bei
Berneck, Gefrees, zwischen Creuſsen und Gottsfeld, bei Nemmendorf
(1491), auf dem Geupel und dem Sallich (1495), bei den Zoppaten
(noch 1505) und auf dem Wurmstollen (1515) 1).


Der Eisensteinbergbau im Stifte Waldsassen ging im 16. Jahr-
hundert ein 2).


An der Saale war Eisenbergbau am Eisenbühl, der den Saal-
hammer, den Katzenhammer und den Joditzer Hammer mit Erz
versah. — Zu Hüttensteinach blüte Eisensteinbergbau im 15. Jahr-
hundert und schon 1464 waren Hammerwerke daselbst, auch zu Ober-
steinach war im 15. Jahrhundert ein Eisenhammer.


In Oberbayern wurden in der freisingischen Herrschaft Werdenfels
zwischen der Loisach und Iser bei Oberhammerspach 1418 Eisengänge
erschürft, welche der Bischof verpachtete 3).


Die alten Eisensteingruben bei Aschau eröffnete 1513 Conrad
Teschinger wieder und erhielt dafür von Wilhelm IV. einen Lehens-
brief 4). Ebenso Meister Hans Löffler, ein Goldschmied zu München,
welcher Eisengruben bei Siechsdorf im Voglwald, Gerichts Traunstein,
im Jahre 1515 eröffnete. Ihm wird gestattet, „vngeirrt zu pauen,
auch darzue Hutschleg, Plahutn, Wasser, Weg und Steg und alle
andre Notdurfft“. Dafür hat er keine Abgabe zu entrichten an Erz
oder Eisen. Für den Holzbedarf werden ihm bestimmte Waldungen
zugewiesen, nur die Kiefern (Kuefholz) soll er für das Salzsieden zu
Reichenhall stehen lassen. Diese Eisenwerke „an der Connzen“ bei
Aschau und zu Siechsdorf verlieh Herzog Wilhelm IV. durch Freiheits-
brief von 1546 an Pangratz von Freiberg 5). Auch ihm wird zu Er-
[691]Bayern.
bauung des Bergwerks „Huttschleg, Hammerschmitten, Kohlholz und
andre Notturft der Arbeit“ und das Wasser gegen Entrichtung des
Zehnten zugesagt, welcher ihm aber für die ersten fünf Jahre erlassen
sein soll. Dazu wird ihm noch in der Nachbarschaft ein „Eisenschuſs“
und ein „öder Fluſs“ als Zusatz und Fluſs zu seinem Eisenerz zu-
gewiesen. Demselben Pangratz von Freiberg verschrieb 1552 Herzog
Albrecht das Eisenbergwerk am Kressenberg 1), sowie die Hüttenwerke
bei Au, wo die Erze verarbeitet wurden. Die Schenkung umfaſst
„ermelltes Eisenbergwerch zu Berg und Thal, die erbauten und un-
erbauten Gruben und Eisengang, derselben Gerechtigkeiten und
Zugehörungen, derzu Grund und Boden, welche aus dem Guet zu Au,
dem Stifft Salzburg gehörig, gelegen zu ainem Hüttschlag gegeben
samt dem darauf erbauten Hüttwerk, Behausung, Schmieden, Pad,
Pläshaus, Hämmer, Kolbarn, Wurm, Wasserbetten, Redern, Pelgen“ u. s. w.
Zugleich wird ihm der Kohlenbezug aus bestimmten herrschaftlichen
Waldungen zugesagt und die niedere Gerichtsbarkeit ihm übertragen.
Im Gericht Traunstein soll kein anderes Eisenwerk errichtet werden.
Dagegen soll Freiberg für 2000 Gulden oder in acht Jahren für je
250 Gulden Eisen an das Salzwerk nach Reichenhall liefern; auch
den zehnten Kübel Erz mit Geld vergüten.


Ferner soll das Werk soviel Eisen, als in Reichenhall gebraucht
wird, liefern und zwar jeden „Sam“ 2) Eisen allerlei Sorten, es sei
„Stab-Zenzur und Niedeisen, auch Eisen zum Steinbrechen, Salz-
pfannen und Schaufel, als die Sorten uns bei unserm Salzsieden am
nöthigsten sind um vier Gulden dreiſsig Kreutzer und höher
nicht, folgen lassen“. Anch soll Freiberg den Versuch machen,
Blech zu schmieden und soll dann, wenn dies gelingt, der Kaufpreis
dafür vereinbart werden. Die erwähnten 2000 Gulden waren eine
Schuld, die vom früheren Betriebe, der auf herzogliche Rechnung
geführt worden war, noch auf dem Eisenwerk lastete.


Diese Eisenhütten wurden augenscheinlich stark betrieben, denn
bereits im Jahre 1561 war so groſser Holzmangel in der Nachbar-
schaft eingetreten, daſs man das Hüttenwerk zu Au nach Siechsdorf
und Bergen in dem Gerichte Marquartstein verlegen muſste, wo im
Jahre 1579 neue Waldungen ausgemarket 3) und der gefreite Berg-
gerichtszwang auf dem alten Fuſs, sogar durch einen besondern
Vertrag mit dem Pflegegericht Marquartstein, eingeführt wurde.


44*
[692]Württemberg.

Ferner werden Eisensteingruben bei Besenbach erwähnt, wo am
Jachbache bei Benediktbeuern Heinrich Barth 1505 einen Eisen- und
Kupferhammer erbaute, wozu er zwei Jahre zuvor von Herzog Albrecht IV.
Erlaubnis erhalten hatte 1). Da dieser aber durch 13 Jahre nur dürftig
im Umtriebe erhalten worden, verkaufte Johannes Barth das ganze
Werk an den Abt von Benediktbeuern, welcher dasſelbe nieder-
reiſsen lieſs.


Während die bayerischen Herzoge die Eisengewinnung in ihren
Landen mit Eifer und Umsicht unterstützten und in Schwung brach-
ten, blühte in den Städten Nürnberg, Regensburg, Augsburg, Mün-
chen und Passau die Eisenschmiedekunst in einer Weise, wie fast
nirgendwo. Ganz besonders war es die Waffenschmiedekunst, die
gepflegt wurde und Groſsartiges leistete. Das Schmiedegewerbe der
genannten Städte stand in enger Wechselbeziehung zu der Eisen-
industrie des Landes und so war es möglich, daſs die bayerische
Eisenindustrie im 15. und 16. Jahrhundert eine der ersten Deutsch-
lands war.


Württemberg.

Von der schwäbischen Eisenindustrie im Mittelalter können wir nur
wenig berichten. Es giebt zwei Gruppen von Eisenwerken in Württem-
berg, die im Kocher- und Brenzthal, und die im Schwarzwald bei
Freudenstadt, Schramberg und Tuttlingen. Im Jahre 1365 belehnte
Kaiser Karl IV. den Grafen von Helfenstein durch seinen Vormund,
den Grafen Ludwig von Oettingen mit allen Eisenwerken in der
Herrschaft und in den Wildbannen derselben samt Mühlen und Häm-
mern an der Brenz und am Kocher, oder anderswo, wo er bedürfe,
wovon er jedoch 1367 den Ezzamanaberg (Zahnberg) ausnahm. 1479
wird das von dem Cisterzienserkloster Königsbronn daselbst begründete
Eisenwerk zu erstenmal genannt.


Bereits im Anfange des 16. Jahrhunderts entstanden Hochöfen
in Württemberg, 1518 wurde der erste Schmelzofen am Kocher zu
Unterkochem bei Aalen von einer Gewerkschaft betrieben. 1598
brachte Herzog Friedrich I. das Eisenwerk Königsbronn, welches da-
[693]Baden.
mals aus einem Schmelz- und Schmiedewerk und der 1591 erbauten
Blechschmiede bestand, an sich. Von den Schmelzhütten bei Aalen
und Königsbronn stammen schöne Ofenplatten, z. B. die oben (S. 304)
erwähnte, Coriolan und seine Mutter darstellend.


Baden.

In verschiedenen Gegenden Badens blühte die Eisenindustrie im
Mittelalter. Es waren namentlich die Bohnerze und andere Braun-
eisensteine der Juraformation, welche verhüttet wurden.


Eine uralte Eisengewinnung bestand im Breisgau. Bei Kandern
(Chandro) scheint schon in vorrömischer Zeit Eisen gewonnen wor-
den zu sein 1). Die Römer setzten diese fort. Die groſse Kriegs-
straſse von Augst nach Windisch machte eine beständige Besetzung
des Landstrichs nötig und es war den Römern von Wichtigkeit, den
groſsen Eisenbedarf ihrer Garnisonen aus der Nähe decken zu können.
Auch die Sage bestätigt dies. Die römischen Türme am Landhag im
südlichen Schwarzwald sollen durch unterirdische Gänge zusammen-
hängen. Das sind aber Reste alter Bergwerke. Ein Platz bei dem
römischen Turme Wiladingen heiſst noch jetzt die Heidenschmiede.
Daſs im 9. Jahrhundert Eisenwerke bei Kandern betrieben wurden,
ist urkundlich festgestellt.


In der Güterbeschreibung des Stiftes Lorsch über die Einkünfte
im Breisgau heiſst es: In Chandera est huoba, quae solvit de ferro
4 solidos, d. h. ein Hofgut bei Kandern entrichtete von einer Eisen-
hütte jährlich 4 Schillinge an das Stift. Ebenso gab es schon im
frühen Mittelalter Eisenschmelzen bei Säckingen. In einem Vertrage
des Fridolinsstiftes zu Säckingen mit dem Grafen Rudolf von Habs-
burg vom Jahre 1207 wird bestimmt: ne conflatoribus massarum
ferri succis ad opus suum ulterius concedatur 2), den Eisenschmelzen
soll der Holzhieb (in den Klosterwaldungen) nicht weiter gestattet
werden. Von ebenfalls sehr hohem Alter und von noch gröſserer
[694]Baden.
Bedeutung waren die Eisenwerke im Frickthal, früher im Breisgau,
jetzt in dem schweizerischen Kanton Aarau gelegen.


Der uralte Bergbau auf Eisenerz im Frickthal 1), welcher 1241
zuerst urkundlich erwähnt wird, während die Eisenschmelzen zu
Säckingen und Laufenburg, welche diese Erze verhütteten, sogar
schon im Jahre 1207 genannt werden, stand anfangs des 16. Jahr-
hunderts in hoher Blüte. Die Eisenerzgruben, deren bedeutendste
bei Wölfliswyl 2) lagen, wurden von einer Bergwerksgenossenschaft,
wahrscheinlich der ansässigen Bauern, welche die „Ernzergemeinde
im Frickthal“ hieſs, betrieben. Sie wurde urkundlich erst im Jahre
1520 anläſslich eines zu Ensisheim zwischen ihren Vorstehern und
den Vertretern des im Jahre 1494 in Laufenberg gegründeten „Eisen-
bundes“ genannt, obgleich ihr Ursprung weit älter sein muſs. Da-
mals erstreckte sich die Ernzergemeinde auf die vier Vogteien
Wölfliswyl, Wittnau, Frick mit Gipf und Oberfrick und Herznach.
Sie zählte an 400 Glieder („etwo vierhundert so sich vſs gemeltem
berg ernerten) und stand unter einem „Meier“, dem Stellvertreter
oder „Verweser“ des königlichen Bergrichters, einem Vogt und Ge-
schworenen. Die Landeshoheit stand Österreich zu und wurde aus-
geübt durch die vorderösterreichische Regierung, welche auch am
30. April 1517 eine Bergordnung erlieſs, die „Berg-Ordnung in denen
vier Landen Breyſsgau, Sunggau, Ölsaſs vnd Schwarzwald“. Die Enzer-
gemeinde verschmolz ihre Erze selbst und zwar in Stücköfen, Playen
(entsprechend den steirischen Plaaen, Plaaöfen) genannt, wofür sie
die Kohlen, welche im eigenen Gebiete nicht mehr beschafft werden
konnten, kaufen muſsten und zwar im Jahre 1520 aus der benach-
barten bernischen Herrschaft Urgitz. Dies gab die Veranlassung zu
dem Rechtsstreite mit dem Eisenbunde.


Dieser Eisenbund war von den altangesessenen Hammer-
schmieden der Herrschaften Laufenberg und Rheinfelden, welche
ihr Massel- oder Stückeisen hauptsächlich aus dem Frickthale bezogen,
am St. Antonientage (21. Januar) 1494 zu Laufenberg errichtet
worden. In der Meisterversammlung „der hammerschmiden des issen-
gewerbs so man nennt die groſsschmiede, von allen Orten, wo die
im Lande gesessen seindt“, beschlossen die 33 Hammerschmiede mit
Einmut die Aufstellung einer Ordnung zur Abstellung der Miſsbräuche
[695]Baden.
und Unordnungen im Gewerbe und zum Schutze gegen die Konkur-
renz. Diese Ordnung enthielt folgende Hauptpunkte: 1. Aufstellung
eines Obmanns mit Strafbefugnis; 2. Maſsregeln gegen das Über-
schmieden und Festsetzung einer Maximalproduktion für jeden ein-
zelnen Hammer unter monatlicher Kontrole; 3. Vorschriften über
Währschaft, Gewicht und Verkaufspreise der einzelnen Fabrikate;
4. über Ankauf von Rohmaterial und Kohlen; 5. über Anstellung
von Arbeitern; 6. Strafbestimmungen (bei Übertretung der Ordnung
10 Pfund Pfennig Buſse, bei Ungehorsam Ausschluſs vom Bergwerk,
sowie vom Bezug von Erz und Masseln); 7. ohne besondere Be-
willigung des Königs oder des Landvogtes soll inskünftig kein neuer
Hammer errichtet werden; nicht autorisierten neuen Hämmern oder
Eisenschmieden soll der Erzberg geschlossen sein und dort ihnen
weder Erz noch Masseln verabfolgt werden; 8. alle aus der Hand-
habung der Ordnung erwachsenden Kosten werden von den Vereins-
genossen „nach Markzahl“ getragen. Diese Ordnung erhielt die kaiser-
liche Bestätigung am 26. Juli 1498. Aber schon zwei Jahre danach
entstanden zwischen Bürgermeister und Rat zu Laufenberg und
Schultheiſs und Rat zu Säckingen „Irrungen und Spene“, weil letztere
gegen die Ordnung zwei neue Eisenhämmer errichtet hatten. Der
Streit wurde durch Kaiser Maximilian I. als Landesherrn durch
Vergleich am 17. Juni 1500 beigelegt und wurde den Säckingern
jetzt gestattet, fünf Hämmer, aber nicht mehr, zu unterhalten. Eine
Verschärfung hinsichtlich der Kontrole beim Verkauf und der Ab-
gaben erfuhr die Ordnung im Jahre 1503, indem bestimmt wurde,
„daſs hinfürine khein iſsen mer so an den obgemelten (nämlich zu
Laufenberg, Säckingen, auf dem Schwarzwalde, im Frickthal, in
Zeiningen, im Wehrerthal, zu Olten und Aarau) gemacht würt vff
khein marckht gefeurt noch verkauffen werden, es sige denn vor vnnd
ehe in den herschaften das es geschmidtet wurt, gewegth mit dem
Gewicht der fronwag vnnd nit von der fronwag wegfeuren, es werdt
den an der wag verkhaufft; doch so mag ein jeder nach angebung
der wag das sein zuemarckht feüren vnnd verkauffen inhalt der ord-
nung vormals durch die kuniglichen landtvogt vnnd ret vffgericht“.


Der Bund hatte ein gemeinschaftliches Eisenhaus und eine Wage
zu Laufenberg, auf welcher ein beeidigter Eisenwieger, der vom Bunde
angestellt war, den Abnehmern das Eisen zuwog und auf richtige
handwerksmäſsige Verarbeitung und redliches Gewicht zu achten hatte.
Kein Eisen, welches auf Wagen oder sonst zum Verkauf nach Laufen-
berg verbracht wurde, lieſs man hinweg, „es gehe denn zu einem
[696]Baden.
Bogen (Thor) hinein und zum andern hinaus“. Welches zu leicht
befunden wurde oder nicht gehörig verarbeitet war, dessen Besitzer
wurde dem Obmann des Bundes angezeigt. Der „Eisenwäger“ hatte
das Eisen jedes Hammerschmieds genau aufzuzeichnen und an den
bestimmten Terminen zu verrechnen. Er erhielt dafür von jedem
Meister alle „Frohnvasten eine Pfund Stübler Haus- und Waaggeld
und zu Weihnachten noch überdies einen Gulden“.


Er durfte kein Eisen an einen Kaufmann gegen eine Abschlags-
oder Teilzahlung abgeben oder solches auf „Mehrschatz“ (d. h. unter
Profitnahme) feil haben und mit demselben nicht auf den Markt
fahren oder sonst (unter der Hand) verkaufen. Jeden Kauflustigen
hatte er ins Eisenhaus zu führen, um ihn das Eisen besehen zu
lassen, und hatte der Käufer gewählt, so muſste er denselben an den
Hammerschmied weisen, dem das Eisen gehörte, aber nicht mehr an
einen andern. — Es gab also keinen Zwischenhandel, und nur die
Güte der Ware bestimmte die Wahl des Käufers. Die Preise für
alle Waren, für Pflugscharen, Seche (die mit gröſseren Hämmern ge-
macht wurden), Hauen, Bickel, Stangen u. s. w., waren genau bestimmt
und jedes Mitglied muſste zum festgesetzten Preise verkaufen.


In dem Statutenbuche der Stadt Groſslaufenberg aus dem 16. Jahr-
hundert ist der Text des Diensteides eines Eisenwiegers erhalten 1).


Ordnung-Artikel und Aidt eines Ysenwergers
zu Laufenberg
.


  • 1. Du würdest schweren, gut ufsehen zu haben, daſs alles Eysen,
    so allhie gemacht wurdet, es sein Krumm- oder Radeysen,
    wegeysen, stab etc., es kaufens die Huefschmidt hie oder
    anders, in das Eysenhaus und an die Waag khommen, und
    kains ungewogen hinweglaſsen füeren, es seie dann verschaft
    und habe das gewicht; auch kain Eysen, so uff den Wägen
    oder sonst khombt, nit hinweglassen, es seie dann alles zu
    einem Bogen hinein und zum andern wieder hinaus gewogen;
    und welches zu leicht und nit verschaft, daſs soll er dem
    Obmann deſs Ysenbundts anzeigen.
  • 2. Zum andern sollest du jedem Hammerschmidt-Meister sein
    eysen, so er das Jar machen ist, getreulich in schrift nemen
    und uffzeichnen, damit einem jeden umb das seinig khendest
    und wiſsest Wehrung zu thuen.

[697]Baden.
  • 3. Zum dritten sollst du von einem jeden Maister alle Fron-
    fasten ein Pfund stebler Hauſs- und Waggelt und zu wie-
    nachten einen Gulden einziehen.
  • 4. Zum vierten sollst du auch kein gelt an einichen Kaufmann
    uff eysen nemen, oder für dich selber eysen uff Merschatz feil
    haben und mit denselben uff den Marckht fahren oder sonst
    allhie verkhaufen, sondern so ein Kaufman kombt, den in das
    eysenhauſs füern und das eysen gar laſsen besehen und
    welches dann dem käuffer gefellig, soll er denselben zu dem,
    daſs das eysen ist, weisen, und nit einen mehr dann den
    andern fürdern, alles getreulich und ungeuerlich.

1509 errichtete der Jacob Müller zu Wehr eigenmächtig einen
neuen Hammer, wogegen der Bund Einsprache erhob. Die Sache
wurde von der Regierung zu Ensisheim dahin verglichen, daſs die
Laufenberger Hammerschmiede den neuen Hammer übernahmen und
dem Müller für seinen Verzicht 100 Pfund Baseler Währung =
80 rheinische Gulden bezahlten. Dieses Abkommen bestätigte Kaiser
Maximilian am 15. Dezember 1509 mit dem Vorbehalt, „Wann vnnd
so offt sich begeben, das wür des obangezeigten oder einen andern
hammer vnnd schmidten, so die hammerschmiedt zu Laufenberg,
Sekhingen vnnd andern enden dasselb sumt haben, zue vnsserm ge-
zeüg vnnd anderm notturfftig sein wurden, das wür vnsser diener
vnnd meister darin halten vnnd arbeiten laſsen mögen vnnd desselben
guet fueg, macht vnnd gewalt haben, so lang daſs vnſser oder vnſsern
erben vnnd nachkhomen notthurff erfortert ohne bemelter hammer-
schmidt jrer erben vnnd menclichs vonn jren wegen jrrung vnnd
widersprechen, doch in vnſser sels costen“. Dagegen sollte fortan an
den genannten Orten niemanden gestattet werden, einen neuen
Hammer aufzurichten. In Abgang kommende oder von den Inhabern
nicht in baulichem Zustande erhaltene Hämmer und Schmieden be-
halte sich der König vor, zu seinen Händen einzuziehen, wieder auf-
zurichten und nach Gutdünken zu verleihen.


Von besonderem historischem Interesse ist aber der groſse
Rechtsstreit des Eisenbundes zu Laufenberg mit der Ernzergemeinde
des Frickthals. Von alters her hatten die Hämmer des Eisenbundes
ihr Rohmaterial, Erze und Stückeisen (massa = Masseln) von den
Eisenwerken im Frickthal bezogen, so daſs sich hieraus ein Gewohn-
heitsrecht gebildet hatte. Der Eisenbund behauptete sogar, daſs ihm
das ausschlieſsliche Bezugsrecht zustehe, und hierüber entbrannte der
Streit.


[698]Baden.

Etwa zwei Jahrzehnte nach Errichtung des Eisenbundes — wahr-
scheinlich um 1519/20 — war in der aus Frickthal angrenzenden
bernischen Herrschaft Urgitz eine Hammerschmiede errichtet und der-
selben aus dem nahegelegenen Wölfliswyler Bergwerke freundnachbar-
lich Erz und Masseln verabreicht worden. Da der Eisenbund, unter
Berufung auf seinen Stiftungsbrief, gegen diese Lieferung Einsprache
erhob, das Bergwerk aber gleichwohl zu liefern fortfuhr, so wurde
ersterer bei der Regierung zu Ensisheim klagbar. Über den Verlauf
dieses Handels ist noch ein ausführliches Spruchprotokoll vom 18. Juni
1520 von 30 Folioseiten im Laufenberger Gemeindearchiv vorhanden,
woraus A. Münch in seiner angeführten Abhandlung einen Auszug
mitteilt. Das Urteil fiel zu Gunsten des Eisenbundes aus und wurde
zu Recht erkannt: „Das vorgen. vogt, geschworenen vnnd ganze ge-
meinde in Frickthal in crafft vnnd nach vermöge der obberüerten
ordnung vnnd darüber losgegangenen confirmation das ernz, maſsen
vnnd clingen, so sy hinfür machen, nit vſs der herrschaft, sondern in
derſselben vnnd nur an die schmieden vnnd hemer so in der ordnung
begriffen, verkhauffen vnnd begeben vnnd sich fürer dheins vſslendi-
schen hamer noch zu khauffen gebruchen so lang bis das die ob-
gemelt ordnung vnnd confirmation bey jetz dem regierenden herren
vnnd landesfürsten widerumben abtrieben, vnnd dazue denn hammer-
schmidten den costen jnen diſser sachen halber vfferloffen nach muet-
masigung vnnd tax der rathen bekhennen vnnd abtragen solln.“


Aus den Prozeſsverhandlungen ergiebt sich, daſs der Bergbau im
Frickthale in früherer Zeit noch ausgiebiger war, indem vor der
Gründung des Eisenbundes „der Berg“ dem Landesherrn jährlich
150 Pfund eingetragen hatte, jetzt aber kaum 88 Pfund. Dagegen
erreichte der Eisenbund um 1509 den Höhepunkt seiner Entwickelung,
indem in diesem Jahre die Zahl der Hammerwerke auf 36 stieg. Daſs
dieser blühende Zustand der vorderösterreichischen Eisenindustrie um
die Mitte des 16. Jahrhunderts noch bestand, beweist die Angabe des
Sebastian Münster in seiner Kosmographie von 1544, wo er von
Laufenberg berichtet: „Die Einwohner ernehren sich zum guten teil
von dem Eysen, das man dort schmelzt, aber das Ertz gräbt man im
Frickthal auſs einem Berg; trägt ein jahr und alle jahr bey 20000 gul-
den. Es gibt gemeldter Berg so viel Ertz, daſs man dreyzehn Häm-
mer dazu braucht.“


Sonst sind die Nachrichten über die Eisenindustrie der Herr-
schaft Laufenberg im 16. Jahrhundert bis 1596 nur spärlich, von
letztgenanntem Jahre ab sind Zollrechnungen vorhanden.


[699]Baden.

Die Eisenhämmer schmiedeten hauptsächlich Schienen, Radeisen,
Wegeisen, Scharen und Halbeisen, welche nicht nur im Österreichi-
schen, sondern auch in der Schweiz Absatz fanden. Dies erhellt aus
einer Beschwerde, welche die Stadt Zürich am 14. März 1563 an die
allgemeine eidgenössische Tagsatzung zu Baden brachte. In dem be-
züglichen Abschied heiſst es: Zürich macht die Anzeige, daſs seine
Schmied- und Schlossermeister sich über Erhöhung des Preises und
Verminderung des Gewichtes des Werkeisens beschweren, das sie aus
Laufenberg beziehen. Obschon bekannt ist, daſs dieses Eisen überall
teurer worden, weil auch das Erz und die Kohlen aufgeschlagen
haben, so wird doch an den kaiserlichen Obervogt von Schönau zu
Laufenberg geschrieben, er möge dafür sorgen, daſs das Werkeisen
im früheren Gewichte fabriziert werde und möchte seine Meinung
darüber nach Zürich melden.


Die Kohlen bezog der Eisenbund aus dem Schwarzwalde, wie aus
einem am 23. Juni 1573 abgeschlossenen „Vertrag des Kohls halber,
wie es soll gemessen, auch in waſs werkh ein zuber soll gegeben
werden“, hervorgeht. Über den Preis des Masseleisens liegt eine
urkundliche Notiz aus dem Jahre 1586 vor, danach „ist dem pundt
verwilliget so geblosen werden, sechs kreuzer“. Für jede „Karrete“
Erz wurde ein Grubgeld von acht Rappen entrichtet. Im Jahre 1596
wurde in den vier Vogteien im Frickthal gefördert: in Wölfliswyl
364, in Wittnau 186, in Frick 282 und in Herznach 348, zusammen
1180 Karreten. Die im Bergwerke selbst, d. h. in Wölfliswyl und
Wittnau bis 1599 produzierten Masseln bezahlten an die Herrschaft
eine Gebühr von acht Kreuzern für jede Massel, während das „Massel-
geld“ der Genossen des Eisenbundes nur sechs Kreuzer für die Massel
betrug. Daſs diese Masselgelder aber sehr unregelmäſsig eingingen,
beweist eine Notiz in der Herrschaftsrechnung von 1596, wonach die
„gemeinen Hammerschmiede des Isenbundes“ auf Ende 1595 an das
achtjährige, mit ihnen verrechnete Masselngeld 936 Pfund 10 Batzen
schuldig verblieben, bezüglich dessen sie „eines erlittenen groſsen
resten wegen“ bei der vorderösterreichischen Kammer supplicando
um Nachlaſs einkamen.


Es wurden zu Laufenberg, Säckingen, Murg und Wehr an
Masseln produziert: 1596: 1255; 1598: 1468; 1599: 1563. Eine
Massel wog in der Regel 10 Centner. Vermutlich war dies zum
Teil schon Roheisen. Die Schmelzöfen, in denen das Eisen aus
den Erzen geschmolzen wurde, hieſsen Blewlin (Blauöfen). Die zwei
Hämmer in Zeiningen, welche zur Zeit der Gründung des Eisen-
[700]Baden.
bundes bestanden hatten, nebst „einer Blewlin“ waren schon vor
1596 in Mühlen umgewandelt worden. Von den in Niedernhofen be-
standenen zwei „Blawlin“ war die eine ebenfalls schon vor 1596
eingegangen, während die andere mit einer Säge verbunden wurde.


Zu Kandern wurde schon anfangs des 16. Jahrhunderts eiserne
Munition gegossen. Die Kandererhütte, welche in Erbpacht war, ge-
langte infolge von Überschuldung in die Hände eines Gläubigers, der
sie für 180 fl. 1) an Markgraf Christof von Baden abtrat. Dieser ver-
lieh dieselbe am 26. Juli 1512 an die kaiserlichen Zeugwarte Peter
Muſsler zu Breisach und Peter Münch zu Ensisheim 2). Als Zins
sollten diese jährlich an Martini 11 Centner geläutertes Eisen und
zwei eiserne Schaufeln geben. Die Unterhaltung des Hammers lag
ihnen ob. Holzkohlen erhielten sie aus den fürstlichen Waldungen.
Der Markgraf behielt sich vor, daſs, wenn er oder seine Erben sich
auf diesem Hammer eiserne Kugeln oder anderes Eisenwerk machen
lassen wollten, so sei dies jeder Zeit vorab zu gieſsen. Für den
Centner Kugeln zu groſsen und Schlangenbüchsen, auch Öfen und
anderes gegossenes Werk wurde ein Gulden rheinisch (5,68 Mk. nach
heutigem Wert), und für den Centner Schmiedeeisen ein Gulden und
drei Baseler Plappart 3) (6,25 Mk.) bezahlt. — Neun Jahre später —
1521 — verlieh der Markgraf das Hammerwerk an Reinehold
Muſsler von Straſsburg mit der Aufgabe, ihm seinen Kriegsbedarf
zu gieſsen. —


Eine städtische Verordnung von Überlingen von 1461 schreibt
vor, daſs ein Eisenhändler an der Schiene Eisen höchstens fünf bis
sechs Pfennige Gewinn nehmen solle.


Im niederen Breisgau hat das Hammerwerk zu Kollnau bei Wald-
kirch im Elzthal schon im 16. Jahrhundert bestanden.


Zu Oberried bei Freiburg werden Eisengruben schon im Jahre
1303 erwähnt 4). Ebensolche waren zu Todtnau im Schwarzwalde
1322 im Betriebe 5). Zu Eberdingen an der Wutach bestand seit
1501 eine Eisenschmelze, welche bis 1761 betrieben wurde. Die Todt-
nauer Waldordnung wurde 1464 erlassen.


Die zweite wichtige Gruppe der Eisenindustrie in Baden umfaſste
[701]Baden.
die Werke der fürstlich fürstenbergischen Gebiete zu Neustadt und
im oberen Kinzigthale 1). Zu den ersteren gehört Hammer-Eisen-
bach, eins der bedeutendsten Hammerwerke Badens bis in die
neuere Zeit.


Im Jahre 1523, Montag nach Jakobi (am 27. Juli), verlieh Graf
Friedrich von Fürstenberg an Philipp von Almenshofen zu Immen-
dingen sein Bergwerk im Ysenbach und Vallenbach samt Wasser und
Wald zur Gewinnung aller Metalle und mit dem Recht und der Ab-
sicht, Eisenschmelzen und Eisenhämmer daselbst zu errichten, unter
folgenden Bedingungen: Philipp und seine Genossen haben das Recht,
einen oder mehrere Hämmer aufzurichten; die vorhandenen Ge-
bäulichkeiten darf er benutzen, ebenso Weide und Wasser für das
Vieh der Arbeiter. Sie haben den Holzhieb an der Grube für die
Haushaltung, den Bergbau und die Verkohlung, und wenn es an Holz
fehlt, will ihnen der Graf von andern gelegenen Orten zu billigem
Preise abgeben. Der Graf hat das Verkaufsrecht von allem Metall.
Die Bergleute stehen in Schirm und Geleit des Grafen, müssen sich
aber ordentlich betragen. Der zehnte Kübel gegrabenes Erz gehört dem
Grafen. Hat er einen Haufen beisammen, so kann er verlangen,
daſs es auf der Hütte für ihn verschmolzen wird, muſs dies aber acht
Tage vorher ansagen, die Kohlen stellen und den Knechten ihren
Lohn geben, wie die Pächter, so lange er sie braucht. Es ist den
Pächtern gestattet, Beihämmer zu bauen, um darin „Blech, Sturz,
Waffen. Klingen, Plüg, Boden“ oder anderes zu schmieden, und will
ihnen der Graf dazu behilflich sein, dafür haben sie dem Grafen
jährlich vier Gulden zu entrichten. Die Erze müssen sie innerhalb
des Bezirks ausschmelzen und verarbeiten. Beim Zeichen der Sturm-
glocke und einer Landesnot sind die Bergleute, wie andere Landes-
sassen, verpflichtet, Hilfe zu leisten, sofern es ihre Arbeit gestattet,
aber nicht weiter, als daſs sie Abends wieder daheim sein können.
Die Pächter können die Werke verpfänden oder verkanfen, ihre Nach-
folger müssen aber in ihre Pflichten eintreten; der Graf hat das
Vorkaufsrecht. Die Pächter können die Werke aufgeben, müssen
dies aber dem Grafen öffentlich bekannt machen, worauf ihre Rechte
zurückfallen. Ebenso fällt das Werk zurück, wenn sie es ein halbes
Jahr brach liegen lassen. Wer die Bergleute oder die Ihrigen be-
leidigt, bezahlt die doppelte Buſse für solchen Frevel, und dies soll
öffentlich verkündigt werden u. s. w.


[702]Baden.

Die Werke, die in Rückgang gekommen waren, wurden 1528
wieder aufgenommen, aber es fehlte an Arbeitern. Als im Jahre 1529
Georg v. Hornstein, genannt v. Hertenstein, das Werk zu
Eisenbach übernahm, hatte er viel Schaden „durch die unordnung, so
bisher in solichem Bergwerk gewesen und daſs die smelzer und andre
arbeiter zu solichem gehörig nit getrewlich gehandelt, zu vilmolen
auch entlofen, dadurch die arbeit des bergwerks niedergelegt“. Er
wandte sich deshalb an Markgraf Ernst von Baden, der für ihn an
die Pfalzgrafen Friedrich II. und Johann schrieb, um von ihnen einige
gute Arbeiter zu erhalten. In ähnlicher Angelegenheit schrieb Graf
Friedrich von Fürstenberg am 12. Juli 1529 an seine Mutter um Erz-
knechte aus dem Kinzingthal, an denen er groſsen Mangel habe 1).
Nach einem andern Schreiben vom 13. Juni 1537 wurde ein ge-
schickter Schmelzer aus Schwatz in Tirol nach Hammereisenbach ge-
schickt, wie auch Schmelzer und Hammerschmiede aus Kärnten, und
ein Schmelzofen auf kärntnerische Art, d. h. ein Stückofen
erbaut. Es waren zwei Hammerschmiede und zwei Läuterer an-
gestellt, welche, wenn sie das produzierte Roheisen aufgearbeitet
hatten, auf Wartegeld saſsen. Da dies oft vorkam, schlug 1536 der
Schaffner Keller von Eisenbach vor, nur einen von jeder Arbeit zu
halten. Daſs die Werke nicht recht gedeihen wollten, lag an den
hohen Abgaben, die es an den Grafen von Fürstenberg zu entrichten
hatte. Der Bergwerks- und Hüttenzins, der dem Lehnsherrn ent-
richtet wurde, bestand im Zehnten und im Vorkaufsrecht. Der Zehnte
wurde vom fertigen Produkt erhoben. Der Bergwerkszehnte war der
zehnte Kübel reines Erz. Der Eisenzehnte wurde nach „Keller-
gewicht“ erhoben, als Ganzer oder Halber; der Ganze von den
fertigen Waren, der Halbe von den Abfällen, Spänen und altem
Eisen, das wieder verarbeitet wurde.


Die Ablieferung der Hammerschmiede von Eisenbach in das
Magazin oder den „Keller“ wurde durch Einschnitte in das Kerbholz
(Span oder Holz genannt) kontroliert, und sowohl die Schmiede
hatten ihre eigenen Kerbhölzer, als auch der Keller. Für den
Hammerschmied galt „Schwergewicht“ der Centner zu 110 Pfund,
für den Keller Leichtgewicht der Centner zu 100 Pfund. Nach diesem
wurde verkauft und der Hüttenzehnte des Bergherrn berechnet.


Der Lehnsherr wurde öfter durch den Zehnten und das Vorkaufs-
recht im Handel der Hauptkonkurrent seines eigenen Werkes. So
[703]Baden.
war es zu Eisenbach. Graf Friedrich von Fürstenberg hatte bei der
Belehnung des Georg von Hornstein mit dem Eisenweg zu Eisenbach
das Vorkaufsrecht in der Weise vorbehalten, daſs der Lehensträger
ihm jeden Centner Eisen um 20 Kreuzer wohlfeiler geben muſste, als
andern Käufern. Dies erschwerte das Geschäft, was nur wenig da-
durch gemildert wurde, daſs der Lehnsherr mehrere Anfangsjahre, bis
ein regelmäſsiger Betrieb erreicht war, freigab.


Im Jahre 1533 hatten die Hammereisenbacher Werke folgende
besondere Ordnung, von dem Verwalter Friedrich Steinmetz ent-
worfen, erhalten: „Ordnung den Yssenbach petreffent anno 1533“.
Dieselbe beginnt mit Bestimmungen über den Bergbau und die Erz-
wäschen. Die groben Erzstücke und Wände sollen gut geröstet und
dann erst gepocht und verwaschen werden, „so nimpt ihm der rost
die wildnuſs .... und alsdan last sich der stain uff dem waschsieb
leichtlich abheben, sunst bleibt er im ercz“. Sodann heiſst es von
den Schmelzern:


(8). Der Schmelzer soll im Akkord schmelzen und erhält nach dem
Gewichte des ausgeschmiedeten Eisens von 10 Centner 10 Batzen. Ebenso
wird das vergossene Eisen nach dem Gewichte gelohnt. Schmelzt er in
der Woche 100 Centner, „das gibt 75 Centner gschmit ysen, thuet sein lon
1 wochen 5 gulden, davon gibt er dem knecht und uffseczer 1 wochen
2 gulden, bringt im noch 3 gulden, is gnuog. Doch soll er uff 1 jar ge-
dingen, soll auch allerlay ercz under ainander schmelczen, und so er nit
schmelczt, sol man im geben zw wartgelt 1 wochen 10 Batzen“. Dafür
muſs er den Ofen ausbrechen und wieder in Stand setzen, auch das Ge-
schirr und Werkzeug in guter Ordnung halten. —


„Zum neuntten, wer’ ain gueter nucz, so man das geschmelczt ysen
verkawfet oder machet als ofenplatten, kuglen oder an maſsen, dem alwegen
der viertayl an dem geschmelczten eysen abget, item man nem’ain centner
geschmelczt eysen, leuter ’und schmid’dn, so wirt darauſs 75 pfund ge-
schmit eysen; von den 75 pfund gib zw lon für leutern und schmiden
2½ batzen, mer koln 3 batzen, mer feur und andere uncosten ½ batzen,
das thut 6 batzen. item so gelten die 75 pfund yſsen 1½ gulden, zeuch
darvon die obengenannten 6 batzen, pleibt noch 16½ batzen 1), komt der
ctr. geschmelczt ysen hin zw verkawfen.


Zwm zechenden dem leutermaister abwegen zw verdingen nach dem
ctr. gscheint ysen lyffern, allwegen 10 centner pro 18 batzen, und so er
feyrt, das im kol oder ysen sawmpte, im geben zw wartgelt 10 batzen, den
knecht laſs er andere arbeit thuen. Er sol auch die lwppen nit zw groſs
machen, auch die wol under dem hamer trückhen und an paiden orten
zengen. Er ist auch schuldig, seine leuterfeur sampt anderen gschier und
werchzewg in guetem paw und wessnlich halten. Er sol auch sampt dem
[704]Baden.
knecht den grossen hamer helfen schwayssen, stächlen und zw erlegen. Er
sol auch uff ain jar gestelt werden.


Zwm ainlften dem hamerschmid alwegen zw verdingen nach dem
centner, alwegen von 10 ctr. ain gulden geben. item so er rennt, im geben
von ainem centner 15 creiczer, und so er feyrt, das in kol oder anders
sawmbt, im geben uff in und ain knecht, wochen ain gulden. Item für das
grest, dar an dem Yssenbach vil glegen, das er ain schöne gattung schmide,
als namlich schinen, steb, wegysen, sech, mülysen, legysen, und waſs zw
der notturft gefrümpt wurd und er machen kan, nichts uſsgenomen, und
in sunders die schinen nit zw schwer, nemlichen 7, 8, 9, 10, 12 pis in die
14 pfund schwer. Item er ist auch schuldig, den hamer zw versechen mit
stächlen und zw erlegen, hamerstil, arm in welbaum, das puntwerch, wo es
von (nöten) wurde, das pay gueter zeyt zw verkeylen. Er sol sich alwegen
mit guetem duren keylholtz, hamerstiln und armen zw versechen. Er sol
auch alwegen uff ain jar lang pestelt werden.


Zwm zwelften das dem schmelczer, leutermaister hamerschmiden die
massen und lwppen weyſs oft gewegen werden, dar auf ain rechnung
machen, ob sy mit nucz oder schaden arbaiten. Item es ist in alweg zw
versuechen, nach ainem staehelmaister zw werben, da mit man staehel
machet, dan warlich das ysen vast staehelreich ist; wäre ain gueter nucz
dar bey. Item so gute winterban wär’, das man ain etlich wegen ercz von
Hordingen, durch die nachpauren in Yssenbach gfüert hett, mag man es
rennen; es ist vil pesser dan die fello.


Zwm dreyzechenden das alle praitschaft pey allen arbaiten alwegen
pey zeyt verhanden sey, erstlich am berg mit zimerholz und gstengen,
pfällen, zwm grüeben gfiert werdt, sampt den saylen, pergktruchen und
Kübln. Item beym schmelczofen mit forgenden gehawten werchen sambt
anderm zeug. Item bey der schmiten mit laimb, hamerstil, arm, dillen
zwm wasserbaw und an reder.


Zwm vierzechenden sol man gedengken, das man alwegen peym
schmelczofen und hamerschmiten anzal holcz in furrat laſs hawen, da mit
man das holcz nit also grien kolen mueſs, dan groſs schad da pey ist, gibt
auch pöſs kolln. Item es sol auch alles kolholcz uff den haller span ge-
hawen werden, wo müglich uff rissen zvn kolpleczen pracht werden, gibt
man vom spalten, seczen und prennen von 25 ziber 10 batzen, es wär’
aber in alwegen pesser, man verdinget das kolen von dem Stainen her, geb
von 23 oder 24 ziber ain gulden, man mag nit wol rechter zwkomen.


Zwm füntzechenden das man im Yssenbach alles schwarcz und wyſs,
kol, ercz, laimb und stain, maſsen etc. den nachpauren auch statlich ist,
füeren laſs. Item man gibt von 11 füeder kollen zwm schmelczofen zw
füern ain gulden, item von 20 fueder ercz ein gulden, von ainem fueder
laimb 1 batzen, von 12 maſsen ain gulden von dem schmelczofen zwm
hamer zw füeren, und kains wegs aygne fuer zw haben im Ysenbach.


Zwm sechzechenden das under lechn ainem redlichen gsellen ver-
leichen und darauf seezen, ime die new scheur dar zwu lassen. derselbig
meinem gnedigen herren ain zug halt’, alle notturft zwm hamer umb zim-
lich plonung fueret, und kain aygne fuer halten, dan die aygen fuer, karren-
[705]Baden.
knecht, roſs und gschier bis heran her mit groſsem costen gehalten ist
worden. Item das hamergietle ainem schaffner forpehalten zwm handel,
alſs den garten und hew zw ainem roſs oder zway.


Zwm sibentzechenden ainen gwerb im Yssenbach zw haben, als thuech.
parchat, zwillich, brot, mel, salcz und schmalz, schnech etc., und waſs den
pfening perieren mag, wär’ ain gueter nütz dar bey, söllich gwin mag der
schaffner lon uſs tragen sampt anderm uncosten, besunder so die handlung
in gang kompt wie ieczt.


Zwm achtzechenden ist not ains zimermans’, den stettes durchs gancz
jar zw haben, der alle ding kindt machen, als wagen-geschier, kol und ercz-
pennen, reder sampt allem gschier in der schmiten, schmelczofen, und am
perg, in uffs gancz jar dingen.


Zwm neutzechenden und zwm lesten das guete ornung, pezalung und
straf under den arbaitern sey, und das man ainen yedlichen arbaiter, so
dem Yssenbach verwont, uff ain jar lang pestell und alda ain iedlicher
schwere ain aydt gott und den haylingen, meinem gned. herren und seiner
gnaden schaffnern trew und hold zw sein, frümen zw firdern, schaden zw
wenden, inhalt des aydts, so ain iedlicher meins gned. hern aygen man
thuet und schwört etc. (Original im Archiv zu Donaueschingen. Der
Name des Verfassers steht zwar nicht dabei, aber ein beiliegender Brief
desselben zeigt ganz die nämliche Hand.)


In einem Schreiben vom 5. Mai 1558 d. d. Markirch empfiehlt
der Landrichter Joh. Hubensack dem Grafen von Fürstenberg einen
guten Schmelzer aus Graubünden, der gegenwärtig in Montafun sei.


Im Jahre 1578 gründeten die Bergleute unter sich eine Hilfs-
kasse, „Bruderbüchse“ genannt, in die jeder Knappe wöchentlich
einen Rappen einzahlte, um daraus bei Krankheit und Unglücks-
fällen Unterstützung zu erhalten.


Im Jahre 1599 bestand das Werk zu Hammereisenbach aus vier
Abteilungen: 1. Holzbereitung, 2. Köhlerei, 3. Erzgewinnung und
4. die Schmelzhütte mit Schmelzern, Aufsehern, Ofenknechten und
Schlackenpochern. Ein Teil der Leute war nur zeitweise im Hammer
beschäftigt, die Nichtbeschäftigten erhielten Wartegeld.


Am 16. Juli 1599 wurde für das Eisenbergwerk zu Hammer-
eisenbach folgende Ordnung gemacht: Die Arbeiter waren in zwei
Klassen eingeteilt, in der ersten durfte jeder eine Kuh halten, in der
zweiten je 2 Gaisen. In der Holzarbeit „im Gsell“ waren 13 Arbeiter,
darunter 2 Weiber, die zusammen 29 Gaisen hielten, und zwar
der Holzmeister 4, ein anderer auch 4, die übrigen 2 und eine Frau
je 1. In der oberen Holzarbeit (Köhlerei) und beim Schmelzofen
19 Arbeiter, davon hatten 17 je eine Kuh, einer 2 Gänse und der
Holzmeister 2 Kühe. Im Ganzen 57 Arbeiter mit einem Viehstande
von 41 Gaisen, 39 Kühen und einem Pferd. Sie benutzten die gemeinen
Beck, Geschichte des Eisens. 45
[706]Baden.
Weiden, durften aber nicht in die jungen Schläge oder Schächen
treiben.


Die Bergleute wurden vielfach von der Herrschaft gedrückt, wo-
rüber sie in den Jahren 1594 und 1598 Beschwerde erhoben. Die
Knappen muſsten ihre Nahrung von den Bergherren beziehen, die
diese nach Willkür hoch oder niedrig anrechneten.


Über Produktion und Produktionskosten liegen folgende Nach-
richten vor: 1582/83 wurden in einem Jahre 2273 Ctr. 38½ Pfund
Eisen erzeugt und dafür 7888 Gulden 2 Batzen 9 Rappen erlöst. Die
Preise für den Centner betrugen 4, 3⅔, 3½ und 3⅕ Gulden. 1583/84
wurden 2383 Centner 89 Pfund Eisen produziert. Gemeines Eisen
kostete 1547 2 Gulden und 4 Batzen (9,30 Mk.) pro Centner. Damals
war das Eisen sehr billig. 1547 hatte der Schaffner erklärt, das
Werk könne noch bestehen, wenn der Centner bester Stahl nach
Villinger Gewicht um 4 Gulden (16,50 Mk.) verkauft würde. 1572
waren die Preise höher; es kostete der Centner gemeines Eisen 3 fl.
3 bis 5 Batzen, „gefrömtes“ Eisen (Zaineisen) 3 fl. 10 Batzen (an 14 Mk.),
1593 gemeines Eisen 3 fl. 7 Batzen, gefrömtes 4 Gulden der Centner.


Die Produktionskosten im Jahre 1584: für die Gewinnung von
1 Centner Schwarz- und Roterz wurden bezahlt 6 Kzr. = 45 Pf.; 1594
von einem Kübel Schwarzerz 9 Kzr., von Roterz 2 Batzen, später
wurde dies wieder gemindert und den Bergleuten auch die Beschaf-
fung und Erhaltung des Geschirrs aufgehalst; Schmiedlohn für einen
Kübel Roterz 4 Pf. (= 15 Pf. jetzt), für einen Kübel Schwarzerz 2 Pf.,
für den Centner Wäscheisen 18 Kzr. Hammerschmiede und Läuter-
lohn pro Centner 9 Batzen, Schmelzer- und Aufsetzelohn für den
Centner Masseleisen 2 Batzen 8 Rappen. Durchschnittlich gaben
3¼ Kübel Schwarzerz einen Centner Masseleisen. Die Kohlenpreise
betrugen 1584 für ein Fuder Holzkohlen 61 Kreuzer; ein Fuder
schwankte zwischen 14 bis 16 Zubern, deren einer 9 bis 11½ Pf.
(9 Pf. = 30 Pf.) galt, wonach ein Fuder von 15 Zuber auf 13 Schilling
4 Den. (= 4,50 Mk.) zu stehen kam.


Schon im frühen Mittelalter war der Rhein die wichtigste Verkehrs-
straſse für den oberländischen Eisenhandel. Dieser Handel ging vom
Bodensee bis nach Köln. Dieses, der wichtigste Eisenmarkt am Rhein,
übte seinen Einfluſs bis in die fernen Thäler der Schweiz. Das ober-
ländische Eisengewicht, die Wag = 120 Pfund, entsprach dem kölni-
schen Eisencentner, wie er schon 1370 festgesetzt wurde.


Wegen der Rheinschifffahrt kam am 5. Juli 1438 ein Vertrag
zwischen Basel und Laufenberg zu Stande, die Beschwerden der
[707]Schweiz.
Schiffer über das Rheingefährt betreffend. Darin wurde bestimmt:
Die Schiffer und Laufenknechte dürfen auſser der Meſszeit Eisen etc.,
das in ihr Revier fällt, verschiffen.


Nach den Zollregistern gingen rheinisches Eisen und Eisenwaren
zu Berg, mit diesen seit dem 16. Jahrhundert auch Steinkohlen.


Der Rheinzoll zu Bacharach war der wichtigste Zoll auch für
die Eisenwaren. Aller Zoll zu Bacharach war basiert auf den Wein-
zoll. Der Zoll von 1 Zollfuder (= 2 Fuder zu 6 Ohm) Wein ent-
sprach im Jahre 1576/77:


  • 4 Schienen Eisen, auch Kunkel oder Funken genannt,
  • 6 Blechfaſs ad 30 Stück Blech,
  • 3 Sensenfaſs ad 30 Stück Sensen (nach anderem Tarif =
    8 Sensen — oder Klingenfaſs),
  • 12 Geschöck Eisenstürz ad 24 Stück,
  • 24 Wagen Eisen,
  • 4 Harnischfaſs ad 3 Harnischkörbe,
  • 16 Nagelfaſs.

Schweiz.

Die badische Eisenindustrie am Oberrhein stand in engster Be-
ziehung zu derjenigen der Schweiz. Das Produktionsgebiet des Laufen-
berger Bundes lag groſsenteils auf jetzigem Schweizer Gebiet. Es wird
deshalb am besten sein, das, was über das Eisenhüttenwesen der
Schweiz
im 16. Jahrhundert noch zu berichten ist, hier vorzubringen.


Die Eisenindustrie der Schweiz war nicht bedeutend. Dies lag
aber weniger am Mangel an Eisenerzen als am Mangel an Kohlen.


E. König sagte 1703 in seinem regnum minerale (Bd. II, S. 29):
Eisen giebt es in allen Kantonen; in Zürich am mons Hegerius, in
Bern am mons Vocetius bei Haſsburg, in Luzern in der Bleikenalp
(alpe Bleicken dicta), in Uri am schwarzen Erzberg, in Unterwalden
im Melchthal, in Glarus am Guppenberg, in Basel bei Laufenberg, in
Solothurn in der Herrschaft Falkenstein bei Clause (oder Clausam),
Thierstein und Gilgenberg, ferner in Neuenberg, in Sargans am
Guntzenberg (Gonzen) und bei Flums am Wallensee (Fluminis ad
lacum rivarium prope pagum Quintam Morgae funditur et ex ea
massulae [Masseln, vocant idiotae] ferreae conflantur). — Hieraus wurde
45*
[708]Schweiz.
vorzüglicher Stahl gemacht. Nicht minder im unteren Engadin bei
Sernezum und in der Grafschaft Baden bei Tegernfeld.


Von Bedeutung war indeſs im 16. Jahrhundert nur die Eisen-
gewinnung im Frickthal, Kanton Basel, und bei Sargans und Flums,
Kanton Glarus, dem wir noch die in Vorarlberg und Montafun an-
schlieſsen wollen.


Letztere geht besonders weit zurück. In der Umgegend von
Bludenz waren im 11. Jahrhundert acht Eisenschmelzen, welche
Masseln (massae) schmolzen und Beile schmiedeten 1).


Die Eisengewinnung bei Flums geht vielleicht in die römische
Zeit zurück (Bergbau am Gonzen). Im Mittelalter war Flums berühmt
durch seinen vorzüglichen Stahl.


1396 verpfändete Graf Hans von Werdenberg-Sargans seine Graf-
schaft mit Eisenwerk und Schmieden dem Herzog Leopold von Öster-
reich 2).


Am 9. Juli 1410 verkauften Anton Isenschmid bei Walch, Agnes
Vidal dessen Schwiegermutter, Anton Vidal deren Sohn etc. ihr Gut,
dazu auch die am Bache selbst gelegene Schmiede, die ihr Erblehen
war von Peter von Griffensee, nebst allen ihren Rechten an der
Herrschaft, Schmieden, mit dem zu der kleinen Schmiede gehörigen
Geschirr und Werkzeug, desgleichen ihre Rechte an dem Schmelzofen
samt allem Gezeug und Werkgeschirr für 850 Pfund Heller.


Peter Kirchmatter, der Bruder des R. Kirchmatter, verkaufte
die von seinem Bruder ererbte Eisenschmiede zu Flums nebst dem
Schmelzofen daselbst, auch mit Bälgen, Hämmern und Werkgeschirr
um 300 rhein. Gulden an den obengenannten Peter v. Griffensee
in Flums. Die Erze aus dem Bergwerke in Gonzen wurden zu dieser
Zeit in Flums verschmolzen. Viel später erst wurde der Hochofen
nahe am Gonzen errichtet.


Laut einem Spruchbriefe 3) der achtörtigen Gesandten vom Jahre
1550 war allen neu aufkommenden Hammerwerken im Sarganser
Land verboten, Erz zu graben und Eisen zu erzeugen, denn das Recht
stand einzig den Besitzern des Bergwerks zu, wofür sie Schirmgeld
zahlten, und die Landvögte sollten „die Eisenherren“ nach dem
Lehenbriefe in allen Freiheiten schützen und schirmen. Diese hatten
auch freies Recht der Holzfällung.


[709]Rheinpfalz.

Das Bergrecht basierte auf der alten Bergordnung, die Herzog
Siegmund von Tirol 1408 erlassen hatte.


Die Eisenerzgruben und Hammerwerke des Frickthals und am Ober-
rhein standen, wie oben erwähnt, zu Anfang des 16. Jahrhunderts
in Blüte. Die frickthalischen Erzgruben zu Wölfliswyl gehörten zu
der vorderösterreichischen Herrschaft Rheinfelden.


Rheinpfalz.

Das nördliche Baden umfaſst früher pfälzische Gebiete, weshalb
wir hier die Nachrichten über die Eisenindustrie der Rheinpfalz
anknüpfen.


Heidelberg, die Hauptstadt der Rheinpfalz, am Neckar gelegen,
war ein wichtiger Zollplatz. Es war eine „Freistätte“, d. h. ein Frei-
hafen. Im Jahre 1465 werden 40 isen als zu verzollende Artikel der
Stadt genannt 1). Vielleicht kam das Eisen von Gammelsbach, wo
später eine Eisenhütte war. Nach dem Zolltarife von 1480 wurde es
auf der Achse eingeführt und nach der Wagenlast, bestehend in
12 Wagen zu 1440 Pfund, verzollt.


Eine Hammerschmiede zu Winnweiler wird in einem Schutzbriefe
des Pfalzgrafen Philipp vom 22. Jan. 1485 erwähnt; derselbe lautet:


Wir Philips etc. bekennen etc., das wir Elsenhennen den hammer-
schmitt uff der ysenschmitten zu Wennwiler in unsern sunderlichen
schirm und verspruch uffgenommen han, ine und das sin zu schirmen
und zu versprechen glich unsern eigen angehorigen luten, wo in des
rechten zu nemen, zu geben, zugeben und zu nemen fur uns, unsern
reten, unsern Hofgericht oder amptluten, oder wohin wir das iglich
zytt wisen, genugt und dem nachkommen will; und daruff hat uns
der genant Elsenhenn gelobt, getruwe und holt zu sin, unsern schaden
zu warnen, fromen und bestes zu werben, als eyn schirmgewanter
schuldig und pflichtig ist, und er soll uns eyns jeden jars fur
schirmgelt eyn halb wage ysens
2) in unser kellerey zu Altzey
geben und antworten on hindernis. Darumbe so befehlen wir allen
und iglichen unsern amptluten, dienern und den unsern, das ir den
[710]Rheinpfalz.
obgenanten Elsenhennen und das sin gemelter maſs von unsern wegen
by recht hanthaben, schuwern und schirmen, wann er des notturftig
und begerend ist, und soll der schirm steen biſs uff unser oder unser
erben widderrufen, urkund diſs brifs versigelt mit unserm anhangen-
den secret. Datum Heidelberg uff samſstag nach Sebastiani Anno
dom. M°.CCCC°LXXX quinto. (Pfälz. Cop. Buch. N. 15. f. 263 zu
Karlsruhe.)


Über die Eisenschmelze zu Schönau in der bairischen Pfalz findet
sich folgende Nachricht in den pfälzischen Zollakten von 1545 1):


„Zum vierten wollen die zu Schönaw, so die Schmelzhütten und
die gantze nutzung des Eisenwerks, so allda gemacht würd, und von
den Herzogen zue Zweybruecken bestanden oder erkauft haben, ihre
Kohlen, so sie in der Hütten verprauchen, auch ganz und gar zoll-
frey haben, und denn das Eisen, welches sie allda machen, auch in
die Stätte hin und wieder verführen, verkaufen, auch zollfrei haben,
referieren sich uff obgemelten vertrag, gaben auch vor, daſs ihre
Amptleut allen Underthanen solchen Zoll bei hoher Strafe verbieten
zu geben.“


Hierzu berichtet der Zollbereiter folgendermaſsen: „Gleicher-
gestalt hab ichs mit denen von Schenaw dahin gebracht, daſs sie ihr
Eisen, so sie in die Reichsstätt und auch ander stätt verführen, auch
mit Willen vergolten, ohne angesehen, daſs es ihr Ambtmann uff
Weygelburg zum oftern mahl verbotten, hiergegen ich sie pfenden
laſsen, biſs sie es müd worden und nun den Zoll richtig reichen.
Zuvor haben sie nie kein Zoll darvon geben, auch nicht abgefordert
worden.“


Von der Eisenindustrie im Wasgau wissen wir wenig. Die
Eisengewinnung im Ober-Elsaſs hat erst in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts eine gröſsere Bedeutung erlangt. Dagegen wird
schon im 13. Jahrhundert eine Hube in der Altenstadt bei Weiſsen-
burg erwähnt, die jährlich dem Kloster ein Beil und eine Axt
(achia, hache) zu liefern hatte; auſserdem muſste sie Scharen für
drei Pflüge und Hämmer für die Maurer schmieden 2).


Auf welcher historischen Unterlage die Angabe Gurlts3) be-
ruht, daſs die Hochöfen mit offener Brust gegen Ende des 13. Jahr-
hunderts im Elsaſs erfunden worden seien und sich von da rasch
nach den Mainländern, der Eifel, Burgund, Champagne und in die
[711]Nassau.
Niederlande verbreitet haben, ist uns unerfindlich. Sie steht im Wider-
spruch mit allen beglaubigten Thatsachen. Mehr Anspruch auf Wahr-
scheinlichkeit hat die Angabe, daſs im Elsaſs 1490, nach Andern sogar
1470, Ofenplatten gegossen worden seien (vergl. Bd. I, S. 948), obgleich
auch hierfür bis jetzt der Nachweis fehlt.


Wir lassen hier noch einige Preisangaben aus Südwestdeutsch-
land und der Schweiz folgen 1). Zu Winterthur kostete 1261 ein
Hufeisen 1½ Den. (etwa 16 Pf.). Zu Constanz kosteten 1443 nach
den dortigen Stadtrechnungen drei Stück Eisenschienen 8½ Schilling-
Pfennig (3,27 Mk.), die Schiene also 1,09 Mk. — Das Pfund Eisen 3 D.
(10 Pf.). 300 Nägel kosteten 6 Schilling-Pfennig (2,30 Mk.), also das
Hundert 77 Pf. 1448 kostete ein „Ballen“ Stabeisen in Constanz ein
Pfund 15 Schilling-Pfennig (= 13,18 Mk.).


1508 muſste der herrschaftliche Schmied zu Germersheim vertrags-
mäſsig den Pfalzgrafen ein Hufeisen für 7 Pf. (18 Pf.) liefern.


Zu Reichshofen kostete 1488 ein Thürschloſs 5 D. (20 Pf.), auch
3 Pf., ein Schlüssel zu einem Hängeschloſs (malschlussel) 2 D. (8 Pf.),
ein Hängeschloſs 8 D. und 5 D. — Zu Durlach kostete 1551 ein
Schlüssel 8 D.; ein gewöhnlicher Schlüssel zu Basel 1559 1 sch. 4 Pf.
(21 Pf.).


Nassau.

Im Rheingebiete nördlich von Baden war Nassau das wichtigste
Eisenland, besonders die Grafschaft Nassau-Siegen. Sowohl im
Dillenburgischen, wie im Siegenschen stand das Eisengewerbe im
16. Jahrhundert in hoher Blüte. Siegen mit seinen trefflichen Spat-
und Brauneisensteinen war ein uraltes Eisenland. Die Eisenindustrie
bildete die Grundlage des Wohlstandes seiner Bewohner. Für die
geschichtliche Entwickelung dieser Industrie ist das Siegerland von be-
sonderem Interesse. Aus diesem besitzen wir die ersten beglaubigten
Nachrichten über den Betrieb von Hochöfen. Vordem bediente man
sich der Rennfeuer, die vielfach im Walde und auf den Höhen
betrieben wurden und von denen zahlreiche Schlackenreste Zeugnis
geben. Daſs dem Hochofenbetriebe im Siegerlande ein Betrieb in
[712]Nassau.
gemauerten Stucköfen, wie sie in Steiermark gebräuchlich waren,
voraufgegangen ist, wie vielfach angegeben wird, ist unerwiesen.
Vieles, was zur Siegenschen Eisengeschichte gehört, haben wir bereits
früher vorgebracht (Bd. I, S. 964 etc.). Indem wir darauf verweisen,
knüpfen wir daran an, um Einzelnes noch weiter auszuführen.


Zunächst lassen wir das wichtige Weistum vom Jahre 1443, in
dem die „Massenbläser“ zuerst genannt werden, welche die Eisen-
hütten an den Wasserläufen betrieben, in seinem Wortlaut folgen.
Es ist bezeichnet als „ein Weistum, wie es mit dem Schmelzen und
Mahlen zu halten, wenn zwo Hütten oder Mulen in einen Graben
gehen, vom 21. Juli 1443 1)“.


Anno Domini M°. IIII°. XLIII°. uff Sondach nest nach Diuisio
Apostolorum, wart gewiest, upn recht, van den molnorn unde maſsen-
blesirn, vür den Amptluden Juncker Philips von Bicken, Heymann
Wolffe, Henchen scholthes, Henne Lossern, vonde der eyn scholthes
vür dem Han ist, So wa zwa Hütten, aider zwa molen in eyme graben
gaent, vnd eyme rade waſsers gebreche, So daz eyne Hütte aider eyne
mole, nit gegaen enkunde, So sollent Beyde parthien vmbe daz waſser
Loiſsen, vnde eyne parthie sal an blasen aider malen vyerttzihen
dage aider lenger
wy sy des übert komment, vnd were sache daz
sy dis nit also enhilden, vnd jr einer deme andern das wassir neme,
daz man in wairheit fünde, de sulte den Hern brochhaftig sin vnde
en das verbussen.


Wie die Wasserkräfte der Ausdehnung der Betriebe gewisse
Grenzen setzten, so war dies noch vielmehr durch den Wald und die
verfügbare Holzmenge der Fall. Wegen dieser entstanden die Ein-
schränkungen der Hütten- und Hammerzeiten. Jede Hütte durfte
nur eine bestimmte Zeit im Jahre blasen, damit nicht durch den zu
groſsen Kohlenverbrauch die Wälder verwüstet würden. Diese, wie
die Vergünstigungen anderseits, ferner Organisation und Betrieb,
wurde geregelt durch die Kurbriefe, deren ältester aus dem Jahre
1516 stammt. Den wesentlichen Inhalt desſelben haben wir bei dem
Abschnitte über Hochöfen (S. 794) mitgeteilt. Auſser den Bestim-
mungen über die Blasezeit und den Kohlenkauf ist darin noch fest-
gesetzt, wie es mit der Aufnahme der Raitmeister, d. h. der Gewerken
oder Zunftgenossen, die das Handwerk nicht selbst trieben, sondern
Eisen verschmieden lieſsen und mit Eisen und Eisenwaren handelten,
[713]Nassau.
ferner mit der Aufnahme der Lehrjungen, oder derjenigen, welche die
Zunft gewinnen wollten, gehalten werden soll. Ferner, daſs die
Massenbläser die Anheb- und Ablaſstage richtig anzeigen sollten, und
daſs weder Massenbläser noch Hammerschmiede das Handwerk auſser
Landes betreiben durften.


Die ausreichende Beschaffung der Holzkohlen bildete schon da-
mals eine unablässige Sorge der nassauischen Fürsten, die zu
mancherlei Einrichtungen und Verordnungen Veranlassung gab. So
im Jahre 1524 die nachfolgende Ordnung des Grafen Wilhelm „wegen
übermäſsigen Zehrungen, ingleichen von Kohlen und Eisen-
handel
etc. (Freytags nach H. drey Königen 1524) 1)“.


Diese Verordnung, die an die Unterthanen und Bewohner der Ämter
Dillenburg und Siegen (vnsern Ambtern Dillenberg vnd Seegen) ge-
richtet ist, bringt die Bestimmungen über den Eisen- und Kohlen-
handel in eine sonderbare Verbindung mit der übermäſsigen Ver-
schwendung, die namentlich bei Hochzeiten, Kindtaufen, Begräbnissen
und Wallfahrten eingerissen war. Den Übergang findet der Gesetz-
geber in der Bestimmung über Mäſsigkeit in den Zunftstuben:


S. 80: Item wir wollen auch daſs hinfurtter In allen Zünfften,
dho sie verbott oder versamlung halten, keiner vber einen Albus ver-
trincken oder sunst vnnotz costen haben, Alles by poen sechs albus
einem jeglichen der das vberfehrt.


Kohlen Keuffen vnd verkeuffen.


Item wer einem oder mehr Kohlen verkhäufft, dieselbig vf nem-
lich zyt zubezalen zugesagt, vnd sin bar gelt von dem Keuffer daruf
empfangen hait, der sall auch die Kohlen so er verkhaufft vnd zu
was zytt er die zu lieferen zugesagt dem Keufferen ohne alle Inrede
lieferen vnd betzahlen den Kauf vnd verkauff gestracks wie der ge-
schehen ist, gehalten werden, welcher verkeuffer Aber mehr dem
einem Kohlen verkäufft, von jglichem gelt darauf nimbt vnd die doch
nit zu der zyt, wie er zugesagt hait, bezahlt, der oder die sollen von
vnseren Amtluten oder des Beuehl habent, mit dem Thorn, oder wie
vns das gefellig gestrafft werden.


Dazu nichts destoweniger dem Keuffer, was er Inen versprochen,
zu betzahlen schuldig seyn vnd die zuthun, von vnseren deſs bevel-
habend mit ernst angehalten werden. Derglichen soll es auch mit
dem Keuffer, Ob er den verkeufferen nit hielte, gehalten werden.


[714]Nassau.

Von hamerschmiedden.


Item es sollen alle hammerschmidde, was sie vür Stangen,
Schönen vnd ysen machen, alspalt jglich sin zeychen daruf schlagen
vnd keines vngezeignet aus der hütten verkäuffen oder hingeben.
Auch jglicher Meister ein eigen zeychen haben vnd keiner sich des
Anderen gebruchen. Wurde Aber einer oder mehr Ysen also vn-
getzeichned verkeuffen oder hingeben, Der oder die sollen von vnseren
Ambtluthen vnd des Beuehl habendt Ier lyb vnd gut verburgt an-
genommen werden, vnd vnsers gefalles In straiff gefallen syn.


Es sollen auch alletzit sechszehen Schönen eysens vf eine wage
geschlagen vnd gerechnet werden. Geben Fritags nach der hiligen
dreyer Königtag, Anno 1524.


Es muſste also alles Eisen, das verkauft wurde, gezeichnet wer-
den, und bei dem Stabeisen sollten 16 Schienen auf die Wage gehen.
Das Gewicht einer Wage war auf 120 Pfund festgesetzt.


Im Jahre 1528 erschien eine weitere Verordnung des Grafen
Wilhelm, die den Hammerschmieden das Nachtschmieden verbietet
und die Hüttenzeit der Massenbläser von 12 Wochen auf 8 Wochen
herabsetzt. Sie lautet:


So stellen wir das nachschmieden ganz ab, also das In obberur-
tem vnserm Amt keiner der Hammerschmiede der sie auch wie er
woll, nachts schmieden, besonder sollen morgents zu vyer vhern an-
fahen, vnd des abents zu acht vhern Ablaſsenn, und sollen der
Maſsenbleser zeit, so bisher vff zwolff wochen gestanden, nhu hinfuro
Jede huthe vff acht wochen zu blasenn gestellt sein, Also
das vff keiner Hutten ein ganz Jaerlang nit meher dan acht wochen
geblasen werden soll, vnd so einicher diſser articul einen wie obsteet
vberfuhren oder nit hielt, solt von Jedem Tage oder von Jederer
nacht so vil sie zuviel blasen oder schmiden worden, mit zehen gulden
zur beuſs verfallen sein, Vnd wollen auch das ernennte vnsere Unter-
sassen, guet Kaufmannsguet blasen vnd schmiden mit Kolen Keuffen
wie furhin geordnet vnd vffrichtiglich handeln, Jeder auch sein zeichen,
vnd keiner des andern zeichen slagenn.


Auch kein eysen verkauft werden soll, eſs sie dan zuuor ge-
zeichnet, wie dan vnsere vorige ordnungen solichs auch vermogen,
alles bie hochster bueſs vnd straeff, damit dan auch desto vffrichter
vnd redlicher In diesem allem vmbgangen werde, Wollen wir etlich
darzu verordnen, derhalb sovil, moglich vfsehenns zu haben. Aber
[715]Nassau.
vmb andere schlechte sachenn moegen sie sich Inhalts Ires vorigen
Kuerbriefs fuglich halten. Des zu vrkhunde haben wir vnser Inge-
siegel wiſsentlich an diesem breiff thun hangen. Der geben ist In
denn Jaren Funffzehenhundert vnd Im acht und zwanzigsten, Am
heiligen Osterabend.


Der unablässig für die Wohlfahrt der Eisenindustrie seines Lan-
des besorgte Graf Wilhelm ordnete 1535 weiterhin durch eine be-
sondere Verordnung 1) das Kohlen- und Erzenmaſs. Sie lautet wie
folgt:


Bericht, wie die hütten-, Stein- vndt Kohlenmaſse bey
denn alten sein gehalten vnd durch vnsere gnedige her-
schafft bishero erhalten worden
.


Vonn wegen des Wolgebornen Grauen Hernn Wilhelms Grauen
zu Nassaw, Catzenelnpogen etc. Ist auf heut Dato gemacht, fertigt
vnd erneuwret, das Kohlen maaſs, darab vnd von so lang menschen
gedencken nicht darwieder die Kohlen Körbe, mit seiner dieffte, Breite
vnd Weide von vnden biſs oben genohmmen, wie solches bej des
altten schulmeisters Kindern abgemessen worden, vnd durch die
eltisten, von allen hütten, gerecht erckant, vnd solches ahn eiſsenen
stab, so bei des schreiberi in Gewolb vfm schloſs Dillenberg sein vnd
befunden soll werden, verzeichnet, Unnd nemblichen soll der bodemb
inwendig dem gebör oder verzeunen ein franckfurter ehl vnd eins
Zohls lang sein, vnd der bodemb in der mitte, vber zwerch einer
halben ehlen vnd eines halben Zohls dick, breit, vnd gegen den
beiden enden etwas vberlang seyn, abgemessen werden, nach aus-
weiſsung des stabs vnd dieſses zeichens am selben —— · I · Die dieffte
des Korbs inwendig von dem bodemb hinauf zu messen, biſs vf das
oberst, so grund sein soll, des ganzen eisen stabs lang dieff sein soll.
Der stab helt fünf Franckfurter viertel vnd anderthalben Zohl in der
lengde. Desgleichen soll der Korb, oben kurtz weiſs in die vierung
vnd vber zwerch gemessen, auch allenthalben, als lang der stab weit
ist, abwendig dem obersten gerunden breit sein. Vnd wenn solcher
Korb also gemacht, so ist das die prob, das darin gestrichen, elf
mesten herborner Korn mästen, mit weich Kohlen vnd keiner frucht
beschütt, gerechtfertigt werden soll, Vnnd die weichkohlen, soll man
[716]Nassau.
vngefehrlicher streichen vnd gelten dieſser zeit ein Korb, vf der
Brennckautten, ein albus.


Item die hartte Kohlen, soll man hauffen, vndt gilt dieſser zeit
ein Korb gehaufft voll, zween räder albus vf der Brennkauten.


Der Körbe machen 18 ein klein fuder vnd XXXVI Körbe ein
groſs fuder oder Reuſs voll. Eſs ist auch vf benente zeit erkundigt,
Das das stein maſs vf dem bergekwerck im gehaltt vier herborner
geheuffter mesten hadern haltten sollen, deren Sieben vf ein wagen
gehorn, wie von altters. Wann auch das stein maſs verlohren, so soll
daselbst von gemessen vnd wieder genohmen werden, dieses is alles
von alters also herpracht, wie die eltisten bej ihren eiden ge-
nohmen vndt gehaltten haben.


Also auch des Altten Schulmeisterskinder, Vatter vnd altvatter
zue Cambergk vnverdächtliche Jahr, die maaſsen der Körbe vnd
reuſsen, bei treuwen vndt eiden gemelter maſsen gleich zu machen
vnd auszugeben befelch gehabt, vnd sollen auch die Körb so new,
dem maſs nach gemacht, vnden vnd inwendig am bodemb, wie auch
oben, ann vier orthen gleich abwendig der rundirung der lengde, das
maſs mit einem bekannten brandt zeichnen, wie vnser gnediger herr
solches zu ordnen hat, verzeichnet werden.


Vnd sollen von keinen kein korb kohlen, ausgemessen noch ein-
genohmen werden, die seyen dan von vnserm gnedigen herrn des-
halben verpflichtet, vnd die körbe recht gerechtfertigt.


Wird aber Jemandt hierüber strafbahr befunden, derselbe soll
nachdem er viel oder wenig gemessen hatt, gestrafft werden, wie Mein
gnediger herr das setzet. Actum et Datum vf Freytag den 18. Sep-
tembris Anno XXXV.


Dieses Kohlenmaſs hat sich erhalten bis in dieses Jahrhundert.
Das Fuder, das in 5 Zain (Zehn) geteilt war, faſste 88⅓ Kubikfuſs;
2 Fuder machten einen Wagen aus. Das wird ausdrücklich bestätigt
durch eine Urkunde von 1544. Es war 1 Wagen = 2 Fuder =
10 Zain = 6,056 cbm. Ein Wagen (groſs Fuder oder Reuſs) kostete
nach obiger Ordnung: leichte Kohlen 36 Albus (= 1½ Gulden =
3,80 Mk. 1), schwere Kohlen 72 Albus (= 3 Gulden = 7,60 Mk.).


Über das Gewicht von Eisen und Stahl macht Becher aus er-
[717]Nassau.
haltenen Urkunden nachstehende Mitteilungen 1): Anfänglich und,
wie es scheint, seit dem Bestehen des Hütten- und Hammerwesens
enthielt der „Stalln“ Roheisen 150 Pfund. Aus einem Stalln Roh-
eisen muſsten die Hammerschmiede einen Wagen geschmiedetes Eisen
liefern. Am 30. Juli 1581 erhöhte man solchen auf 152 Pfund zum
Nutzen der Hammerschmiede. 16 Stalln machten einen Wagen Roh-
eisen und 120 Pfund einen Wagen geschmiedetes Eisen aus.


1544 betrug der Karren Rohstahleisen (Spiegeleisen) 8 Stalln.
Der Stalln 1 Centner 42 Pfund thut, den Centner zu 108 Pfund ge-
nommen, 150 Pfund. Eine „Maiſse“ Stahl wog 1 Centner 28½ Pfund
oder 136½ Pfund. Der Karren Stahl hatte 6 Centner 4½ Pfund.


Becher teilt ferner 2) die Betriebsrechnungen von drei Hütten-
reisen aus dem Jahre 1553 mit. Wir haben die Hauptresultate schon
oben (S. 198) mitgeteilt. Da aber dies die ältesten Rechnungen
eines Hochofenbetriebes sind, so verdienen sie hier eine genauere
Prüfung.


Auf der Rinzenauer Hütte dauerte die Hüttenreise sechs Wochen.
Man brauchte in der Woche 50 Fuder Kohlen; im Ganzen


  • an Kohlen 300 Fuder à 1½ Gulden   450 fl. — Alb.
  • an Eisenstein Tag und Nacht 4 Wagen, also die
    Reise 144 Wagen à 14 Albus   84 „ — „
  • Fuhrlohn vom Wagen Stein 8 Albus   48 „ — „
  • Knechtslöhne:
  • dem Meisterknecht wöchentlich 1 fl. 9 Albus   8 „ 6 „
  • den andern beiden Knechten jedem wöchentlich
    1 Thaler = 1 fl. 7 Albus   15 „ 12 „
  • beim Ablassen 1 Thaler   1 „ 7 „
  • für 12 Röste à 7 Albus   3 „ 12 „
  • für Wein  1 „ 13 „
  • 611 fl. 13 Alb.

Auf der Hütte zu Ohe bestand der Verbrauch der Materialien
in 12 Wochen:


[718]Nassau.
  • In 288 Wagen Eisenstein à 1 Gulden zu 15 Batzen   360 fl. — Alb.
  • Fuhrlohn vom Wagen 6 Albus   72 „ — „
  • Tag und Nacht 10 Fuder Kohlen, weil sie nicht so gut
    wie auf der Rinzenau, macht 720 Fuder à 1 Thlr.   930 „ — „

Knechtslöhne:


  • Schreibers Henne die Woche 1½ Gulden   18 „ — „
  • Den andern zwei jedem 1 Thaler   31 „ — „
  • Noch für Trank 2 Thaler   2 „ 14 „
  • Fürs Rösten  6 „ — „
  • 1419 fl. 14 Alb.

Man verblies in den drei Reisen 576 Wagen Eisenstein und
660 Wagen Kohlen und erhielt auf diesen drei Hüttenreisen an Roh- und
Wascheisen ungefähr 100 Wagen und an Edeleisen (Rohstahleisen —
Spiegeleisen) 26 Karren. Rechnen wir dies in Mark und Kilo, so
war der Aufwand für 1 Tonne Eisen = 1000 kg:


  • Eisenstein 4,25 Wagen   13,34 Mk.   26,32 Proz.
  • Kohlen 9,73 Fuder   35,09 „   69,22 „
  • Löhne  2,26 „   4,46 „
  • 50,69 Mk. 100,00 Proz.

Dies war ein sehr ungünstiges Ergebnis, denn schon früher war
die Regel, daſs aus vier Wagen Eisenstein und vier Wagen Kohlen
16 Stalln oder ein Wagen Roheisen erfolgen muſste. Die Wochen-
produktion betrug 5620 kg, die Tagesproduktion, die Woche zu sieben
Tagen gerechnet. 803 kg. Aus dem Wagen (= 1200 kg) Roheisen
muſste der Hammerschmied 16 Wagen (= 960 kg) geschmiedetes
Eisen liefern, wovon jeder Wagen mit zwei Räder-Gulden (100 kg =
8,66 Mk.) verkauft wurde. Den Karren Rohstahleisen (Spiegeleisen)
bezahlte man mit 9 Thaler, oder die Tonne mit 50,40 Mk. Diese
Preise wurden wenigstens angenommen für das Rohstahleisen und das
geschmiedete Eisen, das aus dem Zehentstein, der auf den ge-
nannten drei Hütten verschmolzen und auf dem Rinzenauer Hammer
verschmiedet wurde, fiel. Die 1600 Wagen Schmiedeeisen, die aus
den 100 Wagen Roh- und Wascheisen gefallen, sollten 3200 Gulden
eintragen.


Nach diesen Maſs- und Gewichtssätzen fanden sich in dem Dillen-
burgischen Archiv einige Ertragsrechnungen über das Hütten- und
Hammerwesen, unter andern von 1563, worin die Kosten verzeichnet
sind, die auf einen Wagen (1200 kg) Roheisen entfielen.


[719]Nassau.

Diese berechnete man auf folgende Art:


  • An Kohlen 4 Wagen   16 Räder-Gulden — Albus
  • An Eisenstein 4 Wagen   5 „ 12 „
  • An Fuhrlohn davon   1 „ 16 „
  • Drei Hüttenknechte mit dem Gezäu
    in 24 Stunden  1 „ — „
  • 24 Räder-Gulden 4 Albus

Demnach kostete die Tonne (1000 kg) Roheisen nach unserm
Gelde:


  • Kohlen   34,67 Mk.
  • Eisenstein   15,53 „
  • Löhne  2,16 „
  • 52,36 Mk.

Der Wagen Roheisen galt damals denjenigen, die ihn selbst ver-
legten, das heiſst, die keinen Vorschuſs darauf zu nehmen brauchten,
23 Thaler oder 29 Räder-Gulden 17 Albus; also bestand der Profit
in 5 Gulden 13 Albus, oder pro Tonne 12 Mk.


Zur Verschmiedung eines Wagens Roheisen gingen 5 Fuder oder
2½ Wagen 1) Kohlen, die 10 Gulden kosteten, und dann rechnete
man noch einen Gulden Verlust, wodurch 11 Gulden für die bare
Auslage des Lohnschmiedes herauskamen, der 15 Gulden an Schmiede-
lohn für den Wagen Roheisen erhielt.


Der Hammerschmied, der um Lohn schmiedete, hatte also, da er
die Kohlen stellen muſste, nur vier Gulden Lohn von jedem Wagen,
wofür er sich Knechte halten und alles übrige bestreiten muſste.


Berechnung:


  • Ein Wagen Roheisen kostete im Ankauf   29 Räder-Guld. 17 Alb.
  • Fuhrkosten   1 „ — „
  • Schmiedelohn  15 „ — „
  • 45 Räder-Guld. 17 Alb.

Aus einem Wagen Roheisen muſste der Hammerschmied 16 Wagen
Stabeisen oder anderes kleines Eisen ausschmieden, die mit 50 Guld.
16 Alb. bezahlt wurden. Hiernach fiel an Profit für den Raitmeister
oder denjenigen, der das Eisen schmieden lieſs, 4 Räder-Guld. 23 Alb.
[720]Nassau.
Demnach war das geschmiedete Eisen in 10 Jahren um 1⅙ Räder-
Gulden (über 50 Proz.) auf den Wagen im Preise gestiegen. — Nach
dieser Rechnung stellt sich der Aufwand für eine Tonne Schmiede-
eisen nach heutiger Währung auf:


  • Roheisen 1250 kg   80,46 Mk.
  • Fuhrlohn   2,71 „
  • Schmiedelohn (incl. Kohlen)  40,63 „
  • 123,80 Mk.

Der Verkaufspreis betrug 137 Mk., der Nutzen 13,20 Mk. Wenn
der Hammer im besten Gange war, sollte der Hammerschmied Tag
und Nacht 7 Wagen = 420 kg schmieden.


Die Stahlschmiede bildeten eine alte selbständige Zunft, die von
der Hammerschmiede- und Massenbläserzunft getrennt war. Sie
hatten im Mittelalter ihren alleinigen Sitz in der Stadt Siegen. Die
ältesten schriftlichen Zunftprivilegien der Stahlschmiede im Siegen-
schen stammen vom Jahre 1504, sie wurden erneuert im Jahre 1528 1).


Der Wagen Stahleisen kostete, wenn es gut war, 25 bis 26 Thlr.
(70 bis 73 Mk. die Tonne), und man berechnete den Profit des Stahl-
massenbläsers mit 8 Räder-Gulden auf den Wagen. Doch erhielten
es diejenigen, die gleich bar bezahlten, für 23 Thlr. (64,40 Mk. pro
Tonne), und die Stahlmassenbläser, die von den Stahlschmieden Vor-
schuſs darauf genommen hatten, empfanden deren Wucher, sie
muſsten es ihnen für 18 Thlr. den Wagen (50,40 Mk. pro Tonne)
überlassen.


Die Stahlschmiede sollten nur Stahleisen verarbeiten; der Zu-
satz von Wascheisen war schon in den Kurbriefen verboten. Dieses
Verbot wurde am 11. April 1528 noch durch eine besondere Ver-
ordnung eingeschärft.


Aus dem Jahre 1563 teilt Becher folgende Rechnung, „wie
hoch ein Karren Stahl zu schmieden kommt“, mit:


[721]Nassau.
  • 12 Stalln gutes Edeleisen (Spiegeleisen) geben
    einen Karren Stahl, und kosten diese,
    wenn sie gut sein sollen   20 Thlr. — Alb. — Hell.
  • 4½ Wagen Kohlen zum Schmieden   13 „ 29 „ — „
  • Das Rohstahleisen von der Hütte auf den
    Hammer zu fahren   — „ 17 „ — „
  • Dem Stahlschmiedemeister Schmiedelohn
    von einem Karren Stahl oder 52 Wagen,
    von jeder Wag Stahl 32 Heller, beträgt
    auf den Karren Stahl   4 „ 14 „ 8 „
  • Dem Knechte, der dem Meister hilft, von
    der Wag 27 Heller   3 „ 24 „ — „
  • Ferner Abgang an Gezäu, für dessen Aus-
    besserung, für Bast, Heu, um den Stahl
    zu binden, auf jeden Karren  — „ 12 „ — „
  • So kam der Karren Stahl aus der Zange
    zu schmieden auf   43 Thlr. 3 Alb. 8 Hell.

Aus einem Karren Stahl, wie ihn die Zange gab, fielen sechs
Teile gutedel Stahl und zwei Teile gemeiner Stahl (später „Mittel-
kühr“ genannt) und Klappert.


Ein Karren Edelstahl, Siegenscher „Choher“, jetzt Kühr, wurde
verkauft zu 52 Thlr.; es kamen die sechs Teile Edelstahl auf 39 Thlr.,
und die zwei Teile gemeiner Stahl und Klappert auf 6 Thlr.; also
erhielt man für den Karren Stahl im Vorkauf 45 Thlr., der mit allen
Anlagen gekostet 43 Thlr. 3 Albus 8 Heller, mithin war der Gewinnst
auf den Karren Stahl 1 Thlr. 27 Albus 4 Heller.


Wird hierzu noch der Stahlschmiedslohn von 4 Thlr. 14 Albus
8 Heller gerechnet, dann hatte der Stahlschmied für seine Arbeit,
Anlage und Mühe an einem jeden Karren Stahl aus der Zange
6 Thlr. 11 Albus oder 8 Räder-Gulden 5 Albus. Aus einer an-
gefügten Bemerkung läſst sich aber schlieſsen, daſs der Stahl in
1563 den in dieser Rechnung zu Grunde gelegten Preis nicht gehabt
hat. Sie lautet: „als der Stahl jetzt gilt, können sie nauhe (kaum)
das Brod daran haben“. Der Stahlhandel lag also damals sehr
danieder.


Nach heutiger Rechnung betrugen die Gestehungskosten von
einer Tonne Stahl zu 1000 kg, die oben angegebenen Gewichte von
1544 zu Grunde gelegt:


Beck, Geschichte des Eisens. 46
[722]Nassau.
  • Spiegeleisen 2762 kg   206,14 Mk. 46,40 Proz.
  • Kohlen 138 Karren   143,62 „ 32,30 „
  • Löhne und Unkosten  94,60 „ 21,30 „
  • 444,36 Mk.
  • Eine Tonne Stahl, bestehend aus 3 Teilen
    Edelstahl und 1 Teil gemeinem Stahl und
    Klappert, wurde verkauft mit  463,80 „
  • Gewinn   19,44 Mk.

Die landesväterliche Fürsorge erstreckte sich schon damals auf
alle Einzelheiten des Gewerbes; durch sie wurden auch die gewerb-
lichen Löhne geordnet und festgesetzt. Graf Wilhelm von Nassau
erlieſs am 10. Dezember 1538 eine besondere Lohnordnung, der wir
Folgendes entnehmen 1):


  • Es wird bestimmt: Leyendeckern, Zimmerleuten, Maurern u. s. w.
    • Sommers bei eigener Kost dem Meister 5 Albus, dem Knecht
      4 Albus.
    • Winters bei ihrer Kost dem Meister 4 Albus, dem Knecht
      3 Albus.
    • Sommers bei freier Verköstigung dem Meister 4 Albus, dem
      Knecht 3 Albus.
    • Winters bei freier Verköstigung XVIII Pf., dem Knecht einen
      Batzen oder XIIII. Pf.
  • Steinbrechern:
    • Sommers bei eigener Kost 3 Albus. Winters ebenso.
  • Kercher und Furleuth, Leuman- steyn- vnd Sandfurern zegeben, steht
    in bedenken:
    • Denselben ist bishere bei irer eigen Kost des Tags X Albos, den
      winter acht Albos.
  • Gewöhnliche Tagelöhner: Dreschern, Zeunern, grebern etc.:
    • Des sommers vor michel, so man Jen Kost giebt, des tag X Pf.
    • Im winter die kost vnd einen Albos.
    • Denselben bei irer eigen Kost Sommertzeids III ſs. (Albus?).
    • Winterzeits nach michel II ſs.
  • Ist vorgeschlagen:
    • Das tagloener vnd arbeiter des sommers anzufahen, catedra petri,
      bis michel zur arbeit angehen sollenn den morgenn zu fier
      auren, des abends zu syben abgehen.
    • Im wynter nach michel, angehen zu V auren, abgehenn des
      abends zu VI auren etc. etc.

Der gewöhnliche Tagelohn ohne Kost betrug also nur 3 Albus
oder 32½ Pfennig nach unserer Währung im Sommer, dabei dauerte
die Arbeitszeit von 4 Uhr morgens bis 7 Uhr abends.


Von damaligen Preisen gibt auch das einen Begriff, daſs 1541
Graf Wilhelm die Blashütte zu Ober-Fischbach für 20 Gulden und
1 Malter Korn kaufte.


Das Stahlschmiedegewerbe im Siegerland behielt im 16. Jahr-
hundert noch seinen mittelalterlichen Charakter bei. Die Stahl-
schmiede bildeten eine geschlossene Zunft; sie durften das Land
nicht verlassen. In den Zunftbriefen von 1504 war schon bestimmt,
daſs jeder Stahlschmied schwören muſste, nicht auſser Landes Stahl
zu schmieden oder einen Fremden das Handwerk zu lehren. Die
Stahlfeuer, die sich meistens innerhalb der festen Mauern der Stadt
Siegen selbst befanden, wurden noch mit Hand- oder Tretbälgen be-
dient. Um dem in den sechziger Jahren daniederliegenden Stahl-
gewerbe aufzuhelfen, wurde in einer erhaltenen Urkunde vom 14. April
1563 vorgeschlagen 1): Gute und getreue Stahlschmiede — wo derer
in der Stadt Siegen nicht genug zu bekommen und jetzt vor-
handen wären — in die Stadt, doch unvereidet, Stahl zu schmieden
anzunehmen und zuzulassen. Ferner nicht allein den Stahl so inner-
halb der Stadt Ringmauern
geschmiedet, sondern auch andern
gut geschmiedeten Stahl, der aus gutem Eisen gemacht worden, zur
Erhaltung des Handels in das herrschaftliche Zeichen zu binden etc. —
Vordem hatten also nur die vereidigten Meister in der Stadt Siegen
das Recht, ihrem Stahl das herrschaftliche Zeichen aufzuschlagen. Es
war dies das Wappen der Grafschaft Vianden. Stahlhämmer mit Wasser-
betrieb kamen erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur Ein-
führung. Daraus erklärt sich auch eine Angabe aus dem Jahre 1544
über die lange Arbeitszeit beim Stahlschmieden. Es heiſst dort näm-
lich: „Sechs Centner rar und ein halb Pfund machen einen Karren
Stahl. Dazu muſs man zu schmieden haben 20 Tage.“


In einem Gutachten des Stahlschmiedegewerbes zu Siegen über
die Hebung des Stahls von 1567 werden dieselben Vorschläge ge-
macht wie oben; ferner daſs der Preis von 52 Thaler für den Karren
Stahl aufrecht erhalten werden solle, dafür aber auch nur reiner
Siegener Chur geliefert und nur dieser mit dem fürstlichen Wappen
46*
[724]Nassau.
und Schild, wie es sich gehöre, gebunden werde. Jedoch solle man
sowohl unvereidete Meister, als das Schmieden auſserhalb der Stadt
zulassen, und solle erlauben, auch den auf dem Lande geschmiedeten
Stahl mit dem landesherrlichen Wappen zu zeichnen, jedoch ver-
pflichtete Aufseher bestellen, die darauf acht gäben, daſs guter
Stahl und reiner Chur gemacht und gehalten werde. Auch sei nötig,
daſs der Artikel des Kurbriefes, der den Stahlschmieden Wascheisen
zuzusetzen untersage, bestätigt und dies bei Leibes Strafe ver-
boten werde. Der gute Stahl gab schon in sehr früher Zeit Ver-
anlassung, daſs in Siegen die Waffenschmiedekunst blühte. 1489 lieſs
Graf Johann V. auch bereits Büchsen für Herzog Heinrich von Celle
in Siegen schmieden, die sehr gut befunden wurden. Denn bald da-
nach ging eine viel gröſsere Sendung solcher Feuerrohre nach Celle
ab. Im 16. Jahrhundert wurden Hakenbüchsen und Rüstungen in
Siegen gefertigt und bis nach Brabant verschickt. Drei Pickelhauben
kosteten beim Harnischmacher in Siegen einen Gulden. Unter Jo-
hann V. kostete eine eiserne Pickelhaube 8 Weiſspfennige (Albus). —
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zogen sich die Stahl-
schmieden aus der Stadt an die Wasserläufe.


Der Stahl spielte aber damals noch lange nicht die Rolle, wie
später, und wurde nur in beschränkten Massen erzeugt. Deshalb
bliesen selbst die Hütten, welche den besten Spat zur Verfügung
hatten, mehr Roheisen als Stahleisen. So besagt eine Urkunde von
1569: Die oberste Hütte zu Müsen am Stahlberg blies acht Wochen,
machte etliches Stahleisen, an Hammereisen aber 30 Wagen. Ebenso
lieferten die unterste Hütte zu Müsen 24, die Hütten auf der Alten-
bach 20 und auf dem Dahlbruch 24 Wagen Roheisen zum Verfrischen
(Hammereisen). Die Hütte in der Breitenbach hielt sich nur an
Hammereisen oder Roheisen und brachte 36 Wagen = 43200 kg in
der achtwöchentlichen Reise (à 48 Hüttentagen), oder 900 kg in
24 Stunden aus.


Auch wollten die Hammerschmiede das Stahleisen nicht höher
bezahlen als das Roheisen. Der Wagen Stahlstein kam damals ein-
schlieſslich des Fuhrlohns von Müsen bis Freudenberg, also vier
Stunden Wegs, drei Gulden, oder die Tonne auf 6,50 Mk., zu stehen.
Zehn Jahre früher, in den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts,
hatte ein Wagen Eisenstein von den Eiserfelder Gruben 1,52 Mk.,
der Stahlstein von Kirschbaum 3,36 Mk., der Mollstein oder Lesestein
von Schöneberg bei Gosenbach sogar nur 1,30 Mk. gekostet. Nach
einer schriftlichen Nachricht förderte man im Müsener Stahlberg von
[725]Nassau.
Gertraudis bis den 16. Mai 1585 15 Wagen Stein, diese bestanden
in 12 Wagen weiſsem Eisenstein (Spat) und 3 Wagen braunem Stein.
Von ersterem kostete der Wagen einen Thaler (3,36 Mk.), von
letzterem aber 24 Albus (2,60 Mk.).


An Eisenstein war im Siegerland kein Mangel. So wird von der
Grube Kirschenbaum bei Eiserfeld, von welcher schon 1495 gemeldet
wird, daſs sie seit langer Zeit im Betriebe stehe, aus dem Jahre 1571
berichtet: Der mittlere und untere Kirschenbaum wäre beständig in
gutem Bau und bei Menschen Gedenken nicht in Abgang gewesen,
wenn auch manchmal eine Grube eingegangen, sei dagegen eine
andere aufgekommen. Die Grube Kirschenbaum übertraf aber damals
den Müsener Stahlberg in der Förderung. Sie lieferte wöchentlich
10 Wagen Eisenstein, der mit zwei Gulden (5,20 Mk.) der Wagen
bezahlt wurde.


Die siegensche Eisenindustrie war dagegen sehr abhängig von
der Waldwirtschaft und in ihrem Umfange beschränkt durch das jähr-
lich aufzubringende Kohlenquantum. Dadurch war die Zahl der
Hütten und der Hüttentage gegeben.


Die Beschränkung der Hüttenzeit, welcher wir schon in den
ältesten Nachrichten über den siegenschen Eisenwerksbetrieb be-
gegnen, reichte dafür allein nicht aus. Ebenso wichtig war die Be-
schränkung der Anzahl der Werke. Auch diese hatte sich als ein
Gewohnheitsrecht aus den Verhältnissen herausgebildet, erhielt aber
landesherrliche Bestätigung und Bekräftigung durch den wichtigen
Erlaſs des Grafen Wilhelm von Nassau vom 12. Sept. 1555, in dem
er, um den Nachteilen, welche aus dem Mangel an Holzkohlen den
bestehenden Werken erwuchsen, vorzubeugen, diesen gegen Ent-
richtung von 2100 Gulden für sich, seine Erben und Nachkommen
bei seinem gräflichen Worte das Versprechen erteilte: hinfürter
und bis zu den ewigen Tagen keine Blas-, Gieſs-,
Hammer- und Stahlschmiedshütte für sich, seine Erben
und Nachkommen von Neuem zu bauen oder andere
Unterthanen bauen zu lassen
.


Das erforderliche Kohlenquantum suchte man möglichst festzu-
stellen und sowohl den Hüttenbetrieb als den Waldbetrieb danach
einzurichten. In dieser Weise berechnete man den Holzkohlenbedarf
im Jahre 1563 zu 6656 Wagen Kohlen. Die Zahl der Siegerländer
Blas- und Hammerhütten betrug nämlich ohne Holdinghausen und
Lohe, die herrschaftlich waren, 32; jeder stand eine achtwöchentliche
Blasezeit zu; der Kohlenverbrauch pro Hüttentag betrug einschlieſs-


[726]Nassau.
  • lich des Röstens vier Wagen, also   48 × 4 = 192 Wagen,
  • ferner zum Anheben oder Anblasen im
    Herbst und Frühjahr  16 „
  • Summa   208 Wagen

für eine Hütte, also für die 32 obiges Quantum.


Dies reichte aber nicht aus, weil mehrere Hütten über die be-
stimmte Zeit „wider den Kurbrief“ bliesen.


Der Waldwirtschaft wendete deshalb die Landesherrschaft die
allergröſste Sorgfalt zu, und am 18. Jan. 1562 erlieſs Graf Johann zu
Nassau eine ausführliche erneute „Holz- und Waldordnung“ 1). In
der Einleitung zu derselben wird geklagt, daſs im Betriebe „der Ge-
hölze, Haugeberge vnnd Hochgewalde“ viel Unordnung eingerissen
sei, wodurch den Unterthanen und noch mehr deren Nachkommen
groſser Schaden erwachsen würde, „also das der Eysen-, Stahl-, Bley-
vnnd Kupfferhandell, in denen nit das geringste Gewerbe, Hand-
tierung vnnd Narung, in dieser Vnnser Landtsarth stehet, gar zu
Boden gehen würden“, deshalb wird zur Besserung die folgende Ord-
nung erlassen:


1. Sollen die „Hayn“ in rechter Gröſse und Alter gehauen wer-
den, „damitt man zu fruchtbarer Wachsung des Gehölzes widder-
khomen vnnd den Eysen-, Stahl-, Bley- und Kupfferhandel bestendig-
lich treyben“, denselben auch den Nachkommen erhalten möge, soll
kein Haugberg noch Hayn gehauen werden, er sey denn 15, 16 und
18 Jahre alt, „damit das Gehöltze in seiner ziemblichen Gröſse zue
Kohlen, und auch zu Brennen desto Tüglicher sey vnnd widerumb
desto ehr wachsen möge“. —


Die Hiebe sollten in den Gemeinden jedes Jahr durch den Wald-
förster und Kohlenmeister ausgeteilt werden. Das Holz sollte nicht
im Mai, sondern im Brachmonat gehauen werden. Hierauf folgen
Bestimmungen über Schonung der Hauberge, Viehtrieb in den Haynen,
über das Brennen und die Kornsaat etc. Es wird erwähnt, daſs das
Gehölz sich viel lieber nach „Heydlifs“ (Haidekraut) als nach Korn-
saat anpflanzt, besonders das Birkenholz. Das Weidevieh soll für
jede Gemarkung bestimmt werden. Besondere Vorschriften sind zum
Schutze der jungen Eichen erlassen. Die Kohlenmeiler sollen auf
den alten Plätzen wieder errichtet werden. Zum inneren Ausbau soll
man Buchen- und nicht Eichenholz verwenden. §. 33 bestimmt: „Es
[727]Nassau.
soll kein Fremdling in Stat noch Dorffes dann mit Vorwissen der
Obrigkeit als Bürger oder Inwoner auffgenommen werden. Vnd sollen
in jedem Dorff nit mehr Heuſser dann wie itzo zu bauen zugelassen
sein (!): Nachdem in dieser landsarth wenig Fruchtbare tragende
Gueter, an Wiesen, Weide, Ecker vnd Felder seint, das sich die
menge vnd viele des Volcks, so je lenger je mehr zunimpt, schwer-
lich darin erhalten werden mögen und da lenger zugesehen werden
solt, künftiglich mitt einander verderben, vnnd doch letztlich ab-
ziehen müsten: So ordnen vnd wollen Wir: daſs keine Neubauten
aufgeführt und kein Holz für solche verabfolgt werde.“


§. 38 bestimmt, daſs auf den Höhen nicht geschürft werden dürfe,
weil der Eisenstein da nichts tauge, sondern Stollen in der Tiefe
(also kein Tagebau sondern Streckenbau) getrieben werden sollen.


§. 41 schärft ein, daſs die Fischerei Regal sei und dem Landes-
herrn zustehe: „Als Wir auch inn Erfarung khommen, das viel
Vnserer Vndersaſsen Burger vnd Bauern vnd sonderlich die Hütten
Leuthe vnd Müller aigene Fisch-Hamen haben sollen, So gepieten wir
hiemit ernstlich vnnd bey schwerer Straf, das sich ein jeder der-
selbigen zum allerfurderlichsten entaisern vnd keinen bey sich finden
lassen, vnd sich des Fischens hinfurter enthalten sollen vnd Wollen
mitt der gnedigen Erpietung, da jemandt, so Mann so Weib, Schwach
oder sonst der Gelegenheit weren, das si sonder lust zu einem Essen
Fisch hetten, soll denselben vff ir Glaubwürdig Anzeigen jeder Zeit
durch Vnsere jedes Orts Bevelchhaber, durch den Fischer ein Essen
Fisch verschafft werden, dem Reichen vmbs Gelt, dem Armen vmb
Gotts willen.“


Der Graf beruft sich in dieser Waldordnung auf ältere Ord-
nungen seines Uraltvaters und Altvaters, beide Grafen Johann zu
Nassau. Wir ersehen aus derselben, daſs damals schon die Haubergs-
wirtschaft
, eine mit einjährigem Getreidebau wechselnde Niederwald-
wirtschaft, im Siegerland bestand. Dieselbe entsprang aus der Armut
an Ackerland und dem auſserordentlichen Bedürfnis an Brennmaterial
für die Industrie und hat sich nirgends in solcher Schärfe entwickelt
wie hier 1). Hauberge kommen im Siegenschen schon 1467 vor.


Die Hauberge sind niedere Waldungen auf Bergen, die in perio-
dischen, auf nicht viele Jahre gesetzten Zeiten zugleich abgeholzt
werden, damit sie wieder aus ihren Stöcken und Wurzeln neue Loden
[728]Nassau.
treiben. Das Holz war meist Eichen und Birken, weshalb man
Eichen- und Birkenhauberge unterschied. Sie hatten dreifachen
Nutzen, dienten als Nutzwald, sowie zeitweise als Felder für Getreide-
bau und als Weide für das Vieh. Sie waren Eigentum bestimmter
Gemeinden, doch besaſsen auch die Hütten zuweilen Hauberge. Bei
dem Verkaufe einer Hammer- und Blasehütte im siegenschen Hain-
gerichte 1483 werden die dazu gehörigen Hauberge mit verkauft 1). Die
Hauberge sollten, wie wir oben gesehen haben, 15 bis 16 bis 18 Jahre
alt sein, ehe sie wieder geschlagen werden durften, damit nicht allein
das Holz eine solche Stärke erhielt, als zum Verkohlen für die Eisen-
hütten und Hämmer erforderlich war, sondern damit auch das Ge-
treide in besserer Güte und gröſserer Menge wachsen konnte, weil
die Erfahrung gelehrt hatte, daſs das Korn in dem alten Grunde
besser als in einem unzeitigen Berge zu wachsen pflegte. Damit die
Hauberge aber so wirtschaftlich wie möglich ausgenutzt würden, war
bestimmt, daſs jede Haubergsgemarkung durch sachverständige Schult-
heiſsen, Förster und Schöffen überschlagen und dem Befinden nach
in 16 bis 18 oder 20 Häue geteilt und diese in regelmäſsiger
Folge abgetrieben wurden
. Diese rationelle Waldwirtschaft in
Verbindung mit der Hüttenordnung sicherte den Bestand der Sieger-
länder Eisenindustrie.


Beide Ordnungen wurden am 18. August 1586 aufs neue ver-
öffentlicht unter dem Titel: „Geschworene Montagsordnung des
Amtes Siegen.“ Diese Bezeichnung, die aber viel älter ist, rührte
daher, daſs am „Geschworenen Montag“ über alle Vergehen gegen
diese Ordnung abgeurteilt wurde. Die geschworene Montagsordnung
faſste die Bestimmungen der Kurbriefe, die Waldordnung, sowie alle
sonstigen früheren Haushaltungsgesetze zusammen. Sie ist deshalb
zum Teil eine Wiederholung des bereits mitgeteilten, zum Teil enthält
sie auch Neues. Die Waldordnung, mit der sie beginnt, ist fast wört-
lich mit der oben erwähnten von 1562 übereinstimmend.


§. 22 bestimmt sodann, daſs die Schultheiſsen jedes Jahr sämt-
liche Gebäude auf ihre Bau- und Feuersicherheit revidieren sollen,
und daſs in jedem Orte zwei beeidete Feuerbeseher angestellt werden.
Erhält jemand Eichenstämme als Bauholz aus dem Walde, so ist er
verpflichtet, bei jedem Stock vier junge Eichen für den Nachwuchs
zu setzen. Ferner ist jeder Hausmann verpflichtet, jährlich fünf junge
Bäume zu setzen, entweder nach der Lage seines Besitzes auf seinem
[729]Nassau.
Grund oder auf dem der Gemeinde. Über den Eisenhandel, die
Massenbläser, Hammerschmiede, Stahlschmiede und Köhler enthält
die Montagsordnung folgende Bestimmungen:


„Nachdem auch der Eisenhandel die vornembste Nahrung
dieses Ambts Siegen ist
, So sollen beide Berckmeister zu Siegen
und vfen Mueſsener Berge, mitt allem Vleiſs zusehen, daſs des Wol-
gebornen vnsres gn. Herrn Bergkordnung, so Jerlichs am Berckgericht
verlesen wirdt, vnd von wegen des Moiſsner Berges vnd Bergkwercks,
vff gericht ist, deren gelebet vnd nachgeutzt werde, das vnder den
Gewerken vnd Arbeitern Friede, Recht vnd Gerechtigkeit gehalten
einem Jedern, so in Bercksachen bey Ihnen ansuchtt, was recht vnd
pillich ist, gestattet vnd verholffen. Aller Betrugk, Boſsheit vnd Vn-
rechtt vff den Berckwercken abgewandt, vnd hinder man dessen oder
andere vngeburliche Handell befunden wurden, den Befelchhabern zu
Siegen alsbaldt vorbracht, vnd die Verbrecher zu ernster gebürlicher
Straff getzogen werden.


Weiter heiſst es dann (Corpus const. Nassov S. 506):


Vnd dieweill vornehmblich beidts den Gewercken vnd Arbeitern
an den Gedingnissen nitt wenig gelegen, so sollen die Berck-
meister, ein Jeder an seinem Ort, wan Gedingnisse zu machen
vorfallen, druff sehen, daſs die in Beisein etzlich verstendiger Ge-
wercken, nitt in den Hallen, sondern in den Gruben, nach beschehener
vleiſsiger Erkundigunge, Besichtigung vnd Behaugung der Ortter,
doruff man zu dingen willens, vffs negste also gemacht werden, damit
die Heuger zukommen vnd die Gewercken nit obersetztt werden, vnd
hierin, wie auch in allen andern Bercksachen, Niemandts widder
Pilligkeitt beschwerdt werde.


Vnd nachdem in der Höhe der vnarttigst vnd schlechteste Isen-
stein, in der Tiefe aber der beste Sambstein einzubekommen. So
sollen Massenblöser, Isenhendler, Hütten- vnd Berckleutt, sowohl
Ihnen selbst als auch dem gantzen Land zum besten, vff daſs das
Eisen vnd der Eisenhandell in gutem Rhum vnd Wesen bestendig
erhalten werden möge, Stollen in die Tieffen treiben.


Die altenn vnbrauchbaren Bergkgruben vnd Mollttkautten aber,
so an den gemeinen Wegen und Straſsen, Viehetrifften vnd sonsten
vffgeworffen, sollen erstes Tags durch dieselbe Berckleutth, damitt
Menschen vnd Viehe kein Vnglück widerfahre, zugeworffen, auch
ohne Vorwissen in andre Leutt Gütter nitt geschürfft werden.


Eſs will auch der Wolgeborn vnser Gnedig Herr, allen vnzünff-
tigen Partierern vnd Hendlern, so die Massenblöser vnd Hammer-
[730]Nassau.
schmidts Brüderschafft nitt haben, den Verkauf vnd Verlagk rohen
Eisens vnd Kohlen, wie auch des Eisensteinns, bey Verlust des be-
legten, gekaufften, getauschten, oder vnderm Schein als an Schuldt
bekommenen rohn Isens, Isensteins vnd Kolen, keineswegs gestatten,
noch vngestrafft lassen, dorunder zugleich mittbegriffen seindt die-
jhenige Stalschmidde, so das rohe Eisen heuffig vnd mher dan sie
zu Ihren Stalhämmern bedürfftig, einkauffen vnd hinwidder ver-
partieren.


Beneben dem soll auch niemandts einig rohe Isen, so alhie im
Ambt Siegen geblasen worden, auſserhalb Lands zuuerkauffen oder
zuuertauschen gestattet, Sondern was ein Jeder dessen nitt selbst
verschmidden läſst, daſs alles soll er Inlendischen Hammerschmidden
vnd denen so zum Eisenhandel berechtiget sindt, In geburlichem
Landtleuffigen Kauff zu vberlassen schuldig sein.


Gleichergestaltt ist vor nütz vnd gutt angesehen, soll auch dor-
über steiff vnd vest gehalten werden, das hinfurtter keine Kolen auſs
dem Bezirck dieses Ambts Siegen ahn frembde Ortt, als im Stifft
Cölln, Grafschaft Sayn vnd Wittgenstein, Herschaft Wildembergk vnd
andere vmliegende Ortt vff Hütten vnd Hämmer, deren Gewercken
im Ambt Siegen nitt zünftig, verführt, noch gevolgtt werden sollen.


Eſs soll kein Köler seine Kolen vff Fewrung vffschütten oder
schopfen, sondern stracks von der Gruben ab, vnd den Massenblösern
vnd Hammerschmidden, bey- vnd zuführen. — Ingleichen soll kein
Köhler einigem Massenblöser oder Hammerschmidt, seine Kolen vff
der Gruben lieffern, sondern selbst davon abführen vnd vff die Hütten
bringen.


Ein Massenblöser oder Hammerschmidt, so vff rohe Eisen, Eisen-
stein vnd Kohlen, den Verlagk gethan, Soll vor allen andern Glau-
bigern, die nach Ime verlegt haben, den ersten Vorgang haben, vnd
aus dem verlegten Gut so viel dessen vorhanden, oder auſs andern
des Schuldigers vnuerpfendten Güttern, zuuorderst bezalett werden,
derhalben sollen Köler vnd Berckleuth zusehen, daſs sie nitt mehr
Geld vffnemmen, dan sie Jederzeit mit Eisenstein vnd Kohlen zu
lieffern vnd zu betzahlen gedencken, Auch dem ersten Verleger von
dem verlegtten Gutt, bey ernster Straff, nichts entwenden noch andern
zukommen lassen, damit sie sich vnd die Ihren endtlichen nitt selbst
mit andern in Schaden und Verderben führen.


Es war also damals noch strenge verboten, Roheisen auſser Landes
zu verkaufen. Alles Roheisen sollte im Lande selbst verfrischt und
verschmiedet werden.


[731]Nassau.

Wir haben schon zuvor erwähnt, daſs in den sechziger Jahren
des 16. Jahrhunderts die Verhältnisse der siegenschen Eisenindustrie
sich ungünstig gestaltet hatten. Waren 1563 noch 32 Hütten im
Betriebe, so standen 1567 nur 25 in Umgang, welche nach der An-
gabe der Massenbläser jährlich 1200 Wagen Roheisen, die Produktion
jeder Hütte auf 48 Wagen gesetzt, liefern und wobei ungefähr noch
100 Wagen an Wascheisen fallen, so daſs der ganze jährliche Ertrag
des Roheisens überhaupt auf 1300 Wagen = 1460000 kg kommen
sollte.


Guſswaren („das Guſswerk“) verkaufte man in diesen Jahren
für 40 Räder-Gulden den Wagen oder 86,66 Mark die Tonne und
sieben Hütten gaben sich mit dessen Verfertigung meistens ab, und
bliesen nur weniges Roheisen. Unter den Guſswaren spielten Öfen
und Ofenplatten die Hauptrolle, die schon 1505 erwähnt werden.
Unter Johann V. kostete 1 Centner gegossene Platten 22 Weiſs-
pfennige. Die Ofenplatten hatten guten Absatz nach Brabant. Auch
Munition wurde auf den siegenschen Hütten viel gegossen. 1535
lieſs Graf Wilhelm 200 Centner Kugeln auf einmal gieſsen. In den
Jahren 1563 und 1564 bestellte Herzog Johann Wilhelm von Sachsen
wiederholt guſseiserne Öfen in Siegen 1).


Eisenhämmer waren 16 vorhanden. Die Guſswaren hatten die
Massenbläser in den oben angegebenen Roheisenbetrag mit ein-
gerechnet. Dieses deckten die Hammerschmiede auf, als sich die
Massenbläser über die Einfuhr fremden Roheisens beschwerten.


Im Jahre 1569 reduzierten die Massenbläser die jährlich auf
22 Hütten zu erblasende Roheisenmenge auf 700 Wagen. Die Hütte
unterm Hain war 60 Tage oder 10 Hüttenwochen zu 6 Tagen ge-
rechnet zu Hütten privilegiert und lieferte in dieser Reise 30 Wagen
Roheisen und ebensoviel Guſswaren (also 1200 kg per Tag). Die
zwei Hütten zu Marienborn durften 14 Wochen gehen und bliesen
die Hälfte der Reise 50 Wagen Roheisen und die andern machten sie
Guſswerk, und so lieferten die übrigen Hütten nach Verhältnis der
Reisen und der Zeit, die sie auf Roheisenblasen verwandten, 48, 40,
30, 24 und 20 Wagen Roheisen.


Allein die Hammerschmiede widersprachen dieser neuen Aufstellung
und gaben in ihren Einreden nicht zu, daſs die Hütten nur 700 Wagen
Roheisen ausbrächten. Denn z. B. die Hainer Hütte brächte es nur auf
50 Wagen Eisen, wovon die Hälfte in Guſswerk bestehe und die Marien-
[732]Nassau.
borner Hütte stiege im Ausbringen nicht über 70 Wagen, folglich
blieben ebenfalls nicht mehr als 35 Wagen für Roheisen u. s. w. Die
Massenbläser blieben die Antwort schuldig.


In demselben Jahre 1569 gingen weitere drei Hütten, die zu
Birlenbach, zu Eisern im Dorf und zu Blittershagen ein, dagegen er-
scheinen neu eine Hütte auf der Wilde und eine vor dem Altenberg.
1559 wird eine Hütte am Deutzer Weiher genannt. Das Roheisen
war im Abschlagen, und man verkaufte solches im Siegenschen zu 26,
im Sayn-Altenkirchischen zu 20 Räder-Gulden den Wagen oder zu
56,33 und 43,33 Mk. die Tonne.


Im Jahre 1570 schmiedete man auf den Hämmern etwas über
32 Wochen und verbrauchte wöchentlich 40 Wagen Roheisen; es
verarbeitete also jeder Hammer 2½ Wagen in der Woche. Nach
diesen Sätzen hätten die Hammerschmiede mit 1280 Wagen Roheisen
auskommen müssen; aber sie reichten kaum mit 1350 Wagen aus.
Zur Deckung ihres Bedarfs waren sie zum Ankauf im Ausland ge-
zwungen.


Im Folgenden geben wir eine Zusammenstellung der wichtigsten
Preise.


[733]Nassau.

Der Eisenhandel war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
noch Privilegium der Landesfürsten. Erst am 12. September 1555
erfolgte die Abtretung des Rechtes zum alleinigen Eisenhandel seitens
des Grafen Wilhelm von Nassau an seine Unterthanen 1).


Ihren Absatz hatten die siegenschen Schmiede, welche in älterer
Zeit nur ordinäres Stab- und Zaineisen und Schienen (16 bis 18 auf
die Wag) machten, an den Rhein, die Weser und nach Hessen. Ins-
besondere besuchten sie auch die Messen zu Frankfurt, die Märkte
in Worms und andere groſse Jahrmärkte. Besonders gut ging der
Handel 1567 bis 1587 nicht nur in Frankfurt, sondern die Schmiede
übernahmen vorteilhafte Akkorde direkt nach dem Oberland zwischen
den Messen zu liefern. Der Hauptabsatz folgte aber dem Siegthal
und ging nach Köln und Brabant.


Die Guſswaren des Siegerlandes hatten ebenfalls guten Absatz.
So lieſs sich 1562 Herzog Wilhelm von Sachsen von der ernestinischen
Linie eine groſse Sendung guſseiserner Öfen kommen und bittet des-
halb den Landgrafen von Hessen, dieselben frei durch sein Land
passieren zu lassen.


Südlich von Siegen im Grunde von Seel und Burbach, dem
Freiengrund, auch „Hickengrund“ 2) genannt, befanden sich fünf
Eisen- und Stahlhütten, die eine den siegenschen Hütten überein-
stimmende Verfassung hatten. Die Eisengewinnung wurde dort
bereits im 15. Jahrhundert schwunghaft betrieben. Dies wird urkund-
[734]Nassau.
lich erwiesen durch einen Vertrag 1) zwischen dem Grafen Gerhard von
Sayn und dem Grafen Johann zu Nassau: des Grundes Sele und Burbach
halber etc. 1478 auf donnerstag nach unsrer lieben Frauen thag
Assumpcionis (20. August). Aus dem Inhalt dieses Vertrags läſst
sich schlieſsen, daſs die Eisenindustrie in beider Herren Länder schon
lange zuvor blühte. In diesem Vertrage, der Mittwoch nach Andreas
aufs neue bestätigt wurde, übernehmen die Fürsten die gegenseitige
Verpflichtung, daſs ein Eisensteinverkauf von einem Land in das
andere nicht stattfinden und der Bestand der Hütten nicht vermehrt
werden soll, dagegen sollen die Meister die Arbeiter von beiden Graf-
schaften anlernen u. s. w.


Die betreffenden Paragraphen lauten:


§. 6: „Es ist auch mehr beredt als vmb die Schmeltzunge, huitten,
steyne vnd kolen zusschent vnser beider landschaft vnd ist die mey-
nunge, das wir es von beiden teilen darmit gutlichen vnd freunt-
lichen helte, so das die meister von den huitten vſs der grafschaft
Nassauwe jn der grafschaft von Seyne arbeiten, vnd die vnderthanen
da leren mögen vnd das man uſs der grafschaft von Seyne weder
steyne vnd kolen jn die grafschaft von Nassauwe vnd weder uſs der
grafschaft von Nassauwe jn die grafschaft von Seyne verkeuffe, doch
also welcher von vns vorgenannte Heren vor sich selbst steyne oder
kolen behoven werden, das vnser iglicher der in syne lande den vor-
stant mit dem kauffe habe vor jedermann. Es soll auch eyn iglicher
vnser beider vntersaisse der die Kunst geleirt wirt, vnser iglichem
vnder wilchem er seſshafftlich ist, geloben vnd sweren, die Kunst
nimmer buyssen (auſserhalb) vnser beyder grafschaft von Seyne vnd
Nassauwe zun lern oder brengen, were aber das eynicher also übel-
tedich würde, die gelobte vnd eyde neyet heilde, vnd die Kunst
buyssen die grafschaft von Seyne vnd Nassauwe leirte, der solde
synem heren, vnder deme er gewesen ist, verfallen syn vor lyp
vnd gut.


§. 7: Voirter ist insunderheit bereidt vertadingt, das wir beyde
heren vorgenant nu vort me nach Datum dieſs brieffs keine neuwe
hütten jn beiden vnsern landen machen vnd bauwen sollen, sonder
die huitten, itzund jn vnsern landen synt, bauwelich halten oder ver-
gahen laissen, nach vnsern gefallen etc.


[735]Nassau.

Also schon damals erschien eine Vermehrung der Hütten des
Holzverbrauchs wegen schädlich.


Die Eisenwerke in der südwestlich von Siegen gelegenen Graf-
schaft Sayn-Altenkirchen1), in welche die Siegener Erzgänge, be-
sonders der berühmte Hollerter Zug übersetzten, waren im Mittel-
alter von geringer Bedeutung. Erst im 16. Jahrhundert kam auch
hier der Eisenbergbau in Schwung; die Anregung dazu gab die
blühende Eisenindustrie des benachbarten Siegerlandes und die ge-
steigerte Nachfrage der Mark. Im Jahre 1556 erlieſs Sebastian Graf
zu Sayn die erste Bergordnung 2). Damals war ein geregelter Bergbau
erst im Entstehen. Die Eisenerze, die vorher gewonnen wurden,
waren sogenannter Molterstein, der gelesen wurde oder aus den „Moll-
kauten“ 3) kam, kleinen Tagebauen am Ausgehende der Eisenstein-
gänge. Dieselben wurden in Luppenfeuern im Wald, in Waldschmieden
verschmolzen; alte Pingenzüge und Schlackenhügel beweisen dies.
Man findet diese Schlacken immer in der Nähe eines Quellwassers
ohne alle Spuren ehemaliger Schmelzgebäude. Die Mollkauten wurden
ausschlieſslich auf Eisen betrieben, sie finden sich in ausgedehnten
Pingenzügen, besonders auf Langgrube, Waldstollen, Wasserberg und
Kuhlewald (Kaulewald 4). Dort teufte man in der Regel zwei Schächte
neben einander zugleich ab, machte sie durchschlägig und trieb den
einen vor, wodurch er dem andern das Wasser löste. Kam man mit
dem ersten Schacht zu tief in das Wasser, so verlieſs man ihn und
fing einen neuen an und fuhr in dieser Weise auf dem Streichen
des Ganges fort. Auf dem Hollerter Zug wurden Eule und Alte
Hollert in dieser Weise gebaut. Von älteren Massenhütten wird nur
die Fischbacher Hütte im 16. Jahrhundert genannt. Hammerhütten
konnten in jener Zeit gegenüber der siegenschen Konkurrenz nicht
aufkommen.


1603 erlieſs Graf Wilhelm zu Sayn eine Hammer- und Blase-
hüttenordnung nach dem Muster der Siegener.


Ganz anders verhielt es sich in der Herrschaft Dillenburg.
Dort stand schon im 15. Jahrhundert die Eisenindustrie in Blüte
und wurde in rationeller Weise betrieben. Dillenburg stand mit
Siegen unter der Herrschaft der Grafen von Nassau aus der Otto-
[736]Nassau.
nischen Linie und diese wendeten auch der Eisengewinnung im Dillen-
burgischen ihre landesväterliche Sorgfalt zu. In den Renteirech-
nungen von 1444 werden bereits fünf Eisenhütten erwähnt. Eine der
ältesten stand zwischen Eisemrod und Ibernthal. Dieselbe wird be-
reits in einer Urkunde „Die nativit. Mariae virginis“ 1434 erwähnt 1)
(I. 781). Sie gehörte zwei Einwohnern aus Eisemrod, die damit be-
liehen waren und nach einer Schenkung des regierenden Grafen den
jährlichen Bodenzins an den Altar und die Kapelle „hellige crucis“
zu Tringenstein entrichten muſsten. Er betrug 18 Turnos 2). In der
Rechnung von 1449 ist bei dieser Hütte bemerkt „lyt woste“, liegt
wüste, und in späteren Rechnungen wird sie nicht mehr erwähnt.
Der damalige Pfarrer von Tringenstein, Johann Schelt, giebt als
Ursache an, daſs der Graf aus dem Schelder Wald kein Holz mehr
habe folgen lassen wollen. Später stand eine Mühle an der Stelle,
aber rings um dieselbe lagen Eisenschlacken. Die Eisenhütten hatten
damals Holzgeld und Bodenzins zu entrichten. Das Holzgeld jeden-
falls für ihren Holzbezug aus den fürstlichen Waldungen. Im Jahre
1477 wurden diese beiden Abgaben mit einander vereinigt. Die fünf
in den Rechnungen von 1444 erwähnten Hütten, nämlich die zu
Dillenburg, Haiger, Wissenbach, auf der Schelde und zu Eisemrod,
entrichteten zusammen in genanntem Jahre an Holzgeld und Boden-
zins 128 Gulden 3). Die alte Dillenburger Eisenhütte wurde vor 1523
abgebrochen und gegen Ende der zwanziger Jahre zu St. Thönges
bei Steinbach, einer dem heiligen Antonius geweihten Kapelle, wieder
aufgebaut. Sie wird in den Rechnungen von 1530 mit 18 Gulden
Hüttenzins aufgeführt, während die alte Dillenburger Hütte nur
16 Gulden 6 Turnos zu bezahlen hatte. 1453 wird eine Hütte bei
Widderstein und um dieselbe Zeit zwei Hütten zu Steinbrücken und
bei Ebersbach erwähnt.


Alle diese Hütten waren keine Hochofenhütten, sondern Renn-
werke. Erst Ausgangs des 16. Jahrhunderts begann man im Dillen-
burgischen Hochöfen zu bauen.


An Holz war im 15. Jahrhundert noch kein Mangel. Fast jeder
konnte seinen Holzbedarf auf seinem, oder der Gemeinde, deren Mit-
glied er war, Eigentum fällen oder aus dem überständigen Holze in
den herrschaftlichen Waldungen und auf dem zum Anrotten be-
[737]Nassau.
stimmten Waldbezirken unentgeldlich erhalten 1). Doch muſste jedes
Haus jährlich etliche Mesten Hafer unter dem Namen „Schultheiſsen
und Försterhaber“ als eine Vergütung für die freie Beholzung ab-
geben. Diese Abgabe wurde aber schon im 15. Jahrhundert wieder
aufgehoben. — In einem Bericht des Rentmeisters Wyshenne über
die Waldungen des Gerichtes Ebersbach vom Jahre 1466 sagte der-
selbe, es sei soviel verdorrtes Holz in dem Wald, mehr als die ganzen
Waldungen von Struth und Eberhart einnehmen. „Wollte Euer
Gnaden das Holz lassen kohlen, euer Hütten sollten es zwanzig Jahr
genug haben.“


Die abgeholzten Waldungen, Gebüsche und Wüsteneien boten
ausgedehnte Weideplätze für Rindvieh, Schafe und Ziegen und häufige
Mast für Schweine dar. Für die Benutzung der Weide in den Wäldern
wurde Wiesenhafer, für die Mast Masthafer, und zwar von jedem
Schwein zwei auch wohl drei Mesten erhoben. Erst unter der Re-
gierung des Grafen Wilhelm fingen die Besorgnisse wegen Schmäle-
rung der Holzungen durch das willkürliche Hauen in den Wäldern
an. Man ergriff Maſsregeln dadurch dagegen, daſs man mit Wittgen-
stein Tauschkontrakte über Kohlen und Eisenstein abschloſs. — Der
Eisensteinbergbau kam im 16. Jahrhundert im Dillenburgischen in
groſse Blüte.


Um Nanzenbach herum war sehr alter Bergbau auf Eisenstein.
Das Eisensteinbergwerk auf dem Biberstein war schon vor 1537 im
Betriebe. Das Bergwerk war in fünf Stämme geteilt. Es hatte dem
Landesherrn den Zehnten in natura zu entrichten und die Zubuſse
in Frankfurter Währung auf einen zu bestimmenden Tag bei Verlust
des Berganteils voraus zu zahlen. Graf Johann der Ältere, ein groſser
Beförderer des Bergbaues, baute ein Stammteil mit und lieſs das
Grubenholz, nach altem Brauch, unentgeldlich verabfolgen. Der Wagen
Stein, welcher 28 herbornsche Kornmesten hielt, kostete 1589 zehn
Albus Brecherlohn, doch stellte die Gewerkschaft das Gezähe und lieſs
das Grubenholz anfahren.


Ebenso war in der Gegend von Steinbrücken im 16. Jahrhundert
Eisensteinbergbau. Die Grube St. Wolfgang wird 1558, St. Georg
1590 erwähnt; der Prophet Daniel in Seibelseifen 1588. Die hier
gewonnenen Erze muſsten, ehe sie zur Hütte kamen, durch Pochen und
Waschen aufbereitet werden. Das Pochwerk, auf welches die Grube
Beck, Geschichte des Eisens. 47
[738]Nassau.
Segen Gottes schon 1575 ihre Erze zum Pochen und Waschen bringen
lieſs, stand am Wassergraben der Steinbrücker Eisenhütte.


Der Dillenburger Bergbau wurde auf Roteisenstein getrieben.


Die Förderung der Gruben war aber gering, da der Bedarf der
Rennwerke unbedeutend war. Nach den Bergrechnungen von 1547
bis 1552 sind nicht viel mehr als 2040 Wagen Eisenstein gewonnen
und den Hüttenwerken zu Feudingen, Laasphe, Biedenkopf, Ebers-
bach, Steinbrücken, Wissenbach und zu Haiger für 12 bis 14 Albus der
Wagen überlassen worden. Die Rennwerke konnten nur reichen, zarten
Eisenstein verhütten. Auch im Dillenburgischen wurden Büchsen und
Feuerrohre geschmiedet, namentlich in Herborn und Dillenburg. Zu
Anfang des 16. Jahrhunderts wohnten zu Dillenburg zwei Büchsenmeister,
von denen der eine 29 Gulden, der andere 12 Gulden Jahreslohn
erhielt. Bohrmühlen zum Ausbohren von Geschützen kommen unter
Graf Wilhelm zu Dillenburg und Dringenstein vor 1).


Die Sensenschmiederei blühte in Ebersbach und an andern
Plätzen. Aus dem Jahre 1551 stammt


Graf Wilhelms Ordnung der Sensenschmiede.
(Montags nach Mis. Dom. 1551.)


Die Einleitung sagt, da sich „Irrung erhalten zwischen vnsern
vnderthanen den Sensenschmits meistern In ampt Ebersbach vnd an
andern orthen vnsrer Grafschaft“ dadurch, daſs „der Sensen ohn
Ordnung zuuiel gemacht, Das Eisen vnd Kohlen dadurch vertewert
worden, vnd der arm Man den vertriep neben dem Reichen nit woll
haben mogen“ deshalb hat der Graf den Meistern befohlen, daſs sie
sich zusammenthun und eine Handwerkseinigung und Ordnung ver-
fassen und ihm vorlegen sollen. Dies haben sie nach gemeinsamem
Rat gethan und dieselbe zur Konfirmation vorgelegt, „Nemlich dieses
Inhalts:


Das niche furohin Ein Jeder Meister vnd einer wie der ander
Ihnen allen zu nutz, Guthem vnd wolfarth Ein Jedes Jar nicht mehr,
dan zwelff vierteil Sensen machen soll. Wo aber ein meister were,
der einen sohn bey sich bestaden, wilcher mit dem vadder ein brodt
haben wurde, vnd bey einem fewer arbeiten, Sol demselbigen meister
sampt seinem sohn dreitzehen viertheill Sensen zu machen hiemit er-
laubt vnd zugelassen sein, Im fal aber das meister weren, wie es sich
[739]Nassau.
offt begiebt vnd zutregt, das etwa drey oder vier bey einem fewer
arbeiten, Sol derselbigen meister, Jeder funff viertell zuschmiden fug
vnd macht haben.


Und ist hierinnen sonderlich bedingt vnd abgeredt, Beschlossen
vnd von allen meistern Einhelliglich verwilliget, Das ein Jeder meister
kein an das handtwerg nehmen oder lernen soll, Er sey dan vom
handtwerge geboren. Wo auch ledige knecht weren, vnd Ir eigen
brodt vnd fewer hetten, Soll derselbigen einer machen fünff viertell.
Auch seint die meisten Eins worden, Wo sich Irrthumb eines Sensen-
kauffs halber erhebt, Das etwan einer eine sensen kaufft, dieselbige
ein zeitlang gebraucht, vnd hernach derselbigen wandelung begert,
Sol es also gehalten werden. Wan einer ein Sensen kaufft, vnd
Ihme ein zeitlang vom schmitt zu wandeln zugesagt, wie sie dero
eins worden sindt, Sodan In derselbigen zeit dem armen man, der
die Sensen gekaufft, die Sense nit thienlich, So soll der Schmit die
Sensen wieder nehmen, vnd derselbigen Sensen helffen, Das sie dem
armen man, der sie gekaufft hatt, thienlich vnd zugebrauchen sey,
Alsdan sol sie der keuffer wieder nehmen. Truge sich aber zu, Das
der schmit der Sensen nicht helfen kunth, Alſsdan sol der schmit
die Sense wiedernehmen, vnd dem keuffer an derselbigen stadt ein
newe Sensen geben vnd zustellen, die dem keuffer gefellig vnd kauff-
mansguth, vff das der keuffer vor sein geld hab vnd vnbetrogen sey.
Damit sol der Schmitt der Sensen Wandellung gegen dem keuffer
ledig vnd loſs sein.“


Zuwiderhandlungen sollen mit zehn Gulden Buſse dem Fürsten
und mit fünf Gulden dem Handwerk gestraft werden und sollen,
darauf „Schmits Girlach, Schmitthen Hans vnd der Jung Girlach
Gast“ fleiſsig achten und die Aufsicht führen. Diese Ordnung wird
vom Grafen bestätigt „vff montag nach Misericordias domini Als man
zält nach der geburth Christi vnseres lieben hern vnd seligmachers
Tausendt Funffhundert Funffzigck vnd ein Jaer“.


Der Hauptvertriebsort für die Dillenburgischen Eisenwaren war
zu jener Zeit Herborn, und während Siegen seinen Hauptabsatz nach
Köln und nach Westfalen hatte, ging der Dillenburger Eisenhandel
zumeist nach Frankfurt a. M.


Auch in den Teilen Nassaus, welche von den Grafen der Wal-
ramischen Linie
beherrscht wurden, bestand eine alte Eisenindustrie,
leider sind die Nachrichten aus dem 16. Jahrhundert über dieselbe
nur spärlich. Über die Waldschmieden und die Rennwerke im Weil-
thal haben wir früher schon berichtet (Bd. I, S. 959 bis 962). In
47*
[740]Nassau.
den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts verlautet wenig über
dieselben, wir erfahren nur, daſs 1507 die von Reiffenberg eine
Eisenschmiede an der Weil im Amte Usingen anlegten. Daſs die
alten Werke mit Erfolg weiter betrieben wurden, geht aus einer
Beschwerde der Gewerken der Hessen-Zeche bei Weilmünster vom
10. December 1536 hervor, in welcher sie den Grafen Philipp von
Nassau-Weilburg auffordern, die das Aufblühen des Bergwerks
schädigenden Rennwerke auſser Betrieb zu setzen. Am 1. November
1543 verlieh Graf Philipp III. das inzwischen heimgefallene, zwischen
Weilmünster und Winden vor dem Beilstein belegene Rennwerk
Audenschmiede an die Eheleute Johann Mock und benannte Mit-
gewerken von Langenbach und Alt-Weilnau.


Die Bedingungen 1) waren zum Teil dieselben wie bei den früheren
Verleihungen 1421 und 1434 (Bd. I, S. 960, 961):


  • 1. Die Gewerke dürfen keine neuen Mitgewerken auf das ihnen
    verliehene Rennwerk aufnehmen;
  • 2. die Gewerke haben den Grafen alljährlich am 11. November
    durch die beiden Ältesten acht Wagen Eisen nach Weilburg
    oder Weilnau (Amt Usingen) zu schicken;
  • 3. den Gewerken steht freie Weidegerechtigkeit zu;
  • 4. die Gewerken haben die Befugnis, in den Waldungen soviel
    dürres Holz zu sammeln und mitzunehmen, als sie tragen
    können;
  • 5. die Gemeinde Weilmünster hat den Gewerken das erforderliche
    Bauholtz unentgeltlich zu liefern;
  • 6. dagegen haben die Gewerken keinen Anspruch darauf, Mit-
    märker in Weilmünster zu werden;
  • 7. die Gewerke dürfen auf dem Rennwerke Pferde halten, doch
    nicht mehr als vier; halten sie diese Pferde, so sind sie zwar
    frei von allen sonstigen Abgaben und Diensten wegen der-
    selben, haben aber in jedem Jahre eine Frohnfahrt von Bingen-
    heim nach Weilburg oder Weilnau zu leisten;
  • 8. will oder muſs einer der Gewerken seinen Anteil an dem Renn-
    werk oder seine Errungenschaft verpfänden oder verkaufen, so
    steht den Mitgewerken in erster, den Grafen in zweiter Reihe
    das Vorrecht des Kaufes zu;
  • 9. der Graf hat die Berechtigung in jedem Jahre sechs Wochen
    lang in dem Rennwerk für sich arbeiten zu lassen; der Graf
    [741]Nassau.
    hat den Termin dieser sechs Wochen zu bestimmen, soll ihn
    aber den Gewerken zeitig vorher ansagen lassen; die Gewerken
    liefern dem Grafen auf seinen Wunsch in den sechs Wochen
    den nötigen Eisenstein und stellen die Knechte; eine Verlegung
    dieser Gerechtsamkeit aus einem Jahre in ein anderes ist dem
    Grafen nicht gestattet.

Den Hüttenleuten standen demnach dieselben Rechte wie den
Bergleuten zu: Freizügigkeit und freie Benutzung von Wasser, Wegen
und Stegen, Wald und Weiden.


Im Jahre 1551 brannte die Audenschmiede ab. Die vier Ge-
werken machen deshalb am 1. August eine Eingabe an Graf Phi-
lipp III.; stellen ihm vor, daſs eine groſse Feuersbrunst einigen von
ihnen sämtliche Gebäulichkeiten, anderen einen Teil derselben zerstört
habe, und bitten den Grafen dringend, er wolle ihnen das zum Neu-
bau erforderliche Holz, welches sie auf andere Weise nicht zu er-
halten wüſsten, in der Waldung Wonstruth bei Weilmünster anweisen
lassen. — Aus dieser Eingabe ersehen wir, daſs auch hier, ebenso
wie in Siegen, jeder Gewerke seine eigenen Gebäude zur Aufbewah-
rung seiner Betriebsmaterialien, besonders also seine eigenen Kohlen-
schuppen hatte, daſs also auch jeder entsprechend seiner Beteiligung
seine Hüttentage für sich hatte.


Im Jahre 1587 wurde auf der Audenschmiede der erste hohe
Ofen gebaut. Er wurde an derselben Stelle errichtet, wo einst
im Jahre 1434 der Waldschmied Nicolaus Udo das zweite Renn-
werk angelegt hatte. — Am 4. Dezember 1588 stellt nämlich
Wilhelm Wilking, „offengieszer zu der Audenschmieden“, dem
Grafen Albrecht von Nassau-Weilberg vor 1), wie er, nachdem der
Graf ihm, seinem Ansuchen entsprechend, vor Jahresfrist gestattet
„ein hohen offen auf ewer gnaden schmitten, genannet die Auden-
schmidt, anzulegen“, nachdem er weiter für den davon an den Grafen
zu entrichtenden jährlichen Zins genügende Sicherheit und Bürgschaft
gegeben, nach Fertigstellung des Hochofens durch die groſsen Kosten
der Anlage in solche Bedrängnis gerathen sei, daſs er auf das ihm
von dem Grafen zugesicherte Recht des alleinigen Betriebes dieses
Hochofens verzichtet und auf Zureden des Grafen einige andere
Schmiede unter der Bedingung zu Mitgewerken aufgenommen habe,
daſs er von je fünf Wochen 14 Tage lang den Hochofen allein be-
nutzen solle. „Wan dan nun“, fährt Wilking fort, „got lob das
[742]Nassau.
angefangen werck zimlich wol gerathen, viel offen undt andere
materien gegoſsen undt verkaufft, alsz hab am negsten freytag mit
gemelten schmidden ihrer arbeit undt zu beiden seiten aufgewandten
unkosten, wie billig, in beysein ewer gnaden schultheiſzen zu Weil-
munster berechnen undt vergleichen woellen“. Diese Abrechnung
führte aber zu Uneinigkeit, wie der Ofengieſser angiebt, durch die
Schuld und den bösen Willen der Schmiede, die der ganzen Errich-
tung des Ofens feindlich gesinnt waren, obgleich ihnen Wilking
den Centner Eisen mit 2 Gulden bezahlte, während er in Frankfurt
nicht über 27 Batzen (1 fl. 48 Pf., etwa 4,68 Mk.) dafür erlöste und
noch einen Gulden vom Ofen Fuhrlohn geben muſste. Deshalb er-
bittet Wilking den Beistand des Grafen.


Diese Klageschrift gewährt uns interessante Einblicke in die
damaligen Betriebsverhältnisse. Der angegebene Eisenpreis zu Frank-
furt ist auffallend niedrig. — Dies ist die letzte urkundliche Nachricht
von der Audenschmiede im 16. Jahrhundert.


Noch verschiedene andere Waldschmieden werden im 14. und
15. Jahrhundert in der Grafschaft Nassau-Weilburg erwähnt. Die alte
Eisenhütte zu Mödau (Bd. I, S. 755) kam 1326 unter dem Namen
Isensmitte an Nassau. 1403 werden „die Waldsmede“ zu Löhnberg
und 1424 die zwischen Obernhausen und Rückershausen genannt 1).
Es waren dies ebenfalls Rennwerke. Vogel ist der Ansicht, daſs um
1478 die alten Rennwerke in Nassau von den hohen Öfen verdrängt
zu werden anfingen, bringt aber dafür keinen triftigen Beweis vor.
Sicher ist, daſs schon lange vor Errichtung des Hochofens bei Weil-
münster im Jahre 1587 gegossene eiserne Öfen in Nassau im Gebrauch
waren.


1507 legten die Herren von Reiffenberg die oben erwähnte Eisen-
schmiede auf der Sorg an der Weil im Amte Usingen an 2).


Von den an Nassau angrenzenden Gebieten haben wir die Graf-
schaft Sayn-Altenkirchen schon erwähnt. Das Wittgensteinische
war reich an Holz, aber arm an Eisenstein, deshalb bezogen die
nassauischen Hütten aus dem Wittgensteinischen Holzkohlen im Aus-
tausch gegen Erze. Hierüber schlossen die beiderseitigen Grafen
Verträge mit einander. Jede Hütte im Dillenburgischen und Wittgen-
steinischen durfte nur einen Bläser gebrauchen und wöchentlich nicht
mehr als 18 Wag Eisen schmieden 3).


[743]Hessen.

In der niederen Grafschaft Katzenelnbogen, im Süden von
Nassau, war alte Eisengewinnung in der Nähe von Katzenelnbogen
selbst. In flandrischen Zollrollen von 1252 kommt schon ferrum de
Kattenellen vor 1).


Im 16. Jahrhundert blühte die Eisenindustrie in den gräflich
Solmsschen Gebieten. Der Brückenhammer bei Braunfels wurde
schon 1420 erbaut. Daſs zu Kraft-Solms ein Hochofen war, geht
aus den Aufschriften alter Ofenplatten, die dort gegossen wurden,
hervor (siehe S. 301). Er stand in dem früheren „Schmidtenhof“. Die
Eisenhütte bei Laubach kommt urkundlich 1591 vor; die „Unterste
Schmitte“ bei Büdingen wird bereits 1518 erwähnt.


Hessen.

In Starkenburg, der südlichen Provinz des jetzigen Groſs-
herzogtums Hessen
, reicht das Alter der gräflich Erbachischen
Hütte bei Michelstadt bis in das 16. Jahrhundert zurück, denn im
Jahre 1607 wird dieselbe als ein längst bestehendes Werk erwähnt.
In den Eppsteinisch-Stollbergischen Besitzungen der Darmstädtischen
Provinz Oberhessen werden alte Eisenschmieden bei Gedern und
Hirzenhain erwähnt. Es waren dies Waldschmieden.


Im Jahre 1465 verkaufte Eberhart von Eppstein seine
Wüstung der Nider (Niders, Nieder — Niddern) an Kloster Hirtzen-
hain. Er hält dabei aus, „daſs unser Waldtschmid zu Gauder (Gedern)
oder da herum, den wir auf dem vnser han, und künftig der 3 Eysen-
kuten und des Steins im Berge der Wüstung nach Notdurft ge-
brauchen können. Auch soll der Zehnten von Heintzenhen oder ein
ander der auf der schmitten im Nider sitzt dem Kloster zufallen“
(Büdinger Archiv).


In demselben Jahre beliehen die Herren von Eppstein den
Ludwig Funk mit der Waldschmiede bei Gedern (Ortenberger
Archiv).


1520 bezog Kloster Hirtzenhain Zinsen: 1) Uff der Niddern de
agris uff der Smitten und 2) zu Gaudern de agro uff der Smitten.


[744]Hessen.

1578 behielt sich Graf Christoph zu Stolberg das Eisenwerk zu
Hirtzenhain, „wozu der Eisenstein jetzt im Ober-Niedern gelangt
wird“, vor.


Im nördlichen Hessen blühte die Eisenindustrie in diesem
Jahrhundert. Landgraf Philipp der Groſsmütige, welcher infolge
seiner kriegerischen Unternehmungen und seiner Bemühungen für
die Verbesserungen des Heerwesens des Eisengewerbes notwendig
bedurfte, unterstützte dieses energisch. Daſs sich in dem Schlosse,
dem Kloster und dem Rathause zu Kassel schon vor seiner Zeit
eiserne Öfen befanden, haben wir bereits erwähnt, doch wissen wir
nichts über den Ursprung derselben. Der alte Ofen zu Fritzlar mit
der Jahreszahl 1537 ist mit Bestimmtheit als ein hessischer anzu-
sprechen, und von den vierziger Jahren an war der vorzügliche Form-
schneider Philipp Soldan von Frankenberg auf hessischen Eisen-
hütten thätig. Er war lange Zeit in den Diensten der Hospital-
verwaltung des Klosters Haina. Dieses reichbegüterte Kloster hatte
sich schon früher mit der Eisengewinnung beschäftigt.


Anfangs wurde vielleicht nur der Zehentstein auf eigenen Renn-
hütten verschmolzen, im 16. Jahrhundert legte aber das in ein Landes-
hospital umgewandelte Kloster jedenfalls auf Veranlassung von Land-
graf Philipp an deren Stelle Hochöfen an und betrieb in der Mitte
des 16. Jahrhunderts bereits mehrere Hochöfenhütten mit Gieſserei.


Über diese geben Hüttenrechnungen aus den Jahren 1555, 1556,
1573, 1576, 1591 und 1606 im Archiv des Landeshospitals zu Haina
näheren Aufschluſs 1). In den ältesten Rechnungen von 1555 werden
das Hütten- und Hammerwerk zu Dodenhausen und das mit dem
Grafen von Waldeck zu ¼ besessene Gieſs- und Hammerwerk zu
Armsfeld aufgeführt. Die Rechnung über das erstere beginnt:
anno etc. 54 ist ussgeben vnd verrechnet 9 fl. 18½ alb. worden so
zur erbawung vnd anfahrns des giſsoffens. Dieser Ofen wurde mit
seinen Gebäuden, Gebläse und Zubehör 1555 vollendet und in Betrieb
gesetzt. Da jedoch in der „Innam Eyserne Offenn“ ein Rezeſs des
Vorjahres von 67 Centner Öfen vorkommt, so muſs die Hütte schon
vorher als Hochofenhütte bestanden haben, und der Ofen wurde in
diesem Jahre nur umgebaut. Die Hütte von Dodenhausen läſst sich
bis zum Jahre 1591 in den Hüttenrechnungen nachweisen, danach
scheint sie eingegangen zu sein. Die Hütte von Armsfeld erscheint
nur in den Rechnungen von 1555 und 1556. Die Hütte zu Fisch-
[745]Hessen.
bach erscheint in den Rechnungen von 1573 neben der von Doden-
hausen. Fischbach hatte, wie diese, neben dem Hochofen auch einen
Hammer. Gleichzeitig erscheint der Blechhammer von Rommers-
hausen. In der Glanzperiode der Hainaschen Hütten von 1573 bis 1576
werden fünf Werke in den Rechnungen aufgeführt. Im Jahre 1591
wandelte das Kloster die ihm gehörige Schneidemühle „auf der Edder“
bei Frankenberg ebenfalls zu einer Schmelzhütte um 1). Neben dem
Namen des mehrerwähnten Formschneiders Philipp Soldan kommen
wiederholt die Namen der Hüttenmeister Peter von Rolshusen
(aus dem Solmsischen?) und Conrad Scharf vor. Die beiden
letzteren Namen finden sich bereits auf der Platte des Ofens zu
Fritzlar von 1537. Alle waren in Diensten des Klosters Haina und
werden in den Rechnungen genannt, Peter von Rolshusen als
Hüttenmeister „Petter“ und der „Apengeiſser“ Conrad Scharf als
Former und später Meister „Churt“ von Usseln im Waldeckischen.
Dieses Usseln war ein einsames, armes Walddorf, nahe der Sauer-
ländischen Grenze, dessen Einwohner wohl meist aus Berg- und
Hüttenleuten bestanden, welche in der nahe gelegenen Eisenhütte bei
Schwalefeld, im kölnischen Sauerland und zu Haina in Hessen Be-
schäftigung fanden. Derselbe Churt Scharff erscheint deshalb 1549
als Ofengieſser zu Schwalefeld auf der oben erwähnten Ofenplatte
im Museum zu Altena. Schwalefeld war eine waldeckische Hütte,
nördlich von Usseln an einem Seitenbach der Itter gelegen 2). Der
Weg, welchen die Einführung des Eisengusses in Hessen nahm, ging
vom Sauerland aus durch das Waldeckische. Es ist fortwährend von
Hüttenmeistern, Maurern für den Hochofen, aus dem Stift Köln, d. h.
aus dem kölnischen Sauerland die Rede, so daſs bei den Beziehungen,
die am Beginn des 16. Jahrhunderts durch den Erzbischof Hermann
von Köln, welcher ein hessischer Prinz war, gegeben waren, diese
Annahme sehr viel für sich hat. Die Werkleute der Gieſshütten
waren nur während des „Gebläses“ — der Hüttenreise — anwesend.
Die ersten Meister und Former waren aus Usseln, Schwalefeld und
Düdinghausen. — Die kleinen Bäche, welche die Wasserräder der
Hütten- und Hammerwerke trieben, wurden durch Sammelteiche, von
denen gewöhnlich einige hinter einander lagen und die mit hölzernen
Spundwänden gefaſst wurden, gestaut. — Die oberschlächtigen
Wasserräder hatten 10 bis 12 Fuſs Durchmesser. Der Hochofen war
viereckig. Der Hochofenschacht wurde aus Leyensteinen (1555) oder
[746]Hessen.
Lägersteinen, welche 1576 bei dem oberen Teich zu Fischbach, später
bei Altenhaina, auch am Schiefferrain bei Dodenhausen gebrochen
wurden, gemauert; das Gestell dagegen aus feuerfesten Sandsteinen,
die anfänglich von Kassel durch den Hüttenmeister selbst abgeholt
und stets auch von diesem selbst behauen und eingesetzt wurden.
1573 wird der Ort bei Kassel näher bezeichnet:


  • „12 alb. vor 12 stück Denheuperstein … im markt Jacobi zu
    Kassel zaltt und
  • 1 fl. Meister Curtten deme Hüttenmeister vom Herde des
    Schmeltzoffens anzurichten …
  • 6 alb. gemeltem Hüttenmeister vor „den Aushaupf“ (das Aus-
    brechen des alten Gestells).

Hinter dem Hochofen, der vor einer Bergwand lag, befanden sich
die zwei Hüttenbälge, welche durch eisenbeschlagene „Streichspäne“
und Ketten mit der Blasewelle verbunden waren. Die Bälge waren
aus Ahornplatten mit angenagelten Rindshäuten hergestellt und wurden
von Balgmachern zu Homberg gemacht und in stand gehalten, was
darin bestand, daſs die Bälge nicht nur während eines „Gebläses“
geschmiert wurden, sondern auch daſs in jedem Jahre das Leder ganz
abgezogen, beiderseits mit Talg und Schweinefett traktiert und unter
Dichtung mit Leim und Werg wieder mit breitköpfigen Nägeln auf-
geheftet wurde. Deshalb nahm man eben das so feste Ahornholz.
Die Düse von Eisenblech machte der Hammerschmied, während die
kupfernen Formen aus einer benachbarten Stadt bezogen wurden.
Der Eisenstein in der nächsten Umgebung Hainas war ein streng-
flüssiger Roteisenstein, der, um Gieſsereieisen daraus zu gewinnen, mit
anderen Erzen gattiert werden muſste. So erscheinen 1555 und 1556
neben den eigenen Eisensteinen von der Opperwiese, Halghausen,
Udershausen und Keller, fremde Eisensteine von Mellrich, Homberg,
Sachsenberg, Wildungen und Brünchenhain. Durch weitere Auf-
schlüsse wurden aber gutartige Eisensteine in der Nähe erschürft,
so daſs 1573 nur Erze aus der Umgegend aufgeführt werden, nament-
lich ergaben die Erze vom Kaldenbaum, welche bis 1625 nur in
Tagebauen gewonnen wurden, ein zum Gieſsen besonders geeignetes
Eisen.


Von Interesse sind die mitgeteilten Preise; dieselben beziehen
sich hauptsächlich auf die Herstellung der Holzmodelle und sind
sehr niedrig. So heiſst es 1556: 7 fl. 4 alb. Meister Lipsen (Phi-
lipp Soldan) zum frangenpergk geben von eim bildwerk. Die form
vom Jungsten gericht geschnitten vnd sonsten von zwei Bilde eins
[747]Hessen.
genennt Julius Cesar, das ander Carolus magnus; sontags Letare
geben vf beuelch des Hauptmanns; 8 fl. 8 alb. Meister Lippen
geben durch Hermann streithoff zum franckenbergck vor etlich
kreuze vnd Baugwerk oben an die Offen bretter geschnitten vnd
vor zwei bilde Eins Justitia genennt, das ander bilde Lucretia.


Der Tagelohn eines Schreiners betrug damals 3 Albus.


1576: „Wegen der Schmeltz Hutten zu Dodenhausen verbawett:
13 alb. Lodewig Roden, dem schreiner vor 6½ tag zu 2 alb. hatt
eine newe Kugeln Laden vnd die alten Leisten Laden gebessert
zaldt den 2. August.“


Hieraus ersieht man, daſs man sich zum Einformen der Kugeln
hölzerner Formkasten bediente. Etwas höher sind die Preise


1561: Vnkosten vffs offen Gieſsen gangen 24 fl. 24 alb. Jost
Lupoldenn dem Schreiner zu Treisa von den Historien, vom ver-
lornen Sohn, vnd vom Saull zu schneidenn geben, bezallt den
3. Augusti.


2 fl. 11 alb. bemeltem Joist Lupolden vonn 18 tagenn Iden
3½ alb. hatt das Bildwerk verbessert vnnd In gerichtett, bezallt den
13. September. Summa 27 fl. 9 alb.


Die besten Kunden der Hainaer Hütten waren die Landgrafen
selbst. Sie bezogen für ihre Schlösser Öfen und Kaminplatten etc.
in groſser Menge, für ihre Zeughäuser Büchsen, Kugeln, Streugeschoſs
(Kartätschen), Granaten, Hagelgeschoſs (Schrot), Harnischplatten, Rad-
eisen etc., für die Saline Allendorf und die Brauhäuser Pfannbleche
und schwere Schmiedarbeit.


An Öfen wurden nach den Hüttenrechnungen in dieser Periode
gegossen (siehe Tabelle a. f. S.):


Die Käufer waren zunächst der Landgraf und der hohe Adel 1).
1555 kamen Öfen auf die Schlösser zu Ziegenhain, Homberg, Mel-
sungen, Rauschenberg und „für Frau Margarethen“ (den Boyne-
burgischen Burgsitz in Spangenberg erhielt dieselbe erst 1565;
dahin kamen auch zwei eiserne Öfen aus der Hütte zu Haina,
welche 22 fl. kosteten). Sodann auf die Sitze der Herren von
Dörnberg, Schwertzel, Urf und „Schler“. Auſserdem kauften zwei
Bürgerliche.


1556 wurden mit Öfen versehen die Schlösser zu Melsungen,
Friedewald, Wolkendorf, das der Herren von Riedesel zu Eisenbach,
des Abtes zu Hersfeld und der Herren v. Falkenberg; auch das Rat-
[748]Hessen.

haus zu Treysa (14 Centner), die Schule zu Homburg und zwei
Bürgerhäuser.


1573 bringen die Rechnungen bereits ein umfangreiches, nach
Ständen geordnetes Verzeichnis der Ofenkäufer. Dem Landgrafen
wird der Centner mit einem Thaler berechnet, den „Grauenn vnnd
Herren sampt denen vom Adell“ der Centner zu 1 Thlr. 8 alb.
43 Stück werden von Beamten, 24 Stück von Händlern, 63 Stück
von Bürgern in Städten und 30 an „Dorffleuttenn“ verkauft.


Im Jahre 1576 gehen 71 an Händler, 67 an Bürger und 32 an
Bauern. 1591 gehen fast alle Öfen an Bürgerliche und Bauern.


Schon gegen 1571 wurden die Räte des Landgrafen Wilhelm
bedenklich wegen der Waldverwüstung 1), jedoch ohne Erfolg, wie die
gesteigerte Produktion der nächsten Jahre beweist. Die Räte des
oberhessischen Landgrafen Ludwig dagegen antworteten gutachtlich
auf ein Schreiben Landgraf Wilhelms, welches jene Bedenken sich
aneignet: Die Wälder seien wohl etwas hart angegriffen worden,
doch habe das Spital in den Hütten sein vornehmstes Einkommen,
so daſs sie nicht zur Hälfte niedergelegt werden könnten. Beide
Förster und der Spitalmeister sollten nur mit einander und im Ein-
verständnis administrieren und vernünftig wirtschaften. — Bereits in
Klosterzeiten hatte der Landgraf verschiedene materielle Begünsti-
[749]Hessen.
gungen auf Kosten desſelben genossen. Diese wurden bei der Ein-
ziehung des Klosters aufgehoben und in andere, z. B. den Vorkauf
und eine begünstigte Taxe bei Hüttenwaren, umgewandelt. Diese
Vorzugspreise mögen bei der erhöhten Produktion einen Betrag er-
reicht haben, der dem Hospital unbequem wurde, vielleicht that-
sächlich den Wert der ursprünglichen Verpflichtungen überstieg.
Daraus entstanden Differenzen. — Landgraf Wilhelm bestellte z. B.
3000 Kugeln zu „straugeschoſs“ und beschwert sich in einem Schreiben
an den Obervorsteher vom 30. Dezember 1587, man schiene ihm diese
nicht liefern zu wollen und mache Ausflüchte. Der letztere antwortet:
Am Kaltenborn habe sich dies Jahr der Eisenstein „mehrenteils gar
abgeschnitten“, ohne dessen Zusatz die andern Steine „zu Guſswerk
unduchtig“ seien. Das in einem „Gebläs“ erzielte wäre in die
Hospitale, die Festung Ziegenhain gekommen und „10 Woog habe
Landgraf Ludwig zu erbawung eines newen Eisenhammers gen Biede-
kop erhalten.“ Das andere aber sei um baar Geld zu erlangen,
trotzdem es zum Unterhalt der Hütte nötig gewesen, verkauft. —
Wegen Steinmangels habe Landgraf Ludwig den Hammer angelegt,
damit das Hospital mit Abholung Eisens verschont werden möge.


Daſs man an die Qualität des Eisens und an das technische
Geschick der Hüttenleute damals schon ganz bedeutende Anforderungen
stellte, geht aus folgenden Bestellungen Landgraf Wilhelms hervor:
am 1. Juli 1582 bestellt er 12 Röste und 10 Träger aus „sovill mög-
lich wie der Fluſs erleiden will kalt trächtigen stein geblasen“ und
am 9. April 1586 einige dreiſsig Stuck Buchsen (Kanonen), jede
1½ bis 2 Centner aus bestem Eckenfelder Stein zu gieſsen und gut
zu feilen. Sie fallen nach des Hüttenschreibers Bericht so aus, daſs
sie sich feilen und mit dem Hammer treiben lassen, wie man will.
Die Büchsen gieſsen die dazu nach Haina gesandten Büchsengieſser
Martin Hase und Jacob Bethe.


Letzterer war wohl der Sohn des Martin Bete, Büchsenmeisters
Philipps des Groſsmütigen, welcher diesem eine groſse Menge Kanonen
und Büchsen mit der Aufschrift V. D. M. I. Ae. (verbum Dei manet
in aeternum) goſs.


Unter diesen befanden sich auch eiserne.


Die in Hessen aus Eisen gegossenen Geschütze erfreuten sich
eines groſsen Rufes. Im Jahre 1564 schreibt Herzog Albrecht zu
Mecklenburg an Philipp den Groſsmütigen 1), er habe vernommen, der
[750]Hessen.
Fürst habe „eine gute Anzahl eiserne stück Geschütz von Sieben
schuhen lang, auch deren etzliche kugeln von sechs Pfunden schiſsen
vff eine sonderlich schöne art gieſsen lassen“. Er habe gehört, daſs
in seinem Fürstentum „6 oder 7 Meil von Cassel“ eine Hütte sei.
Er bittet um „4 oder 5 von den Eisernen stücken des newen musters“
oder falls er sich nicht entblöſsen wollte, wolle er ihm seinen Büchsen-
gieſser Meister Mertenn schicken (dat. Dobberan, 9. Sept.). 1564 am
21. Oktbr. antwortet Philipp: er habe erst zwei gieſsen lassen, wären
„nichts als Sturmbuchsen, seindt auch noch selbst mit uns nit einig
ob die vns gefallen werden“. Gewiſs war dies nur eine höfliche Form
der Ablehnung. Daſs Landgraf Philipp schon viel früher guſseiserne
Kanonen besaſs und gieſsen lieſs, geht aus einem Inventar seiner
Zeughäuser von 1544 hervor, welches sich in der Bibliothek zu Fulda
befindet. Darin werden aufgeführt: drei eisern Camerbuchsen so
Hans Keſsler gegossen. Zwanzig funf cammer so zu den drei
camerbuchsen und der stete camerbuchsen gehören. Drei eisern ge-
gossen falknet so den von Witzenhausen sein. Zwei falknet gegossen
den von Geismar mit iren wapen. Zwo eisern camerbuchsen … den
von Geismar und hat jede 1 camern, ein gegossen steinbuchs u. s. w.
Die aufgeführten Städte sind Kassel, Hof Geismar, Grebenstein,
Immenhausen, Wolfhagen, Zierenberg, Gudersberg, Melsungen, Witzen-
hausen.


Von 1573 ab bilden Büchsen eine ständige Rubrik in den
Rechnungen.


Auſser den Hainaer Hütten, welche nach der Erbteilung Philipps
des Groſsmüthigen in das Gebiet Landgraf Wilhelms fielen, bestanden
und entstanden im 16. Jahrhundert noch andere Eisenwerke in
Hessen 1). Gerade diese Teilung gab Veranlassung zu Neugründungen.
Die Anlage eines neuen Hammers bei Biedenkopf durch Landgraf
Ludwig von Marburg ist oben schon erwähnt.


Derselbe legte noch zu Frankenau eine Schmelzhütte und einen
Hammer, sowie zu Rotenthal einen Hammer an. Die Hochöfen der
Ludwigshütte und zu Frankenau scheinen damals nur Masseleisen für die
Frischhämmer geliefert zu haben, da gegossene Platten von dort nicht
bekannt sind. Auch die niederhessischen Landgrafen suchten sich
unabhängig zu machen und die inzwischen aufgefundenen Erzlager
weiter auszubeuten. Sie legten 1581 bei Vaake eine Schmelzhütte
[751]Hessen.
an, welche den Eisenstein des 1583 schon vorkommenden Bergwerkes
zu Hohenkirchen verhüttete. In Südhessen bestanden zu Butzbach
und Bieber ältere Hütten, die aber wohl erst im 17. Jahrhundert
entstanden sind. — Über die Frankenauer Hütte und die Ludwigs-
hütte bei Biedenkopf, welche sich bis heute in Betrieb erhalten haben,
liegen noch einige Nachrichten vor. Aus obiger Nachricht der
Hospitalverwaltung von Haina scheint hervorzugehen, daſs der Hoch-
ofen bei Biedenkopf im Jahre 1587 schon im Betriebe war, weil die
Hämmer dort kein Masseleisen mehr bezogen.


Nach Klipstein1) befand sich aber zu Biedenkopf damals nur
ein Hammer, welcher sein Eisen von der Frankenauer Hütte bezog.
Über diese liegen Betriebsnotizen von 1589 bis 1597 vor. Die
Frankenauer Hütte erhielt ihre Eisensteine von verschiedenen ein-
zelnen Gewerken und Gruben, den teuersten zu 24 Albus das Fuder,
nach jetzigem Werte etwa 2,40 Mk. Das Holz kam aus den Itterschen
Wäldern, die Klafter 4 Albus 6 Pfg., Hauer- und Brennerlohn 16 Albus
das Reuſs. In 24 Stunden fielen:


  • 1589 aus 3 39/48 Fuder Eisenstein mit 4¼ Fuder Kohlen 9 17/48 Ctr. Eisen
  • 1590 „ 3 111/123 „ „ „ 3 43/123 „ „ 10 38/123 „ „
  • 1595 „ 5 6/67 „ „ „ 4 36/67 „ „ 10 31/67 „ „
  • 1596 „ 4 17/84 „ „ „ 5 „ „ 7 43/84 „ „
  • 1597 „ 4 61/63 „ „ „ 4 31/63 „ „ 15 41/63 „ „

Der Nenner des Bruches ist zugleich die Zahl der Tage, binnen
welcher der Hochofen im Gange war. Der Schmelzer bekam für die
Zeit von 24 Stunden 10 alb. Lohn, der Aufgeber 6½ alb., der Stein-
pocher 6 alb. Des Hüttenschreibers und Hüttenvogts Besoldung be-
stand vornehmlich in „Pfennigsgeld“ und betrug nicht mehr als
26 Gulden.


Das Wascheisen wurde nach Scheffel, der Scheffel zu 2½ „Woge“
oder 300 Pfund bezahlt. Der Scheffel „Sinner- und Knippenpocher-
lohn“ kostete 16 Albus.


Das Roheisen wurde nach Chor oder Cor berechnet, ein Cor zu
12 Centner, der Centner zu 108 Pfund. Der Preis war 10 bis 11 Thlr.
der Cor; Guſswaren, Töpfe u. dergl. 1 Albus das Pfund; Öfen 1½ fl.
und Büchsenkugeln 2 fl. 10 alb. der Centner.


Geschmiedetes Eisen kostete 3 fl. (zu 27 Albus) die Woge =
120 Pfd. und Sturzblech wurde produziert, der Centner zu 4 Gulden.
Nach heutigem Werte ungefähr berechnet, kostete die Tonne (1000 kg)


[752]Hessen.
  • Roheisen   60 Mk.
  • Schmiedeeisen   100 „
  • Guſswaren, Herdguſs (Ofenplatten)   80 „
  • Munition   125 „
  • Potterei (Töpfe u. s. w.)   200 „

Auſser den oben angeführten Hütten werden in der jetzt preuſsi-
schen Provinz Hessen noch einige andere Eisenwerke im 16. Jahr-
hundert genannt. Der Hammer zu Lippoldsberg an der Weser
bestand schon 1555; er wurde 1584 zu einem Blechhammer erweitert,
auch scheint ein Hochofen dort vorhanden gewesen zu sein. Ebenso
war die Schmelzhütte zu Eschenstruth unweit Helsa unter Landgraf
Wilhelm im Betriebe 1). Dieser beauftragte 1583 seinen berühmten
Salzgrafen und bergbaukundigen Pfarrer zu Allendorf, Rhenanus, die
Eisensteine von Hohenkirchen und Witzenhausen zu probieren. Die
Adörfer und Hohenkirchner Eisenbergwerke wurden schon im 16. Jahr-
hundert betrieben 2).


Landgraf Wilhelm war aber gegen die Anlagen von Hütten-
werken daselbst wegen der Holzverschwendung; er sagte treffend:
„dergleichen Werke pflegen reiche Väter, aber arme Kinder zu
machen“.


Philipp der Groſsmütige erkannte auch bereits die hohe Be-
deutung der Mineralkohlen und lieſs im Jahre 1555 ein Steinkohlen-
bergwerk am Meiſsner anlegen. Landgraf Wilhelm lieſs diese der
Steinkohle ähnliche Braunkohle bereits abschwefeln und die ab-
geschwefelte Kohle zum Kalkbrennen und andern Zwecken verwenden.
Landgraf Wilhelm lieſs sich den Bergbau seines Landes sehr ange-
legen sein und war dafür unter seinen Zeitgenossen berühmt. Herzog
Julius von Braunschweig wandte sich an ihn wegen der Verwendung
von Steinkohlen; Herzog Karl von Schweden bat sich Schmelzer und
Treiber von ihm aus und der Landgraf schickte sogar seinen Erz-
probierer Martin Hauſsmann eine Zeit lang nach Schweden, um
den schwedischen Fürsten in seinen Bemühungen zu unterstützen.
Hufeisen wurden für den Handel geschmiedet im Gericht Bilstein un-
weit des Meiſsners. Auſser Schmieden und Schlossern waren Sporer,
Plattner und Kanonengieſser zu Kassel, Spangenberg und Treisa.


[753]Thüringen.
Thüringen.

Sehr bedeutend war die Eisenindustrie in der hennebergischen
Herrschaft Schmalkalden, welche 1583 nach Aussterben der henne-
bergischen Grafen an Hessen fiel. Schon vordem standen Hessen und
Schmalkalden in Wechselbeziehung, namentlich durch den Eisen-
handel. Die Schmalkaldener Eisenwerke bezogen ihren Bedarf an Guſs-
waren groſsenteils von den hessischen Hütten, während umgekehrt
Hessen nicht nur viele Schmiedewaren, namentlich Waffen, von Schmal-
kalden bezog, sondern auch die Schmiede, insbesondere die Blech-
schmiede meist aus Schmalkalden verschrieben wurden, die dann mit
Kind und Kegel angezogen kamen. So kam es, daſs für einen solchen
Überzug einmal ein ganzer Gulden vergütet werden muſste (!).


Schmalkalden und Suhl sind alte historische Mittelpunkte für
das Eisengewerbe in Deutschland, und wir haben schon oft Ver-
anlassung gehabt, diese beiden Eisenstädte zu nennen. Bereits im
ersten Bande (S. 824) haben wir geschildert, wie in Schmalkalden
der steirische Stückofenbetrieb, infolge der Übereinstimmung der
Erze, schon sehr früh Eingang fand und sich lange Zeit erhielt,
nachdem der Hochofenprozeſs und das Verfrischen schon allgemeine
Verbreitung gewonnen hatten. Wir haben diesen Betrieb sowohl
dort als oben (S. 173) ausführlich geschildert. Wie in Kärnten dann
an die Stelle der Stücköfen nicht Hochöfen mit offener Brust, sondern
Floſsöfen mit geschlossener Brust traten, so geschah dies auch in
Schmalkalden, nur nannte man diese Öfen hier Blauöfen. Auch
diese haben wir bei dem betreffenden Kapitel (S. 177) bereits be-
schrieben und können hier einfach darauf verweisen. Es bleibt uns
hier nur übrig, eine kurze Übersicht der Entwickelung der Eisen-
industrie in Schmalkalden, Suhl, wie überhaupt in Thüringen zu geben.


Die Sage, daſs der Bergbau bei Schmalkalden schon zur Zeit
Christi betrieben worden sei, die Überlieferung, daſs am Stahlberg seit
385 Eisenstein gewonnen werde und steirische Schmiede dort Eisen-
hütten angelegt hätten, beweisen das hohe Alter der dortigen Eisen-
industrie. Zur Zeit, als slawische Völkerschaften sich im Thüringer
Wald ansässig machten, befand sich der Eisensteinbergbau in dieser
Gegend schon in einem fortgeschrittenen Zustande seiner Entwicke-
lung 1). Bei Vesser und Schmiedefeld wurde in karolingischer Zeit
Beck, Geschichte des Eisens. 48
[754]Thüringen.
Eisen gewonnen. In der Fuldaischen Chronik 1) heiſst es: Adalbreth
tradit in pago Grabfeld quidquid ei in partem cedebat in Vezzonum
(Vesser) ubi ferrum conflatur.


Die Grafen im Grabfeld nahmen später den Namen Grafen von
Henneberg an. Graf Poppo von Henneberg erhielt schon 1216 von
Kaiser Friedrich das Recht, Bergwerke zu betreiben, und um diese
Zeit sollen die schmalkaldischen Eisen- und Stahlwerke entstanden
sein, denn Winkelmann2) schreibt 1697: „Der Ruhm von Schmal-
kalden wird noch weiter vermehrt wegen daselbst sich befindlichen
und von Gott verliehenen reichen Stahl- und Eisenberg- und Hammer-
werken, deren Bergwerke teils über 450, teils über 350 Jahre im
Gange und fündig gemacht worden“.


Der erste Eisenhammer, welcher urkundlich erscheint, ist der zu
Laudenbach, welchen Heinrich von Hermisleben im Jahre 1348 dem
Kollegiatstift in Schmalkalden verkauft. Die Erze kamen wohl von
Broterode, wo hoch im Gebirg uralter Bergbau auf die zu Tage aus-
gehenden Gänge, welche dort Roteisenstein, Eisenglanz und Glaskopf
führen, betrieben wurde. Später lieferten die Mommel und der Stahl-
berg die vorzüglichen Erze für die schmalkaldischen Eisenhütten.
Das Vorkommen besteht aus zwei stockförmigen Massen im Zechstein,
deren Ausdehnung je etwa 1200 m Länge, 120 m Breite und 40 bis
80 m Höhe beträgt 3).


Die Ausfüllung ist ursprünglich Spateisenstein gewesen, doch ist
dieser in solchem Grade metamorphisiert, daſs er vorwiegend als
Brauneisenstein anzusehen ist. Ebenfalls nach dem Grade der Meta-
morphose unterscheidet man drei Arten von Spateisenstein, schwarzen,
der am meisten vorkommt, gelben, der als der zarteste gilt und
weiſsen, „Knopprüssel“ genannt, der am schwerschmelzigsten ist und
ausgehalten wurde. Der Spat- wie der Brauneisenstein, Braunerz
genannt, sind reich an Mangan, wie aus folgender Analyse eines
Braunerzes von Buchholz hervorgeht:


  • Eisenoxyd   73,75
  • Manganoxyd   10,50
  • Wasser   13,00
  • Kohlensaurer Kalk  2,75
  • 99,80

[755]Thüringen.

Der Abbau war in alter Zeit ein sehr regelloser 1). Jeder Ge-
werke holte seinen Anteil, wie er ihn brauchte, dabei gingen sie nur
den besten Mitteln nach. Es war also ein Raubbau schlimmster Art.


Die trefflichen, manganhaltigen Erze eigneten sich besonders für
die Stahlbereitung, sowie überhaupt für hartes, festes Eisen, für
Gieſsereieisen waren sie dagegen ungeeignet. Von alters her war
deshalb der schmalkaldische Stahl berühmt, und im Jahre 1400 wird
dort bereits eine Zunft der Stahlschmiede erwähnt. Das Verschmelzen
der Erze geschah in Rennfeuern, die wie bei Broterode hoch an den
Berghängen lagen und mit Hand- oder Tretbälgen betrieben wurden.
Später zogen sich die Rennhütten an die Wasserbäche. Genannt
werden solche Rennhütten zu Altenrode im Thüringer Thal und am
Kaltenbach bei Steinbach-Liebenstein. 1437 wird der erste Eisen-
hammer „am Schuttgarten“ genannt. Mitten in der Stadt Schmal-
kalden muſs eine solche Rennhütte gestanden haben, dies beweist die
Bezeichnung des Platzes als „Hütte“ und das Vorhandensein einer
Masse von Schlacken. Vielleicht stand hier auch der eine Hochofen
oder Blauofen, der im 16. Jahrhundert erwähnt wird, in dem man
die manganreichen Erze auf ein weiſses Roheisen zur Stahlfabrikation
— Stahleisen — verschmolz. Dieses Rohstahleisen wurde dann in
vielen kleinen Herden auf dem „Schmiedhof“ zu Stahl verfrischt.
Nach Geiſshirts Schmalkaldischer Chronik wäre dieser Betrieb von
Schweden eingeführt worden. Dies könnte aber kaum früher als im
17. Jahrhundert geschehen sein, während im 16. Jahrhundert schon
ein Hochofen in Schmalkalden betrieben wurde. Der Stahl wurde zu
Klingen, namentlich zu Messern, sowie zu Sicheln verschmiedet. Zum
Schleifen derselben standen Schleifkotten unter dem Siechhause und
über dem Steingraben 2). In einem Achtsbrief des Kaisers Ruprecht
werden im 15. Jahrhundert unter den Handwerken in Schmalkalden die
Stahlschmiede, Klingenschmiede, Messerschmiede und Sichelschmiede
aufgeführt. Am Stahlberg kam erst gegen Ende des Mittelalters der
Bergbau in Gang. Zuerst sollen die Dachslöcher und im Erdschwinder
Revier das Grumbacher und Neuendorfer Bergwerk gebaut worden
sein und den Gewerken reiche Ausbeute gegeben haben. Ebenso
wurden im Hallenberger Revier viele Gruben betrieben und Eisen
gewonnen und verschmiedet. Es wurde 1474 eine besondere Berg-
48*
[756]Thüringen.
ordnung für dieselben erteilt, die Gruben aber dem Berggericht in
Suhl unterstellt 1).


Folgende Bestimmungen, die sich auf die Hütten- und Hämmer-
leute beziehen, sind von Interesse 2):


Der Stein soll auf den Sonnabend abgemessen werden.


Wer als Lohnarbeiter kein eigen Schmiedwerk hat, soll ohne
Erlaubnis des Bergmeisters keinen Stein kaufen.


Eide vor dem Berggericht von des Hammerwerks wegen, sollen
an der Stätte abgelegt werden, wo man andere auch abzulegen pflegt.


Bergeide soll man auf dem Stollen thun.


Geht der Eid das Berg- und Hammerwerk an, soll ihn der Berg-
meister geben. …


Wenn die Erben des Schmiedewerks den Zins nicht ausrichten,
so soll sich der Schultheiſs von den Herrn wegen zum Schmiedwerk
halten.


Der Hammermeister, welcher mit einem schon gedingten Köhler
ein Hintergeding macht, ohne Wissen und Willen des, der den Köhler
gedingt hat, soll der Herrschaft einen Frevel verbüſsen .....


Man soll ein Kohlenmaſs machen, das den Hammerschmieden
und Köhlern füglich sei.


Täglich fuhren auf diesen Gruben 802 Mann, einschlieſslich der
Geschworenen, Steiger, Karrenläufer, Jungen und Haspelknechte ein.


In der Mitte des 16. Jahrhunderts blühte der Stahlberg schon
sehr und lieferte für 12 Eisenhämmer an der Schmalkalde und zwei
Hämmer zu Asbach das Eisen. Derselbe gehörte damals dem Ritter
Christoph von Fuchs zu Wallenburg, von welchem auch die Gewerken
die Mutung und Belehnung empfingen. Diesem hatte Graf Wilhelm
von Henneberg 1522 zugleich mit dem Schloſs, Mutung und Beleh-
nung über alle in seinem Gebiet gelegenen Gruben und das Berg-
gericht eingeräumt. Doch trat nicht lange danach Landgraf Philipp
von Hessen als Herr des Stahlbergs auf und erlieſs als solcher 1536,
1537, 1548 und 1563 für Gewerken und Knappen verschiedene Berg-
freiheiten. Die Eisengruben und Eisenhütten von Hallenberg ver-
blieben aber auch nach dieser Zeit unter dem Berggericht zu Suhl.


Ein Verzeichnis der Zünfte Schmalkaldens vom Jahre 1554 in
Geiſshirts Chronik legte Zeugnis ab von dem Umfang und der Be-
deutung des Gewerbebetriebs. Die Zunft der Messerer hatte damals
[757]Thüringen.
38 Meister, 2 Herren und 2 Witwen, der Scherschmiede 21 Meister
und 6 Witwen, der Kleinschmiede 20 Meister und 1 Witwe, der Huf-
schmiede 39 Meister und 11 Witwen, der Nagelschmiede 7 Meister
und 2 Witwen. Ferner bestanden zu jener Zeit 12 Eisenhämmer an
der Schmalkalde zum Schmelzen und Schmieden des am Stahlberge
gewonnenen Erzes, und zwei Hämmer zu Asbach. Diese waren Eigen-
tum der steitzischen Gewerkschaft, jene betrieb die alte Innung der
Stahlschmiede 1). Von beiden Gewerkschaften konnten nur Verwandte
oder ein dritter Gewerke gegen einen von der Gewerkschaft zu be-
stimmenden Preis den Anteil eines andern an sich bringen. Die
Stahlschmiedezunft hing lediglich von Hessen, die steitzische Gewerk-
schaft von Henneberg ab. Durch die 1575 errichtete vollkommene
Gemeinschaft zwischen beiden fürstlichen Häusern aber wurden sie
mit einander vereinigt. Die beiden Gewerke A. Steitz und Dr. Mar-
hold
wurden in die alte Innung aufgenommen mit der Bedingung,
daſs in den 12 Stahlschmiedehämmern jährlich 2100 Centner Stahl,
in den steitzischen aber nur 800 Centner gemacht werden sollten. —
Die Hammerschmiede durften auf ihren Rennwerken nur einheimi-
schen Stein verschmelzen.


Bei der Mutung und Belehnung der Stahl- und Hammerschmiede
hatten sich die Landesregenten früher den zehnten Centner Stahl
und Eisen und das Vorkaufsrecht vorbehalten. Später wurde dies
in eine jährliche Abgabe von 580 Thaler, in die Schmalkaldener
Renterei zu zahlen, umgewandelt.


In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts scheinen noch neue
Blauöfen im Schmalkaldischen errichtet worden zu sein, wenigstens
werden 1575 mehrere Hochöfen erwähnt 2). Guſswerk machten die-
selben aber nicht, solches bezog man nach wie vor von Haina. Als
1565 unter Landgraf Wilhelm auf der Saigerhütte zu Schmalkalden
eine „lurtsch“, d. h. eine Grundplatte des Saigerherdes, unbrauchbar
wurde, sollte „ein seigerer oder ein verstendiger knecht“ nach Haina
reisen und angeben, wie eine neue gemacht werden müsse. Der Ofen
im Riesensaal der Wilhelmsburg zu Schmalkalden, welcher erst 1590
gesetzt ist, wurde gleichfalls in Haina gegossen 3).


Zur selben Zeit, wie in Schmalkalden, erblühte die Eisenindustrie
in Suhl. Suhla, welches 1406 mit Heinrichs nur als Zubehör des
Amtes Schleusingen genannt wird, wuchs um diese Zeit rasch zu
[758]Thüringen.
einem ansehnlichen Dorf empor. In den nahegelegenen Gebirgen ge-
wann man Eisenerze und verschmolz dieselben. Das erzeugte Schmiede-
eisen führte man 1436 in groſsen Quantitäten nach Erfurt. Nach
einer erhaltenen Urkunde aus diesem Jahre bezeugten zwei Suhler
Eisengewerke von 60 Jahren, daſs weder sie noch ihre Väter jemals
Geleitsgeld für ihr Eisen nach Erfurt bezahlt hätten (29. Juni 1436 1).


Vornehmlich wurde am Dellberg viel Eisenstein gefördert, und
nach einer Urkunde von 1462 hat Graf Wilhelm der damaligen Ge-
werkschaft gewisse Gesetze vorgeschrieben, nach welchen sie sich bei
diesem Bergbau richten sollten.


1474 bestand bereits in Suhl ein Berggericht, dem damals auch
der hallenbergische Bezirk unterstellt wurde, ein Beweis für die groſse
Bedeutung von Suhl als Bergstadt. 1487 wurde Suhl infolge seiner
zahlreichen Bergknappenbevölkerung von der Pfarrei Ebertshausen
abgetrennt und muſste sich eine eigene Kirche bauen, welche 1491
vollendet wurde 2). Alter Bergbau bestand bei Vesser um den Krux
her, wo auch zahlreiche Eisenhämmer lagen. Suhl hatte schon 1509
ein Rathaus und einen Rat. 1517 verlieh Graf Wilhelm VII. von
Henneberg Suhl städtische Vorrechte und erhob es 1527 förmlich zu
einer Stadt mit eigenen Munizipalrechten und wirkte ihr 1544 bei Kaiser
Karl V. das Jahrmarktsprivileg aus. Es erhielt drei Jahrmärkte mit
kaiserlichem Schutz und Geleit. Die Stadt trägt von alters her den Berg-
mannshammer im Wappen. Diese Vorrechte wurden Suhl erteilt wegen
seiner Gewehrfabrikation, welche sich schon damals eines weitver-
breiteten Ruhms erfreute. Durch die spanischen und italienischen
regulären Truppen kamen die Musketen in Deutschland auf und
gerade diese Art Gewehre wurden in Suhl fabrikmäſsig hergestellt.
Dies geschah um 1530. Auch in Wasungen wurde schon damals die
Gewehrfabrikation aufgenommen, die aber später durch den 30jährigen
Krieg zu Grunde ging. Die Bergleute und die Eisenarbeiter wandten
sich auch zu Suhl früh dem Protestantismus zu. 1544 wurde Fürst
Georg Ernst zu Henneberg lutherisch. 1583 starb das Haus Henne-
berg aus und Suhl fiel an Sachsen. 1590 brannte ein groſser Teil
der Stadt nieder, aber der schwungvolle Bergbau und namentlich
die blühende Gewehrfabrik veranlaſsten den raschen Wiederaufbau
der Stadt. Deshalb konnte Wendel, der im Jahre 1600 ein vor-
treffliches lateinisches Lobgedicht auf Suhl schrieb, sagen: Der Krieg
[759]Thüringen.
habe wiedergegeben, was das Feuer zerstört hätte. Die blühende
Eisenindustrie und Gewehrfabrikation rühmt schon Sebastian
Münster
in seiner Cosmographey (vergl. S. 440).


Die Suhler Gewehrfabrik war damals — auſser Wasungen — die
einzige in Deutschland und versorgte ganz Europa mit Feuerrohren.
Über die Rohrschmiederei in Suhl haben wir S. 441 bereits Mit-
teilungen gemacht.


Fürst Georg Ernst zu Henneberg gab 1563 den Schlossern,
Sporern, Windenmachern und Büchsenschmieden auf ihr Ansuchen,
weil sie auswärtig für unzünftig gehalten wurden, Innungsrechte. In
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es in Suhl Groſshändler,
die umfangreiche Gewehrlieferungen auch für das Ausland über-
nahmen. Wendel erwähnt in seinem Lobgedicht den Georg Klett,
der Gewehre nach der Schweiz und Genf lieferte. Viele Gewehre
gingen nach Ungarn und das polnische Zeughaus zu Krakau ent-
hielt viele Tausende davon.


Stephan Reitz hatte dem König Stephan Bathory zum Krieg
gegen Ruſsland (1572) Gewehre nach Wilna geliefert. Mehrere
Klette und Thomas Wendel, hatten Lieferungen nach Lievland,
Preuſsen und Danzig ausgeführt. Simon Store lieferte im Jahre
1600 sechs Tausend Rohre nach Dänemark, auf die das königliche
Wappen gestochen war. Suhl lieferte an Feind und Freund, wie heute
die englischen Gewehrfabriken, und so fanden auch viele Suhler Rohre
ihren Weg zum „Erbfeind“, dem Türken.


Die gröſsten Lieferungen gingen aber in die kaiserlichen Lande
zum Krieg gegen den Türken und zu den an diesen Kriegen teil-
nehmenden Mächten. Nach dem Brand von 1590 schickte Rudolf II.
Bevollmächtigte aus Prag nach Suhl, welche viele Tausend Mus-
keten bestellten und zur Beschleunigung der Sache die Befreiung
von allen Donauzöllen von Regensburg bis Wien versprachen. —
Selbst die Weiber fanden damals ihre Beschäftigung zur Herstellung
der leichteren Teile. Alles Eisen wurde aus eigenen Bergwerken
gewonnen. 1592 gab das damalige Eisenbergwerk am Bock von
Januar bis September für 1239 Gulden Eisenerz. Der Nutzen wurde
unter den Gewerken verteilt.


Für den Feldbau waren keine Hände übrig. Suhl und Schmal-
kalden waren bereits im 16. Jahrhundert Fabrikstädte und Welt-
handelsplätze.


Für den lokalen Bedarf an Eisen sorgten noch manche andere
alte Hütten- und Hammerwerke in Thüringen, wie zu Ilmenau, in
[760]Stolberg und der Unterharz.
Saalfeld und Schwarzburg. Zu Hüttensteinach und Gabe Gottes gab es
alte Eisenwerke, zu Ruhla waren im Mittelalter Schwertschmiede an-
sässig, die aber in den schlechten Zeiten zum Messerschmiedehand-
werk übergingen. Hiergegen protestierten die Messerschmiede von
Gumpelstadt, weil sie dadurch in ihrer Nahrung beeinträchtigt seien.
Sie erwirkten auch wirklich ein Urteil, welches den Ruhlaer Schwert-
schmieden (ensarii) die Führung der Schraubstöcke untersagte. Sie
durften Messerklingen schmieden, aber keine Messer fertig machen 1).


Im reuſsischen Voigtland waren 1509 im Betrieb: Nickel Querch-
felds-Hammer an der Lomnitz, Haueisenhammer an der Saale, die
Hämmer von Hans und Lorenz Oberländer, Hans Neumeisters Hammer,
Fasolts Hammer und Klettigs Hammer.


Am nördlichen Abhang des Thüringer Waldes waren im Mittel-
alter viele Eisenhämmer im Umtrieb, was durch zahlreiche Schlacken-
halden bezeugt wird; im Schurtethal, am Geiersberg, Eisengruben-
berg und Steinberg bei Schwarzburg, bei Langenhayn unweit Walters-
hausen, bei Winterstein, Mosbach und Ruhla, bei Thal, Reinhards-
brunn, Georgenthal und Tambach.


Stolberg und der Unterharz.

Von hervorragender geschichtlicher Bedeutung ist die Eisen-
industrie der Grafschaft Stolberg und der Herrschaft Blanken-
burg-Elbingerode
.


Daſs Eisenwerke im Jahre 530 die Veranlassung zur Gründung
der Stadt Stolberg (Stalberg) 2) gegeben und die Stadt ihren Namen
vom Stahlberg erhalten habe, sind überlieferte Sagen, ebenso daſs ein
Graf Otto, Waldomars Bruder, zu Stolberg durch einen Sturz in einen
Bergschacht im Jahre 794 das Leben verloren habe.


936 schenkte Graf Siegfried dem von ihm gestifteten Kloster
zu Wester-Gröningen am Bodefluſs mit seiner übrigen Erbschaft
[761]Stolberg und der Unterharz.
Bergwerke, welche Leibnitz für Eisenbergwerke hält 1). Um diese
Zeit scheinen auch die Gruben bei Bodfeld in Aufnahme gekommen
zu sein, welche dort im 11. und 12. Jahrhundert blühten. Mit der
Burg Bodfeld waren schon um 936 die Höhen von Elbingerode und
Hasselfelde verknüpft, welche ein bevorzugtes Jagdgebiet der sächsi-
schen Kaiser waren. Kaiser Heinrich I. hielt sich gern hier auf und
Heinrich III. starb in Bodfeld. Noch heute findet man ¾ Stunden
oberhalb Rübeland, da, wo vormals das Dorf Bodfeld stand, viele alte
Pingen und Schlackenhügel.


Am 1. September 1188 bestätigte Kaiser Friedrich I. dem Kloster
Walkenried die Hütten am Harzwalde, unter denen, nach späteren
Nachrichten, sich auch Eisenhütten befanden 2). 1203 wird in einem
alten Lehnbuche des Eisenwerkes am Wurmberg an der kalten Bode
(Wormberch, ubi ferrum frangit, juxta frigidans Bodam) als eines
Afterlehens der Grafen von Blankenburg gedacht. 1254 trat Graf
Heinrich von Hohnstein sein Hüttenwerk am Zorgefluſs an das Kloster
Walkenried ab. — Gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstand die
Bergstadt Elbingerode, nach welcher die Bodfelder ausgewandert zu
sein scheinen, weil sie dort flieſsendes Wasser fanden. In den folgen-
den Zeiten wird Bodfeld nur als „Dorfstätte“ genannt 3). In dem aus-
gedehnten Elbingerode-Hüttenroder Bergrevier kommen, wie zwischen
Wieda und Tanne, und zwischen Osterode und Altenau, die Eisen-
erze in Spalten und Klüften, zwischen Grünstein, Schalstein und
Diabas mit Schiefer vor.


Hüttenrode, das von den Eisenschmelzhütten seinen Namen hat,
war schon im 13. Jahrhundert in gutem Flor. In seiner Umgebung
finden sich gleichfalls viele alte Pingen und Schlackenhalden. „Wenn
man daselbst in einem aufgeworfenen Graben nur mit dem Stocke
gräbt, so findet man Schlacken, welche noch viel Eisen enthalten und
leicht flüssigen Eisenstein“ (Stübner).


Die älteste Eisenhütte, die als solche urkundlich bezeichnet wird,
war 1355 die „zur Danne“ (zu Tanne). In diesem Jahre wurden die
Grafen von Regenstein vom Bischof von Halberstadt mit dem Zoll
und der Hütte zur Dannen belehnt. — In einem Lehenbriefe von
1344 kommt schon der Stahlberg bei Neuwerk vor; auch in dieser
[762]Stolberg und der Unterharz.
Gegend sind viele alte Pingen und Schlackenhaufen. 1392 wird in
einer Urkunde zwischen Heinrich Grafen zu Stolberg und Landgraf
Balthasar von Thüringen mehrfach von den Bergwerken gesprochen,
„da man Eisen oder Stahl ausgewürken mag“ 1).


Elbingerode war anfangs des 15. Jahrhunderts ein Gandersheimi-
sches Lehen der Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen und wurde
von diesen am 18. März 1427 den Grafen zu Stolberg-Wernigerode
als Lehen überlassen. Schon damals war die Eisengewinnung da-
selbst nicht unbedeutend, denn in den beiden Lehenbriefen vom
18. März 1427 und 20. Januar 1429 2) werden Hütten und Bergwerke
ausdrücklich erwähnt. Seit jener Zeit bethätigen die Stolberger
Grafen ein lebhaftes Interesse an der Eisenindustrie des Elbingeroder
Reviers. Um diese Zeit wurden verschiedene Eisenhütten an gröſseren
Wasserläufen erbaut; so um 1400 die Neuhütte an der Bode durch
die Grafen Ulrich und Albrecht von Wernigerode 3). In den gräflichen
Teilungsrecessen von 1448 und 1454 werden bereits eine Anzahl von
Eisenwerken im Unterharz aufgeführt. So stand ein Eisenhüttenwerk
bei Hasselfelde an der Kuhfurt oberhalb der späteren Haselhütte. Zu
Trautenstein und Umgegend befanden sich Berg- und Hüttenwerke,
welche bei der Teilung an den Grafen Bernhard fielen. Im Dorfe selbst
hatte man eine Schmelz- und eine Hammerhütte, deren Lage durch
Schlackenhaufen — zu Stübner’s Zeit — noch kenntlich war. Eine
andere Hammerhütte stand bei dem kahlenbergischen Vorwerke.
Zwischen Kahlenberg und Benneckenstein, wo die Ratbode in die Bode
flieſst, stand vormals eine Schmelz- und Hammerhütte, die spätere
Gustavshütte 4).


Die gräflichen Teilungsrecesse von 1448 und 1454 gedenken
ferner der Eisenhütten in Kaltenthale, zu Oldendorf und zu Alten-
brack, welches mit in die Landesteilung kam. Auch die schon früher
gegründete Hütte zu Neuwerk wird erwähnt, sowie eine Hütte bei
Treseburg.


Die Eisenhütte zu Rübeland (casa iserne hutte tome Rovenlande)
wird hier und in andern Urkunden des 15. Jahrhunderts erwähnt 5).
Auch in Zorge bestand alter Eisenhüttenbetrieb. Bereits im 14. Jahr-
[763]Stolberg und der Unterharz.
hundert werden verschiedene Eisenstraſsen im Harz genannt, so in
einer Walkenrieder Urkunde vom 26. März 1360 „usque ad viam
iserenwek“. Die Wernigerodisch-Blankenburgische Grenze war zum
Teil durch einen Eisenweg bezeichnet 1) „vsque ad viam vulgariter
de Iserenwech cognominatur“. 1451 sichert Kurfürst Friedrich I. dem
Kloster Ilsenburg den „iserenstein“ in seinen Besitzungen zwischen
Elbingerode und der Holtemme (bei dem heutigen Buchenberge) zu 2).


Eine Eisenhütte zu Backenrode, welche dem Ilsenburger Kloster
gehörte, war im Jahre 1480 bereits eingegangen und wüst 3). In dem
tiefer gelegenen Benzingerode wird schon 1467 einer oberen Hütte
(casa superior) 4) gedacht und 1477 einer casa inferior. Am 26. Juli
1495 überläſst das Kloster dem Tileman Yseke die bisher von ihm
zu Zins getragene „hutte vnd huttestede by der Ilssen vor dem
knycke gheheten to Betsingerode“ mit aller Zubehör für alle Zeiten
für drei Mark. Der niedrige Preis und die Bezeichnung Hüttenstätte
neben Hütte scheint darauf zu deuten, daſs dieselbe im Eingehen
war; 1496 wird Benzingerode wüste genannt, zwei Jahre später ist
daselbst von einem vormaligen Hüttengebäude (ubi fuit edificium
casae) die Rede. Von den Abgaben, welche die Benzingeröder Hütten-
besitzer an das Kloster zu liefern hatten, erfahren wir aus den Jahren
1477, 1491 und 1496, daſs Eisenblech (lampna, lamina) und Pflug-
eisen (plochblath und seeck) hier gearbeitet wurde.


In Stolberg selbst spielten die Stahlschmiede eine wichtige
Rolle, und bildeten im 15. und 16. Jahrhundert eine angesehene
und reiche Zunft. Die Stahlschmiede in Stolberg bildeten eine Ge-
werkschaft, die Stahlreite genannt, bei der auch die Grafen von Stol-
berg beteiligt waren, wie aus alten Renteirechnungen hervorgeht.
Dicht über Stolberg 5) am Harz lagen zwei Ortschaften, Schmedes-
hausen und Massenteich, beide urkundlich bekannt; ersteres seit 1371,
aber im 15. Jahrhundert eingegangen. In beiden Orten sollen die
Stahlschmiede und Eisenbergleute früher gewohnt und das Stahl-
handwerk getrieben haben. Die Gruben sollen bei Stolberg gewesen
sein, wo auch noch viele Spuren vorhanden sind. Die Eisenarbeiter
[764]Stolberg und der Unterharz.
hätten sich dann nach Stolberg gezogen. — Dies berichtet Zeit-
fuchs
in seiner Chronik nach alten Schriften, und darüber ist auch
noch die Tradition erhalten.


1423 giebt Heinrich Zabel, Vicar zu Stolberg, ein Viertel von
einer Massenhütte nahe bei der Kreuzkirche daselbst an seine
Vicarie und der Pfarrkirche ½ Schleifkotte (Stolb. Kirchenarchiv).


1459 bekennen sich Kurt Hüne und drei andere, jetzt
Reidemeister der Stalsmede zu Stalberg für sich und
die Gemeinde des Handwerks, daſs sie mit Volbort Heinrichs
Grauen zu Stalberg 7 Schock Groschen für 100 Schock an unsrer
Stalreite, die wir mit unsrem gnedigen Herrn hir haben, an den
Vikar Heinrich Ronneberg verkauft haben (Stolb. Archiv).


1461 Graf Heinrich von Stolberg vermacht in seinem Testament,
ehe er ins gelobte Land reiste, an das Kloster Ilfeld 1000 Schock von
den 1500 Schock, die er in der Reyte habe (Wernigeroder
Archiv).


In einem summarischen Rechnungsauszuge von 1467/68 heiſst es:


  • Inname vor Stal   Summa 170 Schock 1)
  • „ „ Stalstein   „ 84 „

Es scheint dies der auf den gräflichen Anteil an der Stalreite
in Stolberg entfallende Gewinnanteil gewesen zu sein.


Die späteren bezüglichen Einnahmen in den stolbergischen
Rentereirechnungen sind niedriger.


1491/92 erscheinen unter „Einnahme Stalsmyde zu Stalbergk
1 fl. 20 gr. 3 Pf. Harleb Harlebis von Buſsen und Felten im Hant-
werk“. — „Desgl. mit Stole gekauft den das Hantwerg der Stalsmyde
diſs Jar an. m. g. Herrschaft von der Massen Hütten gegeben haben.“
(Stolb. Archiv.)


1492/93. In der nächsten Renterei-Rechnung heiſst es: Innohme
Stahel Smede Hantwerg 8 fl. 6 gr. Adam Stolle und Michael Pre-
pich und


1498/99: 2 fl. 8 gr. von Heyne Grutzman Innomegelt mit Stahil
gekauft. 25 fl. mit 9 Vaſs Stahls von der Stahlsmyden m. g.
Herrschaft von der Massenhütten gegeben (und für Häring gegeben).
(Stolb. Archiv.)


In dem folgenden Jahrzehnt kosten 9 Faſs Stahl 27 fl., also
1 Faſs = 7,80 Mark.


[765]Stolberg und der Unterharz.

So stand denn bereits im Beginn des 16. Jahrhunderts sowohl
das Stahlgewerbe in Stolberg als die Eisenindustrie im Unterharze
in voller Blüte. Guſswaren wurden aber noch nicht gemacht. Die
Eisenhütten waren teils Rennwerke, teils Stückhütten. Zu den letz-
teren gehörten die „Massenhütten“, welche auf Rohstahl betrieben
wurden, die jedenfalls den schmalkaldischen Blauöfen entsprachen.
Sie machten wohl auch schon neben der Masse, dem Stück, zuweilen
geflossenes Rohstahleisen, worauf sich der in Urkunden vorkommende
Ausdruck „Floſs und Isenwergk“ bezieht. Bei der Verpfändung des
Amtes Günthersberg von Seiten Anhalts an Stolberg 1498 wird letz-
terem nur gestattet, auf „Floſs und Isenwergk“ zu bauen. (Wernig.
Archiv.)


1543 wird im Stolbergischen eine „Stahlhütte“ erwähnt.


In dem Elbingerode-Hüttenroder Eisensteinrevier gab es 1506
zahlreiche Gruben 1), die reiche Ausbeute erzielten. Das Recht, Eisen-
stein zu brechen, wurde von der Herrschaft gegen einen Zins erteilt.
Die Betreiber waren Eigenlöhner, d. h. Bergleute, die das Erz selbst
gewannen und verkauften, und sich dadurch selbst lohnten. Der
Bergbau wurde meist in offenen Tagebauten mit natürlichem Wasser-
abflusse betrieben. Erst 1564 begannen die Wasser dem Betriebe
Schwierigkeiten zu bereiten, und 1570 trat an einzelnen Stellen
Mangel an lohnendem Eisenerz ein. Man sah sich gezwungen, das
Wasser durch künstliche Hebevorrichtungen, Künste, zu entfernen.
Die Erfinder und Erbauer solcher Wassermaschinen hieſsen Künstler,
deren Wissen hoch geehrt und hoch bezahlt wurde. Sie verbanden
sich mit Spekulanten zu Gesellschaften, die es übernahmen, gegen
hohe Bezahlung ersoffene Gruben aufzuwältigen u. s. w. Eine solche
Gesellschaft von Künstlern mietete z. B. einmal allen Eisenstein im
Amte Elbingerode, der unter Wasser stand; aber der Erfolg entsprach
nicht den Hoffnungen.


Die auf Elbingerodischem und Blankenburgischem Gebiete ge-
wonnenen Fisensteine wurden nicht nur auf dortigen Hütten, sondern
auch auf den Hütten der Nachbargebiete verhüttet, so zu Ilsenburg,
Kuhfurt, Trudenstein, Kollinberge, Zorge, Falsfelde, Sorge, Tanne,
Benneckenstein, Oder, Lauterberg.


1506 werden Eisenhütten bei Lüdershof und Muxholl erwähnt.
Wedding hat urkundliche Nachrichten über unterharzer Hütten aus
der Zeit vom 16. Jahrhundert zusammengestellt.


[766]Stolberg und der Unterharz.

Die Neuhütte an der Bode, welche schon seit 1400 bestand, blieb
während des ganzen Jahrhunderts im Betriebe. Nach einem Lehen-
briefe des Grafen Botho über die Neuhütte hatte dieselbe für den
Holzbezug jährlich zu leisten 5 Mark Wernigeroder Währung, und
an Eisen „24 schinen, zwene gut nagellstab“ (24 Schienen und 2 gute
Stäbe Nageleisen). Der Lüdershof wurde schon 1506 betrieben; am
13. November 1516 klagte der Besitzer A. Schreiber, Bürger zu
Halberstadt und Wernigerode, es geschehe ihm fortwährend Schaden
auf dem Harze an dem Lüdershofe durch Diebe, und er sei dadurch
verhindert, geschicktes, ausländisches, zum Schmieden tüchtiges Volk
auf der Hütte zu erhalten. 1541 kam das Werk in herrschaftlichen
Besitz und wurde in eine Blechhütte umgewandelt; Graf Wolfgang
von Stolberg kaufte dieselbe für den für damalige Verhältnisse hohen
Preis von 1600 Gulden (= 4160 Mk.) 1). 1545 wurde ein neuer
Zerennherd gebaut und stand während des ganzen Jahrhunderts in
lebhaftem Betriebe.


Muxholl (Uxhole, Luxhol, Luckeshof, Lücheshof, Lucashof) be-
stand als Zerennhütte schon 1506 und wurde 1575 erweitert. Agri-
cola
erwähnt Muchshol und das dort vorkommende Eisenerz (de
net. et nov. met. II.).


Sausenburg an der Trogfurterbrücke wurde 1538 als Blechhammer
gebaut. Frischer aus Schmalkalden wurden herbeigezogen. Mehrfach
erneuert und erweitert kam er 1565 in Pacht von Ilsenburg, 1584
aber zum Stillstande, da der Absatz an Blech zur See stockte 2).


Zu Ilfeld waren 1545 zwei Hämmer, einer auf Eisen und einer
auf Blech, im Betriebe. Die St. Johannihütte bei Ilfeld war bereits
im Anfange des Jahrhunderts einigen Gewerken von Eisleben und
Stolberg in Erbzins gegeben, kam aber nachmals wegen Mangels an
Eisenstein zum Erliegen. 1537 bestand sie aber noch, wie aus Ur-
kunden erweislich ist.


Um die Mitte des Jahrhunderts wurden infolge des allgemeinen
Fortschritts der Eisenindustrie verschiedene neue Hochofenhütten er-
baut; so im Jahre 1549 die Trogfurter Hütte, welche ebenfalls be-
sonders für Ilsenburg arbeitete und bis zum Schluſs des Zeitraumes
im Betriebe blieb. Schmiede aus Schneeberg und der Pfalz muſsten
hier die Arbeit verrichten. Wohl die wichtigste dieser Neuanlagen
war die Hütte zu Königshof, welche 1551 vom Grafen Wolfgang er-
[767]Stolberg und der Unterharz.
baut und 1578 erweitert wurde. Sie war vor Anlage der Rotenhütte
die bedeutendste Hochofenhütte des Unterharzes.


Im Blankenburgischen lag das ansehnliche Hüttenwerk Wende-
furt
, welches 1556 in gutem Stande vom Grafen Ernst an einen
Blankenburger verkauft wurde. Ob aber damals schon eine Hoch-
ofenhütte war, erscheint zweifelhaft, denn 1573 gewähren die Grafen
zu Reinstein und Blankenburg dem Hans von der Heiden und
Barthel Meynhart1) eine Eisenhütte und Pochwerk zu erbauen.
Darinnen sollen sie das Recht haben, eiserne Öfen, Kugeln zu grobem
Geschütz, eiserne Töpfe zu gieſsen, Püchsenwehr, zweigeschmolzen
Eisen zum Salzsieden, Pfannen- und Schloſsblech, auch Harnischplatten
und andere Gattung schmieden zu lassen, dagegen sollen sie nicht
zweigeschmolzene Schienen noch eingeschmolzen Wageisen (Renneisen)
weder verkaufen noch verschicken; auch sollen sie der Eisenfaktorei
keinerlei Konkurrenz machen. — „Wir wollen auch Hansen von der
Heiden
und Barthel Meynharten vndt Ihren Erben aus vnsern
Gehölzen, den beiden Klingenbergen, den Rübenstädt, vnd Kötenfleck,
an denen sie sich denn auch genügen lassen wollen vnd sollen, jeg-
lichen durch Vnsern Forstern vmb gebürliche Bezahlung, gleich an-
dern Hüttenmeistern harte Kollen, doch mit dem Bescheid, daſs die
stehenden Bäume vnangegriffen bleiben, vnd aus dem Hinderharze
7 Schock Fuder weiche Kollen vorlegen zu lassen, beschaffen. Ihr
Gesinde darf keiner vber drei Haupt Vieh vnd gar keine Ziegen halten
dürfen — und muſs dieses diesseits der Bude nach dem Almenfelde
gelegen bleiben, vnd sich vnser Gehölze mit Betreibung desſelben
gänzlich enthalten“ — unterschrieben Julius, 2. Mai 1573.


Ebenso wurde die alte Hütte zu Zorge am Kastenthal um 1540
bis 1550 entweder neu aufgenommen oder neu aufgebaut. In diese
Zeit fällt auch die Erbauung der Ilsenburger Eisenhütte, welche in
der Folge die gröſste Bedeutung erlangte. So wurden im 16. Jahr-
hundert in vielen Harzgegenden Hochöfen eingeführt 2). Sie wurden
bereits auf festem Grunde gebaut und mit Abzüchten versehen.
Diese wurden mit breiten Steinen bedeckt, dann folgte etwas Schutt,
hierauf lag der Bodenstein. Das Gestellfutter, in welchem das Ge-
stell eingebaut stand, war 5 Fuſs 10 Zoll im Geviert und 5 Fuſs hoch.
Der Schacht, 13 Fuſs hoch, war unten viereckig, oben rund, etwas
[768]Stolberg und der Unterharz.
geneigt. Das Gestell selbst war 36 bis 40 Zoll hoch, oben 12 Zoll,
vor der Form 10 Zoll weit und im Eisenkasten 22 Zoll lang. Das
Gestell hatte nur etwa 5 Kubikfuſs Inhalt. Die ganze Zustellung war
eine sehr enge. Die längste gesetzliche Blasezeit war 25 Wochen, die
aber meist nicht erreicht wurde.


Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts kam ein Mann aus dem
Voigtlande, mit Namen Hans Sien (Sieme), welcher zu Wieda einen
neuen und gröſseren Hochofen anlegte, der zur damaligen Zeit der
gröſste auf dem ganzen Harze gewesen sein soll 1). Das Raugemäuer
war 7 Fuſs im Quadrat, die ganze Höhe des inneren Ofens betrug
24 Fuſs, die Gicht war 4 Fuſs weit, doch blieben die Maſse des Ge-
stells die nämlichen, wie in den früheren kleineren Öfen. Dadurch
entstand ein Miſsverhältnis zwischen Schacht und Gestell. Trotzdem
wurde Hans Sien so berühmt, daſs er an verschiedene Orte berufen
wurde, um neue Hochöfen anzulegen. Um diese Zeit herrschte noch
viel Aberglaube und Geheimniskrämerei wegen der Ofenzustellung,
und Männer wie Sien beherrschten ganze Länder durch ihr Ansehen,
was wirklichem Fortschritte sehr im Wege stand. Hans Sien be-
hielt seine Kunst sehr geheim und vererbte sie nur auf seinen Sohn
Christof Sien, der wie jener auf seine Kunst reiste. Diesem folgte
dann Hans Voltin Teichmann von St. Andreasberg, welcher die
kupfernen Formen einführte, während vorher durch den Stein geblasen
wurde. Die ganze Hochofenindustrie des Harzes hing lange Zeit von
solchen Ofenmeistern und „Maschenbläsern“ ab.


Wir haben zuvor erwähnt, daſs sich die Grafen von Stolberg per-
sönlich groſse Verdienste um das Berg- und Hüttenwesen ihres Landes
erwarben. Leidenschaftliche Förderer waren Graf Botho und nach
dessen Tode 1538 Graf Wolfgang. Bei letzterem wurde diese Leiden-
schaft zum Fehler, denn er spekulierte über seine Verhältnisse und
wollte es dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Braun-
schweig zuvorthun. Er kaufte Hütten auf und legte neue an, aber
beides mit groſsen Kosten. Er war es, der Ilsenburg zu einer groſs-
artigen Fabrikstadt machte. Dort legte er im Jahre 1544 die erste
Messinghütte am Harze an. Er lieſs Arbeiter von Nürnberg, Aachen
und Antwerpen kommen und brachte rasch die Messingfabrikation zu
groſser Blüte. Es entstanden drei Messinghämmer bei Ilsenburg, die
untere, mittlere und oberste Blechhütte, sodann umfangreiche Draht-
züge: der Messingdraht, der in groſsen Mengen hergestellt wurde,
[769]Stolberg und der Unterharz.
bildete einen besonders wichtigen Gegenstand des Ilsenburgischen
Handels 1).


Für so umfangreiche Fabrikation war viel Eisen erforderlich. Bei
dem Bau der Messinghütte hatte die Klosterschmiede ausgeholfen. Im
Jahre 1546 erbaute Graf Wolfgang einen Hochofen (ustrina) und
richtete neue Eisenhämmer für Stabeisen und Bleche ein. Schon
früher hatten bei Ilsenburg Rennwerke und Eisenhämmer bestanden,
die aber gegen Ende des 15. Jahrhunderts zurückgegangen waren. Sie
erhielten ihr Erz vom Büchenberg. Die alten Rennfeuer auf den Ro-
dungen unterhalb der heutigen Ilsenburg kamen zum Erliegen, als
sich die Eisenindustrie inmitten des Eisensteinzuges lebhaft entwickelte,
da sie die Kosten des weiten Erztransportes nicht vertragen konnten.
Backenrode war 1480 eingegangen, und mit Benzingerode ging es 1496
sehr schwach. Die neue Hütte kam teils durch die groſsartige Messing-
fabrikation, teils durch ihre Guſswaren rasch in Blüte. Graf Wolf-
gang und seine ganze Familie kam dagegen immer mehr ins Gedränge.
Die neuen Anlagen und der ausgedehnte Betrieb verschlang zu groſse
Summen; noch kostspieliger aber waren die groſsartigen und doch
erfolglosen Versuche der Wasserlösung mit Heinzenkünsten. das Geld
muſste groſsenteils durch Anlehen aufgebracht werden. Die „Vorlage“,
d. h. das von den Grafen vorgeschossene Betriebskapital der Ilsen-
burger Messinghütten, betrug allein 60000 Gulden. Als Graf Wolf-
gang am 8. März 1552 starb, war die gräfliche Familie, trotz alles
äuſseren Glanzes, finanziell in sehr übler Lage, welche durch groſs-
artige Hofhaltung, übertriebene Prachtentfaltung und die Uneinigkeit
der Brüder noch verschlimmert wurde. Graf Wolfgang hatte 1549
von den Gebrüdern von Halle zu Hildesheim 9000 Goldgulden er-
borgt; Graf Heinrich lieh noch 100 Gulden dazu, alles zu 6 Prozent;
dagegen verschrieb er das ganze Amt Elbingerode, welches dann auch
bald verfiel. Die Gebrüder von Halle setzten sich am 11. März 1559,
allerdings mit Gewalt, in Besitz. Die Eisen- und Holzhandlung war
ihnen nicht verschrieben, aber sie nahmen sie gleichfalls. 1584 wur-
den die Elbingeroder Bergwerke an Statius von Münchhausen ver-
pfändet. Noch viele andere Werke gelangten durch Verpachtung
und Verpfändung um jene Zeit in andere Hände.


Zu Braunlage war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
eine Eisenhütte im Gange 2), die zugleich mit einer auf der Kaltenesse,
Beck, Geschichte des Eisens. 49
[770]Stolberg und der Unterharz.
wo ein Zerennherd, eine Blankschmiede und eine Mahlmühle standen,
genannt wird. Beide Hüttenwerke waren an Mathias von Veltheim
versetzt, welcher sie im Jahre 1587 an den Grafen Botho wieder ab-
trat. Im Jahre 1595 verpachtete sie Graf Martin an Heinrich Groben
und Kaspar Beyern, und 1596 wurde von beiden ein Inventarium auf-
genommen. — 1574 versetzte Valentin Böttcher seine Eisenhütte zu
Altenbrack mit des Grafen Kaspar Ulrichs Konsens für 1300 Thlr.


Die Hütte zu Neuwerk war schon früher in Privatbesitz über-
gegangen, denn nach urkundlicher Nachricht bekam 1534 der Blanken-
burger Bürgermeister Andreas Thomas eine ganze Eisenhütte zu Neu-
werk mit Holzung, Wiesen, Weiden und allem Zubehör, wie sie sein
Vater Hanns Thomas gehabt, vom Grafen Ulrich V. als ein Erblehn-
gut, dergestalt, daſs er dem Grafen den Zehnten vom Eisen abgeben
muſste. — Bei Rübeland bestanden neben der herrschaftlichen Eisen-
hütte noch Privathütten. 1522 zahlen diese Bohlen- und Wasserzins
an Blankenburg; auch werden verschiedene Veräuſserungen erwähnt.
Hanns Rübsaamen verkauft z. B. im Jahre 1531 eine halbe Eisenhütte
zu Rübeland mit dazugehörigen Holzungen und Wiesen, wovon jähr-
lich 2½ fl. an das Amt Blankenburg entrichtet werden muſsten, an
Erhard Oberländer, welcher die gräfliche Belehnung dafür erhielt.
Mit der anderen Hälfte dieser Hütte und mit den dazugehörigen
Holzungen und Gräsereien wurde Bartholt Schalk im Jahre 1534 be-
liehen. Von letzterer Hälfte muſste der Zehnte vom Eisen abgegeben
werden. — Im Jahre 1570 borgte der gräfliche Unterthan zu Rübe-
land, Klaus Hahne, welcher damals zu Andreasberg wohnte, mit Ein-
willigung des Grafen Kaspar Ulrichs 700 Thlr. von dem gräflichen
Rat Hieronymus Pathe, auf seine erb- und eigentümliche Eisenhütte
zu Rübeland, welche von dem Blankenburgischen Grafen erbzinsrührig
war. Drei Jahre danach kaufte Wolf Fueſsen von den Schalken einen
Eisenhammer zu Rübeland und die Hütte mit Wiesen und Äckern
nebst einer Mahlmühle für 2450 Gulden, worauf ersterer im Jahre
1575 Klaus Hahnen noch ein Darlehen von 500 Thlr. auf seine Hütte
gab und dieselbe 1578 wieder käuflich erhandelte. Aus der Ver-
schreibung erhellt, daſs Rat Pathe damals eine Hütte neben der zu-
letzt gedachten und noch eine im Kaltenthal bereits in Besitz hatte.


Unterhalb Zorge wurde am Staufenberge im Jahre 1571 die
untere Eisenhütte angelegt. Die eine Hälfte gehörte zum Kloster,
mit der andern wurde ein Sekretär Adrian Lubeck und ein Forst-
bediensteter David Peust beliehen. Die Zorger Hütte, die lange zu-
vor erbaut war, hatte schlechtes Eisen gegeben, bis vortrefflicher
[771]Stolberg und der Unterharz.
Eisenstein im Berge Kastenthal erschürft wurde. Nach dieser Ent-
deckung haben die Berg- und Hüttenleute sich hier vermehrt und im
Jahre 1577 eine Kapelle bekommen.


Die Landesfürsten am südlichen und östlichen Harze ordneten
die bergrechtlichen Verhältnisse schon früh durch Freiheiten und
Ordnungen. Insbesondere hatten die Grafen von Hohnstein bereits
im Jahre 1521 ein „Bergfreiheitspatent“ zur Förderung des Bergbaues
erlassen, welches auch in den Nachbargebieten zur Geltung gelangte.
1537 erlieſs Graf Botho zu Stolberg eine Bergordnung für die Graf-
schaft Wernigerode 1). Für den Eisensteinbergbau des Unterharzes
war aber von besonderer Wichtigkeit die Elbingeroder Eisenstein-
bergordnung von 1594 2).


