HERRN GEH. JUSTIZRATH UND
PROFESSOR VON SAVIGNY
IN BERLIN ZUGEEIGNET.
Es hat kein langes beſinnen gekoſtet, den erſten
aufſchuß meiner grammatik mit ſtumpf und ſtiel, wie
man ſagt, niederzumähen; ein zweites kraut, dichter
und feiner, iſt ſchnell nachgewachſen, blüten und rei-
fende früchte läßt es vielleicht hoffen. Mit freuden
gebe ich dem publicum dieſes ſeiner aufmerkſamkeit
nunmehr würdiger gewordene werk, das ich mühſam
gepflegt, unter ſorgen und nöthen, wo mir die arbeit
bald verleidet geweſen, bald (und nach Gottes güte
öfter) mein troſt geblieben iſt, bis dahin vollbracht habe.
Schädlich wurden ihm auch der gebotene drang unab-
läßiger ausarbeitung, welcher mir nie geſtattete vorher
zu entwerfen, nachher zu beßern; dann eine unüber-
windliche neigung meiner natur, immer lieber fort zu
unterſuchen, als das unterſuchte darzuſtellen. Die er-
giebigkeit des feldes iſt noch von ſolcher art, daß es
nie verſagt und kein blatt der quellen wieder geleſen
werden kann, das nicht durch weitere ausſichten er-
weckte, oder begangene fehler bereuen ließe; wenn nun
eine reiche errungenſchaft zu geringerem lobe gereicht,
als vielſeitig erwogene verwaltung und haushälteriſche
benutzung einer an ſich ſchmälern, ſo mag mich tadel
treffen, daß ich nicht aus allen gefundenen ſätzen den
gewinnſt, deſſen ſie fähig ſind, zu ziehen verſtanden
habe, ja daß wichtige beleuchtungen zuweilen an unwirk-
ſamer ſtelle ſtehen. Nicht alle meine behauptungen kön-
nen ſtich halten, doch, indem man ihre ſchwäche ent-
decken wird, andere wege ſich ſprengen, auf denen die
wahrheit, das einzige ziel redlicher arbeiten und das
einzige, was in die länge hinhält, wann an den namen
derer, die ſich darum beworben, wenig mehr gelegen ſeyn
wird, endlich hereinbricht; was uns das ſchwerſte war,
darf der nachwelt kinderſpiel, kaum der rede werth ſchei-
nen, alsdann ergibt ſie ſich neuen löſungen, wovon wir
noch keine ahnung hatten und kämpft mit hinderniſſen
da, wo wir alles abgethan wähnten. So gewis iſt es,
daß jeder ſchärfer geſpaltete ſtoff auf der einen ſeite
erleichtert, auf der andern erſchwert; mittel, gleich-
ſam handhaben, um ſeiner meiſter zu werden, ſind
vervielfacht und unmöglich kann er uns ganz ent-
ſchlüpfen; dafür bleiben eine menge vorher mit aufge-
griffener einzelnheiten jetzt unberührt und unerfaßt.
Im großen iſt die zu löſende aufgabe beträchtlich
vorgeſchritten, im kleinen unbefriedigender geworden.
[VI]Vorrede.
Dieſem ſehr natürlichen gefühle nach kommt mir mein
buch, ungeachtet ich es beßer gerathen weiß, ſchlech-
ter vor, als das erſte mahl. Übeler weitſchweifigkeit
zeihen wird mich keiner, der nur die maßen über-
ſchauen und der forſchung unſerer ſprache ſo viel raum
gönnen will, als andere nicht ſo nahe liegende theile
der wißenſchaft herkömmlich einnehmen; manches ein-
zelne, das ſich gerne geltend gemacht hätte, iſt zurück-
gewieſen worden; die unterſuchung hat oft dadurch
ſchwerfälliges anſehen, daß ich auf jeden gegenſtand
gerade zu, keinem im wege ſtehenden anſtoß vorüber
gehen wollte. Dieſes verfahren hängt bei mir wenig-
ſtens mit der unbefangenheit ſehr zuſammen. Allgemein-
logiſchen begriffen bin ich in der grammatik feind; ſie
führen ſcheinbare ſtrenge und geſchloßenheit der be-
ſtimmungen mit ſich, hemmen aber die beobachtung,
welche ich als die ſeele der ſprachforſchung betrachte.
Wer nichts auf wahrnehmungen hält, die mit ihrer
factiſchen gewisheit anfangs aller theorie ſpotten, wird
dem unergründlichen ſprachgeiſte nie näher treten. Etwas
anders iſt, daß auch hier zwei verſchiedene richtun-
gen laufen, eine von oben herunter, eine von unten
hinauf, beide von eigenthümlichen vortheilen begleitet.
Wohl mögen lateiniſche und griech. grammatiker auf
der höhe ihrer ſprachbildung ſelbſt die fähigkeit deutſcher
ſprache, ähnliche feinheit und ründung in anſpruch zu
nehmen, bezweifeln. So wenig aber der erhabenere
ſtand des lat. und griechiſchen für alle fälle der deut-
ſchen grammatik ausreicht, in welcher noch einzelne
ſaiten reiner und tiefer anſchlagen; ebenſo wird, nach
A. W. Schlegels treffender bemerkung, die weit vollen-
detere indiſche grammatik wiederum jenen zum cor-
rectiv dienen. Der dialect, den uns die geſchichte als
den älteſten, unverdorbenſten weiſt, muß zuletzt auch
für die allgemeine darſtellung aller verzweigungen des
ſtamms die tiefſte regel darbieten und dann bisher ent-
deckte geſetze der ſpäteren mundarten reformieren, ohne
ſie ſämmtlich aufzuheben. Es ſcheint mir für unſere
deutſche grammatik eher vortheilhaft als nachtheilig,
daß in ihr damit angefangen worden iſt, von unten
herauf zu dienen. Deſto reichlicher wird ſie zu der
gründlichen, keine einzelnheit gefährdenden aufſtellung
des großen ganzen beitragen, ſollten auch manche
ihrer vorläuſigen regeln unter höherm geſichtspuncte
verſchwinden, d. h. anders gefaßt werden müßen.
Die abhandlung der laut- vor der formenlehre hat
dieſe ſichtlich gefördert; in der natürlichen ordnung
würde es gleichfalls gelegen haben, das dritte buch,
worin ich die wortbildung erörtere, dem zweiten vor-
auszuſchicken. Da aber durch dieſe vorſchiebung das
werk ſeiner erſten ausgabe vollends unähnlich geworden
wäre und für den beginn des ſprachſtudiums die kennt-
nis der declinationen jetzt noch das wichtigſte ſcheint,
verſpare ich lieber die lehre von den wortbildungen.
In dem erſten buche, deſſen druck faſt vor zwei jahren
angefangen wurde, möchte ich freilich wieder verſchie-
dene ſtücke abändern und nach reiferer überlegung be-
richtigen, vor allem (ſchon nach der uralten alphabeti-
ſchen reihe β, γ, δ; b, c, d) die kehl- den zungenlauten
vorordnen; damahls beachtete ich die folge der deutſchen
mediae: b, d, g. Die in der formenlehre durchgeführte,
factiſch nur theilweiſe vorhandene ſtreng althochdeutſche
lautreihe konnte im erſten buche, wo ſie die unter-
ſuchung der buchſtaben geſtört hätte, nicht beobachtet
werden; tritt ſie ſelbſt im zweiten zu hart vor, ſo feh-
len uns gerade die mittel einer anſchaulichen, lebendi-
gen kenntnis dieſer mundart, wodurch jene theorie etwa
gemäßigt worden wäre. Unentbehrlich ſchien mir ſcharf-
poſitive abgrenzung für den ſatz der lautverſchiebung
(ſ. 584), deſſen einfluß auf das etymologiſche ſtudium
vielleicht lat. und griech. philologen zur prüfung reitzt.
So wie dieſen die geſetze claſſiſcher metrik eine fülle
grammatiſcher regeln offenbart haben, iſt in den deut-
ſchen denkmählern die beachtung der alliterationen
und reime von außerordentlichem gewicht. Ohne den
reim wäre faſt keine geſchichte unſerer ſprache auszu-
führen. Das band der poeſie ſoll nicht allein die hörer
und ſänger des lieds erfreuen, es ſoll auch die kraft
der ſprache zügeln, ihre reinheit ſichern und kunde da-
von auf kommende geſchlechter bringen. Ungebundene
proſa läßt dem gedächtnis den inhalt verhallen, den or-
ganen die wahre belautung der worte zweifelhaft wer-
den. Der reim hat nur ſchlechte dichter gezwängt,
wahren gedient, ihre gewalt der ſprache und des gedan-
kens zu enthüllen. Es gibt aber zeiten, wo die kunſt
des reimes ausſtirbt, weil ſich die ſinnliche zartheit der
wurzelärmeren ſprache verhärtet und neugebildete zuſam-
menſetzungen eine von natur ſteifere bewegung haben;
ſo ſind früher die metra nach dem geſetz der quantität
(welches ich unſerer ſprache aus gebliebenen nachwir-
[VIII]Vorrede.
kungen zu vindicieren gewagt habe) und der alliteration
untergegangen. Keine ſprache thut den rückſchritt, es
iſt daher verkehrtheit oder eitles ſpiel, verſchwundene
und fremde versmaße, welchen die heutigen ſprachver-
hältniſſe nicht gewachſen ſind, neu einzuführen. Der
gröbere nachläßige reim unſerer beſten neueren dich-
ter weiſſagt ſelbſt dieſer form einen allmähligen tod.
Mit welcher reinheit, fertigkeit und natur reimten die
dichter des dreizehnten jahrhunderts!
Das einladende ſtudium mittelhochdeutſcher poeſie
führte mich zuerſt auf grammatiſche unterſuchungen; die
übrigen älteren mundarten mit voller ausnahme der alt-
nordiſchen, theilweiſer der angelſächſiſchen, bieten we-
nig dichteriſches; eine anſehnliche maße mittelnieder-
ländiſcher und altengliſcher werke läßt ſich jenen doch
kaum vergleichen. Es kann darum nicht befremden,
daß ich die mittel- und die von ihr unzertrennliche
althochdeutſche grammatik umſtändlicher abgehandelt
habe, als die der übrigen ſprachen. Hätte ich mich ganz
auf ſie beſchränken ſollen? die hintereinander wieder-
hohlte ausarbeitung ähnlicher und immer ungleicher
ſprachverhältniſſe ermüdet unbeſchreiblich und ſtumpſt
die ſchärfe einzelner geſichtspuncte, denen ſich derje-
nige hingeben kann welcher die erforſchung eines ein-
zigen, für ihn begrenzten dialects unternommen hat.
Da ich aber einmahl davon ausgegangen war, das un-
ſtillſtehende, nach zeit und raum veränderliche element
unſerer ſprache nachzuweiſen, muſte ich eine mundart
wie die andere zulaßen, durfte ſelbſt den blick nicht
ganz von den urverwandten fremden ſprachen abwen-
den. Wo hätte ich auch die rechte ſcheidung gefunden?
das goth. war als erſte grundlage, ohne welches das
althochd. unverſtändlich geweſen wäre, nicht zu umge-
hen; das angelſächſ. und altnord. boten anziehende er-
läuterungen und hatte ich einmahl die ältere mundart
verhandelt, ſo war keine urſache vorhanden, die ſpätere
auszuſchließen, eigenthümliche brauchbarkeit für das
ganze hatte jede. Aber freilich müſte ihnen allen wo
nicht gleiche, doch größere ausführlichkeit widerfahren,
wenn auch ihr reichthum an quellen und hülfsmitteln
dem unſerer hochdeutſchen mundart des dreizehnten
jahrhunderts nachſteht.
Studium und erkenntnis der mittelhochdeutſchen dicht-
kunſt haben in der letzten zeit zwar gewonnen, lange nicht
ſo um ſich gegriffen, als man von der trefflichkeit ihrer
[IX]Vorrede.
denkmähler erwarten ſollte. Sie finden noch immer wenig
bearbeiter und mehr bearbeiter, als theilnehmende
leſer. Möchte die allmählig erleichterte vertrautere be-
kanntſchaft mit der ſprache auch zu der lieblichkeit und
unſchuld und zu dem geiſte führen, die in dieſen poe-
ſien walten. Die ſchleſiſchen, welche für väter der
neueren dichter gelten, ſtehen tief unter aller verglei-
chung mit jenen älteren, ſchmählich vergeßenen. Mir
wenigſtens wiegt ein lied Walters (ja eine ſtrophe wie
die ſ. 141b: ô wê war ſint) einen ganzen band von Opiz
und Fleming auf, die ſich ſelten mit freiem gefühl, in
unbeholfener ſprache und befangen in ſteifer nachbil-
dung fremder muſter ausſprechen, ſo daß das ausgeſuch-
teſte einzelne kaum ohne misfälliges und hartes ſeyn
wird. Dort aber iſt alle gefügigkeit reiner, deutſcher
ſprache, herzliche empfindung, überraſchende feinheit
der wendungen und belebtheit des gedankens. Wie un-
erſchöpflich zeigt ſich Wolframs poeſie im Parcifal und
Wilhelm, wie ſanft und gemäßigt Hartmanns im Iwein,
gewis auch im Erek, wie zart gehalten Gotfrieds im
Triſtan! Solche bücher zu leſen und verſtehen zu
lernen faßen ſich heutzutag wenige den muth, an Ita-
lienern und Spaniern verthun viele ihre kraft und ihre
zeit; ſind dort die erſten ſchwierigkeiten größer, ſo
wird auch das weitere verſtändnis frommen, weil es
tiefer eingeht.
Die forderungen, welche man jetzo an einen her-
ausgeber mittelhochdeutſcher gedichte zu machen hat,
ſind nach und nach geſteigert und verſtändigt worden;
ich glaube, daß bald darüber kein zweifel mehr obwal-
ten wird. Sorgloſe auflagen nach ſchlechten handſchrif-
ten und mit halber ſprachkenntnis fruchten nichts; di-
plomatiſch-ängſtliches wiedergeben guter handſchriften
reicht nicht aus und kann nur in ſeltnen fällen geboten
ſeyn. Wir fordern alſo critiſche ausgaben, keine will-
kürliche critik, eine durch grammatik, eigenthümlich-
keit des dichters und vergleichung der handſchriften
geleitete. Es iſt uns weniger zu thun um die ſchreib-
weiſe eines noch ſo ausgezeichneten copiſten, als darum,
allerwärts die ächte lesart des gedichts zu haben und bis-
her kennt man wohl verſchiedene handſchriften mit vor-
züglich gutem texte, keine, die einen tadelloſen lieferte.
Jene ſchreibweiſe mag an und für ſich mancherlei auf-
klären, die einſchwärzung fremder mundarten mag der
geſchichte dieſer mundarten willkommen, ja der offen-
[X]Vorrede.
bare ſchreibfehler für beurtheilung ähnlicher fälle brauch-
bar ſeyn; ſolche nebenzwecke dürfen die critik des tex-
tes nirgends aufhalten. Der critiſche herausgeber, durch
geprüfte geſetze beſchränkt und gebunden, wird zwar
noch manchem irrthum ausgeſetzt bleiben, doch ſelbſt
ſein irren iſt anregend und unſchädlicher als jene beru-
higung bei dem rohen text; zumahl die handſchriften
in gewahrſam liegen und immer nachverglichen werden
können. Ein haupthülfsmittel gewährt, wie vorhin be-
merkt, der reim; wer ſich mit reimweiſe, ſpracheigen-
heiten und wortreichthum eines bedeutenden dichters
vertraut gemacht, und alle ſeine vorhandenen ſchriften
ſtudiert hat, wird eine ausgabe wagen dürfen, die ſich
handſchriftlichen verderbten lesarten zu widerſetzen be-
fugt iſt. In dieſem ſinne hat bereits Hagen für die Ni-
belungen (deren epiſche natur allerdings eigene beſtim-
mungen des critiſchen verfahrens fordert) rühmliches
geleiſtet, von ſeinem Triſtan ſteht die erwartung höher;
Lachmann bereitet eine ausgabe ſämmtlicher dichtun-
gen Eſchenbachs vor und wollte Benecke ſeiner lange
beabſichtigten recenſion des Iwein noch den kürz-
lich in fehlerhafter hſ. aufgefundenen Erek nebſt den
übrigen kleineren werken Hartmanns beigeſellen, ſo
werden nachahmenswürdige muſter die grundſätze einer
geſunden critik ſichern und verbreiten, in der mittel-
hochdeutſchen allgemeinen ſprachregel aber die varietä-
ten einzelner dialecte, welche ich jetzt nur hin und
wieder andeuten konnte, deutlich hervortauchen. Auf
denkmähler der althochdeutſchen periode iſt dieſe critik
ſchon unanwendbar, theils verlangt das höhere alter
der im ganzen ſorgfältigeren handſchriften größere ach-
tung und unverletzbarkeit, theils liefert der ſparſamere
fluß der quellen, die ungebundenheit der proſaiſchen,
der freiere reim der gebundenen dem critiker weit we-
niger mittel in hand. Auch die dialectiſche abweichung
iſt noch, worauf ich gleich hernach kommen werde,
beträchtlich größer und für jedes werk ſind mehr be-
ſondere regeln aus ihm ſelbſt zu ſuchen.
Zwiſchen meiner darſtellung des mittel- und neu-
hochdeutſchen wird eine lücke empfindlich ſeyn; man-
nigfaltige übergänge und abſtufungen hätten ſich aus
den ſchriften des vierzehnten ſo wie der drei folgenden
jahrhunderte ſammeln und erläutern laßen, dem altnor-
diſchen und neuſchwediſchen oder däniſchen liegt eine
nicht unbedeutende maße altſchwed. oder altdäniſcher
[XI]Vorrede.
werke in der mitte. Ich will nicht in abrede ſtellen,
daß ſolche denkmähler manches lehrhafte und nütz-
liche für die geſchichte unſerer ſprache, welches genaue
unterſuchung fordert, in ſich begreifen; da ſich aber
keine blühende poeſie gründete, konnten niederſetzun-
gen der ſprache, wie ſie zur aufſtellung eigner perioden
nöthig ſind, auch nicht erfolgen. Die ſchriftſteller die-
ſer zwiſchenzeit vergröbern ſtufenweiſe die frühere
ſprachregel und überlaßen ſich ſorglos den einmiſchun-
gen landſchaftlicher gemeiner mundart; oft weiß man
nicht, ob ihre beſonderheit von der alten reinen ſprache
her übrig geblieben oder aus dem gebiete des volksdia-
lects eingedrungen iſt. Genügende darſtellung ſolcher be-
ſonderheiten würde weitläuftige anſtalten und erörterun-
gen verlangen. Vielleicht daß andere nach und nach
die gar nicht unanziehende arbeit vornehmen, ich meine,
alle grammaticalien jeder hervorragenden maße ſorgfälti-
ger prüfung werth halten. Sehr ſchicklich ließen ſich
dankenswerthe beiträge dazu in ſchulprogrammen mit-
theilen, geſellſchaften, die für deutſche ſprache an
verſchiedenen orten zuſammengetreten ſind, oder gern
zuſammentreten und je weniger ſie ins allgemeine ſchwei-
fen, deſto mehr wirken, könnten ihren löblichen eifer
am fruchtbarſten beweiſen, wenn ſie ſich, um beiſpiele
anzuführen, die grammatiſche regel der ſchweizerchro-
niken des vierzehnten jahrhunderts, oder Kaiſersbergs,
oder Hans Sachſens oder Fiſcharts zur aufgabe machten;
ſelbſt einige ausgezeichnete ſchriften des ſiebzehnten
jahrhunderts, wie Philander von Sittewald, der deutſche
Simpliciſſimus hätten, vorzüglich in abſicht der ſyntactiſchen
regeln, noch gültige anſprüche auf grammatiſches ſtudium.
Luthers ſprache, deren grammatik gleichwohl eigentlich
dargeſtellt zu werden verdiente, gehört nicht in dieſen
kreis, ſie muß ihrer edlen, faſt wunderbaren reinheit,
auch ihres gewaltigen einflußes halber, für kern und
grundlage der neuhochdeutſchen ſprachniederſetzung ge-
halten werden, wovon bis auf den heutigen tag nur
ſehr unbedeutend, meiſtens zum ſchaden der kraft und
des ausdrucks abgewichen worden iſt. Man darf das
neuhochdeutſche in der that als den proteſtantiſchen
dialect bezeichnen, deſſen freiheitathmende natur längſt
ſchon, ihnen unbewußt, dichter und ſchriftſteller des
katholiſchen glaubens überwältigte. Unſere ſprache iſt,
nach dem unaufhaltbaren laufe aller dinge, in lautver-
hältniſſen und formen geſunken, meine ſchilderung neu-
[XII]Vorrede.
hochdeutſcher buchſtaben und flexionen durfte es nicht
verhehlen ſondern hervorheben; was aber ihren geiſt
und leib genährt, verjüngt, was endlich blüthen neuer
poeſie getrieben hat, verdanken wir keinem mehr, als
Luthern. —
Die volksmundarten, im gegenſatz zur edleren
ſprache der dichter und ſchriftſteller habe ich nur
ausnahmsweiſe (z. b. beim dualis) berührt, auch meine
anſicht von ihnen an einigen ſtellen des buchs geäußert.
Ihr grammatiſcher bau iſt ohne zweifel höchſt merkwür-
dig; unſere literatur hat nunmehr zwei werke gewon-
nen, die durch treue und vollſtändigkeit der ſamm-
lung, durch gelungene faßung des ſchwierigen ausdrucks
allen nachfolgern zum muſter gereichen werden; an
ausführlichkeit und ordnung der grammaticalien iſt
Stalder von Schmeller übertroffen worden. Über das
geſchichtliche der volksſprachen fehlt es noch ſehr an
beobachtungen; da ihre verſchiedenheit überaus mannig-
faltig iſt, und ſelbſt nahgelegene landſtriche grell von
einander abſtechen, können ſie mit der unmerklichen,
milderen abſtufung der ſchriftſprache nur in weiterem
verhältniſſe ſtehn. Dieſes denke ich mir auf folgende
art. In der frühen zeit gelten viele dialecte gleich-
anſehnlich nebeneinander, ihre grenzen laufen mit
denen der einzelnen ſtämme; ſobald herrſchaft und bil-
dung einem volke vorgewicht geben, fängt ſeine mund-
art an ſich über benachbarte, abhängige auszubreiten,
d. h. von deren edlem theile angenommen zu werden,
während die einheimiſche mundart unter den volkshau-
fen flüchtet. Die ſtärkere mundart ſteigt, die ſchwä-
chere ſinkt und wird gemein, doch ſelbſt die herrſchende
muß durch ihre wachſende ausdehnung unvermerkt
eigenheiten der andern ſtämme an ſich ziehen, folglich
dem ungebildeten theile des ſtammes, von dem ſie aus-
gieng, gleichfalls entrückt werden. Im achten, neunten
und zehnten jahrhundert blühen in Deutſchland mehr edle
dialecte, als vier, fünf jahrhunderte ſpäter. Noch läßt
ſich die ſächſiſche ſprache nichts gefallen von der frän-
kiſchen oder ſchwäbiſchen; weder Otfried hätte ſich
vor Kero, noch der überſetzer Tatians vor Notker der
eigenthümlichkeit ſeines dialects zu ſchämen gebraucht,
jedem dieſer war er die einzige, edelſte art des ausdrucks.
Im zwölften, dreizehnten jahrh. waltet am Rhein und
an der Donau, von Tyrol bis nach Heſſen ſchon
eine allgemeine ſprache, deren ſich alle dichter bedie-
[XIII]Vorrede.
nen; in ihr ſind die älteren mundarten verſchwommen
und aufgelöſt, nur noch einzelnen wörtern oder for-
men klebt landſchaftliches an. Um dieſe zeit hat ſich
die ſächſiſche, weſtphäliſche und frieſiſche ſprache län-
ger ihr recht bewahrt; ſie lebt in den Niederlanden in
reichlichen ſchriftdenkmählern, ſchwächer im innern
Sachſenland fort, ich bin zu keinem befriedigenden
ſchluß gelangt, ob Veldek habe hochdeutſch ſchreiben
wollen, eindrücke ſeiner heimath aber nicht verwinden
können? oder ob ſein niederdeutſches werk ins hoch-
deutſche umgeſchrieben worden ſey? Offenbar dankt
die heutige niederſächſiſche volksſprache gewiſſe feinhei-
ten, die ſie vor oberdeutſchen gemeinen dialecten vor-
aus hat, gerade dem umſtande, daß ſie einige jahrhun-
derte länger in ſchrift- und öffentlichem gebrauch geblie-
ben iſt. Doch ſie hat ſich zur rechten zeit unbezeugt ge-
laßen, ohne belebende literatur ſinkt ſie mit dem ſech-
zehnten jahrh. zum volksdialect herab und wir ſehen die
neuhochdeutſche ſchriftſprache durch das geſammte reich
herrſchend, alle abzeichen früherer ſtammverſchieden-
heit gewichen, freiheiten, die ſich noch mittelhochd.
dichter genommen, unedel und unerlaubt. Das reſultat
wird daher dieſes ſeyn: ein dialect iſt ſo alt und eben-
bürtig, als der andere, ehmahls aber ſprach der gemeine
mann wie der edle, heute iſt die aus verſchmelzung
der völkerſchaften errungene ſprache eigenthum des
gebildeten theils, alſo jedem erwerbbar; der unge-
bildete theil bleibt bei der angeſtammten mundart und
pflanzt ſie fort, ſie hat lebenswärme, bildungswärme
geht ihr ab. Der gemeine volksdialect ſteht auf ſeinem
boden ſicher und geſchloßen, iſt heimiſch, zutraulich,
ſtets natürlich, an einzelnem wohllaut und triftigem
ausdruck reich; die zeichen gebildeter ſchriftſprache
ſind: adel, zartheit, einſtimmung, vermiedener übellaut
des ganzen; erſt kraft der ſchriftſprache fühlen wir
Deutſche lebendig das band unſerer herkunft und ge-
meinſchaft und ſolchen vortheil kann kein ſtamm glau-
ben zu theuer gekauft zu haben oder um irgend einen
preis hergeben wollen. Mich dünkt, die entwickelung
eines volks fordert auch für die ſprache, unabhängig
von ihrem innern gedeihen, wenn ſie nicht verküm-
mern ſoll, erweiterte äußere grenzen.
Aus dem geſagten erläutert ſich mehr als eine er-
ſcheinung der grammatik. Mundarten welche durch
natürliche lage gehegt und von andern unangeſtoßen
[XIV]Vorrede.
bleiben, werden ihre flexionen langſamer verändern; be-
rührung mehrerer dialecte muß, auch wenn der ſiegende
vollendetere formen beſäße, weil er ſie mit aufgenom-
menen wörtern der andern mundart, auszugleichen hat,
abſtumpfung beider mundarten beſchleunigen. Die-
ſer gegenſtand kann nur durch eine genaue ver-
gleichung aller deutſchen dialecte, wozu hier kein
ort iſt, gründlich erledigt werden. Eine andere ein-
leuchtende bemerkung ſcheint, daß wir den althoch-
deutſchen und altſächſiſchen dialecten land anzuweiſen
faſt nicht anders hoffen dürfen, als durch aufſpürung
ihrer eigenheit in der eingrenzung heutiger volks-
ſprache. Was ich meine ſollen einige beiſpiele zeigen.
Der ausdruck hëvan (coelum), der ſich nur in dem un-
rein-alth. hildebrand findet, bleibt auf den ſächſiſchen
volksſtamm beſchränkt (angelſ. hëofon, engl. heaven,
plattd. hewen, häwen), allen übrigen mundarten fremd
(goth. himins, altn. himinn, alth. himil, altfrieſ. himul,
niederl. hêmel, weſtphäl. hemmel); wenn nun in der
altſächſ. E. H. beide ausdrücke hëbhan und himil ab-
wechſeln, wenn ſich ferner ausmitteln ließe, auf wel-
chem landſtriche zwiſchen Weſtphalen und Niederſach-
ſen beide noch heute den einwohnern geläufig ſind (der
cleviſche Teutoniſta führt heven und hymmel an) ſo
wäre ein punct gewonnen, der uns mit andern ähnli-
chen die heimath des dichters der E. H. verriethe. Die
demſelben dialect eigne analoge bildung gëbhan (mare)
angelſ. gëofon, iſt ſpäteren mundarten abgeſtorben.
Keine reinmittelh. quelle liefert hëven oder hëben, weder
Veldek noch Herbort haben es, aber Reinolt v. der lippe
ſetzt zeile 92. ſogar: himel und hëben zuſammen; weiſt
er wieder die ſcheide Weſtphalens und Sachſens, die un-
gefähr an dieſen fluß fällt? Der unſtatthaften ableitung
des wortes hëvan von hefan (tollere) muß man entſagen.
— Ein anderes beiſpiel gewährt die praep. von, welche
altſächſ. fan, niederländ. und plattdeutſch van, altfrieſ. fon
lautet, im angelſ. und altn. gänzlich mangelt. Die alt-
und mittelhochd. form iſt zwar vona (ſ. 85) von, ſelbſt
bey ſolchen, die in andern wörtern -an für -on ſetzen
(z. b. N. wanên f. wonên bei O. T.) allein einzelne denk-
mähler weiſen fana (miſc. 1, 19) hin und wieder brauchen
mittelh. dichter van (ſ. 448. 450.) auch H. Sachs reimt
van: man. Wenn nun in heutigen hochdeutſchen
mundarten van f. von nur im öſtlichen, nicht im weſt-
lichen Baiern erſcheint (Schm. §. 316.), ſo folgt klar,
[XV]Vorrede.
daß es dem älteren wie dem neuern ſchwäbiſchen dia-
lecte abzuſprechen ſey, dieſer aber auf die bildung des
neuhochdeutſchen, welchem durchaus nur von gerecht iſt,
mächtiger gewirkt habe, als der bairiſche. — Das nie-
derdeutſche ſtërre für ſtërne (ſ. 390. 391) begegnet meines
wißens in oberdeutſcher volksſprache nirgends, wenig-
ſtens in keinem der genauer unterſuchten dialecte, na-
mentlich nicht im elſäßiſchen; ſollte es im lothringi-
ſchen, mainziſchen, trieriſchen beginnen und für das
alth. ſtërro bei O und T. einen fingerzeig geben? — Ein-
zelnes zuſammentreffen beweiſt freilich nicht genug; hat
man erſt ſolcher linien mehr gezogen und viele be-
rührungs- oder abſtandspuncte gewonnen, ſo wird ſich
die ſonderung mancher dialecte faſt mathematiſch nach-
rechnen laßen. Bei ſammlung der volksmundarten müßen
aber auffallend hier fehlende, dort vorhandene wörter
und formen, gleichviel ob ſie in der ſchriftſprache oder
nicht vorhanden ſind, ins auge gefaßt, überhaupt die
mundarten um ihrer ſelbſt willen unterſucht, nicht als
ergänzungsmittel der gebildeten ſprache betrachtet wer-
den. Es liegt oft mehr daran zu wißen, ob ein ganz
üblicher ausdruck der ſchriftſprache in der gemeinen
des volks vorhanden ſey, oder ihr gebreche? als von
einer ſcheinbar ſeltſamen, verderbten form kunde zu
erlangen.
Da die verwandtſchaft und abweichung der dialecte
ſo ſehr an den wortbildungen und fügungen, als an den
lauten, flexionen und einzelnen wörtern geprüft werden
muß, enthalte ich mich, vorläufig auf anſichten ein-
zugehn, die mir über frühere und ſpätere verzweigung
unſerer völkerſchaften vorſchweben. Ich hoffe ſie beim
ſchluße des werks vollſtändiger zu geben; auch die in
der erſten ausgabe mitgetheilten allgemeinen ſätze über
den hiſtoriſchen gang der ſprache ſind als unreife erör-
terungen jetzt bei ſeite gelegt worden. Über eine an-
dere verſchiedenheit der gegenwärtigen von der frühe-
ren einrichtung muß ich mich indeſſen näher erklären:
die anführung der belegſtellen geſchieht unhäufiger als
in der erſten auflage, das iſt oft nachtheilig. Der
grammatiker ſoll von jedem einzelnen fall rechenſchaft
geben können; durch beifügung des belegs werden die
unbelegbaren fälle für den leſer und nacharbeiter her-
vorgehoben. Bei weiterem fortſchritt ergeben ſich nun
ganze ſtrecken als ausgemacht und es würde läſtig ſeyn,
ſie noch einzeln beweiſen zu wollen; das ſchwere bleibt
[XVI]Vorrede.
nur, die grenze des ſcheinbar ſicheren von dem wirk-
lich ſicheren zu treffen. Ich habe zwar das ſchwierige
und zweifelhafte mit anführungen zu ſtützen geſtrebt,
ungern viele aus mangel an raum unterdrückt. Noch
wichtiger war es freilich, die beiſpiele ſelbſt, auch ohne
hinzugegebnen beleg zu mehren, und ſo beträchtlich
dieſe vermehrung von der magerkeit der erſten ausgabe
abſtechen wird, genüge ich mir hierin noch lange nicht.
Grammatiſche gewähr kann nicht anders geleiſtet wer-
den, als durch vollſtändige aufzählung aller beiſpiele,
die unter jede einzelne regel der laut- und flexions-
lehre gehören; nicht bloß zum erweis der einzelnheit
ſelbſt, ſondern weil der überblick der maße unberechen-
bare vortheile hat. Solche vollendung der deutſchen
grammatik iſt aber natürlich nicht auf einmahl von einem
zu erreichen; wir ſollen ihr mit vereinten kräften nach-
eifern und es wird ſich durch geſchickte anordnung
ſelbſt auf beſchränktem raume weit mehr erreichen laßen,
als ich gegenwärtig liefere.
Das verzeichnis der quellen und hülfsmittel iſt weg-
geblieben, weil es nicht in die grammatik gehört, ſon-
dern in die geſchichte der literatur unſerer ſprache und
poeſie. Ich habe einige althochd. denkmähler mehr
brauchen können, als zu der erſten ausgabe, namentlich
die gloſſae auguſtanae (bei Braun vol. 2. p. 117-127);
gloſſae trevirenſes (wovon mir Hr. Prof. Wyttenbach be-
reitwillig die hſ. geliehen hat; es ſind die auch von
Gerbert herausg. gloſſae ſanblaſianae, welchen ſie jedoch
berichtigung, hin und wieder ergänzung gewähren);
bedauernswerth iſt der verluſt der im achten jahrh. über-
ſetzten kirchengeſänge. Voſſius hatte die pergamenthand-
ſchrift beſeßen, Fr. Junius davon copie genommen, er
ſagt in der vorrede zum goth. gloſſar: hos XXVI. anti-
quae eccleſiae alamannicae hymnos transſcripſimus ex
membranis voſſianis. Aus dieſer abſchrift ſind bekannt-
lich nur vier hymni (bei Hickes und Eckhart) im druck
erſchienen, die 22 fehlenden müßen für grammatik und
lexicon nicht wenig wichtiges enthalten, ein ſatz aus
hymn. 25. ſtehet in den gl. jun. 182; einer aus 21, 3.
bei Schilter v. kapot, aus 25, 4. v. kioſun ſewes [ich
kann nicht erklären, wie Schilter oder Scherz zu dieſen
ſtellen gelangt iſt?] In der erſten hälfte des vorigen
jahrh. wurde Junius abſchrift noch zu Oxford bewahrt
(v. catal. mſſ. angl. p.255. n° 5221.), jetzt fehlt ſie und
ſoll laut eingezogener erkundigung ſchon vor 60 jahren
[XVII]Vorrede.
geſtolen worden ſeyn. Vielleicht läßt ſie oder das ori-
ginal ſich noch irgendwo in England oder Holland auf-
ſpüren. — Zu München mögen manche einzelne bruch-
ſtücke und gloſſen althochd. mundart liegen, zu S. Gal-
len liegen die wichtigen ſogenannt keroniſchen gloſſen,
vielleicht aus dem ſiebenten jahrhundert, gewis von Ke-
ro’s, des überſetzers der benedictin. regel, ſprache ab-
weichend; ſie wird Fügliſtaller, einer der gründlichſten
kenner unſerer ſprache, demnächſt mit den geſammten
ſchriften Notkers drucken laßen. Die altſächſiſche Evan-
gelienharmonie, deren herausgabe ſchon vor drei jahren
endlich kein hindernis im wege ſtehen ſollte, iſt immer
noch nicht erſchienen; Hr. Bibliothecar Scherer war ſo
gefällig, mir auf mein anſuchen einige bruchſtücke der mehr-
fach genommenen abſchriften zu ſenden, aus denen ſich
meine bekanntſchaft mit dieſer mundart einigermaßen er-
weitert hat. Von den mailändiſchen entdeckungen iſt außer
und ſeit dem majiſchen ſpecimen nichts heraus. Wenn nun
ſchon einzelne blätter des wiederaufſtehenden Ulphilas
manche dunkelheit zerſtreuen, die vorher unſern blick
hemmte, der ganze vorrath aber maſſen von licht verbrei-
ten muß, wenn durch vollſtändige bekanntmachung der
werke Notkers erſt eigentliche ſicherheit und anſchauliche
fülle der beiſpiele für viele regeln der alth. grammatik ent-
ſpringen und das ſtudium der altſächſiſchen ſprache bald
einen feſteren halt gewonnen haben wird; ſo tröſtet mich
der gedanke an die bevorſtehenden aufſchlüße, wodurch
dieſem feld eine theilweiſe oder gänzliche umarbeitung
bereitet werden kann, über vermeidlich geweſene män-
gel meiner jetzigen arbeit.
Mit ſolchen nothwendigen oder verſchuldeten in-
neren unvollkommenheiten verträgt ſich auch das,
was an dem äußeren meines buchs misfallen wird.
Ein ſtolzes kleid geziemt der deutſchen grammatik noch
nicht. Die verlagshandlung hat, nach mislungenem ver-
ſuch, unvorhandene typen gießen zu laßen, um nicht
länger aufzuhalten, zu einzelnen holzſtöcken greifen
müßen, welche unſauber ins auge fallen, für einige
buchſtaben gar nicht einmahl gebraucht werden konn-
ten; dieſen übelſtand aber reichlich vergolten durch ver-
ſtattung jeder bequemlichkeit, durch zulaßung mehrerer
bogen über die verabredete zahl und durch verwendung
eines tüchtigen ſetzers, ohne welchen das werk nicht
ſo correct ausgefallen wäre. Die etwas ſchwankende
neuhochdeutſche orthographie fällt größtentheils mir zur
b
[XVIII]Vorrede.
laſt. Unſere heutige ſchreibung liegt im argen, darüber
wird niemand, der mein buch lieſt, lange zweifelhaft
bleiben. Es iſt natürlich, auf den gedanken zu kommen,
daß ihr noch in manchem ſtück zu helfen ſey, bedenk-
lich aber zur ausführung zu ſchreiten, da verjährte mis-
griffe nunmehr ſchon auf den reim der dichter und ſelbſt
die wirkliche ausſprache übel eingefloßen haben. Mei-
nen abweichungen wird nicht leicht kein geſchichtlicher
grund zur ſeite ſtehen, verſchiedene habe ich nur für,
die grammatiſche aufſtellung des neuhochdeutſchen ge-
wagt, nicht für den neutralen text, über dem ich un-
ſere orthographie oft vergaß. Wie mit ihr zu verfahren,
ob ſie noch für änderungen, nach ſo vielen widerwärtigen,
mit recht geſcheiterten verſuchen, empfänglich ſey, ver-
diente eigens erwogen zu werden, worauf ich mich aber
hier nicht einlaße; mittel und wege dazu lehrt meine dar-
ſtellung kennen. Einſichtige werden, jeden zumahl ge-
waltſamen neuerungen des hergebrachten in der regel
abhold, als ausnahme die abſchaffung eingeſchlichener
misbräuche, an die man ſich freilich auch gewöhnt hat,
gerne ſehen. Gleich aller geſchichte warnt die hiſto-
riſche grammatik vor freventlichem reformieren, macht
uns aber tugenden der vergangenheit offenbar, durch de-
ren betrachtung wir den dünkel der gegenwart mäßigen
können. An rechter ſtelle wird ſich dann manches wün-
ſchenswerthe und lang gemiſte immer anwendbar zeigen.
So ſchien mir, als ich an die niederſchreibung dieſes
werks gieng, ohne daß ich es früher gewollt hatte oder
jetzo beſonderen werth darauf legte, die verbannung
der großen buchſtaben vom anlaut der ſubſtantive thun-
lich, ich glaube nicht, daß durch ihr weglaßen irgend
ein ſatz undeutlich geworden iſt. Für ſie ſpricht kein
einziger innerer grund, wider ſie der beſtändige frühere
gebrauch unſerer ſprache bis ins ſechzehnte, ſiebzehnte
jahrhundert, ja der noch währende aller übrigen völker,
um nicht die erſchwerung des ſchreibens, die ver-
ſcherzte einfachheit der ſchrift anzuſchlagen. Man
braucht nur dem urſprung einer ſo pedantiſchen ſchreib-
weiſe nachzugehen, um ſie zu verurtheilen; ſie kam auf,
als über ſprachgeſchichte und grammatik gerade die ver-
worrenſten begriffe herrſchten. Näher beſehen hat man
ihr auch ſchon verſchiedentlich entſagen wollen, die ab-
handlungen der pfälziſchen academie, der voſſiſche Ho-
mer ſammt anderen ſchriften ſind ohne große buchſtaben
gedruckt. In beibehaltung der lateiniſchen terminologie
[XIX]Vorrede.
iſt auf rath und mit beiſtimmung verſtändiger männer
nichts geändert worden; an andere mir anfangs ſelbſt
ungefüge deutſche ausdrücke für eigenthümlichkeiten der
deutſchen grammatik ſcheint man ſich zu gewöhnen und
ich ſtehe nicht an, ſie ihrer kürze und bequemlichkeit
wegen fortzugebrauchen, oder man verſuche, das was
ich umlaut, ablaut, anlaut, inlaut, auslaut nenne, be-
ſtändig zu umſchreiben und in eine fremde ſprache zu
überſetzen.
Die verſchrobenheit der deutſchen ſprachlehre in
unſeren ſchulen, den unwerth der bücher, die man da-
bei zu grunde legt, hatte ich lebhaft beklagt; ſchei-
nen einige meiner behauptungen zuweit gegangen
(wiewohl ich nur den faſt ſinnloſen elementarunterricht
angegriffen, nicht aber vernünftige anwendung deutſcher
grammatik in höhern claſſen verredet habe) ſo glaube
ich doch fernerer oder eigentlicher verantwortung über-
hoben zu ſeyn und begnüge mich, wohldenkende ſchul-
männer auf das verfahren, welches verſchwiſterte, an
practiſchem gefühl uns ſo oft überlegene völker, Eng-
länder, Holländer, Dänen und Schweden, rückſichtlich
des unterrichts in der angebornen, einheimiſchen ſprache
beobachten, zu verweiſen.
Allen, die mir durch aufmunterung und guten rath
die fortſetzung meiner arbeit erleichtert haben, danke
ich. Der ſachkundige jen. recenſent wird einige ſeiner be-
merkungen mit dem fortſchritte meiner kenntniſſe zuſam-
mengetroffen finden. Fügliſtaller hat mir mit freund-
lichſter zuvorkommenheit fragen über Notker beantwor-
tet, aber auch noch anderes aus dem ſchatze ſeiner
ſammlungen nicht vorenthalten. Wie vermöchte ich
die in ununterbrochenem briefwechſel erfahrene regſte
theilnahme meiner freunde Benecke und Lachmann ge-
nug zu rühmen, deren eingebungen, ſo oft ich ihnen
nur zu folgen verſtand, ich zu meinem gewinn gefolgt
bin. Solche ausführliche und rückhaltsloſe mittheilun-
gen, als mir Lachmann gemacht hat, muß man an ſich
erfahren haben, um ihren werth zu begreifen, denn ſie
belehren, treiben an und ſtören doch nicht das zur ar-
beit nöthige innere geſammeltſeyn, ſondern man meint
durch ſich ſelbſt fortzulernen.
a. Heinr. (armer Heinrich) a. Tit. (Wolfr. Titurel,
ed. Docen) a. w; altd. w. (altd. wälder) Am. (got amûr)
As. (aſegabuch) Barl. (Barlaam) Ben. (Beneckes beiträge)
Beov. (Beovulf, ed. Thorkelin) Bit. (Biterolf) Bloch (danſk
ſprogläre, Odenſe 1817.) Boeth. (Alfreds Boethius) Bon.
(Bonerius) Botin (ſvenſka ſpråket Stockh. 1792.) Br. (li-
terae brocmannorum, ed. Wiarda) Buttm. (ausführl. gr.
ſprachl.) C. A. (cod. argenteus) Cädm. (Cädmonis para-
phraſis) Conr. (Conrad v. Würzburg) E. H. (Evangelien-
harmonie) En. (Eneit) exh. (exhortatio) Flore (Flore und
Blanſchiflûr) fragm. (fragm. und kl. ged. Müller theil III.)
Frib. (Vriberg Triſtan) Frig. (Vrîgedanc) Georg (Reinbots
Georis) gl. aug. (gloſſae auguſtanae) gl. blaſ. (blaſianae)
gl. caſſ. (caſſellanae) gl. hrab. (Hrabani)gl. jun. (Junii) gl.
monſ. (monſeenſes) gl. trev. (trevirenſes) gl. zwetl.
(zwetlenſes) Gotfr. (Gotfried von Straßburg) Gudr. (Gu-
drun) Hartm. (Hartmann v. Aue) Herb. (Herborts tro-
jan. krieg, cod. pal.) hild. (Hildebrandslied) Huyd. (Huy-
decoper) J. (überſetzung des iſidoriſchen tract. de nati-
vitate etc. ed. Roſtgaard) Jud. (Judith) Jw. (Jwein) K.
(Keros überſ. der reg. Bened.) Karl (Strickers Karl) kl.
(klage) kolocz (koloczer codex) Lohengr. (Lohengrin) M.
S. (ſammlung der minneſinger) Maerl. (Maerlants ſp. hiſt.)
Maria (ed. Oetter) meiſterg. (altmeiſtergeſangbuch) miſc.
(Docens miſcellaneen) N. (Notkers pſalmen) Nib. (Nibe-
lungen) O. (Otfried) Orl. (Rudolfs Orlenz) Ottoc. (Otto-
car v. Horneck) Par. (Cädmons paraphraſis) Parc. (Par-
cifal) Raſk (im angelſ. iſt deſſen angelſakſiſk ſprogläre
Stokh. 1817; im altn. deſſen anviſning till Iſländſkan,
Stockh. 1818. gemeint) Rein. (Reinaert de vos) Ritſ.
(Ritſons romances) Roth. (Rother) Rud. (Rudolf v. Enſe)
Schm. Schmeller (bairiſche mundarten) Schn. Schneider
(latein. grammatik) ſchwanr. (Conrads ſchwanritter) St.
(Melis Stoke) Stald. Stalder (Schweizerdialectologie) T.
(überſetzung Tatians) Tit. (Titurel) Triſt. (Gotfrieds Tri-
ſtan) Triſtr. (Ercildounes Triſtrem) troj. (Conrads troian.
krieg) Veld. (Heinr. v. Veldek) W. (Wileram) Weber
(metrical romances) weſſobr. (weſſobrunner fragment)
Wig. Wigal. (Wigalois) Wigam. (Wigamur) Wilh. (die
drei theile Wilhelm des heiligen) Wolfr. (Wolfram v.
Eſchenbach). Die zahlen ſind nach blättern und ſpalten
angemerkt, zuweilen nach zeilen.
Vorbemerkungen. 1) Paläographiſche betrachtungen
und unterſuchungen der äußeren geſtalt der buchſtaben
gehören in die diplomatik. Die angenommene herlei-
tung der runenſchrift aus den lateiniſchen oder griechi-
ſchen buchſtaben, ſo wie die einſchränkung der runen
auf bloß Skandinavien, muß bei gründlicher forſchung
ſchwinden. Weder die runen noch ſelbſt die gothiſchen
buchſtaben laßen ſich hinreichend oder vollſtändig auf
das lateiniſche und griechiſche alphabet zurückführen;
der hauptbeweis dieſes ſatzes fließt theils aus der über-
einſtimmung der gothiſchen o, u, q, v. þ und des
zweimahl nebengeſtrichenen f mit den runiſchen zei-
chen, theils aus der merklichen verſchiedenheit der ſäch-
ſiſchen und markomanniſchen runen von den nordi-
ſchen. Ein ſolches zerfallen der runen in grundver-
wandte, jedoch eigenthümlich geſtaltete und nicht wohl
auseinander herzuführende arten deutet ja wie bei der
ſprache ſelbſt, die ſich in ſtets ähnliche und ſtets unähn-
liche ſtämme verbreitet, auf einen weit feineren, leben-
digeren organiſmus und auf ein höheres alter der runen-
ſchrift, als man bei der anderen mechaniſchen erklä-
rungsweiſe folgern dürfte. Die einzelnen runen tragen
alte, gleichfalls einſtimmige und abweichende namen, in
deren wurzel der vocal oder in deren anfang der con-
ſonant ſteht, dem ſie gebühren. Das und noch mehr
der inhalt oder ſinn dieſer namen, ſelbſt die von alten
dichtern hinein gelegte, vielleicht auch traditionell fort-
gepflanzte auslegung derſelben beſtätigen den zuſammen-
hang der runen mit einer früheren heidniſchen zeit.
A
[2]I. von den buchſtaben insgemein.
Für die anordnung, vergleichung und auslegung der uns
oft nur in fehlerhaften, ungenauen abſchriften überlie-
ferten runenalphabete wird noch manche dunkelheit zu
löſen bleiben, einiges aber von dem, was ſchon jetzo
klar erſcheint *), bei den einzelnen buchſtaben berührt
werden, in soweit es für die grammatik wichtig iſt.
In dieſer findet auch keine ſtelle was über die verſchie-
dene bildung und änderung der durch das chriſtenthum
eingeführten griechiſchen oder lateiniſchen ſchrift in der
diplomatik auseinandergeſetzt werden muß. Einzelne
länder, einzelne jahrhunderte ſchreiben genauer als an-
dere, nach der richtung, die geiſtiger fortſchritt und ge-
lehrſamkeit genommen haben. In ungünſtigen zeiten
verſchlimmern ſich ſchrift und ſprache. Zuweilen iſt
auf die urſprüngliche niederſchreibung oder vervielfälti-
gende abſchrift einzelner werke ungewöhnliche, für die
geſchichte der ſprache erſprießliche ſorgfalt gewendet
worden; ein beiſpiel liefern Notkers arbeiten zu S. Gal-
len. Aus dem ſyſtem und den beobachteten zeichen
ſolcher werke kann die grammatik vieles lernen; allein
ſie muß ſogar weiter ſchreiten, wenn ſelbſt durch dieſe
zeichen die der ſprache weſentlichen, zum theil erſt
durch hiſtoriſche ſprachvergleichung erkennbar gewor-
denen laute und töne nicht genügend dargeſtellt werden
können. Noch viel mehr muß ſie, unbekümmert um
die entſtellten oder nachläßigen lesarten ungenauer und
ſchlechter handſchriften, die regel der ſprache nach ort
und zeit ſelbſt ergründen und eine angemeßene ſchrei-
bung ein- und durchführen. Da ſich aber die abwei-
chungen und eigenheiten der hſſ. nicht bloß auf fahr-
läßigkeit u. unwißenheit der abſchreiber gründen, ſon-
dern zuweilen aus der beſonderen mundart der verfaßer,
umarbeiter und ſchreiber fließen, ſo können freilich alle
ſolche beſonderheiten an und für ſich in der ſprachge-
ſchichte lehrreich werden. Es verſteht ſich nur dabei
von ſelbſt, daß die grammatik, ſo angelegen ihr die ſorg-
fältige zergliederung einzelner mundarten ſeyn muß,
nicht in das familienleben und die unendlichkeit aller
und jeder idiome eingehen darf, ſondern für perioden
u. landſchaften allgemeineren, feſteren regeln zu folgen
hat. Critiſchen herausgebern der bedeutenden ſchrift-
[3]I. von den buchſtaben insgemein.
ſteller und dichter bleibt es überlaſſen, auf die feinere
darſtellung ihrer eigenthümlichkeiten bedacht zu neh-
men. Doch mit dem höheren alter eines denkmahls
ſteigt ſeine ehrwürdigkeit, ja unverletzlichkeit; was wir
uns bei der herſtellung eines textes aus dem dreizehnten
jahrhundert erlauben, würde an einem aus dem achten
übel angewandt ſeyn, wo unſer maßſtab dürftiger, jeder
fehlſchritt ſtörender iſt. In der heutigen ſprache ſtören
die ſichtbaren mängel der geltenden orthographie am al-
lerwenigſten.
2) Zur darſtellung der laute in ſämmtlichen deutſchen
ſprachen bediene ich mich meiſtentheils der heutigen
gangbaren buchſtaben, deren unzulänglichkeit für alle
fälle leicht einzuſehen iſt. Sie würden ausreichen, wenn
es bloß auf die einfachen oder grundlaute ankäme; aber
in der miſchung und zuſammenfügung pflegt ſich gerade
die mannigfaltigkeit der mundarten zu erweiſen. Für
diejenigen miſchlaute, welche der eine oder der andere
dialect liebt, ſchafft er ſich zuweilen beſondere zeichen,
und wenn auch ſolche zeichen graphiſch erwogen eine
miſchgeſtalt verrathen, haben ſie doch ein einfacheres
anſehen und ſind wirklich im gebrauche behülflicher,
als die einzeln aufgelöſten und nebeneinander geſtellten
beſtandtheile der zuſammenſetzung. In unſerm worte:
ſchrift z. b. drücken wir acht laute mit ſieben zeichen
aus, f. nämlich ſtehet für ph. Das ſch würde der Ruſſe
ebenfalls mit einem einzigen zeichen, folglich jenes wort
mit fünf buchſtaben ſchreiben können. Dergleichen
eigene buchſtaben zu ſp. ſt. und andern lieblingslauten
unſerer ſprache wären ihr ſo dienlich, als es dem Grie-
chen ſein ψ für ps. iſt. Sie mangeln nun einmahl.
Die adſpirierten b. d. t. ſind mit den ſächſiſchen alten
zeichen ƀ. ð. þ. dargeſtellt, letzteres iſt auch für den go-
thiſchen, unleugbar ſelbſt formell identiſchen buchſtab ver-
wendet worden. Die gothiſchen hv. und qv. erſcheinen
hingegen aufgelöſt; der gleichförmigkeit mit den übri-
gen alten mundarten wegen, bei denen die zeichen doch
zu ſehr befremdet hätten, und weil der Gothe ſelbſt für
die ähnlichen hl. hn. hr. kein eignes zeichen hat, ſon-
dern ſie auflöſt. Das wichtigſte ſchien, die mannigfal-
tigkeit der vocalmiſchungen aufzufaßen, und zu dieſem
ende sind theils mehrere übliche zeichen gebraucht,
theils da ſie immer nicht hinreichten. einige neue er-
funden, wenigſtens neu beſtimmt worden. Strenge gra-
A 2
[4]I. von den buchſtaben insgemein.
phiſche conſequenz war hierbei weder leicht noch nö-
thig, weil das gewohnte möglichst behalten werden
ſollte, aber der begriff jedes lautes das angelegentlichſte
ſchien. Der circumflex dient zur bezeichnung der ge-
dehnten vocale, der acutus zur unterſcheidung diphthon-
giſcher verhältniſſe; der gravis kommt nur beim engli-
ſchen vor, und ganz wie bei heutigen grammatikern
dieser ſprache. Daß ich den circumflex auch über die
nordiſchen dehnlaute ſtatt des dafür gewöhnlichen acu-
tus geſetzt habe, wird man der gleichförmigkeit zu gut
halten. Angelſächſiſche, hochdeutſche und ſelbſt nordi-
ſche handſchriften bedienen ſich, alle jedoch unregel-
mäßig, eines hackens, der bald mehr dem acutus, bald
mehr dem circumflex gleicht, letztern wählen hin und
wieder angelſächſiſche drucke. Die meiſten hſſ. laßen
alle dehnzeichen aus, und andere brauchen den acutus
neben dem dehnenden circumflex oder auch allein zur
wirklichen accentuation, die von der dehnung völlig
verſchieden iſt (ſ, unten.). Mein verſuch, ſo viele und
großentheils neuentwickelte lautverhältnisse ſorgfältig
auszudrücken, fordert nachſicht; vielleicht läßt ſich das
ſyſtem in der folge vereinfachen und vervollkommnen,
am beſten so, daß die vergleichung der verſchiedenen
ſprachſtämme noch mehr hervorgehoben wird. Eigene
gothiſche, ſächſiſche, althochdeutſche lettern gießen zu
laßen ſcheint mir aber koſtſpielige und verwerfliche zie-
rerei, welche den druck ſammt dem leſen erſchwert,
für die einfachen laute gar nichts fruchtet und bei den
gemiſchten im ſtich läßt, weil zu den vorhandenen den-
noch neue typen erfunden werden müßen. Nebenbei
nehmen ſich ſowohl der gothiſche als der angelſächſiſche
typus ungefällig aus; von jenem hat man bisher nur ein
großes, unnöthig raum koſtendes format gebraucht. Den
richtigen geſichtspunkt befolgen die herausgeber nordi-
ſcher ſprachdenkmähler; Engländer und Holländer über
der treue, die ſie in einem gemengſel von mancherlei
buchſtaben ſuchten, vernachläßigten oft die höhere,
welche nur aus einer vertrauten bekanntſchaft mit dem
grammatiſchen bau aller dieſer mundarten hervorgeht.
1) In vocale und consonanten. Der vocaliſmus hat in
allen deutſchen ſprachen beſonders tiefe bedeutung und
[5]I. von den buchſtaben insgemein.
iſt, wie es ſcheint, feſter und feiner beſtimmt, als z. b.
in der griechiſchen u. lateiniſchen. Kein vocal ſteht oder
wechſelt willkürlich in derſelben mundart; wenn eine
verſchiedene mundart übergänge zeigt, ſo haben ſolche
nicht weniger bei conſonanten ſtatt, und erfolgen über-
all nach vorgezeichneten geſetzen und verwandtſchaften.
Etymologen, welche den vocal für etwas gleichgültiges
erklären, wie er es in einigen ſprachen des orients eher
zu ſeyn ſcheint, und ſich bloß an das gerippe der con-
ſonanten halten, verlieren dadurch mehr als ſie gewin-
nen, indem die kenntniſs der vocalverhältniſſe gerade
die ſicherſten und reichhaltigſten aufſchlüße über den
[urſprung] und die ableitung der wörter gewährt; auf-
ſchlüße, die mit jenen ungezügelten ſprüngen im felde
des conſonantiſmus den auffallendſten gegenſatz bilden.
Man muß jedoch genau die bedeutung und geſchichte
der vocale in der wurzel von denen in der endung
eines wortes unterſcheiden. Die vocale in letzteren ha-
ben ein kürzeres, geringeres leben, ſind auch häufigeren
veränderungen ausgeſetzt und können weniger im allge-
meinen, als im einzelnen betrachtet werden, ein gründ-
liches urtheil über ſie wird erſt aus der ſchwierigen un-
terſuchung der accentuation einmahl hervorgehen.
2) Die vocale ſind entweder einfache oder doppelte,
womit die eintheilung in kurze oder lange gänzlich zu-
ſammenfällt (vergl. unten die bemerkungen über die pro-
ſodie). Der einfachen (kurzen) gibt es in den deutſchen
[ſprachen] achte: a, e, i, o, u, ë, ö, ü (= y), von wel-
chen wiederum a, i, o, u als die reinen, e, ö, ü aber
als getrübte (umlaute) betrachtet werden müßen; mit dem
ë hat es eine eigne bewandtniſs, die ſich hier noch nicht
ſondern erſt in der althochdeutſchen buchſtabenlehre ent-
wickeln läßt. Die ausſprache des a, i, u (finden, fand,
funden) gleicht ſich in allen (oder den meiſten) deutſchen
zungen; ſchon ſchwankender iſt die des o. Es wird
zumahl auffallen, daß ich dem e die natur eines reinen
vocals nicht beilege; auf gründe die man hierwider aus
ganz abſtracten unterſuchungen der ſprachlaute oder aus
der betrachtung fremder ſprachen vorbringen wollte,
laße ich mich jetzt nicht ein; in der deutſchen ſprache
ſteht es hiſtoriſch zu erweiſen, daß das e als [umlaut],
das ë als erſatz für frühere andere laute zu betrachten
ſey, wie denn auch die älteſten runen gar kein zeichen
zu beiden beſitzen. Ein anderer grund liegt mir in dem
[6]I. von den buchſtaben insgemein.
ſpäteren entſpringen und ſteigenden umgreifen der um-
[laute], welches auf frühere ſeltenheit und ſelbſt abhan-
denſeyn des einfachen e ſchließen läßt. Hierfür ſpricht
endlich auch die in den neueren ſprachen immer wach-
ſende auflöſung faſt aller vocale der endungen in ein
tonloſes e, ſo daß das erlangte entſchiedene übergewicht
dieſes lauts ſeinen anfänglich geringeren umfang gleich-
ſam zurückbedeutet. Die uralte ſprache braucht über-
haupt weder alle vocale, noch alle conſonanten ent-
wickelt zu haben; manche fremde ſprachen entbehren
bekanntlich einzelner einfacher conſonanten. Noch viel
mehr aber gilt das von den gemiſchten oder zuſammen-
geſetzten lauten, vocalen und conſonanten, in deren
entfaltung und vielfältigen beſtimmung meiner anſicht
nach etwas unurſprüngliches zu ſuchen iſt. Merkwürdig
beſitzen die Griechen für a, i, u nur ein, für e und o
jedesmahl zwei zeichen (ε, η; ο, ω), welches die un-
gewiſsheit beider laute beſtätigt, obgleich ſie proſodiſch
eben dadurch beſtimmt worden ſind und η und ω für
doppelte laute geachtet werden müßen.
3) Ein doppelter vocal ſetzt den zuſammenfluß zweier
einfacher in einer ſilbe voraus; einſilbigkeit iſt das we-
ſentliche erforderniſs jedes diphthongen. Man kann
zwei arten der doppelvocale angeben:
4) Wegen ausſprache der doppelvocale merke man
weiter:
5) Triphthongen würden möglicherweiſe in noch
größerer anzahl vorhanden ſeyn, wirklich aber beſtehen
ſie in weit geringerer. Die ältere ſprache kennt ſie gar
nicht, die ſpäterer nur ſelten, und ſie entſpringen aus
zuſammengezogenen mehrern ſilben.
6) Der eintheilung der vocale in reine und trübe iſt
ſchon gedacht worden. Man könnte ſie auch benennen:
dichte und dünne. Zu den reinen gehört a, o, u, de-
nen die trüben e, ö, ü entſprechen, zwiſchen beiden
ſteht i eigentlich in der mitte, als keiner trübung fähig.
Die von einem folgenden vocale bewirkte trübung (ver-
dünnung) des vocals der wurzel heißt nun: umlaut.
Man merke:
7) Genau vòn dem umlaut muß der ablaut unterſchie-
den werden, ein allen deutſchen ſprachen eigenes, we-
ſentliches verhältniß mannigfaltiger vocalabwechſelung.
Zufolge beſtimmter, in den innerſten bau unſerer ſprache
verflochtener geſetze löſen ſich in den wurzeln ſelbſt
und ohne daß dazu eine auf der endung beruhende ver-
anlaßung nöthig wäre, vocallaute einander ab. Die da-
bei auftretenden vocale ſind einfache oder doppelte, nie-
mahls aber trübe. Regeln und eingreifende folgen des
ablauts können erſt in dem abſchnitt von der ſtarken
conjugation und von der wortbildung ins licht geſetzt
werden. —
8) Die erſte eintheilung der conſonanten iſt wiederum
die in einfache und doppelte. Die einfachen zerfallen
ſodann in flußige (liquidae) und ſtumme (mutae). Jener
ſind viere: l, m, n, r. Die mutae theilen ſich nach dem
werkzeug ihrer hervorbringung lippe, zahn (zunge), kehle
in drei reihen: labiales b, p, v; dentales (linguales) d, t,
ſ; gutturales g, k, h. Die drei letzten jeder reihe, das
wehende v, das ſauſende ſ und das hauchende h kann
man ſchicklich ſpiranten heißen. Dem v aber ſteht
noch ein eigener conſonant das j zur ſeite; beide ver-
mitteln den übertritt der vocale u und i in die con-
ſonantenreihe und verdienen deshalb den namen halber
vocale. Sämmtliche deutſche ſprachen beſitzen alle dieſe
einfachen conſonanzen.
9) Die doppelten conſonanten ſind, gleich den voca-
len entweder doppelt durch ſich ſelbſt (geminae) oder
durch verbindung verſchiedenartiger (compoſitae). In
[11]I. von den buchſtaben insgemein.
beiden fällen verwächſt auch wieder der laut in derſel-
ben ſilbe, und wenn conſonanten aus verſehiedenen ſil-
ben aneinander ſtoßen, ſo iſt keine doppelung vorhan-
den. Im lat. aſſero, immitto, attero findet ſich nicht der
eigentliche doppellaut, den wir in maſſa, flamma, mitto
wahrnehmen, jenes bleibt bloße aſſimilation. Ebenſo
unterſcheidet unſer ohr annehmen, zerrinnen, ausſenden
von mannes, zerren, miſſen. Dasſelbe gilt von der com-
poſition; man vergleiche ſtand mit haus-tenne, fiſk mit
us-kunþ etc. Doch können auch anſtoßende conſonan-
zen. zumahl aſſimilationen durch lange ausſprache all-
mählig in wirkliche doppellaute übergehen. Es iſt von
wichtigkeit, ſich mit den in jeder mundart beliebten
compoſitionen der conſonanten bekannt zu machen.
10) Geminationen, in der älteren ſprache ſelten, wer-
den in der neueren häufig; es erſcheint alſo in ihnen zwar
etwas gebildetes, zugleich aber eine entſtellung des frü-
hen proſodiſchen wohllauts. Mehr hiervon nachher bei
der anmerkung über die proſodie. Übrigens geminie-
ren nur einfache conſonanten, nicht zuſammengeſetzte,
daher die hochdeutſchen ff und ƷƷ gewiſſermaßen un-
organiſch ſind.
11) Unter den componierten conſonanten ſind im all-
gemeinen die mit den ſpiranten die wichtigſten, hier ge-
ſchieht die vermiſchung beider laute am innigſten. Ent-
weder ſteht der ſpirant vor oder nach. Jenes z. b. in
den doppellauten hl. hn. hr. hv.; ſl. ſm. ſu. ſk. ſp. ſv.;
vl. vr. dieſes in ch. ph. th. vh. bh. gh. dh.; hs. rs. ts.;
kv. tv. etc. Es miſchen ſich auch dreie, wovon ſkr.
das älteſte und wichtigſte beiſpiel (vgl. das fräukiſche
chl. chr.), ſpäterhin nehmen dieſe dreifachen zu und
zweifache verwandeln ſich in ſie, wie unſer ſch. ſchr.
ſchl. etc.; einige finden ſich bloß in der ausſprache,
nicht in der ſchrift, wie ſchp. ſcht. tſch. u. a. Für die
zweifachen ſchreiben manche mundarten eigne zeichen,
als z. ƀ. ð, þ, x und alle f (ph); für qv. hv. hat Ulfilas
buchſtaben. Der häufige gebrauch einiger zweifachen
namentlich des f. þ und z bewirkte, daß man ſie fac-
tiſch in den meiſten mundarten für einfache gelten ließ,
daher ſie theils keine poſition machen, theils ſich gemi-
nieren können. Das unorganiſche dieſer vereinfachung
fließt am deutlichſten aus der abweichenden ſitte ver-
ſchiedener ſprachen in dieſem punct. Dem Griechen
[12]I. von den buchſtaben insgemein.
galt ſein χ ſo gut einfach als ſein φ. Dem Hochdent-
ſchen iſt f. einfach, ch aber nicht.
12) Die richtige ausſprache ſo mannigfaltiger doppel-
laute hat natürliche ſchwierigkeit, doch gibt es kenn-
zeichen, z. b. die hiſtoriſchen übergänge verſchiedener
doppellaute, oder das ausfallen eines der verbundenen
conſonanten; die ſpäteren r. l. n. ſtatt hr. hl. hn. zei-
gen daß das gewicht auf dem liquiden buchſtab ruhte.
13) Der kürze halben werde ich mich im verfolg zu-
weilen der ausdrücke anlaut, inlaut, auslaut für ſolche
conſonanten bedienen, die in anfang, mitte und ende
eines worts ſtehen, z. b. keine dentſche mundart kennt
die dem Griechen ſo beliebten anlaute mn. pt., keine
den ſlaviſchen anlaut ſr. etc. Überhaupt gilt auch von
den conſonanten die für die vocale gemachte bemer-
kung, daß ſich jede mundart ihr gefällige laute unter
ſo vielen möglichen auswählt und auf ihre weiſe zu-
richtet.
14) Endlich muß bemerkt werden, daß nicht weniger
bei den conſonanten ein gewiſſer umlaut einzutreten
pflegt, ein übergang in verwandte laute, deſſen bedingun-
gen ſich doch im allgemeinen nicht darlegen laßen. Nur
ſoviel kann vorläufig geſagt werden, der conſonantum-
laut hängt nicht von der endung, ſondern meiſtentheils
davon ab, daß der inlaut zum auslaut wird. Auch ken-
nen ihn nicht alle mundarten und nicht auf dieſelbe
weiſe. Mich für die erörterung dieſer übergänge und
ſonſt der bekannten eintheilung in tenues (p. t. k.) me-
diae (b. d. g.) und aſpiratae (ph. th. ch.) zu bedienen,
nehme ich keinen anltand. — Von einem ablaut der con-
ſonanten iſt gar keine rede.
Vorhin iſt geſagt worden, daß die einfachen und
doppelten vocale zugleich den begriff der länge und
kürze in ſich ſchlößen. Dieſes würde ziemlich ohne
bedeutung ſcheinen, wenn man den maßſtab des heuti-
gen ſprachſtandes hinzubringen wollte, der uns ledig-
lich auf den ton oder accent weiſt. Unſere dichter neh-
men ſelbſt bei der verſuchten nachbildung antiker vers-
maße auf die geſetze der quantität keine eigentliche
[13]I. von den buchſtaben insgemein.
rückſicht. Dieſe geſetze an ſich ſelbſt ſind gleichwohl ſo
einfach und in der natur menſchlicher ſprache ſo ſehr be-
gründet, daß eine hiſtoriſche unterſuchung der deutſchen
nothwendig auf die frage führen muß. ob nicht wenig-
ſtens in verfloßenen zeiten proſodiſche grundſätze merk-
lich vorgewaltet haben und aus welchen ſpuren das noch
zu erkennen ſeyn wird? Sind doch die neugriechiſ he
und romaniſche ſprache der alten griechiſchen und la-
teiniſchen quantität verluſtig geworden; warum ſollte
die analogie dieſer fortbildung oder verbildung nicht
auch für die deutſche geltend gemacht werden dürfen?
geht hier der ſprachgeiſt keinen natürlichen gang? Ich
glaube daß etwa folgende puncte anzuſchlagen wären:
1) die gedehnten und diphthongiſchen laute in den al-
ten flexions- und bildungsendungen weiſen darauf, daß
die heutige betonung ganz derſelben wörter u. formen
ihren ehmahligen zuſtand nicht ausreichend erkläre, ge-
ſchweige ſinnlich erſchöpfe. Man halte unſer: tage
(dies), wege (vias), hat (habet), bitte (peto) zu dem
goth. dagôs, vigôs, habáiþ, bidja oder dem alth. tagâ,
wëgâ, habêt, pittu; weiter: ſteine (lapides) ſalbes (un-
gis) zu ſtainôs, ſalbôs; niemand zweifelt wohl, daß die
heutzutage gleichtonigen ſilben tag, weg, ſtein, ſalb vor
alters nicht auf einer reihe geſtanden haben können, es
iſt ſehr glaublich daß das ſtufenweiſe abſchwächen der
doppellautigen endungen, ihre vermiſchung mit den kur-
zen, endlich ihre gänzliche abwerfung oder verſtümme-
lung auf ein dem neuen ſprachſtandpunct entgegengeſetztes
princip ſinnlich höherer vollendung hinweiſe, wie es
uns andere in jenen ſtücken auffallend einſtimmende
ſprachen der vorwelt mehr und minder wirklich zei-
gen. Gebührte jenen endungen mit doppellaut eine ge-
wiß merkliche länge, ſo muß ſich neben ihr in den ſil-
ben dag, vig, wenn ſie gleich betont wurden, eine
deutliche kürze offenbart haben. Ohne dies würde ein
ganz unglaubliches übergewicht ſchleppender längen in
der ſprache geweſen ſeyn. Vergleicht man nun lateini-
ſche formen *) dazu: menſâs, paſſerês, modôs; ſo ergibt
ſich ſchon entſchiedene analogie, die aber noch ſteigt,
wenn in beiden ſprachen wurzeln mit formen übereintref-
fen, z. b. in habêre und alth. habên, peto und goth. bidja,
[14]I. von den buchſtaben insgemein.
ſèmen und alth. ſâmo. Daher deutſche wörter von zwei
kurzen ſilben, z. b. gibit, liſit, ſaman, fater, völ-
lig wie petit, legit, ſimul. pater; von zwei langen,
ſteinà wie nôdôs; das geſetz der poſition in bindan, fal-
lan etc wie in findere, fallere etc. endlich. überflüßige
poſition bei ſchon an ſich langem vocal. ſtuontun wie
môns. Gehen dem vocal zwei oder mehr conſonanten
voraus, ſo ſtören ſie ſeine kürze nicht, z. b. pflëgan,
ſtëlan, ſtrëdan, (fervere) ſtritun (pugnabant) etc. wie im
lat. plico, precor, ſcrobis, ſtropha, ſtimulus etc. die erſte
ſilbe kurz bleibt. Alles dies, wenn es ſich völlig erwei-
ſen ließe, gewährt eine ähnliche, günſtige vertheilung
oder mannigfaltigkeit der quantität im deutſchen.
2) Als im verlauf der ſprache die endungen ſich ab-
nutzten und die früherhin langlautigen ihre länge ein-
büßten, muſte dies dem auf der wurzel ruhenden ton
ein übergewicht geben, welches die darin befindliche
kürze drückte und allmählig überhören machte. Das
gefühl für die langen laute der flexion, für die kurzen
der wurzel ſtumpfte ſich, kurzlautige endungen aber und
langlautige wurzeln fielen mit der tonloſigkeit jener und
der betonung dieſer in den meiſten fällen zuſammen.
Dem ohre muſten eine zeitlang und während der über-
gänge manche ehdem kurze laute zweifelhaft (ancipites)
ſcheinen, bis dieſe zweifel nach und nach die gewalt
des tones in dem ſinne ſeiner regel entſchied. Und die
wirkung fieng bald an ſich ſogar in der äußerlichen
ſchrift zu zeigen Die ſchrift der meiſten ſprachen
pflegt die quantität der laute, vielleicht eben, weil ſich
dieſe ſchon verdunkelt, ſelten genau zu bezeichnen, ge-
wöhnlich thut ſie halbe ſchritte oder kann nichts anders
thun. Die griech. ſchrift unterſcheidet die langen und
kurzen α, ι, υ nicht mehr, die lateiniſche ihre längen und
kürzen nirgends. Die altdeutſchen dehn- oder vielmehr
längezeichen wurden von den wenigſten und faſt nie ge-
nau befolgt; in der bloßen ausſprache beruhte die fort-
dauer oder ſpur der quantität. Endlich trat die ſchrei-
bung ſogar auf die ſeite des tons und ſtrebte, verſchwin-
dende kürzen als tönende ſilben darzuſtellen. Hierzu
dienten zweierlei mittel: gemination des auf den kur-
zen vocal folgenden conſonanten und einſchaltung eines
dehnenden e. oder h. In jenem fall entſprang poſition,
in dieſem doppelvocal, in beiden eigentlich war es bloß
der ton, dem es galt. Von wichtigkeit aber iſt es zu
[15]I. von den buchſtaben insgemein.
bemerken, daß früher geminiert und erſt ſpäter gedehnt
wurde *). Bei der gemination ſcheint man gewiſſer-
maßen noch die alte kürze des vocals zu ehren und ihn
nur durch die verſtärkte conſonanz bändigen zu wollen;
die dehnung hebt ihn ſelbſt auf, indem ſie ihn in einen
wirklich langen umwandelt. Daher mag eine durch die
volksſprache oder die inconſequenzen der ſchrift zuwei-
len hervorbrechende gemination in ſilben, die man ge-
wöhnlich dehnt, auch beweis für die alte kürze geben,
vater z. b. lautet im munde des volks häufig vatter,
und die ſchreibung des abgeleiteten vetter bezeugt die
einſtige correption der ſilbe fa. Beiſpiele von gemina-
tionen ehmals kurzer [wurzeln] ſind aus vielen: hammer,
kommen, himmel, nimmt ſtatt: hamar, qvëman, himil,
nimit; von dehnungen: nehme, liege, lieſeſt ſtatt: nimu,
ligu, liſis. Vorzüglich unorganiſch erſcheint aber die
gemination im pl. praet. und part. einiger ſtarken con-
jugationen z. b. griffen, goßen, gegriffen, gegoßen, rit-
ten, geritten, ja ich erkläre mir auf dieſe weiſe haupt-
ſächlich die entſtehung ſo unnatürlicher doppelungen,
als ff und gehörig verſtanden auch ß (ƷƷ) ſind. So ha-
ben ſich freilich ſchon ſehr frühe affe, phaffe, ſpäter
griffen, ſchiffen etc. eingeführt; für die unächtheit der
doppelung ſpricht theils die progreſſion derſelben, theils
ihr ausbleiben in den ſächſiſchen und nordiſchen ſpra-
chen. Ein Niederſachſe würde noch heute den unter-
ſchied zwiſchen ton und quantität fühlen, wenn man
ihn grêpen (rapere) und grepen (rapuerunt) gêten (fun-
dere) u. gaten (fuſum) ausſprechen ließe **); der ton ge-
bührt beidemahl der erſten ſilbe, aber im erſten fall iſt
ſie lang, im andern kurz.
3) das geſetz der quantität kann in der ſprache vor-
handen und ſelbſt noch wirkſam ſeyn, ohne daß es eine
dichtkunſt anwende. Mag es nun uralte verſchollene
deutſche lieder gegeben haben, oder nicht, in welchen
ſich eine ſolche anwendung deutlich offenbarte; ſo viel
ſcheint anzunehmen, daß die uns verbliebenen älteſten
denkmähler unſerer poeſie, ſächſiſche, hochdeutſche *)
und nordiſche mehr den accent beachten, als das proſo-
diſche maß, wiewohl die bisher vernachläßigte ſorgſa-
mere unterſuchung dieſes gegenſtandes erſt zu ſicheren
aufſchlüßen führen dürfte. Eine ſpur des proſodiſchen
princips meine ich inzwiſchen in der hochdeutſchen
reimkunſt zu entdecken. Die reime ſind entw. ſtumpfe
oder klingende**), unter denen man ſich nicht immer
dasjenige vorſtellen muß, was ſie heute bedeuten, näm-
lich ſolche die auf der letzten ſilbe reimen oder auf der
vorletzten mit tonlos nachklingender letzter. Für meine
gegenwärtige abſicht reicht es hin, drei perioden zu un-
terſcheiden. I. Otfried kennt ſtumpfe und klingende reime;
völliger gleichlaut iſt in beiden nicht nöthig, wiewohl
oft vorhanden, häufig gilt bloße aſſonanz. Stumpfe ſind
ihm, die lediglich auslauten, folglich a) einſilbige auf
einſilbige wörter, wâr: thâr. ſàr: hiar. thù: nû. quad:
pad. man: nam. thaƷ: was. b) einſilbige auf zweiſil-
bige, wâr: meiſtar. thaƷ: ſînaƷ. man: findan. c) einſil-
bige auf dreiſilbige, mêr: fremidêr. nôt: bilidôt. thës:
githigines. Klingender reime, d. h. ſolcher die in- und
auslauten, gibt es folgende: a) zweiſilbige auf zweiſil-
bige, zeiƷan: heiƷan. fiure: hiare. ſcrîban: bilîban.
muate: guate. ahtu: ſlahtu. ferti: henti. hanton: antôn.
racha: ſprâcha etc. b) zweiſilbige auf dreiſilbige, wîſa:
fëliſa. nôtin: ſteinôtin. wîbe: druhtine. c) dreiſilbige
auf dreiſilbige, worahta: forahta. managên: hebigên. tha-
nana: thëgana. — Erwägt man alle dieſe reime, ſo ha-
ben, was den accent betrifft, die einſilbigen wörter ſtets
[17]I. von den buchſtaben insgemein.
einen ton, ſey es den hohen oder tiefen; die zweiſilbi-
gen auf der penult. die dreiſilbigen auf der antepen.
desgleichen. In zweiſilbigen wörtern iſt die letzte ton-
los, in dreiſilbigen die letzte ebenfalls tonlos, die vor-
letzte entweder ſtumm (bilidôt) oder nur tonlos, mitun-
ter vielleicht tieftonig ſmâhêti, frumôno, ſteinôtin). Nie
alſo, und darauf kommt es mir an, kann die letzte ſilbe
ſtumm ſeyn, welches ſie wird, wenn eine kurze ſilbe
vorausgeht; mit andern worten, Otfried bedient ſich nie
in ſeinem ganzen gedicht *) zweiſilbiger wörter, deren
erſte ſilbe (d. h. wurzel) proſodiſch kurz iſt, wohin
eine menge von den geläufigſten wörtern gehört, als:
lëſan, wëſan, grebir, zelit, ſito (mos) buhil, nëman,
nimit, himil, thëgan, fëlis etc. Bekommen ſolche wör-
ter noch eine ſilbe, verſtummt mithin penult., ſo dienen
ſie ihm häufig ſtumpf oder klingend, nachdem ſie auf
ein einſilbiges oder mehrſilbiges wort reimen, menigî.
ſitôta, obana, fadumon, zelitun, buhiles, giſcribauêr:
bilibanêr etc. II. Mittelhochdeutſche periode. Jetzt gilt
gleichlaut, höchſtens reimen einzelne ungleiche doch
verwandte conſonanten, aber der vocal muß genau ſtim-
men, und ſprâche reimt nicht mehr auf ſache. Stumpfe
reime a) einſilb. auf einſilb. wörter. b) einſilb auf mehr-
ſilbige noch zuweilen, als tôt: morderôt. c) zweiſilb.
auf zweiſilb. mit vorletzter kurzer. als lëſen, wëſen;
ſite: mite; riten: ſiten; dëgen: wëgen; legen: ſtegen;
bliben: geſchriben etc. d) zweiſilb. auf dreiſilbige mit
langer antepen. als ligen: heiligen. e) mehrſilb. auf
mehrſilbige, aber wobei bloß die unbetonte endſilbe in
betracht kommt **). Klingende a) zweiſilb. auf zweiſilb.
mit vorletzter langer, als jâren: wâren; alten: halten.
b) dreiſilb. auf dreiſilbige mit kurzer antep. als edele:
B
[18]I. von den buchſtaben insgemein.
wedele. Hier ſind uns bloß die ſtumpfen reime c. und d.
wichtig, deren letzte ſilbe verſtummt, ſo daß die unter
c. einſilbig, die unter d. zweiſilbig werden. Letztere
taugten Otfried bald zu ſtumpfen bald zu klingenden,
weil ihre penult. tiefton und länge hatte, ihre ult. alſo
nicht verſtummte. Die unter c. waren bei ihm gar nicht
reimfähig, ſie ſind es nunmehr geworden, weil der ton,
den ihre penult. freilich immer hatte, allmählig an ge-
wicht und wirkung zu- und die alte kürze daran abge-
nommen hat. Der ton verſchafft jetzt der penult. den
reim, aber die ult. von dem verſtummen retten kann
er noch nicht. III. Neuhochdeutſche periode. Stumpfe
reime, nur einſilb. auf einſilb. wörter. Klingende, nur
zweiſilb. auf zweiſilb. oder mehrſ. auf mehrſ. Alſo, die
ſtnmpfen reime der vorigen periode unter c, ſind zu
klingenden geworden; leſen: weſen reimt ſo gut wie
laufen: kaufen; alten: halten; das heißt, der ton hat
noch weiter gegriffen, die alte kürze ganz verdrängt und
die letzte ſilbe iſt nur tonlos, nicht mehr ſtumm. —
Das reſultat dieſer kürzlich angeſtellten unterſuchung
unſerer reimkunſt kann ſo ausgedrückt werden: Otſried
reimte zweiſilbig — —:— —, —⏑:— —, —⏑:—⏑,
aber niemahls ⏑ ⏑, oder ⏑—. Einſilbige und dreiſilbige
wörter, die er braucht, ließen ſich zwar den abſtracten
regeln der quantität unterwerfen und ſo meßen, daß für
ſeine einſilbigen reime die formeln —:—, ⏑:⏑, —:⏑,
⏑:—; für ſeine dreiſilbigen — — —, ⏑ ⏑ ⏑, — —⏑, ⏑ ⏑—,
—⏑—, ⏑—⏑ hervorgiengen. In der that wäre aber
ein ſolches verfahren ungültig, denn lebendig fühlte der
dichter das geſetz der quantität nur in zweiſilbigen wör-
tern, für jene erſetzt es ihm ſchon der ton. Hentzutage
iſt in zweiſilbigen wörtern weder zum klingenden reim
länge der vorletzten erforderlich (wie noch in der mitt-
leren zeit) noch kürze derſelben zum reim überhaupt
(wie bei Otfried) oder zum klingenden (wie in per. II.)
hinderlich, ſondern kürze und länge ſind in dem ton
aufgegangen und weil jede vorletzte den ton hat, heißt
zweiſilbig reimen immer auch klingend reimen. Sollte
ſich aber für jenes längere haften des proſodiſchen prin-
cips in zweiſilbigen wörtern nicht ein natürlicher grund
angeben laßen? ich denke mir allerdings, daß es in
ein- und dreiſilbigen eher gefährdet wird. Einſilbige
wörter, weil ſie ganz für ſich daſtehen, nehmen dadurch
eine beſtimmtheit an, die ſie in hinſicht der dauer ihres
lauts, weil der gegenſatz fehlt, einander gleicher macht
[19]I. von den buchſtaben insgemein.
und längere oder kürzere zelt leichter verhören läßt. In
drei und mehrſilbigen ſchwanken ſatz und gegenſatz.
Zweiſilbigen drücken ſich die begriffe der dauer am
ſicherſten ein.
4) dieſe grundſätze über altdeutſche proſodie theile
ich als bloße meinung mit, um fernere prüfung zu ver-
anlaßen und mich vorläufig zu rechtfertigen, wenn in
der formenlehre verſchiedentlich von langen und kur-
zen vocalen und deren einfluß auf manche flexionen die
rede ſeyn wird. Lachmann hat für das mittelhochdeutſch
einen feinen unterſchied zwiſchen gedehnten, ſchweben-
den und geſchärften lauten aufgeſtellt, der den obigen
anſichten practiſch begegnet, ſich aber doch in einigen
puncten davon entfernt. In abſicht des gedehnten *)
lauts waltet kein zweifel ob; geſchärfter iſt ihm vorhan-
den, wo ich poſition, d. h. verlängerung der ſilbe mit
kurzem vocal durch doppelte conſonanz annehme, als
in: finden, wilde etc., an ſich wird der kurze vocal
durch die poſition weder lang, noch der lange länger,
ſondern ſcheint nur ſo, weshalb man auch nicht von
geſchärften lauten, ſondern vielmehr von geſchärften
ſilben reden ſollte. In dem ſchwebelaut erkennt Lach-
mann dasjenige an, was ich für die alte correption halte,
was aber in der jetzigen ſprache ebenfalls gedehnt oder
geſchärft zu werden pflegt, denn wir ſprechen: wehſen,
lehſen wie nehmen, obſchon wir nur letzteres ſchreiben;
die ſchärfung wird natürlich jetzo ſtets auch geſchrieben.
Zwei weitere beſtimmungen machen mir Lachmanns
vorſtellung zu verwickelt, theils inſofern er die fort-
dauer des ſchwebelauts für den fall gewiſſer zuſammen-
ziehungen, welche poſition, folglich ſchärfung herbei-
zuführen ſcheinen, behauptet (wovon nachher bei den
zuſammenziehungen) theils den ſchwebelaut leugnet,
wenn bei geminiertem auslaut der letzte conſonant ab-
fällt, z. b. in man (vir) val (caſus). Hierüber werde ich
mich in der alt- und mittelh. buchſtabenlehre näher äußern.
Laßen ſich nun beide beſtimmungen beſtreiten oder
fließen nur einzelne ausnahmen aus ihnen her; ſo wird
die lachmanniſche bezeichnung des ſchwebelauts, im
gegenſatz zu dem unbezeichneten geſchärften, durch
B 2
[20]I. von den buchſtaben insgemein.
einen ſtrich überflüßig und in ſo weit hinderlich dünken,
als ſie mit dem tonzeichen verwirrt, auch beim zuſam-
menſtoß des ſtrichs und der punctierten vocale änßerlich
unbequem ausfällt.
5) ſchließlich bemerke ich als wichtigen grund
für das ehmahlige vorhandenſeyn einer deutſchen pro-
ſodie, daß in der lithauiſchen (altpreußiſchen) und let-
tiſchen ſprache noch bis auf den heutigen tag der unter-
ſchied zwiſchen quantität und betonung lebt und beider
geſetz in der rede befolgt wird, wie man ſich aus Ru-
higs und Stenders grammatiken darüber belehren kann.
Da nun kein anderer fremder ſprachſtamm den unſrigen
ſo nahe berührt, als eben dieſer lettiſche und ſeine
gleichſam ſtillgeſtandene, noch jetzt ſo vollkommene
form und flexion die deutſchen alten dialecte, darunter
den gothiſchen am meiſten beleuchtet; ſo ſcheint mir
die annahme unvermeidlich, daß in letzteren ebenfalls
eine nunmehr verlorene verflechtung beider grundge-
ſetze, des der proſodie und des accentes, ſtatt gefunden
habe. Iſt aber das proſodiſche princip einmahl dagewe-
ſen, ſo wird es kaum fehlen, daß noch in der heutigen
ſprache, vielmehr in den älteren, ſpur und nachwirkung
davon übrig ſey, zu deren entdeckung und aufklärung
das ſtudium der lithauiſchen und lettiſchen ſprache ein
großes beitragen kann.
Der laut (ſonus) iſt die ausſprache der ſtimme ſelbſt,
den dauernden laut mißt das geſetz der quantität. Der
ton (tonus, accentus) aber iſt die den laut begleitende
hebung oder ſenkung der ſtimme. Von frühe an war
gewiß auch ton in der ſprache und verflochten mit ihrer
eigenſten beſonderheit; die quantität ſcheint etwas all-
gemeineres, gleichſam die poëtiſche, der accent die
proſaiſche lebendigkeit der ſprache zu umfaßen. Hieraus
läßt ſich der allmählige untergang der quantität und die
zunehmende ausdehnung des tons begreifen. Der ton
muß auch als eine haupturſache vieler veränderungen
der ſprache angeſehn werden, indem er flexions- und
bildungsendungen zu ſeiner hebung heran und dadurch
zuſammenzieht, in ſeinen ſenkungen aber den wahren
laut der buchſtaben beſchädiget und verdunkelt. Der
eigentliche ton beruht auf dem acutus (hochton), wozu
[21]I. von den buchſtaben insgemein.
der gravis die gegenſeite gibt, allein dieſer gegenſatz
iſt verſchiedener ſtufen fähig von dem bloßen ſinken
(tiefton) bis zum völligen weichen des tons (tonloſer
laut) und von da bis zum verſtummen des vocals (ſtum-
mer laut).
Ausmittelung der accentuation für zeiträume und
zweige der deutſchen ſprachen hat beinahe unüberwind-
liche ſchwierigkeit zu beſtehen, die ſchrift kommt wenig
zu hülfe. In gothiſchen, nordiſchen, ſächſiſchen hſſ. be-
finden ſich meines wißens gar keine tonzeichen, in bei-
den letzteren nur lautzeichen und dieſe ſparſam und un-
genau. Gedruckte ausgaben aller dieſer denkmähler
nehmen auf den accent in ſeinem eigentlichen ſinne
nicht die mindeſte rückſicht. Die alt- und mittelhoch-
deutſchen hſſ. gewähren indeſſen wichtige aufſchlüße,
und zumahl ſind einige alth. denkmähler mit ungemei-
ner ſorgfalt accentuiert. Sämmtliche abſchriften des ot-
friediſchen werks haben accente (und daneben keine
dehnzeichen für den doppellaut); leider hat man bei
den abdrücken dieſe accente für unwichtig angeſehn
und ausgelaßen, bloß in den noten theilt Scherz einige
bezeichnete ſtellen mit, andere Roſtgaard in ſeinen va-
rianten und daraus, ſo wie aus ſelbſtgenommenen ab-
ſchriften verſchiedener capitel der wiener und pfälzer
hſſ. habe ich meine unvollſtändige kenntniß von
Otfrieds accenten geſchöpft. Wichtiger ſcheinen noch
die der notkeriſchen werke. Bei der ausgabe der pſal-
men hat man ſie ebenfalls unterdrückt, welchem man-
gel Fügliſtaller bei ſeiner hoffentlich bald erſcheinen-
den ausgabe ſämmtlicher ſchriften Notkers gründlich
abhelfen wird; ſeinen mittheilungen danke ich vorläufig
einige nachricht über dieſe accente; neben ihnen be-
diente ſich Notker zugleich der dehnzeichen. In an-
dern alten werken, namentlich den ſ. galler Tatian, ſo-
dann bei Willeram und in einzelnen gloſſenſammlun-
gen vom 10-12 jahrh. finden ſich hin und wieder, ſel-
ten genau durchgeführte, ſtriche oder hacken, die zu-
weilen wirkliche accente, meiſtens für die ausſprache
der diphthongen beſtimmt, zuweilen dehnzeichen ſchei-
nen. Alle dieſe hülfsmittel und die wichtigſten nämlich
Otfrieds und Notkers tonzeichen, werden dennoch,
wenn ſie einmahl zugänglich geworden ſind, keine
hinreichende einſicht in die alte accentuation gewäh-
ren, da ſie ſich faſt nur mit dem acutus befaßen, über
[22]I. von den buchſtaben insgemein.
deſſen ſetzung man an ſich, in den meiſten fällen min-
deſtens, am geringſten verlegen ſeyn würde; tieftonige
zeigen ſie zuweilen, tonloſe und ſtumme laute gar nicht
an. Eine reichlichere quelle fließt uns inzwiſchen aus
der mittelhochdeutſchen dichtkunſt zu, durch deren
nähere unterſuchung Lachmann neuerdings ſo lehrreiche
aufſchlüße über die damahlige accentuation gewonnen
hat. Damit muß man endlich ein genaues und verglei-
chendes ſtudium der accente in den noch lebenden
deutſchen ſprachen, zumahl nach den gedichten ver-
binden und durch analogie auf die verlorene betonung
der alten zu ſchließen trachten. Hier und ehe einmahl
die buchſtabenlehre abgehandelt iſt, können nur einige
ganz allgemeine ſätze aufgeſtellt werden.
1) mit länge und kürze, wie aus dem vorhergeſagten
klar iſt, haben die tonſtufen urſprünglich nichts ge-
mein; lange ſowohl als kurze ſilben können den acu-
tus oder den gravis bekommen und lange ſowohl als
kurze tonlos und ſtumm werden.
2) die bekannte regel, daß der ton auf die wurzel
falle, bedarf näherer beſtimmung. Nämlich bei dem un-
zuſammengeſetzten nomen, verbum, oft auch adver-
bium hat die wurzel den acutus, alſo für dieſen fall in
mehrſilbigen wörtern ſtets die erſte ſilbe. Bei zuſam-
menſetzungen bekommt aber die wurzel oft bloßen tief-
ton (tonlos oder ſtumm werden kann ſie nie oder höchſt
ſelten). Den hoch- oder tiefton zu ermitteln hält hier
ſchon ſchwer, zumahl in dem fall der vorſilben. Die
nordiſche ſprache legt der vorſilbe beſtändig den acutus,
der folgenden wurzel den gravis zu (Raſk §. 52.) z. b.
landſkapr, mismunr, umgânga. Die neuhochdeutſche
hält es zwar mit landſchaft, misgunſt, umgehen (con-
verſari) ebenſo, allein ſie beſitzt vorpartikeln in menge
und ſchwankt in deren betonung nach noch unerforſch-
ten geſetzen und gewohnheiten, z. b. bei den vorſilben
ge-be-ver-zer- etc. iſt die nordiſche regel unpaſſend,
denn die wurzel behält den acutus, ja die vorſilbe
bleibt tonlos, z. b. benehmen, geloben etc. Andere
vorſilben haben, wie im nordiſchen, den acutus, die
wurzel den gravis, z. b. ab-auf-an- etc. wie: abneh-
men, aufgehen, ankunft. Häufig ſteht einer und derſel-
ben partikel verſchiedener ton zu, da in umfang, un-
glück die wurzel tief, in unendlich, umfangen (am-
plecti), umgehen (praetergredi) hoch tönt. Ich führe
[23]I. von den buchſtaben insgemein.
dieſe beiſpiele nicht an, um abzuhandeln, ſondern um
die bedenklichkeit von vermuthungen über die richtige
betonung derſelben fälle in den alten mundarten darzu-
thun. Auf die goth. vorſilbe ga- die nord. regel vom
acutus der erſten ſilbe anzuwenden verbietet außer dem
bloßen gefühl der umſtand ſelbſt, daß dieſe partikel im
nord. gänzlich mangelt. wogegen ihr häufiger einſtim-
mender gebrauch im althochd. und das ſchwanken der
laute ga-gi-, die tonloſigkeit des goth. ga- höchſt-
wahrſcheinlich machen. Aber welche ſichere auskunft
gibt es über goth. partikeln wie un-dis- und andere?
Otfried und Notker werden die frage über die betonung
der vorpartikeln befriedigend beantworten, beiden iſt
gi-bi-ir-zi-fër- unbetont, ún-úber-ána-ála- etc.
haben aber den acutus, ſo ſchreibt Otfried ſtets álang
(integer). Einigemahl gibt Notker in ſolchen fällen of-
fenbar auch den tiefton mit an, z. b. in úngérn (d. h.
úngèrn).
3) in weiteren fällen, namentlich alſo für das unzu-
ſammengeſetzte pronomen, die partikeln, flexions- oder
bildungsendungen den wahren ton zu treffen macht erſt
die eigentliche ſchwierigkeit. Alle dieſe waren urſprüng-
lich einmahl auch wurzeln, die in der länge der zeit
verkürzt. entſtellt und verdunkelt worden ſind. Heu-
tige ſprachen lehren, daß auf pronomen und partikeln
zuweilen der hochton fällt, daß ſie aber auch tieftonig
und tonlos werden. Otfried (auch der ſ. gall. Tatian)
accentuiert oft íh, ímo, ínan, oft nicht. Nie ge-
bührt den endungen der acutus *), ſie ſchwanken
zwiſchen tiefton, tonloſigkeit, verſtummen und hier
eben ſcheinen nach verſchiedenheit der zeit und mund-
art unendliche abweichungen einzutreten. Ich genüge
mich an einigen beiſpielen. Im alth. menniſco (homo),
fiſkarî (auch ſiſhârî), ſalbôta vermuthe ich die erſte ſilbe
hoch- die zweite tieftonig, die dritte tonlos; ſo iſt es
im nord. manneſkja, fiſkari, þackada. Zwiſchen jenen
[24]I. von den buchſtaben insgemein.
formen und den neuhochd. menſch, fiſcher, ſalbte, in
denen die tieftöne tonlos geworden und verſchluckt
ſind, haben grade gelegen, welche man im mittelh.
ſuchen muß. Hier ſchwebte menniſche ſchon über in
meniſche mit der zweiten ſtumm, ſelbſt in die abwer-
fung des letzten e; bei Boppo (2. 233 a) reimt me-
neſch auf theneſch ſtumpf. Im 12. jahrh. konnten ſich
reime wie menniſchen: fiſchen finden (Maria 1029 men-
niſche: tiſche). Das mittelh. viſchære hat die zweite
noch tieftonig, tonlos aber ſalbete. Ferner, im mittelh.
iſt von zwei kurzen ſilben die zweite ſtumm (laden,
manic, lëſen) aber auf eine erſte lange folgt die zweite
tonlos (ſlâfen heilic, ſælic); doch bei verlängerter endung
bricht der alte tiefton hervor (ſæligen: genigen). wie
uns Lachmann lehrt. Der alth. acc. ſâlîgan hatte ge-
wiß den nämlichen tiefton, vermuthlich auch der nom.
ſâlîg (O. II. 16, 50: wîg). Sollte ſich die nord. doppelte
form heilagr und helgr anſchlagen laßen? in letzterer
iſt der ſtumme vocal ausgefallen, in erſterer der be-
tonte geblieben. Und hätte im goth. liubana (carum)
und frumana (probum) die zweite ſilbe deutlich ver-
ſchiedenen accent gehabt? Es ließen ſich zweifel vor-
bringen.
4) daß es ſtumme laute auch ſchon im goth. gegeben
habe, bezweifle ich gar nicht, weil gerade der Gothe
in manchen fällen vocale auswirſt, wo ſie im alth. noch
tonlos oder ſtumm ſtehen bleiben, namentlich zwiſchen
muta und liq. z. b. fugls, rign, alth. fogal: rëgan.
Dieſe neigung zieht durch die goth. ſprache, und be-
weiſt das eigenthümliche gothiſcher accentuation. Die
geſchichte der accente wird ſich alſo mit der ſehr ver-
ſchiedenen entwickelung der bildungs- und flexions-
triebe jeder mundart vertraut zu machen haben und dies
ſind unterſuchungen, worauf unſere jetzige grammatiſche
kenntniß noch nicht recht gerüſtet iſt.
Die ſprache ändert ſich nicht allein durch den über-
gang von buchſtaben in andere, durch die verwechſe-
lung der kürzen mit längen und beider mit dem tone,
ſo wie durch die vermilchung verſchiedener accente;
eine haupterklärung ihrer vielgeſtaltigen entwickelung
fließt aus dem freilich mit der ſchwächung der quanti-
[25]I. von den buchſtaben insgemein.
tät und veränderlichkeit der accentuation in verbindung
ſtehenden wegwerfen *) einzelner laute in wurzel und
endung. Jedes abwerfen und ausſtoßen einzelner oder
mehrerer buchſtaben und die dadurch verurſachte zu-
ſammendrängung der übrigbleibenden benimmt der an-
ſchaulichkeit der wurzeln und endungen, mindert folg-
lich das ſinnliche leben der ſprache. Der wohllaut mag
dadurch gewinnen, eben ſo häufig büßt er ein; über-
haupt muß man das fortſchreiten in zuſammenziehungen
eigentlich nicht aus einer bewußt gewordenen neigung
zum wohllaute noch aus einer wohl zuweilen vorhan-
denen gleichgültigkeit gegen eindringende mislante er-
klären wollen, ſondern vielmehr aus der unhemmbaren
hinrichtung der ſprache nach dem geiſtigen begriff, den
kürzung, zuſammenziehung und zuſammenſetzung der
wurzeln allerdings erhöhen.
Im einzelnen wird nun die bedeutung dieſer erſchei-
nungen für die hiſtoriſche grammatik ſehr von dem um-
ſtande abhängen, in wie weit ſie ſich bei einer und der-
ſelben mundart und zu gleicher zeit ereignen oder erſt
aus der vergleichung verſchiedener mundarten und zei-
ten zu ſchließen ſind. In erſtern ſchwebt noch die
[26]I. von den buchſtaben insgemein.
ſprache zwiſchen der änderung und dem alten zuſtand,
in letzteren hat ſich die änderung befeſtigt und des alten
zuſtandes iſt vergeßen. Beiſpiele dieſer art wären das
goth. fugls ſtatt des gar nicht mehr vorkommenden fu-
gals oder noch höher hinauf etwa fugalus, ferner, der
nord. inf. -a ſtatt -an. Zu jener art gehört aber wenn
das mittel[l]. zwìc in zwî, das nord. drôg in drô apoco-
piert wird. Sagt man daher zwî ſteht für zwîc, ſo iſt
die veränderung eſoteriſch; ſagt man: fugls ſteht für
fugals, ſo iſt ſie exoteriſch, d. h. aus der goth. ſprache
an ſich nicht zu erweiſen. Ich glaube daß ich mich
durch dieſe ausdrücke einigemahl kürzer und beſtimmter
faßen kann. Mit der zeit freilich verwandeln ſich die
anfänglich eſoteriſchen in exoteriſche wegwerfungen.
Das neuh. lobte beſteht ſchon feſt und lobete nicht mehr
daneben, oder, in hahn fühlen wir das frühere hane
jetzt gar nicht mehr.
Der allgemeinen angabe der verſchiedenen arten und
namen füge ich einige bemerkungen und wenige bei-
ſpiele zu, reichlichere folgen in der buchſtabenlehre
ſelbſt. Die buchſtaben werden weggeworfen entw. an
einem worte oder zwiſchen zweien ſich berührenden.
Jener fall macht drei arten
1) wegwerfen des anlauts, aphäreſe. Von vocalen
wüſte ich kein beiſpiel (vgl. ὀδόντες mit tunþjus, Schnei-
der p. 13. 179.) Von conſonanten zwei wichtige fälle,
der ſpirant h. vor l. n. r. v, hlahan, hneigan, hráins,
hveits heutzutage: lachen, neigen, rein, weiß; der ſpi-
rant v. häufig im nord. (vada, ôd eſoteriſch und ûlfr,
wulfs exoteriſch)*); g vor n im nord. (gnôgt, nôgt).
2) wegwerfen des inlauts (zuſammenziehung). Dieſe
iſt häufig und mannigfaltig
3) Wegwerfen des auslauts, apocope.
Der zweite hauptfall aller wegwerfungen betrifft die
zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden wörtern ſtattfinden-
den. Hiervon läßt ſich begreiflicherweiſe noch weniger
im allgemeinen handeln, zumahl bei den älteren ſpra-
chen, wo uns faſt keine gedichte zum maßſtab dienen,
da doch gerade das feinere ohr der poëſie auszuſtoßen
pflegt, was die proſa noch leidet. Die hauptſächlichſten
arten ſind:
1) wegwerfung zwiſchen zuſammengeſetzten wörtern *),
und zwar gewöhnlich des auslauts von der erſten (vorne
ſtehenden) wurzel, alſo ganz der apocope analog. So-
wohl der vocal fällt aus z. b. gêren (honorare) f. ge-
[31]I. von den buchſtaben insgemein.
êren, bûtan f. be-ûtan (engl. but) binnen f. be-innen,
botſchaft f. boto-ſcaf, tagſtern f. taga-ſtërro etc. — als
der conſonant z. b. ſigimunt f. ſigis-munt. nebigaſt f.
das ältere hnebisgaſt, edel-mann f. edels-man — zuwei-
len beide, vocal und conſonant, vielleicht nicht gleich-
zeitig, ſondern nacheinander z. b. tâlanc (hodie) ſt.
taga-lang. Manchmahl wirkliche ſyncopen in der erſten
wurzel, z. b. uolrîch, âlbërt ſt. uodal-rìch, adal-bë-
raht etc. Der Gothe duldet den hiatus zuſammenſtoßen-
der vocale lieber, als daß er den der erſten wurzel ab-
wirft, z. b. ga-áiſtan, ga-ibnjan, bi-abrjan, ana-áu-
kan etc. doch vgl. and-áugjô f. auda-augjô. Ein glei-
ches finde ich auch im alth. gebrauch begründet.
2) zwiſchen zwei nicht zuſammengeſetzten wörtern,
und zwar ſo, daß die urſache des wegwerfens in der be-
rührung beider zu linden iſt, denn ſonſt tritt bloße apocope
ein. Die fälle (meiſtens eſoteriſch erkennbar, in ſo fern
ſie ſich nicht in eigne zuſammenſetzungen verhärten)
ſind in den deutſchen ſprachen weit ſeltner, als in der
griechiſchen und lateiniſchen und die enthaltſamkeit
ſelbſt der heutigen dichtkunſt läßt doch wohl einen
ſchluß auf die ältere poësie zu, der mir durch die be-
trachtung der nordiſchen und mittelh. nicht widerlegt
zu werden ſcheint. Das mittelh. auslautende tonloſe e
wird z. b. vom ſchwachen ſubſt. und ſchwachen praet.
gern abgeworfen, wenn ein vocal-anlaut folgt, doch
nicht immer, ſondern nach erforderniß des metrums.
Aufmerkſamkeit verdienen die von ihm ſelbſt ſchon ſo
benannten ſynaloephen Otfrieds welche in den hſſ.
durch einen doppelten punct, über und unter den im
betonten leſen der zeile zuszulaßenden vocal geſetzt,
angezeigt werden. z. b. (III. 25, 59.) ſprâcha ouh. (ad
Lud. 154.) zi thëmo êwinigen (I. 11, 12.) zala irgâ-
bin, ſind die auslaute a, o und a doppelt punctiert.
Die meiſten, ſowohl der otfriediſchen ſynaloephen, als
der ſonſt bemerklichen weglaßungen beziehen ſich auf
das, was man inclination (ἔγκλισις) nennt, worunter ich
aber nicht allein die ſich hinten anlehnenden wörter
(encliticae) begreife, ſondern auch die es vornen thun,
in welchem letztern fall der claſſiſche ſprachgebrauch
eine kraſis annimmt, doch verſchmelzung der laute hat
im deutſchen nicht immer ſtatt, gewöhulich erfolgt nur
abwerfen eines vocals oder conſonanten. Ich führe
die wichtigſten fälle an:
Näherer forſchung bleibt vorbehalten, ob und in
wie fern die inclination aufſchluß über die alte accen-
tuation gewähre? da es ganz natürlich ſcheint, daß
auch im deutſchen die enclitica ihren ton auf die ſilbe
werfe, der ſie ſich anlehnt. Den acutus gibt ſie ihr
nicht, wie im griech. (wo nicht einmahl förmliches an-
wachſen, wenigſtens in der ſchrift, gefordert wird),
denn Otfried accentuiert in: hôhemo (hôhe imo) thju-
nan (thju inan) die penult. nicht; vielleicht tönt ſie tief
und wird tieftonig, wenn ſie tonlos war; gewiß iſt je-
nes hôhemo anders betont worden als der dativ hôhe-
mo. Die tonloſe endung in dem heutigen liebten ge-
winnt unmerklich in liebtenſ; anders wohl im alth. ri-
tunſe ſt. ritun ſi.
Soll der apoſtroph bei durch ihre berührung und anleh-
nung verkürzten wörtern geſetzt werden? denn im fall
der apocope, ſyncope, innern eliſion und zuſammen-
ſetzung wird ihn niemand ſchreiben wollen, weil er
dann unendlich ſeyn müſte. Die alten handſchriften
brauchen ihn überhaupt nicht. Nützlich aber, wenn
nicht nothwendig ſcheint der apoſtroph für jene berüh-
rungen, wo ſie ſich noch nicht in völlige zuſammenzie-
hungen (wie: nicht, niemand etc.) verknöchert haben,
entbehrlich in einigen gar zu häufigen fällen (wie z’im,
z’ir etc.)
Gothiſche lieder, aus deren metrum aufſchlüße über
die ausſprache der einzelnen laute zu nehmen wären,
mangeln. Die übertragung der eigennamen und einiger
anderen wörter der heil. ſchrift in das gothiſche kann
uns verſchiedenes lehren. Vorausſetzen darf man, daß
Ulphilas mit der damahligen griechiſchen ausſprache
bekannt war, doch auch muthmaßen, daß er in der
anwendung auf den goth. laut zuweilen ſtrauchelte;
daher einige inconſequenzen, wo ihnen nicht andere
oder ſelbſt ſchwankende lesarten des griech. textes zu
grunde gelegen haben.
Ulphilas hat in der ſchrift die fünf vocale a, e, i,
o, u, von welchen jedoch e und o, obgleich mit dem
einfachen zeichen ausgedrückt, durchaus als gedehnte
(doppelte) zu betrachten ſind. Es gibt alſo nur drei
einfache gothiſche vocale a, i, u, den griech. α, ι, ου
entſprechend; einigemahl dient auch u für den gedehn-
ten laut û; außer ihm noch zwei gedehnte, e und o,
den griech. η und ω entſprechend und vier andere dop-
pellaute: ai, au, ei, iu, deren letzter nur in goth.
nicht in fremden wörtern auftritt. ai, au, ei dienen
aber für die griech. einfachen laute ε, ο, ι. Das griech.
υ (y) wird durch den goth. conſonanten v. wieder ge-
geben.
(A) a, unter allen goth. vocalen der häufigſte, gilt
ſo viel als ein griech. α. und lautet wie dasſelbe oder
wie das neuh. in laden, alt etc. Und zwar iſt es ein
C
[34]I. gothiſche vocale.
kurzer, einfacher, kein langer laut; das lange a (oder â)
fehlt und wird in den analogen fällen anderer ſtämme
durch ê erſetzt. Hierwider gilt der einwurf nicht, daß
Ulphilas alle griech. α. der eigennamen durch ſein a wie-
dergibt; haben ſich auch in dieſen urſprünglich meiſt
hebräiſchen wörtern lange a befunden, ſo lag berück-
ſichtigung griech. quantität außer dem geſichtspunct
des goth. überſetzers und er muſte das kurze und lange α,
das er nur mit einem buchſtab fand, für daſſelbe zei-
chen halten. Eben ſo wenig beachtete er den griech.
accent, ſondern läßt dem ά und ὰ das nämliche goth. a.
widerfahren, vergl. Α᾽βραάμ, Μαὰθ.
Dieſes a leidet jeden conſonanten hinter ſich, ſo
wie doppelte conſonanz. Die vorzüglichſten wurzeln,
wo es vorkommt, ſind außer den ablauten und endun-
gen folgende: ba (ambo). ga-. hav (quid). ja (immo).
ſa (is). ſva (ſic). tva (duo). aba (vir). abrs (vehemens).
ga-daban (συμβαίνειν). gabigs (dives). graban (fodere).
haban (habere). jabai (ſi). ſaban (linteum). badi (balneum).
nadr (ſerpens). ſkadus (umbra). daddjan (lactare). vaddjus
(vallum). af (ab). afar (poſt). hafjan (tollere). hafts (prae-
ditus). gaſkafts (conſtitutio). agis (timor). aglus (difficilis).
bagms (arbor). dags (dies). faginôn (gaudere). fagrs (pul-
cher). magan (valere). magaþs (virgo). magus (puer).
ſnaga (veſtis). tagl (capillus). tagr (lacrima). þragjan (cur-
rere). draggkjan (potare). gagg (ἀγορα). glaggvus (dili-
gens). laggs (longus). vaggareis (cervical). aha (mens).
ahan (palea). ahma (ſpiritus). ahtau (octo). ahva (aqua).
fahan (capere). fahêds (gaudium). hahan (ſuspendere).
hlahjan (ridere). klahs (parvus). lahan (vituperare). mahts
(vis). ga-nah (ſufficit). nahts (nox). rahnjan (reputare).
ſlahs (plaga). tahjan (lacerare). þahan (tacere). þlaſnan
(turbari). þvahan (lavare). vahſjan (creſcere). vahs
(μεμπτὸς). vahtvô (vigilia). ak (ſed). akeit (acetum).
akrs (ager). rakjan (tendere). ga-ſakan (increpare). vakan
(vigilare). ſakkus (ſaccus). ſmakka (ficus). alds (generatio).
alhs (templum). alêv (oleum). aljan (alere, σιτευειν). balgs
(uter) balþs (audax). dal (vallis). dvals (fatuus). -falþs
(-plex). falþan (plicare). halbs (dimidius). hali (tartarus).
hals (collum). haldan (tenere). halts (claudus). kalds (fri-
gidus). kalkja (meretrix). malan (molere). malô (tinea).
malvjan (conterere). ſaljan (offerre). ſkal (debet). ſkalja
(tegula). ſkalks (ſervus). ga-ſtaldan (poſſidere). un-tals
(ἀπειθὴς) talzjands (ἐπιστάτης). tvalif (duodecim). valdan
[35]I. gothiſche vocale.
(imperare). valjan (eligere). valtjan (volvere). valus (virga).
valvjan (volvere). alls (omnis). alleina (cubitus). amſa
(humerus). fram. hramjan (crucifigere). lamb (agnus).
namô (nomen). ſama (ſimul) ſkaman (erubeſcere). tamjan
(domare). þramſtei (ἀκρις). vamba (venter). ſtamms (bal-
bus). an (num). ana (ad). anaks (ſubito). and (per). andeis
(finis). anſts (amor). ans (trabs). bani (vulnus). band (vin-
culum). banſts (horreum). fana (pannus). fani (lutum).
hana (gallus). handus (manus). hanfs (mancus). hanſa
(agmen). hvan (quam). land (regio). manvus (paratus).
nanþjan (audere). ſandjan (mittere). ſtandan (ſtare). faúra-
tani (prodigium). tandjan (accendere). þanjan (tendere).
tvans (duos). þanjan (tendere). van (defectus). vandjan
(vertere). anna (ſtipendium). kann (novi). manna (homo).
ſkapan (creare). hvapnan (extingui). ara (aquila). arbi
(heres). arms (brachium). arniba (ἀσφαλῶς, tute). arvjô
(fruſtra). baris (hordeum). barn (infans). barms (gremium).
farjan (proficiſci). gards (domus). hardus (durus). harjis
(exercitus). hvar (ubi). kar (cura). marei (mare). marka
(limes). marzjan (impedire). ſmarna (ſtercus). ſparva (paſſer).
ſvarts (niger). ſvaran (loqui). thar (ibi). tharbs (egenus).
vardja (cuſtos). vargjan (condemnare). varjan (defendere).
varmjan (calefacere). aſilus (aſinus). aſans (meſſie). aſneis
(mercenarius). aſts (ramus). baſi (bacca). faſkja (κείρια,
faſcia). faſtan (ſervare). gaſts (peregrinus). gras (gramen).
hlaſôza (hilarior). raſta (ſtadinm). þvaſts (ἀσφαλὴς). vaſjan
(veſtire). at (praep). atiſks (ſeges). ataþni (ἐνιαυτὸς). batizô
(melius). gatvô (πλατεία). hatis (odium). katils (vas ahe-
neum) latjan (tardare). mats (cibus). nati (rete). ſatjan
(ponere). vatô (aqua). vratôn (ire). atta (pater). ſkatts
(numus). aþriza (prior). faþa (ſepes). faþs (praepoſitus).
fraþi (ſapientia). hvaþô (ſpuma). laþôn (invitare). maþa
(vermis). maþl (concio). raþjô (numerus). ſaþs (ſatur)
ſkaþjan (nocere). ſtaþs (locus). aviliudôn (εὐχαριστειν).
aviſtr (ovile); was auf ein einfaches: avi (ovis) wie þivi.
oder vielleicht: áus gen. aváis ſchließen läßt. ſavai
(panci). gavi (regio). havi (foenum). mavi (puella). ſlavan
(tacere). azêts (facilis). azgô (cinis). hazjan (laudare).
razn (atrium) razda (ſermo).
Zu merken iſt, daß ſtammverwandte lat. wörter ſtatt
des goth. a. meiſtens ein o haben, vergl. duo, ambo,
nox, octo, odium, molere, volvere, oleum, collum, no-
men, domare, hortus, hoſtis, longus, ὁλος, ovis, (οἶς) mit:
tva, ba, nahts, ahtáu, hatis, malan, valvjan, alêv,
C 2
[36]I. gothiſche vocale.
hals, namô, tamjan, gards, gaſts, laggs, alls, avi (?).
Doch auch entſpricht das lat. (kurze) a, in habere, ta-
cere, ſal, ager, ſatur, ratio, tendere, mare, vergl. mit
haban, þahan, ſalt, akrs, ſaþs, raþjô, þanjan, marei.
Noch ſeltner u, kara, cura.
(E) entſpricht durchaus nicht demſelben zeichen in
den übrigen deutſchen ſprachen, ſondern iſt ſtets dop-
pellaut; ich führe daher das dehnzeichen dabei ein,
welches Ulphilas ſo wenig hier, als bei andern gedehn-
ten vocalen braucht. Für die vergleichende grammatik
werden aber die dehnzeichen nothwendig. Der goth.
doppellaut folgt 1) aus dem gr. η, dem es in namen
und beibehaltenen wörtern gleichgilt, z. b. Iêſus (Ἰη-
σοῦς) *) aíkklêſjô (ἐκκλησία) amên (ἀμὴν) Môſês (Μωσῆς).
vergl. mêna (μῆνη). Die byzant. ſchreibung γήπαις (Pro-
cop. 3, 1.) pl. γήπαιδες gibt auch ein goth. ê zu erkennen.
2) aus dem ſchwanken in einen andern nahen diph-
thongen ei (ee in ei, wo alſo freilich ein kurzes e),
nicht in endungen allein, als: þizê und þizei; dalê, da-
lei Luc. 3, 5. judáiê, judáiei Joh. 12, 1.; ſondern ſelbſt
im ablaut vêſun, veiſun und in wurzeln: lêtan, leitan;
manaſêþs, manaſeiþs; grêtan, greitan; ſpêds, ſpeidizô;
azêtizô, azeitizô; lêkeis, leikeis. Seltner der umgekehrte
fall, wo ei urſprünglicher ſcheint, in veihs (vicus) und
vêhs (Marc. 8, 27.) **) 3) aus dem analogen â ande-
rer ſtämme. 4) aus dem langen lat. e, das in gleichen
wörtern dem goth. ê und alth. â entſpricht, z. b. ec-
clêſia, ſèmen, mènſis (mehr beim alth. â); alêv aus
olêum deutet auf eine ausnahme von der gewöhnl. cor-
reption oleum (Schneider p. 55. 98.) vgl. ἐλαιον und
olîvum.
Die ausſprache mag der des gr. η und lat. ê nahe
gekommen ſeyn, obſchon in dem auf anderm wege
(d. h. bereits vor Ulphilas) ins goth. gerathenen acêtum
(das N. T. hat ὅξος) das ê zu ei (akeit) geworden iſt,
wie es nach dem vorhergehenden in goth. wörtern ſelbſt
zwiſchen beiden doppellauten ſchwankt. Dadurch ver-
mitteln ſich zugleich die ſcheinbar weiter abliegenden
verwandtſchaften des alth. â, das mittelh. in æ um-
lautet, und des angelſ. â, welches in einigen fäl-
len dem goth. ài und alth. ei entſpricht. Mehr
entfernt ſich die ausſprache des nord. â. Außer
den endungen und ablauten, wo das ê genug er-
ſcheint, findet es ſich in ziemlich wenig wörtern:
hvê. hidrê (huc). nê (non, d. h. nein). þè. untê (do-
nec). grêdags (famelicus). un-lêds (pauper). fahêds (gau-
dium) ſpêds (ſerus). ga-grêfts (placitum). mêgs (affinis).
ſvêgnjan (gaudere). vêgs (fluctus). nêhva (prope). flê-
kan (plangere). lêkeis (medicus). bi-rêkja (periclitans).
têkan (attingere). kêlikn (turris). mêl (tempus, ſignum).
mêla (modius) ſêlei (felicitas). mêna (luna) vênjan (ſpe-
rare). ſlêpan (dormire) vêpn (arma). fêra (tractus terrae)
fêrja (inſidiator) hêr (hîc). jêr (ἔτος) mêrjan (nuntiare).
un-vêrjan (indignari). ſvêrs (honoratus). mês (menſa)
ſvês (proprius) lêtan (ſinere) andaſêts (abominabilis)
azêtizô (facilius). nêþla (acus). hêþjô (ταμιεῖον, concla-
ve). alêv (oleum). lêvjan (tradere). ſkêvjan (abire).
Manche andere mögen nur in den bruchſtücken nicht
vorkommen, wie rêdan (conſulere) etc.; man kann auch
den weibl. eigennamen audifleda (goth. áudiflêds) und
die männl. gibimêrs, valimêrs etc. hierher nehmen.
(I) ï und i, UIphilas bedient ſich zweier zeichen für
daſſelbe kurze i, nämlich eingangs der wörter gibt er ihm
ſtets zwei puncte, als: ïn, ïmma, ïſt; in der mitte er-
hält es gleich dem griechiſchen und runiſchen gar kei-
nen, außer dem fall, wo die vorhergehende ſilbe ſelbſt
mit i (Mariïns) ei (Tôbeiïn ái (Eſáiïn) oder áu ſchließt.
Bei dem án wird entw. das folgende i auch zweipunctig
(táuï, ſáuïl, ſtáuïda) oder das u geht in v über und
i bleibt (tavi, ſtavida). Verwandelt ſich hingegen das
i ſelbſt in j (welches geſchieht, ſobald ein vocal folgt),
ſo bleibt áu und wird nie zu v. (táujan, máujôs). Ich
behalte den doppelpunct jenes einzelnen falls wegen
bei, da ſich übrigens i und ï in ausſprache und bedeu-
tung gar nicht unterſcheiden.
In den eigennamen entſpricht i zwar häufig dem
gr. ι. oft gibt aber auch Ulphilas letzteres durch ei,
welchem ſchwanken wieder keine kenntniß griech. pro-
ſodie zu grunde liegt, da z. b. die langen ι in Τîμαίος,
Νìκόδημος ein goth. ei zeigen müſten, allein i bekommen.
Eher ſchiene der überſetzer griech. accentuation berück-
ſichtigt zu haben, vgl. Chriſtus, Χριστός; Timáius, Τι-
μαίος: Nikáudêmus, Νικόδημος; ſilôam, σιλωὰμ; ſiôn,
σιων; ſinapis, σινάπεως Marc. 4. 31. (der nom. σίναπι) und
dagegen: rabbei, ραββὶ; Daveid, Δαβίδ; Seimôn, Σίμων;
Mailkeis, Μελχὶ; Teitus, Τίτος. Wie dem nun ſei, ich
will die ausnahmen nicht verſchweigen, in denen ſich
i für das accentuierte und ei für das unaccentuierte gr. ι
findet: Filippus, Φιλίππος; Didimus, Δίδυμος; Seidôn,
Σιὸῶν; Galeilaia, Γαλιλαία; Peilatus, Πιλάτος etc. Viel-
leicht nimmt man beßer an, die damahlige dem Ulphi-
las geläufige gr. ausſprache habe zwiſchen ι (wenigſtens
dem langen) und ει geſchwankt (Buttmann §. 3, 2 §. 5, 7.)
und wir dürfen darüber an dem goth. i und ei, welche
in goth. wörtern ſelbſt viel genauer geſchieden ſind,
nicht irre werden.
Das goth. i muß gleich dem a kurz und einfach
gelautet haben, î fehlt und wird in analogen fällen
der übrigen mundarten durch das nahe ei ausgedrückt,
wogegen i dem alth. i oder ë entſpricht. Einen zweifel
ſcheint bi zu machen, welches ſich im alth. und angelſ.
in die praepoſ. bî und partikel bi zerlegt, der Gothe
kennt nur ein bi und kein bei daneben. Übrigens ver-
trägt das goth. i. jeden conſonanten folgend, ſo wie die
verdoppelten. Die hauptſächlichſten fälle ſind: bi. ni
(non, d. h. nicht). ſi (ea). giban (dare). gibla (pinnacu-
lum). ïba (ſi). ïbns (aequalis). ïbuks (retrogradus). liban
(vivere) ſibja (pax). ſibun (ſeptem) ſtibna (vox). ſvibls
(ſolphur). bida (preces). fidur (quatuor). ïd- (re-). midja
(medius). nidva (aerugo). viduvô (vidua). ïddja (ivit).
hlifan (furari). ïftums (poſterus) lifnan (ſupereſſe). ſifan
(gandere). ligan (jacere). rign (pluvia). ſigljan (navigare).
ſvigljz (tibicen). vigs (via). bliggvan (caedere). briggan
(afferre). figgrs (digitus). ïggqvis (σφῶϊ) ſiggvan (ſuere).
brikan (frangere). ſriks (avarus). ïk (ego). mik (me).
rikjan (acervare). ſik (ſe). ſtiks (punctum). ſtikls (calix).
ſtriks (apex). ſvikns (innocens, ? ſiukns). vikô (ſeries).
filhan (commendare). ſilms (ſtupor) filu (multum). gild
(tributum). gilþa (falx). hilpan (juvare). hvilftri (σορὸς,
[39]I. gothiſche vocale.
loculus, nicht feretrum). ïnkilþô (praegnans). milhma
(nubes). miliþ (mel). ſilan (ſilere) ſildaleiks (rarus). ſilubr
(argentum). ſpilda (πινακίδιον). ſtilan (furari). ſviltan
(mori). viljan (velle) fill (cutis). ſpillôn (narrare). fimf
(quinque) himins (coelum). ïm (ſum) ïm (eis) niman
(ſumere). qviman (venire) timjan (decere). timrjan (fabri-
care). trimpan (calcare). þrim (tribus). ïnn. ïnilô (excuſa-
tio). bindan (ligare). blinds (coecus) findan (invenire).
hindar (retro) kintus (κοδράντης). plinſjan (ſaltare). qvinô
(mulier). ſinþs (iter). ſinaps (ſinapi). ſineigs (ſenex).
ſinteins (perpetuus). ſvinþs (fortis. þinſan (trahere). vinja
(pabulum). vinds (ventus) brinnan (urere). ginnan (inci-
pere). kinnus (mentum). linnan (ceſſare). minniza (minor)
rinnan (fluere). ſpinnan (nere). nipnan (moerere) ſipôneis
(diſcipulus). ſkip (navis). vipja (corona. riqvis (caligo).
hiri (δεῦρο). ſiſks (piſcis). friſahts (exemplum). giſtra (heri).
ïs (is). liſan (legere). mis, ſis (mihi, ſibi). dis- (dis-)
usqviſſ (perditio) qviſtjan (perdere) ſviſtar (ſoror) vis
(malacia). viſan (eſſe). gavriſqvan (τελεσφορειν). fritan
(veſci). gitan (acquirere). glitmunjan (ſplendere). ïtan
(edere). mitan (metiri). mitôn (cogitare) ſitjan (ſedere)
vit (νῶϊ) vitôþ (lex). vlits (vultus). vrits (κεραία). vritus
(grex). ïþ (contra). liþus (membrum). miþ (cum). niþjis
(cognatus). qviþan (dicere). qviþus (venter) viþan (ligare).
viþra (contra). gahiv (? penuria) ſnivan (ire). þivi (famula).
ïzôs (αὐτῆς) ïzvis (vobis).
Die vergleichung verwandter wortſtämme im griech.
u. lat. belehrt uns über das ſchwanken des i in e (und
zwar ë, vgl. das alth.) zwiſchen welchen beiden in faſt
allen ſprachen ein mittellaut liegt (Schneider p. 13-17.)
Man halte: dis-, fiſks, vigs, ſilan, viduvô, qvivis, min-
niza zu: dis-, piſcis, via, ſilere, vidua, vivi, minor;
und wiederum: ïk, mik, ſik, ſibun, midja, miliþ, ïta,
ſitja, mita, fill, ſineigs, qviman, qviþrs, vinds, viljan,
miþ, hliftus, zu: ego, me, ſe, ſeptem (ἑπτα), medius,
mel, edo, ſedeo, metior, pellis, ſenex, venire, venter,
ventus, velle, μετὰ, κλεπτὴς.
(O) o gehört wie ê zu den doppelvocalen, weshalb
ich ihm auch das dehnzeichen gebe. Gründe: 1) die
runiſche geſtalt, dem geſtürzten gr. ȣ zu vergleichen (ȣ);
mehr hierüber beim althochd. 2) das entſprechende gr. ω
(z. b. Ainôk, Ε᾽νωχ; ſkaúrpjônô, σκορπίων; jôta, ἰῶτα, etc.)
wogegen o durch aú gegeben wird (Baúaúz, Βοὸζ).
[40]I. gothiſche vocale.
3) die analogie anderer ſtämme, welche uo oder ô in den
fällen des goth. ô ſetzen. 4) unſtatthaftigkeit der ge-
mination nach dem ô. — Man ſpreche es allenthalben
gedehnt, wie oo; außer den ablauten und endungen
haben es zumahl folgende goth. wörter: ô! dôbn (ob-
muteſce) drôbnan (turbarí). grôba (fovea). fôdr (vagina).
fôdjan (nutrire). flôdus (fluctus). frôds (prudens) gôds
(καλὸς). knôds (genus). môds (ira). rôdjan (loqui). ana-
ſtôdjan (incipere). vôds (demens). gadôfs (conveniens).
lôfa (manus). -dôgs (-tägig) ôgan (timere). ſvôgjan (in-
gemiſcere). hôha (aratrum) rôhſn (atrium). ſkôhs (cal-
ceus). ſkôhſl (daemon). vrôhs (accuſatio). ſtôjan (judicare).
tôja (opera). bôka (liber). ſôkjan (quaerere). vôkrs (fructus).
gôljan (ſalutare). hôlôn (defraudare). ſtôls (thronus).
blôma (flos) dôms (judicium). fôn (ignis). hvôpan (glo-
riari) hrôpjan (clamare). vôpjan (clamare). hôrs (adulter).
blôtan (colere). bôtjan (prodeſſe). fôtus (pes). hrôt (tectum).
hvôtjan (increpare). krôtôn (θλάειν) môta (telonium).
môtjan (occurrere) nôta (puppis). blôþ (ſanguis). brôþar
(frater). ſôþjan (ſaturare). Einige wurzeln könnten aus
goth. eigennamen zugefügt werden als, kônimundus,
tôtila (τωτίλας, alth. zuoƷilo) etc. Die vergleichung lat.
und gr. ſtämme ſcheint hier unergiebiger, doch ſtimmen
flôs und ποῦς etwa mit blôma, fôtus, obgleich der gen.
ποδὸς, pedis correption erleidet; gerade in dieſem wort
iſt die dehnung für alle deutſchen ſprachen ausgemacht.
Erwägt man, daß in ihnen das kurze a in ô ablautet,
ſo wird klar, daß die oben bei dem a angeführten pa-
rallelen lat. o ebenwohl hier bei dem ô ein paralleles
a zulaßen, folglich brôþar, ſôþjan mit frater, ſaturare
verglichen werden dürfen, obſchon bei dem o ſowohl
als a die lat. kürzen und längen nicht immer entſpre-
chen, frôds ſcheint das lat. prûdens und zugleich das
gr. φραδὴς, wie das goth. frôþs ſichtbarer ablaut von
fraþjan. — Einiges bedenken verurſacht mir fôn (ignis)
mit der ſchwachen nebenform funa, ſo wie in der en-
dung -nda ſt. -ôda zweimahl auffällt (ſ. die paſſive
conjugation); vgl. áinôhun und áinuhun beim unbeſt.
pronomen laúhmôni und laúhmuni; vidôvô, viduvô und
einige andere dergl. In den eudungen ließe ſich der
übergang des unbetonten ô in ein kurzes u begreifen,
ſchwerer zwiſchen den wurzeln fôn und funa, doch
mag ich (des nord. funi wegen) weder fûna, noch ein
ſonſt ganz allein ſtehendes fon annehmen; wôndôn
Luc. 20, 12. ſcheint ſchreibf. für wundôn.
(U) u drückt in den beibehaltenen eigennamen
ſtets das gr. ου (ȣ) aus, z. b. Sûſanna, Σουσάννα, lairû-
ſalêm, Ἱερουσαλὴμ (wogegen die nebenform Ἱεροσόλυμα
durch lairauſaulyma gegeben wird, einigemahl ſchwankt
Ulph. zwiſchen beiden, vielleicht nach ſchwankenden
gr. lesarten); Fanûêl φανȣὴλ etc., hiernach hat es im
goth. gedehnten laut. In ächtgothiſchen wörtern macht
aber die geltung dieſes vocals ſchwierigkeit. Für einen
doppellaut ſollte man ihn halten 1) weil die rune ûr,
mit deren geſtalt das goth. ſchriftzeichen (n) ſtimmt, vor-
zugsweiſe den gedehnten laut ausdrückt. 2) wegen je-
nes gr. ου. 3) wegen des entſprechenden alth. und nord.
û. Letzterer grund gibt zugleich den einwurf her: war-
um zeigen andere und zwar zahlreichere alth. u. nord.
wörter ein u oder o, jedenfalls einen kurzen laut, in
welchen derſelbe goth. buchſtab ſteht? Daß er dann kei-
nen diphth. ausdrücke zeigt auch die folgende gemina-
tion, z. b. in brunna.
Dieſes nöthigt zu der annahme eines zweifachen
goth. u, obſchon Ulph. beide mit einem zeichen
ſchreibt *), welches nicht ſchlimmer iſt, als wenn auch
Lateiner und Griechen ihr langes und kurzes u, υ, in
der ſchrift nicht unterſcheiden.
û haben nur wenige wörter, und ſtets vor einfacher
conſonanz: dûbô (columba). ſtûbjus (pulvis). -ûh (an-
hangspartikel). oder -uh? lûkan (claudere). brûkja (uti-
lis). kûkjan (oſculari). ſûljan (fundare). rûm (ſpatium).
hûnjan (confidere, oder hunjan?). rûna (ſecretum). ſû-
pôn (condire). ſkûra (imber). hûs (habitatio). þûſundi
(mille). ût (ex) lûton (ſeducere.) ſûtis (dulcis). In letz-
term wort entſpricht ausnahmsweiſe kein alth. û, ſon-
dern uo (ſuoƷi). es findet ſich nur der comp. ſûtizô in
der bedeutung von ἀνεκτότερον.
Ein kurzes u hingegen (außer den ablauten und
endungen) du (ad) ju (jam) nu (nunc) þu (tu): ubils
(malus). ubizva (porticus). da-guds (εὐσεβὴς). gudja (pon-
tifex). ludja (facies). trudan (calcare). uf (ſub). ufar (ſu-
per). ſkufts (capillus). ufta (ſaepe). hugjan (cogitare). bugjan
[42]I. gothiſche vocale.
(emere). fugls (avis). hrugga (virga). juggs (juvenis), comp.
juhiza (? jûhiza wegen ausgeſto ßenen naſallauts?) pugg (cru-
mena) tuggô (lingua). þugkjan (videri). ugkis (νῶϊν) huhrus
(fames). uhtvô (diluculum). þuk (te). gabrukô (fruſtorum).
lukarn (lucerna). dulg (debitum). dulþs (ſolemnitas).
fula (pullus). huljan (involvere). hulþs (propitius). mulda
(terra). ſkulan (debere). ſulja (ſolea). tulgjan (firmare).
þulan (pati). ulbandus (camelus) vulþus (gloria). vulß
(lupus). vullareis (fullo). dumbs (mutus). frums (prin-
cipium). guma (vir). kumbjan (cumbere). ſums (qui-
dam). ſvumſl (κολυμβήθρα). hunds (canis). hunſl (victi-
ma). kuni (genus). -kunds (-γενὴς). kunþs (cognitus).
munan (μέλλειν). mundrei (ſcopus). munþs (os). pund
(pondus). ſundrô (ſeorſim). ſunja (veritas). ſuns (ſta-
tim). ſunus (filius). tunþus (dens). un- (in-). und (us-
que). undar (ſub). uns (nobis) brunna (fons). kunnan
(ſcire). ſunna (ſol). paúrpura. bruſts (pectus). buſns
(mandatum). drus (ruina). jus (vos). þus (tibi). us-
(e-) knuſſjan (genu flectere). us-druſts (aſpredo). luſtus
(cupido). ſnutrs (callidus). þruts-fill (lepra). guþ (Deus).
huzd (theſaurus). Dieſes u entſpricht im alth. und
nord. meiſtens dem o, doch auch noch oft einem glei-
chen u; ſeltner iſt der übergang in i, als: ubils, an-
gelſ. ifel, nord. illr; us- und þus, alth. ir-, dir (bei
den flexionen mehr beiſpiele, vergl. die goth. adj. auf
-us, hnaſqvus, hnaſqvja). Die ausſprache mag doch
u, nicht ü geweſen ſeyn, Ulphilas würde ſich ſonſt
dieſes lauts für das gr. υ der eigennamen bedienen.
Vergleichbare lat. wörter zeigen ebenfalls o, als: pon-
dus, homo, ſolea, tolerare und zwar kurzes, das i
könnte man in tibi, in-, erblicken. Daß die lat. über-
gänge des i und u (doch weniger in wurzeln als en-
dungen) ſehr häufig geweſen, lehrt Schneider p. 18-26.
Das lat. u. ſtimmt in anakumbjan (recumbere).
(Y) y; als ſchriftzeichen ſtimmt das gr. υ völlig mit
dem goth. und lat. v, bedeutet aber dort einen vocal,
hier einen conſonanten. In gr. wörtern, die ſie beibe-
hielten, drückten es daher die Römer nicht durch ihr
gewöhnliches v ſondern durch das identiſche zeichen
des großen gr. υ, nämlich ϒ aus; ſo entſprang das Y
oder y, welches man ſich auch als ein v. mit unten
verlängertem ſtriche vorſtellen kann. Letztere ſigur hat
der goth. conſonant v überall. Ulphilas bediente ſich
ſeiner aber auch ganz richtig, um in den bleibenden
[43]I. gothiſche vocale.
eigennamen den gr. vocal υ auszudrücken, welchem,
wie vorhin bemerkt, das kurze goth. u. nicht gleich-
kam. Dies vocaliſche v, das man bei auflöſung der
goth. ſchrift in unſer heutiges y verwandelt, findet ſich
durchaus nur in fremden wörtern, in keinem ächtgo-
thiſchen. Beiſpiele: Tyrai, Τυρῳ; azymê, ἀζύμων; byſ-
ſaun, βύσσον; ſpyreidans, σπυρίδας; ſmyrna, σμύρνη.
Man wende nicht ein, daß Ulph. in paurpura das υ
durch u gebe; er behielt nicht das gr. πορφύρα bei (das
dann paurfyra lauten müſte), ſondern die goth. ſprache
hatte dies wort (und mehr andere) ſchon früher aus
der lat. form porpura, purpura. Daher auch penult.
kurz, während [ſi]e in πορφύρα produciert wird. — Ei-
nigemahl überſetzt der Gothe das gr. υ conſonantiſch
mit v, als Λευὶ Laívvi, παρασκευὴν paraſkaívein.
(AI) ai, wie die zuſammenſetzung zweier einfa-
cher laute und die ſchreibung ai, nicht aï zu erkennen
gibt, iſt ein goth. diphthong, folglich einſilbig, doch
ſo auszuſprechen, daß man beide vocale vernimmt,
nicht gleich dem franzöſ. ai in einen trüben laut zu-
ſammenfallend.
Warum wählt nun Ulph. dieſen doppellaut, um die
gr. von natur kurzen ε zu überſetzen und ſogar εε
durch aiai? Beiſpiele: Aileiaizair, Ἐλιέζερ; Baiailzaibul,
Βεελζεβοὺλ etc. Schwerlich hörte er das griech. ε ir-
gend ſo breit ausſprechen, wie das goth. ai, aber ſei-
ner ſprache gieng hier laut ab und buchſtab, indem
das goth. e, als von natur lang und dem η entſprechend
bereits letztern laut auszudrücken hatte. In dieſer noth
bediente er ſich des diphthongen ai, der zugleich auch
das gr. αι wiedergab (Areimathaias, Αριμαθαίας Marc. 15,
43. Galeilaia, Γαλιλαία etc.) Schien nun Paitrus f. Πέ-
τρος allerdings ein übeiſtand, ſo lag kein geringerer in
Pêtrus; die lat. verſion konnte η durch e (ê) und ε
durch e wiedergeben. Da überhaupt das (ungothiſche)
kurze e als umlaut des a betrachtet werden muß; ſo
mag die wahl des diphthongen, in welchem a durch
ein nachſchlagendes i ſehr gemildert wird, kein un-
richtiges gefühl zum grunde haben.
Jener vermeintliche übelſtand des ε = ai wird durch
nähere erwägung des ächtgothiſchen ai ſelbſt noch ver-
mindert. Denn aus der vergleichung der übrigen ſtämme
lernen wir zweierlei ai unterſcheiden, die Ulph. unun
[44]I. gothiſche vocale.
terſchieden laßen durfte, wie in alth. hſſ. e und ë nicht
unterſchieden ſind. Nämlich es gibt ein ái (mit dem
gewicht auf a) welchem das alth. ei und ê, das nord.
ei, das augelſ. â - und ein aí (mit dem gewicht auf i)
welchem das alth. ë, das nerd. ë und ia, das angelſ.
ë und eo begegnen. Regel ſcheint mir nun zu ſeyn:
das goth. aí ſtehet vor h und r, das ái vor allen übri-
gen conſonanten; beſtätigt wird ſie durch ein völlig
analoges verhältniß zwiſchen aú und áu. Beide das r
und h ziehen, ihrer ſchwierigen ausſprache wegen, den
ton auf den ihnen zunächſt ſtehenden vocal heran und
veranlaßen endlich die verſchmelzung beider vocale. —
Ein ái haben — außer den überſetzungen des gr. αι,
den ablauten (wo auch ausnahmsweiſe vor h. ái und
nicht aí gefordert wird) und den endungen — folgende:
jái (immo). vái (vae). ſái (ecce). váian (ſpirare). ſáian
(ſerere). áibr (δῶρον). hláibs (panis). váibjan (cingere).
gamáids (debilis). páida (tunica). máidjan (mutare). áigan
(poſſidere). áikan (affirmare). láikan (ſalire). táikns
(ſignum). dáils (pars). háils (ſanus). ſáiljan (ligare). váila
(bene). háim (ager). ains (unus). hláins (βουνὸς). hráinja
(purus). jáins (ille). gamáins (communis, κοινὸς). qváinôn
(plorare). ſtáins (lapis). tains (ſpina). ráip (corrigia).
vráiqvs (obliquus). áis (aes). fráiſan (tentare). káiſar
(caeſar). láiſjan (docere). gáiſjan (percellere). ráiſjan (ex-
citare). máis (magis). báitrs (amarus). gáitei (hoedus).
háitan (jubere). hváiteis (triticum). máitan (ſecare). nái-
teins (blasphemia). áiþs (juramentum). áiþþáu (aut).
áiþei (mater). háiþi (campus). máiþms (donum). áiv
(aevum). fráiv (ſemen). hláiv (μνῆμα). hnáivjan (depri-
mere). hráiv (funus). hváiva (quomodo). ſáiv (lacus).
ſáivala (anima). ſnáivs (nix). háiza (taeda). Bloß einzelne
erregen zweifel. Die länge des ái iſt nicht zu beſtreiten,
da auch das lat. ae einſtimmt, das bekanntlich ſehr oft
mit ai wechſelt und dem gr. αι analog iſt, vgl. Schnei-
der p. 50. 51. 57. Vergleichbar ſind: káiſar, vái, áiv,
áiz und caeſar, vae, aevum, aes. Dem o entſpräche
vermuthlich (das fehlende) áig (ôvum, ὠὸν), wodurch
der übergang von vaila, alth. wêla in wola, angelſ. vël;
von jáins in alth. gënar, angelſ. geon, engl. yone; von
áiþþáu in alth. ëddô und odô, angelſ. oððe, verſtänd-
licher würde. Das lange lat. u in ûnus, commûnis
dürfte ſich um ſo mehr mit áins, gamáins vergleichen,
als früher in dieſen und andern lat. wörtern oi ſt. û
vorkommt (Schneider p. 83.) Auffallend iſt das verhält-
[45]I. gothiſche vocale.
niß des goth. báitrs (wie ebenfalls das mail. bruchſt.
Matth. 26, 75. lieſt) zu dem bitr der übrigen ſprachen *).
Die geſchärfte ausſprache in áibr, báitrs mag erſt den
diphthongen in aí verwandelt (aíbr, baítr) und dann
ein ibar (?) wie bitar herbeigeführt haben. Will man
hiernach auf ái nur einfache conſonanzen folgen laßen,
ſo müßen die beiden letzten wörter der andern claſſe
beigezählt werden.
Dieſe begreift, außer den überſetzungen des gr. ε,
etwa nachſtehende: aíhvatundi (βάτος). aíhtrôn (men-
dicare). faíhu (pecus). haíhs (luſcus). maíhſtus (fimus).
raíhts (rectus). ſaíhs (ſex). ſaíhvan (videre). ſlaíhts. (planus)
ſvaíhra (ſocer). taíhſvô (dextera). taíhun (decem; aber
gatáihun, nuntiaverunt). þlaíhan (παρακαλεῖν). vaíhſta
(angulus). vaíhts (ens). air (mane). aírus (nuntius).
aírzjan (ſeducere). baíran (ferre). baírgan (tueri). faírguni
(mons). faírhvus (mundus). faírni (vetus), faírra (procul).
faírzna (calx). gaírda (zona). gaírnjan (deſiderare). haírda
(grex). haírtô (cor). haírus (gladius). hvaírban (vertere).
hvaírnei (calvaria) qvaírnus (mola). ſtaírno (ſtella). ſtaírô
(στεῖρα). ſvaírban (tergere). þaírkô (foramen). taíran (te-
rere). vaír (vir). vaírilô (labium) vaírpan (jacere). vaírs
(deterius). vaírþan (fieri) vaírþs (dignus). Die verglei-
chung der lat. tero, fero, pecus, decem, ſex, dextera,
rectus mit taíra, baíra, faíhu, taíhun, ſaíhs, taíhſvò,
raíhts erbringt lauter kurze e (nämlich ë), ein kurzes o
zeigen ſocer und cor, cordis: ſvaíhra, haírtô; ein kur-
zes a καρδία (haírtô) cardo (haírus); ein kurzes i vir
(vaír); kurzes e ſterilis (ſtaírô). Gieichwohl muß das
goth. aí als ein langer laut betrachtet werden, der ſich
nur der geſchärften ausſprache wegen (in den meiſten
fällen iſt poſition da) zum übergang in die kürze vor-
bereitet und ſogar in dem einzelnen fairra gemination
hinter ſich duldet; im alth. ë hat ſich die kürzung ent-
ſchieden, die nord. mundart ſchwankt zwiſchen ia und ë,
die angelſ. zwiſchen eo und ë. In der ſchärfung oder
in dem ſchwanken liegt Ulphilas rechtfertigung, daß
er ſeinen diphth. aí dem gr. ε für am nächſten hielt,
während er das ſcheinbar identiſche ái zu dem gr. αι
[46]I. gothiſche vocale.
verwendete. Bedeutend, daß ſchon Jornandes und frühe
urkunden das aí mit e, d. h. ë ausdrücken, vgl. den
eigennamen fridigernus bei jenem und bei Amm. Marc.;
aligernus in der ſynodus romana von 501. (Colet. V, 459.)
Zweifelhaft bin ich über aír und aírus, die vielleicht
áir, áirus lanten? vgl. alth. êr, nord. âr und nord. âri.
Auch etwa þláihan? vgl. das alth. flêhôn.
(AU) au überſetzt in gr. wörtern das o, indem das
goth. an ſich lange ô bereits für ω in beſchlag genom-
men war. Vermuthlich kannte Ulphilas aus dem runi-
ſchen alphabeth bloß othil, nicht aber ôs (ſ. das alth.
o und ô). Übrigens iſt aus den bemerkungen zum vor-
hergehenden diphthongen ai leicht zu folgern, daß ein
áu (welches das gr. αυ überträgt, als: Auguſtus, Ἀυγού-
στος; Páulus, Παῦλος) und aú (zur übertragung des o,
als: apaúſtaúlus, ἀπόστολος) unterſchieden werden müße.
Jenem entſpricht das alth. ô und ou, das angelſ. eá,
das nord. au; dieſem aber das alth. angelſ. und nord.
o oder u, zuweilen das angelſ. ea. Alſo bei letzterm
wieder wie vorhin ſchärfung und verkürzung, áu mag
auch hier die ältere, reinere, darum im ablaut haftende
form, aú die ſich entſtellende ſeyn. Belege für áu, außer
den ablauten und endungen, geben: bauan (habitare).
bnáuan (ψώχειν) ſtáua (judicium). tráuan (confidere).
dáubs (ſtupidus.) háubiþ (caput). galáubjan (credere).
láubs (folium). ráubôn (ſpoliare). áudags (locuples).
báuds (ſurdus). dáudjan (certare). láuds (homo). ga-
máudjan (ὑπομνῆσαι). ſáuds (ſacrificium). ſkáud (? res ni-
hili). áugô (oculus) áugjan (oſtendere). báugjan (verrere).
láugnjan (inſiciari). ſáuïl (ſol). afdáujan (conſumere). fráuja
(dominus). gáuja (incola). ſtráujan (ſternere). tánjan (fa-
cere). ſáulnan (contaminari). áuk (etiam). áukan (augere).
gáumjan (curare). dáun (odor). gáunôn (lugere) láun
(merces). ſáun (lytrnm). dáupjan (baptizare). hláupan
(currere). ráupjan (evellere). áuſo (auris). háuſjan (au-
dire). láus (liber). náus (cadaver). ráus (arundo). hláuts
(ſors). ſkauts (ſinus). ſpráutô (ſubito). ſtáutan (percutere).
blauþjan (delere). dáuþs (mortuus). náuþs (neceſſitas).
Man merke 1) die oben beim i gegebene regel lehrt,
daß i auf áu folgend entw. zwei puncte bekommt [táuï,
opus Rom. 12, 4; táuïdês, feciſti; ſtáuïdês, judicaſti,
dáuïdái (vexati), ſáuïl, ſol], oder ſobald auf das i wie-
der ein vocal folgt, in j übergeht (táujan, táujis, gáuja).
Häufig aber pflegt ſich vor jenem ï (nicht alſo vor j)
[47]I. gothiſche vocale.
der diphth. àu in av (d. h. kurzes a und conſ. v) auf-
zulöſen (tavida = tauïda, mithin gavi, mavi, havi =
gáuï, máuï, háuï). Doch der gebrauch ſcheint ſich bei
einzelnen wörtern meiſtens für eins oder das andere
zu erklären, ich finde z. b. nur ſáuïl und nur ſtravida,
gavi, nicht ſavil und ſtráuïda, gáuï. 2) folgt auf das
áu ein ei, ſo wird die auflöſung in av nothwendig,
als: tavei (fac), naveis (pl. von náus). Ohne zweifel
gilt daſſelbe vom ê, und der gen. pl. von náus würde
navê lauten *). Bei folgendem a bleibt hingegen áu
(ſtáua, báuan, nicht etwa: ſtava, bavan; in ſlavan, ta-
cere, favái, pauci iſt aber das v. organiſch); 3) in dem
bemerkten fall, wo das dem áu folgende i in j überge-
hen muß, pflegt áu zuweilen ſich in ô zu wandeln und
das ſcheint ſich wieder individuell zu beſtimmen. táuï
macht den pl. tôja (opera, ſt. táuja) und zum praet.
ſtáuïda lautet der inf. ſtôjan (judicare, ſt. ſtáujan). Hier-
durch unterſcheidet ſich fein: táuja (facio) táujis (facis)
von tôja (facta) -tôjis (- factor). Ich finde nie weder
einen inf. ſtáujan, noch andrerſeits frôja ſt. fráuja und
bloß der conſequenten regel müſte man beides tôja und
táuja (opera) oder beides táuï und tavi (opus) zugeben;
der lebendige gebrauch nimmt tôja und táuï an. — Alle
dieſe angaben bewähren uns die ausſprache áu (und
nicht aú), indem der nachdruck auf a und die flüchtig-
keit des u in dem doppellaut den übertritt des u in v
begünſtigte; ſobald aber der diphthong durch ein fol-
gendes j feſtgehalten wurde, die verdumpfung in ô ein-
treten konnte. Man ſpreche: táuï (—⏑) beinahe wie
tavi (⏑ ⏑) und tôja beinahe wie táuja aus. Zweifelhaft
bleibt mir, ob áuftô (forte) nicht aúftô laute. — Lat.
wörter zeigen in ſôl (ſáuïl) langes, in oculus (áugô)
kurzes o; in auris (áuſô), audire (háuſjan) augere (áu-
kan) denſelben diphthongen; in caput (háubiþ) kurzes a.
Daß das lat. au nicht mit dem laut ô zuſammenfalle,
zeigt Schneider p. 61. 62.
Das goth. aú gebührt, außer den ablauten vaúrpun,
baúrans und allen ähnlichen, nachſtehender anzahl:
aúhjôn (tumultuari). aúhns (fornax). aúhſns (bos). daúh-
[48]I. gothiſche vocale.
tar (filia). daúhts (epulae). draúhts (agmen). faúhô (vul-
pes). haúhs (altus). naúh (adhuc) inraúhtjan (infremere).
ſaúhts (morbus). þaúh (tamen). aúrahjô (ſepulcrum).
aúrali (ſudarium). aúrki (urcens). aúrt (herba). baúrs
(natus) baúrd (tabula). baúrgs (urbs). baúrjôþus (vo-
luptas). daúrô (porta). faúra (coram). faúrhts (timens).
gaúrs (triſtis). haúri (pruna). haúrds (porta) haúrn
(cornu). gamaúrgjan (decurtare). maúrnan (moerere).
maúrgins (mane). ſaúrga (cura). ſkaúro (ventilabrum).
ſpaúrd (ſtadium). gataúra (ruptura). vaúrd (verbum).
vaúrkjan (operari). ſtaúrknan (arefieri). ſtaúrran (fremere).
þaúrnus (ſpina) vaúrſtv (opera). vaúrms (vermis). vaúrts
(radix). Einiges bedenken geben: naúh, þaúh, haúhs;
die beiden erſten haben im alth- und mittelh. entſchie-
den ein o (noh, doh; noch, doch) das letzte aber im
mittelh. ein ô (hôch, auf flôch, zôch reimend, alſo dem
goth. þláuh, táuh entſprechend, folglich háuhs), wozu
die neuh. ausſprache: hoch im gegenſatz des geſchärf-
ten: noch, doch ſtimmt, ſo wie für þáuh die ſehr häu-
fige ſchreibung þáu. Über das alth. wird uns Notker
belehren. Das angelſ. gibt þeah (engl. though) verſchie-
den von beah (flexit), fleáh (ſugit); über heah oder
heáh bin ich unſchlüßig, das engl. hat high. Wenn
gleich nun ein alth. hôh, vielleicht auch fôha (vulpes
fem.) anzunehmen iſt, ſo beweiſt das noch nichts wider
haúhs, faúhô, obſchon ich zugebe, daß dieſe des fol-
genden einfachen ſpiranten wegen beinahe lauten wie
háuhs, fáuhô. Doppellaut war aú ſo wohl als áu, doch
ein etwas geſchärfter und dazu paſſen die ſpuren eini-
ger alth. ô in wörtern der goth. claſſe aú, die ſonſt kur-
zes o zu bekommen pflegen, und andrerſeits die nach
dem diphth. unerhörte goth. gemination in ſtaúrran,
(wie vorhin in faírra). — Aus dem gr. laßen ſich ὄρυξις
oder ὄρυχὴ (foſſa, aúrahjô) θυγάτηρ, θύρα, aus dem lat.
cornu, urceus, orale, (Du Cange h. v.) vermis, vergleichen.
(EI) ei. Es iſt oben bei dem i bemerkt worden,
wie der goth. text in übertragung der gr. ι zwiſchen i
und ei ſchwankt; ſelbſt das gr. ει muß durch ei wieder-
gegeben werden, der fall iſt aber ſelten (Ελιακεὶμ, Aí-
leiakeim, Ι᾽ωρεῖμ, lôreim). Nach dem vorgang der
diphth. ai und au ein éi und eí zu unterſcheiden, be-
rechtigt uns die vergleichung der übrigen ſtämme nicht,
welche ſtatt des goth. ei gewöhnlichſt ein î zeigen, es
mag nun h und r folgen oder nicht, vgl. ſkeirs nord.
[49]I. gothiſche vocale.
fkir; veihs aith. wìh. Ob in der goth. ausſprache
ſeibſt das gewicht auf dem e oder i liege, iſt ſchwer zu
ſagen und in der verſchmelzung zwei ſo dünner laute
kaum zu bemerken, welches die oben ſ. 36. angeführten
übergänge des ei, einerſeits in ê (ee), andrerſeits in i
beſtätigen. Noch ſchwerer ſcheint es auf die frage zu
antworten, welcher einfache laut in dem goth. e ſtecke,
das ſich hier mit dem i bindet? Weder das alth. e
(umlaut des a), noch ë (goth. aí), ſondern wahrſchein-
lich die hälfte des goth. è (ee), mithin der eigentlich
einfache, kurze e lant, der für ſich in der goth. ſprache
gar nicht vorkommt. Ihn doppelt d. h. einen triph-
thongen êi anznnehmen, wäre ſicher falſch. Vollkom-
men entſpricht dem goth. ei kein zweilaut in allen übri-
gen mundarten, da das alth. ei vielmehr umlaut des
goth. ái ſcheint und die vergleichung des neuh. ei zwei-
deutig iſt, indem dieſes zwiſchen dem alth. î und ei
ſchwebt, ja in der ausſprache gänzlich das goth. ái wird.
Außer dem ei in den endungen ſind die wichtigſten
belege folgende: ei (ἵνα) ſei (ea). þei (ut, quod). drei-
ban (pellere). beidan (exſpectare). hleidnmei (ſiniſtra).
geigan (lucrari). idreiga (poenitentia). ſteigan (ſcandere).
leihvan (mutuari). teihan (nuntiare). þeihan (creſcere).
þeihvô (tonitru). þreihan (premere). veihs, veihſis (vi-
cus) veihs, veihis (ſacer). leik (caro). leikan (placere).
leikeis (medicus). reiks (dives. fortis). hveila (hora).
ſkeima (ſplendor). deina (deinô? carduus). keinan (ger-
minare). lein (linum). meins (meus). qveins (uxor).
ſeins (ſuus). ſkeinan (lucere). ſvein (ſus). þeins (tuus).
vein (vinum). greipan (rapere). ſveipáins (inundatio).
reirô (tremor). ſkeirs (clarus). beiſt (fermentum). eis
(vos). eiſarn (ferrum). geiſnan (ſtupere). reifan (cadere).
veis (nos). veiſôn (vilitare) beitan (cogere). heitô (fe-
bris). hveitjan (albare). leitils (parvus). ſmeitan (linire).
veitan (tendere). bleiþs (laetus). hleiþra (tugurium).
leiþan (ire). leiþus (potus). neiþs (invidia). ſeiþu (ſero).
ſleiþjan (laedere). ſneiþan (metere). hneivan (inclinare).
heiv (familia). ſpeivan (ſpuere). Der übergang des ê
in ei macht den des ei in ê begreiſlich, daher es z. b.
bei leikeis zweifelhaft bliebe, ob nicht lèkeis die ur-
ſprünglichere form (wie das alth. làhhî eher muth-
maßen ließe) vergl. qvêns und qveins, hleiþra und
hlêþra. Ebenſo werden veis und eis nord. vêr und êr
(þêr), alth. aber wir und ir kurzlautig, gerade wie die
D
[50]I. gothiſche vocale.
nord. dative mêr, þêr, ſèr ſchon im goth. mis. þus,
ſis heißen, dem alth. mir, dir, wir, ir, parallel. Die
kürzung des ei in i trifft ſich auch in dem verhältniß
zwiſchen qveins und qvinô. Auffallender iſt das alth.
luƷil neben dem goth. leitils, wiewohl þus, jus und
us- ueben dir, ir, ir- (und ur-) aufſchluß gewähren,
Von lat. wörtern liegen: vînum, lînum, vîſere, vîcus
zunächſt; die verkürzung des î in i ergäbe ſich in-licus
vergl. mit -leiks, das auch im neuh. -lich lautet; ra-
pio (in der compoſ. -ripio) ließe ſich zu greipan halten.
(IU) ïu, reingothiſcher diphthong, der ſich mit kei-
nem gr. laute begegnet, folglich vom gr. υ, für wel-
ches ſich Ulph. des conſonanten v bedient, abgelegen,
Zugleich der einzige mit vorſchlagendem i, da der Gothe
kein ïa, noch weniger ïê, ïô kennt. Zwiſchen ïu und
ju (z. b. in ju, jam; jus, vos) unterſcheide man ſorg-
ſam *), denn Ulph. ſchreibt niemahls ſtjurs, nju etc.
wie er hafjan etc. ſchreibt, ju iſt mit dem nachdruck
auf u auszuſprechen (etwa jú, beinahe gu), iu hinge-
gen beinahe i-u, doch nicht zweiſilbig, ſondern íu.
Dies gewicht auf i erweiſt ſich wiederum (wie vorhin
bei áu) aus der verſlüchtigung des leichteren u in den
ſpiranten v und zwar vor jedem folgenden vocal: triu,
gen. trivis; kniu, dat. kniva; þius (famulus), þivôs
(famuli), þivê (famulorum), þivi (famula); ſnivan (ire)
ſt. ſniuan; qvius (vivus), qviváize (vivorum), aber ga-
quiunan (reviviſcere). Muß das folgende i, eines auf
es folgenden neuen vocals halber, in j. übergehen, ſo
bleibt iu (wie oben áu blieb), oder kehrt zurück, z. b.
þivi macht den gen. þiujôs und die (anzunehmende,
aber nicht zu belegende) ſtarke form nivis (novus) die
ſchwache niuja (ſprich niu-ja zweiſilbig). Da der
diphthong überall íu (niemahls iú) hat, ſo kann der ac-
cent auf dem i geſpart werden. Es ſind nur wenige
wörter; kniu (genu). niu (nonne). triu (arbor). liubs
(carus). þiubs (fur). biudan (offerre). aviliudôn (εὐχα-
ριστειν). biuds (menſa). þiuda (gens). liudan (creſcere).
hiufan (oder hniuban? plorare). liugan (nubere). liu-
gan (mentiri). biuhts (mos). hiuhma (multitudo). liuhaþ
(lux). niuhſjan (viſitare). tiuhan (ducere). þliuhan (fugere).
niuja (novus). ſiujan (ſuere). ſiuks (aegrotus). hliuma
[51]I. gothiſche vocale.
(auris). ïumjô (multitudo). niun (novem). ſiuns (viſio)
ïup (ſurſum). diups (profundus). hniupan (rumpere).
ſtiurs (juvencus). us-ſtiuriba (ἄσώτως). qvins (vivus).
þius (famulus). kiuſan (eligere). liuſan (perdere). kriu-
ſtan (τρίζειν). giutan (ſundere). liuta (hypocrita). niutan
(capere). þiuþs (ἀγαθὸς). liuþ (cantus). dius (ſera, muth-
maßung ſt. dihs, dat. pl. dihzam Marc. 1, 13.). — Die
entſprechenden laute ſind im alth. iu, io (ia) und û;
im angelſ. eó und ŷ, im nord. iu. ŷ, io, û etc.; ſchon
das goth. iu und u berühren ſich (lûkan, claudere, ſt.
liukan) (erſt líukan, dann liúkan). Hierher gehört auch
das lat. lange u in lùx (liuhaþ), dûco (tiuha); den
übergang in iv beſtätiget vîvus (qvius, qvivis) und ſelbſt
novus, novem (beide kurzes o) vergl. mit niuja, niun
wobei die wandlungen des o in langes und kurzes i
(Schneider p. 18.) und das gr. νέος, ἐννέα erwägung
verdienen.
Dies ſind die goth. vocale. Von einem umlaut der-
ſelben keine ſpur; namentlich die wurzeln a, ê, û wer-
den durch ein in der endung folgendes i oder ei nicht
im mindeſten getrübt, es heißt aha (mens), ahins,
ahjan; balgs, balgeis, balgim; dêds, dêdja; rûna, garûni.
Sollte aber doch eine veränderung des lauts eingetreten
ſeyn, die Ulphilas nicht ſchrieb, oder nicht ſchreiben
konnte? Unglaublich: jenes, weil ſeine ſchrift ſonſt ſo
viel feines und genaues zeigt; dieſes, weil er ſehr wohl
belgeis, belgim hätte ſchreiben und die unterſcheidung
eines e und ê eben ſo gut ſeinen leſern zutrauen dür-
fen, als die des u und û. Denn wäre ein umlaut vor-
handen geweſen, ſo müſte das e der ausſprache des ê
immer näher geweſen ſeyn, als der des a und dieſes
hätte ſeinen leſern mehr unbequemlichkeit verurſacht.
Sich die laute, die man für umlaute des ê und û gelten
laßen wollte, klar zu denken, wäre auch nicht leicht;
vermuthlich lag die ausſprache des goth. ê dem alth.
æ näher als deſſen grundlaute, dem â. Das alth. û
ſcheint manchmahl offenbare abweichung aus einem
älteren iu und daß es anderemahl in iu umlautet, ge-
ſtattet noch keine gleichſetzung des letztern mit dem
goth. ïu, da vielleicht beiderlei diphthongen zu unter-
ſcheiden ſind. Ich bilde mir alſo ein, daß der Gothe
gar keinen umlaut hatte und erkläre es ſehr wohl aus
meiner oben angeführten anſicht von dem weſen des
umlauts überhaupt. — Die ſchon im goth. vorhan-
D 2
[52]I. gothiſche conſonanten. liquidae.
denen ſpuren eines vocalwechſels in unbetonten endun-
gen wird eine bemerkung zu dem alth. vocalſyſtem nä-
her anzeigen.
Alle kommen als an- in-
und auslaut vor, von den anlauten l. n. r. unterſchei-
det aber der Gothe genau die aſpirierten anlaute hl. hn.
hr. vl. vr. (wovon näheres bei h und v) und ſo we-
ſentlich, als die ſpäteren ſprachen noch die anlaute ſl.
ſm. ſn. von den anlauten l. m. n. zu ſcheiden verſte-
hen. Das einfache l. m. n. machen keine weitere be-
merkung nöthig. Das einfache r trennt ſich ſehr be-
ſtimmt von dem einfachen ſ und die vermengung bei-
der erfolgt erſt in den übrigen ſtämmen deutſcher ſprache
(mehr hierüber beim ſ. und gleich hernach bei rſ.).
Die inlautenden r ſind hauptſächlich: ara. arjan. marei.
hvarjis. harjis. ſvaran. kara. karja. faran. farjan. fêra.
fêrja. ſvêrs. mêrjan. hiri. baíran. taíran. haírus. ſtaírs.
aírus. taúra. baúrjus. gaúrjan. haúri. ſkaúrô. reirô. ſkûra.
ſtiurs. ſtiuran. Auslautende: kar. hvar. jêr. ur- aír.
vaír. daúr. faúr. Über die ausſprache des r vergl. die
oben bei dem aí und aú gemachte bemerkung.
(MM) bloß nach kurzem a, i, u, ſvamm (ſpongia)
Matth. 27, 48 doch Marc. 15, 36 ſvam; gavamm (im-
purum); hauptfall die dativendungen: -amma, im pro-
nom. ïmma, himma, þamma, hvamma, ainummêhun
neben áinômêhun, wegen des vorſtehenden ô.
(NN) wiederum nur nach a, i, u, eigentlich bloß
die fälle des lauts und ablauts einer conjugation: brinnan,
ſpinnan, rinnan, ginnan, linnan, brinnô, rinnô, minniza,
kinnus, ïnn, ïnna; kann, brann etc. manna, anna,
kannjan, rannjan; brunnun etc. brunna, ſunnô, kun-
nan, munnôn. Häufiges ſchwanken in den einfachen
laut, ſowohl bei anſtoßendem conſonanten: rant Joh. 16,
30, brunſts, als ſonſt: kuni (genus), branjan (urere)
branjada (uritur) garunjô (confluxus) manags, manhun,
manaſêþs neben: manniſks, mannbun, mannaſêþs. Vgl.
ïn (in) ïnuh (ſine) mit ïnn (intus, intra).
(LL) nur nach kurzen vocalen und ſelten; die ein-
zigen belege ſind: alls, alleina, fill (cutis) ſpillôn, vullô
(lana), fulls. Einfaches 1 haben: vilja, huljan, aljan
(zelus) u. a.
(RR). Die einzigen fälle ſind: faírra (longe), ſtaúr-
ran (fremere) und hier ſcheint rr nicht wurzelhaft, ſon-
dern aus rn, dieſes aber aus einer ſyncope entſprungen.
Die neigung, das rn zu aſſimilieren, iſt progreſſiv. —
Unter den verbindungen der liquiden mit andern
conſ. ſcheinen folgende fälle die wichtigſten *).
(LB) halbs. ſalbô. ſilba. (LD) alds. faldan. haldan.
gild (tributum). kalds. mulda. ſpáiſkuldr. ſilda-. ſpilda.
valdan. vilda. (volui). (Lþ) balþs. -falþs. gilþa (falx)
gulþ. kilþei (uterus). hulþs. vilþi (ſilveſtris). vulþus.
(L T) halts. ſalt. ſviltan. valtjan. (LZ) talzjan.
(MB) dumbs. kumbjan. lamb. vamba. (MF) ſimf.
(MP) trimpan. (Mþ) gaqvumþs. (MS) amſa. ſvumſl.
gramſt. (feſtuca) þramſtei.
(NT) ſinteins. kintus. (ND) andeis. bindan. blinds.
grundus. hindar. hunds (canis). kindins. -kunds (oriun-
dus) land. munda (memini) pund. ſandjan. ſtandan.
ſundrô. tandjan. undar. vindan (involvere) vinds (ventus).
Hierher die flexionen der conjug. -nd und -nds.
(Nþ) anþar. finþan. hinþan (capere) kunþs (notus)
munþs (os) nanþjan. ſinþs. ſvinþs. tunþus. vinþjan (ven-
tilare). (NG. NK. NQ.) ſieh bei g. (NS) ans. anſts.
banſts. hanſa. hunſl. kunſts. plinſjan. þinſan. uns. vgl.
die eigennamen: ildefons, monefons, anſimund, tran-
ſimund.
(R N) -aírna. arniba. barn. faírni. gaírnjan. haúrn.
hvaírnei. kaúrn. maúrnan. qvaírnus. ſmarna. ſtaírnô.
undaúrni. þaurnus. (RS. RZ.) aírzjan. fairzna. marz-
jan. þaúrſis. vaírs (pejus). (R D) hardus. ſpaúrds. gaírda.
haírda. vardja. vaúrd. (R T) aúrts. haírtô. ſvarts. vaúrts.
(Rþ) aírþa. maúrþr. vaírþan. vaírþs.
Für die ausſprache und hiſtoriſch wichtig iſt es,
auf die verbindung und gleichſam verwachſung ſolcher
conſonanzen zu achten. Spätere mundarten aſſimilieren
gerne, aber nach folgerechten reihen, z. b. ſie wandeln
[54]I. gothiſche conſonanten. liquidae.
mb in mm: rn, rs in rr*); nþ, lþ (nicht aber nd, ld)
in nn, ll. Andere ſtoßen das n vor ſ und þ gänzlich
aus, was vermuthen läßt, daß es vor dieſen buchſtaben
(wie vor den gutturalen) mehr naſal geweſen, als vor
dem d. — Übrigens fordern alle angeführten verbindun-
gen mit l, m und n, gleich den goth. geminationen, ſtets
in der wurzel a, i, u. Die mit r hingegen, gleich dem
rr, haben a, aí, aú, niemahls einen andern vocal oder
diphth. vor ſich. Da nun ſämmtliche aí und aú, denen
die liquida r folgt, im alth. einen kurzen vocal, nämlich
anfangs i und u, bald aber und daneben e und o zei-
gen, ſo ſtellt ſich die regel auf, daß keine deutſche
wurzel **) im inlaut liquida verdoppelt oder mit andern
conſonanten verbunden anders leidet, als wenn einfache
vocale vorausgehen. Zugleich wird die nothwendigkeit
der unterſcheidung des goth. ai und aú einleuchtender
geworden ſeyn. Im goth. niunda (nonus), was man
gegen jene regel anführen könnte, iſt iund nicht wur-
zelhaft, ſondern - da die zugetretene endung, wie tai-
hun-da (decimus) zeigt und ſelbſt niun iſt aus urſprüng-
licher zweiſilbigkeit (ni-un, wie taíh-un) in den ein-
ſilbigen diphth. verengt worden. Wichtiger wird jener
grundſatz für die betrachtung der alth. ablaute hialt,
wialt; hier iſt hinten keine endung zugetreten, aber
vornen muß der diphth. in ein älteres hi-alt. hî-alt,
hî-halt augelöſt werden. Eben ſo zerfällt das zweiſil-
bige thiarna (virgo) in ein dreiſilbiges früheres thi-arn-a.
In mittelh. zuſammenziehungen, die ſcheinbar der ge-
fundenen regel widerſtreiten, z. b. lêrte, îlte, zierte,
ſwârte, verräth ſich die ſyncope und die hinten ange-
heftete endung von ſelbſt.
(V. F. B. P.) labiales. v der bloße lippenſpirant,
f die aſpirata, b media, p tenuis; die drei letzten dem
gr. φ. β. π. in den eigennamen entſprechend.
(P) macht keine ſchwierigkeit, es iſt von b und f
ſtrenge geſchieden und tritt als an- in- und auslaut auf.
Beiſpiele von in- und auslauten: [ï]up (ſurſum) ſkip (na-
vis) hups (femur). ſûpôn (condire). vêpn (arma). diups
(profundus). ſipôneis (diſcipulus). ráip (corrigia). váips
(corona) vipja (corona) ſkapan, ſkôp. ſlêpan, ſáizlêp.
greipan, gráip. vaírpan. hláupan. káupatjan (colaphizare).
kaupôn (emere). nipnan (moerere). ráupjan (evellere),
hrôpjan und vôpjan (clamare). hvôpan (gloriari). hniupan
(rumpere) hvapjan (extinguere). ſveipeins (inundatio),
trimpan (calcare). hilpan, halp. — Als anlant nur in
wenigen wörtern, die meiſtens fremde ſcheinen: paſka,
práufêtês, práitôria, piſtikeins (πιστικὸς), peika-bagms
(φοίνιξ, vermuthl. aus dem lat. pîcea, gr. πεύκη, d. h.
fichte), pund (pondus). Näher zu prüfen bleibt der
urſprung von páida (tunica). plapja (platea). plats (aſſu-
mentum). plinſjan (ſaltare) puggs (marſupium). — Dem
p entſpricht im nord. u. ſächſ. gleichfalls die tenuis p;
im hochd. aber die aſp. f.
(B) als anlaut häufig; die fälle ſind in dem gloſſar
nachzuſehn. Als inlaut gleichfalls häufig, ſowohl nach
einfachen als doppelten vocalen: aba. -aba. abrs. gabei.
gabigs. graban. haban. ſaban. ïba. ïbns. gibls. ſvibls.
liban. ſibun. ſibja. ſviban (ceſſare)? ſtibna. -uba. ubils.
ubizva. ſilnbr. áibr. gahláibs. láibôs. dráibjan. váibjan.
dáubjan. galáubjan. háubiþ. ráubôn. dreiban. grôba. dôbnan.
drôbnan. dûbô. liubs. þiubs. Desgleichen auf liquide
folgend: halbs. ſalbôn. ſilba. dumbnan. hvaírban. ſvaírban.
arbja. Als auslaut kommt es aber regelmäßig nur nach
liquiden vor, z. b. halb. ſvarb (terſit). dumb. lamb.
Geht ein vocal vorher, ſo lautet es um in f, als þiubs,
hláibs, im acc. þiuf, hlaif; giban, graban, im praet.
gaf, grôf, pl. wieder gêbun, grôbun; im imp. gif! graf!
tvalif (duodecim) gen. tvalibê; láubôs (folia), láuf acc. ſ;
doch finden ſich einige ſchwankende formen: grôb
Luc. 6, 48. ſt. grôf; tvalib Luc. 2, 42. 6, 13. 8, 1; umge-
kehrt hláifs ſt. hláibs Joh. 6, 33. wiewohl hier das bloße
ſ nachſchlägt (vgl. hernach den umlaut des d in þ).
Da die praep. af (von) und uf (unter) bei angehängtem
-ûh in abûh, ubûh übergehen, ſo ſcheinen ſie auch
hierher zu rechnen, allein afar (poſt) ufar (ſuper) lauten
nie abar, ubar. Die bildungsendung -ubni lautet drei-
mahl ſo, und zweimahl -ufni. Sogar das inlautende b
lautet vor t in f um: gaft (dediſti), grôft (fodiiſti), fra-
[56]I. gothiſche conſonanten. labiales.
gifts (deſponſatio) wiewohl Luc. 1, 27. die ausnahme
fragibtim. Von dieſem ft ſogleich mehr. — Dem goth.
b entſpricht das alth. b, ſo wie dem umlautenden aus-
laut f das alth. p; im nord. b dem goth. anlaut, aber f
beides dem goth. in- und auslaut, letztern alſo ohne
umlaut. Wieder anderes zeigen die ſächſ. mundarten.
(F) als anlaut häufig und in den gloſſaren zu finden;
als inlaut ſeltner: afar (poſt) haſjan. lifnan. ſifan. lôfa.
ufar (ſuper). hufum (ploravimus); nach liquiden: vulfs.
hanfs; vorzüglich vor einem nachſtehenden t. als: aftu-
ma. iſtuma. hvilſtri. fimfta. ſkafts. hafts. gagrêſts. hliftus.
ſkufts. numfts. ufta. áuftô (gaft, grôft, gifts ſind vorhin
beim b angeführt). Als auslaut, außer den beim b be-
rührten umlauten gaf, grôf; noch in af. uf. fimf und
ohne zweifel in den formen vulf (acc.) hanf (mancum)
auch in den griech. eigennamen. als lôſêf (Ι’ωσὴφ) gen.
Iôſêfis (nicht Iôſèbis). — Das goth, anlautende f ſteht
dem alth. nord. und ſächſ. f gleich; bedenklicher ſind
die in- und auslaute. Der iniaut ft zwar entſpricht
auch im alth. und ſächſ. dem ft, im nord. aber dem pt.
Die übrigen in- und auslaute f entſ[pr]echen dem alth. f
nur dann, wann ſie nicht in b rückumlauten. Eine
weitere vergleichende ausführung gehört nicht ſchon
hierher; hier fragt ſich bloß: ob der Gothe zweierlei f
ausgeſprochen, wenn ſchon nur ein zeichen dafür ge-
ſchrieben habe? Zu erwägen ſcheint 1) da, nach alth.
regel falls ein umlaut eintritt. im auslaut die tenuis, im
inlaut die media zu ſtehen pflegt, ſo fällt im goth. die
auslautende aſpirata und innere media auf; doch zeigt
ſich im goth. þ und d etwas analoges und vom alth. t
und d wieder abweichendes, jene regel kann alſo hier
nicht gelten. 2) nach der bekannten gr. regel fügen ſich
aſp. med. und ten. jede zu ihres gleichen, nicht zu
verſchiedenartigen. Hierzu ſcheint das nord. pt beßer
zu ſtimmen, als das goth. und alth. ft. — Sollten ſich
die zweierlei goth. f ſo annehmen laßen. daß eins
ein aſpiriertes p, das andere ein aſp. b wäre? folglich
ph und bh? An und für ſich iſt einleuchtend, daß eine
vollftändig entwickelte aſpiration nicht allein die tenuis,
ſondern auch die media treffen müße, bh wäre alsdann
der natürliche umlaut des inneren b in dem auslaut:
hláibs, acc. hláibh, womit ſich auch das ſchwanken
zwiſchen b und f in ſolchen fällen erklärt. Dieſes bh
wird durch das altſächſ. ƀ, ſo wie durch das alt- und
[57]I. gothiſche conſonanten. labiales.
mittelh. v beleuchtet werden, und gewinnt durch die
analogie des dh (ð) und gh, unterſchieden von th (þ)
und ch, welche der Gothe nicht unterſcheidet oder gar
nicht kennt. ph ſchiene das goth. f in wörtern wie
vulfs, fimf etc. ſo wie in allen anlauten und es iſt kei-
nem umlaut unterworfen, ſo wenig als p. Vorläufig
habe ich noch nicht gewagt von dieſer zerlegung des f
in zwei arten für die äußerliche bezeichnung gebrauch
zu machen; vollſtändige einſicht in die vielfach ver-
wickelten labiallaute wird erſt nach dem ſchluße der
ganzen buchſtabenlehre in einer vergleichenden tabelle
möglich werden.
(V) der laut des bloßen wehens, wie er aus der
leiſeſten bewegung der lippen hervorgeht, gleichſam
zwiſchen vocal und conſonant ſchwebend und eben aus
dem u übertretend in den lippenlaut, daher dem j, das
ſich aus dem ï entwickelt, analog. Selbſt das ſchriftzei-
chen, wie vorhin bei dem y geſagt worden, iſt förm-
lich eins mit dem gr. v und lat. v. entfernt ſich aber
von der geſtalt des goth. u, die man ein umgeſtürztes u
(n) nennen kann. Byzantiner ſchwanken hier in dem
ausdruck der eigennamen goth. ſtamms, bald ſetzen ſie
β, bald οὐ, einige ſchreiben βανδήλοι; βανδαλαριος, βα-
λάμηρος, andere und die meiſten οὐανδαλοι, οὐακις, οὐισαν-
δος, οὐιλας, οὐιτιγις, οὐλφιλας etc. Beiderlei ſchreibart
läßt ſich rechtfertigen; β entſpricht ſchon in altgr. wur-
zeln häufig dem lat. v, in lateiniſchen wechſeln b und v
(Schneider p. 226-228. zumahl p. 368. über das ſchwan-
ken zwiſchen β und ου), bekanntlich haben die Spanier
bis auf die neueſte zeit jenes für dieſes geſchrieben.
Die ſchreibung οὐ erklärt den urſprung des doppelten
u oder v, man ſetzte uu oder w, um den unterſchied
von dem vocal u oder dem v, welchem einzelne mund-
arten eine erhöhte lippenausſprache beilegten (das hochd.
v wurde zu bh und endlich f), merklich zu machen.
Einige ſchrieben uv und ſelbſt vu, die dem gr. οὐ gleich-
falls ſehr nahe kamen und die auflöſung jener byzanti-
niſchen οὐ, wo man das folgende goth. u *) und ſelbſt i
zuweilen unterdrückte (οὐλφιλας wäre οὐουλφιλας gewe-
ſen) in lat. einfache u verdient tadel, weil der Gothe
nie, wie der Norde, das v vor dem u wegſtößt, das i
[58]I. gothiſche conſonanten. labiales.
nach dem v aber durchaus nicht fehlen darf. Man lieſt
ſo bei lat. ſchriftſtellern und in der verſion der byzan-
tiniſchen: ulphilas (neben vulphilas und ſogar gulphilas,
weil dem uv, vu das gu wieder verwandt war) und die
falſchen formen: uligagus, ulitheus etc. für viligangus,
vilitheus. Befremdend auf den erſten anblick, allein
conſequenter iſt die ſchreibung ubi ſt. vvi oder vi, uba
ſt. wa in den ſubſcriptionen weſtgoth. concilien des
6. 7. iahrh. als ubiligiſclus, ubinibal. ubidericus, uba-
dila, ubinedarius, ubaldefredus, ubiſandus (conc. tolet.
III. VII. IX. XV.) Die vergleichung ſo mannigfaltiger
ſchreibweiſen, hat man einmahl ihren grund eingeſehen,
vermag weiter nichts zu lehren oder zu beweiſen; wir
haben uns an die weit genauere ſchreibung in Ulphilas
goth. texte ſelbſt zu halten, um die beſchaffenheit des
conſonanten v näher kennen zu lernen.
Ein bedeutender unterſchied zeigt ſich ſogleich zwi-
ſchen dieſem halbvocal und dem andern, nämlich dem j.
Das ï (nicht das ái, ei) wird jederzeit, ſo oft ein vocal
(verſteht ſich in demſelben worte, nicht bei bloßer zu-
ſammenſetzung) darauf folgt, zum j; das u wandelt ſich
bei folgendem vocal nie in v (vgl. Jêſuis, Jêſua), außer
wo es in den diphthongen áu mit folgendem ï, ei, ê —
oder iu (desgl. im hiatus ju) mit jedem folgenden vocal
vorkommt; ſo entſpringt aus háuan, qvius, náus, kniu —
havi, qvivis, naveis, kniva. Ein anderer unterſchied:
das j iſt anlaut und inlaut, nie auslaut, das v anlaut,
inlaut und auslaut.
Die fälle des aulautenden v zeigt das gloſſar. Als
inlaut ſteht es
Die fälle des auslauts ſind: áiv. hláiv. ſnáiv. hráiv. vaúrſtv
vermuthlich auch balv (malum) malv (arena) und die
ſtarken praet. ſahv. valv.
Nach dieſer muſterung wird ſich über die ausſprache
des goth. v füglicher entſcheiden laßen. Ob der anlaut
v mehr wie das neuh. w oder mehr wie das engl. w
(d. h. mit ſchnellem vorſchlag eines u) ausgeſprochen
worden ſey, wage ich freilich nicht zu beſtimmen. Für
jenes redet die hochd. nord. dän. und ſchwed. gewohn-
heit — für dieſes die engliſche, von dem angelſ. kann es
nicht behauptet werden. Für jenes redet die byzant.
ſchreibung β — für dieſes οὐ, ub und das alth. uv, uu,
welches aber auch darum nicht einfach geſchrieben
werden durſte, weil v ſich dem f alut genähert hatte.
Ein grund zu guuſten der erſten ausſprache ſcheinen die
wörter, wo dem anlaut v ein u folgt (vulfs, vullô,
vulþus), das gerade in ein alth. o übertritt, fände man
hier uvolf ausſprechlicher, ſo müſte von uvulfs das ge-
gentheil gelten (vgl. Schneider p. 368. 369. über cervos
und cervus). Der nämliche grund ſchickt ſich für die
goth. inlaute -vu (faírhvus, manvu) und in den auslau-
ten muß das v mehr der ſchärfere conſonant, als der
weichere vocal geweſen ſeyn, weil ſich dieſe fälle (ſahv,
valv, rapuit etc.) nie mit dem auslautenden u vermiſchen
(z. b. faíhu, valu, baculum). Wollte man die inlaute
áiva, eiva **) wie aiuva, eiuva ſprechen, ſo würden
[60]I. gothiſche conſonanten. labiales.
zu viel vocale auf einander ſtoßen und zuſammenziehun-
gen entſprungen ſeyn, die man wohl anders geſchrieben
hätte. Gerade die einzelne ausnahme ajukduþ (aeterni-
tas), das ich mir aus áivukduþ erkläre, beſtätigt daher
die regelmäßige nichtzuſammenziehung. Eher möchten
die inlautenden v. denen conſonanzen vorhergehen und
andere vocale als u folgen, ſanftere vocalähnlichere aus-
ſprache fordern, gatvô, manvi beinahe wie gatuo, ma-
nui, obſchon umgekehrt lat. dichter tenvis, genva aus
genua, tenuis machten (Schneider p. 364.) und manvi
conſonantmäßig ausgeſprochen wohlklingt. Etwas ganz
anderes iſt, daß allerdings die meiſten in- oder auslau-
tenden goth. v urſprünglich eingeſchobene bedeutung
habende u waren, daher ſie ſpäterhin (gleich den i) aus-
fielen, vgl. gatvô, vahtvô mit dem alth. gaƷƷa, wabta;
manvjan mit mittelh. menen und ſchon eſoteriſch im goth.
ſelbſt fidvôr neben fidur. (vgl. Schneider 332. 333.) Dies
erläutert manches in der wortbildung. —
gemination inlautender labiales (pp. bb. ff. vv.) hat
durchaus keine ſtatt, bloß den hebr. namen Λευὶ finde
ich Laívvi, desgl. σάββατον, ραββὶ, ἐφφαθὰ (Marc. 7, 34.)
φιλίππος: ſabbatô, rabbei, aíffaþa, Filippus wiedergege-
ben. Einen goth. namen Γρίππας hat Procop 1, 7. —
Von hierher gehörigen conſonantverbindungen ſcheinen
folgende die wichtigſten.
1) anlautende, die man in gloſſar nachſchlage: BL.
BN. (nur bnáuan, fricare) BR. — PL. PR ſcheinen
fremd — FL (das einzige flêkan, vgl. þL) FR (vgl.
þR) — VL (bloß vlits, vláitôn) VR — mit bn vgl. das
hochd. u nord. ſn. In der ausſprache bl. br. fl. fr.
herrſcht der labiale laut über den leiſer nachtönenden
liquiden (dem. Italiener wandelt ſich bl. fl. in bj. fj.)
hingegen in vl. vr. walten die liquidae vor, denn ſpä-
tere mundarten werfen das v völlig ab, ein grund mit
für ſeine conſonantiſche ausſprache, da u länger gehaftet
haben würde.
2) inlautende. BL. BR (ſvibls, abrs) verrathen
deutlich den zwiſchen mut. und liq. ausgeſtoßenen vo-
cal und ſind darum hier nicht wichtig. BN nur in ſtibna.
Die formen FT ſind vorhin unter F angegeben. Merk-
**)
[61]I. gothiſche conſonanten. linguales.
würdig iſt FST (in dem einzigen þrafſtjan, conſolari)
weil ſich hier f in der ausſprache dem v und vielleicht
dem vocal u nähert. Jornandes liefert den eigennamen
trafſtila, den einige hſſ. und comes Marcellinus trauſtila
(d. h. þráuſtila) ſchreiben, die lesarten tranſtila und
ſtrantila ſind corrupt. þrafſt lautet im alth. traoſt, trôſt
und jener name trôſtilo.
(S. Z; þ. D. T.) linguales. t. tenuis, d. media, þ.
aſpirata, den gr. τ. δ. θ. parallel; der ſpirant ſ. reiner
ſauſelaut, z ihn mit den übrigen dentalen vermittelnd.
(T) eben ſo ſtreng von d und þ geſchieden, wie p
von b und f und ſich nie mit einem derſelben ver-
wechſelnd; häufiger an- in- auslaut. Die anlaute im
gloſſar. Inlaute (außer den obangeführten formen lt.
nt. rt) atiſk. ataþni. batizô. gatvô. hatis. katils. latjan.
mats. nati. ſatjan. vatô. vratôn. grêts. lêtan. itan. fri-
tan. gitan. mitan. mitôn. vitôþ. vlits. vrits. lûtôn. ſû-
tis. ſnutrs. þrutsfill. báitrs. gáitei. háitan. máitan. hvái-
teis. náiteins. hláuts. ſkáuts. ſpráutô. ſtáutan. beitan.
heitô. hveitjan. leitils. ſmeitan. veitan. giutan. niutan.
liuta; die neutra ïta, þata und alle adj. endungen -ata.
Auslaute: at (praepoſ.) at (edebat) und ſo die praet.
der andern verba; mat (acc. und ſo die übrigen acc.)
hrôt. vit (dualis). ût (praep.) andaſèt (adj. neutr.), die
II. praet. gaft, namt, qvamt, magt etc. — Dem goth. t
entſpricht das nord. und ſächſ. t im hochd. aber die
aſp. z und Ʒ.
(D) an- in- und auslautend. Folgende inlaute
(außer den formeln ld. nd. rd. zd.) fadrein. nadr. badi.
ſkadus. ſads. hvadrê. ſtads. lêds. ſêds. grêdags. bida. fi-
dur (fidvôr). midja. nidva. viduvô. fôdr. fôdjan. flôdus.
frôds. gôds. knôds. môds. vôds. rôdjan. gudja. ludja.
trudan. bráids. gamáids. páida. máidjan. áudags. báuds.
dáudjan. gamáudjan. ſáuds. láuds. beidan. hleidumei.
ſleidja. þiuda. biudan. biuds. liudan; hierher auch die
paſſiviſche endung -ada, und das -da der ſchwachen
praet. Der auslaut d findet ſich im praet. neutr. und
acc. vieler unter den inlauten angeführten wörter, als:
hund. ald. vaúrd. ſad. gôd. laud. bráid. gamáid. etc.
endlich in der vorpartikel ïd-. Was nun die ausſprache
betrifft, ſo muß ſich der anlaut d von dem anlaut þ
merklich unterſchieden haben, denn nie findet ein
[62]I. gothiſche conſonanten. linguales.
wechſel zwiſchen beiden ſtatt, anders verhält es ſich
mit den in- und auslauten; die goth. ſonſt ſo ſichere
rechtſchreibung ſchwankt in gewiſſen fällen zwiſchen d
und þ, beide ſcheinen ſich folglich ſehr nahe geweſen
zu ſeyn. Doch merke man 1) daß vorausgehende li-
quida den eigenthümlichen laut beider conſonanten
feſtigt, daher ld. nd. rd nie mit lþ. nþ. rþ vermengt wer-
den, das gilt auch von zd (zþ kommt nicht vor), na-
mentlich iſt in den verbalflexionen (in der III., im paſ-
ſiv. und part. praeſ.) nd nicht durch nþ auszudrücken.
Der Gothe ſchreibt falþan, fáifalþ, aber ſtaldan, ſtáiſtald
und wechſelt nicht, vilþi (ſilveſtre) lautet ihm verſchie-
den von vilda (volui). 2) geht dem dentallaut ein vo-
cal, einfacher oder doppelter, voraus, ſo lautet die
urſprüngliche med. gern in die aſp. um, ſobald ſie aus-
lautet oder das bloße geſchlechtskennzeichen s nach-
folgt; bleibt aber med. im inlaut. Jener umlaut ver-
gleicht ſich dem des b in f (oben ſ. 55.) und es ſcheint
wirklich die alsdann entſpringende aſpirata mehr ein
dh als th, wiewohl der Gothe, wie bei dem f, für
beide nur ein zeichen (þ) gebraucht. Folgende fälle
ſind die wichtigſten a) beim verbum: biudan, báuþ
(Marc. 6, 8. 8, 30. doch Luc. 5, 14. báud.); bidjan, baþ;
ſtandan, ſtôþ; b) beim ſubſt. die neutr. oder acc.
maſc. und fem. láuþ, háubiþ, miliþ, ſêþ (ſationem),
fahêþ, liuhaþ, vitôþ, ſtaþ, faþ, im gen. láudis, háubi-
dis, ſêdáis, fahêdáis, liuhadis, vitôdis, ſtadis, fadis.
c) beim adj. das neutr. naqvaþ, ſaþ, (ſad Luc. 15, 16.)
gôþ (gôd nur Luc. 14, 34.) im gen. naqvadis, ſadis,
gôdis. Hierher auch das neutr. part. praep. auf -iþ,
als: fôdiþ, rôdiþ, þiuþiþ, ſchwach þata, fôdidô, þiuþi-
dô, þaúrlidô. d) meiſtens ſchwanken bei nachfolgendem
ſ, als: ſêþs, fahêþs, neben ſêds, fahêds, unlêds; desgl.
in III. ſing. und II. pl. die gewöhnlich -iþ -eiþ -ôþ
áiþ -uþ zuweilen auch -id -eid -ôd aíd -ud (?) endi-
gen. 3) mit dieſen umlautenden und ſchwankenden
fällen dürfen nicht verwechſelt werden diejenigen, wo
die aſp. weſentlich iſt, daher auch im inlaut bleibt (mit
andern worten, wo th, nicht dh ſtatt findet) z. b. áiþs,
áiþis; qviþan, qvaþ, qvêþun, wovon ſogleich mehr.
4) es ſcheint, daß in einigen abgeleiteten wörtern, ver-
glichen mit ihren wurzeln, d und þ auch im inlaut
ſchwanken, als ſleiþa (ζημία) ſleidja (χαλεπὸς) gaſleiþ-
jan (ζημιοῦσθαι); frôds, frôdis: fraþjan, frôþ; ſads,
ſôþjan, náudi-bandi, náuþs, náuþjan. — Dem goth. d
[63]I. gothiſche conſonanten. linguales.
entſpricht auch das nord. u ſächſ. d (und jenem umlaut
das ð); in der regel das hochd. t (doch mit manchen
überbleibſeln und übergängen des d).
(þ) an- in- und auslaut. Die inlaute ſind haupt-
ſächlich und außer den ſ. 53. angegebenen lþ. mþ. nþ.
rþ folgende: aþriza, faþa, fraþi, hvaþô, laþôn, maþa,
maþl, raþjô, ſkaþjan, nêþla, hêþjô, liþus, niþja, qviþan,
qviþrs, viþan, viþra, brôþar, ſoþjan, bruþs. aiþs, áiþei,
háiþi, máiþms, áuþja, dáuþs, náuþs, bleiþs, hleiþra,
leiþan, leiþus, neiþs, ſeiþu, ſleiþian, ſneiþan, þiuþs,
liuþareis; unter den endungen namentlich die der fem.
aut -iþa und der correlativpartikeln -aþrô. Auslante
(außer den vorhin berührten umlauten des d) iþ, miþ,
guþ (Deus), liuþ, blôþ, die praet. qvaþ, láiþ, frôþ,
ſkôþ etc. und die verbalflexionen: iþ, eiþ, áiþ, ôþ,
uþ. — Das goth. þ habe ich ſchon vorhin für th, im
gegenſatz zu dem zuweilen ebenſo bezeichneten dh, er-
klärt. Ihm entſprechen þ im nord. u. ſächſ. — im hochd.
d, das nur bei einigen noch mit th ausgedrückt wird.
(S) der reine ſauſelaut, lat. u. gr. grammatikern ein
halbvocal (Schneider p. 345.), der dem h in manchen
ſtücken analog ſteht, mit ihm wechſelt (vgl. haſa, lepus,
ſanſkr. ſaſa) und als bloßer ſpiritus anlautet (Schneider
p. 198. 355. vgl. ὑπὸ und ſub mit dem goth. uf.) Dieſe
beiden letzten erſcheinungen ſind gleichwohl den deut-
ſchen ſprachen fremd, aber die berührung des ſ mit dem
liquiden r (Schneider p. 358.) ſo wie den übrigen zun-
genbuchſtaben t und d (Schn. p. 252. 253. 259. 342.)
bewähren ſie hinreichend.
Die anlautenden ſ weiſt das wörterbuch. Den in-
lautenden geht entw. conſonant vorher (die formen ms,
ns, rs ſind vorhin ſ. 53. angeführt, ſt wird nachher be-
rührt werden) oder ein vocallaut; letzterer gibt es fol-
gende: aſans, kaſja, baſi, hlaſôza, naſjan, vaſjan, graſis
(graminis) kaſis (vaſis), lêſun, vêſun, nêſun, mêſis
(menſae), ſvêſis (proprii), liſan, viſan, niſan, hriſjan,
viſis (tranquillitatis), druſis (ruinae), kuſun, luſun, dru-
ſun, þùſundi, fráiſan, láiſjan, ſáiſô, eiſarn, veiſôn,
geiſjan, háuſjan, áuſô, ráuſis (arundinis), láuſis (liberi),
liuſan, driuſan, kiuſan. Auslaute (außer dem nomina-
tivkennzeichen -s [dem ſogenannt unweſentlichen s]
und den vielen endungen auf -s) folgende: gras, kas,
las, nas, vas, mês, ſvês, vis (tranquillitas), vis (eſto)
desgl. lis, nis, dis-, ïs (is), ïs (ejus), hvis (cuius)
[64]I. gothiſche conſonanten. linguales.
þis (τοῦ); die endung -is in hatis, baris, riqvis, agis;
die dative: mis, ſis, þus; us (praep.), drus, eis, veis,
máis, jus; die praet.: die praet.: dráus, kaus, láus; láus (liber),
náus (cadaver), ráus (arundo); (die formen hs unten
beim h).
Die ausſprache des an- und inlautenden ſ. ſcheint
unzweifelhaft und ganz die des neuh. ſenden, ſingen,
haſe, kieſen. Bedenken macht das auslautende, weil
doch kaum zu glauben iſt, daß der nom. ïs und gen. ïs
oder beim nomen überhaupt der nom. -s und gen -is
ein gleichlautiges ſ. gehabt haben ſollten. Dazu tritt
daß einige auslautende ſ. ſobald ſie inlante werden, in
z umlauten, als þus, þuzei; jus, juzei, us, uzuh etc.
Hiernach möchte man zweierlei ſ. annehmen, das ge-
wöhnliche, wie es in gras, kas, vas, las, ráus, láus etc.
ſtattfindet und das auch im inlaut bleibt; ſodann ein
milderes, das im inlaut z wird und in den flexionsendun-
gen und partikeln, meiſtens in tieftonigen oder tonloſen
ſilben vorkommt. Dieſes letztere ſ iſt in den übrigen
mundarten entweder zu r geworden oder völlig abge-
ſtoßen, wozu die geſchichte der flexionen überall be-
lege liefert; nähere verwandtſchaft des goth. z mit
dem r wird ſich hernach erweiſen. Ganz treffend ſcheint
jedoch dieſe unterſcheidung zwiſchen dem ſ der wur-
zel und dem der flexion nicht, da ſie eben jenen gen.
