So wird es kommen, eh’ ihr denkt: — Das Volk
hat Nichts zu beißen mehr!
Durch ſeine Lumpen pfeift der Wind! Wo nimmt
es Brot und Kleider her? —
Da tritt ein kecker Burſche vor; der ſpricht: „Die
Kleider wüßt’ ich ſchon!
Mir nach, wer Rock und Hoſen will! Zeug für
ein ganzes Bataillon!“
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[34]Und wie man eine Hand umdreht, ſtellt er in Rot-
ten ſie und Reih’n,
Schreit: „Linksum kehrt!“ und: „Vorwärts Marſch!„
und führt zur Kreisſtadt ſie hinein.
Vor einem ſteinernen Gebäu Halt machen läßt er
trutziglich:
„Seht da, mein Kleidermagazin — das Landwehr-
zeughaus nennt es ſich!
„Darinnen liegt, was ihr bedürft: Leinwand zu
Hemden, derb und ſchwer!
Wattirte Jacken, friſch genäht — dazu von zweier-
lei Couleur!
Tuchmäntel für die Regennacht! Feldmützen auch
und Handſchuh’ viel,
Und Alles, was ſich ſonſt gehört zu Heerſchau und
Paradeſpiel!
[35]„Ihr kennt den ganzen Rummel ja! Ob auch mit
Hadern jetzt bedeckt,
Haben die Meiſten doch von euch in der Monti-
rung ſchon geſteckt!
Wehrmänner ſeid ihr allzumal! So lange Jeder
denn vom Pflock
Sich ſeinen eignen Hoſenſack und ſeinen eignen
blauen Rock!
„Ja, ſeinen Rock! Wer faſelt noch vom Rock des
Königs? — Liebe Zeit!
Gabt ihr die Wolle doch dazu: geſchorne Schafe,
die ihr ſeid!
Du da — iſt nicht die Leinwand hier der Flachs,
den deine Mutter ſpann,
Indeß vom kummervollen Aug’ die Thrän’ ihr auf
den Faden rann?
[36]„Nehmt denn! So recht! Da prunkt ihr ja, als
ging’s zu Felde morgen früh,
Oder doch allerwenigſtens nach Grimlinghauſen zur
Revue!
Nur die Muskete fehlt euch noch! Doch ſieh’, da
ſteht von ungefähr
Der ganze Saal voll! Zum Verſuch: — Gewehr
in Arm! Schultert’s Gewehr!
„Ganz, wie ſich’s hört! Das nenn’ ich Schick! Am
Ende … Jungens, wißt ihr was?
Auch die Gewehre wandern mit! — Gewehr bei
Fuß! — Das wird ein Spaß!
Und würd’ es Ernſt … Nun, möglich iſt’s! Sie ma-
chen immer groß Geſchrei,
Und nennen dieſen Kleiderwitz vielleicht noch gar
Rebellerei!
[37]„Nennen ihn Einbruch noch und Raub! — In
wenig Stunden, ſollt ihr ſeh’n,
Wird uns ein Linienregiment ſchlagfertig gegenüber
ſteh’n!
Da heißt es denn für ſeinen Rock die Zähne weiſen!
D’ran und d’rauf!
Patronen her! Geladen, Kerls! Und pflanzt die
Bajonette auf!
„Stülpt auch den Tſchako auf den Kopf, und hängt
den Degen vor den Steiß: —
Daß ihr ihn „Käſemeſſer“ nennt, ein glückverkün-
dend Omen ſei’s!
Kein Hirn, will’s Gott, beſudelt ihn! Kein Herz-
blut, hoff’ ich, färbt ihn roth —
Für Weib und Kinder „Käſe“ nur ſoll er zerhau’n
und nahrhaft Brot!
[38]„Und nun hinaus! Tambour voran, Querpfeifer
und Horniſtenpaar!
Soll auch die Adlerfahne noch vorflattern, Brüder,
eurer Schaar?
Den Teufel auch! Was kümmert uns vergangner
Zeit Raubvögelpack!
Wollt ihr ein Banner: Eines nur ſchickt ſich für
euch — der Bettelſack!
„Den pflanzt auf irgend ein Gerüſt: — da, hier
iſt ein Uhlanenſpeer! —
Und tragt ihn, wie die Geuſen einſt, mit zorn’gem
Stolze vor euch her!
Ihr könnt es füglicher, als ſie! Ihr tragt den Sack
nicht bloß zum Staat,
Ihr ſeid nicht bloß dem Namen nach — nein, ihr
ſeid Bettler in der That!
[39]„Marſch denn, ihr Geuſen dieſer Zeit! Marſch,
Proletarier-Bataillon!“ —
Da naht zu Fuß und naht zu Roß die königliche
Linie ſchon!
„Feuer!“ befiehlt der General; „Choc!“ heißt es
bei der Reiterei. —
Doch, ha! Kein Renner hebt den Huf, und keine
Flinte ſchickt ihr Blei!
Ein Murren aber rollt durch’s Heer: „Auch wir
ſind Volk! Was königlich!“
Und plötzlich vor dem Bettelſack ſenkt tief die
Adlerfahne ſich!
Dann Jubelſchrei: „Wir ſind mit Euch! Denn wir
ſind Ihr, und Ihr ſeid wir!“ —
„Kanaille!“ ruft der Commandeur — da reißt ein
Leutnant ihn vom Thier!
[40]Und wie ein Sturm zur Hauptſtadt geht’s! An-
ſchwillt ihr Zug lawinengleich!
Umſtürzt der Thron, die Krone fällt, in ſeinen
Angeln ächzt das Reich!
Aus Brand und Blut erhebt das Volk ſieghaft
ſein lang zertreten Haupt: —
Wehen hat jegliche Geburt! — So wird es kommen,
eh’ ihr glaubt!