Der Eisensteinbergbau war frei von Alters her. Eine Freierklärung
der Stolberger Grafen wird im Artikel 11 erwähnt. Der Betrieb war
in den Händen der Einwohner von Elbingerode. Die Hüttenherren
waren damals vom Betriebe der Gruben noch nicht ausgeschlossen.
Die Eisenhütten und Hammerwerke etc. waren entweder landesherr-
liche oder private und teils im Amte selbst, teils in der Grafschaft
Wernigerode belegen. Die Privathütten wurden auf Grund bergherr-
licher Verleihung betrieben. Das Recht des freien Vertriebes ihrer
Produkte stand ihnen nicht zu, sondern sie muſsten dieselben gegen
bestimmte Preise an die gräflichen Faktoreien abliefern. Der Berg-
herr übte das Monopol des gesamten Eisenhandels aus. Es ist klar,
daſs diesem Monopol und der dadurch bedingten Unfreiheit des
Hüttengewerbes gegenüber auch der Bergbau kein ganz freier sein
konnte, und daſs nur ein Betrieb im Kleinen, durch Eigenlöhner,
möglich war. Die Verpfändung der Werke in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts zwang die Bergleute zum Zusammenstehen, und dies
beförderte die eigentümliche, selbständige Verfassung. Der freie Ver-
kehr mit den Erzen war beim Harzer Bergbau überhaupt unbekannt:
die Erze durften nur an die inländischen Hütten verkauft und das
Eisen muſste an die Faktorei abgeliefert werden. Dies war ebenso
bei dem Ober- wie beim Unterharzer Bergbau. Nur dadurch, daſs alle
Erze an die herrschaftlichen Hütten geliefert werden muſsten, erklärt
es sich, daſs diese den Bergleuten das Grubenholz auf den Berg
fahren (Art. 18) und das Gezähe liefern muſsten (Art. 19), daſs sie
Zuschüsse zu den Unkosten für Vorrichtungs- und Hilfsbaue leisten
49*
[772]Stolberg und der Unterharz.
muſsten (Art. 20), und daſs Hüttenmeister und Hüttenknechte nicht
selbst Gruben bauen durften. Die Bergleute erkannten, daſs sie den
Hütten gegenüber nur dann eine gewisse Selbständigkeit behaupten
konnten, wenn sie alle fremden Elemente streng ausschlossen, den
Charakter des Eigenlöhnerbetriebes festhielten. Deshalb war nur der,
der Bergwerk treiben und selbst bearbeiten wollte, zur Mutung
und Beleihung zugelassen, das Austhun gegen Zins aber verboten.
Jede Spekulation war verpönt, deshalb auch den Hüttenleuten die
Mutung von Gruben untersagt. Ferner bestand das lokale Monopol:
kein fremder Arbeiter wurde zugelassen ohne Genehmigung des Berg-
vogtes und der Geschworenen, d. h. der erwählten Vertreter. Wer
muten will, soll in Elbingerode wohnhaft und „haushaltlich“ an-
gesessen sein. Wer seinen Wohnsitz aufgiebt, soll „dem Amte heim-
gefallen“, d. h. seine Mutung ins Freie gefallen sein. Diese auſser-
ordentlichen Beschränkungen erinnern mehr an das Zunftwesen als
an die Knappschaften.


Am 19. Januar 1577 hatten die Grafen von Stolberg auſserdem
ein Einfuhrverbot für fremdes Eisen und Holz erlassen.


Die Ilsenburger Eisenwerke, welche die wichtigsten für die stol-
bergischen Grafen seit dem Jahre 1546 waren, verblieben in gräf-
licher Administration bis zum Ausgange des Jahrhunderts. Der Hoch-
ofen von Ilsenburg war für Erzeugung von Guſswaren erbaut. Blau-
öfen bestanden schon früher am Unterharz, aber der Ilsenburger
Hochofen scheint der erste mit offener Brust gewesen zu sein. Die
Behauptung des verdienstvollen Ober-Hütteninspektors E. Schott zu
Ilsenburg, daſs schon im 15. Jahrhundert daselbst Eisenguſswaren er-
zeugt worden seien 1), müssen wir dagegen anzweifeln. Er verweist
zwar auf alte Urkunden, in welchen schon „im 15. Jahrhundert von
dort gegossenen Töpfen, Platten, Kugeln u. s. w. die Rede ist“, es ist
uns aber nicht gelungen, von solchen etwas in Erfahrung zu bringen,
und auch der weitere Beweis, den Schott versucht, scheint uns
nicht stichhaltig. Er hat nämlich in sehr verdienstlicher Weise in
seiner langjährigen Stellung als Hütteninspektor alte Ofenplatten ge-
sammelt. Unter diesen soll eine mit der Jahreszahl 1509 sich be-
finden, und er führt diese, indem er annimmt, daſs dieselbe in Ilsen-
burg gegossen sei, als Beweis für die frühe Herstellung von Guſswaren
an. Diese Annahme ist aber eine wenig wahrscheinliche (s. S. 307),
und dazu kommt, daſs die angegebene Jahreszahl 1509 ebenfalls
[773]Der Oberharz.
zweifelhaft ist. Vorläufig ist der Beweis nicht erbracht, daſs schon
vor Erbauung des Hochofens im Jahre 1546 ein Ofen zu Ilsenburg
bestanden hatte, mit welchem Guſswaren erzeugt wurden.


In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dagegen war dies be-
stimmt der Fall, und zwar goſs man im Jahre 1577 nach auf-
gefundenen Rechnungen daselbst Töpfe, Ringe, Gewichte, Ofenplatten,
Kugeln u. s. w. 1). Ihre Eisengieſser lieſsen die Grafen von Stolberg
aus dem Siegerlande kommen. Die Grafen Wolfgang, Ludwig und
Albrecht Georg schlossen mit Siegener Gieſsern schriftliche Verträge
ab, welche zum Teil noch im Stolberger Archiv vorhanden sind, in
welchen sich diese verpflichteten, groſse und kleine Öfen, Platten, Tische,
Cysternen, Büchsenkugeln u. s. w. zu gieſsen, ohne daſs es ihnen
aber, wie es scheint, gelang, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
1548 fing ein engagierter „Massenbläser“ zum zweiten Mal an, Roh-
eisen zu erzeugen, welches er zu Töpfen, Amboſsen, Platten, Kugeln,
Böden und Zacken vergoſs. Vermutlich geschah das in Ilsenburg in
dem neuen Hochofen, der 1546 erbaut worden war.


Der Oberharz.

In ähnlicher aber doch ganz eigenartiger Weise entwickelte sich
das Eisenhüttenwesen im Oberharz. Hier hat das unmittelbare Ein-
greifen der Landesfürsten besonders segensreich gewirkt. Im Ober-
harz, wo sich am Rammelsberge Metallbergbau und Hüttenwesen so
früh entwickelten, kam auch die Eisenindustrie zu früher Blüte. Die
Bergarbeit im Rammelsberge verbrauchte eine groſse Menge Eisen
für Werkzeuge, und dies gab Veranlassung zu gröſserer Eisen-
gewinnung in der Nachbarschaft. Die Eisenindustrie des Oberharzes
stand immer in inniger Wechselbeziehung mit der Metallindustrie
und teilte deren Auf- und Niedergang. An Eisenerzen fehlte es nicht;
die meisten Metallgänge führten Spateisenstein und viele derselben
gingen in ihren Ausläufern in Eisenerzgänge aus; so rührte nament-
lich der Eisenreichtum des Ibergs bei Grund aus dem Zusammen-
treffen mehrerer solcher Gangausläufer her. Der Holzreichtum des
[774]Der Oberharz.
Harzes war von jeher berühmt, an dem nötigen Brennmaterial war
also kein Mangel.


Im 14. Jahrhundert war der Harzer Metallbergbau und damit
auch das Eisengewerbe infolge der Pest fast ganz zum Erliegen ge-
kommen. Im 15. Jahrhundert kam der Bergbau allmählich wieder in
Gang. Um 1420 erbaute Heinrich Eschenbach aus dem Meiſs-
nischen im Rammelsberge ein groſses Pumpwerk, „die Wasserkunst
mit dem krummen Zapfen“, eine bis dahin noch unbekannte Vor-
richtung, und brachte damit die Grube zu Sumpf. Um die Mitte
des Jahrhunderts, also um dieselbe Zeit wie im Unterharz, begannen
sich die Eisenwerke, die vordem auf den Höhen bei den Eisengruben
gestanden hatten, in die Thäler an die Wasserläufe zu ziehen. Be-
sonders war es die Sösse, an welcher schon frühe Zerennhütten er-
baut wurden, namentlich bei Gittelde und Osterode. In einem Bibel-
codex zu Wolfenbüttel befindet sich folgende Notiz 1): Explicit
Deuteronomium per me Andream Soteflesch de casa ante piscinam
ducis sita prope Gitthelde, in qua casa fratres mei fabrilia tractant
negotia ex lapidibus ferrum cudentes. Anno Domini 1456 in die
Agnetis virginis gloriosae. 1460 befanden sich im Sösethal oberhalb
Osterode vier Eisenhütten im Betriebe. Gegen Ende des Jahrhunderts
wurde Herzogin Elisabeth, die Gemahlin Wilhelms des Jüngeren von
Braunschweig, die eigentliche Gründerin des Jahrhunderte hindurch
blühenden Eisenhüttenwesens von Gittelde und Grund. Sie war eine
geborene Gräfin Stolberg und hatte aus der Heimat die Liebe zum
Bergbau mitgebracht. Nachdem daher ihr Gemahl im Jahre 1494
gestorben und ihr Schloſs und Herrschaft Stauffenberg als Witwensitz
und Leibgeding überwiesen war, wendete sie alsbald ihre Aufmerksam-
keit den mineralischen Schätzen der Gegend, besonders am Iberge,
zu. Sie nahm den alten Bergbau daselbst wieder auf. Da es ihr
aber an erfahrenen Bergleuten fehlte, lieſs sie sich von ihren Brüdern,
den Grafen Kaspar, Albrecht und Botho zu Stolberg, solche aus dem
Stolbergischen und dem Elrich schicken. Ihr Eifer war von Erfolg
gekrönt, sie erschloſs ein ergiebiges Silberbergwerk und veranlaſste
die Eröffnung zahlreicher Eisensteingruben auf den reichen Erzgängen
des Iberges. Um den Eisenstein zu verwerten, lieſs sie in Grund und
zu Gittelde Hüttenwerke bauen. Ihr „liebes Grund“, vordem nur als
Forstbezeichnung bekannt, wuchs zu einer blühenden Bergstadt heran 2),
[775]Der Oberharz.
das schon 1505 seine eigene Pfarrkirche erbauen konnte; 1535 erhielt
es Stadtrechte. Als Elisabeth alt und schwach wurde, belieh sie ihren
treuen Kanzler Spiegelberg mit den Eisenwerken am Iberge. Dieser
legte in Gittelde eine Faktorei an, durch welche der ganze Eisenhandel
geleitet wurde, und da nun die Herzogin Spiegelberg anfangs scherz-
weise ihren Eisenkanzler nannte und unter diesem Titel an ihn
schrieb, so bekam die Gittelder Faktorei den Namen Eisenkanzlei
und behielt diesen Namen bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Der
Chronist Hardanus Hacke1) schreibt darüber, nachdem er gemeldet,
daſs die von Stolberg und dem Elrich von der Herzogin herberufenen
Stahlschmiede aus dem Eisenbergwerke am „Ibenberge“ gut Eisen
und Stahl machen konnten, es ihnen aber an „Verlag“ gemangelt,
und sie die Herzogin um Verlag gebeten hätten: „die gute fromme
Fürstin, die keinen vorteiligen Genieſs suchte und haben wollte, hat
den Verlag ihrem Kanzler Spiegelberg überlassen, der es auch dann
aufgenommen und verlegt hat. Daher ist es Kanzelei genannt worden
und hat den Namen bis auf den heutigen Tag behalten.“ Noch in
den letzten Jahren ihres Lebens weilte Herzogin Elisabeth häufig in
Grund, wo sie Schlackenbäder nahm. Sie starb hochbetagt um 1520,
jedoch ist Tag und Jahr ihres Todes unbekannt. Der Verehrung, die
sie genoſs, gab damals der Pfarrer von Ohlenhausen in folgenden
lateinischen Versen Ausdruck:


  • Elisabetha pia — De Stolberg Comitessa — De Brunswig
  • Ducissa — Caste et pudica — Ducis Wilhelmi
  • relicta — Junioris vidua — Mater et nutrix ecclesiae —
  • Cum magna devotione — Fautrix Clericorum —
  • Inventrix Metallorum — Paupertatis consolatio —
  • In Domino abdormivit — In tumulo habitat —
  • In pace requiescat. — Amen. —

Der Kanzler Spiegelberg nahm sich der Gruben und Hütten
mit Eifer an und setzte Alles in guten Stand. Zu jener Zeit werden
bereits genannt die Gruben am Schüffelberg, im inneren Hasselbach,
Glück Gottes, wunderlicher Hermen, Königsgrube, in Buche u. s. w.,
auf welchen Eisen- und Kupfererze gefördert wurden. Diese wurden
verschmolzen auf den Hütten Schwickershof vor dem Iberge, der
Schrammenenhütte, Glückshof, der krummen Hütte, Laubhütte, oberen
[776]Der Oberharz.
und unteren Hütte, dem blauen Wunder und der Teichhütte. Die
meisten dieser waren Rennwerke, nur das blaue Wunder, welches ein
Sauerländer erbaut hatte, war eine Frischhütte, „da man zwey-
geschmolzen Eisen macht“ (Hacke). Unter den aus dem Stolbergi-
schen eingewanderten Eisenarbeitern befanden sich namentlich auch
Stahlschmiede, die aus den guten Iberger Erzen einen geschätzten
Stahl erbliesen. Zu Gittelde wurde ferner schon früh eine Blechhütte
angelegt.


Heinrich der Jüngere, der Enkel der Elisabeth, bethätigte gleich-
falls das lebhafteste Interesse an dem Harzer Bergbau. Veranlaſst
durch die vielen alten Pingenzüge und des Zuspruchs des ihm be-
freundeten Herzogs Georg von Sachsen 1), nahm er im Jahre 1524 den
Bergbau im Oberharz mit Macht wieder auf und erlieſs Donnerstag
nach Viti 1524 die erste Bergordnung für die Bergwerke um und bei
Gittelde 2), welche zum Teil auf ältere Bestimmung Bezug nimmt und
sich vielfach an das 1521 erlassene hohnsteinische Berg-Freiheitspatent
anlehnt. Wie dieses gab sie den Bergbau frei, gewährte freien Holz-
bezug gegen Erstattung eines Forstzinses, erlaubte den Bergleuten
und Gewerken sich anzubauen und bürgerliche Nahrung zu treiben,
befreite sie von Abgaben, Wehrgeld, Zoll und Geleit, und versprach
ihnen allen Schutz 3). Das erste Bergbuch, in welchem alle in Betrieb
befindlichen Harzzechen verzeichnet wurden, stammt von 1526 4).


Im Jahre 1521 war der Andreasberger Erzbergbau durch Joachims-
thaler Bergleute aufgenommen worden. Durch den reichen Bergsegen
entstanden auſser Andreasberg die Bergstädte Wildemann (1529),
Zellerfeld und Lautenthal, die 1532 von Herzog Heinrich mit Frei-
heiten und Gerechtsamen begnadigt wurden. In demselben Jahre
verlieh er durch Patent vom Montag nach Quasimod. 5) seinen Berg-
werken am Iberge, zu Gittelde und in Grund, wie denen zu Zellerfelde
folgende Privilegien: Freiheit der Wege, des Wassers, der Hütten
und Pochwerke, auch aller Andern Gelände, wie altes Herkommen,
Bergwerksrecht und Gewohnheit sei, freien Handel und Wandel der
Bergleute, freies Geleit, freies Backen, Brauen und Schlachten, freien
Wochenmarkt am Samstag bei Gittelde, in Grund und zu Zellerfeld.
[777]Der Oberharz.
Ein jeder wohnhafte Bergmann sollte bürgerliche Nahrung treiben
können und von Zoll, Steuern und Accise, Hof- und Kriegsdiensten
befreit sein: nur bei gemeiner Landesnot, aus gutem Willen, un-
genötigt mag er eine Zubuſse leisten. Bauholz für das Bergwerk und
Wohngebäude sollte er ohne Forstzins, doch nach Anweisung des
herrschaftlichen Försters beziehen dürfen. Der herrschaftliche Zehent
wurde auf drei Jahre erlassen. Nur den Verkauf des gewonnenen
Erzes behielt sich der Landesherr vor. Wie sehr Herzog Heinrich
die Förderung des Bergbaues in seinem Lande am Herzen lag, geht
auch daraus hervor, daſs er den berühmten Georg Agricola zu sich
einlud und ihn in seine Dienste zu ziehen suchte 1). Ferner daraus,
daſs, als 1536 in dem Bergwerke zu Wildemann die groſse Wasser-
kunst genannt „Heinzenkunst“ in Betrieb gesetzt wurde, er sich per-
sönlich hinbegab und daselbst einfuhr (Hacke). Dennoch war Hein-
richs Thätigkeit für das Bergwesen nur eine sprungweise, häufig
unterbrochen durch kriegerische Unternehmungen und wechselvolle
Schicksale. 1553 2) gab er für die fürstlichen Bergwerke zu Grund,
Wildemann, Zellerfeld, Lautenthal u. s. w. eine Bergordnung heraus,
welcher 1556 ein allgemeines Berggesetz als „zweite Bergfreiheit“
folgte. 1568 starb Herzog Heinrich der Jüngere, nachdem er sich
zuvor mit seinem Sohne und Erben Julius ausgesöhnt hatte.


Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, war einer
der merkwürdigsten Fürsten seiner Zeit, der für das Berg- und Hütten-
wesen Erstaunliches geleistet hat. Er war als dritter Sohn des Her-
zogs nicht zur Regentschaft bestimmt, vielmehr sollte er, da seine
Füſse durch einen unglücklichen Fall in frühester Jugend nach ein-
wärts gewachsen waren, und er dadurch für einen andern standes-
gemäſsen Beruf untauglich schien, Geistlicher werden. Als er zu
diesem Zweck in Löwen studierte 3), unterzog er sich bei dem be-
rühmten Arzte N. Haerdael einer schmerzhaften, aber glücklichen
Operation. Dennoch blieb eine Schwäche in den Beinen zurück. Den
Zorn seines Vaters, der eifrig die katholische Sache verfocht, zog er
sich dadurch zu, daſs er sich offen zur lutherischen Lehre bekannte.
Julius wurde auf das Härteste behandelt, und der Haſs des Vaters
[778]Der Oberharz.
minderte sich nicht, als diesen das schwere Schicksal traf, seine
beiden geliebten ältesten Söhne in der Schlacht von Sievershausen
zu verlieren. Julius floh zuletzt zu seinem Schwager Markgraf
Hans dem Weisen von Brandenburg. Heinrich, Witwer geworden,
schritt zu einer neuen Ehe mit Sophie von Polen in der Hoffnung
auf Nachkommenschaft und fest entschlossen, Julius von der Nach-
folge auszuschlieſsen. Als sich diese Hoffnung nicht erfüllte, wollte
er seinen unehelichen Sohn (von Eva von Trott) Eitel Heinrich von
Kirchberg legitimieren lassen, aber dieser weigerte sich, darauf ein-
zugehen. Erst als Julius von seiner edlen Gemahlin Hedwig, Tochter
des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, selbst ein Sohn geboren
war, milderte sich der harte Sinn des Vaters. Am 11. Juni 1568
schied Herzog Heinrich aus dem Leben, und Julius bestieg den braun-
schweigischen Thron. Mit fester Hand ergriff er die Zügel der Re-
gierung. Er war in einer schweren Schule des Lebens erzogen. Mit
gründlicher Bildung und reichen Kenntnissen war bei ihm ein hervor-
ragender Sinn für Ordnung und ein organisatorisches Genie ver-
bunden. Er begann seine Regierungsthätigkeit damit, auf allen Ge-
bieten strenge Ordnung einzuführen, nicht in pedantischer Weise und
durch gedruckte Reglements, sondern vor Allem durch sein lebendiges
Beispiel. In allen Kollegien arbeitete er selbst mit, und erst nachdem
er den Geschäftsgang gründlich und praktisch kennen gelernt und
seinen Beamten gezeigt hatte, wie man arbeiten müsse, erlieſs er seine
Ordnungen.


Sein Wirken fiel in die Zeit, in welcher das Ansehen der Kaiser-
macht in Deutschland mehr und mehr schwand, und die Macht der
Territorialherren, die Selbständigkeit der Landesfürsten wuchs 1). Die
Regalität war längst aus der Hand des Kaisers in die der Landes-
herren übergegangen, und der Regalismus wurde von diesen auf Alles
ausgedehnt, nicht nur auf den Besitz von Wald, Mineralschätzen,
Hüttenwerken, sondern auch auf alle Betriebe, auf Gewerbe und Han-
del. Die Landesväterlichkeit erstreckte sich über Alles. In diesem
Sinne erfaſste auch Herzog Julius seinen Beruf und er wurde wirk-
lich ein Landesvater im besten Sinne. Sein bekannter Wahlspruch
„Aliis inservando consumor“ war auch der Inhalt seines Lebens. Auf
sein vielseitiges Wirken können wir hier nicht eingehen; nur Einzelnes
können wir berühren.


[779]Der Oberharz.

Zur Landesverteidigung schuf er eine Landwehr, wofür einem
Jeden nach seinem Vermögen die Waffen vorgeschrieben wurden. Mit
diesen hatte derselbe auf dem Landgerichte zu erscheinen und nach
Schluſs der Gerichtssitzung sich mustern zu lassen. Die Bauern wur-
den von ihren Vögten oder alten Kriegsleuten einexerziert. Sie
muſsten ihre Waffen vorzeigen, daſs sie dieselben nicht „verpartieret“
hatten, und der Herzog lieſs billige Gewehre anfertigen, die mit
7/4 Ellen langem Lauf, geschäftet und garniert nur 2 Thaler kosteten.
Alle waren bei Strafe gebunden, wenn die Sturmglocke geläutet wurde,
mit ihrer Wehr gerüstet zu erscheinen.


Wie für Ordnung und Sicherheit, so sorgte Herzog Julius nicht
minder eifrig für die materielle Wohlfahrt seines Landes, und hierfür
bewies er eine hervorragende Begabung. Den Hauptnahrungsquellen
des Harzes, dem Walde und den unterirdischen Schätzen, widmete er
seine besondere Fürsorge. Der Betrieb beider hing eng zusammen
und ist im Harze auch immer als etwas Zusammengehöriges behandelt
worden.


Der Wald war im Harze der vornehmste Besitz. Jagd und Wild-
bann standen den Kaisern aus sächsischem Geschlechte zu, von denen
es an die Hohenstaufen überging. Der Waldbesitz dagegen stand im
Mittelalter Freien zu, Waldworchten, Waldwerken, silvani, auch die
weisen Waldleute genannt, die in hohem Ansehen standen. Diese
standen mit den Schmelzhütten in enger Beziehung und waren häufig
die Besitzer derselben (Bd. I, S. 765), und so treten, nachdem der Name
der Waldwerken gegen Ende des 15. Jahrhunderts verschwindet, die
Hüttenherren an deren Stelle. Bereits 1252 wurde ein Waldrecht (wolte-
recht) für den Harz erlassen, nachdem Kaiser Friedrich II. 1219 schon
gewisse Privilegien erteilt hatte. Dieses erste Waldrecht ist leider
verloren gegangen. Die älteste noch vorhandene Forstordnung wurde
1274 von Herzog Albrecht dem Groſsen publiziert. Danach muſsten
die Waldleute „Schlagschatz und Kupferzoll“ geben, sie besaſsen also
Metallhütten. Die gesetzgeberische Thätigkeit ruhte in den folgenden
Jahrhunderten. Erst Heinrich der Jüngere sah sich veranlaſst, der
Erhaltung der Harzwälder seine Fürsorge zuzuwenden, zunächst durch
einen Erlaſs vom Jahre 1535, alsdann durch die Forstordnung von
1547. Dieselbe bezieht sich hauptsächlich auf das „überhand-
genommene, widerrechtliche Abhauen und Niederschlagen der Hölzer
in den Harzforsten“, auf die Schonung der jungen Bäume, auf die
Hut und Trift des Viehes in den Forsten, das Führen von Hunden etc.
und die Strafen dafür. Noch gröſsere Sorgfalt wendete Herzog Julius
[780]Der Oberharz.
der Walderhaltung und Waldkultur zu. Er entwarf selbst eine Forst-
ordnung mit bis ins Einzelnste gehenden Bestimmungen über Wieder-
zucht der Wälder, Anlage von Forstgärten und Ausführung von
Pflanzungen, über die Befahrung mit Dung, das Verkleben der Schnitt-
wunden an Pflänzlingen mit Baumwachs, das Beachten der Himmels-
gegenden bei Umpflanzungen u. s. w. In allen Holzungen sollte
nicht eher gehauen werden, bis das alte und abständige Holz daraus
genutzt und abgefahren ist, Bauholz überhaupt nur mit Wissen und
auf Anordnung der Amtleute und Förster. Ferner enthält sie Be-
stimmungen über Einteilung der Gehaue, über Schonungen auf drei
und mehr Jahre nach dem jeweiligen Urteil der Förster. Ziegen und
Schafe sollen in Holzungen nicht geduldet werden u. s. w. Wohl
zum erstenmale sieht auch der Entwurf einer Forstordnung von 1585
die Anlage von Trockenöfen vor, in welche alles nicht direkt abgegebene
geringe Bau- und Nutzholz gefahren, aufgeschichtet, getrocknet und
zum Verkaufe bereit gestellt werden sollte, gleichmäſsig für arm und
reich. Dieselbe verbietet auch den Gebrauch von Holz-
kohlen durch die Schmiede, welche dafür ausschlieſs-
lich die am Hils gewonnenen Steinkohlen verwenden
sollen
.


Noch Bedeutenderes hat Herzog Julius im Berg- und Hütten-
wesen geleistet, und er hat den Oberharzer Bergbau auf vorher un-
erreichte Höhe gebracht. Hier konnte er sein Verwaltungstalent,
seine Kenntnisse, seinen praktischen Blick, seinen Handelsgeist am
besten bethätigen 1). Hier erscheint er zugleich als Bergherr, Fabrik-
besitzer und Kaufmann, als ebenso tüchtiger Leiter wie erfinderischer
Kopf. Naturwissenschaftliche Studien hatte er seit Jahren betrieben,
aber er verlieſs sich nicht allein auf seine eigenen Kenntnisse, son-
dern er zog die besten Männer für seine Zwecke heran. Gleich nach
seinem Regierungsantritte lieſs er durch tüchtige und sachkundige,
zum Teil aus dem Auslande berufene Männer eine genaue geo-
gnostische Untersuchung des Harzes, namentlich der älteren Bergwerks-
anlagen vornehmen. Er lieſs ferner Oberharzer und Unterharzer
Bergleute die Gruben wechselsweise befahren und sich ihre Meinung
über Anlage und Betrieb schriftlich vorlegen. Er lieſs neue Stollen,
Schächte und Wasserleitungen anlegen. So wurde 1569 das liegen-
gelassene Bergwerk im Hahnenklee wieder aufgenommen, im Jahre
darauf der „getroste Juliusstollen“ am Meinersberg angelegt, andere
[781]Der Oberharz.
Hauptstollen, wie der Oberwildemanns- und getroste Hewigstollen, an
denen sich Heinrich seiner Zeit vergeblich versucht hatte, wurden
mit besserem Erfolge hergestellt. Im Rammelsberge wurde 1585 der
tiefe Stollen durchgeschlagen und dadurch die Ausbeute ansehnlich er-
höht. Nicht minder erfreuten sich die Eisensteinbergwerke bei Gittelde
und Osterode der eifrigsten Förderung seitens des Herzogs. Bald
wurde der Harz als das ergiebigste Bergwerk in Deutschland be-
rühmt. Herzog Julius gestand in einem Schreiben bereits 1576 zu,
daſs er den jährlichen Überschuſs schon 84000 Gulden höher als sein
Vater gebracht habe. Sein erster Berghauptmann (um 1570) war
Burchard von Steinberg. Algermann, des Herzogs Geheim-
schreiber, berichtet: „Dieweil die Bergwerke eine besondere Gabe und
Geschenk des Allmächtigen, bei dem getreulich gehandelt werden muſs:
also hat der löbliche Fürst als ein geübter, emsiger und fleiſsiger
Haushalter ein sonderlich fleiſsiges wachendes Auge auf dieselbe und
dabei getreue Bergverständige und fleiſsige Räte …“ „Diese muſsten
ihm alle Donnerstag einen richtigen Extrakt aller Berg-Register und
-Sachen allhier überreichen und von dem Zustande der Bergwerke
Bescheid geben 1).“ Wie denn auch aus allen Ämtern jeden Samstag
ein Amtsauszug in fürstliche Kammer geliefert werden muſste, daſs
man von Woche zu Woche, was auf einem jeden Bergwerke an Erz,
Galmey, Vitriol und Blei und von jeder Art Vieh, Korn etc. Vorrat war,
ersehen konnte; aus welchen Auszügen dann in der Thesorien-Zahl-
kammer allemal eine Pergamentrolle angefertigt werden muſste, welche
Se. Fürstl. Gnaden in zwei silbernen Röllchen am Halse trugen und
daraus wuſsten, was sie tägliches einzukommen und zu haben hatten (!).
Und habe von Sr. Fürstl. Gnaden ich oft selbst gehört, daſs derselbe
die Bergwerke bei währender Regierung auf 20000 Thlr. jährliches
Einkommen höher gebracht, als Se. Fürstl. Gnaden, sein Vater, sie
gelassen. Er pflegte zu sagen: „Spartam nactus est hanc orna! und
wollen wir nicht einen Fuſs breit ununtersucht lassen.“ In diesem
Sinne lieſs der Herzog im Jahre 1586 eine noch viel umfangreichere
geognostische Aufnahme seines ganzen Landes vornehmen, und zwar
von dem aus Heidelberg berufenen, von Pfalzgraf Casimir erbetenen,
berühmten Bergmeister Hans Fischer. Diesem stand der herzog-
liche obere Bergbeamte Erasmus Ebener aus Nürnberg, der schon
unter Heinrich dem Jüngeren die Leitung des Bergbaues im Rammels-
[782]Der Oberharz.
berge übernommen hatte, zur Seite. Mit diesen wurden eingehende
Beratungen gepflogen über Ausdehnung und Ertragserhöhung der Berg-
werke. Nach ihren Vorschlägen wurden neue Stollen getrieben, ver-
fallene Schächte wieder hergestellt u. s. w.


Mit der Erweiterung des Bergbaues ging der Aufschwung des
Hüttenwesens Hand in Hand. Bei diesem konnte der Herzog noch
mehr seine Kenntnisse und seine Erfindungsgabe verwerten. Die Er-
findung, aus Ofengalmei, d. h. aus zinkischen Ofenbrüchen und Kupfer,
Messing herzustellen, wird ihm zwar mit Unrecht zugeschrieben, die-
selbe rührt vielmehr von dem oben genannten Eramus Ebener her,
aber der Herzog benutzte sie zuerst und war selbst unermüdlich, um
für seine Messinggieſserei neue Verwendungen, Formen und Modelle
zu ersinnen. Zu Bündheim, unweit Harzburg, legte er die erste
Messinghütte an, die schon 1574 für 50000 Gulden Waren im Jahre
machte. Mit dem Aufschwunge des Rammelsberger Bergbaues Hand
in Hand ging der groſsartige Hüttenbetrieb auf Blei und Silber in
der Gegend von Goslar. Im Jahre 1569 lagerten in den herzoglichen
Faktoreien nicht weniger als 60000 Centner Blei im Werte von
112500 Thalern, und Hans von Schweinichen versichert in seinen
Denkwürdigkeiten, der Herzog habe ihm bei seinem Besuche in
Wolfenbüttel gesagt, „er sei willens, die ganze Stadt anstatt des
Steinpflasters mit Blei zu besetzen, welches man in vorfallender Not
alle Zeiten wieder aufheben und gebrauchen möge, welches Bleies
Anzahl fast unglaublich gewesen“. Er lieſs nach seinen Angaben
vielerlei Dinge aus Blei anfertigen: Wasserspritzen mit Pumpen,
Kronleuchter, Wasserlasser, Kugeln und Feuerbälle, selbst Geschütze,
ferner „Grasbänke und allerhand gegossene vernünftige Historien nach
der Vernunft und den Tugenden und Lastern für den Lustgarten 1)“.


Des Herzogs bergmännisches Interesse beschränkte sich nicht auf
Erz und Eisen, mit dem gleichen Eifer schürfte er nach Steinkohlen,
Salz, Baumaterialien und andern Fossilien. Er legte viele Steinbrüche
am Harze an, die vorzügliches Baumaterial lieferten; er erschloſs
Lager von Alabaster und Marmorarten 2). Seine Schloſskapelle in
Wolfenbüttel lieſs der Herzog mit „einem neuen von Marmor und
Alabastersteinen, die Se. Fürstl. Gnaden an der Asse erstlich erfunden
und brechen lassen, ausgehauenen schönen Altar“ verzieren. Auch
[783]Der Oberharz.
viele kleinere Gegenstände lieſs er daraus machen. In den Verkaufs-
vorräten zu Wolfenbüttel werden aufgeführt: 17 Tischscheiben von
eingelegtem, buntem Marmor und Alabastersteinen und eine Anzahl
dergleichen Brettspiele.


Wegen seiner Salzwerke wendete sich Herzog Julius an den
Landgrafen Wilhelm von Hessen, um ihm einen im Salzsieden u. s. w.
wohlerfahrenen Mann zu weiterer Anleitung und Anrichtung zu über-
lassen. Der Landgraf schickte ihm den berühmten Johann Rhe-
nanus
, Pfarrer zu Soden, von dem er schrieb: „daſs er ein an-
dächtiger Priester sei, der einen Becher Wein in einem Soff aussaufen
könne, aber sich sonst als der vornehmste in seinem Salzwerke er-
wiesen habe“. Die Anordnungen des Rhenanus trugen viel zum
raschen Aufblühen der Salzwerke Lieben- und Juliushall bei. Von
hohem Interesse sind des Herzogs Bemühungen, den Kohlenbergbau
in Schwung zu bringen, und sein klares Verständnis der zukünftigen
Bedeutung der Mineralkohlen als Ersatz für Holz und Holzkohlen.
„Demnach wir befunden“, heiſst es in einer Verordnung des Herzogs
vom 22. Juni 1585 1), „daſs die Holzungen in unserem Fürstentume
die Füſse sehr nach sich gezogen haben und dünne geworden sind,
und deshalb leichtlich zu vermuten, daſs, wo dieselben nicht durch
sonderliche Mittel wieder gesegnet und ersparet, man dadurch künftig
einen unwiederbringlichen Schaden erwarten müssen, so haben Wir,
demselben vorzubauen, keinen näheren Weg gewuſst, denn daſs nach
einem neuen, beständigen Steinkohlenbergwerk zu trachten von-
nöten sein wollte. Derwegen wir hin und wieder in unserem Fürsten-
tume mit nicht geringer Mühe und Unkosten darnach schürfen lassen,
und endlich durch Gottes des Allmächtigen gnädigen Segen auf die
gewisse Spur gekommen, daſs in unserem Amte Hohenbüchen bei
Hilse sich ein Steinkohlenbergwerk aufgethan, welches wir dann als-
bald belegt und mit groſser Geldspildung etliche Jahre so lange
darauf arbeiten lassen, bis Wir es endlich so weit gehoben, daſs nun-
mehr gute reine Steinkohlen die Menge gewonnen werden können,
wie wir sie denn alsbald sowohl zum Schmiedewerk als zum Kalk-
und Ziegelbrennen versucht und sie gut befunden haben u. s. w.“
Der Herzog befiehlt sodann, daſs die Steinkohlen zunächst nur zum
Schmieden gebraucht werden sollen, um Steigerungen zu verhüten,
und daſs die Balge 2 Mariengroschen 2 Pfennige kosten soll. Auch
durften die Kohlen nur im Inlande verbraucht und nicht nach aus-
[784]Der Oberharz.
wärts verführt werden. Im Jahre 1580 lieſs er genaue Erkundigungen
darüber einziehen, wie und in welcher Form zu Kassel der Kalk mit
Steinkohlen gebrannt werde. Auch auf Schmelz-, Vitriol- und Salz-
werken lieſs er Steinkohlen verwenden.


1583 wurden in den Bergwerken zu Hohenbüchen bereits 3200
Balgen Steinkohlen gefördert. — Im Jahre 1584 verfaſste Herzog
Julius selbst Vorschriften 1), wie auf den Schmelz-, Vitriol- und Salz-
werken Steinkohlen angewendet werden könnten. Die mit eigen-
händigen Bemerkungen des Herzogs versehene Handschrift befindet
sich auf der Wolfenbüttelschen Bibliothek 2). Höchst bemerkenswert
ist, daſs Herzog Julius bereits auf die Idee kam, die Steinkohlen ab-
zuschwefeln
oder zu verkohlen, also sogenannten Koks daraus zu
machen, eine Erfindung, welche man stets den Engländern zu-
geschrieben hat. Er äuſsert sich darüber in einer eigenhändigen Ab-
handlung (de usu et natura lapidis Mergel) folgendermaſsen:


„Item hat  I. f. G. expracticiret, daſs man soll Steinkohlen
nehmen, dieselben mit verdembtem Feuer wohl verlutieret, glühen,
damit der Dunst und spiritus sulphuris mit verraucht.“ Die Absicht
dieses Verfahrens erläutert der Herzog an einer anderen Stelle, aus
der hervorgeht, daſs Koks gemeint sind: „Auf daſs man die Kohlen
soviel bequemlicher zum Stubenheitzen, Feuer-Kaminen und Schorn-
steinen ohne groſsen Rauch und bösen Gestank gebrauchen kann 3)“.


[785]Der Oberharz.

Um dieselbe Zeit machte der anhaltinische Münzmeister Daniel
Stumpfelt
„eine Invention, den Steinkohlen den Gestank, die
Wildigkeit und Unart zu benehmen, damit dieselben in schwarzen
und andern Feuerwerken könnten gebraucht werden“ (Beckmann,
Bd. I, S. 65).


Der Herzog war durchdrungen von der ökonomischen Bedeutung
der Steinkohlen und von deren Zukunft „zum Wachstum (d. h. zur
Hilfe) der gemeinen Armut, aus rechter landesväterlicher Treue und
fürstlicher Milde, zu Nutz und Wohlfahrt dieses armen Fürstentums“,
wie er sich in einer Aufzeichnung vom 9. August 1584 ausdrückt.
Hierher gehört auch die wichtige Mitteilung des Hardanus Hacke1):
„Anno 1572 haben sich welche bei Herzog Julius gemeldet, so
Torf am Rotenbruch stechen und daraus Kohlen gleich den Stein-
kohlen brennen wollen, dabei Eisen und Stahl zu schmieden“, zu
welcher Calvör bemerkt: was Diese damals vorgehabt, dieses haben
Ihro Hochgräfliche Excellenz der Herr Graf von Stolberg-Wernige-
rode, Christian Ernst, vor wenigen Jahren auf dem kleinen Brocken
ins Werk gerichtet, da von dem daselbst gestochenen Torf Kohlen
zu den Eisenhütten, vermittels gehörigen kostbaren und weitläufigen
Vorrichtungen gebrannt werden.


Kein verwendbares Fossil entging des Herzogs Scharfblick. So
schlug er die Anwendung eines bei Wolfenbüttel aufgefundenen
Kalkmergels zur Verbesserung der Felder vor. Der Mergel wurde
gebrannt, gemahlen und auf die frisch aufgeworfenen Felder ge-
streut.


Das allergröſste Interesse wendete aber Herzog Julius der Eisen-
industrie in Grund und zu Gittelde zu. Letzteren Platz machte er
zum Mittelpunkt des ganzen Eisenhandels des Oberharzes. Um die
Konkurrenz zu beseitigen, brachte er die Eisenfaktorei von Goslar,
die immer eine feindliche Stellung zu dem Gittelder Eisenhandel ein-
genommen hatte, an sich. Er organisierte die Eisenkanzlei oder
Faktorei zu Gittelde neu und verfaſste selbst die betreffenden In-
struktionen. In dem „Bevelch und Verzeichnis, wie es mit den
Quartal-Rechnungen hinfüro zv halten etc.“, heiſst es: „Sol nach
angehörter Rechnung von unsern Gesanden auch vleiſsig besehen
werden, ob der Vorrat aus vorgelegter Rechnung auf den Hütten und
Hämmern vor der Hand, — auch wo jederzeit unser Verlag stecke.
Desgleichen sich erkundigen, wie es jederzeit mit den Eisensteingruben
Beck, Geschichte des Eisens. 50
[786]Der Oberharz.
wohl oder übel stehe, ob man mit Nutz und Rat new Gebeu be-
fördern und Eiſsenstein erbauen mocht. Auch ob die Wahr fleiſsig
abgehe, ob auch an Kohlen, Hütten und Hamerzeug zur Beförderung
des Handels genugsahm vor der Hannt. Und auch daſs man mit
Ernst darob halte, daſs unsre Holtz-Ordnung mit dem Kohlenwerk
gehalten werde“ 1). Jede Woche muſste schriftlicher Bericht ein-
gereicht werden, und die Quartalsrechnungen prüfte er selbst. Die
Bergbeamten muſsten wöchentlich Berichte einschicken, die er selbst
mit Aufmerksamkeit las, wobei er jeden neuen Fund mit Freuden
begrüſste. Als 1572 auf dem Zellerfelde ein neues Eisenbergwerk
entdeckt war, meldete Herzog Julius dies hocherfreut seiner Stief-
mutter, der Herzogin Sophie, übersendet ihr einen aus dem Erträgnis
desſelben gefertigten eisernen Stuhl und spricht die Hoffnung aus,
ihr bald einen silbernen schicken zu können, da auch Rotgültigerz
gefunden sei. Bis dahin war auf den Hütten in Grund und bei
Gittelde nur Egg- und Pflugstahl, Radschienen, Ketten- und Schaufel-
blätter und Blech gemacht worden. Julius lieſs auch Harnische,
Rohre, Geschütze, sowie mancherlei Schmiedestücke anfertigen, vor
Allem aber legte er einen Hochofen an mit Gieſserei und Frisch-
hütten. Allerdings hat wahrscheinlich schon weit früher zu Lerbach
oberhalb Osterode ein Hochofen bestanden. In der bereits erwähnten
Sammlung von Ofenplatten des Hütteninspektors Schott zu Ilsen-
burg befindet sich eine von Lerbach von 1526, von der aber nicht
erwiesen ist, daſs sie dort gegossen wurde. 1551 war die Lerbacher
Hütte im Betriebe. Kirchlich gehörte sie zu Osterode. Auch die
Hütte Kattenstein bei Osterode wurde in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts angelegt. 1541 erhielt sie ein neues, von Wasser
getriebenes Blaswerk 2).


Auf der Schulenburger Hütte wurde 1572 der erste Hochofen
erbaut — nach Hacke’s Bericht wurde 1572 „im Schulenberge ein
Maschofen (Masselofen) und Eisenhammer vorgerichtet“ —, in diesem
Jahre wurden daselbst bereits Guſswaren erzeugt, und 1573 schreibt
er: „Der Hochofen am Schulenberge und Eisenhammer gehen um
und werden Pucheisen, Unterlagen, Eisenpötte und zweigeschmolzenes
Eisen gemacht, davon der Eisenhammer im folgenden Jahre (1574)
abgebrannt ist.“ Der Hochofen auf der Teichhütte bei Gittelde ist
wahrscheinlich auch im Jahre 1572 aufgeführt worden. Über diesen,
[787]Der Oberharz.
wie über die übrigen Gittelder Hütten, wird später ausführlich be-
richtet werden. 1578 wurde bei Gittelde ein Zainhammer errichtet.
Damals war Mangel an Arbeitern. Der Herzog erlieſs deshalb am
22. Juni 1578 ein Ausschreiben an seine Unterthanen, daſs besonders
ärmere Hausväter ihre Kinder aufs Bergwerk schicken sollten. Jungen
von 10 bis 14 Jahren könnten in den Pochwerken gebraucht werden
und verdienten da 10 bis 15 Mariengroschen wöchentlich, junge
Burschen von 19 und mehr Jahren als Karrenläufer und Haspel-
zieher wöchentlich 15 bis 30 Mariengroschen. Auch versprach er
sonstige Vorteile und Freiheiten. Dies muſsten die Prediger von
den Kanzeln verkündigen. Wahrscheinlich sind auf diesem Zain-
hammer auch die langen Geschützrohre geschmiedet worden, welche
Herzog Julius anfertigen lieſs. Er zog geschmiedete Rohre den ge-
gossenen vor und ging von der Ansicht aus, je länger das Rohr sei,
je gröſser die Tragweite und Treffsicherheit. Seine groſsen Schlangen
waren meistens Hinterlader mit Keilverschluſs. Algermann schreibt
darüber (S. 206): Es haben auch Se. Fürstl. Gnaden unter andern
geschmiedeten Stücken und Doppelhaken nach dieser Zeit zu Gittelde
erstlich ein Gestück zu 16 Schuhen, der eiserne Wildmann genannt,
und hernach eine Feldschlange, 36 Fuſs lang, mit einem Keil von
hinten zu laden, von eitlem zweigeschmolzenen Eisen auf einen
eichenen Block schmieden und anheroführen, auch in meinem Beisein
aus der Schlange auf dem Mühlenberge hinter dem Schlosse (zu
Wolfenbüttel), nach Bleckenstedt hinaus drei Schüsse nach einander
thun lassen, da der neue Keil im ersten Schusse zerbrach und ein
alter aus dem Zeughause geholt ward, der die andern beiden Schüsse
aushielt und noch darinnen steckt, und lieget die Schlange noch da-
selbst nach Braunschweig hinaus auf zwei eisernen Rädern, die Se.
Fürstl. Gnaden noch zu Gittelde hat gieſsen lassen. Die ebengedachten
Schüsse gingen neben Hallendorf ins Holz hinein, eine gute Meile
Wegs unter der Festung ins Wasser. In einer Anmerkung des
Herausgebers wird zu dieser Stelle bemerkt: Diese beiden Stücke
von geschmiedetem Eisen sind im Jahre 1788 an den damaligen Wirt
Haensen im goldenen Löwen und den Schmid Pfeifer zu Wolfen-
büttel verkauft, in Stücke gesägt und an eine Eisenhütte gesandt.
Dies mag bezüglich der 36 Fuſs langen Schlange seine Richtigkeit
haben, dagegen kann das zweite Rohr nicht der obenerwähnte „eiserne
Wildmann“ gewesen sein. Dieser existiert noch und befindet sich
nebst einem zweiten Geschütze aus Herzog Julius Zeit im königlichen
Zeughause zu Berlin. Allerdings wurde das Rohr als unbrauchbar
50*
[788]Der Oberharz.
im vorigen Jahrhundert ausrangiert und kam mit seinem Kameraden
auf die Teichhütte bei Gittelde zurück. Dort blieben sie liegen und
wurden in den Inventarverzeichnissen fortgeführt bis zur Einstellung
des Betriebes daselbst im Jahre 1849. Sie kamen dann als Kuriosa
in das alte Zeughaus zu Braunschweig, von wo sie im letzten
Jahrzehnt in die historische Sammlung des königlichen Zeughauses
(Ruhmeshalle) zu Berlin übergeführt wurden. Das eine derselben 1)
von 5,78 m Länge und 93 Ctr. Gewicht hat einen Drachenkopf zur
Mündung, darunter das Bild eines wilden Mannes und den zum Teil
durch Rost zerstörten Spruch:


Ich heiſs der eisen wilde mann …

......... fliegen kann;

sowie am andern Ende:


Herzoog Julius Braun .... zu

Gittel mich lieſs schmieden aus zwei Geschmilzen.

Meines Gleichen man kann ....

Diese Rohre wurden aus vielen einzelnen Stäben, welche spiral-
förmig aufgerollt wurden, zusammengeschweiſst und geschmiedet. Im
alten Zeughause zu Hannover wird eine andere Schlange, ebenfalls
als wilder Mann bezeichnet, verwahrt, deren Inschrift sagt:


„Ich heiſs der eisern wilde Mann —

Mein Feind ich besiegen kann.

Heinrich Greber mich hat erdacht —

Zacharias Schwicker mich hat gemacht —

Aus 1085 Stücken. —

Gott laſs seiner Gnade mehr gelücken. —

Herzog Julius zu Braunschweig zu Ghittel mich

Lieſs schmieden aus zweygeschmeltztem Eisen.

Meinesgleichen man kaum find.“

Die obenerwähnte gröſste und berühmteste Schlange wurde 1588
in einem eigens zu diesem Zwecke errichteten Gebäude hergestellt,
war 34½ (nach Algermann 36) Fuſs lang, hatte 931/25 Kugelkaliber
und war 170 Centner schwer. Man hatte dazu verbraucht 6 Fuder
Eisenstein (für Zerenneisen), 253 Ctr. Eisen, 1 Ctr. Stangenstahl und
204 Fuder Kohlen, und das Rohr war aus 2299 Teilen zusammen-
geschweiſst. Die Unkosten, incl. Transport nach Wolfenbüttel, be-
liefen sich auf mehr als 2000 Thlr. Auſser diesem groben Geschütz
[789]Der Oberharz.
lieſs der Herzog in Gittelde noch viele Tausende der gewöhnlichen
Handbüchsen anfertigen, mit denen er die von ihm ins Leben ge-
rufene Volkswehr bewaffnete 1).


Aber auch aus Eisen gegossene Stücke und Mörser lieſs der
Herzog herstellen. Algermann sagt (S. 205): „Es lieſsen Se. Fürstl.
Gnaden auch von dem Blei und Eisen sonderliche Gestücke und
Feuer-Mörser in groſser Anzahl gieſsen, zu dem Ende, dieselben
auf Festungen (wie denn auch Se. Fürstl. Gnaden alle deroselben
Festungen und Häuser mit solchen Stücken und Böllern versehen
hat) zu gebrauchen.“ Selbstverständlich lieſs er auch eiserne Muni-
tion zu Gittelde gieſsen, wie er denn überhaupt sein Zeughaus voll-
ständig ausgerüstet erhielt. Hierüber schreibt Algermann: Er
war ein rechter Vater der Handwerksleute. Was ins Zeughaus ge-
hört, zu Stürmen und sonsten zu Artillerey und Munition vonnöten,
darauf hatte Se. Fürstl. Gnaden „wunderliche Inventionen“, erfand
mancherlei Instrumente selbst, lieſs reisen, um immer Neues kennen
zu lernen und anzuschaffen.


Sobald er von einer neuen Art Geschütz hörte, suchte er sich
ein Exemplar zu verschaffen, oder Modell oder Zeichnung davon.
Herzog Ulrich von Mecklenburg hatte damals Geschütze, aus denen
man mehrere Kugeln zugleich schieſsen konnte. Es waren drei groſse
Stücke, die 9, 5 oder 3 Kugeln schossen. Es gelang Julius nicht,
eins zu erhalten, indem Herzog Ulrich Leibesschwachheit des Gieſser-
meisters und andere Ausflüchte vorschützte.


Eine dieser „wunderlichen Inventionen“, mit welcher er viel Geld
verdiente, waren die Schlackenkugeln. Er lieſs die Schlacken der
Eisenhütten, wie auch die der Metallhütten in guſseisernen Formen
zu Kugeln gieſsen, und diese Schlackenkugeln fanden reiſsenden Ab-
satz. Sie trugen sein Namenszeichen . Die Analyse einer solchen
aus Bleischlacke von der Sophienhütte hat Dr. Wedding mit-
geteilt 2).


Im Jahre 1822 fand man beim Abtragen der den Philippsberg
deckenden Festungswerke, in einem mit Gras bedeckten Gewölbe an
1000 Stück dieser Kugeln, viele mit dem Zeichen  und der Jahres-
zahl 1575.


Algermann schreibt: „Wie denn von Sr. Fürstl. Gnaden das
Eisenbergwerk zu Gittelde hochgetrieben und alles durchsuchen lassen;
[790]Der Oberharz.
auch damit die Schlacken von dem geschmelzten und gemachten
noch zu Nutz kämen, Kugeln daraus gieſsen, welche Materie ein Gift
bei sich hat; denn wenn die Kugeln zerspringen (darum sie denn
auch zu Schrot in Stürmen sehr gut) und so Jemand verletzen, das
läſst sich nicht wohl heilen.“ Also zu Gittelde wurden solche Kugeln
aus Eisenschlacken, auf der Sophienhütte bei Goslar aus Bleischlacken
gegossen, und zwar wurden von letzterer bis zum Jahre 1572 54000
nach Wolfenbüttel geliefert, gleichzeitig waren aber auf den ver-
schiedenen Hütten noch 74000 Stück vorrätig.


Wie der Herzog ein ungewöhnliches Verständnis für die Technik
des Berg- und Hüttenwesens hatte, so besaſs er eine nicht minder
groſse Begabung für den Handel. Er förderte den Handel in jeder
Weise, besonders durch Verbesserung und Neuanlagen von Verkehrs-
straſsen, und war selbst der erste Handelsmann seines Landes, be-
sonders der Hütten- und Bergwerksprodukte. Er liebte es, groſse
Abschlüsse zu machen. Über den zu Gittelde bereiteten Stahl
schlieſst der Herzog am 28. Septbr. 1568 einen Kontrakt mit Hans
Schörkopf
zu Braunschweig ab, wodurch er sich verpflichtet, dem-
selben allen zu Gittelde verfertigten Stahl nach Braunschweig zu
liefern, „jedes Fäſslein Pflugstahl für 1 Thlr., jedes Fäſslein Eggstahl
zu 2 Thlr. 2½ Gr.“.


Julius liebte besonders den Tauschhandel in jeder Form und
vermied Geschäfte gegen Barzahlung, sowie jeden Zwischenhandel.
Er benutzte dafür Agenten. Sein Hauptagent war Hans Rauten-
krantz
in Braunschweig. Dieser lieferte Pelzwerk (Zobel), Edel-
steine, Goldwaren u. s. w., dagegen empfing er Schlackenkugeln,
Blei- und Messingwaren, grünen Vitriol, Marmor u. s. w. Die Schlacken-
kugeln spielen immer eine Hauptrolle, waren also jedenfalls leicht
abzusetzen. In einer Rechnung vom 27. Febr. 1574 werden 5500 Ctr.
Schlackenkugeln mit 12 Mariengroschen pro Centner aufgeführt, un-
mittelbar darauf erscheint ein Posten von 10000 Ctr. mit 24 Marien-
groschen, wahrscheinlich waren das eine Eisenschlacken-, das andere
Bleischlackenkugeln. Der Herzog bezieht dagegen unter Anderem für
5600 Thlr. Pelzwerk in einem Posten. Julius schenkte Rauten-
krantz
das gröſste Vertrauen und benutzte ihn auch als seinen
Bankier, indem er Anlehen durch ihn kontrahierte; lieſs ihn aber
unbarmherzig fallen, als er merkte, daſs er ihn „anschmieren und
betrügen wollte“. Den Anlaſs dazu gab ein fauler Pferdehandel. Der
Herzog lieſs sich nicht täuschen und erklärte, wer ihn einmal habe
betrügen wollen, dem glaube er nimmermehr, und brach allen
[791]Der Oberharz.
Geschäftsverkehr mit Rautenkrantz ab. Dieser starb ein Jahr da-
nach dem Herzog verschuldet.


Interessant ist ein Waffenlieferungsvertrag1), welchen Herzog
Julius am 27. Oktober 1575 mit Hermann Pfeffer, Bürger zu
Schwerden (Schwerte) in der Mark, in Gegenwart des obersten Zeug-
und Baumeisters, auch Landsknecht-Hauptmanns Clausen von
Eppen, Christoph Groſsen
, Pfennigmeisters und Musterherrn,
Wolf Gabriels, Rüst- und Harnischmeisters und Johannes
Hohnsteins
abschloſs, und zwar auf Waren gegen Waren. Ge-
dachter Hermann Pfeffer sollte dem Herzog 1000 blanke lands-
knechtische Harnische, von denen 600 mit Arm- und allerlei Zubehör
und 400 ohne Armbezeug, wie er bereits einige dem vorgedachten
Bau-, Rüst- und Harnischmeister als Probe überliefert habe, jeder
Harnisch für 8 Gulden Münze und 15 Mariengroschen auf des Herzogs
selbsteigenen Fracht- und Fuhrlohn nach Kaufmanns Gewohnheit und
Gebrauch bis anhero nach Wolfenbüttel auf des Herzogs Rüst- und
Waffenkammer zu liefern ohne allen Mangel. In Summa 8750 Gul-
den zu 20 Mariengroschen gerechnet. Dagegen empfing Pfeffer
hauptsächlich Bleiwaren und Schlackenkugeln vom Rammelsberge zu
24 Mariengroschen pro Centner.


Auch aus der Art, wie der Herzog regulierte, erkennt man seinen
kaufmännischen Sinn. Er gab sein Geld nie beliebig aus, sondern
zahlte immer in bestimmten Terminen auf der Frankfurter Messe,
der Leipziger Messe u. s. w. Alle Zinsen wurden auf Ostern und
Michaelis eingezogen und bezahlt. Auch die Besoldungen wurden
alle Halbjahre genau bei Verfall eingelöst.


Eine sehr wohlthätige Einrichtung unter den damaligen Ver-
hältnissen waren auch die „Commisse“, die Herzog Julius an allen
gröſseren Arbeitsplätzen einführte. Es waren dies, ähnlich unseren
Konsumvereinen, Warenlager für arme Leute, wo sie Korn, Brot, Bier
und die notwendigsten Lebensbedürfnisse zu billigen Preisen und auf
Abrechnung gegen ihren Lohn bekommen konnten. Besonders wichtig
und groſs waren dieselben bei den Festungs- und Kanalbauten. In
Wolfenbüttel lieſs er ein besonderes Kommiſshaus, auch Faktorei ge-
nannt, erbauen, das auch als Gast- und Logierhaus diente; geistige
Getränke wurden aber nicht verabreicht. Er selbst zog keinen Nutzen
aus den Kommissen, sondern legte dabei noch Geld zu.


[792]Der Oberharz.

Was der Herzog Neues erfunden, muſste alles mit den Buch-
staben IH, oder gewöhnlich  (Herzog Julius oder Julius und Hedwig,
nach Algermann) in den Amtsregistern zu ewigem Gedächtnis be-
zeichnet werden. Auch die auf den fürstlichen Werken gefertigten
Metallwaren trugen diese Zeichen.


In den Faktoreien lagerten groſse Vorräte von Waren, besonders
Messing, Kupfer, Eisen, grüner und blauer Vitriol, Kupferrauch,
Galmei u. s. w., item von Rollen- und Pfannenkupfer und von Blei
gegossene Gartenleisten zu Graſsbänken und Zierrate wie Hirsch- und
Rehköpfe, Kronleuchter1). So z. B. 1582:


Messingwaren1052Centner
Messingstangen180
Kupferwaren100
Eisen22
Glockenguſs100

Im Ganzen waren für 7 Tonnen Goldeswert an Waren in den
Faktoreien.


In der Eisenfaktorei werden folgende Waren aufgeführt: Stäh-
lerne Harnischplatten, eiserne Harnischplatten, Stählern- und Eisen-
draht, entzweigeschmolzen Eisen, Radschienen, gemein Stahleisen,
Bergfäustel, gemein Blech, Eggstahl, Pflugstahl2).


Ehe wir uns zu dem speziellen Teile, welcher die auf das Eisen-
wesen bezüglichen Verordnungen des Herzogs und den Betrieb der
Gittelder Hütten umfassen soll, wenden, wollen wir noch einige
wichtigere Ereignisse aus dem Leben Herzogs Julius nachtragen.


Herzog Julius hatte für seine Zeit umfassende naturwissenschaft-
liche Kenntnisse, und der Chemie wendete er besonderes Interesse zu.
Aber diese entbehrte damals noch aller wissenschaftlichen Grundlage,
sie war beherrscht von der Alchemie, der Irrlehre der Metallverwand-
lung, und der Sucht Gold zu machen. Auch Julius hing diesen
falschen Lehren an, und sie wären ihm beinahe verhängnisvoll ge-
worden. Bei dem Eifer, mit dem er Alles erfaſste, und dem aus-
geprägten Erwerbssinn, war es nicht zu verwundern, daſs er in die
Schlingen schlauer Adepten geriet. Eine solche Gesellschaft aben-
teuerlicher Schwindler setzte sich 1571 am Hofe zu Wolfenbüttel fest.
Ihr Haupt war ein entlaufener Pfaffe Philipp Sömmering, oder wie
er sich griechisch nannte, Therocyklus, der vorgab, die geheime
[793]Der Oberharz.
Kunst des Goldmachens zu besitzen. Mit viel Geschick und noch
mehr Frechheit trieb er seine betrügerischen Gaukeleien, und Herzog
Julius lieſs sich lange von ihm und seinen Helfershelfern zum Narren
halten. Auſser der Tinktur und dem Lebenselixir behauptete Sömme-
ring
nach seinen Geheimbüchern „constellierte Musketenrohre“, die
nie fehlgingen, anfertigen zu können. Er kaufte dem Herzog in
Goslar einen „glückseligen Hut“, suchte nach dem „Sophienkraut“,
das Verstand und Weisheit verleiht, ebenso nach dem Merkurialkraut,
er konnte Perlen machen u. s. w., u. s. w. Mit ihm im Bunde waren
des Herzogs Hofnarr Schomberg, genannt Schielheinz, und sein Weib,
die Anne Marie Ziegler, die noch besser lügen konnte als die Anderen.
Drei Jahre trieben diese in Wolfenbüttel ihr Schwindelgewerbe. Trotz
aller Warnung ernannte der Herzog Therocyklus zu seinem Kammer-,
Berg- und Hüttenrat. Schlieſslich trieb die Bande ihre Frechheit so-
weit, daſs sie einen Mordanschlag auf die Herzogin, die ihr Treiben
durchschaute und ihren Gemahl warnte, ersannen. Sie versuchten
gelegentlich der Abwesenheit des Herzogs diese und ihre Kinder in
der Nacht zu ermorden. Durch Zufall wurde der höllische Plan ver-
eitelt, sie flohen, wurden aber ergriffen und in Wolfenbüttel vor dem
Mühlenthore in der grausamen Weise der Zeit am 7. Febr. 1575 hin-
gerichtet. Der Herzog, der jetzt gründlich geheilt war, gestand später
selbst ein, daſs ihm die Alchimistengesellschaft an 100000 Thaler
Schaden zugefügt hätte.


Dieser einzigen Verirrung stehen viele geistige Groſsthaten
gegenüber, von denen wir nur noch die Gründung des Pädagogiums
zu Gandersheim und der Universität zu Elmstadt (Helmstedt), den
Juliuskanal und sein groſsartiges Projekt eines Elbe-Weser-Kanals,
welcher eine direkte Schiffsverbindung auf der Oker mit der Nordsee
bezweckte, hier erwähnen wollen.


Herzog Julius endete 1589 sein thatenreiches Leben. Über die
Ursache seines Todes berichtet der Chronist folgendes: Als der
Herzog schon alt war, fand man bei einer [Untersuchung] auf Salz in
der Gegend von Wolfenbüttel Schwefelkiesknollen in einer Schiefer-
erde. Julius lieſs sich täglich durch Edelknaben und Trabanten
„etliche Tönnchen voll“ auf sein Schloſs holen und zerschlug sie
selbst auf einem Ambos, daſs ihm das Blut die Finger herunter lief,
„so eifrig“, schreibt Algermann, „waren Se. Fürstl. Gnaden auf ein
Ding, wenn er erst daran war“. Seine Absicht war, Feuersteine für
Schieſsgewehre daraus zu machen. Dieser Übereifer war, nach der
Meinung seines Biographen, die Veranlassung seines Todes, weil ihm
[794]Der Oberharz.
der Schwefel bei der Arbeit in das Hirn drang, „die weiſse, phleg-
matische Materie rege machte und zu Fluſs brachte“, woran der
Herzog bald darauf starb. Er hinterlieſs Braunschweig als eines der
geordnetsten, blühendsten Länder in Deutschland. Wie sehr er für
die Ordnung des Berg- und Hüttenwesens besorgt war, bezeugen auch
seine vielen hierauf bezüglichen Gesetze und Erlasse. Auf einige der-
selben haben wir schon hingewiesen, z. B. auf den „Bevelch und Ver-
zeichnis, wie es mit den Quartal-Rechnungen hinfüro zu halten“. An
dieses schlieſst sich ein „Generalmandat“ vom 31. Dezbr. 1573, ge-
richtet an den Oberzehndterer Christoff Sander und den Ober-
bergmeister Peter Adner an. Es ist eine Bestallung und Ver-
pflichtung derselben zur strengen Beaufsichtigung sämtlicher Beamten
der fürstlichen Berg-, Salz-, Eisen- und Hüttenwerke und der Forsten
unter Strafandrohung1).


Ein weiterer Erlaſs, dessen wir ebenfalls schon gedacht haben,
war veranlaſst durch den Mangel an Berg- und Hüttenarbeitern.
Er ist datiert vom 22. Juni 1578 und wendet sich an alle Stände
und Unterthanen. Zunächst wird darauf hingewiesen, daſs der
Bergbau seit dem Regierungsantritte des Herzogs durch die Gnade
Gottes sehr zugenommen habe, daſs derselbe aber meist „durch
allerhand fremder Nation Leute“ mit „waren vncosten vnn hohe
wochentliche bare Geld Belonung“ betrieben werde, die, „wenn sie
eine zeitlang gedient und was erworben, damit wiederumb dauon
streichen, vnd das Geld auſser Lande tragen“. In Anbetracht dieses
Umstandes, sowie des gesteigerten Bedarfes an Arbeitern, und
„daſs ein solcher Schatz des Fürstentums am allermeisten und am
sichersten den einländischen zu vertrawen sei“, vermeint der Herzog
in der Folge seine Bergwerke durch seine „trewe geliebte Landes
Vnterthanen“ betreiben zu lassen, welche bei den Berg- und Hütten-
werken reichlichen Lebensunterhalt finden würden. Er wendet sich
namentlich an diejenigen Bürger und Bauern, die mit 3, 4, 5 oder
6 Söhnen gesegnet seien, die zu Hause müſsig gingen und nichts
verdienten, während auf dem Bergwerke „ein Junger von 10, 12, 13,
14 oder mehr Jahren in den Puchwerken gebraucht werden und
wöchentlich zu 10,12 Mariengroschen, dazu auch noch die Wochen
an Beyschichten, nach eines jeden fleis zu 3, 4 vnd 5 Mariengroschen
[795]Der Oberharz.
verdienen. Fürter, junge Bursse von 19, 20 vnd entlichen Jaren
darüber, für Karrenleuffer vnd Haspelzieher, hat ein jeder wöchent-
lich zu Lohn 15 vnd 18 Mariengroschen vnd können daneben in den
beyschichten die wochen auch 5, 6 vnd 7 Mariengroschen, vnd also
zusammen wochentlich 24 auch wohl 30 Mariengroschen verdienen. —
Holzhawern werden von Malderstangenholtz 9 leichte Pfennig, vnd
wens groſse vberstendige Beume, als von Eichen, Buchen vnd Hein-
büchen vom Malter ein Mariengroschen gegeben, Kan wochentlich
einer 2 fl. Müntz, darnach er arbeitet, gewinnen. Vnd sol also ein
Junge erstlich in den Puchwerken, hernach zum Karrenleuffer, Has-
peler, Hewer, Steiger vnd Bergmann, Schmeltzer vnd Treiber, auch
Schichtmeister, oder zu andern höhern Emptern, als Geschworener,
Bergvogt, Bergmeister etc., dazu jne seine vernunfft, verstand, fleis
vnd geschicklichkeit auffürt vnd befürdert, gebraucht, vnd also gra-
datim vom niederst bis oben ein jeder seine Succession in den Emp-
tern haben, vnd mit der Besoldung fortgesetzt werden. Wann dann
auch einer seine Manbare Jar erreichet, vnd sich der gelegenheit
nach, mit vnserm gnedigen vorwissen, verehelichen vnd befreyen
wirdet, der sol mit bawen, Hoffstedt, Garten, Viehetrifft vnd Fewe-
rung, vnsrer Bergstedte Bürgerfreiheit, da er auch der Herrndienste,
Taxes, Landschatzes, Biersinse vnd aller andern vnpflicht, auſserhalb
vnd als dem Landsfürsten, in fürfallenden nöten folge zu leisten, ver-
schont bleibt, für sich vnd seine Erben genieſsen, vnd ein freyer
Bürger sein, da er sonst ein Bawer bleiben müssen: Vnd wir wollen
jme darzu alle gnedige Hülff vnd Befürderung erzeigen, jme auch
auff den Hochzeitsehrentag insonderlich beliebnus thun, vnd ein Vber-
kleid und Pumphosen nach Bergmannsart, auch ein Faſs Bier aus beider
Fürstlichen Zehenden auffkunfft vnd Zechen geben lassen u. s. w.“
In Krankheitsfällen sollen sie Arznei und ärztliche Behandlung frei
haben. Dies soll „durch die Pfarrherrn und Pastores alle Sonntag
nach gethanen Predigten und gemeinem Gebet, zum beschluſs vnsern
Vnderthanen jren Pfarrkindern auff der Cantzell dieſs auch mit vleis
anzeigen vnd fürtragen etc. Vnd was sich darauff für welche bey
den Pastorn angeben, vnd derselben namen, mit anzeigung jhres
alters, wandels, vnd herkommens von Eltern und Freunden, wochent-
lich vberschicken, damit dann auch die Pastores in vermanen vnd
befürderung dieser Dinge dasto bessern vleis anwenden, soll jenen
vn jedem Rott oder Zehen Personen, so jres wolhaltens halben zu
beseſslichen Bürgern gediegen, auch vn Quartaln zu Quartaln ein
beliebnus wiederfahren und zugewendet werden“.


[796]Der Oberharz.

Von viel allgemeinerer Bedeutung sind die beiden sich speziell
auf das Eisenberg- und Hüttenwesen vom Iberg, Gittelde und dem
Grund beziehenden Verordnungen, welche der Herzog am 7. No-
vember 1579 erlieſs. Die erste derselben ist die Eisenberg-
ordnung am Iberg
1), die zweite die Gittelder Faktorei- und
Hüttenordnung
2).


Die Iberger Eisensteinordnung, welche an den Oberverwalter und
Oberzehnder Christof Sander, an alle Beamte, an die Stahl- und
Hammerschmiede und die Inhaber und Gewerken der Eisensteingruben
gerichtet ist, beginnt mit einer scharfen Rüge über seitherigen „un-
gehörigen Miſsbrauch, böſsliche Verpartierung und eingerissenen Un-
rat bei den Eisenbergwerken; zu deren Abstellung es der Herzog für
notwendig erachtet, „eine gute, heilsame, nützliche Ordnung zu
machen“. Zum ersten wird darin allen Einwohnern der Bergstadt
Grund und des Amts Stauffenberg das Schürfen, Schrämen, Suchen und
Senken nach Eisenstein an und um den Iberg freigegeben. Die
Grubenarbeiter sollen frei sein vom Herrendienste, doch nur die,
welche ihre Schichten regelmäſsig und nach Vorschrift, mindestens
drei in der Woche, verfahren. — Zweitens soll der Iberg frei sein
jedem, der auf brauchbaren Eisenstein fündig geworden ist, zur Be-
lehnung. Diese geschieht „nach Bergwerks Art, Recht und Gebrauch“
durch den dafür gesetzten Bergvogt. Gruben, die ohne Belehnung
heimlich betrieben werden, verfallen der Herrschaft. Auch muſs
jeder das geförderte Erz vor die Grube stürzen und davon nichts
verkaufen oder verfahren, ohne Anzeige beim Bergvogt, welcher das-
selbe zu messen und zu probieren (zu wardieren) hat. Und darf
„solcher Eisenstein, wenn derselbige vn Unserem geordneten Berg-
voigt gemessen und gewardiert, bey Verlust Leibes und Lebens
aus Unserm Fürstentum und Lande nicht gestattet, nach anderen
Orten geführt werden“. Wer aber heimlich oder öffentlich Eisenstein
ungemessen fortfährt oder einem Anderen von seiner Grube etwas
wegnimmt, „der oder dieselbigen sollen Wagen, Karn und Pferde, und
Uns ferner in 5 heinrichstädtischen Mark samt dem Eisenstein in
Strafe verfallen sein (!). — Drittens: Die Aufsicht führt der herzog-
liche Bergvoigt in Grund. Dieser belehnt und vermiſst jede Grube
12 Lachter lang und breit, und wer die Gränze überfährt, soll in
2 heinrichstädtische Mark Strafe verfallen. Der Bergvoigt kann mit
[797]Der Oberharz.
Vorwissen des Oberverwalters der Bergwerke und Geschworenen einem
Bergmann wegen „lauter und böser Wetter“ oder wegen Unvermögens
vier Wochen Frist zum Bauen gestatten. „In Fall aber der Berg-
mann die Grube innerhalb abgesetzter Zeit nicht mit Arbeiten be-
legen, oder befahren und befördern würde, soll und mag unser Berg-
voigt dieselbige Grube einem andern um die Gebür dieser Unsrer
Verordnung nach verleihen.


Gewerke und Bauherrn (Grundbesitzer) dürfen eine Grube als
Eigenlöhner selbst betreiben, wenn dies in Friede und Ordnung ge-
schieht, andernfalls ist der Bauherr dafür verpflichtet dafür zu sorgen,
daſs „erfahrene Bergleute des Eisenhandels und der Gruben“ ein-
gestellt werden. Verkauft einer eine Grube mit dem Vorbehalt, als
Bergmann darin weiter zu arbeiten, und kommt dem nicht getreulich
nach, so hat der Käufer das Recht, ihn zu exmittieren.


Entwendet ein Bergmann einem andern seine Fahrgestelle und
Fahrten, so hat der Bestohlene, wenn er sie in einer andern Grube
findet, vollkommene Macht und Gewalt, diese mit aller Gerechtigkeit
an sich zu bringen.


Wer Eisenstein ungemessen abfährt, eines andern Zeichen ab-
reiſst und auf seinen Haufen setzt oder Eisenstein zweimal verkauft,
verfällt jedesmal in zwei Mark Strafe. Das Gleiche ist der Fall beim
Verkauf ohne vorhergegangene Anzeige.


Kein Berg- oder Fuhrmann darf Eisenstein nach geschehener
Messung abwerfen einem andern zum Nutzen oder zu verpartieren
bei Leibesstrafe, schwerer Ungnade und Verlust von Wagen, Geschirr
und Pferden.


Der Hüttenvogt soll nicht einem guten, dem andern schlechten
Stein geben. Kein Hüttenmeister soll ohne Vorwissen des Bergvogts
Geld auf Erz oder eine Grube leihen. Das Überfahren der Schichten
ist strafbar.


Jede Beraubung und Dieberei an Bergleuten ist bei Leibesstrafe
verboten.


Niemand darf ohne Vorwissen der Förster Holz im Walde am
Iberg hauen bei Strafe von einer Mark. Dagegen sollen die Förster
den Bergleuten das zum Bau der Eisenbergwerke und Gruben nötige
Holz anweisen.


Wird der Lohn nicht richtig bezahlt, so hat der Arbeiter beim
Bergvogt zu klagen.


Alle Mittwoch und Samstag soll der Eisenstein an den Örtern
von dem Bergvogt ausgemessen werden.


[798]Der Oberharz.

Zum Schluſs heiſst es: „Diese Bergordnung soll im Grunde
durch den Oberverwalter im Beisein der Gemeinde und aller die dazu
gehören veröffentlicht werden.“


Unter demselben Datum veröffentlichte Herzog Julius eine Ord-
nung: „Wie es hinfüro in unsrer Eisen-Faktorei zu Gittelde und
uff unsern Hütten mit verkauffung des Eisens gehalten
werden solle.“ Darin behält er sich vor allem das Vorkaufsrecht
vor und das von Rechtswegen, weil die Hütten- und Hammer-
schmiede nicht nur ihren Eisenstein aus seinem Lande erhalten,
sondern denselben auch Holz, Kohlen, Wohnungen und andere Not-
durft für ihren Bedarf folgt und ihnen die Freiheit des Dienstes vor
andern gegeben ist.


Zur Vermeidung aller „Verpartierung“ und zur besseren Kon-
trolle sollen deshalb „vf einer jeden vnser Hütten im Grunde und
bey Gittelde, vnd dann wir billig den Vorkauf des Eisens haben,
mehr nicht dan vier vnter vnſs gesessene, beweibete vnd begüterte
Meister gehalten und gelitten werden“, die alles Eisen, Wageeisen,
Radschienen und was sie sonst noch machen und schmieden in die
Eisen-Faktorei zu Gittelde an den Eisen-Faktor und zugeordneten
Gegenschreiber gegen sofortige Bezahlung abliefern. Alles Verbringen
von Eisen anders wohin wird an Leib und Gut gestraft. In gleicher
Weise sollen alle, die eigene Hütten haben, jede Woche Sonn-
abends „alles Eisen groſs und klein, so sie schmieden, in vnsere
Faktorey vmb geburliche Zahlung liefern vnd vberandtworten“ und
nicht das geringste davon verkaufen, verpartieren oder versetzen.
Auch müssen sie jede Woche ihr bestimmtes Quantum Eisen machen
und liefern. Können sie dies nicht, so sollen sie des Sonnabends
vor dem Eisenfaktor, seinem Gegenschreiber, dem Bergvogt und Ge-
schworenen erscheinen und angeben, weſs Mangels und aus welchem
Grund dies geschehen ist, worüber sich die genannten Beamten zu
vergewissern und dem Oberverwalter zu berichten haben, der dann
im Fall eine gebürliche Strafe ansetzen soll. Wenn aber ein Hütten-
meister Eisen „verdingen, verkaufen, versetzen oder verpartieren.“
würde, diese verlieren nicht nur ihr Eisen, sondern gewärtigen
Strafe oder den Verlust des Hüttenwerks, welches dem Landesherrn
frei anheimfällt. Jeder Hüttenmeister hat jährlich den schuldigen
und gewöhnlichen Hüttenzins ohne Weigerung rechtzeitig an das
„Ambt Staufenburgk oder die Eisen-Faktorey zu erlegen, bei Verlust
ihres habenden Hüttenwerks“.


Keine Hütte, Fuhr- oder Meisterknecht darf für sich selbst Eisen
[799]Der Oberharz.
schmieden oder schmieden lassen bei Strafe von dritthalbe heinrich-
städtischer Mark.


Kein Hüttenmeister soll seinem Knecht gestatten, mehr Eisen zu
schmieden als ihm zukommt. „Imfall aber solches geschehe vnd einer
einen guten Knecht dingte, vnd demselben zur Liebnus, ein oder
mehr Eisen zu schmieden nachgebe“, so ist er schuldig und pflichtig
dieses vom Knecht gemachte Eisen mit dem Seinen in die Faktorei
abzuliefern und zu verkaufen bei Strafe von einer Mark.


Wenn ein gedingter Knecht seine Zeit nicht aushält und von
einem andern Hüttenmeister in Dienst genommen wird, so verfällt
der Meister in zwei Mark, der Knecht in eine Mark Strafe.


Ein Hüttenmeister oder Stahlschmied, der sein Hüttenwerk mut-
williger Weise still stehen läſst, wird für jeden Tag mit ½ Mark
bestraft und hat der Faktorei für den Schaden aufzukommen.


Hüttenmeister, die sich nicht zu rechter Zeit mit Eisenstein,
Holz, Kohlen und anderer Notdurft versorgen und deshalb kein Eisen
liefern, „sollen ohne alle gnade ihres Hüttenwerkes entsetzet vnd
einem andern so solch Hüttenwerk besser treiben kan, vmb die
gebühr vberlassen, vnd eingethan werden“.


Müssen die Hütten wegen Wassermangels und wegen Mangels an
„verlagk vf den Eiſsenstein“, d. h. Geld zum Steinkauf, stillliegen,
und sie dies anzeigen und glaubhaft nachweisen, so soll ihnen „vnser
Faktor solchen verlag mit geldt vnseretwegen gegen genugsame
Quittantz thun“, der ihnen dann, sobald sie wieder schmieden und
Eisen abliefern, gegen Rückgabe der Quittung in Abrechnung gebracht
werden soll.


Kein Hüttenmeister oder Stahlschmied darf heimlich, ohne Vor-
wissen der vorgesetzten Beamten, Eisenstein kaufen oder von den
Gruben fahren bei Strafe von ½ Mark.


Alle aus dem Lohnverhältnis entspringenden Klagen sind bei
dem Bergvogt anzubringen, der dann zu verfahren hat, „wie es auf
Bergstedten gebreuchlich“.


Unter den vier herrschaftlichen Meistern soll ein Baukundiger
sein, dem alle Neubauten und Reparaturen übertragen sind und der
für die Instandhaltung aller Bauwerke auf den Hütten zu sorgen
hat. Diesem müssen die andern Meister Folge leisten; thun sie dies
nicht und entsteht hieraus ein Schaden, so sind sie für denselben
nicht nur allein verantwortlich, sondern werden noch mit drei Mark
gestraft, dagegen soll ihnen bei vorschriftsmäſsiger Anzeige, alles was
[800]Der Oberharz.
im Fall eines Bauschadens die Herrschaft zu leisten hat, stets durch
die Faktorei verabfolgt werden.


Witwe und Kinder eines fleiſsigen Hüttenmeisters oder Stahl-
schmieds sollen bürgerliche Freiheit genieſsen und die Kinder das
Recht haben, das Handwerk zu erlernen.


Auf Gebot des Oberverwalters müssen alle Hüttenleute und
Hammerschmiede wohl gerüstet ausziehen bei Verlust ihrer Be-
gnadigung und erlangten Freiheit.


Die Stahlschmiede sollen „alle ihren gemachten Stahl bey
ihrem uns geschworenen aidt in unsere Eisen-Faktorey getreulich
vberandtwortten, auch keiner auſserhalb vnser Faktorey verkauff oder
verhandeln bey vermeidung vnser schwerenn vngnadte vnnd Leibs
vnd Lebens
.


„(Zum fünfzehenden) So auch einer oder mehr dem Eisen-
stein mit Stadt- oder Bergkies einen flus zu machen wiste,
das derselbige desto reiner geschmultzen, auch mit der
fewerung sparsamer vmbgegangen werden könte, der oder
dieselben sollen von vns einer Liebnus gewertig sein
.“


Der Eisenfaktor und der Bergvogt sollen wenigstens jede Woche
zweimal, sonderlich den Montag und Donnerstag, alle Hütten bereiten
und besichtigen, sich erkundigen, ob ein Jeder zu rechter Zeit an-
gelassen, daſs er nicht verreist sei, noch in den Krügen sich finden
lasse, daſs an nichts Mangel sei, widrigenfalls er dieselben in Strafe
nehmen soll.


Der Eisenfaktor soll wöchentlich Bericht nach Gandersheim ein-
schicken, was ein jeder Hüttenmeister oder Stahlschmied gemacht
und abgeliefert hat, auch spezifizieren, wohin und an wen das Eisen
verkauft worden ist.


In gleicher Weise sollen der Eisenfaktor, sein Gegenschreiber,
der Bergvogt und Geschworenen die Eisenbergwerke wöchentlich be-
suchen und revidieren und die Zufuhr von Holz und Kohlen kontro-
lieren und sorgen, daſs keine Brennmaterialverschwendung vorkomme.


Zum Schluſs wird dem Oberverwalter Sander, sowie sämtlichen
Beamten die gewissenhafte Befolgung und Durchführung dieser Ord-
nung zur Pflicht gemacht.


Gewähren die Erlasse und Verordnungen schon mancherlei Ein-
blicke in den Betrieb der Eisenbergwerke und Hütten in dem zur
Gittelder Faktorei gehörigen Gebiet, so bieten die Faktorei-
rechnungen
hiertür noch ein besseres Material. Der Massenofen der
Teichhütte bei Gittelde hat das merkwürdige Schicksal gehabt, daſs
[801]Der Oberharz.
er vom Jahre 1573 bis zum Jahre 1863, wie es scheint, ohne groſse
Unterbrechung, abgesehen von den Umbauten, im Betriebe war, und
daſs die Quartalsrechnungen darüber, nebst den Rechnungen der
übrigen Zerenn-, Blech- und Frischhütten sich, wenn auch mit ein-
zelnen Lücken in früherer Zeit, erhalten haben und noch in der
Registratur des Oberbergamts zu Clausthal vorhanden sind. Dem
Verfasser war durch die Gefälligkeit des Herrn Oberberghauptmanns
Achenbach Gelegenheit geboten, dieselben zu benutzen.


Diese Rechnungen sind in Heften nach den Quartalen (zu 13
Wochen) Crucis, Luciae, Reminiscere und Trinitatis zusammengefaſst
und sind getrennt nach den verschiedenen Hütten, und zwar nach
Betrieb, Unterhaltung und Verkauf. Das zu Grunde gelegte Gewicht
ist der Centner = 110 Pfund, und für die Preise der Mariengulden
= 20 Mariengroschen = 240 Pfennige.


Ein Mariengulden hatte damals (nach gütiger Mitteilung des
Herrn Oberberghauptmann Achenbach) einen Silberwert von 2 Mark
60 Pfennige nach unserm Gelde.


Aus diesen Rechnungen ersehen wir, daſs zu Herzog Julius Zeit
der Bergbau am Iberg zwar von Eigenlöhnern und Gewerken betrieben
wurde, daſs aber alle Bauten und Bauunterhaltungen über Tag aus
der Faktoreikasse, also von der Herrschaft bestritten wurden. In der
ersten Quartalsrechnung vom Quartal Reminiscere 1573 werden vier
Bergwerke am Iberg aufgeführt: Schuffelberg, Hermenſsberg, Frangken-
berg und Hesselberg, für welche die gesamten Bauunterhaltungs-
kosten 4 fl. 8 g. 8 ₰ betrugen.


Die Eisenhütten, die in den Rechnungen aufgeführt werden, sind
der Massenofen der Deichhütte (Teichhütte), die Frisch- und Blech-
hütten Oberhütte und Deichhütte und das Zerennwerk Clusings-
hütte.


Dies waren die herrschaftlichen Werke. Von diesen war die
Clusingshütte zu Herzog Julius Zeit ausgepachtet, während sie später,
ebenso wie die andern genannten Werke, von der Herrschaft selbst
betrieben wurden. Neben diesen bestanden noch eine Anzahl Privat-
hütten, welche ihr „Wag-Eisen“ an die Gittelder Faktorei ablieferten.
Es waren dies sämtlich kleine Rennwerke, zum Teil zu gröſseren
Gütern gehörig, welche nur zeitweilig betrieben wurden.


Hacke schreibt, daſs zu seiner Zeit folgende im Gange gewesen
sind: „Der Schwickenshof vor dem Iberg oder Ibenberg, welcher den
Namen von dem Ibenholz, das daran wächset, bekommen, die Schramm-
hütte, der Glückshof, die krumme Hütte, die obere Hütte, die Keils-
Beck, Geschichte des Eisens. 51
[802]Der Oberharz.
hütte, der blaue Wunder, welche von einem Sauerländer angeleget,
da man zwei geschmolzen Eisen macht“1).


Es ist von besonderem Interesse, hier den gleichzeitigen Betrieb
einer gröſseren Zerennhütte der Clusingshütte, in welcher das Schmiede-
eisen direkt aus den Erzen gewonnen wurde, und eines Hochofens
und Frischbetriebs mit denselben Materialien und unter den gleichen
Bedingungen kennen zu lernen und vergleichen zu können. Wir
beginnen deshalb mit dem Rennwerk der Clusingshütte.


Dieses war in der Periode 1573 bis 1579, zu Herzog Julius Zeit,
verpachtet und zwar in der Weise, daſs der Pächter für jeden Centner
„Clusingseisen“ (Zerenneisen) 1½ Mariengroschen zu zahlen hatte.
In den sieben Quartalen, von welchen die Rechnungen noch vor-
handen sind, wurden 726½ Ctr. (= 39957,5 kg) Zerenneisen gemacht,
wovon die Herrschaft 54 fl. 9 g. 9 ₰ (= 141,67 Mk.) erhielt.


Neben dem Clusingseisen fiel aber noch Stahl- und Wascheisen,
welches an die Stahlschmiede verkauft wurde. Von diesem hatte die
Herrschaft den ganzen Nutzen. Es fielen in genanntem Zeitraume
241½ Ctr. Stahleisen und 64 Ctr. Wascheisen, zusammen 305½ Ctr.
Nebeneisen, wofür die Herrschaft 163 fl. 12 g. 8½ ₰ oder 25,30 Mk.
per Tonne erlöste. Der Gewinn an dem Nebeneisen betrug also das
Dreifache des Nutzens am Zerenneisen. Auſserdem zog die Herr-
schaft noch daraus Nutzen, daſs sie die Abgabe für das Clusingseisen
nicht in Geld, sondern in Eisen vereinnahmte. War hiervon eine
genügende Menge beisammen, so lieſs sie dasſelbe zu Zeheneisen
(Zaineisen) verschmieden, das sie mit Gewinn absetzte.


In zwei Quartalen von 1579 wurden auf diese Weise 15¾ Ctr. Zehen-
eisen, und zwar zu 6 fl. per Centner verkauft, macht 96 fl. 15 g. — ₰


Hierzu wurden verbraucht:


  • 17¼ Ctr. zweigeschmolzen Eisen zu 4 fl. 5 g. der
    Centner   73 fl. 6 g. 3 ₰
  • 1 Fuder 1 Maſs Kohlen   1 „ 16 „ — „
  • Schmiedelohn für jeden Centner 12 g.  9 „ 13 „ 6 „
  • 84 fl. 15 g. 9 ₰
  • Demnach Gewinn   11 fl. 19 g. 3 ₰

Für „Gebauts auffgang“, d. h. Unterhaltungskosten, ist folgendes
in Rechnung gestellt:


[803]Der Oberharz.
  • 1573: I. Quartal: Den Ambott vnd Hammer wider
    zu machen dem Meister geben   2 fl. — g. — ₰
  • Die Hülsen vnd Bussen wider zu machen vnd zu
    stahelen   1 „ 4 „ — „
  • 6 Pfund Eggstahell dazu gebraucht  — „ 16 „ — „
  • Summa gebauts auffgang   4 fl. — g. — ₰
  • 1573: II. Quartal: 2 Paar Bälge zu flicken und
    zu schmieren   7 fl. — g. — ₰
  • 17 Pfund Vett dazu gebraucht zu 3 g. 4 ₰   2 „ 16 „ 8 „
  • 40 Balgnägel gebraucht   — „ 6 „ 8 „
  • 1 Tag einen Zimmermann auf der Hütte zu arbeiten   — „ 6 „ — „
  • 1 Tag auf der Hütte zu decken  — „ 5 „ — „
  • Summa   10 fl. 14 g. 4 ₰
  • 1575: Nichts.
  • 1576: Ein Paar neue Bälge in der Hütten kosten
    in alles   19 fl. 1 g. — ₰

In den neunziger Jahren betrieb die Herrschaft selbst die
Clusingshütte. Die beiden aus jener Zeit noch vorhandenen Quartals-
rechnungen von 1590 bieten deshalb ein noch gröſseres Interesse,
weil sie einen unmittelbaren Einblick in den Betrieb einer Zerenn-
hütte gewähren.


Die Rechnung des ersten der beiden Quartale lautet:


Eisen gemacht und verkauft:


  • 20½ Ctr. weiches (Clusings-)Eisen zu   3 fl. 3 g. 4 ₰ pro Ctr. 64 fl. 18 g. 4 ₰
  • 33½ „ Schienen zu   3 „ 6 „ 4 „ „ „ 111 „ — „ 8 „
  • 5 „ Grobeisen zu   3 „ 8 „ — „ „ „ 17 „ — „ — „
  • 3½ „ 31 Stück Pflugherde (zu 12 ℔) — „ 12 „ — „ „ Stück 18 „ 12 „ — „
  • 3 „ 20 „ Sintbleche „ „ — „ 18 „ — „ „ „ 18 „ — „ — „
  • 1 „ 23 „ Kellenblätter(„ 8 ℔) — „ 7 „ 2 „ „ „ 8 „ 4 „ 10 „
  • 66½ Ctr. 237 fl. 15 g. 10 ₰

„Auff angenommenem Eisen aus dem Vorrath verleget“, d. h.
verbraucht:


51*
[804]Der Oberharz.
  • 33 Fuder1) Eisenstein zu   1 fl. 10 g. — ₰ pro Fuder 49 fl. 10 g. — ₰
  • 52 „ Kohlen bis  
    • 1 „ 8 „ 4 „
    • 1 „ 14 „ 4 „
    „ „ 82 „ 1 „ 4 „
  • 33 „ Stein zu scheiden   — „ 5 „ — „ „ „ 8 „ 5 „ — „
  • 68 Ctr. Eisen zu blasen u. zu bocken — „ 3 „ — „ „ Ctr. 10 „ 4 „ — „
  • 20½ „ Clusingseisen zu schmieden — „ 3½ „ — „ „ „ 3 „ 11 „ 9 „
  • 33½ „ Schienwerk „ „ — „ 4 „ — „ „ „ 6 „ 14 „ — „
  • 5 „ Grobeisen „ „ — „ 6 „ — „ „ „ 1 „ 10 „ — „
  • 31 Stück Pflugherden „ „ — „ 1½ „ — „ „ Stück 2 „ 6 „ 6 „
  • 20 „ Sintbleche „ „ — „ 2 „ — „ „ „ 2 „ — „ — „
  • 23 „ Kellen „ „ — „ 1 „ — „ „ „ 1 „ 3 „ — „
  • Summa  167 fl. 8 g. 7 ₰
  • Überschuſs   70 fl. 7 g. 3 ₰

Es sind demnach in diesem Vierteljahre 68 Ctr. = 3740 kg
Eisen ausgebracht und unter dem Luppenhammer „gebockt“, d. h.
gezängt worden. Eine Tonne Clusingseisen stellte sich auf etwa
150 Mark, durch die Veredelung wurde aber für die verschiedenen
aufgeführten Eisensorten im Durchschnitt 169 Mk. pro Tonne erzielt.
Da die Herstellungskosten 119 Mk. pro Tonne betrugen, ergiebt sich
ein Gewinn von 50 Mk. pro Tonne, wovon 5,47 Mk. pro Tonne auf
die Veredelung entfallen. Ein Fuder Eisenstein kostete 4,55 Mk.


Die Rechnung des zweiten Quartals von 1590 ist der des ersten
Quartals ähnlich; es wurden 74¼ Ctr. verschiedene Schmiedeeisen-
sorten für 251 fl. 18 g. 5 ₰ verkauft, welche 179 fl. — g. 2½ ₰ her-
zustellen kosteten, so daſs ein Gewinn von 72 fl. 18 g. 2½ ₰ übrig
blieb. Der gröſsere Gewinn rührt von geringerem Kohlenverbrauch
her. Es wurden hauptsächlich „Grubkohlen“ gebraucht, welche zwar
um 7 g. 10 ₰ teurer waren als die Meilerkohlen, aber einen weit
gröſseren Nutzeffekt hatten. Der Durchschnittspreis eines Fuders Holz-
kohlen im ersten Quartal betrug 4,10 Mk., im zweiten Quartal 4,63 Mk.


Aus älteren Rechnungen ergeben sich für das Jahr 1539 die
folgenden Eisenpreise:


  • 1 Ctr. Renneisen (Wageisen)   27 Mariengr.
  • 1 „ Stabeisen (Steve)   31 „
  • Eine Pflugschar   5 „ 8 Gosl. Pfg.
  • 1 Faſs Stahl   8 Mariengulden
  • 1 Faſs Pflugschar   30 „

Aus den beiden Rechnungen der Clusingshütte ergiebt sich, daſs
in den zwei Quartalen 1590 143 Ctr. = 7915 kg Zerenneisen er-
[805]Der Oberharz.
blasen wurde oder auf den Tag (das Jahr zu 300 Arbeitstagen ge-
rechnet) 52,77 kg, also wenig mehr als ein Centner.


Zu 100 Ctr. Clusingseisen waren erforderlich:


  • pro Tonne = 1000 kg
  • Eisenstein   48½ Fuder zu 72 fl. 15 g. 3 ₰ 8,82 Fuder zu 34,40 Mk.
  • Kohlen   76½ „ „ 120 „ 13 „ 2 „ 13,90 „ „ 57,04 „
  • Löhne und sonstige
    Ausgaben   — „ 52 „ 14 „ 4 „„ 24,92 „
  • Summa   246 fl. 2 g. 9 ₰ 116,36 Mk.

Von groſsem Interesse ist eine Vergleichung mit den Her-
stellungskosten des Frischens. Für 100 Ctr. zweigeschmolzenes oder
Frischeisen der Deichhütte wurden in der gleichen Zeit 133⅓ Ctr.
Stahleisen verbraucht. Diese erforderten zu ihrer Herstellung im
Massenofen:


  • pro Tonne = 1000 kg
  • Eisenstein   42⅓ Fuder zu 63 fl. 19 g. — ₰ 7,07 Fuder zu 30,03 Mk.
  • Kohlen   73½ „ „ 108 „ 4 „ — „ 13,36 „ „ 51,14 „
    • Arbeitslohn   — „ 8 „ 3 „ 6 „
    • Sonstige Kosten   — „ 15 „ 12 „ — „
    — „ 11,24 „

Ferner zum Frischen und Verschmieden:


  • Kohlen   48½ Fuder zu 84 fl. 17 g. — ₰ 8,09 Fuder zu 40,11 „
  • Arbeitslohn   — „ 39 „ 19 „ — „„ 18,82 „
  • Summa   320 fl. 5 g. 6 ₰ 151,33 Mk.

Verkauft wurde:


  • 1 Ctr. zweigeschmolzenes Eisen für   4 fl. 5 g. oder die Tonne für 186,36 Mk.
  • 1 „ Clusingseisen für   3 „ 10 „ „ „ „ „ 155,55 „

Verbrauch pro Tonne an


  • bei zweigeschmolzenem Eisen bei Clusingseisen
  • Eisenstein   7,07 Fuder zu 30,02 Mk. 8,82 Fuder zu 34,40 Mk.
  • Kohlen   22,26 „ „ 91,25 „ 13,90 „ „ 57,04 „
  • Löhne und Nebenkosten  „ 30,06 „ — „ 24,92 „
  • Summa   151,33 Mk. 116,36 Mk.

Zum Zerenneisen wurde


  • demnach Eisenstein   14,59 Proz. mehr verbraucht als zum Frischeisen
  • dagegen Kohlen   37,49 „ weniger „ „ „ „
  • und Arbeitslöhne u. Nebenkosten 17,10 „ „

Für das Clusingseisen konnten auch geringere Kohlen verwendet
werden, als für das Frischeisen. Ferner stellten sich die Unter-
haltungskosten der Clusingshütte wesentlich niedriger als die des
Massenofens und der Deichhütte. Der Nutzen pro Tonne betrug beim
Clusingseisen 39,19 Mk. = 25 Proz., Frischeisen 35,03 Mk. = 19 Proz.
Der Betrieb der Zerennhütte war also in jener Zeit ein sehr günstiger
[806]Der Oberharz.

[807]Der Oberharz.

[808]Der Oberharz.
und wurde nur wenig beeinträchtigt durch die geringere Produk-
tion, denn in den beiden gleichen Quartalen wurden in den beiden
Frischhütten nur 159 Ctr. gegen 143 Ctr. in der Zerennhütte erzeugt.


Von nicht minder groſsem geschichtlichen Interesse sind die
Rechnungen des Massenofens der Deichhütte bei Gittelde, denn
wir besitzen keine Betriebsrechnungen eines Hochofens von ähnlicher
Ausführlichkeit aus jener fernen Zeit. Die Rechnungen beginnen
mit dem zweiten Quartal des Jahres 1573, und es wird in denselben,
wie schon erwähnt, auf ältere Rechnungen Bezug genommen. Sie
endigen mit dem vierten Quartal 1590; im Ganzen sind die Abrech-
nungen von zehn Quartalen erhalten. Während dieser ganzen Zeit
war aber der Hochofen nur während 127 Tagen in Betrieb, in jedem
Quartale durchschnittlich nur 25 4/10 Tage. Die Hüttenreisen waren
sehr kurz und schwankten zwischen 15 bis 45 Tagen. Es wurden
hauptsächlich Iberger Braun- und Spateisensteine verschmolzen. Die-
selben führten Schwerspat, welcher, nachdem die Erze in Haufen
geröstet und „gebockt“, d. h. kleingeklopft waren, mit der Hand aus-
gelesen wurde. Auſserdem waren die Erze aber sehr manganreich.
Dies bedingte die Natur des daraus dargestellten Eisens. Es fiel ein
weiſses oft strahliges oder spiegeliges Roheisen, aus welchem durch
Frischen ein hartes, stahlartiges Eisen erzeugt wurde. Das Frischen
geschah in einem deutschen Frischherd, doch frischte das mangan-
reiche Roheisen langsam, so daſs, während man auf den andern
Harzer Hütten 60 Ctr. graues Roheisen verfrischte, man von dem
Gittelder Roheisen nur etwa 30 Ctr. in der Woche verfrischen konnte.
Das Roheisen schmolz zu bald ein und blieb zu lange flüssig. Man
wendete deshalb auch eine Zeit lang die rheinische Kaltfrischmethode
an. Das erhaltene Stabeisen war von besonderer Güte.


Die Tabelle auf S. 806 und 807 enthält eine Zusammenstellung
aus den fünf Quartalsrechnungen, welche eine Übersicht über den
Hochofenbetrieb der Deichhütte giebt.


Hiernach betrug die durchschnittliche Tagesproduktion in dieser
Periode 17,52 Ctr. oder — der Centner zu 55 kg gerechnet —
963,60 kg. Die Gestehungskosten verteilen sich wie folgt:


  • Für Eisenstein   759 fl. 17 g. 6 ₰ = 38,8 Proz.
  • „ Kohlen   928 „ 16 „ 6 „ = 47,6 „
  • „ Löhne   201 „ 2 „ — „ = 10,3 „
  • „ Nebenkosten   63 „ 1 „ — „ = 3,3 „
  • Summa   1952 fl. 4 g. — ₰ 100,0 Proz.

[809]Der Oberharz.

Auf eine Tonne Eisen wurden 4,85 Fuder Eisenstein mit 5,54
Fuder Holzkohlen verschmolzen.


Die Preise des Masseleisens (Stahleisens) stellten sich in dieser
Periode wie folgt:


Im Jahre 1573 wurde das Eisen mit Gewinn zu 1 fl. pro Centner
= 4,73 Mk. die 100 kg nach heutigem Gelde berechnet. In der
Folge wurde bei der Abrechnung der Massenhütte kein Gewinn be-
rechnet, sondern das Masseleisen, welches alles auf herrschaftlichen
Hütten weiter verarbeitet wurde, den Eisen- und Stahlhämmern zum
Selbstkostenpreis in Rechnung gestellt, eigentlich sogar unter Selbst-
kostenpreis, indem die für die erzeugten Guſswaren erzielte Einnahme
voll in Anrechnung gebracht wurde. Allerdings wurde auch bei
diesen, soweit sie an die fürstlichen Bergwerke verkauft wurden, kein
Gewinn genommen. Der Preis des Stahleisens wurde hiernach in
jedem Quartal berechnet und schwankte auſserordentlich je nach
dem Betrieb; so betrug er 1578 bei einem sehr günstigen Betriebe
12 g. 2 ₰ pro Centner, während er 1590 mehr als das Doppelte,
1 fl. 6 g. 11 ₰ pro Centner, ausmachte. Der Durchschnittspreis des
Roheisens in der ganzen Periode betrug 17 g. 7 ₰ pro Centner
oder 41,64 Mk. pro Tonne.


Es wurden verbraucht:


  • Eisenstein   4,85 Fuder zu 16,20 Mk.
  • Kohlen   5,54 „ „ 19,80 „
  • Löhne und Verschiedenes   — — 5,64 „
  • Summa   41,64 Mk.

Der Preis des Pucheisens, d. h. der aus dem Hochofen ge-
gossenen, in Sand eingeformten, Pocheisen und Pochsolen war fest-
gesetzt auf 2 fl. 10 g. pro Centner oder 125,72 Mk. pro Tonne.


Der Preis des Wascheisens stand höher als der des Massel-
eisens, dasſelbe wurde verkauft zu 1 fl. 8 g. pro Centner oder zu
66,18 Mk. pro Tonne.


Es wurde aber nicht nur Pocheisen aus dem Massenofen zu
Teichhütte gegossen, sondern noch mancherlei andere Guſswaren,
darunter namentlich verzierte Ofenplatten. Heinemann (a. a. O.,
S. 418) schreibt: „Daneben erreichte auch der Kunstguſs bereits
eine sehr hohe Vollendung, namentlich in den oft mit groſsen histo-
rischen, mythologischen oder allegorischen Darstellungen geschmückten
Ofenplatten, von denen sich noch eine ziemliche Anzahl erhalten hat.
Gerade aus der Zeit des Herzogs Julius stammen die in künstlicher
[810]Der Oberharz.

Deichhütte-

[811]Der Oberharz.

(Dichütte, Dich-Blechhütten).

[812]Der Oberharz.
Beziehung gelungensten und wertvollsten dieser Erzeugnisse der Gieſs-
kunst.“


Die Unterhaltungskosten oder „Maſsenofen gebauts auffgang“,
wie es in den Rechnungen heiſst, waren natürlich sehr schwankend,
je nachdem gröſsere oder geringere Reparaturen auszuführen waren.
Die Unterhaltung und Erneuerung der ledernen Bälge kostete
am meisten. Zum Schmieren derselben wurde immer ein ziemlicher
Posten Fett gebraucht. Vier gute Lederhäute zur Erneuerung kosten
1575 : 20 fl. Ferner gehörten zum „gebauts auffgang“ die Instand-
haltung und Erneuerung des Ofens. Ein neues Gestell wurde in
jeder Reise eingesetzt und wurde als Betriebsaufwand verrechnet, alle
weitere Arbeiten aber, wie auch das Anfahren der dazu erforder-
lichen Materialien erscheint als „gebauts auffgang“; ebenso die Repa-
raturen am Wassergerinne und am Rade, die Instandhaltung des
Pochwerks, die Reparaturen an den Hüttenschuppen, die Utensilien,
als Brechstangen, Ruten (Lachtroden), Füllfässer, Schubkarren u. s. w.
Die Hütte hatte ferner den Köhlern einen Teil der Unkosten für An-
lage der Meilerstätten zu bezahlen und ihnen auch noch von Zeit
zu Zeit eine Liebnus zu gewähren und ebenso den Hammerhütten
die Formkosten für die Frischzacken („Frischtacken“ 1575). Aus den
Rechnungen dieser Periode ergeben sich folgende Preise:


Tagelohn eines Zimmermanns 6 g., eines Gehülfen 5 g., zwei neue
Füllfässer kosten 5 g., ein neuer Schubkarren 7 g., denselben be-
schlagen mit dem alten Eisen 4 g., die Frischzacken für einen Herd
zu formen 16 g., das Pochwerk neu zu bauen 7 fl., ein neues Rad-
eisen für die Massenhütte 9 fl. 18 g.


Die beiden Frischhütten Deich- und Oberhütte wurden in
ganz ähnlicher Weise betrieben; auſser „zweigeschmolzenem Eisen“, d. h.
Frischeisen, wurde hauptsächlich Blech geschmiedet, welches damals
gesucht war und hoch im Preise stand. In der vorhergehenden Ta-
belle (S. 810 und 811) sind die bezüglichen Angaben aus den zehn
noch vorhandenen Quartalsrechnungen dieser Hütten zusammen-
gestellt.


Nach diesen Tabellen stellt sich der Durchschnittspreis der
Kohlen pro Fuder auf 1 fl. 5 g. 6 ₰. Die Oberhütte verbrauchte
teurere Kohlen als die Deichhütte, bei ersterer stellte sich das Fuder
auf 1 fl. 6 g. 11 ₰, bei letzterer auf 1 fl. 3 g. 8 ₰. Das Stahleisen
kostete im Durchschnitt 16 g. 2 ₰ pro Centner oder pro Tonne
37,80 Mk. Zwiegeschmolzenes Eisen, d. h. Frischeisen, in gewöhnlichen
Schienen 195 Mk. pro Tonne, gemeines Blech 378,20 Mk. und Dünn-
[813]Der Oberharz.
blech 425,46 Mk. Für 100 fertiges Stabeisen und Blech waren 173,7
Stahleisen erforderlich, also ein Abbrand von 73,7 Proz. Der Kohlen-
verbrauch betrug 0,95 Fuder Holzkohlen pro Centner fertige Ware.
Auf die Tonne = 1000 kg Eisen wurden 1590 durchschnittlich ver-
braucht: Eisenstein 7,7 Fuder zu 30,02 Mk., Kohlen 22,26 Fuder zu
91,25 Mk., Löhne und Unkosten 30,06 Mk., in Summa 151,33 Mk.,
während der Verkaufspreis 186,36 Mk. pro Tonne betrug.


Der Gewinn erscheint als ein unverhältnismäſsig hoher. Er
würde sich, wenn man die Frischhütten allein berücksichtigt, auf
98 Proz. stellen. Da aber für den Hochofen kein Gewinn gerechnet
wurde, so muſs man auch die Betriebskosten für diesen mit berück-
sichtigen. Dieselben betrugen während dieser Periode 1952 fl. 17 g.,
demnach würde sich der Gewinn des Massenofens und der Frisch-
hütten zusammen auf 64,37 Proz. belaufen. Dieser hohe prozentale
Gewinn ergiebt aber doch nur für die Massenhütte, Ober- und Deich-
hütte zusammen einen Jahresgewinn von 1463 fl. Aus diesem Gewinn
waren auſserdem noch die Kosten der Unterhaltung der Gebäude bei
den Bergwerken am Iberg, die der Frischhütten und des Fuhrwerks
zu bezahlen, dagegen erwuchs der Faktorei aus dem Wagegeld der
Faktorei eine weitere Einnahme. Die Kosten für den Iberg waren
nicht hoch, sie betrugen 1573 für die beiden Semester 15 fl. 18 g. 8 ₰.
Der „gebauts aufgang“ für das Quartal Reminiscere 1573 betrug bei
der Oberhütte 14 fl. 16 g., bei der Deichhütte 19 fl. 6 ₰. Auch hier be-
trafen die Kosten hauptsächlich die Instandhaltung und Erneuerung
der ledernen Blasebälge, der Frischfeuer, Hämmer, Ambosse, Wasser-
räder etc. Die Kosten waren sehr wechselnd. Im Allgemeinen sind sie
höher als bei der Clusingshütte. Ein Paar neue Kupferformen kosten
1573 3 fl. (bei Rückgabe der alten), 1578 4 fl. 11 g. 6 ₰. Eine neue
Frischstätte zu graben und zu machen kostet in allem 10 fl., den
Frischherd neu zu machen 10 g. Den Amboſs zu machen, neu zu
stählen, aus- und einzusetzen kostet 2 fl.; den Hammer zu stählen 15 g.,
zu beiden Arbeiten sind 13 Pfund Eggstahl zu 2 g. 8 ₰, im Ganzen
also zu 1 fl. 14 g. 8 ₰ erforderlich. Die Blechschere neu zu machen
und zu bessern 12 g. Zwei neue Häute (Ledders) für die Bälge kosten
12 fl. 12 g. Ein neues Paar Bälge, mit drei neuen Ledders zu
16 fl. 15 g. kosten 23 fl. 17 g. Für die nötigen Hammerstiele und
Keile erhält der Meister pro Quartal 10 g.


Die Fuhrlöhne erwuchsen für das Fahren des Roheisens nach
den Hammerhütten, des Schmiedeeisens, Stahls, Blech u. s. w. nach
der „Canzley“, des Anfahrens der Gestellsteine zum Massenofen und
[814]Der Oberharz.
sonstiger Baumaterialien. Eine besondere Einnahme für die Faktorei
entsprang aus dem Waggeld. Alles auf die Faktorei gelieferte Eisen
wurde verwogen und dafür 1 g. pro Centner entrichtet. Die Einnahme
an Waggeld war also bedingt durch die Produktion. — Es wird
unterschieden beim Stahl: Egg- (Egs-) und Pflugstahl. Bei dem
Schmiedeeisen: Clusingseisen, Wageeisen und Zehen- (Zehnt-) Eisen,
welche Sorten von den Zerennhütten kamen, gemein Eisen, Rad-
schienen, Zweigeschmolzen Eisen von den Frischhütten, Gemein- und
Dünnblech von den Blechhütten, Stahleisen und Pocheisen von dem
Massenofen und ferner noch Wascheisen und Alteisen. Nach Abzug
aller Nebenkosten stellt sich der Reingewinn für das Quartal Remi-
niscere auf 458 fl. 6 g. 8 ₰. Die vorhergegangene Betriebsperiode
hatte aber eine Unterbilanz von 224 fl. 16 g. 10 ₰ ergeben. Diese
wurde als Schuld vorgetragen und wurde von dem Gewinn ab-
gerechnet, so daſs sich der Betriebsgewinn für dieses Quartal nur
auf 233 fl. 9 g. 10 ₰ stellte. Hierzu kam jedoch in Zugang eine
auſserordentliche Einnahme durch die Einführung eines neuen Kauf-
gewichtes, wodurch auf das Warenlager der Faktorei ein Nutzen von
193 fl. 10 g. erwuchs, ferner das Waggeld mit 40 fl. 9 g. 9 ₰. Der
gesamte Gewinnübertrag betrug demnach 467 fl. 9 g. 7 ₰.


Für den Betrieb gewährte die Herrschaft eine bestimmte ständige
Summe als „Vorlacht-Gelt“ „damit M. gn. F. vnd Herrn Hütten, kolnhawe
vnd gantzer Handell gefürdert“ werde. Es wurde dies als ein Anleihen
der Hütten angesehen, welches Deckung finden muſste in den vorhan-
denen Materialien, als Eisenstein, Kohlen, Eisen u. s. w. und in den
Vorschüssen, welche den Stahlschmieden, Hüttenleuten und Faktorei-
beamten gewährt wurden. Dieses „Vorlacht-Geld“ betrug im Jahre
1573 1500 fl., da aber die Materialien und Ausstände 1813 fl. 7 g. 7 ₰
betrugen, so waren in dem Quartal Reminiscere 313 fl. 7 g. 7 ₰ vom
Überschuſs zum Betriebskapital genommen. 1575 war das Vorlacht-
Geld auf 1800 fl. erhöht worden und blieb auf dieser Höhe bis 1579.
In den vorhandenen Quartalsrechnungen erscheint in diesem Zeit-
abschnitt neben den Vorräten auch immer noch ein barer Kassen-
bestand. 1590 ist das Vorlacht-Geld auf 2300 Gulden gestiegen und
bei den Abrechnungen erscheinen jetzt nicht unbedeutende Vorlagen
für die Köhler, Stahlschmiede, Hüttenleute und Faktoreibeamten.
Diese Art Vorschüsse waren zu Herzog Julius Zeit nicht vor-
gekommen.


Die Verrechnung des Vorlacht-Geldes pro Quartal Quasimodogen.
— Jakobi 3. Kapitel — lautet:


[815]Der Oberharz.
  • Massenofen foradt   575 fl. 3 g. — ₰
  • Oberhütte „   129 „ 14 „ 8 „
  • Deichhütte „   137 „ 1 „ 10 „
  • Clusingshütte „   200 „ 3 „ 4 „
  • Den Kolern Vorlacht   155 „ 5 „ — „
  • Faktorey Vorrath   47 „ 16 „ 4 „
  • Den Stahlschmieden Vorlacht   98 „ 9 „ 6 „
  • Den Hüttenleuten „   656 „ 8 „ 2 „
  • Johann Thon von der Faktorey
    Vorlacht   166 „ 23 „ — „
  • Für diverse Eisensteine etc.  132 „ 16 „ 2 „
  • 2300 fl — g. — ₰

Am Ende der Quartalsrechnungen aus dem 16. Jahrhundert er-
scheint noch eine Aufstellung des vereinnahmten Zehnt-Steines.


Der erste Faktor im Jahre 1573 war Hans Bher, welcher noch
den Titel „Kanzler“ führt; 1575 bis 1579 war es Tilo Arends, im
Jahre 1590 ist die Rechnung aufgestellt von Johannes Henrichus,
„Gegenschreiber“.


Im Jahre 1590 findet sich zum erstenmal eine besondere Ab-
rechnung von Auszahlungen an die Äbtissin von Gandersheim. Dieser,
einer Prinzessin aus dem fürstlich braunschweigischen Hause, war
eine Rente aus den Eisenbergwerken und Hütten zu Gittel aus-
geworfen und zwar wie es scheint auf Grund eines Waldkaufes, denn
ein Eintrag lautet:


  • „Vhon der Ebtissine zw Gandersheim Holzunge ober
    Horhausen abgekauft vnd das zu Art weiſs für
    Iberger Zehend — zur Canzley vorleget   700 fl.
  • Wird das Holtz mit dem fürstlichen Zehen zur Casse
    bezahlt   700 fl.“

Aus den mitgeteilten Rechnungsauszügen ergiebt sich, daſs
der Massenofen der Deichhütte, abgesehen vom Pucheisen für
die Bergwerke, nur für den Bedarf der beiden Frischhütten be-
trieben wurde. Da diese bei ihren beschränkten Einrichtungen
aber nur ein mässiges Quantum Roheisen verarbeiten konnten,
so lieſs man den Hochofen nur zeitweilig, wenn Bedarf da war,
gehen.


[816]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden noch verschiedene
andere Hochöfen im Ost-Harz betrieben. Oberhalb Osterode waren
zwei Hütten am Scherenberg, eine an der Pulvermühle und eine zu
Lohborn bei der Eulenburg; unterhalb Osterode waren die Hütte
vor dem Kattenstein, Petershütte und Schwarzenhütte in Betrieb.


Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.

Im Westen des deutschen Vaterlandes bildeten das Herzogtum
Westfalen
und die Grafschaft Mark klassische Länder der Eisen-
industrie. Die jetzigen preuſsischen Provinzen Westfalen und Rhein-
land waren im 16. Jahrhundert ein vielgeteilter Besitz weltlicher und
geistlicher Fürsten. Den Teil, der das beste und das meiste Eisen
aus seinen vortrefflichen Erzen schmolz, das Siegerland, haben wir
bereits als ein Herrschaftsgebiet der Grafen von Nassau kennen ge-
lernt. Nördlich an dasselbe schloſs sich das kur-kölnische
Sauerland
— ein Teil des altsächsischen Süderlandes — an, ein
rauhes, bergiges Waldland, bewohnt von einer nicht reichen, aber
thätigen, betriebsamen Bevölkerung, die das Eisen, welches ihnen die
heimischen Berge spendeten, mit Fleiſs verarbeiteten und in die Welt
hinaustrugen. Die alten Städte dieses Gebietes Arnsberg, Attendorn,
Brilon und Balve gehörten zum Hansabund. Der Erzreichtum des
Sauerlandes steht zwar weit zurück hinter dem des Siegerlandes,
dennoch ist das Lenneschiefergebirge, besonders im Kontakt mit Schal-
stein und Diabas, reich an Eisenerzmitteln, meistens Brauneisenstein,
und ebenso enthält das Kalkgebirge, welches sich von Brilon über
Meschede und Balve nach Iserlohn zieht, zahlreiche Eisenlager. Wo
das Erz zu Tag strich, wurde es in Luppenfeuern und Waldschmieden,
deren Spuren noch durch die alten Schlackenhaufen kenntlich sind,
verarbeitet. Im 15. und 16. Jahrhundert zog sich auch im Sauer-
land der Hüttenbetrieb an die Wasserläufe, und neben gröſseren
Rennwerken entstanden auch bereits Hochöfen. Wie im benach-
barten Siegerland, so wurden auch hier schon früh Guſswaren ange-
fertigt, und die gegossenen Öfen des Sauerlandes erfreuten sich zu
Agricolas Zeit eines weitverbreiteten Rufes, weshalb sie dieser
Schriftsteller ausdrücklich erwähnt 1). Die Hüttenwerke, in welchen
[817]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
diese Ofenplatten gegossen wurden, scheinen in der Gegend von
Brilon gelegen zu haben und von dieser damals bedeutenden Hansa-
stadt aus vertrieben worden zu sein. Nach des „Wogenmeisters Aidt“
von 1595 wurde für einen Centner eiserne Öfen 2 Pfennige Wag-
gebühr erhoben 1).


Schon im 12. Jahrhundert wurde am Eresberg, wo das heutige
Marsberg liegt, Erzbergbau betrieben. 1150 verlieh Kaiser Konrad
der Abtei Corvey das Recht, dort Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zinn und
überhaupt alle Metalle zu graben und zu schmelzen 2). Wo aber der
Erzbergbau erblühte, wurde auch Eisen geschmiedet, dessen Erze dort
reichlich vorhanden waren. In den Heberegistern des Klosters Corvey
vom 12. Jahrhundert findet sich die Nachricht, daſs Horhausen bei
Marsberg an die dortige Abtei jährlich 50 Messer, Rasiermesser und
Feuerzangen und 200 Heringe geben muſste. Graf Gottfried IV. von
Arnsberg belehnte am 11. November 1364 den Johann von Hückel-
heim mit dem Schmiedewerk zu Warstein.


Der Briloner Eisenberg wurde bereits im 14. Jahrhundert be-
trieben. Die Eisenschmiede bildeten eines der vier Briloner Ämter oder
Hauptgilden, und zwar schon 1423. Die Stadt besaſs Hütten- und
Hammergerechtigkeit. Briloner Gewerke waren die Hauptbesitzer
der Eisensteinbergwerke am Martenberg im Waldeckischen. Aus
dem Sauerlande kamen die Maurer, welche die Hochöfen im Wal-
deckischen und Hessischen erbauten, sauerländische Schmelzmeister
und Eisenarbeiter traten dort in Dienst. Ein Sauerländer war es,
der den Schmelzofen, das blaue Wunder genannt, in der Gegend
von Gittelde im Harz erbaute. Die Eisenarbeiter aus dem Sauer-
land hatten also im 16. Jahrhundert einen guten Ruf über die
Grenzen ihrer Heimat hinaus. Leider sind die Angaben über die
Hütten und deren Betrieb nur spärlich. Bei Eilhausen und Rhoden
in der Nähe von Brilon waren Eisenwerke. Die Briloner Eisenhütte
lag an der Hoppeke. Sie wurde, wie es scheint, im Jahre 1562 für
die Rechnung der Stadt Brilon betrieben, um die in ihrem Walde
„Aspei“ gebrannten Kohlen zu verwerten. Nach urkundlicher Nach-
richt wurden in diesem Jahre Briloner Bürger vom Rat zu Reide-
meistern bestellt 3). Der Martenberg bei Adorf an der waldeckischen
Grenze versah eine Anzahl von Hüttenwerken sowohl auf der wal-
Beck, Geschichte des Eisens. 52
[818]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
deckischen, wie der sauerländischen Seite mit Eisenerz. Das Adörfer
Eisenwerk ist seit etwa 1560 im Gange 1).


Das Kloster Bredelar hatte eine eigene Eisenhütte „die Kloster-
hütte“. An der Diemel, dem Itterbach und der Urbe entstand eine
Reihe von Hütten und Hämmern. Ebenso waren viele Eisenhämmer
im oberen Ruhr- und Lennethal. In dem Lagerbuche der Grafschaft
Arnsberg von 1348 wird gesagt, daſs der Zehnte von den Eisen-
hütten 500 Gulden ertrage 2), und in einer Urkunde des Grafen Gott-
fried IV. von 1364 belehnt derselbe seinen Dienstmann Johann von
Hückelheim mit dem Dienstmannsgute zu Altenrüden, zu Suttorp,
zu Warstein und dem Schmiedewerke zu Warstein. Auch bei
Neheim und Hüsten waren Eisenhämmer; ebenso bei Balve an der
Hönne. An der oberen Lenne waren es die Orte Oberkirchen und
Altenhundem, um die herum schon in früher Zeit Eisenwerke ent-
standen; ebenso wurde Eisen geschmiedet zu Olpe, bei der Hanse-
stadt Altendorn und zu Plettenberg. Im Thal der Bigge blühte be-
sonders die Blechfabrikation, während Plettenberg durch seine
weiſsen Sensenklingen berühmt war. Diese wurden nicht wie ge-
wöhnlich gegen den Stein, sondern mit dem Stein geschliffen, zu
welchem Zweck der Schleifer über dem Stein sitzen muſste, während
er sonst vor dem Stein steht und die Sense gegen denselben drückt.
Bei dem ersteren Verfahren verbrennt der Stahl in den Schneiden
viel weniger und es wurden diese Art Sensen höher bezahlt 3). — Bei
Plettenberg sollen auch die ersten Stahlhämmer betrieben worden
sein. Die Zahl der Rennwerke und Eisenhämmer im westfälischen
Sauerland muſs eine sehr groſse gewesen sein, leider fehlen nähere
Nachrichten darüber. Die älteste kur-kölnische Bergordnung wurde
am 4. September 1533 zu Arnsberg erlassen.


Eine klassische Provinz der Eisenindustrie war seit den ältesten
Zeiten die Grafschaft Mark. Die Drahtfabrikation und die Os-
mundschmieden hatten hier ihre Heimat. Altena, Lüdenscheid und
Iserlohn sind die Stammsitze des Drahtgewerbes. Zur Herstellung
des Drahtes brauchte man ein besonders zähes, festes Eisen. Dies
hatte früher der schwedische Osemund, der einen wichtigen Handels-
artikel der Hansestädte, namentlich Lübecks und Danzigs, bildete,
abgegeben. Im 16. Jahrhundert trat, wie schon früher erwähnt, in-
[819]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
folge davon, daſs einerseits die Könige von Schweden die Ausfuhr
des rohen Osemund verboten, anderseits man durch die indirekte
Eisenbereitung zu einem Frischverfahren geleitet wurde, welches
Drahtknüppel von gleicher Güte lieferte, eine Umwälzung in der Fabri-
kation ein. Der Osemund wurde aus einheimischem Roheisen in Herden
gefrischt; diese Frischschmieden erhielten den Namen Osmund-
schmieden
.


Der Name Osmund oder Osemund ist mit der Ware aus Schweden
nach Deutschland gekommen (Bd. I, S. 803). Nach Petr. Saxholm
(Diss. d. ferr. Osmund, 1725) kommt die Bezeichnung Osmund schon
1223 in Schweden vor. Osmuntz, ᚮᛋᛘᚢᚿᛏᚱ, ein Sohn der Riesin
Gulla, kommt in vielen Sveo-gotischen Runenschriften vor. Von
ihm, als dem ersten Erfinder des Eisens, leiteten viele das Wort ab,
während andere behaupteten, es sei zusammengesetzt aus Omn oder
Ugn = fornax und mund = os, weil diese älteste Eisenart aus einer
Öffnung oder einem Mund des kleinen Schachtofens unten ausgezogen
wurde. Andere wieder nehmen an, es sei aus os = Dampf oder Rauch
und mund gebildet, weil es unter starkem Rauchen aus dem Ofen
gezogen wurde. Nach einer ferneren Lesart wäre os von ysta, was
ein gewisses Maſs oder Gewicht bedeute, herzuleiten, und mund komme
her von der Gestalt, die ein Tropfen Eisen oder die Eisenmasse,
welche sich am Boden sammle, annehme, habe also einen ähnlichen
Sinn wie Luppe, so daſs Osmund ursprünglich Ystmund oder Ost-
mund geheissen habe, was einen Eisenklumpen von einer gewissen
Gröſse oder einem bestimmten Gewicht, wie es verkauft wurde, be-
deutet hätte. (Saxholm zieht diese letzte Herleitung vor.) Alle
kämen aber darin überein, daſs diese Eisensorte seit ältester Zeit aus
Seeerz hergestellt werde. Das Erz Orke sei besonders in Seebuchten
(mund) gesammelt worden, woraus das heutige åmynde entstanden sei.
Das Erz sei in kleinen Öfchen niedergeschmolzen worden zu Orks-
mund, aus dem nach manchen die Bezeichnung Osmund entstanden
sei. — Andere hätten es selbst aus dem Griechischen hergeleitet, und
zwar von ἀσημω, was in bezug auf Erz „roh“ bedeute.


Blumhof giebt 1) für die Herleitung des Wortes Osmund folgende
Erklärung: „Wahrscheinlich hat der Name Osmund seinen Ursprung
von dem schwedischen Wort os, welches kleine wasserkranke oder
sumpfige Stellen (als Källos oder Kärros) bedeutet und von Munn,
welches auch in Wäldern und Marken von engen Sunden, Hälsen
52*
[820]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
oder Mündungen zwischen Morästen und Brüchern gebräuchlich ist;
besonders da die Sumpf- und Morasterze, woraus solches Eisen ge-
blasen wird, sich vorzüglich in solchen morastigen und bruchigen
Gegenden finden.“ Vielleicht bezog sich der Name Osmund ursprüng-
lich nur auf das Erz, entspräche also der Bezeichnung Sumpferz,
Limonit. In diesem Sinn schreibt schon J. Webster in seiner
Metallographia von 1671 (S. 264), indem er von verschiedenen Eisen-
erzen handelt: „so entstehen (nach den verschiedenen Farben) die Glas-
köpfe Hämatite, Brauneisenstein, Osemund, Bolus zugleich mit dem
roten Ocker und Eisensinter (iron-shell).“ Auch Bruckmann sagt:
Osmund oder Malus ist eigentlich die Eisenklumpen-Materie, wie sie
aus der Erde gegraben wird, ehe sie geschmolzen und Stangeneisen
davon gemacht wird. — Aus alle dem erhellt, daſs die Ableitung des
Wortes auch im Schwedischen nicht klar ist. Es aber deshalb aus
dem Niederdeutschen ableiten zu wollen, scheint sehr gewagt 1).
Fr. Woste in Iserlohn hat dies versucht und will es als Stangen-
oder Stabeisen erklären. Wie gôs dem gans, hôse dem hanse ent-
spreche, so würde ose in Osemund dem gotischen ans, dort Balken,
hier Stab, Stange bedeutend, entsprechen; mund sei vielleicht ebenso
eine alte Form für das ihm entsprechende altsächsische mûd, althoch-
deutsch mût = Erz oder Eisenmasse, welches auch in Wismut für
wizmut = Weiserz zu stecken scheine. — Viel wichtiger als diese
geschraubte Etymologie ist die Angabe Agricolas, der Osemund
nicht anders kennt als schwedisches Eisen, dessen Güte er rühmt.
„At longe ceteris praestat Suedorum, quod Osemuntum nominant 2).“
Und Bruckmann schreibt in seinen Magnalia Dei (Bd. I, S. 893,
§. 2), daſs schon Olaus das schwedische Eisen „Odzmundz Järn“
nenne.


Als Rohmaterial verwendeten die Osmundschmieden der Mark
ein dichtes, weiſses, grelles, manganreiches Roheisen, das hauptsäch-
lich aus der Herrschaft Sayn bezogen wurde.


Der Aufschwung der Eisenindustrie von Sayn-Altenkirchen stand
in engster Beziehung mit der Entstehung zahlreicher Osmundhämmer
in der Mark und der Blüte der Drahtindustrie. Die Gegend von
Lüdenscheid kann als die Heimat der märkischen Osmundschmiederei
angesehen werden. Dort bestand in alter Zeit Eisengewinnung in
[821]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
den Bergen, wovon noch Schlackenreste gefunden werden 1). Dann
aber bezog man fremdes Roheisen und legte Hammerschmieden an der
oberen Rhamede, besonders aber an der Volme an. Eine alte Straſse
ging von Betzdorf über Meinertzhagen nach Dortmund. Auf dieser
kam das Roheisen von Sayn-Altenkirchen. In Kierspe und Halver,
welche an dieser Straſse liegen, wurde schon im 15. Jahrhundert
Osemund geschmiedet, jedenfalls auf Hämmern, die an der benachbarten
Volme lagen. Um Lüdenscheid wurde aus diesem der grobe Draht
fabriziert, und zwar wurde derselbe damals noch geschmiedet, nicht
gezogen. Um Altena und Iserlohn entstanden dagegen im 16. Jahr-
hundert zahlreiche mechanische Drahtzüge. Zwischen den drei be-
nachbarten Städten Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, welche die
alten Sitze der märkischen „Drahtfabrik“ waren, trat schon früh eine
Teilung in der Fabrikation ein, die sich in der weiteren Entwickelung
immer schärfer abgrenzte. Lüdenscheid, in dessen Nähe die meisten
Osmundhämmer lagen, machte die groben Sorten, Altena, welches
über die meisten Gefälle verfügte, die mittleren, gangbarsten, Iserlohn,
welches viel Draht verarbeitete, die feinsten Sorten. Doch gab es da-
mals noch keine Winnenscheiben daselbst, und man muſste den feinsten
Draht noch von auswärts, namentlich von Aachen beziehen. Zu jener
Zeit wurde der Draht wohl noch ausschlieſslich mit Zangen gezogen.


Es entstanden in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts
so viele Drahtzüge und Hammerwerke mit Wasserbetrieb, daſs die
Fischerei darunter Not litt, weshalb Herzog Johann von Cleve im
Jahre 1525 zwei Verordnungen erlieſs, daſs keine neue Schlachten
(Wehre) angelegt werden dürften. Alle die seit Menschengedenken
gegründet, sollen weggeräumt, die über Menschengedenken nicht höher
als das Wasser, wie es in seinen Ufern steht, gehalten werden.
Diese der Industrie feindliche Verordnung wurde aber wohl nicht
strenge durchgeführt, denn die Zahl der Anlagen nahm im Laufe des
Jahrhunderts immer zu. Auch war der Herzog sehr besorgt, den
Altenaer Drahthandel zu fördern. Als im Frühjahr 1518 die Stadt
Altena durch eine Feuersbrunst zerstört worden war, gab er, um dem
Orte wieder aufzuhelfen, den Befehl, daſs kein Drahtzieher von Altena
sich wegbegeben sollte, um an einem andern Ort das Handwerk zu
treiben. „Im Jahre 1574 ist die Nette verbrannt“, schreibt der
Chronist, also standen die Drahtwerke an der Stelle bereits so dicht,
daſs eine ausgedehnte Feuersbrunst entstehen konnte.


[822]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.

Südlich von Altena mündet auf der andern Fluſsseite die Rah-
mede in die Lenne, an deren Ufer gleichfalls eine Kette von Eisen-
hämmern und Drahtzügen entstanden. Auch Reckhämmer entstanden
vereinzelt neben den Öfen und Hämmern. Iserlohn war der uralte
Sitz der Panzerschmiede (siehe Bd. I, S. 829). Die Fabrikation der
Drahtpanzer ging zwar im 16. Jahrhundert immer mehr zurück, doch
war sie noch nicht erloschen. Daneben machten die Panzerschmiede
andere Artikel aus Draht, darunter besonders Fischangeln, Haken
und Ösen, Spangen und Nadeln. Zu gröſserer Blüte kam aber die
Iserlohner Drahtindustrie erst im folgenden Jahrhundert durch Ein-
führung der Kratzendrahtfabrikation. Im Gebiete von Iserlohn wurde
auch Eisenerz gewonnen und auf Rennherden zu gute gemacht. Um
die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die erste Hochofenhütte bei
Sundwig erbaut. An der Westig, Sundwig und Hemerbach aber
entstanden Drahtzüge, Schleifmühlen, Hammerwerke u. s. w.


Alter Eisensteinbergbau und Eisengewinnung fand auch weiter
südlich im Aggerthale statt, wie alte Pingenzüge und Schlackenfunde
bei Ründeroth beweisen.


In dem westlichen Teile der Mark, in der Grafschaft Dortmund
und in dem Stifte Essen, wo jetzt die gewaltige Groſsindustrie in
dem Steinkohlengebiet der Ruhr ihren Hauptsitz hat, war im 16. Jahr-
hundert, wie im Mittelalter nur schwache Eisengewinnung. Wohl
trieb die angesehene Hansestadt Dortmund schon damals ausge-
dehnten Eisenhandel, indem es an der Einfuhr des schwedischen
Osmund und an dem Handel des märkischen Drahts und der Solinger
Klingen groſsen Anteil hatte, aber weder eine nennenswerte Eisen-
gewinnung aus den Erzen noch eine besondere Eisenfabrikation fand
in jenem Gebiete statt. Die Bedeutung der Steinkohle für die Eisen-
industrie war noch nicht erkannt; nur eine lokale Verwendung der-
selben seitens der Schmiede läſst sich nachweisen. Für die Her-
stellung von Handelswaren kannte man kein anderes Brennmaterial
als die Holzkohle. Erst gegen das Ende des Jahrhunderts entstanden
einzelne Reckhämmer an der Enneper Straſse, die wohl schon damals
Steinkohlen zum Ausheizen verwendeten. Sonst wurde die Steinkohle
auſser von den ärmeren Leuten zum Hausbrand nur zum Kalk- und
Ziegelbrennen verwendet. In Aplerbeck und Hörde gab es Eisen-
schmiede, namentlich blühte an letzterm Platze die Nagelschmiederei.


Eine alte originelle Fabrikation, die wir schon häufig erwähnt
haben, hatte ihren Sitz in Solingen, im Herzogtum Berg. Es war
die alt berühmte „Schwertfabrik“. Ursprünglich hatte diese wohl ihr
[823]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
Eisen in der Gegend selbst gewonnen. „Der älteste Bergbau hatte
auf den lagerartigen Thon- und Brauneisenstein-Vorkommen der
Kreise Solingen und Lennep stattgefunden. Pingenzüge von zum
Teil groſser Ausdehnung bekunden dessen lange Dauer, und die
häufigen Schlackenhalden beweisen, daſs die Erze in der Nähe ihrer
Gewinnungsorte in kleinen Rennfeuern verschmolzen worden sind 1).“


Mit der fortschreitenden Entwickelung der Klingenindustrie ge-
nügte dieses Material nicht mehr, weder in Quantität noch in Qualität.
Dafür bot aber das Eisen und der treffliche Stahl des Siegerlandes
den besten Ersatz. Wir haben über die Entstehung der Solinger
Industrie, ihren Betrieb und ihre Organisation das Wichtigste bereits
mitgeteilt 2) und haben hier nur noch weniges nachzutragen. An der
Schwertfabrik war nicht allein die Stadt Solingen, sondern auch deren
Umgegend beteiligt. An allen Wasserläufen der Nachbarschaft saſsen
die Klingenschmiede und Schleifer. Besonders war dies bei den alten
Ortschaften Cronberg, Wald und Dorp der Fall. Die Privilegien,
welche die Grafen von Berg im 15. Jahrhundert den an der Schwert-
fabrik beteiligten Gewerbsverbänden der Härter [und] Schleifer (1401 3),
[824]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
der Schwertfeger und Reider (1412), der Schwertschmiede (1472) und
der Kreuz- und Knopfschmiede (1487) erteilt hatten, bezweckten
einerseits Schutz und Förderung, anderseits die Erhaltung der Indu-
strie im Lande. Die Geheimnisse der Fabrikation sollten nicht in
andere Länder verbracht werden, deshalb wurde auf den „Verbleibungs-
eid“ besonderes Gewicht gelegt. Die alte Eidesformel ist nicht mehr
bekannt, im Jahre 1753 lautete der Eid wie folgt: „Ich schwöre zu
Gott einen Eid, daſs ich das Schmiede-, Härder- oder Schleiffer-
Handwerk an keinem andern Orte als im Fürstentum Berg oder
soweit dasselbige in seinem Bezirk, brauchen, auch keinen andern als
so vom Handwerk ehelich geboren, lehren will, so lange als wir von
unserm Fürsten bei Handwerks-Privilegien geschätzt werden.“ Wir
haben schon erwähnt, daſs sich das Handwerk in drei streng „ge-
schlossene Bruderschaften“, die Schmiede, Härter und Schleifer trennte,
deren Zugehörigkeit erblich war. An der Spitze jeder Bruderschaft
stand ein Vogt, über allen stand der herzogliche Obervogt, der ge-
wöhnlich auch der Amtmann von Solingen war. Eine jede Bruder-
schaft hatte ihre Zusammenkünfte in einem „Gaffelhaus“ (Vereins-
haus — Herberge), woselbst auch die Papiere und Dokumente der
Bruderschaft aufbewahrt wurden. Die Abgeschlossenheit der Bruder-
schaften war so streng, daſs jeder Bruder die „Kunst“ seines Hand-
werks nur den eigenen Söhnen oder an Sohnesstatt angenommenen
lehren durfte. In den Satzungen der Bruderschaften war die Höhe
der täglichen Produktion festgesetzt, um eine Gleichmäſsigkeit im
Einkommen der Einzelnen zu erzielen 1); so durfte ein Schwertschmied
nicht mehr als vier Schwerter, der Messerschmied nicht mehr denn
zehn Stechmesser, ein „Baselerschmied“ (baselard, eine Art Zierdegen)
nicht mehr denn acht, und ein „Cordinschmied“ (cordin, eine Art
3)
[825]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
Dolch) nicht mehr denn zehn Stück täglich, und zwar gut und richtig
schmieden. Dieses zugewiesene Arbeitsquantum und der Erlös dafür
hieſs die „Leibgebühr“. Über den Handel haben wir schon im ersten
Band berichtet. Nur den Brüdern stand derselbe zu; so hatten nur
die Mitglieder der Bruderschaften, deren eheliche Söhne und die
Brüder des Kreuz- und Knopfschmiedehandwerks, welche die Schwert-
griffe herstellten, die Berechtigung zum Klingenhandel; allen andern
war er untersagt. Der Kaufmann muſste eidlich geloben, mit keinen
ausländischen Klingen zu handeln, noch im Ausland Klingen unter
dem für fertige Waren bestimmten Preise zu verkaufen. Von groſsem
Nutzen für die Güte und den Ruf der Waren und den Handel war
die strenge Abstempelungspflicht, worüber wir S. 394 das Nötige ge-
sagt haben. Diese, sowie die Verbesserung der Organisation durch
Einführung der „Sechsmänner“, eines Ausschusses für die gemein-
samen Angelegenheiten des Handwerks, waren Einrichtungen, die erst
im Laufe des 16. Jahrhunderts gesetzlich geregelt wurden. Der erste
„Sechsmannsbrief“ wurde 1570 erlassen.


Ein weiterer Fortschritt, welcher zugleich Zeugnis giebt für den
wachsenden Umfang der Klingenfabrikation, war die Abtrennung des
Messerschmiedehandwerks als selbständige Zunft. Diese erfolgte durch
das Privilegium des Messerhandwerks vom 14. Januar 1571.


Eine groſse Änderung in der Klingenfabrikation wurde herbei-
geführt durch die Einführung der Wasserhämmer. In den Reck-
hämmern wurde Eisen und Stahl geschweiſst, raffiniert und vor-
geschmiedet. Alle diese Arbeiten hatte der Klingenschmied bis dahin
mit der Hand ausgeführt. Die Raffinierhämmer machten einen Teil
seiner Arbeit überflüssig; da aber der Klingenschmied keinen Vorteil
davon hatte, weil er nicht mehr als seine bestimmte Anzahl Klingen
abgestempelt bekam, so fühlte er sich vielmehr durch die neue Ein-
richtung geschädigt und betrachtete sie als eine unrechtmäſsige Kon-
kurrenz. Die Raffinierhämmer, welche für Solingen arbeiteten, lagen
bei Lüttringhausen und Burg. Erst gegen das Ende des Jahrhunderts
scheinen dieselben aufgekommen zu sein. Auch bei Remscheid lagen
Hämmer, die für Solingen arbeiteten 1).


Der Handel mit den Solinger Waren folgte den hanseatischen
[826]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
Handelsstraſsen. Hauptvertriebsort war Köln; dann im Westen Ant-
werpen und die brabantischen Märkte, nach Norden und Osten ging
der Handel über Dortmund nach Leipzig, Hamburg, Lübeck und
Danzig; nach Südwesten nach Frankfurt und Nürnberg. Für den
Umfang der Schwertfabrik legen auch die früher mitgeteilten zahl-
reichen Klingenstempel oder Fabriksmarken aus dem 16. Jahrhundert
Zeugnis ab.


Die enge Verbindung der zahlreichen Meister in der Bruder-
schaft half diesen, den gesteigerten Anforderungen an Massenlieferungen
genügen zu können und erhielt die Solinger Schwertfabrik, während
das alte Schmiedehandwerk in andern Städten, wo es nach früherer
Weise in den Händen einzelner Meister, die ihr Handwerk mehr als
Kunst betrieben, lag, zu Grunde ging. Die Einführung der stehenden
Heere mit einheitlicher Uniformierung, die gleichmäſsige Bewaffnung
groſser Truppenmassen im Kriege, das Streben nach einheitlicher
Bewaffnung der Landwehren, führten zur Massenfabrikation der Hand-
waffen nach bestimmten Modellen. Solche groſse Aufträge konnten
die Solinger Bruderschaften, welche die Arbeit unter ihren zahl-
reichen Angehörigen verteilen konnten, wohl ausführen, nicht aber
irgend ein Meister in Nürnberg oder Passau. Selbst Toledo konnte
dies in gleichem Maſse nicht leisten, denn trotz der groſsen Zahl
der Schwertschmiede daselbst, fehlte die Organisation. Solingen ent-
wickelte seine Leistungsfähigkeit gerade nach dieser Richtung hin
und übernahm Waffenlieferungen für deutsche und auſserdeutsche
Staaten; so wurde es die erste und bedeutendste Waffenfabrik
Europas.


Neben der Schwertfabrik erblühte in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts die Messerfabrik zu Solingen. Das Aufkommen
der Reckhämmer hat viel zum Aufschwung dieses Industriezweiges
beigetragen. Dem Messermacherhandwerk wurden gleiche Rechte
eingeräumt, wie den drei geschlossenen Bruderschaften der Schwert-
fabrik. Die Messer wurden ebenfalls von den verordneten Ratleuten
beschaut und neben dem Meisterstempel der Solinger Beschaustempel
als Garantie für die Ware aufgeschlagen. Die Messerschmiede muſsten
eine Lehrzeit durchmachen, eine Meisterprüfung ablegen und ihr
Meisterstück machen. Es wurde besonderer Wert darauf gelegt, daſs
jeder sowohl schmieden als reiden und fertigmachen konnte 1). Die
Warenkontrolle, die Beaufsichtigung des Betriebes und die strenge
[827]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
Lehrzeit trugen wesentlich zur Hebung des Messerschmiede-Hand-
werks bei.


Beachtenswert ist, wie sehr sich die Messerschmiede gegen die
geringere Ware der Hämmer wehrten. Die Fabrikate der Hammer-
werke wurden verboten. Heimlich wurden aber doch häufig „schwarze“
Klingen der Hämmer von Meistern oder Kaufleuten geschliffen und
in den Handel gebracht. Auch die Fabrikation der Scheren hob
sich, und die Anfertigung von Gabeln fand Eingang gegen Ende des
Jahrhunderts.


Südlich vom Rhein war die Eifel im westlichen Deutschland von
Alters her berühmt durch ihre Eisenindustrie. Die Eifel gewährt ein
deutliches Beispiel der groſsen Verschiebung der Eisengewinnung durch
die Benutzung der Steinkohle. Die vielen, alten Hütten, welche in
den letzten Jahrhunderten betrieben wurden, sind alle eingegangen.
In dem ganzen Bergrevier Euskirchen, welches den gröſsten Teil der
Eifel umfaſst, steht nur noch ein einziger Hochofen auf der Eisen-
hütte Jünkerath im Kreise Daun im Betriebe. Im 16. Jahrhundert
war die Eifel wegen ihres Eisenreichtums in ganz Deutschland be-
rühmt. „Ferrum laudatum copiosum est Germanis, qui incolunt
regionem quam Eifelam nominamus“ schreibt Agricola. Besonders
rühmt dieser die gegossenen eisernen Öfen der Grafschaft Mander-
scheid. Es müssen schon sehr früh Hochöfen, welche Eisenguſs
lieferten, in diesem Gebiete bestanden haben. Auch der „Meister
vff der Moſsel, der die eisernen Öfen machen kann“, den der Rat der
Stadt Frankfurt im Jahre 1490 kommen lieſs 1), hatte seine Schmelz-
hütte in der Eifel. Sind auch bis jetzt noch nicht viele Nachrichten
über die frühere Eisenindustrie in der Eifel veröffentlicht worden,
so beweisen sie doch das Alter und den Umfang dieser Industrie.
Unzweifelhaft wurde schon zur Zeit der Römerherrschaft Eisen in
diesem Teil des römischen Reiches gewonnen. Jünkerath liegt an
einer römischen Heerstraſse, und das dicht dabei gelegene Glaadt an
der Kyll war eine römische Station. Bei Eiserfey, wo seit ältester
Zeit Eisen geschmolzen wurde, fand man römische Überreste.


Zu Ende des 13. Jahrhunderts bestanden bereits folgende Eisen-
hämmer: der Zweifel, Meister Dedrichs Hammer in den Benden, der
„Hammer in Hallerſs goit“, Meister Jans Hammer, der Hammer „up
dem Zwivei“; die Maulartz-Hütte mag auch ziemlich alt sein 2).


[828]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.

Die von Agricola erwähnten Hochöfen der Grafen von Mander-
scheid lagen wohl nicht in der eigentlichen Grafschaft dieses Namens,
sondern in der Herrschaft Gerolstein, Blankenheim oder Schleiden.
In letzterer Herrschaft fand die umfangreichste Eisengewinnung statt,
über die wir zum Teil schon berichtet haben (s. S. 203). Eine Mander-
scheidsche Hütte lag bei Schleiden, eine andere bei Call, an der aber
die Grafen nur beteiligt waren. Die ersten Anfänge dieser Werke
sollen bis in das Jahr 1250 zurückreichen 1). Call oder Kall an der
Urfft hatte im Mittelalter bedeutenden Bergbau, namentlich auch auf
Eisen. Der Eisenstein ist thonhaltig und bricht im Flötzkalkstein.
Zu Call und Sötenik waren Reidwerke. Schon 1492 hatte Call ein
geschriebenes Weistum über das Bergrecht, welches dem Herzog von
Jülich für das Bergwerk zu Gressenich als Muster diente 2). Es gab
damals Bergmeister zu Call und zu Gressenich. Call gehörte vormals
zur Grafschaft Schleiden. — Sebastian Münster schreibt in seiner
Cosmographey: „Unfern der Grafschaft Manderscheid in den Herr-
schaften Keila, Kronenberg und Sleida im Thal Hellenthal macht
man fürbindig gut Schmideysen, man geuſst auch Eysen Öfen, die ins
Oberland alſs Schwaben und Franken verkauft werden.“ Ebenso
berichtet Dr. Simon Reichwein: „in den Herrschaften Selida, Kronen-
berg und Kieln sind Eysen-Ertz, da man Eysen Öfen auſsgeuſst.“
Auf einer Karte der Eifel in Seb. Münsters Kosmographie ist ver-
zeichnet Cronenburg, Smyddun, Diffenbachium, Widdenbergum, Reiferſs-
hetum, Sleida, Helles Septem officinae minerae ferrariae.“


Alte Eisenhütten waren bei dem Orte Eisenschmitt, der seinen
Namen von der Eisengewinnung hat. Ein Erbpachtsbrief des Erz-
bischofs Jacob I. (von Sirk) erwähnt am 19. November 1454 „der
Eisenschmitt boven Hymmerode auf der Salm“. Diese wurde 1463
mit allem Zubehör den Herrn von Manderscheid verpfändet. Am
16. December 1465 quittiert der Erzbischof Diedrich von Mander-
scheid über den Pfandschilling und die Baugelder für Hof und Wald
zur Hege bei Wilre, den Wald Hoenscheid mit der Eisenschmelze
und Zubehör und verzichtet auf dieses Gut 3). Diese Eisenschmelze
dürfte einer der ältesten Hochöfen sein, welche wir kennen. Ob
aber die hier erwähnte Eisenschmitt, der nachmalige Ort Eisenschmitt
[829]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.
ist, läſst sich nicht mit Bestimmtheit angeben, „Eisenschmitte“ und
Bergwerk bei Ober-Manderscheid wird 1504 erwähnt.


Im Jahre 1515 vergönnt Erzbischof Richard dem Sohne des
Meisters auf der „Eisenschmitt“ Nutzungsrecht im Walde Hönscheidt
gegen jährlich vier Centner Eisen. Am Dienstag nach visit. Mariae
(3. Juli) 1526 erteilte Erzbischof Richard dem Meister „auf der Keyler
Eisenschmitte“ die Erlaubnis, im Erzstift Erz zu suchen und zu
graben. Die „Keyler Eisenschmitt“ ist wahrscheinlich das jetzige Eisen-
schmitt. Südöstlich von Eisenschmitt stand später die Eichelhütte.
Auſserdem waren im Kreise Wittlich alte Eisenhämmer bei Ober-Kail
(Oberhammer) und zu Dorf Reil. In der Herrschaft Gerolstein waren
ältere Eisenwerke bei Müllenborn und Hammerhütte, in der Herr-
schaft Dolldorf-Blankenheim die Stahlhütte und Ahrhütte. Ein altes
Eisenwerk bei Bengee (Hämmerchen) wurde um 1490 von Kloster
Springiersbach gebaut. Die Altschmiede südwestlich von Bollendorf
auf dem linken Ufer der Sauer, jetzt ein einzelnes Haus, war ehe-
mals ein Eisenwerk der Abtei Echternach.


Zu Müllenborn besaſs das Kloster Prüm zur Zeit des Cäsarius
eine Mühle „zu Mulenburne“. Die Eisenhütte daselbst besteht schon
lange. Am 21. September 1563 übertrugen Graf Hans Gerhard von
Manderscheid-Gerolstein und dessen Gemahlin, die Wild- und Rhein-
gräfin Margaretha, die Eisenhütte und den Hammer am Mühlenborn
auf der Ooſs dem Reinhard Radlo als ein Erblehen 1).


Die Aachhütte, 10 Minuten unterhalb Üxheim, gehörte vordem den
Grafen von Aremberg. Auch bei Alf bestanden schon in alter Zeit
Eisenwerke. — Der Netterhammer gehörte zum Kloster St Thomas.


Malberg bei Kyllburg und Merbelshausen wurden schon von Erz-
bischof Theodorich von Trier erbaut. Eine Hütte zu Jünkerath soll
schon 1368 errichtet worden sein. Im Kirchenbuch zu Asch bei
Jünkerath sind Vermerke über alte Verleihungs-Urkunden für Jünke-
rath, die bis um das Jahr 1400 zurückdatieren, enthalten.


Auch bei Steinfeld sind noch die Trümmer eines Hochofens vor-
handen. Aus alle dem ist zu erkennen, daſs die Eisengewinnung in
der Eifel im 16. Jahrhundert in umfangreicher Weise betrieben wurde.
Die technischen Eigentümlichkeiten des Betriebes haben wir im all-
gemeinen Teil geschildert. Die Schleiderer Thalarbeit ist ein ganz be-
sonderer Typus des Hochofenbetriebes geworden, und das Verfrischen
geschah von alters her nach der Weise der Wallonschmiede.


[830]Sauerland, Mark, Berg und die Eifel.

Von groſser geschichtlicher Bedeutung ist auch die Eisenindustrie
im Saargebiet, besonders in der Herrschaft Nassau-Saarbrücken,
weil wir hierüber frühe urkundliche Nachrichten haben 1). Die älteste
ist enthalten in einem „Richtungs-Brieff“ zwischen Friedrich Greiffen-
klau von Vollrats und der Gräfin-Witwe Elisabeth zu Nassau-Saar-
brücken, vom Donnerstag nach dem heil. Drei-Königstag 1430, worin
ersterer seine „Ysenschmitten“ und „Kollen-Gruben“ in dem „Synder
Thall und darumb“ an letztere überträgt.


Von einer „Isenschmitt bei Wiebelskirchen, uff der Oster ge-
legen“, handelt eine Urkunde vom Mittwoch nach dem neuen Jahres-
tag 1514, durch welche Johannes, Eisenschmied von Lichtenstein,
Bürger zu Lautern, dem Grafen Johann Ludwig zu Nassau-Saarbrücken
den seit Jahren rückständigen Zins für die Eisenschmiede binnen
drei Jahren mit 20 Gulden abzutragen gelobt.


Am wichtigsten ist aber der schon mehrfach erwähnte Vertrag,
den Graf Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken am Montag nach
Vincula Petri 1514 mit Lux von Nassau und Johann von Lichtenstein
abgeschlossen hat, wonach er diesen die Hütte bei Wiebelskirchen
gegen den halben Ertrag in Erbpacht giebt, auſserdem sich jährlich
zehn Centner Eisen und alles weitere Eisen für den Gebrauch des
Grafen zu einem rheinischen Gulden den Centner zu liefern, für
eiserne „Heffen“ einen Orth und einen Heller bezahlt nehmen, für
„Öfen, Büchsen oder Büchsensteine zu gieſsen“ auch nur einen Gulden
rheinisch für den Centner ausbedingt.


Es wurden also auf der „Isenschmitt“ zu Wiebelskirchen in der
Grafschaft Ottweiler im Jahre 1514 bereits eiserne Töpfe
Öfen, Geschütze und Kanonenkugeln gegossen
.


In einem späteren Vergleich vom Mittwoch nach Margarethen
1520 wird neben der genannten „Eisenschmitt“ auch noch eine Wald-
schmiede erwähnt.


In einer „Abrede“ endlich zwischen Graf Johann Ludwig und
Heinrich von Wannen, Bürger zu Arle, aus dem Jahre 1535 erklärt
der Graf, die alte Eisenschmiede zu Wiebelskirchen wieder aufbauen
zu wollen „mit allen Hütten, Schmelzöfen, Rädern, Mastbäumen und
allem Holz- und Steinwerk“; Heinrich soll „den Meister darstellen,
den Schmelzofen machen, den groſsen Hammer, Brende und Zapfen,
die man bedarf, und den groſsen Amboſs“, dem Grafen 12 Jahre
[831]Sachsen.
lang jährlich 32 Goldgulden entrichten und das „Huyſsysen“ geben,
gegossen oder geschmiedet, den Centner um einen Gulden.


Nach dieser Zeit verlautet von dieser alten Eisenhütte nichts
mehr, und man vermutet, daſs dieselbe in dem gegen Mitte des
16. Jahrhunderts errichteten Neunkircher Eisenwerke aufgegangen
sei. Von letzterem Werke sollen guſseiserne Platten mit der Jahres-
zahl 1593 vorhanden gewesen sein.


In der Grafschaft Saarbrücken scheint die älteste Eisenschmelze
diejenige von Geislautern gewesen zu sein, woselbst 1590 ein „Eysens-
Factor“ erwähnt wird.


In dem westlich gelegenen Herzogtume Jülich fand in früherer
Zeit keine bemerkenswerte Eisenindustrie statt. Dagegen war Aachen
seit ältester Zeit eine gewerbreiche Stadt, in der Waffen- und Panzer-
schmiede thätig waren. Die durch die Religionszwistigkeiten ver-
anlaſsten Austreibungen von Bürgern aus Frankreich und den Nieder-
landen haben auf die Industrie Aachens einen ganz besonderen
Einfluſs ausgeübt. Während eine groſse Feuersbrunst die Waffen-
schmiede Aachens nach Lüttich getrieben haben soll, so kam zu-
gleich mit den vertriebenen Meistern die Nadelfabrikation um die
Mitte des 16. Jahrhunderts aus den spanischen Niederlanden nach
Aachen, faſste hier Wurzel und entwickelte sich zu einer blühenden
Industrie. Den Stahldraht bezogen die Aachener Nadler von Altena,
und zwar in mittleren Stärken, indem sie das Feinziehen selbst be-
sorgten. Ja, die märkischen Drahtstädte lieſsen den feinen Draht,
den sie brauchten, in Aachen ziehen.


Sachsen.

Wenden wir uns nun zu den östlichen Ländern des nördlichen
Deutschlands, so finden wir in Sachsen und Schlesien die umfang-
reichste Eisenindustrie. Im Kurfürstentume Sachsen hat wie
im Harze die Blüte des Silberbergbaues die Eisengewinnung an-
geregt und gefördert. Im Erzgebirge finden sich schon früh Eisen-
werke, ebenso im Meiſsnischen, besonders um Pirna. Den Eisen-
reichtum Meiſsens rühmt Petrus Albinus in seiner Bergchronik
(1590) in folgender charakteristischen Weise: „Neben dem, daſs das
[832]Sachsen.
Eisenbergwergk das erste von Adam, wie die Gelehrten meinen, er-
funden, vnd wie sie ferner schlieſsen, etwa vmb den Berg Libanum,
zu beyden seiten desſelben, vnd also mitten im gelobten Lande, das
eltiste Eisenbergwerk, so in der heiligen Schrift gedacht wird, ge-
wesen ist. Befindet sich auch, das man des Eisens in keinem Reich,
Land, Stadt, Dorff, Haus, Hütten oder Kohlkram gerathen kan. Der-
halben Gott der klugste Hausvater, dieses Metall nicht allein am
ersten gezeiget, sondern auch an sehr viel örten geben, vnd sonder-
lich neben die mächtigen Gebirge, darinnen er hat Bergwerk wollen
erregen lassen. Gleichergestalt ist derselben neben andrerens Me-
tallen herrlichen Bergwerken auch im vberfluſs im Lande zu Meyſsen,
in welchem doch dieses die fürnembsten örter sein, so wegen des-
ſelben berufen. Erstlich hat man viel Eisen Hämmer nicht weit von
dem Dorff Pela, auf der rechten Handt der straſsen, da man in den
Joachimsthal zeuchet, welches man auf der Burghartsleiten, von deme
so den Eisenstein erfunden, wie Agricola meldet und von des orts
gelegenheit, ernennet. Das ander Eisenbergwerk ist zwischen dem
Dorff Rascha und Städtlein Grünhein, da vor Zeiten ein stadtlich
Benediktiner Kloster gewesen; dieses nennt man auffen Memmler,
wie es Agricola schreibt, andre nennen es den Emmler. Das dritte
vnd fürtrefflichste Eisen wird zu Lowenstein und Berggieshübel vnd
Glaſshütten gemacht — sind alle drey nicht weit von Dreſsden vnd
Pirna den Stedten gelegen. Derwegen etlich das Eisen so daselbst
gemacht Pirnisch nennen vnd rechnen dauon es sei geschmeidiger als
das Lausitzer, so doch sonsten auch weit verführt wird. Zum Gieſs-
hübel werden auch die besten Eisenöfen gegossen, gleich wie zu
Siegen, im Sauerland, in der Grafschaft Manderschied in der Eifel:
vnd vmb das Rote Hauſs am welchen letztern ort auch Eiserne Ofen
Rören vnd Töpffe gegossen werden.


Die andern Eisensteine in Meyſsen sind nicht so beruffen, als da
ist einer bei Torgaw, dessen Kentmannus gedenkt, welcher Leberfarb
sein soll, vnd sehr viel Eisen im rennen geben. Item beym Stedtlein
Heniche vn Kloster alte Cella im Dorf Kaltenofen, Item zwischen
Frankenberg vnd Chemnitz, in welchen bisweilen Ochergelb steckt.
Matthesius gedenkt auch der Zeidelwiesen vnd Magneten Bergs.
Item anderer mehr so er nicht nennt am Pehlwasser vnd vmb
Schwartzenberg.


Dem Meyſsnischen Eisen gehet keins für ausgenommen das
Schwedische, Norwegische vnd Steierische, denn nach diesen rechnet
man das Sultzbacher in der Norikunischen Pfaltz für das beste.“
[833]Sachsen.
Ferner erwähnt Albinus noch das Meteoreisen von Grimma, über
welches Fabricius zuerst berichtet hat1). Die Nachrichten über die
Eisenhütten von Lauenstein und Berggieshübel sind ebenfalls dem
Agricola entnommen (s. S. 202). Alte Eisenhämmer befanden sich
zu Riechberg und Löſsnitz und in der Schlemma bei Schneeberg.


Schon im 15. Jahrhundert entstanden in den damals noch wald-
reichen Gegenden der Bergstädte Marienberg, Wiesenthal, Schwarzen-
berg, Johanngeorgenstadt, Eibenstock, Auerbach, Schöneck u. s. w. mit
landesherrlicher Erlaubnis eine groſse Anzahl Eisenhämmer, die ihr
Eisen zum Teil um billigen Preis an die kurfürstlichen Eisenkammern
abliefern muſsten, wogegen sie ansehnliche Kohlholzdeputate um einen
geringen Waldzins erhielten2). 1517 verkaufte Georg Wilhelm von
Tettau, der damalige Besitzer des Amtes Schwarzenberg, den Erla-
hammer und die besten Eisenwerke an Oswald Flemmig. Durch
die zahlreichen Hütten und Hämmer trat aber schon im 16. Jahr-
hundert Holzmangel ein, und es wurde notwendig, der Vermehrung
der Eisenwerke Gränzen zu setzen und ihren Betrieb einzuschränken.
Zu diesem Zwecke erlieſsen die Herzöge und Kurfürsten Hütten- und
Hammerordnungen3). Eine solche, speziell für die Eisenwerke, erlieſs
bereits Kurfürst Moritz. Am meisten Sorge wendete aber Kurfürst
August von Sachsen dem Eisenhüttenwesen seines Landes zu. Er
gehört zu denjenigen deutschen Fürsten, welche dem Beispiele landes-
väterlicher Fürsorge Kaiser Ferdinands folgten und auf jede Weise
das Berg- und Hüttenwesen zu fördern suchten. Die friedliche Ent-
wickelung unter den Kaisern Ferdinand und Maximilian II. unter-
stützte dieses Streben. Die Fürsten, wie namentlich Moritz und
August von Sachsen, Albrecht von Baiern, Christof von Württemberg,
Wilhelm von Hessen, Julius von Braunschweig und Joachim von
Brandenburg beteiligten sich, wie Kaiser Ferdinand in seinen öster-
reichischen Erblanden, persönlich an dem Bergbau ihrer Länder, und
der Kaiser lieſs ihnen darin nicht nur freie Hand, sondern förderte
noch diese Bestrebungen und stand mit den genannten Fürsten in
Beck, Geschichte des Eisens. 53
[834]Sachsen.
persönlicher Korrespondenz. Er erkannte dadurch das unbeschränkte
Regalitätsrecht der Landesherren an, welche ihn dafür unterstützten
in seinen Bestrebungen zur Aufrechterhaltung des Landfriedens, Ord-
nung des Zollwesens, Einheit des Münzwesens u. s. w. Der Bergbau
war im Mittelalter das einzige Gewerbe, welches allen Ständen eine
gleiche Teilnahme gestattete. Es war die einzige Groſsindustrie, in
welcher groſse Kapitalien angelegt wurden, und die süddeutschen
Geldbarone, die Welser, Fugger, Ebner, Imhof, Fürer u. s. w. be-
teiligten sich an dem Bergbau im Erzgebirge und zogen auſserordent-
lichen Nutzen daraus1). Der Handel mit Kuxen wurde schon damals
ganz ähnlich betrieben, wie heutzutage der Handel mit Bergwerks-
aktien. Nicht nur in Nürnberg, Augsburg und Ulm, sondern auch
in Frankfurt, Mainz, Braunschweig, Goslar, Köln, Hamburg, Danzig,
Breslau u. s. w. entstanden Berg- und Hüttengewerkschaften und
Metallhandelsgesellschaften. Es war der Anfang einer neuen Zeit.
Handel und Verkehr staken freilich noch in schweren Fesseln. Der
Kaiser erkannte das liberum commercium an, d. h. er erkannte die
bestehenden Zölle und Geleite, Stapel- und Niederlagsrechte und den
Straſsenzwang an. Die Freiheit des Handels war nichts anderes als
die Freiheit der Handelsverbote. In diese Zeit fallen auch die An-
fänge des Prohibitivsystems durch Ein- und Ausfuhrverbote. Als im
Jahre 1553 Kurfürst August nach dem Tode seines Bruders Moritz
die Regierung in Sachsen übernahm, befanden sich die Münze „des
Landes Kleinod“ und die Waldungen in schlechtem Zustande. Das
Bergregal wurde von den Adeligen auf ihren Gütern beansprucht, was
eine gemeinsame Ordnung in hohem Maſse erschwerte. Kurfürst August
setzte seine ganze Kraft daran, die wirtschaftliche Lage seines Landes
zu bessern und die Miſsstände zu beseitigen. Dem Walde, welcher
damals das tägliche Brot der Industrie lieferte, war seine erste Sorge
zugewandt. Auf die Verbesserung der Forstwirtschaft nimmt er schon
in seinem ersten Ausschreiben Bezug2) und erlieſs in der Folge ver-
schiedene Holzordnungen. Den Bergwerken sollte von den Förstereien
jederzeit Holz angewiesen und dieses sowohl in den Berg- wie in den
Forstregistern eingetragen werden. Hinsichtlich der Köhlerei wurde
verordnet, daſs kein Kohlenmeiler durch den Köhler aufgethan oder
den Fuhrleuten vermessen werde, bis die fürstlichen Forstschreiber
und Knechte dabei sind und mit den Köhlern „anschneiden“ (am
[835]Sachsen.
Kerbholz), wie viel Körbe Kohlen ein Meiler gehalten und mit Fleiſs
acht geben, daſs jeder Fuhrmann die ordentliche Zahl Körbe, soviel
sich auf einen Wagen gebührt, lade. Jeder Fuhrmann erhielt seinen
Zettel, der zuvor in ein Buch eingetragen wurde, und den er dem
Hüttenverwalter abzuliefern hatte. — Im Amte Pirna und Königstein
hatten die Hammermeister die Kohlen früher nach Grubschaften ge-
kauft und diese mit 14 Groschen bezahlt, aber nicht die Kohle selbst,
sondern das Holz auf dem Stamme, das sie dann oft acht Jahre lang
ungehauen zu ihrem Vorteile stehen lieſsen. Wieviel eine Grubschaft
war, wuſste 1556 niemand mehr. Deshalb schaffte der Kurfürst in
diesem Jahre den Verkauf nach Grubschaften ab und befahl künftig
nur die Kohlen zu verkaufen, und zwar nach „Seiten“ zu 1½ Groschen.
Hierdurch steigerte er das Erträgnis sehr. Im Amte Schwarzenberg
kauften die Hammermeister die Kohlen weich und hart ohne Unter-
schied, den Kübel für 1½ Groschen. Der Kurfürst lieſs die Sorten
scheiden. — Für die Bergwerke und besonders die Schmelzhütten
wurde eine groſse Menge Holzkohlen aus dem Tharandter Walde
— im Jahre 1557 allein 6000 Wagen — bezogen. Die Freiberger
Hütten brauchten 1556 nach des Kurfürsten eigener Berechnung jedes
Vierteljahr 5377 Wagen. Auf einen Wagen Kohlen wurden 2⅓ Klftr.
Holz gerechnet, ein Klafter aber ergab 5 Körbe Freiberger Maſs. Das
Fuhrwerk besorgten die „Anspanner“ der benachbarten Dörfer gegen
ein „Hufengeld“, dieses betrug 1579 fünf Groschen für den Huf, und
man zählte 4600 pflichtige Hufe.


Wie eifrig sich Kurfürst August um das Wohl des Bergbaues
kümmerte, geht daraus hervor, daſs er schon am 3. Oktober 1554 die
berühmte neue Bergordnung erlieſs, welche die von den Herzögen
Heinrich und Georg und dem Kurfürst Moritz erlassenen Ordnungen
zusammengefaſst und verbessert enthielt. Der Bergbau auf Eisen und
die Hammerwerke in den Ämtern Pirna mit Königstein, Schwarzen-
berg und Krottendorf1) waren vernachlässigt. Schon damals war wie
später die Eisenproduktion ungenügend, die Eisengeräte für den Berg-
bau daher teuer. Dem suchte Kurfürst August durch eine besondere
Ordnung für die Eisenhämmer abzuhelfen. — In einem Schreiben an
den Rat zu Annaberg befahl er, „daſs ein jeder Hammermeister
unter uns und den Herren von Schönberg gesessen, von dato unsres
53*
[836]Sachsen.
Befehls 60 Wagen Bergeisen, jede Wage um 11 Groschen zur Be-
förderung der Bergwerke auf Annaberg liefern soll“. — Die Eisen-
händler aber sollten das Eisen nirgends anders wohin, sondern allein
zur Beförderung des Bergwerks daselbst, sowie auch auf dem Marien-
berge und zu Freiberg verkaufen. — Diesem Befehle kam man aber
nicht nach, und der Kurfürst beklagt sich deshalb, weil dadurch der
Eisenmangel fortbestehe. Auch habe er gehört, daſs die Bergamts-
leute für eine Wage Bergeisen auf dem Annaberge 14 Groschen
zahlen muſsten, ungeachtet, daſs ihnen dieselbe auf des Fürsten Be-
schaffung für 11 Groschen von den Hammermeistern geliefert werden
sollten. „Deshalb“, fährt er fort, „haben wir eurem Bergmeister Hans
Schwarz
auferlegt, die Hammermeister anzutreiben, daſs sie die
hinterstellige Anzahl Eisen unverzüglich und innerhalb acht Tagen
vollends auf Annaberg liefern sollen. Wollet also alles Bergeisen auf
Annaberg, bis die Hammer stattlich wieder umgehen und das Berg-
werk reichlich versehen können, zu euch aufs Rathaus nehmen und
darob sein, daſs dasſelbe nirgends anderswohin als zur Förderung der
Bergwerke gelassen, auch ferner keine Wage bei Strafe von 50 fl.
höher als 12 gr. verkauft werde, widrigenfalls der Eisenhandel einer
oder zwei Personen auf Annaberg allein muſs übergeben werden, von
denen dann ein jeder sein Eisen entnimmt.“ Der Kurfürst ermahnt
ferner die Herren von Schönberg, ihre Hammermeister ihrer Zusage
gemäſs in gleicher Weise anzuhalten. Dies hatte aber wenig Erfolg.
Die Schönbergischen Hammermeister behaupteten, sie seien von ihren
Herren gegen Entrichtung von 1 gr. von jeder Wage Eisen privilegiert,
dasſelbe so teuer wie möglich und wohin sie wollten zu verkaufen.
Dies miſsfiel dem Kurfürsten sehr und er befahl dem Amtmann, so-
fort die von Schönbergischen Hämmer zu bereiten, die Eisenvorräte
zu besichtigen und den Hammermeistern mit Ernst anzuzeigen, monat-
lich 60 Wagen Bergeisen zu 11 gr. in den ersten acht Tagen nach
Annaberg zu liefern. Geschehe dies nicht, so sollte jede Wage, die
aus den Schönbergischen Hämmern ausgeführt werde, ohne alle Zah-
lung nach Annaberg umtreiben, oder man sollte ihnen soviel sie
schuldig mit Gewalt nehmen. — Aber auch diese Verordnung endigte
den stillen Krieg nicht. —


Die Hammermeister im Amte Pirna hatten ihren Eisenstein von
Berggieshübel zu holen, das erzeugte Eisen aber gegen festgesetzten
Preis in die Eisenkammer nach Pirna abzuliefern.


Zur Regelung der Produktion und des Vertriebes des Eisensteins
wie des Eisens berief der Kurfürst am 20. März 1560 mit dem
[837]Sachsen.
Schlösser (Oberverwalter) von Pirna und dem Bergmeister von Berggies-
hübel sämtliche Hammermeister von Pirna und Königstein nach Dres-
den. Auf dem Berichte, daſs in jenem Bergwerke durchschnittlich
pro Jahr 4000 Fuhren Eisenstein und zum Preise von 15 gr. ver-
kauft würden, setzte man fest, wieviel Fuhren jeder Hammermeister
wöchentlich abholen sollte, nämlich die 4 Hammermeister an der
Biela jeder 9 Fuhren, zusammen jährlich 1872, den 6 Hammer-
meistern am „dürren Wasser“, denen bei trockenem Wetter das Wasser
ausblieb, jeder 3 Fuhren, zusammen jährlich 936 Fuhren, die
4 böhmischen Hammermeister je zwei Fuhren, dafür sollten sie die
Hälfte ihres geschmiedeten Eisens in die Eisenkammer liefern; der
Rest wurde auf die einzelnen Hütten verteilt.


Alles Eisen muſste an die Kammer geliefert werden. Die Hammer-
herren sollten sich das Schmieden und die Kohlenfuhren mehr an-
gelegen sein lassen, als die Viehzucht u. s. w., da sie für Ersteres
nur ihre Hämmer bekommen hätten. — Sie sollten ihre Arbeiter mit
Geld und nicht mit Eisen lohnen. — Der Schlösser von Pirna, der
Verwalter der Eisenkammer und der Bergmeister zu Berggieshübel
sollten alle 14 Tage in der Eisenkammer zusammenkommen und er-
kundigen, wieviel Eisenstein die Hammermeister geholt und wieviel
Eisen angeliefert hätten. Auf jede Fuhre sollte mindestens 15 Steine
Eisen gerechnet werden. — Der Bergmeister sollte mit jedem Hammer-
meister besondere Kerbhölzer führen, wieviel Eisenstein er geholt,
und dies Sonntags dem Verwalter melden, daſs er denselben an der
Bezahlung des Eisens einhalte. — Jeder Hammermeister sollte sein
geordnetes Zeichen auf seine Eisenstäbe schlagen und auf eine Wage
30 Stein tüchtiges Eisen gewähren; weder er noch sein Gesinde sollte
Eisen verschleifen oder veruntreuen, jeden Stein Eisen künftig mit
4 Pfennige teurer bezahlt erhalten, dafür aber an seinem Eisen den
dritten Teil geviert und zwei Teile Senseneisen schmieden, für den
Kübel Kohlen 3 Pfennige, für die Seite 1½ Groschen zahlen. — Der
Blechschmied sollte jeden Centner Blech für 3 Gulden in die Kammer
antworten, der Eisenstein nur in Gegenwart des Bergmeisters ver-
messen werden. — Wer nachlässig und ungehorsam befunden wurde,
sollte seinen Hammer mit allem Zubehör bis nächsten Michaelis ver-
kaufen, und wer Eisen an sich brächte, um Steigerung damit zu
machen, gefänglich eingesetzt werden. —


Aber schon 1561 folgen neue Ermahnungen, weil die Vorschriften
nicht innegehalten werden.


Am 11. August 1570 wurde der Knappschaft zu Berggieshübel der
[838]Sachsen.
eine Groschen Wasserzins, den sie von jeder Fuhre Eisenstein hatte
zahlen müssen, erlassen und der Eisenpreis wieder um einen Groschen
erhöht. Ein Stein geviertes Eisen wurde auf 8 Groschen, Sensen-
eisen auf 8 Groschen 6 Pfennige, Pocheisen auf 7 Groschen, Keil-
stangeneisen auf 8 Groschen und ebenso Schieneneisen festgesetzt.


In der Ordnung vom 31. August 1570 ist besonders eingeschärft,
daſs nur reiner Stein gebaut und der Stein (auf Kosten der Gewerken)
sorgfältig ausgelesen werde, damit die Hammermeister nicht sagen
könnten, ihr schlechtes Eisen rühre von schlechtem Stein her. Der
Stein war aber nach einer von Roch von Lynar angestellten Probe
nicht so untüchtig befunden worden. — Sodann wird die Preiserhöhung
von einem Groschen bestätigt auſser für das Eisen, was zur kurfürst-
lichen Hofhaltung und dem Zeughaus geliefert wurde. —


Jeder Hammermeister, der mit Eisenstein und mit Kohlen aus
den kurfürstlichen Gehölzen gefördert wurde, sollte bei Strafe von
2 Gulden wöchentlich 62 Stein Eisen, den Stein zu 22 Pfunden, in
die Eisenkammer zu liefern schuldig sein. Alles Eisen muſste ge-
zeichnet sein, ungezeichnetes wurde nicht bezahlt, für schlechtes
wurde 4 Gulden Strafe erhoben. Für seine Hüttenleute, die des-
halb nur mit Geld gelöhnt werden sollten, hatte der Meister wegen
der Partiererei zu haften. Der Verwalter der Eisenkammer sollte
mit jedem Hammermeister besondere Bücher über das gelieferte und
bezahlte Eisen führen und von jeden 60 Stein Eisen sollte er 1 bis
1½ Gulden für den Bergrichter in Berggieshübel inne behalten. Ein
geschworener Kohlenmesser sollte ihnen die Kohlen auf der Kohlstatt
zumessen und die mit jedem besonders geführten Kerbhölzer viertel-
jährlich dem Amtsschlösser zu Pirna überantworten, daſs dieser mit
dem Forstmeister die Verzeichnisse darüber fertige und die Bezahlung
einbringe. Auch sollte der Kohlenmesser die Seiten und Körbe der
Hammermeister monatlich aichen und für zu groſse 2 Gulden Strafe
auferlegen, jeder Korb Kohlen aber mit 1 Groschen, jede Seite
(= 6 Körbe) mit 6 Groschen bezahlt und alle Sonntage mit den
Köhlern in barer Zahlung abgerechnet werden. Beim Hauen des
Kohlholzes sollte der Kohlenmesser alle Brettbäume und anderes
Nutzholz verschonen und das gemeine Holz, das liegende und wandel-
bare und alles, was den Keil hielt, mit aufarbeiten und allen Köhlern
in den pirnaischen Gehölzen durch die Verordneten einen Platz zu
Kohlen weisen lassen.


Im Amte Schwarzenberg und Krottendorf waren zusammen
26 Eisenhämmer, von denen 14 nach Annaberg, 9 nach Zwickau und
[839]Sachsen.
3 nach Schneeberg liefern muſsten. — Unter den Hämmern bei
Schwarzenberg war auch ein Kugelhammer, der in Jahre 1571 an
Heinrich Uthmann unter der Bedingung verkauft wurde, daſs er
dieselbe Anzahl Kugeln zu demselben Preise wie sein Vorgänger, den
Centner für 24 Groschen, schmiede. Ein drittes Eisenwerk war bei
Dorf Chemnitz. Im Jahre 1567 baten die Gewerken desſelben, noch
einen zweiten Eisenhammer mit Verbietungsrecht auf einen bestimmten
Bezirk aufrichten zu dürfen.


Auch in Sangerhausen befand sich ein Eisenbergwerk und ein
Hammer.


Im Jahre 1572 lieſs der Kurfürst auf den Pirnaischen Hämmern
ein Eisengieſswerk einrichten, um das für das posernsche Salz-
werk nötige Eisengerät gieſsen zu lassen. Ebenso bemühte er sich,
die Stahlfabrikation zu heben. — Über Versuche, Stahl zu machen,
berichtet Michel Schönleben am 5. Dezember 1574, daſs Hans
Schwarz
, Bürgermeister von Annaberg, mit den Zugeordneten in
der im Salmenthal gehaltenen Stahlprobe aus 2 Fuhren Eisenstein
6 Centner Stahl, nämlich Kernstahl, geringen und Mittelstahl ge-
fertigt hätte1).


Auf den Rat Bernsteins lieſs der Kurfürst im Jahre 1575 bei
Schöneck, um die dortigen Eisensteine und Waldungen desto besser
verwerten zu können, einen „Massenofen“ und Stahlhammer
errichten und hier durch Stahlschmiede, die er aus Schmalkalden
hatte kommen lassen, Proben im Groſsen anstellen, aus welchen man
die Hoffnung eines erfolgreichen Betriebes schöpfte. 1578 wurden
Versuche angestellt, aus gieſshübeler Eisenstein Stahl zu machen auf
der Gieſshütte in Königstein und im Stahlhammer des Hans Dietz
zu Plauen. Am 21. Oktober 1584 verlieh der Kurfürst dem Daniel
Vischer
und Genossen aus Magdeburg eine alte Pochstatt bei Öls-
nitz, um daselbst einen Stahl- und Eisenhammer aufzurichten, mit
Verbietungsrecht innerhalb zwei Meilen im Umkreis auf 20 Jahre.


Vielfach bemühte sich der Kurfürst, den Gieshübeler Bergbau,
der in Verfall geraten war, wieder zu heben. So verlieh er zwei
Gruben ohne Wasser- und Wagegroschen an Hans Dorndorf, einen
Maler in Pirna, der eine neue Art Eisen mit groſser Ersparung besser
als zuvor schmelzen zu können, vorgab. Er suchte auch durch Ver-
ordnungen dem Bergbau aufzuhelfen, besonders durch strenge Ver-
bote gegen unreine Förderung, wodurch die Hammermeister gänzlich
[840]Sachsen.
verderben muſsten und befahl reine Förderung und sorgfältiges Sor-
tieren und Klauben (am 23. April 1583)1). Er schrieb deshalb eine
Gewichtsgrenze für die Erze vor und lieſs jedes Quartal revidieren
und diejenigen, welche zu leichten Stein führten, strafen. Man nannte
dies die Quartalmessung, und nur solcher Stein wurde den Hämmern
zugewiesen. Nach Böhmen sollte nur Stein abgegeben werden, nach-
dem die kurfürstlichen Hammermeister versehen seien. Die Stein-
kübel sollten oben und unten gleich weit und alle nach dem im
Amte Pirna verordneten Maſskübel gerichtet und gezeichnet sein.
Der Geschworene, „weil er hinlänglich besoldet“, sollte Vor- und
Nachachten der Knappschaft und der Fuhrleute beaufsichtigen, daſs
sie richtig brechen und laden.


1583 wurden folgende Preise verordnet: Der Stein Senseneisen
sollte mit 8 gr. 6 Pf., geviertes Eisen mit 8 gr., alles für den Hof
und das Zeughaus gelieferte um 1 gr. geringer bezahlt, von den
Hammermeistern aber ein Teil geviertes und zwei Teile Senseneisen
wöchentlich in die Kammer geliefert, jede Gattung bei zwei Gulden
Strafe besonders gewogen und Niemanden davon ohne besonderen Be-
fehl abgegeben werden.


Die Hammermeister sollten ihr Gesinde auf ½ Jahr mieten,
keinen Fremden ohne Kundschaft aufnehmen, nicht einer dem andern
die seinen abspenstig machen oder mit ungebührlichem Lohn über-
setzen. Wer aber vom Hüttengesinde, ohne seine Zeit auszuhalten
und ohne seines Hammermeisters Abschied und Urlaub, weggelaufen
war, sollte von andern Hammermeistern bei Strafe von zwei Gulden
nicht aufgenommen und mit vier Wochen Gefängnis bestraft werden.


Neben dem geschworenen Kohlenmesser sollte jeder Hammer-
meister einen eigenen, im Amte vorgestellten und vereideten Kohlen-
messer halten dürfen; die zugemessenen Kohlen aber von den Forst-
beamten auf die Kohlenzettel verzeichnet und ein Verlust dieser
Zettel mit 100 Körben Waldzins verbüſst, auch das Kohlholz nur von
½ zu ½ Jahren, wenn der Saft ein- und austritt, angewiesen werden,
und kein Köhler einem andern Hammermeister, als dem er zu-
gewiesen, verkohlen.


Die Pirnaische Eisenkammer war schon früher errichtet,
um hier alles auf den Pirnaer und Königsteiner Hämmern gefertigte
Eisen gegen feste Preise anzunehmen und nach Notdurft wieder an
[841]Sachsen.
die Bergwerke und die mit dem Zeughaus verbundene Dresdener
Eisenkammer abzugeben. Im Jahre 1556/57 verrechnete die Pirnaische
Eisenkammer eine Einnahme von 1114 Gulden 56 Groschen und
3 Pfennigen, wovon 20 Gulden 6 Groschen für Besoldungen abgingen;
in den Jahren 1571 bis 1582 im Durchschnitt eine Einnahme von
745 Gulden 10 Groschen 6 Pfennige, als Unkosten aber 44 Gulden
19 Groschen 10 Pfennige, so daſs der durchschnittliche Jahresertrag
700 Gulden 11 Groschen 8 Pfennige ausmachte, während der jähr-
liche Verlag auf 6000 bis 10000 Gulden ausgeschlagen wurde. Am
31. August 1570 erlieſs Kurfürst August von Sachsen eine Verordnung,
daſs die Pirnaisch- und Königsteinischen Amts-Hammermeister hin-
füro tüchtig und gut Eisen liefern sollen1). 1583, als das Eisenwerk
schon sehr ins Stocken geraten war, wurde im Amte Pirna 5861 Ctr.
1¼ Stein Stabeisen geschmiedet und daraus ein Gewinn von 671 Gul-
den 2 Groschen 7 Pfennige erzielt. Auf den drei kurfürstlichen
Hämmern konnte aber nach Paul Buchners, des Zeugmeisters,
Berechnung wöchentlich 72 Centner auf jedem, auf allen zusammen
7344 Centner im Jahre geschmiedet werden.


Um 1583 wurde der Kurfürst des grossen Verlages für die Eisen-
kammer zu Pirna müde. Er will den Steinkauf den Gewerken überlassen
mit samt dem Verlage, da doch nur Miſsbrauch mit demselben getrieben
wurde, und die Schulden sich stets mehrten. Den Zehnten will er
lieber in Natur sowohl vom Eisenstein als vom Eisen nehmen und
den Handel ganz freigeben.


Durch dieses Vorhaben wurde die Knappschaft in groſsen
Schrecken versetzt, denn ohne den sicheren Vorschuſs aus der Kam-
mer konnte sie sich nicht halten. In einer Bittschrift vom 9. Mai
1584 ersuchen die Gewerke den Kurfürsten dringend, den Steinkauf
zu behalten, da sie sonst mit Weib und Kind verderben müſsten.
Dem Rat von Pirna war die Sache ebenso unangenehm, denn er
fürchtete, daſs sich mit der Kammer auch aller Eisenhandel fortzöge.
Um die Sache zu retten, erbot er sich, die Kammer auf einige Jahre
zu übernehmen, womit der Kurfürst sich einverstanden erklärte und
dem Rat von Pirna die Kammer mit allen Vorräten gegen den dritten
Teil aller Nutzungen einräumte. — Der Rat von Pirna weigerte sich
nun aber, den Verlag und besonders den groſsen Eisenvorrat von
mehr als für 5000 Gulden um den Einkaufspreis zu übernehmen und
verlangte die volle Berggerechtigkeit, worauf der Kurfürst den Verlag
[842]Sachsen.
wieder behielt und weitere 2000 Gulden aus der Tranksteuer dafür
anwies.


Um den Vorrat los zu werden, befahl er 1585 in allen Städten,
welche von früher her gehalten waren, ihren Eisenbedarf von der
Eisenkammer in Pirna zu beziehen1), kein anderes Eisen als Pirnaisches
zu beziehen. Die Räte der Städte suchten sich dem zu entziehen.
Wittenberg z. B. gab an, daſs die Bürgerschaft nicht so viel Eisen
brauche, als ihr zugeteilt sei, ferner seien die Wege zu schlecht und
zu fern, auch verarbeiteten ihre Schmiede lieber das wohlfeilere Eisen
aus Schlesien und aus den Hämmern von Jüterbog.


Alle diese vergeblichen Befehle und die Erfahrung, daſs die
Bergleute wie die Hammermeister sich mehr auf den Vorschuſs als
auf ihre Arbeit verlieſsen, so daſs sie nicht selten mit sehr bedeuten-
den Summen im Rückstande blieben, verleideten dem Kurfürsten die
Lust zum Weiterbetriebe der Eisenwerke im Amte Pirna gänzlich,
und so ging er auf den Vorschlag seines Zeugmeisters Paul Buch-
ner
ein, die Königsteiner Eisenhämmer in Kupferhämmer umzu-
wandeln, was denn auch geschah.


Noch in vielen andern Gegenden Sachsens waren Eisenwerke im
Umgange. Hans von Schleinitz erhielt im Jahre 1577 für seinen
in der Gegend von Freiberg gelegenen Hammer ein zehnjähriges Ver-
bietungsrecht auf zwei Meilen, wonach aller Eisenstein in diesem Um-
kreise nur an ihn geliefert werden durfte.


Zu Lohmen befand sich eine Drahtmühle, welche die Eisen-
kammer zu Pirna mit Eisen zu versehen hatte. (Pirnaische Eisen-
und Hammerordnung von 15942).


1575 erhob sich ein Streit zwischen den Städten Zwickau und
Annaberg, wegen des in diese Städte zu liefernden Eisens. Zwickau
verlangte, daſs zwei der Hämmer, die nach Annaberg fuhren, ihr
Eisen nach Zwickau liefern sollten. Hierüber wurde lange verhandelt,
aber Annaberg siegte und behielt seine Privilegien ungeschmälert.
Zwickau war nach wie vor gezwungen, sein Eisen von Annaberg zu
kaufen.


Auf technische Verbesserungen war der Kurfürst besonders in den
letzten Jahren seiner Regierung eifrig bedacht. Einem gewissen Jacob
Söldner
, der Vorschläge gemacht hatte, auch zum Schmieden sich
[843]Schlesien.
hoher Öfen zu bedienen, beschenkte er mit 10 Gulden und befahl
dem Schlösser zu Schwarzenberg, die Vorschläge, von denen er sich
Vorteile für die Kammer erhoffte, mit den Hammermeistern zu prüfen.


Den Bergschmieden wendete Kurfürst August von Sachsen
seine besondere Aufmerksamkeit zu. Die Bergschmiede, welche auf
den Bergwerken das Gezähe der Bergleute zu schmieden und im
Stande zu halten, die Hunde zu beschlagen, das Fuhrwerk und auch
das Maschinenwesen, soweit die Arbeit des Eisenschmiedes dazu er-
forderlich war, in Ordnung zu halten hatten, spielten eine hervor-
ragende Rolle auf den Bergwerken. Der Bergschmied, klug und welt-
kundig, wuſste alles und war das Orakel des schlichten Bergmannes.
In der Bergschmiede, in welcher der Bergmann gern einkehrte, erfuhr
man alle Neuigkeiten, von Krieg und Frieden, von der neuen Lehre
des Wittenberger Mönches, von der Herrschaft, alles wuſste der Berg-
schmied, und wenn einer etwas zu klagen hatte, wuſste er zu helfen,
denn er verstand sich auf alle Krankheiten bei Menschen und Vieh.
Daſs er Geheimmittel besaſs, die sonst kein Mensch kannte, ja, daſs
es ziemlich ausgemacht war, daſs er mit dem Bösen einen Bund
hatte, erhöhte nur sein Ansehen. Für gutes Geld bekam man auch
beim Bergschmied einen guten Trunk, nur durfte die Herrschaft
nicht darum wissen. Daſs die Bergschmiede von ihrer Wichtigkeit
erfüllt waren und sich selbst als etwas Besonderes ansahen, ist nicht
zu verwundern. Sie bildeten in dem bergwerkreichen Erzgebirge
eine Zunft für sich und hielten an ihren alten Zunftgebräuchen mit
besonderer Zähigkeit. Über ihre von Kurfürst August im Jahre 1564
geprüfte und neu bestätigte Ordnung haben wir bereits Seite 558
berichtet und dort auch namentlich die Form der Ladung durch Aus-
schicken des Ringes erwähnt.


Schlesien.

Schlesien ist reich an Eisenerzen, und schon im frühen Mittel-
alter wurde daselbst Eisen geschmolzen. Dennoch hat die schlesische
Eisenindustrie in früherer Zeit keine hervorragende Rolle gespielt.
Die Zugutemachung der Erze geschah in der einfachsten Weise in
Rennherden. J. Gesners Beschreibung der schlesischen Luppen-
[844]Schlesien.
feuer haben wir bereits S. 148 mitgeteilt. Schon im Jahre 1148 soll
der Bergmeister Lorenz Angel bei Schmiedeberg Bergbau auf
Eisenerz betrieben und dasſelbe verschmolzen haben. Gewiſs ist, daſs
Schmiedeberg im 13. Jahrhundert bereits bestand, daſs es seinen
Namen von den Eisenhütten, welche hier während des ganzen Mittel-
alters in Betrieb und Ansehen standen, erhalten hat1). Im Jahre 1479
war der Eisenbergbau daselbst noch beträchtlich. Bei der Belagerung
des Raubschlosses Falkenstein, welches in diesem Jahre niedergerissen
und geschleift ward, erging der Befehl, daſs Schmiedeberg 20 Berg-
leute mit Gezeug schicken solle; wo sie das nicht thäten, wolle man
das ganze Heer auf sie legen. In der Mitte des 16. Jahrhunderts
blühte die Eisengewinnung in Schmiedeberg noch; auf 11 Hämmern
wurde damals ein sehr geschätztes Eisen bereitet, welches weit ver-
fahren wurde. Nächst dem Schmiedeberger war das Girsdorfer Eisen
wegen seiner Güte berühmt. Hirschberger Draht bildete einen Handels-
artikel der Hanseaten im 15. Jahrhundert. In der Grafschaft Glatz
gab es im Mittelalter einen Eisensteinbergbau, welcher Ursache der
Erbauung des Dorfes Hammer ward, aber im Hussitenkriege wieder
erlosch.


In den Tiefebenen Schlesiens wurde schon im frühesten Mittel-
alter Bergbau auf Raseneisenstein getrieben2). Man grub das Erz
aus den Sümpfen mit 2 Fuſs tiefen Gruben. Tiefer konnte man des
Wassers wegen nicht gehen. Sie schlämmten sich nach und nach
wieder zu, so daſs sie alle 10 Jahre wieder aufgegraben werden
konnten. In den Sümpfen fand man in Eisenstein verwandelte Baum-
stämme. Im Fürstentum Sagen und besonders um Priebus lieſsen
sich 15973) wenigstens 16 alte Eisenhämmer nachweisen, von denen
die meisten seit Jahrhunderten eingegangen sind; und in den Wällen
des Schlosses Priebus, welches nicht jünger als aus dem 12. Jahr-
hundert sein kann, findet man unter der Grundlage derselben Eisen-
schlacken und ebenso in den Wäldern umher, wo gar kein Wasser
flieſst. 1472 lieſs Herzog Hans von Sagan eiserne Feuerkugeln in
die Stadt werfen. Es befand sich eine groſse Zahl von Luppenfeuern
an der groſsen und kleinen Tschirna. Der Eisenhandel von Sagan
war nach handschriftlichen Nachrichten der älteste im Fürstentume.
Man verführte aber nicht nur das Roheisen, sondern in Priebus
wohnten auch eine Menge Sensen-, Sichel- und Messerschmiede, deren
[845]Schlesien.
Waren auf die groſsen besuchten Märkte nach Breslau, Frankfurt und
Leipzig gingen. — Dieser Handel war für Sagan von groſser Wichtig-
keit und blühte bis zum 30jährigen Kriege. Das Eisen, das an Güte
dem schwedischen wenig nachgegeben haben soll, ging sogar zu Schiff
in entfernte Länder.


Namentlich aufgeführt1) werden Eisenwerke bei Lodenau (1481),
Sänitz (1498), Horka (1499), Viereichen (1509), Muskau (1538).


Christoph Winter, ein Eisengewerke (fabrilis) aus Sagan, be-
sang sogar im Jahre 1554 die Eisenhüttenwerke des Fürstentums2).
Von dem Eisenhandel sagt er:


Adspice vicinas praeclari nominis urbes,

Urbibus his facti portatur copia ferri.

Pleraque Francorum sortitam nomen ad urbem

Ducuntur, veniunt spatiosis caetera terris

Navigio. Hoc populis ac genti plurima nostrae

Praesidio cumulatur opum vis divitiaeque,

und von den Eisenhütten:


… Nuper ut adspiciens aliquis stupefactus et ardens

Hoc opus, excelsos montes miratur, et undas

Ardentes humili solitas exire camino,

Nasse volens, dictis famulos affatur amicis;

Heu mihi quae, ô socii, tanta est hic copia ferri?

Auch in der Bunzlauer Haide gab es nach einem der schlesischen
Kammer im Jahre 1563 eingereichten Berichte Eisenwerke bei Klisch-
dorf, Ölse und Modlau.


In Oberschlesien soll das älteste Luppenfeuer im Jahre 1365
durch einen Böhmen erbaut worden sein. Noch im Jahre 1539 wurden
auf den schlesischen Hütten die Blasebälge mit Zugvieh betrieben. Erst
gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Benutzung der Wasser-
kraft allgemeiner. Die Verwendung der Steinkohle zum Schmieden
kam auch erst um diese Zeit auf. Die erste Nachricht darüber ist
von 1594. Um jene Zeit gruben die Bauern die Steinkohlen auf
ihrem Grunde gegen Entrichtung eines Zinses an die Landesherrschaft.
Die erste Belehnung auf Steinkohlen geschah zu Altwasser 1584. Die
Eisenerze waren auch in Oberschlesien kein Regal. Jeder Gruben-
[846]Brandenburg und Norddeutschland.
gewerke verhüttete sein eigenes Erz, wenn er genug beisammen hatte,
gegen Entrichtung eines Hüttenzinses. 1592 sollen schon Öfen zum
Rösten des Eisensteines in Gebrauch gewesen sein. 1528 kostete ein
Kubikklafter Röst- und Treibholz 3 Groschen Schlaglohn, 1557 aber
4½ bis 7 Groschen. 1557 kostete ein Schock Stopfhölzer 7 Groschen,
1662 aber 12 Groschen.


Brandenburg und Norddeutschland.

Auch in der Mark Brandenburg hatte sich schon früh auf
dem verbreiteten Vorkommen von Raseneisenstein eine nicht un-
bedeutende Eisenindustrie entwickelt. Zunächst befanden sich im
Sorauer Kreis an der Grenze der Herrschaft Sagan viele Luppenfeuer.
In prähistorischen Urnengräbern sind dort Eisenschlacken gefunden
worden1). Es war dort derselbe Raseneisenstein vorgekommen, wie
in Sagan. Man zog den leichtschmelzigen „Lindstein“ dem rauhen
„Raudenstein“ vor. Für Guſseisen waren diese Erze aber nicht
tauglich. Die Entwickelung und Vermehrung der Eisenhämmer
fällt wahrscheinlich in die Zeit nach dem Aufhören der kurzen
polnischen Herrschaft, nach dem Jahre 1034, als die deutsche Herr-
schaft daselbst festen Fuſs gefaſst hatte. Der Hammer zu Droskau
soll schon um das Jahr 1200 betrieben worden sein. Bemerkenswert
ist auch die vielfache Verwendung des Eisensteins zu alten Bauten
in Sorau2). Viele alte Schlackenhalden von Luppenfeuern finden sich
bei Tschirndorf; man nennt diese Eisenschlacken dort „Lech“. Der
Hammer von Kausche gehörte 1521 einem Gregorius Seifarth,
und der Hammer zu Spree wurde 1561 von Hans Specht gekauft.


Auch im Kreise Lübben findet sich überall Raseneisenstein, der
schon vor länger als 500 Jahren verschmolzen wurde. Es existiert
noch ein alter Lehnbrief Kaiser Karls IV. über den Hammer zu
Schlepzig aus dem Jahre 1374. Der Hammer, der danach schon vor
dieser Zeit bestanden hatte, wurde damals an Hans Schenbub
verliehen3). Im 16. Jahrhundert war dieser Hammer im Besitze des
[847]Brandenburg und Norddeutschland.
Grafen Albert von Schlick, der von 1540 bis 1554 dort Landvogt
war. Das Eisen von Lieberose war berühmt wegen seiner Güte.


Die Luppenfeuer im Kreise Kottbus, namentlich bei dem Dorfe
Maus, sind gewiſs so alt, wie die im Kreise Sorau (1200).


Wie an vielen Punkten in der Lausitz ist das Rasenerz, wo es
in gröſseren dicken Stöcken, Kaulen oder Banken vorkam, auch hier
häufig als Bau- und Mauerstein benutzt worden. Es findet sich in
alten Mauerwerken, wie in den früheren Festungsmauern der Stadt
Peitz und in alten Kirchthürmen, wie zu Kamptendorf und andern
Dörfern der Umgegend von Peitz. Das Peitzer Hüttenwerk wurde in
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wahrscheinlich schon zu An-
fang desſelben, erbaut. Markgraf Johann, ein eifriger Förderer des
Artilleriewesens1), lieſs um 1554 dort Eisenkugeln gieſsen. Im Jahre
1567 wird er als Eisenhammer und Schmelzwerk erwähnt.


Ebenso wurde urkundlich bereits 1440 zu Liebenwalde aus Sumpf-
erz Eisen gewonnen. In diesem Jahre verlieh Markgraf Friedrich
von Brandenburg dem Ritter Hans von Waldaw, der auf seinem
Lehngute Schepforde zu Liebenwalde einen Eisenhammer erbaut hatte,
das Recht, so viel Erz (isenerde) zu graben und Holz bei Liebenwalde
zu fällen, als er für seinen Hammer bedürfe. Dieser Hammer lag bei
der Neumühle unterhalb Riesenthal an der Fine unweit Oranienburg.


Aus dem Jahre 1556 liegt die Verschreibung eines Eisenhammers
an der polnischen Grenze im Kreise Friedeberg seitens des Mark-
grafen Johann an den Hammermeister Michel Schindel vor. Der
Hammer bestand schon vor dieser Zeit. — Zu Zehdenik an der Havel
bestand schon 1438 ein Eisenhammer, welcher dem Hans von Arnim
zu Lehen aufgetragen war. Unter Kurfürst Johann Georg lieſs der
Geheimerat und Oberstwachtmeister Graf Rochus von Lynar im
Jahre 1579 den Eisenstein bei Zehdenik untersuchen und 1580 Blech
dort schmieden. Danach wurde hier ein Hochofen erbaut und Eisen
gegossen. Auf der königl. Eisengieſserei in Berlin stand (1875) auf
dem Hofe ein alter Mörser, der in Zehdenik gegossen war und folgende
Aufschrift trug:


Hilf o Herr Got in dieser Zeit

deiner armen betr.vten Christenheit

für dem Türck dem Erbfeind 1594.

Henrich Kamgieſser.

[848]Brandenburg und Norddeutschland.

Im Kreise Solden soll die älteste Eisenschmelze der Neumark zu
Dölzig an der Mietzel im 14. Jahrhundert begründet worden sein.


In Preuſsen und Pommern gab es auch Eisenwerke, denn
auch hier waren in verschiedenen Gegenden die Bedingungen dafür
ähnlich wie in Brandenburg vorhanden; man fand Raseneisenstein,
und an Holzkohle aus benachbarten Waldungen war noch kein
Mangel. In der Umgegend von Danzig entwickelte sich eine eigen-
tümliche Eisenindustrie, auf welche wir schon hingewiesen haben, da-
durch, daſs der von Schweden eingeführte rohe Osemund in Hämmern
zu guten Stabeisensorten ausgeschmiedet wurde. Auf dieser Grund-
lage entstanden die Eisenhämmer bei Oliva, im Freuden- und
Schwabenthal im Landkreise Danzig.


In Hinterpommern wie in Vorpommern findet sich Raseneisenstein,
und oft so nahe der Oberfläche, daſs er beim Pflügen aufgeworfen
wird. Für Luppenfeuer mit Handbetrieb waren die Verhältnisse
günstig, für Wasserbetrieb fehlte es an ausreichenden Gefällen. In
Hinterpommern wurden alte Eisenschmelzhütten bei Polzin betrieben.
Bei Stargard, bei Dievenow an der Ostsee unweit Kamin und an der
Mündung der Persante bei Colberg wurden die reichhaltigen Eisen-
sande ausgenutzt.


In Vorpommern waren alte Eisenschmelzwerke an der Ucker.
Die Hütte bei Jasenitz bestand schon vor dem 16. Jahrhundert. Die
Mönche des dortigen Klosters verschmolzen das Rasenerz, und alte
Schlacken geben von dem früheren Betriebe Zeugnis. Dasſelbe ist
bei Torgelow der Fall.


Herzog Ernst Ludwig bemühte sich eifrig für die heimische
Eisenindustrie. Er lieſs den berühmten bergwerkskundigen Jo-
hannes Rhenanus
von Hessen kommen, der die Gegend unter-
suchte und zu Anlagen eines Eisenhammers und Rennwerkes, nicht
aber eines Hochofens riet. Die Hütte bei Torgelow entstand um
diese Zeit. Auch lieſs der Herzog einen Hammer im Amte Ucker-
münde bei der „neuen Mühle“ bauen, in welchem schwedischer Ose-
mund verschmiedet wurde, doch rentierte sich derselbe nicht; die
Kosten waren zu hoch.


Überall auf der Darp, dann südlich von Greifswalde und im
Kreise Demmin finden sich uralte Luppenschlacken bei dem Rasen-
eisensteinvorkommen als Zeuge alter Betriebe.


Noch reicher an Raseneisenstein ist das benachbarte Mecklen-
burgische
und Lauenburgische Gebiet. Das Landeisen von Bütow
haben wir schon bei dem hanseatischen Handel erwähnt (s. S. 587).
[849]Belgien und Lothringen.
Schon im Jahre 1282 wurde bei Stavenhagen Raseneisenstein ver-
schmolzen; seit 1513 sind bei Grabow, seit 1544 zu Neustadt, seit
1609 im Amte Dömitz Eisenhütten geschichtlich bekannt.


Auch in dem westlichen Norddeutschland sind Raseneisensteine
besonders in den Fluſsthälern verbreitet, im nördlichen Westfalen an
der Emscher und Lippe, in Hannover, besonders in den Landdrosteien
Osnabrück und Lüneburg, an der Ems, Ilmenau, Jeetze und
Luhe, sowie in Oldenburg.


So lange der Rennwerksbetrieb sich noch rentierte, waren in
allen diesen Gegenden kleine Eisenschmelzwerke zerstreut, deren
Alter in prähistorische Zeit zurückreicht (s. Bd. I).


Für die Geschichte der Entwickelung der Eisenindustrie bieten
diese kleinen Luppenfeuer ein gröſseres Interesse nicht dar.


Belgien und Lothringen.

Zu Deutschland gehörte auch in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts noch das Gebiet, welches jetzt das Königreich Belgien
bildet und das für die Geschichte des Eisens von hervorragendem
Interesse ist. Durch die Heirat Maximilians mit Maria von Burgund
war dieses Land an Österreich gefallen. Im Mittelalter hatte Flan-
dern und Brabant ebenfalls zu Deutschland gehört. Lüttich, sowie
die reiche Handelsstadt Dynant, wurden in den Registern des Londoner
Stahlhofes immer als in Allemanien gelegen aufgeführt. Aus diesem
Grunde teilen wir die Geschichte seiner Eisenindustrie an dieser
Stelle mit.


Es war insbesondere das Gebiet des Fürstbischofs von Lüttich,
die Grafschaft Namür und der Hennegau, reich gesegnet mit
Eisenerzen, Waldungen und Wassergefällen. Die Nähe der reichen
flandrischen Städte war dem Absatz äuſserst günstig. So waren alle
Bedingungen für eine blühende Eisenindustrie gegeben, deren Anfänge
in sehr frühe Zeit zurückreichen. Schon zur Zeit der Römerherrschaft
wurde hier Eisen gewonnen (Bd. I, S. 531). Im 10. Jahrhundert war
die Eisenindustrie schon so bedeutend, daſs sie exportieren konnte.
983 wird bereits Lütticher Eisen genannt. Noch gröſsere Bedeutung
erlangte die Lütticher Eisenindustrie Ende des 12. und im 13. Jahr-
Beck, Geschichte des Eisens. 54
[850]Belgien und Lothringen.
hundert. In der Stadt Lüttich blühte die Schmiedekunst, namentlich
die Waffenschmiedekunst, während in dem benachbarten Gebiete, be-
sonders in der Markgrafschaft Franchimont, die Eisengewinnung und
Bereitung zu Hause war. In beiden Gebieten schlossen sich die
Eisenarbeiter in Zünfte und Genossenschaften zusammen. Die alte
Lütticher Schmiedezunft führte den Namen „corporation du bon
Métier des Febvres“. Wie angesehen dieselbe war, geht unter Anderem
daraus hervor, daſs Le sire d’Himbercourt, der Befehlshaber der
Belagerungstruppen bei der ersten Belagerung Lüttichs durch Karl
den Kühnen 1467, sich in einer Ansprache, in der er die Stadt zur
Übergabe auffordert, rühmt (als früherer Gouverneur der Stadt), ein
Mitglied der Schmiedezunft gewesen zu sein: Ne suis-je pas un de
leurs confrères? J’ai été reçu du métier des forgerons: ils m’ont vu
portant la robe de livrés de leur corporation et marchant sous leur
bannière (Barante, histoire des ducs de Bourgogne, XVII, p. 82).
Nach einer Überlieferung sollen die Waffenschmiede aus Aachen nach
einer groſsen Feuersbrunst nach Lüttich übergesiedelt sein.


Die Eisenerze dieses Gebietes, die besonders in der Grafschaft
Namür reichlich vorkommen, treten in dem Kalke des Kohlengebirges
in der Regel im Kontakt mit Schiefer auf. Es ist vorherrschend
Brauneisenstein, doch finden sich nördlich von Namür auch bedeutende
Roheisensteinlager aus blaugrauen Körnern zusammengesetzt und
als fer oligiste violet bezeichnet. Sehr früh werden Gruben bei Huy
und Landroz genannt.


Das Ausschmelzen der Erze geschah auch hier ursprünglich in
Luppenfeuern. Als man dazu überging, die Wasserkraft zu benutzen,
zogen sich die Eisenhütten in groſser Zahl in die Thäler der Vesdre,
Ourthe, Amblève und Hoyoux, alles Nebenflüsse der Maas im Gebiete
von Lüttich. Hier und in der Grafschaft Namür sollen denn schon
früh Stücköfen eingeführt worden sein, die durch Erhöhung zur Er-
findung des Guſseisens und zum Hochofenbetriebe geführt hätten.


Es ist sehr wahrscheinlich, daſs der Hochofenbetrieb in Lüttich
und Namür sehr früh in Anwendung gekommen ist; das frühe Vor-
kommen guſseiserner Geschützkugeln und Geschütze in den reichen
flandrischen Städten1) spricht dafür. Auch Karsten sagt in seiner
Eisenhüttenkunde2) in Bezug auf Belgien: „die Eisenfabrikation hat
in den zu diesem Reiche gehörenden Landesteilen ohne Zweifel einen
[851]Belgien und Lothringen.
sehr frühen Anfang genommen, und es ist nicht unwahrscheinlich,
daſs hier, — und vielleicht gleichzeitig in Lothringen und im Elsaſs, —
die ersten wichtigen Schritte zur Vervollkommnung der Eisenfabri-
kation, durch Einführung der Hochöfen gemacht worden sind. Da-
gegen geht Franquoy1) darin, daſs er in patriotischem Übereifer
alle Fortschritte der Eisenindustrie vom 10. bis zum 17. Jahr-
hundert Lüttich zuschreibt, viel zu weit. Wir geben die von ihm
mitgeteilten Thatsachen, für welche er keine Quellen anführt, nur
unter Reserve, seine übertriebenen Schluſsfolgerungen lassen wir un-
berücksichtigt.


Nach Franquoy wäre der Eisenguſs im Gebiete von Lüttich
und Namür schon im Anfange des 13. Jahrhunderts erfunden worden (!)
(S. 21). Er nennt verschiedene mittelalterliche Hütten, in denen
flüssiges Roheisen teils zum Frischen, teils zum Guſs erzeugt worden
sei, und doch behauptet er an anderer Stelle wieder ebenso bestimmt,
die ersten Hochöfen seien in Lüttich um das Jahr 1500 entstanden
(S. 36). Letztere Angabe ist glaubhaft, und könnten wir annehmen,
daſs die zuvor erwähnten Schmelzöfen „Fourneaux“ Stücköfen gewesen
seien, wenn dies nicht in direktem Widerspruche mit anderen seiner
Mitteilungen stände. S. 43 sagt er: Der älteste Schmelzofen (four-
neau) ist wahrscheinlich der, welcher 1340 zu Marche-les-Dames von
Wilhelm, Graf von Namür, errichtet wurde. Er war für die Dar-
stellung von Frischereiroheisen (fonte d’affinage) bestimmt. Diese
Hütte, welche gleichzeitig die Frischfeuer zur Behandlung der Mas-
seln (gueuse) enthielt, war bis zum Ende des ersten Kaiserreiches in
ununterbrochenem Betriebe. Um diese Zeit kam sie in die Hände
des Meisters Jaumenne und wurde die Musterhütte des Kaiser-
reiches.


Die Entstehung der Hütte von Grivegnée scheine vor das Jahr
1400 zu fallen und wäre gleichzeitig mit der des Ofens von Vennes.
Die ersten Meister dieser Hochöfen sollen die Erfinder des Ofen-
gusses gewesen sein. Gegen das Jahr 1500 erhielt das Werk, welches
als fourneau bezeichnet wurde, einen Eisenhammer.


„Der bekannte Ofen von Ferrières scheint vor dem Jahre 1468
errichtet worden zu sein.“ (S. 79 heiſst es: „Diese Hütte ist sehr
alt. Es ist gewiſs, daſs daselbst im Jahre 1340 schon ein Hochofen
existierte!“) „Wie die beiden vorerwähnten, diente er zu allen Zeiten
54*
[852]Belgien und Lothringen.
zur Produktion von Guſswaren. Die Natur der Erze der Nachbar-
schaft begünstigte diese Industrie.“


„Was die Hütte von Dieupart am Amblève betrifft, so reicht sie
in so entfernte Zeiten zurück, daſs ihre Entstehungsurkunden (titres)
längst verloren sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt sie aus
dem 15. Jahrhundert. Sie enthielt einen Hochofen und zwei Frisch-
hütten. Auch der Hochofen mit Frischfeuer bei Colonstre ist ein
altes Werk.“ Es wird in einer Urkunde von 1642 „une vieille usine“
genannt. Ebenso war der Hochofen von Spa sehr alt. Es war der
erste, auf welchem die guſseisernen Töpfe gemacht wurden.


Natürlich schreibt der Verfasser mit der Erfindung der Hochöfen
auch die Erfindung des Frischens den Schmieden des Lütticher Landes
zu und erklärt die Wallonschmiede für den ältesten Frischprozeſs.


Daſs die Eisenfabrikation eine groſse Rolle im Lütticher Lande
spielte, wird durch andere Thatsachen bewiesen. Dynant und Lüttich
nahmen durch ihren groſsen Handel mit England eine hervorragende
Stellung in London ein. Sie hatten ihre eigene Halle und Waren-
häuser, und wenn sie sich auch später der Hansa und dem deutschen
Stahlhofe anschlossen 1), so bewahrten sie sich doch ihre Selbständig-
keit. Eisen und Eisenwaren waren Ausfuhrartikel der Lütticher, ob-
gleich in dem alten Brüggeschen Warenverzeichnisse aus dem 13. Jahr-
hundert nur die Kupferschmiedewaren von Lüttich aufgeführt werden
(S. 584).


Lüttich war im 14. Jahrhundert berühmt durch Reichtum und
Bildung. Petrarka schreibt 1339 bewundernd: „ich habe Lüttich
gesehen, die durch Wissenschaft ruhmreiche Stadt“.


Die Zahl, die Macht und die Bedeutung der Eisenschmiede im
Lütticher Lande trat deutlich zu Tage in dem groſsen, erbitterten
Kampfe Karls des Kühnen von Burgund gegen Lüttich. Die Eisen-
schmiede von Franchimont bildeten die wichtigste Abteilung des Ver-
teidigungsheeres bei der groſsen Belagerung von Lüttich im Jahre
1469 und waren berühmt als die tapfersten und todesmutigsten
Streiter. Sie machten einen Ausfall, überfielen das Lager des Herzogs
von Burgund, und sowohl dieser als König Ludwig XI. von Frank-
reich entgingen nur mit knapper Not der Gefangenschaft oder dem
Tode. Als deshalb Lüttich gefallen war, wütete Karl der Kühne mit
erbarmungsloser Grausamkeit, mit Schwert und Bann gegen die Eisen-
[853]Belgien und Lothringen.
schmiede von Franchimont, ihre Hütten und ihre Angehörigen.
Comines, der Zeitgenosse und Begleiter der genannten Fürsten,
schreibt darüber 1): „nun muſste des Herzogs Volk alles zu Fuſs in
Franchimont gehen, der Enden gar keine verschlossene Stadt ist,
sondern lauter Flecken und Dörfer. So lagert sich der Herzog in
die fünf Tage lang in einem Thal und Flecken, Polence genannt,
sein Kriegsvolk aber teilte sich in zwei Haufen und griffen die un-
seligen Einwohner mit allem Ernst an, schlugen alles tot, was sie
antrafen und plünderten sie hin und wider in Hölzern, verbrannten
die Häuser und Flecken und verderbten alle ihre Eisenschmieden,
Schmelzhütten und Hämmer
, von welchen sie ihre gröſste Nah-
rung haben. — Dazu war der Winter so streng, daſs viel Wunders
davon zu schreiben. Über 40000 kamen bei dieser schrecklichen Be-
lagerung um, und ein groſser Teil davon waren Eisenarbeiter“. —


Ist diese Stelle ein deutlicher Beweis für die Bedeutung der
Eisenindustrie in Franchimont, so beweist sie dagegen nichts für die
Anwendung von Hochöfen in jener Zeit; unter Schmelzhütten sind
wahrscheinlich Rennwerke, vielleicht Stückofenhütten, zu verstehen.
Gurlts Angaben, daſs 1345 die Hochofenguſsindustrie bei Namür
schon sehr entwickelt gewesen sei, und daſs Karl der Kühne von
Burgund daselbst 1460 (!) durch seine Soldaten 35 Hochöfen habe
zerstören lassen, entbehren, abgesehen von der unrichtigen Zeitangabe,
jedes Quellennachweises und jeder Wahrscheinlichkeit 2).


Zu groſser Blüte gelangte die Lütticher Eisenindustrie im 16. Jahr-
hundert. In diesem Jahrhundert wurde der Eisensteinbergbau durch
Berggesetze und Ordnungen geregelt. Die älteste Beleihung auf Eisen-
stein, welche vom Fürstbischof von Lüttich erteilt wurde, stammt aus
dem Jahre 1567 und wurde Nicolaus Latour auf Eisenerze in der
Gemarkung Seraing gegeben. Weitere Verleihungen auf Eisenstein
sind bekannt von 1573 in der Gemeinde Prayon, 1585 zu Tilff und
1600 zu Socemagne.


[854]Belgien und Lothringen.

Die Eisenfabrikation war in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts sehr bedeutend, 1585 zählte man, wie bereits erwähnt, in
der Herrschaft Namür 35 Hochöfen und 85 Frisch- und Hammer-
hütten 1).


Botero, der Ende des 16. Jahrhunderts seine Weltbeschreibung
veröffentlichte, rühmt den Eisenreichtum des Hennegaus und erwähnt
der frühen Verwendung der Steinkohle durch die Schmiede von
Lüttich. Er sagt, in Haynault oder Hennegew seien viele Bergwerke
von Blei und Eisen zu finden. „Man gräbt und findet auch daselbst
eine sonderbare Gattung Stein, die sind schwarz und brennen, wenn
sie angelegt werden wie ein Koln: woher sie auch den Namen
empfangen haben, daſs sie „Steinkoln“ genannt werden 2).“ Von
Lüttich aber berichtet er: „man gräbt auch daselbst die Steinkohlen
schier unter dem Fluſs der Maas; mit denselbigen wird nicht allein
das Land versehen, sondern es werden auch davon für viele tausend
Kronen anderswohin geführt. Dieser Stein ist solcher Art und Natur,
daſs er durch Wasser angezündet und durch Öl ausgelöscht wird.“
Wir haben schon früher erwähnt, daſs der Steinkohlenbergbau bei
Lüttich sehr alt ist (Bd. I, S. 769). 1487 wurde daselbst der „Paix
de St. Jaques“, die erste Steinkohlenordnung, erlassen. Daſs der
Kohlenexport Lüttichs schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts be-
deutend war, geht unter anderm daraus hervor, daſs der bekannte
Johannes Rhenanus bei seinen Versuchen in Allendorf in Hessen,
Salzsohle mit Steinkohle einzusieden, zuerst Lütticher Kohle bezog,
wie er sich auch in Lüttich über die Verwendung der Steinkohle
zuerst informierte.


Welches hohe Selbstgefühl die Lütticher Eisenschmiede schon zu
Boteros Zeit besaſsen, geht aus der von diesem mitgeteilten Lütticher
Redensart hervor: „ihr Eisen sei härter als Eisen und ihr Feuer
hitziger denn Feuer“.


Sehr groſs war die Zahl der Nagelschmiede in der Umgebung
von Lüttich, die durch mancherlei Privilegien geschützt waren. Blech-
hämmer entstanden schon früh in den Thälern der Ourthe, Vesdre
und Hoyoux. Breithämmer (spadarts) wurden ebenfalls Ende des
16. Jahrhunderts in Belgien angelegt. Von Namür berichtet Bruck-
[855]Belgien und Lothringen.
mann1): Namür (Namuricum), eine Grafschaft, die Berge dabei sind
voller Eisen und Bley-Erzt, schwarzem Marmor und Steinkohlen-
gruben, welche den Bergleuten und Schmieden sehr wohl zustatten
kommen, wie denn sehr viel Stahl und Eisen von hier anderwärts
verführt wird.