ïs, -is nicht von dem nom. ïs, -s ſondert, glaublich
aber dem gen. ein ſchärferes ſ als dem nom. zuſteht,
weswegen das gen. ſ auch in den ſpäteren mundarten
feſter gehaftet hat. Gleichwohl lautet der goth. gen. þis,
hvis bei angehängtem -ei, -uh in þizuh, þizei, hvizei
um, der ziſchlaut iſt folglich trüber, als der in gras,
graſis. Alles erwogen halte ich folgendes für die rich-
tigſte anſicht: der reine ziſchlaut geht progreſſiviſch in
unſerer ſprache verloren, vornämlich bei vorherſtehen-
dem vocal. Der Gothe beſitzt mehr reiner ſ als irgend
eine der übrigen mundarten und ſcheidet ſie ſtrenge von
der liquida r, áis, kas, kaſja, vaſjan ſind ihm ganz an-
dere begriffe als aír, kar, karja, varjan; in den endun-
gen pflegen aber die ſ ſchon getrübt zu werden und in-
lautend in z umzulauten. Andere deutſche ſprachen
ſchreiten weiter, theils indem ſie in- und auslaute der
endungen in r wandeln und das r ſelbſt abſtoßen, theils
ſogar das wurzelhafte ſ in r übergehen laßen; alles all-
mählig und ſchwankend, vgl. das alth. peri (goth. baſi)
[65]I. gothiſche conſonanten. linguales.
aber noch haſo (goth. vermuthl. haſa), wofür angelf.
hara; alth. noch lôs (goth. láus) aber rôr (goth. ráus)
ôra (goth. auſô) êr (goth. áis) etc. Auch bei den Rö-
mern folgte in manchen wörtern dem älteren ſ ein jün-
geres r (Schneider p. 341. 343.) und die lat. declin. zeigt
einen umlaut des ſ in r, welcher dem goth. ſ in z
gänzlich gleicht, ſelbſt in identiſchen wurzeln, als aes,
aeris; goth. áis, ázis. Das goth. ſ entſpricht alſo im
anlaut ſtets dem ſ der übrigen mundarten, im in- und
auslaut bald ihrem ſ bald ihrem r.
(Z) als anlaut ungothiſch und nur in gr. namen wie
zaíbaídaíus, zakarias etc. vorhanden, woraus jedoch die
ausſprache ds (ζ) erhellt, der laut iſt nicht ſowohl
ſchwächeres, als durch die vorſchlagende media d ge-
hemmtes ſ; offenbar ein zuſammengeſetzter buchſtab.
In den inlauten muß es als ein umgelautetes ſ betrach-
tet werden, wohin ſelbſt zuſammenziehungen ganzer
wörter gehören, vgl. Luc. 3, 1. Filippáuzuhþan. Die
wichtigſten fälle (außer angeführten und noch anzufüh-
renden verbindungen lz. nz. rz. zd. zn. zv.) ſind a) die
flexion des comparativs -ôza, -iza, der urſprung ans
ſ folgt aus dem adv. máis und dem ſt des ſuperlativs.
b) die des gen. fem. ſing. und des gen. pl. der adjective
auf -áizôs -áizê, c) der II. paſſivi auf -aza -ôza.
d) die anhängung der partikeln uh und ei, als: vileizuh
(visne), uzuh, andizuh, dizuh, þanzei, þuzei, juzei.
e) vermiſchte fälle: uzêta, uzôn, háizam (taedis), haz-
jan. azêts, aqvizi, riqvizeins, barizeins, hatizôn, ſáizlêp
(ſt. ſáiſlêp). Setzt dieſes z immer ein umgelautetes ſ
voraus, ſo kann es ſelbſt kein auslaut ſeyn, inzwiſchen
findet ſich aiz (ſt. áis) und riqviz (neben dem richtige-
ren riqvis) geſchrieben, weil vocalanlaute folgen. Übri-
gens iſt der umlaut des ſ in z von dem des b in f
(oben ſ.55.) und d in þ (oben ſ. 62.) darin verſchieden,
daß er in dieſen beiden fällen als auslaut, in dem ge-
genwärtigen aber umgekehrt als inlaut erſcheint. An
ſchärfe ſteht allerdings das ſ dem f und þ, an milde
das z dem b und d zu vergleichen; nur kann man ſ
in den hier erörterten formen nicht wohl für den um-
laut halten, ſondern daß dieſer das z ſey, ergibt der
goth. gen. Mòſêzis (Μωσέως) vom nom. Môſês (Μωσῆς),
und Faraízis von Faraís (φαρὲς). Zuweilen wird auch
ſ ſtatt z ſelbſt geſchrieben, ſo miſdô neben mizdô und
Joh. 7, 13. agifis ſt. agizis. — Das inlautende z wird
E
[66]I. gothiſche conſonanten. linguales.
in allen andern deutſchen mundarten durch r ausge-
drückt, und entſpricht nie dem alth. z und Ʒ. Gerade
ſo geht die goth. form rs, zd in ein alth. rr, rt über. —
(TT) nur in: atta *) und ſkatts. (DD) vaddjus.
tvaddjê (duorum). daddjan. ïddja. ïddalja. (SS) miſſô.
viſſa. usſtaſſ. usqviſſ. knuſſjan. aſſarjus (aus dem lat.
aſſarium); die endungen -aſſus -naſſus. Die zuſam-
mengeſetzten þ und z geminieren nicht. Schein-
bare, aber nicht wirkliche doppelung, vielmehr bloße
aſſimilation ſind die partikeln: aþþan, áiþþáu, uþþan,
miþþan, niþþan, duþþê, in allen ſchließt die erſte ſilbe
mit dem einen, und beginnt die zweite mit dem an-
dern þ; jeder geminierte laut fordert aber einſilbigkeit,
(ſ. unten am ſchluß der goth. buchſtabenlehre). — tt
auch nord. tt, alth. tz; dd hat weder im nord. noch
alth. ſeines gleichen, das nord. dd iſt ganz was anders;
nach der analogie von vaddjus, nord. u. alth. vallr,
wal, ſcheint das goth. dd in ll überzugehn und aller-
dings berühren ſich d und l, dd und ll (ſedda: ſella.
Schneider p. 255. 256.). Für die ausſprache des goth.
dd vgl. die eigennamen Addei (Α᾽δδὶ) þaddáins (Θαδ-
δαῖος) ſaddukáieis (σαδδουκαῖοι) etc. Die gemination ſſ
gleicht ſich in allen deutſchen zungen.
Die wichtigſten lingualverbindungen ſind:
(H. J. G. K. Q.) gutturales. k tenuis; g media; die aſpi-
rata fehlt; h. der einfache, reine hauchlaut; j die media
mit dem vocal i vermittelnd, wie v zwiſchen b und u;
q ſtets mit v verknüpft und dieſes qv nichts anders als
kv, daher bloßes zeichen für einen beliebten doppel-
conſonanten.
(K) ſtreng von allen übrigen kehllauten geſchieden.
Die anlaute im gloſſar. Inlaute, bei vorausgehendem vocal:
akeit *), akrs, rakjan, ſakan, flêkan, têkan, lêkeis, rêkja,
brikan, ſtikls, ſtriks, vikô, bôka, ſôkjan, vôkrs, lû-
kan, lukarn, brûkja, kûkjan, áikan, láikan, táikns, áukan,
leikan, reiks, ſiuks. Auslaute, die praet. ſôk, brak etc.
die acc. ſtrik etc. die neutra leik, ſiuk und folgende pro-
nomina und partikeln: ïk, mik, ſik, þuk, ak, áuk.
In den gr. namen drückt k ſowohl κ als χ aus, zum
beweis, daß der Gothe keinen laut für letzteres hatte,
denn des zeichens X, welches Ulphilas für die zahl
600 als ziffer braucht, hätte er ſich ohne anſtand be-
dienen können und keine verwechſelung mit dem lat.
x zu fürchten gehabt, da er ξ ſtets in kſ auflöſt. Ja er
ſetzt in einem falle x und nicht k für χ, nämlich ſtets
in dem namen Xriſtus, der gewöhnlich abgekürzt ge-
ſchrieben wird; ohne zweifel überwog hier die heilig-
keit der hergebrachten ſchreibung und die creuzgeſtalt,
ungeachtet Xriſtus ausgeſprochen wurde wie Krêta (Κρή-
τη) Tit. 1, 5. Doch ſtehet auch Joh. 6, 4. paſxa ſt.
des gewöhnl. paſka. — Dem goth. k laufen das nord. k
und angelſ. c parallel, im alth. aber zerfällt es in k und ch.
(G) ebenfalls an- in- auslautend. Folgende inlaute
(anßer den zuſammengeſetzten formen): agis. aglu. dags.
faginôn. fagrs. magan. magaþs. magus. ſnaga. tagl. tagr.
þragjan. mêgs. ſvêgnjan. vêgs. ligan. rign ſigljan. ſviglja.
vigs. -dôgs. ôgan. ſvôgjan. hugjan. bugjan fugls. áigan.
áugô. báugjan. láugnjan. geigan. idreiga. ſteigan. liugan.
Die auslaute ergeben ſich aus den fällen der inlaute;
pronomen und partikel endigt nie auf g. Das bei der
media b und d bemerkte ſchwanken in den aſpirierten
laut findet nicht ſtatt, eben weil der Gothe keinen kehl-
laut aſpiriert. Allein bisweilen wechſelt g mit dem
bloßen ſpiritus h, als: aíh, áigum; juggs, juhiza; mehr
hierüber beim h. — Das nord. u. ſächſ. g entſpricht dem
gothiſchen, der alth. laut ſchwebt zwiſchen k und g.
(J) hat in der ſchrift das zeichen des lat. g, wäh-
rend der goth. g laut durch das griech. Γ gegeben wird,
dieſes nimmt in der goth. alphab. ordnung die dritte,
jenes die 15te ſtelle ein und folgt dem n, drückt daher
(ſtatt des gr. ξ) die zahl 60 aus. — Es ſteht nur, wenn
in demſelben worte ein vocal darauf folgt, kann dem-
nach nie auslauten, ſo wenig als das lateiniſche (Schnei-
der p. 284.) wodurch es ſich von dem ſehr wohl auslau-
tenden v unterſcheidet. Seine ausſprache mag der des
hochd. jot gleichkommen, d. h. zwiſchen i und g, härter
als jenes und weicher als dieſes, dem Angelſachſen wird
es gänzlich zu g. In allen fällen iſt es conſonantiſch,
begründet folglich keine filbe, ſondern ſchließt ſich an
den folgenden oder vorhergehenden vocal. — Als anlaut
erſcheint es in: ja, jabái, jah, jái, jáins, jêr, ju, juggs,
juk, jus, von dem diphthongiſchen ïup, ïumjô verſchie-
den, denn ïáins, ïèr, wenn ſie ſtattfänden, würden
triphthongiſch ſeyn. Ob dieſes j wurzelhaft, oder mehr
gleichgültiger vorſchlag ſey, läßt ſich zum theil aus der
nord. ſprache ſehen, welche es meiſtentheils abwirft,
vgl. ëf, jabái; ënn, jáins; âr, jêr; ûngr, juggs; ok, juk;
ër, jus; doch in ja, ja bleibt es. Die alth. wirft es bis-
weilen weg, z. b. in âmer, ëner neben jâmar, jëner. —
Das inlautende j bezieht ſich ſtets auf eine unwurzelhafte
bildungsendung i zurück, der ein vocal nachfolgt. z. b.
bajôþs, ija, frijái, namentlich zeigen es die ſchwachen
ſubſt, und verba, welche mittelſt des i von den ſtarken wur-
zeln abgeleitet werden, als: fiſkja (piſcator), ſiujan (nere),
gadráuſjan (praecipitare) etc. man ſpreche zweiſilbig bei-
nahe: fiſkga, ſiugan, dráuſgan, nur etwas milder, als g.
[70]I. gothiſche conſonanten. gutturales.
Fällt in der veränderten flexion der hintere vocal weg,
ſo kehrt j in ſeinen urſprünglichen vocallaut, als ſivida
(nevit) dräuſida (praecipitavi[t]). Die regel war ſchon
oben ſ 37. bei dem I. entwickelt, ſo wie ſ. 58. bei dem
V. gezeigt, daß ſich die diphthongen ái und ei, bei fol-
gendem vocal, nicht in aj, ej wandeln z b. armáiô,
þáiei, habáiûh *). Hier bleiben einige fälle zu erwähnen,
wo Ulphilas ſchwankt, er ſchreibt ſáian (ſerere) ſáians
(ſatus) ſaiada (ſeritur), aber ſaijands (ſerens) ſaijiþ (ſerit),
gleich als ob neben der ſtarken form ſaian eine ſchwache
ſaïjan beſtände. Er ſchreibt fijan (odiſſe), fijands (ini-
mici) gewöhnlich, ausnahmsweiſe fiáis (μισήσεις, Matth.
5, 43.) und fiand inimicum Matth. 5. 43 Neh. 6, 16);
frijôn (amare), frijônds (amicus) aber friaþva (amor).
Ich halte die eliſion des j. in fiáis, fiands, friaþva für
ungenau, kommt ſchon letzteres viermahl ſo geſchrieben
vor und nicht anders. In fremden eigennamen wagt
Ulphilas kein goth. j. einzuführen, wenn es bei folgen-
dem vocal ſtehen müſte; es heißt ſowohl im anlante:
ïakôb, ïèſus, ïôſêf etc. als im inlant: mariam (dreiſilbig)
zakarias (vierſilbig), abiaþar etc. Die ausgaben verſtoßen
manchmahl hierwider, Junius hat Luc 8, 41. richtig
ïaeirus, Marc 5, 22. unrichtig jaeirus. In Fuldas namen-
regiſter iſt meiſt alles falſch.
(H) an-in-auslautend. Inlaute (zwiſchen zwei vo-
calen oder zw. vocal und unweſentlichem ſ.): aha ahaks.
ahan. fahan fahên. fahêds. hahan. hlahjan. klahs. lahan. ſlahs.
tahjan. þahan. þvahan. vahs. hôha. ſkôhs. vrôhs. faíhu.
haíhs. taíhun. þlaihan. aúhjôn. faúhò. haúhs. teihan.
þlaíhan. aúhjôn. faúhô. haúhs. teihan. þeihan. þreihan.
veihs. liuhaþ. tiuhan. þliuhan. Von dem verbundenen h
bald beſonders. Der auslautenden, außer dem neutr.
acc. imp. und praet. der inlaute, als: klah, vah, ſlah,
ſkôh, ſrah, haihah. faúrhah, ganah, tánh — die parti-
keln náuh, þáuh. jah, -ûh. Man überſehe nicht. daß
das in- und auslautende h kein kurzes (einfaches) i
ſelten u vor ſich leiden, für -uh ſind mir bloß drei
fälle zweifelhaft, die anhangspartikel -uh, die ich eben
daher lieber -ûh annehme, juhiza und huhrus. welche
beide letztere aus -ugg contrahiert ſind und daher viel-
leicht ûh haben könnten. In allen fällen, wo die übri-
[71]I. gothiſche conſonanten. gutturales.
gen mundarten ein goth. i und u vor dem h erwarten
ließen, zeigt ſich ein aí oder aú, einigemahl vermuthlich
ái, áu. Das gilt auch von dem ht. hſ. hſt., wird für
die praet. pl. einiger ſtarken verba, und für die ver-
gleichende etymologie insgemein wichtig, fällt aber
auf, da ſich h ſo gerne nach kurzem a und zwiſchen
zwein a einfindet. Letzteres geht ſo weit, daß gr. ei-
gennamen, welche αα zuſammenſtoßen, ein h eingeſcho-
ben wird, als: Ἀβραὰμ, Ἀαρὼν, Μαὰθ, Ναασσὼν, goth,
Abraham. Aharôn, Mahaþ, Nahaſſôn; kaum andern ſich
berührenden vocalen, z. b. βεελζεβȣ[`]λ, γέεννα, Ἰσραὴλ,
Γαβριὴλ. Σιλωὰμ, Σιὼν, goth. baíaílzaíbul, gaíaínna,
lſraêl, Gabriêl, Silôam. Siôn. mit ausnahme jedoch von
lôhannês, Ἰωάννης, Bêþlaíhaím, Βηθλεὲμ*). Der Gothe
liebt folglich den hauchlaut in der mitte zweier a, braucht
ihn aber auch nach den diphthongen, nicht nach i und u,
aus ähnlicher urſache meidet er das r vor dieſen beiden
einfachen lauten, obgleich ſich hier einige ſeltene aus-
nahmen finden (hiri). — Der anlaut h, inſofern er mit
keinem conſonanten verſetzt iſt, gleicht ſich in allen
deutſchen ſprachen, wechſelt auch nicht mit andern
buchſtaben; er mag bloß härter (ch) oder weicher ge-
ſprochen worden ſeyn. Fremde ſprachen lehren genug
übergänge des h in andere laute, namentlich in f und ſ;
nicht unwichtig war es mir, das litth. ſz häufig dem h
(und in wörtern, wo die lat. unadſpirierte gutt. c herrſcht)
gleich zu finden, z. b. ſzalmas, helm; ſzimtas, hundert;
ſzirdis, herz; ſzuns, des hunds; ſzaltas, kalt etc. etwa
wie den Franzoſen ch = ſch lautet. —
(KK) nur ſakkus (σάκκος) ſmakka (ſicus, ſlavon.
ſmokvenika, dalmat. ſzmokva) aíkklêſjô (ἐκκλησία) ur-
ſorünglich fremde wörter; dahin auch der eigenname
Zakkáius (Ζακχαῖος). (GG) iſt häufig: aggvus. gaggs.
laggs. glaggvus. vaggareis. draggkjan. driggkan. þaggkjan.
þuggkjan. bliggvan. briggan. figgrs. iggqvis. ſiggvan.
huggrjan. hrugga. juggs. pugg. tuggô, hat alſo nur nach
einfachem vocal ſtatt. In den fremden wörtern aggilus,
áivaggêljô, Naggeis ſtimmt es ganz zu dem gr. γγ in
ἄγγελος, εὐαγγέλιον etc., der Grieche geſtatter es auch
[72]I. gothiſche conſonanten. gutturales.
nach doppelvocalen, z. b. ἤγγειλα (nuntiavi). Dieſes
goth gg wandelt ſich durch alle andere mundarten in
ng. iſt auch gewiß von den Gothen mit naſallaut aus-
geſprochen worden. Ob indeſſen Ulphilas die ſchrei-
bung gg *) denGriechen abgeborgt habe? bleibt eine andere
frage und es könnte ſeyn, daß der goth. naſenlaut gg
von dem heutigen ng verſchieden war, etwa zwiſchen
ng und hh ſchwebend, wofür theils der übergang von
juggs, huggrjan in juhiza, huhrus, theils der umlaut áih
in áigum (ſt. áihum) redet. — j und h geminieren nie.
Nach abgehandelter goth. buchſtabenlehre eine an-
merkung über aſſimilationen bei Ulphilas zwiſchen zwei
ſich berührenden wörtern. Der fall iſt, wenn ein pro-
[74]I. althochdeutſche buchſtaben.
nomen oder eine partikel mit þ beginnt und eine vor-
hergehende partikel oder ein pronomen mit vocal oder
h oder ebenfalls mit þ ſchließt, ſo inclinieren beide
wörter und aſſimilieren häufig ein doppeltes þ, als:
duþþè, (Matth. 27, 8.) miþþan, ûþþan, niþþan, aþþan
áiþþán *), náuþþan, þáiþþan (Rom. 12, 4.) ſumáiþþan
(Matth. 26, 67. Joh. 11, 46.) jaþþans (Tit 1, 9.) jaþ-
þuk (Philem. 19.) — ſtatt du þè, miþ þan, ûh þan, nih
þan, at þan, náuh þan, þái þan, ſumái þan, jah þans,
jah þuk; häufig ſtehen beide wörter getrennt und auf
die letzte weiſe. Die ambroſ. hſſ. ſcheinen die aſſimi-
lation noch auf andere conſonanten zu erſtrecken, ich
finde janni (Matth. 25, 42, 43, 44.) jaſſa (Matth. 26, 2, 71.)
ſtatt jah ni, jah ſa (wie der cod arg. Matth. 26, 71.
hat). Matth. 5, 37. bindet ſich auch das hülfszeitwort
mit der partikel: ſijáiþþan f. ſijái þan, doch nie andere
verba oder nomina z. b. für þái þaúrnjus dürfte nicht
þáiþþaúrnjus vorkommen.
Es iſt kein alth. ſprachdenkmahl vorhanden, das
uns die verhältniſſe der buchſtaben ſo feſt beſtimmte,
wie Ulphilas die der gothiſchen; viel genanigkeit zeigt
ſich in Notkers werken. Ein anderer anſtoß macht aber
noch mehr zu ſchaffen, bei Ulphilas lag eine einzige,
ſicher begränzte mundart vor; hier begegnen wir ver-
ſchiedenen, zwar nahe verwandten und verfließenden,
allein manche beſonderheit kundgebenden mundarten,
deren gränzen, weil die quellen zu dürftig oder land-
ſchaftlich ungewiß ſind, ſich eben nicht deutlich dar-
legen laßen. Wenigſtens jetzt noch nicht; vielleicht
daß es zukünftig gelingt, hinreichende eigenthümlich-
keiten des alemanniſchen, bairiſchen und fränkiſchen
dialects oder noch mehrerer, abzuſtecken und hernach
buchſtaben und formen eines jeden derſelben für ſich
zu behandeln. Alle einzelnen ſpuren ſolcher beſonder-
heiten werde ich ſorgſam herausheben; wer erwägt,
wie in den zeiten des 7. bis zum 11 ten jahrh. von
welchen es ſich hier zunächſt handelt, die früher mehr
[75]I. althochdeutſche vocale.
bewahrte nationalität der hochdeutſchen völkerſchaften
politiſch in einander übergehen und ſich berühren muſte,
wird das bedenkliche der unterſuchung zugeſtehn. Wei-
chen doch denkmähler, die beide an einem und dem-
ſelben ort, wenn ſchon nicht gleichzeitig, hervorgegan-
gen ſind, ich meine Keros und Notkers arbeiten, in
manchen lautverhältniſſen ſo bedeutend von einander
ab, daß man kaum geneigt bleiben dürſte, ſie der näm-
lichen mundart zuzuſchreiben.
Ich werde zuerſt die einfachen, dann die gedehn-
ten *), endlich die übrigen doppelten vocale abhandeln.
Die ganze reihe ſcheint vollſtändiger und mitunter fol-
gerichtiger als die gothiſche, was größtentheils aus der
mannigfaltigkeit der mundarten, zum theil von den um-
lauten, die der Gothe nicht kennt, herrührt.
(A) a, der reine laut in unzähligen wörtern (durch
ſpätere runen von dem â unterſchieden und aſk be-
nannt), völlig dem goth. a gleich, ſeine kürze noch
wirkſam in dem anhebenden und ſteigenden verdoppeln
einiger conſonanten, namentlich des darauf folgenden f
und Ʒ. Von der verwandtſchaft des lat. kurzen o ließen
ſich die beiſpiele mehren, vgl. mani, manòn, rat etc.
mit monile, monere, rota **); aber auch die von ein-
ſtimmendem a, als: aha, aran, gans, naſa, waba, fater,
palz vergl. mit aqva, arare, anſer, naſus, favus, pater,
baltens. Den Römern iſt alſo wohl zu trauen, daß ſie
in deutſchen eigennamen wie batavi, chamavi, marco-
manni, vandali, chatti, marſi, langobardi, mattium,
mannus, vangio, arpus, araris, vahalis etc. den laut
des a getroffen haben ***); in den beiden erſten zeigt
[76]I. althochdeutſche vocale.
ſich die ſilbe ba- cha- unſtreitig kurz. Zugleich geht
hervor, daß in jener frühen zeit noch an keinen um-
laut des a bei folgendem i zu denken iſt, vgl. arminius,
albis, ſcaldis, amiſia, aliſo, arpus, canninefas, aſcibur-
gium, angrivarii etc., da die Römer, wenn ſie hier kei-
nen a laut hörten, gewiß ihr e geſchrieben hätten; er-
weislich lauten gerade dieſe wörter ſpäter um, vgl.
erbe, elbe, ſchelde, ems, eſcheburg, engern. Es fragt
ſich alſo überhaupt: wann hat der umlaut des hochd.
a in e begonnen? Dies wird hernach bei dem e näher
gezeigt werden, hier ſind vorerſt aus der früheren zeit
weitere belege für die ungeſchwächte kraft des a anzu-
führen, aus Ammianus Marc.: agilimundus, hariobau-
des, laniogaiſo, carietto; aus Vopiſcus: halidegaſtes. In
den diplomen vom 6-9. jahrh. unzählige namen auf
adil- (ſt. adal), agil-, albi-, amil- (ſt. amal), ari-,
angil-, magin-, ragin- etc. in welchen ſpäter entſchie-
den das a in e umlautete. Da aber eigennamen halb
außer dem laufe der eigentlichen ſprache liegen und in
ihnen die alten laute länger haften; ſo können ſie nicht
die zeit des völligen untergangs des a in dem e lehren.
Nachſtehende belege ſind daher aus den alth. denkmäh-
lern ſelbſt geſchöpft. Die gl. ker. haben: flazzi (area)
kidrawit (minitatur) piwarjan (prohibere) furiſazzju
(praepono); die gl. hrab. alpiƷ (cignus) harjôn (praedari)
harti (durus) etc. die gl. caſſ. farhir (porci) chalpir (vi-
tuli) canſî (anſeres) hanîn (gallina) anti (et). Iſidor hat
noch: angil, gardhea (virga), ſalbídha (unctio) mahtîg
(potens) aldin (veteris) dhrîfaldin (trino) foraſagin (pro-
phetae) chiſcaftim (creaturis) bînamin (cognomine) arbes
(haereditatis) andine (fronte) chiwaldidha (poteſtas) ſtan-
dit (ſtat). Kero: ſtarchiſto (fortiſſimus) tagalîh (quotidia-
nus) managî (multitudo) kihaltida (obſervantia) lantſcaffi
(provincias) antfangida (acceptio) armida (miſeria) alti-
nôn (diſſimulare) kihalſit (amplexus) unmahtîg (infirmus)
zaharim (lacrimis) ſalmin (pſalmo) karawit (parat) armi-
hërzèr (miſericors) etc. Otfried: ganzida (ſalus) ſarphida
(acrimonia) zaharin (lacrimis) mahtin (viribus). Tatian:
arni (meſſi); doch es wäre überflüßig, in beiſpielen fort-
zufahren, meine anſicht iſt folgende. So weit die älte-
ſten quellen alth. ſprache hinaufreichen (gewiß ins 8te,
vielleicht ins 7te jahrh.) erblicken wir den reinen a
laut, ſobald ein i der endung nachfolgt, nicht mehr
ausſchließlich, wie früher, ſondern daneben den um-
laut e. Das verhältniß ſchwankt, doch vielleicht nicht
[77]I. althochdeutſche vocale.
geſetzlos, ſondern nach ſtufen. 1) wurzeln deren ā bloß
ein einfacher conſonant folgt, mögen höchſtens noch im
7ten oder anfang des 8ten den vocal vor dem umlaut
geſchützt haben, z. b. warjan (defendere) hari (exerci-
tus) halid (heros). Später hieß es werjen, heri, helid,
ſelida (manſio), ſicher im 9ten nie anders. Ausnahme
machen etwa zuſammenſetzungen, wo ſich oft das alte
(wie in eigennamen) befeſtigt; ſo hat man von pînamo,
ſoraſago den gen. pînamin, foraſagin fortgeduldet, wäh-
rend vom einfachen namo bereits nemin galt; J. 406.
ſogar alilendi (captivitas) wo ſonſt gerade das umge-
kehrte elilandi natürlicher ſcheinen müſte. 2) iſt hin-
gegen poſition in der wurzel, ſo hegt ſie den reinen
laut länger, daher noch im 8. 9ten jahrh. arbi, mahtin,
angil, -ſcaffi, arni etc. nur allmählig immer ſeltner und
neben dem umlaut. Bei Iſidor pînamin, angil, arbi;
bei Kero pînemin, engil; in gl. doc. noch paldida (au-
dacia) zurgangida (deſtructio), Otfr. und Tat. beldida,
flezzi, nezzi, Notker zegengeda. 3) über eine mitt-
lere ſilbe hin wirkt das i früher noch nicht den um-
laut in die wurzel, daher zaharî, ſtarachiſt, garawit;
in ſolchen fällen behält ſelbſt Notker, der es ſonſt faſt
beſtändig *) umlautet, das alte a bei allendî (captivitas),
garewet, bis ſich noch ſpäter auch hier der umlaut ein-
drängt, mittelh. gerwet. Je eher man ſich an die con-
traction gewöhnte, deſto leichter, daher ſchon alth.
ſterchî (fortitudo). — Die wahrnehmung dieſes natürli-
chen, in dem buchſtabenverhältniß begründeten ſtufen-
gangs ſcheint mir ſchon hinreichend die meinung abzu-
weiſen, daß der umlaut des a in e jederzeit beſtanden
habe, aber zuerſt gar nicht **), dann ungenau, endlich
durchgängig im ſchreiben bezeichnet worden ſey. War-
um ſchrieb man denn in der ungenauen zeit niemahls
hazi, halid, ſalida? oder in der älteſten niemahls ſelbi-
da, ermida? Und wirkte das i ſtets einen geſprochenen,
[78]I. althochdeutſche vocale.
wenn auch ungeſchriebenen umlaut bei dem a, ſo müſte
das nämliche für andere vocale behauptet werden, de-
ren umlaut ſpäter in ſchrift und ausſprache vortritt.
Wäre dem aber ſo, warum ſollte man ſich nicht auch,
wenigſtens zuweilen, damit abgegeben haben, ihn in
der ſchrift auszudrücken? Alth. quellen weiſen jedoch
kein beiſpiel vom umlaut des â in æ, des ô in œ, des
o in ö, des u in ü, wohl aber beginnt der des û in
iu mit dem 10. jahrh. ſchwankend. Auch ſcheint es
mir von jeher der hochdeutſchen ſchreibung eigen ge-
weſen. ſich treu und ſoweit die mittel reichen, nach
der ausſprache zu richten.
(E) e, zerfällt in zwei ganz verſchiedene laute, die
ſich in der ausſprache zwar ähnlich ſind und gewiß
in der heutigen mehr vermiſchen, als in der älteren;
noch im 13. jahrh. reimen genaue dichter wörter mit
beiderlei e nicht aufeinander. Ihre verſchiedenheit geht
aber auch deutlich aus ihrem urſprung hervor. Gleich-
wohl werden ſie niemahls von einander ausgezeichnet,
ſondern in allen alt- und mittelh. hſſ. mit dem nämli-
chen buchſtab geſchrieben. Ich war lange unſchlüßig,
welche ſchickliche bezeichnung einzuführen ſey und
trete mit dem, was ich jetzo vorſchlage *) gern zurück,
[79]I. althochdeutſche vocale.
wenn ſich eine vorzüglichere finden läßt, merke auch
ein für allemahl an, daß der unterſchied lediglich auf
das hoch- und allenfalls tieftonige e anwendbar iſt.
Von dem unbetonten und ſtummen kann gar nicht
mehr geſagt werden, ob es wie e oder ë laute, keins
von beiden würde dafür ausreichen, da es ſich ſelbſt
aus dem o, i, u und andern lauten entwickelt. Für
das tonloſe und ſtumme e werde ich mich alſo des ge-
wöhnlichen zeichens fortbedienen, es mag nun aus ei-
nem alten ë, i, o, u oder aus noch andern entſprun-
gen ſeyn. Dergleichen tonloſe e häufen ſich freilich erſt
recht im mittel- und neuhochdeutſch, zeigen ſich aber
ſchon in den älteſten denkmählern unſerer mundart,
z. b. in dem worte fater und ähnlich endenden, wo
man nie der endung -ar oder -ir begegnet. Dieſes e
iſt kein wurzelhaftes e (d. h. umlaut des a), denn wo
wäre die umlautwirkende endung i? ebenſowenig läßt
ſich darin ein ë, a, i, u mit ſicherheit nachweiſen, de-
ren es jedes geweſen ſeyn könnte. Man vergleiche die
nord. ſorm fadir; auch da ſcheint die tonloſe endung
kein eigentliches i zu ſeyn, weil ſie nicht den umlaut
des a erregt. Der Gothe kennt kein ſolches e, ſein ê
in dem gen. pl. entſpricht dem alth. ô und überhaupt
ſind alle vocale ſeiner unbetonten endungen noch ge-
nau beſtimmt, während ſie im alth. ſchon bedeutend
ſchwanken *). Hier alſo wird bloß von dem e und ë in
der wurzel gehandelt.
Das e, welches als umlaut des a, verurſacht durch
ein nachfolgendes i oder î betrachtet werden muß, hat
ſich nach dem vorhingeſagten, vermuthlich ſeit dem 6.
und 7. jahrh. entwickelt und in den folgenden fort-
ſchreitend ausgebildet, ſo daß es von dem 12. 13ten an
in jenem falle gänzlich das a vertritt. In den aufbe-
haltenen deutſchen eigennamen vom iten bis zum 6ten
findet ſich, wie im gothiſchen überhaupt, gar kein ſol-
ches e, ſondern alle ſcheinbar darin vorkommenden
weiſen ſich entw. als ë oder als ê aus. Nach dieſer
zeit fangen die e an, glaublich zuerſt in ſilben ohne po-
ſition (daher die eigennamen eribo. helidbërt, heribërt,
neribërt, werinhart, megilo, meginrât, reginhart etc.)
*)
[80]I. althochdeutſche vocale.
dann auch in poſitionellen (engilràt, nendilo, eſkirîh
u. a.). Die gl. caſſ. haben ſchon: zendi (dentes) lenti
(renes) lempir (agni). Iſidor zeigt: nemin (nominis)
hebit (habet) meghin (virtus) ſtedi (loco) redha (ratio)
edhili (genus) ſweri (jura) mendit (gaudet) chiſendit
(miſſus) wendu (verto) chimengid (mixtus) feſtinôn (fir-
mare) endi (et) heftida (fixit) nerren (ſalvare) reſtida
(manſit) etc. Kero: megi (poterit) ekî (diſciplina) fre-
midi (peregrinus) ſelida (manſio) nemin (nomine) eribun
(heredes) redja (ratio) zelita (numeravit) kremita (afflixit)
enkemu (anguſto) autlengan (reſpondere) giſpenſtim (ſua-
ſionibus) refſì (argue) unſemftî (durities) engilum (ange-
lis) ſkemmiſt (breviſſimum) etc. Das übergewicht des
e hat ſich deutlich entſchieden und es wäre überflüßig
aus ſpäteren denkmählern weitere belege beizubringen —
Überall iſt dieſes e offen und einfach wie in dem heu-
tigen: menge, ende, fremd auszuſprechen oder wie das
lat. e in perennis, ineptiae etc. welche ganz auf gleiche
weiſe für umlaute des a gehalten werden müßen. (Schnei-
der p. 9.). Es wechſelt mit keinem andern vocal, man
müſte denn das unten bei dem w näher zu beſprechende
ſchwanken zwiſchen ew und ôw hierhernehmen wollen.
Das ë lautet geſchloßen und unſicher, zwiſchen dem
i und einem doppellant ſchwebend, (wie noch heut zu
tage in: leben, degen, geld, werden und etwa das lat.
in ſex, dexter, verto, fero) ſcheint aber ſchon von früh-
ſter zeit an ſo beſtanden zu haben. Wir finden es bei
den Römern in wörtern, denen entſchieden ein i ge-
bührt, als ſëgeſtes, ſëgimêrus, ſëgimundus, hërmunduri,
hërminones, treviri, vënedi, wo aber niederdeutſche
mundarten gleichfalls ë eingeführt haben, z. b. ſëge, ſëde
(victoria, mos). Strabo ſchreibt: σεγέστης (al. σαιγέστης),
ἑρμόνδοροι, μέλων (offenbar milo) und daneben: σαιγιμῆρος
(al. σιγιμῆρος) βαιτόριτ. Dem hochd. ë entſpricht es in
hërtha und andern, vermuthlich in vëleda, gëlduba.
Dem römiſchen ohr ſchwankten dieſe wörter zwiſchen
ë und i, welches andere haben als: viſurgis, (viſara,
ſpäter wëſer) friſii (niederd. frëſen), cimbri, brinno (ein
canninefas, Tac. hiſt. 4, 15, womit das bekannte βρέννος,
Pauſan. 10, 19 etc. zu vergl.); zur näheren beſtimmung
dieſes unſicherſten lauts folgende ſätze
(I) i ſteht dem goth. i gleich. hat aber beſchränktern
umfang *), da, wie wir eben geſehn, viele goth. i zu
alth. ë geworden ſind. Dabei macht ſich wieder die
vorhin beim a mitgetheilte bemerkung geltend, daß vo-
cale mit folgendem einfachen conſ. den laut leichter
wechſeln, die mit poſition ihn länger halten, vgl. gëban,
wëban, ëban, wëg, thëgan, rëgan, hëlan, ſtëlan, nëman,
wëſan, lëſan etc. wo im goth. i ſteht und andrerſeits wildi,
willo, zimbar, bindan, windan, ring, hinkan, ginnan,
plint, thinſan, rippea, fiſk etc. Nur laßen ſich doch
nicht alle fälle hiernach regeln; ausnahmen treten auf
beiden ſeiten über. So ſind die formen id meiſtens dem
i treu geblieben, als nidar, widar, fridn, lidî (membra),
ausgenommen qvëdan (dicere) **); einige auf ib, als:
biba (tremor) ſibun, nebſt andern namentlich einſilbigen
und partikeln: himil, in, miti, hina, ir (ex); pronomina
mir, dir, is (ejus) imu, im, inan, ira, iru, aber im
nom. ër und ëz (goth. is, ita) ſo wie zër- (goth. dis-).
Einige ſchwanken nach verſchiedenheit der denkmähler,
z. b. ſcif (navis) O.; ſcëf M. T. N. gl. hrab. jun. und
Ried no. 43. — die alten runennamen haben noch gibu
ſt. des ſpäteren gëba (donum), ebenſo wechſeln wiſſa und
wëſſa (ſcivit) etc. — in gewiſſen flexionen und ableitun-
gen tritt das alte i hervor, wie oben beim ë angemerkt
worden iſt, es mag poſition in dem wort ſeyn oder nicht,
eben ſo bleibt in den ablauten midun, ritun, ſcinun etc.
das i ſtets unverſehrt und geht nie in ë über. Endlich
merke man, daß einige alth. i auch dem goth. aí ent-
ſprechen, alſo in den formen ih und ir, vgl. fihu, hirtî,
wirs (pejus); ſogar pittar dem goth. ái in báitrs
(ſ. oben ſ. 45.)
(O) o, wird gleich dem e in den runen nicht aus-
gedrückt, mangelt auch in der gothiſchen ſprache ***).
F 2
[84]I. althochdeutſche vocale.
Es verhält ſich genau zu dem u, wie das ë zu dem i,
nämlich beide o und ë ſcheinen abweichung von dem
urſprünglichen u und i; gerade wie bei folgendem h
und r das goth. aí in das nämliche ë übertrat, ſo ent-
ſpricht in gleichem fall dem goth. aú das alth. o; end-
lich wie dort ſchwankt auch hier die verwandlung und
ausnahmsweiſe hat ſich das alte u erhalten.
(U) u, die runiſche gleich der gothiſchen ſchrift
bedient ſich für das kurze u keines eigenen, ſondern
des zeichens, das eigentlich für das lange gilt. Dieſer
laut hat im alth. nur geringern umfang wegen der vielen
übergänge in o. Auch hier erſcheint vorzugsweiſe das o
zunächſt in wurzeln mit einfachem, ſpäter in denen mit
[86]I. althochdeutſche vocale.
doppeltem conſonanten, vgl. bei Tacitus: brùcteri, dul-
gibini, tungri, luppia, neben: tubantes, ubii, uſipii,
burii, gugerni, rugii, deren erſte ſilbe jedoch proſodiſch
ungewiß iſt; in den meiſten fällen würde ich eher lauge
û annehmen, tûbantes, ûbii, bûrii. In althochd. denk-
mählern: lobôn, obana, fogal, nol, holir, folo, lolâri,
goman, honec, boto, herizoho, got, neben: ubil, hugu,
buhil, thulen, mulen, ſculan, fruma, ſumar (aeſtas),
ſum (quidam) furi; in den ablauten zugun, bugun etc.
heißt es ſtets u, in ginoman, gizogan, holſan, giboran
ſtets o. Auf der andern ſeite: fuhs, luhs, druhtin, ſuht,
zuht, ginuht, hrucki, mucka, abulg, ſpulgen (ſolere)
ſtulla (hora) krumb, dumb, ſtumm, kumft, numft, zumft,
kunni, grunnî (calamitates) brunno, ſunna, wunna,
unda, hungar, zunga, kunſt, brunſt, ſtunta, ſuntar,
wunta, ſunta, uns, runs, funs, kuphar, wurm, giburt,
thurft, thurri, ſcurgan (trudere), burg, kurbiƷ, wurz,
luſt, bruſt, akuſt, nuƷƷî (nuces) fluƷƷî, puƷƷi (putens) etc.
woneben das o in: wolf, wolkan, morgan, thorf. ſtor-
nên, mornên, horn, zorn, dorn, korn, ſcorrên, thor-
ren, ſo daß ſich alſo nach dopp. r und einem auf r fol-
genden conſ. das o vorzüglich gern entwickelt, was auf
das goth. aú weiſt. In den ablauten hulfun, wurfun
bleibt das u und aus dem ablautsverhältniß muß er-
klärt werden, warum einigemahl das u dem goth. aí
gleich zu ſtehen ſcheint, vgl. thurah (per) mit þaírh,
nämlich thurah iſt eigentlich þaúrh.
(AA) â, in den ſächſ. runen âc (quercus) benannt,
welcher name für kein alth. â paſſend war, weil hier
die form eih lautet und das angelſ. â dem alth. ei (goth.
ái) entſpricht. Dieſe berührung zwiſchen ei und â ver-
mittelt aber auch die identität des alth. â mit dem goth.
ê, deſſen übergang ins goth. ei oben bemerkt worden
iſt; man erwäge ferner das mittelniederl. ae für â und
den mittelh. umlaut des â in æ. Nach allem dieſem
wird das ſchwanken des â in ae, ai und ê ganz natür-
lich ſcheinen. Wirklich weiſen auch einige von den
Römern bewahrte eigennamen auf einen laut hin, der
mehr dem goth. ê, als dem alth. â gleicht. Hierher gehö-
ren ſuêvi und chêruſci, die ſicher kein kurzes ë haben,
wie ſchon Strabo’s ſchreibung σόηβοι und χηροῦσκοι lehrt
(der ſpätere Claudian, IV. conſ. Hon. v. 451. gebraucht
che- fälſchlich kurz). Jener volksname lautet alſo alth.
ſuâbâ und mittelh. ſwâbe, welches die reime gâbe:
[87]I. althochdeutſche vocale.
Arâbe; ſwâben: gâben (donis, dabant) unwiderſprechlich
darthun. Die bildung chêruſc wäre das alth. hâruſk oder
hâriſk und könnte von hâr abgeleitet, ſo viel als piloſus
bedeuten *). Das dritte wort, das in betrachtung
kommt, iſt rhênus, ῥήνος, dem jedoch die alth. form
rîn (? hrîn) ausgemacht zur ſeite ſteht, folglich kein rân;
aber ein goth. reins (hreins) ließe ſich füglich mit rêns
(hrêns) vereinbaren; in allem fall muß man die ablei-
tung von rinnan (fluere) aufgeben, hrînan (tangere, aber
auch mugire) hat näheren anſpruch.
Es ſcheint mir nützlich, die alth. wörter mit dem
diphth. â hier ſo vollſtändig als möglich anzuführen,
außer den ablauten und endungen â, ſind es folgende:
ſuâb (ſuevus) nâdala (acus) ginâda (gratia) ſcâf (ovis)
wâfan (arma) ſlâfan (dormire) bâga (lis) frâga (quaeſtio)
wâga (libra) lâga (inſidiae) wâg (fluctus) mâg (affinis)
wâgan (audere) trâgi (tardus) nâh (prope) ſcâh (praeda,
ludus latr.) dâha (teſta) gâhî (feſtinatio) ſmâhî (dedecus)
krâha (cornix) zâhi (tenax) ſpâhi (prudens) wâhi (exi-
mius) mâhal (cauſa, ſignum) ſtâhal (chalybs) fâhan (capere)
hâhan (ſuspendere) plâhen (inflare und balare) krâhen
(crocitare) mâhen (ſecare foenum) nâhen (ſuere) ſmâhen
(vituperare) drâhen (torquere) ſâhen (ſeminare) tâht (el-
lychnium) brâhtun (attulerunt) lâhhi (medicus) brâhha
(ager quieſcens) ſprâhha (lingua) ſcâhhâri (latro) âl (an-
gnilla) duâla (mora) quàla (nex) zâla (periculum) ſtrâlâ
(tela) hâli (lubricus) ſâlida (beatitudo) mâlôn (pingere)
jâmar (miſeries) brâmo (vepris) ſâmo (ſemen) tâmo (dama)
râmên (tendere) nâmi (acceptus) gizâmi (decens) biquâ-
mi (conveniens) gân (ire) wân (flare) wân (ſpes) ſpân
(aſſula) gitân (factus) ſëltſâni (rarus) âno (ſine) mâno
(luna) mânôt (menſis) **) hâr (crinis) jâr (annus) wâr
(verus) ſâr (illico) bâra (feretrum) fâra (dolus) ſcâra (vomis,
falx) thâra, thâre (illuc) ***) lâri (vacuus) mâri (famoſus)
[88]I. althochdeutſche vocale.
ſuâri (gravis) gilâri (aedes), alle ſubſt. auf -âri, alle adj.
mit -bâri; z. b. egibâri (terribilis); pâpiſt (papa) *)
ſuâs (proprius) kâſi (caſeus) blâſan (flare) fnàſan (anhe-
lare) flât (pulcher) pfât (padus) tât (factum grât (ſpina)
rât (conſilium) wât (veſtis) ſât (ſatio) drât (filum ferri)
nât (ſutura) gât (it) ſtât (ſtat) drâti (vehemens) ſpâti (ſe-
rus) ſtâ [...]í (ſtabilitas) grâtag (avidus) âtum (ſpiritus) brâ-
tan (aſſare) zâta (coma, lanugo) ſcrâto oder ſcrâti (fau-
nus) grâvo (comes) râvo (tignum) mâƷa (moderatio)
râƷa (favus mellis) ſtrâƷa (ſtratum) râƷi (vehemens)
trûhfâzo (dapifer) lâƷan (ſinere) grâƷan (eiulare) firwâ-
Ʒan (maledicere) ſâwen (ſerere) grâwân (caneſcere) chlâ-
wa (ungula) brâwa (ſupercilium) pfâwo (pavo) lâwêr
(tepidus) plâwêr (coeruleus) grâwèr (canus). Einige hier
nicht angeführte ſind zweifelhaft und vielleicht ſchwan-
kend **). So muß man zwar nach dem mittelh. u.
nord. ein jâ (immo) folglich auch gijâzen (conſentire)
annehmen; das goth. ja (vgl. jai) ſtimmt aber für den
kurzen vocal und der lange ſcheint ſich erſt allmählig
eingedrängt zu haben (vgl. unten über einſilbige aus-
laute î und û, die frühere i und u verrathen). Außer
jâ findet ſich kein alth. einſilb. wort mit dem auslaut â,
nämlich grâ (canum) lâ (tepidum) plâ (coeruleum) etc.
ſtehen nur mit dem kennzeichen grâwaƷ oder grâwêr.
Unleugbar entſpringt das â in manchen fällen aus der
zuſammenziehûng, z. b. gât ſteht für gangit, ſtât f. ſtan-
dit; dannân N; danân K. 2. a 26 a; inân (eum K. 24 b);
ûƷân gl. jun. 26. für danana, inana, ûƷana. Daß bei
ausgeſtoßenem n der kurze vocal lang werde, wenn er
betont iſt, wird hernach bei den liq. näher beſprochen
werden. Anderemahl ſcheint h auszufallen, wofern ich
[89]I. althochdeutſche vocale.
N. drânen (lacrimis) aus drahenen richtig deute. Allein im
alth. ſcheint ſchon die volle form das â zu beſitzen, z. b.
ſtâhal, mâhal (goth. mêl, nord. und mittelh. mâl) neben mâl;
oder iſt ein ſtahal, mahal erweislich? fahan, hahan ſollte
man freilich nach dem goth. fahan, hahan muthmaßen;
der nie eintretende umlaut (es heißt nie fehit, ſlehit,
ſtets fâhit, hâhit), beſtimmte zeugniſſe (faaho, captator
gl. hrab 951 b) und die mittelh. analogie entſcheiden für
fâhan, hâhan; der lange vocal entwickelt ſich alſo erſt
allmählich nicht urſprünglich aus der zuſammenziehung.
Daher das goth. fahan für juhiza, nicht jûhiza ſpricht.
Steht bichnâ (cognoſcat) J. 348 für bichnahe? oder hat
es mit bichnâhen und den übrigen aufgeſtellten in
-âhen *) und -âwen richtigkeit? Unbeſtreitbar ſind
die praet. chnâta, nâta, krâta etc.
In vergleichbaren lat. wörtern entſpricht außer dem
ê (ſêmen, ſuêvus, vêrus, μῆνη) das lange â ſtrâtum,
câſeus, dâma, pâpa) ein kurzes in padus. — Der unter-
ſchied zwiſchen a und â iſt höchſt wichtig, und ohne
ihn fielen wörter zuſammen, die nichts gemein haben
oder wenigſtens im verhältniſſe des lauts und ablauts
ſtehen, vergleich: ſalida (manſio) ſâlida (felicitas); rat
(rota) rât (conſilium) rato (lolium); haru (linum) hâr
(crinis); lahhan (linteum) lâhhan (medicina); wan (va-
cuus) wân (ſpes); ano (avus) âno (ſine); malan (molere)
mâlôn (pingere) ſcara (agmen) ſcâra (forceps); zala (nu-
merus) zâla (perditio); magu (puer, übrig in magazogo
und magad, puella) mâg (aſſinis); wagan (currus) wâ-
gan (audere) faran (ire) fârên (inſidiari); nam (cepit)
nâmi (acceptus) manên (monere) mânin (lunae) ſamo
(ceu) ſâmo (ſemen) clawêr (ſollers) lâwêr (tepidus) etc.
(EE) ê; hat mit dem goth. ê nichts gemein, kommt
außer den endungen in ſehr wenig wörtern und nur
in einem ablaut vor. Die endungen ê können erſt in
der formenlehre erörtert werden. In den übrigen fällen
iſt das alth. ê offenbar zunächſt dem ei verwandt, in
einigen ſchwanken beide, (wie das goth. ê und ei eben-
falls.) Hiernach ſteht unſer ê meiſt dem goth. ái und
angelſ. â parallel, welches die in den drei mundarten
verglichenen wörter lehren. Bei näherer betrachtung
[90]I. althochdeutſche vocale.
zeigt ſich, daß ê nur in drei fällen ſich aus dem ei
(goth. ái) entwickelt, und außer ihnen ei bleibt, höch-
ſtens ausnahmsweiſe in ê überſchwankt. Jene find
folgende:
Die ganze entwickelung des alth. ê aus dem ei,
welchem v. h. ſ. folgen, gewährt ein willkommnes zeug-
niß für die identiſche natur dieſer drei ſpiranten über-
haupt; ihr hauch ſcheint das i des diphthongen zuerſt
aufzulöſen, das ei in ee (ê) zu verwandeln. Vor ande-
ren, leiblicheren conſonanzen duldet die alth. mundart
noch kein ê, ſondern bewahrt das ei; wir werden her-
[92]I. althochdeutſche vocale.
nach ſehen, daß die niederdeutſche *) weiter gieng;
doch ſcheinbare ausnahmen wären das alth. pêde (ambo)
und zuêne (duo), jenes zuſammengezogen aus peiode,
pejôde (vgl. mânôd, goth mênôþs) ſo daß hier das j
dem h nicht weit abſtünde (vgl. wê, wêha und oben
ſ. 70. die note über bajôþs und vaja); zuêne hingegen
dürfte aus zueihne. zuêhne entſpringen, inſofern ſich ein
goth. tvá[i]hnai, tváihnôs näher begründen ließe. Mehr
von allem bei den zahlwörtern; pêde ſchwankt auch
noch in peide.
Alth. hſſ. pflegen dieſes ê zuweilen ae und ę zu
ſchreiben, welches nicht mit dem mittelh. umlaut des
â in æ zu vermiſchen iſt. Die gl. hrab. 962a kalaert
(ernditus) 952a zaeha (articula) 956a aerwirdig. 951b laeo.
Bei J liefert oft dieſelbe ſeite beiderlei ſchreibung,
vgl. 408 ęrwirdîg und aerwirdîg. 371 hęrduom 387 haer-
duom 397 aewîn, 398 aewun und ewen **). Gleichzei-
tige lat. hſſ. ſetzen ę gleichbedeutend mit ae, welcher
laut auch wirklich dem alth. ê und ſeinem urſprung
aus ei und ái zumeiſt entſpricht, ſ. oben ſ. 86.; in die-
ſer hinſicht führe ich noch an, daß alth. diplome des
7. 8. 9. jahrh. ae ganz richtig in eigennamen ſchreiben,
denen unſer ê gebührt, vgl. herigaer, wâlgaer, hûngaer,
teutgaer bei Neugart no. 11. 23. 34 etc. Die häufigen
mit -gêr zuſammengeſetzten namen, als gêro (kêro)
nôtgêr (notkêr), amalgêr etc. weiſen auf jenes ältere
geir, goth. gais zurück, welchem die formen radagai-
ſus (comes Marcellin. p. 14.) gaiſericus (Idatius p. 17.)
laniogaiſus (Amm. Marcell.) gaiſo (conſul im jahr 351.)
gaiſo (comes, Greg. tur. 9, 30.) neue beſtätigung bringen.
Einige alth. denkmähler ſetzen zuweilen ê für ie,
nach niederdeutſcher weiſe, welche beides, ei und das
umgekehrte ie, in ê zuſammenfallen läßt. So I. 367. 385.
fênc für fienc; gl. hrab. 952b 964a 968b wêlîm (fervere-
mus) zêrî (decus) fêl für wielîm, zierî, fiel; gl. monſ.
359. fênc, 325. wêlun, 346. plêſot etc. K. O. T. N. ha-
ben dies ê für ie niemahls; mehr darüber beim ia und ie.
(II) î (mit dem runiſchen namen îs glacies). die-
ſer doppelvocal macht keinen anſtand, entſpricht be-
ſtimmt dem goth. ei und ſchwankt in keinen verwandten
laut über *). Außer den endungen beiſpiele in der ſtar-
ken conjugation; hier noch einige andere: bî (praep.)
brî (puls) blî (plumbum) drî (tres) frî (liber) ſî (ſit) ſî
(illa bei N.) pîa (apis zweiſilbig) chlîa (furfur zweiſilbig)
lîb (corpus) wîb (femina) lîd (potus) blîd (laetus) nîd
(invidia) rîfo (pruina) pîga (acervus) lîh (caro) hîha (ſponſa)
wîh (ſacer) rîhhi (regnum) îla (feſtinatio) mîla (milliare)
zîla (linea) huîla (tempus) fîla (lima) rîm (numerus)
kîmo (germen) mîn. dîn. ſîn. ſuîn (ſus) pîna (cruciatus)
fîra (feſtum) îs (glacies) hrîs (virgultum) îſarn (ferrum)
ſpîſa (cibus) wîſo (dux) zît (tempus) wît (amplus) hîu
(familia, zweiſilbig) îwa (taxus) huîƷ(albus) flîƷ (ſolertia)etc.
Ohne die beachtung des unterſchieds zwiſchen einfachem
und doppeltem i wird man viele formen und wurzeln
vermengen, z. b. pî (praep.) K. 27b pi-(partikel) rîtan
(inf.) giritan (part.) wiӡan (ſcire) wîӡan (imputare) lid
(membrum) lîd (potus) wis (eſto) wîſi (ſapiens) und eben
ſo genau muß man vom î den andern doppellaut ei tren-
nen, vgl. lîm (gluten) leim (argilla), hnîgan (cadere)
hneigan (flectere), ſuîn (ſus) ſuein (puer, famulus),
wîƷan (imputare) weiƷan (praebere) huîƷ (albus) hueiƷi
(triticum) wîh (ſacer) weih (mollis) etc. — Hiſtoriſch
wichtig iſt die wahrnehmung, daß î zuweilen auf ein
älteres i zurückführt (vgl. oben ſ. 88. über jâ und ein
älteres ja), namentlich auch hier in einſilbigen wörtern,
oder da wo das i die wurzelſilbe ſchließt. So entſpricht
pî (praep.) dem goth. bi (nicht bei) hat ſich aber in der
vorpartikel pi- kurz erhalten. Die betonung der wur-
zel ließ allmählig die kürze des vocals überhören und
wandelte ihn endlich in einen gedehnten. Ferner mag
in frî, ſî, pîa, chlîa vorher ein kurzes i geweſen ſeyn
und vermuthlich iſt in der vollen form fri-jêr, fri-gêr,
pi-ja, pi-a geſprochen worden, daher alth. neben pîa
auch pina (nicht pîna); îla (feſtinatio) ſteht in den monſ.
gl. und ſonſt illa (? ilja) geſchrieben und illan könnte
[94]I. althochdeutſche vocale.
dem goth. ïddja verwandt ſeyn. (vgl. unten gemination
der liq.). Ganz offenbar wird das alte i in figidôn (ze-
lari) gl. monſ. 349. 365.) figida (periculum) 386 und figinda
(inimici, bei N. neben fìanta) ſtatt fijidôn, fijandôn
(odiſſe); ferner in higinnes-luſt (delectatio carnis) N. 7, 10.
ſt. hijannes, hîannes?
(OO) ô. Die nord. runen legen dem ô nur ein zeichen
und einen namen bei, nämlich ôs (auch lat. ôs, ôris);
die ſächſiſchen haben zwei zeichen und zwei namen,
nämlich ôs und ôþel. Das zeichen des letztern hat of-
fenbar die geſtalt des goth. ô, folglich auch deſſen be-
deutung, ſteht alſo dem alth. ô nicht parallel, ſondern
dem alth. uo (ua), wie ſchon der name ôþel zeigt, wel-
cher alth. uodal, uadal, uodil (patria) lautet. Unſer
alth. ô entſpricht zumeiſt dem goth. àu; ob es auf jene
erſte ſächſ. rune anſprüche hat, wage ich nicht zu ent-
ſcheiden, bevor ſich die form ôs in einer alth. quelle
oder ein goth. áus nachweiſen läßt, was bisher noch
nicht der fall iſt; bezweifeln kann man es ſogar, weil
dem goth. àu, alth. ô das angelſ. eá gleich iſt, mithin
der name eás, nicht ôs lauten ſollte.
Das alth. ô fordert folgende nähere beſtimmung
(UU) û hat in den nord. und ſächſ. runen ein zei-
chen und einen namen. Das zeichen ſtimmt mit dem
goth. buchſtab überein, der, wie oben gezeigt worden,
zugleich häufig das kurze u ausdrücken muß; das gilt
[97]I. althochdeutſche vocale.
auch von der rune, weil keine andere für den kurzen
laut vorhanden iſt. Der name ûr (entw. ûrns, wilder ochs,
oder die partikel ûr-, neuh. auer) ſchickt ſich freilich
bloß für den laugen. Die grammatik hat im alth. wie
im goth. das lange û von dem kurzen u gehörig zu un-
terſcheiden. Jenes iſt übrigens gleich dem î ziemlich
beſtimmt und nur geringem ſchwanken in andere dop-
pellaute ausgeſetzt; die endungen abgerechnet (im ab-
laut trifft es ſich nirgends) möchten nachſtehende belege
die wichtigſten ſeyn: nû (jam) dû (tu) *) ſû (ſeropha)
chûa (zweiſilb. vacca) pûan (zweiſ. habitare) dûba (lamina
dolii) tûba (columba) ſûbar (purgatus) trûbo (uva) rûda
(ſea[b]ies) ſtûdahi (fruticetum) ûf (praep.) dûfar (ſtolidus)
hûfo (acervus) ſcûfila (pala) ſûfan (ſorbere) ſûftôd (ſingul-
tus) ſûgan (ſugere) rûh (hirſutus) bûh (venter) mûhhilâri
(ſicarius) drûho (ciſta) trûh (compes) lûhhan (claudere)
prûhhan (uti) ſtrûhhôn (impingere) tûhhil (mergulus)
fûl (putris) mûl (mulus) ſûl columna) mûla (roſtrum)
rum (ſpatium) ſcûm (ſpuma) chûmida (morbus) tûmo
(pollex) tûmôn (ſalire) prûn (furvus) hûn (?catulus) zûn
(ſepes) rûna (ſuſurrus) ſûr (acidus) bûr (domus) ûr- (par-
tikel) trûrìg (triſtis) mûra (murus) hûs (domus) ſûs (ſtri-
dor) hûſo (echinus) mûs (mus) lûs (pediculus) tûs (binio)
tûſunt (mille) fûſt (pugnus) lûſtren (auſcultare) bûtil
(marſupium) ſnûtan (emungere) brût (uxor) drût (carus)
hût (cutis) hlût (ſonorus) krût (herba) trûwen (confidere)
ûwila (noctua) ûƷ (praep.) ſtrûƷ (ſtruthio) lûƷôn (latere)
mûƷôn (mutare). In lat. wörtern derſelben wurzel
gleiches langes û, vgl. tû, ſûgere, mûlus, mûs, ſtrûthio,
mûtare, wogegen dem kurzen u gewöhnlich das kurze
entſpricht, vgl. nuƷ, puzzi mit nux, puteus. Dies
macht wahrſcheinlich. daß auch die Römer in deutſchen
namen das û gleichförmig ausdrückten (ſ. oben: tûbantes,
ûbii, bûrii) nicht durch au, wofür man etwa den mons
taunus (Tac. ann. 1. [...]6. 12, 28.) anführen könnte, allein
dieſes wort ſcheint, wo nicht undeutſch, doch nicht
hochdeutſch (ſ. unten beim angelſ. û über dûn). Frei-
G
[98]I. althochdeutſche vocale.
lich läßt ſich die berührung des û mit dem au nicht ab-
leugnen (vgl. pûan, trûwën und das goth. báuan, tráuan) *).
Manchmahl ſcheint zwiſchen û und au das verhältniß
des lauts und ablauts zu walten, z. b. ſûfan (bibere)
praet. ſauf und davon biſaufen (mergere); ſûgan (ſugere)
praet. ſaug, wovon ſaugen (lactare). — Verwechslung
des û mit uo finde ich öfters bei N. in der form -ûh.
-uoh; er ſchreibt zwar huoh (irriſio) ſcuoh (calceus)
aber daneben hûhôn (irridere) geſcûhen (calceare); um-
gekehrt druoh (compes) neben drûh. Zu bemerken iſt
auch ſt. nû einmahl nua O. IV, 18, 55. welches an das
goth. du (oder dû?) gegenüber dem alth. zuo, zua erin-
nert, wenn man ſchon das goth. du, dis- näher in dem
alth. zi, zër- finden könnte; verwandt ſind ſich zuo und
zi unleugbar. Im mittelh. vermiſchen ſich uo und û
noch häufiger, im neuh. ſind alle uo zu û (uh) geworden.
(AE) es iſt vorhin beim ê gewieſen worden, daß ae
zuweilen für jenes geſchrieben werde. So im Hild aen,
haetti, laet ſtatt ên, hêtti, lêt. In allen dieſen beiſpie-
len iſt das ê nicht mehr hoch- ſondern niederdeutſch;
in aeriſt (êriſt) aber auch hochdeutſch.
(AI) der diphthong ai iſt der alth. ſprache eigentlich
fremd; nur könnte man fragen, weil er ſich ſpäterhin
in bairiſchen denkmählern und bis auf heute in der dor-
tigen volksſprache findet, ob er nicht auch für die alt-
bairiſche mundart anzunehmen ſey? Inzwiſchen zeigen
gerade ſolche ſtücke, deren abfaßung man entſchieden
nach Baiern ſetzen möchte, das gemein alth. ei, nament-
lich die exhort. die gl. monſ. und das weſſobr. gebet.
Umgekehrt gewähren die vermuthlich nicht in Baiern
geſchriebenen hrab. gl. ſpuren des ai, als 950b laidazit.
951a kail. 952b hailac; häufiger aber gebrauchen ſie da-
neben das ei 952b heiƷ, 953a heit, leitit, 954a kleinî etc.
Die ſpätere gloſſenſamml. welche Gerbert p. 17-108. aus
einer hſ. von S. Blaſien liefert, enthält kein ai, die
trierer hſ. deſſelben werks in den nämlichen wörtern
bald ai (ain, bain, ſail, raif, ſaifa, laib, faim etc.) bald
wieder ei (reid, weitin, deiſmo, ei etc.), neben jenen
ai jedoch weder au f. ou noch gar ei f. î und es fehlt
an allem grunde, die abfaßung der arbeit nach Baiern
[99]I. althochdeutſche vocale.
zu ſetzen. Ferner das ei und kein ai geben wirkliche
bair. urkunden des 8. 9. jahrh. bei Ried n°. 2. 8. 15. 22.
47. 50 etc. zeiƷ, heim, leid, eigil, geiƷ, pein etc. ale-
manniſche hingegen zuweilen ai ſtatt des gewöhnl. ei,
vgl. in Neugarts namenverz. aimo, gaila, haimo, haitar,
paio, laibolf, aigant etc. Ich möchte alſo das ausnahms-
weiſe in den alth. quellen allerdings vorhandene ai nicht
der bairiſchen mundart zueignen, ſondern es für das
ältere, unumgelautete ei überhaupt anſehen. — Man
verwechſle mit ai nicht den hiatus âi, z. b. plâju (ſpiro)
gâì (feſtinatio) ſt. plâhj[u], gâhî; gidrâit (tortus) etc.
(AO) daß dieſer doppellaut einer beſondern mund-
art ſtatt des gemein-alth. ô eigen ſey, iſt vorhin beim ô
gezeigt worden; welcher mundart aber? wage ich nicht
zu beſtimmen. Die augeführten belege waren ans den
gl. hrab. dem Hild. und urkunden bei Ried. Aber auch
Neugart n°. 47. hat aotahar 79 gaoƷbërt 48. maorin-
zan etc. *). — Mit dem oa, welches einige für ua, uo
ſchreiben, darf ao nicht vermiſcht werden, iſt aber zu-
weilen doch dafür geſetzt worden, was um ſo begreif-
licher ſeyn wird. als auch ua dem ô parallel ſteht, wie
oa dem ô, beides freilich in verſchiedenen dialecten.
Wenn alſo bei Ried n°. 8. 21. aopi, aogo, taom nicht
verſchrieben iſt. ſo ſtünde doch beßer ôpi, ôgo, tôm
(d. h. uopi, uogo, tuom); taoc (valet) im Hild. ſteht
entw. für tauc oder iſt hinneigung zum niederd. dôg.
(AU) dieſer diphthong iſt gemeinalthochdeutſch, aber
nur in den frühſten denkmählern zu treffen; ſpätere
(T. O. N.) erſetzen ihn durch ou, nie durch ô. Eine
gewiſſe analogie zwiſchen au und ai läßt ſich nicht ver-
kennen 1) weil beide inſonderheit vor h. ſ. r. in ô und ê
übergehen. 2) in den übrigen fällen ſich ſpäter in ou
und ei verwandeln, jedoch 3) im neuh. wieder als au
und ai (freilich ei geſchrieben) auftreten. Hieraus folgt
zugleich, daß au und ai als das früheſte, dem goth. noch
nähere hochdeutſch **), weniger als ein beſonderer
G 2
[100]I. althochdeutſche vocale.
(bairiſcher) dialect betrachtet werden müßen; es ſcheint
jedoch, daß ſich das ai eher in ei, als das au in ou
verändert habe, indem J. und K., die noch dem au an-
hängen, bereits das ei annehmen (eine vermuthung hier-
über unten bei der bemerkung über den alth. umlaut). —
Wie vorhin geſagt, ſtehet au vor m; b. p. f; g. k. hh
und nicht vor n. r. h. ſ. d. t. Ʒ. (man merke daß der liq. l
weder au noch ô vorhergeht, wohl aber das ſonſt analoge
ai, ei und ê). Beiſpiele: thaum (vapor) ſlaum (ſordes)
paum (arbor) ſtraum (alvens) ſaum (ora, ſella) gauma
(cura) gaumo (faux) traum (ſomnium) haubit (caput)
raubôn (ſpoliare) gilaubîn (fides) zaupar (monſtrum) laup
(folium) ſtaup (pulvis) kauf (emtio) ſtauf (cyathus) trauf
(ſtillavit) taufì (baptiſma) hlaufan (currere) piſauſan (mer-
gere) auga (oculus) ſaugen (lactare) gaugron (vacare)
flaugen (fugare) laugnen (inficiari) taugno (clam) trauc
(fefellit) pauc (umbo) hauc (collis) lauc (ſlamma) flauc
(volavit) auhhôn (augere) bauhhan (ſignum) prauhhan
(uti). Zu erwägen bleiben noch
Die zeit, wo au vor m. b. p. etc. in ou übergieng
läßt ſich nicht genau anſetzen; denkmähler des 8.
jahrh haben noch meiſtens au, bei T. O. N. iſt das ou
entſchieden. Doch urkunden aus der zweiten hälfte
des 8ten zeigen ſchon ou, vgl. Eccard fr. or. 1, 675. in
einer urk. von 779 houc und bei Neugart no. 68. (von
**)
[101]I. althochdeutſche vocale.
778) loup; aus dem 9ten ebend. no. 219. 231. 437. 462.
loup und poum. Einige denkmähler ſchwanken, ſo hat
Hild. neben rauba ſchon bouga; in den gl. jun. zeigen
die verzeichniſſe A. B. au, das etwas jüngere C aber ou
und vermuthlich iſt 225. die gloſſe wîrouhpoum aus C
fälſchlich in B gerathen, welches 226. paum 239 rauh
gewährt; vgl. inzwiſchen 215 louginit, und gl. blaſ. 5b
ſlroum 10b bougâ.
(EA) ëa, ſteht für das gemeinalth. ia bei J. vgl.
hëar, dhëa, lëaƷ (392) ſtatt hiar, dhia, liaƷ; auffallend
iſt dhëaſa (408. ed. palth. 270.) ſ. dhiſa Neben dem
ëa auch ê, als ſênc (367) und ia, als: fiant, ſia. K.
zeigt ëa gleichfalls in dëa, këanc und lëaƷ, hat aber
häufiger ia, als: hiar, ſtiagil, fiant, fial, fianc; 42b
mias (menſa) 43b mëas. Die gl. jun, 195. dëa, 201
lëaƷ, 2 [...]2 zëar, 205 nëaƷes, 213 mëata; gewöhnlich ia
185 ziarî, [k]ianc 209. kiangi, ſtriani, 221 hiaƷ, 223
fliad etc. 227 mètun, 197 mietta; die gl. blaſ. 8 a blëas.
9a fëal ſëa (eam). Ob ëa eine beſondere mundart aus-
zeichne? da es in zwei ſonſt verſchiedenen quellen, l.
und K. vorkommt, bezweifle ich, eher ſcheint es der
ältern ausſprache gemäß. Ubrigens erſetzt es auch das
ja in gardhëa (virga) minnëa (amor) und iſt von dem
zweiſilbigen êa (lex) ſlêaƷ (hebes) zu unterſcheiden. —
Mehr von der natur dieſes diphth. unten beim ia.
(EI) d. h. ei (nicht ëi) ein gemeinalth. diphthong,
dem goth. ái entſprechend und früher auch im alth.
durch ai ausgedrückt (ſ. vorhin ai). Ausnahmsweiſe
wird hier alſo der umlaut von einem in derſelben ſilbe
unmittelbar nachfolgenden i gezeugt. Das goth. ei iſt
ihm nicht analog und vermuthlich ſchon dem klange
nach abweichend; man könnte erſteren diphthongen
eí, den unſrigen éi; oder jenen ëi, dieſen ei bezeichnen.
Da aber das goth. ái doch einmahl in ein alth. éi über-
gieng, ſo muſte auch der übergang des eí in î eintre-
ten, weil ſonſt zwei zu nahe laute nebeneinander und
zwar als laut und ablaut hätten ſtehen müßen. Dieſer
übelſtand trifft das neuh. ei, welches genau betrachtet
bald eí bald éi iſt. — Vor h. r. ſ. w. pflegt das alth. ei
in ê überzugehn (ſ. oben beim ê). Beleg geben: ei
(ovum) hei (καῦμα) ſceidan (ſeiungere) eidâ (juramenta)
heidan (ethnicus) greif (prehendit) hneigjan (flectere)
eigir (ova) ſueiga (armentum) neihhen (libare) zeihhan
(ſignum) weihhì (mollities) geilì (petulantia) heilac
[102]I. althochdeutſche vocale.
(ſanctus) teil (pars) heim (domus) leim (lutum) hreini
(purus) ſein (tardus) pein (os) ſcein (lucebat) meiſa (ſar-
cina) folleiſt (auxilium) gneiſto ([ſe] [...]tilla) ſcreip (ſcribe-
bat) ſtreit (dimicabat) eit (ignis) heitar (lucidus) pheit
(induſium) heiƷ (fervidus) weiƷ (novit) hueiƷî (triti-
cum) heiƷan (vocare) agaleiƷì (ſolertia) *).
(EO) ëo gilt dem io gleich, wie vorhin ëa dem ia
und ungefähr in den nämlichen älteren quellen, I. hat:
lëoht (lux) ſëor (quatuor) dhëoh (femur) dhëonôn (ſer-
vire) dhëod (gens) lëogan (mentiri) hrëofun (vocabant)
und in den flexionen: ëo, huëo. waldendëo, heidëo,
woneben jedoch nerrendjo, john ſtattfindet. K. hat: lëoht,
dëonoſt, pëotan, fëor, flëoƷan, zëohan, flëohes, ëo,
huëo, hentëo, willëôno, neben: fior, diomuat, piotan,
johhe, joh, (jugum) joh (et). Die hrab. und jun. gl.
pëor (cereviſia) ſpëoƷ (haſta) ſlëoƷan, hlëoƷan, lëoht,
hlëotan, pëotan, chëol (navis) etc. T. O. N. zeigen
dies ëo nirgends mehr, aber daß es in früher zeit zu-
mahl in der altfränkiſchen mundart geherrſcht hat, wei-
ſen die eigennamen theodobertus, theodogildis, theodo-
ricus, theodovaldus, theodulfus bei Greg. tur., welcher
den goth. königen theudo und theudegiſilus mit feinem
gefühl das goth. eu (in) beilegt. Ich bemerke noch,
daß Sidon. apollin. eo in theodoris der deutſchen ſprache
gemäß richtig diphthongiſch, Venant. fort. aber e-o
zweiſilbig gebraucht und zwar das e lang, welches
vielleicht zeigt, daß in dem io, ëo der ton auf dem i
und ë ruht; (die ſtellen bei Schneider p. 123.). Inzwi-
ſchen vergleiche man in Neugarts verz. p. 96b 120. 121.
die mit dhëot, thëot, dëot und diot, thiot gebildeten zahl-
reichen namen, um zu ſehen, wie auch der alemanni-
ſchen mundart früher ëo, ſpäter io zugeſtanden habe.
Weiteres unten beim io.
(EU) ëu bei I. für iu, aber nur in hrëuûn (poeni-
tentiam) 384. ëuwih (vos) ëu (vobis) neben iu, die
übrigen fälle haben iu, als liugn, liudî etc. freuwî 355,
freuwidha 345, ſteht für frewì, nicht friuwî, und hat
ein eu, nicht ëu; undiphthongiſch und zweiſilbig ſind
ſêulu 366, hrêue 374. Die andern denkmähler bieten
[103]I. althochdeutſche vocale.
gar kein ëu an hand, wohl aber urkundliche eigenna-
men des 8ten jahrh. vgl. bei Neugart p. 107b lëudiſca,
lëutbald, lëutbërt, woneben und zumahl ſpäter iu weit
gewöhnlicher iſt. Früher mag das ëu gegolten haben,
wenigſtens im altfränkiſchen, vgl. bei Greg. tur. leuba,
leubaſtes, leubovera, leudaſtes, leudegiſilus, leudovaldus.
Dieſes ëu ſcheint denn auch in teutones und teutobur-
gum bei den röm. ſchriftſtellern zu ſtehen, dem alth.
iu, nicht dem io entſprechend, woraus zugleich gefol-
gert werden kann, daß unſer volksname thiudiſc oder
thëudiſe von thiodiſc, thiodîg (popularis) unterſchieden,
alſo nicht geradezu von thiod abzuleiten iſt. Mehr bei
dem unterſchied zwiſchen io und iu. Indeſſen räume
ich verwechſelungen des ëo und ëu ein und erinnere
nur an des Venant. fort. leudos (lieder) wo leodos rich-
tiger wäre; ihm war vermuthlich das eu diphthongi-
ſcher als eo, das er, wie oben bemerkt, zweiſilbig zu
nehmen pflegt.
(IA). Dieſer diphthong iſt dem K. und einigen äl-
tern gloſſenſammlungen, im 9ten jahrh. aber und in
ausgedehnterem ſinne dem O. eigen, weder dem T. noch
andern denkmählern. Im allgemeinen gilt analogie zwi-
ſchen ia und ua im gegenſatz zu io und uo, d. h. die
welche ia gebrauchen, haben auch ua und die welche
io ſetzen, haben auch uo. Der ſchluß von dem uo auf
io taugt aber nicht überall, weil das uo ſpäter dauerte,
als bereits io in ie aufgelöſt war. Analog iſt ferner *)
zwiſchen beiden diphthongen ia (io) und ua (uo) die
zuſammenziehung in ê und ô. Hier unterſuchen wir
vorerſt ia und bemerken
(IE) in ie halte ich das e weder für ë noch für e
(umgelautetes a) weil hier weder grund zum umlaut vor-
handen, noch ein ë denkbar iſt; vielmehr das e iſt aus
dem ältern a und o, wie in den endungen zu geſche-
hen pflegt, entſtellt worden, ie mithin nichts anders
als ein abgeſchwächtes ia oder io. Hieraus fließt zu-
gleich. daß in dieſen der ton auf dem i ruht. Ein
ſolches ie zeigen J. K. und die frühſten quellen noch
faſt gar nicht (mietta gl. jun. 197. zierida M. 319.); bei
T. und O. beginnt es, bei N. hat es ſich beinahe ent-
ſchieden au die ſtells des ia und io gedrängt, zuweilen
ſelbſt an die des iu. Bei O. iſt es weniger häufig, nament-
lich im ablaut ſelten, doch finde ich rietìn f. riatîn; andere
beiſpiele; ſirlieſen f. firliaſan, lied (cantio) ziere: ſkiere
J. 23, 42. biet (menſa), thiete (populo). T. gebraucht es
öfter, namentlich im ablant: gieng, phieng. hieƷ, blie-
ſon, ſliefon etc.; andere beiſpiele: mieta, ziegala, fiebar
(febris), thienôn neben thionôn. N. kennt kein ia*)
und io mehr. ſondern bloß ie, ſchreibt aber dieſes ſtets
îe. welches zwar für die ablaute gîeng, hîeƷ etc. in ſo-
fern ſie nach obiger anſicht aus î-e entſprangen, paſſend
ſcheinen könnte, für den wirklichen diphthongen, der
dadurch zum triphthongen (iie) würde, nicht zu billi-
gen iſt. Daß kein î. ſtatt finde, folgt auch aus dem
wechſel der ia mit ëa. Soll damit bloß der dem i vor
dem e gebührende nachdruck gemeint ſeyn, ſo wäre die
bezeichnung íe empfehlungswerther, ſcheint aber auch
entbehrlich. Daß N. ſelbſt kein wirklich gedehntes î
meine, folgere ich aus ſeinem misbrauche deſſelben îe
für zwei weitere fälle, denen gar nicht dieſer diphthong
zuſteht. Theils finde ich îe ſtatt î, z. b. dîehent (profi-
**)
[106]I. althochdeutſche vocale.
ciunt) wîehûs (templum) ſogar dîenen (tuum), wo doch
öfters auch das richtige î geſetzt iſt; theils ſogar ſtatt
des kurzen i, nach neuhochd. weiſe, z. b. ſîeho (video)
jîeho (dico) etc. *).
(IO) dieſer diphthong verhält ſich zu dem folgenden
iu, wie ſich das einfache o zu u verhält, das heißt: iu
ſcheint die ältere, früher allein gültige form, die ſich
allmählig in io verwandelt und ſo, daß einzelne wörter
zwiſchen beiden ſchwanken. Der Gothe, wie er kein
einfaches o kennt, hat auch kein io, ſondern für das
alth. io und iu beidemahl iu. Vom iu hernach beſonders,
beim io (früher auch ëo) bleibt zu merken
(IU) entſpricht dem goth. iu und ſcheint in den
früheren alth. denkmählern oft durch ëu ausgedrückt.
Zwiſchen iu und io tritt der oben (ſ. 84.) geſchilderte
wechſel zwiſchen u und o ganz analog ein. Das iu als
die ältere form iſt verblieben 1) gewiſſen wörtern, welche
durchaus kein io zeigen, als: ariup (dirus) griupo (frixo-
rium) piugo (ſinus) niumôn (cantare) liuni (forte) -niu
(endung weibl. namen) diu (virgo) ſtiurjan (gubernare)
fiur (ignis) liut (populus) tiuri (pretioſus) ſniumo (mox)
tiuval (diabolus) ſciura (horreum) liumunt (fama) giſiuni
(viſio) hiutu (hodie) niun (novem) friunt (amicus) etc.
2) dem ſing. praeſ. ind. und imp. der ſtarken verba, welche
im inf. conj. und praeſ. pl. io oder ia zeigen, als: piutu,
piutis, piutit etc. 3) gewiſſen ableitungen, z. b. thiob,
githiuben; lioht, liuhten etc. 4) andere ſchwankende
fälle ſind vorhin bei ëo, ëu, io angeführt worden. —
Der unterſchied zwiſchen io und iu zeigt ſich darin be-
deutend, daß im verfolg und namentlich im mittelh. die
io in ie übergegangen, die iu hingegen (größtentheils)
geblieben ſind. Regel iſt es unleugbar, daß dem io das
frühere ëo, neuh. ie — dem iu hingegen das frühere
und neuh. ëu zur ſeite ſteht; vgl. dëor, thier; theodo-
[108]I. althochdeutſche vocalc.
ricus, dieterich und andrerſeits tiuri, theuer; teudiſcus
(bei Nithard in dem bekannten eidſchwur) deutſch; im
neuh. weder deuterich noch dietſch *), ſo wie der orts-
name thiotmalli, thiatmalli ſpäter zu dietmold, dêtmold,
nie zu dentmold werden konnte. — In anſehung des iu
iſt noch anzuführen
(OA) nicht gemeinalth. ſondern mundartiſch für
ua, man ſuche es theils in alemann. urkundlichen ei-
gennamen (Neugart v. hroad-, moat-, oadal-, road-,
etc.) theils in den gl. ker. z. b. moat, ploat, ploamo,
poah, hroam, ploaƷu (ſacrifico) foakit (fuagit) etc. vgl.
gl. doc. 214. ſoana (judicium). Die beſtimmte mundart
will ich aber nicht örtlich anweiſen; lieber halte ich
oa für etwas alterthümlicher als ua, was auch zu dem
urſprung aus oo (ô) ſtimmt.
(OE. OI) ſind keine alth. diphthongen ***); zuweilen
ſtoßen die vocale ô und ê, e, oder i, als zweiſilbiger
[110]I. althochdeutſche vocale.
hiatus aneinander, das iſt ganz etwas anders, z. b. grôent
(virent) hôiro (celſior) ſt. hôhiro: pëtôjèn (oremus).
Das älteſte beiſpiel gewährt der flnßname moin, moën,
früher mogin, mohin, aus dem endlich das neuh. diph-
thongiſche main geworden iſt, aber noch in der volks-
ſprache ma-in mit hiatus, wofür ſelbſt die ſchreibung
ai redet neben der allgemeinen ſchreibung des ei f. ai.
Der name der ſtadt behielt das alte g länger: mogontia-
cum, maguntia, meginze, megenze, zuletzt auch mainz;
gerade ſo verräth ſich in dem neuh. getraide (frumen-
tum) die ſyncope aus gitragida.
(OU) vorhin bei dem au iſt ausgeführt worden,
daß dieſer ſeit dem 9ten jahrh. ſo häufige diphth. frü-
her durch au gegeben wurde, ſpurweiſe aber ſchon die-
ſes im 8ten vertritt. Sein verhältniß zu dem ô iſt ganz
das des au zu dem ô (ſ. oben ſ. 94.). Übrigens ge-
bührt der ton dem vorausſtehenden o (wie dem a in áu)
daher O. richtig óu accentuirt, N. desgleichen. Beiſpiele
gewähren die nämlichen, vorhin beim au angezogenen
wörter.
Hior bleibt die wichtigere frage übrig: die analogie
des ai, das ſich in ei wandelt und vermuthlich, weil
der einfluß des i der endung auf das a der wurzel all-
mählig auch für den diphthongen ai wirkte, — alles
das iſt unverkennbar; ſollte nicht weiter im diphth. au
das u eine ähnliche macht ausgeübt und das a in o ver-
wandelt haben? Nun ſind zwar oben beim einfachen
a und o übergänge dieſer beiden laute erwähnt wor-
den, namentlich in den wörtern halôn, holôn; wanèn,
wonên; fan, fona, denen ſich noch einzelne zufügen
laßen: als wamba I. T. O. M. und womba N. und
folma vgl. mit dem lat. palma. Inzwiſchen entſpringt
in diefen an ſich höchſt ſeltnen fällen das o ſtatt a un-
abhängig von einer endung u und läßt ſich dem ſo häu-
figen ſichtbar von der endung i abhängenden umlaute
des a in e kaum vergleichen. Hiergegen ſcheint auch
der nord. von der endung u abhängige umlaut des a in
ö nur wenig bedenken zu machen, weil gerade der
nord. diphth. au keine dem nord. ei (das allerdings aus
ai herſtammt) äbnliche verwandlung in öu befährt.
(Vgl. unterdeſſen einige ſpuren des der endung u wegen
***)
[111]I. althochdeutſche vocale.
umlautenden a im niederdeutſch). — Vom übergange
des ou in ow, ôw oder ouw unten beim w. —
(UA. UO) beide ſind ſich gleichbedeutend und bloß
mundartiſche verſchiedenheit; man kann annehmen, die
denkmähler welche im ablaut ia zeigen, haben auch
im ablaut ua, hingegen dem ie ſtehet uo zur ſeite. Der
älteren form ëa ſcheint oa, ſo wie dem zuſammenge-
zogenen ê das ô parallel. Dieſes ô mag die älteſte ge-
ſtalt *) des ablauts geweſen ſeyn, wie es ſich im goth.
nord. und ſächſ. erhalten hat; als aber im alth. au in ô
übergieng, muſte ſich für jenes ô die variante oa, ua,
uo, erzeugen, welcher der runenname uadil nicht ei-
gentlich zuſtehen kann, da die runen diphthonge, die
aus ungleichen vocalen beſtehen, weder bezeichnen noch
benennen. — Uebrigens gehört in ua und uo dem u der
accent und O. ſetzt úa; N. ſchreibt wie beim îe auch
hier ûo, welches ich aus gleichem grund verwerfe **).
Denn ûo wäre triphthongiſch und ûa von dem zweiſil-
bigen û-a in chû-a (vacca) pû-an, tû-an nicht zu
ſcheiden. Etwas anders, daß dieſe allmählig in den
wirkl. diphth. chua, puan, tuan übergegangen ſeyn
können. Auch läßt ſich der wechſel zwiſchen oa und
ua ſonſt nicht begreifen; wer aber ein ôa behaupten
wollte, müſte nicht weniger das ô in ôo (und nicht oo)
zergliedern. — Das gewöhnliche ô wird nur ausnahms-
weiſe durch uo gegeben, wohin das bereits angeführte
dhuo und ſcuonîn (pulcritndo) auch bei J. 383 gehören.
Die vorhin bei dem ia und iu gemachte bemerkung,
daß davon ja, ju zu trennen ſind, gilt auch hier ganz
ähnlich zwiſchen dem ua (uo) und va (vo); O. ſchreibt
daher nicht z. b. dúalta ſondern duálta, d. i. dvalta (mo-
rabatur) aber ſúana (expiatio) d. h. ſúona (ſühne) ver-
ſchieden von ſuán (olor), d. h. ſvan. Ich muß indeſſen
aus urſachen, die beim w entwickelt werden, unfolge-
[112]I. althochdeutſche vocale.
richtig dualta ſchreiben, da dvalta nicht hochdeulſch
und dwalta ſonſt bedenklich wäre. Dort auch von dem
falle, wo ua, uo mit dem vorausgehenden w ſcheinbar
verſchmilzt (unahs, crevit; uuaſg, lavit; ſuuaƷi, dulcis
ſt. wuahs, wuaſg, ſwuaƷi).
Beiſpiele des ua oder uo: gaſt-luamî (hoſpitalitas)
nuatì (incaſtraturae) ſnuabila (catenula) bluag (verecun-
dus) bruogo (terror) ſtruot (ſilva) zuomìg (vacuns) und
unzählige andere, die ſich allerwärts ergeben. Dieſer
diphth. beruht klar auf dem ablautsverhältniß und führt
immer zu einem wurzelhaften a.
Auf meine obige behauptung, das alth. uo entſpringe
aus einem älteren ô, fällt licht, wenn man auch in den
romaniſchen ſprachen die entwickelung des uo, ue aus
dem lat. ô und ſelbſt o erwägen will, vergl. côr, côrpus,
bonus, moritur mit cuore, cuorpo, buono, muore etc.
Den Römern war uo, ua nur im hiatus bekannt und
ſchwerlich je diphthongiſch.
(UE und UI) ſind keine alth. diphthengen; zwar
könnte man ſich unter ue, wie beim ie, ein abge-
ſchwächtes ua oder uo denken, allein es findet ſich nicht
und das ſpätere mittelh. ue ſcheint etwas anderes, näm-
lich wirklicher umlaut. ui hat man aus unwißenheit in
alth. namen ſt. iu gebraucht, z. b. der lombard. ge-
ſchichtſchreiber liutprand wird ſo häufig als fälſchlich
luitprand genannt. Möglich zwar daß alte diplome
ſelbſt ui für iu zuweilen verſchrieben haben (vgl. Neu-
gart u. luit-), wahrſcheinlicher, daß ſie falſch geleſen
und abgedruckt worden ſind — Ich brauche kaum zu
errinnern, daß in wörtern wie: zuiſg, ſuëben. zuîval
kein diphthong ui, ue, ſteckt, ſondern zvi, ſvë, zvî;
daher O. ſeiner weiſe nach zuíſg, ſuében accentuiert.
Nach beendigter unterſuchung der alth. vocale be-
merke ich
Aus dieſen beiſpielen ergibt ſich, daß man den wech-
ſel ſämmtlicher vocale an manchen wörtern erweiſen
könnte, als: bittaran (amarum) bitteres (amari) bittirî
(amaritndo) bittorô (amarae) bitturu (amara). Die ganze
dem wohllaut günſtige erſcheinung hat ſich, wie geſagt,
zumeiſt bei O entwickelt *) und iſt einer ähnlichen in
der nord. ſprache offenbar verwandt, unbegründet darf
ſie um ſo weniger heißen, als ſie ſich auch bei T. I. K.
u. a. und zumahl die aſſimilation des o ſpüren läßt; nur
ſchwanken dieſe weit öfter, z. b. K zwiſchen piladi
[119]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
und pilidi, T. zw. wuntarôt und wuntorôt. Und ſelbſt
O. ſchwankt augenſcheinlich; das ganze ſyſtem würde
ſich daher, ſollten auch die hſſ. einzelne beſtätigende
berichtigungen darbieten, nicht durchführen laßen; es
war im widerſtreit des wohllauts mit der abſtammung,
die ſich häufig geltend machte, erwachſen und muſte
bei der allmähligen verdünnung faſt aller unbetonten
laute in das einzige e bald wieder aufhören. Einzelne
wörter und formen mögen ſich auch nach zeit oder
mundart geſondert und von der aſſimilation frei gehal-
ten haben. Eben ſo gewiß iſt in andern durch aſſimi-
lation, und vocalwechſel überhaupt, indem der ge-
ſchwächte laut aus der penult. in die ult. eindrang, der
urſprünglichen und organiſchen lautbeſtimmung viel ab-
bruch geſchehen.
Dieſe lehre iſt eine der verwickelteſten, weil aus
vermiſchung der mundarten und oft monſtroſen mis-
bräuchen der ſchreibung beinahe endloſes ſchwanken
entſpringt, ſo daß ſelbſt die beſten hſſ. den grammati-
ker nicht befriedigen.
Sämmtlich an- in- auslautend. Mit den anlauten
l. n. r. fangen ſchon ſeit dem Sten jahrb. an die anlaute
hl. hn. hr. ſich zu vermengen und bald ſind letztere ganz
in erſtere übergegangen (ſ. unten beim h). — Der aus-
laut m beginnt etwas ſpäter, jedoch nur in einigen
[120]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
flexionen, ſich in n zu wandeln, namentlich im dat.
pl.; in der prima pl. und in der prima ſing. einiger
ſchw. conjug. (näheres in der decl. und conj.). In
wurzeln und andern bildungsendungen (z. b. gadam,
buoſem) bleibt aber das auslautende m, und gänzlich
abgeworfen wird es nie. Fremde ſprachen lehren in
abſicht dieſes auslauts zwei ſtufen 1) m wird in n ge-
ſchwächt (vgl. Schneider p. 309-314.); die Spanier ver-
äudern tam, quam, Jeruſalem, Bethlehem etc. in tan,
quan, Jeruſalen etc. 2) m wird völlig unterdrückt
(Schn p. 301-309.) — Vom übertritt des inlautenden
m in n vor der aſp. f. unten bei den verbindungen mf.
nf. — Der inlaut n wird naſal (n. adulterinum), ſobald
eine gutturalis folgt, als: lang, wankôn, unk, aber in
der wurzel ſelbſt, nicht wenn in der zuſammenſetzung
n mit g und k anſtößt, z. b. in-gangan un-kuſt. Ob
das naſale n ausfallen und namentlich die form ng in
h übergehen könne? iſt oben ſ. 88. bei dem â berührt
worden, weil dadurch auch der vorausſtehende vocal
lang zu werden ſcheint, vgl. fangan, gangan, hangan,
brang mit fâhan, gâhen, hâhan, brâhta (ſt. brangta?) *).
Inzwiſchen kann nie aus langan (longum) lâhan werden
und jene fälle müßen als ausnahmsweiſe ableitungen be-
trachtet werden, die von den ſtämmen ng eigentlich
verſchieden ſind; wie denn auch gâhen und brâhta ſelbſt
der ſchwachen conjugation folgen; (mehr über alle dieſe
wörter bei der conj.) Den übergang des a in â bei aus-
fallendem naſallaut beſtärkt der oben ſ. 42. vermuthete
des goth. juggs in jûhiza (wiewohl jugund, das ſichtbar
mit jung zuſammenhängt, kein û hat, ſo daß kein älte-
res jungund ſondern vielmehr ein älteres jug, jugg an-
zunehmen bleibt); vgl. das ſchweiz. â, î, û ſt. an, in, un
(Stalder p. 33. 46. 72.); es wird vorausgeſetzt, daß die
ſilbe betont ſey. Aus unbetonter endung könnte das n
vor gutt. zwar ausfallen, würde aber den vocal nicht
ändern. Im alth. wäre honec, honeg (mel) J. 389. K. 16a
ſt. honing. honang (N. 18, 11. 118, 103.) faſt einziges bei-
ſpiel; erſt ſpäter auch kunig, pſennig ſt. kuning, pfe-
ning. — Fällt der alth. inlaut n vor dentalen aus? das
geſchieht im nord. und ſächſ. häufig. Eine ſpur wäre
[121]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
N. iſila (96, 1.) ſt. inſila; noch heute in der ſchweiz iſel
(Tſchudi 1. 366.) vgl. das ital. iſola, franz. iſle; vermuth-
lich iſt wieder verlängerung des vocals îſila zu behaupten,
wie die nord. form âs, ûs ſt. ans, uns beſtätigt; nur iſt jenes
îſila ausnahme nicht regel, N. ſchreibt uns (nobis) nicht
ûs, wie die Schweizer. Eine weitere ſpur O. ſtuant im reim
auf muat, guat, beſtimmt an das goth. ſächſ. und nord.
ſtôþ erinnernd, vgl. das alth. ſtâtîg (ſtabilis) und ähn-
liche ableitungen, die offenbar mit ſtandan zuſammenhän-
gen. Sollte das n in ſtuant, bant etc wenigſtens naſal
geweſen ſeyn? die heutige unnaſale ausſprache macht es
wenig wahrſcheinlich. Von ausfallendem n. vor gutt.
in tonloſer endung gibt uns hier umgekehrt N. einen
beleg in tuged, tugedig ſt. tugend, tugendig. — Bei dem
in und auslautenden r iſt es wichtig, auf diejenigen
fälle zu merken, in welchen ſich r aus dem früheren ſ
entwickelt hat. Daß ſ als das ältere und r als das jün-
gere zu betrachten iſt, folgt theils aus der oben ſ. 65.
nachgewieſenen latein. analogie, theils aus der progreſ-
ſion des r in wörtern, die im alth. noch ihr ſ behaupten.
In folgenden fällen erſetzt ein alth. r das goth. ſ oder z:
im nom. ſing. maſc. des adj. — im gen. u. dat. ſg. fem.
und im gen. pl. des adj. — im comparat. — ſodann in:
kar (vas) ahir (ſpica) aran (meſſis) peri (bacca) nerjan
(ſalvare) mir. thir. ir (ex) ir (vos) wir (nos) êr (aes) mêr
(magis) ſêr (dolor) hêr (ſplendens) *) gêr (telum) kêran.
lêran. trôr (ſanguis, ſtilla) rôr (arundo) ôra (auris) hôrjan
(audire) tior (fera)- in den pl. praet. wârun, birun, lurun,
churun, und vermuthlich noch in andern, deren ur-
ſprüngliches ſ erſt fortgeſetzte unterſuchung lehren wird **).
Geblieben iſt im gen. ſg. maſc. und neutr. — zum theil
in denſelben wörtern, deren ableitung oder flexion be-
reits r hat, als: nëſan (bene valere) trioſan (cadere, ſtil-
lare) wëſan, was; lëſan, las, lâſun; haſo (lepus); gëſtar
(heſternus) ***) kioſan, kôs; lioſan, lôs; îſarn (ferrum) etc.
ſo daß für den übergang keine conſequente analogie zu
finden iſt; man vergleiche lëſan, las, lâſun mit wëſan,
[122]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
was, wârun. Wörter und formen, die am häufigſten ge-
braucht wurden, ſcheinen ſich zuerſt dem r bequemt zu
haben (mehr unten beim f.). — Zwiſchen r und l gilt
kein wechſel (ausnahme: chilecha f. chirihha N. 34, 18.
101, 7. 143, 2.) und durch aſſimilation fillorane ſt. firlo-
rane O. I. 23, 73; zwiſchen l und n wohl nur in der ver-
bindung ſl. ſn, wovon unten beim f. —
gemination der liquiden iſt häufig, LL, MM, NN, RR,
man merke aber: nur im inlaut, im auslaut wird der conſ.
einfach, z. b. ſcal, klam, ſpan, war, praeterita von ſcëllan,
klimman, ſpinnan, wërran; desgl. im nom. fal, man,
gen. falles, mannes. Dieſe vereinfachung kann und muß
dem umlaut des inlautenden b und d in ein auslautendes
p und t verglichen werden, woraus ſich der wichtige
ſatz ergibt, daß die einfache liq. gleich der tenuis)
härter, die doppelte liq. (gleich der med.) miider laute.
Mundarten, welche die media der ten. vorziehen, wer-
den ſich ſtets zur gemination neigen (z. b. die däniſche)
und ſchon im allgemeinen haben wir in der gemination
ein ſpäteres, ſchwächendes princip zu erkennen geglaubt.
Wurde nun jener ſchreibung gemäß auch ausgeſprochen?
Ich bejahe dies und glaube ſelbſt, daß ohne die aus-
ſprache der einfache conſonantauslaut nicht geſchrieben
worden wäre. Die neuh. ſchreibung, fall, mann etc.
beweiſt nichts dawider, indem auch gab, rad etc. ge-
ſchrieben wird ſt. gap. rat. Im alt- und mittelh. ſprach
man fal (caſus) und tal (vallis) ganz gleich aus, uner-
achtet jenes den gen. falles, dieſes tales machte *). Da
nun der geminierte laut poſition erzeugt, ſo ſind die
angeführten gen. geſchärft, die nom. ſchwebend aus-
zuſprechen **). Übrigens tritt auch im inlaut die ver-
einfachte liq. ein, wenn das t des zuſammengezogenen
ſchw. praet. anſtößt, z. b. hulta, mamta, nanta, tharta,
[123]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
biwamt ſt. hullita, memmita, nennita, therrita, biwem-
mit, (maculatus).
Meine anſicht der gemination bewährt ſich ferner
durch die mögliche nachweiſung mancher geminationen
aus älteren conſonantverbindungen und ſolcher beiſpiele
liefern die mittel- und neuh. ſprache fortwährend mehr.
Wie viele ll. nn. rr entſtehen nicht durch li. ni. ri. das
die ableitung bildende i wird entweder in der gemi-
nation verſchlungen, beiſpiele: brunna (thorax) ſellen
(tradere) bûrro, werren (tueri) jüngere formen als: brunja,
ſaljan, bûrjo, warjan; oder es bleibt daneben beſtehen,
als kunni (genus) menni (monile) gl. jun. 214. ſt. kuni,
mani; fenni (lutum) goth. fani (woher das franz.
fange); henna (gallina) ſt. hanja. Aus bn. mn ent-
wickelte ſich zuletzt mm, nn in ſtimma, nennen; frü-
her ſtibna, ſtimua, namnjan, nemnjen, nennjen. Aus
madmun [...]i (lenitas) mammunti; aus guotlìhhìn (gloria)
bei I. cuatlìhhì bei K., ſpäter guallichî bei O. guol-
lichî bei N und W. Nicht unwahrſcheinlich beruht
wallôn (peregre abire) auf einem älteren wadalôn, wad-
lôn von wadal (vagus, exſul, mendicus) hergeleitet, und
ſelbſt wal (gen. walles, munimentum) dürſte durch ein
früheres dl erläutert werden, wenn man das goth. vadd-
jus erwägt, vgl. ëddo, odo und Notkers alde (aut);
gruntſëllôn (N. 77, 69.) f. gruntſëdilòn; illan (feſtinare)
mit ïddja, und über den wechſel des einfachen d mit I
Schneider p. 255. 256. (ſo iſt auch unſer ſilabar genau
das lith. ſidabras). Andere ll, wie al, alles, fal, falles etc.
ſcheinen freilich uralt. — Endlich läßt ſich manchen rr
der urſprung aus rn und rs nachweiſen: ſtërro, fërra aus
ſtërno, fërna (vgl. Stalder dial. p. 68.); irri, thurri, wir-
ran, merren, farr (taurus) etc. deuten auf ältere formen:
irſi, wirſan, marſjan, fars, wie theils einzeln ſtehen ge-
bliebene rs darthun, namentlich wirs (pejus) thurſt (ſitis)
ferſa (vacca), theils die goth. thaúrſis, airzjan, marz-
jan *). — Unbekannt hingegen ſind der alth. mundart
die aſſimilationen des nd und ld in nn, ll. — **)
In- und auslautende verbindung der liq. mit andern
conſonanten.
LM halm. malm. galm. folma (manus) ſalm (pſal-
mus) ſuilm (ſopor) hëlm. ſcëlmo (peſtis); kein ln, lr. —
LB. albiƷ (cignus) dëlban (fodere) ſalbôn. chalbir. LF.
hëlfan. LP. chalp. halp. ſalp. dalp. LD. wildi (ferus)
baldo (audacter) ſculdî (debita) holdan (carum) golde
(auro) waldes (ſilvae). LT. kalt. alt. giwalt. ſchilt. wal-
tan. faltan. ſpaltan. gëltan. molta. hilta (pugna). LS.
hals. LST. galſtar (faſcinum) gëlſtar (tributum) polſtar
(capitale). — LZ. halz (claudus) ſalz. ſmalz. holz. palz
(balteus) malz. polz. falzan. walzan. galza (ſucula).
ſpëlza. hëlza (capulus) wilzî (veletabi) filz (cento) ſulza
(muria) milzi (ſplen) ſmilzan. — LG. palg (follis) ſuëlg
(heluo) bëlgan. felga. LK. ſcalk. folk. tolk (vulnus). —
M leidet nur labiales neben ſich, weder linguales noch
gutturales *). MB. umbi. wamba. ambaht. zimbar. imbi
(examen). kambar (ſtrenuus, woher der volksname cim-
bri) chumbirra (tribus). MF. kempho (pugil) limfan.
dimfan. damph. fimf. ſcimph. MFT. ſamfto (mite)
ramft (labrum). numft. kumft. gizumft. MP. champ
(corona, criſta) krump. lamp. ſuamp. — N. läßt nur
lingual. und gutt. auf ſich folgen, keine labíales. Ein-
zige ausnahme finf (neben dem urſpr. fimf), ſo wie ſpäter
ſanfte und ranft. NG. fangan. gangan. hangan. ſuangar.
lang. ring. ding. gingo (ſpes) ſingan. bringan. pungo. (ana-
gallis) lunga (pulmo) lungar (expeditus) etc. NK. krank.
thank. wankôn. ſtank. ſkrank (fraus) bank. ſkinko (tibia)
trinkan. winkan. ſinkan etc. **) ND. bindan. findan.
ſlindan. ſindo (comes) linda (tilia) kindes. hindar. endi.
**)
[125]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
ſendjan. zundjan. hendî (manus pl.) andar. landes etc.
NT. ſant. rant. lant. hant. want. pfant. kint. wint. hunt.
phunt. grunt. munt. friunt etc. NS. gans. grans (prora)
zins. flins. uns. funs. runs. thinſan. linſi (lens) winſôn
(mutire) zinſera (thuribulum), endungen auf-anſa. NST.
anſt. gunſt. kunſt. brunſt. finſtar. NZ. ganz (ſanus) zuan-
zig. manzo (uber) kranz (diadema). lenzo (ver). benzo.
phlanza (plantatio) minza (menta) palinza. winzuril (vi-
nitor). winzan (lacerare). runzila (ruga). grunzig (celia),
endungen auf -enza. — RM. arm. harm. darm. ſuarm
etc. RN. ſcërn (ſcurrilitas) kërno. dorn. horn. korn.
hirni. harn etc. RB. huërban. ſtërban. etc. RF. dorf.
ſarf. wërfan. ſcurfen etc. RP. huarp. ſtarp etc. RD.
ërda. wërdan. ërdo (ſive) quërdar (eſca) mordar (homi-
cidium) gardea (virga) etc. RT. bart (barba) zart (te-
ner) fart (iter) wort (verbum) ſport (ſtadium) ort (cuſpis)
hort (theſaurus) prort und prart (labium, margo) furt
(vadum) artôn (colere) garto (hortus) rarta (loquela)
warten (tueri) irwartniſſi (corruptio) herti (durus) hirti
(paſtor) phorta (porta) chortar (grex). RS. wirs (pejus)
hirſi (milium) fërſana (calx). RST. durſt. wurſt. porſt.
harſtja (ſartago). RZ. ſuarz. harz. warza (verruca) hërza.
wurz etc. RG. bërg. duërg ( [...]us) ſcurgan (pellere) etc.
RK. wërk. etc. Viele dieſer zahlreichen conſonautver-
bindungen mit vorſtehender liquida gehen die buchſta-
benlehre nicht näher an und ſind daher nur mit einigen
beiſpielen berührt worden. Es leuchtet ein, daß ſie
auf ſyncopen beruhen; namentlich iſt in den formeln
lg. lp. rf. rm. rp. rg ein vocal dazwiſchen ausgefallen
und es finden ſich noch zuweilen vollſtändig halap. ſila-
bar. aram. ſuaram. huaraf (ſtamen) thorof (oppidum)
eribo (heres) huarabôn. bërag etc. Manche wörter ſyn-
copieren im alth. gar nicht, die es ſpäter gleichfalls
thun z. b. hiruƷ (cervus) pinuƷ (juncus) muniƷa (mo-
neta) biliſa (milimindrum) biladi (imago) ſeniph (ſinapi)
haniph (cannabis); vorzüglich merke man, daß der ſpi-
rant h und die aſp. ch (hh) noch nicht gern unmittel-
bar auf liq. folgt, daher wërah (opus) ſtorah (ciconia)
lerihha (alauda) pirihha (betula) fëlahan (commendare)
etc. Dies berechtigt uns, theils in nicht mehr zu be-
legenden fällen gleiche aufhebung der ſyncope zu ver-
muthen, z. b. ſtatt winzâri (vinitor) ein älteres winiƷâri
und vielleicht wîniƷâri; theils für ſolche wörter unge-
achtet der poſition noch eine zeitlang ſchwebende aus-
ſprache anzunehmen.
Wichtiger iſt uns hier folgendes. mb und mp neigen
ſich allmählig zu der aſſimilation mm*); mft geht über
in uft. Daß der rs vordem mehr geweſen, iſt beim rr
angezeigt worden; — rt muß man zweierlei ſcheiden,
theils entſprechen ſie dem goth. rd (wort. ſport. herti.
hirti. warten.) theils dem goth. zd (hort. ort. prort.
rarta) vgl. oben ſ. 67. und vorhin ſ. 121. über das frühere
ſ ſtatt r. Bei einigen geht der goth. beleg ab **). —
In den älteſten runen nur zwei zeichen zu allen
lippenlauten, nämlich für b und f, birihha (betula) und
fihu (pecus) benannt; den ſpiranten v drückte zugleich
die rune u aus und die tenuis p. ſcheint als anlaut ſel-
ten oder nur in fremden wörtern vorgekommen zu ſeyn
(vgl. oben ſ. 55.). Die ſächſ. runen fügen einen buch-
ſtab für v (w) hinzu, den ſie vên (opinio) und für p,
den ſie peord (verna, bauer im ſchachſpiel) benennen.
Der letzte name iſt aber dem alth. p unangemeßen,
theils weil das wort in der entſprechenden form përt
nicht gefunden wird, theils dem ſächſ. anlaut p mei-
ſtens der alth. anlaut ph. begegnet, auch vielleicht das
mittelh. pfërt (equus) dasſelbe wort iſt ***). Die nord.
form für peord lautet pëd (? pëdd), womit der perſiſche
name derſelben figur im ſchach: padeh (ital. pedone,
[127]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
franz. pion) merkwürdig einſtimmt, vermuthlich von
pada (pes) abzuleiten, fußgänger, gemeiner ſoldat im
gegenſatz zum reiter. Dem ſey nun, wie ihm wolle,
die rune p. eignet ſich für die alth. tenuis nicht, und
es beſteht ein ganz anders verhältniß der labiales, als
im nord. ſächſ. und goth., nämlich der goth. reihe
p. b. f. v. entſpricht ſtrengalthochdeutſch: f. p. v. w,
ſo daß die media b völlig ausgeht, f aber durch ph
und v durch bh näher erklärt werden muß. Dieſes vor-
herrſchen der aſpiration beruht im grunde auf der ver-
wandlung des einfachen p in ph und die unterſuchung
hat folgenden gang zu nehmen: erſtens iſt zu zeigen,
daß das übergewicht der aſpiration auch im althochd.
unorganiſch und unurſprünglich ſey; alsdann bleibt die
freilich ſchwankende regel der alth. labiales ſelbſt zu
erörtern. Den beweis jenes ſatzes ſuche ich in nach-
ſtehenden puncten
Nachdem ich dargethan habe, daß im älteſten hoch-
deutſch ganz die goth. vertheilung und beſtimmung der
lippenlaute eingetreten zu ſeyn ſcheint, handelt es ſich
um die nähere darſtellung des eigentlichen verhältniſſes
dieſer conſonanten im 8 - 10. jahrh. wobei nun jene ſpu-
ren des früheren zuſtandes übergangen werden können.
(P und B) die tenuis entſpricht im an- in- und
auslaut der goth. media b. und ſtrenghochd. denkmäh-
ler, namentlich die hrab. und monſ. gl. ſchreiben nicht
nur im auslaute: kap (dedit) ſcreip (ſcripſit) ſtap (bacu-
lus) ſondern auch in- und anlautend: këpa (donum)
ſcripun, ſtapâ, trîpan, opaƷ, upar, umpi, zimpar; pat
I
[130]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
(rogavit) pipar (caſtor) pim (ſum) pein (os) pano (homi-
cida) puah (liber) pluamo (flos) prinkan (afferre) etc.
Dieſe könnten des b völlig entrathen, es lauft jedoch
zuweilen im inlaut mitunter, nie im auslaut, ſeltner im
anlaut. Andere quellen, K., die gl. jun., die hymnen etc.
räumen dem b mehr und in der regel beſtändig den in-
laut ein, während p nothwendig aus- und faſt immer
anlautet. J. hat die eigenheit, daß er das anlautende p
nur in fremden wörtern (porta, paſſio, paradîſi), das
auslautende nur in einigen, als 356. ſëlp 404. chalp dul-
det, ſonſt aber im auslaut die aſp. ſetzt, als 352. 402.
ûph, 372. ſcreiph. 394. 395. bileiph; dem an- und inlaute
gibt er b*). Noch weiter endlich gehen O. und T.,
welche das p gänzlich vernachläßigen, d. h. zwar in
fremden wörtern (porta, tempil) in deutſchen aber bloß
in der verbindung ſp. und inlautend vor t (kûmpta, gi-
loupta) dulden, ſonſt überall und namentlich im auslaut
(wîb. lîb. huob. ſtarb. gab) die media zeigen.
Eine viel conſequentere, ihm völlig eigenthümliche
regel beobachtet N., der bei oberflächlicher anſicht will-
kürlich zwiſchen p und b oft in der nämlichen zeile
zu ſchwanken ſcheint. Aufmerkſamkeit lehrte mich,
daß er (die form ſp. und einige fremde wörter abge-
rechnet) die ten. nie im in- und auslaut, ſondern ſtets
die med. ſetzt, alſo: trîben, habên, umbe, ubelî, gibet;
halb, warb, gab, treib etc. Der anlaut hingegen rich-
tet ſich nach dem auslaut des vorhergehenden worts.
Iſt dieſer auslaut ein vocal oder eine liq.; ſo hat das
nächſte wort im anlaut die media b; — war er die ſpi-
rans h oder eine lab. ling. oder gutt. ſo folgt im anlaut
die tenuis p und dasſelbe geſchieht endlich, wenn mit
dem anlaut ein ganz neuer ſatz beginnt, weil dann der
auslaut des vorigen zu weit getrennt iſt und nicht wei-
ter einwirkt. Letzteres ſcheint zugleich darzuthun, daß
N. in ſolchen wörtern die ten. für den wahren, nur den
umſtänden nach in die med. umlautenden buchſtab hält.
Beiſpiele ergeben ſich allenthalben und widerſprechende
ungenauigkeiten der pſalmenausgabe kommen nicht in
betracht. Es muß daher heißen: ih pin, aber ih ne
bin; des pëlgen, aber: ſelben bëlgen (98, 1.); got pë-
tôjên, wir bëtôjên (96, 7.) ih pito, mînero bitûn (118, 116);
[131]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
dîn bin ih, ſilo breit, ſint pediu (118, 90, 94, 96) mih
pînont (12, 5) îlet pehuoten, der behuotet (18, 12) und
ſo überall in unzähligen fällen. — Dem feinhörigen N.
folgen andere und ſpätere nicht, namentlich, was zu
verwundern iſt, keiner der mittelh. dichter.
Für jede der angegebenen verſchiedenheiten im ge-
brauche des p und b zeit und mundart feſtzuſetzen, hält
ſchwer; es ſtimmen hier denkmähler zuſammen, die in
andern ſtücken abweichen, z. b. O. und T.; während
O. und K., die ſonſt ia, ua gemein haben, darin von
einander abſtehen. Das vorherrſchende, umlautende b.
bei T. und O. ſtimmt zur neuh., dagegen der inlaut b.
und auslaut p. zur mittelh. weiſe. Dieſer umlaut zwi-
ſchen b. und p. (loup, loubes) vergleicht ſich zunächſt
dem goth. wechſel des f und b in denſelben wörtern
(láuf, laubis) und noch vollkommner J. lîban, leiph
(goth. hleiban, hláif); überhaupt entfernt ſich J. am
wenigſten von der goth. lautvertheilung.
(F. PH. PF.) die alth. aſp. entſpricht der goth. ten.
und eigentlich nicht der goth. aſp., welcher vielmehr
das alth. v. gleicht; doch aber finden miſchungen beider
alth. aſp., des f und des v ſtatt. Vorerſt will ich hier
fragen, ob f. ein einfacher oder doppelter laut ſey? und
antworten, ein doppelter. Daß ein beſonderer buch-
ſtab vorhanden iſt, beweiſt nicht dawider, man müſte
dann auch das nord. u. ſächſ. þ für einen einfachen
conſ. erklären; die drei aſp. f. þ und ch. ſtehen ſich aber
gewiß gleich. Eher könnte bedenklich machen, daß
lat. grammatiker zwiſchen ph und f. unterſcheiden
(Schneider p. 263-266.), wiewohl andern beide zuſam-
menfallen und das gr. φ in der regel durch das lat. f.
ausgedrückt wurde (Schn. p. 201.). Unterſchied iſt frei-
lich möglich und in der that merklich, aber nur zwi-
ſchen zweierlei aſpiratis, dem ph und bh, oder zwiſchen
der aſp. und triphthongen, wie pf (das iſt pph) und bf
(bph) ſind, deren gleich erwähnt werden wird. — Nun-
mehr ſtelle ich auf: das eine alth. f. entſpricht der goth.
ten. oder iſt mit andern worten das aſpiriert gewordene
goth. p, folglich jederzeit ſcharf wie ph und nie wie bh
auszuſprechen. Es wird daher häufig noch ph geſchrieben
(F. V.) die zweite alth. aſp. entſpricht der goth.
aſp. *) und wird zumahl in denkmählern, welche die
erſte aſp. mit f ausdrücken, zum unterſchiede v ge-
ſchrieben; hierdurch iſt der mittel- und neuh. gebrauch
des v begründet, welches v nie oder nur misbräuchlich
an die ſtelle jenes erſten f treten kann. Beiderlei laut
war urſprünglich und ſo weſentlich verſchieden, als die
goth. ten. von der goth. aſp. Man ſpreche das v (oder
zweite f) milder als das vorige f und etwa zwiſchen
[135]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
ph und w, alſo wie bh aus, gleich dem goth. f in gaf,
þiuf (oben ſ. 55.), kurz gleich dem ſächſ. ƀ. Geſchrie-
ben wird es gewöhnlich mit dem vocalzeichen u, was
doch die grammatik billig meidet, um verwechſelung
mit dem vocallaut, zumahl in diphthongen und in ein-
zelnen fällen mit dem w zu verhüten. Dem w liegt
freilich das v ſehr nahe *) und ein ungeübtes ohr un-
terſcheidet beide im inlaute ſchwer von einander;
gleichwohl iſt der unterſchied ſo weſentlich, daß mit-
telh. genaue reimer kein v und w aufeinander reimen
(z. b. nie grâven, comitem, auf gràwen, caneſcere) und
im alth. ſind z. b. fravallicho (audacter) und frawalicho
(laete) hörbar verſchiedene wörter. Noch ſchwieriger
fällt die unterſcheidung des anlautenden v, von dem f
und beide ſind hier offenbar frühe ſchon vermiſcht, d. h.
das v iſt wie f geſprochen worden. Im auslaute wird
ſogar niemahls v geſchrieben.
(W) dem labialſpiranten gewähren die nord. runen
kein eigenes zeichen, ſondern drücken ihn mit dem ûr
aus; die ſächſ. haben dafür einen beſonderen deutlich
dem lat. und goth. v verwandten buchſtab, welcher im
alth. ſchon deshalb nicht länger gelten kann, weil das
einfache v. zur bezeichnung der einen aſp. dient. Der
alth. ſpirant bezeichnet ſich vielmehr mit dem doppel-
ten v, nämlich vv oder verſchlungen w, ſtatt welches
die alten hſſ., wie ſie u für v ſchreiben, uu ſetzen. Bei
J. K. O. T. N. gl. hrab. jun. etc. findet ſich uu, weder vv,
noch uv, noch vu*) geſchrieben, ſo daß wenn der ſpi-
rant in der mitte zweier vocale u ſtehet oder û voraus-
geht, uuuu erfolgen kann, z. b. puuuuit (colit) hriuuuuu
(poenitentiam) N. 59, 4. drei u aber häufig vorkommen,
als: uuuntar (miraculum) zëſauuun (dexteram) triuuua
(fides) niuuuî (novities) **). Dieſem übelſtand wird aber
[138]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
durch accentuation und dehnzeichen meiſtens begegnet,
z. b. pûuuit, uuúntar, zëſauuûn geſchrieben *), oft auch
das w ausgeſtoßen, als pûan ſt. pûwan. Die ſchreibung
vv neben uu findet ſich in den ker. gl.; ſpäter wird vu
gebräuchlich (vgl. gl. monſ. und doc.), uv zeigt Wille-
râm vgl. gl. doc. anauvëſant, uvînrëpa, uvintila etc.
Ob alle dieſe verſchiedenheiten bloß graphiſch oder auch
für die ausſprache wichtig ſind, hat mancherlei beden-
ken und ich komme vielleicht noch nicht zum befrie-
digenden ſchluß.
BB. PP. [nur bei vorausgehendem kurzem vocal der
wurzel *)] ſchwanken, weil die einfachen inlaute b
und p ſchwanken, und nach demſelben maßſtab **).
O. und T. ſchreiben: ſibba (pax, cognatio) ſibbo (cogna-
tus) ubbîg (vacuus) gotowëbbi (byſſus) ***)) ſtubbi (pulvis);
K. libbe (parcat) neben lippanti (parcens) und ſo andere:
ſippa, uppîg, gotawëppi, lappa (lacinia) ſtuppi, luppi (vene-
ficium) wuppa (tela) rippa (coſta) inſueppen (ſopire) gl.
hrab. 774b; pideppen (opprimere) gl. monſ. 382; ſcappâri
(vellus) gl. jun 232. etc. es gibt dieſer formen überhaupt
nur wenige. Die gemination ſcheint in ihnen nicht ur-
ſprünglich und durch ein allmählig unterdrücktes i
veranlaßt z. b. ſippa aus ſipja, ſibja entſtanden, ſtuppes
(pulveris) aus ſtûbjes etc. Dies folgt mir 1) aus dem
zuweilen einfachen conſ. N. z. b. ſchreibt ſcapâre (vellus)
liben (parcere) und ſelbſt K. libanto (parcendo) 2) aus
[149]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
dem einfachen conſ. der wurzeln wëban, ſtiuban, ſuëban
(ceſſare, dormire) von denen wëbbi, ſtubbi, inſuebjan
abſtammen. 3) aus dem einfachen der nord. wörter ſif,
ſifjar; rif gen. pl. rifja; vëfr, vëfjar. 4) aus der ſchrei-
bung bp und pb in andern wörtern, wo der vorſtehende
doppelvocal den doppelten conſ. als tadelhaft erſcheinen
läßt, vgl. erlaubpan K. 20a kelaubpames K. 27b truabpe
K. 44b 57a offenbar für laubjan, laubjames, truabje. Und
nun findet ſich gerade auch in jenen wörtern ubpîg gl.
hrab. 978. ſipbea J. 372. und erlauppe K. 57b. — FF. das
unorganiſche dieſer gemination die eigentlich phph be-
deutet, habe ich vorhin ſ. 133. nachgewieſen, auch er-
wähnt, daß zuweilen noch der alte laut p ſtatt ph in
der gemination pp erſcheine, z. b. crippea (praeſepe)
T. 6, 2. ſt. cripha, criphea (von criphen, cripfen, vellere).
Ein ſolches pp darf mit dem vorigen pp nicht vermiſcht
werden, iſt auch bei T. welcher bb ſchreibt, wohl davon
geſchieden und dem ſtrengalth. pph (ſ. 134.) entſprechend. —
Gemination des v und w tritt durchaus nicht ein. —
Labialverbindungen. Unter den anlautenden beur-
theilen ſich pl. pr. bl. br. fl. fr. vl. vr. nach dem. was
üher die einfachen labiales geſagt worden iſt, von ſelbſt.
Wegen wl, wr ſ. 141. Im in- und auslaut beinahe keine
verbindung einer vorſtehenden lab. mit andern conſo-
nanzen, außer im fall offenbarer contraction, z. b. zuiflôn
ſt. zuifalôn. zuivalôn. Alleinige erwähnung verdienen
hier die formen fs und ft. FS. (phs) anßer chafſa (capſa)
nur in lëfſa, T. 84. lëfſura (labium) wëfſa (veſpa) refſjan
(increpare) und trefs (lolium) entſpricht dem ſächſ. ſp.
(wëſpe, reſpen, dreſpe); man verwechſele nicht mit fs das
zuſammengezogene fz (nafzen. rofzen ſt. nafizen, rofozen)
wie im neuh. lefze ſt. leſſe geſchehen iſt. Ein anlautendes
fſ. oder pſ. iſt der hochd. ſprache zuwider, die ſogar das
fremde pſalmus in ſalm verweichlicht, pſalterium in ſaltâri
(doch bei J. iſt pſalm beibehalten), pſittacus in ſittih. —
FT (pht) after, (graft ſculptura N. 96, 7.) giſcaft (creatura)
-haft, chraft, ſcrift, gift, ſtift (machinatio) ofto, luft,
lauft (curſus) wuoft (fletus) etc. (die formen mſt oben
ſ. 124.) Ein ſchwanken zwiſchen f und ft beginnt ſchon
jetzo, indem K. neben wuaf (fletus) wuaft zeigt. Spä-
ter werden -ſcaf und ſaf (ſuccus) zu -ſcaft, ſaft; um-
gekehrt lauft zu lauf. Das alth. ft erſcheint übrigens
conſequenter, als das goth. ft (für pt, bt? oben ſ. 56.)
dem es entſpricht.
Drei alte runen für die tenuis, aſp. und ſpirans,
mit namen gewiß noch aus heidniſcher zeit, da die
wörter ſelbſt frühe untergegangen ſind. Die ten. heißt
im nord. tŷr, gen. tŷs, acc. tŷ und bedeutet den hei-
dengott Tŷr (Mars) von welchem der dritte wochentag
tŷsdagr (dies martis) den namen trägt. Die muthmaß-
liche goth. form würde tius, gen. tivis lauten, die ſächſ.
iſt tî, gen. tîves, der tagsname tîvesdäg, engl. twesday,
tuesday. Das neuh. und niederl. dienstag, dynsdag,
dingsdag beruht auf einer ſpäteren entſtellung und die
ableitung von ding (cauſa) iſt grundfalſch. Die aſp-
wird im nord. þurs (gigas) im ſächſ. aber þorn (ſpina)
und ſo auch ſelbſt in dem ſpäteren nord. alphabet be-
nannt. Die ſpirans heißt ſôl, ohne zweifel das goth,
ſáuïl, welches neben ſunnô beſteht und im goth. hochd.
und ſächſ. (nicht im nord.) allmählig von letzterm ver-
drängt worden iſt. — Hält man dieſe drei runen zu de-
nen der labialordnung, ſo ergibt ſich die einſtimmung,
daß hier, wie dort die aſp. f. (ph), die aſp. þ (th) hervor-
gehoben, dafür ten. und med. unter einem zeichen be-
griffen wird; hingegen der unterſchied, daß für den un-
aſpirierten laut dort runenzeichen und name (biörk) vor-
zugsweiſe der media b., hier umgekehrt der tenuis (tŷr)
gilt. Der grund iſt wohl in der ſeltenheit der anlauten-
den labialtenuis zu ſuchen. Ein anderer unterſchied
zeigt ſich darin, daß die ſpirans ſ. (ſo wie beim kehl-
laut h) eignes zeichen hat, die ſpirans v aber keins, in-
dem für dieſe das vocalzeichen u mitdient, wie denn
überhaupt v in verſchiedner hinſicht mehr dem j parallel
ſteht, als dem h und ſ.
Die ſpätern runen bleiben einſtimmig in bezeichnung
und benennung der ſpirans ſ., denn das angelſ. ſigel
(ſol) *)
und markomann. ſugil, ſuhil, ſuigil ſind dem
goth. ſáuïl unverkennbar ähnlich; im altſ. ſteht ſuigli
entw. für ſonne oder das wohl verwandte angelſ. ſwëgel
(coelum). Wichtiger wird uns hier die einführung einer
neuen rune für den begriff der media d, welche ſchick-
lich den angelſ. namen däg (dies) und ein eignes zeichen
bekommt. Dieſes zeichen wird nun in dem ſangaller
(mit dem angelſ. überhaupt analogen) alphabet ſammt
[151]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
dem namen beibehalten, letzterer aber der hochd. mund-
art gemäß tag und nicht dag geſchrieben, während tî
unverändert gelaßen iſt; ſo ſtehen alſo den angelſ. runen
t (tî, oder tîr) d (däg) þ (þorn) die ſangaller t (tî) d (tag)
þ (dorn) gegenüber und die namen tî und tag drücken
ſcheinbar dieſelbe tenuis aus. Dieſer misgriff iſt in den
andern hochd. niederſchreibungen runiſcher alphabete
vermieden und eine der hochd. lautverſchiebung ange-
meßene verrückung der namen vorgenommen worden:
die ten. hat das alte zeichen behalten, heißt aber nicht
mehr tî ſondern tac (dies); die media iſt aufgegeben,
dafür findet ſich eine doppelte aſp. nämlich th [mit dem
zeichen der ſächſ. media d und dem namen thorn *)]
und z (mit dem durch zwei zugefügte nebenſtriche ver-
änderten zeichen der alten tenuis und dem richtigen na-
men ziu, d. i. mars). Kurz, die namen tag, thorn (dorn),
ziu **) entſprechen völlig den ſächſ. däg, þorn, tî, wech-
ſeln aber unter ſich zeichen und ausſprache. und ſo
führt ſchon die runenſchrift auf den für die beſtimmang
der ausſprache alth. linguales wichtigſten ſatz: daß hier,
wie bei den labiales, die urſprüngliche ordnung der laute
verſchoben erſcheint. Dort war, ſtrenge genommen, die
med. b überflüßig, die ten. p zur aſp. und die alte aſp.
zu einer zweiten aſp. geworden, an die ſtelle der med.
aber die ten. p. getreten. Dieſer einrichtung der labia-
les p. ph. v. entſprechen die alth. linguales t, z und th,
wie ſich aus der näheren darſtellung deutlich beſtätigen
wird. Vorher habe ich auch hier zu zeigen, daß das
übergewicht der aſpiration in den alth. zungenlauten,
namentlich die verdrängung des t durch z (wie dort des
p durch ph) als etwas unorganiſches zu betrachten ſey.
Dies vorausgeſchickt laße ich die nähere darſtellung
der alth. linguales folgen.
(T und D) die ten. entſpricht (außer jenen vorhin
unter 5 und 6. angegebenen fällen und ſpuren) nirgends
der goth. und ſächſ. ten., ſondern der media, die alth.
med. hingegen bald der med. bald der aſp. des Gothen.
Der ſtrengalth. mundart ſcheint es angemeßen überall
im an- in- und auslaut t ſtatt des frühern d zu ge-
brauchen, folglich teil (pars) plint (coecum) plintêr (coe-
cus) zu ſchreiben; ja ſogar für die goth. aſp. ſchleicht
ſich, zumahl im auslaut (vgl. mit, it-, got, Deus etc.)
hin und wieder im inlaut (gotes), kaum im anlaut (außer
bei N.) die alth. ten. ein ***). Dazu kommt, daß viele
denkmähler häufig die alte med. beibehalten. Unter eine
[157]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
allgemeine regel fügen ſie ſich durchaus nicht, ſondern
beinahe jede quelle befolgt ihre eigene weiſe, weshalb
ich die einzelnen in der kürze ſchildern muß. Man
wird insgemein ſchwanken zwiſchen dem nachwirken-
den alten organismus und dem ſyſtem der neuen laut-
verſchiebung wahrnehmen. In den ſtrengalth. denkmäh-
lern iſt jener zumeiſt aufgegeben, dafür aber mehr con-
ſequenz in die ihn erſetzende neue einrichtung gebracht.
Die vorgenommene muſterung faße ich in einen
ſchluß zuſammen: für den goth. in- und auslaut iſt das
verhältniß leicht, die meiſten alth. quellen zeigen t für
d, d für þ; beim anlaut nachſtehende verſchiedenheiten:
goth. d: O. d; T. t; K. t; N. t, d; — goth. þ: O. th;
T. th; K. d; N. t, d. Der geſtörte organiſmus offen-
bart ſich, denn O. weiß kein t, T. kein d. K. kein
th im anlaut zu verwenden, gleichwohl half ſich jede
mundart nach ihrem vermögen; mit der alten aſp. war
O. auch noch die alte med. vergönnt und die alte ten.
gab er durch z, die reihe ſeiner anlaute ſcheint alſo un-
tadelhaft, aber im in- und auslaut weicht er ab und
folgt dem ſtrome der übrigen alth. maſſe. T. hat ſchon
ſeinen anlaut t mit dieſer ins gleichgewicht gebracht,
es iſt ſchwer zu ſagen, ob in der ausſprache ſein t dem
otfr. d, oder ſein th dem keron. d. näher gekommen ſey.
Bei K verdient die ausgleichung der an- und inlaute
lob und der verluſt der aſp. th ſcheint eigentlich durch
die andere aſp. z vollkommen ausgefüllt. Im kleinen
ergeben ſich bei allen ausnahmen und beſonderheiten,
die hier nicht dargeſtellt werden können, aber die auf-
merkſamkeit der herausgeber einzelner denkmähler in
anſpruch nehmen. — Frühes, aber wohl einziges bei-
ſpiel einer apocope des t oder d bei vorausgehendem
n iſt zan (dens) pl. zenî ſt. zant, zendî. welcher letztere
inlaut noch lange hin und wieder vortritt. Die -en
der neuh. tert. pl. entſpringen alle aus-ent.
Der ſtand des t oder d in den liquiden verbindun-
gen lt. nt. rt; ld. nd. rd; fordert noch eine nähere be-
trachtung, als ſie oben ſ. 124. 125. angeſtellt werden konnte.
[160]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
Folgerichtig entſprechen die drei erſtgenannten dem
goth. ld. nd. rd; die drei letztgenannten aber dem goth.
lþ. nþ. rþ; mithin ſollte in- und auslautend: alt. alti-
nôn (differre) hagi-ſtalt. kalt. haltan, hialt. waltan, gi-
walt. ſpaltan. gëlt. gëltan. zëlt. ſëlt-. ſcëltan. ſpëlta (ta-
bula) milti. ſcilt, ſciltes. molta. gidult (patientia);
ſcanta. want, wentî. hant, hentî. lant, lantes. brant
(titio). rant, rantes. tantarôn (delirare). wantala (nego-
tium) ſant, ſantes. abant. ſtantan. zantro (calculus pruna).
enti (finis) lentî (renes) blint, blintes. wint, wintes. win-
tar. hinta (cerva). rinta. linta (tilia) ſint (ſunt) ſintar (ſcoria)
bintan, bant. ſlintan. wintan. hintar. untar. wuntar.
ſuntar (ſeorſim) hunt. gunt (virus) grunt. munt (pro-
tectio) muntôn (tueri) wunta. ſcrunta. ſunta (culpa);
harto, herti. zart. wart, wartan. artôn (colere) fnartôn
(anhelare) wertiſàl (corruptio) hirti. wirt, ort, ortes.
hort. wort, nort (ſeptentrio) hurt. furt. giburt etc. ge-
ſchrieben werden, hingegen (oft würden ſonſt einzelne
wörter zuſ. fallen): bald, baldes. hald (proclivis), haldjan
(vergere) wald, waldes. faldan. wildi. gold, goldes. wol-
dar. hold, huldî. ſculd. tuld (ſolemnitas); andar. zand,
zendî. fandôn (O. I. 11, 86.) ginendjan. mendî. endi
(frons) lind (lenis) ſigi-lind (nom. pr.) ſind (iter). kind.
hrind, hrindir. findan, fand. hindan (capere) onda. bi-
gonda. konda. kund (notus) mund (os), mundes. gund
(bellum). unda (aqua) ſundar (meridies); ërda. wërdan,
ward. wërd (dignus) fordaro. mord. purdî etc. Wir
werden ſehen. daß auch im nord. und ſächſ. beiderlei
formen ſorgfältig getrennt ſind und im alth. beobach-
ten die älteſten quellen, ſelbſt O. und T. noch den heil-
ſamen unterſchied *); ſpäter aber fallen vermiſchungen
vor, theils indem der auslaut ld. nd. rd. in lt. nt. rt
(ein im mittelh. entſchiedenes gebrechen) theils inlau-
tende lt. nt. rt in ld. nd. rd. übertraten. Ich finde,
daß die verwirrung zunächſt bei den formen nt und nd
anhub, wogegen ſich lt, rt, ld, rd länger und treuer
bewahrten. Während N. noch richtig ſkilt, ſkiltes hat,
ſchreibt er, wenigſtens in den pſ., munt (os) ſpint
(adeps) ſunda, hende, blinde, zandro, ende (finis), ſken-
[161]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
den, lande etc. *) — J. welcher auch für die befragten
compoſitionen die organiſche ſchreibung d und dh (ſt.
des gemeinalth. t und d) behält, ſchwankt zuweilen in
der anwendung, richtig iſt ſein hendî, undar, worde,
aldom, walden; chindh, wardh, wërdhe; aber unrich-
tig daneben: wërde, munde (ore) ſindis, da auch dieſe
ein dh verlangen.
(DH. TH.) dieſer aſp. iſt ſchon im vorhergehen-
den erwähnung geſchehen, hier noch einiges nähere.
Ihr verhältniß ſcheint nicht das der aſp. ph und ch,
welche der goth. ten. gleichſtehen, vielmehr ent-
ſpricht dieſer das alth. z; th bingegen, wo es ſich er-
halten hat, fortdauernd der goth. aſp. Es ſind eigent-
lich zwei aſp. für den linguallaut anzunehmen, die
nur ihre ſtelle gewechſelt zu haben ſcheinen, nämlich
z ſteht mit ph und ch; th mit v (bh) und gh auf einer
linie; z würde folglich die erſte, th die zweite aſp.
heißen. Eine beſtätigung dieſer anſicht finde ich darin,
daß th bei einigen dh geſchrieben wird und bei andern
völlig in d aufgeht, gerade wie bh für v und in b auf-
gehend (ſ. 135. 136.). Die verwandtſchaft zwiſchen th,
dh und z (vorzüglich Ʒ) ergibt ſich noch mehr aus der
wirklichen ausſprache, indem bei jenen eine zumiſchung
von ſ, bei z eine zumiſchung von t erfolgt iſt, und dh
beinahe durch dſ, z durch tſ ausgedrückt werden
könnte. Mehreres hernach noch beim z. Einwenden
gegen die vergleichung des th. z. mit dem v. ph. läßt
ſich, theils daß beide nirgends mit einander vermiſcht
werden (wie ph und v häufig), theils den quellen,
welche v begünſtigen, gerade th widerſteht. Gründe für
und gegen verlangen daher genauere prüfung, wobei in
anſchlag zu bringen iſt, daß beide labialaſp. aus der
L
[162]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
verbindung des p oder b mit dem h entſpringen, bei
den lingualaſp. aber h und ſ ins ſpiel treten.
dh finde ich bei J. anlautend (dhu, dhih, dhir,
dhîn, dhër, dhiu, dhoh, dhuo, dhurah, dhrî, dhritto,
dhrâto, dhans, dhëod, dhechi, dhuingu etc.) inlautend
(endungen -idha -idhes; nidhar, widhar, ôdhil, odho,
edhili, heidhan, wërdhan, jugundhî etc.) auslautend
(wardh, chindh, leididh); überall dem goth. þ parallel.
Gleichergeſtalt zeigt in den gl. jun. das gloſſ. A. im an-
laut: dhrî- dhilli, dhanân, dhicho, dhorn, dhinc,
dhulta, dhëgan; inlautend: ſôdhe (edulio) *) fuaghidhû,
guldhîn, widharôn, trâdhun (fimbriam); auslautend:
fadh (trames, pfad).
th finde ich bei O. und T. beinahe nur im anlaut;
belege liefert jede ſeite. Vom inlautenden th einige ſel-
tene ſpuren bei T. ſtathin (littore) 236, 1. bruother,
wantha (quia), doch neben bruoder und wanda.
(Z) z und Ʒ. Dieſen buchſtab nenne ich aſp., weil
er mit dem ſpiranten ſ. componiert iſt und gleich den
andern beiden aſp. ph. ch an die ſtelle der utſprüngl.
ten. tritt. Gehört alſo unter die dopp. conſonanten. die
an ſich weiterer gemination unfähig ſind. Man merke
(S) von unterſcheidung des ziſch- und ſauſelautes
war ſo eben die rede. Dieſer iſt ein einfacher, heller,
ſpitzer; jener ein zuſammengeſetzter, trüber und krau-
ſer. Engliſche grammatiker pflegen den ſauſelaut hiſ-
ſing, den ziſchlaut buzzing ſound zu benennen nach
dem ſchneidenden pfeifen (ſibilare, ſiffler, σίζειν, fi-
ſchiare) der ſchlange und dem dumpfen ſummen (bour-
donner) der biene oder hummel. Der ſauſelaut wird in
allen ſprachen derſelbe, der ziſchlaut aber unbeſtimmt
und ſtufenmäßig ſeyn, wir haben geſehn, daß die alth.
mundart zwei ſtufen, die goth. eine von beiden abwei-
chende kannte. Eigenheit deutſcher ſprache überhaupt
ſcheint es, daß ſie, gleich der lateiniſchen, den leiſen
ziſchlaut (ich meine das goth. z und alth. Ʒ) nie anlau-
ten läßt *), was im ſlav. und franzöſ. ſo häufig ge-
ſchieht. Sollte dies nicht ſchon frühe der reinen aus-
ſprache des anlautenden ſ nachtheil gebracht haben? **)
Wenigſtens pflegen es heutigestags manche zungen zu
breit und dick hervorzubringen, die wörter: ſonne, ſin-
gen z. b. ſo zu ſprechen, als ob ſie Ʒonne. Ʒingen lau-
teten. Dazu kommt, daß auch die ſpiranten h und w
im alth. zuweilen breiter als das goth. h und v gewe-
ſen ſeyn mögen und umgekehrt das goth. inlautende ſ
ſelbſt in z verdickt wurde. Letzteres iſt inzwiſchen auf die
alth. mundart unanwendbar. deren inlautendes ſ allmäh-
lig in r, nicht in Ʒ übertritt. Und wider die vermuthung
einer ziſchenden ausſprache des anlautenden ſ muß im
allgemeinen eingewendet werden, daß doch graphiſch
gar keine verwechſelungen dieſes ſ mit dem Ʒ und
eher im inlaut einige, doch höchſt ſeltene, zu bemer-
ken ſind, von welchen unten bei den geminationen.
Nie wird man Ʒal f. ſal (aula) waƷ f. was (erat) etc.
[167]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
andrerſeits nie was f. waƷ (quid) etc. geſchrieben *) und
noch im mittelh. nie las: daƷ gereimt ſehen. Theore-
tiſch kann immer eine eben ſo ſtrenge ſcheidewand
zwiſchen der ausſprache des alth. ſ und Ʒ gezogen wer-
den, als es für ihren urſprung geſchenen muß **).
Die übergänge des in- und anslautenden ſ in r
ſind oben ſ. 121. angezeigt, ſie ſcheinen ſich früher am
inlaut (vgl. die part. irnëran, irwëran, gikorau; die pl.
praet. wârun, nârun, frurun) ſpäter am auslaut (vgl. was,
nas. kôs, frôs) kund zu geben. Das unorganiſche der
veränderung erhellt aber aus dem eſoteriſchen ſchwan-
ken der einzelnen fälle, z. b. der pl. praet. von wëſan
lautet immer wârun, nie wâſun. aber im zuſ. geſetz-
ten firwëſan erhält ſich firwâſun; nâſun und nârun gel-
ten beide, lâſun allein, kein lârun. Nähere angaben
hierüber folgen in den conjugation. —
(TT) verſchiedenartig 1) wie der inlaut t dem goth.
d, ſo entſpricht zwar tt nicht dem goth. dd (welches
dem alth. ll zu vergleichen, oben ſ. 66.) ſondern tt
ſcheint ſich aus der einfachen, von einem i gefolgten
goth. med. zu entwickeln. Vorhergehen muß ſtets ein
kurzer vocal; die alte kürze wirkt und der ſchwebelaut
wird durch die gemination ein geſchärfter. Hiernach
ergibt ſich aus dem goth. badi das alth. betti (lectus);
gleichergeſtalt ſetzen ſpratta (norma) matta (mappa) ketti
(ſepulcrum, ſepimentum) wetti (pignus) bittan (rogare)
ſmitta (opiſicina) witta (ligamen) mutti (menſura) hutta
(tugurium) mitto (medius) mitt[u]li (liciatorium) dritto
(tertius) bruttan (conturbare) ſcuttan (quatere) rettan
(eripere) ***) etc. ein früheres fpradja, kadi (vgl. catena)
[168]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
wadi, bidjan, ſmidja, widja, mudi (vgl. modius), hudja,
midjo, thridjo, brudjan, ſcudjan voraus. Dieſen for-
men wird ſodann ein: beti, keti, ſmita etc. gefolgt
ſeyn, wie ſich wirklich neben rettan, bruttan, lcuttan
die formen retan, brutan, ſcutan finden *) und manche
andere, die ſpäter auch geminierten, im alth. noch die
einfache ten. zeigen, z. b. tutiro, wëtar neuh. dotter,
wetter **). 2) einige wörter, in denen ſich ausnahms-
weiſe die alte ten. erhalten hat, pflegen dieſe frühe
ſchon zu geminieren: bittar, ottar etc. (ſ oben 155.),
wiewohl die quellen ſchwanken. Dieſes tt hat ſicht-
bar einen ganz andern urſprung, als das vorige. 3)
nicht zu dulden iſt tt bei vorausgehendem dopp. vocal,
z. b. râttes, wâttan, K. 23a ſt. râtes. wâtan; hlûttrôr J. ſt.
hlâtrôr, denn ſchwerlich dürfte ein rattes, eher ein hluttrôr
zu erweiſen ſeyn. (vgl. oben ſ. 133. das falſche ſcâffes
etc.) Die beiſpiele ſind ohnedem höchſt ſelten. 4) ta-
delnswerth ſind auch die tt im Hild. ſitten, luttila,
heittu, hêttun, lêttun, muotti; theils ſämmtlich un-
hochd. und der ſächſ. ten. entſprechend, theils (die bei-
den erſten abgerechnet) wegen des vorausgehenden dop-
pelvocals unleidlich; offenbar wurde das ſcheinbar rich-
tige hochd. zz (luzzil, ſizzen) und ƷƷ (muoƷƷi, lieƷƷun)
nachgeahmt. — (DD) ſelten, gewöhnlich dem tt no. 1.
gleichgeltend, [gerade wie oben ſ. 148. das bb dem
pp. ***)] z. b. chledda (lappa) gl. monſ. 343. (bei Schilter
iſt chletta eingetragen) leddo (argilla) gl. trev. 29a lad-
dûn (aſſeres) ibid. 37b wofür latôno (aſſerum) monſ. 356.
ladduch (lactuca, latuca) gl. monſ. 414. rodda (cythara)
mittelh. rotte. Die eigennamen belegen den wechſel
zwiſchen tt und dd häufig vgl. waddo (Greg. tur. 6, 45.)
watto (Neug. no. 175) — Ganz andern urſprungs die
partikel ëddô, gewöhnlicher ëdô, odô, deren nebenfor-
men: ërdô, odhô, alde und in der vorpartikel ſogar
[169]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
ëta-, ëtta-, ëthes- die (hierher nicht gehörige) unter-
ſuchung erleichtern und erſchweren, vgl. oben ſ. 74.
über die goth. aſſimilation áiþþáu. — (ZZ) gemination
des ziſchlautes muß theoretiſch geleugnet werden, da
ſich tſtſ und dſſdſſ ſo wenig ausſprechen laßen, als
phph; practiſch aber ſind, gleich dem ff, in beinahe
allen denkmählern zz und ƷƷ anzutreffen, und J. drückt
jenes durch tz, dieſes durch zſſ, beide ſorgfältig vom
einfachen z und zſ unterſchieden aus. Die übrigen
ſchreiben bloß zz für zz und ƷƷ, ſchwanken aber oft
in ganz denſelben wörtern zwiſchen der gemination
und dem einfachen z, es kann folglich in der ausſprache
kein großer unterſchied beſtanden haben, wenn irgend
einer beſtand. Von wichtigkeit iſt mir hierbei, daß zu-
meiſt der genaue N. und in ſeinen correcteren werken
faſt überall das einfache z dem doppelten vorzieht, auch
niemahl tz hat. Die urſache des doppelten läßt ſich
bald errathen. Zur zeit da die ten. in den ziſchlaut über-
gieng, gab es ſchon verſchiedene geminierte tt (vgl. oben
ſ. 66. die goth. atta, ſkatts *), in ſolchen wörtern wäre
der geſchärfte laut durch den nur graphiſch einfachen,
an ſich aber ſelbſt componierten ziſchlaut ſo gut ge-
ſichert geweſen, als durch die gemination der tenuis.
Weil ſich indeſſen das einfache zeichen mit dem ein-
fachen laut verwechſelte; ſo ſchrieb man zz (nämlich
zz und ƷƷ) in demſelben gefühl **), welches mm, nn,
tt etc. zu ſchreiben lehrte, da doch in der ausſprache
ſcazzes, waƷƷar gänzlich eins war mit ſcazes, waƷar.
Neben dieſer entbehrlichen ſchreibung zz wurde die in
der ausſprache ſelbſt gegründete unterſcheidung des z
und Ʒ verſäumt; des anlauts z war man zwar gewiß,
aber bei den in- und auslauten: daz, wazzar, ſcaz,
ſcazzes belehrte kein zeichen, daß jene daƷ, waƷar,
dieſe ſcaz, ſcazes auszuſprechen ſeyen, bis endlich im
[170]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
mittelh. für letztere *) die auflöſung des ziſchlauts in tz
(conſequenter wäre tſ geweſen) gebräuchlich wurde und
dem übelſtand einigermaßen half. Wer die neuvorge-
ſchlagenen zeichen z und Ʒ billigt, kann des zz, ƷƷ
und tz gänzlich entrathen, es fragt ſich nur, wie beim ff,
ob man wagen dürfe, critiſch die alten hſſ. zu verbeßern?
Der grammatik wenigſtens, wenn ſie ohne nene vocal-
zeichen nicht ausreicht. muß es auch die conſonanten
ſchicklicher und der hiſtoriſch erweiſlichen ausſprache
angemeßener zu bezeichnen vergönnt ſeyn. Und ſollen
wir das ſchwanken der hſſ. gelten laßen, mit K. 35b
mëƷƷu, 38a mëƷu. 29b ſizan, 30b ſizzan edieren? bald
ëƷan, beƷiro, luzil, bald ëƷƷan, beƷƷiro, luzzil, nach-
dem die texte beides untereinander zeigen? Die durch-
führung des iſidoriſchen und mittelh. tz**) wäre eben-
wohl neuerung, will man es aber (im in- und auslaut?)
und daneben ƷƷ (im inlaut) beibehalten, ſo darf min-
deſtens letzteres nur bei vorausgehendem einfachen vo-
cal und nie bei doppeltem geſchrieben werden. Das
befolgen auch in der regel die guten alth. hſſ. obgleich
ausnahmsweiſe: T. 5, 9. heiƷƷent; 7, 4. heiƷƷan; 4, 18.
ſuoƷƷà etc. K. 15b mnaƷƷôt; 25a ſtôƷƷôn; 16a ëban
lôƷƷon etc. ſtehet, und J. 341. 388. heizſſit, 368. fuozſſî,
389. ſuuozſſera, ja 345. die monſtroſe ſchreibung chi-
lôthzſſom (conſortibus) ſt. chilôƷom ***). — (SS.) dieſe
organiſche gemination entſpricht dem goth. und ſächſ. ſſ;
die wichtigſten belege ſind; huaſſo, ſpäter waſſo (acri-
[171]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
ter), bildungen mit -naſſi, irſcaſſen (?exinanitus N. 74. 9.)
thëſſes (hujus) ëſſa (fumarium) krëſſo (gobius fluv.) krëſſa
(naſturtium) zëſſa (tempeſtas) ſcëſſo (rupes) ſcëſſôn (dolare)
frëſſa (preſſura), bildungen mit -niſſa -niſſi, miſſa-,
wiſſa (ſcivi) giwiſſèr (certus) gabiſſa (quisquiliae) wiſſan
(convocare) K. 22b gaſtwiſſôd (diverſorium) hroſſes (equi)
hruſſin (equinus) hruſſe-hiruƷ gl. jun. 199. kuſſes (oſculi)
chnuſſan (contundere) guſſa (inundatio) gl. jun. 210.
zuſſa (laena) gl. trev. und vermuthlich noch einige an-
dere. Die entſtehung dieſer gemination iſt doch wiederum
verſchieden. Das goth. viſſa entſprang aus vitida, ver-
muthlich gieng aber ein viſta vorher, wie môſta aus mò-
tida, ebenſo erweicht ſich qviſtjan im ſubſt. qviſſ. Die-
ſelbe erklärungsweiſe ſchickt ſich für das alth. wiſſa,
während muoſa ein einfaches ſ annimmt, gemination
litt der vorausſtehende doppelvocal nicht; die formen
wiſte, muoſte wirken ſpäter nach; ëſſa dürfte man dem
gr. ἑστία vergleichen. Anderemahl ſcheint ſſ nach dem
kurzen vocal ganz wie mm, nn (oben ſ. 122.) oder pp. it
(ſ. 148. 167.) aus dem einf. conſ. zu entſpringen, z. b.
chnuſſjan, chnuſſan aus chnuſan (nord. knoſa) und
hroſſes, kuſſes machen den nom. hros, kus (wie mannes,
man). — Dieſer inlaut ſſ unterſcheidet ſich urſprung und
ausſprache nach genan von dem inlautenden Ʒ, der be-
kanntlich auch ſehr oft ƷƷ geſchrieben vorkommt, vgl.
wiƷan (ſcire) gewiƷida (conſcientia) wiſſa (ſcivi) giwiſſaƷ
(certum). Einige ſeltene vermiſchungen wird man den-
noch einräumen; jenes aus td entſprungene wiſſa rechne
ich nicht dahin, denn es haftete feſt, unbekümmert um
den übergang des witan in wiƷan. Aber wiƷago (pro-
pheta) angelſ. vitega, verwandelt ſich im 11ten, 12ten jahrh.
in wiſſego (ſo ſteht N. 9, 16. doch bloß in der hſ.
der pſ. denn N. ſelbſt ſchrieb gewiß überall wiƷego);
alle mittelh. hſſ. haben die falſche form wiſſage. Das
angeführte guſſa ſcheint mit guƷ und gioƷan verwandt *).
Ob ein mir ſehr nahe liegendes anderes beiſpiel gerecht-
fertigt werden kann? wider die ableitung des namens
[172]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
der Heſſen aus chatti ſträubt ſich grammatiſch der grund-
ſatz, daß aus dem t zwar z oder Ʒ, aber kein ſ wird,
auch ſpricht der Niederdeutſche nie: hetten, wie er
ſprechen müſte, wenn die form heßen, d. i. heƷƷen er-
weiſlich wäre, ſondern überall heſſen, wodurch alſo
die hochd. ſchreibung und ausſprache heſſen beſtätigt
wird. Das chatti, χάττοι*), römiſcher ſchriftſteller
würde (wie das goth. ſkatts, attila; alth. ſcaz, azilo;
mittelh. ſcatz, etzele) ſogar hazî (wenn man ſtarke decl.
zugibt) mittelh. hetze erfordern, ſtatt welches beſtimmt
heſſen (ſchwach) vorkommt (Nib. 717. wo das haƷƷe
der münchn. hſ. ein mißverſtändniß vorausſetzt). Ganz
in die nachbarſchaft der chatti ſetzt Tac. einen gerin-
gern, vielleicht jenen verwandten ſtamm, die chaſuari,
bei Strabo χαττουάροι, bei Vellejus attuarii geſchrieben.
Hier wäre alſo, wenn des Tac. lesart richtig iſt, wie
ich glaube, frühe verwechſelung des t mit dem ſ und
es kommt hinzu, daß noch im 8ten jahrh. die fränk.
annalen der terra hattuariorum, hatuariorum, hattario-
rum gedenken, wobei die variante hazzoariorum **).
Nur ſcheint es mir uncritiſch dieſe chattuarii mit den
chatti und gar den ſpäteren haſſi für eins oder für enge
verbunden zu halten ***). Der name chatti ſtchet zu-
letzt bei Sidon. apoll. 7, 388, und Greg. tur. 2, 9. (der
hier aus Sulpitius Alex. ſchöpft; cod. corbej. lieſt chati);
die einige jahrh. nachher auftretenden haſſi, heſſi, heſ-
ſones, überall ſo †), nirgends haƷƷi, heƷƷi geſchrieben
fallen zwar geographiſch mit jenen beinahe zuſammen,
[173]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
doch der beweis einer völligen identität beider bleibt
wegen der auseinandergeſetzten ſchwierigkeit in den
buchſtaben mangelhaft. —
TR, daß in einigen formen (trëo, trëtan) der or-
ganiſche zuſtand fortdauert und nicht in zr übergeht,
ſ. oben ſ. 154.; in audern (tragan, trinkan etc.) ent-
ſpricht es dem goth. dr. TU dem goth. dv gleich
(tuâla, mora) — DR bei O. ſt. der beiden tr. (drëtan
und dragan). DU desgl. ſt. tu. (duâla) bei andern aber
ſt. thu. (duingan, duang) — THU, bei O. (thuingan,
thueſben, thuahan, thuag: bei J. dhu, dhuingan) —
ZU (tſu) bei allen ſt. des goth. tv (zuival, zuîc etc.)
aber noch nicht ſt. des goth. þv *). Alle verſchieden-
heiten zwiſchen tr. tu. du. thu. zu. ergeben ſich aus der
darſtellung der einfachen linguales; daß man nicht duá
mit dúa verwechſeln dürfe, wurde oben ſ. 111. bemerkt.
Die ausſprache ſolcher lingualanlaute muß einigen mund-
arten hart geſchienen haben, da ſie wohl einen vocal
zwiſchen ſchieben, vgl. oben ſ. 141. über zaw, zow,
ſtatt zu; ähnlich die gl. ker. terawid (minitatur) thowa-
hit (lavat). Oder ſpur eines früheren unzuſammen-
gezogenen zuſtandes? davon bei der wortbildung. —
Wichtiger folgende: SL. SM. SN. SC. SCR. SP. SPR.
ST. STR. SU; es fragt ſich: ob der ſauſelaut rein und
ſcharf vorſchlägt? Vorhin ſ. 129. 154. wurde gezeigt, daß
ſich in der verbindung ſp. ſt. die organ. ten. erhalten
und nicht in ſph. ſz. gewandelt habe, ein gleiches muß
auch unten vom alth. ſk oder ſc behauptet werden.
Nur finden hier frühe ſpuren des ſch ſtatt, nämlich bei
folgendem e, ë, ei und i ſchreibt es ſchon J. (385.
ſcheffidhes. 350. 365. undarſcheit 408. ſcheinit; desgl. in-
lautend: 352. 370. 374. 391. fleiſches, fleiſche. 382.
judèiſchin. 390. 408. hebrêiſchin 387. iſrahêliſchin) und
nie in dieſen fällen ſc. welches dagegen, ſobald andere
vocale, oder conſonanten folgen, oder im auslaut, un-
verändert **) beſteht (vgl. ſcaffan, ſcama, ſcaft, ſcoldi,
[174]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
ſculdrom, ſcuof, ſcrîban, 369. himiliſca, 409. fleiſc, 375.
infleiſcniſſa, 382. fleiſclih, 386. manniſcniſſa 391. himi-
liſcun). Bei K. O. T. *) würde man dergl. vergebens
ſuchen, ungeregelter ſchwanken die gloſſen, vgl. gl.
aug. 119a ſchirrit (radit) 119b ſchërm, 121b ſchëlta (im-
precatio) aber 124b ſcëlta; 127b ſchërôn (ſtertere, ebenſo
gl. jun. 181.) **), es gibt leicht noch weitere belege,
doch machen die ſc lange die regel aus; mitunter lau-
fen ſeltene ſcha, gl. aug. 120a ſchahho (lingua maris)
doc. 233a ſchapen (radant). Mehr kommt darauf zu
wißen an, wie es N. mit ſc und ſch hält. In den
hſſ. der ungedruckten werke fand Fügliſtaller ſch nur
ein einzigesmahl, insgemein ſce, ſcë, ſcei und nicht
ſche, ſchë, ſchei etc. Die pſalmen aber zeigen ſchë,
ſchie, ſchei, ſchì ſehr häufig, daneben auch ſcë, ſcie
etc. gewöhnlich ſca, ſcu, einigemahl ſcha (vgl. 17, 39).
Aus allen dieſen, wenn gleich unſicheren ſchreibungen
müßen wir unleugbar folgern, daß ſich bereits in den
älteſten hochd. denkmählern ein übergang des ſk (ſc)
in ſch, man kann ſagen, eine aſpiration des ſk ange-
ſetzt hatte; ſie fieng mit dem ſchë, ſche, ſchei, ſchi,
ſchie, ſchî an. ergriff allmählig das ſka, ſku etc. und
breitete ſich immer weiter aus, ſo daß im mittelh. ent-
ſchieden kein ſc, ſondern überall ſch, ſelbſt ſchr herrſchte.
Auch hiermit hatte es ſein bewenden nicht, die form
ſch wurde der hochdeutſchen zunge ſo geläufig, daß ſie
ſpäterhin das reine ſ in den anlauten ſl. ſm. ſn. ſw an-
ſteckte und in ſchl. ſchm. ſchn. ſchw., hernach auf der
letzten ſtufe, zwar noch nicht in der ſchrift, aber in
der ausſprache, die am längſten widerſtehenden anlaute
ſp. ſpr. ſt. ſir in ſchp. ſchpr. ſcht. ſchtr wandelte. Be-
kanntlich nehmen volksmundarten, namentlich die
ſchwäbiſche auch ein in- und auslautendes ſchp und
ſcht an. Ich habe dieſe hiſt. entwickelung bis auf die
jüngſte zeit durchgeführt, um mit der progreſſion des
ſch ſeine frühere aufſteigende ſeltenheit zu erweiſen.
Organiſch war die reine und ſcharfe ausſprache des ſau-
ſelauts in den fraglichen verbindungen ſl, ſm etc. Ein
ſr hat der Deutſche nie gehabt, ſondern ein ſkr; der
Slave unterſcheidet beide, verwechſelt ſie aber nicht
[175]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
und darum darf nicht vermuthet werden, unſer ſkr
gründe ſich auch auf ein älteres ſr, vielmehr ſcheint
unſere ſprache den ſlav. formen ſr einen vocal zwi-
ſchenzuſchieben *). Ein ſkl. ſkp. ſkt etc. liegt gleich-
falls außer der deutſchen lautbegrenzung und die ſpäte-
ren ſchl. etc. ſtehen dem aus ſkr. entſprungenen ſchr.
durchaus nicht parallel; ein für die etymologie nicht
zu überſehender ſatz. Als ſeltne, aber frühe ſpuren
eines ſcl ſtatt ſl darf ich jedoch nicht verſchweigen:
ſclahan hymn. noct. 4. ſclaht (occiſio) gl. hrab. 971a
ſclèwêtun (extabuerunt) gl. monſ. 338. (vgl. ſiêwèn, ta-
beſcere N. 106, 26. ſlèwa, hebetes, gl. aug. 123a) ſclei-
Ʒan (vellicare) gl. monſ. 333, wofür 344. 407. ſleiƷan;
ſclav (ſervus) T. 131. 146. und irgendwo erinnere ich
mich ſclito (traha), ſclëht, geleſen zu haben. — Zeugniß
für die ſcharfe ausſprache des ſ in dieſen anlautenden
verbindungen ſcheint mir endlich das zuweilen eintre-
tende ausſtoßen des k und w aus ſk, ſw, vgl. ſarf f.
ſcarf; ſol f. ſcal; ſô, goth. ſvê (hänſigere beiſpiele im
nord.) — ſc für ch oder k merkwürdig bei K. 51b ſcurcju
(curta) f. churzju; ſ. unten beim angelſ. ſc. — Übergang
des ſu in ſl nur in ſniumo (repente) K. M. ſliumo O. T.
ſliemo N. — von dem des zu in qu unten beim qu. —
Es iſt hier bloß der formen SK. SP. ST. zu erwäh-
nen; das ſeltne ſp wurde ſchon ſ. 129. beſprochen, un-
gleich häufiger erſcheinen ſk (über deſſen ausſprache vor-
hin bei dem anlaut ſk) und zumahl ſt. Beiſpiele von ſc
(außer endungen auf iſc, iſca) aſca (cinis) aſco (thy-
mallus) aſc (fraxinus) maſca (macula) hnaſc (mollis)
flaſca (aſcopa) faſca (fomentum) raſc (vivax) zaſkôn (ra-
pere) waſkan (lavare) irlëſkan (extingui) drëſkan (tritu-
rare) ſiſc (piſcis) tiſc (menſa) tiſco (alumnus) friſcing
(victima) miſkelôn (miſcere) froſc (rana) wunſc (deſide-
rium) fleiſc (caro) eiſkôn. Einige pflegen im inlaut die
ten. c in die med. g umzulauten: waſgan, lëſgan,
aſga, wunſgan, zuiſgun etc. Beiſpiele von ſt (außer
den endungen -ſt) aſt, gaſt, laſtar, raſta, faſto (firmiter)
maſt (malus) paſt (cortex) maſtôn (pinguefacere) paſto
(altile) nëſt (nidus) nëſtila (faſcia) ſuëſtar, gëſtar, geiſt,
meiſta, folleiſt, gneiſto (ſcintilla) miſt, liſt, biſt, iſt,
koſt, froſt (gelu) roſt (aerugo) luſt, bruſt, achuſt, gi-
[176]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
ruſti (inſtrumentum) eidbuſt (iuramentum) ruſtagî (bar-
baries) trôſt, ôſtar, rôſt (craticula) fùſt (pugnus) pluoſtar
(ſacriſicium). Die formen nſi, lſt, rſt oben ſ. 124. 125.
Hier beſtätiget wieder das runen alphabet eine wich-
tige abweichung von der labial- und lingualordnung,
in welchen beiden die aſp. ph und th herausgehoben
wurde; wie aber dem Gothen der aſpirierte kehllaut
mangelt, ſo fehlt auch den alten runen das zeichen da-
für; es gab ihrer folglich nur zwei in dieſer reihe, eine
für die ſpirans (hagal, grando) eine für ten. und med.
zuſammen, nach der ten. kaun *) benannt. Die ſächſ.
runen unterſcheiden ten. welche den alten namen cèn
(iſt dieſe lautbezeichnung richtig? die analogie von laun,
leán erforderte ceán) beibehält, von der med. g und
nennen letztere gifu (donum, gratia). In den marko-
mann. runen bleibt dieſe med. gibu, ſie und hagal lei-
den keinen zweifel; hingegen wird der name der ten.
aſpiriert in chèn und daneben noch ein unterſchiedenes
chòn aufgeführt. Befriedigenden aufſchluß vermag ich
hierüber nicht zu geben und aus dem dunkeln ſinn der
wörter nicht zu rathen, welches von beiden die ten.
und was dann das andere bedeute? vielleicht ein q. in-
ſofern man etwas auf die ähnlichkeit des zeichens chôn
mit dem goth. Ч (qv) geben wollte; das zeichen chên
iſt ein umgekehrtes chôn, nämlich [...], wie denn auffal-
lend auch das nord. kaun ebenſo, das ſächſ. cèn um-
gedreht [𐌷] bezeichnet wird. So viel erhellt, daß die
zeichen [...], Ч, [𐌷] graphiſch, vermuthlich alſo auch im
laut, wo nicht eins ſind, doch einander ſehr nahe lie-
gen. Die alth. form des namens chôn ſtimmte völlig
zu kaun.
Unabhängig von dieſer noch nicht ganz aufgeklär-
ten beſtätigung durch das allmählig veränderte runen-
ſyſtem lautet der grundſatz für die alth. gutturales ſo:
die organiſche ten. iſt zur aſp. geworden, die organiſche
[177]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
med. zur ten., bleibt aber noch ſehr oft beſtehen (ſo
daß bald med. bald ten. mangelnd oder entbehrlich er-
ſcheint); alſo ſtrengalthochd. entſprechen ch und k dem
goth. k und g (gerade wie ph und p dem goth. p und
b; z und t dem goth. t und d). Dieſe ſtrengalth. con-
ſonanteinrichtung bedarf, wie ich mehrmahls erinnert
habe, der mediae b, d und g aus gleichen urſachen ei-
gentlich gar nicht mehr. Eine bedeutende abweichung
von der labial- und lingualordnung gründet ſich aber
nun darauf, daß die goth. ſprache keinen gutturallaut
aſpiriert, folglich eine dem alth v und th parallele
zweite alth. aſp. fehlen muß. In der regel fehlt ſie
auch wirklich. ſcheint jedoch ausnahmsweiſe in gh vor-
handen und dies wäre einer der ſeltenen fälle, wo man
der alth. lautordnung größere vollſtändigkeit, als der
goth. zuſprechen könnte.
Die unterſuchung hat auch hier den vorigen gang
zu nehmen und nachzuweiſen, warum die verwandlung
des k in ch für etwas unorganiſches und ſpäteres zu
halten ſey:
(K. C.) was vorerſt dieſe beiden buchſtaben für einen
und denſelben laut betrifft, ſo ſcheint hier ein entbehr-
licher überfluß vorhanden. Welches zeichen deutſcher
ſey, läßt ſich ſchwer ſagen, eigentlich iſt jedes auslän-
diſch, denn mit der alten rune (kaun, kòn) ſtimmt
keines. Der Gothe wählte ſtatt ihrer das gr. κ, der An-
gelſachſe gewiß ſchon im 6ten jahrh. das lat. c. Da-
mahls brachte dieſes keine unſicherheit der ausſprache,
weil ce, ci unbedenklich für ke, ki galt; die erſten alth.
denkmähler bedienen ſich beider buchſtaben. Als im
verfolg die ausſprache ze. zi eindraug, wurde das c vor
e und i zur bezeichnung der kehltenuis untauglich, auch
wie wir geſehn ſelbſt für den ziſchlaut gebraucht, folg-
lich ke, ki nothwendig. Vor andern vocalen als e und
i galten nun k und c nebeneinander mit gleicher be-
dentung fort, aber entbehren läßt ſich letzteres darum
nicht, weil es zur bildung der aſp. ch und der gemina-
tion dient. Will man kein einfaches c, ſo muß man
auch kh für ch und kk für ck ſchreiben. Letzteres iſt
ſelbſt im nord. bräuchlich. Die hſſ. variiren ohne ende.
Der Gothe konnte allerdings mit ſeinem k ausreichen,
weil ihm die aſp. fehlte; ein eignes zeichen für ch,
gleich dem f und þ, wäre das vorzüglichſte. — Die be-
deutung der alth. ten. iſt nach den mundarten ſehr ver-
ſchieden.
(G) auch dieſe med. hat nach verſchiedenheit der
quellen unterſchiedene bedeutung
(GH) gleich dem dh nur bei J. und gl. jun. (gl. A.)
anzutreffen, ſowohl anlautend [gheiſt, gheizſſinu, ghël-
ſtar, ghëban, ghibis, ghëldan und die vorpartikel ghi ***)]
als inlautend (bighin, meghin, meghines, maneghîn,
[183]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
heileghîn, ewighîn, bërghe, wëghe, frâghêt, ſaghên,
ſinghemes, chimenghid, aughida, ſamnunghe, ſangheri;
einighêr, fuaghidha, abulghìghèr, ſpàtighèr, ſighi etc.);
nie auslautend. Die vorhin angeführten belege erge-
ben, daß in denſelben fällen die reine med. ſteht, bërge
neben bërghe, nicht aber ſteht umgekehrt gh in allen
fällen des g; nämlich gh ſcheint nur dann zuläßig,
wenn e, ë, ê, i, î folgen, keineswegs vor a, à, o, ô, u, û,
uo, au; es heißt nie: rëghonôda, foraſagho, daghâ.
Hieraus ergibt ſich eine unähnlichkeit des gh mit dem
dh, welches alle vocale hinter ſich duldet und auch
auslautet; dh entſpricht der goth. aſp. þ, gh der goth.
med. g; — dh entſpricht dem th anderer alth. quellen,
gh aber nicht dem ſonſtigen ch*). Hingegen darf es
ſich dem vor denſelben dünnen vocalen e, ë, i, ei in
ſch verwandelten ſc (oben ſ. 173.) zur ſeite ſtellen und
dem franz. vor e, i in die ausſprache ſch übertretenden
g vergleichen. Da das franz. ch vor a, o, u (aus der
lat. ten. c erwachſend) ebenfalls ſch ausgeſprochen wird,
ſo läßt ſich zwiſchen J. gh und ch (das auch die ältere
ten. erſetzt) eine analogie der entſtehung und ausſprache
nicht verkennen und ſelbſt die in der note berührte
ungenaue ſchreibung chi- ſtatt ghi- dadurch begreifen.
J. chindh, chennen wird ungeübten organen in der
ausſprache ſo ſchwer von ghinnan (incipere) ghëban
zu unterſcheiden ſeyn, als das franz. cher von germe,
obgleich in jenen alth. wörtern bei der aſpiration kein
ſauſelaut mit unterlauft. —
(CH) **) dieſe eigentliche aſp. des kehllauts ver-
langt genauere unterſuchung
(J) die hſſ. zeichnen dieſen conſ. gar nicht, wie im
goth., von dem vocal i aus; ich ſtelle indeſſen unbe-
denklich das j wieder her, da an einem jederzeit in
der lebendigen ausſprache vorhanden geweſenen unter-
ſchied ſchon darum nicht zu zweifeln iſt, weil j (nicht
aber i) aphäreſe und ſyncope erleidet, auch in g über-
tritt, ferner weil ia, io, iu (nicht aber ja, jo, ju) ſpäter
in ie, en verändert wird. Etwas ganz anderes iſt, daß
i und j durch ausſprache und übergänge ſich ſelbſt nahe
berühren; ein von einem vocal gefolgtes, unbetont aus-
geſprochenes i wird kaum von dem j zu ſcheiden ſeyn.
ja man könnte j für ein des tons verluſtig gewordenes i
erklären, da gerade in den diphth. ia, io, iu der ton
auf dem i ruht und durch die accentuierung ía, íu der
[187]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
unterſchied von iá, iú (d. h. ja, ju) gut ausgedrückt
wurde (oben ſ. 104.). Übergänge des i in j laßen ſich
nachweiſen, z. b. das neuh je (unquam) entſpringt aus
ie und theoretiſch kann angenommen werden, daß alle
im inlaut verſchluckten j frühere i geweſen, z. b. hôren
(audire), vorher hôrjen deutet auf ein urſprüngliches
hôr-i-an, wie denn auch in der flexion das inlautende
j auslautend i oder î wird. Andrerſeits ſind ſchon
(ſ. 104. 109.) verſchiedene beiſpiele vorgekommen, daß
ſilben zuſammenrücken und manchem entſprungenen ia
ein älteres ja, dieſem dann wieder ein noch älteres i-a
î-a unterliege. In dieſer hinſicht iſt nun j: i = v (w):u
und der labialordnung p. b. f. v. u. ſcheint die gutturale
k. g. ch. j. i. parallel. die übergänge des j in g gleichen
denen des v in b. Nachzuweiſen aber wäre 1) warum
die lingualreihe keinen vocal als letzte baſis zeige?
2) wie die unverkennbare analogie der lingualreihe t. d.
th. ſ. mit der gutturalen k. g. ch. h. und ſelbſt der la-
bialen p. b. f. v. jenem paralleliſmus widerſpreche oder
damit auszugleichen ſey? kurz, warum die gutturales
eine doppelte unterlage, nämlich j und h beſitzen? Hier-
auf könnte ich ein und das andere antworten, was mir
noch nicht genügt *); die unterſuchung iſt allgemeiner
und ich wende mich hier zu der beſonderen betrach-
tung des j zurück.
(H) der anlaut entſpricht dem goth. h; daß ihn die
altfränk. mundart zu ch ſteigere, wurde vorhin ſ. 184.
bemerkt; von den verbindungen hl. hr. hw unten **). —
Der inlaut kommt 1) mit dem goth. h überein und for-
dert eine milde ausſprache, als: aha, ſlahan, fâhan, fihu,
zëhan, ſëhan, zîhan, ziohan, ſcuahâ, hôhan etc. Nach ge-
dehnten vocalen pflegt dieſes h zuweilen auszufallen, vgl.
fìla (lima) früher fìhila, fìhla; gl. hrab. 968b fìhlôt (li-
mat) gl. flor. 983b ſogar fìgila (lima); bîhil (bipennis)
[189]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
gl. flor. 993a; clìha (furfur) ibid. 983b ſpäter clîa; fôêm
(paucis) neben fòhêm; und ſo ſcheint mâhal (ſermo, col-
loquium) urſprünglich eins mit mâl (ſignum, tempus),
wie das goth. mêl und nord. mâl ergibt, obgleich ſchon
im alth. dem begriffe nach mâhal und mâl unterſchie-
den werden *). Nach kurzen vocalen geminiert es zu-
weilen oder wird zu ch, vgl. gl. monſ. 404. lahhan (ri-
dere) ſt. hlahan, doch iſt dies ſelten und tadelhaft. —
2) mit dem goth. k, ſteht folglich für das alth. ch; bei-
ſpicle: mihil, ſihila (falx) zeihan (ſignum) eihilâ (glan-
des) etc. Alle dieſe wörter ſchwanken aber bald in ch,
bald in hh und beide letztere ſchreibungen, welche die
häufigeren ſind, verdienen den vorzug, weil ſie ſich
von dem unter 1) genannten h genauer ſcheiden **). —
Die verbindungen hs. ht. ſ. unten. Der auslaut h zer-
fällt wiederum in zwei ebenwohl verſchiedene laute
1) dem goth. h entſpricht er in: ſah (ſahv) falah (falh)
fërah (vita) walah (italus) duërah (þvaírhs) ſlah (percute)
hlah (ride) joh (jah) thoh (þaúh) noh (naúb) thuruh
(þaírh) nâh (nêhv) lêh (laíhv) zêh (taíh) thêh (þaíh) lìh
(leihv) zîh (teih) flôh (þlaúh) zôh (taúh) hôh (haúhs)
dioh (femur) fliuh (þliuh) ziuh (tiuh) huoh (clamor) ſcuoh
(ſkôhs) 2) dem goth. k in: brah (brak) rah (vrak) ſprah
(ſprak) ſtah (fixit) pah (rivus) tah (tectum) ſtorah (cico-
nia) wërah (opus) ſtarah (fortis) potah (corpus) ëlah (alce)
gimah (quietus) pëh (pix) plëh (lamina) lëh (licus fl.)
ih. dih. mih. ſih. unſih. iuwih. eƷih (acetum) ſprih
(ſprik) brih (brik) plih (fulgur) joh (juk) loh (foramen)
miloh (lac) ſcàh (latrocinium) ſlîh (repe) ſtrîh. wîh (vicus)
ſulîh. huelîh. gilîh. eih (quercus) auh (áuk) lauh (allium)
rauh (fumus) chauh (bubo) gauh (cuculus) lauh (clauſit)
ſioh (aegrotus) puoh (liber) duah (pannus). —
Aus dieſen belegen folgt, daß eine miſchung zweier
verſchiedener h in den in- und auslauten ſtattfindet.
Seit dem mittelh. hebt ſie ſich zwar großentheils auf, d.
[190]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
h die aus der ten. k abſtammenden h nehmen oft die
ſchreibung ch an. Inzwiſchen wage ich weder zu be-
haupten. daß im alth. dergleichen ſchreibung ungeach-
tet beide h verſchiedene ausſprache gehabt hätten, noch
critiſche einführung des ch überall, wo h das frühere
k vertritt, anzurathen
gemination des k oder c, im ſinne des goth. kk,
iſt in ſofern unmöglich, als die alth. mundart nach oben
ſ. 185. kein inlautendes einfaches k (für das goth. k)
kennt, ſondern es ſtets in ch wandelt, ein geminiertes
chch aber aller ausſprache widerſteht. Dafür begegnen
wir einem componierten cch, ja bei ſolchen, die das
organiſche k im anlaute dulden, obgleich ſie es inlau-
tend in ch wandeln, im fall der gemination, dem alten
ck oder kk. Ferner: ſtrengalth. quellen, die inlautend
k oder c für das goth. g gebrauchen, können dieſes al-
lerdings geminieren, welches kk oder cc für gg ſteht
und von erſterem cch gänzlich unterſchieden iſt. Alle
dieſe formen müßen beſonders betrachtet werden.
(CCH) dick aus der gurgel c-ch, wie wenn wir
flok-che ausſprechen ſollten, beide kehllaute unterſchie-
den und doch in einer ſilbe verbunden *). Dieſe ſtreng-
alth. gemination entſpricht dem goth. kk in ſakkáu
(ſacco) alth. ſacche, wie ttſ (tz) dem goth. tt entſpricht
und pph dem goth. pp entſprechen würde, käme letz-
tere gemination überhaupt vor. Vermuthlich gab es
mehrere goth. tt, pp, kk, als wir jetzt belegen können;
offenbar aber genügte dem Gothen in den meiſten fäl-
len, wo im alth. verdoppelt wird, der einfache laut.
Die bedingungen und veranlaßungen zu dem cch ſind
dieſelben, welche ich bei allen andern geminationen
angeführt habe, nämlich vorausgehender kurzer vocal **)
[192]I. althochdeutſche conſonanten gutturales.
und nachfolgendes i der ableitung, daher es ſich oft in
derivatis einfindet, deren ſtämme ein bloßes ch haben
z. b. rëhhan (expellere) reccho (expulſus, früher recchjo)
ſtëhhan (pungere) ſteccho (ſudes) ſahha (cauſa), ſecchja
(rixa); dah (d. i. dach, tectum) decchi (tegmen); dies
läßt bei andern auf die form untergegangener ſtämme
rathen. Practiſche regel zur auffindung der alth (inlau-
tenden) cch iſt: alle wörter, deren inlaut im nord. und
ſächſ. ck, cc, bekommen cch; alle die dort einfaches
k haben, bekommen ch. Beiſpiele: ſacches (ſacci)
nacchut (nudus) haccho (uncus) grunt-lacchâ (ſcaturigi-
nes) decchi (tegumen) ſecchil (ſacculus) ſecchja (rixa)
recchjan (tendere) hrecchjo (exſul) fleccho (macula)
peccho (piſtor) wecchjan (excitare) lecchôn (lambere)
irſerecchjan (excutere) hewi-ſcrecchjo (locuſta) chlecch-
jan (frangere) ſnëccho (limax) quëcchaƷ (vivum) frëcchî
(avaritia) ſmëcchar (tenuis) ëcchert (tantummodo) dicchi
(craſlus) plicches (fulguris) ſtricches (laquei) nicchjan
(deprimere) irquicchjan (vivificare) floccho (lanngo)
pocches (capri) chlocchôn (pulſare) ſtucchi (fruſtum)
trucchinen (ſiccare) drucchjan (premere) zucchjan (ra-
pere) jucchjan (ſcalpere). — Hinſichtlich dieſes inlauts
cch bemerke ich noch 1) er beſtätigt, gleich dem ſc,
die unorganiſche beſchaffenheit des alth. ch; in der ge-
mination erhielt ſich die vorſchlagende organiſche tenuis;
übrigens iſt die abwechſelung zwiſchen hh (ch) und
cch, gehalten zu dem goth. k und kk, offenbar kein
vortheil, ſondern ein nothbehelf. 2) wo ausnahms-
weiſe hh (ch) ſtatt cch geſchrieben ſteht, muß ein feh-
ler oder vielleicht angenommen werden, daß keine ge-
mination (wie ſie im goth. häufig unterbleibt) eingetre-
ten ſey. So läßt ſich J. 384. wrehhan (?wrehhun)
rechtfertigen, zumahl bei ausgeſtoßnem i; wrehho ent-
ſpricht dem goth. vrakja, während das üblichere wrecchjo
eigentlich ein goth vrakkja fordert. Man vgl. I. 399.
400. arwehhu ſt. arwecchju und 368. dhehhidon, gleich
daneben dhecchidon. In den älteſten denkmählern wäre
alſo der inlaut hh ſt. cch erträglich in ſpätern, wo die
gemination durchgegangen iſt, tadelnswerth. Bei K.
(auch gl. jun. 180.) ſteht ganz richtig achar, achres,
(goth. akrs); die ſpätere ausſprache fordert acchar. Eben-
ſo hat K. kerehhit (porrectus) dem goth. rakids ent-
ſprechend, und erwechen (excitare) *). Einzelne fälle
[193]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
ſchwanken billig nach zeit und mundart *). 3) fragt
ſich, welcher auslaut dem inlaut cch zuſtehe? Nach
dem alth. grundſatz, daß die inlautende gem. im aus-
laut wegfalle (mannes, man; falles, fal) würde der nom.
von ſakkes offenbar ſak lauten, da aber cch keine ei-
gentl. gemination ſondern eine ſie erſetzende compoſi-
tion iſt, könnte auch der nom. ſacch, pocch vertheidigt
werden. ſo gut als das analoge zopph (cirrus), oder
etwa ſcatz (ſcatts). Es ſcheint indeſſen ein gefühl des
alten, einfachen auslauts zurückgeblieben zu ſeyn, denn
N. ſchreibt im nom. nicht plicch, ſondern plig (fulgur),
ebenſo ſag (ſaccus) und einmahl rogh (tunica), alſo ver-
muthlich auch log, locches (cincinnus) etc. Man ſpreche
ein gehemmtes cch aus. 4) manche wörter ſchwanken
zwiſchen den geminationen cch (kk) und gg; natürlich
weil auch die einfachen inlaute k und g ſchwanken und
letzteres im ſtrengalth, häufig k lautet. Vgl. bei Neug.
den eigennamen eccho, eggo, eko, ecko; frëccho, fricko
(organiſche goth. formen wären davon: agja und frika)
mehreres gleich bei ck und gg.
(CC. KK. CK. K.) bezeichnet verſchiedenes
(GG) kommt nur bei ſolchen vor, die inlaute [...] d
die alte med. behalten, alſo bei O. T. und zuweilen
N. (der daneben das ſtrengalth. kk gebraucht). Belege
die vorhin gegebenen: egga, leggen, ſleggo, bein-ſeggo
(pediſequus) ëggo, awiggi, giwiggi (bivium) thiggen
(orare) ligge (jaceat) ruggi, brugga, mugga, luggi, fluggi,
huggen. — Obgleich nun die einfache inlautende med.
bei O. und T. der goth. völlig entſpricht (dagis, dages;
auga, ouga); ſo hat doch unſere gem. gg nichts mit dem
goth. gg, welches das naſale ng ausdrüekt (oben ſ. 71. 72.)
gemein, wie das alth. dd nichts mit dem goth. dd.
(HH) hiervon iſt ſchon oben bei der aſp. ch gehan-
delt. Dieſe gem. findet ſich nur bei J. K. T. und in
kleineren denkmählern, nicht aber bei O. und N.; fer-
ner, nie im an- und auslaut, auch nicht inlautend bei
vorausgehenden conſ. (alſo nie lhh ſt. lch etc.) folglich
bloß, wenn im inlaut vocale der gewöhnlichen aſp. ch
vorhergehen. Sie iſt keine wahre, organiſche gemina-
tion, weil ſie ſonſt nicht auf lange vocale (ruahha, zeih-
han, ſiuhhan, ſprâhha) folgen, und in andern quellen
nicht gänzlich entbehrt werden könnte; auch entſpringt
ſie nicht aus dem reinen h (und ſteht ſchon deshalb
außer vergleichung zu dem ſſ), ſondern aus dem auslau-
tenden h, welches die ſtelle der aſp. ch vertritt. Ob
man aber nicht dieſes h dem Ʒ und hh dem ƷƷ zur
ſeite ſtellen dürfe? habe ich oben ſ. 164. aufgeworfen
nud durch beiſpiele erläutert; auch ſtimmen die formen
[195]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
lz. nz. rz zu lch. nch. rch, wogegen beide 1Ʒ. nƷ. rƷ;
lh. nh. rh. ungültig ſind. Zur entfernung der dortigen
zweifel müſte man annehmen, daß die unterſcheidung
zwiſchen ch, h, hh ſpäterhin aufgegeben worden und
darum ſchon früher ſchwankend geweſen, daß hingegen
die zwiſchen z, Ʒ und ƷƷ in der ſprache fortgeblieben
ſey — *).
Die unterſuchung wird dadurch erleichtert, daß
ein bedeutendes und vielleicht mehr der weſtphäli-
ſchen als der eigentlich ſächſiſchen mundart zufallen-
des denkmahl in zwei alten hſſ erhalten worden iſt.
Wiewohl beide theils in ſich ſelbſt, theils unter ein-
ander ſchwanken, ſo hört doch für die meiſten fälle
die unbeſtimmtheit, welche aus den mannigfaltigen
alth. dialecten hervorgeht, auf. Dagegen hemmen und
erſchweren wieder zwei andere nachtheile den erfolg
meiner nachforſchungen 1) die E. H. iſt noch nicht
herausgegeben und mir nur in bruchſtücken, höchſtens
zur hälfte, meiſt aus der einen oder der andern hſ. be-
[202]I. altſächſiſche vocale.
kannt geworden. 2) keine der hſſ. ſetzt *) vocalzei-
chen; ich muß folglich längen und kürzen nach der
analogie zu beſtimmen ſuchen **). Die benennung alt-
niederdeutſch im gegenſatz zu althochdeutſch könnte
ſchicklicher ſcheinen, doch belaße ich es bei dem her-
gebrachten altſächſiſch, nicht nur weil die allgemein-
heit des namens Sachſen früher Weſtphalen mit umfaßt,
inſotern ſich jene vermuthung näher beweiſen ließe,
ſondern auch, weil zum altniederdeutſch ebenwohl das
angelſächſiſche und frieſiſche gehören und wir die be-
nennung althochdeutſch gerne mit den beſtimmteren
alemanniſch, bairiſch, fränkiſch vertauſchen würden,
wenn unſere denkmähler ſolche feſte begrenzung er-
laubten.
(A) wie im goth. u. alth. Beiſpiele: haba (habe)
gigado (par) ſcado (umbra) rador (coelum) ſcatho (latro)
graf (ſepulcrum) craft (vis) dag (dies) nagles (clavi) lagu
(aequor) dragan (ferre) thagôda (tacebat) faganôn (gau-
dere) ſlahan. hahan. naht. bac (tergum) gimaco (par)
racud (domus) wacôn (vigilare) thrac (moles) alah (tem-
plum) galgo (patibulum) ſamad (unâ) fano (pannus)
b[a]no (mors) manag. hand. land. giwand (mutatio) lang.
wang (campus) gimang (negotium) naru (propinquus)
garu (paratus) warag (exſecratio) hard (durus) ward (cu-
ſtos) ardôn (habitare) gaſt (hoſpes) fat (vas) hatôn (odiſſe)
fratu (ornamentum) water (aqua) ſcatt (theſaurus) glawe
(prudentes) ſcawôn (contemplari).
(E) gleich dem alth. entw. e oder ë. — Der umlaut
des a in e gilt durchgängig ***); beiſpiele: hebbjan (ha-
bere) edili. ſtedî (loca) beddi (lectus) egiſo (horror) gi-
neglid (clavis fixus) megin (vis) ſeggjan (nuntiare) egg-
[203]I. altſächſiſche vocale.
jon (aciebus) ecid (acetum) wrekkjo (exſul) reckjan (nar-
rare) ſeli (aula) eldibarn (homines) helid (heros) beldjan
(audere) bendi (vinculum) endi (finis) wendjan (vertere)
menigî. engil. gimengid (mixtus) bitengi (moleſtus) benki
(ſcamna) wlenki (ſuperbia) nerjan. werjan. dernjan (oc-
culere) merrjan (impedire) ſettjan (ponere). Verſteckt iſt
die urſache des umlauts in leng (diutius) trego (moeror)
ſegg (nuntius, vir) deren i abgeworfen iſt.
Beiſpiele des ë: gëban (dare) gëban (oceanus) hëban
(coelum) nëbal (nebula) ſëbo (mens) ſuëban (ſomnium)
ſëdel (ſedes) plëgan (ſolere) gëhan (fateri) ſëhan (videre)
wrëkan (perſequi) ſtëlan (furari) felis (rupes) wëlo (opes)
dëlban (fodere) ſëlbo (ipſe) ſëldlic (rarus) gëlp (arrogan-
tia) fërah (vita) bëreg (mons) hëru (gladius) hërand
(praeco) wërôs (viri) wërk (opus) giſuërc (caligo) ërl
(homo) fërn (vetus) wërth (dignus) ërtha (terra) hërte
(cor) hërro (dominus) fëter (compes) mëtôd (omnipotens)
giſëwan (viſus). Entſpricht alſo, wie im alth., dem
goth. i oder aí (vor h und r) und kehrt im praeſ. ſtarker
conj. gleichfalls in i zurück (hëlan, hilis; ſprëkan,
ſprikis).
(I) dem goth. ï entſprechend, nur wie das alth. häu-
fig in ë verwandelt, doch nach abweichendem gebrauch,
ſo gilt hier noch libbëan (vivere), alth. lëbên. Andere
beiſpiele: mid (praep.) idur (iterum) ſidu (mos) inwid
(ſcelus) middil (medius) biddean (orare) wigandôs (heroes)
thiggean (intercedere) wiht (aliquid) ik (ego) mikil
(magnus) hild (pugna) ſcild (clypeus) himiliſk (coeleſtis)
ſimnen (ſemper) thimm (obſcurus) kind (infans) ſind
(ſunt) thing (cauſa) rink (vir) ſink (theſaurus) ſcip (navis)
irmîn (nom. pr.) mirk (obſcurus) wirkean (operari) frithu
(pax) lith (membrum) ſith (iter) ſuith (fortis) firwit (cal-
liditas) ſittean (ſedere) bivôn (tremere) triwi (fidelis).
(O) iſt dem alth. o gleich, d. h. aus dem goth. u
und aú (vor r und h) entſprungen; beiſpiele: hobôs
(aulae) obar (ſuper) god (Deus) noh (adhuc) thoh (tamen)
drohtîn (dominus) antlocan (apertus) tholôn (pati) folma
(manus) holm (inſula, littus) gold. wolda. ſcolda. folgôn
(ſequi) bidolban (confoſſus) folk (plebs) conſta (ſcivit)
wonôn (habitare) ſlopjan (evadere) toroht (lucidus) wo-
rold (mundus) word (verbum) hord (theſaurus) thorn
(ſpina) hoſc (ludibrium) other (alius). Manche im alth.
gebliebene u ſind hier zu o geworden (drohtîn, alth.
truhtîn) dagegen andere geblieben, die ſich im alth. ver-
[204]I. altſächſiſche vocale.
wandeln (fuglôs, alth. fogalâ) *). In other, vermuthlich
auch toth (dens) iſt aber oth dem alth. and parallel.
(U) außer den fällen des ablauts (fulbun, wurrun,
clubun, lucun) reichen folgende beiſpiele hin: ubil (ma-
lus) lud (facies) cuddun (nuntiabant) hugi (animus) lu-
gina (mendacium) juguth (juventus) fugel (avis) tulgo
(valde) fulljen (implere) thrum (mucro) gumo (vir) ſu-
mer (aeſtas) cuman (venire) cumbal (ſignum) under (ſub)
mund (tutela) dunjan (tonare) cunni (genus) ſundea (pec-
catum) giſund (ſanus) hungar (fames) lungar (celer) dun-
car (obſcurus) thurh (per) burg (urbs) thurſtjan (ſitire)
cuſſjan (oſculari) bruſtjan (erumpere) hluttar (limpidus)
cuth (notus) muth (os) uth (unda).
(AA) nehme ich im ablaut und ſonſt parallel mit
dem alth. â an, alſo außer gâbun, nâmun, lâſun etc.
z. b. in folgenden: dâd (facinus) râd (conſilium) drâdo
(ſtatim) grâdag (vorax) giwâdi (veſtis) frâgôda (quaeſivit)
wâgi (aequor) ſpâhi (ſapiens) fâhjan (capere) nâhôr (pro-
pius) mâhljen (loqui) ſâlîg (beatus) ſân (ſtatim) mâno
(luna) ſlâpan (dormire) wâpan (arma) lâri (vacuus) wâr
(verus) mâri (illuſtris) fârungo (doloſe) hâr (crinis) ârundi
(nuntius) ſuâs (familiaris) lâtan (ſinere) âthom (ſpiritus).
Nur in einigen wörtern, wo die analogie anderer mund-
arten verläßt oder ſelbſt noch unbeſtimmt iſt, wage ich
nicht zwiſchen a und â zu entſcheiden, z. b. in gibada
(levamen) underbadôn (tollere? metu percellere). Na-
mentlich rechne man hierher die ſchon oben ſ. 88. be-
rührte, im altſ. ungleich häufigere vorpartikel a-, die
gewöhnlich dem alth. ar-, ir- (ex-) entſpricht, vgl.
a-rîſan (ſurgere) a-tuomjan (ſolvere) a-lôſjan (liberare)
und viele ſolche. Auf ein â- ſcheint zu deuten, daß
cod. monac. einmahl ao-drôbde (contriſtabatur) ſt. â-
drôbde (alth. ar-truopta?) und o-lât ſt. â-lât (im cod.
cott.) **) lieſt; inſofern die ausſprache des â ſich dem o
und ao näherte. Wiederum läßt der ausbleibende um-
laut des aht- in eht- (ſ. oben die note zum e) auf ein
âht ſchließen (mâht, nâht, ambâht etc.) wozu man die
entſprechende nord. form âtt halte.
(EE) das altſ. ê iſt vieldeutiger, als das alth. und
entſpricht theils dem ê, theils dem ei, theils dem ie (ia)
im alth.; gerade ſo und aus dem ſelben grunde, wie
und weshalb das altſ. ô theils dem ô, theils dem ou,
theils dem uo der alth. mundart zur ſeite ſteht.
(II) dem alth. î völlig gleich; beiſpiele: hlîdan (te-
gere) glîdan (labi) tîd (tempus) ſîda (latus) wîf (mulier)
lîf (vita) hnîgan (inclinare) thîhan (creſcere) wîh (tem-
plum) lîk (corpus) rîki (regnum) ſcîmo (ſplendor) ſîmo
(vinculum) hrînan (tangere) mîn (meus) grîpan (rapere)
ſkîri (clarus) rîſan (ſurgere) wîſo (dux) thrîſti (temera-
rius) huît (albus) wrîtan (ſcribere) lîth (potus) ſlîthi (fe-
rus) nîth (invidia) etc. In einzelnen wörtern bin ich
über die länge oder kürze des i zweifelhaft, als in idis
(femina) und fri (feminae ingenuae), vermuthe aber
îdis und fri, ſo wie bi (praep.) mi (mihi) thi (tibi) u. a.
(OO) gleich dem ê dreifach
Zu welchen dieſer drei langen ô einzelne wörter
gehören, oder ob ſie ein kurzes o haben, entſcheidet
die analogie. Zu beurtheilen, ob die ausſprache das
dritte ô von den beiden erſten auszuzeichnen gewuſt
habe? gebricht uns ein ſichrer maßſtab. Man muß ſich
etwa in beiden erſten ô einen dem a, in letztern einen
dem u näheren laut denken.
(UU) wiederum dem alth. û parallel: bûen (habi-
tare) trûôn (confidere) brûd (coniux) crûd (herba) hlûd
[207]I. altſächſiſche vocale.
(ſonorus) dûfa (columba) crûci (crux) cûmjan (plorare)
grûri (horror) hûs (aedes) ûtan (extra) mûtôn (mutare) *).
(AU) dieſer diphth. findet nur höchſt ſelten und le-
diglich in den ſ. 100. 1.) bezeichneten einſilb. wörtern
ſtatt. Belegen kann ich keine beiſpiele als: glau (pru-
dens) gen. glawes; thau (mos) gen. thawes; ebenſo wür-
den dau (ros) hrau (crudus) etc. anzunehmen ſeyn.
Verſchieden iſt der tripht. âu in blâu **), gen. blâwes
und vermuthlich grâu (canus).
(EA. EO. EU) nämlich ëa, ëo, ëu, ſind mit den
üblicheren ia, io, iu gleichbedeutend; am häufigſten
wechſeln ë-a, j-a, j-e in der endung, z. b. minnëa,
rîkëas, biddëan ſt. minnja, rîkjes, biddjen. In der wur-
zel iſt ëa eigentlich nie vorhanden, da die beiden fälle
ſëa (eam) thëa (ii) ſich in ë-a, i-a auflöſen. Öfter
zeigt ſich ëo und zwar wurzelhaft in brëoſt, lëob, thëob,
ſëok, thëoda, knëohon, nëotan, gëotan etc., als con-
traction in den ablauten: hrëop (clamavit) hrëopun. Man
unterſcheide davon das triphthongiſche êo, ſêola, hrêo etc.
ëu finde ich (wie das einſilb. au) bloß in dem einſilb. trëu-
in der zuſammenſetzung trëu-lôs (fallox) trëu-logo
(mendax), das mehrſilb. ſubſt. lautet trëwa (fides).
(IA) ich finde nur wenige fälle: liagan (mentiri)
liaban (carum) diapa (profundam) thiadan (dominus)
und thiad-, ſämmtlich ſtatt des goth. iu und gemein-
alth. io, ſo wie auch in dieſen wörtern ſelbſt im altſ.
io viel üblicher iſt. Die ſpuren des ia gleichen alſo dem
otfriediſchen. In ſia (eam, ii) und thia erblicke ich
eine contraction aus ſi-a, thi-a, wie vorhin beim ëa.
(IE) dieſer häufigere diphth. iſt
(IO) ſtehet gewöhnlich
(IU) wiederum
1) das organiſche iu in: liud (populus) biudit (offert)
niud (cupido) ſniumo (cito) giſiuni (viſio) ſtriunen (lu-
crari) fiur (ignis) diuri (pretioſus) hiuri (placidus) thiu-
ſtri (obſcurus) niuſjan (viſitare.) — 2) auf zuſ. ziehung
beruhend in: iu (vobis) iuwes (veſtri) hiudu (hodie) ſo
wie in den inſtr. thiu, hiu, thius. — 3) unterſchieden
von dem noch zweiſilb. i-u in: thiu, ſiu (illa) fi-undo
(inimicorum) bi-um (ſum) bi-ûtan (praeter) — 4) un-
terſchieden von dem zwar einſilb. giu, deſſen gi für j
ſteht, vgl. giu (jam) giudeo (judaeus) giungoro (diſcipu-
lus) wovon unten beim j ein mehreres.