Die beträchtliche Eisenausfuhr aus dem Gebiete von Lüttich,
Namür und dem Hennegau wurde durch die reichen flandrischen
Hansastädte zumeist vermittelt. Nach Brügges Rückgang hatte An-
torff (Antwerpen) einen groſsartigen Aufschwung genommen und war
der wichtigste Seehandelsplatz geworden. Botero sagt, „Antorff sei
vor dem niederländischen Kriege so gewerbreich gewesen, daſs in einem
Monat mehr da geworben und gehandelt worden sei, als in Venedig in
zwei Jahren“. Brüssel war berühmt durch seine Plattnerarbeiten, be-
sonders seine Panzer. Huy, Viset, Mecheln und Namür lieferten alle
Arten Schlosserarbeit.


Von Luxemburgs Eisenindustrie, die jetzt eine so auſserordent-
liche Rolle spielt, wissen wir nur wenig zu berichten. Die Erzlager,
die jetzt den Eisenreichtum Luxemburgs ausmachen, wurden in
früherer Zeit nur wenig ausgenutzt. Deswegen bestand doch wohl
in Luxemburg bereits im Mittelalter eine Eisenindustrie, und es ist
nicht unmöglich, daſs Ofenplatten, welche im 16. Jahrhundert in all-
gemeiner Anwendung waren und von denen Hr. Metz in Esch eine
so groſse Anzahl im Luxemburgischen gesammelt hat, auch schon
damals teilweise im Lande selbst gegossen wurden.


Die Eisenindustrie Lothringens ist nachweisbar sehr alt, den-
noch sind bestimmte Nachrichten darüber bis jetzt kaum veröffent-
licht. Der westliche Teil, der in das Maasgebiet fällt, hat ähnliche
geognostische Verhältnisse wie Luxemburg; er ist reich gesegnet mit
der „Minette“, dem oolithischen Erz, der Lias- und Juraformation,
welches jetzt eine so wichtige Eisenquelle geworden ist, im Altertum
aber nur wenig beachtet worden zu sein scheint. Dagegen wurden
die dem unteren Lias angehörigen Brauneisensteinlager des Mosel-
gebietes nachweislich schon im frühen Mittelalter ausgebeutet. Der
Eisenerzbergbau der Grafschaft Vaudemont geht bis in das 12., der
bei Hayingen in das 13. Jahrhundert zurück. Herzog Renné II. er-
lieſs am 4. Juli 1486 die erste ziemlich vollständig erhaltene Berg-
ordnung, betreffend die Bergwerke der Vogesen. Hier, wie im Elsaſs,
[856]Italien, Spanien und Frankreich.
sollen schon im 15. Jahrhundert eiserne Öfen gegossen worden sein.
Urkunden aus dem 15. Jahrhundert sprechen bereits von den „groſses-
forges“ bei Moyeuvre (Hayange) und Ottange, wie denn auch der
lothringische „fondeur“ als sehr geschickt im Schmelzwesen galt.
Der genannte Herzog Renné hatte sämtliche Bergwerke einem Unter-
nehmer Conrad Klotz von Kaisersberg übertragen, dabei aber
schlechte Geschäfte gemacht 1). 1525 kam der Silberbergbau in
Lothringen zu hoher Blüte, wodurch auch die Eisenindustrie neue
Anregung erhielt.


Italien, Spanien und Frankreich.

Wir wenden uns nun, indem wir zu der Geschichte des Eisens
in den auſserdeutschen Ländern übergehen, zu den romanischen
Staaten Südeuropas, deren Kulturentwickelung der der nord-euro-
päischen Staaten vorausging, und zwar zuerst zu Italien. Dessen
höheres Alter der Kultur hatte eine für die Eisenindustrie nach-
teilige Folge durch die frühere Entwaldung, welche einen empfind-
lichen Kohlenmangel zur Folge hatte und der Ausdehnung des
Eisenhüttenwesens hindernd im Wege stand. Auf der Insel Elba,
der Eisenschatzkammer Italiens, war dieser Holzmangel schon in
der Blütezeit des römischen Reiches eingetreten, denn Diodor be-
richtet, daſs man die Eisenerze auf der Insel nur zu schwammartigen
Stücken einschmelze, diese dann in Schiffsladungen nach dem Fest-
lande bringe, wo sie in an der Küste zerstreuten Werken zu Handels-
eisen ausgeschmiedet wurden (Bd. I, S. 536). Es war dies genau
dieselbe Arbeitsteilung, wie sie sich im Mittelalter bei dem Stück-
ofenbetriebe am Erzberge in Steiermark herausgebildet hat.


An Eisenerz hatte Italien keinen Mangel, und Biringuccio
preist den Reichtum und die Güte seiner Erze. — Das wichtigste
Eisenerzvorkommen Italiens, und eins der merkwürdigsten der Welt,
ist auf Elba, wo schon seit den Zeiten des Aristoteles und lange
darüber hinaus ununterbrochen Eisen gewonnen wird. Es ist Eisen-
glanz in verwittertem, eisenreichem Glimmer- oder Chloritschiefer
[857]Italien, Spanien und Frankreich.
(verrucano) eingebettet und von jüngeren, wahrscheinlich tertiären
Schichten von Schiefer, Sand und Kalk überlagert. Der krystallinische
Eisenglanz, der zuweilen in dichten Roteisenstein oder Eisenrahm
übergeht, ist am Ausgehenden in Brauneisenstein, an einzelnen Stellen
auch in Magneteisenstein umgewandelt. Die Erze halten im Durch-
schnitt 55 bis 60 Prozent Eisen 1).


Die Hauptgewinnungspunkte sind bei Rio-marina, sodann bei
Rio-Albano, Terranera und am Capo Calamita. Von Alters her ver-
sorgt Elba die toskanischen Eisenhütten mit Erz. Wie das Ver-
hältnis im 16. Jahrhundert war, schildert uns Biringuccio2):
„Eisenerze sind in unserem toskanischen Gebiete sehr bekannt, weil
es sehr nahe bei der Insel Elba liegt, worin ein solcher Überfluſs
davon und solcher Reichtum ist, daſs diese Insel jeden andern Ort
darin übertrifft und mit ihrem Eisen alle Gegenden Toskanas und
die umliegenden Gebiete versorgt. Ja, es versieht reichlich mehr als
zwei Drittel von Italien bis nach Sizilien und Korsika, und vielleicht
auch noch auswärtige Länder, damit. Obendrein ist das Erz hier
von so groſser Güte, daſs man sich an andern Orten Italiens nicht
viel Mühe giebt, danach zu graben, obgleich offenbar an vielen Orten
des hiesigen Landes nach den Anzeigen und Funden ähnliches Erz
ist, welches man in groſser Menge finden könnte. In Anbetracht der
Güte des Stoffes, der Leichtigkeit der Gewinnung, abgesehen von der
Sicherheit der angelegten Kosten, welche man nur in dem Maſse sich
macht, als man etwas Erwünschtes zu erreichen gedenkt, zieht man
es vor, das Nachgraben an andern Plätzen zu unterlassen.“ Birin-
guccio
wiederholt dann die alte Fabel, daſs die Erze von Elba nach-
wüchsen. „Ich kann unter andern Lobeserhebungen nicht umhin,
eine merkwürdige Sache zu erwähnen, nämlich: durch die Menge, die
in so vielen Jahrhunderten davon gegraben wurde und noch gegraben
wird, müſsten nicht nur seine Berge, sondern zwei Inseln wie diese
erschöpft sein, und nichtsdestoweniger gräbt man heute mehr und
besseres Erz, als man jemals grub, so daſs die Meinung Vieler ist,
es erzeuge sich immer von Neuem, worin sich eine groſse Einrichtung
der Natur und eine groſse Macht des Himmels offenbart.“ Dieses
treffliche Erz läſst sich so leicht ausschmelzen, daſs man dazu nur
eines gewöhnlichen Schmiedefeuers bedurfte. Es gab vorzügliches
Eisen, aber keinen Stahl. An der ganzen westlichen Küste Italiens
[858]Italien, Spanien und Frankreich.
lagen Rennwerke zerstreut, welche Elbanisches Erz verschmolzen.
Indessen blieben doch auch die zahlreichen Erzvorkommen des Fest-
landes nicht ganz unbenutzt liegen. In Toskana selbst, obgleich dort
hauptsächlich Erz von Elba verschmolzen wurde, gewann man in den
Apuanischen Alpen Eisenerz und verschmolz es mit Elbanischem
Erz. Biringuccio bezeugt dies, indem er berichtet, daſs er selbst
als Hüttenmeister des Fürsten Pandolfo auf den Eisenhütten im
Thale Boccheggiano mit bestem Erfolge die Erze der Nachbarschaft
mit Elbanischem Erz verschmolzen habe. Toskana ist bekannt-
lich reich an Eisenstein, der hauptsächlich in Gängen auftritt 1).
Bemerkenswert sind die Gänge von Frigido bei Massa mit Magnet-
eisenstein in körnigem Kalk; die von Corsinella bei Stazzema mit
Roteisenstein im Lias-Marmor; die von Val de Castello mit Braun-
und Magneteisenstein, und die am Tambura im Arnothal mit Rot-
eisenstein; sodann die zahlreichen kleinen brauneisensteinführenden
Gänge von Massetano im Kreidegebirge und der groſse Brauneisenstein-
gang von Montevalerio unterhalb Campiglia in jurassischen Schie-
fern. — Biringuccio waren die sehr verschiedenen Eisensteinsorten
wohl bekannt, und da er in seiner Beschreibung derselben ihren
gröſseren oder geringeren hüttenmännischen Wert anführt, waren die-
selben also auch im Ofen probiert worden. Aus Biringuccios
Schilderung ersehen wir ferner, daſs zu seiner Zeit auch bereits
Stücköfen in Anwendung waren. Dies wird besonders in Norditalien
der Fall gewesen sein, wo der Betrieb mit dem der benachbarten
österreichischen Alpenländer ganz ähnlich gewesen zu sein scheint.
Auch die Erze des italienischen Alpengebietes haben groſse Ähnlichkeit
mit den steierischen und kärntnerischen. Es sind Gänge von mangan-
reichem Spateisenstein in Thonschiefer. Dieser Art sind die Erze in
dem Gebiete zwischen dem Flusse Caffaro und dem Comersee, welche
am Ausgehenden in Brauneisenstein umgewandelt sind. Schon zur
Römerzeit war Como berühmt durch sein Eisen. Seit ältester Zeit
wurde in den Alpenthälern zwischen dem Como- und dem Gardasee
Eisen gewonnen und geschmolzen. Dieser Betrieb fand in den sieben
von Westen nach Osten ziehenden Parallelthälern statt. Es sind dies
das Thal des Comersees, das von Sassira, von Bembrana, von Serisna
und von Camonica, in dessen südlicher Verlängerung der See von
Iseo liegt, ferner die Thäler von Trompio und Sabbio. Ebenso sind
Sondrio, Bergamo und Brescia alte Eisenindustriebezirke Norditaliens.
[859]Italien, Spanien und Frankreich.
Besonders berühmt war im Mittelalter Brescia, nicht nur durch seine
eigene Eisengewinnung und Verarbeitung, sondern auch durch seinen
Stahlhandel als Stapelplatz des Stahls und des Eisens der Lom-
bardei, von Kärnten, Krain u. s. w.


Biringuccio erwähnt ein Hüttenwerk bei Brescia, indem er
sagt, das Elbanische Erz brauche nicht das mächtige Feuer von
groſsen Hochöfen zu seiner Reinigung, wie bei vielen andern, be-
sonders in Italien, bei denen im Gebiete von Brescia, im Thale von
Camonica. Garzoni erwähnt noch das Eisen von Zoldo Bellunense.


Daſs der Eisenguſs in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in
Italien schon bekannt war, erwähnt Biringuccio wiederholt, es
gab also auch schon Hochöfen, und zwar wahrscheinlich niedrige, mit
geschlossener Brust.


Das Alpengebiet zwischen Comer- und Gardasee, welches als die
Bergamaskischen Alpen bezeichnet wird, war die alte Heimat der
Bergamaskschmiede, jenes Frischverfahrens, welches sich von hier
nach Westen verbreitet hat und namentlich in Frankreich ausgedehnte
Anwendung gefunden hat. Die eigentümliche Betriebsweise hat sich
in diesen abgelegenen Thälern in wenig veränderter Form bis in die
zweite Hälfte dieses Jahrhunderts erhalten. Da wir durch Birin-
guccio
wissen, daſs im Thale Camonico schon in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts Hochöfen betrieben wurden, so dürfen wir wohl
annehmen, daſs auch damals schon der ganze Betrieb dort in An-
wendung war, wie ihn Audibert im Jahre 1844 gefunden hat 1).
Die Hochöfen, deren es in den oben genannten sieben Thälern da-
mals 15 gab, hatten kein Gestell. Es waren Blau- oder Floſsöfen
mit geschlossener Brust und viereckigem Querschnitt. Alle waren
nach einem Muster gebaut und 7,2 m hoch. Die Form lag in der
Vorwand, wo sich auch der Eisen- und Schlackenabstich befand. Der
Kohlensack lag in der halben Höhe des Ofens, war quadratisch und
hatte 1,62 m Seitenlänge. Die Gichtöffnung bildete ein Rechteck von
0,75 und 0,50 m Seitenlänge; der Boden war 0,45 m im Quadrat.
Die Form war 45 Grad in den Herd geneigt, endete aber vor der
Formöffnung im Mauerwerk. Der Boden der Form ruhte auf einer
horizontalen Schieferplatte (bracciolo genannt), welche etwa 4 cm
vor den vorderen Rand der Formmündung vorsprang. Das Rauh-
mauerwerk des Ofens bestand aus Talkschiefer. Die reichen Eisen-
erze, welche verschmolzen wurden, lieſs man 6 bis 7 Jahre an der
[860]Italien, Spanien und Frankreich.
Luft in Haufen liegen, wobei sie künstlich bewässert wurden. In der
Regel schmolz man Spiegel- und luckigen Floſs. Ersterer, der in
sehr schönen, groſsen Flächen spaltete, fiel in der Regel, nur gegen
Ende der Kampagne machte man luckigen Floſs, der viel geringer
geachtet wurde. Graues Eisen, aus welchem man Guſswaren her-
stellte, fiel nur zu Anfang der Hüttenreise.


Das Roheisen wurde nach der bergamaskischen Frischmethode
verfrischt, doch hatte fast jedes Thal sein eigenes, etwas abweichendes
Verfahren.


Das Stabeisen, welches dabei erzeugt wurde, war sehr gut und
etwas stahlartig. Es ging besonders nach Brescia, wo es von den
Waffenschmieden verarbeitet wurde. Berühmt in ganz Italien waren
die Radreife von Sovere in Val Camonico und der Draht von Lecco.


In Piemont und Savoyen war alter Eisenhüttenbetrieb, der mit
dem von Süd-Frankreich und Korsika groſse Ähnlichkeit hatte. Wir
haben die Korsikanschmiede schon im ersten Bande ausführlich be-
schrieben. In Piemont wurde in den Thälern von Sesia und Aosta
auf Spateisenstein, zu Cogni und Traversella auf Magneteisenstein ge-
baut, der in zahlreichen Rennherden verschmolzen wurde.


Die Eisenproduktion Italiens deckte ebensowenig im Mittelalter
wie im Altertume den eigenen Bedarf. Man importierte Eisen von
Spanien, besonders aber von den eisenreichen österreichischen Alpen-
ländern. Dagegen exportierten die gewerbreichen italienischen
Städte feinere Schmiedewaren, insbesondere Waffen. Mailand hat
seinen Weltruhm als Waffenbezugsplatz sich schon während der
Kreuzzüge erworben, und im späteren Mittelalter blühte die Waffen-
schmiedekunst, namentlich die Plattnerkunst daselbst. Gegen Ende
des 15. Jahrhunderts wurde es von Augsburg und Innsbruck zum Teil
überflügelt, immerhin blieb seine Waffenausfuhr, z. B. nach England,
auch im 16. Jahrhundert bedeutend.


Botero rühmt die Waffenschmiede von Seravalle, zwischen Genua
und Alessandria, welches im 16. Jahrhundert sich sehr ausgedehnt
habe. Zu der Güte der Waffen trage das Wasser der Messola wesent-
lich bei. Die Piemontesen zeigten wenig Kunst und Anmut in Waffen.
Das einst so berühmte Aquileja sei durch Venedig verarmt.


Das hochentwickelte Kunstgewerbe in Italien übte den gröſsten
Einfluſs auf die Schmiedekunst. Wir haben bereits erwähnt, daſs die
gröſsten Künstler Italiens es nicht verschmähten, Entwürfe für die
Kunst- und Waffenschmiede zu machen, daſs Benvenuto Cellini
einige seiner gröſsten Kunstwerke aus Stahl gefertigt hat, daſs die
[861]Italien, Spanien und Frankreich.
reichen italienischen Fürsten des 15. und 16. Jahrhunderts wett-
eiferten, die besten Waffenschmiede zu besitzen.


Im Artilleriewesen leistete Italien, besonders Venedig, Hervor-
ragendes. In der Ätzarbeit, Vergoldung u. s. w. waren die Italiener
unübertroffen. Das Schlossergewerbe blühte ebenfalls am meisten
in Mailand, Brescia und Venedig. Die besten Messer wurden zu
Cremona, Brescia, Mailand, Venedig, Neapel, Seravalle, Friaul und
Scaperia gemacht. Die besten Nadelmacher waren die Lazanesen und
die Milanesen (Garzoni).


Das Rohmaterial, sowie Nägel, Sensen und andere Eisenwaren
bezog dagegen Italien teilweise aus andern Ländern. Den Handel
mit Spanien hatte Genua in Händen, wo die St. Georgen-Brüderschaft
im 16. Jahrhundert allmächtig war. Den Handel mit Krain, Kärn-
ten, Steiermark und Tyrol beherrschte Venedig.


Die Erzgewinnung in dem im Altertum wegen seiner Metall-
schätze so hochgepriesenen Spanien (Bd. I, S. 648), war im Mittel-
alter sehr zurückgegangen, nur das spanische Eisen hatte seinen alten
Ruhm behauptet. Spanische Klingen waren in Griechenland und
Rom berühmt gewesen (siehe Bd. I, S. 449, 650), und ihr Ruhm er-
hielt sich im Mittelalter. Das gladius Hispanicus war nicht nur seiner
Handlichkeit wegen die ordonnanzmäſsige Waffe der römischen Legionen
geworden, sondern auch seines guten Eisens und seiner trefflichen
Bearbeitung wegen und wurde in Mengen aus Spanien bezogen. Die
kriegerischen Araber, die gute Waffen hochschätzten, pflegten, nach-
dem sie Spanien erorbert hatten, die alte Waffenfabrikation, besonders
zu Toledo, und der Ruhm der spanischen Klingen ging auf die
arabischen über. Aber die Mauren herrschten nicht lange in Toledo.
Schon 1012 wurde Toledo ein selbständiges spanisches Königreich. War
dies auch nur von kurzer Dauer, so stieg es danach noch zu gröſserem
Glanze empor, als Alfons VI. von Kastilien nach der Eroberung im
Jahre 1085 es zur Residenz der kastilischen Könige machte und sich
sogar zum Kaiser von Toledo ausrufen lieſs. Toledo wurde eine der
gröſsten und reichsten Städte Spaniens, in welcher die Gewerbe zu
groſser Entfaltung gelangten.


Zu noch gröſserer Blüte entfaltete sich die spanische Waffen-
fabrikation, als nach Vertreibung der Araber Ferdinand der Katho-
lische in den sicheren Besitz von Spanien gelangt war. Toledo blieb
der Vorort derselben.


Von dieser Zeit an wurde Spanien durch eine Verkettung glück-
licher, zum Teil ganz unvorhergesehener Umstände für eine Zeit lang
[862]Italien, Spanien und Frankreich.
der mächtigste und reichste Staat Europas. Diese Periode fällt zu-
sammen mit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die politisch
hochbedeutsame Heirat Ferdinands des Katholischen, Königs von
Aragonien, mit Isabella, Königin von Kastilien, und die Vereinigung
ihrer Länder, wenn auch nur äuſserlich, im Jahre 1479, war die
Grundlage und der Ausgangspunkt von Spaniens Machtentfaltung.
Der Sieg über Boabdil, den letzten maurischen König in Spanien, im
Jahre 1492 und die Vertreibung der Mauren, erhöhte die Macht und
den Glanz des Königtums, sowie das Ansehen Spaniens. Das glück-
lichste und folgenreichste Ereignis der vom Schicksal so viel be-
günstigten Regierung des spanischen Herrscherpaares war aber die
Entdeckung von Amerika durch den Genuesen Christoph Colum-
bus
im Dienste Spaniens am 11. Oktober 1492. Dieses Weltereignis,
welches Spanien neue unermeſsliche Einnahmequellen erschloſs, erhob
Spanien zu der reichsten und angesehensten Macht Europas und
wurde bestimmend für seine Entwickelung im 16. Jahrhundert. Auch
seinen Eisenwaren erschloſs es ein neues, ausgedehntes Absatzgebiet
und gab der Eisenindustrie Spaniens neuen Impuls.


Es würde zu weit führen, alle die Momente, welche zu der kurzen
aber blendenden Glanzzeit Spaniens in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts sonst noch beigetragen haben, zu entwickeln. Betrachten
wir nur die Eisenindustrie Spaniens, so zeigen sich uns zwei Gebiete
von hervorragender historischer Bedeutung, die Waffenindustrie, welche
in Toledo ihren Mittelpunkt hatte, und die Herstellung des vorzüg-
lichen spanischen Schmiedeeisens, welche an das Land der Basken,
besonders an die Provinzen Biscaya und Guipuzcoa und das wunder-
bare Eisenerzvorkommen von Sommorostro geknüpft war.


Wenden wir uns zuerst der Eisenindustrie von Toledo zu. Die
Grundlage dieser in die älteste Zeit zurückgehenden Industrie bilden
die reichen Eisenerzlager in dem südlich der Stadt gelegenen toledo-
nischen Gebirge, die noch heute ausgebeutet werden und etwa
10000 Tonnen Erze jährlich liefern. Als Residenz westgotischer,
maurischer und spanischer Könige, war Toledo ein Mittelpunkt ge-
werblicher Thätigkeit. Zu ihrer Blütezeit zählte die Stadt über
100000 Einwohner, jetzt kaum 20000. Die Waffenfabrikation wurde
besonders gepflegt, denn von jeher hatten die Spanier eine groſse
Vorliebe für gute Waffen. Der Andalusier sagte: wenn er sein Schwert
(seine „Santa Theresa“) schwinge, so zittre die Erde („trembla
la tierra“). Zu diesen trefflichen Klingen verwendeten aber die
toledonischen Schmiede nicht nur das einheimische Eisen, sondern
[863]Italien, Spanien und Frankreich.
namentlich auch den trefflichen Stahl von Mondragon in Guipuzcoa.
Dieser wurde aus einem weiſsen mit Kalk verbundenen Erz, das beim
Ausschmelzen in den Luppenfeuern 40 Prozent natürlichen Stahl gab,
erzeugt. Ferdinand der Katholische verbot die Ausfuhr von Waffen
aus Spanien; doch scheint dieses Verbot keine groſse Wirkung ge-
habt zu haben. Es ist aber ein Beweis für die Bedeutung des
Waffenexports. Dieser wurde noch viel bedeutender unter Karl V.
Unter diesem mächtigen Fürsten, in dessen Reich die Sonne nicht
unterging, erblühte Spanien zur glanzvollsten Macht. Ferdinand der
Katholische hatte bereits ähnlich wie die französischen Könige eine
Leibgarde geschaffen und mit einheitlicher Bewaffnung ausgerüstet.
Diese Truppe, sowie überhaupt die Benutzung der Feuerwaffen und
der modernen Taktik hatte wesentlich zur Niederlage der Mauren
beigetragen. Als Karl V. im Jahre 1516 den Thron des geeinigten
Spaniens bestieg, hatte er eine mächtige Partei gegen sich. Er über-
wand diese und befestigte sein Ansehen dadurch, daſs er ein stehen-
des Heer von 30000 Mann ausrüstete. Diese Truppe war vortrefflich
equipiert, und als dieselbe Karl nach seiner Erwählung zum deutschen
Kaiser im Jahre 1518 auch seine Siege in Italien und Deutschland
erringen half, wurde die spanische Ausrüstung mustergültig für die
europäischen Staaten. Die spanische Muskete wurde überall ein-
geführt, der spanische Eisenhut (morian) wurde Mode, und von
dieser Zeit an erlangten die spanischen Klingen, sowohl der Dolch
als der spanische Degen, Weltruhm. Toledo war der wichtigste Platz
für deren Anfertigung. Es waren daselbst eine groſse Anzahl selb-
ständiger Meister, welche die trefflichen Waffen schmiedeten und
fertig machten. Dies geschah nicht, wie in Solingen, durch eine ge-
nossenschaftliche Zusammenwirkung und eine weitgehende Arbeits-
teilung. Jeder Meister in Toledo machte seine Waffe fertig, schmiedete
und reidete dieselbe. Über die Meister, ihre Klingenzeichen und die
Herstellung der Schwerter, haben wir bereits früher berichtet (siehe
Bd. I, S. 846 u. Bd. II, S. 401). Auſser Toledo waren Sevilla, Madrid und
Saragossa berühmte Plätze für gute Klingen. Achille Jubinal und
Gaspard Sensi teilen in ihrem prächtigen Werke „la Armeria Real de
Madrid“ ein sehr interessantes Verzeichnis toledonischer Klingen-
schmiede mit, aus dem hervorgeht, daſs die Kunst vielfach an den Namen
geknüpft war und vom Vater auf den Sohn forterbte. So erscheinen als
besonders berühmte Schmiede: Alonzo de Sahagun der Alte, der
um 1570 lebte, mit dem Wappenzeichen , sodann Alonzo de
[864]Italien, Spanien und Frankreich.
Sahagun der Junge, mit der Marke , und Louis de Sahagun,
ein Sohn des Alten. Ferner die Familie Perez, vertreten durch den
berühmten Alonso (S. 402, Nr. 3) und durch Franzisko (Nr. 33), dann
die Familie Martinez, vertreten durch Andreas, Sohn des Zebala
Gabriel, Juan
den Alten, Juan den Jungen und Juan Martinez,
Menchaca
(Nr. 62 bis 67), die de la Hera, vertreten durch Josepe
und Hernandez, der im 17. Jahrhundert lebte.


Juanes de la Horta war ein berühmter Klingenschmied um
1545; Andreas Munesten, der auch zu Calatayel eine Werkstatt
besaſs, erinnert seinem Namen nach an die Solinger Andreis Mon-
sten. Juan de la Rey
, der auch in Saragossa arbeitete, führte ein
Tier als Zeichen, welches sehr dem Solinger Wolf gleicht.


Ein anderes klassisches Land für die Eisenindustrie in Spanien
war das Land der Basken, die Provinzen von Biscaya und Guipuzcoa.
Sommorostro mit seinen Eisenschätzen war von jeher für Spanien
das, was Elba für Italien war. Plinius erwähnt es bereits 1): „Unter
allen Metallen findet sich das Eisenerz am reichlichsten. In dem
Küstenteile Cantabriens, welchen der Ozean bespült, dort besteht,
was unglaublich klingt, ein sehr hoher Berg ganz aus diesem Stoff.“
Es ist ein mächtiger Spateisensteingang im Kalk (dem Cenoman an-
gehörig), der in den oberen Teufen in Brauneisenstein umgewandelt
ist. Er streicht aus dem Kamme eines schmalen Bergrückens in
einer langen Felsenreihe zu Tage aus 2) und wurde an vielen Stellen
ohne einheitlichen Plan, höchst unregelmäſsig durch Tagebau ab-
gebaut. Mit Ochsenkarren fuhr man in den flach geneigten Weitungen
zu den Abbaustellen, wo das aufgelockerte Erz ohne besondere Mühe ge-
brochen wurde und verbrachte dieses alsdann auf unglaublich schlechten
Wegen zum Meere 3). Der Hauptverladeplatz war von jeher der Hafen
von Bilbao. Von hier wurde es nach den benachbarten Küsten von
Asturien und Frankreich verschifft, im 16. Jahrhundert auch bereits
nach England. Der gröſste Teil der Erze wurde aber auf zahlreichen
Hütten (ferreria) in Biscaya und Guipuzcoa auf Eisen verschmolzen,
welches nicht nur Spanien versorgte, sondern ebenfalls von Bilbao aus
zur See weithin verschifft wurde.


Auſser dem mächtigen Eisensteinberg von Sommorostro giebt es
[865]Italien, Spanien und Frankreich.
aber noch viele andere Erzablagerungen in den genannten Provinzen,
der alten Heimat der Kantabrer. Asturien ist reich an eigenen Erzen,
aber, wie in Toskana fast nur elbanisches Erz verschmolzen wurde,
so verschmolzen die Hüttenmeister in Asturien hauptsächlich Sommo-
rostroerz und ihren eigenen Eisenstein nur nebenbei. Monardo
sagt schon: „Die kantabrischen Gebirge haben mehrenteils Eisenerz,
doch werden sie nicht alle gebaut, sondern nur die, welche vor den
andern reich sind und viel Eisenerz tragen. Die andern aber bleiben
ungebaut, darum, daſs sie die Kosten, welche daraufgehen, nicht
wieder einbringen.“


Das alte, merkwürdige Volk der Basken hatte bekanntlich in den
Kämpfen gegen Goten und Araber seine Unabhängigkeit bewahrt
und sich erst im 13. und 14. Jahrhundert freiwillig an das König-
reich Kastilien angeschlossen. Auch hier hatten sich die Bergleute
und Eisenschmiede als tapfere Streiter erwiesen. Mit ihrer Natio-
nalität erhielt sich auch ihre eigenartige Industrie. Der Export
baskischen Eisens scheint nie ganz geruht zu haben. 989 wird der
Hafen von Bilbao genannt, der von fremden Schiffen des Handels
wegen besucht wurde. Es war der erste wichtige Hafen im west-
lichen Europa am atlantischen Meere. Die Normannen suchten ihn
auf, die sich bereits im Jahre 870 dort festgesetzt und vorübergehend
das Land erobert hatten. Daſs es das Eisen, die Eisenwaren und
besonders die eisernen Waffen waren, welche die Fremden haupt-
sächlich anzogen, ist auſser Zweifel. Sehr bedeutend war der Handel,
den die deutsche Hansa mit Biscaya hatte. Spanisches Eisen war mit
dem Osmund ein wichtiger Handelsartikel der Hanseaten, der nach allen
Hansahäfen verführt und auch in Norddeutschland gehandelt wurde.
Es stand im Preise am höchsten von allen Eisensorten. Um 1400
besaſsen die Biscayer und Arragonier ansehnliche Warenniederlagen
in Brügge, dem damaligen Zentrum des westeuropäischen Handels.


Botero schreibt: „Biscaglia und Ghipusca sind zwo Provinzen
oder Landschaften gleicher Gelegenheit und Beschaffenheit: haben
viel Eysen und Holtz: sind sehr wohl bewohnet und haben ein
tapffer mannliches Volk. Sie sind aller Beschwerden halben gefreyet
vnd auff solche ihre Freyheitt setzen und tringen sie so styff und
hart, daſs der König, welcher sich allein zu Biscaglia ein Herrn
(Señor) nennt, wann er sich daher wolte begeben, mit blosen Füſsen
(wie sie sagen) dahin kommen müſste.“ „In Ghipusca liegen Tolo-
setta, daselbst wie auch zu Bilbau und Bayana werden die guten
Klingen und Rapiere gemacht.“


Beck, Geschichte des Eisens. 55
[866]Italien, Spanien und Frankreich.

Über die Art der Verhüttung haben wir wiederholt Mitteilung
gemacht. Sie geschah in verbessertem Luppenfeuer, den sogenannten
Catalanschmieden, welche man richtiger als Pyrenäenschmieden be-
zeichnen würde, denn dieselben Schmieden finden sich im spanischen
Süden wie im französischen Norden dieses Gebirges. Wir haben die-
selben ausführlich im ersten Bande (S. 789) beschrieben. Die bis-
cayischen Rennfeuer zeichneten sich vor denen anderer Gegenden
dadurch aus, daſs darin groſse, schwere Luppen manchmal bis zu
8 Centnern Gewicht erzeugt wurden. Was Monardo darüber mit-
geteilt hat, ist Bd. I, S. 802, abgedruckt. Eine merkwürdige Be-
schreibung hat Reaumur in einem Aufsatze 1716 gegeben 1). Er
schildert die Öfen von Biscaya und dem spanischen Navarra.


Solche Öfen seien auch früher bei Bayonne, um die Erze von
Biriaton zu schmelzen, in Gebrauch gewesen, seien aber schon über
40 Jahre eingegangen. Wegen des groſsen Rufes dieses Schmelz-
verfahrens habe er sich von einem Herrn Gendre, auf Befehl Seiner
Königl. Hoheit des duc d’Orleans, die Zeichnungen davon beschafft,
welcher sie von einem spanischen Hüttenbesitzer Denderlats an
der Bidassoa bekommen habe. Die in offenen Brüchen gewonnenen
Erze läſst man 24 Stunden rösten, zerstöſst sie in grobe Stücke und
läſst sie mehrere Monate an der Luft liegen ehe man sie schmelzt.
Der Schmelzofen besteht aus einem groſsen kupfernen Schmelz-
kessel
, 6 Fuſs Durchmesser auf der kleinsten Seite und etwa 2½ Fuſs
hoch. Die inneren Wände desſelben werden mit Mauerwerk von
einem Fuſs Dicke, dessen Steine mit Ziegelerde verbunden sind, ver-
wahrt. In dieses werden guſseiserne Platten, welche den eigentlichen
Schmelzherd bilden, eingesetzt, denn die Kupferschale soll nur
die Feuchtigkeit abhalten
. Der Schmelzraum hat die Gestalt
eines abgestumpften Kegels von ovaler Grundfläche, oben weiter. Der
obere gröſsere Durchmesser beträgt 4½ Fuſs; der kleinere ½ Fuſs
weniger. Die Düsen liegen 18 Zoll vom Boden auf einer Breit-
seite fast 40 Grad geneigt. Man kannte nur Lederbälge. Das
Schlackenloch lag auf einer Breitseite. Die Schlacke flieſst während
dem Einrennen ab. Die Wände des Kupferkessels gehen nicht bis
oben hin, so daſs die Schlacken darüber ablaufen. Das Eisen wird in
einem Klumpen ausgebrochen. — Zuerst bedeckt man den Boden mit
Buchenkohle, entzündet sie und läſst die Bälge an. Wenn sie gut in
Glut sind, schiebt man sie alle auf die Seite der Bälge und wirft
[867]Italien, Spanien und Frankreich.
das Erz in das entgegengesetzte Halboval, bedeckt es mit Kohlen
und trägt, wenn sie verbrannt sind, frische nach. Das mit Gewalt
gegen das Erz getriebene Feuer bringt es zum Schmelzen, die Schlacke
flieſst und sondert sich ab. Von Zeit zu Zeit läſst man sie aus dem
Schlackenstich am Boden abflieſsen, während das Eisen sich vereinigt.
Dieses wird noch beschleunigt mittels einer Eisenstange, mit der man
durch einen Einschnitt oben im Herd rührt. Auf dem Boden an-
gelangt, von Schlacken entblöſst, hat es keine genügende Hitze flüssig
zu bleiben, und bildet einen weichen Klumpen, dessen Gröſse mit
dem Eisennachsatze zunimmt. Der Einsatz von 600 Pfund Erz
schmilzt in vier Stunden nieder. Während ein Arbeiter den Klumpen
vom Grunde aufbricht und in die Höhe hebt, fassen ihn andere mit
Zangen und bringen ihn unter einen Viercentnerhammer. Die weitere
Arbeit betrifft mehr den Schmied als den Schmelzer. — Die Luppen
kommen heiſser unter den Hammer als Frischluppen, doch ist dies
nur bei leicht schmelzbaren Erzen möglich. Man schmilzt in den
navarrischen Herden 5 bis 6, in den biscayischen 7 bis 8 Centner
gut geröstetes Erz in 4 bis 5 Stunden auf eine Luppe ein. Der erste
Einsatz beträgt 2 bis 3 Centner, das Übrige wird nachgesetzt. Der
Kohlenverbrauch betrug nur so viel als das Gewicht des Eisens. Aus
675 Pfund Erz sollte man 225 Pfund Eisen ausbringen. Zuschläge
oder Fluſsmittel wurden nicht angewendet.


Obgleich diese Schilderung den Verlauf des Erzschmelzens zu
Anfang des vorigen Jahrhunderts betrifft, so haben wir sie doch hier
mitgeteilt, weil es die älteste genauere Schilderung des biscayischen
Eisenschmelzens ist und die Verhältnisse im 16. Jahrhundert bereits
ähnliche gewesen sein werden.


Das vorzügliche Material, welches die kantabrischen Hütten
lieferten, wurde Veranlassung zu einer umfangreichen, mannig-
faltigen Schmiedeindustrie. Auſser den Waffen, die wir schon erwähnt
haben, wurden für den amerikanischen Tauschhandel massenhaft
Messer, Beile und Werkzeuge angefertigt; waren dies doch die den
Indianern willkommensten Gegenstände. Für den europäischen
Handel wurde Stangeneisen geschmiedet. Für Spanien, auſser den
genannten Artikeln, Kleineisenzeug, Nägel und Artikel aller Art.
Man hat Bilbao deshalb das Birmingham Spaniens genannt. Hoch-
öfen gab es dagegen keine, und Guſseisen scheint man in Spanien
im 16. Jahrhundert noch nicht angefertigt zu haben. Die guſseisernen
Kanonen zur Bemannung ihrer Kriegsschiffe muſsten die Spanier aus
England beziehen.


55*
[868]Italien, Spanien und Frankreich.

Die Eisenindustrie Spaniens beschränkte sich aber durchaus nicht
auf die baskischen und kantabrischen Provinzen. Katalonien ist eben-
falls reich an Erzen, welche wie im Altertume, so auch im Mittelalter
verschmolzen und auf Eisen verarbeitet wurden. Barcelona war nicht
nur ein wichtiger Handelsplatz, sondern von altersher ein Fabrik-
platz für Eisenwaren und Eisenwaffen.


In Aragon wurde seit frühester Zeit treffliches Eisen zu Bielsa
und Albaracin gemacht. Wegen seiner groſsen Weichheit war das
von Molina d’Aragon berühmt. Calatayub, d. h. Castel des Ayub,
des Neffen Musas, war an Stelle des stahlberühmten Bilbilis ent-
standen. Sevilla war von Alters her berühmt wegen seiner Eisenwaren
und stand ebenso wie Barcelona und Cadix mit der Hansa in Handels-
verbindung.


Besonders reich an Eisen ist auch die Provinz Murcia, nament-
lich in der Sierra Almagrera. Karthago und Rom bezogen von da
Eisen, und neuerdings spielen die Karthagenaerze, die in den
Häfen von Almeïra, Karthagena und Valencia verladen werden, wieder
eine wichtige Rolle und werden in groſsen Massen nach den nörd-
lichen Ländern, auch nach Deutschland, verschifft. Albacete, von dem
arabischen Al-Baset, d. h. weite Ebene, war seit Alters berühmt durch
seine Dolchmesser mit breiter, spitziger, vorn zweischneidiger Klinge.


Die blendende Glanzzeit Spaniens ging rasch dahin. In der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, unter der despotischen Regierung
Philipps II., des einzigen Sohnes Karls V., machte sich bereits ein
Rückgang der Macht und des Ansehens Spaniens bemerkbar, der
einen unaufhaltsam raschen Fortgang nahm. Die leicht erworbenen
Reichtümer Amerikas hatten die ohnedies zu stetiger Arbeit wenig
geneigten Spanier faul und verschwenderisch gemacht. Dazu jagte
man die fleiſsigsten Bewohner aus dem Lande. Denn das gröſste
Unglück der Spanier war ihre religiöse Unduldsamkeit, welche ge-
schürt und gehetzt wurde durch eine selbstsüchtige, fanatische Priester-
schaft. Hatte schon Ferdinand der Katholische nach seinem Siege
über die Mauren etwa 800000 tüchtiger Einwohner ihres muhameda-
nischen Glaubens wegen aus Spanien vertrieben, so begannen unter
Philipp II. die leidenschaftlichen Verfolgungen der Ketzer, Juden und
Moreskos, d. h. der Abkömmlinge von Mauren, durch welche etwa
die gleiche Zahl der gewerbfleiſsigsten Bewohner ausgetrieben wur-
den. Die letzte groſse Austreibung der Moreskos erfolgte unter
Philipp III. im Jahre 1609. Faulheit und Aberglaube behielten den
Sieg und führten das Land an den Rand des Verderbens. Auch auf
[869]Italien, Spanien und Frankreich.
die Eisenindustrie übten diese Verhältnisse ihren Einfluſs. Den
Wendepunkt bildete die Vernichtung der unüberwindlichen Armada
durch die Engländer, welche dadurch die Vormacht Europas zur See
wurden.


Frankreich hatte eine alte und bedeutende Eisenindustrie, den-
noch war sein Bedarf noch gröſser als seine Produktion, so daſs es
auf fremde Einfuhr angewiesen war. Diese erfolgte für den Süden
aus Spanien und Italien, für den Norden aus Deutschland. Bei
weitem das Meiste lieferte aber die heimische Industrie.


Frankreich war reich an Erzen, wenn es auch keine so auſser-
ordentliche Vorkommen besaſs, wie Deutschland im Erzberge, Italien
auf Elba und Spanien zu Sommorostro. Auch war Frankreich reich
an Waldungen und litt noch nicht an Holzmangel wie England,
Spanien und Italien.


Die wichtigsten Eisensteinlager Frankreichs befinden sich im
Osten und im Süden. Wir betrachten dabei Frankreich in seinen
Grenzen vor 1870, während allerdings Ausgangs des 15. Jahrhunderts
verschiedene eisenreiche Grenzgebiete noch nicht zu Frankreich ge-
hörten.


Im Nordosten war das französische Flandern reich an Eisenerzen
und besaſs eine alte blühende Eisenindustrie wie die burgundische
Herrschaft, der es zugehört hatte, und die nach Karls des Kühnen
Tod zerrissen wurde; überhaupt war das Erzvorkommen, wie die Indu-
strie, ganz dieselbe wie im Hennegau. Es gehört wie dieses den Ar-
dennen an und ist in dem jetzigen Norddepartement gelegen. Die
nordöstliche Eisenerzgruppe Frankreichs, welche die Lager an der
Maas, Mosel und in den Ardennen umfaſst, ist die reichste des Lan-
des 1). Es sind meist ausgedehnte Lager in der Lias- und Jura-
formation, aber auch Bohnerze, welche den Jura- und Kreideschichten
aufgelagert sind, sowie Thoneisensteine im Steinkohlengebirge. Die
luxemburgischen und deutsch-lothringenschen Ablagerungen oolithi-
scher Eisenerze, die als ausgedehnte Lager im unteren Lias ent-
wickelt sind, finden sich ebenso in französisch Lothringen und sind
heutzutage von hervorragender Wichtigkeit, während sich in früherer
Zeit die Gewinnung mehr auf die reicheren Brauneisensteine be-
schränkte. Lille, die Hauptstadt von französisch Flandern, haben wir
bereits wiederholt erwähnt (Bd. I, S. 912, Bd. II, S. 320) wegen seiner
[870]Italien, Spanien und Frankreich.
frühen Ausrüstung mit guſseisernen Geschossen und Geschützen, die
sich bis in das erste Jahrzehnt des 15. Jahunderts zurückverfolgen
läſst und die Wahrscheinlichkeit nahe legt, daſs in dortiger Gegend
schon damals Guſseisen erzeugt wurde, d. h. daſs schon damals dort
Eisenhochöfen im Betriebe standen. Douai hatte gleichfalls eine alt-
berühmte Eisenindustrie. Ebenso haben wir oben bereits der alten
Eisengewinnung von Vaudemont in Lothringen, welche urkundlich bis
in das 12. Jahrhundert zurückgeht, erwähnt.


An die nordöstliche Gruppe der Eisenerzvorkommen Frankreichs
schlieſst sich die Gruppe von der Champagne und Burgund, welche
ebenfalls von groſser Bedeutung ist. Das Departement der Haute-
Marne ist das eisenreichste Frankreichs.


Das in der Einleitung bereits mitgeteilte Lobgedicht Bourbons
über die Eisenwerke bei Vandeuvre liefert den Beweis, daſs schon zu
Anfang des 16. Jahrhunderts Hochofenindustrie in der Champagne
blühte, und Langres war ein alter Sitz geschickter Eisenschmiede,
berühmt durch ihre Klingen und Messerwaren. Ebenso hatte Dijon
in Burgund ein altes Eisengewerbe.


An die nordöstliche Eisenerzgruppe schlieſst sich die des Jura,
wo zahlreiche Lager und Mulden von Brauneisenstein an der Ober-
fläche sich finden. Von Alters her ist die Franche-Comté durch ihre
Eisenindustrie berühmt. Während im Norden und Nordwesten Frank-
reichs die Darstellung des Stabeisens aus dem Roheisen nach der Art
der Wallonschmiede in zwei Herden geschah, wendete man in der
Freigrafschaft ein Verfahren an, welches mehr mit der deutschen
Frischschmiede übereinstimmt, und bei welchem das Einschmelzen,
Frischen und Ausheizen in demselben Herde stattfindet. Diese fran-
zösische Aufbrechschmiede, die als Franche-Comtéschmiede, Comté-
schmiede oder hochburgundische Frischschmiede bezeichnet wird, ist
wahrscheinlich aus der Brescianschmiede entstanden und wurde oben
(S. 239) im allgemeinen Teile bereits beschrieben.


Im Nordwesten Frankreichs sind in der Normandie und Bre-
tagne zwei Gruppen von Eisenerzlagern zu unterscheiden: die öst-
liche in den Departements Calvados und Orne, wo Brauneisenstein
mit Quarz in Gängen des Übergangsgebirges auftreten, während in
den Departements Eure, Sarthe und Mayenne ganz recente Braun-
und Gelbeisensteinlager auftreten. Die westliche Gruppe enthält in
den Departements Côtes-du-Nord und Morbihan ebenfalls im Über-
gangsgebirge Gänge von Rot- und Brauneisenstein, während im De-
partement der unteren Loire Brauneisensteinlager im Tertiärgebirge
[871]Italien, Spanien und Frankreich.
erscheinen. In diesen Provinzen ist von alter Zeit her viel Eisen zur
Ausrüstung der Schiffe verarbeitet worden. Als westliche Zentral-
gruppe bezeichnet Wedding die Brauneisenerze der Departements
Loire et Cher, Cher und Indre, welche dem Tertiärgebirge, teilweise
auch der Kreide angehören.


An diese schlieſst sich die östliche Zentralgruppe mit oolithischen
Brauneisenerzen auf beiden Ufern der Loire, welche ihre Haupt-
entwickelung im Thale der Cher, wo sie als einzelne Körner in
tertiären Thonen vorkommen (minerais du Berri) und bei Nièvre, wo
die Körner oft durch kalkige Bindemittel vereinigt werden. In Mittel-
und Nordwestfrankreich war wieder ein anderes Frischverfahren, „die
Frischschmiede von Berri“, in früherer Zeit gebräuchlich; dieselbe ist
der Wallonschmiede am nächsten verwandt, von der sie sich dadurch
unterscheidet, daſs das Eisen nach dem Einschmelzen noch einmal
aufgebrochen wird, und daſs gröſsere Luppen gefrischt werden, von
denen eine jede mehrere Kolben giebt 1). Durch das Aufbrechen ist
sie mit der deutschen Frischschmiede verwandt, unterschied sich aber
dadurch, daſs das eingeschmolzene Frischeisen vor dem Aufbrechen
nicht abgekühlt, sondern daſs bei ununterbrochenem Gange des Ge-
bläses aufgebrochen und gefrischt wurde.


Nevers, die Hauptstadt der Grafschaft Nivernois, hatte alte Eisen-
industrie.


In der Auvergne war bedeutende Kleineisenindustrie, und in
Thiers (Dep. Puy de Dome) blühte die Fabrikation von Messer-
schmiedewaren schon im 16. Jahrhundert. In den Alpen, besonders
in Savoyen, waren Rennwerksschmieden, wie in Italien, in Gebrauch.
Aber auf der alten Eisenschmelzhütte von Bouguet en l’Huile war
auch bereits ein Hochofen in diesem Jahrhundert im Betriebe, dies
scheint wenigstens aus einem Urteile des Senats von Savoyen im
Jahre 1560 hervorzugehen, welches der seit 10 Jahren zerstörten
Eisengieſser- und Hammerhütte (fonderies et forges) an obigem Platze
Erwähnung thut. Diese Hütte war von dem genuesischen Adels-
geschlechte de Castagnere gegründet. Dasſelbe legte nachmals zu
Argentine ein groſses Eisenwerk mit Gieſserei, Schmiede, Drahtzug
und Sensenschmiede an. Auch dieses ging unter sardinischer Herr-
schaft zu Grunde. Später legten verschiedene Klöster im Lande
Eisenhütten an 2).


[872]Italien, Spanien und Frankreich.

In der Dauphiné, besonders den Departements Isère, Drome und
Vaucluse, wurde Eisen und Stahl aus Spateisenstein erblasen. — Von
besonderer Wichtigkeit war aber für Südfrankreich die Gruppe der
Pyrenäen. Wie die spanische, so ist die französische Seite dieses
Gebirges reich an vorzüglichem Eisenerz. In den östlichen Pyrenäen
war die Grafschaft Foix berühmt durch ihre Eisengewinnung. Dort
finden sich besonders bei Rancié Braun- und Spateisenstein auf
Gängen zwischen krystallinischem Kalk und Schieferthon, die der
Juraformation anzugehören scheinen an den Bergen Batère und
Canigon. In den westlichen Pyrenäen (Basses Pyrénées) war das
französische Navarra reich an guten Eisenerzen, besonders zu Bar-
buret und an der Bidassoa. Ferner in den Ausläufern des Gebirges
in den Departements Haute-Garonne und Aude, wo in den Schwarzen
Bergen (montagnes noires) sich eine Gruppe von Gängen in Übergang-
schiefer und Kalkstein von Südwest nach Nordost bis in das De-
partement Hérault zieht, deren Erze sich durch groſsen Mangan-
reichtum auszeichnen, während eine zweite zwischen Tuchan und
Lagrasse (Corbières) ähnliche Erze birgt, welche dem Obersilur an-
gehören und besonders bei Bordevielle, am Roc noire etc. ausgebeutet
werden 1).


Das Ausschmelzen geschah in diesem ganzen Gebiete wie zum
Teil noch heute in Rennfeuern, ähnlich den Cantalan- und Biscaya-
schmieden.


Die Schmelzöfen der Grafschaft Foix haben wir bereits im
ersten Bande näher beschrieben, und die Eisenschmieden von Navarra
waren ganz wie die biscayischen, nur etwas kleiner. Bayonne war
bereits im frühen Mittelalter ein wichtiger Handelsplatz für pyre-
näisches Eisen und Eisenwaren; es wurden dort jedenfalls auch schon
im 16. Jahrhundert Gewehre fabriziert.


An Stahl und Stahlerzen war Frankreich nicht reich, man bezog
dieselben aus Deutschland, Savoyen und Piemont. Doch sollen die
Stahlfeuer in den Gegenden von Rives im Departement d’Isêre bis in
das Ende des 12. Jahrhunderts zurückgehen. Tyroler Stahlschmiede
hatten angeblich die ersten Feuer dort angelegt. Die älteste Schmiede
soll bei dem Weiler von Alivet, in der Gemeinde Renage bei Rives,
bestanden haben 2).


Die zahlreichen Kriege und die Groſsmachtsbestrebungen der
Könige von Frankreich zwangen zu groſsartigen Rüstungen, und
[873]Italien, Spanien und Frankreich.
zur Beschaffung groſser Mengen von Waffen. Sie waren gezwungen,
dieselben groſsenteils aus dem Auslande, namentlich aus Deutsch-
land und Flandern zu beziehen. Natürlich waren sie eifrig be-
strebt, die Eisenindustrie ihres Landes zu heben und die inländische
Waffenfabrikation zu unterstützen. Wir hatten früher bereits Ge-
legenheit, auf die groſsen Leistungen Ludwigs XI. und Karls VIII. zur
Hebung des Artilleriewesens hervorzuheben (Bd. I, S. 905). Ludwig XI.
lieſs deutsche Gieſser kommen zum Guſs eiserner Kugeln und Ge-
schütze. So konnte Karl VIII. mit 140 Geschützen und reichlicher
eiserner Munition 1494 seinen Kriegszug nach Neapel unternehmen.
Karl der Kühne hatte die beste Artillerie seiner Zeit. Er bezog
seine Ausrüstung von den flandrischen Städten und hatte vorzügliche
guſseiserne Feldgeschütze. Ludwig XII., dessen weiser Regierung
Frankreich so viel verdankt, war auch für die Hebung des Eisen-
gewerbes eifrig besorgt. Franz I. brachte die gröſsten Heeresmassen
auf; er unterhielt eine Zeit lang ein besoldetes Heer von 50000 Mann,
das freilich auch das Land in Schulden stürzte, die Eisenindustrie
aber stark beschäftigte. Franz I. war persönlich ein groſser Freund
schöner Waffen und kaufte die herrlichsten Prunkrüstungen in Mai-
land, Augsburg und Innsbruck.


Die meisten und besten Waffen bezog Frankreich aus Deutsch-
land, dessen Überlegenheit auf diesem Gebiete im 14., 15. und
16. Jahrhundert unbestritten war. Der Herzog von Touraine muſste,
um sich 1386 eine Rüstung machen zu lassen („pour faire et forger
unis plates d’acier pour le corps“), nach Deutschland reisen. Den
gröſsten Ruhm hatten die Kölnischen Schwerter, aber auch böh-
mische Schwerter waren damals in Frankreich beliebt. Wahrschein-
lich waren dies Passauer. In einem Inventar des J. de Saffres
heiſst es: Unam spatam seu ensem operis Boemie taxat 6 gross. —
Alium ensem operis Boemie aptum ad venandum tax. 15 gross.
(siehe Gay, glossaire arch. „epée“). La Tremouille kaufte Ende
des 15. Jahrhunderts seine Waffen in Italien, darunter zwei Schwerter
zu Turin für 10 f. 10 s. 1). Doch gab es auch damals in Frank-
reich bereits vorzügliche und berühmte Waffenschmiede. Der Waffen-
schmied Jaques Merveille zu Tours lieferte ebendemselben Mon-
sieur de la Tremouille im Jahre 1508 eine vollständige Kriegs-
rüstung für 30 Thaler (escus); dazu kamen weiter für Vergoldung
[874]Italien, Spanien und Frankreich.
derselben 10 esc., für die Knöpfe, Schnallen und vergoldeten Char-
niere 2 esc. u. s. w., in Summa für 47 esc. = 82 1. 5 s. 1).


Seit den glanzvollen Zeiten Kaiser Karls V. und König Franz I.
waren die Waffen viel prächtiger aber auch viel teurer geworden.
Philipp von Österreich zahlte um 1550 an Francisceo Noqueral
von Mailand, Waffenschmied des Kaisers, 1000 Thaler für das Gold
und die Arbeit für eine Tauschierung (ataugia). 1571 verkauft der
Waffenhändler Charles Poille eine komplete Waffenrüstung mit
Wechselstücken für 260 esc. soleil.


Die ältesten und berühmtesten Waffenschmiedeplätze in Frank-
reich waren Tours und Bordeaux. Der englische und der hanseatische
Handel, sowie der leichte Bezug spanischen Eisens machten Bordeaux
zu einem besonders geeigneten Platze für das Waffenschmiedegewerbe.
Der arabische Geograph Albufeda sagt schon 1320: Bordeaux be-
findet sich auſserhalb dem andalusischen Lande im französischen Ge-
biete. Die Schwerter, die man dort macht, sind berühmt.


1375 wurden an Guitard de Junquyères, Waffenschmied von
Bordeaux, und Lambert Braque d’Alemanie, armurier de cotes de
fer (also einem deutschen Panzerschmied oder Sarwochten) 100 Gul-
den aragonisches Gold gezahlt, wofür sie folgende Waffenlieferung
übernahmen: „per los quans le premetan et s’obligan avec portat
à Morlaas 60 bacinetz ab capmalh et 60 cotes de fer o plus si plus
poden, boos a sufficeutz (Arch. de B. Pyrenées, E. 302, p. 129). —
1401 erhält Jehan Yvorin, Schwertfeger (fourbisseur d’espées), für
ein Schwert von Bordeaux 108 s. (Cpte. de l’ecurie du roi f°. 44).


Viele und mit die berühmtesten Waffenschmiede in Bordeaux
waren Fremde; dies beweist auch folgende Nachricht aus dem Jahre
1490 2): „Vor sechs Jahren vereinigten sich Etienne Daussonne,
Amboye de Caron, Haroles et Glaudin Bellon
, Eingeborene von
Mailand in der Lombardei, und Pierre de Sonnay, eingeboren in
dem Herzogtume Savoyen, in Bordeaux eine Waffenfabrik zu eröffnen
(à ouvrer et trofiquier du maitre de armurerie) auf 20 Jahre.“ —
Gute Waffenschmiede wurden in andere Länder berufen oder zogen
selbst an Plätze, wo guter Absatz war. So erhält 1573 Bastite de
Millan
, wohnhaft zu Navarra, für die Unterhaltung der Panzer für
König Heinrich 20 l. t.


[875]Italien, Spanien und Frankreich.

Von hohem Interesse ist das Statut der Waffenschmiede zu
Angers von 1488, welches Gay (S. 71) mitgeteilt hat, und von dem
wir das Wichtigste hier folgen lassen:


1. Quiconque vouldra estre armurier
ou brigandinier, fourbisseur et garnis-
seur d’espées et de harnois …
1. Ein Jeder, der Waffenschmied,
Panzerschmied, Polierer und Reider von
Schwertern und Harnischen sein will …
2. It. lesquels maistres desd. mestiers
seront tenus besoigner et faire ouvrage
de bonnes étoffes, c’est assavoir pourtant
que touche les armuriers ils feront har-
nois blancs pour hommes d’harmes, de
toute épreuve qui est à dire d’arbaleste
à tillolles et à carousel à tout le moins
demi espreuve, qui est à etendre d’arba-
leste a crocq et traiet d’archiers, et pour
tant que touche les brigandiniers, ils
seront tenus pareillement faire brigan-
dines, c’est assavoir les plus pesantes de
26 à 27 livres poix de marc tout au
plus, tenant espreuve d’arbaleste à til-
lolles et marquées de 2 marques, et les
moindres de 18 à 20 livres, tel poix,
que dessus et d’espreuve d’arbaleste à
crocq et traiet d’archier, marquées d’une
marque. Et seront icelles brigandines
d’assier, trampées partout et aussi tout
garnies de cuir entre les lames et la
toille, c’est assavoir en chacune ren-
contre de lames, et ne pourront faire
lesd. brigandines de moindre poix de
lame …
2. It. Dieselbigen Meister der ge-
nannten Gewerbe sollen gehalten sein
zu sorgen, daſs sie guten Stoff ver-
arbeiten; wir verkündigen zunächst, was
die Waffenschmiede betrifft, daſs sie
ihre blanken Harnische für Kriegsleute
machen sollen, und daſs sie die Probe
aushalten gegen Kampf- und Turnier-
armbrüste und wenigstens die halbe
Probe gegen Hakenbüchsen und Pfeil-
geschosse; und was sodann die Panzer-
schmiede angeht, so sollen sie eben-
falls gehalten sein, Schuppenpanzer zu
machen, von denen die schwersten höch-
stens 26 bis 27 Pfund Markgewicht
wiegen dürfen und die Probe aushalten
von Kriegsarmbrüsten, solche sollen mit
zwei Zeichen gezeichnet sein, die ge-
ringeren sollen 18 bis 20 Pfund desſelben
Gewichtes schwer sein und die Probe
der Hakenbüchsen und Pfeilgeschosse
aushalten, diese werden einmal ge-
zeichnet. Und es sollen diese Panzer
von Stahl sein, gleichmäſsig gehärtet und
mit Leder bekleidet zwischen den Schup-
pen und der Leinwand, und es wird ver-
ordnet, daſs die Schuppen sich berühren
und sie den Panzern kein geringeres
Gewicht an Schuppen geben dürfen …
3. It. et il faudra que lesd. lames
soient limées tout à l’entour à ce que
les étoffes durent plus largement …
3. It. und müssen auch diese Schup-
pen ringsum abgefeilt sein, damit die
Stoffe um so länger halten …
10. It. Que les marchaus et ouvriers
desd. mestiers, tant faiseurs d’espées,
baches, guys armes, voulges, daques et
autre habillement de guerre, seront tenus
de faire tout ouvrage bon, loyal et
marchant.
10. It. Daſs die Händler und die Ar-
beiter der genannten Gewerbe, als die,
welche Schwerter, Äxte, Hellbarten,
Jagdspieſse und anderes Kriegsgeräte
schmieden, verpflichtet sind, ihre ganze
Arbeit als richtige, gute Kaufmanns-
ware zu machen.
11. It. que tous fourbisseurs et gar-
nisseurs d’espées, tant visilles que neufves,
seront tenus de faire fourreaux de cuir
de vache ou de veau, et les pointures
de cuir de vache, la poignée d’icelles
nouée de fouer (fouet) et se aucunes
poignées, sont faietes de cuir, icelles
11. It. daſs alle Polierer und Schwert-
feger, die alten wie die neuen, gebunden
sein sollen, die Scheiden aus Kuh- oder
Kalbsleder anzufertigen und die Spitzen
von Kuhleder, die Hefte derselben aber
aus Peitschenschnur gewickelt, daſs aber
keine Hefte aus Leder gemacht, sondern
poignées seront garnies de fisselles par
dessoubz led. cuir …
diese Hefte nur mit Streifen von Leder
umkleidet werden dürfen …
12. It. Et pareillement les atelles de
fourreaux seront neufves et de bois de
fouteau sec …
12. It. Und gleichermaſsen sollen die
Gestelle der Scheiden neu und aus
trockenem Buchenholz sein …
18. It. que nuls marchans ne mai-
tres forains ne pourront tenir ouvrouers
ne boutiques de harnois, brigandines,
javelines, lances, picques, ne espées, ne
choses d’appendantes desd. mestiers en
ceste ville, s’ils ne sont maistres en
cette ville 1).
18. It. daſs keine fremden Kaufleute
oder Händler Werkstätten oder Verkaufs-
buden von Harnischen, Panzern, Wurf-
spieſsen, Lanzen, Piken, noch Schwerter
noch sonstige Dinge, welche zu den ge-
nannten Gewerben in dieser Stadt ge-
hören, haben dürfen, sie seien denn
Meister in dieser Stadt geworden.

Von sonstigen mehr oder weniger berühmten französischen oder
in französischen Diensten stehenden Waffenschmieden führt Gay die
folgenden auf:


  • 1352 N. Wagnier, armurier du roy et brodeur.
  • 1421 Guill. le Loup et Pierre Manring (Armbrustmacher).
  • 1447/50 Barbarin de Trez de Milan, Panzerschmied.
  • 1447 Jean de Bonnes et Jean Rinon, die für König René
    arbeiteten; ebenso
  • 1448 Mermet du Perry d’Aix (von Aachen).
  • 1448 Jehan de Galles von Tours.
  • 1456 Thomassin Baigneux, armurier du roy.
  • 1488 Pierre Haucher de Tours, armurier du roy.
  • 1489 Gilbert Ledaing.
  • 1508 Louis Merveilles, und 1510 Jaques Merveilles von
    Tours.
  • 1528 Robert Dumesnil dit le Normant, Armbruster.
  • 1561 Roquelin Dehoux, fourbisseur damasquineur de Paris.
  • 1572 Mons. Hans, Waffenschmied, der für seine Kürasse garan-
    tierte (faisant corps de cuirasse à l’êpreuve 100 l. t. pougages).
  • 1580 Bourgeoys de Moulins.
  • 1591 Michel Legendre, armurier du roy. Hierosme Corcol
    et Laurent Hasle von Tours.

Auch für den Aufschwung der Artillerie gaben die Könige im
15. Jahrhundert die Anregung. Zu Beginn der Regierung Ludwigs XI.
gehörte die Artillerie noch den Städten, Innungen, Korporationen u. s. w.
Er schuf die königliche Artillerie, und an die Spitze derselben stellte
er den genialen Gaspard Bureau, den er 1461 zum Général ré-
[877]Italien, Spanien und Frankreich.
formateur et visiteur des oeuvres et ouvriers du royaume de France
ernannte.


Ein vorzüglicher Gedanke Bureaus unter anderen war es, daſs
er für alle neue Einrichtungen erst Modelle anfertigen lieſs. Lud-
wig XI. lieſs die berühmten 12 Geschütze, genannt die 12 Pairs von
Frankreich, gieſsen. 1477 goſs man auf seinen Befehl 12 andere
kolossale Bombarden, welche Eisenkugeln von 500 Pfund Gewicht
schossen. So schuf er eine Artillerie, welche damals die beste Europas
war 1). Karls VIII. Artilleriepark, mit dem er bei seinem italienischen
Feldzuge die Welt in Erstaunen setzte, bestand aus etwa 140 Stücken,
sodaſs je 5 Geschütze auf 1000 Mann kamen. 36 davon dürften
schweren Kalibers gewesen sein. Die Artilleriemannschaft bestand
aus 300 Büchsenmeistern, 6200 Pionieren (vastadeurs-gastadon),
4000 Fahrern, 8000 Pferden und noch einer groſsen Zahl Handwerkern.


Von jeher hat die Messer- und Scherenfabrikation in Frankreich
geblüht. Folgende, in Fig. 196 dargestellte Formen französischer Scheren
im 14. und 15. Jahrhundert sind von Interesse:


Figure 207. Fig. 196.

a) Eine Falkonierschere von 1306 nach Bibl. Richelieu m. fasc. 22400 f°. 1040°.
b) Schere aus einer Handschrift der Bibliothek von Besançon von 1400. c) Wappen
der Pariser Schneider von 1463 (von Forgenis, Plombs historiés).


Französische Messerformen des 15. und 16. Jahrhunderts sind
Fig. 131 schon mitgeteilt. Auſser in den Städten Tours, Rouen und
Paris wurden Messerwaren geschmiedet in Thiers und St. Remy in
der Auvergne, in Langres, Neufchateau (D. des Vosges), Châtellerault
(D. Vienne), Issoudun (D. des Indres) und Annecy in Savoyen.


In der Metalldrahtfabrikation leisteten die Franzosen viel, weniger
in der Eisendrahtfabrikation. Sie waren besonders geschickt in dem
[878]Italien, Spanien und Frankreich.
Ziehen feiner Drähte. Ihnen gebührt angeblich die Erfindung, Silber-
draht vergoldet und ausgezogen zu haben, wahrscheinlich im 15. Jahr-
hundert. Ebenso stammt der Leonische oder Lionische Draht, d. h. der
vergoldete oder versilberte und dann feingezogene Kupferdraht, den
man verspinnen kann, aus Lyon in Frankreich. Diese Kunst scheint
im 16. Jahrhundert aufgekommen zu sein. Richard Archal nennen
die Franzosen als Erfinder des Eisendrahts und leiten die Bezeich-
nung fil d’Archal von demselben her. Doch weiſs man sonst nichts
von diesem Archal, und wenn er überhaupt gelebt hat, so wird er
nur Verbesserungen der Drahtfabrikation in Frankreich eingeführt
haben, die ja in Nürnberg und Augsburg um jene Zeit schon mit
Maschinen betrieben wurde.


In der Schlosserkunst leisteten die Franzosen Vorzügliches; wir
verweisen deshalb auf die Werke von Violet le Duc.


Die Erze gehörten in Frankreich der Krone, und es war die Re-
galität streng durchgeführt, indem alle früheren Belehnungen mit
dem Bergregal bereits von Karl VI. widerrufen und aufgehoben wor-
den waren. In der Bergordnung Karls VI. vom 30. Mai 1413, welche
alle früheren Bestimmungen widerruft, welche von Ludwig XII. 1498
und von Franz I. 1498 bestätigt worden und die Grundlage der
französischen Berggesetzgebung bildet, heiſst es: „Wir haben durch
eine unwiderrufliche königl. Verordnung, Gesetz etc. bestimmt und
erklärt, — daſs keine geistliche oder weltliche Herrschaft, von
welchem Rang und Stand auch immer, in unserem Königreich weder
jetzt noch in Zukunft, unter welchem Vorwand auch immer, Vorwand,
Recht oder Macht haben soll, Bergwerke in Besitz zu nehmen, anzu-
sprechen oder zu fordern, noch von anderen in unserem Königreiche
den Zehnten oder einen anderen Anspruch an ein Bergwerk zu ver-
langen, sondern sollen durch Gesetz und Recht davon ausgeschlossen
sein: denn uns allein, Kraft unserer Rechte und könig-
lichen Majestät, gebührt der Zehnte und nicht andern
.“


Die Bergordnung bestimmt sodann freies Weg- und Wasserrecht
für die Bergwerksunternehmer, freies Schürfrecht auf einen Schürf-
schein hin und gegen Erlegung des Zehnten; ferner den Bergleuten
persönliche Freiheit und Schutz und besondern Gerichtsstand bei
einem vom König ernannten Richter (Berggericht).


Heinrich II. erweiterte die Rechte der Bergleute durch Verord-
nung vom 30. September 1548 dahin, daſs ihnen gestattet sein solle,
Land und Wasser, soviel zu dem Bergwerk erforderlich sein sollte,
in Besitz zu nehmen gegen entsprechende Entschädigung an den
[879]England.
Grundbesitzer. Eine weitere Vergünstigung erteilte derselbe König
am 10. Oktober 1552 durch eine Verordnung, welche bestimmte, daſs
wegen der Erhebung des Zehnten den Bergwerken keine Schwierig-
keit noch Aufenthalt gemacht werden dürfe, daſs derselbe auf Grund
der Bücher und des darauf zu leistenden Eides erhoben werden solle.
Daſs sich diese Verordnung auch auf die Eisensteingruben bezieht,
folgt aus dem Wortlaute. Es heiſst ausdrücklich, daſs von dem Eisen,
welches in gewöhnlichen Schmelzen gemacht wird, nur der Zehnte
für die Krone erhoben werden dürfe, die Grundbesitzer aber keine
Ansprüche hätten, als den auf Schadenersatz. Und hierzu bestimmt
eine Verordnung Franz II. vom 29. Juli weiter, daſs dieser Schaden-
ersatz durch Sachverständige geschätzt und von dem Richter fest-
gesetzt werden sollte, daſs den Grundbesitzern aber keinerlei Forde-
rung später etwa daraus erwachse, daſs das Bergwerk zu groſser
Blüte käme.


England.

Englands reiche Eisenschätze kamen erst seit der Verwendung
der Steinkohle als Brennmaterial für die Eisenerzeugung und der
Benutzung des Dampfes als Triebkraft zu ausgedehnter Verwendung.
Der Riesenbau der britischen Eisenindustrie ging von kleinen An-
fängen aus. Zwar besaſs England eine alte einheimische Eisenindu-
strie, die besonders in Glocestershire und in Sussex schon früh einen
gröſseren Aufschwung genommen hatte, aber die eigene Erzeugung
deckte den Bedarf nicht, und England war auf fremde Einfuhr an-
gewiesen. Dies war umsomehr der Fall, als besonders seit Eduards III.
Zeit der Bedarf sich bedeutend steigerte, sowohl infolge des Auf-
schwunges der Gewerbe, als infolge der unaufhörlichen inneren und
äuſseren Kriege, welche mit den Fortschritten der Bewaffnung immer
gröſsere Auforderungen an die Ausrüstung, die ja zumeist von der
Eisenindustrie beschafft werden muſste, stellte. Dazu stand der Ver-
brauch an Holz für den Hausbrand, die Gewerbe, besonders aber
auch für die immer mehr erblühende Schiffahrt in keinem Verhältnis
zu dem einheimischen Waldbestande, sodaſs schon früh Holzteuerung
eintrat, welche auch die Eisenpreise in die Höhe trieb und den frem-
[880]England.
den Wettbewerb begünstigte. So sehen wir denn die Eiseneinfuhr
besonders seit Eduards III. Zeit eine groſse Rolle spielen. Wir haben
schon früher wiederholt geschildert, welche hervorragende Rolle die
deutsche Hansa hierbei spielte, welche durch ihren Stahlhof lange
Zeit den englischen Eisenhandel beherrschte. Die deutschen Kauf-
leute brachten nicht nur deutsches Eisen und deutsche Eisenwaren
in London zu Markt, sondern importierten auch Eisen aus Schweden,
dessen Eisenhandel sie fast ganz in ihren Händen hatten. Selbst
spanisches Eisen wurde von den Hanseaten nach England gebracht,
obgleich England im Mittelalter durch den Besitz der Gascogne nächster
Nachbar der pyrenäischen Eisenwerke war. Allerdings bezog England
spanisches Eisen auch auf eigenen Schiffen, und ebenso war es eifrig
bemüht, seinen Bedarf an skandinavischem Eisen direkt von der ihm
so günstig gelegenen Küste von Norwegen selbst zu beziehen. Wir
haben gesehen, daſs 1395 bereits eine groſse Zahl englischer Kauf-
leute in Bergen ansäſsig war, trotz der beherrschenden Stellung, welche
die Hansa dort einnahm. Dies führte zu Streitigkeiten und zu einem
Jahrhunderte langen Wettkampfe mit der Hansa, aus welchem Eng-
land zuletzt siegreich hervorging. Das Wichtigste hierüber haben wir
bereits mitgeteilt (S. 573 etc.).


Scrivenor sagt in seiner Geschichte des Eisenhandels: „wäh-
rend dem 14. und 15. Jahrhundert wurde Eisen und Stahl von
Deutschland, Preuſsen und andern Plätzen, und auch von Spanien
importiert“. Das Eisen von „Preuſsen“ war hauptsächlich das von
Danzig importierte schwedische Eisen (Danzic iron), denn Danzig war
die „Quartierstadt“ für Preuſsen. Im 14. Jahrhundert bestand be-
reits eine Niederlassung englischer Kaufleute in Danzig.


Eduard III. erlieſs im Jahre 1354 eine Verordnung, welche ein-
schärft, daſs kein Eisen, welches in England gemacht oder nach Eng-
land eingeführt worden sei, aus dem Reiche ausgeführt werden dürfe,
bei Strafe des doppelten Wertes. Zu jener Zeit waren die Preise
sehr in die Höhe getrieben worden von denen, die es besaſsen; ein
Beweis, daſs es daran mangelte. Derselbe König lieſs viele Hand-
werker aus Flandern und den Städten am Rhein kommen, welche
sich in London und andern gröſseren Städten Englands ansiedelten
und die Gewerbthätigkeit in Aufschwung brachten, darunter be-
sonders auch die Fabrikation von Kleineisenwaren. Auſser in London
gelangte-diese in Birmingham und Sheffield zur Blüte, namentlich
die Fabrikation von Messern. Trotzdem dauerte die Einfuhr auch
dieser Artikel ununterbrochen fort, wie aus einer Petition der Eisen-
[881]England.
fabrikanten von London und andern Städten an das Parlament im
Jahre 1483 hervorgeht. Dieselben beklagten sich über den groſsen
Schaden, den sie durch die Einfuhr der Artikel, die sie fabrizierten,
erlitten und sie erwirkten einen Parlamentsbeschluſs gegen die
Einführung von „Messern, Gehenke, Schneiderscheren, Handscheren
und Eisen, Feuerzangen, Bratroste, Schlösser, Schlüssel, Thür-
angeln und Haken, Sporen, Gebisse, Steigbügel, Schutzketten,
Blechnägel mit Eisenstift, Schuhschnallen, Tuchscheren, Eisendraht,
eiserne Leuchter, Gitter und andere Erzeugnisse der heimischen
Gewerbe“.


1417 hatten die Messerschmiede Londons von König Heinrich V.
Zunftrechte erhalten, die Sheffielder besaſsen dieselben angeblich schon
hundert Jahre früher 1). Der Dichter Chaucer (um 1360) sagt schon:
„a Shefield thwytel bare he in his hose“. Thwytel war das Messer, das
der gewöhnliche Mann in einer Scheide an der Seite trug und wo-
mit er auch seine Nahrung zerteilte. Aber trotzdem kommen deutsche,
französische und kölnische Messer (knyves of Almagne, knyves of
France, knyves of Collagne) unter den in den Zollrollen aus der Zeit
Heinrichs VIII. eingeführten Waren vor. Einen groſsen Aufschwung
erfuhr die Sheffielder Eisenindustrie durch den Zuzug niederländi-
scher Messerschmiede um 1570. Auch in Salisbury und Woodstock
blühte das Messergewerbe.


Die Angabe O’Reillys in den Annales des arts et manufactures
(t. VI, p. 226), daſs es in der Mitte des 15. Jahrhunderts in England
Hochöfen gegeben habe, welche groſs genug waren, um mit Holz-
kohlen in 24 Stunden 40 bis 60 Ctr. Roheisen zu schmelzen, ist
ohne Zweifel falsch und wird durch nichts bestätigt. Ebenso erscheint
die Nachricht, daſs im Jahre 1475 unter Eduard IV. durch dessen
Bruder Richard, Herzog von Gloster, in dem Forest of Dean Hoch-
öfen von Niederländern errichtet worden seien, zweifelhaft. Aller-
dings wurde die Bewegung, die Privilegien der fremden Kaufleute zu
vernichten, sich von deren herrschendem Einfluſs zu befreien und die
einheimische Industrie zu fördern, gegen Ende des 15. Jahrhunderts
immer mächtiger. Insbesondere war es der immer einfluſsreicher
werdende Verband englischer Groſshändler, der merchant adventurers,
welche dieses Ziel mit allen Mitteln anstrebten und auch den ver-
räterischen Überfall des Stahlhofes im Jahre 1493 veranlaſst hatten.
Beck, Geschichte des Eisens. 56
[882]England.
Noch aber war die Macht der Hansa ungebrochen und gerade um
die Wende des Jahrhunderts war die Einfuhr fremden Eisens auf
fremden Schiffen eine groſse.


Was den deutschen Kaufleuten in London am meisten zu Macht
und Ansehen half, war ihr Reichtum, der sie in den Stand setzte,
die englischen Könige, die in fortwährender Geldverlegenheit waren,
immer von neuem zu unterstützen.


Schottland war noch mehr wie England auf die Einfuhr fremden
Eisens angewiesen, denn seine heimische Erzeugung war ganz gering.
Es bezog Stahl aus Flandern und Eisen von Danzig und andern
Hansahäfen.


In Schottland blühte nur ein Eisenschmiedegewerbe, die Schwert-
schmiedekunst, welche ihren Anfang, oder den Anfang ihres Auf-
schwungs, wohl nur sagenhaft auf einen fremden Klingenschmied,
Andreas von Ferrara, zurückführt, der angeblich gegen Ende des
15. Jahrhunderts in Schottland thätig gewesen sein soll.


Um diesen Andreas Ferrara hat sich ein förmlicher Sagenkreis
gesponnen. Es ist aber wohl kein Zweifel, daſs er identisch ist mit
dem Andrea Ferrara von Belluno, geboren um 1530, gestorben nach
1583, welcher einer der bekanntesten Klingenschmiede Italiens in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war und von dem auf dem Wege
des Handels viele Klingen nach England und Schottland gekommen
sind. Da er seinen Namen auf die Klinge schlug, kam es, daſs eine
gute Schwertklinge damals schlechthin eine Andreas Ferrara hieſs.
Heinrich VIII. kann aber diese Klingen der Zeit noch nicht bezogen
haben. Auch die von Dillon1) mitgeteilte Überlieferung vermengt
Verschiedenes in irriger Weise. Danach habe Katharina von Arra-
gonien ihrem Gemahl Heinrich VIII. eine gröſsere Zahl berühmter
Schwerter aus Erz von Mondragon (Toledoklingen) zum Geschenk ge-
macht, von denen man noch einige bei den Hochländern in Schott-
land antreffe, wo man sie unter dem Namen Andreas Ferrara, als
des Meisters, der auf der Klinge steht, sehr in Ehren halte. Klingen
mit dem Namen Andreas Ferrara waren allerdings noch um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts in England nicht selten. Dillon
erwähnt ein Schwert, das sich in der kleinen Gewehrkammer im
Tower in London befinde, mit dem Namen Andreas Ferrara, ohne
anderes Zeichen; dasſelbe wurde 1715 bei der schottischen Rebellion
erobert.


[883]England.

Die englischen Schwertschmiede verarbeiteten mit Vorliebe spani-
sches Eisen.


Feld- und Belagerungsgeschütze wurden von den Engländern
schon früh verwendet. Bekannt ist, daſs die Schlacht von Cressy
1346 hauptsächlich durch die englischen Geschütze gewonnen
wurde. Diese, sowie die Munition, wurden im Auslande gekauft
oder in dem englischen Frankreich hergestellt. In den Rechnungen
der Kriegskasse (of the Treasurer of War) findet sich bereits im
Jahre 1338 ein Ausgabeposten: „an Henry de Faumichan für
Schieſspulver und sonstigen Bedarf für die Kanonen zu der Belagerung
von Puii Guillaume“. 1378 wurden aber, wie es scheint, auch be-
reits Kanonen in England angefertigt, denn König Richard II. gab in
diesem Jahre Thomas Norwich den Auftrag, zwei groſse und zwei
kleine Kanonen in London oder einem andern Platze zu kaufen.


Die 400 Geschütze, welche die Engländer bei der Belagerung von
St. Malo hatten, waren wohl zum gröſseren Teile Handkanonen. Alle
diese Geschütze waren aus Eisen geschmiedet. Der Guſs von Kanonen
kam in England erst im 16. Jahrhundert auf.


Bessere Waffen wurden groſsenteils aus dem Auslande bezogen.
Schon Heinrich Bolingbroke rüstete sich mit mailändischen Waf-
fen aus.


Genauere Nachrichten über das englische Bewaffnungswesen be-
sitzen wir aus der Regierungszeit Heinrichs VIII., der groſses Inter-
esse am Waffenwesen nahm. Von dem ersten Jahre seiner Regierung
(1509) an wurden Waffen und Kriegsgerät vom Auslande verschrieben
und eingeführt, und zwar aus Deutschland, Italien und Frankreich 1).


1509 verkaufen Louis de Fava und Leonhard Friscobald,
beides Italiener, groſse Vorräte von Kriegswaffen an den König. —


1511 entsendet König Heinrich den Richard Jerningham
und zwei andere Edelleute seines Hofes nach Deutschland und Italien,
um Waffen und Kriegsgerät zu kaufen. Einiges davon war für seinen
eigenen Gebrauch; aber auſserdem berichtet Jerningham 1513,
daſs er einen sehr vorteilhaften Handel in deutschen Rüstungen
(„Almain rivets“) für 5000 Fuſssoldaten in Mailand abgeschlossen
habe. Etwa um dieselbe Zeit hatte Heinrich durch Wolsey mit
einem florentinischen Kaufmanne Guy de Portenary für 2000 Al-
main rivets abgeschlossen, und hierbei erfahren wir auch, was man
56*
[884]England.
um 1512 unter diesem Ausdruck verstand. Die 2000 vollständigen
Harnische, genannt „Almayne ryvettes“, sollten dem Muster ent-
sprechen, welches John Dauncy in Händen hatte, und stets be-
stehen aus einer Haube (salet), einem Halsberge (gorget), einem
Brust- und einem Rückenpanzer.


Der Preis war in wenigen Jahren bedeutend gestiegen, denn 1509
waren nur 8 Schillinge und 1511 11 Schillinge für eine Rüstung be-
zahlt worden. Ebenso wurden groſse Quantitäten von Kanonen aus
Guſseisen, Schmiedeeisen und Bronze von Hans Popenruyter
zu Mecheln auf königliche Rechnung bezogen.


Auſser fertigen Waffen wurde auch Material für Waffen bezogen.
Im Mai 1516 erscheint eine Zahlung an John Hurdy von der Fisch-
händlerzunft für vier Gebund Isebroke Stahl zur Waffenbereitung mit
8 Pfd. Sterl. 6 Sh. 8 P. Isebroke steht für Innsbruck, und unter Inns-
brucker Stahl ist guter steirischer oder kärntner Stahl gemeint, ähn-
lich wie ungarisches (Hungere) Eisen für steirisches Eisen gebraucht
wird.


1520 veranlaſste Heinrich VIII. zwei Waffenschmiede, Rauffe
Brand
und Richard Pelland, nach Flandern und Deutschland zu
gehen, um Waffen, namentlich Turnierwaffen, zu kaufen. Um diese
Zeit kamen nicht nur Waffen, Kanonen und Kanonenkugeln vom Aus-
lande, sondern König Heinrich veranlaſste auch deutsche Steinkugel-
macher nach England zu kommen. Seine Büchsenmeister waren fast
alle Ausländer, namentlich Deutsche, teilweise auch die Musketiere.
1535 wurde Mores mit Dethick, einem geborenen Deutschen
(dutchman), welcher ein Waffenschmied des Königs in Greenwich war,
nach Lübeck „und Deutschland“ geschickt, von wo sie nach mehreren
Monaten mit einigen Hundert Musketieren und alten Soldaten zurück-
kehrten.


Daneben aber war Heinrich VIII. eifrig bemüht, eine Waffen-
fabrikation in England selbst zu gründen und zu fördern.


Einzelne Waffenschmiedemeister waren ja auch schon vordem im
Solde der Könige gewesen. Zu Heinrich VII. Zeit werden genannt:
die englischen Waffenschmiede John Smythe und Robert Litton,
die französischen Philipp de Vigne und Ralph de Pontew,
Panzerer des Königs (maker of brigantines to the king) und ferner
Vincent Tutellar (auch als Tenteler und Tutalez angeführt), ver-
mutlich ein Spanier, welcher einen Jahresgehalt von 20 Pfd. Sterl.
bezog. Weit gröſser war die Zahl der namentlich bekannten Waffen-
schmiede Heinrichs VIII.; darunter die Engländer William Gurre
[885]England.
(brigantine maker), Andrew und Rafe Brand, Richard Pel-
land
und John Diconson, und die Fremden: Peter Fava, zwei
de Watts, Asymus Kyrkner, später zugleich Verwalter in Green-
wich, Crochet, van Ureland und Bullato. Heinrich war aber
bestrebt, förmliche Waffenfabriken zu gründen. Zu diesem Zwecke
lieſs er, wahrscheinlich mit Hilfe des ihm befreundeten Kaisers Maxi-
milian, deutsche Waffenschmiede kommen und siedelte diese „Al-
mayne armourers“ in Greenwich und Southwark an. Sie erhielten
eine besondere Livree und standen im festen Monatssolde. Daneben
werden auch Brüsseler Wagenschmiede (1511) und Mailänder (1514)
in Greenwich erwähnt. Die Ansiedelung der deutschen Waffen-
schmiede geschah 1514; von da ab erscheinen regelmäſsige Lohn-
zahlungen in den Rechnungen, so z. B. empfängt 1515 ein gewisser
Blewberg 11 Pfd. Sterl. 8 Sh. für die Bekleidung (gowns, coats and
hoses) von 11 deutschen Waffenschmieden (Almain armourers), sowie
100 Sh. für Kost. In den Monaten Juli, August und September des-
selben Jahres werden zu Greenwich 16 Pfd. Sterl. 12 Sh. 6 P. für den
Monat an Löhnen bezahlt. 1529 beliefen sich diese für 28 Tage auf
25 Pfd. Sterl. 6 Sh. 9 P. Im März 1515 erhielt derselbe Blewberg
20 Pfd. Sterl. für Herstellung einer Harnischschmiede mit Wasserrad-
betrieb (for making a harness mill), und im Oktober werden dem
Waffenschmiede Andrew Brand 26 Sh. 8 P. als monatlicher Pacht
für seine Mühle zum Polieren (cleaning) der königlichen Rüstungen
bezahlt. 1518 erhält George Lovekyn 16 P. Tagelohn für die
Beaufsichtigung der Arbeiter in dem Zeughause zu Greenwich. —
1519 betragen die Löhne der deutschen Waffenschmiede in South-
wark für 28 Tage 16 Pfd. Sterl. 13 Sh. 7 P., auſserdem erhält Sir
Edward Guildford im April 117 Sh. 6 P. für Tuch für die Waffen-
schmiede in Greenwich und Southwark, und im Mai 27 Pfd. Sterl.
4 Sh. für die jährliche Lieferung von rotem Tuch für die Uniformen
(livery) und Kersei für die Hosen der deutschen Waffenschmiede.
1530 erhält Sir Edward 23 Sh. 8 P. für die Bekleidung von
18 Waffenschmieden.


Das Material, welches die Waffenschmiede verarbeiteten, wurde
aus dem Auslande bezogen. Im Jahre 1530 scheinen Versuche ge-
macht worden zu sein, englisches Material zu verarbeiten, darauf
deutet folgendes Item in den Rechnungen der Hofkammer: Fünf
Engel (angels) gezahlt an Sir Laurence Starboro (Starber, viel-
leicht Starenberg?), deutscher Reichsritter (knight of Germania),
für die Beförderung gewisser Erze von diesem Reiche nach Nürnberg
[886]England.
(Norembarge), um daselbst auf die Güte ihres Metalles probiert zu
werden.“ Von einem Erfolge wird nichts berichtet. Vielmehr wurden
Eisen, Isebrock, d. h. Innsbrucker Stahl, Lanzen-, Speer- und Pfeil-
spitzen nach wie vor bezogen. 1556 berichtet Sir John Mason an
den Rat, daſs er 50 Gebund Harnischbleche von den Schorers in
Augsburg bezogen habe. —


Die englischen Rüstungen waren in der Regel schwarz, angeblich
weil diese das Seewasser besser vertrugen. Die Panzer hieſsen Bri-
gandinen, aber auch Millin coats, d. i. Milan coats, Mailändische
Waffenröcke.


Von Interesse sind auch die für Rüstungen gezahlten Preise.
1514 erhält der Waffenschmied des Königs von Frankreich für eine
vollständige Ritterrüstung 66 Pfd. Sterl. 13 Sh.


1515 dagegen Crochet, des Königs Waffenschmied, für eine
Rüstung (harness) 19 Pfd. Sterl. 16 Sh. 2 P. und 1516 Jacob de
Watt
24 Pfd. Sterl. und später in demselben Jahre 30 Pfd. Sterl.
für drei vollständige Rüstungen 1).


Der Preis von Jagdspieſsen (forest bills) wird 1525 zu 10 P. das
Stück angegeben.


Hellebarten für die Garde kosteten 1530 4 Sh. das Stück. 1532
werden Byscaische Wurfspieſse (darts of Byscaian fashion) erwähnt.


1533 bezahlt Thomas Saxon von London für Schäften und
Glätten von 6000 Kampfspeeren (fighting bills) 1 P. für das Stück
und für 4000 Lanzenschäfte von Eschenholz (bylle helves of asche)
6 Sh. 8 P. das Hundert, für 6000 Lanzennägel (broods genannt)
2 Sh. 6 P. die 1000 Stück.


An Lohn erhielt 1527 ein Pfeilschifter (arrow-head-maker) 4 P.
den Tag. 1547 schreibt Lord Cobham an den Lord Protector
am 16. Februar, daſs er zum Begräbnistage Heinrichs VIII. Büchsen-
schützen (hagbutters) haben könnte für 8 P. den Tag, wobei sie
Waffen und Pulver mitbrächten. Ein Steinkugelmacher erhielt 6 P.
für den Tag.


Besondere Freude hatte aber König Heinrich VIII. an Geschützen,
und ihm gebührt das Verdienst, die Geschützgieſserei in England ein-
geführt zu haben. Er legte Zeughäuser an und lieſs geschickte
fremde Gieſser nach England kommen. Vor dieser Zeit lieſs er eine
groſse Zahl von Geschützen im Auslande gieſsen, so im Jahre 1512
48 Stück von Popenruyter in Mecheln. 1513 berichtet der
[887]England.
venetianische Gesandte Bavarin, König Heinrich habe Kanonenzeug
um die Hölle einzunehmen.


Den besten Einblick gewährt das Inventar, welches im ersten
Jahre der Regierung Eduards VI. 1547 über das hinterlassene Ver-
mögen König Heinrichs VIII. aufgenommen wurde, insbesondere über
die Waffen und Kriegsgeräte in den Zeughäusern zu Westminster,
dem Tower und zu Greenwich 1). Danach waren von den Kanonen
im Tower 64 von Bronze und 351 von Eisen. Auf einer sonderbaren
Bronzekanone mit drei nebeneinander liegenden, aber in einem Stück
gegossenen Rohre Heinrichs VIII. steht die Inschrift „Petrvs Bavde
Gallus operis artifex“. Dieser Peter Baude (Bawde) aus Frank-
reich war der berühmteste Geschützgieſser des Königs, welcher auf
die Entwickelung der Stückgieſserei in England den gröſsten Einfluſs
gehabt hat. Aber er war durchaus nicht der einzige ausländische
Kunstgieſser, den Heinrich in seine Dienste gezogen hatte. Neben
ihm werden genannt Arcanus de Arcanis von Cesena in Italien
und Peter van Collen (Köln), welche den Engländern ihre Kunst
lehrten. Von englischen Künstlern werden genannt die Owens,
Huggets, Walker
(der Heinrichs VIII. Grabmal machte), Her-
bert, Lowyn, Symondo, Norton, Levelt, Johnson
und andere,
welche später sowohl eiserne als bronzene Kanonen und Büchsen
überall im Reiche machten.


Der erstgenannte Peter Baude goſs schon 1525 zu Hounds-
ditsch Bronzekanonen für den König. Aber erst 1543 wurden die
ersten guſseisernen Kanonen in England gegossen. Ein alter eng-
lischer Reim sagt:


Master Hugget and his man John

They did cast the first cannon,

und zwar soll dies geschehen sein zu Buchsted (Buckstead, Buxted,
Buxtead) in Sussex 1543.


Ob den Genannten oder dem Peter Baude, wie meistens an-
genommen wird, aber wirklich dieser Ruhm gebührt, ist nicht ganz
klar. Es liegt eine Rechnung vor von 1516, wonach eine Zahlung
von 33 Pfd. Sterl. 6 Sh. 8 P. an John Rutter von London geleistet
wird für Miete sowie Zerstörung und Schaden an einem ihm ge-
hörigen Gebäude, in welchem des Königs groſse Kanone „Basiliscus“
gegossen worden war, also wurden schon vor P. Baude Geschütze
[888]England.
in England gegossen. 1532 schreibt der Venetianer Carlo Capello,
daſs König Heinrich täglich den Tower besuche, um das begonnene
Werk, den Guſs von Kanonen und die Anfertigung von Schieſspulver
zu beschleunigen. Bezüglich der ersten guſseisernen Kanonen sagt
eine andere Nachricht 1), daſs dieselben 1543 zu Buxtead in Sussex
von Ralph Hogge, dem Gieſsermeister, der als seinen ersten Ge-
sellen Peter Baude, einen Franzosen, beschäftigte, hergestellt wurden.
Hogge (oder Hoge) hatte aber auch einen geschickten flämischen
Kanonenschmied, Peter van Collet, im Dienst. Dieser machte
Mörser von 9 bis 11 Zoll lichter Weite, dazu Hohlkugeln aus Guſs-
eisen, mit Zündmasse gefüllt, welche in Stücke sprangen (Granaten).
Dieser Peter van Collet hätte demnach wohl die Herstellung der
Hohlgeschosse in England eingeführt. — Peter Baude hätte dann
selbst ein Geschäft gegründet und sowohl Bronze- wie Guſskanonen
gemacht. Einer seiner Gesellen, John Johnson, und nachmals
dessen Sohn Thomas, wurden berühmt wegen der Güte ihrer Guſs-
kanonen.


Die Hogges trieben das Geschäft durch mehrere Generationen.
Hugget war gleichfalls ein berühmter Kanonenfabrikant. Noch
heute giebt es Eisenschmiede namens Hugget in Ost-Sussex. Owen
war besonders berühmt durch seine Bronze-Kulevrinen, auch diesem
werden die ersten guſseisernen Kanonen zugeschrieben. 1740 hob
Kapitän Roe mit der Taucherglocke an der Küste eine eiserne
Kanone, welche das Zeichen eines englischen Stückgieſsers: R. \&
J. Philipps 1584 mit E. R. und der Krone trug 2). Gewöhnlich
werden die Jahre 1547 oder 1555 für die ersten in England ge-
gossenen eisernen Kanonen angegeben. Nach dem oben Angeführten
ist dies nicht richtig, sondern ist das Jahr 1543 hierfür anzunehmen.
Der Guſs eiserner Kanonen wurde im Laufe des 16. Jahrhunderts
eine groſsartige Industrie für England, worauf wir später zurück-
kommen werden.


Die schweren Handfeuerwaffen, die auch canons heiſsen, wurden
vielfach aus dem Auslande bezogen. In dem Inventar des Towers
werden unter den vielen Arten besonders Noremboro-canons (Nürn-
berger Büchsen), Portugal slings und Boymisch hag-bushes aufgeführt.
Aber auch aus Italien, besonders aus Brescia, wurden viele Hand-
feuerwaffen eingeführt. Als ein berühmter Büchsenschmied wird Lo-
[889]England.
renzo Comminazo erwähnt. Schon 1511 erscheint eine Zahlung
von 200 Pfd. Sterl. an Ludwig und Alexander de Fava für
500 Arkebusen, das Stück kostete demnach 8 Sh. 1544 fragte Hein-
rich VIII. bei dem Dogen von Venedig an, wegen Ankaufs von
1500 Arkebusen und 1050 Rüstungen für Mann und Roſs zu Brescia.
Indessen wurden damals schon viele Handfeuerwaffen in England an-
gefertigt. 1530 erhält Cornelius Johnson, König Heinrichs
Büchsenmacher und Hofschmied, für 100 Büchsen (Landguns), die nach
Irland geschickt wurden, den Preis von 5 Sh. für das Stück bezahlt.


Eiserne Kugeln finden wir in den Rechnungen bereits 1512 er-
wähnt. In diesem Jahre wurden 26 Pfd. Sterl. 10 Sh. 4 P. an Ro-
bert Scorer
für 10 Tonnen Eisenkugeln, also 2 Pfd. Sterl. 13 Sh.
4 P. für die Tonne bezahlt. 1517 werden 475 Kugeln von 75 Pfund
Gewicht das Stück für des Königs „Basiliscus“ von George
Brown
gekauft. Dabei findet sich der Zusatz „made by Hum-
phrey Walker“. Wenn dies eiserne Kugeln waren, so wurden da-
mals schon solche in England angefertigt. In den Rechnungen jener
Zeit erscheinen aber meistens nur Steinkugelmacher, als solche
werden 1511 Richard Sackfeld und 1514 Richard Scerer
(Scherer)
, beides dem Namen nach Deutsche, erwähnt. Sie er-
hielten 6 P. Tagelohn. 1523 sandte Kaiser Karl V. auf Heinrichs
Ersuchen einen Kugelmacher, der als der beste in Spanien galt. Die
eisernen Kugeln waren zuerst geschmiedet. Sie hieſsen dice, Würfel,
waren also mehr eckig wie rund; der Ausdruck entspricht der deut-
schen Bezeichnung „Klötze“. Diese wurden dann öfter mit Blei um-
gossen; shot of iron covered with lead kommt öfter vor. Im Jahre
1523 erhielt Henry Dyke, Schmied zu Calais, eine Rechnung be-
zahlt für 1000 iron dysye, to be caste in ledde, eiserne Klötze in
Blei eingegossen.


Im Zeughause des Tower befanden sich 6700 halbe Haken- und
Handbüchsen und 275 Karabiner (demi-hakes and hand-gonnes and
shorte gonnes for horsemen, with cases of lether furnished with
hornes and purses). Die Zahl sämmtlicher Feuerwaffen im Tower und
in Greenwich betrug 1547 7700 Stück. Diese mit den vorhandenen
Lanzen, Speeren, Äxten u. s. w. reichten zur Bewaffnung von
44500 Mann aus.


Hatte Heinrich VIII. durch die Berufung ausländischer Waffen-
schmiede und die Gründung der königlichen Waffenfabriken zur Un-
abhängigkeit der englischen Eisenindustrie vieles beigetragen, so ver-
folgte die groſse Königin Elisabeth dieses Ziel mit vollem Bewuſstsein.
[890]England.
Gleich im ersten Jahre nach ihrem Regierungsantritte nahm sie die
aus Frankreich und den Niederlanden vertriebenen Protestanten auf,
unter denen sich viele geschickte Handwerker befanden.


Heinrich VIII., der mit den deutschen Kaisern Maximilian und
Karl V. persönlich in freundschaftlichen Beziehungen stand, hatte
den deutschen Kaufleuten des Stahlhofes nichts in den Weg gelegt.
Anders gestalteten sich die Verhältnisse nach seinem Tode. Eduard VI.
war den Hanseaten nicht geneigt. „Die Zeit war gekommen“, sagt
Anderson1), „daſs England endlich den Schaden erkannte, den es
von den deutschen Kaufleuten des Stahlhofes erlitt, die für englische
Tuche weit weniger Ausfuhrzoll zahlten als die Engländer selbst.
Antwerpen und Hamburg beherrschten damals den nördlichen und
mitteleuropäischen Handel; sie machten für ein- und ausgeführte
Waren Preise, wie es ihnen beliebte. Da sie alle Märkte beherrschten,
konnten die englischen Händler nicht aufkommen. Hierüber machte
die englische Gesellschaft der Merchant-Adventurers Vorstellungen
beim König. Sie klagten die Hanseaten, insbesondere die Danziger,
an, Waren fremder Kaufleute auf ihre Privilegien hin einzuschmuggeln.
Durch ihre groſsartige Korporation konnten sie alle andern Unter-
nehmer unter- oder überbieten. Sie drückten auf den Preis der
englischen Wolle, deren Handel sie beherrschten. Im vorhergehenden
Jahre (1551) hatten sie 44000 wollene Tuche exportiert, während
alle englischen Kaufleute zusammen in demselben Jahre nur 1100
ausgeführt hatten. Sie seien frei von allen Zöllen, obgleich sie doch
hauptsächlich mit fremden Waren handelten. Dies sei ein groſser
Schaden für den Staat. — Daraufhin befand der Staatsrat (the kings
Privy council): 1. daſs alle von den hansischen Kaufleuten vorgegebenen
Rechte nach den Gesetzen dieses Landes ungültig sind, da sie keine
richtige Korporation bildeten, um solche zu empfangen. — 2. Daſs
solche Gewährungen und Privilegien sich nicht auf bestimmte Per-
sonen oder Städte erstrecken und weil es unbestimmt ist, welche
Personen oder welche Städte diese Rechte genieſsen sollen, so lassen
sie auf Grund dieser Unbestimmtheit zu, daſs sie von diesen Frei-
heiten und Rechten einen jeden Gebrauch machen lassen, wie sie
wollen, zum groſsen Nachteile der Steuern des Königs und zum
Schaden des Reiches. — 3. Daſs, wenn diese Rechte auch gültig
wären, sie kein Recht gewähren, fremde Kaufleute und deren Ware
zu decken, was sie erwiesenermaſsen gethan haben. — 4. Daſs die
[891]England.
angemaſsten Privilegien gewährt waren, als die Stahlhofkaufleute die
Waren nur von ihren Städten holten und hinführten, während sie
jetzt die Waren nach Holland fahren und Gut von aller Herren
Länder einführen. — 5. Daſs die Privilegien unter Eduard VI. hin-
fällig geworden waren durch den Krieg, den sie gegen diesen König
führten; bei dem danach abgeschlossenen Vertrage war festgesetzt,
daſs die englischen Kaufleute die gleichen Vorrechte in Preuſsen und
andern hansischen Gebieten haben sollen, was aber nie eingehalten
wurde.


Aus allen diesen Gründen bestimmt der Rat, daſs die Privilegien,
Freiheiten und Befreiungen, welche von den Kaufleuten des Stahl-
hofes beansprucht werden, von nun ab ihnen genommen seien und in
den Händen des Königs Gnaden bleiben sollen, bis genannte Kauf-
leute bessere Beweise für ihre Rechte vorzubringen vermögen, wobei
ihnen indeſs alle Freiheit gewährt sein soll, die sonst einem fremden
Kaufmanne gewährt sind.“


Nach Eduards Tod bestätigte Königin Maria 1554 diese Nichtig-
keitserklärung der hansischen Privilegien; widerrief dieselbe aber
bald darauf.


Königin Elisabeth, welche eine streng nationale Politik ver-
folgte, war den hansischen Kaufleuten nicht gewogen, trotzdem erhielt
sich in den ersten Jahren ihrer Regierung ein erträgliches Ver-
hältnis.


Um jene Zeit machte die Entwaldung Englands durch die immer
kräftiger sich entwickelnde Eisenindustrie groſse Fortschritte. Der
Holzmangel machte sich fühlbar. Aus diesem Grunde erlieſs Königin
Elisabeth bereits im ersten Jahre ihrer Regierung (1558) ein Gesetz
gegen die Verkohlung von Stammholz. Darin wurde bestimmt, daſs
kein Bauholz (timber) von der Stärke von einem Quadratfuſs über
der Wurzel, welches innerhalb 14 Meilen vom Meere oder von irgend
einem Teile der Themse, des Severn oder irgend eines Flusses, einer
Bucht oder eines Stromes, worauf die Beförderung gemeiniglich mit
Boten oder andern Fahrzeugen nach irgend einem Teile des Meeres
geschieht, in Kohle umgewandelt wird oder als Brennmaterial zur
Herstellung von Eisen dient. Dieses Gesetz soll sich jedoch nicht
erstrecken auf Sussex, noch das Waldland (weald) von Kent, noch auf
eine der Gemeinden von Charldwood, Newdigate oder bis in das
innere Waldland der Grafschaft Surrey (Bd. I, Eliz. c. 15).


Zu diesem Erlasse macht Scrivenor (S. 34) folgende An-
merkungen: Eisendraht wurde in England vor dem Jahre 1568 aus-
[892]England.
schlieſslich mit der Hand gemacht und gezogen. Die Deutschen
führten damals in dem Forest of Dean und in andern Gegenden die
Kunst, ihn mittels Wasserkraft zu ziehen (of drawing it by mill), ein.
Besonders genannt wird Christoph Schultz aus Annaberg in
Sachsen, welcher nach England gekommen war wegen der Freiheit,
für Fremde nach Erzen zu schürfen1). Der gröſste Teil des Eisen-
drahtes und fertig gemachter Wollkratzen waren bis dahin eingeführt
worden. Auch die Eisen- und Drahtwerke von Abbey Tintern
waren von Deutschen errichtet worden. Um diese Zeit lieſs sich auch
eine Kolonie von deutschen Stahlschmieden am Derventfluſs, einige
Meilen von der gleichnamigen Stadt in Durham, nieder. Sie machten
sich bekannt durch ihre Schwerter und Schmiedwerkzeuge und wur-
den die Begründer der berühmten Stahlfabrikation in Durham und
Northumberland2). Im Hinblick auf den Holzmangel heiſst es in den
„Erwägungen für das Parlament im Jahre 1559“, daſs Eisenhämmer
(iron mills) aus dem Reiche verbannt werden möchten (!), denn wo
vormals das Holz auf dem Haufen kaum etwas gekostet habe, da koste
es jetzt infolge der Eisenwerke zwei Schillinge die Last. Vordem wurde
spanisches Eisen für fünf Mark die Tonne verkauft, jetzt, seitdem es
Eisenhütten hier giebt, wird englisches Eisen für neun verkauft. In
Sussex nahm die Eisenindustrie um jene Zeit einen groſsartigen Auf-
schwung. Elisabeth hatte den aus Frankreich und den Niederlanden
vertriebenen Protestanten eine Freistatt eröffnet. Viele fremde Eisen-
arbeiter, Flamländer, Deutsche und Franzosen kamen nach Sussex,
und da bei der neuen Industrie viel Geld gewonnen wurde, so warfen
sich die adligen Grundbesitzer mit Eifer darauf und brachten ihre
alten Hochwaldungen zum Opfer. Die Nevilles, Howards, Percys,
Stanleys, Montagues, Pelhams, Ashburnhams, Sidneys, Sackvilles,
Dacres und Finshes betrieben damals das Eisengewerbe mit dem-
selben Eifer, wie heute die Groſsindustriellen zu Wolverhampton,
Birmingham u. s. w. Die Holznot nahm aber dadurch immer
mehr zu.


Ein weiteres Gesetz zur Verhinderung der Zerstörung des Bau-
holzes wurde deshalb 1581 erlassen, welches hervorhob, daſs durch
die Errichtung verschiedener neuer Eisenhämmer (iron mills) in
letzterer Zeit an verschiedenen Plätzen des Reiches in geringer Ent-
fernung von London und dessen Vorstädten, oder von den Dünen
[893]England.
und Meeresküsten von Sussex, der notwendige Bedarf an Holz, so-
wohl an Bauholz und zu anderm Gebrauche, als auch alles fällbare
Holz zum Hausbrande, täglich sich mindert und seltener wird und
in nächster Zeit noch viel seltener werden wird, wodurch es kommt,
daſs die Preise sehr hoch und unvernünftig geworden sind. Zur Ab-
hülfe dessen wurde bestimmt, daſs keine neuen Eisenhämmer inner-
halb 22 Meilen von London, noch von 14 Meilen vom Themsefluſs,
noch an verschiedenen angeführten, in der Nähe des Meeres gelegenen
Gegenden von Sussex errichtet, noch Holz innerhalb dieser Gebiete
verkohlt oder als Brennmaterial zum Eisenschmelzen verwendet wer-
den durfte. Dieses Gesetz soll sich nicht erstrecken auf die Wälder
des Christoph Darrell, in der Gemeinde Newdigate, in dem Walde
von Surrey, welche Waldungen vormals wie jetzt von ihm erhalten
und gehegt werden, eigens für seine Eisenwerke in diesen Gegenden
(23, Eliz. c. 5). —


Ein weiteres Gesetz von 1585 verbot die Errichtung jeglicher
Eisenwerke in Sussex, Kent und Surrey, sowie die Benutzung jeglichen
Holzes von einem Quadratfuſs Stärke über der Wurzel als Brenn-
material für irgend ein Eisenwerk (27, Eliz. c. 19).


In Sussex entstanden zahlreiche Hochöfen, welche mancherlei
Guſswaren lieferten, darunter auch verzierte Ofenplatten. Vor allem
aber lieferten sie guſseiserne Kanonen, besonders für die Seeschiffe.
Es war ein eifriger Wettbewerb mit dem ausländischen Eisen, auch in
der Richtung, aus englischen Erzen ein an Güte dem ausländischen
Eisen gleiches Produkt zu liefern. In Shropshire entstanden gleichfalls
Hochöfen, und zu Pontypool in Südwales wurde ein Hüttenwerk er-
richtet. Die Regierung unterstützte diese Bestrebungen auf das leb-
hafteste, und der oberste Zeugmeister Sir Henry Lee muſste 1590
Versuche anstellen, ob das englische Eisen für Waffen ebenso brauch-
bar sei als das ausländische. Ein brieflicher Bericht hierüber1) ist
noch vorhanden und gewährt den besten Einblick in die damaligen
Verhältnisse. Das Schreiben, d. d. 12. Oktbr. 1590, ist an den Staats-
minister Lord Burleigh gerichtet und besagt: daſs der kürzlich ver-
storbene Staatssekretär sich sehr für das in Shropshire dargestellte
Eisen interessiert habe und daſs er, um demselben mehr Kredit, so-
wohl bei den Waffenschmieden Londons als bei Jacobi, dem Werk-
meister von Greenwich, zu verschaffen, den Rat veranlaſst habe, daſs
[894]England.
Qualitätsproben mit demselben in Gegenwart von Sir Robert Con-
stable
und seinem Vetter John Lee gemacht werden sollten. Als
Sir Henry Lee bald danach an den königlichen Hof kam, drang
der Staatssekretär in ihn, vergleichende Versuche in der königlichen
Fabrik zu Greenwich machen zu lassen, was er alsbald that. „Ich
wählte eine gute und starke Pistole, nahm sehr gutes Pulver, wog
dasselbe ab, ebenso die Kugeln, und mit der gleichen Ladung ver-
suchte ich erst die eine und dann die andere (aus Innsbruck- und
Shropshire-Eisen); die in der königlichen Werkstatt aus ungarischem
Eisen („mettell of Hungere“) angefertigte hielt aus und auſser einer
kleinen Kugelspur war nichts verletzt, die andere platzte glatt durch
und zerriſs noch einen Balken der Schutzwehr in der Länge eines
Fingers. Soviel von diesem englischen Metall. Und nun bitte ich
Ihrer Majestät vorzustellen, welches Unheil die ganze Zunft der
Waffenschmiede treffen könnte, die mit Weib und Kindern von ihrem
Gewerbe leben, meist arm sind und doch nur schwer entbehrt wer-
den können bei irgend welchen Unruhen oder im Kriege zu Land
oder zur See. Würde ein so wichtiges Geschäft in die Hände einiger
weniger gelangen, so ginge die ganze Zunft der Waffenschmiede zu
Grunde. Man hat ja wohl einige geätzte Stücke mit dem englischen
Eisen gemacht, aber wofür? Es ist besser eine Rüstung von schlech-
tem Aussehen und gutem Material zu haben, als eine von gutem
Aussehen und schlechtem Material, obgleich kein Grund vorliegt, daſs
man dem guten Metall nicht auch schöne Gestalt gäbe. Und man
sollte einen gehörigen Vorrat guten Eisens jährlich beschaffen, umso-
mehr, als es den Anschein hat, daſs die Welt bald mehr davon nötig
haben wird. Wenige Dinge bedürfen so sehr der Förderung. Würde
aber dieser Handel in die Hände weniger gebracht, so würden
diese nur danach trachten, sich zu bereichern. Wie aber würde
Ihre Majestät bedient und der Not der andern abgeholfen? Ich bin
der unterthänige Gesuchsteller für dieselben, weil ich es für ein Be-
dürfnis für unser Land und für eine Wohlthat für die armen Ge-
werbetreibenden halte.“


Königin Elisabeth war aber damals den Deutschen, insonderheit
den Hanseaten, wenig geneigt. Sie beschuldigte dieselben, die Spanier
gegen sie unterstützt zu haben. 1589 lieſs sie 60 hanseatische Schiffe
in der Tajomündung wegnehmen und gründete damit die englische
Handelsflotte. Nicht lange danach brach sie alle Verbindungen mit
der Hansa, schloſs den Stahlhof und vertrieb die deutschen Kaufleute
aus London. Hierzu gab der Umstand Veranlassung, daſs im Jahre
[895]England.
1597 die Hanseaten Kaiser Rudolf II. veranlaſst hatten, die englischen
Kaufleute (merchant-adventurers) aus Deutschland auszuweisen. Als
Elisabeths Gesuch um Aufhebung dieses Erlasses erfolglos war,
schickte sie eine Botschaft an den Lord-major und die Sheriffs von
London, das Haus der hansischen Kaufleute im Stahlhofe zu London
zu schlieſsen, und sie befahl, daſs alle Deutschen hier oder irgendwo
in ganz England, ihre Lande verlassen sollten am selben Tag, wo die
Engländer Staden verlassen müſsten. — Dies geschah, und seit
diesem Tage hat der Stahlhof nie mehr seine frühere Bedeutung er-
langt. Von demselben Tage an kann man aber die neue Geschichte
der englischen Eisenindustrie datieren. —


Zum Schluſs lassen wir noch einige Mitteilungen zur Illustration
der englischen Eisenindustrie im 16. Jahrhundert folgen.


Das Gewerbe der Messerschmiede hatte eine groſse Bedeutung
erlangt in London, Birmingham und Sheffield. Laland sagt bereits
in einem Reiseberichte von 1538: „Ich kam in die schönste
Straſse Birminghams, sie hieſs Dirtay, in ihr wohnten Schmiede
und Messerschmiede. — Es giebt überhaupt viel Schmiede in der
Stadt, welche Messer und allerhand Schmiedwerkzeuge fabrizieren,
auch viele Sporenmacher und eine groſse Anzahl von Nagel-
schmieden, sodaſs die ganze Stadt von Feuerarbeitern bewohnt scheint.“
Die Schwertschmiede und die Nagler bildeten Zünfte. In London
wurden zur Zeit der Regierung der Königin Elisabeth die feinsten
Messer gemacht. Dennoch ist Fullers Angabe übertrieben. Er sagt:
obgleich die ordinäre Messerfabrikation schon sehr alt im Lande war,
so ist doch Thomas Mathews, Fleetstreet, London (V. Elizabeth)
der erste Engländer gewesen, der feine Messer gemacht hat. Das
stimmt nicht mit folgender Thatsache: Im Jahre 1575 machte der
Graf von Schrewsburg seinem Freunde Lord Burleigh zum Ge-
schenk ein Futteral mit Einschlagemessern, die sein armes Land
böte
und deren Ruhm durch das ganze Reich ginge. Der oben
genannte Fuller erwähnt des allgemeinen Gebrauchs von Shef-
fielder Messer bei dem Landvolke und beklagt sich über einen
Schwindler, der ihm eins für 4 P. aufgehängt hätte, das nur 1 P.
wert sei.


Die erste Drahtmühle wurde angeblich von einem Deutschen,
Christoph Schultz aus Annaberg, im Jahre 1565 angelegt.


Von weit gröſserer historischer Bedeutung war die Fabrikation
guſseiserner Kanonen zu jener Zeit. Sie hing aufs engste zusammen
mit dem Aufschwunge der Eisenindustrie in Sussex. Damals zogen
[896]England.
Arbeiter aus allen Gegenden nach Sussex, um dort ihr Glück zu
suchen. So war auch der Gründer der Familie Gale ein armer
Schmied, der aus Not nach Sussex gewandert war. Hier erwarb er
groſses Vermögen. Sein Sohn, einer der gröſsten Industriellen Eng-
lands, wurde geadelt und Parlamentsmitglied. Die Eisenindustrie von
Sussex erreichte ihren Höhepunkt zu Ende der Regierung der Elisa-
beth, zu welcher Zeit das Gewerbe so blühend wurde, daſs England,
statt Eisen einzuführen, solches in Form von eisernen Geschützen
auszuführen begann. Sir Thomas Leighton und Sir Henry Ne-
ville
hatten für die Geschützausfuhr Patente der Königin; so kam
es, daſs die Spanier mit englischen Kanonen gegen England kämpften.
Sir Walter Raleigh rief die Aufmerksamkeit des Parlamentes auf
diesen Gegenstand, indem er ausrief: Gewiſs! früher war eins unserer
Schiffe zehn spanischen überlegen, jetzt aber sind sie durch unsere
Kanonen im Einzelkampf kaum zu besiegen. Daraufhin wurde ein
Gesetz gegen die Ausfuhr von Geschützen erlassen, aber der Handel
war für die hohen Herren so einträglich, daſs doch immer noch viele
Kanonen auf dem Wege des Schmuggels in das Ausland gingen.
Camden sagt: Es ist erstaunlich, wie viele eiserne Kanonen in
dieser Grafschaft gemacht werden! Derselbe schildert die Eisenwerke
von Sussex und beschreibt den Lärm der Eisenhämmer. Die Helme
der Hämmer waren von Eschenholz, 9 Fuſs lang, mit Eisenbändern
gebunden. Die Hämmer wurden durch Hebedaumen gehoben. Die
Hütten hatten Spannteiche. Als Gebläse dienten Lederbälge, welche
von Wasserrädern oder durch Pferdegöpel bewegt wurden. Ein Hoch-
ofen gab drei bis vier Tonnen Eisen in der Woche.


Der Krieg mit Spanien, welcher die Einfuhr spanischen Eisens
verhinderte, gab Veranlassung, daſs England groſse Mengen von Eisen
aus Schweden bezog, und seit der Zeit hat diese Verbindung und die
Einfuhr schwedischen Eisens nie mehr aufgehört.


Während in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Eisen-
industrie in Sussex sich zu hoher Blüte entwickelte, ging dieselbe in
Lancashire wegen Mangel an Holz zu Grunde. Furness, der insel-
artige Strich in Lancashire, hat nach Camden seinen Namen von
den vielen Eisenschmelzen, die dort in alter Zeit bestanden. Aber
im 7. Jahre der Königin Elisabeth (1565) wurden die Rennwerke
(bloomaries) in High-Furness auf eine Vorstellung der Grundbesitzer
von Hawshead und Colton, wegen der Verwüstung der Waldungen
durch dieselben, und daſs das Unterholz für die Ernährung des Viehes
erhalten bleiben müſste, unterdrückt. Diese Schmelzhütten waren
[897]England.
damals verpachtet an Christopher Sandy gent. und William
Sawry
, welche eine jährliche Pacht von 20 Pfd. Sterl. zu bezahlen
hatten für das Holz, welches sie verbrauchten. Um die Unterdrückung
der Eisenwerke zu erreichen, legten die Grundbesitzer und Pächter
sich und ihren Nachkommen freiwillig diese Steuer, welche bloom-
smithy-rent oder wood-rent genannt wurde, auf, und zwar in der
Weise, daſs dieselbe unter den ständigen Pächtern nach dem Urteile
von 24 Erwählten dieser Körperschaft, die durch Majorität der Ge-
samtheit gewählt waren, ausgeschlagen wurde.


Nach der Vernichtung der unüberwindlichen Armada stieg das
Ansehen Englands als Seemacht in den Augen der Welt bedeutend.
Wie aber Zeitgenossen gegen Ende des 16. Jahrhunderts Englands
Industrie, Handel und Schiffahrt beurteilen, wird erläutert durch
folgende Bemerkungen aus Boteros Weltbeschreibung (S. 218):


„Engellands Reichthumb besteht in den vnabgängklichen vnnd
vnerschepfflichen Zin- vnd Bleyadern: hat auch Kupfer vnd Eisen. —
Die gute gelegenheit der Gegendt machet vnd verursachet, daſs die
portugiesischen, spanischen, französischen, niederländischen vnd oster-
ländischen Kaufleute es sehr besuchen: vnd zwischen Engellandt vnd
den Niederländern ein vnaussprechliches Gewerb vnd Handel geführt
wirdt.“


(S. 219): „Zu dieser Befestigung der Gegendt oder situs kommt
auch die sterke oder macht des Meeres vnd des Landts, dann auſser
der stehts vorhandenen gerüsten Galeeren von Kriegsschif, deren an-
jetzo 70 vorhanden, hat das Königreich dermaſsen viel Meerporten
vnd Gewerbstätt, daſs die anzahl der Schiffen sich bis in 2000 er-
strecket vnd im Fall der not 400 Kriegsschiff ausgerüstet werden
können. Odoardus der dritt (Eduard III.) und Henricus der acht
haben Calis und Bologna mit 1000 Kriegsschiffen belägerd.“ Ihre
amerikanische Kolonialpolitik schildert Botero einfach als See-
räuberei: „nit weniger haben sie anno 1586 die Insel Hispaniola,
die newe Welt, überfallen vnd vexiren noch immerdar die Inseln
Capoverde und Brasil. Vnd beschlieſslichen weren die Engelländer
feine Leut vnd lobenswerth, wann sie nit so beflissen weren, die
Flotten der Christlichen Kaufleut zu berauben.“


Beck, Geschichte des Eisens. 57
[898]Schweden und Norwegen.
Schweden und Norwegen.

Skandinavien darf als das eisenerzreichste Land Europas be-
zeichnet werden. Eisen wurde in Schweden und Norwegen schon in
alten Zeiten bereitet und als Handelsware ausgeführt. Neben dem
Holz ist das Eisen die Grundlage des nationalen Reichtums Schwedens
und die Verwertung der Eisenschätze hat in keinem Lande eine so
groſse nationalökonomische Wichtigkeit als in Schweden. Dennoch
geschah die Bereitung des Eisens bis zum 16. Jahrhundert in der
primitivsten Weise, und der Handel lag ganz in den Händen Fremder,
insbesondere der hanseatischen Kaufleute. Die Art der Gewinnung,
die Bauernöfenwirtschaft, haben wir wiederholt geschildert (Bd. I,
S. 803; Bd. II, S. 161) und auch die Abhängigkeit des nordischen
Eisenhandels von den deutschen Hansestädten haben wir erwähnt.
Gegen diese Abhängigkeit, welche wohl eine Ausbeutung Skandinaviens
durch die Hansa genannt werden muſs, erhob sich die Regierung,
sobald sie sich stark genug dazu fühlte. Dies war allerdings nicht
früher der Fall, als nach der Thronbesteigung Gustav Wasas,
der die ökonomische Wohlfahrt Schwedens in jeder Weise zu
fördern suchte und dem Eisengewerbe ganz besonders zugethan war;
hatten doch die Eisenarbeiter Dalekarliens ihm hauptsächlich zum
Thron verholfen, und begriff er die wirtschaftliche Bedeutung des
Eisenhüttenwesens für Schweden vollständig. Diese Befreiung des
Eisengewerbes von der Herrschaft des Auslandes wurde deshalb eine
hochpolitische Frage, die in Schweden von noch viel gröſserer Wichtig-
keit war als in England.


Zwei Arten von Eisenerz kamen für die Eisenbereitung Schwedens
in Frage: die Sumpf- und Seeerze einerseits und die Bergerze, besonders
die reichen Magneteisensteinlager anderseits. Obgleich sich die reichen
Lagerstätten dieses vortrefflichen Eisenerzes durch 10 Breitegrade, von
57½ bis 67½ Grad nördl. Breite erstrecken und einen unerschöpflichen
Reichtum an Erz enthalten, heutzutage auch zehnmal so viel Eisen aus
diesen, als aus den Sumpferzen bereitet wird, so waren die Bergerze im
Mittelalter nur in ganz geringem Umfange benutzt, während das
meiste Eisen aus den Sumpf- und Seeerzen, welche mit den damaligen
Hülfsmitteln leichter zu gewinnen und auch leichter zu verschmelzen
waren, dargestellt wurde. Die Seeerze finden sich im südlichen und
[899]Schweden und Norwegen.
mittleren Schweden, besonders in Småland, Gotland und Wermeland.
Ueber die Beschaffenheit der Erze und ihre Gewinnung haben wir
Bd. I, S. 807 bereits nähere Mitteilung gemacht. — Die Magneteisen-
steine kommen in krystallinischen Gesteinen, wie Quarzit (Hälleflinta),
Granit, Gneiſs und Glimmerschiefer eingelagert vor und müssen durch
Bergbau gewonnen werden. Obgleich ähnlich im Aussehen und der
Art des Vorkommens, sind sie doch von sehr verschiedener Güte,
je nach Menge und Art ihrer Beimengungen, als welche Quarz,
Granat, Epidot, Hornblende, Augit, Kalkspath und Schwefelkies er-
scheinen. Die besseren Sorten enthalten 6 bis 10 Proz. Mangan.


Im hohen Norden finden sich mächtige Stöcke von trefflichem
Magneterz im krystallinischen Schiefer. Am bekanntesten ist der bei
Gellivara an der Lina-Elf im Gebiete der Tornea- und Lulea-Lapp-
mark, der einen groſsen Berg von Magneteisenstein bildet. Diese Erz-
schätze wurden des schwierigen Transportes wegen aber bis vor
kurzem nur wenig ausgebeutet. Von gröſserem historischen Inter-
esse ist die Magneteisenerzzone von Arendal in Norwegen. Hier tritt
das Erz in linsenförmig gestalteten Stöcken im Gneiſs eingebettet auf.
In Norwegen wird kaum ein anderes Erz verschmolzen. — Für Schweden
ist das Gebiet von Dalarne und Westmanland von noch gröſserer
Wichtigkeit. Hier, wo auch das berühmte Kupferbergwerk von Falun
ist, wohnten die Dalekarlier, welche für Gustav Wasa kämpften und
sich auch später durch ihre Königstreue auszeichneten. Bergbau und
Metallgewinnung sind ihre Hauptnahrungsquellen. Der Magneteisen-
stein kommt auch dort stock- und lagerförmig im Gneiſs vor. Die
Lagerstätten von Bipsberg bei Sâter in Dalekarlien, Norberg in West-
manland und Nora bei Örebro sind die bedeutendsten. Im Gebiet
von Wermland tritt der Magneteisenstein im Granit, der aber oft in
Glimmer-, Hornblende- und Chloritschiefer übergeht, den Schiefern
parallel eingelagert auf. Die bedeutendsten Gruben sind bei Pers-
berg, Age Nordmarke, Taberg, Långsbanshyttan und Garsberg in der
Umgegend von Philipstad. Das berühmteste Eisenbergwerk Schwedens
aber liegt getrennt von den genannten Gebieten mehr inmitten des
Landes bei Dannemora. Der Magneteisenstein ist in linsenförmigen
Massen in Hälleflinta, Kalkstein und Chloritschiefer eingelagert. Die
gröſste Linse hat in ihrer Mitte eine Mächtigkeit von 180 Fuſs. Der
Tagebau, welcher auf dieselbe getrieben wird, ist über 400 Fuſs
tief. Das Dannemora-Eisen gilt als das beste Schwedens und
galt in England als das Ideal alles Schmiedeeisens. Zum Schluſs
erwähnen wir noch den berühmten Taberg bei Jönköping in Småland,
57*
[900]Schweden und Norwegen.
der sich als ein freistehender Kegel etwa 400 über den ihn um-
gebenden Gneiſs erhebt und nach einer Seite hin ganz aus Magnet-
eisenstein, welcher mit Hornblende und Feldspath vermengt ist, be-
steht. Das eigentümliche Gestein gleicht einem Basalt und wird auch
öfter als solcher bezeichnet. Erst in den folgenden Jahrhunderten
erlangte dieses Erz seine Bedeutung zur Herstellung der vorzüglichen
guſseisernen Kanonen.


Um diese ungeheuren Schätze von Eisen nutzbar zu machen,
genügte der alte Betrieb mit den unvollkommenen Bauernöfen nicht.
Der feste Magneteisenstein lieſs sich nur in Hochöfen richtig ver-
werten. Dies erkannte Gustav Wasa mit sicherem Blick und ebenso,
wie er bestrebt war, die schwedische Eisenindustrie von den Fremden
unabhängig zu machen, die Verarbeitung des Osmund dem eigenen
Lande zu sichern, ebenso war er darauf bedacht, die noch wenig
gehobenen Schätze von Magneteisenstein zu verwerten durch Ein-
führung des neuen Schmelzverfahrens in Hochöfen und des Frischerei-
betriebes. Dies konnte er aber nur mit Hülfe Fremder, vornehmlich
deutscher Arbeiter, und so ergab sich das eigentümliche Schauspiel,
daſs, während er auf der einen Seite die deutschen Kaufleute aus
dem Lande zu treiben suchte, er auf der andern Seite deutsche Eisen-
arbeiter nach Schweden kommen lieſs, um Hochöfen und Frisch-
hütten zu erbauen und zu betreiben.


Beides geschah aber zum Nutzen des Landes. Übrigens ging
Gustav I. Politik nicht von vornherein daraufhin, die Hanseaten aus
Schweden zu vertreiben. Er begünstigte dieselben vielmehr in der
ersten Zeit in jeder Weise, war es ihm doch nur durch ihre, haupt-
sächlich durch Lübecks Hülfe, möglich geworden, Stockholm zu er-
obern und seinem usurpirten Königtum Anerkennung zu verschaffen.
Als er ihrer aber nicht mehr bedurfte, als ihm die Bevormundung,
die sie sich anmaſsten, mehr aber noch ihr Drängen auf Geldent-
schädigung für ihre Hülfe lästig wurde, als er mehr und mehr
erkannte, daſs die Herrschaft der Hansa in Schweden ein Hemmschuh
für die freie Entfaltung der Kräfte des Landes war, weigerte er
ihnen das in Aussicht gestellte Handelsmonopol. Daraufhin unter-
stützten die Hanseaten erst Christian III. von Dänemark heimlich
gegen Gustav, danach einen Thronprätendenten, den zweiten falschen
Sture öffentlich. Nun erschien dem König der richtige Augenblick
gekommen, sich ihrer zu entledigen und er hob alle ihre Privilegien
auf. Es kam zum Krieg. Gustav siegte und die Hanseaten muſsten
im Frieden von Hamburg 1533 auf viele ihrer Ansprüche verzichten.
[901]Schweden und Norwegen.
Die Abhängigkeit der schwedischen Industrie von den deutschen Kauf-
leuten war gebrochen. Diese Abhängigkeit, nicht nur auf wirtschaft-
lichem, sondern auch auf politischem Gebiete, war aber eine solche
gewesen, daſs nicht der König, sondern die Hanseaten das Land
beherrschten. Zur Zeit, da Sten Sture Reichsverweser wurde, hatten
die Bauern überhaupt noch keine Vertretung; in den Städten muſste
aber die Hälfte der Bürgermeister und Ratsherrn Deutsche sein. Sten
Sture
verschaffte dem dritten Stand das Recht der Vertretung und
bekämpfte die groſsen Vorrechte der Ausländer im Stadtregiment.
Wo er konnte, war er auf Hebung der Volkswirtschaft bedacht. Die
Arbeit und die Arbeiter fanden bei ihm Schutz. Er gab auch den
Bergleuten Dalekarliens neue Privilegien. — Die gleiche Politik ver-
folgte Gustav Wasa und führte sie mit noch gröſserer Umsicht und
Sachkenntnis durch. Deutschland war damals im Bergbau und Hütten-
wesen allen Ländern voraus. Deshalb lieſs sich Gustav, geleitet von
dem Wunsch, die heimischen Bergwerke, welche durch die Nach-
lässigkeit ihrer früheren geistlichen Herren sehr in Verfall geraten
waren, einer gröſseren Ausbeute zuzuführen, und wohl erkennend, daſs
dazu gründlichere Kenntnisse sowohl der Erze und Gesteine als des
technischen Betriebes notwendig seien, tüchtige Fachleute aus Deutsch-
land kommen und erteilte denselben Privilegien, und ebenso sammelte
sein Agent Stephan Sachse auf seine Kosten über die verschiedenen
metallurgischen Vornahmen in deutschen Hüttenwerken erprobte
Kenntnisse, welche als Grundlage für den künftigen Betrieb der
schwedischen Werke dienen sollten. Desgleichen berief er deutsche
Eisenhüttenleute.


Gustav Wasa erkannte klar die Unnatur des seit Jahrhunderten
eingeführten und von den Hanseaten mit Eifersucht gepflegten Verhält-
nisses, daſs die Schweden aus ihren Erzen nur das Halbprodukt, den
Osmund, herstellten, welchen die Deutschen zu billigem Preis aufkauften
und ausführten, während alles fertige Eisen, Schmiedeeisen und Eisen-
waren von den hansischen Kaufleuten zu hohen Preisen eingeführt wurde.
Und dies geschah trotz des enormen Holzreichtums Schwedens! Nur
Schlendrian und Dummheit, gepflegt von den interessierten Händlern,
hatten diesen Zustand so lange bestehen lassen. Gustav I. ging ihm
mit fester Hand zu Leibe. Er verbot die Ausfuhr von Erzen und
von Osmund und Roheisen, die von Stabeisen dagegen nicht. Um
der gedankenlosen Wirtschaft der Bauernöfen und der Darstellung
des Osmund entgegen zu arbeiten, verlangte er 1540, daſs alle Ab-
gaben von Eisen an den Staat, — und in den erzreichen Distrikten
[902]Schweden und Norwegen.
wurden seit Alters her alle Staatsabgaben in Eisen geleistet, — nicht
in Osmund, sondern in Roheisen, d. h. Hochofeneisen geleistet werden
muſsten, indem, wie es in dem Befehl heiſst, das „Osmundeisen im
Inland nicht zu brauchen sei und im Ausland nicht geachtet
werde
“. Zugleich befahl er, daſs das Roheisen in Gänse gegossen werde,
wodurch das Zerschlagen nach der alten Methode aufhörte. Hätte der
König diese beiden Verordnungen mit Strenge durchgeführt, so würde
die ganze Eisenindustrie Schwedens ins Stocken geraten sein. So erlieſs
er sie und drückte auf ihre Durchführung, nur wo es anging, wie zu
Nora, Linde und Skinskatteberg, war aber zufrieden, daſs das Land sich
erst nach und nach in diesen neuen, ganz veränderten Zustand hinein-
fand. Indessen war er eifrig thätig, für die neue Art der Eisenindustrie
Kräfte heranzuziehen. Durch das strenge Ausfuhrverbot des Os-
munds waren plötzlich eine groſse Zahl von Schmieden, in und um
Danzig brotlos geworden, denn diese hatten sich dort angesiedelt,
um das billige schwedische Osmundeisen in Stabeisen umzuschmieden und
es mit groſsem Nutzen auf denselben Schiffen wieder nach Schweden zu
schicken. Diese plötzlich verarmten Schmiede folgten gern des Königs
Einladung, nach Schweden zu kommen und dort ihr Gewerbe weiter
zu betreiben. Dies geschah aber nicht mehr zur Bereicherung der
Hansestadt Danzig, sondern zum Nutzen Schwedens. Daſs Gustav I.
durch Deutsche Hochöfen und Frischhütten anlegen lieſs, steht fest.
Ob schon vordem Hochöfen in Schweden bestanden haben, wie hie
und da angenommen wird1), mit dem Hinweis darauf, daſs die schwe-
dische Art der Hochofenzustellung eine nationale sei, ist zweifelhaft.
War es aber der Fall, so waren auch diese sicherlich von Deutschen
angelegt; denn die ältesten Ausdrücke, welche sich auf diesen Betrieb
beziehen, sind deutsch und aus der deutschen Sprache in die schwe-
dische übergegangen. Dies bestätigt auch Garney2), der angiebt, die
Worte Hytta und Masmästare (Hütte und Massenhüttenmeister) seien
deutsch. Derselbe glaubt, daſs die ältesten Öfen den deutschen
Stuck- und Floſsöfen entsprochen, also mit geschlossener Brust ge-
arbeitet hätten. Roheisen wird zur Zeit Gustav I. Wasa schon häufig
erwähnt. Es war in Galten oder Tacken gegossen. Letzteres ist wohl
auch das niederdeutsche Wort Tacken (neu hochdeutsch Zacken =
Platten), welches den deutschen Hüttenleuten geläufig war. Galten
entspricht dem deutschen Ausdruck „Gans“ oder noch mehr dem
[903]Schweden und Norwegen.
englischen „pig“, denn es heiſst, wie dieses Schwein. Danach wurde
Roheisen als Tackejern, heutzutage noch als Tackjern bezeichnet, seltner
als galtjern. In ihrer Anlage lehnten sich die von Deutschen er-
bauten Hochöfen ganz an die älteren schwedischen Bauernöfen an.
Sie standen wie diese an einen Hügel gelehnt, und die freistehenden
Seiten waren aus Zimmerwerk, welches inwendig mit einem kunst-
losen Mauerwerk ausgekleidet war, hergestellt. Die Brust war nur
fester gemauert und die Eckpfeiler sorgfältiger gezimmert, als bei den
schwedischen Stücköfen, ebenso bestand die Erdfüllung aus besserem
Material und der Schacht hatte stärkere Futtermauern und war höher,
doch überstieg die Höhe nie 12 Ellen. Der Ofen war weiter zu-
gestellt, die Rast (kersbaudet) war ¾ Ellen unter der Mittelhöhe.
Die äussere Gestalt war meist sechs- oder achteckig; da aber das Ganze
ohne eigentliches Fundament war, senkte es sich oft und die Abzüchte
wurden unbrauchbar. Man bediente sich der Lederbälge. Form,
Tümpel und Damm waren von Guſseisen. Die Schlacke konnte nicht
frei abflieſsen, sondern wurde abgestochen. Der Abstich lag nach der
Formseite zu. Man arbeitete auf mäſsig hartgrelles Roheisen als am
geeignetsten für die Frischschmiede. Durch die Berufung deutscher
Schmiede wurde denn auch die deutsche Frischmethode, die Tysksmide
eingeführt, welche allmählich die Osmundschmiederei immer mehr ver-
drängte1).


Im Jahre 1554 war die junge Stabeisenindustrie Schwedens bereits
so gekräftigt, daſs König Gustav die Hüttenbesitzer veranlassen konnte,
ein Jahr lang gar kein Stabeisen auszuführen, wodurch die fremden
Kaufleute gezwungen wurden, selbst nach Schweden zu kommen und
zu festgesetzten hohen Preisen einzukaufen. Nach der Frischeisen-
Taxe von 1555 wurde 1 Last Osmund = 126 Mark gerechnet, welches
für 10½ Mark nach dem Münzfuſs von 1527 nur 3⅝ Reichsthaler
ausmacht. Allerdings war bis zu Ende der Regierung Gustavs I. der
Ausfall, welcher durch das Verbot der Osmundausfuhr entstanden
war, noch lange nicht wieder ausgeglichen. Denn während die Aus-
fuhr von rohem Osmund 80000 Ctr. betragen hatte, erreichte die
Stabeisenausfuhr noch nicht 30000 Ctr. Aber König Gustav war von
der Richtigkeit seiner Maſsregel für die zukünftige Wohlfahrt des
Landes so durchdrungen, daſs er bei der Teilung seines Landes
seinem Sohne Karl, der in diesen Dingen sein Vertrauter gewesen
[904]Schweden und Norwegen.
war, mit dem er alle seine Pläne für die Zukunft der Eisenindustrie
besprochen und beraten hatte, dem er die Sorge für die Zukunft der-
selben als ein heiliges Vermächtnis hinterlieſs, grade diejenigen Pro-
vinzen als Herzogtum zuteilte, in denen die neue Industrie in der
Entwickelung begriffen war, indem er voraussagte, daſs Schwedens
Reichtum hier vergraben läge. Wie weise er geurteilt, wie richtig
seine Wahl war und welche Wohlthat er dadurch Schweden erzeigt
hat, lehrt die Geschichte der Regierung Karls IX., die in den Anfang
des 17. Jahrhunderts fällt. Gustav I. wirkte auch dadurch Groſses
für die Eisenindustrie Schwedens, daſs er viele neue Gruben und
Hütten anlegte, sich selbst bei diesen Unternehmungen beteiligte und
die Vornehmen des Reiches dazu aufmunterte. Dadurch wurde die
Eisenindustrie, die vordem nur ein verachtetes Bauerngewerbe gewesen
war, geachtet und angesehen. Von den neugegründeten Werken erwähnen
wir das groſse Eisenwerk (ferraria fabrica) zu Osterby, welches 1565
angelegt wurde und 1725 noch in Blüte stand. Der Geograph Botero
rühmt hauptsächlich die gewaltige Menge von Geschützen, welche die
Könige von Schweden damals besaſsen. Viele derselben waren aus
Guſseisen hergestellt, und es läſst sich annehmen, daſs dieselben groſsen-
teils im eignen Lande gegossen waren.


In Polen herrschte der Adel und riſs alle Hohheitsrechte über
den Bergwerksbesitz an sich. Die Eisenbergwerke hatten im Mittel-
alter nicht zu den Regalien gehört, doch hatten die Könige Abgaben
an Geld und Eisen von den Eisenwerken erhoben. Späterhin er-
teilten die Starosten, welchen die königlichen Besitzungen auf Lebens-
zeit zur Nutznieſsung überlassen waren, die Bewilligung zur Anlage
der Eisenerzgruben und Luppenfeuer. Kasimir Jagello bestimmte 1472
auf dem Reichstage zu Korczin eine Abgabe von einem Terto (1/48 Mark)
von jedem Eisenhammer-Wasserrade. Aus Verträgen zwischen Privat-
eigentümern, die sich in alten Akten befanden, geht hervor, daſs die
Eisenerzeugung in Luppenfeuern im 15. Jahrhundert in Polen sehr
ausgebreitet war.


Der Wahlkönig Heinrich von Valois erkannte 1573 das unbe-
schränkte Nutzungsrecht des Adels an dem Bergwerksbesitz auf
seinen Gütern an. Stephan Bathori bestätigte diesen Grundsatz und
führte ihn noch weiter aus, indem die Könige förmlich darauf ver-
zichteten, Bergwerksprivilegien zu erteilen und Zehnten von den
Bergwerken der Adligen zu erheben. Damit fiel auch alle staat-
[905]Ruſsland.
liche Aufsicht weg. Die Folge davon war, daſs die polnische Eisen-
industrie keine Fortschritte machte und in ihrem alten Schlendrian
beharrte.


Ruſsland.

Von einer russischen Eisenindustrie im Mittelalter kann noch
kaum die Rede sein. Das ungeheure Ländergebiet, welches heut-
zutage das europäische Ruſsland ausmacht, war damals noch nicht
politisch vereinigt, sondern nach Volksstämmen und Staaten vielfach
geteilt. Im Ganzen aber war es für das gebildete Europa eine un-
bekannte, fremde Welt. — Die einzigen regelmäſsigen Beziehungen
mit Ruſsland unterhielten die hanseatischen Kaufleute, die in Now-
gorod ein Hauptkontor hatten. Dort, wo der Völkermarkt zwischen
Asien und Europa war, entwickelte sich ein groſses, reiches Gemein-
wesen mit zum Teil europäischer Cultur. Die reiche Stadt bildete
den Mittelpunkt einer politischen Macht (s. S. 578) und Iwan der
Groſse
konnte sich erst dann mit Recht den Titel „Beherrscher von
ganz Ruſsland“ nennen, nachdem er Nowgorod erobert und seiner
Herrschaft unterworfen hatte. An einen Export von russischem Eisen
war damals noch nicht zu denken. Ruſslands Eisenindustrie war
gering. In niedrigen Stücköfen wurde von den Bauern das Eisen für
den gewöhnlichen Bedarf geschmolzen. Alles bessere Eisen, Blech,
Stahl, Waffen, Kleineisenwaren wurde von den deutschen Kaufleuten
eingeführt.


Die Art der Eisengewinnung in Ruſsland hatte die gröſste Aehn-
lichkeit mit derjenigen der schwedischen und norwegischen Bauern.
Daſs dies in Finnland so war, erscheint natürlich, sowohl der politi-
schen Verbindung als der geognostischen Aehnlichkeit wegen. Denn
einerseits besitzt Finnland Magneteisenerzablagerungen von ganz
demselben Charakter wie Schweden, während sich anderseits in den
vielen Landseeen Seeerze und in den Niederungen Sumpferze finden,
wie in Schweden, und daſs deren Verhüttung in Bauernöfen eine
sehr alte ist, haben wir bereits Bd. I, S. 804, erwähnt. Die ganz
ähnliche Art des Verschmelzens von Raseneisenstein in primitiven,
niedrigen Schachtöfen fand sich aber in vielen Gegenden der un-
[906]Ruſsland.
geheuren russischen Ebene bis zum Ural hin. Um Nowgorod hatte
sich, veranlaſst durch den groſsen Bedarf des riesigen Marktverkehrs,
zu dem tausende und tausende von Fuhrwerken und Pferden von der
Ostsee, von Asien und aus dem Lande zusammenströmten, eine ganz
ausgedehnte Eisenindustrie entwickelt. In hunderten von kleinen
Schachtöfchen wurde aus Raseneisenstein Eisen ausgeschmolzen, und
es war das Verfahren dem schwedischen so ähnlich, daſs der Gedanke
nahe liegt, daſs die Gotlander, die ja am ersten den Handel mit
Nowgorod betrieben, ihre Bauernöfen dorthin verpflanzt hätten. Daſs
um Tula gegen Ende des 16. Jahrhunderts Eisen gewonnen wurde,
ist bekannt, zweifellos war dies aber schon viel früher der Fall. Im
Ural, wo im Permschen Gouvernement die Natur Eisenmassen, wie
kaum sonstwo auf Erden, aufgetürmt hat, bestand auch gewiſs schon
in sehr alter Zeit Eisengewinnung, darauf deuten die ausgedehnten
alten Pingen. Nachrichten haben wir darüber keine. —


Iwan Wassiljewitsch hatte die deutschen Kaufleute von Nowgorod
aus Ruſsland ausgewiesen, aber noch weniger als später in Schweden
Gustav Wasa konnte er der fremden, insbesondere der deutschen Arbeiter
entbehren. 1484 schickte Iwan seinen Staatsschreiber Fedor Kirizin an
König Mathias Corvinus von Ungarn mit dem Ersuchen, seine Ge-
schützgieſser, Ingenieure, Baumeister und Bergverständige zu schicken1).
Ebenso sandte er später einen Griechen, Georg Trachaniotes, als Ge-
sandten an die deutschen Kaiser Friedrich III. und Maximilian und
lieſs um Erlaubnis bitten, in Deutschland gute Künstler, Baumeister
und Bergleute für seinen Dienst anwerben zu dürfen. 1492 gelang
es den Gesandten Trachaniotes und Jaropkin, in Deutschland ge-
schickte Handwerker und Bergleute für den Zaren anzuwerben. Von
der Thätigkeit der Letzteren versprach sich Iwan besonders viel und
zwei derselben entsprachen auch seinen Erwartungen in vollem Maſse.
Johann und Victor — nur ihre Vornamen haben die russischen An-
nalen aufbewahrt — waren in Begleitung zweier Russen an die Ufer
der Petschora gezogen, um Silber zu suchen. Was sie hier nicht
fanden, trafen sie 300 Werst südwestlich an der Gylma, einem Neben-
fluſs der Petschora. Auf einem Flächenraum von 10 Werst entdeckten
sie eine Silber- und eine Kupfermine, deren Erträgnisse den Groſs-
fürsten bald in den Stand setzten, aus heimatlichem Silber Münzen
schlagen zu können, während er bis dahin die Edelmetalle aus dem
Auslande bezogen hatte.


[907]Ruſsland.

Ein wichtiges Ereignis für Ruſsland, das in seinen Folgen auch
für die Eisenindustrie von besonderer Bedeutung wurde, war die
Fahrt um das Nordkap, die Entdeckung des Weiſsen Meeres und die
erste Anseglung der Dwinamündung durch den Engländer Chancellor.
Iwan der Schreckliche lieſs die Fremdlinge nach Moskau führen, nahm
sie gut auf, weil er mit der Hansa zerfallen war und errichtete einen
Handelsvertrag mit England. Dort bildete sich alsbald eine russische
Handelsgesellschaft, welche einen Freibrief erhielt und 1566 vom
Parlament bestätigt wurde. Der Ort Cholmogor am Ausfluſs der
Dwina diente als Umschlagsplatz, bis später 1584 eine neue Stadt,
Archangel, gegründet wurde. Es entstand eine regelmäſsige Handels-
verbindung mit England und Holland, und Archangel wurde der be-
deutendste Hafen Ruſslands. Durch diese Ereignisse erwarben sich
die Engländer die gröſste Gunst des Zaren, die sie auch alsbald aus-
nutzten zum Nachteil der deutschen Kaufleute, welche durch die
Eroberung Narwas durch die Russen eine neue Niederlage erlitten
hatten. Durch Vermittelung des englischen Gesandten Jenkison, welcher
einen Auftrag des Zaren an den Schah von Persien zu dessen Zu-
friedenheit ausgeführt hatte, gestattete er den englischen Kaufleuten
1559 an der Witschegda sich niederzulassen, dort Eisen zu suchen
und zu schmelzen unter der Bedingung, daſs sie den Russen das
Verfahren lehrten und bei der Ausfuhr nach England für jedes Pfund
einen Denga (half penny) zahlten. Damit war der Anfang der Eisen-
ausfuhr Ruſslands nach England gemacht. Ganz Ruſsland stand
damals den Engländern offen; sie allein durften überall handeln und
selbst ihre Münzen im Lande schlagen. Aber die Engländer miſs-
brauchten im Uebermut ihre Vorrechte, insbesondere durch maſslose
Preisauftreibungen, und die vorsichtigeren Holländer verstanden es,
allmählich die Engländer zu verdrängen, nachdem Boris Godunow,
der Lenker des Reiches, ihnen die gleichen Rechte eingeräumt hatte.


Wir haben bereits erwähnt, daſs schon Iwan der Groſse bemüht
war, fremde Handwerksleute und Bergleute nach Ruſsland zu ziehen. Im
Jahre 1475 wurde ein gewisser Aristoteles Fioraventi aus Bologna
nach Ruſsland berufen, der den Russen das Gieſsen und den Gebrauch
von Kanonen lehrte. In Moskau wurden schwere Stücke gegossen.
Man nahm auch deutsche Büchsenmacher in Dienst, welche eiserne
Kugeln gossen.


Iwan IV., „der Schreckliche“, unterhielt ein groſses stehendes
Heer. Er errichtete das nationale Korps der Strelitzen, welche vor-
züglich bewaffnet waren, aber nicht nur diese, sondern seine ganze
[908]Ruſsland.
Armee von 65000 Mann war auf das Beste bewaffnet und aus-
gerüstet.


Iwan IV. entwarf das Projekt, eine ganze Kolonie ausländischer
Künstler und Handwerker in sein Reich zu ziehen. Zu diesem Zwecke
wurde 1547 der Sachse Hans Schlitte als Gesandter zu Karl V, ge-
schickt, um von demselben die Erlaubnis zu erbitten, deutsche Ge-
lehrte, Künstler, Baumeister, Industrielle und Handwerker nach Ruſs-
land bringen zu dürfen. Nach den Berichten mehrerer Annalisten
versammelte Schlitte über 300 deutsche Künstler, Goldschmiede,
Glockengieſser, Maurer, Maler, Bildhauer und andere, und war schon
bereit, sich in Lübeck mit ihnen einzuschiffen, als plötzlich auf In-
triguen des Livländischen Ordens und der hanseatischen Kaufleute,
welche damals in feindlichen Beziehungen zu Ruſsland standen, ein
Befehl vom Kaiser erlassen wurde, der ganzen Gesellschaft die Pässe
abzunehmen und Schlitte selbst ins Gefängnis zu werfen. Der russische
Gesandte wuſste sich aber bald frei zu machen und den meisten von
ihm engagirten Personen gelang es auch, auf Umwegen nach Ruſs-
land zu kommen1). 1557 erneuerte Iwan IV. sein Gesuch bei Kaiser
Ferdinand I., und obwohl dies ebenfalls keinen direkten Erfolg hatte,
wuſste er doch Mittel zu finden, eine beträchtliche Anzahl deutscher
Handwerker in sein Reich zu ziehen.


Alle diese Anläufe zu einer Verbesserung der Gewerbsverhält-
nisse und zur Einführung fremder Kultur hatten nur ganz vorüber-
gehenden Erfolg — Ruſsland blieb ein Barbarenstaat.


[]

DIE
GESCHICHTE DES EISENS

IM
SIEBZEHNTEN JAHRHUNDERT
.


[][[909]]

DIE GESCHICHTE DES EISENS
IM
SIEBZEHNTEN JAHRHUNDERT
.


Allgemeiner Teil.


Einleitung.


Das 17. Jahrhundert bietet bei weitem nicht die Fülle an-
regenden Stoffes, wie das vorausgegangene. War das 16. Jahr-
hundert, wie wenige gleiche Zeitabschnitte, bewegt von neuen Ent-
deckungen, Erfindungen, Eindrücken und Ideen auf allen Gebieten
der Wissenschaft wie der Praxis, so erscheint uns im Vergleich da-
mit das 17. Jahrhundert teilnamlos, gleichgültig für höhere Bestre-
bungen, arm an neuen Gedanken. Der schwere Druck der politischen
Verhältnisse war die Ursache davon. Ganz Europa hatte darunter
zu leiden, kein Land aber so sehr, wie Deutschland, welches das
groſse, 30 jährige Schlachtfeld wurde, auf dem die religiösen und
politischen Gegensätze in blutigen Kämpfen ausgefochten wurden.
Das Ergebnis dieses brudermörderischen Krieges war ein trauriges:
nirgends ein entscheidender Sieg, überall Erschöpfung, Verarmung,
Verrohung, Rückschritt. Nur ein Resultat des 30 jährigen Krieges
lag klar vor aller Augen: Deutschland war zu Grunde gerichtet.
War das politische Ansehen Deutschlands seit dem Tode Kaiser Karls V.
teils durch die religiösen Wirren, teils durch das Sinken der Kaiser-
macht gegenüber den Unabhängigkeitsbestrebungen der Landesfürsten
schon mehr und mehr gesunken, so verwandelte der 30 jährige Krieg
Deutschland nahezu in eine Wüste, bewohnt von verarmten, geäng-
stigten, verwilderten, in Roheit und Unbildung versunkenen Bewoh-
nern, an deren Spitze nur dem Namen nach der deutsche Kaiser stand.
[910]Einleitung in das 17. Jahrhundert.
Trotz seines Niederganges im 16. Jahrhundert war Deutschland zu
Anfang des 17. Jahrhunderts immer noch die anerkannte Vormacht
unter den Staaten Europas. Nach dem 30 jährigen Kriege war es
nur noch ein geographischer Begriff, ein ohnmächtiges Konglomerat
zahlloser Landesherrschaften, die der übermütige Nachbar, der
„Sonnenkönig“ Ludwig XIV., ungestraft demütigen und berauben durfte.
Die politische Machtverteilung war eine ganz andere geworden. Die
centralistischen Staaten Frankreich, England und Schweden ent-
wickelten die gröſste Kraftentfaltung, während die Föderativstaaten,
Deutschland und Italien, obgleich im 16. Jahrhundert an Reichtum
und Bildung überlegen, ihre politische Bedeutung verloren. Frank-
reich vor allem, beherrscht von ehrgeizigen Königen, gelang es, indem
es sich an dem unglücklichen Deutschland bereicherte und kräftigte,
die Hegemonie auf dem Kontinent Europas zu erringen, die es bis
zum Sturze des ersten Napoleon mit wechselndem Erfolge behauptet hat.


Daſs diese politischen Ereignisse auch auf Handel und Industrie
von gröſstem Einfluſs waren, ist selbstverständlich. Im 30 jährigen
Kriege ging so ziemlich alles zu Grunde, was Deutschland noch Einfluſs
und Ansehen gegeben hatte. Der Hansabund verlor den Rest seiner
Macht, die Freiheit und die Herrlichkeit der einst so stolzen Reichs-
städte schwanden dahin, Handel und Gewerbe litten unsäglich. Auch
die Eisenindustrie hatte schwer zu leiden. Wenn dies nicht in
dem Maſse der Fall war, wie bei anderen Industriezweigen, wenn
einzelne Zweige der Eisenindustrie sich nicht nur erhielten, sondern
sich sogar trotz des Krieges fortentwickelten, so hat dies seinen
Grund in der Unentbehrlichkeit des Eisens, welches dem Kriege wie
dem Frieden dient, und in Kriegszeiten fast noch mehr begehrt ist,
als im Frieden.


Dennoch lasteten die Verhältnisse auch auf der Eisenindustrie
schwer, und von einer fortschrittlichen Entwickelung derselben im
17. Jahrhundert kann kaum die Rede sein; wenigstens läſst sich das
Wenige, was hierüber zu berichten ist, ziemlich kurz zusammenfassen.


Im allgemeinen arbeitete man in geistloser Weise nach dem
Schema, welches das vorhergehende Jahrhundert aufgestellt hatte,
weiter.


Dieser Mangel an neuen Ideen in der Eisenindustrie findet seinen
entsprechenden Ausdruck auch in der Litteratur. Das 17. Jahrhundert
ist auſserordentlich arm an hüttenmännischen Schriften und die
wenigen, die erschienen sind, haben nur geringen Wert.


[911]Litteratur im 17. Jahrhundert.

Litteratur im 17. Jahrhundert.


Von deutschen Büchern über das Hüttenwesen ist nur eins vor-
handen, welches sich eines groſsen Einflusses rühmen konnte,
G. J. Löhneiſs, Bericht von den Bergwerken, und wenn man
dieses Werk bei Licht betrachtet, enthält es in der Hauptsache nichts
als Auszüge aus Agricolas vortrefflichem Buche de re metallica, und
aus den Harzer Berg- und Hüttenordnungen des Herzogs Julius von
Braunschweig. Trotzdem verdient daſselbe Beachtung schon darum,
weil es sich lange Zeit eines hohen Ansehens erfreute.


Georg Engelhard von Löhneiſs (auch Löhneis, Löhn-
eiſsen
), von Geburt ein Pfälzer, war zuerst Stallmeister bei Kurfürst
August von Sachsen, trat dann 1583 in die Dienste von dessen Schwieger-
sohn, Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, zunächst eben-
falls als Stallmeister. Bei des Prinzen Regierungsantritt 1589 berief
ihn aber dieser zu dem wichtigen Amte eines Berghauptmanns.
Löhneiſs erfreute sich der persönlichen Gunst seiner Fürsten, welche
sich selbst durch hohe geistige Bildung auszeichneten, in hohem Maſse.
Kurfürst August war ein hervorragender Kameralist, Herzog Heinrich
Julius ein gelehrter Jurist. Von beiden hat der genial begabte
Löhneiſs viel gelernt. An Anerkennung und materiellem Lohne
fehlte es ihm nicht. Er wurde ein vornehmer Herr, kaufte Ritter-
güter und legte sich den Namen Erbherr von Remlingen und Neun-
dorf bei. Durch einen Streit mit seinem Verleger veranlaſst, legte er
sich eine eigene Druckerei in seinem Schloſs zu Remlingen an und
gab seine Werke im Selbstverlag heraus. Dieselben zeichnen sich
deshalb in Druck und Ausstattung, namentlich in Bezug auf die
Illustrationen, aus. Er hielt sich dafür eigene Kupferstecher und
Holzschneider. Drei Hauptwerke veröffentlichte er in dieser Weise, die
alle hervorragend sind und groſsen Beifall fanden: 1) Della Cavalleria
s. d. arte equitandi exercitiis equestribus et torneamentis (mit vielen
Abbildungen): gründlicher Bericht von allem, was der löblichen Reiterei
gehörig und einem Kavalier zu wissen von Nöten etc. 2) Bericht vom
Bergwerke, wie man dieselben bauen und in guten Wohlstand bringen
soll — Zellerfeld 1617, dem seit 1613 regierenden Herzog Friedrich
Ulrich gewidmet, und 3) Aulico-politica oder Hof-, Staats- und
Regierungskunst — Remlingen 1622—24. Der 30 jährige Krieg, der
[912]Litteratur im 17. Jahrhundert.
Braunschweig früh und schwer heimsuchte, zerstörte auch Löhneiſsens
Druckerei, zugleich mit dem Wohlstande ihrers Besitzers. Nach der
Zeit fehlen alle Nachrichten über ihn, nicht einmal das Jahr seines
Todes ist bekannt.


Einen besondern Fortschritt stellt sein Bericht über das Berg-
werk nicht dar, und wenn das Werk groſsen Anklang fand und von
späteren Kritikern, wie z. B. von Rohr, der es (1716) das beste
Buch über Bergwerkssachen nennt, hoch gepriesen wurde, so läſst
sich das nur daraus erklären, daſs es die erste in deutscher
Sprache geschriebene Hüttenkunde
war. Agricolas Werk
ist viel bedeutender, aber die unbeholfene Übersetzung von Bechius
konnte es wahrlich nicht populär machen. — Löhneiſs’ Buch ist
von juristischem Geiste getragen. Manches darin ist von historischem
Interesse, z. B. die grundsätzliche Befreiung der Zehnten für die
ersten fünf Jahre der Mutung (S. 42), das Vorkaufsrecht (S. 46), die
Verpflichtung, „daſs sich der Fürst gegen arme kranke beschädigte
Bergleute mild und gnädig zeige“, daſs wöchentlich mit guter Münze
richtig gelohnt werde u. s. w. Für die Eisenhüttenkunde ist seine Be-
merkung über Cementstahl erwähnenswert (S. 178), „daſs Eisen in
langwieriger starker Hitze mit harten oder büchenen Kohlen ohne Ab-
gang geglüet, zum guten Stahl kann gemacht werden und der gemeine
Stahl durch das offte schmieden und schweiſsen wieder zu Eisen wird“.


Als neu und über den Rahmen von Agricolas de re metallica
hinausgehend, ist der Abschnitt über die Münzkunde und die aus-
führliche Bergordnung in fünf Teilen, an welche eine besondere
Eisenhüttenordnung angeschlossen ist, zu erwähnen. Es ist dies eine
Zusammenfassung der Ordnungen, wie sie damals am Harz in Übung
standen. Wir werden auf deren Inhalt noch zurückkommen.


Von allen den Büchern, die sonst noch im 17. Jahrhundert in
Deutschland erschienen sind, verdient nur noch Christoff Weigels
Abbildung der gemein-nützlichen Hauptstände, welches 1698 mit
vielen Illustrationen in Regensburg gedruckt wurde, hervorgehoben zu
werden 1). Es ist in der beliebten Form von Garzonis Piazza
[913]Litteratur im 17. Jahrhundert.
universale (siehe S. 67) gehalten und behandelt die Gewerbebetriebe
zum Teil recht ausführlich. Ähnlich wie bei Jost Amman ist unter
jeder Abbildung eine sechszeilige Strophe angebracht, die aber nicht
das Gewerbe schildert, sondern, dem Geschmack der Zeit entsprechend,
eine moralische Nutzanwendung enthält.


Ein beachtenswertes und eigenartiges Buch über einen Zweig des
Eisengewerbes erschien im Jahre 1627 in Frankreich: Die Kunst
des Schlossers von Mathurin Jousse de la Fleche
1). Diese
vortreffliche Fachschrift behandelt zwar, wie der Titel sagt, haupt-
sächlich die Schlosserei, aber sie geht über den Rahmen dieses Hand-
werks hinaus, indem sie vorzügliche Mitteilung über die Eigenschaften
des Eisens und des Stahls, über Stahlbereitung und Stahlhärtung
enthält. Das originelle Buch ist den Jesuiten (A Messieurs, Messieurs
reverends pères de la Compagnie de Jesvs), die damals in Frankreich
die Censur ausübten, gewidmet und trägt auch deren Zeichen auf dem
Titelblatt, „aus Dankbarkeit, daſs sie ihn immer so viel beschäftigt
hätten und aus Verehrung, da sie ebenso für Frömmigkeit und Tugend
als für das gemeine Wohl und den öffentlichen Nutzen, dem auch
sein Werk dienen wolle, besorgt seien“. Sein Zweck sei, den Lehrling
in die schwierige Kunst des Schlossers, die so mannigfaltig sei und
so viele Erfahrung verlange, einzuführen.


Das Buch zerfällt in 69 Kapitel, von denen wir die wichtigsten
anführen wollen. I. Über das Alter der Schlosserkunst. II. Was
man von einem Lehrling verlangt. III. Die Pflicht des Meisters gegen
den Lehrling. IV. Die Namen der wichtigsten Werkzeuge des
Schlossers. V. Mittel, zu erkennen, wann das Eisen seine Hitze hat.
Dieses Kapitel giebt genaue Vorschriften über die Behandlung des
Eisens im Schmiedefeuer. VI. Einen Nagel zu schmieden; wobei der
Verfasser von dem Grundsatze ausgeht, daſs man mit dem kleinen
anfangen muſs. VII. Antike Schlösser. VIII. Ratschläge für die-
jenigen, welche das Schmieden lernen wollen; wobei er empfiehlt, sich
an einem Bleiklumpen zu üben, bei dem man weder Kohlen noch
Eisen verbrenne. IX. Beschläge zu machen. X. Eingelassene Schlösser zu
schmieden. XI. Gewöhnliche Federschlösser (cadenats à ressort) zu machen.
Beck, Geschichte des Eisens. 58
[914]Litteratur im 17. Jahrhundert.
XII. Schlösser und andere Stücke zusammenzulöten. XIII. Schlösser
zu machen, deren Schlüssel beim Öffnen und Schlieſsen eine oder
zwei Touren machen. XIV. Das Ausglühen der Stücke, nachdem sie
geschmiedet sind. XV. Das Zeichnen und Schneiden der einfachen
Räder für gewöhnliche Schlösser. XVI. Fallschlösser für Koffer u. s. w.
zu machen. XVII. Wie man Schlösser feilt. — Nun folgt eine Reihe
von Kapiteln (18 bis 28), die Anfertigung von Kunstschlössern be-
treffend, von dem Schloſs mit zwei Riegeln bis zu dem mit zwölf Rie-
geln. Den Beschreibungen sind Zeichnungen beigefügt; sodann von
Schlössern, die mit verschiedenen Schlüsseln durch ein Schlüsselloch zu
öffnen sind; über Schlösser mit Drücker (30); eine hebende Falle mit
Hohlschlüssel von beiden Seiten zu öffnen (32), Schloſs mit 1½ facher
Drehung für ein Kabinet (33) u. s. w.; Hauptschlüssel zu machen;
Schloſsteile als Stabfedern; 74 verschiedene Arten von Rädchen zu
machen. Sodann kommen Thorbeschläge, Thürbeschläge, solche für
Thüren, die nach zwei Seiten aufgehen (43 bis 45), Kofferbeschläge,
Thürklopfer, Thürringe, Schloſsschilder, Gitter und Geländer, Träger,
Schildhalter, Brunneneinfassungen, Wagenständer, Rollstühle, darunter
(s. Fig. 56) einen, in dem man sich durch Drehung einer Kur-
bel überall selbst hinfahren kann. In Kapitel 58 wird die Herstel-
lung künstlicher Hände und Beine beschrieben, dann das Schmieden
von Schrauben zum Beispiel für Buchdruckerpressen und Schneid-
backen, die Herstellung von Handwalzwerken, um Fensterblei zu
walzen, von Glockenaufhängungen. Alsdann folgt das interessante
Kapitel: Eisen und Stahl in Farben anlaufen zu lassen und weiſse
Zeichnungen auf buntem Stahlgrund herzustellen. Hiernach beschreibt
er genau die Anfertigung einfacher und doppelter Schmiedeblasebälge;
dann folgen die für uns wichtigsten Kapitel: Die Art, wie man weiches
Eisen, das sich kalt hämmern läſst, erkennt; gutes und schlechtes
Eisen, Rot- und Kaltbruch am Bruch zu erkennen. Dabei wird be-
merkt, daſs das spanische Eisen sehr zum Rotbruch neige, auch häufig
harte Körner enthalte, die sich nicht feilen lieſsen, auch behauptet,
Eisen, das lange an der Luft liege, werde rotbrüchig. Die folgen-
den Kapitel lehren guten und schlechten Stahl zu erkennen; ver-
schiedene Arten des Anlassens; Feilen aus Eisen oder Stahl zu härten,
und in dem Schluſskapitel beschreibt Jousse eine von ihm erfundene
Feilenhaumaschine.


Diese Inhaltsangabe wird dem Leser einen Begriff von der Be-
deutung des Buches geben, das in Deutschland allzu wenig Beachtung
gefunden hat. Spätere französische Schriftsteller haben es häufig
[915]Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert.
benutzt, so namentlich Felibien in seinen Principes de l’archi-
tecture gegen Ende des 17. Jahrhunderts.


Über die Metallindustrie erschien noch ein kleines, aber hoch-
bedeutsames Werkchen von einem Spanier, der in Mexiko gegen das
Ende des 18. Jahrhunderts die Quecksilberamalgamation betrieb,
Albaro Alonso Barba; für die Eisenindustrie ist dasſelbe aber
ohne Interesse.


Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert.


Die ganze Technik lag in den Händen von Meistern, die durch
ihre Zünftigkeit geschützt waren, und es verstanden, sich in den
Zauberschleier ererbter geheimer Künste und Wissenschaften zu
hüllen. Das war sehr traurig, denn es war ein Hemmnis wirklichen
Fortschrittes. Dagegen machte eine Wissenschaft, trotz dem Elend
der Zeit, im 17. Jahrhundert groſsartige Fortschritte, das war die
Physik. War Leonardo da Vinci Ende des 15. Jahrhunderts
derjenige gewesen, welcher den geistigen Samen für eine exakte
Naturbeobachtung zuerst ausgestreut hatte, so war es im Anfange des
17. Jahrhunderts ein Landsmann von ihm, Galileo Galilei (geb. 1564),
bei welchem derselbe zur Frucht reifte. Schon im 19. Jahre wurde
er durch die Schwingungen einer Lampe im Dom zu Pisa auf die
Gesetze vom Pendel hingeleitet. 1586 erfand er die hydrostatische
Wage. Professor der Mathematik in Pisa geworden, griff er die
herrschende aristotelische Schule an und bewies durch seine auf dem
schiefen Turm zu Pisa angestellten Versuche, daſs der freie Fall
nicht vom Gewicht abhängig sei. Die Fortsetzung dieser Versuche
führte ihn zu dem Gesetz der Fallgeschwindigkeit und zu der Lehre
von der Trägheit oder dem Beharrungszustande der Körper. 1597 er-
fand er den Proportionalzirkel. Um diese Zeit war in Holland das
Fernrohr entdeckt worden. Galilei verbesserte dasſelbe und wendete
es zuerst mit durchschlagendem Erfolg auf astronomische Beob-
achtungen an. Er entdeckte die Mondgebirge und berechnete aus
dem Schatten ihre Höhe. 1610 fand er die Jupitertrabanten („die
mediceischen Sterne“), den Ring des Saturn, die Sonnenflecke, aus
58*
[916]Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert.
deren Fortbewegung er auf eine Umdrehung der Sonne schloſs. Durch
diese Beobachtungen wurde er immer mehr von der Richtigkeit des
von der Kirche verdammten kopernikanischen Sonnensystems über-
zeugt und trat für dasſelbe ein. Dadurch zog er sich die Feindschaft
des fanatischen Klerus, der ihn von da ab mit unversöhnlichem Haſs
verfolgte und sein Leben verbitterte, zu. Um sich vor dem Flammentod
durch die Inquisition, vor die er geladen war, zu retten, widerrief er zwar
seine astronomischen Lehren, arbeitete aber unverdrossen an den-
selben weiter und trug immer neue Bausteine zu diesem Fundament-
bau der modernen Astronomie zusammen. Wenn das berühmte
„E pur si muove!“, das er nach dem von ihm erzwungenen Schwur,
daſs die Erde still stehe und sich nicht um die Sonne drehe, ge-
murmelt haben soll, wohl nur Legende ist, so ist sie doch eine der
aus dem Instinkt des Volksgeistes herausgebildeten Legenden, welche
das Verhältnis der Naturwahrheiten zu dem Zwang theologischer
Unduldsamkeit mit einem Schlagwort ausdrücken.


Mit Galilei gleichzeitig lebte, wirkte und duldete in Deutsch-
land Johann Kepler, der das kopernikanische Weltsystem ver-
besserte und mathematisch begründete. Auch er wurde von der
katholischen Geistlichkeit deshalb verfolgt und hatte überdies die
Schrecken des dreiſsigjährigen Krieges bis zur Hefe durchzukosten.


Was Galilei und andere auf dem Gebiete der Physik praktisch
ausgeübt, das faſste um dieselbe Zeit der Engländer Bacon von
Verulam
in die Form eines philosophischen Prinzips, welches er in
seinem „Organon“ ausführte. Nach ihm sind Experiment, Beobachtung
und Erfahrung die einzigen Wege zur Wahrheit.


Wieder ein Italiener, Toricelli, war es, welcher die Lehre vom
Luftdruck begründete. Bis dahin hatte man die Erscheinungen des
Luftdrucks durch den horror vacui erklärt. Toricelli wies durch
das von ihm entdeckte Quecksilberbarometer (toricellische Röhre)
nach, daſs die Luft ein Gewicht habe und die Lufthülle der Erde
auf diese und alle darauf befindlichen Körper einen gewissen Druck
ausübe. Die Folge dieser Erkenntnis war die Erfindung der Luft-
pumpe durch Otto von Guericke, Bürgermeister von Magdeburg,
welcher durch seine aus zwei Hälften zusammengesetzte Kugel, die,
nachdem sie luftleer gemacht war, zweimal sechzehn Pferde nicht
auseinander ziehen konnten, den glänzenden Beweis für den Druck
der atmosphärischen Luft lieferte. Mariotte erweiterte die Er-
kenntnis des Luftdrucks durch sein Gesetz über das Verhältnis des
Druckes zur Dichtigkeit.


[917]Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert.

In dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts erglänzt das Drei-
gestirn Huygens, Leibniz und Newton, von denen namentlich
der letztere durch seine Gravitationslehre die Einzelbeobachtungen
der früheren Zeit unter ein Gesetz zusammenfaſste und der Physik
eine sichere, breite Grundlage gab.


Die Fortschritte der praktischen Mechanik, die Erfindung und
Verwendung neuer Maschinen, hielt nicht gleichen Schritt mit denen
der theoretischen Mechanik. Im allgemeinen ist das 17. Jahrhundert
nicht reich an Erfindungen auf dem Gebiete des Maschinenwesens.
Die Thätigkeit der Gelehrten und Künstler, die sich speciell mit
praktischer Mechanik beschäftigten, war zum Teil eine experimentelle,
wobei die Experimente oft nur physikalische Spielereien waren, zum
gröſseren Teil aber waren es Entwürfe auf dem Papier, Darstellungen
von Maschinen und Kraftübertragungen, deren praktische Ausführbar-
keit oft höchst zweifelhaft blieb. An Ramelli, den Hauptvertreter
dieser Methode, den wir schon früher kennen gelernt haben, schlieſst
sich Jacob Strada a Rosberg aus Mantua, der, wie es scheint
noch jung, 1588 in Rom starb. Er hinterlieſs eine Reihe von Ent-
würfen, welche erst ziemlich lange nach seinem Tode von seinem
Bruder veröffentlicht wurden. Da dieser nicht Techniker war, so
sind die kurzen Erläuterungen zu den Tafeln sehr mangelhaft. Die
erste Ausgabe, die ich erwähnt finde, ist mit französischem Text 1617
in Frankfurt erschienen unter dem Titel: Dessins artificieux de toutes
sortes de machines, moulins à vent, à eau etc. 1618 erschien eine
Ausgabe mit deutschem [Text]: Jac. Stradae, II Theile künstlicher Ab-
risse von allerley Maschinen etc. Diesen beiden Ausgaben, die ich
nur aus Citaten kenne, folgte eine weitere 1629: Künstlicher Ab-
riſs allerhand Wasser-, Wind-, Roſs-, Handmühlen u. s. w. durch den
Edlen und Vesten Herrn Jacobum Strada a Rosberg — Frank-
furrt 1629. Allen diesen Ausgaben dürfte wohl eine italienische
vorausgegangen sein.


Ein anderer bedeutender Nachfolger des Ramelli war Giovani
Branca
, der Erbauer der Lorettokirche. Er schrieb: Le machine
diverse, Roma 1629, in dem sich manche interessante Ideen und Ent-
würfe finden, von denen wir einige noch zu erwähnen Gelegenheit
haben werden.


Ein älterer Zeitgenosse von Branca war Victor Zonca1), geboren
um 1580. Er schrieb: Novo teatro di machini et edificii etc. Padua 1607.


[918]Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert.

Faustinus Verantius, genannt Sicenus, war ein Dalmatier,
geboren zu Sebenico, gestorben 1617. Er schrieb: Logica nova suis
instrumentis formata et recognita, Venet. 1616 und Machinae novae
addita declaratione etc. ib. fol. Im letztgenannten Werke beschrieb er
bereits eiserne Hängebrücken und artesische Brunnen.


In Deutschland erschien Zeisings Theatrum Machinarum 1636
und G. Andr. Boeklers Schauplatz von Maschinen 1673. Beide
stützten sich auf ihre italienischen Vorgänger, namentlich ist Boek-
lers
Buch nur ein Nachdruck aus Ramelli und aus Stradas Ab-
riſs. Origineller ist das Werk von Caspar Schott, Mechanica
hydraulica-pneumatica. Herbipol. 1657. Derselbe machte sich um
die Konstruktion der Feuerspritzen verdient.


Während von Männern der Wissenschaft die praktische Mechanik
in Deutschland im 17. Jahrhundert im ganzen nur wenig gepflegt
wurde, verdanken wir den zunftmäſsigen Praktikern in Deutschland
verschiedene wichtige Erfindungen von dauerndem Wert. Nürnberg
war nach wie vor die Hochschule zunftmäſsiger Mechaniker. Von
diesen war der berühmteste Hans Hautsch, der höchst merkwürdige
Fuhrwerke zum Selbstbetrieb, ähnlich den späteren Draisinen, kon-
struierte. Von ihm schreibt Neudörfer: „Hanns Hautsch, Zirkul-
schmid, ein inventiöser und künstlicher Mann, hat mit seinen Söhnen
den Wagen gemacht, den man durch verborgenes Ziehwerk ohne
Stoſs, wohin man gewollt, ja gar bergauf leiten können, welchen
anno 1650 Ihr fürstliche Durchlaucht, Herr Carl Gustav, der Cron
Schweden Generalissimus, von ihm um 800 Thlr. gekauft, nach
Schweden geführt und zu seinem Einzug gebraucht. — Dieser Hautsch
hat auch ein Haus 1) mit zweiundsiebzigerlei Handwerken zugerichtet,
deren jedes in seinem besonderen Gemach durch Federn und Zug-
werk auf einmal und zugleich das seinige gethan; — hat auch ein
Spritzwerk, in Feuergefahr zu gebrauchen, auf eine besondere Art
künstlich erfunden und gemacht, welches groſse Ströme Wasser in
die 100 Schuh mit groſser Gewalt treibt und seithero dem König von
Dänemark verkauft.“


Er erfand ferner einen selbst fahr- und lenkbaren Krankenstuhl,
welchen Doppelmeyer abgebildet hat. Dieser bemerkt noch zu dem
oben erwähnten groſsen vierräderigen Wagen, daſs Hautsch mit dem-
selben 2000 Schritt in der Stunde bergauf und -ab um Nürnberg
[919]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
herumgefahren sei. An den vorderen Rädern sei das Triebwerk ge-
wesen, daran sei noch ein Wasserspeier, der die Leute, welche den
Weg versperrten, forttrieb.


Auf Gottfried Hautsch, einen Sohn des Vorgenannten, der
ein vortrefflicher Eisenarbeiter war und mancherlei neues Kriegs-
gerät konstruierte, werden wir noch später zu sprechen kommen.


Eine wichtige Erfindung für die Nadelfabrikation wurde 1680
zu Nürnberg gemacht, nämlich die der Wippe zum Anköpfen der
Stecknadeln. Der Name des Erfinders ist unbekannt.


Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.


Ehe wir auf diejenigen mechanischen Verbesserungen im 17. Jahr-
hundert, welche für die Eisenindustrie von besonderer Wichtig-
keit waren, näher eingehen, wollen wir eine Erfindung betrachten,
welche wenigstens einen gewissen theoretischen Abschluſs am Schluſs
dieser Periode fand, wenn auch ihre praktische Verwendbarkeit erst
im folgenden Jahrhundert gesucht und gefunden wurde. Es ist dies
die Erfindung der Dampfmaschine, des wichtigsten Werk-
zeuges des Menschengeschlechts, deren zweckmäſsige Nutzbarmachung
durch James Watt der Ausgangspunkt unserer heutigen Eisen-
industrie geworden ist und unsere ganze moderne Industrie ge-
schaffen hat.


Ob Blasco de Garays Schiffsmaschine durch Dampf bewegt
wurde, ist in völliges Dunkel gehüllt. Auch von der Maschine, welche
Wasser mit Feuer aus dem Bergwerke heben soll, welche Mathesius
erwähnt, wissen wir nichts. Daſs aber der Dampf als motorische
Kraft benutzt werden könne, diesen Gedanken finden wir bei
mehreren Gelehrten zu Anfang des 17. Jahrhunderts ausgesprochen.
Giambettista della Porta hat in seinem Werke: Pneumaticorum
libri tres 1601 bereits einen Apparat beschrieben, in welchem Wasser
durch Dampf in die Höhe gepreſst wird und bei dem der Dampf-
erzeuger (Dampfkessel) von dem Wasserkasten getrennt ist. Dort
heiſst es Kapitel VII: Um zu wissen, in wieviel Luft sich
eine gewisse Wassermenge auflöst
, mache man sich einen
Kasten BC (Fig. 197, a. f. S.) von Glas oder Zinn. Er sei am Boden durch-
[920]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
locht, durch welches Loch der Hals von einem Destillierkolben D ge-
steckt wird. Dieser enthalte eine oder zwei Unzen Wasser und der
Hals sei in den Boden eingekittet oder eingelötet, daſs er nicht
herausgehen kann. Von dem Boden des Kastens aus geht eine Röhre,
welche so weit entfernt ist, daſs das Wasser auslaufen kann, und
diese Röhre gehe durch den Deckel nach auſsen, wenig entfernt von

Figure 208. Fig. 197.


der Oberfläche. Diesen Kasten fülle
man mit Wasser durch den Trich-
ter A und dann verschlieſse man
ihn gut, daſs er keine Luft durch-
läſst. Endlich setze man den ge-
nannten Kolben über das Feuer und
erwärme ihn allmählich, damit, wenn
das Wasser sich in Luft auflöst
(d. h. zu Dampf wird), es auf das
Wasser in dem Kasten drückt, damit
dieses in dem Kanal C in die Höhe
steigt und nach auſsen ausläuft,
und so fährt man fort mit Erwärmen
des Wassers, bis es alle geworden
ist; und während das Wasser ver-
dampft, drückt die Luft (d. h. der
Dampf) immer auf das Wasser in
dem Gefäſse und das Wasser flieſst
beständig aus. Wenn die Exhalation
beendigt ist, miſst man, wieviel Wasser aus dem Kasten gegangen ist,
oder anstatt des ausgeströmten Wassers miſst man, wieviel Wasser
übrig geblieben ist und erkennt aus der Menge des ausgeflossenen,
daſs das Wasser sich in so und soviel Luft aufgelöst hat . . . .“


Porta erwähnt auch der Anwendung des Dampfes als bewegende
Kraft eines Kriegswerkzeuges, wobei ihm jedenfalls Leonardo
da Vincis
Dampfkanone vorschwebte 1).


Giovani Branca giebt 1629 in seinem Buche: „Le Machine“ eine
interessante Abbildung (Fig. 198, a.f.S.) über eine Idee der Verwendung der
Dampfkraft 2). Ein hohl gegossener Bronzekopf, der zum Teil mit
[921]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
Wasser gefüllt ist, wird erhitzt. Aus der einzigen engen Öffnung,
dem Munde des „Püsterichs“, entströmt alsbald ein heftiger Dampf-
strahl, welcher die Schaufeln eines horizontalen Rades trifft, dieses
soll dann Pochstempel zum Pulverisieren von Farben, Holzsägen,

Figure 209. Fig. 198.


Paternosterwerke oder dergl. treiben. Das Ganze ist nur als Spielerei,
ähnlich denen, welche wir durch die ausströmende heiſse Luft der
Zimmeröfen bewegen lassen, denkbar, denn die Kraft des frei aus-
strömenden Dampfes, der sich nach allen Seiten ausdehnen kann, ist
nur sehr gering 1). Immerhin ist Brancas Zeichnung ein Zeugnis
dafür, daſs man nach der motorischen Verwendung der Dampf-
kraft suchte.



[922]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.

Mit Branca gleichzeitig lebte Salomon de Caus (auch
de Caux), dem französische Gelehrte sehr mit Unrecht die Er-
findung der Dampfmaschine zugeschrieben haben. Eine Kraftmaschine
hat er überhaupt nicht erfunden, wohl aber benutzte er ebenfalls den
Dampf in geistreicher Weise zum Heben und Drücken des Wassers nach
dem Princip des Heronsballes. Salomon de Caus, geb. 1576 zu Dieppe,
war Architekt und seine Specialität war, entsprechend dem Geschmack

Figure 210. Fig. 199.


seiner Zeit, die Anlage groſser Gärten
mit Wasserkünsten u. s. w. Dadurch,
daſs er Zeichenlehrer der Prinzessin
Elisabeth von England war, kam er,
als diese sich mit dem Pfalzgrafen
Friedrich verheiratete, mit dieser
nach Deutschland und erhielt den
Auftrag, den Garten des Heidel-
berger Schlosses neu anzulegen und
mit Wasserkünsten zu versehen. Da-
mals (1615) schrieb de Caus ein
interessantes Buch: Die Ursachen
der bewegenden Kräfte, worin aller-
lei Arten von Spingbrunnen und
andern Brunnen abgebildet sind.
Darin wird auch der Dampf als
eine der bewegenden Kräfte, um
Wasser über sein Niveau zu he-
ben — denn um etwas anderes
handelt es sich in der Schrift über-
haupt nicht —, angeführt. Er illu-
striert dies durch einen Kugel-
kessel, im dem ein eingenietetes Rohr bis nahe zum Boden ge-
führt ist. Wird der mit Wasser gefüllte Kessel geheizt, so drückt
der Dampf das Wasser durch das Rohr in die Höhe, so daſs ein
Springbrunnen entsteht (Fig. 199). Daſs diese einfache Anwendung
des Heronsballes nicht als Erfindung der Dampfmaschine be-
zeichnet werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführung.


Haben die Franzosen sich bemüht, ihren Landsmann de Caus
zum Erfinder der Dampfmaschine zu stempeln, so schrieben die Eng-
länder mit demselben Eifer und mit demselben Unrecht die Priorität
der Erfindung ihrem Landsmann E. Sommerset, Marquis of
Worcester, zu, der in einer 1663 erschienenen Schrift: Einhundert
[923]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
Erfindungen u. s. w. 1), auch einen Apparat angegeben hat, um Wasser
durch Dampf zu heben. Er sagt, durch die Festigkeit seiner Wasser-
maschine (water commanding machine) sei er im stande, Wasser auf
13 m Höhe zu heben, und mit einem Raumteil in Dampf verwandeltes
Wasser könne er 40 Raumteile kaltes Wasser emporpressen, wobei
der Wärter nur die Hähne zu drehen habe 2). Also auch hier handelt
es sich augenscheinlich um eine ähnliche Vorrichtung wie die von
de Caus oder von Porta, nur in gröſserem Maſsstabe.


Worcester, der bei König Karl II. in groſser Gunst stand und
diesem seine wunderbare Wassermaschine (most stupendious water-
commanding engine) selbst vorgelegt und empfohlen hatte, erhielt
am 29. Septbr. 1663 durch Parlamentsakt ein Patent auf dieselbe.
(Letter Patent eingetragen unter 15 Car. II, Kap. XII, A. D. 1663.)
Das interessante Patentgesuch, welches vom englischen Patentamt
neu veröffentlicht worden ist, beginnt: In Erwägung, daſs der sehr
ehrenwerthe Edward, Marquis von Worcester, seiner Majestät dem
König versichert hat, daſs er durch lange und unabläſsige Mühe und
Studium und mit groſsen, auſserordentlichen Kosten ein Geheimnis
der Natur, welches bis dahin noch nicht entdeckt war, erforscht und
gefunden hat, nämlich eine Wasserhebmaschine, von gröſserer Kraft
und Wirkung als man bis jetzt gekannt hat und es sei dies keine
Pumpe oder Maschine, wie sie jetzt angewendet werde, noch arbeite
sie durch Sauger, Kübel oder Bälge, wie man sie bislang zum Heben
von Wasser benutzt hat: Welche genannte Maschine groſsen Nutzen
und Vortheil dem Gemeinwohl gewähren wird, durch die Ent-
wässerung von Bergwerken, Marschland, Sümpfe und überschwemmtes
Land, dadurch daſs es Flüsse und Kanäle mit Wasser versorgt, sie schiff-
bar zu machen und Lasten zu führen von Stadt zu Stadt, durch Ver-
[924]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
besserung von Ländereien, die an Wassermangel leiden, durch Ver-
sorgung und Zufuhr von Wasser für die Stadt London oder irgend
einen andern Platz und durch verschiedene andere Wege und Mittel,
wodurch unsrer Nation groſse Anregung gegeben werden wird, groſse
Bergwerke zu eröffnen, Marschboden, Sumpfland, überflutetes Land zu
drainieren und zu gewinnen, wovon man seither zurückgeschreckt war
wegen der ungeheuren Kosten der Trockenlegung und Abfuhr des
Wassers; und da der genannte Edward, Marquis von Worcester,
bereit ist, Sr. Majestät den Zehnten des ihm erwachsenden Nutzens
für die Zeit seines Patentes zu gewähren: soll ihm ein Patent für
99 Jahre für seine Erfindung ertheilt werden. —


Jede Nachahmung wird verboten, die betr. Maschine konfisziert
und jede Stunde, die einer hiernach noch weiter arbeitet, mit
fünf Pfund Sterling bestraft, alles zum Nutzen des Patentinhabers. —
Ein Modell ist bis zum 29. Septbr. einzureichen. Das Patent wurde
„unter groſsem Beifall beider Häuser“ vom Parlament gewährt.


Aus zwei Lobgedichten, die dem gedruckten Patent beigefügt
sind, müſste man schlieſsen, daſs die Maschine ausgeführt worden ist
und gearbeitet hat. Die sehr bombastische, aber höchst unvoll-
kommene Beschreibung der Maschine giebt keinen genaueren Ein-
blick in die Konstruktion. Es heiſst darin:


Die Maschine besteht aus folgenden Theilen:


  • 1. Ein vollkommenes Gegengewicht für jede beliebige Menge
    Wasser.
  • 2. Ein vollkommener Gegenwerth (counter vail) für jede Höhe,
    auf welche die Wassermenge gebracht werden soll.
  • 3. Ein Primum Mobile, welches sowohl die Druckhöhe als auch
    die Wassermenge beherrscht, indem es sich selbst reguliert.
  • 4. Ein Stellvertreter (Ersatz) oder Gegenwerth, welcher die Stelle
    und Funktion der vollen Kraft eines Mannes oder Thieres,
    des Windes oder eines Wasserrades übernimmt.
  • 5. Eine Neuerung oder Lenkvorrichtung, wodurch ein Kind die
    ganze Wirkungsweise der Maschine leiten, in Ordnung er-
    halten und kontrollieren kann.
  • 6. Ein besonderer Wasserbehälter, entsprechend der Wasser-
    menge oder Druckhöhe, welche erreicht werden soll.
  • 7. Eine Wasserleitung, geeignet für die beabsichtigte Wasser-
    menge und Druckhöhe.
  • 8. Ein Raum für das ursprüngliche Quell- oder Fluſswasser, in
    welchen dieses hineinläuft und sich natürlich und von selbst
    [925]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
    mit dem aufsteigenden Wasser vereinigt, und zwar am unteren
    Ende der genannten Wasserleitung (des Steigrohres), wenn
    sie auch noch so hoch und weit ist.

Der Marquis von Worcester hatte eine groſse Maschine bei
Vauxhall errichtet, um London mit Wasser zu versehen. Als 1669
der Groſsherzog von Toskana nach England kam und König Karls II.
Gast war, besuchte er am 29. Mai diese Maschine, die also damals
eine hervorragende Sehenswürdigkeit war. Aus seinem Reisejournal
geht aber nicht hervor, daſs dieselbe durch Dampf bewegt wurde.


Bereits am 21. Januar 1630 hatte David Ramseye ein Patent
(Nr. 50) erhalten, „um Wasser aus tiefen Schachten mit Feuer zu
heben“, von der Ausführung verlautet aber nichts.


Die Idee, den Dampfdruck als Kraftquelle zu benutzen, bestand,
wenn auch unklar, seit dem Altertum, daſs man aber den richtigen
Weg zur Ausführung nicht fand, lag in der gänzlichen Unkenntnis der
Natur des Dampfes und der Gesetze der Expansion der Gase. Erst
als durch Toricellis Versuche klarere Vorstellungen über den Luft-
druck und durch Mariotte und Pascal über das Verhältnis von
Druck und Dichtigkeit der Luft bekannt geworden waren, erlangte
man auch richtigere Vorstellungen über die Expansion der Gase, ins-
besondere auch die des Dampfes. Alle bedeutenden Physiker der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beschäftigten sich mit Versuchen
über den luftleeren Raum und die Spannung der Gase, und waren
bestrebt, dieselben nutzbar zu machen. Die richtige Lösung dieses wich-
tigen Problems gelang zuerst dem erfindungsreichen Dyonisius Papin.


Denis Papin1), am 22. August 1647 zu Blois von reformierten
Eltern geboren, studierte Medizin, promovierte 1669 und wurde bald
darauf mit Huygens bekannt, der damals Professor in Paris und
der berühmteste Physiker seiner Zeit war. Papin wurde Assistent
bei Huygens und beide arbeiteten gemeinschaftlich. Der Haupt-
gegenstand ihrer Arbeiten waren Versuche mit der Luftpumpe. Hier-
durch erwachte in Papin die Lust am Experimentieren und Erfinden,
die ihn sein ganzes Leben nicht verlieſs und gerade diese gemein-
schaftlichen Arbeiten wurden der Ausgangspunkt der wichtigsten
seiner Erfindungen.


Papin, der schon früh mit Boyle, welcher die gleichen Ziele
verfolgte, bekannt geworden war, ging 1675 nach England, haupt-
[926]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
sächlich wohl, weil er hoffte, dort leichter Kapital für seine schon
damals aufs Groſse gerichteten Erfindungen zu finden. Auf Grund
mehrerer vorzüglicher physikalischer Arbeiten wurde er 1680 Mitglied
der Royal Society of London. 1681 widmete er dieser Gesellschaft
sein Werk: „a new Digester etc.“, über das Gefäſs, das wir noch
heute als Papinschen Topf kennen und verwenden und durch den er
am bekanntesten geworden ist.


Als motorische Kraft suchte Papin aber damals noch, wie
seine Zeitgenossen, nur den Luftdruck zu verwenden. Er machte
Vorschläge zum Wasserheben mittels Luftpumpen und zum Schleudern
von Geschossen mit Hilfe eines luftverdünnten Raumes. Doch fand
er weder bei der Akademie, noch bei den Kapitalisten Unterstützung
und die kostspieligen Versuche zehrten sein Vermögen auf.


Als am 18. Oktober 1685 in Frankreich die Aufhebung des
Edikts von Nantes erfolgte, so hatte dies zwar unmittelbar keinen
Einfluſs auf ihn, denn er befand sich damals in London, mittelbar
aber griff es tief in seinen Lebensgang ein. Zunächst war dadurch
entschieden, daſs er nie mehr nach Frankreich zurückkehren konnte,
dann wanderten seine nächsten Angehörigen nach Deutschland aus
und zogen ihn alsbald nach sich. Seine Tante Madeleine Papin
ging mit ihrem Schwiegersohn Jacob de Maliverné nach Marburg,
wohin ihn der Landgraf von Hessen als Professor berufen hatte. Im
Jahre 1687 ernannte der für die Wissenschaften begeisterte Landgraf
Karl von Hessen auch Dyonis Papin zum Professor der Mathematik
an der Universität Marburg. Papin, getäuscht in seinen Hoffnungen
auf Erfolg in England, niedergeschlagen und mutlos, folgte gern
diesem Ruf, verlieſs England und fand in Deutschland seine zweite
Heimat. Hier machte er, unterstützt von dem Fürsten von Hessen,
seine wichtigen Versuche und Entdeckungen für die Dampfmaschine.
Auf den richtigen Weg zur Ausnutzung der Dampfkraft scheint er
durch seine Versuche zur Herstellung einer Pulvermaschine,
einer Maschine, bei welcher die Kraft durch die Wirkung der
Pulvergase auf einen Kolben ausgeübt werden sollte, geführt worden
zu sein. Die Idee einer solchen Maschine rührte ursprünglich von dem
Abbé Hautefeuille und Huygens her. Als König Ludwig XIV. zur
Anlage der Wasserkünste von Versailles das Wasser aus der Seine
gehoben haben wollte, schlug Huygens das Schieſspulver zur
Erzeugung der bewegenden Kraft vor 1). Die Idee wurde auch
[927]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
experimentell geprüft durch Versuche, die Papin 1674 in Gegenwart
des Ministers Colbert angestellt hatte. Papins Pulvermaschine
(Fig. 200) zeigt bereits groſse Ähnlichkeit mit der atmosphärischen
Dampfmaschine und erinnert an unsere Gas- und Petroleummaschinen,
welche ja auch durch Explosion wirken. Die Wirkung auf den
Kolben war natürlich nur einseitig, derselbe wurde durch die Pulver-
gase von unten in die Höhe getrieben und sank durch sein Eigen-
gewicht. Die Pulvermaschine arbeitete unsicher und gefährlich. Da

Figure 211. Fig. 200.


kam Papin auf die Idee, ge-
spannten Wasserdampf in ähn-
licher Weise auf einen Kolben
wirken zu lassen. Diesen Grund-
gedanken unserer Dampfmaschine
veröffentlichte Papin in seiner
Abhandlung: Nova methodus ad
vires motrices validissimas levi
pretio comparandas, welche im
August 1690 in den actis erudi-
torum erschien. In seiner Er-
klärung geht er von der Pul-
vermaschine aus, welche aber
mangelhaft sei, weil die Pulver-
gase nur einen unvollkommen
luftleeren Raum erzeugen. Er
schlägt statt dessen Wasser vor,
dessen Dampf den Kolben in die
Höhe treibt; dieser aber abge-
kühlt, wird wieder Wasser, wodurch ein luftleerer Raum entsteht, in
welchen der äuſsere Luftdruck den Kolben niederpreſst. Der luftleere
Raum war für Papin die Hauptbedingung für die Wirkung seiner
Maschine. Denselben verwendete er für die mannigfaltigsten Zwecke.
1692 arbeitete er an einem Taucherschiff für den Landgrafen, welches
im Prinzip mit unseren heutigen Caissons bei Bauten unter Wasser
übereinstimmte. Dieses Taucherschiff, in Gestalt eines viereckigen
Kastens, sollte mit Kanonen armiert werden, welche unter Wasser
schieſsen sollten. Als das kunstvolle Werk vollendet war und ins
Wasser gelassen werden sollte, brach der Krahnen, es stürzte in die
Fulda und ging entzwei. Dieses Unglück wurde von Papins Feinden
ausgebeutet und wurde verhängnisvoll für seinen Ruhm. Ähnliche
Miſsgeschicke verfolgten Papin noch öfter; sie hatten meistens ihren
[928]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
Grund darin, daſs das richtige Ausmaſs der Kräfte fehlte, was nicht
zu verwundern ist, in einer Zeit, wo man von der Festigkeitslehre
noch so gut wie nichts wuſste und die Tragfähigkeit der Konstruktions-
materialien noch ganz unbekannt war; oft wird es also nur eine zu
schwache Schraube oder Klammer gewesen sein, welche ein Unglück
wie das obige veranlaſste 1).


Papin lieſs sich nicht entmutigen, er verbesserte seinen Apparat,
gab ihm die zweckmäſsigere Form eines Fasses und der Versuch ge-
lang sehr gut.


Auch auf anderen Gebieten bewährte sich sein Erfindungstalent.
Für den Grafen von Sayn-Wittgenstein konstruierte er einen ver-
besserten Heizofen. Da er erkannte, daſs die Luftzufuhr die Haupt-
sache sei, so bewirkte er diese künstlich durch einen Zentrifugal-
ventilator
. Hier haben wir also bereits die Feuerung mit Unter-

Figure 212. Fig. 201.


konzentrisch


exzentrisch


wind. Ebenso erkannte er die Wichtigkeit des Vorwärmens der
Luft
und wendete dieselbe bei einem Glasschmelzofen an 2).
Ebenso machte er dem Grafen von Zinzendorf in Böhmen einen
Vorschlag für eine Wasserhebmaschine. Auch hier war die Idee
richtig, die Ausführung scheiterte aber an der Mangelhaftigkeit der
Technik jener Zeit. — Zentrifugalpumpen und Ventilatoren (Fig. 201)
konstruierte Papin bereits, mit Unrecht aber hat man ihm die erste
Erfindung derselben zugeschrieben. Ventilatoren waren schon zu
Agricolas Zeit in den Bergwerken in Anwendung und den Zentri-
[929]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
fugalpumpen begegnen wir bereits bei Ramelli1). Papins Zentri-
fugalpumpe galt aber zu seiner Zeit als eine neue Erfindung und als
solche behandelt sie auch Leupold in seinem Theatrum Machinarum.
Sie führte den Namen „Hessische Pumpe“, denn Papin hatte sie
zuerst unter dem Titel: Rotalis suctor et pressor Haſsiacus — das
hessische Saug- und Druckwerk — in den actis eruditorum 1689
beschrieben. Die Konstruktion erinnert lebhaft an unsre heutigen
Rootsgebläse und Kapselpumpen.


Unterdessen arbeitete Papin unablässig an der Verbesserung
seiner Dampfmaschine, und es war ihm auch klar geworden, daſs der
Dampf nicht bloſs durch Erzeugung des luftleeren Raumes wirken
muſste, sondern auch durch seine Expansion. Nicht allein die Saug-
kraft des sich niederschlagenden Dampfes wollte er benutzen, sondern
auch „la force de la preſsion que l’eau exerce sur les autres corps
en se dilatant, dont les effets ne sont pas bornés comme sont ceux
de la suction“. Damit sprach er den Gedanken, der den Hochdruck-
maschinen zu Grunde liegt, zuerst deutlich aus und es geschah dies
in demselben Jahre 1698, in dem der Schotte Savery seine Dampf-
pumpe erfand. Papin wollte die Dampfkraft hauptsächlich zur Be-
wegung von Wagen und Schiffen benutzen. Er hatte das Modell
eines Dampfwagens konstruiert und erklärte sich bereit, eine Dampf-
maschine zur Fortbewegung von Schiffen zu bauen, wenn der Land-
graf ihm die Mittel dazu bewilligen wolle, was dieser aber damals
ablehnte. Papin hatte aber die Ausführung einer Dampfmaschine
im groſsen in Angriff genommen, woran der Landgraf lebhaftes
Interesse nahm. Die Arbeit schritt indeſs nur sehr langsam vor-
wärts und wurde häufig unterbrochen, sowohl durch äuſsere Veran-
lassungen, als durch Papins innere Unruhe, der immer wieder neuen
Ideen nachhing. So war damals der spanische Erbfolgekrieg aus-
gebrochen und Papin trug sich mit dem Gedanken, ein groſses
Windgeschütz zu konstruieren, welches durch Schnellfeuer wunder-
bare Erfolge erzielen, Frankreich besiegen und allen Kriegen ein
Ende machen sollte (pour finir bientôt les malheurs de la guerre).
An diesem nutzlosen Unternehmen verwendete er Kraft und Zeit und
als er sein prahlerisch angekündigtes Geschütz fertiggestellt hatte, war
dessen ganze Leistung, daſs es eine zweipfündige Kugel 90 Schritte
weit warf. Dieser Miſserfolg war für viele ein Grund, Papin über-
haupt für einen Schwindler zu halten; es schadete auch seinem
Beck, Geschichte des Eisens. 59
[930]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
Ansehen beim Landgrafen, und das war um so bedauerlicher, als
alles zum Bau einer Dampfmaschine, welche an Leistungsfähigkeit
seine früheren Modelle übertreffen muſste, eingeleitet war. Da kamen
die ersten Nachrichten von Saverys Maschine nach Deutschland.
Leibniz schickte 1705 eine Zeichnung davon. Alsbald bekam Papin
vom Landgrafen den Auftrag, eine Dampfmaschine zum Betrieb
einer Mahlmühle zu konstruieren, d. h. eine Dampfpumpe, welche das
Wasser in die Höhe heben sollte, um ein Mühlrad damit zu betreiben.
Papin kombinierte in genialer Weise seine Idee mit der Saverys.
1707 veröffentlichte Papin Zeichnung und Beschreibung seiner
Maschine durch den Druck 1). Sie enthält die Konstruktion der
ersten Hochdruck-Dampfmaschine, dazu bestimmt, Wasser zu pumpen,
eine Kritik der Maschine Saverys und Betrachtung und Berechnung
der Wirkungsweise und Wirkungsfähigkeit der Maschine. Leibniz
nahm das lebhafteste Interesse an der Sache, korrespondierte eifrig
mit Papin und machte Verbesserungsvorschläge.


Die Maschine wurde fertiggestellt und in Gegenwart des Land-
grafen probiert. Die Probe fiel nicht gut aus, weil das Steigrohr,
welches die fürstlichen Handwerker angefertigt hatten, schlecht ge-
arbeitet war; dennoch hob man 300 kg Wasser 70 Fuſs hoch. Der
Landgraf erklärte sich befriedigt, sein Interesse für die Maschine
hatte aber sehr abgenommen. Papin war in Verzweiflung und
reichte seine Entlassung ein, welche angenommen wurde. Er packte
seine Apparate und Modelle zusammen und schiffte sich mit den-
selben auf dem von ihm selbst erbauten kleinen Schiffe nach Eng-
land ein. Es war dies ein Boot mit Ruderrädern 2), mit dem Papin
noch vor seiner Abreise sehr gelungene Versuche vor dem Land-
grafen ausführte. Er wollte die Räder später durch seine Dampf-
maschine treiben lassen. Damals aber und bei seiner Fahrt die
Fulda hinab wurden die Schaufelräder noch nicht mit der Dampf-
maschine getrieben, wie dies irrthümlich in den meisten Büchern sich
angegeben findet. Bekanntlich weigerte die Schiffergilde in Münden
Papin die Durchfahrt, und da er sie erzwingen wollte, zerschlugen
[931]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
rohe Schiffer sein Schiff und sein Modell. Arm kam er nach Eng-
land; dort fand er die erwartete Unterstützung nicht und starb im
Elend, wahrscheinlich 1714.


Papin gebührt nicht nur das Verdienst, zuerst das Prinzip der
Dampfmaschine klar erläutert und dargestellt (1690), sondern auch
die erste betriebsfähige Maschine konstruiert, gebaut und in Gang
gesetzt zu haben (1706), und zwar aus deutschem Material, mit
deutschen Arbeitern. Leider ist nichts von dieser Maschine erhalten
geblieben. Sie war in Kassel vor dem jetzigen naturwissenschaft-
lichen Museum aufgestellt gewesen. Die dort angebrachte Marmor-
tafel besagt: „Denis Papin, der Erfinder der Dampfmaschine, hat
auf diesem Platze in Gegenwart des Landgrafen Karl von Hessen im
Juni 1706 die ersten gröſseren Versuche mit Hilfe der Dampf-
maschine erfolgreich durchgeführt. Sie hob Wasser und drückte es
70 Fuſs hoch.“ Da sie das Prinzip der Saveryschen mit der
Kolbenmaschine vereinigte, hat man sie öfters als eine Verbesserung
der Saveryschen ausgegeben, aber mit Unrecht. Als Papin von
Leibniz die Zeichnung der Saveryschen Maschine erhielt, er-
kannte er in ihr einen älteren Entwurf, den er geprüft und als
unbrauchbar verworfen hatte; sodaſs also hinsichtlich der Savery-
schen Maschine eher Papin die Priorität der Erfindung gebühren
würde.


In der That ist Saverys Maschine, an und für sich betrachtet, im
Vergleich mit der Papins ein Rückschritt; sie arbeitet ohne Kolben
und kann nur zum Wasserheben verwendet werden; ein eigentlicher
Motor ist sie nicht. Dagegen liegt ein genialer Gedanke darin, daſs
durch die Wechselwirkung von zwei Saug- und Druck-
gefäſsen die Kontinuität des Betriebes ermöglicht ist
.
Wir geben in Fig. 202 (a. f. S.) die Zeichnung, welche Savery
seiner Patentbeschreibung vom 25. Juni 1698 beigefügt hat, nebst
seiner eigenen Erklärung 1).


Beschreibung der Zeichnung einer Maschine, um Feuer
mit Wasser zu heben
.


A die Öfen. B1B2 die zwei Feuerungen. C die Esse oder Kamin.
D der kleine Kessel. E Rohr und Hahn dazu. F die Schraube, welche
die Dampfkraft einschlieſst und hemmt. G ein kleines Rohr mit Hahn, das
bis auf acht Zoll vom Boden herabgeht. H ein weiteres Rohr, das eben so
tief hinabgeht. I ein Ventil am oberen Ende dieses Rohrs. K ein Rohr,
59*
[932]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
welches von dem Gehäuse des erwähnten Ventils in den groſsen Kessel etwa
einen Zoll tief führt. L der groſse Kessel. M die Schraube mit der Re-
gulierung. N ein kleines Rohr, welches bis in die halbe Höhe des Kessels
geht. O O Dampfrohre auf der einen Seite am Regulator (Kesseldeckel)

Figure 213. Fig. 202.


verschraubt, auf der anderen
Seite zu den Vorlagen (receivers)
führend. P1 und P2 die Gefäſse,
Vorlagen genannt. Q Q die
Schrauben, welche die Rohre und
Ventile vor der Maschine halten.
R1R2R3R4 Messingventile mit
Schrauben zu öffnen, um gelegent-
lich dazu gelangen zu können.
S das Druckrohr. T das Saug-
rohr. V ein viereckiger Holz-
kasten mit Öffnungen an der
unteren Seite im Wasser. X ein
Behälter mit einem Drehhahnen
(buy-cock) in Verbindung mit dem
Druckrohr. Y Drehhahn mit Rohr
am Boden des Behälters. Z der
Handhebel für die Regulierung.


Art und Weise des Be-
triebs der Maschine
.


Das erste ist, den Apparat
in einen guten Doppelofen ein-
zubauen, derart, daſs das Feuer
die beiden Kessel umspült und
rings in der vorteilhaftesten
Weise umgiebt, wie es bei den
kupfernen Braukesseln geschieht.
Ehe man Feuer macht, muſs man
die beiden kleinen Rohre mit
Hahn G und N, welche in die
Kessel eintauchen, losschrauben.
Durch die Öffnungen fülle man
L, den groſsen Kessel, zu zwei-
drittel und D, den kleinen Kessel,
ganz voll Wasser, dann schraube
man die beiden Rohre wieder so
fest wie nur möglich zu. Alsdann entzünde man das Feuer B1. Sobald das
Wasser in L kocht, schiebt man den Hebel Z des Regulators so weit auf wie
nur möglich, wodurch der Dampf aus L mit unwiderstehlicher Kraft durch
O1 nach P1 strömt und alle Luft durch das Ventil R1 mit deutlichem Ge-
räusch austreibt. Sobald alle ausgetrieben ist, wird der Boden des Gefäſses
P1 sehr heiſs werden. Alsdann ziehe den Hebel des Regulators wieder zu,
[933]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
wodurch O1 geschlossen wird und der Dampf durch O2 nach P2 gehen
muſs, bis auch in diesem Gefäſs alle Luft durch das Ventil R2 und das
Druckrohr ausgepreſst ist. Währenddem wird in dem Gefäſs P1 dadurch,
daſs der Dampf sich kondensiert, ein Vakuum oder luftleerer Raum ent-
stehen. Dadurch muſs und wird notwendiger Weise das Wasser durch das
Saugrohr T in die Höhe steigen und indem es das Ventil R3 hebt, das Ge-
fäſs P1 füllen. — Alsdann, nachdem die Luft aus dem Gefäſs P2 ausge-
trieben ist, drehe den Hebel des Regulators wieder auf, wodurch die Kraft
(der Dampf) auf die Oberfläche des Wassers in P1 wirkt; er erwärmt nur die
Oberfläche und kondensiert sich nicht, sondern drückt durch seine Elastizität,
welche zunimmt, bis sie das Gewicht des Wassers überwindet, dasſelbe
durch das Steigrohr S in die Höhe, an dessen Mündung es ausflieſst. Es
dauert einige Zeit, bis dies eintritt, ist dies aber einmal geschehen, so ist
es einem Jeden, der nur eine halbe Stunde die Maschine beobachtet hat,
leicht, einen konstanten Abfluſs zu erhalten. Denn man kann an der
Auſsenfläche des Gefäſses P1 beobachten, wie das Wasser abgeht, gerade
wie wenn es durchsichtig wäre. Denn so weit der Dampf reicht, ist das
Gefäſs auſsen trocken und so heiſs, daſs man es kaum mit der Hand er-
tragen kann, so weit aber das Wasser reicht, ist es kalt und bleibt feucht,
wenn man Wasser darauf bringt, welche Feuchtigkeit aber in dem Maſs
verschwindet, als der Dampfraum zunimmt. Drückt man aber alles Wasser
hinaus, so erzeugt der Dampf, sobald er durch das Ventil R1 tritt, ein
rasselndes Geräusch, welches ein deutliches Zeichen ist, den Hebel des Regu-
lators wieder zuzuziehen, wodurch sogleich das Wasser aus P2 ausgepreſst
wird, ohne die geringste Unterbrechung im Auslauf; nur wird der Strom
des auslaufenden Wassers manchmal etwas stärker sein, wenn man den
Hebel schon zieht, ehe noch Dampf durch das Ventil R1 getreten ist. Es
ist aber viel besser, keinen Dampf entweichen zu lassen (denn dies ist nur
Verlust von entsprechender Kraft), was leicht verhindert wird, wenn man
den Hebel zieht, ehe das Gefäſs völlig geleert ist. Ist dies geschehen, so
drehe sofort den Auslauf des Reservoirs K auf P1, sodaſs das Wasser von
X durch Y (was nie geöffnet ist auſser in der Stellung des Ausflusses auf
P1 oder P2) auf P1 fällt und dadurch den Dampf (der eben noch so groſse
Kraft ausgeübt hatte) durch seine Kälte kondensiert und den luftleeren
Raum herstellt. So wird das Gefäſs P1 durch den atmosphärischen Druck,
oder wie man gewöhnlich zu sagen pflegt, durch die Saugkraft sogleich
wieder gefüllt, während P2 sich entleert; ist dies geschehen, dreht man
den Hebel des Regulators wieder auf und läſst den Druck auf P1 wirken,
während man das Kondensationsrohr über P2 zieht und dadurch den Dampf
in dem Gefäſs verdichtet, so daſs es sich füllt, während das andere sich
entleert. Die Arbeit, die beiden Teile der Maschine, den Regulator und
den Wasserhahn zu drehen, ist so leicht, daſs sie ein Knabe während des
ganzen Tages ausführen kann und ist so leicht zu lernen, wie ein Pferd in
einem Göpel zu treiben; dennoch möchte ich Männer und die allergeschick-
testen bei der Maschine angestellt haben, da diese zuverlässiger sein werden
als Knaben. Der Unterschied des Lohnes verschwindet dabei in Anbe-
tracht des groſsen Nutzens, welchen die Maschine gewährt.


[934]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.

Der denkende Leser wird hier einwenden, daſs, da der Dampf die Ur-
sache der Bewegung und Kraft ist, Dampf aber nur verflüchtigtes Wasser
ist, der Kessel L nach einiger Zeit leer werden wird und man dann die
Maschine still stellen und den Kessel wieder füllen muſs, will man nicht
Gefahr laufen, daſs der Boden des Kessels durchbrennt.


Dies beantwortet sich von selbst, wenn man den Nutzen des kleinen
Kessels D ins Auge faſst. Sobald der Kesselwärter es für angemessen hält,
den groſsen Kessel wieder zu füllen (es dauert 1½ bis 2 Stunden, bis das
Wasser einen Fuſs gesunken ist), so dreht er den Hahn E des kleinen
Kessels und schlieſst dadurch jede Verbindung mit dem groſsen Druck-
rohr G und dem kleinen Kessel D ab; dieser wird rasch erhitzt, indem
man ein wenig Feuer in B2 einlegt, das Wasser kocht und bald erlangt
sein Dampf eine gröſsere Spannung als der in dem groſsen Kessel. Denn
da der Druck in dem groſsen Kessel fortwährend sich verringert, während
der andere wächst oder sich steigert, so dauert es nicht lange, daſs der
Druck in D den in L übertrifft; dadurch wird das Wasser in D durch
seinen eigenen Dampf gepreſst und muſs notwendig durch das Steigrohr H
in die Höhe gehen, und indem es das Ventil I öffnet, gelangt es durch das
Rohr K nach L und läuft so lange aus, bis der Wasserstand in D die
untere Mündung des Rohres H erreicht hat. Alsdann tritt Dampf mit
Wasser ein und das hierdurch entstehende Geräusch giebt ein deutliches
Zeichen, daſs D bis auf acht Zoll vom Boden entleert ist und seinen Inhalt
bis auf acht Zoll vom Boden nach L entleert hat. Und insofern vom Hals
von D bis zur Mündung der Röhre H soviel Wasser sich befindet, um den
Wasserstand in L um einen Fuſs zu erhöhen, so ist man sicher, den
Kessel L um einen Fuſs gefüllt zu haben. Alsdann öffnet man den Hahn E
und füllt D sofort wieder, in regelmäſsigem Wechsel ohne Störung oder Ge-
fahr. Will man zu beliebiger Zeit sich überzeugen, ob der Kessel L mehr
als auf halbe Höhe entleert ist, so dreht man den kleinen Hahn N, aus
welchem alsdann Wasser ausströmen wird, wenn dessen Oberfläche noch
über der Mündung des Rohres, welches bis in die halbe Höhe des Kessels
niedergeht, steht; wenn nicht, so wird Dampf ausströmen. In gleicher
Weise zeigt der Hahn G, ob man mehr oder weniger als sechs Zoll Wasser
in dem Kessel D hat und so kann nur dumme oder böswillige Nachlässig-
keit eine Schädigung der Maschine herbeiführen. Und wenn der Meister
seinem Knecht nicht traut, kann er sich durch diese Sicherheitshähne (gauge
pipes) leicht überzeugen; denn kommt er zur Arbeit und findet den Wasser-
stand C in dem Kessel L unter der Mündung des Sicherheitsrohres N, oder
das Wasser in D unter der Mündung von G, so ist der Knecht strafbar,
obgleich vor drei Stunden eine Schädigung und Entleerung des Kessels noch
nicht eintreten würde; die Ventile aber werden bei allen hydraulischen
Apparaten um so besser, je länger sie in Gebrauch sind. Alle übrigen
Teile der Maschine sind aber von gleicher Güte, und da der Ofen aus
Stourbridge- oder Windsorbacksteinen oder aus feuerfesten Steinen gemacht
ist, so sehe ich nicht ein, wie die Maschine vor Jahren leiden kann; denn
die Ventile, Hülsen, Krümmer, Regulator und die Hähne sind alle von
Messing, und die Gefäſse sind alle aus dem besten getriebenen Kupfer und
[935]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
von genügender Stärke hergestellt. Kurzum, die Maschine ist so einfach
und solid konstruiert, daſs Jemand von ganz geringer, gewöhnlicher Ge-
schicklichkeit Jahrelang ohne Nachteil damit arbeiten kann, wenn dies nicht
böswilliger Weise geschieht. Ist die Maschine erst einmal richtig aufge-
stellt und in Gang gesetzt, so kann ich bei aller Bescheidenheit versichern,
daſs der Unternehmer oder der Beamte aller Sorge, Mühe und Kosten,
welche die fortwährenden Reparaturen aller anderen Maschinen, welche
gegenwärtig zum Wasserheben in den Bergwerken in Anwendung sind, los
sein wird.“


Savery setzt weiterhin auseinander, zu welchen Zwecken seine
Maschine anwendbar sei:


  • 1. Für Mühlwerke, freilich nur in der Weise, daſs die Maschine
    das Wasser hebt, welches dann auf ein Mühlrad geleitet wird.
  • 2. Für Schlösser und Edelsitze zur Wasserversorgung der Ge-
    bäude von einem hochgestellten Reservoir aus.
  • 3. Zur Wasserversorgung der Städte.
  • 4. Zum Trockenlegen von Sumpf- und Marschland u. s. w.
  • 5. Glaubt er, daſs sie auch für Schiffe anwendbar sei, will aber
    hierauf nicht näher eingehen, sondern dies den Leuten von
    Fach überlassen.
  • 6. Zur Wasserhaltung in Bergwerken und Kohlengruben, und
    hierauf legt er besonderen Wert und erblickt darin die Zu-
    kunft seiner Maschine.

Zu diesem Zweck hat er eine Schrift verfaſst: „Der Bergmanns-
freund“ (The miners friend), in welcher er seine Maschine beschreibt
und deren Anwendbarkeit und Vorzüge zum Schluſs noch in einem
Gespräch des Erfinders mit einem Bergmann in das beste Licht setzt.


Aus der eben mitgeteilten Beschreibung Saverys geht deutlich
hervor, daſs seine Maschine mit dem, was wir unter einer Dampf-
maschine verstehen, nichts gemein hat, eher erinnert sie an einen
Pulsometer.