(UO) entſpricht dem alth. uo (erſcheint auch nicht
als ua, oder abgeſchwächt ue, wie man nach dem ſpur-
weiſen ia und ie neben io vermuthen könnte) ſchwankt
aber häufig in ô. Beiſpiele: thuo (tum) fruobor (ſola-
tium) fuodan (parturire) muodor (mater) bluod (ſanguis)
[209]I. altſächſiſche vocale.
guod (bonus) muod (mens) ruoda (crux) ſtuod (ſtetit)
huodjan (cuſtodire) buok (liber) ſuok (praet. von ſakan)
fuoljan (ſentire) gruomo (mica) tuomi (liber, ſolutus)
duom (judicium) ſtuop (praet. v. ſtapan) cnuoſl (genus)
gruottun (ſalutabant) buota (emendatio) ſuoth (verus)
etc. —
Schlußbemerkung: außer den einfachen finden ſich
alle gedehnten vocale; von den übrigen diphthongen
aber nur eigentlich in (io) und uo, denn die überbleib-
ſel von au ſind kaum anzuſchlagen, ëo, ëu bloße mo-
dificationen und ëa, ia, ie unorganiſch. Hierzu rechne
man das ſchwanken des uo in ô. Die goth. doppellauter
ái, ei, áu erſcheinen folglich in ê, î, ô; die alth. ei, au
(ou), uo in ê, ô, ô verwandelt, welches als ein nach-
theil der altſ. mundart gelten muß. Das goth. ei konnte
füglich zu î werden (wie im alth), weil kein weiteres
î vorhanden iſt; allein das altſ. ê und ô vermengen jedes
zwei weſentlich von einander abweichende laute, die
auch im altſ. früher geſchieden waren, wie die ſpuren
des ie und uo beweiſen. Stünde durchgängig ie für das
drîtte ê, und uo für das dritte ô; ſo würde ſich gegen
die lautvertheilung wenig einwenden, vielmehr die ver-
ſchmelzung der beiden erſten ê und ô (ſtatt der alth. ê,
ei; ô, ou) ſich als ein vorzug betrachten laßen. — Um-
laut findet lediglich der des a in e ſtatt. Vocalwechſel,
und aſſimilation (ſ. 114-118.) zeigt ſich in ſpuren, z. b.
baram (ſinus) warag (ſupplicium) warahta (operabatur)
thiadan (herus) bëreg (mons) huerebjan (volvere) hueri-
bida (volvebat) dërebëun (crudis) gardiri (hortulanus)
jungoro (diſcipulus) ſorogon (curis) frôbor (ſolatium) etc.
wiewohl daneben auch thiodan, ſoragon, jungaro, gar-
deri und ähnl. formen, oft ausſtoßung des vocals ſtatt
findet. Erſt nach bekanntmachung der beiden hſſ. wird
ſich hierüber ein beſtimmtes urtheil ergeben, vorläufig
ſcheint mir das ſyſtem des vocalwechſels ſchwankender,
als im alth.
Von den anlautenden l. n. r. ſind hl. hn. hr. noch
unterſchieden. — Das inlautende n fällt aus 1) vor ſ
(nicht vor ſt. vgl. hernach die verbindung - nſt) als:
us (nobis) fus (promptus). 2) vor th. (nicht vor d und t,
O
[210]I. altſächſiſche conſonanten. liquidae.
vgl. hernach -nd, -nt) als: other (alter) ſith (iter) ſuith
(fortis) ſôth (verus) ſtôth (ſtetit) kuth (notus) muth (os).
3) vor f, als: fif (quinque). Weitere belege bietet die
analogie anderer mundarten. Frage iſt hierbei nur: ob
durch den ausfall der vorausſtehende kurze vocal lang
werde? Dafür ſpricht zwar die länge des nord. fùs etc.
nicht aber die kürze in oß (nobis) ödhrum (alteri, ſadhr
(verus) madhr (vir) etc. Freilich hat other (goth. anþar,
alth. andar) und ſôth, ſuoth (? goth. ſanþs, alth. ſand)
etwas auffallendes, man ſollte ather, ſath erwarten; of-
fenbar iſt hier eine änderung, keine verlängerung des
vocals (ſonſt würde âther, ſâth ſtehen) vorgegangen,
nämlich ſôth, ſuoth ſcheint der ablaut von ſanth und
other ablaut von anther, ein goth. unþar vorausſetzend.
Dieſe anſicht gewinnt durch die vergleichung des anzu-
nehmenden altſ. toth (dens) mit dem goth. tunþus und
alth. zand. Wahrſcheinlich bleibt alſo der vocal auch
nach ausgeſtoßenem n kurz, wie vorher. — Das inlau-
tende r iſt wie im alth. (oben ſ. 121.) zum theil aus
urſprünglichem ſ herzuleiten (vgl. nerjan, goth. naſjan)
ja die neigung zum ſchwirrlaut mag im altſ. noch vor-
herrſchender als im alth. ſeyn. Wenigſtens finde ich
grûri (horror), welches alth. wohl noch grûs oder grûſi
lautete. — Die angelſ. verſetzung des r bei folgendem
ſ und nn tritt nicht ein, es heißt z. b. gras, hros, brin-
nan, rinnan (angelſ. gärs, hors, birnan, irnan).
gemination. Ich finde anzumerken, daß die am in-
laut entſpringende gem. häufig auch im auslaut geſchrie-
ben wird, folglich auch geſprochen worden iſt; vgl.
ſpëll (nuncius) fëll (cutis) thimm (obſcurus) gewinn
(bellum) mann (vir) brunnjo etc. doch daneben ſpël,
grim, wam, man, im gen. beſtändig ſpëlles, grimmes,
wammes, mannes. Damit hängt nun zuſammen, daß
ſogar im ablaut von fallan und wallan die gem. bleibt:
fêll, fêllun; wêll, wêllun (alth. fial, fialun), vielleicht
mit in ë verwandeltem ê, wiewohl dieſe annahme nicht
nothwendig ſcheint, da hier ê kein organiſcher diphth.
iſt und in conſonantverbindungen. z. b. wêld, wêldun
(alth. wialt, wialtun) ebenfalls bleibt. — Weitere bei-
ſpiele von geminationen ſind: all (omnis) galla (fel)
hellja (tartarus) ſelljan (tradere) telljan (narrare) quelljan
(necare) ſtillo (quiete) filljan (percutere) willjo (voluntas)
grimmes (auſteri) frummjan (agere) brinnan (ardere) in-
nan (intus) minnja (dilectio) cunni (genus) ſunna (ſol)
[211]I. altſächſiſche conſonanten. liquidae.
wirran, warr (confundere) hërro, ſtërro, merrjan (impe-
dire) etc.; ënna (unum) iſt aus ênana oder einer um-
ſetzung von ênan zu erklären. — In viele wörter iſt die
gem. noch nicht gedrungen, z. b. himil, hamor (malieus)
und beſonders merkwürdig haben einzelne ableitungen
die alte, einfache liq. behalten, z. b. kuning und kuni-
burd (propago), neben dem ſchon gewöhnlichen kunni
(genus, goth. kuni).
verbindungen der liquidae. — LM. qualm. dualm.
hëlm. holm. folma. — LP. gëlp. hëlpa. LB. halb. dëlban.
ſëlbo. wofür bisweilen lf, wenigſtens auslautend ge-
ſchrieben wird. — LT. ſmult (ſerenus) ſuëltan (mori)
ſalt. malt etc. LD. ald. kald. haldan. ſëldlîc. meldôn
(prodere) ſpildjan (perdere) hild (pugna) ſkild. LTH.
ſcheint ſchon mit ld vermengt zu werden, indem ich
beldjan und huldî ſt. belthjan, hulthî finde. — LK. folc.
elcôr (alias) contrahiert aus elicôr. LG. galgo. bëlgan.
folgôn. tulgo (valde). — MN. ſtëmna (vox) dem goth.
ſtibna gleich; ſimnen (ſemper) wofür jedoch ſimlen, ſimla,
ſimblon üblicher, ſcheint zuſ. ziehung (alth. ſimblun,
ſimbulun). MB. umbi. cumbal (ſignum). — NT. ant-
(unorganiſch ſt. and-, aber ſtets ſo geſchrieben) tuentîc
(viginti) wintar (hiems). ND. hand. land. kind. bindan.
mund (tutela) giſund, ârundi etc. kein nth, auch kein
organiſches nſ, indem ſpunſja (ſpongia) fremdes ur-
ſprungs. NST. anſt (gratia) conſta (novit) farmonſta (in-
ficiabatur). NK. thank. benkî. ſkenkjo (pincerna) palën-
cea (palatium) wlenkî (arrogantia) drinkan. rink (procer)
dunkar (obſcurus) unk. NG. lang. gimang. hangan.
gangan. bitengi. hring. thing. thringan. thuingan. hungar.
tungal (ſidus). — RL. ërl (homo). RM. arm. farm (onus)
irmin. formôn (prodeſſe). RN. darno (clam) barn. îſarn.
gërno (ſollicite) thiorna. thorn (ſpina) torn (ira) gnornôn,
gornôn (moerere). — RP. ſcarp. wërpan. RF. ſuarf (ter-
ſit). — RT. ſuart (niger) herte (cor) wurt (radix). RD.
gard. ardôn. hard (durus) burd. word (verbum) wurd
(fatum). RTH. warth (fiebat) wërth (dignus) ërtha (terra)
morth (homicidium) forth (ultra). — RK. marca. ſtark.
wërk. ſuërkan (caligare) mirk (tenebroſus). RG. bërg.
ſorga. morgan. burg. — Wie im alth. gründen ſich ver-
ſchiedene dieſer formen auf zuſ. ziehung, namentlich:
rl. rm. rg, indem ërl, arm, bërg ein älteres ëral, aram,
bërag vorausſetzen, welche theilweiſe wirklich noch
vorkommen. —
(P) die ten. behauptet ganz den goth. organiſchen
character, iſt folglich anlautend höchſt ſelten, vgl. plë-
gan (exercere) pîna (cruciatus) pêda (tunica) oder fremde
wörter u. namen, wie palëncea, paſcha, pêtrus, para-
dyſi. In- und auslautend häufiger: ſcapan, ſcôp; ſta-
pan, ſtôp; ſcarp. wâpan. ſcip. gëlp. opan. hlôpan, hliop.
biſcôp. côpôn. diop. ſlopjan etc.
(B) auch die media macht als anlaut kein beden-
ken und entſpricht genau der gothiſchen. Deſto ſchwie-
riger ſind die in- und auslaute, Ein reines b. läßt ſich
mit ſicherheit nur für die einzige form mb annehmen,
wofür ich außer umbi (praep.) und cumbal (ſignum)
nichts belegen kann, ebendahin würden kamb (pecten)
lamb (agnus) dumb (mutus) etc. gehören. In allen übri-
gen fällen glaube ich gilt ein aſpiriertes bh, wiewohl es
die münchn. hſ. eigentlich nicht ſchreibt, aber die cot-
ton. ſcheint es häufig ƀ zu ſchreiben und beide hſſ. zu-
weilen v. Dieſe beſchränkung der med. ſtimmt völlig
zu der angelſ. u. nord. einrichtung, fand aber ſchon
theilweiſe im goth. (oben ſ. 55. 56.) ſtatt und hat ſich
im ſächſ. nur mehr entwickelt. Für den auslaut wird
man ſie leicht zugeben, wirklich kommt meines wißens
in der münchn. hſ. kein einziges auslautendes b. vor,
ſondern beſtändig wird graf (ſepulcrum) gaf (dedit)
wîf (femina) etc. in der cotton. hingegen, neben dem-
ſelben f einigemahl auch noch grab, gab, wîb und
vermuthlich mit ƀ grabh, gabh, wîbh geſchrieben. In-
lautend ſchreibt die münchn. grabes, gâbun, wîbes; die
cotton. entw. ebenſo, oder vielleicht wechſelnd grabhes
etc.; für dieſen inlaut wage ich noch nicht, die reine
med. allerwärts zu verſtoßen, ſondern nehme lieber
ſchwanken zwiſchen b und bh. an.
(BH) ƀ, bh *), v; dieſe aſp. tritt nur in- und aus-
niemahls anlautend ein.
(F) wie im goth. angelſ. nord. nur ſo und nie auf-
gelöſt ph geſchrieben, obgleich ph. die urſprünglichen
beſtandtheile des f lauts ſind. Er ſteht im altſ.
(W) der ſpirant bat die alth. ſchreibung un, welche
ich gleichförmig durch das zeichen w wiedergebe.
Ohne zweifel galt früher das einfache v wie im goth.
angelſ. nord. und ſelbſt mit runiſcher und goth. verlän-
gerung des ſtiels, wie die ſpuren im hildebr. lied deut-
lich zeigen. Seit man aber den alten buchſtab verlernte
und das einfache lat. u für die aſp. bh zu ſchreiben
anhub, bekam, wie im alth., der ſpirant nothwendig
das geminierte un; nirgends finde ich dafür vu geſchrie-
ben und nur einmahl uv (in êuve, êwe, lege). Ob nun
die ausſprache des altſ. w anders als die des goth. und
nord. v war? der (ſ. 138. 139.) vermutheten alth. ähn-
lich? will ich unentſchieden laßen und bemerke
gemination inlautender labiales iſt äußerſt ſelten.
PP. nur in der partikel upp, uppi, uppan; upp entſpricht
dem alth. ûf, das mit gekürztem voc. auch in uphe,
uffe übergeht. — BB. nur in hebbjan (habere) libbjan
(vivere) ſibbëa (cognatio), wiewohl ſich noch andere
vermuthen laßen. Dies bb gibt zugleich einen grund
für die inlautende med. ab, da die aſp. bh nicht gemi-
nieren könnte. — Eben ſo wenig findet ein altſ. FF ſtatt.
labialverbindungen; unter den anlautenden kommen
pl. pr. kaum vor, jenes in plëgan; bl. br. fl. fr. deſto
öfter; beiſpiele wären überflüßig. Aber die anlaute wl.
wr. müßen geſammelt werden, ich finde in meinen
bruchſtücken: wlit (facies) wlîtan (conſpicere) wlenkî
(inſolentia) wrëkan (perſequi) wrekkjo (exſul) wrîtan
(ſcribere) wrêth (iratus) wrôht (criminatio, lis) welchen
fich aus dem vollſtändigen text und aus der analogie des
goth. und angelſ. noch andere werden zufügen laßen. —
Inlautend kommt die einzige verbindung ft vor, die
ich vorhin beim f berührt habe. —
(T) organiſch wie im goth. und ſich von der med.
und aſp. rein abſondernd (ſôtan iſt dulcem, ſôthan aber
verum); eine ausnahme hiervon macht doch der auslaut,
wo ich zuweilen fehlerhaft t ſtatt der aſp. finde und
gewiß nicht aus bloßem ſchreibfehler. Namentlich ſte-
het immer quat (ajebat) und nie quad oder quath ge-
ſchrieben *), hingegen im pl. quâdun oder quâthun, nie
quâtun. Das tadelhafte ant- für and- iſt vorhin ſ. 211.
angemerkt worden. Ferner hat manchmahl die III. ſg.
und pl. ein falſches t, als: habit, ſagit; blôjat (florent)
dôjat (moriuntur); endlich das part. praet. als: farcôpôt
(venditus). Vielleicht ſind dieſe und ähnliche anomalien
einfluß der alth. ſchreibweiſe.
(DH. TH.) vor allem fragt es ſich: ob eine doppelte
aſp. nämlich dh unterſchieden von th anzunehmen ſey?
Geſchrieben wird letztere nie mehr mit dem goth. an-
gelſ. und nord. þ, ſondern überall in th (wie im alth.)
aufgelöſt; dh hingegen nie ſo aufgelöſt, ſondern durch
das geſtrichene ð bezeichnet, wie im labiallaut bh durch
ƀ, während dort das alte einfache zeichen f für ph ge-
blieben iſt. Auch darin bewährt ſich die analogie bei-
der lautreihen, daß im anlaut nie dh und bh, ſondern
nur th und f (ph) gelten **), alſo dh und bh auf den
[218]I. altſächſiſche conſonanten. linguales.
in- und auslaut beſchränkt bleiben. In- und auslautend
kommt th in der verbindung rth vor (wiederum ähnlich
dem rf), weder nth noch nf treten ein (in beiden fäl-
len wird n elidiert) und lth. lf. vermengen ſich frühe
mit ld. lb. Die unterſcheidung des th und dh ſcheint
mir jedoch für den fall, wo in- oder auslautend vocale
vorhergehen, wenigſtens ohne genauere vergleichung
beider hſſ. faſt unausführbar, da ſich theils th und dh,
theils dh und d untereinander vermengen und dh in
meinen bruchſtücken überhaupt ſelten ſteht. Zwar miſch-
ten ſich in gleichem falle auch f. bh und b; allein f galt
vorzugsweiſe für den aus-, bh für den inlaut. Analog
möchte man nun th auslautend ſetzen und dh inlautend,
inzwiſchen finde ich th viel häufiger auch inlautend ge-
ſchrieben, als f. — Belege des anlautenden th: thagôn
(tacere) that. thanan. thank. thenkjan. thëgan. thing.
thuingan. thringan. tholôn. thoh. thurh. thunkit. thîn.
thiod. thiob. thionôn. thius. thuo (tum) etc. In- und
auslautend fordern th a) die formen rth (vorhin ſ. 211.)
b) die fälle, wo n vor dem th ausgefallen iſt (vorhin
ſ. 209.). obſchon hier auch dh gebraucht wird. Gleich-
gültig ſcheinen th und dh in den ſubſt. endungen -itha,
-ith, -uth, desgleichen in einzelnen wörtern, als:
frithu, lithî (artus) ithur (rurſus) ſcatho (latro) âthom,
quâthun, bêthja (ambo) wrêth (iratus) blîthi (laetus)
ſîthôr (poſtea) ôthi (facilis) ôthil (poſſeſſio) etc. nur daß
dh eher auf die fehlerhafte verwechſlung mit der med.
d führte.
(Z) habe ich nur zweimahl angetroffen, in blid-
zëan (benedicere) und lazto (ultimus); in beiden fällen
ſteht es gleich dem goth. z als inlautende trübung des
ſauſelauts, entſpricht alſo keinmahl dem alth. ziſchlaut.
Daher auch, neben lazto, laſto (contr. aus latôſto) ge-
ſchrieben wird und blidzëan angelſ. blëdſjan, bliſſan.
Es laßen ſich noch andere beiſpiele denken wie: bezto
(optimus) ſt. beſto (contr. aus betiſto). In fremden wör-
tern, wie zacharias, nazareth, hat z ebenfalls mehr den
ſauſe-, als den ziſchlaut.
(S) der reine, einfache ſauſelaut iſt anlautend ſehr
häufig und auslautend in mehrern endungen; ſeltner
(wegen des übergangs in r) in den wurzeln, folglich
auch inlauten. Belege der letzteren art ſind: was. gras,
graſes. thius, theſes. ſuâs (domeſticus) frêſôn. rîſan. wî-
ſôn. môs, môſes. lôs, lôſjan. fus, fuſjan. niuſjan; vgl.
auch fëlis, fëliſis; îdis, îdiſî; egiſo, egiſun etc.
gemination inlautender linguales. TT; beiſpiele:
ſcatt, ſcattes. ſittjan (ſedere) gewittjes (mentis) flëttea
(atrio) ſettëan (ponere) hettëan (perſequi, hetzen) lettëan,
latta (morari); ſodann die ſ. 155. angegebenen wörter.
die im alth. die organiſche ten. beibehalten, namentlich
bittar, hluttar (limpidus). In grôttûn oder gruottun,
ſattun iſt tt aſſimilation ſt. grôtdun, grôtidun. ſetidun. —
DD. beddi. biddjan. inwid, inwiddjes. thriddjo. middil.
queddjan, quedda, (ſalutare) lêdjan, lêdda (ſt. lêdida)
ducere, muddi (modius). Neben quedda ſindit ſich quet-
da, ſo wie cu[t]dî (nuncia) ſt. cuddî oder cuthî; man
vgl. das alth. td. ſ. 168. — Die aſp. geminiert ſo wenig
als f. — SS. bildungen auf -neſſi; ſodann: cuſſjan.
wiſſa etc.
lingualverbindungen. 1) anlautende. tr. trego (dolor)
trëo (arbor) triwi (fidus). tu. tuiflëan tuê. tuêho. dr.
drohtîn. drincan. dragan. du. dualm. thr. thrac. thregjan
(torquere) thringan. thrim (multitudo) thrî. thrîſti. thu.
thuingan thuahan. ſc. ſcr. ſl. ſm. ſn. (ſniumo) ſp. ſpr.
ſi. ſir. ſu. (ſuâri. ſuâs. ſuëſter. ſuêt. ſuitho. ſuîgôn. ſui-
gli. ſuogan [ſtrepere] etc.) — 2) inlautende. ſc. flêſc.
fiſc. hoſc. ſp. coſp (compes) hoſp (contumelia). ſt. gaſt.
faſt. laſto. reſtjan. laſtar. beſto. liſt. gêſt. lêſtjan. thrîſti.
ôſtar. thiuſtri. brioſt. coſtôn (tentare) luſt etc. cuſta, lêſta
ſtehen f. cuſda, lêſtda. nſi. oben ſ. 211. angemerkt.
Wie im goth. mangelt die aſp. gänzlich, ſcheinbare
ausnahmen lîchamo (corpus) ſind in lîc-hamo auf-
zulöſen.
(K. C.) beiderlei ſchreibung der ten wechſelt gleich-
gültig ab; ſtreng geſchieden iſt die media. Bemerkens-
werth ſteht c auch vor e und i und vermuthlich mit
der ausſprache k, da wenn nach alth. weiſe der ziſch-
laut geſprochen worden wäre, man ſ geſchrieben haben
würde, wie ſich ſpongia in ſpunſja wandelte. Die bei-
ſpiele ſind: ecid (acetum) vgl. oben ſ. 68. crûci (crux)
und palëncëa (palatium); ebenſo dürfte cêſar, celic (ca-
lix) ſtehen, welche ich kêſar, kelik geſchrieben finde.
Freilich vermag ich kein krûki oder palënkëa zu bele-
legen, in ſolchen fremden wörtern könnte das c eine
andere ausſprache, etwa die von ſ oder dſ gehabt haben?
(vgl. unten beim angelſ. c); indeſſen hebt die ſeltene,
aber doch zuweilen auch in achtdeutſchen, welche ge-
[220]I. altſächſiſche conſonanten. gutturales.
wiß den k laut haben, ſtattfindende ſchreibung c vor e
und i [z. b. gleich eingangs der cott. hſ. rîcëo = rîkjo]
allen zweifel.
(G) dieſe med. hält ſich ſtets innerhalb ihrer orga-
niſchen grenze und bleibt an- in- und auslautend die-
ſelbe *).
(J) wird ſo wenig hier, als im alth. durch die
ſchrift ausgezeichnet, beruht aber auf gleichem verhält-
niß, und weil ich das altſ. u in u und v ſcheide, muß
ich auch i in i und j ſcheiden.
(H) dem goth. h parallel und nicht, wie im alth.
daneben die goth. ten. vertretend, daher wörter wie ac
(ſed) ik, mik, ôk, lîk, bôk genau geſchieden von: hôh,
wîh (templum) noh, thoh, ſah etc.; ebenſo die inlaute
mikil, têkan, biker (cyathus) lacan, makôn von ſlahan,
fâhan, tëohan, thîhan etc. Hier noch andere beiſpiele
des in- und ausl. h: fërah (vita) thuruh (praep.) frata-
hun (ornamentis) trâhnî (lacrimae) mâhljen (loqui).
Man merke
gemination inlautender gutt. KK. rekkëan (tendere)
wrekkjo (exſul) und ſo gewiß noch andere. GG. ſegg-
jan (narrare) ſegg (nuncius) leggjen (ponere) eggi (acies)
thiggëan (accipere) huggjan (meditari). Dies gg mit dem
goth. nicht zu verwechſeln; der Gothe geminiert alle
dieſe altſ. wörter gar nicht. — gutturalverbindungen
1) anlautende, kl. kn. kr. ku. (welches aber beſtändig
qu geſchrieben wird); gl. gn. gr; alle dieſe wird das
gloſſar zur E. H. nachweiſen, von gn. habe ich bloß
gnornjan (moerere) und dafür mit elidiertem n häufig
gornjan gefunden, was auch dem goth. gaúrjan näher
liegt. Wichtiger ſind die formen hl. hn. hr. hu; die be-
lege laßen ſich aus den übrigen mundarten leicht ver-
vollſtändigen: hlahan. hlêo. hlîdan (tegere) hlînôn (re-
cumbere) hlëotan. hlôt (ſors) hlôpan. hlûd. hluttar. hnî-
gan. hnêgjan. hrên. hrêô. hriwîg. hrîſan. hrînan. hring.
hrôpan. hrôrjan (tangere). hrori (ruina). huë, huës.
huerbjan. huîla. huît. — 2) inlautende. hs wird ſo und
nicht x geſchrieben: fahs. ahſla. wahſan. wëhſlôn. ſëhs;
x wäre ks, das in keiner wahrhaften verbindung vor-
kommt. ht ahtjan. maht, naht. braht. ſlahta. ambaht.
githaht. forahta. fëraht. toraht. wiht. rihtjen. drohtîn.
lioht. wrôht. vgl. die vorhin angeführten ſchw. praet.
Der anſehnliche vorrath von denkmählern, deren
bedeutendſte auch im druck bekannt gemacht worden
ſind, hat noch keine critiſche und ſichere feſtſetzung
des angelſ. alphabets herbeigeführt, worauf doch eine
nähere unterſuchung der ſpielarten des dialects nach ort
und zeit gegründet werden muß. Hic[k]es vorſtellung
von einer däniſch - ſächſiſchen und normänniſchen pe-
riode kann, wenigſtens in der weiſe, wie er ſie durch-
führt, nicht gebilligt werden. Gründlichere einſichten
würden aber von genauem ſtudium der hſſ. ſelbſt, das
nur in England vorzunehmen wäre, abhängen; ich habe
mich hauptſächlich an die älteſten quellen, nämlich an
die poëtiſchen gehalten und mittelſt der analogie der
übrigen deutſchen ſprachen geſtrebt, die angelſ. buchſta-
benlehre ſorgfältiger aufzufaßen, als bisher geſchehen war.
Leider bezeichnen die ausgaben und vermuthlich
die hſſ. ſelbſt in der regel gar keinen gedehnten vocal,
welches die unterſuchung außerordentlich erſchwert. In-
deſſen finden ſich beachtungswerthe ſpuren einer ſolchen
bezeichnung und zwar doppelter art: 1) zuweilen wird
ſtatt des gedehnten lauts die gemination geſchrieben,
vgl. Boeth. 150b vaa, 157b 169b 173a etc. good; andere
belege ſchlage man bei Lye nach, unter aa, aac, aad,
aar, faag, gaaſt, gaad, laad, maal, maan, raa, vaa, vaad;
briig, riip, tiid; hood, oo, moor, roop, voo, vood;
tuun etc. 2) zuweilen das dehnzeichen und zwar theils
der acutus (wie in nord. hſſ. und drucken) theils der
circumflex. So findet ſich im Boeth. 193b íſ, 190a á;
häufiger iſt der gebrauch in der Paraphr., es mögen einige
hundert wörter im ganzen gedicht bezeichnet ſeyn,
darunter für alle fünf vocale, doch häufig in den näm-
lichen wörtern, ſo daß, einmahl die regel der dehnung
feſtgeſetzt, nur in wenigen einzelnen fällen die helege
von wichtigkeit ſind. Hier beiſpiele: á, vá, má, ár, gár,
mán; éd, éce, égor, récaſ; tír, mín, tíd; ór, gód, ahóf,
fón; fús, ſcúr, búan, bú etc. Vermuthlich iſt keine alte
hſ. ganz ohne ſolche vocalzeichen; der herausgober des
Beovulf ſcheint ſie nicht geachtet zu haben, ich treffe
im druck kein einziges beiſpiel an. Den circumflex
ſetzt Lambard in der archäonom. aber ebenfalls ſchwan-
kend, z. b. â, âþ, hâl, gân, tâ, bân, lâc; bêc, gê[ſ], fêt;
[223]I. angelſächſiſche vocale.
fô, dô, hô, fôt, bôt, ſtôd; ût, cû etc.; ich möchte wißen,
ob ſeine hſ. ebenfalls den circumflex oder vielleicht den
acutus hatte? Ubrigens iſt wegen der ſeltenheit der be-
zeichnung insgemein zu erwarten, daß weder ſchreiber
noch herausgeber ihre wahre bedeutung verſtanden ha-
ben, daher in einzelnen wörtern keine volle beweis-
kraft für die natur des vocals in ihnen liegen mag.
Vielleicht finden ſich aber in England unter den älteſten
hſſ. einige mit ſorgſamerer accentuation. deren genauer
abdruck alsdann eine menge von zweifeln löſen würde.
Ich bediene mich überall des circumflexes ſt. des acutus
für den gedehnten laut, des acutus hingegen zu näherer
beſtimmung einiger diphthongen. Das übrige wird die
abhandlung des einzelnen darlegen.
(A) das reine, kurze a iſt beſchränkter als in irgend
einer andern deutſchen ſprache; da wo es im goth alth.
altſ. und nord. ſtatt findet, wechſeln im angelſ. a, ä
und ëa, doch nicht willkürlich, ſondern jeder dieſer
laute in eigner begrenzung; a tritt ein
Hieraus ergibt ſich, daß kein a ſtehe α) wenn der
einf. conſ. auslautet, d. h. ihm keine flexion a, o, u
nachfolgt, z. b. ſtäf (baculus) frät (voravit) β) wenn
dem einf. conſ. die endung e folgt, z. b. ſtäfes, ſtäfe,
väter (aqua); hier ſcheint die adj. decl. eine ausnahme
zu machen, wovon erſt dort gehandelt werden kann.
γ) wenn andere, als die vorhin angegebenen doppel-
conſonanten auf den wurzellaut folgen, unerachtet ein
a, o, u der flexion nachkommt; die wurzel hat alsdann
ein ä oder auch ëa, z. b. cräft, gen. pl. cräfta; äcer,
pl. äcras; ëarm (miſer) ëald (vetus) etc. In der ver-
bindung ld ſcheint jedoch noch a neben dem üblichern
ëa zu gelten, wenigſtens finde ich in den älteſten hſſ.
ſowohl valdan (imperare) aldor als vëaldan, ëaldor etc.
geſchrieben. — Endlich bemerke man, daß zumahl ſpä-
terhin in den fällen 2 und 3 nicht ſelten o für a vor-
kommt, als mon, vom, long, gongan f. man, vam,
gangan; auch im 4ten ſall bei folgendem m, als homa,
noma, gomol, ſe vonna, f. hama etc. nicht aber für
das rückumgelautete a. Die ganze zerlegung des kur-
zen a-lauts in drei verſchiedene laute a, ä und ëa
hat auf den erſten blick etwas auffallendes, erläntert
ſich aber ſehr durch die nicht bloß im angelſ. ſondern
auch in den andern mundarten gangbare völlig analoge
ſpaltung des kurzen i- und u- lauts. Nämlich das
[225]I. angelſächſiſche vocale.
angelſ. i zerfällt in i, ë und ëo; u in u und o und ge-
rade wie die verbindungen [...] [...][mp,][nd] etc. den rel-
nen, urſprünglichen laut beſchützen, thun ſie es bei
den vocalen i und u, (vgl. die bemerkungen zum ëa
und ëo). Freilich der rückumlaut zwiſchen ä und a hat
bei den andern vocalen nicht auf dieſelbe weiſe ſtatt,
aber die rückkehr des alten i in gevideru (tempeſtas)
neben vëder, des y in hyrnën neben horn. bietet in
der that eine ſehr ähnliche erſcheinung dar. Aus allem
dieſem erhellt übrigens, daß a der ältere und anfäng-
lich alleinherrſchende vocal geweſen, dem ſich allmäh-
lig die abarten ä und ëa zugeſellten.
(E) dieſer vocal hat wie im alth. die zwiefache be-
deutung e und ë, welche ich auf gleiche weiſe äußer-
lich von einander unterſcheide.
(I) entſpricht dem reinen goth. i mit ſicherheit nur
bei darauffolgendem mm. nn. mp. mb. nt. nd. nc. ng,
als grim, grimmes; vinnan, ſpinnan; gelimpan, timber;
minte (mentha) grindan (molere) ſinc (opes) drincan;
hring, ſvingan etc. In allen andern fällen ſchwanken
i, ë, ëo; doch haben viele angelſ. wörter i bewahrt,
welche im alth. ſchon ë zeigen, z. b. die infin. gifan,
ongitan, niman; weitere belege allenthalben. — Eigen-
thümlich liebt der Angelſachſe i vor h und ht, er ſetzt
es oft ſt. a, ë, o anderer ſprachen in dieſem fall; belege
unten bei den gutturalen. — Von der miſchung des i
mit y hernach bei letzterem.
(O) von doppelter art
(U) gleichfalls zweierlei
(Y) y, kurzer und einfacher vocal
(AA) aa oder â ſteht nicht dem alth. und nord. â,
ſondern dem ei in dieſen beiden mundarten, folglich
dem goth. ái parallel und iſt ein neuer grund dafür,
daß jene ei früher ai lauteten. Die ausſprache iſt áa,
dem goth. ái näher als éi. Beiſpiele: â (ſemper) vâ
(vae) mâ (magis) tvâ (duo) bâ (ambo) râ (capra) âc
(quercus) blâc (pallidus) vâc (mollis) lâc (oblatio) lâcan
[229]I. angelſächſiſche vocale.
(ludere) ſpâca (radius rotae) fâcen (fraus) tâcen ſignnm
âd (rogus) brâd (latus) gâd (cuſpis) râd (paratus) hâd
(conditio) vâd (iſatis) hlâf (panis) hlâf-ord (nutritor,
dominus, brotherr *) lâfe (reliquiae) âgen (proprius) lâh
(verſicolor) hnâh (occidit) ſtàh (aſcendit) lâh (com-
modavit) gâl (ſalax) hâl (ſanus) mâl (macula) hâm (do-
mus) làm (limus) þâm (iis) fàm (ſpuma) ân (unus) flàn
(telum) bân (os) ſtân (lapis) mân (ſcelus) ſvân (bubulcus)
râp (funis) gràp (prehendit) âr (aes) âr (nuntius) âre
(honor) bâr (aper) gàr (telum) làre (doctrina) ſâr (vul-
nus) þâra (eorum) hâs (raucus) ſnâs (veru) gâſt (ſpiri-
tus) lâſt (veſtigium) bât (exſpectavit) hàt (calidus) hâ-
tan (jubere) vlàt (aſpexit) gevàt (ivit) bât (linter) âtor
(venenum) gât (hircus) tât (alth. zeiƷ) **) âdh (jura-
mentum) lâdh (inviſus) vrâdh (iratus) ſvâdhe (veſti-
gium) mâdhm (cimelium) âva (ſemper) vâva (malum)
ſnâv (nix) hlàv (tumulus) ſpâv (ſpuit) ſàvl (anima). —
Die formen (-âh, -âr, -âv beſtätigen meine anſicht
des alth. ê (oben ſ. 90. 91). Zuweilen lautet â in æ
um, wo durch es ſich dem alth. und nord. â, wel-
chem æ gewöhnlich entſpricht, nähert; bât (linter) iſt
zwar das nord, bâtr, welches letztere aber aus dem an-
gelſ. entlehnt ſeyn könnte, wie offenbar das hochd. boot,
das zeigt ſich ſchon am t, da das angelſ. bât ſtrengalth.
beiƷ lauten müſte; hält man das nord. bâtr für ächt, ſo
würde die wahre angelſ. form bæt und nicht bât ſeyn
(alth. þàƷ?). Vielleicht iſt ausnahmsweiſe ein angelſ.
â = alth. à anzunehmen, außer bât auch in nâmou (ce-
perunt), nicht næmon. Ob die partikeln ſva und þa
vielleicht ſvâ und þâ lauten, wird ſich ſchwer entſcheiden.
(EE) auch dieſer diphth. entfernt ſich von den übri-
gen ſprachen, indem er dem goth. ô und alth. uo gleich-
ſieht; doch kommt er auch noch in anderm ſinne vor.
Nach allem dieſem wird die ausſprache des ê dem
engl. ee oder einem langen î ziemlich gleichgekommen
ſeyn und wirklich finde ich Boeth. 195b cîle ſt. cêle,
wie 175b 176b ſteht. Die miſchung des erſten und drit-
ten ê begegnet der des ua und ia im alth. (oben ſ. 103,
note) und aus der verwandtſchaft des kurzen i und u,
des kurzen ë und o, erklären ſich die berührungen und
übergänge zwiſchen ê und ô.
(II) dem goth. ei, alth. und altſ. î völlig gleich, be-
lege ergeben ſich überall, hier nur einige: îdel (inanis)
ſìde (latus) bîdan (exſpectare) fìfel (fatuus) gîfer (avidus)
mìgan (mejere) ſcìma (ſplendor) îs (glacies) þìſla (temo)
fìras (homines) lìdh (potus) hìvan (domeſtici) etc.; bei
ausfallendem n wandelt ſich i vielleicht in ì, als: fîf
(quinque) ſvîdh (fortis)? (vgl. die bemerkung zum ô).
(OO) doppelter art:
(UU) macht gleich dem î keine ſchwierigkeit und
entſpricht dem û in den übrigen mundarten. Belege:
bûan (habitare) brûcan (uti) lûcan (claudere) clûd (rupes)
ſcrûd (veſtitus) þûfë (vexillum) bûgan (flectere) fûl (ſor-
didus) rûm (ſpatinm) rûn (myſterium) dûn (collis) tûn
(ſepes) ûp (praep.) mûr (murus) ſcûr (imber) ſûr (acidus)
hûs (domus) lûs (pediculus) mûs (mus) trûvjan (confidere).
Auch den auslauten þû, nû, bûtû (ambo) hû (quomodo)
ſcheint das dehnzeichen zu gebühren; wegen des kurzen
oder laugen u, falls ein n ausgeworfen iſt, ſtehe ich,
wie bei i und a in zweifel, beiſpiele ſind: fus (cupidus
huſl (ſacrificium) ſuſl (ſupplicium) gudh (bellum) cudh
(notus). In der Par. ſteht fús, aber auch fúht (morbus),
welchem ſicher kein û zukommt.
(YY) von doppelter beſchaffenheit
(AE) einer der häufigſten und wichtigſten angelſ.
vocallaute, den ich in zwei ganz verſchiedene arten zu
zerlegen wage, obſchon hſſ. und gedruckte denkmähler
gar keine anleitung dazu geben *); ä iſt ein kurzer, dem
einfachen a zunächſt liegender, æ hingegen ein entſchie-
den langer laut, beide vertauſchen ſich nie in ihrer be-
deutung und wollte man ſie ungetrennt laßen, ſo würde
eine reihe von analogien, welche die übrigen ſprachen
an hand bieten, völlig verwiſcht werden.
Nach dieſer auseinanderſetzung wird nähere ein-
ſicht in das weſen des angelſ. ä möglich ſeyn, das in
den übrigen deutſchen ſprachen kaum etwas analoges
hat. Es unterſcheidet ſich 1) von dem e, dem umlaute
des a, denn es wird nicht durch die endung ë hervor-
gebracht; die endung e, bei der es zuweilen eintritt,
iſt theils kein ſolches ë, ſondern ein unbetontes, abge-
ſchwächtes, theils findet es häufig bei auslautendem
oder dopp. conſ., folglich ohne ein endungs-ë ſtatt.
Wirklich vermiſchen auch die hſſ. ä und e ſelten mit-
einander, man wird weder ber, meg für bär (tulit)
mäg (valet) noch fälë, härë f. ſelë (aula) herë (exerc.)
finden. 2) von dem ë, z. b. vëg (via) rëgn, rën (pluvia)
lautet anders als vägn, vän (currus) mägen (vis) etc.
3) von dem langen ê, umlaute des ô. 4) von dem lan-
gen æ, denn wörter, die letzteres haben, behalten es
durchaus bei, wenn ſchon a, o, u in der endung folgt;
da es folglich mæl (momentum) gen. u. dat. pl. mæla,
mælum heißt, ſo darf man nicht dæg (dies) ſondern nur
däg ſchreiben, gen. und dat. pl. daga, dagum. ä und
æ verhalten ſich genau zueinander, wie das alth. a: â,
vgl. läg (jacebat) lægon (jacebant) alth. lag, lâgun. Hier
noch einige beiſpiele von dergleichen, in genauer ſcrei-
bung wohl unterſchiedenen lauten: fëfer (febris) frêfer
(ſolatium) fêgan (jungere) fäger (pulcher) vëg (via) vë-
gan (eludere) praet. väg, pl. vægon; vägen (plauſtrum)
væg (fluctus) vâh, vâges (paries). — Ohne zweifel alſo
muß ä als ein kurzer *), quantitativ dem a gleicher
laut, nicht als ein umlaut, ſondern als eine trübung des
reinen a betrachtet werden, die ſich am füglichſten der
trübung des i in ë, des u in o vergleichen läßt, welche
anſicht dadurch beſtätigung empfängt, daß neben dem
ä ein ëa, wie neben dem ë ein ëo aus a und i erwach-
ſen. Dies wurde ſchon vorhin ſ. 224. angedeutet, hier
bemerke ich weiter α) das verhältniß zwiſchen i und ë
hat ſich in mehrern deutſchen zungen, das zwiſchen a
und ä hauptſächlich in der angelſ. hervorgethan. β) je-
nes iſt ſchwankend, dieſes dadurch geſicherter, daß es
mehr von endungsvocalen abhängt. Denn auch im an-
gelſ. behält vëg (via) ſein ë überall bei und bekommt
nicht im pl. etwa vigas, viga. γ) das verhältniß i und
ë ſpricht ſich beſonders im ſg. und pl. praeſ. ſtarker
[235]I. angelſächſiſche vocale.
conj. aus, wo kein ſolcher einfluß der endung wahrzu-
nehmen iſt und gerade die verba mit der wurzel a zei-
gen keinen analogen wechſel mit ä, eher das umgekehrte
(mehr hierüber bei der conj.) δ) ä iſt die durch keine
wirkſame, volle vocalendung aufgehaltne entſtellung
des reinen a-lants, der bleibt, ſobald a, o, u folgen
und einfache conſonanz zwiſchen liegt. ε) man er-
gleiche das verhältniß des nord. a und ö, wiewohl letz-
teres ein durch die andung u gezeugter umlaut des a,
da im gegentheil das angelſ. a mit der endung u ver-
träglich iſt. Außerdem würde mögr, gen. pl. maga ſehr
an mäg, maga erinnern; im dat. pl. bekommt jenes
mögum, dieſes magum. — Auszuſprechen hat man das
angelſ. ä wie das engl. in hàve (habere) verſchieden von
e, welches dem engl. e in web (tela) gleichlautet.
(EA) ebenfalls zwei durchaus verſchiedene arten.
(EO) wiederum mehrfach.
(IA. IE. IO.) dieſe doppellaute könnten gänzlich
übergangen werden, da ſie nur mundartiſch für andere
verſchiedene laute hin und wieder geſetzt ſind, und die
vocalreihe, ohne ſie ins ſpiel zu bringen, vollſtändig ab-
geſchloßen wird. Indeſſen beſtätigen ſie theils meine
nähere beſtimmung des e durch ë, theils verdienen ſie
darum erwähnung, weil ſie ſchon in den älteſten denk-
mählern neben der üblicheren form bemerklich, wahr-
ſcheinlich alſo ſpuren des früheren zuſtandes ſind.
Hier iſt in der hauptſache entſchiedene überein-
kunft mit dem goth. organiſmus und die alth. lautver-
ſchiebungen bleiben der angelſ. ſprache fremd.
Die anlaute l. n. r. ſind von den anlauten hl. hn. hr.
und vl. vr. genau verſchieden und noch lange zeit, zu-
mahl letztere, da wr. ſogar im engl. fortdauert. — Der
auslaut m ſchwächt ſich nirgends in n und nur ſchein-
Q 2
[244]I. angelſächſiſche conſonanten. liquidae.
bar in der prima pl. praet. ſchw. conj., da lëofedon
nicht f. lëofedom ſteht, ſondern die in die [1]te und [...]te
perſ. dringende [3]te iſt. — Der inlaut n fällt vor f. ſ. und
ð *) aus. vgl. fif alth. finf, funf) ſoftë, ſeftë (alth ſenfti)
gos (alth. gans) fus (alth. funs) huſl (goth. hunſl) ſuſl
(ſupplicium) eſt alth. auſt) ſvidh (goth. ſvinþs) gudh
(pugna) mudh (goth. munþs) todh (alth. zand) odher
(alth. andar) ſodh verus, alth. ſand?) cudh (notus) cudhe
(novi. goth. kunþa) udhe (favi, alth. onda) endlich über-
all die tert. pl. praeſ. -adh f. and. Ausnahmen: canſt
(noviſti, nicht caſt). das fremde tënſë, tinſë (cenſus).
Ob durch den ausfall der vorhergehende vocal lang
werde? iſt vorhin bei î, ô, û und beim altſ. ſ. 210.
gefragt worden; für die länge ſtreitet zwar das nord.
âſt, fùs etc. für die bleibende kürze aber, daß eſt und
nicht æſt, gos und nicht gæs geſchrieben wird. — Vor
c und g mag n ganz alth. ausſprache gehabt haben, nur
nicht in fremden wörtern wie ſpongëa, wo es gleich
dem engl. ſponge lautet, (vgl. oben ſ. 211.) — Das r iſt,
wie im alth. ſowohl organiſch als unorganiſch; letzteres
da, wo es an die ſtelle des goth. ſ tritt, nämlich im
gen. und dat. ſg. fem. und gen. pl. des adj. — im com-
parat. — in den pl. praet. væron, curon, hruron, lu-
ron — in folgenden wörtern: âr, gâr, ſâr, mâr, eáre,
hŷran (audire) hara (lepus) dëór (beſtia) îren (ferrum)
nerjan (ſervare) grŷrë (horror). Auslautend erleidet
dieſes r zuweilen apocope und zwar beſtändig in den
pronom. formen vë (nos) gë (vos) më (mihi) þë (tibi)
in der vorpartikel a- (alth. ar, ir, ur, goth. us) und in
verſchiedenen declinationsendungen. Schwankend finde
ich mâr und mâ (magis) nebeneinander. Gehaftet hat
das alte ſ: im pl. maſc. dagas etc. — im gen. ſg. m. und
neutr. — in den infin. vëſan, genëſan, leſan, cëóſan,
lëóſan, hrëóſan — im ſg. praet. väs, genäs, läs, ceás,
leás, hreás — im pl. praet. genæſon, læſon — in einzel-
nen wörtern, als: baſo (bacca) naſo (naſus) ſvæs (fami-
liaris) etc., neben îren beſteht ìſen und ìſern (ferrum).
Auch in der verbindung hs (x) dauert das ſ, vgl. ax
(ariſta, goth. ahs, alth ahir). — Nicht jenes unorgani-
ſche, ſondern das organ r. pflegt verſetzt zu werden,
wenn ein vocal und dieſem n (ſt. nn) und ſ (ſt. ſſ oder
in der verbindung ſc, ſt.) folgt; dann tritt es hinter
[245]I. angelſächſiſche conſonanten. liquidae.
den vocal und ſchließt ſich dem n und ſ an. Belege:
birnan, barn, burnon (ardere) irnan, arn, urnon (cur-
rere) burna (rivus) vgl. mit dem goth. brinnan. rinnan,
brunnô — gärs (gramen) *) hors (equus) cërſe (naſtur-
tium) fërſc (integer) þërſcan (triturare) þërſcvold (limen,
neben þrëſcvold) bërſtan (disrumpi) forſt (algor) hy ſtan
(ornare) hŷrſtan (frigere) firſt (dilatio); vgl. mit dem alth.
gras, hros, chrëſſa, friſc, drëſcan, driſcnvili **) prëſtan,
froſt, hruſtjan, hrôſtjan, friſt. Daß bei dergleichen um-
ſetzung der vocal a nicht nothwendig in ëa, ë nicht in
ëo (wie ſie ſonſt vor rn. rs. müſten) übergehen, habe
ich oben ſ. 236. 239. bemerkt. Der wohllaut gewinnt
zwar etwas, doch wenig und die vermengung mit den
wahrhaften formen rn. rſ. beeinträchtigt ſonſt ***) Ver-
muthlich hat aber eine ſolche r-verſchiebung hin und
wieder noch in anderen fällen ſtatt, nur ſehr ſchwan-
kend und einzeln, bei folgendem m. d. pſ. (ſtatt ſp), als:
forma (primus) bird (pullus) †) cirpſjan (criſpare) vgl.
mit froma, der nebenform brid, briddes und dem hochd.
criſpen; in der regel bleibt auch das r in ſolcher rich-
tung unverſchoben. z. b. aus brëmel (tribulus) wird kein
bërmel; endlich zeigt ſich das unorganiſche der ver-
rückung in dem ſpäteren vorſchreiten einzelner beiſpiele,
wie namentlich im engl. neben bird weiter third und
cart vorkommen, wofür man im angelſ. nur þridda und
crät (currus) antreffen wird. Ähnliche verſchiebungen
unten beim g und x.
gemination der liquidae wird in der regel auslau-
tend nicht geſchrieben (oben ſ. 223.) vgl. vël (fons) vël-
les; vam, vammes; man, mannes; tor, torres; auch in-
lautend nicht. ſobald ein conſ. anſtößt, z. b. ëalne
(omnem) ſt. ëallene, oder durch verſetzung vornen an-
rückt, z. b. hors, horſes ſt. hros, hroſſes. — Wie beim
alth. entſteht die gemination oft in dem abgeleiteten
[246]I. angelſächſiſche conſonanten. liquidae.
worte ſt des ansgefallenen i, z. b. fremman, ſellan f.
fremjan, ſeljan; und wie im altſ. durch zuſ. rückung, als
ânne (unum) mînne (meum) grênne (viridem) ſt. ânene,
mînene, grênene; iſt hier anne, änne, minne, grënne
anzunehmen?
verbindungen; die meiſten belege ſind oben bei a,
e, i, o, u vor m und n; bei ëa und ëo vor l und r
bereits gegeben worden. Hier nur einige zuſammen-
ſtellungen und bemerkungen: MB. ambiht. camb. gom-
bon (nord. gamban) amber, omber (cadus) lamb. vamb.
brember, brembel (rubus) timber. fimbel. dumb. cumbol
(ſignum) ymbë (circa) ſymbël (convivium). MN. fämne
(femina) ſemninga (ſubito), ſtëmn (vox) wohl alle contra-
hiert. LN. vyln (ancilla) myln (mola) beruht auf eli-
ſion und richtiger ſtehet vylen, mylen RN. ärn (do-
mus) ſcheint gleichfalls f. ären zu ſtehn, weil eine
wahrhafte verbindung ëarn (wie bëarn etc.) fordern
würde. — Gewöhnlich iſt auch das auf die liq. folgende
ſ. urſprünglich durch einen ausfallenden vocal davon
getrennt geweſen; alle fälle laßen ſich doch nicht ſo
erklären. LS. fælſjan (expiare, luſtrare) wahrſcheinlich
von einem mir noch dunkelen adj. fâl oder ſælë?) gælſa
(luxus) von gâl (luxurioſus) hælſjan (augurari) von hâl;
vælſing oder välſing (nom. pr.) vgl. das nord. volſûngr;
cynëgils (nom. pr.) iſt umſetzung ſt. cynë-giſl. MS.
hramſe (allium urſinum) brimſa (tabanus) gewiß von ei-
nem verh. brimſjan, wie grimſjan (ſaevire); þrimſa (mo-
neta quaedam, von tremiſſis?). NS. clænſjan (purgare)
bênſjan (ſupplicare) von clænë (purus) bên (ſupplicatio);
bei ſvinſjan (modulari) minſjan (minuere) pinſjan (pen-
ſare) weiß ich keine ſolche ſächſ. wurzel, die beiden
letzten ſind offenbar fremdes urſprungs, darum iſt in
ihnen, wie in dem obenangeführten tënſe, das n vor ſ
nicht ausgefallen und in clænſjan etc. nicht, weil die
verbindung ns keine wahre war. RS. ëars (nates) bëars
(lupus piſc.) tëors (penis) þyrs (gigas) ſyrs (lolium) ſind
organiſch verbundene rs. auch in virs (pejus) firſjan
(elongare) und irſjan (iraſci) entſpricht rs dem goth. rs.
rz. und hat ſich noch nicht in rr. verwandelt *); mærſjan
(celebrare) dŷrſjan (aeſtimare) iſt aber, wie clænſjan, aus
[247]I. angelſächſiſche conſonanten. labiales.
mærë und dŷrë entſprungen *); curſjan (devovere) weiß
ich nicht befriedigend zu erklären. — Die goth. zd ſind
ſämmtlich in rd übergegangen, vgl. brëard, brëord oder
brord (ſummitas, punctum) ord (cuſpis) hord (theſau-
rus) mëord (merces) rëord (loquela) pëord (im ſchach,
oben ſ. 126.) —
Hier iſt beinahe ganz die goth. einrichtung, ich
darf daher dieſe vorausſetzen und mich auf wenige be-
merkungen beſchränken.
(P) anlautend zwar meiſt in fremden, doch auch
in verſchiedenen deutſchen wörtern, als: pada (milvns)
pädh (ſemita) plëgjan (ludere) plëoh (periculum) pliht
(periculum) pluccjan (vellere) prät (aſtus) prettîg (aſtu-
tus) etc. In- und auslautend häufig, z. b. ſcapan
(creare) ſcôp (poëta).
(B) anlautend von p und f getrennt, häufig vorhan-
den; in- und auslautend aber nur in der ſeltenen ge-
mination bb und der verbindung mb, ſonſt überall
durch f erſetzt **).
(F) der anlaut dem goth. f entſprechend, der in-
und auslaut hingegen theils dem goth. b theils dem
goth. f. vgl. drêfan, ſëofon, yfël; ufor (ulterius) vulf
etc. mit den goth. dreiban, ſibun, ubils; ufar, vulfs.
Es iſt auch kein ƀ (bh) wie im altſ. anzutreffen. Ob
die ausſprache zweierlei f, alſo eine zweifache aſp. ge-
ſondert habe? will ich nicht entſcheiden; erſt in den
ſpäteren denkmählern pflegt ſich ein, im engl. noch
häufigeres, inlautendes v ſtatt f zu zeigen, das dem
alth. und altſ. v parallel wäre. Die alten und ächtan-
gelſ. quellen kennen es aber kaum ***) ſchon darum, weil
[248]I. angelſächſiſche conſonanten. labiales.
der ſpirant v in ihnen einfach und nicht (wie im engl.)
doppelt geſchrieben wird. — Dieſes zuſ. fallen der in-
und auslaute b und f iſt ein nachtheil gegenüber dem
alth. und unorganiſch, wie jene ſpuren des b. in bb.
mb. und das geſchiedenbleiben der lingualen in- und
auslaute bewähren; inzwiſchen zeigt das goth. ſchwan-
ken in gleichen verhältniſſen, wie frübe die neigung
in der ſprache lag, auch ſtimmt darin die nord. zu der
angelſ. mundart.
(V) iſt der reine ſpirant, fein wie im goth. auszu-
ſprechen und mit der alten rune geſchrieben; merk-
würdig findet ſich einigemahl noch u daneben, na-
memlich Boeth. 150b ſvua 151a vuolde ſt. ſva, volde *);
vgl. bei Lye unter: vurättan, vurâdh ſt. vrättan, vrâdh.
Folgt ein wirkliches vocaliſches u, ſo wird v nicht
weggeſtoßen, z. b. hvurfon, vurpon etc., ausnahmen
hiervon (vgl. Lye unter: uht, ucu ſt. vuht, vucu) ge-
hören ſpäterer zeit und mundart. Übereinſtimmend
wird auch in den verbindungen hv. qv. ſv. dv. þv. tv.
ſo und nicht hu, qu, ſu, du, þu, tu geſchrieben.
Wegen der in- und auslautenden v, denen vocale
vorausgehen, bemerke ich
Die ganze darſtellung lehrt, daß der kurze vocal
vor v nur ausnahmsweiſe fortdauert, gewöhnlich aber
der diphthong und v dazu geſetzt werden. Dieſe un-
organiſche überladung rührte daher, daß man im aus-
laute das v nicht abwarf, z. b. deáv ſt. deá, trëóv ſt.
[250]I. angelſächſiſche conſonanten. labiales.
trëó (goth. triu) zuließ, wovon ſich nun fälſchlich, aber
naturlich die inlaute deáves, trëóves ſt. daves, trives
bildeten. Die analogie der fälle, welche den anlaut v
organiſch beſitzen, (vgl. ſpâv, hîv, goth. ſpáiv, heiv)
wirkte [dazu] mit. vielleicht auch bei dem ëó die ver-
änderte accentuation (ſt. ío. goth. íu), worauf ich doch
kein gewicht lege, weil ſich die anomalie ëóv gerade ſo
in dem alth. iuw (ſt. iw) hervorthut, wie eáv in dem
alth. ouw, auw (ſt. aw). obgleich im alth. auslaut mei-
ſtens mit richtig abgelegtem w iu und on ſteht. — In
den endungen fällt der unbetonte vocal vor dem v
meiſt aus und es ſtößt dann zu dem vorhergehenden
conſ. z. b. bëadves (pugnae) fëalves (fulvi) ſalvîg (luri-
dus) mëalve (malva) mëolves (farinae) arvunga (gratis)
bëarves (arboris) ſëarvum (inſidiis) hyrvjan (blasphemare)
baſve (coccineos. Par. 90, 15.) haſve (aſperae? Par. 69, 2.
33, 12.) ræſva (pollens princeps, nord. ræſir) læſu
(paſcuum, gen. læſve) læſvjan (paſcere). Die volle form
lautet: bëaduves, bëadeves, fëaluves etc. — Das in-
und auslautende v tritt zuweilen in die gutturalis c
(cvic, cvices goth. qvius, qvivis) und noch öfter g über
(wovon hernach beim g). —
gemination der labialinlaute.
(PP) ſelten: äppel (pomum) cnäp, cnäppas (cacumen)
lippe (labium) ſcippend (creator) yppjan (aperire) ëoppa
(n. pr.) hoppjan (ſaltare) loppe (pulex). — (BB) häufiger:
gabban (deridere) häbban (habere) hebban (tollere) neb,
nebbes (vultus) veb, vebbes (tela) cnebba (n. pr.) ebbe
(receſſus maris) ſvebban (verrere) libban (vivere) crib,
cribbe (praeſepe) ſib, ſibbe (cognatio) rib, ribbe (coſta)
vibba (brucus) clibbor (?); die meiſten fälle ſind wie
im alth. aus einem unterdrückten ableitungs-i zu erklä-
ren. — FF. VV ſind unorganiſch und eigentlich nicht
vorhanden, nur ff finde ich theils in dem fremden wort
offrjan (offerre), wo es aſſimilation für obfrjan iſt; theils
in einigen nom. pr. der angelſ. genealogie als: offa,
vuffa, ſtuffe, yffe, mithin überall außerhalb der eigent-
lichen ſprache. —
labialverbindungen. Im anlaut pl. pr. ſelten, bl.
br; fl. fr. häufig; von vl. vr. hier die wichtigſten:
vläc (tepidus) vlacjan (tepere) vlencë (faſtus, ſplendor)
vlanclice (arroganter) vlatjan (nauſeare) vlîtan (aſpicere)
vlite (ſpecies, vultus) vrëcan (ulciſci) vræce (ultio) vrecca
(exſul) vrenna (regulus, engl. wren) vräne (laſcivus)
[251]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
vrâdh (iratus) vrîdhan (ligare) vrät, vrättes (res mira)
vrixl (alternatio) vraxljan (luctari) vrêgjan (accuſare)
vrôht (accuſatio) vrenc (dolus) vrëón (tegere) vreáh
(tegebat) vringan (ſtringere) vrincle (ruga) vrìtan (ſcri-
bere) vridhjan (creſcere) vrôt (roſtrum, rüßel) vrôtan
(eruere). Zwiſchen vr ſchiebt ſich zuweilen u ein, vu-
râdh, vurättan, ſ. vorhin ſ. 248 und vgl. oben ſ. 141. —
Inlautend: ft (belege beim ä) und ps welches gleich
dem alth. fs (oben ſ. 149.) für ſp ſteht, doch finde ich
im angelſ. beiderlei form untereinander ſchwanken, vgl.
väps (veſpa) äpſe (tremulus) häpſe (ſera) hrëpſung (ves-
per) vlips (blaeſus) cops (compes) cirpſjan (criſpare)
neben väſp, äſpe, häſpe, vliſp, coſp und hviſprjan
(ſuſurrare) — vs iſt keine wahre verbindung, ſondern
man beurtheile hrëóvſjan (dolere) trëóvſjan (fidem dare)
wie oben die formen ms, ns, und ähnliche.
Wie im goth. zumahl
anlautend rein geſchieden, daher auch in den gedichten
t. d. þ. keineswegs mit einander alliterieren.
(T) ich führe hier die liquidverbindungen lt, nt
und rt an: hëalt (claudus) mëalt (braſium) ſëalt (ſel)
ſinevëalt (rotundus) tëaltjan (tolutare) belt (balteum)
ſpelt (far) ſvëltan (mori) mëltan (liquefieri) miltë (ſplen)
miltiſtre, mylteſtre (meretrix) hilt (capulus) gilte (ſucula)
anfilt (incus) holt (ſilva) bolt (catapulta) gylt (delictum)
ſtylijan (haeſitare); plant (planta) gigant (gigas) ent (gi-
gas) raccenta (catena) flint (ſilex) minte (menta) ſtintan
(hebetare) vinter (hiems) hrunting (nom. gladii) munt
(mons) punt (pons) ſtunt (hebes, fatuus) huntjan (venari)
dynt (ictus) myntjan (diſponere); ſvëart (niger) tëart
(aſper) ſtëort (cauda) ſpëort (ſporta) port (portus) portic
(porticus) turtel (turtur) vyrt (radix) cyrtël (tunica). —
Auslautend bei zuſ. ziehungen ſteht bisweilen t ſtatt dh,
namentlich in der III. praeſ. ſg. bei den wurzeln auf
d. t. ſ. nd. lt, als: brit, it, ſlìt, lŷſt, bint, ſvilt, ſtatt:
briddh, itdh, ſlìtdh, lŷſdh, binddh, ſviltdh. Zu tadeln
iſt die vorkommende ſchreibung ſint f. ſind (ſunt);
warum ſteht aber geſynto (ſanitas) f. geſyndo (vom adj.
geſund, ſanus)?
(D) dieſe med. iſt im anlaut überall und ſorgſam
von der ten. und aſp. zu unterſcheiden, daher wörter
wie: deáv (ros) þavjan (regelari) tavjan (parare) þeáv
(ritus); gât (caper) gâd (mucro); âd (rogus) âdh (jura-
[252]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
mentum etc. nichts mit einander zu ſchaffen haben *);
fein re unterſcheidungen, z. b. zwiſchen deádh (mors)
und deád (mortuus) (vgl. oben ſ. 157. note) werden da-
durch möglich. In- und auslautend tritt aber verſchie-
dentlich ſchwanken zwiſchen med, u. aſp. ein,
(þ. ð.) da für die aſp. zwei verſchiedene zeichen,
nämlich þ (th) und ð (dh) gelten, ſo muß auch ihre
[253]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
ausſprache unterſchiedlich geweſen ſeyn, obgleich die
labialreihe nur eine aſp. f. (kein ƀ) und die guttural-
ordnung gar keine aſp. beſitzt. Die hſſ. und drucke ver-
wirren þ und ð (wofür ich mich ungern der auflöſung
dh. bediene) in einem fort; dazu kommen übergänge
des dh. in die media. Offenbar lautete þ härter (beinahe
ths, thz), dh weicher (etwa ds, dz) und dem d ziem-
lich nahe; ich folge der aus der analogie des altſ. ent-
lehnten, übrigens auch von Raſk p. 9. angenommenen
regel, und ſchreibe im anlaut þ. im in- und auslaut
dh. Der anlaut þ darf nicht mit der med. verwechſelt
werden, der in- und auslaut dh hingegen iſt, nach dem
vorhin entwickelten
(Z) iſt kein angelſächſiſcher buchſtab noch laut; ſel-
ten ſchreiben ihn einzelne hſſ.; man ſehe Lye unter
bädzere, bäzere (baptiſta ſtatt bädhere, alſo die ausſpra-
che der aſp. dh. bezeichnend, welche gleich einem mil-
den ds lautet.
(S) die ausſprache war vermuthlich rein und von
dem ziſchlaut entfernt; erſt ſpäter ſeit der normäuni-
ſchen eroberung wurden mit fremden wörtern viele z
[254]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
in das engliſche eingeführt. Von den übergängen des
ſ in r vorhin ſ. 244. Beiſpiele des wahren ſ: baſu (coc-
cinum) naſu (naſus) vaſe (coenum) hliſa (fama) hruſa
(terra) häſel (corylus) blæſe (fax) flyſë (vellus) byſen
(exemplum) yſela (favilla) etc.
gemination der inlaute. (TT) häufig, beiſpiele oben
ſ. 233. hier noch andere: fät, fättes (craſſus) hvettjan
(acuere) mettën (parca) fittë (cantilena) mytta (modius)
ſcottas (ſcoti) etc. insgemein wird nach kurzem vocal
(wie im alth. aber ungefüger ƷƷ für Ʒ ſteht) oft gemi-
niert, z. b. mettas (cibi) vom ſg. metë, ſnottor (prudens)
hluttor (purus) bitter (amarus) und ſo in den ableitun-
gen -etta, -ettan, als: ämetta (formica) bilcettan (eruc-
tare) blicettan (coruſcare) etc. wo häufig richtiger ein-
faches t geſchrieben wird: metas, ſnotor, blicetan etc.
Verſchieden von der gemination tt iſt bei zwiſchenaus-
fallendem vocal die aſſimilation tt ſtatt -tid im ſchw.
praet. z. b. hâtte (vocabatur) mêtte (occurrit) für hâ-
tede, mêtede (goth. môtida), deagl. ſtatt -ttid, z. b.
onette (feſtinavit) ſette (poſuit) f. onettede *) ſettede;
vgl. über ähnliche alth. tt. oben ſ. 168. 198. — (DD)
dem alth. tt. parallel und im ganzen ſeltner als tt; bei-
ſpiele: bed, beddes. ved, veddes. ahreddjan (eripere)
gëddjan, giddjan (canere). midda (medius) þridda (ter-
tius) biddjan (rogare) invidda (doloſus) tuddor (proge-
nies). Im ſchw. praet. entſpringt dd. wiederum aus
zuſ. ziehung und iſt keine eigentliche gemination, vgl.
hêdde (cavit) fêdde (parturivit) genêdde (coëgit) lædde
(duxit) gebrædde (dilatavit) ſtatt hêdede, fêdede, genê-
dede, lædede. — (þþ.) ſo wenig als ff. wahre gemina-
tion, doch als aſſimilation nicht unhäufig, zumahl in
den partikeln oþþe (aut) und ſiþþan (poſtea) vgl. oben
ſ. 74; weiter in den ſchw. praet. cyþþe (nuntiavit) ge-
neþþe (audebat) ſt. cyþde (cyþede) geneþde (geneþede)
wie man daneben geſchrieben findet, von den inf. cyþ-
jan, geneþjan (alth. ginenden) man vgl. das altſ. td
(ſtatt thd) oben ſ. 219. Scheinbare gemination der aſp.
indeſſen kommt verſchiedenemahle nach analogie der
dd. in fällen vor, wo die einfache aſp. völlig hinreichte,
namentlich in der Par. beim pl. von nidh (homo)
nidhdhas, niþþas, niþþa, niþþum; ebenſo maþþum
(Bëov. p. 78. 80. 99. 163? dat. pl. von mädh). Daneben
[255]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
oft das richtigere niþas, niþa, niþum; maþum finde ich
nicht, dagegen neben pädh, padhas das tadelhafte peþþ-
jan (callem facere). beßer pedhjan; ferner viþþe (lo-
rum) ſt. vidhje. Dies unorganiſche þþ. ðð hat mit dem
alth ff. ƷƷ. einerlei quelle. — (SS) außer der häufigen
bildung -niſſe ſind folgendes wahre geminationen: aſſa
(aſinus) näſſe (promontorium) hiſſas (juvenes) miſſjan
(errare) coſſas (oſcula) cnyſſjan (premere) etc. In an-
dern wörtern ſcheint ſſ. durch aſſimilation entſprungen,
als: liſſe (gratia, manſuetudo) aus lidhſe, das ſich da-
neben findet, von lidhſjan (miteſcere, von lidh, alth.
lind. mitis); bliſſe (gaudium) aus blidhſe, blîdhſe von
bliſſjan, blidhſjan (laetari, von blîdhe, laetus); bleſſjan
(benedicere. ſegnen) neben blêdſjan, blêtſjan (vermuth-
lich von blêd; fructus, ubertas, ſegen) þiſſe (huius f.)
aus þiſre; läſſa (minor) comp. von lytel; viſſe (novit,
gewöhnlicher doch viſte) aus vitede; miſſere (temp. ſe-
meſtre, annus) weiß ich noch nicht befriedigend zu er-
klären, es iſt das nord. miſſiri.
lingualverbindungen. 1) anlautende, die das gloſſar
näher weiſt; tr: trega (vexatio) trendel (orbis) trëdan
(calcare) trëóv (arbor) trëóvë oder trivë (fidus) trog (lin-
ter) trum (firmus) trymjan (firmare) trudh (tibicen) —
tv: tvâ (duo) tvîg (ramus) tvincljan (ſcintillare) — dr:
draca. drincan. dreám (jubilum) drëógan (tolerare) drih-
ten etc. — dv: dväs (hebes) dveljan (decipere) dvëorg
(nanus) dvînan (tabeſcere) — þr: þräc (robur) þrag
(curſus) þræd (filum) þreát (turma) þrëó (tria) þrì (tres)
þrîſtë (audax) þringan (premere) þroſm (vapor) þ ôvjan
(pati) þruh (loculus) þrim (cohors) — þv: þvang (cor-
rigia þvingan (cogere) þveán (lavare) dvëorh (curvus) —
ſc. ſcr. ſl. ſm. ſn. ſp. ſpr ſt. ſtr. ſv; alle häufig. —
2) inlautende: ſp. ſt, ſc; belege: äſpe. häſp. vliſp.
coſp. hoſp. hyſpjan (ſ. oben beim ps.) — braſtljan (cre-
pitare) þräſtjan (torquere) cëaſt (lis) cëaſter (caſtrum) eſt
(gratia) nëſt (nidus) reſtjan (quieſcere) miſt (nebula) viſt
(victus) viſtljan (ſibilare) miſtel (viſcus) þiſtel (carduus)
griſtel (cartilago) oft (ſquama) fôſtor (nutritio) muſt
(muſtum) ſvëoſtor (ſoror) þëôſter (obſcurus) etc. — aſce
(cinis) räſcetan (ſtrepere) dväſcjan (extinguere) äſc (fraxi-
nus) flæſc (caro) hneſc (tener) diſc. fiſc. viſcjan (optare)
âſcjan (poſcere) cûſc (caſtus) huſc (contumelia) merſc
(palus); zuweilen ſetzen ſich dieſe ſc. in x (cs) um,
z. b. hnexjan (mollire) âxjan, axe, frox (rana), flaxe,
fixas, tux (dens maxill.) für hneſcjan, âſcjan, aſce, froſc,
[256]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
flaſce, fiſcas, tuſc. — Uneigentliche verbindungen (wie
oben ls. ms. ns. vs) ſind ts, ds, dhs, z. b. blîdſjan,
mildſjan, blêdſjan, wofür man auch blìtſjan, miltſjan,
blêtſjan findet, zuweilen die aſſimilation ſſ (wovon vor-
hin), vielleicht mit verkürzung des voransſtehenden
langen vocals. Hier noch weitere belege: gîtſjan (con-
cupiſcere) metſjan (cibare) brŷ[t]ſan (fragmenta) unrôtſjan
(contriſtari); die vergleichung des alth. lehrt den aus-
fall eines vocals zwiſchen dem t der wurzel und ſ der
weiterbildung, mildſjan, metſjan würden alth. miltiſôn,
maƷiſôn (oder meƷiſôn) lauten. Ebenſo lehren ſn in
byſen (mandatum) räſn (laquear) die ſyncope im goth.
zn (oben ſ. 67.) —
(C) es wird c, nicht k geſchrieben (dieſes erſt ſpä-
ter oder einzeln in fremden wörtern, z. b. kâſere, cae-
ſar) aber k geſprochen. Vor a, o, u, â, ô, û und den
conſonanten l, n, r, v, hat das kein bedenken; vor ä,
e, ë, i, y, ëa, eá, ëo, ëó, ê, î, ŷ könnte man zwei-
feln, da
Welche dieſer entſtellungen des reinen k-lauts wäre
nun auf den analogen angelſ. fall anwendbar? mit
[257]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
ſicherheit wohl keine. Als die Sachſen ſtatt der frü-
heren rune cên das lat. c zu ſchreiben begannen, galt
jene abänderung der ausſprache noch nicht, ſonſt wür-
den ſie nicht c, das in cirm (fragor) geziſcht hätte, in
can (novi) für den unbezweifelten k. laut angenommen
haben. In ſo früher zeit und noch lange nachher iſt
an keinen einfluß der franzöſ. ausſprache auf die angelſ.
zu denken. Die nord. ſprachen, und in ihrem heuti-
gen ſtande geſtatten keine unmittelbare beziehung auf
das angelſ.; bedeutender ſcheint der grund, welchen
die frieſ. und engl. ausſprache an hand gibt. Doch kön-
nen dies ſpäter eingetretene abweichungen ſeyn, zumahl
man ſie eben durch eine veränderte ſchreibung auszu-
drücken für nöthig achtete, denn hätte ſchon das angelſ.
c in gewiſſen fällen dem engl. ch gleichgelautet, ſo
würde ſich wohl die ältere ſchreibung behauptet haben.
Es iſt nicht einmahl ausgemacht, daß das heutige engl. ch
von jeher die ausſprache tſch. beſaß; vermuthlich lautete
es vorher milder, etwa wie ſch (unten ſ. 262. 266.) Hat ſich
nicht auch ausſprache und ſchreibung des alth. ſc. ſl etc.
allmählig in ſch. ſchl. verwandelt (oben ſ. 173. 174.) wer
wollte mit dem neuh. gebrauch den alth. früheren bewei-
ſen? Das mit den beſten angelſ. quellen gleichzeitige denk-
mahl der altſächſ. (weſtphäliſchen) ſprache bedient ſich
ſeltner des c als des k, aber einigemahl auch vor ë und
i; wollte man hier behaupten, daß in dergleichen fällen
c und k beide von dem reinen gutturallaut abgewichen
ſeyen, ſo würde aus der alliteration die beſte widerlegung
folgen, indem allenthalben z. b. gicoran, kuning, kêſer;
cuman, cnuoſle, kêſures; kind, kriſt; kind, kunnëas etc.
zuſammengefügt werden. Nun alliterieren aber auch in
den angelſ. gedichten z. b.: cymë (adventus): cräfta:
cûſcne; cyning: Caïnes; cyſt: cvëalm; cynna: cvice; Caï-
nes: cynne: cvëalm; cnëó: cenned; ceápas: cnôſle;
cëar: côlran (frigidiores); cen-þëc: cräfte: cnihtum;
cëalde: camp *) etc. Dieſer grund entſcheidet mir wider
die engl. ausſprache des angelſ. c vor ë, i etc., kein
dichter hätte ceáp zu cnôſl gebunden, wenn jenem der
laut des engl. cheap (oder ein anderer ziſchlaut, ds
oder das franz. z), dieſem der reine k laut eigen gewe-
ſen wäre. Freilich würde der alliteration die nord. oder
dän. ausſprache kjë, kji etc. nicht geſchadet haben
R
[258]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
und dieſe iſt es auch, welche Raſk p.8. für unſeren fall
behauptet *). Theils aber ſcheint ſie mir für die altnord.
quellen ſelbſt noch nicht genug erwieſen, theils fragt
ſich, warum die nord. analogie mehr als die goth. und
alth. gelten ſolle. Vorläufig lege ich alſo dem angelſ. c
überall und vor jedem vocal die ausſprache bei, welche
das alth., vermuthlich auch das goth. k gehabt hat; die-
ſer reine k laut trübte und wandelte ſich ſpäter in der
regel (doch mit vielen, ohne jenen urſprünglichen zu-
ſtand auch nicht wohl begreiflichen ausnahmen) in das
engl. ch. Hätte ſich früher das c in zwei ganz ver-
ſchiedene laute zerlegt, ſo dürfte man wenigſtens ein-
zelne ſpuren eines beſtrebens, dieſe verſchiedenheit zu
bezeichnen, in den hſſ. erwarten; namentlich hätte für
den ziſchlaut das nicht völlig unbekannte z zu gebot
geſtanden. Ich ſehe aber ſelbſt in fremden wörtern
durchgängig c geſchrieben, vgl. cëlendre (coriandrum)
cëllas (cellae) cërfille (cerefolium) cëderbeám (cedrus)
circol (circulus) citere (cithara); für creuz dient das ei-
gene wort rôd, dagegen wird crûcë in der bedeutung
von hydria gefunden. — Übrigens ſind die an- in- und
auslaute dieſer tenuis c ſo häufig, daß es keiner belege
bedarf. Vom übergang des c in h unten bei der ver-
bindung ht.
(G.) hier iſt der fall, wo es der goth. med. entſpricht.
von dem zu ſcheiden, wo es ſich aus dem j oder v
entwickelt.
Das inlautende g wird bei vorausgehendem kurzen
vocal und nachfolgender endung -en *) in einigen wör-
tern ausgeſtoßen, z. b. rën (pluvia) þën (miniſter) vän
(currus) gefrinan (fando audire) kaum in den älte-
ren denkmählern, welche die volle form rëgen, þëgen,
vägen, gefrignan ſetzen; doch ſteht auch im Bëov. ge-
frinan und ſonſt überall þinën (ancilla) ſt. des weit ſelt-
neren þignën (abgeleitet von þëgn, wie mennën von
man). Mägdh (virgo) wird in den jüngeren quellen
gewöhnlich zu mädh und mädhën (engl. maiden). Hin-
gegen ſchon in allen älteſten ſchwächt ſich das auslau-
tende g in h, ſobald ein langer vocal unmittelbar vor-
ausſteht (belege hernach beim h), wird jedoch inlautend
alsbald wieder zu g, vgl. beágas, hnigon etc. Zuweilen
ſetzt ſich gn in ng um, wie obiges gefrignan, gefrägn,
gefrugnen in fringan (?) frang (oder fräng) gefrungen.
II) uneigentlich ſtehet g
(CH) dieſe aſp. geht ab, wie im goth. und lîcho-
ma, fläſchoma (beide: corpus) wird man nach ſ. 198. 219.
zu beurtheilen wißen.
Hier eine allgemeinere bemerkung: es iſt auffallend,
daß der dem hochd. organ ſo geläufige ziſch- und
aſpirierte kehllaut im niederd. und faſt auch in den
nord. mundarten beinahe gebrechen. Sollte ſich die
lücke in dem lautvermögen, zu welchem jeder glücklich
gebildete dialect berechtigt und geneigt ſcheint, viel-
leicht dadurch hergeſtellt haben, daß die ſächſ. und nord.
kehllante c und g unter gewiſſen umſtänden (nämlich
bei folgendem e, ë, i) in den ziſchlaut ſchwanken, wäh-
rend ſie (bei folgendem a, o, u) ungetrübt bleiben? Von
dieſer ſpaltung des k und g in den reinen und getrüb-
ten laut weiß nämlich die hochd. mundart durchaus
nichts; die ſonſtige berührung des hauch- und ziſchlauts
ließe ſich aber dabei anſchlagen (vgl. ſ. 164. 194.) und
die veränderung des lat. c und g in den ziſch- oder
wenigſtens zungenlaut romaniſcher ſprachen nicht über-
ſehn. In der engliſchen. frieſiſchen und ſchwediſchen
hat ſich die erſcheinung am ſtärkſten entwickelt *).
Ohne zweifel aber erſt ſpäter und ſehr allmählig;
im älteſten angelſ. galt nach dem vorhin bei c und g
gezeigten überall noch die reine ausſprache der ten. und
med., um wie vielmehr im gothiſchen; das übrige nie-
derd. und niederländ. hat ſie ſich bis auf heute erhalten.
Das angelſ. hingegen mag ſchon im 10ten oder ſicher
11ten jahrh. gleich nach der normänn. eroberung den ziſch-
laut und vielleicht anfänglich ſtatt ſeiner die kehlaſpiration
begonnen haben. Lyes wörterbuch liefert die beiſpiele
chêce oder auch chieke (mala) chîdan (increpare) chinnë
(mentum) chorl (ruſticus) ſt. ceac, cîdan, cinne, cëorl;
[263]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
ohne nähere angabe der quellen und hſſ. aus welchen
ſie entnommen ſind; auf genaue zeitbeſtimmung käme
es hier vor allem an, ſchwerlich reichen dieſe formen
über das 10te jahrh. zurück, ſie ſind vorlänfer der im
12ten entſchiedenen engl. cheek, chide, chide, chin,
churl. Als die ausſprache ch in th, tſh übergieng,
wurde die alte ſchreibung beibehalten. So hätte ſich
alſo eine der alth. afp. ch. vergleichbare angelſ. afp. in
der letzten zeit dieſer mundart hervorgethan, vermuth-
lich auch jenes chinnë dem alth. chinni nicht ungleich
gelautet, ſo ganz verſchieden immer in beiden ſprachen
der grund ſolcher aſpiration geweſen wäre. Das alth. ch
tritt allgemein an die ſtelle des k (wie f und z an die
des p und t); hier im angelſ. hängt die einführung des
ch von dem auf c folgenden ë oder i ab, woneben p
und t ungeſchmälert fortbeſtehn, ſo daß ch dem f un-
parallel und z nicht vorhanden iſt. In der ausſprache
näherte ſich aber die ſchreibung ch bald dieſem z und
ſtellt gewiſſermaßen beide alth. laute dar:
Ganz verſchieden von dieſem ch iſt das ſchon in
den älteſten quellen vorhandne hh (wovon unten bei
den geminationen).
(I) wird in den hſſ. durch das vocaliſche i ausge-
drückt und geht häufig in g über, welches letztere im
ſchriftzug oben offen und dem goth. j ähnlicher iſt, als
dem goth. g.
(H) ſowohl organiſch als unorganiſch, nämlich das
auslautende zwar keiner vermengung mit der auslau-
[264]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
tenden ten. ausgeſetzt (ſondern ic, eác, lîc, bôc unter-
ſchieden von fâh (varius) heáh, ſëah etc.) wohl aber
die auslautende med. erſetzend, ſobald â, eá und ô vor-
angeht. Beiſpiele: hnâh. ſâh. ſtâh praet. von hnîgan,
ſìgan, ſtìgan; beáh (corona) deah (tinctura) leáh. fleáh.
dreáh. vreáh, praet. von lëógan, flëógan; þvôh, ſlôh,
hlôh praet. von þvëan, ſléan, (wiewohl auch ſchon
dieſes f. þvëahan geſetzt iſt) hlëahan; genôh (ſufficiens).
Ob es noch vor andern langen und kurzen vocalen ge-
ſchieht, z. b. tvîh (ramus) f. tvîg ſtehet, weiß ich
nicht; ich finde þrah (curſus) neben þrag. Einigen auf-
ſchluß über dieſes h ſtatt g gibt das um ſich greifen
des auslauts g ſtatt j oder v, doch keinen zureichen-
den, da ſo viele organiſche g, zumahl nach kur-
zem vocal bleiben, z. b. däg, mäg etc. Richtiger
ſcheint es, dieſes h nicht als eine ſteigerung, ſondern
als eine minderung des kehllauts zu betrachten und der
nord. apocope deſſelben in demſelben fall gleichzuſetzen
(hnê, ſtê, ſê, ſlô, drô für hneig, ſteig, ſeig, ſlôg,
drôg). Übrigens ereignet ſich die verwandlung des g
in h verſchiedentlich auch bei vorausſtehendem 1 und
r, als: fëalh (occa) bëorh (mons) burh (arx) mëarh
(medulla) hëarh (delubrum) etc.; inlautend aber fëalge,
bëorge. In hinſicht des organiſchen h iſt zu merken
(CC) die verdoppelung der org. tenuis, beiſpiele:
ſacc, ſacces. hracca (occiput) hnecca (cervix) reccan (ex-
ponere) ſtreccan (extendere) dreccan (vexare) feccan (ad-
ducere) veccan (excitare) vreccan (expellere) vrecca (ex-
ſul, miſer) þicce (frequenter) vicce (venefica) viccjan
(faſcinare) cviccjan (vivificare) tviccjan (vellere) ticcën
(hoedus) ſticca (baculus) docce (lapathum) pluccjan (vel-
lere) ſcucca (daemon) läccan (prehendere) väcce (vigilia)
hväcce (arca) väccer (alacris). — (GG = CG) die gemi-
[265]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
nation der med. wird in den älteſten hſſ. mit cg, zu-
weilen und ſpäter mit gg ausgedrückt; belege: ecg
(acies) mecg (vir) *) ſecg (nuntius) ſecg (carex) **) vecg
(cuneus) ſlecg (mallens) hecge (ſeptum) lecgan (ponere)
ſecgan (dicere) vecgan (agitare) licgan (jacere) vicga
(blatta) eár-vicga (blatta forficularis) fricgëan (interro-
gare) bycgan (emere) brycg (pons) hycgan (moliri) hrycg
(dorſum) mycg (culex) etc. — Beide geminationen cc
und cg dürfen nicht verwechſelt werden, wiewohl es
in ungenauen hſſ. geſchieht; cg (gg) entſpringt überall
aus einem gewöhnlich wegfallenden ableitungs-i, das
heißt ſecg ſtehet für ſegi, lecgan f. legjan, hrycg f.
hrygi, weshalb das a und u der wurzel auch jederzeit
in e und y umgelautet iſt. cc muß meiſt ebenſo erklärt
werden, doch nicht immer, wie die wörter ſacc und
ſcucca beweiſen. Nach und nach nimmt der gebrauch
beider geminationen zu, z. b. findet ſich viggend oder
vicgend (militantes) f. das ältere und beßere vigend;
tadel verdient die gem. wenn kein vocal vorauεgeht,
z. b. hrincg ſt. hring (doch vgl. unten das frieſ. ns ſtatt ng).
Übrigens entſpricht materiell cc dem ſtrengalth. cch
und otfried. kk; cg aber dem ſtrengalth. kk und otfr.
gg. Formell gleicht die bildung cg jenem cch in ſofern,
als ſtatt der wahren gemination eine verbindung der
ten. mit der med. oder aſp. vorgegangen iſt; man halte
auch beide zu dem ſ. 148. 168. angegebenen td, pb,
ſtatt dd und bb. Da unter zwei geminierten lauten der
vorſtehende ſtärker iſt und der zweite nur nachhallt, ſo
muſte dies verhältniß, ſobald eine media geminiert, leicht
dahin führen, die erſte derſelben durch die ſtärkere ten.
zu bezeichnen, bei pp. cc. tt. gieng etwas ähnliches
nicht an. Zugleich lehrt es uns, daß in dem angelſ.
cc. und cg. reine kehllaute ausgeſprochen wurden und
ſo wenig als bei dem einfachen c und g an aſpiration
oder ziſchlaut gedacht werden darf. Die hiſtoriſche
verfolgung dieſer laute bis zur heutig-engliſchen aus-
ſprache beſtätigt das vollkommen, nämlich im altengl.
wird das angelſ. cc entw. zu kk, ck (inſofern es auslau-
[266]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
tet, als neck, ſack, rack, thick, quick, chick) oder zu
cch (wenn ein ë, i folgte, weil ſich vor dieſen dünnen
conſ. jedes c in ch wandelt, z. b. fecche, wrecche,
cacche, wacche, kycchen) — das cg hingegen überall
zu gg. vgl. legge, ligge, hegge, egge, rygge, brygge. Ver-
muthlich haben hier noch che und ge, gleich den an-
lauten, anfänglich gutturale ausſprache und lauteten der
ſchreibung gemäß: fec-che, bryg-ge. Allmählig aber
nimmt che und ge eine beimiſchung des linguallauts an
und das vorſchlagende c verkehrt ſich dann in t, folg-
lich das g in d; ſo entſpringt aus cch das engl. tch
(ſprich tſch, z. b. fetch, wretch, catch, watch, kitchen,)
aus gg das engl. dg (ſprich dſch: edge, hedge, bridge).
Die ganze entwickelung gehört erſt folgenden perioden
an, muſte aber vorlaufen, um die angelſ. ausſprache der
geminierten kehllante zu beſtimmen und ſelbſt die oben
vorgetragene der einfachen zu beſtätigen. Sie gereicht
auch zum erweis, daß der veränderten ausſprache nach
und nach, doch langſam, veränderte ſchreibung zu fol-
gen pflegt *). — (HH) findet nur in wenigen, hanpt-
ſächlich folgenden wörtern ſtatt: tiohhjan oder tëohhjan
(ſtatuere, reputare) hlihhan (ridere) cëahhetan (cachin-
nari) genëahhe (ſuſſicienter). Neben letzterm wird aber
auch genëahe und ſtatt hlihhan gewöhnlicher hlëhan,
hlëahan, hlëan geſchrieben. Vergleicht man ferner das
goth. hlahan und ganah (ſufficit), ſo ergibt ſich, daß
dieſes hh keine aſpiration des c, folglich kein ch, ſon-
dern eine unnöthige gemination des h ſey, die mit dem
alth. hh (verſchieden von ch oben ſ. 185. 194.) inſo-
fern dieſes zuweilen auch das inlautende h. vertritt
(oben ſ. 189.) gleichen anlaß hat. Das häufige tëohhjan
iſt nichts anders als das mittelh. zëchen, welches zwar
auf rëchen, brëchen reimt, allein kein aus k entſprin-
gendes ch beſitzt, folglich alth. zëhhjan oder beßer
zëhjan lanten würde. —
Schlußbemerkungen. 1) aſſimilationen ſind ſ. 250. 254.
255. erwähnt. 2) die negation në wird mit dem unmittel-
bar folgenden gangbaren pronomen oder der partikel oder
dem hülfaverbum, inſofern dieſe auf einen vocal anlau-
ten, zuſammengezogen, als: nic, nis, nân, nænëgl, nä-
fre ſt. në ic, në is, në ân, në äfre. Das gleiche ge-
ſchieht bei den mit den ſpiranten h. und v. beginnen-
den hülfsverbis: habban, vëſan, villan, vitan; es heißt
demnach: nabban, näs, næron, nillan, nolde, nitan,
nât, niton ſt. në habban, në väs, në væron etc. Dieſe
contraction iſt dem wohllaut förderlich und erinnert an
das völlig analoge lat. nolle und nemo f. ne-velle (vgl.
nequeo, neſcio) und ne-homo. Vor andern wörtern
geht ſie aber nicht an, z. b. ne vëard, ne vurdon, ne
[269]I. altfrieſiſche vocale.
vorhton zieht ſich keineswego zuſ. in nëard, nurdon,
norhton. Statt nillan, nitan wird meiſtens nyllan, nytan
geſchrieben, jenes ſcheint mir doch richtiger.
Die aufſtellung der altfrieſiſchen mundart muß ge-
gen die zeitfolge anſtoßen und nachdem alth. altſ. an-
gelſ. quellen des 8ten, 9ten und 10ten jahrh. abgehandelt
worden ſind, ja während weiter unten erſt mittelh. und
altengl. des 12ten, 13ten vorkommen, hier ſchon einge-
ſchaltet und auf denkmähler geſtützt werden, welche
dem 13ten und 14ten zugehören. Leider mangeln ältere;
die jüngeren aber ſind dazu ſparſam vorhanden, uncri-
tiſch herausgegeben, und die unterſuchung der frieſ.
buchſtaben ſcheint mehr als einer bedenklichkeit ausge-
ſetzt. Doch überwiegt dieſe die doppelte erwägung,
theils daß die frieſ. gleich der nord. ſprache langſamer
entwickelt wurde und gehaltener blieb, als jene anderen
mundarten, folglich ſpätere urkunden dieſer beiden dem
früheren zuſtande jener factiſch nahe ſtehen, theils daß
die frieſiſche mundart gerade den übergang zwiſchen der
ſächſ. und nordiſchen ausweiſt. Zur leichteren verſtänd-
niß des ganzen muß darum das frieſiſche überall dieſe
ſtelle einnehmen. Die beinahe einzigen, zugänglichen
quellen von bedeutung ſind die brocmer willküren und
das aſegabuch.
Sie liegen zwiſchen den alt- und angelſächſiſchen
und nach der analogie dieſer ſind die gänzlich man-
gelnden vocalzeichen auch hier anzuſetzen.
(A) wie im angelſ. beſchränkt, doch etwas weniger,
indem zwar dem ä ein e, dem ëa meiſtens das gewöhn-
liche a entſpricht, wogegen aber o ſtatt a weiter um-
greift. Das reine a ſteht 1) in den flexionen -a, -ar etc.
2) vor den geminationen und verbindungen mm. nn. pp.
bb. tt. dd. kk. gg. mp. mb. nt. nd. nk. ng, als: lappa.
gabbja. kamp. hand. land. and. fang. ſwang. branga;
häufiger wird es jedoch in dieſen fällen zu o, wiewohl
das urſprüngliche a an dem umlaut e (kempa, henſza)
zu erkennen iſt. 3) vor ll. lp. lv. lt. ld. lk. lg. ls, x
und cht (wo überall ein angelſ. ëa gilt), als: all. halp.
halv. halt (claudus) ſkalt (debes) halda. ſkalk. galga. hals.
[270]I. altfrieſiſche vocale.
fax. ſax. achta etc. Hier haftet a feſt und ſchwankt
nicht in o über. 4) vor einfacher conſonanz und dar-
auf folgendem vocal nur wenn die wurzel nicht einſilbig
und dadurch des e fähig geworden, denn ſonſt bleibt
das e, obſchon ein flexionsvocal wieder anſtößt; die
ſchöne angelſ. abwechſelung zwiſchen ä und a (oben
ſ. 224.) findet nicht mehr ſtatt. Beiſpiele des noch ein-
tretenden a ſind: claga, maga (ſtomachus) latha (invitare)
makja. gadur (ſimul) wapul (ſcatebra) walu (baculus, wo-
her walubora, ſtabträger, pilgram) fara etc.
(E) vieldeutiger, als in irgend einer andern deut-
ſchen mundart *), ſowohl e als ë bezeichnen doppeltes.
(I) dem kurzen i der übrigen ſprachen gleich und
oft in ë ſchwankend; fehlerhaft zuweilen ſtatt des um-
lauts e geſchrieben. Zuweilen noch das alte i ſtatt des
ſpätern ë; vgl. ita (edere) ivin (planus) irtha (terra)
wike (hebdomas). — Daß i auch das angelſ. y vertritt,
wurde eben angemerkt.
(O) von doppelter art I) den reinen a-laut in den
dort unter 2) angegebenen fällen vertretend, z. b. hond.
brond. lond. ſtonda. gonga. long. thonk. ſponne. monna
(virorum) ponne (pfanne) bonnar (interdicta) etc. zuwei-
len auch in dem 4ten fall des a, z. b. lom (claudus)
noma (nomen) homer (malleus) homelja (debilitare) fona
(vexillum) bona (occiſor) hona (gallus) fovne (femina,
angelſ. fämne) noſe (naſus) onkel (talus). II) das ge-
wöhnliche o in: god (Deus) boda (nuntius) top (cirrus)
[272]I. altfrieſiſche vocale.
bold (domus) gold. folk. forma (primus) morth. etc.
Man beachte boda neben jenem bëdon und bëden, in
dem ſubſt. hat ſich die ältere form geſichert und offen-
bar lauteten jene früher bodon, boden; neben walu-
bëra kommt walu-bora vor.
(U) in der regel das organiſche kurze u, zumeiſt
vor liquiden geminationen und verbindungen, als: ſunna.
bewllen (maculatus) pund. grund. efunden. bunden.
tunge, burnen (uſtus); einigemahl vertritt u ſogar a in
dieſen verbindungen, vgl. gunga, und-, ſtatt ganga,
and-.
(AA) bedeutet zweierlei; gewöhnlich
Dieſe vereinigung des goth. áu und ái in dem frieſ.
â paralleliſiert ſich der des goth. aú und aí in dem
frieſ. ë.
(EE) bezeichnet fünf doppellaute
(II) ſtehet 1) und meiſtens für das alth. altſ. angelſ.
î, als: tîd. hwît etc. 2) zuweilen, neben dem ê, für
das alth. ia, ie, als: mîde (munus) hîr (hîc) hîton (vo-
cabantur) 3) vermuthlich auch für das angelſ. ŷ. 4) end-
lich ſpäterhin für das aus eg entſpringende ei, als: dî
(dies) mî (poteſt) vgl. ſchlußbemerkungen.
(OO) dem goth. und angelſ. ô entſprechend: blôd.
gôd. hôd. brôther. môder. hrôf (tectum) ſlôg. drôg. dôk.
dôm. fôt. bôte etc.
(UU) gleicherweiſe dem organiſchen û in den übri-
gen mundarten parallel: fül. thüma. hüs. füſt etc.
(IA) iſt das goth. iu, angelſ. ëó, vgl. kiaſa (eligere)
liaſa (perdere) biada (jubere) driapa (ſtillare) thiad (gens)
liaf (carus) thiaf (fur) ſiak (aeger) fial (rota, nord. hiól)
liacht (lucidus) thianja (ſervire) ſtiapfeder (privignus) *).
Dieſes ia gleicht merkwürdig Otfrieds zweitem ia (oben
ſ. 104.) ſeltner dem erſten, namentlich in den ablauten
nicht, da ſich kein giang etc. ſondern gêng findet. An-
dere fälle zeigen jedoch ein ſolches zuſ. geſchobenes ia,
z. b. fiarda (quartus) tian (decem) tha nia (novi) fia (pe-
cunia) fiand (inimicus) friage (liberet) ſwiaring (gener)
etc. ſt. fiuwarda, tëhan, fëho, ſwëharing, niwa oder niu-
wa etc. (von hia, hiara beim pron.)
(IE. IO) beide ſehr ſelten; ie ſcheint einigemahl das
nord. ia, vgl. ierd (Br. §. 87. 172.) field (campus); an-
dremahl jë, vgl. jëva, jëld, jëftha. io finde ich in liod
(gens) friond, fior (ignis) rioſtring, woneben aber auch
liud und friund.
(IU) in wenigen, allein gangbaren wörtern, als:
fiuchta (dimicare) riucht (rectus, jus) tiucht (zeugt) niu-
gon (novem) ſiugon (ſeptem) ſiugge (ſcropha) fiuwer
(quatuor) triuwa (fides); entwickelt ſich alſo vor ch
S
[274]I. altfrieſiſche vocale.
(das iſt h) g (das iſt j) und w. Nach meiner erläute-
rung des angelſ. in- und auslautenden g. (ſ. 261.) und
der bemerkung (ſ. 240.) über den einfluß des h auf den
vorausgehenden vocal wird man dieſes unorganiſche iu
leicht deuten; es entſpringt aus i bei folgendem v, j, h.
Wie im alth. triuwa aus triwa wurde, ſo hier, ſo aus
fiwer (goth. fidvôr) finwer; niugon vergleicht ſich dem
angelſ. nigen; ſiugon ſtammt aus ſibun, ſivun, ſiun, ſiu-
ven, ſiugen *), fiuchta, riucht entſpricht dem goth. faíh-
tan, raíht, angelſ. fihtan, riht, neben fihtan galt aber
fëohtan wie pëohtas (picti) neben pihtas, früher vielleicht
auch rëoht, drëohtën ſt. riht, drihtën (goth. entw. draíh-
tins oder wahrſcheinlicher draúhtins, vgl. alth. truhtin,
mittelh. trëchtin) wonach auch ein altfrieſ. driuchtin an-
zunehmen ſtünde, ſtatt welches ſpäter drochten vor-
kommt. —
1) alle kurzen und gedehnten
vocale ſind vorhanden, von ſonſtigen diphthongen nur
ein einziger ia, da ſich iu aus dem kurzen i entwickelt.
ei und au fehlen und können nur ſcheinbar aus con-
tractionen und conſonant-verwandlungen (wie hâudling
aus hâvedling, dei, wëi, mei aus deg, dej. wëg, meg)
hervorgehen **), wodurch geringe härte in die ſonſt
weiche mundart kommt. Die miſchung mehrerer diph-
thongen in den gedehnten lauten, vornämlich dem ê, iſt
der klarheit der wurzeln nachtheilig. Dem Angelſachſen
gewährt ſein ea den vortheil, daß er â von ê geſchie-
den halten kann; der Frieſe, weil er â für eá ſetzt,
muß jenen laut unter ê bringen. 2) dieſes ê nähert die
altfr. der altſ. mundart, wogegen das verhältniß der
übrigen vocale ſich entſchieden zum angelſ. neigt, na-
mentlich â = eá, abweichend vom altſ. ô, das häufig
mit dem wahren ô (uo) zuſ. fällt. Auch die zerlegung
des a in a und e iſt eine bedeutende ähnlichkeit mit dem
angelſ. a und ä, wovon im alth. und altſ. keine ſpur,
analog mit dem e, ä ſteht das gedehnte ê, angelſ. æ.
3) umlaut gilt: des a in e, des u in ë oder i; vielleicht
auch des â in ê, des û in ê oder î, welches erſt nähere
[275]I. altfrieſiſche conſonanten. liquidae. labiales.
unterſuchungen wo möglich erbringen müßen. Eben-
ſowenig wage ich jetzt über vocalwechlel und aſſimi-
lation zu urtheilen.
Die anlaute l. n. r. unter-
ſcheiden ſich von hl. hn. hr. ſtatt deren zuweilen lh.
nh (?) rh. geſchrieben ſteht. — n. fällt inlautend weg,
wie im altſ. *), aber auch auslautend bei vorhergehen-
dem a, alſo in allen infin. und flexionen ſchw. decl.
z. b. finda ſt. findan, tha blâta (pauperes) thene hona
(gallum) ſt. blâtan, honan. Folgt dem naſalen n ein
weiterer conſonant, ſo wird es wieder merklich, vgl. të
findande. Auch bleibt es auslautend, ſobald e und o
vorausſtehen, namentlich in den pl. praet. und part. als:
fundon, furden. Dieſer gebrauch ſtellt das altfrieſ. deut-
lich in die mitte zwiſchen das altſ. angelſ. auf der einen,
und das altnord. auf der andern ſeite. — Denſelben ge-
ſichtspunct bewährt die ſteigende verwandlung des in-
und auslautenden ſ in r welche ſich namentlich auf den
nom. pl. des ſubſt. erſtreckt; es heißt degar (dies) tâmar
(liberi) ſt. des altſ. dagôs, angelſ. dagas, teámas, wie
im nord. dagar. Bald aber fällt, wie im alth., der
conſ. gänzlich von dieſer endung ab, dega, alth. tagâ;
das r hat folglich leiſe ausſprache gehabt. Lägen mehr
altfr. wörter vor, ſo würde ſich auch in andern fällen r
ſtatt des organ. ſ ergeben, man vgl. lereſta (minimus.
Br. 145. 209.) ſt. leſta. — Umſetzung des r gilt, wie im
angelſ. vgl. bërna (ardere) gers (gramen) hors (equus);
gänzlicher ausfall des r ſcheint aber ſpäteren denkmäh-
lern zu gehören (ges, hos oder os, ben für gers, ors,
bern). — Die geminationen und verbindungen geben
nichts beſonderes zu erinnern; der übertritt des nk, ng
in nſz kann erſt unten beim kehllaut erledigt werden.
P überhaupt, B und F im anlaut ſind völlig orga-
niſch; in- und auslautend ſteht b (außer der ſeltnen
verbindung mb) niemahls, ſondern wird durch den in-
laut v und den auslaut f erſetzt. Dieſe beiden drücken
S 2
[276]I. altfrieſiſche conſonanten. labiales.
folglich zweierlei aus, theils das alth. p und b, vgl.
jef (dedit) ſtef (baculus) râf (rapina) wîf, werf (locus ju-
dicii) half und inlautend jêvon, ſteves, râves, wîves,
werves, halves, lâva (reliquiae) ſzîvja (certare) ſkrîva
(ſcribere) etc., theils, obgleich ſeltner, das alth. f und
v, als: fif, hof, brêf und inlautend: hoves, brêves, ſê-
ver (ſpuma) oven etc. In fovne (virgo) ſt. favne, fevne
iſt ein v erſterer art, wie die vergleichung des angelſ.
fämne, ſtëmn (goth. ſtibna, folglich fabnô; alth. ſtimna,
ſtimma, folglich famna, famma?) lehrt; vox würde
ſtëvn heißen, iſt mir aber nicht vorgekommen. — In-
lautend ſteht f und nicht v, ſobald ein t oder th folgt.
W. der ſpirant wird in den quellen hänfig, aber
fehlerhaft mit dem vorigen v verwechſelt, ſo beßere
man Br. §. 140. thiawes in thiaves und unzähligemahl
dergl. mehr. Hier iſt bloß von dem wahren w die rede;
ſt. wu findet ſich gleichfalls (ſ. 138. 139. 214.) w (in den
älteſten hſſ. wohl un geſchrieben), als wlle (lana) wnde
(vulnus) bewllen (temeratus) etc. Der entwickelung des
inlautenden w aus iu wurde vorhin gedacht; ich ver-
mag nicht zu entſcheiden, ob die ausſprache ein orga-
niſches hawa (caedere) Br. §. 25. *) tawa (parare) baw
(oeſtrum) oder unorg. hâwa, tâwa, bâw (dem alth. hou-
wan gemäß) verlangt, für letzteres ſcheint frowe
(?frôwe) Br. §. 96. 97. zu ſprechen. Übrigens fällt aus-
und inlautend dieſes w öfters aus, vgl. ſêla, nia, trê
elte (integer, angelſ. ëaltäv) etc.
geminationen. pp. bb. ſelten: oppa (ſuper) gabbja
(Br. §. 152.) hebbe, ſibbe; fehlerhaft ſtehet ff in ſkeffe,
ſkiffa, ſkiffene (Br. §. 7. 12. 19. 140.) für ſkeppe (§. 108.).
Von den verbindungen fübre ich bloß die anlaute wl.
wr. an: wlit (facies) wlëmelſa (As. p. 196. ein dunkler
ausdruck) wrëka (ulciſci) wrêgja (accuſare) und gewiß
noch a. m. Mit dem wr. darf man die häufige fehler-
hafte ſchreibung wr. ſt. ur nicht vermengen, noch we-
niger wrald (ſeculum) d. h. wërald. —
T überall **), D und TH im anlaut organiſch, der
in- und auslaut ſchwankt zwiſchen d und th. Man
[277]I. altfrieſiſche conſonanten. lingual. guttural.
kann die einzelnen fälle, meiſt die nämlichen wörter,
leicht nach der analogie des alt- und angelſ. beurthei-
len. — Z kommt nicht ſelten, aber faſt nur verbunden
mit ſ oder t (ſz. tz) vor; von dieſem zungenlaut kann
erſt bei den kehllauten gehandelt werden, an deren ſtelle
er eintritt; mit dem alth. z hat er nichts zu ſchaffen. —
Bei dem S hier nichts zu erinnern.
geminationen tt. dd. ſſ. wie im altſ. ſetta (ponere)
ſcet, ſcettar (opes) thrëdda (tertius) leſſa (minor) zuwei-
len fälſchlich ſtatt der einfachen conſ. geſchrieben, z. b.
hwëdder (Br. 33. 43.) f. hwëder (71.) lettera (50.) f.
letera (134.) thth iſt beſtändig aufzulöſen; z. b. withtha,
nethther, ſkêthther (Br. 7. 32. 42.) in with tha, neth
ther, ſketh ther. ſueththa (vicinia Br. 167.) zu ändern
in ſuetha (78. 168). —
K wird, zumahl in den verbindungen cl. cn. cr. ſc.
und auslautend noch gerne durch c ausgedrückt, des-
gleichen anlautend vor a, â, o, u, wiewohl in allen
dieſen fällen auch k gilt. Vor e, ë, i, ia, ie, ê, î,
ſtehet kaum c, ſondern immer k, vgl. kempa (pugil)
këmen (ventum) kêma (queri) kiaſa, welches anlautende
k ſtark und mit aſpiration ausgeſprochen wurde, wie
aus übertritten in den zungenlaut ſz, ſth, tz (ſz ſchrei-
ben Br., ſth ſchreibt As., tz oder auch bloß z noch
andere quellen) erhellt, doch nicht überall, nur in ge-
wiſſen wörtern. Ich finde: ſzetel (cacabus) ſzërke (ec-
cleſia) ſzeſe (caſeus) ſzelk (calix) ſzin (mentum) ſkîva
(certare); oft auch mit eingeſchaltetem i ſzielk, tzierke
etc. dagegen andere wörter, z. b. kining, kyning, kem-
pa, këtha etc. die ſchreibung und vielleicht ausſprache
k. behalten. Spätere denkmähler ſetzen wohl tzieſe, äl-
tere kiaſa; der zungenlaut hat ſich, wie im engl. erſt
ſpäter und allmählig eingeſchlichen, das würden ältere
hſſ. entſcheiden. Der inlaut k leidet von dieſer aſſibi-
lation nur in der gemination kk und verbindung nk,
wie nachher gezeigt werden ſoll. Der auslaut k ſteht
zuweilen für g, z. b. ſlec (ictus) was an das mittelh.
ſlac, ſlages erinnert.
G. 1) der anlaut geht ſelten in j über, namentlich
aber in jëlda (ſolvere) jëva (dare) und jërja (cupere);
gewöhnlich bleibt g, auch vor e, ë, i, z. b. gers, gër-
del etc. doch lautete es ſicher ſehr gelinde, wie aus ſei-
ner gänzlichen abwerfung geſchloßen werden darf, z. b.
in der vorpartikel ë- ſtatt gë- und in der compoſition
undunga ſt. undgonga (entgehen). 2) der inlaut g, ſo-
bald e, ë vorausſteht und ein conſ. folgt, wandelt ſich
in i, als: neil (unguis) deis (diei) brein (cerebrum)
wein (currus) ſleith (ferit) vergl. die angelſ. formen
nägel, däges, brägen, wägen. Dasſelbe geſchieht, wenn
der vocal e oder i folgt, als; geie (emenda eigentl. va-
dimonium) geie (emendet) aien (contra) tojens, vgl. mit
dem engl. gage und again, angelſ. togegnes. Folgt ein
andrer vocal, ſo tritt die med. wieder hervor, als: de-
gar, degum; hierwider ſcheinen die inf. geia, leia (Br.
§. 45. 161.) zu ſtreiten; man wird ein ausgefallenes i
hinzudenken müßen, geia für gegja und vielleicht iſt
bei folgendem vocal lieber j ſtatt i zu ſprechen, alſo
geja, leja, ajen. Gehen andere vocale als e, ë vorher,
oder conſonanten, ſo bleibt g, vgl. muge, lôgum (an-
gulis) wërgja etc. 3) der auslaut g wird bei vorausge-
hendem e, ë ſtets zu i, als: dei, mei, hei, wëi, angelſ.
däg, mäg, häg, vëg; bei vorausgehendem gedehnten
vocal hingegen zu ch, welches dem angelſ. h entſpricht,
vgl. âch (poſſidet) wâch (paries), angelſ. âh, vâh; da ch
auch bei den altfrieſ. adj. auf -ëch (alth. îg, goth. eigs)
ſtatt findet, ſo iſt vielleicht weldêch (potens) monnêch
(multus) hêrêch (obediens) ſcëldêch etc. anzunehmen,
obſchon im angelſ. hier kein h eintritt (menig, ſcyldig),
Die inlaute nehmen wieder g zurück: âgon, wâgum,
weldêgum; unorganiſch ſcheint dieſes g in hâgera (altior)
von hâch (altus), weil hier das ch kein urſprüngliches
g war. — Von der verbindung ng unten bei den gemi-
nationen des kehllauts.
CH. iſt keine eigentliche aſp. des kehllauts, ſondern
verſtärkung des auslautenden h, welches theils organiſch
ſteht, vgl. hâch (altus) thâch (quamvis), theils unorga-
niſch für die med. g, wie eben gezeigt wurde, vgl.
âch, wâch. Dies letztere ch (früher wohl h) ſt. g hat
ähnlichkeit mit dem alth. h (mittelh. ch) ſt. des goth. k
(oben ſ. 189.), das erſtere ch ſt. h findet auch inlautend
vor t ſtatt, vgl. nacht, achta, liacht, riucht, tichtëga
(accuſatio) etc. in der tertia praeſ. pflegt dann das aus-
[279]I. altfrieſiſche conſonanten. gutturales.
lautende t abzufallen, vgl. tiuch, ſkech f. tiucht, ſkecht,
und dieſe ſelbſt wieder für tiuhth, ſkekth.
J. der anlaut 1) organiſch in jong, ja etc. 2) unor-
ganiſch theils für g in jëva, jëld etc. theils für i in der
verbindung ië als: jëf (an) jëftha (aut) vielleicht kann
aber hier auch iëf, iëftha geſchrieben werden, da in-
und auslantend häufig i aus j (ſtatt g) entſpringt, wie
die vorhin gegebenen beiſpiele dei, mei, neil, brein
darthun. Nach einem conſ. und vor einem a nehme ich
inzwiſchen den inlaut j und nicht i an, alſo namentlich
in den ſchwachen verb. halja, ſkenſzja etc.
H. ſteht nur anlautend, das auslautende wird durch
ch erſetzt, das inlautende häufig weggeworfen.
gemination drängt ſich hier, wie in den übrigen
mundarten, ſtatt der alten einfachen conſonanz häu-
fig ein, und da meiſtens ein folgendes ableitungs- i. im
ſpiel iſt, ſo pflegt ſich nach dem, was ich vorhin bei
dem k bemerkte, auch der linguallant geltend zu machen.
Für kk zeigt ſich in den uns vorliegenden denkmählern
überall ſchon ſz (tſ) für gg aber das etwas mildere dz
(dſ), wenigſtens ſollte man ſo unterſcheiden, wiewohl
häufig ſz ſtatt dz geſchrieben wurde. Beiſpiele: reſza
(tendere) brëſzen (fractus) lîſza (aequare) wîſzing (pirata)
ſpêſze (radius rotae) ëtſil (calcar) cletſja (contus As. 237.)
womit man das angelſ. reccan, ſpâca, das nord. vîkingr
zuſammenhalte; in allen den fällen, wo ein langer vo-
callaut vorausſteht, war die gemin. kk. fehlerhaft einge-
treten, folglich auch an ihrer ſtelle die verbindung ſz
und für ſpèſze, wîtſing würde richtiger ſpêke, wîking
ſtehen, wie ich neben reſza, brëſzen das ungeminierte
reka, brëken vorfinde (vgl. oben ſ. 192. über wrehho
und wrecchjo; rehhan und recchjan). Beiſpiele von dz:
ſedza (dicere) lidza (jacere) vidzja (lectica) ſt. ſeggja,
liggja, viggja. Daß dieſe ſz und dz, ſo wenig als die
gem. kk, gg auslauten, bedarf keiner erinnerung; ſie
werfen licht auf die frieſ. eigennamen rîtſard, edzard,
wîtſard etc. alth. rîhhart, eggihart, ecchart, wîhhart und
mahnen an die franz. provenzal. und ital. ſchreibung
und ausſprache richard, rizard, ricciardo etc. — Hier
muß denn auch erwähnt werden, daß die verbindun-
gen nk und ng einen ähnlichen hang zu dem lingual-
laut, jedoch ebenfalls nur in- nicht auslautend verra-
then. So heißt es: thenſza (cogitare) hlenſzene (catena,
junctura) ſkenſzja (infundere) ſt. thenkja, hlenkene (ge-
[280]I. altfrieſiſche conſonanten. gutturales.
lenk) ſkenkja; ebenſo: brenſza (afferre) thinſza (judicare)
hanſzoch (pendens) ſtefgenſza (baculum geſtans) fenſzen
(captus) menſzja (miſcere) henſzja (concedere) etc. ſt.
brengja, thingja, gengja, fengen etc. gleichbedeutend
und zumahl ſpäter wird ein bloßes ſ geſchrieben: brenſa,
genſa, fenſen. Mir ſcheint auch dieſen verbindungen
nſz, nſ. eine unorg. gemination nkk, ngg. unterzu-
liegen. theils weil früher und richtiger nk, ng und ſo
noch ſpäter in vielen wörtern geſchrieben wird, vgl.
fang, leng, finger, penning, penningar etc. theils weil
ſich im alth. und angelſ. ſpuren analoger gemin. offen-
baren, vgl. rincchâ oben ſ. 191. note und hrincg vorhin
ſ. 265; dem engl. bench (ſpr. bentſch) angelſ. benc (ſpr.
benk) dürfte ein bencg vorhergegangen ſeyn. Selbſt die
goth. geminationen ggk und gg für nk, ng (oben ſ. 71.)
erläutern das geſagte, obſchon bei ihnen kein zungen-
laut in der ausſprache merklich und die liq. n halb un-
terdrückt wurde. — gutturalverbindungen. 1) anlautende,
wie im altſ., auch ſteht qu für kw; die anlaute hl. hr.
hw. werden zuweilen lh. rh. wh. geſchrieben z. b. lhâp
Aſ. p.91. rhôf Br.26.etc. Ich finde folgende: hlâpa
(currere) hladder (ſcala) hlenſzene (articulus) hleſt (onus)
hli (tumulus) hlât (ſors) hloth (turma) hlût. hrëge (dor-
ſum) hrënë (olfactus) hrêra (tangere) hring (circulus)
hrôpa (clamare) hwërva. hwîla. hwît u. a. m. — 2) in-
lautende; ſtatt hs, wie im angelſ. die ſchreibung x; ſtatt
ht, wie vorhin bemerkt, cht.
Schlußbemerkung. Viele conſonanten fallen in der
zuſ. ſetzung und flexion aus, vgl. neth (non habet) nëlle
(nolit) nêt (neſcit) wie im angelſ. (oben ſ. 268.); ferner:
eta (in dem) ſêt (ſey es) ſât (ſo es) fär et tha, ſê hit,
ſâ hit; ſlêma (ſchlägt man) f. ſleitma; ëk (quisque) alrëk
(omniscunque) hok (qualiscunque) für ëlk, allraëlk,
hwëlk (ſ. beim pronomen) halne (vergentem) f. haldne
und ſelbſt im auslaut wal f. wald (violentia). Es wür-
den ſich hierüber nähere regeln ergeben, wenn die quel-
len ſicherer und älter wären.
Die alte nordiſche oder, wie ſie gewöhnlich hieß,
isländiſche ſprache iſt in zahlreichen, vortrefflichen
denkmählern geſichert, auch ſeit man ſich beflißen, dieſe
im druck herauszugeben, grammatiſcher und richtiger
[281]I. altnordiſche vocale.
behandelt worden, als irgend eine der übrigen deutſchen
mundarten. Gleichwohl hat erſt neuerdings Raſk durch
ſeine gründlichen arbeiten manchen misbräuchen und
ungenauigkeiten der üblichen ſchreibweiſe ein ende ge-
macht; ihm folge ich meiſtentheils, nur in den puncten
nicht, in welchen entweder die analogie der vorausab-
gehandelten ſprachen eine andere auffaßung an hand
gibt, oder Raſk ſich allzu ſehr an die heutige isländ.
ausſprache gekehrt zu haben ſcheint. Zwar ſind keine
nord. hſſ. vorräthig, die an alter den alth. und angelſ.
beikämen, dafür aber viele dinge, die wir aus dieſen
mühſam beweiſen müßen, im nord. an ſich ſelbſt klar
und andere ſpracheigenheiten lehrt die poëtiſche form
(wie die der mittelh. gedichte) treuer, als eine diplo-
matiſch weit ältere proſa.
(A) entſpricht formell und materiell dem goth. a,
wie die belege überall ergeben; das nord. a iſt immer
(nämlich in den wurzeln) auch ein goth. a, umgekehrt
gilt aber kein ſicherer ſchluß von dem goth. a auf ein
nord. a, indem dieſes folgende beſchränkungen erfährt
1) es lautet in e um, ſobald ein i, 2) in ö, ſobald ein
u der flexion erſcheint oder vorausgeſetzt werden muß,
3) es wandelt ſich in â, ſobald es (d. h. das wurzel-
hafte a) auslautet oder lm, lf, lk, lg, ls, nk, ng, tt
und (mit ausfallendem n.) ſ. folgen. Alle dieſe fälle
werden an ihrem ort näher erörtert werden; hier nur
beiſpiele: velja (goth. valjan) fen (goth. fani) hönd
(goth. handus) ſâ (goth. ſa) jâ (goth. ja) hâlmr (culmus)
hâls (collum) lângr (goth. laggs) mâttr (goth. mahts) âs
(goth. ans).
(E) wie im alth. entw. e oder ë.
Durch genaue beachtung des e und ë wird man
viele ſonſt zuſ. fallende wörter unterſcheiden lernen,
z. b. ver (defendit) dreckja (mergere) ber (bacca) ek
(veho) von: vër (virum) drëcka (bibere) bër (fero) ëk
(ego) etc. Beide weichen wiederum von dem gedehn-
ten ê ab, z. b. her (exercitus) el (gigno) fell (cado) vër
(nos) von hêr (hic) êl (nimbus) fêll (cecidit) vêr
(piſcina), wiewohl ſich ë und ê näher ſtehen, als e und
ê oder e und ë, daher auch jene öfters verwechſelt
werden **).
(I) gleicht dem goth. kurzen i, wird jedoch be-
ſchränkt theils durch die übergänge in ë, theils durch
die verwandlung in î bei folgendem nk, ng. Auslaut
iſt (das wurzelhafte) i ſo wenig als a im nord., die
goth. negation ni lautet hier nê (ſt. në).
(O) erſetzt, wie das alth. und angelſ. o, bald das
goth. n, bald das goth. aú, z. b. god (Deus) bodi (nun-
tius) holt. ſonr; morgun. ormr (vermis) Þorn. horn
etc., doch hat ſich in manchen fällen das alte u erhal-
ten, in welchen es jene mundarten bereits einbüßen,
namentlich bei folgendem ll, als gull, fullr, alth. gold,
follêr, goth. gulÞ, fulls. Auch zeigt ſich das alte u
(gleich dem alten i ſtatt ë) in ableitungen und flexio-
nen, wo y (das heißt der umlaut des u) gilt, vgl. ſyni
(fil o) hyrnîngr (cornutus) yrmlîngr (vermiculus) etc. —
Außerhalb der wurzel in den endungen ſchwanken u
und o in den hſſ.
(U) das goth. kurze u, aber beſchränkt durch über-
gänge 1) in o (wie i in ë) 2) in û, ſobald es auslautet
und die verbindung nk. ng. darauf folgt. 3) durch den
umlaut in y, als: gull, gyllîng (deauratio) full, fylli
(plenitudo) luku (claudebant) lyki (clauderet). — Wenn die
heutige ausſprache des u dem neuh. ü gleicht (Raſk §. 24.)
ſo kann ſie früher nicht dieſelbe geweſen ſeyn, als dem y
noch der laut ü zuſtand; vermuthlich lautete alſo vordem
das u rein, wie im hochd., und erſt ſeit y = i lautete,
fieng das u an = ü geſprochen zu werden.
(Y) y, umlaut des u (wie e des a) und nur ſchein-
bar des o (nämlich wo dieſes ein altes u vertritt); man
ſehe das eben beim o und u geſagte. Die isländ. aus-
ſprache vermiſcht dieſes y mit i (wie ŷ mit î), die ältere
unterſchied beide beßer und gab dem y den laut des
mittelh. ü (Raſk §. 25. 67.) Ähnliche vermiſchung mit i
zeigt das angelſ. (oben ſ. 228.). Die runen haben kein
y, erſetzen es aber richtig durch u (wie e durch a) und
nicht durch i; die zeit, wo der umlaut entſprungen,
läßt ſich ſchwer ausmitteln.
(AA) â, ich brauche für dieſen und alle übrigen
dehnlaute den circumflex, ſt. des in den nord. ausgaben
befindlichen acutus, wie auch ſchon Raſk §. 13. vor-
ſchlägt. Das nord. â entſpricht dem alth. â in den wör-
tern und wohl auch in der ausſprache, welche urſprüng-
lich áa geweſen ſeyn muß, allmählig aber nach zeit und
ort in áo, áu, av, å und ſelbſt o *) vergierte. Raſk
nimmt die ausſprache av als regel, bei vorausſtehendem
v ausnahmsweiſe o an, weil ſich z. b. ſvâ, vâru nicht
wohl ſvav, vavru ſprechen ließe, ſondern ſvo, voru,
und eben darum ſchreiben viele: vo, vogr, vopn, vos,
vod ſt. vâ, vâgr, vâs, vâd etc. Da indeſſen im hâtta-
lykill ſvâ: â (habet) reimt und letzteres wort damahls
ſchwerlich wie ein bloßes o lautete, ſo mag man we-
der av noch o, vielmehr áa, vielleicht áe, mit hin-
neigung zum angelſ. æ und goth. ê geſprochen haben.
Übrigens ſind nicht alle nord. â organiſch, ſondern einige
in fällen entſprungen, wo ihnen kein goth. ê und alth.
â parallel ſteht, wie ſich ſogleich ergeben wird. Die
einzelnen fälle des nord. â ſind nämlich: 1) die ablaute
im pl. praet. gâfu, lâſu, bâru etc. 2) bei folgendem
einfachen conſ. ohne daß andere weggefallen ſcheinen:
brâd (eſca) brâdr (citus) dâd (virtus) fâdr (ornatus) grâ-
dugr (avidus) hâd (ludibrium) hâdr (commiſſus) klâdi
(ſcabies) mâdr (tritus) nâd (gratia) râd (conſilium) ſâd
(ſemen) ſnâd (cibus) þrâdr (filum) gâfa (donum) bâgr
(protervus) mâgr (affinis) lâgr (brevis) tâg (vimen) vâgr
(mare) krâka (cornix) râk (diſcrimen) ſkâk (ludus latrunc.)
ſprâk (laeſio levis) âl (lorum) âll (anguilla) bâl (rogus)
kâl (caulis) mâl (tempus) mâla (pingere) ſkâl (patera)
ſkâli (cubile) tâl (dolus) klâm (obſcoenitas) nâm (praeda)
þâm (aër egelidus) frân (nitens) mâni (luna) rân (rapina)
drâp (caedes) ſnâpr (ſtultus) tâp (vigor) âr (annus) âr
(miniſter) blâr (lividus) dâri (ſtnltus) fâr (periculum) flâr
(callidus) frâr (pernix) grâr (canus) hâr (crinis) hlâr (laxus)
hnâr (ſtrenuus) hrâr (crudus) kl[ä]r (clarus) nâr (funus)
blâſa (ſpirare) dâs (candela tenuis) krâs (pulpamentum)
vâs (udor) lâs (ſera) mâs (anhelitus) gât (cura) grâta (flere)
kâtr (laetus) lâta (linquere) mâti (modus) etc. — 3) durch
den ausfall eines organiſchen h. ſcheint die verlängerung des
a entſprungen in: â (aqua) lân (mutuum) târ (lacrima)
[286]I. altnordiſche vocale.
ſtâl (chalibs) hlâtr (riſus) ſlâtr (carnes mactatae) ſt. der alth.:
aha, lêhan, zahar, ſtahal, hlahtar, ſlahtar (?) und ſo
werden ſich noch andere der vorhin angeführten â er-
läutern. — 4) merkwürdig ſcheinen einzelne nord. â dem
angelſ. â, folglich dem alth. ei, das auch gewöhnlich
im nord. ei lautet, zu entſprechen, vgl. â (habet) von
eiga, alſo für ei oder eig ſtehend (goth. aih, angelſ. âh)
bâdhir (ambo) ſâl (anima) angelſ. ſâvl; ſâr (vulnus) angelſ.
ſâr, goth. ſáis (?) bâtr (cymba) angelſ. bât (oben ſ. 229.) etc.
Dieſes â entſprang ſichtlich aus ai, welches auch im
nord. vor dem ſpätern ei gegolten haben wird, ai, bai-
dir, wandelten ſich allmählig in ae, baedir, â, bâdir,
während die meiſten ai zu ei wurden; (vgl. unten den
umlaut æ für ái, ei) — 5) vor den verbindungen lm. lf.
lp. lk. lg. ls. nk. ng. tt. (ſt. ht) und ſ (ſt. ns) *) wan-
delt ſich a in â; beiſpiele: gâlm (ſinus) hâlmr (culmus)
mâlmr (metallum) ſâlmr (pſalmus) ſkâlm (framea) âlfr
(genius) hâlfr (dimidius) kâlfr (vitulus) ſkâlpr (vagina gla-
dii) bâlkr (trabs) fâlki (falco) ſkâlkr (nequam) hâls (collum)
krânkr (aegrotus) þânki (mens) ânki (vitium) hânki (funi-
culus) ângr (dolor) bânga (pulſare) fâng (captura) gàngr (in-
cellus) hânga (pendere) ſprânga (transſcendere) lângr
(longus) rângr (obliquus) ſvângr (fames) ſtrângr (ſtrenuus)
vângr (campus) þâng (fucus) âtt (genus) âtti (habuit)
âtti (octavus) drâttr (tractus) brâtt (cito) hâttr (mos)
mâttr (vis) ſâtt (reconciliatio) ſlâttr (ictus) þâttr (ſectio)
þrâtta (certare) âs (numen ethnicum, pl. æſir, goth.
unbedenklich ans, anzeis, alth. ans, enſî, wie viele
eigennamen mit ans- beſtätigen, und die halbgötter
anſes bei Jornandes) âs (trabs, goth. anz) âſt (amor,
goth. anſts) bâs (ſtabulum, goth. banſt) gâs (anſer,
alth. kans) etc. In allen dieſen fällen nimmt die
isländ. ausſprache ein â an, ſogar ſtatt ia ein iâ (wovon
unten), auch iſt dem gebrauch ein gewiſſes alter zuzu-
geben, da ſehon frühe hſſ. z. b. die der nord. geſetze
bolkr (ſchwerlich bôlkr) für bâlkr, ſetzen, und der ge-
wöhnliche umlaut des a in ö ausbleibt, es heißt z. b.
im dat. pl. mâttum, âſtum, ſâlmum, nicht möttum,
öſtum, ſölmum, wie ſtehen müſte, wenn der unumge-
[287]I. altnordiſche vocale.
lautete fall ein reines a hätte. Ferner muß erwogen
werden theils, daß in dem fall tt und s für ht und ns.
durch den auswurf des h und n eine veränderung des
vocals herbeigeführt worden ſeyn kann (vgl. oben ſ. 210.
231.) theils die angelſ. mundart vor den verbindungen
nc. ng. das a mit o vertauſcht (oben ſ. 223. 226.) vor
lm. lp. lf. lc. lg. ls hingegen mit ëa (ſ. 236.) obgleich
wieder die analogie beider ſprachen nicht überall zu-
trifft, denn auch vor mm. nn. mp. mb. nt. nd. ll. rr.
lt. ld etc. verändert ſich das ſächſ., nicht aber das nord.
a, ſondern es heißt: land, kambr, ſalt etc. Dieſes
ſchwanken ſchon läßt mich vermuthen, daß, wo nicht
ſämmtliche, doch die meiſten der unter 5) angegebenen
veränderungen des a in â unorganiſch und der älteren
nord. ſprache unangemeßen waren, wie ſie es der goth.
alth. und altſ. ſind, und das beſtätigen die vorhandenen
ſpuren des umlauts vollkommen *). Neben lâng, gânga,
fâng, hânga, hâls etc. findet nämlich lengi, genginn,
fenginn, hengja, helſi (collare) etc. ſtatt, da ſonſt das
wahre â in æ umlauten müſte; gleicherweiſe bekommt
gânga (iter) im gen. göngu, krângr (tenuis) im fem.
kröng (f. kröngu) etc. wo das organ. â unverändert er-
ſcheinen würde. Endlich wird zuweilen ſt. der ver-
bindung nk mit weggeworfnem n das k geminiert und
dann bleibt ebenfalls der vorhergehende vocal rein, z. b.
frackr (francus) þacka (gratias agere) hleckr (catena) beckr
(ſcamnum) dreckja (mergere) gleichſam ſtatt: frânkr, þân-
ka, hlânkr etc. (ſ. unten beim n.) — 6) die auslautenden â
ſind folgende: â (in) â (flumen) â (agna) brâ (cilium) fâ
(ſplendor) fâ- (paulo) flâ (ſtratum) frâ (de) gâ (laſcivia)
gâ (obſervare) hâ (pellis) hâ (foenum) hâ- (alte-) jâ
(imo) krâ oder râ (angulus) lâ (aequor) lâ (coma) mâ
(terere) nâ (cadaver) nâ (prope) pâ (pavo) râ (caprea)
ſâ (ille) ſkâ (obliquitas) ſkrâ (libellus) ſlâ (ſubſus) ſmâ
(contemnere) ſpâ (vaticinium) ſtrâ (ſtramen) ſvâ (ſic) tâ
(digitus pedis) vâ (pericnlum) þâ (tunc) þrâ (deſiderium)
ſodann die nom. fem. ſg und pl. neutr. der vorhin an-
geführten adj. blâr, frâr, flâr, grâr, hlâr, hrâr etc. end-
lich die praet. â (habet) knâ (novit) mâ (valet) lâ (ja-
cuit) frâ (interrogavit) vâ (dimicavit) þâ (obtinuit). Es
gibt kein auslautendes kurzes a (in der wurzel), obige
â ſind aber ſehr verſchiednen urſprungs, einige entſtan-
[288]I. altnordiſche vocale.
den aus ag, wie die zuletzt genannten praet. þâ, vâ,
frâ, lâ, mâ, vermuthl. auch lâ (aequor) vgl. mit lögr;
andere aus av, wie â (ovis) fâ- (paulo) hâ (foenum)
ſtrâ; andere aus eih, wie â (habet) râ (caprea) fâ (ſplen-
dor) tâ (vgl. oben ſ. 90.); andere aus ah, wie â (flu-
men) ſmâ, ſpâ; andere aus auh, wie hâ-; aus an, wie
â (in) andere haben ein organ. â, wie nâ (prope) pâ,
blâ, grâ etc., einige bleiben ungewiß, endlich ſchei-
nen einige aus dem bloßen kurzen a allmählig verlän-
gert worden zu ſeyn, wie jâ, ſâ, þâ; ſvâ vertritt bei-
des, das goth. ſva und ſvê. —
(EE) ê; ſo häufig die altn. mundart â braucht, ſo
ſelten ê, welches weder dem goth. noch alth. ê ent-
ſpricht, wohl aber meiſtens dem ſächſiſchen. Man un-
terſcheide folgende fälle:
(II) î gleicht dem alth. und angelſ. î, zu bemerken
iſt nur, daß die ſpätere ausſprache es vor ng. nk. ſt. des
älteren i eintreten läßt, vgl. hrìngr (annulus) rîngl (confuſio)
þîng (cauſa) ſìnkr (tenax) etc.; tt (ſtatt ht) vor denen i zu î
würde, finde ich nicht, andere verbindungen, wie lm etc.
dulden das kurze i, als: hilmir (rex) etc. Die auslau-
tenden î ſind hauptſächlich folgende: bî (apis) frî (liber)
hî (otium) hî (lanugo) î (in) qvî (cohors) ſî (ſemper) ſtrî
(ſtupa) þrì- (tri-) wohin auch die am ende einer ſilbe
das a einer zweiten ſilbe berührenden î gehören: dî-ar
(divi) frî-a (ſolvere) klì-a (nauſea) nî-a (enneas) ſî-a
(filtrum) ſtî-a (caula) ſvî-ar (ſueci) ſvî-a (remittere)
tî-a (equa) vî-a (vagari). Alle ſind gleich den auslau-
T
[290]I. altnordiſche vocale.
ten â und ê verſchieden zu erklären, î und ſì ſtehen
für in, ſin; ſìa für ſìha; ſtìa f. ſtîga; einige bleiben mir
noch dunkel.
(OO) ô. 1) in der regel das goth. ô und alth. uo;
belege (außer den ablauten): glôfi (chirotheca) grôf (la-
cuna) hôf (modus) hôfr (ungula eq.) kôf (ningor tenuis)
lôfi (vola manus) þôf (fullonica) bôgr (armus) gnôgr
(ſufficiens) hôgſamr (manſuetus) lôga (alienare) ôga (terror)
plôgr (aratrum) rôgr (calumnia) ſkôgr (ſilva) bôk (liber)
brôk (femorale) flôki (floccus) hrôkr (vir fortis) klôkr
prudens) krôkr (uncus) lôka (pendere) môk (ſomnus levis)
ſlôkr (lurco) ſnôkr (anguis) ſôkn (curia) bôl (praedium fôl
(ſtultus) gôl (latratus) hôl (jactantia)ôl (funis) rôl (vaga-
tus) ſkôli (ſchola) ſtôll (ſedes) blômi (flos) dômr (judi-
cium) drômi (vinculum) lômr (columba) ôman (ſonus
confuſus) rômr (vox) tômr (vacuus) bôn (rogatio) gôn
(oculorum intentio) krôna (corona) tôn (tonus) glôpr
(fatuus) grôpa (ſulcare) hôpr (turma) hrôp (clamor) ôp
(idem) flôr (pavimentum) frôr (quietus) glôra (micare)
hôr (adulter) jôr (equus) klôr (fricatio) kôr (chorus) môr
(animus) rôr (quietus) ſkôr (calceus) ſlôr (ignavia) ſtôr
(magnus) tôra (nitela) þrôr (cervus) drôs (femina nob.)
fôſtr (educatio) hrôs (laus) ôs (os) rôs (roſa) blôt (victi-
ma) bôt (emenda) fôtr (pes) hôt (minae) klôt (capulus)
môt (occurſus) nôt (ſagina) rôt (radix) ſnôt (femina ſa-
piens) ſôt (fuligo) blôdh (ſanguis) flôdh (turba) fôdhr (pa-
bulum) frôdhr (prudens) glôdh (ignis) gôdhr (bonus)
grôdhr (feracitas) jôdh (proles) môdhir (mater) môdhr
(feſſus) ôdha (avia magna) ôdhinn (deus ethn.) ôdhr (fu-
rens) ſlôdhi (callis) brôdhir (frater) hrôdhr (laus) ôdhal
(praedium) rôdhr (remigatio). In einigen dieſer wörter,
namentlich in den fremd ſcheinenden: ôs, rôs, tôn,
krôna entſpricht wohl ô dem alth. ô, vielleicht auch in
hrôs und hrôſa (laudare) mittelh. rœſen. — 2) durch
ausgelaßene conſ. wird ô begründet in ſôl (ſol, goth.
ſáuil) ôn (fornax, ſt. ofu) ſôp (purgamen, ſt. ſvop?) —
3) wie â erfordert die ſpätere ausſprache ein ô vor den
verbindungen lm. lp. lf. lk. lg. nk. ng. tt (ſtatt ht). als:
hôlmr (inſula) ôlmr (furioſus) ſtôlpi (columna) gôlf (pa-
vimentum) hrôlfr (n. pr.) kôlfr (bulbus) tôlf (duodecim)
fôlk (populus) hôlkr (tubus) dôlgr (hoſtis) kôlga unda)
tôlg (ſevum) bôlſtr (cervical) kôngr (rex, ſt. konûngr)
dôttir (filia) drôtt (plebs) drôttinn (dominus) flôtti (fuga)
nôtt (nox, richtiger ſchiene nâtt, ſ. die declination) ôtta
(matutina) ôtta (terrere) ſôtt (morbus) þôtti (cogitatio)
[291]I. altnordiſche vocale.
þrôttr (vigor). In ôtta (alth. uohta) ôtti (goth. ôhta) war
wie man ſieht das ô ſchon organiſch vorhanden; in den
übrigen entſpricht ôtt dem alth. oht und uht. Vor ls
finde ich kein ô, vgl. dols (haeſitatio) vols (ſplendor).
Daß auch in den übrigen der organ. ausſprache ein kur-
zes o angemeßen war, folgt [wie bei dem â aus dem
umlaut e und nicht æ] aus dem umlaut y und nicht
œ, welches doch dem wahren ô zur ſeite ſteht,
vgl. hylki (capſa) von hôlkr; fylkir (dux) von fôlk:
alſo früher auch holkr, folk. — 4) auslaute: flô (pulex)
flô (ſtratum) hô (interj.) klô (unguis) krô (caſula) lô
(tomentum) lô (corylus fem.) ô (interj.) ô (part. negans)
rô (quies) ſlô (os ſub cornibus) tô (ceſpes) tô (lana) þô
(quamvis) þrô (vas cavum); ebenſo ſind zu beurtheilen:
glô-a (nitere) gô-i (nomen menſis) grô-a (vernare)
hô-a (clamare) hrô-i (heros) lô-a (alludere) mô-a
(argilla linire) ô-a (timere) ô-ir (timet) etc. Die praet.
drô, ſlô, hlô ſtehen für drôg, ſlôg, hlôg. —
(UU) û, dem goth. und alth. û gleich; beiſpiele:
brûdh. hûdh. lûdhr (tuba) ſnûdhr (roſtrum) ſkrûdh (ornatus)
dûfa. ſkrûfa (cochlea) hûfa (pileus) mûgi (multitudo) brûk
(uſus) fûll (putris) ſûla (columna) rûm. rûn. dûn. brûn.
tûn. gnûpr (prominentia) ſûpa (ſorbere) ûr. mûr. ſûr. lûr
(ignavia) ſkûr. hûs. lûs. mûs. þûſund. brûſa (aeſtuare) ût.
ſtrût (ſtruthio) etc. Außerdem entſpringt û aus u vor lf.
nk. ng und s (ſtatt ns) als: ûlfr (lupus) dûnka (reſonare)
krûnk (crocitus) mûnkr (monachus) ûngr (juvenis) klûngr
(ſaxetum) hûngr. bûnga (tumor) drûngi (onus) tûnga.
þûngr fûs etc. Ohne zweifel galt auch hier früher ein
kurzes u, weshalb mir die dehnung der umlaute ŷlfa (lupa)
ŷngi (juventus) þŷngja (gravare) und der weiter unten
anzuführenden ähnlichen bei Biörn zweifelhaft ſcheint. —
Auslaute: bû (aedificium) brû (pons) grû (multitudo)
frû (uxor) lû (laſſitudo) nû (jam) rû (temulentia) trû
(fides) þû (tu) ſnû-a (vertere).
(YY) ŷ, ſowohl umlaut des û, folglich dem mittelh.
iu gleich, als dem organiſchen goth. und alth. iu, wie-
wohl dieſer diphth. in gewiſſen fällen noch daneben be-
ſteht. Da nun letzterer im isländ nicht íu (wie im alth.)
ſondern iú lautet, iú und ŷ aber kaum verwechſelt wer-
den, ſo ſcheint dem ŷ die ausſprache üi, üj, beinahe
ügj, zuzuſtehen, wie ſie Raſk §. 67. beſtimmt. Vielleicht
kann man dieſes zweite ŷ in den meiſten fällen als um-
T 2
[292]I. altnordiſche vocale.
laut des jú oder ió betrachten *). Hentzutage wird je-
doch beiderlei ŷ gewöhnlich mit î vermengt (Raſk §. 25.).
Belege des ŷ = umlaut des û ſind: hŷdha (cutem depo-
nere) prŷdha (ornare) ſkrŷdha (veſtire) fŷla (putreſcere)
rŷma (vacuare) rŷna (literas ſcrutari) gnŷpa (promonto-
rium) pŷngja (crumena) kŷngi (portentum) dŷngja (acer-
vus) fŷſi (deſiderium) hŷſa (in dom. recipere) mŷſlìngr
(muſculus) ŷta (trudere, von ût, foras) etc. — ŷ = um-
laut des iu oder ió ſcheinen mir (abgeſehn von den praeſ.
ſing. bŷd, gŷt etc.) ill-þŷdi (coetus pravorum, von
þiód) þŷda (aptare) þŷfi (furtum, v. þiófr) ſŷn (viſio,
v. ſión) trŷni (roſtrum, v. trióna) dŷpi (profunditas, v.
diúpr) dŷr (animal) dŷr (carus) fŷr (ignis) hŷr (laetus,
ôhŷr, auſterus, altſ. unhiuri) ŷr (arcus) nŷr (novus) nŷra
(ren) tŷr (nomen deaſtri) þŷr (ſervus, goth. þius) grŷta
(lapidare v. griót) etc. — Die auslaute wird man hier-
nach beurtheilen: blŷ (plumbum, vielleicht f. blì?) bŷ
(habito) dŷ (lama) mŷ (tabanus) nŷ (neo) nŷ (novilu-
nium) ſkŷ (nubes) ſlŷ (conferva) ſnŷ (verto) ſŷ (ſtupa)
tŷ (inſtrumentum) þŷ (ancilla); desgleichen flŷ-a (fugere)
gnŷ-a (fricare) lŷ-a (contundere) mŷ-a (moleſtare) nŷ-a
(renovare) ſkŷ-a (nubilare) ſpŷ-a (vomere) ſŷ-a (colare,
beßer ſì-a) tŷ-a (parare, goth. tánjan).
(AE) æ, iſt umlaut des organiſchen â und nicht dem
angelſ. ſondern dem mittelh. æ zu vergleichen; Raſk gibt
ihm §. 14. die ausſprache aj (alſo ái), ſo daß ſich die
berührung der diphth. goth. ai = angelſ. â; goth. ê =
angelſ. æ, nord. und hochd. â mit dem umlaute æ und
der ausſprache ái mehrfach entwickelt, ſo verſchieden
auch beiderlei laute in der bedeutung ſind. Es wird
daher nicht befremden, wenn ausnahmsweiſe das nord.
æ dem goth. ái, angelſ. â, alth. ê (ſt. ei) parallel ſteht **).
(AU) au, in den hſſ. av geſchrieben und áu *) aus-
zuſprechen, iſt das goth. áu, alth. au (ou) und ô, angelſ.
eá. Belege (außer den ablauten gaut, kaus etc.): audhugr
(dives) naudh (neceſſitas) ſaudhr (vervex) daufr (ſurdus)
lauf (folium) auga. baugr. haugr. (collis) laug (lavacrum)
auk (etiam) gaukr (cuculus) haukr (accipiter) laukr (al-
lium) auli (ſtultus) bauli (taurus) ſtauli (ſervulus) aumr
(miſer) glaumr (ſtrepitus) naumr (tenax) ſanmr (ſartura)
ſtraumr. taumr. daun (odor) hraun (aſpretum) kaun (ul-
cus) laun. raun (tentatio) hlaup. kaupa. laupr (cophi-
nus) ſaup (juſculum) ſtaup (poculum) aur (lutum) kaur
(ſtridor) maur (formica) ſaur (ſtercus) auſa (haurire) fauſi
[294]I. altnordiſche vocale.
(ſtultus) haus (cranium) hnaus (gleba) bauta (pellere)
braut (via) gauti (n. pr.) grautr (arena) naut (bos) nautr
(ſocius) ſkaut (gremium) ſtaut (haeſitatio lectionis) taut
(murmur) þraut (labor) u. a. m. Drucke und hſſ. ver-
wirren dieſen diphth. au ungrammatiſch mit dem un-
diphthongiſchen ö, dem durch u erzeugten umlaute des
a, indem ſie nicht ſowohl erſtern ö, als vielmehr letz-
tern au (av) ſchreiben. Nach dem fac ſimile (hinter der
edda ſæm. I.) lieſt das fragm. membr. univ. Grimn. 43.
44. 46. richtig havca. öllum. bölvërkr. alfödr und Hŷ-
misqv. 3. önn (goth. anna, labor) welche 4 letzte ö die
herausgeber unrichtig in avllom. bavlvërkr. alfavdr.
avnn abändern. Der cod. reg. lieſt hingegen ſelbſt ſchon
Skirn. 30. 38. gavrþom. avll ſt. görþom. öll. Die aus-
gabe der Niâlsſaga drückt au und ö durch av aus, in
einigen fällen letzteres durch o. In Biörns wörterbuch
ſind au und ö meiſtentheils richtig unterſchieden, nicht
durchgängig, indem z. b. höfud ſt. haufud (goth. háu-
biþ, angelſ. heáfod), hingegen vor nk, ng beſtändig au
ſt. ö geſetzt wird, z. b. haunk, ſtaung, taung ſt. hönk,
ſtöng, töng. Die kopenh. ausg. der edda ſchwankt zwi-
ſchen au (av) und ö und hat z. b. bald ſavdull, bald
(das richtigere) ſödull. Andere, welche die verſchieden-
heit beider laute einſehen, wollen au durch au, das ö
aber durch av ausdrücken, alſo gaut (fudit) laug (lava-
crum) aber gavtu (ſemitae) lavgr (fluidum) lavg (lex) etc.
geſchrieben wißen. Ihnen pflichtet Raſk §. 29. bei und
verfährt danach in ſeinen ſtockholmer ausgg. meiſten-
theils, doch nicht allentbalben, obgleich er in der vorr. zur
Snorraedda p. 14. “allſtadhar” (ubique) ſagt, denn über-
all finden ſich ö neben av, z. b. p. 46. mörg. miöc. iö-
tun. göngu etc. Mir misfällt dieſe bezeichnung des
unterſchieds, theils weil av in den hſſ. insgemein auch
für das walire au ſteht. theils da, wo es den ölaut aus-
drücken ſoll, zur conſonantiſchen ansſprache des v in
av verführt, welche, wie wir oben geſehn, gerade dem
ganz abweichenden â gebührt. Ich werde ſorgſam den
dipht. au von dem umlaut ö trennen und weder aun-
nur, ſauk, haunom, noch avnnur, ſavk, havnom, ſon-
dern überall önnur, ſök, hönom ſchreiben, will aber
zugeben, daß ſich in der ausſprache au und ö (wie
länge und kürze) begegneten und verwirren konnten.
Sonſt würden alte hſſ. nicht beide durch av ausdrücken,
auch das au nicht ſpäter, z. b. im ſchwed. zu œ (lan-
gem ö) werden, als: lœga (lavare) hœfved (caput), wäh-
[295]I. altnordiſche vocale.
rend das altn. ö wieder zum reinen a wird, als: lag
(lex) annor etc Für die altn. ſprache iſt die ſcheidung
des au und ö ſehr wichtig, weil man ohne ſie wörter
wie bauli, auka, laug, haukum (accipitribus) baugum
(annulis) gauf (palpitatio) kaur (murmur) etc. vermen-
gen würde mit böl (malum) aka, gen. öku (currus) lögr
(aqua) hökum (mentis) bögum (jacturis) göfugr (nobilis)
kör, karar (lectus).
(EI) ei, wie éi, d. h. der umlaut des a, mit nach-
ſchlagendem i, alſo gleich dem alth. ei und nicht wie
das ueuh. (ai lautende) ei auszuſprechen. Nach Raſk
§. 15. beinahe wie ej, alſo gewiß mit betonung des vor-
deren vocals, was zugleich die betonung des nord. áu
(nicht aú) beſtätigt; §. 22. nimmt er die conſonantiſche
ausſprache ej zurück und ein rein diphthongiſches ei
an. Alte hſſ. ſchreiben æi ſt. ei, vgl. den anfang der
Hŷmisqv. im fragm. membr. univ. væidhar. tæina. tæitr.
læit etc. welches zwar nicht nachzuahmen iſt, aber den
urſprung aus einem älteren ai und den accent auf éi be.
weiſt. Offenbar ſchwankte es ſelbſt in æ und gerade in
den fällen wo das alth. è aus ei entſprang (ſ. oben das
zweite altnord. æ), obgleich ſich neben ſnær (?ſnæir,
ſneir, ſnair) etc. einzeln das ei in meir (magis) geir
(haſta) keira (vehere) behauptete *). Ja zuweilen iſt
ohne umlaut â (aa) aus ai (wie im angelſ.) geworden
(oben ſ. 228). Belege ergeben ſich allenthalben in den-
ſelben wörtern, wo das goth. ái, alth. ei, angelſ. â wal-
tet. In ê wandelu eig die praet. hnê, ſtê, ſê.
(EY) ey, von dem vorigen ei durchaus verſchie-
den, iſt umlaut des an und dem mittelh. öi parallel,
oder dem angelſ. zweiten ŷ. Auszuſprechen faſt wie je-
ner mittelh. diphth. (mehr öy als öi) und wie im heuti-
gen Island und andern norweg. gegenden das au ſelbſt
lautet, ö mit nachſchlagendem i, beinahe œ, (Raſk
§. 69.) nur darf man dieſe ausſprache nicht auf das alt-
nord. au anwenden **). Die heutige mundart weiß ey
[296]I. altnordiſche vocale.
von ei nicht zu unterſcheiden (Raſk §. 26.) und ſchreibt
fälſchlich z. b. keyra f. keira. Belege: ey (inſula, goth.
avi?) hey (foenum, goth. havi) fley (liburna) mey (virgo,
goth. mavi?) gey (latratus) grey (canis f.) freya (n. pr.
alth. frouwa) deyfa (hebetare) leyfa (laudare) fleygr (vo-
lucris) reykr (fumus) geyma (cuſtodire) gleyma (obliviſci)
ſeyma (ſuere) teyma (fune ducere) reyna (ſcrutari) hleyp
(curro) eyr (aes) freyr (n. pr. goth. fráuja) reyr (arundo)
(þeyr) (ventus egelidus) eyra (auris) beyra (andire) leyſa
(ſolvere) ſteyta (tundere) bleydhi (timiditas) eydhi (ſoli-
tudo etc. Bisweilen ſteigt der umlaut in formen, denen
die endung i gebricht, ſo ſteht neydh ſt. naudh, gerade
wie im angelſ. nŷd ſt. neád. — Der übergang in œ
liegt nahe, mœr (virgo) neben mey; weiter der in â,
denn das oben ſ. 287. angeführte hâ (neben hey) ſcheint
aus der apocope des v von hav zu erwachſen.
(IA) ia, auszuſprechen iá, deswegen bei Raſk mit
ja ausgedrückt, vom alth. ia formell. und materiell ganz
verſchieden. Es iſt das angelſ. ëo und entwickelt ſich
auf zwar nicht gleiche aber doch ähnliche weiſe aus
dem ë 1) bei nachfolgendem ll. ld. lt. ls. rr. rl. rm.
rn. rf. rt. rdh. rk. rg. als: fiall (mons) hiall (gradus)
ſniallr (velox) ſpiall (colloquium) giald (pecunia) ſialdan
(raro) ſpiald (tabula) tiald (tentorium) bialt (capulus)
mialta (mulctum ire) ſmialſa (ſorbillare) ſkiarr (fugax)
fiarri (remote) iarl (vir nob.) biarmi (lucubrum) biarnar
(urſi) giarn (cupidus) hiarni (cerebrum) ſtiarna (ſtella)
diarſr (audax) hiarta (cor) biartr (lucidus) iardhar (ter-
rae) þiark (quaſſatio) biarg (ſaxum) tiarga (clipens).
Muthmaßlich auch früher vor lm. lp. lf. lk. lg. wo ſpä-
ter ein ià gilt (ſ. unten); vor rp und rr (ſtatt rs) bleibt
ë beſtehn, als: vërpa, vërri (pejor) þvërra (decreſcere),
nirgend viarpa, viarri, þiarra; vor ll. lt. lg. rf. rt. rdh.
ſchwankt es, denn neben den angeführten finden ſich
mit ë die ſtarken inf. vëlla, ſvëlla. ſkëlla. ſvëlta. vëlta.
ſvelgja. hvërfa. ſnërta. vërdha, und nie in dieſen wör-
tern ia. — 2) ſchwaukend vor l. r. f. t. dh. ſ. g. k: fia-
lar (aſſeris, tabulae) hiala (fabulari) tiara (pix) iaſn (ae-
qualis) kiaftr (roſtrum) fiatla (fruſtra agere) fiatra (vincire)
miatla (parum detrahere) fiadhradr (pennatus) hiadhn
**)
[297]I. altnordiſche vocale.
(nix compacta) miadhar (medi) ſmiadhra (adulari) kias
(adulatio) pias (niſus) þiaſſi (n. pr.) biaga (luxare) biak
(moleſtia) miak (motus lentus) kíak (ſecuris) ſtiak (tu-
multus) u. a. m. woneben, vor denſelben conſonanzen
häufig aber auch ë ſtattfindet, z. b. fëla (occultare) ſtëla
(furari) bëra (ferre) ſkëra (ſcindere) bëra (urſa) ëf (an)
ëfni (materia) gëfa (dare) lëſa (legere) brëk (vitium) rëka
(pellere) etc. *). Jedes ia lautet bei folgendem oder vor-
auszuſetzendem u in iö um **); ia iſt kein voller diphth.
ſondern wie das angelſ. ëo und goth. aí ***), wegen
der nahen berührung mit i oder ë, faſt einfacher laut
mit leiſe vorſchlagendem i. Dieſes i mag ich dennoch
nicht in j verwandeln, theils um der analogie mit dem
angelſ. ë willen, theils weil das j wirklich davon unter-
ſchieden war, im angelſ. lautet das j conſonantiſch und
wird zu g, im nord. gilt aphäreſe des eigentlichen j.
Das hochd. jung lautet angelſ. gëong, nord. ûng; das
hochd. ërda, angelſ. ëordhe, nord. wie mir ſcheint beßer
iördh, als jördh; eben ſo iötunn (angelſ. ëoton, ëton,
alth. ëƷan?) beßer als jötunn, da wir auch im hochd.
das anlautende ia, ie von ja, je unterſcheiden †). Noch
[298]I. altnordiſche vocale.
weniger kann inlautend die ſchreibung gjarn ſt. giarn
auf beifall rechnen (mehr noch unten beim j).
(IE) ie, kein altn. diphth. ſondern ſpätere orthogra-
phie ſt. ê in verſchiedenen wörtern, z. b. knie, ſpie, trie,
hie, hiegomi, flietta, ſtietta, þiettr, hieri, iel, ſt. knê
(genu) ſpê (ludibrium) trê (arbos) hê (? ros) hêgomi
(vanitas) flètta (nectere, hochd. flechten) ſtètta (? fulcire)
þêt[i]r (denſus, dicht) hêri (lepus) êl (nimbus); einigemahl
auch für ë geſetzt, z. b. þier (vos) ſt. þër (ſ. 289.). Daß
kein ie als umlaut der ia gelte, wurde vorhin angemerkt.
(IO) io, mit der betonung ió = angelſ. ëó, goth.
íu, alth. ío; ein organiſcher diphth., den Raſk wieder
ohne gültigen grund in jó verwandelt; von ia, deſſen
umlaut iö, ſo wie von iâ, ſtehet ió gänzlich ab und
wird nur unorganiſch mit ihnen verwechſelt. Eine
ſolche verwechſlung liegt der gewöhnlichen ſchreibung
miólk, gen. míólkr (lac, lactis) unter; das angelſ. mëo-
loc (nicht mëóloc) und alth. miluh lehren, die altn.
form miölk, mialkar; entw. ſo oder auf neuere weiſe
(ià vor lk) müſte miâlk, miâlkar ſtehn, das man in der
ausſprache für miólk nahm. Der Schwede ſetzt auch
richtig miölk, wie miöd (altn. miödhr) und nicht miulk,
wie er ſpiut, tiuf etc. dem altn. ſpiót, þiófr gemäß
ſchreibt. Hiernach ſind ähnliche misbräuche zu beur-
theilen; das org. ió belegen folgende beiſpiele: frió (ſe-
men) þió (clunes) friófr (foecundus) ſliófr (hebes) þiófr
(fur) drióli (taurus) hiól (rota) hióm (ſuperficies) hlióma
(reſonare) liómi (ſplendor) riómi (cremor) ſkiómi (fulgor)
hrión (ſcabretum) mióni (gracilis) prióna (texere) ſión
(viſus) tión (damnum) þión (ſervus) biór (cereviſia) miór
(tener) *) niórunn (terra) ſtiórn (imperium) frióſa (al-
gere) gióſa (eructare) hnióſa (ſternutare) kióſa (eligere)
fiós (bovile) liós (lumen) þiós (fruſtum carnis) nióſn (ex-
perimentum) brióſkr (cartilago) lióſta (ferire) brióſt (pec-
tus) brióta (frangere) gióta (parere) hlióta (obtinere)
hnióta (labare) hrióta (ſtertere) nióta (uti) ſkióta (jaculari)
þrióta (deficere) fliót (fluvius) griót (lapis) liótr (turpis)
ſkióti (equus) ſpiót (haſta) þriótr (obſtinax) biódhr (diſcus)
þiódh (gens) biódha (offerre) hniódha (tundere) hliódh
[299]I. altnordiſche vocale.
(ſonus) liódh (carmen). Den urſprung dieſes ió aus
einem ältern iú erſieht man in wörtern derſelben con-
jug. die letzteres behalten und namentlich vor p. k und g.
In einzelnen fällen entſteht ió, wie im alth., aus zuſ.
ziehungen, vgl. fiórir (quatuor) oben ſ. 104; fión (odium)
aus fi-jon? hión (conjuges) aus hi-von? lión (leo)
aus li-on?
(IU) iú (nicht jú) die ältere, in gewiſſen fällen ver-
bliebene form des vorausgehenden ió. und zwar bei
folgendem p. f. *) k. g, als: diúpr (profundus) driúpa
(caderè) gliúpr (bibulus) hiúpr (velamen) kriúpa (repere)
riúpa (tetrao) ſtiúpr (privignus) gliúfr (locus praeruptus)
hriúfr (moeſtus) kliúfa (findere) liúfr (carus) riúfa (rum-
pere) fiúka (ningere) liúka (claudere) miúkr (lenis) riúka
(fumare) ſiúkr (aeger) ſtriúka (elabi) biúgr (curvus) bliúgr
(verecundus) driúgr (continuus) fliúga (volare) liúga (men-
tiri) ſiúga (ſugere) ſmiúga (repere). Warum die lippen-
und kehllaute das vorſtehende iú bewahren, die lingua-
les und liq. es aber in ió übergehen laßen? verdient
aufmerkſamkeit; man vgl. oben ſ. 94. 100. das vor n.r.
und den linguales entwickelte alth. ô, während m die
lab. und gutt. das alte au (ou) vor ſich behalten; bloß
der einfluß des m iſt verſchieden, I aber dort gar nicht
vorkommend. Eine andere analogie bieten die verbin-
dungen lp. lf. lk. lg. nk. ng. an hand, welche den vorſte-
henden kurzen vocal verlängern (oben ſ. 286. 289. 290. 291.)
während er vor lt. ld. nt. nd. kurz bleibt; offenbar ſteht
auch hier die lingualordnung gegenüber der labialen und
gutturalen. Noch ein paralleliſmus der beiden letzten
wurde ſ. 187. bemerkt. Aus dergleichen jetzt noch un-
reiſen wahrnehmungen können dereinſt wichtige auf-
ſchlüße erwachſen. — Statt iu haben ein bloßes langes û:
lûta (vergere) lûka (claudere), letzteres bereits im goth.
lûkan (ſ. 51.) — Das ſeltne íu in níu (novem) tíu (de-
cem) iſt kein eigentlicher diphth., vielmehr i-u, und
etwa îu zu ſchreiben? So entſpringt auch in dem be-
kannten eigennamen giúki (oder gíuki?) der diphth. aus
contraction (ſt. giviki) wie die altſ. form giviko und
die alth. kibicho (Neugart n° 518.) lehren.
(OE) gleich dem angelſ. AE von doppelter, völlig
verſchiedener art, entw. ö oder œ.
(IAA) iâ, ein triphthong, wiewohl das i nur gelinde
vorſchlägt; verhält ſich zum ia, wie â zu a und ent-
ſpringt 1) wenn die verbindung lm. lp. lf. lk. lg. ls. auf
ia folgen, als: hiâlmr (galea) hiâlpa (opem ferre) biâlſi
(veſtis ampla) giâlfr (ſtrepitus) ſiâlfr (ipſe) ſkiâlfa (tre-
mere) þiâlf (labor) biâlki (trabs) kiâlki (maxilla) ſpiâlk
(aſſerculus) innfiâlgr (incurvatus) ſkiâlgr (obliquus) friâls
(liber) 2) noch in andern fällen, wenigſtens nach Biörus
wörterbuch: priâl. ſtriâla. diâſn. biâtr. piâtr. riâtl. ſpiâtr,
lauter ſeltne und nicht leicht zu beurtheilende wörter.
3) in den auslauten hat iâ gleichen grund mit dem aus-
lautenden â ſtatt a und fiâ (odiſſe) giâ (laſcivia) gliâ
(ſtratum) hiâ (apud) kiâ (coaptare) kliâ (expedire) kriâ
(deſiderare) liâ (gramen demenſum) rià (attrectare) ſiâ
(videre) ſiâ (is) tiâ (praeſtare) þiâ (in ſervit. redigere)
fiâr (pecuniae) liâr (falx) etc. ſind meiſtentheils aus i-a
zu erklären, alſo nicht organiſcher doppellaut.
(IOE) iö, triphthongiſch, wenn man ö für einen
diphth. nimmt, ſonſt nur gleich dem ia diphthongiſch,
[302]I. altnordiſche vocale.
verhält ſich zu ia wie ö zu a. Mit dem ió nicht zu
verwechſeln. Beiſpiele: giöf (donum) ſkiögr (vertigo)
fiöl (aſſer) þiöl (lima) ſtiölr (anus) kiölr (navis) miöll
(nix) ſkiöldr (clypeus) hiörr (gladius) ſpiör (telum) biörn
(urſus) biörk (betula) biörg (auxilium) niördhr (n. pr.)
iördh (terra) hiörtu (corda) hiörtr (cervus) miödhr (mul-
ſum) etc. Ein endungs-u iſt allenthalben zu ſupponie-
ren, wie noch aus der vergleichung anderer mundarten
erhellt, z. b. hiör (gladium, goth. haíru, altſ. hëru) giöf
(alth. kipu) fiöl- (multi-, alth. filu); ſiö (ſeptem) ſteht
für ſiöfu (alth. ſibun, angelſ. ſëofon) fiör (vita) zeigt auf
das alth. fërah oder fëruh (?) vielleicht auf das goth.
faírhvus, wenn ſich die begriffe κόσμος, welt und le-
ben begegnen (vgl. den altſ. ausdruck firiho-barn, kin-
der der welt, menſchen). — Zweideutig ſcheint das iö
einiger wörter, als: miöl (farina) ſmiör (butyrum) welche
nach Raſk §. 75. nirgends ia bekommen. Ich denke mir
indeſſen ihr iö organiſch (d. h. aus ia entſprungen) und
die rückkehr des ia darum unmöglich, weil nach ein-
fachem l und r das urſprüngliche u gern in v verwan-
delt zwiſchen liq. und endung a tritt, folglich die wir-
kung letzterer hemmt. So hat der gen. pl. miölva,
ſmiörva (?) von fiör, hiör, fiörva, hiörva ſt. miala,
ſmiara, hiara, fiara, wie ſich kiala und ſpiara von kiölr,
ſpiör findet. Auch zeigen die entſprechenden alth. wör-
ter ë in mël, ſmër *), wie in ërda und mëdo (mulſum).
Die von Raſk angeführte ableitung mylja (contundere)
kann nicht von miöl, ſondern nur von mola herſtam-
men; ſmyrja (ungere) nicht von ſmiör, ſondern ſetzt
ein ſmora voraus, freilich ſind ſich miöl und mola,
ſmiör und ſmora mittelſt des ablautsverhältniſſes ver-
wandt und auf ein verlorenes mëla, mal, molinn; ſmëra
ſmar, ſmorinn (nach ſtëla und bëra) zu gründen. Wie
miöl, ſmiör neben ëk mël, ëk ſmër beſtehen, iſt vor-
hin ſ. 297. in der note gewieſen.
Wie im ſächſ. in allen hauptzügen beibehaltung der
goth. einrichtung.
(L. M. N. R.) liquidae, Die anlaute l. n. r. ſind
noch von hl. hn. hr. geſchieden, nicht mehr aber die
ſächſ. und goth. vl. vr. vorhanden, ſondern zu l. und
r. geworden. — Der auslaut m. ſteht feſt und geht nie
in n. über. Deſto mehr wankt das in- und auslautende n,
ſobald ihm ein vocal vorausgeht, iſt es naſal (Raſk
§. 58.); gänzlich wegfällt es 1) in flexionen a) vor
auslautendem t; das part. neutr. tamit (domitum) für
tamint (tamin’t); hit, eitt f. hint eint (ſ. unten tt)
b) in der ſchw. declination und in allen infinitiven.
2) in wurzeln a) bei folgendem ſ. dh. k. (hiervon un-
ten bei den verbindungen ns. ndh. nk.) b) in einzel-
nen partikeln, deren vocal alsdann lang wird: î, â und
ô-, goth. in, ana, un. — Das r aus ſ. iſt weiter vorge-
rückt, als in irgend einer andern deutſchen ſprache,
namentlich nicht nur in den ſ. 121. 244. gegebenen alth.
und angelſ. flexionen, ſondern in dem fall des nom.
pl. insgemein und zuweilen ſelbſt des gen. ſg. maſc.
und neutr., obſchon meiſtens hier noch ein ſ. waltet.
Einzelne wörter mit ſolchem r. ſind den hochd. oder
ſächſ. analog; die goth. baſi, viſan, und haſa lauten
hier ber, vëra und hieri, hêri (ſt. hari, den grund der
vocaländerung begreiſe ich noch nicht, denn die endung
i iſt hier unorganiſch und keinen umlaut des a in e zeu-
gend) vermuthlich gehören auch hler (auſcultatio) und
U
[306]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
gær (heri) *) hierher; oß (nobis, goth. uns, angelſ.
us) bekommt im poſſeſſ. orr für oſr, (angelſ. uſer) da-
gegen beſtehen nös (nares) ax (ahs, ſpica) ſvâs (proprius)
und die inf. kióſa, frióſa, praet. kaus, fraus pl. kuro,
fruro; lëſa und rîſa behalten das ſ. durchaus. (vgl. un-
ten rr. ſſ. und rſ; desgl. die aſſimilationen ll. nn. kk.
dd ſtatt rl. rn. rk. rd.) Der auslaut r. fällt in verſchied-
nen nom. ſg. fem. weg, in maſc. nur bei vorausgehen-
dem r und ſ. (ſtôr f. ſtôr’r; laus f. lauſ’r, andere ſchrei-
ben aber lauß). —
geminationen. Die hochd. und ſächſ. ſitte, inlautend
ſt. der ableitung i zu geminieren, beſteht nicht (es heißt
ſelja, nicht ſella; fen nicht fenn; kyn, gen. kyns nicht kynn,
kynns etc.); ebenſowenig die andere, organiſche gemination
im auslaute zu vereinfachen (es heißt fall, falls **); vann,
unno; ſvall, ſullo; nicht; fal, van, ſval). Dagegen
ſchreiben viele ll und nn vor d und t (Raſk §. 44.)
als: villdi, giallda, lannd, vanndi ſt. vildi, gialda, land,
vandi; letztere ſchreibung hat den vorzug. — Manche
altn. geminationen entſpringen durch aſſimilation, na-
mentlich: ll aus dem organ. ldh, vgl. ballr (audax, goth.
balþs) villr (ferus) hylli (gratia) hallr (proclivis) gull (au-
rum); dieſes ll. entſpricht dem alth. ld (nicht lt) vgl.
oben ſ. 160. Seltner und tadelnswerth aus dl (für dhil)
als: milli f. midli (midhli) frilla f. fridla (fridhila, alth.
fridila, amaſia) bralliga (cito) f. brâdliga; — ferner aus
rl, als kall (ſenex) valla (vix) ſt. des richtigern karl,
varla, welches beinahe kardl, vardla ausgeſprochen wird.
Umgekehrt aſſimiliert ſich der auslaut lr ebenfalls zu
ll, falls ein diphth. vorausſteht, als: heill, ſtôll f. heilr,
ſtôlr; bisweilen auch nach einfachem vocal, zumahl in
mehrſilbigen wörtern, als gamall f. gamalr; iökull (glacies)
f. iökulr (Raſk §. 93.) — ll aus fl? vgl. illr (malus) aus
iflr? (oben ſ. 42) — mm. aus mf. in fimm (quinque) —
nn (wie ll aus ldh) aus ndh (dem alth. nd, oben ſ. 160.
parallel) vgl. annar (alius) ſannr (verus) manns (hominis)
[307]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
tönn (dentes) nenna (niti, aggredi) enni (frons) ſigr-linn
(n. pr.) ſinn (momentum) finna (invenire) kinn (maxilla)
die praet unna, kunna. kunnr (notus) munur (os) gunn
(pugua) ſunnr (auſter) unn (fluctus) hlunnar (phalan-
gae) etc. Alle dieſe formen zeigen im ſchwed. zuwei-
len, im dän. gewöhnlich nd. Hierbei iſt zu mer-
ken, daß oft mit auswurf des n das dh ſtehen bleibt,
folglich die nebenformen madhr. ſadhr. adhrir, fidhr (in-
venit) etc. eintreten, zwar nicht ohne regel, ſondern
bei folgenden r ſteht gerne die form dh, ſonſt die form
nn, als: madhr, gen. manns, acc. mann; annar, pl.
adhrir. Die erwägung dieſer doppelform hat für das
part. praet. ſcheinbare wichtigkeit; Raſk §. 91. 93. 193.
194 nimmt eine ſchwankende erklä ung der beiderlei
endungen an, ſo daß ihm galinn bald = galidhr, bald
= galinr; galit bald = neutr. von galidhr, bald = ga-
lint erſcheint. Ich glaube, galinn (die ſtarke form) ent-
ſpringt nie aus galidhr (der ſchwachen) weil es ſonſt
galinnr heißen würde. da nach obigem nicht nr, ſon-
dern nur nnr zu dhr wird; hingegen kann galit aus
galint gedeutet werden, oder auch aus galidht, indem
es dann für galitt ſtünde. Man hat alſo eine ſtarke
und ſchwache form galinn, galin, galint und galidhr,
galidh, galit theoretiſch anzunehmen, deren fälle ſich
practiſch durchkreuzen. Obiger buchſtabenwechſel nn:
dh (ndh) wirkt hier gar nicht mit und überhaupt wirkt
er nur in der wurzel nicht in flexionen, desgl. die
partic. ſind. — Die ſpätere ausſprache vermiſcht (wie
ll mit dl. rl. lr) nn mit dn. rn. nr; ſeinn (tardus)
brûnn (fuſcus) wird geleſen ſeidn, ſeiddn, brûdn
(Raſk §. 43. 58.), doch geſchieht es nur nach doppel-
vocal; für einn, ſteinn ſchreiben einige eirn, ſteirn,
weil auch rn in horn beinahe hodn, hordn; jârn
beinahe jârdn, jâdn klingt; aus nr wird nn in minn
(meus) hinn (ille) lëſinn (lectus) lëſinna (lectorum, f.
lëſinra, alth. lëſanero) — rr. die aus rn. rs entſtanden
ſind, finde ich fiarri (aber ſtiarna, hiarni); vërri (pejor)
þurr (aridus), wogegen andere rs in ſſ übertreten (ſ. her-
nach bei rs). Andere rr wird erſt fortgeſetzte unter-
ſuchung beurtheilen lehren, vgl. harri (rex) narri (ſcurra)
ſtarri (accipenſer) knörr, knarrar (navigium) korra (reſpi-
ra[r]e) knurra (murmurare) etc.
verbindungen. lm. lp. lf. lt. ld. ls. lk. lg. belege ſind
ſ. 286. 290. 291. gegeben; ln. lr. keine organ. verbindung,
ſondern ſtets aufzulöſen in l’n, l’r als: holr (cavus) ſalr
U 2
[308]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
(atrium) alth. holêr, ſal; kein lb und kein ldh (das zu ll
wird). — Mit m binden ſich nur die lab. b (nicht f) p, und
die ſpirans ſ. vgl. gamban. lamb (agnus) vömb (venter)
þömb (arcus) dramb (faſtus) gambr (blateratio) ambr (ſtri-
dor) ambôtt (ſerva) kambr (pecten) klambr (fuſtum glaciei)
fimbull, timbr (aedificium) ëmbla (n. pr.) ſumbl. kumbl.
drumbr (n. pr.) etc. dampi (vapor) kampr (myſtax) klampi
(fibula) ſvampr. dömp (ancilla) ſtimp (lucta) etc. hams (cutis,
dat. hamſi) bamſi (urſus) ymſir (varii) ſemſa (tardare) ſkramſ [...]
(crocitus) doch mag dieſem ms contraction unterliegen,
wie die ſchreibung bambſi ſt. bamſi lehrt. — Mit n bin-
den ſich eigentlich keine labiales, die ſehr ſeltnen np
verrathen ſyncope, ich finde nur: hanpr (cannabis) und
danpr (n. pr. vgl. edd. ſæm. p. 106. 244.); nt und nd be-
dürfen keiner belege und bloß der bemerkung daß nd
im ablaut von binda, vinda, hrinda zu tt wird (batt,
vatt, hratt) im pl. kehrt nd zurück (bundo) [analog das
in ck übertretende ng]; ndh findet nicht ſtatt, ſondern n
wird ausgeworfen oder dh ausgeworfen und n geminiert;
beiſpiele oben unter nn. Selten iſt ns, vgl. dans (ch rea)
ſtans (ſtupor) hœns (nom. pl., im gen hœnſa, gallus et
gallina) rënſl (deliquium) kenſl (notio) pînſl (martyrium)
woneben pîſl, wie denn in andern fällen n vor ſ ausfällt,
als: oß (nobis, angelſ. us, alth. uns) huſl (? hûſl, ſacra-
mentum, zuweilen noch hunſl) ſûs (promptus) und die
ſ. 286. angeführten âs, âſt, bâs, gâs; man ſieht, jene, die
n vor ſ behalten, haben ein unorganiſches ns, rënſl, kenſl
ſtammen von rënna (rinnſal) kenna; hreinſa (mundare) iſt
das alth. hreiniſôn (franz. rincer). Der häufigen verbin-
dungen nk. ng iſt ſ. 286. 289. 291. gedacht, weil ſie, wenig-
ſtens ſpäterhin, das vorſtehende a, i, u in â, î, û ändern
(nicht e in ê) *); zuweilen tritt aber auch bei nk die vor-
hin bei ndh. erwähnte auswerfung des n ein. wenn ein
langer vocal vorausgeht, als: mûkr (monachus) kanûkr
(canonicus); geht ein kurzer vorher, ſo kann ſtatt nk
das k geminieren, vgl. frackr (francus) macki (juba
equina, dän. manke) þacka (gratias agere) drëcka (bibere)
dreckja (mergere) beckr (ſcamnum) hleckr (catena) hreckr
(dolus) ſkröckr (fraus, alth. ſkrank) etc. **). Warum
[309]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
heißt es nun frackr und nicht frânkr? warum ânki (vi-
tium) und nicht acki? die eine oder andere form ſcheint
ſich für einzelne wörter feſtgeſetzt zu haben. Auch die
verba hânga, gânga, fâ (ſt. fânga) nehmen im ablaut ein
ſolches ck an: hêck, gêck, fêck, ſt. hêng etc. (vielleicht
wäre hêk etc. oder hëck etc. richtiger) ſtînga, ſprînga
bekommen ſtack, ſprack; ſämmtliche pl. nehmen aber
ng zurück (hêngo, ſprûngo), wogegen das ck aus nk
feſt bleibt; drack, drucko. — Organiſch und häufig ſind
rl. rm. rn, vgl. erla (laborare) ârla (mane) karl (ſenex)
iarl (nobilis) varmr. armr. harmr. barn. ſkarn (ſtercus) etc.
desgleichen rp. rf. (kein rb) harpa. erpr (n. pr.) iarpr
(badius) vërpa. hvërfa. arfr etc.; nur ſcheinbare verbin-
dung rv in den nom. pr. ſkirvir, virvir, d. h. ſkir-vir,
wie fiör-vi, hiör-vi etc.; ferner: rt. rdh (welches nicht
gleich ldh. ndh in die gemin. übergeht) als: hiarta. ſvartr.
hirta (caſtigare) hardhr. hirdhir. ordh (verbum) vördhr
(cuſtos) gardhr (domus) iördh. vërdhr. mordh etc.; zu
merken, daß die alth. rt, angelſ. rd welche aus goth.
zd herrühren, altn. dd (wovon unten), die übrigen aber
rdh haben, dieſe nord. rdh ſind folglich zwiefach, theils
organiſch = goth. iþ (mordh. iördh) theils unorganiſch =
goth. rd (gardhr. hardhr) [ſ. unten bei d]; rs nicht zahl-
reich, vgl. berſi (urſus) herſir (ſatrapa) ars (culus) fors
(cataracta) þurs (gigas) ſich in ſſ neigend: beſſi, þuß
neben jenen, þërſi neben þëſſi *), rk und rg beide häufig:
örk, arkar. harka (vis) vërk. merki. lurkr (furca) dyrka
(colere) myrkr (tenebrae) biarga, barg. vargr. argr. borg.
dorg (hamus) morgun etc. einigemahl ſcheint rk in ck
(wie nk in ck) umzulauten, vgl. döckr (niger) angelſ.
dëorc (dëarc, oben ſ. 239.) alth. tarch; ſtœcka (creſcere)
f. ſiœrka; miócka (tenuare) f. miórka, obgleich die bei-
den letzten (von ſtôr und miór abgeleitet) kein org. rk
hatten. Raſks äußerung (§. 92.) daß der vorſtehende vo-
cal bei der verwandlung des rk in ck doppellaut ſeyn
müße, beſteht nicht mit obigem döckr.
(P) wie im goth. und angelſ., ausgenommen die ver-
bindung pt ſtatt ft (wovon unten).
(B) wie im angelſ. d. h. (außer bb. und mb.) in al-
len in- und auslauten durch die aſp. vertreten.
(F) anlautend wie im goth. und angelſ.; daß aber
der in- und auslaut verſchiedenes urſprungs, bald or-
gan. f. bald ſächſ. bh. und alth. v *) ſey, lehrt die is-
länd. ausſprache (Raſk §. 36). Nämlich 1) auslautend
oder vor unweſentlichem r klingt es wie ein hartes v,
als haf (mare) hafr (caper) hâlfr (dimidius), ebenſo in-
lautend vor allen vocaſen, als: hafa (habere) erfîngi
(heres). Um hier in einigen wörtern den f. laut her-
vorzubringen, ſchreibt man ein unorg. ff (wovon bei
den gemin.) 2) vor l. n. dh. t. wie ein hartes b, bei-
nahe bb, als: tafla (tabula) nafn (nemen) hafdhi (habuit)
haſt (nodus; neuere (wie Biörn) ſchreiben ſogar in-
lautend bl ſtatt fl, doch nicht bn. bt für fn. ft. — Den
f. laut bebält f. in der verbindung fs, hingegen fn
klingt wie mn (beiſpiele unten).
(V) 1) der anlautende ſpirant leidet aphäreſe vor u,
deſſen umlaut y **), vor dem das u erſetzenden o
(vgl. oben ſ. 138. 139.) vor ô und deſſen umlaut œ. So
macht vëlla den pl. praet. ullo, conj. ylli; vadba das
praet. ôdh, conj. œdhi; vinna das praet. vann, unno,
ynni, unninn; ſo ſtehen ôdhinn (angelſ. vôden, alth.
wuotan) ormr (vermis) ordh (verbum) u. a. m. Vor ö
aber und dem ſo oft mit œ vermengten æ bleibt v. be-
ſtehen, vgl. völlr (campus) völu (gen. von vala) vön
(orbata) væri (eſſet) vægr (mitis) væna (ſperare) welches
die entwickelung dieſer laute beſtätigt und die ſchrei-
bung voro, vopn f. vâro, vâpn als verwerflich darſtellt,
(von einigen übergängen gleich nachher). Ob die aphä-
reſe ſchon von frühſter zeit an gegolten hat, läßt ſich
bezweifeln, weil die alten lieder oft noch ein ſolches u
und o conſonantiſch gebrauchen und z. b. (œgisdr. 2. 10.)
vinr: ordhi; ûlfs: vidharr alliterieren, gleich als ob
vûlfs, vordhi geſchrieben ſtünde, wie vermuthlich aus-
geſprochen werden muß; dabei erwäge man die alte
ſchreibung v für u, ſôlarl. 26, vërk: unnit, harbardsl.
[311]I. altnordiſche conſonanten. labiales.
35. vërſt: unnit, wo die herausgeber die hſſ. lesart vn-
nit ſogar in vunnit geändert haben; landnâmaſ. p. 17.
ſtehet vurþu ſt. urdhu. Ebenſo oft alliterieren aber auch
dieſe u und o vocaliſch, z. b. œgisd. 41. ûlf: ôſi; ſi-
gurd. 12. ûlf: ala etc. — 2) ausnahmsweiſe fällt der an-
laut v auch in einigen wörtern vor â ab, welches ſich
dann in o wandelt, als on (ſpes) oro (erant) ondr (pra-
vus) für vân, vâro, vândr; beßer erklärt man ſo: vâ
geht in vo über (oben ſ. 276.) und dann erfolgt aphäreſe,
wie vor jedem andern o (nicht ö); ſo alliterieren ulf
:on :eyro (fafn. 35.) on: engin (atlam. 70.) illra: ordha:
on (ſkirn. 2.); œgisdr. 36. ſcheint ono: vërr lieber vono
zu fordern (conſonantiſch vânir: vîg. godr. harmr. 29.).
Umgekehrt kann ſich vielleicht vâ aus o entwickeln,
z. b. vârr, vorr (noſter) aus orr (früher oß = angelſ.
uſer). Zweifelhaft iſt mir veſall (miſer) das vocaliſch
alliteriert: ill (hâvam. 13. vgl. 70.) wie es im dän. und
ſchwed. uſel, uſell lautet; entw. ſteht es für ôſæll, oder
ſtammt von vos (miſeria) müſte aber dann vâſall, vo-
ſall lauten. — 3) in den goth. und ſächſ. verbindungen
vl. vr wirft die altn. ſprache das v. ab, als lit (vlits)
rôta (eruere, angelſ. vrôtan) reckr (angelſ. vrecca); um-
ſo auffallender, da ſelbſt Schweden und Dänen zwar
nicht vl. aber doch vr. behaupten, als reidhr (iratus)
rângr (pravus) ſchw. u. dän. vrêd, vrong etc. Spuren
eines altn. vr. weiſt aber wieder die alliteration, in der
edda wird vëga ſo oft mit reidhr gebunden (œgisdr. 15.
18. 27. fâfn. 7. 17. 30. ſigrdrîf. 28.), daß an der allen an-
ſtand löſenden ausſprache vreidhr nicht zu zweifeln
iſt, da auch hl. hn. hr. hv. mit ha. hi. hei etc. gl. gn.
gr. mit ga. gi. gu etc. alliterieren *). Alſo galt ein älte-
res vr und vl ſtatt des ſpäteren r und l, wie im alt-
hochd. — 4) aus den verbindungen qv. tv. dv. þv. ſv.
fällt v. zuweilen weg, wodurch das darauf folgende ë
in o, das folgende i in y **), î in ŷ verwandelt wird,
als: ſofa (dormire) koma (venire) für ſvëfa, qvëma;
tyſvar (bis) tôlf, kykr (vivus) þŷ für tviſvar, tvölif,
qvickr, þvî. Seltner iſt kodho f. qvâdho, kona (mulier)
neben qvân, qvon, qvën. — 5) das auslautende oder
vom bloßen geſchlechtskennzeichen gefolgte goth. und
angelſ. v. findet nirgends ſtatt, ſondern iſt apocopiert,
[312]I. altnordiſche conſonanten. labiales.
vgl. trê (angelſ. trëov) ſnær (goth. ſnaivs, angelſ. ſnâv)
tryggr (goth. triggvs) etc. — 6) inlautend bricht ein ur-
ſprüngliches (alſo keineswegs epenthetiſches) v in der
flexion bei folgendem vocal bisweilen vor, nämlich a)
wenn langer vocal in der wurzel iſt, als: ſær, ſævar;
ſnær, ſnævar; ævi (aevum) tîvi, pl. tîvar (numina, divi)
zumahl in den zuſ. ſetzungen ſig-tîvar, val-tîvar; hâr
(altus) acc. hâvan; miór (tener) acc. mióvan, wie auch
ſtatt ſær. ſnær: ſiór. ſióvar, ſniór, ſnióvar geſchrieben
wird. Dieſes v muß in ſpäterer ausſprache dem vothin
erwähnten v = f. gleichkommen, da ſich auch hier f.
ſtatt v. findet: ſæfar, ſnæfar, æfi, tîfar, hâfan, miófan
etc. (Raſk §. 89. 188.); häufig bleibt der lippenlaut ganz
weg, als: ſnióar, hâan mióan, und viele wörter haben
gewöhnlich ſo (ohne einſchiebung des v.) als: blâr, acc.
blâan; frâr, acc. frâan, kuê, trê, dat. pl. kniâm, triâm
nicht blâvan, frâvan, knêvum, trêvum. Bei den wur-
zellauten û, ô, ŷ, finde ich niemahls das v, vgl. trûr,
trûan; nŷr, nŷan; klô (ungula) lô (alauda) brû (pons)
frû (domina) gen. klôar, lôar, brûar, frûr. Statt lô an-
dere lafa, vgl. angelſ laverc, laferc (lerche). — b) wenn
zwiſchen der wurzel und dem v (oder u) der ableitung
ein vocal ausgefallen iſt; dann zeigt ſich jener ablei-
tungslaut als conſonantiſches v, ſobald ein vocal folgt,
vgl. böl (malum) miöl (farina) ſöl (alga) fölr (pallidus)
ör (ſagitta) fiör (vita) hiörr (enſis) ſpörr (paſſer) bödh
(pugna) ſtödh (locus) dögg (ros) glöggr (prudens) rögg
(plica veſtis) dyggr (fidus) tryggr (idem) döckr (obſcu-
rus) ſkröck (figmentum) röckr (crepuſculum) þyckr (craſ-
ſus) lŷng (erica) myrkr (obſcurus) röſkr (ſtrenuus) etc.
alle dieſe ſtehen für bölu, öru, bödhu, glöggur, röſkur etc.
die einen vocal hinzubringenden flexionen oder weiteren
ableitungen haben nun bölvi, miölvi; fölvir; örvar, örvi;
ſpö [...]vi; bödhvar; ſtödhvar; döggvar; glöggvan; tryggvan;
döckvan; röckvi (vgl. das goth. riqviz); lŷugvi; myrk-
van; röſkvan etc. hierher gehören auch die inf. görva
(parare) höggva (caedere) ſöckva (mergere) röckva (veſpe-
raſcere) götva (inveſtigare) von gata (ſemita) und andere
ableitungen, als ölvi (ebrius) oder die eigennamen völva
(ſt. vala, völu) ſkirvir, virvir, yngvi, lŷngvi etc. Man
vergleiche die analogen alth. formen (oben ſ. 146.) palo,
palawes, palawe; mëlo, mëlewes, mëlewe; falo, falawo;
garawan etc. mit böl, böls, bölvi; miöl, miöls, miölvi;
fölr, fölvi; görva etc. ſo wie (ſ. 142.) klawêr, klawan;
hawan etc. mit glöggr, glöggvan; höggva; die goth.
[313]I. altnordiſche conſonanten. labiales.
(ſ. 59.) triggvs, triggvaba; glaggvs, glaggvaba etc.; die
angelſ. (ſ. 248.) gleáv, deav etc. Keine mundart ſtimmt
mit der andern völlig, die eine hegt noch das v, wo es
die andere ausſtößt und im einzelnen herrſcht ſchwan-
ken; ſo ſteht im nord. meiſtens göra f. görva, zuweilen
mit rückumlaut daggar f. döggvar, und mey, hey,
deyja, freyr ſt. des goth. mavi. alth. houwi, douwen,
frô. Auch die verwandtſchaft des v und h (ſ. 148. 221.)
zeigt ſich in obigem hâvan (altum) hâan, goth. haúhana,
alth. hôhan. — 7) in der compoſition geht zuweilen v
verloren, als norëgr, hvërnëg, öndugis (apprime) dö-
gurdher ſt. norvëgr, hvërnveg, andvëgis, dagvërdhr etc.
Daſſelbe begegnet dem h.
geminationen. (PP) happ (fortuna) heppinn (fortuna-
tus) knappr (a [...]ctus) kapp (contentio) kappi (heros) lapp
(fucus) löpp (planta pedis) grëppr (vir) ſlëppa (effugere)
leppr (panniculus) hreppr (pagus) kreppa (contrahere)
ſkeppa (modius) lippa (lana diducta) kippa (raptare) vippa
(gyrare) ſnoppa (roſtrum) toppr (villus) hoppa (ſaltare)
kroppr (corpus) upp (ſurſum) yppa (elevare) etc. Spä-
tere einführung verräth pappîr (charta) wie hernach ff
und dd in riddari. (BB) babba (balbutire) drabb (in-
eptiae) gabba (deludere) krabbi (cancer) nabbi (verruca)
ſlabba (nugari) ſtrabba (laborare) ebbi (n. pr.) ribba (ovis
macilenta) ſtubbi (truncus) lubbi (hirſutus) ubbi (idem)
ſtybba (fumus) etc. (FF) nur ſehr ſelten unorganiſch in
ſpäter eingeführten wörtern, als offr (ſacrificium) ſtraffa
(punire) gaffal (furca) aus dem dän. offer, ſtraffe, gaffel?
affall (detrimentum) iſt af-fall.
labialverbindungen; anlautende pl. pr. bl. br. fl. fr.
alle häufig, nicht mehr vl. vr. (ſ. oben beim v.) — in-
und auslautende: ps ſelten und vermuthlich durch ſyn-
cope entſprungen, vgl. apſi (procax) gleps (plagae) glepſa
(jurgium alth. klipſî, rixae, gl. doc. 207b) kepſi (ſervus
moleſtus vgl. das alth. chebiſa pellex) ups (ima pars tecti,
goth. ubizva, alth. opaſa) — pt häufiger: aptan (veſper)
aptr (retro) haptr (vinctus) kraptr (robur) ſkapt (haſtile)
eptir (poſt) ript (ſtragulum) ripta (ſcindere) ſkript (pictura)
ſkipta (diſtribuere) gipta (in matr. dare) opt (ſaepe) lopt
(aer) loptr (n. pr.) hroptr (n. pr.) dupt (pulvis) lypta (le-
vare) leiptr (fulgur) kiaptr (maxilla) tôlpti (duodecimus)
ëllepti (undecimus) etc. Dieſes pt zeigen die älteſten
denkmähler; ſpätere verwandeln es hin und wieder in
ft, als: aſtr. aſtan. eftir. giſta. ſkifta etc. doch kaum in
[314]I. altnordiſche conſonanten. labiales. lingual.
wörtern wie opt, kraptr u. a. wogegen die ſchwed. und
dän. mundart ft allenthalben und auch in oft, kraft etc.
durchführen. Erwägt man den urſprung dieſer wörter,
ſo erſcheint ft. conſequenter als pt, indem die ſtämme
gëfa, krefja, rîfa, ſkrîfa, ſkafa, tôlf ein f und kein p,
auch die goth. und ſächſ. ſprache in gleichem fall ft be-
ſitzen (ſ. 56. 214. 233.). Indeſſen das dem gr. und lat.
πτ. pt. entſprechende pt könnte auch merkwürdiger reſt
einer älteren ten. ſeyn (vgl. oben ſ. 127. note), die der
aſp., welche ich in den deutſchen ſprachen organiſch an-
nehme, vorausgieng. In der II. ſg. des ſtark. praet. neh-
men ſchon in den frühſten quellen die wurzeln mit f
kein pt an, ſondern behalten ft, als: gaft (dediſti) ſkalft
(tremuiſti) ſvaft (dormiviſti) etc. wofür die wurzeln mit p
natürlich pt zeigen, als: greipt (prehendiſti) varpt (jeciſti)
drapt (occidiſti) etc. dieſes letztere pt hat ſichtbar nichts
mit obigem pt gemein, welchem Raſk (§. 45.) die aus-
ſprache beinahe eines ft zulegt. — bs kommt in dem
einzigen krabſa (diſpergere) vor und iſt contrahiert; bt
nirgends. — fn hat gleichfalls einen zwiſchenvocal ver-
loren, z. b. nafn (nomen) höfn, hafnar (portus) hafna
(recuſare) iafn (aequalis) hrafn (corvus) ſtafn (prora)
fafnir (?fâfnir, n. pr.) ſvëfn (ſomnus) ſtëfna (congreſſus)
hefna (ulciſci) rifna (rumpi) etc. wie das alth. und altſ.
ëban, hraban, ſuëban lehrt. Die ausſprache iſt nach
Raſk §. 36. bn. bbn, zuweilen mn, in welches ſchwed.
alle fn übertreten; wozu das lat. mn in ſomnus (ſchwed.
ſömn), nomen (alth. früher naman ſt. namo?) und ſtimna,
fämne neben ſtibna, fovne (oben ſ. 276.) ſtimmen. — fs,
ſelten: tafs (praecipitantia) refſa (caſtigare) ofs (nimietas);
da neben kepſi auch kefſir gilt, ſo ſcheinen auch die
andern fs auf ein früheres ps zu zielen — ft ſpäter für
pt; beiſpiele vorhin bei letzterm. —
(T) wie im goth. und ſächſ.; ein unorgan. t ſtatt d
finde ich ausnahmsweiſe in dem auslautenden praet hêlt von
halda (oddr. gr. 20) neben dem praeſ. held, auch bleibt
inlautend d: hêldum, hêldi; über andere erſcheinungen
des t unten ſchlußbem. bei den aſſimilationen.
(D) anlautend ſtreng von t und þ unterſchieden;
in und auslautend erfolgen aber ſpäterhin bei nach-
läß[ig]er ausſprache und ſchreibung häufige miſchungen
der med. mit der aſp. das heißt: die med. wird unor-
ganiſch ſtatt der aſp. gebraucht; ſo iſt namentlich in
[315]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
Biörns wörterb. keine einzige in- und auslautende lin-
gualaſp. anzutreſſen, vielmehr blindr. kaldr. breidr (goth.
blinds. kalds. bráids) ſowohl als eidr. iörd, iardar. mord
(goth. áiþs. aírþa. maúrþr) geſchrieben. Beide in- und
auslaute ſcheinen darum ſchwer zu unterſcheiden. Ein
hülfsmittel könnte zwar die analogie der übrigen ſpra-
chen darbieten, nämlich d. hätte dem goth. ſächſ. d. und
alth. t; hingegen dh. dem goth. þ. ſächſ. dh. alth. d.
zu entſprechen. Hiernach wäre unbedenklich eidhr.
iördh. mordh. zu ſchreiben. Abgeſehen davon, daß
dieſe règel nicht für alle einzelnen fälle ausreicht, da
die reiche nord. mundart oft kein paralleles wort in
den andern findet, ferner davon, daß jene ſprachen
ſelbſt wohl zwiſchen med. und aſp. ſchwanken; lehren
die beſten altn. hſſ. einen abweichenden poſitiven grund-
ſatz, der nur zuweilen obiger analogie begegnet. Näm-
lich die med. ſtehet in- und ausl. nur nach l. m. n.
(es ſeyen nun wirkliche verbìndungen ld. nd. oder
bloße zuſ. ſchiebungen l’d. m’d. n’d.) desgl. in der ge-
min. dd; — die aſp. aber nach allen vocalen und den
conſ. r. f. g. (Raſk §. 33. 34.) *). Hiernach müſte folg-
lich: blindr. kaldr, aber breidhr wie eidhr. iördh.
mordh. geſchrieben werden, weiter: ôdhinn, vadha,
gôdhr, hugdhi etc. ſo ſehr das alth. wuotan, watan,
guat, hugita und das angelſ. vôden, vadan, gôd zu
ôdinn, vada, gôdr, hugdi riethen. Indeſſen vergleiche
man in den eddiſchen ſchriftproben (hŷm. 3.) hugdhi.
(grimn. 42.) ôdhinn (49.) ordhinn (42.) ſkallda (49.)
dulda und Raſks ausgaben **), auch den vidal. cod. der
völuſpâ; die copenhag. edda ſchwankt regellos zwiſchen
d und þ. Vielleicht ließe ſich, wenn ältere hſſ. vor-
handen wären. der gebrauch widerlegen und die der
analogie gemäße regel retten. Die goth. verbindungen
rd und rþ fallen namentlich zuſammen, weil nicht al-
lein mordh. iördh. ſondern auch hardhr. ordh (verbum)
geſchrieben wird (ſt. des organiſchen hardr. ord?). Der
vermiſchung von nd und nþ; ld und lþ iſt vorgebeugt,
indem nd. ld. bleiben, nþ. lþ aber zu nn. ll. werden.
Gehen aber vocale voraus, ſo iſt alle vergleichung der
[316]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
goth. ſächſ. und alth. mundart unpaſſend, weil dann im
nord. nirgend mehr med. ſondern insgemein aſp. ſtehet.
(þ ð.) anlautend wird nur þ. (th). in- und ausl.
beides þ und ð geſchrieben, ſtatt letzteres, wegen un-
behülflichkeit des typus, brauche ich dh. Überall þ.
für die aſp. zu ſchreiben, wäre goth. weiſe angemeßen;
wie aber das goth. þ inlautend zu d wird, ſo drückt
auch dh. eine milderung der aſp. aus und nähert ſich
der med. d, welche, wie vorhin bemerkt, in ſchrei-
bung dafür geſetzt und gewiß in der ausſprache mit
dh. vermiſcht wird. Raſk §. 51. gibt dem þ den laut
des neugr. θ. und engl. th; dem dh. §. 34. den eines
weichen engl. th. Seinen ſchluß §. 35. von þ auf t, von
ð auf d kann ich jedoch nicht gelten laßen, weil im
goth þ beide aſp. þ und dh. zuſ. fallen und im alth.
beide durch d (nicht durch t und d) ausgedrückt wer-
den. Offenbar liegen ſich th und dh näher als t und d.
Daß dh. mit dem aus ndh. entſpringenden nn abwech-
ſele, wurde oben ſ. 307. bemerkt, beiſpiele ſadhr, madhr,
fidhr, midhr (minus) kndhr etc. neben ſannr, ſinnr,
minnr, kunnr; nicht bei anderm nn, ſo dürfte eigent-
lich für runnr (virgultum) brunnr (fons) kein rudhr,
brudhr ſtehen, ausnahmsweiſe und unorganiſch geſchieht
es dennoch, (vgl. brudhr, ſnorraedda p. 4.)
(Z) iſt nie anlaut; in- und auslautend kommt es
aber vor 1) für ſ. im gen. maſc. u. neutr. zumahl nach
d. t. und ll. als: landz. heſtz. allz, ſtatt lands. heſts.
alls — im ſuperl. als: hagaztr, höguzt, hagazt f. ha-
gaſtr, höguſt, hagaſt. 2) für ds und ts, als: lanz, elztr,
beztr, veizla, vizka, ſt. lands, eldſtr, betſtr, veitſla,
vitſka. 3) für rs, als: næztr, vëztr, ſyztr, ſtœztr ſt.
nærſtr, vërſtr, fyrſtr, ſtœrſtr. 4) für ſſ. vgl. þiazi, gi-
zur, özur etc. ſt. þiaſſi, giſſur etc. nach Raſk §. 522. ab-
kürzung alter ſchreibung. 5) für ſt. ſehr häufig in der
paſſiven flexion: bindaz, takaz ſtatt des hentigen bin-
daſt, takaſt; desgl. im ſuperl. optaz ſtatt optaſt (man
vgl. das frieſ. aber anlautende z neben ſt.) jedoch nur
auslautend, indem nicht optazr f. optaſtr gilt. — Raſk
bemerkt §. 49. die gerade entgegenſetzung des z für tſ
und ſt im 2ten und 5ten fall und man müſte wirklich
ſtatt betſt bald bezt, bald betz ſchreiben. Gleichwohl
findet ſich ſchwerlich letzteres, ſo wenig als bez. ſon-
dern nur bezt oder beſt, weil aus der vollen form betſt
nicht beide t laute zugleich unterdrückt werden kön-
[317]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
nen *). Der dritte fall (z für rs) ſcheint nicht ſehr alt,
die verwandlung des rs in ſſ wurde oben erwähnt und
ſo darf man auch vëztr aus vëſſtr ſt. vërſtr erklären, (ſo
daß der 3te dem 5ten fall begegnete) nicht aber alle ſu-
perl. -aſtr auf -arſtr zurückführen, wie Raſk §. 48. 201.
verſucht; wenn ſt. für rſt ſteht. muß das r in der wur-
zel liegen. Übrigens ſtand auch das altſ. z gern für ſ
vor welchem ein t ausgefallen iſt; dergleichen z könnte
noch die ausſprache tſ gehabt haben und ſich dem alth. z
nähern, während z für das bloße ſ dem alth. Ʒ ver-
wandter wäre. Ein goth. z (nämlich ſ das in r übertritt)
ſcheint das nord. niemahls.
(S) ſo manche org. ſ. auch in r übergetreten ſind.
als: eyr (aes) eyra (auris) heyra (audire) reyr (arundo)
dreyri (cruor) etc. (ſ. oben beim r) bietet doch der
ſprachreichthum eine große zahl von wörtern an, in
welchen der reine ſpirant fortwaltet; die meiſten ſind
den übrigen mundarten längſt entfremdet; belege: auſa
(haurire) eyſill (hauſtrum) baſa (interimere) biſa (moliri)
blâſa (ſpirare) bras (ferrumen) bris (callus) brîſìnga-men.
bros (ſubriſus) brûſa (aeſtuare) bûſi (caper) buſi (culter)
das (dos, languor) dis (tumulus) dìs (parca) draſill (equus)
drôs (fem. nobilis) duſill (ſervus) eyſa (cinis) fas (geſtus)
fis (palea) flas (praecipitantia) flos (plumula veſtium) fres
(felis mas) geiſli (radius) gis (cavillatio) gîſl (obſes) glis
(fucus) goſa (ſpirare) gras (gramen) grîs (porcellus) guſa
(eructare) hâs (raucus) haſa (nauſeam movere) haſl co-
rylus) haus (cranium) hes (palear) hiſa (funibus attollere)
hneyſa (ignominia) hnos (niſus) hoſa (caliga) hreiſi (vir-
gultum) hrês (frutex) hrôs (laus) hûs (domus) is (turba)
îs (glacies) kös, kaſar (cumulus) keiſa (gallina) kias
(blanditiae) kiſa (felis) klas (cento) knoſa (contundere)
krâs (ferculum) kuſi (vitulus) lâs (ſera) læſìngr (nivibus
clauſum iter, das mittelh. leiſe) lûs (pediculus) maſa (nu-
gari) mâſa (ſuſpirare) meis (corbis) mis (contra viam)
miſa (ſerum lactis) moſi (muſcus) mûs (mus) nös, naſar
(naſus) neiſa (contumelia) nes (lingua terrae) ôs (oſtium
fl.) ös (colluvies) pias (niſus) piſa (ſpongia) pos (invo-
lucrum) pûſa (ſponſa) qvâſir (anhelitus) qveiſa (colica)
qvis (rumor) qvîſl (ramus) qvos (convallis) râs (curſus)
[318]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
rauſa (nugari) reiſa (excitare) ris (fornix) riſi (gigas) rôs
(roſa) roſi (tempeſtas) ruſl (quisquiliae) ræſir (princeps)
ſiſa (lente moliri) ſlaſa (laedere) ſlis (infortunium) ſneis
(ramus, paxillus) ſvaſadhr (delicatulus) ſŷſla (negotium)
tos (haeſitatio) vas (motus) veiſa (palus) veſall (miſer)
vîs (ſapiens) vîſir (index, rex) viſundr (urus) vos (ſca-
bies, udor) þauſn (ſtrepitus) þrâs (lis) þræſur (ſimultates)
þys (tumultus). — Auffallend iſt das einfache ſ in liós
(ſchwed. lius, dän. lŷs) blys (taeda, ſchwed. bloß, dän.
blus) vgl. mit dem goth. liuhaþ, ſächſ. lëóht, lioht,
alth. liohat, lioht; ſtünde liós für lióhs, ſo würde irgend-
wo lióx (wie ax, fox für ahs, fuhs) vorkommen; doch
ſelbſt das lat. lux (lucs) gr. φλὸξ beſtärkt den ausfall oder
die verwandlung eines kehllauts, wogegen im angelſ. blys
(oder blyſa?) und kein blyht, blëóht. Auch nióſn (ex-
ploratio) ſchiene nach dem goth. niuhſeins ein älteres
nióhſn zu verrathen und þiós (fruſtum exos) dürfte man
zum alth. dioh (femur, früher diohat, dioht?) halten;
noch finde ich: kiós (convallis) tióſnur (clavi lignei). —
geminationen. (TT) mehr als eine art. 1) dem
goth. tt. entſprechend in ſkattr (tributum) und vermuth-
lich gehören einige andere tt. hierher, die ich nicht un-
ter die folgenden arten bringen kann: hattr (pileus)
brattr (arduus) hitta (invenire, quaerere) knittr (techna)
rittinn (macilentus) ſprëtta (creſcere) dëtta (cadere) hrotti
(gladius) glotta (ſubridere) etc. Ein dem angelſ. tt. pa-
ralleles (ſ. 254.) entwickelt ſich nicht, ſondern die ein-
fache ten. verbleibt in hvetja, bitr, ſnotr, otr. 2) tt.
für ht, dieſes verlängert den vorſtehenden kurzen vocal,
belege ſuche man oben bei â, ê, î, ô; dahin gehören
auch die adj. bildungen -ôttr, der eigenname ôttarr
(angelſ. ohtere) etc. 3) tt für nt. als: hitt (illud) mitt
(meum) itt. ſitt. eitt (unum) möttul (pallium) tuttugu
(viginti) ſtatt hint, mint, eint, möntul. tvintugu); zu-
weilen ſteht einfaches t geſchrieben: hit, vëtr (hiems)
für vëttr, vintr, und in dem neutr. part. beſtändig ta-
mit (domitum) galit (furioſum) f. tamitt, d. h. tamint.
Die gewöhnlichen adj. die nicht ſo gangbar ſind, als
jene poſſeſſ. und artikel, behalten jedoch nt, als. hreint
(purum) brûnt (fulvum) lint (lene) nicht etwa hreitt,
brutt, litt. 4) tt. aſſimilation für dht, in den adj. neutr.
glatt (hilare) gott (bonum) rautt (rubrum) mitt (me-
dium) ſt. gladht, gôdht, midht etc. 5) aſſimilation für
pt, ſelten und nicht ganz ausgemacht, vgl. ott (crebro)
ettir (poſtea) lìritti (interdictum) f. opt, eptir, læripti (?)
[319]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
6) contraction aus -tidh in ſchw. praet. deren wurzel
ein t hat, als: ſetti, hvatti, flutti von ſetja, hvetja,
flytja und ebenſo im part. hvattr (excitatus) verſchie-
den vom adj. hvatr. 7) unorganiſch für t, im neutr.
der adj., deren wurzel auf einen vocal endigt. als: hâtt
(altum) blàtt (lividum) nŷtt (novum) etc. ſt. hât etc. wie
auch im maſc. hâr, blâr und nicht hârr etc. ſteht. 8)
für xt in ſëtti, ſiötti (ſextus), 9) f. tit, tilt in litt (par-
vum) ſtatt lìtit und dies ſtatt lìtilt. — (DD) wiederum
mehrfach: 1) = dem goth. zd, alth. rt, angelſ. rd, mit-
hin offenbare aſſimilation eines früberen rd oder, weil
nach ſ. 315 dem r. aſp. folgt, rdh; belege: rödd, rad-
dar (loquela, goth. razda) oddr (acies, alth. ort) wovon
ydda (acuere) hodd (gaza, goth. huzd) broddr (aculeus,
alth. prort) wovon brydda (cuſpidem formare) haddr
(peplum) hadda (unda maris) graddi (taurus) gaddr (cla-
vus, repagulum) gadda (figere) vermuthl. das alth. gart
(ſtimulus, virga) *) ſkadda (minuere, neben ſkarda) ver-
muthl. das hochd. ſcharte, ruptura. detrimentum. gëdda
(lucius) ëdda (goth. izda, aizda? alth. ërta?) pëdd
(verna, Biörn hat pëd, vgl. oben ſ. 126.) ſlëdda (falx)
ſtëdda (equa) lidda (ſervus) miódd (gracilitas, von miór,
gracilis) gnudd (murmur) ſuddi (pluvia tenuis) rudda
(clava) etc. manche dieſer wörter ſind mir noch zwei-
felhaft und mögen bei fernerer unterſuchung ein ande-
res dd. ausweiſen, in riddari (eques) liegt die ſpäter
eingeführte fremde form vor augen. — 2) dd entſpringt
aus -dhidh in ſchw. praet., deren wurzel dh. hat, als:
gledhja, gladdi; ſtedhja, ſtaddi; tedhja, taddi; qvedhja,
qvaddi; rydhja, ruddi; ſtydhja, ſtuddi; prŷdha, prŷddi;
fœdha, fœddi etc. und ebenſo in den part. praet. gladdr,
fœddr etc. — (SS) in- und auslautend ziemlich häufig,
beiſpiele: hlaſſ (onus) hvaſſ (acer) ſkaſſ (femina gigas)
traſſ (protervia) baſſi (aper) hleſſa (laſſus) hrëſſ (vivax)
ſëſſ (ſedes) miſſa (amittere) viſſ (certus) hnoſſ (cimelium)
bloſſi (flamma) koſſ (oſculum) kroſſ (crux) hroſſ (equus)
hryſſa (equa) þiaſſi (u. pr.) u. a. m., einige beruhen auf
contraction als: viſſa, blëſſa aus vitidha, blëdhſa.
lingualverbindungen. 1) anlautende, wie im goth.
u. ſächſ. tr. tv. dr. dv. þr. þv. (kein tl. dl. þl.) ſk. ſkr.
ſl. ſm. ſn. ſp. ſpr. ſt. ſtr. ſv; belege liefert Biörn, daß
von tv. dv. þv. ſv. zuweilen v ausfällt, wurde bei die-
[320]I. altnordiſche conſonanten. lingual. guttural.
ſem angemerkt. — 2) in- und auslautende: ſp. ſt. ſk;
beiſpiele: gaſpra (garrire) eſpi (populus) heſpa (fibula)
geiſpa (oſcitare) riſpa (ſcalpere) hiſpra (aſſectare); baſt
(cortex) laſt (calumnia) faſtr (firmus) frëſt (mora) brëſta
(rumpi) biſtr (iratus) qviſtr (ramus) liſt (ars) roſta (tu-
multus) froſt (gelu) duſt (pulvis) buſt (pinna) buſti (ſeta)
guſtr (aura) blâſtr (flatus) gneiſti (ſcintilla) gnîſta (ſtri-
dere) brióſt (pectus) lióſta (verberare) fôſtr (partus) þûſtr
(aura) etc.; naſkr (gnarus) aſka (cinis) daſk (verber)
aſkr (fraxinus) flaſka (lagena) raſk (tumultus) flêſk (lar-
dum frëſkr (glaucus) diſkr (patina) fiſkr (piſcis) miſkr
(ſuſurrus) froſka (rana) löſkr (ignavus) röſkr (ſtrenuus)
blöſk (ſtupor) brióſk (cartilago) bûſkr (virgultum) knûſka
(contundere) treyſkr (difficilis) etc. Zu unterſcheiden
ſind die ſt und ſk vor welchen n ausgefallen iſt: âſt, ôſt
ſtatt anſt, onſk (votum). Uneigentliche verbindung iſt
ſn, vgl. aſni (aſinus) riſn (largitas) bîſn (portentum)
loſna (ſolvi) u. a. m.; desgl. tl, miatl (parva detractio)
riatl (vagatio) qvotl (frequentatio?) kitl (titillatio). —
(K) gleichbedeutend mit k wird in alten hſſ. auch
noch c geſchrieben, ſeltner an-, häufiger auslautend
(ëc, miöc etc.) in der verbindung ſc und zumahl gemi-
nierend (ëcci, beccjom wo man doch lieber ck, neuer-
dings auch kk zu ſetzen pflegt. Ich gebrauche für die
einf. ten. k, für die gem. ck. Die ausſprache des (an-
und inlautenden) k iſt vor den (von Raſk §. 40. 41. wei-
chen genannten) vocalen ë, e, ê, i, î, y, ŷ, æ. œ. ei, ey,
ia, iö, ió (wie im angelſ. ſ. 256.) bedenklich, vor den
übrigen (harten) unzweifelhaft rein. Raſk behauptet
für jenen fall (zwar nicht die ſchwed. linguale, ſon-
dern) die dän. ausſprache kje, kjæ, kjei, kjey, ſkje,
ſtatt ke, kæ, kei, key, ſke; Biörn accentuiert: ké und
ſké (nicht kei, key, wohl aber inconſequent ſkéi. ſkéy).
Ich lengne nicht, daß man heutzutag in Island, und
vermuthlich lange ſchon, kenna, ſkemma ausſpreche wie
kjenna, ſkjemma; nur fürs altnord. iſt es mir unerwie.
ſen, weil ich auch im ſächſ. eine analoge ausſprache
nicht urſprünglich vorhanden ſondern allmählig aufkei-
mend finde. Ferner, wenn kém (venio) ſkéll (quatior)
geſchrieben wird. weicht auch dies von meiner ſchrei-
bung këm, ſkëll in der ausſprache nicht viel ab, da ë
beinabe wie i lautet; kjëm, ſkjëll, und bei wörtern, de-
ren vocal i, î iſt, ji, jî, alſo kjinn (mala) kjîta (altercari)
[321]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
ſkjil (diſcrimen) ſkjîna (ſplendere) wird nirgends geſchrie-
ben. Noch weniger kjyn, kjŷll, kjiaptr, kjiölr für kyn
(genus) kŷll (rivus) kiaptr (faux) kiölr (carina) wie doch
geſprochen werden müſte, wenn dem k vor weichen
vocalen der laut kj zuſtünde. Raſk ſtellt die ſache in
ſchiefes licht, wenn er das iö (oder wie er ſchreibt jö)
in kiör (arbitrium) und ähnlichen wörtern mit den diphth.
ia, ió, iâ aus dem gelinden kehllant erklärt, da dieſe
diphth. von dem k und ſeiner ausſprache unabhängig
in der wurzel beſtehen und eben ſo gut nach andern
conſonanzen vorkommen; kiöll, kialar hat die vocale
mit fiöl, fialar gemein, ſoll der kehllaut noch beſonders
wirken, ſo muß kjiöl, kjialar behauptet werden und kinn
anders lauten als minn (meus) nämlich kjinn. wofür
ich keinen beweis im dän. antreffe, wo man zwar kjende,
kjöl und ſogar kjön (genus) hingegen kind (mala) ſchreibt
und ſpricht. Nach allem dieſem, glaube ich, kann dem
k vor e, ei, ey, æ, œ die ausſprache kj für die jetzige
zeit zuſtehen (für die ältere bleibt ſie unerwieſen und
ich ſchreibe lieber ein altn. ke, kei etc. als ké, kéi oder
kje, kjei); ungewiſſer ſcheint k vor i, î, y, ŷ, ia, iö,
weil hier kj mit dem i oder y des wurzelvocals zuſ.
ſtößt, doch gibt Raſk, wie aus §. 39. erhellt, dem ge-
ſchriebenen druckinn, ëcki, baki die ausſprache druck-
jinn, ëckji, bakji, folglich lautet auch kinn, kiöll dem
heutigen Isländer kjinn, kjiöll *). Eine note geſtattet
ausnahmsweiſe die landſchaftliche ausſprache ëcki (ſt.
ëckji) und wahrſcheinlich iſt dies gerade der älteren
ſprache angemeßen.
(G) die organ. media; wegen ihrer heutigen aus-
ſprache vor den weichen vocalen gilt ganz das ſo eben
beim k geſagte, nämlich gemlir (ſenex) geit (capra) gey-
ma (curare) ginna (allicere) etc. lauten wie gjemlir, gjeit,
gjeyma, gjinna. — Mit j (wie im angelſ.) vermengt ſich
g nie; eben ſo wenig mit h, wird aber auslautend zu-
weilen im ſtarken praet. apocopiert, als hnê (hneig) ſtê
(ſteig) ſê (ſeig) drô (drôg) ſlô (ſlôg) und mit verlänger-
tem vocal vâ, lâ, mâ, knâ, ſvâ, þâ, frâ für vag — frag;
ſeltner inlautend vâu etc. f. vâgu, hierher auch brâ f.
bragd, praet. von brëgda (vgl. oben ſ. 264 und 303).
(CH) die aſp. fehlt völlig, ſelbſt die ſchreibung ch
in fremden wörtern oder zuſ. ſchiebung des k und h
verſchiedner ſilben wird gemieden und das einf. k da-
für gebraucht, als: kriſtr, lîkami ſt. lìkhami.
(J) ungeachtet ſich dieſer conſ. aus dem voc. i, wie
v aus dem u erzeugt, habe ich doch verſchiedentlich
auf den abweichenden gang beider conſonanzen hinge-
wieſen, vgl. oben ſ. 58 und 187; und ſolche abweichun-
gen lehrt auch das nord. j verglichen mit v. Letzteres
ſtand wenigſtens ehmahls vor l und r; das j ſteht durch-
aus nur vor vocalen; eine andere verſchiedenheit findet
ſich bei der alliteration. Die alten hſſ. unterſcheiden j
nirgends von dem vocal i, beweiſen folglich weder für
noch wider die annahme deſſelben in einzelnen fällen.
Meiner anſicht nach ſteht j
(H) vermiſcht ſich weder mit ten. *) noch med.,
fällt aber häufig weg und zwar 1) anlautend theils ſpä-
X 2
[324]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
terhin vor l. n. r , (nicht vor v); gute alte hſſ. behaup-
ten noch getreu die verbindungen hl. hn. hr. und dieſe
alliterieren mit heim, halr etc. nicht mit den anlanten
l. n. r. *) — theils in zuſ. ſetzung, z. b. lîkami, viliâlmr,
nordhrâlfa f. likhami, vilhiâlmr (engl. william) nordhrhâlfa
(Raſk §. 400.) wiewohl es in vielen ähnl. fällen richti-
ger geſchrieben wird. 2) in- und auslautend überall;
belege oben bei den auslautenden gedehnten vocalen und
den tt und ſ. für ht, hs. Ein hauptunterſchied der
nord. von der goth. und hochd. mundart. — Mit j.
ſcheint h. verwandt in dem anlautenden hinn, hin, hit,
ſt. der älteren form inn, in. it oder ënn, ën, it (goth.
jáins, alth. jënêr, ënêr), vielleicht iſt h. dem vocal ohne
rückſicht auf ein früher abgelegtes j. vorgeſchoben **);
die berührung des inlautenden v mit h (hâvan, hâan,
hâhan) wurde oben beim v erwähnt. —
geminationen. (KK) ck, von gg. beſtändig abgeſon-
dert, 1) dem ſächſ. cc nur ſelten entſprechend, vgl.
hnacki (occiput) rackr (fortis) reckr (heros) brëcka (cli-
vus) bickja (canicula, angelſ. bicce, engl. bitch) u. a.
meiſtens gilt der alte, einfache conſonant, als: rekja
(evolvere) þekja (tegere) nakinn (nudus) bak (tergum)
akur (ager) qvikr (vivus) etc. ck mit umgelautetem wur-
zel-a und ausbrechendem v haben röckr, ſkröck wovon
röckva, ſkröckva; nöckvi (linter). 2) häufig aus nk ent-
ſtanden (vgl. oben ſ. 308.) wie die vergleichung anderer
mundarten lehrt: macki (juba dän. manke) blecki (can-
dor, blänke) hleckr (catena, dän. länke, hochd. gelenk,
frieſ. hlenſzene) eckja (vidua, dän. enke) ockr, yckr
(altſ. unk, ink) ſöck (mergor, hochd. ſinke) etc. Den
drei letztgenannten ſtehen die goth. ugqvis, ïgqvis, ſig-
qva, mit naſallaut, in ausſprache und ſchreibung näher
(vgl. die bemerkung zum 2ten gg). 3) ëcki (non) ſcheint
aſſimiliert aus eitki ſt. eitgi, (Raſk §. 224.) wie die ge-
meine ausſprache vîdhka (ampliare) blîdhka (mitigare)
zu vîcka, blîcka macht (Raſk §. 92). — (GG) mehrfach
1) = angelſ. cg, als: agg (rixae) baggi (onus) bragga (or-
[325]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
nare) hagga (movere) vagga, vöggu (cunae) leggja (po-
nere) ſeggr (vir) ſkegg (barba, angelſ. ſceacg, caeſaries,
engl. ſhagg) veggr (cuneus) veggr (paries) leggr (crus)
hregg (imber) egg (acies) eggja (acuere) liggja (jacere)
þiggja (acceptare) tiggi (rex) ſigg (callus) vigg (fulicula)
frugg (foenum mucidum) frugga (muceſcere) ſkuggi (um-
bra) gluggi (feneſtra) brugga (braxare) ſnugga (increpare)
dugga (navis piſcatoria) ugga (ſuſpicari) hryggr (dorſum)
yggr (timor) hyggja (cogitare) bryggja (pons) bygg (hor-
deum) byggja (ſtruere) tryggr (fidelis) tyggja (mandere)
ſtyggr (auſterus). 2) = angelſ. eáv, alth. auw und zwar
zeigt hier die nord. wurzel immer ein ö, alſo ein durch
u umgelautetes a, welches u noch in der flexion vor vo-
calen vorbricht, folglich ſetzt jedes nord. ögg ein frü-
heres öggv, öggu voraus, vgl. dögg (ros) gen. döggvar
oder daggar, döggva (rigare) högg (verber) höggva (cae-
dere) rögg (plica veſtis) lögg (margo vaſis) glöggr (calli-
dus, parcus) ſöggr (madidus) ſnöggr (repentinus, glaber).
Da dem glöggr, d. h. glöggur ſt. glöggvr, glaggvr (fem.
glögg ſt. glöggvu, glaggvu) das goth. glaggvus völlig
entſpricht, ſo dürfte auf ein analoges daggvus (ros) oder
haggvan (verberare) geſchloßen werden, wogegen eine
andere analogie, nämlich von báuan und havi, auf dáus
háuan führt. Entſcheiden müſten practiſch die uns noch
abgehenden goth. formen; daß auch im nord. der kehl-
laut ausfällt, zeigt uns hey (d. h. haui, foenum) wel-
ches dem begriffe nach von einem verbum hauen, ſe-
care ſtammt. Noch andere wörter zeigen es, nämlich
brû (pons) trûr (fidus) bû (rus, agricultura) bûa, ëk bŷ
(colere, ruſticare) bŷr (urbs) berühren ſich ganz nahe
mit den unter 1. angeführten bryggja, tryggr, byggja,
bei denen kein v. hervorbricht, z. b. byggi (habito) byg-
gir (habitat) tryggja (conciliare fidem) woneben jedoch
tryggva (niâlsſaga cap. 131. pag. 204.) und im adj. häufig
tryggvan (fidelem) tryggvir (fideles) vgl. das bekannte
n. pr. tryggvi, und das entſprechende goth. triggvs.
Aus allem folgere ich aber, a) das angelſ. eáv, ëóv in
heávan (caedere) trëóve (fidus) blëóvan (caedere) das
alth. aw, iw, oder auw, iuw in hawan, hauwan; triwi,
triuwi; pliwan, pliuwan; ſo wie in allen ähnlichen wör-
tern ſtehn dem goth. aggv, iggv und nord. öggv, yggv
gleich, nie dem bloßen goth. agg, igg; nie dem nord.
agg, ugg, ygg, das nicht ein v. abgeworfen hätte. b)
jedes goth. gg lautete durch die naſe, muthmaßlich wie
ng, folglich ggv wíe ngv; merkwürdig daß im hochd.
[326]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
ng die gg geblieben ſind, die ggv nicht (kein tring, fi-
dus noch klang, ſolers, noch blingan, flagellare), doch
mit ausnahme von aggvus und ſiggvan, alth. engu (ſt.
angwu, angawu?) ſingan (ſt. ſingwan, ſingawan?) Auch
das altnord. ng erſetzt gg, nicht aber ngv, ggv, wel-
ches blieb; ob dieſes ggv (oder dafür gg) naſal war?
ſpäterhin wohl nicht, ſeit auch gg die bloße gemination
ausdrückt, wo der Gothe einfache med. hat (z. b. leggja
goth. lagjan) höggva lautete nicht höngva, ſondern högg-
va; immer aber bleibt die ſchreibung höggva, glöggvan
deshalb zu beachten, weil ſie beweiſt, daß das goth. gg
nicht gerade aus dem gr. γγ entlehnt zu ſeyn braucht
(oben ſ. 72.) c) für den früheren altn. naſallaut ggv
(= ngv) ſtreitet auch die gemin. ck und ckv in wör-
tern, wo andere mundarten nk. zeigen, als: ſkröckr
alth ſkrank; ockr alth. unk; goth. ſkragqvus (?) ugqv;
ſtöckva (aſpergere, dän. ſtänke, ſchwed. ſtenka) ſöckva
(mergere, dän. ſänke, ſchw. ſenkja) beide mit den goth.
ſtarken formen ſtigqvan, ſigqvan (alth. ſtinkan, ſinkan)
verglichen. Das hochd. trinkan, trank verhält ſich zu
drëcka, drack wie hinkan, hank zu einem verlorenen
hëcka, hack, davon noch hökta (claudicare) über iſt.
d) jene parallelen eáv, ëóv, aw, iw, auw, iuw ſind
gleichwohl nicht aus aggv. iggv zu erklären; ſie ſchei-
nen vielmehr einfachere formen, aus denen ſich die na-
ſalen entwickelten *), ſind auch im goth. und nord. zu-
weilen noch neben dieſen ſelbſt vorhanden, vgl. tráuan,
trûa neben triggvs, tryggr; báuan, bûa neben byggja
(? früher byggva) und ebenſo muß ein blivan (ſt. bliuan)
neben bliggvan, wie ſniggvan neben ſnivan (ſt. ſniuan)
nord. ſnûa, theoretiſch behauptet werden. Dieſe dop-
pelform erläutert den wechſel zwiſchen zwei verſchiede-
nen ſtarken conjug. nämlich ſnivan, ſnáu alſo auch bli-
van, bláu; bliggvan, blaggv, alſo auch ſniggvan, ſnaggv
(woher vielleicht ſnëggo, animal repens vel tortum) und
ebenſo verhält ſich das hochd. ſinkan, ſank; ſingan, ſang
zum nord. ſöckva (früher ſiucka?) ſauck; ſŷngja, ſaung
(früher ſiunga ſaung? noch früher ſûa, ſau?) Die praxis
jeder mundart zeigt einzelne unvollſtändige formen, z. b.
[327]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
die wurzel, welcher das goth. tráuan und triggvs ge-
hört, entfaltet ſich in keiner der beiden ſtarken conjug.,
aber die theorie dürfte ein trivan, tráu und triggvan,
traggv vermuthen, von jenem ſtammt das alth. triwi,
triuwi, von dieſem das goth. triggvs, von jenem die
abgeleitete ſchw. form tráuan, tráuaída. Mehr von allem
in der formen- und bildungslehre, hier war bloß die
verſchiedenheit der verbindungen aggv, iggv von au,
av, auw und in, iv, iuw darzuthun. — 3) bisweilen
ſcheint gg dem aus i entſpringenden j verwandt und
namentlich egg dem ei, ej, angelſ. äg; vgl. egg (ovum)*)
gen. pl. eggja mit dem alth. ei, ejiro und ſelbſt egiro,
eigiro (ſ. 188.) angelſ. äg, ägra; hnegg (hinnitus) hneggja
(hinnire) mit dem angelſ. hnägan, alth. hveigôn **);
die gen. pl. beggja, tveggja mit dem angelſ. begra, tvegra
und alth. zueiero, zueigero (nicht aber peigero) und
vermuthlich verſtändigen ſich ſo noch andere wörter,
wozu mir vergleichung abgeht, als negg (cor) dregg
(faex), vielleicht auch einige der unter 1. aufgeführten
-egg. Analog ſcheint þriggja aus þrîja, þrija und frigg
(n. deae) gen. friggjar ***) aus frî (nobilis) alth. frigêr
zu leiten. Offenbar iſt aber in allen dieſen fällen die
gem. unorganiſch und aus einf. g (ſtatt j) wie jenes gg
des erſten falls (liggja, leggja) aus einf. (organ.) g hervor-
gegangen. — Von der ausſprache des ck und gg vor
weichen vocalen gilt das bei dem einf. k und g erör-
terte auch.
gutturalverbindungen. 1) anlautende. kl. kn. kr; für
kv wird lieber qv geſchrieben, fällt aber das v zuweilen
aus (oben ſ. 311.) wieder k; übrigens ſteht qv noch
(gleich dem goth.) in fällen, wo im alth. der anlaut w
herrſcht, z. b. qveina (queri) goth. qváinôn, alth. wei-
nôn (oben ſ. 139. 196.) — gl. gn. gr; hl. hn. hr. hv.
zahlreiche belege dieſer aller bei Biörn. Das ſlaviſche
km. gm. kennt die nord. mundart ſo wenig als eine
der übrigen deutſchen; daß die ſpätern dichter zuweilen
das h vor l. n. r. abwerfen oder fälſchlich zufügen,
[328]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
wurde oben beim h angemerkt (Olafſen p. 119.). — 2) in-
und auslautende: bloß x ſtatt des org. hs: ax (ſpica) lax
(ſalmo) ſax (culter) vax (cera) vaxa (creſcere) fax (juba)
fox (vulpes) öxn (box) uxi (taurus) axla (ſuccollare) ſëx
(ſex) vîxla (permutare). Seltner ſtatt des contrahierten
ks: öx, axar (alth. akus, akuſi) nicht ſtatt gs, es heißt
hugſa (cogitare, nicht huxa). Andere contractionen
ſcheinen dextr (blanditiae, von dekr, blandus) hixti
(ſingultus) brîxl (probrum, aus brëgdſl? dän. breidelſe)
fyx (callidus, alth. fizus?) — Für ht gilt tt, und auch
für kt in ſòtti, þôtti von ſœkja, þykja, wiewohl einige,
z. b. Biörn 2, 365a ſôkti ſchreiben (vgl. oben ſ. 197. das
zweite alth. ht).
Schlußbemerkungen. 1) aſſimilationen ſind verſchie-
dentlich angegeben worden, vgl. nn, ll ſtatt nþ, lþ;
beim ſchwachen praet. iſt regel, daß p. t. k. ſ. der wur-
zel das anſtoßende dh der flexion in t verwandeln, als:
gapa, gapti; vænta, vænti; vaka, vakti; leyſa, leyſti
(ſt. gap’dhi, vænt’dhi, vak’dhi, leyſ’dhi). In d wandeln
es m und b, auch häufig n und l, als: þola, þoldi; drey-
ma, dreymdi; ſtëfna, ſtëfndi; kemba, kembdi; ſt. þol’dhi,
dreym’dhi, ſtëfn’dhi, kemb’dhi. Die wurzeln r. f. g be-
halten dh, als: þora, þordhi; duga, dugdhi; hafa, hafdhi.
Nach dh und t, tt, welchen vocale vorhergehen, cnt-
wickelt ſich dd (ſt. dhdh) und tt (ſtatt tdh, ttdh) als:
gledhja, gladdi; reita, reitti; hitta, hitti. Im allgemei-
nen ſollte man, wie nach p. t. k. die ten. t. eintritt, nach
den med. b. d. g. die med. d und nach den aſp. f und
dh die aſp. dh erwarten, allein dieſe conſequenz weicht
ſchon der oben ſ. 315. beim d und þ entwickelten nord.
praxis, welche kein rd ſondern nur rdh, folglich auch in
der zuſ. ſchiebung nur þordhi, gerdhi leidet und ebenſo
nach g die aſp. verlangt. Schwankend iſt die beſtimmung
nach wurzelhaftem l. ll. n. nn. ld. nd. rdh indem z. b.
mæla (loqui) mælti; mæla (metiri) mældi; fella, feldi;
ſtilla, ſtilti; ſŷna, ſŷndi; ræna, rænti; kenna, kendi; nenna,
nenti etc. gelten. (mehr von allem bei der ſchw. conj.)
Nach dieſen grundſätzen iſt nun auch die aſſimilation
des dem imp. inclinierenden pron. þû *) zu beurtheilen:
nach p. t. k. ſ. wird es zu t, als: grîptu, lâttu, taktu,
rîſtu; nach l, m, n zu d, als: ſtëldu, komdu, brenndu,
[329]I. altnordiſche conſonanten.
wiewohl l und n wieder ſchwanken und es namentlich
ſkaltu, muntu heißt; nach r. f. g. bleibt die aſp. als:
gëfdhu, fardhu, ſtîgdhu. — 2) geminierte conſonanz *)
in ſofern ſie aus der bloßen einfachen erwächſt, ſetzt
ſtets kurzen wurzelvocal voraus (liggja, ſeggr, hnacki;
nichts lehrt deutlicher die undiphthongiſche natur des ö,
als der dat. pl. hnöckum oder die ähnlichen fälle önnor,
öll etc.) Die auf aſſimilation gegründete gemination
pflegt ſogar den vorausgehenden gedehnten vocal zu ver-
kürzen, vgl. minn, ſinn, þinn (ſt. mînr, ſìnr, þînr) im
fem. mîn, þîn, ſìn **); gott (bonum) mott (fatigatum)
ſt. gôdht, môdht. Daneben nimmt Raſk §. 184. blâtt,
trûtt, nŷtt an, wo aber richtiger blât, trût, nŷt ſtehn
würde (oben ſ. 319.) weil zur gemination gar kein grund,
außer misverſtandner analogie, vorhanden iſt. Diphth.
(die nicht bloß gedehnte vocale ſind) bleiben bei der
gem. unverändert, als: heill, einn, rautt, breitt, eitt etc.
ſtatt heilr, einr, raudht, breidht, eint ***). Entgegen-
geſetzt jener kürzung des î und ô vor tt ſcheint gerade
die verlängerung des a, ë, o in â, ê, ô vor dem aus ht
entſpringenden tt; offenbar gebührt dieſer einfluß dem
h (oben ſ. 240. 274.), wie die fälle beſtätigen, wo das
nord. â dem alth. ah (ſ. 288.) gleichliegt. Ob ander-
wärts die gemination kürze oder nicht, verdient erſt nä-
here prüfung; Raſk nimmt §. 327. freilich bœnn, brŷnn,
gæſſ für bœnr, brŷnr, gæſr, aber auch vîſſa, fûſſi f. vîſri,
fûſri und §. 93. ſtôll, ſkînn f. ſtôlr, ſkînr an; vielleicht
wäre viſſa, fuſſi, ſtoll und ſkinn zu behaupten? Die
praet. fêll, gêck, fêck, hêck, (ſt. gêng, fêng, hêng)
könnten gleichfalls verkürzung in fëll, gëck, fëck, hëck,
erleiden (oben ſ. 283. note) und Raſk ſelbſt ſcheint
§. 262. ein gëck einzuräumen, wiewohl er hier wieder
die neue ausſprache des g vor e mit dem ê vermengt. —
3) die partikel nê fügt ſich nicht ſo ans verbum, wie
im angelſ. und frieſ. (ſ. 268. 280.) überhaupt wird eigent-
[330]I. mittelhochdeutſche buchſtaben.
lich ganz anders durch ein ſuffigiertes at verneint, von
welchem nach den umſtänden a oder t abgeworfen wer-
den kann (ſ. unten bei der conjug.). Noch anderer in-
clinationen des pron. ans verbum iſt ſchon oben ſ. 32.
erwähnt.
Die mittelh. ſprache iſt fortſetzung der althochdeut-
ſchen; es bleiben alle hauptgrundzüge und bedarf kei-
ner neuen entwickelung derſelben. Nur was ſich im
allgemeinen verweichlicht oder im einzelnen abändert,
aber auch was ſich durch die zahlreicheren und gehalti-
geren quellen klarer beſtätigt, wird daher abgehandelt
werden. Die quellen gewähren, abgeſehn von ihrer an-
ſehnlichen menge, den unſchätzbaren doppelten vortheil,
theils daß ſie lebendige poëſie enthalten und die unge-
zwungene natur der ſprache ſehen laßen, theils daß die
genauigkeit der reimkunſt *) über die wirkliche aus-
ſprache aufklärt, weit mehr, als es die bloß einfach
anlautende, dazu alle vocale gleichſetzende nord. allite-
ration zu thun vermag. Dieſe vielen unter der benen-
nung mittelhochdeutſch zuſ. begriffenen denkmähler he-
ben von der mitte des 12ten jahrh. an und reichen bis
zum ausgange des 13ten, in deſſen erſtes drittel ſich
doch ihre eigentliche kraft und blüte drängt. Sie haben
zwar nicht alle eine und dieſelbe mundart, verrathen
aber lange keine ſo abſtechende verſchiedenheit unterein-
ander, als die althochd. quellen. Ich werde in den
ſchloßbemerkungen hierauf zurückkommen. Die mei-
ſten mittelh. dichtungen ſind in Schwaben, in der Schweiz,
in Baiern und Öſtreich entſprungen, verſchiedene in den
gegenden des Oberrheins und in Franken bis nach Thü-
ringen hinein. Was über dieſe begrenzung nördlich
fällt, ſtreift ſicher ſchon ins niederdeutſche oder mittel-
ſächſiſche.
Allgemeine regeln 1) die wortbildungslehre wird zu
beweiſen ſuchen, daß jede deutſche wurzel auf einen
conſ. ſchließt; ſcheinbare ausnahme hiervon machen ver-
ſchiedene einſilbige auf vocal auslautende wörter, denen
jedoch meiner anſicht nach überall conſ. apocopen zum
grunde liegen. Das nähere gehört nicht hierher; die
mittelh. ſprache, verglichen mit der alth. weiſt aber viele
ſolcher apocopen deutlich vor, z. b. lâ ſt. lâƷ, ſlâ ſt.
ſlaga (veſtigium) und es iſt klar, daß ſie auf den wur-
zelvocal einfluß äußern, d. h. ihn dehnen *), indem ſie
gleichſam in ihn geſchmolzen werden. Hiermit im ein-
klang lehrt das mittelh. vorläufig folgende practiſche re-
geln: a) jeder wurzelhafte (und betont bleibende) kurze
vocal wird gedehnt (lang) ſobald er auslautet; es giebt
kein da, bi, do, du, ſondern nur dâ, bî, dô, dû; be-
lege bei den einzelnen dehnlauten. b) gleiches geſchieht,
wenn an den betonten vocal eine flexionsendung ſtößt,
welches man auch ſo ausdrücken kann: wenn er eine
ſilbe endigt **); wohlverſtanden nach wahrhafter ſilben-
theilung, nicht nach neuhochd. (die fälſchlich ge-ben,
na-me, bin-den ſchreibt, ſtatt nam-e, bind-en); der fall
iſt ſelten und hat den nämlichen grund, da auch hier conſ.
ſyncopiert ſind; beiſpiele: bî-e (apis) vî-ent inimicus) etc.
öfters treten die beiden ſilben in eine zuſammen und dann
entſpringt der unorg. diphth. ie, z. b. hier (hîc) aus hî-er,
nicht hîer triphthongiſch. c) in zuſammenſetzungen dieſelbe
erſcheinung. z. b. tâ-lanc, ſî-frit, offenbar aus tage-
lanc, ſige-frit erwachſen. — 2) aufgenommene fremde
(lat. roman. und ſlav.) wörter pflegen ihre auslautenden
vocale (das verſteht ſich ſchon nach 1. a.) aber auch ihre
inlautenden, ſobald einfache conſonanz folgt, zu dehnen;
es heißt: dâvît, pârîs, magdâlênâ etc. In ſolchen wör-
tern fühlte der Deutſche weder die natürliche wurzel
noch betonung ſondern gab alle ihre laute mechaniſch
treu, wie ſie der buchſtab überlieferte, wieder; auf je-
der ſilbe wurde verweilt und ihr vocal, wenn er ein
[332]I. mittelhochdeutſche vocale.
kurzer war, dadurch in die länge gezogen. Anders aus-
gedrückt: für ſolche namen und wörter beobachtete man
jene heutige (falſche) ſilbentheilung pâ-rîs, mâ-rî-â,
dehnte alſo, der regel 1. b. gemäß, die vocaliſchen ſil-
benauslaute. Den beweis liefern die reime überall.
Gleichwohl hat auch dieſes geſetz für fremde wörter
mannigfache nähere beſtimmungen und ausnahmen, die
anderswo erörtert werden müßen *) namentlich verwan-
deln ſich einzelne eigennamen dadurch gleichſam in
deutſche, daß ſie deutſche flexion und in ihrer wurzel
deutſchen diphth. annehmen; während z. b. Hartmann
Artus bekannten ſeneſchal kâî auf ſî, bî reimt, heißt
er bei Wolfram keie, gen. keien und reimt auf meie,
leie etc. (vgl. unten die ſchlußanmerkung über betonung).
(A) wie im alth., nur tritt der umlaut in e nunmehr
längſt entſchieden ein; ausnahme macht zuweilen die
ſtarke conj. in II. III. ſg. praeſ. ind. vornämlich wenn
dem a die verbindung ng, lt folgt, als hanget, haltet
ſpaltet etc. nicht henget, heltet, ſpeltet (ſ. die conjug.)
Wenn ſich aber magede, magedîn ſt. megede findet,
ſo muß man die alth. form magadî, magatîn erwä-
gen, wobei zweifelhaft bleibt, ob der ſpätere umlaut
aus der dritten ſilbe gewirkt wurde oder aus der zwei-
ten, inſofern das a derſelben allmählig in i übergegan-
gen ſeyn konnte (vgl. oben ſ. 76. 77. über megin, emil,
ſcemil, gegin ſt. magan, amal, gagan) oder wäre alſimi-
lation im ſpiel? Nur den zweiten dieſer drei fälle ver-
ſtatten die häufigen mittelh. plurale wegene, ſetele, he-
vene, ſchemele (alth. waganâ, ſatalâ, havanâ, ſcamalâ) etc.
(E) ſowohl e als ë; daß der unterſchied beider fort-
während in der ausſprache merklich war, lehren die
reime, da ſie e und ë nicht verbinden. Man unter-
ſchiede alſo z. b. regen (movere) legen (ponere) egen
(occare) ſlegen (ictibus) megen (valeant) wegene (currus)
wegen (movere) gegen (contra) von rëgen (pluvia) dë-
gen (vir fortis) wëgen (viis) wëgen (pendere) pflëgen
(ſolere) gelëgen (jacens) ſëgen (benedictio) etc. oder: ber
(feriat) ber (bacca) ber (ictus) her (exercitus) mer (mare)
er (aret) wer (defenſio) ſwer (juret) von: bër (ferat) bër
(urſus) gër (deſiderium) ër (ille) dër. wër. hër (huc) ſpër
[333]I. mittelhochdeutſche vocale.
(haſta) mër (miſceo) ſmër (butyrum) wër (praeſtet) und
ſo überall. Anſcheinend gleichlautige tranſitiva und in-
tranſitiva ſind am e und ë zu erkennen, vgl. ſtërben
(mori) verdërben (perire) mit ſterben (occidere) verder-
ben (perdere); jene im reim auf wërben, dieſe auf ver-
ben, erben *). Ungenan reimende geſtatten ſich zuwei-
len ein e auf ë, als vëlde: ſelde (Maria 187.) verge:
bërge (Ernſt 38a) veter: wëter (Wilh. 1, 120a) legen:
pflëgen, dëgen (Nib. 859. 3215. 3909. 8474.) ſlegen: wë-
gen (Wig. 170. 402.) ſlegen: dëgen (Wig. 251. 277. 349.)
regen: pflëgen (Wig. 236.) dëgen: ſlegen (klage 129b. c
und in den Nib. achtmahl) **) lëben: ſteben (M. S. 2, 124a)
erne (meſſis): gërne (M. S. 2, 193a. b. 196a); gelërnet: ger-
net (Parc. 61a). Inzwiſchen darf man nicht alle fälle für
ſchlechte reime erklären, in denen ein e oder ë der ab-
ſtammung und früherem ſprachgebrauche zuwider ſteht.
Manche wörter können allmählig, wenigſtens nach land-
ſchaftlicher ausſprache ein e ſtatt ë angenommen haben
oder ein ë ſtatt e; war dies unorganiſch, ſo reimte doch
der dichter, wenn ſein ohr der gangbaren ausſprache
folgte, nicht unrecht; ſlege, ſlegen lautete, nach jenen
häufigen reimen zu urtheilen, wohl wirklich wie ſlëge,
ſlëgen. Anders laßen ſich anomalien, die wir ſelbſt bei
forgfältigen reimern wahrnehmen, kaum erklären; hier
die nöthigſten belege: 1) ë ſtatt des org. e zeigen frëbel:
nëbel (Parc. 73a Wilh. 2, 114b) frëvel: wëvel (Reinfr. 88a)
alth. fraval, nibal, wëval; ëffen: trëffen (troj. 17c 18c) da
doch die ableitung von affe effen fordert; wëlde, wël-
den: vëlde, vëlden (troj. 77c 171c); mëlde, mëlden:
vëlde, vëlden (alt. Tit. 97. ſchwanr. 583. 893. troj. 29a
77b) M. S. 1, 136a ſogar mëlden: ſchëlten; hier könnte
ſchon im alth. ein mëldan, mëldôn (prodere) ſt. meldan,
meldôn gegolten haben, da ſich das urſprüngl. mald
nirgends zeigt ***) und ſelbſt das angelſ. mëld, mëldjan
[334]I. mittelhochdeutſche vocale.
wie fëld zu nehmen wäre, vgl. Ernſt 30a helde: mëlde;
mëlm und gëlm reimen allen mittelh. dichtern: hëlm,
obwohl das alth. (auch mittelh.) galm und goth. malma
auf e deuten, eine verlorene ſtarke form mëlman, malm,
gëlman, galm könnte beiderlei ableitung rechtfertigen.
Der wichtigſte fall iſt aber die wahrnehmung, daß alle
und jede ehte im mittelh. die ausſprache ëhte bekommen,
denn ich finde geſlëhte (ſt. geſlehte, von ſlahta zu lei-
ten): knëhte, rëhte (Parc. 61a Wilh. 2, 132a, troj. 4b)
ëhte (oc [...]o, von ahta): rëhte, geſlëhte. (Parc. 56a 110b
117b 162c Wilh. 2, 132a 186a 187b troj. 131b) gebrëhte:
knëhte, rëhte (Parc. 102a M. S. 2, 202b) ëhtent: vëhtent
(M. S. 2, 238a) mëhte (poſſet): geſlëhte (Flore 6a 13c 29b
53c Triſt. 11a) und die adj. auf -ëhte: geſlëhte, rëhte
(M. S. 2, 127b troj. 23a 72b 116b) reimen, wohin auch
die n. pr. auf brëht (alth. përaht) gehören (rëhte: gêr-
brëhte. M. S. 1, 132a). Dieſe wandlung des e in ë iſt
ſichtbare wirkung des folgenden ht und vergleicht ſich
dem angelſ. iht ſtatt aht in mihte, niht etc. (oben ſ. 226.
268.) dem frieſ. iuht ſt. ëht (ſ. 274.) dem nord. âtt ſt.
att etc. Vielleicht wäre ein -æhte (welches die citate
aus Parc. merk würdig zeigen, während das dazu ge-
bundne wort mit einfachem voc. geſchrieben iſt) und aus
ihm der übergang in ë zu behaupten, in ſofern âhte ſt.
ahte zu erweiſen ſtünde, deſſen natürlicher umlaut æhte
iſt (mehr davon hernach bei â, æ und ht) *)). 2) e ſtatt
des org. ë zeigen wellen, welle: ſtellen, vellen, geſelle,
helle (Iw. 10a 16a troj. 23b 95c 119a 137a klage 122b)
welt: helt, gezelt, verſelt (Nib. 5083. 9035. troj. 53a
Flore 38c Parc. 52b) ſedele: edele (ſchmiede 1680). das
org. ë folgt aus geſidele; jene, jener, jenen, bei allen:
zene, ene, wene, tener, zenen, denen; ſweſter: veſter
(Parc. 91a Triſt. 31a 52a Georg 10a klage 125b troj. 12c
Flore 2c 31a) geſter: ſweſter (Flore 44c Iw. 35b) weſie,
weſten: beſte, geſte (Triſt. 36a 39a Karl 65a Iw. 13c a.
Heinr. 1133.) breſten: weſten, veſten (troj. 152c klago
130c 143b Wig. 65. 186. 194.) neſte: beſte (optimum)
(Wilh. 2, 85b) gebreſt (troj. 176a ſchmiede 1007) teſt: neſt
(M. S. 2, 134a) fôreſt: neſt (ſchmiede 413.) ſârâpandrateſt:
neſt (Parc. 12c) veſte (feſto): gebreſte (troj. 11c 119c) beſte
[335]I. mittelhochdeutſche vocale.
(ſarci): neſte (M. S. 2, 85b) gleſten: geſten (M. S. 1, 88a).
Das org. ë folgt aus den ableitungen geniſte, geſwi-
ſtere etc. die urſache, weshalb es vor ſt zu e wird, könnte
in der ähnlichkeit der ſpiranten h und ſ geſucht werden,
wenn auch ſt hier anders einwirkt, als ht; doch darf
das übergewicht der reime veſter, eſte, geſte, beſte etc.
in anſchlag kommen und eben darum läßt ſich nicht
in dieſen ein ë behaupten und in jenen beibehal-
ten. Überhaupt ſcheint mir das klar, daß zu den
unorganiſchen ë oder e die folgenden conſ. verbindun-
gen mitwirken; ſo in den angeführten beiſpielen ht. ſt.
ld. lm. (man denke an den einfluß des nord. Im. ſ. 286);
vor einfachen conſ. (zumahl liq.) bewahren ſich beide
vocale treuer und ſelbſt vor geminationen, da ſchwer-
lich ein guter dichter jener zeit den einen oder den
andern in helle (tartarus) und hëlle (clare) ellen (vis)
und ſnëllen (celerem) etc. verkennen wird, Nîthart aber
in einem tanzliede 2, 85b wagt es ſnëlle: helle zu rei-
men. — Von den berührungen des ë mit i und o bei dieſen.
(I) verhält ſich beinahe völlig wie im alth., tritt in
flexionen und ableitungen aus dem ë hervor (gëben, gip;
wëſen, wis; nëbel, genibele; dëgen, gedigene; fëder, gefi-
dere; ſëdel, geſidele; gër, gir, girde; ſchërbe, ſchirbìn
teſtaceus.) und ſchwankt mundartiſch in einzelnen wörtern,
ſchëf leſen noch alte hſſ. neben ſchif, im reim finde ich
nur letzteres (: grif, rif); allgemein gilt noch biben (tre-
mere) ebenſo allgemein aber gëbel (cacumen) wie ſwëbel,
nëbel, folglich dem neuh. gibel und beben gerade entge-
genſtehend. — Von dem î genau zu ſcheiden; reime
wie trîbet: bibet (Maria 177.) ſind im 13. jahrh. unerhört.
(O) das alth. o, allein beſchränkt durch den einge-
führten umlaut in ö (vgl. dieſes); das alte u zuweilen
noch in den ſ. 84. 85. angegebenen fällen hervorbrechend
und dann in ü umlautend, als: horn, einhürne, hürnîn;
dorn, gedürne, dürnîn; zorn, zürnen; mort, mürden
(occidere) vielleicht auch hort, hürden (opes colligere);
borgen (cavere) bürge (fidejuſſor) worgen, würgen; ſpor,
ſpürn; vogel, gefügele; holz, hülzîn; golt, güldîn;
wolle, wüllîn; dorren, dürre; vol, füllen; hol (cavus
und caverna, latibulum) hüllen (tegere) und ſo beziehen
ſich noch andere ſeltnere verba betrüllen (faſcinare) um-
betüllen (cingere, marginare) knüllen (pugno caedere)
nüllen (decipere) etc. auf die ſubſt. trol (praeſtigium) *)
[336]I. mittelhochdeutſche vocale.
tol (?) knol (nodus) nol (vertex). Ausnahmsweiſe bleibt
o ſtatt ü, als zobel, zoblîn (Parc. 68c̱) ſt. züblìn.
Das verhältniß des alth. o zu dem goth. aú und u war
(nach ſ. 84.) das, daß es erſterem vor h und r, letzte-
rem in den übrigen fällen (alſo auch vor dem aus goth.
zd entſpringenden rt.) antwortete. Folglich konnte das
alte u eigentlich bloß in letztem, nicht in erſtem fall
gelten und turrun (audebant) burgun (tuebantur) thur-
nîn, thurri etc. würden conſequenter ein o haben oder
behalten. Dieſe u vor r entwickeln ſich nun auch ge-
wöhnlich im mittelh., doch finde ich ſpurweiſe das
richtigere o, nämlich neben dem üblichen turren (aude-
mus) Wilb. 2, 175b torren (:geworren); [mehr hierüber
bei der conj.] — on haben folgende: von (praep.) gedon
(aegrimonia troj. 30c 45c 48b 53a 110b) wone (mos)
gewon (ſolitus) rone (truncus) kone (uxor) honëc (mel)
doner (tonitru); honëc bezieht ſich auf ein altes u; von,
gewon auf ein altes a (vgl. oben ſ. 85 und 75. halôn,
holôn, mittelh. holn) vielleicht auch das noch dunkle
gedon (zu denen, tendere? vgl. wenen und wone) und
rone (bairiſch rann). Mit ë verbinden das o außer kone
(nord. qvën) die adj. bildungen-ëht, als: durnëht, triu-
tel-ëht etc. für worolt, truhtîn ſtehet immer wërelt, wërlt,
trëhtîn (Iw. 35ḇ 37b trëhten: vëhten). Hingegen gelten
woche, op und wol, (vgl. ſ. 82.). Bemerkenswerth iſt
noch dert (ibi, Flore 12a: erwert) ſt. des üblichen dort
(alth. thorôt, doret).
(U) wie im alth. durch o, daneben aber nun auch
durch den umlaut ü beſchränkt. Doch dringt o in we-
nige wörter, die es nicht ſchon im alth. hätten und zu-
weilen nur in einzelnen denkmählern, z. b. im Tit.
reimt kopher (aes): opfer, M. S. 2, 150b floƷen (ſt. flu-
Ʒen): verdroƷen, dergleichen iſt ſelten und tadelnswerth;
neben dem herrſchenden o zeigt ſich das alte u in ge-
wiſſen ableitungen, nach umſtänden umlautend (ſ. vor-
hin beim o). Andere beiſpiele, wo kein umlaut ſtatt
hat, ſind: doln, gedult; holt (favens) hulde (favor), ſol,
ſult etc. Die neuh. analogie entſcheidet ſo wenig zwi-
ſchen o und u, als zwiſchen ë und i; ſpor (veſtigium)
lautet auch alth. ſpor, neuh. ſpur. Das wichtigſte und
ſchwierigſte bei unterſuchung dieſes vocals ſcheint mir
aber, daß der um ſich greifende umlaut ü offenbar noch,
wenigſtens ſchwankend, von gewiſſen formen ausge-
ſchloßen iſt, in welchen u fortbeſteht. Dies zu erken-
nen helfen weder ausgaben noch hſſ. ſondern allein die
[337]I. mittelhochdeutſche vocale.
reime. Der deutlichſte fall iſt zuvörderſt die verbindung
ng und nk, welche, ungeachtet die bedingung des um-
lauts eintritt, gewöhnlich kein ü vor ſich haben, beweis
die reime ſprunge:gelunge (Flore 44b) junge:ſwunge
(Ben. 230.) twunge:wandelunge (Barl. 251.) junge:twunge,
beƷƷerunge:ſwunge (M. S. 2, 133b 238a. b.) ſprungen:
den jungen (Wigam. 7a) jungen (verjüngen): entſprun-
gen, gelungen (M. S. 1, 59a 178b) zungen:tungen (ſter-
corare Wilh. 3, 259b) zungen:ſungen (Wilh. 3, 458a)
dunke:trunke (M. S. 2, 170b). Theils erinnert dieſes
unge ſt. ünge an das vorhin beim a bemerkte ange ſt.
enge im praeſ. ſtarker conj. (denn anderwärts ſteht frei-
lich enge) theils an das nord. ûng, ûnk f. ung, unk;
wenn auch hier der umlaut gar nicht mitwirkt, viel-
mehr ŷngi ſt. yngi ebenfalls erfolgt, ſo läßt ſich doch
der einfluß des naſalen ng, nk auf den vorausgehenden
vocal nicht leicht verkennen. Außer dieſen verbindun-
gen ſtehet u ſtatt ü in folgenden reimen: fluge:truge
(Parc. 84b) zugen:mugen (Am. 5c Flore 25b Triſt. 14b)
ſchulden:vergulden (M. S. 2, 20b) dulden:übergulden
(troj. 134a) umbe:ſtumbe (Iw. 17b) drunde:gunde, funde
(Parc. 17a Karl 35a) munde:kunde (Triſt. 33b) ſtunde:
kunde (Georg 3b) funde, wunde (a. Heinr. 197a 204a 207b)
ſtunden:unden (Ernſt 21a) ſunne:brunne (Flore 32b M. S.
1, 204a) nunne:gewunne (Flore 41a) ſunne:kunne (M. S.
2, 142b) etc. Schwerlich iſt an falſchen reim aus reimar-
muth, noch an vermiſchung des u und ü, wie vorhin
des e und ë zu denken; es ſind überreſte des alten un-
umlautenden u. Einmahl zeigen ſie ſich nur vor liq.
und med. (nicht vor ten. und aſp.) dann zumeiſt in
dem conj. ſtarker conj. d. h. man wird leichter brunne
(arderet) truge (falleret) kunne (ſciret) für brünne, trüge,
künne; nicht leicht kunne (genus) unde (fluctus) dunne
(tenuis) für künne, ünde, dünne treffen. Freilich einige
ausnahmen geben ſchon die obigen belege. Dagegen iſt
die unumlautende form nicht mehr allein herrſchend.
ſelbſt nicht vor ng. nk., ſondern es gibt überall auch
die umlautende daneben, ja dieſe beſteht als regel, jene
muß ausnahmsweiſe durch den reim bewieſen, ſodann
für einzelne dichter und wörter durchgeführt werden.
Bisweilen, wenn weder der reim ein n ſtatt ü beweiſt,
noch der gebrauch für u oder ü entſcheidet, mag es
zweifelhaft ſeyn, welches von beiden angemeßener iſt.
Einzelne wörter ſchwanken bei dem nämlichen dichter,
z. b. Wolfram reimt Parc. 7c umbe (alth. umbi): der
Y
[338]I. mittelhochdeutſche vocale.
tumbe, mithin kann es nicht ümbe heißen; Parc. 58a
Triſt. 116b troj. 73a 147c. chrümbe (flexuoſitas) wo ümbe
behauptet werden muß. weil alle ſolche fem. umlauten.
Durch den neuh. ſprachgebrauch wird man ſich nicht
irren laßen, der z. b. um, urkunde etc., kein üm, ur-
künde weiſt; mehr, doch nicht immer, hilft die wahr-
nehmung des (im mittelh. ausgefallenen) alten ablei-
tungs-i zurecht, die erkannten mittelh. umlaute kön-
nen aber ſelbſt der wortbildungslehre wichtig werden.
So ſetzen ünde, ſünde (gerte) ein undja, ſundja (gardja)
voraus, wofür ſchon die meiſten alth. quellen unda,
ſunta (gerta) haben. Die unumlautenden ſubſt. brunne,
ſunne, wunde weiſen auf das ältere brunno, ſunna,
wunta. — Von der vermengung des u mit uo hernach
bei letzterem.
(OE) ö, einfacher, ungedehnter laut, umlaut des
kurzen o (wie e des a) und mit dem œ (umlaut des ô)
nicht zu miſchen; die hſſ. (nicht die reime) verwechſeln
beide, drücken auch wohl das ö gar nicht aus, ſondern
laßen o. Eigentlich kommt dieſes ö (außer dem diphth.
öu, umlaute des ou) ſelten vor, deshalb, weil im falle
des umlauts der ableitung gemeinlich das alte u aus-
bricht, folglich deſſen umlaut ü eintritt, wie ich vor-
hin gezeigt habe. Es bleibt auf die conjunctive törſte *),
dörfte, möhte, töhte, wörhte, vörhte (die vier letzten
reimen nur untereinander, nicht mit indicativen und
das beweiſt eben den wirklichen umlaut) nächſtdem auf
einige ableitungen beſchränkt, als: götinne, töhterlìn,
ſtöllelîn, löckel: töckel (M. S. 1, 67a) höviſchen (courtoi-
ſer) götelint (Nib.) chöne-mâgen (Nib. 3010. 3067.); in
einigen dieſer wörter wäre auch ü ſtatt ö denkbar, wie
ſich alth. gutinna und mittelh. hübiſchen findet. Die
pluralumlaute töhter, göte, röcke, böcke, ſtöcke, flöcke,
welche hin und wieder geſchrieben ſtehen, ſind nur in
ſoweit tadelhaft, als hier eine organiſche pluralendung
â und nicht î waltete; nimmt man aber übergang in
eine andere decl. an, ſo ſcheint auch der umlaut gerecht
(die unterſuchung gehört in die flexionslehre). — Mis-
bräuchlich ſetzen doch meiſt ſpätere hſſ. (des 14. 15. jahrh.)
zuweilen ö für ë, als öpfel, frömde, ſchöpfære, möſſinc
(im ſ. galler Parc. ſtatt meſſinc, gl. jun. 290. blaſ. 48a an-
[339]I. mittelhochdeutſche vocale.
gelſ. mäſling, mäſtling, aurichalcum), ſogar mönſche (f.
menſche) hör, mör etc.
(UE) ü, umlaut des kurzen u, (wie ue der des uo
und in der des û) deſſen ſchon bei dem u gedacht wor-
den iſt. Sein wirkliches vorhanden ſeyn beweiſen theils
die hſſ. welche es hin und wieder durch ein überge-
ſchriebenes bäckchen, bald dem i. bald dem acutus ähn-
lich. ausdrücken, oft auch mit dem iu verwechſeln, —
theils ohne ſolche bezeichnung ſicherer die reime, indem
ſie nur wörter zu verbinden pflegen, denen das dem
umlaut zu grund liegende endungs-e (= i, î) zuſteht.
Wenn z. b. nicht brunne (fons): kunne (genus) reimt,
nicht hunde (canes): unde (fluctus). hingegen kunne (ge-
nus): dunne (tenuis) brunne: ſunne (ſol) hunde: munde
(ore) unde: urkunde etc. was iſt anders zu ſchließen,
als daß nunmehr künne, ünde, dünne, urkünde unter-
ſchieden von brunne, ſunne, hunde, munde geſprochen
worden ſey? Die ſprache bedurfte dieſes umlauts zur
ſonderung einer menge von formen; die alth. bedurfte
ſeiner nicht. Im alth. hieß es z. b. bundun, zugun,
conj. bundin, zugin; mittelh. würde bunden, zugen im
ind. und conj. ſtehen, wo nicht letzterer den umlaut
bünden, zügen bekommen hätte. Wiederum wäre das
alth. tumbo und tumbî im mittelh. tumbe ohne den um-
laut verfloßen, welcher das weibl. ſubſt. in tümbe (M. S.
1, 39b) verwandelte. Inzwiſchen hat dieſer grund des
bedürfniſſes, der auch für die übrigen umlaute ö, æ, ue
gilt, nicht allzuviel gewicht, da der umlaut des a in e
neben jenen volleren unterſcheidenden flexionen ſchon
im alth. beſtand; deutlicher aber ſcheint mir das ſpätere
und allmählige aufkommen des ü mit dem (vorhin bei u)
angegebenen ſchwanken zwiſchen ü und u bewieſen zu
werden. Ein ähnliches ſchwanken trat im alth. zwi-
ſchen a und e ein, im mittelh. herrſcht der umlaut e
bis auf wenige ſpuren (hanget, haltet). Ebenſo hört im
neuh. das mittelh. ſchwanken zwiſchen u und ü auf,
d. h. der umlaut herrſcht allenthalben. Daß im mittelh.
das alte u vorzugsweiſe in den ſtarken conjunctiven,
weniger im pl. der ſubſt. und in ableitungen beharrt.
gründet ſich vermuthlich auf die höhere bedeutung und
darum reinere erhaltung des lautverhältniſſes in den ab-
lauten; dieſelbe urſache ſchützte in den pl. bunden,
zugen das org. u länger vor dem übertritt in o. — Noch
bemerke ich, daß die möglichkeit des umlauts ü zuwei-
len eine verwandlung der alten endung a in i voraus-
Y 2
[340]I. mittelhochdeutſche vocale.
ſetzt, die man an und für ſich dem mittelh. tonloſen e
nicht abmerken kann; z. b. das umgelautete über folgt
gar nicht aus dem alth. upar (goth. ufar) ſondern ledig-
lich aus einem zwiſchenliegenden ubir (vielleicht aſſi-
milierte uparo in ubiri?). Analog ſind megen, megin,
magan (vorhin ſ. 332.) und löcke (vorhin ſ. 338.) ein
locchì ſt. locchâ vorausſetzend. Im zweifel aber dürfte
ein mittelh. uber neben über nicht unrichtiger ſeyn als
ein alth. gagen neben gegin (oben ſ. 77.); reime finde
ich weder auf uber, noch über. Ebenſo beurtheile man
durch oder dürch (alth. durah, durih); der reim auf
furch [ſulcus, Parc. 34a*) Wilh. 2. 38b Georg 35b 37b troj.
60b Lohengr. 133] läßt unſchlüßig (alth. furah, furih?)
und der neuh. unumlaut furche beweiſt wenigſtens nicht
wider den mittelh. umlaut.
(AA) â; die fälle dieſes dehnlauts ſind im ganzen
die alth. doch bemerke ich 1) wo die bedingung des
umlauts eintritt, wandelt ſich â in æ (ſ. unten). 2) ein-
zelne wörter ſind veraltet, z. b. lâhhi, ſuâs; dagegen
andere aus den reicheren mittelh. quellen zuzufügen,
als: âder (vena, im reim auf das fremde quâder) âbent
(: gâbent Flore 28b) ſtrâfen (punire) ſich zâfen (ornare, ganz
verſchieden von zouwen, alth. zawan, zauwan, parare),
vâlant (daemon) gâgen (gingrire, Parc. 68a) trâme (trabs
M. S. 2, 171b) lìchuâme (Karl 46b 118a ſonſt richtiger
lìchame) kràm (merx, pl. kræme troj. 143b, Barl. 37. 40.
191. 226. M. S. 1, 29b; Wolfram gebraucht es mit kurzem
a, Parc. 159a. Wilh. 2, 126a) krâme (taberna M. S. 2, 220a
klage 136b) krâmen (mercari, Barl. 279.) âme (menſura?
Georg 3b) jânen (M. S. 2, 166b) ſàn (ſtatim) die zuf. zie-
hungen: lân, vân, gân, ſtân, ſlân, twân, hân (habere)
hân (pendere) clân (unguibus) trân (fluentum) klâr (cla-
rus) pâr (par, bini) ſtàr (ſturnus) dâr (ibi, M. S. 2, 170a
:jâr, gewöhnlich mit kurzem a, dar) gebâren (geſtire)
un-dâre aegre, moroſe, inhumane? Iw. 2235. Gudr.
5536. Maria 153. Weltchron. cod. caſſ. 204b Kolocz 167.
364; dieſes adv. ſetzt wie ſwâre ein adj. ſwære, ein
nirgend vorbandenes undære voraus, folglich ein dære,
facilis, honeſtus? **) âs (cadaver) mâſe (cicatrix) ſlât (? in-
[341]I. mittelhochdeutſche vocale.
ſumibulum, Georg 20a) brât (lumbus) ſprât (torrens M.
S. 2, 240b) hât (habet) *) ſwâten (foetor M. S. 2, 219a)
râten (lolium meiſterg. 45a) drâte (vehementer) vrâƷ
(gluto troj. 60b) drâƷ (? Parc. 153b) gâƷ (eſum, ſt. gëƷƷen,
vgl. unten die conj.) ſâƷe (poſſeſſio) grâƷen (clamare
wâƷe (odor) ſwâƷen (? M. S. 2, 218a). — 3) die haupt-
ſächlichſten auslautenden â ſind: jâ (immo) dâ (ibi) wâ
(ubi) ſwâ (ubicunque) ſâ (ſtatim) dieſe vier haben r.
apocopiert; lâ (ſt. lâƷ, wie lân f. lâƷen) ebenſo ſind die
andern imp. gâ, ſtâ, hâ, ſlâ zu beurtheilen; zâ (interj.
Triſt. 22a) vermuthlich f. zâhi (? zahî M. S. 2, 161b vgl.
ahî Triſt. 33b M. S. 1, 116b 2, 221b) wie nâ (prope) f. nâhe
und chrâ (cornix) f. chrâhe; ſlâ (veſtigium) f. ſlage (alth.
ſlaga N. 2, 12.); die adj. grâ (canus) blâ (coeruleus) lâ
(tepidus) entwickeln ſich aus grâw, blâw, lâw und die
ſubſt. brâ (cilium) trâ (n. fluv.) aus brâwe, trâwe. End-
lich gehören hierher die häufigen interj. mit angehäng-
tem â, meiſtens imperative, ſelten im reim (doch Ben. 57-
wâfenâ: dâ) neinâ, heiâ-hei, ſnîâ-ſnî etc. — 4) Bei-
ſpiele des â in fremden wörtern (wohin eigentlich auch
wâr, verus, klâr, pâr zu rechnen: tërrâ (Georg 20a)
ſâlâmandrâ (Wig. 275.) creûſâ, ârâbiâ, âſiâ, bâche (bac-
chus) âche, cartâge, grâl, vâle (faille) parcivâl, curne-
wâl, zindâl, prôvënƷâl, gâles, âmer (ambra) âmen (ἀμὴν)
âdâm, barlaâm, âbrahâm, plân, gâwân, indiân, pellicân,
cunnewâre, arzât, trînitât, ſâlât, grânât, muſkât, tâvel,
âventiure, cûrâƷ etc. — 5) beſondere rückſicht verlangen
die â vor h. ch und ht; unſtreitig kann vor allen dieſen
ein organ. kurzes a eintreten, als: ſlahen (ferire) trahen
(lacrima) twahen (lavare) rahen (antennae, perticae) ahen
(aquae) aht (cura) naht (nox) maht (vis) braht (clamor)
mahte (potui) etc. deren zuſ. ziehung ſlân, twân erſt der
lange vocal gebührt. Stets langes â haben vor ſich fol-
gende: nâch (poſt, prope) gâch (praeceps) ſchâch (praeda)
ſprâche (loquela) râche (ultio) brâche (ager incultus) hâche
(n. pr.) wie ſich von ſelbſt verſteht die pl. praet. brâchen,
ſtâchen, ſprâchen, râchen; gâhen (praecipitare) genâhen
(propinquare) fâhen (capere) hâhen (ſuſpendere) ſmâhen
(vileſcere) ſâhen (viderunt) jâhen (aſſeruerunt) bâht (? Parc.
121c Frig. 21a) vâhten (dimicaverunt) flâhten (nexuerunt)
brâhten (attulerunt) gedâhten (cogitarunt) gâhten. nâhten.
[342]I. mittelhochdeutſche vocale.
Bedenklich ſcheinen: ſtâhel (chalybs) gemâhel (conjux)
die vielleicht kurzes a (und dann auch im alth. oben
ſ. 87. 89.) folglich im umlaut entw. ſtæhelin oder ſtehe-
lîn haben; für keins von beiden entſcheidet Nib. 7785
(wo der klingende verseinſchnitt mehelen oder mæheln
fordert) wie ſich aber aus dem organ. fahan. hahan ein
unleugbares fâhan. hâhan entwickelte, ſo kann der
gleiche fall bei ſtâhal, mâhal eintreten, (daß die zuſ.
ziehung ſtâl lautet, verſteht ſich, vgl. ſtâle: quâle Georg 9a).
Ferner brâhten, gedâhten ſcheinen der verführeriſchen
analogie vâhten, vlâhten zu folgen, da der pl. ſchw.
conj. das a nicht verlängert, auch mahten (poterant): be-
trahten reimt (Wig. 77.). Aber neben mahte (nicht mâhte)
begünſtigt die mittelh. ſprache ſelbſt den ſg. brâhte, dâhte;
part. brâht, gedâht, beide von braht (fragor) gedaht (tectus)
unterſcheidend, vgl. brâhte, gedâhte: nâhte, gâhte Wilh.
2, 73a Georg 2[8]b 37b Wig. 46. Ernſt 10a 38b 47b) brâht:
erdâht: verſmâht (Ben. 122.) wogegen naht: braht: gedaht
(Nib. 2749. 5813. 6647. 6979. 6989. 9599.) brahte: ahte
(troj. 179a) getrahte: gedahte (a. Heinr. 206b oder gedrâte:
gedâhte? vgl. kolocƷ. 58). In der weltchron. reimt Ru-
dolf tâht (ellychnium): naht, aber tâhten: brâhten.
Weniger reimungenauigkeit, als unſichere ausſprache
des kurzen a vor ht, vgl. das nord. â vor tt (ſtatt ht)
und vorhin (ſ. 334.) ëht ſtatt eht. Die bildungen auf
-ach (ſtûdach, albernach, troj. 4c Wilh. 2, 23a 27b) bekom-
men zuweilen langes â, vgl. dornâch: gâch (Parc. 69a);
über Wiruts reim ſach: gâch: nâch (59. 270) vgl. die
bemerkung zur conjug. des alth. ſëhan. — 6) auch in
andern fällen binden zuweilen genaue, häufiger ungenaue
reimer (wie Wirnt und Friberg) a auf â und bereiten
die allmählige vernichtung des unterſchieds zwiſchen
beiden vor. Zumahl geſchieht es vor liquiden in ein-
ſilbigen wörtern, als krâm: nam (Wilh. 2, 126a) hân:
man; man: getân: kapellân (Wilh. 2, 22b 41a 63b etc.
klage 119b 127a) erban: ſtân (M. S. 2, 161b) wâr:
gar (Parc. 14c) jâr, hâr, wâr: gar, war, ſchar, var (Wi-
gal. 47. 48. 51. 96. 107. 128. 161 etc.) ſchar: klâr (M. S.
2, 170a) parcivâl: wal (Parc. 44a) hâr: dar: gar (klage
123c 135b) die wörter ſân, tan (ſilva) plân, man, an,
hân, reimt Friberg, getân, hân, kan, man etc. Wirnt
hâufig aufeinander; dergleichen wäre bei Gotfried, Ru-
dolf, Conrad unerhört; faſt wundert mich, daß letzterer
(troj. 6b) wac ſt. wâc (wie 51a ſteht) gebraucht; zu emen-
dieren wüſte ich nicht und auch Wolfram reimt gelac:
[343]I. mittelhochdeutſche vocale.
wâc, mâc (Wilh. 2, 184b 195a). Seltner ſind dergl. in
klingendem reim, vgl. wânden: handen (Parc. 54c) haƷ-
Ʒen: mâƷen (Parc. 103c) twâlte: alte, gewalte (Karl 16a
Flore 52c). — 7) daß die ausſprache des â ſich mit ô
berührte, lehren einzelne reime, z. b. zwâre: ôre (Flore
3a) dôten: râten (ib. 19b) bâten: verſchrôten, lâƷen:
ſtôƷen, zôch: gâch, zôch: nâch, ſâƷen: grôƷen, lâƷen:
grôƷen, grôƷe: mâƷe, ſtôƷe: mâƷe (Lohengr. 76. 77.
81. 88. 105. 118. 127. 139.) ſchâch: doch (Tit.). Derglei-
chen erſcheinungen vervielfältigen ſich ſpäterhin, ſind
aber provinziell und beſtätigen gerade, daß die reine mit-
telh. ſprache beide doppellaute wohl unterſchied.
(EE) ê, ein wie im alth. ſeltner doppellaut, die
ſ. 90. 91. gegebenen belege dauern fort und laßen ſich
nur wenig vermehren; wohl aber bekommen viele fremde
wörter nach der allgemeinen regel, gedehntes ê; überall,
wo dem ê kein urſprüngliches w. h und r (ſ) voraus-
ſteht, kann man fremde wörter vermuthen. Hinzuzu-
fügen ſind 1) bêr *) (naſſa Georg. 14b M. S. 1, 83b) rêr
(ſtatus caducus) rêren (fundere, dejicere) **) blêren (ba-
lare, troj. 81a) gêre (lacinia veſtis) die nom. pr. gêſe,
nêſe, agnêſe (Ben. 168. 184.) inſofern ſie deutſchen ur-
ſprungs ***) 2) zuſ. ziehungen: ſtên (ſto, ſtare) gên (ire)
ſên (videre) vên (odiſſe) vlên (adulari) gêt (it) ſtêt (ſtat)
hêt (habuit) die part. getrêt, gewêt (f. getrëten, gewëten,
vgl. gâƷ f. gëƷen); bald entſpringt hier ê durch die
contraction, bald iſt es ſchon ohne ſie vorhanden, wie
in vlêhen, vêhen. Ebenſo beurtheile man die auslau-
tenden conjunctive gê, ſtê, geſchê; w iſt apocopiert
in: ê (lex) ſê (mare) ſnê. klê. rê (funus) lê. wê und
den praet. ſchrê, ſpê; r hingegen in ê (prius) mê; h in
ſê (videat) gevê (inimicus) zê (dig. ped.) rê (caprea),
woneben mit beibehaltner gutt. auch noch gevêch, rêch
vorkommt (über bêde unten beim ei). 3) beiſpiele des
ê in fremden wörtern: die buchſt. namen ê. tê (Eneit
12b Triſt. 104b) galêde (Wilh. 1, 86b) grêde (gradus) zêder
[344]I. mittelhochdeutſche vocale.
(cedrus) glêt (tugurium; ſlav. kljet, klijet *) krên (meer-
rettich, aus dem ſlav. chren) plânête. prôphête und ei-
gennamen wie: tiſpê, nôê, jëſſê, kundriê, ſâlâmandrê
(aus dem lat. pl. ſalamandrae, damahls ſalamandre ge-
ſchrieben) âbimêlêch, lâmêch, dâniêl, iſhrahêl, tîturêl,
ûriên, bêne, hellêne, ſirêne, millêne, terramêr, gîno-
vêre, ômêre, nâzarêt, machmêt, antrêt etc. 4) ungenaue
reime ſcheinen ſëhen: flêhen (M. S. 1, 52b; daſ. 50b lehrt
der ſtumpfe reim ſëhen: vêhen in ſên: vên berichtigen)
zëhene: lêhene (Wilh. 2, 167a, vielleicht zêne: [l]êne?)
doch darf der einfluß des h angeſchlagen werden, wie
denn auch M. S. 1, 4b etc. ſëhen: jëhen ausnahmsweiſe
klingend reimen, gleich als ſtünde ſêhen: jêhen (mehr
hiervon beim mittelniederd.); hërre und mërre (aus hê-
riro, mêriro oben ſ. 124.) büßen durch die gem. ihr ê
ein und reimen auf wërre, vërre; bisweilen aber noch
auf êr, als hërren: bêren (naſſis M. S. 2, 122b): kêren
(1. 188b); êrte, lêrte, kêrte: werte, herte (Parc. 51a 62c
Wilh. 2, 37b) vergleicht ſich den reimen ôrte: orte (her-
nach bei ô). — 5) noch bemerke ich. daß in alten eigen-
namen -gêr immer (ruodegêr, dietgêr, nôtgêr ſ. oben
ſ. 181.), -hêr meiſtentheils (walthêr, volchêr, gîſelhêr,
diethêr, reinhêr, gunthêr) auf langes ê (mêr, hêr, fêr)
reimt, letzteres zuweilen mit verluſt des tons länge ein-
zubüßen ſcheint vgl. Nib. 4989. 8521. gîſelher: mer, wer;
falls nicht -her gerade die urſprüngliche, ächte form iſt,
indem quellen des 6-9 jahrh. guntahari, theodahari, bër-
tehari (fränk. gundachari etc.) zeigen. Dagegen wern-
hêr: ſêr (Maria 58.) reinhêr, walthêr (Karl 45b 86b).
Die bloße bildungsendung -ære (ſperwære, viſchære) iſt
im mittelh. genau davon geſchieden, miſchung der laute
ê und æ ereignet ſich überaus ſelten (Georg. 22b 48a
hêre: ſwære; man beßere hêr: ſêr) unſeltner wohl des
ê und e, vgl. mêr: her (dat) Eruſt 10b 32a Karl 1b etc.)
hêre: mere (Ernſt 31a) vgl. oben ſ. 333. not. **.
(II) î. die verhältniſſe dieſes doppellauts ſind klar;
belege liefert zumahl die ſtarke conj., für welche die
unterſcheidung zwiſchen langem und kurzem i beſonders
wichtig wird; ſchrîbe iſt ſcribat; ſchribe ſcriberet und
wie viel andere wörter treten dadurch auseinander, z. b.
wide (vinculum ligneum) wîde (ſalix) wibe (texo) wîbe
(feminae) zil (punctum) zîle (linea) etc. Hier noch ei-
nige andere belege: tîch (piſcina) wîch gëben (locum
[345]I. mittelhochdeutſche vocale.
dare) geſchîde (? muſ. 1, 70.) blîde (hilariter) ſìvel (lae-
tus Wilh. 3, 399b) rîhe (pars ſuperior pedis) wîc gëben
(bellum inferre) bîl (actus quo fera capitur vel occiditur)
ſich geſìnen (? mehrmahls im Titurel) ſchît (lign. ſectam)
gîr (vultur) wîs (modus) etc. — Die auslautenden î ſind:
bî (praep.) blî (plumbum) brî (puls) vrî (liber) ſì (ſit)
ſî (ii, ea) etc. vgl. unten beim ic; drî (tres) trûtlî (cor-
culum) zwî (ramus); dem letzten iſt k. apocopiert, den
audern bald j bald w, bald n. vgl. die interj. fì, ahî. —
Beiſpiele des î in fremden wörtern: kàì, georî, tibî
(Georg 19a) centaurî, gurzgrî, ſpîcânardî, cupîde, wîde
(guido) arnîve, talfîn, rabbîn, îrlant, pîſe (piſum) pârîs,
georîs, hamît (ſepimentum) runzît, kurſît, ênîte, quît
(ſolutus) feirefîƷ, hardîƷ, âlîƷe etc. — Im praeſ. ſtarker
conj. erzeugt die contraction î in gît, kît, pflît, lît aus
gibet, quidet, pfliget, liget; dagegen verliert in den bil-
dùngsendungen — îc, -în, -lîch, -îƷ, das î mit dem
ton allmählich die länge und wird zu i oder auch ë.
Einigen reimt trëchtîn: ſîn, andern trëhten: vëhten; einigen
noch gevolgîc: wîc, andern geſellic: ſchellic; meiſtens noch
heidenîn: ſîn, zuweilen heidenin: gewin (beides Parc. 79a. b.)
vgl. den häufigen reim pſërt: wërt und den ſeltenen pfërît:
gît (M. S. 2, 146b). ſ. unten die ſechſte ſchlußbemer-
kung. — Miſchung des langen und kurzen i im reim iſt
höchſt ſelten, die ſcheinbare ausnahme drin neben drîn
(tribus) wirkliche dialectiſche verſchiedenheit (ſ. unten
decl. der zahlwörter). Und dem ungenauen reim in:
geſîn (Nib. 9287.) wird durch eine ältere lesart der bei-
den zeilen abgeholfen dem geſit: gît (Nib. 6229.) durch
das auch ſinngerechte gehît; geſmide (compes Wilb. 2,
100a) und geſmîde (opus affabre troj. 9c 30c) ſcheinen
verſchiedne wörter.
(OO) ô iſt das gemeinalth. ô, nicht das mundartiſche
(ſ. 95, 4.), lautet aber jetzo in œ (nicht ö) um. Es fin-
det ſich in deutſchen wörtern nur auslautend, ſodann
vor n. r; den ling. t. d. Ʒ. ſ und der ſpirans h welche
auslautend ch wird (nicht vor dem ch = goth. k, wel-
ches auch inlautend ch. bleibt) *). Belege ergeben ſich
nach dem alth., hier theils zuſätze, nähere angaben:
[346]I. mittelhochdeutſche vocale.
Rudolf in der weltchr. (kön. hſ. 29a) reimt ein
dunkles ôn: lôn, vielleicht das gr. ὢν (ens)? gewiß
deutſch iſt bôr (ſuperbia) Wilh. 2, 139a, dem auch das
umlautende erbœren (inſurgere) enbœren (efferre ſe) pa-
rallel ſteht, aber die ableitung von bërn, bar, geborn
würde ein kurzes o rechtfertigen und wirklich ſteht das
adv. enbor und ſubſt. urbor im reim: vor, hor, tor
(Triſt. 32b 38a troj. 9b 23b etc.); tôr (ſtultus); lôſen (frau-
dulenter agere); rôt (neutr. ferrum, catena Wilh. 1, 30b
vgl. 37b und troj. 1395. gerœtet, geſchmiedet) ſôt (Barl.
402. puteus, könnte aber auch aeſtus, qualm ſeyn, das goth.
ſáuds, θυσία, wobei Ulphilas wohl an brennen, ſieden
dachte; auf allen fall ſtammt ſôt von ſieden, fervere,
ebullire, und ſôt, puteus, angelſ. ſeadh, ſcheint eigent-
lich das warme waßer, worin man ſott) lôt (plumbum,
pondus) ſchôte (Georg 47a? recrementum, res abjecta,
vgl. das nord. ſkaud und goth. ſkáuda-ráip, elender
rieme, da im gr. ἱμὰς bloß ráip, lorum liegt; Boner.
81, 38. vielleicht ſchôter zu leſen?); die ſubſt. anebôƷ
(incus) lôƷ (ſors) genôƷ (comes) flôƷ (curſus aquae)
ſchôƷ (gremium) geſchôƷ (telum) dôƷ (ſonitus) klôƷ
(globus) kôƷ (garritus avium Ben. 152.) ſtôƷ (pulſus)
gôƷ (Triſt. 122c 124a junctura columnarum) trunkenbôƷe
(ebrius); die adj. grôƷ, blôƷ; kôſen (blandiri) rôſt
(craticula) flôch, pl. fluhen; zôch, pl. zugen; hôch, gen.
hôhes; lôch dat. lôhe (pratum, nemus) M. S. 2, 109b. —
Folgende auslaute: hô, lô mit apocopiertem h. für hôch,
lôch; ſtrô (ſtramen) drô (minae) vrô (laetus) rô (crudus)
mit apocopiertem w oder u für ſtrou oder ſtrouw etc.
wie ſich aus den umlautenden ableitungen ſtröuwen, vröu-
wen, dröuwen folgert. In ſô, alſô, ô, dô, zwô iſt der
dehulaut, wie oben ſ. 96, 5. zu erläutern, zuweiten zeigt
ſich ein ſolches ô noch in der endung -ôt, vgl. mâuôt:
tôt (Georg 37a): nôt (Wig. 13a) verſêrôt: nôt (Bit 97a) etc.,
desgl. -ôſt, trôſt: vorderôſt (Bit. 113a). In erdrôt (a.
Heinr. 205a): nôt; gedrôt: brôt (frîg. 8b) ſteht ô für ou
(gedrout, und dies f. gedrönwet). Sehr ſelten reimt das
auslautende ô auf uo, vgl. dô (tum): fruo (Nib. 7355.
Parc. 40b): zuo (Nib. 7311. klage 137b) und zwô:
zuo (Parc. 56a Wilh. 2, 155a) ſô: zuo (troj. 27a) gleich
als ob es duo, zwuo, ſuo gelautet hätte (gerade wie die
alth. ausnahmen, oben ſ. 96.) denn die annahme eines
übergangs der gegenreime in frô, zô wäre unhoch-
deutſch. — Beiſp. des ô in fremden wörtern: dôn (ſo-
nus) trôn (thronus) krône. ſône (n. fl.) përſône. patrône.
[347]I. mittelhochdeutſche vocale.
kôr (chorus) môr (maurus) rôſe. klôſe. glôſe. jûnô. plâtô.
hërôdes. îdôl. tintajôl. rôme. ſchîrôn. ſàlomôn. nâribôn.
antànôr. ſtôrîe. caſtôr. îſôt. gàlidrôt etc. — Miſchungen
des ô und o, nämlich reim beider auf einander geſtat-
ten ſich einzelne zumahl vor h (ch) und r (ſ. unten ie
vor denſelben conſ.) vgl. ênôch: noch (Wilh. 2, 138b)
ſpor: caſtôr (troj. 84a) gehôrte: borte (Parc. 9b 55c) por-
ten: hôrten (Wilh. 2, 44b) ort, wort: gehôrt (Parc. 2a 166b)
hôrten: orten: worten: ſtôrten (Parc. 196a Ben. 261.) vgl.
Ernſt 1a 3a 4a 6a 7a 9a 40b etc. Hier ſcheint überall lieber
ein kurzes o ſtatt des ô anzunehmen, da ſchon das goth.
áu vor h und r zu aú (alth. o) wurde und vielleicht
iſt auf dieſe weiſe das vorhin angeführte bôr, enbœren
in bor, enbören zu ändern, indem man die darauf rei-
menden kôr, hœren für kor, hören (hörn) gelten ließe.
Tadelhafter iſt Wirnts rôten (rubrum): geboten, (402.)
auffallend aber die ſelbſt durch gute reimer beſtätigte
unterſcheidung zwiſchen rôten (rubere Karl 116a Wilh.
2, 193a und roten (erubeſcere, troj. 79b 123b Parc. 49c 90b).
(UU) û, den ſich aus den alth. belegen ergebenden
wörtern füge man hinzu: hûbe (calantica) ſtrûben (hor-
rere, hirſutum eſſe) klûben (carpere) nûben (Tit. 1878?
nutare) blûc, blûges (timidus) rûch (hirſutus) ſlûch (uter)
ſtrûch (frutex) kûch (? M. S. 2, 238b) ſtûche (manica,
Gudr. 71b) ſtrûchen (titubare) ûfen (ſurgere) urgûl (aper,
Wittich 1606) grûle (horror, greuel) ſûmen (tardare)
lùne fortuna, temperamentum, laune) ſlûne (celeritas)
ſchûr (imber) getûren (durare) wûr (? Wilh. 2, 151a) grûs
(horror) rûſchen (ſtridere) tûſchen (commutare) bûſchen
(? [...]nrgere) bûwen (exſtruere) getrûwen (conſidere) drûƷ
(? Kelyn 209.) grûƷ (arena) lûƷen (latere) tûƷen (?moe-
rere). — Die auslaute ſind: bû (aediſicium) ſû (ſcropha)
mit apocopierung des w; rû (hirſutus) drû (vinculum)
hû (irriſio) vlû (rupes) mit apocopiertem h. und zwar
ſtehen die drei letzten für uoh (wovon hernach mehr)
wû (interj.) und klû (M. S. 1, 157b 2, 182a) ſind mir dun-
kel; dû und nû. — Beiſp. des û in fremden wörtern:
êſàû, tôberlû, pflûm (flumen) âvalûn, bârûne (barones)
jûne, neptûne, ſîgûne, gâlûnet, âmûr, punſûr, figûre,
nâtûre, mixtûre, artûs, jëſcûte, pôfûƷ etc. — Man merke
1) iu iſt umlaut des û, es nehmen aber auch organiſche
iu, d. h. die ſchon beſtanden, ehe der umlaut iu galt,
gleichſam durch rückumlaut, der hier fehlerhaft ſcheint,
das û an. So erkläre ich lûne aus dem alth. liuni (forte,
abl. eines ſubſt. liun?) und (das erſt im Tit. vorkom-
[348]I. mittelhochdeutſche vocale.
mende) ſlûne (woher unſer neuh. ſchleunig) aus dem
alth. ſliumo; in dieſen wurzeln wird man kein alth.
û treffen. Gleich unorganiſch macht liuhten (lucere) das
praet. lûhte (alth. liuhta ſt. liuhtita); bei dûhte (videba-
tur) zweifle ich, ob im alth. dûhta (wie ſ. 197. ſteht)
oder duhta ſtattfinde? Denn daß ein urſprüngliches kur-
zes u galt, weiſt das altn. þôtti (und nicht þûtti) frü-
her gewiß þotti. Aber wie des nord. tt. zeigt ſich auch
hier wieder die einwirkung des ht auf den vorausgehen-
den vocal und das ûht ſt. iuht oder uht vergleicht ſich
dem ſ. 334. beobachteten ëht, âht ſt. eht, aht. Die verwand-
lung des iu in û ereignet ſich ohne dazwiſchenkunft des b.
in den praet. rûte, dûte von riuten (exſtirpare) diuten
(explanare) vielleicht nach analogie von triuten (amare)
liuten (läuten), praet. trûte, lûte *), wo der rückumlaut
gerecht ſcheint, weil die wurzeln trût, lût haben. —
2) û entſpringt aus uo in den auelauten hû, vlû, drû,
vgl. oben ſ. 98. Für ſchuoch (calceus) finde ich weder
ſchuo noch ſchû, hingegen kuo (vacca) nicht kû noch
kuoch. Neben nû kommt (wie im alth.) bei einigen
dichtern nuo vor, im reim: zuo: fruo (Parc. 23a 70c
Wilh. 2, 14a 20b Georg 22a 41b Triſt. 1a 39c 89a etc. ſelt-
ner dû auf ein uo reimend, vgl. zuo: dû (Parc. 89a 179b
Wilh. 2, 67b Triſt. 27a); bei andern, z. b. Conrat, Hart-
mann etc. keins von beiden, ſondern nû ſtets auf dû
gereimt (Iw. 29c troj. 40c 41a) wohl aber du’n: ſun
(troj. 36c 49a) wie bei Wolfr. häufig ſun: tuon; vgl. un-
ten die reime uo: u. Bei dieſem ſchwanken wird man
reime wie ûf: ruof: ſchuof (Ernſt 8b 37a 44a) wenn nicht
rein, doch erträglich finden.
(AE) æ, umlaut des â, wonach ſich die belege von
ſelbſt ergeben; hier einige beiſpiele: wæge (utilis) træge
(tardus) wæhe (pulcher) zæhe (tenax) ſpæhe (ſapiens)
næhe (propinquus) hæle (lubricus) ænic (orbatus) ſëlt-
ſæue (rarus) volmæne (plenilunium) gevære (doloſus)
ſchære (forfex) jæric (annoſus) ſæte, næte, wæte gen.
von nât, ſât, wât, truhſæƷe, riſenmæƷe, ræƷe (acrimo-
nia) u. a. m. Fremde wörter können begreiſlich dieſes
æ nicht zeigen, außer ſolche, die ſo in deutſche form
umgegoßen ſind, daß ihr â umlautsfähigkeit erlangt.
[349]I. mittelhochdeutſche vocale.
Der fall iſt ſelten; ich finde criſtæne (Flore mehrmals:
wæne: ſeltſæne; alth. chriſtâni, Docen miſc. 1, 7.) und
brangæne (bei Gotfried; Vriberc 33a 39c hat aber pran-
gâne); im Parc. norwæge (16a 93c 160b 161c) beide letz-
tere ſetzen theoretiſch ein brangàn, norwâc voraus. die
ſich ſchwerlich nachweiſen laßen. Ohne umlaut bran-
gâne, norwâge anzunehmen, würde entw. die genauig-
keit des reims oder das frühe daſeyn des umlauts æ
überhaupt verdächtigen, inſofern nämlich wâne, ſëltſàne,
ſpàne geleſen werden müſte. Ob hærſenier, pfærît aus
hârſenier, pfàrît entſtehen, läßt ſich erſt nach aufhellung
ihres fremden urſprungs entſcheiden (vgl. oben ſ. 334. 345.
über pfërît und pſërt). Im Tit. lieſt man häufig væle
(defectus) neben dem unumgelauteten vâlen (roman. fal-
har, franz. faillir) neuh. fehlen; bei vînæger: unwæger
(Parc. 133c) kann wieder kein umlaut des â nachgewie-
ſen werden; ſollte aus roman. ai (in faille, vinaigre,
norvaige, brangain?) ein mittelh. æ, alſo ohne umlaut,
erwachſen? vgl. unten über iu in fremden wörtern. —
Ob in deutſchen wörtern zuweilen æ ſtatt e vor h und
ht ſtattfinde? entſcheidet ſich nach dem â oder a vor
dieſen lauten (ſ. 342.) vgl. æhte: gedæhte: bræhte (Parc.
128b M. S. 2, 20b).
(AI. AU) ai, au finden ſo wenig als im gemein. alth.
ſtatt, ſondern lauten ei und ou. Daß einzelne hſſ. ai
und au für dieſe, folglich auch ei für î ſchreiben (vgl.
Docen miſc. 1, 51-64. und Strickers Karl iſt nichts als
die vom copiſten eingeſchwärzte öſtreichiſch-bairiſche
volksausſprache. Niemand wird dieſe ai, au, ei der wah-
ren mundart Conrads beimeßen, in deſſen einer erzäh-
lung ſie geſchrieben ſtehen. Die reime beweiſen nichts
für ai, au, ei; ſie würden es, wenn irgend ein fremdes
wort mit beſtimmtem ai, au, ei einem deutſchen mit ei,
ou, î verbunden ſtünde, allein ich finde pâvei (pavia)
nanzei (nancejum): zwei, ſchrei reimend (Wilh. 2, 76b
196a) nicht auf ein bei ſtatt bì hingegen blâvî: bî (Wilh.
2, 7a 12a); ebenſowenig kai, êſau auf ein zwai, rau ſon-
dern kâî, êſâû auf ſî, nû. Bloß das gebe ich zu, daß
einzelne ou auf û reimen (ſ. unten beim ou) was ſich
in ein neuh. áu: aú aufzulöſen ſcheint; doch au für û
iſt weder gothiſch, noch alth. (mit ſeltenen ausnahmen,
oben ſ. 98. tauba f. tûba), wiewohl in jenen hſſ. zu fin-
den (vgl. Docen miſc. 1, 57. anƷ. auf ſt. ûƷ, ûf). —
(EI) ei, macht keinen anſtand und kommt häufig
vor, einige ſeltnere belege ſind: geweide (viſcera) vreide
[350]I. mittelhochdeutſche vocale.
(ſeceſſus) vreidic (transfuga) ſweime (motitatio) lancſei-
me (vix, aegre) leinen (inclinare) ſeine (tarde) leis, leiſe
(veſtigium) eiſe (horror) heiſe (raucus) weit (lividus) etc.
Ein ei weiſen zumahl die von ſtarken wurzeln auf î
abgeleiteten ſchwachen verba, vgl. ſchînen (videri) er-
ſcheinen (oſtendere) ſwînen (tabeſcere, conſumi) ſwei-
nen (conſumere) nîgen (flecti) neigen (flectere) zîhen,
wovon vielleicht zeigen *) etc. Man merke 1) der ans-
laut ei iſt ſelten, vgl. ei (ovum) zwei (duo) hei (interj)
gehei (? ardor) ſchrei (clamor) rei (M. S. 2, 79a) ſodann
die praet. ſchrei, ſpei, glei (garrivit) und ähnliche. Allein
dieſe praet. auf ei haben nur einige dichter (Wolfram,
Reinbot, Conrad), die übrigen gebrauchen, mit verwan-
deltem ei in ê, ſchrê und ſpê, was nach ſ. 90. ein apo-
copiertes h oder w vorausſetzt, daher auch für zwei oder
ei (ovum) nie ein mittelh. zwê, ê ſtattfindet. Wirnt
und Rudolf iſt beides, ſchrê und ſchrei gerecht (Wig.
181. 183. Bacl. 86. 118. 125. 204.) am ſeltenſten aber das
gleichfalls noch wolframiſche zeich f. zêch (Wilh. 2, 51a,
wo die änderung von verzeich in geſweich unnöthig).
2) das ſchwanken des inlautenden bêde und beide iſt theils
dialectiſch, theils mit der flexion zuſ. hängend (näheres
bei der flexion dieſes worts); leider (M. S. 2, 76b) für
lëder (corium) iſt zu tadeln. 3) wie ſich aus ei eig ent-
wickelt, umgekehrt aber eg vor lingualen zu ei wird,
unten beim g. 4) beiſpiele des ei in fremden wörtern:
pâvei, nanzei, turnei, keie, leie, feie (bei Wolfram und
Hartman; Conrad und Gotfried ſagen feine) marveile,
bëlrâpeire, tampenteire, bërteneis, wâleis, kurteis, tem-
peleiſe, fôreiſt, tſchôfreit, pûneiƷ etc.; es iſt hier über-
all wie ein deutſches ei auszuſprechen (vgl. unten oi)
franzeiſe: reiſe; kurteiſe: weiſe (Wilh. 2, 13b 47a) môrâ-
liteit: mueƷicheit (Triſt. 58a).
(EU) eu, ganz entbehrlich, aber in einzelnen hſſ.
ſowohl für iu als öu gebraucht; jenes wäre dann näher
in ëu, dieſes in eu (umlaut des au ſtatt ou) zu beſtim-
men, vgl. oben ſ. 102. 103.
(IE) ie entſpricht dem alth. ia und io, folglich dem
ſchon notkeriſchen ie und iſt ganz danach zu beurthei-
[351]I. mittelhochdeutſche vocale.
len, nur daß das (in den pſalmen vorkommende) tadel-
hafte ie ſtatt i im mittelh. unterbleibt, wiewohl es ſich
blicken läßt *). Dahin gehören die zumahl wolſrami-
ſchen reime ier (aravit) ſtier, tier, ſchier, hærſenier etc.
auf mir, dir, ir, gir, alſo der ausſprache nach ein mier,
dier, ier, gier vorausſetzend (M. S. 1, 184b Parc. 11c
189b Wilh. 2, 45a 104b 116b 131a 147b Wigal. 118. 401.
Weltchron. 261c M. S. 1, 148a. b. frîged. 3a 20c 21c) niht,
giht, geſiht: lieht Wilh. 223a, 34b 73b 145a Parc. 20a 22c
25a Nib. 2521. Wigal. 341. 381. 386. 400. vgl. Ernſt 25a
Wigam. 2a 3b etc. Maria 6. 7. 38. 71. etc. êneit 24e 26b) an
das niederd. niet erinnernd, wie denn auch lieht: riet
(M. S. 1, 9a) und niht: riet: ſciet (M. S. 2, 14a 187a rei-
men, endlich liep: ſip (Parc. 144b). Lauter ſtumpfe reime
und meiſtens mit h und r (ſ. oben ô vor h. r); kaum i: ie
in klingenden, doch M. S. 2, 84b triege: wige. — Aus-
lautende ie ſind: ie (unquam) nie (nunquam) hie (hîc)
wie (quomodo) knie (genu) die praet. lie, gie, vie, hie;
endlich die pron. die und ſie, welches letztere einige in
ſì verwandeln (nähere angaben beim pron.) ſeltner hie
in hî (Georg 32b: bî); von hie iſt r, von lie Ʒ, von den
drei andern praet. nc abgeſtoßen; vie (pecus) im reim
auf ſie ſteht für vihe oder vergleicht ſich dem obigen
niet f. niht. — Noch einige beiſpiele des diphth. in
unhäufigen wörtern: griebe (cremium) friedel (amaſius) **)
krieche (prunum) ſchiech und ſchiehe (ſugax) riech
(? Georg 31a) gief (ſtultus) hiefe (bacca cynosbati) griefe
(meiſterg. 33b) giege (fatuus) giel (faux) triel (M. S. 2,
77a) kiel (celox) ***) grien (arena, littus) ſiene (M. S.
2, 78a) kien (taeda) vienen (doloſe agere) verwieren (ob-
ryzare) ſlier (? Wilh. 1, 100b) bier (cereviſia) mies (mus-
cus) grieƷ (ſabulum). — In fremden wörtern entſpricht
ie dem roman. ie, iſt aber nicht mit dem accent auf e
wie das heutige franzöſ. iè (pièd, bière) ſondern wie
[352]I. mittelhochdeutſche vocale.
in den übrigen mittelh. wörtern auszuſprechen; bei-
ſpiele dâniel, ſier (ſuperbus) ſoldier, bëſchelier, âvenier,
ſurƷiere und ſo in allen infin. turnieren, vernôgieren
(renegare) etc. gahevieƷ, ſeitieƷ *). Auslautend wird
das fremde (niemahls das deutſche) ie ſtets zu îe, d. h.
zweiſilbig und klingreimend, vgl. ôbîe, turkîe, amîe,
cundrîe, lârîe, parmenîe etc. Aber auch in deutſchen
wörtern ſcheidet ſich ein zweiſilbiges îe überall von un-
ſerm diphth. ie, beide reimen nicht aufeinander; vgl.
bîe (apis) drîe (trias) ſnîe (ningor Georg 13b Tit. 2725.
3515. Wilh. 1, 23b; hiernach Wigal. 10978. ſine und
Gudr. 3444. ſnê in ſnîe zu berichtigen, vrîe (libera)
zwîe (ramo) klîe (furfur) glîen (garrire) bîen (apes)
ſchrîent (clamant) vîent (inimicus) u. a. m.
(IU), iu, ſeinem uriprunge nach mehrſach 1) das alte
organ. iu, außer dem praeſ. ſg. ind. und imp. einer ſtar-
ken conj. (biute, kiuſe, ſchiuƷe, fliuhet, fliuget etc.)
nur in wenigen, ungefähr folgenden wörtern: geziuc
(apparatus) beziugen (probare teſtibus) ſmiuge (M. S.
2. 73a) niune (novem) fiur (ignis) tiure (pretioſus) ge-
hiure (mitis) ſiure (acarus, atomus) ſchiure (horreum)
ſtiuren (adminiſtrare) liut (populus) diuten, tiuten (ex-
planare) biuƷ (talitrum troj. 116b) endlich die auslaute
ſpriu (palea) und bei ſpätern dichtern zuweilen ſchon
getriu ſt. getriuwe. Von dem inlautenden iuw (ſpriuwer,
getriuwe, niuwe, bliuwen, riuwen, kiuwen, briuwen
etc.) unten beim w. In allen übrigen fällen des organ.
iu gilt ie (wie im alth. ſchon ia. io, ie) und zwar pro-
greſſiv, indem einzelne formen, denen im alth. noch iu,
wenigſtens io, verblieb, es auch in ie verdünnen, vgl.
knie, tier, fliege, liep, liebe, diep, lieht, alth. knio,
tior, fliuga, liop, liubî, lioht (neben fiur, tiure, die
auch im alth. beſtändig iu zeigen) ſogar liegen (mentiri)
(ſ. die conjug.). Hat ſich noch in einzelnen ableitun-
gen das alte iu forterhalten, namentlich in liuhten (lu-
cere) neben lieht, ſchiuhet (veretur) neben ſchiech; ſo
erſcheinen auch dieſe fälle vermindert, und die alth. gi-
liuben (placere) firthiuben (clam auferre) lauten jetzo
gelieben, verdieben. 2) das unurſprüngliche, aber ſchon
im alth. vorhandene durch zuſ. ziehung erzeugte iu
dauert fort in hiu (caecidi) iu (vobis) iuch (vos) hiute
[353]I. mittelhochdeutſche vocale.
(hodie) hiure (hoc anno) friunt (amicus) zumahl in den
endungen des nom. ſg. fem. und pl. neutr. diu, ſiu,
vieriu, rîchiu etc. vgl. oben ſ. 108. 109. Der anlaut ju
darf mit iu nicht vermengt werden, in- und auslautend
findet kein ju mehr ſtatt, ſondern iſt in iu verwandelt.
3) ſehr häufig iſt iu das umgelautete û *) vgl. hiufen
(acervare) iufen (erigere) riuhen (aſperare) fiuhte (ma-
dor, alth. fûhtî) ſiule pl. von ſûl (columna) giule (Georg
36a) iule (noctua) griule (horror) kiule (clava) biule (ul-
cus) geliune (indoles) von lûne; hiune (gigas) ziunen
(ſepire) ſiure (acor) gemiure (murus) kiuſche (caſtus) ge-
tiuſche. gebiuſche. geriuſche. miuſe (mures) riuſe (naſſas
meiſterg. 31b) kriutel (herbula) triutel (amaſia) biutel
(pera) hiute, briute pl. von hût, brût, brût; kriuƷe (crux)
riuƷe (ruthenus) **). — So verſchiednen urſprung dieſe
dreierlei iu haben, reimen ſie gleichwohl untereinander,
floßen alſo in einer ausſprache zuſammen. Mit dem ü,
umlaut des kurzen u, werden ſie oft in ſchreibung,
nicht aber in reim und ausſprache vermiſcht; züge (tra-
heret) flüge (volaret) küre (eligeret) reimen nie auf
triuge (fallo) fliuge (volo) fiure (igni); ausnahme macht
der hin und wieder ſtehende reim friunde, friunden:
ſünde, ünden, künden (M. S. 1, 52a Ernſt 37b 39a mei-
ſterg. 15b livl. chron. 115b) während ſonſt friunde: niun-
de (M. S. 2, 146b und Tit.). Die verkürzung fründe
ſcheint neigung zur niederd. mundart. — In fremden
wörtern ſollte iu (nämlich der umlaut des û) ſo wenig
ſtattfinden, als æ (ſ. oben bei dieſem); indeſſen ſchwan-
ken dichter und wörter zwiſchen û oder iu vor der liq.
r. neben nâtûre, creatûre findet ſich âventiure, crea-
tiure, plâniure, als könnte hier die endung e umlaut
zeugen. câmahiu: driu (troj. 23b) ſcheint dem roman.
Z
[354]I. mittelhochdeutſche vocale.
camaheu nachgebildet, (in einer ſtelle bei Oberlin 27a
gâmabû: pû?). —
(OE) œ, umlaut des ô, wird in den hſſ (nicht wie
im nord. mit œ, wohl aber) mit ö verwechſelt, oder
auch gleich dieſem gar nicht bezeichnet. Die belege er-
geben ſich aus dem ô, hier einige: ſnœde, blœde, hœ-
hen, enpflœhen, ſchœne, hœne, lœne (mercedes) krœ-
nen, frœnen, hœren, tœren, ſtœren, rœren, trœren, bœſe,
lœſen, gekœſe, rœſen (laudibus extollere) œſen (exhau-
rire) tœten, nœte, rœte, lœten, gedœƷe, grœƷe etc. In
fremden wörtern nirgends, die deutſchgewordenen for-
men krœnen, kœre (chori) abgerechnet.
(OI) oi (oy) ein undeutſcher diphth., welcher nur in
romaniſchen wörtern beibehalten, zuweilen auch durch
ei ausgedrückt wird, vgl. Parc. 79a wâleis: kurteis, 80a
wâleiſe: berteneiſe, 92a kurteis, 110c punturteis; hinge-
gen 78c kurtois: bertenois, 76a franƷois, 65a pois: trois,
69a. b rois: pois und ſonſt wîgâlois (dreiſilbig) âvoi (zwei-
ſilb.) etc. Andere häufig im reim vorkommende bei-
ſpiele: troie, ſcoie, monƷoie, loie (? troj. 164b) gloie
(blumenname) boie (catena). Wenn das letzte wort deut-
ſchen urſprungs iſt, ſo haben es, wie allein der ausländi-
ſche diphth. darthut, die mittelh. dichter (ohne eine ver-
wandtſchaft mit bouc, bouges, armilla, annulus zu ahnen)
aus dem rom. boia überkommen (vgl. Du Cange v. boia)
M. S. 2, 255b ſteht beie Nib. 1089. peye, poye geſchrieben.
Man leſe nicht etwa bô-je, trô-je, ſondern diphthongiſch
troi-e, boi-e *), gerade wie in den einſilbigen pois, trois,
aber mit deutſcher betonung des vordern vocals, d. h. ói
(wie éi, íe) nicht nach franz. ſitte oí, eí, ié. Ausnahms-
weiſe finde ich Wilh. 2, 47a lôìs: prîs; Wilh. 3, 28b caſſ.
lôîſe: ſpîſe und Triſt. 2c lochnôis: gewis.
(OU) ganz das alth. aus früherm au ſtammende ou,
ſtehet auslautend, dann vor m, den lab. p. b. f. w, und
den gutt. k. g. ch, nicht vor n. r, den lingualen und
der ſpirans h, welche auslautend ebenfalls zu ch wird.
In allen letztern fällen gilt ô ſtatt ou. Bei dieſer unter-
ſcheidung zwiſchen ou und ô muß, was den auslaut ch
betrifft, deſſen doppelte natur erwogen werden, die
ganz der zweideutigkeit des alth. auslauts h (oben ſ. 100.
189.) entſpricht; ſtammt nämlich ch aus goth. k, ſo hat
es ou vor ſich, ſtammt es aus goth. h, ſo gilt ô; jenes
[355]I. mittelhochdeutſche vocale.
bleibt inlautend ch, dieſes wird wieder zu h. Folglich
heißt es rouch, rouches (fumus) louch, louches (allium)
nicht rôch, lôch; wohl aber flôch, flnhen (aufugit) hôch,
hôhes (altus) und nicht flouch, houch. Scheinbare aus-
nahme des grundſatzes, daß vor n und t kein ou ſtehe,
bilden die reime troun:droun (M. S. 1, 69b) drout:ge-
vrout (Parc. 37a Karl 65b) gevrout:beſtrout (Iw. 5b); der
erforderliche ſtumpfe reim veranlaßte die contraction der
klingenden wörter dröuwen und trûwen; ebenſo beur-
theile man die andern reime. — Hier die wichtigſten
beiſpiele des mittelh. ou, die praet, blou, brou, rou; tou
(ros); boum (arbor) troum (ſomnium) ſoum (ſarcina) toum
(vapor Karl 125a) zoum (frenum) ſtroum (fluentum, muſ.
1, 64.) goume (cura) oumet (gramen brevius) die praet.
kloup, ſchoup, ſtoup; loup (folium) roup (rapina) ſchoup
(faſciculus ſtram.) ſtoup (pulvis) urloup (licentia) toup
(ſenſu carens) gelouben (credere) houbet (caput) zouber
(praeſtigium) klouber (vinculum); die praet. trouf, ſlouf;
loufen (currere) konfen (emere) ſloufen (induere) roufen
(evellere) goufen (volis manibus) knouf (capitulum) houf
(acervus) touf (baptiſma) ſtoufære (nom. gentil.); belege
zu ouw unten beim w; die praet. flouc (volavit, verſch.
von flôch, fugit) ſouc, bouc, trouc, louc; bouc (armilla)
ouge (oculus) tougen (myſterium) lougen (inficiari); die
praet. rouch, krouch; ouch (etiam) gouch (cuculus, mo-
rio) louch (allium) rouch (fumus) chouch (bubo). —
Wichtig iſt es bei dieſem diphth. ou ſeine ſchon im
alth. (oben ſ, 98.) hervorbrechende, jetzt aber häufiger
werdende berührung mit û zu beobachten, die endlich
im neuh, völlige (wenigſtens äußerliche) vereinigung
beider laute nach ſich zog. Organiſch unterſcheiden ſich
û (uu) und ou durchaus, ſoum heißt onus, toup (hebes)
und haben mit tûbe (columba) verſûmen (negligere, alth.
farſùman K. 40a) nichts gemein; die ausſprache muſte aber
bald bei der neigung des u in den o laut einzelnes miſchen,
ſelbſt das angelſ. û und eá äußerlich noch beſtimmter
getrennt fallen im umlaut ŷ zuſammen. Die goth. báuan,
gatrauan erſcheinen im alth. als pûan, gitrûan (ebenſo
im nord. bûa, trûa), nirgends finde ich pauwan, pou-
wan, gitrauwan, gitrouwan; im mittelh. hingegen ne-
ben bûwen, getrûwen (? biuwen, getriuwen, ſ. unten
beim w) die form bouwen, getrouwen im reim: frou-
wen, ſchouwen, houwen (M. S. 1, 50a 94b 133a 184b
2, 43a 119a Gudr. häufig. Wilh. 1, 107b Georg 16a 26a
45b 58b) und ſelbſt im part. praet. gekouwen, geblouwen,
Z 2
[356]I. mittelhochdeutſche vocale.
gerouwen (Ben. 292. Gudr. 26b) vgl. unten die conjug.
Weiter, das organ. rûm (locus) wandelt ſich ausnahms-
weiſe in roum indem es auf troum, boum, goum reimt
(Parc. 1a 81b*) Ernſt 25b 32a 49a) verſûmen in verſou-
men:goumen (Ernſt 29b) roumen, ſoumen:troumen
(Wilh. 2, 87a); kûme in koume:zoume (Lohengr. 119.);
pflûm in pfloum:goum (weltchr. caſſ. 261a). Desgl. vor
labialen, trûbe in troube:gloube (Georg 28b) tûben in
touben:glouben (Georg 29b); hûben in houben:gelouben
(kolocz 175) **) ûf in ouf:louf, kouf, touf (Georg 14b
38a 42a 43b 56b Wilh. 1, 46a 71b 75b 78a 88a); umge-
kehrt aber das organ. houf (acervus, angelſ. heáp) in
hûfe***), houf haben noch Ernſt 22b meiſterg. 30c.
Endlich auch vor kehllauten wird organ. ſtrûch (offenſio)
zu ſtrouch:ouch (Lohengr. 88.) inſofern die abſtammung
von ſtrûchen (offendere troj. 82c) ſicher ſcheint, ſtrouch
freilich würde von ſtrûch (frutex) beßer abſtehen †).
Daß man alle angeführten reime ou:û ſo nehmen, nicht
in ein vermeintliches bairiſches au auflöſen müße, habe
ich oben ſ. 349. behauptet, und wenn Wolfram, Reinbot
etwan auf Baiern vermuthen ließen, weiſen die verfaßer
von Lohengr. Wilh. 1. oder Heinr. v. Mor. ſicher wo
[357]I. mittelhochdeutſche vocale.
anders hin. — In fremden wörtern kann ou unbeſchränkt
vor allen conſ. ſtehn, alſo auch vor lingualen, iſt jedoch
überhaupt ſelten, vgl. âƷagouc, rîchoude, hërƷeloude
(im Tit., im Parc. hërƷeloide?) biſchof (aus piſcouf muſte
ich oben ſ. 94. ein daneben gültiges piſcôf folgern) hat
jetzt kurzes o und reimt auf hof (klage 145a Nib. 2645.
6045. Georg 34b). Selbſt das deutſche ouch läßt ſich
zuweilen in och kürzen (:doch, noch, Parc. 1a 139c)
[vgl. Lachm. rec. der Nib. 185.]
(OEU. OEI.) öu, öi, umlaut des vorhergehenden ou
und nicht triphthongiſch; genau genommen ſollte man
öü ſchreiben, wie im nord. ey (eü) den umlaut des au
bezeichnet; manche hſſ. gebrauchen öi, was an das
alth. oi ſtatt ou (oben ſ. 109. note) und die vielen ver-
wechſelungen des u mit dem i mahnt. Noch andere,
in denen eu ſteht, ſetzen ein au ſt. ou voraus und ſoll-
ten ebenfalls eü haben, um es von ëu (= iu) zu un-
terſcheiden. Der gemeinen ausſprache ſind dieſe ſpal-
tungen doch zu fein; ich werde mich überall der ſchrei-
bung öu bedienen. Beiſpiele: göu (pagus) höu (foenum)
ſt. göuwe, höuwe (goth gavi, havi) ſöugen (lactare)
töugen (myſterium, für töugene, alth. touganî) *), toup,
betöuben; loup, pl. löuber, erzöugen, öugen (demon-
ſtrare) fröuwen (gaudere) ſtöuwen (obſiſtere) ſtröuwen
(ſpargere) dröuwen (minari) töuwen (mori) etc. **). Zu
merken 1) daß zuweilen der umlaut ausbleibt, vgl. er-
zougen (:lougen, ougen, tougen. Ben. 147.) 2) daß
wie û und ou ſich auch zuweilen die umlaute iu und
öu vermengen, vgl. erziugen und erzöugen (beide von
[358]I. mittelhochdeutſche vocale.
erzeigen verſchieden, vorhin ſ. 350.) und urliuge aus
urlöuge, urlauge entſpringend (ſ. 353.). Beiderlei um-
laute iu und öu (nord. ŷ und ey) laufen auch im an-
gelſ. ŷ zuſammen.
(UA) ua fehlt, daher es auch in fremden wörtern
nie diphthongiſch. ſondern zweiſilbig zu nehmen vgl.
rûâl:kurnewâl; rûâle:mâle (Triſt. 37b 38b).
(UO) uo, in den hſſ. gewöhnlich (mit übergeſchrieb-
nem o) ů, dem ich doch die alth. ſchreibung vorziehe,
weil man den raum über den buchſtaben beßer zu an-
dern zwecken verwendet; aus gleichem grunde ſetze
ich ie, iu, œ, ue, ou, wo die hſſ. meiſtens auch
überſchreiben; æ billigt ein jeder. Das überſchreiben
iſt dem uo zumahl ſchädlich geworden, da es alte, gute
hſſ. mit dem übergeſchriebnen ou verwechſeln (vgl. im
alten Tit. mouter, mouſe etc. f. muoter, muoſe) ein uner-
träglicher misbrauch, denn uo und ou berühren ſich im
hochd. nirgends, nicht einmahl in reimausnahmen (geruo-
wen, zerbluowen Nib. 3589. falſche lesart ſt. gerouwen,
zerblouwen, desgl. truowen Nib. 232. 640. f. trouwen). —
Der diphth. uo entſpricht dem alth. außer daß er in ue um-
lautet Beiſpiele ergibt zumahl der ablaut, hier genügen fol-
gende wenige: fluoch (maledictio) tuoch (pannus) ſuoche
(inquiſitio) bruoder (frater) ruoder (remus) luoder (eſca
piſcator) fuoder (vehes) muoder (veſtis) ruofen (clamare)
wuofen (ejulare) kuofe (dolium) gefuoge (apte) luogen
(aſpicere) luoc (ſpelunca) kruoc (urceus) erbe-phuoc
(? Triſt. 122a) pfluoc (aratrum) pfuol (palus) knole (fri-
gide) muome (amita) huon (gallina) uop (mos) muor
(palus) ruor (Friſch 2, 135b) ſnuor (nurus) buoſt? buoſte?
(lorum) huoſte (tuſſis) buoſen (ſinus) gruoſe (ſemen)
muoter (mater) fuoter (pabulum) fruot (ſapiens) luot
(? Parc. 161c Georg 15a) gruoƷ (ſalutatio) ruoƷ (fuligo)
etc. Die auslaute ſind: zuo (praep) fruo (mane) tuo
(faciat); zuweilen auch: kuo (vacca) nuo (jam) duo (tu)
duo (tum) druo (? fructus, folliculi frugum Georg 41b)
ruo (quies Wigam. 5a). — Bemerkungen 1) von berüh-
rung des uo mit ô und û oben bei letztern. 2) Wolf-
ram reimt ſtuont, ſtuonden:kunt, funt, wunt, funden,
gebunden (Parc. 44a 57a 85b 93a 101a 108a 111c 114b
143c Wilh. 2, 40b 88a 94a) tuont:kunt (Wilh. 2, 43b);
nie dergleichen bei Hartmann, Gotfried, Conrad etc.
ſelbſt andere, ſonſt minder ſtreng gereimte gedichte mei-
den es, namentlich Nibel. Georg und Wigal; alle bin-
[359]I. mittelhochdeutſche vocale.
den ſtuont nur mit ſuont (Wilh. 1, 129a) oder tuont
(Nib. mehrmahls, Georg 14b Wigal. 17. 54.) jenes kunt,
funt hingegen richtig mit ſtunt (momentum) alth. ſtunta.
Gleichhäufig gebraucht Wolfr. den reim tuon: ſun (Parc.
88c Wilh. 2, 11a etc.) der auch bei einigen andern vor-
kommt (M. S. 2, 129a Wigam. 4a Nib. 421. 1345. 3993
Ernſt 8b Maria 33. 109. 110. 170. etc. [überall aber ſteht ſun
in dieſer reimverbindung nur im nom. oder acc. nirgends
im dat. ſg.] Ferner fuoƷ:guƷ (Parc. 138b) gewuohs:fuhs
(Wilh. 2, 28a) wuoft:luſt (Lohengr. 110.) ſluogen:zugen
(Georg 13b) u. dgl. m. Was iſt nun aus dieſen beiſpielen
zu ſchließen? daß in der beſtimmten mundart kunt, ſunt,
wunt, funden, ſun, fuhs etc. zu kuont, fuont, fuonden,
ſuon, fuohs etc. verlängert? oder umgekehrt ſtuont, ſtuon-
den, tuon, gewuohs zu ſtunt, ſtunden, tun, gewuhs
verkürzt worden ſind? Für letzteres ſpricht, daß funt,
wunt, ſun nicht auf tuont, ſuont (reconciliat) huon,
ſuon (reconciliatio) gereimt vorkommen, auch die ver-
wandtſchaft von ſtunt (momentum) genuht (abundantia)
mit ſtandan, genuoc auf ſolchem wege gerechtfertigt
würde. Indeſſen heißen dieſe ſchon im alth. (wo keine
ähnliche verkürzung bemerkt wird) durchgehends ſtunta,
ginuht. Überwiegende gründe ſtreiten für die annahme
der verlängerung in uo, nämlich a) die analoge ver-
wandlung des i in ie. b) daß beſtändig tuont und nie
tunt gebraucht wird, c) daß das û der fremden wör-
ter bârûn, lâtûn, kahûn gleichfalls auf ſun ſowohl als
tuon reimt (Parc. 133c Wilh. 2, 179a 192a 197b) und
wohl ein bâruon etc. (bei den übergängen zwiſchen
û und uo) nicht aber ein bârun gebilligt werden kann
(vgl. oben ſ. 348. die übergänge des û in uo). Übrigens
iſt der einfluß der verbindungen ut. hs. ft auf die ver-
änderung des u nicht zu verkennen. 3) berührung zwi-
ſchen uo und ie zeigte ſchon das alth. (ſ. 103. note);
merkwürdig lautet das neuh. mieder im mittelh. muo-
der. — 4) in fremden wörtern eigentlich kein uo; ſchein-
bare ausnahmen wie almuoſen (:buoſen Maria 39. troj. 165c)
cardemuome (cardamomum):bluome (troj. 70c) pfruonde
(: tuonde) deuten auf längſt vor der mittelh. periode ein-
geführte wörter, deren fremdes ô ſich, ſobald man es
für organiſch zu halten anfieng, in uo verwandelte.
T. 33, 3. hat noch êlimôſina *) und ebenſo hätte rôſa,
[360]I. mittelhochdeutſche vocale.
krôna etc. im mittelh. zu ruoſe, kruone werden kön-
nen; der ſprachgeiſt ſchwankte und betrachtete das aus-
länd. wort bald als deutſchen ſtoff, bald als undeutſchen.
Das ganze beſtätigung meiner anſicht, daß alle hochd.
uo früherhin ô lauteten.
(UE) ue, umlaut des uo; beiſpiele: ueben (exercere)
hueve (ungulae) buege (armi) fuegen (aptare) muejen
(moleſtiam afferre) bluejen (florere) luejen (vociferare)
kuele (frigor) gruene (viridis) hueten (cuſtodire) grue-
Ʒen (ſalutare) etc. Bei contractionen und oft im ſchwa-
chen praet. rückumlaut, vgl. muon: erbluon (wilh. 2,
176b) — ue weder mit iu noch ü zu verwechſeln, ſo
häufig beides in ſchlechten hſſ. geſchieht; ü berührt ue
nur in den ſeltnen fällen, wo uo auf u reimt, vgl.
ſtuende:künde (Wilh. 2, 58b 62b 103a 131b). —
Auch hier läßt ſich verſchiednes allgemein faßen.
Beim l zu merken, daß es in ſehr ſeltnen fällen r
vertritt und durch n vertreten wird (oben ſ. 122.). Jenes
in kilche bei Walther, Nith. (1, 103a 105b 2, 72b) Amur 50;
alle hſſ. der Nib. und Maria 84. 101. 210. haben chirche.
Wechſel zwiſchen l und n findet ſich in knobelouch
(Barl. 265.) alth. chlobilouch und enelende f. ellende (cod.
pal. 361. 6[8]b 69c etc.) alth. elilendi. Neben ode, oder,
ſehr häufig alde (oben ſ. 123.) zwiſchen l und r nur in ei-
nig n ableitungsendungen abwechſelung, z. b. pfellel,
pfeller, vgl. friedel:lieder (M. S. 2, 78b). — Der auslaut
m hat ſich nicht nur längſt in allen flexionen (die dat.
ſg. ausgenommen) zu n geſchwächt, er thut es jetzt auch
oft in wurzeln bei Walther, Rud. Strick. Conrad etc. vgl.
hein, ohein: bein, ein, ſchein etc. (M. S. 1, 105a Karl
14b 39b troj. 112a 115c Frig. 21b Nib. nur 4020c) ruon:
tuon (Bit. 62b) lein:ſtein (Barl. 318.) lan:kan, arn:gevarn
(Reinfr. 16a 2 [...]d etc.) kan, nan:han, an (Boner 8. 26.)
nichts dergl. bei Veld. Herb. Wolfr. Hartm. Wirnt., Gotfr.
etc. Doch gilt auch jenen u nur als ausnahme im reim
d. h. theils reimen die ächten m daneben, theils ſtehen
dieſe außer dem reim, es ſey denn, daß gewiſſe zuſam-
menſetzungen (die nach ſ. 379. keinen inlaut erzielen)
ein ſolches n zeigen, vgl. heinlich, heinrich, heinmuot
heinmuete (die ganze form misgebriff ſtatt heimœte alth.
heimôdi, vgl ſ. [...]59. über ô und uo). Inlautend wird das
unorg. n wieder zu m, lein, leimes (nie leines) *) und
nur die ſpäteren Reinfr, Boner, etc. geſtatten es ſich vor t,
vgl. nint, kunt:ſint, ſtunt; den althergebrachten reim
künic:frünic (Wilh. 2, 21b Wigal. 16. Wigam. 26b) rechne
ich nicht dahin, vgl. Maria 186. Rother (mehrmahls)
Ben. z. Wig. p. 438. übrigens auch Nib. 507. frum:ſun;
man ſchreibe alſo frümic, wie Bit. 94a 130b grîmen:ſchî-
nen, heime:eine. Es iſt unleugbar, daß jene aus-
lautenden n der ausl. ten. ſt. med. und der einf. conſ.
ſt. der gem. parallel ſtehen, d. h. theoretiſch; nicht ganz
practiſch, weil beide letztere fälle als regel durchgreifen,
[387]I. mittelhochdeutſche conſonanten liquidae.
der auslaut n aber als bloß ausnahmsweiſer verſuch daſteht,
der, ſo begründet er geweſen iſt, in der ſprache nicht
durchdrang. Im neuh. hat ſich der org. auslaut aller
dreier fälle wiederhergeſtellt, es heißt aus gleichem
grunde gab, ſchwamm, heim, nimmer gap, ſchwam,
hein. Dieſe gleichheit und ungleichheit der drei fälle
beweiſt mir ihre unorganiſche natur. Anßerdem fol-
gere ich: m iſt ein lebendigerer, f inerer laut, als n,
wie die med. feiner ſind als die tenues; die verwand-
lung des m in n kann man zwar ſchwächung zugleich
auch vergröberung nennen. — Inlautend fällt n ſelten,
doch zuweilen fort, namentlich wird aus ſint (poſtea)
und përmint mit verlängertem i ſît, përmît; einige
brauchen ſint und ſît, andere nur eins von beiden, hänfig
iſt ſint Nib. klage, Bit. Gndr. etc. Allgemein gelten
honec und künic, künigîn, küniginne ſt. der alth. chu-
ning, chuninginna; dagegen pfenninc (nicht pfennic).
Die merkwürdige apocope des n vom inf. iſt thüringiſch
(ſ. das mittelniederd.) nicht rein mittelh., wohl aber die
unterdrückung des n bei inclin. wir. Davon, ſo wie
von einſchaltung des n in die II. pl. (nëment f. nëmet)
bei der conjug. — Vom ſchwankenden verhältniß
zwiſchen ſ und r in der ſtark. conj. vgl. oben 343
und unten beim ſ. Einige partikeln apocopieren r; all-
gemein dâ (ibi) wâ (ubi) hie (hîc) ſâ (illico) alth. dar, huar,
hiar, ſâr [man unterſcheide dar, illuc, war, quorſum, hër,
huc; alth. dara, huara, hëra]; mê (magis) nur gewöhnlich,
Wolfr. und andere ältere gebrauchen noch mêr. In der
zuſ. ſetzung iſt das r oft erhalten, vgl. dar-umbe, dar-
inne, hier-inne etc. bei dar- ſind noch unterſuchungen
nöthig, ob es in einzelnen fällen dâ oder dar bedeutet,
z. b. dar-zuo iſt offenbar das alth. thara-zua, dar-an
(ibidem) das alth. thar-ana *). — Die ſilbe er wird (im
ſ. galler Parc., ſeltner in andern hſſ.) bisweilen zu re
verkehrt, wenn im anrührenden unbetonten auslaut vo-
cal oder n und r vorherſtehen, an welche ſich die fol-
gende partikel anlehnt. vgl. dorebeiƷte (125c 131b) al-
hirechorn (139a) ſirechanten (187a) direbeiƷten (188c)
unrechant (149a) wirreſlagen (139a) errehôrte (145a) der-
rehôrte (46c) ërreſach (39a) errechant (126a) errebeiƷte
(52b) etc. ſt. dô erbeiƷte, ſì erchanden, alhie erchorn,
B b 2
[388]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
unerchant, wir erſlagen etc. Analog iſt die umkehrung
des en in ne, vgl. donewas ſt. dô enwas und die kür-
zung der ie, î, ô in i, o (oben ſ. 372.). Geht die an-
lehnung nicht an, z. b. lehnt ſich das vorſtehende wort
ſelbſt ſchon an ein früheres, ſo iſt die umkehrung un-
zuläßig, vgl. dener erwarp; dô reiter, er newiſte (Parc.
108a). In decl. flexionen wird eine ähnliche umſetzung
des er und en nachgewieſen werden, anderre f. anderer,
vanne f. vanen etc. — Ausgeworfen wird r vor l in
wëlt (:gëlt Barl. 96. 130. M. S. 1, 157a etc.) ältere (Wolfr.
Wirnt etc.) gebrauchen noch durchgängig wërlt (:ge-
bërlt M. S. 2. 233a Lohengr. 84. 191.); über went f. wel-
lent unten bei der anomalen conj. Noch härtern ausſtoß
des wurzelhaften m erlaubt ſich der dichter Reinfrieds,
welcher oft nën:gën (nëmen, gëben): dën (eum) und
kon (komen):von reimt; dergl. ſonſt höchſt ſelten, das
vorhin aus den Nib. angeführte frun (frumen) : ſun ab-
gerechnet. — Auf einen gegenſatz des m und n zum l
und r (inſofern dieſe liq. geminieren oder noch andere
conſ. auf ſie folgen) hätte ich ſchon beim alth. weiſen
ſollen; nämlich alsdann erhält ſich vor m und n das alte
u und i, nicht ſo vor l und r, das heißt es gibt in deut-
ſchen *) wörtern keine -omm, -onn, -omp, -ont,
-ëmm, -ënn, -ëmp, -ënt etc. ſondern nur -umm,
-unn, -ump, -unt, -imm, -inn, -imp, -int etc.; wohl
aber gibt es -orr, -orn, -ërr, -ërn etc. neben -urr,
-irr etc. Vor einfachen m und n drängt ſich das o und
ë gleichfalls ein.
liquide geminationen. (LL) organiſch, wenigſtens
alt, zum theil noch dunkel ſcheinen: all (omne) galle
(bilis) vallen (cadere) wallen (fervere) **) kallen (garrire)
prallen (vibrari) ſchallen (intonare) bal, balles (pila) balle
(muſculus pollicis) ſtal, ſtalles (ſtabulum) gëlle (pellex,
aemula) bewëllen (maculare) ſchëllen (tonare) hëllen
(ſonare) gëllen (clamare) ſwëllen (tumere) bëllen (latrare)
drëllen u. a. dergl. ſtarke verba; ſnël, ſnëlles, vël, vëlles
(cutis) villen (cutem caedere) ſtillen (pacare) billen
[389]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
(ſculpere) *) grille (grillus) knolle (globus) wolle (lana) vol,
volles (plenus) hirn-bolle (cranium) troll (daemon) n. ähnl.
(oben ſ. 335.) Unorganiſch ſind 1) aus li entſprungen:
ellen (robur) helle (tartarus) geſelle (conſors) ſtellen (po-
nere) wille (voluntas) welle (velim) hüllen (tegere) etc.
2) aus ld erweiſlich nôt-geſtalle (amicus, neceſſarius)
deſſen pl. auf gallen, allen, vallen reimt (Parc. 112b
Frig. 22b fr. belli 31b) bei Conrad aber (ſchwanr. 685.)
nôt-geſtalden:balden lautet (wurzel das goth. ſtaldan,
genauer folglich im mittelh. nôtgeſtalten). Recht merk-
würdig, weil ſchon im alth. nôtigiſtallo, nôtſtallo (O. IV.
16, 8. und Ludw. lied) gilt. Für nâlde, nolde (acus)
könnte zwar nolle eintreten, wenn nicht ſtatt jenes ſelbſt
das org. nâdel **) gemeinmittelh. form wäre. 3) zu wal,
walles vgl. das goth. waddjus und lat. vallum. — (MM)
organiſch: klimmen (ſcandere) limmen, brimmen (ru-
gire) krimmen (ungulis rapere) ſwimmen (natare) ſtam,
ſtammes (ſtipes) hamme (ſuffrago). Nachzuweiſen der
entſprung 1) aus mb (mp) in wamme (venter) lam, lam-
mes (agnus) kam, kammes (pecten) krum, krummes,
timmer (obſcurus) zimmer (ſtructura) klemmen (premere)
kummer (dolor) imme (examen apium); einzelne ſchwan-
ken, bei ältern dichtern ſteht gewöhnlich lamp-bes,
ſwamp-bes, krump-bes, kumber, timber, zimber und
auch bei den ſpätern noch tump-bes, ſtump-bes, umbe
etc. Früh aber ſchon wamme, kaum wambe. Für ambet
(alth. ambaht): verchlambet (a. Tit. 8.) gilt ſpäter theils
ampt, theils amt (:ſchamt, ſamt, zamt. M. S. 2, 148b 176a
und ſo Conr. Rudolf [Barl. 383. 384.] etc.). Für ſumber
(tympanum) habe ich nie ſummer gefunden. 2) aus mn
(nämlich m-n) ſtimme (vox) goth. ſtibna, alth.? ſtima-
na, ſtimna, ſtimpna (vgl. das ſächſ. hëbhan mit himil
oder das alth. hraban mit ſächſ. hrämn N. ram, rammes
und dem öſtr. ramm. Aehnlich ſammen (im Tit.) aus
ſamnen, verdammen aus damnen, im 12. jahrh. noch
ſampnon:dampnon ***). 3) aus einf. m:grim, grimmes
[390]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
(ſchon alth. überall mit mm) nord. grimr; vgl. gris-
grammen:enpflammen (troj. 92c) aber erſt im 13. jahrh.
entwickeln ſich die vorhin ſ. 384. angeführten immer,
himmel etc. 4) fremde wörter: amme, flamme, gimme,
ſumme etc. — (NN) alt und organiſch ſind: die ſtarken
verba brinnen, ſpinnen. gewinnen etc. ſpannen, bannen
(doch mit einf. werdendem n des praet., wie vorhin bei
vallen. wallen) tanne (abies) tan, tannes (ſilva) man,
mannes (vir) kinne (mentum) zinne (pinna) tinne (tem-
pus cap.) minne (amor) inne, brunne (fons) ſunne (ſol)
dünne (tenuis) tenne (area) trünne (agmen) ſpünne
(uber) etc. einige darunter dunkel; wanne wohl das
fremde vannus, auch pfanne (patella) obgleich alt, un-
deutſch? Unorganiſch 1) aus ni:henne (gallina) brünne
(lorica) künne (genus); vielleicht auch obige ſpünne,
trünne. 2) aus mn (m-n) nennen (goth. namnjan, alth.
nemnjen, nennjen, nennen, aber noch chinamno l. 351.
mittelh. genanne und genenne; ebenwohl wie vorhin
mm. aus mn. hätte die form nemmen erwachſen kön-
nen und iſt wirklich in einigen alth. quellen vorhanden.
3) aus nt, nd; nämlich pfenninc, das im alth. zwiſchen
pfentinc (gl. hrab) phending (T. 126.) phenning gl.
monſ. und T. 138.) und pending, penthing (O. III. 14,
182.) ſchwankt; vielleicht kanne aus cantharus? — (RR)
organiſch in den ſtarken verbis wërren (impedire) kër-
ren (grunnire) etc. in den ableitungen ſperren (claudere)
zerren (distrahere) lerren (vexare) geſchirre (ſupellex)
auch wohl in narre (ſtultus) ſnarren (ſtrepere) garren
(Vriberg 38b) barre (repagulum) ſnurren (ſonum tremu-
lum edere) ſtorre (truncus, Georg 15b Wig. 215.) nähere
aufklärungen vorbehaltlich. Unorganiſch 1) aus rs, als
irre (erroneus) dürre (torridus). 2) aus rn, vërre (pro-
cul) woneben ſehr ſelten vërne (:gërne M. S. 1, 53b) *)
hingegen allgemein ſtërne (ſtella), die ſchreibung ſtërre
iſt nicht rein mittelh. ſondern der mundart O. und T.
entſprechend, welche ſtërro ſagt; ſtrengalth. ſtërno (N.
[391]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
gl. monſ. etc.) altſ. ſtërro, angelſ. ſtëorra; nord. und
goth. ſtiarna, ſtaírnô. Auf alle ſolche gegenſätze ver-
dient für die geſchichte der dialecte ſehr geachtet zu
werden. Verwandt möchte aber virne (remotum? vetus)
mit vërre ſeyn, obwohl goth. bereits faírni von fairra
unterſchieden wird. 3) aus einf. r. harren (attendere)
ſtarren (oculos figere) ſcharren (radere) fofern das nord.
ſtara, hara, ſkara dafür beweiſes genug iſt, für türren
das goth. daúran. 4) durch ſyncope hërre aus hêriro,
mërre aus mêriro (Triſt. 10c Flore 55a. c). 5) fremde
wörter: pfarre, mirre, karre, pforre (porrum) etc. —
labialverbindungen, hier anders geordnet als ſ. 124.
125. a) die der liq. mit liq. ſind unbedenklich; LM.
halm (culmus) galm und gëlm (ſonitus) qualm (nex)
walm (fervor) hëlm (caſſis) melm (pulvis) ſchëlme (peſtis)
kein -ilm, -olm, -ulm. LN häufig aber ſtets unorga-
niſch, durch ſyncope des ſtummen e verurſacht, vgl.
maln, zaln, weln, hëln etc. von RL. gilt dasſelbe, es
findet ſich nur in den eigennamen arl, karl und in përle,
das im Tit. auf ſtërle (ſtellula) reimt. — RM. arm (bra-
chium, pauper) barm (ſinus) warm (calidus) harm (do-
lor) harm (mustela) darm (viſcus) ſwarm (examen) varm
(filix) marmels (ſopor troj. 79a) ſchërm (tutela) ſchirmen
(tueri) gehirmen (quieſcere) tirmen (im Tit. determinare)
ſturm (procella) wurm (vermis) murm, murmer (mur-
mur), kein deutſches -orm. RN. barn (infans) garn (fi-
lum) arnen (remunerari) warnen (advertere) gërne (li-
benter) ſtërne (ſtella) kërne (nucleus) lërnen (diſcere)
ſchërnen (illudere) hirne (cerebrum) ſtirne (frons) virne
(vetus) enkirnen (enucleare) dorn (ſpina) horn (cornu)
zorn (ira) korn (granum); außerdem viele, gleich dem
ln, aus ſyncope entſprungene, als varn, ſparn, bern,
bërn, geborn etc. Vom übergang des rn in rr bei die-
ſem. — b) ſteht liq. vor lab. ling. gutt.; ſo macht das
verhältniß der ten. und med. bedenken. Nämlich nach
der regel ſ. 377. iſt auslautend nur ten. zuläßig, die dop-
pelter art, bald organiſch, d. h. auch im inlaut blei-
bend, bald unorganiſch, d. h. inlautend in die med.
rückkehrend ſeyn wird. Hiernach gibt es alſo auslau-
tend nur lp. lt. lc. rp. rt. rc. mp. (kein mt. mc.) (kein np)
nt. nc und nie ein lb. ld. lg etc., das ſteht feſt, die be-
lege ergeben ſich aus den inlauten, man verwandle nur
jede liq. mit med. in auslautende liq mit ten. Die in-
laute für den lab. und gutt. laut beſtimmen ſich leicht,
[392]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
es ſind folgende: lb. rb. mb [kein lp. rp. mp *), weil
p. nicht inlautet] lg. rg. ng. lk. rk. nk (k und c ſind
von gleicher bedeutung, letzteres ſchreibe ich aber aus-,
erſteres inlautend). Belege. LB. ſalben (ungere) halben
(dimidium) alben (alpibus) kalbes (vituli) elbe (albis)
elbeƷ (cignus) gewelbe (camera) ſëlben (ipſum) kein
-ilb -olb -ulb. RB. darben (egere) garbe (manipulus)
erbe (heres) biderbe (integer) ſchërbe (fragmen) wërben.
verdërben. ſtërben. zirben (volutare) korbe (corbi) ſur-
ben (n. gentis) MB. vorhin ſ. 389. bei mm. angeführt.
LG. balge (folle) walgen (volutari) bëlgen (iraſci) folgen
(inquinare) volgen (ſequi). RG. argen (ignavum) kargen
(avarum) zarge (ſepimentum) bërgen (tueri) twërgen (nanis)
morgen (mane) ſorge (cura) worgen (premi) borgen (fide-
jubere) burgen (urbibus); Wolframs nur im auslaut vor-
kommendes kurc (manifeſtus ſt. küric acc. kurgen?) be-
ruht auf ſyncope; dunkel iſt mir frîmurc (Wilh. 1, 136a)
lurc (M. S. 2, 199b) könnte aber wie kurc f. lüric ſtehen
oder gehörts zu lërc (ſiniſter)? Über verge, ſcherge un-
ten beim j. NG. ange (anguſte) lange (longe) ſtrange
(fortiter) gange (eat) hange (pendeat) bangen (angi)
ſlange (ſerpens) ange (cardo) angel (hamus) zange (for-
ceps) wange (maxilla) ſange (manipulus) mange (ma-
china bell.) mangel (penuria) ſpange (fibula) mengen
(miſcere) pfrengen (arctare) dringen. ſingen. ſprin-
gen. lingen. twingen. bringen. ringen. dingen. ginge
(deſiderium) vinſterlingen (adv.) vinger (digitus) rin-
ger (levior) jungen (juvenem) zunge (lingua) ſtunge
(incitamentum) lunger (celer) hunger (fames) tunge (gra-
viter); kein ëng, ong. LK. balke (trabs) kalkes (calcis)
falke (falco) ſchalke (miniſtro) walken (verberare) mël-
ken (mulgere) folke (genti) tolke (interpres) wolken
(nubes) molken (ſerum). RK. arke (ciſta) ſarkes (ſar-
cophagi) barke (cymba) ſtarken (fortem) verterken
(obſcurare) merken (obſervare) wërke (opere) lërken (ſi-
niſtrum). NK. danken (gr. agere) wanken (titubare) van-
[393]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
ken (ſcintillis) kranken (aegrotum) franken (franci) blan-
ken (albis) lanke (latus) anker (anchora) enkel (talus)
ſchenkel (poples) benke (ſcamna) ſchenken (donare) ge-
lenke (articulus) trinken. hinken. ſinken. winken. pin-
ken (ſcintillare kolocz 278.) rinke (fibula) vinke (frin-
gilla) vlinke (ſquamula aeris ſplendentis) zinke (dens,
cornu) tunke (abyſſo) unke (ſerpenti) dünken (videri)
dunkel (obſc.) karfunkel. kunkel (colus). — Schwierig-
keit entſpringt bei dem zungenlaut; nach der theorie
ſollte, den auslaut t ſowohl für das goth. d als für þ
zugegeben, in jenem fall der mittelh. inlaut t bleiben,
in dieſem zur med. d werden, es folglich heißen alter
(alds) herte (hardus) ente (andeis) und balder (audax)
wërder (vaírþs) finden (finþan). Allein die mittelh.
mundart vermag nicht, was ſchon die alth. nicht mehr
vermochte (vgl. ſ. 160.); den zweiten theil der regel be-
achtet ſie genan und ſchreibt niemahls balter, wërter,
finten, hingegen drängen ſich häufig inlautende unorg.
d. ſtatt t nach l. ein, ſchreibung und reime ſchwanken
zwiſchen ld. lt; rd und rt unterſcheiden ſich in der re-
gel fortdauernd; nach n hat ſich d entſchieden feſtge-
ſetzt, es gilt in deutſcher labialverbindung faſt kein
inlaut nt*), Das nähere werden die belege geben; übri-
gens vgl. man das angelſ. ld für ld und lþ (ſ. 252.) ſo
wie das nord. rd für rd und rþ (ſ. 315.). LD. LT. α) or-
ganiſche ld, wofür nie lt: nâlde, (acus), nâlden:
ſâlden Herb. 44b gl. jun. 291., gewöhulich nâdel, ſtreng-
alth. nâdala, bei T. 106. nâlda) balde (mox) walde
(ſilva) halde (proclivitas) vëlde (campo) gevilde. mëlden
(prodere) wilde (ſilveſtris) golde (auro) tolde (cacumen
arb.) holden (carum) ſolde (ſtipendio) dulde (feſtivitatis)
hulde (favor) ſchulde (debita) dulden (pati); keine wahre
verbindung iſt in bilde (imago) helde (heroes) bevilde
(ſepultura) etc. aber auch in ihnen ld. nothwendig. β)
org. lt, abwechſelnd mit unorg. ld: alten (ſeneſcere)
erkalten (frigeſcere) halten. ſchalten. walten. valten.
ſpalten. ſpëlte (tabula) zwiſpilten (duplicare) gëlten.
ſchëlten. ſëlten. ſchilte (clypeo) milte (largus) molte
(terra). Das ausnahmsweiſe ld belegen folgende reime
[394]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
alde:balde, walde (Wilh. 2. 72b 182b) gewalde:balde (M.
S. 2, 37b) nôtgeſtalden:balden (ſchwanr. 685.) walde:walde
(Ben. 86.) ſchëlden:mëlden (M. S. 1, 136a) ſchëlde:vëlde
(Herb. 90d) ſchilde:wilde (M. S. 2, 29b 37b) milde:bilde
etc. ja gute hſſ. ſetzen außer dem reim überall ſchilde, ſchil-
des (Parc. 50a 52a a. Tit. 79.) im reim ſchilte:bevilte (Parc.
51c Wilh. 2, 41a Wig. 209.) anßer reim häufig aldeſte (ſenior)
neben elter und alter (aetas) Parc. 2a. b mildecheit (Parc. 3a)
etc. Den weibl. eigennamen auf -hilt gebührte inlau-
tend ein lt, ſie pflegen aber ld zu haben. (RD) wofür
nie rt: werdes (inſulae) ërde (terra) wërde (fiat) wër-
den (dignum) wirde (dignitas) orden (ordo) morden (oc-
cidere) norden (a ſeptentr.) hordes (theſauri) bürde
(onus). (RT) arten (indolem aſſumere) garte (hortus)
harte (duriter) bartes (barbae) warten (curare) zarten
(demulcere) marter (cruciatus) verte (itineris) gerte (virga)
ſcherten (inciſuram fac.) ſwërte (gladio) hirtes (cuſtodis)
wirtes (cauponis) orte (cuſpide) worte (verbo) pforte
(porta) hurte (ictu) furte (vado) geburte (genere) gürten
(cingere). In rd. ſchwankt art, artes (indoles) wofür
die beſten hſſ art, ardes, arde; im reim kommts mit
rd. nicht vor, weil kein gegenreim da iſt. (ND) ande
(inimicus) hande (manuum) landes (terrae) pfandes (pig-
noris) rande (margine) ſande (arenâ) ſchande (confuſio)
zanden (dentibus) enblanden. ander. glander (ardens)
genenden (audere) menden (gaudere) ende (finis) ſenden
(mittere) wenden (vertere) olbenden (camelis) ſwinde
(fortiter) geſinde (famulitium) kinde (infanti) hinde
(cerva) linde (molliter) linde (tilia) winde (vento) rinde
(cortex) vinden. winden. binden. ſlinden. hinder (retro)
ſinder (ſcoria M. S. 1, 184b angelſ. ſindor, engl. cinder)
hunde (cani) grunde (fundamento) ſtunde (horâ) ſunde
(peccatum) urkunde (teſtis) unde (infra) unde (unda)
wunde (vulnus) munde (ore) munder (alacer) wunder
(miraculum) beſunder (ſeorſim) ſchünden (incitare) kün-
den (not. facere) zünden (incendere) etc. weder ënde
noch onde. Alle dieſe nd. ſind theils org. theils unor-
ganiſch. Um einige nd ſteht es ganz beſonders; ich
habe oben ſ. 154. unter den ſpuren des verbliebenen org.
t. die wörter wintar (hiems) und mantal (pallium) über-
ſehen, das goth. vintrus, ſächſ. vinter, mentel, nord.
vëtur, möttul lehren, daß im alth. die formen winzar,
manzal conſequent (und dem phlanze ſächſ. plante etc.
analog) geweſen wären, durchgängig aber heißt es win-
tar. Auch im mittelh. iſt nun an kein winzer, manzel
[395]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
zu denken, die beſten hſſ. ſchreiben nt und den älte-
ſten dichtern taugen beide wörter zu keinem reim (aus
mangel an gegenreim). Allmählig aber ändert man auch
dieſe inlaute nt in nd und reimt winder:hinder, linder,
ſwinder (Georg 31b 33b 54b Ben. 161. M. S. 1, 83b 192b
2, 72a 84b) mandel:wandel, gemandelt:wandelt (M. S.
214a 225a). Außer reim ſteht Nib. 3018. a. Tit. 82.
winder geſchrieben. — c) verbindungen mit ſpiranten
und aſp. LW. RW. keine wahre verbindung, ſondern
l-w, r-w, kommt nur inlautend vor, z. b. ſwalwe,
valwe, varwe etc. LS. hals (collum) gelſe (meiſterg. 11b
laqueus?) vels (rupes, aus felis) bilſe (hyoſcyamus aus
biliſa). MS. bims, (pumex, alſo bimis) ſims (prominen-
tia) trims (?H. Damen 66a). NS. gans (anſer) vlans
(roſtrum) grans (prora) panſen, ranſen (Wilh. 2, 30a)
vlins (ſilex) zins (cenſus) linſe (lens) dinſen (trahere)
uns (nobis) runs (curſus). RS. fërſen (calx) kirſe (cera-
ſum) birſe (ancilla? fragm. 42b) wirs (pejus) ors (equus)
türſe (gigas). LH. RH. nur inlautend, wird ausl. zu lch. rch;
beiſpiele malhe (pera) walhe (itali) befëlhen (commendare)
ëlhen (alcibus) zwilhen, drilhen (du-triplicare) bedol-
hen (Lohengr. 62.); vërhes (vitae) twërhen (transverſum)
vorhte (timor) worhte (texebat) furhen (ſulcis); ſämt-
liche lh. rh. beruhen auf ſyncope (alth. malaha — furi-
hum). LF. LV, zweierlei, theils in- und auslautend lf.
hëlfen (juvare) gëlf (ſuperbia) wëlfe (catuli); theils ausl.
lf, inl. lv. zwelf, zwelve, einlef, einleve, wolf, wolves
(lupus) colve (clava) pulver (pulvis). MPF. ſt. des
ältern mf, mph; kampf (pugna) tampf (vapor) ſtempfen
(tundere) krempfen (contrahere) gelimpfen (convenire)
ſchimpf (jocus) rimpfen (ringi) ſtrumpf (tibiale) ſtumpf
(truncus). NF. NV. ebenſo theils in- und ausl.
als hanf, hanfes (cannabis) theils inl. nv, als fünve
(quinque). RF. (kein rv) in- und ausl. wërfen, warf.
ſcharf (acer) harfe (harpa) dorf (villa) bedürfen, bedarf,
ſchürfen (excudere); einige ſetzen pf in ſcharpf etc.
(vgl. die labiales). LZ. ſalz (ſal) ſmalz (butyrum) halz
(claudus) valz (lamina) walzen (volutari) hëlze (capulus)
këlzen (ſuperbire? M. S. 2, 58a) milze (ſplen) vilz (pan-
nus coactilie) ſtolz (ſuperbus) holz (lignum) bolz (ſa-
gitta) kolzen (caligae, alth. kâlizjun K. 51b). NZ. ganz
(integer) tanz (chorea) kranz (corona) glanz (ſplendens)
ſchranz (fiſſura) ſwanz (cauda) pflanze (planta) ſchanze
(chance) lanze (lance) kanz-wagen (genus vehiculi,
Friſch ſ. v.) minze (mentha) ſprinze, glinzen (Georg 35b)
[396]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
zinzel (M. S. 2, 80a) münze (moneta) unz (usque) lunze
(leaena) trunzûn (fruſtum). RZ. ſwarz (niger) harz (reſina)
ſnarz (emunctorium, meiſterg. 2a) mërze (martius) kërze
(candela) hërze (cor) ſmërze (dolor) ërz (aes) lërze (ſiniſtra)
ſtërzen (fallere) hirz (eervus) wirz (aroma) kurz (brevis)
wurz (herba) ſtürzen (praecipitari) ſchürzen (accingere)
lürzen (adulari). LCH. RCH. (kein nch) der ausl. des
vorhinangeführten inl. lh. rh, alſo walch (italus) ëlch,
ſchëlch (Nib. 3762.) befilch (commenda) march (equus)
ſtorch (ciconia) vërch, furch, durch (praep.) etc. Die
wahre aſp. ſteht nicht hinter l und r, ausnahmsweiſe
aber ſtatt der ten. z. b. ſchalch, ſtarch f. ſchalc, ſtarc
ſelbſt in reimen (ſ. unten gutt.) — d) verbindungen
dreier conſonanzen. NFT. ſt. des älteren mft: ſanfte
(ſuaviter) ranft (labrum) zunft (congregatio) kunſt (ad-
ventus) ſigenunft (victoria) vünfte (quintus). LST. gël-
ſter (veneficium) âgelſter (pica). NST. gænſterlîn (ſcintilla)
vinſter. gelinſter (Lohengr. 55.) kunſt. brunſt. runſt. ver-
nunſt. geſpunſt. verbunſt. RST. ërſt, hërſt ſt. êreſt, hêreſt.
virſt (culmen) vorſt (ſilva) borſt (ſeta) worſt (tricae. troj. 2a)
getorſte (audebat) durſt (ſitis) hurſt (nemus) fürſte (prin-
ceps) wurſt (farcimen) bürſte (pecten ſetaceus).
Für ten. und med. reichen die allgemeinen regeln
aus (über auswerfung des b unten in der ſchlußbem.);
bei darſtellung der aſp. zeigen ſich dieſelben ſchwierig-
keiten, wie im alth., die ganze lautreihe iſt verſchoben.
Nämlich unerachtet das goth. oder ſächſ. p conſequent
in die aſp. übertritt (wie t in z) ſo wird das org. b
nicht überall zu p (wie doch d zu t), ſondern p hat
faſt nur im auslaut ſtatt und b bleibt an- und inlautend.
Folglich kann nun b nicht, wie es ſollte (und wie d das
goth. þ vertritt) die goth. aſp. vertreten und hier bleibt
wieder die aſp. ſtehen. Es muß daher zweierlei aſp.
geben.
(W) da die ſchreiber die vocale u, iu, ou, uo, ue
häufig durch v, iv, ov, vo, ve bezeichneten, war ihnen
auch ſt. der alth. ſchreibung des ſpiranten uu ein unver-
ſchlungenes vv geläufig. Beßer unterſcheiden grammatik
und ausgaben durchgehends vocal von der conſonanz
und ziehen jene vv in w zuſammen. Ferner ſparen
die ſchreiber gerne vor w und nach w ein u, indem
ſie z. b. niwe ſetzen, wo offenbar (im klingreim) ninwe
ſtehen muß, oder wnne, ſwnge f. wunne, ſwunge.
Hat die ſ. 138-140. entwickelte anſicht grund, ſo muß
man ſie gleichwohl im mittelh. anfgeben und für alle
und jede w dieſelbe ausſprache, folglich ſchreibung an-
nehmen, wie denn auch nach ſ. t. z die bewährteſten
hſſ. w und kein u ſetzen.
geminationen. (PP) knappe (armiger) trappe (tarda)
erblappen (M. S. 2, 156a) ſnappen (inhiare) gippengap-
pen, hippenhappen (M. S. 2, 80b) kappe (capa) kappel
(ſacellum) pappel (populus) ſchapperûn. rappe (corvus
M. S. 2, 132a Barl. 265.) appet (abbas:gekappet Wilh.
3, 130a caſſ.) zeppel (diſcordia troj. 12a) rippe. gnippe
(M. S. 2, 71b) gippe (abundantia) ſwippe (flagellum)
krippe. ſippe. vipper (vipera) kipper (Georg 42b Bit. 84b
87b) philippe. âgrippe. hoppen:zoppen (Ben. 167.) ge-
lüppe. geſtüppe. wüppe. üppic. ſnüppic. Dieſes pp muß
befremden, da das inl. einfache p aufgegeben iſt, hat
aber verſchiednen urſprung 1) in ſippe, rippe, ſtüppe,
[406]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
wüppe etc. würde allerdings bb folgerechter ſeyn; hier
ſcheint ſich die ſtrengalth. ten. behauptet zu haben und
ebenſo werden wir beim kehllaut ck ſtatt gg finden.
2) in den fremden kappe, kappel, pappel, vipper ſteht
gem. ſtatt der einf. conſ. mit verkürztem vocal, alſo für
kâpe, vîper; zuweilen iſt die einf. geblieben, wie in
ſcbàpel (corona) doch in ſchappel ſchwankend. 3) wich-
tiger iſt ein ſchwanken zwiſchen pp. p und b in eini-
gen deutſchen wörtern. Offenbar bildet rappe, gen.
rappen bloße nebenform zu raben, gen. rabenes (eine
dritte ram, rammes vorhin ſ. 389.). Die ſ. 148. ange-
führten pideppen, inſueppen ſcheinen bedeben, enſwe-
ben zu lauten (N. 79. 6. pittepeſt, opprimis ſicher falſch,
vermuthlich pitepeſt. pitebeſt?) ich finde im Wittich
betept (opprimit): erhept und im Reinfr. vertept (immer-
ſus) auf ein gleichfalls dunkeles ept. (? vertopt: opt,
vertobet, obet) beidemahl mag pt aus bet entſtehen;
enſwebte, enſwebete (ſopivit) gewähren Nib. 7376; die
verwandtſchaft des altſ. ſwëbhan (ſomnus) iſt unverkenn-
bar. geteper (fraus?) troj. [...]0b: ſcheper (vellus) reimend
iſt entw. in getepper: ſchepper oder getæper:ſchæper zu
beßern, nachdem man ein alth. ſcappâri oder ſcâpâri
(Maria 114. ſchâpære, gl. herr. 187b ſchaper) annimmt.
Aus dem noch ungedruckten theil des troj. kr. bringt
Oberlin v. tapen einen reim auf wapen bei, man leſe
wiederum wappen:tappen oder wâpen:tâpen; wappen,
wâpen (armamentum) ſcheint ſchon im mittelh. von wâ-
fen (arma) verſchieden, [vgl. beide formen im Barl.
Wilh. 2, 73a. b. lieſt das münchn. fragm. beidemahl wap-
pen] urſprünglich ſind ſie dasſelbe wort und ſo dürfte
man auch ſchapper, ſchepper noch auf ſchâf (ovis) be-
ziehen, wiewohl ſich nie ſchâfâri, ſchæfære findet. Ein-
zelnes bedarf alſo noch beßerer aufklärung; ſo viel iſt
klar, daß in deutſchen wörtern das mittelh. pp auf ein
ſächſ. bb führt, das ſächſ. pp aber auf ein mittelh. pf. —
(BB) in keinem deutſchen wort, höchſtens in fremden,
z. b. rabbîne (rom. ravine) alſo für râvîne wie vipper
f. vîper und ein neuer beleg der nahen berührung des
b und v, da letzteres in der gemin. zweideutig gewor-
den wäre. — (FF) dieſe unorg. gemin. kommt häufig
und in den beſten hſſ. vor, jedesmahl, ſo oft ein aus-
lautendes (und zwar dem goth. ſächſ. nord. p entſpre-
chendes) f inlautet und kurzen voc. vor ſich hat, als
affe, klaffen, ſaffes, effinne, trëffen, ſchiffe, griffen,
offen, ſluffen, ſlüffe etc. Von ſeinem ſchwanken in pf
[407]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
vorhin ſ. 398. Fremde wörter haben es ſt. p oder ph,
vgl. pfëffer (piper) gaffer (ſt. gâfer) d. i. caphora, cam-
phora, ſaffer (ſaphyrus) etc. — v und w geminieren nicht.
labialverbindungen; anlautende: pl. pr (nur in frem-
den wörtern) bl. br (häufig) pfl. pfr. pfn*) nur pfnaſt
(fremitus Parc. 138b) pfnâſen (Wilh. 1, 94b) pfnuſt (ſin-
gultus) pfnurren (Oberlin h. v.) fl. fr (oder vl. vr) kein
wl. wr. Das pſ. fremder wörter gleichfalls in ſ. verein-
facht. — In- und auslautende (fſ) chefſe, refſen (Barl.)
trëfs (zizania) auch wohl lëfſe und wëfſe, welche ſelten
vorkommen (lëfſe:kefſe Wilh. 3, 147b caſſ.) — (ft) af-
ter. graft (foſſa) haft. ſchaft (haſta) geſchaft. kraft. fri-
untſcaft. ſtift. trift. begrift (complexus Parc. 97c) inwift
(favus. Lohengr. 191.) gift. niftel. oft. louft (curſus)
luft. tuft. gruft oder kruft (Parc. 111b troj. 44a) guft
(ſuperbia) kluſt. ruoft. wuoft (clamor) ſiuften (ingemiſ-
cere). Hierbei zu merken 1) ft. entſpringt theils aus
wurzelhaftem f (ſchaft, grift, louft, wuoft, ruoft aus
ſchaffen, grîfen, loufen, wuofen, ruofen) theils aus b
(ſchrift, wift, trift, gift, kluft aus ſchrîben, wëben,
trîben, gëben, klieben) theils aus v (vgl. niftel mit
nëve, zwelfte mit zwelve). In beiden letztern fällen
ſteht alſo f unorganiſch, gerade wie das nord. pt. un-
organiſch für ft (ſ. 313. 314). Einzelne wörter laßen
noch unentſchieden, ob ihrer wurzel f oder b gebühre,
z. b. luft, tuft, ſtift. 2) einzelne ſchwanken der zeit
und dem dialect nach zwiſchen f und ft. Alth. galt
allgemein -ſcaf, ſcaffi und ſo noch im 12. jahrh. -ſcaf,
ſceffe, im 13. jahrh. reinmittelh. allgemein -ſchaft,
ſchefte (nur die ans niederd. grenzenden, wie Herbort,
haben noch riterſchaf, geſelleſchaf:traf); hingegen gilt
durchaus ſaf ſt. des neuh. ſaft. Wolfr. Reinbot etc.
ſagen louft (Parc. 176b 177a Wilh. 2, 195a Georg 46a)
Conrad aber noch louf (troj. 89c 161c ſchwanr. 955);
wuoft:ruoft Triſt. 39c wuofte Wilh. 1, 19b ruft, wuft:
luft Lohengr. 110. Docen miſc. 1, 123; Wolfr. braucht
aber ruof (Wilh. 2, 9b 31b) ebenſo Conrad, Nib. Klage
u. Bit. haben wuof, ruof. Für guft zeigt ſich Nib.
6230. (ſ. gall.) guf und wif (M. S. 2, 71b tela, ſodann
adumbratio, conceptio) ſcheint einerlei mit wift. 3)
[408]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
nft, früher mft, ſind vorhin ſ. 396. angeführt, von ihrer
berührung mit nſt (vernunft vernunſt; brunft, brunſt)
und der ft mit ht in der wortbildungslehre. Hierher
gehört noch die wah nehmung wieder einer dialecti-
ſchen verſchiedenheit. Statt des gewöhnlichen ſigenunft,
-nünfte (auf kunft reimend M. S. 2, 133a Barl. 59. 66 etc.)
verſtattet ſich Conrad ſigenuft, -nüfte und reimt auf
luft (troj. 29c ebenſo Lohengr. 93. 100.) ſchon im alth.
beſtehen farnumft, farnuft (und farnunſt) teilnumft und
teilnuft nebeneinander.
(T. D) die verhältniſſe fließen aus den vorange-
ſchickten allg. regeln. Folgendes nähere iſt zu merken
1) die ſtarken ſtämme îd und ied dem goth. eiþ, iuþ
entſprechend) verändern d in t nicht bloß nach allg.
grundſatz auslautend (im praet. ſneit und imp. ſnît) ſon-
dern auch inlautend, ſobald ſie im ablaut kurzen vo-
cal bekommen. Alſo eine ausnahme der ſ. 378. gegebe-
nen regel, daß unorg auslaute t inlautend wieder zu d
würden. Beiſpiele ſnîden, ſnîdet; ſneit, ſnite, ſniten,
geſniten; ebenſo lîden, mîden; ſieden, ſindet; ſôt, ſüte,
ſuten, geſoten und nicht ſuide, ſniden, ſüde, ſuden,
geſoden, da doch im goth. þ unverrückt bleibt, ſneiþan,
ſneiþiþ, ſnáiþ, ſniþ[u]n. Dieſe merkwürdige (und ſchon
im alth. allgemein geltende) anomalie ſtimmt ganz zu
dem ſ. 252. angezeigten wechſel des angelſ. dh und d
in ſnîdhan, ſnidon, ſëodhan, ſudon; bei wërden, wur-
den, worden (nicht wurten, worten) hat ſie ſich ver-
wiſcht, vgl. oben ſ. 160. und unten bei der alth. conj.
die erwägung, ob der wechſel noch für andere verba an-
zunehmen ſey. Andere verba, wie laden, luot, luoden,
ſcheiden, ſchiet, ſchieden etc. ſind ihm nirgends ausge-
ſetzt. — 2) bei inclinationen pflegt d. (zumahl wenn es
an einen auslaut ſ. ſtößt, oben 381.) in t. überzugehen,
als wiltu, muoſtu, biſtu, liſtu (lege) daƷtu (? daſtn)
für daƷ dû, dëſtu für dës dû (Barl. 9, 34.) und dëſte ſt.
dësdiu mit folgendem compar. Im 10ten jahrh. galt
noch dës-dè (W. 5, 9.), das in mittelh. hſſ. vorkom-
mende dëſter f. dëſte verdient tadel. 3) dafür daß t
das org. d im auslaute verdrängt, pflegt es inlautend
nach l. m und zumahl n von d. verdrängt zu werden,
wie ſchon vorhin (ſ. 393.) bei den verhindungen ld. nd.
gezeigt wurde. Dieſe neigung zur inlautenden med. of-
fenbart ſich allgemein auch außer eigentlicher verbin-
[409]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
dung der ling. mit dem vorſtehenden l. n (dem m ver-
bindet ſie ſich nicht) ſobald durch ſyncope eines vocals
ein t der flexion das l. m. n. der wurzel berührt; haupt-
fall iſt der des ſchwachen praet. Mit dem unterſchiede,
daß in eigentlicher verbindung der inlaut nt nothwen-
dig zu nd wird, außer eigentlicher verbindung hinge-
gen nt und nd gleichgelten, z. b. kante, kande (cogno-
vit) und gleichergeſtalt rûmte, rûmde (exceſſit) wolte,
wolde, bevilte, bevilde. Unter dieſer beſtimmung ſtelle
man mit Lachmann (rec der Nib. 212.) die regel: daß
nach l. m. n. jedes (inlautende) t gegen d vertauſcht
werden dürfe, aber nicht umgekehrt (kein d gegen t;
für wilde, ander kann es nie heißen wilte, anter). —
4) bei dem worte zan (dens) iſt der lingualauslaut ſtän-
dig apocopiert (ſ. 159.), inlautend aber dialectiſches
ſchwanken. Die meiſten (Wolfr. Gotfr. Conr.) machen
den pl. zene, dat. zenen; einige zane, dat. zanen (Herb.
21c. d 37c) einige zende, dat. zenden (M. S. 2, 81b 222a
Morolf 44b 45b 49a Mai 175.) einige mit rückumlaut
dat. zanden (M. S. 2, 131b klage 1884.) vgl. unten die
decl. Für vâſàn (phaſianus) Parc. 69a Wilh. 2, 61a Bit,
71b (:vân) ſetzen andere vâſant, vâſandes (Georg 22a Or-
lenz mihi 11111. M. S. 2, 192a 244a Friberg 9a 25b) vgl.
das franz. faiſan und faiſand; ebenhierher kann man
triſtan, triſtandes, triſtran, triſtrandes, triſtant (:hant Frib.
16a) zählen, das f. triſtram, wie prîant (troj. 180b:geſant)
für prîam zu ſtehen ſcheint, doch hat Conr. neben prîant
weder prîan noch prîam, aber die volle form prîamus
häufig. In deutſchen wörtern mit ausnahme jenes zan
iſt die auswerſung des wurzelhaften zungenlauts nach
n unerhört. — 5) höchſt ſelten wird von ſt das t apo-
copiert; doch finde ich Wilh. 3, 160b caſſ. gebras (f. ge-
braſt): was, hâs f. hâſt (Herb. : âs, êneâs) lîs f. lîſt (ja-
ces, Herb. : prîs) welches an das niederd. is f. iſt (Mo-
rolf 51a 57b:gewis) erinnert, vgl. bei der anom. conj.
das ſchwankende praet. muoſe und muoſte, wiſſe und
wiſte. In den zuſ. ſetzungen luſſam, maſboum und
laſſtein ſcheint ſſ. durch aſſimilation aus luſtſam,
maſtboum, laſtſtein hervorzugehen (ſ. indeſſen ſ. 416.
über las). In ſolchem fall muß aber wie bei eigentli-
cher gem. kurzer voc. vorſtehen, d. h. aus gruoƷſal
wird kein gruoſſal. — 6) inlautende t und d pflegen
häufig auszufallen, wenn ein t der flexion nachfolgt;
mit ihnen wird ſodann jedesmahl das zwiſchenliegende
tonloſe e ſyncopiert, vgl. ſchat f. ſchadet (M. S. 1, 106a)
[410]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
geſmit:gewit f. geſmidet, gewidet (Wilh. 2, 178b) trit f.
tritet (Frig. 12c:lit) geſmit f. geſmidet (:lit Lohengr. 135.)
bit f. bitet (troj. 161c : geſit oder iſt geſite und der conj.
bite, roget zu ſetzen? vgl. a. Heinr. 197a) rît f. rîtet
(:ſchît fragm. 28b) mît:rît ſt. mîdet, rîtet (Iw. 45b giſſ.)
gekleit f. gekleidet, ermort f. ermordet, geſchant f. ge-
ſchendet etc. Hauptfall iſt der des ſchwachen praet. (ſ.
die conjug.). Dem reim nützen ſolche ſyncopen, indem
ſie die verſchiedenheit zwiſchen d und t ausgleichen.
Daß der vorausgehende kurze vocal dadurch nicht ver-
längert wird, zeigen die belege, es heißt nicht ſchât,
trît, bît und das iſt merkwürdig, weil ſyncopen des lip-
pen- und kehllauts in analogem fall eine ſolche verlän-
gerung nach ſich ziehen (gît f. gibt, lît f. ligt). Gleich-
wohl macht eine (ſchon ſ. 345. angeführte) ausnahme
kît f. quidet, welches M. S. 1, 45b auf lît reimt; hier
ſcheint die zuſ. ziehung alt und nothwendig. Denn
nothwendig iſt ſie ſonſt nicht überall, es darf eben-
wohl ſchadet, ſmidet, mîdet, rîtet etc. heißen und
heißt ſelbſt lieber ſo; nur im ſchwachen praet. wird
ſie es oft (ſ. die conjug.) — In ſëdel (ſedes) f. ſëƷƷel
erſcheint die ſpur einer uralten media (oben ſ. 217.) ver-
gleichbar wären winder und mandel (ſ. 394.), die doch
anders entſpringen, ſëdal aber heißt es auch im alth.
(TH) unmittelhochdeutſch, höchſtens in fremden
namen (thêôphilûs, thêôdâs, îther) vorkommend; zuſ.
ſtoß des t und h aus zwei verſchiednen ſilben wirkt
kein wahres th (diethêr, walthêr, d. i. diet-hêr, vgl.
ſ. 344.).
(Z) fortwährend zwei ſtufen des ziſchlauts (ſ. 162.
163.) obſchon ſie die hſſ. an ſich nicht unterſcheiden.
Vorerſt aber lehren es die reime, denn auf ërz (aes)
wäre ërƷ (ër ëƷ) auf ſalz (ſal) halƷ (hal ëƷ) unzuläßig;
wogegen hirƷ (cervus) richtig auf irƷ, mirƷ, (mir ëƷ)
reimt (Barl. 256. Wigal. 208. Georg 32a); ferner reimen
niemahls ſchaz:vaƷ, ſiz:biƷ etc. Sodann lehrt es die
aus dem z, nicht Ʒ entſpringende ſchreibung tz. End-
lich beſtätigt den unterſchied das in guten und alten
hſſ. zuweilen für z (nicht für Ʒ), wenn e, ë, i folgen,
geſchriebene c, als hërce, wurcel, ce, cît (vgl. tumbi-
cen deſipere gl. herr. 199a) etc. In deutſchen wörtern
muß man dies c völlig aufgeben, in fremden (parcivâl,
halcîbier) mag es eher bleiben; ſchicklicher ſchiene z
auch da. — Die ſ. 165. geſtellte regel leidet im ganzen
noch anwendung, nämlich
(S) zur überſicht hier eine zuſ. ſtellung der deut-
ſchen wörter, welche die einfache ſpirans behalten:
gras (gramen) glas (vitrum) twas (fatuus) baſe (amita)
haſe (lepus) naſe (naſus) waſe (ceſpes) vaſe (radix) haſel
(corylus) vaſel (ſoboles) traſen (currere, fragm. 24b) ma-
ſer (tuber in ligno) eſel (aſinus) lëſen. wëſen. genëſen.
vëſe (ptiſana, aus dieſem fremden wort?) bëſme (ſco-
pae) wiſe (pratum) riſe (gigas) diſen (hunc) kiſel (cal-
culus) zwiſel (furca) wiſent (bubalus) mos (muſcus) hoſe
(bracca) loſen (audire) pfoſe (marſupium) ſus (ita) üſele
[416]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
(favilla) krüſelîn (urceolus Wilh. 2. 85b) âs (cadaver) mâſe
(cicatrix) blâſen (flare) pfnâſen (idem) râſen (delirare, wohl
mehr niederd. Morolf. 50a 64a) kæſe (caſeus) îs (glacies)
rîs (virgultum) grîs (canus) wîſe (ſapiens) ſpîſe (cibus)
lîſe (leniter) bîſe (aquilo) zîſe (regulus) wîſel (index)
îſen (ferrum) brîſen (nectere) rîſen (cadere) prîſen (lau-
dare) gîſel (obſes) lôs (liber) rôſe (roſa) kôſen (blaudiri)
bœſe (pravus) œſen (vaſtare) rœſen (laudare) hûs (do-
mus) lûs (pedic.) mûs (mus) ſûs (ſtridor) grûs (horror)
tûſent (mille) riuſe (rete) eiſe (timor, aus egiſe) leis,
leiſe (veſtigium) reiſe (iter) freiſe (periculum) heiſe (rau-
cus) meiſe (parus) weiſe (orphanus) weiſen (gula) deiſme
(fermentum) neiſen (perdere, meiſterg. 11a 43a 47b) kie-
ſen. nieſen. verlieſen. frieſen. frieſe (friſo) mies (muſcus)
buoſen (ſinus) druoſe (glandula) gruoſe (ſemen); nicht
hierher gehören was (acer) ros (equus) kus (oſculum)
gewis (certus) deren inlaut ſſ. bekommt, zweifelhaft
bleiben hes (palear) las (onus) *) vielleicht auch mos (moſes
oder moſſes?). Längſt in r verwandelte ſ. haben ber,
kar, mêr, rôr etc. (goth. baſi, kaſi, máis, ráus) der ei-
genname nêre (Kl. 1705 und Alph. im einſchnitt) mag
auch ein uraltes nêſo bedeuten (?goth. náiſva, vgl. na-
ſua Jul. Caeſ. 1, 37. und oben ſ. 343. not. ***). Einer
berührung der ſpiranten h und ſ. wurde ſ. 318. gedacht;
gehört dahin, daß das roman. foreſt unſern mittelh.
dichtern bald fôrëſt, (Parc. 7b) bald fôrëht lautet? das
neuh. forſt entſpringt daher, doch foreſta früher wohl
ſelbſt aus einem alth. forehahi (fohrenwald)? Daß aber
h in fôrëht kein ſchreibfehler iſt, folgt aus dem reim auf
ſlëht (Parc. 144c Wilh. 1, 36b), ſchahtelân f. chaſtelan
und der ſpätern ſchreibung ſchachtelan (Boner) vgl. den
ſchweizernamen tſchachtlan und oben ſ. 279. rizard,
richard. Eine andere verwandtſchaft des zuugen- und
kehllauts hernach bei tz. Insgemein aber iſt die ſpi-
rans ſ. (wiewohl dem übergang in r unterworfen, das
mit h und w einige beziehungen theilt) feſterer natur
als h und w, erfährt auch weit ſeltner ſyncope, nämlich
bloß vor dem ſt. des ſuperl. fällt es zuweilen aus (ſ. 415.).
lingualgeminationen.
(TT) urſprung und vorſchritt dieſer gem. ſind im
allg. erörtert worden, hier aber noch verſchiedene fälle
[417]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
näher zu erwägen. Nach a iſt ſie (mit ausnahme des
eigennamens hatte:geſtatte Karl 64a) wohl nirgends ein-
gedrungen, es heißt blat, blates; ſat, ſates, geſaten;
glat, glates; ſchate (umbra) ſtate (opportunitas *)) va-
ter etc., natürlich, weil hier kein folgendes i auf die
verdoppelung wirkte; aus demſelben grunde entſchiedne
gem. nach e, als bette, wette, lette (argilla) erretten (eri-
pere) zetten (dissipare) doch mit ausnahme von bleter und
veter, welchetroj. 50c ſchmiede 1820 ſtumpf reimen (Wilh. 1,
120a veter:wëter, doch Amur 13b etter:wëtter klingend).
Nach ë ſonſt kein tt, nur t, deſto mehr ſchwanken
nach i. Beſtändig tt. haben bitter, zitter (tremor) ſmitte
(officina fabri); ritter mag ſich im verlaufe des 13. jahrh.
entwickelt haben, warum mieden ſonſt die älteren dich-
ter den reim auf bitter? erſt Conrad gebraucht ihn
(troj. 27a) und einige andere M. S. 1, 37a; freilich kommt
riter ſtumpfreimig auch nicht vor (? auf ungewiter)
und alte hſſ. wie der ſ. gall. Parc. ſchreiben ritter, der
gieſſ. Iw., cöln. Wigal. aber riter. Früher und in der
regel galten gewiß mitte (medium) dritte (tertius) denn
beide ſind ſchon alth., ausnahmsweiſe ſteht noch drite
(Maria 97. Wigam. 31b) und enmiten (Barl. 68. 337.
Amur 7a). Einfaches t gebührt den wörtern ſite (mos)
trites (gradus) ſnites (maſc. ſegminis) ſnite (fem. buc-
cella) ſchrites (paſſus) **) rite (febris) bite (rogo) biten
(rogare in welchem wort man ein tt. erwarten ſollte)
und überall den praet. liten, miten, ſtriten, ſniten etc.
Selten die klingenden formen bitten, ſitten, geſnitten
(M. S. 1, 29a b) oben ſ. 384. Nach o haben tt die wör-
ter ſpot, ſpottes, ſpotten; rotte (lyra) rotte (agmen) otte
(n. pr.) wiewohl nicht durchgehends, Rudolf gebraucht
D d
[418]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
noch ſpote und ſpoten (ſtumpf, ſ. Barl.) und rote ſteht
Ernſt 14a 34b 38b 50b M. S. 2, 132b. Einfaches t müßen
haben got, gotes; tote, bote, rote (rhodanus) und die
part. praet geboten, geſoten. Nach n in den nämlichen
praet. desgleichen. buten, ſuten, überhaupt kein tt;
nach ü aber in hütte (tugurium) mütte (modius) ſchüt-
ten (fundere) zerütten (turbare). — (DD) gar nicht vor-
handen, es ſey denn in fremden namen wie liddamus
Parc. 100c 101a. b. — (ZZ.) theilt ſich in zz und ƷƷ.
1) für zz wird gewöhnlich tz (zuweilen c und cz) ge-
ſchrieben, doch nicht allgemein, der ſ. galler Parc. hat
meiſtens zz (ſogar im auslaut, vgl. ſazz:chrazz 37c) ei-
nigemahl tz (29a witze); ich bediene mich überall des
tz, theoretiſch richtiger würde das einf. z für tz und
ebenſo Ʒ für ƷƷ ſtehen, alſo von keiner inlautenden
gem. tz. ƷƷ. ſondern nur von einer in- und ausl. aſp.
z und Ʒ die rede ſeyn. Dieſe anſicht beſtätigt ſich ſo-
gar durch die ſchreibung des zz und tz im auslaut, in-
dem ſie im fall wirklicher gem. nur dem inlaut zuſtün-
den; das auslautende pf. findet niemand anſtößig. Be-
lege des tz, außer den inlauten der vorhin beim z ge-
nannten wörter: katze (felis) tatze (pes) ratzen (grassari
Frig. 20c) atze (n. pr.) etzele (n. pr.) netze (rete) metze
(n. pr.) ketzer (ſodomita) ſetzen (ponere) ergetzen (exhila-
rare) hetzen (perſequi) wetzen (acuere) bletzen (ſarcire, in-
ſerere) letzen (laedere) ſchetzen (aeſtimare) benetzen (irri-
gare) hitze (calor) witze (ingenium) ditze (hoc) ſpitzic
(acutus) litzic (? Reinfr. 14 [...]a) antlitze (Parc. 29a troj.
146a Herb. 5b 69a 89a vultus) ritze (fiſſura) kitze (hoe-
dus) ſitzen (ſedere) ſwitzen (ſudare) ſnitzen (ſculpere)
ſmitzen (inſicere) endungen -itzen, -itze. kotze (amictus)
lotze (Morolf 45a 63b) getotzen (ſternere ſe? kolocz 148.)
nütze (utilis) pfütze (puteus) ſchütze (jaculator) antlütze
(Ben. 64. Maria 29. 66. facies) umbekützen (amicire) be-
tützen (fragm. 3 [...]b conſternare) [n]rdrütze (taedioſus) es
werden ihrer wenige mehr ſeyn, vielleicht dutzen (oder
dützen, tuiſſare)? (vorhin ſ. 412.) und crütze (crux)
ſ. 412. vgl. Maria 54. cruce. Durch inclination würde
datze aus dà ze entſpringen, ich weiß nicht, ob gute
hſſ. dieſer theorie entſprechen. Neben den [angeführten]
beiden formen antlitze, antlütze erſcheint, wiewohl
nur außerhalb reim eine dritte antlihte (Triſt. 109b
112c) antlühte, antliuhte? (Barl. 64.) welches ein merk-
würdiger übergang zwiſchen zungen- und kehllaut
wäre, wenn es ſich nicht vielmehr auf die ſchon im
[419]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
alth. *) wahrgenommene vermiſchung gründet, in wel-
chem fall nur antlitze und antlütte rechtſertig ſind, viel-
leicht das verkürzte antlit (Flore 28b Morolf 8b) antule
(a. Tit. 124.) ſcheint bedenklich. — 2) von ƷƷ hier ei-
nige beiſpiele: gaƷƷe (platea) vaƷƷe (vaſe) waƷƷer
(aqua) haƷƷen (odiſſe) laƷƷen (retardare) neƷƷe (mador)
keƷƷel (cacabus) neƷƷel (urtica) ſeƷƷel (M. S. 2, 215a)
meƷƷer (culter) ëƷƷen. frëƷƷen. mëƷƷen. vergëƷƷen.
wiƷƷen (ſcire) biƷƷe (morſu) broƷƷen (M. S. 2, 108a)
fluƷƷen. guƷƷen. nüƷƷe (nuces) ſlüƷƷel (clavis) drüƷƷel
(roſtrum) ſchüƷƷel (patena). — (SS) in wenig wörtern:was,
waſſen (acrem) heſſen. meſſinc (aurichalcum) ëſſe (uſtrina)
hëſſen (Parc. 140b) miſſen. wiſſe, wëſſe. gewiſſen (certum)
ſubſt. auf-niſſe zuweilen nüſſe) ros, roſſes. kus, kuſſes. güſſe
(M. S. 2, 140b Wilh. 3. caſſ. 101b 257b) in letzterm wort
ein noch dunkler übergang aus Ʒ (ſtamm:gieƷen) der
ſich aber ſchon im alth. findet (ſ. 171.). Auch im Tit.
der reim küſſen:güſſen. Außerdem in den fremden
wörtern maſſenîe. maſſe. eſſe (aſſis) mëſſe. prëſſe. do-
ſchëſſe etc. In wîſſage, freiſſam, luſſam (aſſimiliert) be-
rühren ſich die ſ. zweier ſilben. Von ſſ. für hs unten
bei letzterm.
TR. häufig und wie im ſtrengalth. TW. gebührt
eigentlich nur folgenden: twâle (mora, ebenſo tweln,
morari) twalm (torpor) twas (hebes) und twërc (nanus).
Sehr unorganiſch bekommen es aber allmählig auch
twahen (lavare, gilt vom menſchl. leib, waſchen allge-
mein auch von ſachen) twehele (mappa) twërch (transverſus)
twingen (cogere) ſt. des richtigern dw. Der ſ. galler
Parc. gieſſ. lw. etc. haben dieſes falſche tw. überall
ſchon. — DR. wie im ſtrengalth. DW. verliert ſich im
laufe des 13. jahrh., die älteſten hſſ. kennen es aber
noch, und ſchreiben dwahen, dwehele, dwërch **) dwin-
gen, dwanc, dwungen, vgl. Maria 15. dewanger 86. dwun-
gen 104. dewuoch etc. neben betwungen 5. 119. 153.
D d 2
[420]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
betwanch 125. 230. twuoch 116. *). Das alte münchn.
fr. lieſt Wilh. 2, 73b 74a dwanch, und Nib hſſ 232. 388.
erdwingen, dwang. Jenes twingen etc. iſt nicht beßer,
als wenn man tringen, trì etc. f. dringen, drî eingeführt
hätte. Ob eine zeitlang tw und dw noch dialectiſch un-
terſchieden waren, könnten wir nur erfahren wenn un-
ſere dichter alliteration gebraucht hät en. — ZW. überall
richtig, wie im alth. Im neuh. werden wir auch alle
tw. in zw. übergehen ſehen, ſo daß nunmehr zw die
drei org. ganz verſchiedenen anlaute tw. dw. zw. aus-
drücken muß. — SL. SM. SN. SP. SPR. ST. STR. SW. **)
beſtehen und nicht ſchl. ſchm etc wohl aber gehen die
alth. ſc. ſcr. über in SCH. SCHR. Daß dieſer übergang
viel früher begonnen habe, wurde ſ. 173-175. darge-
than; die meiſten denkmähler des 12. jahrh. haben be-
reits ſch. ſchr, z. b. die gl. herrad. In Maria bald ſc.
bald ſch; im münchn. fr. des Wilh. 2. und des Parc.,
im gieſſ. lw. entſchieden ſch. ſchr; nur der ſ. gall. Parc.
(der gerade das anlautende ch ſtatt k hegt) gibt häufiger
ſc als ſch, und vor allen vocalen, z. b. ſcande, geſcë-
hen, ſcoup, ſciere. lſt bei dieſer verſchiedenen ſchrei-
bung auch verſchiedene ausſprache? oder umgekehrt
dieſelbe ausſprache anzunehmen, es ſtehe nun ſc oder
ſch geſchrieben? In letztem fall aber welche ausſprache
iſt die richtige, ſc oder ſch? Ich wage keine entſchei-
dung; zum theil wird ſie von der anſicht abhängen,
welche man ſich über k und ch bildet. In rom. wör-
tern ſcheint ſch bald aus ſc (ſchumpfentiure, ſconfitura)
bald aus ch (ſchapel, ſchanze, ſchëvalier, wofür Triſt.
40b chëvalier, Wigal. 170. ſogar zëvalier) bald aus einf.
ſ zu entſpringen (ſchëneſchalt Parc. 36c 49a. c rom. ſene-
ſchal ***), ſchariant Parc. 188c, im Wigal. ſariant; vgl.
[421]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
den inlaut ſch. Andere bſſ. ſetzen wohl tſch f. ſch, als
tſchionàtûlander, und ſelbſt Parc. 122b tſchanpfanzûn.
in- und auslautende lingualverbindungen. Von SCH
gilt das ſo eben beim anlaut geſagte, während die gl. her-
rad. viſch, eƷƷiſch, rætiſche etc. ſchreiben, hat der ſ. gall.
Parc. und cöln. Wigal. oft noch viſc, tiſc, viſcære etc. Die
wichtigſten beiſp. ſind: aſche (cinis) aſche (piſcis) wâſchen-
walt (voſagus) waſchen (lavare). naſchen (ligurire) chlì-
baſche (genus cibi? ſlav. chleb, panis). carraſche (vehi-
culum) haſche (ſecuris) haruaſch (thorax) pfaſch (via an-
guſta) taſche (pera) quaſchiure (vulnus) munſalvæſche
(Parc. 140a) drëſchen, erlëſchen, pfnëſchen (fremere) viſch.
tiſch. wiſch. friſch. riſch (vegetus) miſchen. hiſchen
(ſingultire) endungen -iſch, -iſche; froſch (rana) röſche
(aſper) löſche (corium rubicundum) nuſche (ſibula) züſchen
(a. Tit. 156.) fleiſch freiſchen (fando audire) heiſchen
(poſtulare) rûſchen (ſtridere) tiuſch (ſt. diutiſch) kiuſche
(caſtus) gebinſche (fragor) getiuſche (ſallacia). Von conſ.
leidet ſch faſt nur liq. vor ſich, vgl. falſch (falſus) clin-
ſchôr (n. pr.) wünſchen (optare) menſche (homo) hei-
denſch (gentilis) herſch (M. S. 1, 117a) tœrſch (ſtultus)
vorſchen (inquirere), doch auch f. in hofſch ſt, hoveſch;
es ſind meiſt ſyncopierte oder fremde wörter. Das ſch
in den fremden wörtern verdient beſondere aufmerkſam-
keit; gleich dem anlautenden gründet es ſich theils auf
ſc (taſche, taſca; flaſche, flaſca; haſche, aſcia) *) theils
auf ein bloßes ſ. vgl. harnaſch, harneſe, harnes; pfaſch,
paſſus, pas; wâſche (voſagus) falſch, fals, faux und clinſchôr
(wie ſtets im Parc.) iſt richtiger als clinſôr (M. S. 2, 6a. b.)
ganz verwerflich aber clingeſor oder clingeƷor; die rom.
quelle kann clenſor gehabt haben (ens wandelt ſich in
ins, wie cenſus in cins, vgl. oben ſ. 388. 395.). Da die
verwandlungen des ſ in ſch ſteigen (neuh. lauſchen, herr-
ſchen, wirſch; alth. loſan, hërriſôn, wirs etc.) ſo ſcheint
mir daraus die dem neuh. ſch gleiche ausſprache des
mittelh. ſch (oder ſc) zu folgen **). — TSCH. ſehr ſel-
ten, vgl. getſchen:ſtetſchen (M. S. 2, 190b) bisweilen in
fremden wörtern ſtatt ſch, ala muntſalvatſche (a. Tit. 12.)
quatſchiure und quetſchen. — SP. nur in: haſpel (troch.
[422]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
lea) raſper (Wilh. 1, 18b ita cod. caſſ., vgl. den beina-
men des thüring. heinrich raſpe, und raſpenbëre Loh. 63.
gl. trev. 16a giraſpe quiſquiliae) eſpe (arbor) lëſpe (labium,
außerm reim M. S. 2, 16[9]b ſt. lëſſe) vëſper (abend) hiſpe
(fibula) criſp (criſpus) riſpen (plicare Wilh. 1, 38b M. S.
1, 83b 2, 57b fragm. 26a) wiſpel (ſibilus) ziſpen (motitare)
liſpen (anhelare); es mag noch andere geben, die mir
nicht vorgekommen ſind, z. b. ein deſpen (extinguere)
vgl. oben ſ. 129. Nicht hierher gehört zwi-ſpilden (du-
plicare Wilh. 2, 68b Georg 8b kolocz 99.) und zwi-ſpilt
(duplum, Scherz zu fr. belli 25b vgl. Parc. 48b). — SW.
durch zuſ. ziehung in zëſwe (dextera) f. zëſewe; auf
zëſwen reimt Conr. (ſchmiede 1568. kol. 1526.) erſwë-
ſwen, erlëſwen, erzlëſwen? deſſen bedeutung wohl mar-
cere, deſſen form jedoch dunkel iſt. Verſtändlich wird
mit aber ein anderer reim auf zëſwen. nämlich hëſwen
im Tit. durch die vergleichung des ſ. 250. angeführten
angelſ. wortes haſva (aridus, ariditate aſper) jenes mit-
telh. hëſwe (? heſwe) heißt torridus, pallidus und nicht
unwahrlcheinlich muß auch in der ſchmiede erhëſwen
geleſen werden. — ST. häufig, hier nur einige beiſpiele:
taſten (tangere Parc. 68c 148a wo ſtaſten fehlerhaft; M. S.
2, 24. betaſten f. beſtatten) waſtel (panis Wilh. 2, 62a) waſte
(deſertum, ſo Wolfr. Parc. 60a und Walth. 1, 132a waſten,
vaſtare; die übrigen deutſcher: wuoſte und wueſten,
jenes ſcheint aus dem rom. vaſte, vaſter, gaſter entlie-
hen; alth. wuaſtì, wuoſtî, wuaſtinna, niemahls waſtî,
waſtinna) gueiſte (ſcintilla, troj. 29c 92b geneiſten, ſcin-
tillare, guiſtern M. S. 1, 184b wofür a. Tit. 115. guanei-
ſten, gâneiſten? vgl. gæneſter gl. herr. 198b und gænſter
Parc. 25a 106a) huoſte (tuſſis) etc. —
(K. C.) vorerſt, was die ſchreibung betrifft, ſo ſetze
ich in deutſchen wörtern anlautend kein c, ſondern
immer k; auslautend kein k, ſondern immer c, alſo
kieſen, kleine, kneht, tac, balc, bërc. Beide buchſta-
ben drücken zwar dieſelbe tenuis aus und es ſcheint
einfacher, nur ein zeichen, nämlich k für den an- und
auslaut, folglich tak, balk anzunehmen. Einzelue hſſ.
thun dies auch, wiewohl die älteſten (falls ſie ten. ſchrei-
ben) c vorziehen. Man kann das einf. c dulden, ſo lange
man die gem. kk durch ck ausdrückt und die aſp. ch
nicht anders ausdrücken kann, denn dafür wird nie-
mand kh durchſetzen. inlautend kommt die gutt. tenuis
[423]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
nur vor α) in der verbindung mit liq. und hier ſchreibe
ich k, z. b. ſchalkes, benke, ſtarken von den auslauten
ſchalc, banc, ſtarc, da ein inlautendes c vor e, i etc.
wie z ausſehen würde. β) nach voc. lediglich bei con-
tractionen ſtatt der geminata und hier ziehe ich wieder
die ſchreibung c vor, als blicte, ructe ſt. blickete,
ruckete, weil die inl. ten. vor t insgemein der ausl. ten.
parallel ſteht und ich im auslaut c ſetze (blic, blickes).
Ob aber dieſe parallele auch auf die verwandlung der
inl. med. in c vor t erſtreckt werden dürfe? (fuocte f.
fuegete, hancte f. hengete) iſt oben ſ. 380. beſprochen.
Wichtiger als die ſchreibung k oder c (die theorie
hätte nichts wider und die conſequenz forderte ſelbſt
ein allgemeines k und kk, wie p und pp) iſt der zwei-
fel zwiſchen k und ch, nicht ſowohl der ſchreibung,
als der wirklichen ausſprache nach. Ich bemerke 1) da
im lippen und zungenlaut ſtatt der goth. ten. p und t
die aſp. pf und z gelten, warum greift nicht im kehl-
laut die aſp. ch. für das goth. k durch? warum heißt
es nicht chieſen, ſchalch, arche wie es pfeit, wolf, wër-
fen, zërn, ſalz, hërze heißt, um ſo mehr als in- und
auslautend die aſp. wirklich gilt, ſobald vocale vorher-
gehen, z. b. brëchen, brach, brâchen, nimmer brëken,
brac, brâken. Nun ſchreiben auch in jenen fällen viele
gute mittelh. hſſ. entſchieden ch und nicht k; einige
ebenfalls gute ſchreiben aber k (c). Für die ausſprache
und die danach einzurichtende ſchreibung der reinen
ten. ſpricht a) die gemination ck, welche gewiß kk
und im auslaut wie einfaches k. lautete, ſac, ſackes;
blic, blickes; druc, druckes; denn ſolche wörter rei-
men nie auf entſchiedene aſp. wie dach, daches; ſtich,
ſtiches; ſpruch, ſpruches. Schreiben alſo hſſ. dennoch
ſach, ſaches; blich, bliches; ſo iſt das zu tadeln und
erregt bedenken für andere fälle, wo ſie gleichfalls ch.
ſetzen. b) wäre die aſp. für die goth. ten. allgemein
durchgedrungen, ſo hätte auch die med. allgemein durch
ten. erſetzt werden müßen, wie ſich im ſtrengalth. zeigt,
aber keine mittelh. h[ſ]. gewährt kras, taken. vielmehr
iſt die med. hier geblieben. Nichts natürlicher. als daß
man die reine ten. da, wo die aſp. nicht waltete, bei-
behielt, d. h. im anlaut durchgehends, in- und ausl.
nach liq. c) für letztern fall, nämlich die verbindungen
lc, nc, rc lehrt der reim wieder die ausſprache. Nach
dem grundſatz ſ. 377. tritt med. auslautend in ten. (ta-
ges, [...]ac; ſiges, ſic; balges, balc; ringes, rinc; bërges,
[424]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
bërc) *); nun aber reimen unbezweifelt ſchalc (ſchalkes):
balc (balges) danc (dankes):lanc (langes) ſtarc (ſtarkes):
are (arges). In beiden fällen iſt alſo eine gleiche ten.
geſprochen worden. Wollte man einwenden, daß auch
die auslautende med. aſpiriert worden ſeyn könne, ſo
antworte ich, theils wäre das ein ſprung, da keine med.
in aſp. ſondern nur in ten. und dieſe dann in aſp. über-
tritt, und es unthunlich ſeyn würde, für balch, junch
die inlaute balges, junges anzuſetzen; theils beweiſt der
reim die ausſprache der ten., indem tac, ſic etc. nie
auf entſchiedene aſp. (brach, ſtich) vielmehr beſtimmt
auf entſchiedene ten. (ſac, blic) reimen; was aber von
tac, ſic gilt, muß es auch von balc und junc. Die
ſchreibungen ſchalch, danch, ſtarch ſind alſo wiederum
verwerſlich, noch vielmehr tach (dies) ſich (vict.) balch.
rinch. bërch etc. d) die falſchen ſchreibungen, ſach,
ſaches, ſchalch, ſchalches etc. machen mistrauiſch gegen
die in denſelben hſſ. übliche ſchreibung der anlaute
charl, chieſen, chunſt etc. und reden für eine eben-
mäßige ausſprache und ſchreibung der bloßen ten. welche
in alten hſſ. auch oft genug ſteht. Freilich entſchieden
wird damit nichts und reime vermögen hier nicht zu
entſcheiden; alliterationen vermöchten es, inſofern etwa
ein deutſches ch. nie mit einem roman. c gebunden
würde. Was ſich noch ſonſt für den anlaut ch. ſagen
läßt, hernach unten bei der aſp. e) ſollte hier nicht
auch die neuhochd. ausſprache zurückbeweiſen? ſie zeigt
nicht nur in ſchalk, dank unbezweifelte ten. ſondern
auch in allen anlauten karl, kieſen etc. während, wie
im mittelh., die übrigen lantreihen der conſequenteren
aſp. auhängen (pfund, pfeife, zahn, zunge). Hierzu
ſtimmen im alth. O und T. — 2) der ſprung vom g.
zum ch. kann nur durch ein im mittel geweſenes k er-
klärt werden. Da nun der anlaut g. als regel gilt, ſelten
ſpur des ſtrengalth. k. erſcheint (ſ. 382. enkëlden, hôchkezît
Parc. 52a ferner Wig. 164. enkarte f. entgarte, Nib. 3764.
enkân f. entgân etc.); ſo müſte man in wörtern wie
eigennamen, die dem organiſmus der eigentlichen ſprache
entwachſen ſind, nach beiſpielen forſchen. Und ich
finde einige auffallende. Das lat. graeci war in ein alth.