Trotz ihrer verständigen und einfachen Konstruktion blieben
ihre Leistungen doch hinter den Erwartungen zurück, so daſs sie
eigentlich nur für Wasserkünste in Gärten und zur Wasserversorgung
von Gebäuden verwendet wurde; zur Verwendung in Bergwerken,
worauf Savery seine gröſste Hoffnung gesetzt hatte, erwies sie sich
unbrauchbar. Ihr Hauptfehler bestand darin, daſs der Dampf un-
mittelbar auf das kalte Wasser drückte, wodurch ein groſser Teil
desſelben kondensiert wurde und nicht zur Wirkung kam. Dennoch
ist Saverys Maschine eins der wichtigsten Glieder in der Kette,
welche zur Konstruktion der modernen Dampfmaschine führte. Sie
[936]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
gab Papin die wichtige Idee, den Dampfkessel von der Maschine zu
trennen. Papin verbesserte dagegen die Saverysche Erfindung
wesentlich dadurch, daſs er den Dampf nicht direkt auf die Wasser-
fläche, sondern auf einen diese abschlieſsenden Kolben wirken lieſs.


So entstand Papins Dampfmaschine vom Jahre 1706,
die wir jetzt etwas näher betrachten wollen; dieselbe ist in der Ars
nova in nebenstehender Weise (Fig. 203) abgebildet 1).


Figure 214. Fig. 203.

A ist der Dampfkessel aus Kupferblech, D D der ebenfalls aus Kupfer
hergestellte Dampfcylinder, das Rohr B B verbindet beide in der Weise,
daſs der Dampf über dem Kolben eintritt. Um die Gefahr zu hoher Dampf-
spannung zu vermeiden, ist an dem Cylinderdeckel ein Sicherheitsventil,
ebenfalls eine Erfindung Papins, angebracht 2). Der Kessel hatte 20 Zoll
Breite und 26 Zoll Höhe, der Cylinder 20 Zoll Durchmesser und 15 Zoll
Höhe. Der Hahn E regulierte die Dampfzufuhr. Der Dampf drückte den
Kolben oder Schwimmer J J, ein aus Blech hergestelltes Hohlgefäſs in Ge-
stalt eines Hutes, nieder und preſste das Wasser, das den unteren Cylinder-
raum füllte, aus. Der Schwimmer hatte deshalb den hutförmigen Ansatz,
um in diesen durch die Öffnung des Sicherheitsventils ein Stück glühendes
Eisen eintragen zu können. Der Schwimmerkolben wurde durch eine
Wassersäule in H und dem kommunizierenden Gefäſs G G, das durch ein nach
[937]Die Dampfmaschine im 17. Jahrhundert.
unten sich öffnendes Ventil abgeschlossen war, in die Höhe gedrückt. Hatten
Wasser und Schwimmer den höchstsn Stand erreicht, so wurde der Hahn E
geöffnet. Der überhitzte Dampf strömte mit voller Kraft oberhalb des
Schwimmers ein, wurde durch das glühende Eisen momentan noch stärker
erhitzt, expandierte und preſste das Wasser durch das nach oben sich
öffnende Ventil T in den mit Luft gefüllten, allseitig geschlossenen Cylinder
N N, der 3 Fuſs hoch und 23 Zoll weit war. Die dadurch zusammen-
gepreſste Luft drückte bei ihrer Ausdehnung das Wasser durch das mit
Hahn oder Ventil X verschlieſsbare Steigrohr auf die gewünschte Höhe.
Der gebrauchte Dampf entwich beim Aufgang des Kolbens aus dem ge-
öffneten Hahn bei n, während sich der Cylinder wieder mit Wasser füllte.
Die Hähne R und Y erlaubten nötigenfalls, den Dampf aus dem Kessel
oder das Wasser aus dem Cylinder abzulassen. Leitete man nun eine Quelle
oder einen Bach in das Gefäſs G G, so genügte ein Arbeiter, welcher den
Kessel zu heizen und die Hähne E und n zu drehen hatte, um groſse
Wassermassen auf beträchtliche Höhen zu heben. Die Wirkung des
Dampfes liegt wesentlich in seiner Spannung und Expansion im Augenblick
seines Eintrittes in den Cylinder, die Maschine ist demnach im vollsten
Sinne des Wortes eine Hochdruckmaschine, denn der Dampf hat den Gegen-
druck der über eine Atmosphäre gepreſsten Luft in N N zu überwinden.


Die Originalität der Erfindung und die Verschiedenheit der Wir-
kungsweise gegenüber Saverys Maschine leuchtet sofort ein; ebenso,
daſs es leicht ausführbar war, den Kolben mit einer Kolbenstange,
wie bei der ersten Maschine Papins, zu verbinden. Daſs der Ver-
such mit der fertigen Maschine in Kassel vor dem Landgrafen so
mangelhaft ausfiel, hatte, wie es scheint, nur in der Mangelhaftigkeit
des Steigrohrs seinen Grund. Während Papin seine Maschine mit
groſser Mühe und Arbeit selbst gefertigt hatte, wurde das Steigrohr
auf Befehl des Landgrafen, der die Anordnung, daſs das Rohr bis
zum Dache des Schlosses geführt werden sollte, getroffen hatte, von den
fürstlichen Handwerkern gemacht. Diese setzten das Rohr aus einzelnen
Stücken zusammen und verbanden dieselben mit Kitt. Papin
protestierte zwar dagegen, indem er voraussagte, daſs das so ange-
fertigte Rohr den Druck nicht aushalten könne, aber es half ihm
nichts, der Landgraf wollte nicht länger warten, der Versuch wurde
gemacht. Wie er ausfiel, erfahren wir aus einem Briefe Papins an
Leibniz vom 19. August 1706: Als man nun zum Versuch kam, sah
man, daſs in der That das Wasser aus allen Verbindungsstellen her-
austrat und dies geschah an der untersten derselben in so starkem
Strahl, daſs Seine Hoheit sich bald dahin aussprach, dieser Versuch
könne nicht gelingen. Aber ich bat ihn ganz unterthänig, ein wenig
zu warten, weil ich glaubte, daſs die Maschine genug Wasser liefern
[938]Gebläse im 17. Jahrhundert.
würde, um es trotz der beträchtlichen Verluste in die Höhe zu
bringen. Und in der That, als die Operationen fortgesetzt wurden,
sahen wir vier- oder fünfmal das Wasser bis zum Ende des Rohres
steigen. Man versuchte nun, dieses mit neuem Kitt zu dichten, da
es aber sehr warm war, fiel eine groſse Menge in die Röhren und
auf die Ventile, welche sich dadurch bei dem zweiten Versuche, den
man anstellen wollte, nicht mehr richtig schlossen. — Der Landgraf
gab Befehl, ein neues Steigrohr aus verlöteten Kupferteilen anzu-
fertigen. Dies geschah auch, aber das Rohr blieb jahrelang unbenutzt
liegen, bis es zu anderen Zwecken verwendet wurde.


Papins geniale Erfindung hatte keinen unmittelbaren Erfolg; sie
blieb die verkannte That des Genies. — Saverys Maschine dagegen
wurde in England durch Verbesserungen nutzbringend gemacht. Die
weitere Entwickelung der Dampfmaschine gehört aber in die Ge-
schichte des 18. Jahrhunderts. Für die Eisenindustrie blieb die Dampf-
maschine im 17. Jahrhundert noch ohne alle Bedeutung.


Gebläse im 17. Jahrhundert.


Eine andere einfachere Erfindung hat für die Eisenindustrie in
dieser Periode eine hervorragende Bedeutung erlangt, nämlich die
der Holzblasebälge. Sie bestand darin, daſs man die Seitenwände
des Blasebalges statt aus Leder aus Holz anfertigte und den einen der
beiden Balgteile beweglich machte, so daſs sich entweder der Ober-
kasten um den Boden, oder der Boden in dem Oberkasten bewegte.
Ersteres war die ältere Konstruktion. Der Deckel war mit den
hölzernen Seitenwänden zu einem Kasten von dreieckigem Querschnitt
verbunden und bildete den Oberkasten, welcher mit dem Boden
durch ein charnierartiges Schloſs verbunden, sich diesem zu bewegte.


Fig. 204 zeigt einen Holzblasebalg in senkrechtem Längendurch-
schnitt, Fig. 205 den Unterkasten in der oberen Ansicht. a ist der
Oberkasten, dessen durchbohrter Balgkopf durch das Schloſs oder
Charnier f mit dem Boden oder Unterkasten verbunden ist. Der
Oberkasten bewegt sich um den Stift des Schlosses f auf und nieder.
In dem Unterkasten b ist das Deckelventil e eingelassen. Um den
[939]Gebläse im 17. Jahrhundert.
Wind zur richtigen Wirkung kommen zu lassen und Windverlust
durch Ausströmung zwischen Ober- und Unterkasten, sind an den
Seiten des Unterkastens bewegliche Leisten angebracht, welche durch
Federn gegen die Wände des Oberkastens gepreſst werden. Diese
Leistenliederung bildet einen sehr wesentlichen Teil des Apparates
und würde sich auch durch das genaueste Einpassen von Boden und

Figure 215. Fig. 204.


Figure 216. Fig. 205.


Unterkasten nicht er-
setzen lassen, umso-
weniger, als das Holz
bei wechselnder Tem-
peratur und Feuchtig-
keit sich ungleich aus-
dehnt. Der ganze
Balg ruht auf dem
Balgfuſs, welcher mit
einem Untergestell fest
verbunden ist. Der
Wind tritt, wie bei
dem Lederbalg, durch
eine Düse oder Deute
von Eisenblech aus.


Die Vorteile der Holzbälge gegenüber den Lederbälgen waren
hauptsächlich folgende: Zunächst waren sie haltbarer, der Zerstörung
nicht so leicht ausgesetzt. Die Lederblasebälge nutzten sich rasch
ab, einerseits dadurch, daſs das Leder ziemlich bald brüchig wurde,
anderseits dadurch, daſs es sehr leicht durchbrannte. Dieser Gefahr
war bei dem hüttenmännischen Betriebe das trockne oder eingefettete
Leder sehr leicht ausgesetzt, besonders wenn der Balg bei seinem
Aufzug die heiſse Luft und damit oft Funken von Kohlen und
glühender Schlacke einsaugte. Ein kleines Loch konnte aber den
Lederbalg unbrauchbar machen. Dies war bei den dicken Wänden
des Holzbalges nicht zu befürchten. — Zweitens lieferten die Holz-
bälge einen stärkeren und gepreſsteren Luftstrom. Die Falten der
Lederbälge bauschten sich beim Niedergang seitlich aus. Die in
diesen Falten eingeschlossene Luft kam nicht zur Wirkung und ver-
minderte die Pressung. Wollte man letztere durch rascheren Wechsel
erzwingen, so waren die Lederbälge der Gefahr des Zerplatzens aus-
gesetzt; nicht so die Holzbälge. Drittens konnte man bei dieser
Konstruktion die Bälge gröſser und stärker bauen. Bei den Leder-
bälgen war die Gröſse der Bälge im Allgemeinen beschränkt durch
[940]Gebläse im 17. Jahrhundert.
die Gröſse der Ochsenhäute, während man den Holzbalg beliebig groſs
machen konnte.


Ein wesentlicher Vorteil der Holzbälge, der auch am meisten zu
ihrer raschen Verbreitung beigetragen hat, war endlich ihre gröſsere
Billigkeit in der Anlage und in der Unterhaltung. Lederbälge für
Eisenhütten von gleichem Effekt waren fünfmal so teuer als Holz-
bälge.


Aus reinem Tannenholz gutgearbeitete Holzbälge hielten, auch
wenn sie 46 bis 48 Wochen im Jahre betrieben wurden, 30, 40 und
mehr Jahre, oder durchschnittlich zehnmal so lange als lederne 1).


Am raschesten nutzten sich die Dichtungsleisten ab, dieselben
lieſsen sich aber sehr leicht auswechseln. Die laufende Unterhaltung
erforderte nichts weiter, als daſs die gleitenden Teile alle drei bis
vier Monate einmal mit Unschlitt geschmiert wurden.


In Anbetracht dieser groſsen Vorzüge ist die Erfindung und Ein-
führung der Holzblasebälge als ein groſser Fortschritt auf dem Ge-
biete des Hüttenwesens anzusehen. Daſs es trotzdem ein ziemlich
unvollkommener Apparat war, bedarf kaum der Ausführung. Wir
weisen nur auf den groſsen schädlichen Raum hin, welcher dadurch ent-
stehen muſste, daſs man dem einen Teil, der unentbehrlichen Liederung
wegen, die Form eines Kastens geben muſste. Die Dichtungsleisten
umschlossen also unter allen Umständen einen unausgenutzten Luft-
raum. Der Erfolg hat denn auch ihre Unvollkommenheit bewiesen.
Überall sind die Holzbälge durch besser konstruierte Gebläse ver-
drängt worden. Wir wollen deshalb auf weitere Einzelheiten der
Konstruktion der Holzbälge hier nicht näher eingehen und uns darauf
beschränken, auf die betreffende Litteratur zu verweisen 2). Zu jener
[941]Gebläse im 17. Jahrhundert.
Zeit aber war die Einführung der Holzblasebälge ein groſser Fort-
schritt und sie verdrängten die Lederbälge in den Eisenhütten gröſsten-
teils. Nur in einzelnen Gegenden, wie im Siegerland, wo man zäh an
dem Überlieferten festhielt, erhielten sich bei den Schmelzhütten zum
Teil, besonders aber bei den Rohstahl- und Frischfeuern die Leder-
bälge. Der Hauptgrund lag darin, daſs man bei denselben mit
schwächerem Aufschlagwasser auskam, und daſs man sie, wenn es
darauf ankam, rascher wechseln lassen konnte, wodurch man die bei
Rohstahlfrischen nur zeitweilig erforderliche starke Pressung von 2 bis
2½ Pfund auf den Quadratzoll doch erreichte. Allerdings konstruierte
man diese Bälge auch stärker, machte die Böden aus sechs Zoll starken
Bohlen und nahm dazu zwei groſse, gutgegerbte Ochsenhäute. Solche
Bälge sollen dann ebenfalls zuweilen 20 Jahre gehalten haben.


Daſs die Erfindung der Holzblasebälge in Deutschland gemacht
wurde, ist unbestritten; daſs sie um 1620 zuerst am Harz eingeführt
wurden, steht ebenfalls fest. Wer aber der Erfinder war, darüber
gehen die Angaben auseinander.


Die Idee der Erfindung hatte bereits im 16. Jahrhundert der
Nürnberger Meister Hans Lobsinger1). Derselbe übergab im Jahre
1550 dem Rat zu Nürnberg ein Verzeichnis seiner vorzüglichsten
künstlichen Werke; unter diesen werden aufgeführt: „kleine und
groſse Blaſs-Bälge ohne Leder von zirem Holz, die zu Schmeltz- und
andern Hütten, auch zu Orgeln, dergleichen er verschieden machte,
dienlich waren, wie auch kupferne Blaſsbälge, die beständig einen
gleichen Wind gaben“. Eine praktische Verwendung haben aber
diese Holzbälge Lobsingers, von deren Konstruktion wir nichts
wissen, im Hüttenwesen damals noch nicht gefunden. Die Holzbälge
tauchten um 1620 am Harz plötzlich auf und fanden rasche Ver-
breitung.


Samuel Reyher schreibt 1669 in seiner Dissertation de aëre 2):
vor 40 Jahren seien zwei Müller, Martin und Nikolaus Schellhorn,
2)
[942]Gebläse im 17. Jahrhundert.
im koburgischen Dorfe Schmalebuche gewesen, diese hätten zuerst
hölzerne Blasebälge erfunden; sie hätten ihre Erfindung geheim ge-
halten. Nach Tölle und Gärtner sei Schellhorn ein Zimmer-
mann gewesen. Derselbe habe sich eine schwere hölzerne Lade ge-
macht. Bei dem Niederfallen des Deckels sei ihm ein so starker
Windstrom entgegengekommen, daſs ihn dies auf die Idee des Holz-
blasebalges gebracht habe. Die Angabe Reyhers, deren Ursprung
der Zeit der Erfindung am nächsten steht, hat viel innere Wahr-
scheinlichkeit; jedenfalls mehr als die Mitteilung Schlüters1), daſs
die Erfindung der Holzbälge von einem Bischof von Bamberg her-
rühre. Es müſste dies der Zeit nach Joh. Gottfried von Asch-
hausen
, der von 1609 bis 1622 auf dem bischöflichen Stuhl saſs,
gewesen sein. Quantz schreibt in seiner Geschichte von Schmal-
kalden, daſs sie dort von Paul Hofmann, der in Suhl gebürtig war
und im Jahre 1596 zu Kleinschmalkalden, einem Dorfe zwei Stunden
über der Stadt Schmalkalden, ein Schmelz- und Hammerwerk ge-
kauft hatte, zuerst eingeführt worden seien. Sie müſsten demnach
schon früher bekannt gewesen sein.


Jenes Schmelz- und Hammerwerk existierte zu Quantz’ Zeiten
nicht mehr, auf der Stelle desſelben war ein Haus gebaut, das von
dem damaligen Balgenmacher Jacob Hofmann, der eine Groſs-
enkelin jenes Paul Hofmann zur Frau hatte, bewohnt wurde.
Schlüter bestätigt, daſs die Holzbälge seit 1620 am Unterharz,
wohin sie aus dem Bambergischen gekommen seien, in Gebrauch
kamen. Calvör erzählt die Einführung am Oberharz folgender-
maſsen: 1621 habe Ludwig Pfannenschmidt aus dem Thürin-
gischen sich zu Astfelde bei Goslar niedergelassen und angefangen
hölzerne Blasebälge zu machen 2). Daraufhin hätten ihm die dortigen
Balgenmacher den Tod geschworen, wogegen er aber von der Obrig-
keit geschützt worden sei und seine hölzernen Bälge erst am Unter-
harz und, als man sie sehr vorteilhaft gefunden, auch darauf auf dem
Oberharz eingeführt worden wären. Er wollte seine Kunst niemanden
als nur seinem Sohne lehren, und es blieb deshalb die Kunst bei seiner
Familie, wie denn auch noch vor wenig Jahren sein Enkel die Ver-
fertigung aller Bälge des ganzen Harzes besorgt habe. Anfänglich
waren für die Wartung und Ausbesserung der Holzbälge auf den ein-
seitigen Hütten am Harz jährlich 50 Rthlr. bezahlt worden, welcher
[943]Gebläse im 17. Jahrhundert.
Betrag 1641 aber auf 40 Rthlr. herabgesetzt wurde, weil man sah,
daſs er dabei nur wenig Mühe hatte. Im Jahre 1651 wurden ihm
für ein Paar neue Bälge 30 Rthlr. bestimmt, später ging der Preis
bis auf 21 Rthlr. herunter. Über die Einführung der hölzernen Bälge
auf den Gittelder Eisenhütten werden wir in der Lokalgeschichte
weitere Mitteilungen machen.


Nach Berry, Nivernois und Franche Compté wurden die
hölzernen Bälge erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch einen
Deutschen gebracht 1). In der Dauphiné wurden sie zuerst durch
einen Schweizer bekannt. In Schweden wurden die Holzbälge eben-

Figure 217. Fig. 206.


falls von einem Deutschen, Hans Steffens, unter der Regierung
Gustav Adolfs eingeführt; Steffens wird deshalb, namentlich von
schwedischen Schriftstellern, öfters als der Erfinder aufgeführt. —
Dies sind die wichtigsten Nachrichten über die Erfindung und Ein-
führung der hölzernen Blasebälge.


Branca teilt in seinem Buche über Maschinen eine ganz eigen-
tümliche Gebläsekonstruktion mit, welche sehr interessant ist, indem
sie die Idee des Wassertrommelgebläses mit dem Glocken-
gebläse
, welches im 18. Jahrhundert in Frankreich in Anwendung
gebracht wurde, verbindet. Fig. 206 zeigt das in Serie III, Tab. XVIII
von Branca 1629 mitgeteilte Gebläse.


[944]Gebläse im 17. Jahrhundert.

Er giebt dazu nachstehende Erläuterung: Die folgende Maschine
ist ein Gebläse (un spiritale) anstatt eines Schmiedebalges. Wenn
der Hahn B geschlossen ist und die Glocke A mit der Mündung
nach unten ein Drittel in das Wasser gestellt ist, sodaſs keine Luft
eintreten kann, läſst man Wasser durch die Löcher C D E ein,
welches, indem es durch die genannten Röhren eintritt, nicht in A
emporsteigt, sondern fortwährend Luft nach B hineinpreſst, und zwar
mehr oder weniger, je nachdem die Röhren G H I ganz oder zum
Teil geöffnet sind. Und wenn dann der Hahn B geöffnet wird, ge-
langt der Wind nach dem Schmiedefeuer, wo der Schmied L arbeitet.
Das Wasser strömt bei K zu, wie man sieht.


Die Wassertrommelgebläse, obgleich schon älter, wurden
zuerst im 17. Jahrhundert allgemeiner bekannt. Dieselben waren
in Italien in Gebrauch. P. Schott schreibt, daſs die Schmiede
und dergleichen Leute sich dort dieser Art von Gebläsen bedienten.
Genauer beschrieben und abgebildet findet sich ein Wassertrommel-
gebläse einer Messinghütte bei Tivoli in den Tractionibus Anglicanis
Anno 1665, Tab. I, Fig. II und aus diesem in Le journal des scavans
Tome I, Anno 1666, pag. 380, Fig. 2. Man hielt dies seither für die
älteste Beschreibung und setzte das Jahr der Erfindung der Wasser-
trommelgebläse auf 1640. Th. Beck1) hat aber neuerdings nach-
gewiesen, daſs Giambattista de la Porta diese Gebläse schon
1589 in seiner Magia naturalis beschrieben hat. Im Buch XIX,
Kap. 6 heiſst es: Wie Luft die Dienste von Blasebälgen leistet, haben
wir zu Rom gesehen. Es wird eine überall geschlossene Kammer zu-
sammengefügt. Von oben nimmt sie durch einen Trichter eine
Quantität Wasser auf. In der Wandung ist oben ein kleines Loch,
wodurch die Luft mit groſser Gewalt ausströmt. Sie wird mit
solcher Kraft ausgetrieben, daſs sie ein Feuer aufs Beste in Brand
setzen und in Kupfer- und Eisenschmieden die Stelle von Blase-
bälgen leicht ausfüllt, indem der Einlauf so konstruiert ist, daſs er
je nach Bedürfnis abgewendet oder das Wasser hineingeleitet wird.


Branca bildet ebenfalls schon ein solches Gebläse (Ser. III,
Tab. XVIII), wie Fig. 206 zeigt, ab.


In Leupolds Theatrum machinarum hydraulicarum vor 1725 ist
in §. 343 ein Wassertrommelgebläse beschrieben als „eine neue In-
vention, deren man sich bedient, das Feuer in den Kupferhämmern
zu Tivoli nahe bei Rom aufzublasen“. Im Ritterplatz, 1702, II, S. 71
[945]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
ist derselbe Apparat erwähnt: „bey Rom in dem Tiburtinischen Kupffer-
Bergwerke ist ein cureuses Gebläse zu sehen und nimt mich nicht
wenig Wunder, daſs fast nicht in einer einigen Italiänischen Reise-
Beschreibung davon gedacht wird. Es ist eine groſse viereckige
Röhre, in welche ein Bach mit Wasser durch einen schnellen Fall
stürzet, unten aufprellet und hernach hinweg lauffet. Mitten aus
dieser groſsen Röhre oder diesen Schlund gehet eine metallene Röhre
etwas zugespitzt nach den Treibherden, wodurch ein sehr starker
Wind continuirlich bläset, wiewohl der Wind nach Belieben auch
durch ein ander Loch an der Seite kann abgelassen werden. Diesen
Wind verursachet nichts, als das jählinge Abstürzen des Wassers.“


Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.


Ein anderes wichtiges Werkzeug der Eisenindustrie, dessen An-
wendung und Verbreitung in das 17. Jahrhundert fällt, waren die
Eisenschneidemühlen oder Eisenspaltereien. Ihre Erfindung ist eng
verbunden mit der der Walzwerke und knüpfen wir deshalb an das
über diese früher Mitgeteilte an. Beim Münzwesen war das Be-
dürfnis, Flachstäbe von genau gleicher Dicke und Breite zur Her-
stellung der Münzen zu bekommen, am dringendsten. Hier verfiel
man deshalb zuerst auf die Idee, Platinen von Metall zwischen
glatten Stahlwalzen zu ganz bestimmten Dimensionen auszuwalzen.
Man blieb dabei nicht stehen, sondern stellte sogar die Prägung
zwischen Walzen in den sogenannten Taschenwerken her, die man
aber später wieder verlieſs.


Die Idee des Walzens wurde auch auf andere Metalle über-
tragen. Daſs sie zu Anfang des 17. Jahrhunderts verbreitet war und
von den berühmten Mechanikern jener Zeit mit Vorliebe behandelt
wurde, geht aus den Werken von Branca, Zonca und anderen
hervor. Die älteste Beschreibung eines Walzwerkes giebt Salomon
de Caus
1) 1615. Es ist ein Walzwerk mit Handbetrieb, um Blei-
Beck, Geschichte des Eisens. 60
[946]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
platten für Orgelpfeifen zu walzen. Fig. 207 zeigt die Einrichtung
und Bedienung des Apparates.


Branca stellt in seinem Buche über Maschinen, Serie I, Taf. II,
ein Walzwerk für Gold-, Silber- und Kupferschmiede (Fig. 208) dar.


Figure 218. Fig. 207.

Die naive Ansicht des Verfassers, daſs dasſelbe durch die auf-
steigende warme Luft einer Schmiedeesse betrieben werden könne,
darf uns dabei nicht irre machen. Branca giebt folgende Er-
läuterung: In dieser Figur wird gezeigt, wie man Bleche von Gold,
Silber, Kupfer und andern Materialien auswalzt und auch, wie man
Medaillen, Geld und anderes prägt. Man sieht daran zunächst den
Arbeiter mit dem Schmelztiegel oder dem kleinen Schmiedefeuer
(indem es das eine oder das andere sein kann) unter dem Kamin
L K H G, wie er mit dem Hammer auf dem Ambos T ausreckt. Der
Kamin ist, wie man sieht, so gemacht, daſs er die warme Luft und
[947]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
den Rauch von dem Feuer in die Höhe führt und einen Flügel T in
Umdrehung versetzt und durch diese Bewegung bewegen sich gegen-
seitig die Getriebe N P R, welche die Räder O Q F in Umdrehung ver-
setzen und die Walze (torcolo) A in dem Rade F und dem Ge-

Figure 219. Fig. 208.


triebe D in Bewegung setzen, wo ein anderer Arbeiter V den Metall-
stab E ausziehen kann bis zu dem gewünschten Ziel, oder mit dem
Prägestempel B C prägen kann, was er will, wie aus der Figur klar
ersichtlich ist.


Interessanter noch ist Zoncas Darstellung und Beschreibung
eines Walzwerkes, um Fensterblei herzustellen, indem dieselbe keinen
phantastischen Entwurf, sondern eine der Praxis entnommene Ma-
schine schildert. Die Tafel (Fig. 209) ist dem Novo Teatro di Machine
60*
[948]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
et Edificii von Vittorio Zonca, Architetto della Magnifica Com-
munita di Padoua, Padua 1621, entnommen. Die Beschreibung be-
ginnt mit folgender theoretischen, der herrschenden aristotelischen
Anschauungsweise entsprechenden Betrachtung: „Es ist nicht zu be-
zweiflen, daſs gegenwärtige Maschine als ein „Rad an der Welle“ zu
betrachten ist, welches schlieſslich auf den Hebel zurückzuführen ist;
denn die Hebel oder vielmehr Kurbeln, welche die Räder (vermittels
des Motors) umdrehen und welche in ihrem Mittelpunkt festgehalten
sind, verursachen jene Umdrehungen in kreisförmiger Bewegung, so
daſs man vernünftiger Weise behaupten kann, daſs sie Durchmesser
eines Kreises seien“. — Alsdann fährt er fort: „Da dies klar ist, so
habe ich schon mehrfach gesagt, wie man das Verhältnis zwischen
der bewegenden Kraft und der Last aufzufassen hat, und in der That
ist hier wenig Kraft nötig, aber man muſs wohl darauf achten und
dafür sorgen, die Räder gut einzupassen, damit sie leicht laufen. Man
könnte auch noch Bezug nehmen (bezüglich der geringen Kraft,
welche diese Maschine erfordert) auf die verschiedenen Erscheinungen
bei entgegengesetzten Bewegungen, welche man hervorbringt durch
verschiedene sich berührende (miteinander verbundene) Kreise, aus
denen verschiedene Arten von Uhrwerken gebildet werden, sowie
auch die verschiedenen Bewegungen kleiner Figuren, welche auf einer
Ebene spazieren und die Bewunderung der Zuschauer erregen, weil
sie die Ursache verbergen und nur den Effekt zeigen, sowie man es
auch bei der vorliegenden Maschine sieht. Denn wenn diese ver-
schlossen auf dem Fuſsgestell befestigt ist und die Arbeiter die
Kurbel bewegen, so sieht man das bearbeitete, d. h. ausgehöhlte Blei
daraus hervorgehen und aus einem andern Teile die Späne und das
Überschüssige davon, wodurch die Zuschauer in Erstaunen versetzt
werden, da sie nicht wissen, wie die Dinge im Innern der Maschine
beschaffen sind. Aber damit man diese Anordnung besser möge
kennen lernen, habe ich drei Tafeln davon gezeichnet mit der groſs-
möglichsten Klarheit, und zwar ist dies, unter vielen ähnlichen
Maschinen, die ich gesehen habe, die schönste und am meisten aus-
gezierte, wenn auch die Verzierungen mehr zur Schönheit als zum
Nutzen beitragen. Vor allem müssen die Räder (Walzen) derart sein,
daſs sie, in Gang gesetzt, das Blei bearbeiten. Diese haben ihre
Zapfen, welche wir vernunftgemäſs Achsen nennen können. Diese
Zapfen oder Achsen müssen aus einem Stück mit der Walze heraus-
geschmiedet sein, und zwar aus gutem Stahl. Man macht zwar auch
solche, die erhitzt und in die Walze gelötet werden, aber diese
[949]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
sind nicht dauerhaft und halten einen Vergleich mit denen nicht
aus, welche aus einem Stück gemacht sind. Die genannten Zapfen

Figure 220. Fig. 209.


(A A, Fig. 209) sind an ihrem äuſsersten Teile von quadratischer
Form, damit auf diesen Teil die Kurbel paſst und die Räder herum-
[950]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
dreht, wenn die Maschine geschlossen ist. Diese Räder sieht man
innerhalb der Platte mit ihren Zapfen festgehalten und auch in
der Seitenansicht mit der Kurbel auſserhalb der Platte. Auf der
andern Tafel (resp. in der andern Figur links davon), welche die
inneren Teile zeigt, sieht man sieben runde Löcher, sowie auch in
der ersten, wovon die beiden mittleren dazu dienen, die Zapfen der
Räder aufzunehmen. Diese sind von Messinghülsen umschlossen,
damit sie sich konservieren mit dem Stahl, denn in Verbindung mit
einer andern Art Metall nutzen sie sich ab. Das einzelne Kanälchen
ist aus Stahl gemacht, damit es das Blei besser schneiden kann, die
andern beiden Kanäle, welche es in der Mitte halten, sind von Nuſs-
baumholz gemacht, von demselben Holz, woraus die Maschine ge-
macht ist, und durch diese tritt das bearbeitete Blei heraus, wenn
die Maschine geschlossen ist. In den andern vier Löchern stecken
sich vier Schrauben auf irgend einem festen und stabilen Gegen-
stande, damit die Arbeiter arbeiten können. Auſserdem tritt eine
Schraube in den oberen Teil der Platte in ein darin ausgehöhltes
Kanälchen, an deren unterem Teil eine Mutter befestigt ist, welche
(sobald man die Schraube anzieht) auf das obere Rad wirkt und die
Räder fest zusammendrückt. Man sieht endlich die ganze Maschine
zusammengeschraubt in der dritten Figur (unten rechts), auf der man
die Form der Kurbel der Räder bemerkt. In der kleineren Figur sieht
man, indem die Werkleute arbeiten, das Blei aus dem Kanälchen
hervorkommen, welches abnehmbar und durch einige kleine Eisen-
teile befestigt ist, wie man aus der dritten Figur ersieht. — Der
Maſsstab der Maschine ist mit vier Zollen (once) am unteren Rande
der Abbildung eingezeichnet. Erläuterung zu Fig. 209:


  • A Walze mit ihrem Zapfen oder stabiler Stahlachse.
  • B Schraube, welche durch den Kanal B der ersten Figur von
    oben eintritt, welche Schraube am Ende die Mutter M hat
    zum Zusammenpressen der Räder.
  • C C C C vier Löcher, in welche vier Schrauben, ähnlich der mit C
    bezeichneten Schraube, eintreten.
  • D Kanal von quadratischer Form, in welchen die mit D be-
    zeichnete Schraube eintritt, um die Maschine auf dem Tisch
    zu befestigen.
  • E E mittlere Löcher mit Messinghülsen, wo die Zapfen der
    Räder hineintreten.
  • F Kanälchen, durch welches das bearbeitete Blei heraustritt.

[951]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
  • G Loch, aus dem die Späne von dem bearbeiteten Blei her-
    auskommen.
  • H Kurbel oder Hebel, mit welchen man die Räder (Walzen)
    umdreht.

Wir haben hier das erste Façonwalzwerk vor uns, und zwar in
Kombination mit einem Schneidewerk, denn augenscheinlich schnitten
die scharfen Ränder der scheibenförmigen Walzen die überstehenden
Ränder des Fensterbleies ab. Freilich ist der Apparat nur klein, für
Handbetrieb und nur für ein so weiches Metall wie Blei verwendbar.


Eines ganz ähnlichen Walzwerkes bedienten sich die „Flinder-
schlager“ und Rechenpfennigmacher in Nürnberg und ist ein solches
in Weigels Hauptständen, S. 320, abgebildet.


Dem Bestreben, dasſelbe Prinzip bei der Verarbeitung des Eisens
anzuwenden, standen groſse Schwierigkeiten im Wege, demungeachtet
gelang dies bis zu einem gewissen Grade bereits im 16. Jahr-
hundert, nicht zwar in der Form unsrer Walzwerke, sondern in
der Form der Schneidewerke mit einer Vorwalze. Das Ausschmieden
dünner Stäbe, sowie das Spalten des Eisens mit dem Meiſsel waren
beschwerliche Arbeiten, deshalb suchte man dieselben durch Be-
nutzung von Maschinenkräften zu erleichtern. Die Messingdraht-
zieher in Nürnberg zerschnitten die gegossenen Messingplatten mit
einem von einem Wasserrad getriebenen Sägewerk 1). Schon früher
hatte man in der Goldschmiedekunst kleine schneidende Scheiben
hierfür verwendet. Man benutzte dieses Prinzip und konstruierte
gröſsere Stahlscheiben, welche gegeneinander liefen und das da-
zwischen gebrachte Flacheisen zerschnitten. Dabei blieb man aber
nicht stehen, sondern verband eine Anzahl solcher Scheiben zu einem
walzenförmigen Körper, zwei solcher Schneidewalzen lieſs man in
entgegengesetzter Umdrehung gegeneinander laufen und konnte mit
denselben aus einem Flachstabe eine ganze Anzahl von dünnen
Stäben, entsprechend der Zahl der Scheiben einer Walze, gleichzeitig
schneiden. Um diese Stäbe von gleicher Stärke zu erhalten, was
durch Ausschmieden der Platinen nicht in der genügenden Gleich-
mäſsigkeit geschah, lieſs man die vorgeschmiedeten Platinen erst
durch ein Paar Glattwalzen laufen, wodurch sie gestreckt wurden
und einen ganz bestimmten Querschnitt erhielten. So entstanden die
Eisenschneidemühlen oder Eisenspaltereien, welche vor Erfindung der
Feinwalzen eine wichtige Rolle in der Eisenfabrikation, namentlich
[952]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
für die Herstellung von Draht- und Nageleisen, spielten. Sie waren
vermutlich in Nürnberg erfunden und dort bereits 1530 in An-
wendung (siehe S. 513). Von Deutschland kamen sie bereits im
16. Jahrhundert nach England, von wo die ersten Nachrichten aus
dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammen.


Sicher ist, daſs Sir Bevis Bulmer im Jahre 1606 von König
Karl I. ein Patent erhielt für eine neue Art von Maschine oder Werk-
zeug 1), welche nur durch Wasserkraft in Bewegung gesetzt wurde,
um damit auf eine raschere und bessere Weise Eisen in schmale
Stäbe oder Ruthen zu verwandeln, um daraus Nägel zu fabrizieren,
welches für die Nagelfabrikation von groſsem Nutzen sein würde;
zur Ersparnis des vielen Abfalls, der bei der jetzigen Art des
Schneidens entsteht, wegen der vielen nötigen Hitzen und der
schlechten Instrumente.


Nachdem die Frist für dieses Patent abgelaufen war, erhielt
Clement Dawbeny 1618 für dieselbe Erfindung einer Maschine,
um Eisen in schmale Stäbe für Ruthen zur Nagelfabrikation zu zer-
schneiden, die darin aber rückhaltslos Sir Bevis Bulmer zuerkannt
wird, ein neues Patent, und als dieses wiederum abgelaufen war,
wurde es nochmals erneuert. Aus dem Schriftsatz, welcher dieser
letzten Bewilligung beigegeben ist, geht hervor, daſs die Regierung
ebenso wie der Erfinder die hohe wirtschaftliche Bedeutung dieser
Erfindung würdigte.


Es ist nirgends gesagt, daſs das Schneiden durch Schneide-
scheiben geschähe, da aber die Anwendung der Wasserkraft, also
eines Wasserrades, besonders hervorgehoben wird, so läſst sich dies
wohl annehmen.


Karsten befindet sich deshalb im Irrtum, wenn er sagt (S. 1007):
„Die Schneidewerke scheinen in der Mitte des 17. Jahrhunderts zuerst
in Lothringen aufgekommen zu sein.“


Swedenborg, dem wir die älteste Abbildung eines Eisen-
werkes verdanken, giebt an, sie seien im Lütticher Lande erfunden
und hätten sich von da aus nach andern Ländern verbreitet 2).


[953]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.

Auch Franquoy behauptet, daſs die Schneidewerke (spadarts)
bereits Ende des 16. Jahrhunderts erfunden und in Lothringen und
Belgien in Gebrauch gewesen seien 1).


Beistehende Fig. 210 giebt die anschauliche Darstellung eines
Eisenschneidewerkes aus der Gegend von Lüttich, welche Swedenborg

Figure 221. Fig. 210.


in seinem Werke de ferro 1734 veröffentlicht hat. Er liefert dazu
folgende Beschreibung: „Über die Art des Zerteilens und Schneidens
des Eisens in dünne Stäbe und Ruthen und des Ausbreitens zwischen
Walzen in der Gegend von Lüttich, in England und Schweden.“


„Um Lüttich — und von dort aus haben sie ihre Verbreitung ge-
funden — sind Werke, in denen das Eisen ausgezogen und in kleinere
Stäbe zerschnitten wird, nach welchen Maschinen auch in Deutsch-
land und England dergleichen konstruiert worden sind; eine solche
zeigt die Abbildung, welche die ganze Arbeit vor Augen führt. —
Man nimmt Eisen, welches bereits zu Stäben ausgeschmiedet ist,
etwa 4 cm (2 digitos) dick und 8 cm breit. Dieses wird in Stücke
von etwa 0,70 m (una ulna) zerschnitten. — Der Wärmeofen, den man
anwendet, ist auf einigen Werken einfach, auf andern doppelt. In
diesen werden die erwähnten Eisenstücke eingelegt. Unter dem
Feuerraum befindet sich ein Aschenfall. In diesen Ofen werden etwa
[954]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
200 Sätze oder Eisenplatinen eingetragen, und zwar so, daſs sie kreuz-
weise übereinander gelegt werden, deshalb, damit Hitze und Flamme
von allen Seiten sie frei umspülen können, und zwar werden sie in
der Weise aufgebaut, daſs sie gleichsam ein Gewölbe bilden, unter
dem die Steinkohlen (nur in Lüttich, in andern Gegenden verwendete
man Holzkohlen) eingetragen werden. Sind die Eisenstäbe so erhitzt
und in Glut, so nimmt man sie heraus und läſst sie durch zwei
stählerne Zylinder durchpassieren.


Wenn Eisenplatinen, welche ungefähr 0,70 m lang und 0,10 m
breit und 0,02 m dick sind, durch die erwähnten Walzen gehen, werden
sie in Länge und Breite ausgedehnt, daſs sie über 1,40 m lang und
0,12 m breit aus den Walzen kommen. Diese schon so gestreckten
Platinen kommen dann nochmals in den Ofen, wonach man sie
wiederum durch die Walzen gehen läſst, wodurch sie bis auf eine
Länge an fünf Ellen ausgedehnt werden; sobald das so ausgewalzte
Eisen aus der Maschine heraustritt, erfaſst es ein zweiter Arbeiter
mit der Zange und läſst es das aus Stahlscheiben zusammengesetzte
Schneidewerk passieren, wodurch das so ausgebreitete und gereckte
Eisen in drei-, vier- oder sechseckige Stäbe, je nach Belieben, zer-
schnitten wird. Bei täglichem Betriebe können auf diese Weise im
Jahre 5000 bis 6000 Schiffspfund (1000 bis 1200 Tons) geschnitten
werden.


Dieses Schneidewerk hat den Nutzen, daſs man das Eisen mit
weniger Kosten an Arbeit, Kohlen und Zeit in verschiedenen Dimen-
sionen erhalten kann“.


Die älteren Schneidewerke wurden durch zwei Wasserräder,
welche gegeneinander liefen, bewegt. Auf unsrer Abbildung befinden
sich diese auf derselben Seite, in der Regel aber waren dieselben
auf den zwei entgegengesetzten Seiten angebracht und drehten sich
die Walzen nicht schneller, als die Wasserräder. Solche Schneide-
werke nannte man einfache, während man solche mit Vorgelege und
einer Übersetzung auf doppelte Umdrehung doppelte Schneide-
werke nannte. Die Streck- oder Vorbereitungswalzen (éspatards)
hatten dieselbe Geschwindigkeit wie die Schneidescheiben und machten
40, allerhöchstens 80 Umdrehungen in der Minute. Der Durch-
messer der Walzen war etwa 0,30 m; ihre Länge entsprach der An-
zahl der Scheiben des Schneidewerks. Diese verstählten Scheiben
wurden auf einer geschmiedeten eisernen Spindel so aufgereiht, daſs
sie weder ausweichen, noch sich verschieben konnten. Sämtliche
Schneidescheiben bilden zusammen eine Messerwalze. Die Breite
[955]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
der einzelnen Scheiben entspricht der Breite des herzustellenden
Schmiedeeisens, und diese ist in der Regel auch gleich dem Ab-
stand zwischen den Glattwalzen. Die Schneiden hatten meist einen
Durchmesser von 0,30 m, die Scheiben einen Durchmesser von 0,20 bis
0,24 m. Die Schneiden greifen etwa 2 cm in die Zwischenräume ein
und müssen genau in die Mitte derselben passen. Die Anzahl der
Scheiben richtet sich bei vorhandener Kraft nach der Breite des zu
schmiedenden Eisens. Man hat bei jedem Schneidewerk verschiedene
Sätze von Schneidescheiben. Die ausgewalzten Platinen passieren
glühend die Schneidescheiben. Auf der andern Seite werden sie,
damit sie nicht auseinandergehen, durch einen Rahmen oder einen
Haken zusammengehalten. Die gekrümmten Stäbe werden sogleich
auf dem flachen Boden gerade gestreckt. Interessant ist auch, aus
Swedenborgs Zeichnung zu ersehen, daſs die Glühöfen mit Rost,
Aschenfall und Gewölbe bereits ganz in derselben Weise konstruiert
waren, wie heutzutage.


Daſs aber diese Eisenschneidewerke auch in Deutschland bereits
im 17. Jahrhundert bekannt und in Gebrauch waren, geht aus den
nachfolgenden interessanten Mitteilungen Calvörs hervor 1).


Von einer Eisenschneidmühle.


Im Jahre 1683 hat Johann Friedrich Müller, ein Fremder,
in Vorschlag gebracht, eine Eisenschneidmühle auf dem Harze
anzulegen, und davon folgendes schriftlich übergeben. „Entwurff
einer Eisenschneidmühle, was zu deren Erbauung eigentlich gehöret,
wie durch solche Maschine ein geschmiedet Stück Eisen in einem
einzigen Durchschnitt und groſser Geschwindigkeit in unterschiedliche
kleine Stäbe zerschnitten werden kann, und was für Nutzen und Ge-
winn davon zu erwarten.


Was zur Erbauung einer Eisenschneidmühle
vornehmlich gehöret
.


„Eine Eisenschneidmühle erfordert zu ihrer Hütten einen Platz
von ohngefehr 35 bis 40 Schuh breit, und 60 oder 70 Schuh lang,
und kann von Holzwerk, gleich einer andern Eisenhütte, aufgeführet
werden. Zum Einbau gehören vier Wellen. An zwey von gedachten
[956]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
Wellen wird an jede ein Wasserrad gehänget, also daſs eins auf einer
Seite, das andere auf der andern Seite ausserhalb der Hütten in
ihren Radstuben einander gegenüberstehen. Diese Räder wollen ein
starkes Wasser haben, daſs sie so geschwinde, als es die Nothdurft
des Werkes erheischet, herumlaufen können. Doch kann man die
Höhe der Räder nach der Stärke des Wassers, und nach dessen Fall
proportioniren. An jede Wasserwelle wird in der Hütte noch ein
Kammrad geordnet. An die übrigen beyden Wellen, so kürzer sind,
wird an jede ein Getrieb, oder Trilling gerichtet. Neben jeder Wasser-
welle wird eine kurze Welle der Länge nach, oder parallel geleget,
daſs auf der einen Seite der Hütte der einen Wasseradwellen
Kammrad in der nebenliegenden kurzen Wellen ihr Getriebe greifet;
und auf der andern Seite der Hütte der andern Wasserradwellen
Kammrad der daneben liegenden kurzen Wellen Trilling gleichfalls
fasset. Im Mittel der Hütte liegen beyde Wasserwellen, wie auch
beyde kurze Wellen mit ihren inwendigen Stirnen und Zapfen ein-
ander gleich gegenüber, doch also, daſs ein Raum etliche Schuh breit
dazwischen bleibet, und auch eine Wasserwelle gegen der andern,
wie auch eine kurze Welle gegen der andern etwas höher lieget. An
der zwo Wasserwellen im Mittel der Hütten einander gegenüber
liegende Zapfen werden die hiernach beschriebenen Eisenschneid-
scheiben angeschlossen. An der andern beyden Wellen einander
gegen über stehende Zapfen werden zwey auf einander zu richtende
eiserne Walzen angestecket. Gedachte Eisenschneidscheiben, deren
alle Zeit zwo in einander gehen, und fast, wie die Bleyzüge in ein-
ander greifen, werden nach Art der Stäbe, die darinnen geschnitten
werden sollen, mit drey, fünf, sieben, neun, eilff, dreizehn, bis fünf-
zehnfachen in einander greifenden Gängen vorgerichtet. Noch werden
eine andre Art Scheiben mit einem, drey und mehrfachen Gängen
gebrauchet, welche die Stäbe im Durchgang zugleich der Dicke und
Breite nach gleichsam pressen, daſs sie eine ganze gleiche Dicke und
Breite durchaus bekommen.


„Zur Wärmung des Eisens, so geschnitten werden soll, ist ein
besonderer Ofen nöthig, welcher nicht mit Kohlen, sondern mit
büchenem Holze angefeuert wird. Letzlich muſs ein Feuer etwas
gröſser, als in einer Hufschmiede vorgerichtet werden, dabey die ob-
bemeldten Eisenschneidscheiben erstlich vollends zur Perfection zu
bringen, und hernach solche, wie auch andere zu diesem Werke noch
gehörige Instrumente, wenn sie durch den Gebrauch mangelhaft
worden, wieder zu repariren. Die Vorrichtung einer solchen bisher
[957]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
beschriebenen Eisenschneidmühle könnte durch ein Modell deutlicher
vor Augen gestellet, und daran der Gebrauch dieser Maschine besser
demonstriret werden, als er aus nachfolgendem zu vernehmen sein
möchte.


Gebrauch dieser Maschine, und wie dadurch in kurzer Zeit
viel Eisen zu allerhand Gattungen kleiner Stäbe zer-
schnitten werden kann
.


„Beym Gebrauch dieser Maschine werden allezeit zwo von den
vorher beschriebenen in einander gerichteten Eisenschneidscheiben in
die zween inwendigen Zapfen der Wasserwelle angestecket, nachdem
man eine Sorte von kleinen Stäben aus einem Stück Eisen zu
schneiden verlanget, als zum Exempel, sollen die geschnittenen
Stäbe zu Hufeisen gebraucht werden, so sind zwey mit drey Gängen
in einander gerichtete Scheiben in die Zapfen zu legen. Ferner
werden auch vorgedachte zwo eiserne Walzen an der kurzen Wellen
ihre Zapfen so angestecket, und aufeinander gerichtet, als es die Dicke
der kleinen Stäbe, so geschnitten werden sollen, erfordert. Beyde
Wasserräder, wenn sie mit einander umgehen, treiben beydes die
Eisenschneidscheiben und, vermittelst der Kammräder und Getriebe,
die zwey eisernen Walzen zugleich mit um. Diese Walzen machen,
wie schon gedacht, die begehrte Dicke der Stäbe, und die Scheiben
schneiden auf einmal so viel Stäbe, als man verlanget; als bey der
zum Exempel gegebenen Vorrichtung zu Hufeisen, schneiden die
dreyfach in einander gerichteten Scheiben in einem einzigen Durch-
schnitt, der nicht eines Vater-Unsers lang währet, drey Stäbe, deren
jeder ohngefehr 8 oder 9 Schuh lang wird. Will man kleine Stäbe
zu Huf- oder andern starken Nägeln haben, so werden zu jenen funf-
zehn Gänge habende, und zu diesen dreyzehnfache Scheiben ge-
brauchet; so geben die Scheiben resp. in einem Durchschnitt funfzehn,
oder dreyzehn Stäbe von einer 10, 11 bis 12 schuigten Länge. Will
man fünf, sieben, neun, und eilffstäbig geschnitten Eisen haben, so
sind nur anstatt voriger, andere Scheiben zur Hand zu nehmen. Ver-
langet man Stäbe zu allerhand Gattungen eisernen Reiffe, oder Ringe
zum Beschlag der Fässer, Tonnen, Laufkarren, und dergleichen
hölzernen Kasten und Kisten, so werden anstatt der eisernen Schneid-
scheiben die andere oben beschriebene Art Scheiben gebrauchet,
welche die Stäbe im Durchziehen der Breite und Dicke nach also
pressen, als wenn sie gleichsam abgehobelt wären. Und kann dieses
[958]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
Reifring- und Beschlageisen, wie es die Arbeit nur erfordert, nach
Belieben in gehöriger Dicke und Breite aufs genaueste gemachet
werden.


„Wenn nun alles und jedes wohl zusammen, und in, und auf-
einander gerichtet, und beyden Wasserrädern zu ihrer Arbeit Wasser
aufgeschlagen wird, wird ein in oberwehntem Ofen bey büchnem
Holz in der Flamme zur Genüge gewärmetes Stück Eisen zwischen
mehrer gedachte zwey eiserne Walzen gestecket, durch deren Umlauf
augenblicklich in die mit umgehende Scheiben geschoben, und
darinnen in so viel Stäbe, als die ansteckenden Scheiben Gänge
haben, zerschnitten. So bald denn ein vor den Eisenschneidscheiben
stehender Arbeiter die geschnittenen Stäbe hinwegnimmt, stecket der
hinter den Walzen stehende Arbeiter schon ein ander gewärmetes
Stück Eisen wieder zwischen die Walzen, und also wird die Arbeit
mit groſser Geschwindigkeit continuiret.


Nutzen und Gewinn, so von dergleichen Maschinen
zu gewarten
.


„Der erste Vortheil bei einer Eisenschneidmühle entstehet gleich
in der Eisenhütte, oder auf dem Hammer, und ist dieser, daſs vor
dem Stabhammer nicht Stäbe (verstehet sich von dem Eisen, das zer-
schnitten werden soll) sondern nur Stücke 1 oder ⅔ Schuh lang,
und nachdem die Gattung der kleinen Stäbe werden soll, etwa 3
oder 4 Zoll breit, und 1 oder ¾ Zoll dicke, geschmiedet werden
dürfen, woraus ein dreyfacher Nutzen entstehet.


1. Wird die Zeit ersparet, und kann in einer Schicht wol drey-
mal mehr Eisen, dem Gewichte nach, heraus geschmiedet werden, als
wenn es zu Stabeisen geschlagen wird.


2. Bekommen die Hammerschmiede, wenn sie nach dem Centner
oder Waage arbeiten, weniger Lohn vom Centner, oder Waage, wenn
sie dergleichen kurze Stücke Eisen schmieden. Arbeiten sie um das
Wochenlohn, ist es gleichfalls ein groſses, und eben so viel an Lohn
zu ersparen, als wenn sie nach dem Centner arbeiteten, weil sie in
einer Woche destomehr herausschmieden.


3. Ist ein merkliches an Kohlen zu ersparen, weil, wie allbereit
gedacht, in einer Schicht so viel Eisen kann verschmiedet werden,
als sonst in dreyen.


„Der andere Vortheil findet sich in der Eisenschneidmühle
selbsten, wo bey umgehendem Werk in einem Tag mit drey oder vier
[959]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
Arbeitern, unter Verbrennung etwas büchenen Holzes, soviel und wol
mehr Eisen zerschnitten werden kann, als in einer Woche vor einem
Hammer dazu ausgeschmiedet wird. Der Nutzen davon ist auch
unterschiedlich, und bestehet in folgendem.


1. Werden neben der Zeit wieder viel Kohlen ersparet, welche
theils vor dem Stabhammer zu Ausschmiedung kleinerer Stabeisen, als
zum Exempel zu Hufeisen und dergleichen, theils vor dem Zahn-
hammer zu Ausziehung des Zahneisens aufgehen.


2. Wird das Eisen mit weit geringern Kosten zu allerhand
Gattungen Stäben geschnitten, als die Löhne, dergleichen Stabeisen
vor dem Stab- und Zahnhammer zu verfertigen, erfordern. Die Er-
sparung so vieler Kosten ist ohngefehr abzunehmen, wenn man nur
den Ueberschlag macht, wie viel vor dem Stabhammer, und wie viel
vor dem Zahnhammer wöchentlich Centner Eisen an allerley Gattung
ausgeschmiedet werden können, und wie viel dabey an Gelde auf das
Schmiedlohn, und Kohlen gehet, und solche Kosten gegen die hält,
welche in der Eisenschneidmühle auf eben so viel Centner in einer
gar kurzen Zeit aufgeschnittener Stäbe gehen mögen.


3. Kann ein der Stärke nach dem Zahneisen gleichendes zer-
schnittenes Eisen (ob es wol eine andere Form hat) in gleichem
Preis mit dem Zahneisen verkauffet werden.


4. Werden Schlösser, Huf- und andere Schmiede das geschnittene,
und der Stärke nach schon zu ihrer Arbeit aptirte Stabeisen gerne
um höhern Preis bezahlen, weil sie hernach in ihren Feuern und
Werkstädten vieler Arbeit mit Zerschrotung auch vieler dabey nöthiger
Hitze überhoben bleiben, ein ziemliches an Kohlen erspahren, und
folglich die vorhabende Arbeit in kürzerer Zeit ausfertigen können.


„Hierbey ist letzlich zu erinnern, daſs dem Meister eines solchen
Werkes, um alles in gutem Stand, nach einmal geschehener voll-
kommener Vorrichtung, zu unterhalten, wöchentlich ein gewisser Lohn
zu vermachen, dabey er, weil die Eisenschneidmühle nur eine kurze
Zeit, und vielleicht zusammen nicht über einen Monat im Jahr um-
gehen darf, er auch die übrige ganze Zeit durch mit Vorrichtung und
Reparirung der nöthigen Instrumente und anderer dabey vorfallender
Nebenarbeit nicht zu thun hat, zu anderer Hammerschmiede Arbeit
mit zu appliciren wäre. Die übrigen Arbeiter, so ihm beym Eisen-
schneiden oder sonsten Handlangung thun müsten, wären ihme von
andern im Lohne stehenden Arbeitern, so lange die Arbeit in der
Eisenschneidmühle umginge, zuzugeben, daſs also niemand auf der-
gleichen Werk absonderlich zu unterhalten wäre. Aus welchem denn
[960]Die Walz- und Schneidewerke im 17. Jahrhundert.
abzunehmen, daſs die ein ganzes Jahr durch bey der Eisenschneidung
aufzuwendende Löhne sich gar nicht gar zu hoch belaufen können.“


Wir müssen hier auch noch eines Patentes Erwähnung thun,
welches 1679 Thomas Harvey in England erteilt wurde auf eine
Maschine, mittelst der man Eisen zu Rundstäben für Schiffsbolzen u. s. w.
ausziehen konnte 1).


Das Patent lautet:


„Karl II. etc. mit Gruſs an alle, welchen dieses zukommt.


Da Thomas Harvey in einem ehrerbietigen Gesuch uns mit-
geteilt hat, daſs er seit über 14 Jahren ein groſser Händler in Eisen
und Eisenwaren gewesen sei und daſs er nach langem Studium, Fleiſs,
Arbeit (travell) und groſsen Kosten erfunden und erbaut (framed)
habe „eine Maschine, um sowohl spanisches als schwedisches Eisen in
alle Sorten von Rundeisen für Schiffsbolzen und andere Zwecke in
einer viel besseren und förderlichen Weise, als dies bis jetzt mit dem
Schmiedehammer geschehen ist, auszuziehen“, und daſs mit Hilfe dieser
Maschine alle Arten von Rundeisen (round iron) für unsre Schiffe
und andre Zwecke viel besser und billiger in unsrem Königreiche
angefertigt werden könnten, als dies seither der Fall war, zum groſsen
Nutzen der Schiffahrt, und er deshalb ehrerbietigst bittet, daſs wir
ihm zu seiner Beförderung gnädigst ihm unsre Licenz und Privilegium
für den alleinigen Gebrauch und Nutzen für genannte Erfindung
während des Zeitraums von 14 Jahren gewähren, entsprechend den
gesetzlichen Bestimmungen, so bewilligen wir aus unsrer fürstlichen
Geneigtheit, solche Erfindungen, welche das öffentliche Wohl befördern
können, zu unterstützen, in Gnaden das vorgetragene Gesuch.“


Aus dem Patent, zu dem eine Beschreibung nicht existiert, ist
nicht zu ersehen, ob die erwähnte Maschine ein Walzwerk oder, was
wahrscheinlicher ist, ein Ziehwerk war, auch wissen wir nicht, ob die
Maschine Anwendung gefunden hat, aber es ist schon von Interesse,
daſs die Idee, so starkes Rundeisen mit besondern Maschinen herzu-
stellen, schon damals bestand und ausgeführt werden sollte.


[961]Die Chemie im 17. Jahrhundert.

Die Chemie im 17. Jahrhundert.


Weit geringeren Einfluſs als die Mechanik hatte im 17. Jahr-
hundert die Chemie auf die Fortschritte des Eisenhüttenwesens.
Auch in diesem Jahrhundert blieb diese mehr eine spekulative Wissen-
schaft, die die Praxis nur wenig beeinfluſste. Auf das Eisenhütten-
wesen insbesondere wirkte sie in keinerlei Weise ein, selbst die
Probierkunst machte keine Fortschritte. Die Schmelzprobe und das
Ausziehen mit dem Magneten blieb die einzige Eisenerzprobe. Nebenbei
sei hier nur bemerkt, daſs Boyle 1671 die erste Angabe über Tinte
aus Galläpfeln und Eisenvitriol machte.


Auf theoretischem Gebiete dagegen bereitete sich im Laufe des
Jahrhunderts der Umschwung vor, welcher am Ausgang desselben zur
Phlogistontheorie führte. Bis zur Mitte des Jahrhunderts blieb die
medizinische Chemie (Jatrochemie) allein herrschend. Die be-
deutendsten Vertreter dieser Richtung waren Andreas Libavius,
Johann van Helmont
und Rudolf Glauber, die zwar mancherlei
Entdeckungen auf chemischem Gebiete machten, der Erkenntnis des
Zusammenhanges der chemischen Kräfte aber nur wenig näher kamen.
Wichtiger war in dieser Beziehung die Thätigkeit mehrerer hervor-
ragender Chemiker in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es
waren dies besonders Robert Boyle, Kunkel, der Entdecker des
Phosphors, und Joh. Joach. Becher; diese wagten es bereits, an
der überlieferten Grundanschauung über das Wesen der Metalle zu
rütteln. Bis dahin war es Dogma gewesen, daſs die Metalle zu-
sammengesetzte Körper seien, gebildet aus Quecksilber, Schwefel und
Salz. Boyle zog zuerst diese alte Lehre in Zweifel und behauptete,
der Gehalt von Schwefel und Salz in den Metallen sei nicht er-
wiesen. Ebenso suchte Kunkel den Nachweis zu liefern, daſs
Schwefel in den reinen Metallen nicht enthalten sei. Beide aber,
sowie überhaupt die Chemiker jener Zeit, hielten noch daran fest,
daſs das Quecksilber, die Grundlage der Metallicität, in allen Metallen
enthalten sei. Becher, ein vielseitiges Genie ohne groſse Tiefe, zu-
gleich Chemiker, Mechaniker und Technologe, hielt zwar ebenfalls an
der merkurialen Grundlage der Metalle fest, nahm aber in den
Metallen, wie in allen verbrennbaren Körpern eine selbständige
brennbare Erde (terra pinguis) an, welche Ursache und Grund der
Verbrennung sei. Dadurch führte er zu der Lehre vom Phlogiston
Beck, Geschichte des Eisens. 61
[962]Die Chemie im 17. Jahrhundert.
hin, welche durch Stahl zu einem System ausgebildet wurde, das die
Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte.


Während Becher in seiner Verbrennungstheorie sich von den
alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen,
wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch
ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug
auf das Eisen behauptete er, daſs es auf diese Weise entstehen
könnte 1). Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als-
dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall-
erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage
diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei-
mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er-
scheinung sehr geheimnisvoll.


Ebenso verfocht er die Ansicht, daſs man Eisen nicht nur so
weich wie Blei machen könne, sondern daſs es sich thatsächlich in
Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334):
Es scheint, daſs das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei
verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an-
geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich
zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs
zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten.
Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, daſs es sich in Eisen um-
wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile;
hinc un um facile in aliud mutatur).


Die Verkalkung beruht nach Becher auf dem Austreiben der
terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi-
sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der
Metalle und ihrer Oxyde.


Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen
reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien Gebers, daſs
Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle
seien, wozu seit Basilius Valentinus als dritter noch das Salz ge-
treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen
Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten
aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit
von Christof Glaser hervor. Glaser, ein geborener Baseler, war
[963]Die Chemie im 17. Jahrhundert.
Professor der Chemie am Botanischen Garten in Paris. Er schrieb
sein berühmtes Lehrbuch „Traité de la chimie“, welches viele Auf-
lagen und Übersetzungen erfuhr, im Jahre 1663. Die deutsche Über-
setzung von 1696 (es giebt ältere, z. B. eine zu Nürnberg 1677 ge-
druckte) heiſst: Christopher Glaser Chimischer Wegweiser.
Darin handelt Kapitel IV „Von den drei würkenden principiis, dem
Mercurio, Schwefel und Saltze“ folgendermaſsen: „Mit dem Geiste oder
Mercurio als dem vortrefflichsten und herrlichsten, welcher unter
diesen dreyen in Auflösung der Dinge sich zum ersten unsren Sinnen
darstellet, wollen wir den Anfang machen. Dieses ist ein leichtes,
subtiles und durchdringendes Wesen, welches das Leben und die
Bewegung den Leibern giebet, macht, daſs sie wachsen, und weil
es in stets währender Bewegung und Wirkung ist, würde es nicht
lange in den Leibern bleiben, wenn es nicht durch die andern prin-
cipia, welche standhaftiger sind, gehalten würde; daraus folget dann,
daſs die mixta, worinnen dieses subtile Wesen herrschet, nicht wahr-
haftig sind, welches man an den Thieren und Kräutern wahrnehmen
kann, darum sie viel ehr untergehen, als die mineralien und metallen,
weil diese schier nichts von dem gedachten spiritu haben.


„Der Schweffel ist das andere principium activum, doch in
seiner Wirkung nicht so hastig, als der Geist, dessen Wesen ist
öhlicht, subtil, durchdringend und brennend. Man bringet ihn
ebenso schwerlich zu einem reinen principio als die andern. Wann
er etliche geistliche Theile in sich hält, schwimmt er auf dem Wasser,
wie die subtilen Gewürzöle von Rosmarin, Salbey, Terpentin und
andere; wenn er aber einige Theile vom Salze oder von der Erden
hat, so ist es ein dick und schwer Oel, welches in der Mitten und
unter dem Wasser steht, wie zu sehen in den Oelen aus dem Gummi,
Pech und Holz etc., so durch ein starkes Feuer müssen destillieret
werden; man hält, daſs dieses principium eine Ursache ist der Schön-
heit oder Ungestalt der Thiere, der unterschiedenen Farben, Geruchs
der Kräuter und der Zähe und Hämmerung bei den Metallen. —
Es bindet die andern principia mit einander, indem sie sich ohne
dasselbe nicht zusammen halten könnten, wegen der Ungleichheit, so
unter ihnen ist; es präserviret die Leiber vor der Fäulung, lindert
die Schärfe der Salze und Geister und weil es einer feurigen Natur
ist, schützet es die Vegetabilien, worin es herrschet, vor der Kälte,
dem Froste und andern Ungelegenheiten des Wetters, wie solches zu
sehen an Cypresse und Tannenbaum und dergl. vegetabilien, welche
stets ihre Grüne behalten.


61*
[964]Die Chemie im 17. Jahrhundert.

„Das dritte principium activum ist das Saltz, welches sich
spüren läſst, wenn die flüchtigen Wesen in Rauch davongangen, weil
es beständig bei den Erden verbleibet, von welchen, wenn es durch
Auslaugung und Ausdünstung geschieden, alsdann überkommt man es
wie einen Leib, so leicht zu pulverisiren, welches seine Trockene be-
zeuget; deswegen es die Feuchtigkeit so stark an sich ziehet, daſs es
in Kurzem zu Oel wird oder in einen liquorem sich verwandelt. Das
Salz wird durchs Feuer gereinigt und ist unverbrennlich, es hält den
spiritum an sich, bewahret den Schwefel vom Verbrennen und ist
ihnen anstatt des Fundamentes; es verursacht den Unterschied des
Geschmackes und macht die Dinge, worin es überflüssig ist, dauer-
hafftig und schier unvergänglich; zum Exempel der Eichbaum, welcher
viel Salz und wenig Oel hat, dauert lange und viel andre dergleichen
mixta mehr.“


Nach Glasers Auffassung sind aber die drei Principien nur
Kräfte, welche sich an indifferenten Substraten bethätigen. Er
schreibt Kap. V: „Von den leidenden principiis, dem phlegmate und
den Erden.“ Darin führt er als ein principium passivum zunächst
das Wasser auf, welches er das vornehmste nennt. Es ist schädlich
durch zuviel und weil es leicht fault; nützlich aber, weil es das Salz
auflöst und es dadurch mit dem Geist und Öl vereinigt. Es mäſsigt
die Schärfe des Salzes und des Geistes und fördert das Brennen des
Öles. Das andere principium passivum ist die Erde, die gering ge-
achtet wird, aber nützlich ist, weil sie das Salz, das sonst leicht vom
Wasser gelöst und fortgeführt würde, fest hält. Wenn sie ganz der
andern principiorum beraubt ist, wird sie verdammte Erde ge-
nannt (!).


Von solchen Anschauungen konnte die Technik nicht viel Nutzen
ziehen.


Über den chemischen Vorgang der Verwandlung von Eisen in
Stahl äuſsert sich ein andrer berühmter Chemiker jener Zeit,
N. Lemery, in seinen Cours de Chymie (1675) folgendermaſsen 1):
„Das Eisen ist ein sehr poröses Metall, zusammengesetzt aus vitrioli-
schem Salz, Schwefel und Erde, schlecht verbunden und gemischt. Man
wandelt es in Stahl um mit Hilfe von Horn- und Hufspänen, die man
[965]Hüttenkunde im 17. Jahrhundert.
lagenweise schichtet, und es dann brennet; da diese Stoffe viel flüchtiges
Salz, nämlich Alcali enthalten, welches die Säuren des Eisens, welche
die Poren des Eisens besetzt halten, tötet, machen sie es dichter.“


Hüttenkunde im 17. Jahrhundert.


So wenig wie in dem chemischen Verständnis, so wenig ist in
der hüttenmännischen Behandlung der Eisenerze im 17. Jahrhundert
ein Fortschritt nachzuweisen. Aufbereitung und Röstung wurden
durchaus nicht besser betrieben als zu Agricolas Zeit. Als
Brennmaterial blieb trotz des zunehmenden Holzmangels die Holz-
kohle
fast allein in Anwendung. Allerdings bemühte sich in Eng-
land Dud Dudley bei dem Hochofenbetriebe die teure Holzkohle
durch Kokes zu ersetzen. Er erkannte klar die Tragweite und die
nationalökonomische Wichtigkeit seiner Erfindung und machte sie zu
seiner Lebensaufgabe, aber er scheiterte an der Kurzsichtigkeit und
dem Eigennutz der Industriellen, welche mit dem Fanatismus der
Borniertheit an dem Erlernten und Überlieferten festhielten.


Dud Dudley ging zu Grunde wie Papin, weil er seiner Zeit
vorausgeeilt war. Wohl wäre es in vieler Beziehung angezeigt,
Dudleys Kampf für die Einführung der Kokes hier in dem all-
gemeinen Teil zu behandeln, denn er ist vom Standpunkte unsrer
heutigen Metallurgie aus das wichtigste hüttenmännische Ereignis des
17. Jahrhunderts, allein er spielte sich so ausschlieſslich in England
ab und hatte für den allgemeinen Fortschritt der Industrie so wenig
unmittelbaren Erfolg, daſs es besser sein wird, schon um Wieder-
holungen zu vermeiden, diese ganze merkwürdige Episode bei der
Geschichte des Eisens in England abzuhandeln. Allerdings machte man
auch in Deutschland Versuche mit der Verkokung der mineralischen
Kohlen, und zwar zuerst im Anhaltischen, wo 1640 Daniel Stump-
feldt
als Erfinder derselben genannt wird; von praktischem Erfolg
waren diese Versuche aber nicht.


Auch der Torf fand als ein Ersatzmittel für Holz in diesem Jahr-
hundert grössere Beachtung. In Holland war seine Verwendung schon
in alter Zeit bekannt. 1627 erschien eine Schrift: „Parallèle des boits
et forets avec les terres à bruler; verbal de l’invention du vrai char-
bon de terre par toute la Françe. Paris 8°“. 1631 fing man in Frank-
[966]Die Hüttenkunde im 17. Jahrhundert.
reich an, Torf als Brennmaterial zu benutzen, und es erschien darüber
in dem genannten Jahre die Schrift: Oeconomie ous Mesnage des
terres inutiles propres à brusler et à faire Charbons de forge von
Charles Lamberville. Diesem war es gelungen, verschiedene
französische Torfarten zu verkohlen und die Torfkohle in Schweiſs-
herden mit Erfolg zu verwenden. Ferner erschienen: 1658 Mar-
tini Schookii
, Tractatus de Turfis seu respitibus bituminosis,
Gröningen, und 1663 Charles Patin, Traité des Tourbes com-
bustibles 4°. Paris. Joh. Joach. Becher sagt in seinem be-
kannten Buche, Närrische Weisheit und weise Narrheit, Frankfurt
1683 (S. 91): „In Holland hat man Turf und in England Stein-
kohlen, beyde tauchen nicht viel zum Brande, weder in Zimmern,
noch zum Schmelzen. Ich habe aber einen Weg gefunden, daſs sie
nicht allein mehr rauchen noch stinken, sondern mit den Flammen
davon so stark zu schmelzen, als mit dem Holze selbst, und so eine
grosse Extension der Feuer-Flammen, daſs ein Schuh solcher Kohlen
10 Schuh lange Flammen machen. Das habe ich im Haag demon-
striert mit Turf und hier in England bei dem Herrn Boyle, auch in
Windsor damit in grosso abgetrieben“.


In England machte man, wie es scheint, Versuche, Eisen mit Torf
zu schmelzen. Sturtevants Patent von 1611 umfaſst auch die Ver-
wendung von Torf (Turffe and Peat. s. Sturtevants Metallica, p. 36).
Am 13. August 1630 erhielten Ball und Genossen ein Patent, Eisen
zu schmelzen und zu verarbeiten mit Torf, in geeigneter Weise zu
Brennmaterial vorbereitet (peate or turfe properly prepared for fuel).


Auch ein Patent von Dr. Jordan von 1632 nennt als Schmelz-
mittel für die Darstellung von Eisen neben der Steinkohle ausdrück-
lich den Torf (peate and turfe).


Eine nennenswerthe Verwendung für hüttenmännische Zwecke
fand aber der Torf im 17. Jahrhundert nicht.


Von Verbesserungen an den Schmelzöfen ist von diesem Zeit-
abschnitt nicht viel zu berichten. Die Verhüttung blieb dieselbe, wie
sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gewesen war. Die
Zahl der Hochöfen nahm zu, die der Rennfeuer nahm ab, beide Be-
triebsarten blieben aber neben einander bestehen, und es hatte die
direkte Eisengewinnung in Rennöfen und Stücköfen noch das Ueber-
gewicht.


Werfen wir nun einen Blick auf die Fortschritte des Eisenhütten-
wesens im 17. Jahrhundert.


[967]Direkte Eisengewinnung im 17. Jahrhundert.

Direkte Eisengewinnung im 17. Jahrhundert.


Das direkte Verfahren der Darstellung von schmiedbarem
Eisen aus den Erzen in Herden und niedrigen Schachtöfen, in Luppen-
oder Rennfeuern und Stücköfen war noch die verbreitetste Art der
Eisenbereitung, selbst in den fortgeschritteneren Ländern Europas.


Die Luppenfeuer, welche vordem, als sie noch mit Hand- oder Tret-
bälgen betrieben wurden, in Wäldern und auf Höhen gestanden hatten,
zogen ebenfalls in die Thäler, um die Wasserkraft für ihre stärkeren
ledernen Fächerbälge zu benutzen. Durch die Anwendung dieser Bälge
wurde die Produktion beträchtlich gesteigert und Veränderungen in
der Konstruktion der Herde herbeigeführt. Die Pyrenäen waren das
klassische Gebiet für diese Art der Eisenerzeugung, und hier lassen
sich auch diese Veränderungen am deutlichsten erkennen. Ueberall
findet man dort in Navarra, Biscaya und auf der französischen Seite
im Arriègedepartement die Reste alter Schmelzstätten bis hoch ins Ge-
birge hinauf. Die Gestalt dieser Schmelzherde für den Handbetrieb zeigt
Fig. 211 a (a. f. S.), welche einen solchen Ofen darstellt, der in der
Umgegend des Eisenhammers von Bielsa in Hoch-Aragonien um 1830
aufgedeckt wurde 1). In diesem kleinen cylindrischen Öfchen machte
man nur Luppen von 4 bis 5 kg Gewicht. Als man dann im 16. Jahr-
hundert die Schmelzstätten an die Bäche verlegte und die Gebläse
mit Wasserrädern betrieb, vergröſserte man die Luppenfeuer, die als
biscayische Schmieden bekannt waren, beträchtlich. Dabei konnte
man aber die runde Form nicht beibehalten, weil der Wind bei diesen
einen zu langen Weg bis zur gegenüberliegenden Windseite hatte,
man machte sie deshalb elliptisch, wobei die Düsen auf der einen
Langseite auflagen. Man blies nämlich, um eine ununterbrochene
Windzufuhr zu erzielen, mit zwei Bälgen und anfangs auch mit zwei
Düsen. Später legte man die beiden Düsen in eine gemeinschaftliche
Form, die man aber sehr weit machte, weil die Düsen über das Kreuz
blasen muſsten. Fig. 211 b (a. f. S.) zeigt die Form, welche die Herde
von Biscaya damals annahmen. Im Arriège bekamen die Feuer eine
fast rechtwinklige Gestalt. Fig. 211c (a. f. S.) zeigt diese Form aus
dem Jahre 1616. Nach oben hin waren die vier Seiten nahezu
[968]Direkte Eisengewinnung im 17. Jahrhundert.
rechtwinklig, während nach unten der Herd mehr die ovale Form
beibehielt.


Später, um 1650, machte man diese Schmelzöfen noch gröſser,
mit gerader Form- und Windseite, behielt aber die alte Nestform des
Herdes bei. Damals waren die Feuer im Arriège 16 Zoll (jeder Zoll
zu 28 mm) breit, 18 Zoll lang und 19 Zoll tief. Man schmolz
sechs Luppen in 24 Stunden, jede zu 40 bis 60 kg Gewicht. Dabei

Figure 222. Fig. 211.


hielt man fest an der überlieferten Lage der Form, 8 Zoll vom Boden
mit 35 Grad Neigung. Im Jahre 1667 zwang aber die weitere Ver-
gröſserung der Feuer, zur Vermehrung der Produktion auch den
eigentlichen Schmelzofen zu vertiefen und infolge dessen der Form
eine Neigung von 40 Grad zu geben. Man erzeugte jetzt fünf Luppen
von 80 bis 85 kg in 24 Stunden. Allmählich vollzog sich ein Über-
gang aus der runden in die viereckige Form.


Der Übergang von den alten Handschmieden zu den Wasser-
hämmern geschah auch nicht plötzlich, dazwischen traten erst die
Tretmühlen, und die Anwendung von Tret- oder Laufrädern zur Be-
[969]Indirekte Eisengewinnung im 17. Jahrhundert.
wegung der Hämmer und der Bälge. Für die schweren Stirnhämmer
machte sich zuerst das Bedürfniſs der Benutzung der Wasserkraft
fühlbar. Die Eisenhämmer zogen deshalb zuerst in die Thäler, während
die Luppenfeuer noch in den Bergen verblieben. Bald aber folgten die
Schmelzfeuer den Hämmern, und so entstanden die sogenannten Eisen-
mühlen (mouli de fer). Eine der ersten in den französischen Pyre-
näen war die mouli de Caponta in der Gemeinde Auzat, welche um
1500 erbaut worden war. 1550 gehörte sie einem Jeanne d’Albret.
Sie wurde von biscayischen Schmieden betrieben.


In der Zeit zwischen 1616 und 1667 fanden die Wassertrommel-
gebläse zur Winderzeugung Eingang, welche wegen ihrer Billigkeit
und ihres Effekts rasche Verbreitung in den Pyrenäenthälern fanden.
Seit dieser Zeit ging die ältere biscayische Methode in diejenige über,
welche man besonders als kleine Katalanschmiede bezeichnet. Im
Jahre 1667 zählte man im Arriège 44 Schmieden und 8 Hämmer
dieser Art. Zu 100 Eisen wurden 305 Erz und 593 Holzkohlen ver-
wendet; eine Schmelzung dauerte vier Stunden.


Während im westlichen Europa, nämlich in Spanien, Italien,
Frankreich, England und dem gröſsten Teile von Deutschland die
direkte Eisengewinnung in Herdöfen stattfand, herrschten im östlichen
Europa, nämlich in Schweden, Ruſsland, Türkei, Ungarn und in den
Alpenländern niedrige Schachtöfen vor. In Schweden, Finnland und
Ruſsland die sogenannten Bauernöfen, in Ungarn die Slovakenöfen,
in den Alpenländern die Stücköfen, in Schmalkalden und einigen
Gegenden Mitteldeutschlands die Blauöfen. Die Stücköfen in Steyer-
mark und Kärnthen hatten viereckigen Querschnitt.


Indirekte Eisengewinnung im 17. Jahrhundert.


Bei den Hochöfen, in welchen die Erze auf Roheisen ver-
schmolzen wurden, lassen sich Fortschritte nur in England mit Sicher-
heit nachweisen. Während man in Deutschland an der überlieferten
Ofenform mit rechtwinkligem Querschnitt im Innern festhielt, baute
man in England bereits Öfen mit kreisförmiger Zustellung, und zwar
in einer Höhe bis zu 30 Fuſs. In einer Beschreibung der Eisenwerke
[970]Indirekte Eisengewinnung im 17. Jahrhundert.
im Forrest of Dean sagt Henry Powle 1678 1), diese Hochöfen seien
von Backsteinen oder Bruchsteinen erbaut, das Rauhgemäuer sei an
24 Fuſs im Quadrat und 28 bis 30 Fuſs hoch. Inwendig hätten sie
in der Mitte, wo sie am weitesten seien, 8 bis 10 Fuſs im Durch-
messer, nach oben und unten seien sie zusammengezogen, so daſs der
senkrechte Querschnitt die Form eines Eies habe, wie es die Fig. 212
zeige. Die ses ist die älteste Abbildung eines Hochofenprofils,
welche bekannt ist. Sie zeigt, daſs schon damals die Tonnenform in
England gebräuchlich war, wobei Schacht und Rost ohne scharfe

Figure 223. Fig. 212.


Trennung ineinander
übergingen. Der Ofen-
gicht war eine Esse A
aufgesetzt, die Brust
B war offen, der untere
Teil durch den Wall-
stein geschlossen. Der
Hochofen, welchen
Dud Dudley 1639 zu
Hasco-Bridge erbaute,
hatte an der Basis
27 Fuſs im Quadrat
und war also wohl
eben so hoch, wie der
beschriebene.


Hochöfen mit offener
Brust waren auſser
in England auch in
Schweden, Frankreich,
West- und Mittel-
deutschland gebräuch-
lich, während im südlichen Deutschland und Norditalien vorwiegend
Öfen mit geschlossener Brust — Blauöfen und Floſsöfen — in An-
wendung waren. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm die
Zahl der Hochöfen auch in Baden, Württemberg und Bayern zu. Die
Nachrichten über Konstruktion und Betrieb dieser Öfen im 17. Jahr-
hundert sind sehr dürftig und werden wir das Wenige, was sich dar-
über besonders aus alten Rechnungen ermitteln lieſs, in der Landes-
geschichte von Kärnten, dem Harz u. s. w. mitteilen.


[971]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.

Daſs die Einführung der Holzblasebälge ein wichtiger Fortschritt
für den Hochofenbetrieb war, haben wir schon erwähnt. Die dadurch
ermöglichte Vergröſserung der Bälge gestattete zugleich eine Ver-
gröſserung der Schmelzöfen.


In dieses Jahrhundert fallen, wie schon erwähnt, die ersten Ver-
suche der Anwendung von Steinkohlen und Torf an Stelle von Holz-
kohlen im Hochofen. Über den Erfolg dieser Versuche werden wir
später berichten. Salmasius erwähnt auch bereits (in exercit. Plin.)
1629, indem er das Wort gusa als die aus dem Ofen geflossene Masse
erklärt, daſs man Hochofenschlacken in Formen laufen lasse und auf
diese Weise künstliche Steine bereite.


Die Umwandlung des Roheisens in Schmiedeisen geschah in
Frischherden. Mit der Zunahme der Hochöfen kam auch der Frisch-
prozeſs im 17. Jahrhundert immer mehr in Aufnahme, namentlich
breitete sich die Wallonschmiede mehr und mehr aus, welche sowohl
in England zur Einführung gelangte, als auch in Schweden die
deutsche Aufbrechschmiede zurückdrängte.


Der Eisenguſs erlangte zugleich mit den Hochöfen immer all-
gemeinere Anwendung, und dementsprechend vermehrte sich die Zahl
der Eisengieſsereien. Besonders wurde der Geschützguſs gepflegt, und
selbst in Ruſsland wurde zu Tula eine groſse Menge eiserner Kanonen
gegossen. Als ein wichtiger Fortschritt kann der Guſs eiserner
Wasserleitungsröhren, welche in Frankreich in den achtziger Jahren
in groſsem Umfange zur Verwendung kamen, bezeichnet werden. Das
Nähere darüber wird in der Geschichte von Frankreich mitgeteilt
werden. Soviel sich bis jetzt ermitteln lieſs, wurden alle diese Guſs-
waren unmittelbar aus dem Hochofen gegossen.


Die Veredlung und Verarbeitung des Schmied-
eisens im 17. Jahrhundert.


Als ein wichtiger Fortschritt ist die sorgfältigere Verarbeitung des
Schmiedeisens für seine Verwendung in verschiedenen Formen, welche
zu einer weiteren Arbeitsteilung führte, zu bezeichnen. In vielen Ge-
genden entstanden Zain-, Reck- und Raffinierhämmer, getrennt
von den Frischhütten, so namentlich in Westfalen, Bayern, den öster-
reichischen Alpenländern, in den Niederlanden, Frankreich und in Eng-
land. Diese hatten den Zweck, das Frischeisen und den Frischstahl zu
reinigen und in geeignete, schwächere Dimensionen auszuschmieden.


[972]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.

Christoff Weigel1) giebt (1698) nachstehende Abbildung eines
Zainhammers 2) und schreibt dazu:


„Weil aber das Eisen in so groſsen und groben Stücken denen
Handwerken zu verarbeiten viel zu mühsam fället, also sind die soge-
nannten Zeinhämmer erdacht, und dadurch das löbliche Hand-
werk der Zeiner eingeführt worden.


Es ist aber dieses Handwerk auſser Steuermark, München und
Nürnberg in Teutschland nicht sonders bekannt, ob es schon sehr
nutzbar, und allen von Eisen und Stahl arbeitenden Handwerkern

Figure 224. Fig. 213.


zu groſsem Vorteil gereichet, indem zumahl diejenige, welche kleine
Sachen arbeiten, das Eisen sonst überaus mühsam von einander
schroten und in dünne Stäbe zerhauen müssen, vermittelst des Zeiners
[973]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
aber solcher Mühe, mit Erspahrung vieler Zeit, überhoben werden:
Solchen nach lässet ein jeder, so von Stahl arbeitet, sich selbige zu
seinem Gebrauch von dem Zeiner zurichten und verzeinen, und zwar
den Stahl abgerben, untereinander schweiſsen, in Kluppen-, Zweck-,
Ruck-, Klingen- und Ahlen-Stahl, und andere dergleichen Gattungen,
das Eisen aber in Umschweift-, Gitter-, Leisten-, Hannen-, Heibel- und
Pfriemen-Eisen etc. verzeinen, und in dünne Stäbe und Stangen ver-
arbeiten.


Es verfertigt auch der Zeiner auſser diesen, an und vor sich,
unterschiedliche Sachen, von allerley grobem Werkzeug, als Ambose,
Hammer, die Mahl-Stange, Zapfen und Klinge zu Mühl-Werken und
Wasser-Rädern, auch was in kleinen Handfeuern sich nicht bezwin-
gen läſst.


Das Handwerks-Zeug betreffend, so führet der Hammerschmied
und Zeiner zu seiner Arbeit dreyerley Hämmer: als einen groſsen
Streck-Hammer, einen mittelmäſsigen, der Abrichthammer genannt,
und sodann einen kleinern, so sie den Zein-Hammer heiſsen; Er be-
zwinget, um so viel mehr und leichter auch die gröſsten Stücke Eisen,
weil er solche durch das Gebläse des Feuers erstlich wohl glüet, und
sodann die Hämmer vermittelst eines Rades durch das Wasser ge-
trieben und beweget werden, wodurch dann dasjenige gantz leichtlich
ausgerichtet wird, was sonst durch blose Hand zu verrichten un-
möglich fallen würde.“


Teils die Zainhämmer, teils die Schneidwerke lieferten den
Nagelschmieden das Nageleisen, welches diese zu Nägeln ver-
arbeiteten. Dieses geschah durch Handarbeit im Hausbetrieb, welcher
sich in verschiedenen Eisen erzeugenden Gegenden konzentrierte und
einen wichtigen Nahrungszweig der Bevölkerung bildete. Mit der Ent-
wickelung der Industrie wurden die Nagelformen zahlreicher. Wie
mannigfaltig dieselben waren, ersieht man aus der folgenden kur-
sächsischen Preisliste vom Jahre 1623 1):


  • Ein Schock starke Lattennägel (im Kurkreis)   4 Gr. — Pf.
  • „ „ mittlere „   3 „ 6 „
  • „ „ Spindenägel   3 „ — „
  • „ „ Brettnägel   2 „ 6 „
  • „ „ halbe Brettnägel   2 „ — „
  • „ „ Blechnägel   2 „ 6 „
  • „ „ Schindelnägel   1 „ 6 „

[974]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
  • Ein hundert schwarze Schloſszwecken   — Gr. 15 Pf.
  • „ „ verzinnte Schloſszwecken   4 „ — „
  • „ „ Sattelzwecken   — „ 15 „
  • „ „ Spieſszwecken   — „ 15 „
  • Ein Schock Pfennignägel, so stark als man sie
    vor Alters gemacht (im Thüringischen Kreis)   6 „ — „
  • Ein Schock Hellernägel   3 „ — „
  • Ein hundert Schiffernägel   1 „ 3 „
  • „ „ Schloſsnägel   1 „ 2 „
  • „ „ Gypsnägel   1 „ 2 „
  • „ „ Schuh- und Sattelnägel   1 „ — „
  • „ „ groſse Bandnägel   8 „ — „
  • „ „ kleine Bandnägel   4 „ — „
  • „ „ Helleparthennägel, verzinnt   — „ 21 „
  • „ „ ganz verzinnte Schloſsnägel   3 „ 6 „
  • Ein Schock Hufnägel (Erzgebirgischer Kreis)   — „ 18 „
  • Ein Schien- oder Randnagel   — „ 4 „
  • Ein Sparnnagel   — „ 2 „
  • Ein halber Sparnnagel   — „ 1 „
  • Ein Thornagel   — „ 3 „

Im Jahre 1660 wurden in der Pfalz bezahlt:


  • Für 1300 Lattennägel   1 Thlr.
  • „ 1000 Speichernägel   2 fl. — kr.
  • „ 1000 ganze Speichernägel   3 „ 45 „
  • „ 10000 doppelte Speichernägel   75 „ — „

Kleinnagler oder Zweckenschmiede.


  • Ein Schock ganze Thürnägel   5 Gr. — Pf.
  • „ „ halbe „   2 „ 6 „
  • Ein Tausend schwarze Fünfer   1 fl. — „ — „
  • „ „ schwarze Schloſsnägel   10 „ — „
  • „ „ halbe „   4 „ — „
  • „ „ groſse Schuhzwecken   10 „ — „
  • „ „ kleine „   4 „ — „
  • „ „ gestäpffte Fünfer, verzinnt   1 fl. 15 „ — „
  • „ „ Schloſsnägel, verzinnt   18 „ — „
  • „ „ verzinnte Partnägel   9 „ — „
  • „ „ „ Taschennägel   9 „ — „
  • „ „ „ Spieſsnägel   6 „ — „
  • „ „ Krempelzwecken   4 „ — „

[975]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
  • Ein Tausend Harnischnägel, unverzinnt   8 Gr. — Pf.
  • „ „ groſse Krebsnägel   16 „ — „
  • „ „ Handschuhnägel   7 „ — „
  • Ein sechzig Schock Schiffernägel   2 fl. — „ — „
  • Ein hundert Biſsnägel   2 „ 6 „

Die Nagelschmiede muſsten sich bei ihrem Meisterstücke in Nürn-
berg ihre Werkzeuge, Stahl und Eisen, innerhalb vier Tagen selbst
zurichten und sodann ganz allein machen „2900 Näglein dreierlei
Gattung, als: 1) 400 groſse Dien-Nägel, um das Eisenwerk an die
Stadtthore damit anzuschlagen und zu befestigen. 2) 1000 Stück
gesenkten Stefften oder Zwecken, so oben am Kopf rund und unter
demselben viereckig sind, die Steffte aber selbst müssen alle acht-
eckig geschmiedet sein. 3) 1500 kleinen Schocker-Nägelein, welche so
leicht sein müssen, daſs sie auf dem Wasser schwimmen“ (Weigel).


Die Anzahl der Nagelsorten war gegen Ende des 17. Jahrhunderts
so groſs, daſs deren Aufzählung, wie Weigel sagt, den Leser nicht
ohne Verdruſs allzu lange aufhalten würde. Die vornehmsten darunter
waren: „Unterschiedliche Gattungen Blattennägel für mancherlei Hand-
werker; Faſs-Nägel für die Kaufleute; Lafettennägel für Geschütze;
Sternzwecken für Partisanen, Schweinsfedern und anderes kurzes
Gewehr; Küris-Nägel für die Plattner; gesenkte Steffte für Gürtler;
Kutschen-, Schiff- und Rosennägel für Sattler; Schockernägel für
Futteral- und Kartätschenmacher. — Der Halb-Nägel und der so-
genannten Leisten-Nägel bedienten sich die Schirmer; die Schlosser
der Niet-, Band-, Schloſs-, Schnecken- und Rosennägel; die Schmiede
der Hufnägel; die Maurer der Kreuznägel; die Tüncher der Schiefer-
nägel; die Schuster der einfachen und gedoppelten Schuhnägel,
Schuhzwecklein und Hufhäcklein; die Tuchmacher bedienten sich
einer Art Nägel, die vorn nach Art der Schrauben etwas umgebogen
waren. Alle diese Arten und Sorten sind von Eisen, welche die
Nagler teils schwärzen, teils selbst überzinnen.“


Im Jahre 1660 wurden in der Pfalz bezahlt


  • für 1300 Lattennägel   1 Thlr.
  • „ 1000 Speichernägel   2 fl. — kr.
  • „ 1000 ganze Speichernägel   3 „ 45 „
  • „ 10000 doppelte Speichernägel   75 „ — „

Über das Gärben und Ausrecken des Stahls finden wir eine gute
Schilderung in Felibien’s Principien der Baukunst von 1676, welche
wir später in dem Kapitel über Frankreich mitteilen wollen.


[976]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.

Die Drahtfabrikation hatte nach wie vor ihren Hauptsitz in
der westfälischen Mark, doch verbreiteten sich die künstlichen Draht-
züge auch nach andern Ländern, wie namentlich nach Schweden und
England.


Erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts wurde das Ziehen des feinen
Kratzendrahtes, welches in den Niederlanden und Aachen schon länger
bekannt war, in Iserlohn eingeführt. Das Ziehen geschah anfangs mit
der Hand auf sogenannten Handwinnen, in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts aber mit Wasser auf Wasserwinnen, deren man Ende
des Jahrhunderts 221 zählte. Überhaupt verdrängte der Wasserbetrieb
den Handbetrieb immer mehr.


Figure 225. Fig. 214.

Die Abbildung einer Drahtmühle (Fig. 214) befindet sich eben-
falls in Weigels gemeinnützlichen Haupt-Ständen von 1698 (S. 295).
Dieselbe ist zwar in einzelnen Teilen etwas unverständlich, entspricht
aber in der Hauptsache einer Drahtrolle, wie solche heute noch in
Altena und an vielen andern Plätzen im Gebrauch sind. Auch der
Text zu der Abbildung ist ungenügend. Der Verfasser sagt, daſs die
Zaine unter Hämmern vorgeschmiedet werden, so „daſs sie die gehörige
Dicke bekommen und zum Ziehen tüchtig sind, dann werden sie auf
die Ziehe-Bank gebracht, an dem einen Ende etwas dünn gefeilt, daſs
sie durch das Loch des Zieheisens gesteckt und von der Zange gefaſst
werden können. Wann solches geschehen, wird dem Rad Luft gemacht,
durch solches die Wellen umbgetrieben, von denen Armen aber der
[977]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
Steg niedergedruckt, der Draht mit der Zangen aufwärts gezogen,
und wann die an den eisernen Zangen befestigte hölzerne Stange in
die Höhe schnappt, wiederumb einwärts gerucket, der Draht aber an
der sich zugleich selbst durch besondere Triebe umbdrehenden so-
genannten Leyern auf, von dem Haspel aber im Gegenteil abgewun-
den.“ Wo keine Drahtmühlen waren, muſsten die „Schieber“ das
Ziehen des groben Drahtes mit groſser Mühe mit der Hand ver-
richten, wobei sie sich auf der angehängten Schiebebank vor- und
zurückschwangen. So geschah es noch im Herzogtum Krain.


Das Patent, welches Thomas Harvey in England 1678 für eine
Maschine, um alle Sorten spanischen und schwedischen Eisens zu
Rundeisen für Schiffsbolzen und sonstigen Gebrauch viel besser und
rascher, als das unter dem Schmiedehammer geschieht, auszuziehen,
erhielt, war wohl ein sehr starker Schleppzug.


In engster Verbindung mit dem Drahtgewerbe stand die Nadel-
fabrikation
. Dieselbe hatte ihren Hauptsitz in Spanien, den Nieder-
landen, Aachen und Nürnberg (Schwabach). Die Aachener Nadeln
gingen im Handel unter dem Namen spanische Nadeln, weil ein
spanischer Niederländer diese Industrie nach Aachen gebracht hatte.
1631 faſste aber der Senat der Stadt Aachen einen Beschluſs, daſs
diese falsche Bezeichnung abgeschafft und dieselben von nun an nur
als Aachener Nadeln verkauft werden sollten.


Im 17. Jahrhundert wurde die Nadelfabrikation auch in Altena
in der westfälischen Mark eingeführt, kam aber damals zu keiner
gedeihlichen Entwickelung. Durch den 30jährigen Krieg ging die
Nadelfabrikation in Deutschland sehr zurück, dagegen erblühte sie in
England. Dort soll in London um 1545 ein Neger zuerst Nadeln
gemacht haben. Er hielt aber seine Kunst ängstlich geheim, und so
starb sie mit ihm aus. Königin Elisabeth zog deutsche Nadelarbeiter
aus Deutschland herbei und begründete mit Hilfe derselben in White-
chapel bei London die englische Nadelfabrikation, die während und
nach dem 30jährigen Kriege sich kräftig entwickelte.


Über die verschiedenen Sorten von Steck-, Heft- und Nähnadeln,
die damals im mittleren Deutschland gehandelt wurden, giebt folgende
Preisliste aus Kursachsen vom Jahre 1623 Aufschluſs 1):


Im Meiſsnischen Kreis:


  • Das Tausend der besten Stecknadeln um   12 Gr. — Pf.
  • „ „ andere Gattung   10 „ — „

Beck, Geschichte des Eisens. 62
[978]Die Veredlung des Schmiedeisens im 17. Jahrhundert.
  • Das Tausend dritte Gattung   8 Gr. — Pf.
  • Ein paar Hosenhefte   — „ 2 „
  • Der kleinen das Tausend um   12 „ — „
  • Eine spanische Nähnadel   — „ 2 „
  • Fisch-Angeln, Stricknadeln, Strick-Eisen und
    dergleichen wird nach dem Augenschein
    verkauft.
  • Spanische Nähnadeln das Hundert   8 „ — „
  • Der geringsten das Hundert   1 „ 6 „

Im Leipziger Kreis:


  • Ein Brief Stecknadeln der besten, da 500 in-
    nen sind   6 bis 7 „
  • Der gemeinen, da hundert innen sind   — „ 8 „
  • Nestel-Hefte, der groſsen das Hundert   14 bis 15 „
  • Kleine Hefte das Hundert zu   1 Gr. bis 14 Pf.

Im Erzgebirgischen Kreis:


  • Ein tausend Kleppel-Nadeln   9 Gr. — Pf.
  • „ „ Stecknadeln   5 „ — „
  • „ hundert „   — „ 10 „
  • „ „ gemeine Stecknadeln   — „ 5 „
  • „ Paar Hosenhefte   — „ 1 „
  • „ Dutzend kleine Hefte   — „ 3 „

Weigel führt auſser den Nähnadeln die Kürschner- und Schuster-
nadeln auf, sodann die gewöhnlichen Strick- und Sticknadeln und
die Seidensticker-Teppichnadeln, die Barbier-Heftnadeln, Pack- und
Einbindnadeln, Buchbindernadeln, Beutlernadeln, wie auch Häklein und
Hefften zu mancherley Gebrauch. Zum Meisterstück muſste der Nadler
1000 Nadeln 1) fertigen in einer bestimmten Zeit, und zwar „300 Stück,
6 Wurff und 3 Stück dreieckiger Schusternadeln, ebensoviel spieſs-
eckigte Kürschnernadeln und 300 Stück, 6 Wurff und 4 Stück runde
Nähnadeln, ein Wurff aber ist soviel als 5 Nadeln und wird an diesen
Nadeln sonderlich das viereckichte Öhr mit seinem Ausschnitt vor
das künstlichste gehalten und von den geschworenen Meistern bei
Beschauung des Meisterstückes fleiſsig betrachtet“.


[979]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.

Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.


Die Blechfabrikation nahm im 17. Jahrhundert einen groſsen
Aufschwung namentlich durch die Erfindung der verzinnten Bleche
oder des Weiſsblechs. Diese Erfindung soll aus Böhmen stammen;
die älteste Nachricht darüber kommt aber aus Steiermark. Im Jahre
1551 erhielt nämlich Freiherr Hans Ungnad, Landeshauptmann von
Steiermark, von König Ferdinand die Freiheit, zu Waltenstein ein
oder mehrere Hammerwerke aufzurichten und in denselben schwarzes
Blech zu schlagen, es verzinnen zu lassen und damit un-
gehindert Handel durch 20 Jahre frei zu treiben
, „in Be-
dacht der ansehnlichen, nützlichen, beharrlichen, hochersprieſslichen
Dienste, so er sider Eingang Unsrer landesfürstlichen und könig-
lichen Regierung mit ungespartem, seinem Leib und Gut willig und
unverdrossenlich bewiesen hat (Wien, 5. August 1551 1)“.


In Sachsen wurde seit dem Jahre 1620 die Erfindung in um-
fassender Weise ausgebeutet. Sachsen hatte schon vordem den gröſsten
Ruf wegen seiner Bleche. Für Weiſsblech erlangte und behauptete
es im 17. Jahrhundert fast das Monopol.


Die Erfindung der Weiſsblechfabrikation soll nach Yarrantons
Angabe in Böhmen gemacht und von da von einem zum Protestan-
tismus übergetretenen katholischen Geistlichen um das Jahr 1620
nach Sachsen gebracht worden sein. Das Verzinnen durch Eintauchen
fertiger eiserner Gegenstände war aber wahrscheinlich schon zu
Aristoteles’ Zeit bekannt (I, S. 459).


Die Incoctilia des Plinius2) sind verzinnte Metallwaren, welche,
wie das Weiſsblech, durch Eintauchen in ein flüssiges Zinnbad her-
gestellt wurden. Agricola3) erwähnt das Verzinnen von Eisenwaren
als ein allgemein gebräuchliches Verfahren. Die Verzinner oder
Zinner bildeten in Nürnberg ein selbständiges Handwerk, welche
allerlei Eisenwerk, als Sporen, Stangen, Bügel, mancherlei Flaschner-
und Schlosserarbeit verzinnten 4). Der Schritt bis zur Herstellung
verzinnter Eisenbleche war also nur ein kleiner. Dennoch ist dieser
kleine Schritt, statt der fertigen Waren das unverarbeitete Blech zu
verzinnen, und dadurch einen neuen Handelsartikel, das Weiſsblech
62*
[980]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
zu schaffen, als eine wichtige Erfindung anzusehen, da sie der Aus-
gangspunkt eines bedeutenden Zweiges der Eisenindustrie geworden
ist, deren Produkt das Rohmaterial für verschiedene Kleingewerbe
liefert.


Das industriereiche Sachsen, in der metallurgischen Technik zu
jener Zeit besonders weit vorgeschritten, war zur Ausbeutung dieser
Erfindung sehr geeignet, weil sich daselbst eine bedeutende Eisen-
blechfabrikation in nächster Nähe ausgiebiger Zinnbergwerke und Hütten
befand. Das Kurfürstentum Sachsen hat unzweifelhaft diese Industrie
zuerst in groſsem Maſsstabe entwickelt und darf in diesem Sinne als
die Heimat derselben bezeichnet werden. In England, welches durch
seine noch günstigeren Verhältnisse in späterer Zeit Deutschland in
dieser Fabrikation überflügelte, wurde dieser Industriezweig von
Andrew Yarranton, der ihn 1670 in Sachsen kennen gelernt und
studiert hatte, erst nach dieser Zeit einzuführen versucht, doch gelang
es nicht, die Weiſsblechfabrikation im Laufe des 17. Jahrhunderts in
England zur Blüte zu bringen. Ebenso ging es in Frankreich.


Werfen wir nun einen Blick auf die Fabrikation.


Der Blechhammer hatte die wichtigste Vorarbeit für die Weiſs-
blechfabrikation zu leisten. Damals wurde das Blech bereits allgemein
mit Wasserhämmern geschmiedet. Wie dies geschah, haben wir ge-
schildert. Für die Verzinnung stellte man nur Bleche von geringen
Dimensionen dar. Hierzu waren zwei Hämmer, ein Breithammer und
ein Urwellhammer, erforderlich 1). Ersterer hatte eine schwach ge-
wölbte Bahn von etwa 0,20 m Seitenlänge, 300 bis 350 kg Gewicht
und 1 m Hub; der Urwellhammer hatte eine Bahn von 0,25 m Länge,
0,05 m Breite, 150 Ztr. Gewicht und 0,75 Hub. Die Amboſsbahn hatte
0,35 m Seitenlänge und war ganz schwach gewölbt. Am Hammer-
stock war ein Eisenstab befestigt, der über die Amboſsfläche hervor-
ragte und dazu diente, daſs man die Blechstürzen beim Gleichen da-
gegenstieſs, damit sie gerade übereinander liegen blieben.


Ehe man mit der eigentlichen Schmiedearbeit begann, wurden
die Abschnitzel und der Ausschuſs im Herde niedergeschmolzen, wo-
bei gleichzeitig die Schirbel der vorigen Luppe zu Quadratstäben von
33 mm Stärke ausgeschmiedet wurden. Dies geschah unter dem Breit-
hammer und die Arbeit hieſs das Zainen. Nach dem Zainen
wurde die Luppe gefrischt, ausgebrochen, gezängt, in Schirbel zer-
hauen und diese wieder gezaint. War dies beendigt, so wurde der
Breithammer aus dem Gerüst genommen und der Urwellhammer ein-
[981]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
gelegt. Nun begann das Blechschmieden damit, daſs die gewärmten
Zaine am vorderen Ende etwas ausgebreitet und sodann mit dem
Setzeisen ein Kölbchen von bestimmter Länge abgehauen wurde.
Dieses wurde sofort wieder in dem Herde gewärmt und an dem schon
etwas ausgebreiteten Ende zu einer Breite von etwa 9 cm ausge-
schmiedet. Zwei Arbeiter wechselten beim Schmieden ununterbrochen
miteinander ab, während ein dritter das Wärmen der Zaine und
Kölbchen besorgte, bis das übliche Quantum von 360 oder 400 solcher
Urwellstürzen fertig war. Alsdann begann wieder das Einschmelzen
der Abschnitzel.


Die fertigen Urwellstürzen wurden von zwei andern Schmieden
und einem Gehilfen in der folgenden Schicht auch an dem andern
noch nicht gebreiteten Ende zu der gleichen Breite ausgereckt, auf
einem Handamboſs zur Hälfte umgebogen, mit einem Handhammer
zusammengeschlagen und als fertige Stürze weggelegt. Diese Arbeit
hieſs das Richtheiſsen. Waren alle Stürze gerichtheiſst, so wurden
sie paarweise zusammengelegt und zuerst mit dem Saumende zum
Wärmen eingehalten. Ein Arbeiter faſste ein Paar der gewärmten
Stürze vorn mit der Zange und streckte sie unter dem Urwellhammer
beim Saumende zu einer Breite von 15 bis 18 cm aus, brachte sie
dann wieder ins Feuer, indem er sie mit dem noch nicht gebreiteten
Vorderende einhielt. Ein zweiter Arbeiter faſste nun ein Paar der
zur Hälfte gebreiteten Stürzen beim Saumende mit der Zange und
breitete auch das Vorderende, so daſs die Stürzen eine Länge von
0,30 bis 0,33 m, und eine Breite von 0,15 bis 0,18 m erhielten. Diese
Arbeit hieſs das Gleichen. Der Gehilfe hatte dafür zu sorgen, daſs
immer eine gehörige Menge an gerichtheissten Stürzen am Herde be-
findlich waren, damit bei der Arbeit kein Verzug entstand, auch
muſste er die schon gerichteten Stürzen sortieren, auseinanderlegen
und in Hahnebrei (mit Wasser dünn angerührter Thon, in den
Kreide oder Kohlenstaub gemischt ist) eintauchen, damit sie nicht
aneinander schweiſsten, und 50 solcher Stürze, welche eine Zange
genannt wurden, zusammenlegen. Vier Zangen machten gewöhnlich
eine Zeche. Während des Anwärmens der Zeche wurde der Urwell-
hammer aus dem Gerüst genommen, der Breithammer eingelegt und
nun zum Schmieden geschritten.


Das Wärmen einer Zeche geschah auf einem Paar horizontal über
den Herd gelegten Stangen, auf welche die Zeche so gestellt wurde,
daſs die Stürze mit der langen Kante auf den Stangen ruhten, worauf
hinter der zu wärmenden Zeche eine eiserne Stange senkrecht auf-
[982]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
gerichtet wurde, um damit die Stürzen zusammenzupressen. Die Zeche
wurde mit Kohlen beschüttet, das Gebläse angelassen und mit dem
Verbrennen der Kohlen solange fortgefahren, bis alle Zangen glühend
waren. Jede Zange wurde drei- bis viermal geschmiedet und nach
jedem Schmieden wurden die Zangen auseinander genommen und an-
ders geordnet, um alle Stürzen gleich stark auszurecken. Wenn die
Bleche durch das Schmieden die gehörige Gröſse erhalten hatten,
wurden die vom vorigen Schmieden erhaltenen und schon nach dem
Hüttenmaſs beschnittenen Bleche zwischen die eben geschmiedeten
Zangen gelegt und erhielten langsame Hammerschläge, damit sie glatt
und eben wurden, welche Arbeit das Abrichten hieſs. Die ab-
gerichteten Bleche — gewöhnlich Dünneisen genannt — wurden dann
noch einmal nach dem üblichen Maſs, welches sie als verzinnte Bleche
haben sollten, beschnitten. Aus 100 kg Abschnitzel erfolgten 75 kg
Dünneisen. Der Verbrauch an Holzkohlen für 100 kg Dünneisen
betrug 80 bis 96 Kubikfuſs Holzkohlen; 100 kg Blechstäbe gaben
etwa 46 kg Dünneisen.


Nun schritt man zum Verzinnen. Das gewöhnliche sächsische
Verfahren war folgendermaſsen:


Zuerst wurden die Bleche gebeizt, um ihnen eine reine metal-
lische Oberfläche zu geben, an der allein das Zinn richtig haftet.
Hierzu bediente man sich einer Beize, der man groſse Wichtigkeit
beilegte, obgleich sie im Grunde nichts war als eine verdünnte Säure.
Sie wurde erhalten durch Gärung zerschrotenen Roggens. Diese
Gärung wurde in einem gewärmten Gewölbe in hölzernen Tonnen
vorgenommen. Man benutzte aber dreierlei Beizen: alte, welche
14 Tage bis 5 Wochen alt war, neue, die man auch Barſs nannte,
und mittlere, welche nicht frisch, aber auch noch nicht 14 Tage alt
war und Haifel (Hefel oder Hävel) hieſs. Eine ganze Beize bestand
aus 2 Tonnen neuer Beize, 2 Tonnen alter Beize und 2 Tonnen Haifel.
Wurde sie erst frisch angesetzt, so erhielt die alte Beize 3 Scheffel,
die neue Beize 4 Scheffel und der Haifel 4 Scheffel Roggenschrot,
welche mit Sauerteig und Wasser gärten. Alle acht Tage wurde
Schrot nachgetragen und wurde dann ⅓ Scheffel zur neuen, 1/12 zur
alten Beize und 1/12 zum Haifel gesetzt. Zuerst kamen die Bleche in
die alte Beize, und zwar 136 bis 144 Stück (68 bis 72 Stürzen),
welche so gestellt wurden, daſs die Bleche wechselsweise auf der
langen und der schmalen Kante standen. In der alten Beize blieben
die Dünneisen 24 Stunden, und dann ebenso lange in der neuen
Beize. Dann kamen sie in die Haifeltonne, wo sie 48 Stunden ver-
[983]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
blieben, und zwar in zwei Lagen übereinander, so daſs in einer Haifel-
tonne die doppelte Zahl Bleche sich befand. Nach 24 Stunden wurde
umgesetzt, so daſs die obere Lage unten hin kam. Hierauf kamen
sie in die Rieſstonne, welche mit reinem, kaltem Wasser gefüllt war,
um sie abzuwaschen und Rostbildung zu verhindern. Der Schrot in
den Beiztonnen muſste täglich zweimal umgerührt werden, weil er
sonst nicht gehörig wirkte, auch muſsten die Bleche, die zu fest auf-
einander lagen, voneinander gebogen werden, um ein gleichförmiges
Beizen zu bewirken. Alle 14 Tage wurde die alte Beize, welche am
meisten angegriffen wurde und die Bleche vom gröbsten Glühspan,
sowie vom Thon des Hahnebreies befreien muſste, weggethan und die
neue Beize zur alten genommen, welche noch 1/12 Scheffel Nachsatz
von Schrot bekam und wieder 14 Tage als alte Beize gebraucht
wurde, so daſs sie vier Wochen, nämlich 14 Tage als neue und
14 Tage als alte Beize diente. Wenn nach 14 Tagen die neue Beize
angesetzt wurde, muſste aus dem Haifel etwas Grund zum Gären ge-
nommen werden, wogegen er 1/12 Scheffel Nachsatz von Schrot erhielt
und beständig gebraucht wurde.


Aus der Rieſstonne kamen die Bleche zur Reibebank, wo sie mit
Sand so lange gescheuert wurden, bis sie ganz blank waren, worauf
sie wieder in reines Wasser gelegt wurden, bis man sie verzinnte.


Das Verzinnen geschah in einer Pfanne, welche etwa 0,54 m
lang, 0,42 m breit und 0,54 m tief war. Sie wurde von Guſsplatten
zusammengesetzt und in die Mitte des Zinnofens eingemauert, wo sie
frei über der Flamme hing, welche vom Rost in die Höhe schlug und
die Pfanne von allen Seiten umspielte. Auf dem Herde lagen vier
geneigte Eisenplatten, welche das abtropfende Zinn der Pfanne wieder
zuführten. Die Zinnpfanne konnte durch ein senkrecht hineinzustellen-
des Blech — das sogenannte Einhaltblech — in zwei Räume, einen
gröſseren und einen kleineren, abgeteilt werden.


Die richtige Temperatur des Zinns zu treffen, war sehr wichtig,
weil das zu dicke Zinn nicht haftete [und] das zu heiſse rasch ab-
floſs und eine schlechte Verzinnung gab. Zum Verzinnen wurde die
Pfanne mit 500 bis 600 kg Zinn gefüllt und fortwährend geschmolzener
Talg darüber erhalten, damit sich das Zinn auf der Oberfläche nicht
oxydierte. Hatte das Zinn die gehörige Flüssigkeit erlangt, so trug
der Verzinner einen Satz von 180 oder 200 Blatt Dünneisen auf der
hohen Kante in die Pfanne, zog die Bleche in Bündeln von 20 bis
25 Blatt (Böstel) nach und nach wieder heraus und kühlte sie in
einem mit Wasser gefüllten Gefäſse. Diese Arbeit hieſs das Ein-
[984]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
brennen. Die Unreinigkeiten, welche in die Höhe stiegen, wurden
mit einem Schaumlöffel abgenommen und der Abschaum, welcher
noch Zinnkörner enthielt, in ein besonderes Gefäſs gebracht. Dies
hieſs das Aufziehen oder Abschäumen. Wenn alles zu verzinnende
Dünneisen eingebrannt war, wurde das Einhaltblech in die Pfanne
gesetzt und in den dadurch abgesonderten Raum ein ganzer Satz von
den eingebrannten Blechen, ebenfalls auf der hohen Kante, gebracht,
welche, nachdem sie gehörig aufgezogen und abgeschäumt waren, eins
nach dem andern herausgezogen wurden. Diese Arbeit nannte man
das Abbrennen oder Einschlagen. Die herausgenommenen Bleche
wurden auf einen rostförmigen Rahmen — Schragen — gesetzt, damit
das Zinn ablief, doch durften sie sich nicht berühren. Alsdann wur-
den diese Bleche einzeln nochmals in die kleine Abteilung getaucht
und rasch wieder herausgenommen „durchgeführt“ und auf einen
zweiten Schragen gestellt; nun wurden dieselben untersucht, ob sie
keine schwarzen, unverzinnten Stellen mehr hatten. Diese Stellen
wurden abgekratzt und die fehlerhaften Bleche nochmals durchgeführt.
Die verzinnten Bleche kamen in den Schwarzwischkasten, worin sie
mit Sägespänen und alten Lumpen abgewischt wurden, um den Talg
von der Oberfläche wegzuschaffen.


Da die Bleche beim Ablaufen des Zinnes an dem unteren Ende
eine Tropfkante erhielten, so muſste diese weggeschafft werden. Dies
geschah zuweilen auf einer erhitzten Platte, meist aber in einer be-
sondern Abwaschpfanne, welche die Gestalt einer abgestumpften
Pyramide hatte. In derselben befand sich etwas flüssiges Zinn, in
welches das Blech mit der Tropfkante eingetaucht und sogleich wieder
herausgenommen und mit Moos abgewischt wurde, wodurch der Rand
oder Abwerfsaum der Bleche entstand. Nach dem Abwerfen kamen
die Bleche in einen Trockenofen und von da zum Weiſswischkasten,
worin sie mit einem Gemenge von sehr feiner Kreide und Kleie mit
Werg abgewischt wurden, damit sie eine reine und glänzende Ober-
fläche erhielten. Dann wurden die Bleche noch einmal „überfahren“,
d. h. mit Lumpen der Staub abgewischt und bundweise auf dem
Klopfstock mit einem Holzschlägel abgeklopft, wobei alle Beulen aus-
geglichen wurden. Die Bleche wurden nun sortiert und verpackt.
In Deutschland pflegte man sie zusammengebogen in Fässer zu ver-
packen, und zwar von den Mittelblechen 450, von den dünnsten, so-
genannten Senklerblechen 600 in ein Faſs. Die Dimensionen der
Bleche waren in verschiedenen Ländern verschieden, in Sachsen etwa
38 × 22 cm. Nach der Stärke unterschied man Doppelt- und Einfach-
[985]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
Kreuzblech (XX und X), Forderblech (F) und Senklerblech (S), von
denen die letzteren die dünnsten und leichtesten waren. Auſserdem
fiel Ausschuſsblech, das unsortiert verpackt wurde. Die dickeren
Bleche waren teurer als die dünneren, weil die ersteren eine unver-
hältnismäſsig gröſsere Menge Zinn zum Verzinnen erforderten.


Über die Versuche, die Weiſsblechfabrikation in Lüttich und in
England einzuführen, werden wir bei den betreffenden Ländern einiges
mitteilen. Über die Verhältnisse der Schwarz- und Weiſsblechfabri-
kation in Sachsen im 17. Jahrhundert haben wir keine andere Quelle,
als die kursächsischen Hammerordnungen von 1660 und 1666 1).


Danach sollten die Blechhämmer eigentlich nur Bleche machen,
doch schmiedeten sie nebenher auch Schien- und Stabeisen, worüber
die Besitzer der Stabhämmer sich beschwerten.


Bei einem hohen Ofen- und Hammerwerk durften nicht mehr als
zwei Blechhämmer getrieben werden (§. 13).


Auf einem Blechhammer durften nicht mehr als wöchentlich 16,
höchstens 20 Ztr. gefrischtes Eisen verarbeitet werden (§. 14).


In allen Zinnhäusern wurden die Bleche in einerlei Gröſse, Länge
und Breite, und zwar „nach dem alten Wohnsiedler Maſs beschnitten,
verziehnet und verfertiget“ (§. 15).


„Die Kreutz-Vasse muſsten in einer Schwere, also, daſs ein jedes
2 Ztr. 4 bis 8 Pfd. auf oder ab, halten soll, eingeschlagen werden“
(§. 16).


Wer zwei Blechhämmer gehen lieſs, sollte wöchentlich nicht mehr
als 10 Faſs Blech zu 450 „Blatten“ verzinnen lassen. Wo aber nur
ein Hammer ging, der sollte 5 Faſs zu verzinnen Macht haben. Wer
einen Hammer einstellte, durfte von seinem Vorrat noch das ihm zu-
kommende wöchentliche Quantum verzinnen lassen, nicht aber sein
Schwarzblech an andere Zinnhäuser verkaufen oder gar in fremde
Lande verführen (§. 20).


Das Zinnhaus (Zien-Hauſs) gehörte zu den Blechhämmern. Zu
einem solchen waren erforderlich: ein Zinnofen, worin die Pfanne
eingemauert wurde, vier steinerne Zinnschalen, ein gegossenes eisernes
Tischlein und anderes mehr 2).


Über den Blechmeister bestimmte die Hammerordnung folgendes:
„Seine Arbeit gehet von Pfingsten an und währet ein ganzes Jahr,
pflegen sich aber noch vor Ostern zu verdingen (§. 1). Wer vor
[986]Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
Lätare heimlich oder öffentlich ein Gedinge machet, soll in Strafe
genommen werden und das Gedinggeld verfallen sein. Er hat für das
Jahr 16 Thaler Gedinggeld. Davon muſs er aber seine fünf Gesellen,
nämlich den Herdschmied, zwei Gleicher, einen Urweller und einen
Lehrknecht selbst dingen (1647 und 1666, §. 4, 1666, §. 5).


Das Geschenk beträgt 10 Thlr. jährlich, davon hat er wieder seine
Gesellen, jedoch nach seiner Willkür, weil der eine besser kann als
der andere, zu beschenken (1660, §. 5, 1665, §. 6).


An Lohn soll er geben:


1 Thlr. 15 bis 16 Gr. von einem Schock (60 Stück) Dünneisen,
welches 48 Pfd. wiegt, nach dem gebräuchlichen Hüttenmaſs be-
schnitten, unter denen nicht mehr als drei Sturz, die ins Zinnhaus
nicht tüchtig sind, passieren sollen; für mehr werden nur 12 Gr.
vergütet.


  • 1 Thlr. 15 bis 16 Gr. für 1 Püschel Bodeneisen 1),
  • 3 „ 6 „ 8 „ „ 1 Ztr. Pfanneneisen,
  • 3 „ 6 Gr. von 1 Ztr. Sturzblech 2),
  • 5 „ 12 „ von einer Salzpfanne (§. 6 und 7).

Der Blechmeister hat seinem Herrn, wenn gearbeitet wird, Hütten-
zins, und zwar wenigstens 1 Gulden die Woche zu zahlen (§. 6 u. 7);
ferner hat er für die Abschnittel, welche im Zinnhaus von den Blechen
abgeschnitten werden, 1 Gulden für den Ztr. zu bezahlen.


Verfertigt der Meister aus einem Zentner gefrischten Eisens nicht
1½ Schock Bleche, so wird ihm für jedes Schock 12 Gr. in der
Rechnung gekürzt. Der Blechmeister muſs bei seinem Anzug „ein
gangbar Werk samt Inventario“ überkommen, und bei seinem Abzug
es ebenso wieder übergeben. Fehlet an dem Hammerzeug etwas, so
muſs er den Zentner mit 5 Gulden bezahlen; ebenso wird ihm das
Mehr an Hammerzeug bezahlt.


Was für den laufenden Betrieb an Geschirr und Mobilar nötig
ist, hat er zu stellen, die Erhaltung und Reparatur der Gebäude und
Anlagen ist Sache des Hammerherrn.


Der Verzinner (Ziener) wurde gedingt wie der Blechschmied. Er
hatte als Gedinggeld für sich und seine Gesellen, auf ein ganzes
Jahr und zwei Hämmer, 6 Thlr.; hingegen nichts zum Geschenk, zum
Lohn aber von jedem Faſs Dünneisen 1 Thlr. 12 Gr., und von Boden-
[987]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
eisen 3 Thlr. Dafür muſste er nicht nur die Gesellen halten, sondern
auch das Korn für die Beize und den Talg stellen. — Ein schwarzes
Faſs Dünneisen zu beschneiden und einzuschlagen, hatte er 4 Gr.,
von einem schwarzen Boden-Faſs aber 8 Gr. An Zinn erhielt er für
jedes Faſs Dünneisen zu 450 Blatt 30 Pfd., zu 300 Blatt 20 Pfd., und
auf das Faſs Bodenblech 54 Pfd. Nürnberger Gewicht. Das Korn zur
Beize muſste der Zinner vom Hammerherrn, und zwar den Scheffel
Schneeberger Maſs für 4 Thlr. annehmen, es mochte nun steigen oder
fallen, und sollte mit 13 „Sigmas“ Korn, 38 Faſs zu 300 Blatt beizen.
Ebenso muſste er den Talg (Unselt) zu 2½ Thlr. den Stein annehmen.
Zu jedem Blechfaſs von 300 Blatt gab der Zinner 9 Pfg., und zu
jedem von 450 Faſs 1 Gr. 1½ Pfg. Beisteuer. — Bei der Ablieferung
nach Ende des Jahres hatte der Zinner 1 Ztr. Zinn abzuliefern; er
zahlte 30 Thlr. Hauszins.


Die Beaufsichtigung des Betriebes der Blechhämmer und Zinn-
häuser war besonders einem Wagemeister übertragen, der mindestens
alle 14 Tage einmal revidieren muſste.


Flaschner und Spengler waren die Handwerke, die am meisten
auf das Blech angewiesen waren, und zwar verarbeiteten die Spengler
Weiſsblech und Messingblech, die Flaschner dagegen auch Schwarz-
blech. Sie hatten ein geschenktes Handwerk, und ihre Hauptsitze in
Wien, Regensburg und Danzig 1).


Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.


Die Entwickelung des Bewaffnungswesens war mit dem Ende des
16. Jahrhunderts zu einem gewissen Abschluſs gelangt. Moritz von
Oranien in den Niederlanden und Sully in Frankreich waren die
bedeutendsten Reformatoren auf diesem Gebiete um die Wende des
Jahrhunderts gewesen. Hervorragende neue Erfindungen hat die fol-
gende Zeit nicht aufzuweisen. Dagegen wurde im dreiſsigjährigen
Kriege das bestehende Bewaffnungswesen einer gründlichen Prüfung
unterzogen. Hierbei wurde besonders der Wert einer leichteren
Bewaffnung erkannt. Am meisten hat Gustav Adolf für eine solche
gewirkt. Die schweren Panzer kamen immer mehr auſser Gebrauch,
[988]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
die Überlegenheit der Schuſswaffen immer mehr zur Geltung. Man
suchte sowohl die Handfeuerwaffen, als auch die Feldgeschütze leichter
zu machen.


Bei den deutschen Hakenbüchsen gingen ursprünglich acht Kugeln
auf ein Pfund, später 16; anfangs des 17. Jahrhunderts hatte man
die Haken soviel leichter gemacht, daſs 20 bis 24 Kugeln auf das
Pfund gingen, so daſs diese nur 25,5 und 19,1 g wogen, die Waffe
selbst wog nur noch 5 kg. Auch die Musketen, welche früher acht
Kugeln auf das Pfund schossen, hatte man leichter gemacht, so daſs
zehn auf das Pfund gingen; eine Kugel wog 51 g. — Das Gewicht der
Musketen setzte Gustav Adolf 1626 auf 10 Pfd. Nürnberger Gewicht,
oder von 7,649 auf 5,099 kg herab.


Ein Fortschritt läſst sich ferner in der sorgfältigeren und gleich-
mäſsigeren Herstellung der Feuerrohre und in der häufigeren An-
wendung gezogener Rohre erkennen. Drechsler und Recknagel
waren zwei berühmte Büchsenschmiede zu Anfang des Jahrhun-
derts, welche Meisterwaffen verfertigten, aber auch die fabrikmäſsig
dargestellten Rohre waren besser geschmiedet, geschweiſst und gebohrt.
Eine Abbildung einer Bohrwerkstätte für Flintenrohre (Fig. 215)
giebt Weigel1). Es war allgemein festgesetzt, daſs ein richtig ge-
schmiedetes Rohr am Pulversack die ganze Kugeldicke, an der Mündung
dagegen nur die halbe an Eisenstärke haben sollte 2). Das Büchsen-
schieſsen wurde viel allgemeiner und sorgfältiger geübt, wozu die
Schützengesellschaften und Schützenfeste, die sich immer mehr ein-
bürgerten, wesentlich mit beitrugen. Auch kamen die gezogenen Rohre
mehr und mehr in Aufnahme. Für diese war Augustin Kutters
Erfindung der Sternzüge von Wichtigkeit. Zöllner in Salzburg fer-
tigte 1677 Gewehre mit groſsen und mit Haarzügen zugleich. Zu
erwähnen ist auch die Erfindung der Windbüchsen, „Luftröhren“ ge-
nannt, von Paul Weber, der ein Hatschirer unter Kaiser Ferdi-
nand III. war, und wegen seiner Kunst der Luftschütz genannt wurde 3).


Die Reiterei wurde seit Ende des 16. Jahrhunderts allgemein mit
Pistolen bewaffnet. Gustav Adolf führte die Karabiner ein. Ent-
sprechend dem wachsenden Bedarf an Feuerrohren wurde die Fabri-
kation immer mehr eine fabrikmäſsige, auf Massenerzeugung gerichtete,
doch geschah die Arbeit meistens noch mit der Hand. Suhl war in
[989]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
Deutschland der Hauptsitz dieser Industrie. Berühmte Büchsenschmiede
waren auch zu Teschen in Schlesien und zu Essen in Westfalen. Die
Wirren des 30 jährigen Krieges zwangen aber die Landesfürsten, Rohr-
schmieden und Gewehrfabriken im eigenen Lande anzulegen. Die
Büchsenschmiede, welche jedes einzelne Stück von Anfang bis zu Ende
selbst fertigten, konnten dem Massenbedarf nicht genügen; sie ver-
legten sich deshalb immer mehr auf die Herstellung von Luxus- und
Kunstwaffen, wie z. B. das berühmte Rohr in der Dresdener Kunst-

Figure 226. Fig. 215.


kammer, welches man 40 mal losschieſsen konnte, ohne es neu zu
laden, und die Orgelbüchsen in Nürnberg (Weigel, S. 65), während
die gewöhnlichen Feuergewehre in Fabriken hergestellt wurden.


Ganz ähnlich verhielt es sich mit den Klingenschmieden
und der Herstellung von Schwertern, Degen, Säbeln u. s. w. Deutsch-
land war im Beginn dieser Periode den übrigen Ländern Europas in
der Waffenfabrikation noch voraus und hatte einen bedeutenden Ex-
port von Waffen. Die übrigen europäischen Staaten suchten aber
mit Eifer ihre heimische Waffenfabrikation zu fördern. Gustav Adolf
legte Gewehrfabriken an. 1640 wurden in Stockholm 10000 neue
Musketen mit Lunten, 141 mit Schnapphahn und 12000 Gabeln
gefertigt.


[990]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.

In England wurde erst Ende des 17. Jahrhunderts die erste Ge-
wehrfabrik angelegt.


Die wichtigste Erfindung für die Handfeuerwaffen im 17. Jahr-
hundert geschah in Frankreich, nämlich die Erfindung des franzö-
sischen Gewehrschlosses im Jahre 1640. Dasſelbe ist in Fig. 216 ab-
gebildet. Die einzelnen Teile desſelben sind das Schloſsblech a, der
Hahn b, die Batterie c, die Batteriefeder d, die Pfanne e und der
Pfannendeckel g, welche Teile sich an der Auſsenseite der Schloſsplatte
befinden; an der inneren Seite derſelben befindet sich die Nuſs h, die
Schlagfeder i, die Stange k, die Stangenfeder l, der Fuſs m des Pfannen-

Figure 227. Fig. 216.


deckels, die zugehörige Feder n und der Schieber o für genannten
Deckel. Es würde hier zu weit führen, auf Konstruktion und Wir-
kungsweise näher einzugehen 1). Das französische Schloſs war eine
Verbesserung des spanischen und niederländischen Schnappschlosses
(Fig. 149). Es wurde 1648 in der französischen Armee eingeführt
und verdrängte bald wegen seiner gröſseren Feuerwirkung auch in
den übrigen Ländern die älteren Konstruktionen.


An die Erfindung des französischen Gewehrschlosses reiht sich
die Erfindung des Bajonetts, welches ebenfalls 1640, also gleichzeitig
mit ersterem erfunden sein soll. Die Jahreszahl sowohl, als auch
daſs dieselben in der französischen Stadt Bajonne zuerst gemacht
worden sein sollen, ist sehr wenig erwiesen. Man weiſs nur, daſs
man in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dolchartige Messer
in den Flintenlauf einsteckte, welche man als Bajonett benutzte. Dies
geschah nachweislich 1647 bei den niederländischen Fuſstruppen,
[991]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
welche ihr Seitengewehr als Bajonett auf- oder vielmehr einsteckten.
Das Bajonett mit Dülle wurde erst Ausgangs des 17. Jahrhunderts er-
funden und befand sich anfänglich die Dülle in der Verlängerung der
Klinge, so daſs man es beim Feuern abnehmen muſste. Das Rohr,
an welchem man beide Verbesserungen anbrachte, war das Musketen-
rohr; doch machte man dasſelbe immer leichter, und so entstand die
Flinte, welche ihren Namen von Flint, Feuerstein, hat, den man an
Stelle des Schwefelkieses verwendete. Der französische Name fusil
kam von dem italienischen fucile, Feuerstahl. Die Länge des Flinten-
laufes betrug Ende des 17. Jahrhunderts nahezu 1 m, die Länge des
ganzen Gewehres nahezu 1,40 m. Bei den Franzosen, welche leich-
teres Kaliber hatten, gingen 20 Kugeln auf 1 Pfd., bei den Deutschen
15; die Kaliber betrugen 15,7 und 17,7 mm. Das Laden geschah mit
Patronen, wie es schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts bei der
Reiterei aufgekommen war, das aber erst Gustav Adolf allgemein auch
bei seinen Fuſstruppen eingeführt hatte.


Die schweren Doppelhaken waren im Laufe des 17. Jahrhunderts
abgekommen, und bediente man sich im Felde seit Gustav Adolf
leichter Geschütze — der Regimentsstücke. Vor ihm hatte schon
Spinola leichte Bataillonsgeschütze eingeführt, und zwar Sechspfünder,
27 Kaliber lang und 19 Ztr. schwer, welche mit acht Pferden bespannt
waren, und Dreipfünder, 30 Kaliber lang, 12 Ztr. schwer, mit sechs
Pferden bespannt. Überhaupt entwickelte sich die Feldartillerie damals
als selbständige Waffe. Die Feldgeschütze waren von Bronze gegossen.
Gustav Adolf bediente sich in Notfällen eines umwickelten Blech-
rohres, der sogenannten Lederkanone, von Wurmbrand erfunden.


Schwere Geschütze wurden immer häufiger aus Eisen gegossen,
doch wurde 1620 in Holland noch viel Geschütz geschmiedet. Eng-
land war berühmt wegen seiner gusseisernen Geschütze. 1653 goſs man
daselbst einen 32-Pfünder von 4200 Pfd. Gewicht, welcher 1780 noch
brauchbar war.


In Frankreich wurde im Jahre 1600 ein Hochofen für Geschütz-
und Munitionsguſs erbaut. 1661 führte die französische Flotte schon
471 eiserne neben 570 metallenen Geschützen. In Preuſsen goſs man
1667 die ersten eisernen Geschütze. In Schweden wurde das be-
rühmte Eisenwerk bei Tåberg ausschlieſslich für Kanonengieſserei an-
gelegt, und Ruſsland konnte bereits guſseiserne Kanonen exportieren.
In diesem Jahrhundert machte man die ersten Versuche, auch gröſsere
Geschütze massiv aus Luppen zusammenzuschmieden und aus dem
Ganzen zu bohren.


[992]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.

Eine wichtige Rolle spielten namentlich beim Belagerungskrieg
die Granaten. Handgranaten, die von den „Grenadieren“ geworfen
wurden, fanden fast nur bei der Verteidigung von Festungen und Ver-
schanzungen Verwendung.


Clarner in Nürnberg erfand cylindrische Granaten, welche
1627 vor la Rochelle mit günstigem Erfolg in Anwendung kamen.
Erst 1692 wurde das Schieſsen von Granaten aus Kanonen von einem
französischen Seeoffizier erfunden. 1650 wurde in Warschau die
Richtmaschine erfunden. Ludwig XIV. lieſs leichte Gebirgskanonen,
welche 1 Pfd. schossen, anfertigen. 1693 lieſs er die Berg- und Küsten-
plätze mit eisernen Kanonen von Perigueux bewaffnen; die 36-Pfünder
wogen 3550 kg, die 24-Pfünder 2865 kg, die 18-Pfünder 2185 kg, die
12-Pfünder 1805 kg, die 8-Pfünder 1155 kg. Sie hielten die Probe
des Bronzegeschützes aus. Die Engländer hatten um jene Zeit 8396
Kanonen auf ihrer Flotte (1653: 3840).


St. Remy teilt 1697 in seinen Mémoires d’artillerie mit, daſs
die schweren guſseisernen Geschütze 200, die leichten 320 Pfd. auf
das Pfund Kugel haben. Die Hochöfen zum Geschützguſs waren
24 Fuſs hoch. Man konnte aus jedem Ofen nur einen 8-Pfünder
gieſsen, zu einem 12-Pfünder muſsten zwei, zu einem 24-Pfünder drei
auf einmal abgestochen werden.


Man hatte versucht, Geschütze aus Stabeisenstäben zu wickeln,
wie Flintenläufe. Ein auf diese Art hergestellter 18-Pfünder zersprang
aber beim ersten Schuſs. — Die Kanonenbohrmaschinen waren ver-
tical, das Geschütz sank in seinem Schlitten herab, die Bohrstange
wurde durch Pferdekraft gedreht. Bei Mörsern, die nicht nachgebohrt,
sondern gleich fertig über den Kern gegossen wurden, duldete man
keine Gruben in der Seele 1). — Die Mörser waren in der Regel aus
Eisen gegossen.


Die 1620 zu Brieg angelegte Geschützgieſserei goſs ebenso, wie
die 1645 in Berlin erbaute, nur Bronzegeschütze, dagegen wurden
seit 1625 in Böhmen und seit 1626 am Harz eiserne Geschütze ge-
gossen. Obgleich England und Brandenburg selbst eiserne Geschütze
goſs, bezog es doch 1695 guſseiserne Kanonen von Raffjö in Schweden.


Trotz der immer mehr zur Geltung kommenden Bedeutung der
Feuerwaffe erhielt sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Pike
bei der Infanterie. Nach Montecuculli bestand die deutsche In-
fanterie in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer noch aus
[993]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
einem Dritteil Pikeniren. Erst durch die Einführung des Bajonetts
(in Frankreich nach 1640) wurde die Pike verdrängt.


Das Plattnergewerbe, welches zu Anfang des Jahrhunderts auf
seiner höchsten Höhe stand, wie die Prachtrüstungen Kaiser Rudolfs
beweisen, sank im Laufe des Jahrhunderts zur Unbedeutendheit herab;
denn immer unzulänglicher erwies sich die eiserne Panzerung gegen
die Durchschlagskraft der Musketen und Flinten. Im dreiſsigjährigen
Kriege beschränkte sich bereits die eiserne Schutzwaffe auf die Sturm-
haube, Bruststück, Ring und Kragen, wozu höchstens noch zuweilen
Dielinge oder Schenkelschienen kamen. Diese wurden ohne künst-
lerischen Schmuck fabrikmäſsig hergestellt. Die schönen Formen ver-
schwanden; die schwarzen Harnische wurden allgemein. Die Plattner-
kunst kam in Verfall, und vielfach trat an Stelle des mühsamen
Treibens das Löten.


Wegen der Preise der Waffen und Eisenwaren ist folgendes Preis-
verzeichnis aus Kur-Sachsen von 1623 1) von Interesse.


Plattner (im Meiſsnischen Kreis).


  • Ein Küriſs, so forne Schuſsfrey (darnach er ist) von   20 bis 30 fl.
  • „ gemein Küriſs   14 „ 15 „
  • Eine Reuter Rüstung   8 „ 9 „
  • Soldaten Rüstung   5 „ 6 „
  • Rondartsche (Rundschild), so ganz fertig und Schuſsfrey   12 fl.
  • Eine gemeine   6 „
  • Ein Cordolasche (?) oder Stecher darzu   2 „ 6 Gr.
  • Partisane, so ganz und hübsch ausgemacht   18 bis 20 fl.
  • Helleparthe mit dem Schafft   15 bis 18 Gr. bis 1 fl.
  • Ein langer Spieſs mit Eisen und Schaft   18 „ „ 1 „
  • „ gut Schlachtschwert mit einer niederländischen Klinge   4 fl. 12 Gr.
  • Vor eine gemeine Klinge   12, 15, 16, 18 bis 21 Gr.

Büchsen-Schmiede (im Thüringischen Kreis).


  • Eine Musquete mit einem Schnapper und
    der Gabel   2 fl. auch 2 fl. 10 Gr. 6 Pfg.
  • Eine Pürschbüchse mit einem guten Feuerschloſs   3 auch 4 fl.
  • Ein Pandalier-Rohr   3 „
  • „ Paar Pistolen   5 „ 6 „
  • „ neu Büchsenschloſs   1 fl. 3 Gr. bis 1 fl. 6 Gr.
  • Eine Kugelform, nachdem sie groſs   1, 2, 3 „

Sporer (im Churkreis).


  • Stangen und Mundstück überzinnt   15 bis 18 Gr.
  • Halbe Stange verzinnt   10 „ 12 „

Beck, Geschichte des Eisens. 63
[994]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
  • Ein Kutschgebiſs mit halben Stangen verzinnt   8 bis 9 Gr.
  • „ bloſs Gebiſs   5 „ 6 „
  • „ paar überzinnte Steigbügel   12 „
  • „ „ schwarze Steigbügel   8 „
  • „ „ verzinnte Sporen mit groſsen Rädern   10 „ 12 „
  • „ „ kleine verzinnte Sporen   8 „ 9 „
  • „ „ schwarze Sporen   8 „
  • „ Halfterkette   16 „
  • „ paar Stangen ingemein   14 „

u. s. w.
Messerschmiede (im Meiſsnischen Kreis).


  • Ein Degen mit einer Niederländischen Klinge auf dem
    Schnitt vergoldet   7 bis 8 fl.
  • „ do. versilbert   6 „ 7 „
  • „ do. glatt versilbert   4 „ 5 „
  • Eine Niederländische Klinge mit einem schwarz oder blau
    angelaufenen Kreuz   3 „ 4 „
  • Ein Degen   2 „
  • „ Hirschfänger mit Zubehör   2 fl. 6 Gr.
  • „ Bauer-Dässeken   18 Gr. bis 1 fl. 3 Gr.
  • „ Weidmesser mit allem Zubehör   1½ bis 2 fl.
  • „ Schwein-Spieſs samt den Schaft eingefaſst in Riem-
    werk   1 fl. bis 1 fl. 3 Gr.
  • Vor ein Rappier glatt vergüldet oder auf’n Schnitt versilbert
    mit einer Niederländischen Klinge   6 bis 7 Thlr.
  • Ein glatt versilbert Rappier mit einer Niederl. Klinge   3 „ 5 „
  • „ schwarzes Rappier mit fünfthalben Bogen und einer
    Niederländischen Klinge   3 fl. bis 3 „
  • „ gemeiner Degen mit einer Augsburger, Münchener oder
    Passauer Klinge und einfacher Scheide   1½ fl.
  • Vor einen gemeinen Dolch   1 „

u. s. w.


Von der groſsen Bedeutung, welche die Handfeuerwaffen im
17. Jahrhundert erlangt hatten, legen die zahlreichen Namen her-
vorragender Büchsenschmiede Zeugnis ab.


In Deutschland sind zu nennen: Hans Klett in Ottensen 1610
bis 1618 und Sigmund Klett um 1650. Christof Drechsler,
ebenfalls aus einer bekannten Büchsenmacherfamilie zu Dresden,
1550 bis 1624, zeichnete mit seinem Namen oder mit den Buch-
staben CT oder CTMD oder CTDEM; Rudolf Danner, wahrschein-
lich ein Nachkomme des berühmten Wolf Danner zu Nürnberg,
gest. um 1625. Augustinus Kotter, genannt Sparr, ebenfalls
zu Nürnberg gest. nach 1635. Caspar Recknagel gest. 1632 in
Nürnberg; Hans Stockmann ca. 1590 bis 1621 in Dresden; Franz
[995]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
Weyer, zugleich ausgezeichneter Graveur, zu Anfang des 17. Jahr-
hunderts in Nürnberg und Wien; Martin Sussebecker um 1640
in Dresden und um dieselbe Zeit Albergh Paras. Um 1650
arbeiteten Georg Fehr und Nicolaus Fichtner zu Dresden,
Aegydius Gsell zu Arzberg und Hans Mentel in Prag. In
Zürich war Felix Werder als Büchsenmacher thätig, von dem das
älteste datierte Flintenschloſs von 1652 herrührt. Um 1660 werden
genannt Johann Entzinger in Baden, Caspar Escher in Leipzig
und Caspar Keiser in Eger. Mathäus Matl arbeitete um 1661,
Michael Grienwalt um 1664, Jan Sander in Hannover um 1669,
Martin Qualek um 1670 in Wien. Dem 17. Jahrhundert gehörten
ferner an P. und C. Cloeter in Mannheim, Michael Gull, Lorenz
Ill
in Augsburg, Franz Matzenkopf in Prag, Johann Neureiter
in Salzburg, Johann Schwenk in Wiener-Neustadt und der Rohr-
schmied Maximilian Wenger.


Genauer datiert sind Hans Christof Stifter, der von 1660 bis
nach 1685 in Prag thätig war, der Bauschmied Marcus Zilli 1670 bis
1690 in Memmingen. Von der berühmten Büchsenmacherfamilie Herold
in Dresden wird Christian um 1670 und Balthasar um 1690 ge-
nannt. Um 1680 lebten Joh. Georg Erttel in Dresden, der Lauf-
schmied Franz Ruef in Ellwangen, Elias Schinzel in Berlin,
Johann Sommer in Bamberg. Um 1690 arbeitete Johann Stein-
weg
zu München und der auch als Eisenschneider berühmte Armand
Bongarde
um 1700 in Düsseldorf. Johann Oberländer in Nürn-
berg, der ebenfalls als Erfinder der Luftbüchsen genannt wird und
1640 geboren war, arbeitete bis 1714. In Italien zeichneten sich aus
Lorenzo Caffi um 1620, der für Ludwig XIV. arbeitete; aus der
berühmten Laufschmiedfamilie Cominazzo zu Brescia um 1620
Lazaro der Alte, der seine Rohre „Lazari Cominaz“ zeichnete, und
Lazarino der jüngere, der „Lazarino Cominazzo“ zeichnete und 1696
zu Gardone starb. Zu Anfang des Jahrhunderts arbeitete der be-
rühmte Büchsenmacher Battistino Paratici zu Brescia und zu
Florenz; Ventura Cani wird um 1630 genannt. Eine andere be-
rühmte Laufschmiedfamilie zu Brescia waren die Francini, von denen
Claudio Francini zu Anfang des Jahrhunderts und der bekannteste
Giovanni um 1640 thätig waren. Bartolin Francini, welcher in
Florenz arbeitete und BF und einen Phönix im Schilde als Zeichen
führte, war von Herkunft ein Franzose.


Aus dem 17. Jahrhundert sind ferner zu nennen: Franzesco
Albergotti
zu Brescia, Bastiano da Pistoja, il Boia zu Brescia,
63*
[996]Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.
der eine Bärenpranke mit den Buchstaben M. B. als Zeichen führte,
Antonio Bonisolo, Diomedo in Brescia, der berühmte Giovanni
Gavacciolo
zu Brescia, ein Schüler des Paratici, auch als Eisen-
schneider bedeutend, welcher neben den Buchstaben G. A. G. einen
zur Sonne aufblickenden Adler mit der Umschrift „Sole Sole gaudet“
als Marke führte. Gleichfalls Brescianer waren der Laufschmied
Lazaro Lazarino, der „Zaro Zarino“ zeichnete, und der Büchsen-
macher Maffeo. Die Zeichen des Laufschmieds Mutti waren Giraffe
und Sterne. In hohem Ruhm stand Rafaele Verdiani, der nach
Petrini ein Schüler des Antonio von Medici war.


In Spanien zeichneten sich aus Juan Belén um 1680 in Madrid
und Juan Belén um 1690 in Barcelona, der für Karl II. arbeitete.


Weit gröſser ist die Zahl berühmter Büchsenmacher in Frank-
reich. Martin Mazue zu Vitre um 1612 war zugleich Arque-
busier du Roy. Um 1620 waren Jean Simonin in Luneville
und Claude Thomas in Epinal thätig. Decaplein, richtig
Le Chapelain, war Büchsenmacher um 1624 und arbeitete für
Ludwig XIV. und ebenso um 1634 Pierre Berger (Bergier) zu
Grenoble. François Duclos war 1636 mit Pierre Boulle als
tourneur et mensurier du Roy im Louvre etabliert. Der Büchsenmacher
Antoine Jacquard zu Poitiers, 1619 bis 1650, war zugleich Kupfer-
stecher, und der königliche Büchsenmacher zu Paris, François Marcou,
geb. 1595, gest. nach 1660, zugleich Fachschriftsteller. Sehr bedeutend
war Louis Renard, genannt Saint-Malo. Er war ein Schüler
seines Vaters Pierre, wurde Arquebusier et garde du cabinet des
armes du Roy und war seit 1643 im Louvre etabliert. François
Lecourreur
war ebenfalls anfangs im Louvre etabliert, seit 1653 im
Palais Royal und starb 1658; sein Sohn Jean wurde sein Nachfolger,
war seit 1658 im Palais Royal etabliert und starb 1697; de Thurenne
(Thuraine)
war königlicher Büchsenmacher und Fachschriftsteller
um 1660 und lieferte für den Hof. Bertrand Piraube, ebenfalls
zu Paris, kam 1670 in die Galerie des Louvre. Die Brüder Jacques
und Jean de Goulet arbeiteten 1680 zu Vitré für den König. Jean
Caillovel
arbeitete um 1680 für Ludwig XIV.; aus derselben Zeit ist
der Laufschmied Colombo bekannt. Um 1690 werden genannt
Bourgeois zu Lizieux, der für den König arbeitete, ebenso Nicolas
Colas. Jean Cordier
in Paris wird als Graveur von Flintenläufen
erwähnt. Haber war 1690 Büchsenmacher in Nancy und arbeitete
für Ludwig XIV. Jean Berain sen. (1639—1711) war bemerkens-
wert als Ornamentist in Feuerwaffen und als Schriftsteller.


[997]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.

In Belgien zeichneten sich im 17. Jahrhundert als Büchsenmacher
aus Julian Basse 1620 zu Brüssel, ferner ohne nähere Zeitangabe
La Pierre in Mastricht; in Holland Cornelis Cant (Kant) in
Amsterdam, Pieter van Beugen und Jean Ceule in Utrecht;
in Schottland Murdoch. In Dänemark lieferte der Büchsenmacher
Tommer in Kopenhagen für den Hof 1612 bis 1631, und annähernd
zur selben Zeit, 1610 bis 1630, war A. Tonner daselbst thätig.
Andreas Neidhard arbeitete zwischen 1636 bis 1650 und Peter
Kalthoff
wird um 1646 genannt, während Laasen Mathias Kalt-
hoff
1652 bis 1679 thätig war. Weiter sind von dänischen Büchsen-
schmieden in diesem Jahrhundert bekannt Heinrich Kapell und
Hans Zimmermann, beide in Kopenhagen. In Schweden machten
sich Johann Koch und Peter Starbus zu Stockholm bekannt,
und in Ruſsland zeichnete sich Martin Höder in Moskau um 1690 aus.


Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.


Das Kunstgewerbe im allgemeinen und die Kunstschmiederei im
besondern machten im 17. Jahrhundert keine Fortschritte, gingen
vielmehr in den bis dahin tonangebenden Ländern zurück. Dies gilt
besonders auch von Deutschland, wo die Verarmung durch den dreiſsig-
jährigen Krieg am meisten hierzu beitrug. Geschmack und Formen-
sinn litten sehr unter diesen Verhältnissen. Will man die Schmiede-
arbeiten nach dem Stil charakterisieren, so läſst sich sagen, daſs im
Anfang des Jahrhunderts bis zum Ausbruch des dreiſsigjährigen
Krieges noch die Renaissance herrschend war, während nach Be-
endigung desſelben der Barockstyl in Mode kam. Aus der erstgenannten
Periode existieren noch viele schöne Arbeiten, so z. B. in Nürnberg
die Oberlichtgitter am Rathaus von 1619 (Fig. 217 a. f. S.) 1). Ferner ein
Gitter aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, welches sich vor
dem Speisealtar in der St. Michael-Friedhofskirche zu Chrudim befindet
(Fig. 218 a. f. S.). Das Eisendrahtgeflecht tritt dabei schon auffallend
in den Hintergrund; es erscheint als Hauptdekoration das gerippte
Blatt, welches teils ausgeschnitten angefügt, teils mit dem Hammer
aus dem Drahteisen selbst herausgearbeitet ist 2).


[998]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.

Dem Anfang dieser Periode gehört auch der Lettner aus der
Augustinerkirche zu Augsburg, welcher sich jetzt im bayrischen

Figure 228. Fig. 217.


Nationalmuseum befindet 1) an; ferner das schöne Gitter der Grabstätte
der Familie Zillner zu Augsburg 2).


Während bei den obigen Mustern der Rundstab noch vorherrscht,
der aufgewunden und zu flachen Verzierungen ausgeschmiedet ward,

Figure 229. Fig. 218.


herrscht bei den Schmiedegittern der Barockzeit der Vierkantstab
vor, oft in verschiedenen Querschnitten nebeneinander, wie er von den
[999]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.
Stabhämmern geliefert wurde. Die aufgenieteten Verzierungen, von
Blech geschnitten und ausgeschlagen, mehren sich und bilden oft
einen recht übertriebenen Aufputz. Dabei erscheint die Ausschmückung
meistens nur auf einer Seite. Ein schönes Muster aus jener Zeit ist das
Gitter der Kirche St. Quen in Rouen (Fig. 219). Die besten Arbeiten
lieferte wohl Paris unter der prunkvollen Herrschaft Ludwigs XIV.
Überhaupt sind die Fürsten fast die einzigen Auftraggeber für Kunst-
schmiedearbeiten, unter denen Thore und Gitter von Schlössern und
Lustgärten am häufigsten vorkommen.


Figure 230. Fig. 219.

Berühmte Kunstschmiede giebt es aber nur wenige aus dieser
Periode. In Nürnberg zeichneten sich einige aus, welche an den
alten Überlieferungen festhielten. Vortreffliche Arbeiten aus der Zeit
Ludwigs XIV. sind das Gitterthor der gallerie d’Apollon im Louvre und
zwei äuſserst kunstreiche Kandelaber, welche sich jetzt in der Biblio-
thek des cercle des arts et métiers befinden. Ferner wurde das Schloſs
zu Versailles mit prachtvollen eisernen Thoren und Gittern ausgestattet.


Daviler, ein französischer Baumeister, hat in seinem berühmten
Cours d’architecture ein besonderes Kapitel über die Verwendung des
Eisens im Bauwesen 1) veröffentlicht. Auſser der groben Verwendung
[1000]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.
für Anker, Klammern u. s. w. erwähnt er das Schlossereisen (fer de
menus Ouvrages). Dabei macht er die Bemerkung, es würden jetzt
vielfach Schlösser von auswärts in Dutzenden geliefert (Fabrikschlösser),
die zwar viel billiger seien, aber lange nicht so solid, wie die
Schlösser guter Meister. Man würde also besser bei den Meistern
fahren, wenn diese nicht die üble Gewohnheit angenommen hätten,
selbst diese Dutzendschlösser zu kaufen und sie mit irgend einem
kleinen Aufputz als ihre eigene Arbeit zu verkaufen.


Daviler spricht dann eingehend von der Verwendung des Eisens
für Thore, Gitter, Geländer u. s. w. Die dabei verwendeten Eisensorten
führt er in dem beigefügten Dictionnaire d’Architecture auf: Grobeisen

Figure 231. Fig. 220.


(fer quarré en gros fer)
von 2 bis 3 Zoll Quadrat;
Stabeisen (fer quarré
bastard) 15 auf 18 Linien;
Quadrateisen (fer quarré
commun) 1 Zoll Quadrat;
Zaineisen (fer carillon);
Flacheisen (fer plat oder
cornette) 3 Zoll breit, 5
bis 6 Linien dick; Halb-
flacheisen (fer meplat),
welches halb so dick wie
breit war, Reifeisen (fer aplati ou fer à la mode), 20 bis 24 Linien
breit und 3 bis 4 Linien dick; Bandeisen (fer en lame), 3 Linien
dick und von verschiedener Breite; Rundeisen (fer ronde) von 9 Linien
Durchmesser und endlich Blech (fer en feuilles oder tole) von 1 Linie
Stärke.


Daviler bildet eine Anzahl von Balkonfüllungen, Treppenpfosten,
Geländern u. s. w. ab, und zwar nicht nur schmiedeiserne, sondern auch
solche von Guſseisen. Fig. 220 giebt davon ein Beispiel. Der Eisen-
guſs hatte also auf diesem Gebiete des Kunstgewerbes sich Boden
erobert. Zu dem Wort „fer fondu“ bemerkt der Verfasser, daſs man
den Eisenguſs nicht nur für Röhren, Öfen und Kaminplatten, sondern
1)
[1001]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.
auch für Balkone, Treppen, Geländer, Gitter u. s. w. anwende. Schöne
Arbeiten dieser Art könne man am Schloſs von Meudon sehen und
in Paris unter anderm namentlich an einem Treppengeländer des
Intendanten Pelletier nach dem Entwurf des Sieur Bullet.


Die Kunst des Eisenschneidens war gleichfalls in Rückgang ge-
kommen, namentlich infolge der Vereinfachung der Bewaffnung. Die
Eisenschneider muſsten sich auf das Stempelschneiden und auf kleine
Luxusartikel, als Degenknäufe, Kästchen, Medaillons, Figuren u. s. w.,

Figure 232. Fig. 221.


verlegen. Genannt werden Christof Ritter (bis 1676) und Hans
von der Püth
(bis 1650), am berühmtesten war als Stempel- und
Figurenschneider Gottfried Leygebe (1630 bis 1683). Er schnitt
unter anderm aus einem Stück Eisen, welches 29 Pfund gewogen,
Kaiser Leopold zu Pferde und nachmals aus einem Eisenblock, über
67 Pfund schwer, König Karl II. von England, unter dem Bildnis des
Ritters St. Georg einen siebenköpfigen Drachen tötend (Fig. 221),
in einem Stück ganz frei herausgeschnitten, woran er zwei Jahre
arbeitete. Er hat auch ein ganzes Schachspiel von Eisen sehr künst-
lich gefertigt und wurde wegen seiner Kunst an den Berliner Hof
berufen. Dort schnitt er eine Statuette des Kurfürsten Friedrich
Wilhelm in der Gestalt des Bellerophon auf dem Pegasus reitend,
welche sich in der Berliner Kunstkammer befindet.


Schöne Ciselierarbeiten findet man besonders an Waffen.


[1002]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.

Die Schlosserkunst blühte in den deutschen Industriestädten,
besonders in Nürnberg. Die dortigen Meister leisteten nicht nur Vor-
treffliches in ihrem Fach, sondern erwarben sich auch Ruhm durch
mancherlei mechanische Erfindungen. Der beiden Hautsch haben
wir deshalb bereits früher Erwähnung gethan (S. 918). Berühmt war
Michael Man (gest. 1630), der „ein besonderes Belieben hatte, fast
beständig kleine eiserne Trühlein zu machen, die er mit künstlichen,
subtilen Riegelwerken versah, sauber ätzte und vergoldete“. Einen
Nachfolger fand er in Bartholomäus Hoppert (geb. 1648, gest. 1715),
der auch durch seine Truhen und Kassenschränke sich auszeichnete
und in ganz Europa berühmt war. Er machte groſse Reisen und
hielt sich längere Zeit in Paris auf, wo er für Ludwig XIV. arbeitete.
1677 kehrte er nach Nürnberg zurück und nahm daselbst seinen
ständigen Wohnsitz. Seine Geldtruhen waren Kunstwerke und hoch
geschätzt; Kaiser Leopold bezahlte für eine von drei Fuſs Höhe und
drei Fuſs Tiefe 1000 Thaler. Er verzierte dieselben mit erhabenem
Laub- und Blätterwerk; überhaupt war er ein vortrefflicher Treib-
arbeiter, welcher Stahlblech wie Silber trieb. Man berichtet von ihm,
er habe eine besondere Kunst besessen, das Eisen zu schneiden und
es so weich zu machen wie Blei. Hoppert war auch berühmt wegen
Anfertigung vortrefflicher Werkzeuge. Sein Zeitgenosse Jobst Pröbes
(1640 bis 1706), machte auſser verschiedenen Druck-, Präg-, Schmied-
und Streckwerken einen groſsen eisernen Behälter mit zwei Thüren,
ganz in gleicher Art, wie man solche aus Holz fertigte, mit schönen
Leisten und Zieraten aus poliertem Eisen geschnitten. Georg
Beringer
(1681 bis 1720) war Windenmacher. Er rüstete viele
Münzen mit Preſswerken und Walzen zu Plättwerken aus. Besonders
berühmt waren seine groſsen eisernen Schrauben, die er durch seine
geschickt angeordneten Dreh- und Schneidzeuge zu stande brachte.
Mit diesen konstruierte er Hebewerke mit Schrauben ohne Ende, „mit
dergleichen er die schwersten Stück Eisen zur Arbeit bequem machen
konnte“.


Georg Memmendörfer, 1659 als Sohn eines Hammerschmieds
in der Nähe von Nürnberg geboren, erwählte den Beruf seines Vaters
und wurde ein berühmter Eisenarbeiter. Von ihm berichtet Doppel-
meyer
: „Diese seine Geschicklichkeit ersah man nachdem, da er den
Stahl und das Eisen recht zu gieſsen, dann aber wieder
wohl zu schmieden
und also beides zu jeder seiner Arbeit gleich-
sam zwingen kundte. Dadurch war er im stande, absonderliche Dinge
aus Stahl zu fertigen, als stählerne Hohlstempel von verschiedenen
[1003]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.

Figure 233. Fig. 222.


z. Th. considerabelen Gröſsen; approbierte stählerne
Kürasse, mancherlei Wellen aus Stahl zum Plätten
(Stahlwalzen), Münzpressen von 40 Ztr. und mehr,
Lafetten und Schemel zu Stücken und Mortieren,
welche zerlegt und stückweise, wohin man wollte,
gebracht werden konnten. Er fertigte auch groſse
Scheeren, 20 bis 30 Ztr. schwer, womit allerhand
metallene Tafeln, die eines Fingers dick und sechs
bis sieben Schuh lang waren, leicht zerschnitten
wurden. Zu solchen groſsen Stücken richtete unser
[1004]Die Kunstschmiederei im 17. Jahrhundert.
erfindungsreicher Mechanikus seine Hammer- und Stoſswerke so vor-
teilhaft ein, daſs er ein Stück Eisen von 40 bis 50 Ztr. leicht heben.
schmieden, abdrehen und bohren konnte. Kurz zu sagen: er machte
aus Stahl und Eisen, was man von ihm verlangte, so groſs es auch
sein möchte, mit aller Schicklichkeit, und erlangte dadurch vielen
Ruhm.“ Memmendörfer starb im Jahre 1724. Er war der erste,
der Stahl zu schmelzen und in Formen zu gieſsen verstand und kann
deshalb wohl als der Erfinder des Stahlgusses bezeichnet
werden, doch ging damals die Kunst mit ihm verloren.


Figure 234. Fig. 223.

In Frankreich blühte die
Schlosserkunst unter der
glänzenden Herrschaft Lud-
wigs XIV. Daſs aber schon
vor dieser Zeit das Schlosser-
gewerbe in Frankreich auf
einer hohen Stufe stand,
beweist das Buch über
Schlosserei von Mathurin
Jousse de la Flêche
,
von dessen Inhalt wir schon
oben (S. 918) Mitteilung
gemacht haben. Jousse
war selbst Schlosser, der,
wie er schreibt, viele Jahre
hindurch mit Eifer und
Fleiſs seine Kunst betrieben
hatte, und sein Buch be-
stätigt dies; er war aber nicht
minder gewandt mit der Fe-
der wie mit der Feile, und
diesem seltenen und glücklichen Zusammentreffen verdanken wir das
vortreffliche Werk. Daſs er auch in der Treib- und Schneidekunst Vor-
zügliches leistete, beweisen die zahlreichen Zeichnungen von kunstvoll
verzierten Schlüsseln und Schlössern, die er seinen Beschreibungen als
Musterblätter beigefügt hat. Er hat Abbildungen einer groſsen Anzahl
von Kunstschlössern geliefert und man nimmt wohl mit Recht an, daſs
er auch der Erfinder des französischen Schlosses, welches eine Ver-
breitung ähnlich wie das französische Flintenschloſs erlangte, ge-
wesen ist. Sein mechanisches Geschick und seine Erfindungsgabe er-
weist er auch an der Fensterbleiwalze, dem Fahrstuhl zum Lenken
[1005]Die Schlosserkunst im 17. Jahrhundert.

Figure 235. Fig. 224.


Figure 236. Fig. 225.


und Selbstfahren, sowie der
Feilenhaumaschine, die
in Fig. 222 (a. S. 1003) ab-
gebildet ist. Die Hauptsache
jeder Feilmaschine ist der
gleichmäſsige Hieb und die
gleiche Fortbewegung. Letz-
tere wird durch den Trieb
E und die Zahnstange C,
welche mit der zu hauenden
Feile fest verbunden wird,
erreicht. Der Trieb ist mit
dem Zahnrad F auf der-
selben Welle fest verbunden
und wird, indem dieses durch
den federnden Hebel S vor-
geschoben wird, gedreht. Die
Sperrfedern J N verhindern
die Rückwärtsbewegung. Der
Hieb des Hammers geschieht
durch die rotierenden Dau-
men oder Flügel bei T, diese
drücken auf ein am Boden
des Kastens befestigtes
federndes Band R Q, an
dessen Ende bei Q eine
Schlinge angebracht ist,
welche den Schwanz des
Hammerstiels bei S faſst und
niederzieht, dadurch wird
der Hammer, der zwischen
den Pfosten P Q schwebend
gehalten wird, aufgehoben
und fällt, sobald ein Daumen
bei T ausläſst, durch sein
Gewicht herunter. Da aber
dieser Schlag nicht stark
genug sein würde, so wird
derselbe durch ein zweites
federndes Band X Y, welches
[1006]Die Schlosserkunst im 17. Jahrhundert.

Figure 237. Fig. 226.


durch die Schlinge bei V auf den Hammer wirkt, verstärkt, sodaſs
er mit gröſserer Kraft auf den Meiſsel Z, welcher den Hieb auf die
Feile überträgt, auffällt.


[1007]Die Schlosserkunst im 17. Jahrhundert.

Jousse1) läſst sich sehr ausführlich über die Werkzeuge des
Schlossers aus. Er führt nicht weniger als 155 verschiedene Werk-
zeuge, darunter 28 verschiedene Feilensorten auf. Felibiens alpha-
betisches Verzeichnis der Schlosserwerkzeuge 2) ist hierauf gegründet.
Auſserdem giebt er aber auf vier Tafeln Abbildungen der wichtigsten
Schlossergeräte, von denen wir die gebräuchlichsten in den beifolgen-
den Fig. 223, 224 u. 225 (s. S. 1004 u. 1005) wiedergeben. Daraus
ist zu ersehen, daſs die Handwerkzeuge zu jener Zeit von den heutigen
nur wenig verschieden waren. Wir teilen ferner in Fig. 226 auch
die Ansicht einer Schmiede- und Schlosserwerkstätte vom Jahre 1676
(nach Felibien) mit.


Die nachfolgenden Preise wurden im Jahre 1660 in der Pfalz
bezahlt 3):


  • Ein Mallenschloſs kostete   — fl. 15 Kreuzer
  • Einen Karst zu gerben   — „ 50 „
  • Eine Haue   — „ 30 „
  • „ neue Holzaxt   — „ 30 „
  • Ein neues Fügeisen   2 „ — „
  • „ groſses, neues Lenkbeil   1 „ — „
  • Eine Haue zu schärfen   — „ 2 „
  • Einen Bickel zu gerben   — „ 12 „

ebensoviel einzufassen.


  • Für jedes Pfund neugemachten Bickel   — „ 10 „
  • Ein Gartenspaten   — „ 20 „
  • Eine alte Haue zu schweiſsen   — „ 6 „
  • Ein Gartenspaten mit einer zugeschweiften Oehr   — „ 50 „
  • Eine Gartenscheere   1 „ 50 „
  • „ Stoſsschaufel   — „ 26 „
  • Einen Bickel zu stählen   — „ 5 „
  • „ Schubkarren zu beschlagen   35 bis 36 Kreuzer
  • Von jedem Pfund Radbeschlag wurden 4 Kreuzer Arbeitslohn bezahlt.
  • Ein neues Wagenrad zu beschlagen, samt dem Eisen   1 fl. 10 Kreuzer
  • Eine Hundskette von jedem Glied   — „ 3 „
  • „ Bindekette   — „ 45 „
  • Eine Halfterkette   — „ 5 Batzen
  • „ Schaufel   — „ 10 Kreuzer
  • „ groſse Sandschippe, im Dutzend   — „ 12 „
  • „ Fuſswinde   10 „ — „
  • Ein eiserner Plattenofen   ca. 40 „ — „

[1008]Zimmeröfen im 17. Jahrhundert.

Die damaligen Eisen- und Stahlpreise waren folgende:


  • Ein Zentner steyrischen Stahl   13 fl. 30 Kreuzer
  • „ Pfund Weiſsblech   6 „ — „
  • „ Zentner Sturtzblech   8½ „ — „
  • „ Pfund Stabeisen   8 Heller
  • „ „ „ 1621 zu Ettlingen   — fl. 3 Kreuzer.

Zimmeröfen im 17. Jahrhundert.


Bereits im 16. Jahrhundert hatte der hohe Preis des Brenn-
materials Veranlassung gegeben, holzsparende Öfen und Koch-
herde zu konstruieren. Cardanus beschrieb schon einen gemauerten
Sparherd mit aufliegender Ofenplatte, wie er in Nord-Italien, nament-
lich in Mailand zu seiner Zeit bereits in Gebrauch war. Die Koch-
platte war aber nicht aus Eisen, sondern aus Kupfer. Eingehender
beschäftigte sich Franz Keſsler zu Frankfurt mit dieser Frage, der
seine Ideeen und Erfahrungen 1618 in einem Buche „Holzsparkunst“
zusammenfaſste, in welchem verschiedene Ofenkonstruktionen be-
schrieben und abgebildet sind 1). Der zuerst beschriebene Ofen ist
ein Kachelofen mit verbesserter Konstruktion. Zunächst handelt er
von „dem Ruster vnd Luftruhr“ (Rost und Rohr). Der Rost besteht
aus schmiedeisernen Stäben, welche kantig, und zwar von fünfeckigem
Querschnitt geschmiedet sein und etwas weiter als eines Strohhalmes
Dicke voneinander liegen sollen. Das „vierte Stockwerk“ ist der
eigentliche Feuerungsraum des Kunstofens, welcher als „das vor-
nehmste“ bezeichnet wird, der möchte wohl, wofern man es haben
könnte, von „Sturzblech oder aber gegossenem Eysen aufgerichtet
werden“. Da dieses aber oft schwer zu beschaffen, auch für den ge-
meinen Mann zu teuer sein würde, so lieſse er sich auch aus Kacheln
herstellen. An einer anderen Stelle (Kap. XV, S. 27) wird der „Ham-
burger Ofen“, der noch 1614 zu Hamburg in Gebrauch gewesen sei,
[1009]Zimmeröfen im 17. Jahrhundert.
wegen seiner schlechten Konstruktion, wodurch er die warme Luft
aus dem Zimmer führe, verworfen. Dieses war demnach wohl eine
Art von offenem Kamin. Bei Keſsler’s Kunstofen wird dagegen be-
reits die Verbrennungsluft durch ein besonderes Zuleitungsrohr von
auſsen unter den Rost geleitet. Ferner macht er Vorschläge, wie
man den Kunstofen so einrichten kann, daſs man darin „eynige
Bürgerliche Essen kochen kann“.


Kap. XIX handelt „von einem andern, kleinen, auch bishero nie
dergleichen am Tag gewesenen, von lauter Stürzblech gemachten
kunstöflein, welches man ganz ringfertig hin und hertragen, vnd dann
in Contorn, oder auch andern bequämen Zimmer, Kammern oder
Stuben, nach allem wunsch versetzen vnd auffrichten kann“. Dies
Oeflein hat er „vnterschiedliche Winter insgeheim“ für sich gebraucht.
Es war aus verschiedenen Ringen zusammengenietet. Der oberste
Teil konnte einen Deckel haben, um etwas darauf zu wärmen.


Keſslers Beobachtungen beweisen groſsen Scharfsinn. Er weist
auf das Verhältnis des Ofens zum Kubikinhalt des zu heizenden
Raumes hin, indem er angiebt, sein Zimmer, das er so geheizt, habe
2626 Kubikfuſs enthalten. Er erwähnt, daſs, wenn der Ofen braun-
glühend werde, dies unschädlich sei, wenn gelbglühend aber schädlich,
da das Eisen verbrenne. Als Brennmaterial verwendete er Schmiede-
kohlen. Den Zug regulierte er durch unten und oben angebrachte
„Luftthürlein“. Zu Köln sei es Gebrauch, groſse Räume mit blecher-
nen Öfen mit Steinkohlen zu heizen, die eine sehr groſse Hitze
gäben. Um diese Öfen vor dem Verbrennen zu schützen, seien sie
inwendig über einen Zoll dick mit „Laumen“ (Lehm) versehen und
verstrichen. Diese Lehmverkleidung, welche er genau beschreibt,
wurde noch durch Draht gehalten. Diese „Kölnischen Öfen“ wurden
von oben gefüllt. Die Füllöffnung war durch einen Deckel, Fig. 227,

Figure 238. Fig. 227.


welcher in einem Sandkranz saſs, verschlossen. Es
war also ein richtiger Füllofen. Keſsler preist die
Kohlenersparnis und die groſse Wärmeabgabe im
Vergleich mit den alten Kastenöfen, die er spöttisch „Luftschewren“
nennt.


Sein Kunstöfchen kann unverstrichen benutzt werden, und zwar
vorteilhafter mit Kohlen als mit Holz. „Wegen dessen aber, wann
ich Winterszeiten öftermahls als ziemlich erkaltet heim kommen vnd
dahero mich gleichsam und viel anmütiger als vor einem offenen
Kamin, — (vor welchem man oftmahls vornen verbrütet vnd hinten
aber fast erfreuwret), zu erwärmen begehre, habe ich . . . . mein
Beck, Geschichte des Eisens. 64
[1010]Zimmeröfen im 17. Jahrhundert.
Öflein nirgends denn nur allein in den Fugen bestrichen.“ — Der
„verstölpte Sandzarge“, d. h. der Sandkranz, in den oben der Deckel
eintaucht, ist ein Hauptwert der „Invention“.


Einen andern Kunstofen, Windofen genannt, den er 1614 in
Hamburg sah, und der gewundene Heizzüge hatte, beschreibt er genau,
nennt ihn aber einen Geldfresser. Die gemauerten Herde mit Koch-
platten mit Heizlöchern, entsprechen fast ganz den noch heute ge-
bräuchlichen gemauerten Kochherden. Die Vieh-, Farb- und Wasch-
kessel, die man darauf erhitzte, waren noch alle von gebranntem
Thon.


Die Frage guter holzsparender Zimmer- und Kochöfen war im
17. Jahrhundert eine allgemeine geworden. So hielt es z. B. Joh.
Balthasar Schuppius
, der als hessischer Beirat an den Friedens-
verhandlungen zu Münster und Osnabrück teilnahm, für wichtig genug,
den Landgrafen von Hessen auf einen holzsparenden eisernen Zimmer-
ofen, den er kennen gelernt und der aus dem Siegenschen stammte,
in einem Schreiben aufmerksam zu machen. Auch in Frankreich
fanden die aus Blech oder Guſseisen gefertigten Holzsparöfen Eingang.
D’Aviler, der berühmte Architekt unter Ludwig XIV., gab eine aus-
führliche Anleitung der Zivilbaukunst des Vignote heraus, welche
von Sturm ins Deutsche übertragen wurde. Darin findet sich (S. 370)
eine Anmerkung „über des autors Diskurs von den Kaminen, wozu
hier ein Diskurs von den Öfen gefügt wird“. Es wird darin ein
eiserner Kastenofen beschrieben, dessen breite Seiten in dem Zimmer
sich befinden, während er von der einen Schmalseite, welche an die
Wand stöſst, durch eine Röhre von auſsen geheizt wird. Bei der
Verwendung von Steinkohlen sollte das Einheizen jedenfalls von auſsen
geschehen. „Ich wollte den Ofen auch lieber von Eisen haben,“ heiſst
es, „nicht nur der Dauerhaftigkeit wegen, sondern weil sich alles
daran akkurater und gehbarer machen, enger zusammenbringen und
besser auszieren läſst. Wo man aber das gegossene Eisen so leicht-
lich nicht haben kann, mag man Kachelöfen gebrauchen, wenn man
innen herum, 2 Zoll von den Kacheln, ein eisernes Gitter setzt, damit
das Holz nicht direkt wieder die Kacheln geworfen werden kann.“


Ferner beschreibt er kaminähnliche Kastenöfen mit verzierten
Platten und sagt, dieselben lassen sich ebenso schön machen wie die
französischen Kamine. Er legt besonderen Wert auf das Ofenrohr mit
Klappe. Ferner beschreibt er tragbare Öfen für Gesindestuben,
welche aus zwei Blechrohren, durch ein Trichterrohr verbunden und
einem eingelegten Rost bestehen. Der Ofen hat eine Heizthüre, welche
[1011]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
acht Zoll über dem Rost liegt. Solche Öfen würden in Leipzig mit
Erfolg angewendet.


Er beschreibt auch Öfen, die im Keller stehen, stark geheizt
werden und aus denen die Hitze durch eiserne Röhren in die oberen
Räume geleitet werde (Luftheizung). Ein solcher Ofen sei im Rat-
haus zu Regensburg.


Becher erwähnt in seiner „Närrischen Weisheit“ der Holzspar-
kunst und daſs unter diesem Titel vor etlichen Jahren in Nürnberg
ein Büchlein erschienen sei.


Damit die Wärme besser ausgenutzt werde, habe man Öfen aus
drei Röhren konstruiert; doch ersticke das Feuer in denselben leicht.
Becher schlägt vor, die Feuergase in einer Spirallinie zu führen,
in einem Rohr von der Höhe des Ofens und von zwei Fuſs Durch-
messer, so würde die superficies — d. h. die Heizfläche soviel gröſser
und der Effekt um so besser sein.


In Frankreich erfand Dolesme 1686 einen rauchlosen und rauch-
verzehrenden Ofen, den er furnus acopnos nannte und bei welchem
der Rauch in den Feuerraum zurückgeleitet wurde.


Zu Ende des 17. Jahrhunderts machte Leutemann in seinem
Vulcanus famulans verschiedene verbesserte eiserne Öfen bekannt,
um mehrere Zimmer zugleich zu erwärmen.


Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.


Der wichtigste Fortschritt in der Eisenindustrie jener Zeit war die
Erfindung der Cementstahlfabrikation. Wir haben gesehen, daſs
dieselbe im Kleinen längst bekannt war. Deutlich spricht es Lazarus
Erker
aus, daſs man weiches Eisen durch Glühen mit Kohlen in einem
geschlossenen Gefäſs in Stahl überführen könne. Alle geschickten
Schmiede waren mit der Einsatzhärtung vertraut und wendeten sie
im Bedarfsfall an. Wenn wir also von einer Erfindung der Cement-
stahlfabrikation im 17. Jahrhundert sprechen, so muſs der Nachdruck
auf das zweite Hauptwort gelegt werden: die Erfindung bestand nur
in der fabrikmäſsigen Ausnutzung einer schon früher bekannten
Thatsache. Die Massenproduktion und die Darstellung des Cement-
stahls als Handelsartikel in besondern, dafür erbauten Öfen ist das
Wesentliche des Fortschritts. Daſs diese gegen Ende des 17. Jahr-
64*
[1012]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
hunderts bekannt und in Anwendung waren, geht aus folgenden
Stellen hervor. Der berühmte Jesuit Athanasius Kircher schreibt
1641 in seinem Buch de Magnete lib. I, p. I, cap. 3: Stahl wird auf
zwei Arten erzeugt, durch die Natur oder durch Kunst; durch die
Natur aus vollkommenen Magneterzen und je besser die Erze desto
besser der Stahl, indem Stahl ja nichts anderes ist als höchst reines
Eisen. Durch Kunst wird Stahl aus mancherlei Erzen und auf ver-
schiedene Weise erzeugt: durch Schmelzung und Reinigung . . . .
Andere machen das Eisen ganz hart und verwandeln es in Stahl
in der Weise: Rinderhufe oder Hirschgeweihe werden gepulvert und
verkohlt. In diese Substanz wird das Eisen eingelegt und stundenlang
in der stärksten Hitze geglüht, alsdann in kaltem Wasser gelöscht,
so ist es Stahl.


Christoph Glasers chemischer Wegweiser (S. 166) lehrt: „Man
reinigt das Eisen, damit es zu Stahl werde, mit Hörnern und Klauen
der Tiere, welche man klein schneidet oder zu grobem Pulver machet
und vermischet es mit Kohlen von leichtem Holze, als von Weiden
oder Linden, die zu Pulver gestoſsen werden: damit cementirt
man eiserne Stangen in einem mit Fleiſs dazu gebauten
Ofen
. Weil nun die Hörner und Klauen der Tiere viel flüchtig Salz
in sich haben, also durchdringet dasselbe mit Hülfe des Feuers das
Wesen des Eisens und machet es zu Stahl 1).“


Daſs hierauf aber schon viel früher in Piemont eine bedeutende
Industrie mit groſsem Ausfuhrhandel sich gründete, erfahren wir aus
Jousse, Schlosserkunst von 1627. Er führt die verschiedenen Stahl-
sorten auf, welche in Frankreich eingeführt werden, nämlich deutschen,
piemontesischen und spanischen und schreibt 2): Von Piemont kommen
zwei Sorten Stahl: ein künstlicher und ein natürlicher aus guten
Erzen. Den künstlichen macht man aus schmalen Stücken weichen
Eisens, die man in Holzkohlenpulver einsetzt und Lage auf Lage in
einem groſsen Tiegel oder einem Topf schichtet, der imstande ist, das
Feuer auszuhalten. Er muſs einen gutschlieſsenden Deckel haben,
daſs kein Staub entweicht. Diesen Topf setzt man in einen Ofen,
[1013]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
der nur für diesen Zweck dient. — Dieser Stahl ist gut, vorausgesetzt,
daſs er zweimal gereinigt, d. h. cementiert ist und daſs die Holzkohle,
mit der man ihn brennt, frisch und erst kurz vor dem Gebrauch
bereitet ist. Seht ja zu, daſs alle Kohlen gut sind, damit ihr keine
Täuschung erfahrt: auch muſs er zwei Tage und zwei Nächte in
heftigem Feuer bleiben, je länger, je besser, vorausgesetzt, daſs der
Tiegel nicht undicht wird. Dieser Stahl ist gut für Erdarbeit, sowie
um Hämmer und andere Werkzeuge, mit denen man mit Kraft und
Heftigkeit arbeitet, zu verstählen: manchmal eignet er sich auch für
Schneidwaren, wenn er gut gegärbt und gehärtet ist.


Es ist eine überlieferte und in vielen Büchern mitgeteilte That-
sache, daſs die Cementstahlfabrikation in England durch einen
deutschen Stahlarbeiter Namens Bertram aus der Mark um das
Jahr 1700 eingeführt worden sei. Dieselbe scheint an und für sich
nicht unglaubhaft, doch steht ihr eine Nachricht Le Play’s ent-
gegen 1). Diesem teilte 1841 ein hervorragender Stahlfabrikant York-
shires Namens Marshall, ein Greis von 81 Jahren, welcher die gröſsten
Werke in Sheffield besaſs, das Folgende, welches er von seinem Onkel
John Marshall, der fast ein Jahrhundert zuvor die ersten Stahl-
werke in Yorkshire angelegt habe, erfahren hatte, mit: Danach habe
man bereits anfangs des 17. Jahrhunderts begonnen, Stäbe von ge-
ringen Dimensionen zu cementieren; der so erhaltene Stahl sei nur
zu Artikeln geringer Qualität verwendet worden. Allmählich habe
diese Fabrikation an Umfang zugenommen und gegen 1660 habe man
begonnen, dicke Stäbe zu cementieren, die man in Steinkohlenfeuer
heizte und ausreckte, ehe man sie in den Handel brachte. Dieses
Produkt, welches ordinärer Stahl hieſs, wurde in Stangen von 0,015 m
Seitenlänge verkauft und war ein sehr mittelmäſsiges Produkt. Der
mittlere Teil der Stäbe wurde für Messerklingen und Kurzwaren (quin-
caillerie) benutzt, die Enden, die am meisten unganz und ungleich
waren, wurden für die Zeugschmieden zurückbehalten. — Wie weit
diese Angaben, namentlich inbezug auf die Zeit richtig sind, lassen
wir dahingestellt; sie scheinen aber eine gewisse Bestätigung dadurch
zu finden, daſs Dud Dudley in seinem Metallum Martis 1665 sagt,
man mache jetzt Stahl mit Hülfe von Steinkohlen, den man früher
ausschlieſslich mit Holzkohlen bereitet habe. Auch nahm Prinz
Ruprecht
von der Pfalz 1670 ein wichtiges Patent, welches die
[1014]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
Umwandlung von weichem Eisen in Stahl zum Zweck hat, auf welches
wir bei der Geschichte Englands noch näher eingehen werden.


Zu einiger Bedeutung gelangte die Cementstahlfabrikation aber erst
im 18. Jahrhundert und wollen wir deshalb eine eingehendere Schilde-
rung dieser Fabrikation verschieben, bis wir dazu kommen, die klassi-
sche Arbeit Reaumur’s über diesen Gegenstand näher zu betrachten.


Zum Schlusse wollen wir noch einige Notizen über Stahl und
Stahlbereitung im 17. Jahrhundert mitteilen: Dieselben befinden sich
in der Naturgeschichte des Ferrandus Imperatus. Dieser schreibt 1):
Stahl wird weich, sodaſs er leicht schmied- und dehnbar wird, wenn
man ihn weiſsglühend unter den Kohlen abkühlen läſst. Löscht man
ihn aber schnell ab, so wird er hart und dieses umsomehr, wenn man
dem Feuer Rindstalg oder eine ähnliche Substanz, um das Feuer
mit Rauch zu nähren, zusetzt. So zubereitetes Eisen zerhaut das
andere.


Ferner 2): Um Stahl zu machen, wählt man reines, festes und
hartes Eisen aus; das so ausgewählte Eisen wird alsdann in einem
Bad von flüssigem Eisen mehrere Stunden gesättigt, sodann herausge-
zogen und in sehr kaltem Wasser abgelöscht. Durch diese Eintränkung
wird es mit Saft erfüllt und die Unreinigkeiten ausgeschieden. Durch
die Kälte wird es verdichtet, woher es auch kommt, daſs der Stahl
eine höhere Politur annimmt als das Eisen, leichtflüssiger wird und
infolgedessen keine so groſse Erhitzung verträgt, als andere Eisen-
arten.


Nachdem der Verfasser an einer dritten Stelle 3) die Darstellung
des Eisens geschildert hat, beschreibt er nochmals ausführlicher den-
selben Prozeſs, in welchem wir leicht die Berscianstahlbereitung wieder-
erkennen:


Aus dem Eisen macht man durch Mittel der Kunst und durch
Zuschläge den Stahl, eine Substanz, viel härter, dichter und glänzender
als das Eisen. Zur Darstellung des Stahls ist ein Eisen auszuwählen,
welches leicht schmilzt, möglichst hart ist und sich leicht ausdehnt,
[1015]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
welche Eigenschaften alle von der Vervollkommnung der Saftigkeit
des Erzes (a perfectione succulentiae venis) abhängen. Es ist er-
laubt, das Erz mit anderen Steinarten, die leicht einschmelzen, dabei
aber hart und zerreiblich sind, zu mischen; wenn ein Eisen alle diese
Eigenschaften besitzt, so ist es mehr als ein anderes zur Härtung des
Stahles geschickt. Dieses Eisen wird heiſs in kleine Stücke zerhauen
und mit einem leichtschmelzigen Fluſsstein vermischt, auf einen
Schmelzherd, welcher aus zerriebenem und vermischtem Kohlenpulver
und Lehm hergestellt ist, eingetragen. Die Bälge müssen so auf-
gestellt sein, daſs ihre Öffnungen oder Düsen einigermaſsen nach ab-
wärts geneigt sind, so daſs sie ungefähr in die Mitte des Herdes
blasen. Nachdem hierauf der Herd mit den besten Kohlen gefüllt
worden ist und ringsum Steinbrocken, welche die Kohlen und das
Eisen zusammenhalten, aufgesetzt sind, werden die Kohlen entzündet
und in den glühenden Herd hineingeblasen. Ein Arbeiter trägt nach
und nach soviel von dem Roheisen (vena ferri) und den Kohlen ein,
als erforderlich ist. In das geschmolzene Bad taucht er hierauf vier
Eisenluppen, von denen jede 30 Pfund wiegt und läſst dieselben unter
kräftiger Hitze fünf bis sechs Stunden darin, indem man das flüssige
Eisen mit einer Rute aufrührt, so daſs die erwähnten Masseln
nach und nach die feinsten Teilchen des flüssigen Eisens aufsaugen.
Durch die Feuchtigkeit des geschmolzenen Eisens wird der feste Teil
der Luppen ausgedehnt und die Luppen, in welche die Feuchtigkeit
eingedrungen ist, beginnen zu erweichen. Nun wird eine Probe aus-
geschmiedet, abgelöscht und zerbrochen. Ist sie gut, so wird die
ganze Luppe herausgenommen, zerhauen, ausgeheizt, geschmiedet und
die Stäbe in das Wasser geworfen, wodurch sie zu festem Stahl
werden.


Becher macht einige Angaben über den Stahlfrischherd. Dar-
nach hätte derselbe einen Steinboden gehabt, wäre 2 Fuſs und 4 Zoll
auf 2 Fuſs und 2 Zoll gewesen. Die Form hätte 6 Zoll über dem
Boden gelegen, die ganze Höhe des Herdes sei 1 Fuſs 6 Zoll gewesen.
Die Blaseform war nach dem Boden gerichtet, sodaſs sie denselben
ein Drittel von der gegenüberliegenden Seite traf. Der Unterschied
im Einsetzen bestand darin, daſs man das Roheisen über, das Roh-
stahleisen unter dem Wind schmolz.


Wie vortrefflich man sich zu jener Zeit schon auf die Behand-
lung des Stahls, auf seine Härtung, das Ablöschen und Anlassen ver-
stand, geht aus den nachfolgenden Mitteilungen von Mathurin
Jousse
hervor:


[1016]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.

Die Härtung des Stahls (la trempe)1).


„Es genügt nicht, den Stahl zu kennen und richtig auszuwählen,
man muſs auch verstehen, ihn je nach seiner Natur und dem Zwecke
seiner Verwendung zu härten. (Felibien. — Jousse nennt dies
le couronnement de l’oeuvre.)


Um den geringen Stahl (le petit acier) Limousin, Clamesy2)
und den künstlichen, nachdem man das Stück geschmiedet, verstählt
und fertig gemacht hat, zu härten, erhitzt man es etwas über Kirsch-
rotglut und löscht (trempe) es alsdann in Quell- oder Brunnenwasser
(eau de puits), je kälter je besser.


Einige werfen Glas in die Esse, ehe sie den Stahl erhitzen;
dieses soll schmelzen und den Stahl einhüllen, den sie alsdann
sehr heiſs ablöschen. Viele aber glauben, daſs dies gar keinen Zweck
habe.


Andere nehmen gewöhnliches Salz, zerstoſsen es und werfen
es auf den Stahl, sobald er heiſs ist und nahe der Löschung.
Dieses soll den Stahl härter machen und daſs er nicht so leicht
springt.


Nachdem man den Stahl erhitzt und das Salz darauf geworfen
hat, taucht man ihn sofort in kaltes Wasser und läſst ihn darin, bis
er kalt ist; hierauf läſst man ihn etwas an (recuit), d. h. nachdem
man das Werkzeug abgelöscht hat, legt man es auf ein heiſses Stück
Eisen, bis die weiſse Farbe, welche durch das Löschen entstanden ist,
sich zu verlieren beginnt und in die Goldfarbe übergeht; dann bringt
man es rasch noch einmal in das Wasser zurück, ohne abzuwarten,
bis es blau wird, weil es sonst seine Kraft verlieren würde, wenigstens
wenn es kein Rosenstahl (acier à la rose) ist, denn dieser ist stärker
und hält sich besser.


Um den von Piemont, wenn man ihn zu Schneidewaren, um
Brot, Fleisch, Holz und ähnliches zu schneiden, gebraucht, zu härten,
löscht man ihn bei Kirschrothitze und wenn man ihn dann anläſst,
ist es gut, mit der Schneide oder Schärfe über ein trocknes Holz zu
fahren, um zu sehen, ob die Späne oder der Staub sogleich auf dem-
selben anbrennten. Aber man muſs bedenken, daſs alter Stahl spröde
(cassant) wird, wenn man ihn zu heiſs löscht und daſs er sich dann
[1017]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
nicht mehr erweicht, obgleich einige anderer Ansicht sind. Hat man
ihn zu heiſs gelöscht und er erweist sich als nicht gut, so wird nie
mehr etwas aus ihm, hat man ihn aber zu kalt gelöscht und
er erweist sich nicht gut, so kann man ihn ein zweitesmal besser
machen.


Manche sind der Meinung, daſs, um Federn aus deutschem
Stahl
zu härten, das beste und natürlichste Wasser, der Tau im
Monat Mai, den man am Morgen bei Sonnenaufgang an höhergelegenen
Plätzen vom Korn oder anderen Gräsern sammelt, ist; denn er ist
weniger erdig, feiner und wirksamer, indem alle Planeten zu dieser
Zeit die gröſste Kraft besitzen; und daſs er noch wirkungsvoller ist,
wenn zur Zeit, wo man ihn sammelt, der Wind vom Norden weht,
indem die Kälte dieses Windes ihn durchdringender macht, so daſs
der Stahl, den man darin löscht, fester wird und besser seine Wir-
kung thut.


Von diesem Wasser nimmt man das sechs-, sieben-, acht- oder
neunfache von dem Gewicht des Stahls. Man thut es in das Gefäſs,
in welchem man den Stahl, den man langsam bis zur Kirschröte er-
hitzt hat, ablöscht, und man taucht ihn dabei so tief ein, daſs, bis
er kalt geworden ist, weder Wind noch Luft hinzutreten können.
Alsdann putzt und reinigt man ihn mit Sand oder Lösche, so daſs
er weiſs wird und alle Schuppen davon entfernt werden. Sobald die
Feder so gehärtet und gereinigt ist, bringt man sie auf das Feuer und
läſst sie vorsichtig an, bis gelbe, rothe, violette, wasserblaue und schwarz-
graue Anlauffarben erscheinen. Sobald diese Farbe sich zeigt, nimmt
man das Feuer oben weg und fährt mit einem Holz darüber, wie ich
es bei dem Stahl von Piemont erwähnt habe. Wenn dieses Holz oder
Späne anbrennen, so nimmt man ein frisches Hammels-, Ziegen-
oder Ochsenhorn und streicht damit über die Feder hin; oder
auch wohl Öl, Inschlitt oder anderes Fett und bringt es dann wieder
ein wenig auf das Feuer. Wenn man Öl oder Fett nimmt, so läſst
man dies flammen und brennt es auf der Feder ab und sieht zu,
ob das Holz, mit dem man es reibt, anbrennt; wenn dies erreicht ist,
so hat man nichts weiter zu thun, als die Feder kalt werden zu lassen.
Man kann wohl auch die Federn in dem Wasser der Schmiede oder
eines Flusses oder auch in Quell- und Brunnenwasser ablöschen. Wenn
man es aber in Quell- oder Brunnenwasser, welches zu kalt wäre, ab-
löscht, so muſs man dieses erst in ein Gefäſs thun, worin man es
mit einem Stock oder mit der Hand schlagen kann, um es weich zu
machen; denn wenn man dies nicht thut, so springen die Federn
[1018]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
leicht, wenn man sie biegt, ja manchmal, wenn der Stahl roh ist,
schon bei dem Ablöschen.


Um den Stahl von Carme oder den Rosenstahl (acier à la
rose) zu härten, taucht man ihn, nachdem er über Holzkohlenfeuer
zur Kirschröte erhitzt ist, in Quell- oder Brunnenwasser, und zwar am
besten in das allerkälteste und stärkste. Ist es ein Meiſsel oder sonst
ein kleiner Gegenstand, so ist der Stahl geneigt zu reiſsen und im
Wasser zu zerspringen. Um dies zu vermeiden, muſs man ihn mit dem
dicken Ende, wo es am wenigsten heiſs ist, in das Wasser einführen
und ihn bis zum Boden des Gefäſses eintauchen; oder auch wohl Talg
oder geschmolzenes Fett auf das Wasser gieſsen, damit man den heiſsen
Gegenstand, den man härten will, durch diese Fettschicht hindurch-
führt, indem man dadurch verhindert, daſs das Werkzeug zer-
springt. Nach dem Ablöschen muſs man es anlassen und reinigen,
wie zuvor erwähnt, um den Grad der Härtung besser erkennen zu
können.


Wenn der Stahl, den man härtet, für Werkzeuge zur Eisen-
bearbeitung, als für Grabstichel, Meiſsel und dergleichen bestimmt
ist, so läſst man ihn auf gelb, etwas ins Rote spielend, an, und läſst
ihn dann erkalten. Wenn aber die Werkzeuge springen oder reiſsen
wollen, so legt man sie nochmals auf das Feuer oder auf einen heiſsen
Eisenklotz, wodurch sie noch weiter anlaufen, bis man daran, daſs sie
etwas ins Violette spielen, erkennt, daſs sie sind, wie man sie haben
will. Auf diese Weise kann man sie härter oder weicher machen,
vorausgesetzt daſs der Stahl gut ist.


Der Stahl von Carme und von Ungarn ist auch sehr gut, um
daraus Sensen und derartige Werkzeuge zu machen. Wenn diese
Sensen geschmiedet und fertig gemacht sind, so härtet man sie in
einem kleinen Trog oder einem Gefäſs von der Länge der Sensen
und so tief, daſs sie ganz bedeckt sind. Man füllt dasſelbe mit Rinds-
talg oder anderem Fett, welchem man etwas Sublimat, Arsenik,
Drachenblut, Vitriol, Grünspan, Antimon und natürlichen Alaun zusetzt:
ich glaube aber, daſs mit diesem Zusatz zu dem Fett gar nichts ge-
nützt wird.


Man härtet sie bei Kirschrothitze und läſst sie dann bis violett
oder grau, je nach der Güte des Stahls, anlaufen.


Einige härten ihre Sensen in Tau, wie bereits erwähnt, indem
sie diesem Raute und andere kräftige Droguen und Kräuter zusetzen,
die zu gar nichts nützen. Das Wasser ist für sich imstande, die Ge-
räte gut zu machen, wenn nur der Stahl und das Anlassen gut sind,
[1019]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
wobei man wie bei den Federn verfährt und keine andern Hülfsmittel
nötig hat.


Der Spanische in dicken Stangen wird wie der Soret, Clamesy
und Limousin gehärtet. Wenn es grobe Stücke sind, wie Amboſse,
Hörner, Hämmer und dergleichen, so läſst man sie gar nicht an-
laufen, sondern man härtet sie einfach in möglichst kaltem, starkem
Wasser.


Den andern spanischen Stahl, in Form von runden Kuchen, härtet
man wie den Stahl von Carme; der Rosenstahl verhält sich ebenso.


Die beste und sicherste Art, um Feilen und andere eiserne
Werkzeuge, die aus Eisen gemacht sind, zu härten, geschieht mit
möglichst dichtem und trocknem Ofenruſs. Man zerreibt ihn zu Pulver
und siebt ihn, alsdann setzt man ihn mit Urin und Essig, dem man
etwas Salz oder Salzlake zufügt, an; und zwar nimmt man soviel
Urin und Essig, daſs das Ganze wie Senf wird und zerreibt und
mischt alles auf das sorgfältigste.


Nachdem man den Ruſs so angesetzt hat, reibt man die Feilen
mit Essig und Salz, um das Fett davon zu entfernen. Nachdem sie
gut entfettet sind, bedeckt man sie mit dem angemachten Ruſs; und
indem man aus mehreren Feilen ein Packet macht, in dessen Mitte
ein eisernes Rohr, in welchem ein Eisenstab, den man den Probierstab
(esprouvette) nennt, steckt, sich befindet, bedeckt man das ganze
Packet mit frischem Lehm. Man erhitzt es mit Holzkohlen in einem
Windofen aus Ziegel oder dergleichen, bis die Feilen zur Kirschrot-
glut oder etwas höher erwärmt sind, was man durch den Probierstab,
den man vorsichtig herauszieht, erkennt.


Neue Feilen aus Eisen kann man noch stärker erhitzen und
heiſser härten, als alte, welche zum zweiten oder drittenmal auf-
gehauen sind oder als solche von Stahl.


Sobald man sieht, daſs sie heiſs genug sind, wirft man den
ganzen Pack in ein Gefäſs mit kaltem Quell- oder Brunnenwasser, je
kälter, je besser.


Wenn die Feilen sich bei der Härtung biegen oder werfen, so
kann man sie im Wasser, ehe sie noch ganz kalt geworden sind,
gerade biegen (les plyant doucement dans l’eau). Denn wenn man
wartet, bis sie ganz trocken sind, so würde man sie durch das Strecken
zerbrechen. Nachdem sie kalt geworden sind, reinigt man sie mit
Holzkohle oder Leinwand, um Fett oder Talg, die in den Ver-
tiefungen stecken, zu entfernen. Dann trocknet man sie vor dem
Feuer und packt sie mit Weizenkleie, um sie vor Rost zu schützen
[1020]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
in eine Kiste. Sind die Feilen zart, so muſs man sie dagegen in Öl-
papier packen, damit der Staub, der in der Kleie ist, nicht eindringt.


Will man kleine Feilen, Bohrer, Zieheisen und ähnliche Gegen-
stände härten, die nicht so starr und hart sein müssen, wie die vor-
herigen, so nimmt man altes Schuhleder, wäscht es gut, um den
Schmutz zu entfernen, brennt und zerstöſst es rasch, ehe es in Asche
zerfällt. Nachdem man das so erhaltene Pulver gesiebt hat, fügt
man etwas Ruſs zu und macht das Ganze mit Urin oder Essig oder
beidem an. Die Feilen oder die anderen Gegenstände formt man
alsdann in ein Packet derart, daſs sie von der Luft abgeschlossen
sind; man erhitzt und löscht sie dann in kaltem Wasser ab wie
oben und wenn die Feilen sich werfen oder verziehen, so streckt man
sie, wie oben angegeben.


Es ist bemerkenswert, daſs, wenn man sie vor dem Ablöschen
kalt klopft, sie sich nachher noch besser wieder strecken lassen, be-
sonders die Schneidfeilen.


In den beiden letzten Fällen hat der Verfasser nicht eine ein-
fache Härtung durch Ablöschen und Anlassen, sondern eine Härtung
durch Cementation beschrieben, und gehört das beschriebene Ver-
fahren der Härtung eiserner Feilen wohl zu der ältesten Anwendung
der Cementation.


Jousse beschreibt auch das Verfahren, Stahl in Farben an-
laufen zu lassen und dann mit Zeichnungen zu schmücken. Um dem
Stahl die gewünschte Farbe zu geben, verfährt man so: Zunächst
feilt und glättet man das Eisen oder den Stahl mit zarten Feilen
oder poliert ihn mit einem Polierstahl oder mit Smirgelpulver, das
mit Olivenöl zerrieben ist: hierauf mit Zinnasche, wie ich es gleich
beschreiben werde. Je schöner die Politur, je besser, und man muſs
ja acht geben, kein schlackiges Eisen (fer cendreux) zu nehmen, je
härter es ist, je besser poliert es sich, wie auch das, welches schon
gehärtet war und wieder aufpoliert wird, denn dieses giebt die
schönsten Farben. Ist das Stück poliert, so nimmt man heiſse Asche,
die zuvor ein Sieb passiert hat, legt den Gegenstand hinein und läſst
ihn sich erhitzen, bis er die Farbe angenommen hat, die man wünscht.
Zuerst wird die goldgelbe Farbe erscheinen, dann Rot, Violett, Blau
und zuletzt wasserfarbig (Grau). Sobald die gewünschte Farbe er-
scheint, nimmt man rasch den Gegenstand mit kleinen Zangen
heraus.


Hat man keine Holzkohlenasche, so erhitzt man ein dickes Stück
Eisen und legt die polierten Gegenstände darauf, die alsbald die
[1021]Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
Farben, wie oben erwähnt, zeigen. Sobald die gewünschte erscheint,
nimmt man den Gegenstand weg und läſst ihn auf einem Stück
kaltem Eisen oder einem Stein erkalten, wobei man acht giebt, daſs
man ihn heiſs nicht mit Sand oder Holz berührt, weil man die Farbe
dadurch verdirbt. Um weiſses Blattwerk oder Schriftzeichen auf das
farbige Eisen aufzutragen, verfährt man so: Man nimmt den blauen,
violetten oder sonst wie gefärbten Gegenstand und einen aus Blei-
glätte und gelbem Wachs gemischten Firniſs, macht das Eisen warm,
bringt etwas von dem Firniſs darauf und läſst es danach wieder er-
kalten. Hierauf zeichnet man auf den Firniſs und das Eisen, was
man will; ist die Zeichnung fertig, wie bei dem Ätzen mit Scheide-
wasser, so erhitzt man starken Essig in einer Schale und sobald er
kocht, taucht man den Gegenstand hinein, wischt mit einem weiſsen
Leinwandlappen sanft darüber hin, so daſs man den Firniſs nicht
abwischt: alsbald nimmt der Essig die Farbe weg, und die Zeichnung
erscheint, was man sehen kann, wenn man ihn mit Zängchen heraus-
nimmt. Sobald man sieht, daſs die Zeichnung hell heraustritt, so
wirft man das Eisen in klares Wasser, erhitzt es dann ein wenig
und wischt dann vorsichtig den Firniſs ab. Die Zeichnung erscheint
dann weiſs, das übrige violett oder sonst wie gefärbt. Auf diese
Weise kann man angelaufenen Stahl weiſs machen, ohne ihn zu
feilen.


Jousse teilt noch ein anderes Rezept mit, nach welchem man
die weiſse Farbe durch ein Zinnamalgam herstellt. Ebenso beschreibt
er genau die Anfertigung der Zinnasche zum Polieren von Eisen und
Stahlgeräten.


Die Einsatzhärtung, d. h. die Umwandlung von Stabeisen in
Stahl durch Glühen des Stabeisens in Kohle oder kohlenstoffreichen
Substanzen, wozu Hornspäne, Tierklauen, Leder u. s. w. besonders
benutzt wurden, war eine altbekannte Sache und wurde in der
Regel von jedem Schmied nach Bedarf vorgenommen. Im 17. Jahr-
hundert fing man aber an, Brennstahl oder Cementstahl in den
Handel zu bringen. Der Stahl, welcher in Frankreich als Stahl
von Piemont verkauft wurde, war nach den Angaben von Jousse eine
solche Sorte. Auch im Lütticher Land wurde Brennstahl für den
Handel bereitet, wie aus folgender Urkunde, von 1613, welche sich
im Archiv des Fürstentums Lüttich befindet, hervorgeht. „… Aus-
schlieſslich dem genannten Pier de Coudraye, Waffenschmied, auſser
der ihm zugestandenen Erlaubnis und dem Jean Van Beuhle um
Eisen in Stahl zu verwandeln, den letzten 19. Januar. —


[1022]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.

Ferdinand Allen die dies sehn oder lesen werden Gruſs. —
Empfangen haben wir dies ehrerbietige Bittgesuch des Jean Van
Beuhle
, Bürgers in unsrer Stadt Maestricht, mit dem Inhalt, daſs er
am letzten 19. Janner nachgesucht habe, dem Pier de Coudraye,
Waffenschmied und dem genannten Jean Van Beuhle das Recht
Eisen in Stahl zu verwandlen und diesen zu verkaufen und
zu verführem
in unserm Lütticher Land zu gestatten und daſs
der genannte Pier de Coudraye ihm überlassen, gestattet und ein-
geräumt habe sich deshalb mit anderen zu verbinden etc.“


Die Zünfte im 17. Jahrhundert.


Die gewerbliche Gesetzgebung in Deutschland im 17. Jahrhundert
kann nur als eine Fortsetzung derjenigen des vorigen Jahrhunderts
bezeichnet werden. Sie war durchaus partikularistisch und suchte
durch Strafandrohung die Ausbreitung der Industrie in andere Länder
zu verhindern. Entsprechend der Entwickelung der Eisenindustrie,
wonach sich einzelne Zweige derselben zu selbständigen Betrieben
entwickelten, wie z. B. die Drahtfabrikation in der Mark und die
Blechfabrikation in Sachsen, spezialisierte sich auch die Gesetzgebung
und schuf besondere Ordnungen für diese Betriebe, wie die Altonaer
Drahtordnung und die chursächsischen Blechhammerordnungen. Ein
Hauptgesichtspunkt bei der Hüttenmännischen Gesetzgebung war die
Einschränkung des Holzverbrauches zur Schonung der Waldungen.


Der handwerksmäſsige Betrieb war noch die Grundlage der Gewerb-
thätigkeit und ging nur langsam in den Fabrikbetrieb über, wie bei den
obengenannten Gewerben, bei der Messer- und Nadelfabrikation u. s. w.
Das Zunftwesen entwickelte sich noch strenger, aber mehr der Form
als dem Geiste nach. Namentlich suchten nach dem 30jährigen
Kriege die Zunftgenossen sich ein Monopol für ihren Gewerbsbetrieb
zu sichern zum Nachteil des Handwerks und zum noch gröſseren
Nachteil des Publikums. Unzählig waren die Grenzstreitigkeiten
zwischen den nahverwandten Zünften, so ganz besonders zwischen den
Schmieden und den Schlossern, und fast in jeder Stadt muſste durch
Ratsbeschlüsse festgestellt werden, was jedes von den beiden Hand-
werken zu fertigen habe. Wo Schmiede und Schlosser in einer Zunft
[1023]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.
vereinigt waren, ging es schon besser. Jede Zunft hatte ihre Ord-
nung 1), in welcher die Tage der Versammlungen und deren Kom-
petenzen bestimmt waren. Ferner waren darin die Strafen, die Bei-
träge zur Bruderlade, die „guten Montage“, die Kündigung und Verab-
schiedung, die Pflichten wandernder Gesellen, das Geschenk, geordnet
und festgesetzt. Man unterschied gesperrte, freie, ungesperrte und
geschenkte Handwerke2). Ein gesperrtes Handwerk hatte nur
in bestimmten Städten oder Bezirken seinen Sitz, die Gesellen des-
selben durften nur an den gesperrten Plätzen wandern; keine aus-
wärtigen Gesellen wurden angenommen. Ein freies Handwerk durfte
dagegen ein jeder treiben, der die Kunst verstand. Die unge-
sperrten
und geschenkten Handwerke waren diejenigen, welche
allgemein verbreitet waren, an allen gröſseren Plätzen bestanden und
zu Zünften vereinigt waren, deren Gesellen überall wandern durften
und heute hier, morgen da arbeiteten. Bei diesen muſsten die Ge-
sellen nach vollbrachten Lehrjahren die Wanderschaft antreten, um
sich anderswo zu versuchen und zu lernen; diese erhielten aber auch,
wo sie hinkamen, gewisse freie Zehrung und Geschenke.


Unter die gesperrten Handwerke zählte man die Drahtzieher,
welche unter anderen Stücken ihres Meisterstücks ein Pfund Messing-
und ein Pfund Eisenzitterdraht, so fein als ein Haar gezogen, machen
muſsten. Zu den freien Handwerken gehörten dagegen die Panzer-
macher und Bogener.


Unter die ungesperrten, freien und geschenkten Handwerker
wurden gerechnet: die Plattner oder Harnischmacher, Schleifer und
Polierer, die Schwertfeger, welche gemeiniglich mit den Messer-
schmieden einerlei Amt hielten und die Büchsenmacher; sodann die
Näh- und Stecknadelmacher, „welche durch ganz Deutschland
und vielen angrenzenden Königreichen und Ländern mit einem davon
reisenden Gesellen sehr nutzbaren Geschenk versehen waren.“ In
der Kaiserlichen freien Reichsstadt Nürnberg ist von undenklichen
Jahren her ihre Ober-Hauptlade gewesen und hielten sich zu selbiger
alle diejenigen Meister, so in benachbarten kleinen Orten wohnten,
wo keine Laden eingerichtet waren. In Breslau aber, in der schlesi-
schen Hauptstadt, hatten sie die Ober-Zechlade, zu welcher sich alle
[1024]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.
Meister und Gesellen in ganz Schlesien hielten. — Die „Rinken-
und Kettenschmiede
“ waren ein geschenktes Handwerk an den
zunftmäſsigen Orten, davon sie aber nur wenige hatten, als Prag,
Wien, Preſsburg u. s. w. Sie machten vielerlei Arten von Ketten,
als Meſs-, Sperr-, Wag-, Brunnen-, Zaum- und Halfter-, Brust-,
Deichsel- und Kuhketten. Auſserdem machten sie Ringe und Schnallen,
desgleichen doppelte und einfache Pferdegebisse. Alle diese Arbeiten
schmiedeten sie aus ganzem Eisen und schweiſsten es im Feuer zu-
sammen und blieben die Sachen rauh oder wurden geschwärzt. Sollten
sie aber verzinnt werden, wie namentlich die Pferdegebisse, so ge-
schah dies durch die „Zinner“. Dasselbe gilt von den Sporern.


Die Zainer, welche das grobe Eisen und Stahl den darin ar-
beitenden Handwerkern zum Gebrauch zurecht machten, waren nur
in Steiermark, München und Nürnberg zu Zünften vereinigt.


Die Ankerschmiede bildeten in den groſsen See- und Hafen-
städten ein besonderes Gewerk. An anderen Plätzen, wo sie nur
vereinzelt waren, schlossen sie sich den Grob-, Hut- und Waffen-
schmieden an. Die groſsen Schiffsanker waren die schwersten
Schmiedestücke, welche in alter Zeit gewerbsmäſsig hergestellt
wurden. Die Ankerrute, die Arme und die Schaufeln oder Flunken
wurden für sich aus vielen einzelnen Stäben zusammengeschweiſst
und ausgeschmiedet. Diese einzelnen Teile wurden dann wieder an-
einander geschweiſst. Alle diese Arbeiten wurden mit Handhämmern
ausgeführt, wobei die schweren Stücke mit Hebekrahnen vom Feuer
zum Ambos bewegt wurden. Fig. 228 stellt eine Ankerschmiede
nach Weigels Hauptständen dar. Man sieht im Vordergrund ein aus
vielen Stäben zusammengebundenes Packet für eine Ankerrute am
Boden liegen, darauf ruhen fertig geschmiedete Ankerteile. Das
Hauptbild in der Mitte stellt die Schweiſsung eines Ankerarms an
die Rute dar. Während vier Ankerschmiede gleichzeitig ihre schweren
Hämmer schwingen und kräftige Hiebe auf die Schweiſsnaht fallen
lassen, steht ein fünfter zur Ablösung schlagbereit an der rechten
Seite. Die Drehung des Ankers besorgt ein sechster, der am Hinter-
teil den Anker mittels eines durch den Ring gesteckten Holzes wendet.
Der schwere Anker hängt mit eisernen Ketten an einem Drehkrahnen.
Rechts im Hintergrund sprüht die groſse Esse.


Die Windenmacher waren zwar ein freies, aber „mit wohl
abgefaſster Ordnung versehenes“ Handwerk, und hielten es gemeinig-
lich mit den Schlossern und kleinen Schmieden. Sie und ihre Ge-
sellen durften im ganzen Reich wandern.


[1025]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.

Die Feilenhauer konnten gleichfalls „mit merklicher Be-
förderung ihrer Wohlfahrt“ durch ganz Deutschland reisen und ihr
Glück versuchen. Ihr Meisterstück bestand namentlich zu Nürnberg
und Zwickau aus drei Stücken: 1. einer groſsen, viereckigen, 24 bis
26 Pfd. schweren Feile, so nachmal zu einer Raspel für die Draht-
zieher gemacht wurde; 2. aus einer 5 Zoll breiten Schleiffeile, deren
sich die Goldschmiede bedienen, und 3. aus einer groben, krummen
Raspel mit gekröpfter Angel, wie solche vordem die Sattler zu ge-

Figure 239. Fig. 228.


brauchen pflegten. „Sehr verwunderlich ist es“, fügt der Autor
(Weigel) hinzu, „daſs die Meister dieses Handwerks den Stahl, welchen
sie verarbeiten, also zu härten und zuzurichten wissen, daſs er alle
Metalle, ja selbst den härtesten Stahl, wovon doch auch die Feilen
gemacht werden, angreift, da doch solche Härtung nur allein
aus Salz und Klauen besteht, so auf die glühenden Feilen ge-
streut, die Feilen nochmals geglüht und in kaltem Wasser abgelöscht
werden.“


Folgende Feilensorten waren damals in Gebrauch: „Die Gold-
schmiede gebrauchten die groben, halb-linden und linden Feilen; die
Uhrmacher die Schnaupen- und Räderfeilen; die Bildhauer und
Schreiner Holzraspeln und Sägefeilen und Spitzfeilen zur Schärfung
Beck, Geschichte des Eisens. 65
[1026]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.
der Hobeleisen und aufgeworfene Raspeln für runderhabene Arbeit.
Die Schlosser, Zirkelschmiede, Windenmacher, überhaupt die Metall-
arbeiter bedienten sich der Arm-, Stiel-, Hand- und Bogenfeilen; die
Büchsenmacher der Schlicht- und Vorfeilen, die Drahtzieher der
groben und die Hufschmiede der Hornraspeln; die Messerschmiede
der Horn-, Bart- und Abrichtfeilen, die Stecknadel- und Häftlein-
macher haben ganz besondere Feilen, die wie ein Ring formiert, und
auſsen her in der Runde herum wie eine Feile gehauen sind, auf
welchen sie die Spitzen an ihren Stecknadeln zu walzen und zu
machen pflegen u. s. w. Der Form nach kann man alle in sechsterlei
Gattungen bringen, in runde, halbrunde, flache, dreieckige, viereckige
und Messerfeilen.“


Jousse führt nicht weniger als 22 verschiedene Feilensorten auf,
welcher sich die Schlosser bedienten, von jeder Sorte sollte eine
wohlausgerüstete Werkstätte 5 bis 6 Stück besitzen 1).


Die Messerschmiede waren eins der „fürnehmsten“ der ge-
schenkten Handwerke, die mit reichlichem Geschenk durch die ganze
Welt reisen durften. Es rühmte sich besonderer Freiheiten, denn es
hatte nicht nur vier mit besonderen Privilegien ausgerüstete Bruder-
schaften, welchen richterliche Befugnisse beigelegt waren, zu Wien,
München, Heidelberg und Basel, sondern sie führten auch ein Wappen
(s. I. 859). An die Messerschmiede schlossen sich die Ahlen-
schmiede
, die ein geschenktes Handwerk hatten, aber nur in
Steiermark und Schmalkalden Bruderschaften bildeten.


Die Schleifer waren in zwei geschenkte Handwerke, die
Schwert- und die Rauhschleifer getrennt. Die Rauhschleifer
saſsen bei der Arbeit über dem Stein, so daſs dieser gegen sie lief,
die Schwertschleifer vor dem Stein, der von ihnen weglief. „Das
Geschenk der Rauhschleifer hatte die Lade zu Nürnberg und er-
streckte sich in das Württembergische, wie auch Churfürstl. Sächsi-
sche, Brandenburg und die Preuſsischen Lande, ja sogar nach Lief-
land und Schweden. Das Geschenk der Schwertschleifer dagegen
wurde fürnehmlich in der Churfürstl. bayrischen Residenzstadt
München, wie auch in Augsburg und Steiermark gehalten, woselbst
sie ihre Lade zu haben pflegten.“


Das Meisterstück der Huf- und Waffenschmiede, „deren
Handwerk zwar mit keinem Geschenk, aber doch mit guten löblichen
Gesetzen und Ordnungen versehen war“, bestand (nach Weigel)
[1027]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.
darin, vier Hufeisen zu einem Pferd, so ihnen etlichemale vorgeritten
wurde, nur allein nach Beschauung der Hufe, ohne dieselben zu be-
rühren, dem bloſsen Augenschein nach zu verfertigen und so dann
aufzuschlagen, wobei nicht der geringste Fehler unterlaufen durfte.
Da sie auch Waffenschmiede hieſsen, pflegten sie noch ein Beil oder
einen Spieſs zu schmieden.


Die Flaschner und Spengler, sowie die Sporer, Ring- und
Kettenschmiede hatten auch ein geschenktes Handwerk, sonder-
lich zu Prag, Wien und Preſsburg. Die Nagelschmiede desgleichen,
welche in grobe und kleine Nagelschmiede abgeteilt wurden 1). Sie
durften in und auſser dem Reiche reisen 2).


Die Schlosser, welche gleichfalls ein geschenktes Handwerk
waren, hatten folgende Zunftregeln 3): Die Lehr- und Wanderzeit
war unbedingt je drei Jahre. Kein Geselle oder Junge durfte ohne
Wissen und Bewilligung des Meisters einem Knecht, einer Magd oder
einer andern Person, wer sie auch sei, fremd oder einheimisch, einen
Schlüssel, der in Wachs, Lehm oder Blei abgedruckt war, nachmachen,
noch viel weniger aber einen Hakenschlüssel, Dietrich oder andere
Instrumente, womit man Schlösser heimlich öffnen kann, machen —
bei hoher Geld- oder Leibesstrafe, auch nach befindenden Umständen
Niederlegung des Handwerkes.


Als Meisterstück hatten sie zu fertigen: 1. ein gutes französisches
Schloſs mit zwei oder drei Touren, 2. ein Vexierschloſs, wobei die
Angabe der inneren Einrichtung den Obermeistern überlassen blieb,
3. ein Thürbeschlag mit Cremonen und Ficheband, 4. ein gutes
deutsches Schloſs an einem Kleiderschrank und 5. zweierlei Vorlege-
schlösser. — An Sonn- und Festtagen durften weder Meister noch Ge-
selle Ware feil haben, auch keine hausieren tragen.


Von der Tüchtigkeit des deutschen Schlosserhandwerks legen
die schönen Arbeiten dieser Periode, welche sich in Museen, z. B. in
dem bayrischen Nationalmuseum in München, befinden, Zeugnis ab.


Bei den Messerschmieden in Eſslingen war nach einer
Verordnung vom 12. September 1609 die Lehrzeit auf vier, die
Wanderzeit auf drei Jahre festgesetzt. Kein Meister durfte mehr als
zwei Gesellen und einen Jungen halten, keine schon gemachte
65*
[1028]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.
Arbeit zum Wiederverkauf einhandeln, ausgenommen Säbel- und
Schwertklingen, welche nicht in der Stadt gefertigt wurden, und jeder
muſste seine Arbeit mit einem besonderen Zeichen versehen. Im all-
gemeinen galten im 17. Jahrhundert folgende Meisterstücke: 1. Ein
paar Mannsmesser (so nannte man die Tischmesser) mit Schalen von
Hirschgeweihen und mit eisernen sogenannten bayrischen Hauben be-
schlagen. 2. Ein paar geblümelte Frauenmesser mit gebogenen
Ringeln oder gezogenen hohlen Stollen und einem Stiel aufgenietet
und befestigt. 3. Noch ein paar Frauenmesser mit hohlen Häublein
oder Stollen, auch ebenfalls gebogenen Ringeln und einem Stiel 1).