[425]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
kriahhî verwandelt worden (ſelbſt im angelſ. neben grë-
cas crëcas vgl. oben ſ. 237. not.; im roman. wohl mei-
ſtens mit g. Roquef. 1, 713a) dies kr. wurde bei O. nicht
wieder zu gr. aber bei N. zu chr (68, 35. chriechiſc)
mittelh. hſſ. ſchwanken zwiſchen kr. und chr, vgl. Nib.
5369. chriechen, Parc. 80c. Ebenſo entſpringt chriemhilt
und chutrûn aus grimbilt und gutrûn durch ein vermit-
telndes k; ſchon ein dipl. bei Neugart n° 525. vom j. 881.
hat die form chriembilt, die veränderung des i in ie
(wie bèi chriechen, nord. grickir) verdunkelte den ur-
ſprung, ob im nord. grimhildr oder grìmhildr zu ſchrei-
ben ſey, laße ich hier unentſchieden. Auch bei gudrûn,
godrun wechſelt der nord. vocal, vielleicht iſt gôdrûn
und dann im hochd. guotrûn richtig, worans ſich die
falſche ſchreibung choutrûn, chautrûn verſtändigte. In
chriſt blieb der org. aſp. überall ungeändert und bloß
die ſächſ. und nord. mundart führte ihr kr. ein *) —
3) das c. romaniſcher wörter wurde durch die deutſche
ten. wiedergegeben und gerne c, aber auch k geſchrie-
ben, z. b. cunnewâre (das nord. gunnvör) kappe, keie,
condûwieren, caſtêl etc. bot, oft in denſelben wörtern die
rom. mundart ein ch. ſo entſprang ein deutſches ſch,
als ſchapperûn und Wolfram ſagt nicht caſtêl, ſondern
ſchahtêl (vorhin ſ. 416.). In einigen namen hat der ſ.
gall. Parc. tenuis in andern ch. z. b. kanvôleis, karnant,
clîas, clinſchôr, hingegen charchôbrâ, bêâchurs, chûchû-
merlant (cumberland) und chlâmidê neben clâmidê (vgl.
49a c 50a c). Solche neuaufgenommene namen hatten
in der wirklichen ausſprache ſicher die reine ten. (kar-
kôbrâ) wie die rom. p. und t. nicht zu pf. z. wurden.
Dies wäre ein grund wider die ausſprache der aſp. in
deutſchen wörtern, wenn ſie ſchon geſchrieben ſteht. —
4) fehlerhaft ſcheint k. zuweilen ſt. ch. geſchrieben zu
ſeyn in fällen wo letzteres ſelbſt aus dem zuſ. ſtoß zweier
ſilben entſpringt, z. b. frümekeit f. främic-heit, frü-
mecheit. — 5) ausgeſtoßen wird k in mar-ſchalk, mar-
ſtal (Parc. 111b) inſofern dieſen zuſ. ſetzungen das mit-
telh. mark (alth. marah) zum grund liegt. Das die
med. vertretende c erleidet apocope in zwî (Gotfr.) ſt.
zwîc (Wolfr.)
(G) an- und inlautend bäufig, im auslaut ſtets durch
c. erſetzt. Syncopiert wird dieſe med. in morne f. mor-
gene (Flecke, Rud. Conr. Nith. im reim auf zorne)
nicht in morn f. morgen oder in den ähnlichen fällen
ſorgen, borgen. Zuweilen bei folgendem t, als pflît,
lît f. pfligt, ligt; zuweilen in i aufgelöſt treit f. tregt,
welche auflöſung indeſſen auch vor d, ſ und n ſtatt
findet und mancherlei willkürliches hat. Vorerſt ſetzt
ſie jederzeit ein wurzelhaftes a voraus, das in e umlau-
tet. d. h. ei entſpringt aus agi, und das flexions-i iſt
es, welches den umlaut erweckt, nicht das in i verwan-
delte g, denn in denſelben formen kann auch, wenn g
bleibt, umlaut eintreten, z. b. legte, tregt neben leite,
treit. Sodann ſchwankt das ei nach zeit und dialect
und leidet auf theoretiſch analoge fälle gar keine an-
wendung; bald gilt ei allein und kein ege z. b. eiſe (ti-
mor) f. egeſe und von uralter zeit her meiſte f. megiſte;
bald gilt nur ege und kein ei; bald beiderlei nebenein-
ander. Anfangs ſcheint man es nur für ein wirkliches
ege, allmählig auch für age gebrancht zu haben. Die
ältern ſetzen daher treit f. tregt, heidruoſe (inguen Parc.
116b alth. hegidruoſi) erweit f. erwegt (Wilh. 2, 152a)
meide f. megede, gein f. gegen, geine f. gegene (ſitus)
wobin auch die eigennamen meinhart, reinhart, ein-
hart etc. gehören, geleit f. gelegt, leite f. legte, getreide
f. getregede, gejeide f. gejegede etc. die ſpätern aber
auch meit f. maget, kleit f. klaget, gekleit f. geklaget,
ſeit f. ſaget, geſeit f. geſaget, teidinc f. tagedinc, in
welchen fällen der umlaut unorganiſch iſt. weil kein
megt, klegt, geklegt, ſegt, tegedinc ſtattfindet (anßer
reim freilich klegte M. S. 1, 201b 2, 48b 53a 62a). Hier
muß manches einzelne näher beſtimmt werden, als es
im allgemeinen möglich iſt; Wolfr. hat ſtets getregede,
gejegede, nie getreide, häufig aber gein; das ſubſt. geine
reimt Herbort auf reine, gemeine etc. Für negt (rodit)
regt (movet) regte niemahls ein neit, reit, reite auch
noch überall egedehß (lacerta, ſpäter eidechſe) etc. *). —
Dieſer auflöſung des g in i ſteht der verwandte, aber
umgekehrte fall zur ſeite, wo ſich g aus j entwickelt
(ſ. unten beim j). — Merkwürdig iſt das eindringen
des g an die ſtelle des h. in der conjug. einiger ſlarken
verba und zwar nach ſtufen α) das verbum ziehen nimmt
[427]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
im praet. und part. praet. überall g für h an, ſobald
dieſes inlaut wird, alſo züge (traxiſti) zugen (traxerunt)
gezogen (tractus); nicht auslautend zôc oder zouc (für
zôg, zoug) ſondern zôch (f. zôh) und bei inclination
zôher (nicht zouger). Das organiſch analoge fliehen
weiß aber nichts von der anomalie, ſondern hat regel-
mäßig flôch, flühe, fluhen, geflohen. Gerade wie zie-
hen zu fliehen verhalten ſich zîhen. gedîhen zu lîhen;
jene beide bekommen zêch, gedêch, zige, gedige, zi-
gen, gedigen; letzteres bleibt regelfeſt lêch, lihe, lihen,
gelihen. β) eine zweite ſtnfe wandelt auch den auslaut
ch (für h) in c (für g). Hierher gehören ſlahen, twa-
hen, gewahen, praet. ſluoc, ſluege, ſluogen, geſlagen etc.
ſtatt der org. ſorm ſluoh, ſluehe, ſluohen, geſlahen
desgl. bei inclin. ſluoger f. ſluoher. Und in einer an-
dern conj. wird das verb. ſëhen (nie aber geſchëhen,
jëhen) von gleicher ſucht angeſteckt, obſchon nur ſpur-
weiſe, da es meiſtentheils richtig geht. Nämlich Wolfr.
Parc. 30c reimt geſâhen: pflâgen, was die ausſprache
geſâgen vorausſetzt und 124c ändert die anlehnung ſach
er nicht in ſaher, vielmehr ſager *); wiewohl ich im
reim kein ſolches ſager. hingegen ſac (vidit) f. ſach-
pflac ( Wilh. 2, 177b 178a) finde. (vgl. unten ch.
5te bem.). Hierher fällt denn auch das allgemein gül-
tige genuoc und genuoge vgl. mit dem goth. ganôhs,
ganôhái. Im niederd. und neuh. ſchreitet dies unorg. g.
noch weiter vor und ergreift auch die formen des praeſ.
ſlagen, zwagen, doch bleiben ziehen und zeihen, ge-
deihen, ja beide letztere kehren ſelbſt im praet. zu dem
h. zurück (ziehen behält zog, zogen). Der neigung
hätte aber ſchon oben ſ. 182. im alth. meldung geſche-
hen ſollen, indem hlahan, ſlahan, duahan, giwahan be-
reits die praet. hluoc, hluogun ſt. hluoh, hluohun bil-
den und ziohan, zîhan, gedîhan meiſtens wie im mit-
telh. gehen; ja ſelbſt der Gothe hebt ſchon zwiſchen
áigum und aìhum an zu ſchwanken und hat tagrs f. das
alth. zahar. Die abhandlung der conj. wird näheres erörtern.
(CH.) zwei arten ganz verſchiedenes urſprungs.
(J) wird in keiner mittelh. hſ. vom vocal i ge-
ſchieden, und iſt
(H) vom anlaut bloß zu bemerken, daß ihn im
verlauf des 13. jahrh. ungehörig das verb. heiſchen, hieſch
(exigere) annimmt (vgl. Barl. 58.); die älteſten quellen
haben noch das richtige eiſchen, ieſch (Parc. 30c 53a 54c)
was freiſchen, frieſch (aus vereiſchen) beſtätigt; ähnlich
das ſpätere heidechſe neben eidechſe (lacerta), alle ſolche
fälle fordern eine vernehmliche ſpirans des inlauts, die
in der ſchnelle der ausſprache den anlaut ergreift und
darauf haftet (oben ſ. 188. not. **). — Auslautend wan-
[438]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
delt ſich h beſtändig in ch (vorhin ſ. 427.); mehr zu er-
wägen gibt das inlautende; a) es ſteht zwiſchen zwei vo-
calen nach langem und kurzem. Letzteres in:ahen.
rahen. ſlahen. trahen. twahen (oben ſ. 341.) zaher (eini-
gen vielleicht zâher lacrima) jëhen. ſëhen. brëhen. ge-
ſchëhen. ſpëhen. zëhen (decem) ſwëher (aſſinis) heher
(graculus) gihe (fateor) ſihe (video) vihe (pecus) lihe
(commodarem) rihe (figerem) gedihe. zihe. vohe (vul-
pes f.) geflohen. fluhen (fugerunt). Häufiger nach lan-
gem voc. in:dâhe (argilla, neub. thou) vâhen. gâhen.
hâhen. nâhen. ſmâhen. jâhen. ſâhen. geſchâhen, und
deren umlaut æ; ferner in wæhe. zæhe. ſpæhe. ſmæhe.
næhe und den verbis wæhen (ornare) ſmæhen (vitupe-
rare) bæhen (torrere) dræhen (fragrare) bræhen (intelli-
gere? Parc. 4 [...]c) lêhen. vêhen. flêhen. zêhe. zîhen. lîhen.
rîhen. gedîhen. wîhen (conſecrare) ſîhen (colare) drîhe
(inſtrumentum) rîhe (ſuperf. pedis) hôhen (ſublimem)
ôheim oder œheim (avunculus) enpſlœhen (alienare)
fürgezœhe (praerogativa Wilh. 2, 831) *) rûhen (aſperum)
riuhe (aſpredo) ſchuohe (calcei); aut ei und on vermag
kein ſolches h zu folgen, da jene alsdann immer zu ê
und ô werden (auch kein w nach ei [ſ. 402.] wohl aber
ou). — b) die einſchiebung eines unorg. h zwiſchen
zwei vocale wurde ſchon im goth. (ſ. 71.) und alth.
(ſ. 189.) wahrgenommen, meiſtens bei vorſlehendem kur-
zen, vielleicht auch zur kürzung des vorſtehenden lan-
gen, und dann wäre duruftigohê, trahtohê (K. 55b) f.
duruſtigôê, trahtôê geſetzt. Da nun zufolge ſ. 331. 332.
im mittelh. dânîêl, gâbrîêl, michâêl etc. ſtehn müſte, ſo
ſcheint das eingerückte h gleichfalls die zuweilen fühl-
bar gebliebene fremde kürze ſichern zu ſollen, vgl. dâ-
nihêl, michahêl. gabrihêl, wiewohl ſolche ſchreibungen
ſelbſt das latein des mittelalters kennt. Ob das kürzende
h auch vor conſ. eintritt? man müſte ſchreibung und
ausſprache ſeiner roman. quelle kennen, um über Wolf-
rams gahmurêt (Parc. 2b. c. 3c 4a etc. a. Tit. 27. 32 etc.)
ëhkûnat (:ſtat, pſat Parc. 43b 100a alſo nicht ëhkûnât;
daher 122b ehkûnaht:maht) vërdûlaht (96c 97a 100a:
naht, bedaht, geſlaht) ahkârîn u. a. zu urtheilen; es
könnte zwar grâharz. grâhardeis, lâhedûmân (94c 95a)
aber auch graharz, grahardeis, lahedûmân heißen, damit
man graarz nicht wie grâarz etc. ausſpreche. Heutiges-
[439]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
tags würden wir einen fremden kurzen voc. eher durch
geminat. des folgenden conſ. zu erreichen ſtreben (gam-
murett. ekkunatt, wie ich den urſprung vieler deut-
ſchen gem. erläutert habe, oben ſ. 14. 15., auch wirklich
in andern mittelh. fällen geminiert wird, ſ. oben ſ. 406.)
und bedienen uns des eingeſchobnen h umgekehrt ge-
rade zur dehnung z. b. lohn f lôn. Auch darum könnte
das nord. tt (für ht), vor welchem man vielleicht un-
organiſch und ſpäter den vocal verlängert (oben ſ. 3 [...]8.
329.) da er früher wohl kurz geweſen, mit dem ht
in ëhkûuaht, vërgûlaht verglichen werden. Es hatte
(wie jene reime auf maht, naht beweiſen) gewiß die
ausſprache des mittelh. ht (neuh. cht). Die ht in fôrëht,
ſchahtelân ſind ſ. 416. anders gedentet, nämlich aus ſt;
ein kürzendes h bei ihnen anzunehmen ſcheint in der
that miſlich, da die roman. wörter durch ausſtoßung
des ſ ſelbſt langes a bekommen (châtean, forêt). —
c) dem eingeſchobnen ſteht das ausgeſtoßene h entge-
gen, mit welchem in der ſyncope zugleich der folgende
tonloſe voc. ausfällt, als mâl, ſtâl. ſîle (lima:wîle Wilh.
1, 60b) bîl (ſecuris) vân, hân, twàn, ſlân etc. Daß hier
die ſyncope den kurzen voc. der wurzel längere, lehren
beide letzte wörter (twahen. ſlahen) wogegen vâhen,
hâhen ſchon unſyncopiert langes â beſitzen (unorganiſch?)
Hiernach ſind mir mahel, ſtahel oder mâhel. ſtâhel (vgl.
ſ. 342.) ſihele, bihel oder ſihele, bîhel (vgl. ſ. 188.) zwei-
felhaft. Nicht völlig ausgeworfen. doch ſchwach ausge-
ſprochen wird h zwiſchen r und t, in Wolframs rei-
men porten:vorhten, ort:unervorht (Parc. 44a 53c vgl.
worhten:vorhten 19a 36a) ähnlich den ſ. 351. angeführ-
ten reimen liebt, niht, riet. Von durh fällt es bei ſpä-
teren zuweilen ab. — d) vom in w und g übergehen-
den h oben ſ. 404. 426. — e) von den verbindungen
ht. hs unten; anßer dem org. ht entſpringt aber ein
nnorg. h vor t ſtatt ch und c. Da ht für cht vorhin
ſ. 432. verhandelt worden iſt, bleibt hier noch das ht
für ct übrig, welches folg. reime belegen. ſmahte:ahte
(Flore 43b Iw. 29a) *)verdaht:maht (troj. 10c) bedaht:
vaht (a. w. 1, 60.):ſlaht (troj. 183a):naht (Karl 39b):
gemaht (Flore 12c):braht (M.S. 1, 192a) erſchrahte:mahte
(kl. 2237.) erklahte:mahte (troj. 183b) wahte:mahte
(Flore 47c) verſtraht:naht (Nib. 1537.) blihte:nihte, ge-
[440]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
rihte (Flore 42c 48b Iw. 26b) erſchrihte : rihte (kolocz
395. 399.) getruht:genuht (muſ. 1, 66. Wo zwei ſolcher
ht zuſ. reimen, beßere man in ct, z. b. Barl. 204. oder
Wilh. 2, 177a denn namentlich Wolfr. ſcheint des fal-
ſchen ht (für cht ſowohl als ct) gänzlich frei zu ſeyn.
Wo aber beide unorg. ht aufeinander reimen (d. h. kein
organ. ht dabei iſt) könnte man auch die ſchreibung cht
für beide wörter (z. b. geſtracht:gemacht) gelten laßen;
doch ziehe ich ht vor. — ht für gt iſt ſehr ſelten, aber
bei Wolfr. vorhanden liht:niht (Parc. 144c) und Walth.
pfliht:niht (M. S. 1, 102a) vielleicht ungenauer reim,
und ligt, pfligt zu leſen, denn anderemahl findet ſich
auch giht:ſtrît (Parc. 121c): wît (Flore 23a); gît und
nît f. giht, niht ſchienen gewagt. —
gutturalgemination. (CCH. CK.) cch haben die äl-
teren hſſ. bisweilen, vgl. dicche (Maria 43. a. Tit. 11.)
ecche (ſ. gall. Nib.) etc. noch ſeltner kch, rokch (Parc.
111b) und da der laut nichts anders iſt, als gem. des
inlautenden ch (für goth. k) vgl. wachen (vigilare) wec-
chen (excitare) trëchen (trahere) trecchen (contrahi) ſo
ſcheint dieſe ſchreibung angemeßen. Vorzüglicher aber
das übliche ck (z. b. im ſ. gall. Parc.) theils weil dafür
auch kk vorkommt, theils in der gem. (wie im anlaut)
die ten. geblieben ſeyn könnte; vielleicht galt provin-
ziell die ausſprache cch. in der regel ganz die des neuh.
ck, wozu kommt, daß ſich vor t und im auslant ck
vereinfacht (wecken, wacte; decken, dacte; blickes,
blic,) welches ſich ſo beßer erklärt. Ich ſchreibe durch-
gehends ck; tadel verdient 1) die ſchreibung eines einf.
k (z. b. eke a. Tit. 2. und im gieſſ. Iw. brüke, rüke etc.
merkwürdig gerade in wörtern, denen organiſch gg
ſtatt ck gebührte). 2) die ſehr verbreitete ſchreibung
ch, welche der reim widerlegt, da z. b. blicket (intue-
tur) nicht zu brichet (frangit) nacket (nudus) nicht zu
wachet (vigilat) ſtimmt *). Hier die wichtigſten beiſp.
des ck: ſacke (ſacco) nacke (collo) ſmacke (olfactu)
klacke (fragore) ſnacke (meiſterg. 12b) bracke (canis) bei
einigen auch tracke (draco f. trache, z. b. M. S. 2, 106b)
[441]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
hacke (aſcia) vackel (fax) acker (ager) ôtacker (n. pr.)
wacker (ſolers) nacket (nudus) decke (tegmen) ecke
(acies) recke (pngil) ſtecke (baculus) flecke (macula)
zwecke (ſcopo) *) hecke (ſepes) imbrecke (n. pr. Bit. 47b
49a embrico) mecke (Bon. 14, 9.) manſlecke (homicida)
wecke (cuneus) becke (piſtor) und die ſchw. verba lecken.
trecken. ſtecken. recken. wecken. decken. ſtrecken.
ſchrecken. blecken. ſmecken. zecken; quëcken (vivacem)
ſpëcke (lardo) ſnëcke (limax) blicke (aſpectu) ſtricke
(laqueo) ricke (perticà) **) zicke (hoedus) zwickel (cu-
neus) genicke (collo) ſchricke (terrore) bicke (ictu) wicke
(vicia) dicke (ſaepe) die ſchw. verba blicken. ſchicken.
zwichen. nicken. erquicken. erſticken. ſpicken. rocke
(tunicâ) bocke (hoedo) ſtocke (trunco) locke (cincinno)
getrocke (fallacia) gezocke (agmine) brocke (Georg 42b)
tocke (pupa) kocken (naves magnae) drucke (preſſu)
zucke (raptu) rucke (tractn) tucke (ritu, more) ſlucke
(haustu) ſmucke (amplexn) ſtücke (fruſtum) mücke (cu-
lex) rücke (dorſum) lücke (foramen) brücke (pons) ge-
lücke (fortuna) flücke (par volando) die ſchw. verba
zücken. drücken. ſmücken. rücken. brücken (friare)
bücken. pflücken. nücken (nutare, Frib. 45a) lücken (fo-
rare). — (GG) eigentlich verſchieden von dem vorigen
ck. unter welchem ich gleichwohl die wörter aufgezählt
habe, denen organ. gg gebührt, nämlich: egge, hegge,
ſlegge, wegge, ſnëgge, mügge, flügge, rügge, brügge
(vielleicht noch einige andere ***) indem die ableitung
ein inlautendes g lehrt; ſlegge ſtammt offenbar von ſla-
hen, ſluoc. Auch findet ſich oft noch gg. geſchrieben
(M. S. 2, 46b 57b 58a 67b 152a 166a vgl. ſegge, carex 2,
181a rogge 2, 101a) zuweilen (wie ich vorhin bei ck
bemerkie) einfaches k in bſſ. die das wahre ck durch
ch. ausdrücken, zuweilen wohl cg (ecge Nib. 2816.)
Manche dichter pſlegen nicht gerne ck = gg mit einem
ck = kk zu reimen; andere und ſelbſt gute finden kein
bedenken dabei vgl. decke:wecke (cuneos troj. 28c)
tücke:flücke (ſchwanr. 959.):brücke (M. S. 2, 8b) etc.
Da nun auch im neuh. alle gg zu ck geworden ſind,
[442]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
überdem die alth. kk und gg ſchwanken (ſ. 193. 194.)
und die gem. des g. in andern fällen, wo man ſie er-
warten ſollte (z. b. in ligen, legen, ſagen ſächſ. liggen,
leggen, ſeggen) nicht gilt; da endlich pp. das bb. ver-
tritt (ſ. 406); ſo war vermuthlich ſchon im gemeinmit-
telh. das gefühl für jenen unterſchied ſtumpfer, als in
einzelnen mundarten. Wer ihn ſtrenge handhaben will,
kann ſich im zweifel aus den ſächſ. frieſ. und nord.
ſprachen belehren (vgl. ſ. 221. 264. 279. 324.) Fehler-
haft ſteht gg nach conſonanten, z. b. zirgget, zingge
(M. S. 2, 124b 166a) ſtatt k. —
gutturalverbiudungen. 1) anlautende KL. KN. KR.
GL. GN. GR-, aus den gloſſarien zu erſehen; gn. wohl
nur in gnaben (ſerpere?) gneiſte (ſcintilla, f. geneiſte?
alſo wie gnâde f. genâde u. a. m.) von dem ſich zuwei-
len unentbehrlich machenden vorſtehenden ge- mehre-
res in der wortbildnngslehre. QU bloß in einigen wör-
tern, und ſchwankt in k über, d. h. zwiſchen k und
folgendem a, i kann u ausfallen, als: quëln, quil, qual,
quâlen oder kil, kal; quît und kît (aït); quam, kam;
nicht leicht vor andern, alſo kein këln, këc, këlle f.
queln, quëc, quëlle etc. zuweilen miſcht ſich u mit dem
folg. voc. und zeugt ein kurzes o, in kom f. quam,
kone f. quëne, komen (inf.) f. quëmen. Fremden wör-
tern bleibt ihr qu, als quaſchiure (vulnus). Es verſteht
ſich, daß vor u jederzeit k für qu. eintritt: kunft, ko-
men (part. goth. qvumaus) — 2) in- und auslautende.
HS. den alth. belegen (ſ. 197.) läßt ſich wenig zufügen
(einige derſelben ſind ſogar unbräuchlich geworden):
dëhſen, dahs (linum frangere) ſahſen (ſaxones) ungejah-
ſen (in einem ungedr. liede Nîtharts, vielleicht unge-
lahſen, das noch H. Sachs nöthig braucht) buhs (M. S.
2, 206a) wëhſel (viciſſitudo) dræhſel (tornarius Parc. 62a
dræchſel aber unrichtig; anders verhält es ſich mit rîch-
ſen, gelîchſen) einige wörter ſchwanken auch in das
niederd. ſſ, namentlich gilt durchgängig was, waſſes
(acer) wie ſchon alth. huas, huaſſes (doch daneben noch
im 10. 11. 12. jahrh. wahs, wahſes fr. belli far. 3020.
wahsſam) vgl. waſſe:maſſe (ſchmiede 1020.) Triſt. 65b
reimen was (acer) : ſcharſas, ſchwerlich wahs:ſcharſahs
zu leſen; Maria 210. ſëhſe:wëſſe (ſcivit); entſchiedner
bei Herbort 4d 20b 86d was (fuit):vas (capillus 57c
gras (gramen):ſas (culter). X. eigentlich nur in frem-
den wörtern gültig als pfinxtac (Parc. 52a Nib. 5473.)
pfinxtmorgen (Nib. 1197.) in voller form aber pfingeſt
[443]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
(im Tit. pfingſten:ringſten) ferner crucifixen (cruci-
fixum) welches auf nixen ſyrenarum (M. S. 2, 200b)
reimt, letzteres als deutſches wort fordert die genauere
ſchreibung niches, gen. pl. nicheſen. Indeſſen wird auch
ax oder axs f. ackes geſchrieben. — HT. ahte (obſerva-
tio) pfahte (aus pactum, lex) maht (vis) naht (nox) man-
ſlaht (homicidium) braht (clamor) trahten (meditari)
über das ſchwanken zwiſchen aht und âht ſ. 342. über
ëhte ſt. ehte ſ. 334. wo beiſpiele angegeben ſind; vëhten.
flëhten. rëht. ſlëht. endungen -ëht, -oht, -aht (? ôht,
âht) iht. wiht. niht. pfliht. geſiht. geſciht. zuoverſiht.
maſtriht (Parc. 38b traj. ad moſam) gegihte (arthritis)
gedihte (ſpiſſus) tihten (dictare) ſlihten (planare) rihten.
rohter. mohte. tohte. fluht. fruht. genuht. zuht. ſuht.
duhte (videbatur) bîhte (confeſſio) lîhte (leviter) ſîhte
(ſicce) lieht (lux) ûſtrieht (terra ignota. troj. 128c) lûhte
(lucebat) ſuohte (quaeſivit) ruohte (curavit). Manche
dieſer ht ſlammen aus fremdem ct (pactum, trajectum,
dictare) einige aus deutſchem ct und gt (die anomalen
praet. mahte oder mohte, duhte, ruohte, ſuohte, brahte,
brâht). Die unorg. ht für ct und cht ſieh ſ. 432.; viel-
leicht auch ht für ſt? (ſ. 416.). Von berührung des ht
mit ſt beim niederd. vgl. die reime krefte:geſlchte
Wilh. 2, 38b maht:ſchaft:haft Wilh. 1, 17a braht:riter-
ſchaft Reinfr. 52d gemaht:ſchaft Bon. 49, 5.
Den zuſtand der ſprache in ſachſen, engern, weſt-
phalen um dieſe zeit bezeugen ſpärliche denkmähler,
nicht einmahl rein erhaltene. Erſt künſtlich laßen ſie
ſich zum theil herſtellen und wieder nur künſtlich an
das altſächſ. knüpfen. Im 10. 11. jahrh. reißt beinahe
aller faden ab. Einzelne kleine bruchſtücke, einige
orts- und eigennamen in urkunden ſind von der mund-
art übrig, die früher ſo gefügſam, auch unter den ſächſ.
kaiſern gewiß nicht ohne gunſt und pflege geblieben
war. Später gewann, als ſich die herrſchaft des reichs
nach franken und ſchwaben wendete, das hochdeutſch
die oberhand. Reinniederdeutſche dichtungen des 13.
jahrh. laßen ſich kaum aufweiſen, Eberhards gandersh.
chronik (bei Harenberg und Leibnitz) vielleicht aus die-
ſer zeit, verſchiedene kleinere gedichte aus dem 14ten
(geſammelt bei Bruns) ſtehen weit unter dem blühenden
reichthum mittelh. denkmähler und ſind dazu aus ſchlech-
ten hſſ. ohne ſprachcritik abgedruckt nur behutſam zu
gebrauchen. Wichtiger iſt folgendes. Die bedeutend-
ſten dichtungen des 12. jahrh., wiewohl in hochd.
ſchreibung auf uns gebracht, verrathen eine halbniederd.
abfaßung; dahin rechne ich (nicht Wernhers Maria)
die kaiſerchron. (c. pal. 361.) den ſich damit berühren-
den lobgeſang auf Anno, das lied von Karl (c. pal. 112,
ein ſtück bei Schilter gedr.) noch entſchiedner das von
Rother. Die niederd. ſprachformen ſind an den reimen
erkennbar, die wahren buchſtabverhältniſſe doch nicht
ganz herſtellbar, weil die freiere reimkunſt jener zeit
verſchiedenartige voc. und conſ. nach gewiſſen verwandt-
ſchaften verbindet; alſo z. b. aus Roth. 6b wenden:kin-
den, kennen:ſinnen iſt kein niederd. kënnen, wënden,
[453]I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
ſënnen, kënden erweiſlich, da henden auch auf bewun-
den (9b) reimt und ſo verhält es ſich mit einer menge
ungenauer reime in Roth. fragm. und kaiſerchr., die
durch herſtellung ſcheinbarer niederd. formen genau wer-
den würden. Ein näheres ſtudium der freieren reim-
kunſt kann aber grundſätze an hand geben, nach wel-
chen ſich mancher zweifel zwiſchen hoch- und niederd.
urform in dieſen gedichten löſen wird. Ähnliche dun-
kelheit, doch geringere, ſchwebt über Heinr. v. Vel-
decks werken, den die mittelh. dichter ſelbſt als den
gründer ihrer meiſterſchaft anſehen, und deſſen êneit
(oder ênêd im reim auf wârhêd 4a 102a) mir die haupt-
quelle mittelh. ſprache ſcheint. Dichtete er in niederd.
ſprache und wurden ſeine arbeiten nachher in hochd.
umgeſchrieben? oder bequemte er ſich ſelbſt zum hochd.
ſo, daß er eigenheiten der angebornen mundart dabei
freien lauf ließ? Anders und in näherer beziehung auf
unſere buchſtabenlehre ausgedrückt lautet dieſelbe frage
ſo: ſind eine menge ungenauer reime in Veld. werken
in genaue niederdeutſche zu verwandeln? oder als un-
genaue hochd. beizubehalten? Beiderlei anſicht läßt
ſich vertheidigen. Dafür daß der dichter in reiner mut-
terſprache dichtete, redet 1) ſeine herkunft aus weſtpha-
len, ſein aufenthalt am clever hof, wo er die êneit be-
gann und man wohl kein hochd. verlangte. Er been-
digte ſie ſpäter in thüringen, aber auch da waren beide
mundarten leicht verſtändlich. Es zeigt ſich im ganzen
werke gleichförmigkeit, im letzten theil neigt kein
hochd. vor. 2) Veld. gebraucht nicht allein ungenaue
reime in größerer zahl, als irgend ein mittelh. dichter,
ſondern ſelbſt ſolche, die ſich keiner der letztern er-
laubte; alle aber löſen ſich ohne mühe in niederd. ge-
naue auf. Sollte er ſtrâƷen:câritâten (M. S. 1, 18b)
bruoder:muoter (En. 11a. b) anchîſës:iſt En. 24a) (ge-
buoƷt:muoƷ (En. 33a) ſchaz:haƷ, daƷ (En. 48a 68a 72b)
vaƷƷe:ſazte (En 63b) etc. gebunden haben und nicht
vielmehr ſtrâten:câritâten, brôder:môder, anchîſës:ës,
gebôt:môt, ſcat:hat, dat, vate:ſate? Umgekehrt, wenn
ihm daneben das hochd. gerecht war, warum zeigen
ſich keine reime, die hochd. genau, niederd. ungenau
ſeyn würden? Ich wüſte aus der ganzen En. nur fol-
gende anzuſchlagen, 39b wît (albus): vërnît (rubrum,
aus dem roman. vermeil, vermeis) wo das hochd. wîƷ:
vërnîƷ ſchicklicher ſcheint, allein vernîƷ ſelbſt iſt uner-
wieſene form; ſodann 43c 59b ei:zwei, wo zwar kein
[454]I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
ê:twê, vielleicht aber ei:twei zuläßig wäre (ſ. unten
beim ei) endlich 73b turnûm:tuon, wo dôn unpaſſender
ſcheint, weil turnûs ſonſt auf hûs reimt. Man müſte
wegen der fremden eigennamen Veldecks quelle vor ſich
haben, die ſchon den Virgil entſtellte. Zu larina, tar-
peia ſchickt ſich ſonſt beßer lârêne:êne 67b tarpîde:ſtrîde,
tîde 68b 69a, als eine:laureine, tarpîte:ſtrîte, zîte. und
tarcûn:tuon 68a beßer zu Virg. tarchon, wenn man tar-
côn:dôn ſetzt, wie 68b tarcône:ſcône. — Andrerſeits
ſtreitet für eine hochd. grundlage mit eingeſtreuten ſaxo-
niſmen 1) wenn möglicherweiſe ſchon jene vorgängigen
gedichte (rother, karl, kaiſerchr.) der abſicht ihrer ver-
faßer gemäß hochdeutſch ſprechen ſollten, ſo kann man
ſpäterhin die ausbreitung des hochd. als hofſprache im-
mer ſicherer annehmen. Einzelnes, was in baiern,
ſchwaben unverſtändlich geworden wäre, gab an thü-
ringiſchen, ſächſiſchen höfen keinen anſtoß. 2) keine
reinniederd. hſ. der En. iſt vorhanden; wäre ſie einmahl
da geweſen, ſo hätten ſie wohl einzelne reiche nieder-
dentſche abſchreiben laßen und vervielfältigt. Eine caſ-
ſeler hſ. (die älteſte aller mir bekannten und wohl noch
ans dem 12ten jahrh.) iſt im grundton entſchieden hoch-
deutſch. Aber den grundton eingeräumt, woher rühren
einzelne ſpuren des niederd. die der reim nicht ein-
mahl forderte, anders als aus einem älteren niederd. ur-
text? Warum ſchreiben die copiſten irlëden:vermiden
(58b 60b) da ſie reinhochd. ſchreiben konnten erliten:
vermiten? 3) die zurückfübrung aufs niederd. ſcheint
Veld. reime zu genau und regelmäßiger zu machen, als
ſie nach dem fortgang der kunſt damahls ſchon ſeyn
konnten; ende:winde, riſen:genëſen gereimt ent-
ſpricht dem 12. jahrh. mehr als ein vermuthetes niederd.
ënde:wënde, rëſen:genëſen. Dieſen einwurf mag man
halb zugeben, nicht ganz. Sichtlich reimt Veld. ge-
nauer, als jene älteren dichter, geſtattet ſich nie gleich
ihnen e auf o, a auf o und noch weniger willkürlich
ſind ihm conſonanten. Sein ë, i auf e ſcheint alſo wirk-
lich etwas von der ausſprache zu verrathen. 4) einige
ſpätere, ebenfalls aus niederdeutſchland gebürtige dich-
ter behalten wohl einzelne ſaxoniſmen bei, reimen aber
im ganzen genauer, d. h. vermeiden reime wie enden:
winden, da doch, wäre ënden, wënden wirklich nie-
derd. die reimgenauigkeit damit beſtanden haben würde,
folglich dergleichen reime häufiger ſeyn müſten. — Über
Veld. wage ich noch nicht zu entſcheiden, glaube aber,
[455]I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
daß in niederd. dichtern des 13. jahrh. die zurückfüh-
rung auf ein angeblich niederd. original ſchwieriger oder
vollends unthunlich wäre. Solche ſind namentlich Her-
bort von fritzlar, der im erſten zehntel des 13. jahrh.
einen troj. krieg (c. pal. 368.) dichtete und ſchon ſeinem
wohnorte nach (in heſſen, zwiſchen weſtphalen und
thüringen) manche niederd. ſprachform erwarten läßt;
dann der gefühlvolle minneſänger Heinr. v. morunge
(in engern, unweit göttingen?) ſpäterhin Wizlau (aus
rügen in pommern) und einige andere. Thüringiſche,
meiſniſche dichter des 13. und beginuenden 14. jahrh.
werden nicht ganz ohne ausbeute für die mittelniederd.
mundart laßen; es ſind ihrer weder viele noch bedeu-
tende (Heinr. von mîſen, der die gloſſe zum gebet des
Herrn dichtete, fällt mit dem mîſnære oder mit Frauen-
lob zuſammen?). Mehr aufſchlüße dürfte aber das lied
von den haimonskindern und malagis (c. pal. 340.) ver-
muthlich in rheiniſch- weſtphäl. dialect abgefaßt, ge-
währen. Bediene ich mich in der nachfolgenden aus-
einanderſetzung der mitteln. laute veldeckiſcher reime,
ſo geben ſie keinen vollen beweis, ſondern nur wahr-
ſcheinlichkeit (noch mehr gilt das von reimen aus ro-
ther, karl); reime aus Herb. und andern genau reimen-
den dichtern des 13. jahrh. beweiſen aber wirklich und
ihre einſtimmung beſtätigt.
(A) wie das mittelh. kurze a *) und in e umlautend.
Unorg. entwickelt es ſich als rückuml. in den ſchw.
praet. larde, karäe von lêren, kêren, nie in dem ana-
logen fall von mêren, ſêren, êren, Aus Rother iſt karde
unerweiſlich, wiewohl es die hſ. außer reim 9a 25b 26a etc.
und im reim 26b karde:hôrden hat, ſo daß allerwärts
kêrde ſtehn dürfte. Auch En. 24b 36b karde außer reim,
dagegen kêret, êret, lêret, kêrte:êrte im reim 17c 18a
41a 58c etc.; Herb. reimt 38b verkart:bart, 1b 60a ge-
kart:gelart, 3c karde:ſwarde, 44c:harde 59b karde:
baſthadre (ſpurii) 9d undâre (oben ſ. 340.): widerkâre
(reditus) und gandersh. 164a harde:karde Bruns 57
karden:ſparden. Unter den mittelh. dichtern ver-
[456]I. mittelniederdeutſche vocale.
ſtatten ſich karte, verkart, außer den thüringern
Heinr. v. mîſen (gloſſe 3156.) mîſnære (meiſterg. 40b)
Heinr. v. frib. (3a) und Wilh. 1, 24b 136b 3, 404b;
keine andere, namentlich Wirnt nicht (deſſen enkarte
Wig. 164. f. entgarte ſteht, ſ. oben ſ. 424.). Ein gleich-
falls bedenkliches markte (En. 23c 29a 101a) von merken
würde erſt der reim beweiſen. — Näherer unterſuchung
bedarf, ob vor einigen liq. verbindungen a ſich in o
neigt, wenigſtens ſchreibt gandersh. holden, wolden,
kolden etc. Bruns 28, 260 holden:olden, was an das
niederl. houden, wouden, kouden, und an angelſ. oder
nord. analogie gemahnt. (ſ. 223. 236. 287.).
(E) dem urſprunge nach theils e, theils ë. Man
bemerke 1) die ë ſtatt i haben ſich im vergleich zum
mittelh. ſehr gemehrt; ſtatt riſen, iſt, gewis, nider, wi-
der, ſige, geſchriben, ſchilt etc. heißt es rëſen (:genë-
ſen En. 27b) ës, gewës (:anchîſës hërcnlës, dës En.
24a 38c 62a 72b 73b 81c 86b Herb. 92d) nëder, wëder (:vë-
der En. 81c) ſëge (Herm. Damen 18 [...]. geſëgen:dëgen) ge-
ſcrëven (:benëven En. 71b) ſcëld (:vëld En. 66c). Hiernach
geht der mittelh. wechſel zwiſchen ë und i im praeſ.
ſtarker conj. und in ableitungen verloren, ſtatt nëbel,
genibele, gëben, gibt gilt:nëvel, genëvele, gëven, gëfd;
beweis die reime geſëdele:edele; wëdere (repugnans):
ungewëdere (tempeſtas) gevëlde (campus): ſcëlde (cly-
pei) enſefd (intelligit):gëfd (dat) En. 99b 2b 68a 26c etc. —
2) die ausſprache ſcheint e und ë ſchwächer zu ſchei-
den, denn e und ë, ſogar e und i reimen allenthalben.
Belege aus Rother wie beherden:ſwërde 3a, ſprëken:
recke 6a, ſinnen:bekennen, kinden:wenden 6b oder
wie erkennen:minnen fragm. 5a will ich hier nicht ver-
mehren. Aber auch Veld. und die ſpäteren reimen ſo,
vgl. enſeve (intelligat): bëve (tremat) En. 76a lëved:en-
ſeved En. 73c 74b; negele:ſëgele En. 4c; vrëde:rede
En. 4c 8a 36a 41c 65a 75a 92b Herb. 47d 52a; geleged
(poGtus): geſëged (vincit) En. 77c; ſnëllen:geſellen En.
54c 69b; bilde:helde (heroum) En. 25a; kinde:ende
En. 25a; winde:ende En. 1a 14c 39a 63c; winden, vin-
den:ſenden En. 8c 16b 50b 60a; dinge:enge En. 49a;
dingen:lengen En. 79c; kenne:inne En. 26b; kenned:
ſinned En. 40c; kennen:minnen En. 25c 73b; hengen:
bringen Mor. 61a; drinken:denken En. 7c 47b 56c 74a;
ſtinken En. 71b; ſinken:wenken En. 56a; ſwërden (enſi-
bus): beherden (probare) En. 88c werden (defendebant)
En. 29c; ſwërde:nerde En. 36a; ſwërde:verde (itineris)
[457]I. mittelniederdeutſche vocale.
Herb. 37a; ſpërn:nern, wern En. 84c 87c; wërken:
merken En. 12c 43a 71c Herb. 1b 12c 87b:ſterken En.
43b 88a livl. chron. 52a; vëchte:geſlechte Herb. 51d;
krechten (viribus):vëchten, gandersh. 169a leſten:këſten
Bruns 53. Wenn nun in dieſen belegen keine bloße
reimnoth, ſondern wirkliche vermengung der e, ë und
i waltet, welcher laut ſiegte alsdann? ſprach man die ë
wie e aus oder die e wie ë? Im mittelh. ſ. 334. vermu-
thete ich beides; hier ſcheint mir der ë laut allgemei-
ner zu gelten, weil offenbare e ſich mit dem noch i
geſchriebenen ë verbinden (ſenden:winden etc.) im
niederländ. ſogar ſelbſt zu i werden (ingel f. engel,
ſcinken f. ſchenken). In den obigen beiſpielen würde
man alſo enſëve, nëgele, rëde etc. ſchreiben können,
welches ich zu weiterer prüfung aufſtelle. Vorläufig be-
halte ich die unterſcheidung e und ë nach ihrem ur-
ſprung bei.
(I) wie eben ausgeführt, beſchränkter, als im mit-
telh.; ja es fragt ſich: ob nicht durchall ë dafür zu
ſetzen iſt? Auf die hochd. ſchreiber, welche ihr i ein-
ſchwärzen, wäre nichts zu geben; da der reim mënne
(amor) godënne (dea) ſënne (ſenſus) mit kënne (noſco)
verbindet, wird man auch ſënne, mënne, godënne
ſchreiben dürfen, wenn kein reim dazu nöthigt. Analog
iſt die verdrängung des u durch o. Wenigſtens wüſte
ich keine regel zu entwickeln, die das i und u gewiſſen
fällen vorbehielte, leugne aber nicht, daß Veld. ſybille,
camille nur auf wille, ſtille, nie auf phëlle, geſelle,
heHe etc. reimt. Er ſcheint folglich i vor ll mehr zu
hegen, als vor nn. — Zuweilen nähert ſich das urſprüng-
liche i dem ü, wie noch in heutigen volksmundarten
i, ü, ö wechſeln, vgl. kinde:ſünde (gandersh. 151a)
müſchen:twiſchen, plücken:ſchicken (Mor. 50a. b.).
(O) gleich dem ë ausgedehnter, als im mittelh. und
in wörtern üblich, wo letzteres noch u behauptet, z. b.
worven (mittelh. wurben) dornîn (ſpineus) goldìn (au-
reus). Beweiſend ſind reime wie ſon:gewon Herb.
111d; dor (porta): vor En. 19b; hold:ſcold En. 16c 17a
wolde:ſcolde (culpam) En. 1a etc.; bogen (arcubus):
vlogen (volabant) En. 89b; mochte (valuit): dochte (vi-
debatur) En. 3a 34b 35c 48c 78c Herb. 17d; dochte:on-
tochte (dedecoris) En. 33a; mochte:dochte (profuit)
En. 2[1]a; mochte:tochte (traxit) Herb. 33b 46b; mochten:
vlochten (fugere) En. 89c; gorde (cinxit):borde En. 13c
[458]I. mittelniederdeutſche vocale.
40b 44a etc. Schwerlich ſind ſo häufige ungenaue reime
(wolde:ſchulde) anzunehmen. — Manchmahl vertritt o
ſowohl â als a, vgl. gandersh. 148a gemolt (pictus):golt
und das vorhin beim a bemerkte holden etc.; dafür
bleibt a in van, ſal, wal (mittelh. von, ſol, wol), van
und wal beweiſt inzwiſchen kein veldeckiſcher reim, ſal
und ſald bindet er häufig mit al, gewald z. b. En. 73b. c.
(U) folgerechter ſcheint o in allen fällen des mittelh.
kurzen u (ſ. vorhin beim i), mithin on-, konne, ſcold,
vorſte etc. Vielleicht ſchwankten mundarten in einzelnen
wörtern, die ſich, weil keine reine quelle vorliegt, ſchwer
ausmitteln (ſ. hernach den umlaut ü).
(OE) ö, dieſes umlauts des o bin ich auch nicht
ſicher; theoretiſch würde er z. b. im conj. ſtörve (more-
retur) wörve, vlöge ſtattfinden. Veld. reimt törne (tur-
res):gërne (libenter) En. 98a 100c, welches vom ſing.
torn (Herb. 30c 54b:horn, geborn) herkäme, erträglich;
beßer klänge tërne (d. h. terne) vom ſing. tarn, inſofern
er zu erweiſen ſtünde, Mor. 63b harn:verlarn, neben
horn:verlorn.
(UE) ü; gilt o durchweg für u, ſo iſt dieſer umlaut
ebenfalls abgeſchnitten. Deſto eher ließe ſich die aus-
nahmsweiſe kürzung des iu in ü hören, die ſchon beim
mittelh. (ſ. 353. 450.) annäherung zum niederd. ſchien,
nämlich fründe fand ſich gerade bei Heinr. v. mor. und
findet ſich ferner Herb. 16a 28d 33d etc. morolf 44a 56b,
freilich im reim auf organ. ü (ünde, urkünde, ſünde).
Veldek hat jedoch nirgends ein ſolches fründe, wiewohl
er kunde:funde (? künde, fünde) 16b reimt.
(AA) â, ganz der mittelh. laut; zu merken iſt
1) verwechſlung mit kurzem a, En. 17b mag (poſſum):
mâg (parens). 2) es ſcheint bei Veld. noch kein umlaut
des a in æ zu gelten, beweis die reime wâne (opinor):
âne En. 4b; wânen:dîânen 27b; openbâre (palam):wâre
(eſſet) 43a; wâren (erant): ërkâren (propugnaculis) 49a;
wâren:troijâren 50a 53a; wâren:ſwâren (gravibus) 53a
54a; mâre:openbâre:jâre:wâre:ſwâre M. S. 1, 18a;
jâre:clâre:mâre 1, 19a; oder ſind alles ungenaue reime
wæne:âne, wâren:ſwæren etc.? Dafür ſpricht ſogar
der reim kêren:troijâren oder troijæren 78a (das ange-
führte minnelied 1, 19a ſondert aber reimende ê in einer
folg. ſtrophe genau ab) und die berührung des æ mit ê;
auch reimen 7c bedæhte:rëhte. Herb. 9d 34c reimt un-
dâre (oben ſ. 340.), vâre (dolo):widerkâre (reditus,
? widerkêre) und 89d bâren:âren.
(EE) verſchiedenes urſprungs 1) ê = æ, zuweilen
bei Veld. z. b. êre, ſêre:mære En. 73a 61a ganz gewöhn-
lich aber bei Herb. 1d gebære:lêre; 4b wæren:êren;
14b 79a vêhe:wæhe; 27b unwæne:âthêne; 32d wære:
ſêre; 50b 101c wære:mêre; 50c richtære:mêre; 54b kêre:
bëtelære; 74d vêhe : ſæhe; 88c 106c unwæne : zwêne;
89b flêhe:ſæhe; 116a tichtære : lêre etc. ſo daß man
überall bei ihm ê für æ ſchreiben kann. Belege aus
ſpäteren ſind wæne:zwêne Morolf 52b wære:êre (gan-
dersh. 149b) lêre:wære (Bruns 27.) etc. Wenn nun æ
bei Veld. durch â, bei Herb. durch ê vertreten wird,
beide dichter ausnahmsweiſe auch â:ê reimen; ſo erin-
nert dies verhältnis an das goth. ê, das dem alth. â,
und an das angelſ. â, das dem alth. ê parallel iſt. Viel-
leicht fiel einzelnen mittelnied. dialecten â und ê ganz
zuſ. und es hieß jêr (annus) wêren (erant) etc. wofür
man ſelbſt die ſchreibung jêre, clêre M. S. 1, 18a 19a an-
ſprechen dürfte (auch Heinr. v. mor. reimt 1, 56a ſêle:
quêle, ſtêle f. quæle, ſtæle und Fr. v. hûen 1, 92. jêre
auf wêre oder jâre auf wâre f. wære) oder mâre (magis)
lâren (docere) âren (honorare) etc. wodurch ſich die vor-
hin ſ. 455. beſprochenen praet. karde, larde erläutern
könnten. als kürzungen aus kârde, làrde? — 2) ê = mit-
telh. ê und ei, alſo nicht nur êren, kêren, flêhen etc,
ſondern auch ſtên. bên, tên (ſurculus) etc. Sogar ein-
zelne kurze e und ë ſcheinen vor h, w und r lang zu
werden, wie es dem urſprung des ê aus ei vor dieſen
conſonanzen analog iſt. Hierher gehört ſêhen (für ſëhen):
flêhen M. S. 1, 52b klingend, ſo daß keine contraction
in ſên:flên thunlich und daraus die verlängerung des
voc. herzuleiten wäre; 50b 51a muß ailerdings en[t]ſên:
vên:gên; ſên:ſtèn:gên:geſchên; 53a jên:flên; 54a ſèt
(f. ſêhet oder ſëhet, nicht aber ſihet vgl. ſ. 456.):gêt:
54b gê:ſê (f. ſêhe) M. S. 2, 249b ſmên (f. ſmæhen,
ſmæn):ſên geleſen werden. Ein klingendes ſêhent:
jêhent f. ſëhent, jëhent gebraucht auch Burkart 1, 86a
und Otte v. brandenb. 1, 4b; desgl der thüring. dichter
des wartb. kriegs jêhet:ſêhet (f. gihet, ſihet) jêhen:
ſêhen, ſpêhe:ſêhe (f. ſëhen) geſêhen : brêhen (Docen
miſc. 1, 119. 120. 124. 134.). lêwen (leones) reimt Veld.
En. 23a:ſnêwen; vgl. Roth. 8b lêwe:êne, oben ſ. 401.;
beſonders häufig iſt aber der ſchon im mittelh. geſpürte
reim hërre:êre, ſêre (ſ. 449.) auf die ausſprache hêre
deutend. In den älteren gedichten kêre:hërre, lêren:
hërren etc. fragm. 1a 3a; êren:hërren, hêre:vërre etc.
[460]I. mittelniederdeutſche vocale.
Roth. 1a 47a 3a mag es der freiere reim ſeyn, der hër-
ren auch auf wâren (fragm. 6b Roth. 48b) und êwen
(Roth. 45a) bindet. In Veld. En. ſtehen hërre, hërren:
êre, ſêre, êren, kêren beinahe auf allen blättern ge-
reimt (1c 2c 5a etc.); ſeltner bei Herb. (17d hërre:wêre
f. wære). — 3) ê = ie ſcheint, wie im altſächſ., zu
ſchwanken, ich erinnere mich aus der En. nur des ein-
zigen reimes prêſter : mêſter 68d, der ein ê = ie mit
einem ê = ei bände, da doch ſonſt rêde (conſuleret)
mêde (donum) u. dgl. auf arbêde, wârhêde, berêde etc.
nahe gelegen hätten (übrigens ein zeugniß für Veld.
reimgenauheit; als loſe reime wären miede : arbêde un-
tadelhaft); in der regel muß ie bei Veld. und Herb.
fordauern und lied (carmen) ſchied (ſejunxit) von lêd
(odioſus) geſondert werden. Andere quellen haben da-
gegen ê für ie, vgl. geſtênd: gedênd, lêve:dêve gan-
dersh. 151b 154b, allêne:dêne, dênen:mênen Bruns
115. 116. etc.
(II) wie im mittelh. und nicht in ê übertretend, un-
geachtet das kurze i oft zu ë wird, das mittelh. trîben,
treip, triben, getriben lautet hier drîven, drêf, drëven,
gedrëven. Eine annäherung zwiſchen î und ê verräth
doch der reim arbêd:tîd En. 23b.
(OO) wie das altſ. ô dreifach, nämlich das hochd.
ô, ou und uo erſetzend, z. b. ſtôten (trudere) hôved
(caput) môd (mens), daher die ins mittelh. unübertrag-
baren reime ſcône (pulcher):kône (audax) En. 35a hôrde
(audiit):vôrde (duxit) Herb. 33b; môde:hêmôde (patria)
Herb. 46d 101a; hêmôden:behôden gand. 161a; dô (tum)
ſô (ita):tô (ad) frô (mane) En. 24c 73c Herb. 5c 31b 36b
46c 80d 115b, wiewohl theils das mittelh. ähnliche reime
von ô:uo kennt (ſ. 346.). theils im mitteln. (wie im
altſ.) der laut uo neben ô (analog dem ie neben ê) vor-
kommen könnte; wirklich reimen Veld. und Herb. das
dritte ô kaum auf die beiden erſten. Beide aber zu-
weilen ô auf kurzes o, namentlich vor rd, als hôrde
(audivit):andworde (reſpondit) En. 13b 21c:worde (verbo)
En. 17b 79b; hôrden:borden (fimbriis) En. 13c 14b;
gehôrd:vord Herb. 21d; vôrden (ducebant): worden
Herb. 32d; gevôrd:dord (illuc) 18a, wobei man eher
kürzungen in horde, vorde, gehord (analogie des mit-
telh. ſ. 347.) als verlängerung in wôrde, bôrden (vgl.
das niederländ.) anzunehmen hat. Das mittelh. urloup
(venia) lautet orlof ſt. orlôf, da es auf hof (aula) reimt,
[461]I. mittelniederdeutſche vocale.
z. b. Herb. 104d und orlove:hove En. 5b. Der reim
dôn (facere):ſon (filius) En. 20c 34c ſcheint umgekehrt
verlängerung in ſôn (mittelh. in ſuon, oben ſ. 359.) an-
zuzeigen, dieſes ſôn reimt auf die eigennamen flêgetôn
ſînôn. lâomedôn, margaritôn En. 8a 9c 23a Herb. 11c 31d;
vgl. dônde:begonde gandersh. 151b.
(UU) unveränderlich, gleich dem î, doch wieder
ſpur einer berührung mit ô (oder uo) in Veld. reim ſûr
(acidum):vôr, vuor (ivit) En. 4c 23a mûren (muris):
vôren, vuoren En. 3c 5b; vgl. die mittelh. û:uo ſ. 348.
(AE) æ, ſcheint zu mangeln (ſ. oben unter â, ê).
(EI) gewöhnlich zu ê geworden, als crêt (circus)
agelête (ſtudioſe) berên (tetigit) twên (duobus) etc. Viel-
leicht aber gilt noch ei und nicht ê für die auflöſung
aus eg, ej (vgl. das frieſ. ei, ſ. 274. 278.) und ſo deute
ich Veldeks vorhin ſ. 453. angezogenen reim ei (ovum):
twei, d. h. eg, tweg, nicht ê, twê; Herb. reimt in-
zwiſchen 35a zwei:ſpei (ſpuebat) was füglicher twê:
ſpê oder hochdeutſch wäre. Ebenſo gein und geine f.
gëgen, gëgene zu beurtheilen (das Herb. wieder hochd.
auf gemeine reimt ſ. 426.) dreid:ſeid, jeid:meid En. 13a
14a deiding En. 96b.
(IE) ein häufiger doppellaut, der bisweilen 1) zu ê
wird, ſ. vorhin bei ê; Veld. reimt diere:gîre En. 49b.
2) vor liq. verbindungen ſich in i oder ë verkürzt, vgl.
die reime hield:ſcild En. 93b.c gieng:jungeling, gienge:
dinge, giengen:jungelingen Herb. 3a 6a 99a. Aber auch
in andern fällen noch, Herb. ſetzt z. b. überall ſtëre
(vervex) gen. ſtërn (:enbërn, gewërn) welches mit ſtier
(taurus) nah verwandt ſcheint.
(IU) ſeltner als ie; 1) ein iu = umlaut des û ver-
mag ich nicht zu beweiſen. 2) von der kürzung in ü
vor nd oben beim ü. 3) iu (vobis):tô En. 68b iſt auf-
fallend, (der caſſ. cod. lieſt tarcons rede überhaupt ver-
ſchieden und hat den reim iu:driu) aber zu den über-
gängen des iuw in ôw ſtimmend, wovon unten beim w.
die rede ſeyn wird.
(OE) œ, umlaut des ô? zweifelhaft.
(UO) gleich dem ie 1) in ô verwandelt. 2) in u
(oder o) verkürzt, vgl. hund, mund:ſtuond Herb. 3c 8a
(oben ſ. 359.).
Alle verhältniſſe ſind ungeſtörter und einfacher als
im mittelh., überhaupt noch die altſächſ. grundſätze an-
wendbar. Namentlich die mittelh regel, daß med. im aus-
laut zur ten. werde, ſcheint mir hier nicht zu behaupten;
es heißt dag, dages; bad, bades, nicht dac, bat und
nie reimen dag, bad auf brac (fregit) at (edit); bloß
beim lippenlaut tritt analoger wechſel zwiſchen f und
v (gaf, gâven) ein. Auch die anlaute ſtehen unver-
änderlich.
Die wenigen, unſicheren quellen laßen hier kaum
etwas eigenes bemerken. Veld. u. Herb. reime verrathen
keine ausſtoßung des n und keine umſetzung von gras
oder brinnen. Für ſtërne gilt vermuthlich ſtërre, wie-
wohl der reim: vërre fragm. 3a nicht ſtrenge beweiſt.
Herm. Damen 60a reimt ſtërren:ſêren, rêren, vërren;
65a vêrre:lêre (ſ. oben bei ê).
(P) anlautend nur in undeutſchen wörtern, oder
vielleicht in uralten, aus ganz anderm conſ. verhältnis
ſtehen gebliebenen. Fremdes urſprungs, aber völlig dun-
keles, ſcheint mir page (equus) gen. pagen, ein wort,
deſſen ſich Herb. häufig bedient, und welches noch heute
in weſtphalen und uiederſachſen gangbar iſt. doch der
holländ. frieſ. angelſ. und nord. mundart nicht gänzlich
abgehen würde, wenn es wirklich deutſch wäre. Merk-
würdig wegen der ſtarken conj iſt pîpen[,] pêp (ſtillare,
auch bei Herb. und ebenſo isländ. vgl. Biörn) es gehört
zu pîpa, tibia und gilt vom auslaufen aus der röhre.
In- und ausl. kommt. die ten. oft vor, als ſlàpen, wâ-
pen, grîpen, rôpen, ſliep, grêp, riep, hopen (ſperare)
ſcëp (navis) etc. Ungenaner reim ſcheint kamp (pugna):
lam (agnus) En. 85c (mittelh. kampf:lamp).
(B) lautet häufig an (bên, blôme), niemahls in noch aus.
(F. V) eigentlich zwei verſchiedene aſp. 1) im an-
laut ſollte durchgängig f geſchrieben werden, alſo fos
(vulpes) frëde (pax) flieten (fluere) allein lange ſcheint
die hochd. ſchreibung des v eingewurzelt, der man
ſchon im eſſener bruchſt. (aus dem 10. jahrh.) begegnet.
Daß das anlautende v. anderer natur ſey, als das iul. lehrt
eben die vergleichung des hochd. und goth. z. b. vat,
[463]I. mittelniederdeutſche conſonanten. labiales.
gëve (donnm), mittelh. vaƷ, gëbe, goth. fat, giba. —
2) auslautend ſteht nur f. (nie v) z. b. gaf (dedit) dief
(fur) ſcrêf (ſcripſit) lof (laus) hof (aula) wolf (lupus)
ſtarf (mortuus eſt) entſpricht alſo theils dem mittelh. p
(das für b. auslautet) theils dem f. Veld. reim lief:
brief En. 81b 83a 93a; ſëven-warf (ſepties): bedarf (opus
habet) En. 93a widerſtreitet der mittelh. mundart, welche
bedarf:ſcharf (acer) reimt, das aber mittelniederd. ſcarp
lautet und zu warp (feriit) ſtimmt (En. 25a 65c 94c). —
3) inlautend wird das ausl. f. zu v, als gaf, gâven
(:grâven En. 100a; mittelh. gâben, grâven) graf, graves;
ſnaven (titubare); genëve (cognatus) rëven (delirare);
enſuof (intellexit,) enſuoven; dief, dieve; viever (fe-
bris); lief, liever etc. Vor t bleibt auch inlautend f,
kraft, ſcaft etc. desgl. bei contractionen vor d, als hôfde
(capite) gelôfde (credidit) ſt. gelôvede, hôvede. Bemer-
kenswerth der reim gelôfde:kôpde En. 3b, der auch im
mittelh. geloupte (geloubte): koufte ungenau wäre. Veld.
ſcheint, wie vorhin bei kamp und lam, hoch und nie-
derd. formen zu vermiſchen. Reinniederd. reimen aber
orlove:hove; lieve:brieve En. 5b 34c.
(W) von v. genau zu unterſcheiden. Das anlautende
w. galt ohne zweifel noch vor l und r, läßt ſich aber
aus den verderbten denkmählern nicht beſtimmen (beßer
aus der analogie des altſ. angelſ. und frieſ. ſ. 216. 251.
276.). Einzelne ſpuren hat der abſchreiber im Rother
ſtehen laßen, z. b. wrêf (fricavit) 11b wrang (ſtrinxit)
25b und ſo iſt 5b (z. 437. ſtatt want) zu leſen. — Das
inlautende w duldet keinen kurzen voc. vor ſich, unter
den langen nur â, ê, ô, kein î, û, iu, uo; vgl. pâwe
(pavo) lêwe (leo) ſnêwe (nive) und zumahl begegnen ſich
in ôw die mittelh. ouw, ûw und iuw, hôwen, ſcôwen,
bôwen, tôwen (parare En. 11a) frôwe (femina) môwe
(manica En. 92b) rôwe (dolor) trôwe (fides) getrôwe (fi-
dus) gerôwen (dolere); beweiſende reime ſind, die ent-
ſchiedne mittelh. iuw mit ouw binden (M. S. 1, 18a. b.
En. 4b 33b 37b 60c 62a 87a) vgl. das vorhin ſ. 461. an-
geführte iu:tô. — Auslautend kein w. —
Die gemination pp. hat ſtatt, kein ff; bb ſcheint in
wörtern wie ſibbe, ribbe möglich. Bei der verbindung
ft. iſt zu merken, daß ſie häufig mit ht reimt (mehr da-
von beim kehllaut).
Eine unvollkommenheit zeigt ſich im mangel der
aſp. th; ſollte ſich vielleicht auch anlautend d und th.
[464]I. mittelniederdeutſche conſonanten. ling. gutt.
unterſcheiden z. b. dochte (valuit) dag, dêl, thochte
(videbatur) thagen (tacere) thief etc. (welches ſich aus
den vorliegenden quellen nicht ergibt, indeſſen nach
dem maßſtab des hochd. t und d. leicht herzuſtellen
wäre; im fragm. belli, zuweilen auch in Roth. werden
d und th noch geſchieden); ſo fallen ſie in - und ausl.
ſicher zuſammen, denn brôder (ſt. brôther) reimt auf
môder En. 11a 76b 81a 102c; ſcade (damnum, f. ſcathe):
ſtade (occaſio) En. 87c ſcaden:unſtaden En. 82b.
(T) entſpricht dem mittelh. z und Ʒ, daher ſcat
und vat (ſchaz, vaƷ) reimen; eben ſo wenig bedenken
machen hier hërte (cor) hërt (cervus) der ſchwan würde
elvet oder elft heißen; baltieren En. 39c iſt cingere, bau-
droier, mittelh. balzieren (balz, balteus). — Ob aber
nicht t znweilen auslautend für d ſteht, wie ſchon im
altſ. (ſ. 216.)? das müſten reine quellen lehren, vorläufig
nehme ich das ſtrengrichtigere d in der regel an, und
begnüge mich hier, auf die reime niet:ſcriet, riet, ſiet
(En. 5a 11c 51a) zu weiſen, welche die ſchreibung ſcried,
ried verdächtigen. Eine miſchung des hoch- und nie-
derd. t. geſtattet ſich Heinr. v. mor. M. S. 1, 52a in dem
reime bat (rogavit):nat (madidus), der in beiden mund-
arten ungenau iſt (mittelh. bat:naƷ; mitteln. bad:nat)
vgl. dieſelbe anomalie bei Veld. vorhin ſ. 463. — Die nie-
derd. apocope des t iſt oben ſ. 409. unter 5. erwähnt, vgl.
den reim bës (es):gewës En. 74c. und die belege ſ. 456.
(D) parallel dem goth. d und þ, folglich dem mit-
telh. t und d. bade (commodum, auf ſtade opportunitas
reimend, Herb. 15c 18a 31b) ſcheint mir das ſ. 204. an-
geführte gibada und löſt den zweifel über das kurze a.
Wie eben erwähnt ſetze ich d auch auslautend in den
verbindungen nd, ld, z. b. gewald, bald, kind und
dieſe reimen auf ſald (debes) En. 24c 73b përmind (per-
gamenum) En. 81c 84c.
(S) gibt nichts zu erinnern. Auch nicht die gemi-
nationen und verbindungen. —
Eigentlich fehlt, wie beim zungenlaut, aſp. und ch
ſcheint mir nur in cht für ht vorzukommen.
(K. C.) wie im altſächſ.
(G) 1) vom übertritt in i vorhin beim ei. 2) die
verwandlung des h in g iſt noch beliebter, als im mit-
telh. (ſ. 427.) geſag (vidit) reimt: dag, lag, mag
[465]I. mittelniederdeutſche conſonanten. guttural.
En. 1c 2a 16b 55c etc. Bruns 77. [ſag:nag ſt. nâh En. 2c?
beßer ſà: nâ ſ. beim h.] ſag (vidit):mag meiſterg. 6a;
geſâgen, ſâgen (viderunt):lâgen, frâgen, plâgen En. 6b
9b. c. 62b 70a 98a Mor. 45a Bruns 74; geſâge (viderem):
lâge, plâge En. 10b 77c; ſchâgen (fiebant):dragen Bruns 76.
hôge:ſynagôge En. 63a. Bedenklich iſt noch durg:burg
En. 91c.
(J) das inlautende wird gewöhnlich unterdrückt,
ſelbſt in wörtern, wo es die mittelh. mundart noch be-
hauptet, z. b. vere (nauta) reimen Veld. (En. 23b) und
Herb. 13b 110d 111c:here (exerc.) mere (mare).
(H) gilt beinahe nur anlautend. Das auslautende
wird apocopiert, vgl. nâ, gâ (mittelh. nâch, gâch):wà,
dâ En. 77b 102a Herb. 52b, die (femur):knie En. 59b, hô:
frô En. 2c etc. oder in g verwandelt. Beides geſchieht
auch oft beim inlaut, vgl. tîen, (incuſare,: blîen, plum-
beus En. 74c) mittelh. zîhen; hôſten:drôſten En. 99a;
ſâgen, hôge (mittelh. ſâhen, hôhe) hôgeſte Bruns 88.;
einige behalten das inlautende h (ſ. vorhin beim doppel-
laut ê). Der mittelh. verbindung hs entſpricht ein nie-
derd. auslautendes s, inlautendes ſſ, daher ſas (culter)
fas (crinis) *) was (cera) auf was (fuit) las (legit) reimen
En. 39b 43c 80a Herb. 4d 41d und büſſen (pyxidibus):
küſſen Herb. 60a. Von dem mittelh. ht wird zwar auch
h weggeworfen, z. b. niet f. niht (auf ſcried, ried rei-
mend En. 11c 51a) liet (lux):niet En. 24c (verſchieden
von lied carmen); häufiger aber bleibt es und ſogar,
wie ich glaube, in ch geſchärft, vgl. mochte (potuit)
dochte (valuit und videbatur) dochter (filia) nacht (nox)
vëchten (dimicare) etc. Die ſchärfung des h in ch gieng
um ſo leichter an, als die ſprache ſonſt gar kein aſp.
ch kennt, alſo die mittelh. verwirrung mehrerer ht ab-
geſchnitten iſt (das mittelh. machte, maht lauten hier
makede, macht), folgt mir aber aus der häufigen reim-
berübrung mit der labialaſp. in der verbindung ft; vgl.
haften: crachten Roth. 13a; ſtifte: berichte (ſt. ſtiftede,
richtede); vorchte (timuit):dorfte (deberet); worchten:
dorften; nacht:endehaft; vacht:wonhaft; werhaft:ge.
dacht; kraft:nacht; dachte:ernſthafte etc. En. 3b 21b
G g
[466]I. mittelniederländiſche vocale.
22c 26c 28a 31b 48c 49a 70a 79b; kraft:nacht Herb. 52a.
Iſt dieſes ft : cht wie das mittelh. ft : ht (ſ. 443.) anzu-
ſehen oder verwandlung des ft in cht anzunehmen,
folglich ſtichte, dorchte, kracht, hacht? En. 15b 52b ſteht
brûdlocht:ontocht, gracht (foſſa):gedracht; bei Herb.
94b graft (foſſa):kraft und ſelbſt bei Bruns 89. dêlhafte:
achte, gandersh. 153a nicht:ſchrift, 169a kreften:vëchten.
Mittelniederländiſche mundart nenne ich die wäh-
rend des 13. 14. jahrh. in brabant, flandern und holland
blühende; ſie verdient zwar den namen einer nieder-
deutſchen ſo gut als die ſächſ. und weſtphäliſche. womit
ſie auch in den meiſten grundzügen übereinſtimmt, wird
aber in der grammatik vortheilhaft geſondert 1) weil ſie
reinlichere und reichlichere quellen beſitzt, (von 1270 an
bis 1350 erſcheint das wichtigſte;) vieles liegt ungedruckt,
eine überſicht in Hoffmanns bonner bruchſt. Otfrieds
XV-XX. 2) weil ſie einzelne berührungen theils mit
dem hochd. theils mit dem frieſiſchen zeigt und ſich
dadurch von dem weſtphäl und zumahl niederſächſ. ab-
ſcheidet. Auf dieſe verſchiedenheiten werde ich es in
der buchſtabenlehre vorzüglich abſehen. Die ausgaben
Maerlants und Melis Stokes ſind zwar ſorgfältig nach
den hſſ., aber ohnc ausreichende grammatiſche ſprach-
critik gefertigt worden; richtigere lesart gewährt auch
hier die beachtung der reime. Längeres ſtudium wird
manches von dem berichtigen, was ich vorläufig oft als
bloße anſicht aufſtelle.
Die unterſuchung wird dadurch erleichtert und be-
ſtätigt, daß die meiſten hſſ. wenn auch ſchwankend den
laugen (gedehnten) vocal doppelt ſchreiben: ee, ii,
oo, uu, wofür ich der übereinſtimmung mit den vori-
gen mundarten wegen die gleichbedeutende bezeich-
nung, ê, î, ô, û gebrauche, für â gilt ae.
(A) in der regel dem kurzen a der übrigen mund-
arten gleich, als dach, daghes (dies) name (nomen) tant
(dens) lanc (longus) cracht (vis) etc. erfährt aber ver-
ſchiedene theils einſchränkung theils erweiterung. 1) die
ſprache duldet kein a vor lt. ld, alſo kein -alt -ald,
ſondern löſt dieſe in -out, oud auf, vgl. wout (ſilva) out
(vetus) houden (tenere) ſout (ſal). Dieſe regel iſt prac-
[467]I. mittelniederländiſche vocale.
tiſch auf alle und jede fälle anwendbar, wo ein hochd.
alt, ald, alz in die niederl. mundart überſetzt werden
ſoll. Theoretiſch muß man aber einen früheren über-
gang der formen alt, ald in olt, old annehmen und erſt
dieſe ſich in out, oud ſchmelzen laßen. Denn auch die
organiſchen olt, old, z. b. holt (fidus) holden (fidelibus)
holt (lignum) golt (aurum) zerſchmelzen ebenſo und
woude (ſilvâ) reimt allerwärts auf goude (auro). Vor
den übrigen verbindungen lm, ls, lf, lg etc. bleibt a
ungekränkt:halm, palme, hals, half, balg etc wesha b
kein franzöſ. einfluß anzunehmen iſt, indem franz. zwar
eſmeraud f. eſmerald, aber auch paume, baube, maux
f. palme, balbe, mals gelten. Außerdem bleibt im franz.
a beſtehen, obgleich ich hin und wieder ebenfalls caut,
autare (Reinaert 342. 361.) f. cout, outare antreffe, und
ein ſolcher unterſchied einzelne wörter gehörig ſondern
würde, z. b. ſcaude (ſcaldis) von geſcouden (geſcholten)
hauden (tenere) von houde (favor). Den dichtern aber
reimen, wie gemeldet, beiderlei ou Bei contractionen
entſpringt weder oude noch alde, vielmehr aelde, z. b.
in haelde, taelde, praet. von halen. talen. — 2) vor den
verbindungen mit r. beſteht kein a, alſo kein arm, arp,
arb, arf, arw, art, ard, ars, arc, arg, welche ſich in
aerm, aerp etc. wandeln. Sobald jedoch zwiſchen r und
dem weitern conſ. ein alter ausgeſtoßener voc. zuweilen
vortaucht, ſtellt ſich das kurze und einf. a in der wurzel
her, z. b. arem (brachium) warem (calidus) ſvarem (turba)
ontfaremde (miſertus eſt) arechſte (peſſimus) neben aerm,
waerm, ontfaermde, aergſte. Übrigens iſt es gleichgültig,
ob jene verbindungen rm, rp etc. organiſch ſind, oder
durch ſyncope entſpringen, letzteres z. b. in ſpaert par-
cit) ſt. ſparet, erſteres in haert (durus) aert (genus). Un-
richtig ſchreiben die meiſten hſſ. harde (duriter) f. haerde,
welches z. b. Rein. 276.:reinaerde reimt; das umge-
ſetzte trat (calcavit) finde ich nur tart geſchrieben (Maerl.
1, 242. 392. 2, 244. Rein. 291.) freilich immer anßer
reim; beßer ſchiene taert. — 3) jedes kurze, wurzel-
hafte a wird in ae verlängert, wenn durch contr. oder
compoſition der auf es folgende conſ. mit einem andern
conſ. der endung zuſammenrückt, z. b. halen (arceſſere)
manen (monere) ſpanen (lactare) ſcraven (radere) maken
(agere) raken (attingere) naket (nudus) ſaden (ſatiare)
begaden (inſtruere) ſcapen (creare) claghen (queri) im
praet. haelde, maende, ſpaende, ſcraefde, maecte, raecte,
ſaedde, begaedde, claechde ſt. halede, ſpanede, ſcravede,
G g 2
[468]I. mittelniederländiſche vocale.
makede, ſadede, claghede; ebenſo naect (nudus) ge-
maect, geraect, ſcaept (creat) und in andern fällen, als
waeſt (nicht waſt) f. was hët. Das gefühl der ſyncope
ſcheint dieſe trübung des wurzellauts zu veranlaßen,
nicht das gewicht der poſition, denn in den organ. ver-
bindungen hant, tant, dat. pl. handen, tanden liegt
poſ. gerade ſo wie in ſpaende, maende und aus alde,
valde wird oude, voude nicht aelde, vaelde. Dadurch
unterſcheidet ſich auch dieſe änderung des a von der in
der zweiten bemerkung, indem die organ. verbindun-
gen haerde, baerde (aſcia) baert (barba) waerp etc. ſo
wohl als die zuſ. ziehungen ſpaert, ſpaerde ae bekom.
men. — 4) o für a ſteht in ſochte (mittelh. ſanfte) am-
bocht (officium neben ambacht) brochte und mochte,
vgl. das mittelh. brâhte, brahte, mohte, mahte (ſ. 342. 450.).
5) ë für a in nëſe (naſus, neuniederl. neus, wie reus,
gigas f. rëſe); in ghewëlt (poteſtas) f. ghewout (jenes
Maerl. 1, 292. Rein. 342. dieſes 1, 227. Rein. 347,); ſcënde
f. ſcande; die part. gedrëghen, geſlëghen, geſcëpen f.
gedraghen, geſlaghen, geſcapen etc. Neben einander
gelten wël, wale (beide für bene, und beide im reim). —
Dieſen beſchränkungen des a ſtehen folgende erweite-
rungen gegenüber, deren erſte die wichtigſte iſt 1) jedes
organ. lange a (d. h. im mittelniederl. ae) wird verkürzt,
ſobald dem darauf folgenden conſ. ein unbetontes flexions-
e folgt. So bekommen die ſubſt. mael (punct. tempo-
ris) ſtael (chalybs) traen (lacrima) waen (opinio) jaer
(annus) baer (crinis) maech (parens) daet (facinus) im
dat. ſing. oder im pl. male, ſtale, trane, jare, maghe,
dade; das adj. blaer (infelix) die ſchw. form de blare,
ebenſo die pron. und part. haer, naer, daer:hare, nare,
dare und namentlich haben die pl. ſtarker conj. kein
dem hochd. entſprechendes ae, ſondern a in gaven, wa-
ren, laghen, plaghen etc. Theils zeigen die hſſ. in allen
ſolchen fällen a, nicht ae, theils verbinden die reime
überall entſchieden kurze a mit ihnen, z. b. ontfaren:
jaren, wale (bene):altemale, namen (nomine):quamen,
draghen:laghen, raven:gaven, hane (gallus):wane,
ſcade:dade, vaten (vaſis) haten (odiſſe):laten (ſinere) etc.
2) a ſteht für o in halen (arceſſere) van (von) wale
(bene):tale, male reimend, vgl. oben ſ. 75. 85. 336. 450.
3) a für ë, in das (ejus) auf was reimend; vaghen (po-
lire):laghen; dieſe erweiterung entſpricht der fünften
beſchränkung. — 4) a für î; bei Maerl. häufig lachame
(corpus) für lîchame oder lichame; nimmt man die kür.
[469]I. mittelniederländiſche vocale.
zung des î in i an, ſo kann bei der nahen berührung
zwiſchen i und ë lachame aus lëchame folgen, wiewohl
mir letzteres nicht vorgekommen iſt.
(E) urſprünglich zweierlei, nämlich e und ë, all-
mählig aber in der ausſprache ë zuſ. gefloßen. Ich be-
merke 1) der umlaut des a in e iſt ſchon lange vor die-
ſer periode durchgeführt worden, an ein nichtumlauten-
des ande (finis) angel (angelus) kannen (noſcere) daher
kein gedanke. 2) es gehörte ſchon zeit dazu, um den
anfänglichen e-laut mit dem gewöhnlichen ë (= i) zu
vermiſchen. Daß die mundart kein reines e mehr kenne,
beweiſen nicht allein die reime, ſeget (dicit):plëget (ſo-
let) beſeven (intelligere):lëven (vivere) hevet (habet):
gëvet (dat) verſleghen (occiſus):plëghen (ſolere) echt
(poſtea):rëcht (rectus) hebben (habere):rëbben (coſtis)
ghedreghen (portatus):wëghen (viis) verde (itineris):ërde
(terra) ſtede (loco):vërde (pax) ghewelt (poteſtas):vëlt
(campus) und ähnliche, die man bei jedem dichter über-
all findet; ſondern auch der wirkliche übergang in die
ſchreibung und ausſprache i (bei folgendem nn, ng, nk,
nd) ingel (angelus) kinne (noſco) in und außer reim
z. b. hinne (gallina) Rein. 344. Maerl. 1, 264. ingel, min-
get (miſcet) Maerl. 2, 62. ghehingen (concedere) ſcinden
(ignominia afficere). Beweiſende reime ſind hier bekin-
net:rinnet Maerl. 2, 62. vinger:inger (anguſtus) 2, 214.
kinne (noſco):coninginne 1, 207. inden (finire):ſcinden
(contumelia afficere) 1, 421. mingen (miſcere):dingen 2,
399. bekint:vint 2, 401. kinne: minn [...], 432. kinnen:
minnen 2, 438. bekinde: gheninde (audacia) Rein. 357.
ſcinken (vinum fundere):drinken Rein. 296. etc. Ich
werde alſo (in den wurzeln) kein e, vielmehr immer ë
ſchreiben: ſëget. beſëven, hëvet, verſlëghen etc. ob-
gleich durch dieſe ausſprache zwei etymologiſch ver-
ſchiedne laute untereinander gerathen, z. b. vërde kann
bald pax (f. vrëde), bald itinere bedeuten. Das niederd.
ë für e (ſ. 456.) wird durch dieſes niederl. offenbar be-
ſtärkt. — 3) vor r mit verbundnem weiterem conſ.
ſpielt ë in ae über, und es ſteht ſwaerde (enſe) aerde
(terra) paerde (equo) für ſwërde, ërde, përde, beweis
die reime aerde: mëſbaerde Maerl. 3, 234. waert (verſus):
geſpaert 3, 249. waerc (opus):maerc (marca) ſcaermen:
ontfaermen, ſtaert (cauda): reinaert Rein. 351. 287. 291.
wodurch eine nachtheilige miſchung der formen waert
(fiebat) waert (verſus) maerken (obſervare) maerken (mar-
cis) etc. entſpringt, welche im mittelh. wart und wërt,
[470]I. mittelniederländiſche vocale.
merken und marken geſchieden ſind. Im neuniederl.
ſind zwaard, aarde, paard, ſtaart etc. völlig einge-
fleiſcht *), damahls aber mag die ausſprache geſchwankt
haben, wie ſelbſt die ſchreibung ſchwankte, wenn der-
gleichen ë nicht auf entſchiedene ae, ſondern unterein-
ander reimen, vgl. ërde:vërde. vërde:përde, ërde:wërde
Maerl. 2, 253. 277. 278., bei Stoke 3. 26. ſteht ſogar ein
tadelhaftes veerde:peerde; wo kein mitreimendes ae
dazu nöthigt, ſcheint es richtiger, ë zu ſchreiben, wo-
nach dies unzähligemahl herzuſtellen iſt, z. b. përde, ërde,
vervërde, Maerl. 2, 284. 294. bërken:mërken Rein. 350. —
4) wie im niederd. ſind viele i, die mittelh. bleiben, zu
ë geworden, namentlich in dem ablaut drëven, ghedrë-
ven (triben, getriben). Andere beiſpiele bëm (ſum) ës
(eſt) hëm (ei) nëm (ſume) ghewës (certus) mëſſen (er.
rare) lëde (membra) vrëde (pax) ſëde (mos) mëde (cum)
plëcht (obligatio) mëkel (magnus) blënt (coecus:bekënt:
gheſcënt Maerl. 2, 349. 418.:ſënt, poſtea Rein. 278.) ghe-
hërmen (quieſcere:ſcërmen Maerl. 2, 337.) etc. nament-
lich heißt es ghëvet (dat) lëghet (jacet) plëghet (ſolet) etc.
In manchen wörtern ſchwanken ë und i, z. b. in mëcken.
micken (animadvertere) das bald auf trëcken, lëcken,
bald auf ſcicken, ſticken, ſcricken reimt. — 5) ë ent-
ſpricht dem hochd. u oder ü in ëvel (malum, morbus)
lëttel (paucus) einſtimmig mit dem angelſ. ifel (oben
ſ. 42.) litel. Vom ë für a vorhin ſ. 468. und vom wech-
ſel zwiſchen ë und o hernach bei letzterm. — 6) bis-
weilen kürzen ſich ê und ie in ë; ſo reimen die com-
poſ. mit -heit, -hêde waerhëde, kërſtinhëde etc. oft
auf lëde, mëde, ſëde; wëten (ſciunt):hêten (vocantur)
Rein. 3, 276; lëcht (lux):ëcht, rëcht, plëcht Maerl. 2, 248.
255, 371. Rein. 324. hëlt (f. hêlt. tenuit):vëlt Maerl. 2,
277:gewëlt 3, 43. 47; hëlden (f. hêlden tenuerunt):tëlden
(narravimus) 3, 276. (vgl. hernach ê) — 7) von einer um.
gekehrten verlängerung des ë in ê hernach bei letzterem.
(I) 1) durch die übergänge in ë beſchränkt; vor
Il und nn, desgleichen vor den verbindungen mit n
ſcheint i am liebſten zu haften, vgl. wille. ſtille. ſille
(limen) ſinne. minne. ſpinnen. binden. vinden etc. doch
mit ausnahmen, als blënt f. blint, quëllen:geſëllen.
[471]I. mittelniederländiſche vocale.
2) erweitert durch die übergänge des urſprünglichen e
(umlauts des a) wiederum zumeiſt vor nn, nd, nt. ng etc.
als ſint (ſanctus) hinne (gallina) etc. ſ. oben ſ. 469.
3) erweitert durch die ebenfalls vor lt, ld und dem na-
ſalen nc, ng eintretende kürzung des ie, als hilden, hin-
gen, gingen (mittelh. hielten, hiengen, giengen) unbe-
denklich auf wilden, dingen, jongelingen etc. Verwandt
die kürzung des ie in ë, daher z. b. hëlt und hilt beide
gelten. — 4) ſeltner vertritt i ein u, namentlich aber in
dinne (tennis, auf ſinne, minne reimend, mittelh. dünne)
Maerl. 2, 91. 440. dinct (videtur, mittelb. dünket) pit (puteus,
mittelh. pfütze):dit gereimt Maerl. 2, 125. Rein. 350. (auf
derſelben ſeite aber putte:nutte); ſtic, ſtickes (portio, fru-
ſtum, mittelh. ſtücke) häufig auf dicke, micken reimend
ſcheint organiſch. vergl. mit dem goth. ſtika (στιγμῇ)
vgl. oben ſ. 457. — 5) î zu i verkürzt findet ſich in licht
(levis) vgl. lichten:dichten Rein. 370. (mehr davon beim î).
(O) 1) gleich dem mittelh. o in god (Deus) ſpot
(ludibr.) ſot (ſtultus) hof (aula) lof (laus) doven (inſa-
nire) mos (muſcus) volc (gens) nolle (occiput) u. a. m.
2) aus u entwickelt, das mittelh. noch beſteht, in den
praet. ſtoven (mittelh. ſtuben) loken (clauſerunt, mittelh.
luchen) etc. daher reimen ſtoven:doven Rein. 325.
(mittelh. ſtuben und toben nicht). Weitere beiſpiele:
molen (molam) worſt (farcimen) cont (notus) mont (os)
hont (canis) conſt (ars) domp (hebes) ſonde (peccatum)
ſtonde (hora) vonden (inveniebant) ſpronc (ſaltus) jonc
(juvenis) ons (nobis) doghet (virtus) verhoghen (laetum
reddere) vochten (pugnabant:mochten Maerl. 1, 285.)
vochte (pugnaret:mochte 1, 359.) dochte (videbatur) etc. —
3) o für a iſt vorhin ſ. 468. gezeigt. — 4) wechſel zwi-
ſchen ë und o (vgl. ſ. 82. 336.) in die ghone (ille, mit-
telh. jëner) home (illi, ſt. des gewöhnl. hëm, im reim:
vrome Maerl. 2, 274.) woch (via, ſt. wëch, beide bei
Maerl. öfters, z. b. nebeneinander 1, 334.; für wëghe
doch kein woghe) proſent (f. prëſënt 1, 266.) roſe (gigas
ſt. rëſe, Huyd. op St. 3, 306. und vermuthlich auch noſe
f. nëſe, naſus). Neben wëke (hebdomas) iſt mir woke
nicht vorgekommen, ebenſowenig wol neben wël, das
vielmehr mit wale abwechſelt (ſ. 468.). — 5) kürzung
des ô in o tritt auf dieſelbe weiſe ein, wie die kürzung
des ae in a, nämlich ſo oft ein unbetontes e der flexion
auf den conſ. der wurzel folgt. Daher heißt es horen
(audire) doren (ſtulti) lopen (currere) copen (emere) ho-
nen (affligere) lonen (remunerare) bome (arbore) groten
[472]I. mittelniederländiſche vocale.
(magnum) oghen (oculi) doghen (durare) hoghen (altum)
node (neceſſitate) blode (meticuloſus) dode (morte) etc.
hingegen hôn (contumelia) lôn (merces) bôm (arbor)
grôt nôt, dôt und hôrde (audivit) hôrt (audit) verdôrt
(inſipiens) lôpt (currit) hôch (altus) ſôch (ſugebat). Zum
beweis dienen die reime gheploghen:hoghen Maerl. 2,
243. toghen (oſtendere):droghen (ſicco) Maerl. 3, 236.
horen:tëvoren (ſupra) 3, 245., verglichen mit voren:
toren (violentia, zorn) 3. 254. gheboren (natus):horen
3, 291. 294. 2, 317. Völlig ausgemacht ſcheinen mir
gleichwohl dieſe kürzungen nicht, indem die hſſ. zuwei-
len ô (oo) ſchreiben, wo bloßes o erfordert würde (z. b.
Rein. 310. 331. nôde, blôde, dôden) und was mehr be-
deutet, entſchieden kurze o aufeinander zu reimen pfle-
gen (bode:gode:ghebode; vrome, come), nicht leicht
aber auf die verkürzten node, blode, ome, gome etc. —
6) analoge kürzung des oe in o gilt nicht, es heißt
groeten (ſalutare) bloede (ſanguine) bloemen (flori-
bus) etc.; ausnahmsweiſe findet ſie jedoch ſtatt und zwar
immer in rochte, ſochte (curavit, quaeſivit) von roe-
ken, ſoeken, die beſtändig auf mochte, dochte, ſochte
(lenis) reimen, hin und wieder in andern reimen
als comen:blomen, domen, ſt. bloemen, doemen
Maerl. 2, 308. 370. 475. brudegome:blome 3, 283. (vgl.
unten ô und oe).
(U) in einigen formen noch nicht in o übergegan-
gen, wie es ſcheint zumeiſt vor ll. dd. tt. ggh. cht. ſt.
als: dullen (inſipere) vullen (implere) doch im adj. neben
vul auch vol. vollen; mudde (modius Maerl. 1, 397.)
nutte (utilis) rugghe. brugghe. lucht (aer) vrucht (fructus)
vrucht (metus) ſuchten (gemere) luſt (deſiderium) ruſt
(quies) etc. Ob die ausſprache dem hochd. u oder ü
glich? läßt ſich ſchwer ſagen (vgl. den übergang in i,
ſ. 471. und umgedreht des i in u, als luſtich, juchtich
f. liſtich, gichtich Maerl. 2, 112.). Ein anderes beden-
ken macht die kürzung des û in u, welche nach der
beim a und o entwickelten regel einzutreten ſcheint,
nämlich die denkmähler ſchreiben freilich hûs, huſe;
ghelût, ghelude; rûm, rume; mûr, mure; brûn, bru-
nen; tûn (ſepes) tune etc. aber nicht durchgehends, z. b.
Rein. 308. ſteht hûſe. Die reime lehren hier aber nichts,
da alle organiſch kurzen u vor einf. conſ. längſt zu o
geworden ſind (z. b. vrom, ſomer, ſone); eben weil bru-
nen, tune nicht in bronen, tone übergehen, möchte
ich die kürzung leuguen. Wenn ſich mit ausgeſtoße-
[473]I. mittelniederländiſche vocale.
nem n onſe (d. h. unſe) in uſe wandelt (:huſe Huyd.
op. St. 3, 228.), ſo wird es dadurch nicht ſicher ûſe
(oben ſ. 210. 231.). Die kürze von mure (muro) würde
der reim dure (per):ſure (acidus) ſcrifture, ure (hora)
Maerl. 1, 36. 40. 134. entſcheiden, wenn dure ſelbſt
ſicher kurz wäre.
(Y) grammatiſch zu entbehren und lieber mit i aus-
zndrücken, zumahl es verwechſelungen mit ŷ (welches
die hſſ. ij ſchreiben, es bedeutet aber î) ausgeſetzt iſt.
Vorzüglich wird y in fremden wörtern geſetzt, als yeve
(eva Huyd. 2, 148.; d. h. ieve wie der reim: lieve lehrt
Maerl. 1, 80.) reynaert, reynout, payment, pays, (pax)
etc. beßer reinaert, reinout, paiment, pais.
(AA) â, mangelt und wird durch ae vertreten, ſtatt
welches man im neuniederl. wieder â (aa) ſchreibt.
Zweifel machen bloß im auslaut die ſchreibungen na
(poſt, prope) ga (eo) va (cape), die ſehr oft auf fremde
namen, wie aſia, ſcylla, reimen, gewiß aber langlautig
ſind. Wenigſtens gebührte ihnen â, (ghâ : ſcolaſticâ)
wenn man nicht ae ſetzen will.
(EE) ê, gilt 1) auslautend in ſê (mare) ſnê (nix)
wê (malum) mê (magis) twê (duo). 2) entſpricht dem
mittelh. ê vor r in mêr (magis) wëderkêr (regreſſus)
êre (honos) êre (antea) verſèren (vulnerare) kêren (ver-
tere) lêren (docere) welche beiden im praet. kêrde, lêrde
(nicht kaerde. laerde) haben; das mittelh. hërre heißt
ſtets hêre oder hëre; ein h iſt ausgefallen in lên (lêhen)
und ſwêr (affinis). 3) dem mittelh. ei in häufigen fäl-
len: ê. nên. bên. twên. grëp. drêf. bêt (momordit)
wrêt (iratus) gheblêt (balatus) ghêt. hêt (calidus)
vlêſch. hêſch. ghêſt (ſpiritus) mêſt. wêc (mollis) blêc
(pallidus) nêch (inclinavit) etc. 4) nie dem ſächſ. ê = ie,
welches durchgängig ie lautet; man laße ſich den reim
hêt:hêt (calidus) Maerl. 1, 103. nicht täuſchen, erſteres
hêt bedeutet nicht hiet vocabatur, ſondern hêtet oder
hëtet, vocatur. Maerl. könnte alſo Veld. reim mêſter:
prêſter (ſ. 460.) nicht gedichtet haben, er ſagt prie-
ſter. — 4) in fremden wörtern ſteht ê (außer den aus-
lautenden joſuê, jeptê etc. Maerl. 1, 104. 109.) in amên
(:bên Rein. 334.) tîbêrt, grimbêrt (:ſêrt, kêrt Rein. 304.
323. 331.), unrichtig würde man tibaert, grimbaert
ſchreiben, ſo wie umgekehrt pêrde, êrde für paerde,
aerde oder përde, ërde verwerflich ſcheint. — 5) ſtêt (ſtat):
[474]I. mittelniederländiſche vocale.
wêt, ſwêt reimend (Rein. 352. Maerl. 1, 126. 2, 241.)
ſchwankend in ſtaet (: gaet Rein. 353. und gaet:laet
Maerl. 1, 159.) vergleicht ſich dem mittelh. ſtêt und ſtât. —
6) aus kurzem ë entſpringt ê, gleich dem ae aus a,
ſobald nach dem conſ. der wurzel ein tonloſer voc. der
flexion ausfällt und der conſ. der flexion mit jenem conſ.
zuſ. ſtößt. z. b. ſprêx : brêx, ſprêct:brêct, Maerl. 2,
251. 464. wêts:vermêts, verghêts 2, 444. 448. ſtammen
aus ſprëkes, brëkes, ſprëket, wëtes, verghëtes. Ebenſo
ſetzen hêlt (heros) bêlde (imago) bêfde (tremuit) hêft
(habet) lêft (vivit) ein völligeres hëlet, bëlede, bëvede,
hëvet, lëvet voraus, und (wie ich auch ſ. 468. bemerkte)
das ê hängt gar nicht von der bloßen conſ. verbindung
ab, indem z. b. vëlt (campus) vëlde (campo) weder ê
bekommen, noch auf hêlt, bêlde reimen. Die ſchrei-
bung dêmſter (obſcurus) f. dëmſter verdient misbilli-
gung. — 7) ſchwieriger zu entſcheiden fällt mir, ob
ſich das org. lange ê bei nachfolgendem flexionsvoc. er-
halte oder kürze? Die quellen ſchreiben bald kêren,
êren, bald këren, ëren; bald allêne, ghemêne, clêne,
wêue (ploratu), bald allëne, rëne (pure) etc. reimver-
bunden finde ich aber nur këren, ëren, lëren unterein-
ander, nicht mit dëren (nocere) vertëren (conſumere)
ëren (arare) ſwëren (jurare) ontbëren (carere) përen (pira),
dagegen Maerl. 2, 240. dëren:viſentêren. Den bäufigen
reimen clëne:athëne:gemëne:ghëne (nulla) clënen:
mënen (putare) etc. ſtehen keine ſichere kürzen zur ſeite.
Deutlich aber iſt wahrzunehmen, daß bei dem reim
ëde, ëden nur bëde (ambo) lëde (duco) bëden (ambo-
bus) lëden (ducere) clëden (veſtibus) beſcëden (modeſtus)
gherëden (parare) reimen, andrerſeits vrëde (pax) mëde
(praep.) ſëde (mos) ſtëde (loco) lëde (membra) die com-
poſ. mit -hëde, als dierhëde und lëden (membris) lë-
den (ibant) ſtrëden (pugnabant) ſëden (moribus) hëden
(hodie) ſwëden (ſuecia) mëden (media). Ich möchte
daher unbekümmert um die ungenauigkeit der ſchrei-
bung *) und gegen die analogie der ausgemachten kür-
[475]I. mittelniederländiſche vocale.
zung jaren, waren (ſt. jaeren, waeren) aufſtellen, daß
allerdings kêren, êren, lêren, clêne, athêne, ghemêne etc.
bêde, bêden, lêden, ſcêden. gherêden geſetzt werden
müße. Dazu kommt das ſobwanken der formen êde,
êden in eide, eiden (ſ. unten beim ei). Auffallend iſt
die entſchiedene kürze in hëden (mittelh. hiute) aber
analog dem nëghene (mittelh. niune) auf jëghene rei-
mend (Maerl. 1, 147.). Ob wohl die ausſprache zwiſchen
nëghen (novem) und nëghen (inclinarunt) unterſchied
machte?
(II) in den hſſ. gewöhnlich ij geſchrieben, beque-
mer und gleichförmiger ſetze ich î. Der laut ſelbſt hat
in rîm (gelu) dîn (tuus) ſwîn (ſus) wîf (femina) vîf
(quinque) wîch (bellum) prîch (fervor) lîc (corpus) tît
(tempus) etc. gar keine ſchwierigkeit; folgt aber dem
wurzelconſ. ein voc. der flexion, ſo handelt es ſich, wie
bei den übrigen dehnlauten, um die kürzung. Die hſſ.
ſetzen allerdings rime, dine, wive, vive, ſcriven (ſcri-
bere) wighe, prighe, rike (regnum) like, tide, ſtriden
(pugnare) etc. An entſcheidenden reimen gebricht es
wieder, da die org. kurzen i in ë übergegangen ſind,
als ſëde (mos) ſëghe (vict.). Inſofern unterſcheiden ſich
freilich ſcriven, ſcrëven (ſcripſerunt) mittelh. ſchrîben,
ſchriben; doch darf man (wie vorhin ſ. 472. beim u)
ſagen, daß rime, dine, ſcrive im fall wirklicher kürzung
ebenfalls zu ë geworden ſeyn könnten, was nirgends
geſchehen iſt. Und ausnahmsweiſe wird auch rîme,
dîne etc. geſchrieben, vgl. lîne:pîne, lîden:ſìden Rein.
306. 332. Auslautend gewöhnlich i, als wi (nos) ghi
(vos) mi (mihi) bi (apud) di (tibi) ſi (ſit) hi (ille) vri
(liber) bidi (ideo) vgl. unten ie.
(OO) ô wird in den denkmählern häufig mit oe
vermiſcht, welchen fehler die beobachtung der reime
ziemlich, doch nicht ausreichend zu meiden lehrt; es
laufen einige falſche reime mitunter, z. b. Rein. 353.
grôte:voete; geſtattet man groeten (magnum) zu ſchrei-
ben, ſo verfällt damit groeten (ſalutare). Maerl. 2, 339.
ſtehet côs (elegit):altôs (ſemper) *) 340. coes:altoes;
*)
[476]I. mittelniederländiſche vocale.
1, 113. ome (patrnelis:rome) 178. oem:droem; Rein.
318. hoerden:woerden. 333. wôrden:hôrden. Die re-
gel ließe ſich nach dem maßſtab der übrigen mundar-
ten leicht ausfinden, z. b. dem angelſächſ., man ſchreibe
ô für eá (mittelh. ô, ou) alſo dôt (mortuus) bôt (obtu-
lit) rôt (ruber) brôt (panis) côs (elegit) lôs (liber) lôf
(folium) ſtôf (pulvis) rôf (rapina) hôft (caput) verdôft
(inſaniens) bôm (arbor) lôn (merces) — aber oe für ô
(mittelh. uo) alſo voet (pes) goet (bonum) bloet (ſan-
guis) groeten (ſalutare) voeden (alere) bloeme (flos) coene
(audax) vloer (pavimentum) ſwoer (juravit) etc. Hier-
nach iſt obiges coes unrichtig und auch die von Clignet
(teut. LXVI.) beigebrachten hoenen, loenen, woenen
ſind es ohne zweifel (ſchwerlich reimen ſie irgendwo
auf coenen audacem, groenen viridem). Indeſſen iſt
vielleicht der hochd. unterſchied zwiſchen ô und ou zu
berückſichtigen, inſofern die ou ebenfalls oe ſeyn könn-
ten, folglich die formen oem, oep, oef, oec, oech, z. b.
boem, goeme (cura) hoepe (acervus) loef, roef, ſtoef,
hoeft, hoech (altus Rein. 290. 320.) vloech (volavit)
loech (mentiebatur) loec (clauſit) oec (etiam); obgleich
ich ebenfalls in ihnen ô vorziehen würde, weil es beßer
iſt. daß die mittelh. ô und ou in ô zuſ. fallen, als die
mittelh. ou und uo in oe, und weil die anomale ſchrei-
bung auch bei den formen ôn, ôr, ôt, ôd vorkommt,
wo ſie vollends nicht zu vertheidigen iſt. Auf das oe
werde ich unten zurückkommen, zum ô bemerke ich
1) es gebührt den auslauten hô, vlô (fugit) ſtrô (ſtra-
men) vrô (laetus) alſô und den darauf reimenden frem-
den wörtern dominô, pharaô, franſiô (Rein. 288. Maerl.
1, 81. 120.); man unterſcheide davon die auslaute auf
oe. 2) ob ſich ô in o kürze? iſt ſ. 471. verhandelt wor-
den; nimmt man in einigen fällen oe ſtatt ô als richtig
und auch bei ihm kürzung in o als möglich an, ſo
würden ſich reime wie vote:grote rechtfertigen. Al-
lein ich zweifle, weil alsdann nahliegende reime wie
gronen, conen:honen, lonen häufiger vorkommen
müſten, auch ſpricht die faſt allgemeine ſchreibung für
die beibeheltung des oe in groenen, goeden (etc. — 3)
vor rt, rd gilt überall ô ſtatt o, als wôrt (verbum) vôrt
(ulterius) môrt (homicidium) bôrt (margo) pl. wôrden
etc. wie die reime auf ghehôrt, verdôrt, hôrden, ſcôr-
den (rumpebant) lehren, in welchen ein nothwendiges
ô ſtattfindet. Statt der verbindung rm, rn iſt mit ein-
geſchobnem e -rem, -ren üblich, z. b. ſtorem, koren,
[477]I. mittelniederländiſche vocale.
toren, aus deſſen ſyncope nach der folgenden bemer-
kung ſtôrm, kôrn, tôrn fließen würde. Dies ô vor
den verbind. mit r. vergleicht ſich dem ae in denſelben
fällen (ſ. 467.) — 4) entſpringt auch ô aus o durch ſyn-
cope der flexion, z. b. hôpte (ſperavit) nôpte (impulit)
ſt. hopede, nopede. Dadurch wird verdôft (ſt. verdo-
vet) reimfähig auf hôft (hôvet).
(UU) û. 1) die auslaute ſind dû (tu) nû (jam) rû
(aſper) hû oder û (vobis) und fremde namen, wie eſaû,
monjû Maerl. 1, 36. 2) beiſpiele des inlautenden û ſind:
rûm (ſpatium) tûn (ſepes) brûn (fuſcus) pûr (purus) mûr
(murus) crût (herba) brût (ſponſa) hût (cutis) ghelût
(clamor) ſût (meridies) ût (ex) drût (Rein. 302.) dedût
(franz. deduit) hûs. mûs. përtûs (franz. pertuis) crûs
(crux) cûſſc (caſtus) rûſſcen (ſtridere) lûſſcen (latere) dûtſc
(theodiſcus) bûc (venter). 3) folgt dem einf. wurzelconſ.
ein flexionsvocal, ſo iſt nach ſ. 472. zweifelhaft, ob kür-
zung des organ. û vorgehe. In nachfolgenden belegen
will ich einmahl fortdauer der länge annehmen: tûmen
(ſaltare oben ſ. 155.) cûme (vix) crûme (mica) couſtûme
(franz. couſtume) ſcûmen (ſpumare) rûnen (ſuſurrare) hû-
nen (hunni) ſtûnen (inniti) ſûren (aceſcere) avontûre,
ſcriftûre, ghebûre (ruſticus) ûre (hora) geſtrûren (Maerl.
1, 180.) dûve (columba) lûden (ſonare) pûde (ranae
Maerl. 1, 90. Rein. 342.).
(AE) ae, ein der ſprache ſehr beliebter laut, ohne
zweifel áe, mit leiſe nachklingendem e, in der rhei-
niſch-weſtphäl. mundart ái, im nenniederl. áa (à); ich
hätte æ ſchreiben können, wollte aber verwechſelung
mit dem hochd. æ verhüten und eine gewiſſe analogie
zwiſchen ae und oe (wiederum nicht œ) erhalten. Der
diphth. entſpricht 1) dem mittelh. â und angelſ. æ (letz-
term wohl ganz in der ausſprache) und iſt kein umlaut.
Von dem kurzen a unterſcheidet er ſich organiſch in
vielen ſonſt gleichſcheinenden wörtern, z. b. raet (con-
ſil.) raet (favus) daet (facinus) daen (factus) gemaech
(cognatus) vgl. mit rat (rota) dat (hoc) dan (nemus) mach
(poteſt). Die belege ergeben ſich nach den übrigen
ſprachen, hier nur einige ſeltnere oder in jenen unge-
wiſſe wörter: ſaen (illico) daer (ibi, vgl. ſ. 87.) haer
(hîc) haer (huic f.) vaer (periculum) naer (prope) maer
(ſed) odevaer (ciconia) blaer (aſper, miſer) braes (bra-
chium) dwaes (ſtultus) aes (cadaver) raet, gen. raetes
(fav. mellis) dagheraet (crepuſculum) quaet (malus) vraet
[478]I. mittelniederländiſche vocale.
(gulo) naelde (acus) maent (menſis) traech (ignavus);
ſtael (chalybs) gaen, ſlaen, traen (lacrima) dwaen u. a.
ſind wie die hochd. ſtâl, gân, ſlân zu beurtheilen. Auch
in fremden wörtern ſtimmt es zu â, als aviaen, vol-
caen etc. und bloß auslautend ſcheint nicht es, vielmehr
noch â zu gelten. — 2) dieſes ae wird durch einen im
hochd. und angelſ. unzuläßigen übergang in a ſehr be-
ſchränkt (oben ſ. 468.) z. b. dem mittelh. ſprâche ſteht
kein ſpraeke, ſondern ſprake entgegen, auf make (mit-
telh. mache) reimig. — 3) andrerſeits eben ſo ſehr erwei-
tert dadurch, daß ſich bei ſyncopiertem flexions-e das kurze
a in ae längert; z. b. aex:gemaex ſt. akes, gemakes; taelde
(loqnebatur) ſpaende (lactavit) taende (dentibus prehendit
ſt. talede, tanede (alth. zanôta) welche nunmehr auf naelde
(acus) maende (menſes) reimen; ghemaent (monitns:
waent (opinatur). Auf dieſem wege haben ſich allmäh-
lig falſche längen im neuniederl. für den unſyncopier-
ten fall eingeführt, z. b. klâgen (queri) mâken (facere)
aus klâgde, mâkte; hân (gallus) aus hânbalk f. hanebalk.
Beide regeln (2 und 3) treffen im reſultat überein, in-
dem z. b. maende menſes und monuit, mane luna und
moneo heißt, mit dem unterſchiede, daß maende (men-
ſes) und mane (moneo) organiſch, maende (monuit)
und mane (luna) unorganiſch ſind. Zuweilen entſpringt
ae ſelbſt bei zuſ. ſetzungen, z. b. Rein. 322. aenbalke f.
hanebalke. — 4) beiderlei wechſel zwiſchen a und ae,
alſo in haer, haers, hare, ſtael, ſtaels, ſtale, manen,
maende etc. läßt ſich dem angelſ. wechſel zwiſchen a
und ä in däg, däges, dagas (ſ. 224. 233.) gar nicht ver-
gleichen, bei letzterm handelt es ſich von zwei kürzen
a und ä, das lange æ gerade ſteht unveränderlich. Daher
auch die einzelnen beiſpiele ganz anders ausfallen, im
niederl. gilt dach, daghe; im angelſ. hær, hæres, hære. —
5) in dem ae ſtatt a und ë vor den verbind. mit r
(ſ. 467.) ſehe ich aber eine ähnlichkeit mit dem angelſ.
ëa und ëo vor denſelben verbindungen (ſ. 236. 239.). die-
ſer wechſel iſt auch ſtändig, d. h. von der flexionsſyn-
cope unabhängig. Es heißt ſtaerf, haert, waert, angelſ.
ſtëarf, hëard, vëardh; und ſtaert, ſwaerd, waert, angelſ.
ſtëort, ſvëord, vëordh. Dieſe anwendung des ae für
die zwei geſchiedenen fälle ëa und ëo, ſo fehlerhaft ſie
ſeyn mag, deutet an, daß früher das ae vor r-verbin-
dungen eine von dem ae (1. 2. 3.) abweichende aus-
ſprache hatte. Vielleicht auch abweichende ſchreibung.
Ausnahmsweiſe ließe ſich tart (und nicht taert? etwa
[479]I. mittelniederländiſche vocale.
durch das angelſ. arn (und nicht ëarn, ſ. 223.) entſchul-
digen, weil es, wie dieſes fur ran, für trat ſteht.
(AI) nicht niederländiſch, nur in einigen fremden
wörtern als pais (pax) paiment, pallais (palatium) u. a.;
übrigens vom triphth. aei zu unterſcheiden. Die ſpä-
tere clever mundart ſetzt ai für ae (jair, clair) ſo wie
oi für oe.
(AU) au behauptet ſich in einigen fällen 1) in der
verbindung ouw ſetzen verſchiedene handſchriften noch
auw (z. b. Rein.), belege unten beim w; und ſelbſt
ſolche, die ouw ſchreiben, haben auslautend bei apo-
copiertem w nicht ou, ſondern au, vgl. dau (ros) rau
(poenituit) blau (caedit) Maerl. 1, 174. 2, 140. 205. —
2) ſtatt des aus alt entſpringenden out zeigt ſich bis-
weilen das richtigere aut (ſ. 467.) — 3) von auw das
triphth. aeuw zu ſcheiden; belege beim w.
(EI) findet ſtatt 1) als altes gewöhnlich durch ê ver-
drungenes ei, neben jenem, zumeiſt in der form êde, eide,
nicht dialectiſch, ſondern in denſelben quellen, vgl. weide
(pabulum) beide, heide (campus) heiden, verſceiden im
reim auf ſeide (dixit) leide (poſuit) lamfreide Maerl. 1, 37.
43. 99. 149. Rein. 296. 301. 317. Anderemahl ſtehet
bêde, ſcêden, lêde (duco) (wahrſcheinlicher als bëde,
lëde, ſcëden, oben ſ. 475. (und ebenſo wechſeln hameide
(repagulum, mittelh. hâmît) galeide foſſeide (altfranz.
galée, foſſée) mit hamêde, galêde; rêne (pure) mit
reine (:ſeine, ſequana, Stocke 3, 69.). Außerdem finde
ich mit ei, nicht mit ê, heilech (ſanctus) heimelic (ſe-
cretus) keiſer (caeſar) und ſelbſt für ë in einde (finis).
Merkwürdig eiſt f. ës hët, analog dem waeſt f. was
hët. — 2) ei aus eg entſpringt in ſeit (dicit) ſeide (dixit)
leide (poſuit) ſeine (benedicat) reine (pluat) ſeil (velum)
ei (ovum) neien (hinnire, Maerl. 1, 196. altn. hneggja,
vgl. oben ſ. 327.) — 3) fremde wörter: lamfreit (lanfroi)
jofreit (jeofroi) reinaert (reinard, rênard, d. i. reginhart)
cheins (cenſus) peinſen (neben penſen, cogitare) veinſen
(fingere) veinſter (feneſtra) reimêren (redimere Maerl.
2, 294. Huyd. op St. 1, 126. vgl. Roquef. v. reimbrer)
und gewiß noch andere.
(EU) ganz entbehrlich und findet ſich nur zuweilen
ſtatt des (aus organiſchem u) entſpringenden kurzen o,
daher ihm ein mittelh. u entſpricht. Beßer und alter-
thümlicher wird o geſchrieben, z. b. joghet (juventus)
[480]I. mittelniederländiſche vocale.
doghet (virtus) verhoghen (exhilarare) dor (porta) cor
(electio) ſcoren (rumpere) ſcorde oder ſcôrde (laceravit,
lacerabatur) jode (judaeus) rode (canis) inzwiſchen zei-
gen die hſſ. neben dieſem o in denſelben wörtern bald
eu bald ue, z. b. Maerl. 2, 132. 178. lieſt man den reim
jeuden:reuden, 196. 314. 367. jueden:rueden; 2, 61.
doghet:verhoghet, 2, 139. deughet:verheughet, 1, 233.
dueghet:jueghet; 2, 152. ſcuerde und ſceurde hinterein-
ander; Huyd. op St. 2, 17. erklärt beide, eu und ue,
für in der ausſprache zuſ. fallend. Offenbar iſt aber die
eine ſchreibung, nämlich ue, ganz verwerflich, wie
ſchon aus dem neuniederl. eu (und nicht ue) folgt, das
auch andere frühere o vertritt, z. b neus, reus (mittel-
niederl. noſe, roſe = nëſe, rëſe). Die hentige ausſprache
dieſes eu, nämlich ö, wage ich nicht für jenes alte o,
eu, anzunehmen. Kurz ſcheint mir der laut in jedem
fall und ſchon deswegen gibt ihm das diphthong. eu
ein falſches anſehen. Vom triphthong. êu ganz ver-
ſchieden.
(IE) häufiger doppellaut, welcher 1) meiſtens mit
dem mittelh. ie übereinſtimmt, beiſpiele: knie (genu)
niemen (nemo) vlien (fugere) dienen (ſervire) hiet (vo-
cabatur) liet (ſinebat) miede (munnus) riep (vocabat) liep.
ſliep. viel (cadebat) bier (cereviſia) vier (quatuor) dier (ani-
mal) hier (hic) lief (carus) dief (fur) dierne (famula Maerl.
3, 341.) vrieſen (friſones) verlies (jactura) vliet (fluentum)
vlieten (fluere) liegen (mentiri) etc. Seltnere dem mittelh.
mangelnde wörter ſind:lier (gena, altn. hlêr) miere (formica
altn. maur) ſnieme (ſubito, alth. ſniumo) ries (ſtultus)
brieſſcen (rugire) lieſſcen (Maerl. 1, 452.) — 2) die fort-
ſchreitende verwandlung der alten iu in ie hat auch fol-
gende betroffen, denen noch ein mittelh. iu gebührt: vier
(ignis) onghehier (immanis) dier (carus) ſtieren (gubernare)
lieden (hominibus) bedieden (ſignificare) auf hier, dieren,
ſcieden reimend. — 3) unorganiſch iſt das den ablaut
verwirrende ie in hief (ſuſtulit) beſief (intellexit) wies
(crevit) wieſſc (lavavit) etc. ſtatt des mittelh. uo; mehr
hiervon bei der conj. — 4) dieſe wird auch beeinträch-
tigt durch das ie, welches in plien (ſolere) ſien (videre)
beghien (confiteri) geſcien (fieri) ſpien (inveſtigare) aus
ſyncope der guttur. hervorgeht; alle reimen auf vlien
(fugere) bien (apes). Hierher gehören weiter tien (de-
cem) niet (nihil) iet (aliquid) vie (pecus); lien (fateri)
ſtammt aus liden, aber liet (fatetur) reimt auf riet
(Rein. 374.) folglich auf liet (ſivit); die ſprache kennt
[481]I. mittelniederländiſche vocale.
überhaupt kein von ie unterſchiedenes îe, vielmehr alle
î-e ſind diphthongiſche ie geworden, weshalb auch
bien (apes) einſilbig iſt, wie vlien. Zweifel hiergegen
macht die ſchreibung nîede (hinniret):wîede (conſecra-
ret) Maerl. 1, 195, da nîen aus neien ſtammt (vorhin
ſ. 479.); doch nien aus nîen, neien iſt kein ſprung, ſon-
dern nur eine weitere abſtufung, als wien aus wîen
(mittelh. wîhen). — 5) der verſchiedene urſprung der
auslautenden ie iſt hiernach gar nicht zu verwundern,
vgl. vie (pecus) ſie (video) plie (ſoleo) bie (apis) lie (fa-
teor) nie (nunquam) wie (quomodo) die (ii, eam) auch
wohl drie, wie (nos) ſt. drî, wî (Maerl. 1, 121.) — 6)
ſt. des mittelh. ſêle (anima) gilt ſiele:gheviele (Rein. 338.)
und michiele (mittelh. michahêle) Maerl. 2, 241; vgl.
liebaert (leopardus, aber leo bedeutend); ſonderbar iſt
mielre (pictor) Maerl. 2, 280. f. maelre. — 7) vor ng. nc.
kürzt ſich ie in i, als ghinc, vinc, ghinghen, hinghen:
jonghelinc, dinghen. — 8) ie in roman. wörtern bleibt,
z. b. fier, riviere, maniere; auch das rom. i wird zu-
weilen ie, vgl. engiene (ingenio, arte, franz. engin):
ſiene Maerl. 2, 424, andremahle ſteht î, vgl. venîn:wîn
Maerl. 3, 88, ſo wie bald benedien:marien, bald ghe-
benedît:lît und wiederum ſowohl lî:tît (tempus) als
liet:niet, immer in der bedeutung von fatetur geſchrie-
ben wird; vgl. den wechſel der auslautenden î mit ie. —
9) in einigen formen ſchwankt ie und û, als dûtſc und
dietſc, lûden und lieden (homines).
(IU) geht der mundart völlig ab (ſ. ui).
(OE) häufig, aber ſchwankend in ô und ou. 1) or-
ganiſch dem mittelh. uo parallel; dahin gehören die
auslaute vroe (mane) toe (ad) doe (tum, vgl. ſ. 96. 358.)
coe (vacca) ſcoe (calceus); weitere beiſpiele: roelant
(n. pr.) noemen (nominare) doemen (judicare) bloeme
(flos) coene (audax) doen (facere):baroen (baro) ve-
niſoen (caro ferina) und ähnliche roman. wörter *)
(vgl. das mittelh. bâruon ſ. 359.); voer (ivit) voere (mos)
ſnoer (reſtis) vloer (atrium) ſwoer (juravit) hoever (ripa)
behoeven (opus habere) groef (fodit) droef (obſcurus)
voet (pes) bloet (ſanguis) ſpoet (celeritas) ſoet (dulcis)
goet (bonum) ſtoet (ſtetit) broeder (frater) moeder (ma-
ter) vroede (prudentia) aermoede (paupertate) moeſte
H h
[482]I. mittelniederländiſche vocale.
(debuit) boec (liber) dwoech (lavavit) pl. dwoeghen,
droech (portavit) pl. droeghen, wroeghen (accuſare) vloe.
ken (maledicere) etc. Inzwiſchen pflegen die hſſ. vor
f. und den gutt. gern ou zu gebrauchen, wie ich glaube,
unrichtig; vielleicht im gefühl einer durch den mis-
brauch des oe ſt. ô nöthig gewordenen unterſcheidung.
Nämlich 2) oe wird unorganiſch ſt. ô augewendet in
boem. ſtroem. goem. oem. loef. roef. ſtoef. loes. bloet
(nudus) groet (magnus) oec. hoech. vloech und allen
ähnlichen (vorhin ſ. 476.). Verwerfen es künftige cri-
tiſche ausgaben, ſo müßen ſie auch das ou ſtatt oe ver-
werfen. — 3) übrigens iſt oe nicht gleich dem neunie-
derl. oe mit u auszuſprechen, wie theils aus der ver-
wechſlung mit ô folgt, theils aus der kürzung in o vor
nt, nd; vgl. ſtont (ſtetit):cont reimend Maerl. 3, 61. —
4) mit dem oe in ſoe (illa) und hoe (quomodo) iſt es
eigends bewandt, erſteres entſpringt aus einem älteren
ſiu, letzteres aus hui f. hvi, hwi. Das zuſ. gezogene
ſoet ſteht f. ſô hët.
(OI) in einigen fremden wörtern, als franſois, troi-
jere, point, häufig oy geſchrieben. Dialectiſch vertritt
es auch ô und oe, vgl. avondſt. p. 326. 327. gheboirt,
voirt, doirn, hoirn und im teutoniſta boik, boirt, voir,
oiſt etc. Alſo kein reinniederländ. doppellaut.
(OU) verſchiedenartig 1) in den formen out, oude
theils aus alt, alde entſpringend, vgl. houden (tenere)
ſpouden (findere) out (vetus) ſmout (adeps) ſcoude (ſcal-
dis) ſout (ſal) bout (ſuperbus) cout (frigidus) etc. in wel-
chem fall doch zuweilen aut, aude geſchrieben wird;
theils aus olt, olde, vgl. hout (lignum) hout (carus)
moude (terra) woude (voluit) ſoude (debuit) gout (au-
rum) côbout (ſpir. famil.) ſout (ſtipendium). — 2) in
der form ouw wiederum mit auw wechſelnd; näheres
unten beim w. — 3) unorganiſch für oe geſetzt vor f.
p. ch. k, vgl. behouf (neceſſitas) grouf (fodiebat) prouft
(experitur) roupen (vocare) drouch (portavit) plouch
(aratrum) louch (riſit) ghenouch (ſatis) ghevouch (aptus)
bouc (liber) ſouc (quaere) houke (angulo) rouken (cu-
rare) ſouken (quaerere) etc. wie ich vorhin beim ô und
oe erläuterte, wenn einige oec (etiam) loech (mentitus
eſt) für ôc, lôch etc. ſchreiben, ſcheint allerdings bouc
und louch f. das organ. boec, loech angemeßen. Ich
ſchlage aber vor, ſich überall, dort des oe und hier des
ou zu enthalten, wie es die analogie der übrigen mund
arten und ſelbſt des neuniederl. fordert.
(UE) ein bedenklicher laut, der aber in den denk-
mählern zuweilen erſcheint 1) offenbar fehlerhaft für
eu, wovon vorhin ſ. 480.). 2) für û in fällen wo die-
ſes einer an ſich noch zweifelhaften kürzung in u un-
terliegt, namentlich in der form uere für ure oder ûre,
vgl. avontuere:creatuere Rein. 314. muere:ghebuere,
muere:ſcuere (horreo) Rein. 285. 307., obgleich gewöhn-
lich in dieſen wörtern das beßere-ure ſteht. Es ſcheint
bloße nachahmung der ſchreibungen duere (per) ter
cuere (inſigniter) duere (portà) Maerl. 2, 34. 61. (ſt. deure,
ceure und dieſes = dore, core) welche zwar unter ein-
ander, nicht leicht auf jene muere, ſcuere, avontuere
reimen, ausnahmsweiſe freilich ſure (acidi):dure Maerl.
1, 36. vgl. vorhin ſ. 473. — Critiſche ausgaben können
das ue gänzlich aufgeben.
(UI) dieſer im neuniederl. gewöhnliche diphth. iſt
unerweislich. Die quellen ſchreiben offenbar kûſſc,
dûtſc und nicht kuiſſc, duitſc, ja ſie reimen huſe (domo):
muſe (mures) Rein. 308., ſo daß an einen umlaut des û
in ui, parallel dem des mittelh. û in iu (wonach hûſe
nicht auf miuſe reimt) kein gedanke iſt. Selbſt das
neuniederl. ui läßt ſich jenem umlaute nur einiger-
maßen, nicht überall vergleichen, da es z. b. zwar muize
(mures) heißt, aber auch muis (mus). Findet ſich in
den ausg. zuweilen ui, z. b. Maerl. 2, 196. ghecruiſt,
ſo ändere man in ghecrûſt. —
(AEI. OOI. OEI. AEU. EEU. IEU) ſechs der mittel-
niederl. ſprache zuſtändige triphthongen, doch alle nur
in wenigen wörtern; aei, ôi, oei lauten im neuniederl.
aai, ooi, werden aber in den denkmählern gewöhnlich
ay, oy geſchrieben, vielleicht ſind ſie nur diphthongiſche
ai, oi? Ich finde vraei (pulcher, bonus) Maerl. 2, 392.
3, 270. ghecraei (clamor) Rein. 342. waeide (ſpiravit)
blaeide (efflavit) Stoke 3, 7. im inf. waejen, blaejen?
(vgl. oben ſ. 435.) eben ſo ſaejen (ſerere) maejen (me-
tere) Maerl. 2, 465. gewiß auch draejen (tornare) etc.
Sodann hôi (foenum) môje (das goth. mavi, obwohl
amita bedeutend?) Rein. 315. 324. 358. ſcôjen (mendi-
care) Rein. 358. vernôjen (taedere, ennuyer) Rein. 315.
324. ôit, nôit (unquam, nunq.) moeje (labor) vermoejet
(feſſus) Maerl. 2, 75. moeilic (difficilis (Maerl. 2, 56.) ont-
ſcoejen (diſcalceare) vloejen (fluere) Rein. 359. vermuth-
lich auch bloejen (florere) groejen (virere) u. a. m. —
Belege zu den drei letzten doppellauten unten beim w. —
Vorbemerkungen. I) für den auslaut gilt die mit-
telh. regel (ſ. 377.) wonach er bloß ten. und aſp. zu-
läßt, das inlautende v. d. gh. wird zu f. t. ch*), vgl.
ſtaves, ſtaf (baculus) rades, raet (conſilium) rades, rat
(rota) daghes, dach (dies) maghes, maech (cognatus).
Die org. tenuis bleibt unveränderlich: ſcapes, ſcaep
(ovis) vates, vat (vas) ſcakes, ſcaec (lud. latr.). Eben-
falls aber löſt ſich geminierte in einf. conſonanz auf,
als valles, val; mannes, man; ſpottes, ſpot; bëddes,
bët (lectus, neben bëdde Maerl. 2, 437.).
Wechſel zwiſchen l und n finde ich in ſlëcke (limax)
mittelh. ſnëcke (vgl. ſlëckenhûs Maerl. 1, 46.); daß l
nach o in u ſchmilzt, iſt ſ. 467. 482. ausgeführt (vgl.
ſ. 444.) zuweilen heſteht daneben das ältere uld (ſpäter
old) vgl. Maerl. 1, 13[3]. 148. guldin, goudin 3, 226. guldin-
mont (chryſoſtomus) 3, 229. goudinmont oder hulde, ſculde
neben houde, ſcoude (Huyd. op St. 1, 366. 367.) zuweilen
das ältere alt, zumahl im praet. ſcalt, galt Maerl. 2, 142.
pl. gouden 1, 277. Verſetzung des l kann man in naelde
(acus) ſt. nadel finden vgl. oben ſ. 389. 393. — m ſchwächt
ſich nicht in n, eher aſſimiliert nm zu mm, als om-
mare (ingratus Maerl. 2, 342.) vgl. ſ. 389. note. — n fällt
nicht immer vor gutt. aus, es heißt coninc (rex) pën-
ninc, wohl aber honich (mel) Rein. 292. 293.; auch vor
ling. ſchwankt ſtoet (ſtetit) und ſtont (auf ſpoet, vroet
und cont, mont reimend) ſint (poſtea) reimt auf kint
Maerl. 1, 120. Bei zuſ. ziehung fällt es vor r in häufi-
ger pronominalform êre, mîre, ſîre (auch miere, ſiere
geſchrieben) aus, ſt. ënere (unâ) minere, ſinre; ſchwer-
lich in andern wörtern, z. b. kein clêre f. clënere (par-
viori). Ein merkwürdig vorgeſchobner anlaut n zeigt
ſich in naernſt, naerſt (ſedulitas) neben dem gleichbe-
deutigen aernſt, aerſt; beide formen gelten noch im neu-
[488]I. mittelniederländiſche conſonanten. liquidae.
niederl. zuſammen. — Umſetzung des r (oben ſ. 244. 245.)
trägt ſich vor ſ, t, d und n. auch wohl cht zu, gewöhn-
lich ſtehen beide formen frei, gras und gars (gramen,
gaers?). Weitere fälle ſind: ors f. ros (equns) përſeme
(uſura Maerl. 3, 292. alth. phraſamo) vervorſen (conge-
latus) Maerl. 1, 7. 394., daneben vervroren (:doren 1,
419.) ſt. vervroſen, vorſt (gelu) f. vroſt; kërſt (chriſtus:
ërſt Maerl. 2, 372.) bërſte (defectus) vërſt (dilatio) f.
brëſte, vrëſt; kërſp (criſpus) Maerl. 1, 265.; vërſſc (re-
cens) vorſſc (rana); tërden, tart f. trëden, trat (calcare)
vërde und vrëde (pax) dërde (tertius) bërnen (ardere)
Maerl. 1. 123. Rein. 319. 284. (wo fehlerhaft bërren)
verbornen Maerl. 3, 184. bërnde Stoke 3, 56. 154. Nie
aber nach angelſ. analogie ërnen, arn (currere) ſondern
rënnen, ran, gheronnen. Neben vruchten (timere) vrucht
(timor) ghewracht (effectum) wrochte (effecit) Maerl.
2, 278. 409. 420. 1, 124. 132. Stoke 2, 294. gilt kein unver-
ſetztes vurchten, vorchten, worchte, ghewarcht (mittelh.
worhte, geworht.) —
gemination. ll, wie im mittelh. val, valles, callen
(loqni Maerl. 2, 472.) wille, ſtille, nolle (occiput), zu-
weilen durch aſſim. als mallîc aus manlîc (vgl. ſ. 443.)
geht ein langer voc. vorher, ſo wird nicht geminiert,
ſondern wohl das n ausgeſtoßen, z. b. pîlîc f. pînlîc
(doloroſus) Huyd. op St. 2, 47 [...].; ſpille (fuſus) Rein. 295.
vergleicht ſich dem hochd. ſpindel, ſpinnel. — mm, in
manchen wörtern haftet noch der einf. laut, wo im
mittelh. unorg. gem. gilt, z. b. hamer (malleus) hëmel
(coelum) ſomer (aeſtas) vgl. oben ſ. 384. Dagegen finde
ich jammer (Rein. 284.) ëmmer (ſemper) nëmmer und
mm für mb: ſtëmme (vox) lam, lammes, omme (mit-
telh. umbe) dommen (ſtultum) — nn, wechſelt in einigen
wörtern mit nd, es heißt donder (tonitru) aber lonnen
(londinum Maerl. 1, 126.); durch inclination entſpringt
die gem. z. b. in verlôs menne (Maerl. 1, 83.) ſt. men
hëm (man ihn); onnêren (Maerl. 1, 136. kann aus ont-
êren (was 1, 82. ſteht) und on-êren fließen. — rr aus ur-
ſprünglichem rs in ërre (iratus) mërren (morari Maerl.
2, 221.) vaerre oder vërre (taurus) vgl. Maerl. 1, 83. 84.);
aus rn in ſtërre (ſtella Maerl. 1, 265.) vërre (procul).
Das häufige porren (movere, incitare, moveri, profi-
ciſci) in porre (in itinere Maerl. 2, 161. 3, 7.) verſchie-
den von porſe [impetus: orſe, orſen Maerl. 1, 315. 316.
Stoke 2, 184. vermuthlich das roman. preſſe, neuniederl.
përs, wie auch ërſen (equis) f. orſen im reim auf për-
[489]I. mittelniederländiſche conſonanten. liq. lab.
ſen Maerl. 1, 93.] iſt mir dunkel, mag aber fremd oder
uralt ſeyn, wiewohl es andere deutſche volksmundarten
kennen (brem. wörterb. v. purren, Stalder v. pfurren).
Beiſpiele der liquiden verbindungen ergeben ſich
allerwärts von ſelbſt; daß alt, olt, alde, olde fehlen,
verſteht ſich. Vom verhältniß der zungenlaute hernach
unten. Statt rl. rm. rn pflegt die mundart rel, rem, ren
zu ſetzen, z. b. karel, warem, arem (brachium) ſcërem
(tutela Maerl. 2, 401.) ſtorem (tumultus) coren (granum)
toren (ira) einſtimmig mit der alth. vollen form charal,
waram, aram (nicht aber bei rn). Die ſyncope ſcheint
das e gewiſſermaßen aus der flexion in die wurzel zu
drängen, waerm, aerm und dann ließe ſich auch coern,
toern hören. Näher erwogen beſteht dieſe anſicht frei-
lich nicht, weil alle verbindungen mit r, auch ſolche,
deren vollere form unerweiſlich wäre (z. b. für waerp
kein warep unerachtet des alth. waraf) ae vor ſich ha-
ben, hingegen ſcêrm, ſtôrm unſtatthaft ſind.
(P) auch hier iſt die deutſchheit der wörter mit an-
lautender ten. verdächtig; außer plëghen (mit der
nebenform plien) kommt vornämlich das vorhin be-
rührte porren und das ſtark conjugierende prinden, prant,
ghepronden (rapere) in betracht, ich glaube, daß es aus
dem roman. prendre abſtammt; prîch (fervor) vielleicht
aus prou, proe, proueſſe, ſpan, prieſſa; zu unterſuchen
ſind poghen (ſtudere) pëſe (nervus) Rein. 298. 313. Maerl.
1, 445. pût oder pude (bufo, rana) vergleicht ſich dem
nord. padda und plattd. pogge, powe, padde, alle dun-
keler herkunft; pakers (leproſus Maerl. 2, 227. 246.) kün-
digt ſich ſchon durch die endung (ſ. das gleichbedentige
laſers = lazarus 1, 144.) als fremd an, ich weiß es aber
noch nicht abzuleiten (vielleicht aus dem mittellat. pa-
carius, pack- oder ſackträger?). Andere wie pais (pax)
peinſen (cogitare) proiêl (nemus, mittellat. brogilum,
vgl. Roquef. 1, 187b) etc. ſind augenſcheinlich. — In-
und auslautend iſt p ganz organiſch, vgl. pape (presby-
ter) wapene (interj. dolentis) ape (ſimia) ſcapen (creare)
lapen (lambere Rein. 335.) hopen (ſperare) roepen (cla-
mare) ſlapen (dormire) ſcaep (ovis) krimpen, kramp,
ghekrompen, ſcamp (dedecus) Rein. 319. etc. Auffal-
lend dompheit (Rein. 372.) f. domheit, dompelike (ſtulte
Maerl. 1, 309.) f. dommelike.
(B) anlautend ſehr häufig (wie im ſächſ.), weder in-
lautend [außer in der gem. bb. und deren vereinfachung,
z. b. hëbſe, habe eam; mb hat fich zu mm aſſimiliert;
in fremden, wie maerber, franz. marbre, marmor dauert
b; in zuſ. ſetzungen, wie ontbëren, aerbeit, labor iſt
kein wahrer inlaut] noch auslautend, ſondern das goth.
giban, gaf, gêbun heißt hier ghëven, gaf, gaven, wie
im altſ. gibhan, gaf, gâbhun. Daß der anlaut b ſich
in v verwandle, ſcheint unerhört, findet aber in einer
merkwürdigen ausnahme, nämlich in ontſaermen (mi-
ſereri) ſtatt. Einmahl ſteht hier faermen (wegen des
anſtoßenden t, wie ontflien f. ontvlien) f. vaermen
(welches einfache wort außer gebrauch iſt) dieſes ſo-
dann für baermen, wie der alth. altſ. und angelſ. ſtamm
param, baram, barm, bëarm (ſinus) beweiſt. Ohne den
übertritt in vaerm (oder varem) wäre das f ungedenk-
bar, da die b nach ont- unverändert bleiben (ontbie-
den, ontbëren). Freilich heißt das alth. wort irpar-
men nicht antparmen; im neuniederl. gilt erbarmen
neben ontfermen.
(F) ſollte anlautend wie im goth. altſ. angelſ. und
frieſ. ſtehn, hat ſich aber inconſequent durch das hochd.
v verdrängen laßen. Nur in den ſ. 486. bezeichneten
fällen gilt es als umlaut des v, vader, volc, varen wird
zu ffader, tfolc, ontfaren (ſt. des vader, hët volc) Ro-
maniſche wörter behalten ihr f, als foſſeide, fier (ſuper-
bus) favele etc. — Inlautend 1) zwiſchen zwei vocalen
nur wo es dem inlautenden mittelh. v entſpricht, z. b.
tafel, twifel nicht tavel, twivel, obwohl der gegenſatz
nicht durchzuführen iſt, da ich brieve (Rein. 372. Maerl.
1, 309.) wolve etc. finde. 2) in der verbindung ft dem
ft der übrigen ſprachen gleich, z. b. ſcrift, ghift (do-
num) etc. 3) durch ſyncope des vocals hinter v aus
dieſem entſpringend, gewöhnlich vor lingualen, als hêft,
hôft f. hëvet (habet) hovet (caput) hôfde (capite) ver-
dôft (verdovet) bêfde (bëvede, tremuit) hôfſch f. hoveſc
wolfs, halfs f. wolves, halves, wîfs f. wives etc. Aus-
nahmsweiſe ſcheint ſich v vor ſ in den vocal u (ſtatt f)
aufzulöſen, z. b. paeus (papae) f. paves, eigentlich pa-
veſes, nicht paefs, Rein. 360. (wo fehlerhaft pacus ge-
druckt ſteht). — Der auslaut f iſt häufig und antwortet
meiſt dem mittelh. p, als gaf, ſcrêf, blêf. lôf (folium)
lof (laus) caf (palea) af (praep.) half (dimid.) ſtaerf
(mittelh. ſtarp) etc. zuweilen dem mittelh. f als brief,
hof, wolf.
(V) als anlaut parallel dem goth. f und mittelh. v,
varen, viant, vlien, vrient etc. Inlautend hingegen dem
goth. b, mittelh. b und altſächſ. bh, z. b. avont (veſpe-
ra) raven (corvus) laven (reficere) tëve (canis f.) ëver
(aper) lëven (vivere) bëven (tremere) vive (quinque)
wive (feminâ) gaven (dabant) ſcrëven (ſcribebant) ſëlver
(arg.) dëlven (fodere) ſterven (mori) ſcuvût (bubo Maerl.
2, 348. Rein. 350.) etc. Wird der dem v folgende voc.
ausgeſtoßen (gewöhnlich vor lingualen, zuweilen vor l,
wenn noch ein flexions-e zutritt) ſo wandelt ſich v in
f, als lêft, ſcrîft, naefle (umbilico) aefs (obliquus) f.
lëvet, ſcrivet, navele, aves. Auslautend wird dies v
jederzeit zu f, es müſte denn in das vocaliſche u ſchmel-
zen, was ſich doch nur höchſt ſelten, etwan in frem-
den wörtern zutragen wird. Ich finde bailliu (franz.
baillif) gen. baillius, paeus f. paves iſt vorhin angeführt,
der gewöhnliche reim auf paves lautet aves (obliquus)
Maerl. 3, 65. Stoke 2, 458.
(W) anlautend vor allen vocalen, doch kaum vor
u, weil ſich dieſes meiſtens in o verwandelt hat, daher
wolf, worp (jactus) worſt, worm etc. In der verbin-
dung wr, nicht aber in wl. dauert die ſpirans fort. Von
tw. dw. ſw. qw. unten bei den verbindungen. — Das
inlautende w. in der flexion unbedenklich (varuwe co-
lor, wëdewe vidua etc.) ſcheint in den wurzeln, wie
im mittelh., ein überflüßiges u vor ſich zu entwickeln.
Hierher folgende formen 1) auw, ſchwankend in ouw,
als vrouwe (femina) mouwe (manica) Maerl. 2, 292. rou-
wen (dolere) Rein. 325. rouwe (dolor) bouwen (aedifi-
care) donouwe (danubius) ſcouwen (videre) blouwen
(flagellare) trouwen (confidere) getrouwe (fidelis) hou-
wen (caedere). In Rein. ſind alle dieſe mit auw, in
Maerl. mit onw geſchrieben. 2) aeuw triphthongiſch
und nicht auf die vorigen auw reimend; nur: claeuwe
(ungula) braeuwe (ſupercilium) graeuwe (cani) blaeuwe
(lividi) raeuwe (crudi) zweifelhaft bin ich wegen naeuwe
(anguſtus, tenax) daeuwen (roreſcere) kaeuwen (rumi-
nare, perpendere Stoke 3, 73.) und paeuwel (paulus)
die zwar mit auw, aber bei ſolchen geſchrieben wer-
den, denen ſonſt ouw gilt. Auch heißt es neuniederl.
naauw wie graauw. 3) êuw, nur: lêuwe (leo) êuwe
(ſeculum) ſnêuwe (nive) ſêuwe (lacu) Rein. 375. iſt êwe
geſchrieben. 4) ieuw, das einzige nienwe (novus) Maerl.
1, 134. 403. 437. und dazu in nûwe ſchwankend, vgl.
nûwe:ſpûwe (ſputum) nûwen:verdûwen (digerere, op-
[492]I. mittelniederländiſche conſonanten. labiales.
primere) Maerl. 1, 433. 3, 186. Ich muthmaße noch
hieuwen (caedebant). — 5) ûw, außer dem ebenange-
führten nûwe, verdûwen, ſpûwen (ſpuere) vlûwen (re-
tia Maerl. 1, 168.) brûwen (coquere) ſcûwen (fugere) hû-
wen (nubere) Maerl. 3, 28. 229. hûwes (veſtri). An ein
kurzes uw iſt hier ſchwerlich zu denken, obwohl die
denkmähler uw, nicht ûw, ſchreiben und das beſtätigt
meine anſicht über das langbleibende û (ſ. 472. 477.). Dieſe
ûw, ieuw entſprechen dem mittelh. iuw (ſ. 402. 403.)
und begreifen die alth. formen iw, iuw, îw, ûw. —
Im auslaut beſteht kein w, entweder gilt die auflöſung
in u (dasſelbe, das überſlüßig neben dem inlautenden
w beibehalten wird) als dau (ros) rau (dolebat) blau (cae-
debat) niemahls rou, blou; lêu (leo) Maerl. 3, 73.; oder
das (unorganiſch zugefügte) u wird abgeworfen, als ſê,
ſnê, nie-mare (= nî-mare, res novae). — Unbetonte
flexionen endigen auf-u, als ghëlu (ſlavus) calu (cal-
vus) Maerl. 2, 24. allmählig fällt auch das u ab.
gemination. pp dem mittelh. pf. gleichgeltend,
z. b. appelen (poma) ſtoppen (ſtipare) crop, croppes
(ruma) clippel (klipfel) cop, coppes (cratera) nap,
nappes (patera) etc. dann in eigennamen und frem-
den wörtern, als biſſcop, biſſcoppes, pippîn, coppe
(n. gallinae). — bb. hëbben (habere) ribbe (coſta) cribbe
(praeſepe) drubbelen (ſaltare trippeln) Stoke 3, 371.) etc.
jacob hat im dat. bald jacobpe, (Maerl. 2, 335.) bald ja-
coppe, jenes an eine alth. ſchreibung (ſ. 149.) erin-
nernd. — ff. eigentlich unorganiſch, hat ſtatt in hëffen
(tollere) Rein. 320. Maerl. 1, 288. und bei anlehnungen
(wo man eher v. erwarten ſollte) z. b. ſcrêffer, gaffer
(d. h. ſcrêf daer, gaf daer Maerl. 3, 242. Rein.
324. alſo ohne den vorſtehenden langen laut zu kür-
zen (Rein. 313. leſe man aber hieffene, hob ſie ihn).
Außerdem in fremden wörtern: truffen (commenta)
Maerl. 1, 2. offerde (opferte) afferike (africa) antiffene
(antiphona) Maerl. 3, 136. etc. —
labialverbindungen. 1) anlautende. pl. pr. bl. br.
vl. vr, (kein wl) wr in wrëken (ulciſci) wriven (fricare)
wrêt (iratus) u. a. die ſich aus dem neuniederl. erſehen.
Für das fremde pſ. ebenfalls ſ in ſalm, ſouter (pſalm,
pſalter); Stoke 3, 142. lieſt eine hſ. pſeudo, andere ſeudo,
ſpeudo. — 2) in- und auslautende; bloß ft und ſein
auffallendes ſchwanken in cht zu betrachten. Von ht
für ſt in den älteren ſächſ. ſprachen noch keine ſpur,
[493]I. mittelniederländiſche conſonanten. lab. ling.
ebenſowenig im frieſ. und nord., aber im mittelniederd.
und ſelbſt mittelh. reime zwiſchen ſt:ht (ſ. 466.). Viel-
leicht hat auch der reim im niederländ. den allmähligen
übergang herbeigeführt und begünſtigt. Man kann un-
terſcheiden wörter, die durchgängig cht annehmen, z. b.
lucht (aër) ëcht (poſtea) achter (poſt) ſacht (lenis hochd.
ſanft) cracht (vis) gracht (foſſa) etc. von ſolchen, wo
noch ft bleibt und ſelbſt im reim auf ein org. cht. ge-
ſchrieben wird als ſcrift (ſcrifte:wichte Stoke 3, 370.)
ghifte (donum:lichte Stoke 2, 539.) ofte (aut) etc. zu-
mahl, wenn t erſt durch compoſ. an f. ſtößt, z. b. vîf-
tien (quindecim), obgleich hin und wieder ſelbſt ſcricht,
ghicht, ochte, vîchtien geſchrieben ſteht, vgl. Huyd. op
St. 1, 350. 3, 300. Für das ſyncopierte hêft, hôft (= hë-
vet, hovet) und analoge fälle wird ſich kaum cht. vor-
finden, deſto auffallender ſteht es ſogar für pt in be-
côchte (ſolvebat) Maerl. 1, 453. 3, 249. etc. von becopen,
welches durch ein becôſte f. becôpte vermittelt wird.
Die hochd. -ſcaft, ruoft, louft heißen -ſcap (gut ver-
ſchieden von ſcaft, ſcacht, contus) roep, lôp; kunft
und vernunft aber cômſt (Maerl. 1, 13.) vernuft. Die-
ſes comſt, ſo wie das mittelh. vernunſt, brunſt (ſ. 408.)
führen auf die berührung der ft mit ſt, wozu ſich un-
ten die der ſt. mit cht geſellen wird, eine beleuchtung
des verhältniſſes der ſpiranten w. ſ. h. überhaupt.
Sehr nachtheilig geworden für dieſe ganze lautreihe
iſt der verluſt der aſp., welche völlig in med. übertritt.
Das goth. þiubs (fur) und diups (profundus) laþôn (in-
vitare) fadrs (pater) fallen in dief, diep, laden, vader
zuſammen und noch ſchlimmer wird die ſache im aus-
laut, denn da ſich nach der allg. regel (ſ. 486.) jede med.
in ten. wandelt, ſo bezeichnet das auslautende t dreier-
lei org. laute 1) t, in dat (id) ſout (ſal). 2) d, in goet
(bonum) wout (ſilva). 3) þ, in [b]at (balnenum) fout (-plex).
Das mittelh. ſteht in dieſem ſtücke vortheilhafter, da
es diep und tief, laden und vater ſcheidet, im auslaut
nur die beiden letzten t verſchmelzt. Daher viele nie-
derl. reime, z. b. ſmout:out, bêt:ſnêt, raet:vraet etc.
mittelh. unreime abgeben ſmalz:alt, beiƷ:ſneit, rât:
vrâƷ (ambro); gleichergeſtalt verhalten ſich raden:ghe-
naden, moeder:broeder (Maerl. 2, 475.) und das mit-
telh. râten, genâden, muoter, bruoder. Dies voraus-
geſchickt ergeben ſich zu dem einzelnen folgende nä-
here bemerkungen
(T) an- und inlautend dem hochd. z und Ʒ entſpre-
chend *), ausgenommen a) inclination bewirkt t für d
(ſ. 486.) als:mettien, uptien, nochtan ſt. mët dien, up
dien, noch dan, bantſe (ligavit eos) Rein. 357. icte (ich
die) Stoke 2, 437. b) desgl. ſyncope, als: goets, viants,
hoveta (Maerl. 2. 25.) diefte (furtum Rein. 335.) maecte,
mintſten (Rein. 337.) etc. ſtatt goedes, viandes, hovedes,
dievede, makede, mindeſten. — Der auslaut t. bedentet,
wie vorhin geſagt, drei organiſche und zwei mittelh.
laute. Das t aufgenommener fremder wörter bekommt
daher in beiden mundarten ganz verſchiedene gegen-
reime, z. b. baraet (fraus): laet (ſine) baraten:verwaten,
martinët:bët, gheſët (Rein. 286. 309. 310.); mittelh. pâ-
rât nicht auf lâƷ, pârâten nicht auf verwâƷen etc. Ein
probierſtein für undeutſche wörter, z. b. das mittelh.
rote oder rotte (cohors, oben ſ. 417. 418.) verlangt, wäre
es einheimiſch, ein niederl. rode, rodde, es heißt aber
rote (:lote, ſorte reimig Maerl. 3, 3, der pl. roten häu-
fig:goten, gothones oder beſloten, ſcoten 1, 29. 114. 3.
347. 349. 351.); umgekehrt ließe das niederl. rote auf
ein hochd. rôƷe ſchließen, ſtatt deſſen uns rote, rotte
begegnet. Es iſt folglich fremdes urſprungs (Roquef. v.
rote) und insgemein, wo ſich einzelne laute dem re-
gelmäßigen wechſel deutſcher mundarten nicht fügen,
gilt vermuthung eines ausländiſchen wortes. Dieſer
grundſatz leidet nur beſonders zu erweiſende ausnah-
men, dergleichen wir ſ. 394. beim hochd. winter, man-
tel (auch niederl. ebenſo) wahrnahmen. Hier war die
anomalie im hochd., eine niederländ. unregelmäßigkeit
vermuthe ich in bate (fem. lucrum, auxilium) ombate
(detrimentum) welches auf vorſate (anteceſſor) laten
reimt (Maerl. 2, 245. 323.) und doch bade, ombade lau-
ten ſollte, wenn es mit dem ſächſ. gibada, bade richtig
iſt (ſ. 204. 464.). Mit t. geſchrieben ſcheint es dem
ſtamme bat (melius) bëter (melior) verwandt.
(D) an- und inl. dem goth. d und þ, folglich dem
hochd. t und d parallel (womit in liq. verbind. das
mittelh. ſchwanken zwiſchen t und d abgeſchnitten iſt;
hier gilt überall d); mangelt den übrigen mundarten der
[495]I. mittelniederlandiſche conſonanten. linguales.
entſprechende ausdruck, ſo bleibt die beurtheilung un-
gewiß, z. b. vode (homo pannoſus, Rein. 332.) bladen
(flare) Huyd. op St. 3, 320 etc. Zuweilen tritt d in die
ten. über, wie vorhin beim t gezeigt iſt. Syncope er-
fährt es bei folgendem t der flexion, als vint f. vindet
(:twint Maerl. 2, 458.) gheſcaet:ghepaet Maerl. 2, 408.
f. gheſcadet, ghepadet 1, 45. hoet (f. hoedet): vroet;
desgl. in der compoſition blîſcap f. blideſcap etc. und
der ſchnelleren ausſprache in andern fällen, z. b. moer
f. moeder, woensdach f. woedensdach etc. — Auslautend
gilt es nicht, daher Rein. 345. goud:houd (vetus) in
gout:hout zu berichtigen. Die einzige obenerwähnte
ausnahme iſt god, gen. gods.
(TH oder DH) mangeln, th wird bloß in fremden
namen geſchrieben, wie theodoſius etc. Scheinbar ſteht
es in zuſ. ſetzungen:onthouden, onthërven d. i. ont-
houden, ont-hërven; vermuthlich iſt das häufige ont-
hier (usque, Maerl. 1, 119. 148. 205. 271 etc. Huyd. op
St. 1, 156.) ähnlich zu erklären *).
(S) vom anlaut ſogleich mehr beim z. Die aus den
übrigen mundarten erhellenden beiſpiele des inlautenden
laßen ſich vermehren, hauptſächlich aber durch aufge-
nommene fremde wörter, als braes (franz. bras) Maerl.
1, 46. tas (acervus, franz. tas) 2, 473. puſoen (franz.
poiſon) 3, 71. pêſe (nervus, vorhin ſ. 489.) noſen (no-
cere) noſe (damnum) onnoſel (innocens) 2, 74. 89. alle
aus dem franz. noiſier, noiſe. Deutſch ſind aber dwaes
oder dwas (fatuus) ſwaſelinc (cognatus) rieſen (inſanire)
u. a. Auslautend ſteht außer dem org. 1) ein unorgani-
ſches ſ für hs in was (cera) das (meles) wies (crevit)
vos (vulpes) etc. geminiert inlautend. 2) für x in crûs
(crux) Maerl. 3, 248. crûſde Stoke 1, 437. geminiert eben-
falls, daher cruſſe (cruce) cruſſen (crucifigere); vielleicht
ſchließe ich aus mëſſe (fimo, cinere) Maerl. 3, 239. rich-
tig auf einen nom. mës (angelſ. mix, mixen) neuniederl.
mëſt. 3) merkwürdig in der verbindung ns parallel dem
hochd. nz. Die wörter ſind folgende: dans (chorea)
gans (integer, ſanus) ganſen (ſanare) Maerl. 1, 313. 3, 71.
[496]I. mittelniederländiſche conſonanten. linguales.
vgl. aantek. 69. Huyd. op St. 1, 569. cans (franz. chance)
canſelieren (franz. chanceler) Huyd. op St. 3, 285. glans
(ſplendor) crans (corona) lans (lancea) franſois (gallus).
Unorganiſch erſcheint hier die niederl. ſprache durchaus
nicht, eher die hochd., die das roman. dance, chance,
lance, francois wie plante unter nz bringt; in keiner
der deutſchen mundarten, welche t für hochd. z, Ʒ ha-
ben, gilt aber gant, glant, ſwant, krant, die däniſche
hat gandſke (penitus) dands, glands, ſvands, die iſländ.
dans, glans, krans; glans ſcheint dem angelſ. clänſjan
(Iuſtrare, mundare) verwandt. Das wichtigſte und dun-
kelſte dieſer wörter iſt ganz, deſſen ſich O. und N. im
ſinne von ſanus *) bedienen, andere und ältere denk-
mähler aber, ſo wie goth. altſ. angelſ. nord. völlig ent-
halten. Seine verſuchte herleitung aus geneſen ſcheint
ſinnreicher, als ſtatthaft. Nenniederl. wird ganſch, gantſch
vielleicht zum unterſchied von gans (anſer) geſchrieben
und geſprochen, obwohl ſelten gebraucht; der gewöhn-
liche ausdruck iſt, wie im plattd., hêl, gehêl (hochd.
heil) mit analoger begriff entwickelung. — 4) in der ver-
bind. ls ſcheint guls (avidus, vorax) Maerl. 1, 150. 347.
2, 106. 142. aus dem franz. goulus (guloſus) entſprungen;
wals (? Maerl. 2, 85.) — 5) übergang des ſ in ch unten
beim kehllaut.
(Z) wird neuniederl. ſtatt des einf. ſ geſetzt 1) an-
lautend vor vocalen und w; hingegen bleiben ſch. ſl.
ſm. ſn. ſp. ſt, welche unterſcheidung auf das hochd. ſ
und ſch (oben ſ. 174.) licht wirft. 2) inlautend wieder-
um, wenn ein voc. darauf folgt; in den verbind. ſp. ſt
bleibt ſ. 3) auslautend bleibt immer ſ, womit man wie-
der die mittelh. neigung zu ſch. für ſ in fremden wör-
tern vergleiche (ſ. 421.). — 4) fremde wörter behalten
auch vor vocalen ihr ſ. Alſo, vor vocalen hat der nie-
derl. ſauſelaut ſanftere, vor conſ. und auslautend härtere
ausſprache, reiner ſauſelaut bleibt er deswegen immer;
es ſind nur zwei ſtufen, vgl. oben ſ. 166. Von dem
hochd. z oder Ʒ (dem ziſchlaut) iſt dies niederl. z ganz
verſchieden, wie ich ſchon aus der beigebrachten ana-
logie zwiſchen dem niederl. z:ſ und dem hochd. ſ:ſch
[497]I. [mittelniederländiſche conſonanten]. linguales.
folgere, auch dieſes ſch. iſt kein ziſch, ſondern verbin-
dung des ſauſe- mit dem kehllaut, gewiſſermaßen ein
aſpirierter ſauſelaut (ſh) wie das niederl. auslautende ſ
das hſ. vertritt. Ferner hat das niederl. z keine ge-
meinſchaft mit dem goth. z (ſ. 65.) welches nie anlau-
tet, conſ. hinter ſich leidet (razn, huzd) und ſich viel-
mehr mit dem r berührt. — Dieſe erörterung des neu-
niederl. ſ und z. muſte vorweg erfolgen, um die be-
antwortung der frage möglich zu machen: ob ein ſol-
ches z bereits im mittelniederl. eintritt? Die denkmäh-
ler zeigen es in der regel noch nicht, ſie ſchreiben
ſake, ſal, ſeide wie ſlaep, was; ausnahmsweiſe und ein-
zeln, d. h. ohne conſequenz, ſetzen hſſ. des 14. 15.
jahrh. freilich zake, zin, ziele etc.; beiſpiele auf allen
bogen der ausg. Maerl. und Stokes, auch im Rein. kann
man ſie aufſchlagen (320. ſteht zat, ziere, zye, zêre,
zwoer, zwaer neben ſach, ſîn, îſingrên, wëſen, ſoude).
Entſcheiden müſten die älteſten, fleißigſten hſſ; vorläu-
fig enthalte ich mich in der mittelniederl. grammatik
aller z für ſ. — Übrigens gibt es einige wenige niederl.
wörter, deren anlautendes ſ. dem hochd. z. begegnet;
anders ausgedrückt, wo dem hochd. z kein niederd. t
entſpricht. Die merkwürdigſten beiſpiele ſind: ſâ (in-
terj.) verſaghet (vecors) Maerl. 1, 453. 2, 249. ſaghe Rein. 287.
vermuthlich auch ſidderen (tremere) mittelh. zâ (oben
ſ. 341.) verzaget, zittern, neuniederl. tſa, vertſaagt, tſidderen
geſchrieben. Hier iſt der wirkliche ziſchlaut unbezwei-
felbar, daher auch dieſe wörter im plattd. ein z und
kein t haben. Sind ſie nun mit hochd. ausſprache ins
niederd. aufgenommen worden? oder hat ihr hochd.
ziſchlaut andere bedentung, als gewöhnlich? zagun
(ignavi) zagaheit (ignavia) kennen bereits alth. denkmähler.
gemination. (TT) dem mittelh. tz parallel, nicht
dem ƷƷ, ſtatt welches hier richtiger einfaches t gilt,
vgl. water (aqua) nëtele (urtica) hat, hates (odium).
Beiſpiele ſind: ſëtten (ponere) lëttel (parum) ſitten (ſe-
dere) hitte (calor) pit, pittes (puteus) lëtten (impedire)
ſmëtten (maculare) wët, pl. wëtten (leges) ſcat, ſcattes
(theſ.) dit, ſeltner ditte (hoc, : hitte Maerl. 2, 76.) vët,
vëttes (pinguis) *) ſot, ſottes (fatuus) etc. Folgt in der
flexion noch ein t, ſo wird das wurzelhafte tt. auslau-
I i
[498]I. mittelniederländiſche conſonanten. linguales.
tend ganz verſchlungen, z. b. ſët (ponit) gheſët (poſi-
tus) verhit (calefactus:ſit, ſede Maerl. 2, 476.) ſt. ſëttet,
gheſëttet. verhittet; inlautend fällt nur ein t weg, als
ſëtte (poſuit) ſt. ſëttede, vgl. das mittelh. geſat und ſazte
(ſ. 411. 415.). Da wo tt. mit einem hochd. tt. überein-
kommt, wie in bitter, otter, iſt letzteres überbleibſel der
alten lauteinrichtung (ſ. 155. 168.) und zu ſolchen wör-
tern gehört auch ſpot, ſpottes (ludibrium) mittelh. eben-
ſo, nicht ſpoz, ſpotzes (bloß der abſchreiber Rothers
wandelt z. 1970. ſpoten in ſpozen; wie 936. tuginthaft
in zuginthaft!) — (DD) = mittelh. tt, als: ridder (eques)
bëdde (lectus) wëdde (pignus) quëdden (ſalutare) bidden
(rogare) etc. und beſonders häufig durch zuſ. ziehung
des ſchw. praet. als: adde (habnit) ſendde (miſit) lûdde
(ſonuit) lèdde (duxit) endde (finiit) etc. f. havede, ſen-
dede, lûdede, lêdede. — (SS) organiſch nur in wenigen
wörtern:mëſſen (errare) kuſſen (oſculari); vielleicht auch
baſſen (latrare) Rein. 321. Statt des einf. ſ. in moſſe
(muſco) bëſſem (ſcopa) Maerl. 1, 28. Rein. 296; häufiger
für hs, als: voſſe (vulpi) ſëſſe (ſex) waſſen (creſcere);
roſſide neben ronſide Huyd. op St. 3, 231., zuweilen
durch inclin. als nëſſer (ne ës daer) Maerl. 1, 4. Der ſſ
aus fremdem x iſt vorhin gedacht, dahin gehört auch
lëſſe (lectio); von ſſc ſtatt ſc gleich bei den verbindungen.
Anlautende lingualverbindungen. TR. traech (tar-
dus) traen (lacrima) trëcken (trahere) trouwen (confi-
dere) trôſt (refugium). — TS. vielleicht ſtatt ſ (wovon
ſ. 497.) zuweilen fürs franz. ch. als tſarel (charles) Stoke
3, 10, zuweilen durch incl. der praep. te. als tſamen
(unâ) tſinen (ad ſuos). — TW. twê (duo) twifel (du-
bium); twiſſcen (inter) löſt ſich in tuſſcen; twint (res
minutiſſima) ſtammt wohl aus quint (quentlein) (vgl.
ſ. 196. qu und zw). — DR. DW. gleich der einf. med.
für die med. und aſp. dragen. dringen. drinken. drôm
(ſomnium) dwaes. dwërg. dwingen etc. — ſl. ſm. ſn. ſp.
ſpr. ſc. ſcr. ſt. ſtr. ſw. Im neuniederl. werden ſc. ſcr.
zu ſch. ſchr., hiervon zeigen die mitteln. hſſ. einzelne
ſpuren, ich führe inzwiſchen ſc. durch. Zuweilen ver-
tritt es das roman. eſc, deſc, als ſconfieren (ſuperare
bello) ſcuerſſe, beßer ſceurſſe (eſcorce, Maerl. 2, 78.) etc.
ſwëſter löſt ſich auf in ſuſter.
In- und auslautende. tſ und dſ ſind unorganiſch
und ſtammen entw. aus contraction oder drücken ein
roman. ch aus. Erſteres z. b. mêtſen (murum exſtruere,
alth. meziſôn) Maerl. 1, 20. rûtſen (repere) Rein. 303.
[499]I. mittelniederländiſche conſonanten ling. gutt.
quêtſen (vulnerare) Maerl. 1, 414. 2, 53; krë êtſe (can-
cros) Maerl. 1, 368. ſcheint fehler f. krëvete oder krêfte
(mittelh. crëbeƷe) wo es nicht das alte plural-ſ, alsdann
ſteht krëvêtſe f krëvetes. Der andere fall tritt ein z. b.
in roetſe (rupes) Maerl. 1, 143. roedſe 2, 21[5]. geſchrie-
ben (beßer wohl rôtſe) aus dem franz. roche; tierdſe
(hora tertia) 2, 182. altfranz. tierce, tierche; ridſaert,
franz. richard (erinnert ans frieſiſche, oben ſ. 279. und
an die berührung der zungen- und kehllauteüberhaupt). —
ſp. wëſpe (veſpa) liſpen (balbutire) wiſpelen (vagari)
beriſpen (caſtigare) quiſpel (faſciculus) croſpel (cartilago)
kërſp (criſpus) etc. — ſt häufig: ghêſt (ſpiritus) gaſt
(hoſpes) prieſter etc. von einzelnen übergängen in cht.
beim kehllaut. — ſſc, ſchreibung eines doppelten ſ. ſoll
vielleicht ausſprache ſch ausdrücken? häufig vorkom-
mend, z. b. aſſce (cinis) viſſc, biſſcop, cûſſc (caſtus)
wiſſcen. brieſſcen (rugire) lieſſcen (Maerl. 1, 452.) tuſſcen
(inter) bluſſcen (exſtinguere) 1, 184. lûſſcen (latere) 2, 54.
rûſſcen (ſtridere) u. a. m.; geht ein conſ. vorher, ſo ſteht
lieber einf. ſ. als: menſce, ghedalſc (clamor) Huyd. op
St. 2, 104. malſc (vorax:valſc Rein. 276.). Im auslaut
oft ſch für ſc geſchrieben.
ten. und med. ſtimmen mit der goth. nord. ſächſ.;
außerdem iſt aber auch eine aſp. vorhanden und zwar
doppelte, gh. ch.
(K. C) geſchrieben wird ausl. ſtets c, als tac (ra-
mus) ic (ego) blêc (pallidus) havec (accipiter) ſtaerc
(fortis) ſuërc (nubes); inl. ſtets k, als ſtaerken, ſuërke,
maken (facere) naken (appropinquare) vake (ſomnus) bëke
(rivus) brëken (frangere) têkin (ſignum) graken (dilu-
ceſcere) donker (obſcurus) drinken etc., es ſey dann,
daß durch ſyncope ein weiterer conſ. folge, wo c wie-
der eintritt, z. b. maect (facit) maecte (fecit). Anlau-
tend ſteht k vor ë, ê, ei, i, î, als kënnen, kërke (ec-
cleſia) kêren, keiſer, keitîf (franz. chetif) kinder, kîf
(altercatio); vor den übrigen voc. und l. n. r ſchreibe
ich mit den beſten hſſ. c (wiewohl in ihnen k unterlau-
fen) als: carel, can, coninc, cûme, comen, cort, clêne,
cracht etc. Der grund, weshalb anlautend k zu ſchrei-
ben iſt, fordert es auch inl. wegen des folgenden (un-
betonten) e der flexion. In der verbindung ſc bleibt
durchgehends c, wenn auch an- oder inl. ë, i darauf
folgen. — Es fragt ſich nunmehr 1) nach der aus-
ſprache; mich dünkt, ein linguallaut nach frieſ. ſitte
I i 2
[500]I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural.
(ſ. 277.) für kë, ki etc., obſchon die zwiſchen k und
c wechſelnde ſchreibung ziemlich zum frieſ. gebrauche
ſtimmt, läßt ſich durchaus nicht vermuthen. Irgendwo
würde ſonſt ſpurweiſe ein ſërke, tſërke, tſërel, dënſen
vorkommen (frieſ. tſierke, tjerke, engl. church; tſierl,
tjerl, engl. churl; thënſen, cogitare) zumahl tſ. für das
roman. ch gebraucht wurde (ſ. 499.) Vielleicht aber lau-
tete kë, ki etc. etwa wie khë, khi abweichend von ca,
co (= ka, ko)? Dem unterſchied von gh und g wäre
dies zwar angemeßen, wird jedoch durch keine ſchrei-
bung ch oder kh beſtätigt und auf allen fall mögen ſich
k und c in der ausſprache ganz nahe liegen, wo ſie
nicht eins waren. 2) nach der bedeutung. In der re-
gel entſpricht dieſe ten. völlig der gothiſchen, drinken,
dranc; brëken, brac; in einem fall aber auch der goth.
med., nämlich auslautend wird nghe zu nc, daher
dwanc, ſpranc:dranc (bibebat) reimen. Zufällig treffen
dieſelben reime im mittelh. ein, in beiden mundarten
aber aus verſchiednem grunde, nämlich mittelh. ſtehet
tranc eigentlich f. tranch; mittelniederl. ſpranc f. ſpranch
wie die auslaute. denen voc. vorausgeht, beweiſen (mit-
telh. lac, jacuit und ſprach dixit; mittelniederl. lach
und ſprac).
(G) ſteht nur im anlaut vor den voc. a, o, u, oe,
ou, ae, ô, û, und den liq. l. r als gaf, god, guls, goet,
gout, gaet, gôme, glans, grôt. Folglich nicht 1) anlau-
tend vor ë, i, ê, î, ei, wo gh. gilt. 2) inlautend über-
haupt nicht, indem α) bei folgendem flexions-e gh ein-
tritt, wie im erſten fall. β) bei ſyncopen ch, wie im
dritten fall. 3) auslautend wieder nicht, wiel α) bei
vorſtehendem voc. ch geſetzt wird β) bei vorſtehender
liq. aber c, als balc, ſpranc, bërc (goth. balg, ſprang,
baírg), dinc, coninc etc.
(GH) vertritt die reine med. überall, wenn ihr ë,
i, ê, î, ie, ie folgen, gilt alſo nie auslautend oder bei
ſyncopen, wo es wiederum dem ch weicht. Beiſpiele
des gh. ſind: die häufige vorpartikel ghë-, ghëven (dare)
ghifte (donum) ghêft (dat) ghî (vos) vraghen (quaerere)
oghen (oculi) hoghen (altum) mëneghen (crebrum) co-
ninghinne (regina) etc. Die hſſ. befolgen aber den ge-
brauch nachläßig und ſetzen oft g für gh *); im Rein.
[501]I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural.
iſt er ſorgfältiger beachtet, als in den ausg. Maerlants,
ohne zweifel aber begründet und uralt, wie ſchon die
alth. analogie einiger mundarten beweiſt (ſ. 183.). Ob
dem wechſel zwiſchen g und gh der zwiſchen c und k
begegene, habe ich vorhin gefragt; eine unähnlichkeit
beider liegt übrigens darin, daß k auslautend und bei
ſyncopen zu c wird, hingegen gh nicht zu g. ſondern
ch. Dem unwandelbaren goth. g in giban, gaf, manag,
managan, ſteigan, ſtáig entſprechen drei niederl. laut-
modificationen in ghëven, gaf, mënech, mëneghen,
ſtighen, ſtêch. — Übergänge der med. in den voc. u,
vermittelſt des w ſind mehr bemerkt worden, hier finde
ich: becnauſe (corrode eam) Rein. 280. ſt. becnaechſe
von becnaghen; ſoghen (ſues):moghen Maerl. 1, 102 etc.
Vom übergang in j ſogleich.
(J) vom vocal i genau zu ſondern, man ſchreibe
iemen (aliquis) niemen (nemo,:ſniemen Maerl. 1, 156.)
iet (aliquid, : hiet Rein. 369.) aber jëghen (contra); fälſch-
lich Huyd. op St. 2, 189. jëghelîc f. ieghelîc, 2, 215.
das richtige ie (unquam). — Dieſes j kommt überein
1) mit dem mittelh. in jâ (imo) jaghen (venari) jaer
(annus) jammer (planctus) jonc (juvenis). 2) mit dem
mittelh. g in jëghen (contra) jan (favet) jonnen (favere)
jonſte (favebat) jicht oder jucht (arthritis Maerl. 2, 338.);
umgekehrt ſteht ghëne oder gone (ille) und beghien
(confiteri) Rein. 360. ſt. des mittelh. jëner, jëhen. 3) in
roman. wörtern als jêſte, joeſte, joye, jufroet etc. 4) zu-
weilen ſchwindet es völlig, z. b. in tëgen ſt. të-jëghen,
t’jëghen (Huyd. op St. 2, 255.) mittelh. zë- gëgene
(Nib. 6747.) angelſ. togägnes. Ob biechte (confeſſio) Rein.
360. aus bjëchte, bejëchte, beghichte entſpringt? 5) in-
lautend wohl ſehr ſelten, und vielleicht zu i oder gh
geworden, ich finde merje (equa, merie?) Maerl. 1, 196.
die roman. maelghe, faelghe (maille, faille) Huyd. op
St. 2, 136. hërghen (depopulari) id. 1, 362.
(CH) mehrfach, 1) vertritt im auslaut (im inlaut bei
ſyncope) das gh, als plëghen, plach; nighen, nêch;
ſlaghen, ſloech; vraghen, vraechde; claghen, claechde;
dach, gen. daghes (dies) mënech (multus) honich, gen.
honichs oder honighes (mel) heilech, gheheilecht oder
gheheileghet; oghe (oculus) ôchſienlîc (manifeſtus Maerl.
1, 101.) mach (poteſt) maechſcien (forſan, d. h. evenire
poteſt, neuniederl. in miſſchien verdreht, Huyd. op St.
2, 380.). Ausgenommen die liq. verbindung nghe, welche
ausl, nc bekommt, z. b. coninc, gen. coninx oder co-
[502]I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural.
ninghes (nicht coninch, coninchs). darum reimt ganc
(ganghes) auf danc (dankes) dranc Maerl. 3, 23. 1, 138;
hingegen gilt der auslaut rch z. b. bërch, gen. bërghes
oder bërchs (Maerl. 1, 36.) nicht bërc, gen. bërx, folg-
lich nicht reimend auf wërc (opus) clërc (clericus).
Vermutblich auch lch, z. b. balch, balchs, kein balc,
balx. Der mittelh aſp. ch iſt dieſes niederl. ch. nicht
genan zu vergleichen, es ſcheint mehr auslautende
ſchärfung des gh. daher meine behauptung ſ. 424. daß
vom g kein ſprung auf ch füge, darunter nicht leidet.
Denn ch entſpringt hier aus gh. — 2) in der verbind.
cht gleicht ch dem mittelh. ht, ausnahmsweiſe dem ſt;
mehr davon unten — 3) ch vertritt das roman. c frem-
der wörter, vgl cheins (cenſus) Maerl. 1, 151. 330. machë-
done 1, 147. përche (perſia) përchevael (perceval) woneben
aber auch tſ und ſ geſchrieben wird, als tſeins 2, 141. përſe,
përtſevael. Merkwürdiger iſt das aus dem hochd mit
beibehaltnem ziſchlaut geborgte chieren (ornare) chierlîc
(ornatus) chierheit (pretioſitas) Maerl. 1, 8, 133. 256. 3,
250. auch cierlîc, ſierlîc geſchrieben Huyd op St. 1, 356;
oder gehört es unter die ſ. 497. beſprochenen wörter,
deren tſ. ſ dem hochd. z entſpricht? und hat die nie-
derd mundart nicht ein dem hochd. zier analogeres tier
beſeßen? (vgl. ſ. 121. 151.) wobei ſelbſt die niederl. re-
densart goedertiere, quadertiere, mëneghertiere, twêtiere,
putertiere (Maerl. 1, 8. 277. 322. 2, 30. aant. 143.) erwä-
gung fordert. Wäre aber auch letzteres tier ganz ver-
ſchieden von erſterem chier ſo glaube ich doch kaum,
daß man dieſes aus dem roman. cher, chier leiten dürfe,
weil das neuniederl. verſieren, vercieren ganz die be-
deutung des hochd. verzieren (ausſchmücken) hat.
(H) gilt nur anlautend und zwar herrſcht hier ganz
der ſ. 188. bemerkte doppelte fehler 1) daß ein ungehö-
riges h dem reinen vocalanlaut vorgeſchoben wird, z. b.
hëten, hat, hëcht, horen, hoghen, hêt, hîs, hodevaer, hout,
hoever, hût etc. ſtatt ëten (edere) at (edebat) ëcht (poſtea)
oren (aures) oghen (oculi) êt (juramentum) îs (glacies)
odevaer (ciconia) ût (ex) out (vetus) oever (ripa); desgl.
in der compoſition z. b. onthërven ghëhënt f. ontërven
(exhereditare) ghëënt (finitus). 2) daß umgekehrt das ge-
hörige h aphäreſe leidet, z. b. adde, alp, aerde, ôch, ane f.
hadde (habuit) halp (juvit) haerde (duriter) hôch (altus) hane
(gallus) und inder compoſ. heilecheit, boef, bëndeli ke,
reinaert, reinout f. heilechheit, behoef (neceſſitas) be-
hëndelike, reinhaert, reinhout. Beides iſt der ſprache
[503]I. mittelniederländiſche conſonanten. gutteral.
nachtheilig und mengt z. b. hout (vetus) mit hout (lig-
num) und hout (tenete), aert (durus) mit aert (modus);
ſolche wörter ſtehen oft im reim, vgl. Rein. 332. hoghe
(oculus):hoghe (alte) 312. hût (ex):hût (cutis) 370. hals
(collum):als-en-hals (pariter?) wofür 362. als-en-als
geleſen wird. Vermuthlich hat der vorhergehende aus-
laut (je nachdem er liquid oder vocaliſch iſt) einfluß
auf dieſes zugefügte oder weggenommene h, nur läßt
ſich keine regel daraus machen, vielmehr gilt ſchwan-
kende willkür, vielleicht gewohnheit bei einzelnen for.
men, ſo finde ich faſt überall godſat (maledictio f. gods-
hat, dei odium) Maerl. 1, 62. Rein. 367. und Huyd. op
St. 2, 350, wo einmahl godshat, Maerl. 2, 196. ſogar
ein part. ghegatſat (maledictus); eben ſo häufig ſtehet
ôvërde, ôvaerde (ſuperbia) ſelten hôvërde (Maerl. 2,
125.). — Das inl. mittelh. h iſt hier entw. ganz wegge-
fallen (vgl. vlien, ſien. tien mit fliehen, ſëhen, zëhen)
oder zu gh. geworden (hoghen, ſaghen mit hôhen, ſâ-
hen); in der verb. ht zu cht; das ausl. mittelh. ch für
ein älteres h. entſpricht dem niederl. ch. —
gemination. (CK) = mittelh. ck. vgl. dëcken (te-
gere) ſcricken (terreſieri) micken (intendere) blicken
(intueri) etc. auslautend und bei ſyncopen erwächſt einf.
tenuis, als blic (intuitus) blict (intuetur) blicte ſt. blickede;
daher auch der gen. von blic entweder blickes oder blix
(d. i. blics).
(GGH) = mittelh. gg, als rigghe (dorſum) brugghe
(pons) etc. aber in manchen wörtern, die dort einf. g
haben, als ligghen (jacere) lëgghen (ponere) ſëgghen (di-
cere). Zuweilen wird cgh für ggh geſetzt (Huyd. op
St. 1, 4.) fälſchlich aber für gh; die ſchreibung co-
nincghinne (oder conincginne) iſt ſo tadelhaft als doncker
f. donker.
gutt. verbindungen. 1) anlautende CL. CN. CR. GL.
GR. QU. letzteres häufiger als im mittelh., beiſpiele:
quale (cruciatus) quaet (malus) quanſìs (quaſi, proforma
Rein. 349.) quëne (vetula Maerl. 2, 240.) quëtſen (vulne.
rare) quic (vivus) etc.; nicht vor o, oe, u, û. — 2) in-
und auslautende. Das mittelh. hs wird ausl. zu ſ, inl.
zu ſſ. — X bedeutet cs (nicht chs) und kommt oft vor,
beruht aber immer auf ſyncope, vgl. aex (ſecuris Maerl.
3, 22.) blëxem (fulgur) f. blëcſem, d. h. blëckeſeme;
houdix Maerl. 3, 250. f. houd-ic-ëſ; ghelux (:pollux
Maerl. 1, 108.) f. gheluckes; havexbërch (habspurg)
[504]I. mittelniederländiſche conſ. gutt. ſchlußbem.
ſprêx (loqueris) jonghelinx (adoleſcentis) lanxt (longiſſi-
mus) f. lancſt, langheſt. Dieſes x iſt daher dem angelſ.
und altn. x = hs unvergleichbar. — CHT. dreierlei
1) = mittelh. ht, als nacht, achte (octo) achte (cura)
mochte (valuit) brochten (attulerunt) lëcht (lux) licht
(levis) etc. 2) = mittelh. ft, als cracht, achter, ëcht,
ſochte (lenis) etc. oft noch mit ft wechſelnd, vgl. vor-
hin ſ. 493. 3) = mittelh. ſt. merkwürdig in dem häu-
figen worte lachter (dedecus, vituperatio:achter Rein.
278. vgl. Huyd. op St. 3, 425-427. (neuniederl. wieder
laſter); eine beſtätigung der ſ. 416. wahrgenommenen
übergänge des ſt in ht, womit auch die des ch in ſ
und tſ (ſ. 502.) zuſ. gehalten werden müßen. Übrigens
gilt mittelniederl. forêſt (Huyd. 1, 218. 219.) —
1) aſſimilation bei ll und ſſ berührt, läßt ſich aber
durch weitere beiſpiele belegen, wie mallîc (quisque)
f. manlîc, manghelîc, ſo ſteht ballinc (extorris) f. banlinc.
Dieſe gemination durch aſſim. hat gleich der org. gem.
nothwendig kurzen voc. vor ſich; nicht aber ſcheinbare
gem. durch ſyncope, z. b. lûdde, lêdde oder contraction
(vgl. ſ. 492.). — 2) inl. gemination vereinfacht ſich ausl.
wie im mittelh. und ſelbſt durch apocope eines vocals
wird dieſe vereinfachung häufiger möglich, als im mit-
telh. Daher reimen bët (lectus) und nët (rete) Rein. 318.
Maerl. 2, 437., jenes für bëdde, dieſes für nëtte ſtehend;
mittelh. nur bette, netze, kein bet, nez daneben. Der-
gleichen den ſprachformen ſchädliche kürzungen erleich-
tern freilich den reim. — 3) die reimkunſt erkennt auch
hier gewiſſe verwandtſchaften der conſ. So reimt bis-
weilen v (= bh):gh, als begraven:daghen, lëven:
plëghen Stoke 1, 54. 2, 265. (ibiq. Huyd.); noch häufi-
ger f (=ph): ch, als ſcrifte:wichte Stoke 3, 370., ja
dies hat förmlichen übergang des ft in cht gefördert;
vgl. den auslant ſlach : ſtaf reimend Rein. 299. Seltner
finde ich zwierlei tenues gereimt, doch Rein. 372. trac
(traxit):dat (illud) noch ſeltner ſ auf d in laſet:verſa-
det (ſatiatus) Rein. 282. Gleichheit der voc. iſt gewöhn-
lich beobachtet, man müſte denn lieber ungenauen reim
als ſchwanken zwiſchen gewiſſen voc. annehmen, alſo
wërt:ſpaert (oben ſ. 469.) wie z. b. knëchte:nachte
Stoke 3, 261. 4) inclination, zumahl der pronominal-
formen, hat weit häufiger ſtatt, als im mittelh., die
ſprache gewinnt dadurch viel geſchmeidigkeit (vgl. das
[505]I. mittelniederländiſche conſ. gutt. ſchlußbem.
angelf. und frieſ. ſ. 268. 280.). Hier die wichtigſten
beiſpiele. α) vom neutralen art. hët (der alsdann ſelbſt
dat vertritt) wird bloß das ausl. t behalten und dem
ſubſt. angehängt, als: trike, (regnum) tlëven (vita) tlëcht
(lux), tgat (foramen) thîs (glacies Rein. 319.) lautet aber
dieſes ſelbſt lingualiſch an, ein conſ. ausgeſtoßen, z. b.
tin (ſtannum) für dat oder hët tin, ſtatt t’tin; torp für
hët dorp, ſtatt t’dorp; tërde (tertium) f. hët dërde, t’dërde;
weniger gut bleibt die anl. med. mit verſchlucktem t,
als dac (tectum) für tdac (vgl. oben ſ. 487.) noch fehler-
hafter (indeſſen meiſt vor l und b) ſteht zuweilen dlëcht
(Maerl. 3, 296.) f. tlëcht (lux) dbêlde (3, 124.) f. tbêlde
(imago) (vgl. Huyd. op St. 3, 150.). Geht dem ſubſt.
praep. oder adj. mit liq. auslaut vorher, ſo lehnt ſich
das t lieber dieſem, als dem ſubſt. ſelber an, z. b. int
rike (in regnum) alt volc (omnis turba, nicht: al tfolc. —
β) ebenſo bleibt vom gen. maſc. und neutr. dës nur
das ſ entweder dem ſubſt. anlehnend (ſconinx, regis;
ſnachts, noctis, ſpapen, presbyteri) oder einer vorſte-
henden praep. (tës coninx, ad regis); zuweilen wird das
d wieder hörbar, doch wegen des folgenden ſ in t ver-
wandelt, z. b. ints lêts duvels name (in nomine mali
diaboli) ſteht f. in dës lêdes d. n. Rein. 312. — γ) der
art. die incliniert mit weggeworfnem ie vocalanlauten-
den ſubſt. z. b. dërde (terra) doghen (oculi) dandre
(alii). — δ) die praep. mët, ût, up, të ziehen den art.
an, behandeln ihn aber nicht auf gleiche weiſe; nämlich
up und mët läßt ihn ganz, aſſimiliert nur d zu t, als:
upten, mëtter, mëttien, mëttem f, up den, mët der etc.;
ût erträgt kein gem. nur einf. t, als ûter, ûten f. ût
der, ût den; nach të verſchwindet außer dem auslaut
alles: tës, tër, tën f. të dës, të dër, të dën. — ε) die
praep. të, wenn kein art. vorhanden iſt, lehnt ſich ans
ſubſt. oder adj. z. b. têren (ad honorem) tëtene (ad
edendum) tſinen (ad ſuos) thûwaert (zu euch-wärts)
Rein. 353. — ζ) inclination des pron. hët (außer dem
obigen fall, wo es dat vertritt) daert (daer hët) hît (hi
hët) jaet (jâ hët) ſoet (ſô hët) wî lëſent (lëſen hët) alſt
(als hët) alſict (als ic hët). — η) incl. des pron. hî oder
hie mit vermuthlicher kürzung, dëdi (dëde hî) haddi
(hadde hî) peinſdi (peinſde hî); ebenſo ſoe (illa) mit kür-
zung in ſo, als: datſo (quod illa) Rein. 334; ſî (eam) in
ſe, als: ſiſe (illi illam); der acc. hëm wird zu -ene, als
ickene (ego eum) leidene (ponebant eum), wobei ein
ſtück von der flexion des verbi verloren geht, vgl. mocht-
[506]I. mittelengliſche vocale.
ſine (ſt. mochten ſi hem) wortſi (f. worden ſi) Huyd. op
St. 3. 169. — θ) incl. von ës (eſt) z. b. hëts (hët ës)
dats (dat ës) dits (dit ës) wats (wat ës) dins (dit en ës)
Maerl. 2, 165. — ι) von daer (ibi) bleibt häufig nur -re
übrig, als ſpringenre, maectenre f. ſpringen daer etc.
Maerl. 1, 36. 69. offere f. of daer 1, 414. — κ) vermiſchte
fälle: wattan Rein. 283. (wat dan) nochtan (noch dan)
dattu (dat dû) Maerl. 3, 82. indoe (haud facio). — Es
gibt noch andere beiſpiele und ſelbſt für die vorgetrage-
nen feinere beſtimmungen; hier ſollte bloß der bedeu-
tende einfluß der inclination auf die lautverhältniſſe ge-
zeigt werden. Man vgl. oben ſ. 371. 372. 378. 381. Noth-
wendig ſind die anlehnungen nicht überall, oft ſtehen
die vollen formen, z. b. dat gras (nicht aber: hët gras)
neben tgras (für hët gras) etc.
Ich gebe aus mangel an raum und zureichendem
ſtudium oberflächliche überſichten. Die quellen ſind
nicht unbedeutend und zu genauerer bearbeitung einla-
dend; außer Triſtrem und Chancers werken ſteht das
wichtigſte bei Ritſon und Weber geſammelt, der zeit
nach fallen ſie wiederum dem 13. und 14. jahrh. zu.
Schon die niederländiſche ſprache zeigte größere zumi-
ſchung romaniſcher wörter als die hochdeutſche, doch
eine unvergleichbar geringere, als ſie im engliſchen ein-
getreten iſt. Offenbar haben die materiell immer noch
überwiegenden deutſchen beſtandtheile in der geſellſchaft
ſo vieler fremder wörter und laute von dem organiſchen
verhältnis ſowohl der buchſtaben als der flexionen man-
ches verlieren müßen.
Im mittelh. half der klingende und ſtumpfe reim
länge oder kürze der vocale erkennen. Die mittelengl.
ſprache hat aber keine tonloſen e und i im ſinne des
ſ. 373. aufgeſtellten unterſchiedes, ſondern lauter ſtumme,
folglich nur ſtumpfe, niemahls klingende reime *). Dies
[507]I. mittelengliſche vocale.
lehren die ſtrophiſchen gedichte augenblicklich, in de-
nen allen: name (nomen) fare (ire) calle (appellare) kiſſe
(oſculari) abîde (morari) ſtâne (lapis) etc. ſo einſilbig rei-
men als: man (vir) fall (caſus) is (eſt) hand (manus) etc.
Beide mundarten erſcheinen hier bei gleichem ſtreben
in merkwürdigem gegenſatz: die hochdeutſche verdun-
kelt alte kürzen, indem ſie zweiſilbige ſtumpfe reime
allmählig in klingende wandelt; die engliſche bewirkt das-
ſelbe, weil ſie alle klingenden zu einſilbig-ſtumpfen wer-
den läßt, einſilbige wörter aber, ihrer einförmigen be-
tonung wegen die alte kürze ſchwerer bewahren kön-
nen (oben ſ. 18. 19.). Man darf annehmen, daß in be-
tonten wörtern deutſchen ſtammes (auf die ich mich
hier beſchränken muß) kurze vocale nur vor geminier-
ter oder ſonſt doppelter conſonanz eintreten, nicht aber
vor einfacher mit folgendem ſtummen e. Organiſch
einſilbige formen, auf einfache conſonanz auslautend,
pflegen bald den kurzen voc. beizuoehalten, z. b. was
(fuit) that (id) his (ejus) bald ihn durch zufügung eines
unorg. ſtummen e gleichfalls zu verlängern, z. b. bâre
(nudus) bâre (portavit) ſâke (cauſa) überhaupt ſcheinen
die laute a, e, o in vielen fällen nicht allein gleichbe-
deutig, ſondern auch in â, ê, ô übergängig.
(A) beiſpiele 1) vor geminationen: halle (aula) alle
(omnes) thanne (tum) 2) vor conſ. verbindungen: balde
(audax) hald (tenere) cald (frigidus) land (terra) band
(ligavit) ſang (cecinit) arm (brachium) barm (ſinus) craft
(vis) aſke (poſtulare), 3) in einſilbigen wörtern: man
(vir) can (ſcivit) ſat (ſedit). — Dieſes a entſpricht alſo
dem angelſ. a, ä und ëa, in der wirklichen ausſprache
mag der laut geſchwankt haben zwiſchen a, ä und o,
welches letztere vor den liquiden verbind. ſelbſt geſchrie-
ben wird: hold, old, cold, lond, bond, vermuthlich
aber langes ô iſt. Sicheres läßt ſich nicht beſtimmen,
da ſogar die a der dritten art auf lange a reimen, z. b.
man, bigan (coepit) auf ſtâne (lapis) tâne (captus).
(E) theils e, als hell (inferi) bedde (lectus) ende
(finis) theils ë, fëld (campus) ſchëld (clypeus) ſtërre (ſtella).
(I) theils organiſch, als 1) wille (voluntas) tille (us-
que) inne (intus) 2) milde (lenis) childe (infans) milk
(lac) blind (coecus) thing (res) ſwinke (labor) miſſe (ca-
rere) 3) in (praep.) begin (incipere) is (eſt) — theils
für das org. u, aus deſſen umlaut dem angelſ. y erwach-
ſend (ſ. 228.), als: kiſſe (oſculari) fille (implere) kinne
(genus) minde (memoria) king (rex) ying (juvenis) etc.
Ob beiderlei i vor ld, nd, alſo in den wörtern wild
(ferus) mild, child, blind, grind (molere) mind und
ähnlichen ſchon in î verlängert werde? weiß ich nicht;
analog aber wäre das ſchwanken des a vor ld, nd in â
oder o, und der übertritt des u vor denſelben buch-
ſtaben in ou.
(O) beiſpiele: ſmocke (veſtis muliebr.) morrow. oft
(ſaepe) dohter (filia) gold (aurum) molde (pulvis) tonge
(lingua).
(U) unter allen kurzen vocalen (in wörtern deut-
ſchen urſprungs) der ſeltenſte; beiſpiele: full (plenus)
bull (taurus) but (ſed) tuſk (dens) turne (vertere) etc.
Vor ld. nd. iſt er in ou übergegangen, z. b. hound,
found, ſtounde, ſhoulder.
(Y) mit i jetzo gleichbedeutend, alſo entbehrlich
und um ſo mehr zu vermeiden, als es für den kehllaut j
eingeführt iſt; man müſte ſonſt z. b. yyng f. ying ſchrei-
ben, wie Ritſ. 2, 92. wirklich pleyyyng f. pleying zu
leſen ſteht.
(AA) â iſt 1) organiſch = angelſ. â in brâde (latus)
râde (equitavit) lâfe (panis) hâme (domi) bâne (os) ſtâne
(lapis) âne (unus) âre (honor) wâre (erant) hâre (crinis)
hâte (calidus) gât (capra) etc. 2) unorganiſch verlänger-
tes a in mâde (fecit) glâde (laetus) nâme (nomen) tâne
(capere) fâre (ire) bâre (tulit) ſpâre (parcere) yâre (para-
tus) hâre (lepus) câre (cura) câſe (caſus) etc. 3) ſteht es
auslautend in einſilbigen formen: gâ (ire) mâ (magis)
wâ (calamitas) ſlâ (ferire) bâ (ambo) etc. In allen drei
fällen ſind übergänge in ô ſehr geläufig, daneben auch
andere in ê vorkommend. Es reimt mô, ſlô, gô, bô
auf tô (praep.) dô (facere) zuweilen ſlê, gê auf trê (ar-
bor) hê (ille); ferner ôre (honor) ſôre (valde) lôre (doctri-
na) bôre (tulit) ône (unus) ſtône (lapis) hôme (domi)
môme (cepit) auf dône (factus) ſône (mox) côme (ve-
nire), zuweilen auch wêre (erant) hêre (crinis) yêre
[509]I. mittelengliſche vocale.
(annus) ête (edebant) auf hêre (audire) êre (auris) lête
(ſinere). Hiernach iſt die wirkliche ausſprache kaum
feſtzuhalten, ſie ſchwankt zwiſchen â, ô, ê und gewiſſe
wörter kommen unter dreierlei geſtalt vor, z. b. fair-
hâde, fairhôde, fairhêde (pulcritudo). In den meiſten
herrſcht jedoch eine oder die andere vor, z. b. finde ich
kein êne, hême neben âne, hâme, ône, hôme und kein
wôre, hôre neben wâre, hâre, wêre, hêre; â kann als
die allgemein gültige, urſprüngliche form betrachtet
werden, zuweilen trifft man auch aa geſchrieben, z. b.
in Chaucers houſe of fame 254. caas: Eneâs, ſo daß
hier an die neuengl. ausſprache kês nicht zu denken iſt.
(EE) ê, 1) organiſche länge α) = angelſ. ê, mittelh.
ue: brêde (panis) ſtêde (equus) ſpêde (felicitas) blêde
(ſanguis) ſêke (quaerere) kêne (audax) grêne (viridis)
ſwête (dulcis) fête (pes) grête (ſalutare) β) = angelſ. ê,
eá, mittelh. ô, ou: dêde (mors) nêde (neceſſitas) rêde
(ruber) êke (etiam) êre (auris) hêre (audire) lês (ſolutus)
chês (elegit) grête (magnus) nête (jumentum) γ) = an-
gelſ. ê, mittelh. ie: mêde (merces) dêre (animal).
δ) = angelſ. æ, mittelh. ei: lêde (ducere) brêde (lati-
tudo) dêle (pars) clêne (purus) hête (calor) hête (vocare)
ε) = angelſ. æ, mittelh. â: wêde (veſtis) dêde (factum)
bêde (rogabant) rêde (conſilium) ſtêle (chalybs) ſlêpe
(dormire) yêre (annus) wêre (erant) bêre (portabant) ête
(edebant) ſtrête (via) lête (ſinere). ζ) = angelſ. ëó, mit-
telh. ie: bêde (offerre) yêde (ivit) bêre (cereviſia) thêf
(fur) ſêke (aeger) têne (damnum, afflictio) ſchêne (pul-
cher) gête (fundere). — 2) unorganiſche länge ſtatt e
und ë, als: quêne (regina) ſêne (viſus) ſtêde (locus) ête
(edere) mête (metiri) wêle (bene) etc. — 3) auslaute:
hê (ille) mê (mihi) thê (tibi) trê (arbor) thrê (tres) ſê
(videre) bê (eſſe) frê (liber) glê (glaudium) etc. — Aus
allen dieſen beiſpielen erhellt, wie viel urſprünglich ge-
ſchiedene laute hier zuſ. fließen, wie unſicher ihre aus-
ſprache geweſen ſeyn mag. Alle reimen untereinander.
Zweifelhafte wörter laßen ſich ſchwer der einen oder
andern art beizählen, z. b. das häufige adv. bidêne, al-
bidêne (ſimul, pariter?) vielleicht bidône (penitus?).
(II) î, bleibt ſeinem org. zuſtande getreuer, weil ſchon
früher das kurze i vor einf. conſonanz in ë übergetreten
war, folglich dem î keine verlängerte kurze i zur ſeite
ſtehen, wie dies bei â und ê der fall war. Beiſpiele
des î: mîne (meus) tîde (tempus) abîde (exſpectare) etc
[510]I. mittelengliſche vocale.
ergeben ſich allerwärts. Nur wird jetzt auch das angelſ.
ŷ durch î (wie y durch i) ausgedrückt, als fîre (ignis)
mîſe (mures) etc. Vermuthlich wandelt ſich das kurze i
vor ld, nd in î (vorhin ſ. 508.) Ob aber dem î über-
haupt ſchon die neuengl. aueſprache, nämlich ei, beizu-
legen iſt? bezweifle, weil ich keinen grund abſehe,
warum man in dieſem fall nicht auch wirklich: meine,
teide, feire, meiſe geſchrieben hätte, wie man aller-
dings ou für û ſchrieb; vgl. unten ei.
(OO) ô wiederum 1) organiſche länge α) = angelſ. ô,
mittelh. uo, als: blôde (ſanguis) gôde (bonus) rôde (crux)
ſtôde (ſtetit) yôde (ivit) ſlôgh (feriit) drôgh (portavit)
bôke (liber) lôke (intueri) tôke (cepit) fôle (pullus eq.)
ylôme (ſubito) dôme (judicium) bône (rogatio) etc. wird
häufig durch ê (1. α), das heißt, ſeinen [umlaut] ausge-
drückt. β) nebenlaut für â, als ôke (quercus) dône
(factus) bône (os) ône (unus) hôme (domi) ôre (honor)
thôre (ibi) ſôre (valde) gôſt (ſpiritus) wôſt (ſcis) etc.
2) unorgan. länge, als côme (venire, adventus) nôme
(cepit) bôre (portavit). 3) auslaute: mô (magis) ſô (ita)
gô (ire) fô (inimicus) twô (ambo) etc. — Die ausſprache
wird nach dem neuengl. zweifelhaft ſcheinen, wo die
unter α. genannten ô wie û, die unter β. wie ô lau-
ten, folglich bône (rog.) von bône (os) geſchieden.
Auch pflegen ältere quellen im falle β. lieber â zu brau-
chen. ſo daß ſich wiederum bône (rog.) und bâne (os)
gehörig trennen. Jenes ô liegt dem û. dieſes dem â
näher; gleichwohl begegen ſich beide nicht nur in der
ſchreibung, ſondern auch wirklichen ausſprache, da
z. b. côme bald auf dôme (neuengl. doom) bald auf
hôme (neuengl. home) reimt (Ritſ. 1, 4. 19. 20. 67.) auch
beiderlei ô im parallelen umlaut ê (für mittelh. ue und
ei) zuſ. trifft. Einige wörter, denen urſprünglich kein ô
mit û-laut gebührt, z. b. mône (luna) gôs (anſer ha-
ben dieſen im neuengl. moon, gooſe entſchieden und
ſchon im angelſ. môna, gôs, nicht mæna, gæs, wie man
erwarten ſollte. Jenes môna hätte ſ. 231. unter 2. zum
beweis dienen ſollen, daß auch gôs nicht aus gans,
vielmehr aus gâs herzuleiten ſey.
(UU) û, mangelt, das angelſ. û iſt zu ou geworden,
wogegen ſt. des erſten ô zuweilen u, das heißt û ge-
ſchrieben vorkommt, vgl. Ritſ. 1, 1. 2. bûke (liber)
gûde (bonus).
(YY) ŷ übergegangen in î
(AI) ai, haufig ay geſchrieben, entſpricht dem an-
gelſ. äg, als dai (dies) lai (jacuit) mai (valet) wai (via)
ſai (dicere) brain (cerebr.) main (vis) fain (laetus) ogaine
(contra) frain (interrogare) faire (pulcer) und ſo häufig
in fremden wörtern ſertaine (certain) gawaine (Ritſ. 1, 65.
auf ſwaine, famulus, angelſ. ſvân) kai (Ritſ. 1, 4. 16. auf
mai, ai, ſemper) etc.
(EA) ea, wird zuweilen ſt. des üblichen ê geſchrie-
ben, vgl. Ritſ. 2, 131. earen (auribus): tearen (lacrimis)
angelſ. eárum, tëarum; neuengl. ears, tears.
(EI) ei oder ey kommt in fällen des angelſ. eág,
eáh vor, iſt alſo (wie ai = ag, äg) auflöſung des g in
den vocallaut, und eigentlich êi, wiewohl in der re-
gel das g und gar gh noch dazu geſchrieben wird, z. b.
eie (oculus) eije, eige, deie (mori) heie (altus). Andere
beiſpiele ſind: neighe (prope) beighe (annulus) heighe
(altus) ſeighe (videbat) fleighe (volabat) ſleighe (callidus).
Einigermahl fürs angelſ. ëo, als leie (mentiri) dreie (pati).
Da dieſe -eighe im Triſtr. auf -îe (46. 184. auf crîe,
ermonîe) reimen, könnte man hieraus auf die ausſpra-
che ei für î ſchließen, mindeſtens auf eine annäherung. —
Ganz verſchieden iſt das ei in den part. aſkeing, ſnoweing
d. h. aſkeìng, ſnoweìng, mit kurzem i auf thing reimig.
(EO) eo, ſelten noch geſchrieben in teone, teon,
fleon (angelſ. tëóna, tëón, flëón) ſt. des üblicheren têne,
tên, flên, vgl. Ritſ. 2, 106. 119. 121. 127.
(EU) eu, zuweilen im auslaut für ew, als bleu
(flavit) Ritſ. 2, 145.