Von dem kleinlichen Geist der Eifersucht, welcher die Zünfte be-
herrschte, erzählt folgendes Beispiel: In dem Dorfe Steinbach im
Thüringerwald blühte das Messerschmiedegewerbe. Hans Hartmann
war in der fünf Stunden von Steinbach entfernten Stadt Wasungen
auf dem Büchsen- und Messermacherhandwerk Meister geworden und
wollte um 1677 nach Steinbach übersiedeln. Da verlangten die
Steinbacher, daſs er abermals aufs Neue Meister bei ihnen werden
und Probe bestehen sollte und sie trieben die Sache soweit, daſs der
Herzog zweimal schriftlich die Aufnahme befehlen muſste, indem sie
nur die Aufnahmegebühren zu beanspruchen hätten.


Über die weitere Entwickelung des Klingen- und Messerschmiede-
handwerks in Solingen werden wir später berichten. Wir erwähnen
hier nur, daſs ein Peter Simmelpus oder Semmelmuſs in Solingen im
17. Jahrhundert die unechte Damaszierung der Klingen erfunden
haben soll.


Die Messerer in Nürnberg hielten im 17. Jahrhundert noch
häufig Schönbartspiele, Aufzüge und Tänze, namentlich auch den
Schwerttanz. Der am 3. Februar 1600 gehaltene Tanz und das
Fechten auf erhobenen Schildern ist in Kupfer abgebildet in der
Börnerschen Sammlung.


Neben dem Schwerttanz pflegten sie auch einen andern hochzeit-
lichen Tanz zu halten, bei welchem Manns- und Weibspersonen in
Seiden- und andern stattlichen Kleidungen geziert erschienen. Sie
kleideten eine Meisterstochter als Kronbraut und zwei als krauſse
Tischjungfern gleich den Geschlechtern. Dabei ging es hoch her und
die Zunft stürzte sich oft in Schulden 2).


[1029]Die Zünfte im 17. Jahrhundert.

Ebenso hielten die Zirkelschmiede in Nürnberg besondere
seltene Tänze, die oft drei Tage dauerten und bei denen es hoch
herging 1). Den Tanz vom 25. Juli 1681 hat Börner in Kupfer ge-
stochen. Auch ist ein Kupferstich nebst gedruckter Beschreibung
von Thom. Hirschmann vorhanden. 1688 ist der letzte Tanz der
Zirkelschmiede in Nürnberg gehalten worden.


Die Landesfürsten übten aber in ihren Gebieten eine weitgehende
Bevormundung der Handwerke und Gewerbe aus. Sie setzten nament-
lich die Löhne und die Preise der Waren fest. In fast allen deut-
schen Fürstentümern erschienen Schmiedetaxen. Als Beispiel
möge folgende Taxordnung des Herzogs August von Braunschweig-
Lüneburg aus dem Jahre 1646 dienen. — Sie ist überschrieben:
Vom Eisenkauf und Schmieden“ und lautet: Das Eisen wird
jetzo auf den Eisenbergwerken um ziemlichen liederlichen Kauf
(schlechten Preis) als der Zentner zweigeschmolzen Eisens um 5 Gulden,
5 Mariengroschen oder 2 Thaler 33 Mariengroschen eingekauft. Die
Schmiedearbeit belangend, wird dieselbe aufs Richtigste nach Pfund-
Zahl dergestalt verfertiget, daſs vor jedes Pfund Eisen soviel Geld zu
verarbeiten und zu verfertigen gegeben wird, soviel Geld das Pfund
Eisen an sich selbst kostet, worunter aber kein Blank Schmiedezeug
und dergleichen, auch die kleine Arbeit, da die verfertigten Stücke
unter ein Pfund wiegen, nicht gerechnet werden. Und wird deren
Schmieden, bei Vermeidung ernster Strafe und Einsehens verboten,
die eisernen Waren ins künftige keineswegs geringer oder schwächer,
als sonsten gewöhnlich, bei jetzigem Kaufe zu machen.“ Nach dieser
allgemeinen Bestimmung wendet sich die Verordnung zu dem eigent-
lichen Schmiedelohn. „Diejenigen Schmiede, welche nicht gar zu
weit von den Eisenbergwerken, etwa eine gute Tagereise davon
wohnen, sollen die Waren folgender Gestalt verfertigen und ver-
kaufen: ein neues Rad mit Schienen, Bussen (Buchsen) und Nägeln
in allem 3 Thlr. 12 Mgr.; mit altem Eisen zu belegen, mit Ringen
und Löchern 1 Thlr.; ein neues ohne Eisen, blos mit Bändern und
Bussen 24 Mgr.; die Schienen blos einzubrennen und zu nageln
10 Mgr. — Eine Asse (Achse) zu beschlagen mit dem Eisen 30 Mgr.;
eine Zugkette 9 Mgr.; ein Ringkoppel 12 Mgr.; ein Schweckenagel in
die Langwage 4 Mgr.; ein Sperrnagel 2 Mgr.; eine Lunſs mit Platten
4 Mgr.; ohne Platten 2 Mgr.; ein neues Hufeisen 3 Mgr.; ein altes
1½ Mgr.; ein Pferd ein ganzes Jahr im Geding 1½ Thlr.; ein neuer
[1030]Eisenhandel im 17. Jahrhundert.
Pflug mit Eisen zu beschlagen 27 bis 30 Mgr.; ein gemein Pflug-
eisen oder Stert-Eisen 24 bis 27 Mgr.; ein Budden oder ander groſs
neu Pflugeisen 30 bis 36 Mgr.; ein solches Eisen durchaus anzulegen
8 bis 10 Mgr.; ein klein neu Pflugeisen oder Seck 9 Mgr.; ein neues
Pflugwerk mit dem Eisen 9 Mgr.; eine Pflugspille 12 Mgr.; ein Pflug-
rad zu beschlagen 2 Mgr.; eine neue groſse Sense 30 bis 36 Mgr.;
ein Stahl vor eine Schneidelade 15 bis 18 Mgr.; eine Sicht-Sense 15,
18, 20 Mgr.; ein Strohschneidemesser 27 bis 30 Mgr.; eine Sichel
27 bis 30 Mgr.; ein Spade 6 bis 9 Mgr.; eine Schaufel 6 Mgr.; eine
Heuforke (Gabel) 3 bis 4 Mgr.; eine Mistforke 4 bis 4½ Mgr.; ein
Handbeil 14 bis 18 Mgr.; eine Pielhacke 6 bis 9 Mgr.; Platthacke
5 bis 7 Mgr.; gemeine Zugkette, das Glied 2 gute Pfennig; Pflugkette,
das Glied 3 gute Pfennig; Wagen- und Sperrkette, das Glied nach
der Stärke 4, 5 bis 6 Pfennig u. s. w. — bei denen, so weiter ent-
legen, kommt die Fracht in etwas höheren Anschlag.“


Im nächsten Artikel, welcher vom alten Eisen handelt, wird fest-
gesetzt: daſs die alten Eisen, so der Schmied von Pferden, Wagen oder
sonst abreiſst, dem Herrn desselben bleiben und sich der Schmied deren
nicht anmaſsen soll. Es folgen dann die Nagelpreise und Preise
der Kleinschmiede 1).


In Holland wurden bereits im 17. Jahrhundert die Zünfte auf-
gehoben, ebenso in Dänemark und Brandenburg.


Eisenhandel im 17. Jahrhundert.


Wie Handwerk und Gewerbe, so wurde auch der Handel durch
die landesväterliche Fürsorge geordnet, bevormundet und eingeschränkt.
Dies war besonders in Deutschland der Fall, wo der engherzigste
Partikularismus den Handelsgeist in Fesseln schlug. Der 30 jährige
Krieg machte dem Hansabund ein Ende, und zerstörte den Wohl-
stand der alten Industriestädte. Nirgends kommt der Rückgang
Deutschlands deutlicher zur Erscheinung, als in seinem Handel in
Vergleich mit dem seiner Nachbarländer. Deutschland aus tausend
Wunden blutend, zog sich nach dem 30 jährigen Krieg ganz in sich
selbst zurück, wie eine Schnecke in ihr Haus. Wenn nur der Landes-
[1031]Eisenhandel im 17. Jahrhundert.
fürst und sein Hof bestehen konnte, so war alles in Ordnung. Damit
dieser bestehen konnte, wurden Zölle, Wegegelder, Produktions- und
Konsumsteuern, Privilegien, Monopole und wie alle die Mittel hieſsen,
die fürstlichen Kassen zu füllen, Gewerbe und Handel aber zu be-
drücken, erdacht. Das Merkantilsystem, so recht für die Geldgier der
Fürsten wie geschaffen, galt als höchste Handelsweisheit; der Grund-
gedanke dieses Systems ist der, daſs Produktion und Handel durch
staatliche Maſsregeln so geleitet werden, daſs der Vorrat an Edel-
metallen, Gold und Silber, welche als einzige Wertmesser galten, sich
vermehrt. Eng damit hing zusammen, daſs jeder Staat alle seine
Bedürfnisse soviel wie möglich selbst erzeugen müsse. Wenn solche
Grundsätze in einem groſsen Staat, wie z. B. Frankreich, sich einiger-
maſsen durchführen lieſsen, so war dies geradezu absurd für eins der
kleinen, nach hunderten zählenden, deutschen Fürstentümer. Und
doch strebten die kleinen Herrscher demselben Ziele zu. Jeder
schloſs sein Ländchen trotz der unnatürlichsten Begrenzung möglichst
ab und schwelgte in dem Hochgefühl, absoluter Herr eines selbst-
ständigen Staates zu sein. Die Nachahmung französischer Einrich-
tungen und französischen Wesens wurde nach dem 30 jährigen Krieg
in Deutschland krankhaft. Patriotismus und Gemeinsinn gingen
dabei zu Grunde; Industrie und Handel, welche die Kosten aufzu-
bringen hatten, erlagen fast unter dem Druck. Es war für die herr-
schende Praxis nur ein kleiner Schritt, den Handel selbst zum Regal
zu machen, nur dem Fürsten das Recht, Handel zu treiben, zu-
zuerkennen, wie es denn in Ruſsland in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts wirklich durchgeführt wurde. Wie ganz anders war
die Handelspolitik Englands und namentlich Hollands. In diesen
Ländern suchte man in groſsem Maſsstab den Handel zu fördern.
Die eigene Heimat wurde dem Unternehmungsgeist zu eng, auf zahl-
reichen Schiffen suchte man in fernen Weltteilen neue Produktions-
und neue Absatzgebiete auf. Groſsartige Handelsgesellschaften ent-
standen, welche die Regierungen in jeder Weise unterstützten. Den
Vorrang behauptete in diesem Jahrhundert Holland, das seine
schwer erkämpfte Freiheit in der schönsten Weise gebrauchte und
durch seinen immer wachsenden Handel sich aus kleinen Anfängen
zu einer Groſsmacht ersten Ranges emporschwang. 1595 hatte sich
in den Niederlanden die Gesellschaft der fernen Länder gebildet, aus
welcher bereits 1602 die holländisch-ostindische Kompagnie entstand,
welche den Grund zur holländischen Kolonialmacht legte. Eine feste
Grundlage gab Holland seinem Handel durch Gründung der Giro-
[1032]Das Patentwesen im 17. Jahrhundert.
banken. 1609 wurde die Bank von Amsterdam, 1612 die von Rotter-
dam gegründet.


Englands Handel, durch Elisabeth von dem Joch der Hansa
befreit, entfaltete sich in demselben freiheitlichen Geiste. Die An-
fänge der groſsen ostindischen Handelsgesellschaft, welche sich zur
gröſsten Handelsgesellschaft der Welt entwickelte, fällt in das Jahr
1612, ihre eigentliche Gründung aber erst in das Jahr 1659. Die
überseeischen Länder wurden neue Absatzgebiete in erster Linie für
die englische, dann aber für die ganze europäische Industrie, an
welcher die Eisenindustrie einen sehr bedeutenden Anteil gewann.


Das Patentwesen im 17. Jahrhundert.


In England entwickelte sich in diesem Jahrhundert noch eine Ein-
richtung, welche für die Entwickelung der Industrie von Wichtigkeit
wurde, das Patentwesen. Privilegien und Monopole (Privilegia
exclusiva) waren schon früher erteilt worden, nicht nur auf neue Er-
findungen, sondern auch auf ganze Zweige des Handels und der
Fabrikation. Die Erteilung derselben entstand aus der Regalität und
war ein königliches Vorrecht. In Deutschland war es ursprünglich
nur der Kaiser, der Monopole verleihen konnte und wir werden bei
der Geschichte von Lüttich sehen, daſs im 17. Jahrhundert Kaiser
Ferdinand II. verschiedene Privilegien auf neue Erfindungen erteilte.
Da die Erteilung meist nur gegen hohe Abgaben stattfand, so war es
eine wichtige Einnahmequelle der Fürsten, die von denselben häufig
miſsbraucht wurde, zum Nachteil der Gesamtheit. Dies machte sich
besonders in England fühlbar. Unter der Königin Elisabeth hatten
Handel und Industrie einen groſsen Aufschwung genommen. Die
Zahl der Erfindungen mehrte sich, mehr aber noch das Verlangen,
vorteilhafte Monopole zu erlangen. Da die Erteilung derselben eine
Einnahmequelle war, welche noch nicht der Kontrole des Parlaments
unterstand, so war sie der Königin sehr bequem und sie erteilte eine
groſse Zahl von Monopolen und Patenten. Geschah dies von ihr
noch mit Vorsicht und Umsicht, so verlieh ihr Nachfolger Jakob I.
dieselben ganz nach Willkür und Gunst und leitete aus dem vom
Parlament geduldeten Verfahren seiner Vorgänger ein Recht für sich
[1033]Das Patentwesen im 17. Jahrhundert.
dafür ab. Dadurch kam er mit dem Parlament in einen Streit,
bei welchem er den Kürzeren zog. 1623 erklärte das Parlament alle
Monopole für ungültig, gab aber gleichzeitig der Erteilung der Pa-
tente eine gesetzliche Grundlage 1). Alle Monopole, Licenzen und
Patente („all monopolies and all commissions, grants and licenses,
charters and letterpatents), welche sich auf ein ausschlieſsliches
Recht zum Kaufen, Verkaufen, Gebrauchen und Verfertigen von
Gegenständen (the sole buying, selling, making, working, or using of any
thing) bezogen, wurden jetzt und für die Zukunft aufgehoben, dagegen
wurde unter Abschnitt VI. bestimmt: „Als Ausnahme wird jedoch
hierdurch erklärt und bestimmt, daſs die obige Erklärung nicht be-
zogen werden soll auf Patente und Privilegienbewilligungen auf die
Dauer von 14 Jahren und darunter, welche künftig über den aus-
schlieſslichen Betrieb oder das Machen irgend einer Art neuer
Verfertigung
innerhalb des Königreichs dem wahren und ersten
Erfinder
oder den Erfindern solcher Verfertigung erteilt werden“ u. s. w.
Das Gesetz setzte also nur die Bedingung der Neuheit und die Be-
schränkung der Dauer auf 14 Jahre fest; das Verfahren bei der Er-
teilung der Erfindungspatente und die Bedingungen der Erteilung
blieben lediglich der Regelung durch die Praxis überlassen. Eine
solche zum Gewohnheitsrecht gewordene Praxis bestand aber schon.
Als Dud Dudley 1619 seine Erfindung des Schmelzens des Eisens
mit Steinkohle gemacht hatte, schrieb er an seinen Vater, er möchte
sich bei dem König ein Patent dafür erwirken. Er beanspruchte
also als Erfinder ein Recht auf ein Patent. Die Erteilung lag freilich
ganz im Willen des Königs: er konnte das Patent erteilen, war aber
durchaus nicht dazu gezwungen; Dudley erhielt es, war aber, als
der Konflikt mit dem Parlament ausbrach, in Gefahr, es schon 1623
wieder zu verlieren, denn das Parlament verfuhr bei der Aufhebung
der älteren Patente und Monopole sehr summarisch. Dudley setzte
es aber durch, daſs auf Grund des Abschnitts VI. die Berechtigung
seines Patentanspruches anerkannt wurde und ihm das Patent zu-
gesprochen wurde, allerdings nach den neuen Bestimmungen nur auf
14 Jahre von 1623 ab, während es 1619 auf 31 Jahre erteilt
worden war.


Die ältesten Patente, die sich auf die Eisenindustrie beziehen,
und die wir bei der Geschichte Englands näher kennen lernen werden,
sind überhaupt von hohem Interesse. Sie haben die Form eines Ver-
[1034]Schulen und gelehrte Gesellschaften im 17. Jahrhundert.
trags zwischen dem Erfinder und dem König. In demselben wird
bereits eine Patentbeschreibung, die erst unter der Königin Anna
gesetzlich eingeführt wurde, verlangt, und zwar bis zu einer be-
stimmten Frist — allerdings erst nach der Patenterteilung. Eine
Frage, die ganz dem Gutdünken des Königs oder der Vereinbarung
überlassen blieb, war die Frage der Gebühren und Abgaben. Die-
selben sind anſserordentlich wechselnd und bestanden entweder in
einem Gewinnanteil oder einer festen Jahressumme. Sie flossen in
die königliche Kasse.


Die Beendigung der Willkür durch die Regelung des Patent-
wesens und die Patentordnungen von 1623 haben einen höchst segens-
reichen Einfluſs auf die englische Industrie ausgeübt. Einen groſsen
Teil des Vorsprungs, welchen die englische Industrie in dem Wett-
bewerb der europäischen Staaten in den folgenden Jahrhunderten
erreicht hat, verdankt sie dem Patentschutz, dessen Bedeutung die
Staaten des Kontinents erst Ende des vorigen Jahrhunderts einzu-
sehen begannen.


Schulen und gelehrte Gesellschaften im
17. Jahrhundert
.


Mehr auf die allgemeine Bildung, aber doch auch indirekt auf
die Eisenindustrie von Einfluſs war die Entwickelung der Bildungs-
mittel. Wir nennen hier in erster Linie den Volksschulunterricht,
für den sich in Deutschland Martin Luther das gröſste Verdienst er-
worben hat, sodann die Gründung gelehrter Gesellschaften. Zur Förde-
rung praktischer Kenntnisse durch Anschauungsunterricht trug nament-
lich der Orbis pictus des Commenius bei, welcher in 150 Kapiteln, deren
jedes einen Holzschnitt erklärt, das Merkwürdigste aus der Natur-
geschichte, den Handwerken und Künsten enthielt. Dieses Buch fand
auſserordentliche Verbreitung in Deutschland. Die Gründung der
Akademieen und Gelehrten Gesellschaften fällt fast zusammen
mit der Erfindung der Buchdruckerkunst. Ihre Heimat war Italien.
Die ältesten entstanden zwischen 1430 und 1440 in Neapel und
Florenz. Sie beschäftigten sich mehr mit philosophischen Studien.
Zum Zweck des Studiums der Naturwissenschaften bildeten sich im
[1035]Schulen und gelehrte Gesellschaften im 17. Jahrhundert.
17. Jahrhundert verschiedene Gesellschaften. Der geniale Giov
Battista della Porta errichtete in Neapel in seinem eigenen Hause
zu Anfang des Jahrhunderts die Accademia de secreti, in welche
keiner aufgenommen wurde, der nicht eine nützliche Entdeckung in
der natürlichen Philosophie oder der Medizin gemacht hatte. Dieser
Verein wurde aber, als der Magie verdächtigt, bald unterdrückt. Da-
gegen stiftete der hochgebildete Leopold Medici 1657 zu Florenz die
berühmte Accademia del Cimento, welche viel für das Studium
der Naturwissenschaften leistete und die erste naturwissenschaftliche
Zeitung, die „Saggi di Naturali Esperienze“, herausgab.


Die Académie Française, welche 1625 als Privatverein ge-
gründet und 1635 von Richelieu zur Akademie erhoben worden
war, beschäftigte sich nur mit Sprache und Dichtung, wogegen die
1666 von Colbert ins Leben gerufene Académie des Sciences
besonders dem Studium der Naturwissenschaften, der Geschichte und
Altertümer und der Kritik gewidmet war. 1691 gründete der un-
ermüdliche Colbert noch eine Académie de l’Architecture.
In Deutschland hatten sich schon früh wissenschaftliche Gesellschaften,
unter denen wir die von Conrad Celtes 1490 ins Leben gerufene
Sodalitas Celtica oder Rhenana zu Worms und die 1493 nach
Wien verlegte Donaugesellschaft (sodalitas Danubiensis) anführen.
Für das Studium der Naturwissenschaften wurde 1652 in Schweinfurt
die Academia Naturae Curiosorum von einer Gesellschaft Ärzte
(insbesondere Johann Lorenz Bausch) und Naturforscher ge-
gründet, welche 1667 mit kaiserlichen Privilegien ausgestattet zur
Leopoldinischen Akademie erweitert wurde, welche noch heute
besteht. Ihr voller Name lautet Academia Caesarea Leopoldino-
Carolina Naturae Curiosorum
.


Die Arbeiten der Mitglieder erschienen von 1670 an als Mis-
cellanea sive Decuriae Ephemeridum Medico-Physicarum. Am Schluſs
des Jahrhunderts, im Jahre 1700, stiftete König Friedrich I. von
Preuſsen durch den berühmten Leibniz die Societät der Wissen-
schaften
in Berlin, aus welcher 1744 die Königliche Akademie
der Wissenschaften
entstanden ist.


Von hervorragender Bedeutung für die Naturwissenschaften war
die 1654 in Oxford gestiftete, 1658 nach London verlegte und 1663
von König Karl II. zur öffentlichen Anstalt erhobene Royal Society,
welche von letztgenanntem Jahre an ihre Philosophical Trans-
actions
erscheinen lieſs. Neben den mathematisch-physikalischen
Arbeiten des groſsen Newton finden wir dort Aufsätze über prak-
[1036]Schulen und gelehrte Gesellschaften im 17. Jahrhundert.
tische Hüttenkunde. Die Royal Society und die Transactions nehmen
noch heute ihre hohe Stellung ein. Waren die Leistungen der wissen-
schaftlichen Gesellschaften im 17. Jahrhundert noch nicht hervor-
ragend, so waren durch dieselben doch die Organisationen geschaffen,
welche in der Folge, namentlich schon im folgenden Jahrhundert,
Bedeutendes auch auf dem Gebiete der praktischen Naturwissenschaft
geleistet haben.


Ebenso wichtig wie die wissenschaftlichen Vereinigungen waren
die Zeitschriften. Seit 1564 gaben die Buchhändler regelmäſsig
erscheinende Meſskataloge heraus. Kalender waren schon im 15. Jahr-
hundert erschienen. Die erste Zeitung erschien 1536 in Venedig, es
war eine geschriebene Wochenschrift. Die erste wissenschaftliche
Zeitschrift war das Journal des Sçavans, welches am 5. Januar
1665 von Denis Sallo Sieur de la Courdraye in Paris gegründet
und im Namen seines Sekretärs Sieur de Hedonville veröffentlicht
wurde. Sie erhielt sich unter verschiedenen Wechselfällen bis zur
Zeit der französischen Revolution 1792, und wurde dann 1816 unter
der Leitung des Siegelbewahrers fortgesetzt.


Seit 1663 gab die Royal Society in London durch ihren Sekretär
Henry Oldenburg ihre Philosophical Transactions heraus, anfangs
unregelmäſsig und bis zum Jahre 1750 in fortlaufenden Nummern
(1 bis 497), von da ab in Bänden. Ihr Inhalt ist fast ausschlieſslich
naturwissenschaftlich.


In Deutschland erschienen seit 1670 die Miscellanea Curiosa
Medica-Physica Academiae Curiosorum bis 1706 und dann von 1712
ab die Academiae Caes. Leopold. Nat. Curios. Ephemerides.


[[1037]]

Besonderer Teil.


DIE GESCHICHTE DES EISENS
IN
DEN EINZELNEN LÄNDERN.


Deutschland.

Indem wir uns nun zu der Geschichte der Eisenindustrie der ein-
zelnen Länder in diesem Zeitabschnitt wenden, beginnen wir mit
Deutschland, welches auch im 17. Jahrhundert noch die leitende
Stellung in der Eisenindustrie einnahm.


Wie im vorigen Abschnitte, so behandeln wir auch hier zuerst
die österreichischen Alpenländer, deren Eisen und Stahl sich des
gröſsten Rufes nicht nur in Deutschland, sondern auf dem Weltmarkt
erfreuten.


Steiermark.

Der Eisenhüttenbetrieb in Steiermark erfuhr während des ganzen
17. Jahrhunderts keine bemerkenswerte Veränderung. Der vortreff-
liche Eisenstein des Erzberges wurde zu Eisenerz und Vordernberg
in Stücköfen eingeschmolzen, und die erhaltenen Massen und Halb-
massen in Löschherden gereinigt und verschmiedet, wie wir das
bereits früher geschildert haben. Obgleich der Hochofenbetrieb in
Deutschland und auch in den Steiermark benachbarten Ländern
Eingang gefunden hatte, so hielten die Radgewerke am Erzberge mit
Hartnäckigkeit an dem alten Stückofenbetrieb fest, teils aus Eigensinn,
[1038]Steiermark im 17. Jahrhundert.
teils aus Besorgnis, daſs die Güte des weltberühmten steirischen
Eisens durch eine Veränderung des Betriebs leiden und der Handel
dadurch geschädigt werden könnte. Dagegen erbaute Graf Schwarzen-
berg
in den sechziger Jahren einen Hochofen (Floſsofen) in Turrach,
den ersten im Herzogtum. Die Eisenwerke von Turrach waren um
diese Zeit von den Schwarzenbergs gegründet worden. Brückmann
in seiner Magnalia Dei erzählt, daſs ein Graf Predinus von Schwarzen-
berg der eigentliche Gründer gewesen sei. Derselbe habe 1656/57 einen
Bergmann Namens Aigener in Dienste genommen, um Erze zu suchen.
Dieser habe die Eisenerze bei Turrach gefunden, worauf der Graf ein
Hüttenwerk anlegte. Die Konzession dafür erhielt er am 31. Januar
1660. Man baute zunächst einen Stückofen 1). „wobei man einen
sogenannten Floſsofen in Kärnthen im Gesicht hatte; da man aber
bei dieser Schmelzmethode sein Konto nicht fand, so baute der Blau-
meister Lukas Barnos im Jahre 1665 einen sogenannten Hochofen.“
Graf Predinus dirigierte die Hütte einige Jahre selbst. Es scheint aber,
daſs man auch mit diesem Ofen nicht zurecht kam und zu dem stei-
rischen Stückofen zurückkehrte, denn v. Pantz und Atzl schreiben 2),
man habe schon um 1650 einen Floſsofen in Steiermark erbaut ge-
habt, der aber nur kurze Zeit bestanden hätte, „weil der groſse
Kohlenverbrauch bei den Hammerwerken, um aus jenem Eisen eine
eben so gute, geschmeidige Ware zu erzeugen, erwiesen wurde, der
für die Zukunft Mangel an Kohlen besorgen lieſs“. — Brückmann
erwähnt noch in Verbindung mit obiger Notiz über den Turracher
Hochofen eine besondere Art der Behandlung der Erze. Er sagt, die
Brauneisensteine würden in viereckigen Röstofen (Stadeln) mit Scheit-
holz geröstet, alsdann in Kästen abgewässert. Diese Wässerungskästen
seien 20 Fuſs im Quadrat und 12 Fuſs hoch. An den vier Ecken
befänden sich Löcher. In diesen Kästen lassen man das Erz, das man
beständig feucht hielte, 1—2 Jahre stehen. Die Wässerung besorge
der Röstmeister, der beständig reines Wasser zuflieſsen lasse. In
diesen Kästen wurden auch die Erze bereits gatirt. — Einen dauern-
den Erfolg hatte dieser erste Versuch der Einführung des Hochofen-
betriebes aber nicht.


Traten in dem technischen Betrieb der steirischen Eisenwerke im
17. Jahrhundert keine wesentlichen Änderungen ein, so vollzog sich
[1039]Steiermark im 17. Jahrhundert.
dagegen hinsichtlich der Verwaltung der Eisenberg- und Hüttenwerke
eine groſse Umwälzung.


Im Jahre 1625 schuf Kaiser Ferdinand II. die Innerberger
Hauptgewerkschaft
. Bis dahin waren die Gewerken, welche den
Eisenstein am Erzberg bauten, die Radmeister, welche die Stücköfen
in Eisenerz betrieben, die Hammermeister im St. Gallener Wald und
an anderen Plätzen in Obersteiermark und Oberösterreich, sowie die
Verleger, die ihren Hauptsitz in der Stadt Steyr hatten, selbständige,
unabhängige Gewerbetreibende gewesen. Freilich war ihre Lage keine
beneidenswerte; sie lebten von Hand zu Mund und jede Geschäfts-
stockung traf die Gewerken hart und einer drückte den anderen: die
Verleger die Hammermeister, die Hammermeister die Radmeister.
Fand kein hinlänglicher Verschleiſs statt, so fehlte es an Geld und
die Rad- und Hammermeister sahen sich auſser Stand, den Betrieb
fortzuführen. Aus diesem Grund war 1569 durch landesherrlichen
Erlaſs die „Widmung“ eingeführt worden, welche den Verlegern einen
Verlagszwang bis zu einer gewissen Höhe über ihren Bedarf hinaus
auferlegte (siehe Seite 636), wofür denselben gewisse Distrikte zuge-
wiesen wurden, welche den erforderlichen Proviant zu liefern hatten.
Der Nutzen, den die „Widmung“, die also dem Rad- und Hammer-
gewerke ermöglichte, bis zu einer bestimmten Grenze auf Vorrat zu
arbeiten, brachte, war gering gegenüber dem Nachteil, welchen dieses
Zwangsverhältnis ausübte, das sich hauptsächlich in der Unterdrückung
jedes Fortschritts äuſserte. Die gegenseitige Bedrückung hörte nicht
auf und das Risiko des Verlegers, der in schlechten Zeiten gezwungen
war, Waren auf Lager zu nehmen, war bedenklich gesteigert. Um
zu Geld zu kommen, verschleuderten die Verleger oft ihre Lager zum
Nachteil der ganzen Industrie. Um sich gegenseitig zu helfen und
zu unterstützen, gewissermaſsen als eine Versicherung gegen den
Wechsel der Konjunktur, hatten die Verleger eine Gesellschaft, die
Eisenhandlungskompagnie zu Steyr, zu der ein Jeder seinen Beitrag
zu leisten hatte, gegründet. Hatten die religiösen Wirren, die Be-
drückung und Austreibung der Protestanten schon vorher das steirische
Eisengewerbe schwer geschädigt, so brachte der dreiſsigjährige Krieg
dasselbe alsbald an den Rand des Verderbens. Mehrere Mitglieder
der Eisenkompagnie verloren teils ihr Leben, teils ihr Vermögen, teils
flohen sie aus dem Lande. Da die Gewerken ihre Schulden nicht be-
zahlen konnten, schien der Konkurs der Gesellschaft unvermeidlich.
Da schickte Kaiser Ferdinand II., dem an der Erhaltung des steirisch-
österreichischen Eisengewerbes gerade in den schweren Kriegszeiten
[1040]Steiermark im 17. Jahrhundert.
doppelt gelegen sein muſste, im Einverständnis mit Erzherzog Carl,
der Landesfürst von Innerösterreich war und zu Graz residierte, eine
Hofkommission nach Steyr und Eisenerz. Nach langen Verhandlun-
gen entschied der Kaiser im Jahre 1625 durch Machtspruch: „daſs
sämtliche Rad- und Hammermeister-Entitäten cum fundo instructo
geschätzt, in eine Masse vereinigt, jedem der schuldige Teil in dem
Schätzungsbetrag abgeschrieben, der steirischen Eisenhandelskompagnie,
mit deren Gläubigern ein Amortisationssystem errichtet werde, als
Einlage aber zu gut gerechnet und alle einzelnen Radmeister, sowie
auch die Hammermeister in eins verschmolzen werden, die dann mit
der Eisenhandlungskompagnie als Verlagsglied eine Gesellschaft bilden
sollten, welche die Innerberger Hauptgewerkschaft der
Stahl- und Eisenhandlung im Erzherzogtum Oesterreich
und Land Steier
benannt wurde.“


Die einbezogenen Werke waren die 19 Radwerke von Eisenerz,
die Hammerwerke bei Groſsreifling, St. Gallen, Weiſsenbach und Alten-
markt in Steiermark, welche 18 verschiedenen Hammergewerken ge-
hörten, ferner die Hammerwerke von 23 Gewerken bei Kleinreifling,
Weyer, Reichraming und Hollenstein in Österreich. Auſserdem trat
die Stadt Steyr als Eigentümerin der Eisenhandlungskompagnie in
die Gesellschaft ein.


Der Wert der sämtlichen Radwerke in Eisenerz mit allem Zu-
behör wurde festgesetzt auf 257109 fl. 58 kr., der sämtlichen in Steier-
mark und Österreich gelegenen, zur Hauptgewerkschaft gezogenen
Hammerwerke mit 487672 fl. 25 kr. Die über die Errichtung der
Hauptgewerkschaft errichtete Urkunde, gewissermaſsen das Statut der
Gewerkschaft, hieſs die Kapitulation. In Eisenerz wurde im folgenden
Jahre ein Kammergrafenamt errichtet.


Dieser kaiserliche Gewaltakt, welcher die Rad- und Hammer-
meister der freien Verfügung über ihr Eigentum beraubte, hatte den
guten Erfolg, daſs die steirische Eisenindustrie trotz den Stürmen des
30 jährigen Krieges nicht zum Erliegen kam, vielmehr heiſst es in
alten Berichten über Eisenerz, daſs dieses berühmteste Eisenbergwerk
in Europa im Jahre 712 zwar erfunden, anno 1632 aber erneuert
und in besseren Stand denn je zuvor gesetzt worden sei. Die Betei-
ligten hatten aber wenig Genuſs davon. Allerdings stieg das Erträg-
nis bis 1638 auf 14 Prozent, sank aber von da ab, so daſs die
Interessenten kaum die in der Kapitulation zugesicherten 5 Prozent
Zinsen für ihr Kapital erhielten. Der Handel blieb andauernd schlecht,
die Gewerken, die keine Disposition mehr über ihr ererbtes Eigentum
[1041]Steiermark im 17. Jahrhundert.
hatten, waren unzufrieden mit dem Geschäft, wie mit der kaiserlichen
Regierung. Der Bankrott drohte von neuem, so daſs der Kaiser ge-
zwungen war, im Jahre 1669 abermals eine Hofkommission nach
Steiermark zu entsenden. Diese wuſste keine anderen Vorschläge zu
machen, als eine noch kompliziertere Oberverwaltung einzuführen.
Sie erlieſs ein „Additionale“ zu der Kapitulation von 1665, wodurch
die ganze Hauptgewerkschaft der Administration des „Oberkammer-
grafenamtes“ unterstellt wurde. Diese hohe Behörde leistete aber noch
weniger und opferte die Interessen der Beteiligten vollständig denen
des Staates. 29 Jahre hindurch bekamen die Gewerken gar nichts,
später nur höchst armselige Dividenden. Dafür wurde eine cassa
pauperum errichtet, aus welcher den verarmten Gewerken zeitweise
ein Almosen verabreicht wurde. Aber es wurde als schimpflich ange-
sehen, aus dieser Kasse Geld für den Betrieb zu entnehmen, obgleich

Figure 240. Fig. 229.


sie doch aus der Tasche der Gewerken und für dieselben gegründet
war. Die gröſsten Gewerken waren dadurch in der übelsten Lage.
Der Widmungszwang bestand dabei ungeändert fort. Dieser Zustand
dauerte bis zur Zeit Josephs II.


Von den Kammergrafen im 17. Jahrhundert nennen wir Ludwig
Anreiter von Zirnfeld
, welcher im Jahre 1686, während der Be-
lagerung von Wien durch die Türken, das Bergvolk zum Aufgebot
organisierte und die Verteidigung der steirischen Berge gegen die
auch in Steiermark hineinstreifenden Türken leitete.


Nach wie vor bestanden in Vordernberg 14 Radwerke und es
ist von Interesse, aus den Original-Pflockbüchern vom Jahre 1666
zu ersehen, daſs die Radwerkszeichen schon damals fast die-
selben waren, wie hundert Jahre später. Fig. 229 stellt diese wohl
in die ältesten Zeiten zurückreichenden Eisenzeichen oder Schutz-
marken dar.


Beck, Geschichte des Eisens. 66
[1042]Kärnten im 17. Jahrhundert.
Kärnten.

Die Eisenindustrie Kärntens hatte im 17. Jahrhundert dieselben
schweren Zeiten durchzumachen wie die Steiermarks. Die Verhältnisse
entwickelten sich aber doch insofern verschieden, als die Kärntner
Gewerken ihre Selbstständigkeit sich bewahrten. Dies geschah unter
schweren Kämpfen. Die Geschichte der kärntnerischen Eisenindustrie
in diesem Jahrhundert bietet fast nichts als eine Reihe von Streitig-
keiten, Vergleichen, Vertragsbrüchen und Gewaltthaten.


Das Unglück nahm seinen Anfang mit dem traurigen Emigra-
tions-Edikt vom Jahre 1596. Der Erzbischof von Salzburg forderte
von jedem protestantischen Hüttenberger Gewerken die Erklärung,
ob er zur katholischen Religion zurückkehren oder auſser Land
ziehen wollte. Infolgedessen wanderten viele und darunter die vermö-
gendsten Gewerken aus; ebenso zahlreiche Knappen und Beamten.
Die ärmeren Gewerke waren ganz in den Händen der Verleger, die
sie aufs schwerste bedrückten, denn sie nahmen denselben das Eisen
unter dem Wert ab, zahlten oft nur ein Drittel in bar und das mit
schlechter Münze, während sie für die übrigen zwei Drittel allerhand
Waren zu enormen Preisen lieferten 1). Dadurch waren die Gewerken
auſser Stand gesetzt, ihre Verbindlichkeiten gegen die Arbeiter zu
erfüllen, was einer so rohen, halsstarrigen, unausgesetzt auf uralte
Vorrechte pochenden Masse als Deckmantel für ihre mitunter gerecht-
fertigten Beschwerden und argen Ausschreitungen dienen konnte.


Die Klagen über Teuerung der wichtigsten Lebensbedürfnisse,
Ausfuhr von Getreide, Vieh und Schmalz nach Wälschland trotz des
heimischen Notstandes, des geringen, trotz der Teuerung unveränder-
ten Lohnes u. s. w. beginnen im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts
und hören bis zu dessen Schluſs nicht auf. Der Schichtlohn der
Bergknappen betrug 8—10 Kreuzer, während für Unschlitt und
Schmiedelohn, die in Abzug gebracht wurden, 4 Kreuzer den Tag
aufgingen. Die Verrechnung mit den Knappen erfolgte kaum alle
zwei Jahre und die Zahlung erfolgte in so schlechter Münze, daſs die
Arbeiter an jedem Thaler 4—5 Kreuzer Verlust hatten. Die richtigen
Vierundzwanziger rechneten die Gewerken zu 26 Kreuzer. Wollten
die Arbeiter mit dem schlechten Geld Einkäufe machen, so verwei-
[1043]Kärnten im 17. Jahrhundert.
gerten die Bauern und Händler die Annahme oder machten willkür-
liche Abzüge. Gingen sie über die Alpe nach Steiermark zum Ein-
kaufen, so muſsten sie dort die hohen Maut- und Aufschlaggebühren
zahlen. Die Bäcker, die Metzger, die Bauern, alle übervorteilten die
armen Arbeiter, die, dadurch zur Verzweiflung getrieben, in ihren
Klagen und Bittschriften öfter mit Aufstand und Auswanderung
drohten. Der Bergrichter Engel erklärte in einem Schreiben an den
salzburgischen Vizedom die Beschwerden der Knappen für gerecht-
fertigt und bittet um Abhülfe. Es geschah aber nichts. Nun kam
noch das Elend des 30 jährigen Krieges dazu mit seinen Auflagen
und Kriegssteuern. Infolge dessen trat ein solcher Notstand ein, daſs
im Jahre 1622 die Klagenfurter Bürger, von rasendem Hunger ge-
trieben, am hellen Tage in die Höfe der Bauern einbrachen, um mit
Gewalt den letzten Bissen zu nehmen. Die Hüttenberger Knappen,
die noch schwerer litten, brachen in offene Revolte und Ausstände aus
und drangen mit Gewalt in die Marktstädte Althofen und Krapffeld ein.
Das Erzstift Salzburg schickte Kommissare, die aber nichts ausrich-
teten. Gewalt half gar nichts; erst als der Vizedom Johann Baptist
Vischer
den Weg gütlicher Verständigung betrat und unter anderem
den Radmeistern ernstlich befahl, den Arbeitern zu geben, was sie
versprochen, und alle Ausfuhr von Getreide, Salz, Schmalz u. s. w. streng
verbot, gelang es demselben, diesen ersten gewaltsamen Aufstand der
Berg- und Hüttenarbeiter zu dämpfen.


Aber Unzufriedenheit und Miſshelligkeiten hörten damit nicht auf.
Klagen und Bittgesuche an die Regierung nahmen kein Ende. Neue
Kommissare wurden abgeordnet, die dann endlich am 19. Oktober
1646 einen Vergleich zu Stande brachten folgenden Inhalts 1):


  • 1. versprechen die Gewerken den Arbeitern die Venetianer Silber-
    krone nicht mit 2 Gulden, sondern mit 50 Schilling und die übrigen
    Geldsorten, wie sie gangbar sind, bei der Zahlung zu leisten;
  • 2. werden die Postgelder (Löhne) jedesmal zur rechten Zeit und
    das Getreide im Werte, wie es von halb zu halb Jahr im Preise
    steht, verabreicht;
  • 3. haben die Knappen das Erz nach richtiger Vermessung am
    Berge und nicht bei den Werkgaden zu geben;
  • 4. versprechen die Knappen nur an den von der hohen geist-
    lichen Obrigkeit festgesetzten und gebotenen Feiertagen zu feiern, an
    allen anderen Tagen aber fleiſsig zu arbeiten;

66*
[1044]Kärnten im 17. Jahrhundert.
  • 5. für diese Mehrarbeit der Knappen verabreichen die Gewerken
    an dieselben etwas mehr Unschlitt;
  • 6. haben sich Gewerken und Knappen über die Arbeit und alle
    Vorkommnisse nach billigen Dingen zu vergleichen, und sollte sich
    hierzu ein oder der andere Gewerke nicht herbeilassen, so solle das
    Berggericht zu Hüttenberg die Entscheidung treffen.
  • 7. Wenn die Knappen an den Kindtagen und anderen Werktagen
    ihre Arbeit nicht verrichten, wird jeder Dawiderhandelnde mit
    8 Kreuzer Strafe und der kleinen Bergpoen belegt.

Das hier erwähnte Feiern der Arbeiter an den „Kindtagen“ war
ein Krebsschaden der österreichischen Eisenindustrie, der dieselbe nicht
zu freier Entwickelung kommen lieſs und dessen schädliche Folgen
sich in diesem Jahrhundert noch fühlbar machen.


Folgende Tage wurden Kindtage genannt: der Tag des heiligen
Sebastianus, Blasius, Matthias, Markus, Philipp und Jakob, Vitus,
Florian, Kreuz-Erfindung, Johann der Täufer, Jakobus major, Anna,
Margaretha, Lorenz, Bartolomä, Kreuz-Erhöhung, Matthäus, Michael,
Lukas, Simon, Thaddäus, Leonhard, Martin, Clemens, Katharina,
Andreas, Barbara, Nikolaus, Thomas, Johann Evangelist und Unschul-
dige Kindlein, Sylvester, dann Oster- und Pfingstdienstag. Da überdies
noch die Samstage, die Feierabende vor hohen Festtagen und die
Quatember-Montage gefeiert wurden, ist es begreiflich, daſs die
Knappen im Jahre kaum 100 achtstündige Arbeits-
schichten verrichteten
, weshalb die Gewerken ein gröſseres
Personal zu halten gezwungen waren.


Der Vergleich von 1646 war geschlossen, aber gehalten wurde er
nicht. Schon im folgenden Jahre überfielen die Knappen aus Not, und
um den verhaſsten Viehaustrieb zu verhindern, einen wälschen Vieh-
transport, raubten 29 Ochsen, schlachteten und verteilten sie. — Die
Regierung hielt sich an die Gewerken, die sie mit einer Strafe von
800 Gulden belegte, von den Knappen einzuziehen. Auf jeden be-
teiligten Knappen kamen 5 Gulden, die diese geduldig auf sich
nahmen.


Von der österreichischen Regierung wurde eine neue Versamm-
lung nach Graz einberufen und der Althofener Vertrag revidirt und
angenommen. Bemerkenswert ist, daſs den Delegierten der Gewerken
das Geld ausging, so daſs der Gewerken-Ausschuſs für Reisekosten
und Zehrungskosten 433 Gulden aufzubringen hatte; diese wurden
umgelegt, so daſs auf eine Floſshütte 30, auf einen Hammer 18 und
auf eine Stückhütte 12 Gulden kamen.


[1045]Kärnten im 17. Jahrhundert.

Danach herrschte für einige Zeit Ruhe an der Eisenwurze. Aber
1660 fing durch Bedrückung der St. Veiter Verleger der Notstand
von neuem an, der die Hüttenberger Knappen 1662 wiederum zum
Aufstand trieb. Die Regierung machte sehr mit Unrecht statt der
Verleger die Gewerken dafür verantwortlich. Die verfaſsten dann in
ihrer Not 1666 eine umfassende Rechtfertigungsschrift. Darin legten
sie die Eigenmächtigkeit der St. Veiter Verleger im Gegensatz zu
den Bestimmungen der Bergordnung dar.


Diese Eigenmächtigkeit bestand wieder darin, daſs die Händler
unter dem Preis kauften, und nicht in bar, sondern in Waren, für
die sie willkürlich zu hohe Werte festsetzten 1), in Folge dessen die
Gewerken weder die Arbeiter noch die Kohlen für ihren Betrieb be-
zahlen konnten. Viele Gewerke seien dadurch bereits an den Bettel-
stab gekommen. Als dann die Gewerken ihr Eisen nach anderen
Städten zum Verkauf bringen wollten, lieſsen sich zwar die St. Veiter
herbei, in gangbaren Fünfzehnerstücken zu bezahlen, verfielen aber
auf den noch viel verderblicheren Ausweg, daſs sie die Preise für die
Eisenwaren bestimmten. Dadurch konnte es geschehen, daſs sie öfters
Eisen billiger verkauften, als es die Rad- und Hammermeister machen
konnten. So kostete z. B. der Meiler (= 500 Kilo) Roheisen nach beige-
fügter Spezifikation zu Mosinz und Lölling 18 Gulden 50 Kr. 2 Pf. und
zu Hüttenberg 19 Gulden 14 Kr., während die St. Veiter nur 18 Gulden
bezahlten. Als dann die Gewerken sich beklagten, schlossen die St.
Veiter 10 Wochen lang ihre Eisenwage wider Fug und Recht gänzlich,
wodurch sie viele Radwerke zwangen, still zu stehen und ihre Arbeiter
zu entlassen. Eine weitere Gesetzwidrigkeit bestand darin, daſs die
St. Veiter jedem Handelsmann verboten, jährlich mehr als 600 Meiler,
sei es geschlagenes oder Roheisen, zu verkaufen; dadurch wollten sie
den Einkaufspreis drücken und den Verkaufspreis in die Höhe schrauben
zu ihrem ausschlieſslichen Nutzen, während doch die Gewinnung der
Erze durch die zunehmende Tiefe der Gruben, und die Kohlen durch
den zunehmenden Holzmangel, alle anderen Betriebsmaterialien aber
gleichfalls teurer wurden. Mit Unrecht behaupteten die Veiter durch
eine verdrehte Auslegung ihres Privilegiums von 1399 ein Monopol
auf das Hüttenberger Eisen zu haben.


Diese Hauptklagepunkte der Rechtfertigungsschrift gaben schon
genügenden Einblick in die traurige Lage der Hüttenberger Gewerke,
die denn auch dazu führte, daſs die meisten derselben zu Grunde
[1046]Kärnten im 17. Jahrhundert.
gingen und die St. Veiter, welche die Hypothekengläubiger waren,
die Berg- und Hüttenwerke in ihren Besitz brachten. So wurden die
St. Veiter Handelsherren, die Christallnike, Steinkeller, Pfeilheim,
Secherau, Werthengreis, Ottenfels, Mayerhofer u. s. w. die bedeutendsten
Radmeister und Bergwerksbesitzer zu Hüttenberg und Lölling. Nur
die Gewerkenfamilie Rauscher konnte der Ungunst der Zeit trotzen
und sich von einfachen Bauern-Gewerken zu reichen Radmeistern
emporschwingen.


Erfolg hatte die Rechtfertigungsschrift augenscheinlich keinen,
denn 1673 muſsten die Gewerken bereits wieder eine neue Beschwerde-
schrift gegen die St. Veiter bei der innerösterreichischen Regierung
in Graz einreichen, in der sie auf das gänzliche Erliegen des Eisen-
handels und den zu befürchtenden Untergang des Bergbaues mit allem
Ernst hinwiesen. Daraufhin schrieb die Regierung eine Tagsatzung
aus. Sie verlangte von den Gewerken genaue Angabe, wie viel die
Eisenhändler den Gewerken schulden, wie viel Ware diese statt Geld
und zu welchem Preise sie dieselben annehmen müssen, wieviel Verlag
und Postgeld sie bekommen und wie hoch vor Jahren der Eisenver-
kauf gewesen sei. Diese Untersuchung der Regierung führte zu einem
zwischen den Radgewerken von Hüttenberg, den übrigen ober- und
unterkärntnerischen Waldeisen-Gewerken und der Kammerstadt
St. Veit am 15. Oktober 1675 abgeschlossenen auf 12 Jahre gültigen
Vergleich 1) mit folgenden Bestimmungen:


1. Sollte dieser Vergleich der landesfürstlichen Jurisdiction, den
Regalien-Rechten, Gerechtigkeiten, Maut, Aufschlag und Waggeld u. s. w.
der Hüttenberger Bergordnung und den St. Veiter Niederlags-Frei-
heiten unschädlich sein;


2. die von der Stadt St. Veit unbefugt einige Zeit mit einigen
Verlegern gemachten Pakte und Sperrung der Abwage soll aufgehoben
sein, und Jedem der Eisenhandel freistehen;


3. zur Bestreitung der Auslagen wird als Niederlagszins bestimmt
für Steuer, Kontribution und Rüstgeld 33 Kreuzer. Es ist ferner zu
entrichten für: Brescianstahl, Brescianeisen (Preschaneisen), Strockeisen,


  • Stückstahl, Zwizach   vom Meiler (500 kg) 1 fl. — kr.
  • Splasy (Radreifen), Wallascheisen,
    geschlagen Eisen   „ „ — „ 45 „
  • Rauheisen, Flossen   „ „ — „ 30 „
  • Graglach (Gradlands) und Waschwerk „ „ — „ 15 „

[1047]Kärnten im 17. Jahrhundert.

Von den Gurkischen und Straſsburgischen wurden höhere Sätze
erhoben.


Diese Gebühren und überdies jene zur Erhaltung des Obristberg-
meisters in Kärnten, 15 Kreuzer per Meiler, wurden mit und neben
dem kaiserlichen Aufschlage bei der Abwage entrichtet. Der St. Veiter
hat beim Handel, wenn er gleich viel als ein Fremder bietet, vor
diesem den Vorzug;


4. sollte die Stadt St. Veit die Macht und Gewalt haben, Eisen von
Gläubigern mit Beschlag zu belegen, und zwar so, wenn das Gut noch
zu Althofen liegt, solle der Bergrichter von Hüttenberg, liegt es aber
zu St. Veit, der kaiserliche Oberbeamte zur Austragung der Sache
und Sperrung der Wage behülflich sein; gleiches könne im entgegen-
gesetzten Falle gegen die St. Veiter angewendet werden;


5. versprechen die Gewerken, nicht so groſse und schwere
Stücke zu erzeugen
, widrigenfalls dieselben den Verkäufern zu-
rückgestellt werden sollen;


6. die Spedierung des Eisens per Kommissionen ist bei Strafe der
Konfiszierung verboten;


7. das Bistum Gurk darf nicht mehr als 1500 Meiler jährlich
auſser Land versilbern;


8. damit die alten Werke baulich in stetem Betrieb erhalten und
mit hinlänglicher Kohle versehen werden, solle verboten sein,
neue Werkgäden ohne landesfürstlichen Konsens zu
errichten
;


9. versprechen die interessierten Teile diesen Vergleich fest durch
vorgeschriebene 12 Jahre zu halten und folgen die Unterschriften.


Damit waren aber noch nicht alle Streitpunkte aus der Welt ge-
schafft. Ein solcher, der 1676 zu heftigen Erörterungen führte, war
die Forderung der adeligen Gewerke auf das ausschlieſsliche Recht
des Vorsitzes. Wichtiger war das Verlangen der Knappen, das 1678
zu Gewaltthätigkeiten führte, daſs keine Jungen am Berge angestellt
werden durften, so lange noch Knappen unbeschäftigt seien. Eine
Klage der Hüttenberger Bürger bezog sich auf unbefugten Handel
und Ausschank seitens der Hütten- und Hammerschreiber.


Die Knappen kamen dem Verbot der Feier der Kindtage von
1646/47 nicht nach und die Streitigkeiten darüber nahmen kein Ende,
bis 1680 die Gewerken die Feier der meisten derselben, „damit die
bei den Bauern wohnenden Knappen ihren Zins abarbeiten können“,
wieder erlaubten. Zugleich kamen die Gewerken mit den Arbeitern
überein, statt der bisher üblichen Bezahlung nach Anzahl der Fuder
[1048]Kärnten im 17. Jahrhundert.
um 1 Pfund Pfennig oder des Gedinges, alle vier Wochen
den Knappen ½ Vierling Weizen, ½ Vierling Korn und 6 Pfund
Unschlitt zu geben, Getreide und alle Viktualien nach den Georgi-
und Weihnachtspreisen das ganze Jahr hindurch zu rechnen und
zwei Gulden Postgeld zu reichen. Es entstanden so im Jahr 13 Ab-
löhnungen. Am Schlusse des Jahres wurden die vorausbezahlten
13 Posten, das abgefaſste Getreide von der Summe des Geding- und
Schichtenverdienstes in Abzug gebracht und das „Freigeld“ bar aus-
bezahlt. Zum Betrieb einer Stückhütte waren damals 7—8 Knappen
erforderlich.


Zwischen den Hauptniederlagsorten St. Veit und Althofen fanden
in diesem Jahrhundert keine Streitigkeiten mehr statt. Althofen hatte
bereits das Eiseneinkaufsrecht verloren, es verblieb ihm nur die Wage,
da alles Eisen von der Eisenwurze verwogen werden muſste. Der Haupt-
eisenmarkt dagegen war unbestritten St. Veit. — Die Erträgnisse des
salzburgischen Erzstiftes beliefen sich jährlich auf 1200—1500 Gulden.
Maut und Eisenkammer waren zu Althofen. Den Hüttenberger Bür-
gern blieb es nach wie vor streng untersagt, mit Eisen zu handeln;
natürlich trieben sie um so mehr Schleichhandel, wozu sie um so
mehr veranlaſst wurden, weil sie von den Gewerken häufig Eisen statt
Geld in Zahlung bekamen.


Ein Streit zwischen St. Veit und Völkermarkt wurde 1673 durch
Vergleich dahin entschieden, daſs die Völkermarkter in Mosinz, Hütten-
berg, am Treibacher Floſsofen, Voitscher Stückofen und Göllinger
Hammer gemeinschaftlich mit St. Veit Eisen einkaufen, Lölling und
die Gegend von Straſsburg aber den St. Veitern allein zum Einkauf
verbleiben sollten.


Der Straſsenzwang bestand wie im 16. Jahrhundert. Es durfte
kein Eisen nach Steiermark, Salzburg und Tirol bei Konfiskation
und noch härteren Strafen gefahren werden; alles Eisen, das ausge-
führt wurde, muſste gegen Krain und die windische Mark oder Italien
geführt werden.


Weiter wurden im Laufe des 17. Jahrhunderts folgende Anord-
nungen getroffen: Alle Radmeister müssen Bergtheile haben (1603).
Der Samb Kohl darf in Hüttenberg nicht höher als mit 15 Kreuzer
bezahlt werden. Das geschlagene Eisen darf mit Bändern gebunden
werden (1604).


1612 errichteten die Feuerarbeiter eine Bruderlade. Jeder hat
in dieselbe jährlich 6 Kreuzer zu zahlen. Ein fremder Arbeiter zahlt
bei der Aufnahme 2 Gulden, bei Aufnahme eines Jungen hat der
[1049]Kärnten im 17. Jahrhundert.
Meister 30 Kreuzer, für einen Gradler 15 Kreuzer zu entrichten. —
1642 wird der Zehnte in Natur abgeschafft, statt dessen vom Meiler
Stück- oder Floſseisen 50 Kreuzer Abgabe entrichtet. — 1647 wurde
die Kohlenbrüderschaft gestraft, weil sie der Knappenbruderlade ohne
Vorwissen des Bergrichters 4 Kronen zu aufrührerischen
Zwecken
geliehen hatte.


Seit dem Jahre 1686 herrschte ziemliche Ruhe an der Eisen-
wurze. 1697 wurde im Monat September ein Dankamt mit fünf Geist-
lichen und mit Te Deum Laudamus ob des vom Prinz Eugen über
die Türken erfochtenen Sieges abgehalten; dabei war groſser Knappen-
aufzug. Jeder Knappe erhielt drei Kreuzer Gratislöhnung.


Bietet die Eisenindustrie Kärntens im 17. Jahrhundert wirtschaft-
lich im ganzen ein trauriges Bild, so zeigt sie doch eine wenn auch
mäſsige fortschrittliche Entwicklung in technischer Beziehung. Während
sich die steirische Eisenindustrie ihrer Selbständigkeit begeben hatte,
wodurch jeder Antrieb zu selbständiger Entwicklung in Wegfall ge-
kommen war, hatten die Kärntner Knappen, Gewerken und Ver-
leger ihre Selbständigkeit bewahrt und dadurch hörte das Streben
nach Verbesserung nie gänzlich auf. — Mögen die St. Veiter Verleger
ihre kapitalistische Übermacht in noch so schnöder Weise den Ge-
werken gegenüber miſsbraucht haben, so ist ihnen doch das Verdienst
nicht abzusprechen, daſs sie nach Verbesserungen im technischen Be-
trieb strebten und die wichtigste Verbesserung der Zeit, die Einfüh-
rung des Hochofenbetriebs, gegen den Widerstand der Gewerken
durchsetzten. Wir haben schon früher berichtet, wie die Stadt St. Veit
im Jahre 1567 die Konzession zur Erbauung eines Floſsofens erwirkte
und zwischen 1567 und 1580 denselben errichtete und in Betrieb setzte.
Als sie aber im Jahr 1606 auch zu Hüttenberg einen solchen Floſs-
ofen erbauen wollte, erhoben sich die Radgewerke, welche von den
neuen Öfen mit kontinuierlichem Betrieb und gesteigerter Produktion
den gröſsten Schaden für ihre Stückofenhütten fürchteten, einmütig
und mit aller Entschiedenheit dagegen und sie erreichten es auch,
daſs den St. Veitern die Konzession nicht erteilt wurde. Die Regie-
rung riet aber den Gewerken, gemeinschaftlich einen Unionsofen zu
Hüttenberg zu erbauen. Das wurde von den Gewerken gutgeheiſsen
und zum Beschluſs erhoben, kam aber nicht zur Ausführung, weil sie
sich über die Anteile nicht verständigen konnten. Die groſsen Ge-
werken verlangten auch gröſsere Anteile, Karl Veldner von Treibach
sogar die Hälfte. Als man das Begehren abwies, erbaute dieser im
Jahre 1606 in Treibach auf eigene Rechnung, ungeachtet des Ver-
[1050]Kärnten im 17. Jahrhundert.
botes seitens des Vizedom und Bergrichters, ohne Konzession einen
Floſsofen, den zweiten in Kärnten. Auf diesen Treibacher Floſsofen
erhielt am 10. Mai 1610 Carl Veldner und alle seine Erben einen
Verleihbrief von Herzog Ferdinand zu Österreich und dem Erz-
bischof Wolf Dietrich zu Salzburg „in solcher gestalt und Beschei-
denheit, daſs nun hinfüro Herr Veldner und alle seine Erben, solchen
verliehenen Floſsofen, zu ihren besten Nutzen und Fromben gebrauchen
und verwerthen, auch bey der Fürsten Cammer Gütter auf das Böste
und möglichst hierdurch befördern helfen sollen, Inmassen ihnen dann
auch der Eysen Stain an diesen Bergwerch Hüttenberg auf solchen
Floſs Ofen zu führen vergünstiget und verwilliget worden ....“.


Ein weiterer Floſsofen wurde in Heft erbaut. Die Konzessions-
urkunde ist datiert vom 5. Juli 1623 1) und gewährt „den Edlen und
festen Hanssen und Andree Platzer, beiden Herren Brüdern, und ihren
beiden Erben, aus der gangbaren Mayrhütten wiederum ein gangbare
Floſshütten, damit mehr höchstgedachter Römisch kayserl. Majestät
auch das hochfürstl. Salzburg. Kammergut desto ansehnlicher könnte
befördert werden, zu erbauen....“ Der vierte und letzte Floſsofen
in diesem Jahrhundert wurde 1650 zu Gillizstein bei Eberstein von
Francesko Maxikon erbaut.


Von hohem Interesse ist das erhaltene Bruchstück des Schmelz-
buches vom Urtler Floſsofen vom Jahre 1625 im St. Veiter Stadt-
archiv 2). Es heiſst: „Hüten Puechl oder Verzeichnus Was für Flosen
von Wochen zu Wochen bei Gemainer St. Veith Playhaus zu Urtl vom
4. April bis 8. Juni, daſs sein neun Wochen zween Tag (Im den
Ersten Umblaſs gemacht worden).


— 1625 — „Allain in Gottſs Namen angefangen“. — Hierauf
folgt die tägliche Erzeugung. In den neun Wochen wurden 450 Flossen
zu ca. 108800 Kilo erblasen, also 50 Flossen die Woche, oder 8 bis
9 Flossen zu 242 Kilo in 24 Stunden. Jede Flosse entspricht einem
Abstich. Die Tagesproduktion überstieg also 2000 Kilo, war also im
Vergleich mit der der Siegener und Harzer Hochöfen in Deutschland
hoch.


Eine zweite Kampagne fand in demselben Jahr vom 15. Sep-
tember bis 15. Dezember statt. Der Bericht darüber lautet wie folgt:
Allain Gottes Namen angefangen.


An deſs Cornelius Tag, das ist der 15. September an ain Monn-
tag Nachmittag Umb 1 Uhr haben Wyr In den Namen Gotteſs der
[1051]Kärnten im 17. Jahrhundert.
heiligen Drey Valtigkheit alda bei Gemainer Statt St. Veith Playhauſs
an der Urtl Angefangen Umb zu laſsen Und zu arbeiten: Flosen zu
machen. Dar zu Gott der Almechtige darzu seinen Göttlichen Segen
geben wolle. Amen.


Pfingstag erfolgte der Erste Abstich und wurden 9 Flosen gemacht.


  • 1. Woche 23 Flosen   4710 kg
  • 2. „ 43 „   10025 „
  • 3. „ 49 „   11810 „
  • 4. „ 53 „   12295 „
  • 5. „ 54 „   12185 „
  • 6. „ 30 „   6945 „

Pfingstag, Freitag, Sambstag sein platen gosen: auf Verschaffung
Herrn Bürgermeister: Herrn Talman, Stattrichter: 6: mer Herrn
von Halleg, Herrn von Ernau, mer auf an Schaffung Herrn Bürger-
meister Suma der Platen 15 Stuekh die sein alle durch gemaine
Statt: Fuer nach St. Veit gefyrt worden alda an der hitenwag
gebogen   2265 kg


  • 7. Woche 52 Flosen   12695 „
  • 8. „ 52 „   12655 „
  • 9. „ 52 „   13205 „
  • 10. „ 54 „   13745 „
  • 11. „ 57 „   14200 „
  • 12. „ 58 „   14185 „
  • 13. „ 58 „   14140 „
  • 14. „ 14 „   3500 „
  • 650 Flosen 158510 kg

Summa Summarum dieses Umblaſs von den 15. September deſs
1625. Jar bis 15. Dezember Khol halber (aus Kohlenmangel) aus-
gelescht: Und sein 2 Tag 13 Wochen Flosen gemacht 650 Stuckh
oen (ohne) der platte wogen allda


  • an der Hüttenwag   156245 kg
  • 15 Platten wogen  2265 „
  • Summa Summarum 158510 kg

In dem 1625. Jahr. — In den beschehen zwayen Umblaſse in
diesen Jar gearbeitet wurde 23 Wochen 366 Züg 2 Flosen 15 Platen
gemacht und wogen an der Hüttenwag 267325 kg = 534 Meiler
6 Ctr. 50 Pfd. Die Durchschnittsproduktion für 24 Stunden betrug
demnach 1676 kg.


Nach den Rechnungen erwuchsen bei dieser letzten Kampagne
folgende Herstellungskosten:


[1052]Kärnten im 17. Jahrhundert.
  • Erzgewinnung (Sambkost und Artztlosung) 1264 fl. 32 Kr.
  • Kohlenankauf   3120 „ 11 „
  • Erzfracht   1133 „ 25 „
  • Kohlenfracht   970 „ 59 „
  • Flossenfracht nach Althofen   67 „ 48 „
  • Hütten- und Schmiedekosten   716 „ 15 „
  • Gebäudeunterhaltung   76 „ 23 „
  • Zehrungen   141 „ 39 „
  • Gemeine Ausgaben   328 „ 22 „
  • Provisionen und Hüttenarbeiterlöhnungen 1118 „ 02 „
  • 8937 fl. 36 Kr.

Die Gestehungskosten für einen Centner Flossen betrugen dem-
nach 1 Gulden 40 Kreuzer, ca. 3 Mark.


Die Floſshütte zu Urtl bediente 1 Plaher, 3 Ofenknechte, 1 Kohl-
stürzer, 4 Erzpocher, 1 Wascher, 1 Fuhrknecht und 1 bis 3 Hilfs-
arbeiter. Der Plaher hatte per Woche 3 Gulden und jährlich
25 Gulden Leihkauf, ein Ofenknecht 1 Gulden 30 Kreuzer und jähr-
lich 3 Gulden Leihkauf, die Erzpocher 1 Gulden, der Fuhrknecht
1 Gulden 30 Kreuzer, die übrigen Arbeiter 45 Kreuzer Wochenlohn,
die Wascher per Meiler Wascheisen 4 Gulden. Die Hüttenarbeiter,
welche wieder angelobten, erhielten am Ende des Jahres ein Viertel
Raitwein und um 1 Kreuzer Brot.


Die Blasebalgreparaturen, die oft die Ursachen der kurzen Kam-
pagnen waren, verursachten groſse Kosten. Nach einer Rechnung
vom Jahre 1607 betrugen diese:


  • für 8 Ochsenhäute à fl. 7,30   60 fl. — Kr.
  • „ 2 Ochsenhäute à „ 6,30   13 „ — „
  • „ 131 Pfd. Schmeer   19 „ 39 „
  • „ Kostgeld für die Balgsetzer   7 „ — „
  • „ 40 Viertel Wein für die Balgsetzer 10 „ 48 „
  • „ Lohn der Balgsetzer   15 „ — „
  • „ 2 Pfd. Leim   — „ 20 „
  • „ Staubmehl und Drahtgarn   — „ 12 „
  • „ Eisenbeschläge  12 „ — „
  • Summa 137 fl. 59 Kr.

Die Balgsetzer waren ein angesehenes Volk, das von einem Werk
zum andern reiste.


Die Flossen wurden verfrischt und entwickelte sich in Kärnten
ein besonderes Frischverfahren sowohl für Eisen, wie für Stahl,
das wir kurz beschreiben wollen.


[1053]Kärnten im 17. Jahrhundert.

Dem eigentlichen Frischen ging eine ganz eigentümliche Vor-
bereitungsarbeit voraus, das „Blattelbraten“. Das in der Regel
graue Roheisen wurde von der Floſshütte in der Form von Scheiben
oder Blatteln geliefert. Um diese zu erhalten, leitete man das Roh-
eisen bei jedem Abstich in einen trichterförmigen Sumpf, welcher
auf der Hüttensohle, nahe bei der Abstichöffnung, in Sand geformt
war und hob von der Oberfläche die erstarrten Scheiben, ganz wie
beim Kupferhüttenprozeſs die Garkupferscheiben, ab 1). Zuerst wurden
die Schlacken von der Oberfläche des in dem Sumpf befindlichen
Roheisens abgezogen, und wenn das Eisen ganz gereinigt war, wurde
zum Blattelheben oder -reiſsen geschritten. Nur graues Eisen war
hierzu geeignet und bei diesem fielen die Scheiben um so dünner aus,
je leichtflüssiger die Beschickung war, aus welcher das graue Roh-
eisen erblasen wurde. Zum Blattelreiſsen bediente man sich einer
leichten Brechstange, um die durch das starke Begieſsen mit kaltem
Wasser zum Erstarren gebrachte Scheibe auf der Oberfläche des Roh-
eisenbades von der darunter befindlichen Eisenmasse etwas zu heben;
und einer Ofengabel, um die glühenden Scheiben vollends abzuheben.
Die Scheiben wogen 10 bis 15 kg und sollten nicht dicker wie etwa
7 mm sein.


Diese Blatteln wurden alsdann gebraten, d. h. längere Zeit
bei mäſsigem Luftzutritt geglüht. Dadurch wurde eine Oxydation an
der Oberfläche des Roheisens bewirkt und der gebildete Glühspan
wirkte wieder auf das anliegende Eisen entkohlend ein. Es bildete
sich um den grauen Roheisenkern eine lichtgraue, fast weiſse Hülle
von entkohltem Eisen (Glühfrischen). Je länger das Braten gedauert
hatte, desto dicker war der lichtgraue Saum, welcher bei hinläng-
licher Dauer des Prozesses den dunkelgrauen Kern zuletzt ganz ver-
drängte. Erhitzte man ein Stück von solchem gebratenen Roheisen
mit noch grauem Kern vorsichtig in einem gewöhnlichen kleinen
Schmiedefeuer, so floſs der graue Kern aus, während der lichte Saum
völlige Schweiſshitze annahm. Der erstere war noch Roheisen, der
letztere geschmeidiges, wiewohl noch unreines Frischeisen. Man
muſste beim Braten zu starke Erhitzung vermeiden, sowohl wegen
der unnötig gesteigerten Glühspanbildung, als wegen des Aus-
schmelzens. Dickere Scheiben als solche von 7 mm lieſsen sich nicht
mehr mit Erfolg braten. Das Braten geschah auf sehr einfachen
Bratherden. Der Bratherd bestand aus einem etwa 10 cm über
[1054]Kärnten im 17. Jahrhundert.
der Hüttensohle aus Lehm hergestellten Fläche, welche in der Mitte
mit einem Luftkanal versehen war. Die eine Seite, wo das Einsetzen
und Ausheben geschah, war frei, die andere mit einer Brandmauer
geschlossen, an welche der zu bratende Blattelfloſs angelehnt wurde.
Ueber dem Bratherd war ein Mantel angebracht, welcher die Funken
und die heiſsen Gase nach einer Esse abführte. Der Luftkanal war
10 cm breit und tief, entweder aus Ziegeln gemauert oder aus Guſs-
eisen. Oben wurde er durch aufgelegte Blattelstücke abgedeckt.
Durch denselben wurde zur Unterhaltung des Feuers während des
Bratens ein schwacher Luftstrom mittelst eines Gebläses durchgeführt.
Der Herd war etwa 1,5 m breit und 6 m lang und konnte man um
denselben herumgehen. Der Blatteleinsatz betrug ungefähr 5000 kg.
War der Kanal abgedeckt, so wurde entlang demselben eine 10 bis
15 cm hohe Lage von Braschen aufgetragen, darüber die Blatteln in
wenig geneigter Lage so gestellt, daſs die erste Reihe an die Brand-
mauer, die folgenden an die bereits aufgestellten sich anlehnten. Der
Blattelhaufe muſste möglichst dicht geschlossen sein. Er wurde mit
kleinen Braschen überstreut, auf welche man meist noch einige Töpfe
fein gepochter Garschlacke auftrug. Hierüber folgte dann eine Lehm-
decke. Das Anzünden geschah in dem der Brandmauer gegenüber-
liegenden Ende. Die Regulierung und gleichmäſsige Verteilung der
Hitze war das wichtigste bei diesem Prozeſs. Wenn das zuerst ent-
zündete Ende des Haufens schon hinlänglich durchgeglüht war, aber
noch in völliger Glut sich befand, schritt man zum „Bratenreiſsen“,
d. h. man riſs die ganz gebratenen Partieen los, worauf man den
Haufen sogleich wieder schloſs, ähnlich wie bei dem ersten Kohlen-
ausziehen bei der Holzverkohlung. Man riſs in der Glühhitze auf,
weil dies besser ging als nach dem Erkalten, wo alles zusammen-
gebacken war. Bei etwa 7500 kg Einsatz konnte man nach 30 Stunden
mit dem Bratenreiſsen beginnen, das in etwa 10 Stunden beendigt
war. Von dem Fortgang des Bratens überzeugte man sich durch
Bruchproben, die man nahm. Bei manchen Blatteln lief der graue
Kern aus, doch war dies nicht erwünscht, da sich diese „Renner“ für
sich allein nur schwer verfrischen lieſsen. Ein Gewichtsabgang fand
beim Braten nicht statt. Theoretisch muſste sogar eine Gewichts-
zunahme stattfinden, weil die Sauerstoffaufnahme bei der Glühspan-
bildung gröſser war, als die Abscheidung der Kohle. Aber bei dem
Bratenreiſsen waren mechanische Verluste nicht zu vermeiden. Bei
der Anwendung gepulverter Frischschlacke fand allerdings eine merk-
liche Gewichtszunahme statt.


[1055]Kärnten im 17. Jahrhundert.

Diese gebratenen Blatteln wurden nun einem Frischprozeſs unter-
zogen, der manche Ähnlichkeit mit der früher beschriebenen Mügla-
schmiede hat.


Die kärntnerische Frischschmiede war eine Löschfeuer-
schmiede, in welcher also das Ausheizen zum Ausschmieden in dem-
selben Herd geschah wie das Frischen. Dieser Herd war in der
Regel ringsum von eisernen Zacken, „Abbrändern“, umgeben und
hatte einen Stein oder eine Eisenplatte als Boden. Die Seitenwände
standen ziemlich lotrecht, nur das Sinterblech, gleichfalls ein mit
den nötigen Stichlöchern versehener Abbrand, war in der Regel
1 bis 2 Zoll vorwärts geneigt. Breite und Länge des Herdes be-
trugen 22 bis 25 Zoll; die Tiefe 12 bis 14 Zoll. Die Eſsbank lag
2 bis 3 Zoll erhöht. Auf der hinteren Seite stand der 2 bis 3 Zoll
dicke Abbrand mit seinem oberen Rande in der Regel frei und da-
hinter erst stieg die 24 bis 30 Zoll hohe Wolfsmauer in die Höhe 1).
Das Eſseisen hatte 1½ Zoll Mündungsdurchmesser, 15 Grad Neigung
und war gewöhnlich ¼ Zoll unterfeilt. Der Boden des Herdes er-
hielt eine 4 bis 6 Zoll dicke Löschschicht. Wurde diese Lage
schwächer, so trat Rohgang ein, wurde sie stärker, Gargang. Diese
Schicht muſste sorgfältig hergestellt und fest gestampft (verstaucht)
werden. — Auf der Windseite wurde nach gefülltem Herd in dem
daselbst befindlichen Löschwall mit der kleinen Schaufel ein Bett
für die erste Hälfte des einzuschmelzenden Roheisens so gegraben,
daſs die darauf gelegte Partie gebratener Blatteln 6 Zoll höher als
die Form und bei 20 Zoll von dieser entfernt zu liegen kamen. Man
machte ein Blattelpacket von 15 bis 18 Zoll Länge, 8 bis 10 Zoll
Breite und 6 Zoll Höhe, was sorgfältig eingelegt, nicht aber in eine
Zange gefaſst wurde. Während des Ausheizens wurde es mit der
Rennstange langsam vorgewuchtet.


Der Deul (die Luppe) wurde bei der kärntnerischen Löscharbeit
nur in zwei Masseln geschroten, die nicht sehr dick, aber lang waren.
Sie wurden mit viel „Saft“ (Garschlacke) ausgeheizt, um so mehr, da
man ein besonders weiches Eisen erstrebte: Nagel- und Draht-
Wallas und Zaggel für die Streckhämmer.


Jede Massel wurde deshalb vorerst in mehrere, meist in sechs
kleine Kolben geschmiedet und dann ein jeder von diesen in einer
Hitze ausgereckt. Dies geschah, wie erwähnt, in demselben Herd und
erforderte 2—2¼ Stunden. Während dieser Zeit wurde von dem
[1056]Kärnten im 17. Jahrhundert.
Roheisen nichts eingeschmolzen, weil dieses an dem tief angesetzten
Schweiſsboden zu roh bleiben würde. Nach beendetem Ausheizen
wurde das Blattelpacket mit der groſsen Deulstange der Form um
mehrere Zoll näher gerückt, der Wind aber verschwächt, damit das
Einrennen nicht zu rasch erfolgte. Auf die vorgerückte Blattel wurde
ein zweites Packet auf die Windseite aufgelegt, welches ziemlich in
derselben Entfernung wie das erste gehalten wurde. Die beiden Roh-
eisenmassen zusammen wogen 100—110 kg. Nachdem sich Sauer
(Dünneisen) im Herd gebildet hatte, wurden die kleinen Blattel-
stücke, ca. 10 kg mit Weich (Garschlacke) vermengt, auf der Wind-
seite eingesetzt. Das Vorschieben und Lüften des Packetes geschah
mit der Rennstange und erforderte groſse Aufmerksamkeit, denn es
war viel schwieriger als das Verschieben in Zangen. Die Windstärke
betrug 20—24 Zoll Wassersäule. Es befand sich während des ganzen
Prozesses viel Schlacke im Herd, die, wenn sie zu sehr überhand nahm,
abgestochen werden muſste. Die Dauer des Zerrennprozesses samt
Nachblasen betrug gewöhnlich zwei Stunden. Der kuchenförmige
Deul wurde mit einem Feuerzug zum Amboſs gebracht und hier mit
der Schrothacke in zwei Hälften geteilt. Das Drücken und Recken
der zwei Deulhälften zur Massel dauerte 15—20 Minuten. — Man erhielt
ein sehr weiches Eisen. — Zu einem Hammer mit zwei Feuern ge-
hören 1 Meister, 1 Schmied, 2 Frischer und 2 Kohlenträger. Es
wurden 40—50 Schaff Kohlen für 1000 kg Eisen gebraucht. Der
Abbrand betrug 20 Prozent.


Ein durchaus verschiedener Prozeſs war die kärntnerische
Stahlarbeit
. Er ist zweifellos aus der alten Brescianschmiede her-
vorgegangen, wie schon die gleichlautenden romanischen Bezeichnungen
beweisen; man nennt ihn deshalb auch häufig Kärntner Brescian-
stahlarbeit 1).


Die Herdgrube, welche später mit Eisenplatten ausgesetzt wurde,
war jedenfalls ursprünglich von Steinen eingefaſst, denn man nennt
diese Platten noch heute Steine. Den Boden bildete eine steinerne oder
eiserne Grundplatte, unter der ein hohler Raum gemauert war, von
der ein Kanal über die Hüttensohle geführt war, wodurch die Erd-
feuchtigkeit abgezogen wurde. Länge und Breite des Herdes waren
58 auf 63 cm, Tiefe von der Form 36 cm, bis auf den aufgestauchten
Boden 24 cm. Der Riastein (Windzacken) lag etwa 10 cm höher als
die Form; diese eine hatte kreisförmige Mündung von 36 mm Durch-
[1057]Kärnten im 17. Jahrhundert.
messer, lag 11 cm über und hatte 10—16° Stechen. Die Windstärke
betrug 45 cm Wasserdruck. Das Roheisen bestand aus grauen oder
halbirten Gänzen (Striezelflossen) und Blatteln von abgeschrecktem
Spiegeleisen. Erstere wurden durch ein Hartzerrennen im Herde
selbst in „Böden“ von weiſsem Roheisen umgewandelt. Das Spiegel-
eisen diente als rohmachender Zuschlag. Der erste Teil der Arbeit
war die Sauerbildung und das Deulputzen. Man schmolz zu
diesem Zweck 20—35 kg unverarbeitetes Roheisen ein, um eine dick-
flüssige Eisenmasse, den Sauer, zu bekommen. Gleichzeitig wurde das
Abschweiſsen und Putzen der beiden Hälften der letzten Cotta,
Deule genannt, vorgenommen und bis zur Umgestaltung der beiden
Deule in „Greifen“ oder „Presa“ — groſse Kolben mit Griffen zum

Figure 241. Fig. 230.


Anfassen mit der Zange (Fig. 230) —
fortgesetzt. Hierbei wurde einerseits
der Sauer durch die abschmelzenden
Deulteile allmälig garer, anderseits
tauchte man die zu weich gewordenen Deultheile in den Sauer und
härtete sie dadurch, wie bei der Paaler und Brescianer Arbeit.


Das Ausschmieden wurde fortgesetzt, die Greifen zu Tajoli —
grobe Stäbe mit Einkerbungen — und diese in Kölbchen, von denen
24—30 aus der Cotta erfolgten, geschmiedet.


Noch während des Ausschmiedens fand das Verkochen des Sauers
statt, welches, wenn erforderlich, durch Einrühren von Garschlacke
(skaja) beschleunigt wurde. Gleichzeitig wurde ein Boden so nahe an
die Form gerückt, daſs er langsam abschmelzen konnte. Nach been-
detem Ausschmieden wurde dies, um die Cotta zu machen, beschleu-
nigt und Böden und Blatteln, wie es der Gang im Herde erforderte,
abwechselnd eingeschmolzen, wobei für reichlichen Feuersaft (Frisch-
schlacke) gesorgt werden muſste. Bei richtigem Gang schmolz das
Roheisen tropfenweise und sammelte sich bereits teichartig auf der
Oberfläche der Cotta und ging hier unter der Schlackendecke mit
geringem Aufkochen in Stahl über. Die Farbe der Flamme war das
Erkennungszeichen für den richtigen Gang; war derselbe zu gar, so
wurde die Flamme weiſs oder bläulich, ging er zu roh, so wurde die
rötliche Flamme dunkelrot bis braun. Der ganze Prozeſs einschlieſs-
lich des Ausheizens (1½ Stunden) verlief in etwa 3½ Stunden. Die
gebildete Cotta wog 75—100 kg. Von dem eingeschmolzenen Sauer
(40 kg) waren etwa 10 kg verkocht, so daſs nur noch 30 kg im Herd
blieben, in welchem die zweite Cotta gemacht wurde. In der Regel
wurden drei Cotta in einer Schicht gemacht und dann die Arbeit
Beck, Geschichte des Eisens. 67
[1058]Krain im 17. Jahrhundert.
unterbrochen. Die Stahlmasse der Cotta war sehr ungleich und be-
durfte sorgfältiger Sortierung.


Man trennte zunächst den Stahl von dem eisenhaltigen Gemenge
— Refudi (von rifiuto, Ausschuſs). Letzterer wurde nicht in den
Handel gebracht, sondern wieder eingeschmolzen.


Sodann wurde der Stahl nach seiner Güte in folgende Arten
sortiert: 1. Kölberlstahl (Brescianer- oder Münzstahl), die härteste
Sorte, welche in Stäben von 1—1½ cm und 3 kg Gewicht zum wei-
teren Ausschmieden an den „Ziehhammer“ kam; 2. Tannenbaumstahl,
langer und kurzer, welcher ungehärtet in Stäben von 2 m und von
1,20 und 26 mm Stärke zu je 6—8 Stück in Zentnerbuschen ver-
packt wurde; 3. Stückstahl, etwa 3 cm starke, gehärtete Stahlstäbe
von reinem, mit Rosen angelaufenem Bruch; 4. Mock, die von dem
Stückstahl ausgeschossenen eisenhaltigen Stäbe.


Der Eisenabgang bei der Kärntner Stahlarbeit betrug 25 Proz.
der Kohlenverbrauch auf 100 Stangenstahl 2,25—2,80 cbm Holz-
kohlen. Drei Viertel fiel als Stahl. Drei Mann erzeugten in der
Woche 1500—1750 kg.


Der Unterschied von der Paaler oder echten Brescianer Stahlarbeit
bestand hauptsächlich darin, daſs das Eintauchen des Deuls in den
Sauer bei letzterer immer und regelmäſsig, bei der Kärntner Arbeit
aber nur gelegentlich nach Bedürfnis geschah.


Krain.

Im Herzogtum Krain waren um die Zeit, als Valvassor1) dessen
Geschichte schrieb (1689), 13 Eisenwerke im Betrieb: Sawa, Bleyofen,
Jauerburg, Ober-Eisern, Unter-Eisern, Wochein, das alte Werk in der
Wochein, an der Feistritz, Ober-Kropp, Unter-Kropp, Steinbühel und
Gurkh, letzteres in Unterkrain, alle anderen in Oberkrain. Die meisten
Erzschmelzöfen waren Stücköfen. Ein solcher war der Ofen an der
Gurkh, eine Meile oberhalb Seisenberg, „da man das Eisen schmilzt
und hämmert“.


Im inneren Krain war ein Eisenwerk am Wipacher Boden, welches
dem Grafen von Lanthery gehörte; dort goſs man auch Retorten
[1059]Krain im 17. Jahrhundert.
zum Ausbrennen des Quecksilbers. Hier befand sich also bereits ein
Hochofen.


Über die Art, wie im Hochgebirge das Holz für die Hüttenwerke
heruntergebracht wurde, giebt Valvassor eine deutliche Beschrei-
bung: „Man läſst bei Winters Zeiten das Holz auf den „Rissen“ her-
unterlaufen. Diese Rissen sind aus langen Tannen- und Fichten-
stämmen, die seitlich durch Bäume gestützt sind und wie Fuſssteige
und Brücken über Abhänge, Flüsse u. s. w. vom Hochgebirg herab-
führen, erbaut. Im Winter beschüttet man sie mit Wasser, so daſs sich
eine glatte Eisdecke darauf bildet. Am Ende setzt man ein starkes
dickes eisernes Kreuz, nach innen mit Schärfen versehen. Alsdann
bringt man oben voneinander geschnittene Baum-Hölzer, ungefähr
3 oder 4 Schuh lang, herbei, bis an den jähen Ort, da sie hinab
fahren können. Von dannen laufen sie nach der Riſsbrücke (nicht
ohne sonderliche Lust der Zuschauer) bis zu dem Kreuze. Wann sie
allda an solches Kreuz anschlagen, springt jedwedes Stück in 4 Teile,
daſs also nachmals unvonnöten ist, solches weiter zu spalten und den
Holzhackern die Mühe erspart wird. Ein solcher Riſs wird ein vier-
theil — ja wohl eine halbe Meile und auch wohl länger oder kürzer ge-
macht. Ohne dieses Mittel würde es nicht möglich halten, das Holz aus
solchem Gebirg durch seltene Graben und Schlutten herabzubringen.“
Eine andere Art des Holztransports geschah durch künstliche Stauung
des Wassers in den Schluchten und Thälern im Hochgebirge.


In Sawa wohnte um diese Zeit ein berühmter Büchsenmeister
Peter Botti, der sich mit den besten Meistern in Italien zu Brescia,
in Frankreich und in Niederland messen konnte; Sohn und Enkel
halfen ihm und eiferten dem Alten nach. Diese machten auch viele
von Stahl künstlich ausgeschnittene Knöpfe, für welche Italien und
Frankreich willige Abnehmer waren, wie auch die kunstreichen Ge-
wehre gegen hohe Bezahlung in fremde Länder und Königreiche
gingen. In Sawa wurde fast ausschlieſslich Stahl gemacht. „Eisen-
Werk wird dieses Orts nicht verarbeitet, es geschähe denn blos Je-
mandem zu Gefallen: als dann es aber in bester Vollkommenheit
geliefert wird. So arbeitet man hier auch den Krabatischen Stahl,
wann er angefröhmt wird. — Vor einigen Jahren hat man hier auch
groſse Anker bis zu 30 Centner schwer geschmiedet. Als die Vene-
tianer davon Kundschaft erhielten, haben sie die Einfuhr nach Italien
verboten, besorgend, ihre Anker dürften darüber zurückbleiben. Da-
durch ging das Geschäft ein und liegen noch von diesen Ankern un-
benutzt bei Laybach.“


67*
[1060]Bayern im 17. Jahrhundert.

Die gröſsten Eisenindustriellen im 17. Jahrhundert waren die Herren
von Locatelli. Sie waren auch die Besitzer der Eisen-, Berg- und
Hammerwerke zu Wochein an der Feistritz. Die Hütte war neu her-
gerichtet. Doch war hier „gleichfalls das Werk auf die Wölffe ge-
richtet und wurde daraus mancherlei Eisen geschmiedet, sonderlich
aber Schien-, Garter- und anderes gezogenes Eisen allerley Art ver-
fertigt. Noch besser hinab steht eine Schmelzhütte, welche gleichfalls
des Herrn Locatelli Eigentum ist. In derselben gieſst man die eiser-
nen Retorten zum Quecksilberbrennen, wie auch andere Sachen, so
man aus Eisen zu gieſsen pflegt“ 1).


In Tirol erhielt 1613 der Gewerke Hans Marquart Rosen-
berger von Rosenegg
aus Augsburg die Konzession für Bergbau.
Eisenschmelze und Hammerwerk zu Pillersee nebst Verleihung der
dazu nötigen Waldungen, worauf er das berühmte Eisenwerk Pillersee
gründete. Dasselbe gelangte 1670 durch Kauf an Karl von Aschauer
und 1699 an den Grafen Preyſsing und die kurfürstlich bayrische
Gewerkschaft.


Bayern.

Bayern wurde durch den 30 jährigen Krieg schwer heimgesucht,
am meisten wohl die Oberpfalz, deren alte, hochberühmte Eisen-
Industrie hierbei den Todesstoss empfing. Dieselbe hatte allerdings
schon vor dem Ausbruch dieser Katastrophe gekränkelt, und zwar aus
mancherlei Ursachen, als Uneinigkeit der Gewerken, Mangel an Für-
sorge der Landesfürsten, zumeist aber aus Mangel an Intelligenz und
Unternehmungsgeist der Besitzer. Während ringsum in deutschen
Landen Hochöfen entstanden, welche gutes, billiges Eisen lieferten
und der oberpfälzischen Industrie empfindliche Konkurrenz bereiteten,
konnten die Gewerke der Sulzbach-Ambergischen Hammereinigung
sich nicht dazu aufschwingen, von ihrem veralteten Zerrennfeuerbetrieb
zu lassen und sich dem Hochofenbetrieb zuzuwenden. Als daher der
30jährige Krieg ausbrach und die Lande des Pfalzgrafen Friedrich V.
zuerst von der Kriegsfurie heimgesucht wurden, erreichte alsbald die
Hammereinigung, die sich seit länger als zwei Jahrhunderten so treff-
[1061]Bayern im 17. Jahrhundert.
lich bewährt hatte, ihr Ende. Im Jahr 1627 lief die letzte Vertrags-
periode ab und wurde die Einigung nie mehr erneuert.


Zu Anfang des Jahrhunderts im Jahre 1600 hatte Kurfürst
Friedrich IV. sich bemüht, dem nordgauischen Berg- und Hüttenwesen
einen neuen Impuls dadurch zu geben, daſs er die alte Erklärung
wieder bekannt gab, wonach er jedem Bergbautreibenden vier Frei-
jahre gewährte mit „Notdurft an holzfreier Zufuhr der Pfennwerthe
(Accisfreiheit), Steuer-, Zins-, Scharwerks- und Herzugsfreiheit, sicherem
Geleit, freiem Zu- und Abzug und sonst Allem, wie es die gemeinen
Bergordnungen anweisen“ 1).


Blieb dieser Erlaſs auch ohne besonderen Erfolg für Sulzbach-
Amberg, so veranlaſste er doch die Gründung einer bedeutenden
Eisengewerkschaft im Fichtelgebirge. Es verbanden sich nämlich
Christian, Fürst zu Anhalt, Statthalter zu Amberg, mit Michael
Löfen
, kurpfälzischem geheimen Rat, Heinrich von Eberbach, dem
Rentmeister Theophilus Richius, dem „Chymisten“ Matthäus Carl
und dem Hüttenmeister in der Warmensteinach Johann Glaser zu
einer Gewerkschaft, um auf der Fundgrube Gottesgab im Gleiſsenfels am
Fichtelberg ein Eisenbergwerk zu errichten. Sie erbauten einen Hoch-
ofen und Frischhütten, und das Unternehmen kam bald in groſse
Blüte. Friedrich IV. erstreckte die obenerwähnten Freiheiten mit
einigen Zusätzen und Erläuterungen samt dem gefreiten Berggericht
durch besondere Verordnung vom 31. Mai 1604 2) auf dieses Bergwerk. —
Der Fürst von Anhalt brachte die Anteile des Matthäus Carl und Johann
Glaser durch Kauf an sich, so daſs er drei Fünftel des Ganzen besaſs.
In dem Freiheitsbrief gewährt der Kurfürst, „daſs innerhalb zwey
Meil Wegs um bemeldte Fund-Grub am Gleiſsenfels kein solch Werk,
auch kein hoher Ofen oder ander Werk, so demselben abbrüchlich
sein mögt, so lang das gangbar bleiben und erhalten wird, verstattet
werden soll“.


Durch die Schlacht am Weiſsenberg und die Niederlage Fried-
richs V. von der Pfalz kam der Nordgau in den Besitz des Kaisers
Ferdinand II. Derselbe verkaufte aber die Oberpfalz mit allen Berg-
gerechtigkeiten im Jahre 1628 für 13 Millionen Gulden an Herzog
Maximilian I. von Bayern. Dadurch wurde die Pfalz mit Bayern dauernd
vereinigt. Max I., der vortreffliche Fürst, gab sich trotz der Ungunst
der Zeiten die gröſste Mühe, das pfälzische Berg- und Hüttenwesen
wieder in Schwung zu bringen. Er ernannte Johann Hochholzer
[1062]Bayern im 17. Jahrhundert.
zum allgemeinen Bergdirektor mit dem Sitz in Amberg und erteilte
ihm 1632 eingehende Verhaltungsbefehle, welche, da die Hammer-
einigung aufgehört hatte zu bestehen, die Bedeutung einer Bergord-
nung für die Oberpfalz erlangten 1).


Herzog Max hatte sich schon vor dieser Zeit um die Hebung des
Bergbaus in seinen bayrischen Landen eifrig bemüht. Er ermunterte zur
Anlage neuer Bergwerke und brachte die alten, welche sein Groſs-
vater verschenkt hatte, wieder an sich. Den Herren von Freyberg
waren im 16. Jahrhundert die Eisenwerke Bergen und Aschau über-
lassen worden unter der Bedingung, daſs sie dem Salzsudwerk zu
Reichenhall das Eisen zu einem 1552 festgesetzten Preis lieferten.
Dies hatten dieselben unterlassen und der Herzog drang auf Er-
füllung. Doch verglich er sich 1608 mit den Freybergischen Erben,
denen von Schurf und von Preysing, dahin, daſs er von seiner
Forderung abstand und sich der Frohn begab, wogegen jene ihm die
Hälfte der Bergwerke abtraten. Die Waldungen wurden, wie früher
bestimmt, den Eisenwerken belassen. Der Gerichtszwang zu Bergen
fiel an den Herzog zurück, während er in Aschau den Inhabern der
Herrschaft verblieb.


Eine andere bedeutende Bergwerksunternehmer-Familie waren
die von Keck zu Prunn, denen Max I. 1625 das Bergwerk zu Boden-
mais überlieſs. Diese waren an dem oberpfälzischen Eisenhandel be-
teiligt, wie aus einem am 28. Juli 1608 zu Regensburg vereinbarten
„Eisenkontrakte“ hervorgeht. Danach hatte „Khek“ alles „wercheisen-
Schün“, das im Vorrat und das bis Pfingsten 1609 geschmiedet und
mit dem Werkzeichen C. K. bezeichnet sein muſste, dem Käufer Fle-
tachern
mit seinen Erzschiffen ohne Transportkosten nach Regens-
burg zu liefern, wogegen dieser „für jedes gelieferte Pfundt 2) zähes
wercheisen baar zu bezahlen ain vnnd siebenzig gulden … für 3 Pfundt
abbogen oder 66 Gulden vnnd dann sein Herren Kheken geliebten
Frauen auf iedes Pfundt 1 fl. Leytkhauff .... dagegen soll Herr Khek
des Herrn Fletachers geliebten Hauſsfrauen zween Schillings zächs
Wercheisen gegen Leytkhauff liefern“.


Die oben erwähnte Ambergische Berginstruktion erstreckte sich
nicht auf das Fichtelgebirge.


Fürst Christian von Anhalt, der Hauptbesitzer des Eisenstein-
bergwerks Gottesgabe hatte sich bei Ausbruch des 30jährigen Krieges
[1063]Bayern im 17. Jahrhundert.
dem Pfalzgrafen Friedrich V. angeschlossen und seinen Anteil durch
Vollmacht dem Rentmeister Richius übertragen. Nach dem unglück-
lichen Ausgang des böhmischen Feldzugs verfiel er in die Reichsacht,
versöhnte sich aber 1624 mit dem Kaiser und erhielt seine Besitzun-
gen und Rechte wieder. Im Jahre 1627 verschenkte er seinen Anteil
an dem Eisenwerk Gottesgabe an zwei treue Diener, Friedrich
Schwarzenberger
und Melchior Loyſs1), welche darauf in dem-
selben Jahr in Gemeinschaft mit ihren Mitgewerken einen neuen
Bergverwalter mit einem ausführlichen Bestallungsbrief 2) anstellten.
In diesem heiſst es wegen des Hochofens unter anderem:


„§ V. Damit auch bei dem hohen Ofen, an welchem der Gewerk-
schaft sehr viel gelegen, und dieselben so Tags so Nachts in Gang
erhalten werden, kein Unfleiſs, Versaumnuſsen oder Gefahr vorgehe,
oder gebraucht werde; solle er ein wachsames Aug jederzeit darauf
haben und bisweilen auch, wegen mehrer Forcht, des Nachts sich bei
den Arbeitern finden, ihnen zusprechen, sie ihrer geleisteten Pflicht
erinnern und zu gebührendem Fleiſs freundlich, oder da auch von-
nöten, amtswegen alles Ernstes vermahnen, wöchentlich den ge-
schmelzten Vorrat abwägen und solchen unter seine Hand und Ver-
wahrung künftig haben zu verrechnen, nehmen, zu welcher Abwägung
er dann jederzeit den Schreiber und Schmidtmeister zuziehen und ob
der Zeug recht und zu verarbeiten tüchtig, geschmelzt worden, oder
mangelhaftig, bey seinen Pflichten zu fragen, auch auf den Fall Un-
fleiſs bei den Schmelzen vorgetroffen, den Schmelzer darunter zur Rede
setzen, zu mehrerem Fleiſs zu ermahnen, auch da es nicht verfangen
sollte, solches fernerer Gebühr willen anhero berichten.“


Die Schenkung des Fürsten von Anhalt wurde aber angefochten
und die beiden genannten Gewerke am 9. November 1628 des Berg-
amtes wieder entsetzt, nachdem die kaiserlichen bisher in der oberen
Pfalz verordnet gewesenen Kommissarien aus der böhmischen Kanzley
Bescheinigungen vorbrachten, daſs ihnen bereits 1623 die konfiszierten
anhaltischen Bergwerksanteile von Kaiser Ferdinand II. geschenkt
worden wären. Trotz des Widerspruchs des Fürsten von Anhalt
blieben die kaiserlichen Kommissare bis zu den feindlichen Einfällen
1635 im Besitz der Werke. Von da an geriet der Bergbau am Fichtelge-
birge gänzlich in Verfall, und es kümmerten sich weder die alten noch
die neuen Gewerke weiter um denselben, so daſs endlich Kurfürst Maxi-
[1064]Bayern im 17. Jahrhundert.
milian I. im Jahre 1648 sich veranlaſst sah, dieselben für die fürstliche
Kammer einzuziehen und von neuem belegen zu lassen.


Weder Maximilian noch seinem Nachfolger Ferdinand Maria ge-
lang es, die Sulzbach-Ambergischen Eisenwerke wieder in Aufnahme
zu bringen. Ein Versuch des letzteren im Jahre 1655, die alte
Hammereinigung wieder aufzurichten, blieb erfolglos.


Die Bergwerke am Fichtelgebirge wurden, nachdem die nachträg-
lich erhobenen anhaltischen Ansprüche durch Kauf beseitigt waren,
von Kurfürst Ferdinand Maria verpachtet, und zwar das Bergwerk
Gottesgab 1658 um 550 Gulden auf acht Jahre und auf Afterbestand
ebenso lange die Hammergüter zu Ober- und Unterlind einem Johann
Ernst von Altmannshausen
, Obrist-Wachtmeister zu Fuſs. Dieser
und sein Sohn brachten es unter falschen Angaben, indem sie nämlich
die Werkseinkünfte verhehlten und sogar angaben, mit Schaden zu
arbeiten, während sie durchschnittlich eine jährliche Ausbeute von
12000 Gulden auf den Werken erzielten, dahin, daſs ihnen der Pacht
unter sehr günstigen Bedingungen bis zum Jahre 1684 erstreckt wurde.
Derselbe Herr von Altmannshausen kaufte 1670 die eingegangene Eisen-
hütte zu Ebnat und 1674 die zu Unterlind mit der niederen Gerichts-
barkeit auf denselben.


1685 wurde dem Freiherrn von Altmannshausen das Eisenberg-
werk am Fichtelberg von neuem in Pacht gegeben und dieser auf
16 Jahre bis zum Jahre 1700 erstreckt. Im Jahre 1689 kamen aber
die Schwindeleien, welche der Freiherr und sein Sohn zum Nachteil
der fürstlichen Regierung getrieben hatten, an den Tag, es wurde
der Pacht aufgehoben, und die Berg- und Hüttenwerke mit dem
ganzen Inventar eingezogen. Der junge Altmannshausen, der am
meisten bei der Angelegenheit graviert war, wurde überdies „mit
8 tägiger Arrestierung auch geringer Atzung“ bestraft.


Von dem Eisenwerk bei Bodenwöhr erfahren wir aus der Zeit
des 30jährigen Krieges nur, daſs im Jahre 1630 Wilhelm Selz das
Hammerwerk für 13000 Gulden übernahm, in der Folge aber sehr
schlechte Geschäfte machte. Die Hütten kamen in Verfall. — Im
Jahre 1678 wurde der Hammermeister Schreyer von dem Land-
gericht Neuenburg und dem Pflegeamt Bruck gemeinschaftlich in den
Besitz des Bodenwöhrer Hammers eingewiesen. Bei den zugehörigen
Grundstücken wird eine „Hammer- oder Zigeunerwiese“ und eine
„Zerrennerwiese“ aufgeführt. Im Jahre 1693 beschloſs die bayrische
Regierung, den Betrieb zu Bodenwöhr selbst in die Hand zu nehmen,
einen Hochofen daselbst zu erbauen und die Schreyers als Hütten-
[1065]Bayern im 17. Jahrhundert.
beamte anzustellen. Der Bau des Hochofens geschah durch Georg
Petzler
, Schmelzmeister zu Sulzbach. Nach Fertigstellung der um-
fangreichen Anlagen 1) wurde zu Bodenwöhr ein Bergamt errichtet.


Kurfürst Max II. bemühte sich eifrig, den Bergbau namentlich
in der Oberpfalz wieder in Flor zu bringen. Der Erfolg war aber
nur gering. Er übertrug die Aufsicht über die Bergwerke der Ober-
pfalz 1692 dem Grafen von der Wahl. 1693 beteiligte sich der
Kurfürst selbst an dem Eisensteinbergbau, indem er mit der Stadt
Amberg in Mitgewerkschaft trat. Die Amberger bemühten sich bei
dem Kaiser, ihre alten Vorrechte wieder zu erlangen. Dies führte
aber nur zu Zerwürfnissen und hatte keinen Erfolg. Das Bergwerk
zu Engelsdorf war das einzige, welches während des spanischen Erb-
folgekriegs mit Gewinn betrieben wurde. 1693 wurde wieder eine
Haupteisenniederlage zu Amberg gegründet, welche sich aber nicht
lange halten konnte. 1694 erlieſs Max II. eine besondere Eisen-
hüttenordnung (siehe Lori 535), in welcher der Eisenverkauf als ein
Regal behandelt wird. Aber der alte Glanz des Amberg-Sulzbacher
Bergbaus war erloschen.


Graf von der Wahl kaufte für das fürstliche Generalbaudirek-
torium 1693 das alte Hammergut Bodenwöhr und legte daselbst eine
Eisenhütte an.


Die Werke am Fichtelberg wurden, nachdem sie 1689 denen von
Altmannshausen abgenommen worden waren, unter die Aufsicht des
Bergobersten Macolini gestellt. Dieser war es, welcher 1690 auf
der Mühle Fortschau bei Kemnat eine Gewehrfabrik für Bayern er-
richtete, welche lange Zeit in Betrieb blieb.


In Oberbayern waren die früher erwähnten Hüttenwerke zu Bergen
und Aschau im Umgang.


Ueber die Eisenindustrie in Württemberg sind die Nachrichten
aus diesem Jahrhundert spärlich. 1614 wurde der alte Hochofen zu
Unterkochem bei Aalen an die Propstei Ellwangen verkauft und von
dieser wurde die sehr ergiebige Grube in der Hirschklinge bei
Wasseralfingen eröffnet und der Schmelzofen dahin verlegt,
als der Fürst von Öttingen Zoll für das durch sein Gebiet geführte
Erz erhob. — Am 13. Februar 1671 legte man an den neu erbauten
Hochofen das erste Feuer an, welches am 17. Februar das erste Eisen
gab. Man goſs auch Ofenplatten, aber ein Eintrag in die Jahres-
[1066]Baden im 17. Jahrhundert.
rechnung beklagt, daſs es damit ein schlechtes Geschäft wäre, weil
die Kaufleute sehr wählerisch seien und nur die schönsten Platten
ausläsen, diese dann in einer Weise probierten, daſs viele dabei
Schaden litten und auſserdem noch Jahr und Tag Gewährschaft ver-
langten, so daſs, wenn in der Zeit eine springt oder krumm wird, eine
neue geliefert werden muſs.


Mit der Erzeugung von Masseleisen wurden die Faktoreien und
Hammerwerke Abtsgemünd und Unterkochem, desgleichen ein klei-
neres Hammerwerk auf der Hardt bei Ellwangen versorgt.


Der Ofen wurde alljährlich vor der Kirchweih angeblasen, zuvor
aber nach dem Wiedereinbau des Gestells von dem Kaplan des Dorfes
unter Abhaltung einer Messe eingesegnet; die Feierlichkeit wurde mit
einem Schmelzermahl geschlossen.


Baden.

Wie in Bayern, so litt auch in den übrigen süddeutschen Staaten
die Eisenindustrie durch den 30jährigen Krieg schweren Schaden.


In Baden gingen in dieser Zeit die meisten Hütten zu Grunde,
so die bedeutendste derselben zu Kandern. Von dieser ist das letzte
Inventar vom Jahre 1635 noch erhalten 1); darin wird aufgeführt
9 Stück Masseln, jede zu 9 Centner und zu 3 Gulden; 9 Centner
Amboſseisen zu 3 Gulden, 1 Centner Abstummel zu 6 Gulden 10 Batzen;
15 Centner Granaten zu 3 Gulden, 2 Centner Luppen zu 4½ Gulden etc.
Der Hammerschmied hatte damals für den Centner 14 Batzen Lohn
und 8 Gulden Wochenkostgeld nebst 60 Gulden jährlichem Gnaden-
gehalt und 6 Gulden für ein Kleid. Er arbeitete mit fünf Gehülfen,
deren Kostgeld ihm an seiner Lieferung abgezogen wurde. Die Hütte
hatte nur vier Blasebälge, während der Betrieb sechs erforderte. Der
Schmelzer lieferte auch das Erz und hatte dafür wöchentlich 4 Gulden.
Dieses Kostgeld wurde ihm, wenn der Ofen in Betrieb war, am
Schmelzerlohn wieder abgezogen. Dieser betrug für den Centner
Masseln 2 Plappert, für den Centner Guſswaren 4 Plappert, für den
Centner Kugeln und Granaten 5 Plappert. Sein Gnaden- und
Kleidungsgeld betrug zusammen 12 Gulden. Der Drahtzieher arbeitete
mit drei Gehülfen, hatte wöchentlich 8 Gulden Kostgeld und 12 Gulden
[1067]Baden im 17. Jahrhundert.
Gnadengehalt im Jahre, wogegen er die Hammerstiele und dergleichen
anschaffen muſste. Er konnte mit seiner Löhnung nicht bestehen.


Der Köhler arbeitete auf fünf „Kohlenplatten“ und hatte je nach
der Entfernung verschiedene Löhnung, für Hauer- und Brennerlohn
18 bis 27 Batzen. Ein regelmäſsiges „Hauptschmelzen“ dauerte
26 Wochen, wozu man wöchentlich 400 Kübel Erz bedurfte. Die Erze
waren zumeist Bohnerze, welche durch Tagebau gewonnen wurden
und 5 Plappert per Kübel auf der Hütte kosteten.


Das wöchentliche Ausbringen betrug 145 Centner Masseln zu
6 Gulden den Centner.


Auf der „Schmelze“ wurden folgende Eisensorten gemacht:
„Öfen, Häfen, Schubotten, Amboſse, geprämtes Eisen, Gattereisen,
Kesseleisen, Kugeln, Luden-, Brand- und breites Spangeneisen, allerley
Guſswaren, allerley Draht, Nägel u. s. w.“


Der Drahtzug mit neun Bänken konnte 12 Sorten Draht liefern.
Das Werkzeug wurde den Drahtziehern zu bestimmtem Preis zuge-
stellt und überlassen. Die Eisenpreise waren mehr nach Stück als
nach Gewicht. — Die groſse Laufenbergische Gewerkschaft rechnete
nach Kölnischem Gewicht, die Wage zu 120 Pfd., wie dies schon im
Mittelalter (1370) der Fall war.


Zu Hammereisenbach betrug in den neun Jahren von 1605 bis
1614 die jährliche Produktion 1733 Ctr. 60 Pfd. bis 2172½ Ctr.
Kellergewicht, im Ganzen 17210 Ctr. 24 Pfd. oder 1911 Ctr. 22 Pfd.
im Jahresdurchschnitt, zu 4 Gulden den Centner = 7648 Gulden im
Jahre. Der Eisenpreis war ungünstig gegen den Fruchtpreis, denn
das Malter Vesen oder Dinkel kostete 5 Gulden. In den acht Be-
triebsjahren von 1616 bis 1623 war die Produktion geringer, sie be-
trug im Jahresdurchschnitt 18227/8 Centner, der Preis war höher und
schwankte von 5 bis 6 Gulden für den Centner.


Ueber den Betrieb der Werke des Eisenbundes zu Laufenberg
und Säckingen liegen nähere Nachrichten vor, deren Veröffentlichung
wir dem Alt-Nationalrat Arnold Münch in Rheinfelden verdanken 1).
Dieser Betrieb kann bis zum Jahre 1621 als ein schwunghafter be-
zeichnet werden. Die Eisensteinförderung im Frickthal kam aller-
dings schon seit 1610 nach den vorhandenen Rechnungen in Rück-
gang, dagegen betrug die Eisenerzeugung der Blauöfen des Eisen-
und Hammerbundes zu Laufenberg, Säckingen, Murg und Wehr in
[1068]Baden im 17. Jahrhundert.
den 14 Betriebsjahren, von denen aus dem Zeitraum von 1601 bis
1621 die Rechnungen vorhanden sind, 20231 Masseln, also durchschnitt-
lich 1445 (zu 10 Ctr.) im Jahre. Dagegen sank im 30jährigen Kriege
sowohl die Erzförderung der „Ernzergemeinde“ im Frickthal als die
Eisenerzeugung des Bundes und hatten die beteiligten Landschaften
schwer unter den Gräueln des furchtbaren Krieges zu leiden, besonders
in den Jahren 1633 bis 1646, am schwersten Laufenberg, welches
Anfangs Februar 1639 von den Schweden unter Herzog Bernhard von
Sachsen-Weimar nach vierwöchentlicher Belagerung erstürmt, zum
groſsen Teil eingeäschert und gebrandschatzt wurde. Bei diesem An-
laſs wurden auch vier groſse Hammerwerke, welche auf 38000 Gulden
geschätzt waren, ein Raub der Flammen. Mit dem Wohlstand
und der Bedeutung des Ortes erlitt die Eisenindustrie der ganzen
Gegend einen gewaltigen Stoſs. Die darauf folgende 13 jährige
schwedisch-französische Okkupation, spätere feindliche Invasionen,
häufige Verkehrsstörungen und veränderte Verkehrsverhältnisse führten
den allmählichen Zerfall der Industrie herbei. Von den 36 im Jahre
1509 bestandenen Hämmern waren im Jahre 1647 nur noch 13 im
Betriebe. Nach Beendigung des 30jährigen Krieges hob sich die Erz-
förderung der Eisengruben im Frickthal, deren Zahl sich vermehrte,
so daſs sich 1659 die Zahl der Vogteien von fünf auf acht erhöhte und
die Zahl der geförderten „Karreten“, welche in der ersten Hälfte des
Jahrhunderts im Jahresdurchschnitt unter 1000 geblieben war, sich im
Jahre 1666 auf 4292 hob. In diesem Jahre wurden von den Hütten
des Eisenbundes 1616 Masseln geschmolzen. Nach 1674 trat aber
von neuem ein Rückgang ein, so daſs ein Bericht von 1682 erklärt,
daſs aus Mangel an Erz und der groſsen Kosten wegen in Wehr,
Säckingen und Laufenberg viele Hämmer in Abgang gekommen seien.
Die Gruben im Frickthal seien bereits ein Jahr lang ertrunken.
Dies hing wohl auch damit zusammen, daſs im Juli 1678 die Säckinger
Brücke von den Kaiserlichen verbrannt worden war, um den Fran-
zosen den Uebergang zu sperren.


Um diese Zeit machten die Landesherrschaft und Privatunter-
nehmer neue Anstrengungen, die Eisenindustrie am Oberrhein zu
heben. Im Jahre 1681/82 war von Baseler Unternehmern in Albbruck
ein neues Hammer- und Hochofenwerk gegründet und bald darauf
1684 auch das zum Eisenbund gehörende Schmelz- und Hüttenwerk
Wehr, das durch Kauf an den Landschreiber M. Joh. Belz in Rhein-
felden übergegangen war, von seinem neuen Besitzer ebenfalls zu einem
Hochofenwerk erweitert worden. Dem Hammerwerk Albbruck wurde
[1069]Baden im 17. Jahrhundert.
laut Konzession gestattet, das für den Bedarf seines Hochofens be-
nöthigte Bohnerz aus den bernischen Bergwerken im unteren Aargau
und der Grafschaft Baden zu beziehen. Das Werk zu Wehr war da-
gegen infolge seiner Zugehörigkeit zu dem Eisenbund gehalten, seinen
Erzbedarf aus dem Frickthal zu beziehen.


Aus den vorhandenen Akten und Aufzeichnungen sind noch
folgende Ereignisse aus dem 17. Jahrhundert hervorzuheben. Am
17. Dezember 1604 bestätigte Erzherzog Maximilian von Innsbruck
aus das Privilegium des Eisenbundes, desgleichen Erzherzog Karl
Ferdinand am 10. Juni 1655 und Kaiser Leopold I. am 16. Fe-
bruar 1670.


Am 7. Februar 1627 wurde dem Eisenbund vom bischöflichen
konstanzischen Generalvikariate „ex causa necessitatis“ bewilligt,
während 14 Tagen oder auch 3 Wochen an Sonn- und Feiertagen zu
blasen. Das Grubgeld, welches für jeden Karreten Eisenerz an die
Herrschaft zu zahlen war, betrug während des ganzen Jahrhunderts
8 Pfennige. Das Masselgeld hatte bis 1652 6 Kreuzer für jede Massel
betragen, in diesem Jahre (oder 1656?) wurde es auf 3 Batzen erhöht,
so daſs von da ab 12 Kreuzer für jede Massel zu zahlen waren. Die
Holzkohlen kamen aus dem Schwarzwald, wie sich aus dem am
31. Januar 1671 zu Waldshut auf 12 Jahre abgeschlossenen Lieferungs-
vertrag ergiebt.


Nach Beendigung des 30jährigen Krieges kamen verschiedene
Hammermeister, deren Hämmer während des Krieges zerstört worden
waren, darum ein, ihre Hämmer wieder aufbauen zu dürfen; so ersucht
am 30. Juni 1650 Melchior Bruder den Rat zu Laufenberg, sich bei
seinen Gläubigern zu verwenden, damit er seinen abgebrannten
Hammer wieder aufbauen könne. Am 23. April 1661 verleiht die
Fürstäbtissin Franziska zu Säckingen dem Meister Andreas Jonen
auf drei Jahre den anno 1636 von weiland Hans Joglin Hincken
sel
. in offener Gant angenommenen und während der vergangenen
„leidigen Kriegszeiten“ eingefallenen und bis dato öde gelegenen
Hammer gegen einen jährlichen Zins von 125 Gulden und Ab-
zahlung in drei Jahresterminen.


Daſs in Laufenberg neben den Hammerschmieden auch die Hand-
schmiede ein zahlreiches und angesehenes Gewerbe bildeten, geht da-
raus hervor, daſs die Huf- und Waffenschmiede daselbst am 27. Juli
1627 dem Rat ihre Statuten zur Genehmigung vorlegten. Den
Hammerschmieden wurde aber am 27. Januar 1667 vom Untervogt,
Bürgermeister und Rat der Stadt Laufenberg auf gestelltes Ansuchen
[1070]Baden im 17. Jahrhundert.
die Ordnung der dortigen Hammerschmiedenstube erneuert und be-
stätigt1).


Durch die Gründung der Hochofenhütten zu Wehr und Albbruck
erwuchs den alten Werken des Eisenbundes eine verderbliche Kon-
kurrenz. Sie wehrten sich deshalb nach dieser Zeit gegen die In-
betriebsetzung alter verlassener Hämmer. So erhob der Bund
1684/85 Einsprache gegen die Wiederaufrichtung des in Abgang ge-
kommenen und von Johann Jakob Netscher zu Laufenberg an-
gekauften vormals Hegischen Hammers. Dem Netscher wurde aber
auf erstatteten Bericht des Freiherrn von Grandmont, Inspektors des
Eisenbundes, durch Verfügung der vorderösterreichischen Regierung,
der Betrieb gestattet. — Die Zahl der Hämmer war gegen Ende des
30jährigen Krieges auf 13 zurückgegangen. Aus einer erhaltenen
Kontrolliste vom Jahre 16472) erfahren wir nicht nur die Namen der
damaligen Meister, sondern auch das Quantum Massel, welches auf
jeden einzelnen entfiel. Danach gab es damals in Laufenberg 10, in
Säckingen 2 und in Murg 1 Meister, welche zusammen 798 Masseln
produzierten, davon die Laufenberger 561, die Säckinger 175, der
Murger Meister 62. Thomas Stocker von Laufenberg war Obmann
des Eisenbundes und der Hammerschmied Jacob Trautweiler
Bürgermeister von Laufenberg.


Die dem Landschreiber und Einnehmer der Herrschaft Rhein-
felden, welchem 1652 der Hammer des verarmten Lehenhammer-
schmieds Konrad Stöcklin zu Wehr übertragen worden war, im
Jahre 1684 erteilte Konzession für diesen Hammer ging weit über die den
Mitgliedern des Eisenbundes sonst zustehenden Berechtigungen hinaus.
Es wird nämlich am 20. Oktober 1684 dem Beltz gestattet, seinen
bisher zum Hammerschmiedebund gehörenden Schmelz- oder Blau-
ofen und die zwei Hämmer zu Wehr zu vergröſsern und derart ein-
zurichten, daſs er das für das Werk bestimmte Erz aus dem Frickthal
nützlicher, als bisher der Fall gewesen, schmelzen und in eine nam-
haftere Quantität, als ihm bisher vom Hammerschmiedebund auf-
erlegt worden, schmieden könne. Von jeder Massel, die auf seinen
zwei Hämmern für Rechnung des Bundes geschmiedet wird und
6 Centner Gewicht haben soll, hat er, wie bis anher, nicht mehr als
12 Kreuzer an die Herrschaft zu zahlen. Dabei wird ihm ge-
stattet, über die vom Hammerbund auferlegte Quantität hinaus noch
4000 Centner zu schmieden; davon sind für jeden Centner 9 Kreuzer
[1071]Hessen im 17. Jahrhundert.
rheinisch an die vorderösterreichische Kammer zu entrichten; nach
vollständig geschmiedeten 4000 Centnern mag er sich um fernere
Bewilligung anmelden. Vom Erz hat er das gewöhnliche Grubgeld
von 8 Pfennig per Karrete zu entrichten, von jedem Centner Kohlen
2 Pfennig.


Wie überall in deutschen Landen, bemühten sich die Fürsten
nach der entsetzlichen Verwüstung, welche der 30jährige Krieg an-
gerichtet hatte, die Industrie und insbesondere das Berg- und Hütten-
wesen wieder zu heben. In diesem Sinne wurden nach dem 30jährigen
Kriege in dem Gebiet des jetzigen Groſsherzogtums Baden auſser den
Eisenwerken bei Wehr und Albbruck noch verschiedene Hüttenwerke
neu aufgerichtet, so das zu Oberweiler und bei Badenweiler und das
bedeutende Eisenwerk Hausen im Wiesenthal. Letzteres gehörte dem
Markgrafen von Baden und wurde von diesem im Jahre 1680 an die
Gebrüder Merian von Basel verpachtet.


Ebenso wurde das alte Hammerwerk zu Kollnau bei Waldkirch
im Elzthal, welches im 30jährigen Kriege zu Grunde gegangen war,
nach dem westfälischen Frieden wieder aufgebaut und ausgepachtet.


Hessen.

Wie in Baden, so strebte man auch in Hessen nach der trau-
rigen Kriegszeit danach, den Bergbau und das Hüttenwesen wieder
in Aufnahme zu bringen. Dadurch entstanden in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts im Odenwald neue Eisenwerke, so zu Waldmichel-
bach, welches aber damals zur Kurpfalz gehörte. Der Unternehmer war
ein gewisser Ensinger, der, wie es scheint, die Sache etwas zu groſs-
artig angefangen hatte, denn er baute sich zu seiner Eisenhütte ein
schloſsartiges Wohnhaus im Renaissancestil, von welchem die Trümmer
noch vorhanden sind, konnte aber schon 1659 den landesherrlichen
Zins nicht mehr zahlen. Daraus entsprang ein weitläufiger Prozess
(1665 bis 1679), welcher weder der Herrschaft, noch dem Unternehmer,
am wenigsten dem Gewerbe von Nutzen war.


Die Eisenhütte der Grafen von Erbach im Odenwald war eben-
falls durch den 30jährigen Krieg in Verfall geraten. 1623 wurde sie
von dem Grafen Ludwig Casimir und Georg Albrecht I. zwar neu
[1072]Hessen im 17. Jahrhundert.
aufgebaut, scheint aber während der ganzen langen Kriegszeit nur
wenig betrieben worden zu sein. Die Gräfin von Erbach verpachtete
im Jahre 1650 das Werk an Frankfurter Unternehmer, welche dazu
den Konsens vom Landgrafen zu Hessen in Darmstadt einholen muſsten.
Die Pacht lautete auf zehn Jahre und verpflichteten sich die Pächter,
Hütte und Hammer wieder aufzubauen, wogegen die Gräfin sich ver-
bindlich machte, das Bauholz umsonst zu liefern. Für den Eisen-
stein sollten die Pächter in den ersten fünf Jahren 2½ Batzen, in
den letzten fünf Jahren 3½ Batzen per Fuder „ahnstatt Zehnten“
bezahlen.


Der Fuder Erz kostete auf dem Bergwerk 1 Gulden; Masseleisen
auf der Hütte 1 Gulden 3 Batzen, Wascheisen 12 Batzen der Centner.


In Oberhessen war die Eisenhütte zu „Laupach“ schon 1591 in
Betrieb und wird urkundlich 1620 erwähnt. 1699 wurde die jetzt noch
als Gieſserei bestehende Friedrichshütte vom Grafen Friedrich Ernst
von Solms-Laubach angelegt und zwei Jahre lang von diesem ver-
waltet. Auf den Hochofen bei Biedenkopf werden wir später noch
zurückkommen.


Die Hammerhütte bei Ober-Schmitten wird 1620 genannt.


Auf dem alten Eisenhammerwerk zu Schelnhausen wurden im
Jahre 1609 zwei Hochöfen erbaut. Die Akten gehen bis 1608 zurück.
1609/10 erhielt nach den im Darmstädter Archiv befindlichen Akten
der Meister Hans Ochsen einen Wochenlohn von 3 Gulden, sein
Geselle Hans Bornkessel 2 Gulden 8 Albus und der Köhlerknecht
1 Gulden. 1610 wurden für den Hüttenbau, die Hammerschmiede,
Kohlenschuppen, Hochofen und Wassergraben 957 Gulden verausgabt.
Im selben Jahre wurden 177½ Wagen, 26½ Pfund geschmiedetes
Eisen für 799 Gulden 19½ Albus 2 Pfennige verkauft, jeder Wagen zu
4½ Gulden. Auſserdem wurden Guſswaren gefertigt, eiserne Öfen,
von denen einer durchschnittlich 2 Centner wog und „Krapffen“. Der
Betrieb blieb auch in den folgenden Jahren ein reger. 1616 wurden
1444 Gulden verbaut. Stand die Hütte still, so hatte der Hammer-
schmied Hans Ochsen von Liſsberg 1 Gulden per Woche Wartegeld.
Auſserdem war auf dem Werk ein „Siegischer Schmitt“, ein Ahlschmied
aus dem Siegerland, der freie Zehrung hatte, seinen Kohlenbedarf ge-
liefert bekam, im Übrigen auf eigne Rechnung arbeitete. Aus einem
Schreiben Landgraf Ludwigs des Jüngeren von 1601 geht hervor, daſs
Graf Hans Georg zu Solms dem Hüttenmeister auf dem Schmelzofen
die Klafter Holz für 6 Batzen dergestalt verkaufte, daſs er dieselben
auf seine Kosten hauen, legen und zu Kohl brennen lassen musste —
[1073]Hessen im 17. Jahrhundert.
und der Graf weiter nichts damit zu thun gehabt, als daſs er „die
Klafftern, wie sie gelegt, aufschneiden lassen“. Auf diese Art habe
er 2541 Klafter gemacht. 1622 war das Hüttenwerk in Schellnhausen
an den vormaligen Niddaischen Rentmeister Krug und den Zöllner
Otto für jährlich 150 Gulden verpachtet.


Eine weitere Eisenhütte bestand zu Bieber im hessischen Hinter-
land; die Akten darüber wurden nach der Annexion 1866 an Preuſsen
ausgeliefert. Aus Klipsteins mineralogischen Briefen erfahren wir,
daſs daselbst 1660 der Eisenstein von Wommelshausen verschmolzen
wurde.


Auch in der Landgrafschaft Hessen-Kassel vernichtete der
30jährige Krieg die Eisenindustrie nahezu vollständig. Die wichtigsten
Werke waren damals die zum Kloster Haina gehörigen Eisenhütten
Fischbach und Rommershausen. Von diesen sind die Rechnungen
vom Jahre 1606 an im Landeshospital zu Haina fast vollständig
erhalten, und es ist das Verdienst des Konservators L. Bickell in
Marburg, dieselben aufgefunden und das wichtigste daraus mitgeteilt
zu haben1).


Bis zum Jahre 1616 war der Betrieb der Eisenhütte zu Fisch-
bach, auf welcher viele Guſswaren, darunter namentlich auch Ofen-
platten, gegossen wurden, des Hammers daselbst und des Blechhammers
zu Rommershausen ein lebhafter, in Folge dessen hat man im Jahre
1616 auch zu Rommershausen einen Gieſsofen erbaut, der im folgenden
Jahre auch betrieben wurde. Der Erzbezug gestaltete sich sehr günstig
durch die Eröffnung und Erweiterung der Eisensteingruben am Kalden-
baum, welche ein für Guſswaren so geeignetes Erz lieferten, daſs der
Bezug von fremden teuren Eisensteinen unnötig wurde. Mit Ausbruch
des 30jährigen Krieges traten aber groſse Störungen und Unter-
brechungen des Betriebs ein. Von 1616 bis 1624 fehlen die Rech-
nungen gänzlich, im Jahre 1624 wurden zu Fischbach nur 322½ Ctr.
Öfen gegossen. 1625 bis 1628 wurde gar nichts gegossen, 1628 bis
1632 fehlen die Rechnungen, 1632/33 wird nur ein Ofen von 3 Ctr.
Gewicht aufgeführt, 1633 muſsten die Hüttenbälge im Kloster ver-
steckt werden, 1634 wurden 40 Öfen von 173 Ctr. Gewicht gegossen.
Dagegen lag die Hütte in den Jahren 1635 bis 1638 und 1641 bis
1646 kalt. Dazwischen wurde Munition gegossen. Je länger der
Krieg dauerte, je mehr wurden Eisenkugeln begehrt2). Der Hainaer
Beck, Geschichte des Eisens. 68
[1074]Hessen im 17. Jahrhundert.
Hüttenvogt muſste im Jahre 1648 10 bis 12 Mal nach Kassel und
Ziegenhain laufen, um die Kugelgelder einzutreiben.


Die Eisenhütten waren in diesen Kriegszeiten immer besonders
heimgesucht, denn auf ihren Besitz legten die streitenden Parteien
besonderen Wert. Das Miſstrauen, daſs sie dem Feinde dienten, gab
immer den naheliegenden Grund zum Überfall und zur Beraubung;
am schlimmsten hausten in dieser Beziehung die „Marodeurs“. Diese
zerschlagen 1634 ein Scheunenthor, 1636 stehlen die Hatzfeldischen
die eisernen Töpfe, so viel sie tragen können, die Übrigen zerschlagen
sie. Die Hainischen „Unterthanen“ können keine Kohlen fahren, da
ihnen die Pferde genommen sind. Dem Hammerschmied in Fisch-
bach und dem Waldeckischen wird das Geld abgenommen und aus
der Eisenkammer zusammen für 80 Gulden Eisen gestohlen.


1648 giebt „man dem Leutenampth von Götzen, welcher alles zu
zerschlagen droht, 1 Wag (60 kg) Stabeisen“.


1639 war der Hochofen zu Fischbach wieder angeblasen worden,
um die Hämmer in Gang zu halten, da das vorhandene Roh-
eisen verbraucht war und das gekaufte alte Eisen nicht hinreichte.
Doch durchstachen die „Kriegsleute“ den Mühlenteich und zer-
schnitten 1641 auch die Hammerbälge. Die Hammergebäude waren
so zerfallen und verwüstet, daſs 1642 dieselben ganz umgebaut werden
muſsten, wobei viele kleinere Metallteile gestohlen wurden. Erst 1643
kam der Hochofen wieder in Gang, um Roheisen zu produzieren.
Sogar der alte Stamm von „Bergknechten“ scheint durch das lange
Kaltliegen des Ofens stark reduziert, da der Hüttenvogt ins Stift
Cöln nach Silbach gehen muſs, um solche zu holen. Aber schon
1646 muſsten die Hammerbälge wieder in Sicherheit gebracht werden,
wie sich aus folgenden Einträgen ergiebt.


1 fl. 10 alb. Von den Hammerbälgen sambt den Brettern (d. h. wohl
den Modellen) alss die Haubt-Armeen vorm Kirchhayn gelegen,
Hermann Steffen zue Armsfeldt, naher Wildungen zu fuhren geben.


8 alb. Einem Schwedischen Reutter, so bey den bälgen Confony
gewesen zuuer ehrung gebenn.


1647 Ging der Hochofen wieder 10 wochen lang, wovon die Frau
Gräfin zu Waldeck 15 Tage „vff des Hospitals Hochofen blasen“
läſst und jeden Tag 1 Thlr. Hüttenzins dafür entrichtet. Die Kaiser-
lichen verbrannten einen groſsen Teil des Kohlenvorrats und nahmen
eine „Hebescheide“ mit.


Unter den gegossenen Kugeln waren sowohl „gantze“ als „hole“.
Nach 1648 muſste einem „schwedischen Reuter vom Jordanischen
[1075]Hessen im 17. Jahrhundert.
Regiment so in dem March vf der Hütten Fischbach zu Saluaguardi
gelegen, 2 fl. 12 alb. verehrt werden“.


Mehr als das interessirt den Techniker, daſs im Jahr 1635, als
der Hochofen kalt lag, ausnahmsweise aus einem Schmiedeherd ge-
gossen wurde, wie nachfolgender Eintrag zeigt.


„Ausgabe Roheisen: 7 Ctr. Johanneſs Zeppern, so er von einer
göse auſs seinem Feuer zu 3 härtt zacken gegossen.“ Zepfer war
der eine Hammerschmied zu Fischbach.


Die 1643 angeschafften neuen Hüttenbälge blieben im Hainerhaus
zu Kassel bis incl. 1646 in Verwahrung liegen.


1650 faſst man neuen Mut, bessert alles aus, denkt sogar an
neue Ofenmodelle, und gieſst auch einiges. Doch stockt bald alles
wieder, das Personal ist offenbar schlechter, so daſs 1655 der
Schmelzer Wilhelm Figge aus Usseln kein gares Eisen fertig
bringt:


„Bei diesem geplöse so 5 Tage ohne das Trocknen vnd Stellen
im werck gewesen, hat sich’s so wunderbahrlich im gestelle bezeiget,
das man auch kein pfund Eysen so etwas genutzet ausm Heerdt
bringen können. Denn angesehen man doch das Eisen gnung ge-
sehen, wan aber man solches wollen laufen lassen, ist es wieder wegk
vndt lauter Dreck gewesen, dahero man doch dem Hüttenmeistern
sampt den Knechten, welche vber die maasen saure Arbeit dabey
gehabt, nachfolgender Lohn geben .....“


Erst der im folgenden Jahre berufene neue Hüttenmeister bringt,
nach einem abermals unglücklichen ersten Versuch, den Betrieb in
Ordnung, und das Werk hebt sich wieder, um im Jahre 1676 fast
wieder auf den höchsten nachweisbaren Stand zu kommen, von
welchem es aber dann wieder etwas herabsinkt. Der Absatz der
Öfen und auch des Stabeisens muſs jedoch durch die Konkurrenz der
landesherrlichen Hütten sehr erschwert worden sein, denn 1695 hatte
sich ein für damalige Zeit groſser Vorrat von Roheisen von 2954 Kar.
10 Ctr. (1 Kar. = 12 Ctr.) gesammelt.


Im folgenden Jahre gelang es, 2000 davon an den Grafen von
Waldeck abzusetzen, so daſs eine unerhörte Einnahme von 27323 Gul-
den erzielt wurde.


Landgraf Moritz war eifrig für die Hebung des hessischen Berg-
baues bemüht. 1616 erlieſs er eine besondere Bergfreiheit. Um diese
Zeit gründete er die neue Schmelzhütte in Rommershausen und ver-
legte 1617 die alte Hütte von Vaake nach Knickhagen. Diese ver-
hüttete die Eisensteine des Bergwerks zu Hohenkirchen und wurden
68*
[1076]Hessen im 17. Jahrhundert.
daselbst Guſswaren hergestellt, denn im Jahre 1634 wird der Ofen-
former Daniel aus Knickhagen nach Fischbach geholt, um 40 Öfen
zu formen. Ebenso wurde 1660 auch der Former Otto Brocken
von Schwalefeld aus Knickhagen abgeholt. Im Jahre 1666 wurde
aber die Knickhagener Hütte nach Veckerhagen verlegt, woselbst
nun das bedeutendste hessische Eisenwerk aus der Zeit nach dem
30jährigen Krieg entstand.


Der Eisenguſs von Veckerhagen erlangte bald einen groſsen Ruf
und fand ausgedehnten Absatz nach Bremen und Holland. Diesen
Ruf verdankte die Hütte groſsenteils ihrem Reichtum an originellen
Modellen. So besaſs sie eine ganze Reihe von Modellen, welche nur
für Holland bestimmt waren, namentlich für Kamine und Kaminein-
fassungen. Auch Glocken von Eisen wurden daselbst gegossen. Eine
solche von 1674, welche 1825 zersprang und 1 m hoch und 1,15 m
breit ist, befindet sich jetzt in der von Dr. Bickell gegründeten Samm-
lung zu Marburg.


Betreffs der Hainaer Eisenhütten ist noch folgendes technisch
Bemerkenswerte nachzutragen. Das beste Erz, welches sich zum
Gieſsen besonders eignete, bezogen sie aus der Grube am Kaldenbaum,
wo 1625 Schächte, Stollen und „Wasserziehen“ erwähnt werden. Die
Hütten lagen an tief eingeschnittenen Waldthälern: Dodenhausen und
Rommershausen an der Gilsa, Fischbach und Armsfeld an der Urfa.
Das Wasser der Bäche wurde in Sammelteichen, wovon oft mehrere
bei einer Hütte lagen, z. B. bei Fischbach vier, gespannt und fielen
auf oberschlächtige Wasserräder von 10—12 Fuſs Durchmesser. Die
Hochöfen hatten vierekige Schächte. In einer Rechnung von 1663
heiſst es: „13 fl. 4 alb. seindt Wilhelm Lohn, Maurer zu Brielon von
dem hohen Ofen Jn Wandigk den schacht von newen biſs auf das
Gestell die Vier Wende abgenommen vndt wieder gemacht zahltt.“
Die Hinterseite des Ofens lehnte an eine Bergwand, entlang der ein mit
Holz verzimmerter Stollen lief. An diesen lehnte sich eine „Abseite“,
aus Holz gezimmert, unter der die zwei „Hüttenbälge“ lagen, durch
eisenbeschlagene „Streichspäne“ und Ketten mit der Blaswelle ver-
bunden. In Fischbach hatte man 1691 Holzbälge: „38 fl. 2 alb. Vor
Ein Pahr höltzerne Hammer Belge mit alle ihre Zugehörigen Beschlagk
Röhren Fuhrlohn und frey Von Ssmahll-kalten anhero Geliefert vnd
vorgericht Sebastian Eberhart dem Balchenmacher Vohn Ssmahll-kalten
laud uhr-kund den 21. Augusty an 31. rthlr. geldt.“ — Die alten
ledernen wurden nach Haina in die „schusterey“ geliefert. Anno
1696 erhält auch die Schmelzhütte Holzbälge durch denselben Balgen-
[1077]Hessen im 17. Jahrhundert.
macher für 56 fl. 16 Albus. 1692 wird im Inventar ein messingenes
Ventil zur Regulierung des Windes aufgeführt. Die Gestell- und
Schachtsteine wurden bei Altenhaina gewonnen, die besten kamen
aber von Landwehrhagen (Langkwirigen Hagen). Durch den äuſseren
Mantel aus gewöhnlichen Steinen liefen eiserne Anker, Gicht und Ab-
zug waren mit eisernen Platten geschützt. Neben dem Hochofen stand
das Formhaus mit einer Stube für den Former, einem hölzernen, mit
Lehm „gekleibten“ Schornstein, einer groſsen Bank zum Formen und
einem Schrank für die Modelle u.s.w. In einem „Hagelkropf“ waren
zwei Gossen zur Herstellung von Hagelgeschoſs eingemauert (1694).


Die Schlackenpoche stand neben dem Schmiedehammer und hatte
Stempel mit eisernen „Böszen“ (Schuhen). 1674 kommen aber im
Inventar auch „Bochhämmer“ mit geschmiedeten Hälsen, gegossener
Welle und gegossenen Hämmern vor zum Pochen des gerösteten Erzes.
Die Amboſse waren schon 1608 nach dem Inventar zum Teil aus
Guſseisen.


In Fischbach wurden 1625 für die Waldeckischen Hütten Hebe-
ringe gegossen, ferner 1608 Kurbelzapfen (dem Grafen von Hanau ein
Kurbenzapfenn) und 1654 ein Blasewellzapfen (Blauwellzapfenn zur
Hammerwell). Als sich unter dem Hüttenmeister Elias Schlächter
und seinem Former Otto Brocken um 1660 das Hüttenwerk wieder
hob, wurden auſser den gewöhnlichen Gegenständen, Büchsen, Kugeln,
Hagel, Töpfe, Brandtreitel, Röste, Öfen, Platten noch folgende Artikel
gegossen: Mörser, Kucheneisen, Retorten, Jegerieröfen (Digerieröfen),
Hüttenreiben, Gossen und sogar Glocken. Von letzteren wogen die
ersten drei Stück 17 Ctr. Eine gegossene eiserne Glocke zu Ober-
möllrich, welche noch existiert, ist inschriftlich von 1674.


In der Anlage I zu Bickell’s Schrift über die Eisenhütten des
Klosters Haina sind die vollständigen Inventarien der Schmelzhütte
in Fischbach und der Eisenhämmer in Fischbach und Rommershausen
aus dem Jahre 1608 mitgeteilt. Danach hatte das Pochwerk der
Hütte drei Stempel. Das ganze Gieſsereiinventar bestand aus 7 „offen-
bretter mit Jrem Biltwerk“, d. h. Modelle für Ofenplatten von 2 bis
15 Ctr. Gewicht, 4 leisten-laden mit 4 Ringen, 1 Setzwage, 1 Form-
sandsieb und 1 Kasten „zum Biltwerk“, 1 eiserne Pfanne, 1 Gieſs-
löffel und 1 Formspieſs. Die Frischherde waren mit eisernen Platten
zugestellt: 2 Platten Uffen Heerdt und 3 Heerdt Zacken. Die Zangen
bestanden aus 2 Luppenzangen, 2 Wärmzangen, 4 Schmiedezangen
und 4 Schinzangen. Zu der Hammerschmieds-Wohnung gehörte
„1 Backhaus, Keller sampt dem gebew darüber und 1 Sewstall“. Von
[1078]Hessen im 17. Jahrhundert.
Plattenmodellen werden in den Inventarien des 17. Jahrhunderts auf-
geführt: vom verlorenen Sohn, von der Schlange im Paradies, das
Gleichnis vom Schafstall, von den Wasserkrügen, von Holofernes, von
der Kreuzigung, von der Auferstehung; 1668 waren dazugekommen
Kurmainzisches Wappen, Schenkisches Wappen und Justitia. 1680
wird ein Formschneider Benedictus Schröter, Schreiner zu Haina,
genannt. Dieser erhält „12 fl. 8 alb. von zwey paar Offen Formen-
Bretern von der Erschaffung der Welt und der Geburt Christi, das
Bildwerk, beyneben das Laubwerk darumb zu schneiden, die Bretter
gemacht und die Dihlen darzugethan“. Im Anhang III führt Bickell
die Namen der Hüttenmeister und Former zu Fischbach im 17. Jahr-
hundert an. Aus der weiter mitgeteilten Verkaufsliste ist zu be-
merken, daſs auſser den Fürsten es hauptsächlich die „Euler“, d. h.
die Thonwarenbrenner, welche die Kacheln machten, waren, welche
die gegossenen Ofenplatten kauften.


Ueber die Hütte bei Biedenkopf liegen ausführliche Betriebs-
angaben aus dem 17. Jahrhundert vor1). Sie schlieſsen sich an die
S. 751 mitgeteilten aus dem 16. Jahrhundert an. Der Hochofen
wurde zwischen 1601 bis 1625 neu aufgebaut. Es gehörten drei Hämmer
zu dem Werk, einer bei der Hütte, einer bei Hatzfeld und einer an
der Eder, vermutlich bei Herzhausen in der Grafschaft Itter, wovon
sich bis 1631 Spuren finden. Die Erze kamen meist aus dem
Nassauischen und von Lixfeld, erst seit 1664 von Königsberg, welches
in den späteren Zeiten den Ofen allein versorgte. Der Gewinnungslohn
der Lixfelder Erze belief sich auf 26—30 Albus, der Fuhrlohn auf
26 Albus 7 Pfennige das Fuder. Der Kalkstein kostete 1½ Albus
das Fuder. Das Forstgeld vom Fuder Kohlen betrug 10 Albus 4 Pfg.
und der Köhlerlohn 23 Albus 1 Pfg. Es fielen in der ersten Hälfte
des Jahrhunderts


  • 1626 aus 4 8/114 Fuder Stein mit 5 95/114 Fuder Kohlen, 14 12/114 Ctr. Eisen
  • 1634 „ 3 44/98 „ „ „ 5 38/98 „ „ 11 52/98 „ „
  • 1639 „ 2 75/98 „ „ „ 4 70/98 „ „ 12 24/98 „ „
  • 1644 „ 2 15/73 „ „ „ 5 49/73 „ „ 14 5/73 „ „
  • 1649 „ 3 72/88 „ „ „ 5 65/80 „ „ 15 61/80 „ „

1626 wurde am meisten Stein durchgesetzt und am längsten
geblasen, nämlich 114 Tage, denn auch hier geben die Nenner der
Brüche die Zahl der Hüttentage an. Die gröſste Menge Eisen wurde
[1079]Nassau im 17. Jahrhundert.
1649 erzeugt, das günstigste Ausbringen, jedenfalls in Folge besserer
Erze, war im Jahre 1644.


Die Hammerschmiede muſsten aus dem Chor Roheisen 7½ Wagen
geschmiedetes Eisen liefern, was dem Verhältnis der Waag Roheisen
zu Stabeisen von 150 Pfd. zu 120 Pfd. nahe kommt. Der Preis des
geschmiedeten Eisens stand bis 1636 auf 3 Thlr. die Wage, der Thaler
zu 90 Kreuzer (Mk. 12,30 nach heutigem Wert) also ca. Mk. 20 die
100 kg. Die „Waag“ Eisen war nach den Sorten verschieden im Ge-
wicht, während 1 Waag Schmiedeeisen 120 Pfd. hatte, rechnete man
die Waag Hufeisen zu 100 Pfd., die Waag Radnägel zu 90 Pfd. Der
Schmiedelohn von einer Waag Stabeisen betrug 8 alb., auſserdem er-
hielt der Schmied 12 fl. 7 alb. für die Unterhaltung des Hammerzeugs
auf ein Jahr. Der Schmelzer erhielt 2 fl. 12 alb. Wochenlohn und
sämtliche Hüttenbeamte vom Hüttenschreiber bis zum Steinpocher
genossen eine gewisse Hüttengebühr an Roheisen, welche 1628 vier
Chor 11 Ctr. betrug. 1637 stieg der Gulden von 27 auf 30 alb. und
änderten sich dementsprechend die Preise und Löhne.


Die Rechnungen aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts be-
ginnen mit dem Jahre 1665. Es fielen


  • 1665 aus 2 Fuder Stein 11 51/68 Ctr. Eisen,
  • 1666 „ 1 125/126 „ „ 12 31/126 „ „
  • 1696 „ 2 100/122 „ „ 21 213/245 „ „

Das bedeutend höhere Ausbringen ist den reichen Erzen von
Königsberg zuzuschreiben. Die Hüttenreisen waren von 1666 ab länger
als in der ersten Hälfte, in genanntem Jahre 18 Wochen. Die Tages-
produktion blieb gering, sie sank einigemal unter 12 Ctr. und betrug
im Durchschnitt 17—18 Ctr. Die Preise waren in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts etwas höher; Schmiedeeisen war von 3 Thlr. auf
3¾ Thlr. gestiegen. 1673 wurde zu Biedenkopf ein Blechhammer
und 1675 zu Hatzfeld ein Stahlhammer betrieben.


Nassau.

Auch in den nassauischen Landen war die Eisenindustrie
durch den 30jährigen Krieg vielen Drangsalen und vielem Wechsel
ausgesetzt.


Graf Ludwig II. von Nassau-Saarbrücken, durch welchen die Be-
sitzungen der Walram’schen Linie wieder vereinigt wurden, bemühte sich
[1080]Nassau im 17. Jahrhundert.
eifrig für Bergbau und Hüttenwesen in seinem Lande. Hierin stand
ihm treulich sein Oberamtmann zu Weilburg, Johann Gottfried vom
Stein
, zur Seite. Dieser übernahm es 1615, die Audenschmiede bei
Weilmünster, welche eingegangen war, auf eigene Rechnung zu be-
treiben. Dieselbe muſs damals ganz neu aufgebaut worden sein und
hieſs von da an die Neuhütte. Der Bau muſs 1615 fertig und die
Hütte in diesem Jahr schon in Betrieb gewesen sein, denn bereits
1615 beschwert sich v. Stein beim Grafen Ludwig über ungenügende
Holzlieferung. Der Neubau war auf Kosten der Herrschaft geschehen,
ebenso wie der eines Rohrhammers bei Weilmünster, welcher 1617
von der Herrschaft betrieben, in diesem Jahre aber ebenfalls an
Johann Gottfried vom Stein verliehen wurde. Als aber der 30jährige
Krieg ausgebrochen war, verkaufte 1620 Johann Gottfried vom Stein,
„der Zeit Nassauischer Rat und Oberamtmann der Herrschaft, (für
diese) Eisenwerk, Rohrschmiede und nachbenannt Schmelzhütten dem
Eruesten (ehrenfesten) Johann Catoni von Gülchen (Jülich) dem
jüngeren, Bergkherren zu Wald-Michelbach und Stromberg sb. Lud-
wig Grafen zu Nassau-Saarbrücken“1). Dieser Johann Cato oder Caton
setzte einen Carl Badonn als Meister auf die Neuhütte. 1623 er-
scheint derselbe zum erstenmal als „Meister, Hüttenschreiber und
Verwalter auf der Neuen Hütte b. Weilmünster“. Johann Cato be-
gegnete schon in den ersten Jahren nach Übernahme der Hütte
groſsen Schwierigkeiten, was bei den schweren Kriegszeiten nicht zu
verwundern ist. Im Jahre 1622 beschwerte er sich beim Grafen wegen
der Holzlieferung und bittet den Herzog, daſs „die Jäger“ die richtige
Holzfällung anordnen wollen. Auch in Lohnstreitigkeiten mit seinen
Arbeitern war er in diesem Jahre verwickelt. 1623 schlieſst der oben
erwähnte Carl Badonn den Holzverkauf mit der Gemeinde Weil-
münster ab. Ebenso bescheinigt der „Scholtes“ und Bürgermeister zu
Altenkirch, „daſs sie dem Karlen Bardonn, Hüdten-Schreiber und
Verwalter auf der Neuen Hütten obig Weilmünster Holz verkauft
haben“.


Ende des Jahres 1623 oder in den ersten Tagen des Jahres 1624
starb Johann Cato, und zwar kinderlos. Seine Geschwister beerbten
ihn und wurden auch bereits im Januar 1624 mit der Neuhütte be-
lehnt2). Aus der Belehnungsurkunde geht hervor, daſs Graf Ludwig
[1081]Nassau im 17. Jahrhundert.
von Nassau selbst „die Rohrhammerschmitt obig unsrer Dorfschaft
Weilmünster“ verkauft hatte. Diese sei später „seiner befundenen
Gelegenheit Weiland Johann Caton von Gülch käuflich überlassen.
Da dieser unlängst verstorben, so belehne er nun des Johann Caton
Bruder, Heinrich Caton, und dessen Geschwister Catharinen und
Margarethen als Erben über das Hüttenwerk (die Neuhütte) mit
schriftlicher Belehnung und Erbbelehnung zunächst mit dem Wasser-
recht, dann mit dem Eisensteinbezug aus den gräflichen Gruben, die
namentlich aufgeführt werden („auf den 2 alten Dorgewerken, also
am Nodenholz, Weiſsengraben, Philippstein und Bernbach Kautten,
nach Notdurft gleich andern Hütten proben und holen lassen, doch
das uns der gebührende Zehende davon treulich entrichtet wird“);
ferner die Holznutzung in der Art: sie dürfen in dem Weilmünsterer
Wald nicht denn allein „Unholz“ holen und tragen lassen, aber keine
Hacke oder Axt, Pferd oder Fuhre dazu gebrauchen, denn wo anders
befunden, sie gleich andern gepfändet und gestraft werden sollen. —
Dagegen sollen sie wie die Gemeinde Weilmünster das notdürftige
Bauholz zu diesem Hüttenwerk als „Jngebüren“ zu den Schmitten-
Hammerhelmen, Kammenstreichen, Keilholz, Kohlschuppen und was
mehr zur Erhaltung des ganzen Werkes benöten ohne Waldzins und
Entgelt ausfolgen lassen, darin denn kein Gefährte gebraucht, weil
sie wegen dieser Hütte in Weilmünsterer Wäldern sonst kein Wald-
recht haben, sondern ihnen nur im Falle der Notdurft zuverpflichtet“.
— Dafür sollen sie ebensoviel Zins zahlen, „als uns von der Auden-
schmitt zufällt, nemblich 8 Wagen Eisens von dem Hammer und dann
von dem hohen Ofen dreiſsig Centner Gieſseisen, alles gut Kaufmanns-
wahren“ ..... „Weiter behalten wir uns bevor, würde es sich zutragen,
das sie das Blechhüttenwerk verpfenden, verkauffen oder in andere
Hände kommen lassen wollten, sollten sie uns deſsbezüglich zuvor zu
wiſsen thun und anbieten, damit wir nach Bedarf den Vorkauf
haben.“


Aus der Erbschaft Johann Catos entsprangen alsbald eine Reihe
von Streitigkeiten und Prozessen. Zunächst meldete sich ein gewisser
Joh. Matthias Mehl mit einer Beschwerde und Forderungen, d. d.
4. September 1624, indem er vorgiebt, ein Mitgewerke des Cato ge-
wesen zu sein. Er sagt sein „nunmehr in Gott ruhendes Gegentheil
habe ihn auf bloſs geschöpften argwohn, befängnisset und in Haften
ziehen lassen“ — ihn zwar später auf Bürgschaft entlassen, aber
einen langen, kostspieligen Prozeſs gegen ihn eingeleitet, worin er
unterlegen — die Kosten aber nicht bezahlt. Dieser Mehl wird in
[1082]Nassau im 17. Jahrhundert.
der Replik als „übelbefürgter“ Mann und seine Supplikation als Lüge
hingestellt. Dennoch wurde der Prozeſs des Mehl teilweise zu Un-
gunsten von Catos Erben entschieden.


Catos Erben suchen zu verkaufen, handeln dabei aber nicht ganz
aufrichtig. Am 1. April 1625 verkauft Heinrich Caton die halbe
Hütte an Martin Cämmerling, nassauisch-saarbrückischen Oberschult-
heiſsen zu Weilmünster. Am 3. Mai erscheinen Heinrich Cato und
Christof Sorge von Kraft-Solms wegen eines Kaufaktes, den sie zur
Ostermeſs 1625 miteinander abgeschlossen. Bereits im Mai sehen wir
Heinrich Cato mit Stoffel (Christof) Sorge, der hier Hüttenmeister
zu Kraft-Solms genannt wird, im Prozeſs. Sie scheinen sich verglichen
zu haben, denn in den folgenden Jahren läſst sich Heinrich Cato
durch seinen „Vetter“ Stoffel, der auf der Neuhütte wohnt, vertreten.
Dieser Vetter Stoffel ist für uns schon deshalb interessant, weil er
ein Nachkomme des Hüttenmeisters Peter Sorge zu Kraft-Solms ist,
den wir bereits kennen (siehe Seite 701). 1626 wurde die Neuhütte
durch Kriegsvölker ausgeraubt. Heinrich Cato wendet sich deshalb
beschwerdeführend an den Erzbischof von Trier. Die Beschwerde
lautet:


„Hochwürdigster Churfürst vndt Erzbischoff. Ew. Churfürstl.
Gnaden seyen meine Unterthenigste bereitwilligste Dienste zuvor
gnedigster Churfürst vndt Herr.


E. Churfürstl. Gnaden habe ich im verlittenen September dieses
zu entlauffenden Jahres vnterthenigst clagend vorbrach, weſsmassen
alle meine eysene öffen, deren 107 uff die 600 Rthlr. werth, so ich
in der neuwen Hütten bey Weilmünster in der schmeltzhütten ver-
schlossen gehabt, durch einen Rittmeister seyen entwehndt, vndt ge-
waltthätiger Weiſs, ohne eynige gegen mich gehabte Ursach, zu endt-
lichen meinem groſsen schaden vndt verderben weggeführt worden,
dem von ihrer excell. Herren Grauen von Tilly dem Hüttenwerk gnedig
mitgetheilte salvaguartien gantz zuwider“. Die Oefen sollen in chur-
fürstlichem Land bei Mülhen im Thal bei deren Unterthanen anzu-
treffen sein und bittet der Beschwerdeführer um Restitution. Es heiſst
dann weiter: „Der Ambt vndt Haubtmann dess Ehrenbreitstein habe
dann auch die Weisung erhalten, die Sache zu untersuchen und Ab-
hülfe zu schaffen. — Sindemahl nun ein gevollmechtigter Diener in
gewisse Kundschaft gebracht, daſs zu Mülhen im Thal trey under-
thanen 73 offen vndt 5 ungerathe stück in Händen haben, so sind
sie geladen worden, haben erklärt, daſs sie 150 Reichsthaler darauf
gelehnt haben. Er solle diesen nun dieses Geld erst ersetzen. —
[1083]Nassau im 17. Jahrhundert.
Dies sei ein Unrecht, da er ausdrücklich durch Tilly kaiserliche sal-
vaguardia gehabt habe. Xbris. anno 1626.“ — Diese Beschwerde ist
unterschrieben: Heinrich Cato von Gülch, Secretarius zu Braunfels
und eingereicht durch seinen „Vetter Stoffel“.


Hierauf wird von Trier resolviert, „daſs erst die einheimischen
Unterthanen und der Jüdt in Frankfurt zuvörderst zufrieden gestellt
werden sollen. — 13. Decbr. 1626 von der trierischen Cantzeley“.


Darauf folgen eine Reihe weiterer Beschwerden, an welchen sich
auſser Heinrich Cato von Gülch und Christof Sorge auch Heinrich
Cämmerling beteiligt. Danach erhoben sich neue Schwierigkeiten
zwischen Cato und Vetter Stoffel. Letzterem wird in einem Schrift-
stück die Richtigkeit des Kaufs der Hütte durch Johann Cato von
Gülch „als ein beständiger ewiger erbkauff“ bestätigt, deshalb „kann
oder mag (man sie) dem ehregeachten, wolfürnehmen Christoff Sorge,
tucrikon (?) seiner ehelichen Hausfraw zu Crafft Solms ihren erben
nidt abnehmen“. Die Vetterschaft rührte also augenscheinlich von
der Frau her. Christof Sorge hatte um diese Zeit auch das Hütten-
inventar von Heinrich Cato gekauft und verlangt die Auslieferung
der Hüttengeräte, dazu einen Blasebalgen für einen hohen Ofen,
Schlaghämmer, Zangen, kleine und groſse Ofenformen u. s. w., sowie
1800 Klafter Holz. — Der Kauf war geschehen für 3175 Reichsthaler,
„in guter, harter, passirlicher Währung“ und sollte der Käufer diese
Summe bis auf 800 Reichsthaler, die erst in der Herbstmesse fällig
sein sollten, gleich zahlen. Dabei hatte sich Cato einen Teil des
Holzes vorbehalten. Hieraus erhoben sich die Streitigkeiten, indem
Stoffel den ganzen Holzvorrat verlangte, während Cato behauptete, er
habe nur 1800 Klafter verkauft, was mehr sei, davon müsse Käufer
drei Reichsthaler vom Klafter zahlen. Am 8. März 1627 wird Stoffel
Sorge auch zur Zahlung verurteilt. Er beruhigt sich aber nicht dabei
und der Prozeſs spinnt sich weiter. Gleichzeitig führte Cato, der nicht
umsonst „Sekretarius“ war, Prozeſs mit dem früheren Hüttenverwalter
Carl Badon, dem er Öfen in Kommission gegeben hatte. Der Streit
endete durch Vergleich am 12. Oktober 1627. 1633 verkauft Cato
einem vom Stein einen Anteil, den er, wie es scheint, nicht mehr
besaſs, denn dagegen supplizieren Christof Sorge und Martin Cämmer-
ling gemeinschaftlich. In diesem Schriftstück wird die „Audenschmied
so vor 100 Jahren gebaut“ erwähnt. 1634 ist Stoffel Sorge mit der
Gemeinde Weilmünster im Streit wegen der Holznutzung. Er will
sein Recht darauf von Cato gekauft haben. Weiter erfahren wir
nichts mehr von der Neuhütte bis zur Beendigung des 30jährigen
[1084]Nassau im 17. Jahrhundert.
Krieges. Nach dieser erscheint die Familie Sorge im Alleinbesitz
derselben. Am 28. Juni 1657 beklagt sich Philipp Sorge, Ober-
Schultheiſs zu Weilmünster, daſs ihm das notwendige Bauholz für
seinen Hammer verweigert würde. Der Graf entscheidet, das Holz
sei aus der Waldmünsterer Waldung zu verabfolgen. Dieser Philipp
Sorge starb 1691. Einen Sohn und Geschäftsnachfolger scheint er
nicht hinterlassen zu haben. Die „Sorge’schen Erben und Kinder“
werden in vielerlei Prozesse verwickelt. Als Besitzer oder richtiger
wohl als Repräsentant der „hochfürstlich Usingischen Eisenhütte“ er-
scheint S. Krafft zu Weilmünster. Die Hütte wurde schlecht be-
trieben, infolgedessen schlechte Ware geliefert. Hierüber beschweren
sich die Abnehmer, insbesondere Paulus von der Lahr, Eisenhändler
zu Frankfurt a. M., welcher am 29. März 1698 Klage anhängig macht,
weil das gelieferte Stabeisen „nicht als Kaufmannsgut zu halten sei“.
Sorges Erben schieben die Schuld auf schlechten Eisenstein, der ihnen
geliefert worden sei. Paulus von der Lahr führt aus, daſs ihn dies
nichts angehe und daſs die Hütte Sorge zu tragen habe, daſs ihr guter
Stein geliefert werde. In diesem Sinne bemühen sich denn auch die
Sorgeschen Erben. Es liegt ein „Attest“ vor, wonach dieselben als
Hütteninhaber der Neuen Hütte zu Weilmünster und Braunfels um
Konsenz „500 Karch Eisenstein in der Langhecke zu holen“ nach-
suchen. Wiederholt petitionieren dieselben um Eisenstein, der anders
wohin verkauft würde. Nach den vorliegenden Spezifikationen wurden
Erze von Limburg, Rosberg und Drommershausen bezogen. Die Erze
von letzterem Bergwerk waren „zu öffen vndt anderem gleichen Guſs-
werk gar bequem und diensam erfunden worden“. Paulus von der
Lahr, der auf eine Obligation von 1000 Reichsthaler von 1665 —
seit der Zeit und noch länger hatte er also Eisen von der Neu-
hütte bezogen — Ansprüche geltend machte, scheint zuletzt in den
Besitz der Hütte gelangt zu sein, doch wurde der Prozeſs fortgesetzt
bis nach seinem Tode 1713. Die Hütte war inzwischen zum Erliegen
gekommen. Die letzten Prozeſsakten heiſsen: „Seb. Heinrich Krafft,
Amtmann zu Weilmünster gegen Paulus von der Lahr Erben zu Frank-
furt weyland des Oberförster Friedrich Christof Sorgen ⅕ Theil von
der eingegangenen sogenannten neuen Hütte oberhalb Weil-
münster betreffend 1713—1714“. Dies ist die kurze Geschichte der
Neuhütte und der Familie des Hüttenmeisters Peter Sorge von Kraft-
Solms, den wir im 16. Jahrhundert als geschickten Ofengieſser kennen
gelernt haben, welche in der Geschichte der Eisenindustrie des nassaui-
schen Landes keine unbedeutende Rolle gespielt hat.


[1085]Nassau im 17. Jahrhundert.

Viel bedeutender noch griff ein anderes Geschlecht in die indu-
strielle Entwickelung nicht nur Nassaus, sondern auch der Nachbar-
gebiete ein: die Mariots1). Ihr Wirken beginnt mit dem Abschluſs des
30jährigen Krieges. Es beschränkt sich nicht auf die Eisenindustrie,
aber diese war doch der Ausgangs- und Mittelpunkt ihrer Unter-
nehmungen. Auch sie stammten aus dem Niederland und zwar aus
dem Lütticher Gebiet. Wie Johann Cato scheinen sie Bergherren zu
Stromberg gewesen zu sein und bei ihrem ersten Auftreten erscheinen
sie in Gemeinschaft mit einem aus der Familie Sorge. Ein Zusam-
menhang dieser Familien hat also zweifellos bestanden. Zuerst waren
die Mariots in den trierischen Landen thätig. „Einen wichtigen Ge-
werbszweig2) verdankt dem Kurfürsten Philipp Christof die Um-
gebung von Ehrenbreitenstein. Auf dessen Veranlassung legte Johann
Mariotte, von Geburt ein Lütticher, den Hochofen zu Fallerau bei
Montabauer an: demselben Mariotte und dem Johann Heinrich Sorg
vergönnte der Kurfürst am 23. November 1646, bei Dernbach Eisen-
stein zu graben und ist diese Concession die Veranlassung geworden
zu der Mariotte ferneren Hüttenanlagen zu Engers, Nievern, Ahl und
Hohenrhein, zu dem schwunghaften Betrieb des Silberwerks zu Wein-
ähr u. s. w.“.


Johann Mariot oder, wie er sich meist schrieb, Jean Mariotte, war
ein auſserordentlich thätiger, unternehmungslustiger Mann. Er soll
in dem Gebiet der Mosel und Lahn 14 Eisenhütten erbaut haben.
Im Jahre 1660 erwarb er Konzessionen in der Grafschaft Katzeneln-
bogen und legte daselbst Eisenwerke an. Hierüber geben Akten im
Nassauischen Staatsarchiv Aufschluſs.


Am 16. November 1660 berichtet der Amtmann Jeremias Phi-
lipp Stamm zu Braubach, „daſs ein Kaufmann von Lück (Lüttich),
welcher sich sonsten mehrenteils zu Bingen aufhalten soll und mit
nahmen Jean Marioth heiſset, sich bei Eur. gn. Herrn Schultheiſsen
zu Catzenelnbogen angemeldet und angehalten, daſs ihm möchte ver-
gönnt werden, nach Eisenstein im Kirchspiel Catzenelnbogen zu suchen
.... und ob es ihm nicht vergönnt werden möchte, gar eine Eisen-
hütte allda aufzubauen, auch ob er alsdann umbs Geld Holzkohlen
bekommen könne“. Johann Mariot der ältere stellt das Gesuch für
seinen Sohn. Er unterschreibt „Jean Mariotte au nom de mon mre.
Jean Mariot le jeune“. Der Landgraf von Hessen erteilt die nach-
[1086]Nassau im 17. Jahrhundert.
gesuchte „Gerechtigkeit“. Mariot will die Steine zuvor zu Weienähr,
allwo er in Aufrichtung einer Eisenhütte begriffen sei, probieren. 1661
heiſst es in einem Bericht an den Landgrafen, daſs den beiden Mariots,
Johann und Walther, Muthung erteilt worden sei. Die Konzession
zum Hüttenbau ist datiert: Darmstadt, den 19. April 1661. Es wird
darin freies Bauholz und Kohlholz zu billigem Preise zugesagt. Dem
Amtmann wird am 22. April 1661 eingeschärft, „Sie darinnen im ge-
ringsten nicht verhindern lassen sollen“.


Am 5. Juni 1662 erteilt Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt
„dem Johannes Marioth von Lück (auch Luyck), Hüttenmeister zu
Monthabauer und dessen beiden Söhnen, Walther und Jean Mariot“,
eine ausführliche Konzession. Der Landgraf bedingt sich den Zehnten
und das Vorkaufsrecht, die Mariots erhalten das erste Recht auf den
Kohlenkauf nicht nur für Katzenelnbogen, sondern auch „in unsrer
Gemeinschaft und Vogtei Ems, wie auch in Dietz und Nassau“. Sie
sollen gehalten sein, in Jahresfrist einen Eisenhammer und „einen
Schmelzenden hohen Ofen“ aufzurichten. Sobald derselbe aufgerichtet,
haben sie für Wasserzins jährlich 24 Reichsthaler zu bezahlen, der
Hammer doppelt soviel und 9 Albus an das Amt Nassau-Dietz. —
Die Katzenelnbogener machten Schwierigkeiten wegen ihrer Forellen,
aber ohne Erfolg. Die Schmelzhütte war die frühere Weyermühle.
Auſserdem besaſsen die Mariots die Herrenmühle. 1677 erlangen
sie die Konzession zur Anlage eines Waschwerks am Forellenbach.
Die Gemeinde verlangt dafür Wasserzins, man vergleicht sich auf drei
Reichsthaler jährlich. Aus diesem Jahre datiert der erste bei den
Akten befindliche Erbleihbrief: Landgraf Ludwig VI. belehnt des
weyland Johann Mariot von Lüttich, Hüttenmeisters zu Montabauer
nachgelassene Wittib Susanne Catharine Gall und deren Söhne Johann,
Franz und Anton Mariot mit dem Eisenbergwerk auf dem soge-
nannten Mühlenfeld ohnfern Katzenelnbogen, sodann mit einem
Waschwerk auf der Bach zu gemeltem Katzenelnbogen. Diesem
folgte ein zweiter von 1679 „an die Mariottische Wittib Susanna
Catharina und ihre beiden Söhne Jean und Anton“; hier werden die
Söhne Walter und Franz nicht genannt, ebenso nicht in dem dritten
vom 27. September 1688. 1696 erlangen sie das Recht zur Anlage
einer Bäckerei, Bierbrauerei und Brennerei unter gewissen Befreiungen.
Es wird berichtet, „es habe Frantz Marioth von Weynär auf seiner
Eisenhütte der Herrnmühle zu vorgegebener Nothurft seiner arbeiter
eine Mahlmühle, Bierbrauerei, Brandweinbrennerei und Bäckerei an-
gelegt“.


[1087]Nassau im 17. Jahrhundert.

Bei diesen Konzessionen der Mariots war eine Bedingung, welche
späterhin bedeutsam wurde, sie sollten keinen Eisenstein auſser Landes
auf andere Hütten verkaufen.


Gegen Ende des Jahrhunderts (1695/96) wollten sie noch eine
Eisenhütte bei Katzenelnbogen erbauen, doch kam das Projekt nicht
zur Ausführung, weil das Gefälle zu schwach war.


Eine weitere Eisenhütte in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen
erbaute Johann Mariot bei Görsdorf. Für diese erteilt Landgraf
Ernst im November 1686 der Wittib Frau Susanne Catharine de Gal
eine Konzession auf Erz, Holz und Kohlen in der Grafschaft. Sie
soll den Vorkauf haben vor allen andern, wogegen sie sich verpflich-
tet, Erz und Kohle nur mit eignem oder mit landesangehörigem Fuhr-
werk fahren zu lassen; auch wird das Vorkaufsrecht des Grafen für
das Hüttenwerk ausbedungen.


Eine auſserordentlich weitgehende Konzession, welche deshalb
auch späterhin zu Streitigkeiten Veranlassung gab, erteilte Landgraf
Ludwig 1662 dem Johannes Mariot von Lüttich und dessen beiden
Söhnen Walter und Jean Mariot für die Vogtei Ems, indem er
denselben die Nutzung aller Blei, Erz und Eisensteine, Metalle, Mine-
ralien, Steine, sie seien edel oder unedel, Steinkohlen, Vitriol, Alaun,
Salzbrunnen und alles andre darin ihnen und ihren Erben und sonst
Niemanden zuspricht. Der ältere Mariot muſs sich besondere Ver-
dienste um Ems erworben haben. In späteren Akten heiſst es: Jean
Mariot hat den ersten Fuſs in den gemeinschaftlichen Flecken Ems
gesetzt und durch die durchlauchtigsten Häuser Hessen und Nassau
die Erbbestände über das dortige Bergwerk und neu aufgerichtete
Hüttenwerk erhalten.


Den Ahler Hammer bei Lahnstein hatten die Mariots 1668 ge-
kauft. Das angeblich hierdurch erworbene Recht auf Holzbezug führte
von 1686 ab zu weitläufigen Prozessen.


Die Hohenrheiner Hütte war ebenfalls von Johann Mariot erbaut.
Sie scheint später von der hessen-darmstädtischen Regierung über-
nommen worden zu sein. Wenigstens verpachtete diese zwischen 1690
und 1695 die Hütte an den Kriegs-Kommissar Koch auf drei Jahre
mit Vorkaufsrecht. Hierbei wird derselben der erstaunlich hohe
Schätzungswerth von 40000 Thaler beigelegt. Auch ist dem Pacht-
vertrag eine interessante Rentabilitätsberechnung beigefügt. — Täg-
liche Erzeugung 3600 Pfd. zu 18 Rthl., diese als Gieſswaaren, „Blatten,
Tackchen, Öffen, Kugell“ zu 32 Rthl. verkauft, bleiben täglich 14 Rthl.
Nutzen. Als Windoffen, Bomben, Granaten, Kartätschen zu 60 Rthl.
[1088]Nassau im 17. Jahrhundert.
die 36 Ctr. gerechnet, kosten 30 Rthl., also Gewinn 30 Rthl. resp.
900 Rthl. monatlich.


Derselbe Koch war 1681 mit den Mariots in Prozeſs geraten, weil
er Eisenstein im Amte Braubach gesucht hatte, wozu sie sich allein
berechtigt glaubten. Der Landgraf von Hessen schreibt am 9. Februar
1691 an „Jean François de Mariot â Weinähr, er habe sich reservirt
den Eisenstein-Zehenden von dem Katzenelnbogenischen Bergwerk im
Mühlenberg in natura zu dero Nutzen auf der „Kochischen Hütte“
zu vertreiben“.


Die Nieverner Hütte war schon zu Mariots Zeit die wichtigste
der zwischen Lahnstein und Ems zusammengedrängten Eisenwerke
und übertraf Ahl und Hohenrhein an Produktionsfähigkeit. Die Erze
kamen von den Gruben von Berlebach und Fachingen.


In der Grafschaft Nassau erbaute Johann Mariot die Eisenhütte
zu Michelbach. Daſs bei Michelbach schon vordem ein Eisenwerk
bestanden hat, ist dadurch wahrscheinlich, daſs sich Johann Cato be-
reits 1620 Bergherr zu Michelbach nennt; wahrscheinlich bestand
hier eine Zerrennhütte. 1659 wird der Versuch gemacht, aus dem
Lütticher Land einen guten Schmelzer und Gieſser für die Michel-
bacher Hütte zu engagieren.


Auch bei Weinähr hatten die Mariots ein bedeutendes Eisenwerk.
Mehr aber noch als von diesem zogen sie hier bedeutende Einkünfte
aus dem schwunghaft betriebenen Bergbau auf Blei- und Silbererze.
Wie wir gesehen haben, werden sie öfter Mariot von Weinähr genannt.
Sie scheinen also hier einen Wohnsitz gehabt zu haben, ehe sie Herren
von Langenau wurden, was erst im 18. Jahrhundert geschah. Doch
werden die Glieder der Familie schon zu Ausgang des 17. Jahrhun-
derts häufig von Mariot genannt. Sie waren eine reiche, mächtige,
hochangesehene Industriellenfamilie am Ende des 17. Jahrhunderts.
Über ihre weiteren Schicksale werden wir später das Nötige berichten.
Die Mariots führten auf ihren Frischhütten die Methode ihrer Heimat,
die Wallonschmiede, ein und erheilt sich diese Frischmethode an der
Lahn lange nachdem die Familie erloschen war, bis um die Mitte dieses
Jahrhunderts, wo die Frischhütten daselbst überhaupt eingingen.


Noch andre Eisenwerke, von denen jetzt kaum mehr Spuren zu
entdecken sind, werden in dem Gebiet von Süd-Nassau im 17. Jahr-
hundert genannt. Im Rheingau wird eine Schmelzhütte „im Hanen-
berger Burgfrieden“ erwähnt, die zweifellos eine Eisenhütte war. Die
Umwohner im Rheingau beklagten sich, daſs die Hütte ihnen Nach-
teil wahrscheinlich an den Weinbergen brächte. Erzbischof Wolfgang
[1089]Nassau im 17. Jahrhundert.
resolviert deshalb Martinsburg, den 6. Dezember 1591, daſs dies „mit
des Gewalts-Botten würklicher Zuziehung“ durch das Haingericht
untersucht werden und, wenn sich die Sache so befinde, „die ohn-
längst aufgeführte Schmelzhütte fürderlichst wieder abgeschafft“ wer-
den solle. Wo diese Hütte stand und wo der Hanenberger und
Girsteiner Burgfrieden waren, ist mir nicht bekannt.


Eine andre längst verschwundene Eisenhütte bestand bei Lorch
am Rhein. 1659 den 13. Januar offerieren Joh. von Heppenheim
genannt von Saal und Philipp Ehrwein von Schönborn dem Erz-
bischof von Mainz das Eisenhüttenwerk bei Lorch, nämlich einen
hohen Ofen, Hammer und andre Hüttengebäu für 15000 Reichsthaler.
Auf diese Offerte wurde nicht eingegangen, aber wegen des Zehenten
von den Kohlen ein Vergleich abgeschlossen. 1672 und 1678 hat bei
Lorch noch ein Eisenhammer bestanden.


Eine andre alte Eisenhütte stand bei Eppstein. Am 7. Septem-
ber 1631 schreibt Dietrich Zorn von Epstein, Maintzischer Forst-
meister der Herrschaft Königstein an seinen Schwager in Darmstadt,
in Diensten des Landgrafen Georg in Hessen, daſs er im nächsten
Frühjahr seinen hiesigen (also Eppsteiner) hohen Schmelzofen wieder
angehen lassen wolle und dazu 100 Fuder andrer Art Eisenerz brauchen
möchte und wünscht, denselben in der Umgegend von Wildsachsen
oder wo in der Nähe der Herrschaft Epstein solcher anzutreffen
wäre, ungehindert graben und holen lassen zu dürfen, wobei sich der-
selbe auf ein Handschreiben des Landgrafen Moritz von Hessen, d. d.
Epstein, den 30. August 1616, bezieht, worin ihm die Erlaubnis auch
schon erteilt worden sei.


Ferner bestand in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei
Hofheim eine Eisenschmelzhütte, welche im Laufe der Zeit, wahr-
scheinlich wegen Holzmangels, einging und in eine Papiermühle um-
gewandelt wurde. In Wied-Runkel gab es im 17. Jahrhundert eine
Eisenhütte, auf welcher Ofenplatten gegossen wurden. Zwei Platten
aus jener Zeit mit der Aufschrift: AVF WIDTRVNCKELISHEN
EISENHVTTEN und der Darstellung der Hochzeit zu Cana und des
Absalons Tod befinden sich im bayerischen Nationalmuseum zu
München (Nr. 40 und 41). Es war dies wohl die spätere Christians-
hütte bei Schupbach.


Über die Eisenhütte zu Eibelshausen liegen Akten aus dem Jahre
1613 vor. — Die Löhnberger Hütte wurde von dem gräflichen Hause
Nassau-Dietz 1650 erbaut. Die Emmershäuser Schmelzhütte und die
Hatzsteiner Schmiede haben schon 1664/65 bestanden. 1679 wird der
Beck, Geschichte des Eisens. 69
[1090]Nassau im 17. Jahrhundert.
Oberschultheiſs Wilhelmi zu Weilmünster mit dem Hütten- und
Hammerwerk im Drommershauser Grund auf der Weil zunächst der
Stadt Weilburg beliehen. Bei Lahnstein (Landstein) wird 1699 ein
Pfann-Hammer erwähnt.


Im Dillenburgischen hatte man im Gegensatz zu dem politisch
mit demselben verbundenen Siegerland den Rennwerksbetrieb bei-
behalten. Erst im 17. Jahrhundert ging man auch hier zum Hoch-
ofenbetrieb über. 1614 waren noch zu Haiger, Ebersbach und Stein-
brücken Rennwerke. 1619 scheint zu Ebersbach ein Hochofen be-
trieben worden zu sein. Die Haigerhütte zahlt dagegen 1618 von
jeder Wage so geschmiedet und verkaufft wird, 4 gute Pfennige
an die Herrschaft. Von 1605 an wurde die Eisenhütte zwischen
Ober- und Niederscheld in Betrieb gesetzt. 1607 wurde der Nieder-
schelder Eisenhammer auf der groſsen Wiese bei Dillenburg erbaut,
auf welchem am 27. August zum erstenmal geschmiedet wurde. Eine
andre Hütte lag vor dem Schelder Wald nach Hirzenhain zu. Sie
hatte mit dem Kohlschoppen 435 Gulden 21 alb. gekostet. Die Bälge
waren besonders theuer, sie kosteten 110 Gulden. 1609 verkauften die
Hüttengewerken die Hütte mit allen Apparaten für 94 Gulden an die
Landesherrschaft. Jedenfalls war es nur eine Rennhütte. 1651 bis
1666 kaufte man auf der Ebersbacher Hütte den Wagen Kohlen für
3½ Gulden und verkaufte den Wagen Roheisen für 27, 30 bis 31½
Gulden, die Wag Stabeisen für 4 Gulden 5 Albus.


Um diese Zeit waren wieder billigere Zeiten in Nassau gekommen.
Dies geht auch aus einer Hadamarschen Canzleyverordnung vom
20. Juni 1654 hervor, welche bestimmt, daſs alle Handwerker, dar-
unter auch die Schlosser und Schmiede, ¼ weniger für ihre Arbeit
nehmen sollten als seither, der guten, wohlfeilen Zeiten wegen (!). Die
Tagelöhner sollen im Sommer bei eigener Kost 10 Petermännchen, in
der Herrschaft Kost 5 Petermännchen haben.


Im Siegerland blühte die Eisenindustrie im Anfang des 17. Jahr-
hunderts, doch machte sich häufig Kohlenmangel fühlbar. Zwischen
den Hammerschmieden und den Massenbläsern entbrannte aber im
Jahr 1600 ein lebhafter Streit wegen der Qualität des Roheisens. Die
Hammerschmiede behaupteten, die Massenbläser lieferten ihnen ein
so unreines Roheisen, daſs sie nicht im Stand seien, aus 16 Stallen
Roheisen zu 152 Pfund, wie vorgeschrieben, 16 Wag geschmiedetes
Eisen zu liefern 1). Diese Klagen bewogen die Zunft, mit Einwilligung
[1091]Nassau im 17. Jahrhundert.
und Bestätigung der Landesherrschaft, vom 28. April 1600 ab den
Stallen Roheisen auf 156¾ Pfund zu erhöhen.


Graf Johann bemühte sich, die Siegerländer Eisenindustrie durch
Verordnungen zu heben. 1616 bestätigte er, allerdings gegen Er-
legung einer bedeutenden Geldsumme seitens der Zunft, den Massen-
bläsern und Hammerschmieden ihre alten Rechte. In der Einleitung
dieser vom 6. September 1616 datierten Verordnung geschieht der
vielen Klagen Erwähnung wegen Nichtbeachtung der alten Rechte
und Verpflichtungen der Massenbläser und Hammerschmiede, besonders
gegen das Eindringen neuer Unberechtigter in die Bruderschaft. Ja
daſs „auch Newe Blaſs- und Stahlschmiedts-Hütten, oder Newe Herdte
oder Werk, dennen in anno 1555 ahm 12. Monats Septembris von
dem etc. Grave Wilhelm zu Catzenellenbogen dem Handwerk mit-
getheilten Brieff und Siegeln zuwider, vffzurichten widerstanden.
Darum und in Betrachtung, daſs fast des gantzen Landes Nahrung
vnd zeitliche Wohlfahrtt auf diesem Handel bestehet, verordnen wir 1):


„Daſs nun und in künfftigen Zeiten eine jede Hammer- und Blaſs-
hütte, bey ihrer zuuor verordnetter und hergebrachter Zeitt, auch an
dem Ohrtt dahin sie gebauett, pleiben, keinem darüber oder mehr zu
blaſsen, oder zu schmieden, oder die Hütte an ander Ohrtt zu bawen,
verstattet oder zugelassen, keine Hammer- noch Hüttenzeitt, von einer
Hütte auf die andere verlegt oder vertauscht, noch dasjenige, was
einer oder der ander an seiner Zeitt, bey den verlauffenen Jahren
oder Reisen verlohren, hernacher, es geschehe dan auſs besondern
erheblichen Vrsachen, die beydes von Vnſs vnd der Hammerschmiedts
und Massenbläſser-Zunfft zugleich vor Erheblich erkant werden
mögten, widerumb einzupringen, vergünstigt; auch abermahls vnd von
Newen, den Reidmeistern, Hammerschmiedten vnd Hüttenleutten, bey
Verlust der Kohlen, vnd anderer Straffen die Kohlen von den Gruben,
vnd sonsten mit ihrem Eigenen Geschirr alzuhollen; desgleichen die
Kohlen auſser dem Ambt Siegen zu führen, gantz und gar verbotten
sein, auch hinführo keines Wegs gestattet werden soll, daſs die Hammer-
schmiede, ihren Knechten ahn ihren Lohn rohe Eiſsen schmieden,
oder schmieden laſsen, sondern die Knechte mit ihrem gebührlichen
Geldlohn zufrieden sein. Daſs auch die Hammerschmiedt das Eisen,
so sie von ihren Reitmeistern, ihnen solches zu schmieden, gelieffert
bekommen, vermengen, vertauschen oder ohne Vorwissen verkauffen
mögen; Sondern, wie es ohne das, den Rechten und Pilligkeit gemäſs
69*
[1092]Nassau im 17. Jahrhundert.
solch ihnen gelieffert Eiſsen wider lieffern, oder gewerttigt sein Sollen,
daſs das solchergestalt vertauschte oder verkauffte Eiſsen, oder das
daraus gelöste Geldt, oder Wahr confiscirt vnd eingezogen, vnd dar-
beneben sowohl die Hammerschmiede, alſs auch die es von ihnen
wiſsentlich kauffen, oder sonsten abnehmen, noch gestrafft werden
sollen; doch auch die Reitmeister den Hammerschmieden klein Eisen,
solches beyzuschlagen, darbey zu stellen schuldig sein; — daſs auch
hinfürtter nit eben ein Jeder, der oder deſsen Eltern nicht vor dieser
Zeitt, in diſse Zunft eingenohmen sein, in dieselbe zur Bruderschaft
genohmen werden Soll, er habe denn Hammer oder Hütten Zeitt, vnd
zum wenigsten zween Hammertag oder Sechs Blaſshüttentag, an sich
geerbt, oder rechtmäſsiger Weiſs, ohn einigen Betruck (welches der-
selb auff Erfordern bei seinem leiblichen Eyd zu betheuern verpflichtet
sein soll) ahn sich gebracht, oder aber das einer daſs Massenbläſser-
oder Hammerschmiedtshandwerk mit der Faust gelerntt, daſs auch
endlich ins künfftig vnd von diſser Zeitt an, keine neue Hämmer,
Blaſs- und Stahlschmiedtshütten, oder Neue Heerde, oder Werke an-
gerichtet, oder erbawet werden, sondern es deſsfalls, allerdings bey
albereit, mit geteilten vor ahngeregten Brieff vnd Siegeln, wie auch
dem Churbrieff, alten Ordnungen und Hehrpringen gelaſsen werden,
sein und pleiben soll, vnd die weill Wir dem Handwerck, vnd deſsen
Genossen zum besten, dieſse Gnadt vnd Vortritt gethan, vnd daſs-
jenig, was Vns sonsten gegen Vergünstigung, vorgemalten vnd andern
Puncten ahn rohem Eiſsen, von etlichen ahngebotten, vnd künftig
Vns ahn Geldt, Eiſsen oder sunsten, zum besten kommen mochte,
fahren laſsen, So haben auch die Maſsenbläſser, vnd Hammerschmiedts-
Meistere, vnd Zunfftgenossen, zu vnderthänigem Dank, gegen Vnſs da-
hin sich erklärtt vnd erbotten, Vnſs alsobaldt vierhundert Räder-
gulden, richtig zu machen, vnd zu bezahlen, wo dan auch die
Meistere und Zunfftgenoſsen solch Sum Geldtes vnder sich gesetzt
vnd ahn bahrem Geldt, vor Ueberliefferung dieſses, zu Vnſsern
Handen, wohl geliebertt, vnd bezahlt haben, darüber dan auch Wir
sie hiemit vnd in Krafft diſses, bester Formb Rechtens quitiren, ledig
vnd loſs seyen:“ dafür verspricht der Graf für sich und seine Nach-
kommen die alte Ordnung zu handhaben und zu schützen und daſs
„die Maſsenbläser vnd Hammerschmiedtsmeister vnd Zunfftgenoſsen,
bey den itzigen Blaſs-, Gieſs-, vnd Schmiedthandel vnd hehrprachter
Zeit pleiben etc. etc.


Actum Siegen, den 6. Septembris etc. Anno Sechzehnhundert vnd
Sechzehn. Johann Graff zu Nassau mppria.“


[1093]Nassau im 17. Jahrhundert.

Im Jahre 1618 war der Kohlenmangel allgemeine Klage und
muſsten verschiedene Hütten eingehen. Dagegen erlieſs Graf Johann
1623 eine weitere wichtige Verordnung, durch welche zur Steuerung
der Kohlennot die Hüttenreisen abgekürzt wurden. Sie lautet 1):


Grafen Johann zu Nassau Verordnung den Kohlenkauf und die
Abkürzung der Hütten-Reisen betreffend 1623. 6. Jun.


„Demnach bey diesem allgemeinen Ohnwesen auch das
Kohlenwerck allhir binnen Landts nicht allein zum höchsten ge-
stiegen, also daſs anstatt dessen, da man noch vor wenig Jahren, den
Wagen Kohlen etwan um fünff oder sechs Gulden kauffen vndt
zeugen können, ein zeithero denselben noch zweymahl so theuer be-
zahlen, oder der Kohlen entrathen müſsen, sondern daſs auch das
Kohlenwerck an vndt vor sich selbsten, durch Unterhaugung vndt
Erösung der Berge ein zeitthero mercklichen
abgenohmmen,
dahero dan höchlich zu befahren stehet, wofern diesem Ohnwesen
nicht bei Zeiten durch gute Ordtnung vndt deren Handhabung reme-
diirt vndt abgeholffen werden sollte, daſs der Eisenhandel je lenger
je mehr in Abgang gerathen, ja endlich zu des Lands eusersten
Schaden gänzliche erliegen müste.


Damit nun auch in diesem Theil ahn gutter Ordtnung nichts
ermangeln vndt der Eisenhandel (als ahn welchem dieses
Landts zeitliche Wolfahrt vornehmlich hanget)
auch ins
künfftig in seinem Gang erhalten werde möge. So hat der hochwol-
geborne Grave vndt Herr, Herr Johann, Grave zu Naſsaw, Catzen-
elenbogen, Vianden vndt Dietz, Herr zu Beilstein etc. der Eltter,
Unser Gnediger Herr nach reiffer vndt genugsahmer Berathschlagung
diese Sachen auff der Hammerschmiede, Massenbläser und Reidt-
meister selbstiges Ahngeben vndt unterthäniges Gutbefinden, vor Nutz
vndt Nötig erachtet, daſs nicht allein bey so gestellten Dingen dem
Kohlwerck, mit Verordtnung eines gewissen Anschlags oder
Werths Ziel vndt Maſs gestecket
, sondern auch die Müsige
Zeit
uff den Hütten vndt Hämmern zum wenigsten vor eine Zeit
lang biſs zu anderwerthlicher J.-G.-Verordnung, vndt sämptlicher
Interessenten Guttbefinden erstrecket vndt allso dem Blasen vndt
Schmieden noch ferner abgebrochen würde
, weil ohne das
den Handelsmann viel verträglicher, wenig Eisen machen vndt haben,
vndt derselbe schleunig mit Nutzen verhandeln, als dessen einen
[1094]Nassau im 17. Jahrhundert.
groſsen Vorrath mit geringem Vortheil, oder auch mit Schaden, Jahr
vndt Tag haben vndt behalten.“


Da nun seit unvordenklicher Zeit ein Wagen Kohlen an Wert
einem Wagen Eisen gleichgerechnet wurde, so soll dies zur Grund-
lage dienen, da aber die Kohlen, die einen weiteren Weg nach den
Hütten gefahren werden müssen, sich theurer stellen, so soll bestimmt
werden, daſs die Kohlen, die nah zu den Hütten gefahren werden,
nicht mehr gelten sollen als „eine Wag Eisens“ per Wagen, die weit
zu fahren haben, entsprechend höheren Preis haben sollen, doch nicht
höher als 12 Räder Gulden („thun itzigem Werth nach vier Reichs-
thaler“) per Wagen.


Die Köhler sollen die Kohlen, sobald sie gebrannt und verkauft
sind, alsbald den Käufern zufahren, sie aber nicht in Schoppen legen
und zurückhalten. Die Herrschaft selbst erklärt sich bereit, ihre
eignen Kohlen zu einem Durchschnittspreis von 10 Rädergulden per
Wagen abzugeben und sie an den Bestimmungsort hinfahren zu
lassen. Aus oben angeführten Gründen sollen die Hüttenzeiten ab-
gekürzt werden, nämlich auſser den früher bestimmten zwei Tagen
noch um sechs Tage, so daſs jede Hütte nicht mehr als sechs Wochen
und vier Tage, im Ganzen also 40 Tage, worunter die Anhebe- und
Ablaſstage mit eingerechnet sind, nach einander Hütten oder Blasen
darf und proportionaliter ebensoviel auf den Hämmern, auf denen
vier Reisen, zwei vor Jakobi und zwei nach Lichtmeſs, abgebrochen
werden sollen. Unter dem Vorbehalt einer Änderung, wenn bei den
Kohlwerken Besserung eintritt. Weiterhin erlieſs der Graf am
20. März 1624 das „Siegenscher Canzley geschärftes Mandat, die
Beobachtung der Holzordnung betreffend“, durch welches „wegen
fühlbaren Holzmangels“ die Bestimmungen der geschworenen Montags-
ordnung eingeschärft wurden.


Nicht nur die Reisen der Massenbläser, auch den Hammer-
schmieden waren ihre Schmiedetage verkürzt worden. Damit muſsten
sie sich auch zufrieden geben. Dagegen erhoben sie von neuem Klage
wegen des Roheisens, indem sie behaupteten, auch bei dem erhöhten
Gewichtssatz des Stallen Roheisens nicht auf den Satz schmieden zu
können. Diesmal aber gaben die Raitmeister, über deren Beutel es
herging, nicht ohne Weiteres nach, sondern schalten die Hammer-
schmiede übele Wirtschafter, die auf Kosten der Raitmeister gut
leben und Staat treiben wollten etc. Die Sache wurde untersucht,
und da die angestellten Probeschmieden zu Gunsten der Hammer-
schmiede ausfielen, legte sich der Landesherr für sie ins Mittel und
[1095]Nassau im 17. Jahrhundert.
brachte am 5. November 1621 eine Einigung dahin zu Stande, daſs
der Stallen Roheisen für die Folge auf 162¾ Pfund festgesetzt wurde.
Dies wurde bereits am 7. Januar 1623 dahin abgeändert, daſs die
Wag Stabeisen von 120 auf 125, die Stolle Roheisen aber auf
164 Pfund Silbergewicht, das Pfund zu 32 Loth gerechnet, erhöht
wurde. Im Laufe des Jahrhunderts trat noch einmal eine Erhöhung
ein, indem im Jahre 1667 das Gewicht des Stallen Roheisens auf
170 Pfund festgesetzt wurde.


Graf Johanns Verordnung, daſs der Preis eines Wagens Kohlen
dem einer Wag Eisen gleich sein solle, hatte keinen Erfolg. Die
Kohlenpreise stellten sich während dem ganzen Jahrhundert höher.
1695 bezahlte man durchgängig den Wagen Kohlen mit 7 und
8 Gulden und drei Jahre später erhielten die Siegenschen Werke
aus den Witgensteinschen Forsten keinen Wagen unter 7½ bis
8 Gulden. Damals kostete die Wag Eisen 15 Kopfstück oder
5 Gulden, während sie vorher 8, 9 bis 10 Kopfstück gegolten hatte 1).


Weitere Verordnungen und Vereinbarungen aus dem 17. Jahr-
hundert gewähren einen Einblick in den Hüttenbetrieb jener Periode.
„Der Siegenische Hammerschmiede Schluſs nebst Canzeleykonfirmation
das Schmieden betreffend, Mai 9./29. 1666“ will die ungleichmäſsige
Ausnutzung der Hämmer durch die Gewerken, je nachdem einer grobe
oder kleine Waren schmiedet, ausgleichen.


Sie lautet: Um die Unordnung im Schmieden abzustellen, die
dadurch entsteht, daſs einer grobe, der andere kleine Ware macht,
der eine den Hammer zwei- oder dreimal, der andere nur einmal ge-
braucht, sind die beiden dazu verordneten Bergmeister samt den
Handwerksmeistern heute dato 10./30. September uff Dielnhenrichs
Hütten erschienen und von jedem Hammer einen zu Vnſs erfordern
lassen, benanntlich unteren Hain Johann Buch, uff der Hammerhütten
Henrich Göbell, uff Dielnhenrichshütten Johann Heinrich Meinhardt,
uff Fickenhütten Johann Jacob Flender, uff Münckershütten Franz
Sprenger, vor der Haarth Thomas Flender, uff Buschgödershütten
Henrich Flender, Schöffe, uff der Geisweid Johann Geisweid, Schöffe,
uff Dielnhütten, Hermanus Schleiffenbaum, uff Buschhütten Martinus
Spieſs, vorm Berg Johannes Müncker, uff Külnhütten Johannes
Müncker, Schöffe, uff Allenbach Johann Flender, vor der Dieffenbach
Hermanus Flender, uff Meisnershütten Hans Meinhardt — haben
einmütig dahin geschlossen, daſs weil ein Tag oder ein Herrdt so-
[1096]Nassau im 17. Jahrhundert.
wohl als der ander seine Baukosten tragen muſs, daſs auch einer
sowohl als der ander und solang und soviel als sein Gegentheil den
Hammer braucht, also er auch denselben zu brauchen habe, damit
eine Gleichheit gehalten werde und keiner über die Gebühr be-
schweret und vervortheilt werde, ist derwegen der Schluſs von ge-
dachten Brüdern also gemacht, daſs derjenige, so Stäbe macht, deren
6, 7 oder 8 uff ein Wag gehen, an jedem Stab vier heiſsen thun
soll, damit das Eisen warm geschmit und gute Kaufmannswahr ge-
macht, und derjenige, so Schien und Schaar macht, auch zu seiner
Zeit gelangen mag, derjenige aber, der grobe Wahr, als schwere
Stück zu Waffen oder uff Cölln und dergleichen, soll sich danach
richten, daſs er den Hammer auch länger nicht brauchen als der
kleine Wahr macht, undt da sich dessen in der Güte nicht ver-
gleichen können, so sollen diejenige, so die Uffsicht daruff haben,
Sie unter einander vergleichen, oder die Sand Uhr soll sie scheiden,
damit eine Gleichheit und gute Ordnung gehalten werden möge u. s. w.


Während des 30jährigen Krieges trat Graf Johann von Nassau-
Siegen zur katholischen Religion über, mit ihm ein Teil seines Landes.
In Folge dessen spaltete sich auch 1689 die Eisenmassenbläser-Zunft
in eine katholische und eine evangelische (reformierte), die aber die-
selben Einrichtungen hatten. Auch die Stahlschmiede der Ämter
Hilchenbach und Krombach, sodann die im Amte Freudenberg
wohnenden, hatten zwei besondere Zünfte, aber einerlei Einrichtung
und Kurbrief. Die Regierung selbst war in eine evangelische und eine
katholische Kanzley getrennt. 1677 wurde zu Siegen folgende Ver-
ordnung über den Eisenzoll erlassen: „Evangelisches Kanzley-Edikt
den zu Olpe im Chur-Cöllnischen neu eingeführten Zoll auf die aus
dem Nassauischen gehenden Stahl- und Roheisenwaren und deshalb
auf die Cöllnischen Karren im Nassauischen auf gleichem Fuſs an-
gelegten neuen Zoll betreffend. 17. November 1677.“ Darin wird
ausgeführt, daſs die Remonstrationen bei der churfürstlichen Kanzley
zu Arnsberg gegen den neuen Zoll von „einem halben Reichsorth
oder einem Blomeiſser“ vergeblich gewesen sei, indem sich dieselbe
darauf beriefe, Nassau habe den Anfang mit solchem Zoll„ vffen hohen
Hän hindern Freudenberg“ gemacht, was unwahr ist: „weil genug-
sahm bekandt, daſs der daselbstiche Zoll, so erhoben wird, ein ur-
alter Zoll so von etlich hundert Jahren her
von dem rohen
Eysen, so im Saynischen oder Nassauischen Lande gemacht und
durchgeführt, entrichtet wird und hergebracht ist.“ Deshalb wird
gleicher Zoll auf alles Cöllnische Eisen gelegt.


[1097]Nassau im 17. Jahrhundert.

Diese Zollmaſsregel, sowie die vorerwähnte Vereinbarung der
Hammerschmiede wegen der Schmiedezeit hatte ihren Grund darin,
daſs in der zweiten Hälfte sich eine Änderung in dem Hammerbetrieb
dahin vollzogen hatte, daſs weit mehr grobes Eisen geschmiedet
wurde, und dieses wurde ausgeführt. Veranlassung hierzu hatte die
Entstehung und Zunahme der Reckhämmer im Bergischen und Mär-
kischen gegeben, welche mit Vorliebe das grobe Siegerländer Eisen,
welches deshalb selbst Reckeisen genannt wurde, bezogen. Dieses
muſste hierbei churkölnisches Gebiet passieren, wofür die kölnische
Regierung den erwähnten Zoll erhob. Die Reckeisenschmiederei war
für das Siegerland sehr vorteilhaft, denn man brauchte weniger
Kohlen und konnte in derselben Zeit ein viel gröſseres Gewicht
schmieden. Bei dem konservativen Sinn der alten Siegerländer voll-
zog sich indes der Übergang zu dem neuen Betrieb doch nur lang-
sam. So wurden 1693 doch nur einige dreiſsig Karren Reckeisen
um Lohn geschmiedet, welche für 19 Rchsthlr. verkauft wurden.


Am 21. Juli 1694 wurde eine neue „Canzley Kohlen Tax und
Ordnung“ erlassen. Dieselbe unterscheidet nach der Lage der Hütten
dreierlei Preise und bestimmt:


Erstlich, daſs der Wagen Kohlen, so auff die nechste Hütten
oder Hammer alſs vor der Tiefenbach der verlegte Wagen Kohlen
6 Gulden 9 Alb. Die aber vor die Meinhardt, Müsenerhütten, Marien-
born, Eysern im Dorff, Grebenhütten und Neuenbruch Hammer ge-
führet der verlegt ist vor 6 Gulden 6 Alb. Der freye und vnbelegte
aber war 6 Gulden 12 Alb.


Vors Zweyte der verlegte Wagen Kohlen, welcher auff die
mittelste Hütten vndt Hämmer alſs unter den Häen, Dielnhenrichs-
hütten, Fickenhütten, vor der Harth; Münckerſs- vndt Kalbshütten
geliefert wirdt vor 6 Gulden 15 Alb., der freye aber vndt vnverlegte
vor 6 Gulden 21 Alb.


Vndt dann vorſs Dritt, der auff die weiteste Hütten vndt
Hämmer, alſs Schneppen-Kauten, Krämer-Hammer vndt Eiserfelder
Hütten, wie auch den Kleinschmieden der Stadt Siegen geführt wird,
der verlegte vor 6 Gulden 21 Alb., der freye aber vor 7 Gulden
3 Alb. bezahlt vndt dargegen nichts höher oder geringer gegeben
auch kein Vnterschleiff gegen diese Verordnung gebraucht werden
solle.“


In sehr energischer Weise, nämlich unter Androhung der Todes-
strafe, wurde 1696 das Verbot, die Schmiedekunst auſser Landes zu
treiben, eingeschärft:


[1098]Nassau im 17. Jahrhundert.

„Vormundschaftl. Regierung Pönal-Edict, das Hüttenwerk und
die Hammerschmiedekunst nicht auſserhalb Landes zu treiben und
Fremde lernen zu lassen 1696. Februar 29.


Alldiweilen viele nach einander gefolgte Jahren, zu des Landes
merklichem Ruin, ein vnd anderer boshaftiger Gesell, sich, hochstraff-
bahres Diengs, denen beschworenen Churbriefen zuwider, das Hütten-
werk und Hammerschmiedtskunst, worinnen des ganzen Landts ein-
zige Wollfahrt beruhet, nicht nur auſser Landts zu treiben, sondern
Frembden solche so hoch verpönte Wissenschaft zu lehren, sich unter-
stehen dürffen, mithin nach Ahnweisung der peinlichen Rechten, als
Meinaidige billig abzustraffen seindt; weilen aber diese Straffe viell
zu gering vnd nicht ahngesehen wird, allermaſsen, das Verbrechen je
länger je mehr ahnwächset, mithin auch die Straffen, wie billig, ahn-
wachsen und vergröſsert werden müssen. Als haben Ihro Durchl.
Vnsere gnädigste Landes Regentinne etc. zu Abhelfung solchen groben
Verbrechens sothane ordentliche Leibesstrafe in eine vnnachläſsige
exemplarische Todtsstrafe
(!) verwandelt; wird dannhero allen
vnd jeden Lands-Eingesessen, so dieser Zunft incorporiret stehen,
alles Ernsts vnd bey Vermeidung vorangeregter Todtsstrafe ahn-
befohlen, sich vor diesem Landsverderblichen Uebel hinkünftig aller-
dings zu hüten.


Siegen, den 29. Febr. 1696. — Aus special gnädigstem Befelh
(L. S.) Fürstl. Nassau zur Vormundschafftl. Regierung
verordnete Regierungs-Räthe.“


Ein anderes für die Eisenindustrie des Siegerlandes wichtiges
Ereignis im 17. Jahrhundert war die Konsolidation des Müsener
Stahlbergs, die Vereinigung der verschiedenen Grubenbesitzer am
Stahlberg zu einer Gewerkschaft 1). Anfangs des 17. Jahrhunderts
bestanden noch 11 verschiedene Gruben auf dem Stahlberg. Diese
vereinigten sich im Jahre 1631 zu einer Gewerkschaft und diese Ver-
einigung erhielt durch landesherrliches Edikt d. d. Müsen den
1. Mai 1648 wiederholte Bestätigung, wobei eine Einteilung des Berg-
werks in 312 Kuxen erfolgt sein dürfte. An demselben Tage erlieſs
der Fürst Johann Moritz eine aus 17 Artikeln bestehende Verord-
nung, in welcher Vorschriften über den Betrieb des Müsener Berg-
werkes, das Messen, Verlosen und Abfahren des Eisensteins, für die
Bergleute, Handwerksleute und Gewerken gegeben sind. — Auf eine
[1099]Thüringen im 17. Jahrhundert.
Supplik des Johann Friederici von und zu Holdinghausen nebst an-
deren Gewerken in Betreff des Zehentsteins war schon vom Grafen
Johann unter dem 4. Februar 1606 bewilligt worden, daſs der Zehnte
nicht mehr in natura, sondern in Geld entrichtet werden könnte.


Von den 312 Kuxen des Stahlbergs gehörten nachmals 205 den
vier Hüttengewerkschaften, 55 dem herrschaftlichen Hüttenwerk zu
Lohe und 52 dem adligen Gute zu Burgholdinghausen.


Thüringen.

Die wichtigsten Eisenindustrieplätze Thüringens, Schmalkalden
und Suhl, hatten im 30 jährigen Kriege entsetzlich zu leiden. In dem
Grenzgebiet des Kampfes zwischen Nord- und Süddeutschland gelegen,
hörten in der ganzen langen Zeit die Beunruhigungen durch Truppen-
durchzüge und Brandschatzungen nicht auf. Dazu kam, daſs beide
Städte durch ihren Wohlstand die Habgier der auf Erpressung an-
gewiesenen Truppenführer reizten; aber auch die besondere Art der
Industrie lockte die Parteien, sich in den Besitz der Städte zu setzen.
Eisen war auch im Kriege unentbehrlich und Waffen begehrte ein
Jeder. So wurden die Städte von den Siegern besetzt, um sich ihren
Besitz zu sichern, von den Besiegten zerstört, um den Feind zu
schädigen.


Schmalkalden hatte schon vor dem Kriege schwer zu leiden ge-
habt unter der gewaltsamen Einführung des reformierten Bekennt-
nisses durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Dies war so ge-
kommen. Nach dem Tode des letzten hennebergischen Grafen Georg
Ernst am 27. Dezember 1583 gelangte Landgraf Wilhelm IV. von
Hessen in den alleinigen Besitz des hennebergischen Landes. Ihm
folgte sein Sohn Moritz, welcher, hauptsächlich durch seine Ge-
mahlin dazu bestimmt, von der lutherischen zur reformierten Kirche
übertrat. Dadurch setzte er sich in direkten Widerspruch mit den
Traditionen seines Hauses und mit den Testamentsbestimmungen
seines Groſsvaters Philipp des Groſsmütigen. Als nun 1604 Landgraf
Ludwig IV. von Marburg kinderlos gestorben war und Moritz eben-
falls im Widerspruch mit dessen testamentarischen Bestimmungen in
den ihm zugefallenen Landesteilen das reformierte Bekenntnis ein-
führte, brach der hessische Erbfolgestreit aus, welcher mit dem
30jährigen Kriege verflochten bis gegen Ende desselben dauerte.
[1100]Thüringen im 17. Jahrhundert.
Dieser Streit war auch für das Schicksal Schmalkaldens von groſsem
Einfluſs und erhöhte seine Leiden. Die Grafschaft Henneberg und
die Stadt Schmalkalden waren gut lutherisch. 1603 erlieſs Landgraf
Moritz einen Befehl an die schmalkaldischen Prediger, sich nach dem
reformierten Bekenntnis zu richten. Diesem Befehl wurde keine
Folge geleistet. Ebenso blieb ein zweiter Versuch erfolglos. Da
schritt Moritz 1608 zur Gewalt. Erst setzte er den Amtmann ab,
lieſs den Diakonus Merkel, der die lutherische Sache tapfer ver-
teidigt hatte, nach Kassel ins Gefängnis abführen und setzte will-
fährige Prediger ein. Als aber auch diese Maſsregeln die lutherisch
gesinnten Schmalkaldener nicht einschüchterten, lieſs er am 9. De-
zember 1608 unter groſsem Aufruhr der Bürgerschaft die Bilder aus
der Kirche mit Gewalt entfernen, und duldete von da ab nur noch
reformierten Gottesdienst. Der 30jährige Krieg brach aus. Moritz
ergriff mit Eifer die protestantische Sache; Ludwig V. von Hessen-
Darmstadt, sein Gegner, hielt es mit dem Kaiser. Als die Kaiser-
lichen gesiegt hatten, wurde Moritz’s Verfahren für testamentswidrig
erklärt und die ganze Marburger Erbschaft der Darmstädter Linie
zugesprochen. Auch sollte er dieser für den Nutzen aufkommen,
den er bis dahin aus den marburgischen Landen gezogen hätte.
Diesen berechneten die Darmstädter zu der enormen Summe von
1357154 Gulden. Solche konnte Moritz nicht zahlen. Da seine
Gegenvorschläge verworfen wurden und ihm 1626 von der kaiser-
lichen Regierung ein Ziel von einem halben Jahr zur Tilgung der
Schuld gesetzt wurde, war er gezwungen, sich mit Landgraf Ludwig
zu vergleichen. Diesem überlieſs er die Herrschaft Schmalkalden
und mehrere niederhessische Schlösser als Pfand bis zur Tilgung
der Schuld. So wurde Schmalkalden vom Jahre 1626 an hessen-
darmstädtisch.


Auch mit der Stahlschmiedezunft zu Schmalkalden hatte Land-
graf Moritz Zwistigkeiten. Der alte Zehente war in Geld abgelöst
worden, nämlich in eine Jahresabgabe von 580 Thlr. 1). Landgraf
Moritz miſsbilligte diese Abfindung und verlangte wie früher den
Zehnten in Natur und das Recht des Vorkaufs. Die Stahlschmiede
widersetzten sich. Der Landgraf drohte mit Entziehung der Muthe.
Sie versuchten, ihm den Zehnten in Form von Eisenstein auf dem
Berg darzubieten. Allein auch dieser Versuch wurde mit Nachdruck
zurückgewiesen und der Landgraf setzte seinen Willen durch. Von
[1101]Thüringen im 17. Jahrhundert.
dem Vorkaufsrecht machte er indes weisen Gebrauch zum Nutzen der
Eisenarbeiter und des Landes. Bis dahin hatten die Stahlschmiede
den gröſsten Teil des gefertigten Stahls und Eisens in das Ausland
verkauft und dadurch den Schmalkalder Eisenmanufakturisten das
Arbeitsmaterial ausnehmend verteuert. Zur Steuer dieses Miſsbrauchs
legte der Landgraf 1623 zu Schmalkalden eine Faktorei an 1). Mit
300 Centnern Stahl wurde der Anfang gemacht. Der Centner Huf-
eisenstahl muſste bis dahin für 4¾ Reichsthaler und der Centner
Kernstahl für 4¼ Reichsthaler von den Stahlschmieden geliefert
werden.


Die gerichtlichen Angelegenheiten der Berg- und Schmiedewerke
besorgten zu Schmalkalden der Amtmann und Rentmeister. Vordem
hatten die sämtlichen hennebergischen Berg- und Hammerwerke
unter der Jurisdiktion des Berggerichts zu Suhla gestanden. Seit dem
Erlöschen der henneberg-römhildischen Grafenlinie waren die der
Herrschaft Schmalkalden von demselben getrennt und einem eigenen
Berggericht zu Steinbach untergeordnet worden. Der Amtmann zu
Hallenberg war Richter in demselben. Es wurde durch eine „Hallen-
berger Bergordnung“ befohlen, daſs auf keinem Hammer, ausgenommen
was der Hammerschmied mit der Geschworenen Vorwissen zu seinem
Fuhrwerke und zu seiner Haushaltung bedürfe, mehr als 24 Centner
Eisen in einer Woche geschmiedet — daſs ein Karn Lichtkohlen
höher nicht als für 15 Gulden, ein Karn Buchenmeilerkohlen für
14 Gulden verkauft — daſs keine Kohlen in dem sächsischen
Thüringen geladen und zum Nachteil des Kaufrechts der Hallenberger
Schmiede nach Schmalkalden gefahren — daſs am Samstag Abend
in den Hämmern Feierabend gemacht und am Montag wieder zu
arbeiten angefangen — daſs am Sonntag weder Kohlen noch Stein
gefahren — daſs an einem Feiertage in der Woche nach geendigtem
Nachmittagsgottesdienste in den Hämmern zu arbeiten erlaubt —
daſs den Bergleuten auf dem Ringberge von den Hammerschmieden
Eisenstein abgekauft — und daſs kein geblasen Eisen von den
Hammerschmieden verkauft werden solle.


Damals wurde in dem Amte Hallenberg in dem Ring- und Arz-
berge auf Eisen gebaut. Zu Unterschönau hatte man einen Eisen-
hammer, zu Steinbach aber deren drei, sowie einen Blech- und
einen Kupferhammer. 1621 kostete ein Centner Stahl 45 Gulden,
ein Centner Eisen 18 Gulden.


[1102]Thüringen im 17. Jahrhundert.

Der 30jährige Krieg brachte groſse Drangsale über Schmalkalden
und die unaufhörlichen Erpressungen stürzten die Stadt in groſse
Schulden. 1623 wurde es zum erstenmal heimgesucht, als sich Oberst
Colalto mit seinen Truppen vor der Stadt lagerte. Im Oktober er-
hoben bayrische Reiter von der Armee Tillys eine Brandschatzung
von 2000 Thlr. Die Stadt erhielt daraufhin zwar eine kaiserliche
Salva guardia, diese kostete aber wöchentlich 2200 Gulden. Die
Kaiserlichen hielten die Stadt bis zum Herbst 1625 besetzt. 1626
wurde Schmalkalden von den Truppen des Herzogs von Holstein
heimgesucht.


1627 nahm der Landgraf von Hessen-Darmstadt Schmalkalden
in seinen Besitz und versprach, daſs die Stadt künftighin von kaiser-
licher Einquartierung befreit sein sollte. Aber die kaiserlichen
Kriegsobersten kümmerten sich wenig um den Landgrafen. 1627 lag
Reinach im Quartier, 1628 Tillys Stabs- und Leibkompanie, welche
drei Jahre und vier Monate hier blieb und der Stadt 145000 Reichs-
thaler 18 Groschen kostete. Nach Tillys Niederlage bei Leipzig hatte
die Stadt noch mehr zu leiden durch die Schweden; von 1631 an
fiel sie einmal in schwedische, dann wieder in kaiserliche Hände und
bei jedem Wechsel hatte sie die Zeche zu zahlen. Die Truppenmassen,
welche sie verpflegen muſste, wurden immer gröſser, die Zügellosig-
keit der Soldaten und die Begehrlichkeit der Offiziere nahm von
Jahr zu Jahr zu. Dazu machte der Landgraf Schmalkalden zum
Werbe- und Verpflegungsort für seine Truppen. Jeder Musterungs-
monat kostete die Stadt 2400 Reichsthaler. Nach der Schlacht von
Lützen hausten die Schweden und Sachsen unter Bernhard und Wil-
helm von Weimar arg im Schmalkaldischen. 1633 kostete die
schwedische Armee die Stadt 64000 Reichsthaler; die tysenhausische
Einquartierung vom Januar bis April 1634 13400 Reichsthaler. Als
nach der Schlacht von Nördlingen General Banner sich nach
Thüringen zurückzog, lieſs er Schmalkalden von 300 Musketieren be-
setzen. Die Stadt muſste täglich 7½ Ctr. Brot, ebensoviel Fleisch,
14 Eimer Bier, ½ Fuder Wein, 10 Malter Hafer und alle zehn Tage
3000 Reichsthaler an Geld aufbringen. Graf Isolano mit seinen
Kroaten lieſs sich mit Geld abfinden, daſs er die Stadt nicht plündere.
Auch der Feldmarschall Piccolomini verlangte für sich 3000 Reichs-
thaler. Schon war kein bares Geld in der Stadt mehr aufzutreiben
und die Bürger muſsten ihr Silbergerät an Geldesstatt geben. Die
kaiserliche Schutzwache, welche die Stadt auf ihre Bitten erlangt
hatte, kostete fast soviel wie der Feind und die Bürgerschaft
[1103]Thüringen im 17. Jahrhundert.
war froh, als endlich ihr Beschützer Urbanowitz abzog. Ein viel
Schlimmerer aber kam an seine Stelle, Rittmeister Bombason, der es
meisterlich verstand, die Not der geängstigten Bürger noch drücken-
der zu machen. Derweilen wurde die Umgebung Schmalkaldens un-
aufhörlich von „streifenden Parteien“ ausgeplündert und verwüstet.
Die Bauern verlieſsen die Dörfer und Gehöfte und flohen in die
Wälder.


Die Kosten an Brandschatzung und Kontribution im Jahre 1634
wurden auf 87830 Reichsthaler veranschlagt. Die Brandschatzungen
der folgenden Jahre erfolgten in immer kürzeren Zwischenräumen,
dazu legte der Landgraf Schmalkalden ebenfalls schwere Lasten auf.
Abgesehen von den Verpflegungskosten seiner Truppen muſste die
Stadt 1635 10000 Reichsthaler Kriegssteuer an Hessen und 6000
Reichsthaler Reichssteuer zahlen. Nach der Schlacht von Widstock
wurde sie von den Schweden geplündert. Dann forderte (1636) der
schwedische Oberst Tubalt 17000 Reichsthaler und als er die ge-
forderte Anzahlung von 5000 Reichsthalern nicht sogleich erhielt,
setzte er den Stadtrat gefangen und plünderte die fürstlichen
Speicher und Keller. In dieser Weise ging es fort. Als 1639 Graf
Königsmark 12000 Reichsthaler Brandschatzung von Schmalkalden
forderte, brachte man nur die Hälfte der Summe zusammen, obgleich
die Bürger ihr letztes Silbergerät zusammenschleppten. Unkosten
und Schaden wurden in diesem Jahre auf 60000 Reichsthaler ver-
anlagt. Viele Bürger verlieſsen als Bettler die Stadt. Im Juni 1640
verlangte der schwedische General Pfuel 20000 Pfd. Brot. Die
Stadt konnte sie nicht liefern. Dafür verlangte der Generalproviant-
meister für die heranziehende verbündete evangelische Armee un-
verzüglich 500000 Pfd. Brot. Alle Böden und Keller wurden durch-
sucht. Die Not der Stadt stieg aufs höchste. Ein Brot kostete
damals einen Thaler. Die schrecklichsten Greuel wurden von den
verwilderten Soldaten verübt. Nun rückten die Kaiserlichen wieder
näher. Um Piccolomini milde zu stimmen, schickte ihm die Stadt
statt des fehlenden Geldes und Silbers einen feisten Hirsch, 1000
Hufeisen und 100000 Hufnägel. So wurde das Eisen in dieser harten
Zeit zum Lösegeld. Um diese Bedrängnis erschien der unglücklichen
Stadt ein Schutzengel in der Person der energischen Landgräfin
Amalie Elisabeth, welche die Stadt durch ihre Truppen besetzen
lieſs und manche Unbilden von ihr abwendete. Die Brandschatzungen
aber dauerten fort bis zum Friedensschluſs. Erwähnen wollen wir
nur noch, daſs, als im Oktober 1647 der kaiserliche Generalfeld-
[1104]Thüringen im 17. Jahrhundert.
marschall Holzapfel mit der kaiserlich-bayrischen Armee in Thüringen
einrückte und viele Bürger, sowie auch die kasselische Schutzwache
vor Furcht die Flucht ergriffen hatten, die zurückgebliebenen Be-
wohner auf ihr Bitten von genanntem General eine Schutzwache er-
hielten gegen Lieferung von 3000 Hufeisen und 40000 Hufnägeln. —
Endlich kam der Friede. Schmalkalden hatte wenigstens seine
Existenz gerettet.


Schlimmer erging es Suhl, das wegen seiner Gewehrfabrik so
berühmt war, daſs es ein „Zeughaus, Rüst- und Waffenkammer für
Deutschland und Europa“ genannt wurde. Es wurde am 16. Oktober
1634 von den kaiserlichen Kroaten gänzlich niedergebrannt. Dieser
Unglückstag der Stadt wurde bis in dieses Jahrhundert als Ge-
dächtnistag gefeiert. Suhl stand damals unter gesamt-sächsischer
Verwaltung, zu welcher auch die den Kaiserlichen besonders feind-
lichen Grafen Bernhard und Wilhelm von Sachsen-Weimar gehörten.
Die Zerstörung Suhls sollte ein Racheakt an diesen sein. Die Rats-
mitglieder der Stadt baten Graf Isolano kniefällig um Schonung, aber
er lieſs die Plünderung und Niederbrennung geschehen. Damals
waren die Stadt und die Eisenhämmer getrennt; erstere zählte 672,
letztere 122 Feuerstellen. Verschont blieb nur ein Eisenhammer mit
Rohrschmiede, Bohr- und Schleifmühle nebst Wohnhaus an der Mühl-
wiese, dem Gewehrhändler Valentin Klett gehörig. Dort wurde
lange Zeit der Gottesdienst für Suhl abgehalten. Die Stadt wurde
wieder aufgebaut, hatte aber auch nach der Zeit noch viel zu leiden.
1639 gab ihr Kaiser Ferdinand III. eine Salva guardia und einen
Freibrief von allen Kriegsbeschwerden. Um so mehr wurde es von
den Schweden heimgesucht. Suhl hat sich nie von diesen Schicksals-
schlägen erholt. Wohl blühte die Gewehrfabrikation wieder auf, aber
nie in dem Maſse, wie früher, um so weniger, als alle mächtigeren
Landesfürsten in ihren eigenen Landen derartige Fabriken anlegten.