(OU) ou*), auch ow geſchrieben, vertritt durchge-
hends das angelſ. û, wie das neuh. au das mittelh. û,
vgl. brouke (uti) roune (myſterium) houſe (domus) kouth
(notus) mouth (os) loud (ſonorus, angelſ. hlûd) etc. und
gilt auch vor ld, nd ſtatt des kurzen u, moulde (pulvis)
hound (canis) mount (mons) ſtounde (hora) etc. Vor gh
pflegt ou ſtatt ô = hochd. uo zu ſtehn, als ynough
(abunde) lough (riſit) wough (curvum). —
Schlußbemerkungen. 1) der organiſmus der vocale
iſt entſtellter, als in irgend einer anderen deutſchen
ſprache, wozu namentlich die eingangs bemerkte nei-
[512]I. mittelengliſche conſonanten. liquidae.
gung ein ſtummes e unnöthig anzuhängen und ſtumpf
zu reimen beitrug. — 2) der umlaut findet ſich zwar in
den wörtern aus der ältern ſprache, wirkt aber nicht mehr
lebendig und darum ſchwanken einzelne wörter zwi-
ſchen umgelauteter und unumgelauteter form, z. b. es
gelten fôte und fête (pes), ſôte und ſwête (dulce) neben-
einander. Vielleicht iſt hieraus die unſicherheit des ô
und ê-lauts auch in fällen zu begreifen, wo an ſich
kein umlaut gedenkbar ſcheint, z. b. in yôde und yêde
(ivit) angelſ. ëóda oder ëôda, man ſetzte yêde, wie
man blêde f. blôde (ſanguis) ſetzte. — 3) tiefton hat ſich
noch in ſilben erhalten, wo ihn das neuengl. nunmehr
entbehrt, z. b. in den part. endungen -ànd. -ìng, im
ſuperl. -èſte etc. Daher lifànd, bêrànd, brinnìng, wîſèſte
auf hand, king, beſte reimen. Auch vielen wörtern
franzöſ. ſtamms gebührt andere betonung als im neuengl.
vgl. Tyrwhitt’s eſſay §. 17. — inclination tritt ebenfalls
ein, vgl. tîme : bî-me, nâme : frâ-me Ritſ. 2, 113.
Weber 3, 236.
Vorbemerkungen. 1) die mittelh. und mittelniederl.
vertretung der auslautenden media durch die ten. tritt
hier nicht ein; es heißt cald (frigidus) ſwang (vibravit)
aber ſalt (ſal) ſwanc (laboravit). Freilich wird auch gern
mit dem falſchen anhangs -e geſchrieben: calde, ſwan-
ge. — 2) nur das gemin. ll und rr pflegt ausl. zu ſtehen,
als will, ill, fërr, ſtërr etc. nicht aber nn, mm, pp. tt.
kk, ſondern ran, ronne; nek, nekkes; ſhip, ſhippes. —
3) anlautend kein wechſel zwiſchen f und v oder d
und t; bei inclinationen zuweilen t für th, als hêrandtêr
(Weber 2, 18.) f. hêre and thêre, vergleichbar dem nie-
derl. harentare f. haer end daer.
Die niederl. verweichung des 1 in den vocal hat
keine ſtatt, man hüte ſich wôde (lignum) dem niederl.
woud (ſilva) zu vergleichen; erſteres iſt das angelſ. vudu,
alth. witu, letzteres das angelſ. vëald, alth. wald. —
Merkwürdig, daß die angelſ. umſetzung des r allmählig
wieder ausſtirbt, es heißt gras (gramen) brinie (thorax)
rin, ran, yronne etc. nicht gars, birne, irne. Doch
Ritſ. 2, 139. finde ich yorne:horne, ferner kërs (naſtur-
tium) f. krëſſe und ſonſt allgemein bird f. bryd, ſo wie
bërne, barn, yborne (ardere).
Ein laut mehr, als im angelſ., nämlich v, ſchon
durch die einführung vieler roman. wörter veranlaßt,
deren v (vertue, venerie, veine, viſage etc.) nicht den
laut der ſächſ. ſpirans bekam, für welche es alſo ein
dopp. v oder w zu ſchreiben nöthig wurde *). Man
kann vermuthen, daß ſich vaine (vanus) und waine
(currus) damahls in der ausſprache ebenſo unterſchie-
den, wie im neuengl. d. h. erſteres lautet einem hochd,
w, letzteres einem hochd. u gleich und jenes iſt durch-
aus kein hochd. v = f. Für den anlaut herrſcht alſo
kein bedenken; auch für den auslaut nicht, da ſich in
ihm nur w und niemahls v zeigt. Inlautend aber be-
gegnen ſich zweierlei v, ein romaniſches z. b. in vîve
(vivax) vîvary (vivarium) contrôve (fingere) dîvers (di-
verſus) etc. dem ſächſiſchen, welches ſeinerſeits dem
älteren f. entſpricht in fällen, wo das altſ. und alth.
bh. und v gelten (vgl. oben ſ. 247.) namentlich wird
das ausl. f. inlautend zu dieſem v. Beiſpiele: lêf (fo-
lium) mit ſtummen e lêve, pl. lêves; hêved (caput);
calf, calve, pl. calves (vitulus); wîf, pl. wìves (femi-
na); êven (veſpera, angelſ. æfen) êven (aequalis, an-
gelſ. ëfen) ſtêven (clamor, vox) glôve (chirotheca angelſ.
glôfa) dôve (columba) etc. Ich weiß nicht, ob ſchon
jetzt wie im neuengl. manche wörter vor dieſem inlau-
tenden v. den vocal kürzen, unerachtet ſtummes e
folgt? vgl. yive (dare, angelſ. gifan) live (vivere, lifan)
ëver, nëver (æfre, næfre) ſëven (ſëofon) hëven (hëofon)
u. a. m. Die analogie fordert im mittelengl. lieber ein
langes yîve, lîve, êver; auch reimt z. b. lêve (vivo):
êve (veſper). — Die eigentliche ſpirans w. ſteht inlau-
tend nur vor ſtummen vocal (einige ſchreiben ſie auch
vor conſ. ſowle, hawke, rownd, downe, kowth; beßer
ſoule, hauke, round, doune, kouth); der vorangehende
wurzelvocal iſt entw. a oder o oder e und dieſe drei
ſchwanken. Dieſes w kommt auch auslautend vor, wo-
fern nicht ein ſtummes e dazu geſchrieben iſt. Beiſpiele:
law (lex) daw (mos) ſaw (vidit) ſaw (narratio) raw (li-
K k
[514]I. mittelengliſche conſonanten. labial. lingual.
nea, ordo) plawe (ludere) law (humilis) knaw (novisse)
felawes (ſocii) dawes (dies, pl.) now (jam) ſnow (nix)
ynowe (multi) throwe (tempus, intervallum) blowe
(flare) rowe (remigare) fewe (pauci) newe (novus) trewe
(fidus) knewe (novit) blewe (flavit) ſhewe (oſtendere)
n. a. m. Für knaw, raw, law ſteht aber ebenwohl
know, row, low oder für blow, blaw; ſeltner blow für
blew; alles aus der unſicherheit der einfachen a, o, e
leicht erklärlich. Ob aw, ow wie au oder âw, ôw (d. i.
beinahe âh, ôh, â, ô) ausgeſprochen wurden und ew
wie iu oder eu? läßt ſich kaum beſtimmen. Offenbar
ſtammen viele dieſer w aus früherem g. vgl. law (lex;
angelſ, lage) ſaw (loquela, ſage) dawes (angelſ. dagas)
throwe (angelſ. þrage) foule, fowl (angelſ. fugel) etc.
neben ynowe ſteht das adv. ynough, neben dawes der
ſing. dai (angelſ. däg). — Die übrigen lippenlaute erge-
ben ſich leicht nach dem angelſ. und neuengl.; man
ſammle ſich aus den gloſſaren die anlaute wl. wr und
wh (welches dem angelſ. hv gleich).
In der aſp. kein unterſchied mehr zwiſchen dh und
th, ſondern letzteres überall stehend, auch aufgelöſt
geſchrieben ſtatt des alten zeichens þ, welches jedoch
noch einzelne hſſ. beibehalten *). Der organ. unter-
ſchied zwiſchen d und th. wird meiſtens beachtet, am
genauſten im anlaut; die in- und auslaute haben zu-
weilen d ſtatt th, welches man nach den ſ. 252. 253. ge-
gebenen regeln beurtheile. Die vermiſchung iſt zwar
weiter vorgeſchritten als im angelſ. aber nicht ſo weit,
als im neuengl., z. b. brôther, ôther ſind noch richtig
geſchieden von fâder, môder, wogegen neuengl. beide
letztere unorganiſch father, mother lauten. — Bemer-
kenswerth iſt die auflöſung des th. in die ſpirans ſ. im
auslaut der flexionsendung der tert. sing. ind. (nicht aber
des plur.). Neben hâth (babet) yîveth (dat) wôneth (ha-
bitat) mâketh (facit) tâketh (aufert) etc. heißt es ſchon
in denkmählern des 13. jahrh. hâs, yîves, wônes,
mâkes, tâkes vgl. den reim biſêkes: chêkes Ritſ. 1, 66.
und flês (fugit) ſês (videt): lês Triſtr. 174. Bei weiterer
ſyncope des wurzelconſ. pflegt noch ein ſtummes e zu-
[515]I. mittelengliſche conſonanten. gutturales.
zutreten, ſo daß namentlich hâſe (habet) tâſe (aufert)
ſlâſe (ferit) mâſe (facit) gâſe (it) auf die praet. râſe (ſur-
rexit) wâſe (fuit) reimen, oder gôſe (it) auf lôſe (laus)
fôſe (inimici) vgl. Ritſ. 1, 7. 30. 36. 44. 66. 80. 107. 113.
Weber 3, 123. 128. 130 etc. Chaucer, wenn ich nicht
irre, meidet ſolche reime, ſetzt auch gewöhnlich -eth,
kein -es, indeſſen beſtätigt der im neuengl. durchge-
führte übergang dieſes -eth in -es die verwandtſchaft
der laute th und ſ. (vgl. die zweite ſchlußbem.). — z
kommt nur ſehr ſelten in romaniſchen wörtern vor, z. b.
lâzar (leproſus) bâzard (caſus) dûzein (neuengl. dozen)
und bat dann den ſ. 166. benannten buzzing ſound. Im
neuengl. gibt man ihn unorganiſch einigen wörtern,
z. b. hazel (corylus), die mittelengl. ein reines ſ. haben.
Ich handle hier bloß von dem kehllaut der ſächſ.,
nicht dem der franzöſ. wörter. — (K. C) ſteht vor a, o,
u, â, ô, l, n, r mit dem gewöhnlichen laut, nicht vor
ë, i, ê, î, wo es ſich in ch (ausgeſpr. ſch oder tſch?)
wandelt. Auszunehmen ſind diejenigen i und î, e und
ê, welche aus umgelautetem o, u, û, a und ô ſtam-
men; ſie behalten den reinen laut der ten., werden aber
mit k, nicht e geſchrieben, z. b. king (rex) kiſſe (oſcu-
lari) kembe (pectere) kenne (noſcere) kêne (audax) etc.
ferner die aus angelſ. cve, cvi entſpringenden ke, ki,
zwiſchen denen im grunde auch ein (ausgeworfenes)
u liegt, als kell, kill (occidere) kîthe (nuntiare). Ohne
einſicht in dieſe ausnahmen würde die verwandlung des
k in ch willkürlich eingeführt ſcheinen, was ſie ſchwer-
lich iſt; man unterſcheidet z. b. chêpe (emere) und
kêpe (ſervare) chîld (infans) und killed (occiſus) vgl.
mit dem angelſ. ceápan und cêpan, cild und acvelled.
Einige wörter widerſprechen indeſſen: chirche, chërche
(eccleſia) aus cyrice und chiken (pullus gall.) welches
von coc (gallus) herſtammt, folglich angelſ. cycen lau-
ten ſollte, gleichwohl durchaus cicen geſchrieben wird,
ſo daß ſich in ihm der y-laut, als man noch den i-
laut davon unterſchied, frühe verdunkelt haben mag.
Die ſpätere ſprache nahm alſo chicken f. kicken, ne-
ben cok an. — Das inlautende k. wird häufig ſynco-
piert, vgl. tâſe, mâſe, tâne (:ſtâne reimig) mâde f. tâ-
kes, mâkes, tâken, mâkede. — (G) die graphiſche ähn-
lichkeit dieſes buchſtaben in hſſ. mit dem Ʒ hat man
ungeſchickt zuweilen in abdrücken durch z wiederge-
geben (vgl. Scotts gloſſ. zum Triſtr. unter z); die laute
K k 2
[516]I. mittelengliſche conſonanten. gutturales.
g und z berühren ſich gar nicht; g hat völlig den laut
der reinen med., ſchwankt aber in manchen wörtern
theils in den voc. i und halbvoc. y (= j) theils in w
(wovon vorhin). — (CH) vertritt bisweilen das k vor ë,
ê, i, î, ſcheint aber dann die ausſprache ſch oder tſch
zu bekommen; cch in cacche, wacche etc. mag unbe-
zweifelt wie tſch. lauten, wie aber ch in michel, mo-
chel. moche, muche? da das neuengl. ſelbſt zwiſchen
mickle und much ſchwankt; vom ſch. ſtatt ſh und ſc
hernach beim h. (J. Y.) für j wird y. geſchrieben. deſ-
ſen berührung mit g. ſchon aus dem angelſ. erhellt. Es
ſtehet 1) = hochd. j. in yêre (annus) yâ (immo) ying
(juvenis) 2) = hochd. g. in yîve (dare) yift (donum)
yaf (dedit) yôven (dabant) yëlde (expendere) yëſter
(heri) yâte (oſtium, porta, verſchieden von gâte, via, je-
nes altnord. gâtt, dieſes gata, hochd. gaƷƷe) yême (cu-
rare). 3) = hochd. vocalanlaut in yê (vos) you (vobis)
yôde (ivit). In den beiden erſten fällen ſchreibt der An-
gelſachſe gëar, gëong, gifan, gëaldan; im dritten gë
(vos) ëóv (vobis) ëôda (ivit). Die angelſ. vorpartikel gë-
wird gleichfalls durch y- gegeben, als yronne (gerun-
nen) ygrâve (gegraben) etc., hier lautet es ganz voca-
liſch, wie kurzes i. 4) auslautend ſchreibt man beßer
i als y, in day (dies) kay (clavis) und noch vielmehr in-
lautend in thyng (res) yyng (juvenis). — (H) von klei-
nerem umfang, als früherhin. Theils gilt ſtatt der an-
laute hl. hn. hr. bloßes l. n. r. für hv jedoch das um-
geſetzte wh (ähnlich dem rh. für hr) wofür der ſchotti-
ſchen mundart die ſchreibung quh eigen ſcheint, z. b.
quhat, quhîle f. what, whîle; theils fällt es in- und
ausl. weg oder wird durch gh und bloßes g ausgedrückt,
z. b. highte (vocabatur) angelſ. hêht, wôgh oder wough
(curvus, iniquus) angelſ. vôh. Dagegen tritt h. verbun-
den mit ſ. in manchen fällen des alten ſc ein, z. b.
ſhall, fiſh, ſhewe, ſelbſt für den reinen ſauſelaut, na-
mentlich in ſhê (illa) angelſ. ſëó; einige gebrauchen
ſch. für ſh. In andern fällen bleibt ſc. beſtehen. Dieſes
ſchwanken zwiſchen ſ. ſc. ſh. ſch. verlangt eine eigne
unterſuchung. — Der gutt. gemination iſt oben ſ. 265.
266. gedacht. Das frühere cv wird nun qu geſchrieben,
z. b. quërte (cuſtodia) quick (vivus) angelſ. cvëartern,
cvic; einige ſind mit ausgeworfnem u in bloßes k über-
gegangen (nie in ch.) x ſowohl das organ. hs als cs,
ja zuweilen ſc, daher z. b. axel (humerus) axe (ſecuris)
axe (poſtulare f. aſke) und die zuläßigkeit von reimen,
[517]I. mittelengliſche conſonanten. gutturales.
wie waxe (cera): axe (ſecuris) die im niederl. was, axe
unthunlich wären (oben ſ. 503. 504.) Die verb. ht und ft
berühren ſich, wie die häufigen reime ſofte, ofte:dohter
(Ritſ. 2, 107. 120.) rightes:yiftes; ſoft, oft:bought, wrought
(Triſtr. 34. 83. 150.) darthun; man findet ſogar dofter (filia)
geſchrieben, ſo daß während im niederl. ft zu cht wer-
den, hier umgekehrt ht in den laut ft übertreten. —
Schlußbemerkungen 1) die vortheilhafte inclination
der partikel ne (ſ. 268.) gilt noch in denſelben fällen,
als: nône (nullus) nôther (neuter) nis (non eſt) nâs (non
fuit) nêre (niſi fuerit) nâth (non habet) nadde (non ha-
buit) nill (non vult) nolde (noluit) nâte, nôte (neſcit)
niſte (neſcivit). Unangelſ. hingegen iſt die anlehnung
des pron. î (ego), wobei deren abgeſtoßener kehllaut
wieder erſcheint: ichâm (ſum) ichave (habeo) ichille,
ichulle (volo). Die hier dem ch gebührende ausſprache
wage ich kaum zu beſtimmen, gewiß war ſie nicht tſch,
eher c-h; ſeltner findet man ich alleinſtehend für î
(ego). — 2) die reime ſind in abſicht auf conſonanten
bei dem auch hierin ausgezeichneten Chaucer ſehr ge-
nau, andere dichter zumahl die älteſten verſtatten ſich
wohl n:m (Ritſ. 2, 124.) oder verſchiedene ten. z. b.
grîpe:ſmîte, fleoten:weopen, brêke:gête (Ritſ. 2, 93. 97.
Triſtr. 177.) und aſp. blîthe:olîve (Ritſ. 2, 106.) knâve:
bâthe (Web. 3, 256.); von ht:ft war vorhin die rede;
wôt:maidenhôd (Weber 3, 19.) ſcheint fehlerhaft, rîſe:
lîthe, ſwîthe (Triſtr. 43.) aber aus der vorhin bemerkten
verwandtſchaft zwiſchen ſ und th erklärlich. — 3) cha-
racteriſtik der mundarten, namentlich der ſchottiſchen
und engliſchen hängt von näherem ſtudium ſicherer quel-
len, zuſ. gehalten mit der heutigen volksſprache ab. — *)
Bei überſicht der heutigen lautverhältniſſe iſt mehr
an wichtigen, allgemeinen veränderungen, als an ein-
zelner ausführung, die, der reichhaltigkeit des ſtoffs
wegen, zu weit führen würde, gelegen. Auf das feld
der volksmundarten wage ich mich gar nicht; die ab-
weichungen von den buchſtaben der ſchriftſprache ſind
[518]I. neuhochdeutſche vocale.
hier ſo mannigfalt, verwickelt und ſchlüpfrig, daß es
ſchon vieler anſtalten bedarf, um über die natur eines
einzelnen volksdialectes ins klare zu kommen. ge-
ſchweige mehrerer und aller. Jede gemeine volksmund-
art, wie mir ſcheint, gewährt eine doppelte ſeite, die
bei der buchſtabenlehre beſonders einleuchten. Sie ſteht
über der gebildeten ſchriftſprache durch ihre lebendig-
keit und ungezwungenheit, ſelbſt in fehlerhaften bleibt
ſie natürlich; tief unter der ſchriftſprache durch ihre
rohheit, d. h. den mangel an bewußtſeyn und haltung.
Im einzelnen kann die volksſprache weniger verloren
haben, als die gebildete ſchriftſprache; dafür hat ſie nie
gleich dieſer etwas im ganzen gewonnen. Der gang
der ſchriftſprache läßt ſich periodiſch verfolgen; in der
mundart des volks verſinkt einzelnes beinahe unver-
merkt und was ſie zu beſitzen fortfährt iſt ungleich
oder unvollſtändig vgl. ſ. 451. 452. Erſt wenn die ge-
ſchichte der buchſtaben nach den denkmählern der
ſchriftſprache ergründet ſeyn wird, können lücken ver-
ſchiedener zeitalter durch trümmer ergänzt und erläutert
werden, die in den lebenden dialecten des volks fort-
dauern.
Das org. verhältnis der längen und kürzen (in be-
tonten ſilben) hat ſich nach und nach aufgelöſt. Kurzer
vocal gilt nur noch 1) vor geminiertem conſ., welcher
in der regel in- und auslautend geſchrieben wird, z. b.
mann (vir) mannes, ſinn (ſenſus) ſinnes, krumm (cur-
vus) krummes. Zuweilen auslautend der einfache, als:
man (imperſ.) in (praep.) um (praep.) 2) vor conſ. ver-
bindungen, als: hand (manus) welt (mundus) kind (in-
fans) wort (verbum) jung (juv.) mit ausnahme verſchie-
dener, in denen ſich das gefühl vorgefallener ſyncope
lebendig erhalten hat, z. b. bârt, pfêrd (gleichſam ſt.
bâret, pfèred) etc. Um ſo vielmehr in wârt (curat) êrt
(honorat) ſt. wâret, êret Langer hingegen 1) organiſch.
2) unorganiſch vor jedem einfachen conſ., die wenigen
fälle abgerechnet, wo auslautende gemination ungeſchrie-
ben bleibt. Den beweis der organ. länge liefert die ge-
ſchichte, den der unorg. aber der reim, theils auf org.
lange wörter, theils der klingende reim an ſich; unzu-
reichend die ſchreibung. Nämlich in bezeichnung bei-
der längen hat ſich die ſchreibung viele misbräuche an-
gewöhnt α) die länge der diphth. au, ei, eu, ie iſt an
[519]I. neuhochdeutſche vocale.
fich klar und bedarf keines zeichens. Der bloße ge-
dehnte laut aber wird β) zuweilen gar nicht bezeichnet,
z. b. in kam (venit) kamen (venerunt) ſpan (feſtuca) las
(legebat) war (fuit) waren (fuerunt) zwar (mittelh. ze wàre)
von (praep.) hut (pileus), zuweilen ausgedrückt bald γ)
durch äußere doppelung, als: haar (crinis) meer (mare)
moos (muſcus); kein ii, uu, weil die organiſchen î, û
in ei, au übergegangen ſind, verlängerte organiſchkurze
i, u aber theils früher zu ë, o geworden waren, theils
anders bezeichnet werden, namentlich î durch ie (wo-
von unter ε); bald δ) durch eingeſchobnes h, als: hahn
(gallus) wahr (neben jenem zwar!) ſehnen ihm (ei) lohn.
huhn (gallina); endlich wird ε) das gedehnte i eigens
durch ein nachgeſchobenes e, alſo durch verwandlung in
den diphth. ie dargeſtellt: wieder (rurſus) viel (multus)
ziemen (decere) glied (membr.) mieden (vitabant). — Es
hat in den letzten jahrh. nicht an verſuchen gefehlt,
eine ſo ſchwankende orthographie zu berichtigen. Ei-
nige wollten das eingerückte h und e überall verbannen,
ſchrieben folglich lon (merces) vil (multus) etc. begien-
gen aber den fehler, auch das organiſche h und ie zu
beeinträchtigen, indem ſie z. b. zen (decem) fil (cecidit)
annahmen. Und obgleich in vielen wörtern (β) die deh-
nung allerdings unangedeutet iſt, daher han (gallus) be-
handelt werden dürfte wie kam (venit); ſo leiſtet die,
wenn ſchon inconſequente, bezeichnung der länge man-
chen nutzen, dem zu gefallen das beibehaltene hahn
und haar umgedreht die einführung eines kahm oder
kaam (venit) hätte anrathen können. Nur durch die
zwei nebeneinanderſtehenden buchſtaben ah, aa, eh,
ee etc. wird die ſchrift ſchwerfällig und ſchleppend.
Weniger um etwas neues vorzuſchlagen oder gar durch-
zuſetzen, bediene ich mich für die bequemlichkeit mei-
ner grammatiſchen aufſtellung der gewohnten längezei-
chen â, ê, î, ô, û in allen neuh. lautverhältniſſen,
ſchreibe folglich der ausſprache gemäß: kâm, hâr, bân,
lêben, wîder, davon die kurzen in kamm (pecten)
harren (exſpectare) manne (viro) widder (vervex) unter-
ſcheidend. Veränderung üblicher wortſchreibung führt
etwas gewaltſames und ſtörendes mit ſich; niemand be-
helligt ſich gern mit kleinigkeiten. Beim ſtudium der
grammatik erſcheinen aber die buchſtaben bedeutend
und zweckloſe misbräuche ärgern. Zwecklos nenne ich
eine ſchreibung, welche weder hinreichenden hiſt. grund
hat noch die ausſprache mehr als halb trifft. Die reime
[520]I. neuhochdeutſche vocale.
unſerer genauſten dichter (ſo viel ungenaue auch die
größten neueren verſchulden) lehren keinen unterſchied
zwiſchen haaren (crinibus) waren (erant) fahren (pro-
ficiſci) wahren (veris), zwiſchen bienen (apibus) ihnen
(eis) dienen (ſervire); warum wäre es ungenau zu ſchrei-
ben bâren, wâren, fâren, wâren, înen, bînen? ja ſelbſt
dînen, wie gût für guot? Die vermuthung, daß aa
und ah eine ſtärkere wenigſtens andere dehnung, als das
unbezeichnete a bedeute, läßt ſich nur faßen und ſo-
gleich wieder aufgeben. Entſprach haar dem mittelh.
hâr, ſee dem mittelh. ſê; ſo muſte auch klaar, waar
(verus) ſeer (valde) und nicht ſchaar (agmen) heer (exer-
citus) ſtehn. Und ſoll mehr (magis) ehre (honor) ſtär-
ker dehnen, als meer (mare) beere (bacca); ſo verdien-
ten ſchnee (nix) ſeele (anima) tadel. Das ie für i hat
hiſtoriſchen anlaß (oben ſ. 106. 351.) nur, indem man ſie-
het (videt) gier (cupido) einführte, ſchrieb man kein
dier (tibi) ier (vos) ſondern jenes dir, dieſes ihr, da
doch dir:ihr:bier (cereviſia) reimen. In verſchiedenen
wörtern herrſcht völlig ſchwankender ſchreibgebrauch,
z. b. in namen (nomen) ſamen (ſemen) einmal (ſemel)
wofür häufig nahmen, ſaamen, einmahl; eine weiſe iſt
hier gut und ſchlecht, wie die andere. Der fall β. (die un-
bezeichnung der dehnung) gründet ſich offenbar auf die
alte kürze, da aber dieſe einmahl verſcherzt iſt, darf
die ſchreibung der heutigen ausſprache folgen. Durch
den verluſt ſo vieler kürzen hat die ſprache inneren
ſchaden genommen, der den wirrwarr der orthographie
noch bei weitem überwiegt. Unzählige mittelh. unter-
ſcheidungen zwiſchen namen (nomen) nâmen (ſumebant)
wagen (currum) wâgen (audere) etc. ſind vernichtet.
Und welche auffallende mishandlung des urſprünglich
gleichen vocals in nahe nebeneinander ſtehenden for-
men? das alth. nimu, nimis, nimit lautet gegenwärtig
nême, nimmſt, nimmt, weil in der 2ten und 3ten perſ.
unorg. gem., in der 1ten unorg. dehnung ſich geltend
machten. Das alth. zimu, zimis, zimit aber lautet wie-
der anders, nämlich zîme, zîmeſt, zîmet. Hier ſind
fugen verletzt worden, die mit dem wahren leben und
vermögen unſerer ſprache mehr als man glauben ſollte
zuſ. hängen. — Dies vorausgeſtellt kann ich die abhand.
lung der einzelnen vocale kürzer faßen.
(A) beiſpiele: fall (caſus) ſtamm (truncus) wannen
(unde) narr (ſtultus) hand (manus) arg (malus) wald
(ſilva) aſt (ramus).
(E) kein unterſchied mehr zwiſchen e und ë merk-
bar, weil vor gem. das org. i meiſt bleibt und in ver-
bindungen wie ſterben, ſchmelzen der laut dem in erben
gleichkommt. Andere beiſpiele: ende (finis) wenden
(vertere) berg (mons) ſchweſter (ſoror) wetter (tempeſtas)
vetter (patruelis) brennen (ardere und urere). Vom ver-
hältnis zu ä nachher.
(I) wie im mittelh.
(O) beiſp. voll (plenus) kommen (venire) gold (au-
rum) hort (theſ.) greift in einigen ablauten ſtatt u wei-
ter um ſich als im mittelh. z. b. geronnen, mittelh.
gerunnen, nicht aber gefonden etc. Dieſem geronnen,
geſponnen wäre freilich der inf. rennen, ſpennen analog,
hier bleibt jedoch i, außer in brennen (f. brinnen).
(U) brummen (rugire) jung (juv.) burg (arx) etc.
(Y) wird willkürlich in verſchiedenen wörtern ge-
ſetzt, ganz mit dem laute des i, z. b. in ſeyn (eſſe) zum
unterſchiede von ſein (ſuus). Eigentlich findet es ſich
nur verbunden mit a und e, alſo in den diphth. ay,
ey = ai, ei, nie für ſich ſtehend. Von dem y in frem-
den wörtern iſt hier keine rede.
(AA) 1) organiſch in jâr (annus) wâr (verus) hâr
(crinis) und den meiſten, die im mittelh. â haben; aus-
zunehmen ſind einzelne α) geminierende, z. b. jammer
(planctus) wohin auch laßen (ſinere) zu zählen. β) in ô
übergehende, namentlich wô (ubi) mônd (luna) mônat
(menſis) ône (ſine); neben âthem gilt ôthem, ôdem (ſpir.)
als alterthümliche, edlere form; volksdialectiſch noch
mehrere: ſtrôfen (punire) ôbed (veſper) jôr (annus); hier-
aus iſt nichts gegen die ausſprache des reinen â in den
übrigen zu folgern. — 2) unorganiſch in nâm (cepit)
gewâren (animadvertere) ſpâren (parcere) hâſe (lepus)
und unzähligen andern.
(EE) 1) organiſch in ſêr (valde) mêr (magis) ſêle
(anima) etc. 2) unorganiſch in wêren (defendere) hêr
(exerc.) ſpêr (haſta) nêmen (ſumere) etc. hier fallen kur-
zes e und ë der frühern zeit zuſammen. 3) fehlerhaft
für æ in ſchwêr (gravis) lêr (vacuus).
(II) nie organiſch, d. h. dem mittelh. î entſprecheud,
unorganiſch aber häufig (mit der ſchreibung ie) z. b. in
vîh (pecus) ſîht (videt) gîbt (dat, woneben andere gibt,
d. h. ohne gefühl der ſyncope des unbetonten e) wîſe
(pratum) în (eum) etc. vgl. unten ie.
(OO) 1) organiſch in lôn (merces) ôr (auris) rôt
(ruber) etc. 2) unorganiſch in ſôn (filius) vôn (praep.)
[522]I. neuhochdeutſche vocale.
wônen (habitare) gebôt (mandatum) etc. 3) einigemahl
für â. wovon oben.
(UU) 1) nicht dem mittelh. û (welches jetzt au) pa-
rallel, ſondern dem uo, vgl. gût (bonus) blûme (flos)
fûr (ivit) ſchnûr (funis) thûn (agere), alſo wenigſtens
organiſche länge. 2) unorganiſch ſt. des mittelh. kurzen
u nur vor g, alſo in wenig wörtern namentlich zûg
(tractus) flûg (volatus) tûgend. jûgend.
(AE) zweierlei art, zuweilen kurz (ä), gewöhnlich
lang (æ), beides in berührung mit e und ê. Nämlich,
wo man den umlaut des a und â nicht mehr fühlte,
ließ man e, namentlich in enge (anguſtus) engel (ange-
lus) ende (finis) wenden (vertere) etc. und ſo werden
die vorhin angeführten ſchwêr und lêr zu erläutern ſeyn.
Wo man ihn fühlte, d. h. wo in naheliegenden flexio[n]en
noch a und â daneben eintraten, wurde die bezeich-
nung aͤ gebraucht (natürlich ohne unterſchied der kürze
und länge, die ich hier durch ä, æ ausdrücke). Alſo in
mit enge, ende, wenden urſprünglich völlig gleichen
fällen ſchrieb man länge (longitudo) hände (manus)
wände (parietes) und unterſchied berge (abſcondat) von
bärge (abſconderet) nême (ſumat) von næme (ſumeret),
formen die im mittelh. bërge, bürge, nëme, næme
kräftiger geſchieden waren. æ iſt jedesmahl anzunehmen,
wenn das mittelh. e nach der allg. regel unorganiſch
verlängert werden müſte, alſo z. b. in zæne (dentes)
zæmen (domare) glæſern (vitreus) etc. ſodann da, wo
es dem org. mittelh. æ antwortet, als læſen (legerent)
wænen (opinari) mære (fabula) etc. Die ausſprache an-
langend, ſo fällt ä ziemlich mit e zuſammen (vgl.
ſchätzen mit ſetzen) und könnte als zeichen entbehrt
werden; æ aber unterſcheidet ſich merklich von ê, z. b.
ſpêren (cuſpidibus) wêren (defendere) reimt ſchlecht
auf mæren (fabulis) wæren (forent). Hier ſind auch einige
anomalien eingeführt, bær (urſus) gewæren (concedere) etc.
ſollten den laut ê ſtatt ihres æ haben.
(OE) wiederum ö und œ; erſteres z. b. in götter
(dii) dörner (ſpinae) bewölkt (nubilus); letzteres in hœ-
ren (audire) ſchœne (pulcher) organiſch, in ſœne (filii)
bœten (offerrent) unorganiſch.
(UE) desgleichen ü und uͤ; in den beiſpielen füllen
(implere) fünde (inventa) guͤte (bonitas) ſuͤne (expiatio)
fluͤge (volatus) wie die vorigen umlaute zu beurtheilen.
(AI) nur in einigen fremden benennungen. als:
kaiſer (caeſar) mai (majus); auflöſung des kehllauts ag
[523]I. neuhochdeutſche vocale.
in main (moenus) hain (hagen); fehlerhaft ſcheint ei in
vertheidigen ſt. thaidigen, d. h. tagedingen, aber der
übergang geſchah ſchon im mittelh. und ei wurde wie
in reinhart unverſtanden beibehalten (ſ. 426.).
(AU) häufiger diphth. in welchem ſich zweierlei
org. laute nachtheilig miſchen. 1) au = mittelh. û, in
haus (domus) raunen (ſuſurrare) mauer (murus) etc. 2)
au = mittelh. ou in taub (ſurdus) baum (arbor) etc.
Die vermengung des û und ou begann ſchon im mit-
telh., heutzutage unterſcheidet die gebildete ausſprache
nicht mehr zwiſchen beiden lauten (unthunlich wäre,
nach einigen gemeinen volksdialecten, das erſte au durch
aú, das zweite durch àu zu bezeichnen) d. h. kaum
(vix) reimt untadelhaft auf baum (arbor) oder ſchaum
(ſpuma) auf traum (ſomnium).
(EI) ganz analoge vereinigung 1) des mittelh. î in
mein (meus) eis (glacies) fleiß (dilig.) etc. und 2) des
mittelh. ei in klein (parvus) reiſe (iter) ſchweiß (ſu-
dor) etc. Aus gleichem grunde die zurückführung der
alten unterſcheidung (etwa durch accentnierung meín
und kein) aufzugeben, und die vermiſchte ausſprache
in den reimen der genauſten dichter bewährt, leim (glu-
ten):heim (domi); eile (feſt.):teile (parte).
(EU) = mittelh. iu, vgl. neu (novus) treue (fides)
leute (homines) heute (hodie) ſeule (columna) etc. ver-
hält ſich zu dem gleichfolgenden äu wie e zu ä.
Ganz tadelhaft ſchreiben einige eu für ei in reuter (eques).
(AEU) äu (nicht aü) umlaut des au und zwar bei-
der arten deſſelben, z. b. mäuſe (mures) und bäume (ar-
bores). Wo man den umlaut nicht mehr fühlte wurde
die ſchreibung eu gewählt vgl. keuſch (caſtus) grcuel
(horror) mittelh. mit iu; heu (foenum) freude (gaud.)
mittelh. œi.
(IE) 1) organiſch wie im mittelh. als: dieb (fur) die-
nen (ſervire) etc. wohin auch die ſchon im mittelh. gül-
tige endung ie romaniſcher wörter (revier, turnier, re-
gieren); verſchiedene ie in conſ. verbindungen hat man
ſchwankend gekürzt, vgl. ging (ivit) fing (cepit) f. gieng,
hieng, nicht aber hilt f. hielt. 2) unorganiſch für kur-
zes i in wieder (rurſus) giebt (dat) wieſe (pratum) etc.
In dieſem falle ſetze ich (grammatiſch) î, welches man
auch für das erſte ie brauchen, d. h. dîb (fur) lîbe (amor)
ſchreiben könnte, wie gût, rûm (mittelh. guot, ruom).
Schtußbemerkungen. 1) das verkennen der alten
kürzen und der unterſcheidungen î, ei, û, au, hat em-
[524]I. neuhochdeutſche conſonanten. liquidae.
pfindlichen nachtheil gebracht; ſo z. b. iſt der org. ab-
laut mîden, meit, miten; ſtrîten, ſtreit, ſtriten theils
zu meiden, mied, mieden, theils zu ſtreiten, ſtritt, ſtrit-
ten geworden. — 2) dichter erlauben ſich ungenaue
reime, z. b. nennen:können (aus künnen) gêgen:mœ-
gen; willen:füllen; hütte:tritte; ſchützen:ſitzen etc.
die zwar der heutigen ausſprache noch widerſtehn, all-
mählig aber ſie untergraben und die lautverwirrung ver-
mehren helfen. Einzelnes falſche iſt in ſchrift und aus-
ſprache bereits durchgegangen, z. b. ereignen (evenire). —
3) unhiſtoriſche grammatiker haben nach zufälliger, äuße-
rer wortunterſcheidung geſtrebt, z. b. wider (contra)
von wieder (rurſus), ſeyn (eſſe) von ſein (ſuus) namen
(nomen) nahmen (ceperunt), womit für das auge weni-
ges, für das ohr nichts ausgerichtet wird. Geringer er-
ſatz für die menge unwiederherſtellbares. — 4) umlaute
gelten und zwar a in ä, o in ö, u in ü, â in æ, ô in
œ, û in uͤ, au in äu.
Hier hat ſich in vergleich mit der vorigen periode
wenigeres geändert. Es hört 1) alles ſchwanken zwi-
ſchen an- in- auslautender ten. med. und aſp. auf, der
einmahl im wort angenommene laut bleibt darin feſt,
z. b. gâb, gâben (mittelh. gap, gâben) tâg, tâges (tac,
tages) wolf, wolfes (wolf, wolves) entgelten (entkëlten);
bloß in empfinden, empfangen etc. hat ſich pf ſtatt f.
erhalten. Die med. iſt demnach häufiger, die ten. be-
ſchränkter als im mittelh. 2) im zungenlaut dauert die
ſtrengalth. ten. fort, z. b. trâgen, bâten, bât, niederd.
dragen, bâden, bad; nicht im lippen- und kehllaut, z. b.
bein, gêben, gâb (alth. pein, këpan, kap); geiſt, lîgen,
lâg (alth. keiſt, likan, lak). Durch die ungleichheit die-
ſes grundſatzes gerathen die lautreihen oft in misverhält-
nis. — 3) gemination gilt in der regel auch auslautend;
einige ausnahmen, wie man, in, wurden vorhin ſ. 518.
bemerkt; am unſchlüßigſten dürfte man bei dem ohne-
hin ſeltnen ſſ. ſeyn, zwiſchen ros, gewis und roß, ge-
wiß (nur nicht roß, gewiß). Im ganzen hat die gem.
zugenommen; vgl. hammer, jammer, nimmt, genom-
men, ſitten, geſtritten etc. denen im mittelh. noch einf.
conſ. zuſtand.
Kein auslautendes n für m (ſ. 386. 387.); einige apo-
copierte r ſind hergeſtellt, namentlich hier (hîc) mêr
[525]I. neuhochdeutſche conſonanten. labiales, ling.
(magis), nicht aber die andern (ſ. 387.); ſtern, fern, nicht
ſterr, ferr (ſ. 390.). In der liq. verbindung gilt ſchilde
(clypeo) milde (mitis) hingegen alten, ſelten, ſchelten etc.
(ſ. 393. 394.) munter, unter, hinter neben den übrigen
nd. (ſ. 394.) und überall winter, mantel, unreime auf
kinder, handel.
Des beſondern iſt wenig zu bemerken übrig. f.
ſteht anlautend vor u, ü, û, uͤ, ei, eu, 1, r, ſodann in
fremden wörtern und ausnahmsweiſe in deutſchen ſtatt
v, als: fangen, fieng, befêlen, folgen etc. während man
vâter, ver-, vôr, vîl, voll, vôgel etc. beibehielt. Beßer
ſtünde überall f, zumahl auch das inlautende v ver-
ſtoßen iſt (grâfen, zweifel, wölfe) mit ausnahme des ge-
bliebenen frêvel (flagitium). Das in- und auslautende
w. wird gleichfalls aufgegeben: frau, treu, reue, blau,
blaues, ſêne (nervus) mêl, mêles (far) ſchnê, ſchnêes etc.
Nach l. und r. hat ſich med. eingedrängt: ſchwalbe (hi-
rundo) farbe (color) milbe (tinea) wittib neben witwe
(vidua); in lœwe (leo) mœwe (larus) dauert w. —
Schriebe man das dehnzeichen über jeden langen vocal
z. b. ſchâfen (ovibus) rûfen (vocare) ſo könnte ohne ir-
rung ſchafen (creare) ofen (patens) wie ſchaphen, ophen,
gelten ſt. ſchaffen, offen; einige vereinfachen das zeichen
inlautend bei nachfolgendem conſ. als treffen, trift; hof-
fen, hofnung, conſequenter ſcheint mir trifft, hoff-
nung. — Die lab. verbindung fs (ſ. 407.) hört ganz auf,
man ſagt weſpe, aber fehlerhaft lefze.
Auffällt die wiedererſcheinung des im mittelh. längſt
ausgegangnen th. Es läßt ſich aber nicht bergen, daß
ſein gebrauch unorg. und ganz verwerflich ſey. Mit dem
th. Otfrieds und Tat. ſ. 161. 162. (die ſonſt in einigem
zu dem neuh. ſtimmen, worin dieſes vom mittelh. ab-
weicht) hat es ſichtbar gar nichts zu thun, ja ſteht nie
in denſelben wörtern, vielmehr lauter ſolchen, wo O.
media (anl.) oder ten. (in- und ausl.) ſetzt. Es iſt we-
der in ausſprache, noch abkunft eigentlich aſp., ſondern
nichts als baare tenuis, welche man nun ſeit einigen
jahrh. ohne allen grund nicht ſchreibt 1) anlautend in:
thâl, thât, thau (ros) theil, theidigen, theuer, thier,
thôn, thôr, thuͤre, thurm, -thûm, thûn, thræne; wäh-
rend in org. gleichen andern, z. b. tâg, tanne, taube,
teich etc. die ten. ungekränkt haftete. 2) in- und ausl.
z. b. in âthem, râth, miethe, nôth, rôth, mûth, wûth
[526]I. neuhochdeutſche conſonanten. linguales.
werth u. a. m. Vielleicht dachte man den in gemeiner
ausſprache dem d ſich genäherten laut des t hervorzu-
heben. wenn man hinter ihm ein h einſchaltete. Die
wahrſcheinlichere urſache dieſes tadelhaften th. iſt aber,
daß man ein dem wurzelvoc. nachgeſetztes dehnungs-h
misbräuchlich ihm vorſetzte, alſo tuhn, tahl in thun,
thal wandelte; in büchern des 16. 17. jahrh. iſt ganz auf
gleiche weiſe jhar, jheling, jhenen ſt. jahr, jehling,
jehnen (jenen) ghen ſt. gehn, khun ſt kühn, mhü ſt. mühe,
rhu, rhum ſt. ruhe, ruhm entſprungen; mit recht hat
man dergl. jh. gh. kh. mh. rh ſpäter verworfen die
einzelnen th unſchicklich behalten. Auf unterſcheidun-
gen wie hût (pileus) hûth (paſcuum) tôn (ſonus) thôn
(argilla), welche im organiſmus der lautverhältniſſe
unſerer ſprache unbegründet ſcheinen, halte ich nichts;
müßen wir doch thôr (ſtultus) von thôr (porta) un-
unterſchieden laßen (mittelh. tôre und tor). — Die
ſ. 408. unter 1. nachgewieſene anomalie dauert fort
und vermehrt ſich dadurch, daß d und tt wechſeln,
letzteres auch ſelbſt den ſing. praet. einnimmt, vgl.
ſchneiden, ſchnitt, ſchnitten, ebenſo leiden und ſieden,
ſott, ſotten, wogegen meiden:mied, mieden bekommt,
In ſtreiten, reiten, gleiten, bieten iſt zwar kein wech-
ſel der ten. und med. möglich, aber die unnatürliche
gem. der ten. tritt bei den drei erſtgenannten verbis,
nicht bei dem letzten ein. — In den fällen ſ. 408. 2. 3.
bleibt jetzt immer die ten. ohne übergang in med., die
part. deſto iſt unverſtanden fortgeführte formverhärtung.-
Die beiden ſtufen des ziſchlauts beſtehen und zwar z.
unverändert, wie im mittelh. nur daß in- und ausl.
vor kurzem vocal jedesmahl gem. tz. geſchrieben wird:
ſchatz, ſitz, ſchätze, ſitzen, ſetzte. Mit dem Ʒ hat
ſich manches nachtheilige zugetragen: 1) es wird ß. (ſz)
geſchrieben. welches eigentlich die mittelh. gem. ƷƷ
ausdrückt, aber auch fürs einf. Ʒ gilt, z. b. frâß (voca-
vit) mâß (modus) grôß (magnus) iß (ede) daß (quod)
waßer (aqua) laßen (ſinere) eßen (edere) ſtôßen (trudere)
weiß (albus) etc. Man beachte den unorganiſchen wech-
ſel langer und kurzer vocale in denſelben wörtern: eßen,
âß, meßen, màß Seit ß. ale wirkliche gemin. erſchien,
nicht mehr als bloße conſ. verbindung oder aſſibilation
(was es urſprünglich doch war) legte man ihm die wir-
kung aller übrigen gem. nämlich vocalverkürzung bei
und wandelte làƷen, in laßen, gôƷ (fudit) in goß, muoƷ,
mueƷen in muß, müßen, ja nach einiger ausſprachs
[527]I. neuhochdeutſche conſonanten. linguales.
ſogar grœƷer in größer etc. Wo ſich aber die länge be-
hauptete, näherte ſich der ziſch- dem ſauſelaut oder
gieng völlig in ihn auf, d. h. grôß, ſtôßen lauten bei-
nahe wie grôs, ſtôſen und es iſt nichts als die gewöhn-
liche inconſequenz unſerer rechtſchreibung, daß grôß,
ſchôß (gremium) und lôs (ſors) noch verſchieden behan-
delt werden, wiewohl einige mâs (modus) ſchôs (grem.)
etc. zu ſchreiben angefangen haben. 2) im neutralen
kennzeichen iſt das unorg. s. gänzlich eingeführt, der
ausſprache und ſchreibung nach, z. b. gûtes (bonum)
hartes (durum) ês (id) dâs (id) wâs (quid) etc. nur einen
(nichtswerthen, ſogar ſchädlichen) unterſchied zwiſchen
dem pron. dâs und der conj. daß haben wir uns auf-
gedrängt. Es verſchwimmen alſo gûtes (bonum) und
gûtes (boni); und der reim gûtes (bonum):blûtes (ſan-
guinis) macht kein bedenken (mittelh. nicht guoteƷ:
bluotes) *). Noch einige andere einſilbige nehmen das
ſ. an, namentlich aus (ex) lôs (ſors). Endlich 3) haben
ſogar die grammatiker, während ſie die ſchreibung des
ß nach langem voc. (in ſtôß, ſtôßen, weiß, weißen)
vertheidigen, den falſchen ſatz erfunden, daß nach kur-
zem voc. der inlaut ß zu ſſ werde, mithin waſſer (aqua)
feſſel (vinclum) eſſen (edere) laſſen (ſinere) wiſſen
(ſcire) etc. zu ſchreiben ſey, wonach z. b. gewißen
(conſcientia) mit gewiſſen (certum) unorganiſch zuſ. fällt.
Ich verſuche es einmahl, dieſem fehler auszuweichen,
da mir wirklich ſcheint, daß die unterſcheidung miſſen
(carere) gebißen (morſus) maſſe (maſſa) haße (odio)
feinhörigen immer noch angemuthet werden dürfe. Irre
ich (und daß die dichter miſſe:wiße reimen, wie
glücke:blicke iſt mir wohl bekannt) ſo ſollte we-
nigſtens die ſchreibung den alten, guten unterſchied ſo
lange ehren, als ſie noch grôß und blôßen (nudum),
welche auch auf lôs (liber) kôſen (adulari) reimen, bei-
behält. — Die verbindung zw vertritt jetzo drei frühere
anlaute (ſ. 420.) zwerg (nanus) zwerch (obliquus) zwei
(duo). Statt der mittelh. ſl. ſm. ſn. ſw gelten ſchl.
ſchm. ſchn. ſchw. wie ſch. ſchr; dagegen bleiben ſp.
ſpr. ſt. ſtr. in der ſchrift, lauten jedoch ſchp. ſchpr.
ſcht. ſchtr. an, nicht in noch aus. —
Für die ten. das k-zeichen, c nur in fremden wör-
ter und ck im gebrauch; die med. darf nunmehr auch
auslauten, dichter aber geſtatten ſich noch zuweilen ſang
(cecinit): dank, barg (abſcondidit):ſtark. Vom ſchwan-
ken zwiſchen g und h oben ſ. 427. — Das erſte mittelh.
ch gilt in hoch, noch, doch; nicht in ſâh, geſchâh, lîh,
flôh; — das zweite und dritte gelten ebenſo. Die übri-
gen mittelh. ch hören auf, namentlich herrſcht ten. im
anlaut. — Anlautend beſteht j theils org in jâ, jâgen,
jâr, jæten, jêner, joch, jung, jucken; theils unorg. in
jê (unquam) jetzt (modo) ſt. ie, iezt, deſſen richtigkeit
die landſchaftliche ausſprache î, îzt und immer ſt. iemer
bewährt. Der fehler iſt nicht ſehr alt, Zeſens reim-
anzeiger ordnet ie (unquam) noch richtig unter: die,
ſie. Inlautend kein j mehr, nach langem voc. ſeiner
ſtatt öfters h, als: gluͤhen, bruͤhen, kuͤhe, bluͤhen, blæ-
hen, drêhen, kræhen, næhen, ſæhen, wêhen. — Der
gebrauch und misbrauch des h hat zugenommen 1) org.
ſtecht es wieder in ſâh, geſchâh etc. dann in ſchmæhen,
bæhen und, wie eben bemerkt, für j in bluͤhen etc. auch
für w in rûhe (quies). wogegen es in ſcheuen mit un-
recht verbannt iſt. 2) unorg. als dehnzeichen in un-
zähligen wörtern, als: ſehnen, dehnen, mahnen etc.
wofür ich grammatiſch ſênen, dênen, mânen ſchreibe. —
Für ht, hs durchgängig cht, chs; für ck und gg durch-
gängig ck, denn ſchreibungen wie roggen (ſecale) ſt.
rocken ſind mundartiſch. — qu iſt beibehalten.
Man hat zu anfang dieſes jahrh. in Holland den
immer bedenklichen ſchritt gethan, einförmige recht-
ſchreibung entwerfen zu laßen und von ſtaatswegen ein-
zuführen; ſeitdem wird ſie in den meiſten büchern
beobachtet. Einige ſprachgelehrte, mit dieſer feſtſetzung
unzufrieden, kehren ſich wenig daran und folgen ab-
weichenden anſichten. Mir ſcheint, daß die neue (ſie-
genbeekiſche) orthographie grammatiſch ungenüge, weil
ſie ſich zu ſehr (aber auch wieder nicht ſtrenge) an
den alten ſchreibgebrauch hält; ſie iſt weder gelehrt ge-
nug, noch practiſch. Ohne alle anmaßung (wie ich
die neuhochd. übliche ſchreibung mit einer bequemeren
[529]I. neuniederländiſche vocale.
vertauſcht habe) bin ich ſie daher hier zu verlaßen be-
fugt und genöthigt.
Die bezeichnung der länge geſchieht ohne zweifel
angemeßener, als im hochd.; man bedient ſich dazu
weder des eingeſchobenen h, noch des dem i angehäng-
ten e, ſondern der gemination, ſchreibt alſo z. b. daad
(factum) een (unus) mijn (d. i. miin, meus) ſchoon
(pulcher) muur (murus) wofür ich wiederum das gleich-
bedeutige dâd, ên, mîn, ſchôn, mûr ſetze. Tadelhaft
iſt nur. daß man dieſe gem. nicht genug braucht und
in vielen wörtern, wo ſie eben ſo wohl vorhanden iſt,
gar nicht ausdrückt, d. h. den einf. vocal anwendet
(wie im neuhochd.). Niederl. dichter unterſcheiden
gleich den hochd. überall klingende und ſtumpfe reime.
Hieraus ergibt ſich unwiderſprechlich, daß jeder org.
kurzgeweſene vocal, auf welchen einf. conſonanz folgt,
lang geworden ſey. Finden wir an derſelben ſtelle z. b.
jagen:vagen, wo in andern ſtrophen doeken:hoeken,
vlieten:genieten reimen, ſo wird man auch jâgen:vâ-
gen zu ſprechen und zu ſchreiben haben. Noch mehr,
die beſten dichter binden weten (ſcire):hêten (vocari)
ontvlogen:ôgen (oculis), tônen (oſtendere):wonen (ha-
bitare), zum klaren erweis, daß ausſprache und ſchrei-
bung wêten, ontvlôgen, wônen fordere. Das hat auch
die im 17. 18. jahrh. herrſchende orthographie häufig,
nur nicht immer, erkannt, ich finde z. b. in Kramers
wörterb. ganz richtig mâken, zâken, wônen etc. aufge-
ſtellt, andern wörtern gibt er ſchwankend länge oder
kürze z. b. jagen und jâgen, wieder in andern folgt er dem
gebrauch und ſchreibt die kürze, z. b. “jâr pl. jaren, nicht
jâren” (warum nicht?) Dies princip, welches urſprüng-
liche kürzen in längen wandelt, iſt gerade das umge-
drehte mittelniederl., wonach kürzen aus längen wurden
(ſ. 468. 470. 471. 472.); dort wurde jaeren (annis) zu
jaren, weil es auf varen reimt, jetzt wird varen zu vâ-
ren, weil es klingend, folglich auf jâren reimt, damahls
reimte nam (cepit):ſtam (ſtirps) jetzo nâm (cepit):
krâm (merx). Das heutige â in jàren iſt bloß zufällige
herſtellung des alten organiſmus, da mit derſelben regel
varen in vâren (ire) verderbt wird. Lange zeit hindurch
erhielt ſich die mittelniederl. kürzung des â, ô etc. in
a, o (bei folgendem einf. conſ. mit ſtummen e) in der
L l
[530]I. neuniederländiſche vocale.
ſchrift, als ſie ſchon in der ausſprache untergraben war.
In dieſer überwog allmählig der entgegengeſetzte grund-
ſatz der vocalverlängerung, wozu ſich die ſchrift unbe-
denklich bequemte, ſobald kein ſtummes e folgte, wes-
halb auch Siegenbeek nâm (nomen) ân (praep.) vêl
(multum) etc. richtig lehrt, unerachtet ein mittelniederl.
nam, an, vel galt. Lehrt er aber zu ſchreiben lezen
(legere) blazen (flare) und daneben ſchônen (pulchrum)
hôgen (altum wênen (plorare) etc. ſo gebricht dieſem
ſyſtem ſelbſt innere folgerichtigkeit. — Die verlängerung
der kurzen vocale iſt übrigens dem gang, welchen die
engliſche und nenhochd. ſprache einſchlagen, völlig ent-
ſprechend, wie in dieſen ſind auch hier die fälle aus-
lautend nicht geſchriebener conſonanzgemination aus-
zunehmen.
(A) org. in vlam (flamma) man (vir) dan (tum) zal
(debet) was (fuit) bannen (bannire) alle (omnes) dapper
(fortis) hand (manus) gaſt (hoſpes) etc. Wird vor den
verbindungen mit r nicht verlängert (wie ſ. 467. 2.) ſon-
dern:arm (brachium) erbarmen (miſereri) hard (durus)
warm (calidus) ſchwankt jedoch bei dergleichen wörtern
in e, welches für die ausſprache des mittelniederl. ae
beweiſt, vgl. werm (calidus) kermen (queri) ontfermen
(miſereri) etc. Umgekehrt organiſches ë in a, als hart
(cor) ſmart (dolor), zuweilen in â, als ſtârt (cauda)
zwârd (enſis) vgl. oben ſ. 469. 470.
(E) beiſpiele: hebben (habere) zeggen (dicere) trek-
ken (trahere) geld. veld. melden. delven (fodere) plen-
gen (fundere) zwerven (vagari) ver (longe) ſter (ſtella)
wet pl. wetten (lex) ſtam (vox) mes (culter) het (id)
met (cum) etc. Von einer unterſcheidung des ë und e
kann nicht mehr die rede ſeyn, weil ſchon im vorigen
zeitraum alle e zu ë geworden und es der ausſprache
nach noch heute ſind. In wenſch (votum) vertritt e ein
org. u. Einige wörter ſchwanken wohl zwiſchen kürze
und länge z. b. beter (= better) und bêter.
(I) beiſpiele: ik (ego) blikken (conſpicere) ridder
(eques) ſchitteren (micare) kim, pl. kimmen (ὁριζων)
min (minus) wil (voluntas) zich (ſe) ding (res) ſchild
(ſcutum) etc. Zuweilen für urſprüngliches ie, als: hing
(pendebat) licht (lux).
(O) beiſpiele: kon (potuit) zon (ſol) vol (plenus)
ſtof (materies) op (praep.) hop (lupulus) jong (juvenis)
ſchonk (donavit) zonde (peccatum) wonder (mirac.) etc.
[531]I. neuniederländiſche vocale.
Überall vertritt es hier das org. u, auch in kon, ſchonk
(wo nämlich der ablaut des pl. in den ſing. drang).
(U) beiſpiele: ſtuk (fruſtum) brug (pons) geluk (for-
tuna) zullen (debent) hun, hunne (pron.) dus (ita) ruſt
(quies) put (puteus) geſtut (nixus) etc.; auszuſprechen
wie hochd. ü oder franzöſ. u.
(Y) gilt in fremden wörtern wie: ſylbe, ſyſtema,
(früher auch in ey, uy ſtatt ei, ui) wird aber häufig
fehlerhaft für ij (welches ich mit î ausdrücke) gebraucht,
namentlich in den auslauten zy (illa) by (apud) my (me)
gy (vos) hy (ille); der laut iſt kein anderer als zî bî etc.
und unterſchiede wie zwiſchen zy (illa) und zij (ſit)
bedeuten wenig.
(AA) 1) org. in jâr (annus) mâr (vero) râd (conſ.)
dwâs (ſtultus) ſlâpen (dormire) blâzen (flare) etc. 2) un-
org. α) wenn der einf. conſ. auslautet, als: dâg (dies)
nâm (nomen) hân (gallus) tâl (ſermo) lâs (legit) etc.
β) wenn noch ein ſtummes e folgt, als nâmen (nomina)
hânen (galli) wâter (aqua).
(EE) 1) organiſch α) = mittelh. ê in zê (mare) ſêr
(valde) êr (honor) β) = mittelh. ei in wêk (mollis)
têken (ſignum) bên (os) ên (unus) têder (tener) klêd
(veſtis) gêſt (ſpir.) etc. in gewiſſen wörtern bleibt ei.
γ) = mittelh. iu in hêden (hodie). — 2) unorg. ſtatt kur-
zes e in bêld (imago) aber nicht mehr hêld ſondern held
(heros), wêk (hebdomas) wêg (via) nêder (infra) lêzen
(legere) brêken (frangere) nêmen (ſumere) gêven (dare)
gêft (dat) lêven (vita) ſchênen (lucebant) etc.
(II) org und dem mittelniederl. î entſprechend, z. b.
lîden (pati) lîk (corpus mort.) mîn (meus) îzer (ferrum)
zwîn (ſus) etc. wird meiſtens ij, zuweilen auch y ge-
ſchrieben. Die heutige ausſprache iſt nicht ganz das
reine (mittelh.) î, ſondern zwiſchen dieſem und ei, wo-
mit es provinzielle ausſprache vollends vermengt (ſo
daß alsdann, wie im neuhochd. ei das frühere î und ei
zuſ. fließen); kein dichter reimt inzwiſchen lîden auf
leiden.
(OO) 1) organ. dem mittelh. ô und ou parallel als:
hôren (audire) lôs (liber) brôd (panis) grôt (magnus)
ſchônen (pulchrum) bôm (arbor) tôm (proles) ſtôf (pul-
vis) hôfd (caput) lôpen (currere) etc. 2) unorg. in zôn
(filius) ſpôr (veſtigium) vôgel (avis) dôr (per) bôg (arcus)
bôde (nuntius) kôren (granum) hôren, hôrn (cornu)
bôrd (margo) wôrd (verbum).
(UU) von sehr becſhränktem umfange und nur vor
r und w gebräuchlich, als: vûr (ignis) mûr (murus) ge-
bûr (ruſticus) zûr (acidus) ûr (hora) dûren (durare) ſtûr
(aſper) ſtûren (mittere) glûren (ſpeculari) hûren (locare);
ûw (vobis) dûwen (trudere) hûwen (nubere) lûwen (mi-
teſcere) ſtûwen (comprimere); in allen übrigen fällen
des mittelniederl. û nunmehr zu ui geworden. Die
ausſprache iſt die des hochd. uͤ, daher kein vûr,
mûr auf voer (ivit), kein natûren auf roeren reimen,
und hûr (conductio) von hoer (meretrix) ganz abweicht.
Neben glûren kommt ein gleichbedeutiges loeren vor,
das wohl richtiger lûren zu ſchreiben wäre. Vor w
ſchwankt es in ou, wenigſtens finde ich auch houwen,
ſtouwen geſchrieben.
(AE) jetzt veraltete ſchreibung für â, die man aber
noch in vielen büchern des vorigen jahrh. findet, z. b.
bei TenKate.
(AI) veraltet in hair (crinis) ſt. hâr.
(AU) ſelten und zwar 1) ſtatt des alten al in autâr
(altare) neben altâr. 2) in dauw (ros) benauwt (anxius),
verſchieden von âuw.
(EI) 1) altes ei in beide (ambo) leiden (ducere) eike
(quercus) eigen (proprius) heil (ſalus) klein (parvus) rein
(purus) etc. Zwiſchen ihm und dem ê, das in ganz
analogen fällen ſteht, z. b. klêd (veſtis) ſpêk (radius ro-
tae) ên (unus) gemên (comm.) gilt alſo ein poſitiv durch-
geſetzter unterſchied. Der laut ei ſchwebt zwiſchen ê
und î, das beinahe wie ei ausgeſprochen wird. 2) ſtatt
der kurzen e in einde (finis) peinzen (cogitare), nicht
aber in den analogen wenden, ſchenden; ferner in heir
(exercitus) ſt. hêr (mittelniederl. here) und ebenſo meir
(mare). 3) aus g entſpringend in leidde (poſuit) zeil
(velum) ſeiſſe (ſenſe ſt. ſegenſe).
(EU) dieſer in der vorigen periode noch fehlende
oder nur hin und wieder vorblickende laut iſt nun
ziemlich häufig und gewährt entſchiedne länge; auszu-
ſprechen wie ein neuhochd. œ. Beiſpiele: keulen (co-
lonia) dreunen (ſonare) ſteun (fulcrum) ſteunen (niti)
deur (porta) geur (odor) keuren (eligere) ſcheuren
(rumpi) treuren (mœrere) heup (femur) heuvel (collis)
deugd (virtus) jeugd (juventus) vleugel (ala) reuk (odor)
keuken (culina) ſleutel (clavis) leuteren (lottern, ſchlot-
tern) reutelen (röchelen) neus (naſus) reus (gigas) reu-
zel (roſtrum) etc. Hier ſind mancherlei org. laute zuf.
gemengt, α) das kurze u, oder vielmehr deſſen übertritt
[533]I. neuniederländiſche vocale.
in o, daher ſchwanken zwiſchen der verlängerung in
ô und eu, ich finde ſpôr (veſtig.) und ſpeur, môlen
(mola) und meulen; ein oder das andere hat ſich will-
kürlich feſtgeſetzt. β) das früherhin aus a und ë ent-
wickelte o, als neus, reus. γ) das lange û in ſteu-
nen, treuren, die der analogie nach ſtuinen, trûren ha-
ben ſollten (wie bruin, mûren). vgl. ſchlußb. 4. über
den flandr. dialect. — Zur erklärung dieſes eu nehme
ich an: es iſt ein urſprünglicher umlaut des o, den man
freilich angemeßener mit ö, œ bezeichnet hätte, viel-
leicht ahmte man das franz. eu (jeune, leur) nach; mehr
unten ſchlußbem. 1.
(IE) im ganzen wie in der vorigen periode; der
aus ui (mittelniederl. û) übergetretenen wörter mögen
einige mehr ſeyn oder künftig mehr werden, z. b. für
kuiſch (caſtus) wird ſchon heute kieſch geſchrieben.
Die übergänge in i find dort erwähnt, einige formen
ſchwanken, man ſagt z. b. vriend (amicus) und vrind
(:kind, vrinden:vinden).
(OE) entſpricht dem mittelh. uo und ue oder dem
neuh. û und uͤ. vgl. gloed (fervor) bloed (ſanguis) voet
(pes) bloeme (flos) doemen (judicare) voelen (ſentire)
voeren (ducere) doel (ſcopus) etc. lautet aber wie û,
begegnet alſo der ſchreibung, nicht der ausſprache des
vorhin abgehandelten û. In ou ſchwankt es nicht mehr.
(OU) 1) aus al, ol erwachſen in woud (ſilva) hou-
den (tenere) hout (lignum) etc. 2) in rouw (dolor)
vrouw (fem.) mouw (manica) ſchouwen (contemplari)
verdouwen (digerere) vouwen (plicare) etc.
(UI) dem mittelniederl. û, dem mittelh. û und iu,
dem neuh. au und eu parallel; ſteht vor allen conſ. nur
nicht vor r, wo das unumlautende û bleibt; denn aus
dem umlaut muß dieſer diphth. wiederum erklärt wer-
den (ſ. ſchlußbem.). Beiſpiele: zuil (columna) ruim
(ſpatium) kruim (mica) bruin (fuſcus) huiveren (tremere)
duif (columba) gebruik (uſus) bruid (ſponſa) luid (ſono-
rus) huis (domus) duiſter (obſcurus) etc.
(AAI. OOI. OEI. AAU. EEU. IEU) den ſ. 483. ange-
gebenen triphthongen entſprechend: frâi (pulcher) krâi
(cornix) zwâi (vibratio) mâien (metere) zâien (ſerere)
plôi (plica) ôit (unquam) môi (pulcher) kôi (ſtabulum)
ſtrôien (ſpargere) tôien (ornare) bloeien (florere) boeien
(compedibus vincire) ſpoeien (accelerare) moeien (mo-
lestare) râuw (crudus) kâuwen (manducare) blâuw (coe-
ruleus) flâuw (debilis) êuw (ſeculum) lêuw (leo) lêu-
[534]I. neuniederländiſche vocale.
werk (alauda) hieuw (caecidit) nieuw (novus), letzteres
weder nûw (wie ûw, vobis) noch nuiw (wie ſonſt ui
für hochd. iu). —
Schlußbemerkungen. 1) der umlaut mangelt wie im
vorigen zeitraum, d. h. er dauert nur unverſtanden in
gewiſſen wörtern fort, die er ehmahls belebte, z. b.
in wenden (vertere) menſch (homo) bed (lectus) er-
ſcheint aber im pl. von hand, balg etc. nicht mehr. Da
ſich a und e in dieſem verhältniß nahe liegen, kam
zuweilen e in umlautsunfähige formen, z. b. echter
(poſt) erg (pravus, wofern hier nicht e das alte ae in
aerg ſt. arg?). Aus ähnlichem ſchwanken zwiſchen um-
lautender und unumlautender form erkläre ich mir das
verhältniß zwiſchen eu und ô, z. b. deun (tenax) ſcheint
dem mittelh. gedon (compreſſio, vis, ſ. 336.) verwandt,
deuntje (modulatio) unſerm tœnchen; ſlot, ſleutel ver-
halten ſich wie ſchloß, ſchlüßel, dreunen iſt unſer drœ-
nen, heup das mittelh. huf. gen. hüffe, richtiger wäre
freilich ohne umlaut hôp, wie wônen (habitare) ſpôr
richtiger als weunen, ſpeur. Endlich iſt der diphth. oe
als umlaut eines früheren organ. ô (oo) zu betrachten, das
er in der ſchreibung gänzlich verdrängt hat, denn roemen
(gloriari) gemoed (mens) vergleicht ſich dem mittelh.
ruemen, gemuete, folglich ſtehen roem (gloria) moed
(animus) voet (pes) f. rôm, môd, vôt (mittelh. ruom,
muot, fuoƷ). Die unorg. ausdehnung unverſtandenes
umlauts habe ich oben ſ. 512. gerade ſo im mittelengl.
nachgewieſen; der ſing. voet iſt ganz jenes fête. —
2) aus der verhandlung der buchſtaben ergibt ſich die
abänderung der ſ. 484. 485. (unter 3.) vorgetragenen mit-
telniederl. einrichtung. Der dortige fall α. beſteht nicht
mehr, es heißt jâr, jâren; êr, êren; tîd, tîden; ôr, ôren;
mûr, mûren. Und ob zwar im fall β. ebenſo wie da-
mahls gerâkt (tactus) ſprêkt (loquitur) etc. gilt, iſt doch
dieſe verlängerung nicht folge der ſyncopierten flexion,
vielmehr ſchon im inf. râken, ſprêken vorhanden. — 3)
tonloſe und ausfallende vocale der endung ſind aus den
dichtern zu lernen; ſehr häufig wird z. b. das â in
vruchtbâr, ſtrîdbâr ausgeſtoßen, wenn noch ein flexions-
e folgt, dierbren f. dierbâren (eximium) d’ondrâgbre pîn
(die unertragbare pein). — 4) die vocale der flämiſchen
(flandriſchen) und brabäntiſchen mundart (in welcher
während des 16. 17. jahrh. vieles gedruckt worden iſt)
weichen verſchiedentlich von der neuniederl. (holländi-
ſchen) einrichtung ab. Lernen läßt ſich kaum etwas
[535]I. neuniederländiſche conſonanten.
neues daraus, was nicht ſchon im mittelniederl. vorge-
kommen wäre; dieſes kann dadurch beſtätigt und erläu-
tert werden. So gilt noch ae für â; au für ou (gaud,
vaud, ſtaut); ou für oe (roupe, clamo; bouc, liber) doch
oe daneben (z. b. voet, pes; vroet, prudens, nicht vout,
vrout); ue für ô (duer, per; vueghel, avis; huenich, mel)
eu (dueghd, virtus; duer, porta) und û (huere, hora;
natuere; vuer, ignis); û für ui (ût, ex; hûs, domus);
ei f. ê (in meinſch, homo; weinſch, votum). Merk-
würdig, daß gerade die beiden umlaute eu und ui mangeln.
Vorbemerkungen. 1) die med. d und g bleibt im
auslaut, doch mag die ausſprache des ausl. d dem t na-
hekommen, da die dichter unbedenklich klêd, lied,
gloed, nôd, môrd mit wêt, ziet, voet, vlôt, vôrt ver-
binden. Inlautend darf kein bieden, lieden auf vlieten,
genieten reimen. Inconſequent iſt in einigen wörtern
der alte auslaut t ſtehn geblieben, namentlich met (cum)
ſt. med, inlautend mêde, ferner ont- ſt. ond-. Von g
und ch unten beim kehllaut. Das v und z wandeln
ſich auslautend ſtets, inl. aber vor conſ. in f und ſ,
als: gêven, gêft, gâf, gâven; bêven (tremere) bêfde;
grâven, groef, grâf (ſepulcrum); grâf (comes) grâvinne
(comitiſſa) lief, lieve, liefling nicht lievling) lêzen, lâs,
râzen (inſanire) râſde etc. *). Geminierte conſonanz wird
im ausl. einfach geſchrieben, behält aber kurzen voc.
vor ſich, als ſtem, pl. ſtemmen; zin, zinnen; ſter, ſter-
ren. 2) die regel vom inlaut ſ. 486. beſteht. — 3) die
änderung des anlauts durch inclin. und zuſ. ſetzung
hat ſich meiſtens verwiſcht, man ſchreibt misval, ont-
vangen, ontving, ontzetten ſt. misfal, ontfangen, ont-
ſetten; met den ſt. metten etc. Einzelnes unverſtande-
nes dauert fort z. b. toen (tum) ſt. doen und regellos
neben doen; toch neben doch; ontfermen etc.
Die im vorigen zeitraum wahrgenommenen eigen-
heiten behaupten ſich, ſlek (cochlea) nâld (acus) côning,
[536]I. neuniederländiſche conſonanten. liquid. lab.
hônig (neben hôning); ſtân hat im praet. ſtond, nicht
ſtoed. Das prosthetiſche n in nârſt findet, doch mehr
nach gemeiner volksſprache, andere ſeines gleichen, z. b.
narm (brachium) welches Huyd. op St. 3, 105. aus: den
arm erklärt, vgl. Bilderdijk geſl. der naamw. p. 208. —
Umſetzungen des r: borſt (pectus) vorſt (gelu) born ne-
ben bren (fons) dorſchen (triturare) derde (tertius) nôd-
druft (neceſſitas) wrochte (operabar) etc. Wechſel des r
und ſ: bês, bêr, bêzie (bacca); mês, mêr (parus) vgl.
mit mĕrula, obwohl mir die formen bêr, mêr, als wirk-
lich vorhandene niederl. bedenklich ſind, ſo wie andere
zuſ. ſtellungen bei Bilderd. l. c. pag. 91. — Der verbin-
dung mp. iſt die ſprache geneigt, vgl. klomp, plomp,
ſtomp, ramp (miſeria) rimpel (ruga) dompelen (mergere)
mompelen murmurare) etc. ja ſie bringt ſie hervor, wenn
auf m. auslautende ſubſt. durch -je verkleinert werden,
als bloempje (floſculus) wormpje (vermiculus) prâmpje
(navicula) ruimpje (ſpatiolum) etc. Gerade wie mpje er-
gibt ſich bei verkleinerung der auslaute l, n die beliebte
form -ltje, -ntje, als vogeltje (avicula) muiltje (crepi-
dula) ſtẻntje (lapillus) reintje (vulpecula) deuntje (can-
tiuncula) zoentje (oſculum) wagentje (curriculus) etc.,
zum begriff der diminution ſind p und t unweſentlich,
wie auch aus ſchâpje (ovicula) duifje (columba) u. a.,
wo das bloße j ſteht, erhellt. Die form -tje ſcheint
mir alſo unorganiſch überwiegend, wenn ſie auf andere
fälle, z. b. bîetje (apis) koetje (vaccula) ringetje (annu-
lus) ansgedehnt wird und gar zuweilen bloemtje, bômtje
ſt. bloempje, bômpje vorkommt. —
In dieſer lautreihe finde ich wenig anzumerken, was
nicht ſchon aus dem mittelniederl. folgt. Man prüfe
nach den wörterbüchern die fremdheit der anlaute p
und f; bei letzterm erſcheinen wohl inconſequenzen.
Daß fâm (fama) fâli (palliolum, mittelh. feile) fêſt (feſtum)
geſchrieben werde, begreift ſich, nicht ſo, warum flâuw
(debilis) frâi (venuſtus)? da man doch vlieten (fluere)
vriezen (algere) und ſelbſt vlam (flamma) ſetzt. — Die
anlautenden wr gibt das wörterbuch; die inlautenden
ouw, ûw, ieuw, êuw, âuw vgl. bei den vocalen, beide
erſtere ſchwanken in einzelnen wörtern. Ob auslautend
beßer nieu, lêu, flâu. vrou? oder nieuw, lêuw, flâuw,
vrouw? gelte, iſt beſtreitbar; die neuſte ſchreibung be-
günſtigt letzteres und wohl mit unrecht, (vgl. die aus-
laute wêduw, vidua; zênuw, nervus). — Von den gemin,
[537]I. neuniederländiſche conſonanten. labial. ling.
ſind pp und bb häufig, vgl. krabben (radere) ebbe (re-
ceſſus mar.) dubbel (franz. double) tobbe (cupa) etc.;
ff gebräuchlich in ſtraffen (punire) ſchaffen (parare) tref-
fen (pertingere) heffen (tollere) beſeffen (intelligere) effen
(aequalis) und dem daraus ſtammenden neffens (juxta,
hochd. neben). Dies ff iſt nichts als eine unorg. dop-
pelung des v und ſteht für heven, beſeven, even, da
man der vermiſchung mit w halber nicht vv ſchreiben
konnte, vor einfachem v aber das e wie ê ausgeſehn
hätte. Wirklich ſchwarkt ſchreibung und ausſprache
in êven, nêvens (nicht hêven, beſêven) analog dem
neuh. êben, nêben und den übrigen neuniederl. formen
lêven (vita) nêvel (caligo) gehêven (elatus) zêven (ſeptem).
Jene gemination darf alſo auch als ein hervortauchen der
alten vocalkürze in dergleichen wörtern angeſehen wer-
den, vgl. ſ. 133. das alth. heffan und ſ. 514. die bemer-
kung zu dem mittelengl. v mit vorausgeltendem kur-
zem e. — ft beſteht noch in einigen wörtern z. b. ſchrift,
oft (utrum) etc., in andern ſchwankt es in das beliebte
cht, z. b. ſchaft, ſchacht (contus); der Brabänter ſetzt
ſogar helcht, hellicht f. helft (dimidium). —
Auch hier ſtimmt die mittelniederl. ſchilderung, das
abgerechnet, daß med. jetzt wieder auslautet, obgleich
in einigen büchern des vorigen jahrh. noch lant, hant,
bemint etc. zu leſen ſteht. th nur in fremden namen
oder ſcheinbar, z. b. in thans (illico) aus te hans, te
hands, hochd. ze hant, zur hand. Auffallend iſt d für h
in nâder (propior) vlieden (fugere) geſchieden (evenire)
ſt. vlien, geſchien (hochd. næher, fliehen, geſchêhen)
wie auch jene ausgeſprochen beinahe lauten. Die
ſprache hat eine beſondere leichtigkeit, den inlaut d zu
überhören und ſammt dem folgenden tonloſen e völlig
auszuwerfen, nicht bloß (wie im hochd. ſ. 409.) bei fol-
gendem weiteren zungenlaut, ſondern überall, auch vor
liq. und vocalen, zumahl bei vorſtehendem (urſprünglich)
kurzem vocal. So wird aus vâder, âder (vena) blâden
(foliis) blâderen (foliis) vâdem (orgyia) mêde (cum)
ſchrêden (paſſibus) nêder (infra) vêder (pluma) êdik
(acetum) bôde (nuntius) gôden (diis) gebôden (nuntia-
tum) etc. vâr, âr, blâren, blân, vâm, mê, ſchrên, nêr,
vêr, êk, bô, gôn, gebôn, welche unbedenklich auf un-
zuſ. gezogene formen wie jâr, vâren, ſtân, êr (honor)
zô (ita) reimen; gleichergeſtalt entſpringt aus woeden
(furere) bieden (offerre) woen, bien: doen, zien reimig.
[538]I. neuniederländiſche conſonanten. ling. gutt.
Ohne dehnzeichen ſollte geſchrieben werden vaar, neer,
boo, woen; man hat aber die unſchickliche ſchreibung
vaâr, neêr, goôn, boô, woên angenommen, als läge auf
dem zweiten vocal ein ton oder anderer laut, als auf
dem erſten, da doch váar etc. zn betonen wäre und
überhaupt nicht zwiſchen beiden aa, ee etc., ſondern
erſt nach ihnen der conſ. wegfällt *). Verlangt dieſer
wegfall bezeichnung, ſo darf es keine andere ſeyn, als
der apoſtroph: vaa’r, nee’r, boo’ (vâ’r, nê’r, bô’) woe’n.
Zugleich lehren woen, bien, daß â, ê, ô in den übrigen
fällen nicht erſt durch die eliſion des d veranlaßt wird,
es war ſchon in vâder, nâder, bôde vorhanden, ob-
gleich man vader, neder, bode zu ſchreiben pflegt. —
Umgekehrt drängt ſich d nach l. n. r. ein, wenn die
ſilbe er folgt, namentlich alſo im comparativus, pl. auf
er, und in ableitungen, z. b. minder (minor) mêrder (ma-
jor) helder (clarior) kleinder (minor) ſchônder (pulchrior)
zêkerder (certior) hoenderen (gallinae) bênderen (oſſa)
dâlder (thalerus) inwônder (incola) beſtelder f. beſteller etc.;
einige dieſer formen ſchwanken und man zieht wohl
heute die weglaßung des d vor. Organiſche urſache
hatte dieſes d nur in den comp., wo ld, nd, rd die ge-
mination ll, nn, rr (heller, minner, merre f. mêrer)
erſetzte; hernach wurde es auf ſcheinbar ähnliche fälle
erſtreckt. — Das verhältnis des ſ und z oben ſ. 496. an-
gegeben, einige wörter haben auch anlautendes ſ. vor
vocalen, namentlich ſiſſen (ſibilare) ſuizen (ſtridere) ſul-
len (labi, unterſchieden von zullen, debere). Statt
gans (totus) gilt gants, ganſch (ſ. 496.) neben dans,
glans etc. inlautend danſſen, glanſſen; ſtatt des mittelnie-
derl. ſſc nunmehr ſch; im anlaut ſchwankend ſidderen
und tſidderen (ſ. 497.). Sonderbar âſſem (ſpiritus) neben
âdem. —
Dieſe lautreihe hat ſich verglichen mit den voraus-
gehenden mehr verändert, hauptſächlich dadurch daß
gh völlig und damit ch großentheils abgeſtorben iſt.
Es heißt dâg (dies) pl. dâgen ſt. des mittelniederl. dach,
daghen. Das ſ. 501. aufgeſtellte erſte ch hört ohne
zweifel auf und lautet allerwärts g; dadurch iſt das an-
[539]I. neuniederländiſche conſonanten. gutturales.
dere, ganz verſchiedene in der verbindung cht wankend
geworden, welche die meiſten durch gt auszudrücken
pflegen, als: pligt, gewigt, gezigt, berigt, regt (jus)
vlugt, bragte (attulit) dogter (filia) nagt (nox) etc. unor-
ganiſch, wie man aus dem ſächſ. ſieht, wo die verbind. ht.
nicht von der med. g. abhängt. cht wird behalten, wenn
es dem hochd. ft entſpricht, als gracht, kracht, ſticht,
zucht, lucht etc. da aber dieſe unanſtößig auf nacht
(nox) vlucht, plicht reimen, nie auf dâgt (luceſcit) drâgt
(portat) folglich kurzen voc. vor ſich leiden, (wie er
ſich vor ch ſchickt) keinen langen (wie er ſich vor g
gebührt); ſo erkläre ich die ſchreibung gt (= hochd. cht)
in allen wörtern für verwerſlich, man ſetze môgen,
mochte (hochd. mœgen, mochte) brengen, brachte nicht
mogte, bragte. Außer der verb. cht erſcheint ch ferner
1) im pron. zich (ſe aber ſehr unorganiſch, wie man
aus der reihe goth. ik, mik, ſik, hochd. ich, mich,
ſich; neuniederl ik, mî, zich ſogleich ſieht; in mî iſt
die gutt. apocopiert, wie im engl. î ſtatt ic, aber zich,
(mittelniederl. überhaupt noch ungekannt) entlehnte erſt
die ſpätere ſprache mit dem aſpirierten laut aus dem
hochdeutſch, ohne zu bedenken daß zik oder zî form-
gerechter geweſen wäre. 2) in doch (tamen) noch (ad-
huc, nec). welche der analogie von hôg (altus) zâg (vi-
dit) gemäß dôg, nôg lauten ſollten, auch zuweilen dog,
nog geſchrieben werden; zwiſchen noch (nec) und nog
(adhuc) zu unterſcheiden iſt rein willkürlich. 3) lichâm
(corpus) vgl. oben ſ. 198. 219. 262. muß des kurzen i
wegen nunmehr bleiben, ſchlechter iſt die ſchreibung
ligchâm, ſo wie 4) lagchen ſt. lachen (ridere), zuweilen
ſelbſt lachchen. — Die fehler rückſichtlich des h (ſ. 4.)
hören wieder auf, dauern aber in der flandriſch-bra-
bantiſchen mundart fort, wo man hantwerpen f. ant-
werpen etc. findet. — Zwiſchen j und i der unterſchied
des vorigen zeitraums, daher iemand, iet, ieder, aber
jeugd (juventus) jong, jâr zu ſchreiben. — ck, qu, x werden
nunmehr durch kk, kw, ks bezeichnet, als blikken, takken,
kwâd (malum) kwiſpel, blikſem (fulgur) etc. wogegen
ſich theoretiſch wenig einwenden läßt. —
Schlußbemerkung. Die ſ. 504. vorgetragenen inclina-
tionen ſind heutzutage beſchränkter; doch bleibt noch t
für het, s für des, k für ik, s für is, d für de (bei
vocalanlauten) allgemein bräuchlich, im ſchreiben werden
ſie aber nicht angelehnt ſondern apoſtrophe voraus oder
nachgeſchickt, z. b. ’t volk, op ’t land, in ’t wâter, ’s
[540]I. neuengliſche vocale.
kônings zîde, ’k heb, dit ’s, d’ârde oder auch de ârde;
die holländiſche poeſie bedient ſich der ſynalöphe un-
gleich häufiger, als die heutige hochd. ſchwed. oder
däniſche.
Die urſachen, welche einer einfachen orthographie
aller heutigen ſprachen verderblich werden, nämlich
ſchwanken zwiſchen der alten ſchreibung und der neuen
ausſprache, walten hier auf alle weiſe; ſo groß gewor-
den iſt die verwirrung, daß man die wahre ausſprache
faſt nur ungelehrt durch das gehör zu lernen vermag.
Über die ſucht, von der wir zuweilen Hochdeutſche
und Niederländer befallen ſehen, ein gleichförmiges laut-
ſyſtem aufzufinden und mit verletzung aller hiſtoriſchen
rückſicht roh ins volk einzuführen, ſind daher Englän-
der lange hinaus. Die grammatiken und wörterbücher
bedienen ſich zwar zur näheren beſtimmung verſchiede-
ner lautverhältniſſe einer accentuation, welche aber dem
gewöhnlichen leſer und ſchreiber ganz unbekannt blei-
ben kann. Dieſe accente weichen von der ſonſtigen
verwendung derſelben zeichen ab; mir bedeutete acu-
tus den erſten, gravis den zweiten ton; engliſche gram-
matiker ſetzen in gleichtonigen ſilben den acutus um
kurzen, den gravis um langen laut eines vocals auszu-
drücken, z. b. thíng, hánd, mìld, nàme, ſprich: thinng,
hännd, meild, næm; in diphth. brauchen ſie beide
mehr zu willkürlicher unterſcheidung. — Statt die
menge von regeln und ausnahmen über ausſprache der
engl. buchſtaben einzeln abzuhandeln und auf meine
vorſtellungsart zu beziehen, mögen hier einige unvoll-
ſtändige bemerkungen über das wichtigſte genügen, wo-
bei ich ohnehin auf die deutſchen oder ſächſ. beſtand-
theile der ſprache eingeſchränkt bleibe.
Auch die neuengl. poeſie kennt nur ſtumpfe, keine
klingende reime; wörter, deren vocal einfache conſo-
nanz und flexions-e folgt, haben letzteres ſtumm, er-
ſteren lang. Das heißt: die organ. länge und tonloſe
flexion (came, venerunt; mìne, meus, angelſ. cæmon,
mîn) ſteht mit der org. kürze und ſtummen flexion
(name, nomen; angelſ. nama) gänzlich gleich. Ich werde
[541]I. neuengliſche vocale.
die kurzen vocale unaccentuiert laßen, die langen ſtatt
des gravis aber circumflectieren.
(A) zwar noch geſchrieben in can, man, hand, land,
thank, glad, craft etc. lautet aber wie neuh. ä. In all,
halm, balk, malt, warm etc. gilt jetzt â, vor ld. ng
übergang in ô, o, als ôld, côld, ſong, wrong.
(E) end (finis) men (homines) bench (ſcamnum).
(I) thing, thick, thin; vor ld, nd meiſtens zu î
geworden, doch mit ausnahmen z. b. wind.
(O) ſmock, tongue, gold, wolf, ſorrow, one (unus).
(U) full, but, under etc. die ausſprache bald wie
hochd. u, bald zwiſchen o und ö; vor ld, nd (meiſtens)
zu ou geworden.
(Y) kurz nur in unbetonten ſilben.
(AA) nâme, gâte, tâke, ſâke, ſtâre, hâlm, wârm,
lautet bald æ, bald ê, bald â. Dem angelſ. â (hochd.
ei) entſpricht es nirgend mehr, vgl. ô, oa und den ge-
kürzten artikel a, an, während das zahlwort one lautet.
(EE) lautet wie ein mittelh. î: hê (ille) mê (me)
thê (te) bê (eſſe) bê (apis) êven, êvil, dêd, ſtrêt, fêt
(pedes) ſên (viſus). Wird bald è bald èe geſchrieben
und inconſequent z. b. thee (te) neben me (me), die
ſich in der ausſprache ſo wenig ſcheiden, als bè von
bèe; die ſchreibung ee führt auf ein angelſ. theils ëó
(dèep, dèer) theils ëo (bèe, ſèen) theils ê (dèem, fèet)
theils æ (ſtrèet, dèed).
(II) mîne, thîne, tîde, rîde etc. ſodann vor nd,
ld, gh, mînd, chîld, wîld, hîgh, nîght; ausgeſprochen
wie hochd. ei.
(OO) 1) = angelſ. ô, jedoch doppelter art α) òo,
ausgeſpr. û, als môd, blôm, bôn, môn. β) òo, ver-
kürzt wie u lautend, blôd, gôd, fôt, in brother ſogar
einfach geſchrieben. 2) = angelſ. â, ausgeſprochen ô,
als: hôme, bône, ſtône, chôd; häufiger erſcheint hier
oa. 3) auslaut in ſô, frô, whô, dô, tô, whô etc., bald
ô, bald û auszuſprechen.
(UU) fehlt in der ſchrift, nicht, wie eben bei ô ge-
ſehn, in der ausſprache.
(YY) ſtets einfach und nur auslautend geſchrieben,
in der wirkung dem î gleich, alſo mit der ausſprache
ei: bŷ, mŷ, thŷ etc.
(AU) ſelten, z. b. laugh, draught; häufiger aw: law,
draw, hawk; beide mit überhörtem u oder w wie â
lautend.
(AI. AY) main, brain, hair, may, day etc, beide
wie æ zu ſprechen, ai inlautend, ay auslautend.
(EA) vielfach 1) èa, mit dem laut î, in: eam, dream,
bean, leaf, ſheaf, ear, hear, leaſe, eaſt, neat etc., meiſt
dem angelſ. eá parallel, zuweilen dem kurzen ë, als
ſpeak (ſprëcan). 2) èa, von einigen eà accentuiert, mit
der ausſprache ê, als: great, bear, break; organiſch eins
mit dem vorigen erſten (häufigeren) èa, alſo angelſ. theils
eá, theils ë. Es iſt willkür des ſprachgebrauchs, daß
neat, great, ſpeak, break wie nît, grêt, ſpîk, brêk lau-
ten. 3) éa, vor den verbindungen mit r, wie ä lau-
tend: earl earneſt, earth, = angelſ. ëo. 4) eá, wie kur-
zes e lautend in heaven, read (legi) dead (mortuus) etc. —
Ub-igens merkwürdig, daß der im mittelengl. ſelten ge-
wordene diphth. wieder ſo häufig vorkommt.
(EI) mit der ausſprache ê (their, eight, neigh) und
î (either, neither); zuweilen ſtatt î (und deſſen wahrer
ausſprache gemäß) geſchrieben in height, ſleight.
(EW) iu auszuſprechen (new, flew, ew).
(IE) lautet î und iſt organiſch in thief, unorg, in
field, ſhield, yield. Wo es aus dem zweiſilbigen î-e
erwächſt, gebührt ihm die ausſprache ei, als: lie, flie,
pl. ſlies. Man accentuiert daher thíef, fíeld, und
lie, flies.
(OA) entſpricht dem angelſ. â, lautet aber wie ô,
als: loam, loaf, goat etc. ich weiß keinen grund, war-
um man in andern wörtern ô ſchreibt (hôme, bône,
ſtrôd) zuweilen ſchwankt ſelbſt die orthographie, z. b.
clôthe, cloathe. Vermuthlich war die ausſprache in
gewiſſer zeit und gegend wirklich oa (wie in bairiſcher
volksmundart boan, ſtoan). Selten gieng ſie in â über,
wie in broad (wo man óa zum unterſchied von jenem
òa ſchreibt).
(OE) bald ô (doe, foe) bald û (ſhoe) zu ſprechen.
(OU) mehrerlei 1) óu mit der ausſprache au, als:
thou, loud, foul, ſour, ſouth, houſe, mouſe; desgl.
ſtatt org, kurzes u vor nd: hound, wound (praet. von
wind); zuweilen ów geſchrieben: how, now, mow
(horreum) ſow, brown, fowl (avis), welches ausgeſpro-
chen nicht von jenem foul (putridus) zu unterſcheiden.
2) òu, auszuſprechen ô in four, ſoul und ſtatt org. kur-
zes u vor ld: mould, ſhoulder; zuweilen òw geſchrie-
ben: mow (metere) crow, know, bow, flow. 3) où,
auszuſprechen û, als: you, youth, wound (vulnus);
[543]I. neuengliſche conſonanten.
wie kurzes u in could, ſhould. 4) lautet wie a in thought’
wrought. 5) wie o in enough. —
Schlußbemerkungen. 1) eine (durch ua, ui, oi, ieu,
eou, eau, in fremden wörtern noch gemehrte) verwir-
rende menge diphthongiſcher lautbeſtimmungen; ſtatt
der ſechs mittelengl. ai, ea, ei, eo, eu, ou (worunter
dazu ea, eo, eu ſehr ſelten im gebrauch) nunmehr
neune: au, ai, ea, ei, ew, ie, oa, oe, ou, beinahe
ſämmtlich unſicherer ausſprache. Jene ſieben längen
(ſ. 242.) ſind im engl. der ſchreibung nach: à (ee), oo,
ou, ò, ea, ì, ew, der ausſprache nach: æ (ê), û, au,
ô, î, ei, iu, wovon û, au, ei (mood, mouſe, mìne)
auffallend zu der nsuhochd. lautveränderung (mûth,
maus, mein) ſtimmen, ô und î (ſtône, èar) hingegen
ſtark abweichen (ſtein, ôr). Gilt aber vom neuh. û,
au, ei kein ſchluß auf die ausſprache des mittelh. uo,
û, î, ſo wird man auch das angelſ. ô, û, î nicht neu-
engliſch ausſprechen wollen, obwohl û im mittelengl.
bereits zu ou, daraus zu au ward. 2) die ſtörung des
organiſmus wird man nicht bezweifeln, wenn man theils
wörter, die in den übrigen ſprachen gleichen vocal ha-
ben, im engl. von einander abgewichen erblickt
(z. b. die mittelh. hâr, jâr, tât, mâne: hair, year, deed,
moon; unter, hunt, wunde: under, hóund, woùnd)
theils im engl. gleichlautig gewordene in verſchiedenlau-
tige der übrigen ſprachen auflöſen muß (vgl. ſtreet, feet,
ſeen, deep mit dem mittelh. ſtrâƷe, fueƷe, geſehen, tief).
3) ſelbſt der einfluß der verbindungen nd. ng. ld. auf
die organiſchen kürzen a, i, u erzeigt ſich ungleich:
hand, long, côld; mînd, ring, mîld; hóund, yong, mòuld.
4) der umlaut iſt ein todter, ſpur ſeiner wirkungen aber
noch ſichtbar und erhöht die ſchwierigkeit der laute.
1) media lautet aus und ſcheidet ſich reinlich von
der ten., die dichter, während ſie es mit verwandten
vocallauten unſtrenge nehmen, reimen kein d auf t,
kein g auf k. 2) hiermit einſtimmig wird gem. im aus-
laut geſchrieben, als: beck (nutus) muck (ſtercus) will
(voluntas) ſtill (adhuc) aſſ (aſinus) miſſ (carere); incon-
ſequent aber kein mm, nn, rr, bb. pp. gg. dd. tt, ſon-
dern ſwim (natare) lin (ceſſare) ſtar (ſtella) ſtab (caedere)
ſhip (navis) beg (orare) ſit (ſedere). 3) inlautend ſcheint
gemination zuweilen ungeſchrieben vorhanden, z. b. in
[544]I. neuengliſche conſonanten, liquid. lab. ling.
ſhadow (umbra) body (corpus) ſeven (ſeptem) heaven
(coelum) ever (ſemper), wo die nachwirkung des alten
kurzen vocals klar waltet.
l. wird nach a und o (nicht aber e, i) bei folgen-
dem m, k, v, f in der ausſprache überhört, d. h. halm
(culmus) calf (vitulus) ſtalk (caulis) folk (gens) lauten
hâm, câf, ſtâk, fôk, was ſich einigermaßen dem ver-
ſchmelzen des niederl. l vor d vergleicht, die verlän-
gerung des a dem dortigen u.
Faſt wie im vorigen zeitraum; b. wird auslautend
nach m nicht geſprochen, lamb wie lämm; der inlaut
f inconſequent wieder in einigen wörtern zugelaßen,
z. b. lîfe (vita) wîfe (mulier) ſâfe (ſalvus) nicht aber in
lîve (vivus) wîves (mulieres) ſhâve (radere) etc.; die in-
und ausl. w. bei den voc. angezeigt. In der anlauten-
den verb. wr. überhört die ausſprache das w völlig;
bei wh. iſt zu unterſcheiden, vor a, e, i, y, u, ea, â, î,
lautet es wie w, zwiſchen whîle (morari) und wîle
(fraus), jenes altn. hvîla, dieſes vêl, kennt die ansſprache
keine abweichung; vor o und ô hingegen lautet wh
wie h, vgl. whô, whôſe, whôm und hier pflegt es in
einigen wörtern gerade auch unorganiſch das eigentliche
einfache h zu vertreten, z. b. whôre heißt angelſ. nicht
hvôre, ſondern hôre; whôle (ſanus) ſteht deutlich für
hôle (angelſ. hâl), wie auch das daneben geltende hèal
(ſanare) lehrt. Mittelengl. daher noch richtig hôl und
hôre. Die ſpätere ſchreibung unterſchied für die augen
whole, whore von hole (foramen) hore (canus).
Das inl. d. überhört ſich zuweilen, z. b. in wednes-
day, handſome (ſprich hännſome, wennsday, niederl,
woensdag) aber lange nicht ſo häufig als im neu-
niederl. Das an- und auslautende th. wird in der re-
gel geliſpelt, etwa gleich dem griech. θ geſprochen,
in gangbaren pronom. und partikeln (thou, their, than
the etc.) lautet es wie med. oder das alte dh. Dieſe
weichere ausſprache gebührt auch dem inlautenden th,
ſo daß die ſ. 514. getadelte ſchreibung father, mother
auf den feinhörigen unterſchied zwiſchen d und dh hin-
auslauft; man ſpricht modher wie brodher aus, ſtatt mo-
der. — Statt ſ. hat ſich unbefugt ein roman. c einge-
drängt in lîce, mîce pl. von louſe, mouſe, während
man gêſe (nicht gêce) pl. von gôſe ſchreibt; ebenſo in
[545]I. neuengliſche conſonanten. ling. guttur.
den contractionen pence, dîce ſt. pennies, dies. Die
ausſprache des ſ. iſt ſauſen (hiſſ), die des z. ſummen
(buzz) ein milder, dem harten hochd. ziſchlaut unver-
gleichbarer laut, eigentlich aber nur in undeutſchen,
romaniſchen wörtern herrſchend, eben jenes buzz ſelbſt
iſt nicht ſächſ, abſtammung. Das inlautende ſ mildert
und nähert ſich dem ſummlaut, am deutlichſten ſondern
ſich die anlaute ſ und z. Dem niederl. z begegnet das
engl. wohl in der ausſprache, nicht in den wörtern
ſelbſt und beide haben verſchiednen grund, daher z. b.
das niederl. zon mild, das engl. ſun hart anlautet.
Die hauptſache ergibt ſich aus dem vorigen zeit-
raum; orthographiſch hat man einigen anlauten vor a,
o, k zugetheilt, den meiſten c, als: kock (rupes) un-
terſchieden von cock (gallus) beide gleicher ausſprache.
Vor i bleibt natürlich k. Vor n laßen ſich anlautend k
und g gar nicht hören, knê, knîfe, gnat, gnaw klin-
gen wie nê, nîfe, nat, naw. Die ſyncope des inl. k
dauert fort, wenigſtens in der ausſprache lautet tâken =
tân (ſprich: tên, tæn) und man ſchreibt auch vertrauli-
cherweiſe ta’en, allgemein aber mâde f. mâked. — Statt
y iſt g wieder hergeſtellt in give, gift, dagegen yâte
und gâte vermengt. — Für ht wird ght geſchrieben,
doch ht. geſprochen; in enough (ſatis) gh. wie f.
Schlußbem. die inclination der verneinung iſt größ-
tentheils verloren, gilt nur in none (nullus) neither (neu-
ter) nill (nolle); not und nought ſind urſprünglich das-
ſelbe (angelſ. naviht, navht, nauht, nât wie das hochd.
nicht aus newiht, niht, nit).
Gleich der neuhochd. und neuniederl. dichtkunſt
beobachtet die ſchwed. den unterſchied ſtumpfer und klin-
gender reime, welcher lehrt, daß auch hier organiſche
kürzen mit einfacher conſonanz verlängert worden ſind.
Darum reimen træda (calcare): klæda (amicire) ſkûren
(ſciſſus): mûren (muro) ſêder (mores): hêder (honos)
ungeachtet im altnord. trodha, ſkorinn, ſidhir kurzen
voc. beſitzen *). Darum hat grîpa nun auch im part.
M m
[546]I. ſchwediſche vocale.
grîpen, während das altn. den inf. grîpa vom part. gri-
pinn unterſcheidet. Nur zeigt ſich hier bei dem a eine
merkwürdige abweichung von der hochd. und niederl.
ſprachgeſchichte. Durch die unorg. vocalverlängerung
wurde maln (molere) farn (ire) zu mâlen, fâren und
gleichlautig, folglich reimfähig mit mâlen (pingere) jâ-
ren (annis). Das altnord. mala (molere) fara verlängert
ſich nun zwar ſchwed. in mâla, fâra, reimt aber nicht
auf måla (pingere) und fâra behält einen von år (annus)
abweichenden laut. Im verlauf der zeit hatte das alte,
organiſche â den laut å angenommen, welchem die un-
org. verlängerung des a nicht beikommen konnte. Die-
ſer unterſchied zwiſchen â und å iſt vortheilhaft. Übri-
gens läßt die ſchwed. ſchrift den dehnlaut völlig unbe-
zeichnet und ſetzt a, e, i, o, u zugleich für â, ê, î,
ô, û, deren einführung in der grammatik nothwendig
iſt. Die jetzt mit recht veraltete orthographie früherer
jahrh. hatte wohl verſucht, das neuhochd. dehnzeichen
h. hin und wieder und ganz überflüßig bei dem å ein-
zuführen, z. b. åhr für år (annus).
(A) vor geminierter und verbundner conſonanz, z. b.
padda (rana) hatt (pileus) natt (nox) all (omnis) hammar
(malleus) panna (frons) annar (alius) narr (ſtultus) halm
(culmus) half (dimid.) hals (collum) balk (trabs) ande
(ſpiritus) hand (manus) varm (calidus) etc. Auszuneh-
men: ll (das für ld ſteht) ld. ng. rd. welche å erfordern.
(E) e und ë ſind vermengt, beide drücke ich mit
e aus; dieſes e aber beſteht nach willkürlichem gebrauch
in verſchiedenen wörtern, denen ganz analoge gewöhn-
lich ä angenommen haben, beiſpiele: engel, enkja (vi-
dua) menniſkja (homo) berg (mons) eller (ſive) ſvenſk
(ſuecanus) etc. Bei vergleichung neuſchwed. bücher mit
ſolchen, die vor hundert jahren gedruckt wurden, findet
man den gebrauch des ä zu, den des e abnehmen. Da-
mahls hieß es noch heſt (equus) rett (jus) lemna (lin-
*)
[547]I. ſchwediſche vocale.
quere) hemna (vindicare) etc. heute: häſt, rätt, lämna,
hämna. Beide laute näherten ſich alſo in der ausſprache
und die meiſten der noch üblichen e dürften, ohne ihr
zu ſchaden, mit ä geſchrieben werden, eller (aut) engel
(angelus) klingen ſicher wie äller, ängel, auch alle dich-
ter reimen unbedenklich berg (mons) tempel auf dvärg
(nanus) ſtämpel (ſigillum) früher dwerg, ſtempel ge-
ſchrieben. Hiernach ſcheinen mir Botins unterſcheidun-
gen des e und ä vollends in unbetonten flexionen (ſv.
ſpråket p. 36. 53.) allzu ſpitz und ich meine, daß man
ſogar in wurzeln durchgängig ä ſchreiben könne. An-
fänglich lief wohl der unterſchied zwiſchen e und ä auf
die begründete unterſcheidung zwiſchen ë (= i) und e
(umlaut des a) hinaus, man ſchrieb verld (mundus) herre
(herus) herde (paſtor), hingegen hand, händer, ände
(finis) etc. d. i. nach mittelh. bezeichnung vërld, hërre,
hender, ende. Seitdem aber der gebrauch träffa (attin-
gere) ſvärd (enſis) rätt (jus) etc. einführte, und umge-
kehrt e für das umgelautete a galt, z. b. in menniſka,
engel, efter, iſt die organ. verſchiedenheit verwiſcht.
Vgl. unten ê, æ, je, jä.
(I) beiſpiele: himmel (coelum) minne (memoria) ſtilla
(ſedare) ſtinga (pungere) mild (lenis) miſta (perdere).
(O) beiſpiele: troll (ſpectrum) torr (ſiccus) folk (po-
pulus) morgon (mane) borg (arx) ord (verbum).
(U) beiſpiele: udd (cuſpis) full (plenus) gull (au-
rum) gunga (oſcillare) bunden (ligatus).
(Y) umlaut des u: fylla (implere) gyllen (aureus)
(AA) â, unbezeichnet wie kurzes a geſchrieben; bei-
ſpiele: fâder (pater) tâla (loqui) drâga (ferre) dâg, pl.
dâgar (dies) fâra (ire) etc. lautet gleich dem hochd. â,
ohne beimiſchung des o, daher ganz verſchieden von å.
Das â iſt ſtets unorganiſch, das å ſtets organiſch lang.
(EE) 1) organiſch, d. h. bald dem altnord. ê parallel
als brêf (epiſtola); bald (und häufiger) dem altn. ei, als:
hêder (honor) hêl (totus) hêta (vocari) grêp (prehendit)
bên (os) etc. 2) unorg. ſtatt des altn. ë oder i, als lêfva
(vivere) vêta (ſcire) grêpo (prehenderunt) ſêder (mores)
bêdja (orare) etc.; in êder (vos) vertritt es ſogar das
altn. ydhr. — Beiderlei ê ſchwankt zuweilen in æ, ſo
lautet das altn. eiga (habere) eiginn (proprius) hier æga
und êgen; andere beiſpiele unten beim æ.
(II) 1) organiſch in mîn (meus) grîpa (prehendere)
bîta (mordere) blîfva (manere) etc. 2) unorg. ſeltner (we-
gen der übergänge des i in ë) z. b. in frîd (pax) gîfva
M m 2
[548]I. ſchwediſche vocale.
(dare). — Ob ſich vor ng, nk (nach ſ. 289.) kurzes i
verlängert, bezweifle ich, finde wenigſtens nirgends an-
gemerkt, daß i in ting, ring anders laute, als in vind.
(OO) 1) organiſch in bôk (liber) fôt (pes) blôd (ſan-
gnis) ſkôg (ſilva) tôm (vacuus) etc. 2) unorganiſch in
gôd (Deus) bôge (arcus) ſôn (filius) bôra (terebrare) etc.
(UU) 1) org. in mûr (murus) ſkûr (imber) mûs
(mus) etc. 2) unorg. ſeltner (wie bei î, wegen der über-
gänge in o) z. b. ſtûlen (furto ſublatus) ſlûten (clauſus)
ſlût (finis). — Auch hier nehme ich kein û vor ng, nk
an, ſondern tung (gravis) tunga (lingua).
(YY) umlaut des û, als: rŷma (fugere) aber auch in
andern fällen dem alth. iu parallel, als: ſŷn (viſus).
(AE) in der ſchrift ä, grammatiſch ſind aber ä und
æ genau zu ſcheiden. 1) das häufige ä iſt beſtändig kurz
und wie vorhin bei e ausgeführt worden, theils umlaut
des a, als: bränna (comburere) tänder (dentes) tänka
(cogitare) ſätta (ponere) etc. theils urſprüngliches ë, als:
vänner (amici) rätt (jus) dvärg (pumilio) ſmärta (dolor) etc.
2) eben ſo häufig æ und beſtändig lang; ſeinem urſprung
nach mehrfach α) org. lang. d. h. dem altn. æ entſpre-
chend, meiſtens umlaut des à: mæla (narrare) aber auch
das zweite altn. æ, læra (doctrina) klæda (veſtire) etc.
β) unorg. lang und wiederum zweifach, theils urſprüng-
licher umlaut des a, z. b. fæder (patres) ſæger (dicit);
theils urſprüngliches ë, als: bæra (ferre) ſkæra (ſcindere)
læſa (legere) bæfva (tremere). Dieſes unorg. æ verhält
ſich ſchwankend zu ê, wie das kurze ä zu e, es heißt
z. b. æfva (aeque) bæfva (tremere) væfva (texere) aber lêfva
(vivere) gîfva (dare) mittelh. ëben, bëben, wëben, lëben,
gëben; ferner hær (exercitus) hærja (depopulari) neben vêrja
(defendere) und ich finde bald færja (trajectus) bald fêrja.
(AO) å geſchrieben, zwiſchen a und o geſprochen,
ein laut, den man in deutſchen volksmundarten hört,
weder mit â, noch ô zu mengen. Entſpricht dem altn.
â und wird auch vor ng, ld (oder ll ſtatt ld) ſogar
vor rd (welches im altn. kurzes a behält) für das kurze
a geſetzt: lång (longus) gång (iter) ſtång (pertica) månge
(plures) (ånger (anxietas) ålder (aetas) båld (fortis) vålda
(imperare) hålla (tenere) fålla (plicare) hård (durus) gård
(praedium) etc. angetroffen; fehlerhaft ſchreiben ei-
nige: long, gong, bold, (umgekehrt unrichtig andere
å ſtatt o, ô z. b. gålf f. golf pavimentum, fågel f. fô-
gel, avis dån f. dôn, fragor). Dagegen gilt vor den
übrigen verbindungen, die im altn. â fordern (ſ. 286.)
[549]I. ſchwediſche vocale.
wieder kurzes a, vgl. krank (aeger) hals, halm, half,
natt (nox) etc. ås (trabs) gås (anſer) beſtehen aber. Die
übrigen fälle wie år (annus) låta (ſinere) ſpråk (lingua) etc.
belegen ſich allenthalben.
(EI) beſteht dem laut nach nur in ſehr wenigen
wörtern und wird dazu ej geſchrieben, ſcheint auch
bloße auflöſung des org. g; vgl. ej (non) nej (minime)
altn. ei (eigi) nei. Inlautend etwan in fejd (pugna) deja
(miniſtra, femina) *) dejlig (formoſus) lejon (leo) ander-
wärts degelig, däjelig geſchrieben etc.
(IA) eigentlich im einzigen iag (ego) vorhanden,
wird aber jag (d. i. jâg) geſchrieben und den organ. j in
jâ (imo) jâga (venari) gleichgeſtellt. Von der entwicke-
lung des diphth. ia aus i, ë ſogleich mehr beim ie, iä.
(IE, IAE) jetzt allgemein je, jä ſt. ie, iä geſchrie-
ben; der wechſel zwiſchen e und ä muß ganz wie ſ. 546.
beurtheilt werden, es iſt wirklich einerlei, ob man
hjelm, hjerta, jern, jemn oder hjälm etc. ſchreibe;
gleichförmig ſollte man nur eins oder das andere an-
nehmen, in gedruckten neueren gedichten leſe ich hjerta:
ſmärta, qvällar : fjellar etc. Der accent ruht ohne zwei-
fel auf dem e, hiérta, iérn und i klingt vor, ſo daß
es anlautend freilich entſchiednen jot-laut annimmt;
ob dieſer früherhin auch in fjell, hjelm etc. vorhanden
war, bezweifle ich, mit verweiſung auf oben ſ. 297. 322.
folge indeſſen dem ſchreibegebrauch. Vermuthlich wa-
ren alle je, jä in früherer zeit ja, welches bloß in jâg
(altn. ëk, nicht einmahl iak) fortdauerte; hjarta, hjalm
ſchwächten ſich allmählig in hjerta, hjelm ab; umlaut
ſcheint hierbei außer dem ſpiel. Der entſprung dieſes
ja, je, jä aus altem i, ë iſt wie im altnord. darzulegen,
ereignet ſich mithin 1) und hauptſächlich vor den liqui-
denverbindungen: fjell (mons) hjerne (cerebrum) ſtjerne
(ſidus) djerf (audax) fjerta (pedere) hjelp (auxilium)
mjelte (lien) etc. In einigen bleibt e oder ä, als: ſmärta
(dolor) dvärg (nanus) berg (mons) verpa (ovum ponere).
2) vor l. r. f. d. t. g. k, folglich nach allgemeinem
grundſatz mit unorgan. längerung des e, ä in ê, æ als:
ſjæl (phoca) ſkjæl (ratio) kjær (carus) tjæra (pix) jæmn
(ſt. jæfn aequalis) fjæder (pluma) fjæt (veſtigium) fjæk (ſto-
[550]I. ſchwediſche vocale.
lidus) etc. man dürfte ebenwohl ſkjêl, kjêr, jêmn
ſetzen. — Ausnahmsweiſe begegnet je (jê) dem altn. ió,
namentlich in tjêna (ſervire) altn. þióna, welches tjôna
nach der analogie von hjôn (familiaris) heißen ſollte.
(IO) geſchrieben jo entſpricht ſchwankend dem altn.
ió, iö und y. vgl. hjôn (altn. hión) hjort (altn. hiörtr)
jord (altn. iördh) tjock (altn. þyckr) gjorda (cingere,
altn. gyrda, girda) ſkjorta (induſium, altn. ſkyrta, ſkirta)
zuweilen rückumlaut, als: gjœra (facere) praet. gjorde.
(IOE) geſchrieben jö, parallel dem altn. iö, als mjœl
(far) mjœd (mulſum) mjölk (lac, vgl. oben ſ. 298.) nicht
dem altn. ió, ausg. ſjœ (lacus); in kjœn (genus) dem
altn. kyn.
(IU) geſchr. ju, dem altn. ió gleich; in den meiſten
fällen wird jû anzunehmen ſeyn; beiſpiele: ſjunga (ca-
nere) ſjûda (coquere) ſpjût (cuſpis) ljûs (lux) hjûl (rota)
ſjûk (aeger) etc.
(OE) entw. kurzes ö, oder langes œ, in beiden fäl-
len nachtheiliger zuf. fluß verſchiedner org. laute. Das
ſeltnere kurze ö entſpricht 1) dem altn. ê, hochd, ie in
höll (tenuit) föll (cecidit) högg (caecidit). 2) dem altn.
u in ſtödd (fultus). 3) dem altn. œ in född (genitus)
fötter (pedes). 4) dem altn. y in dörr (janua) törne, ſpina,
þyrnir). 5) dem altn. au in höſt (autumnus). 6) dem
ió in bröſt (pectus) oder haben beide letztere langes œ?
Das häufige œ hingegen 1) dem altn. au in kœpa (emere)
hœk (accipiter) gœt (fudit) bœd (obtulit) dœd (mors)
œga (oculus) bœn (faba) etc. 2) deſſen umlaut ey in
hœra (audire) œra (auris) rœna (experiri) etc. hierher na-
mentlich auch œ (inſula) mœ (virgo) hœ (foenum) dœ
(mori). 3) dem altn. œ (umlaut des ô) in: dœma (ju-
dicare) bœn (votum) hœna (gallina) fœda (gignere) bœte
(mulcta) ſœt (dulcis) etc. In dieſen dreien fällen org.
länge, in den folgenden unorg. längerung der kürze:
4) = altn. ö (umlaut des a) hœr (linum). 5) = altn. y
(umlaut des u) bœlja (unda) fœlja (ſequi) bœrja (inci-
pere) ſœner (filii) fœre (altn. fyrir) bœr (ventus ferens,
altn. bir oder byr). 6) = altn. o in fœr (praep) —
Muthmaßlich unterſchieden ſich im altſchwed. ſo ver-
ſchiedne laute noch durch die ausſprache, heute ſtim-
men ſie völlig zuſammen und den dichtern reimt z. b.
bœner (preces) auf ſœner (filii) ſœm (margo) auf berœm
(laus) ſœt (dulcis) auf ſkœt (jaculatus eſt) da doch altn.
weder bœnir: ſynir, noch mittelh, ſoum: ruom, ſuoƷ:
ſchôƷ paſſen.
(OEI) wird öj, analog dem ej, geſchrieben und ent-
ſpringt auch meiſtens aus ög, œg, als: nœja (contentum
eſſe) bœja (flectere) drœja (tardare) hœja (efferre) ſlœja
(peplum) etc. Statt hœjd (eminentia) frœjd (laetitia)
ſchrieb man früher hœgd, frœgd.
Schlußbem. 1) die ſchwed. ſprache, im gegenſatz
zur bochd. und altn., beſitzt auffallend wenig (aus ver-
ſchiednen voc. zuſammengeſetzte) diphthongen und hat
(gleich der niederd., zumahl niederſächſ.) die früheren
au, ei in dehnlaute (œ, ê) verdichtet; die häufigen je,
jä, jo, jö, ju lauten gleichfalls undiphthongiſch und rei-
men auf ê, æ, ô, û, als: ljûs, ſpjût, jord auf hûs, ût,
ord während das alth. ſpioƷ den ton auf i hat. Die
goth. ſieben längen (ſ. 242.) ſind hier: å, ô, û, ê, œ, î,
jû. Hieraus ergibt ſich eine gewiſſe weichheit, welche
aber durch volltönigkeit der einfachen laute, namentlich
des a und o in flexionen, vermindert wird. 2) der um-
laut iſt vorhanden, doch verworrener, als im altn. Die
flexion i oder e, das früheres i war, wandelt a in e, ä
(man, menniſka; hand, händer) o in ö (törne, ſpina) u
in y (gull, gyllen) ô in œ (ſôn, ſœner) û in ŷ (rûm,
rŷma); dagegen lautet å nicht um und œ vertritt ſowohl
au als deſſen umlaut ey. Der durch u erregte umlaut
des a in ö (ſ. 300.) iſt abgeſtorben, ſt allr, öll, öllu gilt
aller, all, allo; ſt. hönd, handar, ſaga, ſögur gilt hand,
hands, ſaga, ſagor. Spurweiſe hat er ſich gleichwohl
des worts bemächtigt und läßt dann keinen rückuml.
zu, vgl. hœr (linum) namentlich viele ſchwed. jö, jœ,
als björn, björns mit dem altn. biörn, biarnar. Aus
hiörtr (cervus) gen. hiartar, pl. hirtir wurde hjort, hjorts,
hjortar; aus ſkiöldr, ſkialdar, ſkildir (clypeus) aber mit
umlautsform ſkjöld, ſkjölds, ſkjölder; aus hiarta, hiörtu
(cor) mit rückumlautsform hjarta (abgeſchwächt hjerta,
hjärta). Dreierlei wege ſtatt des einen organiſchen. —
3) aſſimilation, anlehnung und ſyncope erfordern noch
näheres ſtudium. Ich erwähne hier bloß einer auffallen-
den, im ſchwed. und dän. durchgedrungenen aphäreſe,
nämlich die häufige praep. på entſpringt aus dem altn.
uppâ (d. h. upp-â) ſchwed. uppå, iſt folglich das alth.
ûfan (ûf-an).
Allgemein: 1) wie im altn. beſteht media in den
auslauten. 2) daher auch geminata, als: fall (caſus)
[552]I. ſchwediſche conſonanten. liquidae.
narr (ſtultus) lapp (cento) natt (nox) udd (cuſpis) viſſ
(certus) bock (hircus) ägg (ovum); bloß m und n gelten
für mm, nn, z. b. fem (quinque) ram (unguis) ſam
(unâ) kan (poteſt) man (vir) da doch femm, ramm,
ſamm, kann, mann geſprochen wird. In einigen wör-
tern ſteht auch nn geſchrieben, z. b. brunn (puteus)
vielleicht zur unterſcheidung von brûn (fuſcus). 3) un-
org. gemination, dadurch oft kürzung langer vocale hat
noch mehr als im neuh. zugenommen, vgl. rum, rum-
met, (locus) rem, remmar (lorum) himmel (coelum)
ſamman (con-) mit dem altn. rûm, rûmit, himinn, ſa-
man etc. Heute ſchreibt man ſogar lopp (curſus) ſkepp
(navis) ſkumma (ſpumare) vattn (aqua) etc. wo vor hun-
dert jahren noch ſkep, ſkuma, vatn, vermuthlich aber
mit geſprochnem kurzem voc. geſchrieben wurde. Man
halte till (praep.) brott (culpa) dömma (judicare)
komma (venire) vänner (amici) blomma (flos) lott (ſors)
ſvett (ſudor) tecken (ſignum) zum altn. til, dœma, brot,
koma, vinir, blômi, hlutr, ſveiti, teikn. Das tt in
kortt (brevis) ſoll den kurzen voc. anzeigen, während
es in ſitt, lett etc. organ. grund hatte; Botin ſchreibt
dafür korrt, findet aber mit recht keine nachahmer;
beßer wäre kort, dagegen ſtôrt (magnum) zum ausdruck
der wirklichen länge.
Die anlaute l. n. r. bezeichnen auch das altn. hl.
hn. hr; dagegen dauert hv und vr wie im ſächſ. und
goth. (altn. r) nicht aber vl. ſondern l. — Das in- und
ausl. n fällt, wie im altn. (ſ. 305.) weg, auch die r und
ſ. verhalten ſich ebenſo: bêr (bacca) hâre (lepus) vâra
(eſſe) oſſ (nobis) vår (noſter) gn bekommt die naſale aus-
ſprache ngn, als hägn (ſepes) rägn (pluvia) vagn (currus) etc.
lauten hängn, vangn (vgl. oben ſ. 259.). — Wechſel zwi-
ſchen ll und ld, vgl. hylla (ſpondere fidem) gyllen (aureus)
hålla (tenere) fålla (plicare) fällan (raro) kall (frigidus) qvell
(veſper) villa (error) aber vild (furens) huld (fides) guld
(aurum) båld (fortis) etc.; desgl. zwiſchen nn und nd,
als: ſanner (verus) ſinne (mens) ſunnan (meridies) aber
kind (maxilla.) tand (dens) etc.; zwiſchen rr und rn:
fjerre (procul) ſtjerna (ſtella); zwiſchen mm und mb,
ſtatt lam, kam, humla (ſprich lamm, kamm, hummla)
gammel, nemlig (videlicet, ſpr. nemmlig) wurde voriges
jahrh. noch oft lamb, kamb, humbla, gambel, nemblig
geſchrieben; mp wechſelt nicht mit mm: ſvamp (fun-
gus) kamp (pugna) ſtamp (tudes) hamp (altn. hanpr). —
[553]I. ſchwediſche conſonanten. labiales.
Allgemein mn ſtatt des altn. ſn. in: hamn (portus) famn
(amplexus) namn (nomen) hämn (vindicta) jemn (ae-
quus) emne (materies) remna (hiſcere) ſtemna (concio)
ſömn (ſomnus); altſchwed. mpn: hampn, empne, ſtempna;
— mſt in komſt (adventus) und blomſter (flos) womit
das angelſ. blôſma, blôſtma, engl. bloſſom zu verglei-
chen. — Aſſimiliertes ll in frilla (pellex) bröllop (nuptiae)
ſt. fridla, brûdlop etc.
Wenig vom altn. abweichend. Der auslaut f wird
inlautend, wenn vocal darauf folgt, zu fv, alſo 1) zwi-
ſchen zwei vocalen: hâfva (habere) ſtâf, ſtâfvelſe (ſyl-
laba) âfvel (ſoboles) lêfva (vivere) grêfve (comes) væfva
(texere) œfva (exercere) gîfva (dare) drîfva (trudere)
rœfva (rapere) hûfvud (caput) djäfvul (diabolus) ſjelf,
ſjelfven (ipſe) etc. 2) zwiſchen liq. und voc. ſkelfva
(tremere) helfvete (orcus) verfva (expedire) ſperf, ſperf-
ven (paſſer) ulf, ulfven (lupus) etc. Ohne zweifel mil-
derung des härteren auslauts f, dieſes fv. alſo dem fächſ.
bh und alth. v zu vergleichen. Mit unrecht ſcheint
aber heute auch dem auslaut mildere labialis eigen,
wenigſtens will Botin p. 27. af, gaf, ſparf wie av, gav,
ſparv leſen, alsdann würde man ohne abwechſelung in-
lautend hâfa, ſkelfa ſetzen können. — Die ſpirans v.
wurde bisher unnöthig durch das hochd. w. bezeichnet
und noch heutzutage bedient man ſich dieſes w. für
den druck mit deutſchen lettern, ſeit der zunehmenden
einführung lateiniſcher hingegen richtiger des einfachen
v; die hochd. niederl. und engl. mundart bedürfen das
doppelte w, weil ſie ein davon verſchiednes v beſitzen. —
Das im altn. inlaut vortretende v (oben ſ. 312.) mangelt
faſt gänzlich, ſpurweiſe ſteckt es in dem auslautenden f
ſparf oder ſperf (paſſer, altn. ſpörr, ſpörvar). — pp und
bb ſind beide häufig und organiſch; ff iſt ſelten und un-
org. in wörtern, die man aus dem hochd. entlehnte,
z. b. träffa (attingere) ſtraffa (punire) offer (ſacrificium)
ſkaffa (curare); deren einige die ſprache ſelbſt in org.
geſtalt beſaß, nur mit andrer bedeutung, namentlich
dräpa (ferire) ſkapa (creare) und das hochd. ſtrâfen würde
ein ſchwed. ſtråpa fordern. Die fehlerhafte ſchreibung
fft ſtatt ft (gifft, lufft) meidet man jetzo. — Zur ver-
gleichung mit ſ. 216. 250. 276. hier die wichtigſten an-
laute vr: vrak (ejecta maris) vrå (angulus) vrål (ulula-
tus) vrång (perverſus) vræka (ejicere) vrêd (iratus)
vrengja (pervertere) vrenſk (equus admiſſ.) vrêt (ſeptum)
[554]I. ſchwediſche conſonanten. linguales.
vrîda (torquere). — Statt des altn. pt. allenthalben ft;
ſtatt fn aber mn; fs in refſa (ſarrire).
Nachtheilig verſchwindet die aſp. und zwar 1) das
anlautende altn. þ wird zur ten. folglich begegnen ſich
z. b. tunga (lingua) und tung (gravis) altn. tûnga, þûngr;
til, till (praep.) und tîlja (aſſer) altn. til, þilja etc. Hier-
nach entſpricht das anlautende ſchwed. t. bald dem
hochd. d (ting, cauſa; tiſtel, carduus; tjêna, ſervire)
bald dem z (tand, dens; tôm, vacuus; twiſt, lis). 2)
in pronom. und partikelformen hatte ſich das org. th.
länger bewahrt, noch im vorigen jahrh. ſchrieb man
häufig: then (ille) thit (illuc) thå (ibi) thŷ (eo, enim)
thû (tu); heutzutage aber gleichfalls tŷ f. thŷ und in
den übrigen die med. als: den, dit, då, dû, dig, detta,
dêra. 3) das in- und ausl. altn. dh iſt durchgängig zur
med. geworden, als: êd (ſacramentum) jord (terra) gôd
(bonus) vâda (tranſire) etc. — Die altn. ten. und med.
bleiben auch im ſchwed. an-in- auslautend, als: tâm
(manſuetus) låta (ſinere) dâg (dies) blind (coecus) ålder
(aetas) etc. Ebenſo unverändert beſteht die ſpirans ſ,
außer den gewöhnlichen folgende beiſpiele: bâſa (ver-
berare) brâſa (ſtrues ignis) dâſa (libidinari) dvâs (ſtupor)
fâſa (horrere) hâs (ſuffrago) mâs (parcus) mâſa (indul-
gere ſibi) râſa (furere) vâſa (merges ſegetis) ås (trabs)
blåſa (flare) fråſa (ſtridere) gås (anſer) Iås (ſera) mås
(mergus) næſe (naſus) næs (iſthmus) hvæſa (ſibilare) ſnæſa
(increpare) glês (rarus) rêſe (gigas) glîſa (ridere) lîſa (le-
vare) rîs (virga) vîſna (marceſcere) nôs (nares) rôſa (lau-
dare) ôs (foetor) œſa (haurire) dœs (acervus) gœs (go-
bis) brûſa (aeſtuare) bûſe (ſpectrum) dûs (ſtrepitus) hŷſa
(domo recipere) rŷſa (horrere) ljus (lux) kjuſa (faſcinare)
u. a. m. Dieſe ſpirans erſcheint häufig in ableitenden
bildungen der nomina und verba, z. b. gumſe (aries)
rœkelſe (thus) gamſa (laſcivire) gramſa (rapere) rênſa
(purgare) hêlſa (ſalutare) etc. wo kein org. verbundenes
ms, ſondern contraction vorliegt (vgl. ſ. 308.) aus gu-
miſe, gum’ſe; namentlich gehört hierher die eigene adj.
form auf -ſe, als: ênſe (concors) dôgſe (utilis) harmſe
(iratus) ſorgſe (triſtis) ångſe (anxius) gängſe (currens) varſe
(certior factus) etc. — z wird heute nirgends geſchrie-
ben und auch in der paſſiven form mit ſ. ausgedrückt.
Im vorigen jahrh. war tz für ts in den genitiven hjer-
tatz etc. bräuchlich; jetzt gilt nur das beßere hjertats. —
[555]I. ſchwediſche conſonanten. linguales. guttur.
Geminiertes tt 1) = altn. tt in ſkatt, hatt, hitta etc.
2) tt für ht in natt, rätt, lett, tett (ſpiſſus, hochd. dicht) etc.
3) tt für nt in mitt, ditt, ſitt, ett etc. dagegen bleibt
vinter (hiems) mantel (pallium). In den part. praet.
ſteht gâlet f. gâlent (oben ſ. 307. 318.) ebenſo lîtet, trô-
get etc. vgl. Botin p. 111. 4) unorg. tt für t in den
neutris blått, hått, nŷtt (vgl. ſ. 319.). 5) unorg. für t
in bitter (amarus) — dd und ſſ wie im altn.; letzteres
nicht (wie in vielen drucken des 17. 18. jahrh.) mit
hochd. ß zu ſchreiben. — Die verbindungen ſind ſp. ſt.
ſk; beiſpiele: raſp (lima) leſp (blaeſus) geſpa (oſcitare)
wiſp (peniculus) riſpa (rumpere) braſk (pompa) daſka
(verberare) laſka (congeries) leſka (extinguere) beſk (ama-
rus) ſiſka (carduelis, hochd. zeiſig) bruſk (cartilago) äſka
(poſcere) etc. Nicht dies in-, aber das anlautende ſk
iſt vor den weichen vocalen wie ein hochd. ſch zu
ſprechen, z. b. ſkîlja, ſkynda, ſkæl, ſkên lies ſchîlja,
ſchynda, ſchæl, ſchên; vor den harten voc. lautet es
natürlich. Beide laute wechſeln oft in demſelben wort,
z. b. ſkarp und ſkärpa lies ſkarp, ſchärpa. dt im neutr.
der adj. auf d häufig, z. b. gôdt, blîdt, ſändt (miſſum)
ondt (malum), ſteht für gôd’t, blìd’t etc., iſt alſo keine
wahre verbindung und wie bloßes t auszuſprechen.
In dieſer lautreihe iſt verſchiednes eigenthümliche
für die ausſprache und miſchung der ſtufen zu merken.
1) die anlautende ten. iſt unrein vor e, i, y. ä, ö, ê, î, ŷ,
æ, œ, jä, je, jo, ju; wie ſie aber eigentlich laute, un-
ſicher, da die grammatiker abweichende auskunft geben.
Botin p. 28. 44. 55. nimmt tj an und will die geſchrie-
benen kêk (maxilla) kîl (cuneus) kyſſ (oſculum) kær
(carus) kœn (genus) wie tjêk, tjîl, tjyſſ, tjær, tjœn aus-
geſprochen wißen; bloßes t hingegen vor den diphth.
jä, je, jo, ju, als: kjortel (tunica) kjuſa (incantare) lies:
tjortel, tjuſa. Raſk (angelſ. ſpr. p. 8.) behauptet die här-
tere ausſprache tſch, lieſt alſo tſchêk, tſchîl etc. wel-
ches ganz zu dem engl. auch in die ſchrift übergegan-
genen ch ſtatt k ſtimmte *). In ſchwed. büchern wech-
ſelt die ſchreibung kæder, kjæder, tjæder (tetrao gallus
[556]I. ſchwediſche conſonanten. gutturales.
ſilv.) und hier ſcheint nach dem iſl. þidr (lagopus mas
bei Biörn) letzteres richtig, beweiſt aber die gleichheit
der laute kæ und tjæ. Zufolge dieſer ſchwed. regel ha-
ben wurzel und ableitung deſſelben worts bald kehl-,
bald zungenausſprache, z. b. kam (pecten) kämma (pectere)
kâr (vas) kæril (vaſculum) lies: kamm, tjämma; kâr,
tjæril. — 2) in- und auslautend behält k immer reinen
laut, z. b. in hâke (uncus) ſtocken (truncus), obgleich
landſchaftlich ebenfalls hâtje, ſtoctjen geſprochen wird
(Botin p. 21.) — 3) die in- und ausl. ten. hat ſich je-
doch in verſchiedenen ſehr gangbaren wörtern in med.
verweicht, dahin die pron. jag, mig, dig, ſig, någon (altn.
ëk, mik, þik, ſik, nockr) die adj. bildungen -lig (auch
iſländ. ſchon -ligr, ſt. -lîkr, Raſk §. 371.) pîga (virgo,
altn. pîka) und das verb. tâga (altn. taka). Andere, org.
völlig gleiche, behalten k, als: ſâk, ſâker; bâk (pone,
poſt) bôk (liber) ſœka (quaerere) etc. (vgl. unten die ver-
bind. gt.) Im altſchwed. galt noch jak, mik, ſik etc. —
4) vor denſelben weichen vocalen, die das anl. k in tj
wandeln, iſt nun auch das anl. g wie j auszuſprechen
(nicht gj, wie das altn. in gleichem fall, oben ſ. 321.)
man leſe alſo gênom (per) gill (vegetus) gêt (capra)
gälla (ſonare) gœk (cuculus) jênom, jill, jêt, jälla, jœk.
Vor je, jä, jo, ju wird g gar nicht gehört, z. b. gjärn,
gjœra, gjuta ſprich: järn, jœra, juta, daher in ſolchen
wörtern die ſchreibung ſchwankt, weil man j ſetzen
oder weglaßen kann, ohne die ausſprache zu ändern,
als: gjœra oder gœra, gœk oder gjœk. Vor den harten voc.
behält g ſeinen natürlichen laut und wie beim k wech-
ſeln beide laute in den nämlichen wörtern, z. b. gîfva,
gâf; guld, gyllen, lies: jîfva, gâf; guld, jyllen. — 5) in-
und ausl. behält g den laut der reinen med., z. b. in
dâ, dâgen (nicht dâj, dâjen) pîga (virgo) hêlig (ſanctus);
doch mit einigen ausnahmen α) nach r und l lautet es
wiederum j, als belg (follis) berg (mons) helge (ſanctus)
lies: belj, berj, helje, vgl. die praet. ſkîljde, fœljde von
ſkîlja, fœlja etc. β) im neutr. der adj. auf -lig wie k
(Botin p. 28. 43.) alſo hêligt, rôligt l. hêlikt; nicht aber
in adj. mit wurzelhaftem g z. b. ſlûgt (callidum) wo es
rein auszuſprechen. — 6) ch findet ſich (außer chriſten,
chriſtall) heutzutage nur in den partikeln ach und och,
welche man gleichwohl ack, ock ausſpricht und ſo
ſchreiben ſollte; unterſchied zwiſchen och (et) und ock,
ockſå (etiam) iſt eingebildet und unorganiſch. ôk (ju-
gum) ſcheidet ſich aber durch ſeine nunmehrige länge.
[557]I. ſchwediſche conſonanten. gutturales.
Urſprünglich war dies verhältnis gerade umgekehrt,
nämlich altn. ok (jugum) kurz, ôk aber lang (= auk),
freilich ohne ton und darum ok geſchrieben, vgl. das
mittelh. joch und ouch. — Früherhin pflegte man ſt.
der verbind. kt häufig cht zu ſetzen, als fruchta (timere)
dichta (concinnare) etc.; heute frukta, dikta. — 7) j iſt
in der ſchwed. ſchreibung ſehr beliebt α) org. anlaut in
jâ (imo) jâga (venari) β) an- und inlautend in ja, je,
jo, jä, jö, ju, die durch entſchieden conſonantiſche aus-
ſprache des j und betonung des folgenden a, e, o, ä, ö, u
eigentlich aufhören diphthongen zu ſeyn. Daher auch,
wie ſchon bemerkt, jord, ljûf genau: ord, ûf (bubo)
reimen. In tieftonigen und tonloſen ſilben ſchwindet j
zuweilen in ausſprache und ſchreibung z. b. männiſka
(homo) früher männiſkja, menniſkja. γ) ſelbſt auslautend
nach vocal, oder in- und ausl. zwiſchen zwein conſo-
nanten wird j geſchrieben, der allgemeinen anſicht von
der natur dieſes conſ. zuwider, als: nej (non) fœlj,
fœljde imp. und praet. von ſœlja (ſequi); g nach l, r
lautet wie j. δ) nach anlautendem ſ hat j die ausſprache
des franzöſ. j, mit andern worten der anlaut ſj die des
hochd. ſch, als: ſjette, ſjû, ſjæl lies: ſchette, ſchû,
ſchæl. — 8) die ſpirans h braucht der Schwede (ſeit
das falſche dehnzeichen h abgeſchafft iſt) lediglich an-
lautend und ſpricht ſie vor den halbvocalen j, v gar
nicht aus, ſo daß hvaſſ (acutus) hvête (triticum) hjerta,
hjelm:vaſſ, vête, jerta, jelm lauten; in allen übrigen
fällen klingt h wie das hochd. Ohne zweifel war im
altſchwed. das h noch vor j und v lautbar. — 9) die
gem. kk wird ck geſchrieben, beides ck und gg kom-
men vor und behalten ganz ihre natürliche ausſprache
(weil die abweichende des k und g vor weichem vocal
nur anlautend gilt). — 10) man ſchreibt qv, nicht kv;
x wie im altn., z. b. ſax, lax, vax etc.; einigemahl er-
ſcheint ſſ in böſſa (pyxis) welches aus dem niederd. ent-
lehnt ſcheint. 11) tadelhafte unſicherheit in ſchreibung
der verbindungen gt, kt. Dem mittelh. ht ſollte aller-
wärts tt entſprechen, ich finde aber neben natt (nox)
åtta (octo) ätt (genus) rett (jus) lett (levis) etc. makt
(potentia) akta (aeſtimare) dikta (dictare) und ſchwan-
kend geſchrieben magt, agta digta, ſo wie rigtig (rectus)
ſagte (leniter) ägtenſkap (conjugium) bragte (attulit)
vigt (pondus) etc. Ähnliche fehler im iſländ. (Raſk
p. 294.) Im neutr. der adj. auf g iſt dagegen gt voll-
kommen richtig.
Schlußbemerkungen. 1) die ſchwed. ausſprache
vermengt viele, in der ſchrift noch geſchiedene wörter,
namentlich die anlaute ſk. ſj; gjo. hjo. jo; kä, tjä etc.;
ſo ſind ſjæl (anima) ſkæl (ratio); gjord (cingulum) hjord
(grex) jord (terra); kæra (carus) tjæra (pix) für das ohr
ununterſcheidbar; desgleichen blott (nudus) blått (coeru-
leum) etc. 2) inclination ſcheint ſelten.
Im allgemeinen das ſchwed. verhältnis, dieſelbe ver-
längerung organiſcher kürzen, dasſelbe vorſchreiten un-
org. conſ. gemination (die jedoch auslautend ungeſchrie-
ben bleibt) und dadurch verderben urſprünglicher län-
gen. Ebenſo wie im ſchwed. unterſcheidet ſich aber
der laut des org. langen a (altn. â) von dem unorg. ver-
längerten, weshalb der neuh. reim jâren:fâren (jahren,
fahren) im dän. gleichfalls unzuläßig wäre, weil aar
(annus) von fâre (ire) ganz verſchieden lautet. Bei den
andern vocalen hingegen ſtimmt die organ. zur unor-
ganiſchen länge, z. b. blîve (manere) reimt auf gîve
(dare) ſîde (latus): vîde (ſcire) und letzteres lautet gleich
mit vîde (dilatare); urſprünglich hatten vide, give kur-
zes i. Organiſche länge pflegt die ſchreibung noch durch
äußere doppelung auszudrücken, allein ſchwankend, in-
dem ſie 1) aa überall ſetzt, das wort mag einſilbig oder
durch zutreteude flexion mehrſilbig ſeyn, als: aar (annus)
aaret (das jahr) maal (modus) maale (metiri) 2) ee, ii,
oo, uu nur im einſilbigen fall, einfachen vocal, ſobald
flexionsſilben anwachſen, als: eeg, pl. ege (quercus)
viin, vinet (vinum) huus, huſet (domus), was en die
mittelniederl. weiſe (ſ. 484.) mahnt, aber verwerflich
ſcheint, weil in der that keine verkürzung ſtatt findet,
vielmehr ege, huſe, blive etc. klingend reimen. — Ich
werde die bezeichnung ee, ii, oo, uu mit meiner ge-
wöhnlichen ê, î, ô, û vertauſchen, dieſe jedoch ein-
und mehrſilbig gebrauchen, alſo êg, êge; vîn, vînet etc.
ſchreiben. Hingegen aa muß ich beibehalten, weil es
im laut von dem unorg. â abweicht; vielleicht hätte ich
dafür das ſchwed. å ſetzen ſollen, dem es gänzlich ent-
ſpricht. — Bloch hat in ſeiner danſk ſproglære die vo-
cale genau, meines bedünkens, durch verwirrung des
tons mit dem laut, allzu ſpitzfündig abgehandelt.
(A) in: tal, tallet (numerus) tak, takken (gratia)
tand (dens) vand (aqua) fand (diabolus) etc. vor einigen
liq. verbind. in aa oder o übertretend, allein ſchwan-
kend und anders, als im ſchwed. Vor ld ſteht: holde
(tenere) folde (plicare) vold (poteſtas) kold (frigidus);
aber falde (cadere) galde (bilis) kalde (vocare) alder
(aetas); vor nd: aand (ſpiritus) vaand (periculum) baand
(vinculum) haand (manus); aber ſand (arena) band (ban-
num) ſand (verus) tand (dens); vor ng ſtets kurzes a
als: ſang (cantus) gang (iter) fang (captura) mange (plu-
res); vor rd: haard (durus) kaarde (enſis) gaard (aula).
Man vgl. das ſchwed. Wo ld, nd dem altn. ll, nn ent-
ſpricht, bleibt a, wo ſie auch altn. ld. nd. lauten, än-
dert es ſich meiſtentheils, nicht immer, z. b. in land
nicht.
(E) häufig, theils urſprüngliches e, theils ë; bei-
ſpiele:ende (finis) vende (vertere) emmer (cinis candens)
ven, venner (amicus) ſtemme (vox) nenne (audere) lem,
lemmer (membrum) glemme (obliviſci) let (levis) etc.
Bloch p. 19. unterſcheidet ein gröber und feinerlautendes
e, beide ſeyen kurz, jenes dem ä, dieſes dem i näher,
jenes z. b. in ven (amicus), dieſes in led (articulus).
Da im altn. vinr und lidr gleichlauten, ſo vermag ich
dieſe verſchiedenheit hiſtoriſch nicht zu faßen, noch die
wörter anzugeben, welche der einen oder andern aus-
ſprache zufallen. In led ſcheint mir der Däne eher
zwiſchen länge und kürze zu ſchwanken, ich finde lê-
devand und leddevand (gliedwaßer); dem Schweden iſt
ven, venner (= vän, vänner) kurz, lêd aber lang.
Wenn Bloch den feinern laut im artikel en, et an-
nimmt, ſo bezweifle ich zwar nicht die verſchiedenheit
dieſer e von denen in ven, let (levis), erkläre ſie aber
aus der unbetonung; en, et iſt das tonlos gewordene
zahlwort èn, êt. Übrigens wechſelt die ſchreibung e
und ä in manchen wörtern, wie im ſchwed. z. b. dverg
oder dvärg (nanus) nur daß dem Dänen das e, dem
Schweden das ä beliebter iſt. Zuweilen wechſelt auch
je mit e, als: bjerg (mons) neben dverg (ſchwed. berg,
bärg).
(I) nähert ſich in der ausſprache dem e, in welches
es oft übergetreten iſt (z. b. ven, lem, led; altn. vinr.
limr, lidr). Beiſpiele: ting (res) finde (invenire) vis
(certus) ſlikke (lambere) etc.; warum es nach Bloch
p. 21. in kikkert (fernrohr) anders lauten ſoll, ſehe ich
nicht ab.
(O) beiſpiele: folk (gens) borg (arx) komme (venire)
kobber (cuprum) etc. Tadelnswerthe miſchungen mit
dem urſprünglich langen aa, nämlich 1) o für aa vor ld,
als: folde, holde, kold ſt. des richtigeren faalde, haalde,
kaald. 2) aa für o, als: taarn (turris).
(U) nähert ſich dem o (wie i dem e) als: grund
(ſolum) kunſt (ars) guld (aurum) knurre (murmurare)
ulv (lupus). Warum (nach Bloch p. 23. vgl. 281. 282.)
das u in ſlutte (claudere) ſtund (hora) u-mäßiger, d. h.
vom o weiter abliegend ſeyn ſolle, begreife ich wieder
nicht, ohne zweifel reimt auch allen dichtern grund
auf ſtund.
(Y) umlaut des u, als: gylden (aureus) ynde (favor)
yngre (junior) zuweilen unorg. für u, in kys (baſium)
ſynd (peccatum). Schwankt nach ausſprache und ſchrei-
bung in kurzes ö, vgl. dör (oſtium) mit dem altn. dyr;
man ſchreibt ſtytte und ſtötte (fulcrum). Dies erklärt
ſich aus dem ſchweben des unumlautenden u und o.
(AA) zwei ganz verſchiedene arten. 1) organiſche
länge, dem altn. â parallel, auszuſprechen aber wie das
ſchwed. å, folglich zwiſchen a und o, beinahe ô; die-
ſen däniſchen laut ſchreibe ich beſtändig aa. Beiſpiele:
haar (crinis) aar (annus) raade (regere) naade (favor) etc.
Er vertritt α) kurzes a vor nd, rd.; klingt dieſes aa nach
Bloch p. 279. in der heutigen ausſprache ganz wie kur-
zes o; ſo ſollte man auch hond, hord ſchreiben. β) ô,
und theils org. langes (haane, deridere; daab, baptiſmus);
theils org. kurzes (taale, tolerare; aaben, apertus) oft
ſchwankend, bald kaage, bald kôge (coquere) ſprôg (lin-
gua) f. ſpraag. — 2) unorg. verlängerung des a, die in der
dän. ſchreibung ganz unausgedrückt bleibt; lautet wie
hochd. â, nicht wie das vorhergehende aa; ich bezeichne
ſie mit â. Beiſpiele: tâle (loqui) gâde (via) fàre (ire) etc.
(EE) 1) organiſche länge in ên (unus) bèn (os) mêne
(putare) vêd (ſcio) êg (quercus) êgen (proprius) etc.
2) unorganiſche in trêdje (tertius) nêden (infra) êder
(vobis).
(II) 1) org. in vîs (ſapiens) vîſe (modulus) blìve (ma-
nere) etc. 2) unorg. in vîde (ſcire) gìve (dare) etc.
Beide in der ausſprache eins, gîve reimt auf blîve (neuh.
gêben, bleiben).
(OO) 1) org. für altn. ô in bôg (liber) dôm (judi-
cium) gôd (bonus) môder (mater), zuweilen in die
ſchreibung oe (nicht œ) ſchwankend, als foed (pes)
moere (gaudium afferre) hoer (adulterium) vgl. Bloch
[651[561]]I. däniſche vocale.
pag. 280. 2) unorg. in kône (mulier) ſôve (dormire) etc.
3) zuweilen für aa geſchrieben, als: vôve (audere).
(UU) 1) org. in mûs (mus) brûn (fuſcus) brûge
(uti etc. 2) unorg. in hû (mens).
(YY) ſtets org. lang, aber bald dem altn. ŷ, bald
iú parailel, z. b. ſŷv (ſeptem) ſŷg (aeger) nŷde (frui)
dŷr (animal) lŷs (lumen) etc.
(AE) doppelter art 1) kurzes ä, ſtatt des kurzen e;
beiſpiele: läs (onus) läſſe (onerare) lärred (linum) välge
(eligere) vägge (parietes) väkke (excitare) etc. 2) lan-
ges æ, und zwar theils organiſch, z. b. in lære (docere)
klæde (veſtis) etc. theils (und weit häufiger) unorg. ver-
längerung des altnord. e und ë, vgl. glæde (laetum red-
dere) væve (texere) ræv (vulpes) bære (portare) hæle (ce-
lare) etc. — Schwanken zwiſchen ä und e, zwiſchen
æ und ê kann nicht befremden; in der regel wird der
gefühlte umlaut durch ä, æ, der ungefühlte durch e aus-
gedrückt, doch mit vielen inconſequenzen.
(AI) außer einigen fremden wörtern, wie mai etc.
nur vorhanden in vaie (efHare).
(AU) gleichfalls kein eigentlicher diphth. daher dem
altn. au (das zu œ geworden iſt) unvergleichbar, viel-
mehr meiſtentheils aus aufgelöſtem v (ſtatt g) entſprin-
gend. So ſteht faur (pulcher) für favr und dies für fâ-
ger; gnauſling (avarus) f. gnavſling von gnâve (ſchwed.
gnâga, rodere); laurbær (laurus, ſchwed. lâgerbær); taus
(taciturnus) würde früher tâves, ſchwed. tâgſe lauten
und hört zum altn. þegja (tacere); aus ſâv (ſerra, ſchwed.
ſåg) bildete ſich ſau und mit wiedervortauchendem g
ſaug, ebenſo verhält ſich laug (convivium) hauge (hor-
tus, pratum) zum ſchwed. lâg, hâge. Verſchiedene an-
dere ſind mir dunkel, die interj. au! bau! und das da-
von geleitete forbauſe (metu percelli); noch andere ſchei-
nen germaniſmen, z. b. pauke, pauſe, ſmaus (ſchmaus)
traurig; ſtaut (ſuperbus) neben dem üblicheren ſtolt er-
innert ans niederl.
(EI) weit häufiger als das vorſtehende au, aber (wie
dieſes aus av) aus ej zu deuten, folglich dem altn. (zu
ê gewordnen) ei höchſt unähulich. Über die ſchreibung
ei oder ej müſte man etwas feſtſetzen. Einmahl wäre
obigem au ei und nicht ej analog, oder auch âv und
grammatiſch êj zu ſchreihen. Erlaubt man ſich (nach
ſchwed. weiſe) ein auslautendes ej, als nej (non) vej
(via) ſo zieht dies auch inlautendes j. bei folgendem
conſ. nach ſich, z. b. ſpejl (ſpeculum) dejiig (formoſus)
N n
[562]I. däniſche vocale.
ſejl (velum) ſejr (victoria). Strengtheoretiſch hingegen
dürfte j nur inlautend zwiſchen zwei voc. ſtehen, aus-
lautend und bei anſtoßenden conſ. zu i werden, alſo
z. b. veje (vias) eje (poſſidere) ſejer (victoria) oder noch
beßer vêje, êje, ſêjer; aber: vei (via) nei (non) ſeir
(victoria); vgl. unten g und j. Verwerflich ſind die
ſchreibungen ey, vey etc. — Ausnahmsweiſe zeigt ſich
das wahrhaft diphthongiſche (nicht aus ej ſtammende)
ei, z. b. in reiſe (iter) reiſe (erigere) feig (moribundus) etc.
wo der Schwede conſequenter: rêſa, fêg; ſichtlicher ger-
maniſmus in meiſel (ſcalper, hochd. meißel, altn. meitill).
(IA. IE. IO. IAE. IOE.) ſind nach dem zu beurthei-
len, was ſ. 549. beim ſchwed. geſagt worden. Neuere
grammatiker halten die ſchreibung ja, je, jo, jä, jö
für beßer als das altdän. ia, ie, io, iä, iö, wovon ich
mich ſo wenig, als beim altn. überzeugen kann. Frei-
lich iſt zwiſchen dem dän. je und ie (in jêſus, tiene)
kein ſolcher unterſchied, wie zwiſchen dem hochd. je
und ie (jêſus, dienen); vielmehr das dän. ie beſtändig
ié, das hochd. beſtändig íe, ſo daß dän. tiene, tjene =
tjêne auf mêne (arbitrari) reimt, das hochd. dienen aber
auf bienen (apibus) ihnen (eis). Diphthongiſch bleiben
immer beide, gleichviel ob der unbetonte voc. vor -
oder nachſchlägt, und ſchreibungen, wie mjœd, ſjelden
widerſprechen der conſonantiſchen natur des j. Will
man mittelſt der ſchreibung j ſolche wörter von den
mehrſilbigen (undiphthongiſchen) i-e unterſcheiden,
z. b. ſtjerne (ſtella, zweiſilb.) von ſti-erne (calles, dreiſ.)
bjerg (mons, einſilb.) von bi-er (apes oder exſpectat,
zweiſ.), ſo wäre dies mit der accentuation ſtierne und
ſtîerne eben ſo deutlich ausgerichtet. Indeſſen behalte
ich die neue orthographie je etc. bei. Die dän. je, jä
entſprechen den ſchwed., doch ſo, daß im dän. je, im
ſchwed. jä häufiger iſt; manche wörter ſchwanken, z. b.
hjelpe und hjälpe; jo, jö begegnen ſich gleichfalls in
beiden mundarten. Zuweilen gilt einf. vocal in der ei-
nen, je in der andern, vgl. das dän. bjerg mit dem
ſchw. berg, hingegen das dän. milt (ſplen) melk oder
mälk (lac) mit dem ſchw. mjelte, mjölk. Das ſchwed.
ju beſitzt die dän. ſprache gar nicht; ſie hat es in ŷ ver-
dichtet, vgl. tŷv (fur) frŷſe (algere) ſchwed. tjuf, frjuſa
(zuweilen auch frŷſa). — Zwiſchen anlautendes k und
g bei folgendem weichem voc. hat ſich gern ein unorg.
j eingedrängt, z. b. gjennem (per) kjende (noſcere)
ſchw. gênom, kenna (känna).
(OE) mit einem durchſtrichenen o (Ø) ausgedrückt,
welche unbequeme geſtalt man längſt hätte aufgeben ſol-
len; α) kurzes ö in ſön. ſönne (filius) öxe (ſecuris)
börn (liberi) fölge (ſequi) dölge (dolere) ſölv (argentum)
önſke (cupere) folglich dem altn. o, ö, y und i entſpre-
chend β) langes œ und zwar 1) für das altn. au, als:
ſtœde (tundere) brœd (fregit) œje (oculus) lœs (ſolu-
tus) etc. 2) für deſſen umlaut ey. als: mœ (virgo) œ
(inſula) œre (auris). 3) für altn. œ, als: hœne (gallina)
bœn (preces) fœle (ſentire) fœre (ducere). — γ) langes
oe (weder zu ſchreiben noch zu ſprechen œ, ſondern
unzuſammengezogen óe) erinnert an das hochd. uo, u[e]
und ſchwankt in das gewöhnl. ô, als fôd und foed (pes,
pl. födder) hôr and hoer (fornicatio) ganz verſchieden
von fœd (natus) hœre (audire); entſpringt häufig aus
ſyncopiertem d, g, als moer (mater) foer (pabulum) ſt.
môder. fôder, daher auch lieber môer, fôer zu ſchreiben.
(OEI) iſt œj, alſo dem ej analog; beiſpiel: œje (ocu-
lus) bœje (flectere) etc.
(OU) aus ov (= og) ſtammend, wie au aus av,
übrigens ſelten: boug (armus) ploug (aratrum) tong (fu-
nis) neben bov, plov, tov, vgl. oben beim au die form
aug und Bloch p. 284. —
Schlußbem. 1) da ei, au, ou zufällig und ſpä-
terhin aus eg, av, ov entſpringen, ſo neigt ſich die
ſprache, wie die ſchwed., zur verdichtung der alten
diphthongen. Die altn. ei, au, ey ſind zu ê, œ gewor-
den. 2) umlaut, durch altes i gezeugt, beſteht fort, als
haand, hænder; guld, gylden; von dem durch altes u
gezeugten erhalten ſich einzelne trümmer, z. b. hör,
hörret (linum) börn (infantes). 3) länge und kürze er-
ſcheint mir häufig ungewiß; entſcheiden müſten fein-
hörige dichter. Die unorg. gem. der conſonanten (na-
mentlich der liq.) hat alles maß überſchritten und greift
viel weiter um, als im ſchwed. Dadurch werden zwar
alte kürzen gerettet, die der Schwede dehnt, z. b. hon-
ning (mel) ſönner (filii) ſchwed. hônung, ſœner, altn.
hunâng, ſynir; ſehr nachtheilig aber alte längen vernich-
tet, z. b. dömme (judicare) blomme (flos) grönne (vi-
rere) ſchwed. dœma, blôma, grœna. Anderes ſchwankt,
z. b. ich finde dœr, dœren (oſtium) und dör, dörren
(ſchwed. dörr). Vermuthlich gilt zuweilen im auslaut
(bei ungeſchriebner gem) langer vocal, der ſich inl.
kürzet, z. b. væg (paries) pl. vägge; doch der ſing. von
ſönner ſcheint ſön und nicht ſœn Ja ſelbſt gôd (bonus)
N n 2
[564]I. däniſche conſonanten.
mîn (meus) hvîd (albus) werden durch zutretendes t
der neutralen flexion gekürzt in godt, mit, hvidt, dem
altn. gott, mitt (nicht aber hvitt, ſondern hvîtt) ver-
gleichbar, oben ſ. 329.
Allgemeine grundſätze: 1) die org. tenuis hat ſich
nach vocalen (alſo in- und ausl.) durchgängig in med.
verwandelt, vgl. ſkîb (navis) grîbe (rapere) ſœbe (ſor-
bere) ſœd (dulcis) hvêde (triticum) vîde (ſcire) ſŷg (ae-
grotus) fŷge (vento ferri) wogegen im ſchwed. ſkêp,
grîpa, ſœpa, ſœt, hvête, vîta, ſjuk, fjuka. Dieſe ver-
weichlichung *) ſchadet; während ſchwed. bjuda (offerre)
ſjuda (coquere) njuta (frui) ſkjuta (jaculari) ſtîga (ſcan-
dere) vîka (cedere) geſondert ſind, ebenſo hochd. bie-
ten, ſieden, genießen, ſchießen, ſteigen, weichen; fal-
len dän. bŷde, ſŷde, nŷde, ſkŷde, ſtîge, vîge in eine
reihe. Dadurch vermengen ſich z. b. vîde (ſcire) vîde
(dilatare) ſœd (dulcis) ſœd (coquebat). 2) anlautend
ſtets, ſo wie in- und ausl. nach conſ., folglich auch
geminiert, bleibt die org. ten. vgl. pîbe (tibia) tand
(dens) kande (cantharus) torp (oppidum) ſalt (ſal) melk
(lac) und in ungeſchriebener gem. hop (interj.) ſtik
(ictus) ſkat (theſaurus) zum erweis, daß man hopp,
ſtikk, ſkatt ſchreiben ſollte. Deſto auffallender ſteht nun
vittig (ſapiens) von vîde ab (altn. vitugr, vita) ſkipper
(nauta) von ſkîb (altn. ſkipari, ſkip), zugleich beweis
für das jüngere alter der b und d in ſolchen wörtern;
als die gem. entſprang, ſchrieb man gewiß ſkip, ſkipe
(navigare) vite (ſcire), ſonſt wäre ſkibber, viddig ent-
ſprungen. 3) jene vermengung mindert ſich bisweilen
dadurch, daß die org. med. d und g (org. b kommt
nicht vor) in- und auslautend auszufallen oder ſich g
in j auf zulöſen pflegt, vgl. môer f. môder; ſtîe f. ſtîge
(ſcala) vej (via) eje (poſſidere). 4) daß conſ. gemination
auslautend nicht geſchrieben werde, habe ich ſo eben,
daß ſie dadurch bei ihrem bedeutenden zunehmen un-
ſicherheit in den vocallaut bringe, vorhin (ſ. 563.) ange-
zeigt. Einzelne ſchreibung der auslautenden gem. (Bloch
[565]I. däniſche conſonanten. liquidae.
p. 285.) unterſcheidet wohl einige formen fürs auge,
greift aber lange nicht durch.
Die altn. ll und nn erſcheinen hier als ld und nd:
galde (bilis) hald (proclivis) ſtald (ſtabulum) kalde (vo
care) falde (cadere) ilde (male) vild (ferus) ſpilde (cor-
rumpere) fuld (plenus) guld (aurum) huld (favor) mand
(vir) ſand (verus) pande (patina) tand (dens) anden (alius)
brände (urere) ſpände (figere) ſvend (puer) hende (ei f.)
kjende (noſcere) ind (intro) ſkind (cutis) kind (gena)
rinde (fluere) ſpinde (filum torquere) finde (invenire)
unde (favere) etc. Ausnahmen: al, alle (omnis) *) ſtille
(temperare) nenne (audere), noch ſeltner ſteht ll für das
altn. ld, wie in heller (potius). Gewöhnlich bleiben
die altn. ld. nd auch im dän. als: alder (aetas) kold
(frigidus) vold (vis) holde (tenere) folde (plicare) muld
(terra) haand (manus) rand (margo) vind (ventus) und
vocalveränderungen erklären ſich vielleicht als ein mit-
tel einzelne formen geſchieden zu halten. Man vgl. das
altn. falla (cadere) hallr (procliv.) falda (plicare) halda
(tenere) mit dem däu. falde, hald, folde, holde. Im
ſchwed. iſt die form ll und nn beliebter, verdrängt ſo-
gar das altn. ld. nd in fa͗lla, hålla. mull (terra) munn
(os) etc. wiewohl hand, rand etc. bleiben. Jede mund-
art beſtimmt ſich in ſolchen fällen eigenthümlich ſchwan-
kend. Jene altn. ll. nn verlor die däniſche, überkam aber
eine menge unorganiſcher, wie mölle (mola) honning,
ſönner, venner etc. (altn. hunang, ſynir, vinir) desgl.
mm, wie komme, domme (judicia) blomme (flos) etc.
ſie wandelt auch die altn. mb in mm, als kam, kam-
men (pecten) lam, lammet (agnus); die form mp beſteht:
hamp (cannabis) kamp (pugna) ſvamp (fungus) ſtump
(obtuſus) etc. — Aſſimiliert iſt dronning (regina) aus
drottning (alth. truhtininna?) Das ſchwed. mn fehlt und
vn liegt dem altn. fn näher. — r für ſ erſcheint in
blære (veſica, ſchwed. bla͑ſa); ſchwanken zwiſchen rr
und rv in ſpurre (paſſer) und ſpurv; altn. ſpörr, ſchwed.
ſparf (vgl. das hochd. ſperber und ſperling); umſetzung
des r in kors (crux) kirſtin (chriſtina).
Die anlaute wie im altn.; in- und ausl. aber ten.
nach dem allg. grundſatz zu beſchränken. Noch be-
ſchränkter wird aber die aſp. welche in- und ausl. nicht
allein nach vocalen, ſondern auch nach l und r in die
ſpirans übergeht, als: hâv (pelagus) gîve, gâv; blîve,
blêv; kurv (corbis) ſölv (argentum) kalv (vitulus) gulv
(ſolum) altn. gëfa, gaf, blîfa, bleif; kâlfr; gôlf; ſchwed.
hingegen gîfva, gâf; blîfva, blêf; ſilf, kalf, golf. Bloß
in der verbind. ft hält ſich inlautende aſp. Überhaupt
iſt v. ein lieblingslaut der weichen dän. ſprache, er ſteht
1) als org. ſpirans im anlaut: vaaben (arma) vand
(aqua) etc., nach ſ. bleibt v zuweilen aus, z. b. ſort
(niger) ſaa (ita) altn. ſvartr, ſvâ, vgl. oben ſ. 311. — 2)
in- und ausl. ſtatt des org. g. als: lâv (humilis) mâve
(ſtomachus) ſkôv (ſilva) elkôv (amor) âvn (palea) gâvn
(lucrum) fâvn (amplexus) fâvr (pulcher) dâvre (pran-
dinm) etc. altn. lagr. magi, ſkôgr, elſkugi, ögn, gagn,
fagnadhr, fagr, dagvërdhr. Von berührung des v mit g
war ſchon mehrmahls die rede (ſ. 261.) zuweilen zerlöſt
es ſich ganz in den vocal u, wovon vorhin bei au, ou
beiſpiele, zuweilen erſcheint neben der auflöſung das
anfängliche g; in plôug. hânge überfließt entw. die lab.
oder gutt. (plôv, hâve oder plôg, hâge) dem überfließen-
den mittelh. w in iuw vergleichlich. — 3) in- und
ausl. ſtatt des org. f (ſchwed. fv, f.) wozn vorhin bei-
ſpiele angeführt; hier noch von den verbind. vn, vr:
nâvn (nomen) râvn (corvus) hâvn (portus) ſtâvn (prora)
jævn (aequus) lêvne (linquere) ſtêvne (concilium) hâvre
(avena) etc. Ganz aus fällt dieſes v in dûe (columba) ſtûe
(hypocauſtum) hûe (tiara). — In dem dän. v, vn ſinken
mithin die altn. f. g. fn. gn zuſammen und vielleicht trat
jenes überflüßige g wieder zu, um hâuge von hâv (mare)
lâng (convivium) von lâv (depreſſus) abzuſondern (beßer
altn. lag und làg; ſchwed. lag und la͗g). — Geminiert unter-
ſcheiden ſich pp und bb gehörig: ſneppe (ſcolopax) ſnappe
(ſurripere) lappe (ſarcire) ſlippe (effugere) loppe (pulex)
grib, gribben (gryphus) gubbe (ſenex) ſtub, ſtubben (trun-
cus) etc.; ff. ſcheint mir, wie im ſchwed., fremde wör-
ter anzudeuten, (ſtraffe, träffe, gaffel, ſkaffe, offre). —
Das anlautende vr verhält ſich wie das ſchwed.; bſ in
vebſe iſt eine auch andern deutſchen ſprachen geläufige
umſetzung von veſbe (veſpa), eigentlich heißt dieſes in-
ſect dän. gêding, gêdehams, ſchwed. gẻting, iſl. geit-
hamr (geißhaut). — ft häufig, vgl. ſkrift (ſcriptura)
[567]I. däniſche conſonanten. linguales.
ſkrifte (confeſſio) drift (paſcuum) vifte (gyrare) gifte (in
matr. dare) etc. Verſchieden davon iſt die uneigentl.
verbind. vt in ſtîvt neutr. von ſtîv (rigidus) u. a.
Die labialreihe unterſchied noch anlautende ten.
med. aſp.; hier aber iſt (wie im ſchwed.) aſp. in ten.
übergetreten (th. bloß in fremden wörtern und der ein-
zigen partikel thî, ideo, zum unterſchied von tî, de-
cem [ſchwed. jene tŷ, dieſes tjo]; andere pronominal
und partikelformen haben d angenommen, als: den, de,
der, dâ). Nimmt man dazu die nach allg. dän. regel
ſtattfindende auflöſung der in- und ausl. ten. in med.;
ſo ergeben ſich die auffallendſten umkehrungen der org.
lautvertheilung, z. b. des altn. þióta (ululare) þriatîgir
(triginta) þorp (oppidum) torg (torum) in tûde, trêdîve,
torp, torv (ſchwed. tjuta, trettijo, torp, torg). Daher
auch die dän. zungenlaute in einem ganz verſchobenen
verhältniß zum hochd. ſtehen, vgl. tiende, tjene mit
zehnte, dienen oder dœd, ſtœd mit todt, ſtoß. In den
verbindungen und gem. ſcheiden ſich t und d. orga-
niſch, z. b. galte (aper) ſmelte, ſmerte. — Auslautend
(bei vorſtehendem voc.) pflegt d noch die weich aſpi-
rierte oder liſpelnde ausſprache des altn. dh, engl. th
zu haben, z. b. in den praepoſ. med, ved (engl. with)
gôd, l. med’, ved’ gôd’. Inlautend wird es oft über-
hört, ſo daß manden, guldet faſt wie mannen, gullet
klingen; bei nachfolgendem r der endung auch wohl
ſelbſt in der ſchrift ausgeworfen, z. b. fâer, môer, brôer,
lær (corium) bîer (moratur) vêjr (tempeſtas, aer,) ſtatt
fâder, môder, brôder, læder, bîder, vêder (ſchwed. væ-
der, das eingeſchobene j iſt unorg. beruht aber auf ei-
ner vermiſchung mit ſejr ſt. ſêger). Seltner fällt es
ohne folgendes r weg, z. b. im inf. bîe, gnîe (fricare)
ſt. bîde, gnîde; vgl. den ausfall des niederl. d (oben
ſ. 537.). — Die ſpirans ſ. verhält ſich wie im ſchwed.
und iſt in den ſcheinbaren verbindungen gängſe, êns
(concors) taus (tacitus) hams (cutis) dands (chorea) ræd-
ſel (horror) aadſel (cadaver, ſchwed. åtel) bîdſel (fre-
num, altn. beitſl) etc. leicht zu beurtheilen‥ Aus ge-
neigtheit zu dieſem dſ. (in dän. volksliedern die na-
men âdeluds, ſidſelille 3, 361.) ſetzt der Däne ſogar tiſtel
in tidſel (carduus) um. — z iſt undäniſch, wird auch in
fremden wörtern gewöhnlich durch ds, ts ausgedrückt. —
geminationen tt. dd. ſſ. als: ſkytte (ſagittarius) ſpytte
(ſpuere) lytte (auſcultare) bred, bredden (margo) gnid-
[568]I. däniſche conſonanten. linguales. gutturales.
der (lendes) nödder (nuces) niſſe (ſpir. fam.) viſſen (flac-
cidus) viſſelig (certus) ſyſſel (negotium) etc. Das ver-
hältniß zwiſchen tt und dd ſchwankt, erläutert ſich aber
hiſtoriſch, z. b. ſkytte oder hvitte (dealbare) rührt aus
einer zeit her, wo noch ſkŷte (jaculari) hvît (albus) ſt.
des ſpäteren ſkŷde, hvîd galten; nödder aus einer jün-
geren, wo die verwandlung des nöt in nöd ſchon ge-
ſchehen war. Der Schwede ſagt richtig ſowohl ſkytta
als nötter; altn ſkyti, hnytir; mittelh. ſchütze, nüƷƷe. —
Die anl. lingualverbindungen ſind ganz die ſchwediſchen,
d. h. von aufhebung der aſp. abgeſehn auch die altnor-
diſchen. Dieſe drei ſprachen beſitzen den ausdrucksvol-
len triphthongen ſqv (ſkv) (lat. in ſqvama. ſqvalere), den
ich im hoch- und niederd. miſſe *). Beiſpiele: dän.
ſqvaldre (blaterare) altn. ſqvaldra, ſqvola, ſchwed. ſqvalra;
ſqvoppe (aquam cum ſonitu movere) altn. ſqvampa,
ſchwed. ſqvalpa; ſqvulpe (colluere); ſchwed. ſqväka
(coaxare) altn. ſqvetta (raptim fundere). Der Gothe
kennt ein inlautends ſqv (ſ. 67.) das angelſ. wörterb.
kein ſcv. obwohl das engl. ſquab, ſquabble, ſquall,
ſquaſh, ſquat, ſquint, ſquirt, ſquîre (altn. ſqvîari, po-
cillator) etc. darbietet; vgl. die norweg. wörter bei Halla-
ger p. 118b. — Das inlautende ſp finde ich mitunter
in ſb verweicht, als: läſbe (ſibilare, liſpeln) veſbe (veſpa);
andere ſchreiben läſpe, veſpe, giſpe (anhelare) haſpe
(gyrgillus) etc. ſk und ſt häufig, letzteres zuweilen in
dſ übergehend, zuweilen aſſimiliert, wie huſtrû (mater-
fam.) aus hûsfrû.
Ähnlich dem altn. gebrauch bekommen die anlaute
k und g vor weichen voc. mildere ausſprache, welches
indeſſen die dän. rechtſchreibung meiſtentheils durch ein
zwiſchengerücktes i (j) bezeichnet; kjende, kjœbe, gjeſt,
gjemme und ebenſo nach der verbindung ſk, ſkjêl,
ſkjœd etc. ſtatt der urſprünglichen formen kende, kœbe,
geſt, gemme, ſkêl, ſkœd. Die ſchreibweiſe hat ihr nach-
theiliges. theils weil ſie nicht ſtrenge durchgeführt wird,
z. b. ich finde kêde (taedium) gêd (capra) für kjêde,
[569]I. däniſche conſonanten. gutturales.
gjêd *); theils weil ſie vor dem i nicht gilt, folgerichtig
müſte es auch:gjitter, gjîve, kjind und nicht gîve, git-
ter, kind heißen; theils endlich, weil ſie das org. je,
jö, jä verdunkelt. Offenbar hat dieſes z. b. in gjerne,
kjeft, kjœl andern ſinn, als in jenen wörtern, wie die
vergleichung des altn. giarn, kiaptr, kiölr mit geſtr,
geyma, kenna lehrt. — Vor den harten vocalen (a, o,
u, aa) lauten k und g wie im hochd. an. In- und ausl.
wandelt ſich nach dem allg. grundſatz k in g, außer
wenn es für kk ſteht oder conſ. vorausgeht. Die in-
und auslautende org. media (nicht das aus k entſprun-
gene g) hingegen 1) nach harten voc. und liquidis gern
in v, beiſpiele vorhin bei den diphth. au, ou und dem
v, hier noch einige: vôve (audere, beßer wäre vaave)
torv (forum, altn. torg) marv (medulla) neben vôgn
(currus) gilt auch vôvn 2) nach weichen voc. gern in j;
beiſpiele oben bei ei, œi; weitere: lêjr (caſtra, ſchwed.
læger) vêje (ponderare) oft wird g in der ſchreibung be-
halten, aber wie j geſprochen, z. b. rêgn (pluvia) êgn
(regio) lauten rejn, ejn. 3) nach langem û und î pflegt
der kehllaut gar auszufallen, z. b. dûe (altn. dûga,
valere) ſtîe (ſcala), pîge (virgo) lautet pîe. Alle dieſe
verweichungen des g verwirren in der dän. ſchreibung
und noch mehr ausſprache viele wörter, z. b. dûe (va-
lere) klingt wie dûe (columba) nâvn (nomen) wie gâvn
(commodum) drâge (portare) nicht viel anders als ſkâve
(radere). Daß in den volksliedern krîg (bellum): lîv
(vita) reimt, kann nicht befremden. — Das undäniſche
ch kommt lediglich in fremden wörtern vor. Der conſ. j
iſt mehrfach α) ſelten der hochd. anlaut, z. b. jâ (immo)
jammer (miſeria); gewöhnlich leidet er aphäreſe, als:
aar (annus) β) das altn. i in mjœd (mulſum) björn (ur-
ſus) kjœl (navis) jævn (aequus). γ) nach k, g vor wei-
chen voc. eingeſchoben: kjœbe (emere) gjek (ſtultus)
δ) auflöſung der med. in vèj (via) œje (oculus). Die
pron. jeg, mig, dig, ſig lauten jej, mej, dej, ſej oder
gar jê, mê etc. — Die ſpirans h lautet niemahls in noch
aus. Anlautend wird ſie vor j und v überhört, z. b.
hjelm, hvas (acer) geleſen: jelm, vas; landſchaftlich
aber, namentlich von den Jüten, noch dentlich ausge-
ſprochen. — Geminationen kk. gg (auslautend ungeſchrie-
[570]I. däniſche conſonanten. gutt. norwegiſch.
ben, doch geſprochen) tyk (craſſus) rykke (movere) läk
(ſtillans) läkke (ſtillare) etc. ryg (dorſum) äg (ovum) vugge
(cunae) begge (ambo) ligge (jacere) etc. — In der verb. qv
haben neuere hv einführen wollen. ſo wie ks für x; beides
gleichgültig, denn Blochs grund p. 293. dagegen, daß
man die org. verbindung ſex durch die ſchreibung ſeks
mit der unorg. bäks (gen. von bäk, rivus) menge, be-
deutet nichts, da ja hals, kors mit keinem andern ls,
rs, als die gen. von dâl (vallis) chôr (chorus) zu ſchrei-
ben ſind. Daher mittelniederl. unbedenklich brêx. ſtrîx
(= brekes, ſtrikes) neben aex (oben ſ. 503.). Schädlicher
war die vermengung des org. hs und ks in dem dän.
und inagemein nord. x. — Vom verhältniß des dän. gt
(in magt, vis; frugt, fructus; agt, cura) zu dem org. tt
(in aatte, octo; natt, nox) gilt das beim ſchwed. geſagte. —
Anmerkung: die norwegiſche mundart, obgleich bei-
nahe nur volksſprache, verdient genauere unterſuchung,
als ihr bisher zu theil geworden iſt. Hallager gibt in
der vorr. zu ſeinem ſchätzbaren wörterb. die hauptab-
weichungen der norw. von der dän. buchſtabenlehre an,
woraus erhellt, daß der Norwege vieles mit dem Schwe-
den, manches mit dem Iſländer gemein hat, was Dänen
und Schweden abgeht; in wieder anderm iſt er eigen-
thümlich. Der norw. ſprache gebührt noch ſaang, laang
(dän. ſang, lang) maale (dän. mâle) bein, brei, meire
(dän. bên, brêd, mêre) lous, ouge, blout oder laus, auge,
blaut (ſchwed. œga, lœs, blœt); g und k vor weichem
voc. lautet (wie im ſchwed.) j und tj, als: geit (capra)
kjukling (pullus) ſprich: jeit, tjukling, für die ausſpra-
che iſt es oft gleichviel kj oder tj zu ſchreiben: als kjû
oder tjû (fur) kjuk oder tjuk (craſſus) ſk lautet wie ſj.
Inlautend gilt durchweg org. ten. als rôpe (clamare)
graate (plorare) tâke, pîka (ſchw. und dän. mit g);
mn ſtatt des dän vn; ſ ſtatt r in blaaſe, jaſe (lepus)
gjäſt (fermentum) dän. blære, hâre, gjær; merkwürdig
aber qv für hv, als: qvas (acer) qveite (triticum) qvît
(albus) qvâl (balaena) qvaa (dän. hvad) dem lat. qv in
qvid, qvod, aqva (goth. ahva) ſo wie dem ſchott. quh
(ſ. 516.) begegnend. Mit ſchott. und engl. ausſprache
ſtimmt auch. daß k vor n nicht lautet, als: knâ, knîf
ſprich nâ, nîf. Gleichergeſtalt ſchwindet das anlautende
l zuweilen, jôs (lux) jaa (falx) jôm (ſonus) altn. liós,
liar, hliómr, überhaupt ſcheint die norw ausſprache der
liq. l. r. ſchwierig, beide löſen ſich oft ab. oft in vo-
cale auf, z. b. bjöin f. björn, hoin, koin f. horn, korn
[571]I. überſicht der kurzen vocale.
und dies in hodn, kodn, wie jädn (ferrum) f. järn.
Eigenthümlichkeiten der letzten art bezeichnen gerade
das volksmäßige element und ich enthalte mich ihrer
mehrere anzuführen. da ich auch die hochd. volksmund-
arten aus meiner abhandlung abweiſen muſte.
Am ſchluße dieſes erſten buchs wird ein überblick
ſo vielfacher buchſtabenverhältniſſe dienſam ſeyn und
vielleicht durch die zuſammenfaßung aller einzelnheiten
einige neue anſichten gewäbren.
Die vocale betrachte ich hier außerhalb dem ge-
ſichtspuncte des ablauts, deſſen wichtige verhältniſſe
erſt im zweiten buche dargeſtellt werden können. Auch
iſt, wie in der buchſtabenlehre, meiſtentheils nur von
dem vocal der wurzeln die rede. Bei der ganzen vo-
calreihe gehe ich von dem ſatze aus, daß die drei kür-
zen a, i, u die urſprünglichſten, älteſten aller vocallaute
ſind. Ihnen allein gebührt eine gewiſſe durchgreifende
ſtetigkeìt. Nicht als hätten ſie keine veränderung erlit-
ten, da gerade aus ihnen alle übrigen kürzen abzulei-
ten ſind; gleichwohl ihre organiſche regel (die formel
winnen, wann, wunnen), aller ſich durchkreuzenden
ausnahmen unerachtet, waltet ſichtbar in jedem zweige
des deutſchen ſtammes. Es laßen ſich einzelne wörter
nachweiſen, in welchen durch alle zeiten und mundar-
ten a und i unwandelbar geblieben ſind, z. b. hammer
(malleus) fallen (cadere) wille (voluntas) fiſch (piſcis).
Für u iſt, man kann ſagen zufällig, die völlige durch-
führung in keinem worte möglich; hund (canis) deſſen
u in den meiſten dialecten beſteht, widerſtrebt in dem
niederl. hond, engl. hound, ſo wie full (plenus) im
hochd. voll. Dennoch hat man u mit i und a völlig
auf eine linie zu ſtellen, denn in den meiſten wörtern
begegnen die nämlichen widerſprüche ebenwohl bei den
zwei letzteren. Alle drei vocale aber, und das iſt für
jenen ſatz beweiſend, haben wo ſie ſtehen immer die
nämliche bedeutung; was im einzelnen der eine dialect
trübt, bewährt dafür der andere. Wenn von finden,
funden das engl. fînd. found abweicht; ſo ſtimmt das
engl. ſtill, full zu dem ſchwed. ſtill, full, wie das
ſchwed. finna, funnen zu jenem finden, funden. Das
[572]I. überſicht der kurzen vocale.
verwandelte ſchwed. ha͗rd, das dän. haand lauten im
altn. hard, hand mit demſelben a, das in brann durch
alle nord. ſtämme zieht; das altn. lopt erſcheint als rei-
nes u in dem dän. ſchwed. hochd. luft, niederl. lucht
u. ſ. w. Jede deutſche mundart führt alſo auf dieſe ur-
ſprünglichen a, i, u. Mit allen andern vocallauten iſt
ein ſolches verfahren ſchlechterdings unthunlich, man
verſuche es z. b. mit î und û, die ſich meiſtentheils
gleich bleiben; î erſcheint im goth. und neuh. ſtets
als ei, û im engl. als ou, neuh. als au.
Die allmählige änderung der drei kürzen a, i, u
läßt ſich in folgende haupterſcheinungen faßen: I. ver-
wandlung durch conſonanten, II. verwandlung durch
weitere vocale (umlaut und aſſimilation) III. verwand.
lung durch den accent.
I. einfluß der conſonanten auf a, i, u.
| goth. | angel- ſächſ. | engl. | mittel- nieder- länd. | frieſ. | altn. | ſchwed. | dän. |
| amm | amm | amm | amm | omm | amm | amm | amm |
| amp | amp | amp | amp | omp | amp | amp | amp |
| amb | amb | omb | amb | omb | amb | amb | amm |
| ann | ann | ann | ann | onn | ann | ann | and |
| ant | ant | ant | ant | ont | ant | ant | ant |
| and | and | and | and | ond | and | and | aand |
| anþ | oð | ôth | and | oth | ann | ann | and |
| ans | os | ôs | ans | os | âs | ås | aas |
| agk | anc | ank | anc | onc | ânk | ank | ank |
| agg | ang | ong | ang | ong | âng | ång | ang |
| all | ëall | all | all | all | all | all | ald |
| alm | ëalm | alm | alm | alm | âlm | alm | alm |
| alp | ëalp | alp | alp | alp | âlp | alp | alp |
| alf | ëalf | alf | alf | alf | âlf | alf | alv |
| alt | ëalt | alt | out | alt | alt | alt | alt |
| alþ | ëalð | ôld | oud | ald | ald | åll | old |
| als | ëals | als | als | als | âls | als | als |
| alk | ëalc | alk | alc | alc | âlk | alk | alk |
| alg | ëalg | alg | alg | alg | âlg | alg | alg |
| arr | ëarr | arr | aerr | err | arr | arr | arr |
| arl | ëarl | arl | aerl | erl | arl | arl | arl |
| arm | ëarm | arm | aerm | erm | arm | arm | arm |
| arn | ëarn | arn | aern | ern | arn | arn | arn |
| arp | ëarp | arp | aerp | erp | arp | arp | arp |
| arb | ëarf | arf | aerf | erf | arf | arf | arv |
| art | ëart | art | aert | ert | art | art | art |
| ard | ëard | ard | aerd | erd | arð | ård | aard |
| ars | ëars | ars | aers | ers | ars | ars | ars |
| ark | ëarc | ark | aerc | erc | ark | ark | ark |
| arg | ëarg | arg | aerg | erg | arg | arg | arg |
| aht | ëaht | îght | acht | acht | âtt | att | att |
| ahs | ëax | ax | aſſ | ax | ax | ax | ax, ox |
| goth. | alth. | angelſ. | altn. |
| i | i. ë. | i. ë. ëo | i. ë. ia. |
| aír | ir. ër | ëor | iar |
| u | u. o | u. o | u. o |
| aúr | ur. or | or | or |
II. Einſluß der dem wurzelvocal folgenden endungs-
vocale
III. Einſluß des accents. In allen deutſchen ſpra-
chen trägt allmählig die betonung zur verwirrung der
org. quantitätsverhältniſſe bei, indem ſie jeden kurzen
voc., dem bloß einfache conſonanz folgt, in einen
langen umſchafft. So bilden ſich unzählige â, ê, î, ô, û,
æ, œ, uͤ an ſtelle früherer a, e, ë, i, o, u, ä, ö, ü.
Man merke
Die langen vocale ſämmtlicher deutſchen ſprachen
führen ſich auf ſiebene zurück, welche nach gothiſcher
folge geordnet dieſe tabelle zeigt:
| 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| goth. | ê | ô | û | ái | áu | ei | iu | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| mhd. | â | uo | û | ei, ê | ou, ô | î | ie, iu | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| nhd. | â | û | au | ei, ê | au, ô | ei | ie, iu | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| altſ. | â | ô, uo | û | ê | ô | î | ia, iu | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| mnd. | â | ô | û | ê | ô | î | ie | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| angelſ. | æ | ô | û | â | eá | î | ëó | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| m. engl. | ê | ô, ê | ou | â, ô, ê | ê, ea | î | ê | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| n. engl. | ê | ô | ou | ô, oa | ea | î | ê | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| mnl. | ae | oe | û | ê, ei | ô | î | ie | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| nnl. | â | oe | ui, û | ê, ei | ô | î | ie | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| altfr. | ê | ô | û | ê | â | î | ia, iu | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| altn. | â | ô | û | ei | au | î | ió, ŷ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| ſchwed. | å | ô | û | ê | œ | î | ju, jo | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| dän. | aa | ô | û | ê | œ | î | ŷ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| norw. | aa | ô | û | ei | ou | î | jo, ju | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
kleine und ſchwankende varianten, z. b. das hin und
wieder vortretende alth. ai ſtatt ei, ſind in der abhand-
lung jeder mundart nachzuſehen. Auf die (bei den kur-
zen vocalen unter III. beſprochenen) unorg. verlängerun-
gen konnte hier gar nicht geachtet werden. Ich bemerke
Die bisherige überſicht lehrt, daß die vocalverhält-
niſſe ſchwanken und verſchiedener einwirkung unter-
liegen, daß aber ihre austheilung und abwechſelung
nichts willkürliches ſey, vielmehr nach tiefbegründeten,
bis jetzt noch unaufgedeckten geſetzen erfolge. Die re-
gel der ablaute wird hierüber mehr licht verbrieten.
Man kann die vocale als die nothwendige färbung oder
belebung aller wörter betrachten, als den othem, ohne
welchen dieſe gar nicht beſtehen würden. Die eigent-
liche individnaliſierung des worts beruht auf dem vo-
callaut; er gewährt die feinſten beziehungen.
Die geſtalt, wenn ich ſo ſagen darf, die ſpecies des
worts gründet ſich hingegen auf die conſonanz. Hier
erſcheinen die verhältniſſe ungleich ſicherer und dauern-
der; mundarten, deren vocale meiſtentheils abweichen,
behalten auch häufig dieſelben conſonanten bei.
Die vier liquidas ſind unwandelbar, ihr flüßiges
element erhält ſie gerade aufrecht in aller gewaltſamen
erſchütterung; mit ihnen tragen ſich bloß einzelne ver-
tauſchungen, verſetzungen, ausſtoßungen, geminationen
zu, deren ungeachtet ihre weſentliche bedeutung die-
ſelbe bleibt d. h. wenn ſchon z. b. für chirche zuwei-
len chilche erſcheint, ſtehen doch in allen übrigen fäl-
len r und l. grundverſchieden. Zu merken:
Gleich den liquiden laufen die drei ſpiranten v. h.
ſ. weſentlich unverändert durch alle deutſche mundar-
ten. Ihre innere verwandtſchaft folgere ich theils aus
dem vor ihnen eintretenden ê ſtatt ei (ſ. 91.) ô ſtatt au
(ſ. 94.) theils aus den übergängen zwiſchen h und v, w
(ſ. 148. 403.) h und ſ (ſ. 318. 416.) und der berührung
der aſpiration mit der aſſibilation (th. ts. z); zwiſchen
v. w und ſ, kein unmittelbarer wechſel; h und v, die
leiſeſten aller conſ., fallen zuweilen unerſetzt aus, ſelbſt
anlautend und zumahl vor liquiden. —
Ganz anders verhält es ſich mit den übrigen conſo-
nanten, ein merklicher gegenſatz zwiſchen den hoch-
deutſchen und allen anderen mundarten wird offenbar.
Im labial-, lingual-, guttural-laut entſpricht die goth.
(ſächſ. frieſ. nord.) ten. der hochd. aſp.; die goth. med.
der hochd. ten.; die goth. aſp. der hochd. media. Das
einzelne ſtellt ſich ſo vor augen:
| goth. P. B. F. | T. D. þ. | K. G. . |
| alth. F. P. B,(V) | Z. T. D. | CH. K. G. |
[582]I. überſicht der conſonanten.
es iſt eine veränderung eingetreten, vermöge welcher
im hochd. jeder dieſer neun conſ. gleichmäßig von ſei-
ner ſtelle rückte *). Daß aber hier der hochd. zuſtand
als der abgewichene, jüngere; der goth. (ſächſ. frieſ.
nord.) als der frühere betrachtet werden müße, unter-
liegt keinem zweifel, und iſt bei auseinanderſetzung der
alth. buchſtaben mit verſchiedenen gründen bewieſen
worden. Anmerkungen:
Bei ſolchen vergleichungen, die hier keineswegs
ausführlich gepflogen werden, vielmehr nur unſere deut-
ſchen lautverhältniſſe unter den rechten geſichtspunct
zu ſtellen beitragen ſollen, geht man billig von den con-
ſonanten aus. Läßt ſich für dieſe eine gegründete be-
ſtimmung ermitteln und annehmen, ſo werden dadurch
vielleicht auch einige blicke in die geſchichte der vocale
vergönnt.
Vorerſt begegnen wir dem wichtigen ſatze: liquidae
und ſpirantes ſtimmen in allen weſentlichen verhältniſſen
zu der art und einrichtung deutſcher zunge. Dasjenige,
ſo ſcheint es, worin die verzweigungen deutſcher
ſprache unter einander nicht abweichen, wird ſich un-
abweichend in der lat. griech. und indiſchen nachwei-
ſen. Ausdrücklich erkennt das ſanſkrit noch r und l als
vocale an und gebraucht in dieſem ſinne r oft, l ſeltner.
Die ſchwächung des älteren m in ein ſpäteres n er-
ſcheint überall, eine menge von wörtern mit m im ſanſkr.
und lat. bekommen im griech. n; gerade wie der mit-
telh. auslaut n inlautend wieder zu m wird (lein, lei-
mes; arn, armes, ſ. 386.) ſo verhält ſich ἦν zu ἦμεν (lat.
eram, eramus, vgl. νέον mit novnm). Analoge ver-
wandlungen des ſ in r bieten ſich allenthalben dar. na-
mentlich iſt das latein dem r vorzugsweiſe ergeben, r
aber immer als jüngere form zu betrachten. Den wech-
ſel der ſpiranten v (des digamma) ſ. h. bezeugen ἑσπέρα,
veſpera; ἑπτὰ, ſeptem; ὗς, ſus; ἕρπω, ſerpo; ἑκυρὸς,
[584]I. uergleichung fremder buchſtaben.
ſocer; ὑπὸ, ſub; ſas, ſâ (ſanſkr. is, ea) gr. ὁ, ἡ, goth.
ſa, ſô; ἅλς, ſal; ſaſa (ſanſkr. lepus) haſo etc.; auch fällt
der anlautende ſpiritus ganz ab, z. b. das lat. anſer ſteht
f. hanſer (ſanſkr. hamſa, cignus) odium f. hodium (goth.
hatis) ἐαρ lat. ver, und das gr. ἴδμεν (ſanſkr. vidmas,
lat. videmus, goth. vitum) hatte früher ein digamma
vor ſich. Am ſeltenſten tauſchen v und ſ, vgl. ſiniſter
mit winſter.
Noch merkwürdiger als die einſtimmung der liq.
und ſpir. iſt die abweichung der lippen- zungen- und
kehllaute nicht allein von der gothiſchen, ſondern auch
der alth. einrichtung. Nämlich genau wie das alth. in
allen drei graden von der goth. ordnung eine ſtufe ab-
wärts geſunken iſt, war bereits das goth. ſelbſt eine
ſtufe von der lateiniſchen (griech. indiſchen) herabge-
wichen. Das goth. verhält ſich zum lat. gerade wie
das alth. zum goth. Die ganze für geſchichte der
ſprache und ſtrenge der etymologie folgenreiche zwei-
fache lautverſchiebung ſtellt ſich tabellariſch ſo dar:
| griech. P. B. F. | T. D. TH. | K. G. CH. |
| goth. F. P. B. | TH. T. D. | ‥ K. G. |
| alth. B(V) F. P. | D. Z. T. | G. CH. K. |
oder anders aufgefaßt:
| gr. goth. alth. | gr. goth. alth. | gr. goth. alth. |
| P F B(V) | T TH D | K ‥ G |
| B P F | D T Z | G K CH |
| F B P | TH D T | CH G K |
Hieraus ergibt ſich nunmehr, wie der Gothe die durch
abgang der kehlaſp. entſpringende lücke deckt: er be-
dient ſich anlautend ſtatt ch des ſpiritus h, in- und
auslautend zuweilen des h, häufig aber auch der med. g.
Im alth. ſtünde hier die med. g überall conſequent und
dem b. d der andern reihen analog; es mag aber ein
überreſt der früheren lauteinrichtung ſeyn, daß auch
alth. der goth. anlaut h, weil man ihn für eine ſpirans
und nicht aſp. nahm, fortgalt. Nur zuweilen erſcheint
g daneben. Dieſe verwendung des h für ch findet be-
merkenswerth gerade auch im lat. anlaut ſtatt, ſo daß ſich
die gutturales näher beſtimmt folgendergeſtalt ausnehmen:
| griech. | lat. | goth. | alth. |
| κ | c | h, g | h, g |
| γ | g | k | ch |
| χ | h | g | k |
[585]I. vergleichung fremder buchſtaben.
Die nöthigen belege zu den aufgeſtellten neun gleichun-
gen ſind:
I. (P. F. B,V.) 1) anlaut: pax, pacis, pacatus;
goth. fahêds (gaudium, quies) altn. feginn (contentus,
laetus) — pes, pedis; ποῦς, ποδὸς; ſanſkr. padas; goth.
fôtus; alth. vuoƷ — piſcis, fiſks, viſc. — porca (ſul-
cus) alth. vuriha — porcus, alth. varah — πόρος (iter,
via) goth. faran (ire) — pater, πατὴρ, goth. fadrs, alth.
vatar — patis (ſanſkr. conjux) litth. pats, gr. πόσις (? dor.
πότις) goth. brûd-faþs (ſponſus) — πῦρ, alth. viuri —
πολὺ, alth. vilo, goth. filu — πλέος, goth. fulls, alth.
vol — πρωὶ, alth. vruo — pecus, goth. faίhu, alth. vihu —
pulex, alth. vlô — plecto, alth. vlihtu — πέρδω, litth. perdziu,
ſchwed. fjerter, alth. vërzu — παλάμη, lat. palma, an-
gelſ. folma. alth. volma — πτέρον (f. πετέρον, wie πετάω
f. πτάω) altn. fiödhur, alth. vëdar — πεύκη, picea, hochd.
vihta — pellis, goth. fill, alth. vël — pullus, goth. fula,
alth. volo — pauci, goth. favai, alth. vaohê — primus,
goth. frumiſts, alth. vromiſt. — 2) inlaut (das goth. in-
lautende b für f ungenauer als das nord. und ſächſ. f.
bh) κάπρος, caper, altn. hafr — λοιπὸς (reliquus) altn.
leifar (reliquiae) goth. láibôs — ſvapa (ſanſkr. ſomnus) ὕπνος
altn. ſvefn, altſ. ſuëbhan — ſeptem, angelſ. ſëofon, goth.
ſibun — aper, altn. iöfur, angelſ. ëofor, alth. ëbar —
ὑπὲρ, ſuper, goth. ufar, altn. yfir, alth. ubar — rapina,
angelſ. reáf, alth. roub.
II. (B. P. F.) 1) für den anlaut weiß ich keinen
beleg, zur beſtärkung meiner anſicht, daß deutſche wör-
ter mit dem anlaut p, hochd. f (ph) mangeln (oben ſ. 55.
131. 212. 247. 397. 462.). 2) inlaut: κάνναβις, cannabis,
altn. hanpr, alth. hanaf; ſollte ſich turba mit dem goth.
þaúrp, alth. dorof; ſtabulum mit altn. ſtöpull, alth. ſta-
phol; labi mit hláupan, loufan vergleichen?
III. (PH. B. P.) die aſp. der alten ſprachen bedarf
ſelbſt noch näherer forſchung; das ſanſkrit kennt eine
zwiefache: ph und bh, die in dem gr. φ. lat. f und
b gemiſcht wiederſcheinen. 1) anlaut: die ind. wurzel
bhu, die griech. φυ, die lat. fu in dem verbum ſeyn,
vgl. mit dem angelſ. bëon, alth. pim (ſum) — φηγὸς,
fagus, altn. beyki, altn. puocha — forare, altn. bora,
alth. poren — frangere, fregi; goth. brikan, alth. prë-
chan — frui, fructus; goth. brûkôn, alth. prûchôn —
frater, brôþar, pruoder — flare, blaſan, plaſan — fero
(im ſanſkr. die wurzel: bhr) goth. baíra, alth. piru —
[586]I. vergleichung fremder buchſtaben.
φύλλον, folium, altn. blad, alth. plat — ὀφρὺς, altn. brâ,
alth. prawa. — 12) inlaut: ἐλέφας, αντος, goth. ul-
bandus, alth. olpenta — κεφαλὴ, haubiþ, houpit —
νεφέλη, nebula goth. nibls?, alth. nëpal - λράφειν,
goth. graban, alth. grapan. Dieſe inlaute ſchwanken in
die claſſe I, als: caput, angelſ. heáfod, alth. haubit,
vgl. das altn. nifl, dem ein alth. nëbal gerecht wäre.
IV. (T. TH. D.) 1) anlaut: tauta (lett. gens,
regio) goth. þiuda, alth. diot — tu, goth. þu, alth.
dû — tenuis, tener, altn. þunnr, alth. dunni — τείνειν,
tendere; goth. þanjan, alth. denen — τρεῖς, tres; þreis;
drî — tergere, altn. þërra — τέρσειν (arefacere) goth.
þaúrſis (aridus) torridus, alth. durri — tacere, goth. þa-
han, alth. dagen — τρέχειν, goth. þragjan — ταλᾷν, τλᾷν,
tolerare, goth. þulan, alth. dolen — tectum, goth. þak,
alth. dach — ταῦρος, altn. þiór — tad (ſanſkr. id) gr.
τό (für ταδ) goth. þat, alth. daƷ — talis, altn. þvîlîkr. —
2) inlaut: ratio raþjô, redja — frater, brôþar, pruoder —
μετὰ, goth. miþ — dantas (dens, dentis) tunþus, zand —
rota, altn. hradhr (celer) alth. hrad (rota) — iterum,
goth. viþra, alth. widar — ἕτερος, anþar, andar — viel-
leicht ἔτης, ἑταῖρος (ſocius) dem altſ. geſith, alth. ſindeo —
ἔτος (annus) dem dunkeln goth. ataþni (d. h. at-aþni,
alth. aƷ-adani?) vergleichbar.
V. (D. T. Z.) 1) anlaut: dingua, tuggo, zunga (vgl.
oben ſ. 152.) — deus, divus, litth. diéwas; griech.
δὶς, διὸς (denn θεὸς iſt cretiſch) altn. tŷr; alth. ziu
(vgl. oben ſ. 150. 151.) — dantas (ſanſkr.) ὀδοὺς, ὀδόν-
τος; dens, dentis; goth. tunþus, alth. zand — διὰ-, lat.
dis-, ſächſ. to-, alth. zi-, — δαμᾷν, domare, goth.
tamjan, alth. zemen — δρῦς, goth. triu — digitus, vgl.
mit dem ſächſ. têkan (ſignum) alth. zeichan — δεικνύειν,
δείκειν, indicare, ſächſ, tôgjan, hochd. zeigen — δόλος,
dolus, altn. tâl, alth. zâla — ducere, goth. tiuhan, alth.
ziohan — δύο, duo, goth. tva, alth. zuei — δάκρν, goth.
tagr, alth. zahar — δεξιὰ, dextra, goth. taíhſvô, alth.
zëſawa. — 2) inlaut: ἡδὺ, goth. ſuti, alth. ſuoƷi — ad,
goth. at, alth. aƷ — ἕδος, ſedes; ſedere, goth. ſitan, alth.