Die Schmalkaldische Eisenindustrie erholte sich dagegen nach dem
30jährigen Kriege ziemlich rasch. Man zählte gegen Ende des Jahr-
hunderts 144 Schächte und 12 Stollen. Aus dem Stahlberg und den
umliegenden Orten wurden jährlich 15016 Tonnen und aus der
Mommel, dem Weibesend, nebst den dahin gehörigen Werken
5093 Tonnen Stahl- und Eisenstein gewonnen. Aber es fehlte dabei
an Aufsicht und Ordnung. Die Gewerke lieſsen, wo es ihnen be-
liebte, Erz gewinnen und fördern.


In dem Jahre 1676 wurde ein landesherrliches Verbot gegen das
Trucksystem zu Schmalkalden erlassen. Es geschah dies auf Grund
[1105]Der Harz im 17. Jahrhundert.
eines Berichtes des Bürgermeisters und Rates, daſs die Handelsleute
den armen Handwerksmann über die Maſsen dadurch drückten, daſs
sie diesem für die gelieferten Waren, anstatt bares Geld zu geben,
allerhand Waren, Tuch, Strümpfe, Flachs, Fleisch, Speck, Reis und
dergleichen aufnötigten, wodurch die armen Leute ins Verderben ge-
rieten.


Der Harz.

Am Harz blühte bis zum 30jährigen Kriege die Eisenindustrie
besonders in den Braunschweig-Lüneburgischen Landen, deren Fürsten,
dem Beispiel des Herzogs Julius folgend, derselben ihre besondere
Fürsorge zuwendeten. Herzog Heinrich Julius berief nach seinem
Regierungsantritt 1589 seinen Stallmeister Georg Engelhard von
Löhneiſs zum Berghauptmann, in welcher Stellung derselbe segens-
reich wirkte. Er erwarb sich groſsen Ruhm als Berg- und Hütten-
mann und sein „Bericht vom Bergwerk“ ist das beste Buch über
Berg- und Hüttenwesen, welches im 17. Jahrhundert geschrieben
worden ist (s. oben S. 911).


Unter seiner Verwaltung wurden viele neue Eisenwerke angelegt;
ebenso fällt die Einführung der Holzblasebälge am Harz, welche als
der wichtigste, aber auch als fast der einzige technische Fortschritt
der Eisenindustrie im 17. Jahrhundert bezeichnet werden muſs, in
seine Zeit.


Auſser den Gittelder Faktoreirechnungen befinden sich in dem
Archiv des Oberbergamtes zu Clausthal Akten und Rechnungen über
folgende Oberharzer Eisenhütten: Die Eisenwerke von Osterode 1605
bis 1669, die Odereisenhütte bei Lauterberg 1609 bis 1616, das Eisen-
hüttenwerk bei Riefensbeck, ferner die Eisenhütten bei Burſsfelden,
Holzminden, Usslar und Harlinghausen am Sollingen.


Calvör1) führt folgende Eisenwerke auf: „In der schwarzen
Schluft oder diesseits des daselbst nach dem Herzberge hinflieſsen-
den Wassers, die Siebe genannt, welches vor dem Rückfall der Graf-
schaft Lauterberg an Grubenhagen die hohnsteinische und gruben-
Beck, Geschichte des Eisens. 70
[1106]Der Harz im 17. Jahrhundert.
hagische Grenze scheidete, ist im vorigen 17. Jahrhundert und noch
nach der Mitte desselben eine Eisenhütte gewesen. Das daselbst ver-
fertigte Eisen ist, laut der alten Rechnungen, nach Osterode in die
Faktorey geliefert worden.


Es ist aber dieselbe anno 1659 abgegangen. Auf dem Rieffens-
becke und Kampschlacken sind auch zu der Zeit Eisenhütten und
Hammerwerke gewesen.“ — Hierzu ist zu bemerken, daſs die Hütte
zu Riefensbeck um die Zeit des Ausbruchs des 30jährigen Krieges
einging, während die zu Kamschlacken auch noch während des Krieges
betrieben wurde 1).


Calvör fährt fort: „Hier zu Altenau ist im Ausgange des 16.
und Anfang des 17. Jahrhunderts ein Eisenhüttenwerk und Hoher-
ofen, die Abgunst genannt, am Rotenberg gewesen. Nachher ist
wieder von privat Persohnen Anno 1623 ein solches Hüttenwerk mit
einem Hammerwerk unten in der Altenau gegen Westen am Gerlachs-
bach gebauet worden, davon noch itzo der Ort, wo solches gestanden,
auff dem Hammer heisset, an dessen Stelle man hernach die Unter-
mühle gebauet hat. Der Eisenstein ward darzu auf dem oberen
Polsterberge und über demselben Anno 1610 verliehen und gebrochen.


An der Oder jenseits des St. Andreasberges ist eine Eisenhütte
gewesen, welche noch vor etlichen 20 Jahren (um 1740) gestanden.
Desgleichen eine unter dem itzigen Andreasbergischen Blaufarben-
werk.“ —


„Im 17. Jahrhundert ist etwa eine halbe Stunde unter der
Altenau eine Blechhütte an der Ocker gewesen. Wo dieselbe ge-
standen, da ist eine Wiese angeleget, die noch immer die Blechwiese
heiſst.“


„Hier zu Altenau ist im vorigen (17.) Jahrhundert eine Rohr-
fabrike gewesen, dazu das Eisen theils aus der Schlufft, theils von der
Tanne im Blankenburgischen hergehohlet ward. Wöchentlich wurden
24 bis 26 Stück Röhre verfertigt, und nach Osterode geliefert, wie
eine alte sich noch bei den Nachkommen desjenigen, welcher die
Röhre verfertigen lassen, befindliche Rechnung besaget. Anno 1618,
den 3. May, ward dem Richter zu Altenau, Klaus Henschen, der die
Rohrfabrike gehabt, auf Schleif- und Bohrmühlen verliehen die groſse
Oker über der Sägemühle, der Gerlachsbach und Rotenbach unterm
Rotenberge. (Die Bohrmühle hat über der jetzigen Untermühle ge-
[1107]Der Harz im 17. Jahrhundert.
standen, nach Inhalt des ersten Stadtbuchs bey anno 1622. Die
Schleifmühle aber unter derselben.) Und ferner in eben diesem
Jahre der alte Hüttengraben, so vordem zu dem Hohenofen und
Hüttenwerk auf der Altenau verbrauchet worden und in welchen
Graben (heisst es in der bestätigten Muthung) der Gerlachsbach und
der Rotenbach, benebst der Oker flieſsen. Anno 1657 ist sie noch
laut einer alten Rechnung, im vollen Gange gewesen, nachhin aber
abgegangen.“


Von den Eisenhütten des Unterharzes liegen die folgenden Nach-
richten vor.


Die Neuhütte an der Bode, welche fast seit einem Jahrhundert
bestand, ging ebenfalls 1615 ein. Auch Muxholl ging um diese Zeit
ein. Auf dem Lüdershof war eine Zerennhütte, welche noch 1616 in
lebhaftem Betrieb stand.


Zu Mangelholz (Mandelholz) legte Graf von Münchhausen, der
damals das Amt Elbingerode in Pfand hatte, 1612 einen hohen Ofen
nach steirischer Art (Stuckofen) an. Bald darauf wurde durch den
Eisenfaktor Windheim zu Wernigerode eine Hütte zu Baste gebaut.
Die alten Eisenhütten zu Altenbrack, Neumark und Rübeland kamen
ebenfalls bei Beginn des 30jährigen Krieges zum Erliegen, Tanne
dagegen nicht. Auch die Hütten an der Kuhfurt, die Haselhütte und
Gottesgab an der Bode standen bei Beginn des 30jährigen Krieges
noch in Betrieb. Sie machten viel Guſsware. Dagegen gingen die
Eisenhütten in Trautenstein, bei den Kahlenberger Vorwerken und
die Gustavshütte damals ein. — Die Zerennherde in Braunlage und
Kaltenesse wurden bei Ausbruch des Krieges noch betrieben.


Im 30 jährigen Kriege hatten die Harzer Eisenhütten schwer zu
leiden, doch wurden einige des Kriegsmaterials wegen lebhaft betrieben.
Des Bedarfs an solchem wegen erteilte Wallenstein bei seinem An-
marsch 1625 den Eisenhütten an der Oker und Söse einen Freibrief.
Aber schon im folgenden Jahr zerstörten Kriegsleute des Herzogs
Christian, welche unter dem dänischen Major von Mütschethal zu
Clausthal lagen, das Werk in der schwarzen Schluft bei Andreasberg
und zerschnitten die ledernen Bälge 1). Damals wurden zu Kamm-
schlacken von dem Hüttengewerken Hans Bartels eiserne Geschütze
gegossen. Dieselben wurden nach Zellerfeld gebracht und 1626 von
Tilly an der Windmühle zu Clausthal aufgepflanzt. — Altenau lieferte
Material für die Gewehrfabrikation. Gittelde wurde fortbetrieben.
70*
[1108]Der Harz im 17. Jahrhundert.
Nach dem 30jährigen Kriege suchten die Herzoge von Braunschweig-
Wolfenbüttel die schwergeschädigte Eisenindustrie des Harzes be-
sonders durch das Verbot des ausländischen Eisens zu heben.


Herzog August verordnete am 14. Februar 1650, daſs kein
fremdes Eisen in’s Land gebracht werden solle. In demselben Sinne
erlieſs er am 24. November 1653 ein Edikt, sich des Verkaufs des
fremden Eisens zu enthalten und keines, so nicht auf den Kommunion-
Eisenhütten gemacht und mit dem gewöhnlichen Zeichen bemerkt
sei, zu vertreiben, einzukaufen und zu verarbeiten und am 29. April
erlieſs er von neuem ein Edikt wider den Vertrieb fremden Eisens.
Am 8. September 1665 verbot er die Einfuhr des schmalkaldischen
Stahls. Am 29. April veröffentlichte er eine Verordnung wegen des
Blankenburgischen Eisenhandels.


Herzog Rudolf August erneuerte am 30. Juli 1670 das Verbot
des Handels mit fremdem Eisen und verordnete am 6. Februar 1674,
„daſs kein anderes Eisen, als welches mit R. A. unter der Kron und
W. so die Eisenhütten zum Neuenwerk, Rübeland, Altenbrack, Tanne,
Braunlage und Walkenried bedeutet, gezeichnet, im Gange seyn, noch
jemand anders als die Unter-Faktores Eisen verhandeln sollen“.


Von der Zeit nach dem 30jährigen Kriege führen Tölle und
Gärtner als ein Beispiel, daſs sich der Eisenhüttenbetrieb „in diesem
Säculo einer guten Aufnahme am Harz erfreute“ an, „daſs um das
Jahr 1658 zur Tanne eine hohe Ofenhütte mit zween hohen Öfen,
ein Schlackenpuchwerk, eine Blech- und Zainhütte mit gutem Erfolg
betrieben worden.“ Ebenso wissen wir, daſs der Hochofen bei Oste-
rode 1666 wieder in gutem Gang war. Lohnau kam 1667 wieder in
Betrieb, auch Sieber 1691, aber nur vorübergehend. Die Königshütte
zu Lauterberg goſs Munition und 1693 wurde erwogen, ob nicht noch
mehrere Hochöfen zum Guſs schwerer Geschütze dort angelegt werden
sollten. Die Querfurter Hütte, welche der Familie von Reden ge-
hörte, wurde 1657 wieder aufgenommen und 1677 an Herzog Johann
Friedrich verkauft. Die Hütte zu Ilfeld kaufte 1671 ein gewisser
Stein aus Tanne. Zorge und Wieda wurden wieder neu eingerichtet.


Die gräflich stolbergischen Eisenwerke bei Ilsenburg waren seit
dem Jahre 1600 verpachtet 1). Es folgten bis zum Ausbruch des
30 jährigen Krieges verschiedene Pächter, zuletzt von 1619 bis 1632
Jobst von Winheim. Die schweren Kriegszeiten brachten trotz der
[1109]Der Harz im 17. Jahrhundert.
Anstrengungen des Pächters die Werke zum Erliegen. Auch die
Trogfurter Hütte, welche besonders für Ilsenburg arbeitete, ging bei
Beginn des 30 jährigen Krieges ein. 1632 übernahm Christof Ahrens
das „desolierte“ Werk zu Ilsenburg für zehn Jahre in Pacht, ihm
folgte der Faktor Johann Schomburg von 1642 bis 1651, der während
der Kriegszeit eifrig Munition goſs, dann bis 1663 Joh. Chr. Wich-
mannshausen, und von dahin bis 1676 Jobst von Windheim, auf den
bis 1685 Hans G. Gieseke folgte. Von 1670 an kam ein neuer Auf-
schwung in das schwer geprüfte Eisengewerbe und neue Werke
wurden in der Umgebung von Ilsenburg errichtet, 1669 baute Graf
Heinrich Ernst von Stolberg einen Hochofen bei Schierke, den er
verpachtete. 1678 wurde das Werk bedeutend vergröſsert. 1682 war
ein hoher Ofen, ein Frischherd, ein Schlacken- und ein zweites Poch-
werk, ein Hammer und eine Schreiberei vorhanden, ein Blech- und
Kraushammer waren projektiert.


1681 wurde bei Ilsenburg eine neue Schmelzhütte und 1688 ein
neuer Blechhammer erbaut. 1685 wurde das Ilsenburger Eisenwerk:
Hoher Ofen, Poch- und Schmiedehammer, Zerennherd und Zehnt-
hütte an den Eisenfaktor oder „Konduktor“ Christoph Grille (Grill)
verpachtet, derselbe übernahm 1688 auch die Leitung der Werke
bei Schierke. Aus dem Pachtvertrag über die Ilsenburger Hütte geht
hervor, daſs er das Kohlholz zu einem vertragsmäſsigen Preise aus
den gräflichen Forsten zu beziehen hatte. Den Eisenstein muſste er
vom Harten- und Büchenberge auf eigene Kosten fahren und ohne
Auswahl nach Berggewohnheit annehmen. Bohlwege hatte er auf
eigne Kosten anzulegen, das Holz dazu wurde ihm aus den gräflichen
Forsten geliefert. Das Werkzeug, wie das ganze Inventar hatte er
in gutem Stand zu erhalten.


Die Pacht betrug vorerst, der Teuerung wegen, nur 600 Reichs-
thaler nebst 10 Ctr. zweigeschmolzenes und 3 Ctr. Krauseisen. So-
bald der Preis der Gerste wieder auf 18 Reichsthaler zurückginge,
solle Grill 800 Reichsthaler Pacht zahlen, wogegen die Herrschaft
alle Baukosten in der Hütte übernähme. Was die Hammerschmiede
selbst machen konnten, wurde der Herrschaft nicht angerechnet, dafür
gab sie das nötige Holz.


In dem Inventar vom 22. April 1685 wurden aufgeführt: 1. Die
Mittelhütte mit Faktorei, Mittelteich, Frischherd, Eisenhammer,
Wagenführerhäuser, Zehntteich, Zehnthütte. 2. Das ganz neue Puch-
werk. 3. Das Schlacken Puchwerk mit einem dabei befindlichen
Wohnhaus. Vom hohen Ofen heiſst es, er sei gut und neu. Vom
[1110]Der Harz im 17. Jahrhundert.
Zerennherd, an dessen Stelle später Grill eine Ölmühle anlegte, wird
noch Eisenwerk erwähnt.


1693 übernahm Grill, der durch geschickte Leitung die Werke
sehr emporgebracht hatte, die Ilsenburger Werke zugleich mit der
Hütte zu Schierke und dem Blechhammer zu Ilsenburg von neuem
auf neun Jahre in Pacht. In dem neuen Vertrag wurde bestimmt,
daſs er das Fuder Holzkohlen zu 13 Maſs mit 9 Mariengroschen, das
Malter Holz nach dem gewöhnlichen Malterstab mit 9 Pfennigen be-
zahlen sollte. Für den Zerennherd wurde der zusammengeschmolzenen
Holzung wegen kein Stammholz mehr verabfolgt. Hecke- und Grub-
holz wurden zu 13 Maſs mit 3 Mgr. bezahlt. Die Meiler („Gruben-
miehler“) müssen, um Feuersgefahr zu verhüten, im Frühling und
Herbst bei feuchter Witterung angelegt werden.


Nach den Rechnungen betrugen Grills Ausgaben von Ostern bis
Michaelis 1695 1516 Thlr. 11 Gr. 2 Pfg.; die Zinsen und Pacht von
Michaelis 1696 bis Ostern 1697 beliefen sich auf 1144 Thlr. 13 Gr.;
für das Halbjahr von Ostern bis Michaelis des letzteren Jahres er-
gaben sich folgende Posten:


  • Für die Ilsenburger Hütte   400 Thlr.
  • Für den Mittelhammer   100 „
  • An Kohlzins   370 „ 2 Gr.
  • Für den Blechhammer   50 „
  • Für den Schierkeschen Wasserzins  352 „ 27 „
  • 1272 Thlr. 29 Gr.

Grill hatte zwar mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, doch
blieb er in dem Vertrag bis zu seinem Ende. Er starb im April
1699. Am 16. fand seine feierliche Beisetzung statt. Graf Ernst
ehrte das Andenken des treuen Mannes, indem er mit seinem ganzen
Hofstaat an der Trauerfeier teil nahm. In diese letzten Jahre des
Jahrhunderts, und zwar auf den 24. Juli 1697, fällt der Besuch des
russischen Zaren Peters des Groſsen, welcher auf seiner Informations-
reise 1697 und 1698 das Schloſs und die Eisenwerke zu Ilsenburg,
welche sich demnach damals eines groſsen Rufes erfreuten, besichtigte
und daselbst mehrere Tage verweilte.


Die ausführlichsten Nachrichten über den Eisenhüttenbetrieb am
Harze gewähren uns aber wieder die Faktoreirechnungen von
Gittelde
im Archiv des Oberbergamtes Clausthal (s. oben S. 800).


Von den Jahren 1591 bis 1613 fehlen dieselben zwar, von da
ab sind sie aber ziemlich vollständig vorhanden. Obgleich den Rech-
nungen nur wenige Textbemerkungen beigefügt sind, so gewähren
[1111]Der Harz im 17. Jahrhundert.
doch die nackten Zahlen dem Fachmann einen lehrreichen Einblick in
die Verhältnisse und den Betrieb eines hervorragenden Eisenwerkes
des Harzes, welches neben einem Hochofen oder Massenofen auf der
Teichhütte, mehreren Frischhütten, einem Blechhammer, einer Stahl-
hütte auch noch eine Zerennhütte, die „Clusingshütte“, umfaſste.


Die allgemeinen Verhältnisse waren dieselben, wie sie Herzog
Julius geschaffen hatte. Die braunschweigischen Eisenhütten wurden
entweder von der Landesherrschaft selbst betrieben, wie es bei den
Gittelder Hütten der Fall war, oder von eigenen Hüttenmeistern, die
aber unter strenger staatlicher Kontrolle standen und ihre Erzeug-
nisse an die Faktorei, der sie zugewiesen waren, ablieferten.


Das Vorkaufsrecht des Landesfürsten war der oberste Rechts-
grundsatz, nach dem alles geregelt wurde. Jeden Samstag mussten
die Hüttenmeister ihre Wochenproduktion an die Faktorei abliefern
und erhielten dafür Bezahlung nach festgesetzten Sätzen. An einen
Dritten durfte der Hüttenmeister nur mit Vorwissen und Erlaubnis
des fürstlichen Eisenfaktors verkaufen.


Löhneiſs teilt in seinem Entwurf einer Eisenhüttenordnung
folgende Preissätze mit:


Bei der Ablieferung seines Eisens muſste der Hüttenmeister oder
der Vogt schon angeben, wieviel und welche Sorten er in der folgen-
den Woche herstellen wolle. Dafür sorgte die Herrschaft, daſs ihm
genügender Vorrat von Erz und Kohlen angeliefert wurde und zur
wirksamen Kontrolle sollte der Hüttenreuter und der Faktor jedes
Hüttenwerk einmal in der Woche besuchen. Und wenn kleines
Wasser war oder aus anderen Gründen eine Hütte feiern muſste, so
hatte der Hüttenmeister das Recht, sich bei der Faktoreikasse „Ver-
lag“ zu holen, einen Vorschuſs, der ihm dann wieder bei Lieferung
nach und nach abgezogen wurde.


Um nun über den Betrieb, wie er sich in den Rechnungen dar-
stellt, einen besseren Überblick zu bekommen, wollen wir denselben
in drei Zeitabschnitte 1. von 1613 bis 1625. 2. von 1625 bis 1664 und
3. von 1664 bis 1700 teilen.


[1112]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Die Faktoreirechnungen der Eisenhütten zu Gittelde
von 1613 bis 1625.


In diese Periode fällt der Ausbruch des 30 jährigen Krieges, wodurch groſse
Preissteigerungen veranlaſst wurden.


Die erste Rechnung von 1613 führt die Aufschrift: „Register der Einnahme
vndt Auſsgaben vber Meines gnedigen Fürsten vndt Herrn p. Factorey vndt Hütten
zu Gittelde. Das Quartall vonn Egidy bis off Andreen sonst die Rechnung Luciae
genannt a. 1613.“ —


Die Rechnung ist zwar nach dem früheren Schema aufgestellt, aber viel weit-
läufiger und in der Einteilung vielfach abweichend.


Sie umfaſst 37 Seiten mit folgendem Inhalt:


  • Seite 1 u. 2 „Eckstahl“ Einnahme und Verkauf.
  • „ 3 Gemein eysen der Oberhütte Einnahme und Verkauf.
  • „ 4 „ „ „ Neuhütte (O.).
  • „ 5 Einnahme Dingeisen der Reidelshütte.
  • „ 6 do. Wageisen.
  • „ 7 do. Alteisen.
  • „ 8 Summa Summarum aller Einnahmen des Faktoreigewichtes der Hütte.
  • „ 9 Aufschrift: Hüttenrechnungen.
    • „ 10
    • „ 11
    Einnahmen des Massenofens auf der Deichhütte.
    • „ 12
    • „ 13
    do. der Oberen Blechhütte.
    • „ 14
    • „ 15
    do. der Blech-Deichhütte.
    • „ 16
    • „ 17
    do. der Kleusings (Clusings-)hütte.
  • „ 18 Gemeine Einnahme.
  • „ 19 Summa Summarum aller Hütteneinnahmen.
  • „ 20 Summa Summarum aller Einnahmen des Faktorey- und Hüttengewinnstes.
  • „ 21 Ausgaben: Faktorey, Notdurft.
  • „ 22 do. den Dienern (Beamten).
  • „ 23 do. des Massenofens.
  • „ 24 do. der Oberhütte.
  • „ 25 do. „ Deichhütte.
  • „ 26 do. „ Cleusingshütte.
  • „ 27 do. des Furlons (Fuhrlohns).
  • „ 28 do. „ Ibergs-Gebäudes.
  • „ 29 do. der Hammerschmieden in Summa.
    • „ 30
    • „ 31
    do. auf Förstlich Beuelch (Befehl).
  • „ 32 do. der Bauschreiberei.
    • „ 33
    • „ 34
    Hüttenvorrat gegen Verlaggelder.
    • „ 35
    • „ 36
    Bekanndtliche Schulden (Ausstände).
  • „ 37 Erkauffte und erbaute Eisensteingruben.

[1113]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Clusingshütte


war während der ganzen Periode 1613 bis 1625 als Zerennhütte in Betrieb.
Die Rechnung pr. 1613 (1. Quartal) lautet folgendermaſsen:


Einnahme („Kauffgeldt“):


Ausgabe: „Auff eingenommene Ware ausgegeben.“


Demnach stellten sich 154 Ctr. Eisen auf 745 fl. 2 Pf. oder auf 228,50 Mk.
pr. Tonne (gegen 155,55 Mk. im Jahre 1590).


Hierzu wurden verbraucht:


Produktion pr. Tag 127,6 kg. Gewinn: 159 fl. 14 Gr. 6 Pf. = 20 Proz.


[1114]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Zusammenstellung von Verkauf- und Gestehungskosten.


[1115]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Die Preise sowohl des Eisens wie der Materialien blieben ziem-
lich unverändert bis zum Jahre 1620, von da ab stiegen dieselben
rasch bis in das Jahr 1622. Schienen, welche 1613 bis 1620 4 Gul-
den 15 Gr. 6 Pf. pro Centner gekostet hatten, stiegen im ersten
Semester 1620 auf 5 Gulden 4 Gr. 6 Pf., im zweiten auf 5 Gulden
19 Gr. 6 Pf., 1621 auf 9 Gulden 12 Gr. 6 Pf. bis zu 13 Gulden
12 Gr. 6 Pf., also nahezu auf das dreifache in zwei Jahren. Kellen-
blätter kosteten 1620 noch 7 Gr. 2 Pf. pro Stück, 1622 3 Gulden
pro Stück; Pflugherde stiegen in derselben Zeit von 18 Gr. auf
5 Gulden 8 Gr. pro Stück. Zerenneisen (Harteisen) wurde an die
Stahlhütten mit 4 Gulden für den Centner verkauft. Eisenstein kostete
das Fuder 1621 1 Gulden 16 Gr. bis 1 Gulden 17 Gr., 1622 2 Gulden
14 Gr., Meilerkohlen 1621 1 Gulden 12 Gr., 1622 2 Gulden 14 Gr.
6 Pf., Grubenkohlen 1621 2 Gulden 14 Gr., 1622 3 Gulden 10 Gr. 6 Pf.


Die Arbeitslöhne waren nahezu unverändert geblieben und da
auch die Materialienpreise nicht in demselben Verhältnis wie die
Eisenpreise gestiegen waren, so war der Betriebsgewinn in diesen
Quartalen ein ungewöhnlich hoher. Diese abnorme Preissteigerung
hielt aber nur kurze Zeit — kaum ein Jahr — an; Ende 1622 kehrte
man zu den alten Preisen zurück. 1623 kostete Eisen 4 Gulden
11 Gr. 6 Pf., Radschienen 5 Gulden 6 Pf., Stutzschienen 5 Gulden
4 Gr. 6 Pf. pro Centner. Pflugherde wie früher 18 Gr., Kellen-
blätter 8 Gr. pro Stück. 1625 werden Rohre mit 9 Gulden 9 Gr.
6 Pf. pro Centner aufgeführt. Der Eisenstein kostete in demselben
Jahre 2 Gulden 2 Groschen, die Kohlen 1 Gulden 6 Gr. bis 2 Gul-
den 4 Pf. pro Fuder.


[1116]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Massenofen der Deichhütte.


[1117]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Die Produktion pro Betriebstag betrug demnach 15,6 Ctr., oder 828 kg; dagegen nur 650 Ctr. pro Quartal oder 143 Tonnen
pro Jahr. Der durchschnittliche Gestehungspreis des Stahleisens stellte sich auf 64,77 Mk. pro Tonne in dieser Periode.


[1118]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Quartalsrechnungen des Massenofens auf der Deichhütte von 1617.


In sieben Quartalen der Jahre 1616 und 1617 betrugen die Kosten für


  • Eisenstein   2503 fl. 8 Gr. 6 Pf. = 38,4 Proc.
  • Kohlen   3284 „ 2 „ — „ = 50,4 „
  • Arbeitslohn   531 „ 2 „ — „ = 8,1 „
  • Diverses  203 „ 3 „ — „ = 3,1 „
  • 6521 fl. 15 Gr. 6 Pf.

Unter Zugrundlage obiger Kostenrechnung berechnet sich für 1617 1 Tonne Pocheisen
zu Mk. 120,54, 1 Tonne Stahleisen zu Mk. 51,26 gegen Mk. 41,64 im Jahre 1590. 1 Tonne
Eisen im Duchschnitt auf Mk. 55,31.


Hierzu wurden verbraucht:

  • Eisenstein 5,26 Fuder (à Mk. 4,00)   21,04 Mk.
  • Kohlen 7,94 Fuder (à Mk. 3,55)   28,07 „
  • Arbeitslohn   4,55 „
  • Diverses  1,65 „
  • 55,31 Mk.

Die Produktion betrug in 328 Betriebstagen 5469 Ctr. oder per Tag 917 kg.


[1119]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Die Betriebsrechnung des Massenofens für das Jahr 1622 bietet wegen der auſserordentlichen Preisschwankungen besonderes
Interesse dar:


[1120]Der Harz im 17. Jahrhundert.
[1121]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Im Jahre 1620 war der Massenofen der Teichhütte durchge-
schmolzen und gänzlich baufällig geworden, infolge dessen er von
Grund aus umgebaut werden muſste.


In der Rechnung Luciae 1620 (Nr. 27) heiſst es:


„Weill der Hoheoffen vff der Teichhütte in diesem quartall ist
eingeschmoltzen, das man etzliche Zeit damit nicht blasen können,
Vndt gleichwoll für fürstl. Hoffhaltung, Müntzwergk vndt Andere
sachen hat Eisen einschicken müssen, als somit Uff der Newenhütten
in dem Zerennherde eingesetzte Eisen geblann sey, Undt auff der
Obern- vndt Teichhütten wiederumb umbgefrischet vndt ausge-
schmiedet worden, darauf gangen wie folgt:


  • 13 Fuder Eisenstein zu 1 fl. 13 Gr.   21 fl. 9 Gr. — Pf.
  • 3 „ „ zu scheiden 5 Gr.   — „ 15 „ — „
  • 28 „ Grube-Kollen zu 1 fl. 10 Gr. 4 Pf.   42 „ 7 „ — „
  • 36 Eisen zu puchen vndt blasen zu 3 Gr. 6 Pf.   6 „ 6 „ — „
  • Für 10 Fuder Eisenstein von der Teichhütten vff die Newen-
    hütten zu fahren   3 „ — „ — „
  • Für allerley Bawkosten   2 „ 1 „ — „
  • Für 8 Pfd. Vett jedes 6 Gr.  2 „ 8 „ — „
  • Summa   78 fl. 6 Gr. — Pf.

Hiergegen bekommen vndt eingenommen:
36 Ctr. Zerenn-Eisen thut jeder Ctr. in der Kostung 2 fl. 6 Gr. 82 fl. 16 Gr. — Pf.“


Während dieser Zeit wurde der Hochofen neu zugestellt und die
Massenhütte fast ganz erneuert. Die Abrechnung darüber ist in der
Quartalsrechnung Trinitatis 1621 mitgeteilt und lautet:


  • Dem Maurer … für den Schacht im Hohenofen neu zu
    machen und sonsten zu bessern im geding neben dem
    trinkgelde   41 fl. 8 Gr. — Pf.
  • Für 32 Tage den Handlangern   11 „ 4 „ — „
  • Für Steine zu brechen   27 „ — „ — „
  • Dem Balgenmacher für die Balge neu zu machen   9 „ — „ — „
  • Für 5 Ochsenledder   75 „ 12 „ — „
  • Für Leim, Pech, Hanff vndt Kleister   1 „ 16 „ — „
  • Für 40 Pfd. Vett   12 „ — „ — „
  • Den Halfters-Knechten   — „ 13 „ 4 „
  • Für die Bretter zu schneiden und bey zu arbeiten   1 „ 16 „ — „
  • Für die Bretter zu schneiden   8 „ — „ — „
  • Für 2 Schock Balgennägell   2 „ 8 „ — „
  • Für ¼ Ctr. zweigeschmolzen Eisen zu den Stacheln   2 „ 10 „ — „
  • H. R. für allerley Schmiedekosten   5 „ 8 „ — „
  • Für 5 Stück Eichenholz zu hauen   1 „ 10 „ — „
  • Für das Balggerüst zu machen   5 „ 8 „ — „
  • Für 4 Kammen zu machen   — „ 12 „ — „
  • Für nutzholz zu hawen   — „ 14 „ — „
  • Für einen Eisenbandt  — „ 18 „ — „
  • Transport   207 fl. 17 Gr. 4 Pf.

Beck Geschichte des Eisens. 71
[1122]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • Transport   207 fl. 17 Gr. 4 Pf.
  • Dem alten Massenbläser Hansen das ehr zugestellet vndt dem
    Hohenofen mit rhat beigewohnt   9 „ — „ — „
  • ¼ Ctr. Clusings-Eisen zum Timpell   2 „ 8 „ 3 „
  • Den armen gegeben   2 „ 14 „ — „
  • ¼ Ctr. Eisen zu Stacheln   2 „ 10 „ — „
  • Dem Pastor wegen des Gemein Gebets   2 „ 8 „ — „
  • Für den Kohlschopfen und Puchgraben zu reinigen   1 „ 5 „ — „
  • Den Steinfuhrleuten Ihre gehörige Liebnuſs als 2 Ctr. Schienen   19 „ 8 „ — „
  • Für ½ Ctr. Eisen zum Timpell   5 „ — „ — „
  • Joh. Wiechmann quardtallgelt   3 „ 5 „ — „
  • Dem Zimmermann quardtallgeldt   3 „ — „ — „
  • Dem Hüttenvogt wöchentlich 10 Gr.   6 „ 10 „ — „
  • Für 2 neue Eimer   1 „ — „ — „
  • Für 9 Möller zu 6 Gr.  2 „ 14 „ — „
  • Summa   268 fl. 19 Gr. 7 Pf.

Die vorstehende Rechnung ist zugleich Bau- und Quartals-
rechnung. Bemerkenswert ist, daſs die Abgabe für die Armen, die
Zahlung an den Pfarrer für das gemein Gebet als regelmäſsige Be-
triebsausgaben erscheinen. Die „ehr“ des alten Massenbläsers Hansen
war eine Invalidenpension und das quartallgeldt des Joh. Wiechmann
vielleicht eine Unfallrente, wenigstens ersehen wir aus den späteren
Quartalsrechnungen, daſs die Hütte ihre alten und die im Betriebe
verunglückten Leute unterhielt und das betreffende Werk dafür
aufkommen muſste.


Die Reparatur des Massenofens im Jahre 1620/21 erwies sich
aber als unzureichend und muſste 1623 der Hochofen von Grund auf
erneuert werden. Die betreffende Rechnung vom Quartal Trinitatis
lautet:


Ausgabe Bawkostung des newen Hohenoffens zu
Deichhüttenn
.


  • Dem Maurermeister Frantz Henner von Osterode ist der Offen
    von grundt auff neu zu mauern verdinget für 52 Thlr.;
    davon er des Handt-Langers Lohn muſs abgeben   93 fl. 12 Gr. — Pf.
  • Das Miethgeldt desselben   — „ 18 „ — „
  • Mehr demselben von den alten Offen abzunehmen vndt die
    steine so schon zum Newen wiederumb dienlich auſs-
    zusondern geben   8 „ 2 „ — „
  • Sechs Persohnes 6½ Tagh den Schutt auſs der Hütten in die
    Fahrwege zu lauffen, jeden Tag 1 fl. 16 Gr. thut   11 „ 14 „ — „
  • Vier Persohnes den Schutt als der Maurer fertig gewesen auſs-
    zulauffen vndt die Hütten wie auch des offens zu reinigen   4 „ — „ — „
  • Dem Massenbläser N. selbst die Steine zu brechen in 28 Tag   25 „ 10 „ — „
  • Dem Hüttenvoigt vff der Stahlhütten von 101 Karren Steine
    auſs dem Grunde des Stahlgebäudes zu brechen jeder
    Karren 1 Gr. 6 Pf.  7 „ 11 „ 6 „
  • Transport   151 fl. 7 Gr. 6 Pf.

[1123]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • Transport   151 fl. 7 Gr. 6 Pf.
  • Fuhrlohn von 90 Karn steinen auf der Willmser Steinkuhle
    jeder 9 Gr.   40 „ 10 „ — „
  • Fuhrlohn von 101 Karn steinen vom Stahlgebäude jede 5 Gr.   25 „ 5 „ — „
  • Für ein starken Laufkarn mit dem Beschlage …, Keilen vndt
    Brechstangen zu scherffen, zu stehlen vndt verleggen,
    auch was sonsten im Steinbruck vor die Maurers noth-
    wendig gewesen verfertigt — dafür Schmiedekost   11 „ 14 „ 2 „
  • Für 4 groſse starke Keilhauen in den Steinbruch   1 „ 14 „ — „
  • Für Kratzen, Sandhespen, Nagell vor Allerley schmiedekost
    in vndt auſserhalb der Hütten   4 „ 14 „ — „
  • Vor der Radstuben, dem Stollen und hinter der Balgen-Kunst
    zu säubern   3 „ 10 „ — „
  • Fuhrlohn von 125 Karren Lehm jede 1 Gr.   6 „ 5 „ — „
  • Vom halben Fuder Dielen zum Gerüst Fuhrlohn   — „ 8 „ — „
  • Dem Zimmermann für d. Schlingen, Radstube, Balggerüst
    neu machen etc.   12 „ 3 „ 6 „
  • Eisen für die Welle   21 „ 12 „ — „
  • Schmiedekosten   5 „ 15 „ — „
  • 3½ Fuder Kohlen verbrannt zu 1 fl. 6 Gr.   4 „ 11 „ — „
  • H. K. v. 8 Eichenhölzer zu den Schlingen vmb den Ofen aus
    dem Hartz zu fahren jedes 1 Thlr.   10 „ 16 „ — „
  • Divs. Holz und Zimmerarbeit. Latten, Nägel etc.   4 „ 5 „ — „
  • Für 45 Schock Schindeln vff den Kohlschoppen samt den Fuhr-
    lohn zu 4 Gr.   9 „ — „ — „
  • Für 27 Schock neue Schmiedenägel   1 „ 13 „ 9 „
  • Für 32 Schock alte Nägel zu 6 Pf.   — „ 16 „ — „
  • Dem Zimmermann die Massenhüttenwand vffgeschrauben  2 „ 10 „ — „
  • Summa   318 fl. 9 Gr. 11 Pf.

Von den Frischhütten waren auch in dieser Periode die Ober-
hütte und die Deichhütte im Betrieb, dazu kam im Jahre 1615 noch
die „neue Stahlhütte“. Aus den Baurechnungen geht hervor, daſs
diese „Neue Stahlhütte“ aus der alten Hütte „über dem Katzenstein“
entstanden ist. Dieselbe wurde für 13½ fl. abgebrochen und für
262 fl. 5 Gr. 1 Pf. neu aufgebaut. Den Namen Stahlhütte führte sie
mit Unrecht, denn es wurde von Anfang an nur zweigeschmolzenes
Eisen daselbst erblasen.


Vom Jahre 1613 ist nur die Rechnung von einem Quartal vor-
handen, in demselben wurde produziert:


Auf der Oberhütte:


  • Blech (à Ctr. zu 10 fl. 16 Gr.)   41½ Ctr. … 448 fl. 4 Gr. — Pf.
  • Zweygeschmolzen Eisen (à Ctr. zu 5 fl. 5 Gr.)   182 „ … 672 „ — „ — „
  • Frischschlacke (an die Clusingshütte ver-
    kauft) 6 Fuder  5 „ 8 „ — „
  • Summa   223½ Ctr. 1125 fl. 12 Gr. — Pf.
  • (+ 6 Fdr. Frischschlacke)

71*
[1124]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Auf der Deichhütte:


  • Blech (à Ctr. zu 10 fl. 16 Gr.)   30¼ Ctr. … 326 fl. 14 Gr. — Pf.
  • Zweygeschmolzen Eisen (à Ctr. zu 5 fl. 5 Gr.)  109 „ … 572 „ 5 „ — „
  • Summa   139¼ Ctr. 898 fl. 19 Gr. — Pf.

Hierzu wurden verbraucht:


Auf der Oberhütte:


  • Stahleisen (à Ctr. zu 1 fl. 6 Gr.) 45 Ctr.   50 fl. 10 Gr. — Pf.
  • do. (à „ zu 9 Gr. 2 Pf.) 173 „   79 „ 5 „ 10 „
  • Genseeisen (à „ 1 fl. 7 Gr. 7 Pf.) 97 „   133 „ 15 „ 7 „
  • Gefrischte Stücke (à Ctr. 5 Gr.) 203 „   50 „ 15 „ — „
  • Blech zu schmieden (à Ctr. zu 16 Gr.) 41½ Ctr.   33 „ 4 „ — „
  • Zweygeschmolzen Eisen zu schmieden (à Ctr. zu 4 Gr.) 120 Ctr.   25 „ 12 „ — „
  • Kohlen (à Fdr. zu 1 fl. 4 Gr.) 50 Fuder   60 „ — „ — „
  • do. (à „ zu 2 „ 4 „) 156 „   343 „ 4 „ — „
  • Forstzins für Kohlen aus dem Westerhoffischen Forst pro
    Fuder 1 Gr. 50 Fuder  2 „ 10 „ — „
  • Summa   778 fl. 16 Gr. 5 Pf.
  • Gewinn   346 fl. 15 Gr. 7 Pf.

Auf der Deichhütte:


  • Stahleisen (à Ctr. zu 1 fl. 6 Gr.) 30 Ctr.   39 fl. — Gr. — Pf.
  • do. (à „ zu 9 Gr. 2 Pf.) 161 „   73 „ 15 „ 10 „
  • Genseeisen (à „ 1 fl. 7 Gr. 7 Pf.) 52½ „   72 „ 8 „ 1½ „
  • Gefrischte Stücke (à Ctr. 5 Gr.) 163½ „   40 „ 17 „ 6 „
  • Blech zu schmieden (à Ctr. zu 16 Gr.) 30¼ Ctr.   24 „ 4 „ — „
  • Zweygeschmolzen Eisen zu schmieden (à Ctr. zu 4 Gr.) 109 Ctr.   21 „ 16 „ — „
  • Kohlen (à Fdr. zu 1 fl. 4 Gr.) 49 Fuder   56 „ 7 „ — „
  • do. (à „ zu 2 „ 4 „) 76 „   167 „ 4 „ — „
  • do. (à „ zu 1 „ 18 „) 16 „   30 „ 8 „ — „
  • Forstzins für Kohlen aus dem Westerhoffischen Forst pro
    Fuder 1 Gr. 49 Fuder  2 „ 9 „ — „
  • Summa   528 fl. 9 Gr. 5½ Pf.
  • Gewinn   370 fl. 9 Gr. 6½ Pf.

Zusammenstellung.


Auf der Oberhütte:


Auf 100 Ctr. Schmiedeeisen wurden verbraucht: 141 Ctr. Massel-
eisen und 92 Fuder Kohlen.


Auf der Deichhütte:


[1125]Der Harz im 17. Jahrhundert.
[1126]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Auf 100 Ctr. Schmiedeeisen wurden verbraucht: 175 Ctr. Massel-
eisen und 101 Fuder Kohlen.


Die vorstehende Tabelle giebt eine Übersicht der Herstellungs-
kosten und des Verkaufs der Frischhütten während der ganzen Periode
von 1613 bis 1625.


Wie bei dem Clusings- und Stahleisen, so erfuhren auch Bleche
und zweigeschmolzen Eisen Ende 1621 und Anfang 1622 auſser-
ordentliche Preissteigerungen. Bis 1620 waren die Verkaufspreise
konstant geblieben, und zwar Blech auf 10 fl. 16 Gr. und zweige-
schmolzen Eisen auf 5 fl. 5 Gr. für den Centner. Blech stieg Ende
1620 auf 13 fl. 10 Gr., im 1. Quartal 1621 auf 16 fl. 4 Gr., im 2. Quartal
auf 18 fl., im 3. Quartal auf 21 fl. 12 Gr. und Anfang 1622 auf 64 fl.
16 Gr
. pro Ctr., um aber schon im zweiten Vierteljahre jählings auf
18 fl. zurückzufallen. Entsprechend stieg zweigeschmolzen Eisen 1620:
auf 5 fl. 14 Gr., 6 fl. 6 Gr., 1621 auf 8 fl., 10 fl., 14 fl., bis Anfang 1622
auf 16 fl. und fiel dann zurück auf 5 fl. 8 Gr. pro Centner.


In den Jahren 1621 bis 1624 herrschte groſse Teuerung im
Harz und 1625 hauste die Pest im Oberharz, besonders in Clausthal.


Das Jahr 1625 bildet einen wichtigen Abschnitt in der Ge-
schichte unserer oberharzer Eisenhütten, indem in diesem Jahre an-
statt der alten Lederbälge auf sämtlichen Frischhütten die um jene
Zeit erfundenen Holzbälge eingeführt wurden
. Die Anlage-
kosten gehen aus den Baurechnungen des Quartals Reminiscere 1625
hervor.


Für die Oberhütte betrugen dieselben für:


  • Ein Paar hölzerne Bälge für den Blechherd zu machen   63 fl. — Gr. — Pf.
  • Ein Fuder Dielen samt dem Fuhrlohn   10 „ 9 „ — „
  • Schmiedekosten   16 „ 10 „ 6 „
  • Leim, Kleister, Ohlig und Vett  3 „ 3 „ — „
  • Summa   93 fl. 2 Gr. 6 Pf.

Dieselben Anschaffungen wurden für die Deich- und die neue
Stahlhütte gemacht.


Der günstige Einfluſs auf den Betrieb macht sich schon 1625
geltend. In diesem Jahre wurde noch eine vierte Frischhütte eröffnet,
die „neue Hütte“, während die „neue Stahlhütte“ von da an nur
noch als „die Stahlhütte“ in den Rechnungen erscheint. 1625 be-
tragen die Preise für Blech und Bruste 11 fl. 14 Gr., Flammenblech
12 fl. 12 Gr., zweigeschmolzen Eisen 5 fl. 5 Gr.


Von dem Betriebe der Oberhütte giebt nachstehende Tabelle
über Produktion und Verbrauch in den vier Quartalen des Jahres 1617,
wovon die Rechnungen vollständig erhalten sind, ein richtiges Bild.


[1127]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Zusammenstellung für die Jahre 1616 und 1617.


[1128]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Aus den Rechnungen von 1613 bis 1625 entnehmen wir folgende
Preise von Materialien:


  • Pucheisen   pro Ctr. 2 fl. 11 Gr. — Pf.
  • Mühlzapfen   „ „ 11 „ 11 „ — „
  • Zweigeschmolzenes Eisen   „ „ 5 „ 5 „ — „
  • Blech   „ „ 10 „ 16 „ — „
  • Zerenneisen   „ „ 4 „ 15 „ — „
  • Wascheisen   „ „ 1 „ 7 „ — „
  • Ein Karren Sand   „ „ — „ 9 „ — „
  • Ein Malter Rostholz   „ „ — „ 3 „ 6 „
  • Ein Rindsleder zum Bessern des Balgs der Clusingshütte 1615
    mit Botenlohn   9 „ 6 „ — „
  • Ein Ochsenleder (1620 bis 1621 36 fl.)   14 „ 8 „ — „
  • Fett pro Pfund (1620 5 und 6 Gr.)   — „ 4 „ — „
  • Schindeln pro Schock   — „ 4 „ — „
  • Schmiedenägel pro Schock   — „ 1 „ 3 „
  • Alte Schmiedenägel pro Schock   — „ — „ 6 „
  • Ein Schock Balgnägel (1615)   1 „ — „ — „

Preise für Werkzeuge:


  • Eine starke Keilhaue für den Steinbruch   — fl. 9 Gr. — Pf.
  • Ein neuer Pochhammer (Bockshammer)   — „ 3 „ — „
  • Ein groſser Amboſs von 70 Pfd. (1670)   120 „ — „ — „
  • Ein gebrauchter Wasserhammer (als überflüssig 1615 von der
    neuen Stahlhütte an die Oberhütte verkauft)   27 „ 17 „ 6 „
  • 1616 ein Paar alte Bälge verkauft für   30 „ — „ — „
  • Ein Eimer   — „ 10 „ — „

Reparaturkosten:


  • Ein Paar Lederbälge für die [Deichhütte] 1613   77 fl. 15 Gr. 4 Pf.

Neue Lederbälge für den Hochofen (1620):


  • Den Balgenmachern   9 fl. — Gr. — Pf.
  • Für fünf Ochsenleder   75 „ 12 „ — „
  • Für Leim, Pech, Hanf und Kleister   1 „ 16 „ — „
  • Für 40 Pfd. Fett   12 „ — „ — „
  • Den Halfterknechten   — „ 13 „ 4 „
  • Bretter schneiden und bearbeiten   9 „ 12 „ — „
  • Für zwei Schock Balkennägel   2 „ 8 „ — „
  • Für ¼ Centner Schmiedeeisen   2 „ 10 „ — „
  • Für Schmiedekosten   5 „ 8 „ — „
  • Für Holzbehauen   1 „ 10 „ — „
  • Für Balgengerüst zu machen  5 „ 8 „ — „
  • 125 fl. 17 Gr. 4 Pf.

Weit höher stellen sich ein Paar neue Frischfeuerbälge für die
Teichhütte in dem teuren Jahre 1621:


  • Dem Balgenmacher für die Frischbälge neu zu machen   10 fl. 16 Gr.
  • Für fünf Ochsenledder dazu   169 „ 4 „
  • Für 51 Pfd. Vett dazu  51 „ — „
  • 231 fl. — Gr.

[1129]Der Harz im 17. Jahrhundert.

und ein Paar leichte Bälge für die Blechschmiede:


  • Den Balgenmachern   9 fl. — Gr.
  • Für zwei Ochsenledder   68 „ 8 „
  • Für 30 Pfd. Vett   30 „ — „
  • Für Hanf, Pech, Leim und Kleister   7 „ 4 „
  • Für drei Schock Balgnägel   9 „ — „
  • Für Halftersknechte   3 „ — „
  • Für Schmiedekosten   10 „ 16 „
  • Für Ziegenfellen zu windfangen  3 „ — „
  • 140 fl. 8 Gr.

Reparaturkosten:


  • Ein Hochofenschacht mit groſsen Haustücken ganz neu ge-
    macht, dafür dem Maurer (1615)   18 fl. — Gr. — Pf.
  • Eine neue Kupferform für die Oberhütte (1613) pr. Pfd. 15 Gr. 6 „ 4 „ 6 „
  • Ein neues Gestell zu brechen und zu stellen   1 „ 16 „ — „
  • Fuhrlohn   1 fl. 10 Gr. bis 3 „ 6 „ — „

Ein neuer Zerennherd der Clusingshütte:


  • Für den Herd zu machen   — fl. 10 Gr.
  • Für ein Stück Eisen zum „Taggen“  1 „ 4 „
  • 1 fl. 14 Gr.
  • Ein neues Hammerrad von 10 Schuhen für die Oberhütte (1621)   36 fl. — Gr.
  • Eine neue Holzwage (1620)   292 „ 10 „

Folgende Gehalte und Löhne wurden in dieser Periode gezahlt:


  • Der Faktor bezog an Besoldung, Kleidung und Deputat pro Quartal 60 fl. — Gr.
  • Der Gegenschreiber   „ „ 12 „ — „
  • Der Bergkvoigt zu Gittelde   „ „ 19 „ 10 „
  • Der Bergkvoigt zu Grund (1617 Moritz Rischer)   „ „ 9 „ — „
  • Der Massenbläser zu Gittelde einschlieſslich Reisekosten,
    Papier und Botenlohn   „ „ 9 „ 15 „
  • Der Massenbläser zu Grund   „ „ 9 „ — „
  • Drei Blech- und Hammerschmiede, zwei Knechte, zwei
    Frischer auf der Ober-, Stahl- und Deichhütte, jeder „ „ 9 „ — „
  • Ebenso der Schmiedemeister, der Knecht und der Blaser
    auf Clusingshütte   „ „ 9 „ — „
  • Der Hüttenvoigt der Massenhütte und der Clusingshütte
    erhält wöchentlich 10 Gr., also   „ „ 6 „ 10 „
  • Der Hüttenvoigt der Oberhütte erhält wöchentlich
    12 Gr., also   „ „ 7 „ 16 „
  • (auch 7 „ 12 „)
  • Der Hüttenvoigt der Stahlhütte erhält wöchentlich
    1 fl. 10 Gr., also   „ „ 19 „ 10 „
  • Der Hüttengeschworene erhält „Liebnuſs“   „ „ 3 „ 5 „
  • Der Zimmermann   „ „ 3 „ — „
  • Der Eisensteinmesser und Knecht am Iberg, daſs sie alle
    Sonnabend bei dem Eisensteinmessen am Iberg er-
    scheinen müssen, 4 Gr.   „ „ 2 „ 12 „
  • Den Hochofenknechten   „ „ 4 „ — „

Tagelohn:


  • Dem Hochofenmeister   1 fl. — Gr.
  • wofür er die Knechte zu halten hatte.

[1130]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • Den Maurer-Handlangern   — fl. 7 Gr.
  • Den Tagelöhnern   — „ 6 „

Akkordlöhne beim Zerennherd:


  • Eisen „zu puchen und zu blasen“   pr. Ctr. 3 Gr. 6 Pf.
  • Schmiedekosten für Schienen   „ „ 4 „ 6 „
  • „ „ Kurzschienen   „ „ 8 „ — „
  • „ „ Pflugherde   pr. Stück 1 „ 6 „
  • „ „ Kellenblätter   „ „ 1 „ od. 7 „

Formerlohn beim Massenofen:


  • Pucheisen zu formen   pr. Ctr. — fl. 5 Gr. 4 Pf.
  • Unterlager „ „   „ „ — „ 2 „ — „
  • Einen Möller zu machen   — „ 6 „ — „
  • Pochkosten pr. Fuder Eisenstein   — „ 2 „ — „
  • Scheidekosten pr. Fuder Eisenstein   — „ 5 „ — „
  • Rost zu legen pr. Stück   1 „ — „ — „
  • Ein Gestell zu brechen   1 „ 16 „ — „

Bei den Frischhütten:


  • Für das Verfrischen   pr. Ctr. 5 Gr.
  • Für das Blech zu schmieden   „ „ 16 „
  • Für zweigeschmolzenes Eisen zu schmieden   „ „ 4 „
  • Forstzins vom Streitberg und Westerhoffischen Forste   1 „
  • pro Fuder Kohlen.

Die Faktorei bezog ihr Eisen nicht nur aus den fürstlichen,
sondern auch aus den gewerkschaftlichen Hütten der Umgegend. Dies
waren meist Zerennhütten. Ihr Eisen erscheint unter der Bezeichnung
Wageisen und Dingeisen. Von gewerkschaftlichen Hütten werden
genannt: Reidelshütte, Blaues Wunder, Grundhütte, Laubhütte und
Buckshoff.


Den Stahl bezog die Faktorei von den Stahlschmieden, die auf
eigene Rechnung arbeiteten. Sie bezogen zuweilen Zerenneisen zu
4 fl. pr. Ctr., wahrscheinlich ausgesucht hartes Eisen. In der Regel
scheinen sie ihren Stahl selbst zerennt zu haben. Die Faktorei ver-
kaufte Eck- (oder Egge-) Stahl und Pflugstahl in Fässern, und hatte
beim Eckstahl 2 fl., beim Pflugstahl 10 Gr. Gewinn.


Aus den Rechnungen ersehen wir aber ferner, daſs in den
Gittelder Hütten nicht nur Masseneisen, Schmiedeeisen und Blech
erzeugt wurde, sondern dass, auſser den Gegenständen für den
eigenen Gebrauch, mancherlei Guſs- und Schmiedewaren namentlich
für Kriegszwecke angefertigt wurden. Dies geschah meist auf Be-
stellung seitens der fürstlichen Kammer. So findet sich z. B. bei den
Quartalsrechnungen von 1617 folgende interessante Rechnung:


„Vff Befehl des Herrn Landdrosten Henninger von Rheden sind
nachgesetzte Schantzen-Instrumente gelieffert, als:


[1131]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • 100 Spaden   zu 11 Gr. 6 Pf. thut 57 fl. 10 Gr.
  • 100 Niederländische Schuten1)
    (? Schippen)   „ 13 „ — „ „ 65 „ — „
  • 60 breite Hawen   „ 13 „ — „ „ 39 „ — „
  • 60 Pilhawen   „ 8 „ 6 „ „ 25 „ 10 „
  • 40 Axten   „ 13 „ — „ „ 26 „ — „
  • 30 groſse Barten   „ 6 „ — „ „ 9 „ — „
  • 20 Radehawen   „ 10 „ — „ „ 10 „ — „
  • 50 groſse Hackemesser   „ 16 „ — „ „ 40 „ — „
  • 4 schuſsfreie Harnischbrüste u. 13 Bleche
    wiegen 1½ Centner   zu 10 fl. 16 „ — „ „ 16 „ 4 „

Ferner heiſst es in der Rechnung vom ersten Quartal:


Von den anbefohlenen Instrumenten sind dem Zeugmeister Tobias
Kuffer
100 Niederländische Hämmer gegen Quittanz geliefert, jeder
zu 1 fl. 4 Gr., thut 120 fl.; ferner im dritten Quartal dem Zeugmeister
T. K. gegen Quittanz geliefert, welcher jedes Stück verdingt, als:


  • 1000 Pilhawen mit den Helffen   zu — fl. 8 Gr. 6 Pf. thut 425 fl. — Gr.
  • 600 Breithawen „ „ „   „ — „ 13 „ — „ „ 390 „ — „
  • 10 groſse Ketten   „ 8 „ — „ — „ „ 80 „ — „
  • 50 Brechstangen   „ 1 „ 7 „ — „ „ 67 „ 10 „
  • Für die groſsen Eisengeschütze rein zu machen und einzuschmieren
    von vier Quarthalen, jedes   3 fl. thut 12 fl.
  • Der Zeugk- vnd Büchsenmeister uns. gn. F. und Herrn zu Ver-
    schiedentlichen Malen zu Gittel gewesen u. s. w. Quartalskosten 16 fl. 10 Gr.

Im zweiten Quartal heiſst es:


Vff die an anbefohlenen Instrumente des F. Zeughauses verlegt:


  • Vff das Bohrwergk zu den Petarden  96 fl. 16 Gr. — Pf.
  • Den Plattnern zu Gottingen für Blech   34 „ 1 „ 1 „
  • „ „ „ Gittel „ „   13 „ 2 „ — „

Diese Posten wiederholen sich in den folgenden Rechnungen, wie
sie sich ähnlich auch schon früher finden.


Schon 1613 kommt der Eintrag vor:


  • Dem Plattenschleger, der das groſse Geschütz in guter Wartung ge-
    habt, zweites Quartal   6 fl. — Gr.
  • Der fürstliche Marstall bezieht regelmäſsig in diesem und den folgen-
    den Quartalen 3 Ctr. Guſseisen (?) zu   6 „ 11 „
  • und 6 Ctr. Zweigeschmolzenes Eisen zu   5 „ 5 „
  • In die fürstliche Bauschreiberei werden in demselben Jahre 15 Oefen im Gewicht
    von 24 Ctr. 1½ Pfd. zu 3 fl. 6 Gr. pr. Ctr. gleich 79 fl. 4 Gr. 4½ Pf. geliefert.

Façonschmiedestücke unter dem Namen „Modelleisen
bezieht das fürstliche Zeughaus. So 1614. „Dem Zeugmeister 20 Ctr.
zweigeschmolzenes Eisen. Davon 10 Ctr. in Modell geschmiedet.“ In
demselben Jahre „dem Hofschlosser und Hofsporer je 3 Ctr. Blech auf
Befehl“,


[1132]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • ferner dem Plattner zu Horenburg 3 Ctr. Blech,
  • „ „ „ Gittelde 6 „ „
  • „ „ „ Eimbeck 8 „ „

alles zu 10 fl. 16 Gr. pro Centner.


Daſs die Petarden auf den Gittelder Hütten selbst angefertigt
wurden, geht aus den Rechnungen von 1615 hervor, worin es heiſst:


Auf des Statthalters Befehl allerhand Petarden und Artholery
ins Zeughaus abgeliefert. — Auf der Teichhütten zwei Petarden zur
Probe verfertigt:


  • 3½ Ctr. zweigeschmolzenes Eisen zu 5 fl. 5 Gr.   18 fl. 7 Gr. 6 Pf.
  • 9½ Fuder Kohlen zu 1 fl. 14 Gr.   16 „ 3 „ — „
  • 5 Tage gearbeitet, jeden Hüttentag Zinſs 2 fl.   10 „ — „ — „
  • Zu 5 Tagen Arbeitslohn   17 „ 10 „ — „
  • Dieselben zu bohren und Auszubereiten  21 „ 12 „ — „
  • 83 fl. 12 Gr. 6 Pf.
  • Weiterhin 7 Petarden auf der Oberhütte fertig gemacht, zu-
    sammen   225 fl. 17 Gr. 3 Pf.
  • Das Bohren und Aufbereiten für jede 6 Thlr.   75 „ 12 „ — „
  • Zubehör: eisenbeschlagene Holzgabeln und 5 niederländische
    Hämmer zu   1 „ 4 „ — „
  • 2 abgefertigte Büchsenmeister (von den Niederlanden?) für
    Zehrkosten   10 „ 16 „ — „
  • 60 groſse Ketten, à 5 fl., eine besonders groſse 7 fl., in Fässern verpackt.
  • 2 eiserne, geschmiedete Scharpentinen ins Zeughaus zu 22 Thlr. gleich 75 fl. 12 Gr.
  • In fürstliche Küchen ist ein groſser, eiserner Brandtrost geliefert,
    hat gewogen 12 Ctr. 24 Pfd., jeder zu 6 fl. 12 Gr. gleich   80 „ 14 „

Im Jahre 1617 wurden viele Eisenteile in die Kalenbergische
Mühle, welche in eine Müntze umgebaut wurde, geliefert, darunter
unter anderen sechs Müntzertreiböfen, sechs Stöcke, sechs Hämmer.


1618 werden 600 Axten zu 13 Gr., gleich 390 fl., geliefert.


1619 „Churfürstlicher Durchlaucht zu Brandenburg seint Vff Be-
fehl des Herrn Obristen von Adelibsen 12 Ctr. Schuſsfreie Harnisch-
blech ausgefolgt“ etc. zu 129 fl. 12 Gr.


Auſser weiteren Sendungen an die Kalenberger Müntze und das
Zeughaus wurden geliefert „für das Pommerische Beilager nach
Wolfenbüttel“ an Küchengerät für 250 fl. 2 Gr. Bemerkenswert ist
auch folgender Eintrag: Als das Berggericht im Grund gehalten, ist
laut Ufgangs Zettel daselbst von dhenen darin gesatzten persohnen
vndt pferden Verzert vndt Ufgangen 51 fl. 4 Gr. 3 Pf.


1620 wurden ins Zeughaus geliefert:


  • 100 niederländische gestählt Hämmer zu 1 fl. 7 Gr.   137 fl. — Gr. — Pf.
  • 500 Cartetschen zu 5 Gr.   150 „ — „ — „
  • 525 Spaden   359 „ 7 „ 6 „
  • 6 neue Petarden   213 „ 10 „ — „
  • Eisern Kriegsgeräth   210 „ 18 „ — „

[1133]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • An das Salzwerk zu Forst Bleche, à 10 fl. 16 Gr.   129 fl. 6 Gr. — Pf.
  • An die Münze 24 Münzamboſse   187 „ 4 „ — „
  • (Auf Befehl) 2 groſse Ketten nach Harzburg   32 „ 8 „ — „
  • für das Gieſshaus in Wolfenbüttel dem Rothgieſser allerlei
    Instrument   415 „ 13 „ 3 „
  • 30 Ctr. an zweyer groſsen Eisenofen   150 „ — „ — „

1622 wurden zwei gröſsere Lieferungen von Küchengerät aus-
geführt.


1622 Rechnung Crucis. (Auf Befehl!)


Zur Behuff Fürstl. Küchen Ist das nachgesagten Eisengeräth, so
mit nach Regenspurg soll, gegen quittung geliefert:


  • 6 groſse Bradspisse zu 4 fl.   24 fl. — Gr.
  • 6 mittelmäſsige Bradspisse zu 3 fl.   18 „ — „
  • 2 groſse Bradtboecke zu 5 fl.   10 „ — „
  • 4 Mittelmäſsige Bradtboecke zu 4 fl.   16 „ — „
  • 12 groſse Bradt Pfannen   54 „ — „
  • 3 Rosten zu 1 fl. 16 Gr.   5 „ 8 „
  • 3 Rosten zu 18 Gr.   2 „ 14 „
  • 6 Flurschüsseln zu 1 fl. 4 Gr.   7 „ 4 „
  • 5 Dutzend Kellen zu 7 fl. 4 Gr.   36 „ — „
  • 6 Knochen-Beile zn 1 fl. 16 Gr.  10 „ 16 „
  • Summa   184 fl. 2 Gr.

Vff Befehlig V. Gn. F. undt Herrn, Das Zur Behuff des Herrn
Obristen Henning von Rohdes vnd inzo des Herrn Landrosten Bart-
holdt von Rautenberg Behausung zu Wolffenbüttel Aller Nottürfftiger
Eisenwergk gefolgert werden soll, Zunächst ein vollkommenen Eisen-
küchengeräth verfertiget und geliefert Thut laut Verzeichnis unt
quitunge 421 fl. 8 Gr.


Nach dem Jahre 1622 erscheinen nur noch sehr wenige derartige
Extrarechnungen „auf Befehl“.


Nur in der Rechnung Reminiscere 1624 ist folgender etwas
unklarer Eintrag: „Auf Befelig des Statthalter-Präsidenten etc. etliche
Schloſsbatterie (?). Dieser Schloſspatterie ist 16.


  • Zu jeder 3 Ctr. 2 geschmolzen Eisen thut 48 Ctr. zu 5 fl. 5 Gr.   252 fl. — Gr.
  • Dabei samt dem Zusammenschweiſsen verbrannt 36 Fuder Kohlen
    à 1 fl. 4 Gr.   48 „ — „
  • Den Blechschmieden um jeden zu verfertigen 3 fl. 12 Gr.  57 „ 12 „
  • 436 fl. 16 Gr.“

Auch aus den Einnahmerechnungen lernen wir mancherlei Einzel-
heiten des Hüttenbetriebes kennen. Besondere Gegenstände wurden, wie
wir bereits oben gesehen haben, nicht von den Hüttenarbeitern selb-
ständig, sondern von geschickten Meistern oder Unternehmern, denen
der ganze Apparat der Hütte zur Verfügung gestellt und wofür ein
Zins erhoben wurde, angefertigt. So hatte Heinrich Repost von
[1134]Der Harz im 17. Jahrhundert.
Wolfenbüttel im Jahre 1614 die Hütte vier Tage auf Befehl, um eine
Eisenpresse zu machen. Dafür entrichtete er pro Tag 2 fl. Zins, ferner
wurden ihm 15 Ctr. Schmiedeeisen und 5½ Fuder Kohlen verrechnet.


1615 wurden auf der Oberhütte sieben Petarden geschmiedet
und dafür 14½ Tage Hüttenzins zu 2 fl., 7¼ Ctr. 14 Pfd. zwei-
geschmolzen Eisen und 17 Fuder Kohlen vergütet. 1616 wird ein
Hammer für die Luttenberger Hütte hier geschmiedet gegen Ver-
gütung von zwei Tagen Hüttenzins und 4½ Fuder Kohlen. 1620
wurden sechs neue Petarden geschmiedet und fünf Hüttentage mit
20 fl. Zins in Rechnung gestellt.


Die Einnahmen geben uns durch die Strafgelder auch Aufschluſs
über die Faktorei- und Hüttenordnung. Stackls Gewerke, die mit
ihrem Ofen (jedenfalls ein Stückofen) „Blaues Wunder“ lässig sind
— also das bedungene Quantum nicht ablieferten — wurden 1614
mit 4 fl. gestraft. Hans Eschenbach und Bartold Lorezell auf dem
Buxhofe haben 1625 das Eisen (ihres Zerennfeuers) nicht zur Factorey
abgeliefert, sondern ungezeicht nach dem Harze verkauft, wofür sie
mit 2 und 3 fl. gestraft worden. — 1616 werden die „Reidels Ge-
wergken Unfleiſsigs vnd Ungehorsams halber in Straff genommen
mit 6 Gulden“. 1617 fand man bei nächtlicher Visitation auf der
Oberhütte und der Neuenhütte Eisen, das „zur Ungebühr“ (über das
erlaubte Quantum) geschmiedet war „vnd verpartiret werden wollte“
(d. h. bei Seite gebracht und heimlich verkauft werden sollte). Das-
selbe wurde konfisziert und in Einnahme gebracht.


„Die Woche Johannis Baptista hatte sich im nachmessen be-
funden, das der Kohler Henny Schindtell keine volle Maſse auff die
Hütte geschickt, Undt ist mein gn. F. und Herr um 4 Fuder be-
trogen, deſswegen den Kohler zur Straff vffgerufft und hierfür in
Einnahme gesetzt 15 fl. J. O., der nachlässig im Fuhrwerk zum
Nachteil der Clusingshütte befunden wurde, mit 3 fl. gestraft.


1618 werden die Köhler hart gestraft, weil sie Kohlen „gepar-
tieret“, zugleich der Fuhrmann mit 10 fl. und der Hüttenvogt mit 6 fl.
Im selben Jahre werden die Frischer auf der Ober- und Neuen
Stahlhütte mit 6 fl. gestraft, „weil sie beim Abwiegen am Sonntag
nach der Predigt nicht kamen (den Befehl verachtet)“.


1619 ist „der Hütten-Vogt vff der Teichhütten wegen viel ge-
soffes vndt vnfleiſses gestrafft mit 2 fl.“. Bei dem Krüger zu Willensen
ist Eisen konfisziert worden, das nicht in die Faktorei kam.


1620 wird der Hüttenvogt auf der Teichhütte „wegen Vnfleiſses
und getriebenes gesoffs gestrafft mit 4 fl.“;


[1135]Der Harz im 17. Jahrhundert.

1620 der Schmied der Neuenhütte, weil er Nachts Schienen ge-
schmiedet, die er „Partieren“ wollte, mit 18 fl. Die Knechte werden
mit in Strafe genommen.


Die Strafen, „wegen Ungebühr geschmiedet“, wiederholen sich
öfter in den folgenden Jahren. 1621 werden nächtlich fünf Müntze-
Amboſse gefunden, welche Zacharias Keidel verpartieret. Strafe
31 fl. 16 Gr.


Der Betrieb der Hütten war in der ganzen Periode ein lebhafter
und der erzielte Gewinn dementsprechend. Daſs die Nachfrage
nach Eisen eine starke war, geht daraus hervor, daſs man 1615
eine dritte und 1625 eine vierte Frischhütte in Betrieb setzte. Mit
dem stärkeren Betriebe wuchsen aber auch die Betriebskosten und
das alte „Verlagsgeld“ reichte dafür nicht mehr aus. Bis zum Jahre
1615 betrug dasselbe 1876 fl. 3 Gr. 4 Pf. Die „Sma. Vorrath sampt
Schulden“, welche demselben gegenüber standen, waren aber be-
trächtlich höher. Der Faktor muſste häufig aus seiner Tasche Vor-
schüsse leisten und die Ausstände nahmen zu. Diese waren 1614 auf
794 fl. 19½ Gr. angewachsen. Deshalb „verbesserte“ man 1615 die
Hüttenvorlage auf 2694 fl. 14 Gr. 1 Pf., aber Vorrat samt Schulden be-
liefen sich auf 3930 fl. 19 Gr. 2 Pf. und im letzten Quartal 1615 ergiebt
die Rechnung, daſs 1651 fl. 13 Gr. mehr ausgegeben, als eingenommen
waren, welchen Betrag der Faktor zu fordern hatte. Im Jahre 1616
wuchsen diese Summen noch bedeutend an; besonders nahmen die
Schulden, d. h. die ausstehenden Forderungen, in bedenklicher Weise
zu. Im dritten Quartal betrug der Vorrat samt Schulden 4307 fl.
11 Gr. 6½ Pf., im vierten Quartal schon 6846 fl. 4½ Gr., gegenüber
2827 fl. 5 Gr. 10 Pf. Vorlagsgeld, und 1617 waren Vorrat und Schulden
auf 7954 fl. 13 Gr. 10 Pf. gestiegen, davon betrugen die Ausstände
3301 fl. 8 Gr. Diese Ausstände waren auch dadurch unsicher und
bedenklich, daſs es vielfach Vorschüsse an die Hüttenmeister, Köhler,
Fuhrleute u. s. w. waren. Die fürstliche Kammer sah sich unter diesen
Umständen nicht veranlaſst, das Verlagsgeld zu erhöhen. In den fol-
genden Jahren gelang es der Faktorei, die Ausstände zu verringern.


Im zweiten Quartal 1620 waren Vorrat und Schulden auf 4802 fl.
9 Gr. 11 Pf. zurückgegangen, aber Ende des Jahres betrug die Summe
wieder 6923 fl. 16 Gr. 4 Pf. und muſste der Faktor bedeutende Vor-
schüsse leisten. Nun kam die auſserordentliche Preissteigerung im
Jahre 1621, wodurch die Summe auf 9037 fl. 10 Gr. 2 Pf. anwuchs,
und als man nach der Krisis umgekehrt eine sehr sparsame Wirt-
[1136]Der Harz im 17. Jahrhundert.
schaft anfing, hatte man 1623 9281 fl. 15 Gr. 11 Pf. Vorrat und
Schulden, gegenüber der fürstlichen Vorlage von 2827 fl. 5 Gr. 10 Pf.


In dieser Zeit waren viele Neubauten und Reparaturen nötig
geworden, welche alle aus dem laufenden Betriebe gedeckt werden
muſsten. So muſste 1620 die Blechhütte auf der Teichhütte von
Grund auf neu gebaut werden für 1165 fl. 6 Gr. 2 Pf. In die Jahre
1620 bis 1621 fällt der obenerwähnte Umbau des Massenofens nebst
Zubehör. Dann hatte die Faktorei regelmäſsig die der Äbtissin zu
Gandersheim, Herzogin zu Braunschweig, vermachten „Leibgelder“ im
Betrage von 450 fl. auszuzahlen. Dazu kam die groſse Teuerung im
Jahre 1621, die sich auch auf Materialien und Löhne erstreckte.
Beispielsweise hatte man vordem stets bei den Eisensteinfuhren 1 Gr.
pro Centner bezahlt, also für die Fuhre etwa 1 fl., jetzt kostete jede
Fuhre 3 Thaler Fuhrlohn.


Auf die Schwindelzeit 1621 bis 1622 folgte aber ein geschäftlicher
Rückschlag und der ausgebrochene Religionskrieg veranlaſste häufige
Stockungen. Die fürstlichen Bestellungen „auf Befehl“ werden weniger,
Klagen und Vertröstungen häufiger.


1622, Rechnung Trinitatis, ergab nur 105 fl. 15 Gr. 10 Pf. Über-
schuſs. Dazu wird folgende Erläuterung gegeben:


Die Ursachen, daſs daſs quartahl der Oberschoſs so gering komht,
seint diese:


  • 1. Das die Materialien als Eisenstein undt Kollen per diesem
    hochgesteigert undt teuer bezahlt, dagegen aber dies quartall
    Blech von 36 bis auf 10, das Eisen von 24 biſs auff 3 ab-
    gesetzt undt auch verkauft werden müssen.
  • 2. Das man wegen mangell gutes geldes das Eisenberg: Kohl:
    undt Fuhrwerg nicht genugsam forttreiben können, daher
    man zurückgeblieben.
  • 3. Weill zu Befürderung des Oberbergkwergkes Pucheisen ge-
    gossen undt das Blech undt Eisenschmieden eingestellt werden
    müssen, von welchem Pucheisen bey der Faktorey kein Ober-
    schoſs berechnet wirdt, der sonsten, wan Eisen undt Blech
    darauf gemacht worden, davon kommen wehre.

Der Rechnung Crucis 1623 ist ein Zettel beigeheftet, worauf
geschrieben steht: „Auff der Blechschmiede instendigstes, flehent-
liches anhalten Ist gewilliget, daſs Ihnen vor Jedweder Petarde, so
für S. F. Gn. den Herzog Christian zu Braunschweig sie verfertigen,
auſs der Factorei vier Daler bezahlt werden sollen. Urkunde dieses
so gegeben Zellerfeld den 11. Juli 1623 (… Steinbergk).“


[1137]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Bei dem „Hüttenvorrat, als derselbe an jedem Ort augenblicklich
zu befinden“ folgen nach dem Waren- und Vorratsverzeichnis „Nach-
folgende Ittem … M. Gn. Fr. u. Hrn. Hütten-, Bergk- und Fuhrleuten
hat man zu ihrer Unterhaltung in dieser drügen Zeit, teils auff
Ihren Rest, denen sie bei dem gewesenen Faktorn noch Auſsen
stehen, auſshelffen vndt verleggen müssen, soll aber, sobald das
wergk wiederumb gehett, Ihnen gekürzet und eingebracht werden“.


„Summa Summarum Voradt sambt Schuldt“ thut aber in diesem
Quartal nur 3976 fl. 11 Gr. 9 Pf. Die Ausgaben waren „auf Befehl“
sehr reduziert. Die Zahlungen an die Äbtissin von Gandersheim sind
in diesem und den vorhergehenden, sowie den nächsten Quartalen
nicht aufgeführt.


1624 steigt der Vorrat samt beweislicher Schuld auf 5107 fl. 11 Gr.
und 1625 wächst diese Summe infolge der Erbauung der Neuenhütte,
der Einführung der Holzbälge auf allen Hütten und anderer Bau- und
Anschaffungskosten auf 10133 fl. 15 Gr. 6 Pf., welcher ein Inventar
von 8897 fl. 11 Gr. 4 Pf. gegenübersteht.


Aus einem Eintrag von 1625 geht hervor, daſs in der Ausrüstung
der Hütten seit Anfang des Jahrhunderts groſse Fortschritte gemacht
worden waren.


Aus einem Eintrag von 1625 folgt auch, daſs die neue Hütte
an Stelle einer alten gewerkschaftlichen Hütte, welche angekauft
worden war, errichtet worden ist. Der Eintrag lautet: Den Hütten-
gewerken zur Neuen Hütte am letzten uff Ostern Ao 1625 betagten
Termin wegen der M. gn. Fürst u. Hrn. abgetretenen Vndt verkaufften
Hütten vermöge Quittung erlegt und also gänzlich bezahlt 200 Thlr.
thun 360 fl.


Diese Periode schlieſst, wie schon zuvor erwähnt, mit dem für
die Geschichte des Eisenhüttenwesens wichtigen Ereignis der Ein-
führung stärkerer Holzblasebälge an Stelle der alten Lederbälge ab.


Dieselben wurden im Jahre 1625 als etwas Erprobtes und Be-
währtes in allen fürstlichen Eisenhütten bei Gittelde eingeführt. Sie
wurden sämtlich an Ort und Stelle auf der Oberhütte gebaut. Das
Modell oder die Konstruktion waren also etwas Bekanntes, nur zu
ihrer Inbetriebsetzung wird der alte Meister von Langesheimb, ob-
gleich krank, im Wagen herbeigeholt. Dieser, dessen Name leider
nicht genannt wird, muſs also besondere Verdienste um die Kon-
struktion, oder besondere Erfahrung in diesen Bälgen gehabt haben.
Die bezüglichen Angaben in den Hüttenrechnungen sind von be-
sonderem Interesse. Danach wurden in diesem Jahre (1625) auf
Beck, Geschichte des Eisens. 72
[1138]Der Harz im 17. Jahrhundert.
der Oberhütte, der Teichhütte und der Neuhütte Holzblasebälge nach
gleichem Muster und zu gleichem Preise aufgestellt und in dem
„quartall von Nicolai bis uff Invocavit sonsten genannt die Rechnung
Reminiscere“ verrechnet.


Bei dem Massenofen der Teichhütte scheint diese Anschaffung
schon im vorhergehenden Quartal, von dem die Rechnung fehlt, statt-
gehabt zu haben, denn es heiſst bei den gemeinen Ausgaben:


„Alſs die Neuen Bälge fürgelegt werden sollten, hat man den
Meister von Langesheimb Krank herführen lassen müſsen vndt den
Fuhrmann zu Lohne gebet 2 fl.“


Daſs die neuen Bälge einen rascheren Gichtenwechsel, stärkeren
Betrieb und damit vermehrte Arbeit veranlaſsten, geht aus dem
folgenden Eintrag derselben Rechnung hervor:


„Weil die Gichte geschwinder gangen, vndt die Knechte dem
Pucher vndt Ufgeber nicht rathen können, ist denselben ein gehülfe
zugeordnet, welchem zu lohne geben worden 7 fl.“


Die Herstellungskosten für ein Paar Bälge haben wir oben mit-
geteilt. Dazu kamen noch verschiedene Nebenkosten, z. B. auf der
Oberhütte:


  • Für Holz zum Balggerüst der hölzernen Balge und daran zu machen   18 fl.
  • „ Draht   9 „
  • Fuhrlohn von den Bälgen (die alle auf der Oberhütte gebaut worden
    waren) vff die Hütten zu führen   16 „

Die Faktoreirechnungen der Eisenhütte zu Gittelde
von 1625 bis 1664
.


Der nun folgende Zeitabschnitt von 1625 bis 1664 umfaſst die
Zeit des 30jährigen Krieges und seiner traurigen Folgen.


Im Jahre 1626 wurden Gittel und Grund schwer heimgesucht.
„Im Februar dieses Jahres haben die Kaiserlichen und Spanier unter
den Generalen Tilly und Spinola die Bergstadt Grund ganz, wie auch
Gittel zum Teil wegen der Schnapphähne abgebrannt, auch viele
Leute daselbst mit todt geschossen und sind zum Grund im Feuer
über 50 Blessirte und Kranke mit aufgebrannt“ (Ch. Bösen, Chronik
general. Haushalt Principien 1753).


Die Einwirkung des Krieges erscheint zunächst äuſserlich in der
Lückenhaftigkeit und der unsorgfältigen Führung der Rechnungen.
Die zehn Jahre von 1625 bis 1635 fehlen überhaupt gänzlich, die
Rechnungen von 1635 bis 1664 sind unvollständig.


[1139]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Vom Jahre 1642 wird die Rechnung nicht mehr in Gulden,
sondern in Thaler gestellt. 1 Thaler = 36 Groschen zu 12 Pfennigen,
1 Gulden = 20 Groschen.


Bis dahin ist nicht viel Besonderes aus den Rechnungen zu ent-
nehmen. Von 1635 liegen die zwei Quartale Crucis und Luciä vor.
Der Massenofen ging gut, es wurden „in zweyen Blaſswergken vndt
selbe in 51 tagen“ 661 Centner Eisen für 1360 fl. 17 Gr. 4 Pf.
produziert, wobei sich der Preis des Stahleisens, oder, wie es jetzt
heiſst, des „Goſseisens“ auf 1 fl. 4 Gr. 8 Pf. pro Centner stellte.


In dem ganzen Zeitabschnitt ergaben sich aus den vorhandenen
Rechnungen folgende Resultate:


  • 1635 2. Quartal 51 Tage 661½ Ctr.   1360 fl. 17 Gr. 4 Pf.
  • 1636 1. „ 33 „ 481 „   809 „ 6 „ 2 „
  • 1638 1. „ 29 „ 490 „   686 „ — „ — „
  • 1640 1. T. 33 „ 469 „   791 „ 1 „ — „
  • 1640 1. R. ? „ 380¼ „   660 „ 12 „ — „

In 146 Schichten wurden demnach 2101½ Centner Eisen erzeugt,
auf die Schicht durchschnittlich 792 Kilo, also weniger als in der
früheren Periode.


Die Rechnung des Massenofens zur Deichhütte für das Quartal
Luciä 1636 lautet wie folgt:


„Einnahmen für Goſs-Eisen und Goſswerk von Hohen Ofen.“


  • In 33 Blasetagen: 75 Ctr. Goſswerk Pucheisen auf das Ober-
    harz. Bergwerk zu 3 fl.   225 fl. — Gr. — Pf.
  • 1 Tonne Goſswerk
    = 142 M. 65 Ctr. Goſswerk Unterlager auf das Ober-
    harz. Bergwerk zu 3 fl.   195 „ — „ — „
  • 1 Tonne Goſseisen
    = 57 M. 341 Ctr. Goſseisen auff die fürstl. Blech-
    und Eisenhütten verkauft, jeder Centner,
    woran das Kaufgeld für Pucheisen und
    Unterlagen abgezogen, 1 fl. 3 Gr. 10 Pf. 389 „ 6 „ 2 „
  • 481 Ctr Summa: 809 fl. 6 Gr. 2 Pf.

Aufgang in 33 Tagen mit den Füll- und Anblasetagen:


  • 136 Fuder Eisenstein (zu 2 fl. 10 Gr. 6 Pf. bis 2 fl. 13 Gr.) 342 fl. 8 Gr. — Pf.
  • 210 „ Kohlen (zu 1 fl. 7 Gr. bis 1 fl. 13 Gr.)   326 „ 6 „ — „
  • Forstzins für 210 Fuder Kohlen aus den Stauffenberger
    Forsten   21 „ — „ — „
  • 7 Röste zu legen von jedem 1 fl. 15 Gr.   12 „ 5 „ — „
  • 9 Karren Sand von jedem 15 Gr.   6 „ — „ — „
  • 75 Ctr. Pucheisen zu formen zu 5 Gr. 4 Pf.   20 „ — „ — „
  • 65 „ Unterlager „ „ „ 2 „ — „   6 „ 10 „ — „
  • 33 Tage Meister- und Knechtelohn zu 1 fl.   33 „ — „ — „
  • Gehörige Liebnuſs und Zehrung dem Meister und seinen
    Knechten  5 „ 4 „ — „
  • Transport 772 fl. 13 Gr. — Pf.

72*
[1140]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • Transport 772 fl. 13 Gr. — Pf.
  • Die Asche zu waschen und den kleinen Eisenstein aus-
    zuharken   3 „ 2 „ 8 „
  • 7 Personen vff 4 mahl Abzuwiegen je 14 Gr.   2 „ 14 „ — „
  • 10 Pfd. Vett zu 4 Gr. 6 Pf.   2 „ 5 „ — „
  • Dem Pastor zu Gittelde wegen des Gemeingebetes   1 „ 16 „ — „
  • Dem Hüttenvoigt wöchentlich 10 Gr.   6 „ 10 „ — „
  • Quartalige Liebnuſs vff die Eisensteinfuhren   3 „ 15 „ — „
  • Für das Stell zu brechen, beizuführen, das alte auſszu-
    brechen und das neue wieder einzusetzen   4 „ 10 „ — „
  • Von der Brücke über den Hammerkasten zu bessern   — „ 8 „ 6 „
  • Für ein Schock Latten zu Hauwen und fahren   1 „ 18 „ — „
  • Für 20 Schock Schindeln mit dem Fuhrlohn   4 „ 10 „ — „
  • Für 25 Schindeln und 2 Schock Lattennägel   2 „ 7 „ 6 „
  • Dem Zimmermann an dem Dache auszubessern   2 „ — „ — „
  • Von der Feueresse auszubessern  — „ 14 „ 6 „
  • Summa: 809 fl. 6 Gr. 2 Pf.

Eine Tonne kostete demnach im Durchschnitt = 79,56 M.


Zu dem folgenden Quartal Reminiscere wird bemerkt:


„Ob Man nun mitt dem hohen Offen wohl anblasen, Vndt in
abgewichenem Quarthal mit Göttlicher huld ein guett Blaſswerk thun
können, Zumahlen weil Gott Lob ein guter Vorrath Eisenstein vndt
Kohlen etc. vorhanden, Wir dann auch das Stell in den Ofen ge-
setzet; So seindt doch die übermessigen Einquartierungen
dieser Oerter so häuffig vorgangen, daſs die Arbeiter bey der Arbeitt
nicht bleiben können. Ueber das hat man sich Ueberfalls der
Schwedischen Völker
befürchtet Undt also das Blaſswerk biſs
zur besseren Zeit einstellen müssen.“ Im folgenden Quartal Trinitatis
ging aber der Hochofen wieder während 28 Tagen. Die Hüttenreisen
waren auch nicht länger wie früher und betrugen nach obiger Auf-
stellung nicht über 33 Tage. — Der Krieg führte mancherlei Störungen
und Unterbrechungen des Betriebes herbei.


So konnte auch in den beiden Quartalen Luciä (1641) und
Trinitatis (1642) der Massenofen nicht betrieben werden, „der Grund
ist Leyder genugsam am Tage“, seufzt der Rechnungssteller, „doch
ist soviel Eisenstein und Kohle da, daſs, mag der liebe Friede
zuführen
, der Anfang zur Stunde gemacht werden kann“. Dies
konnte denn auch ohne diesen in dem folgenden Quartal Trinitatis ge-
schehen und wurden in einer Kampagne von 47 Tagen 720 Centner
Eisen zu 568 Thlr. 18 Gr. 8 Pf. — also der Ctr. zu 23 Gr. 4 Pf. —
erblasen. Aber auch die nüchternen Rechnungsposten erzählen von
dem Jammer des Krieges. Wegen der Unsicherheit bedurften die
Eisenstein- und Kohlenfuhren besonderes „Confoy-Schutzes“ — macht
16 Thaler.


[1141]Der Harz im 17. Jahrhundert.

„Vm den Balgen, so von den Soldaten übereinander-
geworfen
, wieder zu machen, 1 Thlr. 18 Gr.“ — „Zur Puchmolden-
vndt Pucheisen Modell anstadt derer so von Vorgedachten ge-
sellen vffgebrannt
, wider zu machen 1 Thlr. 18 Gr.“ — Ebenso
zur „Beschlagung des hohen Ofens, so gleichfalls abgerissen vndt vff-
gebrannt gewesen, 1 Thlr. 18 Gr.“.


Also die Modelle und selbst die hölzernen Schlingen, die das
Mauerwerk zusammenhielten, hatten die Soldaten benutzt, um Feuer
damit anzuzünden.


Von den Frischhütten wurden in dieser Zeit nur die obere Blech-
hütte, die Neue Hütte und die Clusingshütte, wo man den Zerennherd
in einen Frischherd umgebaut hatte, betrieben; und zwar erzeugten


die oberen Blechhütten und die neue Frischhütte:


  • 1636 40 Ctr. Blech, à 12 fl. 12 Gr.   486 fl. — Gr.
  • 1638 63 „ „ à 12 „ 12 „   757 „ 1 „

die obere Blechhütte:


  • 1639 12½ Ctr. Blech   132 fl. 4 Gr. 6 Pf.
  • 1640 (R.) 45 „ „   482 „ 6 „ 6 „
  • 1640 (T.) 64¾ „ „   657 „ 18 „ 9 „

die neue Frischhütte:


  • 1639 110 Ctr. 2geschmolzen Eisen   577 fl. 10 Gr.
  • 1640 (R.) 90 „ „ „   472 „ 10 „
  • 1640 (T.) 90 „ „ „   472 „ 10 „

die Clusingshütte:


  • 1636 125 Ctr. 2geschmolzen Eisen zu 5 fl. 5 Gr. 656 fl. 5 Gr.
  • 1638 120 „ „ „ „ 5 „ 5 „ 630 „ — „
  • 1639 105 „ „ „ „ 5 „ 5 „ 551 „ 5 „
  • 1640 (R.) 120 „ „ „ „ 5 „ 5 „ 630 „ — „
  • 1640 (T.) 100 „ „ „ „ 5 „ 5 „ 525 „ — „

Von den Blechen der Oberhütte waren etwa die Hälfte „Bruste“
oder Harnischblech, das zu 10 fl. 13 Gr. pr. Ctr. nach Braunschweig
geliefert wurde, die andre Hälfte war Pfannenblech für die Salzwerke.


Obgleich der Betrieb in den angeführten Jahren nicht ungünstig
war und Gewinn abwarf, so erlitt die Faktorei doch groſsen Schaden
durch die traurigen Kriegszeiten. Ihre Ausstände, die viel zu hoch
angewachsen waren, wurden groſsenteils wertlos und so muſsten im
Quartal Reminiscere 1640 von den Vorlaggeldern von 3931 fl. 16 Gr.
6 Pf. die Summe von 2344 fl. 1 Gr. 4 Pf. als Verlust abgeschrieben
[1142]Der Harz im 17. Jahrhundert.
werden, weil „diese Gelder in dem langwierigen Kriegswesen umbkommt
vndt verderbet“. — Die Vorräte an Kohlen, Blech und Eisen, die
mit 3101 fl. 4 Gr. 5 Pf. aufgeführt werden, überstiegen das Vorlags-
geld um 1513 fl. 9 Gr. 3 Pf., welche der Faktor hatte vorschieſsen
müssen.


Den Betrieb der Frischhütten im Quartal Luciä 1636 erläutert
nachstehende Aufstellung:


I. Die obere Blech- und Neue Frischhütte lieferten in dem ganzen
Quartal nur 40 Ctr. Blech zu 12 fl. 12 Gr., thut 486 fl.


Hierzu wurden verbraucht:


    • 58 Ctr. Goſseisen zu 1 fl. 2 Gr. 10 Pf.   66 fl. 4 Gr. 4 Pf.
    • 27 „ „ „ — „ 11 „ 6 „   15 „ 10 „ 6 „
    • 72 Fuder Kohlen zu 1 fl. 7 Gr. bis 1 fl. 13 Gr.   103 „ 4 „ — „
    • Forstzins   7 „ 4 „ — „
    • 57 Ctr. verfrischte Stücke zu 5 Gr.   14 „ 5 „ — „
    • 5½ „ davon umzufrischen zu 5 Gr.   1 „ 7 „ 6 „
    • 40 „ Blech zu schmieden, à 16 Gr.   32 „ — „ — „
  • Dem Hüttenvoigt zur Oberhütte   6 „ 10 „ — „
  • Für 9 Pfd. Vett zu 4 Gr. 6 Pf.   2 „ 1 „ — „
  • Für 40 Ctr. Blech von der Hütte in die Factorei zu fuhren,
    à 1 Gr.   2 „ — „ — „
  • Den Blechschmieden und Frischer Baugeld   3 „ — „ — „
  • Für die leddern Frischbälg wieder auszubessern   3 „ 12 „ — „
  • Vett, Leder, Hanf, Pech und Leim   7 „ 1 „ — „
  • Für das Grundwerk aufzugraben und die Säule wieder
    in vorigen Stand zu bringen   1 „ 17 „ 6 „
  • Für allerhand Reparaturkosten, Lohn und Material   7 „ 2 „ 3 „
  • Die hölzernen Bälge für dem Blechherde seindt
    in diesem Kriegswesen verdorben
    , daſs fast
    kein Bessern daran mehr nütz gewesen, Vndt weil die
    alten Leddern Frischbälge Zur Clusingshütte abgeleget
    Undt dieser Behuff Zu ersparung Ein Pahr Neuwer
    Balge an diesem Orth zu gebrauchen für rathsam er-
    achtendt seindt dieselben wiederumb aufgebesserdt Und
    kosten in gesambt   6 „ — „ — „
  • Für Stahl zu Hammer und Amboſs  3 „ 12 „ — „
  • Summa: 282 fl. 11 Gr. 1 Pf.
  • Ueberschuſs: 203 fl. 8 Gr. 11 Pf.

Die Clusingshütte arbeitete damals nur auf zweigeschmolzenes Eisen.
Wie wir eben gesehen haben, hatte sie neue Blasebälge bekommen.
Die Rechnung beginnt mit folgender Bemerkung: „Im stehendes
Quarthal Luciae hat man wegen der durchziehenden Undt der nähe
gelegenen Völcker deſswegen die Unterthanen auſsgelauffen gewesen,
in etzlichen wochen nicht schmieden lassen können.“ Die übrige
Zeit aber ist an zweygeschmolzenem Eisen verfertiget 125 Ctr. zu 5 fl.
5 Gr. thutt   656 fl. 5 Gr. — Pf.


[1143]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Hierzu wurde verbraucht:


  • 195 Ctr. Goſseisen (zu 11 Gr. 6 Pf. bis 1 fl. 13 Gr.)   203 fl. 14 Gr. 4 Pf.
  • 74½ Fuder Kohlen incl. Forstzins 1 fl. 11 Gr.   130 „ 13 „ 6 „
  • 125 Ctr. zweygeschmolzen Eisen aus dem Frischherd zu
    schmieden zu 7 Gr.   45 „ 15 „ — „
  • Dem Hüttenvoigt   6 „ 10 „ — „
  • Für 14 Pfd. Vett zu 4 Gr. 6 Pf.   3 „ 3 „ — „
  • Für 125 Ctr. Eisen in die Faktorey zu fahren à 1 Gr.   6 „ 5 „ — „
  • Für eine neue Frischform   4 „ 10 „ — „
  • „ 2 Füllfässer   — „ 12 „ — „
  • „ Reparaturen, Arbeitslohn, Holz und Eisen   8 „ 17 „ — „
  • Den Frischern zu Baugeld geben  4 „ 10 „ — „
  • Summa: 414 fl. 10 Gr. 7 Pf.
  • Ueberschuſs: 241 fl. 14 Gr. 5 Pf.

Zu 100 Ctr. Blech waren 212,5 Ctr. Goſseisen und 180 Fuder
Kohlen nötig.


Zu 100 Ctr. zweygeschmolzen Eisen 156 Ctr. Goſseisen und
57,6 Fuder Kohlen nötig.


Die Herstellungskosten betrugen demnach 1636 von


Aus der Rechnung Quartal Luciä 1636 bemerken wir noch, daſs
die Grubenbaukosten auf dem Iberg 70 fl. 1 Gr. 7 Pf. betrugen, also
sehr hoch waren. Die „Factorey Notturft vor der Diener Besoldung“
belief sich auf 145 fl. 6 Gr. 6 Pf.


Bei der Abrechnung über die Vorlagsgelder heiſst es:


  • Zur Fortsetzung des Eisenhandels vndt Ein-
    schaffungen des Factorey- vndt Hütten-Vor-
    radts ist dem Factor an Vorlagegeldern ver-
    ordnet   3877 fl. 18 Gr. 9 Pf.
  • Vorräthe und Ausstände betrugen dagegen  5174 „ 2 „ 5 „
  • Summa von Summa hatt der Factor über die
    Vorlage vorschossen so demselben herauſs
    gebühret   1296 fl. 3 Gr. 8 Pf.

Zur Erläuterung der Einnahmen der Faktorey aus Stahl und
Eisen, welches dieselbe von den privaten und gewerkschaftlichen Hütten
bezog, diene folgende Abrechnung vom Quartal Trinitatis 1640:


[1144]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • Einnahme Gemein Eysen:
  • 8 Ctr. Von Schrammen-Hütten eingenommen und in das Land
    verkaufft, von jedem Centner M. gn. F. und Herrn
    Gewinn 1 fl. 11 Gr.   12 fl. 8 Gr.
  • Einnahme gedinget Eysen (Gedingeisen): = 0.
  • Einnahme Wage Eysen:
  • 54 Wage. Von Schrammen-Hütten.
  • 177 „ Vom Glückshofe.
  • — „ Von der Laubhütten.
  • Sa. 231 Wage. Jede Wage den Hütten-Gewerken bezahlet zu 1 fl. Vndt
    wiederumb vff die Bergkwerker verkaufft zu 1 fl. 6 Gr.
    8 Pf. Pleibet der Gnedigen Herrschaft gewinn 6 Gr. 8 Pf. 77 „ — „
  • Einnahme-Pflugherder:
  • 50 Stücke. Von Schrammen-Hütten angenommen bekombt die gnedige
    Herrschaft von jedem Gewinn 6 Gr.   15 „ — „
  • Einnahme Kellenbletter:
  • 225 Stücke. In Schrammen-Hütten verfertiget vndt auf die Oberharzi-
    schen Bergwerke1) verkauft. Von jedem Stück der
    gnedigen Herrschaft Gewinn 1 Gr. 4 Pf.  17 „ — „
  • Summarum Einnahme Factorey-Gewinn thut: 121 fl. 8 Gr.
  • Davon die Ausgabe:
  • Den Gewerken auf Schrammenhütte Baugeld   4 fl.
  • Den Glückshöfischen Gewerken „   2 „
  • Denen zu Laubhütten2) — „
  • 6 fl.
  • Summa von Summa bleibt Factorey-Gewinn: 115 fl. 8 Gr.

Die Übersicht über den Betrieb der Gittelder Hütten von 1642
an, von wo ab die Thalerrechnung eingeführt ist, bis 1662 giebt die
folgende Tabelle:


[1145]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Betriebsübersicht von 1642 bis 1662.


[1146]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Betriebsübersicht von 1642 bis 1662.


[1147]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Bemerkungen zu vorstehender Übersicht.


1642. Tr. Die verstorbenen Gewerke vff der Oberhütten haben jährlich wegen
des Wasserfanges an d. f. Amt Osterode zwei kleine Pflugeisen zum Erbzins geben,
weil aber die Gewerkenhütte ganz desolat und der Wasserfang für die f. Blech-
hütte gebraucht werden muſs, so übernimmt diese den Zins mit abgesetztem Pflug-
eisen 2 Thlr. 24 Gr. F. Vorlagen 1132 Thlr. 9 Gr. 3 Pf. Vorrath etc. 2174 Thlr.
14 Gr. 10 Pf. Vorlage des Factors 1042 Thlr. 5 Gr. 7 Pf.


1644. Von jetzt an steht in den Rechnungen statt zweigeschmolzenes Eisen
meist Stabeisen.


1645. Es werden als durch Kriegsschulden etc. entstandene Verluste 511 Thlr.
24 Gr. von der F. Vorlage abgeschrieben; diese beträgt nur noch 805 Thlr. 31 Gr.
3 Pf., dagegen die Vorräte und Köhlervorlagen 1453 Thlr. 1 Gr. 5 Pf.


1646. F. Vorlaggeld 1110 Thlr. 3 Gr. 9 Pf. Vorrat und Vorlagen 1513 Thlr.
5 Gr. 8 Pf. Für Ibergs Gebäu 37 Thlr. 6 Gr. 2½ Pf. Besoldungen 784 Thlr. 17 Gr.,
an die Schule zu Gittelde 7 Thlr. 8 Gr.


1648. R. Der Massenofen konnte nicht blasen wegen der Schwedischen
Marche
und der vagierenden Völker und streifenden Parteien. Die obere Blech-
hütte konnte nur das „Ganſseisen“ vom Vorrat verarbeiten, die Clusingshütte ver-
frischte 51 Ctr. altes Eisen zu 1 Thlr. 4 Gr. Die Neuhütte hatte besonders gelitten,
namentlich hatten die Soldaten viel Kohlen verbrannt und verdorben, sie arbeitete
deshalb mit Schaden.


Es fehlen 1650 Quart. Trinit., Cruc., Luc., 1651 und 1652 ganz und von 1653
Quart. Remin. und Trinit.


1653. Die Vorlage beträgt 1210 Thlr. 3 Gr. 9 Pfg. Vorrat 2268 Thlr. 22 Gr.
9½ Pfg., also 1058 Thlr. 19 Gr. ½ Pfg. Kredit.


Es fehlen 1654 Quart. Cruc. und Luc., 1655 und 1656 ganz und von 1657 die
Quart. Remin. und Trinit.


1657. Auf der Neuen Hütte wird gefrischt, der Zerennherdbetrieb hat auf-
gehört.


Es fehlen 1658 die Quart. Cruc. und Luc., 1659 ganz und 1660 die Quart.
Remin. und Trinit.


Für 1662 bis 1664 giebt die veränderte Rechnungsstellung keinen Einblick
mehr in den Betrieb der einzelnen Hütten.


Zusammenstellung der Preise von 1636 bis 1662.


[1148]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Um den Betrieb der Gittelder Hütten in dieser Periode genauer
kennen zu lernen, lassen wir die Betriebsrechnungen von zwei Quar-
talen, dem Quart. Crucis 1646 und dem Quart. Reminiscere 1654, folgen.


I. Der Massenofen der Deichhütten.


[1149]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Zusammenstellung:


II. Obere Blechhütte.


(Bis 1647 gemeinschaftlich mit der Neuen Hütte betrieben.)


[1150]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Zusammenstellung:


III. Clusingshütte.


[1151]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Zusammenstellung der Ausgaben:


Der grosse Unterschied in den Gestehungskosten und dem Gewinne liegt an
dem ungewöhnlich niedrigen Roheisenpreise und in dem hohen Verkaufspreise des
zweigeschmolzenen Eisens im Jahre 1654.


IV. Zerennherd auf der Neuen Hütte.


[1152]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Zusammenstellung:


Aus den vorstehenden Tabellen ersehen wir, daſs der Betrieb der
Zerennhütte ein sehr ungünstiger war und weit hinter den Ergeb-
nissen der Frischhütte zurückblieb. Auch gegen die früheren Renn-
werksbetriebe stellt er sich sehr unvorteilhaft, wie aus folgender
Zusammenstellung zu ersehen.


Die Herstellung erforderte pro Tonne:

[1153]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Dies ungünstige Ergebnis ist verursacht einerseits durch die
hohen Nebenkosten, anderseits durch den groſsen Kohlenverbrauch.
Beides beweist einen schlechteren Betrieb. Die Rennschmiede von
1647 bis 1654 waren nicht mehr so geschickt, wie die von 1590. Wohl
mag dazu beigetragen haben, daſs man schlechtere Erze und geringe
Kohlen verwendete, aber wenn dies der Fall war, so trifft ebenfalls
den Meister die Schuld. Auch waren die Blasebälge mangelhaft. Das
Alles hatte zur Folge, daſs man fast immer mit Verlust arbeitete, und
so ist es nicht zu verwundern, daſs man den Rennwerksbetrieb nach
acht Jahren wieder eingehen lieſs und den Zerennherd in einen
Frischherd umbaute.


Wir erwähnen noch, daſs 1647 auch fünf Fuder Frischschlacke
von der Clusingshütte mit dem Eisenstein verschmolzen wurden.


Überblicken wir den Hüttenbetrieb dieser Periode im Ganzen, so
läſst sich nicht verkennen, daſs derselbe trotz der schweren Kriegs-
zeiten mit Sorgfalt und Umsicht geführt wurde, so daſs er trotz aller
Schwierigkeiten und Störungen einen ganz hübschen Nutzen abwarf.
So abnorme Preisschwankungen wie in den Jahren 1621 bis 1623
kamen während der späteren Kriegszeit nicht mehr vor. Eisen wurde
auch im Kriege gefragt, und man hatte sich an den permanenten
Kriegszustand gewöhnt und sich mit demselben abgefunden. Der
Betrieb der vierziger Jahre verlief schon recht normal, dennoch übte
der langersehnte Friede seine günstige Wirkung auf die Gittelder
Eisenwerke. Diese trat sowohl in der Produktion, wie im Gewinn
hervor, ganz besonders aber in dem niedrigen Preise des Roheisens,
jetzt Ganſseisen genannt, infolge des günstigen Betriebes des Massen-
ofens. Der Roheisenpreis sank vom Jahre 1649 an von 28 Gr. 6 Pf.
pro Centner auf 19 Gr. im Jahre 1650 und erreichte 1653 den auſser-
ordentlich niedrigen Stand von 11 Gr. 6 Pf., um von da an wieder
zu steigen, und zwar 1654 bis auf 21 Gr. 5 Pf. pro Centner. Vom
Jahre 1658 an verschlechterte sich der Betrieb und im Quartal Crucis
1660 arbeitete die Obere Blechhütte sogar mit „Schuld“.


Beck, Geschichte des Eisens. 73
[1154]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Betrachten wir die einzelnen Betriebe, so ist zunächst bei dem
des Massenofens zu bemerken, daſs die Hüttenreisen, oder wie es in
den Rechnungen heiſst, die Blaſswerke, ebenso kurz sind, wie früher;
doch erfolgen öfter zwei Blaſswerke in einem Quartal. Im Quartal
Reminiscere dauern zwei Blaſswerke zusammen nur 30 Tage. Im
Quartal Crucis 1647 geht der Massenofen 65 Tage in zwei Blaſswerken
und ist dies die längste Betriebsdauer in einem Quartal. Das längste
Blaſswerk dauerte Reminiscere 1661 53 Tage, in diesem kamen auf die
Tonne Roheisen 6 Fuder Erz und 12 Fuder Kohlen. Der auſser-
ordentlich günstige Roheisenpreis im Jahre 1653 ist zum Teil auch
dadurch bedingt, daſs viel Pucheisen gegossen wurde, so im Quartal
Crucis 152¼ Ctr. zu dem stehenden Preise von 1 Thlr. 28 Gr. Im
Quartal Trinitatis 1654 konnte der Ofen nicht blasen, weil der
Schacht zu schadhaft war. Es zeigte sich, daſs der Ofen ganz neu
ausgemauert werden muſste, was aber wegen des strengen Nach-
winters nicht anging. Quartal Trinitatis 1658 war kein Betrieb,
wegen kleinen, eingefrorenen Wassers.


Bis zum Jahre 1661 hatte man die Rechnung des Massenofens
immer so geführt, daſs dieselbe ohne Gewinn oder Verlust abschloſs,
indem man den Gestehungspreis des Roheisens als Kaufpreis für die
fürstlichen Hammerwerke einsetzte. Von 1661 tritt hierin eine
Änderung ein. Der Preis des Ganſseisens wird auf 1 Thlr. 8 Gr.
pro Centner festgesetzt und Verlust und Gewinn berechnet. Klarer
wird die Rechnung durch diese willkürliche Preisfixierung nicht. Der
Massenofen arbeitete anfangs mit sehr kleinem Nutzen, Quartal Crucis
1662 bereits mit einem Defizit von 51 Thlr. 31 Gr. 10 Pf.


Dies führt zu der ganz veränderten Rechnungsstellung vom Jahre
1663 an, aus der ein Einblick in den Betrieb nicht mehr zu erlangen
ist. Nur das ist zu ersehen, daſs die Geschäfte sehr schlecht gingen
und mit Verlust gearbeitet wurde. Die Herrschaft schieſst deshalb
Quartal Trinitatis 1663 200 Thlr. Vorlagsgeld zu, trotzdem beträgt
die Schuld Quartal Crucis wieder 327 Thlr. 13 Gr. 7 Pf.


Die Clusingshütte, die auf zweigeschmolzenes Eisen arbeitete,
ging am besten und warf den gröſsten Gewinn ab. Die Neue Hütte
arbeitete (von 1657 an) auch als Frischhütte mit nur geringem
Nutzen. Verschiedene Störungen, welche der Krieg unmittelbar ver-
ursachte, haben wir bereits bei der Tabelle S. 1146 angemerkt. Zum
Quartal Reminiscere 1648 schreibt der Faktor: „daſs in diesem Quar-
thal der hohe Ofen nicht wiewoll geschehen sollen getrieben vnd zu
gange gebracht, ursachet dieses, Weil nicht allein wegen der Schwedi-
[1155]Der Harz im 17. Jahrhundert.
schen Marche, sondern auch wegen der einlogierenden Völker vnd
streifenden Parteien die Hütten Fuhrleute nebenst andern Einwohner
des Ambtſs Stauffenberg semplich ausgewichen vndt sich mit den
Ihrigen an sicher Oerter begeben“. Die Fuhrleute hätten nur unter
starkem Convoi fahren können. Dies konnte das Gitteldesche Hütten-
werk, „so allbereits sehr geschwecht vndt in abgangk gerathen“
nicht ertragen. So konnten auch die Hämmer nur den Vorrat auf-
arbeiten.


Die Preise wurden seit 1642 in Thaler und Groschen aus-
gedrückt. Ob der Thaler drei Mark wert war, wie wir bei der Um-
rechnung angenommen haben, oder mehr, läſst sich schwer bestimmen.
Es scheint aber, daſs der Wert des Marienguldens in jener Zeit so
gesunken war, daſs ein Mariengroschen gleich einem Thalergroschen
war, so daſs die in Groschen ausgedrückten Preise dieselben blieben.
So hatte beispielsweise der Tagelohn des Massenbläsers und seiner Knechte
früher einen Mariengulden betragen, in der Thalerrechnung dagegen
20 Gr. Der Mariengulden hatte aber im 16. Jahrhundert einen Wert
von 2,60 Mark. Die Hüttenarbeiter würden also durch die neue Rech-
nung plötzlich um sechs Groschen täglich geschädigt worden sein. Dies
ist nicht wohl anzunehmen. Die Schädigung der Lohnarbeiter ist im
Laufe des 17. Jahrhunderts allerdings eingetreten, aber allmählich
durch die Entwertung des Silberguldens, der von 2,60 auf 2 Mark,
ja bis auf 1,70 Mark sank. Aus demselben Grunde bleiben alle
Groschenpreise bestehen. Hätte der Mariengroschen noch seinen alten
Wert von 13 Pfennig behalten, so müſste der Thaler statt 36 nur
24 Groschen haben, 1½ Thalergroschen = 1 Mariengroschen sein.
Als eingebildete Münze bestand denn auch dieser schwere Groschen
= 1½ Thalergroschen unter der Bezeichnung guter Groschen (ggr.),
während der Mariengroschen (mgr.) gleichwertig mit dem Thaler-
groschen (gr.) ist. In der Rechnung von 1664 wird berechnet 1 Säge-
blatt, 15 Pfd., zu 1 ggr. = 22 Gr. 6 Pf. Indes führt diese doppelte
Groschenrechnung öfters zu Unklarheiten.


Die Preise von Roheisen, Guſseisen, Schmiedeeisen und Blech,
sowie von Eisenstein und Kohle haben wir bereits oben in einer
Tabelle mitgeteilt. Der Preis des Eisensteins setzt sich einfach zu-
sammen aus dem Brecherlohn und dem Fuhrlohn. Letzterer betrug
konstant 18 Gr. pro Fuder (1664: 16 Gr.), während der Brecherlohn
von 30 Gr. bis 1 Thlr. 2 Gr. (1664: 15 Gr. bis 1 Thlr.) schwankte,
wonach der Erzpreis 1 Thlr. 12 Gr. bis 1 Thlr. 20 Gr. (1664: 31 Gr.
bis 1 Thlr. 16 Gr.) betrug.


73*
[1156]Der Harz im 17. Jahrhundert.

In ähnlicher Weise setzte sich der Kohlenpreis zusammen aus
dem Köhlerlohn und dem Fuhrlohn. Hier war der Köhlerlohn kon-
stant 15 Gr. pro Fuder oder Karren, der Fuhrlohn schwankte dagegen
nach der Entfernung des Waldes von 8 Gr. bis 24 Gr. und dadurch
der Kohlenpreis von 23 Gr. bis 1 Thlr. 3 Gr. Der Forstzins wurde
besonders berechnet. Derselbe wurde im Laufe der Zeit erhöht.
1636 kostete der Zins vom Stauffenberger Forst 1 Mariengroschen
pro Fuder, 1646: 2 Gr., 1654: 2½ Gr. Der Zins vom Ebtissinen Forst
1646: 4 Gr., vom Westerhöfischen Holz 1646: 4 Gr., 1654: 4 Gr. 6 Pf.,
vom Amte Wirreshausen 1664: 6 Gr.


Preise von Materialien:


Wageisen, die Wag (ca. ¼ Ctr.) 27 Gr. 11 Pf., der Ctr. 3 Thlr.
3 Gr. Schienen 3 Thlr. 10 Gr. Kellenblätter pro Stück 8 Marien-
groschen, das Schock (60 Stück) 16 Thlr. Pflughärder pro Stück
18 Gr. Stahl pro Pfund 3 Gr. (100 kg = 60 Mk.). 40 groſse Nägel
„in die Fluth“ pro Stück 1 Gr. 1 Schock Schindelnägel 1 Gr. 3 Pf.
1 Schock Schindeln 4 Gr. 6 Pf. 1 Schock Latten zu hauen 18 Gr.
20 Stang Dannenholz zu hauen und zu fahren 1 Thlr. 20 Gr. Fett
das Pfund 3 Gr. und 3½ Gr. 1 Haut Ledder 3 Thlr. 1 Karren
Leimen 1 Gr. 6 Pf. und 2 Gr. 1 Karren Sand 15 Gr.


Preise von Werkzeugen:


1 Kupferform 3 Thlr. 1 Axt 12 Gr. 1 Füllfaſs 5 Gr. 8 Pf.
1 neuer Karren mit dem Beschläg 20 Gr.


Kosten von Bauten und Reparaturen:


  • Eine neue Welle zu hauen und einzuziehen (Neuhütte)   3 Thlr. 12 Gr. — Pf.
  • „ „ Blaselade von 8 Schuh   4 „ 16 „ — „
  • Ein neuer Balg   6 „ — „ — „
  • Ein Balggerüst   — „ 9 „ — „
  • Schmiedekost zu den Bälgen   — „ 16 „ — „
  • Den Balgmachern ein Paar neue Bälge für die Clusings-
    hütte zu machen   30 „ — „ — „
  • Die Bälge von Aſsfelde zu fahren   3 „ — „ — „
  • Einen neuen Stempel für das Puchwerk zu hauen und
    auszuarbeiten und das Puchwerk anzurichten   3 „ 16 „ — „
  • Vor 4 Stang Eisen, Holtz zu den Schlingen vmb den
    hohen Ofen zu hauen und fahren   2 „ — „ — „
  • daran umblegen   — „ 18 „ — „
  • Den Zerennherd zu mauern und zu machen   3 „ — „ — „
  • Einen neuen Frischherd   3 „ — „ — „
  • 5½ Centner Goſseisen zu einem Boden und Tacken in
    den Frischherd   4 „ 8 „ 2 „
  • ½ Centner Eisen für 2 Timpen   1 „ 16 „ 6 „

[1157]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • (1664) Ausgabegeldt für Stellstein zu brechen: der
    Meister 18 Tage, der Knecht 16 Tage in den Stein-
    kuhlen gearbeitet. Soviel Steine gebrochen als zu
    2 Seiten im Schacht und zu 2 Gestellen nötig, der
    Meister 7 Gr., der Knecht 6 Gr. pro Tag   11 Thlr. 18 Gr. — Pf.
  • Fuhrlohn darauf   4 „ 18 „ — „
  • Den Maurern 2 neue Seiten im Schacht aufzuführen   7 „ 7 „ — „
  • Das Maurerwerkzeug zu stählen   — „ 8 „ — „

Löhne und Gehalte:


  • Eisen zu blasen im Zerennherd pro Centner   — „ 3 „ — „
  • Schmiede- und Wageisen zu schmieden pro Centner   — „ 4 „ 6 „
  • Kellenblätter zu schmieden pro Stück   — „ 1 „ — „
  • Pflughärder zu schmieden pro Stück   — „ 1 „ 6 „
  • 1 Centner Wageisen in Schienen zu machen   — „ 3 „ — „
  • Krückenblätter von 45 Pfund zu schmieden, pro Pfund
    1 guten Groschen   — „ 1 „ 6 „
  • (1664: 5 Gr.)
  • Sägeblätter von 15 Pfund zu schmieden, pro Pfund
    1 guten Groschen   — Thlr. 1 Gr. 6 Pf.
  • Schmiedeeisen aus dem Frischherd zu schmieden   — „ 8 „ — „
  • Stangen und Krücken etc. zu schmieden   — „ 8 „ — „
  • Blech-Frischstücke zu schmieden   — „ 7 „ — „
  • Blech zu schmieden   — „ 16 „ — „
  • (1664: 18 Gr.)
  • Dôhl (Deuel) umzuschmelzen   — Thlr. 7 Gr. — Pf.

Beim Massenofen:


  • Tagelohn dem Massenbläser und Knechten   — „ 20 „ — „
  • Liebnuſs dem Massenbläser und Knechten pro Quartal   3 „ 30 „ — „
  • Pucheisen zu formen pro Centner   — „ 5 „ 4 „
  • Unterlager „ „ „ „   — „ 2 „ — „
  • Stell zu brechen und einzusetzen   2 „ 18 „ — „
  • Dem Hüttenvogt pr. Woche 10 Gr.   3 „ 22 „ — „
  • „ „ der Oberhütte pr. Woche 20 Gr.   7 „ 8 „ — „
  • „ „ „ Neuen Hütte pr. Woche 15 Gr.   5 „ 15 „ — „
  • Liebnuſs den Köhlern   3 „ 12 „ — „
  • Eisenstein zu scheiden pro Fuder   — „ 5 „ — „
  • „ „ puchen „ „   — „ 2 „ — „
  • Schlacken zu Wascheisen zu puchen, 1 Centner Wasch-
    eisen   — „ 5 „ — „
  • Gewöhnlicher Tagelohn   — „ 6 „ — „
  • Tagelohn den Zimmerleuten   — „ 8 „ 10 „
  • Harte und Dannenbohlen zu machen pro Fuder   — „ 15 „ — „
  • Fuhrlohn Wageisen nach Zellerfeld, die Wag   — „ 1 „ 6 „
  • „ Goſseisen nach den Hämmern pro Centner   — „ 1 „ — „
  • Dienerbesoldung pro Quartal   80 „ 33 „ — „

[1158]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Die Faktoreirechnungen der Eisenhütten zu Gittelde von
1665 bis 1700
.


Die Rechnungen dieser letzten Periode, welche mit einer Lücke
von 1665 bis 1670 beginnen, sonst aber ziemlich vollständig vor-
liegen, sind weitläufiger, verwickelter und geben keinen so guten Ein-
blick in den Betrieb.


Der Massenofen der Deichhütte war in regelmäſsigem Betriebe.
Eine Zusammenstellung von 20 Quartalen aus der Zeit von 1674
bis 1695 ergiebt in 1249 Blasetagen eine Gesamtproduktion von
18359½ Ctr. Roheisen und Guſswaren. Hierzu wurden verbraucht
6272½ Fuder Eisenstein zu 7674 Thlr. 1 Gr., 8926½ Fuder Holzkohlen
zu 7161 Thlr. 5 Gr., an Löhnen 1380 Thlr. 17 Gr. 3 Pf., für sonstige
Ausgaben 1424 Thlr. 15 Gr. 2 Pf.


Hiernach betrug die durchschnittliche Produktion pro Schicht
14,64 Ctr. oder 805 kg.


Durchschnittlicher Gestehungspreis von 1 Ctr. Guſs = 31 Gr.
5 Pf., oder die Tonne (1000 kg) 52,41 Mk.


Aufwand pro Tonne:


  • Eisenstein 6,22 Fuder   22,79 Mk. = 43,5 Proz.
  • Kohle 8,6 Fuder   21,35 „ = 40,7 „
  • Arbeitslohn   4,05 „ = 7,7 „
  • Verschiedenes  4,22 „ = 8,1 „
  • 52,41 Mk. 100 Proz.

In der Produktion von 18359½ Ctr. sind 2689 Ctr. Pucheisen
und Unterlagen, welche für 1 Thlr. 32 Gr. der Centner verkauft
wurden. Bringt man diese in Abrechnung, so verbleiben 15670½ Ctr.
Ganseisen zu 12561 Thlr. 2 Gr. 8 Pf. Demnach stellt sich 1 Ctr.
Ganseisen auf 28 Gr. 10 Pf., oder die Tonne auf 43,72 Mk.


Es wurde zwei- bis dreimal in 24 Stunden abgestochen und das
Eisen in Gänse laufen gelassen. In den Quartalsrechnungen werden die
Anzahl der Abstiche und Gänse aufgeführt. 1672 wiegen 145 Gänse
763¾ Ctr., eine Gans demnach im Durchschnitt 5 Ctr. 29 Pfd. Das
Gewicht einer Gans schwankte zwischen 4 bis 6 Ctr. Man unterschied
Ganseisen, Kurzeisen, d. h. Guſstrichter und Guſsbruch und Wasch-
eisen; von Guſswaren wurden am meisten Pucheisen und Unrlagste-
glaken gemacht.


[1159]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Da für das erzeugte Ganseisen kein Wert in Rechnung gestellt
wurde, so kam das widersinnige Resultat heraus, daſs ein Quartal
um so höheren Gewinn abwarf, je weniger der Hochofen betrieben,
je weniger Roheisen erzeugt wurde. Die Kosten des Betriebes wurden
nämlich alle in Rechnung gestellt und diese wurden gröſser bei leb-
hafterem Betrieb und so kommt es vor, daſs in Quartalen, in denen
der Hochofen besonders gut ging, die Rechnungen mit Fehlbeträgen
abschlossen. In der Rechnung Reminiscere 1673 heiſst es ganz naiv:
„Daſs in diesem Quartal so wenig und im vorigen Quartal gar kein
Überschuſs gewesen, rührt daher, weil in den beiden Quartalen Zwei
groſse Blaſswerk gewesen, darauf mehr Ausgabe gangen, als im ersten
Quartal Crucis und weil im nächst künftigen Quartal Trinitatis
kein Blaſswerk verrichtet werden kann, wird der Überschuſs desto
höher kommen.“


Der Kohlenverbrauch des Massenofens war genau geregelt. Auf
jede Gicht wurde ¼ Karren Kohlen aufgegeben. Zum Füllen des
Ofens waren 8 Karren erforderlich, zu jedem Rost 2 Karren.


Quartal Crucis:


  • Für 11½ Röste Eisenstein zu rösten je 2 Karren   23 Karren.
  • Den hohen Ofen zu füllen   8 „
  • 1140 Gichten zu ¼ Karren  292½ „
  • 323½ Karr.
  • Kohlenaufgang.

Die Zahl der Gichten pro Tag entsprach ungefähr der Zahl der
Stunden. Die Hüttenreisen waren etwas länger als früher.


Quartal Trinitatis 1684 war der Hochofenschacht eingestürzt; die
Herstellung eines neuen kostete 48 Thlr. 19 Gr. Davon erhielt der
Maurermeister 14 Thlr., die Tagelöhner ebenfalls 14 Thlr. und für
1 Thlr. „Schloſsbier“. Die Zimmerleute muſsten die Schlingen um
die Öfen ziehen. Das Rauhgemäuer war demnach noch mit Holz-
balken von auſsen zusammengehalten. In demselben besonders harten
Winter war auch das „Puchwerk eingefallen“. Das Puchwerk, welches,
wie wir aus der Rechnung ersehen, unter einem besonderen Dach
stand, muſste neu aufgebaut werden und erhielt eine neue Puchwelle.
Die ganzen Hütten- und Puchgräben, die zugeschlämmt waren, muſsten
gereinigt und neu in Stand gesetzt werden. Da alle diese Bau- und
Reparaturkosten aus dem Betrieb bezahlt werden muſsten, so verblieb
nur ein sehr geringer Gewinn.


Die Kosten des im Quartal Reminiscere 1685 neu aufgebauten
Hochofens sind in folgender Rechnung erläutert:


[1160]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • Andreſs Breithausen 80 Tage Mauersteine dazu ge-
    brochen zu 7 Gr.   15 Thlr. 20 Gr. — Pf.
  • Weitere 258 Tage an die Gehülfen   41 „ 27 „ — „
  • Das alte Gestell ausbrechen   — „ 24 „ — „
  • 147 Karren Mauersteine zu fahren zu 9 Gr.   36 „ 27 „ — „
  • Das Abbrechen des alten Hochofens bis auf den Grund
    verdungen zu   10 „ — „ — „
  • Das Fundament in der Erde zu suchen   3 „ — „ — „
  • Den Schacht aufzumauern von dem fürstlichen Berg-
    amt verdungen zu   85 „ — „ — „
  • Dessen Gesellen Schloſsbier   1 „ — „ — „
  • Dem Massenbläser für seine Hülfe und Aufsicht   1 „ — „ — „
  • Dem Schmied für Werkzeuge und Werkzeug schärfen   5 „ 6 „ — „
  • Für 89 Karren Gybs aus Osteroder Amtskalkkuhle, à
    7 Gr. bezw. Fuhrlohn etc.   32 „ 11 „ — „
  • 145 Karren Leimen incl. 12 Tagen   9 „ 10 „ — „
  • Für 18 Ctr. Eisen für Bolzen durch das Mauerwerk, à
    3 Thlr.   54 „ — „ — „
  • Eisen 13½ Ctr. und 20 kleine Klammern incl. Schmiede-
    lohn   38 „ 11 „ — „
  • Für Feueresse und Dach, dazu 8 Stamm Eichenholz,
    12 Stamm Dannenholz, Feueresse auszukleimen,
    30 Bund Stroh und den Leimen   35 „ 15 „ 3 „
  • Diverse andere Arbeiten und Unkosten  7 „ 31 „ — „
  • Summa was der neue Hochofen gekostet: 377 Thlr. 2 Gr. 3 Pf.

Nachdem der Ofen im Quartal Trinitatis 1685 wieder angeblasen
worden war, ging er 14 Wochen ununterbrochen.


Im Jahre 1689 war aber der Hochofenschacht schon wieder zer-
stört und muſste von neuem eingebaut werden. Die Rechnung lautet:


  • 132 Tage Mauersteine zu brechen, à 6 Gr.   22 Thlr. — Gr. — Pf.
  • Die Bicken zu schärfen   — „ 27 „ — „
  • Für 33 Karren Mauersteine herausgefahren   8 „ 9 „ — „
  • 3 neue Schubkarren incl. Beschlag   2 „ — „ — „
  • Dem Meister und 4 Gesellen 22 Tage Steine zu be-
    hauen (zu 12 und 10 Gr.)   33 „ 4 „ — „
  • Den Handlangern   7 „ — „ — „
  • 40 Karren Leimen zum Schacht   2 „ 8 „ — „
  • Vor 27 Wageisen von der Zerennhütte im Grund zu
    27 Gr. 11 Pf. und 1 Thlr. 18 Gr. Trinkgeld, 9 Gr.
    Fuhrlohn zu Schlinken umb das Mauerwerk  22 „ 24 „ 9 „
  • Holzwerk und diverse Arbeiten und Unkosten  6 „ 16 „ — „
  • Summa: 104 Thlr. 16 Gr. 9 Pf.

Bei diesem Umbau wurden also die hölzernen Schlingen, welche
das Rauhmauerwerk zusammenhielten, durch eiserne ersetzt.


Da alle Bau- und Reparaturkosten dem Betrieb aufgerechnet
wurden, so waren die Nebenkosten in verschiedenen Quartalen sehr
verschieden.


[1161]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Das Inventar der Massenhütte war im Jahre 1681 noch ein sehr
bescheidenes. Es umfaſste: 1 Blasewelle mit 6 eisernen Bändern,
2 hölzerne Bälge, dazu 4 groſse Nägel für die Hebescheiben, 1 Blase-
rad, 1 Vorhängschloſs, 2 Brechstangen, 2 Formstecher, 1 Stein-
haken mit eisernen Kralen, 2 Kratzen, 2 Keilhauen, 2 Kohlenharken,
1 hölzernes Kohlenmaſs, 3 Laufkarren, 3 Füllfässer, 3 groſse eiserne
Tragstangen im hohen Ofen, ein groſser eiserner Wagebalken mit
8 Kettensträngen und 2 starken beschlagenen Schalen, 4 groſse
Eisengewichte (à 1 Ctr.), 1 Wagebalken (à ½ Ctr.), 1 Pochwelle mit
2 Zapfen und 5 eisernen Bänken. 2 Schauffeln, 1 hölzerne Wasser-
strentze (Spritze), eine alte messingene Wasserstrentze, 1 eisern Keil,
1 Bockhammer.


Die Quartalsrechnungen der Hammerhütten dieser Periode
leiden dadurch an einer gewissen Unklarheit, daſs weder für das ver-
schmolzene Roheisen, noch für das erzeugte Schmiedeeisen Werte
eingesetzt sind. — Die folgende Zusammenstellung enthält die Be-
triebsergebnisse derselben 20 Quartale wie oben bei dem Massenofen.


1. Die Clusingshütte wurde als Frischhütte betrieben und lieferte
Stabeisen.


Für eine Tonne Stabeisen wurden verbraucht:


  • Guſseisen 1,550 Tonnen, à Mk. 52,41   81,23 Mk.
  • Holzkohlen 13,62 Karren   10,28 „
  • Löhne   4,66 „
  • Verschiedenes  3,97 „
  • 100,14 Mk.

Der Verkaufspreis für die Tonne betrug 163,46 Mk., die Tages-
produktion 128 kg.


2. Die Neue Hütte war ebenfalls eine Frischhütte, die haupt-
sächlich Frischstücke zur Blechfabrikation machte. Die Frischstücke
(Luppeneisen) kosteten pro Tonne (1000 kg):


  • für Guſseisen 1,524 Tonne   79,87 Mk.
  • „ Holzkohlen 12,12 Karren   9,34 „
  • „ Löhne   4,76 „
  • „ Verschiedenes  3,25 „
  • 97,22 Mk.

Die Tagesproduktion betrug 130 kg.


3. Die Obere Hütte war eine Frischhütte mit Blechhammer.
Die Tonne Frischstücke kostete:


[1162]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • für Guſseisen 1,508 Tonne   79,03 Mk.
  • „ Holzkohlen 14,76 Karren   12,08 „
  • „ Löhne   7,62 „
  • „ Verschiedenes  7,22 „
  • 105,95 Mk.

In 18 Quartalen fielen 2875 Ctr. Frischstücke nebst „Doel und
Schrötel“. Hiervon wurden 1492 Ctr. zu 964½ Ctr. Blech verarbeitet,
es wurden demnach pro Tag 37,78 kg Blech und 54,18 kg Frischstücke
dargestellt. 1 Tonne Blech berechnet sich auf 158,90 Mk., während
der Verkaufspreis damals 326,92 Mk. pro Tonne betrug.


Besondere Bemerkungen sind zu dem Betrieb der Frischhütten
kaum zu machen. Mit dem Ganseisen wurde das Kurz- und Wasch-
eisen, welches beim Massenofen fiel, mit aufgegeben, manchmal und
namentlich dann, wenn es an Ganseisen fehlte, wurde Alteisen,
welches aufgekauft wurde, mit verfrischt. Beispielsweise fielen im
Quartal Crucis, auſser 529¼ Ctr. Ganseisen, 155 Ctr. Guſswaren und
16 Ctr. Kurzeisen. In demselben Quartal wurden verfrischt:
Auf der Clusingshütte:
30 Gänse zu 143¾ Ctr., Kurzeisen 2 Ctr., Alteisen 27 Ctr., Summa 171½ Ctr.
Auf der Neuen Hütte:
41 Gänse zu 192¾ Ctr., Kurzeisen 2 Ctr., Summa 194¾ Ctr.
Auf der Oberhütte:
40 Gänse zu 194 Ctr., Kurzeisen 12 Ctr., Summa 206 Ctr.


Das Inventar der drei Frischhütten vom Jahre 1681 ist hier zu-
sammengestellt (siehe Tabelle auf folgender Seite).


Von gröſserem historischen Interesse ist es, daſs man in dieser
Periode noch einmal eine Zerennhütte in Gang setzte und die-
selbe eine Reihe von Jahren mit Eifer betrieb. Es war, wie die
Rechnung sagt, „der Zerennhärd im Grunde, welchen die Fürstl. Gnäd.
Herrschaft von dem Richter Johann Bartolſs erkauft hatt“ und
welche 1678 in Betrieb gesetzt wurde. Da genauere Angaben über
Einrichtung und Betrieb eines alten deutschen Luppen- oder Renn-
feuers, am Harz Zerennhütte genannt, unseres Wissens nicht ver-
öffentlicht sind, so wollen wir die Rechnungen über diesen Betrieb
etwas eingehender betrachten.


Eine gewerkschaftliche Zerennhütte im Grunde wird schon in
früheren Rechnungen erwähnt: 1674 Quartal Crucis liefern die Ge-
werken im Grunde an die Faktorei 128 Waage Eisen, jeder Waag
Gewinn für die Herrschaft 4 Gr. 8 Pf., thut 16 Thlr. 21 Gr. 4 Pf. und
[1163]Der Harz im 17. Jahrhundert.
Inventarium der Hammerhütten 1681.

Hiernach hatten die Frischherde 3 eiserne Zacken und einen eisernen Boden, der Blechherd wie auch der Zerennherd aber nur
einen eisernen Zacken und eisernen Boden, die übrigen Seiten waren gemauert.
[1164]Der Harz im 17. Jahrhundert.
Quartal Trinitatis 1675: 75 Waag Eisen, jeder Waag Gewinn für die
Herrschaft 4 Gr. 8 Pf., thut 9 Thlr. 26 Gr.


Im Quartal Crucis 1678 begann der neue herrschaftliche Be-
trieb in der Zerennhütte mit dem alten Inventar und den alten
Schmieden; der Erfolg entsprach aber den Erwartungen nicht. Es
befand sich Alles in schlechtem Zustande. „Weil auf dieser Hütten
eine geraume Zeit nicht geschmiedet vndt daher alles ruinos
worden, so hat die Ausbesserung derselben verunkostet 53 Thlr. 25 Gr.
9 Pf.“ Zum Betrieb wurden zwei abgängige Holzbälge, die auf den
Gitteldeschen Hütten standen, für den Zerennherd aber noch brauch-
bar waren, neu in Stand gesetzt. Die Kosten ihrer Wiederherstellung
betrugen:


  • Fuhrlohn von Gittelde bis Grund   8 Thlr. — Gr.
  • Die alten Bälge auszubessern so dem Balgen-
    macher von dem H. Zehntner und Ober-Bergk.-
    Meister verdungen umb   5 „ 12 „
  • Vor 2 Ellen Leinwandt zu 2 Gr. dazu   — „ 4 „
  • Derobehuff 11 Pfd. unseldt vndt öhl zu 3 Gr.   — „ 33 „
  • Vor 1 Metzen Mehl   — „ 4 „
  • Vor Schmiedearbeit Behuffs der Bälge  1 „ 18 „
  • in Summa 15 Thlr. 35 Gr.

Von den übrigen Anschaffungen und Reparaturen erwähnen wir
eine neue Radwelle zu 2 Thlr., neues Gerinne, Balggerüst, Thüren, ein
neuer Eisenkasten zum Verschlieſsen der Werkzeuge u. s. w. mit be-
sonders starken Haspen beschlagen und 2 Vorhängschlössern; Wände
und Dächer muſsten ausgebessert werden u. s. w. Das Ausbringen
war ungenügend. „Daſs aus einem Fuder Eisenstein 5½ Wage Eisen
kommen, da man wohl ein Mehres gehofft hatte, so wollen die Hütten-
leute vorreden, daſs solchs nicht anders arten wollen, weil die Hütte
lange öhde gestanden vndt dahero der Blaſshardt abgängig worden,
welcher nicht sobald zu Stand zu bringen wäre.“ Andreas Kippenberg,
der schon früher ein Hüttenmann bei diesem Zerennherd gewesen und
dem die Aufsicht von dem fürstl. Bergamt übertragen worden war,
verpflichtet sich für die Folge mehr zu machen und wird deshalb als
Meister angenommen, „waſs Er künfftiges Quartall Luciae 1678 wirdt
prästieren können“. Kippenberg hatte für seine Aufsicht 30 Gr. im
ersten Quartal erhalten, neben ihm war der „Faktor Fricken von
Zellerfeld kommittiert bei denen geschmiedeten Eisensteinsproben auff-
sicht zu haben, und hat derselbe bey dem alten Bergvogt Sporre im
[1165]Der Harz im 17. Jahrhundert.
Grunde 6 mahl Zeiten à 4 Gr. verzehrt — thut 24 Gr., dabey ver-
trunken 8 Kannen Bier gleich 8 Gr.“.


Der Betrieb vom Quartal Luciae an war ein regelmäſsiger und
warf entsprechenden Nutzen ab.


Quartal Luciae 1678.


Von Interesse ist auch das nachfolgende Inventar der Zerenn-
hütte vom Jahre 1678.


Inventarium bey dem Zerennherdt im Quartal Crucis
1678 vorgetragen
:


1 Hammerwelle mit 19 eisernen Bändern, 2 Zapfen, 1 Hammer-
radt, 2 Blaſsrädter, 1 Blaſswelle mit 8 Bändern, 1 Schmiedewelle mit
6 Bändern, 2 Zapffen, 1 Paar hölzerne Balge, 1 Paar lederne Balge,
2 alte kupferne Formen, 1 alter Schmiedehammer, 1 alter Amboſs.
1 Hammerstock mit 2 Eisern Bändern. —


An Werkzeug: 2 Rennzangen, 1 Stückzange, 2 Setzeisen,
1 Brechstange, 1 Warmzange, 1 Steuerzange, 1 Schmiedezange,
1 Rennzange, 1 Handhammer, 1 Bockehammer, 1 Vorhammer,
1 Schröder, 1 Schaufel, 1 Stachel, 2 Bockedöel, 1 Folgeisen, 1 Stachel,
2 Syebe, 2 Füllfässer, 2 Vorhengschlösser.“ —


Der Betrieb des Zerennherdes im Grunde nahm vom Quartal
Luciae 1678 an einen regelmäſsigen Verlauf. Kippenberger hatte
augenscheinlich ein Ausbringen von 7 Waage Eisen auf jedes Fuder
Eisenstein in Aussicht gestellt, darauf bezieht sich folgende Bemer-
kung in der Rechnung Reminiscere 1670: „Wenn daſs jedem Fuder
Eisenstein 7 Waage Eisen verfolgen solle, wollten an der Probe noch
5 Wagen fehlen (184 statt 189), weil Kellenblätter und anderes Eisen
dazwischen geschmiedet wurde.“ Auf eine Waag Eisen rechnete man
⅓ Karre Holzkohlen. Folgende Tabelle giebt die Betriebsübersicht
von 1678 bis 1689.


[1166]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Zerennherd im


[1167]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Grunde 1678 bis 1689.


[1168]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Beim Eisenerz unterschied man Lesestein (gewaschenen Stein)
von gewöhnlichem Stein. Aus 1 Fuder Lesestein sollten 9 Waage
Eisen erfolgen. Der Eisenstein kostete 24 Gr., der Lesestein 1 Thlr.
8 Gr. pro Fuder. Der Preis des Lesesteins setzte sich zusammen
aus 28 Gr. Brecherlohn, 8 Gr. Wäscherlohn und 8 Gr. Fuhrlohn. Mit
dem Eisenerz wurde auch Frischschlacke im Zerennherd zu gut ge-
macht, welche 17 Gr. pro Fuder kostete. Das Wageisen wurde nach
der Zellerfelder Faktorei getragen, und zwar für 1 Gr. die Waag;
ebenso nach Wildermann, Braunschweig u. s. w. Eine Waag gleich
26½ Pfd. war also eine Traglast im Gebirge 1); daher stammt
diese Einteilung und deren Beibehaltung. Bei den Kohlen unter-
schied man Gruben- und Meilerkohlen. Erstere, die dem Namen
nach zu schlieſsen in Gruben gebrannt waren, standen höher im
Preise, man bezahlte für den Karren 18 Gr. Köhlerlohn, während
Meilerkohlen nur 14 Gr. Köhlerlohn kosteten. Die Holzkohlen wurden
auf geringeren Entfernungen gleichfalls getragen, und zwar in Säcken:
Die Grubkohlen vom Königsberge kosteten 4 Gr. Tragelohn. Andre,
wie die Grubenkohlen aus dem Schmallenberg 14 Gr. Fuhrlohn,
„Dannen-Meilerkohlen“ aus dem Schmallenberg nur 9 Gr. Fuhrlohn.
Es wurden auch „Wandelkohlen“ (Quandelkohlen?) vom Hohen Ofen
pro Fuder 12 Gr. mit vernutzt.


Die Heilkosten verletzter Arbeiter hatte die Hütte aufzubringen,
z. B. Reminiscere 1680 „dem Hammerschmied so schaden in der Hütten
bekommen an Arztlohn gereichet, so ihm von fürstl. Bergamt verwilliget
1 Thlr. 24 Gr.“. Öfter begegnet uns der Eintrag: Zerenneisen für den
Kirchenbau in Zellerfeld. Dieses wurde billiger, zu 2 Thlr. 10½ Gr.
pro Centner berechnet. Zu den Ausgaben „Insgemein“ der Rechnung
Crucis 1680 bemerkt der Faktor: „Dies schlechte Ergebnis rühre daher,
daſs wegen Wassermangel nicht geschmiedet werden konnte und daſs
neue „Äsekörbe“ und Schornsteine, sowohl in der Hütte als auch im
Hüttenhaus wegen Feuersgefahr gebaut werden muſste. Die Kosten
dafür betrugen 28 Thlr. 14 Gr., und ersieht man aus der Rechnung,
daſs „Äsekörbe“ und Schornsteine von Holz gezimmert wurden
und nur mit einem Flechtwerk aus Zaunruten, das mit Lehm und
eingehacktem Stroh bestrichen war, ausgekleidet wurde. Auſsen waren
[1169]Der Harz im 17. Jahrhundert.
die Äsekörbe mit Hohlziegel gedeckt, wovon 30 Stück genügten. Der
Schower, d. h. der Kohlenschuppen, hatte Lattenwände und war mit
Schindeln gedeckt.


Im Jahre 1682 wurde eine ganz neue Zerennhütte und ein neuer
Kohlenschuppen erbaut, deren ausführliche Baurechnung wir folgen
lassen.


Quartal Crucis 1682. — Auſsgabegeld betreff der neuen Zerennhütten.


Beck, Geschichte des Eisens. 74
[1170]Der Harz im 17. Jahrhundert.

Ausgabegeld für den neuen Kohlschuppen.


1687 wurden ganz neue Blasebälge eingelegt und in der Rechnung
ist vermerkt, „wenn das Wasser besser gewesen wäre, hätte man mehr
schmieden können, weil neue Bälge und das Gebläse jetzt kann
doppelt gehen“. Eine wesentliche Besserung läſst sich aber aus den
Rechnungen nicht entnehmen. Im Quartal Trinitatis 1697 wurde
eine neue Hütte gebaut und es erscheint von da ab im Inventar
eine alte Hütte und eine neue Hütte im Grunde. Quartal Crucis
1699 wurde der Betrieb der Zerennhütte ganz eingestellt. Ein Teil
des Inventars wurde anderweit verwendet, das Übrige in den Rech-
nungen bis 1716 nachgeführt als „bei dem eingestellten Zerennherd
[1171]Der Harz im 17. Jahrhundert.
wirklich noch vorhandenes Inventar“. Der alte Meister Kippenberg
erhielt einen Gnadengehalt.


In der Quartalsrechnung Trinitatis 1716 findet sich folgender Ein-
trag: „Inventarium bei dem eingestellten Zerennherde im Grunde —
Ceſsat, Weil solch Inventarium in diesem Quartal Trinitatis 1716
verschmiedet und das daraus erfolgte zweygeschmolzene Eysen pag. 18
zur Einnahme gebracht worden.“


Pag. 18 heiſst es dann: „Auſs dem auf Befehl des verschmiedeten
Zerennherds Inventario des Eisenwerks ist an zweygeschmolzenem
Eysen eingegangen 9 Ctr. 107½ Pfd.“ Hierzu kamen 8 alte Wellen-
ringe zu 177 Pfd., welche auf die Factorey zu Zellerfeld geliefert
wurden. Nach pag. 73 betrug das Inventarium nach der Aufnahme
11 Ctr. 55 Pfd. geschmiedetes und 5 Ctr. 82¾ Pfd. gegossenes Eisen.
Von diesem Inventarium waren auſser den nach Zellerfeld abgegebenen
1½ Ctr. 12 Pfd. bereits früher 2½ Ctr. bei einer Reparatur auf der
Neuen Hütte verwendet worden.


Pag. 74: Obiges Eisen, nämlich 7¼ Ctr. 15½ Pfd. Schmiede-
eisen und 5¾ Ctr. Guſseisen kostete zu verschmieden incl. aller Kosten
bis zur Abholung in die Factorey 2 Thlr. 6 Gr. 2 Pf. Aus dem
Schmiedeeisen 6 Ctr. 16½ Pfd. Stäbe und aus dem Guſseisen 3¾ Ctr.
7½ Pfd., zusammen 9 Ctr. 107½ Pfd. = 10 Ctr. zu 3 Thlr. = 30 Thlr.
— 2 Thlr. 6 Gr. 2 Pf. = 27 Thlr. 29 Gr. 10 Pf.


Dies war das Ende des Zerennhüttenbetriebes zu Gittelde und
Grund. Daſs man noch einmal zu diesem veralteten Betrieb zurück-
gekehrt war, hatte seinen Grund sowohl in der Hoffnung auf einen
rentabelen Betrieb, indem man von dem Gedanken, daſs das ein-
fachere direkte Verfahren der Schmiedeeisengewinnung auch das vor-
teilhaftere sein müsse, nicht loskam, als auch in der traditionellen
Vorliebe der Arbeiter für diesen Prozeſs der Groſsväter. Für den
Zerenner war die Arbeit leichter als beim Frischherd. Ein dritter
Grund war, daſs die Schmiede — namentlich die Bergschmiede das
Zerenn- oder Wageisen bevorzugten, teils aus alter Gewohnheit, teils
weil es härter und stahlartiger war.


Im Ganzen arbeiteten die Gittelder Eisenwerke im letzten Drittel
des 17. Jahrhunderts regelmäſsig und mit Gewinn. Der Überschuſs
sämtlicher Hütten betrug an 1400 Thlr. im Jahresdurchschnitt.


Der Gewinn wurde nach den Bestimmungen der Kommunion ge-
teilt und erhielt die Wolfenbütteler Kammer 3/7, die Kahlenberger 4/7.


Zum Schluſs fügen wir noch eine Übersicht von Preisen und
Löhnen während dieser Periode bei.


74*
[1172]Der Harz im 17. Jahrhundert.

1. Materialien: Eisen.


a) Guſseisen:


  • Gans- u. Kurzeisen (Roheisen) pro Ctr. 1½ Thlr.
  • Guſswaaren: Pucheisen und
    Unterlagen   „ „ 1 „ 32 Gr.
  • Alteisen   „ „ 1 „ bis 1 Thlr. 4 Gr.

b) Schmiedeeisen:


  • Zerenneisen: die Waag = ¼ Ctr.   27 Gr. 6 Pf. bis 28 „
  • (1680 nach Zellerfeld für 27 Gr. 11 Pf.)
  • Zerenneisen   pro Ctr. 3 Thlr. bis 3 Thlr. 2 Gr.
  • Frischeisen: Stabeisen und zwei-
    geschmolzenes Eisen   „ „ 3 „ „ 3 „ 2 „
  • Modelleisen sehr verschieden   „ „ 3 „ 10 Gr., 3 „ 18 „
  • „ „ 4 „ 10 „ 4 „ 21 „
  • Blech: Pfannen- u. Dünnblech „ „ 6 „

Eisenerz: Die Preise wechseln nach dem Brecherlohn, der von 28 Gr. bis
1 Thlr. pro Fuder schwankt, während der Fuhrlohn mit 16 Gr. konstant bleibt.
1679 sind die Eisensteine billiger: gewöhnlicher Stein kostet 24 Gr., Lesestein
1 Thlr. 8 Gr. pro Fuder.


Bei dem Kohlenpreis ist hauptsächlich der Fuhrlohn von Einfluſs, der von
8 Gr. bis 15 Gr. pro Karren schwankt; während der Köhlerlohn mit 14 Gr. für
Meilerkohlen und 18 Gr. für Grubenkohlen konstant bleibt. Der Forstzins be-
trägt meistens 2 Gr. pro Fuder. Der Preis der Meilerkohlen beträgt 22 Gr. bis
29 Gr. pro Fuder.


Frischschlacken kosten 17 Gr. pro Fuder. 1686 aber wird das doppelte ge-
rechnet, 10 Gr. für das Reinmachen und 24 Gr. für den Fuhrlohn.


  • Thlr. Gr. Pf.
  • 1 Karren Röstholz zu hauen und zu fahren   — 9 —
  • 1 „ Formsand   — 15 —
  • 1 „ Lehm   1 Gr. und 2 Gr. (mit Fuhrlohn)   — 7 —
  • 1 Pfd. Schmer (Vett)   — 3 6
  • Unseldt und Oel das Pfd.   — 3 —
  • Leinwand 1 Elle   — 2 —
  • Mehl 1 Metzen   — 4 —
  • Hohlziegel pro Stück   — — 4
  • Gewöhnliche Ziegel pro 100 Stück   — 31 —
  • Latten 1 Schock   — 20 —
  • Nägel 1 „   — 6 —
  • Stroh 1 Bund   — 1 —

2. Bau- und Reparaturkosten:


  • Ein neuer Hochofenschacht 1684:   48 19 —
  • „ „ „ 1689 (eingebaut)   (s. Rechnung.) 104 16 9
  • 1 neue Timpe (Tümpe = Tümpeleisen) 1½ Ctr. Eisen 1 Thlr. 18 Gr.
    und 4 Gr. Arbeitslohn; in Summa   1 22 —
  • 1 neues Gestell — zu brechen   3 Thlr. — Gr. — Pf.
  • Fuhrlohn   1 „ 24 „ — „
  • Das alte auszubrechen — „ 18 „ — „
  • Das neue einzusetzen   1 „ — „ — „
  • Dem Gehülfen   1 „ — „ — „
  • Für Lehm   — „ 16 „ — „
  • Zusammen 7 Thlr. 22 Gr. — Pf.

[1173]Der Harz im 17. Jahrhundert.
  • Thlr. Gr. Pf.
  • 1 neue Kupferform der Zerennhütte 11 Pfd. à 13 Gr.   4 — 6
  • 1 neuer Hammerkasten, extra stark   10 25 6
  • 1 Paar neue Bälge 1687   25 — —
  • 1 Düse   1 18 —
  • 1 neuer Schubkarren mit Beschlag   — 24 —

3. Löhne beim Massenofen:


  • Dem Massenbläser die Woche   1 6 —
  • Dem Meisterknecht „ „   1 13 —
  • Den beiden Aufgebern je   1 10 —
  • Dem Massenbläser selb vierte verordnete Hüttenzehrung (jedem
    8 Gr.) pro Quartal   — 32 —
  • Dem Meisterknecht und bei den Aufgebern verordnete Liebnuſs jedem
    1 Thlr.   3 — —
  • Dem Massenbläser Tagelohn in Steinbruch   — 7 —
  • Den Knechten Tagelohn in Steinbruch   — 6 —
  • Dem Massenbläser das alte Gestell auszubrechen   — 18 —
  • Dem Massenbläser das neue einzusetzen   1 — —
  • 2 Gesellen dabei   — 24 —
  • Rostkosten: Einen Rost anzulegen   — 20 —
  • Den gerösteten Stein auszuhalten (auszuharken) pro Woche   — 10 6
  • Ganseisen abzuwiegen pro Woche   — 12 —
  • Pucheisen, Unterlagen, Timpen zu formen pro Stück   — 4 —
  • Einen Herdboden zu formen pro Stück   — 5 —

Bei der Zerennhütte.


  • 1 Waag Eisen zu blasen und zu schmieden   — 3 10
  • von 1680 an — 3 3
  • 1 Ctr. Zerenneisen zu machen   — 10 1
  • 1 Bund Radschienen zu machen   — 1 —
  • Kellen zu machen pro Stück   — — 4
  • Döel und Schrötel zu machen pro Centner   — 7 —
  • Steine zu bocken pro Fuder   — 3 —

Beim Frischherd:


  • Blech-Frischstücke, Frischeisen zu Kellen etc. pro Centner   — 7 —
  • Zweigeschmolzen Eisen, Stabeisen zu machen   — 8 —
  • Blech   — 18 —
  • Kellenblätter zu machen pro Stück   — 1 —
  • Tagelohn ein Mann   — 6 —
  • do. „ Junge   — 5 —
  • Dem Balgenmacher für Besichtigung der Bälge   1 18 —
  • Dem Hüttenvogt der Massenhütte pro Woche   — 20 (1 fl.)
  • „ „ „ Oberhütte „ „   — 15 —
  • „ „ „ Clusingshütte „ „   — 10 —
  • „ „ „ Zerennhütte „ „   — 5 —
  • Dagegen zahlte die Zerennhütte an Faktorbesoldung pro Woche   — 20 —
  • Der Hüttenvogt der Massenhütte erhielt während der Hüttenreisen
    von 1686 an für gute Aufsicht pro Woche 15 Gr. extra.
  • Dienerbesoldung pro Quartal   88 7 —
  • Dem Priester für das Gemeindegebet pro Quartal   1 — —

[1174]Westfalen im 17. Jahrhundert.
  • Thlr. Gr. Pf.
  • Fuhrlöhne: 1 Fuder Erz vom Iberg   — 16 —
  • Röstholz pro Karren   — 9 —
  • Wageisen nach Zellerfeld pro Waag   — 1 3

1697 wurden auf den Harzer Hütten zuerst eiserne Formen ein-
geführt.


Westfalen.

Die Eisenindustrie Westfalens entwickelte sich auf der früher
geschilderten Grundlage weiter. Die Drahtfabrikation der drei
märkischen Städte Lüdenscheid, Altena und Iserlohn, die in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihr altes Bundesverhältnis
vertragsmäſsig ordneten, nahm immer gröſseren Umfang an und damit
vermehrte sich zugleich die Zahl der Osmundhämmer. Besonders er-
blühte das Gewerbe in Iserlohn durch Einführung der Kratzen-
drahtfabrikation
1). Hermann Schmöle gebührt das Verdienst,
dieselbe von Aachen nach Iserlohn verpflanzt zu haben. Er war selbst
ein Schmied und Drahtzieher und fuhr als solcher um 1615 einen
Karren 3. oder 4. Schillingsdraht nach Aachen. Von da brachte er
auſser Geld den Kratzendrahtzieher Johann Lindloh von Aachen
mit den nötigen Werkzeugen von „Dörstlingen und Drahteisen“ mit
in seine Heimat zurück. Dieser führte das Ziehen der feinen Draht-
sorten ein. Man that dies anfangs mit der Hand; nach und nach
wurden aber die „Winnen“ (Feinzüge) auf Wasserwerke gelegt 2). Die
Gewässer der Ihmert, Westig, Sundwig und Hemer, wo vorher
gröberer Draht gezogen worden war, bedeckten sich mit Kratzendraht-
rollen. Der Absatz stieg über Erwarten, besonders nachdem der
30 jährige Krieg beendet war. Ende des 17. Jahrhunderts zählte man
221 Wasserwinnen ohne die Handwinnen, auf denen 8000 Ctr. Draht
gezogen wurde.


Ein groſser Teil dieser Wasserwinnen befand sich auſserhalb der
Stadt auf dem platten Land. Eine pestartige Seuche soll angeblich
die Drahtzieher aus der Stadt vertrieben haben. Durch Verordnung
vom 25. März 1622 erhielten die Hausleute auſser den Städten Iser-
lohn und Altena das Recht zu bleiben, muſsten aber in einer dieser
[1175]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Städte Bürgerrecht erwerben. Seitdem standen Dahle und Ewingsen
mit der Altenaischen, Ihmert, Westig, Sundwig und Hemer mit der
Iserlohner Zunft in Verbindung. Altena und Iserlohn machten sich
viel Konkurrenz. Iserlohn erhielt 1650 ein Privilegium für den
Kratzendraht; obgleich Altena Einsprache dagegen erhob und es für
erschlichen erklärte, kam doch die Iserlohner Kratzendrahtindustrie
rasch zu groſser Blüte.


Ähnliche Fabriken des Auslandes wurden bald überflügelt. Ein
Iserlohner schreibt 1670: „Kein Ort unter der Sonne war zu finden,
wohin nicht Iserlohnische Arbeit komme, weil Iserlohn den Kratzen-
draht durch die ganze und vier Örter der Welt verschicket“. Kur-
fürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg gab 1671 der Stadt Iser-
lohn das ausschlieſsliche Recht Kratzendraht zu ziehen und be-
stimmte erläuternd im Jahre 1685, nur solche Kratzendrahtzieher
sollten auf dem Lande geduldet werden, welche dort schon zehn
Jahre gearbeitet hätten. Hand in Hand mit der Fabrikation nahm
der Handel einen groſsen Aufschwung. Vordem waren die Draht-
und Panzerwaren nicht weiter als nach Dortmund, Köln und Frank-
furt a. M. gegangen. Dortmund namentlich hatte bis dahin den Handel
mit märkischem Draht fast als ein Monopol besessen; nun nahm Iser-
lohn, das von Jahr zu Jahr reicher wurde, selbst den Handel in die
Hand. 1674 fanden die Iserlohner Reidemeister den Weg nach
Holland. Die Erschlieſsung eines solchen Handelswegs wurde damals
wie eine wichtige Entdeckung angesehen. Für Dortmund war dies
ein groſser Schlag. Es sank nach dem Verlust des märkischen
Drahthandels zu einer einfachen Provinzialstadt herab.


Bald danach erschlossen sich die Iserlohner die Handelswege
nach den Nordseehäfen und bereisten mit ihren Waren die groſsen
Messen. Anton Lecke wird als der erste Iserlohner Kaufmann ge-
nannt, welcher um 1690 die Leipziger Messe besuchte. Vor Allem
aber that sich das groſse Handelshaus Joh. Rumpe \& Co. hervor,
welches den Drahthandel bis nach den entferntesten Gegenden
Europas erweiterte und den ersten Grund des Iserlohner Handels
nach Spanien und Portugal legte, indem es dorthin bereits eigene
Reisenden sendete. Die wichtigsten Geschäftsverbindungen Iserlohns
lassen sich auf diese Firma zurückführen. Von den Messen brachten
die Kaufleute mancherlei Waren zurück, nicht nur für die eigene
Heimat, sondern auch für die Mark, das Kölnische, Hessische, Nassau-
ische u. s. w. Dadurch erwarben sich die Iserlohner Ansehen und
Gewandtheit, wodurch sie sehr gegen die steifen Altenaer abstachen,
[1176]Westfalen im 17. Jahrhundert.
denen eine Reise nach Aachen damals fast wie ein Zug ins gelobte
Land dünkte und welche die „hochmütigen“ Iserlohner, welche den
ganzen Drahthandel beherrschten, scheel ansahen. — Aber auch in
Altena blühte die Drahtindustrie im 17. Jahrhundert. Nicht nur be-
zog Iserlohn viel gröſsere Mengen der mittleren Drahtsorten von
dort, sondern es war auch ein neuer Industriezweig in Altena ent-
standen, durch die Einführung der Stahldrahtbereitung. Dies
geschah um das Jahr 1600 durch Johann Gerdes. Caspar Rumpe
besingt dies in seiner Reimchronik mit folgenden Versen:


„Die Alten habens nicht beschrieben,

Wann Gott das (Draht-) Handwerk hat betrieben,

Doch hat mans noch in Büchern klar,

Daſs mans gehabt einige hundert Jahr.

Es ist beinah wohl hundert Jahr,

Dar noch kein Stahl gezogen war,

Jetzt ist es ein Handel durch Gottes Segen,

Daran ist Altena viel gelegen.

Ein Bürger so Johann Gerdes genanndt

Der fing es an durch seinen Verstand,

Er gebrauchte darzu Mittel und Rath,

Daſs Stahl in Draht gezogen ward.

Die besten Nadeln so je erdacht,

Die werden von dem Stahl gemacht,

Man braucht ihn auf dem Instrument,

Er kömpft auch sonst in viele Händt.

Den Fischers ist er auch bekannt,

Die ziehn die Fische damit zu Land.

Er wird recht nach der Probe gemacht,

Daſs man davon hört keine Klagt.“

Caspar Rumpe, der Verfasser der Altenaer Reimchronik, in
welcher das Drahthandwerk ausführlich geschildert wird, war selbst
ein Reidemeister und Bürger von Altena. Er war geboren 1616,
starb 1699 und schrieb sein Gedicht im 80. Lebensjahr. Wie aus
den angeführten Versen hervorgeht, hatte die Herstellung des Stahl-
drahts die Fabrikation von Nähnadeln und Fischangeln zur Folge.
Die Nadelfabrikation wurde 1625 in Altena eingeführt, kam aber
nicht zu besonderer Blüte. Ebenso schlossen sich an die Iserlohner
Industrie verschiedene Kleineisengewerbe, deren Waren ebenfalls als
Panzerwaren bezeichnet werden, weil sie von den Mitgliedern der
Panzerschmiedegilde angefertigt wurden. Es waren dies besonders
die eisernen Schnallen und Spangen, deren Fabrikation um 1690 von
[1177]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Bernd von der Becke eingeführt wurde. Derselbe erbaute auch 1696
zu Sundwig die erste Fingerhutsmühle, wo zunächst nur eiserne
Fingerhüte aus Blech gemacht wurden. Die Fingerhutfabrikation
mit Handbetrieb war schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts durch
einen Iserlohner Kaufmann Löbbecke mit Hülfe des Fabrikanten
Conrad von der Becke aus Holland eingeführt worden. Die Fabri-
kation der stählernen Schnallen wurde von einem gewissen Lohmann
eingeführt, der sie den Engländern abgesehen haben soll. Der Ueber-
lieferung nach entging er der Verfolgung derselben nur dadurch, daſs
er sich in einer Tonne verbarg und als Frachtstück den Kanal
passierte.


Die Drahtzieherzunft blieb ungeschlossen bis 1619, in welchem
Jahre man vereinbarte, daſs nur Bürger und Bürgerskinder aus den
betreffenden Städten zum Drahthandwerk zugelassen werden sollten.


Aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammen die ersten
ausführlichen Ordnungen für die Osmundschmieden und das Draht-
gewerbe. Als nämlich anfangs der sechziger Jahre der Osmundhandel
zu Altena, Plettenberg und Nienrade in Abnahme kam, hatten die
Reidemeister zur Wiederherstellung desselben am 23. Februar 1662
zwar unter sich ein Reglement aufgerichtet, weil aber dasselbe schlecht
beachtet wurde und deswegen der Handel fast ganz verfiel, haben die
Interessenten im Jahre 1686 auf Befehl des Landesherrn sich zu-
sammengethan, und die Drahtordnung erneuert. Wir teilen in Folgen-
dem den Wortlaut der Altenaer Ordnung von 1662 nach v. Steinen,
Westfälische Geschichte III, 3, mit:


Freyheit Altena Draith-Ordnung.


Ordenynge und Maneer den Drait to kloven un to besichtigen.


Erstlich. Hefft die Ersame der Freyheytt Altena den tween ver-
ordenten von den Smeden eynen Kloven gegeven, den soellen sie eyn Jair
lanck hebn, und die Wecken, so vaken sey selvest luesten, van Husen to
Husen gain und den gesmeden Drait kloven und besychtigen. Befynden
sie dan den Drait oprechtig gesmedet, ist gudt, is hey aver nicht recht ge-
smedet, alsdan soellen sie to dem genen sprecken, dair sie denselvigen
Drait fynden, dat bey den den Smydt dair by late kohmen, dey ehn ge-
smedet hefft, und seggen ehme, dey Klovenmeystere off Besichtiger hebn
den Drait van ungewehrde gewyst, dat bey selvest ehn oick besey, ob dat
hey sich hiernegst voer synen schaden wette to hoeden.


Wehret aver, dat dey gene dair by soelck Drait befunden, den Smydt
nycht dair to komen leyte, sall hey als den selvest die Broecke dairvan
gelden, und die Smydt nycht. Und die Broecke soellen halff der Fryheit
[1178]Westfalen im 17. Jahrhundert.
und halff den Besychtigern erfallen syn. Und op watsteden die Knecht
pendet, sall die genne, so gepandt werdt, vehr pennynge geven tho Pant-
gelde.


Item hierbeneven is verordent, dat eyn yder Reydemester synem
Smede to yderm Stücke Draitz 14½ punt Yserns levern sall, dairvan sall
die Smydt 12 punt guden gesmeden Draitz weder leveren. So aver die
Smydt die 12 punt dair uth nycht maicken noch leveren konnde, sall ehm
die Mester so vyll Yserns dair op langen, dat hey dey 12 punt dair uth
gesmeden und geleveren koenne. Und blyvet dem smede weſs oper, sall
hey weder geven, dairvan mach hey to loine nehmen, wat hey krygen kan,
des sall bey tangen und beitell vann deſs Mesters ysern stainde halden.
Wehrenn aver van den Mestern und Knechten, die sich tosamen verbunden,
als nementlick, wannehr die Knecht 15 punt yserns entfenge, und leverde
vick 12 punt gesmedet, und woelde doch was ehme verveverde selvest be-
halden; ader so die Mester dem Knechte, so ehm an den 15 punden ge-
breecke, nycht dair op geven woelde, und die Knecht woelde dannoch
12 punt gesmedett leveren, sall eyn yder, so Mester so Knecht, derdehalven
schyllinck gebrocken heben.


Item, eyn yder Smydt sall by synem Eede verpflychtet syn, synen
Mester syn yseren so profytelick und woll to smeden, gelyck als wan hey
syn eygen ysern smedede, und weſs hey an den 15 punden yserns ver-
oevert, sall hey vick by syneme Ede synem Mester weder ynbrengen.
Wehr aver ymands, die anders befunden woerde, sall voer eynen Unman
gehalden werden. Dair op hebn die Smede, nu tor tyt syndt Hanttastynge
gedain, und die gennen hiernegst Mester Smede werden, soellen oick tor
Hanttastynge veplychtet synn.


Oick soellen die twee verordenten van den Bancktoegern, eyn yair
lanck eynen klovenn hebn, und alle wecken, so vaken sie lüestet van
Husen to Husen gain, unnd den Slepedrait kloven und besychtigen. Wann-
ehr dan die Drait recht getogen, ist gudt, so hey aver nicht recht getogen
is, soellen sie to dem gennen sprecken dair by sie den ungeschyckeden
Drait fynden, dat hey den toeger, dey soelcken Drait getogen hefft, dairby
kohmen late, und seggem ehme, die Klovemester off besychtigere, hebnn den
Drait van ungewehrde gewyst, dat hey selvest ehn oick beseyhe, damyt hey
sick hiernamails voer synem schaden to hoeden wette. Wehret aber, dat
die genne by welckem soelcke Drait befunden, dairynne versuemelich
woerde, und den Toeger nycht dairby khomen leyte alſsdan sall hey selvest
die Broecke derhalven geven, und die Toeger nycht. Und die broecke
soellen halff der Freyheit, und halff den Besychtigern erfallen synn, und
die genne, so gepant werdt sall dem Knecht vehr pennynge geven to pandt-
gelde.


Item. Oick sall eyn yder Bancktoeger by synem Ede verplychtet
syn synem Mester synen Drait so profytelick und woll tho theyn, gelyck
als wehre edt syn eygen Gudt. Wehret aver, dat eyn Bancktoeger etlicke
Middeldroemme, off anders weſs, in den Drait off Mutten stecke, welck man
woll theyn und to ghude maicken koinde, und die Besychtiger dairby
qwehmen, sall die genne so soelcks gedain hefft, derdehalven Schyllinck
[1179]Westfalen im 17. Jahrhundert.
gebrocken hebn, und dannoch gelycke woll soelcke Myddeldroemme off
anders, dat ungeschickt is, to ghude maicken. Dair op hebn die Banck-
toegere oick Hanttastynge gedain, wie von den Smeden obgeschreven steytt.


Item. Wan oick eynich Bancktoeger vann synem Mester, off ymandt
anders, eyigen gesmededen Drait entfange wairan ehn myſsduechte nycht
recht gesmedett wehre, sall hey bey denselvigen Drait allso gesmedet, den
twee verordenten der Smede vorbrengen, den to besychtigen; Ist hey dan
oprechtigt und in den Kloven gesmedet, ist gudt, so aver nycht, alsdan
soellen die gemelten twee verordenten soelcks den Boergermestern andragen,
und toe kennen geven, myt begherten, dat die genne, so denselvigen Drait
gesmedet hefft, doerch der Fryheyt Knecht gepandt moege werden. Die
Broecke sall syn derdehalff schyllinck, halff der Fryheyt und halff den Be-
sychtigernn. Dessall dannoch die genne so gepant werdt deme knechte
wehr pennynge geven tho pandtgelde. Item. Off oick yemandt ysern dat
nycht gudt en wehre, umb des lychtern pennyngswyllen, kopen wolde, und
dey Bancktoeger derhalven den Drait van soelkem ysern gesmedet nycht
yn den Kloven getheyn koende, sall ebn die Mester ynsunderheit dair to
wylligen, und so wyll dair voer doin, dat hey ehn in denn Kloven getheyn
koenne.


Item, off eyn Bancktoeger eynigen gesmeden Drait entfange, dey so
loese wehre und so vyll Myddeldroemme dair uth fellen, dat die Bancktoeger
to dem rechten gewychte nycht kohmen koende, alsdan sall die Mester ver-
plychtet syn, ehm andern gesmeden Drait dair voer to leveren, dairmyt hey
opt gewychte kohmen moege.


Item. Na datum hier undergeschreven 1) sall geyn Reydemester die
syn eygene Füer und smede hefft, van buthen heryn eynigen gesmeden
Drait koipen, oder koipen laten.


Doch wehre eyn arme Schemelman dey geyn eygen Füer noch knechte
hefft, dem sall man soelcks verginnen, doch by also, dat dieselvige Drait so
kleyne gesmedet sy, als man hier smedet. Wehr aber soelck uthwendigh
Draith groever gesmedet den man hier smedet, sall die genne, so den ge-
kofft hefft, van yderm Stücke der Fryheyt 15 pennynge und den Be-
sychtigern oick 15 pennynge gebrocken hebnn. Item, off oick eynich Banck-
toeger einen Oeverpennynk nehme, und toege soelken uthwendigen Drait,
dey nycht in den kloven gesmedet en wehre, sall dergelycken der Fryheyt
van yderm Stücke myt 15 pennyngen und den Besychtigern van den Banck-
toegern mit 15 pennyngen erfallen synn.


Item. Edt soellen oick die twee verordenten van den Kleyntoegern
eynen kloven hebn eyn Yair lanck, und wannehr sey kohmen dair sie
kleynen Drait fynden, die reyde gemaicket is, denselven soellen sey wegen
und kloven, is dan die Drait oprechtich, ist gudt, wan soelcks nycht, soellen
sey to dem gennen sprecken dairby sey soelken Drait fynden, dat hey den
Kleyntoeger die den getogen hefft, dairbykohmen late und segge ehm, die
Klovemester off Besychtigers, habn den Drait van unwehrde gewyst, und
[1180]Westfalen im 17. Jahrhundert.
dat hey selvest ehn oick besey, damyt hey sick hiernegst voer syneme
schaden wette to hoeden. Wehrt aver, dat die genne den Kleintoeger nycht
dairby kohmen leyte, sall hey die Broecken dairvan gelden, und die Klein-
toeger nycht. Und die Broecken soellen halff der Fryheyt, und halff den
Besychtigern erfallen syn. Und diegenne so gepant werdt, sall dem knechte
vehr pennynge geven to pandtgelde.


Item. Oick sall eyn yder Kleyntoeger, by synen Eede verpflychtet
syn, synem Mester synen Drait so profytelick und woll tho theyne, gelyck
off edt syn eygen gudt wehre. So aver saicke wehre, dat eynich Kleyn-
toeger synem Mester etlicken Draitt ynbrechte die nycht yn den kloven
getogen wehre, demselvigen Draide soellen die Besychtiger einen Bande
entwee brecken dan sall die genne, so den Drait getogen hefft, derdehalven
schyllinck, in maten wie vorgemelt gebrocken hebn, und sall dannoch den-
selven Drait weder nehmen und in den kloven theyn. Hierop hebn die
Kleyntoegere oick Hanttastinge gedain, als van den Smeden und Banck-
toegeren obgevoirt ist.


Item. Off eyn Kleyntoeger oick van synem Mester, ader van eym
andern, eynigen Slepedrait entfange, dairan ehm myſsduechte, nycht op-
rechtigt getogen wehre, sall bey denselvigen Drait also getogen, den tween
verordenten van den Bancktoegern voerbrengen, to besychtigen ist hey dan
recht getogen, is edt gudt, so des aver nycht, alsdann soellen die twee ver-
ordenten vorgemeldt, soelckes den Boergermestern toekenen geven, und be-
gehren der Fryheyt knecht, doerch welkern die genne sodann Drait ge-
togen hefft, gepant moege werden. Die Broecke aver, soll syn derdehalff
Schyllinck halff der Fryheyt, und halff den Besychtigern, und edt sall die
gepannte dannoch deme knechte vehr pennynge geven tho pandtgelde.


Item. Nyemandt sall eynigerley Drade Dyckern Bant gewen dan als
die Drait yn syck selvest Dycke is.


Item. Off eyn Bancktoeger ader Kleyntoeger van synem Mester, off
van eym anderen, eynigen Drait entfange, dairvan hey geynen kloven
Drait getheyn koende; sall hey dairvan maicken off theyn moegen wat hey
kann. Und edt sall eyn yder Reydemester verplychtet syn, dey syne eyene
knechte hefft, van denselvigen weſs sey in soelckem valle van synem ghude
gemaicken koennen, wyllichlick to entfangen. So aver die Mester sick des
weygerde, dairvan alsdan klaghe qwehme, und die knecht soelckes bewysen
koende, sall die Mester derdehalven Schyllinck gebrocken hebn, und dannoch
denselven Drait entfangen.


Item. Off die seſs verordeten eynigem Drait befünden, dairan eynem
stücke eyn ümbganck, eyn veerdeill pundtz ader eyn halff pundt unge-
fehrlich erfunden woerde, welck nycht yn den kloven genge, edt wehre
groff oder kleyndrait, yn deme dannoch soelck Drait yn den negsten kloven
ruemlich genge, van dem ersten tom lesten, sall die knecht derhalven un-
gefahrt syn und blyvenn.


Item, deſs soellen diese Seſs verordenten, alle vullenkohmene Macht
hebn, allerleye Drait to besychtigen und to wegen, ehr dat man ehn hyn-
wech foert ader tregt, foeren ader dregen leth, und wan sie eynigen Draitt
anders befynden, dan verordent is, so mannich Stücke des also befunden
[1181]Westfalen im 17. Jahrhundert.
werdt, so mannichmaill sall die genne, des die Drait is, derdehalven
Schyllinck gebrocken hebn halff der Fryheyt und halff den Besychtigern
und des soellen dannoch die Besychtigere van yderm Punt swairs drey
pennynge to loine hebn, und van eynem halven pundt swairs seſs veerynge,
wat aver under eym halven pundt swairs is, sall man nycht van geven,
und datselve loin, sall die genne des die Drait is uthgeven.


Item. Off oick eynich Draith van buthen heryn gekofft woerde, edt
wehre gesmedet ader getogen Drait, denselven gesmeden Drait, soellen die
twee van den smeden verordent besychtigen, die twee van den Banck-
toegern den Slepedraitt und Rynckendrait, und die twee van den Klein-
toegern verordent, den kleynen Drait. Wannehr sie dan eynigen uth-
wendigen Drait fynden, die anders gesmedet ader getogen is, dan man hier
smedet, ader thuet, und nycht yn den kloven geyt, soellen sie den Boerger-
mestern datselve anseggen, und begehrenn der Freyheit knecht, dat die
genne, so denselvigen Drait gekofft hefft, gepant werde. Die Broecke aver,
is derdehalff Schyllinck. Dairto sall noch die genne so gepant werdt, dem
Knechte vehr pennynge geven to Pandtgelde. Oick soellen diese vyll-
gemelten seſs verordenten, by ehren Eeden verplychtet synn, wannehr sie
yemandtz vernehmen, dey eynigen Drait ungeklovet und unbesychtiget uth
der Fryheit Altena foerde ader droege, foeren ader dragen leythe, dat-
selvige Boergermester- und Raide an to bringen, dat unsr Gnedige L. Here
und die Fryheit ehrer Broecken nycht verlueslick en werden.


Item. Off yemandt eynigen Drait hynwech foerde ader droege, foeren
ader dragen leyte, hey en wörde dan ersten van eynem uth den seſs, ver-
ordenten besychtiget, sall der Fryheit myt eyner Marck erfallen syn. Doch
so mannich Stüecke Draitz also hynnwech gefoirt ader getragen werdt,
umbesychtiget, so mannige Mark sall die geven, soelks dede, oder doin
leyte, gebrocken hebn, halff unsem Gnedigen L. Heren, und halff
der Fryheit.


Item. Wannehr eynich Boerger yrgenswair eynigen uthwendigen Drait
koeffte, denselvigen sall hey hier binnen Altena brengen und na obgenannter
Ordenyngen besychtigen laten; Woerde aver yemandt befunden, dy dair
entegen Dede, sall gebrocken hebn van yderm pundt swairs twee Marck,
eyne unsem Gnedigen L. Heren, und eyne der Fryheit.


Item. Wannehr oick eynich Draitt hier ynwendisch gesmedet ader
getogen befunden woerde, die nicht oprechtigt gesmedet ader getogen
wehre, sall dieselve so soelcken Drait gesmedet ader getogen hefft, eſs wehre
dan eyn stüecke, twee, drey ader vehr, dannoch nycht mehr gebrocken
hebn, dann derdehalven Schyllinck. Item. Off oick eynich Reydemester
synenn knecht twyngen woelde, dat hey van Slepedrade kleynen Drait,
kleyner und better theyn soelde, dan hey koende, sall die Knecht dairto
nycht verbunden syn. Doch watterleye Drait hey dairvan getheyn kan,
sall hey dannoch allet in den kloven theyn. Oick sall geyn Mester die syn
eygen füer hefft, eynigen Drait laten umsmeden. Wey aber anders befunden
werdt, sall, so Mester so knecht, derdehalven schyllinck gebrocken hebnn.


Item, Oick sall eyn Reydemester, dey Dreyschyllings Drait und vehr
schyllings Drait getogen wyll hebn, verplychtet syn, den Knechten 12 punt
[1182]Westfalen im 17. Jahrhundert.
myn eyn vehrteil to levern, dessall ehm dey knecht an ghudem reynen
Drade II pundt wederumb leverenn.


Item. Wehret oick saicke, dat sych dey nehrynge myt dem Drade, na
verlope der tyt vermehrde, ader vermynnerde, sall man sick oick na ge-
legenheit mit dem Loin geboerlick na halden und schycken.


Item. Off der Fryheit knecht yemandt uth befelhe der Borgermester
penden soelde, und dieselve schueldige alsdan pande wehrde, soelcks sall
man deme Drosten in stadt unsers gnedigen L. Heren toekennen geven,
denselvigen umb die Gewalt to straiffenn.


Item. Off yemandt eynigen Drait van eynem uth den seſs verordenten
besychtigen leyte, und dieselve Besychtiger soelcken Drait unfrohm wysede,
und die genne des die Drait is, alsden na eynem andern Besychtiger genge,
und leyte denselvigenn Drait doerch den andersmails besychtigen, des
Hoppens, die beste Besychtiger soelle soelcken Drait frohm wysen; Wey
also befunden woerde, sall der Fryheit vehr schyllinge gebrocken hebnn.


Item. Na diesem, sall nyemandt buten Altena eynigen Drait smeden
ader theyn laten, wey dair entegen befunden woerde, sall der Fryheit van
yderm stüecke, buthen der Fryheit gesmedet, ader getogen, derdehalven
schyllinck gebrocken hebnn 1).


In einem mit der Stadt Lüdenscheid 1686 wegen der Draht-
sorten abgeschlossenen Vergleich werden „Zwölf Rippen“ als feinste
Sorte aufgeführt, während im folgenden Jahrhundert noch vier feinere
Sorten dazu kamen.


Die Drahtmühlen, d. h. die Ziehbänke mit Wasserbetrieb, hatten
im 17. Jahrhundert in der Mark bereits allgemein Eingang gefunden.


Es ist deshalb nicht recht verständlich, wie in manchen Büchern
Jacob Momma und Daniel Demetrius im Jahre 1649 als Er-
finder derselben angegeben werden. Es wird diese Nachricht wohl
einen ähnlichen Grund haben, wie die englische, daſs die Draht-
mühlen 1663 von einem Holländer erfunden worden seien 2), weil ein
Holländer damals einen verbesserten Drahtzug in England einführte.


Auch den Drahtziehern war, wie sich aus der Ordnung ergiebt,
streng verboten, ihre Kunst auſser Land zu tragen. An Verführung
dazu fehlte es nicht; so hatten die Waldecker 1681 einen gewissen
Johann Rademacher von Iserlohn durch Versprechungen gewonnen, zu
ihnen zu kommen. Es gelang ihm, heimlich aus der Stadt zu entweichen.
Aber die Unthat wurde rasch ruchbar, der Magistrat lieſs ihn verfolgen,
bei Meschede wurde er ergriffen und „bono modo“, wie der Bericht sagt,
zurückgeführt. Ein groſser Miſsstand war es, daſs der Kaufmann fast
[1183]Westfalen im 17. Jahrhundert.
den ganzen Nutzen des Drahthandels hatte und den Fabrikanten, der
von ihm abhängig war, drückte. Um dem zu steuern, schlug 1662
der Kanzler Diest vor, die Fabrikanten sollten nur mit einigen Groſs-
händlern kontrahieren. Da diese aber zur Bedingung machten, daſs
sie nicht eher zu beziehen brauchten, bis ihr Vorrat verkauft sei,
wurde das Übel noch schlimmer.


Die Altenaer nahmen nun den Handel selbst in die Hand und ver-
kauften nach Köln und Wesel, aber die Iserlohner unterboten und so
sank der Drahtpreis 1686 um 20 Prozent. Das Stück Zwölfer-Rippen,
das bis dahin 40 Thlr. gekostet, wurde mit 32 Thlr. verkauft. Der
Magistrat legte sich ins Mittel und bewog die Reidmeister, drei Monate
keinen Draht auszuführen. Zugleich lieh man ein Kapital, von welchem
man denjenigen Reidemeistern, welche den Verlag so lange nicht aus-
halten konnten, den Draht zu einem festgesetzten mittleren Preis,
nämlich das Stück „Zwölf Rippen“ zu 36 Thaler, bezahlte. Ferner wurde
beschlossen, daſs, wenn Iserlöhner oder solche, die mit ihren eigenen
Pferden den Draht verschicken, nach Altena kommen würden, dort zu
kaufen, diese das Stück einen Stüber teurer bezahlen sollten, als jeder
andere Auswärtige. Auch wurde die Arbeitszeit täglich auf 9 Stunden
nämlich von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags, eingeschränkt.
Dieses hatte den Erfolg, daſs, ehe noch 2000 Reichsthaler von dem
aufgenommenen Kapital an die Reidemeister ausbezahlt waren, der
Draht wieder auf seinen vorigen Preis stieg.


Der gröſste Teil des Osmunds wurde in und um Lüdenscheid
zum Drahtziehen vorgeschmiedet und nach Altena gebracht. Ein
Zufall veranlaſste, daſs dieser Gewerbszweig für Lüdenscheid verloren
ging und die Altenaischen Fabrikanten den Osmund selbst schmiedeten.
Im Jahre 1682 behauptete nämlich die Stadt Lüdenscheid ein aus-
schlieſsliches Recht auf den Zug der gröberen Drahtsorten zu be-
sitzen und erwirkte einen Regierungsbefehl, wodurch deren Ver-
fertigung der Stadt Altena verboten wurde. Altena hielt sich
dadurch schadlos, daſs es keinen geschmiedeten Draht mehr kaufte,
sondern das Eisen selbst verschmiedete. Dies war ein groſser Ausfall
für Lüdenscheid und zwang es, 1686 einen förmlichen Vertrag mit
Altena über die Drahtsorten zu schlieſsen.


Schon im 16. Jahrhundert hatte sich die Osmundfabrik auch
im nördlichen Teile des Altenaischen Kreises stark ausgebreitet 1). Die
[1184]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Stadt Altena beschwerte sich damals, daſs wegen der Menge der in
ihrer Nachbarschaft gebauten Osmundschmieden alles Holz verkohlt
würde und Herzog Wilhelm von Cleve verbot durch eine Verordnung
vom 2. November 1559 den ferneren Anbau derselben. 1608 wurde
der Schmiedelohn von einem Altenaischen Karrn von 1352 Pfund
Osmund für den Schmied auf 2 Thlr. 30 Stüber und für den Hammer-
zieher oder Knecht auf 4 Kopfstücke festgesetzt, wobei es bis zum
Jahre 1768 geblieben ist. Um die nämliche Zeit, zu Anfang des
17. Jahrhunderts, scheint auch ein fester Preis für die Holzkohlen be-
stimmt worden zu sein. Die erste Vereinbarung der Osmundfabrik
ist vom 23. Februar 1662 und enthält folgende Punkte:


  • 1. Wird wegen der Überhäufung, gleich in den benachbarten
    Ländern ein Stillstand vom 1. April bis zum halben Mai und vom
    1. August bis zum halben September beschlossen und festgesetzt, daſs
    während dieser Stillstände auch kein Osmund aus dem Köllnischen
    (Sauerland) und Neustädtischen eingeführt werden solle.
  • 2. Wird der damals gestiegene Schmiedelohn wieder auf den in
    der Verordnung von 1608 bestimmten Satz herabgesetzt.
  • 3. Wird der Holzkohlenpreis um einen Blaumüser oder 7½ Stüber
    vermindert und der Preis des Fuders auf den Hammer geliefert in
    den Kirchspielen Lüdenscheid, Halver, Herschede, Hülschede und
    Wiblingwird zu sieben doppelten Blaumüsern oder 1 Thlr. 45 Stüber
    bestimmt, ein Preis, den die Kohlen bis zu Ende des siebenjährigen
    Krieges behalten haben.

Der Eisenverlust beim Osmundschmieden war damals noch sehr
hoch, er betrug 232 Pfund auf die Karre von 1352 Pfund. Man
schmiedete den Osmund zu kleinen Stäben mit rohem Ende aus.


Das kölnische Sauerland lieferte einen Teil des Rohmaterials der
Drahtfabrikation durch seine Osmundschmieden, die aber ihre eigent-
liche Heimat in der Mark hatten.


Am 2. April 1682 richteten die sämtlichen Osmundschmiede einen
Vergleich auf, wodurch dem Gewerbe eine Ordnung gegeben wurde.


Vergleich der Interessenten, zur Wiederherstellung des in
Abnahme gekommenen Osemund-Handels
.


  • I. Daſs weil der Handel in gering bemittelter Leute Hände gefallen,
    welche aus Mangel des Verlags den Osemund zur Gewinnung des Um-
    schlags unter Kauf gegeben und bloshin mit dem Gewinn ihres Fuhr- und
    andern Arbeitlohns zufrieden gewesen, wodurch der Markt in und auſser
    Landes verdorben, also ist gut gefunden:
    [1185]Westfalen im 17. Jahrhundert.
    • a) Daſs kein Reidemeister die Karre Osemund unter 33 Rthlr. zu
      Altena, und 32 Rthlr. zu Lüdenscheid, verkauffen, vertauschen, oder
      durch einige Zugabe in Waar oder Gewichte diesen Preiſs ersetzen, weniger
      per directum vel indirectum verringern solle, widrigenfalls er seiner Waaren,
      halb zu des Landesherrn, halb zu der Interessenten Disposition, verlustig,
      und auf ein Jahr des Schmidens entsetzet seyn solle.
    • b) Daſs keinem Fuhrmann, der nicht selbst einen Hammer hat, ver-
      stattet seyn solle, Reidung zu thun oder Schmiden zu pachten, und dabey
      seyn Fuhrwerk zugleich zu gebrauchen, gleichfals bey voriger Straffe, und
      daſs der Erbherr, so in Verpachtung seines Werks handeln würde, gleich-
      fals auf ein Jahr seiner Reidung beraubt seyn solle.
    • c) Daſs keinem Drath Reidemeister, vielweniger dessen Schmieden
      oder Zögern, welche keine eigene Werke haben, dieselbe unter voriger Ver-
      warnung, verpachtet werden sollen.
  • II. Weil durch Ueberhäufung der Waaren der Handel sehr zu Grunde
    gangen, so ist zwar in dem Reglement vom Jahr 1662 den 23. Februarius
    eine Frist zum Stillstand bedungen, es sol aber solche Frist, nach Befinden
    der Zeit und Gelegenheit, von der Obrigkeit und meist Interessirten erst
    regulirt werden; Auch sol auſser denjenigen Hämmern, welche jetzo zu
    Osemund angeleget, nicht gestattet werden, daſs fortan jemand einige Stab-
    eisenwerke zu Osemund Schmieden zu andern verlegen, sondern, da sich
    jemand dessen unterfangen würde, den Osemund Interessenten erlaubet
    seyn, solche Neuerung abzuschaffen, auch die Osemund Schmiede, so darauf
    zu schmieden sich gelüsten lassen würden, ein Jahr ihres Handwerks ver-
    lustig machen. Auch sollen alle Osemund Schmiede, so sich angeben, dis
    Handwerk zu lernen, sich eidlich verbinden, nicht auſser Landes dis Hand-
    werk zu treiben, oder Auswärtigen zu lehren.
  • III. Weil auch der Unterscheid des schlechten rauhen Eisens, den
    Preis des Eisens und Osemundes von gutem Grunde, in Abgang bracht,
    als bleibt zwar einem jeden frey, Sigisch oder schlecht Eisen, zu Ver-
    fertigung des groben Stangen- und Kesseldraths zu kauffen und zu ver-
    schmieden. Es sol aber der Reidemeister bey Verlust seiner Waaren und
    Reidung, gehalten seyn, nicht geringer denn von 31 Rthlr. zu Altena, und
    zu Lüdenscheid 30 Rthlr. zu verkauffen, und keinen Osemund von gutem
    Grunde 1), unter Vorgeben, als sey er von schlechten Grunde geschmiedet, in
    diesem Preiſs, bei gleicher Verwarnung, überlassen.
  • IV. Sol niemand auf eine Karre Osemund mehr denn 5000, jedes
    Hundert nach von Altersgebräuchlichem Gewichte auf 26½ Pfund so nach
    advenant auf eine Karre liefern, sondern auf Betretungsfall, des gelieferten
    verlustig werden u. f.

Dieser Kontrakt ist von den Interessenten unterschrieben und den
26. August 1686 vom Landesherrn bestätiget und darauf ferner von den
Interessenten hinzugethan, daſs keiner zur Reidung zugelassen werden
solle, welcher sich nicht eidlich zu diesem Kontrakt verpflichtet.


Beck, Geschichte des Eisens. 75
[1186]Westfalen im 17. Jahrhundert.

Form des Eides der Osemund Reidemeister.


Ich N. schwöre zu GOtt einen leiblichen Eid, daſs ich den Osemund
nicht unter den gesetzten Preiſs, biszu näherer Vereinbahrung, als die Karre
Bergisch Osemund, zu Altena nicht unter 31 Rthlr. und in Lüdenscheid
30 Rthlr. auch in dem gesetzten Gewicht in Lüdenscheid, als 27 Pfund auf
jedes Hundert und 5000 auf eine Karre verkauffen, und sonst dem Ver-
gleich vom 2. April 1682, in allen übrigen ohnveränderten Punkten und
Clauseln, wie auch dem heut aufgerichteten Receſs auch bis zu anderwärter
Vereinbarung gebührend nachleben, darauf steif und fest halten, und der
darinn verleibter Straff mich unterwerffen wil. So wahr mir GOtt hilft
und sein heilig Evangelium.


Nachdem man in Altena und Iserlohn mit der Herstellung von
Stahldraht begonnen hatte, nahm auch die Stahlfrischerei einen
gröſseren Umfang an.


Im Sauerland machte man meist Stahl und Eisen auf denselben
Hämmern. Zur Eisendarstellung bediente man sich der deutschen
Aufbrechschmiede oder Zweimalschmelzerei, zur Stahldarstellung der
märkischen Stahlschmiede. Die Stahlfabrikation war im Sauerland
nicht sehr alt, sondern wurde erst im letzten Viertel des 17. Jahr-
hunderts von Ibach und Clemens Bertram aus dem Bergischen in das
Land gebracht. Ebenso wurden Stahlreck- oder Raffinierhämmer erst
um diese Zeit eingeführt. Aus dem „Bördenstahl“ wurde der Stahl-
draht gemacht.


In der Herrschaft Sayn-Altenkirchen war zu Anfang des
17. Jahrhunderts der Rennwerksbetrieb noch im Gebrauch. Der Hoch-
ofenbetrieb hatte aber bereits die Herrschaft erlangt. Um der fort-
schreitenden Entwaldung Einhalt zu thun, wurde in der Hütten-
ordnung von 1603 (publiziert Oktober 1605) bestimmt: „es sollen
nunmehr keine Blas- und Hammerhütten von Neuem erbaut werden,
es sei denn, daſs der eine niedergerissen und an ein ander Statt oder
Ort gesetzt werde.“ „Keine Blashütte soll länger als das Jahr acht
Wochen, jede Woche 6 Tag vor eine Wochen gerechnet, sind 48 Tag
und Nächte gangbar sein, und soviel Tag die Hütten über Zeit im
Gang gelassen werden, soviel Zehn Gulden sollen sie verwûrkt
haben 1).“ „It., die Hammerschmiede sollen zwölf Wochen im Jahr zu
zweyen Zeiten müſsige Zeit haben von Christtag an bis auf Maria
Lichtmeſs und von St. Jacobi an bis auf Maria Geburt.“ Auch in
den gröſseren Rennhütten (Blauöfen) wurde auch „Goſseisen“ gemacht.
[1187]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Ein solcher Rennofen lieferte in 24 Stunden aus 4 Wagen zu 40 Ctr.
Eisenstein und 4 Wagen zu 176⅔ Kubikfuſs Holzkohlen 1 Wagen
= 16 Stallen = 2560 Pfund Goſseisen. Ein Schachtofen (Hochofen)
dagegen aus 5 bis 6 Wagen Eisenstein und 3¾ Wagen Holzkohlen
in 24 Gichten aufgegeben 40 bis 60 Stallen = 6000 bis 7000 Pfund
Goſseisen. Die Öfen für Rohstahl (Spiegeleisen) lieferten 4000 bis
5000 Pfund 1).


Von groſser Bedeutung waren die Platten-, Breit- oder Blech-
hämmer im alten Amte Olpe (aus den jetzigen Ämtern Olpe, Wenden
und Drolshagen bestehend). Die 15 privilegierten Plattenhämmer
bildeten eine Zunft, das sogenannte Schmiedeamt, welches den
Lehrlingen die eidliche Verpflichtung abnahm, ihr Gewerbe nicht
auſserhalb des Landes zu tragen. Die Zunftartikel der Breitwerks-
schmiede waren am 25. April 1672 landesherrlich bestätigt 2). In der
That war damals die Blechfabrikation Westfalens fast nur auf das
Amt Olpe beschränkt. Mit dieser Fabrikation war die Blechwaren-
fabrikation, namentlich die Herstellung von Ofenröhren (Piepen) und
Pfannen verbunden.


Eine groſse Bedeutung erlangte in diesem Jahrhundert der Be-
trieb der Reckhämmer, sowohl in der Mark als im Bergischen. Wie
man bei dem Drahtziehen die Menschenkraft durch die Wasserkraft
ersetzt hatte, so suchte man dies auch bei dem Schmieden zu thun,
zunächst für die vorbereitende Formgebung in dem Ausschmieden der
Luppen in Luppenstäbe; sodann für das Ausrecken des Luppen-
eisens in Stäbe von verschiedenen Querschnitten und Längen. Diese
Reckhämmer waren meist zugleich Gärb- und Raffinierhämmer. Ent-
weder wurde durch die Reckhämmer nur Schmiedeeisen gegärbt und
gereckt, oder es wurde Schmiedeeisen mit Stahl zusammenge-
schweiſst und ausgeschmiedet, oder es wurde nur Stahl in Packeten
geschweiſst und ausgereckt, letzteres war das eigentliche Raffinieren.
Daſs diese Reckhämmer bereits im 16. Jahrhundert bei der Solinger
Klingenfabrikation
eine groſse Bedeutung erlangt hatten, ist Seite
825 schon erwähnt worden. Im Jahre 1623 zählte man bei Lüttring-
hausen und Burg 26 bis 28 solcher Reckhämmer, welche alle für
Solingen arbeiteten. Aber auch im Solinger Bezirk entstanden im
17. Jahrhundert derartige Hämmer und es sind eine Reihe von Kon-
zessionsgesuchen zur Anlage von Schmiede- und Schleifkotten an den
75*
[1188]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Wasserläufen um Solingen herum vorhanden, gegen welche die Pächter
der Fischereien in der Regel Protest erhoben. Dieser mechanische Be-
trieb entzog den Schwertschmieden einen Teil ihrer Arbeit, sie sahen
ihn deshalb mit feindlichen Augen an. Sie behaupteten, und wohl
nicht ohne Grund, der Raffinierstahl der Wasserhämmer sei schlechter,
als der von ihnen mit der Hand geschmiedete. Sie setzten es auch
wirklich durch, daſs 1687 der Bezug des Materials von den Hämmern
für die Zunft verboten wurde 1); dasselbe sollte wieder wie früher
vom Schwertschmied aus freier Hand in drei Hitzen geschmiedet
werden und jeder neu aufzunehmende Meister Probe in der alten
Kunst ablegen. Aber schon der 1687 erlassene „Sechsmannsbrief“
bezweifelt die Durchführbarkeit dieser Bestimmungen: Das alte Ver-
fahren sei zu teuer und beanspruche zu viel Kohlen. — Die Ver-
hältnisse für die Solinger Industrie hatten sich im Laufe des Jahr-
hunderts sehr geändert. Im Anfang desselben stand die Solinger
Schwertfabrik noch in groſser Blüte. Aber schon kam die alte Sitte,
daſs jeder Mann eine Klinge trug oder besaſs, ab. Bei den Sold-
truppen wurde gleichförmige Bewaffnung eingeführt, wobei auf Billig-
keit bei der Anschaffung gesehen wurde. Dadurch trat die Massen-
produktion an Stelle der individuellen Erzeugung, in welcher Solingen
sich besonders ausgezeichnet hatte, indem es die mannichfaltigsten
Formen und Ausschmückungen zur Auswahl für jeden Geschmack
erzeugt hatte. Dies Verhältnis gestaltete sich noch viel ungünstiger
durch den 30 jährigen Krieg. Nach diesem hörte das Waffentragen
der Bürger ganz auf. Die Trennung des Kriegerstandes von dem
Bürgerstande wurde eine vollständige, nur der erstere ging in Waffen,
diese aber wurden von den Landesregierungen in Massen bezogen.
Auf Güte der Ware wurde weniger gesehen als auf den Preis. Die
Sackhauer und andere ordinäre Klingen konnten auch andere machen.
Es entstanden Klingenfabriken an anderen Orten, welche Solingen
Konkurrenz machten und die Fürsten unterstützten die Anlagen
solcher Waffenfabriken in ihren Landen. — Solinger Schmiede, durch
Versprechungen verlockt, brachen den Verbleibungseid, flohen und
gründeten im Auslande Konkurrenzwerkstätten. Dies geschah zuerst
1661, in welchem Jahre eine Anzahl Arbeiter nach Eilpe, Gevelsberg
und Hagen flohen und dort grobe Klingen schmiedeten. Der Groſse
Kurfürst von Brandenburg unterstützte sie eifrig und so entstand be-
sonders zu Eilpe eine nicht unbedeutende Fabrikation von „Sackhauern“
[1189]Westfalen im 17. Jahrhundert.
oder groben Militärklingen. Die Solinger Klingenschmiede, die sich
in Eilpe ansiedelten, standen unter der Leitung eines Clemens Engels
aus Solingen. Man räumte ihnen 8 Wohnungen, 1 Stahlhammer,
10 Schmieden und 3 Schleifkotten ein. Bald darauf wurde in ähn-
licher Weise auch zu Wetter die Klingenschmiederei eingeführt.
1664 erhielten die Klingenschmiede zu Wetter ein Privilegium, welches
ihnen allein im Amt Wetter das Recht zusprach, mit Klingen zu
handeln und den Verkauf ausländischer Klingen verbietet.


Diese Verhältnisse übten auf Solingen, wie auf die anderen vor-
mals hochberühmten Waffenplätze, den schwersten Druck aus. Dazu
hatte Solingen ebenfalls im 30jährigen Kriege schwer zu leiden
gehabt. Spanische, brandenburgische, kaiserliche, hessische, schwedi-
sche und oranische Kriegsvölker kämpften um seinen Besitz und am
3. Mai 1630 lieſsen die Kaiserlichen, welche die Stadt nach tapferer
Gegenwehr erstürmt hatten, eine groſse Zahl der waffenfähigen
Bürger über die Klinge springen. Solingens Wohlstand wurde durch
den Krieg zerrüttet; während aber die Industrie der altberühmten
Waffenplätze Toledo, Armata und Bergamo durch die Ungunst der
Zeitverhältnisse gänzlich zu Grunde gingen, wuſste der betriebsame
energische Geist der Solinger Bürgerschaft der Not der Zeit Rech-
nung zu tragen und sich aus dem Elend wieder emporzuarbeiten.
Viel trug hierzu die genossenschaftliche Organisation bei. In ihr, so-
wie in den alten strengen Verordnungen der Bruderschaften suchte
man denn auch das Heil, indem man dieselben erneuerte und ver-
schärfte. Wenn dies auch in gewisser Art ein Anachronismus war,
so erhöhte er doch das Selbstvertrauen und das Standesbewuſstsein,
welches die Solinger Eisenarbeiter über alle Schwierigkeiten hinweg-
half. Die Solinger jener Zeit werden geschildert als „fleiſsige Leute“,
voll Selbstvertrauen, die stolz waren auf ihre Privilegien, deshalb
an dem Alten und Hergebrachten hingen, sich aber auch durch An-
hänglichkeit an ihre Heimat, ihre Familie und ihr Gemeinwesen aus-
zeichneten. Ihren Abschluſs fanden die Bestrebungen, die alte Zunft-
ordnung wieder aufzurichten, in dem 1687 erlassenen Sechsmanns-
brief
. Darin wurde die alte Lehrlingsordnung erneuert, denn die Güte
der Waren hatte dadurch gelitten, daſs die Kaufleute solche von schlecht
ausgebildeten Meistern anfertigen lieſsen. Die Bestimmungen über
die Lehrzeit und das Meisterstück wurden deshalb von neuem ein-
geschärft. Ebenso die strengen Vorschriften über die Kontrolle, wo-
nach jede Ware doppelt gezeichnet werden muſste, mit dem Erb-
zeichen des Meisters und mit dem Schauzeichen der Stadt. Beim
[1190]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Verkauf war groſse Unordnung eingerissen, dadurch, daſs privilegierte
Kaufleute mehr Klingen schmieden lieſsen, als ihnen zukam, daſs
manche Schmiede ihre Klingen selbst bereideten und zum Verkauf
auſser Land trugen und daſs Unprivilegierte mit schwarzen Klingen
Handel trieben. Durch alles dieses wurden die Preise und die Löhne
herabgedrückt. Man erneuerte daher das alte Verbot des gleich-
zeitigen Arbeitens und Handeltreibens und gestattete den Unprivile-
gierten nur den Handel mit fertigen in- und ausländischen
Schwertern. — Die Konkurrenz der Kaufleute untereinander und die
Überspekulation wurde dadurch eingeschränkt, daſs bestimmt wurde,
kein Kaufmann solle, auſser zu den gewöhnlichen Messen nach Frank-
furt, Leipzig, Straſsburg, Nürnberg und anderen bestimmten Orten,
reisen oder Klingen und andere Solinger Ware verschicken. Die
Güter nach Hamburg, Lübeck, den Ostseeländern, Polen, Dänemark,
Schweden, sowie nach Köln, Amsterdam, den Niederlanden, Frank-
reich, Spanien, Italien, England u. s. w. durften nur zweimal im Jahr,
im März oder April und im September oder Oktober, je nach der
Witterung versendet werden. Und zwar durften die Klingen, aus-
genommen die gewöhnlichen Messerklingen, nur auf Bestellung oder
wenn die Preise vorher festgesetzt waren, verschickt oder mitgenommen
werden, weil durch das Ausbieten der Waren die Preise gedrückt
wurden.


Der Hauptzweck des Sechsmannsbriefs war der, jedem, namentlich
auch dem Arbeiter, den ihm gebührenden Gewinnanteil zukommen zu
lassen, während zuvor „die Kaufleute ihre Libertät benutzt hatten,
um den geringen Bruder zu vernichten, so daſs die Armen kaum das
Brot verdienen konnten“. Schon 1673 hatte man deshalb eine Lohn-
ordnung erlassen. Diese wurde dahin erweitert, daſs die Sechsmänner
im Verein mit den Vögten und Ratleuten, unter denen kein Kauf-
mann sein durfte, mit Wissen des kurfürstlichen Obervogts alljähr-
lich von neuem nach Gestalt, Güte, Tugend, Teuerheit des Materials,
Zeitläuften, Ort der Auskunft, aufgehende Kosten, Gelegenheit des
Abgangs u. s. w., sowohl den Lohn der lohnarbeitenden Schleifer,
Härter, Schmiede, Reider u. a., als auch den Preis der Halbfabrikate,
wie der schwarzen Klingen, der Scheiden und der fertigen Schwerter
in billiger Weise festsetzen sollten. Unter diesen Sätzen durfte nicht
gearbeitet, auch weder in- noch auſserhalb des Landes verkauft
werden, widrigenfalls der Kaufmann auf drei Monate seine Handels-
berechtigung verlor. — Damit die Taxen nicht umgangen würden,
sollten die Materialien, wie Eisen, Stahl, Stein- und Holzkohlen u. s. w.,
[1191]Westfalen im 17. Jahrhundert.
welche auf den Markt gebracht wurden, nicht von den Kaufleuten,
sondern von den Meistern gekauft werden, und damit der geringere
Bruder nicht übervorteilt werde, wurden die Preise festgesetzt. Die
Zahlungen an die Handwerker muſsten wie früher ohne Abzug und
nicht anders als in barem Gelde oder in gutem Eisen und Stahl er-
folgen, nie aber in Viktualien, Ellen- oder anderen Waren. Jeder
Zwischenhandel war verboten.


So lange die Kaufleute im Stande waren, die Arbeit und die
Klingen mit Bargeld nach Inhalt der Ordnung zu bezahlen, erhielten
sie den Vorzug vor Fremden. Gelang es einem Meister nicht, einen
angemessenen Preis zu erhalten, so vermittelten zuerst der Vogt und
Rat, dann die Sechsmänner den Verkauf; gelang es aber auch diesen
nicht innerhalb 14 Tagen, so durfte der Handwerker mit Vorwissen
von Vogt und Rat die Schwerter fertig machen lassen und auch an
Fremde, die nicht zum Handwerk gehörten, verkaufen; hierüber
muſste aber ein Protokoll aufgenommen werden.


Den ärmeren Genossen wurde das „Amunitionsgut“, wie gemeine
Kunden, Platten, Pampen, Häuer, breite Dorfplatten, Pfannenstiele,
Rappiere u. s. w. zum Schmieden, Schleifen und Härten allein über-
lassen, ihnen aber die Freiheit vorbehalten, auch an feineren Waren
zu arbeiten; dabei sollten sie sich alles Überfleiſses enthalten und
sich der billigen Ordnung unterwerfen. Auch den auſser dem Handwerk
stehenden Vergoldern, Ätzern u. s. w. wurde ein Monopol erteilt.


Dieser Sechsmannsbrief ist das letzte Denkmal für den streng
handwerksmäſsigen Betrieb der Solinger Klingenindustrie, doch konnte
er den Schritt der Zeit nicht aufhalten, die mehr und mehr der
Fabrikarbeit und dem Freihandel zudrängte.


Die Kunst der Klingenschmiede stand im 17. Jahrhundert immer
noch in groſsem Ansehen und sind die Namen vieler hervorragender
Meister jener Zeit bekannt. Wir erwähnen: Peter Broch, Joh. Hart-
kopf, Theil Köller, Adolf Kronenbergk, Joh. Meffert und Pet. Schimmel-
busch (1600); Christof Pols (1603), Pet. Tesche (1604, 1610, 1618),
Thomas Wolferts (1607), Johannes Berns, Meves Berns (1611, 1613),
Pet. Weyersberg (1611 bis 1617), Heinrich Brabenter, Joh. Keindt
(Kind bis 1620), Joh. Wilh. Kirschbaum (1620), Wilh. Tesche (1621),
Peter Henkel (1624), Joh. Tesche (1624), Hans Moum, Pet. Knecht
und Abr. Krebs (1630), Georg Steigentesch (1630), Pet. Clauberg
(1632), Clemens Weyersberg (1636), Clemens Wolferts (1636 bis 1678),
Jürgen Wolferts 1638, Hans Olig (1640), Pet. Münch (1649), Jacob
Lohbach, Clemens Pater, Pet. Müller (1650), Peter Bras von Meigen,
[1192]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Clemens Pöcter, Paulus Tesche (1650), Pet. Wilhelm (1650 bis 1688),
Hermann Clauberg (1631), Pet. Hahn (1620 bis 1660), Cornelius Wundes
(1637), Joh. Berg gestorben 1720 (101 Jahr alt und war viermal
Bürgermeister von Solingen), Pet. Weyersberg (1658 bis 1670), Pet.
Wundes (1683), Matthias Wundes (1684), Joh. Wundes (1693), Lutter
Clauberg (1677), Heinrich Hartkopf (1655 bis 1665), Pet. Stamm (1685),
Georg Wolferts (1683 bis 1695), Clemens Woller, Andr. Brabanter
(1694). Viele der genannten waren Bürgermeister von Solingen, und
zwar in den angegebenen Jahren. Verschiedene Solinger Meister
arbeiteten in Spanien, z. B. Clemente Dinger, der signierte: Lig.
Clemente Dinger espadero. Mi signal parajo — Anno 1677 und
Enrico Gol: „Spada del Rey“ — „En alemania fecit“ und „Mi sinnal
Santismo Crucificio“.


Das Handwerk der Messermacher in Solingen hatte in Folge
der Verordnung von 1596 einen ziemlichen Aufschwung genommen.
Dies hatte aber alsbald eine Überproduktion zur Folge, gegen welche
am 10. März 1603 eine neue Verordnung erlassen wurde1). Durch diese
wurden die „geprannten“ Messer, welche nicht mit Hauben und
Platten bereidet waren, auf ein Jahr abgeschafft. Da vielfach Messer
mit schlecht bereideten Elfenbeinschalen in den Handel gebracht
worden waren, sollte diese Arbeit nur denen überlassen werden,
welche sie verständen; der Unterschleif, Hefte aus Ochsenbein für
elfenbeinene zu verkaufen, wurde streng verboten. Um überhaupt
die Garantie für die Tüchtigkeit der Waren zu erhöhen, sollte keine
dem Kaufmann geliefert und von diesem ausgeführt werden, bevor
sie nicht von drei Beschauern aus den drei beschlossenen Handwerken
der Schwertschmiede und zwei aus dem Messermacherhandwerk be-
sichtigt worden waren. Jeder Beschauer erhielt für seine Mühe einen
Gulden kölnisch; diese Belohnung wurde den Strafgeldern entnommen,
welche von mangelhaften Waren erhoben wurden; sonst sollte jeder
Handwerker seinen Beschauer bezahlen, damit der Kaufmann sich
nicht beschwere.


Da die alten Vorschriften vielfach wieder zum Nachteil des
Handwerks übertreten wurden, so wurde in einer Bestätigung des
Privilegiums von neuem eingeschärft, daſs keiner Meister werden
durfte ohne Lehrjahre und Meisterstück, sowie, daſs die Meister der
drei beschlossenen Zünfte sich der Messermacher-Ordnung unterwerfen
muſsten. Andererseits wurde die Arbeitsteilung verboten, indem
[1193]Westfalen im 17. Jahrhundert.
weder Meister noch Kaufleute schwarze und ungeschliffene Messer
kaufen noch verkaufen durften; die Messer sollten vielmehr in der
Werkstätte des Meisters ganz fertig gestellt werden, und es wurde
demselben das Quantum vorgeschrieben, welches er samt Knecht und
Jungen wöchentlich machen durfte. Je nach Gestalt, Güte und Waren-
abgang wurden die Messer von Vogt und Rat auf einen billigen Preis
gesetzt und dementsprechend am 28. Juli 1644 eine Satzordnung be-
stätigt.


Durch alle diese Verordnungen wurden jedoch noch immer nicht
die verheerenden Einfälle der Schwertarbeiter beseitigt; dieselben
lehrten sogar unprivilegierten Arbeitern das Messermachen. Wieder
erhoben sich deshalb Streitigkeiten, welche am 21. Oktober 1653 zu
dem Vergleiche führten, worin alle früheren Satzordnungen und Privi-
legien bestätigt wurden und dem Schwertfegerhandwerk das Ver-
sprechen auferlegt wurde, den von ihm aufgenommenen fremden Per-
sonen nicht mehr das Messermachen zu lehren. Am 27. September
1658 wurden die Bedingungen des Meisterwerdens nochmals für alle
Handwerke in Erinnerung gebracht.


So hatte sich auch in dem Messermacher-Handwerk der streng
handwerksmäſsige Betrieb siegreich bis in die zweite Hälfte des
17. Jahrhunderts hinein behauptet. Noch war das Handwerk durch
die selbständigen Kleinmeister repräsentiert. In dieser Zeit begann
aber die Ausbildung der Hausindustrie, welche nach und nach die
Lohnarbeit zum herrschenden System machte. An Stelle der Kämpfe
der Meister untereinander beginnt jetzt der Kampf der Lohnarbeiter
gegen die Arbeitgeber: diesem gegenüber einigen sich die Meister aller
Handwerke.


Die Ursache dieses Umschwungs war der Handel. Kaufleute,
privilegierte und unprivilegierte, und reichgewordene Fertigmacher
waren es, welche aus der Hausindustrie Nutzen zogen, indem sie die
Herstellung einzelner Teile den zu Hause für Lohn arbeitenden Ge-
werbetreibenden übergaben und diese Teile dann selbst zur fertigen
Ware bereideten oder bereiden lieſsen. Der Meister war durch die
„Leibgebühr“, d. h. durch das vorgeschriebene wöchentliche Pro-
duktionsmaximum, sowie durch die gesetzliche Bestimmung, nur einen
Knecht und einen Jungen halten zu dürfen, zum Kleinbetrieb ver-
urteilt. Die Stellung des Meisters verlor dadurch an Ansehen gegen-
über der des Fertigmachers und des Kaufmanns, und das Streben
jedes tüchtigen Meisters ging dahin, selbst Fertigmacher zu werden.
In guten Zeiten zogen die Meister mit ihren Waren nun auch selbst
[1194]Westfalen im 17. Jahrhundert.
auf die Messen und besonders nach Holland. Hatten sie an dem
Hausierhandel einmal Geschmack gefunden, so lieſsen sie auch in
schlechten Zeiten nicht leicht davon ab, wurden aber dann meistenteils
durch die Not gezwungen, ihre Waren zu Schleuderpreisen loszu-
schlagen, wodurch sie auch die Preise der Kaufleute drückten und das
ganze Handwerk schädigten. Dazu kam noch, daſs die holländischen
Händler ihnen statt barem Geld meist Waren, Kaffee, Zucker,
Öl u. s. w. in Zahlung gaben. Mit diesen Artikeln muſsten sie, da
sie kein bares Geld heimbrachten, wieder die Arbeiter bezahlen.
Dadurch entstand ein verderbliches Trucksystem zum Nachteil der
Arbeiter und nur zum Vorteil der Kaufleute, welche den armen
Handwerkern die Waren mit groſsem Gewinn abhandelten. Die Ar-
beiter waren um so mehr dazu gezwungen, ihre Waren zum Kauf-
mann zu tragen, weil sie durch diesen ihre Rohmaterialien, Eisen, Stahl,
Holz u. s. w., beziehen muſsten. So hatten die Kaufleute allen Nutzen,
die Handwerker allen Schaden dieser neuen Einrichtung.


Gegen diese verderblichen Neuerungen erhoben sich die selb-
ständigen Handwerksmeister, setzten eine Kommission ein und er-
langten am 18. November 1687 eine Revision ihres Privilegiums,
welche zugleich mit dem Sechsmannsbrief publiziert wurde. Hierdurch
wurde auch bei den Messermachern noch einmal der alte handwerks-
mäſsige Betrieb formell vollständig wieder hergestellt.


In erster Reihe stand die Sorge für tüchtige Arbeiter, Materialien
und Waren. Um Meister zu werden, muſste man eine Lehrzeit von
sechs Jahren, in welcher sowohl das Schmieden als das Reiden ge-
trieben wurde, ausgestanden haben, ein Meisterstück anfertigen,
24 Jahre alt sein, ein Eintrittsgeld von zwei Goldgulden zahlen und
sich in die Handwerksrolle eintragen lassen. Alle diejenigen, welche
im Laufe der Zeit sich widerrechtlich als Meister etabliert hatten,
sollten suspendiert werden.


Sowohl die von den Hammerschmieden gelieferten Stangen Stahl,
wie die fertigen Messerklingen sollten mit den Erbzeichen der Meister
versehen werden, welchen nach der Schau durch die Ratsleute das
allgemeine Beizeichen hinzugefügt wurde, ohne welches kein Schleifer
eine Klinge schleifen durfte.


Um die Selbständigkeit der Handwerksmeister zu sichern, wurde
gegen die Arbeitsteilung angekämpft; jeder Einzelne sollte zugleich
schmieden, reiden und fertigmachen. Dadurch sollten die Hand-
werker aus Lohnarbeitern wieder selbständige Meister werden. Die
Preise der Rohmaterialien wurden festgesetzt. Der Kaufmann sollte
[1195]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Stahl, Eisen, Knochen, Hölzer u. s. w. zu billigem Preise gegen Bar-
zahlung ablassen, aber weder den Meister überfordern, noch viel
weniger Messer gegen die Materialien eintauschen, damit durch diese
Umgehung der Meister nicht wieder zum Lohnarbeiter würde.


Das Sinken der Warenpreise hoffte man durch eine Einschränkung
der Konkurrenz zu erreichen, indem nämlich jeder Meister erklären
muſste, ob er Handel treiben oder fabrizieren wollte.


Die Meister durften nur nach einer festen Satzordnung an die
Kaufleute verkaufen. Diese Ordnung sollte von jedem Kaufmann
unterschrieben und alljährlich unter Zuziehung des Obervogts durch
einige Kaufleute und Handwerksleute nach Ertrag und Abgang revi-
diert und in ihrer Ausführung durch die gewöhnliche eidliche Um-
frage kontrolliert werden. Unter den festgesetzten Preisen durfte
Niemand verkaufen. Die Preise sollten bar in gangbarem Gelde be-
zahlt werden. Es durfte keiner mit Messern handeln, der nicht vorher
alle Ellen- und andere Waren abgethan hatte. Aller heimliche und
verbotene Zwischenhandel, Schmuggel und Zollhinterziehung wurde
mit 10 Goldgulden bestraft. Wenn fremde Kaufleute oder Krämer
nach Solingen kamen, sollten sie die Messer direkt von den Meistern
kaufen; vorher muſsten sie sich beim Vogt und Rat melden, die
Ordnung unterschreiben, und hatte nach altem Brauch der aus-
wärtige Kaufmann oder Krämer einen halben Gulden zu entrichten.
Um unter den Meistern die Arbeit und das Einkommen gleich
zu verteilen, wurde vorgeschrieben, wieviel jeder Meister mit seinem
Knecht und Jungen in der Werkstätte verfertigen durfte und die
erste Übertretung dieser Vorschrift mit drei Goldgulden, die zweite
mit der Strafe der Entsetzung vom Amt auf ein viertel Jahr be-
droht.


Um die Umgehung der ganzen Verordnung zu verhüten, wurden
die Kaufleute aus der Vogts- und Ratsbedienung ausgeschlossen.


Diese energische Verordnung kam aber wie der Sechsmannsbrief
zu spät. Die Praxis war über die Voraussetzungen bereits zur Tages-
ordnung übergegangen. Die Arbeitsteilung war schon zu einer That-
sache geworden, welche sich auf dem Wege der Verordnung nicht
mehr aus der Welt schaffen lieſs.


Wir haben schon erwähnt, daſs 1661 die Fabrikation ordinärer
Klingen nach Eilpe übertragen wurde. Nicht nur die fürstliche
Unterstützung, sondern mehr noch die billigeren Preise für Kohlen
und Eisen brachten die Industrie daselbst zu rascher Blüte, wodurch
Solingen empfindliche Konkurrenz erwuchs. Nach und nach bekamen
[1196]Westfalen im 17. Jahrhundert.
die märkischen Fabriken die Herstellung gewisser grober Klingen-
sorten ganz in ihre Hände.


Die Steinkohlen waren es, welche hauptsächlich diese Ver-
schiebung bewirkten und schon damals die Veranlassung der Ent-
stehung neuer Industriecentren wurde. Die Vermehrung der Reck-
und Raffinierhämmer in der Mark hatte ebenfalls ihren Grund in
dem billigeren Steinkohlenbezuge.