ſiƷan — ἔδειν, edere; itan; ëƷan — εἴδειν, εἰδέναι, videre,
goth. vitan, alth. wiƷan — odium, goth. hatis, alth. haƷ —
claudere, alth. ſlioƷan — laedere, hochd. letzen — radix,
altn. rôt — ὕδωρ, goth vatô, alth. waƷar — ἱδρὼς,
ſudor, ſveiti, ſueiƷ — pedes, fôtjus, vuoƷi. —
VI. (TH. D. T.) die Lateiner haben kein th (außer
in fremden wörtern) oft aber iſt ihnen das gr. θ in die
[587]I. vergleichung fremder buchſtaben.
gleichſtuſige labialaſp. f. übergetreten, wie auch im
griech. ſelbſt die aeol. mundart φ für θ zeigt (vgl. θυ-
μὸς ſpiritus, animus mit fumus, φύμος; θύειν mit fire,
ſuſſire) beides mahnt an die ſ. 66. 67. angezeigte berüh-
rung des goth. þl. mit fl. — 1) anlaut: θυγάτηρ, goth,
daúhtar, alth. tohtar — θύρα, lat. pl. fores, goth. daúr,
alth. tor — θὴρ, aeol. φὴρ, lat. fera, altn. dŷr, alth.
tior — θαῤῥέειν (audere) goth. ga-daúran, alth. turran,
vgl. die praet. gadaúrſta, getorſta mit θαῤῥος, θάρσος,
θρασὺς. — θέναρ (vola manus) alth. tënar — 2) inlaut: μέθυ,
angelſ. mëdo, alth. mëtu — ἔθος, angelſ. ſido, alth. ſitu. —
VII. (K. H,G. H,G.) in der zweiten ſtufe ſteht das
goth. h für ch, in der dritten das alth. h. für g. 1) an-
laut: claudus, halts, halz — κάνναβις, altn. hanpr, alth.
hanaf — canere vgl. mit hano (gallus, wie dieſes mit altn.
kalla, alth. challôn, clamare, fari) — caput, háubiþ, hou-
bit — καρδία, cor, haírtô, hërza — κύων, canis, hunþs, hund —
κοῖλος, hol — celare, hilan, hëln — κάλαμος, calamus, ha-
lam, halm — κάρτος, καρτερὸς, hardns, hart — cornu,
haúrn, horn — collum, hals — κρυμὸς (gelu) altn. hrîm —
κλαίειν, goth. hlahan — κράζειν, crocitare, goth. hruk-
jan — κλέπτης, goth. hliftus. — 2) inlaut: ὄκος, oculus,
áugo, ouga — acies, alth. egga — lux (lucs) liuhad,
lioht, vgl. λευκὸς mit liuhadeins — οἶκος, goth. veihs —
lacus, angelſ. lagu — acus, aceris, alth. ahan, agan —
δάκρυ, tagr, zahar — tacere, þahan, dagen — pecus,
faihu, viho — ἐκυρὸς, ſocer, goth. ſvaihra, hochd. ſchwa-
ger, ſchwieger — μήκων (papaver) alth. mâgan, neuh.
mohn (? goth. mêhan). Inlautend entſpricht zuweilen
das ſanſkr. ſh, als: daſha, gr. δέκα, lat. decem, goth.
taíhun, litth. deſzimts.
VIII. (G. K. CH.) 1) anlaut: granum, altn. korn,
alth. chorn — γένος, genus; kuni; chunni — γένυς,
gena, altn. kinn, alth. chinni — γόνυ, altn. knê,
alth. chnio — γυνὴ, altn. kona, alth. chona — gelu
(frigus) gelidus, goth. kalds, alth. chalt — gula (gut-
tur) alth. chëla — guſtare, kiuſan, chioſan — gau
(ſanſkr. vacca) altn. kû, alth. chua. — 2) inlaut: ἐγὼ,
ego, goth. ϊk, alth. ih — vigil, alth. wachar — ἀγρὸς,
ager, goth. akrs, alth. achar — ἄγειν, agere, altn. aka —
μέγας, μέγαλος; mikils; michil — rex, regis, regnum;
reiks; rîchi — jugum, juk, joch — augere, áukan, au-
chôn — ἀμέλγειν, mulgere, altn. miόlka, alth. mël-
chan. —
IX. (CH,H. G. K.) lateiniſch gilt hier h für ch
(χειμὼν, hiems; χεὶρ, lat. hir; χὴρ, herinaceus vgl.
Schneider p. 202.) alth. aber häufig g für k, welches
letztere ich hier nur theoretiſch durchführe. 1) anlaut:
χὴν, anſer (f. hanſer) goth. gans, alth. kans — χέω
(fundo) χυτὸς (fuſus) goth. giutan, alth. kioƷan — χολὴ,
altn. gall, alth. kalla — χθὲς, heri, heſternus, goth. gi-
ſtra, alth. këſtar — χόρτος, hortus, gards, alth. karto —
hoſtis (peregrinus) gaſts, kaſt — homo, goth. guma,
alth. komo — χθὼν wie χθὲς f. χὲς f. χὼν und dieſes
f. χὼμ, vgl. χαμαὶ, humi) humus; zu vergleichen mit
dem goth. gauï, alth. kouwi, kou. — 2) inlaut: ἔχειν,
goth. áigan, alth. eikan — τρέχειν, dor. τράχειν, goth.
þragjan — λέχος, goth. ligrs, alth. lëkar — λείχω, λίχω
(lambo) goth. láigô, alth. lêkôn — λοχᾷν (inſidiari)
(goth. lêgôn?) alth. lâkôn. —
Anmerkungen zu dieſer conſonanzvergleichung:
Aus dem verhältnis der conſonanten geht alſo ge-
nügender beweis einer urverwandtſchaft der vergliche-
nen ſprachen hervor. Sollte ſich, auf es geſtützt, nicht
zugleich berührungen der vocale nachſpüren laßen? die
analogie zwiſchen hochd. und gothiſchem vocalſtande
nicht zu dem ſchluße leiten, daß auch latein. vocale
mit goth. zuſammenhängen müßen? Unſicherer und ab-
gebrochener wird dieſer zuſ. hang ſchon deßhalb ſeyn.
weil wir in deutſchen dialecten derſelben conſonanten-
ſtufe ſo ſchwankenden und manigfaltigen vocalen begeg-
nen. Gleichwohl gibt es noch ſolche unverkennbare
ähnlichkeiten:
Die declination geſchieht in allen deutſchen ſpra-
chen weſentlich durch dem worte hinten eingefügte
endungen. Das wort kann ſowohl in ſeiner nackten
wurzel, als in einer abgeleiteten, d. h. ſchon durch eine
bildungsendung vermehrten geſtalt declinieren. Im letz-
ten fall muß man die flexionsendung (den caſus) von
der voranſtehenden bildungsendung trennen, deren ſogar
mehrere verbunden eintreten können. Im goth. worte
dags iſt dag die reine wurzel, s der caſus; in arbja arb
die wurzel, i die ableitung, a der caſus; in blôtinaſſus
blôt die wurzel, i die erſte, naſſ die zweite ableitung,
us der caſus. Zuweilen verwächſt aber der caſus mit
einem bildungsvocal. Unweſentlich zur declination ſind
1) der durch einen vocal der endung im vocal der wur-
zel gezeugte umlaut, wenn ſich gleich ſpäterhin aus
dieſem umlaut die abgeſchliffene endung ſchließen läßt.
2) der vorgeſetzte artikel, d. h. ein ſyntactiſch ange-
wandtes mittel, der unvollkommenheit des caſus zu
hülfe zu kommen oder ſeinen abgang völlig zu erſetzen.
Der umlaut beurtheilt ſich nach den allgemeinen geſetzen
(im erſten buch); vom gebrauche des artikels wird erſt
im vierten buche gehandelt werden.
Die caſus beſtehen aus vocalen und conſonanten.
Jene laßen ſich nicht im allgemeinen beſtimmen, dieſe
ſind nur folgende: die ſpirans ſ; die liquidae m. n. r
und die lingualis t. Hiſtoriſch ergibt ſich aber, daß r
in der declin. überall ein unurſprüngliches, nämlich all-
mählig aus ſ entſtandenes ſey; ebenſo daß n wahrſchein-
lich überall (in den meiſten fällen gewiß) früheres m
vertrete. Folglich blieben nur ſ und m als anfängliche
beherrſcher aller caſus. Die lingualis t (nach goth. be-
ſtimmung, das heißt = lat. d, = hochd. z) erſcheint
nur als ſeltne ausnahme in dualer pronominalform.
Alle deutſchen ſprachen unterſcheiden ſingularis und
pluralis; vom früheren dualis gibt es einige trümmer,
Sie unterſcheiden vier caſus: nominativ, genitiv, dativ,
accuſativ; mit den formen des nom. fallen die des vo-
cativs, mit denen des dat. die des ablativs und inſtru-
mentalis zuſammen. Allein auch des vocativs und in-
ſtrum. früheres daſeyn bewähren theilweiſe ſpuren. Spä-
terhin fällt der acc. zum nom., ja der dat. büßt ſeine
auszeichnung ein.
Ferner iſt die unterſcheidung der drei geſchlechter
zu beobachten. Das maſculinum beſitzt deutlichere und
dauerhaftere form, das femininum mildere, weichere,
das neutr. eine der männlichen meiſtens ähnliche, nur
ſtumpfere. Einige weibliche declinationen ſtimmen bei-
nahe ganz zu den männlichen.
Keine der deutſchen mundarten beſitzt die caſus in
vollkommener, urſprünglicher geſtalt; vocale und conſ.
haben ſich vielfältig abgeſchliffen und dadurch allmählig
vermiſcht, endlich aufgelöſt. Die goth. ſprache mag ſich
hierin ungefähr zu der älteren, reineren verhalten, wie
ſich die neuhochd. zur goth. verhält. Vollſtändigere,
ſchärfere caſusformen können theils aus der analogie
und gegeneinanderhaltung der ſubſtantive, adjective und
pronomina gefolgert, theils aus der vergleichung urver-
wandter fremder ſprachen vermuthet werden. Hierüber
läßt ſich aber erſt nach geſchehener darſtellung der ver-
ſchiedenen declinationen am ſchluße des ganzen urthei-
len, wo ich auch meine anſicht von der eigentlichen
bedeutung der caſuszeichen entwickeln will.
Noch bleibt einer durch die geſammte deutſche
zunge waltenden unterſcheidung zwiſchen ſiarker und
ſchwacher flexion zu erwähnen. Erſtere iſt die ältere
und (innerlich) einfachere; die ſchwache ſcheint durch
einſchaltung eines zur declination anfangs unweſentlichen
bildungs-n entſtanden, zeigt ſich dem zufolge niemahls
an reinen wurzeln. Dieſes bildungs-n führte ſchnellere
abſchleifung der wahren caſus herbei und erſchien dann
als eigne, der declination weſentliche form. Beweis
und ausführung meiner behauptungen zu ende dieſes
capitels; aufgeſtellt werden müßen aber nach dem un-
teiſchied ſtarker und ſchwacher form alle deutſche de-
clinationen, da er hiſtoriſch ein wirklicher geworden iſt.
| beiſpiel: nom. fiſk-s | plur. fiſk-ôs |
| gen. fiſk-is | fiſk-ê |
| dat. fiſk-a | fiſk-am |
| acc. fiſk | fiſk-ans |
| voc. fiſk |
Anmerkungen.
| beiſpiel: | har-jis | pl. | har-jôs | haírd-eis | pl. | haírd-jôs |
| har-jis | har-jê | haírd-eis | haírd-jê | |||
| har-ja | har-jam | haírd-ja | haírd-jam | |||
| har-i | har jans | haírd-i | haírd-jans | |||
| har-i | haírd-i (ei) |
| beiſpiel: ſun-us | pl. ſun-jus |
| ſun-aus | ſun-ivê |
| ſun-au | ſun-um |
| ſun-u | ſun-uns |
| ſun-au |
Anmerkungen.
| beiſpiel: balg-s | pl. balg-eis |
| balg-is | balg-ê |
| balg-a | balg-im |
| balg | balg-ins |
| balg |
enthält wenige wörter: áivs (aevum) arms (brachium)
banſts (horreum) barms (gremium) baúrs (genitus) ga-
draúhts (miles) faþs (dux) gards (domus) gaſts (peregri-
nus) láuþs (homo) mats (cibus) náus (mortuus) [navis,
nava, nau? oder nav?; pl. naveis Luc. 7, 22, navê, na-
vim, navins Luc. 9, 16.] puggs (marſupium) ſáuds (ſa-
crificium) ſaggvs (cantus) ſlahs (ictus) ſpaúrds (ſtadium)
ſtads (locus) vêgs (fluctus).
Anmerkungen.
| beiſpiel: gib-a | pl. gib-ôs |
| gib-ôs | gib-ô |
| gib-ai | gib-ôm |
| gib-a | gib-ôs |
Anmerkung: einige wenige wörter, die bloß im dat.
ſg. vorkommen, können zwar dieſer, aber auch der
vierten decl. zufallen, als: jundai (juventute) Luc. 18, 21.
môtai (telonio) Matth. 9, 9. Marc. 2, 14. — Wiederum
ſolche, von denen bloß der nom. pl. vorkommt, dürften
auch maſc. 1. decl. ſeyn.
| beiſpiel: þiv-i | pl. þiu-jôs |
| þiu-jôs | þiu-jô |
| þiu-jai | þiu-jôm |
| þiu-ja | þiu-jôs |
| þiv-i |
auch dieſe decl. muß gleich der zweiten männl. untheo-
retiſch aufgeſtellt werden. An ſich und urſprünglich
war ihr paradigma völlig das von giba, gibôs, folglich
þivi (ſt. þiuj-a) þiuj-ôs, þiuj-ai, þiuj-a etc. Der be-
weis liegt in den unter 8. der vorigen decl. angeführ-
ten vollſtändigen formen ſunja und vrakja. Andere wör-
ter haben das-a des nom. abgeworfen, wie einige maſc.
das -s des nom. Dem maſc. war dieſes abwerfen nach-
theilig, weil es nom. und acc. mengte; dem fem. bringt
es vortheil, weil es umgekehrt nom. und acc. unter-
ſcheidet. Vielleicht verurſachte der das -a ablegende
voc. (mavi Luc. 8, 54.) den nom. -i ſtatt -ja. Aus-
nahmsweiſe legt es auch der acc. ab (kunþi, notitiam
Luc, 1, 77.).
Das kennzeichen dieſer decl. d. h. den nom. auf -i,
haben nun beleglich folgende wörter:
Weitere belege müßen lehren, ob der nom. ſg. fol-
gender fem. -i, oder -ja habe; in beiden fällen gehen
alle übrigen caſus gleich: banjôs (plagas) háiþjôs (agri)
haljai (tartaro) hvilftrjôm (feretris) kalkjôm (meretricibus)
ludja (faciem) plapjô (platearum) ſkaljôs (tegulae) ſuljôm
(ſcandaliis) vaſtjôs (pallii) vinja (paſcuam) vipja (coronam).
Zweifel zwiſchen einem acc. ſg. f. oder acc. pl.
neutr. waltet bei faúradaúrja (πλατείας) Luc. 10, 10. und
haúrja (ἄνθρακας Rom. 12, 20. ἀνθρακιὰν Joh. 18, 18.)
Stimmt in allem zu der dritten männlichen. Mit
ſicherheit fallen hierher bloß: handus (manus) aſilus
(aſina) kinnus (maxilla) vaddjus (vallum) vritus (grex);
muthmaßlich etwan auch: qvaírnus (mola) ulbandus
(camelus).
| beiſpiel: anſt-s | pl. anſt-eis |
| anſt-ais | anſt-ê |
| anſt-ai | anſt-im |
| anſt | anſt-ins. |
Anmerkungen.
| beiſpiel: vaúrd | pl. vaúrd-a |
| vaúrd-is | vaúrd-ê |
| vaúrd-a | vaúrd-am |
| vaúrd | vaúrd-a |
Anmerkung. einige unvollſtändig vorkommende ſind
zweifelhaft, z. b. der gen. beiſtis Marc. 8, 15. konnte
einem neutr. beiſt oder maſc. beiſts gehören; ſauïl (ſol)
ſteht im nom. ohne -s (Marc. 1, 32. 13, 24.) ſonſt würde
ich das maſc. vorziehen.
| beiſpiel: kun-i | pl. kun-ja |
| kun-jis | kun-jê |
| kun-ja | kun-jam |
| kun-i | kun-ja |
gleich der zweiten männl. decl. theoretiſch eigent-
lich mit der erſten eins: kuni, kunj-is, kunj-a,
kuni etc., weil i bloßes bildungsmittel iſt. Doch finde
ich hier kein analoges -eis f. jis im gen. bei vorſtehen-
der langer ſilbe, vgl. faúra-gaggjis Luc. 16, 2. Dieſe
decl. begreift folgende wörter:
Anmerkung: unvollſtändig belegte können auch maſc.
2ter decl. ſeyn, namentlich: auralja (ſudario) aúrkjê
(urceorum) fraþja (mente) filêgrja (latibulo) fulhſnja
(latibulo).
hierher bloß faíhu (pecunia) gen, faíhaus, dat. faíhau,
acc. faíhu, pl. kommt nicht vor.
| beiſpiel: han-a | pl. han-ans |
| han-ins | han-anê |
| han-in | han-am |
| han-an | han-ans |
Anmerkungen.
| beiſpiel vil-ja | pl. vil-jans |
| vil-jins | vil-janè |
| vil-jin | vil-jam |
| vil-jan | vil-jans. |
eigentlich wieder mit der vorigen eins und vilj-a, vilj-
ins etc. aufzuſtellen; die vorkommenden wörter find:
arbja (heres) aúrtja (hortulanus) bandja (vinctus) vái-
dêdja (maleficus) af-êtja (vorator) fêrja (inſidiator) ſiſkja
(piſcator) frauja (dominus) ganja (incola) gudja (ſacerdos)
dulga-háitja (creditor) haúrnja (buccinator) kaſja (figulus)
maurþrja (homicida) nêhvundja (proximus) arbi-numja
(heres) gaſinþja (comes) ſkatja (nummularius) ſviglja (ti-
bicen) timrja (faber) vardja (cuſtos) vaúrſtvja (operarius)
vilja (voluntas); bis auf das letzte lauter perſönliche wör-
ter. Der dat. ïddaljin (deſcenſu) könnte im nom. ïddalja
oder ïddaljô (neutr.) haben.
| beiſpiel: tugg-ô | pl. tugg-ôns |
| tugg-ôns | tugg-ônô |
| tugg-ôn | tugg-ôm |
| tugg-ôn | tugg-ôns |
Anmerkung: von fraveitô (vindicta) reirô (motus)
findet ſich nur der nom. ſg., ſchwerlich aber ſind es
neutra, ſondern hierher gehörig.
| beiſpiel: raþ-jô | pl. raþ-jôns |
| raþ-jôns | raþ-jônô |
| raþ-jôn | raþ-jôm |
| raþ-jon | raþ jôns |
hiernach: aíkklêſjô (eccleſia) aívaggêljo (evangelium) hêþjô
(cubiculum) ïumjo (turba) mitaþjô (menſura) niþjô (cog-
nata) raþjô (ratio) ga-runjô (inundatio) tainjô (corbis).
Es verhält ſich ebenſo, wie mit der zweiten männl.
| beiſpiel: manag-ei | pl. manag-eins |
| manag-eins | manag-einô |
| manag-ein | manag-eim |
| manag-ein | manag-eins |
enthält meiſtens bildungen aus adjectiven, als: agláitei
(laſcivia) baírgahei (regio montana) bleiþei (miſericordia)
faúrhtei (timor) ûs-filmei (terror) frôdei (ſapientia faíhu-
frikei (avaritia) ufar-fullei (abundantia) ga-gudei (pie-
tas) arma-haírtei (miſericordia) handugei (ſapientia) hlei-
dumei (ſiniſtra) kilþei (uterus) analaugnei (occultatio)
managei (multitudo) mikilei (magnitudo) ga-raíhtei (ju-
ſtitia) un-ſêlei (nequitia) ûs-ſtiurei (effrenatio) ſiukei
(aegritudo) ſvinþei (fortitudo) filu-vaúrdei (multilo-
quium). Folgende ſtammen aber aus ſtarken ſubſt.: áiþei
(mater) gabei (poſſeſſio) gáitei (capra) hvaírnei (calva-
ria) liutei (ſimulatio) magaþei (virginitas) marei (mare)
þramſtei (locuſta); über gumei und quinei ſ. unten vierte
anomalie. Von verbis ließen ſich leiten: veitvôdei (te-
ſtimonium) miþ-viſſei (conſcientia) vaja-mêrei (blaſphe-
mia) un-agei (ſecuritas). — Da der acc. ſg. dieſer decl.
dem der wörter auf -eins nach der vierten ſtarken
weibl. begegnet, ſo dürfte der nom. von inmáidein (mu-
tationem) maþlein (ſermonem) ſowohl inmáidei, maþlei,
als inmáideins, maþleins heißen.
| beiſpiel: haírt-ô | pl. haírt-ôna |
| haírt-ins | haírt-ônê |
| haírt-in | haírt-am (-nam) |
| haírt-ô | haírt-ôna |
nur wenige wörter: áugô (oculus) áuſô (auris) haírtô
(cor) kaúrnô (granum) namô (nomen) þaírkô (foramen)
vatô (aqua) ubilô (malum) barnilô (infans).
Anmerkungen: 1) es findet ſich der pl. namna (no-
mina) Luc. 10, 20. Marc. 3, 17. ſtatt namôna. 2) der
dat. pl. vatnam (aquis) ebenſo ſtatt vatônam und dieſes
merkwürdig für vatam. Vermuthlich heißt es alſo auch
namnam und vatna. Oder wäre für beide wörter außer
der ſchwachen form namô, vatô eine ſtarke namn, vatn
(wie razn, vêpn) gültig? oder gienge der ſg. ſchwach,
der pl. ſtark? (vgl. am ſchluße dieſes capitels über die
bedentung der ſchwachen form.) — 3) die beim ſchwa-
Q q
[610]II. gothiſches ſubſtantiv. anomalien.
chen maſe. anm. 3. angeführten formen ſind vielleicht
neutral. — 4) malô (tinea) Matth. 6, 19, 20. zweifelhaft.
fem. oder neutr. Das entſprechende altn. mölr iſt ſtar-
kes maſc.
Anomalien der decl. überhanpt gründen ſich theils
auf abſchleifung und contraction der gewöhnlichen for-
men, theils auf vermiſchung zweier declinationen, theils
auf vermiſchung ſtarker und ſchwacher form.
| beiſpiel: nom. viſc. | pl. viſc-â |
| gen. viſc-es | viſc-ô |
| dat. viſc-a | viſc-um |
| acc. viſc | viſc-â |
| inſtr. viſc-û |
die länge oder kürze der caſusvocale kann nicht zur
gewisheit gebracht werden; doch die â des nom. und
acc. pl ſind höchſtwahrſcheinlich, theils nach der ver-
gleichung des goth. -ôs, -ans (vgl. gâs ſt. gans ſ. 286.)
theils weil N. zuweilen noch ausdrücklich â circum-
flectiert, wiewohl nicht durchall. Dieſe -â ſcheiden
auch den nom. und acc. pl. vom dat. ſg. mit kurzem -a.
Das û des inſtr. und das ô des gen. pl. (unterſchieden
von dem kurzen o des ſchwachen maſc.) nehme ich
nach analogie des goth. è an, N hat keinen inſtr. mehr
und wenn er, wie es ſcheint, im gen. pl. o, nicht ô
Q q 2
[612]II. alth. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
ſchreibt, ſo kann dies ſpätere abſchwächung ſeyn. O.
und T. behalten im inſtr. u, wie im pl. a bei, während
ſie das dative kurze a in e ſchwächen; dies ſpricht für
die länge des û wie des â. Endlich geht das û des inſtr.
nicht in o über, da doch gerade das kurze u des dat.
pl. bei O. und T. zu o wird. Die verderbnis des m
dieſes caſus in n ſcheint mit dem neunten jahrh. zu be-
ginnen, O. und T. haben entſchieden on ſtatt des frü-
heren um, om. N. endlich ſetzt -e im dat. und inſtr.
ſg. und -en (nicht -ên) im dat. pl., behält aber â im
nom. acc. und ô im gen. pl. Dieſe decl. begreift:
Anmerkungen.
1) perſönliche wörter zeigen noch zuweilen den al-
ten acc. ſg. auf -an, wie er ſich bei eigennamen und
adj. findet, als: kotan (Deum) truhtìnan (dominum) etc. —
2) mehrſilbige wörter aſſimilieren und ſtoßen ihre vo-
cale zuweilen aus, z. b. përac, përekes; vinkar, vin-
kres, vinkurû; ſnabal, ſnabeles, ſnabulû (O. I. 25, 55.)
allein dieſe regeln werden ſchwankend befolgt und grei-
fen nicht durch. — 3) da der ſg. dieſer decl. mit dem
der vierten zuſ. fällt, ſo entſpringt für einzelne wörter,
deren pl. nicht vorliegt, ungewisheit, zu welcher von
beiden decl. man ſie rechnen will. Einige bilden denn
auch, nach verſchiedenheit der denkmähler, ihren pl.
bald mit der erſten, bald mit der vierten, vgl. gl. jun.
212. cruagâ (lagenas) O. II. 8, 57. kruagî; T. 43, 1. wintâ
K. 18b wintî; T. 4, 18. fuoƷâ (pedes) 95. 138. fuoƷì;
gl. monſ. 391. fuoƷì; O. I. 1, 42. IV. 27, 40. fuaƷì I. 25,
56. fuaƷin; K. 17b 47a fuaƷum, O. I. 27, 118. V. 8, 37.
7, 111. fuaƷon; N. 13, 5. 100, 8. gebraucht liutâ, râtâ ſt.
des üblicheren liutî, râtî etc.
| beiſpiel: hirt-i | pl. hirt-â |
| hirt-es | hirt-ô |
| hirt-a | hirt-um |
| hirt-i | hirt-â |
| hirt-û |
nach der ſ. 599. gemachten bemerkung eigentlich ganz
die vorige decl. und theoretiſch aufzuſtellen: hirti, hirt-es
(ſt hirtj-es) hirt-a (ſt. hirtj-a) etc. Das practiſch un-
terſcheidende i des nom. und acc. gehört der bildung,
nicht der flexion, um ſomehr, als es in den übrigen
caſibus wegfällt. Ich habe i und nicht î angeſetzt, je-
nes gebührt dem acc. ſchon nach dem goth.; im nom.
könnte man unterſcheiden und auf kurze ſilbe i, auf
lauge î vermuthen, z. b. riſi, wini, aber hueiƷî, hirtî.
Für i ſpricht auch das ſpätere -e bei N. (riſe, hitte)
der in der zweiten weibl. decl. î behält.
Der wörter mit der bloßen bildung -i gibt es nur
wenige (einige goth. ſind hier neutral, z. b. heri, exer-
citus; enti, finis): aſni (mercenarius) lant-deri (latro
T. 199, 8. von derjen, nocere) hirſi (milium) hirti (cu-
ſtos) hrucki (dorſum) hueiƷi (triticum) lâhhi (medicus)
puzzi (putens) riſi (gigas) wini (amicus). — Deſto häu-
figer iſt die bildung -ari, -eri, dem goth. -areis ent-
ſprechend, lautet aber bei andern -âri.
Der dat. pl. endigt auf -um, vgl. wehchârum (heb-
domadariis) K. 43a artârum (cultoribus) gl. jun. 198. lê-
rârum (doctoribus) K. 24b; O und T. geben inzwiſchen
-in: hirtin T. 6, 5. lêrarin T. 12, 4. arnarin (meſſori-
bus) T. 72, 6. lachin (medicis) T. 60, 3. buohherin (ſcri-
bis) T. 57. 1. 189, 1. ſcualârin O. III. 16, 18. brëdigârin
O I. 22, 66, wiewohl ſie den nom. pl. ſtets auf -â en-
digen laßen.
| beiſpiel: ſun-u | pl. ſun-î |
| ſun-es | ſun-eô |
| ſun-ju | ſun-im |
| ſun-u | ſun-î |
das bildende i dauert nur im dat. ſg. vgl ſidju (more)
J. 343. ſitju K. 42b gl. monſ. 402. fridju K. 41a 57a hugju
Miſc. 2, 290. ſunju J. 143.; ſpätere haben hier entw.
bloßes -u, oder auch ſchon -e. Wie der inſtr. in die-
ſer decl. lauten könne, weiß ich nicht, ſchwerlich ſunjû.
Später geht das u in o über und gleicht im nom. den
wörtern no. 14. der erſten decl. — Der ganze pl. iſt ei-
gentlich in die vierte übergetreten.
Hierher gehören nur noch: haru (linum) gl. jun.
211. huku (mens) mëtu (mulſum) ſiku (victoria) ſitu
(mos) ſunu (filius) vridu (pax); muthmaßlich viele an-
[615]II. alth. ſubſt. ſtark. maſc. vierte decl.
dere, z. b. maku (puer) ëru (nuntius) hëru (gladius) etc.
dann noch einige fremde wörter, als apoſtolu, mâgu
(magus, ſapiens) wenigſtens nach dem pl. mâgî, dat.
mâgin (T. 8, 1, 4. 10, 1.) zu ſchließen. — ſunu lautet
bei O. und T. ſchon gänzlich ſun, d. h. folgt auch im ſg.
der vierten decl.
| beiſpiel: palc | pl. pelk-î |
| palk-es | pelk-jô (eo) |
| palk-a | pelk-im |
| palc | pelk-î |
| palk-û |
der ſg. iſt dem der erſten decl. gleich; im pl. rechtfer-
tigt ſich î aus dem goth. -eis, -ins und der analogie
des -â (-ôs, -ans) obgleich der ſpätere N. hier ſchon
-e zeigt. ſo daß wenigſtens dieſes î früher verkürzt wor-
den ſeyn mag, als das der zweiten weibl. decl. — -jô,
eô des gen. pl. wird allmählig zu -ô. wie im goth.
durchgehends -ê (in balgê) für -jê zu ſtehen ſcheint. —
Dieſe decl. zählt weniger wörter, als die erſte:
Anmerkungen. 1) vom ſchwanken in die erſte ſ. dort.
2) manche wörter rühren ſichtbar aus der dritten her,
welcher ſie noch in früheren quellen zuſtehen, z. b.
vuoƷ, ſun.
| beiſpiel: këp-a | pl. këp-ô |
| këp-ô | këp-ônô |
| këp-ô | këp-ôm |
| këp-a | këp-ô |
die länge des ô erhellt ſowohl aus dem goth., als aus
der notkeriſchen circumflectierung und iſt merkwürdige
ſpur uralter übereinkunft des alth. mit dem goth. laut,
da in der regel dem goth. ô alth. uo entſpricht (ſ. 96.)
Niemahls zeigt ſich hier ein këpuo, gëbua. Der gen.
pl. ſteht unorg. in der ſchwachen form, këpônô f. këpô,
offenbar theils zur unterſcheidung von dem gen. pl.
maſc viſcô (goth. fiſkê, gibô) theils weil ô mit dem
gen. ſg. und nom. pl. zuſ. treffen würde (nachdem die
muthmaßlich frühere form këpôr, goth. gibôs aufgegeben
war). Der letzte grund paſt freilich nicht auf diejeni-
gen quellen, welche im gen. und dat. ſg., nom, und
acc. pl. kein ô zeigen.
Nämlich das aufgeſtellte paradigma findet ſich völlig
beobachtet nur in den monſ. gl., ſodann, was den nom,
acc. ſg. gen. und dat. pl. angeht, auch in allen übrigen
denkmählern; für den gen. dat. ſg. und nom. acc. pl.
bemerke ich folgende verſchiedenheiten:
Vergleicht man dieſe viererlei weiſen miteinander,
ſo ſcheint das aufgeſtellte paradigma, welches die mei-
ſten ô enthält, abgeſehn vom dat. ſg. (der zum goth. ai
nicht ſtimmt) hiſtoriſch die getreuſte. Unleugbar hinge-
gen treten die einzelnen caſus individuell geſchieden in
der weiſe α. am beſten vor. Die beiden letztern ſchwä-
chen dieſe individualität wieder und jede anders.
In dieſe decl. gehören nun
| beiſpiel: heil-î | pl. heil-î |
| heil-î | heil-ônô |
| heil-î | heil-im |
| heil-î | heil-î |
dieſe decl. ſtimmt nicht recht zu der goth. zweiten,
überhaupt nicht zu dem begriff der zweiten decl. maſc.
und neutr., wonach man eher die bei der erſten un-
ter 11. angeführten ſuntja, ſippja etc. den wörtern hirti
und chunni gleichſetzen ſollte. Inzwiſchen war im goth.
gerade auch der nom. ſg. ſeines -a entblößt worden,
was eine analogie von þivi: heilî begründet. Die übri-
gen caſus fügen ſich wenig, noch mehr widerſpricht
die ganz verſchiedene formation der wörter in der goth.
und alth. zweiten decl. Kein einzelnes begegnet ſich,
wenn man kunþi abrechnet.
Das thema heilî (die länge des î erwieſen aus den
ſchreibungen antreitii, abulkii K. 16a 23b, auch aus N.
beibehaltung dieſes î) bietet weniger eine decl. dar, als
vielmehr auflöſung früherer caſus, für den ſing. erſtar-
rung in einem einzigen. Den ſeltenen gen. pl. belegt
meri-minnônô (ſyrenarum) gl. monſ. 324., den dat. and-
[619]II. alth ſubſt ſtark. fem. zweite u. vierte decl.
reidim J. [...]86. menigin (turbis) T. 80. gâhin O. II, 14,
187. — Wahrſcheinlich ſtammen alle hierher gehörigen
wörter aus der dritten ſchwachen, indem ſie das -n
allmählig abwarfen.
mangelt.
| beiſpiel: auſt | pl. enſt-î |
| enſt-î | enſt-jo (eo) |
| enſt-î | enſt-im |
| anſt | enſt-î |
der pl. ſtimmt genau zur vierten maſc., die langen î
nom. und acc. heruhen auf denſelben gründen; ob etwa
zur unterſcheidung ein kurzes i des gen. dat. ſg. ange-
nommen werden dürfe, bezweifle ich, weil auch in
der erſten weibl. decl. gen. ſg. und nom. pl. überein-
kommen. Das goth. ais und eis führt auf ê, î, doch
iſt mir ein alth. ê im gen. dat. ſg. nie vorgekommen;
N. ſpäteres kurzes e gilt für ſg. und pl. — Dieſer decl.
folgen: ankuſt (angor) anſt (gratia) apanſt (invidia) ara-
peit (labor) arn (meſſis) vrumi-chiſt (primitiae) urchiſt
(reditus) chluft (emunctorium) chnuot (natura) chraft
(vis) chuo, chuoî (vacca) chumft (adventus) chuſt (gu-
ſtus) achuſt (vitium) unchuſt (turpitudo) diu, gen. diwî
(ſerva) duruft (neceſſitas) ëht (ſubſtantia) eih (quercus)
pi-giht (confeſſio) hant (manus) -heit in komaheit, dëo-
heit etc. hlouft (curſus) prûihlouft (nuptiae) huf (femur)
hût (cutis) jugund (juventus) kans (anſer) keiƷ (capra)
[620]II. alth. ſubſt. ſtarkes fem. vierte declin.
kift (donum) kir (cupido) êra-krebt (dignitas) kluot
(fervor) laſt (onus) liſt (fraus) liumunt (fama) luſt (vo-
luptas) makad (virgo) maht (vis) miluh (lac) munt (tu-
tela) naht (nox) nât, nâtî (ſutura) ki-niſt (ſalvatio) nôt
(neceſſitas) nuot (incaſtratura, gl. jun. 209.) ka-nuht
(abundantia) numft, nuft (ſumptio) nôt-numft, ſiki-
numft etc. nuƷ (nux) pluot (flos) prunſt (incendium)
pruſt (pectus) prût (ſponſa) ki-pulaht (ira, aemulatio)
puruc (urbs) kipurt (nativitas) vuri-purt (abſtinentia)
eid-puſt (jus juraudum) quirn (mola) quiſt (calamitas)
ki-riht (vindicta) ſât, ſâtî (ſatio) ki-ſcaft (creatura) ki-
ſciht (hiſtoria) niu-ſciht (prodigium) ſcrift (ſcriptura)
ſculd (debitum) ki-ſiht (facies) ſlaht (occiſio) man-ſlaht
(homicidium) ki-ſpanſt (perſuaſio) ſpuot (proſperitas)
ſtat (locus) ſû, gen. ſuwî, ſûwî? (ſus) ſuht (tabes) ſûl
(columna) eid-ſuart (coniuratio) tac-alt (recreatio) (bei
N. nach zweiter decl. tagaltî) tât, tâtî (factum) truh (vin-
culum T. 53, 4.) tuld (ſolemnitas) tur (porta) vart (iter)
vluoh (rupes) vluht (fuga) vluot (fluxus) vlô (pulex) vol-
luſt, vol-leiſt (auxilium) vraht, vrehtî (meritum) vriſt
(occaſio) vûſt (pugnus) ki-wahſt (pubertas) vrumi-wahſt
(primitiae) vgl. owahſt (ſtirps, gl. hr. 952a) ki-walt (po-
teſtas) ana-walt (latibulum) wât, wâtî (veſtis) wëralt,
worolt (mundus) wiſt (alimentum, ſubſtantia) und viele
compoſita wie heim-wiſt, nah-wiſt, ſaman-wiſt etc.
wurſt (farcimen) wurt (fatum) ki-wurt (dignitas) zît
(tempus) zuht (educatio) ki-zumft (pactum).
Anmerkungen: 1) der gen. pl. nimmt bei den ſpä-
teren ſchon -ô ſtatt eo, jo an. — 2) im dat. pl. zuwei-
len -um, un, on ſtatt -im, in, namentlich in hantum
K. 25a 45b hanton O. I, 20, 33. II. 3, 35. III. 10, 68.
(bei dieſem worte vielleicht nachwirkung des alten -u,
vgl. goth. dritte decl.) magadon O. I. 6, 14 etc. — 3) im
dat. ſg. Miſc. 2, 290. anſt ſtatt enſtî. — 4) unvollſtändig
belegte wörter gehören unſicher dieſer oder der vierten
männl. und verſchiedene ſchwanken wirklich, was erſt
im dritten buch bei der lehre vom geſchlecht näher er-
örtert werden kann.
| beiſpiel: wort | pl. wort |
| wort-es | wort-ô |
| wort-a | wort-um |
| wort | wort |
| wort-û |
die caſus denen der erſten männl. in allem gleich, außer
daß nom. und acc. pl. jede endung abgelegt haben, folg-
lich wie im ſg. lauten (daß dieſe früher vorhandene en-
dung -u war, erhellt aus der zweiten decl.). Gewiſſe
wörter (wovon anm. 2.) ſchieben aber im pl. ein bil-
dungs -ir ein. — Hierher ſind zu rechnen
Anmerkungen: 1) ſchwanken zwiſchen maſc und
neutr. iſt begreiflich; näheres in der lehre vom genus.
2) die merkwürdige anſchiebung der ſilbe -ir (niemahls
-ar; ſpäterhin aber -er) iſt ein bildungsmittel und der
decl. weſentlich fremd, daher auch dieſem erweiterten
pl. die gewöhnlichen gen. und dat. endungen zutreten:
hûſir, hûſir-ô, hûſir-um, hûſir. Practiſch läßt ſich in-
deßen von dem ſing. hûs eiu pl. hûſ-ir, hûſ irô, hûſ-
irum, hûſ-ir annehmen. Dieſe pluralform tritt erweis-
lich bei folgenden wörtern ein: charir, cherir (vaſa, vgl.
pîcherir, alvearia, gl. caſſ. 855a) chalpir. chrûtir. eigir
(ova) hârir. holir. holzir. huonir. hûſir. hredir (rotae)
hrêwir. hrindir. hrîſir. apkotir. krepir. lempir. lohhir.
pilohhir. loupir. nôƷir (pecora) pantir, pentir. plëhhir.
pletir. porſtir. pretir ſpriuwir, ſpriur. ſuînir. tiorir (ferae)
telir (valles) varhir (porculi) welfir (catuli) wihtir (crea-
turae); zweifelhaft bleiben mir: halſirom (habenis gl.
flor. 985a) welches eher einen ſg. halſira als hals zu ha-
ben ſcheint; ſeidir (tendiculae, gl. doc.) juhhir (cen-
turiae, mon. boic. VII. 373. juhhiran 1. juhhirun) wahſir
(gl. caſſ. 854b wo fälſchlich waheir gedruckt, gloſſe des
dunkelen wortes uuaſa?) ſcheint pl. von wahs (cera) —
3) bisweilen wirft ſchon der dat. ſg. ſeine endung ab,
ſo ſteht T. 44, 8, 9. hûs ſt. hûſe.
| beiſpiel: chunn-i | chunn-i (-ju, -u) |
| chunn-es | chunn-jô (-eô) |
| chunn-e | chunn-um |
| chunn-i | chunn-i (-ju, -u) |
| chunn-jû |
das kurze i ſcheidet dieſe caſus von dem -î der pl.
maſc. fem. vierter und dem der fem. zweiter überhaupt;
N. hat ſchon -e für -i. Im gen. und dat. ſg. gilt -es,
-e für ein früheres -jes, je (ja) das noch zuweilen vor-
kommt, z. b. in herjes, herje, perjes, ôljes; die volle
form des inſtr. hat T. 138: mit ôljû ſalbôn (oleo ungere).
Von dieſem -jû ſcheide ich dann das -ju, -u nom. und
acc. pl., welches ſich merkwürdigerweiſe bei dem ein-
zigen T. obwohl ſchwankend erhalten hat. Während
nämlich die übrigen quellen chunni, kunni, peri etc.
ſetzen, hat T. cunnu, beru, zuweilen auch: neƷƷju
(retia) giſcuohju (calceamenta) giwâtju (veſtimenta) etc.
[623]II. alth. ſubſt. ſtarkes neutr. zweite decl.
Dieſes -ju, -u iſt zwar die ältere form, allein unfolge-
richtig, da ſich in der erſten decl. bei T. niemabls wortu,
kindu, meginu, ſondern wort, kind, megin findet.
Neben dem -ju, -u liefert, wenigſtens die ſ. galler hſ.
T. auch die pl. cunni, giwâti, urcundi etc. — Vom dat.
pl. gilt das bei der zweiten männl. decl. bemerkte, die
regel heiſcht -um, un und die ältern quellen haben es
auch: endum I. 394. pettum K. 48a; auch O. III. 14, 147.
gowon, T. hingegen 19, 3. neƷƷin, 107. wiƷin etc. —
In dieſe decl. fallen:
Anmerkungen: 1) bedenklich iſt die decl. der un-
ter 2. angeführten bildungen -ili, iri, wovon hernach
in der ſiebenten anomalie. — 2) ſchwanken zwiſchen
dieſer und der zweiten weibl. decl. begreift ſich; bei O.
âbulgi neutral, bei K. âpulkî weiblich (mehr hiervon
in der abhandl. des genus). — 3) wie bei der vorigen
decl. ſcheint der pl. auch hier zuweilen -ir anzuſchie-
ben, vgl. kefildir (campi) N. 95, 13. vom ſing. kefilde;
geteleren (convallibus) miſc. 1, 39. vom ſg. getele.
enthält bloß vihu (pecus) witu (lignum) welche wie
ſunu declinieren. anßer daß der nom. und acc. pl. (wenn
ein pl. vorkommt) dem nom. acc. ſg. gleich ſeyn würde.
| beiſpiel: | han-o | han-un (on) |
| han-in | han-ônô | |
| han-in | han-ôm | |
| han-un (on) | han-un (on) |
die langen ô im gen. und dat. pl. gründen ſich theils
auf N., theils auf diſcoom, willoom K. 25a; nach dem
goth. hanam hätte ich eher hanom unterſchieden von
zunkôm (tuggôm) und hanonô (hanan[ë]) angeſetzt. Statt
-in des gen. dat. ſg. haben die ſpäteren -en. Im acc.
ſg. nom. und acc. pl. ſcheint u älter als o; im nom. ſg.
nie u für o. N. behält dies o des nom. ſg. und die ô
gen. dat. pl., vertauſcht aber das in u ſchwankende o
überall mit e (er decliniert folglich: hano, hanen, ha-
nen. hanen: hanen, hanôn, hanôn, hanen). —
| beiſpiel: will-jo | pl. will-jun |
| will-jen | will-jônô |
| will-jen | will-jôm |
| will-jun | will-jun |
kommt nur in den älteſten denkmählern und neben:
-eo, -eon, eônô, eôm vor; bald fällt dies i und e ganz
aus und die wörter ſchlagen ſich zur erſten decl. will-o,
will-in etc. Beiſpiele ſind: arpeo (heres) êvangeljo.
hreccheo (exſul) einhurnjo (unicornus) murdreo (homi-
cida) innapurjo (incola) ſtapheo (paſſus) verjo (remex)
willeo (voluntas) die part. nerendeo (ſalvator) walden-
deo (imperans) etc.
| beiſpiel: zunk-a | pl. zunk-ûn |
| zunk-ûn | zunk-ônô |
| zunk-ûn | zunk-ôm |
| zunk-ûn | zunk-ûn |
das ô im gen. dat. pl. iſt hier nicht zu bezweifeln und
gleich dem û aus N. erweiſlich; das û folgt auch aus
dem völlig analogen ſchwachen adj. cotchunduun K. 40a.
An die ſtelle des durchgreifenden goth. ô iſt alſo hier
theils û, theils ô getreten und im nom. ſg. ſogar kurzes a.
Anmerkung: einzelne wörter ſchwanken zwiſchen
dieſer und der erſten ſtarken decl., erklärlich, da in bei-
den nom. ſg. gen. dat. pl. übereintreffen.
| beiſpiel: red-ja | pl. red-jûn |
| red-jûn | red-jônô |
| red-jûn | red-jôm |
| red-jûn | red-jûn |
nur in wenigen wörtern der älteſten denkmähler, als
càlizja (caliga) lectja (leczja, lectio) winja (amica) redja
(ratio), welches aber zuweilen ſtark decliniert. Das
vorhin bemerkte nn, rr entſpringt manchmahl durch
ausſtoß dieſes i, ſteinna aus ſteinja, rorra aus rôrja.
| beiſpiel: manek-în | pl. manek-în |
| manek-în | manek-înô |
| manek-în | manek-îm (?) |
| manek-în | manek-în |
dieganze aufſtellung hat bedenken wegen des zwieſpalts
der hierher bezüglichen wörter mit der zweiten und
vierten ſtarken decl. Nämlich 1) die von adj. abgeleite-
teten ſubſt. angehend, ſo ſtimmte der zur zweiten ge-
ſchlagene nom. manakî, ſiohhî völlig mit dem goth. ma-
nagei, ſiukei, wenn ſich dazu der gen. manakîn (mana-
geins) weiſen ließe; es erſcheint aber das unwandel-
bare manakî. Andere analoge bildungen haben inzwi-
ſchen unleugbar -în und nicht allein im gen. dat. acc.
ſondern auch unorganiſch im nom. ſg. vgl. guotlîhhîn
(gloria) J. 369. guotlîhhîn (gloriam) J. 353, 355. 386. got-
lîhhîn (divinitatis) J. 367. *) urchundîn (auctoritate)
J. 340. 361. ôdhîn (vaſtitas) J. 381. ſcuonîn (decore) J. 383.
huldîn (gratiae) J. 385. grimmîn (pervicaciam) J. 394.
antwërdîn (conſpectu) J. 397. armhërzîn (pietate) J. 403.
weshalb 365. maneghiu (pluralitas) in maneghîn zu än-
dern iſt. Die gl. jun. gewähren: 195. ruomilîn (arrogan-
[629]II. alth. ſubſt. ſchwaches femin. dritte decl.
tia) 221. ſtechilîn (praecipitium) 258. keilîn (ſuperbia)
253. chaltîn (torpor) 251. unreinîn (immundities) 238.
rûmîn (amplitudo) 254. kinuhtſâmîn (ubertas) 239. ſi-
chîn (1. ſiochîn, morbus) 244. ſniumîn (pernicitas) 249.
ſtrengîn (robur) 250. waſſìn (ſagacitas) 260. krimmîn (fu-
rore) 259. waſſîn (ſagacitate) 260. wôtagîn (furore); gl.
herrad. 188a ſerpfîn (feritas) 191b ſterchîn 194b kergîn
(aſtus). Bei K. 42b it-niwîn (renovatione). Späterhin
wurde bei dieſen wörtern mit weggeworfnem n die zweite
decl. üblich, doch, wie es ſcheint, das lange î behalten. —
2) von den movierten femininis (dem goth. áiþei, gáitei,
þramſtei, quinei entſprechend) gilt dasſelbe; nur dauern
ſie länger, da noch O. I. 16. 5. foraſagîn (prophetiſſa) T. 142.
henîn (gallina, gl. caſſ. 854. hanîn) 97. zikîn (hoedum)
116. eſilin (aſina) 57, 5. cuningîn (regina); gl. caſſ. 854.
phâîn (pavo fem.) gl. monſ. 414. tâmîn (damula) gewäh-
ren. Hierher rechne man auch die lebloſen: burdîn (onus)
T. 67, 9. 109. O. III. 24, 131. burdîn (oneris) O. IV. 25.
24. acc. IV. 5, 18, 24. V. 4, 31. pl. T. 141. putîn (dolium)
gl. caſſ. 854b lentîn (humeri) T. 13, 11. 150. lendînô
(lumborum) J. 404.; die monſ. gl. 334. 351. ſetzen (purdî)
(onus) im dat. pl. purdinon (vgl. unten ſiebente anoma-
lie) hingegen 357. portîn (liga[t]ura). — 3) die aus ſchwa-
chen verbis entſpringenden ruhîn (rugitus) lewîn (? lu-
hîn, lujîn, rugitus) mendîn (gaudium) gl. jun. 249. 253-
chilaubîn (fide) J. 357. 405. alôſnîn (redemtionem) 1. 385.
daufîn (baptiſmatis) J. 388. urſuohnîn (examine) gl. jun.
257. ſcheinen anfänglich nach vierter ſtarker: mendîn,
gen. mendînî, dat. mendînî, acc. mendîn gehabt zu ha-
ben. Übergänge veranlaßte ſchon im goth. der gleich-
lautende acc. ſg. beider decl.
| beiſpiel: hërz-a | pl. hërz-ûn |
| hërz-in | hërz-ônô |
| hërz-in | hërz-ôm |
| hërz-a | hërz-ûn |
befaßt nur die drei wörter hërza (cor) ouga (oculus)
ôra (auris). Zuweilen kommen dieſe wörter weiblich
vor, O. II. 9. 23. hërzâ gidiganô (f. angelſ. und alt-
frieſ. ſchw. fem.) K. 17a ſogar hërzâ iwerju (corda
veſtra) und 27b augâ (oculi) ohne adj. ſo daß alſo auch
der neutr. ſchwachen form ausnahmsweiſe gleichheit des
nom. pl. und ſg. zugeſtanden haben mag. — T. 21, 2.
lieſt die ſ. gall. hſ. richtig waƷƷar ſt. waƷƷarun.
| beiſpiel: fiſc | pl. fiſc-ôs |
| fiſc-as (es) | fiſc-ô |
| fiſc-a (e) | fiſc-un (on) |
| fiſc | fiſc-ôs |
| fiſc-û |
as, a im gen. dat. ſg. noch zuweilen der cod. cott., ge-
wöhnlich beide es, e; un im dat. pl. cod. monac., on
cod. cott. (keiner um, om). Die übrigen caſus ſtehen
in beiden feſt, namentlich auch der inſtr., nur bemerke
ich im cott. (Temler p. 143.) einmahl den acc. pl. ſlutilâ
(claves) ſt. ſlutilòs, nach alth. weiſe, während ſonſt
überall der acc. gleich dem nom. endigt. — Hierher
gehören: 1) einfache wörter: bôm (arbor) bord (clypeus)
dag (dies) dêl (pars) duom (judicium) drôm (ſomnium)
fiſc (piſcis) gard (domus) gêſt (ſpiritus) hlôt (ſors) hof
(hobhôs, aula) holm (inſula) hund (canis) kuſſ (oſculum)
muth (os) rinc (procer) ſand (arena) ſidh (iter) ſcalc (ſer-
vus) ſcat (pecunia) ſlâp (ſomnus) ſtên (lapis) ſtôl (thro-
nus) ſtrôm (fluvius) ſtrîd (lis) thanc (gratiae) thiob (fur)
thorn (ſpina) thurſt (ſitis) wang (campus) ward (cuſtos)
wëg (via) wër (vir) wîh (templum) wôp (ploratus). —
2) auf -al, -il, l: bodl (villa) diubil (diabolus) engil
(angelus) ërl (vir nobilis) fugl (avis) himil (coelum) na-
gal (naglôs, clavus). — 3. auf -am, -om, m: atham (ſpi-
ritus) baram, barm (ſinus) fadm (amplexus) farm (onus)
harm (dolor) mêdm (theſaurus) waſtm (ſtatura) — 4) auf
-an, in: hëbhan (coelum) ſuëbhan (ſomnium) thëgan
(thëgnôs, miniſter) thiodan (rex) morgan (mane) drohtin
(dominus) — 5) -or, er: ëdor (ſepes) hamor (malleus)
rador (coelum) fingar (digitus) wintar (hiems) hungar
(fames) — 6) -ing: cuning (rex) gaduling (cognatus) —
7) -and: wîgand (heros) hetteand (perſequutor) âband
(veſper) wâpan-bërand (armiger) — 8) -ôd, id: mëtôd
(creator) helid (heros) rakud (domus, wofern es nicht
neutr.) — 9) -ah, -ag, -ic. alah (templum) bërag
(bërgôs, mons) këlic (calix) — 10) -is: fëlis (rupes) —
11) comp. mit gi: giſith (comes) — 12) auf -êo, o:
ſnêo (nix) gen. ſnêwes; ſêo (mare) ſêwes; êo (lex) gen.
êwes, dat. êwe, acc. êo; ſcado (umbra) gen. ſcadowes.
| beiſpiel: hird-i | pl. hird-jôs |
| hird-eas (-jes) | hird-jô |
| hird-ea (-je) | hird-jun |
| hird-i | hird-jôs |
| hird-jû |
nur wenige wörter 1) auf bloßes -i: hërdi oder hirdi
(cuſtos) hugi (mens) maki (gladius) meti (cibus) ſeli
(aula) ſlegi (homicida) wini (amicus) vermuthlich noch
[634]II. altſ. ſubſt. ſtark maſc. dritte u. vierte decl.
andere, die bei unvollſtändigen belegen auch für neutr.
zweiter decl. gelten können, z. b. tiri (decus) endi
(finis); die comp. mit -ſcipi, ſcëpi ſchwanken augen-
ſcheinlich zwiſchen maſc. und neutr.; heri (multitudo)
und meri (mare) ſind im altſ. weiblich. — 2) auf -âri,
eri: altari (altare) ſoleri (coenaculum) garderi (hortula-
nus). — Zuweilen wird das i ausgeworfen, namentlich
in hërdôs.
hierher die wörter: fridu (pax) hëru (gladins) lagu
(aequor) magu (puer) ſidu (mos) ſunu (filius) wîſu (prin-
ceps oder wîſo ſchwach?) die faſt nur im nom. und
acc. ſg. vorkommen. Doch ſunu macht den gen. ſunjes
und einmahl, wo die lesart richtig, den dat. ſunu (nicht
ſunje). Den pl. von ſunu gewähren meine bruchſtücke
nicht, ich vermuthe aber nicht ſunjôs, ſondern ſunî.
ſpuren: liudî (homines) gen. liudjô, dat. liudjun; fôt
(pes) pl. fôtî, gen. fôtô ſt. fôtjô, dat. fôton ſt. fôtjun;
ſegg (vir) pl. ſeggî, gen. ſeggjô; ſcild (clypeus) dat. pl.
ſcildjun; gaſt (hoſpes) dat. pl. gaſtjun; thrum (ſonitus) dat.
pl. thrumeon; vielleicht auch râd (conſ.) pl. râdî? Ich
finde den pl. trahnî (lacrimae) bin aber des geſchlechtes
ungewiß, der ſg. muß trahen, trahan lauten. — Die
decl. des ſg. fällt mit der erſten decl. zuſammen, im dat.
pl. aber ſollte man eher -in als -jun erwarten, wirk-
lich ſteht einmahl trahnin (lacrimis).
| beiſpiel: gëb-a | pl. gëb-â |
| gëb-â | gëb-ônô |
| gëb-û | gëb-un |
| gëb-a | gëb-â |
ſtatt des kurzen a im nom. acc. ſg. zuweilen ſchon e. —
Hierher gehören aha (aqua) bëda (preces) gibada (leva-
men) buota (emendatio) ërtha (terra) folda (terra) folma
(manus) forhta (timor) fruma (utilitas) galla (bilis) gëba
(donum) gôma (prandium) halba (latus) halla (aula) hëlpa
(auxilium) huîla (tempus) kara (querela, luctus) lêra
(doctrina) logna (ignis) mêda (merces) pêda (tunica)
pîna (cruciatus) quâla (nex) raſta (requies) ſaka (cauſa)
ſêola (anima) harâmſcara (poena) ſoiga (cura) ſprâka
[635]II. altſ. ſubſt. ſtark. fem. zw., dr. u. vierte decl.
(ſermo) ſtrâta (via) ſtëmna (vox) wahta (cuſtodia) wîſa
(modus); ſodann die bildungen -idha, -ina, als: tiu-
ridha (laudatio) firina (ſcelus) etc. -ea, -ja haben: min-
nea (amor) ſundea (peccatum) ſpunſja (ſpongia) wun-
nea (gaudium).
im ſing. unveränderlich auf -î: bendî (vinculum) dôpî
(baptiſma) eldî (aetas) gôdî (benignitas) herî (exercitus)
huldî (favor) menegî (turba) merî (mare) ôdmuodî (hu-
militas) menniſkî (humanitas).
gebricht; hand (manus) macht den pl. handî, gen. handô,
dat. handon (handun).
| beiſpiel: dâd | pl. dâd-î |
| dâd-î | dâd-jô |
| dâd-î | dâd-jun |
| dâd | dâd-î |
hiernach: bank (benkî, ſcamnum) buok (liber) giburd
(genus) burg (arx) brûd (conjux) dâd (factum) fard (iter)
hand (manus) hel (tartarus) idis (mulier) jugudh (juven-
tus) craft (virtus) liſt (ſcientia) magad (virgo) maht (po-
teſtas) nôd (neceſſitas) ſculd (debitum) ſuht (morbus) tîd
(tempus) githaht (cogitatio) wërold (mundus) giwald
(vis) wiht (res) wurt (radix) wurd (fatum) und gewiß
manche andere. — anmerkung: dat. pl. -jun ſt. in, wie
bei der vierten maſc.
| beiſpiel: word | pl. word | 2) fat-u |
| word-as (es) | word-ô | fat-ô |
| word-a (e) | word-un | fat-un |
| word | word | fat-u |
| word-ô |
1) einfache wörter: bac (tergum) blad (folium) barn (in-
fans) fat (vas) fiur (ignis) Hêſc (corpus) folc (populus)
gold (aurum) graf (ſepulcrum, gen. grabes, grabhes)
hûs (domus) hros (equus) jâr (annus) kind (proles) corn
(granum) crûd (herba) land (terra) lîn (linum) lioht (lux)
mên (noxa) môs (cibus) niud (deſiderium) rëht (jus)
[636]II. altſ. ſubſt. ſtark. neutr. erſte u. zweite decl.
ſinc (pecunia) ſpër (haſta) tal (numerus) wîf (mulier) wîn
(vinum) word (verbum) thrac (labor) thinc (cauſa). —
2) bildungen mit l, m, n, r: cumbal (ſignum) tungal
(ſidus) ſëgal (velum) cnuoſl (genus) brahtm (ſtridor) tê-
can (ſignum) lacan (pannus) wâpan (arma) wolcan (nu-
bes) bôcan (nutus) lëgar (cubile) ſilubar (arg.) fëtar (com-
pes) watar (aqua) wëdar (tempeſtas) — 3) mit -id, -ôd:
hôbid (caput) wêrôd (turba). — 4) mit -ah: fërah
(vita). — 5) mit -êo, ëo: hlêo (umbra) gen. hlêwes;
hrêo (cadaver) gen. hrêwes; knëo (genu) gen. knëohes;
trëo (arbor) gen. trëwes. — 6) comp. mit gi-: giwin
(bellum) gimang (turba) gilag (fatum) gibod (mandatum)
giwand (? mutatio) giſuërc (nubes) giſcap (decretum) gi-
thuing (coactio).
Anmerkungen 1) der bildungsvoc. wird bei zutreten-
dem flexionsvoc. oft ausgeſtoßen, als: cumbal, cumbles;
ſilubar, ſilubres; hôbid, hôbdes, hôbde, hôbdû. — 2)
wichtig iſt der doppelte, aber nicht willkürliche nom.
acc. pl. Die regel ſcheint: alle kurzſilbigen wörter ha-
ben im pl. die alte endung -u behauptet: bacu, bladu,
fatu, grabu, giſcapu, talu, thracu; langſilbige aber ma-
chen ihn dem ſg. gleich: barn, crûd, thing, wîb, word.
Die zweiſilbigen ſchwanken, neben têcan, ſëgal (und
nicht têcnu, ſëglu) finde ich brahtmu (ſt. brahtemu, ſtri-
dores). — 3) das geſchlecht mancher wörter iſt unſicher,
z. b. hoſc (contumelia) gëlp (ſuperbia) drôr (ſanguis)
können maſc. und neutr. ſeyn.
| beiſpiel: | kunn-i | pl. | kunn-i |
| kunn-eas (jes) | kunn-jô | ||
| kunn-ea (je) | kunn-jun | ||
| kunn-i | kunn-i | ||
| kunn-jû |
arbêdi (labor) arundi (nuntius (bilidi) imago) endi (fi-
nis) fletti (atrium) gigengi (mos) kunni (genus) curni
(frumentum) elilendi (exſilium) urlagi (bellum) rîki
(regnum) girûni (myſterium) giſiuni (viſio) giſithi (co-
hors) mût-ſpëlli (mutatio?) giwâdi (veſtitus) witi (ſup-
plicium) webbi (tela) giwirki (opus); hiwiſki (familia)
comp. mit-ſcipietc. Anmerkung: zuweilen wird im nom.
und acc. das i nebſt einem der geminierten conſ. abge-
worfen, z. b. bed (lectus) flet (atrium) inwid (dolus) giwit
(ſolertia) ſt. beddi, flettí, inwiddi, giwitti; im gen. noth-
wendig: beddjes, inwiddjes, giwittjes.
fihu (pecus) vermuthlich auch widu (lignum).
| beiſpiel: han-o | pl. han-on |
| han-en (-on) | han-ônô |
| han-en (-on) | han-ôn |
| han-on | han-on |
im gen. dat. ſg. iſt ſchon die endung -on für -en häu-
fig eingerißen. 1) einfache wörter: bano (homicida)
bodo (nuntius) mund-boro (protector) en-dago (dies
ultimus) fano (pannus) frôho (dominus) ord-frumo
(auctor) galgo (patibulum) bag-gëbo (epularum largitor)
gramo (furor) gruomo (mica) gumo (vir) fëther-hamo
(induviae plumoſae) lîk-hamo (exuviae) hërro (domi-
nus) wis-cumo (hoſpes) mâno (luna) naco (cymba)
namo (nomen) ſëbo (mens) ſîmo (vinculum) ſcatho (latro)
ſcîmo (ſplendor) wâr-ſago (veridicus) wider-ſaco (ini-
micus) ſtërbo (peſtis) ſtuopo (gradus) ſtërro (ſtella) tiono
(injuria) heri-togo (dux) tuêho, tuëho? (dubium) wëlo
(divitiae) — 2) bildungen mit -ar: abharon (filii) eldi-
ron (parentes) jungaron (diſcipuli) — 3) mit -is: egiſo
(timor) — 4) mit der vorſilbe gi-: gilôbo (fides) gimaco
(par) gigado (conjux). — Anm. einige nach bloßer ana-
logie angeſetzte ſind unſicher, z. b. ſîmo (altn. ſîmi) wo-
von mir nur dat. pl. ſîmon vorkommt.
brunnjo (fons) urkundeo (teſtis) ſcenkeo (pincerna) wil-
leo (vol.) wrekkjo (exſul) gibeddeo, gibenkeo (conſors
lecti, ſcamni).
| beiſpiel: tung-a | pl. tung-ûn |
| tung-ûn | tung-ônô |
| tung-ûn | tung-ûn |
| tung-ûn | tung-ûn |
ſo gehen: dûbha (columba) ërdha (terra) hiwa (conjux)
porta (porta) quëna (mulier) raſta (requies) ruoda (crux)
ſunna (ſol) ſtëmna (vox) ſtrâta (via) thiorna (virgo) wan-
ga (gena); einige (z. b. ërtha) ſind auch in der ſtarken
decl. aufgeführt und ſchwanken zwiſchen beiden. Eini-
gemahl findet ſich hier, wie dort, e ſtatt a im nom. ſg.
hellja (gehenna) ſundja (peccatum) uthja (unda) gehen
mitunter ſtark.
fehlt.
hërta (cor) ôga (oculus) ôra (auris).
| beiſpiel: fiſc | pl. fiſc-as |
| fiſc-es | fiſc-a |
| fiſc-e | fiſc-um |
| fiſc | fiſc-as |
1) einfache wörter: ar (nuntius) âd (rogus) âdh (jusjur.)
beáh (annulus) beárn (trabs) bëorg (mons) bëorn (vir
fortis) bëód (menſa) blæd, blædas (flatus) brand (titio)
ceáp (pecus) cëol (navis) clædh (veſtis) cnoll (cacumen)
copp (calix) coſp (compes) cräft (vis) däg, dagas (dies)
dæl, dælas (pars) diſc, diſcas und dixas (ferculum) dôm
(judicium) dreám (jubilum) drinc (potus) ëard (ſolum)
ent (gigas) eſt (amor) fëld (campus) fiſc, fiſcas und fixas
[639]II. angelſ. ſubſt. ſtark. maſc. erſte decl.
(piſcis) forſt (gelu) fyrs (rubus) gâr (jacnlum) gäſt (hoſ-
pes) gâſt (ſpiritus) gnätt (culex) grund (ſolum) hâd (per-
ſona) hëlm (caſſis) heáp (cumulus) hëóf (ululatus) hëor
(cardo) hrân (rangifer) hreác (acervus) hring (annulus)
hrôf (culmen) hväl, hvalas (balaena) hvëolp (catulus) hyll
(collis) hyſſ (juvenis) lâſt (veſtigium) luſt (voluptas) mäg,
magas (filius) miſt (caligo) môr (palus) mudh (os) nidh (ho-
mo) orc (crater) pädh, padhas (callis) râp (funis) ræd, rædas
(conſilium) ræs, ræſas (impetus) rand (margo) rêc (fumus)
ſâl (lorum) ſceáf (manipulus) ſcëat, ſcëattas (pecunia)
ſcëld (clypeus) ſcôp (poëta) ſecg (vir) ſeám (onus) ſëol
(phoca) ſmidh (faber) ſtäf, ſtafas (baculus) ſtân (lapis)
häg-ſtëald (coelebs) ſtræl, ſtrælas (ſagitta) ſtream (fluen-
tum) ſvêg (ſtrepitus) tëar (lacrima) torr (turris) væg, væ-
gas (fluctus) vamm (malum) vëall (vallum) vëard (cuſtos)
vëg (via) vër (vir) vind (ventus) vulf (lupus) vyrm (ver-
mis) þëóf (fur). — 2) bildungen mit -l, m, n, r: ëarl
(vir nob.) cëorl (ruſticus) eſol (aſinus) fengel (princeps)
fugel (avis) nägel (clavus) ſagal (vectis) ædhm (ſpiritus)
bôſm (ſinus) êdhm (odor) fædhm (amplexus) wäſtm (ſta-
tura) âdhum (gener) mâdhum (cimelium) drihten (dominus)
ëoten (gigas) hëofon (coelum) hräfn (corvus) rëgn (pluvia)
ſëgn (ſignum) þëgn (miles) þëóden (rex) äcer (ager) baldor
(princeps) cëafor (ſcarabaeus) ëaldor (ſenior, dominus) ëdor
(ſepes) ëofor (aper) êgor (aequor) finger (digitus) häfer (ca-
per) nicer (monſtr. maris) rodor (coelum) ſigor (victoria)
vëlor (labium) vuldor (gloria) þunor (tonitru) — 3) mit
-ing: cyning (rex) hrunting (n. pr.) etc. — 4) mit -els:
byrgels, byrgelſas (ſepulcrum) fätels (vaſculum) rêcels
(thus) ſcyccels (chlamys) ſticels (aculeus) väfels (tegmen) —
5) mit -adh, edh, odh, od: mônadh (menſis) vëarodh
(littus) häledh (vir fortis) hacod (lupus piſc.) — 6) mit
-ot: hëorot (cervus) — 7) mit -h: mëarh (equus) pl.
mëaras ſt. mëarhas. — 8) mit -oc: hafoc (accipiter) vëo-
loc (cochlea) — 9. mit -eſt: hëngeſt (equus) — 10) mit
-ord, erd: hlâford (dominus) ſacerd (ſacerdos) — 11) mit
-v und -o (ſtatt -v): ſnâv, ſnâvas (nix) hræv, hrævas
(cadaver) þeáv, þeavas (mos) þëóv, þëóvas (ſervus)
bëaro, bëarvas (lucus) bëalo, bëalvas (malum) ſcëado,
ſcëaduvas (umbra). — Anmerkungen: 1) die auf -els ſchei-
nen zuweilen im nom. acc. pl. das -as abzuwerfen,
bleiben aber doch männl. z. b. Oroſ. p. 28. tvêgen fätels
ſt. fätelſas. 2) bei denen von 2 bis 7 wird der bildungs-
vocal oft, jedoch ſchwankend, ausgeſtoßen, z. b. bôſom
bôſm, näglas, fingras, mâdhm, mâdhmas, môndhe (menſe) etc.
| beiſpiel: hird-e | pl. hird-as |
| hird-es | hird-a |
| hird-e | hird-um |
| hird-e | hird-as |
der einzige unterſchied von der erſten decl. beruht auf
dem im nom. acc. ſg. gebliebenen bildungs-e; alle übri-
gen caſus werfen es weg und hirdes, hirdas iſt dem
fiſces, fiſcas gleich. [Ohne] zweifel war früher das e noch
im pl. ſichtbar, es hieß: hirdeas, hirdea, hirdeum und
ſpurweiſe ſtehet Beov. 165. meceas (enſes) neben 110.
mecas; 166. ſvengeas (vibrationes) anderwärts ligeas
(flammae) ligea (flammarum). Späterhin löſt ſich auch
öfters das e im nom. acc. ſg. ab und erfolgt völliger über-
tritt in die erſte; bei Cädm. bereits lig für lige. Solche
wörter erſter decl., die vorher der zweiten gehörten,
ſind oft am umlaut zu kennen, rêc (fumus) ſvêg (fragor)
ſveng (vibratio) weiſt auf ein älteres rêce, ſvêge, ſvenge
(d. h. ohne umlaut: reáce, ſvôge, ſvange). — Man kann
noch hierher zählen 1) einfache wörter mit bloßem bil-
dungs-e: bere (hordeum) bryne (incendium) cvide (dictum)
ele (oleum) ege (timor) ende (finis) eſne (ſervus) fridhe
(pax) häle (vir, dem pl. hälas bin ich nirgends begegnet)
here (exercitus pl. hergas, herigeas) hyge (animus) hryre
(ruina) hvæte (triticum) læce (medicus) aldor-, fëorh-
lege (exitium) lige (flamma) mece (enſis) mene (mo-
nile) mere (lacus) mete (cibus) ryne (curſus) ſele (aula)
ſige (victoria) viele comp. mit ſcipe als ſinſcipe (con-
jugium) etc. vlite (nitor) þûfe (vexillum) þyle (orator). —
2) viele mit der bildung -ere: fiſcere (piſcator) huntere
(venator) etc.
hierher fallen wenige wörter: bregu (dux) hëoru (enſis,
cardo) lagu (aequor) magu (puer) mëdu (mulſum) ſalu
(aula) ſidu (mos) ſunu (filius) vudu (lignum) welche
dazu größtentheils nur im nom. acc. ſg. oder in der
compoſition vorkommen, z. b. bregu-ſtôl (thronus)
hëoru-grim (altſ. hëru-grim, mittelh. ſwërt-grim)
mëdu-gâl (ebrius). Alleinſtehend iſt mit ablegung des
bildungs-u hëor pl. hëoras, ganz in die erſte decl.,
mit verwandlung des -u in -e, hyge, ſige, ſele (ſt.
hugu, ſigu, ſalu) in die zweite getreten. Die flexion
der häufigſten unter dieſen ſubſt. (nämlich ſunu, vudu)
[641]II. angelſ. ſubſt. ſtark. fem. erſte decl.
erſcheint aber faſt anomal und auch untereinander ab-
weichend. ſunu macht den gen. ſuna (ſt. ſunes) dat.
ſuna (ſt. ſune) acc. ſunu; pl. ſuna (ſt. ſunas oder ſune?)
gen. ſuna, zuweilen ſchwach ſunena, dat. ſunum; be-
lege hat Lye h. v. Von vudu hingegen findet ſich zwar
der dat. ſg. vuda und Boet. p. 54. der gen. ſg. vuda
aber daneben vudes und nom. pl. vudas; möglich daß
beide letztere caſus ſchon nach der zweiten decl. zu
nehmen ſind, weil neben vudu zuweilen die form vude,
vyde gilt.
die meiſten wörter dieſer decl. ſind theils zur erſten
übergegangen (ſcild, ſcildas, clypeus; ræd, rædas, con-
ſilium etc.) theils zur zweiten, indem ſich das e aus
dem pl. gleichſam in den ſg. drängte (ſo ſtünde mete,
metas, cibus für mat, mete und ſele, ſelas für ſal, ſele?).
Übrig bleiben wenige pl. auf -e: lëóde (homines) byre
filii, Beov. 91., wo aber auch 195. 216. der ſg. byre, (fi-
lius) burh-vare (cives) cant-vare (cantium habitantes) *)
dene (dani) engle (angli) woneben ich gleichwohl, zwar
nicht lëódas, aber byras (Cädm. 29, 4.) burhvaras, cantvaras
antreffe. Der gen. pl. lautet lëóda, dat. lëódum (ſt. lëódem).
| beiſpiel: gif-u | pl. gif-a |
| gif-e | gif-ena |
| gif-e | gif-um |
| gif-e | gif-a |
nur noch wenige wörter: duru (porta) faru (iter) färbu
(color) fremu (commodum) gifu (gratia) lufu (amor)
ladhu (invitatio) nafu (modiolus rotae) notu (uſus, offi-
cium) racu (narratio) ſacu (cauſa) ſagu (dictum) ſcëamu
(pudor) hëarm-ſcëaru (ſupplicium) ſcôlu (ſchola) ſnôru
(nurus) ſtigu (ſcala) ſtudu (columna) ſvadhu (veſtigium)
-varu (complexus incolarum, land-varu, provincia;
burh-varu, civitas; cëaſter-varu, arx) vracu (ultio)
vradhu (fulcrum) ydhu (unda). — Zuweilen findet ſich
auch der acc. ſg. auf -u und gen. pl. auf -a ſtatt -ena;
S s
[642]II. angelſ. ſubſt. ſtark. fem. zw. u. vierte decl.
doch iſt den ausgaben, am wenigſten dem lyeſchen wör-
terbuche, nicht zu trauen.
eine dem alth. î entſprechende, im ſg. unveränderliche
endung -o begegnet in ſubſt. welche aus adj. entſprin-
gen, als: ädhelo (nobilitas) brædo (latitudo) hælo (ſalus)
hyldo (favor) ofermetto (luxuria) menigo (multitudo)
ſnytro (prudentia) ſtrengo (rigor) þëoſtro (caligo) *) yldo
(ſenectus) etc. Später ſcheint aber -e einzutreten: hæle,
menige etc. — Ob auch den bildungen mit -dh (goth. -jþ,
alth. -id) z. b. ſtrengdho (auſteritas) yrmdho (paupertas) ein
ſolches -o rechtmäßig zuſtehe, müßen die älteſten hſſ. ent-
ſcheiden; der theorie nach fallen ſie vielmehr der erſten
decl. zu, practiſch ſchwanken ſie aber auch in die vierte
und machen den nom. ſtrengdh, yrmdh.
mangelt (vgl. anom. 3.)
| beiſpiel: dæd | pl. dæd-a |
| dæd-e | dæd-a |
| dæd-e | dæd-um |
| dæd-e | dæd-a |
die zahlreichſte und gewöhnliche abwandelung angelſ.
fem. der auch viele zufallen, die in den übrigen ſpra-
chen zur erſten gehören: 1) einfache wörter: âr (honor)
äht (patrimonium) bær (feretrum) ben, benne (vulnus)
bên (preces) bend (vinculum) blis gen. bliſſe (gaudium)
blêd (fructus) brëóſt (pectus) brŷd (ſponſa) bôt (emen-
datio) burg (arx) dæd (facinus) dûn (mons) ëarc (ciſta)
ecg (acies) folm (manus) glêd (ardor) hëal, hëalle (aula)
hel, helle (tartarus) hen, henne (gallina) hild (pugna) lâd (via)
lâf (reliquiae(lis gen. liſſe (gratia) lâr (doctrina) mäg (virgo)
mëare (ſignum) mêd (merces) miht (potentia) niht (nox) râd
(equitatio) rëord (ſermo) reſt (quies) rôd (crux) rûn (my-
ſterium) ſëalf (unguentum) geſcëaft (creatura) ſib, ſibbe
(pax) ſpræc (ſermo) ſpêd (ſucceſſus) ſtôv (locus) ſtræt
(platea) ſyn, ſynne (peccatum) tîd (tempus) vên (ſpes)
vomb (venter) voruld (mundus) vund (vulnus) vyn, vynne
(gaudium) vyrd (fatum) ydh (unda) þrag (tempus, curſus)
þëarf (neceſſitas) þëód (gens). Man ſieht, die mit kurzem voc.
[643]II. angelſ. ſubſt. ſtark. neutrum. erſte decl.
und einfachem conſ. geminieren letzteren. — 2) wenige
bildungen mit -l: âdl (morbus) ſâvel oder ſâvl (anima). —
3) viele mit -en, -n: byrgen (ſepultura) byrdhen (onus)
byſen (exemplum) elfen (lamia) ellen (vis) gŷmen (cura)
gyden (dea) lenden (lumbus) metten (parca) mennen
(ancilla) räden (ordo) ſtëfen (vox) vylen (ſerva) þëóvén
(ancilla) þînen (ancilla); die übrigen caſus pflegen das e
der bildung auszuſtoßen, z. b. ſtëfne (vocis) vylne (ſer-
vae) ſt. ſtëfene, vylene; auch wohl den conſ. zu gemi-
nieren, z. b. þînenne (miniſtrae) rädenne (conditionis)
ſt. þînene, rädene. — 4) wenige mit -er: frôfer, frêfer
(ſolatium) gen. frôfre, cëaſter (arx) lifer (hepas). —
5) viele mit -ung: blêtſung (benedictio) ſamnung (con-
gregatio). — 6) viele mit -nis, -nes: nëovelnis (abys-
ſus) etc. im gen. nëovelneſſe. — 7) einige auf -es: ides
(femina) gen. ideſe — 8) auf -oc: mëoloc (lac) gen.
mëolece. — 9) auf -odh, udh: dugudh (virtus) gëogodh
(juventus) — 10) auf -dh (ſ. die bem. zur zweiten decl.)
als: yrmdh (miſeries) ſældh (felicitas) etc.
| beiſpiele: vord | pl. vord | fät | pl. fat-u |
| vord-es | vord-a | fät-es | fat-a |
| vord-e | vord-um | fät-e | fat-um |
| vord | vord | fät | fat-u |
1) einfache: äg (ovum) bäc (tergum) bädh (balneum) bân
(os) bëarn (infans) bil, billes (ſecuris) brëd (aſſer) brim
(aequor) broc (miſeria) cëalf (vitulus) cild (infans) dëór
(animal) fäc (ſpatium) fäs (fimbria) fät (vas) fnäd (fim-
bria) flôd (flumen) fŷr (ignis) gëat (porta) gläs (vi-
trum) gôd (bonum) gräs (gramen) grin (laqueus) hilt
(globus capuli) hors (equus) hlidh (jugum montis)
lamb (agnus) leáf (folium) lëódh (carmen) lëóht (lux)
land (terra) lîc (corpus) neát (jumentum) reáf (ſpo-
lium) ſcæp, nicht ſcëap (ovis) ſcip (navis) ſpëll (nar-
ratio) ſvëord (enſis) ſvîn (ſus) tûn (oppidum) tvig (ra-
mus) vëorc (opus) vîf (femina) vicg (equus) vord (ver-
bum) þing (res). — 2) bildungen mit -el, en, er: ſë-
tel (thronus) tungel (ſidus) yfel (malum) beácen (nutus)
cicen (pullus) fâcen (dolus) mæden (virgo) mägen (vis)
nŷten (pecus) tâcen (ſignum) ticcen (hoedus) væpen
(arma) väſten (deſertum) volcen (nubes) clyſter (clau-
ſtrum) eher, ſpäter ëar (ſpica) fëdher (ala) lëdher (lo-
rum) tiber (ſacrificium) timber (aedificium) vundor (mi-
S s 2
[644]II. angelſ. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte u. zw. decl.
raculum) väter (aqua). — 3) mit -od, ed, et: heáfod
(caput) hîred (familia) hundred (centuria) vëofod (al-
tare) liget (fulmen). — 4) die mit -h werfen dieſes im
gen. und dat. gerne fort, als: fëoh (pecunia) gen. fëos
dat. fëo; plëoh (periculum) gen. plëos, dat. plëo; þëoh
(femur) gen. þëos, dat. þëo; fëorh (vita) gen. fëores,
dat. fëore (vgl. maſc. erſte decl. no. 7.) — 4) auf -v
und o: cnëóv, cnëóves (genu) trëóv, trëóves (arbor)
mëlo, mëleves (farina) ëalo (cereviſia) gen. ëaleves; ſëaro
(inſidiae) gen. pl. ſëarva; vielleicht auch bëado, bëadves
(bellum).
Anmerkungen: 1) den pl. auf -u machen α) wie im
altſ. die kurzſilbigen wörter, es heißt: bacu, badhu,
brëdu, brimu, brocu, faſu, fatu, fnadu, gëatu, glaſu,
grinu, hlidhu, hofu, ſcipu, tvigu (auch tviggu); hinge-
gen bëarn, hors, lëódh, lëáf, ſcæp, tûn, vîf etc. Das
von Lye angeführte bânu (oſſa) wäre hiernach falſch
und in bân zu beßern. β) die bildungen mit -el, en, er:
ſëtlu, tunglu, nŷtenu, volcnu, fëdheru, lëdheru, väteru etc.;
ſeltner findet ſich daneben ſëtel (throni) tungel (ſidera)
väter (aquae). γ) auch die andern mehrſilbigen, z. b.
vëofodu (altaria) heáfdu (capita). δ) die mit den vor-
ſilben ge- und be- zuſ. geſetzten, obgleich ihre wur-
zelſilbe kurz iſt, z. b. gebodu (mandata) bebodu (id.)
genipu (tenebrae) vom ſg. gebod, bebod, genip. — 2)
die wörter äg, cëalf, cild, lamb ſchieben im pl. (wie
die alth. anomalie) ein er ein und haben dann die en-
dung -u: ägeru oder ägru (ova) gen. ägra, dat. ägrum;
ebenſo cëalfru (vituli) cildru (infantes) lambru (agni).
Das analoge hrydheru (armenta) hat auch im ſg. hrydh-
er, hrydheres und geht ganz regelmäßig, wie wäter.
| beiſpiel: rîc-e | pl. rîc-u |
| rîc-es | rîc-a |
| rîc-e | rîc-um |
| rîc-e | rîc-u |
ſo gehen; inne (domus) vite (ſupplicium) yrfe (heredi-
tas), diminutiva auf -incle, beſonders comp. mit ge-:
gemære (limes) gelæte (exitus) getimbre (aedificium) etc.,
im ganzen iſt dieſe decl. hier ärmer, als in den übri-
gen ſprachen, deshalb, weil viele wörter mit abwerfung
des bildungs-e in die erſte übertreten. So gilt nicht
mehr denne (cubile) pl. dennu; cynne (genus) pl. cynnu;
[645]II. angelſ. ſubſt. ſchwaches maſculinum.
bedde (lectus) pl. beddu; flette (coenaculum) nette (rete)
etc. ſondern denn, dennes, pl. denn (Beov. 205. 226.)
cynn, cynnes, pl. cynn; bedd, beddes, bedd etc. Ver-
ſchiedne gehören auch zur zweiten männl. decl., die
im alth. neutral ſind, als: ende, mere, mene etc.
| beiſpiel: han-a | pl. han-an |
| han-an | han-ena |
| han-an | han-um |
| han-an | han-an |
aus der menge dieſer wörter hier nur einige: 1) ein-
fache: bana (mors) bêna (rogans) brôga (terror) cempa
(miles) côfa (cubile) lind-crôda (vexillum) cuma (ad-
vena) dropa (ſtilla) flêma (profugus) uht-floga (draco,
i. e. tempore volans antelucano) guma (vir) hana (gal-
lus) hliſa (fama) lîchoma (corpus) hunta (venator) hild-
lata (ignavus, ad pugnam tardus Beov. 211.) mëlda (dela-
tor) maga (cognatus) mon-lîca (ſtatua) môna (luna)
mudha (os flum.) nama (nomen) nëfa (nepos) oxa (bos)
plëga (ludus) ſëfa (mens) ſìma (vinclum) ſcëadha (latro)
ſcîma (ſplendor) hædh-ſtapa, môr-ſtapa (loca deſerta,
paludinoſa transmeans) ſtëorra (ſtella) ſvëora (collum)
tîma (tempus) tëóna (damnum) trega (dolor) vâva (ma-
lum) vëla (opulentia) viga (bellator) vîſa (rector) villa (vo-
luntas) udh-vita (philoſophus) vrecca (exul) þûma (pol-
lex). — 2) bildungen mit -el: hafela (vgl. oben ſ. 247.)
nafela (umbilicus). — 3) mit -em, -m: ſmëdema, ſmëdma
(ſimilago) vielleicht auch hodhma (? nubes, Beov. 183.). —
4) mit -or: ëafora (proles maſcula) gëongra (diſcipulus). —
5) mit -es: egeſa (terror). — 6) mit v: räſva (dux). —
7) mit ge-: gemaca (ſocius) geleáfa (fides) geſtëalla
(conſors) etc.
Anmerkungen: 1) freá (dominus) gen. freán ſteht
genau betrachtet für freáa oder freáha, freáan oder freá-
han (vgl. das goth. fráuja, altſ. frôho) im pl. kommt
es nicht vor, glaublich müſte der gen. pl. freána (f.
freáena) lauten. Ebenſo verſchlingt in tvëo (dubium)
gen. tvëon (altſ. tuëho, tuëhen; alth. zuîvo, zuîvin)
der wurzelvocal den des caſus; die volle form wäre
tvëoa, tvëoan oder tvëoha, tvëohan. — 2) die zweite
ſchwache decl. hört durch abwerfung des bildungs-e
auf, ſpurweiſe findet ſich zuweilen vreccea ſt. vrecca,
Beov. 188. 190. 193. 215. aglæcea (creatum infelix) —
3) fehlt der nom. ſg. ſo kann ein wort auch ſchw. fem.
[646]II. angelſ. ſubſt. ſchw. femininum. neutrum.
ſeyn, z. b. ich bin ungewiß, ob der pl. bunan (pocula
Beov. 206. 226.) einem maſc. buna oder fem. bune zu-
ſteht, wiewohl das ſeltnere fem. unwahrſcheinlicher iſt.
| beiſpiel: tung-e | pl. tung-an |
| tung-an | tung-ena |
| tung-an | tung-um |
| tung-an | tung-an |
1) einfache wörter: burne (latex) bŷme (tuba) byrne
(lorica) ëordhe (terra) folde (terra) hëorte (cor) hruſe
(terra) hyrne (angulus) mage (cognata) minte (menta)
myre (equa) panne (patina) ſunne (ſol) ſyrce (indu-
ſium) tunge (lingua) vîſe (modus) vuce (hebdomas)
þrôte (guttur) — 2) bildungen mit -l: fimble (fabula)
mëavle (puella) onmädle (arrogantia) — 3) mit -n: fämne
(femina) cycene (coquina) — 4) mit -r: blädre (veſica)
nädre (anguis) culufre (columba) — 5) mit -es: cifeſe
(pellex) — 6) mit -ig:hlæfdige (domina) — 7) mit v:
ſvaleve (hirundo) vuduve (vidua).
Anmerkungen: 1) ſpuren der zweiten ſchw. decl.
(mit dem bildungs-e) z. b. in cyrice (eccleſia) gen. cy-
ricean; ſo ſtehet Beov. 189. 205. ſërcean (induſium)
f. ſërcan. — 2) auch hier tâ (digitus pedis) pl. tân f.
tâe, tâan (alth. zêha, zêhûn); dat. pl. hat vollſtändig
tâum, gen. tâena oder dafür tâna.
decliniert wie das fem., anßer daß der acc. ſg. dem
nom. gleich iſt; hierher mit ſicherheit nur eage (oculus)
eáre (auris), nach Raſks muthmaßung auch lunge (pul-
mo) clive (glomus).
| beiſpiel: fiſk | pl. fiſk-ar |
| fiſk-es | fiſk-a |
| fiſk-e | fiſk-um |
| fiſk | fiſk-ar |
die ſpäteren denkmähler nehmen bald im nom., vorzüg-
lich gern im acc. pl. α (vermuthlich â) ſtatt -ar und im
dat. -on ſtatt -um. Beiſpiele einfacher wörter ſind:
bâm (arbor) bon (interdictum) pl. bonnar, bûr vicinus)
dei (dies) gen. deis, pl. degar; dêl (pars) erm (brachium)
êth (juramentum) fiſk (piſcis) hiri-gong (bellum) hâp
(acervus) këd (praeco) pl. këdar oder këddar; klâth (ve-
ſtis) ſith (comes) ſtef (baculus) tâm (infans) tufk (dens)
therm (ile) wëi (via) pl. wëgar etc. Beiſpiele von bil-
dungen: drëppel, pl. drëpplar (limen) neil, pl. neilar
(clavus) dëgan, pl. dëgnar (vir) finger, pl. fingrar (di-
gitus) ſkilling pl. ſkillingar, monath pl. monathar (menſis).
die zweite enthält wörter auf -e (here, exercitus) und
-ere (clagere, actor; mënotere, monetarius); von der
dritten bloß die ſpuren ſunn (filius) pl. ſuna, frëtho (pax);
von der vierten bloß liod (gens) pl. liude, dat. liudem.
Auffallend ſind mir die pl. auf -er:ſiler und ſlater (Br.
§. 162. 163.) von ſil (catarracta) und ſlat (foſſa).
hier ſind die erſte und vierte decl. erkennbar, doch
ſchwer zu ſcheiden, weil faſt nur der nom. ſg. und gen.
pl. ſicheres kennzeichen gibt. Die zweite iſt ganz zur
erſten gefallen, obgleich von wörtern wie hête (calor)
kalde (algor) etc. kaum der pl. vorkommt.
| beiſpiele: I. bô-e | pl. bô-a | IV. wrald | pl. wrald-a |
| bôt-e | bôt-ena | wrald-e | wrald-a |
| bôt-e | bôt-um | wrald-e | wrald-um |
| bôt-e | bôt-a | wrald | wrald-a |
nach I. gehen: bêre (feretrum) bôte (ſatisfactio) ierde
(terra) kèſe (dens max.) noſe (naſus) ſèle (anima) ſeke
(cauſa) ſine (nervus) ſprêce (lingua) were (labium), ſo-
dann die bildungen mit -ene, -inge, -ethe als: hlen-
ſzene (compago) thampene (ſuffocatio) bivinge (motus)
thiuvethe (furtum) etc.; lâve (reliquiae) kommt, wenig-
ſtens in der bedeutung von erbſehaft, nur im pl. vor;
lâva, gen. lâvena (Br. 94.). Zuweilen im dat. pl. -en
ſtatt um: lâven (Br. 116. 117.). Der pl. kêrar (leges,
Br. 215.) vom ſg. kêr oder kêre (Br. 159.) befremdet. —
Nach IV. gehen: dêd (facinns) glêd (ignis) nêd (neceſ-
ſitas) tîd (tempus) und (vulnus) wrald (mundus) etc.
hat die gewöhnlichen beiden decl. die erſte mit dem
ſächſ. unterſchied des pl. a) entw. dem nom. ſg. gleich:
bèn (os) bern (infans) dôk (pannus) hêr (crinis) hûs
(domus) kind (infans) lâf (folium) riucht (jus) thing (ju-
dicium). b) oder auf -u (o) endigend, als bodu (man-
data) hef (mare) hefu (maria) gerſu (gramina f. greſu)
muth (os) pl. muthu; ſkipu (naves); muthmaßlich auch
die mehrſilbigen: hâved (caput) pl. hàvedu; dolekh (vul-
nus) Br. 194. pl. dolekhu? colekh (fovea) Br. 190. —
Der zweiten folgen: rîke (regnum) etc. — Spuren der
einſchiebung -er im pl. kinderu (liberi) Br. 113. kin-
der; aber ſchon (wie im angelſ.) ſg. rither (armentum)
gen. ritheres.
| beiſpiel: hon-a | pl. hon-a |
| hon-a | hon-ena (ona) |
| hon-a | hon-um |
| hon-a | hon-a |
boda (nuntius) crocha (olla? Br. 146. 147.) fona (vexil-
lum) frâna (judex) grêva (comes) hona (gallus) hâna (mi-
ſer) hëra (dominus) -jëva (-dator) campa (pugil) knapa
(ſervus) maga (ſtomachus) mutha (os ſlum.) nëva (nepos)
noma (nomen) omma (ſpiritus) aſega (juridicus) ſwima
(vertigo) thûma (pollex) willa (voluntas) brëcma (mulcta)
menniſka (homo) etc.
| beiſpiel: tung-e | pl. tung-a |
| tung-a | tung-ena |
| tung-a | tung-um |
| tung-a | tung-a |
fovne (femina) hërne (angulus) hërte (cor) lunge (pulmo)
nichte (neptis) poune (patella) ſunne (ſol) ſwarde (cutis)
ſzëreke (eccleſia) tâne (digitus pedis) tunge (lingua) etc.
geht dem fem. völlig gleich und begreift nur die wör-
ter âge (oculus) âre (auris).
1) mon, monnes, monne; pl. men, monna, monnem.
2) fôt, pl. fêt, ohne zweifel auch tôth (dens) pl. têth.
[650]II. altnord. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
3) hond (manus) gen. hond, dat. hond. pl. honda. 4)
feder, môder, ſuſter, brôther ſcheinen bald indeclina-
bel, bald declinabel, vgl. Br. 104. 111. die dat. feder
und federe, môdere; 112. ſtehen die pl. brôthere, ſu-
ſtere, 118. hingegen brôther. Aus beßeren quellen wür-
den ſich dieſe und andere anomala deutlicher ergeben.
| beiſpiel: fiſk-r | pl. fiſk-ar |
| fiſk-s | fiſk-a |
| fiſk-i | fiſk-um (-om) |
| fiſk | fiſk-a |
1) einfache wörter: âlfr (genius) armr (brachium) baugr
(annulus) bôgr (armus) brunnr (fons) dagr (dies) dolgr
(inimicus) dômr (judicium) draumr (ſomnium) dvërgr
(nanus) eidhr (jusj.) eldr (ignis) fiſkr (piſcis) gammr
(vultur) gângr (greſſus) gardhr (domus) grëppr (vir
fortis) harmr (dolor) haukr (accipiter) heimr (mun-
dus) hëſtr (equus) hlunnr (phalangae) hrîngr (annu-
lus) hrûtr (aries) leikr (ludus) lundr (nemus) mâgr
(affinis) môdhr (animus) rafr (ſuccinum) ſtockr (tignum)
ûlfr (lupus) vargr (lupus) vindr (ventus) þiófr (fur). wur-
zeln auf l und n aſſimilieren das r des nom. ſg. als:
hôll (collis) ſtôll (ſella) þræll (ſervus) hœll (calx) ſteinn
(lapis) hreinn (rangifer) ſveinn (juvenis) ſtatt ſtôlr,
þrælr, hœlr, ſteinr, hreinr; gen. ſtôls, acc. ſtôl; die auf
ll und nn behalten es aber, z. b. hallr (ſilex) brunnr
(fons) gen. brunns, acc. brunn. Wurzeln auf r. ſ. x
apocopieren es, als: vër (vir) geir (cuspis) leir (argilla)
aur (lutum) mûr (murus) þiór (taurus) âs (pertica) îs
(glacies) lâs (ſera) ôs (os flum.) bâs (ſtabulum) huaus
(ceſpes) hâls (collum) lax (ſalmo) ſtatt vërr, leirr, aurr,
îſr. hâlſr, laxr, obwohl einige geirr, leirr, aurr und
aſſimilierend âſſ, îſſ, lâſſ ſchreiben, welches letztere ver-
werflich ſcheint, da dem gen. âſſ (â-s) îſſ (îſ-s) ge-
[651]II. altnord. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
bührt. — 2) bildungen mit -al, il, ul, welche das r
des nom. ſg. beſtändig aſſimilieren, als: kadhall (funis)
engill (angelus) eckill (viduus) hefill (elevator) ketill
(lebes) böggull (faſciculus) jökull (mons glaciei). ſt. kadh-
alr, engilr, böggulr, jökulr; die mit bloßem -l (alſo
ſyncopiertem bildungsvocal) apocopieren das r, als: fugl
(avis) iarl (vir nob.) karl (mas) ſt. fuglr, iarlr. — 3) die
bildung -m kommt nur im pl. meidhmar (cimelia) vor,
der ſg. würde meidhmr lauten (goth. máiþms) — 4) bil-
dungen mit -an, in, un, -n, apocopieren das r, als
þiódhan (rex) aptan (veſper) herjan (bellator) himin
(coelum) morgun (mane) iötun (gigas) hrafn (corvus)
ſvëfn (ſomnus) vagn (currus) ſt. himinr, hrafnr etc. wie-
wohl einige aſſimilierend himinn, iötunn ſchreiben. —
5) bildungen mit -ar, -ur, -r apocopieren das r nom.
ſg. als: hamar (malleus) akur (ager) blâſtur (flatus) hlâtur
(riſus) iöfur (rex) ſigur (victoria) hafr (caper) ſtatt ha-
marr — hafrr; zuweilen findet ſich aber auch hamarr,
iöfurr etc. geſchrieben. — 6) bildungen mit -ûng, als:
konûngr (rex) þumlûngr (pollex) etc. —
Anmerkungen: 1) die geſchichte der bildungsvocale
wird erſt im dritten buche abgehandelt und dort gezeigt
werden, daß akur unorganiſch für akar, akr ſtehe.
Hierher gehört bloß, daß der bildungsvocal der wörter
von 2. 4. 5. ausfällt, ſobald ein caſusvocal hinzutritt,
alſo: engill, engils, engli, engil; englar, engla, englum,
engla; hamar, hamars, hamri; hamrar, hamra, höm-
rum, hamra ſtatt engili — hamara. Rückumlaut in ke-
till, ketils, katli, pl. katlar; fetill (balteus) dat. fatli,
pl. fatlar; vielleicht hefill, haflar; engill, eckill behalten
aber englar, ecklar, ſo wie lykill (clavis) im pl. lyklar
(nicht luklar); bikar (calix) nikur (hippopotamus) erleiden
gar keine ſyncope, pl. bikarar, nikurar. — 2) der um-
laut des a in ö im dat. pl. richtet ſich nach den regeln
ſ. 303. 304; z. b. dögum (diebus) örmum (brachiis)
hröfnum (corvis) ſt. hröfunum; hömrum ſt. hömurum. —
3) das -i des dat. ſg. pflegt in einſilbigen wörtern mit
langem vocal bisweilen wegzufallen und dieſer caſus
dann dem acc. gleich zu lauten, z. b. hrîng (annulo)
hœl (calce) hôl (colle) îs (glacie). Oft hängt die eine
oder andere form von der wortſtellung ab (Raſk §. 140.) —
4) überhaupt ſcheint dies dative i unorganiſch deshalb,
weil es keinen umlaut wirkt; (oben ſ. 282. 283.) es
heißt: harmi, gammi, hrafni, katli (und nicht hermi,
hrefni, ketli, = ketili) hlunni, dômi (nicht hlynni,
[652]II. altn. ſubſt. ſtark. maſc. erſte u. zw. decl.
dœmi). Bemerkenswerthe ausnahme macht dagr (dies)
dat. degi (ſt. dagi) pl. dagar, welches degi offenbar in
die dritte decl. überſpielt, wo das i organiſch, d. h.
von umlaut begleitet iſt. Dies beſtätigen andere wörter,
die nicht bloß den dat. ſg. ſondern auch den ganzen
pl. bald nach erſter, bald nach dritter decl. abwandeln,
z. b neben bôgr (armus) bôgs, bôgi, pl. bôgar gilt bôgr,
bôgar, bœgi, pl. bœgir (vgl. fôtr bei den anomalien)
grautr (puls) ſkôgr (ſilva) vindr (ventus) machen den ſg.
nach dritter, den pl. nach erſter. — 5) verſchiedene
ſchwanken in die vierte decl., bald nur mit dem gen.
ſg. (z. b. fiſkjar neben fiſks; pl. aber fiſkar, nicht fiſkir)
bald bilden ſie den pl. nach beiden (z. b. vëgr, via;
pl. vëgir und vëgar; mar, equus pl. marir und marar) —
6) neben ſær (mare) ſnær (nix) finden ſich ſiâr und ſiôr;
ſniâar, und ſniô, gen. ſiôs und ſiôar, ſiâvar, ſiâfar; ſniôs,
ſniôar, ſniâfar; dat. ſiô, ſniô oder ſiâ, ſniô, ſniôvi.
hiör (gladius) macht den gen. hiörs, dat. hiörvi nach
der erſten, zuweilen (richtiger) hiarar, hiri (?) nach der
dritten. — 7) vër (vir) und nidhr (cognatus) ſchieben
im ganzen pl. j ein: vërjar, nidhjar etc.
| beiſpiel: hird-ir | pl. hird-ar |
| hird-is | hird-a |
| hird-i | hird-um |
| hird-i | hird-a |
im ſg. hat ſich das bildungs -i erhalten, im pl. verlo-
ren, denn da ſollte es hirdjar, hirdja, hirdjum heißen
(wie bei denen anm. 7. zur vorigen decl. genannten).
Der dat. ſg. ſcheint genau betrachtet füur hirdji, der gen.
für hirdjis (wie fiſks f. fiſkis) zu ſtehen. — Umfaßt bloß
bildungen mit -i (die mit -ari gehen ſchwach) die aber
noch zahlreich ſind und meiſtens perſonen, ſeltner ſachen
(zumahl gewächſe) bezeichnen: bœtir (emendator) einir
(juniperus) endir (terminus) eyrir (uncia) fylkir (dux) hel-
lir (antrum) herſir (dux) hirdir (opilio) læknir (medicus)
lêttir (levamen) mækir (enſis) mælir (modius) miſſir
(jactura) nennir (hippopotamus) reynir (ſorbus ſilv.)
ſkëlmir (nequam) ſtillir (rex) ſtŷrir (imperator) vîdhir
(ſalix) þyrnir (ſentis) œgir (mare) etc. — Rückumlaut
findet im pl. nicht ſtatt. wodurch das ältere -jar, ja,
jum bewährt wird. aurar (opes) ſcheint weniger der pl.
von eyrir, als von einem verlorenen aur.
| hâtt-r | pl. hætt-ir | ſon-r | pl. ſyn-ir |
| hâtt-ar | hâtt-a | ſon-ar | ſon-a |
| hætt-i | hâtt-um | ſon-i | ſon-um |
| hâtt | hâtt-u | ſon | ſon-u |
| mög-r | pl. meg-ir | kiöl-r | pl. kil-ir |
| mag-ar | mag-a | kial-ar | kial-a |
| meg-i | mög-um | kil-i | kiöl-um |
| mög | mög-u | kiöl | kiöl-u |
ich ſetze vier beiſpiele, um die eintretenden umlaute
darzuſtellen; die caſus ſind ganz dieſelben. Dieſe umlaute
lehren 1) daß i im dat. ſg. und nom. pl. hier organiſch.
alſo vom i dat. ſg. erſter decl. zu unterſcheiden iſt.
2) daß mögr und kiölr für ein früheres mögur, kiölur,
folglich der acc. mög, kiöl f. mögu, kiölu ſtehen. Ohne
umlaut war mithin ältere form: mag -ur, kial -ur ſo
wie hâtt -nr, ſon -ur, vidh -ur. — Hierber fallen fol-
gende wörter: örn (aquila) biörn (urſus) börkr (cortex)
bôgr (armus) bôgar, bœgi; bœgir, bôga, bôgum, bôgu.
drâttr (tractus) fëldr (pelſis) fiördhr (ſinus) fridhr (pax)
göltr (verres) hâttr (mos) hiörtr (cervus) kiölr (navis)
knörr, knarrar (navis mercator.) knöttr (pila) köttr (ca-
tus) lidhr (articulus) limr (membrum) litr (color) lögr
(aqua) mâttr (vis) miödhr (mulſum) ſidhr (mos) ſkiöldr
(ſcutum) ſonr (filius) ſpânn (ramentum ligni) dat. ſpæni.
ſiódhr (marſupium) vidhr (lignum) völlr (vallum) völr
(baculus) vöndr (virga) vördhr (cuſtos) þâttr (ſectio car-
minis) þrâdhr (filum).
Anmerkungen: 1) das r nom. ſg. apocopieren örn,
biörn (niemahls ſteht örnr, biörnr) neben ſonr gilt auch ſon
im nom.; knörr ſteht für knörr’r, knörrur ſpânn f. ſpânr.
2) zuweilen lautet der dat. dem acc. gleich: lit (colore)
ſidh (more) kiöl (navi) lög (mari) etc. neben liti, kili,
legi; (vgl. dritte anm. zur erſten decl.). — 3) eigentlich
iſt dies hinneigung zur vierten decl., da, ſobald der
dat. ſg. nicht auf i- endigt, dieſe endung für den acc.
pl. freiſteht und ſtatt ſonu, knöttu, örnu, þâttu etc. ge-
ſagt werden kann: ſyni, knetti, erni, þætti (Raſk §. 151.).
Die abwandlung nach der dritten ſcheint in ſolchen fällen
immer beßer und alterthümlicher. Manche wörter be-
wahren nur den acc. pl. auf -u, gehen übrigens ganz
nach der vierten, z. b. konu (propinquos) neben koni. —
4) ſchwanken zwiſchen dritter und erſter dort in der
[654]II. altn. ſubſt. ſtark. maſc. dr. u. vierte decl.
vierten anm.; der dat. degi verlangt einen nom. dögr,
gen. dagar; bôgr und ſpânn machen den gen. ſg. lieber
ſpâus, bôgs als ſpânar, bôgar. Neben hiör, hiörs (gla-
dius gilt das ältere hiarar; vielleicht auch neben dörr
(haſta) dörs und hörr, hörs (linum) ein älteres dörur,
hörur, gen. darar, harar, dat. deri, heri. Raſk gibt dem
worte ſmidhr (faber) §. 138. den gen. ſmidhs. §. 148.
ſmidhar und neben fridhar findet ſich fridhs (§. 155.);
âs (numen ethn.) hat im gen. âß, dat. âs, im pl. aber
æſir, âſa, âſum, âſu, ebenſo geht qviſtr (ramus) im ſg.
nach I, im pl. nach III.
| beiſpiele: belg-r | pl. belg-ir | brag-r | pl. brag-ir |
| belg-jar | belg-ja | brag-ar | brag-a |
| belg | belg-jum | brag | brög-um |
| belg | belg-i | brag | brag-i |
Hier fallen dat. und acc. ſg. immer zuſammen; ein dat.
ſg. auf -i würde dem acc. pl. begegnen. Zu achten iſt
1) auf die wörter; welche im gen. ſg. gen. und dat. pl.
i einſchieben, es ſind meiſtens ſolche, deren wurzel
auf l, r, k, gg, lg, ng, rg, ausgeht, namentlich: beckr
(ſcamnum) belgr (follis) bylr (turbo) byr (ventus ferens)
drengr (vir) dryckr (potus) her (exercitus) hryggr (dor-
ſum) hylr (gurges) hyr (ignis) lækr (rivus) leggr (crus)
mergr (medulla) reykr (fumus) ſeggr (vir) ſeckr (ſaccus)
ſtyr (bellum) veggr (cuneus) verkr (dolor) *) þvengr (cor-
rigia); außerdem noch bœr, bœjar (urbs) bedhr (lectus)
vefr (tela). Augenſcheinlich haben alle dieſe wörter um-
gelauteten vocal, nicht bloß in den caſus, welche i ein-
ſchieben, ſondern überall; theils ſcheint eine miſchung
mit der zweiten decl. vorgefallen, vgl. her, bedhr, vefr
mit dem alth. neutr, heri, petti, webbi (man berichtige
oben ſ. 148. vëfr, wëbbi in vefr, webbi), theils, wo keine
ſolche miſchung erweislich iſt, umlaut und einſchiebung
des i unorganiſch, d. h. belgr, gen. pl. belgja ſtehend
für balgr, balga; der nom. und acc. pl. belgir, belgi wäre
untadelhaft. — 2) folgende ſchieben kein i ein: bolr
(truncus) bragr (carmen) breſtr (defectus) bur (filius) dalr
(vallis) geſtr (hoſpes) gramr (heros) hamr (cutis) hagr
(conditio) hlutr (res) hugr (mens) hvalr (balaena) hver
[655]II. altnord ſubſt. ſtark. femin. erſte decl.
(thermae) konr (propinquus) lŷdhr (populus) mar (equus)
matr (cibus) munr (diſcrimen) qviſtr (ramus) refr (vul-
pes) rêttr (jus) ſalr (aula) ſaudhr (aries) ſtadhr (locus)
ſtafr (baculus) vëgr (via) vinr (amicus) etc. 3) einige
der unter 1., noch mehrere der unter 2. angeführten
wörter pflegen den gen. ſg. auf -s nach der erſten (ſtatt
-jar oder -ar) zu bilden, namentlich: drengr. þvengr,
hylr, ſeckr; bolr, breſtr, dalr, geſtr, gramr, hvalr, hver,
lŷdhr, mar, qviſtr, refr, ſtafr. Verſchiedene ſchwanken,
z. b. her macht: hers und herjar, ſalr: ſals und ſalar, wie
das ſ. 652. angeführte fiſks, fiſkjar. Dieſer gen. auf -s
führt denn auch zuweilen den dat. auf -i herbei; ſo fin-
det ſich geſti f. geſt. —
Anmerkungen: 1) die nom. bur, mar, byr, hyr,
her, hver, ſtyr ſtehen für burr, marr etc. für vinr zu-
weilen vin. — 2) ſonderbar, daß die endung -ir, i,
des nom. acc. pl. keinen umlaut wirkt, es heißt bragir,
ſalir, dalir, konir, hlutir, munir etc. nicht aber bregir,
delir, kynir, hlytir etc. der umlaut müſte denn unorg.
durchs ganze wort laufen, wie in her, geſtr, hylr etc.
Um ſo auffallender, als wörter dritter decl. im nom. pl.
und wenn ſie den acc. pl. auf -i ſtatt -u bilden (ſ. dort
anm. 3.) allerdings umlauten. Zwiſchen ſynir und ko-
nir (von ſonr, konr) legir und bragir (von lögr, bragr)
alſo keine analogie.
| beiſpiel: giöf | pl. giaf-ar |
| giaf-ar | giaf-a |
| giöf (-u) | giöf-um |
| giöf | giaf-ar |
1) einfache wörter: âl (lorum) önn (labor) örk (ciſta)
giöf (donum) giördh (cingulum) gröf (fôvea) grön (barba)
höll (aula) hlein (tibicen telae) iördh (terra) mön (juba)
miöll (nix) nös (naſus) ôl (funis) qvöl (ſupplicium) röd
(ratio) rödd (vox) röſt (requies, milliare) rûn (runa) ſin
(nervus) ſeil (funis) ſök (cauſa) ſkeidh (pecten telae)
ſkömm (pudor) ſôl (ſol) tâg (vimen) vömb (venter) vör
(labium). 2) bildungen mit -m, -n (ſelten): miödhm
(coxendix) höfn (portus). — 3) mit -ul, -l, -ur, -r,
(wenige wörter): göndul (bellona) ſkögul (parca) öxl
(humerus) nâl (acus) fiödhur (penna) lifur (hepas) ædhr
(vena) gen. ædhrar, neunord. ædh, ædhar. — 4) mit -ûng,
-îng (häufig): hörmûng (moeror) ſiglîng (navigatio) etc.
Anmerkungen: 1) die rückumlaute ergeben ſich nach
allgemeinen regeln, z. b. önn, annar; grön, granar;
rödd, raddar; göndul, gandlar; fiödhur, fiadhrar; miödhm,
miadhmar; höfn, hafnar; öxl, axlar; der umlaut des
nom. und acc. ſg. deutet auf einen alten caſus -u und
giöf, önn, göndul, öxl, höfn etc. ſteht für ein frühe-
res giöfu, önnu, göndlu, öxlu, höfnu oder vollformig:
göndulu, öxulu, höfunu (axlar, ſkaglar f. axalar, ſkaga-
lar); folglich ſôl, tâg, rûn für ſòlu, tâgu, rûnu. —
2) die meiſten wörter dieſer decl. neigen ſich allmählig
in die vierte und ſtatt des pl. giafar, iardhar, ſôlar,
hafnar, fiadhrar etc. der älteren denkmähler zeigt ſich
bald und heutzutage entſchieden: giafir, ſôlir, hafnir,
fiadhrir. Es iſt aber ſchwierig, aus der heutigen vier-
ten mit gewisheit die ſubſt. anzugeben, welche vordem
zur erſten gehörten, wo nicht der umlaut ö auf den
alten nom. -u führt. Nach alth. analogie würden mold
(terra) ull (lana) þiódh (gens) etc. früherhin moldu,
ullu, þiódhu gehabt haben. Die hernach aum. 4. 5.
zu nennenden, ſo wie die bildungen -ûng, îng blei-
ben jedoch ſelbſt im neuiſl. der erſten decl. getreu. —
3) dieſe bildungen machen auch den dat. ſg. auf -u; es
ſcheinen daher die dat. giöfu, grönu, röddu, göndlu,
lifru etc. ältere form ſtatt des ſpäteren giöf, grön etc.,
das ſich bei dem ſchwanken in die vierte leicht ein-
drängte. — 4) die mit dem umlaut ö, deren wurzel auf
gg, r und d ausgeht, ſchieben bei zutretendem caſus-
vocal gerne v ein, als: dögg (ros) rögg (plica veſtis)
ör (telum) ſtödh (locus) pl. döggvar, röggvar, örvar.
ſtödhvar, welches v dann auch rückumzulauten hindert;
ſpäterhin gilt auch daggar, ſo wie insgemein vör (labium)
varar, kein vörvar. — 5) ähnlich ſchieben die mit dem
umlaut e und y gerne j ein, als: ben (cicatrix) egg
(acies) fit (membrana pedis avium) hel (lethum) il (beßer
wohl yl? planta pedis) klyf (ſarcina) nyt (fructus) ſyn
(negatio) pl. benjar, eggjar — ſynjar. menjar (veſtigia)
hat keinen ſg.
| beiſpiel: feſt-i | pl. feſt-ar | æf-i | pl. æf-ir |
| feſt-ar | feſt-a | æf-i | æf-a |
| feſt-i | feſt-um | æf-i | æf-um |
| feſt-i | feſt-ar | æf-i | æf-ir |
von beiden weiſen wenige wörter 1) byrdhi (onus) elfi
(fluvius) ermi (manica) eyri (ora campi) feſti (catena)
[657]II. altn. ſubſt. ſtarkes fem. dritte decl.
heidhi (teſqua) lŷgi (mendacium) meri (equa) mŷri (pa-
lus) veidhi (venatio). — 2) æfi (aevum) elli (ſenectus)
gledhi (hilaritas) mildi (lenitas) rêtt-vîſi (juſtitia) etc.,
welche gewöhnlich nur im ſg. vorkommen. — 3) neben
byrdhi und elſi gilt zuweilen byrdhr, elfr im nom. ſg.
| beiſpiele: tönn | pl. tenn-r | rôt | pl. rœt-r |
| tann-ar | tann-a | rôt-ar | rôt-a |
| tönn | tönn-um | rôt | rôt-um |
| tönn | tenn-r | rôt | rœt-r |
Die umlaute zeigen an, daß dem nom. dat. acc. ſg.
früher ein caſus -u, dem nom. acc. pl. aber ein -i ge-
bührt, folglich die decl. mit der dritten männlichen we-
ſentlich übereingeſtimmt hat. Steht demnach tönn für
tönnu, tennr f. tennir, rœtr f. rœtir; ſo wird auch rôt,
hind, hindr ſtehen für rôtu, hindu, hindir. — Dieſe
decl. begreift 1) einfache wörter: önd (anima) ört (anas)
bôk (liber) bôt (emendatio) eik (quercus) geit (capra)
glôdh (pruna) grind (cancelli) hönd (manus) hönk (fu-
niculus) hind (cerva) kinn (maxilla) miólk (lac) mörk
(ſaltus) nit (lens, -dis) nôt (ſagina) nyt (nux) rönd
(margo) rôt (radix) ſpöng (lamina) ſteik (caro frixa) ſtöng
(pertica) ſtrönd (littus) töng (forceps) tönn (dens) vîk
(ſinus). 2) von bildungen wüſte ich das einzige nögl
(unguis) gen. naglar, pl. neglr.
Anmerkungen: 1) die auf g und k ausgehenden wur-
zeln machen den gen. ſg. meiſtens dem nom. pl. gleich,
alſo eik, eikr; ſteik, ſteikr; vîk, vîkr; mörk, merkr;
miólk, miólkr; ſpöng, ſpengr, gen. pl. ſpânga; hönk,
henkr. hânka; töng, tengr, tânga (weil nach iſländ,
mundart âng, ànk ſt. ang, ank eintritt, [oben ſ. 286. 287.]
pflegt Raſk aung, aunk ſt. önk, önk und eing, eink ſt.
eng, enk zu ſchreiben, mithin ſpaung, gen. ſpeingr
pl. ſpeingr, ſpânga, ſpaungum); bôk hat im gen. bôkar,
nicht bœkr. Neben dem gen. ſg. merkr. ſpengr, tengr,
henkr kommt jedoch auch der gewöhnliche markar,
ſpângar, hânkar vor. — 2) der dat. ſg. iſt in der regel
dem nom. und acc. gleich; ausnahmsweiſe findet ſich
öndu, mörku, und noch merk würdiger hendi (manu)
dem dat. ſg. der dritten männl. gleich. — 3) da ſich
die ſingg. der erſten, dritten und vierten weibl. decl.
in der regel gleichen, ſo entſpringt zumahl für umlauts-
unfähige wurzeln unſicherheit, nach welcher ihr
T t
[658]II. altn. ſubſt. ſtarkes fem. vierte decl.
pl. abgewandelt werde. Es iſt daher nicht zu verwun-
dern. daß die gen. markar, randar, ſtângar zuwei-
len den nom. acc. pl. markir, randir, ſtângir nach vier-
ter bilden. — 4) einige ſchreiben fehlerhaft im nom.
acc. pl. -ur ſt. -r, da dieſes -r für org. -ir und nicht
-ur ſteht, auch in letzterm fall den umlaut ö wirken
müſte. Inzwiſchen erklärt dieſes -ur vielleicht einige
übergänge in den ſchwachen gen. pl (ſ. anomalien).
| beiſpiel: âſt | pl. âſt-ir |
| âſt-ar | âſt-a |
| âſt (-u) | âſt-um |
| âſt | âſt-ir |
1) einfache: âſt (amor) braut (via) dâdh (facinus) drôs
(virgo) ferdh (iter) fôrn (victima) grein (ſectio) grund
(ſolum) hiâlp (auxilium) idh (negotium) krâs (cibus)
leidh (via) naudh (neceſſitas) norn (ſaga) ſión (viſus) ſôl
(ſol) tîdh (tempus) ſûl (columna) und (vulnus) unn
(unda) vâdh (veſtis) etc. Einige dieſer, z. b. hiâlp, ſôl,
und, unn mögen vor alters zur erſten gehört haben;
hentzutag fallen auch folgende der vierten zu: giöf, gröf,
ſkömm, röſt, vör etc. — 2) bildungen mit -n: audhn
(deſertum) eign (proprietas) ſôkn (curia) höfn (portus). —
3) mit -in nnr: alin (cubitus) gen. âlnar (ſt. alinar).
4) mit -an (ſehr viele): andvarpan (gemitus) ragan (ex-
probratio timiditatis) leiptran (fulgur) etc. der bildungs-
voc. wird nicht ſyncopiert: gen. andvarpanar, pl. and-
varpanir, gen. andvarpana, dat. (aſſimilierend) andvör-
punum; aus dieſem dat. pl. entſpann ſich die ſpätere
nebenform andvörpun, andvörpunar, rögun, rögunar. —
5) mit -dh: dygdh (virtus) gerdh (actio) hefndh (ul-
tio) etc. — 6) mit -tt (alth. ht): ætt (genus) frêtt (ora-
culum) ambôtt (ancilla) ſôtt (morbus) vætt (pondus)
vættr (genius).
Anmerkungen: 1) der dat. ſg. ſchwankt zwiſchen
-u und dem zuſ. fallen mit acc. — 2) wie in der vier-
ten männl. begleitet kein umlaut die endung -ir nom.
acc. pl. Es heißt giafir, varir, ſôlir, unnir und nicht
etwa gifir, verir, ſœlir, ynnir. Die häufige herkunft
dieſer wörter aus der erſten decl. (giafar, varar, ſôlar)
lehrt dieſe unwirkſamkeit der endung ir zum theil be-
greifen. — 3) brûdhr (ſponſa) hildr (bellona) und verſchie-
dene eigennamen bewahren das -r nom. ſg., pflegen
aber auch den dat. acc. lg. auf -ï zu endigen.
| beiſpiel: ordh | pl. ordh | 2) föt |
| ordh-s | ordh-a | fat-a |
| ordh-i | ordh-um | föt-um |
| ordh | ordh | föt |
1) einfache wörter: ax (ſpica) bak (tergum) bâl (rogus)
band (vinculum) barn (inſans) bladh (folium) bordh
(menſa) fàng (captura) fat (vas) fiall (mons) glas (vitrum)
gler (idem) gras (gramen) gull (aurum) haf (mare) hâls
(collum) hof (aula) holt (aſpretum) hroß (equus) iódh
(proles) lamb (agnus) lidh (auxilium) lìn (linum) mâl
(tempus) man (mancipium) ordh (verbum) rak (foennm
madidum) rân (rapina) rûm (ſpatium) ſax (culter) ſkap
(animus) ſkip (navis) ſtrîdh (certamen) tal (loquela) tâl
(dolus) tiald (tentorium) tûn (viridarium) vaf (trama)
vax (cera) vîg (caedes) vigg (equus) v. gloſſ. edd. ſæm. II.
vîn (vinum) þak (tectum) þîng (judicium) und viele an-
dere. — 2) bildungen mit -al, -l: ôdhal (praedium) hagl
(grando) tagl (cauda equina) etc. — 3) mit -n -iu: magn
oder megin (robur) nafn (nomen) ragn (imprecatio) regin
(numen) vatn (aqua) etc. — 4) mit -ar, -r: ſumar (ae-
ſtas) fôdhr (pabulum) ſëtr (ſedes) ſilfr (argent.) etc. — 5)
mit -dh:hœfudh (caput) heradh (tribus).
Anmerkungen: 1) alle mit wurzelhaftem kurzen a
lanten im nom. acc. und dat. pl. in ö um, welches einen
früheren nom. acc. pl. auf -u beweiſt: öxu, böku, bör-
nu etc. ſtatt des heutigen öx, bök, börn; folglich laute-
ten auch hof, vîg etc. vormahls hofu, vîgu. Gleichviel,
ob einf. oder dopp. conſ. dem a folgt, es heißt ſowohl
föt, glös als lömb und ſelbſt fâng (weil es für fang ſteht)
bekommt föng (Raſk faung); mâl, tâl, rân etc. bleiben
hingegen im pl. unveränderlich. Auch die mehrſilbigen
lauten ihr a in ö um, durch aſſimilation des bildungsvoc.,
denn wie ſumar, ôdhal den pl. ſumur, ôdhul (= ſu-
muru, ôdhulu) machen, ebenſo maſtur (malus navis)
den pl. möſtr (= möſtru, möſturu) und die ſyncopier-
ten vatn, tagl, magn (= megin) den pl. vötn, tögl,
mögn (= vötnu, vötunu) — 2) das -i dat. ſg. iſt wie
beim maſc. (vorhin ſ. 651.) von keinem umlaut beglei-
tet. — 3) der umlaut der nom. ſg. fiör (vita) miöl (fa-
rina) ſkrök (figmentum) ſöl (alga ſaccharifera) weiſt auf
ein abgelegtes bildungs- (nicht caſus-) u, welches vor
flexionsvocalen als v vortritt, gen. ſöls, dat. ſölvi, pl.
ſöl, gen. ſölva, dat. ſölvum etc. — 4) keine ſpur von
wörtern, die im pl. -ir einſchöben.
| beiſpiele: kyn | pl. kyn | rîk-i | pl. rîk-i |
| kyn-s | kyn-ja | rîk-is | rîk-ja (-a) |
| kyn-i | kyn-jum | rîk-i | rîk-jum (-um) |
| kyn | kyn | rîk-i | rîk-i |
das erſte paradigma ſtellt wörter vor, die urſprünglich
denen des zweiten gleichförmig waren, in der folge
aber das i in den nom. acc. ſg. pl. und im gen. ſg. aus-
warfen; kyn, men ſteht für kyni, meni; kyns, mens
f. kynis, menis. Alle umlautsfähigen wurzelvocale in
dieſer decl. ſind umgelautet und offenbar umfaßt die
erſte weiſe lanter kurzſilbige, die zweite lauter langſil-
bige wörter. Der erſten weiſe folgen: egg (ovum) flet
(ſtratum) kyn (genus) men (monile) nef (naſus) nes
(lingula terrae) net (rete) rif (coſta) ſel (tugurium) ſkegg
(barba) ſker (ſcopulus) vedh (pignus) þil (tabulatum).
Der zweiten mehrere: bŷli (habitaculum) dœmi (exem-
plum) engi (pratum) enni (frons) epli (pomum) erendi (ne-
gotium) erfi (epulae funebr.) erfidhi (labor) fylki (provincia)
herbergi (diverſorium) klædhi (veſtis) mæli (loquela) merki
(ſignum) mynni (oſtium) qvædhi (carmen) vîgi (propugna-
culum) vîti (culpa) rîki (regnum) trŷni (roſtrum) yndi
(gaudium) etc. Wörter der zweiten weiſe, deren wur-
zel nicht auf die gutt. g und k ſchließt, pflegen im
gen. und dat. pl. das i auszulaßen, alſo: epla, eplum;
enna, ennum; qvædha, qvædhum etc. ſtatt eplja, ennja,
epljum, ennjum, wie es ſicher einmahl geheißen hat,
eben weil dieſe caſus nicht rückumlauten (nicht: apla,
öplum; qvâdha, qvâdhum). Bemerkenswerthe ausnahme
macht hiervon læti (geſtus) mit dem rückuml. gen. dat.
pl. lâta, lâtum. — Zuweilen gelten beide formen, z. b.
fulltîng und fulltîngi (auxilium).
fê (pecunia) macht den gen. fiâr.
| beiſpiel: han-i | pl. han-ar |
| han-a | han-a |
| han-a | hön-um |
| han-a | han-a |
1) einfache: andi (animus) ângi (ſuavis odor) api (ſimia)
ari (aquila) arfi (heres) bani (interfector) bogi (arcus)
[661]II. altn. ſubſt. ſchw. maſc. erſte u. zweite decl.
daudhi (mors) dreyri (ſanguis) dropi (gutta) ecki (aerumna)
fâni (fatuns) fari (viator) faxi (coluber i. e. jubatus) funi
(ignis) galgi (patib.) goti (equus) gumi (homo) haki
(uncus) hani (gallus) hêri (lepus) kappi (pugil) fê-lagi
(ſocius) Iîmi (onus) maki (par) mâni (luna) nëfi (frater)
riſi (gigas) rûni (collocutor) ſëfi (mens) ſìmi (funis) ſkati
(rex) ſkuggi (umbra) tângi (cuſpis) uxi (bos) vandi
(periculum) þânki (mens) und viele andere. — 2) bil-
dungen mit -l, n: geiſli (radius) nagli (clavus) aſni
(aſinus) — 3) mit -ari: dômari (judex) lëſari (lector) etc.
Anmerkungen: 1) das -i nom. ſg. weckt keinen
umlaut; wo er ſich zuweilen findet, hat er einen an-
dern grund, z. b. ecki, dreyri mögen urſprünglich zur
zweiten ſchw. decl. gehören. — 2) die mit -ari aſſimi-
lieren im dat. pl., z. b. bakari (piſtor) lëſari, dat. pl.
bökurum, lëſurum. — 3) daß der gen. pl., wie im fem.
und neutr., vormahls -na ſt. -a lautete beweiſen die
in den älteſten denkmählern noch vorfindlichen formen
gumna (virorum) bragna (militum) gotna (equorum)
flotna (idem) ſkatna (regum) oxna (boum) von gumi,
bragi (veraltet) floti, ſkati, oxi (ſt. uxi); ſelbſt im nom.
zeigt ſich gumnar, gotnar etc. neben gumar, gotar. —
4) nach neutraler weiſe bilden den nom. ſg. auf -a ſt. -i
die wörter hërra (herus) ſîra (dominus).
| beiſpiel: vil-i | pl. vil-jar |
| vil-ja | vil-ja |
| vil-ja | vil-jum |
| vil-ja | vil-ja |
der nom. i ſtebet für-ji (Raſk-ì). 1) bildungen mit
bloßem -i nur einige wörter: ſtedhi (incus) tiggi (rex)
vili (voluntas) ein-heri (monoheros) ey-ſkeggi (inſu-
lanus) ſkip-veri (nauta) ill-virki (nequam). — 2) mit
îngi: frëlſîngi (libertus) hœfdhîngi (princeps) rænîngi
(latro) etc.
| beiſp.: tûng-a | hpl. tûng-ur | harp-a | hpl. hörp-ur |
| tûng-u | htûng-na | hörp-u | hharp-na |
| tûng-u | tûng-um | hörp-u | hhörp-um |
| tûng-u | tûng-ur | hörp-u | hhörp-ur |
1) einfache: amma (avia) aſka (cinis) bâra (unda) ëdda
(proavia) ëgda (aquila f.) dûfa (columba) flaſka (lagena)
[662]II. altn. ſubſt. ſchw. fem. erſte, zw. u. dr. decl.
gânga (iter) gata (platea) gâta (aenigma) grîma (larva)
haka (mentum) harpa (lyra) hoſa (caliga) orruſta (pugna)
pîpa (fiſtula) qviga (bucula) ſaga (relatio) ſkata (raja, piſc.)
ſkemma (gynaeceum) ſtaka (verſus) tala (oratio) tûnga
(lingua) vala (fatidica) villa (error) vika (hebdomas) þûfa
(tuber) u. a. m. — 2) bildungen: veitſla (convivium).
Anmerkungen: 1) die mit n ſchließenden wurzeln
machen den gen. pl. auf -a ſtatt -na, weil ſonſt zwei
n zuſ. ſtoßen würden, alſo gleichlautend mit dem nom.
ſg. z. b. lîna (linea) tinna (ſilex) tina (cantharus ſtann.)
kanna (cantharus) kona und qvenna (femina) ſkepna
(creatura) 2) vala heißt zuweilen mit vorbrechendem
bildungs -u: völva, gen. völvu, gen. pl. völuna oder
valna.
| beiſpiel: kirk-ja | pl. kirk-jur |
| kirk-ju | kirk-na |
| kirk-ju | kirk-jum |
| kirk-ju | kirk-jur |
hierher: bylgja (unda) dryckja (potatio) eckja (vidua)
fylgja (genius famil.) ferja (linter) gryfja (fovea) gydhja
(dea) hækja (grallae) hyggja (opinio) kirkja (ecclelia) lilja
(lilia) manneſkja (homo) reckja (lectus) ſmidhja (opifi-
cina) ſylgja (umbella) ylgja (lupa). Zu merken, daß
alle, denen kein kehllaut vor dem j hergeht, den gen.
pl. ohne n, alſo dem nom. ſg. gleich machen, z. b. lilja
(liliorum) gryfja (fovearum).
vielleicht könnte man die zur zweiten ſtarken gezähl-
ten, welche im ſg. unveränderlich bleiben und kaum
einen pl. beſitzen, hierhernehmen?
| beiſpiel: hiart-a | pl. hiört-u |
| hiart-a | hiart-na |
| hiart-a | hiört-um |
| hiart-a | hiört-u |
nur wenige wörter: auga (oculus) biúga (farcimen) eyra
(auris) eyſta (teſticulus) hiarta (cor) hnodha (glomus)
lûnga (pulmo) nra (ren).
| beiſpiele: viſch | pl. viſch-e | tac | pl. tag-e |
| viſch-es | viſch-e | tag-es | tag-e |
| viſch-e | viſch-en | tag-e | tag-en |
| viſch | viſch-e | tac | tag-e |
1) einfache wörter: âl (anguilla) arc, -ges (pravitas) arm
(brachium) art, -des (genus) aſch (fraxinus) bâc, -ges
(lis) bal, -lies (pila) ban, -nnes (interdictum) bërc, -ges
(mons) bîl (momentum conſiciendi feram) biuƷ (tali-
trum) biƷ (morſus) blic, -ckes (fulgur) boc, -ckes
(hircus) bolz (ſagitta) bort (latus navis) anebôƷ (incus)
bonc, -ges (annulus) boum (arbor) braht (ſtridor) brief,
-ves (literae) bûch (venter) danc, -kes (gratiae) diep (fur)
dorn (ſentis) dôƷ (fragor) druc, -ckes (compreſſio) dunc,
-kes (arbitrium) eit, -des (jusj.) eiƷ (ulcus) galm (clamor)
gart (ſtimulus) geiſt (ſpiritus) gëlt (ſolutio) gêr (jaculum)
gief (ſtultus) giel (faux) gìr (vultur) glaſt (ſplendor) glaz,
-tzes (calvities) glêt (tugurium) got, -tes (Deus) gouch
(cuculus) grieƷ (arena) grif-ffes (raptus) grîn (clamor)
[666]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
grûs (horror) grûƷ (glarea) ur-gûl (aper) hac, -ges (ne-
mus) halp (manubrium) halm (calamus) ur-hap (origo)
har, hars (linum) hart (ſilva) haƷ (odium) hëlm (galea)
heiƷ (appellatio) hërt (ſolum) hof, -ves (aula) houf (acer-
vus) hunt (canis) kam, -mmes (pecten) kampf (pugna)
kërn (nucleus) kil, kils (caulis) kìl, kîles (cuneus)
kiel, kieles (navis) kìp (contentio) klëp (viſcus) klôƷ
(gleba) knëht (ſervus) kouf (emtio) kraz, -tzes (frictio)
krach (fragor) kreiƷ (circus) kriec, -ges (bellum) kus,
-ſſes (oſculum) laſt (onus) leich (ludus) leim (argilla) leip
(panis) vol -leiſt (adjutor) lìm (gluten) lîp (vita) liſt (ars)
liut (populus) loc, -ckes (capilli) lop (laus) louch (cepe)
louc, -ges (flamma) louf (curſus) lôƷ (ſors) lût (ſonitus)
mâc, -ges (cognatus) man (juba En. 40a Wigal. 91. 96.)
maſt (malus) mat, -ttes (interitus) mëlm (pulvis) miſt
(fimus) mort (caedes) munt (os, oris) muot (animus) nît
(invidia) ort (cuſpis) pſîl (ſagi [...]ta) pflûm (flumen) pin
(dolor) prîs (laus) qualm (vapor) rant (umbo) reif (an-
nulus) rîn (rhenus) rinc, -ges (annulus) ric, -ckes (ne-
xus viſceris) riƷ (fiſſura) roc, -ckes (tunica) roch (fi-
gura ludi latr.) rôſt (craticula) roſt (aerugo) rouch (fu-
mus) roup (ſpolium) rûm (ſpatium) rûn (ſuſurrus) ruom
(gloria) ſal, ſals (aula) ſant (arena) ſchâch (praeda) ſchal,
-lles (ſonus) ſchalc, -kes (ſervus) ſchaz, -tzes (opes)
ſchilt (ſcutum) ſchimpf (jocus) ſchîn (ſplendor) ſchoup
(ſtramen) ſchranc, -kes (fraus) ſchrîn (ſcrinium) ſchrit,
-tes (greſſus) ſchûm (ſpuma) ſchûr (imber) ſeim (ſuccus)
ſin, -nnes (animus) ſlâf (ſomnns) ſlich (aſtutia) ſlûch
(uter) ſlûr (homo piger) Bon. 51. ſmac, -ckes (odor) ſmit,
-des (faber) ſmuc, -ckes (ornatus) ſnal, -lles (projectio
digitis facta) ſnar, -rres (ſtridor) ſolt (ſtipendium) ſoum
(ſarcina) ſpat (ſuffrago) Parc. 27c ſpëht (picus) ſpot, -ttes
(ludibrium) ſprunc, -ges (ſaltus) ſtal, -lles (ſtabulum)
ſtam, -mmes (truncus) ſtanc, -kes (odor) ſtap (baculus)
ſtat, -des (littus) ſtein (lapis) ſtëc, -ges (ponticulus) ſtich
(ictus) ſtil, ſtils (manubrium) ſtoc, -ckes (fuſtis) ſtoup
(pulvis) ſtric, -ckes (laqueus) ſtrît (certamen) ſtrûch (frutex)
ſtrûƷ (ſtruthio) ſûs (ſtridor) ſwam, -mmes (fungus) ſwanc,
-kes (vibratio) ſweif (cauda) ſweiƷ (ſudor) tac, -ges (dies)
tam, -mmes (agger) tan, -nnes (nemus) teic, -ges (maſſa)
teil (pars) tîch (palus) tiſch (menſa) touf (baptiſmus) *) tôt
(mors) triel (roſtrum) trit, -tes (ingreſſus) trôn (thro-
[667]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
nus) trôſt (ſolatium) troum (ſomnium) trunc, -kes (po-
tus) trût (dilectus) tuc, -ckes (geſtus) tunc, -kes (bara-
trum) twalm (vapor) twërc, -ges (nanus) unc, -kes
(vipera) uop (mos) ûr (urus) val, -lles (caſus) valſch
(falſitas) vâr (dolus) vent (figura ludi latr.) vilz (lana
coacta) viſch (piſcis) vlins (ſilex) vlîƷ (ſolertia) vluc, -ges
(volatus) vluoch (maledictio) vroſch (rana) vroſt (frigus)
wal, -lles (ebullitio) walm (fervor) wân (opinio) wanc,
-kes (receſſus) wëc, -ges (via) wert (inſula) wif, -ffes
M. S. 2, 71b wîc, -ges (bellum) wîn (vinum) wint (ventus)
wirt (hoſpes) wîs (modus) wiſch (terſorium) wolf, -ves
(lupus) wûr (urus) Wilh. 2, 151a zart (adulatio) zein (te-
lum) zins (cenſus) zol, -lles (telonium) zorn (ira)
zoum (frenum) zuc, -ckes (raptus) zûn (ſepes) zwîc,
-ges (ramus). Dahin auch die mit der vorſilbe ge-, als:
gebûr (ruſticus) gedanc, -kes (cogitatie) geheiƷ (votum)
gelimpf (convenientia) gemach (commoditas) genôƷ
(conſors) gerich (vindicta) gewërp (negotium) gewin
(lucrum) etc. — 2) bildungen mit -el, -em, -en, -er,
als: nagel (clavus) vogel (avis) kradem (clamor) âtem
(ſpiritus) dëgen (miles) meiden (equus caſtratus) wagen
(currus) vinger (digitus) ëter (ſeptum, tectum) ëber (aper)
und viele ähnl. — 3) mit -ic, -ich, -inc, -linc, als:
künic, -ges (rex) habich (accip.) bertinc (barbatus) nîdinc
(invidioſus) kiſelinc (calculus) etc. — 4) mit lingualen, als:
mânot (menſis) helt (heros) voget (advocatus) hirƷ (cervus)
krëbƷ (cancer) imbiƷ (prandium) erneſt (labor) etc. — 5) par-
ticipiale ſubſt. als: âbent (veſper) wîgant (pugil) wiſent
(bubalus) vâlant (daemon) vriunt (amicus) vîant (inim.)
— 6) wurzeln mit voc. auslaut: klê (trifolium) lê (ag-
ger) rê (funus) fê (lacus) ſnê (nix) ſchuo (calceus) bû
(aedificium). —
Anmerkungen: I) die grenze zwiſchen der erſten
und vierten decl. iſt nicht rein abzuſtecken, da beide
den ſg. ganz überein haben und viele wörter gar nicht
im pl. vorkommen, z. b. art, aſch, bâc, bîl, ſal (Nib.
322. iſt der dat. ſg. ſal die richtige leſart, vgl. 2459.) etc.
Außer dieſer unſicherheit ſind, weil auch die plur. ca-
ſus beider zuſ. fallen, alſo nur am umgelauteten wur-
zelvocale die alte verſchiedenheit der endungen vierter
decl. erkennbar wird, wirkliche miſchungen und über-
gänge anzunehmen, theils practiſch aller umlautsunfähigen
wörter aus der vierten in die erſte (z. b. tiſch, ſchilt,
liut), theils umlautsfähiger aus der erſten in die vierte.
Manche übertritte letzterer art haben ſich erſt gegen den
[668]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
ſchluß des 13. und im 14. jahrh. entwickelt, als das
nachgefühl der urſprünglichen verſchiedenheit verloren
gieng und die analogie der umlaute blind fortwirkte.
Im zweifel dürfen daher plurale vierter decl., für die
gute mittelh. zeit, nur aus reimen bewieſen werden,
nicht aus fehlern der hſſ. Erweiſen läßt ſich z. b. kein
pl. rende, gedenke, ſchelke, ſtebe, göte etc. da viel-
mehr rande, gedanke, ſchalke, ſtabe, gote aus randen
Bit. 37a 94a gedanken Parc. 1a ſchalken Wilh. 2. 178b
ſtaben Wilh. 2, 65a Parc. 26a Georg 19b gote Wilh. 2,
99b goten Parc. 11a Wilh. 2. 20b Barl. 322. etc. hervor-
gehen. Maſc. mit geminierender conſonanz ſcheinen
mir beſtändig der erſten decl. zu folgen (val, valle;
kam, kamme; ban, banne; kus, kuſſe; boc, bocke);
die form -unc, -kes war, nach ſ. 337., keines umlauts
fähig. Auch zu den ſg. mit dem voc. ou, û finde ich
keinen erweiſlichen pl. öu, iu; ob einige bildungen mit
-el, -en, -er den pl. umlauten? unten bei der vierten
decl. Im 14. jahrh. haben ſich freilich die pl. velle,
küſſe, zölle, böcke, göuche, ſetele, hevene etc. ent-
wickelt. — 2) wichtig iſt die beobachtung der ſyncope
und apocope des caſus -e. Man merke α) das ſiumme
e fällt infolge der regel ſ. 374. nach einfacher liq. auf
kurzen voc. nothwendig aus und hier entſpringt eine
den neutris mit demſelben buchſtabenverhältnis völlig
gleiche decl. Es gehören hierher wenig maſc. mit wur-
zelhafter liq. (ſal, kil, ſtil, man, har) und von ihnen
kann ich den pl. nur vermuthen, nicht belegen; wohl
aber alle bildungen mit -el, -em, -en, -er, deren bil-
dungsvocal lange wurzelſilbe voranſteht. Die mit wur-
zelhaftem n. behalten jedoch im dat. pl. das ſtumme e
bei (manen ſt. man -n) die mit -en werfen es ſammt
dem n fort (meiden ſt. meiden -n; oben ſ. 374.). Die
mit -em werden im dat. pl. die volle form behaupten,
obgleich ſich zu âtem kein pl. belegen läßt. Zum pa-
radigma dienen:
| kil | pl. kil | man | pl.man | har | pl. har |
| kil-s | kil | man-s | man | har-s | har |
| kil | kil-n | man | man-en | har | har-n |
| kil | kil | man | man | har | har |
| engel | pl. engel | âtem | pl. âtem |
| engel-s | engel | âtem-s | âtem |
| engel | engel-n | âtem | âtem-en |
| engel | engel | âtem | âtem |
| meiden | pl. meiden | acker | pl. acker |
| meiden-s | meiden | acker-s | acker |
| meiden | meiden | acker | acker-n |
| meiden | meiden | acker | acker |
Zur vergleichung ſetze ich beiſpiele der bildnngen -el,
-em, -en, -er mit kurzer wurzelſilbe her, welche, da
ihr bildungsvocal ſtumm iſt, das tonloſe caſus -e nicht
ablegen, folglich volle declinationsform behalten:
| nagel | pl. nagel-e | kradem | pl. kradem-e |
| nagel-es | nagel-e | kradem-es | kradem-e |
| nagel-e | nagel-en | kradem-e | kradem-en |
| nagel | nagel-e | kradem | kradem-e |
| ſëgen | pl. ſëgen-e | ëber | pl. ëber-e |
| ſëgen-es | ſëgen-e | ëber-es | ëber-e |
| ſëgen-e | ſëgen-en | ëber-e | ëber-en |
| ſëgen | ſëgen-e | ëber | ëber-e |
fehlerhaft wird zuweilen bei denen mit n das en dat. pl. apo-
copiert, z. b. Wig. 312 man f. manen Nib. 2402. dëgen f.
dëgenen. — β) nach andern (nicht liquiden) conſonanzen
bleibt das ſtummé e in der regel und fällt bloß ausnahms-
weiſe weg. Dieſe ausnahme ereignet ſich zumeiſt nach t ίm
dat. ſg. alſo bei den wörtern ſpat, got, ſpot, vgl. ſpat (ſuffra-
gine) Parc. 27c got (Deo) Wigal. 72. kolocz 315. 354.
Barl. 7. etc. für ſpate, gote; unzuläßiger ſcheint der gen.
gots f. gotes; Barl. 53. ſtehet got (deos) Parc. 178b got
(dii) f. gote. (vgl. vriunt bei der decl. des part. praeſ.)
Nach lab. und gutt. ſind ſolche apocopen ganz zu mei-
den, z. b. kein lop, tac, hac f. lobe, tage, hage. —
γ) das unſtumme, tonloſe e pflegt ausnahmsweiſe in ſubſt.
mit geminiertem conſ. wegznfallen, vgl. ſchal (ſonitu)
Parc. 28c Wilh. 2, 19a ſtatt des üblicheren: ſchalle und
gleichergeſtalt würde kus, ſin, tan, val etc, wohl für
kuſſe, ſinne, tanne, valle hingehen, vgl. die anomalie
man f. manne. Der gen. kuſſ f. kuſſes iſt tadelnswerth. —
δ) ähnliche ausnahmsweiſe dativkürzungen (bei tonloſem
e) auch in andern fällen, vgl. grâl Parc. 105a 106b 113b
ſt. grâle; lîp ſt. lìbe Nib. 1363. 6720. tôt ſt. tôde Nib.
4402, zumahl, wenn ein anderes ſubſt. im gen. voran-
ſteht und gleichſam incliniert. Genitive wie prîſſ
(? priſſ) f. prîſes, âbents f. âbendes (oben ſ. 367.) vriunts
f. vriundes etc. ſind nicht nachzuahmen (vgl. vriunt bei
der decl. des part. praeſ.). — 3) vom ſchwanken des
geſchlechts (manche wörter ſind mundartiſch neutra
z. b. bal, tonf, zil, lop etc.; einige fem. z. b. man,
(juba) im dritten buche. — 4) die unter 6. genannten
[670]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſc. zw. u. dr. decl.
vocalanslautigen ſchieben im gen. und dat. wein: ſê, ſêwes,
ſêwe; bû, bûwes oder bouwes; doch gilt abwechſelnd
der gekürzte dat. ſê, ſnê etc.; ſchuo bekommt h: ſchuohes.
| beiſpiel: hirt-e | pl. hirt-e |
| hirt-es | hirt-e |
| hirt-e | hirt-en |
| hirt-e | hirt-e |
befaßt 1) wenige mit der bloßen bildung -e, nament-
lich ende (finis) êre (aes) hirſe (milium) hirte (cuſtos)
kæſe (caſeus) pfëlle (pallium) rücke (dorſum) wine (ami-
cus) weiƷe (triticum). 2) viele mit œre, als: ſciltære
(pictor ſcuti) viſchære (piſcator) etc. — Anmerkungen:
1) in dem an ſich ſeltenen wine (Nib. 3606. 8642.) ſcheint
das alte ableitungs -i zu dauern (vgl. die dritte decl.) da
ſonſt die gekürzte form win mittelhochdeutſcher wäre
(Bit. 44b 70a win: hin, ſin) vgl. Parc. 54c win: erſchin
(? erſchine, ſ. unten vorbem. 1, β zur conjug.). 2) ende
iſt häufig neutral, ebenſo êr (aes) ſt. êre; vielleicht auch
Wig. 261. (2. 7078.) êr ſtatt êre zu ſetzen? — 3) hirte
geht häufiger entw. ſtark nach erſter decl. hirt, hirtes
(M. S. 1, 192a) oder ſchwach hirte, hirten (Parc. 76b troj.
13a 14a). — 4) einige auf -œre, gehen in -er und da-
mit in die erſte decl. über (vgl. oben ſ. 369.); ſo ſtehet
Parc. 38a kochære (pharetra) in den Nib. meiſt kocher
(nicht unrichtig, vgl. gl. jun. 174. das alth. cohhar (und
M. S. 2, 195a. b wanger (cervical) ſt. wangære, 2, 196b dienèr;
häufig ritter, zuweilen rìter ſt. des früheren ritære (ſ. 384.).
Trümmer in wenigen wörtern, die -e ſtatt des al-
ten -u bewahren, unerachtet kurzer wurzelvocal voraus-
geht und zumahl nach t das ſtummgewordene -e leicht ab-
zufallen pflegt; es ſind: mëte (mulſum) ſchate (umbra) bei
Gottfr. Wirnt; ſige (victoria) ſite (mos) vride (pax) wite
(? lignum, troj. 81a) welche den ſg (der pl. wird kaum
eintreten) ganz nach hirte, wine etc. abwandeln, aber nicht
zur zweiten decl gezählt werden können, weil das -e drit-
ter keinen umlaut wirkt (d. h. kein altes i war). Für
ſchate wird ſich nirgendwo ſchete finden. Daß ſnite,
trite, ſchrite hierher hören, bezweifle ich oben ſ. 417.
Im verlaufe des 13. jahrh. weicht aber das e allmählig
und nur vride bleibt durchaus; ſige, ſchate gewöhnlich:
mët, ſit, wit gehen in die erſte über, zuweilen ſchat
[671]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. vierte decl.
und ſic. -ges, — ſun (filius) iſt, wie vuoƷ (pes) zan
(dens) ſchon im altb. vierter decl., d. h. der ſg. ſune,
vuoƷe kommt gar nicht vor.
| beiſpiel: balc | pl. belg-e |
| balc-es | belg-e |
| balg-e | belg-en |
| balc | belg-e |
befaßt jetzo bloß umlautsfähige wörter 1) einfache: aſt,
eſte (ramus) bach, beche (rivus) balc, belge (cutis) bart,
berte (barba) baſt, beſte (cortex) brant, brende (titio)
brât, bræte (lumbus) bruch, brüche (fractio) darm, der-
me (inteſt.) dôn, dœne (ſonus) drât, dræte (fil. ferri)
ganc, genge (greſſus) gaſt, gefte (hoſpes) grât, græte (ca-
cumen) grunt, gründe (fundus) gruoƷ, grueƷe (ſaluta-
tio) guƷ, güƷƷe (effuſio) harm, herme (muſtela) hals,
helſe (collum) huof, hueve (ungula) huot, huete (pileus)
klanc, klenge (ſonus) knopf, knöpfe (nodus) koch,
köche (coquus) kopf, köpfe (modius) korp, körbe (ſporta)
krâm, kræme (mercimonium) kranz, krenze (corona)
krât, kræte (galli cantus) kropf, kröpfe (ſtruma) lôn,
lœne (merces) luft, lüfte (aër) luhs, lühſe (lynx) môr,
mœre (equus) munt, münde (os) napf, nepfe (catillum)
pfâl, pfæle (ſudes) pfat, pfede (callis) pfluoc, pfluege
(aratrum) pfuol, pfuele (palus) ram, ræme (ſordes) rât,
ræte (conſ.) ruoƷ, rueƷe (fuligo) runs, rünſe (fluentum)
ſarc, ſerke (ſarcophagus) ſchaft, ſchefte (contus) ſchopf,
ſchöpfe (cirrus) ſchranz, ſchrenze (fiſſura) ſchuƷ, ſchüƷƷe
(emiſſio teli) ſlac, ſlege (plaga) ſlât. ſlæte (infumibulum)
ſpân, ſpæne (feſtuca) ſprât, ſpræte (torrens) ſpruch,
ſprüche (dictum) ſtapf, ſtepfe (paſſus) ſtranc, ſtrenge
(funis) ſtuol, ſtuele (ſella) ſturm, ſtürme (procella) ſun,
ſüne (filius) ſwanz, ſwenze (cauda) ſwarm, ſwerme
(examen) tanz, tenze (chorea) topf, töpfe (olla) tuft,
tüfte (vapor) turn, türne (turris) vanc, venge (captura)
varm, verme (filix) vlans, vlenſe (roſtrum) vluƷ, vlüƷƷe
(fluvius) vuhs, vühſe (vulpes) vunt, vünde (inventum)
vurt, vürte (vadum) vuoc, vuege (decor) vuoƷ, vueƷe
(pes) wâc, wæge (aequor) walt, welde (ſilva) wunſch,
wünſche (votum) wurf, würfe (jactus) wurm, würme
(vermis) zan, zene (dens) zopf, zöpf, zöpfe (cirrus); desgl.
verſchiedene mit vorſtehendem ge-,: gedranc, gedrenge
(turba) geluſt, gelüſte (cupiditas) etc. wofern die pl. ein-
[672]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. vierte decl.
treten. — 2) mit -el, -er gebildete; gewiß apfel, pl.
epfel (pomum) zâher, pl. zæher (lacrima), richtiger za-
her, pl. zehere [vgl. oben ſ. 438.]; ob noch andere?
Anmerkungen: 1) unter den angeführten plur. ſind
einige (beſte, ſpræte, vlenſe etc.) nur analogiſch ange-
nommen und noch unbelegt; ſie können daher [ſo wie
andere zu belegende mundartiſch] in die erſte decl. fal-
len, z. b. ſtatt des paradigma belge folgt balge aus dem
reime blâsbalgen: walgen M. S. 1, 134a. Die conſ. ver-
bindungen entſcheiden nicht gerade immer, arm, laſt,
maſt folgen der erſten, aſt, gaſt, darm der vierten decl.,
gleichwohl ſcheinen gewiſſe verbindungen, z. b. -nt
gern zu ſchwanken (Bit. 122b reimt renden : henden,
wiewohl man randen: handen ändern dürfte) und offen-
bar begünſtige die verb. rm, rn, rt, ng, ns, nz den um-
laut. Häufig inzwiſchen legen bloß ungenaue und ſpä-
tere hſſ. wörtern erſter decl. den pl. umlaut der vierten
zu, vgl. gedenke, fröſche, zölle, höven, böcke, löcke,
göte etc. M. S. 2, 178a 198a 171a. b 134b 214a troj. 145b
97a 113a etc. wo meiner anſicht nach überall der unumlaut
herzuſtellen iſt. Für ungrammatiſch halte ich namentlich
e ſtatt a in den wurzeln vieler bildungen mit -el, -en,
-er, welche im alth. ſtrenge der erſten decl. angehö-
ren; ſo leſen die älteſten Nib. hſſ. mitunter hevene
(ollae) ſetele (ephippia) ſchemele (ſcabella) trehene (la-
crimae) wegene (currus) etc. [noch dazu meiſt fehler-
haft mit æ geſchrieben] daneben aber ſchwankend das
richtige a, wie 4502 wagene, 2620c nagelen etc. Es
zwingt nichts, dieſe umlaute für gültig zu achten, und
ich würde Nib. 1507 trahenen 2295 ſchamele Wigal. 33
zagele etc. beßern. — 2) die weglaßung des caſus -e
erfolgt wie in der erſten decl., nämlich α) die des ſtum-
men nach liquidis; es kommt hier keine wurzel mit
l oder r vor, hingegen zweie mit n: zan und ſun,
gen. zans, ſuns; dat. zan, ſun; der pl. behält das e
(zene Parc. 31b troj. 26b ſüne Parc. 42b troj. 9a 128a 135a
136a; dat. zenen Parc. 138b troj. 72a) vielleicht nach-
wirkung des alten bildungs-vocals (vgl. dritte decl.);
daneben ſteht doch der gen. pl. ſun : tuon gereimt
Parc. 88c; apfel und zâher gehen nach engel und acker
(oder zaher nach ëber) außer daß ſie im pl. umlauten:
epfel, epfel, epfeln; zæher, zæher, zæhern (oder zehere,
zehere, zeheren) vgl. den gen. pl. zæher Parc. 46c —
β) wurzeln mit kurzem vocal und t fehlen hier. —
γ) ausnahmsweiſe wegfall des tonloſen e in dativkürzun-
[673]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes femin. erſte declin.
gen: wâc, walt, aſt, krâm, vurt Parc. 105a 108a 127a
159a Barl. 62. ſtatt: wâge, walde, aſte, krâme, vurte etc.
| beiſpiel: gëb-e | pl. gëb-e |
| gëb-e | gëb-en |
| gëb-e | gëb-en |
| gëb-e | gëb-e |
1) einfache: ahte (cura) arke (ciſta) bëte (preces) her-bërge
(caſtrum) bîte (mora) bôie (catena) brünne (thorax) buoƷe
(ſatisfactio) ërde (terra) êre (honor) gâbe (donum) gëbe
(gratia) gerte (virga) gimme (gemma) goume (cura) grêde
(gradus) habe (portus) halde (clivus) hëlfe (auxilium) helle
(tartarus) huobe (menſura agri) huote (cuſtodia) hurte
(pugna) Parc. 94c jëhe (fama) île (feſtinatio) klage (que-
rela) klinge (lamina) koſte (ſumptus) krippe (praeſepe)
krône (corona) labe (refectio) lade (ciſta) lâge (dolus)
lêre (doctrina) linge (ſucceſſus) marke (limes) mâƷe (mo-
dus) mëlde (delatio) miete (merces) minne (amor) mîle
(milliare) muoƷe (otium) mûre (murus) onwe (campus) pfahte
(pactum) pflëge (cura) pîne (cruciatus) quâle (ſupplicium)
râche (vindicta) rede (ratio, cauſa) reiſe (iter) rinke
(fibula) rippe (coſta) Tit. 89. riuwe (dolor) rote, rotte (co-
hors) ruoche (cura) ſage (relatio) ſache (cauſa) ſange
(manipulus) ſchanze (periculum) ſchande (dedecus) ſchiure
(horreum) ſchôƷe (gremium) ſchuole (ſchola) ſèle (anima)
ſippe (cognatio) hërzeſlage (palpitatio cordis) Triſt. 8a
ſlahte (genus) ſmiuge (parcimonia) ſnîde (acies) ſorge (cura)
ſpîſe (cibus) ſprâche (ſermo) ſtate (occaſio) ſtimme (vox)
ſtiure (fulcrum) ſtrâle (ſagitta) ſtrâƷe (via) ſtroufe (caſti-
gatio?) Nib. 8096. Frîged. 31c ſtunde (hora) ſuoche (per-
quiſitio) ſuone (compoſitio) toufe (bapt. Tit. 24.? alth. toufa)
trahte (cogitatio) triuwe (fides) troufe (ſtillicidium) twâle
(mora) unde (unda) valde (ſcrinium) vëhte (pugna) vîle
(lima) vîre (celebratio) vorhte (timor) volge (ſequela)
vreide (ſeceſſus) kl. 3827. Gudr. 26a Bit. 115b vreiſe (peri-
culum) vuoge (aptitudo) vuore (alimonia) wâge (libra) wâge
(auſum) wahte (cuſtodia) wamme (venter) warte (ſpecula)
waſte (ſolitudo) wide (ſalix) wîle (tempus) wîſe (modus)
wunde (vulnus) wunne (jubilum) zange (forceps) zarge
(ſeptum) zëche (computus) zîle (linea) zinne (pinnacu-
lum). Verſchiedene mit vorgeſetztem ge-: genâde (gra-
tia) ungehabe (triſtitia) etc. — 2) bildungen mit -d (alth.
-id) als: bevilde (ſepultura) ſelde (aedes) ſælde (felicitas)
gebærde (geſtus) fröude (gaudium) etc. — 3) mit -ung:
U u
[674]II. mittelh. ſubſt. ſtark. fem. erſte decl.
handelunge (actio) manunge (admonitio) etc. — 4) mit
-niſſ: vancniſſe (captivitas) vinſterniſſe (tenebrae) etc. —
5) mit inn: küniginne (regina) mæninne (luna) mœrinne
(aethiopiſſa) wülpinne (lupa) etc. — 6) mit -en: këtene (ca-
tena) küchen (coquina) metten (matutina) vërſen (calx). —
7) mit -h: malhe (pera) furhe (ſulcus). — 8) mit -w:
varwe (color) ſwalwe (hirundo). — 9) mit -eſt: dieneſte
(ſerva) Nib. 3382. [altn. þiónuſta]. — 10) das bildende -e
iſt überall getilgt. aber noch am umlaut kenntlich, vgl.
minne, krippe, rippe, ſippe, hitze, gerte, brünne, ſün-
de etc. — 11) einige fremde: brëdige, bërle etc. —
Anmerkungen: 1) wegfall des ſtummen e und zwar
α) unerläßlich nach liquidis; hierher gehören: nahtegal
(luſcinia) ſal (traditio, conceſſio) ſchal (lanx) ſwal (gekürzt
aus ſwalwe M. S. 1, 51b) wal (electio) zal (nume-
rus) el (cubitus) kolocz 297. 325. kël (gula) dol (paſſio)
ſol (ſolea) nam (captura) Parc. 55b ram (inſtrumenti ge-
nus) Iw. 45c ſcham und ſchëm (pudor) gran (myſtax)
man (juba) Parc. 61c Triſt. 125b won, gewon (conſue-
tudo) nar (alimentum) ſchar (cohors) var (iter) var (ge-
kürzt ſtatt varwe) war (cura) ſchër (forfex); die decl.
lautet ſo:
| zal | pl. zal | ſchar | pl. ſchar |
| zal | zaln | ſchar | ſcharn |
| zal | zaln | ſchar | ſcharn |
| zal | zal | ſchar | ſchar |
vgl. ſchar (cohortes) Bit. 80a 93a etc.; die auf n machen
jedoch den gen. dat. pl. -en, manen (jubis); küchen
macht dieſe caſus küchen (ſt. küchenn) N. 3874.; ebenſo
vërſen; këtene aber këtenen Triſt. 33cβ) ausnahme-
weiſe nach t; ſo ſtehet bët f. bëte; ſtat f. ſtate; gehört
auch ſtrut (ſilva) Tit. 129. hierher? — 2) wegfall des ton-
loſen e iſt ſelten; ich finde mehrmahls aht, ſlaht, z. b.
Nib. 5518; ſodann fêl Wigal. 224. M. S. 2, 125a buoƷ f.
buoƷe etc. — 3) ſchwanken zwiſchen ſtarker und ſchwa-
cher form wegen einſtimmung der gen. dat. pl. begreif-
lich; namentlich wechſeln beide bei den wörtern bâre
(feretrum) ërde (terra) porte (porta) brücke (pons) ſtrâƷe
(via ſtrata) u. a. m. — 4) folgende vocaliſch auslautende
wurzeln ſind im ſg. ohne alle caſus-endung: brâ (ſu-
percilium) klâ (ungula) ſlâ (veſtigium) ê (lex) drô (mi-
nae) [ſtehen folglich für brâe, klâe, ſlêe, drôe]; die
drei letzten haben keinen pl., die beiden erſten den gen.
dat. pl. brân, klân, den nom. acc. pl. bald ſtark brâ
M. S. 2, 48a 181b klâ Wigal. 234; bald ſchwach: brân,
[675]II. mittelh. ſubſt. ſtark. femin. erſte u zw decl.
klân Parc. 25c 75c. Zuweilen macht der pl. noch brâ-
wen, klâwen M. S. 2, 47b troj. 44a 45c. Die auf -î be-
halten hingegen das caſus-e, als: bîe (apis) Tit. 77.
Wilh. 2, 73b drîe (trias) klîe (furfur) krîe und ſchrîe (cla-
mor) ſamt vielen fremden: maſſenîe etc., den pl. inſofern
er üblich iſt bilden ſie ſchwach: bîen (apes) M. S. 1, 84a
Kolocz 151. Wilh. 2, 124a 53a (wo bîen zu leſen?) *) und
amîe ſchon den ſg., vgl. amîen Wigal. 104. 105.
practiſch ſind, ſeit auflöſung des alth. a und î in e, alle
fem. erſter und zweiter decl. zuſ. gefallen. Doch behalte
ich die beſondere aufſtellung bei, theils weil die ſubſt.
zweiter in der regel keinen pl. gebrauchen (ausnahme
macht der dat. pl. z. b. von hulde) theils in der ſchwei-
zeriſchen mundart die alte endung i geblieben zu ſeyn
ſcheint; man vgl. gueti, grimmi, decki, ſnelli etc. in
hſſ. des Barl, und Boner. und Stalder dial. p. 208. Gleich-
wohl glaube ich, daß Rudolf ſelbſt eher das gemein-
mittelh. e geſetzt habe, als jenes mundartiſche i. — In
dieſe decl. gehören 1) eine menge aus adj. gebildeter
ſubſt. z. b. blenke (albor) brœde (fragilitas) dræte (vehe-
mentia) erge (pravitas) grimme (auſteritas) herte (duri-
ties) kelte (frigus) krenke (debilitas) krümbe (flexuoſitas)
leide (odium) liebe (amor) milte (largitas) menige (mul-
titudo) muede (laſſitudo) rœte (rubor) ſenfte (lenitas)
ſterke (fortitudo) ſtæte (conſtantia) ſueƷe (dulcedo) veſte
(arx) wilde (ſolitudo) witze (intelligentia) wîƷe (albe-
do) etc. — 2) Andere meiſt von verbis abgeleitete: er-
berme (miſericordia) bürde (onus) decke (tegmen) ecke
(acies) übergulde (inauratio) gulte (debitum) Barl. 124.
153. 252. heide (teſqua) büge (ſomnium) M. S. 1, 58a
2, 132a hulde (favor) rihte (directio) ſlihte (aequitas)
urteile (ſententia) töufe (baptiſmus) etc.
Anmerkungen: 1) zwar haben alle umlautsfähigen
wurzelvocale dieſer decl. (hulde, gulde, gulte nach ſ. 337.
U u 2
[676]II. mittelh. ſubſt. ſtark. fem. zw. u. vierte decl.
abgerechnet) den umlaut; doch gibt er kein ſicheres
merkmahl ab, theils wegen der ſeiner unfähigen wörter
(liebe, grimme etc.) theils wegen der auch in erſter decl.
umlautenden (unter n°. 10.) — 2) apocope des ſtummen
e in: ner (ſervatio) Triſt. 40c wer (defenſio) zer (con-
ſumptio) Wilh. 2, 12b (alth. nerì, werî, zerî). Zweifel-
haft gehört das häufige gër oder gir (voluntas animi,
cupiditas) hierher, oder in die vierte, nachdem ſich ein
alth. nom. ſg. kirî oder kir (wie ich vorhin ſ. 620. ange-
nommen) beweiſen läßt. Von zweiſilbigen adj. gebildete
feminina legen das e nur ab, wenn die erſte ſilbe lang
iſt, alſo z. b. diu vinſter (caligo) bitter (amaritudo) töugen
(ſecretum) alth. vinſterî, toukanî; fehlerhaft aber, wenn ſie
kurz iſt, es heißt: diu übele (pravitas) vrevele (audacia)
ëbene (planities). Die hſſ. verfehlen oft beides. — 3) zu-
weilen fallen wörter aus der vierten declin. hierher, na-
mentlich: arbeite (labor) Nib. 4248. M. S. 2, 73b zuweilen
wörter aus der zweiten in die vierte, als: urteil.
Starkes femininum. dritte declination. mangelt.
| beiſpiel: kraft | pl. kreft-e |
| kreft-e | kreft-e |
| kreft-e | kreft-en |
| kraft | kreft-e |
alp, elbe (genius) M. S. 1, 50b meiſterg. 2b 37b angeſt,
engeſte? (anguſtia) ant, ente (anas) Bon. 79, 19. ax,
exe (ſecuris) arbeit, arbeite (labor) bluot, bluete (flos)
brunſt, brünſte (incendium) bruſt, brüſte (pectus) brûrte
briute (ſponſa) burc, burge (arx) geburt, gebürte
(nativitas) miſſedâht, -dæhte (ſuſpicio) diet, diete
(gens) gedult, gedulte (patientia) eich, eiche (quercus)
gans, genſe (anſer) geiƷ, geiƷe (capra) gluot, gluete
(ardor) gunſt, günſte (conceſſio) haft, hefte (manu-
brium) Ben. p. 195. hant, hende (manus) comp. mit
-heit, als: manheit, manheite etc. huf, hüffe (femur)
hurt, hürte (clathrum) hût, hiute (cutis) jugent, jügende
(juventus) kraft, krefte (vis) kunft, künfte (adventus)
kunſt, künſte (ars) âkuſt, âküſte (nequitia) leis (nix re-
cens) Parc. 67c volleiſt (auxilium) lîch, lîche (corpus)
brût-louft, löufte (nuptiae) lûs, liuſe (pediculus) luſt,
lüſte (voluptas) maget, megede; meit, meide (virgo)
maht, mehte (poteſtas) âmaht (languor) milch, milhe
(lac) comp. mit -muot, als: übermuot, übermuete etc.
mûs, miuſe (mus) naht, nehte (nox) nât, næte (ſutura)
[677]II. mittelh. ſubſt. ſtark. femin. vierte decl.
nôt, nœte (neceſſ.) genuht, genühte (abundantia) comp.
mit -nunft, als: ſigenunft, -nünfte (victoria) pfeit, pfeite
(tunica) pfliht, pflihte (nexus) rât, ræte (conſilium) M. S.
1, 131a 169b 176b Parc. 121b Wigam. 40a (wiewohl der
nom. ſg. rât unbewieſen und vielleicht ein ræte nach
zweiter decl. anzunehmen iſt?) ſât, ſæte (ſeges) comp.
mit -ſcaft, als: riterſcaft, riterſcefte. geſciht, geſcihte
(eventus) ſchrift, ſchrifte (ſcriptura) ſchult, ſchulde *)
(debitum) angeſiht, angeſihte (facies) ſnuor, ſnuere (fu-
nis) ſtat, ſtete oder ſtet (locus) ſtuot, ſtuete (equa) ſûl,
ſiule (columna) tât, tæte (factum) tagalt, tagalte (jocus)
der bildung nach vielleicht richtiger tagelte nach zwei-
ter. tugent, tügende (virtus) tuht, tühte (valor) Ben.
p. 165. tult, tulde (celebratio) vart, verte (iter) vluot,
vluete (fluctus) vluſt, vlüſte (jactura) vruht, vrühte (fructus)
vûſt, viuſte (pugnus) want, wende (paries) wât, wæte
(veſtis) wërlt, wërlde (mundus) inziht, inzihte (incul-
patio) zît, zîte (tempus) zuht, zühte (diſciplina).
Anmerkungen: 1) die vocalauslautenden vlô (pulex) kuo
(vacca) vluo (rupes) ſû (ſus) ſcheinen im ſg. unverän-
derlich, im pl. vlœhe, kueje, vluehe, ſiuwe zu bekom-
men. klû M. S. 2, 182a im reim auf vlû ſt. vluo iſt mir
unklar. — 2) nach wegfallendem ſtummen e könnte nur
in den wörtern kur (arbitrium) tur (porta) gir, gër (cu-
piditas) bin (apis) frage ſeyn. Die [beiden] erſten wür-
den dann den nom. acc. ſg. kur, tur, die übrigen ca-
ſus umlautend kür, tür machen; jenen nom. und acc.
vermag ich aber nicht ſtrenge zu erweiſen, da ſelbſt die
alth. tur und kir nicht über den zweifel hinaus ſind, ob
ſie vielleicht turî, churî, kirî nach decl. II. lauteten? bin
hat den pl. nom. bin, gen. bin, dat. binen. — 3) alle
wörter dieſer decl. können im gen. und dat. ſg. das e ab-
legen, alſo beide caſus dem nom. und acc. gäozlich gleich
machen. Seltner geſchieht es im gen. (vruht Parc. 126a
vart Parc. 24c bruſt Parc. 1c diet Parc. 46a zuht Parc. 39b
nôt Tit. 102. 110. tât Tit. 14. etc.) hänſiger im dat. (nôt
Iw. 20c Parc. 105c kraft Parc. 28a 107b 123a hant Parc.
102b 106a wât Parc. 108a angeſt Tit. 43. vruht Parc. 106c
diet Parc. 110a etc.) Mit den unveränderlichen formen
vruht, vart etc, wechſeln die declinierenden gen. dat. vrühte,
[678]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte decl.
verte ab. Ich ſehe hier keine apocope des tonloſen flexions-
vocals (wie in decl. 1. anm. 2.) und zwar α) weil bei
apocope, wenigſtens des ſtummen e, der wurzelumlaut
bleibt; es heißt z. b. ner, her (alth. nerî, heri) nicht
nar, har; hier aber umgekehrt vruht, tât, vart, nôt und
nicht vrüht, vert, tæt, nœt. β) weil die in gleichem
buchſtabenverhältniß befindlichen nom. gen. acc. pl. das
e nie ablegen (kein tât, vart für tæte facta, verte itinera).
γ) weil die, folglich bloß den ſg. angehende indeclina-
bilität ſpurweiſe bereits im alth. vorkam (oben ſ. 620.
no. 4. 630. no. 3.) wo an keine apocope des unbetonten
caſus vocals zu denken iſt. δ) weil dies e im neuh.
nothwendig wegfällt, nicht bloß, wie das tonloſe,
wegfallen kann. — 4) vom fem. art (natura, cultura,
genus) finde ich nur die unveränderliche form des
ſg;., niemahls den gen. dat. erte; daneben bedienen
ſich dieſelben denkmähler wechſelnd und häufiger des
maſc. art, ardes, arde, [wie im angelſ, ëard] doch auch
nicht im pl. Letzteres ſcheint mir ſtets die bedeutung
von genus, indoles zu beſitzen, während das fem. zu-
gleich den abſtracten begriff von modus (art und weiſe)
ausdrückt. — 5) ich zähle noch die nur im ſg. und ganz
unveränderlich vorkommende form -în hierher: küni-
gîn, meiſterîn, hërzogîn etc.; kürzung der daneben gül-
tigen form -inne (erſte ſt. decl. no. 5). Inſofern auch
-in eintritt, dürſte dieſes der erſten decl. angehören und
wie küchen, vërſen beurtheilt werden; vgl. oben ſ. 368.
und unten die dritte ſchwache decl.
| beiſpiel: wort | pl. wort |
| wort-es | wort-e |
| wort-e | wort-en |
| wort | wort |
1) einfache: âs (cadaver) bal, -lles (pila) Wigal. 199.
bant, -des (vinclum) barn (infans) bat, -des (balneum)
blat, -tes (folium) bloch (truncus) brôt (panis) bunt,
-des (pellis) buoch (liber) dach (tectum) diech, -hes (ſemur)
dinc, -ges (res) gëlt (praeſtatio) glas (vitrum) golt (aurum)
abgot (idolum) gôƷ (junctura tecti) Triſt. 122c 124a grap,
-bes (ſepulcr.) gras (gramen) guot (bonum) hap. -bes
(portus) Parc. 187a hâr (crinis) heil (ſalus) horn (cornu)
hûs (domus) huon (pullus) jâr (annus) îs (glacies) kar
(vas) kint, -des (infans) kleit, -des (veſtis) krût (herba)
lamp, -bes (agnus) lant, -des (terra) liet, -des (carmen)
[679]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte decl.
lit, -des (membrum) loch (foramen) loup, -bes (folium)
mâl (ſignum) maƷ (cibus) mëƷ (menſura) mein (nefas)
mies, mos (muſcus) nëſt (nidus) ort, -tes (cuſpis) ors
(equus) pfant (pignus) pflac, -ges (morticinium) Bon. 73,
26. rat, -des (rota) rêch, -hes (caprea) riet, -des (carex)
rint, -des (armentum) rîs (virgultum) rôr (arundo) ros,
-ſſes (equus) ſahs (culter) ſant, -des (littus) underſcheit,
-des (diſcrimen) ſchâf (ovis) ſchif (navis) ſchrîn (ſcri-
nium) ſeil (funis) ſêr (dolor) beſëƷ (obſidium) ſlôƷ (clau-
ſtrum) ſpër (haſta) ſpor (veſtigium) ſpil (ludus) ſtat, -des
(littus) ſwërt (enſis) ſwîn (ſus) tal (vallis) teil (pars)
tier (animal) tor (porta) trân (flumen) tuoch (pannus) vahs
(capilli) vaƷ (vas) viur, viuwer (ignis) volc, -kes (pop.)
wal (campus) wërc, -kes (opus) wiht (creatura) wîp,
-bes (femina) wort (verbum) zil (terminus) — 2) bil-
dungen, -el, -em, -en, -er, als: ſchapel (ſertum) ga-
dem (aedes) ellen (virtus) îſen (ferrum) lachen (pannus)
wâpen (arma) wolken (nubes) zeichen (ſignum) eiter (virus)
îſer (ferrum cuſum, bei Wolfr. von îſen dem unverarbei-
teten metall unterſchieden) laſter (vitium) lëger (cubile)
luoder (eſca) waber (viſio) waƷƷer (aqua) wëter (tempe-
ſtas) *) etc. — 3) lingualbildungen: houbet (caput) lieht
(lux) pfert (equus) ôbeƷ (pomum) dieneſt (miniſterium)
etc. — 4) gutturalbildungen: honec, -ges (mel) march
(equus) vërch (vita) — 5) vocalauslautige mit vorbre-
chendem w als rê, rêwes (funus) knie, kniewes (genu)
tou, touwes (ros) blî, blîwes (plumbum) mël, mëlwes
(far) hor, horwes (lutum), ei (ovum) hat eiges. —
6) comp. mit ge-, als: gebot (mandatum) etc.
Anmerkungen: 1) vom ſtummen e gelten die oben
ſ. 668. beim maſc. vorgetragenen regeln; man decliniere
folglich:
| zil | pl. zil | ſpër | pl. ſpër |
| zil-s | zil | ſpër-s | ſpër |
| zil | zil-n | ſpër | ſpër-n |
| zil | zil | ſpër | ſpër |
und nach zil weiter: ſpil (ludus) tal (vallis) mal (fer-
culum, verſch. von mâl, mâles?) wal (campus ſtra-
gis) hol (foramen); nach ſpër aber: kar (vas) ſpor
(veſtigium) tor (porta); ebenſo gehen mël (far) hor (lu-
tum) wenn ſie im obliquen caſus das alte w nicht
[680]II. mittelh. ſubſt. ſtark. neutr. erſte u. zw. decl.
mehr brauchen. Der gen. pl. ſpër (und nicht ſpëre)
findet ſich häufig, z. b. Tit. 67. Parc. 17b 19c 23c 82b
84a. b. 92a 93a Wigal. 129. (z. 3440.) 246. (z. 6667. wo alle
hſſ. ſpër leſen) ſpil (ludorum) Bit. 122a mal (ferculorum)
kolocz 163. Wigal. 7. (z. 121.) leſe man hor oder
mit cod. C. horwe. — îſen, laſter etc. declinieren vôl-
lig wie meiden, acker ſ. 669. gadem und lëger aber wie
wort. — 2) das tonloſe e wird ausnahmsweiſe gekürzt
in vël (cute) ſt. vëlle Parc. 64b 122a; ros (equo) ſt. roſſe
Wigal. z. 2005. und 11112 ros (equorum) ſt. roſſe; pfert
ſt. pferde Parc. 125a hâr ſt. hâre Wilh. 2, 7b wîp ſt. wîbe
Nib. 3516; lant f. lande in den Nib. mehrmahls und
ähnlicher fälle mehr. — 3) folgende haben im pl. das
paragogiſche (umlaut wirkende) er: bender. bleter. blö-
cher. buecher. dieher. dörfer. eiger. abgöter. greber. hue-
ner. hiuſer. kelber. kinder. kleider. kriuter. lember.
lider. lieder. löcher. löuber. örter. pfender. reder. rêher.
rieder. rinder. rîſer. röſſer. telr. tuecher. welfer (catuli)
wîber. zwîer (rami) und wohl andere, die mir noch
nicht vorgekommen ſind. Von den meiſten gilt zu-
gleich der pl. ohne -er, einige haben immer -er, an-
dere nie; das nähere gehört nicht hierher in die flexions-
lehre. Die decl. der pl. auf -er richtet ſich nach dem
Io eben für das bildungs -er in lëger und laſter ent-
wickelten unterſchiede; es heißt:
und
daher mit recht: klage 3892 (4027.) ſwërter (enſium) Parc.
123c wîber (feminarum). telr (valles) vermuthlich auch
hölr (foramina) weil in ihnen (nach ſ. 374.) das ſtumme e
der zweiten ſilbe erliſcht, machen die gen. dat. telre,
telren; hölre, hölren.
| künn-e | pl. künn-e | ber | pl. ber |
| künn-es | künn-e | ber-s | ber |
| künn-e | künn-en | ber | ber-n |
| künn-e | künn-e | ber | ber |
1) bildungen mit bloßem -e: bette (lectus) bilde (ima-
go) erbe (hereditas) ende (finis) ecke (acies Bit. 110a)
ellende (exſilium) abgründe (abyſſus) heile (ſalus) leich
des von ruge p. 459. hirne (cerebrum) kinne (mentum)
kleinœde (xenium, clenodium) kriuze (crux) künne
[681]II. mittelh. ſubſt. ſtark, neutr. zw. u. dr. decl.
(genus) urliuge (bellum) antlütze (facies) mære (fabula)
mütte (modius) netze (rete) œle (oleum) pâradîſe (para-
diſus) rîche (regnum) rippe (coſta) Parc. 19c ſtücke (fru-
ſtum) ſwelle (limen) ſtüppe (pulvis) tenne (area) tinne
(tempus capitis) wette (pignus, obligatio) wiƷe (ſuppli-
cium) antwürte (reſponſum) — 2) mit der vorſilbe ge-:
gebeine (oſſa) gedigene (famulitium) gedürne (dumetum)
gegihte (arthritis) gehilze (capulus) gelücke (fortuna)
gemuets (animus) geſlehte (genus) getihte (carmen) ge-
vilde (planities) und viele ähnliche.
Anmerkungen: 1) umlautsfähige wurzelvocale lauten
beſtändig um; ob es mit kleinœde ſeine richtigkeit hat?
die meiſten hſſ. liefern kleinôde Parc. 146a 186c Triſt. 16a
78a Barl. 250. hingegen kleinêde Wig. 53 und 151. das
verkürzte kleinêt; Ottoc. 598b kleinêt (:hêt gereimt);
En. 92b 98b clînôte (? clênôde) — 2) die durch wegfall
des ſtummen e verkürzten wörter können practiſch der
erſten decl. beigezählt werden, wie das paradigma ber
zeigt. Es ſind folgende: ber (bacca) her (exercitus) mer
(mare) und mehrſilbige wie gewæfen (armatura) gezim-
ber (tabulatum) alth. kiwâfani, kizimpari. Den gen.
pl. belege ich mit wîn-ber (weltchron. Schütze p. 210.)
wîbe-her (Parc. 85b) — 3) göu (pagus) höu (foenum)
find kürzung der daneben gültigen formen göuwe, höu-
we. — 4) einſchiebung des -er im pl. finde ich in
kleinœter Flore 7b; gevilder von gevilde und getel, pl.
getelre iſt mir noch nicht vorgekommen.
ſpuren in vihe (pecus) wite (lignum), welches letztere
meiſtens maſc. erſcheint, auch in wit apocopiert wird.
| beiſpiel: haſ-e | pl. haſ-en |
| haſ-en | haſ-en |
| haſ-en | haſ-en |
| haſ-en | haſ-en |
1) einfache: affe (ſimia) an oder en (avus) ande (ira) ar
(aquila) bache (porcus) balle (muſculus manus) balme
(palma) Barl. 114. bër (urſus) bluome (flos) boge (arcus)
bote (nuntius) brache (canis) brunne (fons) buole (ama-
tor) dil (aſſis) georg 38a enke (ſervus) erbe (heres) garte
(hortus) gêre (ſinus veſtis) ginge (deſiderium) grabe (foſſa)
grâve (comes) grîfe (gryphus) gupfe (culmen) Parc. 39a
orthabe (auctor) ham (hamus) hamme (poples) haſe (le-
[682]II. mittelh ſubſt ſchwaches maſculinum.
pus) hërre (dominus) einhürne (unicornis) *) kempfe (pu-
gil) knabe (puer) knappe (armiger) knolle (nodus) knurre
(truncus) koche (navis) kol (carbo) lewe, leu (leo) mâne
(luna) mâſe (cicatrix) meige (majus) merze (martius) nam,
name (nomen) narre (ſtultus) ohſe (bos) pfaffe (clericus)
pfage (equus) pfarre (taurus) troj. 68a 71a. c. pfâwe, pfâ (pavo)
queſte Parc. 28a) rappe (corvus) recke (vir fortis) rîfe
(pruina) riſe (gigas) rite (febris) ron (truncus) rüde (canis)
ſâme (ſemen) ſchade (damnum) ſchate (umbra) [bei Wolfr.
Conr. u. a.] ſeite (chorda) ſchenke (pincerna) ſil (funis)
ſlange (ſerpens) ſlite (traha) ſmërze (dolor) ſpache (ra-
mus) ſpar (paſſer) ſpor (calcar) ſprünge (ſaltator) ſtër
(vervex) kolocz 395. ſtërne (ſtella) ſtolle (fulcrum) wider-
ſtrîte (adverſarius) ſwan (cignus) ſwalme (hirundo) walt-
ſwende (lignum perdens, i. e. heros) ſunne (ſol) tôre
(ſtultus) tote (patrinus) trache (draco) trappe (tarda) tûme
(pollex) turſe (gigas) van (pannus, vexillum) vauke (ſcin-
tilla) vinke (fringilla) volle (abnndantia) Nib. 8347. 9433.
vol (pullus equi) ſachwalte (cauſidicus) grieƷwarte (praeco)
waſe (ceſpes) weiſe (orphanus) wîtweide (late paſcens)
wër (vas, -dis, ſatisdans) wërre (ſcandalum) wille (vo-
luntas) zapfe (dnciculum) her-zoge (dux) und viele an-
dere, namentlich aus verbis gebildete. — 2) bildungen
mit -el, -em, -en, -er als: nabele (umbilicus) einſidele
(eremita) balſem (balſamus) bëſme (ſcopa) heiden (ethni-
cus) chriſten (chriſtianus) këvere (brucus) habere (avena)
reiger (ardea) vetere oder vetter (patruus) **). — 3) an-
dere bildungen: menſche (homo) ſwërde (dolor). — 4)
verſchiedene fremde wörter; aberëlle (aprilis) criſtalle,
cocatrille (crocodilus) etc. — 5) compoſita mit ge- ge-
bûre (ruſticus) gedinge (ſpes) geloube (fides) geſelle (ſo-
cius) gevatere (patrinus) etc.
Anmerkungen: 1) das ſtumme e fällt nach 1, r noth-
wendig und gänzlich weg; man decliniere
[683]II. mittelh. ſubſt. ſchwaches maſculinum.
| kol *) | pl. kol-n | ar | pl. ar-n |
| kol-n | kol-n | ar-n | ar-n |
| kol-n | kol-n | ar-n | ar-n |
| kol-n | kol-n | ar-n | ar-n |
und darnach: dil, ſil, vol, ſpar, bër, ſtër, wër, ſpor.
Nach m und n fällt es nur im nom. ſg. weg, nicht in
den übrigen caſus, weil mn oder nn mislauten würde.
Die älteren dichter hegen es hier auch noch im nom. ſg.
Wolfr. namentlich gebraucht name (nomen) geſchieden
von nam (cepit); die ſtrengmittelh. decl. lautet aber:
| nam | pl. nam-en | van | pl. van-en |
| nam-en | nam-en | van-en | van-en |
| nam-en | nam-en | van-en | van-en |
| nam-en | nam-en | van-en | van-en |
ebenſo gehen: ham, an, han, ſwan, ron; ſpätere denkmäh-
ler geſtatten ſich zuweilen den dat. vanne, vanen (im Tit.
auf manne gereimt). wozu theils der nom. van, theils die
richtig kurze ausſprache des a in vanen (beinahe van’n)
verleitete; doch findet ſich kein analoges aune, ſwanne,
ronne. MehrGlbige bildungen -en mit ſtummen e (alſo
langer erſter ſilbe) namentlich chriſlen, heiden (alth. chri-
ſtano, heidano) können entw. nach van gehen, pl. chri-
ſtenen, heidenen, oder (wie die ſtarken ſubſt. meiden,
woken im dat. pl.) das flexions -en überall wegwerfen,
in welchem falle ſie ganz indeclinabel alle caſus dem
nom. ſg. gleichmachen, (dies darf nicht verleiten, ſie für
ſtark zu halten, denn nie gilt der gen. heidens, chri-
ſtens). — 2) nach t fällt das ſtumme e nicht regelmäßig
weg, ſondern nur ausnahmsweiſe bisweilen im nom.
ſg. als: bot, tot, ſchat, rit ſtatt bote, tote, ſchate, rite;
in den übrigen caſus aber boten etc. kein botn. —
3) das tonloſe (unſtumme) e muß immer bleiben und
buol, mân f. buole, mâne wären fehlerhaft; aus glei-
chem grunde einſidel, gevater ſtatt einſidele, gevatere. —
4) umlaut in dieſer decl. zeigt die alth. zweite decl. an,
z. b. recke, einhürne, ſchenke ein hreckjo, einhurnjo,
ſcenkjo; da ſich neben vol (Parc. 132b M. S. 2, 152b
troj. 110b) vül (M. S. 1, 80. Vrîbërc 16c) findet, mag auch
ein alth. vuljo neben volo behauptet werden.
| beiſpiel: zung-e | pl. zung-en |
| zung-en | zung-en |
| zung-en | zung-en |
| zung-en | zung-en |
1) einfache: albe (mons) ameiƷe (formica) amme (nu-
trix) an (avia) aſche, eſche (cinis) barte (aſcia) baſe (ami-
ta) bir (pirum) biule (ulcus) blate (thorax) bütte (dolium)
brücke (pons) galle (fel) garbe (manipulus) gelle (pellex)
gërſte (hordeum) glocke (campana) gruobe (fovea) halbe
(latus) halſe (collare) harpfe (nablium) henne (gallina)
hinde (cerva) hoſe (braccae) hütte (tugurium) kanne
(cantharus) kappe (cucullus) katze (felis) kefſe (capſula)
kirche (eccl.) kiſte (ciſta) kiule (fuſtis) kon (uxor) kreie
(cornix) lache (palus-dis) linde (tilia) lîte (clivus) loube
(umbraculum) lücke (lacuna) mâſe (cicatrix, oder männl.?
vgl. Wilh. 2, 42a) minze (mentha) mül (mola) muome
(amita) naſe (naſus) olbende (camelus) ouwe (pratum)
pfanne (frixorium) pfîfe (tibia) porte (porta) rëbe (vitis)
rinde (cortex) rinne (canalis) rœre (calamus Parc. 123a)
ruote (virga) ſchalte (remus) ſcharte (inciſura) ſchîbe
(orbis) ſchirbe (teſta) ſchmitte (officina) ſchrunde (fiſſura)
ſchuppe (ſquama) ſëhe (viſus) ſîde (ſericum) ſîte (latus)
ſiure (acarus) ſlinge (laqueus) ſnite (buccella) ſpinne (ara-
nea) ſprîƷe (feſtuca) ſtange (contus) ſtande (cupa) ſtrange
(reſtis) ſtrieme (virga) ſtube (vaporarium) ſunne (ſol)
ſwarte (cutis) tanne (abies) taſche (pera) tincte (atramen-
tum) tûbe (columba) valte (plica) vaſte (jejunium) veile
(linteolum) vîge (ficus) vliege (muſca) vrouwe (femina)
wage (cunae) wanne (vannus) wëlle (unda) wîde (ſalix)
wicke (vicia) woche (ſeptimana) wülpe (lupa) wunde
(vulnus) zange (forceps) zêhe (dig. pedis) zunge (lin-
gua) u. a. m. — 2) bildungen mit -el, -er: buckel (um-
bo) geiſel (flagrum) gugele (cucullus) gürtel (cingulum)
inſel (inſula) nëſtel (vitta) niftel (neptis) tâvel (tabula)
twehele (mappa) vackel (taeda) videle (fides, -ium)
zwiſele (furca) âder (vena) âgelſter (pica) gâlander (ga-
lerita) kamere (camera) kulter (culcitra) natere (vipera)
vëdere (penna) u. a. m. — 3) mit -ew: ſënewe (nervus)
ſwalewe (hirundo) witewe (vidua) — 4) mit der vorſilbe
ge-: geſpil (ſocia) gevatere (commater) gemâle (ſponſa) etc.
Anmerkungen: 1) regelmäßiger wegfall des ſtummen
e nach liq. wie beim maſe., mül, geſpil, nëſtel, niftel etc.
gehen wie kol; bir, âder, âgelſter etc. gehen wie ar;
[685]II. mittelh. ſubſt. ſchw. fem. erſte, zw. u. dr. decl.
kon gehet wie van. — 2) ausnahmsweiſer wegfall des
ſtummen e nach t könnte im nom. ſg. blat, ſnit eintre-
ten. — 3) ob die bildung -en bei dieſer decl. auch in
betracht kommt? iſt zweifelhaft, da z. b. küchen, vër-
ſen ſchwach gerade ſo wie ſtark lauten müſten, nämlich
der ſtarke gen. küchen ſtände f. küchene, der ſchwache
gen. küchen f. küchenen (wie wolken, heiden f. wolke-
nen, heidenen). Sonſt ſcheint mir das ſeltene dieren
(ancilla, virgo) Parc. 62a allerdings hierher gehörig, und
ſteht für dierene, dierne, lautet aber dirne (gen. dir-
nen?) ſchmiede 355. 1797. verkürzt dirn M. S. 2, 82a —
4) ſchwanken zwiſchen ſchw. und ſt. form ſ. oben
ſ. 674. anm. 3. 4.
in die erſte übergegangen; die wörter oft erkennbar am
umlaut (mül, rœre) oder an gemin. conſ. (ſchmitte
alth. ſmitja?)
ſpuren in mengîn (multitudo) Flore 49c 55b 59a menigîn
(multitudine) M. S. 1. 38b bürden (onus) Frib. 21b bürden
(oneris) Flore 5b Wilh. 3, 176a gewöhnlich gehen jetzt
menige, bürde (troj. 8c 12c Wilh. 2, 36b) nach zweiter
ſtarker. Vielleicht dürfen noch andere, z. b. mænîn
(luna) hërzogîn, heidenîn, als aus den maſc. mâne, her-
zoge, heiden moviert hierher genommen werden, wie-
wohl ich kein alth. mânîn, herzogîn, heidenîn (goth.
menei, haritaúhei, háiþnei?) zu belegen vermag; vgl.
anm. 5. zur vierten decl.
| beiſpiel: hërz-e | pl. hërz-en |
| hërz-en | hërz-en |
| hërz-en | hërz-en |
| hërz-e | hërz-en |
nur die wörter hërze (cor) ôre (auris) ouge (oculus)
wange (gena) *)). Wie im alth. gilt ausnahmsweiſe hërze,
ouge, ôre, wange im nom. acc. pl. Nib. 3251. Triſt. 75a
86a 88a 121b Parc. 5a etc. Selbſt im dat. ſg. hërze Triſt.
35b Tit. 30. M. S. 1, 174a wange Triſt. 9c.
Die beſchränktheit der quellen läßt keine eigentliche
darſtellung der declinationsflexionen zu; bedeutende ab-
[687]II. mittelniederl. ſubſt. ſtark. maſc. erſte decl.
weichungen vom mittelhochdeutſch, wenn ſie ſtatt fän-
den, würden ſich immerhin verrathen. Ich nehme da-
her im ganzen die gültigkeit der mittelh. declinationen
an, doch ſcheint 1) der umlaut enger begrenzt, wes-
halb z. b. die vierre männl. decl. vielleicht nur die wör-
ter begreifen könnte, welche das a ſing. im pl. zu e
verwandeln. 2) der plur. neutr. noch öfter auf -e en-
digend, z. b. vate (vaſa) hôvede (capita) etc. 3) vom
altſ. -s des pl. maſc. erſter und zweiter decl. iſt keine
ſpur. 4) ob die kürzung des ſtummen e nach den mit-
telh. grundſätzen erfolge, wage ich nicht zu behaupten.
| beiſpiel: viſſc | pl. viſſc-e |
| viſſc-es | viſſc-e |
| viſſc-e | viſſc-en |
| viſſc-c | viſſc-e |
1) einfache, als: aerm, aerme (brachium) baert, baerde
(barba) bërch, bërghe (mons) dach, daghe (dies) dief,
dieve (fur) dwaes, dwaſe (ſtultus) êt, êde (juramentum)
gaſt, gaſte (hoſpes) god, gode (Deus) hont, honde (ca-
nis) kêr, kêre (iter) maech, maghe (propinquus) moet,
moet (animus) mont, monde (os) mûr, mure (murus)
nap, nappe (crater) pat, pade (ſemita) ram, ramme (aries)
raet, rade (conſilium) ries, rieſe (ſtultus) ſaerc, ſaerke
(ſarcophagus) ſcalc, ſcalke (ſervus) ſcat, ſcatte (theſ.)
ſcilt, ſcilde (clypeus) ſin, ſinne (ſenſus) ſlach, ſlaghe
(ictus) ſpronc, ſpronghe (ſaltus) ſtaf, ſtave (baculus) ſtèn,
ſtêne (lapis) ſtier, ſtiere (taurus) top, toppe (cirrus)
traen, trane (lacrima) vaec, vake (ſomnus) wolf, wolve
(lupus) worp, worpe (jactus) und viele andere. — 2) bil-
dungen mit -el, -en, -er, als: appel (pomum) crëkel
(cicada) inghel (angelus) ſlôtel (clavis) raven (corvus)
ëver (aper) lachter (vitium) vingher (digitus) etc. —
3) mit -inc, -linc: jonghelinc, jongelinghe; ballinc
(maleficus) coninc, coninghe etc.
Anmerkungen: 1) die voc. und conſ. veränderungen
richten ſich nach der buchſtabenlehre, man halte aerm;
traen, trane; voet, voete etc. für keinen umlaut (in
hochd. ſinne) — 2) die mittelh. regeln vom ſtummen e
ſind unanwendbar; zuweilen wird das e im gen. ſg.
[688]II. mittelniederl. ſubſt. ſt. maſc. erſteu. zw. decl.
ausgeſtoßen, als bërchs, diefs, honts, maechs, ſcats,
coninx neben bërghes, dieves, hondes, maghes, ſcattes,
coninghes. Das dative caſus-e bleibt immer. — 3) da-
gegen kann das e der bildungen el, er wegfallen, z. b.
vogle, apple, applen ſt. voghele, appele, appelen. —
4) der ſächſ. pl. auf -s zeigt ſich nur in der anomalie
mans und zuweilen in den aus der zweiten decl. über-
tretenden bildungen -er ſtatt -ere (ſ. die zweite decl.)
5) übergänge der plur. caſus in die ſchwache form fin-
den ſich zwar verſchiedentlich in den denkmählern, mei-
ſtens aber an unbeglaubigten ſtellen, d. h. außerhalb dem
reim. So lieſt man Maerl. 3, 159. zeile 45 duvelen (dia-
boli), zeile 48 richtiger duvele; 3, 206. inghelen (ange-
lorum) 1, 47. wolven, voſſen (lupos, vulpes) 2, 118.
corven (corbes) 3, 119. zeile 23 ſtênen (lapides) zeile 25
richtiger ſtêne; 1, 46. appelen (poma) 1, 403. daghen
(dies) Rein. 366. daghen etc.; nichts hindert hier über-
all -e herzuſtellen und das -en für einen fehler der hſ.
oder der ausgabe zu nehmen. Im reim, wo die lesart
unabweiſlich iſt, ſteht faſt durchaus ſtarke form; Maerl.
3, 71. finde ich daghen: claghen, man könnte gleich-
wohl ſt. des inf. das ſubſt. claghe ſetzen, und Rein. 361.
iſt ſicher trane: grane f. tranen:granen zu leſen; (vgl.
die anm. zur erſten weibl. decl.) — 6) vîant und vrient
machen den pl. vîande, vriende Maerl. 2, 125. doch
ſtehet Rein. 332. Maerl. 2, 135. auch der pl. vrient
(:verdient).
1) die wenigen auf bloßes -e, als hërde (cuſtos) rugge
(dorſum) weite (triticum) gehen ſchwach, gen. hërden,
weiten, ruggen. — 2) die zahlreichen bildungen auf
-are, -ere ſind ſchwankend, nämlich α) die auf -are
[welche form gewöhnlich eintritt, ſobald ein unbeton-
tes -el, -en, -er vorausſteht, z. b. loghenare (mendax)
droghenare (fallax) mordenare (homicida) molenare (mo-
litor) maertelare (martyr) kërſelare (ceraſus) wiſſelare
(numularius) tôverare (veneficus) etc. doch finden ſich
außerdem: pilare (fulcrum) outare (altare) ſondare (pec-
cator) u. e. a.] pflegen ſchwach zu declinieren, alſo im
gen. ſg. und nom. pl. maertelaren etc. — β) die auf
-ere [eintretend, wenn dieſe bildung unmittelbar an
die wurzel rührt, als: backere (piſtor) voetganghere
(pedeſter) dëlvere (foſſor) dorpere (ruſticanus) ghëvere
(dator) hoedere (cuſtos) jaghere (venator) lëſere (lector)
[689]II. mittelniederl. ſubſt. ſt. maſc. zw. u. vierte decl.
drômſpëlre (ſomniorum interpres) riddere (eques) u. a. m.]
gehen bald ſchwach, pl. backeren, jagheren, ridderen;
bald ſtark: backers, jaghers, ridders, ſpëlres etc. und
in dieſer form ſcheinen ſie auch gern das e im nom.
acc. ſg. zu apocopieren. Man decliniert alſo z. b. wë-
vere (textor) entweder
| wëver-e | pl. wëver-en | oder: wëver | pl. wëver-s |
| wëver-en | wëver-en | wëver-s | wëver-s |
| wëver-en | wëver-en | wëver-e | wëver-s |
| wëver-e | wëver-en | wëver | wëver-s |
der gen. und dat. dieſer erſtarrten pluralform bedarf ei-
niger belege: dienres (miniſtris) Maerl. 2, 47. hollanders
(batavorum) Stoke 3, 239. jonghers (diſcipulis) Maerl. 2,
144. 164. 3, 170. freilich ſtehen alle ſolche pl. auf -s nie-
mahls in beweiſendem reim. Selten zeigen ſie ſich bei
den unter α. genannten auf -are, doch ſtehet Maerl. 3,
146. mordeners 1, 172. loghenaers ſt. des üblichen mor-
denaren, loghenaren, wodurch auch ein nom. ſg. loghe-
naer möglich wird, vgl. outaer (: daer) Maerl. 1, 57. ſt.
outare.
mangelt.
die hierher fallenden wörter haben zwar das -e im
nom. ſg. bewahrt, als: ſone (filius) auf ghone, ghewone
reimend; mëde (mulſum) Rein. 338. ſëde (mos) gewöhn-
lich fem. zuweilen noch maſc.; ſëghe (victoria) vrëde
(pax); declinieren aber nunmehr ſchwach, vgl. ſonen
(filios) Maerl. 1, 57. 438. 3, 14. ſonen (filiorum) Rein.
285. ſëghen (victoriae) Maerl. 3, 104. vrëden (pacis) Maerl.