Von Alters her war die Fabrikation der geschliffenen oder weiſsen
Sensen
, welche in Kronenberg ihren ältesten und wichtigsten
Sitz hatte, mit der Solinger Industrie eng verbunden gewesen. Auch
bei ihr herrschte der handwerksmäſsige Betrieb, und gerade das zähe
Festhalten an demselben wurde die Veranlassung, daſs ein groſser
Teil der Meister in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in die
Mark auswanderte, wodurch die Kronenberger Sensenindustrie nach
und nach so zurückging, daſs sie dem Erliegen nahe gebracht wurde.


Neben der Sensenfabrikation blühte in Kronenberg die Hand-
schmiederei, welche aber auch in Rückgang geriet und mit der Zeit
fast ganz nach Remscheid auswanderte. Zu diesen Umwälzungen
trugen die Einwanderungen betriebsamer Niederländer gegen Ende
des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts, welche vor
der Schreckensherrschaft und den Religionsverfolgungen der Spanier
geflohen waren und welche im Bergischen und Märkischen eine neue
Heimat fanden, viel bei; ebenso die zweite französische Einwanderung
nach Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685, welche von dem
Groſsen Kurfürsten in jeder Weise begünstigt wurde. Im Jahre 1600
war Kronenberg noch der anerkannte Vorort der bergischen Sensen-
fabrikation. Vom 5. Juni dieses Jahres datiert das älteste erhaltene
Privileg1). Dasselbe spricht von „Waren und Waffen“ und wurde
erlassen für die in den Ämtern Elberfeld, Beynenburg, Burg und
Bornefeld ansässigen Sensenschmiede, Sensen- und Stabschleifer. Der
Hauptsitz der Industrie war Kronenberg, denn aus diesem Orte sollte
der Vogt zwei Jahre nacheinander gewählt werden, das dritte Jahr
aus Remscheid oder Lüttringhausen; von den sieben Ratsleuten stellte
jenes drei, und daselbst war auch der Sitz des Gerichtes.


Die Betriebsform der Industrie war die handwerksmäſsige und
ihre Verfassung eine höchst einfache, da die Schmiede in eigenen
Werkstätten das Material ohne Arbeitsteilung verarbeiteten; einzig
die Schleifer standen zu ihnen im Verhältnis von Lohnarbeitern. Die
[1197]Westfalen im 17. Jahrhundert.
Zahl der Meister war beschränkt, keiner durfte auswandern. Zu den
Meistern gehörten sieben Kaufleute zum Teil in Solingen, welche mit
Sicheln, Sensen und Schneidemessern handelten. Das Meisterrecht
erwarben nur Meistersöhne; kein Schmied durfte das Schleiferhand-
werk und umgekehrt erlernen. — Umfang des Betriebes und die
Warenpreise wurden jährlich geregelt. Zu diesem Zweck muſsten
alle Schmiede und Schleifer an einem bestimmten Tage vor Vogt
und Rat erscheinen und demselben die ganze Lage und den Gang
des Handels vorlegen und angeben, auf wie groſsen Absatz wohl in
den einzelnen Ländern gerechnet werden könnte. Nach einem Monat
wurde dann mit Wissen der herzoglichen Beamten angeordnet, wieviel
und welche Sorten ein jeder Meister fabrizieren durfte, und zwar
sollte dem geringen Schmiede gerade soviel zugeteilt werden als dem
reichen. Für alle Waren wurden dann die Preise festgesetzt, je nach
der Konjunktur und den Preisen von Stahl, Eisen, Knechtslohn u. s. w.
entsprechend. Einen Tag nach St. Ewald wurden die Marktreisen
angeordnet, welche jeder Handwerker unternehmen muſste; keiner
durfte vor dem anderen verreisen oder Güter auſserhalb der Märkte
verschicken. Wer seine erste Reise that, sollte 15 Thlr. zahlen; von
diesem Betrage, welcher ermäſsigt werden konnte, fiel ein Drittel an
die Armen, ein zweites an das Handwerk, das dritte an die Kompagnie
der Reisenden. Die daheim bleibenden Brüder sollten ihre Ware
innerhalb ihres Handwerks veräuſsern; fanden sich aber keine Käufer,
so durfte ein jeder noch auſserhalb desselben sich solche suchen und
so teuer als möglich, keinenfalls aber unter den festgesetzten Preisen
verkaufen. War diese ganze Ordnung auf selbständige handel-
treibende Handwerksmeister berechnet, so wollte man dieselben auch
davor bewahren, zu Lohnarbeitern zu werden und verbot den
Schmieden, aus ihren Werkstätten Stahl und Eisen an andere Orte
fortzutragen oder verführen zu lassen: was sie in ihrer Schmiede ab-
hauten, sollten sie auch verarbeiten und bei den Schleifern schleifen
lassen.


Die Güte der Waren war verbürgt durch die Geschicklichkeit
der Schmiede, welche eine vier- und der Schleifer, die eine dreijährige
Lehre zu bestehen und ein Meisterstück zu fertigen hatten; sodann
durch die Beschauung der Waren auf den Schleifkotten und endlich
durch das doppelte Zeichen des Meisters und der Beschauer. Die
wider guten Willen und Wissen von ihren Meistern geschiedenen
Knechte sollte keiner in Dienst nehmen, ehe er sich mit seinem
früheren Herrn verglichen hatte.


[1198]Westfalen im 17. Jahrhundert.

Die Rechtsprechung über Gewerbs- und Handelsstreitigkeiten lag
dem Vogt und den Ratsleuten, unter Berufung an den herzoglichen
Obervogt, ob. Das Schmiedehandwerk war also eine geschlossene,
erbliche Zunft, die voll Eifersucht über ihre Privilegien wachte.


Die groſsen Vorrechte der Kronenberger hätten bei dem Aufblühen
Remscheids und der Werke an der Enneper Straſse allein genügt, den
Zunftverband zu sprengen. Eine unmittelbare Veranlassung hierzu
gab die Einwanderung zahlreicher Fremder nach der Aufhebung des
Ediktes von Nantes. Die alten Meister, namentlich zu Kronenberg,
wollten die Fremdlinge nicht dulden. Hierüber entbrannte ein Zwist
in der Zunft selbst, welche im Jahre 1687 eine Anzahl Schmiede
veranlaſste, in die Grafschaft Mark auszuwandern, wo sie mit offenen
Armen aufgenommen wurden. Am Gevelsberge, an der Enneperstraſse,
bei Hagen und Eilpe fanden sie billigere Kohlen und billigeres Eisen,
treffliche Wassergefälle für Hammerwerke und Schleifkotten, wohl-
feilere Lebensmittel und unter der kurfürstlich brandenburgischen
Regierung Gewerbefreiheit. Arbeitslöhne und Warenpreise stellten
sich vorteilhafter. Die nicht mehr durch die Zunft gebundenen
Unternehmer konnten groſse Aufträge übernehmen und ausführen,
die Kaufleute waren nicht mehr durch die Prätensionen der Hand-
werksmeister beschränkt und so kam rasch die Eisenindustrie an den
genannten Orten in Blüte, während Kronenberg seine alte Industrie
nach und nach fast vollständig verlor. Schon bei der ersten Ein-
wanderung der Niederländer hatte Kronenberg der Einwanderung der
Fremden Widerstand entgegengesetzt, was die Veranlassung wurde,
daſs Remscheid Kronenberg bald überflügelte.


Den Niederländern verdankt Remscheid die Anlage von Hammer-
werken, welche bald die Handschmiederei des Renneisens in den
„Iserschmitten“ verdrängten. Die niederländischen Gewerbetreibenden
förderten den Handel mit ihrer alten Heimat und 1676 läſst sich be-
reits umfangreicher Handel mit Remscheider Eisen- und Stahlwerk
nach Holland und Brabant nachweisen.


In Kronenberg wurden 1642 die ersten Wasserräder erbaut und
1700 gab es dort nur 11 Stück. — Nach dem Niedergang der
Sensenschmiederei verlegten sich die Kronenberger auf das Nagel-
schmieden.


Durch die Einwanderung der Franzosen nach 1685 wurde haupt-
sächlich die Schleiferei in Remscheid gefördert, die nach und nach
fast ganz in die Hände eines thätigen Industriellen, Pickard aus der
Pikardie, überging. Auſserdem führten aber die Franzosen noch viele
[1199]Die Rheinprovinz im 17. Jahrhundert.
andere neue Artikel und neue Modelle ein; besonders fing die
Fabrikation der Werkzeuge, Schlösser und Hausgeräte damals in
Remscheid an.


Das Schmieden geschah im 17. Jahrhundert noch meistens mit
der Hand. Der älteste Wasserhammer in Remscheid wurde 1642
angelegt. Im Burgthal bei Burg sollen Schweden, die im 30jährigen
Kriege dorthin gekommen seien, ein Hammerwerk angelegt haben.
In Remscheid entstanden weitere Eisenhämmer in den Jahren 1680,
1682 und 1687. Im Jahre 1676 bereiste bereits ein Remscheider
Kaufmann Holland, Brabant u. s. w., um Handelsverbindungen an-
zuknüpfen. — In Burg befand sich gegen Ende des Jahrhunderts
eine Gewehrfabrik. Vielleicht war dies der von den Schweden an-
gelegte Hammer.


Die Nachrichten über die Eisenindustrie der Rheinprovinz im
17. Jahrhundert sind nur dürftig.


In Aachen blühte die Nähnadelfabrikation. Dieselbe war im
Anfang des 16. Jahrhunderts von einem spanischen Niederländer
Namens Wolter Vollmar begründet worden, woher auch die Nadeln
ihre Bezeichnung spanische Nadeln erhielten. Seit 1631 war auf
Befehl des Senats der Name Aachener Nadeln eingeführt worden.


Aus der Eifel erfahren wir, daſs die Einkünfte der Herrschaft
Kronenberg (Cronenburg), zumeist aus dem Eisen, auf 5000 Gulden
veranschlagt wurden. 1620 wurde die Hütte bei Jünckerath neu auf-
gebaut und einem Herrn de l’Eau verliehen.


Die Eisenindustrie der Eifel hatte aber entsetzlich unter den
Drangsalen des 30jährigen Krieges zu leiden und kam dem Unter-
gang nahe. Die Grafen von Schleiden und Blankenheim, auf deren
Gebiete sich der gröſste Teil der „Reitwerke“ befanden, thaten Alles,
um dieses Unglück abzuwenden. Sie lieſsen den Reitmeistern den
Pacht nach und gaben ihnen wiederholt die Holzkohlen umsonst ab.
Bei dieser Gelegenheit erfahren wir Näheres über die Höhe der
Abgaben. Jedes Hammerwerk hatte 16 Goldgulden Hammerzins,
14 Rädermark an Empfanggeld, 8 Rädermark Recklohn, eine Liefe-
rung von 22 Ctr. Eisen und dann noch 15 Heller Accisgeld von
jedem Centner Eisen zu leisten. Diese Abgaben wurden nachgelassen
in den Jahren 1610, 1618, 1657, 1673 und 1696, doch geschah
dies immer unter der Einschränkung „bis auf bessere Zeiten“. Im
Jahre 1698 kam zu jedem Werk eine „Schorrenmühle“, d. h. ein
Schlackenpochwerk, gegen eine Jahresabgabe von einem Goldgulden
hinzu.


[1200]Die Rheinprovinz im 17. Jahrhundert.

Am 3. Januar 1689 verkauften die Grafen Karl Ferdinand und
Karl Kaspar von Manderscheid-Gerolstein ihr Hüttenwerk zu Mühlen-
born an Joh. Carl Coels. Die Eisenwerke Eichelshütte und Hämmer-
scheu bei Eisenschmitt wurden zwischen 1670 und 1690 von dem
Kloster Hemmerath erbaut.


Die Eisenhütte von Stromberg auf dem Hundsrücken erwarb
1649 der unternehmende Kaufmann Jean Mariot aus Lück (S. 1085)
für 2000 Thlr. Die Erze muſsten mit hohen Kosten von Daxweiler,
Dohrsheim und Sprendlingen nach der Hütte gefahren werden. Wegen
des weiten Transportes und der hohen Zölle und Wegegelder kam
die Hütte 1664 zum Erliegen. Sie wurde auch von den Mariots nicht
wieder in Betrieb gesetzt, sondern fiel ins Freie.


Im Saargebiet wird das im 16. Jahrhundert erbaute Hüttenwerk
zu Neunkirchen 1614 und 1634, zu welcher Zeit es in Bestand (Pacht)
gegeben war, erwähnt1). 1635 kam das Neunkircher Werk in Folge
des 30jährigen Krieges, welcher die ganze Gegend in eine Wüste
verwandelte, zum Stillstand. 1653 wurde es durch Schmiede aus dem
Schleidener Thale wieder aufgenommen, die aber eben so wenig wie
ein späterer Pächter aus dem Birkenfeldischen bei der allgemeinen
Entvölkerung und Verarmung des Landes den Betrieb fortzusetzen
vermochten, so daſs letzterer in den 1670er Jahren auf landesherr-
liche Rechnung übernommen werden muſste.


Zu Geislauten war auſser der alten „Schmelze“ schon vor 1615
auch eine Hammerhütte vorhanden. Gegen 1680 wurde eine Eisen-
schmelze beim Schmiedenborn (Jägerfreund) und etwas später eine
solche zu Sulzbach angelegt.


Die zum Saargebiet gehörige Dillinger Hütte, die schon 1628 be-
standen haben soll, war lothringisch. 1685 erteilte Ludwig XIV. dem
Marquis von Lenoncourt die Konzession, daselbst eine „forge de fer
et d’acier“ zu errichten, von welcher Konzession auch sofort Gebrauch
gemacht wurde, so daſs die Hütte, mit welcher eine Schmelze in Ver-
bindung stand, bereits 1690 der Besatzung von Saarlouis die nötigen
Öfen und sonstigen Guſswaren liefern konnte. Von Interesse ist auch,
daſs als erster Direktor der Hütte ein Jesuitenpater Namens Renard
auftritt.


Im Kurfürstentum Sachsen hatte die Eisenindustrie ebenfalls
schwer durch die Stürme des 30jährigen Krieges zu leiden. Doch erhielt
sie gerade zum Beginn desselben einen neuen Impuls durch die Ein-
[1201]Sachsen im 17. Jahrhundert.
führung der Weiſsblechfabrikation angeblich um das Jahr 1620 durch
einen aus Böhmen vertriebenen Geistlichen. Diese Industrie fand in
Sachsen, welches zu Altenberg, Ehrenfriedersdorf, Eibenstock und Geyer
Zinnbergwerke besaſs, bald Verbreitung und für viele Jahrzehnte hatte
das Kurfürstentum Sachsen ein förmliches Monopol für diese neue
Fabrikation, deren Produkte sich rasch einbürgerten. Ganz Europa
wurde mit Weiſsblech aus Deutschland und hauptsächlich aus Sachsen
versehen. Sächsisches Weiſsblech wurde jedem anderen vorgezogen.
Das Schwarzblech dazu lieferten zahllose Hämmer im Erzgebirge,
welche in den waldreichen Gegenden desselben angelegt waren und
denen es deshalb nicht an Holz gebrach. Die Blechhämmer und
Zinnhäuser lagen in den Ämtern Schwarzenberg, Wolkenstein und
Lauenstein. Der Engländer Yarranton, welcher 1650 Sachsen be-
reiste, schreibt1): Die Eisen-, Zinn- und Kupferwerke liegen in dem
Thal, welches von Saigerhütte („Segar-hutton“) an den Städten Anna-
berg, Schneeberg und Marienberg vorbei bis herab nach Aue sich zieht:
in den Hügeln und Bergen finden sich die Erze: in den Thälern
sind die Flüsse, an welche die Werke gebaut sind. Die Hügel und
Berge sind wenigstens zehn Meilen in der Runde voll von Wald zur
Versorgung der Werke; nicht ein Acker Land liegt wüst: An dem
Abhang der Hügel ist eine Unzahl von Sägemühlen, durch Wasser
betrieben, welche alle Arten von Tannen und Eichen schneiden; diese
werden zur Sommerzeit nach dem Elbefluſs geschafft und von da
nach Hamburg verschickt. Bei dieser Ordnung und Berücksichtigung
aller Handelsvorteile ist die Gegend merkwürdig bevölkert und sehr
reich und gewährt dem Herzog ein groſses Einkommen.


Das ganze Eisenhüttenwesen unterstand einer Hammerinspektion.
Die älteste Blech-Hammer-Ordnung ist aus dem Jahre 1647. 1660 er-
lieſs Kurfürst Johann Georg II. eine neue Ordnung, in welcher auch
genaue Vorschriften über das Verzinnen enthalten waren; sie hieſs:
„Hammer-Ordnung Churfürst Johann Georgen II. zu Sachsen vor die
Blech-Hammer-Werke in den Aemtern Schwarzenberg, Wolken- und
Lauenstein anno 16682).“ Am 22. Mai 1686 erschien von demselben
Fürsten eine verbesserte Blech-Hammer-Ordnung3).


Den Hauptinhalt derselben haben wir bereits oben mitgeteilt
(S. 985). Die beiden Blech-Hammer-Ordnungen wurden erlassen, weil
Beck, Geschichte des Eisens. 76
[1202]Sachsen im 17. Jahrhundert.
durch Überproduktion und Preisschleuderung der ganze Blechhandel
in Rückgang gekommen war.


Um dem abzuhelfen, wurden genaue Vorschriften über den Um-
fang der Produktion gegeben. Auſserdem wurde in beiden Ordnungen
bestimmt, daſs innerhalb von 12 Jahren keine neuen Blechhämmer
und Zinnhäuser errichtet werden dürften. Durch Befehl vom 3. März
1687 wurde noch festgesetzt, daſs die hohen Öfen bei den Blech-
und Stabhammerwerken jährlich nur 24 Wochen gehen sollten. Als
Blechhammergewerke werden in der Ordnung von 1660 aufgeführt:


Michael Gottschalk, die Uttenhofische Wittwe mit dem Zinnhaus,
Heinrich Siegel zu Schönheyda, Matthes Gnasje, Abraham Siegel, Heinrich
Siegel zu Unter-Plauenthal, Rosina Schnorr, Kaspar Wittich, Hiero-
nimus Müller, Hans Rüdiger, August Roths Erben, Gottfried Rübner
und Konsorten zu Rittersgrün. Unter diesen war Kaspar Wittich ein
besonders groſser Hammerherr, der auſserdem Hammerwerke in Böhmen
und im Herzogtum Sachsen besaſs; dennoch unterwirft er sich aus-
drücklich dieser kurfürstlichen Ordnung. Gottfried Rübner soll seinen
neu privilegierten Blechhammer nicht eher in Gang setzen, bis die
Blechwaren wieder in bessere Aufnahme gekommen seien und Michael
Gottschalk soll nach wie vor sein Holz aus Böhmen holen dürfen.


Die niedrigen Preise bei dem sächsischen Blechhandel waren
aber wohl nicht allein Folge der Überproduktion, sondern auch der
ausländischen Konkurrenz. Daſs sowohl in Böhmen als im Herzog-
tum Sachsen 1660 Weiſsblechhämmer bestanden, sehen wir aus dem,
was eben über Kaspar Wittich bemerkt wurde, als auch aus der
„Gleits-Ordnung“ von 1660, in welcher auf ausländische verzinnte
Bleche 4 Gr. pro Centner Zoll erhoben wurde. Diese Ordnung war
ausdrücklich für die böhmische Grenze erlassen.


In dem Kurfürstentum Sachsen war das Eisen und der Eisen-
handel Regal. Die zwei fürstlichen Eisenkammern waren zu Pirna
und Dresden. In diese muſsten die Eisenhämmer ihre Waren ab-
liefern. Daſs die Gieshübeler Eisenwerke noch immer von Bedeutung
waren, geht daraus hervor, daſs 1614 und 1660 die Eisen- und Hammer-
ordnung von Gieshübel erneuert wurde. In der von Kurfürst Johann
Georg I. am 1. August 1614 erlassenen Ordnung wurde auch festgesetzt,
welche Städte ihr Eisen von der Pirnaischen und welche von der
Dresdener Eisenkammer zu beziehen hatten. Allen anderen Eisen-
händlern wurde das Geschäft verboten und die Einfuhr fremden
Eisens untersagt. Alle Händler, Schmiede und Fuhrleute muſsten
ihren Eisenbedarf von den inländischen Hütten beziehen. Das Eisen
[1203]Sachsen im 17. Jahrhundert.
für die Dresdener Kammer wurde von Pirna aus dorthin geliefert.
Weitere auf die Eisenkammern bezügliche Verordnungen wurden im
17. Jahrhundert noch erlassen 1658, 1676 und 16861).


Dennoch machte die Eisenkammer zu Pirna 1686 so schlechte
Geschäfte, daſs sie aufgelöst wurde. Dafür wurde auf alles fremde,
namentlich auf böhmisches Eisen ein Grenzzoll und Licenzgebühr ge-
legt. Zum Schutz der Kupferhütten wurde den Eisenhammermeistern
im Erzgebirge und im Pirnaischen Revier verboten, Brau- und Bier-
pfannen, Kessel und Ofentöpfe zu gieſsen.


Von dem Eisenwerk Erla bei Schwarzenberg bemerken wir noch,
daſs 1626 dem Franz Rüdiger auf Sachsenfeld, einem Schwager von
Nikolaus Klinger, des früheren Inhabers, alle Freiheiten und Ge-
rechtigkeiten von Johann Georg I. erneut privilegiert wurden. Den
7. August 1650 verkaufte Frau Rosina Rüdiger Wittib in Mosel das
durch den 30jährigen Krieg ganz überschuldete Hammerwerk an
Friedrich Röhling, Stadtrichter zu Schwarzenberg, und ihren Sohn
Hans Rüdiger zu Behrfeld (Beyerfeld) für 3700 Gulden; Vorräte
waren nicht vorhanden. — Nach dem 30jährigen Kriege verlieh 1653
der Kurfürst Johann Georg II. „dem bescheidenen ehrsamen Mann
Herrn Ortband und Katharina, deſs ehelichem Weibe, den Hof zu
Schwarzenberg und den Hammer in der Erla. Aus den kurfürstlichen
Eisen- und Hammerordnungen entnehmen wir weiter, daſs von dem
Eisenstein, wie von den übrigen Metallen, der Zehnte bezahlt werden
muſste, und zwar auf Verlangen der Herrschaft in Geld; auſserdem
von jedem auf der Halde vermessenen Fuder 1 Gr. Ladegeld. Auch
eingeführtes, ausländisches Erz hatte dieses zu entrichten.


Die Wag Eisen war festgesetzt auf 40 Pfd. Nürnberger oder
44 Pfd. Leipziger Gewicht. Der Stabschmied sollte aus 1 Ctr. rohem
Eisen von 7 Stein2) dritthalb Wag Eisen schmieden oder von 10 Ctr.
soll der Frischer 1 Ctr. ausschmieden, d. h. in Abgang schmieden
und 11 Ctr. zu 5 Steinen ausbringen, also im Verhältnis von 14:11
= 78,6 Proz. Auf die Wag Eisen bekam der Stabschmied einen
Kübel Kohlen, der Frischer aber auf 1 Ctr. gefrischtes Eisen
1¼ Kübel Kohlen. Drei Stäbe sollten einen Stein austragen, jeder Stein
sollte besonders gebunden werden (Ordnung von 1583).


Bei den Blechen unterschied man nach der Stärke Kreuz-, Fuder-
und Senklerblech, wovon letzteres das dünnste war. Die Bleche
76*
[1204]Sachsen im 17. Jahrhundert.
wurden verzeichnet und in Fäſschen geschlagen. Gingen sie in das
Reich, so wurden in ein Fäſschen 300, nach Holland 450 und nach
Italien auch wohl 600 Blatt eingeschlagen.


Von 1 Ctr. gefrischtem Eisen muſste der Blechmeister andert-
halb Schock Dünneisen verfertigen.


Ein Schock Dünneisen sollte 120 Blatt oder anderthalb Schock
Bodeneisen haben und 48 Pfund wiegen. Alles Eisen hatte Waggeld
zu bezahlen, und zwar:


  • 1 Schock Bleche, 1 Wag Eisen und 1 Ctr. gegossenes Eisen je 1 Gr. 6 Pf.
  • 1 Ctr. Sturzbleche   3 „ — „

An Zoll (Geleitsgeld) wurde nach der „Gleitsordnung“ vom
15. März 1660 entrichtet:


  • Für 1 Ctr. inländische schwarze Bleche   1 Gr. — Pf.
  • „ 1 „ „ weiſse Bleche   2 „ — „
  • „ 1 „ ausländische schwarze Bleche   2 „ — „
  • „ 1 „ „ weiſse Bleche   4 „ — „
  • „ 1 Wag ausländisches Eisen   6 „ — „
  • „ 1 „ inländisch Eisen, so auſser Land geführt wird   — „ 3 „
  • „ 1 Ctr. gegossenes Eisen, wie Öfen, Kessel, Blasen und dergl. — „ 8 „
  • „ 1 „ Stahl   — „ 8 „
  • „ 1 „ Draht   — „ 8 „

und nach der „Vermehrten Gleits-Rolle von 1678“:


  • Für 1 Ctr. Steyermärkisch geschmiedete Eisenwaren, als Beile,
    Meiſsel u. s. w.   1 „ — „
  • „ 1 „ Sensen, Sichel oder Futterklingen   1 „ — „

Ferner war Land- und Waren-Accis an die kurfürstliche Rent-
kammer zu zahlen, worüber bereits am 1. Oktober 1615 eine Ordnung
erlassen worden war.


  • Hiernach war zu zahlen: Für 1 Ctr. inländisches Blech   — Gr. 3 Pf.
  • „ 1 „ ausländisches Blech   — „ 6 „
  • „ 1 „ inländischen Stahl   — „ 4 „
  • „ 1 „ ausländischen Stahl   — „ 8 „

In einer neuen Accisordnung vom 18. Januar 1641 wurden statt
der Gewichtszölle Wertzölle eingeführt, und zwar für Eisen, Draht,
Blech von 1 Thlr. Wert 3 Pf. Diejenigen, welche schon den Zehnten
zu entrichten hatten und das Eisen für ihren Gebrauch kaufen
muſsten, waren von Accis befreit.


In der Taxordnung vom 31. Juli 1623 wurden folgende Preise
festgesetzt1):


[1205]Sachsen im 17. Jahrhundert.
  • 1 Korb Kohlen zu   7 bis 10 Gr.
  • 1 Wage Kronen- oder Polnisch Eisen   1 fl. 6 „
  • 1 „ zwier geschmelzt Eisen je nach der Güte   22 bis 26 „
  • 1 „ Schien-Eisen   1 fl. 5 „
  • 1 „ Stab-Eisen ist dem zweigeschmolzenen gleich.

Hierbei wird bestimmt, daſs ohne besondere Zulassung kein Eisen
auſser Landes verkauft werden darf. Über die Warenpreise der
Schlosser und Kleinschmiede, der Plattner, Büchsenschmiede und
Sporer, Messerschmiede, Feilenhauer, Zirkel- und Bohrerschmiede,
Windenmacher, Grob- und Hufschmiede, Nagel- und Zweckenschmiede
verweisen wir auf die angeführte Verordnung. Nur folgende Preise
greifen wir heraus:


  • 1 gemeines Stubenthürschloſs   1 fl. 15 Gr.
  • 1 Hausthürschloſs   4 „ — „
  • 1 gemeinen Schlüssel   — „ 1 „
  • 1 Hauptschlüssel   12 bis 15 „
  • 1 Panzer „ein Küriſs, so forne Schuſsfrey“   20 „ 30 fl.
  • 1 gemein Küriſs   14 „ 15 „
  • 1 Reuter-Rüstung   8 „ 9 „
  • 1 Soldaten-Rüstung   5 „ 6 „
  • 1 Degen mit schlagfreier Klinge   3 „ 4 „

u. s. w.


1 Bille (Pille) 12 Gr., Nagelbohrer 3 Pf., Feilen und Raspeln 3
bis 7 Gr., gröſser nach dem Gewicht, — 1 Beiſszange 2 bis 4 Gr.,
1 Hammer 2 bis 5 Gr., 1 Zimmer-Säge 18 bis 21 Gr., 1 neues Huf-
eisen 1 Gr. 6 Pf., 1 Hemmkette 6 Ellen lang und stark 2 fl. 6 Gr.,
1 Schock starke Lattennägel 4 Gr., 1 Schock Hufnägel 18 Pf. (s. S. 977),
1 Zimmeraxt 12 bis 15 Gr., 1 Holzaxt 7 bis 9 Gr., 1 Schlichtbeil 12
bis 20 Gr., 1 Fleischbeil 4 bis 6 Gr., 1 Handbeil 3 bis 4 Gr., 1000
beste Nadeln 12 Gr., mittlere 10 Gr., gewöhnliche 8 Gr. Spanische
Nähnadeln das 100 12 Gr. 1000 Stecknadeln 5 Gr.


Die festbestimmte Schmelzzeit für die Eisenhütten, welche früher
vom St. Georgentag bis Martini gedauert hatte, wurde ebenso wie
die Verkohlungszeit von Mariä Verkündigung bis Gallitag durch
Resolution vom 6. September 1675 aufgehoben und dafür bestimmt,
daſs jedem Hammerwerk, welches seinen ganzen Bedarf aus den kur-
fürstlichen Waldungen beziehen muſste, 800 Schragen Holz, denen aber,
die Gelegenheit haben, Holz aus Privatwaldungen oder aus Böhmen
zu beziehen, 400 bis 500 Schragen jährlich zugewiesen werden sollten.
Die Hammermeister zu Gieſshübel muſsten jede Woche mit den
Köhlern abrechnen.


In Bezug auf die Löhne der Hüttenarbeiter wurde 1660 bestimmt,
daſs diese bei den hohen Öfen nicht einheitlich geregelt werden
[1206]Brandenburg im 17. Jahrhundert.
sollten, weil die Arbeit je nach der Beschaffenheit der Erze zu ver-
schieden sei, es auch den hohen Ofenmeistern überlassen bleiben
sollte, ihre Leute wöchentlich oder nach dem Centner zu lohnen.


Die Schmiede, Frischer, Aufgieſser und Zerenner dagegen, welche
halbjährlich gedinget werden sollten, und zwar von Weihnachten bis
Joh. Baptista und von da wieder bis Weihnachten, sollten für das
halbe Jahr erhalten: Ein Vorschmied: Gedinggeld 1 Thlr.; Geschenk
1 bis höchstens 2 Thlr. Ein Frischer: ebenso. Ein Aufgieſser: Ge-
dinggeld 8 Gr., zum Geschenk höchstens 1 Thlr. Ferner erhält der
Vorschmied von jeder Wag Eisen 9 Pf. bis 1 Gr., der Frischer eben-
soviel, für das aber für die Blechschmieden Gefrischte 2 Gr. 6 Pf. für
den Centner. Der Frischer zahlt dem Jungen oder Aufgieſser von der
Wag 6 Pf., auch wohl je nachdem einen Wochenlohn von 21 bis 24 Gr.
der Zerenner für jeden schweren Centner, wenn er den Pocherknecht
lohnt, 4 Gr. Der gewöhnliche Tagelohn betrug damals in Sachsen
2 bis 3 Gr. ohne Kost und 18 Pf. mit Kost. Von jedem Pochwerk
von 3 bis 4 Stempel hatten die Hammermeister jährlich 5 Gulden
Zins zu entrichten.


In Brandenburg hatte ebenfalls das Eisengewerbe schwer
unter dem Elend des 30 jährigen Krieges zu leiden. Nach Be-
endigung desselben bemühte sich der Groſse Kurfürst mit Eifer und
Verständnis um die Hebung desselben. Den Eisenwerken bei Neu-
stadt-Eberswalde wendete er sein besonderes Interesse zu. 1613
wurde schon bei Neustadt-Eberswalde ein Eisenschmelzofen und ein
Hammerwerk betrieben1); ebenso legte Kurfürst Johann Sigismund
damals den kurfürstlichen Hammer zu Hegermühle an. 1676 wurde
dieser erneuert und zwei Blechhämmer angelegt. Zu Gunsten der-
selben verbot Kurfürst Friedrich Wilhelm 1688 die Einfuhr fremder
Bleche2). Dieses Verbot wurde von seinem Nachfolger 1691 erneuert,
davon ausgenommen waren nur einige auf die Frankfurter Messe und
auf die Jahrmärkte einiger Städte zum Verkauf gelieferte Sorten. 1685,
nach Aufhebung des Ediktes von Nantes, kamen auf die Einladung des
Groſsen Kurfürsten hin viele französische Emigranten nach Branden-
burg. Unter diesen befand sich ein gewisser Moise Aureillon, welcher
sich in einer Vorstellung an den Kurfürsten erbot, eine Eisenspalterei
bei Neustadt-Eberswalde anzulegen. Unter dem 8. September 1698 er-
hielt er eine Konzession dafür, „seine vorhabende Eisenspalterei und
[1207]Brandenburg im 17. Jahrhundert.
Drahtzieherei“ zu erbauen. Im Jahre 1700 wurde der Bau des Eisen-
schneidwerks, dessen weitere Geschichte in das 18. Jahrhundert fällt,
vollendet.


Zu Alt-Glünick im Kreise Arnswalde wurde 1666 ein Eisenhammer
betrieben. Zu derselben Zeit bestand bei Fürstenow eine „Stahl-
mühle“ und eine Gewehrfabrik.


Das Eisen, welches die Schulenburgische Hütte bei Lieberose
lieferte, war so geschätzt, daſs es, wenn fremdes Eisen verboten wurde,
was innerhalb der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts sechsmal ge-
schah, mit dem schwedischen Osemund stets vom Verbote ausgenommen
wurde.


Das Peitzer Hüttenwerk hatte Kurfürst Georg Wilhelm unter
seine besondere Obhut genommen. 1620 lieſs er ein zweites Luppen-
feuer dort erbauen. Zu Gunsten der Peitzer Eisenhütte erlieſs der
Kurfürst am 10. März 1640 aus Königsberg ein Mandat, wonach die
Eisenhändler und Schmiede kein anderes als zu Peitz geschmiedetes
Eisen verhandeln und kaufen sollten. 1641 wurde der Betrieb durch
den Einbruch der Schweden gestört. Das Werk wurde an den
Hammermeister Klisse verpachtet, der aber trotz aller Anstrengung
nicht zurecht kam. 1643 brannte die Hütte ab. Sie wurde vom
Kurfürsten wieder aufgebaut und in fürstliche Verwaltung genommen.
Aus den Rechnungen von 1647 geht hervor, daſs aus einer Luppe
1¼ Ctr. Eisen geschmiedet wurde, der Centner wurde mit 2 Thlr.
12 Gr. verkauft. Der Absatz von Ostern 1644 bis 1645 betrug
989½ Ctr. auſser vier Hakenplatten zu 3 Thlr. pro Centner. 1658
erlieſs der Kurfürst ein Reskript wegen des Neubaues eines Hochofens
an den Rat und Hauptmann zu Kottbus und Peitz: „Wir (Churfürst
Friedrich Wilhelm) haben verordnet, daſs bei unsrer Veste Peitz ein
hoher Ofen, worin Kugeln, Granaten und andere Sachen von Eisen
gegossen werden sollen, erbawet werden soll. Wie wir dann die
Hammerleute, die in bawen und ausarbeiten sollen, allbereit vom
Harz anhero verschrieben.“


Der Hochofen wurde 1658 in Betrieb gesetzt. Bei den Kosten-
berechnungen sind die Selbstkostenpreise der Guſswaren eingesetzt,
und zwar 1 Ctr. Stückgut mit 3 Thlr. 10 Gr., 1 Ctr. Kugeln mit 1 Thlr.
12 Gr., 1 Ctr. Granaten mit 1 Thlr. 18 Gr., 1 Ctr. Grapen 3 Thlr.,
1 Ctr. Sorten mit 1 Thlr. 12 Gr.


Am 29. Mai wurde ein Edikt erlassen, welches, mit Ausnahme
des schwedischen Eisens für immer und des Schulenburgischen zu
Liebrose, bis zum Jahre 1668 die Einfuhr und Verarbeitung fremden
[1208]Brandenburg im 17. Jahrhundert.
Eisens zum Schutze der Peitzschen und Krossener Eisenwerke strenge
verbot. Dieses Edikt wurde im Laufe des Jahrhunderts fünfmal er-
neuert. 1667 wurden in Peitz die ersten drei- und sechspfündigen
eisernen Kanonen in Brandenburg gegossen. 1668 wurden 7336 Ctr.
Stückkugeln von allen Gröſsen aus dem Hochofen gegossen. Ende
des 17. Jahrhunderts wurden die Werke verpachtet.


Die Eisenhütte zu Zehdenik wurde 1620 in Folge der Kriegs-
unruhen eingestellt und kam erst nach dem 30jährigen Kriege wieder
in regelmäſsigen Betrieb. Die Akten darüber beginnen erst 1653
wieder; damals war das Werk verpachtet. 1664 wurde auf Ver-
anlassung des Groſsen Kurfürsten daselbst der erste Hochofen von
Benjamin Bonnel und Peter Rochet erbaut, welcher hauptsächlich
für Erzeugung von Munition bestimmt war.


Von dem Eisenwerk von Tschirndorf, Kreis Sorau, erfahren wir
nur, daſs es 1622 im Besitz der Familie Kuhhasse war. Der alte
Teuplitzer Hammer wurde 1668 betrieben. Der spätere Pleiske-
hammer bestand in der Mitte des 17. Jahrhunderts als Döbbernitzer
Hammer. Bereits 1616 wird der Kunnersdorfer Eisenhammer erwähnt,
welcher damals dem Sigismund von Schlichting gehörte.


Von Bedeutung war noch die Eisenhütte bei Neustadt an der
Dosse im Kreise Ruppin1). Die Herrschaft Neustadt a. d. Dosse war
1644 an den schwedischen General-Feldmarschall Graf Königsmark
und 1662 an Landgraf Friedrich von Hessen-Homburg mit dem
silbernen Bein übergegangen. Dieser verband sich 1663 mit seinem
Vetter, dem Groſsen Kurfürsten, zum gemeinschaftlichen Betrieb des
Werkes. In einem weiteren Reskript von 1664 heiſst es, daſs die
Anlage des hohen Ofens und Frischfeuers nach den Angaben des
Peter Rochet erfolgen solle. 1667 übernahm der Landgraf den Be-
trieb allein gegen eine jährliche Abgabe von 500 Thlr. Es wurden
Stückkugeln und Guſswaren verfertigt, welche nach Amsterdam und
Hamburg verkauft wurden. Am 20. Februar wurde mit den Kauf-
leuten Louis und Liebert Wolters und Augustin Hinrichs ein Ab-
kommen getroffen, wonach diesen auf fünf Jahre die ganze Pro-
duktion verkauft wurde. Die Käufer forderten 380 Schiffspfund
(à 300 Pfund hamburgisch, also etwa 57000 Kilo) pro Monat. Sie
zahlten für das Schiffspfundgeschütz von verschiedenem Kaliber, und
was sonst in Lehm geformt werden möchte, 6½ Reichsthaler (oder
für die Tonne 140 Mk.), aber von allerhand Kaliber 3 Thlr. 9 Gr.,
[1209]Belgien im 17. Jahrhundert.
resp. wenn mehr als ⅓ kleine Ware 4 Thlr., wobei die Käufer „die
Figuren der platten und was sonsten gegossen zu werden begehret
und desiderieret werden möchte“ schuldig sein sollten, d. h. für die
Tonne 80 Mk. ohne Modellkosten. Später scheint sich der Landgraf
von Hessen von dem Unternehmen zurückgezogen zu haben, denn
1698 verfügt der Kurfürst von Brandenburg allein über das Hütten-
werk. Die Erze bei Neustadt a. d. Dosse hielten aber nicht an.
Ebenso erging es dem Eisenwerke bei Rathenow.


Durch die Erwerbung Pommerns und Stettins und die Er-
leichterung des Handels fand das schwedische Eisen immer mehr
Eingang in Preuſsen.


Belgien.

Das Lütticher Land erhielt sich seine blühende Eisenindustrie
während des 17. Jahrhunderts und erwarb sich noch mehr wie früher den
Weltmarkt. Die Verhältnisse begünstigten es in hervorragendster
Weise, denn es besaſs auſser den Eisenerzen in nächster Nähe und den
Holzkohlen der Ardennen, Überfluſs an Steinkohlen, deren Flötze un-
mittelbar bei der Stadt zu Tage ausgingen. Dadurch blieb Lüttich
auch bei dem Übergange vom Holzkohlen- zum Steinkohlenbetriebe
im Vorteil und seine Eisenindustrie erlitt keinen Rückgang, sondern
breitete sich immer mehr aus. Die fortschreitende Entwaldung des
Lütticher Landes hatte nur die Folge, daſs die Arbeitsteilung sich
schärfer in der Weise vollzog, daſs das Grobeisen in den wald- und
erzreicheren Gebieten von Namur, im Hennegau und in Luxemburg
hergestellt wurde, während Lüttich dies weiter verarbeitete zu Façon-
eisen, Feineisen, Blech, Nägeln, Waffen und sonstigen Handelswaren.
Diese Verarbeitung geschah mittelst Steinkohlen. Die Hochöfen, die
sich im Gebiete von Lüttich befanden, arbeiteten meistens auf Guſs-
waren, wofür das Land einen alten, begründeten Ruf hatte. Spinola
lieſs 1624 eiserne Geschütze in Lüttich gieſsen. — Pietro Sardi lobt
die eisernen Kanonen von Lüttich allerdings nicht 1). Er sagt, das
Eisen sei spröde und brüchig, was er der Verwendung der Steinkohle
zuschreibt.


[1210]Belgien im 17. Jahrhundert.

Die zahlreichen Hochöfen in der Grafschaft Namur arbeiteten
dagegen hauptsächlich für die Frischhütten.


Aber auch im Gebiete von Lüttich wurden im Laufe des
Jahrhunderts neue Hochöfen errichtet und neue Bergwerke auf Eisen-
stein eröffnet, so 1611 im Walde von Franchimont und 1648 im Walde
von Plomberie-lez-Huy. Für gröſsere Gruben wurden besondere Ord-
nungen erlassen. In einer solchen Bergwerksordnung der Eisenstein-
gruben in der Gemeinde Beaufays vom 14. September 1689 wird im
wesentlichen folgendes bestimmt:


  • 1. Keinem ist gestattet, Eisenerz zu graben und zu gewinnen
    ohne Anzeige bei dem zuständigen Bergbeamten.
  • 2. Jeder, der eine Mutung erlangt hat, muſs innerhalb sechs
    Wochen mit der Bergarbeit beginnen und dieselbe ohne
    Unterbrechung weiterführen.
  • 3. Jedes Grubenfeld soll 12 Toisen lang sein, sechs nach der
    einen, sechs nach der anderen Seite des Schachtes; wer
    darüber hinausfährt, verfällt in 10 Goldgulden Strafe und
    Schadenersatz für den Nachbar.
  • 4. Sie müssen die Grube abbauen bis auf das Grundwasser
    (vive eau).
  • 5. Kein Fremder darf in Arbeit genommen werden.
  • 6. Alle, die ein Bergwerk eröffnen wollen, müssen dies bei dem
    Rechnungshof eintragen lassen.
  • 7. Findet er mit seinen Genossen (Nachbarn) einen neuen
    Gang, so kann er mit diesen einen gemeinsamen Bau be-
    ginnen.

Eine groſse Stärke für die Lütticher Industrie bildete ihre ge-
nossenschaftliche Organisation, die wir schon früher erwähnt haben
Alle Eisenarbeiter, d. h. alle Arbeiter, welche von der Gewinnung
und Verarbeitung des Eisens lebten, gehörten einer einzigen groſsen
Zunft an, der „corporation du bon Métier des Fèbvres“. Diese hatte
groſse Vorrechte. — Nach dem Grundsatze der Korporation war das
Recht der Arbeit ein Privilegium. Keiner durfte ein mit der Eisen-
industrie in Verbindung stehendes Gewerbe betreiben, wenn er nicht
in das Genossenschaftsregister eingetragen war. Hierzu war aber
erforderlich: 1. daſs er Bürger der Stadt Lüttich war, und 2. daſs
er sein Meisterstück vor den Zunftmeistern abgelegt hatte.


Die Zunftmeister wählten aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden
(majeur). Le bon métier des Fèbvres bestand aus drei Arten von
Genossen:


[1211]Belgien im 17. Jahrhundert.
  • 1. Aus den Kaufleuten, beziehungsweise Hüttenherren, welche auf
    ihre Kosten in den Grafschaften Namur ‘und Luxemburg das grobe
    Frischeisen beschafften und dasſelbe den Schmiedemeistern lieferten.
    Diese letzteren bezahlten es nach festgesetzten Preisen und schmiedeten
    es zu Handelseisen aus, machten Nägel, Bleche u. s. w., kurz, Handels-
    eisen aller Art. Hier begann alsdann wieder die Thätigkeit des Kauf-
    mannes, der den auswärtigen Handel besorgte und die Eisenwaren
    nach Holland, Deutschland, Frankreich und nach England vertrieb.
  • 2. Aus den Schmiedemeistern, von denen ein jeder seinen Spezial-
    artikel für den Handel verfertigte.
  • 3. Aus den Arbeitern, welche die Meister in ihrer Arbeit unter-
    stützten und von diesen ihren Lohn erhielten.

Die meisten Hammerwerke, welche durch Wasserräder getrieben
wurden, verteilten sich gruppenweise entlang den Wasserläufen. Als
hauptsächlichstes Brennmaterial diente die Steinkohle, welche zu
billigen Preisen aus der Nachbarschaft von Lüttich bezogen wurde.
Der billige Brennstoff, die billige Wasserkraft, die Ökonomie der
Arbeit in Verbindung mit der überlieferten Geschicklichkeit der Lütti-
cher Schmiede, der Wegfall der Generalkosten: Dies Alles trug dazu
bei, die Hütten und Hämmer thätig und blühend zu erhalten. Die
Benutzung der Gefälle verschiedener kleiner Flüsse bedingte die
Teilung der Arbeit in zahlreichen einzelnen Werkstätten, da aber alle
demselben Verbande angehörten, so bildeten sie doch gewissermaſsen
eine groſse Fabrik.


Dem Widerstreit der Interessen zwischen Kaufleuten, Meistern
und Arbeitern ward durch landesherrliche Verordnungen vorgebeugt.
Aufträge vom Auslande wurden von der Genossenschaft angenommen
und unter den Genossen verteilt. Die Arbeiten wurden zu be-
stimmten Taxen nach einem Tarif, der für alle Genossen verbindlich
war, ausgeführt. Der Staat erhob einen Zoll auf das Eisen von 1/120
des Wertes (d’un demi-soiscantième), ausgenommen von dem für die
Nagelfabrikation bestimmten, der armen Nagelschmiede und der
Konkurrenz von Charleroi wegen. Das Verbot, daſs kein Schmied
oder Arbeiter die Arbeit auſser Land tragen durfte, wurde streng
gehandhabt, wurde aber deshalb in schlechten Zeiten zuweilen auch
zur Last. — In Bezug hierauf ist folgendes Bittgesuch der Schmiede
an den Fürstbischof von Lüttich im Jahre 1700 charakteristisch: „Die
Hüttenmeister (maitres des forges) befinden sich mit mehreren
Millionen Potterieguſs belastet, weil die Lütticher Schmiede im
Auslande der Arbeit nachgehen
. Die Gesuchsteller haben sich
[1212]Belgien im 17. Jahrhundert.
nun zu dem Zwecke verbündet, ihre Werke, in denen noch kein
Fremder aufkommen konnte, zu vervollkommnen, um die Leute dem
Lande zu erhalten, in dem sie geboren sind: deshalb suchen sie
darum nach, daſs keine neuen Hochöfen mehr errichtet werden
möchten, da die Zahl der vorhandenen doppelt zu groſs ist, um das
erforderliche Quantum von Töpfen, Kesseln, Kasten, Platten und
andere Artikel zu liefern; sie ersuchen, daſs es nur den zwei Öfen zu
Grivegné und den zwei Öfen bei dem Dorfe des Vennes gestattet sein
solle, Potterie zu gieſsen, da diese von jeher diese Industrie getrieben
haben und ihre ersten Meister die Erfinder (!) derselben gewesen
sind 1).“ Auf dieses Gesuch hin verbot die fürstbischöfliche Regierung
die Einrichtung neuer Hochöfen für die folgenden 25 Jahre.


Ebenso gewährt ein anderes Bittgesuch vom 22. Juni 1699 um
Zollbefreiung für die aus den Gemeinden Clermont und de Nandrin
zu beziehenden Eisenerze, Einblick in damalige Verhältnisse: „Jean
Posson und Michel Rond, Kaufleute und Bürger der Stadt Lüttich,
stellen ehrerbietigst Euer hochfürstl. Gnaden vor, wie seit einiger Zeit
von ihrer Kathol. Majestät ein Verbot erlassen worden ist, aus der
Grafschaft Namur keine Art von Eisenerz auszuführen, von welchen
dieselben einen entsprechenden Teil förderten zur Guſsmischung für
Töpfe, Marmiten und Kessel, welche sie fabrizieren, augenscheinlich
in der Absicht, daſs solche allein in der dortigen Grafschaft gemacht
und dadurch der Handel der ganzen Arbeiterbevölkerung des Lütticher
Landes dorthin gezogen werde, zur Schädigung der Interessen Ihrer
fürstl. Gn. armen Unterthanen, und da sie glauben, daſs auch in
diesem Lande und besonders in Schichten Eurer hochfürstl. Gn. Ge-
meinden zu Clermont und Nandrin und Umgegend, sich Bergwerke
auffinden lieſsen um die erwähnte Mischung zu liefern, haben sie es
für ihre Pflicht gehalten, im Hinblick auf das öffentliche Wohl, sich
an Ihro hochfürstl. Gnaden in geziemender Achtung mit dem Bitt-
gesuch zu wenden, Ihnen Vollmacht und Erlaubnis zu erteilen, in
genannten Gemeinden und Umgegend arbeiten zu dürfen mit Aus-
schluſs aller Anderen, gegen Erstattung des üblichen Zehnten (l’on-
zième), wie dies von Andern geschieht. Hierdurch würden Euer
fürstl. Gn. Unterthanen den Vorteil haben, sowohl durch den Besitz
und die Arbeit der Gesuchsteller selbst, als durch das Fuhrwerk, die
Arbeit und die Waren, die sie machen lassen, ohne daſs sie genötigt
wären, wegen dieser in das Ausland zu gehen.“


[1213]Belgien im 17. Jahrhundert.

Hier handelt es sich um Erze für Gieſsereieisen, wozu einzelne
Sorten vorzüglich geeignet waren. Im Allgemeinen sind die Erze
des Maasgebietes nicht gerade von hervorragender Güte. Wenn des-
halb das Lütticher Schmiedeeisen, wegen seiner Hämmerbarkeit und
Zähigkeit, geschätzt und berühmt war, so lag dies mehr in dem Frisch-
verfahren. Wie früher schon erwähnt, war dies die Wallonschmiede,
welche hier heimisch war und in welcher kleine Luppen in einem
Herd gefrischt und in einem zweiten Herd ausgeheizt wurden.
Hierdurch wurde das Material gut durchgearbeitet.


So streng geschlossen das Lütticher Eisengewerbe war, so ver-
hielt es sich durchaus nicht ablehnend gegen Neuerungen. Dies geht
auch daraus hervor, daſs die deutschen Kaiser zahlreiche Privilegien
(Patente) für neue technische Einrichtungen für Lüttich erteilten. So
wurde z. B. 1627 von Kaiser Ferdinand II. einem Octavius de Strada
ein Patent erteilt, Eisen im Hochofen mit Steinkohlen zu
schmelzen
1). Es ist dies zweifellos das älteste Patent für diesen
Zweck auf dem Kontinent und trägt die Überschrift: Octroy,
Permission et Privilege, pour faire usiner les fourneaux à fondre les
minerais aves le Feu de Houille, donné à Octavius de Strada à
l’exclusion de tous aultres qui s’en voudraient servier, pour un terme
et espace de vingt-cinq ans. Der Text lautet: „Diese Erfindung ist
vor Allem sehr nützlich in unserm Lütticher Lande, wo die Stein-
kohlen im Üeberfluſs vorhanden und soviele Bergwerke sind, daſs ein
groſser Teil davon gar nicht betrieben werden kann wegen Mangel
an Holz. Von dem Wunsche erfüllt, unserm Lande die Wohlthat
einer so vorteilhaften Erfindung zukommen zu lassen, hat er uns in
Ehrfurcht gebeten, ihm ein Privilegium zu erteilen, daſs Niemand sich
des Verfahrens, die Steinkohlen vorzubereiten (façon
d’accomoder les houilles) bedienen kann, um daraus Gewinn zu ziehen
oder Waren herzustellen, ohne seinen Willen und Zustimmung für
den Zeitraum von 25 Jahren.


Ferdinand an Alle, die Gegenwärtiges lesen werden oder lesen —
Gruſs.


Wir thun zu wissen, daſs wir unter dem 18. Juni 1625 an
Octavius de Strada, böhmischen Edelmann, das Recht und die
Macht verliehen und übertragen haben, Eisenerze und alle anderen
Metalle zu schmelzen, sie zu reinigen (raffiner) und herzurichten für
den Gebrauch mit einem Feuer von Steinkohle für den Zeit-
[1214]Belgien im 17. Jahrhundert.
raum und die Frist von 25 Jahren, unter Ausschluſs aller Anderen
und haben wir ihm daraufhin unsere Patentbriefe (lettres de privilége)
ausfertigen lassen, welche unser Rechnungshof aufzubewahren und in
Bezug auf unsere königlichen Gebühren und Gewinne auf Grund
dieses Privilegs darüber zu wachen hat. Nach Einsichtnahme in
unserem Rechnungshof und nach verschiedenen Besprechungen und
Erwägungen sind wir mit den genannten Erben von Strada — seinen
Erben und deren Vertreter — übereingekommen, daſs sie gehalten
seien, zu entrichten oder entrichten zu lassen zum Vorteil unserer
bischöflichen Tafel, den dreizehnten Pfennig frei und ausgenommen
von jeder Auflage, sowie er falle u. s. w. …


Zur Beglaubigung dessen haben wir befohlen, unser Siegel an Obiges
zu befestigen im Jahre des Herrn 1627, des Monats April am 14. Tag.“


Der deutsche Edelmann Octavius de Strada, vermutlich ein
Nachkomme des berühmten Mechanikers Jacobus Strada de Roſs-
berg
, der 1588 zu Mantua verstorben war, hatte also die Absicht,
die Steinkohle einem Vorbereitungsprozeſs zu unterziehen und sie
dann zum Schmelzen und Reinigen des Eisens zu verwenden. Erfolge
hat er wohl kaum erzielt, denn es existiert keinerlei Nachricht
darüber. Daſs man aber gerade für Lüttich ein solches Patent nach-
suchte und erteilte, kann auch als Beweis für das Ansehen und die
Bedeutung der dortigen Eisenindustrie angesehen werden.


Die Hauptindustrie Lüttichs war die Verarbeitung des Frisch-
eisens zu Handelswaren, die Eisenveredlung. Dazu dienten zahl-
reiche Reck- und Zainhämmer, sodann für die blühende Waffen-
fabrikation Rohr- und Waffenhämmer und für die Blechfabrikation
Blechhämmer. Das Rohmaterial kam in Form von Grobeisen meist aus
der Grafschaft Namur, aus l’Entre Sambre-et-Meuse und aus Luxem-
burg. — Die Blechhämmer lagen an den Ufern der Ourthe, der
Vesdre und Hoyoux. Sie wurden ebenso betrieben wie die Reck- und
Zainhämmer, und bediente man sich in Lüttich schon früh der Wärme-
öfen, fours dormantes, der backofenähnlichen Flammöfen, in welchen
die auszuheizenden Bleche direkt auf der über der ebenen Sohle
ausgebreiteten Brennmaterialschicht aufgelegt wurden (s. Fig. 210).


Sehr früh wurde auch in Belgien die in Deutschland erfundene
Weiſsblechfabrikation eingeführt. 1629 wurde bereits hierfür ein Patent
erteilt, welches folgende Überschrift führt:


„Octroye, Pour Faire Du Ferre Blanc, En La Ville De Dynand,
Pour Un Terme De Vingt Ans, A L’Exclusion de Tous Aultres, Pour
Everard Meybosch.“


[1215]Belgien im 17. Jahrhundert.

Der Text lautet:


„Ferdinand — allen denen, die dieses lesen werden oder lesen —
Gruſs.


Wir haben das demütige Bittgesuch von Eberhard Meybosch und
seinen Genossen empfangen, des Inhalts, daſs das Weiſsblech (le fer
blanc), aus welchem man die Blechbüchsen, Dachkändeln und ähn-
liche Arbeiten mache, aus Deutschland nach unseren Städten und Ort-
schaften käme, zu hohen Kosten und groſser Unbequemlichkeit für
diejenigen, welche für ihr Handwerk desselben bedürften, wodurch
sich die Preise der daraus gefertigten Arbeiten und Waren erhöhten,
durchaus nicht im Interesse des öffentlichen Wohles; dazu komme,
daſs an mehreren Orten des besagten Deutschlands die Fabrikation
des genannten Weiſsblechs bedeutend in Verfall (descheute) geraten
sei durch die letzten Kriege, wodurch zweifellos eine noch gröſsere
Teuerung und Schwierigkeit des Bezugs entstehen werde und da nun
der Obengenannte vorstellig ist, daſs er von dem Wunsche erfüllt
sei, die genannte Fabrikation in unserer Stadt Dinand oder anderswo
einzuführen und er und seine Genossen sehr inständig darum gebeten
haben, so sei ihnen solches gewährt für einen Zeitraum und Frist
von 20 Jahren.“


Die Fabrikation wurde daraufhin auch wohl eingeführt; zu be-
sonderer Blüte gelangte sie aber nicht, weil die Lütticher Hammer-
bleche nicht von der entsprechenden Güte waren. Das erzeugte
Weiſsblech war nur für ordinäre Ware zu verwenden.


Daſs auch Eisenschneidwerke bereits im 17. Jahrhundert in
Lüttich bestanden, haben wir bereits oben (S. 953) erwähnt.
Francquoy geht aber etwas weit, wenn er aus einer einem
Guillaume Traipont am 15. März 1617 erteilten Konzession zur
Anlage eines Zainwerkes (fenderie) bei dem Dorfe Prayon schlieſst,
schon damals wären Eisenspaltereien mit Streck- und Messerwalzen
im Lütticher Lande in Gebrauch gewesen. Es handelt sich hier, wie
es scheint, nur um die Anlage eines Zainhammers. Wohl aber
werden die neuen Werke, welche 1693 zu Henne bei Lüttich und
1698 bei Tieff gegründet wurden, wirkliche Eisenschneidwerke, wie
wir sie Seite 955 beschrieben haben, gewesen sein. Auch bei diesen
bediente man sich in Lüttich der fours dormantes mit Steinkohlen-
feuerung.


Für die Schneidwerke war in Lüttich ein besonderes Bedürfnis
vorhanden durch die ausgebreitete Nagelfabrikation, welcher jene das
Rohmaterial lieferten.


[1216]Belgien im 17. Jahrhundert.

Die Nagelfabrikation im Lütticher Lande war von Alters her
sehr bedeutend und bildete einen Hauptzweig der Lütticher Eisen-
industrie. Sie versorgte Belgien und Holland, lieferte nach Spanien
und Deutschland, aber auch nach überseeischen Ländern, besonders
Indien und Amerika. — Diese Fabrikation beschäftigte besonders im
Winter zahlreiche Familien in den Dorfschaften der Umgegend von
Lüttich. Die Nagelschmiede hatten hier eine Handfertigkeit erlangt,
die jede Konkurrenz ausschloſs. Die Lütticher Nägel waren gesucht,
wegen ihrer Gleichmäſsigkeit und Sauberkeit. Die Landesregierung
wendete von jeher diesem Betriebszweige besondere Fürsorge zu, weil
es die wichtigste Hausindustrie der ärmeren Bewohner war. Die Nägel
waren allein von allen Eisenwaren zollfrei. Es wurden besondere
Verordnungen erlassen, um die Arbeiter vor der Ausbeutung durch
die Meister zu schützen und um diese Industrie zu erhalten, deren
Blüte für den allgemeinen Wohlstand des Landes unentbehrlich war.


Den Nagelhändlern, welche eine besondere Genossenschaft bilde-
ten, war nur der auswärtige Handel gestattet. Sie kauften das Grob-
eisen in der Grafschaft Namur, lieferten es den Zainhämmern oder
Schneidwerken, die es in Nageleisen verwandelten, das alsdann in
die Hände der Nagelschmiede (marchotais) gelangte.


Die Stahlbereitung spielte in Lüttich nur eine untergeordnete
Rolle, da die Erze hierfür nicht geeignet waren. Man bezog seit alter
Zeit her deutschen Schweiſsstahl. Es ist deshalb wohl nur eine von
Francquoys patriotischen Phantasien, wenn er aus einem Privileg,
welches bereits am 19. Januar 1613 von Ferdinand an einen Waffen-
schmied Pier de Coutraye und an Jean van Beulhe verliehen
wurde, Eisen in Stahl zu verwandeln, sofort den Schluſs zieht, die
Lütticher hätten schon damals die Cementstahlfabrikation gekannt
und betrieben. Über das Verfahren der Genannten wissen wir gar
nichts und es ist nicht einmal bekannt, ob sie ihr Privileg jemals
ausgenutzt haben. Übrigens war ja die Einsatzhärtung damals schon
längst bekannt.


Die Anfänge der luxemburgischen Hochofenindustrie sollen in
das Jahr 1612 fallen. Vordem wurde das Eisen in Rennwerken ge-
wonnen, wie dies auch in Belgien noch vielfach der Fall war. Die
Eisengewinnung aus den Erzen blühte besonders im Gebiete von
Namur.



[1217]Belgien im 17. Jahrhundert.

Den Reidemeistern der Grafschaft Namur bestätigte am 24. Ok-
tober 1635 König Philipp IV. von Spanien ihre alte Ordnung, welche
sie von dem Grafen Wilhelm von Namur 1345 erhalten hatten 1). Es
wird darin insbesondere bestimmt, daſs Diebstähle an Erz, Kohlen,
Eisen und Werkzeugen vor dem Berggericht abgeurteilt werden
sollen. Diesem steht ein Bergmeister vor, welcher alle drei Jahre
von sämtlichen Schmieden neugewählt werden soll. — Nur die ver-
eidigten Schmiede, nicht aber die Tagelöhner sollten diese Freiheiten
genieſsen.


Artikel V bestimmt: „Alle Schmiedemeister müssen, bei nam-
hafter Strafe, alle Jahre am Tage vor Johannis dem Oberbergmeister
eine Generalliste von allen Arbeitern, welche sie in dem vergangenen
Jahre haben arbeiten lassen, überreichen und für jeden Arbeiter dem
gedachten Bergmeister drei Kaisergroschen (patards) einhändigen,
wovon er ⅓ für seine Mühewaltung behält und ⅔ zu den gemein-
schaftlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Schmieden ver-
wendet werden sollen.“


Jeder Arbeiter muſs bei dem Gerichtsschreiber seinen Wohnplatz,
Lehrbrief und Eid eintragen lassen. Kein Schenkwirt oder Soldat
darf als Bergknappe oder Schmied arbeiten. Der Bergmeister soll
wenigstens zweimal im Jahre alle Hüttenwerke und Eisenhämmer be-
reisen und die Zahl der Arbeiter genau kontrollieren. Nur die wirk-
lich Hämmer besitzen, dürfen Eisen schmieden lassen; Anderen, die
sich oft für Faktores und Schreiber der Schmiedemeister ausgeben,
ist dies streng verboten; desgleichen den Reidemeistern, solche Leute,
die nicht wirklich in ihren Diensten stehen, in Arbeit zu nehmen;
ebenso den Bergleuten, für sie zu arbeiten, bei Strafe der Dienst-
entlassung.


Um dem Miſsbrauch zu steuern, daſs Bergknappen und Arbeiter,
welche einen Hammer übernommen haben, Eisen an Matrosen und
Schenkwirte verkaufen oder gegen Geld oder Waren verpfänden, wird
solches bei hohen Strafen für alle Teile verboten, und verfallen
gleichermaſsen die Hammermeister in Strafe, welche solches Eisen
kaufen. Da neuerdings zum besonderen Nutzen des Eisengewerbes
Reck- und Blechhämmer angelegt worden sind, so wird bestimmt, daſs,
im Sinne der früheren Gesetzgeber, die Meister dieser Hämmer die
gleichen Rechte und Freiheiten genieſsen sollen. Da der Gruben-
betrieb dadurch, daſs er mehr in die Teufe geht, schwieriger wird,
Beck, Geschichte des Eisens. 77
[1218]Belgien im 17. Jahrhundert.
soll die Zahl der Knappen, welche jeder Hammer halten darf, erhöht
werden. Der Hüttenmeister, der mit seiner Familie von allem Frohn-
dienst (droit de mortemain) befreit ist, soll statt der sieben Knappen
für jeden Hochofen 10, so dass er für 20 Personen die Freiheit ver-
langen kann und auſser dem einen Meister, einen Aufgeber, einen
Schmelzer, drei Aufläufer, einen Pocher und einen Erzwascher halten
dürfen. — Bei einer Schmiede, wo nur ein einfaches Frischfeuer ist,
sollen sechs Personen, nämlich ein Meister, ein Kärner, die Vor-
schmiede, die Aufgieſser und ein Drahtzieher, jeder mit einem Burschen
sein. Wenn aber der Hammer Tag und Nacht geht, kann er drei
Hammerschmiede und drei Drahtzieher mit ihren Burschen halten. In
Werken, wo zwei Frischfeuer gehen, kann man neun freie Arbeiter
halten: nämlich einen Stabhammermeister, einen Kärner, zwei Frischer,
und bei jedem einen Burschen und drei Vorschmiede. Werke, die
am Flusse liegen, dürfen noch einen Schiffer halten. In den Eisen-
spaltereien (fenderies) sollen nur vier und in den Platinhämmern
(platineries) nur drei Arbeiter eximiert sein. Die Schmiede dürfen
aus den herrschaftlichen Holzungen sich Sand und Steine für Ofen-
reparaturen holen, aber ohne den Wald zu schädigen; ebenso
Bauholz, doch nur auf Anweisung des Försters. Kein Knappe darf
sich einen Holzvorrat halten oder Holz anders als für die an-
gegebenen Bauzwecke verwenden. Die Hammermeister sind für die
Strafen ihrer Bergknappen haftbar. Bergknappen und Hammerarbeiter
dürfen nicht eher angenommen werden, als bis der Meister ihren
Lehrbrief und Eidesbescheinigung eingesehen hat. — Bei dem Erz-
abbau soll man vier Lachter (toises) von den Grenzen entfernt bleiben.
Die Bergknappen dürfen kein Bergwerk verheimlichen, noch sich eines
andern bemächtigen, auch nicht für zwei Hammermeister gleichzeitig
arbeiten. Sie müssen einen begonnenen Bau zu Ende führen und
dürfen bei hohen Strafen die Arbeit nicht willkürlich verlassen. Auch
soll die Grube dem Hammermeister durch solch böswilliges Verlassen
der Arbeiter nicht ins Freie fallen. Dagegen kann der Hammer-
meister die Grube der Bergleute, wenn sie sechs Wochen lang die
Arbeit eingestellt haben, an sich nehmen. — Hammermeister dürfen
nicht einseitig Grubenfelder an sich bringen und andere Meister an
dem Schürfen hindern, vielmehr bleibt das alte Gesetz in Kraft,
wonach es jedem Schmied freisteht, auf jedem Grund in einem Um-
fange von vier Lachter breit und gegen Erlegung des üblichen
Kanons, des Zehnten von dem Wert der Erze an den Eigentümer, zu
schürfen. Doch dürfen Bergknappen nur im Auftrage ihrer Hammer-
[1219]Belgien im 17. Jahrhundert.
meister schürfen. Für allen Schaden an Ackern und Wegen sind
die Meister haftbar. Gruben dürfen nicht näher als 25 Fuss von der
Landstraſse angelegt werden. Die Schächte sind wieder aufzufüllen
oder mit einem festen Zaun zu umgeben. Kein Meister darf Ar-
beiter, Fuhrleute oder Schiffer in Dienst nehmen, ehe ihr früheres
Geding beendigt ist; auch haftet der Meister für die Schulden der
eingestellten Arbeiter. Alle Erze müssen richtig vermessen werden
und nur nach dem von dem Oberschichtmeister eingerichteten Maſs,
welches ⅔ Namurschen Maſses entspricht, und von dem 10 auf den
Karren gehen.


Ebenso werden Bestimmungen über das Kohlenmaſs getroffen,
wobei vordem groſse Verwirrung herrschte (Art. 49 bis 52). Treffen
die Bergknappen auf Blei- oder andere Erze, so müssen sie dies an-
zeigen und dürfen es nicht gewinnen und verkaufen. Auſser Landes
dürfen Erze nur mit Zustimmung des Oberhüttenmeisters und nach
Entrichtung des Zehnten verführt werden. Der zehnte Teil des
Zehnten gehört dem Oberhüttenmeister für seine Mühe. Von allen
Strafen flieſst ⅓ in die fürstliche Kasse, ⅓ kommt dem Oberhütten-
meister und den Geschworenen, und ⅓ den Denunzianten zu.
Auſserdem erhält der Oberhüttenmeister, der die Strafgelder einzu-
ziehen und jedes Jahr gegen Johannis abzuliefern hat, einen Gehalt
von 100 Gulden, den das gesamte Schmiedewerk aufbringen muſs.
Alle Meister haben bei den Zunftversammlungen zu erscheinen. Nicht-
erscheinen bei der Wahl des Oberhüttenmeisters und Geschworenen wird
mit 12 Gulden, bei gewöhnlichen Versammlungen mit 4 Gulden bestraft.


Dieses ist der Hauptinhalt der Namurschen Hüttenordnung. Ähn-
licher Freiheiten, wie die Hammermeister, erfreuten sich die Gruben-
gewerke der Steinkohlenbergwerke. Auch diese beruhten auf alter
Gewohnheit und waren zum ersten Mal in Paragraphen gefaſst in „dem
Frieden von St. Jaques“ 1487. Dieses alte Gesetz bildete die Rechts-
grundlage des Steinkohlenbergbaues im Lütticher Lande und in der
Provinz Limburg. Es wurde durch Zusätze erweitert und wiederholt
bestätigt. Eine solche Bestätigung ist das von König Karl II. von
Spanien erlassene Generalreglement vom 1. März 1694 1). Der
oberste Grundsatz blieb, daſs die Kohlenlager dem Grundbesitzer
gehörten. Dieser scheinbar einfache Grundsatz führte nach dem
Übergang zum Tiefbau, da sich der oberirdische Betrieb nicht mit
dem unterirdischen deckte, zu den gröſsten Verwickelungen. Ein
77*
[1220]Belgien im 17. Jahrhundert.
Grundbesitzer konnte den Oberflächenbesitz verkaufen und sich das
Recht auf die Kohlenlager vorbehalten und dies geschah wiederholt
namentlich von Klöstern und geistigen Stiften. Sodann gehörten alle
Steinkohlen unter den Landstraſsen oder öffentlichen Ländereien dem
Landesherrn. Der Unternehmer muſste die Grenze des Grundstücks
einhalten oder von dem nächsten Grundbesitzer ebenfalls durch Ver-
trag das Recht auf den Abbau erwerben. Die Übertragung des
Rechtes des Grundbesitzers auf die Kohlenlager an einen Unternehmer
konnte in sehr verschiedener Weise geschehen. Es läſst sich also
wohl denken, wie sehr sich die Verhältnisse im Laufe der Zeit ver-
wickeln muſsten und wieviel Rechtsstreite entstanden. „Wenige
Unternehmungen sind soviel Prozessen unterworfen, als die Kohlen-
bergwerkssachen“, sagte Jars 1767.


Der Gerichtshof, welcher in früherer Zeit die Streitigkeiten ent-
schied, war „das Gericht der Kohlengeschworenen“ (le cour de voir
juré du charbonage) zu Lüttich, anfangs aus vier, später aus sieben
Geschworenen bestehend. Derselbe entschied nicht nur in den ihm
zugewiesenen Streitfällen, sondern äuſserte sich auch gutachtlich.
Hierdurch erlangte er besonderes Ansehen und Einfluſs über die
Grenzen des Lütticher Landes hinaus und wurde öfter von Aachen
und Limburg aus angerufen.


Der Steinkohlenbergwerksunternehmer, der nicht selbst Grund-
besitzer war, muſste sich von dem Grundbesitzer das Feld, wo er
seinen Betrieb errichten wollte, sichern. Dies geschah durch Kon-
trakt, und zwar entweder durch Belehnung oder durch Erlaubnis.
Im Falle der Belehnung konnte der Beliehene seine Ansprüche an
dem Bergwerksbesitz nur durch richterliche Entscheidung auf Grund
der Bestimmungen des Gesetzes verlieren; im Falle der Erlaubnis
verlor er seine Ansprüche ohne Weiteres, wenn er die Arbeit auf-
gab, in welchem Falle dieselben mit den Bauten an den Grund-
besitzer zurückfielen. Wenn der Grundbesitzer gegen die Anlage
eines Bergbaues überhaupt Widerspruch erhob und die Zulassung ver-
weigerte, konnte der Unternehmer die Belehnung durch Adjudikation
erwerben. Im Falle der Weigerung wurde der Grundbesitzer auf
Antrag des Unternehmers von der Bergbehörde aufgefordert, den
Bergbau selbst zu beginnen. That er dies nicht in der bestimmten
Frist, oder that er es nur zum Schein, indem er denselben begann,
aber nicht fortführte, so wurde dem Unternehmer die Belehnung er-
teilt. Eine dritte Art der Erwerbung der Mutung war durch Ver-
säumnis. Wenn nämlich der Unternehmer eine Grube eröffnete und
[1221]Italien und Spanien im 17. Jahrhundert.
der Grundbesitzer hiervon Kenntnis hatte, innerhalb 40 Tagen aber
keine Einsprache erhob, so galt dies als Zustimmung und der Unter-
nehmer durfte weiter bauen. — In allen Fällen erhielt der Grund-
besitzer von dem Unternehmer eine Vergütung, und zwar die
81. Tonne, welche gefördert wurde; ging ein Stollen, der das Wasser
löste, durch das Feld, so erhielt dessen Eigentümer ebenfalls 1/81
der Förderung als Vergütung. Der Unternehmer muſste drei Lachter
von der Feldesgrenze entfernt bleiben; drei Lachter zu beiden Seiten
derselben blieb also das Flötz stehen.


Diese Bestimmung, sowie die Besitz- und Belehnungsverhältnisse
waren für den Aufschwung des Steinkohlenbergbaus in Belgien wenig
günstig.


Bezüglich weiterer Einzelheiten verweisen wir auf den Aufsatz
von Jars1).


Italien, Spanien und Portugal.

Die Eisenindustrie Italiens hat im 17. Jahrhundert wesentliche
Änderungen nicht erfahren, man fuhr fort, nach früherer Weise an
den alten Plätzen das Eisen zu gewinnen.


Wir haben schon früher Gelegenheit gehabt, von der bedeuten-
den Waffenfabrikation der norditalienischen Städte, namentlich Brescias
und Mailands, zu sprechen. Brescia lag in eisenreicher Gegend. Der
Bezirk des Monte Prealba und Monte Conche bis Gardone und Caino
hinauf waren reich an Eisenerz, und die wasserreichen Bäche Melle
und Garza lieferten die nötige Triebkraft. Auch die Umgebung von
Mailand war reich an ergiebigen Eisenbergwerken, so zu Valsassina,
Brembana u. s. w.


Brescia, die alte Waffenstadt, war im 17. Jahrhundert besonders
berühmt durch seine Feuergewehre, die Büchsenmacherei war zum
Teil an die Stelle der alten Klingenschmiede getreten. Ein wichtiger
Platz für Flinten und Pistolen war auch Pistoja, welches den letzteren
ihren Namen gegeben haben soll.


In Spanien übten die traurigen politischen Zustände einen
schweren Druck auf Handel und Gewerbe aus, worunter der all-
[1222]Spanien im 17. Jahrhundert.
gemeine Wohlstand und auch das Eisengewerbe litten. Das Jahr-
hundert begann mit der Vertreibung der Maurisken aus Spanien.
800000 der fleiſsigsten Einwohner muſsten als Opfer des religiösen
Fanatismus das Land verlassen.


Der 30jährige Krieg, an dem sich Spanien beteiligte, die Kriege
mit den Niederlanden und England zerrütteten Spaniens Wohlstand
und ruinierten seinen Handel. Hatte doch schon Philipp II. das Bei-
spiel wahnsinniger Selbstverstümmelung gegeben, indem er 1580 den
berühmten Welthafen zu Lissabon aus Haſs gegen die Niederländer
schloſs. Dadurch zerstörte er nicht nur Lissabons groſsen Handel,
sondern er zwang die Holländer und Engländer, sich selbst Wege
nach Indien und Amerika zu suchen, zur dauernden Schädigung
Spaniens.


Wohl hatte Spanien ein groſses Absatzgebiet für seine Eisen-
waren in Amerika, aber auch dieses vorlor es mehr und mehr durch
seine unsinnige Politik.


Die Waffenfabrikation Spaniens bewahrte zwar ihren hohen Ruhm,
litt aber auch unter dem allgemeinen Rückgang. Besonders ging
das Gewerbe in Toledo zurück. Viele der vornehmsten Waffen-
schmiede daselbst verlieſsen in Folge des Verfalls des Handels die
Stadt und siedelten sich in anderen Gegenden des Reiches an, wo sie
den Ruhm ihrer Kunst behaupteten 1); so in


  • Bilbao: Pedro de Lazareta;
  • Orgaz: Pedro Lopez;
  • Lissabon: Melchior Sanez, Juan Martinez Machacha;
  • Sevilla: † Sebastian Hernandez 2), † Pedro de Lezama, † Juan Martinez
    el Mozo;
  • Madrid: † Francisco Alcocer, Dionisio Corrientes, Antonio Ruiz;
  • Cuenca: Julian Garcia, Andrea Herraez;
  • Valladolid: † Juan Salcedo;
  • Calatayad: Luis de Nieva, Andreas Munesten;
  • Cordoba: † Alonso Rios;
  • Saragossa: † Julien de Rey;
  • San Clemente: † Lopez Aguado;
  • Cuellar und Badajoz: Bartholomea de Nieva, Calcado, Campanero.
  • Dagegen verblieben in Toledo: † Zamorano, Thomas de Ayala, Juan de
    la Hortes, Francisco Ruiz und Söhne, Juan de Vargas, Juan de
    Luizalde, Francisco Lardi, Andres Garcia, Herras Vater, Sohn und
    Enkel, Alonso de Sahagun und Söhne, Fernandez, Martinez.

Auſserdem zeichnete sich Ramonde Hoces zu Sevilla durch Ver-
fertigung vorzüglicher Dolche aus (Cervantes) und Montente war
[1223]Spanien im 17. Jahrhundert.
berühmt durch seine Zweihänder. Toledo blieb auch im 17. Jahr-
hundert noch der ruhmreiche Mittelpunkt der spanischen Waffen-
fabrikation.


Berühmte Klingenschmiede arbeiteten daselbst besonders in der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. An der Spitze nennen wir die
Familie Marcuarte: Simon Marcuarte der Alte lebte um 1600, seine
Söhne Simon der Junge, der eine Sichel im Schilde führte, Pedro
und Felipe arbeiteten für Philipp III. und IV. Zu Anfang des Jahr-

Figure 242. Fig. 231.


hunderts arbeitete C. Alcado auſser in Toledo auch in Cuella und
Badajoz, Pedro de Arechiga (Acheca), der neben dem toledanischen
Stempel nebenstehende Marke führte (Fig. 231, 1) in Toledo, ebenso
Domingo il maestro der Jüngere und Thomas Gaya (Ayala?), Jusepe
Gomez, Sohn des Francisco, Juan Martinez aus der Familie Menchaca
arbeiteten auch in Lissabon.


Andreas Munesten, der zu Toledo und Catayal als Klingen-
schmied thätig war, scheint kein anderer zu sein, als der früher ge-
nannte Andreas Munsten von Solingen. Juan de Toro zu Toledo
war ein Sohn des Pedro de Toro und führte die Marke (Fig. 231, 2).


[1224]Spanien im 17. Jahrhundert.

Die berühmte Schwertschmiedfamilie der Sahagun war durch
folgende Glieder vertreten: Alonso Luis de Sahagun führte wie sein
Vater Alonso der Ältere ein gekröntes S im Schilde, Luis de Saha-
gun, Sohn des Alonso des Älteren, führte die Marken seines Vaters
und Luis de Sahagun, Sohn des jüngeren Alonso, zeichnete wie
Fig. 231, 3.


Von der Familie Hernandez in Toledo nennen wir Pedro mit
den Zeichen (Fig. 231, 4, 5, 6) und Sebastian den Jüngeren um 1630,
welcher auch in Sevilla arbeitete und den wilden Mann (Fig. 231, 7)
als Marke führte. Von der Familie del Velmonte führte der Ältere,
Pedro, die Zeichen (Fig. 231, 8 bis 11) und Luis de Velmonte das
letzte Zeichen seines Vaters (Fig. 231, 12). Simon Gonzalo, der um
1617 in Toledo arbeitete, zeichnete Fig. 231, 13. Thomas Ayala, der
Verfertiger der hochberühmten „Thomasklingen“, der von 1615 bis 1625
in Toledo gearbeitet haben soll, führte folgende Zeichen (Fig. 231,
14 bis 16). Von der Familie Ruiz nennen wir Francesco den Älteren
um 1617 mit der Marke Fig. 231, 17, und Francesco den Jüngeren
ebenfalls in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit den Marken
Fig. 231, 18 und 19. Hortuno de Nicolas Aguirre war Klingen-
schmied in Toledo um 1630, während Lazonetta (Fig. 231, 20) auch
in Bilbao arbeitete.


Der Mittelpunkt der Eisengewinnung war in Biskaya und Bilbao.
Hier gab es nach dem Berichte des Dom Pedro de Medine 1595
300 Ferrerias mit einer Eisenproduktion von 15000 Tonnen, wovon
ungefähr der dritte Teil im eigenen Lande, besonders für den Schiffs-
bau, verwendet wurde. Im 17. Jahrhundert nahm die Zahl der Eisen-
hütten ab. Man zählte in Bilbao 107 Feuer für Eisenerzeugung und
70 für die Verarbeitung.


In Portugal wurden im 17. Jahrhundert mehrere Eisenhütten
gegründet 1); eine östlich von Figueiro do Vinchos, welche den Namen
Machuca führte, eine andere bei Thomar in der Provinz Estremadura,
unter dem Namen Prado bekannt, und eine dritte bei Foz d’Alge,
zwei Stunden westlich von Figueiro am Zezerfluſs. Die beiden ersten
erbaute ein Franzose Namens Dufour, der Leutnant der Artillerie
war und den Titel Superintendent der Eisenhütten führte. Im Jahre
1654 erschien das erste Reglement für die Administration dieser An-
stalten und von jener Zeit an arbeiteten dieselben bald für Rechnung
[1225]Frankreich im 17. Jahrhundert.
des Staates, bald für Rechnung von Privatpersonen, indem daselbst
vorzugsweise Kanonen gegossen und Schiffsnägel verfertigt wurden.


Im Jahre 1692 erschien unter der Regierung des Königs Don
Pedro III. das zweite Reglement für die Eisenhütten, woraus hervor-
geht, daſs indessen die Hütte von Foz d’Alge erbaut worden war und
den Namen „Neue Artilleriefabrik“ führte.


Frankreich.

In Frankreich suchte zu Anfang des 17. Jahrhunderts König
Heinrich IV. durch den Erlaſs von berggesetzlichen Bestimmungen
Ordnung in das Bergwesen zu bringen. Um den Eisensteinbergbau zu
heben und um den Adel zu begünstigen, verzichtete er auf einen Teil
seiner Regalrechte, indem er in einer Verordnung von 1601 be-
stimmte, daſs die Grundbesitzer, besonders der Adel, ein Vorrecht
auf die Eisensteine in ihrem Gebiete haben sollten. Heinrich IV. lieſs
ferner 1600 einen Hochofen, der nur für Geschütz- und Munitionsguſs
bestimmt war, erbauen. Seine Artillerie bestand aus 400 Ge-
schützen.


Frankreich hatte bis dahin keinen guten Stahl produziert, son-
dern bezog denselben aus Piemont, Deutschland und Ungarn. 1604
soll Camus die Stahlfabrikation in Frankreich eingeführt haben.
Derselbe erbaute auch eine Eisengieſserei zu Paris.


Im südlichen Frankreich, am Südabhange der Pyrenäen, stand
die Eisengewinnung in Luppenschmieden in hoher Blüte. Aus alten
Forstakten vom Jahre 1667 1) erhellt, daſs damals in der Grafschaft
Foix 34, in Couserans 7 und in der Diöcese Mirepoix 3 Luppenfeuer,
im ganzen 44 Luppenschmieden und 8 Reckschmieden im Betriebe
standen. Ein Luppenfeuer (Katalanschmiede) lieferte, wenn es ihm
nicht an Wasser und Kohlen mangelte, 10 Ztr. (quintaux) Eisen in
24 Stunden. Hierzu wurden 30 Ztr. Eisenerz verschmolzen. Auf eine
Charge von 3 Ztr. Erz wurden acht Chargen von zwei Säcken zu je
5 Kubikfuſs Holzkohlen verbrannt. Die Erze kamen alle aus dem
[1226]Frankreich im 17. Jahrhundert.
Thale von Vic-Dessos. An der Grube kostete 1 Ztr. 6 sols, der aber
durch den Transport sehr verteuert wurde, so daſs 1 Ztr. zu Saurat
10 sols, zu Alens 11 sols, zu Basquillière 14 sols kostete. Ähnlich
verhielt es sich mit den Kohlen. Diese kosteten die Waldbesitzer
8 sols der Sack (10 Kubf.), nämlich 4 sols Schlagen und Brennen und
4 sols Fuhrlöhne. Sie verkauften den Sack zu 12 sols. Dazu kamen
die sehr hohen Transportkosten auf die Hütte, so daſs z. B. die Eisen-
hütte zu Alens 40 bis 50 sols für den Sack Kohlen bezahlte. Gegen
Ende des Jahrhunderts wurden die in Italien erfundenen Wasser-
trommelgebläse bei den Luppenschmieden der französischen Pyrenäen
eingeführt und verdrängten die früher gebräuchlichen Lederbälge.
Auch in der Gegend von Bayonne hatte man dieselbe Art von Luppen-
feuern (Katalanschmieden), in welchen man Erze aus den Gruben
von Biriakou in der Landschaft Labour, nicht weit von der Bidassoa,
verschmolz. Diese Gruben gingen aber um 1676 durch Ersaufen zu
Grunde.


Über das französische Stabeisen und seine Eigenschaften handelt
Felibien in seinen Prinzipien der Baukunst (1676) in dem Kapitel
von der Schlosserei eingehend. Die französischen Eisensorten charak-
terisiert er folgendermaſsen: Die Bergwerke von Senonches liefern
ein Eisen, welches sehr weich und biegsam ist; das von Vibray
bei Montmirail ist noch von guter Qualität, aber fester; das von
St. Dizier ist spröder (plus cassant), das Korn gröber; dasjenige von
Nivernois ist ein zartes Eisen und eignet sich für Degenklingen und
Flintenläufe, es enthält viel Stahl. Das Eisen von Burgund ist mittel-
weich, das der Champagne spröder. Das Eisen von Roche ist stark,
zart und fein. Es kommen mehrere Sorten Eisen aus der Normandie,
die aber meistens sehr spröde (brüchig) sind. — Das Eisen, welches
aus Schweden und Deutschland kommt, ist besser und biegsamer als
das französische. Mit dem aus Spanien verhält es sich ebenso, aber
es ist gewöhnlich rotbrüchig (rouverain), bricht in der Hitze und
enthält Stahlkörner, welche die Feile angreifen.


Das Eisen kommt nach Paris in Stäben von verschiedener Länge
und Dicke. Flacheisen (fer plat) ist 9 bis 10 Fuſs und mehr lang
und etwa 2½ Zoll breit und 4 Linien dick; Quadrateisen (fer quarré)
kommt in Stäben von verschiedener Länge und ungefähr 2 Zoll Dicke.
Eine andere Sorte „quarré bastard“ ist 9 Fuſs lang und 16 bis
18 Linien stark. „Fer cornette“ ist 8 bis 9 Fuſs lang, 3 Zoll breit
und 4 bis 5 Linien dick. Rundeisen ist 6 bis 7 Fuſs lang und
9 Linien im Durchmesser. Zaineisen (Fer de Carillon) ist ein dünnes
[1227]Frankreich im 17. Jahrhundert.
Eisen von nur 8 bis 9 Linien im Quadrat. Eisen von Courçon, ein
kurzes Grobeisen, ist 3 bis 4 Fuſs lang und 2½ Zoll Quadrat. Blech
kommt in Blättern von verschiedener Breite und Höhe vor. Dann
giebt es noch le petit fer en botte, das für Fensterstangen und für
sonstige Zwecke dient.


Wenn man die Bergwerke kennt, aus denen das Eisen stammt,
kann man daraus auf seine Qualität schlieſsen; oder wenn man einen
Stab betrachtet, ob er kleine schwarze Adern der Länge nach zeigt;
ob sich der Stab unter dem Hammer leicht biegen läſst, und nament-
lich, ob er keine Kantenrisse (gersures) zeigt, denn dies ist ein
Zeichen, daſs das Eisen gut und biegsam ist; zeigt es aber Kanten-
risse, so ist dies ein deutlicher Beweis, daſs es rotbrüchig ist und
sich nur schwer schmieden läſst.


Man erkennt auch an der Farbe des Bruches, ob das Eisen
weich ist. Ist es schwarz im Bruch, so ist es gut weich und läſst sich
kalt hämmern und feilen, aber es kann dann schiefrig (cendreux)
sein, d. h. es wird nicht hell beim Polieren, namentlich wenn einzelne
graue Flecken darin sind, wie wenn Asche eingemengt wäre, und
nimmt nur schwer Politur und Glanz an, was nicht bei allen,
aber doch bei den meisten Stäben sich zeigt. Diese Eisensorte ist
dem Rosten weniger unterworfen, weil sie schon etwas von der Natur
des Bleies an sich hat.


Andere Stäbe erscheinen im Bruch grau, schwarz in weiſs über-
gehend: dieses Eisen ist weit härter und steifer, wenn man es biegt,
als das vorhergehende. Es ist sehr gut zu Huf- und Schmiedeeisen
für Grobschmiede; dagegen ist es zum Feilen schlecht geeignet, weil
es harte Körner enthält, die auch das Bohren erschweren.


Dasjenige, welches im Bruch gemischt, teils weiſs, teils grau,
teils schwarz ist, und das groberes Korn zeigt als die oben be-
schriebenen, ist oft das beste, sowohl zum Schmieden, als zum Feilen,
als zum Polieren. Andere Stäbe zeigen im Bruch feines Korn, ähn-
lich wie Stahl und lassen sich kalt leicht biegen. Solches läſst sich
schlecht feilen und bekommt Kantenrisse beim Schweiſsen, und eignet
sich weder zum Schmieden noch zum Feilen, da es sich schlecht
schweiſst und beim Feilen körnig ist. Es ist gut für grobes Ackergerät.


Es giebt noch anderes, das grob und hell im Bruch ist, wie Zinn
oder Talk. Solches Eisen taucht gar nichts, denn es bricht kalt und
steht schlecht im Feuer, weil es keine groſse Hitze aushält, ohne zu
verbrennen, denn es ist sehr porös, weshalb es auch rasch vom Rost
verzehrt wird.


[1228]Frankreich im 17. Jahrhundert.

Rotbrüchiges Eisen zeigt Kantenrisse, läſst sich kalt meistens
leicht biegen; beim Schmieden riecht man den Schwefel und beim
Zerbrechen fliegen kleine Funken, wie Flämmchen oder Sternchen, ab.
Kommt man an die gefährliche Hitze, die etwas über Kirschrotglut
liegt, fliegt es unter dem Hammer in Stücke auseinander und ge-
bogen wird es unganz. — Das spanische Eisen zeigt diese Unart oft.


Nach einem Handelsbericht gab es 1601 drei Sorten von Stahl
in Frankreich: 1. der von Piemont, welcher der teuerste war. Es
kostete ein Bund (Callot) 30 Livres, und die Stange 5 Sols, 2. der von
Carmes (? Kärnten), bei dem sich das Hundert auf 20 Livres, die
Stange auf 2 S. 6 Den. stellte, und 3. der von Ungarn, 15 Livres das
Hundert, wobei sich das Pfund auf einen Sous stellte. Die Zeug- und
Messerschmiede (talendiers et cousteliers) bedienten sich nur des
Stahls von Ungarn und von Carmes 1).


Über den französischen Stahl und die Stahlfabrik in Paris giebt
folgende Stelle von 1604 Aufschluſs: „Stahl waren wir immer ge-
zwungen aus Piemont, Deutschland und andern fremden Ländern
zum Preise von 5 bis 6 Sols das Pfund zu beziehen, da man in
Frankreich nur hartes Schmiedeeisen (fer fort) findet, das man
namentlich unter dem Namen Halbstahl (petit acier) von Brie oder
Saint-Dizier kennt, und der 2 bis 3 Sols billiger verkauft wird als
der obige. Hiervon kann man eine Fabrik und die Schmelzöfen
in der Vorstadt Saint-Victor, an der Mündung des Flusses des Gobe-
lins sehen und deren Vortrefflichkeit bewundern 2).“ Trotzdem scheint
sich die Abhängigkeit Frankreichs in Bezug auf die Stahleinfuhr
während des ganzen Jahrhunderts nicht wesentlich geändert zu
haben, denn Felibien berichtet 1676 dasselbe 3), was bereits Jousse
in seiner Fidelle Ouverture de l’art du Serrurier, Kapitel 66, mitge-
teilt hat.


Jousse schreibt 1627, nachdem er auf die Wichtigkeit der Aus-
wahl des Stahls hingewiesen hat:


„Um die richtige Wahl unter dem geringen (inländischen) Stahl
zu treffen, der unter dem Namen Soret, Clamesi oder Limousin meist
in kleinen viereckigen Stücken von etwa 3 Zoll Länge verkauft wird
und der billigste in Frankreich ist, muſs man zusehen, ob die Stücke
unganz oder verbrannt sind und ob man im Bruche schwarze Adern
[1229]Frankreich im 17. Jahrhundert.
oder Risse bemerkt: denn alle diese Zeichen deuten darauf hin, daſs
er nicht gut ist. Aber wenn die Vierecke sauber sind, ohne Hammer-
schlag oder Brandflecken, und wenn der Bruch, den man am Ende
macht, rein und das Korn weiſs und fein (delié) ist, so sind dies
Zeichen, daſs der Stahl gut ist.


Es kommen noch gröbere Stücke (quarreaux) vor, die um die
Hälfte schwerer sind, aber denselben Erzen entstammen wie die
kleinen: diese nennt man Clamesi und verfährt bei deren Auswahl
wie oben.


Dieser Stahl und der kleine Soret sind gut für Ackergeräte und
grobes, schwarzes Geschirr. Der Stahl von Piemont ist etwas dicker
wie Clamesi und kostet 3 Sous 6 Pfennige das Stück (trois sols six
deniers le quarreau). Bei der Wahl sehe man, ob er sauber ist,
ohne Schuppen und Flecken, und bemerkt man, daſs er Knollen und
Kantenrisse hat und sich rauh in der Hand anfühlt, so zeigt dies,
daſs er schwer zu behandeln und zu schweiſsen ist. Sieh auch zu,
ob er auf der Bruchfläche keine gelblichen Flecken zeigt, diese Farbe
beweist gleichfalls, daſs er schwer schweiſst und sich nur schwer mit
Eisen oder anderem Stahl verbindet. Aber wenn er klar und sauber
ist, von reinem, feinem, weiſsem Korn, ohne schwarze Adern, und
wenn er leicht an dem gehärteten Ende bricht, wenn man ihn gegen
ein Stück Eisen oder Stahl schlägt: so sind dies sichere Zeichen,
daſs der Stahl gut ist und geeignet, Werkzeuge daraus zu machen,
um damit Brot, Fleisch, Horn, Holz, Papier und Ähnliches zu
schneiden.


Es kommen aber zwei Sorten Stahl von Piemont, ein künstlicher
und ein natürlicher aus guten Erzen, anderer aber, der oft Flecken
und verbrannte Stellen hat, grobes Korn von bleicher Farbe und sehr
schwer zu schweiſsen ist. Dieser Stahl ist meistens künstlich be-
reitet aus flachen Eisenstücken, die man mit frischem Holzkohlen-
pulver lagenweise in einen groſsen Tiegel, oder einen besonders dazu
bereiteten thönernen Topf, der das Feuer aushält, einlegt, mit einem
Deckel, den man so verschlieſst, daſs kein Rauch entweichen kann,
bedeckt. Hierauf setzt man den erwähnten Topf in einen Kalkbrenn-
ofen, oder einen Brennofen für Ziegel, Backsteine und Töpferwaren,
oder am besten in einen eigens dafür gebauten Ofen, in dem nichts
anderes gemacht wird.


Dieser Stahl ist gut, vorausgesetzt, daſs er zweimal gebrannt
ist, und daſs die Kohle, womit dies geschah, frisch bereitet war. Auch
sind nicht alle Kohlenarten hierfür geeignet. Die Tiegel müssen
[1230]Frankreich im 17. Jahrhundert.
wenigstens zwei Tage und zwei Nächte einem heftigen Feuer aus-
gesetzt werden u. s. w. (Siehe oben S. 1013.)


Der deutsche Stahl kommt in dünnen, quadratischen Stangen
von 7 bis 8 Fuſs Länge vor. Er eignet sich besonders für Schloſsfedern,
Armbrustbogen, Degen u. s. w. und darf keine Flecken, Brandstellen,
Adern und Risse zeigen, was man am Bruch erkennt.


Der Stahl von Carmes oder Rosenstahl (à la rose), den man von
Deutschland und Ungarn nach Frankreich einführt, ist sehr gut, um
damit Meiſsel zu machen, die das Eisen in der Kälte zerhauen,
Grabstichel, feine Meiſsel (cizelets), Sensen und Werkzeuge zur Be-
arbeitung von Stein, Horn, Papier, Holz und sonstige Dinge. Dieser
und der vorhergehende sind die besten, die wir in Frankreich ver-
wenden. Man beurteilt ihn auch danach, ob die Stäbe sich ihrer
ganzen Länge nach glatt in der Hand anfühlen, ohne Flecken und
Brandstellen, und wenn er im Bruch in der Mitte einen fast schwarzen
Flecken zeigt, der in Violett übergeht, dabei ein sehr zartes Korn
ohne Flecken oder Eisenfunken und daſs dieser Flecken den Stab
nach allen Seiten durchsetzt (Blume), so ist dies ein Zeichen, daſs
der Stahl gut ist. Sind die Stäbe aber im Gegenteil fleckig, ver-
brannt, mit Adern im Bruch, so ist er nicht gut.


Stahl von Spanien bringt man zu uns in dicken, quadratischen
Stäben, 5, 6 oder 7 Fuſs lang und 18 bis 20 Linien im Quadrat:
man muſs ihn auswählen, wie den vorigen. Dieser Stahl ist ge-
eignet zum Verstählen von Amboſsen, Sperrhörnern, Vorschlag-
hämmern und anderen groben Werkzeugen, wenn man ihn richtig
ausgesucht hat.


Wir haben aber noch andere Stahlsorten, die aus Spanien zu
uns kommen, welche man „de Grain“ nennt, früher Stahl de la
Motte oder von Mondragon. Dieser Stahl kommt in dicken Klum-
pen, in der Form von groſsen, flachen Kuchen (pains), oft 18 Zoll
und mehr im Durchmesser, und 2, 3, 4 oder 5 Zoll dick, in den
Handel.


Die guten Sorten eignen sich für Kaltmeiſsel, Hammerbahnen
und Werkzeuge, die hart sein müssen und mit denen man schwere
Arbeit ausführt, wie Marmorsägen, Steinmeiſsel. Ist er gut, so zeigt
er im Bruch loses Korn, nahezu gelbe Farbe ohne schwarze Adern
oder Eisenfunken. Man muſs die Mitte des Klumpens (la motte) ver-
wenden und die Kruste so wenig wie möglich. Ist das Korn grob,
glänzend, mit schwarzen Adern und nicht gelblich, so ist der Stahl
von geringer Güte.


[1231]Frankreich im 17. Jahrhundert.

Um den Stab zu gärben (corroyor), kann man ihn in ein Feuer
von Holzkohlen oder von Steinkohlen legen; das von Holzkohlen
ist aber besser, weil die Steinkohle zu hitzig ist, wobei man wegen
der ausschlagenden Flamme nicht deutlich erkennen kann, ob das
Eisen oder der Stahl die richtige Hitze hat. — (Die Steinkohle giebt
viel mehr Hitze als die Holzkohle, weshalb man weniger davon
braucht. Die englische Steinkohle von Newcastle ist besser als die
von Schottland, aber leichter, weshalb man beide Sorten mischt.
Die Steinkohle von Frankreich ist ziemlich gut, aber man braucht
viel mehr davon, weil sie die Hitze nicht so hält. Die beste kommt
von St. Etienne. Die von Auvergne ist sehr gut und steht kaum
der englischen nach; die von St. Dizier ist dagegen die geringste
von allen 1).


Nachdem man den Stahl in das Feuer gebracht und einige Zeit
erhitzt hat, läſst man ihn ein wenig ruhen und in dem Feuer ver-
kochen, indem man feinen Sand oder Lehm aufwirft, um ihn abzu-
kühlen, und zu verhindern, daſs er verbrennt. Alsdann nimmt man
ihn aus dem Feuer und schmiedet ihn mit möglichst raschen, leichten
Schlägen; dann breitet man ihn und reckt ihn zu kleinen, flachen
Stäben, von etwa 2 Linien Dicke, die man dann kirschrot ins Wasser
taucht. Man zerbricht diese Stäbe in kleine Stücke und legt diese
eins über das andere auf einen Flachstab von Eisen von 3 Linien
Dicke, das Ganze bedeckt man mit angefeuchtetem Lehm und nach-
dem man vorsichtig angeheizt, bläst man rasch das Feuer auf, um
es zu schweiſsen und nach Belieben auszurecken.


In dieser Weise kann man den geringen Stahl: Soret, Clamesy
und den von Piemont u. s. w. gärben, sie dabei sogar vermischen, wie
dies die Messerschmiede und andere gute Stahlarbeiter öfter thun.


Den spanischen und den deutschen in Stäben, ebenso wie den
von Carme und den ungarischen Rosenstahl gärbt man seltener in
dieser Weise als den in Stücken (carreaux), weil man ihn weniger für
Schneidewerkzeuge verwendet als den piemontesischen und anderen,
den man in Stücken bezieht.


Ebenso wie es bei allen Stahlsorten wichtig ist, daſs man ihn
mit Sorgfalt auswählt, ebenso wichtig ist es, daſs man das Feuer gut
regiert und Acht giebt, daſs man ihn weder verbrennt noch überhitzt.
Und es ist nicht einmal das Wichtigste für den Schmied, seinen
Stahl gut zu schmieden, es ist vielmehr nötig, daſs er die Härtung
[1232]Frankreich im 17. Jahrhundert.
für jede Stahlsorte kennt und dabei die Arbeit in Betracht zieht, die
er machen will, und verstehe, den geeignetsten Stahl dafür zu finden,
denn es ist durchaus nicht jeder Stahl für jede Arbeit geeignet.“


Nun folgt das interessante Kapitel (67) über die Härtung des
Stahls, welches wir bereits früher mitgeteilt haben.


Im Eisenguſs leisteten die Franzosen Hervorragendes.
Ihnen gebührt das Verdienst der Erfindung des Röhrengusses, wenig-
stens des Gusses eiserner Flanschenröhren, mit eingegossenen
Schraubenlöchern 1). Die Veranlassung zu dieser Erfindung gab
Ludwig XIV. durch die Anlage der groſsartigen Wasserwerke bei
Marly und der Wasserkünste in Versailles in den achtziger Jahren
des 17. Jahrhunderts. Dieses groſsartige Unternehmen stellte ganz
auſserordentliche Anforderungen an die mechanischen Künste und be-
schäftigte viele Hände und Köpfe. Wir haben schon früher erwähnt,
daſs Huyghens und Papin dabei beteiligt waren und die Pulver-
maschine, die Vorgängerin der Dampfmaschine, erfanden, um das
Wasser zu heben. Die Aufgabe war, groſse Massen von Wasser aus
der Seine auf einen Berg bei Marly zu leiten, um sie von da unter
Druck den Gärten von Versailles zuzuführen. Huyghens’ Maschine
kam nicht zur Anwendung, vielmehr konstruierte ein Ingenieur
Rannequis aus Lüttich 2) ein groſsartiges Wasserwerk, welches durch
14 groſse Schaufelräder getrieben wurde. Es wurde 1682 begonnen
und soll 8 Millionen Franks gekostet haben.


Eine ausführliche Schilderung der groſsen Wasserkünste von
Marly-Versailles gab zuerst Leonhard Christoph Sturm in seiner
Civilbaukunst 3).


„Es sind zu Lande von Paris nach Marly zwei gemeine deutsche
Meilen, hingegen zu Wasser auf der Seine mehr als sieben. Diese
[1233]Frankreich im 17. Jahrhundert.
flieſset eine halbe viertel Stunde vor selbigem Flecken vorbei und da-
selbst hat der König die kostbare Kunst anlegen lassen, dadurch das
Wasser daraus in die Höhe getrieben und auf etliche Lusthäuser,
sonderlich aber Marly und Versailles ausgeteilt wird. Es ist ein
Damm quer durch die Seine gebaut, wodurch sie einen Fall bekommt,
dadurch 15 nebeneinanderliegende Schaufelräder 1) getrieben werden,
welche 30 Fuſs im Durchmesser haben. Die Schutzbretter, welche
vor den Rinnen stehen, wodurch das Wasser auf die Räder läuft,
werden mit metallenen Schrauben aufgezogen. Durch diese Räder
werden sieben solche Stangenzüge, wie wir allgemein in den Berg-
werken gebrauchen und welche nebeneinander an einem bei die
600 Fuſs hohen Berg hinanliegen, hin und wieder gezogen. Diese
Stangenzüge aber sind alle besserer Dauerhaftigkeit wegen von
eisernen Stangen gemacht, da wir sie nur von hölzernen auf den
Bergwerken zu machen pflegen. Durch diese Stangenzüge werden
nun an drei unterschiedlichen Orten sieben metallene Stiefel ge-
trieben. Erstlich stehen sieben unten nahe bei dem Wasser, welche
aus einem Wasserhalter, der seinen Zufluſs aus der Seine hat, das
Wasser schöpfen und durch 14 Röhren, jede bei 10 Zoll Dicke von
gegossenem Eisen auf die Hälfte des Berges hinan treiben und da-
selbst in kupferne Kessel ausgieſsen. In diesen Reservoirs stehen
wiederum sieben metallene Stiefel, welche gleicher Gestalt durch die
beschriebenen Stangenzüge bewegt, durch gleichmäſsige eiserne Röhren
den Berg fast gar hinauf das Wasser wiederum in solche Reservoirs
ausgieſsen. Aus diesen wird es endlich auf eben diese Art auf einen
hohen steinernen Aquädukt gehoben, durch den es auf der völligen
Höhe des Berges endlich in ein sehr groſses mit Stein an den Seiten
herum besetztes und am Boden auch in Cement mit Steinen dicht
ausgesetztes Reservoir gebracht wird. Wer nun überschlagen kann,
was für grausame Kosten erfordert worden sind, diese ungeheuerliche
Maschine zu bauen und wieviel noch jährlich zu ihrer Unterhaltung
angewendet werden müsse, wird in Wahrheit erstaunen, daſs ein
König so unerhörte Kosten zu seinem bloſsen Divertissemenf ange-
wendet. Und dennoch ist dieses bei weitem noch nicht alles. Denn
da ist ferner das Wasser an unterschiedliche, ziemlich weit entlegene
Örter alles durch gegossene eiserne Röhren geleitet worden und wo
sich Thäler zwischen gar steilen Höhen gefunden, sind steinerne
Beck, Geschichte des Eisens. 78
[1234]Frankreich im 17. Jahrhundert.
Brücken oder Aquaeductus darüber geführt worden, da sich dann das
Wasser wiederum in Reservoirs sammelt und von da durch die eisernen
Röhren fortgeführt wird, dergleichen Aquädukte unweit von Versailles
bei einem Dorf Montreil in die 120 Fuſs hoch geführt ist, welcher
aus einer unten zum wenigsten 24 Fuſs dicken Mauer bestehet, welche
zu oberst noch 8 Fuſs Dicke behält. Die eisernen Röhren bestehen
alle aus 5 Fuſs langen Stücken, welche mit den Enden ineinander
gesteckt sind, und also mit zwei Kränzen, welche ¾ Zoll dick und
5/4 Zoll hoch sind, zusammenstossen und dadurch, nachdem sie wohl
verstrichen worden, mit Schrauben fest aneinander gezogen werden,
wie es Fig. 232 deutlich zeigt. Die Aquädukte sind von Bruchsteinen
aufgeführt und zu oberst mit drei Schichten in Cement gesetzter
Quadersteine gedeckt, in welchen ein Kanal 5 Fuſs weit eingehauen
ist, welcher der Tiefe nach noch ein wenig in die unterste Schichte
Steine eingreift. Dieser wird mit Blei ganz ausgekleidet und mit
einem breiten oben rundlich zugehauenen Quaderstein bedeckt. Nach-
dem solchergestalt das Wasser bis hart an die Stadt Versailles immer
auf den Bergen fortgeleitet worden, fällt es wiederum in ein groſses
mit Stein ausgesetztes Reservoir. Von da ab fällt es in den be-
schriebenen eisernen Röhren den Berg hinunter und läuft bis unter
den rechten Flügel des Schlosses an dem Garten, da es hinauf steiget
und in die letzten Reservoirs fällt, welche längst aneinander auf dem
Altan selbigen Flügels sind und alle von Kupfer gemacht worden.
Davon fällt es zum letztenmal durch gleichmäſsige Röhren in den
Garten und wird daselbst in lauter gewölbten Gängen, so über 2 Fuſs
weit und über 5 Fuſs hoch sind, und hier und da verborgene Ausgänge
in den Lustwäldern des Gartens haben, dadurch man hineinkommen
und wo es nötig säubern und reparieren kann. Wenn die eisernen
Röhren so nahe an den Springbrunnen kommen, daſs sie sich müssen
in allerley krumme Gänge schicken, sind an ihrerstatt bleierne an-
gemacht, die sich hernach weiter in viele Äste verteilen und da haben
manche Röhren 16 und mehr Zoll im Diametro und sind einen halben
Zoll dick, ja dicker an Blei. Endlich, wo der Sprung geschehen soll,
endigen sie in metallene Röhren. Wenn man nun ein wenig nach-
rechnet, wieviel hundert Centner Metall zu Springröhren und Hähnen,
wieviel hundert Centner Kupfer, wieviel tausend Centner gegossenes
Eisen, wieviel Blei zu diesem ganzen Werk von Marly bis nach Ver-
sailles erfordert habe, der kann ohne tiefe Verwunderung über des
Königs Magnificenz nicht bleiben. Und so kann man der Franzosen
Rodomontade nicht mehr vor sogar excessiv halten, wenn sie sprechen,
[1235]Frankreich im 17. Jahrhundert.
es habe den König allezeit 10000 Thaler gekostet, wenn er die
Wasser zu Versailles habe springen lassen.“


Einen wichtigen Teil der ganzen Anlage bildeten die meist 9 Zoll
weiten guſseisernen Röhren.


Bis dahin hatte man zu Wasserleitungen fast ausschlieſslich Holz-,
seltener Thonröhren angewendet. Beide waren zu schwach, um den
hier verlangten Druck auszuhalten. Metallröhren waren zu teuer;
man verfiel also auf guſseiserne Röhren. Die Schwierigkeit lag aber
in der Verbindung derselben. Man kannte bis dahin nur Muffen-
röhren, welche man ineinander kittete, oder glatte Röhren, welche
man mit den Enden aneinanderstieſs und über deren Enden man
hölzerne Muffen aufkeilte. Die ersteren konnte man nicht aus-
wechseln, weil der Kitt der Art erhärtete, daſs eher das Rohr als der
Kitt sprang; die anderen konnten den Druck nicht aushalten. Man
versuchte es mit aufgesetzten Scheiben, die man verkittete. Aber der
Kitt hielt nicht. Aufgesetzte Bleischeiben, welche man verlötete,
hielten zwar, erzeugten aber beinahe dieselben Schwierigkeiten beim
Auswechseln, wie die Muffenröhren. Da kam man endlich auf den
scheinbar so nahe liegenden Gedanken, die Scheiben an die Rohre an-
zugieſsen. Die Schraubenlöcher wurden in die Scheiben eingegossen,
die Dichtung geschah durch einen Kupferring, was sich schon bei
den Rohren mit aufgesetzten Ringen bei hohem Druck am besten
bewährt hatte. So erfand man damals und bei jener Gelegenheit die
Flanschenrohre.


Man formte vielleicht zu jener Zeit die Muffenrohre über ein
Modell in Sand, während man den Kern aus Lehm drehte. Die ganze
Erfindung bei dem Guſs der Flanschenröhren vom gieſsereitechnischen
Standpunkte bestand in dem geteilten Modell und dem besonders
geformten Kasten. Die älteste Beschreibung dieser Röhren hat
Leonh. Christ. Sturm († 1709) in seiner „Vollständigen Anweisung
für Wasser-Künste, Wasserleitungen, Brunnen und Cisternen etc.“
geliefert.


Er sagt, die allerbesten Wasserleitungen seien die aus Eisen
gegossenen. Er weist dabei auf die groſse Anlage bei Marly
hin. Unter den Beispielen von gegossenen Röhren führen wir ein
Krümmungsrohr mit zwei Knieen und einem Ventilsitz an, ferner
ein Flanschenrohr (Fig. 232, a. f. S.), wobei die eine Flansche C nicht
am Ende, sondern zurückgesetzt ist, so daſs es eine Kombination von
Muffen- und Flanschenrohr darstellt. Das abgebildete Rohr ist 5 Fuſs
lang und hat 1 Zoll Wandstärke. „Das Ende A der einen Röhre
78*
[1236]Frankreich im 17. Jahrhundert.
wird in das Ende B der anderen Röhre eingesteckt, nachdem es
mit Werg umwickelt und mit etwas Fett bestrichen worden. Her-
nach werden die Kränze C an der einen und D an der anderen
Röhre, welche zusammenstoſsen und aufeinander zutreffende Nagel-
oder Schraubenlöcher haben, mit Spillen oder mit Schrauben fest an-
einander gemachet. Wer dergleichen Aquaeductus wirklich anzugeben
bekommt, wird schon wissen, wie die Modelle zu den Röhren den
Gieſsern einzurichten seyen; wo die Rinnen einen Winkel formieren
müssen, wird ein Knie eingesetzt, welches man wegen des Wasser-
stoſses zweimal bricht.“ Deparcieux hat in der groſsen Abhandlung
von Courtivron und Bonchu über die Eisengieſserei eine besondere
Beschreibung von „der Anfertigung der Röhren mit Flanschen oder
durchstochenen Ringen“ gegeben, auf welche wir in der Geschichte

Figure 243. Fig. 232.


des 18. Jahrhunderts zurückkommen werden. Bezüglich der Wand-
stärken macht er folgende Angaben:


Da man noch keine Versuche über die Stärke des Guſseisens
gemacht habe, so bestimme man am besten die richtige Wandstärke
der Röhren von Fall zu Fall, indem man dünnere und dickere Rohre
gieſse und zusehe, bei welcher Wandstärke bei dem gegebenen Druck sie
zerplatzen. Röhren von 6 bis 7 Zoll Weite gebe man eine Wandstärke
von 6 bis 7 Linien, wenn sie aber einen Druck von 100 bis 120 Fuſs
Wasser auszuhalten hätten, von 8 bis 9 Linien. Die tieferliegenden
Röhren müſsten stärker sein, als die höheren. Die Flanschen mache man
etwas dicker als die Rohrwände, und zwar bei Röhren von 2 bis 3 Zoll
Weite 10 bis 11 Linien, bei 4 bis 5 Zoll Weite 11 bis 12 Linien,
bei 6 bis 8 Zoll 14 bis 15 Linien. Die Schraubenlöcher sollten 8 bis
9 Linien vom Rande abstehen und mache man dieselben 1 bis 2 Linien
[1237]Frankreich im 17. Jahrhundert.
gröſser als die Schraubendicke. Bei Röhren von 2 bis 3 Zoll Durch-
messer mache man sie 10 Linien, bei 4 bis 5 Zoll Durchmesser
11 Linien, bei 6 bis 8 Zoll Durchmesser 13 Linien. Gewöhnlich
nehme man drei Schrauben, bisweilen auch vier. — Man pflegte
die Wandstärke nach den Flanschen zu etwas zu verdicken, und
zwar um 2 bis 3 Linien, die sich aber schon 2 Zoll vom Rande
verliefen. Diese von Deparcieux mitgeteilten Erfahrungen hatte man
jedenfalls schon gemacht, als man die groſsen Rohre für das Wasser-
werk von Marly goſs.


Minister Colbert, der sich die gröſsten Verdienste um die
Industrie seines Landes erworben hat, versuchte die Weiſsblech-
fabrikation in Frankreich einzuführen. Zu diesem Zweck lieſs er
deutsche Arbeiter kommen, welche sich teils zu Chenefay in der
Franche-Comté, teils zu Beaumont la Ferrière im Nivernois ansiedelten.
Da sie aber die erwartete Unterstützung nicht fanden, zogen sie wieder
fort. Zu Ende des Jahrhunderts entstand eine Weiſsblechfabrik zu
Straſsburg.


1688 wurde die Gewehrfabrik in Charleville angelegt. Die fran-
zösische Flotte hatte 1691 5136 Geschütze. Nach einer Ordonnanz
des Königs sollten die Schiffe des ersten bis dritten Ranges ganz
mit Bronzegeschützen armiert werden, die des vierten Ranges mit ⅓
von Bronze, ⅔ von Eisen, die des fünften Ranges ⅕ von Bronze,
⅘ von Eisen. Die Fregatten nur mit eisernen Geschützen. — Gegen
Ende des Jahrhunderts wurden zu Perigueux viele eiserne Kanonen
gegossen.


St. Remy sagt 1693: „Man gieſst auch Geschütze von Eisen,
allein sie sind gefährlich, wegen der schlechten Beschaffenheit dieses
Metalles; überdies frisst der Rost sie, macht das Kaliber gröſser und
verdirbt sie. Da aber diejenigen, die man zu St. Gervais in der
Dauphiné gieſst, für gut anerkannt worden sind, weil sie ein sehr
weiches und geschmeidiges Metall haben, so hat man beschlossen,
eine groſse Zahl für einige Berg- und Küstenplätze zu bestellen.“
Man machte des schlechten Guſseisens wegen die eisernen Geschütze
damals sehr schwer:


  • Den 30-Pfünder 7100 Pfund, auf das Pfund der Kugel 197 Pfund.
  • „ 24 „ 5730 „ „ „ „ „ „ 238 „
  • „ 18 „ 4370 „ „ „ „ „ „ 243 „
  • „ 16 „ 4500 „ „ „ „ „ „ 290 „
  • „ 12 „ 3610 „ „ „ „ „ „ 300 „
  • „ 8 „ 2700 „ „ „ „ „ „ 288 „
  • „ 4 „ 1300 „ „ „ „ „ „ 322 „

[1238]Frankreich im 17. Jahrhundert.

Man probierte von der erwähnten Bestellung 90 Stück wie die
bronzenen Geschütze, und sie hielten; man lieſs darauf noch 300
12-Pfünder, 8-Pfünder und 4-Pfünder in Perigord gieſsen. Bald darauf
hatten fast alle Festungen eiserne neben den Bronzegeschützen.


Ludwig XIV. suchte der französischen Industrie durch hohe
Schutzzölle aufzuhelfen. Besonders war man von jeher in Frankreich
von dem Wunsche und dem Streben erfüllt, eine eigene nationale
Stahlindustrie zu besitzen. Ludwig XIV. belegte 1687 den aus-
ländischen Stahl mit einem enormen Zoll von 12,41 Frcs. für
100 Kilo. Unter diesem Schutzzoll entstanden zwei Stahlhütten in
den westlichen Pyrenäen, aber sie nahmen keinen Aufschwung und
lieferten nur ordinären Stahl; Frankreich muſste seinen Schutz-
zoll selbst bezahlen. Der Zolltarif Ludwigs XIV. vom Jahre 1664
blieb der Ausgangspunkt der französischen Zollgesetzgebung für das
ganze 18. Jahrhundert. Auf fremdes Eisen war darin ein Zoll von
0,62 Frcs. pro 100 kg bestimmt.


Über den Eisensteinbergbau bestimmte Ludwig XIV. im Juni
1680, daſs jeder Grundbesitzer gebunden sein sollte, auf Aufforderung
eines benachbarten Hüttenwerkes hin, Eisenstein in seinem Gebiet zu
graben, widrigenfalls er dulden müsse, daſs der betreffende Hütten-
besitzer dies thue. Die Steuern, welche König Ludwig 1680 auf
Eisen und Eisenerze legte, waren sehr hoch.


  • Sie betrugen: 3 sols 6 Pf. für 1 Quintal Eisenerz
  • 8 „ 9 „ „ 1 „ Guſseisen
  • 13 „ 6 „ „ 1 „ Schmiedeisen.

Dies war mehr als der in Deutschland übliche Zehnte.


Übrigens war die Zollpolitik unter Ludwig XIV. eine sehr
schwankende, wie aus den Zöllen auf Stahl und Stahlwerkzeuge her-
vorgeht. Dieselben betrugen nach den Tarifen vom


  • für Stahl für Stahlwerkzeuge
  • 18. September 1664   2,90 Lire 4,14 Lire
  • 25. November 1687   12,41 „ 4,14 „
  • 3. Juli 1692   10,41 „ 6,21 „
  • 2. April 1700   6,21 „ 6,21 „

Daſs Ludwig XIV. durch die Aufhebung des Ediktes von Nantes
und die Vertreibung der Protestanten die französische Industrie
schwer geschädigt hat, haben wir schon zu erwähnen Gelegenheit
gehabt.


[1239]Lothringen im 17. Jahrhundert.
Lothringen.

Lothringen war im 17. Jahrhundert noch ein selbständiges Herzog-
tum, wenn es auch in dem Zeitraume von 1670 bis 1697 von König
Ludwig XIV. von Frankreich als erobertes Land behandelt wurde.


Zu dem Herzogtume Lothringen gehörte das Gebiet von Dillingen,
wo schon im 16. Jahrhundert Eisenerze gewonnen wurden. Bereits
am 22. Juli 1581 erhielt Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken von
dem Herzog von Lothringen die Erlaubnis, Eisenerze von Dillingen
zu beziehen und nach Saarbrücken auf seine Eisenhütte zu fahren.
1685 erhielt der Marquis von Lenoncourt von Ludwig XIV. die Kon-
zession zur Anlage einer Eisen- und Stahlhütte zu Dillingen und
wurde der Gründer der berühmten Dillinger Werke. Ebenso gehörte
die Herrschaft Schomburg zu Lothringen. Die darin belegenen Eisen-
steingruben bei Castel wurden am 26. August 1621 von dem Herzog
einem Herrn von Lenoncourt überlassen. Bei Castel gab es auch
eine Eisenhütte (forge). Die Hütte von Sexey im Meurthedepartement
hatte urkundlich schon 1495 einen Hochofen und Frischfeuer.


Von besonderem Interesse ist die Geschichte des Eisenbergbaues
von Hayange, der urkundlich bis 1264 zurückreicht. Die eigent-
liche Gründung der berühmten Eisenwerke 1) von Hayange wird meist
dem Rudolf Hullin, Herrn de la Roche, zugeschrieben, doch ist dies
nicht ganz richtig, indem er nur die Werke wieder in Schwung
brachte und einer der gröſsten Eisenproduzenten in Lothringen wurde.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts besaſs Joachim de Lenoncourt,
Marquis von Marolles und Gouverneur von Thionville, einen Hochofen
und Blechhammer bei Hayange. Die bereits mehrfach genannte
Familie De Lenoncourt hatte schon im vorhergehenden Jahrhundert
in der Eisenindustrie eine Rolle gespielt, indem Henry de Lenoncourt,
Ritter des Königs von Frankreich, und Herr von Veranicourt (Veron-
court) durch Patent vom August 1573 die Erlaubnis erhalten hatte,
in dem königlichen Gebiete von Jonchery und la Hermand Eisenerze
zu graben und Eisenhütten zu errichten für seinen Eisenhammer zu
Veranicourt.


Nach dem Tode des Marquis von Marolles kamen dessen Eisen-
hütten in den Besitz seiner Witwe, welcher ihr von dem Grafen
Jaques Rouxel, Gouverneur von Thionville, gegen eine jährliche
[1240]Lothringen im 17. Jahrhundert.
Zahlung von 400 Pistolen bestätigt wurde. Die Witwe de Marolles
heiratete wieder einen Grafen de Bennuel, der dann mit seiner Frau
am 1. Juni 1671 die Hüttenwerke von Hayange an Rudolf Hullin,
Herrn de la Roche, für jährlich 400 Pfund Turnosen verpachtete.
Rudolf Hullin hatte schon in den Jahren 1665 bis 1671 einen Eisen-
hammer und einen Blechhammer daselbst betrieben. Dazu baute er
1699 ein Drahtwerk, das 1400 Lires kostete und einen Hochofen, den er
Magdalenaofen benannte. 1697 begann zwischen den Erben des Herrn
von Lenoncourt eine Reihe von Prozessen über ihre Besitzansprüche
an die Eisenwerke von Hayange, deren weiteren Verlauf wir später
kennen lernen werden.


Noch interessanter ist die Geschichte der Eisenhütte von
Moyeuvre.


Ein gewisser Michel Fabert von Moulins nahm die Eisenwerke von
Moyeuvre, drei Meilen von Metz, zwei von Diedenhofen, von dem
Herzog von Lothringen um das Jahr 1630 in Pacht 1). Das Wasser
der Orne war durch eine Schleuse gefaſst und in einen Kanal ab-
geleitet, um zwei Frischhämmer, zwei Hochöfen, zwei Blechhämmer
und einen Zainhammer, kurz „die schönste Hütte im ganzen König-
reich“ zu treiben. Als eine Überschwemmung die Schleuse wegriſs,
lieſs er sie wiederherstellen; dieses Unglück wiederholte sich noch
dreimal, so daſs er zuletzt allen Mut verlor und den Betrieb aufgab,
obgleich er nach wie vor seine vertragsmäſsige Pacht von 30000 L.
an den Herzog von Lothringen zahlen muſste. In seiner Betrübnis
schrieb er an seinen Sohn Abraham Fabert, den späteren Marschall von
Frankreich, der damals ein junger Offizier war; aber dessen Antworten
befriedigten ihn nicht. Nicht lange darauf erhielt der junge Fabert
Urlaub, kam nach Metz und erfuhr hier näheres über die Geschichte
der Eisenhütte von Moyeuvre. Er reiste hin und sein Urteil ging
dahin, daſs die Schleuse für den Druck des Wassers zu schwach ge-
baut sei. Da sein Vater sich davon nicht überzeugen lieſs, machte
er sich ein Gewicht von einem Kubikfuſs Eisen, wog dieses für sich
und im Wasser und ermittelte aus dem Gewichtsverluste das Gewicht
von einem Kubikfuſs Wasser des Flusses. Er maſs und berechnete
den Querschnitt des Flusses, multiplizierte ihn mit der Länge des in
der Zeiteinheit durchströmenden Wassers und dem Gewicht und ermit-
telte so den Druck, den die Schleuse auszuhalten hatte. Trotzdem
[1241]England im 17. Jahrhundert.
gab sein Vater nicht nach; infolgedessen übernahm der junge Fabert,
der sich verheiratet hatte, die Eisenwerke auf seine Rechnung und
lieſs die Schleuse nach seinen Plänen umbauen. In Metz spottete
man anfangs über ihn und tadelte ihn; aber der Erfolg des Werkes
rechtfertigte bald sein Unternehmen. Er verteilte die Arbeit unter
seinen Arbeitern in so genauem Verhältnis, daſs er, ob abwesend
oder anwesend, aus dem Verdienste eines einzigen Arbeiters genau
den Verdienst der übrigen beurteilen konnte. Wenn man ihm z. B.
angab, was die Schmelzer in 14 Tagen verdient hatten, so wuſste er
genau die Verdienste der Schmiede, der Köhler und der Holzhauer,
er kannte die Menge Eisen, die erzeugt worden war, und was ihm
nach Abzug aller Kosten an Gewinn verblieb. Ein Teil der Arbeiter,
denen diese strenge Ordnung nicht gefiel, lehnte sich auf. Fabert
ersetzte sie durch andere; aber es dauerte nicht lange, so meldeten
jene sich wieder und wurden, auſser den Hauptschuldigen, denen
Fabert kein Gehör schenkte, wieder angenommen. Diese Eisenhütte,
damals die schönste in Europa, bei der ein Pferd und eine Karre
genügte, das Erz für zwei groſse Hochöfen herbeizuschaffen, welches
man ungewaschen, so wie es kam, in die Gicht des Hochofens
stürzte, erzeugte 1½ Million Pfund Eisen, welche für 40 Thaler die
tausend Pfund verkauft wurde.


Herzog Leopold von Lothringen suchte gegen Ende des Jahr-
hunderts mit allen Mitteln den Bergbau und die Industrie seines
Landes zu heben; dem Bergbau und Hüttenwesen galt seine be-
sondere Sorge. Im Jahre 1696 erlieſs er eine Bergordnung und
ernannte César François d’Hoffelize zum Oberintendanten der Berg-
werke in Lothringen.


England.

In England herrschte zu Anfang des Jahrhunderts Wohlstand
und ein angeregtes Leben und Streben. Handel und Industrie blühten
und die englische Schiffahrt hatte sich unter der weisen und für-
sorglichen Königin Elisabeth auf eine erstaunliche Höhe gehoben.
Englands Seemacht war seit der Vernichtung der spanischen Armada
zu hohem Ansehen gelangt und Englands Stolz und Selbstvertrauen
war seit jenem glänzenden Seesiege gewaltig gewachsen. Elisabeth
hatte Englands Kolonialpolitik geschaffen, indem sie dem kühnen
[1242]England im 17. Jahrhundert.
Walter Raleigh durch einen besonderen Akt alles Land schenkte,
welches er in Amerika entdecken würde; worauf dieser das Küsten-
land zwischen Florida und Arcadien auffand, es für England in Besitz
nahm und es seiner jungfräulichen Königin zu Ehren Virginien nannte.
Wie eifrig Elisabeth bemüht war, das Eisengewerbe zu heben und
eine selbständige nationale Eisenindustrie zu schaffen, haben wir be-
reits früher ausgeführt. Diesem Streben stand aber ein Hindernis
im Wege, das von Jahr zu Jahr gröſser wurde, die Entwaldung Eng-
lands und der zunehmende Holzmangel. Noch war man nicht im
Stande, Eisen mit Steinkohlen, an dem das Land so reich gesegnet
war, zu schmelzen. Wohl war man längst gezwungen, in Folge der
groſsen Holznot, die Steinkohlen für den Hausbrand zu verwenden,
und im Jahre 1615 waren bereits 400 englische Schiffe beschäftigt,
Steinkohlen von New-Castle nach London zu bringen; daſs man aber
die Erze mit Steinkohlen schmelzen könne, schien unmöglich. Der
Wunsch lag ja nahe und das Bedürfnis dafür war so groſs, daſs es der
leitende Gedanke für die Verbesserung der englischen Eisenindustrie
wurde. Viele Versuche wurden gemacht und der rechte Weg wurde
auch gefunden, aber ohne dauernden Erfolg. Die Verwertung der
Erfindung scheiterte an dem starrköpfigen Hängen am Hergebrachten
und der Engherzigkeit der englischen Industriellen. Der Erfinder
aber, Dud Dudley, der ein begeisterter Prophet für seine Idee war,
wurde mit schnödem Undank belohnt und starb im Elend.


Bevor wir aber in eine ausführliche Darstellung dieser für die
Entwickelung der ganzen Eisenindustrie so wichtigen Episode ein-
treten, wollen wir einen Blick auf die Eisenindustrie Irlands werfen,
die in diesem einen Jahrhundert sich zu hoher Blüte entfaltete, um
am Ende des Zeitabschnittes in ihre frühere Unbedeutendheit zurück-
zusinken. Diese Blütezeit war allein bedingt durch die Ausnutzung
des in den Waldungen vorhandenen Holzvorrats. Irland war vor-
mals reich an ausgedehnten Wäldern. Nach der ersten Eroberung
der Insel durch die Engländer unter König Heinrich II. rühmt
Giraldus Cambrensis den Waldreichtum Irlands. Die Engländer
fällten die Bäume auf ausgedehnten Strecken, teils um die räube-
rischen Feinde ihrer Schlupfwinkel zu berauben, teils um Land zum
Ackerbau zu gewinnen. Nach der Niederwerfung des groſsen Auf-
standes unter Königin Elisabeth wurden die Wälder aus ähnlichen
Gründen und um wertvolles Bauholz zu gewinnen, noch weiter aus-
gerottet. Dennoch blieben noch ausgedehnte Forsten in vielen Teilen
Irlands bestehen. Die Insel war ferner reich an Eisenerzen. Man
[1243]England im 17. Jahrhundert.
unterschied drei Arten derselben: 1. Sumpferz (bog-mine), welches
frisch gewonnen einem gelben Lehm glich, durch Liegen an der Luft
aber eine schwärzliche Farbe annahm; 2. Bergerz (rock-mine), in den
Provinzen Munster und Leinster, welches weder so reich noch so gut
war, wie das Sumpferz und für sich geschmolzen brüchiges Eisen gab,
das sich nur zu Pflugscharen verwenden lieſs. 3. Das weiſse Erz
(white mine, shell mine), ein sehr verbreiteter oolitischer Eisenstein,
der ein gutes zähes Eisen gab und sich gut mit dem Bergerz zu-
sammen verschmelzen lieſs. Das mächtigste Vorkommen war in der
Grafschaft Roscommon am Ufer des Lough Allen, wo das Gebirge so
voll Eisenerz war, daſs die Eingeborenen sie Eisenberge — „Slew-
Neren“ — nannten. Nach der Entdeckung dieser und anderer Erz-
lager begannen die Engländer dieselben abzubauen und Eisenwerke
zu errichten 1). Die ausgedehntesten waren die des Grafen von Cork
in Munster, die von Sir Charles Coote in den Grafschaften Ros-
common und Leitrim in der Provinz Connaught und bei Mountrath
in Queens County in Leinster, die des Grafen von Londonderry zu
Ballonakill in derselben Grafschaft, die des Lordkanzlers A. Loftus
und des Viscount Ely zu Mountmellick in Kings County, die des Sir
John Dunbar in Fermanag in Ulster, und ein anderes in derselben
Grafschaft am Ufer des Lough Erne von Sir Leonhard Blenerhaſset,
die von einigen Londoner Kaufleuten in der Grafschaft Thomond
errichteten, auſser noch einigen an anderen Plätzen, deren erste Er-
bauer unbekannt sind.


Ähnliche Eisenwerke wurden an verschiedenen Stellen der Küste
von Ulster und Munster von solchen Personen angelegt, die, da sie
kein Erz in der Nähe hatten, ihren Eisenstein von England bezogen,
was billiger war, als die Erze über Land aus dem Inneren zu beziehen,
und ihn mit einheimischer Holzkohle verschmolzen. Alle die er-
wähnten Werke waren auf Schmiedeisenerzeugung angelegt (Renn-
werke), indessen gab es auch einige Gieſsereien, in denen Geschütze
(ordnance), Töpfe, kleine, runde Öfen und andere Waren gegossen
wurden; das einzige Werk, welches als solches ausdrücklich erwähnt
wird, war das von Christof Windsford, Vizekanzler von Irland, welcher
nach Lord Staffords Abberufung 1630 Statthalter wurde — er hatte
eine ausgedehnte Eisengieſserei auf seinen Besitzungen bei Idough in
der Grafschaft Carlow.


Die Lage der Eisenwerke des Grafen von Cork war besonders
[1244]England im 17. Jahrhundert.
günstig für den Schiffstransport. Er übertraf alle anderen Gewerke
durch seinen Versand und erwarb sich dadurch groſsen Reichtum;
Leute, die Einblick in die Sache hatten, versicherten, daſs er über
100000 Pfund Sterling Reingewinn aus seinen Eisenwerken gezogen
habe. Gerard Boate, der diese Mitteilungen in seiner „Natur-
geschichte Irlands“ veröffentlichte, giebt eine ausführlichere Beschrei-
bung der umfangreichen Eisenwerke von Sir Charles Coote, welcher 1641
beim Ausbruch der englischen Revolution zum Gouverneur von Dublin
ernannt wurde. „Aber wenige“, schreibt er, „erzielten so groſsen
Gewinn wie Sir Charles Coote, weil sie keine so günstigen Transport-
gelegenheiten hatten; und er selbst verdiente nicht so viel an seinen
Eisenwerken in Connaught als in dem bei Mountrath, obgleich die
Gruben dort reichere Erze lieferten, von denen ihm die Tonne am
Ofen nur auf 3 Schilling zu stehen kam, weil der Lough Allen, an
welchem die Gruben und die Hütten von Mountrath lagen, ihm Ge-
legenheit gaben, sie zu Wasser vom Bergwerk zum Ofen zu bringen,
und zwar in Böten von 40 Tonnen. Auf dem Werk bei Mountrath
kam das Bergerz auf 5 Schilling 6 Pence und die Tonne Weiſserz,
welche zwei Meilen weiter gefahren werden muſste, auf 7 Schilling;
die beiden wurden in dem Verhältnis gemischt, daſs ein Teil Bergerz
auf zwei Teile Weiſserz kamen — mehr Bergerz konnte man ohne
Beeinträchtigung der Güte des Eisens nicht setzen — und dieses Ge-
misch gab ein Drittel an Eisen, es lieferten also 2 Tonnen Weiſserz
und 1 Tonne Bergerz 1 Tonne gutes Eisen, sogenanntes Handelseisen,
das nicht vom ersten, sondern vom zweiten Schmelzen fiel und in
Stäbe ausgeschmiedet war, so daſs man es für alle Zwecke gebrauchen
konnte.


Dieses Eisen schickte er stromabwärts dem Flusse Nore nach
Roſs und Waterford in der Art von irischen Boten, welche „Cots“
heiſsen und die aus einem Stück Holz gemacht sind (Einbäume);
diese Art von ungestalteten Boten ist in Irland sehr gebräuchlich,
sowohl um über den Fluſs zu fahren, als um Güter von einem Platz
zum anderen zu transportieren, und zwar nicht nur in flachem Wasser,
wie es der obengenannte Fluſs meist hat, sondern auch auf groſsen
Flüssen und Seeen. In Waterford wurde dann das Eisen in groſse
Schiffe (board-ships) für London umgeladen, wo es für 16, oft für
17 und manchmal für 17½ Pfd. Strl. verkauft wurde, während es
Sir Charles Coote nicht mehr als zwischen 10 und 11 Pfund, alle
Kosten des Grabens, Schmelzens, Frischens, des Transportes, der
Botsmiete und Fracht, sogar des Zolles eingerechnet, zu stehen kam.


[1245]England im 17. Jahrhundert.

Trotz des Überflusses an Holz, der Nähe der Bergwerke, der
Bequemlichkeiten des Wassertransportes, sind die Kosten des Baues
und Betriebes eines Eisenwerkes doch groſs, wegen der groſsen Zahl
von Arbeitern, die dazu nötig sind: als Holzhacker, Säger, Zimmer-
leute, Schmiede, Maurer, Balgmacher mit allen ihren Geräten zur
Einrichtung und Erhaltung der Hütte; ferner von Wasserknechten,
welche die Wassergräben in Ordnung halten, Korbmachern, um die
Aufgabekörbe zu machen und zu unterhalten, Schiffsbauer und Schiffs-
knechte, um die Bote zu machen und zu fahren, Bergleute (diggers)
in den Gruben, Schlepper, die das Erz fahren, Köhler, um die Holz-
kohle zu machen, Fuhrleute (Corders), um sie nach der Hütte zu
bringen; Aufgeber, um die Gichten zu setzen, Ofenarbeiter, welche
das Schmelzwerk beaufsichtigen, Asche und Schlacke ausbrechen und
das flüssige Metall zur rechten Zeit abstechen. Frischer, Hammer-
schmiede und verschiedene Arbeiter, die da und dort helfen müssen.


Von all diesen verschiedenen Arten von Leuten unterhielt Sir
Charles Coote der Ältere, jener eifrige, berühmte Krieger in dem
letzten Krieg gegen die irischen Rebellen (in welchem er, nach
manchen ruhmvollen Thaten im ersten Jahr desselben sein Leben
verlor), immer 2500 bis 2600 auf seinen Eisenwerken, deren er drei
besaſs, woraus leicht die Höhe des Anlagekapitals und der Unter-
haltungskosten der Eisenwerke ermessen werden kann: aber bei alle-
dem zogen die Besitzer groſsen Gewinn daraus, in der Regel nicht
weniger als 40 Proz.


Bei der allgemeinen Zerstörung alles englischen Eigentums durch
die Rebellen 1641 wurden beinahe alle Eisenwerke zerstört; nur in
der Nähe des Long Conn in der Grafschaft Mayo blieben wertvolle
Eisenwerke erhalten, die denn auch ihren Betrieb fortsetzten, solange
sie Brennmaterial beziehen konnten.


In einer späteren Periode, um das Jahr 1660, errichtete Sir
William Petty groſse Eisenwerke bei dem Dorfe Blackstones in der
Grafschaft Kerry; diese Werke waren bis gegen die Mitte des 18.Jahr-
hunderts in Betrieb; nachdem aber alles Stammholz der Nachbar-
schaft erschöpft war, kamen sie zum Erliegen. Es scheint etwas auf-
fallend — bemerkt der englische Berichterstatter —, daſs Sir William
Petty nicht mehr darauf bedacht war, durch Hägung und Nachzucht
von Unterholz seine Waldungen zu erhalten, wie es in Schweden und
anderen Ländern, wo Eisenindustrie betrieben wird, geschieht, in
denen für einen regelmäſsigen Nachwuchs von Unterholz gesorgt wird;
aber da diese Wälder auf dem besten, trockensten Boden wuchsen, so
[1246]England im 17. Jahrhundert.
fanden die Ansiedler, die ihn zuerst ausgeholzt hatten, das frei-
gewordene Land für vorzüglich geeignet für Weideland und dachten
nicht an die Erhaltung des Waldes.


Sir William Petty erwähnt in seiner „Politischen Anatomie von
Irland“, daſs 1672 in Irland 1000 Tonnen Eisen dargestellt wurden,
welche 2000 Männern und Weibern Beschäftigung gewährten, und daſs
es 6600 Eisenschmieden oder, wie er meint, noch ein Fünftel mehr im
Lande gäbe und daſs die Zahl aller durch dieselben beschäftigten
Männer und Weiber sich auf 22500 beliefe.


Im achten Jahr Wilhelms III. (1697) wurden die Zölle auf Stab-
und Zaineisen von Irland, wegen der bedrängten Lage der irländischen
Industrie, aufgehoben. Diese Aufhebung des Zolls hatte eine groſse
Nachfrage nach irländischem Stammholz zur Folge, welches nach den
englischen Zollregistern (Book of Rates) zum Preise von 13 Sh. 4 Pf. die
Tonne eingeführt und deshalb ebenfalls wohl kaum mehr einem Zoll
unterworfen war. Die ungeordneten Zustände Irlands und die Zuflucht,
welche die Waldungen Verbrechern, Räubern und allen denen, die
der Regierung feindlich gesinnt waren, darboten, machten die Grund-
besitzer ebenfalls gleichgültig gegen die Erhaltung der Wälder oder
fast, wie es scheint, feindlich ihrem Bestehen, denn in vielen alten
Pachtverträgen wurde den Pächtern ausdrücklich aufgegeben, kein
anderes Brennmaterial als Stammholz zu verwenden. Dadurch nahm
die Verwüstung der Wälder Irlands solche Dimensionen an, daſs am
Schluſs des Jahrhunderts das englische Parlament einschreiten muſste
und ein Schutzgesetz erlieſs, um der gänzlichen Ausrottung der
Wälder in Irland entgegenzutreten.


So war durch ein unsinniges Raubsystem der Waldreichtum
Irlands binnen einem Jahrhundert vernichtet worden. Die kurze
Blüte einer irländischen Eisenindustrie war wie ein Traum vergangen.


In England war schon längst der Holzmangel zu einem Not-
stand geworden. Alle Gesetze der Königin Elisabeth hatten die fort-
schreitende Entwaldung nicht aufhalten können. Der gröſste Holz-
verschlinger war die Eisenindustrie. Notschreie ertönten von allen
Seiten; so wird z. B. in einer Abhandlung aus dem Jahre 1629 „ein
Bericht über einige Miſsbräuche begangen gegen die bürgerliche Ge-
sellschaft, insbesondere aufgesetzt für die Grafschaft Durham“, die
Holzverschwendung als der gröſste Miſsbrauch verurteilt. „Da ist ein
Mann“, heiſst es an einer Stelle, „dessen Wohnung innerhalb 20 Meilen
von der Stadt Durham gelegen ist, welcher in seinem Leben über
30000 Eichen ohne Berücksichtigung des Unterholzes niedergeschlagen
[1247]England im 17. Jahrhundert.
hat und wenn er noch lange lebt, ist es zweifelhaft, ob er soviel Bau-
holz im ganzen Lande übrig lassen wird, als zur Reparatur einer
unserer Kirchen erforderlich wird, so schnell verschlingen seine
Eisen- und Bleiwerke das Holz.“ Der Gedanke, Holzkohle durch
Steinkohle zu ersetzen, lag deshalb nahe und beschäftigte schon im
ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts die Geister. Schon gegen Ende
des vorhergehenden Jahrhunderts waren darauf bezügliche Projekte
aufgetaucht. Hatte doch schon der berühmte Kardinal Wolsey 1528
Versuche gemacht, Bleierze mit Steinkohlen zu schmelzen. 1589
wurde von der Königin Elisabeth an Thomas Proctor und William
Peterson
ein Patent verliehen, Eisen und Stahl herzustellen und Blei
zu schmelzen mit Steinkohlen und Torf 1). Aber das Unternehmen
scheiterte. Es existiert noch ein Bericht über die Herstellung von
2 Tonnen Eisen nach diesem Verfahren auf einem Hüttenwerk zu
Yorkshire, wonach die Kosten sich hierfür auf 66 £ 13 sh. 4 d. pro
Tonne gestellt hätten. Das war, wie der Bericht sagt „deere iron“.
Kurze Zeit danach 1590 erhielt auch der Dean of York ein Patent
zum „Abschweflen“ der Kohle.


Der Miſserfolg von Proctor und Peterson schreckte für einige
Zeit ab. Aber schon 1607 erhielt ein gewisser Robert Chantrell ein
ähnliches Patent „to make and forge iron and steel with stone coal,
sea coal, pit coal and peat coal“. Einen Erfolg kann dieses Patent
nicht gehabt haben. Aber nicht nur die Eisengewerke, sondern auch
der König und namentlich der voraussichtliche Thronerbe, König
Jacobs I. ältester Sohn Heinrich, Prinz von Wales, interessierten sich
lebhaft für die Frage. Als daher ein gewisser Simon Sturtevant, an-
geblich ein Deutscher, ein Mann von vielerlei Kenntnissen, der sich
schon früher durch Erfindungen auf mechanischem Gebiet bekannt
gemacht hatte, auftrat und behauptete, ein Verfahren erfunden zu
haben, um bei allen metallurgischen Prozessen Holz und Holzkohle
durch Steinkohle zu ersetzen, fand er williges Gehör bei dem König
und dem Prinzen und erhielt am 26. Februar 1611 ein umfassendes
Patent sowohl für die Verwendung der Steinkohle für metallurgische
und andere Zwecke, als auch für alle angeblich von ihm erfundenen
Apparate, Maschinen und sonstigen Hülfsmittel, welche diesem Zweck
dienen sollten. Obgleich Sturtevant keinen Erfolg hatte, da er, wie
[1248]England im 17. Jahrhundert.
es scheint, ein Abenteurer war, der eine wirkliche Erfindung gar nicht
nachweisen konnte, das Patent also nur erwarb, um wirkliche Er-
finder zu zwingen, sich mit ihm zu verbinden oder ihm sein Recht
abzukaufen, so ist doch diese Patentbeschreibung, welche zuerst am
22. Mai 1612 von George Eld in London „cum privilegio“, und dann
1858 von dem Patentamt in London von Neuem gedruckt wurde, von
groſsem Interesse, sowohl für die Geschichte der Technik als für die
Geschichte des Patentwesens.


Sturtevant legt seinem Patentgesuch eine Gewinnberechnung
zu Grunde, durch welche er den Wert und die Bedeutung seiner Er-
findung in das rechte Licht stellen will. Er sagt, es gäbe in Groſs-
britannien und Irland 800 Eisenhütten (milnes for the making of Iron),
hiervon seien 400 in Surrey, Kent und Sussex, 200 in Wales
und 20 in Nottinghamshire, in den übrigen Grafschaften Englands,
sowie in Schottland und Irland nimmt er 180 an. Eine Hütte ver-
brauche jährlich im Durchschnitt 500 £ für Holzkohlen; für Stein-
kohle würde sie dagegen bei gleicher Produktion nach seinem Ver-
fahren höchstens 50 £ aufzuwenden haben. Rechnet man aber die
Ersparnis für eine Hütte nur auf 400 £, so ergiebt sich für die
800 Hütten 320000 £, welche allein in der Eisenindustrie durch die
Einführung der Steinkohle als Brennmaterial erspart werden würden.
Für die anderen Metalle, als Blei, Zinn, Kupfer, Bronze für Glas
und andere mineralische Stoffe nimmt er eine weitere Ersparung von
mindestens 10000 £ an, so daſs im Ganzen ein jährlicher Gewinn von
330000 £ erzielt würde.


Das Patent (a Letter Patent) hat die Form eines Vertrags (in-
denture) zwischen dem König und Sturtevant (our Soveraigne Lord
of the one party, and Simon Sturtevant, Gentleman, of the other
party). Es beginnt folgendermaſsen: „Da der genannte Simon
Sturtevant, durch sein langes Studium und groſse Kosten verschie-
dene neue exakte mechanische Künste, Mysterien, Wege und Ge-
heimnisse seiner eigenen Erfindung erschlossen hat, durch welche alle
Arten von Metallen, Produkten (works) und anderen Dingen und
Materialien, alle Arten metallischer Flüsse (concoctions) als Sand-
flüsse, Aschenflüsse, Emaile (Sand-mettles, Asch-mettles, Ammels) und
dergleichen — drittens alle Arten gebrannte Erden, als Ziegel,
Fliesen, Backsteine und dergleichen — viertens, alle Arten gepreſster
Waren, wie Preſsziegel, Preſssteine, gepreſste Mauersteine und der-
gleichen, sowie noch verschiedene andere Dinge und Materialien,
welche jetzt nach dem gewöhnlichen Verfahren mit Holz und Holz-
[1249]England im 17. Jahrhundert.
kohlen hergestellt werden, wie genannter Simon Sturtevant ver-
sichert, mit Seekohle, Schachtkohle, Erdkohle und Abfall-Brennstoff
(Sea-coale, Pit-coal, Earth-coal and Brush fewell) hergestellt werden
können, wodurch die Wälder, welche jetzt überall in den Hauptwald-
bezirken des englischen Reiches durch Eisenhütten und andere Metall-
schmelzöfen und Herde zerstört werden, vor der gänzlichen Erschöpfung
bewahrt und von demselben Schicksal andere Gebiete ihrer Majestät
gerettet werden können, was alles durch diese neue Erfindung, welche
Simon Sturtevant unternommen hat, ebenso gut gemacht wird als
die gleichen Materialien, welche jetzt mit der drückenden und über-
mäſsigen Verschwendung von Holz und Holzkohle gewonnen und be-
arbeitet werden; — und da fernerhin genannter Simon Sturtevant
zur besseren Darstellung, Bearbeitung, Gewinnung, Zerklopfen, Brennen
und Schmelzen der genannten Metalle, Produkte, Dinge und Mate-
rialien mit See-, Schacht-, Erdkohle und Abfall-Brennstoff durch seine
erwähnte Erfindung und Geschicklichkeit verschiedene Öfen, Herde,
Teste, Werkzeuge, Maschinen, Wasserwerke (milnes) und andere In-
strumente und Hülfsmittel neu und zuerst, indem sie nie zuvor von
irgend jemand verwendet worden sind, erfunden hat; und da er
fernerhin durch seine erwähnten Erfindungen und Geschicklichkeit
Kenntnis erlangt hat, verschiedene andere gebräuchliche (common)
Instrumente zur Darstellung, Bearbeitung und Gewinnung der ge-
nannten Metalle, Produkte, Materialien und Dinge, welche gebräuch-
liche Hilfsmittel werden und jetzt in anderen Künsten, Wissen-
schaften und Handwerken benutzt werden, aber weder früher noch
jetzt für diese Zwecke verwendet worden sind, zu verwenden, welche
Erfindungen, Metalle, Produkte u. s. w. und welche Mittel und Werk-
zeuge, mit denen sie bearbeitet werden sollen, in dem oder den
Verzeichnissen (Schedule ore Schedules), welche Gegenwärtigem an-
geheftet sind, vollständig, ausführlich und genau dargestellt, auf-
geführt, beschrieben und in einer groſsen Abhandlung, welche ge-
nannter Simon Sturtevant bereits entworfen und die im Druck
erscheinen und veröffentlicht werden soll vor dem letzten Tag der
nächsten Ostermesse, welche zu druckende Abhandlung betitelt werden
soll: a Treatise of Metallica, enthalten sein werden; welche erwähnte
Erfindung des Simon sich für den Staat nützlich erweisen wird und soll,
sowohl in Bezug auf die auſserordentliche Menge der erwähnten Dinge
und Materialien, welche sie täglich erzeugen wird, als auch, weil sie
Massen von Bauholz, Holzkohle und Brennholz und andere Dinge,
welche jetzt in Massen verschwendet und verbraucht werden und
Beck, Geschichte des Eisens. 79
[1250]England im 17. Jahrhundert.
deren allgemeiner Mangel sich bereits fühlbar macht, rettet und er-
hält u. s. w. .... deshalb hat der König für sich und seine Nach-
folger dem genannten Simon Sturtevant, seinen Bevollmächtigten,
Vollstreckern und Pflegern (his executors, administrators and
assignes) sowie seinem und deren Stellvertreter die alleinige, volle,
unumschränkte und freie Macht gewährt, die vorgenannten Me-
talle u. s. w. mit Steinkohlen in allen Teilen und Plätzen seines Reiches
zu machen, die Gebäude, Öfen und Werkzeuge, sowohl die von ihm
erfundenen, als die in anderen Betrieben gebräuchlichen, zu errichten
und herzustellen für die Dauer und Frist von 31 Jahren.


Hierfür hat er von seinem Gewinn, der in 33 Teile geteilt wird
(wohl in Folge des oben berechneten Reingewinns von 33 × 10000 £)
10 Teile an den König, 5 Teile an dessen ältesten Sohn Heinrich,
Prinz von Wales, 2 Teile an dessen zweiten Sohn Karl, Herzog von
York (den nachmaligen König Karl I.) und 1 Teil an Robert Viscount
Rochester, Baron von Wainick, zu bezahlen. 1 Teil (1/33) soll dem
Patentinhaber für seine Erfindung verbleiben, über die übrigen
14 Teile steht ihm die Verfügung zu, in der Weise, daſs er sie unter
allen denen, die ihm bei der Ausführung des Patentes helfen, sich
mit ihm verbinden, ihn unterstützen, die Sache unternehmen, ver-
teilen kann.“


Der Vertrag wurde doppelt ausgefertigt: Sturtevant erhielt das
von dem König unterschriebene und mit dem königlichen Insiegel
versehene Exemplar, während der König das von jenem in gleicher
Weise ausgefertigte empfing.


Sturtevant kam der in dem Patent ihm auferlegten Verpflich-
tung, vor Ablauf der Osterfrist seine Abhandlung „Treatise of
Metallica“ zu veröffentlichen, nach. Dieselbe ist in einer Ausgabe des
Patentamtes von 1858 mit dem Patent abgedruckt. — Vergeblich aber
suchen wir darin nach der eigentlichen Erfindung Sturtevants. Die
Abhandlung ist in der Form eines Gespräches zwischen dem Leser und
dem Erfinder gehalten. Der Erfinder hüllt sich jedoch in seinen
Antworten in ein solches Dunkel von unverständlichen, selbsterfun-
denen, gelehrtseinsollenden Worten, unklaren Definitionen und leeren
Phrasen, daſs der arme Leser sich sehr dumm vorkommt, von dem
Wesen der groſsen Erfindung oder von dem Wesentlichen irgend einer
der vielen angeblichen Erfindungen aber nicht das mindeste erfährt.


Man könnte annehmen, daſs dieser leere Wortschwall beabsichtigt
gewesen sei, um die Erfindung möglichst im Unklaren zu lassen, wie
dies in englischen Patentbeschreibungen häufig vorkommt, das Schick-
[1251]England im 17. Jahrhundert.
sal von Sturtevants Patent läſst es aber wahrscheinlicher er-
scheinen, daſs er überhaupt nichts erfunden, also auch nichts zu
erklären hatte. Es geht aus der weitläufigen Abhandlung nicht
einmal hervor, in welcher Weise eigentlich die Steinkohlen für die an-
geführten Zwecke verwendet werden sollten. Daſs dies nicht ohne
weiteres ausführbar war, bestätigt Sturtevant in folgendem Satz:
„Zweifelsohne kann der Zweck erreicht werden, wenn der Erfinder im
stande ist, zu bewirken, daſs Steinkohle für metallurgische Operationen
ebenso geeignet ist wie Holzkohle. Hierzu ist dreierlei nötig:
erstens muſs die Steinkohle den gleichen Hitzegrad erzeugen wie
Holz oder Holzkohle, d. h. sie darf kein heiſseres noch kälteres Feuer
erzeugen als Holz oder Holzkohle; zweitens muſs die Kohle so her-
gerichtet und vorbereitet werden, daſs alle der Natur der metallischen
Substanzen feindlichen Eigenschaften ausgezogen oder wenigstens in
ihr zerstört worden sind; drittens müssen die fehlenden Eigenschaften,
welche in der Holzkohle enthalten sind, der Steinkohle zugefügt und
eingeflöſst werden.“


Dieses dreifache Geheimnis kann der Verfasser vollbringen. —
Man könnte hierbei, namentlich bei dem zweiten Punkt, an eine Vor-
bereitung durch Verkokung denken, allein dies wird durch den Inhalt
der Abhandlung Metallica in keiner Weise bestätigt, in dieser wird viel-
mehr das Hauptgewicht auf die neuentdeckten Öfen, Maschinen u. s. w.
gelegt, so daſs, wenn Sturtevant überhaupt ein bestimmtes Ver-
fahren vorschwebte, es mehr auf die Verwendung der Flamme der
Steinkohle hinausläuft. Aus der Einleitung erfahren wir, daſs die
Steinkohle an Stelle von Holz und Holzkohle zu seiner Zeit bereits
angewendet wurde beim Ziegelbrennen, in der Brauerei, Färberei,
beim Erzguſs. „Ferner hatten die Schmiede vordem alles Eisen mit
Holzkohle geschmiedet (wie es da, wo diese billig sind, noch geschieht),
aber seit vielen Jahren verwendet man dafür kleine Seekohlen mit
bestem Erfolg. Seit ganz kurzem macht man aber auch grünes Glas
für Fenster zu Winchesterhouse in Southwark in einem Windofen
mit Steinkohlen, wofür man früher unglaubliche Mengen von Wellen
und anderem Holz verbrauchte.“


Sturtevant giebt an, daſs er Versuche im Kleinen angestellt
habe, und von seinen Maschinen und Apparaten — die er in seiner
abstrusen Weise in lenische, phlegnische und kamminische (Lenicks,
Phlegnicks und Camminicks, auch Caminicks geschrieben) einteilt —
Modelle in seiner Werkstätte zu Highbury, Gemeinde Islington bei
London, besäſse.


79*
[1252]England im 17. Jahrhundert.

Wir wollen aus dem Hexenbrei von Sinn und Unsinn, der in
Sturtevants Metallica zusammengebraut ist, nur noch einige Brocken
herausfischen, die wenigstens einen Schimmer von Licht auf die
metallurgischen Zustände jener Zeit werfen. Die kamminischen Werk-
zeuge, welche bei der Eisenbereitung in Betracht kommen, sind: Das
Brennmaterial, die Flüssigkeit (liquor) und der Ofen.


Das Brennmaterial ist 1. Holz und Holzkohle, 2. Schacht- oder
Erdkohle und 3. Abfallbrennstoff.


Erdkohle ist die Art Brennmaterial, welche aus den Ein-
geweiden der Erde gegraben wird und von der es mancherlei Arten
giebt, die sich durch ihre Verschiedenheit beim Brennen unter-
scheiden: Die Schottische ist die beste Flammkohle und verzehrt
sich bis auf eine weiſse Asche, sie hat mehr Fettiges als Schwefliges
in sich. Die New-Castlekohle, welche gewöhnlich Seekohle genannt
wird, hält länger an und ist dauernder als die Schottische, aufgestocht
giebt sie ein zweites oder drittes Feuer, während sich die Schottische
Kohle sofort verzehrt; deshalb ziehen alle Brauer und Handwerker
Londons diese Seekohle vor. Trotzdem ist sie nicht so geeignet für
manche metallurgische Zwecke, wegen der schweren schwefligen Sub-
stanz, die in ihr zurückbleibt.


Torf (turff and peat) ist die dritte Art Erdkohle, dessen Schwefel,
wenn er welchen hat, nicht so schwer und fressend ist, wie der der
See- und Steinkohle. Dieses Brennmaterial wird in den Niederlanden
meist statt Holz und Steinkohle gebraucht.


Unter brush-fewel versteht Sturtevant nicht nur Stoppeln, Stroh,
Heidekraut u. s. w., sondern auch Pech, Theer, Harz u. s. w. —


Die Beschreibung der Eisenarten, welche er in sowe of iron,
ferrica substantia und could iron einteilt, beweist, daſs er nur eine
höchst mangelhafte Kenntnis vom Eisenhüttenprozeſs überhaupt hatte.


Auf die Frage, wodurch sich denn die neuerfundenen „kammini-
schen“ Öfen von den seither gebräuchlichen unterscheiden, giebt der
Erfinder folgende Hauptvorzüge an, die darauf hinweisen, daſs ihm
ein Flammofen vorschwebte:


1. Unser kamminischer Ofen ist von so dauerhaftem Ofenmaterial
gebaut und wird fortwährend mit so feuerfesten Mitteln erhalten, daſs
er unmöglich durch irgend eine Reverberirflamme oder Hitze zu-
sammenschmelzen kann.


2. Unser kamminischer Ofen wird stets mit mehreren beweg-
lichen Teilen konstruiert, nämlich Thüren, Feuerbett, Materialbett
und Aschenbett, sowie andere Teile nach Belieben.


[1253]England im 17. Jahrhundert.

3. Unser kamminischer Ofen ist konstruiert mit Glasfenstern für
jede Abteilung(!), so daſs der Ofenmeister fortwährend die Rohstoffe
und die emporeutischen Stoffe (Schmelzprodukte) und wie das Feuer
auf sie einwirkt, sehen kann. Dies ist ein besonderer Vorteil, der bei
den gewöhnlichen Öfen fehlt. Diese erwähnten Besonderheiten und
Vorzüge, nebst noch vielen anderen, sollen in mehreren Beispielen
unserer kamminischen Öfen, welche in aller Kürze (mit Gottes Willen)
zu Highbury und Islington aufgeführt und erbaut werden sollen, ge-
zeigt und vorgeführt werden.


Die „Lenischen“ Instrumente werden sehr geeignet verwendet,
um See- oder Steinkohle zu zerkleinern, zu pochen und zu mischen,
so daſs man eine Substanz erhält wie ein Teig oder durchgearbeiteter
Lehm; die Preſsform kann dann diesen lehmartigen Stoff in hohle
Kohlenröhren ähnlich wie Thonröhren pressen. Diese Röhrenkohle
ist sehr geeignet zur Herstellung und Bearbeitung mancher Arten
von Eisen und Stahl(!). Ebenso sollen die Erze zerstampft und in
Röhrenform gepreſst werden. Diese Erzröhren, die voller Höhlungen
sind, schmelzen rascher in der Ofenglut und mit viel geringerem
Kohlenaufwand, als die gewöhnlichen Erzstücke in Wallnuſsgröſse.


Auf die Frage, welcher Unterschied zwischen den gewöhnlichen
Blasebälgen und den „phlegnischen“ Bälgen sei? erwidert der Autor:
Diese seien schöner und stärker und verbrauchten viel weniger Leder,
weil dasselbe nicht aufgenagelt, sondern derart mit dem Holz ver-
bunden und verwachsen sei, daſs es mit diesem eine Substanz bilde.
Die phlegnischen Bälge könnten aber nicht nur kalten Wind und Luft
ausblasen, sondern auch Feuerflammen (!), Dämpfe und Staub, was
Alles sehr nötig sei beim Erblasen metallischer Substanzen, wie dies
ausführlich in der zweiten Auflage oder in einem Anhang „Phlegnica“
gezeigt werden solle. Drittens könnten die phlegnischen Bälge so
gemacht werden, daſs sie zehnmal mehr Wind lieferten, als die ge-
wöhnlichen Bälge, entweder dadurch, daſs man sie zehnmal so schnell
gehen läſst oder daſs man sie zehnmal so groſs macht.


Wenn man diese kühnen Versprechungen liest, könnte man sie
für prophetisch für unsere moderne Eisenindustrie halten. Aber für
die beschränkten Mittel jener Zeit war es nur Humbug. Sturtevants
Patent wurde schon sehr bald, etwa im Jahre, nachdem es verliehen
war, für nichtig erklärt, weil der Inhaber zur Zeit der Verleihung und
auch für die Folge der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig war und
wegen Vernachlässigung und Nichterfüllung seiner Verpflichtungen
(cancelled and made voyd, by reason of his standig out-lawed at the
[1254]England im 17. Jahrhundert.
time of the grant, and so still continuing, and his neglect and not
performance of the work).


Sturtevant war also nicht der Mann, als welcher er sich aus-
gab, wahrscheinlich sogar ein Schwindler. Das wichtige Patent ging
fast unverändert auf einen Genossen John Rovenzon Esq. über.
Auch ihm wurde aufgegeben, vor Ablauf der Ostermesse ein Treatise
of Metallica, in welcher er sein Patent erläutern sollte, zu verfassen.
Er that es und lieſs es 1613 von Thomas Thorp drucken. Auch
dieses 1612 erteilte Patent nebst der Abhandlung ist 1858 von dem
Patentamt in London neu herausgegeben worden und bildet die
zweite wichtige Quelle für die damalige Bewegung zur Einführung
der Steinkohle an Stelle der Holzkohle bei der Eisengewinnung.


Aus den Mitteilungen Rovenzons erfahren wir, daſs inzwischen
Heinrich, Prinz von Wales, der älteste Sohn König Jacobs I., der
sich persönlich für die wichtige Frage interessiert hatte, gestorben
war. Rovenzon war mit dem verstorbenen Prinzen und mit Sturtevant
bekannt gewesen und war diesem zur Erlangung seines Patentes
durch den Prinzen behülflich gewesen. Sturtevant hatte sich mit
einem „Maister“ Ferrour von Graies Lane, vermutlich einem Rechts-
anwalt, verbunden, und diesem den ganzen geschäftlichen Teil, den
Abschluſs und die Eintragung der Verträge, welche Unternehmer auf
Grund des Patentes schlieſsen wollten, die Einnahme der Gelder,
Auszahlung der Gewinne übertragen. Rovenzon, der von Sturtevant
nichts mehr wissen will, dessen Patent aber auf sich übertragen läſst,
bleibt unter den gleichen Bedingungen mit Master Ferrour in Ver-
bindung.


In dem Patent (Indenture of Priviledge) ist der Sachverhalt in
folgender Weise dargestellt:


„Auf die Versicherung des Simon Sturtevant, daſs er die Sachen
ausführen könne und dieselben bei Versuchen im Kleinen bereits
erreicht hätte, machte obiger John Rovenzon ihn mit seiner Hoheit,
dem verstorbenen Prinzen, bekannt, welcher dann, auf das ergebene
Gesuch des genannten John Rovenzon hin, das Patent (Letters Patents
of privilege) auf 31 Jahre für Maister Sturtevant erwirkte.


Sturtevant versprach oft, die Sachen vor den Augen des Prinzen
ausführen zu wollen, unterlieſs dies aber zur Hinderung des Ge-
winnes Ihrer Majestät, welchen diese zu jener Zeit durch Versuche
Anderer hätte erlangen können.


Der verstorbene Prinz ermutigte nun den genannten John
Rovenzon, daſs er Versuche anstelle, ob er die Sachen ausführen
[1255]England im 17. Jahrhundert.
könne, welche auch nach vielen kostbaren Versuchen teils von ihm,
teils von Freunden zu einem befriedigenden Erfolg gelangten.


Der Prinz hatte geruht, ihn gnädig zu versichern, daſs auf seine
Ausführung hin Sturtevants Patent zurückgezogen und für nichtig
erklärt werden sollte, entsprechend dem Erfolg seiner Erfindungen.
Dies geschah und Rovenzon erhielt ein Patent für 31 Jahre.


Der Inhalt des Privilegiums gewährte:


  • 1. Alleinige Berechtigung, Eisen und andere Metalle, Aschenflüsse,
    Glasperlen (bugles), Ziegel, Töpferware u. s. w. mit Steinkohle etc.
    herzustellen.
  • 2. Alleinige Berechtigung, alle Werkzeuge, Maschinen u. s. w.,
    welche früher schon in anderen Künsten oder Geheimnissen an-
    gewendet waren, für obigen Zweck zu verwenden.
  • 3. Alleinige Berechtigung, alle die neu erfundenen Öfen, Feue-
    rungen, Werkzeuge, Maschinen, Hülfsmittel und Erfindungen entweder
    für die Fabrikation mit genanntem Brennmaterial, oder für irgend
    sonstige Zwecke zu verwenden.

Die Gewinnverteilung war wie in Sturtevants Patent, nur verän-
dert durch das Ableben des Erbprinzen. Von den 33 Gewinnteilen
sollte der König erhalten 12, Prinz Karl, der jetzige Erbprinz,
5 Teile, Viscount Rochester 1 Teil, 1 Teil war für den Erfinder
reserviert und 14 Teile standen zu seiner Verfügung für die Aus-
führung.


Die Treatise of Metallica des Rovenzon, welche rechtzeitig vor
Ablauf des Ostertermins 1613 erschien, ist nicht so weitläufig und
nicht in der schwülstigen, dunklen Ausdrucksweise geschrieben wie
die Abhandlung Sturtevants, aber sie enthält ebensoviel, und noch
mehr Versprechungen neuer Erfindungen als diese. Wir erwähnen
von ihnen nur einige, die sich auf das Eisenhüttenwesen beziehen.
Darunter befinden sich neue Maschinen, um die Bälge und Hämmer,
einzeln oder zusammen, zu bewegen; unter diesen solche, welche
ein Mann bewegt, ohne Hülfe von Wasser und Wind. Fuhrwerke,
welche sich für sich bewegen durch einen Mechanismus, welchen ein
Mann oder ein Pferd dreht und die 30 Ctr. den ganzen Tag über
fahren. Eiserne Öfen mit Rauchröhren zum Anwärmen und Trocknen.
Ein geschlossenes Gefäſs mit einem Ausblaserohr, mit Wasser gefüllt,
das man auf das Feuer legt. Der Dampf soll das Feuer anfachen.


Wichtiger ist seine Beschreibung der Öfen, die er in geteilte und
ungeteilte, d. h. solche, bei denen der Feuerraum von dem Arbeits-
raum getrennt ist und solche, bei denen Brennmaterial und das zu
[1256]England im 17. Jahrhundert.
verarbeitende Material in unmittelbarer Berührung sind, klassifiziert.
Aus der Abhandlung geht hervor, daſs es die Öfen mit getrennter
Feuerung sind, in welchen er die Steinkohle verwenden will. Auch
bei diesen geteilten Öfen, zu welchen auch die Windöfen gehören,
können Blasebälge verwendet werden. Die Kohle liegt immer auf
einem Rost. „Die Öfen können mit einem, zwei, drei oder mehr Be-
hältern oder Herden, welche die Erze oder Metalle, die geschmolzen
werden, enthalten sollen, gemacht werden, so daſs eine, zwei, drei
oder mehr Gänse von Eisen (sowes of Iron) oder anderem Metall
gleichzeitig eingeschmolzen werden können, und zwar von gröſseren
Gewichten, als man sie jetzt gewöhnlich gieſst. Man kann Frisch-
und Schweiſsfeuer in einem Ofen vereinigen, so daſs man von einer
Feuerstätte aus die Metalle schmelzen, feinen und frischen kann.
Man kann Wasserröhren in die Öfen einlegen, die dann ununter-
brochen heiſses Wasser liefern.“


„Die genannten Metalle, Eisen u. s. w. können mit demselben
Brennmaterial auch in den gewöhnlichen Frisch-, Fein- und Schweiſs-
feuern gemacht werden, viel besser aber in geteilten Frisch-,
Fein- und Schweiſsöfen, welches eine neue noch wenig be-
nutzte Erfindung ist
, in welcher das Metall, welches einge-
schmolzen oder verarbeitet werden soll, von dem Brennstoff getrennt
ist. Ferner will er eine Reihe neuer Fluſsmittel und Zuschläge er-
funden haben. Ein besonderes Zusatzmittel zur Reinigung des Eisens
befinde sich zugleich mit den Modellen der verschiedenen Maschinen,
Werkzeuge und Erfindungen auf Pergament gezeichnet in der Ver-
wahrung des oben genannten John Ferrour. Er will auch mit Stein-
kohlen Eisen in Stahl und Kupfer (!) umwandeln. — Über seine
Öfen sagt er zum Schluſs:


Der Ofen, mit dem man dieses Alles macht (und der ebensoviel
oder mehr leistet als irgend ein mit Holzkohlen betriebener Ofen)
kann auf dem Land, wenn die Steine nicht allzu weit zu holen sind,
für weniger als 10 £ errichtet werden. Ist der Ofen im Feuerraum
zerstört, so ist ein neuer feuerfester Herd einzusetzen und der Ofen
wieder aufzubauen für 40 Schilling oder weniger.


Da der Ofen ein Zugofen (wind furnace) ist, denn ein solcher
ist am besten, — so werden die Kosten der Bälge und des Rades
zur Bewegung gespart. Die Maschine, welche die Hämmer für die
Frisch- und Heizfeuer mit Hülfe eines Mannes bewegt, spart den
Wasserhammer, und stellt man diese Maschine mit dem Frisch- und
Heizofen auf der Hütte auf, wo das Roheisen (Sow Iron) gemacht
[1257]England im 17. Jahrhundert.
wird, so erspart man unendliche Kosten für Fuhrwerk der Mate-
rialien.


Der Ofen kann so konstruiert werden, daſs er gleichzeitig auch
zum Frischen und Ausheizen dient, so daſs das Roheisen in demselben
Ofen gleichzeitig gefrischt wird, wo es dargestellt wird. Nachdem
der Ofen seine volle Hitze erlangt hat, was 8 bis 9 Tage oder
weniger dauert, indem man nach und nach anheizt, braucht man für
eine Tonne Roheisen nicht mehr wie eine Tonne Steinkohle. Während
nun bei dem jetzigen Verfahren ein Eisenwerk nicht unter 1000 bis
1500 £ errichtet werden kann, so genügt nach der neuen Erfindung
und der Anwendung von Steinkohlen und dem neuen Ofen ein Kapital
von 100 £, wenn man nur ein Haus hat, den Ofen hineinzustellen.“


Diese schönen Versprechungen verhalfen zwar Rovenzon zu seinem
Patent, nicht aber zu einem Erfolg. Auch er konnte sein Patent
nicht aufrecht erhalten. Dud Dudley schreibt darüber: Nachdem
es John Rovenzon häufig mit seinen Erfindungen und groſsen
Unternehmungen fehlgeschlagen war, unternahm es Gambleton, ein
Diener der Königin Anna, auf ein Patent hin, die Erfindung, Eisen
mit Steinkohle zu machen, auszuführen. Er hatte ebensoviel Ver-
trauen auf seine Erfindung als die Anderen, und baute seine Werke
(welche Dudley gesehen hat) zu Lambeth. Da Gambletons Unter-
nehmen fehlschlug, nahm der gelehrte, geistreiche Dr. Jorden von
Bath
(den Dudley kannte), mit mehreren Anderen ein Patent, Eisen
mit Steinkohlen zu machen, aber trotz ernsthafter Bemühungen war
er erfolglos. Da trat Dud Dudley auf, dem es zuerst wirklich ge-
lang, gröſsere Mengen brauchbaren Eisens im Hochofen mit Stein-
kohle zu schmelzen. Trotz seiner für die Eisenindustrie so wichtigen
Erfindung starb er in Armut, als ein Märtyrer seiner Idee.


Dud Dudley war im Jahre 1599 als natürlicher Sohn von
Edward Lord Dudley von Dudley Castle in der Grafschaft Worcester
geboren1). Er war das vierte von elf Kindern derselben Mutter, die
in dem Stammbaum der Familie Dudley von William Tomlinson als
Elisabeth, Konkubine von Edward Lord Dudley, aufgeführt wird. Lord
Dudley sorgte väterlich für seine natürlichen Kinder, erzog sie gut
und beschäftigte sie in Vertrauensstellungen bei der Verwaltung seiner
ausgedehnten Besitzungen. Dud schrieb von sich selbst, daſs er
schon als Knabe groſse Freude an dem väterlichen Eisenwerke bei
[1258]England im 17. Jahrhundert.
Dudley gehabt habe, wo er sich früh beträchtliche Kenntnisse der
Fabrikation aneignete.


Die Stadt Dudley war schon damals der Mittelpunkt einer Eisen-
industrie, obgleich meist nur Kleineisenzeug, wie Nägel, Hufeisen,
Schlüssel, Schlösser und gewöhnliche landwirtschaftliche Werkzeuge
daselbst gemacht wurden. Nach Dudleys Angabe lebten in einem Um-
kreis von zehn englischen Meilen um die Stadt 20000 Schmiede und
Eisenarbeiter. In Folge dessen war aber auch hier, wie im südlichen
England, groſser Holzmangel eingetreten, und in dem vordem sehr
holzreichen Lande waren viele Zweige des Eisengewerbes am Er-
liegen. An Steinkohlen besaſs das Land Überfluſs, die in glücklicher
Verbindung mit Eisenerz- und Kalklagern vorkamen. Dieses Zu-
sammenvorkommen schien, durch die Vorsehung dargeboten, „wie
wenn Gott“, sagt Dudley, „die Zeit vorbestimmt hätte, wann und wie
diese Schmiede, sowie das ganze Land sollten mit Eisen versorgt
werden, und daſs insbesondere diese Kohlen und Eisensteine bestimmt
sein sollten, den ersten Anstoſs zu geben für die Erfindung des
Schmelzens des Eisens mit Steinkohle“. Dud war der besondere
Liebling des Grafen, seines Vaters, der ihn in seinen Bemühungen
zur Verbesserung der Eisenbereitung unterstützte und ihm eine Er-
ziehung geben lieſs, die ihn in den Stand setzte, seine praktischen
Fähigkeiten zu verwerten. Er war Student in Oxford, als der Graf
im Jahre 1619 ihn kommen lieſs, um ihm die Leitung mehrerer
Eisenwerke zu übertragen. Dudley schreibt darüber in seiner Ab-
handlung Metallum Martis:


„Da ich schon früher, als ich noch Jüngling war, Freude an den
Eisenwerken meines Vaters hatte und mir Kenntnisse erworben hatte,
so holte er mich später, als ich 20 Jahre alt war, anno 1619, von
Oxford, wo ich mich damals im Bayliol-Collegium befand, um die
Leitung von drei seiner Eisenwerke, 1 Hochofen und 2 Hammerwerke,
in dem Jagdbezirk von Pensnet in Worcestershire zu übernehmen.
Da aber Holz- und Holzkohle zu mangeln begann, dagegen groſse
Mengen von Steinkohlen nahe bei der Hütte im Überfluſs vorhanden
waren, so sah ich mich veranlaſst, meinen Hochofen abzuändern
(to alter my furnace) und nach meiner neuen Erfindung zu ver-
suchen, Eisen mit Steinkohlen zu schmelzen, indem ich im Vertrauen
auf meine Erfindung mir sagte, daſs ein etwaiger Verlust für mich
nicht gröſser, sondern eher geringer sein würde als für andere, wenn
auch der Versuch erfolglos bleiben würde. Aber der Erfolg des ersten
Versuches ermutigte mich, denn bei meinem Versuchsschmelzen blies
[1259]England im 17. Jahrhundert.
ich Eisen mit Steinkohle mit Gewinn und fand den Satz bestätigt:
Facere est addere Inventioni.


Nachdem ich einen zweiten Wind1) angebracht hatte und
durch ein zweites Versuchsschmelzen die Ausführbarkeit der Schmel-
zung von Eisen mit Steinkohle erprobt hatte, fand ich das nach
meiner neuen Erfindung erzeugte Eisen gut und vorteilhaft: aber die
Menge, welche ich erhielt, überstieg nicht 3 Tonnen in der Woche.
Nachdem ich aber meine Erfindung soweit vervollkommnet und ge-
winnbringend gemacht hatte, zweifelte ich nicht, daſs ich auch Massen
erzeugen würde. Sofort nach meinem zweiten Versuch schrieb ich
meinem Vater, was ich gethan hätte und bat ihn, ein Patent dafür
bei König Jacob gesegneten Andenkens zu erwirken.“ Dieses Patent
wurde dem Vater noch in demselben Jahre 1619 auf 31 Jahre er-
teilt. Schon im folgenden Jahre konnte Dudley gutes Handelseisen
nach dem Tower in London liefern, wohin es nach des Königs Befehl
verbracht wurde, um von allen Arten von Handwerkern (Artists)
probiert zu werden. Diese sprachen sich sehr günstig über das Eisen
aus. Auch lieſs sich Dudleys Schwager eine Jagdflinte aus Stein-
kohleneisen machen.


Dudley führt die folgenden Gründe an, die ihn zu seiner Er-
findung veranlaſst hätten:


  • 1. Befanden sich an 20000 Schmiede aller Art und viele Eisen-
    werke in einem Umkreis von zehn Meilen um Dudley Castle in
    groſser Bedrängnis in Folge des Holzmangels.
  • 2. Lord Dudleys Waldungen und Eisenwerke gingen zu Grunde,
    während Steinkohlen und Eisenerze im Überfluſs im Lande waren, aber
    unbenutzt.
  • 3. Weil die meisten Kohlenlager in diesen Gegenden, wie auch
    in Lord Dudleys Besitzungen, 10, 11 bis 12 Ellen mächtig waren und
    zu Tage ausgingen, wo sie durch Tagebau abgebaut wurden.
  • 4. Unter dieser dicken Kohlenschicht befinden sich viele Arten von
    Eisenstein, knollenförmig in Lehm, Thon oder Steinsand, 4 Ellen dick;
    auch unter diesem Eisenerz ist wieder Steinkohle mehrere Ellen dick.
  • 5. Wenn die Kohlenbergleute Schächte abteufen müssen, um die
    zehn Ellen dicke Kohle abzubauen, so ist ein Drittel der Kohle, die
    sie gewinnen, Gries, welcher hier zu Lande wertlos ist und die Förder-
    kosten nicht lohnt, es sei denn, daſs man ihn zur Eisengewinnung
    benutze, um Guſswerk oder Schmiedeisen darzustellen.

[1260]England im 17. Jahrhundert.
  • 6. Wüſste man eine Verwendung für diesen Gries, so würde
    man denselben fördern, während jetzt derselbe den Besitzern und den
    Werken selbst nur Schaden bringt; denn die Bergleute sind ge-
    zwungen, um die Stückkohle zu gewinnen, den Gries mitzufördern und
    ihn auf groſse Halden zu stürzen. Durch ihre schweflige Natur ge-
    raten diese aber häufig in Brand und setzen oft die ganzen Kohlen-
    bergwerke mit in Feuer, so daſs die Flammen aus den Schächten
    schlagen, wie beim Ätna oder Hekla. Solchen Bergwerken entströmt
    dann oft heiſses Wasser, welches Schwefel und Eisenvitriol enthält
    und das beste Heilbad giebt.

Dudley machte nach Erteilung des ersten Patents sowohl Roheisen
und Guſswaren, als auch auf zwei Eisenhämmern, Cradley Forges ge-
nannt, Schmiedeeisen. Da entstand im folgenden Jahre eine groſse Über-
schwemmung, die noch heutzutage (nach mehr als 40 Jahren) „die groſse
Maiflut“ genannt wird, welche nicht nur Dudleys Eisenwerke und Er-
findungen, sondern auch vieler anderer Besitzer Eisenhütten zerstörte.
In Stourbridge standen damals die Häuser bis zu den Dächern unter
Wasser.


„So waren meine Eisenhütten und Erfindungen vernichtet zur Freude
vieler Eisengewerke, deren Hütten der Flut entgangen waren und die
oft meine Erfindungen verunglimpft hatten, weil ich mein Eisen billiger
verkaufte, als sie es liefern konnten, was viele der Hüttenmeister ver-
anlaſste, bei Sr. Majestät klagbar zu werden, indem sie behaupteten,
mein Eisen sei keine Kaufmannsware (not merchantable). Sobald ich
meine Werke und Erfindungen zu nicht geringen Kosten repariert hatte,
veranlaſsten diese den König, daſs mir aufgegeben wurde, so rasch
wie möglich alle Arten von Schmiedeisen zur Prüfung nach dem
Tower zu schicken, aus denen Musketen, Karabiner und Eisen für
die groſsen Schiffsbolzen gemacht werden könnte. Diese von Hand-
werkern und Schmieden vorgenommenen Proben machten die Eisen-
gewerke und Eisenhändler verstummen bis zum Jahre 1624. In diesem
Jahre wurden durch einen Parlamentsbeschluſs alle Monopole auf-
gehoben. Daraufhin versuchten es verschiedene Eisengewerke, meine
Erfindung, Eisen mit Steinkohle und Torf zu machen, ebenfalls für
ein Monopol zu erklären. Aber Lord Dudley und ich blieben sieg-
reich, doch wurde das Patent auf 14 Jahre beschränkt. Nach diesem
Erlaſs fuhr ich getrost fort, nach meiner Erfindung jährlich groſse
Mengen von gutem Handelseisen zu machen und verkaufte an viele,
die jetzt (1665) noch leben, zum Preise von 12 £ die Tonne. Ich
machte auch alle Arten von Guſswaren, als Braukessel, Töpfe, Mörser,
[1261]England im 17. Jahrhundert.
und zwar besser und billiger, als sie je in England mit Holzkohlen
gemacht worden sind und von denen noch einige bei mir in meinem
Hause in Worcester von jedem, der sich für die Erfindung interessiert,
eingesehen werden können.


Später aber wurde ich doch durch die vorerwähnten Eisen-
gewerke und andere aus meinen Werken und Erfindungen vertrieben
(was outed of). Da ich aber nicht gewillt war, meine Erfindungen,
an die ich soviel Geld und Mühe gehängt hatte, verkommen und mit
mir begraben zu lassen, so brachte ich sie wieder in Anwendung bei
einem Hochofen Himley-Furnace in Staffordshire, wo ich viel Eisen
mit Steinkohle darstellte.


Da ich aber kein Hammerwerk hatte, konnte ich kein Schmied-
eisen machen und war aus Mangel an Kapital gezwungen, es als
Roheisen an die Holzkohlen-Hammermeister zu verkaufen, die mir
vielen Schaden bereiteten, nicht nur, daſs sie mir mein Kapital vor-
enthielten (Zahlung weigerten), sondern auch das Eisen schlecht
machten, in Folge davon wurde Himley Furnace an Holzkohlen-Eisen-
gewerke verpachtet.“


Dudley errichtete einen neuen groſsen Schmelzofen, den ersten
Hochofen, der als Kokshochofen
erbaut wurde, 27 Fuſs an der
Basis im Quadrat ganz von Bruchsteinen nach seiner neuen Erfindung
bei Hasco-(Ascew-)Bridge in der Gemeinde Sedgley in Staffordshire,
mit gröſseren Blasebälgen als gewöhnlich. In diesem Ofen produ-
zierte er 7 Tonnen pro Woche, die gröſste Menge Steinkohleneisen,
welche bis dahin in England erzeugt worden war. In der Nähe dieses
Ofens entdeckte er viele neue Kohlenlager von zehn Ellen Mächtig-
keit, und Eisenerz darunter, wie bei den übrigen Kohlenwerken. Als
er diese vollkommen aufgeschlossen hatte, wurde er mit Gewalt daraus
vertrieben und die Blasebälge seines neuen Ofens von Aufrührern,
die von den Holzkohlenhüttenbesitzern aufgehetzt waren, in Stücke
geschnitten zu seinem gröſsten Schaden und Verlust seiner Erfindung
des Eisenschmelzens mit Steinkohlen, denn, gehetzt durch Prozesse
und Aufstände, war er auſser Stande, seine Erfindung bis zum Ablauf
seines Patentes auszubeuten.


Trotz seiner traurigen Leiden, und trotzdem er ungerechter Weise
wegen einiger Tausend Pfund in das Schuldgefängnis zu London ge-
worfen wurde, erhielt er doch von Carl I. am 2. Mai 1638 ein neues
Patent nicht nur für das Schmelzen und Umwandeln des Eisens in
Guſsware und Schmiedeisen, sondern auch für das Schmelzen,
Saigern, Feinen und Reduzieren aller Erze, Mineralien und Metalle
[1262]England im 17. Jahrhundert.
mit Steinkohle und Torf (Pit-cole, Sea-cole, Peat and Turf), zur Er-
haltung der Wälder und Stämme dieser Insel. Zur besseren Aus-
beutung seiner Erfindung nahm Dudley, dem zuvor soviel Widerstand
am Hof, im Parlament und vor Gericht gemacht worden, David
Ramsey, Sir George Horsey
und Roger Foulke zu Teilhabern
seines Patentes.


Von den vier Teilhabern zahlte jeder 100 £ ein. Zuvor hatten
aber zwei mächtige Eisengewerke, Sir „Philibeard Vernat“, ein Hollän-
der (Dutch-Man), und Kapitän Witmore, durch groſse Versprechungen,
die sie aber nicht erfüllten, ebenfalls ein Patent auf die Herstellung
von Eisen mit Steinkohlen erwirkt1). Es war ihnen darin aufge-
geben, ihr groſses Unternehmen innerhalb von zwei Jahren in Betrieb
zu setzen. Dies thaten sie nicht, bereiteten aber Dudley und seinen
Gesellschaftern2) groſse Schwierigkeiten, so daſs diese, nachdem die
Obengenannten auch im dritten Jahre noch kein Eisen gemacht hatten,
sich mit einer Beschwerde an den König wendeten. Währenddessen
brach der Bürgerkrieg aus. Dudley, ein eifriger Royalist, nahm Kriegs-
dienst, indem er das Eisenwerk seinen Partnern überlieſs. Er begleitete
den König bei dem Feldzug gegen Schottland und blieb bei der Armee
bis zu ihrer Niederlage von Newbury bei New Castle. Auch später
hielt er treu bei dem König aus. Er hatte hauptsächlich die Sorge
für das Geschützwesen und die Bewaffnung und nahm an allen Ge-
fechten und Schlachten teil. 1643 wurde er Kriegsingenieur und
rüstete die Festung Worcester in Staffordshire mit Geschütz aus. In
dem Treffen bei Lichfield wurde er zum Oberst der Dragoner be-
fördert. Er war ein tapferer und gewandter Offizier. Später wurde
er zum General der Artillerie des Prinzen Moritz ernannt. Er lieſs
„Drachen“ schmieden, die sich sehr bewährten. Dazu gab er sein
eigenes Haus in Worcester her.


[1263]England im 17. Jahrhundert.

Aber Worcester fiel 1646 in die Hände des Parlamentsheeres.
Seine Eisenwerke, wie die aller königlich Gesinnten wurden sofort
zerstört. Dudley trug alle Wechselfälle des Krieges als tapferer Soldat.
1648 fiel er im Bosco-Bello-Wald bei Madeley selbst in Gefangenschaft
und wurde nach Worcester gebracht. Obgleich er sehr streng gehalten
wurde, gelang es ihm doch, zu entfliehen. Er kam nach London,
wurde aber ergriffen und vor das Insurrektionskomitee gestellt, das
ihn zum Tode durch Erschieſsen verurteilte. Nochmals gelang ihm
die Flucht an einem Sonntag während der Predigt, dabei wurde er
aber verwundet. An Krücken, in gröſster Not, schleppte er sich durch
England durch bis Bristol. Hier lebte er — der Alles verloren
hatte — in gröſster Bedrängnis. Erst allmählich trat er aus seiner
Verborgenheit heraus. Er vertraute sich zwei Kaufleuten, Walter
Stevens und John Ston, an, nachdem er schon zuvor für sich allein
mit dem Bau eines neuen Hochofens begonnen hatte. Ihr gemein-
schaftliches Geschäftskapital betrug 700 £. Die Teilhaber, seine Not-
lage benutzend, handelten aber unredlich gegen ihn, verklagten ihn
auf Bürgschaft hin, bemächtigten sich des Werkes, brachten groſse
Warenforderungen gegen ihn vor und bedrängten ihn auf jede Art
„weil er von des Königs Partei“ war.


Dudley verlor sein Patent, dessen Zeit abgelaufen war und
muſste, um sein verlorenes Vermögen zu retten, bei dem court of
Chancery Klage erheben. Inzwischen suchten andere sich des Patentes
zu bemächtigen. Cromwell und das Parlament erteilten einem
Kapitän Buck von Hampton Road ein Patent, Eisen mit Steinkohlen
zu machen. Cromwell und viele seiner Offiziere, wie Major Wildman,
verschiedene Doktoren der Physik und Kaufleute wurden Teilhaber
und errichteten mehrere Werke und Hochöfen unter groſsen Kosten
in dem Forrest of Dean. Nachdem sie vergeblich viel Geld an die
Erfindung und die Versuche, welche sie in groſsen Windöfen und in
Töpfen von Glasofenthon machten, gesteckt hatten, verbanden sie sich
mit einem geschickten Glasbläser, Master Edward Dagney, einem
Italiener, der in Bristow lebte, der, nachdem er erst viele Schmelz-
tiegel dafür angefertigt hatte, mit diesen nach Forrest of Dean reiste,
und dort für den vorgenannten Kapitän Buck und seine Teilhaber
einen neuen Ofen erbaute, in dem er viele Versuche über das Schmelzen
von Eisen mit Steinkohle anstellte. Da er aber keinen Erfolg hatte
und alle seine Tiegel zerbrochen waren, kehrte er getäuscht in seinen
Hoffnungen nach Bristow zurück. Um dieselbe Zeit war aber John
Williams, Dagneys Gewerke und Herr der Glashütte, zur Beteiligung
[1264]England im 17. Jahrhundert.
mit herangezogen worden und hatte 300 £ eingezahlt, und nachdem
dieselben gröſstenteils verausgabt waren, kamen die beiden, Williams
und Dagney, welche von Dudleys Kenntnissen, Eisen mit Steinkohle
zu schmelzen, gehört hatten, im Auftrage des Kapitäns Buck und der
anderen Gesellschafter zu diesem und drängten ihn, der damals als
ein Oberst von des Königs Partei in groſser Gefahr durch das Parla-
ment schwebte, mit ihnen nach Forrest of Dean zu gehen, was er
damals nicht abschlagen durfte.


„Als ich dahin kam“, schreibt Dudley, „und die Art ihres Be-
triebes sah, erkannte ich die Unmöglichkeit, daſs Edward Dagney
nach seiner Erfindung Eisen und Stahl mit Steinkohlen mit Nutzen
machen konnte. Ich blieb bei ihnen, bis alle ihre Tiegel und Er-
findungen zu Ende waren. Bei jedem Mittag- und Abendessen
drangen Kapitän Buck, Kapitän Robins, Dr. Irie, Dr. Fowler und
andere in mich mit Fragen, warum ich so sicher sei, daſs man
gröſsere Mengen von Eisen nicht nach ihrer Erfindung machen könnte.
Aber ich fand es eine schwere Aufgabe, ihnen von ihrem Wege ab-
zuraten. Sie waren so vertrauensvoll, daſs sie mit Vorteil auf diese
Weise Eisen mit Steinkohle machen könnten, daſs sie mich noch ein
zweites Mal nach dem Forrest kommen lieſsen, um es mir anzusehen,
aber auch an jenem Tage sah ich wiederum ihren Miſserfolg. Trotz-
dem bauten Kapitän Buck und seine Teilhaber neue Werke bei der
Stadt Bristow, in denen sie ebensowenig Erfolg hatten als zuvor;
aber Major Wildman, grausamer gegen mich als ein Wilder (a wild-
man), obgleich Minister, kaufte mein Gut, das nahezu 200 £ das Jahr
abwarf, um mir meine Erfindung, Eisen mit Steinkohlen darzustellen,
abzuzwingen. Später lieſs er dann mein Gut in die Hände herzloser
Wucherer (barbarous brokers) von London gelangen, welche meine
beiden Herrschaftshäuser niederrissen und 500 Stämme verkauften;
bis heute sind meine Häuser nicht wieder aufgebaut. Nachdem 1655
Kapitän Buck und seinen Genossen ihre Erfindung leid geworden war,
standen sie davon ab. Hierauf erhielt 1656 Kapitän John Copley
von Cromwell ein neues Patent, Eisen mit Steinkohlen zu machen.
Er und seine Teilhaber erbauten ihre Werke auf den Kohlenwerken
bei Bristow.“ Obgleich Dudley den Miſserfolg voraussagte, half er
Kapitän Copley, den er von früher kannte, doch seine Bälge, die ver-
kehrt angelegt waren, in Ordnung zu bringen.


Das Dankschreiben Copleys hat er veröffentlicht, und geht daraus
hervor, daſs Dudley auch in derartigen Anlagen einen richtigen
Blick und bessere Kenntnisse besaſs als die Ingenieure, welche Copley
[1265]England im 17. Jahrhundert.
engagiert hatte. Mit seiner Erfindung hatte John Copley aber keinen
Erfolg, so daſs er sie 1657 aufgab und nach Irland ging. Seit jener
Zeit wollte sich niemand mehr mit dem Schmelzen von Eisen mittelst
Steinkohlen befassen.


Im Jahre 1660 hatte die Republik ein Ende, Karl II. kehrte als
König zurück. Jetzt glaubte Dudley, obgleich schon 61 Jahre alt,
den Augenblick gekommen, seine Erfindung mit Erfolg ausbeuten zu
können.


„Von Mitleid bewegt, daſs kein Mensch im Stande sei, das Meister-
stück, Eisen mit Steinkohle zu schmelzen zu machen“, wandte er sich
sofort am Tage der Landung des Königs mit einem Bittgesuch an
diesen, ihn wieder in seinen Besitz einzusetzen und ihm sein Patent
auf seine Erfindung zu erneuern. Aber der König nahm nur wenig
Interesse an der Sache und seine Minister lieſsen dieselbe ganz liegen,
erteilten vielmehr einem Colonel Proger und drei anderen ein Patent
für dieselbe Sache, das sie aber nicht ausführten, da sie nichts davon
verstanden. Dudleys Hoffnungen erlitten von Neuem Schiffbruch.


In dieser Lage und in der entsprechenden Stimmung verfaſste
Dudley im Jahre 1665 seine Schrift Metallum Martis oder die Eisen-
bereitung mit Steinkohlen 1). Die erste Abteilung, welche mehr
historisch ist und aus der wir unsere obigen Mitteilungen geschöpft
haben, enthält eine Rechtfertigung seines Handelns und eine Er-
klärung seines Miſserfolges, die zweite enthält einen Aufruf, unter
Darlegung der groſsen Wichtigkeit der Sache für das Gemeinwohl, an
die Nation und an die Regierung. Aus diesem Schluſsteil heben wir
nur noch einiges technisch Wichtige hervor. Er beginnt damit, daſs
seine Erfindung die Dreiheit der Anforderungen: mehr, billiger und
besser, erfülle. Dreierlei Roheisensorten gäbe es: Graues, halbiertes
(motley iron) und weiſses Eisen; von diesen sei das weiſse das wenigst
reine, erdigste, das halbierte etwas reiner, das graue das reinste und
am geeignetsten, Schmiedeisen daraus zu machen und Geschütze
damit zu gieſsen: Letzteres ist die Sorte, welche am meisten bei
Steinkohle fällt. — Billigeres Eisen kann es nicht geben; der Ver-
fasser konnte es 1623 mit Gewinn für 4 Pfd. die Tonne verkaufen,
während Holzkohleneisen 6 bis 7 £ kostete. Eindringlich stellt
Beck, Geschichte des Eisens. 80
[1266]England im 17. Jahrhundert.
Dudley die Wichtigkeit der Erhaltung des Holzes der englischen
Waldungen besonders für die nationale Kraft Englands, die Flotte,
vor, welche durch seine Erfindung erreicht werde. Aber nicht allein
das Holz werde gespart, sondern auch die ungeheuren Massen von
Grieskohlen, welche jetzt in den Halden verstürzt würden oder unab-
gebaut blieben — kurz verloren gingen. Wurden doch zehn Meilen
um Dudley herum jährlich 4000 bis 5000 Tonnen auf diese Weise
vergeudet. Klagend ruft er aus:


Muſs ich immer noch Widerstand finden und werde ich mich
niemals meiner Erfindung, noch England des Nutzens davon erfreuen
dürfen? Muſs mein Patent im Frieden unterdrückt werden, wie es
im Kriege unterdrückt war? Müssen meinem Patent, Eisen mit Stein-
kohlen zu machen, immer neue Feinde erstehen? Wieviele Tausende
Tonnen Eisens hätten schon seit meiner ersten Erfindung gemacht,
wieviel Stammholz und Wald seitdem erhalten werden können?


Eingehend führt Dudley den Nachweis, wie ungeheuer der Ver-
lust sei, welcher durch die Vergeudung und den Nichtgebrauch des
Kohlenkleins entstehe. Seine eingehende Darstellung der Flötzver-
hältnisse der Kohlen- und Eisenablagerungen um Dudley ist von
groſsem Interesse. Die Eigenschaften einzelner Eisensteinsorten führt
ihn zu einer ausführlichen Erörterung der wichtigsten Unarten des
Eisens: des Rotbruchs und des Kaltbruchs. Redshare (rotbrüchig)
nenne man das aus sehr schwefligen, erdigen Erzen erzeugte Eisen,
welches, wenn man es zu einer Pflugschar (share) schmieden wolle, in
der Rotglut unter dem Hammer zerbreche. Coldshare (kaltbrüchig)
sei das aus Erzkörnern (grain Oare) erzeugte Eisen, welches in der
Kälte spröde ist und unter dem Hammer bricht fast wie ein Antimon-
könig. Beide Unarten will aber der Verfasser bessern können, und
zwar hauptsächlich durch eine besondere Zustellung des Frischherdes.
Doch müsse man auch im Hochofen schon diesen schlimmen Eigen-
schaften entgegenarbeiten. Dudley will aber nicht nur, daſs die
Kleinkohle erhalten bleibe und verwertet werde, er will auch, daſs die
Ausfuhr der Steinkohle, welche bereits einen groſsen Umfang an-
genommen habe, verboten werde. „Viele Tausende von Tonnen Stein-
kohlen gehen von England, Schottland und Wales aus, um Frankreich
zu versorgen, ebenso die Schmieden von Spanien, Portugal und besonders
von Flandern, ebenso von den Niederlanden; überdies holen die Hol-
länder groſse Mengen unserer Kohlen nach fremden Gebieten, ohne
welche diese gar nicht bestehen können. Deshalb wünscht der Verfasser,
daſs, im Hinblick auf den ausreichenden Vorrat von Eisenerzen im
[1267]England im 17. Jahrhundert.
eigenen Lande, keine Kohlen ausgeführt werden ohne besondere Er-
laubnis des Königs.


Kohle werde schon jetzt zu vielen Zwecken angewendet, wozu
man früher Holz benutzte. Unter diesen nennt Dudley die Stahl-
bereitung
(Making of Steel). „Meine alleinige Erfindung ist es auch,
daſs die vier Schmieden, welche meinem Wohnsitz „Greens-Lodge“
am nächsten sind, Greens-forge, Swin-forge, Heath-forge und Cradley-
forge, schon seit meiner ersten Erfindung im Jahre 1618 ihr Stab-
eisen mit Steinkohlen ausrecken, was auſser diesen noch viele andere
thun; doch hat der Verfasser nie den geringsten Vorteil für sich
dafür gehabt. Und doch sind allein in diesen Reckschmieden 30000
Lasten Holz und mehr gespart und für das allgemeine Wohl er-
halten worden.“ Indem er auf Sturtevants Berechnung und dessen
Angabe, daſs es zu seiner Zeit 800 Hütten in England gegeben habe,
zurückkommt, vermutet er, daſs von diesen etwa 300 Hochöfen, 500
aber Hammerhütten gewesen sein möchten. Er selbst stellt nun
folgende Rechnung auf: jeder Hochofen produziere durchschnittlich
mindestens 15 Tonnen die Woche und blase 40 Wochen im Jahr.
Für jede Tonne Eisen werden zwei Wagen (loads) Holzkohlen ge-
braucht, für jeden Wagen Holzkohlen zwei Klafter (cords) oder Wagen
Holz. Rechnet man dies aus, so braucht jeder Hochofen 60 Wagen
Holz pro Woche oder 2400 Wagen im Jahr.


Ein Hammerwerk mache 3 Tonnen Schmiedeisen in der Woche,
in 50 Wochen im Jahr, für jede Tonne Eisen gingen 3 Wagen Holz-
kohlen auf. Das entspreche 18 Wagen Holz pro Tag und 900 Wagen
im Jahr. Sturtevants Angabe mit Dudleys Einschränkung als
richtig angenommen, verzehrten die englischen Eisenhütten allein
jährlich 1170000 Wagen Holz. Dieser Aufwand wachse aber mit
der Eisenindustrie jährlich. Früher sei er ja viel geringer gewesen.
Da habe man zuerst die Tretöfen oder Luppenfeuer (foot blasts or
bloomeries) gehabt, in denen man im Tage eine Luppe von noch
nicht 100 Pfd. Gewicht erhalten habe. Diese war so roh, daſs sie
noch langen Ausheizens und Schmiedens bedurfte. Dabei ging das
meiste Eisen in die Schlacken und diese waren so eisenreich, daſs
sie von unseren heutigen Schmelzen statt der besten Erze ver-
schmolzen werden. Von diesen Schlacken liegen noch Millionen
von Tonnen in vielen Grafschaften und uralte, hohle Eichen wachsen
auf ihnen.


Die nächste Erfindung war, daſs man die Rennwerke an die
Wasserläufe gelegt und diese zum Bewegen der Bälge benutzte. Man
80*
[1268]England im 17. Jahrhundert.
machte mehr Eisen und die Schlacken waren nicht mehr so mit Eisen
überladen, daſs sie sich mit Vorteil wieder hätten verhütten lassen.
Dennoch habe man nur etwa 200 Pfd. ganz rohen Luppeneisens
täglich erhalten. Dagegen machen manche unserer heutigen Hoch-
öfen mit Holzkohlen 2 bis 3 Tonnen Roh- oder Guſseisen in
24 Stunden. Dementsprechend wuchs aber auch der Holzverbrauch
der Eisenhütten. Die Produktion von 1 Tonne am Tage mit Stein-
kohlen würde aber genügen, wenn man nur überall in England,
Schottland und Wales, wo man Überfluſs von Steinkohlen hat, Hoch-
öfen bauen wollte.


Aber so unbegreiflich es uns erscheint, Dudleys Mahnruf ver-
hallte ungehört, sein Beispiel fand keine Nachahmung. England war
noch nicht reif für die groſsartige Industrie, die sich später auf dieser
Grundlage entwickelte.


Das Schicksal dieses Propheten in der Wüste muſs uns aber mit
Mitleid erfüllen und nicht ohne Bewegung lesen wir die einleitenden
Worte zu seinem Metallum Martis:


„Das Unrecht und das Vorurteil, unter denen ich und diese
Insel, mein Vaterland, wegen der Darstellung des Eisens mit Stein-
kohle zu leiden hatten, veranlaſste mich, in Ermangelung gröſserer
Geister (better wits) und besserer Federn hierfür, in der folgenden
Abhandlung eine Rechtfertigung zu veröffentlichen, und glaube mir,
Leser, keine privaten oder politischen Interessen haben mich zu
meiner Erfindung geführt, einzig und allein der Eifer, der einem red-
lichen Manne ziemt, Patriae, parentibus et amicis, daſs England zum
allgemeinen Wohl, zum Nutzen von Arm und Reich, Jung und Alt
seine Wälder und sein Holz erhalten bleiben möchten.“


Von Dudley hören wir danach nichts mehr, nur sein Grabstein
berichtet, daſs er am 25. Oktober 1684 in dem hohen Alter von
85 Jahren zu St. Helens in Worcestershire aus dem Leben schied.
Seine Erfindung selbst hielt Dudley ängstlich geheim, auch in seiner
Abhandlung vermeidet er jede Andeutung, die einen Schlüssel zu
seinem Geheimnis geben könnte. Er sagt, er würde sie vor seinem
Tode seinen Erben und nächsten Angehörigen mitteilen. Ob er es
gethan hat, wissen wir nicht. Es ist niemals etwas darüber bekannt
geworden. Aus dem Umstande aber, daſs er das Erz in derselben Weise
wie mit Holzkohlen in Hochöfen schmolz, die ähnlichen Blasebälge
dazu verwendete, ferner, daſs er für sein Brennmaterial nur Klein-
kohle oder Gries verwendete, läſst uns mit Sicherheit schlieſsen, daſs
Dudleys Erfindung hauptsächlich darin bestand, die Steinkohle in
[1269]England im 17. Jahrhundert.
Koks umzuwandeln und diese in derselben Weise zu benutzen, wie
es heutzutage geschieht.


Die Entschweflung oder Verkokung der Steinkohle, wodurch die-
selbe für viele technische Zwecke erst verwendbar wurde, war keines-
wegs von Dudley zuerst versucht und erstrebt worden. Bereits in
dem früher erwähnten Patent von Procter und Peterson vom Jahre
1589 geschieht einer vorbereitenden Behandlung der Steinkohlen, des
cooking oder coking, für ihre Verwendung zum Metallschmelzen Er-
wähnung. 1590 erhielt der Dekan von York eine Licenz: Steinkohle
zu reinigen und sie von ihrem unangenehmen Geruche zu befreien.
Doch blieb dieselbe ebenfalls ohne Folgen. 1620 bekam eine Gesell-
schaft, bestehend aus den Rittern und Herren Sir William St. John,
Sir Giles Mompesson, Sir George Ayloffe, Lewis Powell, Walter
Vaughan, John Pruthers, Henry Vaughan, Henry Stubbs und einem
gewissen Hugh Grundy, dem eigentlichen Gründer, eine Konzession
(grant), Koks zu machen nach einer Erfindung Grundys. Aber trotz
der mächtigen Unterstützung hatte das Unternehmen keinen Erfolg.
Der Grund des Miſslingens all dieser Projekte lag in der Anwendung
von ungenügendem Wind bei der Verbrennung. Grundy und seine
Gesellschaft durften nach ihrer Konzession nur gewöhnliche Öfen mit
natürlichem Luftzug verwenden. Dudleys Erfolg erklärt sich aus seiner
Verwendung kräftiger Blasebälge. 1627 wurde ein weiteres Patent an
Sir John Hacket und Octavius de Strada, den deutschen Edelmann,
der zwei Jahre früher im Lütticher Lande seine Schmelzversuche mit
Steinkohle gemacht hatte, auf ein Verfahren, Steinkohlen so brauch-
bar wie Holzkohlen für den Hausbrand zu machen (a method of
rendering sea-coal and pit-coal as useful as charcoal, for burning in
houses, without offence by the smell of smoke), erteilt. Wenige Jahre
später — 1633 — wurde einer Gesellschaft, bestehend aus Sir
Abraham Williams, John Gaspar van Wolfen, Edward Hanchett,
Amadis van Wolfen, Walter Williams, Henry Regnolds, John
Brown und Kaspar Friedrich van Wolfen ein Patent gewährt für
ein neues Verfahren, Steinkohlen zu verkoken (a new way of
„charking“ sea-coal and other earth-coal and for preparing, dressing
and qualifying them so as to make them fit for the melting
and making of iron and other metals and many other good
uses).


Während der nächsten vier Jahre wurden etwa acht weitere
Patente für die Anwendung rauchlos gemachter Steinkohle genommen,
und obgleich man mit dem Schmelzen von Metallen mit Koks keinen
[1270]England im 17. Jahrhundert.
Erfolg erzielte, verwendete man denselben zu anderen Feuerungs-
zwecken, namentlich in der Bierbrauerei.


Über eine Methode der Verkokung von Steinkohlen in Tiegeln
giebt Evelyn in einem Tagebuch aus jener Zeit einen interessanten
Bericht: „Ich reiste nach Hause über Greenwich Ferry, wo ich Sir John
Winters neues Verfahren, Steinkohle zu verkoken, um den Schwefel aus-
zubrennen und sie geruchlos zu machen, kennen lernte. Er that dies
in Tiegeln, wie sie die Glasmacher zum Schmelzen brauchen, indem er
sie glühte, ohne sie zu verbrennen. In den Kohlen in jedem Tiegel stak
ein eiserner Harken, mittelst dessen man die geschmolzenen, halbaus-
gebrannten Cinder heraushob.“ — Dies Produkt nannte er cooked
coal. Aber auch dieses Unternehmen hatte keinen Erfolg.


Trotzdem gab man die Hoffnung nicht auf, den richtigen Weg
noch zu finden. In diesem Sinne schrieb Dr. Fuller 1662: „Es ist
zu hoffen, daſs man noch einmal den richtigen Weg findet, Steinkohle
so zu verkohlen, daſs man sie zur Eisenbereitung verwenden kann.
Es sind nicht alle Dinge in einem Menschenalter gefunden worden,
und dies mag der Zukunft vorbehalten sein, in der das vielleicht
leicht erscheinen mag, was uns gegenwärtig unmöglich scheint.“ Die
Erfüllung dieser Hoffnung lieſs aber noch geraume Zeit auf sich
warten.


Nachdem Dudley aufgehört hatte, das Ziel weiter zu verfolgen,
hören wir nur noch von einem Deutschen, einem Mr. Blewstone, der
Eisen mit Hülfe von Steinkohlen darzustellen versuchte.


Dr. Plot berichtet darüber in seiner Geschichte von Stafford-
shire 1).


Er erbaute einen Ofen zu Wednesbury in Staffordshire, „so geist-
reich eingerichtet, daſs nur die Flamme der Kohlen an das Erz ge-
langen konnte 2).“ Es war also ein Flammofen und Blewstone
wandelte auf derselben falschen Fährte wie alle die früheren Erfinder
auſser Dud Dudley. Der Ausgang war denn auch ein Miſserfolg.
„Die schwefligen, vitriolischen Dämpfe, die von den Kiesen, welche
die Kohlen meist, wenn nicht immer, begleiten, herrührten, entwichen
mit der Flamme und vergifteten das Erz genügend, um es weit
schlechter als Holzkohleneisen zu machen.“


[1271]England im 17. Jahrhundert.

Daſs man aber um jene Zeit das Verkoken der Steinkohlen be-
reits kannte und betrieb, geht aus folgender Angabe in Dr. Plots
Geschichte von Staffordshire von 1686 hervor:


„Sie haben ein Verfahren, die Steinkohle zu köhlern (charring),
welches in allen Einzelheiten ebenso ist wie bei dem Holz, wodurch
die Kohlen von den schädlichen Dämpfen befreit werden, welche
anderenfalls dem Malz einen Geruch geben würden. Die so vor-
bereitete Kohle nennen sie Koks, welcher eine fast eben so groſse
Hitze giebt wie Holzkohle und auch für die meisten Zwecke verwendet
werden kann, auſser für das Schmelzen, Feinen und Frischen
des Eisens, wozu man es nicht verwenden kann
(which it
cannot be brought to do), obgleich es die geschicktesten und
berühmtesten Künstler versucht haben
.“ Die erwähnten Patente
waren aber nicht die einzigen, welche im Laufe des 17. Jahrhunderts für
das Schmelzen des Eisens mit Steinkohle erteilt worden sind. Besonders
in der Regierungszeit Karls I. traten noch verschiedene Erfinder auf.


Am 20. März 1627 wurde unter Nr. 38 an Astell, Copley und
Crofts ein Patent erteilt 1) für eine geheimnisvolle Kunst, Eisenerz
mit Steinkohlen zu schmelzen und zu Guſswaren und Schmiedeisen
zu verarbeiten, wofür dieselben von 1629 ab 14 Jahre lang eine
Jahresabgabe von 400 £ an den König zu zahlen sich verpflichteten.


Am 13. August 1630 erhielten Ball, Lassells, Hampton und
Anley ein Patent, Eisen zu schmelzen und zu machen mit eigens
zugerichtetem Torf.


Am 7. Dezember 1632 erhielt der früher schon erwähnte Edward
Jorden, „Doctor in Phisicke“, ein Patent, Zinn, Eisen u. s. w. mit
Steinkohle und Torf zu schmelzen, wofür ihm eine jährliche Abgabe
von 6 Sh. 8 Pf. an den König auferlegt wurde.


Am 25. Juni 1635 nahm Th. Franke ein Patent für „Öfen zum
Eisenschmelzen etc., bei welchen die Belästigung durch Rauch ver-
mieden würde“. Dafür hatte er den zehnten Teil des Gewinnes an
den König zu entrichten. Die gleiche Abgabe war Ph. Vernatt für
sein erwähntes Patent vom 22. April 1636, Eisen mit Steinkohlen zu
schmelzen, auferlegt. Kapitän Bucks Patent vom 1. März 1651,
welches durch besonderen Parlamentsbeschluſs erteilt war, lautete
[1272]England im 17. Jahrhundert.
auf Herstellung von Eisen mit Steinkohlen ohne Verkokung (for
making of iron with stone-coal, pit-coal or sea-coal without charking).
Es war besonders geschützt, indem jede Verletzung des Patents mit
10 £ Strafe bedroht war. Aus dem Wortlaute des Patentes geht
hervor, daſs man schon damals das Verkoken kannte, und es läſst
sich vermuthen, daſs das „without charking“ gerade im Hinweis auf
Dudleys Patent betont ist. Hieraus erklären sich auch die oben
erwähnten Miſserfolge.


Trotz aller Patente und Anstrengungen Einzelner machte die
Eisenindustrie Englands im 17. Jahrhundert keine Fortschritte, sondern
Rückschritte. Ursachen waren die zunehmende Holznot und der
Bürgerkrieg. Am blühendsten war sie zu Anfang des Jahrhunderts
in den letzten Regierungsjahren der Königin Elisabeth. Jakob I.
suchte ebenfalls die Eisenindustrie zu fördern, 1607 erwähnt John
Norden in einem Dokument, daſs es in Sussex 140 Eisenhütten und
Hämmer gäbe. 1609 soll es, nach einem John Hawes, im Gebiet der
Abtei von Robertsbridge in Sussex 8 Stahlöfen gegeben haben; daſs
dies Cementiröfen gewesen seien, wie Swank annimmt, ist aber höchst
unwahrscheinlich.


Von Sussex war bereits im 16. Jahrhundert die Eisenindustrie
nach Süd-Wales getragen worden, indem in Folge des zunehmenden
Holzmangels und der strengen Verordnungen der Königin Elisabeth
zum Schutze der Waldungen, Eisenschmiede aus Sussex auswanderten
und sich in Glamorganshire ansiedelten. Schon 1565 erbaute Capel
Hanbury bei Pontypool in Monmouth an der welschen Grenze einen
Hochofen, angeblich um die dort angehäuften römischen Schlacken zu
verhütten. Die Familie Hanbury spielte eine wichtige Rolle in der
Eisenindustrie Englands vor der Revolution. 1620 sollen die Hanbury’s
Eisenwerke bei Llanelly erbaut haben.


Im Jahre 1607 wurde auch in Schottland zu Letterewe in Roſs-
shire ein Hochofen mit Erfolg betrieben. Seine Fundamente am
Flusse Burn sollen noch zu sehen sein. Er wurde von einem George
Hay mit englischen Arbeitern gegründet, um Kanonen zu gieſsen, was
fortgesetzt wurde, so lange der Holzvorrath vorhielt.


1612 zur Zeit Sturtevants, als die Holznot schon schwer auf
die Industrie drückte, hätte England nach Dudleys Angaben in
300 Schmelzöfen 180000 Tons Roheisen gemacht; die 500 Frischherde
hätten 75000 Tons Schmiedeisen geliefert.


Diese berechneten Angaben sind indes jedenfalls viel zu hoch;
die durchschnittliche Wochenproduktion von 15 Tons kann getrost
[1273]England im 17. Jahrhundert.
auf die Hälfte herabgesetzt werden. Nach Anderen betrug die Roh-
eisenproduktion damals etwa 60000 Tons, die Schmiedeisenproduktion
nicht ganz 40000 Tons. Auch 1630 wurden noch 40000 Tons Schmied-
eisen erzeugt, wovon ein Teil sogar ausgeführt wurde, während 1700
die inländische Produktion so sehr gesunken war, daſs sie nur noch
an 20000 Tons betrug, während ebensoviel Eisen hauptsächlich von
Schweden importiert wurde.


Mit der Abnahme der eigenen Produktion stieg die Einfuhr.
Karl I. erlieſs 1637 eine Proklamation, worin er die Ausfuhr von
Eisen ohne besondere königliche Genehmigung (king’s licence) verbot.
Gleichzeitig verordnete er, um den Verkauf von schlechtem Eisen zu
hindern, daſs alles Handelseisen, sei es Roh- oder Schmiedeisen, von
einem königlichen Aufseher (by his surveyors) gestempelt werden
muſste. Auch sollten diese Aufseher jederzeit freien Zutritt zu allen
Forsten haben, in denen Holz zum Brennen von Holzkohle für die
Eisenwerke geschlagen wurde, um nachzusehen, ob dies in vorschrifts-
mäſsiger Weise geschähe. Der Guſs eiserner Kanonen blieb auch im
17. Jahrhundert eine wichtige Industrie für England. Schon 1595
goſs John Johnson, ein Schüler von Peter Baude, Stücke von 3 Tonnen
Gewicht. Schiffsbau und der Guſs eiserner Kanonen waren nach
Hume die einzigen Industriezweige, in denen sich England unter der
Regierung Jakobs I. auszeichnete. 1629 befahl die Krone den Guſs
von 600 Kanonen für die Generalstaaten von Holland. Bischof
Wilkins sagt 1648, daſs ein ganzes Stück (a whole cannon) um
8000 Pfund, ein halbes Stück 5000 Pfund, eine Schlange 4500 Pfund,
eine halbe Schlange 3000 Pfund wog. Ein ganzes Stück brauchte
40 Pfund Pulver und schoſs 64 Pfund.


Im Bürgerkriege wurden alle Eisenwerke der Royalisten zerstört.
Eine Heeresabteilung unter Sir William Waller erhielt den besonderen
Auftrag dazu. Auch die meisten Werke in Wales wurden damals
niedergebrannt und nicht wieder aufgebaut.


Nach der Restauration wurde die der Industrie feindliche Partei
von Grundbesitzern, welche die Eisenhütten für einen Schaden für
England erklärten, immer mächtiger. Diese gingen soweit, zu be-
antragen, die Eisenfabrikation gänzlich zu verbieten. Die Regierung
selbst wandelte auf dieser falschen Bahn.


Sie lieſs 1674 alle königlichen Eisenwerke im Forrest of Dean
zerstören, damit nicht die Eisenwerke den Bezug der Flotte an
Bauholz für die Schiffe beeinträchtigten. Gegen diese kurzsichtige
Politik protestierten einsichtigere Männer, wie Prinz Ruprecht
[1274]England im 17. Jahrhundert.
und besonders Andrew Yarranton, ein Mann, der ähnlich wie Dud
Dudley
einen prophetischen Blick für die zukünftige Entwickelung
Englands als Industriestaat besaſs.


Prinz Ruprecht von der Pfalz, Ruprecht der Kavalier genannt,
in England bekannt und volkstümlich als Prince Ruppert, war der
dritte Sohn des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz und der
„Schneekönigin“ Elisabeth von England, also ein Enkel Jakobs I. Er
kämpfte für die Sache seines Vaters im 30jährigen Kriege und dann
als Reitergeneral und Feldherr der Royalisten unter Karl I. Später
nach einem unstäten Flüchtlingsleben wurde er unter Karl II. Admiral
der englischen Flotte im Kriege gegen Holland. Er war ein hoch-
begabter, genialer Mensch, der bei seinem unstäten, kriegerischen
Leben doch noch Zeit zu wissenschaftlichen Untersuchungen, groſsen
Handelsunternehmungen, Erfindungen und künstlerischen Beschäfti-
gungen fand. Er gründete die Hudsonsbai-Gesellschaft. Zugleich war
er ein hervorragender Chemiker und Physiker und stand als solcher
im engen Verkehr mit Becher. Auſserdem war er ein vorzüglicher
Zeichner, Maler und Kupferstecher. Er führte die damals in Deutsch-
land erfundene Schabkunst in England ein und vollendete selbst
12 Blätter in dieser neuen Manier. Mit Vorliebe beschäftigte er sich
mit den Metallen. Er erfand eine neue Komposition, welche nach
ihm Prinzenmetall genannt wurde. Die Bedeutung des Eisens für
England wuſste er vollkommen zu würdigen und durch seine Stellung
als Groſs-Admiral wurde seine Aufmerksamkeit und sein Interesse
noch besonders auf dieses Gebiet gelenkt. Er bemühte sich, Ver-
besserungen einzuführen und scheint zuerst die Cementstahlfabrikation
sowie die Darstellung des schmiedbaren Gusses erfunden, beziehungs-
weise in England eingeführt zu haben. Er lieſs sich am 1. Dezember
1670 ein Verfahren patentieren 1): alle Arten von schneidenden Werk-
zeugen und Instrumenten, nachdem dieselben zuvor aus weichem
Eisen geschmiedet und geformt sind, in Stahl zu verwandeln; ebenso
gezogenen Draht zu verwandeln; Guſseisen weich zu machen, daſs es
gefeilt und bearbeitet werden kann wie Schmiedeisen; sowie Eisen
mit Kupfer zu überziehen.


Am 8. Januar erfuhr dieses Patent eine auſserordentliche Er-
weiterung dahin, daſs dem Prinzen und seinen Vertretern, Lord Ashley
[1275]England im 17. Jahrhundert.
und Sir Thomas Chickley, das Recht zustehen sollte, alle Arbeiter,
Handwerker und sonstige für ihre Kunst und Erfindung Beschäftigten
in Eid zu nehmen, nichts darüber mitzuteilen oder bekannt zu machen,
noch wie, oder mit welchen Werkzeugen und Materialien gearbeitet
würde.


Das erste Patent findet sich sonderbarer Weise fast in demselben
Wortlaut noch zweimal kurz hintereinander eingetragen, das eine Mal
unter Nr. 164 vom 6. Mai 1671, das andere Mal unter Nr. 165 vom
1. Dezember 1671, woraus wohl geschlossen werden darf, daſs dem-
selben vom Patentträger groſse Wichtigkeit beigemessen wurde. Ob
Prinz Ruppert aber mit seiner Erfindung Erfolg erzielte, darüber sind
wir ohne alle Nachricht. Thatsache ist nur, daſs die Cementstahl-
fabrikation zu Anfang des 18. Jahrhunderts, und als Reaumur 1722
seine berühmte Abhandlung über diesen Gegenstand veröffentlichte, in
England bereits mit Erfolg betrieben wurde. Wenden wir uns nun
zu Yarranton.


Dove sagt in seinen Elementen der Politik:


„Es hat niemals an Männern gefehlt, denen Englands Vervoll-
kommnung zu Wasser und zu Lande einer der höchsten Gedanken
ihres Lebens waren und denen Englands Wohl die wichtigste irdische
Sorge war: Und so war es ganz besonders Andrew Yarranton,
ein wahrer Patriot in des Wortes bestem Sinn.“ Wie schwer die
Industrie unter dem Bürgerkriege in England litt, beweisen die Lebens-
schicksale Andrew Yarrantons, ebenso wie die Dudleys. Auch
er war aus Worcester, war Eisengewerke und Soldat, wenn auch auf
der entgegengesetzten Seite wie Dudley. In noch höherem Grade
wie jener war er ein Mann der Öffentlichkeit und der Unternehmung,
ein erleuchteter volkswirtschaftlicher Politiker und in vieler Hinsicht
ein nationaler Wohlthäter. Ein englischer Schriftsteller nennt ihn
„den Gründer der englischen Nationalökonomie; den ersten Mann in
England, der klar einsah und aussprach, daſs Friede besser ist als
Krieg, daſs Handel besser ist als Raub, ehrliche Industrie besser als
kriegerischer Ruhm, und daſs die beste Beschäftigung einer Regierung
darin besteht, das Glück zu Hause sicher zu stellen und andere
Nationen in Ruhe zu lassen“. Geboren 1616 auf der Farm zu Sarford
in der Gemeinde Ashley in Worcestershire, wurde er beim Ausbruch
des Bürgerkrieges Soldat auf der Seite des Parlamentes, avancierte
zum Kapitän, zeichnete sich aus und wurde vom Parlament öffentlich
belobt und belohnt. Als Cromwell sich der Zügel der Regierung be-
mächtigte, schied er aus dem Kriegsdienst und wandte sich indu-
[1276]England im 17. Jahrhundert.
striellen Unternehmungen zu. Er betrieb ein Eisenwerk zu Ashley bei
Bewdley in Worcestershire, dann Leinenindustrie, beschäftigte sich
mit Verbesserung der Wege zu Land und Wasser und mit der Fluſs-
schiffahrt. Nach der Restauration 1660 wurde er als verdächtig
ins Gefängnis gesetzt. 1662 gelang es ihm, zu entfliehen; er wurde
wieder ergriffen, dann aber freigelassen. Er entwarf nun verschiedene
Kanalprojekte. Für seine groſsartigen Entwürfe war aber die Zeit
noch nicht gekommen, dieselben scheiterten deshalb. Mehr Erfolg
hatte er mit seinen Plänen zur Hebung des Ackerbaues durch
Wechselwirtschaft. Er gab die Anregung zur Erbauung der Docks
in London. In Bezug auf die Eisenindustrie erstrebte er als besonders
vorteilhaft die Einführung der Weiſsblechfabrikation in England.
Diese Fabrikation hatte Sachsen damals förmlich monopolisiert. Eng-
land war aber durch seinen Zinnreichtum für diesen Betriebszweig
bevorzugt, kaufte doch Sachsen englisches Zinn, welches dann in
Form von Weiſsblech wieder nach England eingeführt wurde. Frühere
Versuche, es nachzumachen, waren fehlgeschlagen.


Da nahm Yarranton 1665 die Sache selbst in die Hand, bewog
zwei reiche Leute, die groſses Interesse an dem Unternehmen hatten,
ihn nach dem Kontinent an die Plätze, wo Weiſsblech gemacht wurde,
reisen zu lassen. Er nahm einen erfahrenen Feuerarbeiter und einen
Dolmetscher mit, denn Yarranton verstand kein Wort Deutsch.
Die Reise ging über Hamburg, Leipzig, Dresden nach den sächsischen
Weiſsblechwerken zu Aue im Erzgebirge. Die religiösen Unruhen in
Folge der Reformation hatten viele geschickte Arbeiter vom Kontinent
nach England geführt, aber auch umgekehrt. So war es ein eng-
lischer Arbeiter von Cornwall, der die Zinnbergwerke bei Aue ent-
deckt hatte, und ein vertriebener böhmischer Priester, der die Weiſs-
blechfabrikation daselbst einführte. Diese Fabrikation stand damals
in so hoher Blüte, daſs sie 80000 Mann beschäftigt haben soll.


Yarranton wurde sehr freundlich aufgenommen. Man hielt
nichts vor ihm geheim, sondern unterstützte ihn in seinem Bestreben
in jeder Weise, zeigte ihm die Zinnwerke, die Methode, wie die Bleche
gewalzt wurden (die in England bis dahin nur gehämmert wurden)
und das Verzinnen. Es wurde ihm sogar gestattet, eine Anzahl ge-
schickter Arbeiter zu engagieren, die er mit nach England brachte,
um daselbst Fabriken anzulegen.


Ein Versuch wurde gemacht, und die von Yarranton herge-
stellten verzinnten Platten wurden noch besser befunden als die
sächsischen. „Viele tausend Platten“, sagt Yarranton, „wurden ge-
[1277]England im 17. Jahrhundert.
macht von Eisen vom Forrest of Dean und verzinnt mit cornischem
Zinn, und die Tafeln erwiesen sich noch besser als die deutschen,
wegen der Zähigkeit und Biegsamkeit unseres Eisens.


Die Herren Dison, ein Verzinner von Worcester, Lydiate bei
Fleet Bridge und Harrison bei Kings Bench haben viele gemacht und
kennen ihre Güte.“


Als Yarrantons Erfolg bekannt wurde, nahm irgend ein hoher
einfluſsreicher Herr, wie dies leider in England so häufig vorkam,
ein Patent, wodurch Yarranton, der sein Verfahren nicht geschützt
hatte, an der Fortsetzung seiner Versuche verhindert wurde.


Wahrscheinlich war der Patentnehmer jener William Chamber-
laine, der früher auch einmal Teilhaber von Dud Dudley gewesen war 1).
Dadurch kam die ganze Weiſsblechfabrikation in England wieder ins
Stocken, denn Yarranton und seine Genossen durften es nicht wagen,
weiter zu fabrizieren; der Patentinhaber verstand aber nichts von der
Sache und war nicht imstande, auch nur eine brauchbare verzinnte
Platte herzustellen. — So war Yarrantons Arbeit für das eng-
lische Publikum für längere Zeit verloren. Erst 16 Jahre später
wurde von Kapitän Hanbury bei Pontypool in Monmouthshire eine
Weiſsblechfabrik errichtet, die in Blüte kam und sich erhielt.
Yarrantons Verdienst um die Einführung dieses für England so
wichtigen Industriezweiges wird dadurch nicht geschmälert.


Yarranton machte ferner Reisen durch Holland, um die hollän-
dische Industrie, besonders die Binnenschiffahrt, zu studieren. Dabei
kam er zu dem Schluſs, den er als Grundsatz verkündigte, daſs, wenn
man die Holländer besiegen wolle, man sie auf dem Felde der Arbeit
besiegen müsse. Zu diesem Zweck wirkte Yarranton für die Hebung
der britischen Fischerei, der Binnenschiffahrt und die Einführung
der Leinenmanufaktur in den mittleren Grafschaften. 1677 veröffent-
lichte er den ersten Teil seines Werkes: Englands Verbesserung zu
Wasser und zu Land 2), ein höchst merkwürdiges Buch voll prophe-
tischer Erkenntnis der künftigen kommerziellen und industriellen
Gröſse Englands. Er zeigt darin England in klaren Zügen seinen
zukünftigen Weg vor. Zur Hebung der Landwirtschaft wird die Ein-
[1278]England im 17. Jahrhundert.
führung einer Landesbank oder Hypothekenbank (Land-bank), deren
Kredit auf dem Grundbesitz beruhe und die Einführung von Grund-
oder Stockbüchern empfohlen.


In Bezug auf die Eisenindustrie, welche er neben der Wollen-
industrie für die wichtigste Englands erklärt, tritt er scharf den
Pessimisten, welche damals das groſse Wort führten und deren Weis-
heit darin gipfelte: es sei besser, wenn gar keine Eisenwerke in
England beständen, und es sei besser in England gewesen, als man
noch kein Eisen gemacht habe, da die Eisenwerke die Waldungen
zerstörten, spanisches Eisen sei besser und halte länger, entgegen.
Yarranton führte aus, die jetzige Eisenindustrie sei für England
von derselben Bedeutung wie die Wollenindustrie, sie beschäftige nahezu
ebensoviele Menschen und noch viel mehr Pferde und Ochsen zum
Transport, und Grund und Boden als das Weideland der Schafe. In
Monmouthshire, insbesondere im Forrest of Dean, würden ungeheure
Mengen Roheisen gemacht und zu Stabeisen und Draht verarbeitet.
Dort würde kein Wald erhalten bleiben, wenn die Eisenindustrie
nicht wäre, weil für den Hausbrand die Steinkohle zu nahe und zu
billig sei. Das Land erhielte erst seinen hohen Wert durch die In-
dustrie, die Massen von Arbeitern, Pferden und Rindvieh beschäftige.
Ohne diese würde das Land wenig mehr als eine traurige Wildnis
(a howling wilderneſs) sein. Sir Baynom Frogmorton und Sir Duncomb
Colchester — jedenfalls zwei Groſsindustrielle jener Zeit — würden
ihm sicherlich hierin zustimmen. Einen groſsen Segen gewähre
ferner das Eisen, welches man aus dem Erz und den römischen
Schlacken im Forrest of Dean gewinne; da dieses Metall von der
zartesten, biegsamsten, dehnbarsten Art sei und sich leicht zu jeder
Kleinware verarbeiten lasse, wofür es das beste in der Welt sei. Der
gröſste Teil des hier erzeugten Roheisens ginge den Severn aufwärts
zu den Schmieden in Worcestershire, Shropshire, Staffordshire, War-
wickshire und Chestershire, wo es zu Stabeisen verarbeitet würde.


Dieses würde dann seiner groſsen Weichheit wegen zu Stourbridge,
Dudley, Wolverhampton, Ledgley, Walsall und Birmingham zu kleinen
Waren verarbeitet und über ganz England, ja über den gröſsten Teil
der Welt verbreitet, indem damit ein ausgedehnter Handel getrieben
werde. Im Umkreis des Forrest of Dean würden nicht weniger als
60 000 Menschen durch diese Industrie beschäftigt. Also sei es klar,
daſs die Eisenwerke von Nutzen sind und daſs man ihr Gedeihen
fördern müsse. Aus diesem Grunde wäre es am besten, daſs durch
Parlamentsbeschluſs alle Gemeinden 6 Meilen im Umkreise des Forrest
[1279]England im 17. Jahrhundert.
of Dean zum Waldbau gezwungen würden. Dann würde es auch
leicht sein, groſse Mengen von Bauholz und Schiffsholz zu ziehen.
Der Forrest of Dean sei für das Eisen das, was die Rücken der
Schafe für die Wolle. Beide bedürften der Pflege. Wenn aber für
den Wald dort nicht gesorgt würde, daſs er auch in Zukunft die
Werke versorgen könne, so würde das Gewerbe zurück und für Eng-
land zu Grunde gehen und in einem anderen Lande seinen Sitz auf-
schlagen. — Ebenso seien in Worcestershire, Shropshire, Stafford-
shire, Warwickshire und Derbyshire groſse Eisenlager und Eisenwerke,
die ein Eisen von geringerer Güte lieferten. Es sei weich, aber kurz,
man nenne es kaltbrüchig. Aus ihm würden Nägel und sonstige
Kurzwaren gemacht. In diesen Werken seien wohl doppelt so viel
Menschen beschäftigt als im Forrest of Dean. Dadurch ist immer
bares Geld im Lande und der Grundbesitz hat den doppelten Wert,
den er sonst haben würde. Auch hier giebt es Massen von Stein-
kohlen, die nach allen Gegenden verschickt werden. Deshalb erhält
auch hier nur die Eisenindustrie die Waldungen, denn als Hausbrand
würde sich die Abfuhr des Holzes nicht bezahlt machen. Ähnlich
verhält es sich in Nottingham, Yorkshire, Kent und Sussex. Da überall
der Wald vernachlässigt wird wegen der Billigkeit der Steinkohlen,
so sollte der Staat für seine Erhaltung sorgen und es wäre gut,
wenn auch alle Gemeinden 12 Meilen um Stourbridge zum Waldbau
gezwungen würden.


Den anderen Einwand, daſs es in England besser gewesen sei,
als man noch kein Eisen gemacht habe, widerlegt Yarranton treffend,
indem er sagt, Niemand könne sagen, wann je eine solche Zeit ge-
wesen sei. Die ungeheuren Schlackenhaufen im Forrest of Dean
stammten gröſstenteils aus der Zeit der Römerherrschaft und seien
Zeugen für das hohe Altertum der Eisenindustrie in England. Die
Anhäufung solcher Schlackenmassen, welche die dortigen Eisenwerke
noch Jahrhunderte lang erhalten könnten, müssten sehr lange Zeit in
Anspruch genommen haben, da man damals nur Tretbälge gehabt
habe, während man jetzt Bälge von 20 Fuſs Länge, die durch Wasser-
räder bewegt werden, hätte.


Die Behauptung, daſs die Eisenindustrie das Bauholz verschlinge,
sei ebenfalls unwahr. Wie nachgewiesen, erhalte die Eisenindustrie
den Bestand der Wälder, in welchen sich bei richtiger Bewirtschaf-
tung genügende Mengen Stammholz ziehen lassen. An diesem
vergreife sich die Eisenindustrie nicht, da es viel zu teuer sei zum
Verkohlen. Zimmerholz kostete 30 Sh. die Tonne. Wie könnten
[1280]England im 17. Jahrhundert.
Eisengewerke Zimmerholz verkohlen, wovon sich der Karren (a coard)
auf 50 Sh. stelle, während der Karren Kohlholz mit 7 Sh. bezahlt
werde?


„Die Hebung der Eisenindustrie ist ein wichtiges Mittel, um die
Holländer zu besiegen, durch welche wir jetzt noch eine Menge von
Eisenwaren von Lüttich, Solingen, Cöln u. s. w. beziehen. Wieviel
Hände könnten beschäftigt werden, wenn diese Waren im Inlande er-
zeugt würden! Seht nach Sachsen hin; in Folge der entwickelten
Industrie giebt es dort keine Armen.“


Um aber der heimischen Eisenindustrie wirksam aufzuhelfen,
müſste man auf alles fremde Schmiedeisen einen Zoll von 3 £ die
Tonne und auf alle Eisenwaren einen Zoll von 6 £ die Tonne er-
heben. Er schätzt den Nutzen, der durch den Schutzzoll auf Eisen-
und Leinenwaren dem Lande direkt und indirekt erwachsen würde,
auf mindestens 6 Millionen Pfund.


Die etwaigen Klagen der acht Ankerschmiede in London, die
fremdes Eisen verarbeiteten, kämen dabei nicht in Betracht. Schon
der Sicherheit des Landes wegen müſste man die Eisenindustrie
schützen, welche die Kanonen und die Munition für die Verteidigung
liefert. Jetzt aber lägen die Werke in Sussex und Surrey bereits
ganz, in Nord-England zum groſsen Teil darnieder und nur die richtige
Fürsorge für den Wald könne sie retten, denn der Wald sei der
Eisenindustrie, was die Mutterbrust dem Kinde sei. In Christ-Church
bei Hampshire besäſse der Staat Eisenwerke; dort solle er für seine
Rechnung Eisen für Schiffsanker und Kriegszwecke machen lassen
und einen Vorrat für auſserordentliche Fälle anlegen.


Für die Verarbeitung des Eisens käme England eben sein Reich-
tum an billigen Kohlen zu gut, mit deren Hülfe man die Kleineisen-
waren leicht und billig herstellen könne. In Folge dessen würde
auch bereits ein bedeutender Handel hiermit über einen groſsen Teil
von Europa betrieben.


1681 erschien der zweite Band von Yarrantons Werken, worin
er besonders auf die Hebung des Eisenhandels hinwies. Die Weiſs-
blechfabrikation mit Eisen vom Forrest of Dean und englischem Zinn
und die Ausbeutung der ungeheuren Schlackenhalden empfiehlt er als
hierzu geeignete Mittel.


Er schildert seine eigenen Anstrengungen zur Einführung der
Weiſsblechfabrikation und polemisiert dabei gegen die Art und Weise,
wie die Patente damals verliehen wurden, wodurch die Industrie statt
befördert, vielmehr aus dem Lande getrieben würde.


[1281]England im 17. Jahrhundert.

Aus einem höchst amüsanten Gespräch zwischen einem Zinnberg-
mann von Cornwall und einem Eisenbergmann vom Forrest of Dean
— dem Verfasser — scheint hervorzugehen, daſs dieser sein Eisenwerk
bei Ashley noch fortbetrieb. Der Eisenbergmann sagt nämlich:


Vor ungefähr 28 Jahren fand Herr Yarranton eine groſse Masse
römischer Schlacke, nahe den Stadtmauern von Worcester, wovon er
und andere viele tausend Tonnen oder Ladungen aufwärts dem Flusse
Severn weggefahren haben, um sie mit Zusatz von Eisenstein vom
Forrest of Dean zu verschmelzen. Etwa 100 Ellen von der Stadtmauer
von Worcester sei einer der alten Tretherde noch fest und gut erhalten,
etwa 7 Fuſs unter dem Boden ausgegraben worden. Zur Seite der
Schmelzhütte (work) habe man einen Topf voll römischer Münzen ge-
funden, die teils in den Besitz von Sir Deydall, teils in das könig-
liche Cabinet (the kings Closet) gekommen seien.


Nach 1681 veröffentlichte Yarranton nur noch eine Beschreibung
der damals im Bau begriffenen Festung Dünkirchen, indem er die
Engländer vor der ihnen dadurch erwachsenden Gefahr warnte und
ihnen riet, das Werk zu zerstören, ehe es vollendet sei. Danach er-
fahren wir nichts mehr von diesem erleuchteten Patrioten. Man
weiſs weder, wo er starb, noch wo er begraben wurde. Er suchte
nicht Gewinn für sich, sondern nur für sein Vaterland; dafür predigte
er bis an sein Lebensende, allein dazu getrieben, wie er selbst sagt,
durch die heiſse Liebe für sein Vaterland, „dessen zukünftige Blüte
der einzige Lohn sein möge, den ich je für alle meine Mühe sehen
werde“. Yarrantons Ratschläge für Einführung eines Einfuhrzolles
auf Eisen hatten Erfolg. 1679 wurde ein Zoll von 10 Schilling für
die Tonne auf alles fremde Eisen angeordnet. 1690 wurde der Zoll
auf deutsches Eisen noch erhöht.


Aus Yarrantons Bericht haben wir schon erfahren, daſs die
Fabrikation von Kleineisenwaren besonders in den Städten Mittel-
englands in Blüte stand. Dieselbe erfuhr 1685 einen neuen Auf-
schwung und Verbesserungen durch die Einwanderung französischer
Refugiés. Die Messerfabrikation und die Fabrikation von Stahlwerk-
zeugen hatte in Sheffield ihren Sitz aufgeschlagen. Um 1570 waren
niederländische Messerschmiede und Stahlarbeiter eingewandert, welche
zuerst die Fabrikation von Scheren und Sicheln eingeführt haben
sollen.


Um 1600 waren die Sheffielder Tabaksbüchsen und Maultrommeln
(Jews harps) berühmt. Die Stadt war damals noch klein. 1615
zählte sie 2207 Einwohner, von denen aber ein Drittel oder 725
Beck, Geschichte des Eisens. 81
[1282]England im 17. Jahrhundert.
nicht imstande waren, ohne die Mildthätigkeit ihrer Nachbarn zu
leben, so arm war die geringere Bevölkerung. Die ganze Ausrüstung
und Bewaffnung der Stadt bestand damals aus einigen Brustpanzern,
Eisenhüten, Musketen und Schwertern (Hunter’s Hallamshire).


1624 wurde erst die Sheffielder Messerschmiedgilde privilegiert.
In der Urkunde heiſst es: daſs die Personen dieses Gewerbes nicht
nur groſsen Ruf wegen ihrer Geschicklichkeit und ihrer Kenntnisse
in dieser Branche erlangt hätten, sondern auch vielen Armen und
deren Familien Nahrung gaben, indem sie ihnen Gelegenheit boten,
in den Messerschmieden als Tagelöhner zu arbeiten, während sie sonst
nur schwer Verdienst finden würden, und daſs sie Messer mit den
besten Schneiden gemacht hätten, mit denen sie den gröſsten Teil
des Königreichs und auch fremde Länder versorgten.


In demselben Jahre wurde eine Ordnung für Messer, Sicheln,
Scheren (shears and scissors) und andere Messerwaren in Hallam-
shire erlassen. 1638 soll erst mit der Fabrikation von Rasiermessern
und Feilen in Sheffield begonnen worden sein.


1650 wurde die Fabrikation von Einschlagmessern (clasp- or
spring-knives) von flandrischen Arbeitern eingeführt. Man nannte
sie im Norden Jocteleg, eine Korruption von Jacques de Liège, einem
berühmten Messerschmied, dessen Messer in ganz Europa berühmt
waren, wie die von Rogers oder Mappin in unserem Jahrhundert.
Auch die Fabrikation der Sensen und Sicheln war aus dem Flämi-
schen gekommen; erstere hatte ihren Hauptsitz in Norton, letztere
in Eckington aufgeschlagen. In London war 1683 Thomas Matthews
ein berühmter Messerschmied.


Die Nagelfabrikation blühte vornehmlich in Mittel-England. Wenn
Dud Dudley angiebt, daſs in einem Umkreise von 10 Meilen von Dud-
ley-Castle 20000 Eisenschmiede wohnten, so erklärt sich diese groſse
Zahl durch die vielen Nagelschmiede jener Gegend. Im 17. Jahr-
hundert bediente man sich bereits der Walz- und Schneidmühlen zur
Herstellung des Nageleisens in England. Die Nachrichten über die
Einführung derselben sind widersprechend. Nach der einen sollen
die ersten Eisenspaltereien Ende des 16. Jahrhunderts von dem Con-
tinent eingeführt worden sein. Serivenor sagt, daſs nach Gough’s
Camden ein gewisser Godfrey Bochs von Lüttich zu Dartford 1590 die
erste Eisenspalterei angelegt habe. Nach anderen habe der Gründer
der Familie Toby in Stourbridge, der als Musikant in Schweden
gereist sei, die erste Eisenspalterei nach England gebracht. Er war
zuerst nur Nagelhändler, dann aber Schmiedemeister und starb 1657,
[1283]England im 17. Jahrhundert.
80 Jahre alt. Birmingham war der Mittelpunkt der Nagelindustrie,
bei der vielfach Kinder und Mädchen beschäftigt wurden. John
Houghton gibt in seiner Husbandry and Trade von 1697 eine Schilde-
rung der Eisenbereitung in Staffordshire. Er beschreibt die Frisch-
feuer und die Bereitung des Nageleisens. „Von den Stäben werden
diejenigen, welche in Ruten geschnitten werden sollen, in die Eisen-
spalterei (slitting mill) gebracht, wo man sie erst kalt in kurze
Stäbe bricht oder schneidet durch die Kraft der Wasserräder. Da-
nach werden sie in einem Ofen zu guter Rotglut erhitzt und dann
einzeln zwischen die Walzen gebracht, durch die sie glatt ausgestreckt
und in die Länge gezogen werden. Hierauf nimmt sie ein anderer
Arbeiter und steckt sie in die Messerscheiben (cutters), die von ver-
schiedener Grösse sind und die man beliebig einsetzen kann. Die
Ruten richtet dann ein anderer, so lange sie noch heiſs sind, gerade
und bindet sie nach dem Erkalten in Bündel, worauf sie zum Ver-
kauf fertig sind.“


Die Drahtfabrikation war schon im 16. Jahrhundert in Eng-
land eingeführt worden. In einem Aufruf Karls I. von 1630 heiſst
es: „Eisendraht wird längst in unserem Reiche gemacht und
gewährt vielen Tausenden unserer Unterthanen Unterhalt, und dieser
englische Draht wird aus dem zähesten und besten Osemundeisen,
einem einheimischen Produkt des Königreiches (Osmond-iron, a native
commodity of the kingdom) hergestellt und ist weit besser, als der
aus fremden Ländern eingeführte, besonders für die Kratzen, ohne
welche gutes Tuch nicht gemacht werden kann. Da sich nun die
Drahtfabrikanten beschweren, daſs jetzt viel fremder Draht eingeführt
werde, so verbieten wir die Einfuhr von fremdem Draht sowohl, als
von Wollkratzen, Krappen und Schlingen und anderen fremden Draht-
fabrikaten.“ Für Krappen und Schlingen wurde damals schon massen-
haft Eisendraht gebraucht.


Die Fabrikation von Wollenkratzen blühte im 17. Jahrhundert
besonders zu Barnsley in Yorkshire, wohin die ersten Drahtarbeiter
von Wales gekommen waren. Diesen Thatsachen gegenüber, aus
denen hervorgeht, daſs die englische Drahtfabrikation bereits im Jahre
1630 imstande war, den ganzen einheimischen Bedarf zu decken,
lautet Andersons Nachricht, daſs 1613 ein Holländer zu Scheen bei
Richmond den ersten Drahtzug in England angelegt habe, sehr be-
fremdlich. Im Jahre 1685 reichten Londoner Gewerbetreibende eine
Petition auf Aufhebung des Drahteinfuhrverbotes beim Parlament
ein; wie es scheint, aber erfolglos. Im Jahre 1656 bildete sich in
81*
[1284]England im 17. Jahrhundert.
London die Innung der Needle-makers. Damit beginnt die englische
Nadelfabrikation, die später so berühmt wurde. Vor der Zeit hatte
man die Nadeln aus Deutschland, namentlich von Nürnberg, bezogen.
Den englischen Nadelmachern wollte es anfangs auch gar nicht recht
mit der Fabrikation geraten, bis sie sich einen deutschen Meister,
Elias Krause, kommen lieſsen.


Eine groſse Eisenlieferung und eine der letzten bedeutenden Ar-
beiten, welche in Sussex ausgeführt wurden, war der Guſs der Eisen-
gitter, welche die St. Paulskirche einschlieſsen. Die Arbeit war zu
groſs für einen Unternehmer und wurde von mehreren gemeinschaft-
lich übernommen. Der gröſste Teil wurde zu Lamberhurst bei Turn-
bridge Wells gemacht. Dieses war damals ein groſses Eisenwerk.
Es verbrauchte jährlich 200000 Karren (coards) Holz, obgleich es
nur 5 Tons die Woche produzierte. — Ein anderer bedeutender und
geschickter Hüttenmann, William Chetwyord von Bugely, goſs auf der
Madelyhütte eiserne Gartenwalzen; dieselben waren hohl, wie die
Walzen der Zuckerrohrmühlen, von 5, 6, 7 und 8 Ctr. Gewicht. Den
Hohlraum füllte er mit Holz aus, das er festkeilte, und diese Walzen
übertrafen alle anderen bei weitem an Gewicht und an Leistung.
Doch war der Guſskranz so spröde, daſs er bei einem kräftigen
Hammerschlag in Stücke brach 1).


Auch Kaminplatten mit bildlichen Darstellungen wurden im
17. Jahrhundert in England gegossen. Auf einer solchen, welche 1636
von Richard Leonhard zu Brede-Furnace gegossen wurde, ist der
Gieſser selbst dargestellt mit seinem Hund und Trinkhorn. Leonhard
war auch Pächter des Sackvillefurnace bei Little Undimore 2).


Im fünften Jahre von Wilhelm und Maria wurde ein Eisenaus-
fuhrgesetz erlassen des Inhalts, daſs, obgleich durch verschiedene Ge-
setze, das eine vom 28. Jahre Eduards III., ein anderes vom 33. Jahre
Heinrichs VIII., ein anderes vom zweiten Jahre Eduards VI., die Aus-
fuhr von Eisen u. s. w. verboten sei bei den darin bestimmten Strafen:
so solle nun bestimmt werden, daſs vom 25. März 1694 ab jede Sorte
Eisen verschifft und ausgeführt werden dürfe, auſser für den König
von Frankreich, seine Unterthanen und Alle, die in seinem Reiche
wohnen, für die Dauer des gegenwärtigen Krieges.


Unter Wilhelm III. lieſs sich eine Kolonie deutscher Eisen-
arbeiter zu Shotley-Bridge in Durham nieder, bauten und betrieben
einen kleinen Hochofen, der im Kohlensack 5 bis 6 Fuſs weit war.


[1285]England im 17. Jahrhundert.

Um die Fabrikation von Stahl und Stahlwerkzeugen in England
erwarb sich Sir Ambrose Crowley 1), der im letzten Viertel des
17. Jahrhunderts Stahlwerke zu Sunderland erbaute, groſse Verdienste.
1690 verlegte er dieselben von Sunderland nach Wislaton am Tyne.
Er fabrizierte daselbst Holzbohrer, Holzschrauben, Muttern, Kellen,
Schneidzeuge, Feilen, Hämmer, Charniere, Hauen für die Sklaven-
plantagen, Schlösser, Ringe und andere Schmiedwaren.


Zu König Wilhelms III. Zeit muſsten die Engländer ihre Schieſs-
gewehre noch aus Holland und Deutschland beziehen. Der König
bemühte sich um Einführung der Gewehrfabrikation. Der Vertreter
von Birmingham, Richard Newdigate, machte sich anheischig, Gewehre
nach deutscher Art zu liefern. Ein Mann in Dighbeth legte ein
Muster vor, welches den Beifall des Königs fand. Es wurden Ge-
wehrfabriken in Birmingham angelegt, deren Gewehre aber unter der
Bezeichnung London guns gingen, weil sie in London zusammen-
gesetzt wurden.


Über den Betrieb der Eisenwerke im Forrest of Dean befindet
sich ein Bericht von H. Powle in den Philosophical Transactions
von 1677/78 2).


Der Eisenstein 3) wurde mit den Schlacken von dem früheren, zum
Teil römischen Rennwerksbetrieb verschmolzen. Das Erz wurde zuvor
in Schachtöfen, die gewöhnlichen Kalköfen ähnlich waren, geröstet.
Erz und Schlacken wurden lagenweise mit Holzkohlen aufgegichtet.
Die aus Backsteinen erbauten Hochöfen waren unten 24 Fuſs im
Quadrat und 30 Fuſs hoch. Sie waren also bereits beträchtlich höher,
als die früher beschriebenen im Siegerland und im Harz.


Der Ofenquerschnitt war oben und unten zusammengezogen
(s. Fig. 212). Gicht und Gestell waren eng zugestellt, die Weite im
Kohlensack betrug 8 bis 10 Fuſs. Man hatte verschiedene Versuche
gemacht mit Steinkohlen, welche im Überfluſs in der Nähe vorhanden
waren, statt mit Holzkohlen zu schmelzen, aber ohne Erfolg. Die
Schmelzer machten die Erfahrung, „daſs Steinkohlenfeuer, so heftig
es auch sein möge, die festesten Teile des Erzes nicht durchdringen
[1286]England im 17. Jahrhundert.
konnte, und dadurch einen groſsen Teil des Metalls ungeschmolzen
zurücklieſs“.


Die Blasebälge waren groſse Holzbälge, welche durch Daumen an
einer Wasserradwelle abwechselnd niedergedrückt und, sobald diese
auslieſsen, von einem Gegengewicht wieder gehoben wurden. Die
flüssige Schlacke wurde von Zeit zu Zeit abgestochen. Das Eisen
floſs in ein Sandbett, in welches man Furchen gemacht hatte von
der Form, wie man die Eisenstücke haben wollte. Das Roheisen
wurde auf die Hammerwerke gebracht und in einem Frischherd ge-
frischt, und zwar, wie Powle angiebt, mit Steinkohlen (!).


Man brachte 3 bis 4 Stücke Roheisen zugleich hinter das Feuer,
so daſs eins etwas vorstand. Indem es niederschmolz, rührten und
arbeiteten sie mit langen Eisenstangen, bis sich die Masse zu einem
Klumpen vereinigt hatte, den sie „half-bloom“ nannten.


Die Luppe (half-bloom) wurde erst mit Handhämmern (sledges)
abgeklopft, dann unter einem Wasserhammer zu einem parallel-
epipedischen Blocke (into a thick short square) geschmiedet. Dieser
kam in das Frischfeuer zurück, wurde ausgeheizt und in einem Doppel-
kolben (ancony)  geschmiedet, der dann in einem
besonderen Ausheizfeuer (chafery) in Stäbe ausgereckt wurde. Die
Angabe Powles, daſs das Frischen mit Steinkohlen geschah, ist sehr
auffallend und dürfte auf einem Irrtum beruhen. Das Ausheizen
in dem Heizfeuer (chafery) geschah gewiſs mit Steinkohlen, das
Frischen aber mit Holzkohlen. — Jedenfalls geht aus dem Bericht
mit Bestimmtheit hervor, daſs sich die Engländer schon damals beim
Frischen zweier Herde bedienten, daſs ihr Verfahren also der
Wallonschmiede oder vielmehr der englischen Lancasterschmiede
bereits entsprach und daſs der Schweiſsherd mit Steinkohlen geheizt
wurde.


Gleichzeitig goſs man aus dem Hochofen auch Kamin- und Herd-
platten u. s. w., indem man das flüssige Eisen mit groſsen Kellen
aus dem Eisenkasten schöpfte und in Sandformen goſs. Doch war
der Guſs meist sehr spröde.


Von dem Eisenschmelzprozeſs zu Cuckfield in Essex giebt es
eine Beschreibung von John Ray F. R. S. 1) vom Jahre 1674. Wir
entnehmen derselben folgendes: Die Eisenerze liegen manchmal
tiefer, manchmal flacher zwischen 4 bis 40 Fuſs unter der Erde. Es
giebt davon verschiedene Sorten, reiche und arme, harte und weiche.
[1287]England im 17. Jahrhundert.
Die Eisenschmelzmeister mischen immer verschiedene Sorten, damit
die Schmelzung am vorteilhaftesten vor sich geht.


Ist das Erz herbeigeschafft, so breiten sie eine Lage Holzkohlen-
braschen (small-cole) aus, darüber eine Lage Erz und so wiederholt
in gleicher Aufeinanderfolge, zünden die Kohlen an und brennen so
das Erz. Der Zweck des Brennens ist, das Erz mürbe zu machen,
um es in kleine Stücke zerschlagen zu können. Würde man die
rohen Stücke aufgeben, so würden diese ungeschmolzen vor die Form
kommen. Anderseits muſs man acht geben, daſs nicht zu scharf
gebrannt wird, indem es sonst laufen, d. h. in eine geschmolzene
Masse zusammenflieſsen würde. Ist es gebrannt, so wird es mit einem
eisernen Hammer zerschlagen und dann in den Ofen über die Kohlen
eingesetzt. Es schmilzt und gelangt in den Herd des Hochofens
innerhalb 12 Stunden, dann sticht man es ab zu einer Ganz (it is
run into a sow). Der Herdboden des Ofens wird aus Sandstein her-
gestellt, ebenso die Seitenwände, etwa eine Elle hoch, der übrige
Ofen bis zur Gicht wird mit gebrannten Steinen (bricks) ausgekleidet.
Wird ein Ofen neu angelassen, so feuert man einen bis zwei Tage,
ehe man mit dem Blasen beginnt; dann wird sanft angeblasen und
der Wind allmählich gesteigert, bis er in etwa 10 Wochen auf sein
Maximum kommt. Die Periode von 6 Tagen wird ein foundday ge-
nannt und in dieser Periode werden 8 Tonnen Eisen im Durchschnitt
der ganzen Kampagne gemacht; anfangs wird weniger, später mehr
erblasen. Der Herd erweitert sich durch die beständige Glut, so daſs,
während er anfangs nur einen Abstich von 600 bis 700 Pfd., er am
Ende 2000 Pfd. faſst. Die kleineren Abstiche unter 1000 Pfd. nennen
sie pigs. Von 24 Lasten Holzkohlen sollen 8 Tonnen Eisen fallen.
Zu jeder Last Kohlen, die 11 Viertel (quarters) enthält, setzen sie
eine Last (= 16 bushels) Erz.


Ein gewöhnliches, aus guten Steinen hergestelltes Gestell pflegt
40 „founddays“, d. h. 40 Wochen auszuhalten, während welcher das
Feuer nie erlischt. Man schmilzt nie zweimal in einem Gestell, wenn
darin auch nicht mehr als 5 bis 6 Wochen geschmolzen wurde. Die
Schlacke schwimmt wie ein Schaum über dem flüssigen Eisen und
wird ein- oder zweimal abgestochen, ehe man die Sau gieſst.


Von dem Frischhammer (forge) zu Cuckfield giebt John Ray
folgende Beschreibung:


Bei jedem Hammer befinden sich wenigstens zwei Herde, ein
Frischherd (finery) und ein Ausheizherd (chafery). Man macht das
Eisen im Frischfeuer und unter dem Hammer auf folgende Weise zu
[1288]England im 17. Jahrhundert.
Luppen (blooms) oder Kolben (anconies): Das Roheisen (sow) wird
in das Feuer geschoben und ein Stück im Gewicht von etwa ¾ Ctr.
eingeschmolzen, welches, sobald es aufgebrochen wird, Luppe (loop)
genannt wird. Diese Luppe wird mit der Luppenzange (chingling tong)
herausgenommen und mit Schmiedhämmern auf einer Eisenplatte
dicht bei dem Herd geschlagen, damit es nicht in Stücke zerfällt,
sobald es unter den Hammer gebracht wird. Unter diesen bringen
sie es alsdann, lassen wenig Wasser an und hämmern es ganz sanft,
wodurch Schlacken und Schmutz ausgepreſst wird; danach lassen sie
mehr Wasser an, hämmern es stärker und kräftiger und verwandeln
es in eine vierkantige Masse, bloom genannt, etwa 2 Fuſs lang. Diese
Operation heiſst das Zängen (shingling the loop). Hierauf bringen
sie es sofort in den Frischherd zurück und verwandeln es in zwei
bis drei Hitzen und Ausschmieden in einen Kolben (ancony), dessen
Gestalt in der Mitte ein Stab ist von der Form, wie sie das Ganze
machen wollen, während an den beiden Enden quadratische Blöcke
roh gelassen werden, um in dem Heizfeuer (chafery) weiter verarbeitet
zu werden. Im Frischherd sind 3 Lasten der gröbsten Holzkohlen
nötig, um eine Tonne Eisen zu machen. — In dem Ausheizherd
werden dann die zwei Kolben ausgeschmiedet zu der Form, wie der
Mittelstab bei der Luppe vorgeschmiedet war, und die Stäbe vollendet.


Zum Ausheizen ist 1 Tonne kleiner Kohle auf 1 Tonne Eisen
nötig. — Man verlangt, daſs ein Mann und ein Junge am Frischherd
2 Tonnen Eisen in einer Woche machen, während 2 Männer am
Ausheizherd 5 bis 6 Tonnen verarbeiten können.


Einen Bericht über den Hochofenbetrieb zu Milthorpe forge in
Lancastershire um dieselbe Zeit verdanken wir John Sturdie1).
Er unterscheidet bereits — in einem Briefe vom 14. März 1674 —
kalt- und rotbrüchiges Eisen (coldshire and redshire). Man erziele
besseres Eisen durch mehrmaliges Umschmelzen und durch Zusatz
von Torf
, dagegen hätten Versuche mit Steinkohlen die schlechtesten
Erfolge gehabt. Das Erz wird geröstet mit den Braschen der Holz-
kohlen. Auf 17 Körbe geröstetes Erz wird ein Korb ungebrannter
Kalk gesetzt, um den Fluſs zu befördern und die Schlacken frei ab-
flieſsen zu lassen. Letztere werden vor dem Abstechen des Eisens
abgelassen. Der Ofen war an der Seite eines Hügels gebaut und
[1289]Schweden im 17. Jahrhundert.
am Boden an zwei Quadratellen weit. In gleicher Weite erhob sich
das Gestell eine Elle oder etwas darüber und war mit einer Aus-
mauerung von besten feuerfesten Steinen ausgekleidet, um die Ge-
walt des Feuers vom Rauhmauerwerk abzuhalten. Die Düsen der
Bälge blasen in die Mitte des Fokus. Der übrige Ofen erhebt sich
quadratisch 6 bis 7 Ellen hoch, aber zulaufend, so daſs die Wände
nach oben hin sich nähern und die obere Öffnung, in welche sie korb-
weise das Erz und Brennmaterial einwerfen, nur ½ Elle im Quadrat
hat. Sie messen mit einer Stange, wie tief die Beschickung von
oben gesunken ist, bei 1½ Ellen geben sie von neuem auf.


In einem anderen Brief vom 12. August 1675 beschreibt er
die Erze, welche von Fourneſs 15 Meilen nach Milthorpe gebracht
wurden: es war roter Hämatit. Sodann schildert er ein anderes
Schmelzverfahren in einem Rennherd. „Der Ofen, in dem das Erz
geschmolzen wird, ist nicht über 1½ Ellen weit und etwa ebenso
hoch. Der Herd ist ganz von Roheisen (sow-iron) und hat die Form eines
umgekehrten, breitkrämpigen Hutes. In der Mitte ist eine Vertiefung
(tunnel), welche sie mit Holzkohle füllen, worauf sie, nachdem dieselben
entzündet sind, das Erz, in Stücke von Taubenei-Gröſse zerbrochen,
eintragen, soviel als sie für eine Schmelzung haben wollen. Sie blasen
dann etwa 12 Stunden, wobei sie nach Bedarf Holzkohlen nachfüllen.
Alsdann stechen sie die Schlacke ab. Das Eisen bleibt in einem
Klumpen in der Mitte in dem konischen Herd. Diesen nehmen sie
mit groſsen Zangen heraus und schmieden ihn in wiederholten Hitzen
unter dem Hammer zu Stäben aus. Sie bekommen etwa 50 kg Eisen
bei einer Schmelzung, wozu sie die dreifache Menge Erz brauchen. —
In diesem Rennherd, der einem gewöhnlichen Schmiedherd sehr
ähnlich war, brauchten sie keine Zuschläge als Fluſs. Aus diesem
Eisen wurden von zwei Deutschen, „unvergleichlichen Künstlern“,
Theekannen gemacht, schöner als die chinesischen.“


Aus diesen verschiedenen Berichten bekommen wir bereits ein
ziemlich klares Bild von dem englischen Eisenhüttenwesen im 17. Jahr-
hundert.


Schweden.

Einen wirklich bedeutenden Aufschwung nahm im 17. Jahrhundert
die Eisenindustrie Schwedens. Die weisen Maſsregeln der schwedischen
Könige hatten daran groſsen Anteil. Gustav I., welcher die Wichtig-
[1290]Schweden im 17. Jahrhundert.
keit der Eisenindustrie für Skandinavien zuerst in ihrem ganzen
Umfange erkannte, hatte schon zu Lebzeiten seinen Sohn Karl zu
seinem Vertrauten in Bergwerksangelegenheiten gemacht und in einem
bedeutsamen Briefwechsel ihm seine Zukunftspläne enthüllt. Bei der
Teilung seines Reiches übergab er Karl diejenigen Provinzen, in
welchen die Eisenindustrie besonders im Aufblühen begriffen war,
namentlich Wermeland, dazu die königlichen Hütten und alle noch
zu erschlieſsenden Erzlager. Karl wirkte im Sinne seines Vaters und
wendete auch als König der Eisenindustrie seine besondere Fürsorge
zu. Er ordnete Maſs und Gewicht, legte viele neue Gruben und
Hütten an, z. B. den ganzen Karlskoga Bergslag und zog die durch
General Flemming vertriebenen Finnländer zu seiner Förderung
heran1). Er unterstützte die Einwanderung deutscher Arbeiter be-
sonders durch die in den Beschlüssen von Norköping 1604 den Berg-
und Hüttenleuten gewährten Freiheiten.


Er begünstigte die eingewanderten niederländischen Protestanten.
Das berühmte Eisenwerk zu Loefstad wurde 1606 von einer holländi-
schen Familie Deger gegründet2). Chenon, ein geflüchteter fran-
zösischer Hugenotte, rief auf des Königs Veranlassung viele seiner
französischen Landsleute sowie Wallonen in das Land, die sich in
Dannemora niederlieſsen und teils als Arbeiter beschäftigt wurden,
teils selbst Hütten anlegten: Von ihnen stammen die vielen franzö-
sischen Namen, die man dort bei den Familien der Eisenhütten-
arbeiter findet, auch manche Ortsnamen sind durch sie entstanden,
so heiſst z. B. die Pardixhütte nach den zehn Aktionären (par dix),
die sie anlegten u. s. w.


In den Ausfuhrlisten jener Zeit macht sich ihre Thätigkeit be-
merklich, indem von da ab groſse Mengen von Nägeln, Harnisch-
blechen u. s. w. ausgeführt werden. Es befanden sich unter den Ein-
gewanderten Geschützgieſser, Hochöfner, Former, Drahtzieher, Schmiede,
die zum Teil ganz neue Gewerbe einrichteten und das Hüttenwesen
bedeutend förderten.


Karl IX. gewährte allen neuen Hütten sechs Freijahre, entband
sie von der Werbung, befreite neue Gruben von Abgaben und erbot
sich zum Vorkauf für die Erze. Trotz der Konkurrenz Englands,
das unter der Königin Elisabeth die heimische Eisenindustrie in
[1291]Schweden im 17. Jahrhundert.
gleicher Weise förderte und auch geschickte Arbeiter aus dem Aus-
lande heranzog, dagegen die Einfuhr erschwerte, vermehrte sich
Schwedens Export an Stabeisen und an Eisenwaren von Jahr zu Jahr.


Mit welchen groſsen Schwierigkeiten aber trotz aller Begünstigung
die Ansiedler in Schweden kämpften, ersieht man aus der Antwort,
die jener Chenon dem Könige Gustav Adolf gab, als dieser ihm zur
Belohnung die Hütte Stortorp zum Lohn überlassen wollte. Er lehnte
ab mit den Worten: „der Hammer ist der Teufel und der Hochofen
die Hölle“, und zog es vor, ärmlich auf dem Lande den Rest seiner
Tage zu verbringen.


Die Entwickelung der Eisenindustrie Schwedens nahm unter
Karls Nachfolger, Gustav Adolf, ihren günstigen Fortgang. Dieser
groſse König verfolgte mit allem Eifer und aller Kraft die weisen
Pläne seiner Vorgänger und vergaſs mitten in den Stürmen einer
wild bewegten Zeit und auf den blutigen Schlachtgefilden Deutsch-
lands nicht die fernen stillen Schachte und die in den Wäldern
hämmernden Hütten, die seinem Reiche die festeste Stütze werden
sollten. — Schon 1619 zog er durch Vermittelung des Kammerherrn
und späteren Reichsrats Conrad von Falkenberg tüchtige Berg- und
Hüttenleute aus Deutschland nach Schweden, wie die Eisenhüttenleute
Angerstein, Henzell, Schultze, Hülfers, und die Bergleute Silents,
Marcus Kock (Koch), Hans Steffens, van der Nachen, von Noltineck,
von Freden und andere.


Der Grubenbau Schwedens stand noch weit hinter dem kunst-
vollen Bau, wie er namentlich in Deutschland betrieben wurde, zurück.
Um diesen zu heben, berief Gustav Adolf den deutschen Berghaupt-
mann Grisback (Griesbach) als obersten Bergmeister in das Land.
Als solcher richtete dieser kunstgerechten Grubenbau und die Förde-
rung mit Wasserrädern an Stelle der alten Pferdegöpel ein, die dem
Staat jährlich 3000 Tonnen Getreide, entsprechend 12000 Tagewerken
Ackerland, gekostet hatten. Um dieselbe Zeit führte Hans Steffens
die hölzernen Blasebälge aus Deutschland ein, die rasch allgemeine
Verbreitung fanden. Diese erleichterten und verbesserten den Betrieb
der Hochöfen und Frischfeuer. Damals war die deutsche Frisch-
methode in Schweden allgemein gebräuchlich.


Die Regierung erbaute neue Hütten, verpachtete sie aber, weil
man annahm, daſs sie dann besser betrieben würden. Den Bergbau
von Taberg, welcher 1610 unter Karl IX. angefangen hatte, unter-
stützte Gustav Adolf sehr. Er lieſs durch Wallonen Hochöfen da-
selbst anlegen. Dagegen fand er es für besser, den Bergbau durch
[1292]Schweden im 17. Jahrhundert.
die Bewohner selbst betreiben zu lassen. Die Frischhütten muſsten
sich aus den Grubenrevieren — den Bergslagern — nach entfernteren
Distrikten verziehen, damit die Wälder nur die Bergwerke und die
Öfen zum Ausschmelzen der Erze mit Holz zu versorgen hatten —
ein wichtiger Grundsatz, dem wir schon öfter begegnet sind und der
in Schweden bis in die neuere Zeit festgehalten wurde. Überhaupt
aber wendete man dem Waldbau gröſsere Aufmerksamkeit zu. Es
wurde eine Art von Waldordnung erlassen und ein Oberjägermeister
angestellt.


Unter Gustav Adolfs Regierung trat ein Mann auf, der auf die
Entwickelung der Eisenindustrie Schwedens einen besonders groſsen
Einfluſs ausgeübt hat, der Niederländer Louis de Geer.


In seiner Heimat (Lüttich?), seiner Religion wegen, verfolgt, war
er, von Gustav Adolf eingeladen, mit seinem bedeutenden Vermögen
nach Schweden ausgewandert. Dort streckte er dem damals sehr
geldarmen Staate bedeutende Summen vor, ja er rüstete sogar später
selbst eine Flotte aus. 1618 wurde ihm Finspång mit vielen anderen
nahegelegenen Kirchspielen vom Staate an Zahlungsstatt abgetreten
und in gleicher Weise erhielt er 1643 die Gegenden um Dannemora
mit den königlichen Bergwerken und Hütten Gimo, Lenfeta u. s. w.
für neue Zahlungen. In Finspång, wo bis dahin nur ein kleiner
Ofen gewesen war, lieſs er zwei gekuppelte Hochöfen oder, wie man
in Schweden sagt, einen Hochofen mit zwei Schächten bauen, be-
stimmte sie zum Geschützguſs und legte drei Bohrmaschinen an.
Durch die Anlage dieser Hütte, die ausschlieſslich dem Geschützguſs
dienen sollte und dafür die geeignetsten Erze und die vorteilhafteste
Schmelzmethode aufsuchte, erwuchs Schweden ein neuer wichtiger
Erwerbszweig. Die Güte des Produktes erwarb den eisernen Ge-
schützen von Finspang den Weltmarkt und trug viel dazu bei, den
Ruhm des schwedischen Eisens zu erhöhen.


Louis de Geer brachte ferner nach dem verarmten Kirchspiel
Godegard die um Lüttich verbreitete Handschmiedekunst zur Her-
stellung von Nägeln, Hufeisen, Hufnägeln, Sensen u. s. w. Anfangs war
man gegen dieses Gewerbe eingenommen, gewöhnte sich aber daran
und lernte es schätzen, als es sich in Zeiten der Not als eine sichere
Nahrungsquelle bewährt hatte. Auch die Kirchspiele Hammer und
Lerbäck hatten ihm später viel zu danken. Meyer teilt folgenden alten
naiven Vers in freier Übersetzung mit1):


[1293]Schweden im 17. Jahrhundert.
Der Grubenbau hat ganz aufgehört,

Wovon wir sonst uns gut genährt;

Wir schmieden neue Nägel und derlei

Und kommen just nicht um dabei.

An Käs und Butter thuts wohl nicht fehlen,

Doch bekommen wir kein Geld zu zählen.

(Die Schmiede wurden nämlich ganz in Lebensmitteln bezahlt.)


Louis de Geer that ferner sehr viel für Dannemoras Aufblühen.
Als er dort den ersten Grundbesitz erwarb, gab es nur Rennfeuer,
und die ganze Jahresproduktion hatte 1552 nur 328 Ctr. Stabeisen
betragen. Louis de Geer lieſs Eisenarbeiter aller Art aus den Pays
des Vallons kommen. 1650 wanderten 63 Familien aus Lüttich und
Namur ein1). Diese führten ihre heimische Frischmethode, die
Wallonschmiede, welche sich mit einer Abart, der Halbwallon-
schmiede, bis in die neuere Zeit bei den Dannemorawerken erhalten
hatte, ein, wodurch ein gröſseres Ausbringen als bei der deutschen
Frischschmiede erzielt wurde. Die Geschicklichkeit der Arbeiter und
die Trefflichkeit der Erze begründeten bald den dauernden Ruf des
Dannemora-Eisens.


Bei den Hochöfen führten die Wallonen eine längere Blasezeit
ein und mit Hülfe gröſserer Holzbälge wurde auch das tägliche Aus-
bringen vermehrt, so daſs man wohl schon 30 Wochen blieſs statt
der früheren 8, und statt 1300 kg den Tag deren 2000 bis 2200 kg er-
zeugte.


Zur weiteren Verarbeitung des Eisens waren schon 1626 die
Gewehrfabrik in Norrtelge, später die Klingenschmiede in Vira, die
Ankerschmiede in Söderforſs und viele Fabriken angelegt worden,
nachdem schon die ersten Anfänge von Manufakturschmieden z. B. bei
Hennicke zur Bereitung von Wagebalken, Sägeblättern, Ankern u. s. w.
in Hüttelf zur Stahlbereitung u. s. w. von Gustav Wasa angelegt
worden waren. Mit diesen Anlagen vermehrte sich die Bevölkerung,
welche durch die Pest im 15. Jahrhundert sehr zurückgegangen war.
1639 wurde die Ausfuhr von Osmund, die man bis dahin noch ge-
duldet hatte, gänzlich verboten und von den Frischhüttenbesitzern
verlangte man, daſs jede Hütte 1600 bis 2000 kg Stabeisen wöchent-
lich lieferte, bei einem Abbrand von höchstens 25 Proz.


[1294]Schweden im 17. Jahrhundert.

Unter Karl X. wurden durch einen Deutschen, Rademacher, die
nach dem König benannte Karl-Gustavstadt bei Eskilstuna gegründet
und viele Schwarz- und Feinschmieden angelegt.


1680 war die Eisenausfuhr schon auf 395000 Ctr. gestiegen. Es
gab eine viel gröſsere Anzahl Hochöfen als heute, aber mit viel
kleinerer Produktion. So zählte man 1687 in Nora Bergslag 44 Hoch-
öfen, die aber nur 37000 Ctr. Roheisen im Jahre erzeugten.


Der groſse Reichshaushalter Karl XI. vermehrte in 16 Jahren
die Ausfuhr von 395000 Ctr. bis auf 600000 Ctr.


Von hervorragendster Bedeutung für die Entwickelung der Eisen-
industrie waren die weisen gesetzgeberischen Maſsregeln der schwedi-
schen Könige. 1630 errichtete Gustav Adolf eine besondere Behörde
für das Berg- und Hüttenwesen, das General-Bergamt, welches unter
Königin Christine den Namen Bergs-Kollegium erhielt, den es noch
heute führt. Diese Behörde hatte nur die eine Aufgabe, für die
Wohlfahrt des Berg- und Hüttenwesens Sorge zu tragen. Sie hatte
einerseits die Aufsicht über die Bergwerke der Krone, andererseits
sollte sie die Bauern, welche den gröſsten Teil der Bergwerke und
Schmelzhütten besaſsen, belehren und sie auf den besten Betrieb
aufmerksam machen. Zu diesem Zwecke schickte sie junge unter-
richtete Leute in die einzelnen Provinzen, ferner entsendete sie
Reisende nach Deutschland und den Niederlanden, die noch immer
die Vorbilder für das Berg- und Hüttenwesen waren, um die dortigen
Betriebe zu studieren. Das Kollegium bestand aus einem Präsidenten
und vier Assessoren, die alle Edelleute und ohne Anteil an irgend
einem Bergwerksbetriebe sein muſsten. Dieses Bergs-Kollegium arbeitete
bald nach seiner Gründung vortreffliche Instruktionen für die Berg-
meister, die Hochöfner- und Frischmeistergilde aus, welche die Grund-
lage der technischen Einrichtungen bis in die neuere Zeit wurden.
1638 erlieſs Königin Christine eine Hüttenordnung.


Die Bevormundung der Regierung war eine sehr weitgehende,
allein sie hat sich bewährt und sehr segensreich für Schweden
gewirkt.


Die zunftmäſsige Organisation bildete die Voraussetzung, welche
durch die Gesetzgebung unterstützt wurde. Dadurch erhielt die ganze
schwedische Eisenindustrie eine einheitliche Gestaltung, sie bildete
ein geschlossenes Ganzes. Dies beförderte bei der intelligenten Ober-
leitung durch die Regierung den Fortschritt und das Gedeihen der-
selben, ebenso die Güte und Gleichmäſsigkeit der Ware und den
Handel.


[1295]Schweden im 17. Jahrhundert.

Das Bergs-Kollegium lieſs Grund- und Bergbücher anlegen, nahm
alle Gruben und Wasserläufe, die als treibende Kraft benutzt wurden,
auf, lieſs groſse Sammel- und Spannteiche erbauen, maſs die Wälder
und suchte Plätze für neue Anlagen aus; zugleich wurden Gesetze
über das Verkohlen des Holzes, über den Handel mit Erzen, Roh-
eisen und Kohle, über das Schürf- und Mutungsrecht, über die Kon-
trolle und das Zurückweisen schlechten Eisens von der Ausfuhr u. s. w.
entworfen oder neu zusammengestellt, so daſs der Frischfeuerbesitzer
vor Betrug der Roheisenverkäufer, und der Ausländer gegen Be-
trügereien der Hammerwerksbesitzer geschützt war. Die Frischfeuer
wurden sicher gestellt hinsichtlich ihres Bedarfs an Roheisen, und
die Hochöfen hinsichtlich des Absatzes ihrer Erzeugnisse; aus kleinen
Abgaben an die Gruben wurde ein Fond angesammelt, welcher plötz-
liche Bauten und Reparaturen weniger drückend machte.


Bei den Hochöfen, die von mehreren Gewerken betrieben wurden,
war dafür gesorgt, daſs der Eine sich nicht auf Unkosten seines
Nachfolgers im Schmelzen bereicherte. Kurzum, das ganze Berg- und
Hüttenwesen erhielt eine wohldurchdachte Verfassung, deren Trefflich-
keit sich durch Jahrhunderte bewährt hat.


Unter der Regierung der Königin Christine wurden noch einige
wichtige Spezialgesetze erlassen. Es wurde festgesetzt, daſs niemand
Frischer bleiben durfte, der nicht in einer Wochenschicht wenigstens
28 Ctr. Roheisen oder 35 Ctr. Osmundeisen verfrischte. Von 384 bis
400 Pfund muſsten bei Strafe mindestens 320 Pfund Stabeisen ge-
wonnen werden. Wer dagegen mehr als das vorgeschriebene Quantum
verfrischte, sollte belohnt werden. Es wurde befohlen, daſs jede Hütte
ihr Eisen mit besonderem Stempel zeichnen sollte, und daſs es den
öffentlichen Metallwagen zustehe, schlechtes Eisen zurückzuweisen
und den durch den Stempel erkannten Verfertiger zur Bestrafung
anzuzeigen. Zu dem Zwecke wurden besondere Eisenbeschauer bei
den Wagen angestellt. Karl XI. erlieſs 1671 eine neue Berg- und
Hüttenordnung1).


Der Zweck der Bergwerksverfassung war die Erhaltung und die
Förderung des Berg- und Hüttenwesens. Für die Erhaltung desſelben
war von gröſster Wichtigkeit der richtige Ausgleich zwischen Pro-
duktion und Holzverbrauch, sodann die Erhaltung des Kredits der
Ware durch strenge Kontrolle. Für die Förderung wurde gewirkt
durch Verbesserung der Produktion, Erreichung der niedrigsten
[1296]Schweden im 17. Jahrhundert.
Produktionskosten und Schutz vor dem Wechsel der Handelsver-
hältnisse.


Ein sehr wichtiger Grundsatz, der schon unter der Königin Christine
zur Durchführung kam, war der, daſs die Krone keine eigenen Eisen-
hütten besitzen dürfe. Die ihr von den früheren Königen über-
kommenen wurden an de Geer und Andere abgetreten. Das Eisen-
hüttenwesen sollte in den Händen des Volkes bleiben. Die alten
„Bergslager“ bildeten von Alters her die Grundlage der Berg- und
Hüttenindustrie. Besondere eisenreiche Gegenden waren von frühester
Zeit her für die Gewinnung und Bereitung des Eisens bestimmt. In
den Urkunden des Herzogs Karl (späteren Königs Karl IX.) ist von
den erneuerten Privilegien des Wermländischen Bergslages die
Rede. 1354 war bereits ein besonderes Gesetz für Norbergö Bergslag
erlassen worden und Wermlands Bergslag hatte 1413 alle Freiheiten
und Privilegien der übrigen Eisenwerksbesitzer in Schweden erhalten.
Die Bergslager hatten eigene Gerichtsbarkeit, Befreiung vom Kriegs-
dienst auſser zur Landesverteidigung, Befreiung vom Vorspann u. s. w.,
muſsten dagegen den Zehnten (Tionde) bezahlen. Eine scharfe De-
finition von Bergslag läſst sich nicht geben. Zunächst ist es ein
an Eisenerzen reicher Distrikt, dessen Bewohner zur Verschmelzung
der gewonnenen Erze verpflichtet sind, dafür aber auch gewisse Vor-
rechte genieſsen. Die Bergslager waren gewerbetreibende Bauern,
die auf „Bergmannshemman“ (Gehöfte) saſsen. Das Eisen, was sie
erbliesen, war Roheisen zum Verkauf. Frischhütten durften sie
nur so viele betreiben, als für ihren eigenen Bedarf erforderlich
waren.


Sie lebten also ähnlich, wie die Bauern an den Seeen Süd-
schwedens, die das Seeerz gewannen und Osmund erbliesen. Die
Bergslager besorgten alle berg- und hüttenmännische Arbeit ganz
oder gröſstenteils selbst. Dadurch unterschieden sie sich von der
andern Klasse der Bergwerks- und Hüttenbesitzer, den adligen
Grundbesitzern und „Bruckspatronen“ (Hüttenherren), welche bezahlte
Arbeiter beschäftigten. Die Bergslager entrichteten ihre Abgaben in
Eisen; auch auf ihren Märkten, auf denen sie den Vorkauf hatten,
durften sie mit Eisen bezahlen.


Schon unter Königin Christine wurde über die Bergslager ein
Grundbuch (jordebok) aufgenommen, in dem die Flüsse, Wälder und
alles das von alter Zeit dazu gehörige genau beschrieben und auf-
geführt war. Wie der Bergslag die Provinz des Eisenstaates war,
so war der Bergmannshemman das Bauerngut des Gewerken. Dieses
[1297]Schweden im 17. Jahrhundert.
gehörte entweder der Krone (Kronohemman)1) oder den Bergleuten
selbst (Skattehemman). So lange der Bergmann seine vorgeschriebene
Pflicht in Bezug auf die Eisenproduktion erfüllte, saſs er auf seinem
Kronohemman sicher. Er konnte es in Eigentum erwerben, vererben,
teilen, jedoch nicht mehr als in acht Teile. Zur Erhaltung des not-
wendigen Waldbestandes durfte keine Frischhütte in einen Bergslag
verlegt werden, wohl aber konnte eine Frischhütte aus dem Bergs-
lag ins Land verlegt werden.


Die Hüttenarbeiter teilten sich in die Hochöfnerzunft und die
Frischerzunft. Diese bestanden schon zu Zeiten der Königin Christine,
die nur das Althergebrachte gesetzlich regelte.


Zu der Hochöfnerzunft (Masmästare Embetet) gehörten: Hoch-
ofenmeister (Masmästare), Schachtaufsetzer oder Zusteller (Stegresare),
Aufgeber, Pocher und Röster. Alle diese waren in jedem Bergrevier
zu einer Innung verbunden, an deren Spitze ein aus der Zahl der
Meister gewählter Altmeister (Åldermann) stand. Alljährlich nach
der Blasezeit wurde eine Zunftversammlung (Möte) gehalten, in
welcher ein Bericht über die abgelaufene Kampagne und der Betriebs-
plan für die nächste vorgetragen wurden. Das Nähere hierüber, wie
über das Lehrlings- und Gesellenwesen, auch bei der Hammerschmiede-
zunft, werden wir später mitteilen, weil sich diese Verhältnisse, wie über-
haupt die Organisation des ganzen Eisengewerbes erst im 18. Jahr-
hundert in seiner ganzen Schärfe ausgebildet hat. An der Spitze der
staatlichen Aufsichtsbehörde stand der Bergmeister. Solche werden
schon in den ältesten Urkunden genannt. Die erste Instruktion für
die Bergmeister in den Eisenbergslagen ist vom Bergskollegium 1669
ausgefertigt; dieselbe blieb die nächsten Jahrhunderte fast unver-
ändert in Kraft. Der Bergmeister war der Vorsitzende der Berg-
gerichte; er hatte die Aufsicht über das ganze Gruben- und Hütten-
wesen. Hierüber muſste er jährlich dem Bergskollegium ausführlichen
Bericht erstatten. Er hatte die Aufsicht über die für den Hüttenbetrieb
bestimmten Wälder, sowie über die Köhlerei. Er hielt die Gilden-
versammlung ab und hatte die Kontrolle über das Eisen, so daſs er
einigermaſsen für dessen Güte verantwortlich war. Deshalb war ihm
auch eine groſse Gewalt, besonders über die Bergmannshütten, denen
er direkt Betriebsvorschriften machen konnte, eingeräumt. Auch sonst
hatte er den Hütten auf deren Ansuchen mit Rat und That beizu-
stehen, Lohnstreitigkeiten zu schlichten, die Löhne festzusetzen u. s. w.


Beck, Geschichte des Eisens. 82
[1298]Schweden im 17. Jahrhundert.

Seine Gehülfen waren der Berggeschworene und der Bergvogt.
Alle das Berg- und Hüttenwesen betreffende Civil- und Kriminal-
sachen wurden nicht von dem gewöhnlichen Gericht, sondern von
einem besondern Berggericht abgeurteilt. Dies kam in jedem
Distrikt einmal im Jahre, nach vorhergegangener zehnwöchentlicher
Anzeige von allen Kanzeln, zusammen und hieſs „Bergsting“. Es
bestand aus 7 bis 12 Beisitzern und dem Bergmeister als Wortführer.
Das Bergsting entschied aber nicht allein über Klagesachen, sondern
besorgte auch die Einträge von Vorschüssen der Bergleute auf ihren
Hemman, so wie die Eintragung aller neu eingestellter oder an-
gemeldeter Arbeiter.


Die vortreffliche Organisation des Berg- und Hüttenwesens in
Schweden gab der Eisenindustrie eine Sicherheit und eine Stetigkeit
der Entwickelung, wie wir sie in keinem andern Lande finden und
dies trug wesentlich dazu bei, daſs sich das schwedische Eisen den
Weltmarkt eroberte.


Die älteren schwedischen Hochöfen entsprachen nach Garneys
Annahme den deutschen Stück- oder Floſsöfen (Blauöfen) und hatten
eine Höhe von 12 bis 14 höchstens 20 Fuſs. Einen neuen Aufschwung
erhielt die Hochofenindustrie durch Louis de Geer und den Berg-
meister Steffens. Eine Hauptverbesserung der Deutschen scheint die
Anlage von Spannteichen gewesen zu sein, wodurch man den Hoch-
ofen zu jeder Jahreszeit und längere Zeit hindurch betreiben konnte.


Während die alten Öfen 5 bis 12 bis 16 Wochen gingen, konnte
in den neuen Öfen 20 bis 30 Wochen geblasen werden.


Die Hochöfen erhielten von den Franzosen eine andere Kon-
struktion. Bergmeister Steffens erwähnt in einer Relation von 1646,
daſs damals die Hochöfen „in kaufmännischer Art“ gebaut worden
seien. Ferner führt Steffens im östlichen Bergrevier Hochöfen an,
welche schon früher „in französischer Art“ gebaut worden seien1),
nämlich die Ulfshütte 1625, die Norshütte 1644, Niſshütte 1638,
Norn 1637.


Der Unterschied der wallonischen oder französischen Öfen von
den deutschen bestand aber hauptsächlich darin, daſs erstere durch-
aus von Stein gebaut, während letztere zum Teil aus Lehm gestampft
waren. Dazu war guter Grund und ein besseres Fundament nötig.
Die Öfen hatten einen geräumigen, zirkelförmigen Schacht, die Rast
begann ¾ Ellen unter Mittelhöhe. Der Ofen war nicht am Berg
[1299]Ruſsland im 17. Jahrhundert.
angelehnt, sondern stand frei. Dadurch war viel mehr Platz um den
Ofen, auch für das Gebläse; die Brust war mit eisernen Trachten
gebaut. Durch die Abzüchte lieſs man flieſsendes Wasser laufen.
Der Raum unter der Form (Eisenkasten) war länger, schmäler und
tiefer; die Rast war höher hinaufgezogen, der Timpel war von Stein.
Die Schlacke floſs frei über den Dammstein (Wall) ab. Man machte
bei höherem Satz und schnellerem Gichtenwechsel ein vollkommneres
Roheisen, wie es dem Bedürfnis der Wallonschmieden entsprach. Der
runde Ofenquerschnitt, wie die Errichtung gekuppelter Öfen, welche für
Schweden charakteristisch sind, haben sich wohl aus der Konstruktion
der alten Bauernöfen entwickelt.


Für die gedeihliche Entwickelung der Eisenindustrie Norwegens
suchte die dänische Regierung durch eine Reihe von Verordnungen1)
zu sorgen.


Ruſsland.

Bis zu dem Regierungsantritt Peters des Groſsen war der Fort-
schritt auf dem Gebiete der Eisenindustrie in Ruſsland nur un-
bedeutend. Besseres Schmiedeisen und Stahl muſste Ruſsland ein-
führen. Der geringe Exporthandel über Archangel hatte noch einen
Rückgang erfahren, seitdem Zar Feodor I. am Ende des 16. Jahr-
hunderts den englischen Monopolhandel aufgehoben hatte. Auch
Boris Godunow war ein Feind des Monopols, wenn er auch gern die
fremden Kaufleute durch Privilegien unterstützte. Unter seiner Re-
gierung fingen die Holländer, denen er dieselben Vorrechte einräumte,
wie sie die Engländer besaſsen, an, diese im Handel mit Archangel
zu verdrängen. Alexei Michailowitsch widerrief endlich alle Privilegien
der Engländer und verbannte sie sogar — angeblich aus Unwillen über
die Hinrichtung Karls I. — aus allen seinen Staaten. Damit entledigte
er sich der durch das Monopol geschaffenen Abhängigkeit von den
Engländern, die nach und nach ebenso empfindlich geworden war, wie
früher die von den Hanseaten. Auch war diese Maſsregel von groſsem
82*
[1300]Ruſsland im 17. Jahrhundert.
Vorteil für den Handel von Archangel, der sich von da ab durch
den Wettbewerb aller schiffahrenden Nationen wesentlich hob.


Die Ausschlieſsung der Engländer dauerte nur wenige Jahre; 1656
wurden sie im Hafen von Archangel wieder zugelassen, doch durften
sie nur unter denselben Bedingungen wie die übrigen Nationen
Handel treiben und muſsten Zoll bezahlen. Erst 1663 wurden sie
auch im übrigen Ruſsland wieder zugelassen; ihr Handel war aber
verhältnismäſsig zurückgegangen. 1669 schickten die Holländer 22
Schiffe nach Archangel, England nur eins. Einen bedeutenden Handel
trieb um jene Zeit ein Hamburger Groſskaufmann, Hans Philipp
Verpoorten, mit dem nordischen Hafen mit jährlich 9 bis 10 Schiffen.
Aus einer Einfuhrliste1) ersehen wir, daſs damals viele Eisenwaren über
Archangel nach Ruſsland eingeführt wurden. Es werden aufgeführt
407 Faſs Blech, 1957 Stangen schwedisches Eisen, 5 Fässer und 1 Kasten
mit Scheeren und Messern, 683000 Nähnadeln und 54000 Stecknadeln.


Obgleich Zar Boris Godunow 1603 der Hansa, d. h. Lübeck, die
alten Handelsfreiheiten gröſstenteils zurückgegeben hatte, so konnte
der hanseatische Handel doch zu keiner gedeihlichen Entwickelung
mehr kommen, woran die Zerwürfnisse in dem Bund selbst, die Kriegs-
wirren in Ruſsland und der Ausbruch des 30jährigen Krieges schuld
waren. 1630 löste sich der Hansabund auf.


Dagegen entwickelte sich ein bedeutender Handel zwischen
Schweden und Ruſsland; namentlich, seitdem durch Gustav Adolf fast
der ganze Ostseehandel in die Hände Schwedens gekommen war.
Nur Dänemark machte Schweden noch Konkurrenz, besonders durch
die Beherrschung des Sundes. 1645 erkämpfte sich Schweden aber
auch die Zollfreiheit im Sund.


Die vier wichtigsten Ostseehäfen für den russischen Handel waren
damals Riga, Rewal, Narwa und Nyenschantz, die rasch emporblühende
Hafenstadt, in deren unmittelbaren Nachbarschaft später Peter der
Groſse St. Petersburg erbaute. Nyenschantz versorgte hauptsächlich
Nowgorod mit schwedischen Waren, namentlich mit rohem und ver-
arbeitetem Eisen und mit Stahl, wogegen es russisches Getreide aus-
führte. Sehr viel Eisen wurde aber auch von den Russen selbst an
den schwedischen Grenzplätzen abgeholt und über den Ladogasee
nach Nowgorod gefahren.


Im ganzen blieb aber der Ostseehandel weit hinter dem Handel
von Archangel zurück und er war gegen Ende des Jahrhunderts noch
[1301]Ruſsland im 17. Jahrhundert.
mehr gedrückt, einerseits durch die von dem schwedischen Könige
Karl XI. eingeführten hohen Hafenzölle, anderseits dadurch, daſs
die russischen Zaren allen Warenhandel als ein Regal an sich rissen,
wodurch jede Konkurrenz unterdrückt wurde.


Sibirien, das von der Natur mit Eisen so reich gesegnete Land,
war damals so arm an diesem Metall, daſs die zahlreichen Kolonisten,
welche im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts dort einwanderten, ihr
eisernes Geschirr und Geräte mitbringen muſsten. Erst nach und nach
lernte man asiatische Völkerschaften kennen, welche mit der Eisen-
bereitung vertraut waren, wie die kosnazkischen Tataren (Schmiede-
Tataren), welche ihren Namen deshalb bekamen. 1628 wurde am
Flusse Niza das erste Eisenerz jenseits des Uralgebirges von den Russen
entdeckt und eine Hütte zu Nidinsk im Distrikt von Irbit angelegt.
1631 (oder 1632) wurde diese vergröſsert und der erste Hochofen jen-
seits des Urals erbaut. Es wurden daselbst auch Guſswaren erzeugt.
1637 wurde die Hütte durch Feuer zerstört. Sie wurde neu aufgebaut,
ging aber später ein. Das Werk lag nicht im eigentlichen Asien,
sondern noch im permschen Gouvernement.


Der erste gröſsere Hochofen in Ruſsland war aber 1628 in der
Nachbarschaft von Tula erbaut worden, und zwar sollen dort ansässige
Deutsche von Anfang an dazu Beistand geleistet haben1). Er hatte
die damals in Deutschland üblichen Dimensionen.


In Ermangelung passender Steine führte man das Rauhgemäuer
von Ziegelsteinen auf. Man machte es dafür um so stärker, so daſs
es oben auf der Gicht 18 bis 20 Ellen im Quadrat hatte, während
der Ofen nur 2 Ellen im Kohlensack weit war.


Aus dem Hochofen wurden neben andern Guſswaren eiserne
Geschütze gegossen, die sogar seewärts nach andern Ländern ver-
sendet wurden2). Es ist nur sehr wenig über dieses für jene Zeit
sehr bedeutende Eisenwerk, das später einging und verschwand, über-
liefert; um so interessanter ist das, was Macarius, der Patriarch
von Antiochien, der um jene Zeit Ruſsland besucht hat, in seinem
Reisebericht mitteilt3).


Unter der Regierung des Zaren Alexei, berichtet Macarius,
seien zuerst die Eisenablagerungen in der Nähe von Tula, und zwar
[1302]Ruſsland im 17. Jahrhundert.
von Deutschen entdeckt und abgebaut worden. Diese pachteten es
vom Zaren unter der Bedingung, ihm 9/10 des Produktes zu geben
und nur 1/10 für sich zu behalten. Sie wenden Öfen von bewunderns-
würdiger Konstruktion an, in welche sie das Erz bringen so wie es
aus der Grube kommt. Dann machen sie Feuer und bringen die
Hitze bis zu dem Grade, daſs das Metall vollkommen flüssig wird,
sich nach allen Seiten hin verbreitet und wie Wasser in Rinnen
flieſst, die in der Erde gemacht sind und welche das Eisen in hohle
Formen in Gestalt von Kanonen, Rädern u. s. f. leiten. Auf beiden
Seiten einer solchen Rinne sind 40 bis 50 Formen.


Sobald das Eisen seine Gestalt erhalten hat, wird es mit groſser
Leichtigkeit aus den Formen gehoben. Auf solche Weise wird täglich
eine auſserordentliche Anzahl von verschiedenen Artikeln gemacht.
Die groſse Menge von Kanonen, welche man auf diesem Hüttenwerk
gieſst, wird im Winter verladen und auf Schlitten transportiert, zum
Teil 1700 Werst oder 40 Tagereisen weit. Dort werden sie an ver-
schiedene Völkerschaften verkauft, die sie über das Meer in ihre
Länder führen. Das Eisen ist von vorzüglicher Güte und wird sehr
billig verkauft. Auch die Thüren der steinernen Häuser, der Paläste
und der Kirchen, die Fensterrahmen in den Verkaufsmagazinen zu
Moskau, sowie die Balustraden sind häufig von Eisen. Ja der Zar
hat sogar die steinernen Fliesen, mit welchen die groſse Metropolitan-
kirche zu Moskau gepflastert war, durch eiserne Platten ersetzen
lassen, welche zu Tula gegossen sind und welche eine ganz gleich-
förmige, silberartige Politur zeigen.


Man muſs erstaunen über solche Leistungen mitten in dem bar-
barischen Ruſsland, wenn man den Stand der Eisenindustrie im öst-
lichen Deutschland zu jener Zeit bedenkt. Es muſs ein Stock vortreff-
licher Eisenarbeiter in Tula damals ansässig gewesen sein und dies
erklärt auch das rasche Emporblühen und die vorzüglichen Leistungen der
neugegründeten russischen Hütten im Anfang des vorigen Jahrhunderts.


Die Eisenindustrie in der wald- und erzreichen Gegend von Tula
war übrigens schon alt1). Die ersten Einwohner der Stadt Tula
waren Schmiede, welche aus dem in der Nachbarschaft entdeckten
Eisenerz auf kleinen Herden, die jeder in seinem Hause hatte, Eisen
ausschmolzen und es zu allerlei Gerätschaften verarbeiteten. Seit
der Zeit des Zars Feodor Iwanowitsch (1584 bis 1598), als man die
Stadt schon mit Mauern umgeben hatte, war ein Teil derselben unter
[1303]Ruſsland im 17. Jahrhundert.
dem Namen der Schmiedestadt (Kusnezkaja Sloboda) bekannt und ein
Ukas dieses Monarchen verordnet, daſs bloſs Schmiede in demselben
wohnen durften. Diese Schmiedestadt hatte besondere Vorrechte.
1619 wurde sie von allen Steuern und Frohndiensten befreit; auch
sollten ihre Bewohner nicht unter der Gerichtsbarkeit des Wojwoden
stehen, ausgenommen im Falle eines Diebstahls. Eine Urkunde von
1640 erläſst ihnen die Einquartierung und verstattet ihnen, in ihren
Häusern Bier und Meth zu brauen. Ein Ukas von 1674 befiehlt
sogar, alle und jede zur Schmiedarbeit geschickten Leute im ganzen
Reiche aufzusuchen und sie der Kusnezkaja Sloboda einzuverleiben.
So ward aus Tula der erste und vorzüglichste Sitz der Eisenindustrie
Ruſslands.


Um das Jahr 1674 gab es, von den Bauernschmieden abgesehen,
nur vier gröſsere Eisenhütten. Von diesen gehörte nur die kleinste
dem Zaren. Die wichtigste wurde von einem Dänen Marselis
betrieben, eine andre gehörte einem Holländer Akema und die
dritte war einem gewissen Rosenbusch überlassen, der dem Zaren
dafür jährlich eine bestimmte Anzahl Kanonen und Kriegsgerätschaften
liefern muſste. Marselis verfertigte auf seiner Eisenhütte Stangen-
eisen, grobes Geschütz, Säbelklingen, Gestelle zu Thüren und Fenstern,
gegossene Eisenplatten und dergleichen. Seine Werke waren nicht
nur von allen Auflagen befreit, sondern der Zar hatte ihm 400
Bauern als Arbeiter geschenkt. — Akema lieferte zwar keine Guſs-
waren, aber desto besseres geschmiedetes Eisen, daher er im Handel
auf jedes Pud einen Griwen mehr erhielt als Marselis. Sein feines
Stangeneisen besonders war so weich und zähe, daſs man jede Stange
ohne Mühe im Zirkel biegen konnte. Auch wurden hier Anker ver-
fertigt. Er genoſs die nämlichen Privilegien wie Marselis, und hatte
ebenfalls 200 Bauern vom Zar geschenkt erhalten. Stahl wurde nur
in den Bauernöfen erzeugt. Hermann giebt die russische Eisen-
produktion im Jahre 1674 — abgesehen von den Bauernöfen — auf
nur 150000 Pud (3000 Tonnen) an.


Das meiste Eisen für den gewöhnlichen Bedarf wurde noch in
den zahlreichen Bauernschmieden, welche in den Gouvernements
Archangel, Olonez, Wologda, Wjätka, Kastroma, an der Wolga und
in Sibirien verbreitet waren, angefertigt. Die russischen Bauern
zeigten ein groſses Geschick in der Verarbeitung des Eisens, und es
gab ganze Ortschaften, die nur von Schmied- und Schlosserarbeiten
lebten. Ihre Kramwaren waren von vorzüglicher Güte und gingen
bis nach Persien. Ebenso waren Spielwaren von Eisen sehr beliebt,
[1304]Ruſsland im 17. Jahrhundert.
darunter besonders kleine künstliche Schlösser, welche die Gröſse
einer Erbse hatten. Ein Dutzend dieser Schlösser kostete zu Kil-
burgers Zeit (1676) nur einen halben Rubel. Die Nagelschmiede
waren besonders zahlreich an der Wolga.


Erst Peter der Groſse erkannte die ungeheure Bedeutung des
Berg- und Hüttenwesens für Ruſsland und mit der ihm eigenen genialen
Kraft schuf er die Grundlage zu der groſsartigen Eisenindustrie Ruſs-
lands. Um sich zu unterrichten und sich für die groſse Aufgabe, die
er sich gestellt hatte, das gewaltige russische Reich zu einem Kultur-
staat zu machen, unternahm er seine berühmte Reise nach den west-
europäischen Staaten. Auf dieser schenkte er dem Berg- und Hütten-
wesen besondere Aufmerksamkeit.


Wie er vor dem Antritt seiner Reise den wichtigsten Seehafen seines
Reiches, Archangel, besucht hatte, um die dortigen Verhältnisse kennen
zu lernen, so besuchte er die moskauischen Bergwerke, d. h. die Berg-
werke bei Tula. Dort wurden 1693 die Katschinskischen Werke angelegt.


In Deutschland machte sich Zar Peter besonders mit dem Berg-
und Hüttenwesen vertraut. Über seinen Besuch der Ilsenburgerhütte
am Harz im Juli 1697 haben wir bereits oben berichtet. 1698 be-
suchte er die sächsischen Bergwerke, namentlich Freiberg.


1699 nach Hause zurückgekehrt, leitete er sofort Maſsregeln zur
Hebung des Berg- und Hüttenwesens in Ruſsland ein. Er lieſs zwölf
sächsische Bergleute und den Erzprobierer Blüher, die er auf seiner
Reise engagiert hatte, kommen und schickte sie nach Kasan und
Kaluga, um nach Erzen zu suchen und Bergbau einzuleiten. In dem-
selben Jahre erteilte er dem Hammerschmied Nikita Demidoff aus Tula
die Konzession auf die Eisenerze bei Newiansk im Distrikte Jekatarinen-
burg mit dem Auftrage, ein Hüttenwerk mit Eisengieſserei daselbst
anzulegen. Demidoff, der vermutlich einer der Reisegefährten des
Zaren („Volontairs“) gewesen war, erbaute das erste regelrechte Eisen-
hüttenwerk mit Gieſserei in Sibirien, und zwar mit so viel Verständnis
und Geschick, daſs Peter der Groſse ihn adelte, ihn zum kaiserlichen
Kommissar ernannte und ihm 1702 das ganze Eisenwerk schenkte.
Nikita wurde der Gründer des Reichtums und der Macht der be-
rühmten Familie Demidoff (Demidow), welcher Ruſsland und besonders
die russische Eisenindustrie so viel zu verdanken hat. Peter der Groſse
aber legte mit diesem Hüttenwerk (Staroi Sawod) den Grund für die
groſsartige uralische Eisenindustrie. Der wichtigste Teil seines segens-
reichen Wirkens für das russische Hüttenwesen fällt aber in das
18. Jahrhundert und wird in dem folgenden Bande geschildert werden.

[[1305]]

Appendix A REGISTER.



A.
B.
C.
D.
E.
F.
G.
H.
J.
K.
L.
M.
N.
O.
P.
Q.
R.
S.
T.
U.
V.
W.
Y.
Z.


[[1033]]

Appendix B Druckfehlerverzeichnis.



[][][][]
Notes
1).
Siehe Roscher, Geschichte der Nationalökonomie 1874, S. 17.
1).
Beckmann spricht in seinen „Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen“,
Bd. III, S. 571 ausführlich über das Werk und führt sämtliche Ausgaben an. Die
älteste von 1499 führt den Titel: „Polydori Vergilii Urbinatis de inventoribus
rerum libri tres“. Auſser den 39 Auflagen im 16. Jahrhundert erschienen noch
12 Auflagen in lateinischer Sprache im 17. Jahrhundert, sowie ferner eine nebst
einer deutschen Übersetzung im 18. Jahrhundert. Beckmann sind also 54 Auf-
lagen bekannt gewesen.
1).
Vandeuvre, Stadt in der Champagne am Flüſschen Barse, westlich von
Bar le Duc an der Eisenbahn von Chaumont nach Troyes.
1).
Das Original des Gedichtes des Nicolas Bourbon ist sehr selten. Eine
französische Übersetzung desſelben von Anton Dufrénoy ist abgedruckt in den
Annales des Mines, Ser. III, T. XII, p. 137. Dieser ist folgende Note beigefügt:
„Die entlegene Zeit, in welcher das Gedicht des Nicolas Bourbon verfaſst wurde,
die Genauigkeit, mit welcher die verschiedenen Operationen, die sich auf die Eisen-
arbeit beziehen, geschildert sind, haben die Kommissare der Annales des Mines
veranlaſst, davon eine Übersetzung zu veröffentlichen.“ Eine teilweise Übersetzung
hiervon hat Herr Professor Ledebur in dem Jahrbuch für das Berg- und Hütten-
wesen im Königreich Sachsen für 1881, S. 99 mitgeteilt.
1).
Siehe Friedr. Aug. Schmid, Einige Nachrichten über G. Agricolas
Leben und Schriften in G. Agricola, Bermannus, Freiberg 1806 und Dr. F. L.
Becher, Die Mineralogen Georg Agricola zu Chemnitz und G. A. Werner
zu Freiberg. Freiberg 1819. — Vergl. auch Dr. G. H. Jacobi, Der Mineraloge
Georgius Agricola und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit, 1889 und
Berg- und Hüttenmännische Zeitung, Juli 1889, S. 37 und Theodor Beck, Civil-
inge ieur, Bd. XXXIV, Heft 8.
2).
Siehe den Brief des Petr. Mosellanus an Agricola, der in Schmids
Bermannus, S. 2 abgedruckt ist.
1).
Nach den Ansichten einiger Biographen des Agricola wären Nävius
und Ancon Lehrer oder Freunde des Agricola in Italien gewesen. Dr. Laube
ist aber in seiner Vergangenheit Joachimsthals, Prag 1873, der Ansicht, daſs es
zwei Ärzte in Joachimsthal, von denen der eine sein Nachfolger gewesen ist, waren.
2).
Erasmus schreibt in einem Briefe an den Herrn von Könneritz: „Ich
kann kaum sagen, ob ich mich an dem Buch mehr erfreut oder belehrt habe.
Auſserordentlich gefiel mir die Originalität der Durchführung, es erfreuen die ein-
gestreuten Scherze und sehr angenehm berührt die Einfachheit des Styls, der fast
attisch ist: vor Allem aber die Energie, mit der dem Leser die Gegenstände vor
Augen geführt werden. Es schien mir nicht, als läse ich von Thälern, Hügeln,
Bergwerken und Maschinen, sondern als sähe ich sie, und es fehlte nicht viel, so
überkam mich bei der Beschreibung so vieler Silber- und Goldgruben eine Be-
gierde nach diesen Dingen.“
1).
Siehe Albin, Meiſsn. Chronik, S. 355: Si nos injecto salvabit cistula nummo
Heu! nimium infelix tu mihi pauper eris! Si nos, Christe, tua servatos morte
beasti Jam nihil infelix tu mihi, pauper eris.
1).
Mit der hochinteressanten Widmung an Georg Commerstadt, in welcher
der Autor seinen Lebenslauf und seine wissenschaftlichen Grundsätze in geistvoller
Weise und in klassischer Form schildert.
2).
Hiervon giebt es eine deutsche Übersetzung von Ernst Lehmann, welche
1812 bei Cratz und Gerlach in Freiberg erschienen ist.
1).
J. Bodinus, meth. hist., p. 161.
1).
Auſser den bereits angeführten noch eine medizinische Schrift „De peste“.
Basel 1552.
1).
De natura fossilium, Lib. IX, Bd. I, S. 891.
1).
Zu erwähnen bliebe vielleicht nur noch ein Wörterverzeichnis des G. Agri-
cola
, welches mit einer Zuschrift an Wolfgang Macrel am XII. Calend. April.
an. 1546 gedruckt und den Gesamtausgaben beigefügt ist. Darin sind einige auf
Eisen und Stahl bezügliche Wörter enthalten.
1).
Siehe Percy, „Gold and Silver“.
2).
Siehe Mazuchelli, Scrittori d’Italia II, p. 1262. „Biringucci v. Birin-
goccio
(Vanuccio) Sanese“ ...... Fu chiamato da molti Principi ad operare
presso di loro, e servi Pier Luigi Farnese Duca di Parma, poi Ercole d’Este, Duca
di Ferrara, et appresso i Veneziani. Fu per adventura il primo de’ nostri Italiani
che scrivesse sopra la cognitione e il gitto de’ metalli.
3).
Beckmann ist entschieden im Irrtume, wenn er annimmt, der von Ma-
zuchelli
genannte Ercole d’Este sei Herkules I. gewesen, der 50 Jahre früher,
nämlich 1471 bis 1506, lebte.
1).
Siehe auch Theodor Beck, Civilingenieur, S. 561.
1).
Alle folgenden Citate beziehen sich auf diese Ausgabe.
1).
De re Metallica, hoc est, de origine, varietate et natura corporum metalli-
corum, lapidum, gemmarum, atque aliarum, quaere fodinis eruuntur, rerum, ad
Medicinae usum deservientium, Libri III — Autore Christophoro Encelio Sal-
ueldensi. — Cum Priv. Imp. Franc. apud Haered. Christiani Egenolphi MDLVII.
1).
Ph. Melanchthon schrieb selbst um diese Zeit die Schrift: De venis
metallicis gratiarum actio et precatio. Wittenberg 1552.
2).
Georgii Fabricii observationes, ed. Kentmann, 1564 und De metall.
rebus ac nominibus ex schedis Georgii Fabricii, Tigur. 1565.
1).
Die mir bekannt gewordenen späteren Ausgaben sind von 1629, 1672, 1703
und 1736. Sie führen den prahlerischen Titel: Aula subterranae, domina domi-
nantium, subdita subditorum. Das ist: Unterirdische Hoffhaltung, ohne
welche weder die Herren regieren noch die Unterthanen gehorchen können, oder:
Gründliche Beschreibung derjenigen Sachen, so in der tieffe der Erden wachsen etc.
Vormals durch den Weltberühmten und gantz Teutschland zierenden Herren
Lazarus Ercker, Weiland der Röm. Kayserl. Majest. obersten Bergmeister aufs
treulichste beschrieben ...... (zum 4. mal gedruckt Frankfurt a. M. von Johann
David Zunner — Anno MDCCIII).
1).
Nach der Angabe in J. Böhms handschriftlicher Chronik in der Stadt-
Dechantei zu Joachimsthal.
1).
Seb. Münster, Cosmographey 1592, S. 981.
1).
Siehe Bd. I, S. 776.
1).
Vorrede zur Sarepta, worin auch ein historisch-interessanter Katalog seiner
Mineraliensammlung mitgeteilt ist.
1).
Über das Leben des Joh. Mathesius vergl.: Lebensbeschreibung des
M. J. Mathesius durch M. Joh. Balthasar Mathesius, Dresden 1705; das
Leben des M. Joh. Mathesius von Karl Fr. Ledderhose, Heidelberg 1849;
Johann Mathesius von Dr. Jacob Nöggerath, Westermanns Monatshefte, Bd. 8,
1860; Dr. Gustav C. Laube, Aus der Vergangenheit Joachimsthals, Prag 1873.
2).
Das Gespräch ist gedruckt in des Verfassers: Historia de las plantas que
se traen de las Indias. Sevilla 1580, 4°, fol. 125—147. Dieses Werk wurde zuerst
ins Englische übersetzt unter dem Titel: N. Monardus, Joyful newes out of
the newfound world 1580, ed 1596, fol. 139—163: The dialoge of Yron, which
treateth of the greatness thereof. Das Gespräch vom Eisen wurde dann für sich
allein von Carolus Clusius ins Lateinische übersetzt als Nicol. Monardi dia-
logus de ferro, ejusque praestantia ac facultatibus und findet sich in Carol.
Clusii
exoticor., libr. X, Lugd. Bat. 1605. Diese lateinische Übersetzung wurde
1605 von Jeremias Gesner ins Deutsche übertragen als: „Ein nützlich und
lustig Gespräch von Stahl und Eisen etc.“ Leipzig 1615.
1).
Siehe Theodor Beck, Zivilingenieur, XXXV, 7. Heft.
1).
Monardo, Gespräch von Stahl und Eisen, S. 8.
2).
Siehe Bd. I, S. 972.
1).
Cäsalpinus, De metallicis, Libr. III, Cap. VI.
2).
Alb. Magnus, De mineralibus et rebus metallicis, Lib. V, Cal. 1669,
p. 369. Chalybs autem non est alia species metalli, quam ferrum sed subtilior et
aquasior pars ferri ex ferro per destillationem extracta et ideo durior est et com-
pactior propter vim ignis et propter partium subtilitatem quac duriores efficiun-
tur quando uruntur. Est autem albius, propter majorem a terrestritate sepera-
tionem et cum nimis induratur tunc scinditur et percussum comminuitur propter
nimiam sui desiccationem.
1).
„Sed ferri quoque massae puri et grana quaedam parva, quod Albertus
novit, reperiri certum est.“ Und an andrer Stelle: Ferri puri massae et granula
quaedam, ut dixi, reperiuntur.
2).
Siehe Agricola, De ortu et causis subterraneurum, Lib. V und Bd. I, S. 19.
3).
Siehe Ch. Encelius, l. c., Lib. I, Cap. 18.
4).
Siehe Georgii Fabricii, observationes ed. Kentmann, 1565, p. 27: Fer-
ream massam recremento similem, ex aëre decidisse in sylvis Neuhovianis prope
Grimam, sunt qui affirmant, eamque massam multorum pondo fuisse, narrant,
adeo ut in locum illum nec deportari propter gravitatem, nec curru adduci propter
loca invia potuerit.
1).
Siehe Bd. I, S. 19.
2).
Siehe De natura fossilium, Lib. III, quod ea tanquam scabie quadam in-
festatur ferrum, humore contactum.
3).
Siehe oben S. 39.
4).
Joh. Kentmann, Mineralogia, 1565, p. 92: 1. Recrementa nigri ferri.
2. Desilentia de massa ferrea calido quando densatur et pulsatum malleis ligneis
in massam redigitur „Eysen, das da abspringt, wann man es zusammentreibt“.
3. Bractea, quae de ferro desiliunt, quando bacilla malleis magnis faciunt, postea
fabri ferri acuunt. „Groſser Hammerschlack, damit die Schmied stächeln.“
5).
Vergleiche auch Agricola, De nat. fossil., Lib. VIII, oben S. 36.
1).
Siehe Bd. I, S. 9.
2).
Siehe oben S. 40.
1).
Siehe oben S. 42.
2).
Siehe Pyrotechnia, Lib. I, Cap. VI.
3).
Birin-
guccio
hat dabei hauptsächlich die Erze von Elba und Toskana im Auge.
1).
Laz. Erker, Beschreibung der allerfürnehmsten mineralischen Erz- und
Bergwerksarten 1574, Lib. IV, S. CXXXb etc.
1).
L. W. Cramer, Vom Berg-, Hütten- und Hammerwesen in den Nassau-
Usingischen Landen, 1805, S. 86 f.
2).
Siehe oben S. 39.
3).
Siehe Bd. I, S. 808.
1).
Van. Biringuccio, Pyrotechnia, Lib. I, Cap. VI.
1).
Siehe Poppe, Geschichte der Künste und Wissenschaften, Bd. II, S. 381.
2).
Siehe Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, Bd. V, S. 103.
3).
Agricola, De re metallica, Lib. VIII. Cum anno M.D.XII Georgius
illustris Saxonum Dux in Misena jus omnium tumulorum e fodinis egestorum
dedisset nobili et prudenti viro Sigismundo Malthicio, patri Joannis Episcopi
Miseni et Henrici: Is Dippoldisvaldi et Aldebergi, quibus in locis fodiuntur
lapilli nigri, ex quibus plumbum candidum conficitur, rejectis pilis siccis, cribris
amplis, mola, invenit machinam, quae venas udas pilis praeferratis tunderet.
1).
De re metallica, Lib. VIII. At duabus de causis venae uruntur vel enim
ut ex duris molles et fragiles factae facilius aut tundi malleis pilisve, aut mox
excoqui possent: vel ut res pingues comburantur sulphur scilicet, bitumen, auri-
pigmentum, sandaraca: sed sulphur saepius in venis metallicis inest et plerumque
plus quam caetera noect metallis omnibus excepto auro: verum maxime nocet ferro.
1).
Siehe Bd. I, S. 809 und 821.
1).
Siehe Bd. I, 523.
2).
Pyrotechnia, Libr. III, Cap. X.
1).
Siehe Bd. I, S. 523.
1).
Siehe S. 102.
2).
Siehe Bd. I, S. 769.
3).
In den Annales Rodenses, ab-
gedruckt in M. S. P. Ernst, Histoire de Limbourg. Siehe auch den Aufsatz
„Zur Geschichte der Kohlenbergwerke im Wurmrevier“ von Michèl im Echo der
Gegenwart vom 7. Mai 1873, Nr. 126 und folgende.
1).
Siehe Bd. I, S. 770.
2).
Siehe Karmarsch, Geschichte der Technologie,
S. 239.
1).
Siehe D. Herzog, Geschichte des Zwickauer Steinkohlenbergbaues. Dresden
1852, S. 3.
2).
Siehe H. Cramer, Johannes Rhenanus, 1879, S. 36.
3).
De
natura fossilium, Lib. IV.
1).
Libav. I. singul. P. 3, c. 9, p. 1045.
2).
Encelius, De re metallica, Lib. de lithantrac. Thurfius … est bitumen
calore solis exsiccatum extra terram mater procul dubio carbonis lapidei,
qui est bitumen induratum calore intra terram.
3).
Etenim fabri aeraerii et ferrarii carbonum, quod eis multo diutius duret,
vice ipso utuntur. Sed quia sua pinguitudine inficit ferrum et fragile facit, qui
subtilia opera efficiunt, hoc non utuntur, nisi eorum qui ex ligno fiunt, magna
fuerit penuria. Eodem bitumine hi quos ligna deficiunt, cibos coquunt, caldaria,
in quibus hyeme degunt vitam, calfaciunt, calcem urunt, vitium vero foetoris
plerunque sale, in ignem injecto, corrigunt. Agricolae eodem vites oblinunt,
quod vermes illarum oculos rodentes interficiat. Eodem decoris gratia quidam
tingunt palpebras et capillos. In medicinae vero usu exsiccat et digerit. At ex
duro polito tigurantur effigies hominum: globuli quibus numerantur preces gemmae
annulis inferendae, aut funda claudendae. Id nostris temporibus gagates dicitur.
1).
Siehe Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XII, 386 etc.
2).
Siehe
Plinius, Hist. nat. XVI, 1.
3).
Siehe Beckmann, Beiträge zur Geschichte
der Erfindungen IV, 395.
1).
Siehe Ducange, Glossarium Lambertus Ardensio (um 1200), p. 257:
similiter mariscum (Torfmoor), ut ajunt, proprium perfodi et in turbas dissecari.
2).
Delle forme delle Maniche et Forni per fonder le minere, Pyrot. Lib. III,
Cap. III.
1).
Biringuccios Abbildungen sind höchst mangelhaft, manchmal kaum ver-
ständlich, da sie aber durch ihr Alter ehrwürdig sind und der Text sich öfter auf
sie bezieht, teilen wir sie dennoch mit.
1).
La silice negra a pizzicata di bianco, ò certa pietra morta faldosa che è
qua si mezza di talco.
2).
Vergleiche Agricola, De re metallica, Lib. IX zu
Anfang.
1).
In diesen eigentümlichen Zeichnungen sind in den Abteilungen a, b, c die
inneren Schmelzräume dargestellt.
1).
Vergleiche Agricolas ausführliche Beschreibung der Bereitung von Kohlen-
lösche im 9. Buche De re metallica.
1).
Die eingezeichnete krumme Linie soll den mittleren Durchschnitt des Flamm-
ofengewölbes darstellen.
1).
NB. Wo es nicht auf eine besonders sorgfältige Maſsangabe, also auf
ganz genaue Reduktion des Landesmaſses ankommt, oder wo die richtige Gröſse
des Landesmaſses unbekannt ist, setzen wir den Fuſs oder Werkschuh = 300 mm,
die Elle = 2 Fuſs = 600 mm, den palmus (die Handbreite) = ¼ Fuſs = 75 mm,
den Querfinger (digitus) = 1/16 Fuſs = 18,75 mm.
1).
Allerdings kannte Agricola auch bereits den Doppelbalg mit feststehender
Scheidewand und aufgesetztem Windkasten. Er beschreibt ihn beim Probierofen.
Zum Erzschmelzen aber waren diese Bälge nicht in Anwendung.
1).
Kürzlich sah ich noch ein solches von einem Hunde bewegtes Laufrad bei
einem Nagelschmied in Schmitten im Taunus im Betriebe.
1).
In den historischen Notizen von Th. Beck, „Zivilingenieur“, 1888, Taf. XVII,
sind diese Balgsysteme nach der Beschreibung verbessert abgebildet.
1).
Vergleiche hiermit die Blasebälge der Indier in den Khasiabergen, Bd. I,
Fig. 46.
1).
Vergl. Th. Beck, a. a. O., Fig. 7.
1).
(Cap. CXXXVII): Per opera della presente machina di puo in uno istesso
tempo fare scaldare il ferro a due fuocne con l’aiutu d’un canale, Perche il detto
canale facendo tornare la ruota signata H con la forga del suo corso, fa uobtrare
la manuella G, ch’ i fitta nell’ esstrimenta d’ell esse di quella, allaquale manuella
essendo giunta la barra E che disopera piglia il braciullo, ilaqualè fitto nel sub-
bio D, ella s’alza et s’abaffa perli riuot ginenti d’essa maniella et fa co’l suo
alzaro et abbassarsi tornar’hora da’ un cant’, hora dall’ altro esso subbio per uia
del bracciulo sudetto, nel qual subbio essendo fitt’ un’ altro bracciuolo, ch’a duoi
anelli nella sua estensita, lo fa co’l suo moto andare innanzi et indietro et essendo
a glianelli die questo bracciullo giunti per uia di duoi alquesti tai mouimenti
andar’ auicenda innanzi et indietro esse subij, ciascuno de quali hauendo in se
fitti duoi altri bracciuoli, che sestegnono le braccia de i mantici EV.AI, gli
alzano, et li fanno per cotai mouimente soffiare auicenda nelle fucine sudette,
come benissimo si puo comprendere per il disegne.
Der vollständige Titel des berühmten Werkes lautet: Le diverse et artificiose
machine nelle quali si contengono varii ed industriosi movimenti, degni di gran
discimo speculationi, per caverne beneficio infinito in ogni sorte d’operatione in
ligua Italiana et Francese. Paris 1588. Fol. (Deutsche Übersetzung. Leipzig 1620.)
1).
Lib. I, Cap. VI.
1).
Siehe Bd. I, S. 802.
1).
Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, II, S. 530 etc.
2).
Für 1 Ztr. Roheisen werden 7 Scheffel = 2,3916 Kubikfuſs = 16,7412 Kubik-
fuſs Kohlen gebraucht resp. 19,1 Kubikfuſs bei 2/7 Abgang des Roheisens beim
Verfrischen. Der Kohlenverbrauch im Frischfeuer = 32,9 rhein. Kubikfuſs ergiebt
Gesamtkohlenverbrauch zirka 42 Kubikfuſs. Das mittlere Ausbringen aus den
Tarnowitzer Erzen ist 24 Prozent, davon 2/7 Abgang beim Verfrischen ergiebt
17 Prozent Stabeisen.
1).
Annales des mines, 3me Série, T. 512; Archiv für Bergbau VII, 223 u. 356.
2).
T. Richard, Études sur l’art d’extraire immédiatement le fer de ses
minerais, sans convertir le métal en fonte. Paris 1838.
1).
Die Litteratur über die französischen Luppenschmieden ist eine sehr um-
fangreiche. Die wichtigsten Schriften sind folgende: La Peyrouse, Abhand-
lungen über die Eisenbergwerke und Eisenhütten in der Grafschaft Foix. Aus dem
Französischen von Karsten 1789. — Tronson de Courdray, Beschreibung der
Eisenmanipulation auf Corsika. Deutsch von Wille. — Rinman, Geschichte des
Eisens I, 543 u. f. — Muthuon, Traité des forges dites catalanes etc. Turin 1808. —
Gueymard, Mémoire sur les forges catalanes etc.; Annales des mines 1, 385. —
Berthier, Untersuchungen der Erze und Schlacken der Luppenfeuer zu des
Arques im Archiv für Bergbau VII, 323. — Derselbe, Über die Natur der Luppen-
schlacken und Frischschlacken; ebendaselbst 356. — Combes, Über die kata-
lonischen Frischhütten zu Gincla und Sahorre; ebendaselbst IX, 465. — Aufsätze
von Marrot, Annal. des mines 3, Série VIII, 461. — François, Annal. des
mines XIII, 535 u. XIV, 95, 425. — T. Richard, Siehe oben. — Karsten,
Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, II, 522 etc.
2).
Diese Rechnungen, welche die Periode von 1573 bis 1849 umfassen, befinden
sich im Archive des Oberbergamtes zu Klausthal und verdanke ich die Erlaubnis
der Benutzung derselben dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Berg-
hauptmannes Achenbach daselbst. Ich werde bei der Lokalgeschichte auf diese
historisch hochinteressanten Akten bei der Geschichte des Eisens im Harze aus-
führlich zu sprechen kommen.
1).
Siehe Bd. I, 507, 803.
1).
1 braccio = 0,58365 m.
1).
Siehe oben S. 44.
1).
Sub quoque autem catino et foco fornacis ad altitudinem cubiti sit trans-
versum et latens humoris receptaculum, longum pedes tres, latum palmos tres
altum cubitum ex saxis tantum tectum vel lateribus factum, saxis: quod ni esset
atque ita se haberet, ni ignium humorem ex terris eliceret ..... quo modo
magnum damnum contraheret.
1).
Siehe Bd. I, S. 809 ff.
2).
In den sechziger Jahren war noch ein Slovakenofen zu Marvanykö im
Zipser Komitat im Betriebe.
3).
Swedenborgius, De ferro 1734, fol. 105, §. 3. De vena ferri palustri,
ejusque coctione et praeparatione Sveciae praesertim in Angermannia et Dalecarlia,
sive de ferro, quod Sveciae vocatur „Myrjern“.
1).
Swedenborg drückt dies in dichterischer Anwandlung so aus: Urget
que utrumque opus, tam pedibus manibusque sedula est, in spemque laborat.
2).
Bd. I, S. 812.
1).
Ein Lieſspfund gleich 20 Pfund.
1).
Siehe Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges, S. 24.
1).
Siehe Oryctographia Carniolica oder Physikalische Erdbeschreibung des
Herzogtums Krain, Istrien und zum Teil der benachbarten Länder. Leipzig 1778,
Bd. I, S. 20.
2).
Siehe Bd. I, S. 507.
1).
Graglach in Steiermark, siehe Bd. I.
2).
Vergl. Swedenborgius, De ferro.
1).
Siehe Swedenborgius, De ferro, p. 177 (§. XIX).
1).
Swedenborgius schreibt „Hallmassen“ statt „Halbmassen“, aber auch dies
ist ein Irrtum, denn die Halbmassen sind die zwei Hälften des zerteilten Stückes
oder der Masse. Die alte Bezeichnung war „das Maſs“.
2).
Swedenborg
schreibt fälschlich Krogloch.
3).
Vergl. Bd. I, S. 823.
1).
Vergl. Schreber, Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. XI, S. 15.
1).
Bd. I, S. 820 ff.
1).
G. Jars, Metallurgische Reisen, deutsch von Gerhard, Bd, I, S. 64.
2).
Siehe Bd. I, S. 824.
3).
Siehe R. Fulda, Über den Schmalkalder Bergbau, S. 9.
4).
Joh. Just. Winkelmann sagt in seiner „Beschreibung der Fürstentümer
Hessen und Hersfeld, VI. Teil, Bremen 1697“, Bd. II, S. 295: „Der Ruhm von
Schmalkalden wird noch weiter vermehrt, wegen der daselbst sich befindlichen
und von Gott verliehenen reichen Stahl- und Eisenberg- und Hammerwerken, deren
Bergwerke teils über 450, teils über 350 Jahre im Gange und fündig gemacht
worden.“
1).
Siehe Joh. Chr. Quantz, Hüttenschreiber zu Lerbach, Praktische Ab-
handlung über die Eisen- und Stahlmanipulation in der Herrschaft Schmalkalden.
Nürnberg 1799.
1).
Siehe Bd. I, S. 825.
1).
Siehe Bd. I, S. 816
1).
Siehe Münichsdörfer a. a. O., S. 72.
1).
Siehe Bd. I, S. 96.
1).
Siehe oben S. 155.
1).
Siehe Bd. I, S. 964.
2).
Siehe J. Ph. Becher: Mineralogische Beschreibung
der Oranien-Nassauischen Lande nebst einer Geschichte des Siegenschen Hütten-
und Hammerwesens, Marburg 1789.
1).
Siehe Becher a. a. O., S. 516.
1).
Leider sind dieselben infolge der politischen Wandlungen zum Teil ver-
kommen, zum Teil an den verschiedensten Orten zerstreut. Die siegenschen Berg-
1).
Becher, a. a. O. S. 525.
2).
A. a. O. S. 543.
3).
A. a. O. S. 525.
1).
werks- und Hüttenrechnungen, „die Renterei-Rechnungen“ dürften vielleicht bei
dem Oberbergamt in Bonn noch vorhanden sein, die übrigen Siegerländer Akten
befinden sich wohl zumeist im Archiv des Oberpräsidiums der Provinz Westfalen
zu Münster. Die Dillenburger Akten sind im königl. preuſsischen Staatsarchiv zu
Wiesbaden, doch habe ich von den vielen von Becher angeführten älteren Rech-
nungen und Verleihungen dort nichts vorgefunden, als ein sehr unleserliches Kon-
zept einer Rechnung vom Jahre 1444. Dagegen befinden sich daselbst Abschriften
einer Eisenstein-Bergordnung von Graf Johann d. Älteren; die Hütten-, Stein-
und Kostenmaſsordnung von 1535 und die Bergordnung von Graf Wilhelm von
1559.
1).
Siehe Karsten, Eisenhüttenkunde, Tafel XXI, Fig. 6.
1).
Die Nachrichten finden sich in Klipsteins Mineralogischem Briefwechsel
(1781), Bd. II, S. 93 unter der Aufschrift: „Geschichte und Beschreibung der
Ludwigshütte und der dazu gehörigen Stäbhämmer von E. Klipstein, revidiert
von Hütteninspektor Herwig (in Schmalkalden).“ Die Geschichte beginnt mit
dem Jahre 1588, doch fehlen die Perioden von 1602 bis 1625 und von 1654 bis 1663.
1).
Hierbei ist der Zentner, der 110 Pfund hatte, rund zu 55 kg berechnet.
2).
Zeitschrift des Harzvereins, Bd. XIII, S. 255; Bd. XIV, S. 14.
3).
Vergl.
Tölle und Gärtner, Eisenhüttenmagazin 1792, S. 88 und Zeitschrift des Harz-
vereins, Bd. XIV, S. 13.
1).
Vergl. Karstens Archiv für Bergbau und Hüttenwesen, Bd. VII, S. 9.
1).
Siehe Bd. I, S. 783.
2).
Siehe Bd. I, S. 826.
3).
Gabr. Jars, Metal-
lurgische Reisen 1777, Bd. I, S. 69.
4).
Wenigstens im Jahre 1758, als Jars die
St. Gallener Werke besuchte.
1).
Siehe oben S. 169.
1).
Vergl. Bd. I, S. 507.
1).
J. Chr. Quantz, Prakt. Abhandlung über die Eisen- und Stahlmanipula-
tion in der Herrschaft Schmalkalden 1799, S. 100 etc.
1).
Einer der viel verketzertsten Termini technici, von dem lateinischen caput ab-
stammend, heute noch als Cabotte, Chabotte, Chavotte, Schawotte, Schowatte,
Schabatte u. s. w. in den etymologisch unglaublichsten Umbildungen als Bezeich-
nung der Amboſsschale, des eisernen Amboſsuntergestelles, gebräuchlich.
2).
Deul.
Dachel, Tajol.
1).
Siehe oben S. 175.
1).
Vergl. Bd. I, Einleitung, S. 11 und 15.
1).
Vergl. Bd. I, S. 964.
2).
Siehe Bd. I, S. 11.
1).
Siehe (Percy) Dr. H. Wedding, Handbuch d. Eisenhüttenkunde, 3. Abth.,
S. 9.
1).
Siehe Tunner, Der wohlunterrichtete Hammermeister, Bd. II, S. 52.
1).
Mügla vielleicht von miglio, Hirsekorn, Schrot, Wascheisen herzuleiten.
2).
Siehe Tunner, Der wohlunterrichtete Hammermeister, Bd. II, S. 51.
1).
Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 139.
1).
Siehe Bd. I, S. 793.
1).
Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 140.
1).
Siehe Bd. I, S. 803 bis 829.
2).
Siehe Eversmann, Übersicht der Eisen-
und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und
Lippe, 1809, S. 215.
1).
Vergl. Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, Bd. II, S. 482.
1).
A. a. O., Bd. II, S. 203.
1).
Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 207.
1).
Siehe oben S. 204.
2).
Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 148.
1).
Siehe Ole Evenstadt, Abhandlung von den Sumpf- und Morasterzen,
deutsch von Blumhof, S. 59.
2).
Siehe Swedenborgius, De ferro, p. 113.
3).
Siehe Bd. I, S. 833.
1).
Marmo saligno, salinischer, d. h. krystallinischer Marmor, Glanzmarmor,
Urkalk.
1).
Bezüglich dieser uralten Überlieferung vergl. d. Wielandslied, Bd. I, S. 693.
1).
Siehe Tunner, a. a. O., Bd. II, S. 285.
1).
Siehe Stengel, Über den Einfluſs des Kupfers und Schwefels auf die Güte
des Stahls in Karsten’s Archiv, Bd. IX und X.
1).
A. a. O., S. 286 u. f.
1).
Siehe oben, S. 232.
1).
Mizaldus = Antoine Mizauld, berühmter französischer Astrologe,
geboren 1510 zu Montluçon, gestorben 1578 zu Paris; Dr. med., hochangesehener
Schriftsteller, erhielt den Beinamen Divinus. Auſser zahlreichen Schriften über
Astronomie und Astrologie veröffentlichte er Werke über Gartenkunst, Landwirt-
schaft und Sammlungen allerlei praktischer Rezepte, das Buch De arcanis naturae
und andere.
1).
Eine deutsche Erfindung, wie auch aus dem alten Gedichte des Bourbon
hervorgeht.
1).
Sächsische Denkmäler, Bd. II, S. 69.
1).
Rommel, Geschichte von Hessen III, Anmerk. S. 127.
2).
Siehe Zeit-
schrift für die Geschichte des Oberrheins Bd. 19, S. 303.
1).
Vergl. die Eisenhütten des Klosters Haina von L. Bickell, Marburg 1889, S. 15.
1).
Die Füſse sind spätere Zuthat und unrichtig. In der Regel verwendete
man gegossene Löwenfüſse wie Bd. I, Fig. 302 und Bd. II, Fig. 80.
1).
Siehe Bickell a. a. O., S. 18.
2).
Auſser Bickell hat Dr. H. Wedding
in der Festschrift des Harzvereins 1892 eine sehr verdienstliche Abhandlung über
eiserne Ofenplatten im Harz (Ilsenburger Sammlung) mit Abbildungen veröffent-
licht, die mir aber leider erst nach der Drucklegung obigen Textes durch die
Güte des Verfassers zuging, weshalb ich sie nur unvollständig benutzen konnte. —
Nach Wedding begann der Ofenguſs im Harz erst in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts.
3).
Dr. H. Wedding, a. a. O., Taf. I, Fig. 2.
1).
Stölzel, Kasseler Stadtrechnungen, S. 204.
1).
Abgebildet bei Bickell, a. a. O., Tab. VII.
1).
Siehe Kunstwerke und Gerätschaften des Mittelalters von Becker und von
Hefner-Alteneck 1863, Bd. I, Tab. V.
1).
Siehe W. Lübke, „Über alte Öfen in der Schweiz“ in den Mitteilungen der
Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. XV, S. 168.
1).
Siehe F. J. Mone, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 17,
S. 256.
1).
Werlichs Chronik von Augsburg, Frankfurt a. M. 1595, S. 271.
2).
Siehe Becher, a. a. O., S. 537.
3).
Ennen, Geschichte der Stadt Köln, Bd. III,
S. 741. 1562 wird in Rostock ein „Ofengieſser“ erwähnt.
4).
Lower, Contribu-
tions to litterature 1854, p. 94.
5).
Traité de la fabric. de la fonte de fer.
6).
Siehe Bickell, a. a. O., S. 16 und Curtze, Geschichte der Kirche St. Kilian
in Korbach, S. 185.
1).
Siehe V. Gay, Glossaire archéologique, Paris 1887, p. 362.
1).
Gay, a. a. O.
2).
Bd. I, S. 910.
1).
Irrig sind dagegen die Angaben in Jäns Handbuche, S. 808, daſs die in
Benedictus Veron. De rebus Carol. VIII. in Eccardi Script. rer. germ. II erwähnten
Eisenbolzen (pilas seu palloctas ferreas) der Florentiner im Jahre 1326 gegossen
gewesen seien. Ebenso sind die Nachrichten, daſs man 1377 in Erfurt und 1470
in Schlesien eiserne Geschütze gegossen habe, ganz unverbürgt. (Dr. M. Meyer,
Erfahrungen über Fabrikation des eisernen und bronzenen Geschützes, Leipzig
1836, S. 13.) Dasſelbe gilt von der Nachricht, daſs Anciola in Spanien den
Guſs eiserner Kanonen im Anfange des 15. Jahrhunderts erfunden haben soll.
2).
Arch. de Come, Angellucci, Docum. inedit. piece 23 und Gay, Glossaire
archéologique I, p. 729: Bombarda una ferri gitata signata litteris cum annello
ferri, cum suo cepo ferrata.
3).
Siehe Gay, Glossa ire archéologique, p. 273.
4).
Cpte. de J. Abonnel, Gachard, Rapp. s. les arch. de Lille, fol. 183.
1).
Napoleon, Hist. de l’artillerie, fig. 2, pl. IX.
2).
Siehe Description
de la fabrication des bouches à feu par le général Huguenin. Paris 1839, p. 5.
1).
Bd. I, S. 929 und Jähns, Geschichte des Kriegswesens S. 968.
2).
Wür-
dinger
, Kriegsgeschichte von Bayern II, S. 408.
3).
200 boulets de fer servant
aux coulevrines, mis au château de Dijon, avec 100 paires de coquilles ou
moules à couler des boulets (Arch. de Dijon, ap. Desmage, Tres. judic. p. 69 und
Gay, Glossaire I, p. 729).
1).
Von Giorg. Martini, mitgeteilt in Louis Napoleon Bonaparte Études sur
l’artillerie, p. 96 und Gay, Glossaire arch. I, p. 76.
2).
Weiſs-Kunig, Kap. 49,
erzählt: „Wie der jung Weiſs-Kunig künstlich was mit der Artalerey:“ — Der-
selbe hatte solche Leidenschaft für das Schieſsen, daſs man ihn zurückhalten
muſste. Er richtete viele Zeughäuser auf und erfand selbst Verbesserungen.
1).
A. a. O., S. 163.
1).
Quesiti e Invenzioni, lib. I, Ques. II.
1).
Nicolaus Tartaglia, ein Mathematiker aus Brescia, Zeitgenosse Birin-
guccios
, gab Ende des Jahres 1537 zu Venedig drei Bücher Della nova Scienzia
heraus, worin er sich vorzüglich mit den Grundsätzen der Bewegung geworfener
Körper beschäftigte: 1546 wurden in Venedig seine Quesiti e Invenzioni gedruckt,
1).
Quesiti et Invenzioni: Questo vigesimo terzo … fatto da M. Alberghitto
de Alberghitti gettadore de artegliaria l’anno 1545 a di Aprile in Venezia.
2).
Leonhard Fronsperger, Bürger zu Ulm, gab 1555 „Fünf Bücher von
Kriegsregiment und Ordnung“ und 1557 sein Buch „Von Geschütz und Feuer-
werk“ heraus, die 1571 beträchtlich vermehrt unter dem Titel „Kriegsbuch“ er-
schienen, welches wiederholte Auflagen erlebte.
1).
welche sich hauptsächlich mit den Kriegswissenschaften beschäftigen. Diese
Schriften wurden bereits 1547 von Gualterius Rivius in seiner Baukunst ins
Deutsche übersetzt. Tartaglia starb 1575. (Hartmann in Nürnberg früher
als Tartaglia, siehe Jähns, a. a. O.)
1).
Siehe Bd. I, S. 945.
1).
English Worthies in Church and State 1684.
1).
Siehe Jähns, a. a. O., S. 1286.
1).
Siehe Weiſs, Kostümkunde, Bd. VI, S. 929.
2).
Siehe von Stetten,
Geschichte von Augsburg, S. 235.
1).
Conradus Celtes, De origin. civit. Norimb. Cap. II.
1).
Kriegsbuch. Buch VIII, S. 185.
1).
Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1841, Bd. III, S. 453.
1).
Siehe Wendelin Boeheim, Das Waffenwesen in seiner historischen
Entwickelung. Leipzig 1890, S. 604.
2).
Itinerario di Germania. Mscrpt. Biblio-
theca Trivulziana.
1).
Der Weiſs-Kunig. — Eine Erzählung von den Thaten Kaiser Maximilian
des Ersten von Max Treitzsauerwein, auf dessen Angaben zusammengetragen,
nebst den von Hansen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten … Manu-
script der K. K. Hofbibliothek zu Wien, S. 97, Tab. 42.
1).
Weiſs-Kunig, a. a. O.
2).
Quirin Leitner, Die Waffensammlung des
österreichischen Kaiserhauses im K. K. Artillerie-Arsenal-Museum in Wien, Tab. I.
Von diesem Prachtwerke in Groſs-Folio sind nur 250 Exemplare gedruckt.
1).
Siehe Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens. Tabelle 75,
Fig. 1 und 2.
1).
Siehe Semper, Der Stil. Bd. II, S. 489.
2).
Augsburg. — A. Colman, armero de Augusta, 2000 escudos de oro en
cuenta de 3000 que ha de aver por unas armur que haze pasa mi servoais. —
Augusta, 22. October 1550. Ferner: Augusta, 27. Februar 1551: A Desiderio
2).
Colman, armero de Augusta, 400 duc. en cuenta de loque a de aver por unas
armas negras que haze para mi. Und am 12. Mai 1551: A. Colman, 650 escudos
par una arma.
1).
Siehe Beschreibung des Königl. Historischen Museums zu Dresden von
Dr. A. Erbstein. Dresden 1889, S. 34.
2).
Welch letztere in den verbreiteten irrtümlichen Angaben über die Rüstung
immer allein genannt werden.
1).
Siehe Quirin Leitner, a. a. O., Tab. XLIX. — L. — LI.
2).
Siehe J. H. v. Hefner-Alteneck, Originalentwürfe deutscher Meister für
Prachtrüstungen französischer Könige. Tab. XIII.
3).
Siehe Wendelin Böheims Abhandlung darüber in den „Mitteilungen der
Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst und historischen
Denkmale“. Wien 1881. Neue Folge VII, S. 58.
1).
Abgebildet in: Kunstwerke und Gerätschaften des Mittelalters und der
Renaissance von C. Becker und J. v. Hefner, Bd. I, Tab. 41 und 42.
1).
Vergl. v. Stetten, a. a. O., S. 192.
2).
Bd. I, S. 13.
1).
Siehe Theophilus Presbyter, Bd. I, S. 977.
2).
Bruno Bucher, Geschichte der technischen Künste, S. 7.
1).
Siehe Dr. A. Erbstein, Beschreibung des Königl. Histor. Museums in
Dresden, S. 43.
1).
Labarte, Histoire des arts industriels du moyen age.
Viollet le duc, Mobilier Français.
v. Hefner-Alteneck, Eisenwerke oder Ornamente der Schmiedekunst.
Frankfurt a. M. 1861.
2).
Siehe Böheim, a. a. O., S. 660 etc.
1).
P. Z. = Plattner-Zeichen.
1).
Siehe Westenrieder, Beiträge, Bd. III, S. 80.
2).
Siehe Neudörfer, a. a. O., S. 64 und Doppelmeyer, S. 291.
1).
Siehe Arms and armours at Westminster, the Tower and Greenwich 1547,
by H. A. Dillon in Archaeologia LI, p. 219.
1).
Dieses interessante Buch erschien 1568 bei dem berühmten Buchdrucker und
Verleger S. Feyerabend in Frankfurt a. M. Es führt den Titel: Eygentliche
Beschreibung Aller Stände auff Erden, Hoher vnd Nidriger, Geistlicher vnd
Weltlicher, Aller Künsten, Handwerken und Händeln etc. vom gröſsten biſs zum
kleinesten. — Auch von jenem Vrsprung, Erfindung vnd gebreuchen. Durch
den weltberümpten Hans Sachsen
Gantz fleiſsig beschrieben, vnd in
Teutsche Reimen gefasset, Sehr nutzbarlich vnd lustig zu lesen, vnd auch mit
künstreichen Figuren, derengleichen zuvor niemands gesehen, allen Ständen so in
diesem Buch begriffen, zu ehren vnd wolgefallen, Allen Künstlern aber, als Malern,
Goldschmiden etc. zu sonderlichem dienst in Druck verfertigt.
Mit Röm. Keys. Maiest. Freyheit, gedruckt zu Frankfurt am Mayn M. D. LXVIII.
Unter jedem der 113 Holzschnitte von 58 mm × 76 mm stehen acht deutsche
Verse zur Erläuterung des dargestellten Standes oder Handwerks. — In dem-
selben Jahre erschien bei demselben Verleger eine lateinische Ausgabe von Hart-
mann Schopperus
unter dem Titel ΠΑΝΟΠΔΙΑ, omnium illiberalium mechani-
carum aut sedentiarum artium genera continens etc. In dieser sind jedem Bilde
fünf Distichen beigefügt, von welchen zwei über drei unter der Figur gedruckt
sind. Es war immer nur eine Seite des Blattes bedruckt und wurden dieselben
wohl blattweise auf den Jahrmärkten verkauft. 1574 erlebte sowohl die deutsche,
wie die lateinische Ausgabe eine zweite Auflage. 1884 wurde von Georg Hirth
(Knorr
und Hirth in München) eine neue Auflage gedruckt.
1).
Siebenkäs, Materialien zur nürnbergischen Geschichte, Bd. III, S. 207.
2).
Bd. I, S. 865.
3).
Vergl. Bd. I, S. 882.
1).
Vergl. Jäns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens, S. 738.
1).
Siehe Lacomblet, Urkundenbuch, Bd. III, Nr. 754 und R. Gronau, Ge-
schichte der Klingenindustrie Solingens.
1).
Siehe Wendelin Böheim, Waffenkunde 1890, S. 252.
2).
Siehe Ge-
schichte der Solinger Klingenindustrie von Rudolf Gronau.
3).
Siehe R. Gronau,
a. a. O., S. 17.
1).
Auf Vollständigkeit kann die Tafel, trotz ihres Umfanges, aber keinen An-
spruch machen. So giebt Gronau bei dem im vorigen Jahrhundert berühmten
Klingenschmied Abraham Berg nur aufgeschlagene Worte als Schwertmarken
an, während Hallens (Professor der Historie bei dem königl. preuss. Kadetten-
corps) in seiner „Werkstätte der heutigen Künste 1764“ (Bd. III, S. 251) ausdrück-
lich sagt, sein Zeichen sei bei Degen ein auf der Angel eingeschlagener Pferde-
kopf gewesen, bei Rappier- und Schilfklingen A. B. auf der Klinge. Ebenso führt
Gronau den Peter Mumm (1764) ohne Zeichen auf, während Hallens angiebt,
er führe eine Glocke zum Zeichen.
1).
Siehe Jäns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens, S. 748.
1).
Siehe Bd. I, S. 789 etc.
2).
Siehe Bd. I, S. 846.
1).
Siehe J. Talbot Dillon, Reise durch Spanien, Bd. I, S. 151.
1).
Boeheim, a. a. O., S. 5.
1).
Siehe Thun, Die Industrie am Niederrhein, Bd. II, S. 9.
1).
Demmin, a. a. O., S. 406.
1).
Gay, Glossaire etc. S. 471.
1).
Krenner, Bayerische Landtagshandlungen, Bd. VII, S. 337 und Bd. XVIII,
S. 435. — Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter, S. 120.
1).
Dr. J. C. Siebenkees, Materialien zur Nürnbergischen Geschichte 1794,
Bd. III. S. 197.
2).
Über weitere Einzelheiten dieses merkwürdigen Schönbartsspiels der
Messerer siehe Siebenkees, a. a. O., S. 198 und Berlepsch, a. a. O., S. 134.
1).
Thun, a. a. O., S. 23.
1).
Siehe Weiſs, Kostümkunde, Bd. V, S. 438.
1).
Siehe L’isle des Hemaphrodites, p. 105. Beckmanns Beiträge, Bd. V,
S. 286 ff.
2).
Siehe Thomas Coryate, Crudities 1611; deutsch, Berlin 1798.
1).
Siehe M. Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens 1880, S. 780.
1).
Petr. Albinus, Meiſsnische Landchronik, Bd. I, Nr. 23, S. 820.
1).
Siehe Jähns, a. a. O., S. 1203.
1).
Menkenii scriptor. rer. Germanicar. praecipue Saxonic. fol. Lips. 1730.
Tom I, 1195.
2).
Commentar, Lib. IV, p. 304.
1).
Siehe Blumhof, a. a. O., Art. Rohrschmieden.
1).
Siehe Joh. Neudorfer, Nachrichten von den vornehmsten Künstlern und
Werkleuten u. s. w. Nürnberg anno 1547, ed. Lochner, S. 82.
2).
Siehe v. Stetten, a. a. O., S. 200.
1).
Jedenfalls identisch mit dem oben genannten Peter Pah.
1).
Siehe „die Sammlung alter Geschütze im k. k. Artillerie-Arsenale zu Wien,
beschrieben von Wendelin Boeheim“ in den Mitteilungen der k. k. Central-
kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denk-
male. Wien 1883, Bd. IX, S. 59 etc.
1).
Siehe W. Boeheim, a. a. O. S. 91.
1).
Siehe Dr. H. Wedding, Beiträge zur Geschichte des Eisenhüttenwesens im
Harz, in der Zeitschrift des Harzvereins, Bd. XIV, S. 10.
1).
K. Lind, Das Waffenmuseum der Stadt Wien in Mitteilungen der k. k.
Centralkommission etc. Wien 1873, S. 147.
2).
Mitteilungen der k. k. Centralkommission etc. zu Wien, Bd. XVIII, S. 147.
3).
Siehe Gay, Glossaire etc. Bd. I, S. 65.
1).
Arch. de la Gir. E. min. de Gemellir 528, 1. — Gay, Glossaire, Bd. I, S. 65.
2).
Chartrier de Touars, Rev. de soc. sav. Ser. 5, VIII, p. 102.
3).
Siehe Archaeologica, Vol. LI, p. 256.
4).
Nach anderer Lesart sogar 14000 Thlr., siehe S. 309.
1).
Siehe Giov. da Uzzano, Pratica de la mercatura, p. 181.
2).
Siehe Archaeologica Vol. LI, p. 245.
3).
Cpte. de l’ecurie du roi, fol. 102.
1).
Archaeologica, Vol. LI, p. 242.
2).
Siehe Gay, Glossaire, Bd. I, S. 65.
1).
Siehe Archaeologica, Vol. LI, p. 230.
1).
Siehe den Aufsatz: „Zur Verwendung des Eisens in der Kunstindustrie
während des 15. bis 18. Jahrhunderts von Dr. Karl Lind“ in den Mitteilungen
der k. k. Centralkommission, Bd. VII (1881), Heft 2, S. 66.
2).
Siehe Hermann Riewel, Studien über Schmiede- und Schlosserarbeiten
in Österreich in den Mitteilungen der k. k. Centralkommission, Bd. XV (1870),
S. 46.
3).
Siehe Mitteilungen, Bd. XII.
1).
Siehe Riewel, a. a. O., Fig. 16.
1).
Ein Teil des Gitters ist abgebildet in den Mitteilungen der k. k. Central-
kommission, Bd. XV, 1870.
2).
Siehe Riewell, a. a. O., S. 58.
1).
Siehe Dr. Karl Lind „Zur Verwendung des Eisens in der Kunstindustrie
während des 15. bis 18. Jahrhunderts“ in den Mitteilungen der k. k. Central-
kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Werke.
Bd. VII, Heft 2, S. 66.
1).
Siehe Mitteilungen der k. k. Centralkommission, Bd. VII (1862), S. 190.
1).
Siehe Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften vom frühen Mittelalter bis
Ende des 18. Jahrhunderts von Dr. J. H. v. Hefner-Alteneck, Bd. VII, Frank-
furt a. M. 1881, Tab. 437 und Kunstwerke und Gerätschaften des Mittelalters von
C. Becker und J. H. v. Hefner-Alteneck, Bd. II, Taf. 14 und Taf. 32.
1).
Vasari, Bd. III, Abt. 1, S. 271.
2).
Siehe Riewell, a. a. O., S. 83.
1).
Siehe v. Hefner-Alteneck, a. a. O., Bd. I, Tab. 34.
2).
Tschischka, Geschichte der Stadt Wien, S. 267.
1).
Siehe Zöpfl, Das alte Bamberger Recht als Quelle des Carolina-Urkunden-
buches, S. 366. (Aus dem Gerichtsbuche von 1329.)
1).
Bauer, Histor. Raritätenkabinet. 4. Bd., S. 228.
2).
Siehe Wagenseil, de civitate Norimberg, p. 152. Rami scholae mathem.
L. II, 62.
3).
Siehe aus der Geschichte der Schlosserei von Dr. Walter Waechsle in
der deutschen Schlosserzeitung 1883, S. 57.
4).
Neudörfer 1547, a. a. O., S. 78.
5).
Nach Neudörfer 1547; ed. Lochner, S. 69: Hanns Heuſs.
1).
Der Vertrag ist abgedruckt in Siebenkees, Materialien zur Nürnbergischen
Geschichte. Bd. III, S. 32.
2).
Siehe Neudörfer, S. 723.
3).
Vergl. Neudörfer, a. a. O., S. 65. Sohn des Schlossers Jacob Pülmann,
hatte zwei Brüder, einen, Hanns zu Werd, unterhalb Regensburg, und Caspar
zu Berlin.
4).
Z. B. ein gehend Jungfraubild, Uhrwerke, Manns- und Weibes-Bilder, die
umgingen und schlugen ihre Mensur auf der Lauten und Pauken, siehe Neu-
dörfer
, S. 66.
5).
Alias Peter Heinlein, siehe Neudörfer, a. a. O., S. 71.
1).
Siehe Wagenseil, de libera civitat. Norimb. commentates 1697, p. 150.
1).
Siehe des Johann Neudörfers Nachrichten von Nürnberger Künstlern
und Werkleuten von 1547 von Dr. Lochner, Wien 1875, S. 53.
2).
Nach der Unterschrift seines Bildes 1573.
3).
Siehe Abbildung bei Doppelmayer, Tafel XIII, n. 4 und 5.
4).
Siehe Waechsle, a. a. O., S. 96.
1).
L. Westenriedes, Beiträge zur Vaterländischen Historie etc. Bd. III, S. 72.
1).
Violet le Duc, Dictionnaire raisonné du mobilier français. Vol. I,
p. 389. — Hefner-Alteneck, Eisenwerke u. s. w. — H. Riewel, Studien über
Schmiede- und Schlosserarbeiten in Österreich in den Mitteilungen der K. K.
Centralcommission in Wien. XV, S. 50.
1).
Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde, V, 181, Tab. XXXIV,
Fig. 1 bis 3.
1).
Siehe Blumhof, Encyklopädie der Eisenhüttenkunde 1876, Bd. II, S. 342.
1).
Hallens Werkstätte der Künste 1764, S. 272.
1).
Siehe S. 133.
1).
Vergl. Nemnichs Warenlexikon, Bd. I, S. 651; Bd. II, S. 919 u. s. w.
Schedels neues Warenlexikon, 4. Aufl. von Poppe, Bd. II, S. 80. Rinmans
Anleitung zur Kenntnis der gröberen Eisen- und Stahlveredlung, S. 160. Blum-
hof
, a. a. O., Bd. III, S. 361.
1).
Siehe W. A. Günther, Topograph. Gesch. d. Stadt Koblenz, S. 444.
1).
v. Muchar, Geschichte des Herzogtums Steiermark, Bd. VIII, S. 512.
1).
Siehe Karsten a. a. O., Bd. IV, S. 373; ferner Rinmans Allgem. Berg-
werkslexikon, Bd. II, S. 87 bis 115.
2).
Vergl. Jars metallurgische Reisen 1757 bis 1769, deutsch von Gerhard,
Bd. II, S. 734.
1).
Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde IV, S. 356.
1).
Doppelmayer, Nachricht von den Nürnberger Künstlern und Hand-
werkern, 1730, S. 281.
1).
Siehe von Murr, Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten der
freien Reichsstadt Nürnberg, 1778, S. 675.
1).
Siehe Dr. H. Grothe, Leonardo da Vinci als Ingenieur und Philosoph.
Berlin 1874, S. 73.
1).
Siehe Grothe, a. a. O. und Th. Beck, Historische Notizen, Civilingenieur
Bd. XXXIV, Heft 1, Taf. V.
1).
Siehe Th. Beck, Civilingenieur Bd. XXXIV, Tab. XVII, Fig. 7 und 8.
2).
Siehe Th. Beck, Historische Notizen, Civilingenieur, XXXIV. Band, 8. Heft,
Tab. XXII, Fig. 5.
1).
Wir verweisen deshalb auf Th. Beck, a. a. O., Tab. XXIII, Fig. 31, wo
die Zeichnung zu „de re metallica“ Lib. X, nach Agricolas genauen Maſs-
angaben berichtigt ist.
1).
Siehe Beckmann, Technologie, S. 643.
2).
Siehe Dr. C. F. Trachsel, Les monnaies de l’abbaye de Dissentis in la
Revue Scientifique Suisse (Avril 1879).
3).
Siehe E. Schlosser, Die Münztechnik 1884.
1).
Siehe Beckmann, Technologie, S. 634.
1).
Mathesius Sarepta.
2).
Cum anno MDVII Georgius illustris Saxonum Dux in Misena jus
omnium tumulorum e fodinis egestorum dedisset nobili et prudenti viro Sigis-
mundo Malthicio
, patri Joannis Episcopi Miseni et Henrici: Is Dippoldis-
valdi et Aldebergi, quibus in locis fodiuntur lapilli nigri, ex quibus plumbum
candidum conficitur, rejectis pilis siccis, cribris amplis, mola, invenit machinam,
quae venas udas pilis praeferratis tunderet. Venas antem udas vocamus aquis,
quae in capsam influunt, madefactas: quo modo etiam interdum pila uda noni-
namus, item aquis madida: contra pila sicca vel venas siccas appellamus nullis
aquis, dum pilis tunduntur, madefactas.
3).
So steht wohl richtig in der deutschen Übersetzung von Bechins von 1580,
S. 253, während in der lateinischen Ausgabe von 1557 irrtümlich MDXII ge-
druckt ist.
1).
Siehe Albinus, Meiſsen. Bergchronika, Dresden 1590, S. 75 etc. — Ma-
thesius
sagt dagegen in seiner Chronik von Joachimsthal: „1520 hat man ein
groſs Bochwerk angerichtet und über den Blan gewaschen.“
2).
H. Calvör, Beschreibung des Maschinenwesens auf dem Oberharz 1763,
Bd. II, S. 74.
1).
Siehe Le Vieux-Neuf par Edouard Fournier, Paris, E. Dent, 1859, Cap. 29.
1).
Von Pusten = Blasen, also der Bläser. In Niedersachsen heiſst der Blase-
balg „Puster“.
1).
H. Cardani de rerum varietate libri 17. Basil. 1556. — Lib. IV.
1).
Abgedruckt in Wagner, corpus juris metallici, p. 34.
2).
Siehe Wagner, corpus juris metallici, p. 1042.
1).
Siehe Graf Sternberg, Bd. I, 2, S. 301.
2).
Siehe Otia metallica, Vol. I, p. 41.
1).
Siehe Mosch, a. a. O., Bd. II, S. 55.
1).
Vergl. Dr. H. Achenbach, Deutsche Bergleute der Vergangenheit. Zeit-
schrift für Bergrecht, Bd. XII, S. 80.
2).
Mosch, Geschichte des Bergbaues in Deutschland, Bd. II, S. 50.
1).
Siehe Mosch, a. a. O., Bd. II, S. 117.
1).
In der Ordnung für die Bergwerke in Österreich, Steiermark, Kärnten und
Krain a. 1517 heiſst es: „Es söllen an alles mit alle hoch- undt swartswäld, unns
als Herrn unndt Landesfürsten, Wo Perkhwerch sein, oder noch aufersteend ver-
folgen, zusambt unserm Perkhwerch. Es wär dan, das ain Khloster oder ain Gsloſs
ain aigen wald hetten, des dasselb Khloster oder Gsloſs noddürftig wären, so sullen
Jen Ungeirrt vom Perkhwerchen bleiben … Aber die andern all, auszerhalb der
vorangezaigten, sollen, wo Perkhwerch sein, zu unnsern als Herrn unndt Landes-
fürsten Perkhwerchen fudrung unnser fron unndt wechsel bevorsten.“
1).
Vgl. A. Schwappbach, Grundriſs der Forst- und Jagdgeschichte Deutsch-
lands, S. 39.
1).
Die ersten Verordnungen gegen die Verwüstung der Wälder in Sachsen
stammen von 1482.
1).
Siehe Voigt, Bodenwöhr, in der Zeitschrift des Regensburger historischen
Vereins, Bd. II, S. 357.
1).
Vergl. Forstordnungen des Erzherzogs Ferdinand von 1560, 1563 und 1564,
sowie Graf Sternberg, Geschichte der Böhmischen Bergwerke, Bd. I, 2. Abt.,
S. 94 sc. „Über die Reservat-Waldungen der Böhmischen Bergwerke.“
1).
Siehe J. Neudörfer (1547), Nürnberger Künstler, herausgegeben von
Lochner, S. 56.
1).
Siehe Falk, Kurfürst August von Sachsen, S. 241.
1).
Siehe Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter, S. 45, wo ein Beglaubigungs-
brief der ehelichen Geburt eines Hufschmiedes aus der Mitte des 17. Jahrhunderts
mitgeteilt ist. Vergl. auch Bd. I, S. 882.
2).
Siehe Vollkmanns Notarkunst, Pars III, Cap. 36, Nr. 6, sub entr.
Lehrbrief von einem Rat gegeben.
3).
Siehe Berlepsch, a. a. O., S. 49.
1).
Alter deutscher Gebrauch beim Auswandern. Vergl. Grimms deutsche
Rechtsaltertümer, S. 83.
1).
Siehe Berlepsch, a. a. O., S. 61. — Stock, Grundzüge der Verfassung
des Gesellenwesens 1844, S. 87. — Des Knaben Wunderhorn, Bd. II, S. 74.
1).
Siehe C. L. Stock, Grundzüge der gesellschaftlichen Verfassung, S. 77
und Berlepsch, a. a. O., S. 65.
1).
Siehe W. A. Günther, Topographische Geschichte der Stadt Koblenz 1813,
S. 243.
1).
Die in Danzig im 15. Jahrhundert vorgeschriebenen Meisterstücke werden
später aufgeführt werden.
2).
Vergl. Bd. I, S. 880.
3).
Siebenkees, Materialien zur Nürnbergischen Geschichte, Bd. IV, S. 687.
4).
Siehe Hirsch, Danzigs Handels- und Gewerbegeschichte, S. 343.
1).
Pfaff, Geschichte der Reichsstadt Eſslingen, S. 702.
2).
Siehe Melle, gründliche Nachricht von Lübeck.
1).
Siehe Krigk, Frankfurter Bürgerzwiste im Mittelalter, S. 312.
1).
Siehe F. C. Philippi, Beiträge zur Geschichte und Statistik der deutschen
Messen, S. 19.
1).
Siehe Anderson, Bd. I, S. 211.
1).
Vergl. A. Winckler, Die deutsche Hansa in Ruſsland 1886.
1).
Siehe Winckler, a. a. O., S. 51.
1).
Siehe Höllbaum, Hanseatisches Urkundenbuch, Bd. I.
2).
A. a. O., S. 198.
3).
Siehe a. a. O., Bd. III, S. 419.
1).
Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Bd. V, S. 160.
2).
Besonders durch die treffliche Schrift von Dr. Theodor Hirsch, Danzigs
Handels- und Gewerbegeschichte unter der Herrschaft des deutschen Ordens 1858.
1).
Siehe a. a. O., S. 97.
1).
Siehe Hirsch, a. a. O., S. 120.
1).
Siehe Hirsch, a. a. O., S. 143.
1).
Die preuſsische Landmünze war die Mark. 1 Mark = 4 Vierdung =
24 Scot = 45 Halbschoter = 60 Schillinge = 180 Vierschen = 720 Pfennige.
Der Wert einer Mark nach jetzigem Gelde betrug:
  • 1351 bis 1382   5 Thlr. 5 Sgr.
  • 1422 „ 1449   3 Thlr.
  • 1450 „ 1454   1 Thlr. 26 Sgr.
1).
1 Last Korn kostete 1428 15 Mk.
1 Tonne Mehl „ „ 1 „
1).
Siehe G. v. Buchwald, Zur deutschen Wirtschaftsgeschichte im endenden
Mittelalter 1887, S. 77.
1).
Zeitschrift für den Oberrhein, Bd. XII, S. 386 sc.
1).
Siehe Bd. I, S. 750 etc.
1).
Klemm, Kulturgeschichte, Bd. IX, S. 159.
2).
B. von Cotta, Die Lehre von den Erzlagerstätten, S. 360.
1).
Siehe Versuch einer Beschreibung der vorzüglichsten Berg- und Hütten-
werke des Herzogtums Steiermark von V. Ignatz Ritter von Pantz und
A. Jos. Atzl, Wien 1814.
1).
Vergl. v. Muchar, Geschichte des Herzogtums Steiermark, Bd. VII, S. 163.
2).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VII, S. 353.
1).
Vergl. v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 136.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 198.
2).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 200.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 213.
2).
Waldeisen hieſs in den österreichischen Alpenländern alles auf den nicht
privilegierten Hütten, auſserhalb der „Eisenwurzen“ erblasene Eisen.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 228.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 239.
2).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 264.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 320.
1).
Siehe Mosch, a. a. O., S. 132.
2).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 443.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., S. 444.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., S. 485.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 487.
2).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 497.
1).
Siehe v. Muchar, a. a. O., Bd. VIII, S. 527.
1).
Lempe, Magazin für die Bergbaukunde Bd. VI, S. 16. Fürstlicher durch-
lauchtig Ertzherzog Carolens zu Österreich neue Eisensatzung auf das rauh
und geschlagen Innder- und Vorderpergerisch Eisen, wie das im Fürstenthum
Steyer verkhaufft sol werden. (Gedruckt zu Wienn durch Michael Zimmermann
in St. Anna Hof.)
2).
1 pfundt = 1 Gulden (1574).
1).
Siehe Pantz und Atzl, a. a. O., S. 6.
1).
Siehe Lempes Magazin für die Bergbaukunde (1790), Bd. VII, S. 93.
1).
Wallachen, Walchen = Wälsche, welche Köhlerei auf eigene Faust trieben,
s. Bd. I, S. 752.
2).
Siehe Lempe, Magazin für Bergbaukunde, Bd. VII, S. 84 etc.
1).
Siehe Tunners Jahrbuch für den österreich. Berg- u. Hüttenmann,
III. bis VI. Jahrgang, S. 206.
1).
Siehe Fr. Seeland in den Verhandl. der K. K. geolog. Reichsanstalt 1871,
Bd. 26, S. 49.
2).
Siehe F. Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges, S. 41.
1).
Siehe Münichsdorfer, a. a. O., Anhang Nr. IV.
1).
Siehe Münichsdorfer, a. a. O., S. 44.
1).
Urkunden aus dem Markt-Archive zu Althofen.
1).
Münichsdorfer, a. a. O., S. 46 und Anhang VII bis XI.
1).
Slehe Münichsdorfer, a. a. O., Anhang, Urkunde, Nr. VI.
1).
Münichsdorfer, a. a. O., im Anhange sub Nr. VIII.
2).
Münichsdorfer, a. a. O., S. 53 u. 54 führt eine Anzahl derselben mit
Namen auf.
1).
Münichsdorfer, a. a. O., S. 55.
1).
Münichsdorfer, a. a. O., S. 65.
1).
Vergl. Oryctographia Carniolica 1778.
2).
Valvassor, die Ehre des Herzogtums Krain, Laibach 1689, S. 395.
1).
Siehe Mosch, a. a. O., Bd. I, S. 133.
1).
Siehe Valvaſsor, a. a. O., Bd. I, S. 383.
2).
Siehe J. v. Sperges, Tirolische Bergwerksgeschichte 1765.
1).
Die von Sebast. Münster, Cosmographia L, IV und von Pet. Bertius,
Rer. Germ. L, III gerühmt worden.
1).
Siehe Magnalia dei, Bd. II, S. 764.
1).
Siehe Mosch, Zur Geschichte des Bergbaues in Deutschland, Bd. I, S. 18.
2).
Siehe Schmid v. Bergenhold, Übersichtliche Geschichte des Bergbau-
und Hüttenwesens im Königreiche Böhmen.
1).
Mathesius Sarepta, Predigt, Bd. VIII, S. 356.
2).
Otia metallica, Bd. I, S. 28 bis 32.
3).
Vergl.: Zur Geschichte des Bergbaues und Hüttenwesens in Mähren und
Österreich.-Schlesien von Christian Ritter d’Elvert. Brünn 1866, S. 12.
1).
d’Elvert, a. a. O., S. 64.
1).
Siehe Lori, Sammlung des bayerischen Bergrechts 1764, S. XX.
2).
Abgedruckt in Lori a. a. O., S. 65, LV.
1).
Siehe Lori, a. a. O., S. 73.
1).
Siehe Lori, p. XXVIII.
1).
Die Urkunde ist abgedruckt in Lori a. a. O., Bd. XVIII, S. 16.
2).
Siehe Freyberg, reg. boic. X, p. 193.
3).
Lori, a. a. O., Bd. XXXV, S. 32.
4).
Lori, a. a. O., Bd. XXIX, S. 27.
1).
Siehe Lori, a. a. O., S. 45.
1).
Siehe Lori, a. a. O., S. 48.
2).
Ebend. S. 349.
1).
Siehe Lori, a. a. O., S. 127.
2).
Ebend. S. 100.
1).
Siehe Lori, a. a. O., S. 159.
1).
Siehe Lori, a. a. O., S. 245.
2).
Ebend. S. 355.
3).
Ebend. S. 90.
4).
Siehe V. Voith, Das Berg- und Hüttenamt Bodenwöhr in den Verhandlungen
des historischen Vereins für die Oberpfalz, Bd. II, S. 253.
1).
Siehe Lori, a. a. O., S. 117.
1).
Siehe Voith, Der Hammer zu Aickolting oder der Hammer zu Neuen-
Kersdorf. Verhandl. d. hist. Vereins d. Oberpfalz u. Regensburg, Bd. VI. S. 4 etc.
2).
1 fl. = 20 Groschen.
3).
Siehe Regensburg. hist. Verein. Bd. XVII, S. 469.
1).
Otia metallica I, p. 151, 152. Gmelin, a. a. O., S. 159.
2).
Agricola de vet. et nov. met. L. II.
3).
Sarepta, Pred. VIII, p. 357.
4).
Siehe Mosch, Zur Geschichte des Bergbaues in Teutschland 1829, S. 163.
1).
Siehe Mosch, Zur Geschichte des Bergbaues in Teutschland 1829, S. 261.
2).
Vergl. M. Flurl, Beschreibung der Gebirge von Bayern und der oberen
Pfalz 1772, S. 400.
3).
Ap. Carl Meichelbeck, Historiae Frisingensis 1729, Vol. II, p. 193—197.
Lori, a. a. O., Bd. XXIX (S. 17).
4).
Lori, a. a. O., S. 147.
5).
Ebend. S. 244.
1).
Lori, a. a. O., S. 282.
2).
1 Sam oder Saum Eisen = 250 Pfund.
3).
Siehe Lori, a. a. O., S. 305.
1).
C. Fr. Mosch, Bd. I, S. 156. Lori, a. a. O., S. 181.
1).
Siehe F. J. Mone, Gewerkschaften von Eisen, Glas und Salz vom 11. bis
17. Jahrhundert. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 1861, S. 385 und
J. B. Trenkle, Geschichte der Schwarzwälder Industrie 1874, S. 104.
2).
Siehe Herrgott, dipl. Habsb., Bd. I, S. 210.
1).
Vergl. Arnold Münch, Die Erzgruben und Hammerwerke im Frickthal
und am Oberrhein. Aarau 1893.
2).
„Die Erzgruben ze Wil gen Wülfiswilr genant, im Banne ob dem Frick-
thal“, heiſst es in einer Urkunde vom 29. Jan. 1411.
1).
Siehe Mone, a. a. O., S. 408.
1).
Nach dem damaligen Werte des Guldens etwa 1055 Mark.
2).
Der Verleihungsbrief befindet sich in Karlsruh und ist abgedruckt in dem
angeführten Aufsatze von Mone.
3).
1 Plappart = 5½ Kr. = 16 Pf.
4).
Siehe Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. XI, S. 438.
5).
Ebend. Bd. XII, S. 370.
1).
Siehe Trenkle, a. a. O., S. 129.
1).
Siehe Mone, a. a. O., S. 394.
1).
1 Gulden = 15 Batzen = 60 Kreuzer = 1,714 Mk.
1).
Mohr, Codex dipl. von Graubünden, Bd. I, S. 286.
2).
Siehe P. Plattner, Geschichte des Bergbaus der östlichen Schweiz, S. 13.
3).
Siehe Plattner, a. a. O., S. 16.
1).
Siehe Mone, Zeitschrift für den Oberrhein, Bd. IV, S. 399.
2).
= 60 Pfund.
1).
Siehe Mone, a. a. O., Bd. XII, S. 411.
2).
Tradit. Witzenb., p. 279.
3).
Siehe Dr. A. Gurlt, Bergbau und Hüttenkunde, S. 128.
1).
Vergl. Mone, a. a. O., Bd. XII, S. 314 etc.
1).
Abgedruckt in Corpus constitutionum Naſsovicarum. Sammlung der Ge-
setze der nassauischen Lande Ottonischer Linie, Dillenburg 1796, nach der alten
Abschrift auf Pergament.
1).
Siehe Corp. const. Nassov., S. 77 etc.
1).
Siehe Corp. const. Nassov., S. 97 etc.
1).
1 Räder-Gulden = 12 Batzen = 24 Albus = 288 Heller. 1 Thaler =
31 Albus. Nehmen wir an, daſs der Räder-Gulden im Siegerland denselben Silber-
wert hatte, wie ein Marien-Gulden am Harze, so war 1 fl. = 2,60 Mk., 1 Thlr.
= 3,36 Mk. und 1 alb. = 0,1083 Mk.
1).
Siehe Becher, Mineralog. Beschreib. der Nass. oran. Lande, S. 521.
2).
Siehe Becher, a. a. O., S. 525.
1).
Einige Schmiede sollen auch sechs Fuder oder drei Wagen Kohlen dazu
nötig gehabt haben.
1).
Vorhanden im Staatsarchiv zu Münster unter den Siegener Akten, Zunft-
sachen 1a. Ferner finden sich daselbst Nachrichten über Zunftsachen des Stahl-
schmiedehandwerks von 1549, 1563 und 1568 unter D. Eisen und Stahl 1.
1).
Siehe Corp. const. Nass., S. 102.
1).
Siehe Becher, a. a. O., S. 533.
1).
Siehe Corpus const. Nassov., S. 179.
1).
Siehe Nachrichten von den Haubergen im Fürstentum Nassau-Siegen von
Schenk in Schlettweins Archiv, Bd. III, S. 420.
1).
Arnoldi, a. a. O., Bd. III, 2. Abtl., S. 5.
1).
Akten darüber im Staatsarchiv in Münster.
1).
Die betreffende Verordnung findet sich im Staatsarchiv zu Münster.
2).
„Hicke“ = Zigeuner, weil im freien Grunde von Burbach sich früher
Zigeuner wohl als Schmiede angesiedelt haben sollen.
1).
Aus den Privatakten des Oberberghauptmanns A. Achenbach in Claus-
thal; abgedruckt in A. Ribbentrop, Beschreibung des Bergreviers Daaden-
Kirchen 1882, S. 73 etc.
1).
Siehe L. W. Cramer, Vollständige Beschreibung des Berg-, Hütten- und
Hammerwesens in den Nassau-Usingischen Landen, Bd. I, S. 1. Sayn-Altenkirchen.
2).
Abgedruckt bei Cramer, a. a. O., Beilage I.
3).
Moll = Ortsbezeichnung für Maulwurf.
4).
Cramer, a. a. O., S. 90.
1).
Siehe Becher, a. a. O., S. 266.
2).
1 Gulden = 12 Turnos = 24 Schillinge (Albus) oder Weiſspfennige,
1 Turnos = 18 Pfennige = 24 Heller.
3).
Siehe Becher, a. a. O., S. 295.
1).
Vergl. Arnoldi, Geschichte der Oranien-Nassauischen Länder 1816, Bd. III,
2. Abt. S. 2.
1).
Arnoldi, a. a. O., Bd. III, 2. Abteil., S. 74.
1).
Siehe Becker, Geschichte des Bergbaus und des Bergrechts in Weil-
münster, Zeitschrift für Bergrecht, Bd. XVIII, S. 4 und Anlage XXIII.
1).
Siehe Becker, a. a. O. S. 471.
1).
Siehe Vogel, Beschreibung des Herzogtums Nassau, S. 405.
2).
Siehe Vogel, a. a. O., S. 406.
3).
Vergl. Arnoldi, a. a. O.
1).
Mosch, a. a. O., Bd. I, S. 279.
1).
Siehe L. Bickell, Die Eisenhütten des Klosters Haina.
1).
Siehe Bickell, a. a. O., S. 3.
2).
Ebend. S. 15.
1).
Siehe Bickell, a. a. O., Anlage IV.
1).
Siehe Bickell, a. a. O., S. 5.
1).
Siehe Bickell, a. a. O., S. 8.
1).
In Chattis vero Valdungia lapide ferrario abundat, sagt Agricola (de
vet. et nov. met. II).
1).
Klipstein, Mineralogischer Briefwechsel Bd. II, S. 93.
1).
Siehe Wenk, Hessische Geschichte, Bd. V, S. 680.
2).
Siehe Cancrims Beschreibung der Bergwerke in Hessen 1767, S. 43.
1).
Siehe Fulda, Über den Schmalkaldener Bergbau, S. 9.
1).
Schannat, Trad. Fuld. p. 285 und 99.
2).
Joh. Just. Winkelmann, Beschreibung der Fürstentümer Hessen und
Hersfeld, VI Teile. Bremen 1697, fol. — Teil II, S. 295.
3).
Siehe Dürre, Die Anlage und der Betrieb der Eisenhütten, Bd. I, S. 71.
1).
Siehe Quantz, Praktische Abhandlung über die Eisen- und Stahlmani-
pulation in der Herrschaft Schmalkalden, S. 9.
2).
Siehe J. R. Häfner, Die sechs Kantone der vormaligen Herrschaft Schmal-
kalden 1808, Bd. II, S. 34 und Beilage 10 und 11.
1).
Mosch, a. a. O., S. 268.
2).
Siehe Häfner, a. a. O., Bd. II, S. 39.
1).
Siehe Weinrich, Pentas. S. 431 und Häfner, a. a. O., Bd. III, S. 61.
2).
Häfner, Geschichte der Herrschaft Schmalkalden, Bd. III, S. 62.
3).
Siehe Bickell, a. a. O., S. 6.
1).
Siehe historisch-statistische Beschreibung der Grafschaft Henneberg-Hilde-
burghausen 1799, S. 206.
2).
J. A. Anschütz, Kurze Geschichte der Stadt Suhl 1796.
1).
Siehe kurze Geschichte des Fabrikorts Ruhla im Journal für Fabriken,
Bd. XIV, S. 329 etc.
2).
Siehe Bruckmann, Magnalia Dei. I, 185. Zeitfuchs, Stolb. Hist.,
S. 131. Gmelin, a. a. O., S. 148.
1).
Leibnitius Script. R. Brunsw. II, p. 49. Calvör, Hist. Nachrichten von
den unter- und oberharzischen Bergwerken, S. 47, §. 47.
2).
Siehe Zeitschrift des Harzvereins, Bd. III, S. 63 und Bd. XIV, S. 6.
3).
Siehe J. Chr. Stübner, Denkwürdigkeiten des Fürstentums Blankenburg
und des Stiftes Walkenried. Wernigerode 1790. Bd. II, S. 303.
1).
Siehe Dr. H. Wedding, Beiträge zur Geschichte des Eisenhüttenwesens
im Harz. Zeitschrift des Harzvereins, Bd. XIV, S. 4.
2).
Abgedruckt bei Delius, Bruchstücke zur Geschichte des Amtes Elbinge-
rode. Weimar 1813, Abt. II, S. 2 u. 7.
3).
Siehe Max. Grubenhagen, Bd. II, S. 80.
4).
Siehe Stübner, a. a. O., S. 309.
5).
Siehe Zeitschrift des Harzvereins, Bd. III (1870), S. 53 bis 56, 63.
1).
Siehe Jacobs, die Hüttenwerke zu Ilsenburg. Zeitschr. des Harzvereins,
Bd. XIII, S. 253 und Bd. III, S. 53 bis 56, 63.
2).
Ilsenb. Urkdb., Bd. I, Nr. 299.
3).
Ilsenb. Urkdb., Bd. II. Nr. 375, 441.
4).
Siehe Jacobs, a. a. O., S. 254, und 1477 einer Casa inferior: Ilsenb.
Urkdb., Bd. III, Nr. 379.
5).
Diese Mitteilungen verdanke ich Herrn Archivrat Dr. Jacobs zu Wer-
nigerode.
1).
Nach einer späteren Rechnung von 1504/5 waren 9 alte Schock Groschen
= 3 fl. 5 g. nach damaligem Werte = 8,45 Mark.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 11.
1).
„Einundzwanzig groschen vor eynen guldenn gerechnet“ zu zahlen in drei
Terminen in Joachimsthalern, jedes Stück zu 25 groschen (Delius).
2).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 13.
1).
von der Heidt und Meinhard sind westfälische Namen, von der Heidt
ein bergischer, Meinhard ein siegenscher.
2).
Siehe Tölle und Gärtner, Eisenhüttenmagazin 1792: Alte Eisenwerke
im Fürstentum Blankenburg, S. 88 etc.
1).
Siehe Tölle und Gärtner, a. a. O., S. 92.
1).
Siehe Jacobs, die Hüttenwerke zu Ilsenburg, Zeitschrift des Harzvereins,
Bd. XIII, S. 256.
2).
Siehe Stübner, a. a. O., S. 310.
1).
Siehe Zeitschrift des Harzvereins, 1869, S. 95.
2).
Siehe Osthaus, Zeitschrift für Bergrecht, Bd. XII, S. 50.
1).
Siehe die Kunstgieſserei in Eisen von E. Schott, 1873, S. 1.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 14.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 6, nach einer Mitteilung Dr. Heinemanns.
2).
Siehe Jacobs, Zeitschrift des Harzvereins, Bd. III, S. 373.
1).
Hardanus Hacke, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Prediger
der Bergstadt Wildemann, schrieb eine „Historia“ von denen im Fürstentum
Braunschweig am Harze belegenen Bergwerken, welche mit dem Jahre 1583 en-
digt und von der Calvör eine Abschrift besaſs.
1).
Nach Hardanus Hacke.
2).
Siehe Wagner, corpus jur. met., p. 1042.
3).
Siehe Meyer, Versuch einer Bergwerksverfassung des Harzes im Mittel-
alter.
4).
Siehe Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Bd. II,
S. 393.
5).
Siehe Calvör, a. a. O., c. I. Anhang, Nr. IV, und Meyer, a. a. O., S. 108.
1).
Der betreffende Brief ist im Auftrage des Herzogs von einem Joh. Horn-
brock
von Halle geschrieben und abgedruckt in F. A. Schmidt „Bermanus“,
S. 13, Anmerk.
2).
Nach Gmelin, 1550 nach Heinemann.
3).
Siehe Leben des Herzogs Julius von Braunschweig und Lüneburg von
Franz Algermann, Landesfiscal dieses Fürsten ed. F. K. von Strombeck.
1).
Siehe E. Bodemann, die Volkswirtschaft des Herzogs Julius von Braun-
schweig in Dr. J. H. Müllers Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte. Neue
Folge, I. Jahrgang, Hannover 1872, S. 197 etc.
1).
Siehe Heinemann, a. a. O., S. 415.
1).
Hardanus Hacke in seiner zu Wildemann auf Herzog Julius gehaltenen
Leichenpredigt.
1).
Vergl. das ausführliche Verzeichnis von Blei-, Messing- u. s. w. Waren
bei Sack, Herzog Julius als Fabrikant und Kaufmann. Zeitschr. des Harzvereins,
1870, Bd. III, S. 316 etc.
2).
Siehe Heinemann, a. a. O., S. 418.
1).
Siehe E. Bodemann, a. a. O., S. 204.
1).
Siehe Algermann, a. a. O., S. 208, Anmerk.
2).
Mskr. 14, 21; siehe Braunschweigisches Magazin, 1822, St. 32 u. 33. Nach
Dr. Zimmermann’s Mitteilung ist aber die oben angegebene Nummer falsch, sie
muſs heiſsen 14, 22. Aug. 4°.
3).
In dem erwähnten Manuskriptenbande 14., 22. Aug. 4°, befinden sich nach
Mitteilung des Herrn Dr. Zimmermann eine ganze Reihe auf die Verwendung
der Steinkohlen bezügliche Aktenstücke, welche von technisch-historischem Inter-
esse sind. Folgende dürften die wichtigsten sein:
  • 1. Auszugk, wie viel Steinkohlen von auno 1581 bis 1583 eingekaufft und
    der Kalkbrenner verbrannt hat.
  • 2. Extrakt aus des Ober-Zehendtners Schreiben wegen der Steinkohlen-
    bergwerke. 24. Oktbr. 1583.
  • 3. Vierteljährlicher Gewinn der Steinkohlen zu Hohenbüchen.
  • 4. Bericht des Kalkbrennermeisters über den Verbrauch von Steinkohlen in
    den neuen Ziegelöfen. 2. Nov. 1583.
  • 5. Was Weise und Form der Kalk zu Kassel mit Steinkohlen gebrannt
    wird. 18. Jan. 1580. Mit getuschten Zeichnungen.
  • 10. Vermischte Steinkohlen mit ihrer Vorsetzung von  Ihrer fürstlichen
    Gnaden selber erfunden. 1584.
  • 13. Bildliche Darstellung, wie man mit Steinkohlen gebrannten Kalk löscht.
  • 14. Bericht an das Oberbergamt über die hohenbüchenschen Steinkohlen.
    15. Oktbr. 1584.
1).
Siehe Calvör, a. a. O, Bd. II, S. 161.
1).
Siehe Calvör, a. a. O., S. 238.
2).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 9. Auch bei Altenau bestand damals schon
eine Eisenhütte.
1).
Vergl. Dr. H. Wedding, Beiträge zur Geschichte des Eisenhüttenwesens
im Harze in der Zeitschrift des Harzvereins, Bd. XIV, S. 10.
1).
Siehe Heinemann, a. a. O., S. 417.
2).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 11, Anmerk. 2.
1).
Vergl. Sack, Herzog Julius, in der Zeitschrift des Harzvereins, Bd. III,
S. 313.
1).
Algermann, a. a. O.
2).
Sack, a. a. O., S. 322.
1).
Das Original befindet sich im Archiv zu Wolfenbüttel und ist vom Ver-
fasser mitgeteilt in dem Aufsatze: Herzog Julius von Braunschweig und die Eisen-
industrie am Oberharze im XXII. Bande der Zeitschrift des Harzvereins für Ge-
schichte und Altertumskunde, 1890.
1).
Siehe Wagner’s corpus juris metallici, p. 1067.
2).
Siehe Calvör, Historische Nachrichten von den unter- und oberharzigen
Bergwerken 1765, S. 229.
1).
Calvör, Maschinenwesen des Oberharzes, Bd. II, S. 212.
1).
Ein Fuder Eisenstein wog 12 bis 18 Centner.
1).
De vet. et nov. metallis, Lib. II, siehe oben S. 317.
1).
Seibertz, Quellen der Westfäl. Geschichte, Bd. II, S. 70.
2).
Seibertz, Westfäl. Urkunden, Buch II, Nr. 2.
3).
Seibertz, Quellen der Westfäl. Geschichte, Bd. II, S. 85.
1).
Cancrinus, a. a. O. S. 43.
2).
Siehe Hocker, Die Groſsindustrie Rheinlands und Westfalens, S. 170.
3).
Siehe Eversmann, Eisen- und Stahlerzeugung in den Ländern zwischen
Lahn und Lippe, 1804, S. 258.
1).
Blumhof, Encyclopädie der Eisenhüttenkunde, Bd. III, S. 401.
1).
Siehe Jacobi, das Berg-, Hütten- und Gewerbewesen des Regierungs-
bezirkes Arnsberg, S. 405, Anmerk.
2).
Agricola, de ret. et nov. met., Lib. II.
1).
Besonders bei Lüdenscheid und Rade an der Volme.
1).
Siehe E. Buff, Beschreibung des Bergreviers Deutz. Bonn 1882, S. 29.
2).
Siehe Bd. I, S. 848.
3).
Wir lassen dieses älteste Privileg im Wortlaut hier folgen:
Privilegien vom Jahre 1401.
Wir Wilhelm von Gulich von Gottes Gnaden Herzog von dem Berge, Graue
von Rauensberg Ind Herr zu Blackenberg, tuen Kundt etc. … dat wir Urloff
gauen … unsern Luiden, da da geheischen sind Herdere und Schleifere der
Schwerde Baseler Ind andere Mezer
, dat die vnder sich eine Broder-
schaft haben mögen zu den ewigen Tagen, vnd sollen vnder sich haven, Kieſsen
Ind haven vier Mann, da da geheischen vnd sein sollen, Rathluide, Ind wir
sollen Inne geuen, und setzen einen Richter, der da sy von Ihrem Ampte
und Ihrer Broderschaft
, in solcher Wyſs Ind vurwand alſs herna geschreuen
volgt, dat is zu verstan, so wat die vier Rathluide da alsus gekoren seint, von
derselben Broderschafft sezend vnd faſsent mit den meisten part vnd Parteyen der
Brodere dat alle die andere Bröder dat Stede Halden sollen, Ind weret Sache,
dat de vier Rathluide niet eindrachtig werden konnten; so soll der Richter, den
wir Inen gegeuen haven, hat sezen en faiſsen als eine dunkt, dat der Broderschaft
nüzlich Ind behöefflich sy, Ind dese Stadtluite Ind Richter sull en Jahr bleyuen,
vnd nit langer vnd alsus sy Rathluide kieſsen zu Irem Willen, alle Jahr zu den
ewigen Tagen, vnd wir sollen Inne einen Richter geuen, also es vurstl. is. —
Vort sollen geine Manne von der Broderschaft anders Jemandt dat
Werk und dat Ambacht (Handwerk) lehren, dan Ihren Ehelichen
Sohnen
, auch en Fall Niemandt dat Werk anvain (anfangen) zu thun, he en
heue zu Erst de Broderschaft gewonnen, na vyſs wisunge dies Bryffs, vnd so welche
vnser Brodere her weder dede, der soll uns zwo Mark Colsch Pagemenz (Zahlung)
geuen, und der Broderschaft eine, — vort wan einige Broder der vurstl. Broder-
schaft aflirung (abständig) wirt Ind Eheliche Sohne na inne lieſs de Ihres Vaters
Ambacht nit en konnen, de sollen Ihre näste Maigen (nächste Verwandte), dat
1).
Siehe R. Cronau, Geschichte der Solinger Klingenindustrie, S. 16.
3).
Ambacht offe Werk leren, as nere as dat von den an Ihn gesonnen wirt, vort so
mag jeglich Mann de da bey der Herd Ind Schleiffen kan, de vürstl. Broderschaft
winnen, vmb eiehzehen Rheinische Gulden off zwanzig Weiſspfennige vor
jeglichen Gulden, von welchen eiehzehen Gulden wir hauen sollen zwelff Gulden
und die Broder sechs Gulden (vyſs gescheiden doch Eheliche Sohne der Brodere
de in der Broderschaft synt de Broderschaft nit winnen en dorffen noch en sollen,
want sy dazu gebohren sint, doch sollen sy Ihre Ambacht lehren vnder des
Meisters Gebähr und aſs der Rath rieth) — vort solten die Rathluide dat Werk
off Ambacht dat de Schmede off Schmedebroder machen vnder de Broder geleich
theilen, op Ihren Eidt und Bescheidenheit, vort en sall geen Man, der in dieser
Broderschaft is, sprecken vor vnsern Richter den wir alsus gesaet heven in dem
Gerichte sondern vrloff unsres Richters. Ind wer darweder dede, de sall uns ge-
brucks (verbrochen) haven Ind geuen vns vier Schillinge vnd den Broderen zween
Schillinge Collsch Pagemenz.
1).
Dr. O. v. Mühlmann, Statistik des Regierungsbezirks Düsseldorf, Bd. I,
S. 445 sagt: „Remscheid hatte schon vor 1580 Eisenhütten, worin das Roheisen
mit der Hand zu Stäben verarbeitet wurde und der Bedarf für Solingen geliefert
wurde.“ Hier kann es sich nicht um Hochöfen, sondern nur um Frischhütten
handeln.
1).
Siehe oben, S. 412 etc.
1).
Siehe Bd. I, S. 948.
2).
Siehe Mosch, a. a. O., Bd. I, S. 278.
1).
Nach dem Verfasser durch das Oberbergamt in Bonn gütigst übermittelten
Mitteilungen des Herrn Direktors Schröder von Jünkerath.
2).
Siehe Bd. I, S. 776 und Schannat, Eiflia illustrata ed. G. Bärsch,
Bd. III, S. 591.
3).
Siehe Schannat, a. a. O., Bd. III, S. 37.
1).
Siehe Schannat, a. a. O., S. 49.
1).
Siehe A. Haſslacher, Das Industriegebiet an der Saar. — Saarbrücken,
1879, S. 35.
1).
Fabricius meldet: Ferream massam recremento similem ex aere deci-
disse in sylvis Neuhofianis prope Grimam; sunt qui affirmant, eamque massam
multorum pondo fuisse, narrant: adeo ut in locum illum nec deportari propter
gravitatem, nec curru adduci propter loca invia potuerit. Factum est autem ante
bellum civile Saxonicum, quod inter Duces agnatos gestum est.
2).
Siehe Hasse, Anmerkung zu Hassenfratz, Siderotechnie, Bd. I,
S. 181.
3).
Bes. die Herzöge Georg, Heinrich, Moritz und August 1538, 1544, 1548,
1564, 1576 und 1583.
1).
Siehe Joh. Falke, Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen, S. 10.
2).
Siehe Falke, a. a. O., S. 129.
1).
In der über das Amt Krottendorf am 3. Juni 1559 abgeschlossenen Ver-
kaufsurkunde geschieht des Obermitweidaer Hammers und mehrerer Hammerwerke
Erwähnung. (Dietrich und Weber, Geschichte des Bergbaues im Erzgebirge,
1822.)
1).
Siehe Falke, a. a. O., S. 186.
1).
Eisen- und Hammerordnung Kurfürst Augusts zu Sachsen vor die Hammer-
meister in Gieſshübel, den 23. April 1583.
1).
Siehe Codex Augusteus, Bd. II, S. 167.
1).
Es waren dies die Städte: Altenberg, Glashütte, Radeberg, Stolpen, Hayn,
Meiſsen, Strehla, Mühlberg, Bilgern, Torgau, Lommatzsch, Döbeln, Mitweida, Leiſs-
nitz, Kaltitz, Frauenstein, Oschatz, Dippoldiswalde, Wilsdrufa und Wittenberg.
2).
Siehe Codex August., Bd. II, S. 227.
1).
Siehe Mosch, a. a. O., Bd. I, S. 63.
2).
Siehe Mosch, a. a. O., Bd. I, S. 82.
3).
Nach Worbs.
1).
Siehe Cramer, Beiträge zur Geschichte des Bergbaues in der Provinz
Brandenburg, 1872 bis 1885, Bd. V, S. 159.
2).
Siehe Nicolai Henelii ab Hennefeld „Silesiographia renovata“. War-
schau 1704, Cap. III, S. 349.
1).
Siehe Cramer, a. a. O., Bd. V, S. 156 etc.
2).
Siehe Cramer, a. a. O., Bd. V, S. 165.
3).
Siehe Verleihungsurkunde, abgedruckt in Cramer, a. a. O., Bd. V, S. 355.
1).
Artilleriae peritissimus fuit, nam non tantum formas tormentorum belli-
corum statuere, sed et fusa tormenta ipse probare solitus est. — Lange, de statu
princip. Märkische Forschungen, Bd. XIII, S. 442.
1).
Siehe Bd. I, S. 912.
2).
3. Auflage von 1841, Bd. I, S. 98.
1).
J. Franquoys Schrift: Des Progrès de la Fabrication du fer dans le
pays de Liège 1861, ist zwar von der Société libre d’émulation de Liège preis-
gekrönt worden, wimmelt aber von Fehlern und Widersprüchen.
1).
Siehe Lappenberg, Urkundl. Geschichte des deutschen Stahlhofs. Ham-
burg 1851, S. 35 etc.
1).
In seinen Mémoires sur l’histoire de Louis XI., 1524. Deutsch Frankfurt
1643, S. 161.
2).
Siehe D. A. Gurlt, die Bergbau- und Hüttenkunde, eine gedrängte Dar-
stellung der geschichtlichen und kunstmäſsigen Entwickelung des Bergbaues und
Hüttenwesens. 2. Aufl., Essen 1879, S. 128. Der Verfasser hat augenscheinlich
seine Behauptungen der erwähnten Schrift Franquoys entnommen, aber ohne
Sorgfalt, denn die „35 Hochöfen“ in Namür, welche Karl der Kühne 1460 zerstört
haben soll, erwähnt Franquoy erst 1585 (l. c. S. 39). Gurlt übertrifft in seinem
Bestreben, die Erfindung des Ofengusses möglichst weit zurück zu datieren, noch
den belgischen Patrioten Franquoy. Nach Gurlt sind die Hochöfen Ende des
13. Jahrhunderts im Elsaſs entstanden.
1).
Siehe Franquoy, a. a. O., S. 39. Gurlt giebt hierfür das Jahr 1460,
Jeans in Iron and Steel, S. 265, das Jahr 1560 an; letztere Zahl findet sich auch
in Kerpelys Fortschritten des Berg- und Hüttenwesens, 1875, S. 2.
2).
Siehe Botero, Erdbeschreibung, deutsch 1596, S. 77.
1).
Magnalia Dei, II, 2 f. und ferner: Celebratur civitas Namuricum ob
ferri praestantissimi copiam, cujus metalli in Arduenna silva, quae hic proxime
ad alteram Mosae fluminis ripam est, officinas multas habet.
1).
Siehe Koch in der Zeitschrift für Bergrecht, Bd. XIII, S. 454.
1).
Siehe Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Bd. I, S. 423.
2).
Siehe Biringuccio, Pyrotechnia, Libr. I, Kap. VI, S. 45.
1).
Siehe Percy-Wedding, a. a. O., Bd. I, S. 423.
1).
Siehe Annales des mines, 4. Ser., Bd. I, S. 613.
1).
Plinius, Hist. nat., XXXIV, 43; siehe Bd. I, S. 505.
2).
Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Bd. I, S. 96.
3).
Wir werden an einer späteren Stelle Gelegenheit haben, ausführlicher über
das Erzvorkommen von Sommorostro zu berichten.
1).
Siehe denselben in Justi, Schauplatz, Bd. III, S. 36.
1).
Siehe Karsten, a. a. O., Bd. I, S. 74. — Percy-Wedding, a. a. O.,
Bd. I, S. 389. — v. Kloeden, Handbuch der Erdkunde, Bd. III, Frankreich etc.
1).
Siehe Karsten, a. a. O., Bd. IV, S. 126 (§. 916).
2).
Siehe Annales des arts et manuf., 1808, XXIX, p. 16.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 392.
2).
Siehe Journ. des mines, 1812, No. 191, p. 394.
1).
Cptes. de Louis de la Tremouille en Italie. Rev. de soc. sav. ser. 6,
tom. IV, p. 180. — Gay, glossaire archéologique.
1).
Chartrier de Touars, Rev. de soc. sav. ser. 6, tom. VIII, p. 102. —
Siehe über weitere Rechnungen Gay, glossaire arch., p. 66 etc.
2).
Siehe Gaullieur, L’armurerie Milan, à Bordeaux. Rev. d’Antiq t. XII,
p. 26.
1).
Ordonn. des rois, t. XX, p. 156 et suiv.
1).
Siehe Jaens, a. a. O., S. 840.
1).
Nach Jeans (Steel) wäre die Zunft der Messerschmiede in Sheffield erst
1648 incorporiert worden.
1).
Siehe Dillon, Reise durch Spanien, 1782, Bd. I, S. 162.
1).
Siehe A letter of Sir Henry Lee, 1590, on the trial of Iron for Ar-
mour by H. A. Dillon in „Archaeologica“, 2. Ser., Vol. I, London 1888.
1).
Über weitere Preise vergl. Archaeologica, Bd. LI, S. 256.
1).
Siehe Arms and armour at Westminster, the Tower and Greenwich 1547
by H. A. Dillon, Archaeologica, Bd LI, S. 219.
1).
Siehe Smiles, Industrial Biographies, Bd. I, S. 33.
2).
Siehe Edingburgh Philos. Journ. VII, No. 14, p. 197 etc.
1).
Siehe Anderson, History of commerce, Bd. II, S. 90.
1).
Siehe Lardner, a. a. O., Bd. II. S. 329.
2).
Siehe Mining and Smelting Magazine, Vol. IV, No. 23, Nov. 1863.
1).
A letter of Sir Henry Lee on the trial of iron for armour by H. A. Dil-
lon
, in Archaeologica, 2 series, vol. I, London 1888.
1).
Meyer, Eisenhüttenwesen in Schweden, S. 6.
2).
Joh. Carl Garney’s Abhandlung vom Bau und Betrieb der Hochöfen
in Schweden. Deutsch von Blumhof, Freiberg 1800.
1).
Vergl. Dr. M. Meyer, Beiträge zur Kenntnis des Eisenhüttenwesens in
Schweden. Berlin 1829, S. 8.
1).
Siehe A. Winckler, die deutsche Hansa in Ruſsland, 1886, S. 54.
1).
Siehe Karasmin, Geschichte des Russischen Reiches VIII, S. 70, 71.
1).
Der vollständige Titel lautet: Abbildung der gemein-nützlichen Haupt-
Stände
. Von denen Regenten und ihren so in Friedens- als Kriegs-Zeiten zu-
geordneten Bedienten an, biſs auf alle Künstler und Handwerker nach jedes
Ambts- und Beruffs-Verrichtungen, meist nach dem Leben gezeichnet und in
Kupfer gebracht, auch nach dero Ursprung, Nutzbar- und Denkwürdigkeiten, kurtz,
doch gründlich beschrieben und ganz neu an den Tag geleget von Christoff
Weigel
, in Regensburg gedruckt im Jahre Christi, 1698. Das Buch enthält
210 Kupferstiche mit zugehörigem Text.
1).
Der vollständige Titel lautet: La fidelle ouverture de l’art de Serrurier
ou sont d’abord les principaux préceptes, desseings, et figures touchant les
experiences et operations manuelles du dict art. — Ensemble un petit traicté de
diverses trempes.
Le tout faict et composé par Mathurin Jovsse de la Fleche. — A la Fleche
chez Georges Griveav Imprissevr ordinaire dv Roy 1627, Avec privilege dv Roy.
1).
Vergl. Th. Beck, Civilingenieur, Bd. 39, Heft 4.
1).
Ein mechanisches Spielwerk. Er machte übrigens zwei dergleichen, das
eine kam nach Dänemark, das andere nach Florenz.
1).
Siehe Th. Beck, Civilingenieur XXXVIII. Heft 6.
2).
Der Text dazu lautet: Ex quâlibet figura optima principia et fundamenta
deduci possunt, quae inserviunt in opportunitate. Figura effecta est ad tundendum
materias pro faciendo pulvere, sed cum admirabile motore, qui nihil aliud est,
quam caput metallici cum suo trunco, aquâ pleno, per foramen, posito supra
1).
Zur Bewegung von Bratenwendern hat man dieselbe Idee in Paris benutzt.
2).
accensos carbones in foco, ut non possit in alium locum exspirare quam in os d,
ita violentum spiritum emittit, ut versus rotam etc.
1).
A Century of the Names and Scantlings of such Inventions as at present
I can call to mind.
2).
Die eine Stelle lautet wörtlich: „Diese wunderbare Methode, die ich vor-
schlage, um Wasser durch die Kraft des Feuers zu heben, ist ohne Grenzen, wenn
nur die Gefäſse stark genug sind; denn ich habe eine Kanone genommen und
deren Mündung und Zündloch hermetisch verschlossen, nachdem ich sie vorher
zu dreiviertel mit Wasser gefüllt hatte, diese habe ich 24 Stunden lang dem
Feuer ausgesetzt, worauf sie mit einem heftigen Knall zerplazte. Nachdem ich
später ein Mittel entdeckt hatte, die Gefäſse inwendig zu verstärken, und indem
ich sie so miteinander verband, daſs sie wechselsweise arbeiteten, habe ich einen
kontinuierlichen Wasserstrahl von über 40 Fuſs Höhe erzielt. Die Person, welche
die Operation leitete, hatte dabei nichts zu thun, als die Hähne zu drehen, derart,
daſs, wenn das Wasser des einen Gefäſses nahezu entleert war, das des anderen
zu steigen begann, während man das erste wieder mit kaltem Wasser füllte und
so fort.“
1).
Dr. Ernst Gerland, Leibnizens und Huygens Briefwechsel mit
Papin, nebst der Biographie Papins. Berlin 1881.
1).
Siehe Hugeni Opera varia. I. 280.
1).
Smiles sagt sehr richtig: Papin, obgleich fruchtbar an Ideen, arbeitete
unter dem groſsen Nachteil, daſs er kein Mechaniker war. Bei neuen, noch un-
erprobten Maschinen kann man sich nicht auf die Augen und Hände anderer ver-
lassen. Augen und Hände, die nicht in kunstfertiger Arbeit durch Erfahrung
geübt und vom richtigen Verständnis geleitet werden, sind nur von verhältnis-
mäſsig geringem Wert. Die Chancen des Erfolges sind weit gröſser, wenn Ver-
stand, Augen und Hände derselben Person angehören.
2).
Siehe Gerland, a. a. O., S. 68.
1).
Allerdings trat bei Papins Konstruktion zum ersten Mal die Luft oder
das Wasser an der Achse ein.
1).
Ars nova ad aquam ignis adminiculo efficacissime elevandam auctore
Dionysio Papin, Med. Doct. Mathes. Profess. Publ. Marburgensi, Consulario
Haſsiaco etc. in Kassel und Frankfurt in französischer und lateinischer Sprache
gedruckt.
2).
Die Idee, Schiffe mit Schaufelrädern statt mit Rudern zu bewegen, hatte
Savery schon früher gehabt und 1696 ein Patent darauf genommen. 1698 hatte
er seine Erfindung beschrieben und veröffentlicht in einer Schrift: Navigation
improved or the art of rowing ships of all rates in calms etc.
1).
The Miner’s Friend or an engine to raise water by fire by Tho. Savery,
Gent, gedruckt 1702, neu gedruckt durch das Patentamt 1858.
1).
Siehe Gerland, a. a. O., S. 99. Die punktierten Linien Z Z W n beziehen
sich auf einen Verbesserungsvorschlag von Leibniz.
2).
Der Verschluſs ist in der Zeichnung weggelassen.
1).
Poppe, Geschichte der Technologie, II, S. 389.
2).
  • Schlüter, Unterricht an Hüttenwerken, 1738, S. 51.
  • H. Calvör, Beschreibung des Maschinenwesens auf dem Oberharz, 1763,
    Bd. II, fol. 162.
  • Mémoires sur l’art de fabriquer le fer par Grignon, 1775.
  • Traite de la fonte des mines par le feu du charbon de terre par de
    Genssane, 1770, Vol. I, p. 96.
  • Tölle und Gärtner, Eisenhüttenmagazin, zweiter Jahrgang, 1792,
    S. 195, 365.
  • Rinman, Bergwerks-Lexikon, T. I, p. 351 bis 357, Tab. IX.
  • Garney, Abhandlung vom Bau- und Betrieb der Hochöfen in Schweden,
    Bd. II, S. 237, Tab. XIII.
  • Krünitz, Encyklopädie, Art. Blasebälge.
  • Poppe, Encyklopädie des gesamten Maschinenwesens, T. I, Art. Blasebälge.
  • Mémoires de l’acad. de Paris, 1728, p. 108, 1729, p. 92, 1733, p. 90.
  • Mémoires de la Soc. de Nancy, T. II, S. 285.
1).
Siehe Doppelmayer, a. a. O., S. 291.
2).
Köln, 40, 1669. Neue Auflage. Hamburg, 1725, 40, p. 67.
2).
  • Tiemann, Eisenhüttenkunde, S. 295.
  • Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, I. 319 bis 330.
  • Poppe, Geschichte der Technologie, II, S. 389.
  • Blumhof, Encyklopädie der Eisenhüttenkunde, II, S. 224 bis 232 und
    Tab. XIV, Fig. 1 bis 3.
  • Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde, dritte Auflage, Bd. II,
    S. 495 bis 509, Tab. VI, 10 bis 15.
  • Scherer, Eisenhüttenkunde, I, S. 410.
1).
Schlüter, Unterricht von Hüttenwerken, 1738, S. 51.
2).
Tiemann bezeichnet diesen L. Pfannenschmidt als den Erfinder
derselben.
1).
Pariser Kunsthistorien, II, S. 104. — Reaumur in Justi, Schauplatz der
Künste und Handwerke, II, S. 104.
1).
Siehe Civilingenieur, Bd. 38, Heft 3, 1892.
1).
Von gewaltsamen Bewegungen. Beschreibung etlicher, sowohl nützlicher
als lustiger Maschinen durch Salomon de Caus. Frankfurt bei Alb. Pacquart.
Die Vorrede datiert von 1615.
1).
Siehe Weigel, a. a. O., S. 295.
1).
A new and Compendious forme or Kinde of Engine or Instrument to be put
in vse, driven, and wrought withall by Water or Waterworkes, as well for the
concerning a Quicker and more Apt and Speedy Ways and meanes then theretofore
knowne.... for, in, and about the Cutting and making of Iron into small Barrs
for Rodds to serve for the Making of Nayles.
2).
Swedenborgius de ferro § 27 „Circa Leodium hinc et inde sparsa sunt
opera, quorum ope attenuatur ferrum et in contos minores secatur, praeterquod
tales machinae etiam Germaniae ut et Angliae sunt constructae“.
1).
J. Franquoy, Des progrès de la fabrication du fer dans le pays de
Liége, 1861, S. 39.
1).
Siehe Henning Calvör, historisch-chronologische Nachricht etc. des
Maschinenwesens auf dem Oberharze. Braunschweig, 1763, Tl. II, Kap. I, mit
Anlagen.
1).
Nr. 207. „An Engine for the drawing of both Spanish and Swedish iron
into all sorts of rounds for bolts for shipping and other uses in a much better
and more expedient manner than the same have hitherto been performed by the
smith’s hammer.“
1).
Becher, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea
metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. Becher
hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die
Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.
1).
Le fer est un métal fort poreux, composé de sel vitriolique, de soulfre et
de terre mal liez et digerez ensemble. — On le reduit en acier par le moyen des
cornes ou des ongles d’animaux, avec lesquelles on le stratifie et en suite on le
calcine; ces matiéres contenant beaucoup de sel volatile, qui est Alcali, tuent
les acides du fer qui tenoient ses pores ouverts et le rendent plus compacte.
1).
François, Historique sur le traitement direct du fer dans l’Arriège. Ann.
des Mines, 1837, 3. Ser., XII, 580.
1).
Siehe Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1677/78,
p. 931.
1).
Christoff Weigel, Abbildung der Gemeinnützlichen Haupt-Stände.
Regensburg 1698.
2).
Weigels hübsche Kupfer sind alle, dem Geschmack der Zeit entsprechend,
mit moralisierenden Überschriften und Versen versehen. Im vorliegenden Falle
lautet die Überschrift: Zainhammer. — Vor Gottes Angesicht, taucht grobe Hoffart
nicht. Unter der Vignette steht:
„Des Eisens groſses Stück muſs klein, eh’ es der Wert vergröſsert, werden,
Nicht anders kann der Mensch auff Erden zu Gottes Werkzeug tauglich seyn,
Bis ihn die Demut klein gemacht, dann Stolz wird hier und dort verlacht.“
1).
d. an. 1623. Codex Augusteus II, 845.
1).
Codex Augusteus II, 848.
1).
Nicht 3000, wie in Weigel a. a. O. S. 376 steht.
1).
v. Muchar, Gesch. v. Steiermark VIII, 512.
2).
Plin. Hist. nat., Bd. XXXIV, 48.
3).
De natura fossilium, lib. IX, und lib. I, p. 891.
4).
Siehe Weigel a. a. O., S. 304. Die Werkstätte eines Zinners.
1).
Siehe Karsten a. a. O., Bd. IV, S. 385.
1).
Siehe Codex und Chr. Hertwig, Bergbuch, S. 85.
2).
Siehe Hertwig a. a. O., S. 433.
1).
Bodeneisen war noch einmal so breit und dick als ein Dünnblech, wurde
teils verzinnt, teils schwarz in Fässer zu 600 Blatt geschlagen.
2).
Starke Bleche, wovon 16 bis 32 auf den Zentner gingen; Pfanneisen war
noch stärker.
1).
Näheres über ihre Meisterstücke siehe Weigel a. a. O., S. 382.
1).
Siehe Weigel a. a. O., S. 63, wo sich auch eine gute Abbildung einer
Büchsenmacherwerkstätte findet.
2).
J. Schön, Geschichte der Handfeuerwaffen, S. 56.
3).
Becher, Närrische Weisheit etc., Nr. 22.
1).
Wir verweisen auf Schön a. a. O., S. 64 etc.
1).
Siehe M. Meyer, Handbuch der Geschichte der Feuerwaffen-Technik 1835,
S. 95.
1).
Müntz, Mandat und angefügte Taxordnung des Churfürsten Joh. Georg I.
zu Sachsen vom 31. Juli 1623.
1).
Fr. S. Meyer, Die Schmiedekunst, Fig. 48.
2).
Dr. Karl Lind in den Mitteilungen der Centralkommission, Wien, Bd. VII,
Heft 2.
1).
Derselbe ist abgebildet in G. von Hefner-Alteneck, Eisenwerke oder
Ornamentik der Schmiedekunst des Mittelalters und der Renaissance. Frank-
furt 1862. Taf. 27.
2).
v. Hefner-Alteneck a. a. O. Tab. 50.
1).
Daviler, Cours d’Architecture, qui comprend les ordres de Vignole. Nou-
velle et troisième édition. Amsterdam 1699 (deutsch von Sturm), p. 216. De
1).
l’usage de fer dans les bastimens. Daviler, 1653 zu Paris geboren, zeigte früh
groſses Talent. In seinem zwanzigsten Jahre wurde er von dem König von Frank-
reich nach Rom geschickt, um sich im Zeichnen und Malen auszubilden. Sein Schiff
wurde (1674) von algerischen Korsaren gekapert, er wurde als Sklave verkauft und
muſste 16 Monate als Sklave arbeiten und wurde dann gegen gefangene Türken
ausgetauscht (22. Febr. 1676). Er blieb darauf fünf Jahre in Rom, wo er sich der
Architektur zuwandte. Er wurde kgl. Baumeister in Montpellier. Gest. 1700.
1).
Jousse a. a. O. Kap. III.
2).
Felibien a. a. O. S. 163.
3).
S. Mone, Zeitschrift des Oberrheins, Bd. 12, S. 314 u. f.
1).
Holzsparkunst, Das ist ein solche new, zuvor niemahln gemein noch
am Tag gewesene invention etlicher vnterschiedlicher Kunstöfen, vermittels deren
Gebrauch jedes Jahrs insonderheit vber hundertmahl tausend Gulden, doch vor-
abbrüchlicher Notturfft können erspart werden. — Allen nachfolgenden Freyen
Reichs: auch Chur vnd Fürstlichen Stätten, samt jhren Gemeindten zu sonderem
Nutz vnd Gefallen, beschrieben vnd mit läuterlichen Figuren erkläret Durch
Frantzen Keſslern, Conterfeytern vnd Einwohnern zu Frankfurt am Mayn.
— Gedruckt zu Frankfurt am Mayn, bey Anthoni Humma, — in Verlegung Johann
Theodori de Bry, Buchhändlern und Burgern in Oppenheim, Anno 1618. — Dieses
Buch fand groſsen Beifall und wurde sogar in das Französische übersetzt.
1).
Lemery schrieb in seinem Cours de Chymie 1675: Le fer est un métal
fort poreux, composé de sel vitriolique, de soulfre et de terre mal liez et digerez
ensemble. On le reduit en acier par le moyen des cornes et des ongles d’animaux
avec lesquelles on le stratifie et ensuite on le calcine; ces matières convenant
beaucoup de sel volatile, qui est alcali, tuent les acides de fer, qui tenaient ses
pores ouverts et le rendent plus compacte.
2).
Mathurin Jousse de la Flêche, la fidelle ouverture de l’art de serrurier etc.
La Flêche 1627 p. 142, und Felibien, Princ. de l’architect. p. 194.
1).
Le Play, Sur la fabrication de l’acier en Yorkshire etc. Annales des
Mines, IV. Serie, tome 3, p. 628.
1).
Ferrandi Imperati, Hist. natural, Col. 1695. Lib. XV, 27, p. 499.
Ferrandus Imperatus war nicht der wirkliche Verfasser des berühmten Buches,
sondern Nicolaus Antonius Stelliola, der eben nach der Sitte der Zeit, den
Namen seines Gönners gegen Zahlung von 100 Dukaten als Verfasser auf den
Titel drucken lieſs. Das Buch ist ursprünglich italienisch geschrieben. Die päpst-
liche Censur passierte es 1680, indem es am 21. Juli 1680 die Bescheinigung erhielt,
daſs es frei von Ketzereien sei.
2).
Loc. cit. XV, 28.
3).
Loc. cit. Lib. XVIII, Cap. XVIII, p. 580.
1).
M. Jousse de la Flêche a. a. O. 144 und Felibien a. a. O. S. 148
(Felibien war Secretaire de l’academie des Sciences et Historiographe des Bastimens
du Roy).
2).
Nähere Angaben über diese Stahlsorten folgen in dem Kapitel über Frank-
reich.
1).
So z. B. die Bruderschaftsordnung der Schmiede- und Schlossergesellen zu
Jena vom Jahre 1678 abgedruckt in H. A. Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter,
S. 162.
2).
Vergl. des geöffneten Ritterplatzes IV. Teil 1705, S. 223 und Chr. Weigel,
Abbildung der gemeinnützlichen Hauptstände. Regensburg 1698.
1).
Jousse, l’art des serrurier s. p. 4.
1).
Über das Lehrlingswesen, Meisterrecht u. s. w. vergleiche Ritterplatz IV,
S. 235 u. f.
2).
Weigel a. a. O., S. 388.
3).
Siehe Berlepsch a. a. O., S. 161.
1).
Weigel, Abbildung der gemeinnützlichen Hauptstände etc. 1698, S. 367.
2).
Näheres darüber siehe Siebenkäs, Materialien zur Nürnb. Geschichte.
III, S. 197.
1).
Siehe Siebenkäs, a. a. O.
1).
F. G. Struvii, system. jurisprud. opific.., T. I, p. 376.
1).
Siehe Klostermann, Die Patentgesetzgebung aller Länder 1876, S. 269.
1).
Magnalia Dei, S. 114.
2).
S. Versuch einer Beschreibung der vorzüglichsten Berg- und Hüttenwerke
des Herzogtums Steiermark von Ignaz, Ritter von Pantz und A. Jos. Atzl.
Wien 1814, S. 113.
1).
F. Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges, S. 76.
1).
Siehe Münichsdorfer a. a. O., S. 79 und Anfang Urkunde XII, wo der
Originaltext des Vergleiches abgedruckt ist.
1).
Siehe Münichsdorfer a. a. O., S. 83.
1).
Siehe Originaltext bei Münichsdorfer a. a. O. Anhang Urkunde No. 13.
1).
Siehe Münichsdorfer, a. a. O., Anhang, Urkunde No. 18.
2).
Siehe Münichsdorfer, a. a. O., Anhang, Urkunde No. 19.
1).
Siehe Karsten 1841, a. a. O., Bd. IV, S. 151.
1).
Siehe Tunner, a. a. O., II, 127.
1).
Siehe Karsten a. a. O. IV, 469.
1).
Valvassor: Die Ehre des Herzogtums Krain. Laybach 1689.
1).
Siehe Valvassor a. a. O., S. 395.
1).
Siehe Lori, Sammlung des bayrischen Bergrechtes, LXIX. Bd., S. 425.
2).
Siehe Lori, a. a. O., S. 429.
1).
Siehe Lori, S. 463.
2).
1 Pfd. Schün zählte 240 Schün, 1 Schilling Schün aber 30 Stück. 12 Werk-
schün wogen 1 Centner, also 1 Schün etwa 4½ kg und 1 Pfd. Schün über 1000 kg.
1).
Siehe Lori, LXXI.
2).
Siehe Lori, 459.
1).
Ein Inventar derselben ist abgedruckt in der Zeitschrift des Regensburger
historischen Vereins, II, S. 303.
1).
Siehe Frenkle, a. a. O., S. 114.
1).
Arnold Münch, Die Erzgruben und Hammerwerke im Frickthal und
am Oberrhein, Aarau 1893.
1).
Diese Ordnung ist abgedruckt bei A. Münch l. c., S. 66.
2).
L. c., S. 45.
1).
L. Bickell, die Eisenhütten des Klosters Haina. Marburg 1889.
2).
Siehe Bickell, a. a. O., S. 4.
1).
Klipsteins Mineralogischer Briefwechsel 1781, Bd. II, S. 93. Sie sind den
alten Hüttenrechnungen, von denen aber die von 1602—1625 und von 1654 bis
1663 fehlen, entnommen.
1).
Alle diese und die folgenden Nachrichten habe ich den Akten des Nassaui-
schen Archivs zu Wiesbaden entnommen.
2).
Die im Archiv befindliche Kopie dieser Belehnung ist vom 28. April 1625
datirt.
1).
Abwechselnd auch Mariotte, Mariott, Marioth geschrieben.
2).
Siehe Rheinischer Antiquarius, Mittelrhein II, S. 469.
1).
Siehe Becher, a. a. O., S. 521.
1).
Siehe Corpus constit. Nassov., p. 694
1).
Corpus Const. Nassov. II, p. 92.
1).
Siehe Becher, a. a. O., S. 541.
1).
Siehe Revierbeschreibung von Siegen, S. 215, ferner F. M. Simmer-
bach
, Geschichte des Siegerländer Bergbaues, S. 15.
1).
Siehe Häfner, die Herrschaft Schmalkalden III, S. 252 und 338.
1).
Siehe Häfner a. a. O., S. 362, wo die betreffende Bekanntmachung ab-
gedruckt ist.
1).
Historisch chronologische Beschreibung des Maschinenwesens des Ober-
harzes 1763, S. 213.
1).
Dr. H. Wedding, Beiträge zur Geschichte des Eisenhüttenwesens im
Harz. — Zeitschrift des Harzvereins 1883, S. 11.
1).
Siehe Wedding, a. a. O., S. 18.
1).
Siehe Dr. Ed. Jacobs, die Hüttenwerke zu Ilsenburg in der Zeitschrift
des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde, 13. Jahrgang 1880, S. 259.
1).
1615 wurden 1310 Niederländische Schuten zu 851 fl. 10 Gr. ins Zeughaus
geliefert.
1).
Das Eisen für die Bergwerke ging an die Zellerfeldische Faktorei.
2).
Die Laubhütte war in diesem Quartal auſser Betrieb, im Betriebe erhielt
sie für Baukosten ebenfalls vierteljährlich zwei Gulden.
1).
1681 wird die Waag zu ⅓ Ctr. = 36⅔ Pfd. gesetzt. In dieser Rechnung
wird angegeben, daſs aus 1 Fuder Lesestein 12 Waag, aus 1 Karrn Schlacke
12 Waag oder 4 Ctr., aus 1 Fuder Eisenstein „Leopart“, weil nicht so gut, 9 Waag
= 3 Ctr. Eisen gemacht werden. Dagegen wird in den Rechnungen 1684, 1686
und den nachfolgenden, wie oben angegeben, aus 1 Fuder Stein 7 Waag, dagegen
aus 1 Fuder Schlacke 12 Waag Eisen.
1).
Vergl. Jacobi, Berg- und Hüttenwesen des Regierungsbezirks Arnsberg.
2).
Die Stahlordnung von 1678 erwähnt nicht die Wasserwinnen und Scheiben;
der feine Kratzendraht wurde damals noch meistens auf Handwinnen gezogen.
1).
Das Datum stehet am Ende nicht, daſs aber diese Ordnung im 15. oder
16. Jahrhundert gemacht worden, zeiget die Mundart.
1).
v. Steinen bemerkt dazu: Ich habe davon ein sauber geschriebenes
Original in 4°. Darauf stehet: „Dieſs Boch ist von Hinderich Berndt Buden her-
kommen 1662.“
2).
Siehe Anderson, a. a. O., V., 484.
1).
Vergl. Magazin für Westfalen, S. 29.
1).
D. h. aus Sayn-Altenkirchener Eisen.
1).
Siehe Cramer, Beschreibung des Berg-, Hütten- und Hammerwesens in
den Nassau-Usingenschen Landen. Beilage II.
1).
Siehe A. Ribbentrop, die Beschreibung des Bergreviers Daaden-Kirchen.
Bonn 1882.
2).
Siehe Jacobi, Regierungsbezirk Arnsberg, S. 344.
1).
Siehe Thun, Die Industrie vom Niederrhein II, 14.
1).
Siehe Thun., a. a. O., S. 26.
1).
Siehe Thun, a. a. O., S. 109.
1).
Siehe A. Haſslacher, Das Industriegebiet an der Saar, S. 37.
1).
Yarranton, Englands Improvement by Sea and Land, 1677, S. 114.
2).
Siehe Codex Augusteus II, S. 326. Hertwig, Bergbuch, S. 85 u. 432.
Otia metallica, Schneeberg 1748 I., S. 56.
3).
Codex Augusteus II, S. 335.
1).
Siehe von Hofmann, Histor. Nachricht von einer ehemaligen Eisen-
kammer in Kursachsen, S. 83.
2).
1 Stein = 22 Pfd. Dresdener Gewicht.
1).
Siehe Codex Augusteus, S. 783, 834 etc.
1).
Siehe Cramer, Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Provinz
Brandenburg III, S. 207.
2).
Verordnung wegen erhöhten Imports auf fremdes Eisen und Blech 1. 8. 1688.
1).
Siehe Cramer, a. a. O. VIII, S. 27.
1).
L’Artigleria de Pietro Sardi Ven. 1621, p. 48.
1).
Siehe Francquoy, Des progrès de la fabrication de fer dans le pays de
Liège, p. 41.
1).
Siehe Francquoy, a. a. O. S. 49.
1).
Siehe Jars, Metallurgische Reisen, II, S. 784.
1).
Siehe Jars, Metallurgische Reisen, II, S. 784.
1).
Siehe Jars, a. a. O., II, S. 769.
1).
Jars, Metallurgische Reisen, II, S. 745.
1).
John Talbot Dillons Reise durch Spanien 1780, I, S. 164.
2).
Die mit einem Kreuz bezeichneten werden bereits im 16. Jahrhundert
genannt.
1).
Siehe W. v. Eschwege und Karstens Archiv 1885, Bd. 8, S. 188.
1).
S. Baron de Diedrich, Description des gîtes de minerai etc. des Pyrénées,
p. 231. Paris 1786.
1).
Delib. du conseil du comm. — Docum. inéd. Mel. Serie I—IV., p. 60.
2).
Laffemas, Rec. de l’Assemblée du Comm. Docum. inéd. Mel. Serie I.
T. 4, p. 287. — Gay, Glossaire d’Archéologie „acier“, p. 5.
3).
Felibien, Princ. de l’architect. p. 194. Gay, a. a. O. „acier“.
1).
Die eingeklammerte Stelle ist ein Zusatz von Felibien.
1).
Erwähnt muſs indes werden, daſs David Zeltner in Nürnberg (1638 bis
1713) zu derselben Zeit bewegliche Wasserleitungen mit Flanschenröhren kon-
struiert hatte, siehe Doppelmeyer.
2).
Desaguilier nennt dagegen Deville du pays de Liége als den Erbauer.
3).
L. Chr. Sturm, der erneuerte Goldmann oder die ganze Civilbaukunst,
letzter Teil: architektonische Reiseanmerkungen, Augsburg 1719, Brief XXII,
S. 109. Eine ältere kurze Beschreibung, die aber auch von Sturm herrührt,
findet sich in „Der eröffnete Ritterplatz“ II. Teil 1702, S. 37, eine spätere aus-
führliche in Leupolds Theatrum mechan. hydraul. 1725, §. 79 u. s. w. Tabelle
XXI und XXII giebt Grundriſs und Prospekt der ganzen Anlage; Tabelle XX,
XXIII, XXIV und XXV die Abbildung einzelner Teile. Eine weitere ausführliche
Beschreibung findet sich in J. Fr. Weidleri Tractatus de Machinis Hydraulicis
toto terrarum orbe maximis 1728 und weitere in Desaguiliers, Cours de phy-
sique experimentale 1751. Trad. franç. p. 517, sowie in Belidor, Architecture
Hydraulique, Cap. IV, p. 195.
1).
Leupold und Weidler geben nur 13 Wasserräder an. Desaguiliers
und Belidor 14. Sturms Zahl ist unrichtig. 13 Räder trieben die Pumpen-
gestänge, eins diente zu Hülfszwecken.
1).
Die Nachrichten darüber verdanke ich Herrn Robert de Wendel.
1).
S. Les Anciens Mineralogistes du Royaume de France avec des notes par
M. Gobet, II., p. 719, 1779.
1).
Siehe Scrivenor, History of the iron trade 1841, p. 61.
1).
Siehe Robert L. Galloway, a history of coal-mining in Great Britain
1882, pag. 39. In dem Patent heiſst es: „with earth-coal, sea-coal, turf and peat.“
Steinkohlen bezeichnete man damals abwechselnd als earth-coal, sea-coal, pit-coal,
stone-coal.
1).
Siehe Smiles, Industrial Biographies, p. 46 und Percy, Iron and Steel,
p. 883.
1).
„a second blast“ bedeutet eine zweite Blaseform.
1).
Es waren dies zwei Patente: Das erste vom 22. April 1636 (Nr. 91) nur
Sir Phillibert Vernatt erteilt „for making, melting or smelting, casting,
founding, fineing, nealing, beating and workeing iron, steel and other kinds of
oaremettle, casting ordnance etc. upon a hearth or furnace with sea-coale, pitt-
coale, or stone-coale, without charking the same, or mixing charcoale there-
with.“ Das zweite vom 12. Dezember 1637 (Nr. 113) on Vernatt und With-
more
„for making merchantable tough iron and Colshire iron with sea-cole, pitt-
cole or peat; using also a little charcole“.
2).
Es waren dies Sir George Horsey, David Ramsey und Roger
Foulke
, welche mit Dud Dudley zusammen am 2. Mai 1638 ein neues Patent
erhalten hatten „for making iron with sea- or pitt-coale, peate or turfe etc. …
making the iron into castworkes and also into barres or plateworkes; bellows or
windeblast being also employed.“
1).
Dud Dudleys Metallum Martis or Iron made with Pit-Coale, Sea-Coale etc.
and with the same fuel to melt and fine imperfect metalls and refine perfect
metalls. — London: printed by T. M. for the Author 1665“; auch diese wichtige
Schrift wurde 1858 von dem königlichen Patentamt in London neu heraus-
gegeben.
1).
The Natural History of Staffordshire by Robert Plot, L. L. D. Oxford
1686, p. 128.
2).
Das Patent von Karl II. vom 25. Oktober 1677 war erteilt „auf ein neues
und wirksames Verfahren des Ausschmelzens, Schmiedens, Extrahierens und Redu-
zierens des Eisens und aller Materialien mit Steinkohlen, so gut und erfolgreich
wie jemals mit Holzkohlen und mit weit geringeren Kosten“.
1).
Vergl. Abridgments of the specifications relating to the manufacture of
iron and steel published at the Great Seal Patent Office 1858, p. 2. „A peculiar,
misterie, arte, way and means for melting of iron ore, and for making the same
into cast workes, and barres with sea-coales and pit-coales; with prohibition to
all others from doing the like.“
1).
Pat.-Nr. 161. Converting into steel all manner of edge tools and other
instruments or any part thereof, after being forged and formed in soft iron; con-
verting iron wire after it is drawn; softening cast iron, so that is may be filed
and wrought like forged iron; and tincturing copper upon iron.
1).
Es ist dies die Ansicht von Smiles. Es war dies jedenfalls ein früheres
Patent, als das 1691 an William und Mary Edmond Hemming erteilte (Nr. 282)
für „seine Kunst und Erfindung, verzinnte Eisenbleche ebensogut, wie sie von
Deutschland bezogen und dort gemacht werden, welche Erfindung bis dahin noch
unbekannt und unausgenutzt ist“.
2).
Englands Improvement by Sea and Land to out-sa the Dutch without
fighting etc. Printed by R. Everinghaus for the author 1677.
1).
Plott’s Natural History of Staffordshire 1686.
2).
Siehe Sussex Archaeol. Collection Vol. XII.
1).
Derselbe wurde 1707 Sheriff von London und starb 1711.
2).
Account of the Iron Works in the forrest of Dean by H. Powle. Philo-
sophical Transactions of the Royal Society 1677/1678. February 10. for the month
of January and February, p. 931.
3).
Powle giebt an, der beste sei von bläulicher Farbe, sehr schwer und
voll kleiner glänzender Flecken wie Silberkörner. Dieses Erz lieferte am meisten
Eisen, aber für sich verschmolzen, gab es ein sehr brüchiges Metall, das nicht
zum Gebrauch taugte.
1).
Lardner, Cabinet Cydopaedia, p. 29. John Harris, Lexicon Technicum
„Iron“.
1).
Siehe Philosophical Transactions of the Royal Society of London 1692,
p. 695. Es sind Auszüge aus Briefen von John Sturdie von Lancaster über
Eisenerze, insbesondere über die Hämatite, welche auf der Milthorpehütte ver-
schmolzen wurden — mitgeteilt von Dr. Martin Lister S. R. S.
1).
Siehe Dr. M. Meyer, Beiträge zur genaueren Kenntnis des Eisenhütten-
wesens in Schweden, 1829, S. 10.
2).
A nobili Batava Degeriana familia — E. Schepperus de ferri con-
fectione 1725.
1).
Meyer a. a. O., S. 16 (Anmerkung).
1).
Diese Wallonen erhielten sich bis in dieses Jahrhundert von den Schweden
abgesondert und heirateten nur unter sich. Viele technische Ausdrücke aus der
französischen Sprache haben sich in Dannemora eingebürgert, z. B. tour[n]ée für
Schicht u. s. w.
1).
Järnwräkare-Förordning de 1671 (s. Utrag utur publ. Handl. I, p. 449).
1).
Schon unter Gustav I. findet man die Einrichtung von Kronohemman.
1).
Siehe Garney, Abhandlung von Bau und Betrieb der Hochöfen in
Schweden, deutsch von Blumhof, Freiberg 1800 I, S. 14.
1).
Förordning om Jern-Manufactur d. 19. Juny 1683 (s. Kongl. Danske För-
ordninger af 1670 bis 1683, p. 953). K. M. Bref om gammelt Jerns Afhendelse den
5. Febr. 1684 (ebendaselbst II, p. 58). Förordning om Tou-Verk og Jern-Ankere
d. 29. Jul. 1684 (ebendaselbst II, p. 120). Kongl. Privilegier ad interim for dennen,
som Kobber-och Jern-Verker i Norge ville optage og fortsaette d. 25. Aug. 1687
(ebendaselbst II, p. 322).
1).
Kilburgers Nachrichten vom russischen Handel im Jahre 1674 in
Büschings Magazin III, S. 247.
1).
Siehe J. E. Norberg, Über die Produktion des Roheisens in Ruſsland etc.
Deutsch von Blumhof 1805, S. 2.
2).
Siehe Karsten, a. a. O. I, S. 109.
3).
Travels, transl. by Balfour. London 1833, T. IV und daraus im Journ.
des Savants 1835, p. 384.
1).
Siehe Storch, a. a. O. III, S. 306.

Dieses Werk ist gemeinfrei.