1, 115. vrëden (paces) Rein. 375. zum theil in beweiſen-
der reimform.
mangelt gleichfalls gänzlich, weil die ſprache keinen um-
laut anerkennt; alle hierher bezüglichen wörter ſind in
die erſte decl. übergetreten als: gaſt, gaſte; pat, pade;
nap, nappe; raet, rade; appel, appele etc.
| beiſpiel: mied-e | pl. mied-en |
| mied-e | mied-en |
| mied-e | mied-en |
| mied-e | mied-en |
1) einfache wörter: bëde (preces) bie (apis) blaſe (bulla)
haghedochte (latebrae) êre (honor) ghîle (fraus) grane
(barba) haghe (nemus) hëlle (tartarus) kële (gula) laghe
(inſidiae) miede (remuneratio) miere (formica) micke
(furca) moude (terra) nëſe (naſus) ghenade (gratia) pîne
(dolor) ſaghe (relatio) ſake (cauſa) ſale (aula) Maerl. 3,
137. ſcale (cortex) ſcare (agmen) ſiele (anima) ſmade (de-
decus) ſmake (guſtus) ſmërte (dolor) ſpîſe (cibus) ſoene
(reconciliatio) ſoghe (ſus) ſonde (peccatum) ſtonde (hora)
tale (ſermo) trouwe (fides) voere (ritus) wîle (momen-
tum) wîſe (modus) wrake (ultio) etc. — 2) bildungen
mit -t (ſtatt -ed) ghemênte (communio) clênte (parvi-
tas) diepte (profunditas). — 3) mit -ingh: caerminghe
(querela) grakinghe (crepuſculum) etc. — 4) mit -en:
havene (portus) loghene (mendacium) rëdene (ratio). —
5) mit -inn: apinne (ſimia) coninghinne etc. — 6) mit
-rn: dierne (ancilla) — 7) mit -eſſ: abdeſſe, prophe-
teſſe etc.
Anmerkung: da der pl. ſchwache form angenom-
men hat, hingegen die ſchwache decl. im acc. ſg. ſtarke,
ſo beruht der ganze unterſchied auf dem gen. und dat.
ſg., weshalb nicht zu wundern iſt, daß dieſe caſus
neben -e häufig auf -en ausgehen, ſelbſt im reim, vgl.
Rein. 289. mouden:houden; Maerl. 1, 273. mieden: lie-
den; 1, 160. êren:kêren; 3, 223. ſcaren:waren; 3, 2.
talen: dalen etc. Inzwiſchen ſind dergleichen fälle durch
die unachtſamkeit der herausgeber noch vermehrt wor-
den und man darf Maerl. 3, 315. haghen:daghen in
haghe: daghe beßern, wenn ſchon 3, 97. haghen im reim
auf draghen geduldet werden muß.
die ehemahls hierher gehörigen wörter ſind theils an
der abkunft aus adj. (coude, frigus; conde, notitia;
hulde, gratia) theils an dem alten ableitungsumlaut
des a in e (= ë) z. b. bëke (rivus) ſtëde (locus) nëre
(ſervatio) tëre (conſumptio) endlich auch an dem abge-
henden plur. erkennbar.
mangelt.
| beiſpiele: daet | pl. dad-e | gans | pl. ganſ-e |
| daet | dad-e | gans | ganſ-e |
| daet | dad-en | gans | ganſ-en |
| daet | dad-e | gans | ganſ-e |
hiernach: aert, aerde (genus) aex, aexe (ſecuris) borch,
borghe (arx) borſt, borſte (pectus) brût, brude (ſponſa) conſt,
conſte (ars) coemſt, coemſte (adventus) cracht, crachte
(vis) daet, dade (facinus) dinc, dinghe (cauſa) dôt, dode
(mors) gans, ganſe (anſer) ghêt, ghête (capella) ghift,
ghifte (donum) haeſt, haeſte (feſtinatio) hant, hande
(manus) hort, horde (clathrum) joghet, joghede (juven-
tus) jonſt, jonſte (favor) brûlucht (nuptiae) macht, machte
(vis) maghet, maghede (virgo) molen, molene (mola)
mûs, muſe (mus) nacht, nachte (nox) nôt, node (neceſſ.)
quërn, quërne (mola) Maerl. 3, 117. daghe-raet, -rade
(crepuſculum) ſcout, ſcoude (debitum) ſpoet, ſpoede
(ſucceſſus) ſtat, ſtade (civitas) tît, tîde (tempus) tucht,
tuchte (diſciplina) vaert, vaerde (iter) vliet (fluentum)
ghewëlt, ghewëlde und ghewout, ghewoude (poteſtas)
wërelt, wërelde (mundus) wët, wëtte (lex) u. a. m.
Anmerkungen: 1) ſelten nehmen gen. und dat. ſg.
die endung-e an, dade, ganſe etc. — 2) häufig ſchwankt
der pl. in ſchwache form, zumahl außer dem reim,
z. b. muſen Maerl. 1, 323. (vgl. das richtige muſe:huſe
Rein. 308.) magheden Maerl. 2, 183. 184. 3, 142. und ſo
anderwärts wëtten, dinghen, ſcouden etc. Meiſt läßt
ſich critiſch die ſtarke endung herſtellen.
| beiſpiele: wôrt | pl. wôrt | vat | pl. vat-e |
| wôrd-es | wôrd-e | vat-es | vat-e |
| wôrd-e | wôrd-en | vat-e | vat-en |
| wôrt | wôrt | vat | vat-e |
1) einfache: bên (os) caf (palea) calf (vitulus) dal (val-
lis) dier (beſtia) ei (ovum) gat (foramen) gras, gaers
(gramen) haer (crinis) hof (aula) hol (cavea) hûs (do-
mus) jaer (annus) kint (infans) lant (terra) lët (mem-
brum) lëcht (lux) lier (gena) liet (carmen) lôf (folium)
lôt (plumbum) paert (equus) rîs (virgultum) ſant (arena)
ſcaep (ovis) ſcëp (navis) ſwërc (nubes) ſwêt (ſudor)
vat (vas) vël (cutis) vëlt (campus) wîf (femina) wôrt
(verbum) u. a. m. — 2) bildungen -en, -er: horen
(cornu) coren (granum) lëven (vita) laken (pannus) tê-
kin (ſignum) wapen (arma) îſer (ferrum) lëger (caſtrum)
water (aqua) etc. — 3) diminutiva, als: voghelîn (avi-
cula) ſonekîn (filiolus) wëlpekîn (catulus) etc. — 4) mit
der vorſilbe ghe-, als: gheſût (ſonitus) ghemanc (cla-
mor etc.
Anmerkungen: 1) den pl. auf -e machen α) alle mit
kurzer wurzel, alſo dale (valles) vate (vaſa) ſcëpe (na-
ves) lëde (membra) gate (foramina) β) alle deren wur-
zel noch bildungsſilben zuwachſen, wapene, watere,
îſere, vogheline, wëlpekine. Schwankend ſind γ) die
einſilbigen langen, in der regel iſt ihr nom. pl. dem des
ſg. gleich, man ſehe bên:ſchên, amên Rein. 312. 334.
Maerl. 3, 134. dier: hier, fier Rein. 329. 340. lier:dier
Rein. 297. 300. 304. daneben aber diere: baniere; liere:
riviere Rein. 345. 301. Von haer, jaer, wîf kann der
pl. entw. ebenſo, oder hare, jare, wive lauten. — 2) er
können im pl. einſchieben: calf, ei, hoen, kint, klêt,
lôf, rîs: calvere, eiere, hoenre, kindere, klêdere, lôvere,
rîſere und wohl a. m. — 3) von vie (pecus) die (femur)
iſt mir der gen. ſg. unerinnerlich; letzteres hat den ſchw.
pl. dien Maerl. 1, 64. 176.
die hierher gehörigen neutra ſind, gleich den maſc.
zweiter decl. in die ſchwache form übergetreten, alſo
bëdde (lectus) bêlde (imago) hëre (exercitus) mudde
(modius) orloghe (bellum) rîke (regnum) etc. bilden den
pl. bëdden etc. Gleichergeſtalt die bildungen -ëſſe:
vonnëſſe (ſententia) etc. bëdde, nëtte kürzen ſich zu-
weilen in bët, nët Rein. 318.
| beiſpiel: han-e | pl. han-en |
| han-en | han-en |
| han-en | han-en |
| han-e | han-en |
ſo gehen: ape (ſimia) bake (porcus) bëre (urſus) bode
(nuntius) cnape (miniſter) drake (draco) grave (comes)
lîchame, lachame (corpus) hane (gallus) haſe (lepus)
hëre (dominus) mane (luna) menſce (homo) nëve (nepos)
oſſe (bos) pape (clericus) roſe (gigas) rouwe (dolor)
ſcinke (pincerna) vane (pannus) wille (voluntas) u. a. m.
Anmerkungen: 1) viele ſonſt zur zweiten und drit-
ten ſtarken decl. gehörige fallen hierher; beiſpiele ſind
dort angeführt. 2) verſchiedene im hochdeutſch ſchw.
maſc. ſind hier oft weiblich, z. b. name (nomen) Maerl.
1, 11, 36. 2, 175. 197. ſtërre (ſtella) Maerl. 2, 70 etc. Nä-
heres bei erörterung des geſchlechts; das völlige zuſ.
fallen der flexion befördert ſolche übergänge.
paradigma genau wie das des ſchw. maſc.; hierher ge-
hören 1) einfache: aſſce (cinis) bate (commodum) baerde
(aſcia) bîle (ſecuris) bloeme (flos) crûne (corona) galghe
(patib.) haerpe (nablium) hërte (cor) Maerl. 3, 89, 161.
Rein. 290. 306. 326. 339. 342. hinde (cerva) hinne (gal-
lina) kërke (eccl.) linde (tilia) lîne (funis) mamme
(mamma) përe (pirum) roede (virga) ſonne (ſol) ſpille
(fuſus) ſtërre (ſtella) tënte (tentorium) tëve (canis fem.)
tonge (lingua) wëke (hebd.) etc. — 2) bildungen mit
-el, -in, -er: navele, nafle (umbilicus) Maerl. 3, 134.
wôſtìne (deſertum) adere, adre (vena) etc.
Anmerkungen: 1) ſchwanken der meiſten wörter
erſter ſtarker decl. hierher. 2) geſchlechtsübergänge; na-
mentlich im dat. ſg. gelten gerne weiblich: name (no-
men) ſcade (damnum) u. a. m.
decliniert gleich dem maſc. und fem.; ôghe (oculus) ôre
(auris); außerdem dürfte man die vordem der zweiten
ſtarken decl. zugehörigen (bëdde, Iîke) nun hierher rech-
nen; hërte iſt weiblich.
1) vader, broeder, môder, dochter, ſuſter im ſg. un-
veränderlich und namentlich nehmen die beiden erſten
kein -s im gen. (vgl. Huyd. op St. 1, 158-162). Die
plur. form bedarf noch unterſuchungen; Maerl. 3, 340.
vadere: gadere; Rein. 284. broeders; Maerl. 2, 178. doch-
tren, aber außerhalb reims. — 2) man entw. unverän-
derlich, (vgl. die pl. raetsman, quërneman Maerl. 1, 122.
3, 117.) oder mit dem gen. ſg. und dem pl. mans (vgl.
tëmmermans Rein. 294. Maerl. 3, 325.) oder mit dem gen.
mannes, dat. manne, pl. manne Maerl. 3, 133. — 3) liede
(homines) gilt nur im plur. und ſcheint männlich; der
nom. liede ſteht im reim Rein. 369. Maerl. 2, 99, 107,
163. 3. 212. 224. 228; außerhalb reims zuweilen die
ſchwache form lieden, höchſt ſelten im reim (Maerl.
1, 16.); den gen. pl. lieder (Maerl. 1, 160.) der ein un-
erweiſliches neutr. mit dem nom. liedere vorausſetzt,
halte ich für fehlerhaft, wie denn auch ſonſt das rich-
tige liede (Maerl. 1, 163.) vorkommt. — 4) diet (gens)
iſt regelmäßiges neutr.; gen. diedes, dat. diede; boec (li-
ber) bald neutr. bald maſc., vielleicht mit dem unter-
[694]II. mittelengliſches ſubſtantivum.
ſchiede, daß jenes das ganze werk, dieſes die abthei-
lung des ganzen ausdrückt; der pl. lautet boeke. —
5) vom eingeſchobnen -er ſ. oben ſtarkes neutr.
Die eingetretene erſchlaffung und vermengung der
declinationsunterſchiede bewirkt
das paradigma fiſch, tâg behält die mittelh. flexion bei;
hierher zähle ich 1) folgende einfache: âl. arm. berg.
biß. blick. blitz. brief. dieb. eid. ernſt. filz. fiſch. flins.
feind. freund. geiſt. grieß. griff. grimm. halm. hâg. hecht.
hengſt. helm. hêrd. hirſch. hund. kelch. kern. kîl (cau-
lis) keil. knecht. krebs. kreiß. krieg. leich. leim (argilla)
leim (viſcus) leib. laut. luchs. miſt. mord. mûth. neid.
pelz. pfeil. pilz. preis. reif (circulus) reif (pruina) reim.
rhein. ring. riß. ſchild. ſchimpf. ſchein. ſchrein. ſchritt.
ſeim. ſenf. ſîg. ſinn. ſitƷ. ſcherz. ſchlich. ſchmied. ſchûh.
ſpecht. ſpêr. ſtêg. ſtein. ſtîl. ſtich. ſtrick. ſchweif. ſchweiß.
tâg. teig. theil. teich. tiſch. trîb. tritt. weg. wein. wind.
wink. wirth. wiſch. zins. zwerg. zweig. — 2) bildun-
gen mit -el, -em, -en, -er. — 3) mit -ig, -ich, -ling. —
4) mit -at: mônat. — 5) vocalauslautige: klê, ſê, ſchnê,
bau, gau, thau. — 6) mit der vorſilbe ge-: gewinn. ge-
noß. glimpf.
Anmerkungen: 1) aufhören des mittelh. wechſels
auslautender conſonanzen ergibt ſich aus buch I. (ſ. 524.)
| (mhd.) kil | pl. kil | ëber | pl. ëber-e |
| kil-s | kil | ëber-es | ëber-e |
| kil | kil-n | ëber-e | ëber-en |
| kil | kil | ëber | ëber-e |
| (nhd.) kîl | pl. kîl-e | êber | pl. êber |
| kîl-es | kîl-e | êber-s | êber |
| kîl-e | kîl-en | êber | êber-n |
| kîl | kîl-e | êber | êber |
[697]II. neuhochd. ſubſt. ſtark. maſc. erſte decl.
in anſcheinender umdrehung, die ſich aus der verſchie-
denen quantität der wurzelvocale erläutert. Die mit-
telh. einſilbigen maſc. bûr (domuncula) ſchûr (imber)
gîr (vultur) welche ganz wie viſch gehen, erweitert in
die neuh. zweiſilb. formen bauer, ſchauer, geier *), de-
clinieren wie finger, êber, obſchon ihre endung kein
wahres bildungs -er iſt (weshalb auch der pl. ſchauer,
nicht ſchäuer, wie ſonſt acker, äcker). Bildungen mit
-en machen übrigens den dat. pl. dem nom. gleich, z. b.
rêgen (pluviis) ſt. rêgen’n. — β) das unſtumme, tonloſe
e fällt nie im gen. oder dat. pl. weg (nie tâg, fiſch f.
tâge, fiſche; tâgn, fiſchn f. tâgen, fiſchen) kann aber
im gen. dat. ſg. wegfallen. Man ſagt bald tâges, tâge;
hundes, hunde; ſchrittes, ſchritte; bald tâgs, tâg; hunds,
hund; ſchritts, ſchritt; doch mag, wegen häufung der
conſ., ſchrittes, hundes edler ſcheinen. Bei den bildun-
gen -ig, -ling, -at, gilt der wegfall; kœniges, jüng-
linges, mônates würde heutzutag geziert lauten, ſo wie
in einzelnen andern fällen, namentlich zuſ. ſetzungen
gebrauch und gehör für oder wider die ſyncope ent-
ſcheiden, z. b. kriegesrath, tôdsfurcht ſind unleidlich. —
7) ſê, ſchnê, klê, bau, thau ſchieben kein w mehr ein,
ſondern bilden den gen. ſês oder ſêes, den dat, ſê.
hört (mit ausnanme des einzigen kæſe, caſeus, gen. kæſes,
pl. kæſe) auf; 1) hirte, hirſe, weize gehen ſchwach. 2) die
alten bildungen -œre ſind zu -er geſchwächt in die
erſte decl. eingetreten und declinieren ganz wie finger,
êber etc. Die unorg. natur ihres -er folgt theils aus
dem ſchon im ſg. ſtattfindenden alten umlaut (z. b. jæger,
mittelh. jegere) theils aus dem unumlaut des pl., z. b.
mâler, (nicht mæler nach der analogie von acker, äcker).
gleichfalls erloſchen; ſîg, mêth gehen ſtark nach erſter;
ſôn, fûß nach vierter; frîde, ſchatte ſchwach; ſitte iſt
weiblich.
| beiſpiel: balg | pl. bälg-e |
| balg-es | bälg-e |
| balg-e | bälg-en |
| balg | bälg-e |
1) umlautbare einfache: aſt. bach. balg. ball. band. bart.
baſt. baum. bauch. block. bock. brand. bruch. verdacht.
darm. dunſt. druck. duft. fall. fang. flôh. flûch. ſlûg.
fluß. froſch. froſt. fund. fûß. fuchs. gang. gauch. gaul.
glanz. grund. hall. hals. hang. hôf. hût. kamm. kampf.
kân (cymba) kauf. klang. klôß. knauf. knopf. korb. koch.
krach. krâm. kranz. kropf. krûg. lauch. lauf. mund. napf.
pfâl. pfâd. pflûg. pfûl. qualm. râth. rand. rang. raub.
raum. rauch. rock. ſaft. ſâl. ſarg. ſaum. ſchaft. ſchacht.
ſchall. ſchalk. ſchatz. ſchaum. ſchlag. ſchlauch. ſchlund.
ſchmuck. ſchrank. ſchopf. ſchwamm. ſchwân. ſchwank.
ſchwanz. ſchwarm. ſchwung. ſchuß. ſôn. ſold. ſpân.
ſpruch. ſprung. ſtâb. ſtall. ſtamm. ſtand. ſtock. ſtrang.
ſtrauch. ſtrauß. ſtrôm. ſtrumpf. ſtrunk. ſtûl. ſturm. ſumpf.
tand. tanz. tôn (ſonus) topf. traum. trôg. tropf. trunk.
thurm. wall. wolf. wunſch. wurf. wurm. zân. zaum.
zoll. zopf. — 2) umlautbare bildungen -el, -en, -er
als: apfel, nâgel, vôgel, hâfen, hammer, acker etc. im
pl. äpfel, nægel, vœgel, hæfen, hämmer, äcker. —
3) mit der vorſilbe ge-: geſang, geruch, geſchmack,
geſtank.
Anmerkungen: 1) man vgl. anm. 1. 2. 3. zur erſten
decl. — 2) über den wegfall des caſus -e gelten die
dort anm. 6. entwickelten regeln. ſâl, ſâles, pl. ſæle;
nâgel, nâgels, pl. nægel etc. bilden denſelben gegenſatz
[699]II. neuhochd. ſubſt. ſtarkes fem. erſte decl.
zum mittelh. ſal, ſals; nagel, nageles, pl. nagele (negele) —
3) altâr, pl. altære iſt eine abnormität.
aus dem früheren ſchwanken zwiſchen ſt. und ſchw.
form hat ſich eine gemiſchte in der weiſe feſtgeſetzt,
daß alle org. ſchwachen fem. den ſing. nunmehr ſtark,
die org. ſtarken erſter decl. hingegen den pl. ſchwach
bilden. Folglich gehen gâbe und zunge einſtimmig:
| gâb-e | pl. gâb-en | zung-e | pl. zung-en |
| gâb-e | gâb-en | zung-e | zung-en |
| gâb-e | gâb-en | zung-e | zung-en |
| gâb-e | gâb-en | zung-e | zung-en |
hierher gehören 1) einfache z. b. amme. bâre. bêre. bitte.
blûme. brücke. decke. êre. eile. ecke. erde. feige. fichte.
fliege. furche. gâbe. galle. halle. henne. hölle. hülfe.
kerze. klâge. klaue. krône. lêre. linde. minne. mûme.
nâſe. nichte. pfeife. quelle. rache. rêde. rinde. rûte.
ſâge. ſache. ſalbe. ſchwalbe. ſchwarte. ſène (nervus)
ſprâche. ſpeiſe. ſonne. ſtimme. ſtrâße. ſünde. tanne. tau-
be. taufe. tonne. treue. wache. weile. weiſe. witwe.
woche. wonne. wunde. zange. zinne. zunge und viele
ähnliche, deren anführung überflüßig ſcheint. — 2) bil-
dungen mit -el, -en, -er. — 3) mit -d: freude. zierde. —
4) mit -ung, -in, -inne. — 5) mit ge-: genâde, ge-
bærde etc.
Anmerkungen 1) auswerfung des -e. α) des ſium-
men, kann nur in den bildungen -el, -er vorkommen,
findet aber in ihnen allen ſtatt, da nach ſ. 518. der kurze
vocal ſich vor einf. conſonanz verlängert hat; beiſpiele
ſind fìdel, gâbel, inſel, neßel, ſpindel, wurzel, âder,
natter, kammer, fêder etc. die im ſg. ganz indeclina-
bel bleiben, im pl. fìdeln, âdern etc. bekommen. Die
mittelh. einſilbigen fem. mit kurzem voc. vor liquidis
(ſ. 674., 684.) haben entw. nach verlängerung des vo-
cals das flexions-e wieder angenommen: ſchâle, kêle,
muͤle, bîne (apis) mæne (juba) bêre (bacca) thuͤre etc.
oder es, der verlängerung unerachtet, im ſing. wegge-
laßen: ſchâm, zâl, ſchâr, (dieſer letzte ſeltnere fall ge-
hört eigentlich unter β.). Es erſcheinen alſo wie beim
maſc. ähnliche gegenſätze der mittel- und neuh. flexion
(dort: kël, këln; videle, videlen; hier: kêle. kêlen;
fidel, fideln). lauer, trauer, mauer, ſcheuer, ſteuer,
feier, leier ſind nach ſ. 697. zu beurtheilen. — β) das
[700]II. neuhochd. ſubſt. ſtark. fem. zw. u. viert. decl.
tonloſe e fällt nie im pl., nur im ſing. weg und zwar
a) nach liq. in: quâl, zâl, ſchâm, ſchâr, gefâr (peric.)
pl. quâlen, zâlen etc. nachtigall, pl. -gallen. b) nach
cht: acht (ohne pl.) furcht (ohne pl.) pacht, pracht,
ſchlacht, wacht pl. ſchlachten, wachten. c) nach au,
frau, pl. auen, frauen; mark pl. marken; ſchuld pl. ſchul-
den. hût (cuſtodia) pein (dolor) ohne pl. u. a. m. d) nach
den bildungen -in (ſtatt -inn, mittelh. -inne) und
-ung, als: kœnigin, freundin, pl. kœniginnen, freundin-
nen; lâdung, meinung, pl. lâdungen etc. — 2) über-
gang einiger wörter aus der vierten hierher, namentlich:
eiche, geſchichte, bluͤte, ſäule, beide letztere mit unorg.
umlaut.
alle hiſtoriſch hierher bezüglichen wörter (z. b. guͤte,
ſuͤße, rœte, länge, breite, menge und viele ſolche) fal-
len völlig zur erſten decl. d. h. ſie machen die caſus ſg.
gleich; allein ermangeln meiſt des plur., welcher inzwi-
ſchen, wenn er bisweilen gewagt wird, ebenfalls
ſchwache form annimmt, z. b. mengen (multitudines).
Anmerkungen: 1) entſpringen dergleichen fem. aus
zweiſilb. adj. auf -el, -en, -er; ſo ſollten ſie das ſtumme
e abwerfen, folglich: dunkel (caligo) êben (planities)
bitter (amaritudo) lauten. Weil ſie ſich dann aber nicht
von den adj. unterſchieden, ſtoßen ſie lieber das e vor
der liq. aus und behalten das hintere: dunkle, êbne,
bîttre. Fehlerhaft ſcheint mir êbene, bîttere (doch vgl.
die neuh. adj. decl.). Auch ſäure (nicht ſäuere) ſteht
für ſäuer (mittelh. ſiure, wie gemäuer = gemiure). —
2) wo in umlautbaren wörtern umlaut fehlt, nament-
lich in kunde, taufe (alth. chundî, toufî) ſcheint ſchon
im mittelh. künde, töufe mit kunde, toufe abgewech-
ſelt zu haben. huld (mittelh. hulde, nicht hülde) legt
das e ab.
mangelt.
| beiſpiel: kraft | pl. kräft-e |
| kraft | kräft-e |
| kraft | kräft-en |
| kraft | kräft-e |
befaßt nur noch umlautsfähige wörter: angſt. axt. bank.
braut. brunſt. bruſt. fauſt. frucht. gans. gruft. gunſt (ohne
[701]II. neuhochd. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte decl.
pl.) hand. haut. kluft. kraft. kûh. kunſt. laus. luft. luſt.
macht. magd. maus. nacht. nât. noth. vernunft (ohne pl.)
nût (fuge, zapfe bei handwerkern) nuß. ſau. ſchnûr.
ſtadt. wand. wurſt. zucht. zunft.
Anmerkungen: 1) alle umlautsunfähigen bilden, wie
die fem. erſter decl., den pl. ſchwach auf -en ſtatt -e,
obſchon ſie im ſg. kein -e annehmen. Sie gleichen
daher den dort anm. 1 unter β. angeführten. Es ſind
folgende: arbeit, die comp. mit -ſchaft und -heit
(-keit) pflicht, mitgift, ſchrift, liſt, velt, zeit; milch
hat keinen pl. Einzige ausnahme macht niſſe (lendes)
dem der ſg. gebricht. — 2) dieſem beiſpiel folgen auch
die umlautbaren: brût (foetus) bucht, burg, geburt, fàrt,
glût, ſàt, ſucht, ſchlucht, thât, jûgend, tûgend; pl. brû-
ten, burgen, geburten etc. gedult, armûth, dêmûth, un-
mûth etc. ſind ohne pl. — 3) die völlig (d. h. auch mit
dem ſg.) in die erſte eintretenden ſind dort anm. 2.
genannt.
| beiſpiel: wort | pl. wort-e |
| wort-es | wort-e |
| wort-e | wort-en |
| wort | wort-e |
völlig der erſten ſt. männl. gleich und durch den nom.
acc. pl. auf -e vom mittelh. neutr. geſchieden. 1) ein-
fache: band. beil. bein. blech. blei. bôt. brôt. ding. eis.
erz. fell. fleiſch. garn. gift. gold. hâr. hêr. heu. jâr. knie.
land. lôt. mâß. mêl. mêr. môs. obſt. pfêrd. rê. recht.
rôr. roß. ſchâf. ſchiff. ſchwein. ſchwert. ſeil. ſpîl. ſtift.
thier. vîh. wachs. werk. wild. wort. zelt. zîl. zinn u. a.
namentlich die, deren pl. hernach in der zweiten anm.
vorkommen. — 2) bildungen mit -el, -en, -er. — 3) mit
-nis, niſſes. — 4) verkleinerungen mit -lein. — 5) vor-
geſetztes ge-: gefuͤl, gewerk, gemach etc.
Anmerkungen: 1) wegfall des caſus-e gerade wie
beim maſc. folglich α) des ſiummen in den zweiſilb. bil-
dungen -el, -en, -er; bündel, ſîgel, laſter, fûder,
mieder etc. bleiben unveränderlich, nur daß ſie im
gen. ſg. ein s, im dat. pl. einn anhängen: bündels, bün-
deln; fûder, fûdern. Die mit -en laßen auch das da-
tive n weg: zeichen, zeichens, zeichen (ſt. zeichen’n).
Hingegen die einſilbigen thâl, mêl, ſpîl, zîl, hêr, mêr,
[702]II. neuhochd. ſubſt. ſt. neutr. erſte u. zw. decl
ſpêr haben durch die verlängerung wieder ein unſtum.
mes e bekommen. — β) das unſiumme e haftet in der
regel überall im pl., alſo: bande, beile, ſpîle, dat. ban-
den etc.; im gen. dat. ſg. kann es wegfallen: bandes,
beiles oder bands, beils etc. Ausnahmsweiſe laßen es
die mit -lein überall und nothwendig aus: kindlein,
gen. kindleins, dat. kindlein; pl. kindlein, gen. und dat.
kindlein; nicht kindleines, kindleinen. — 2) einfügun-
gen des plur. -er haben ſich vermehrt und da hier (nach
1. α.) das ſtumme e durchgehends fortfällt, geht häuſer
gerade wie fûder, nur daß das eingeſchobene -er über-
all umlaut wirkt, das bildungs-er nicht (der umlautende
pl. klœſter vom ſg. klôſter iſt höchſt abnorm; es ſollte
klôſter wie laſter heißen; klœſter forderte den ſg. klôſt).
Solcher erweiterten pl. ſind die wichtigſten (in volks-
mundarten gibt es noch mehrere): æſer, ämter, bæder,
bänder, bilder, blätter, blecher, bretter, buͤcher, dächer,
dinger, dörfer, eier, fächer, fäßer, felder, gelder, glæ-
ſer, glîder, græber, græſer, guͤter, häupter, häuſer, hem-
der, hölzer, hörner, huͤner, jöcher, kälber, kinder,
kleider, körner, kräuter, lämmer, länder, läuber, lich-
ter, lieder, löcher, mæler, mäuler, menſcher, neſter,
pfänder, ræder, reiſer, rinder, ſcheiter, ſchilder, ſchlößer,
ſchwerter, ſeiler, ſtifter, ſtücker, thæler, trümmer,
-thuͤmer, tuͤcher, völker, wämmſer, weiber, wörter,
zelter; ſodann: gemächer, gemuͤther, geſichter, geſpen-
ſter, gewänder. Was hierbei ſonſt zu erörtern iſt, ge-
hört nicht in die flexionslehre. — 3) leid macht den
ſchw. pl. leiden ſt. leide.
hat aufgehört, indem nicht nur das ſtumme e von bün-
del (faſciculus) mündel (pupillus) [ſolcher verkleinerun-
gen hat die ſchriftſprache wenige, die oberd. volks-
ſprache viele; vgl. oben ſ. 686.] gemäuer, getæfel, ge-
zimmer etc.; ſondern auch das tonloſe von den übrigen
gefallen iſt. Alle dieſe wörter gehören nun zur erſten
decl. z. b. bett. bild. glück. hemd. kinn. reich. ſtück.
geſchlecht. ellend. gleichnis etc. wiewohl man vor hun-
dert jahren noch bette, bilde, glücke, hemde ſchrieb.
Bloß gemælde, gemuͤſe, geſinde, gewölbe erhalten ſich.
Übrigens iſt in umlautbaren die alte endung e an dem
nothwendigen umlaut zu merken.
| beiſpiel: hâſ-e | pl. hâſ-en |
| hâſ-en | hâſ-en |
| hâſ-en | hâſ-en |
| hâſ-en | hâſ-en |
dieſem paradigma treu geblieben ſind folgende 1) ein-
fache: affe. barde. bôte. bûbe. bürge. bûle. drache. erbe.
falke. farre. gatte. götze. hâſe. heide. junge. knâbe.
knappe. knolle. laie. löwe. neffe. ochſe. pâthe. pfaffe.
rappe. rîſe. ruͤde. ſchütze. trappe. waiſe. zeuge; dahin
gehört auch bauer, gen. bauern, pl. bauern, inſofern
es dem mittelh. gebûre entſpricht, desgl. nachbâr, nach-
bàrn f. nachbauer. — 2) mit der vorſilbe ge-: gefærte,
gehülfe etc.
Anmerkungen: 1) nachſtehende ſchneiden das (un-
ſtumme) e des nom. ſg. ab, ohne darum die übrigen
caſus zu ändern: ân (avus) bær (urſus) chriſt (chriſtia-
nus) fink. fürſt. geck. grâf. greif. herr. menſch. narr.
ochs. pfau. ſchenk. ſpatz. geſell und man erlaubt ſich
auch wohl: bûb. knâb. pfaff. jung; roher wäre: aff,
hâs, rîs, falk, ganz verwerflich: drach, erb, knapp,
wais, zeug. Hin und wieder erſcheinende acc. ſg.
bær, fürſt, grâf etc. ſt. bæren, fürſten, grâfen ſind
zu tadeln. Die apocope des nom. kann man ſich er-
klären, theils aus beibehaltung der mittelh. apocope des
ſtummen e (wie auch beim fem. zâl, ſchâr gelten),
welches jedoch nur auf die beiden erſtgenannten ân
und bær paſt; theils aus der allgemeinen, beim fem.
durchgedrungenen neigung des ſg. in die ſtarke form. —
2) dieſe neigung hat ſich bei andern anders entwickelt,
die ſprache verwechſelt die ſchwache flexion -en mit
der bildung -en bei ſtarken wörtern und trägt ſtarke
form auf den nom. und gen. ſg. organiſch ſchwacher
wörter über:
| ehmahls: bog-e | pl. bog-en | jetzo: bôgen | pl. bôgen |
| bog-en | bog-en | bôgen-s | bôgen |
| bog-en | bog-en | bôgen | bôgen |
| bog-en | bog-en | bôgen | bôgen |
ſo declinieren: balken. backen. bißen. bôgen. brâten.
brunnen. daumen. flâden. flecken. funken. galgen. gar-
ten. gaumen. glauben. grâben. haufen. hâken. hûſten.
krâgen. kûchen. mâgen. nâmen. riemen. ſâmen. ſchâden.
ſchlitten. ſpâten. tropfen. wâſen. willen. zapfen. In bê-
[704]II. neuhochd. ſubſt. ſchw. maſc. femininum.
ſen (ſcopa) iſt bloß der gen. bêſens unorganiſch da der
nom. bêſen f. bêſene und der pl. bêſen f. bêſen’n ſteht.
Die urſprüngliche geſtalt der übrigen erweiſt ſich aber
theils in dem vorbrechenden nom. ſg. balke, backe,
glaube, nâme, ſâme, wille etc. theils in dem unumlaut
des pl., da doch organiſch ſtarke bildungen -en heutzu-
tage nach vierter decl. umlauten (wâgen, wægen; lâ-
den, læden; bôden, bœden); es heißt aber im pl. nicht:
bälken, bœgen, bræten, brünnen, däumen etc. und nur
fehlerhaft gärten, græben, krægen, mægen. Aus dem
mittelh. ſpor, gen. ſporn ſollte folgerecht ſpôre, ſpôren
oder (nach bôgen) ſpôren, ſpôrens (etwan auch ſporn,
ſporns) geworden ſeyn; es hat ſich aber die anomale
miſchform ſporn, ſpornes, pl. ſpornen entwickelt. —
3) die in der vorigen anm. verhandelten wörter können
zwar für ſtarkformig, ihrem plur. und dat. acc. ſg. nach
aber zugleich noch für ſchwachformig gelten. Folgende
org. ſchwache maſc. treten ganz unzweideutig in die
ſtarke decl. über, nämlich α) in die erſte: âr (aquila)
pl. âre und ebenſo adler, pl. adler (mittelh. adelar, ade-
larn) april (oder aprill) chriſtall. mai. märz. mond (luna,
pl. monde; mond für menſis ſcheint mir aus monat,
monet, moned gekürzt) keim. reif (pruina) ſchelm.
ſchmerz (doch mit behaltnem ſchw. pl.) ſtern. vetter.
gevatter. β) in die vierte: hân. ſalm. ſchwân. herzôg.
nâbel, pl. næbel. — 4) ſchwache form ſt. der alten ſtar-
ken haben angenommen a) aus der erſten ſtarken: held,
gen. helden, pl. helden; râbe, gen. râben, pl. râben ſt.
râben, râbens, râbens [umdrehung des falls in anm. 2.]
gedanke, gen. -en, pl. -en (neben dem ſtarken blei-
benden dank). b) aus der zweiten: hirte. hirſe. rücke.
weize und letztere (nach anm. 2.) wieder rückkehrend
in die ſtarke form: weizen, weizens; rücken, -ens.
c) ebenſo iſt aus dem alten fride, ſchate der dritten
decl. mittelſt eines ſpäteren frîde, frîden; ſchatte, ſchat-
ten, ſchattens entſprungen. — 5) die aus verbis ſtam-
menden mittelh. ſchwachen maſc. nehmen meiſt (doch
nicht alle) im neuh. die ſtarke form -er an: kämpfer,
ſachwalter etc. — 6) weiblich ſind jetzo: blûme, fâne,
kôle, ſchlange, ſaite, ſonne u. a.
vermiſcht mit der ſtarken form und iſt oben unter der
erſten decl. mitabgehandelt. In der zuſ. ſetzung oder
im adverb. hat ſich nicht ſelten der alte ſchwache caſus
[705]II. neuniederl. ſubſt. maſculinum.
erhalten, welches anderwärts näher ausgeführt wer-
den wird.
1) herz, gen. herzens, dat. herzen; pl. ſchwach. 2) auge,
gen. auges, dat. auge; pl. ſchwach. 3) ôr, ôres, dat.
ôre; pl. ſchwach. 4) wange iſt fem. 5) die ſchwachen
pl. betten, leiden von bett, leid fallen jetzt hierher.
| beiſpiele: ſtên | pl. ſtên-en | hân | pl. hân-en |
| ſtên-s | ſtên-en | hân-s | hân-en |
| ſtên | ſtên-en | hân | hân-en |
| ſtên | ſtên-en | hân | hân-en |
1) die vormahls ſtarken maſc. bilden den ſing. wie ſonſt,
den pl. aber ſchwach; a) einfache wörter: ârd (genus)
arm (brachium) balk (trabs) barm (ſinus) bêr (urfus)
berg (mons) bôm (arbor) buik (venter) dâg (dies) dank
(gratiae) dans (chorea) dief (fur) diſch (menſa) dôd
(mors) drank (potus) dwerg (nanus) êd (jusj.) gang
(greſſus) gaſt (hoſpes) gêſt (ſpiritus) glans (ſplendor)
god (Deus) grond (fundus) halm (ſtipula) hals (collum)
hart (cervus) helm (galea) hoed (pileus) hôf (hortus)
hond (canis) hôp (cumulus) kam (pecten) kelk (calix)
Y y
[706]II. neuniederl. ſubſt. maſculinum.
kòl (braſſica) krans (ſertum) krôp (ſtruma) kus (oſcu-
lum) lach (riſus) laſt (onus) mâg (affinis) meſt (fimus)
moed (animus) mond (os) môrd (caedes) môs (muſcus)
moſt (muſtum) nek (cervix) nîd (invidia) pels (pellis)
pîl (pilum) râd (conſ.) rêp (funis) rîm (pruina) roem
(gloria) rok (tunica) rôk (fumus) rug (dorſum) ſchat
(theſ.) ſcherm (tutela) ſchîn (ſplendor) ſchôt (gremium)
ſlâp (ſomnus) ſmâk (guſtus) ſmid (faber) ſtâk (baculus)
ſtên (lapis) ſtier (taurus) ſtoel (ſedes) ſtorm (tempeſtas)
ſtrik (nodus) ſtrîd (bellum) tand (dens) torf (ceſpes)
twìn (filum duplex) viſch (piſcis) vloed (fluctus) voet
(pes) vond (inventum) vos (vulpes) vriend (amicus)
wal (vallum) wêg (via) welp (catellus) wîn (vinum)
wind (ventus) wolf (lupus) worm (vermis) zak (ſaccus)
zêm (melligo) zêt (ſedes) zin (ſenſus) zôp (hauſtus)
zwam (fungus) etc. — b) bildungen mit -el, -em, -en,
-er, als: âdel (genus) appel (pomum) âdem (halitus)
zêgen (benedictio) akker (ager) vinger (dig.) etc. —
c) mit -ing, -ling. — d) mit -er, -âr, als: ridder
(eques) lêrâr (doctor) — e) andere bildungen: êdik (ace-
tum) ernſt (ſerium) etc. — 2) die vormahls ſchwachen
bilden den pl. ſchwach, den ſing. aber ſtark, als: âp
(ſimius) bôg (arcus) erf (heres) grâf (comes) hân (gallus)
hâs (lepus) hoeſt (tuſſis) knâp (puer) hèr (dominus) nâm
(nomen) nèf (fratruelis) os (bos) riem (corrigia) tap
(obturamentum) vlek (macula) vorſt (princeps) wil (vo-
luntas) etc.
Anmerkungen: 1) ſchließt die wurzel mit den conſ.
cht, ft, ſt, ſch ſo bekommt der gen. ſg. -es ſtatt -s,
als: knechtes, gêſtes, viſches, oder man umſchreibt ihn
durch praepoſitionen; dem dat. ſg. gibt die edle ſchreib-
art noch die flexion e bei vorſtehendem artikel, z. b.
ten dâge (illa die) den voſſe (vulpi) etc. — 2) die bil-
dungen mit -el, -em, -en, -er, -âr pflegen, zumahl
im gemeinen ſtil, den plur. auf s zu bilden, als: gêvels
(faſtigia) bêzems (ſcopae) wâgens (currus) vâders (patres)
dienârs (miniſtri) welche endung allen pl. caſus zu-
ſteht und nur theoretiſch von einigen grammatikern auf
den nom. und acc. beſchränkt wird. Die edlere ſchreib-
art zieht gleichwohl bei den meiſten ſolcher wörter
ſchwache form vor und ſetzt: gêvelen, bêzemen, vâ-
deren, dienâren, nur bei denen auf -en nicht wàgenen
ſondern wâgens oder wâgen. — 3) zuweilen und
ſchwankend erſcheint im ſg. das urſprünglich bildende
oder ſchwache -e, als: vrêde (pax) rugge (dorſum) bôde
[707]II. neuniederl. ſubſt. femininum.
(nuntius) erve (heres) hâze (lepus) jonge (puer) nâme
(nomen) etc. — 4) ſelten hat ſich die ſchwache endung
in eine unorg. bildung -en verwandelt, z. b. in veulen
(pullus equi) gen. veulens; ſo bildet auch jonge (puer)
den pl. jongens. — 5) ausnahmsweiſe gilt noch der org,
ſchwache gen ſg. in hêren (domini) grâven (comitis)
menſchen (hominis) hertôgen (ducis).
| beiſpiele: kracht | pl. kracht-en | tong | pl. tong-en |
| kracht-e | kracht-en | tong-e | tong-en |
| kracht-e | kracht-en | tong-e | tong-en |
| kracht | kracht-en | tong | tong-en |
dieſelbe miſchung ſtarker und ſchw. form, wie beim
maſc. 1) urſprünglich ſtarke: a) einfache: âr (ſpica) bâr
(feretrum) borſt (pectus) bruid (ſponſa) dâd (facinus)
deugd (virtus) deur (porta) êr (honos) end (anas) gans
(anſer) geit (capra) gent (ſcrobs) hal (aula) comp. mit
-heid, als ſchònheid etc. im pl. -hêden; hel (infernus)
heup (coxa) jeugd (juventus) klôf (fiſſura) kracht (vis)
lèr (doctrina) liſt (fraus) lucht (aer) luis (pediculus)
macht (poteſtas) mâgd (virgo) mât (modus) meid (virgo)
melk (lac) min (amor) muis (mus) nâld (acus) nôd und
nôddruft (neceſſ.) pôrt (porta) rêf (rima) ruſt (quies) ſchâl
(phiala) ſchort (ſupparum) ſchrift (ſcriptura) ſchuld (de-
bitum) ſlêf (cochlear) ſprâk (ſermo) ſtad (urbs) ſtang
(haſta) ſtêg (ſemita) tâl (lingua) tang (forceps) tên (vir-
gula) trouw (fides) vârd (iter) vlag (vexillum) vlucht
(fuga) vrouw (uxor) wèr (defenſio) wereld (mundus)
wet (lex) wîk (vicus) wrâk (vindicta) zâk (res) ziel
(anima) etc. b) bildungen mit -el, -en, -er, als: nêtel
(urtica) hâven (portus) leugen (mendacium) kâmer (cu-
biculum) ſplinter (feſtuca) etc. — c) mit -ing: mâning
(monitio) loſſing (redemtio) etc. -nis: droefnis (moeſti-
tia) etc. — 2) urſprünglich ſchwache, als: bloem (flos)
bôn (faba) gal (bilis) kan (cantharus) kerk (eccleſia) kiſt
(ciſta) krôn (corona) mâg (ſtomachus) mân (luna) rôs
(roſa) ſtar (ſtella) ſtôf (hypocauſtum) tong (lingua) wang
(gena) wêk (hebdomas) wol (lana) zon (ſol) etc.
Anmerkungen: 1) auch die fem. auf -el, -en, -er
können den unorg. pl. -s annehmen, als: nêtels, leu-
gens, ſplinters. — 2) ſehr häufig erſcheint bei den fem.
urſprünglich erſter und zweiter ſtarker oder ſchwacher
decl. im nom. acc. ſg. die endung -e, ſo daß ſich alle
Y y 2
[708]II. neuniederl. ſubſt. neutrum.
caſus ſg. gleich ſind, z. b. ârde (terra) bêde (precatio)
boete (poenitentia) duive (columba) groeve (fovea) hulde
(favor) henne (gallina) koude (frigus) longe (pulmo)
nichte (neptis) reize (iter) ſtemme (vox) wîze (modus) etc.
bildungen mit -t, -d entbehren dieſes e niemahls, z. b.
diepte (profunditas) dikte (craſſities) begêrte (cupiditas)
vreugde (laetitia). Zumeiſt ſchwanken die mit gemi-
nierter liq., man ſchreibt gleichrichtig gal, ſtem, hen,
ſtar und galle, ſtemme, henne, ſterre. — 3) kein ſolches
e annehmen die aus vierter decl. ſtammenden: borſt,
bruid, dâd etc. ja dieſe können es umgedreht im gen.
dat. ablegen, folglich den ganzen ſg. ohne alle endung
machen Bei vorſtehendem artikel läßt man das -e gen.
und dat. ſg. gern ſtehen, z. b. ter borſte.
decliniert dem maſc. völlig gleich. Hierher gehören eine
menge einfacher, als: bâd (balneum) bed (lectus) blâd
(folium) bloed (ſanguis) boek (liber) bord (aſſer) brôd
(panis) dak (tectum) dal (vallis) dêl (pars) dier (animal)
ding (res) doek (linteum) dorp (pagus) erf (hereditas)
gat (foramen) geld (pecunia) glàs (vitrum) goed (opes) grân
(ſemen) goud (aurum) grâs (gramen) hâr (crinis) heil
(ſalus) heir (exercitus) hôfd (caput) huis (domus) jâr
(annus) jok (jugum) kâf (ſtipula) kalf (vitulus) kind
(infans) klêd (veſtis) koren (frumentum) kruis (crux)
lam (agnus) land (terra) lêd (dolor) lêm (argilla) licht
(lux) lid (articulus) lied (carmen) lîk (cadaver) lôd
(plumbum) lôt (ſors) luik (operculum) mêl (farina) moes
(legumen) mout (polenta) mud (modius) net (rete) pond
(pondus) recht (juſtitia) riet (juncus) rîk (regnum) rot
(putredo) ſchâp (ovis) ſchip (navis) ſlot (arx) ſpel (lu-
ſus) ſpôr (veſtigium) getâl (numerus) vat (vas) vel (cu-
tis) veld (ager) vlêſch (caro) vlôt (ratis) vâd (vadum)
werk (opus) wôrd (verbum) zâd (ſemen) zêr (ulcus)
zout (ſal) zwêrd (enſis) zwîn (ſus) u. a. m. — 2) bil-
dungen mit -el, -en, -er, als: euvel (malum) lâken
(mappa) wâter (aqua) etc. — 3) diminutiva auf -ken,
-eken, -je, -mpje, -ltje, -ntje (vgl. oben ſ. 536.) als:
vrouken, hoedeken etc. — 4) mit -ſel, als blîfſel (re-
liquiae) etc. — 5) mit -t, als: gebênte, gebergte etc. —
6) nur wenige urſpr. ſchwache: ôg (oculus) ôr (auris)
lichâm (funus) hert (cor).
Anmerkungen: 1) die unter 2. 3. 4. genannten neh-
men einen unorg. pl. auf -s an, als: euvels, lâkens, wâ-
[709]II. neuengliſches ſubſtantivum.
ters, vroukens, meiſjes, bloempjes, blîfſels; die unter
5. fügen zu dem ſchw. -en das -s hinzu: gebêntens
(oſſa). — 2) nachſtehende ſchieben -er an und haben
dann in der edleren ſprache die flexion -en, in der ge-
meinen -s, als: bên (os) pl. bênderen oder bênders;
berd (barba) berderen; blâd (folium) blâderen; ey (ovum)
eyeren; goed (opes) goederen: hoen (pullus) hoenderen;
kalf (vitulus) kalveren; kind, kinderen; klêd, klède-
ren; lam, lammeren; lied, liederen; gemoed, gemoede-
ren; râd (rota) râderen; rund (armentum) runderen;
ſpân (feſtuca) ſpânderen; volk (gens) volkeren. Da nun
einige derſelben zugleich ohne einſchiebung des -er
den pl. regelmäßig bilden, z. b. blâd, blâden; râd, râ-
den: volk, volken etc. ſo beſteht für ſie eine dreifache
pl. flexion (blâden, blâderen, blâders). — 3) das ur-
ſprüngliche -e zeigt ſich zuweilen im ſg. der vormahli-
gen ſchwachen oder zweiten ſtarken decl. als: herte,
bedde, mudde, gebênte, gebergte etc., neben hert, bed,
mud.
1) vâder, broeder haben jetzt im gen. ſg. vâders,
broeders; im pl. vâders, broeders oder vâderen, broe-
deren; moeder, dochter, zuſter im ſg. unveränderlich,
im pl. wie vâder. — 2) man, gen. mannes, dat. manne;
pl. manuen und mans; auch zôn (filius) macht den pl.
zôns und zônen. — 3) die durchgreifende miſchung ſt.
und ſchw. formen ſo wie die abweſenheit des umlauts
hat in der lehre vom genus mehr unſicherheit und ab-
weichung verurſacht, als dies im hochd. der fall iſt; da-
von im folg. buche das nähere.
Das plurale -s (zuweilen -es, wo ſich conſonanten
drängen) wird allen ſubſt. ohne rückſicht auf ihr ge-
ſchlecht gegeben, ebenſo das -s gen. ſg., wenn dieſer
caſus dem regierenden ſubſt. vorſteht, gebraucht. Einige
überreſte der alten flexionen erhalten ſich in folgenden
anomalien: 1) brother (frater) pl. brothers oder brethren.
2) man (homo) pl. men. 3) fôt (pes) tôth (dens) gôſe
(anſer) pl. fêt, têth, gêſe. 4) mouſe (mus) louſe (ped.)
pl. mice, lice; cow (vacca) ſow (ſus) pl. kine, ſwine.
5) ox (bos) pl. oxen; chick (pullus) pl. chicken. 6) child
[710]II. ſchwed. ſubſt. ſt. maſc. erſte, zw. u. dr. decl.
(infans) mit eingeſchobnem r pl. children. egg (ovum)
macht aber eggs, nicht mehr egren.
| beiſpiel: fiſk | pl. fiſk-ar |
| fiſk-s | fiſk-ars |
| fiſk | fiſk-ar |
| fiſk | fiſk-ar |
1) viele einfache, z. b. arm (brachium) aſk (capſa)
bock (hircus) dâg (dies) dâl (vallis) dverg (nanus) fiſk
(piſcis) gaſt (ſpiritus) gûd (Deus) häſt (equus) hund (ca-
nis) hœg (tumulus) lâg (lex) lêm -mmar (membr.) orm
(vermis) pilt (puer) qviſt (ramus) ſkalk (ſervus) ſkôg
(ſilva) ſtên (lapis) ſtôl (ſedes) træl (ſervus) ulf (lu-
pus) etc. — 2) bildungen -el, -en, -er, -ar, als: en-
gel (angelus) fågel (avis) ſtöfvel (ocrea) regn (pluvia)
finger (digitus) hammar (malleus) etc. — 3) mit -ung,
-ling: kônung (rex) yngling (juv.).
Anmerkungen: 1) die unter 2. ſyncopièren im pl. den
bildungsvocal, als: englar, ſtöflar, fingrar, hamrar f. en-
gelar, ſtöfvelar, hammarar. — 2) einige ſchieben im pl.
i ein, ſo: dreng (famnlus) drengjar, neben drengar. —
3) die altſchwed. ſprache beſaß noch das -er des nom.
ſg., das -a gen. pl. und das -om des dat. pl. z. b. dâger
(dies) dâga (dierum) dâgom (diebus). Dieſe bemerkung
gilt für alle männl. declinationen.
| beiſpiel: fiſkar-e | pl. fiſkar-e |
| fiſkar-es | fiſkar-es |
| fiſkar-e | fiſkar-e |
| fiſkar-e | fiſkar-e |
enthält viele bildungen mit -are, deren pl. und ſg. im-
mer gleichlauten: älſkare (amator) gångare (equus tolu-
tarius) etc.
| beiſpiel: ſôn | pl. ſœn-er |
| ſôn-s | ſœn-ers |
| ſôn | ſœn-er |
| ſôn | ſœn-er |
bierher zähle ich die wenigen pl. auf -er mit umlau-
tender wurzel: brand (titio) bränder; fôt (pes) fötter;
lêdamôt (membrum) ledamœter; ſtâd (urbs) ſtæder; ſôn
(filius) ſœner und vielleicht noch einige. Die meiſten
altn. dritter decl. ſind in die erſte übergetreten, theils mit
beibehaltenem, verhärtetem u -umlaut z. b. örn (aquila)
örnar; biörn (urſus) biörnar; theils mit abgelegtem, z. b.
galt (aper) galtar; vall (vallum) vallar; ſpån (ſegmen)
ſpånar; tråd (filum) trådar.
| beiſpiel: væn | pl. vänn-er |
| væn-s | vänn-ers |
| væn | vänn-er |
| væn | vänn-er |
1) einfache wörter in geringerer zahl als bei erſter decl.
z. b. balk (interſeptum) böld (ulcus) êd (jusj.) flôd (fluvius)
gäſt (hoſpes) gång (iter) lêd (articulus) ort (locus) rätt (jus)
ſèd (mos) ſkald (poeta) ſvên (puer) ſång (cantus) væn
(amicus) etc. — 2) einige bildungen: månad (menſis).
Anmerkungen: 1) kein umlaut; die pl. lauten: bal-
ker, flôder, orter, ſkalder. — 2) manche ehedem hier-
her gehörige ſind in die erſte übergegangen, z. b. bälg
(follis) bälgar; væg (via) vægar etc.
| beiſpiel: ſôl | pl. ſôl-ar |
| ſôl-s | ſôl-ars |
| ſôl | ſôl-ar |
| ſôl | ſôl-ar |
1) wenige einfache, z. b. aln (cubitus) bœk (fagus) êk
(quercus) grên (ramus) grind (janua) hûd (cutis) jord
(terra) mân (juba) qvarn (mola) ſjæl (anima) ſkâm, mmar
(pudor) ſôl (ſol) värld (mundus) etc. — 2) die häufigen
bildungen mit -ing: drottning (regina) lemning (reli-
quiae) etc. — Anmerkung: manche ſonſt hierherfallende
ſind in die vierte oder in die ſchw. decl. übergetreten.
mangelt.
| beiſpiel: tand | pl. tänd-er |
| tand-s | tänd-ers |
| tand | tänd-er |
| tand | tänd-er |
kennzeichen iſt hier wieder der pl. umlaut: and (anas)
änder; bôt (mulcta) bœter; bôk (liber) bœker; hand (ma-
nus) händer; nat (nox) nätter; rôt (radix) rötter; ſtrand
(littus) ſtränder; ſtång (contus) ſtänger; tand (dens) tän-
der; tång (forceps) tänger. — Anmerkung: unumlautbare
rechne ich zur vierten, z. b. gnet (lens, -dis) gnetter.
| beiſpiel: kraft | pl. kraft-er |
| kraft-s | kraft-ers |
| kraft | kraft-er |
| kraft | kraft-er |
kennzeichen iſt der unumlaut, 1) einfache, als: bœn
(preces) drift (motus) gnet, gnetter; häfd (mos) hielp
(auxil.) hind (cerva) kind (gena) kraft (vis) lœn (merces)
mark (campus) maſt (malus) mîn (geſtus) nœd (neceſſitas)
ört (herba) ſak (cauſa) ſôt, ſotter (morbus) ſkrift (ſcriptum)
tìd (tempus) u. a. m. — 2) comp. mit -ſkap und -hêt.
| beiſpiel: ord | pl. ord |
| ord -s | ord-s |
| ord | ord |
| ord | ord |
1) eine menge einfacher, als: år (annus) bâd (balneum)
band (vinclum) barn (infans) bên (os) berg (mons) blâd (fo-
lium) diur (animal) folk (gens) glâs (vitrum) hâf (mare)
hår (crinis) lâg (ſocietas) lamb (agnus) land (terra) lius
(lux) ord (verbum) rœr (juncus) ſår (vulnus) ſvärd (en-
ſis) torg (forum) u. a. m. 2) bildungen: tâgel (cauda
equina) namn (nomen) vatten (aqua) finger (digitus)
hufvud (caput) etc. — Anmerkung: neben dem ordent-
lichen pl. kommt von land (terra) ſtånd (ſtatus) t g
(utenſile) vîn (vinum) der paragogiſche pl. länder, ſtän-
der, tŷger, vîner vor.
| beiſpiel: kynn-e | pl. kynn-e |
| kynn-es | kynn-es |
| kynn-e | kynn-e |
| kynn-e | kynn-e |
hiernach: ærende (nuntius) äpple (pomum) belæte (ima-
go) gille (tribus) hvête (triticum) klæde (veſtis) kynne
[713]II. ſchwed. ſubſt. ſchwache declinationen.
(genus) krŷpe (latébra) lŷte (vitium) löfte (votum) minne
(memoria) näſte (nidus) ſinne (animus) rîke (regnum)
värde (pretium) u. a. m. — Anmerkungen: 1) der pl. iſt
nach analogie des altn. und des ſchwed. maſc. zweiter
decl. (alſo dem ſg. gleich) aufgeſtellt; kaum aber wird
er ſo heute gebraucht; ſondern meiſtens mit anhängen-
dem artikel: kynnen, gillen, lŷten, rîken, welches Bo-
tin p. 93. 104. irrthümlich für die indefinitive endung
hält, welche durch ein weiter zugefügtes -a definitiv
werde: kynnena, gyllena. Mehr hiervon da, wo die
anhängung des artikels verhandelt werden wird. —
2) auch hier können einige -r anſchieben, als klæder
(veſtes) fängelſer (captivitates) belæter (imagines).
| beiſpiel: hân-e | pl. han-ar |
| hân-es (-as) | han-ars |
| hân-e (-a) | han-ar (-om) |
| hân-e (-a) | han-ar |
ande (ſpiritus) biälke (trabs) bôge (arcus) hâre (lepus)
hâne (gallus) galge (patib.) kämpe (athleta) lunge (pul-
mo) måne (luna) niure (ren) oxe (bos) vilje (vol.) u. a. m.
Anmerkung: die eingeklammerten, beßeren flexionen
ſind noch der bibelſprache gemäß, aber hentigestags
veraltet.
| beiſpiel: tung-a | pl. tung-or |
| tung-as (-os) | tung-ors |
| tung-a (-o) | tung-or (om) |
| tung-a (-o) | tung-or |
aſka (cinis) bœna (faba) frilla (pellex) helſa (ſalus) hœna
(gallina) kanna (cantharus) mŷra (formica) mygga (culex)
männiſka (homo) næſa (naſus) pîga (virgo) pîpa (fiſtula)
qvinna (femina) ſtierna (ſtella) ſtûga (hypocauſtum) tärna
(virgo) vîſa (modulatio) und viele andere. Anmerkun-
gen: 1) auch hier zeigen die eingeklammerten flexionen
den früheren, jetzt veralteten organiſmus an. — 2) einige
machen den ſg. ohne -a, namentlich: gräns (limes)
rôs (roſa) våg (unda).
| beiſpiele: hiert-a | pl. hiert-an | œg-a | pl. œg-on |
| hiert-as | hiert-ans | œg-as | œg-ons |
| hiert-a | hiert-an | œg-a | œg-on |
| hiert-a | hiert-an | œg-a | œg-on |
wie hierts (cor) gehet nyſta, nöſta (glomus); wie œga
(oculus) aber œra (auris). Die pl. endung -an, -on
ſcheint mir kein ſuſſigierter artikel (vgl. die zweite ſtarke
decl.) ſondern ſpur der alten ſchwachen form.
1) fâder, brôder, pl. fæder, brœder oder fædrar, brœ-
drar; môder, dotter pl, mœdrar, dottrar. 2) man, pl.
männer, in comp. -män. — 3) die fem. gås (anſer) lûs
(ped.) mûs (mus) machen den pl. gäſſ, löſſ, möſſ. — 4) vo-
calauslautige wurzeln gehen in der regel vollſtändig und
werfen nur zuweilen den anſtoßenden flexionsvocal weg.
α) männliche: ſå (ſitula) brô (pons) hô (urceus) lô (lynx)
ſkô (calceus) fnœ (nix) ſiö (mare) bŷ (aedificium) hŷ
(color) pl. ſåar, hôar, ſkôar, bŷar. — β) weibliche: å
(amnis) rå (antenna) vrå (angulus) pl. åar, råar, vråar;
tå (dig. pedis) bekommt tænar: mô (terra inculta) kô
(vacca) klô (ungula) rô (quies) trô (fides) pl. môr, klôr;
mœ (puella) œ (inſula) pl. mœar, œar, zuweilen mœjar,
œjar; dŷ (palus) pl. dŷar; frû (femina) pl. frûar und
frûer; hûſtrû, jungfrû aber hûſtrûr, jungfrûr. — γ) neu-
trale lauten im ſg. und pl. gleich: knæ (genu) rå (pla-
centa) ſkrå (tribus) ſtrå (ſtramen) bî (apis) blŷ (plum-
bum) brŷ (angor) bô (nidus) tô (linum) hœ (foenum). —
5) von einſchiebung des er beim ſt. neutr.
| beiſpiel: fiſk | pl. fiſk-e |
| fiſk-s | fiſk-es |
| fiſk | fiſk-e |
| fiſk | fiſk-e |
1) einfache: biörn (urſus) brand (titio) dâg (dies) dâl
(vallis) dôm, pl. domme (judicium) dreng (famulus)
drœm, drömme. (ſomnium) dverg (nanus) fiſk (piſcis) gang
(iter) grîs (porcellus) hat, hatte (pileus) heſt (equus) hund
(canis) lund (nemus) örn (aquila) ſvend, ſvenne (famulus)
ſkôv (ſilva) træl (ſervus) tŷv (fur) u. a. m. — 2) bildun-
gen mit -el, -er: himmel (coelum) engel (ang.) finger
(dig.) âger (ager) ſêjer (victoria) etc. ſo wie mit ſynco-
piertem bildungsvocal -l, -n, -r: fugl (avis) ravn (cor-
vus) ſeir (victoria). Die erſtgenannten werfen ihn aber
im pl. weg, als: himle, fingre (nicht: himmele, fingere).
| beiſpiel: fiſker | pl. fiſker-e |
| fiſker-s | fiſker-es |
| fiſker | fiſker-e |
| fiſker | fiſker-e |
viele bildungen mit -er (altn. -ari), welche ſich von de-
nen auf -er erſter decl. dadurch unterſcheiden, daß ſie
im pl. den bild. voc. nicht ſyncopieren, es darf nur
fiſkere, ſkippere, tienere heißen, nicht fiſkre, tienre;
dort umgekehrt fingre, âgre, nicht fingere, âgere.
| beiſpiel: fôd | pl. född-er |
| fôd-s | född-ers |
| fôd | född-er |
| fôd | född-er |
nur wenige wörter mit pluralumlauten: ſtâd, ſtæder
(urbs) ſtand, ſtänder (ſtatus) fôd, födder (pes); ſœn, ſön-
ner (filius) hat unorganiſch den umlaut auch in den ſg.
übergetragen.
| beiſpiel: vên | pl. venn-er |
| vên-s | venn-ers |
| vên | venn-er |
| vên | venn-er |
wörter, am unumlautenden pl. erkennbar: bälg (pellis)
êd (jusj.) flôd (fluvius) gieſt (hoſpes) gud (Deus) lem,
lemmer (membrum) ret, retter (jus) ſkielm (nebulo) von
ſæd (mos) gilt bloß der pl. ſæder; ſodann die bildun-
gen aften (veſpera) morgen (temp. mat.) maaned (men-
ſis) pl. aftener, morgener, maaneder.
| beiſpiel: ſôl | pl. ſôl-e |
| ſôl-s | ſôl-es |
| ſôl | ſôl-e |
| ſôl | ſôl-e |
wenige wörter: bœg (fagus) borg (arx) brûd (ſponſa) êg
(quercus) grên (ramus) grind (clathrum) hiord (grex)
ſkâm, ſkamme (pudor) ſiæl (anima) ſôl (ſol) alen, alne
(cubitus).
mangelt.
| beiſpiel: tand | pl. tänd-er |
| tand-s | tänd-ers |
| tand | tänd-er |
| tand | tänd-er |
and, änder (anas) bôg, bœger (liber) bôd, bœder (mulcta)
haand, händer (manus) kraft, kräfter (vis) nat, nätter
(nox) rôd, rödder (radix) ſtang, ſtänger (contus) tand,
tänder (dens).
| beiſpiel: ſâg | pl. ſâg-er |
| ſâg-s | ſâg-ers |
| ſâg | ſâg-er |
| ſâg | ſâg-er |
ohne pluralumlaut: art (modus) bœn, bœnner (preces)
drift (motus animi) dŷd (virtus) gêd (capra) hôv (ungula)
hûd (cutis) jord (terra) kind (gena) maſt (malus) nödd
(nux) ſâg (cauſa) ſkaal (pelvis) tîd (tempus) urt (herba)
verden, verdener (mundus) etc.; alle bildungen mit -ing
und comp. mit -hêd, -ſkab. kraft geht nach 3.
| beiſpiele: ord | pl. ord | fâd | pl. fâd-e |
| ord-s | ord-s | fâd-s | fâd-es |
| ord | ord | fâd | fâd-e |
| ord | ord | fâd | fâd-e |
hierher eine menge wörter: aar (annus) æg (ovum) ax
(ſpica) bierg (mons) blâd (folium) dŷr (animal) fâd (vas)
haar (crinis) horn (cornu) lêd (membrum) lîv (vita) lŷs
(lux) maal (ſermo) ord (verbum) ſaar (vulnus) ſalt (ſal) ting
(res) u. v. a. — Anmerkungen: 1) die pl. endung -e tritt
in wörtern mit urſprünglich kurzer wurzelſilbe ein,
wenn ſie auch nunmehr lang geworden iſt, alſo: blâde
(folia) fâde (vaſa) ſkîbe (naves); früher gewis blad, blade;
fad, fade; ſkib, ſkibe, wie man aus glâs (vitrum) pl.
glaſſe ſieht, wo der kurze vocal geminiertes ſ wirkte,
alſo früher glas, glaſe galt. Urſprünglich lange machen
den pl. dem ſg. gleich: aar, maal, ord etc. — 2) aus-
nahmsweiſe haben auch langſilbige ſolches -e, als: land
(terra) lande; brŷſt (pectus) brŷſte; ſlot (arx) ſlotte; hûs
(domus) hûſe; krûs (crater) krûſe etc. — 3) der entſprung
[717]II. dän. ſubſt. ſlarkes neutr. ſchw. decl.
dieſer endung -e aus altem -u iſt oben ſ. 659. dargethan
und merkwürdige ſpur des durch u gewirkten vocal-
umlauts erhält ſich im dän. barn (infans) pl. börn (vgl.
oben ſ. 563.) ſtatt des analogeren barn oder barne. —
4) folgende erweitern den pl. durch -er: brädt (aſſer)
brädter; brŷſt (pectus) brŷſter (neben brŷſte) bäkken
(pelvis) bäkkener; hôved (caput) hôveder; hôf (aula)
hoffer; lem, lemmer (membr.) pandt (pignus) pandter;
ſtêd (locus) ſtêder; alle bildungen mit -ſel: bidſel, bidſler;
fängſel, fängſler etc.
1) viele ſonſt hierher gehörige wörter ſind mit abgeleg-
tem bildungs -e in die erſte decl. übergegangen, z. b.
kiœn (genus) ſind (mens) etc. — 2) die gebliebenen
bilden den ſg. wie im ſchwed. z. b. klæde (veſtis) rîge
(regnum) äble (pomum) billede (imago) embede (offi-
cium) etc. Ihr pl. iſt entw. ungebräuchlich, oder wird
mit angehängtem artikel gemacht, oder ſchiebt -er an:
billeder, embeder, rîger.
| beiſpiel: hân-e | pl. hâ-er |
| hân-es | hâ-ers |
| hân-e | hâ-er |
| hân-e | hâ-er |
âbe (ſimius) bûe (arcus) gaſſe (anſer mas) hâne (gallus)
hâre (lepus) kiempe (pugil) u. v. a. Einige apocopieren
das -e im ſg. als: aand (ſpiritus); oxe (bos) macht den
pl. öxene, öxne, nicht oxer; vermuthlich ſtammt er von
einem ſg. öxen (nach erſter ſtarker). Wegen des umlau-
tenden pl. bönder von bonde (agricola) verweiſe ich auf
die decl. der particip. Verſchiedene wörter ſind in die
ſtarke form eingetreten, z. b. nar, pl. narre (altn. narri).
ſtimmt gänzlich mit der decl. des maſc. überein; beiſpiele
ſind: dûe (columba) klâge (querela) kône (femina) pîge
(puella) qvinde (mulier) tunge (lingua) vîſe (modulatio) u.v.a.
| beiſpiel: hiert-e | pl. hiert-en |
| hiert-es | hiert-ens |
| hiert-e | hiert-en |
| hiert-e | hiert-en |
nur: hierte (cor) œje (oculus) œre (auris).
1) fâder, brôder, môder, datter pl. fædre, brœdre,
mœdre, döttre. 2) mand. pl. mänd. 3) gaas, pl. giæs, gæs;
mûs, lûs behalten auch im pl. mûs, lûs, gen. pl. mûſes,
lûſes. — 4) mit vocalauslaut α) männl. und weibl.: aa
(fluvius) raa (antenna) ſaa (palea) taa (dig. pedis) ſkê
(cochlear) bî (apis) brô (pons) kô (vacca) klô (ungula)
ſô (ſus) mœ (virgo) œ (inſula) bŷ (urbs) etc. pl. aaer,
ræer, ſaaer, tæer, ſkèr, bìer, brôer, kœer, klœr, ſœr,
mœer, œer, bŷer. β) neutrale: hœ (foenum) ſtraa (ſtra-
men). Mit vielen ſchon im ſg. aae, bîe, œe, ſtraae etc.
zu ſchreiben ſcheint verwerflich, weil ein ſolches e nur
ſchwachen wörtern wie bûe, dûe etc. gebührt. — 5) von
einſchiebung des -er beim ſt. neutr.
| maſe. | fem. | neutr. |
| ſing. blind-s | blind-a | blind-ata [blind] |
| blind-is | blind-áizôs | blind-is |
| blind-amma | blind-ái | blind-amma |
| blind-ana | blind-a | blind-ata [blind] |
| pl. blind-ái | blind-ôs | blind-a |
| blind-áizê | blind-áizô | blind-áizê |
| blind-áim | blind-áim | blind-áim |
| blind-ans | blind-ôs | blind-a |
1) einfache: alls (omnis) arms (pauper) baírhts (mani-
feſtus) balþs (audax) blinds (coecus) bráids (latus)
dáubs (ſtupidus) us- dáuds (ſollicitus, nach dem adv.
usdáudô) dáuþs (mortuus) diups (profundus) -dôgs
(-ἥμερος, -tägig) dumbs (mutus) dvals (ſtultus) -ſalþs
(-plex) faúrhts (timidus) þrutsfills (leproſus) usfilms
(pavidus) friks (cupidus) frôds (prudens) frums (bo-
nus) fùls (putris) fulls (plenus) gaúrs (moeſtus) gôds (κα-
λὸς) hafts (capax) haíhs (lnſcus) hails (ſanus) halbs (di-
midius) halts (claudus) hanfs (mancus) haúhs (altus) hlas
(hilaris) hulþs (propitius) hveits (albus) juggs (juvenis)
kalds (frigidus) klahs (puſillus) -kunds (oriundus) kunþs
(notus) laggs (longus) láus (ſolutus) unlêds (pauper) liubs
(carus) qvius, gen. qvivis (vivus) raíhts (rectus) rûms
(amplus) ſads (ſatur) ſiuks (aeger) ſlaíhts (planus) ſtamms
[719]II. goth. ſtarkes adject. erſte declin.
(balbus) *) ſvarts (niger) ſvês (proprius) ſvinþs (fortis)
untals (inobediens) triggvs (fidus) þarbs (egenus) þiuþs
(ἀγαθὸς) mikil þuhts (arrogans) tvaírhs (iratus) þvalts
(certus) unvahs (inculpatus) usvaúrhts (perfectus) filuvaúrds
(multiloquus) vaírþs (dignus) veihs (ſanctus) invinds (in-
juſtus) vôds (inſanus) vráiqvs (obliquus). — 2) bildungen mit
-il: leitils (parvus) mikils (magnus) ubils (malus). — 5) mit
-n: ïbns (aequalis) analáugns (occultus) ſvikns (innoxius). —
4) mit -r: abrs (validus) báitrs (acerbus) fagrs (pulcher)
mundrs (?) ſnutrs (callidus) etc. — 3) mit -ag, -eig,
-uk: áudags (dives) grêdags (famelicus) manags (multus)
gabeigs (opulentus) þiuþeigs (benedictus) ïbuks (retro-
gradus) etc. — 6) mit -ah: unbarnahs (ἄτεκνος) ſtáínahs
(lapidoſus). — 7) mit -ein: filleins (pelliceus) liubadeins
(lucidus) þaúrneins (ſpineus) etc. — 8) mit -iſk: man-
niſks (humanus) haíþiviſks (ſilveſtris). — 9) mit -ad,
als: naqvaþs (nudus). — 10) mit der vorſilbe ga-:
gahvaírbs (ſubjectus) gadôfs (conveniens) filu-galáubs
(πολύτιμος) gaguds (honeſtus) galeiks (ſimilis) gamáids
(mancus) ganôhs (uber) garaíhts (juſtus) gaſkòhs (calcea-
tus) gatils (opportunus) gavamms (maculatus) etc.
Anmerkungen: 1) das norninative -s bleibt weg,
wenn die wurzel ſelbſt auf ſ auslautet, alſo ſvês, hlas
f. ſvêſ -s, hlaſ -s gen. ſvêſis, hlaſis (oben ſ. 599.); hingegen
ſtehtr -s, als: gaúr -s, Luc. 18, 23. ſvêr -s (honoratus) Marc.
6, 4. Luc. 7, 2. gen. gaúris, ſvêris (oder ſvêrjis?) und
vermuthlich galt auch mêrs, (clarus) ſ. oben ſ. 37. [von
dem wurzelhaften rs, wie in vaírs etc. iſt hier keine
rede]. — 2) die neutrale endung des nom. acc. ſg. -ata
kann, ohne rückſicht auf vorhergehende conſonanz, bald
ſtehen, bald wegbleiben; weiteres in der ſyntax. —
3) ſchwanken zwiſchen erſter und zweiter declination;
wörter der letzteren pflegen im nom. ſg. maſc. und
nom. acc. ſg. neutr. (ohne -ata) ihr bildungs -i auszu-
ſtoßen, folglich denen erſter decl. zu gleichen; belege:
bleiþs Luc. 6, 36. hráins Matth. 8, 3. Luc. 5, 13. 9, 39.
hráin Matth. 8, 3. Tit. 1, 15. gamáin Rom. 14, 14. ſêl
Marc. 7, 22. andanêm Luc. 4, 19. andaſèt Luc. 15, 15.
Vermuthlich gehören hierher auch die anm. 1. ge-
nannten ſvêrs und mêrs, [ſvêrs, ἔντιμος, geehrt, von
anſehen und gewicht; alth. ſuâr, ſuâri, gravis], nicht
[720]II. goth. ſtarkes adject. erſte declin.
aber gaúrs, weil Matth. 6, 16. gaúrái und kein gaúrjái
ſteht. — 4) zu favái (pauci) finde ich keinen ſg., er
würde fáus lauten.
| ſing. mid-is | mid-ja | mid-jata [mid-i] |
| mid-jis | mid-jáizôs | mid-jis |
| mid-jamma | mid-jái | mid-jamma |
| mid-jana | mid-ja | mid-jata [mid-i] |
| plur. mid-jái | mid-jôs | mid-ja |
| mid-jáizê | mid-jáizô | mid-jáizê |
| mid-jáim | mid-jáim | mid-jáim |
| mid-jans | mid-jôs | mid-ja |
hierher: aírzis (erroneus) ufáiþis (ἐνόρκιος) alêvis (olivifer)
arnis (tutus) arvis (fruſtraneus) azeitis, azêtis, (εὔκοπος)
áuþis (deſertus) bleiþis (mitis) unbrûkis (inutilis) faírnis
(vetus) framaþis (alienus) fris (liber) láushandis (vacuus)
bihatis (iracundus) hráinis (purus) unkaris (incurius) midis
(medius) andanêmis (gratus) nivis gen. niujis (novus)
raþis (εὔκοπος) birêkis (periclitans) reikis (dives) ſêlis
(bonus) andaſêtis (abominabilis) ſibis (cognatus) ſleidis
(ſaevus) ſpêdis (ſerus) ſvêris (gravis) ſutis (ἄνεκτος) ful-
latôjis (perfectus) ustrudis (ſegnis) vilþis (ferus) und mit
der vorſilbe ga: gabaúris (voluptuoſus) gamáinis (com-
munis) gahahis (conſequens) gavilis (voluntarius).
Anmerkungen: 1) paradigma und angabe der nom.
maſc. ſind der theorie gemäß, aber nicht vollſtändig zu
belegen. Nämlich für den nom. ſg. maſc. iſt fullatôjis
Matth. 6, 48. ubiltôjis Joh. 18, 30. einziger beleg; für
den nom. ſg. neutr. (ohne -ata) faírni Luc. 5, 39. vilþi
Marc. 1, 6. (randgloſſe). Für die theorie ſpricht die ana-
logie theils der ſubſtantive (ſ. 599.) theils der adj. dritter
decl. (hardus vgl. mit hráinis). Wie inzwiſchen ſchon
beim ſubſt. ein unorg. nom. -jis ſtatt -is (ſ. 600.) ein-
drang, ſo könnte er auch hier beim adj. eintreten;
ferner die dort beobachtete rückſicht auf kurze oder
lange wurzelſilbe eben ſo beim adj. geſucht werden,
d. h. ein nom. und gen. maſc. aírzeis, hráineis, allein
dergleichen habe ich nirgends gefunden (ſo wenig als
beim ſtarken ſubſt. neutr. einen analogen gen. -eis;
oben ſ. 606.) Für ein theoretiſches fris (liber) gen. fris
oder frijis; nom. pl. frijái Joh. 8, 36. wäre die analogie
des pron. ïs, gen. ïs, plur. ijái. — 2) ſtatt dieſes theore-
tiſchen nom. ſg. maſc. und neutr. bedient ſich der Gothe
[721]II. goth. ſtarkes adj. zweite u. dritte decl.
lieber α) der ſchwachen form, z. b. im voc. unſêlja
(improbe) Luc. 19, 22. β) gewöhnlich aber, mit ſyn-
copiertem i, der ſtarken form nach erſter decl. (belege
dort anm. 3.) — 4) ſolche unorganiſche hráins, gamáins.
ſêls, ſvêrs, andanêm, andaſêt etc. benehmen der zwei-
ten decl. für alle übrigen caſus nichts, d. b. es muß
hráinjamma, hráinjana, hráinjái, hráinjáizê, ſêljamma,
niujamma, andanêmjamma, andaſètjái Tit. 1, 16. etc.
und darf nicht hráinamma, nivamma etc. heißen. Im
ganzen fem. gilt das paradigma unverletzt. — 5) ver-
ſchiedene adj. dieſer zweiten decl. abſtrahiere ich bloß
aus den comparativen -iz-, und adverbien -iba, -jaba,
-jô, die adjective form des poſitivs mangelt in den ulph.
bruchſtücken; namentlich: arnis, arvis, azêtis. ſutis,
gabaúris, gahahis. Das verbum ſkeirjan beweiſt noch
nicht für ein adj. ſkeiris (clarus), da z. b. natjan (ri-
gare) eher auf nats (madidus) führt, als auf natis. Nä-
heres bei der wortbildung — 6) vom ſchwanken zwi-
ſchen zweiter und dritter decl. gleich hernach.
überreſte der mittelſt -u gebildeten adj., aus denen ſich
kein vollſtändiges paradigma aufſtellen läßt, ſondern nur
der nom. ſg. maſc. hard -us fem. hard -us neutr.
hard -u; man rechne hierher: aggvus (anguſtus) aglus
(moleſtus) glaggvus (ſolers) hardus (durus) hnaſqvus (te-
ner) manvus (paratus) ſeiþus (ſerus) þaúrſus (ſiccus)
þlaqvus (mollis); das adv. filu läßt auf ein gänzlich
ungebräuchliches adj. filus (multus) ſchließen.
Anmerkungen: 1) die merkwürdige gleichheit des
weibl. nom. mit dem männl. verdient den beleg þaúr-
ſus Luc. 6, 6. — 2) ob der gen. ſg. hardáus lauten könne
und wie die übrigen caſus? beruht auf bloßer muth-
maßung. Schwerlich entbehrte der dat. acc. maſc. ſein
adjectiviſches -mma, -na, vielleicht hieß es hardvamma,
hardvana? — 3) wo andere caſus (oder auch das neutr.
mit -ata) vorkommen, zeigt ſich mit verwandlung des
u in i, übertritt in die zweite decl. alſo: þaúrſjana
(aridum) Marc. 11, 20. manvjata Marc. 14, 16. ſt. þaúrſvana,
manvata? Nur im nom. ſg. haftet u, kein hardis, þaúr-
ſis etc. erſcheint noch; daher ich auch zu dem dat pl.
hnaſqvjáim Matth. 11, 8. Luc. 7, 25. den nom. hnaſqvus
dem nom. hnaſqvis vorziehe. — 4) ohne zweifel gibt
es ſolcher wörter auf -us noch andere und gab ihrer in
früherer zeit viel mehr.
| ſg. blind-a | blind-ô | blind-ô |
| blind-ins | blind-ôns | blind-ins |
| blind-in | blind-ôn | blind-in |
| blind-an | blind-ôn | blind-ô |
| pl. blind-ans | blind-ôns | blind-ôna |
| blind-anê | blind-ônô | blind-ônê |
| blind-am | blind-ôm | blind-am |
| blind-ans | blind-ôns | blind-ôna |
Anmerkung: verſchiedene wörter begegnen nur in
ſchwacher form, z. b. ïnkilþô (gravida) aftuma (ultimus)
ïftuma (poſterus) etc.; die erörterung anderswo.
| ſg. mid-ja | mid-jô | mid-jô |
| mid-jins | mid-jôns | mid-jins |
| mid-jin | mid-jôn | mid-jin |
| mid-jan | mid-jôn | mid-jô |
| pl. mid-jans | mid-jôns | mid-jôna |
| mid-janê | mid-jônô | mid-jônê |
| mid-jam | mid-jôm | mid-jam |
| mid-jans | mid-jôns | mid-jôna |
Anm. beſtimmte belege des dat. ſg. maſc. und neutr.
gewähren ſtandhaft -jin (z. b. hráinjin Marc. 9, 25. Luc.
9, 42. niujin Luc. 5, 36. unſêljin Matth. 5, 39. Joh. 17, 15.)
kein -ein nach der analogie von ſ. 599.
mangelt,
vermuthlich declinieren alle adj. auf -us ſchwach nach
zweiter, alſo hardja, hardjô.
| ſg. plint-êr [plint] | plint-u (-ju) [plint] | plint-aƷ [plint] |
| plint-es | plint-êrâ | plint-es |
| plint-emu(-emo) | plint-êru | plint-emu(-emo) |
| plint-an | plint-a | plint-aƷ [plint] |
| plint-û | — — | plint-û |
| pl. plint-ê [plint] | plint-ô [plint] | plint-u(-ju)[plint] |
| plint-êrô | plint-êrô | plint-êrô |
| plint-êm | plint-êm | plint-êm |
| plint-ê (?-a) | plint-ô | plint-u(-ju)[plint] |
1) ausgemacht iſt das -êm dat. pl., theils nach dem
goth. -áim, theils dem bei K. häufigen -eem*), theils
dem beſtändigen -ên (ſtatt -êm) bei N. — 2) zu dem
-êr nom. ſg. maſc. gebricht goth. analogie, indem der
vocal vor dem -s überall ausbleibt. Allein K. liefert
-eer ziemlich oft, und N. durchgängig -êr. — 3) den
nom. pl. maſc. nehme ich nach dem goth. -ái an wenn
ſchon K. kein -ee, N. kein -ê gewähren; doch ſie ha-
ben es in der analogen tert. praeſ. ſg. conjunct, wo
ein gleiches goth. -ái. Spur eines richtigen unterſchieds
zwiſchen nom. und acc. pl. m. (alſo plintê, plintâ; goth.
blindái, blindans) verräth ſich J. 392. 398. mînâ (meos)
dhînâ (tuos) vgl. mit 400. dhînê tui); inzwiſchen ſte-
hen 347. 368. die acc. hruomegê, îſnînê, ſînê und 360.
der nom. chifeſtinôdâ, wie es ſcheint, mit übergeſchrie-
benem ê. Die unterſcheidung verlangt daher beßern be-
weis und hat gegen ſich, daß beim ſubſt. nom. und acc.
ebenfalls zuſ. fallen. — 4) auch dem gen. dat. ſg. fem.
und gen. pl. comm., unerachtet bei K. und N. immer
-er-, kein -eer-, -êr- ſteht, wage ich ê beizulegen,
weil das goth. -áiz-, -áis überall zum alth. -êr-, -êr
wird. — 5) gen. dat. ſg. maſc. und neutr. haben ohne
zweifel kurzes e, -emu antwortet dem goth. -amma,
-es dem goth. -is (alſo eigentlich -ës); aus gleichem
grunde gebührt kürze dem ſpäteren notkeriſchen -eƷ
(ſtatt -aƷ, -ata) im nom. acc. ſg. neutr. — 6) die aus-
lautenden -ô gen. pl. comm., -û inſtr. maſc. neutr.
ſtehn oder fallen mit der analogen annahme beim ſubſt. —
7) die auslaute der weibl. caſus ſind denen des ſubſt.
erſter weibl. decl. parallel. Denkmähler, welche im gen.
ſg. këpô, dat. këpô zeigen, ſetzen auch hier -êrô, -êrô;
die mit gëbâ, gëbu hingegen -êrâ, -êru; doch behält
der nom. acc. pl. adj. immer -ô auch bei denen mit
gëbâ. — 8) eigene ſchwierigkeit hat der nom. ſg. fem.
und der ihm gleiche nom. acc. pl. neutr. Mir ſcheint
ſeine flexion auf -u organiſch und der analogie der
prima praeſ. ſtarker conj. ſo wie den ſpuren des -u
nom. ſg. erſter ſt. decl. (wovon am ſchluße des capitels)
angemeßen. Sie findet ſich durchgehends bei O., hin
und wieder bei J. und T. Die übrigen (gerade älteſten
und ſtrengalth. quellen, namentlich K. gl. monſ. jun. etc.
Z z 2
[724]II. alth. ſtarkes adj. erſte decl.
bis auf N. herab) endigen dieſen caſus auf -iu = ju,
welches ſich offenbar aus der zweiten decl. eingeſchlichen
hat, während ſie doch in der ſtarken prima praeſ. das
richtige -u aushalten, oder in -o verwandeln, nicht
mit dem ſchw. -ju vermiſchen. Mehr über dies -ju
bei der zweiten decl. — 9) dat. ſg. maſc. neutr. lautet
früher auf -emu, ſpäter auf -emo aus, welcher wechſel
die kürze des vocals beſtätigt. —
1) folgende einfache adj: âkaleiƷ (ſtudioſus) âpah
(perverſus) âriup (dirus) al, -lles (omnis) alt (vetus)
arac, arc (tenax) aram, arm (miſer) chalt (frigidus)
chluoc (prudens) chranh (debilis) chrump (curvus)
chund (notus) churt, churz (brevis) haft (capax) hald
(vergens) halp (dimidius) halz (claudus) ham, -mmes
(mancus) heil (ſalvus) heis (raucus) heiƷ (calidus) hël, -lles
(clarus) hêr (illuſtris) hlût (ſonorus) hôh (altus) hol (cavus)
hold (propitius) horſc (celer) hriup (leproſus) huas, -ſſes
(acer) huël, -lles (procax) huîƷ (albus) junc (juvenis)
kâh (praeceps) kanz (integer) unkâƷ (incoenatus) keil
(elatus animo) këlf (ſuperbus) kër (cupidus) kërn (pro-
nus) klanz (nitidus) klat (laetus) kleif (obliquus) kram
(iratus) krim, -mmes (ferus) krôƷ (craſſus) kuot (bonus)
lam (claudus) lanc (longus) laƷ (tardus) leid (exoſus) lîht
(levis) liup (gratus) lôs (liber) nâh (vicinus) naƷ (madidus)
pald (audax) par (nudus) planh (albus) pleih (pallidus)
plint (coecus) plûc? (timidus) preit (latus) prûn (fuſcns)
quëh (vivus) raſc (alacer) rëht (rectus) hlûtreiſt (clamo-
ſus) rôt (ruber) rûh (aſper) ſarf, ſcarf (acer) ſat (ſatur)
ſêr (doloroſus) ſìht (vadoſus) ſiuh (aeger) ſcam, -mmes
(brevis) ſcior (citus) ſlaf (remiſſus) ſlëht (planus) ſmal (par-
vus) ſnël, -lles (celer) vramſpuot (proſper) ſtam, -mmes
(balbus) ſtarh, ſtarah (fortis) ſtum, -mmes (mutus) ſtur, ſtiur
(magnus) ſuarz (niger) ſuâs (privatus) ſûr (acidus) tiuf (pro-
fundus) tôt (mortuus) toup (ſurdus) trût (dilectus) tump
(mutus) tuërh, tuërah (transverſus) vêh (multicolor) vlah
(planus) vol, -lles (plenus) vrad (ſtrenuus) vrat (ſaucius)
vrëh (avarus) vruot (prudens) vûl (putris) vuns (promptus)
wâr (verus) warm, waram (calidus) weih (mollis) ſina-
wël, -lles (rotundus) wëlh (marcidus) wërd (dignus)
wîh (ſacer) wît (amplus) wunt (ſaucius) wuot (rabidus)
zam (manſuetus) zeiƷ (tener) und vermuthlich noch ei-
nige; manche verlorene kann man aus den gebliebenen
adv. ſchließen, z. b. chûm (aeger) krâƷ (vehemens).
Mit -haft, -hald, -kërn, -lîh, -lôs, -luom, -muot,
-ſam, -valt, -vol, -wart ſind eine menge adj. zuſ.
[725]II. alth. ſtarkes adj. erſte decl.
gefügt, deren aufzählung im dritten buch. — 2) mit der
vorfilbe ki-: kihlos (exaudiens) kihël (conſonus) kilîh (ae-
qualis) kimah (idoneus) kimeit (vanus) kinuoc (abundans)
unkiſlaht (degener) kiwis, ſſes (certus) kiwon (aſſuetus)
kizal (celer) u. a. m. — 3) viele bildungen mit -al, -il: ſlâ-
fal (ſomnolentus) îtal (vacuus) ëƷal (edax) zunkal (linguo-
ſus) ſuîkal (taciturnus) kamal (vetus) etc. mihhil (magnus)
liuzil (parvus) etc. upil (malus) — 4) mit -am? wenn
man die unter den einfachen aufgezählten arm, warm
unter die erweiſliche form aram, waram bringt. —
5) einige mit -an, -n: ëpan (aequalis) eikan (proprius)
toukan (clandeſtinus) loukan (occultus) tarchan (obſcu-
rus) trucchan (ſiccus) [ſ. die participia] — 6) viele mit
-în: durnîn (ſpineus) alparîn (populeus) liuhtîn (luci-
dus) etc. — 7) viele mit -ar, -ur: wacchar (vigil)
ſmëcchar (venuſtus) vinſtar (obſcurus) ſihhur (ſecurus
etc. — 8) viele mit -ac, -îc: pluotac (cruentus) nôtac
(coactus) ſcamac (verecundus) ſlâfac (ſomno deditus)
vreidac (apoſtaticus) wahſmîc (fertilis) etc.; vielleicht
ſteht das unter den einfachen genannte arc für arac. —
9) mit -aht, -oht: përaht (clarus) zoraht (lucidus)
hornoht (cornutus) poumoht (nemoroſus) etc. — 10) mit
-aſc, -iſc: mannaſc, menniſc (humanus) irdiſc (terro-
nus) vrôniſc (ſplendens) unadaliſc (degener) etc. viel-
leicht auch das unter 1. angeführte horſc (horiſc gl.
monſ. 368.) — 11) einige mit -ot, -it: nahhot (nudus)
liohit (lucidus) veiƷit (pinguis) etc. — 12) vocalauslautige,
nur in den fällen, wo das paradigma ein unflectiertes
plint zeigt, ſonſt aber in w übergehend; es ſind fol-
gende: krâo, krâwêr (canus) lâo, lâwêr (tepidus) plâo,
plâwer (lividus) klao, klawêr (callidus) vrao, vrawêr
(laetus) rao, rawêr (crudus) ſtatt welcher jedoch auch
krâ, lâ, plâ, klou, vrou, rou vorkommt, [vgl. crâju oben
ſ. 262.] ferner: chalo, chalewêr (calvus) ſalo, ſalewêr
(ater) valo, valewêr (fulvus) ëlo, gëlo, ëlewêr, gëlewêr
(flavus) karo, karewêr (paratus) maro, marewêr (marci-
dus) varo, varewêr (tinctus) zëſo, zëſewêr (dexter). —
Anmerkungen: 1) umlaut kann, weil keine flexion
i hat, in dieſer decl. nicht vorkommen, namentlich
wirkt ihn das unorg. -ju ſtatt -u im nom. ſg. f. und
nom. acc. pl. neutr. nicht, es heißt ſmalu, zamu, ſmalju,
zamju. Auffallend zeigen aber dieſe caſus in dem adj.
allêr bei O. durchgehends ellu, bei I. ſchwankend allju
(392. 405.) ellju (376. 402, wo dem a ein e ühergeſchrie-
ben); die übrigen quellen, namentlich K. und N. hahen
[726]II. alth. ſtarkes adj. erſte u. zweite decl.
nur allju. T. bald allju (38, 6.) bald allu (67, 8.). Da
nun gerade O., welcher beſtändig -u, niemahls -ju
flectiert, dieſen umlaut hegt, ſo iſt er vielleicht von dem
vocal u abhängig und ſpnr einer ſolchen einwirkung
außerhalb dem nord. ſprachſtamm (ellu = öll, öllu). Ich
bemerke noch, daß das inſtrum. û bei O. keinen um-
laut zeugt, vgl. mit allû III. 1, 54. V. 16, 38. — 2) zwei-
ſilbige adj., ſobald ſie durch flexion dreiſilbig werden,
aſſimilieren (ſ. 117. 118.), doch in den verſchiedenen
quellen unübereinſtimmend und unregelmäßig, beiſpiele
ſind: pittar (amarus) pitturu, pitterê, pittorô, pitterêm;
karo, karewêr, karawaƷ, karowô. Noch unſicherer ſind
eintretende ſyncopen, z. b. veiƷtêrô ſt. veiƷitêrô, pitres
ſt. pittires; ſie erſcheinen erſt allmählig bei den ſpäteren,
namentlich N. und nähern ſich großentheils ſchon den
mittelh. auswerfungsregeln, N. ſetzt z. b. îſenînro (fer-
reâ) hungerge (eſurientes) T. hungaragê. — 3) die adj.
zweiter decl. legen noch häufiger ihr bildungs -i ab, als
im goth. (ſ. die zweite decl.); nur iſt den ſ. 719. gegebenen
fällen die apocope des i vom unflectierten adj. beſonders
ähnlich und ſo ſtehet ſuâr (grave) K. 43a O. I. 18, 76. IV.
24, 32. für und neben ſuâri O. V. 19, 13. oder hart (du-
rum) T. 82. 149. für das gewöhnliche herti.
das paradigma ſollte lauten und hat auch in früherer zeit
gewis gelautet:
| ſg. mit-jêr [mit-i] | mit-ju [mit-i] | mit-jaƷ [mit-i] |
| mit-jes | mit-jêrâ | mit-jes |
| mit-jemu | mit-jêru | mit-jemu |
| mit-jan | mit-ja | mit-jaƷ [mit-i] |
| mit-jû | — | mit-jû |
| pl. mit-jê [mit-i] | mit-jô [mit-i] | mit-ju [mit-i] |
| mit-jêrô | mit-jêrô | mit-jêrô |
| mit-jêm | mit-jêm | mit-jêm |
| mit-ja | mit-jô | mit-ju [mit-i] |
allein hiervon iſt nichts übrig, als 1) der unaufgegebene
gebrauch des unflectierten miti, ganz analog dem ſub-
ſtantiven hirti und chunni (ſ. 613. 622.) wodurch ſich
adj. zweiter decl. fortwährend von denen erſter ſchei-
den. 2) die hier organiſche flexion -ju des nom. ſg.
fem. und nom. acc. pl. nentr. welche ſich jedoch auch
in den meiſten quellen unrechtmäßig der erſten decl. be-
[727]II. alth. ſtarkes adj. zweite decl.
mächtigt, alſo kein unterſcheidendes merkmahl abgibt.
O. hingegen gebraucht hier wie in der erſten decl. bloßes
-u, als mâru, ſcônu, was auch ganz conſequent iſt. Je-
nes urkundliche -iu näher in -ju zu beſtimmen berech-
tigt α) der urſprung dieſes bildungsvocals. β) die leich-
tigkeit ſeines wegfalls bei zutretender flexion. γ) die
goth. analogie. δ) ſollte N., welches mir Fügliſtaller
angibt, in dieſer adj. endung -íu accentuieren [Stalder
dial. 268. 269. ſteht gleichwohl manigiu, alliu, mînin],
ſo halte ich es für ſpätere, unorg. entwickelung des
diphthongiſchen iu aus ju, die auch durch übertritte
in -eu, ew beſtärkt wird [vgl. hernach die mittelh. decl.].
3) höchſt ſelten erhält ſich i in anderen flexionen; O. I.
1, 149. redjê (prompti). Gewöhnlich gehen alle caſus
(die unter 1 und 2. genannten fälle abgerechnet) völlig
nach dem paradigma erſter decl. und es heißt: mittêr,
mittes, mittemu, mittan etc., in welchem worte conſ.
gemination das alte j vertritt. Gerade ſo ſtehet K. 15b
43b 42a 45b ſuarre, ſuarriu, ſuarrera, ſuarrun ſt. des
theoretiſchen ſuâri, ſuârju, ſuârjêrâ, ſuârjûn (vgl. oben
ſ. 123. 167.). —
1) einfache mit bloßem -i: chûſci (caſtus) chleini (ſub-
tilis) chriſtâni (chriſtianus) chuoli (frigidulus) chuoni (au-
dax) dicchi (craſſus) drâti (ſubitaneus) dunni (tenuis) durri
(aridus) vior-ecchi (quadrangulus) enki (anguſtus) hâli
(lubricus) wît-hendi (ſpatioſus manibus) herti (durus) arm-
hërzi (miſericors) hôni (irriſus) hreini (purus) irri (iratus)
kâpi (acceptus) kiri (avidus) kruoni (viridis) lâri (vacuus)
elilentî (exſul) lindi (lenis) lanclipi (longaevus) lîſi (ſub-
miſſus) lukki (falſus) mâri (famoſus) milti (largus) miti
(medius; kommt aber nicht unflectiert vor, ſondern
entw. mittêr oder ſchwach mitto) muodi (feſſns) nâmi
(acceptus) niuwi (novus) nuzi (utilis) ôdi (facilis) plîdi
(laetus) plôdi (ignavus) prôdi (fragilis) râƷi (rapax) redi
(promptus) O. III. 19, 7. reiti (paratus) O. IV. 19, 99.
rîfi (maturus) gl. hrab. 351a rîhhi (dives) rinki (levis) rû-
mi (amplus) ſamfti (lenis) ſëltſâni (rarus) ſcef-ſoufi (nau-
fragus) ſcôni (pulcher) vior-ſcôƷi (quadrangulus) ſmâhi
(vilis) ſpâti (ſerus) ſpâhi (ſagax) ſtâti (conſtans) ſtilli (quie-
tus) ſtrenki (fortis) ſuoƷi (dulcis) ſuâri (gravis) tiuri (pre-
tioſus) trâki (iners) triuwi (fidus) truopi (obſcurus) lanc-
vari (longaevus) veiki (moribundus) veili (venalis) veſti
(firmus) virni (vetus) vûhti (madidus) wâhi (venuſtus)
wâki (utilis) wildi (ferus) wîſi (ſapiens) wuoſti (deſertus)
wârwurti (verax) zâhi (tenax) ziori (decorus). Hierher
[728]II. alth. ſtarkes adj. zweite decl.
auch die comp. mit -mâƷi, -muoti, -pâri. — 2) mit der
vorſilbe ki-:-kihiuri (manſuetus) kiloupi (nemoroſus) ki-
luppi (toxicatus) kimeini (communis) kiminni (dilectus)
kimuati (gratus) kiſprâhhi (diſertus) unkiſtuomi (violens)
kiſunti (incolumis gl. monſ. 364. 368.) kivuoki (aptus) ki-
vâri (doloſus) kizâmi (decens) kizenki (attingens) etc. —
3) mit der vorſilbe ein-:einharti (conſtans) einhluƷi (ſolita-
rius) einſtimmi (unanimis) einſtriti (pertinax) einwilli (con-
cors) — 4) desgl. mit vorſtehenden praep.: pidërpi (uti-
lis) piquâmi (commodus) antphenki (acceptus) antnâmi
(idem) widarpërki (arduus) widarzâmi (abſurdus) miti-
wâri (manſuetus, bei einigen mundwâri, mandwâri) ur-
hërzi (excors) urhlôƷi (exſors) urmâri (eximius) urpluoti
(exſanguis) urſêli (exanimis) urſcruofi (ſpurius gl. monſ.
326.) urwâfni (inermis) urwâni (deſperans) anawâni (ſpe-
rans) etc. — 5) wenige bildungen mit -al, -ar (das zu
-il, -ir aſſimiliert): edili (nobilis) vravili (elatus) ſûpiri
(purus) eivari (zeloſus); desgl. einige andere: arandi
(aſper) mammunti (mitis) vremidi (alienus). —
Anmerkungen: 1) umlaut des wurzelhaften a kann
hier eintreten, tritt aber nur allmählig und ſchwankend
ein (ſ. 76. 79.) z. b. O. I. 4, 145. antfangi, T. 18, 2.
antphengi. Bei N. (welchem -i zu -e geworden) kommt
umlaut des û in iu hinzu, alſo: chiuſce, viuhte. 2)
ſchwanken der unflectierten fälle in die erſte decl.
iſt ſchon dort anm. 3. beſprochen und begreiflich, da
die eigentliche flexion beider ganz zuſ. fällt. Auch
êrachar (antelucanus) O. I. 19, 31. ſtehet für êrachari,
êrachiri (gl. monſ. 353. 356.); glaublich untarthioh (ſub-
jectus) O. I. 22, 113. f. untarthiohi. Einzelne abwei-
chungen begründet zeit und mundart, z. b. neben dem
alth. wârwurti gilt ein goth. láuſavaúrds, pl. -vaúrdái,
nicht vaúrdjái. Ungewis bleibt die erſte oder zweite
decl. für adj. deren unflectierte erſcheinung mangelt;
z. b. ich weiß nicht, ob vlât oder vlâti (venuſtus) zuom
oder zuomi (vacuus) ſtattfindet, auch ſporju (rudia)
gerju (calida) gl. monſ. 408. 356. ſind mir unſicher. —
3) die vocalauslautigen vrî (liber) und vruo (praecox)
zeigen das bildungs-i noch in allen flexionen; vrî macht
vrigêr, vriju, vrijaƷ (oder vrîu, vrîaƷ) gen. vriges, vri-
gêrâ (vgl. oben ſ. 93.) vruo (oder vrua) vruojêr, vruoju etc.
das unflectierte vruo ſteht genau genommen für vruoi;
niuwi, triuwi kürzen ſich zuweilen in niu, triu, zu-
mahl vorſtehend in den comp. niukërn, triulôs, welches
letztere vielmehr das ſubſt. triuwa verkürzt.
iſt ausgeſtorben und wörter wie enki, durri, herti fol-
gen der zweiten; in klau (perſpicax) nach der erſten
vertritt u das v im goth. glaggvus, nicht das u. Aber
in dem u der ſubſt. bildung ernuſt (ſedulitas) ſpüre ich
ein altes adj. ernu, arnu, das ſchon dem Gothen zu
arni geworden iſt.
| ſg. plint-o | plint-a | plint-a |
| plint-in | plint-ûn | plint-in |
| plint-in | plint-ûn | plint-in |
| plint-un (on) | plint-ûn | plint-a |
| pl. plint-un (on) | plint-ûn | plint-ûn |
| plint-ônô | plint-ônô | plint-ônô |
| plint-ôm | plint-ôm | plint-ôm |
| plint-un (on) | plint-ûn | plint-ûn |
alle flexionen ſtimmen mit denen der ſchw. ſubſt. decl.
überein und bedürfen keiner andern erörterung. Auf-
fallend aber verletzt N. im dat. pl. dielen paralleliſmus,
da er blindên, blindên, blindên (wie in ſtarker form)
ſetzt, neben hanôn, zungôn, hërzôn. Den gen. pl.
bildet er blindôn, blindôn, blindôn, wie hanôn, zun-
gôn, hërzôn und auch die übrigen caſus den ſubſtantivi-
ſchen gemäß. — Verſchiedene wörter ſtehen lieber ſchwach
als ſtark, z. b. zako (ignavus) këro (avidus) vgl. O. IV.
28, 39. gëro mit dem ſtarken kër N. 118, 104. Näheres
in der ſyntax.
mangelt, indem ſtatt mitjo, mitja; mârjo, mârja nach
erſter decl. mitto, mitta; mâro, mâra etc. gilt; ſpur-
weiſe mâreo = mârjo im weſſobr. denkmahl.
| ſg. blind | blind | blind |
| blind-as (-es) | blind-ârô (-êrô) | blind-as (-es) |
| blind-umu | blind-ârô (-êrô) | blind-umu |
| blind-an (-ana) | blind-a (-e) | blind |
| blind-û | — — | blind-û |
| pl. blind-â (-ê) | blind-â | blind (-u) |
| blind-ârô (-êrô) | blind-ârô (-êrô) | blind-ârô (-êrô) |
| blind-on (-un) | blind-on (-un) | blind-on (-un) |
| blind-â ( ê) | blind-â | blind (-u) |
1) den flexionsvocalen lege ich nur muthmaßlich länge
und kürze bei; -as und -es, -ârô und -êrô ſchwan-
ken nach beiden hſſ; im pl. maſc. überwiegt -â ſtatt
des mehr hochd. -ê; im dat. pl. iſt das ê völlig ver-
wiſcht. — 2) den acc. -ana pflegen noch compoſita und
mehrſilb. adj. zu behalten (langlamana, niudſamana, un-
ſundigana) oder das vordere a zu ſyncopieren (hêlagna,
mahtigna, lutilna) einſilbige dagegen das hintere a zu
apocopieren als: blindan, langan, ſtarkan etc. Doch
wechſeln hêlagan und hêlagna. — 3) dem nom. ſg. geht
alle flexion ab, d. h. nie ſtehet blindêr, blindn, blin-
dat. — 4) zuweilen ſcheint der nom. acc. pl. gleich dem
ſubſt. (ſ. 636.) auf -u zu endigen, z. b. mînn (mea); ob
dies auf den nom. ſg. fem. auszudehnen iſt? — Zu die-
ſer decl. gehören 1) einfache: ald (vetus) all (omnis)
arm (miſer) bad (audax) blêc (pallidus) blind (coecus)
diop (profundus fruod (ſapiens) ful (plenus) fûs (promptus)
gêl (ſuperbiens) gërn (cupidus) glad (laetus) gnorn
(moeſtus) grim (ferox) grôt (magnus) guod (bonus) haft
(eaptus) hêr (clarus) hêt (calidus) hlûd (ſonorus) hôh
(altus) hold (carus) huat (alacer) huît (albus) jung (ju-
venis) kald (frigidus) kuth (notus) lang (longus) lêth
(exoſns) liof (gratus) lôs (liber) lung oder lungar? (celer)
quic (vivus) ruof (famoſus) ſcarp (acer) ſiok (aeger) ſcîn (lu-
cidus) ſuoth (verus) ſtark (fortis) ſtum (mutus) ſuart (niger)
ſuâs (privatus) ſuith (fortis) thim (obſcurus) torn (fervi-
dus) wâr (verus) warm (calidus) wêk (mollis) wîd (la-
tus) wrêth (iratus) etc. ſo wie die comp. mit -faſt,
-full, -hërt, -lic, -muod, -ſam, -ruof, -ward etc.;
untergegangene folgen aus adv. und verbis z. b. aus
tulgo, atuomjan ein tulg (validus) tuom (liber) — 2) bil-
dungen mit -il, -an, -în, -ar, -ur: mikil (magnus)
êgan (proprius) lînîn (linteus) bittar (amarus) hêdar (ſe-
renus) ſicur (certus) etc. — 3) mit -ag, -ig: manag
(multus) hêlag (ſanctus) mahtig (potens) etc. — 4) mit
-aht, -ht: toraht (lucidus) fëraht (confiſus) bërht (il-
luſtris) lioht (lucidus) — 5) vocalauslautige, die in der
flexion -w oder -h annehmen, als: glau (perſpicax)
glawâ blâu (lividus); garu (paratus) pl. garowâ; naru
(anguſtus) pl. narawâ; frâ oder frâu (?) (hilaris) pl.
frâhâ etc.
Anmerkungen: 1) kein umlaut möglich. — 2) ſchwan-
kende aſſimilation, z. b. wârôrô ſt. wârârô — 3) vocal-
ſyncope bedarf näherer unterſuchung; beiſpiele: hlutrû
(cum limpido) bitres (amari) etc. — 4) übertritt adj.
zweiter decl. hierher im unflectierten fall; ich finde:
diur (pretioſus) faſt (firmus) hard (durus) hrên (purus)
mild (placidus) mirk (obſcurus) ſuot (dulcis) ſuâr (gravis)
thrîſt (audax) doch ſcheinen faſt, hard, ſuâr auch fur
die übrigen caſus der erſten decl. zu folgen, da ſich
z. b. im acc. ſg. m. hardan, faſtan, ſuâran und kein
herdean, feſtean, ſuârean zeigt.
| ſg. midd-i | midd-i | midd-i |
| midd-eas (-jes) | midd-eârô (jêrô) | midd-eas (-jes) |
| midd-jumu | midd-eârô (jêrô) | midd-jumu |
| midd-ean (-jan) | midd-ea (ja) | midd-i |
| midd-jû | — — | midd-jû |
| pl. midd-eâ (-jê) | midd-ea (jâ) | midd-ju |
| midd-eârô (-jêrô) | midd-eârô (-jêrô) | midd-eârô (-jêrô |
| midd-jun | midd-jun | midd-jun |
| midd-êa (-jê) | midd-eâ (-jâ) | midd-ju |
das thema iſt zum theil problematiſch, da ich dem dat.
ſg. aller geſchl. und gen. ſg. fem. nirgends begegne; nicht
unwahrſcheinlich gelten hier und im gen. pl. die flexio-
nen erſter decl.: middumo, middârô oder middêrô; im
gen. pl. finde ich wirklich dernêrô ſt. dernjêrô, derneârô.
Dem nom. ſg. fem. könnte nach analogie des nom. pl.
nentr. -ju zuſtehen. — Hierber gehören: blîthi (laetus)
derni (occultus) dërebi (audax) diuri (pretioſus) druobi
(obſcurus) gruoni (viridis) unhiuri (immanis) hriwi
(poenitens) lâri (vacuus) mâri (eximius) mildi (lenis)
middi (medius) niwi (novus) ôſtrôni (auſtralis) ôthi (fa-
cilis) rîki (dives) ſkîri (purus) ſcôni (pulcher) ſpâhi (ſa-
piens) ſtrengi (fortis) ſuoti (dulcis) bitengi (imminens)
thrîſti (andax) thiuſtri (caliginoſus) wêki (mollis) u. a. m.
Anmerkung: der in die erſte decl. theilweiſe oder
ganz (faſt, hard, ſuâr) übertretenden iſt dort gedacht.
blindo, blinda, blinda gehen völlig wie die ſubſt. hano,
tunga, hërta; middjo (-eo) middea (-je) middea (-je)
aber wie die ſubſt, willeo, ſundea.
| ſg. blind | blind (-u) | blind |
| blind-es | blind-re | blind-es |
| blind-um | blind-re | blind-um |
| blind-ne | blind-e | blind |
| pl. blind-e | blind-e | blind-u |
| blind-ra | blind-ra | blind-ra |
| blind-um | blind-um | blind-um |
| blind-e | blind-e | blind-u |
nähere vocalbeſtimmung der flexionen unterlaße ich, wie
beim ſubſt. Von den ſpuren des inſtr. unten in den er-
läuterungen. Der nom. ſg. fem. ſchwankt zwiſchen ab-
legen aller flexion (welches entſchieden für maſc. und
neutr. gilt) und beibehalten des -u; es ſcheinen hier-
über folgende regeln zu gelten α) alle kurzſilbigen wör-
ter ſtehen nicht ohne -u, als: tilu, ſmalu. β) mehrſil-
bige bildungen behalten es meiſtentheils, als: eadigu,
gâſtlicu, âgenu, fägeru, micelu; doch die beiden letz-
teren auf -er, -el apocopieren es häufig: fäger, micel,
γ) langſilbige legen es ab, als: blind, hëalf, gôd, fäſt,
hât etc. Offenbar vergleichen ſich dieſe grundſätze den
beim ſubſt. ſ. 644. vorgetragenen und walten ebenſo bei
der erſten decl. des ſtarken fem., welche kurze wurzeln
wie gifu, ſacu, ſcëamu umfaßt, während lange zur vier-
ten decl. übertreten, wie bær, lâr, ſpræc. Ganz ſtreng
iſt es doch nicht damit zu nehmen; da ſ. 641. ſcôlu,
ſnôru; ſ. 644. bânu der theorie widerſtreiten, ſo muß ich
auch hier ein ausnahmsweiſes hëardu ſt. hëard etc. zu-
geben. Auch ſcheint der ſonſt dem nom. ſg. fem. paral-
lele nom. acc. pl. gern bei dem -u zu beharren, uner-
achtet der langen wurzelſilben.
Dieſe decl. begreift 1) einfache: bald, bëald (audax)
bär (nudus) bëorht (lucidus) blâc (pallidus) blanc (albus)
blind (coecus) brâd (latus) cald, cëald (frigidus) côl
(frigidulus) cranc (debilis) crumb (curvus) cudh (notus)
cund (oriundus) cûſc (caſtus) cvic (vivus) deád (mor-
tuus) deáf (ſurdus) dëarn (occultus) dëóp (profundus)
dëorc (tenebroſus) dumb (ſtolidus) dvæs (hebes) ëal,
-lles (omnis) ëald (vetus) ëarg (pravus) ëarm (miſer)
ëorp (ſuſcus) fäſt (firmus) fät, -ttes (pinguis) fâh (ver-
ficolor) feá (paucus) fëax (crinitus) fërſc (integer) forht
[733]II. angelſächſ. ſtarkes adj. erſte decl.
(pavidus) frëc (vorax) from (probus) frôd (ſapiens) ful,
-lles (plenus) fûl (putris) fûs (prônus) gâl (laſcivus)
gëalh (triſtis) gëap (ſubdolus) gëong (juvenis) gëorn (avi-
dus) gläd (hilaris) gleáv (prudens) gnorn (moeſtus) gôd
(bonus) gram (offenſus) greát (magnus) grim, -mmes
(atrox) hâl (ſanus) hâr (canus) hâs (raucus) hât (calidus)
heáh (altus) hëalf (dimidius) hëald (pronus) hëalt (clau-
dus) hëard (durus) hlûd (ſonorus) hneáv (parcus) hnäſc
(mollis) hol (cavus) hold (propitius) hräd (citus) hreáv
(crudus) hvät (acer) hvëalf (convexus) hvît (albus) lam
(claudus) lâdh (exoſus) lät (tardus) lang (longus) leás
(liber) lëóht (lucidus) lëóf (carus) neáh (propinquus) nyt,
-ttes (utilis) râd (paratus) read (ruber) rëód (rubicundus)
rëht (rectus) rôf (clarus) rot (hilaris) rûh (hirſutus) rûm
(ſpatioſus) ſâr (gravis) ſcëarp (acer) ſeîn (ſplendens) ſcîr
(limpidus) ſcort (brevis) ſëalt (ſalſus) ſëóc (aeger) ſîd (am-
plus) ſlëac (piger) ſmäl (gracilis) ſmolt (ſerenus) ſnël -lles
(velox) ſôdh (verus) ſpär (parcus) ſtëap (altus) ſtidh (rigi-
dus) ſtirn (aſper) ſtrang (fortis) ſtunt (ſtultus) ſvær (gravis)
ſvæs (proprius) ſvëart (niger) ſvidh (fortis) ſvift (pernix)
tât (tener) tëart (aſper) til (aptus) torht (lucens) trum
(firmus) þëarl (vehemens) þyn, -nnes (tenuis) þyr, -rres
(aridus) vâc (mollis) van, -nnes (teter) vär (cautus) væt
(udus) ſinevëalt (rotundus) vëordh (dignus) vîd (latus)
vîs (ſapiens) bilvit (ſimplex) vlanc (ſuperbus) vläc (te-
pidus) vrâdh (iratus) vund (vulneratus) — 2) viele bil-
dungen mit -ol, -el, -en, -or, -er: hnitol (petulcus)
micel (magnus) âgen (proprius) ſtænen (lapideus) ſnotor
(prudens) etc. — 3) mit -ig: eádig (felix) etc. — 4) mit
-iht: ſtæniht (lapidoſus) etc. — 5) mit -iſc: cildiſc
(puerilis) etc. — 6) mit der vorſilbe ge: gemët (aptus)
gevis, -ſſes (certus) etc. — 7) eine menge comp. mit
-cund, -fäſt, -fëald, -fëax, -ful, -fus, -gëorn, -hëard,
-hëort, -leás, -môd, -rôf, -ſum, -vëard u. a. m. —
Anmerkungen: 1) der umlaut derer mit kurzem ä
in a iſt nach ſ. 224. 232. 233. zu beurtheilen und gehört,
da er die flexionen nichts angeht, inſofern nicht hier-
her, wie er auch beim ſubſt. (ſ. 638. 643.) keiner beſon-
deren darſtellung bedurfte. Indeſſen zeigt ſich eine ver-
ſchiedenheit, der flexionsvocal e führt beim adj. über-
all das reine a der wurzel zurück, während beim ſubſt.
ä bleibt (däges, däge; fätes, fäte); ſollte dies auf eine
frühere flexion -a, -as ſtatt -e, -es deuten? Der an-
ſchaulichkeit wegen ſetze ich ein paradigma her:
[734]II. angelſächſ. ſtarkes adj. erſte u. zw. decl.
| ſg. hvät | hvat–u | hvät |
| hvat–es | hvät–re | hvat–es |
| hvat–um | hvät–re | hvat–um |
| hvät–ne | hvat–e | hvät |
| pl. hvat–e | hvat–e | hvat–u |
| hvät–ra | hvät–ra | hvät–ra |
| hvat–um | hvat–um | hvat–um |
| hvat–e | hvat–e | hvat–u |
wonach folgende gehen: bär, gläd, hräd, lät, ſmäl,
ſpän, vär nicht aber die langen dvæs, ſvæs, væt, die im
dat. etc. dvæſum, ſvæſum, vætum behalten. — 2) wur-
zeln mit geminierter conſ. vereinfachen ſie vor den
flexionen -ne, -re, -ra, es heißt alſo grim, grimmes,
grimmum, grimme, grimra etc., desgl. vanne, vanre;
ëalne, ëalre; geviſne, geviſre etc. — 3) ob wurzeln auf
n und r mit langem vocal dieſen kürzen, wenn durch
den anſtoß des -ne, -re gemination entſpringt? ich
meine z. b. anne (unum) ſcinne (lucidum) gedonne
(factum) ſvärre (gravi) ſt. ân-ne, ſcîn-ne, gedon-ne,
ſvær-re. — 4) mehrſilbige auf -el, -en, -er, -ig ſyn-
copieren den bildungsvocal, wenn die flexion vocaliſch
anlautet, nicht, wenn n oder r anſtößt, alſo: fägru,
fägres, fägrum, fägerne, fägerre; hâlgu, hâlges, hâlgum,
hâligne, hâligre. Doch bei denen auf -el, -en, -ig
unterbleibt die ausſtoßung auch häufig, z. b. mänigu,
hâtenu (vocata) etc. — 5) vocalauslautige wie fëalo
(fulvus) gëolo (flavus) mëaro (tener) entwickeln ein v:
fëalves etc.; drî (aridus) frî (liber) ein g. — 6) wörter
zweiter decl. ſind mit abgelegtem -e häufig in dieſe
übergegangen, als ſvær, nyt, þyn etc. ſtatt ſvære, nytte,
þynne (vgl. ſ. 645. denn, cynn etc.).
das bildungs-e hat ſich bloß im nom. ſg. aller ge-
ſchlechter bewahrt und im nom. pl. neutr., vielleicht
im nom. pl. maſc. fem.; wenn ſich ein middê, middê
verſchieden von midde, midde annehmen ließe. Im
nom. ſg. fem. und nom. acc. pl. neutr. ſcheint die flexion
-u, ohne rückſicht auf vorausgehenden langen oder kur-
zen vocal zu beſtehen. Alle übrigen caſus folgen mit
ſyncopiertem e der erſten decl.; ohne zweifel galt aber
in früherer zeit middeum, êceum etc. ſtatt middum,
êcum.
Hierher fallen: comp. mit -bære, als: luſtbære (de-
lectabilis) etc. blìdhe (laetus) cêne (audax) clæne (purus)
gecynde (genuinus) gedêfe (congruus) dëóre, dŷre (pre-
tioſus) drêfe (turbidus) eádhe (facilis) êce (aeternus) fæge
(moribundus) fæle (venalis) gefêge (aptus) fëórfête (qua-
drupes) grêne (viridis) heáne (contemptus) gehende (pro-
pinquus) hlæne (macer) unhŷre (ferus) læne (fragilie) ge-
mæne (communis) unmæne (ſincerus) mære (clarus)
mêdhe (feſſus) midde (medius) milde (mitis) nëóve,
nive (novus) rêdhe (trux) rîce (dives) rîpe (maturus)
ſæne (tardus) andſæte (abominab.) ſcëóne, ſciene (pul-
cher) ſêfte (placidus) ſmêdhe (laevis) ſmylte (ſerenus)
ſtille (quietus) ſvære (gravis) ſvête (dulcis) untæle (irre-
prehenſibilis) getæſe (dexter) ëaltæve (bonus) bitenge (in-
cumbens) trëóve, trŷve (fidus) þicce (craſſus) þŷſtre
(obſc.) þrîſte (temerarius) geþvære, môdþvære (mitis)
unvemme (immaculatus) vêſte (deſertus) vilde (ferus)
vræne (laſcivus) vyrdhe (dignus) yrre (iratus).
Anmerkungen: 1) nach anm. 3. zur vorigen wäre
auch hier im acc. maſc. grënne, cënne, länne, ſänne etc.
zu muthmaßen. — 2) gleichergeſtalt gilt ſtilne, þicne,
yrne, unvemne, ſtilre, þicre, yrre, unvemre etc. — 3) der
dort 1. abgehandelte umlaut kann hier nicht vorkom-
men. — 4) übergänge und ſchwanken ſind dort anm. 6.
berührt; man findet ſvær und ſvære, ſtil und ſtille, luſt-
bær und luſtbære etc.
blinda, blinde, blinde gänzlich nach hana, tunge, eáge;
man merke 1) die ſ. 734. genannten haben hier in allen
caſibus a und nirgend ä, namentlich auch im nom. ſg.
fem. neutr. und gen. pl. comm. ſëó late, þät late, þâra
latena, welches wieder beweiſt, daß das e in dieſen
flexionen unorg. iſt. — 2) einige adj. gelten nur in ſchwa-
cher form, z. b. vana (carens) vräcca (exſul).
mit der vorigen decl. einſtimmig; nur in den älteren
quellen hin und wieder ſpuren des bildungs -e, als:
middea, êcea, middean, êcean ſt. des üblicheren midda,
êca, middan, êcan, vgl. ſ. 645.
| ſg. blind | blind–e | blind |
| blind–es | blind–ere | blind–es |
| blind–e | blind–ere | blind–e |
| blind–ene | blind–e | blind |
| pl. blind–e | blind–a | blind–e |
| blind–era | blind–era | blind–era |
| blind–e | blind–e | blind–e |
| blind–e | blind–e | blind–e |
das auffallendſte iſt die apocope des dativen m, ſowohl
im ſg. maſc. neutr. als pl. comm., früher galt gewis
blindem ſt. dieſes blinde. Br. §. 127. finde ich auch noch:
mith ſinem, neben: mith ſine monnum. Die kürzun-
gen des -ene, -ere, -era in -ne, -re, -ra müßen nach
beßeren quellen beurtheilt werden. Spuren der zwei-
ten decl. in den nominativen rîke, diore etc.
blinda, blinde, blinde wie hona, tnnge, âge (ſ. 649.).
| ſg. blind–r | blind | blin–t |
| blind–s | blind–rar | blind–s |
| blind–um | blind–ri | blind–u |
| blind–an | blind–a | blin–t |
| pl. blind–ir | blind–ar | blind |
| blind–ra | blind–ra | blind–ra |
| blind–um | blind–um | blind–um |
| blind–a | blind–ar | blind |
1) das -r nom. ſg. maſc. und -t nom. acc. neutr. ſind
unerläßlich und ihre in den übrigen ſprachen mehr oder
minder eingerißene apocope hat keine ſtatt; folgende
ausnahmen abgerechnet α) das -r unterbleibt, wenn das
wort mit r, rr, ſ, ſſ, fn, gn, rn ſchließt; hier fallen
nom. maſc. und fem. (wo in dieſem kein umlaut wal-
tet) zuſammen; beiſpiele: ſnar, ſnör; þurr, þurr; laus,
laus; vîs, vîs; hvaſſ, hvöſſ; viſſ, viſſ; iafn, iöfn; ſkygn,
ſkygn; giarn, giörn. β) das -t nur im einzigen nôg
(copioſum) ſ. Raſk erſte ausg. p. 78.; in der zweiten
ausg. fehlt dieſe behauptung. — 2) verſchieden von
[737]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
jenem abfall des männl. -r (unter r, α) iſt ſeine aſſimi-
lation mit dem anſtoßenden einfachen l und n, in
einſilbig langen oder mehrſilbigen; ſtatt l-r, n-r
heißt es ll, nn (oben ſ. 306. 307.); beiſpiele: heill,
ſeinn ſt. heilr, ſeinr; gamall, eiginn ſt. gamalr, eiginr,
Stößt gemin. ll, nn an, ſo bleibt das -r, als: illr,
ſannr. — 3) das neutrale -t wird nicht, wohl aber
werden ihm anſtoßende dh aſſimiliert, wenn vocal vor-
ausgeht; für gladh -t, gôdh -t, blîdh -t gilt glatt (und
mit vocalkürzung) gott, blitt (oben ſ. 318.). Bei an-
ſtoßendem nd, rdh wird d, dh verſchluckt, z b. blint
für blindt, hart f. hardht. Vocalauslautige wörter ge-
minieren das neutr. t, wie mir ſcheint, ohne noth, als:
hâtt, nŷtt (oben ſ. 319. n° 7.). — 4) gegenſatz zu der
bewahrung des -r, -t bildet die durchgedrungene apo-
cope der vocaliſchen flexion, welche im nom ſg. fem.
und nom. acc. pl. neutr. ohne zweifel früherhin gegol-
ten hat. Der gebliebene, nothwendige umlaut des wur-
zelhaften a in ö lehrt, daß dieſe flexion (wie beim ſubſt,
ſ. 656. 659.) -u war. Stehet öll, hög für öllu, högu,
ſo muß auch blind, blâ, ſtôr ſtehen für blindu, blâu,
ſtôru. — 5) das i im dat. ſg. fem. und nom. pl. maſc.
muß, weil es keinen umlaut zengt, unorganiſch ſeyn. —
Die ein- und nicht eintretenden umlaute macht folgen-
des paradigma anſchaulich:
| ſg. hvat-r | hvöt | hvat-t |
| hvat-s | hvat-rar | hvat-s |
| hvöt-um | hvat-ri | hvöt-u |
| hvat-an | hvat-a | hvat-t |
| pl. hvat-ir | hvat-ar | hvöt |
| hvat-ra | hvat-ra | hvat-ra |
| hvöt-um | hvöt-um | hvöt-um |
| hvat-a | havt-ar | hvöt |
Dieſe decl. enthält 1) einfache adj.: allr (omnis) ângr (angu-
ſtus) apr (aſper) ær (annuus) argr (ignavus) armr (pauper) ætr
(edulis) audhr (vacuus) aumr (miſer) bâgr (difficilis) ballr
(pugnax) beinn (rectus) beitr (acutus) ber (nudus) biartr (lu-
cidus) biúgr (curvus) blackr (fuſcus) blànkr (albus) blâr (coe-
ruleus, inanis) blaudhr (mollis) blautr (nudus) bleik[r] (palli-
dus) blìdhr (blandus) blindr (coecus) bliúgr (verecundus)
brâdhr (praeceps) breidhr (latus) brûnn (furvus) brŷnn
(conſpicuus) bŷll (habitabilis) byltr (revolutus) bær (ca-
pax) dàr (vehemens) daudhr (mortuus) daufr (ſurdus)
deigr (mollis) dimmr (opacus) diúpr (prof.) döckr (ni-
ger) dreifr (ſparſus) driúgr (continuus) driúpr (humilis)
A a a
[738]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
drægr (tolerabilis) dumbr (mutus) dyggr (fidus) dŷr (pre-
tioſus) dæll (mitis) fàdhr (ornatus) falr (venalis) fâr (pau-
cus) faſtr (firmus) fœr (meabilis) feigr (morti vicinus)
feitr (pinguis) flatr (planus) forn (vetus) fölr (pallidus)
frackr (liber) framr (audax) frânn (nitens) frâr (celer)
frëkr (nimius) frîdhr (formoſus) frînn (venuſtus) friófr
(foecundus) frômr (probus) frôdhr (prudens) frôr (quie-
tus) frœgr (clarus) fûll (putridus) fullr (plenus) fûs (pro-
nus) gætr (parabilis) geipr (apertus) giarn (proclivis)
gladhr laetus) gliúpr (bibulus) glöggr (perſpicax) gnôgr
(abundans) gôdhr (bonus) gör (factus) gramr (iratus)
grâr (griſeus) greidhr (expeditus) greipr (cernuus) grettr
(torvus) grimmr (ſaevus) grôfr (rudis) grunnr (vadoſus)
grŷ [...]tr (lapidoſus) grœnn (viridis) hâdhr (commiſſus) hagr
(aptus) hâlfr (dimidius) hâll (lubricus) haltr (claudus)
hallr (proclivis) hâr (celſus) hardhr (durus) hâs (raucus)
haſtr (trux) heill (integer) heitr (fervidus) hirdhr (tutus)
hlâr (laxus) hliódhr (taciturnus) hlŷr (tepidus) hnappr
(arctus) hnâr (ſtrenuus) hollr (fidus) holr (cavus) hoſkr
(fortis) hradhr (celer) hrâr (crudus) hreinn (purus) hreſſ
(vivax) hryggr (triſtis) hvaſſ (acer) hvatr (alacer) hvëllr
(ſonorus) hvîtr (albus) hŷr (mitis) hœfr (aptus) hœgr
(quietus) hæpr (lubricus) hættr (periculoſus) iarpr (ba-
dius) illr (malus) kaldr (frigidus) klàr (clarus) kleipr (an-
guſtus) klôkr (prudens) krânkr (aeger) krîngr (aptus)
kræfr (fortis) kunnr (notus) kyrr (quietus) kær (carus)
lâgr (humilis) lângr (longus) latr (piger) laus (liber)
leidhr (inviſus) lêttr (levis) lîkr (ſimilis) linr (lenis) liós
(clarus) liúfr (carus) lægr (vicinus) læs (literatus) midhr
(medius) mildr (clemens) miór (tener) môdhr (feſſus)
mylkr (lactans) myrkr (tenebroſus) mær (clarus) mætr
(inſignis) napr (frigidus) nipr (pulcher) nôgr (abundans)
nŷr (novus) nŷtr (utilis) nœgr (ſufficiens) næmr (capax)
ôdhr (rabidus) ölr (ebrius) œr (amens) öngr (anguſtus) ör
(celer) plumpr (ruſticus) prûdhr (urbanus) qvikr (vivus)
qvmær (commodus) ragr (timidus) rackr (fortis) rammr
(amarus) ramr (fortis) râmr (raucus) rângr (obliquus)
raudhr (ruber) reidhr (iratus) reimr (ſonorus) rêttr
(rectus) rîfr (largus) rîkr (dives) riódhr (facie rubicun-
dus) rôr (quietus) röſkr (ſtrenuus) rûmr (amplus) rækr
(extorris) rænn (ſimilis) ſadr (ſatur) ſannr (verus) ſâr
(ſaucius) ſeigr (lentus) ſeinn (tardus) ſekr (ſons) ſêttr
(modeſtus) ſîdhr (laxus) ſìnkr (tenax) ſiúkr (aeger) ſkakr
(obliquus) ſkammr (brevis) ſkarpr (acer) ſkeifr (obliq.)
ſkiar (fugax) ſkilmr (quaſſatus) ſkiótr (celer) ſkîr (cla-
[739]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
rus) ſkær (limpidus) ſlakr (remiſſus) ſleipr (lubricus)
ſlêttr (planus) ſliâr, ſliófr, ſlær (hebes) ſlîngr (callidus)
ſlippr (nudus) ſlægr (vafer) ſlæmr (vilis) ſmâr (parvus)
ſmeikr (lubricus) ſmëltr (liquidus) ſnâdhr (lanuginoſus)
ſnar (celer) ſnarpr (acer) ſnaudhr (inops) ſniallr (fortis)
ſnöggr (glaber) ſöggr (madidus) ſpakr (prudens) ſprækr
(fortis) ſtamr (balbus) ſterkr (robuſtus) ſtiúpr (privignus)
ſtoltr (ſuperbus) ſtôr (magnus) ſtrângr (ſeverus) ſtrîdhr
(aſper) ſtuttr (brevis) ſtŷfr (rigidus) ſvalr (frigidus)
ſvângr (famelicus) ſvartr (niger) ſvâs (proprius, dulcis)
ſveipr (criſpus) ſvidhr, ſvinnr (prudens) ſûr (acidus)
ſŷnn (evidens) ſæll (beatus) ſæmr (decens) ſœtr (dulcis)
tamr (aſſuetus) teitr (laetus) tentr (dentatus) tîdhr (fre-
quens) tômr (vacuus) traudhr (invitus) trëgr (ſegnis)
treiſkr (difficilis) trûr (fidus) tryggr (fidelis tviſtr (triſtis)
tæpr (anguſtus) tær (limpidus) þeckr (gratus) þrâr (con-
tumax) þröngr (anguſtus) þreyttr (feſſus) þrumr (tonans)
þvër (transverſus) þûngr (gravis) þunnr (tener) þurr (ari-
dus) þŷdr (egelidus) þyckr (ſpiſſus) þyrſtr (ſitiens) ûngr
(juvenis) vandr (difficilis) vanr (inops) vanr (aſſuetus)
var (cautus) varmr (tepidus) vaſkr (ſtrenuus) vâtr, votr
(humidus) veikr (infirmus) -verdhr (vergens) vîdhr (am-
plus) vîgr (bellicoſus) vildhr (acceptus) villr (ſilveſtris)
virkr (profeſtus) vîs (ſapiens) viſkr (ſagax) viſſ (certus)
vædhr (vadoſus) vægr (mitis) vænn (formoſus) vænn (ſpe-
randus) vær (hilaris) ŷgr (ferus). — 2) viele comp. mit
-lâtr, -leitr, -ligr, -ordhr, -ſamr, -verdhr. — 3) viele
bildungen mit -al, -il, n (ſtatt -an) -in, -r (ſtatt -ar):
gamall (vetus) lîtill (parvus) iafn (planus) ſilfrinn (ar-
genteus) bitr (acer) dapr (obſcurus) fagr (venuſtus) gîfr
(vehemens) îtr (eximius) lipr (agilis) magr (macilentus)
ſnotr (callidus) vitr (ſapiens) u. a. m. Dieſe letztern mit
-r halte man nur nicht den einfachen unter 1. genann-
ten gleich, indem bitr, dapr, magr für bitar, dapar,
magar ſtehen (vgl. oben ſ. 304.) alſo in jedem caſus das
bildungs -r zeigen, gen. magrs, dat. mögrum etc. wäh-
rend die unter 1. das flexions -r lediglich im nom. ſg.
maſc. haben; z. b, hagr, gen. hags, dat. högum. —
4) bildungen mit -ag, -ug, -ig: heilagr (ſanctus) kun-
nugr (gnarus) blôdhigr (cruentus) etc. wohin auch einige
ſyncopierte: margr (multus) höfgr (gravis) urgr (tritus)
zu rechnen. — 5) mit -ôtt: krînglôttr (circularis) etc. —
6) mit -ſk: beiſkr (acerbus) bernſkr (juvenilis) elſkr
(amans) etc. wohin ſelbſt die unter 1. genannten holkr,
röſkr, treiſkr, vaſkr, viſkr zu zählen.
Anmerkungen: 1) die mit ll, mm, nn, rr, ſſ, tt
pflegen ihre conſonanz vor dem neutralen -t zu ver-
einfachen, als: ſniallr, ſnialt, ſkammr, ſkamt; ſvinnr,
ſvint; þurr, þurt; viſſ, viſt; ſtuttr, ſtutt; doch ſchreibt
man auch ſniallt, ſkammt, ſvinnt, nicht aber viſſt, ſtuttt.
Von nd, rdh, ſt wird der letzte conſonant vor dem t.
verſchluckt, als blindr, blint, hardhr, hart; faſtr, faſt.
Die (unumlautbaren) auf ſt und tt machen folglich nom.
ſg. fem. und neutr. gleich und lauten im nom. acc. pl.
neutr. wie im ſg. als: lêttr, lêtt, lêtt; während nach ſ. 736.
die (unumlautbaren) mit apocopiertem -r den nom. fem.
ſg. und neutr. pl. dem nom. ſg. maſc. gleichſetzen. Im
nom. fem. zeigt ſich jederzeit das reine, wurzelhafte
conſonantverhältnis, eben weil die conſonantloſe flexion
keinen anſtoß gibt, vgl. blindr, blind, blint; leyſtr, leyſt,
leyſt; rêttr, rêtt, rêtt; viſſ, viſſ, viſt; þurr, þurr, þurt;
ſûr, ſûr, ſûrt. — 2) vor dem genitiven -s vereinfacht
ſich das wurzelhafte ſſ, z. b. viſſ, (certi) ſtatt viſß; da-
gegen vîs (ſapiens) bekommt regelmäßig vîſſ. Alle übri-
gen geminationen und conſ. verbindungen bleiben vor
dem -s, ſo wie vor dem -ri, -ra, -rar ungekränkt, na-
mentlich heißt es allrar, allri, allra; viſſrar, viſſri, viſſra
(anders als im angelſ. ſ. 734.). Die mit einfachem ſ.
nach langem vocal, welche im nom. maſc. das r ab-
werfen, pflegen auch -ar, -i, -a ſtatt -rar, -ri, -ra zu
ſetzen, als: lauſar, vîſar, lauſi, vîſi ſt. lauſrar etc. —
3) vocalauslautige adj. die im nom. neutr. tt für t ha-
ben (ſ. 319. n° 7.) geminieren auch -rrar, -rri, -rra ſtatt
-rar, -ri, -ra, namentlich blâr, frâr, hâr, hrâr, miór,
friór, trûr, hlŷr, nŷr. Ihren langen wurzelvocal ſchei-
nen ſie dabei nicht zu kürzen, wenigſtens nimmt Raſk
p. 101. blâtt, nŷtt, blârrar, nŷrrar an und kein blatt,
nytt, blarrar, nyrrar. Vielleicht war es im altn. nicht
ſo; der heutige Isländer nimmt â für å, nicht mehr
für verdoppeltes a (oben ſ. 545. note). — 4) wurzeln mit
1 und n nach langem vocal, welche das -r nom. maſc.
aſſimilieren, thun ein gleiches mit den flexionen -rar,
-ri, -ra, z. b. ſæl (beatus) ſællar, ſælli, ſælla; brûnn,
brûnnar, brûnni, brûnna ſt. ſælr, ſælrar, brûnr, brûnrar.
Auch hier wäre kürzung des vocals zu vermuthen, fäll.
brunn? Bei kurzem wurzelvocal bleibt aber -r, als:
holr, holrar, holri und nicht holl, hollar, holli. — 5) von
conſonantaſſimilation handeln die beiden vorigen anmer-
kungen; vocalaſſimilation ereignet ſich in dem vocal der
bildungen mit al, ar, worüber ich mich bereits ſ. 304.
[741]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
305. geäußert habe. Der theorie nach entſpringen ga-
mall, gömul, gamalt; þagall, þögul, þagalt; ſvipall, ſvi-
pul, ſvipalt; fagar, fögur, fagart; bitar, bitur, bitart.
Allein der gebrauch hat häufig das weibliche u unorga-
niſch auf das maſc. und neutr. erſtreckt und während
gamall, gömul, gamalt fortgelten, theils ein fagur, fö-
gur, fagurt; dapur, döpur, dapurt (wo der unumlaut
den misgriff beweiſt) bitur, bitur, biturt, [man ſchreibt
beßer im maſc. und neutr. fagr, fagrt; bitr, bitrt] theils
ein umlautendes þögull, þögul, þögult eingeführt. Eine
andere abweichung iſt, daß veſall und heilagr im fem.
umlautend ſt. aſſimilierend, veſöl, heilög ſt. veſul, hei-
lug heißen, als wäre ihr bildungsvocal ein wurzelhafter
(richtig in den compoſ. ſtarfſamr, ſtarfſöm etc.) — 6) ab-
geſehen von dieſer aſſimilation ſyncopieren mehrſilbige
auf al, ar den bildungsvocal vor vocaliſch anhebender
flexion, alſo; gamlan (veterem) gömlum (veteri) gam-
lir etc. bitran, bitrum, ſt. gamalan, gömulum, bitaran,
bituru. In den flexionen -rar, -ri, -ri, -ra ſollte wie
gamallar, gamalli, gamalla auch fagarrar, fagarri, fagarra
ſtehen; ich finde aber neben dem unorg. fagurrar, -ri,
-ra ein beßeres verkürztes fagrar, fagri, fagra. — 7) die
mehrſilbigen auf -in, als: eiginn (proprius) ſteininn (la-
pideus) gyllinn (aureus) etc. bilden (nach anm. 4.) den
nom. ſg. maſc. richtig auf -inn, den gen. dat. fem. auf
-innar, inni; gen. pl. -inna. Eigenthümlich aber lau-
tet ihr nom. acc. neutr. auf -it ſtatt -int (oben ſ. 307.);
ihr acc. malc. dem nom. gleich, auf -inn ſtatt -inan,
z. b. ſteinit (lapideum) ſteininn (acc. m. ſtatt ſteininan.)
Ob der dat. ſg. ſteininum oder ſteinnum, der nom. pl.
ſteininir oder ſteinnir etc.? laße ich unentſchieden; gyl-
linn hat gyllnum, gyllnir; doch ſilfrnum, ſilfrnir ſt.
ſilfrinum, ſilfrinir ſcheint zu hart. — 8) miſchformen
haben mikill und lîtill, nämlich im neutr. mikit, lîtit
(nicht mikilt, lîtilt) als wäre die bildung mikinn, lî-
tinn; ebenſo im acc. maſc. mikinn, lîtinn (nicht miklan,
litlan); alle übrigen caſus folgen der form -il; lîtill aber
kürzt merkwürdig ſeinen wurzelvocal, ſobald der bild.
vocal ausfällt, dat. ſg. litlum, litlu, pl. litlir (nic [...]ht lît-
lum, lîtlir); gen. ſg. lîtils, gen. pl. lîtilla; dat. itlum.
heilagr fem. heilög pflegt im dat. ſg. helgum, helgri,
helgu anzunehmen. Andere miſchformen bei decl. der
participien.
iſt erloſchen: 1) das bildungs -i im unflectierten fall
überall abgefallen, die wurzelſilbe ſey lang oder kurz,
alſo ohne die beim neutr. ſubſt. ſ. 660. wahrgenommene
unterſcheidung. Sein früheres daſeyn verräth aber in
umlautbaren der umlaut: ætr, bær, dŷr, fœr, grœnn,
hŷr, læs, mær, nŷr, nœgr, næmr, qvæmr etc. entſpre-
chen den alth. âƷi, bâri, tiuri, vuori, kruoni, hiuri,
mâri, nâmi, quâmi; mittelh. æƷe, gruene, næme. 2) in
der vocaliſch beginnenden flexion zeigen die älteſten
denkmähler noch das i an den wörtern midhr, midh,
mitt und nŷr, nŷ, nŷtt; dat. midhjum, midhri, midhju;
nŷjum. nŷrri, nŷju; acc. midhjan, midhja, mitt; nŷ-
jan, nŷja, nŷtt etc. Ebenſo kommt von rîkr, rîk, rîkt
neben rîkum, rîkan das ältere rîkjum, rîkjan vor. Im
nom. pl. ſtehet midhir, rîkir f. midhjir, rîkjir [nach
Raſks ſchreibung f. midhìr, rîkìr].
das alte bildungs -n ſpürt ſich wiederum 1) wenn der
umlaut des wurzelhaften a in ö im maſc. und neutr.,
überhaupt durchs ganze wort hindurch eintritt; hier-
her: döckr, fölr, glöggr, gör, ölr, öngr, ör, röſkr,
ſnöggr, ſöggr. þröngr. 2) wenn zwiſchen wurzel- und
flexionsvocal ein v vorbricht; dahin α) die eben ange-
führten mit dem umlaut ö, folglich dat. döckvum,
glöggvum, görvum etc. acc. döckvan; pl. döckvir etc.
β) hryggr, myrkr, tryggr, þyckr; dat. þyckvum, acc.
þyckvan. γ) hâr, friór, miór, ſliór; dat. hâvum, frió-
vum etc. woneben auch hâfum, friófum geſchrieben
wird. Man vgl. über dies keineswegs leer eingeſcho-
bene v oben ſ. 312. 325. — Spätere quellen zeigen
döckum, glöggum, hâum etc.
| fing. blind-i | blind-a | blind-a |
| blind-a | blind-u | blind-a |
| blind-a | blind-u | blind-a |
| blind-a | blind-u | blind-a |
| pl. blind-u | blind-u | blind-u |
| blind-u | blind-u | blind-u |
| blind-u | blind-u | blind-u |
| blind-u | blind-u | blind-u |
1) die ſingg. gleichen völlig der ſchw. ſubſt. decl., nicht
aber die plurale. — 2) das i nom. ſg. maſc. iſt unorga-
niſch und weckt keinen umlaut. — 3) das -u im ſg.
fem. und pl. comm. weckt ihn üherall; z. b. rögu,
ſvörtu etc. von ragr, ſvartr. — 4) mehrſilbige ſyncopie-
ren nach dem anm. 6. 7. 8. der ſtarken decl. entwickel-
ten grundſatze, folglich: gamli, gamla, gamla; gamla,
gömlu, gamla etc. fagri, fögru, fagra etc. und unorga-
niſch þögli, þöglu, þögla etc. — 5) manche adj. ſind
nur in ſchw. form üblich, z. b. faxi (jubatus) andvani
(mortuus) fulltîdhi (adultus) etc. ja dieſe erſtarren häu-
fig für alle geſchlechter zu der indecl. endung -a: and-
vana, fulltîdha, hleſſa (feſſus) lama (claudus) etc.
fügen früherhin durchgehends j und v ein, als: rîkji
(rìkì) rîkja, rîkja; döckvi, döckva, döckva etc.
| ſg. blind-er | blind-iu | blind-eƷ |
| blind-es | blind-er | blind-es |
| blind-em | blind-er | blind-em |
| blind-en | blind-e | blind-eƷ |
| pl. blind-e | blind-e | blind-iu |
| blind-er | blind-er (-ere) | blind-er |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-e | blind-e | blind-iu |
1) ablegung aller flexion, im goth. nur bei dem nom.
acc. neutr. ſg., im alth. ſchon bei dem nom. acc. ſg.
und pl. jedes geſchlechts zuläßig, kann jetzt in jedem
caſus ſg. ſowohl als pl. und in jedem geſchlecht vor-
kommen. Das eingeklammerte [blint], eben weil es
überall beizufügen geweſen wäre, iſt darum im para-
digma ganz unterblieben. Nähere umſtände und bedin-
gungen in der ſyntax; hier bemerke ich vorläufig, daß
dieſe flexionsweglaßung bei den adj. gemâl, gemuot, ge-
var, gehâr, gezan etc. als regel gilt und ſie nur aus-
nahmsweiſe flectiert gebraucht werden. — 2) das alth.
-ju nom. ſg. fem. und nom. acc. pl. neutr. erſcheint
jetzt als ein diphthongiſches, unorganiſches -iu (vgl.
ſ. 353. 727.), Bit. 3a reimt zwelvin auf iu (vobis). Gleich-
[744]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte declination.
wohl iſt bemerkenswerth, daß außer dem pronom. diu,
ſiu und den zahlwörtern driu, vierin etc. welche ver-
ſchiedentlich: iu, getriu reimen, kein anderes adj. mit
der flexion -iu als reim auftritt. Der tieftonige oder
tonloſe diphthong ſtimmte nicht zu hochtonigen wör-
tern wie: hin (caecidit) ſpriu, getriu. Verſchiedene, zu-
mahl ſpätere hſſ. zeigen -eu, ew. — 3) der gen. dat ſg.
fem. und gen. pl. comm. flectiert meiſtens auf -er, zu-
weilen auf -ere, -re; keins iſt aber willkürlich, ſon-
dern nach den ſchon beim ſubſt. angewendeten regeln
vom ſtummen e zu beurtheilen (ſ. hernach anm. 2.) —
4) ein gleiches gilt vom dat. ſg. maſc. neutr., der in
der regel auf -em, zuweilen auf -eme und -me en-
digt. —
1) einfache: al, -lles. alt. ân (expers) arc, -ges. arm. balt,
-des. bar. blanc, -kes. bleich. blint, -des. blôƷ (nudus) blûc,
bliuc, -ges (verecundus) breit brûn, bunt (varius) fin. dërp
(azymus) gàch (praeceps) ganz. geil. gër. gërn. glat, -ttes (lae-
vis) glanz. gram. grim, -mmes. grîs (griſeus) grop (craſſus)
grôƷ. guot. halp. heil. heis (raucus, neben heiſe und heiſer)
heiƷ. hël, -lles. hêr. hôch. hol. holt, -des. junc, -ges. kalt,
-des. karc. -ges (tenax) klâr. kluoc, -ges. kranc, -kes.
kriſp krump. kunt, -des. kurc (oben ſ. 392.) kurz. lam.
lanc, -ges. laƷ. leit, -des. lerz (ſiniſter) liep. lieht. lîht.
lôs. lure (ſ. 392.) lût (ſonorus) mat, -ttes (corruptus)
mort (mortuus) nâch. naƷ. quëc, -ckes. quît (liber) raſch.
reit. -des (criſpus) bereit, -tes (paratus) rëht. riech
(rigidus) rôt. ſat, -ttes. ſcharpf. ſcharf. ſchart (denticu-
latus) ſchiech (fugax) ſchîn (evidens) ſêr. ſiech. ſîht. llaf
(enervis) ſleif (lubricue) ſlëht ſmal. ſnël, -lles. ſtarc, -kes.
ſtolz. ſtum, -mmes. ſûr. ſwach. ſwarz. ſwint, -des (fortis)
tief. tôt. toup. trût. tump. twërch. valſch. vêch. vil (mul-
tus) vlach. vol, -lles. vrat (ſaucius) vrëch. vriſch. vrom,
vrum (utilis) vruot. vûl. wan (inanis) wâr. warm. weich.
wëlc, -kes. ſinewël, -lles. wërt, -des. wît. wîƷ. wunt.
zam. zart (tener) zorn (iratus); compoſita mit -haft, -gërn,
-lìch, -lôs, -muot, -ſam, -valt. -vol. — 2) mit der vor-
filbe ge: gehant (manibus praeditus) gehâr (crinitus) gehaƷ
(odioſus) gehorn (cornutus) gelìch (aequalis) gelîp (corpore
compoſitus) gemâc (cognatis gaudens) gemâl (colore g.) ge-
man (ſubditis g.) gemeit (ſuperbus) gemuot (affectus animo)
gerat (velox Herb. 60c) gerëht (juſtus) gereit (paratus) geſit
(moratus) geſlaht (ingenitus) geſchuoch (calceatus) geſunt
(ſanne) gevriunt (amicis g.) gewar (cautus) gewis, -ſſes
(certus) gewon (aſſuetus) gezagel (caudatus) gezan (den-
[745]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte declination.
tatus) etc. — 3) bildungen mit -el, -en, -er, als: go-
gel (laſcivus) michel (magnus) eben (planus) eigen (pro-
prius) mager (macer) heiter (ſerenus) etc.; mit -în, als:
êrîn (aheneus) etc. — 4) mit -ic, -ec, -iges, -eges:
manic (multus) heilic (ſanctus). — 5) mit -iſch, -eſch:
irdiſch (terrenus) heideniſch (ethnicus) etc. — 6) mit -oht,
-ëht: bartoht (barbatus) etc. — 7) mit -et, ern: nacket
(nudus) nuechtern (jejunus). — 8) vocalauslautige: blâ
(coerul.) grà (canus) lâ (tepidus) gen. blâwes, grâwes, là-
wes; rô (crudus) vrô (laetus) gen. rouwes, vrouwes oder
rôs, vrôs; vrî (liber) gen. vrîges; rû (hirſutus) gen. rû-
hes. Die im alth. zweiſilbigen mit dem bildungsvocal
-o haben dieſen jetzt abgelegt, zeigen aber noch zu-
weilen -w im obliquen falle: kal (calvus) ſal (niger) val
(fulvus) gël (flavus) gar (paratus) -var, gevar (coloratus)
gen. kalwes, — varwes; zës oder zëſe kommt nicht vor,
nur die flectierte form zëſwer, der zëſwe. —
Anmerkungen: 1) den umlaut durch die flexion -iu
verurtheile ich, wie im alth.; keinen entſcheidungsgrund
gibt der reim, weil in ihm nach der obigen bemerkung
-iu nicht vorkommt. Die beſten und älteſten hſſ. müßen
alſo beobachtet werden. Unleugbar findet ſich in ihnen
bald elliu, bald alliu, nach der mundart einzelner dich-
ter. Wo aber elliu ſteht, iſt es das fortgeführte alth.
ellu und berechtigt zu keinem ermiu, ſwerziu, eltiu,
lengiu etc., dergleichen ſich in hſſ. des 14. jahrh. genug
zeigen. Noch tadelnswerther würde ein wæriu, rœtiu,
gröbiu, liutiu ſeyn. Vermuthlich führte auch die mis-
verſtandene analogie von hertiu, ſwæriu, neben dem nom,
maſc. hart, ſwâr (der ſich für herte, ſwære findet) zu
jenem unorg. ermiu, ſwerziu. — 2) ſyn- und apocope
des ſtummen e erfolgt nach den beim ſubſt. geltend ge-
machten regeln, nur ſind wegen der mehrſilbigkeit adjec-
tiviſcher flexion die fälle hier etwas verwickelter. Einſil-
big-lange wurzeln gehn nach dem hauptthema blint und
dahin gehören die meiſten adjectiva; ſie alle behalten den
vorderen flexionsvoc., ſtoßen aber den hinteren ab. Die
einſilbig -kurzen werfen den vorderen nach l und r be-
ſtändig aus [dahin: ſmal, hol, bar, gër (gir); vil iſt als
adj. höch ſelten und erſt bei ſpätern, z. b. meiſterg. 16b
der pl. gen. vilr; vielleicht kal, ſal, val, gël, gar, var,
inſofern ſie kein w einſchieben, welches in der regel ge-
ſchieht] nach m, n gilt ſchwanken [hierher: lam, gram,
-ſam, zam, vrum; wan, gewon, gezan, inſofern letz-
tere nicht indecl. ſtehen] nach andern conſ. weder ſyn-
[746]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte declination.
noch apocope [hierher bloß: grop]. Hingegen bleibt bei
allen einſilbigkurzen der hintere flexionsvocal nach dem
r und m. Die paradigmen *) lauten wie folgt:
| ſg. hol-r hol-iu hol-Ʒ | bar bar-iu bar-Ʒ |
| hol-s hol-re hol-s | bar-s bar-re bar-s |
| hol-me hol-re hol-me | bar-me bar-re bar-me |
| hol-n hol hol-Ʒ | bar-n bar bar-Ʒ |
| pl. hol hol hol-iu | bar bar bar-iu |
| hol-re hol-re hol-re | bar-re bar-re bar-re |
| hol-n hol-n hol-n | bar-n bar-n bar-n |
| hol hol hol-in | bar bar bar-iu |
der nom. ſg. m. bar ſteht für bar’r; im acc. ſg. fem.
und nom. acc. pl. m. f. fallen hol, bar mit dem flexions-
loſen hol, bar (= blint) zuſammen.
| lam-r lam-iu lam-Ʒ | grob-er grob-iu grob-eƷ |
| lam-s lam-re lam-s | grob-es grob-ere grob-es |
| lam-me lam-re lam-me | grob-eme grob-ere grob-eme |
| lam-en lam lam-Ʒ | grob-en grob-e grob-eƷ |
| pl. lam lam lam-iu | grob-e grob-e grob-iu |
| lam-re lam-re lam-re | grob-ere grob-ere grob-ere |
| lam-en lam-en lam-en | grob-en grob-en grob-en |
| lam lam lam-iu | grob-e grob-e grob-iu |
bei dichtern, welche name, ſwane ſt. nam, ſwan ſetzen
(ſ. 683.) wird auch lame, wane f. lam, wan gelten. —
Mehrſilbige bildungen mit -el, -en, -er gehen wenn
die wurzelſilbe kurz iſt, ganz nach blinder, wenn ſie
lang iſt nach holr, bar, lamer. Ich ſtelle bloß den ſg. auf:
| gogel-er | gogel-iu | gogel-eƷ |
| gogel-es | gogel-er | gogel-es |
| gogel-em | gogel-er | gogel-em |
| gogel-en | gogel-e | gogel-eƷ |
| ëben-er | ëben-iu | ëben-eƷ |
| ëben-es | ëben-er | ëben-es |
| ëben-em | ëben-er | ëben-em |
| ëben-en | ëben-e | ëben-eƷ |
| mager-er | mager-iu | mager-eƷ |
| mager-es | mager-er | mager-es |
| mager-em | mager-er | mager-em |
| mager-en | mager-e | mager-eƷ |
| michel-r | michel-iu | michel-Ʒ |
| michel-s | michel-re | michel-s |
| michel-me | michel-re | michel-me |
| michel-n | michel | michel-Ʒ |
| eigen-r | eigen-iu | eigen-Ʒ |
| eigen-s | eigen-re | eigen-s |
| eigen-me | eigen-re | eigen-me |
| eigen | eigen | eigen-Ʒ |
| heiter | heiter-iu | heiter-Ʒ |
| heiter-s | heiter-re | heiter-s |
| heiter-me | heiter-re | heiter-me |
| heiter-n | heiter | heiter-Ʒ |
der acc. ſg. maſc. eigen ſteht für eigen’n (wie die dat.
pl. meiden, îſen ſ. 668. 680. für meiden’n, îſen’n) ähnlich
iſt die kürzung des heiterre in heiter, z. b. M. S. 1. 147a in
vinſter naht. — Adj. auf -în, wie êrîn, îſenîn (ferreus) gehen
nach blinder, folglich: êrîner, gen. êrînes, dat. êrînem; ſo-
bald aber ein unbetontes -in entſpringt (oben ſ. 368.), decli-
[748]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte u. zw. decl.
nieren ſie gleich denen mit der bildung -en, doch mit
zuweilen rückkehrendem tiefton auf den bildungsvocal
bei langer wurzel (ſ. 373.), z. b. gleſin (vitreus) macht
gleſiner, gleſines, gleſinem; aber hürnin, hürnìner oder
hürninr, dat. hürnìneme. Ebenſo ſind die auf -ic, -ec
zu beurtheilen; maneger geht wie ëbener; heilìger wie
grober, jenes macht den dat. ëbenem, dieſes heilìgeme.
Die auf -iſch declinieren wie blinder, ſyncopieren aber
oft den bildungsvocal (z. b. tiutſchiu, heidenſchiu) wel-
ches, als der flexion fremd, nicht hierher gehört. —
3) die dritte anm. zur alth. erſten decl. iſt auch hierher
bezüglich; man findet nicht ſelten: hart, milt, zier, ſwâr,
wîs, klein, rîch, gemein u. a. m. ſtatt herte, milte, ziere,
ſwære, wìſe, kleine, rîche, gemeine; meiſtens iſt das eine
oder das andere der mundart verſchiedener dichter an-
gemeßen und dem einen bereit, dem andern bereite etc.
geläufig. — 4) erloſchene adj. ſind aus adverbien zu
ſchließen, z. b. aus kûme, lîſe.
die flexionen ſind gänzlich zur erſten decl. übergegangen
und wörter der zweiten nur in ihrem flexionslolen zu-
ſtande, wo das bildungs -e vortritt, zu erkennen.
1) blìde, blœſe. bœſe (pravus) dihte (ſpiſſus) dicke.
dræte. dünne. dürre. enge. gæbe. gæhe (praeceps) gîte (avi-
dus, gewöhnlicher gîtic) grimme (Wigal. 283.) gruene. hæle.
herte. hœne. irre. kiuſche. kirre (cicur) kleine. kuele. kuene.
lære. linde. mære. milte. mitte (medius) muede. næhe (vi-
cinus) niuwe. nütze. œde. ræhe (raucus) ræƷe. reine. rîfe.
rîche. ringe. röſche (aſper, troj. 44b) ſchœne. lanc -ſeime
(tardus) *) ſeine (tardus) ſenfte. ſmæhe. ſnœde (vilis) ſpæhe.
ſpæte. ſpitze (acutus, meiſtens ſpitzic) ſtæte. ſtille. ſtrenge.
ſueƷe. ſwære. tenke (ſiniſter) tiure. træge. truebe. veige.
veile. veſte. viuhte. vlücke. wæge (utilis, favens) wæhe. wære
(certus) wilde. wîſe. wueſte. zæhe. — 2) gebære (aptus) ge-
hiure. gelenke (agilis) gemæge (cognatus) gemæƷe (commo-
dus) gemeine. geminne. genæme (acceptus) genœte (curio-
ſus) geſchîde (? muſ. 1, 70.) geſinne (ingenioſus) geſippe
[749]II. mittelh. ſchwach. adject. erſte u. zw. decl.
(cognatus) getriuwe. gevære (doloſus) gevuege. gewære (ve-
rax) gezæme (decens) u. a. m. — 3) biderbe. behende
(promptus) bereite (paratus) ellende (alienus) lancræche
(vindictam diu ſervans) nâchræte (inſidioſus) alwære (ſim-
plex) ſëltſæne (rarus) unwæne (inexſpectatus) vierecke etc.
— 4) edele. vrevele. vremede. mürwe (tener). —
Anmerkungen: 1) umlaut bei ſeiner fäbigen wurzeln
iſt hier nothwendig durch alle caſus hindurch. — 2) ſyn-
und apocope geſchieht wie in der vorigen decl., ereig-
net ſich hier aber kaum, da die unter 1. aufgezählten
adj. keins mit kurzer wurzel gewähren; edeler, vreve-
ler gehen wie gogeler. Zuweilen wird tiure in tiuwer
erweitert und decliniert dann wie heiter, gen. tiuwers,
tiuwerre. — 3) vom ſchwanken in die erſte decl. dort
in der dritten anm.; unterſchiede der bedeutung zwi-
ſchen nâch und næhe; gâch und gæhe etc. wird erſt
das folgende buch auseinanderſetzen. Mit dem über-
gang in die erſte decl. iſt rückumlaut verbunden, z. b.
hart, ſwâr ſt. herte, ſwære; wird in der metriſchen
ſcanſion ein vocal elidiert, ſo bleibt hingegen der um-
laut. vgl. “hert und wîƷ” Parc. 56b. “kuen und balt,”
“ſchœn und hêr” Nib. Auch zeigt der umlaut, daß jene
übertritte in die unumlautige form erſter decl. nur den
unflectierten fall betreffen, d. h. man wird zwar hart,
ſwâr etc. finden, aber kein hartes, hartem, harten, ſon-
dern immer hertes, hertem, herten; vgl. das goth. und alth.
1) blinde, blinde, blinde folgen ganz der ſubſtantiven
flexion: haſe, zunge, hërze. — 2) auch die regeln über
das ſtumme e bleiben die nämlichen; die ſchwache
form hol, bar, lam (oder lame) ſtimmt demnach zu
kol, ar, nam (ſ. 683.); grobe geht wie blinde *). Eben-
ſo bei den mehrſilbigen, es heißt: gogele, ëbene, ma-
gere; gen. gogelen, ëbenen, mageren etc. allein: michel,
eigen, heiter, gen. micheln, eigen, heitern. — 3) die wör-
ter gemâl etc. (oben. ſ. 743.) bleiben auch bei vorſtehenden
artikel meiſt unflectiert; merkwürdig ſteht: der arem, dem
arem für: der arme, dem armen Parc. 140b Kolocz 165. 180.
[750]II. mittelniederl. ſtarkes adjectivum.
4) gewiſſe adj. ſind nur in ſchwacher form üblich, z. b.
zage (ignavus) eine (ſolus) etc. auch âne (expers) gerade
(par) Triſt. 122a ſcheint gern ſo zu ſtehen.
die flexion ganz wie in erſter, doch gilt kein rückum-
laut in umlautbaren, alſo: herte, herte, herte, nicht:
harte. Der umlaut war eingewurzelt.
auch hier enthalte ich mich der aufſtellung; nur das iſt
mit ſicherheit anzunehmen, daß die dem mittelh. -er
und -eƷ analogen flexionen des nom. ſg. maſc. neutr.
-er, -et längſt verloren ſind; es gilt lediglich das un-
flectierte blind, blind. Dem nom. ſg. fem. und pl. neutr.
hingegen ſteht kein -iu, ſondern -e zu.
| ſg. blint | blint | blint |
| blind–es | blind–re | blind–es |
| blind–en | blind–re | blind–en |
| blind–en | blind–e | blind |
| pl. blind–e | blind–e | blind |
| blind–re | blind–re | blind–re |
| blind–en | blind–en | blind–en |
| blind–e | blind–e | blint |
1) dem. nom. ſg. fehlt alle flexion und in der wortſtel-
lung können auch die übrigen caſus ohne flexion ge-
ſetzt werden. — 2) der dat. ſg. maſc. und neutr. hat
niemahls -em, ſondern wie im pl. comm. -en. Im ſg.
maſc. fallen demnach dat. und acc. zuſammen. — 3) der
gen. dat. fem. und gen. pl. comm. ſchwankt zwiſchen
-er und -re (ſtatt -ere); nur regeln ſich die fälle weni-
ger nach der langen oder kurzen wurzelſilbe (wie im
mhd.) als nach der natur anſtoßender conſonanzen. So
ſtehet -re nach n, nd, als: coenre, rênre, blindre etc.;
-er nach d, t, g, k, cht etc., als: goeder, langher,
ſtaerker, rechter. Nähere prüfung wird hierüber genaue-
res ausmitteln. — 4) adj. zweiter decl. ſind am -e zu
erkennen, das ſie unflectiert an ſich tragen, z. b. dinne
[751]II. Neuhochd. ſtark. adject. erſte declination.
(tenuis) ghemicke (commodus) clêne (parvus). Viele
haben es abgelegt, z. b. onghehier (immanis). Umlaut
tritt gar nicht ein. — 5) das wichtigſte wäre, alle adj-
dieſer mundart vollſtändig zu verzeichnen; ihr reich-
thum gewährt manche, die im mittelh. ausgegangen ſind,
z. b. blaer (inanis, miſer).
| ſg. blind-e | blind-e | blind-e |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| pl. blind-e | blind-e | blind-e |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-e | blind-e | blind-e |
bemerkenswerthe abweichung von der ſchwachen ſubſt.
decl. (ſ. 692.); unſicher bleibt mir der gen. pl., da die-
ſer caſus kaum vorkommt, ſondern wie in der ſtarken
form umſchrieben zu werden pflegt. Es würde alſo in
den übrigen caſibus, wenigſtens maſc. und fem., ſtarke
und ſchw. decl. zuſ. fallen.
ganz inflexibel; verzeichniſſe mit unterſcheidung aller
derer, welchen das bildungs -e gebührt, gehören dar-
um nicht in gegenwärtiges buch.
| ſg. blind-er | blind-e | blind-es |
| blind-es | blind-er | blind-es |
| blind-em | blind-er | blind-em |
| blind-en | blind-e | blind-es |
| pl. blind-e | blind-e | blind-e |
| blind-er | blind-er | blind-er |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-e | blind-e | blind-e |
1) neben den flexionen gilt ein unflectiertes blind in
dem nom. acc. ſg. und pl. für alle geſchlechter; nicht
[752]II. neuhochd. ſtarkes adject. erſte declination.
mehr in dem gen. dat., höchſtens als dichteriſche licenz;
das nähere in der ſyntax. — 2) das mittelh. -iu hat
ſich verloren. — 3) das mittelh. -eƷ erſt in -eß, end-
lich in -es verkehrt, ſo daß nom. acc. neutr. ſonderbar
mit dem gen. zuſ. fallen; nur gemeine mundarten un-
terſcheiden das weichere -eß von dem ſchärferen geni-
tiven -es (oben ſ. 527. vgl. Schmeller p. 145. 225.). —
4) gen. dat. f. und gen. pl. comm. zeigen einförmig -er
(unten anm. 2.).
1) einfache: all. arg. arm. bâr. blank. blau. blind.
bloß. braun, breit. bunt. dick. dumm. dünn. dürr eng. fâl.
falſch. faul. feig. feil. fein. fett. flach. voll. frech. frei.
fremd. friſch. frôh. fruͤh. fromm. ganz. gàr (coctus) geil.
gelb. gern. grâm. grau. grimm. greis. grell. grôb. grôß.
gût. gruͤn. halb. hart. heil. heiß. hell. hêr. hôch. hold.
jung. kàl. karg. klàr. klein. klûg. kraus krumm. kuͤl.
kund. kurz. lâm. lang. laß. lau. laut. leicht. leid. lêr.
licht. lieb. lind. lôs. matt. mild. nâh. naß. neu. plump.
quitt. raſch. rauh. recht. reich. reif. rein. bereit. rôh.
rôt. rund. ſanft. ſatt. ſcharf. ſchêl. ſcheu. ſchief. ſchlaff.
ſchlank. ſchlecht. ſchlimm. ſchmâl. ſchnell. ſchœn. ſchwach.
ſchwarz. ſchwêr. ſchwuͤl. ſeicht. ſiech. ſpæt. ſpitz. ſtark.
ſteif. ſteil. ſtill. ſtraff. ſtolz. ſtreng. ſtumm. ſtumpf. ſuͤß.
taub. teig. tief. tôdt. traut. treu. vîl. wach. wâr. warm.
weiß. weit. welk. werth. wild. wuͤſt. wund. zâm. zart.
zwerch; ſodann comp. mit -haft, -lich, -ſam,
-feſt etc. — 2) mit der vorſilbe ge: gleich. gemein.
gemûth. angenêm. bereit. gering. geſchwind. geſund. ge-
wis etc. — 3) bildungen mit -el, -en, -er: eitel,
dunkel. eigen, hager etc. ſauer und theuer gehören jetzt
unorganiſch hierher (oben ſ. 697.) — 4) mit -ig: êwig,
rûhig, ſinnig etc. — 5) mit -iſch: hœfiſch, närriſch, ir-
diſch etc. — 6) mit -icht: ſteinicht etc. — 7) mit -t:
feißt, nackt.
Anmerkung: 1) die flexion -e ſtatt des mittelh. -iu
zeugt keinen umlaut, namentlich heißt es nur alle,
nicht elle. — 2) hinſichtlich der ſyn- und apocopen
zeigt die ſprache keine conſequenz α) bei den langge-
wordenen, ehdem einſilbigkurzen, hören ſie natülich
auf, es heißt, hôl, bâr, làm; hôles, hôle etc. β) da-
für ſollten ſie bei allen mehrſilbigen eintreten und ſo
gut es heißt gen. engels, fingers, rêgens, êbers, pl. en-
gel, finger, êber etc. müſte ein gen. dunkels, heiters,
êbens, mâgers; pl. dunkel, heiter, êben, màger ſtattfin-
den. Allein dieſe wörter behalten ſämmtlich das e und
[753]II. neuhochd. ſchwaches adjectivum.
gehen wie blinder, alſo: dunkeler, mâgerer, dunkeles,
mâgeres, fem. dunkeler, magerer; pl. dunkele, mâgere;
der einzige acc. ſg. maſc. und dat. pl. kann noch ſyn-
copieren: dunkeln, mâgern, heitern, neben dunkelen,
mâgeren, heiteren. Lieber werfen die übrigen caſus das
bildungs -e weg: dunkler, êdler, mâgrer, êbner, dunk-
les etc. wodurch dann freilich das flexions -e gerechtfer-
tigt wird; im acc. ſg. maſc. und dat. pl. ſtehet ungut
dunklen, êdlen, mâgren, und beßer dunkeln, êdeln, mâ-
gern; bei denen auf -en gilt jedoch êbnen neben êbe-
nen. Hiernach kann man ſich leicht paradigmen zuſ.
ſetzen. Übrigens ſtimmt die unorg. entfaltung dieſer
decl. zu dem ſ. 700. angeführten ſubſt. êbne, bittre oder
êbene, bittere. — 3) der augenſchein lehrt, daß viele
der angegebenen adj. das urſprüngliche bildungs -e ab-
geſtoßen haben und vordem zur zweiten decl. gehörten,
namentlich: dick, dünn, dürr, feil, fruͤh, gruͤn, hart,
klein, kuͤl, lind, mild, gemein, neu, reich, rein, ſanft,
ſchœn, ſtill, ſuͤß, treu, wild, wuͤſt; ebenſo die bildun-
gen bieder, êdel, behènd, albern, nüchtern etc. Um-
lautbare verräth meiſtens der gebliebene umlaut; fehlt
auch er (wie in hart, ſanft) ſo geſchah der übertritt
früher.
das bildungs -e erhält ſich nur im unflectierten fall we-
niger wörter, die ſprache hat es, wie ſo eben gezeigt
wurde, in den meiſten allmählig verloren, und wird es
auch in den folgenden mit der zeit ablegen: blœde. bœſe.
enge. jæhe. irre. kirre (cicur) muͤde. œde. ſchnœde.
træge. weiſe. zæhe. — Alle flexionen gleichen denen er-
ſter decl.
paradigma wie im mittelh., mit der einzigen wichtigen
abweichung, daß der acc. ſg. fem. dem nom. gleichlau-
tet: die blinde ſt. die blinden. Das ſtimmt zwar zum
acc. ſg. zunge ſt. zungen, allein der ſubſt. gen. dat. hat
ebenfalls zunge, während hier das adj. die ſchwache
form läßt: der blinden. Das unfolgerechte fällt in die
augen. — Die kürzung der mehrſilbigen iſt nach anm. 2.
zur erſten ſt. decl. zu beurtheilen, nämlich der nom. ſg.
aller geſchl. ſammt dem acc. ſg. fem. neutr. kürzen
entw. gar nichts: dunkle, êbene, mâgere, heitere,
ſauere etc. oder den bildungsvocal: dunkle, êbne, ſaure etc.
B b b
[754]II. ſchwediſches adjectivum.
Die übrigen caſus, folglich alle mit der flexion -n
dürfen (wie dort der acc. ſg. maſc. und dat. pl.) den
flexionsvocal ſyncopieren: dunkeln, mâgern, heitern,
ſauern, (nicht dunklen, mâgren, ſauren, heitren,) oder
auch ſtehn laßen: dunkelen etc. Die auf -en thun entw.
letzteres (êbenen) oder werfen das e der flexion aus
(êbnen).
ſtarke und ſchwache form fließen, wie beim ſubſt., un-
tereinander:
| ſg. blind-e | blind-e | blind-e |
| blind-en | blind-e | blind-en |
| blind-en | blind-e | blind-en |
| blind-en | blind-e | blind-e |
| pl. blind-e | blind-e | blind-e |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-en | blind-en | blind-en |
| blind-e | blind-e | blind-e |
die angenommenen genitivformen dürften jedoch kaum
gebräuchlich ſeyn, dieſer caſus wird meiſtens umſchrie-
ben und nur die edle ſchreibart ſetzt in gewiſſen fällen
einen alterthümlichen gen. ſg. blindes, blinder, blindes;
pl. blinder. Zuweilen ſteht im nom. ſg. ein unflectier-
tes blind.
Im ſg. ſtarker form iſt die flexion geſchwunden, außer
daß dem neutr. -t zugefügt wird, welches deun auch
im gen. und dat. bleibt. Maſc und fem. fallen unter
ſich und für alle caſus flexionslos zuſammen; der altn.
umlaut, welcher bei wurzeln mit a das fem. unterſchei-
det, mangelt gänzlich. Jenes neutrale t tritt hinzu, un-
erachtet die wurzel auf d, t, nd, rd, 11 auslautet, z. b.
gôd -t (bonum) tät -t (denſum) hvît -t (album) blind -t
(coecum) hård -t (durum) kall -t (frigidum), da, wo
ſie mit -tt, lt, rt, ſt ſchließt, bleibt das neutr. t weg
und in ſolchen wörtern lauten alle geſchlechter übereins,
z. b. blott (nudum) halt (claudum) *) kort (breve) faſt
[755]II. ſchwediſches adjectivum.
(ſirmum) etc.; adj. auf -ms, -rs laßen es gleichfalls
weg, z. b. ſams (concors) varſe (cautus). Vocaliſch aus-
lautende hingegen geben dem neutr. -tt ſtatt -t: blått
(coeruleum) frîtt (liberum) nŷtt (utile) rått (crudum) etc.
bildungen mit -en ſtoßen das n vor dem t aus: lîten
(parvus) lîtet (parvum) êgen (proprius) êget (proprium)
nicht lîtent, êgent. Bildungen mit -el, -er, -ig, -iſk etc.
bekommen das neutrale -t. — Der plur. aller adj. wird
zwar flectiert, hat aber durchgehends ſchwache form
angenommen, man müſte denn für einen reſt der ſtar-
ken halten, daß das maſc., wie es ſcheint willkürlich,
blinde neben blinda lauten darf.
Die ſchwache form iſt leicht zu faßen: im ſg ha-
ben alle caſus des maſc. -e, alle des fem. und neutr.
-a; im pl. alle caſus aller geſchlechter -a; folglich:
blinde, blinda, blinda; pl. blinda, blinda, blinda. Aus-
nahmsweiſe, wenn das adj. ſubſtantiviſch ſteht, gilt
noch der alte gen. ſg. maſc. blindes und pl. blindas (ſ.
anm. 2.). Mehrlilbige ſyncopieren den bildungsvocal,
z. b. gamle, gamla; îdle, îdla; ègne, êgna; bittre, bit-
rra ſt. gammale, gammala; îdele, îdela etc. —
Anmerkungen: I) einige adj. haben die ganz in-
flexible endung -a, als: ringa (levis) ſtilla (quietus) äkta
(legitimus) etc. 2) noch vor einigen jahrh. galt ſtatt der
heutigen abgeſchliffenen nachſtehende decl., die ich um
ſo mehr anführe, als ſie in der bibelüberſetzung größ-
tentheils befolgt iſt:
| ſg. blind-er | blind | blind-t |
| blind-s | blind-s | blind-s |
| blind-om | blind-e | blind-o |
| blind-an | blind-a | blind-t |
| pl. blind-e | blind-a | blind |
| blind-es | blind-as | blind-es |
| blind-om | blind-om | blind-om |
| blind-e | blind-a | blind |
und die ſchwache form lautete
| ſg. blind-e | blind-a | blind-a |
| blind-es | blind-as | blind-as |
| blind-e | blind-a | blind-a |
| blind-e | blind-a | blind-a |
| pl. blind-a | blind-a | blind-a |
| blind-as | blind-as | blind-as |
| blind-a | blind-a | blind-a |
| blind-a | blind-a | blind-a |
Vom ſg. ſtarker form gilt im ganzen was über das
ſchwed. adj. geſagt worden iſt. Das neutrale t unter-
bleibt bei den wurzeln mit -t (welches für -tt ſteht,
oben ſ. 564.) und -ſt, als: let (leve) tet (ſpiſſum) brat
(praeceps) faſt (firmum); bei denen mit -d, -ſk ſteht es
bald, bald nicht, alſo glâd (laetum) raſk (velox) etc.
neben glâdt, raſkt, gôdt (bonum) ondt (malum). Auch
die auf -es machen das neutr. dem maſc. gleich, z. b.
länds, läns (vacuum) fälleds, fälles (commune). Vocal-
auslautige nehmen t (für tt) an: blaat (coeruleum) nŷt
(novum); doch trô, blŷ, ſkŷ bleiben unverändert. Mehr-
ſilbige bildungen -en werfen das n aus: lîden, lîdet;
êgen, êget ſt. lîdent. êgent, wiewohl einige wörter
ſchwanken, z. b. nœgent und nœget (nudum). — Der
pl. endigt überall auf -e, wie in der ſchwachen form.
Dieſe hat -e im ſg. und pl. aller geſchlechter und für
alle caſus: blinde, blinde, blinde; mehrſilbige auf -el,
-en, -er ſyncopieren, z. b. gamle, nœgne, magre ſt.
gammele etc. — Anmerkungen: 1) einige adj. auf -e
bleiben völlig unverändert, z. b. ringe, bange (timidus). —
2) die altdäniſche ſprache zeigt ſpuren vollkommnerer
flexion, namentlich den nom. ſg. maſc. auf -er, gen. -s,
acc. -en etc.
Von der ſteigerung des poſitivs zum comparativ und ſu-
perlativ wird im dritten buche rede ſeyn; hierher ge-
hört bloß eine bemerkung über die declination der bei-
den höheren grade. Der ſuperlativ iſt in allen deutſchen
mundarten beider der ſtarken und ſchwachen form fä-
hig; der comparativ hingegen nach der älteren, organi-
ſchen einrichtung nur der ſchwachen und nicht der
ſtarken. Erſt ſpäterhin drängt ſich auch die letztere ein.
Die comparative decl. erfordert folgende nähere unter-
ſuchung
Es iſt hier wiederum nur von der declination der zah-
len, nicht von ihrer bildung und zuſ. fügung die rede.
regel: alle cardinalien declinieren entw. gar nicht, oder
ſtark (bald adjectiviſch, bald ſubſtantiviſch); niemahls
ſchwach.
Das einfache neutr. hund (centum) pl. hunda be-
gegnet weder im goth. noch hunt, pl. hunt im alth.,
ſondern ſtatt ſeiner wie geſagt taíhuntêhund, zëhan-
[764]II. declination der ordinalien.
zoc. Weitere hunderte werden aber mit hunda gebil-
det, als: tvahunda, dat. tváimbundam; þrijahunda; fimf-
hunda; niunhunda. Alth. zueihunt, driuhunt, niunhunt,
(N. hat ſelbſt neben zênzëch 89, 4. einhunt 89, 5.) — an-
gelſ. tvâhund, þrëóhund etc. altſ. — (nach dem eſſener fr.)
hundered oder hunderod — altn. hundradh (neutr.) tvö-
hundrudh etc. — mittelh. hundert, zweihundert, driu-
hundert etc.
Das goth. þûſundi iſt ein weibl. ſubſt. und decli-
niert nach ſ. 603; ebenſo das altn. þûſund, pl. þûſundir
in früheren quellen, ſpäterhin wird es neutral. Das alth.
dûſunt (nicht tûſunt) war vielleicht auch weiblich, ob-
gleich thûſuntin (millíbus) T. 67, 14. und thûſonton O.
III. 6, 8. nicht entſcheiden; O. IV. 17, 34. wohl thûſunt
filu managu ſt. managa zu ſetzen, der acc. ſg. fem.
würde nicht paſſen. Mittelh. iſt tûſent entſchiedner pl.
neutr., daher zwei-, driu -tûſent etc. Auch das angelſ.
þùſend, gen. þûſendes, pl. þûſenda.
regel: alle ordinalien declinieren ſchwach (und zwar
in den ſprachen, wo die ſchwache form des ſubſt. von
der adjectiven abweicht, adjectiviſch); ausnahmen: 1) die
ordinalzweizahl, welche ohnedem nicht aus der cardi-
nalis gebildet wird, ſondern eine beſondere wurzel hat,
decliniert ſtark und nicht ſchwach; goth. anþar, anþara,
anþar (im maſc. weder anþars, noch im neutr. anþa-
rata); alth. andar und andarêr, fem. andaru, nt. andar,
andaraƷ; altſ. othar: angelſ. oþer; — altn. annar, ön-
nur, annat (ſt. annart), beginnt die flexion vocaliſch,
ſo wandelt ſich das nn in dh, alſo: gen. annars, annar-
ra[r], annars; dat. ödhrum, annarri, ödhrum; acc. annan
(ſt. annarn) adhra, annat; pl. adhrir, adhrar, önnur;
gen. annarra; dat. ödhrum; acc. adhra, adhrar, önnur. —
mittelh. ander, anderiu (enderiu Parc. 75c verwerflich
nach ſ. 74 [...].) anderƷ und ander; decliniert wie heiter,
alſo im acc. fem. ſg. und nom. acc. plur. maſc. fem.
ander; häufig ſteht aber das unflectierte ander auch für
den nom. fem. ſg., nom. acc. pl. neutr., gen. dat. fem.
gen. pl. comm. (ſt. anderre) vgl. Barl. 34. ein ander
wëlt; daſ. 342. der ander (aliorum). — Die neuh. und
niederländ. ſprache bildet die unorg. ord. zahl zweite,
twêde und beſchränkt ander auf den begriff von alius;
auch kann es ſtark und ſchwach declinieren. Die ſchwed.
[765]II. declination der zahlwörter.
und dän. ſind dem organiſmus treu geblieben, nur de-
cliniert die ſchwed. ordinal. andre ſchwach, während
das ſtarke annar, annor, annat die bedeutung von alius
a, um bekommt; im dän. gilt für beide fälle; anden. —
2) die neuh. ſprache theilt den ordinalien, wie den
comparativen, neben der ſchwachen auch ſtarke form zu.
Die diſtributivzahlen declinieren ſtark, ſind aber in den
meiſten mundarten unvollſtändig. Am vollſtändigſten im
altn. wo die diſtributive einzahl einn (unus) im acc. ſg.
maſc. einan und nicht einn bekommt; tvennr (binus)
þrennr (ternus) fërn (quaternus) gehen regelmäßig und
haben im nom. pl. tvennir, tvennar, tvenn etc. Schwed.
dän. nur die pl. maſc. fem. tvenne, trenne; tvende,
trende. Im goth. und hochd. ſcheint das bei den card.
angegebene tveihnôs (binae) tveihndim (binis) und zuènê
(bini) urſprünglich diſtributiv geweſen zu ſeyn. — Für
ἀμφότεροι hat der Gothe bái, neutr. ba, dat. báim, welche
formen einen nom. fem. bôs (ambae) acc. bans, bôs, ba
und gen. baijê nach ſich ziehen; allein daneben gilt
noch ein ſubſtantiviſches bajôþs, dat. bajôþum, ver-
gleichbar mit mênôþs (ſ. 610.), folglich im gen. bajôþê,
acc. bajoþs. Dieſer goth. bildung ähnlich, aber adjecti-
viſch declinierend ſind die alth. formen pêdê, pêdô,
pêdju (pêdu) gen. pêdêrô, dat. pêdêm, entſprungen aus
einem früheren pêôdê etc. oder peiôdê, wie ſich zuwei-
len im neutr. beidu ſt. bêdu findet. Die einfache ge-
ſtalt pênê, pô, pei (nach analogie von zuêne, zuô, zuei)
mangelt gänzlich. Dafür beſteht im angelſ. das einfache
bêgen, bâ, bâ (nach tvêgen, tvâ, tvâ) gen. bêgra, dat.
bâm und daneben ein componiertes bâtvâ (nicht aber
das maſc. bêgentvêgen) dat. bâmtvâm. Die altn. form
bâdhir, bâdhar, bœdhi (? bœdhi) gen. beggja, dat. bâdhum,
acc. bâdha, bâdhar, bœdhi nähert ſich mehr der alth., ab-
geſehen vom gen., welcher dem tveggja, þriggja, folg-
lich dem alth. zueiô, drijô gleicht und ein alth. peiô,
pejô ſtatt pêdêrô fordert. Das einfache beir, bœr, bö
iſt auch hier nicht zu ſpüren. Mittelh. gilt das adjec-
tiviſche bêde, bêde, bêdiu gen. bêder, dat. bêden neben
beide, beide, beidiu, gen. beider, dat. beiden; neuh.
nur beide. Schwed. både, gen. bägge; dän. baade,
begge, doch wird heutzutage der gen. auch für den
nom. gebraucht und baade auf das adv. beſchränkt.
In den gothiſchen denkmählern begegnen nur undeutſche
eigennamen, welchen Ulphilas die deutſche flexion, ſo
gut es gehet, anpaſt; überall ſubſtantiviſche.
Griech. und lat. denkmähler haben uns umgekehrt
viele goth. eigennamen bewahrt, die ſich aus der frem-
den flexion in die reingothiſche zurückführen laßen.
Starke maſc. erſter decl. wären z. b. alareiks, gibaimêrs
valahrabans (gen. valahrabanis) und aus den goth. ur-
kunden viljariþ, alamôds, guþiliubs; zweiter hingegen
raginareis, vakis (gen. vakjis, dat. vakja); dritter ſtar-
ker z. b. die mit -mundus gebildeten, als rêkimundus,
gunþamundus, gen. rêkimundáus etc. wenn man der
altn. analogie trauen darf, vielleicht die mit -friþus, in
welchem fall die goth. urkunde vinjáifriþas für vinjái-
friþus verſchrieben hätte; ſchwache maſc. ſind häufig:
attila, ſvinþila, mêrila, vamba, tulga (gen. tulgine) etc. —
Der alth. ſtarken decl. der eigennamen kennzeichen
iſt, daß ſie den acc. ſg, maſc. auf -an, ganz adjectiviſch
bildet und dadurch vom nom. unterſcheidet. So z. b.
bekommen die nom. hludowig, hartmuot, werinpraht
den acc. hludowigan, hartmuotan, werinprahtan; eben-
ſo fremde, z. b. petrus, zacharias den acc. petruſan,
zachariaſan. Ja dieſen acc. empſangen ſelbſt perſönliche
ſubſt. wie kot, man, truhtîn (oben ſ. 613. anm. 1.) oder
perſonificierte, wie polâri (ſtella polaris) acc. polâran
O. V. 17, 62. Was die einzelnen declinationen betrifft,
ſo fallen die erſte und vierte im ſg. zuſammen, gen. -es,
dat. -a (ſpäter -e) alſo: hartmuot, hartmuotes, hart-
muota (hartmuote) hartmuotan; petrus, petruſes, pe-
truſa (petruſe) petruſan. Die zweite decl. zeigt ſich in
dem nom. auf -i urkundlicher eigennamen, z. b. heſſi,
nebi; anderer auf -ari als kundahari, oder mit -wini
gebildeter, z. b. ëparwini, obgleich die frühſten diplome
bereits ëparwin haben. Spuren der dritten würden in
bildungen mit -muntu, -vridu zu ſuchen ſeyn, z. b.
ſikimuntu, gen. ſikimuntes, dat. ſikimuntju, acc. ſiki-
muntan; ſikivridu, ſikivrides, ſikivridju, ſikivridan; doch
fehlen mir belege, da in den älteſten diplomen entw.
die lat. endung -mundus, -fridus (zuweilen -fritus
z. b. liutfritus Neug. n° 19.) oder -mund und -frid,
kein -mundu, -fridu erſcheint. Fremde namen wie
petrus, iacobus bringen alth. ſchriftſteller natürlich nicht
[768]II. declination der eigennamen.
in dieſe, ſondern ſtets in die erſte decl. zuweilen aber
mit weglaßung der latein. endung, z. b. chriſt, gen.
chriſtes, acc. chriſtan und nicht chriſtus, chriſtuſes,
chriſtuſan, während petrus, iohannes, herodes: petru-
ſes, iohanneſes, herodeſes bilden. — Mannsnamen
ſchwacher form ſind häufig und unbedenklich, z. b.
prûno, gen. prûnin, dat. prûnin, acc. prûnun; ebenſo
poto, kêro, wilichomo und alle auf -ilo, als: ezilo etc. —
Bei alth. weibsnamen läßt ſich die ſtarke flexion nicht
belegen, aber muthmaßen. Zur erſten decl. zähle ich
z. b. die mit -rûna, -wara gebildeten, als hiltirûna, vri-
durûna, hiltiwara, vriduwara, gen. hiltirunô, hiltivarô;
vielleicht auch die mit -hilta z. b. prunihilta, gen. pru-
nihiltô, obſchon eine urk. von 817. (Neug. n° 192.) be-
reits den nom. prunnihilt nach vierter decl. gibt. Da
die mehrzahl weibl. namen der vierten zufällt, werden
ſolche übertritte begreiflich; zu dieſer vierten gehören
bildungen mit -lint, -rât, -kunt, -vlât, -louc, -trût, z. b.
ôſtarlint, gen. dat. ôſtarlintî, acc. ôſtarlint. Lateiniſch
pflegen dieſe namen meiſtens die endung -is zu em-
pfangen, jene erſter decl. hingegen -a, doch iſt ſich
darauf nicht zu verlaßen. Die ſchwache weibl. decl. be-
greift außer fremden namen wie maria, eva (gen. ma-
riûn, evûn) viele einheimiſche, z. b. përahta, uota, he-
liſpa etc. deren gen, përahtûn, uotûn zuweilen zuſ. ge-
ſetzte ortsnawen darbieten; der gen. mariûns T. 4, 2 iſt
mir verdächtig.
Über altſächſ. namen läßt ſich kaum urtheilen,
doch mag ihre decl. wenig von der alth. abweichen, na-
mentlich findet der acc. maſc, auf -an ſtatt, z. b. hero-
deſan. — Im angelſ. folgen der erſten ſt. männl. decl.
älfred, cëolmund, ânlâf, vulfſtàn, hrôdgâr, hëorogâr,
bëóvulf, däg-hräfn, grindel, hengeſt und unzählige an-
dere. Der zweiten ine, hedde und bildungen mit -vine,
-here, als: eádvine, cudhvine, äſchere, älfhere, vulfhere.
Keine nach dritter und vierter (vielleicht hëalfdene?
Beov. 7. 81.) auch keine ſpur eines adjectiviſchen acc.
maſc. auf -ne, vielmehr ſind ſich acc. und nom. überall
gleich. Schwache maſc. häufig z. b. offa, ſibba, penda, fitela
erc. gen. offan, fitelan. Fem. erſter ſt. decl. ſcheinen ſelten,
doch ſteht im Beda p. 325. begu; die meiſten declinieren
nach der vierten, namentlich die mit -burh, flæd, ſviþ etc.
Schwache fem. ſind z. b. eve, marie, gen. evan, marian.
Fremde namen behalten in den übertragungen gern die
fremde flexion bei, z. b. auguſtinus, johannes, acc. au-
[769]II. declination der eigennamen.
guſtinum, johannem, am erſten wird der dat. deutſen
geſetzt, z. b. pilate, jacobe, herode. —
Altnordiſche quellen geben über die decl. der ei-
gennamen hinlänglichen aufſchluß: 1) maſc. erſter ſtar-
ker: aſkr, âlfr, ërpr, þôr, freyr, reginn, egill, ſammt
unzähligen andern einfachen ſowohl als gebildeten;
gen. aſks, âlfs, ërps, þôrs, freys, regins, egils; dat.
aſki, âlfi, ërpi, þôr, frey, regni (? ragni) agli. Die auf
-ar als: gunnar, ſigar entſprechen dem alth. -hari nach
zweiter decl. (kundahari, ſikihari) und ſyncopieren im
dat. das a nicht, gunnari, ſigari, während das dem
alth. -ar gleiche -ar ſyncopiert wird (hamar, dat.
hamri) — 2) zweiter ſtarker: brîmir, hœnir, grîpir,
mîmir, fâfnir, hamdhir, ſkirnir etc. gen. brîmis, dat.
und acc. brîmi. 3) dritter ſtarker: hâkon, hâlfdan,
magnus (dieſe drei ohne -r im nom. ſg. vgl. oben
ſ. 653. anm. 1.) hödhr, niördhr, ullr, ſigurdhr *), ſig-
mundr und alle bildungen mit -mundr, -undr, -hiörtr,
-biörn, -vindr, -vidhr als: ſæmundr, völundr, önundr,
arnbiörn, eyvindr, folkvidhr; gen. hâkonar, hâlfdanar,
magnuſar, hadhar, niardhar, ullar, ſigurdhar, ſigmun-
dar etc. dat. hâkoni, hâlfdani, magnuſi, nirdhi, ſigurd-
hi etc. In den bildungen mit -rödhr, z. b. geirrödhr,
gudhrödhr, ſigrödhr lautet der gen. geirrödhar, dat. geir-
rödhi (nicht geirradhar, geirredhi) vgl. Snorraedda p. 113.
115., oder wäre geirraudhr, dat. geirreydhi zu ſchreiben?
Yngl. ſaga c. 53. ſteht ein gewis fehlerhafter nom. gud-
reydr neben gudrödr. Iſt -rödhr das gleichfalls dunkle
angelſ. -red oder -rêd in älfred, cynred etc.? Dem
alth. -rât entſpricht das altn. -râdhr (gen. -râdhar,
dat. -rædhi?) z. b. þakrâdhr (alth. danhrât). Die bil-
dungen -udhr haben den gen. -adhar, dat. -adhi z. b.
nidhudhr, nidhadhar, nidhadhi, welcher wechſel bei
andern ſubſt. ſtatt findet (Raſk §. 153.) wiewohl der
nom. gleichfalls nidhadhr heißen darf. Schwanken
zwiſchen erſter und dritter decl. wie beim ſubſt. (ſ. 654.);
Har. hârf. ſaga c. 11. ſteht der gen. arnvidhs und arn-
vidhar; anderwärts hiörvardhar und hiörvardhs, welches
letztere beßer ſcheint, da der nom. hiörvardhr lautet,
C c c
[770]II. declination der eigennamen.
nicht hiörvördhr. 4) vierter decl. würden ſolche namen
ſeyn, die im gen. die flexion -ar, im nom. aber wur.
zelhaftes a (nicht ö) zeigen und den dat. dem acc.
gleichmachen. Gehört heimdallr (nicht heimdöllr) gen.
heimdallar hierher? oder darf in comp. der umlaut des
tieftonigen a unterbleiben? denn es heißt auch hâlfdan
(nicht hâlfdön) gen. hâlfdanar, dat. hâlfdani (nicht hâlf-
deni) und im dat. ſigurdhi, ſigmundi (nicht -yrdhi,
-myndi) da doch ſyni ſtatt findet. Warum gilt aber im
fem. z. b. mardöll, gen. mardallar (Snorraedd. p. 37. 154.)?
und hat ullr im dat. ulli oder ylli? Hier bleibt weiter
zu forſchen. 5) maſc. ſchwacher decl. ſind z. b. bragi,
bicki, locki, helgi, andvari, atli, budhli, högni (ſt.
höguni) und dergl. in menge; gen. braga, bicka etc.
6) fem. ſtarker form (wobei doch die erſte, dritte und
vierte decl. ſchwer zu ſcheiden ſind): rân, nâl, hnoſſ,
vör, ſôl, bîl, iördh etc. gen. rânar, nâlar, hnoſſar, va-
rar; desgl. bildungen und compoſ. als: gëfiun, ſigrûn,
gudhrûn, gullveig; gunnlödh, mardöll, hiördîs, hervör,
gullrönd etc. gen. gëfiunar, ſigrûnar, gunnladhar, mar-
dallar, hiördîſar etc.; dat. ſigrûnu, gunnlödhu. Ver-
ſchiedene haben im nom. die alte flexion -r und den
dat. -i, nicht -u, (vgl. ſ. 658. anm. 3.) namentlich:
hildr, þrûdhr, gërdhr, heidhr, rindr, urdhr, ſigridhr
und weitere comp., gen. hildar, dat. hildi; auch idhunn
(für idhudr?) ſigrlinn machen den gen. idhunnar, dat.
idhunni, ſigrlinnar, -linni, welches für die fem. vier-
ter decl. überhaupt einen alten dat. ſg. -i vermuthen
läßt. Andere ſchieben, gleich einigen ſubſt. erſter decl.
(ſ. 656. anm. 5.) i ein, namentlich: hel, ſif, frigg, laufey,
gen. heljar, ſifjar, friggjar, laufeyjar; dat. helju etc.
Entw. ganz unveränderlich (wie æfi ſ. 656.) bleibt ſkadhi
oder nimmt im obliquen caſus die männl. flexion -a
an (wie die comparative p. 758.), wenigſtens iſt Snorra-
edda p. 82. der gen. ſkadha zu leſen. — 7) fem. ſchwa-
cher form: ëdda, ëmbla, fulla, grôa, kâra, nanna, ſvâ-
va etc. gen. ëddu, nönnu, ſvâvu. Zweiter decl. fenja,
menja, herkja etc. —
Die mittelh. ſprache behält 1) im ſtarken maſc. den
adjectiviſchen acc. bei, als: ſîvriden, iringen, âdâmen,
jôhanneſen, parzifâlen, engelhêren, liudegêren etc. wo-
neben ſeltner der ſubſtantiviſche, dem nom. gleiche vor-
kommt, z. b. ſìvrit kl. 139. näheres hierüber in der ſyn-
tax. Übrigens fallen decl. 1. 4. natürlich zuſammen; ſpu-
ren der zweiten ſind faſt verwiſcht, daß aus den alten
[771]II. declination der eigennamen.
bildungen -her (für -here, alth. -hari) und -win (für
-wine, alth. -wini) mit vocallängerung -hêr und -wîn
geworden, deutet dahin. Namen wie ëberwîn, ortwîn,
wolfwîn reimen beſtändig auf ſchîn, ſîn etc., dagegen
neben walthêr, ſigehêr, reinhêr, wernhêr etc. (bei
Stricker im karl) gunthêr, volchêr (Nib.) dat. walthêre,
gunthêre; acc. walthêren etc. noch die organiſchen for-
men wernher, walther (M. S. 2, 74b 173a 227b kol. 387.)
giſelher (Nib.) dat. walther, acc. walthern, gîſelhern
gelten [vgl. oben ſ. 344.] obgleich auffallend die dat.
und acc. nirgend im reim vorkommen (Lachm. rec. d.
Nib. 197.). Spuren dritter decl. gebrechen ganz; namen
wie ſigemunt reimen auf bunt, kunt etc. und wollte
man in dem reim ſîvrit auf mit, bit, ſit ein altes ſîvrite
(ſtatt ſîvride, wie mite, ſnite f. mide, ſnide ſ. 408.) er-
kennen und dem mit, ſit für mite, ſite gleichſtellen, ſo
ſteht entgegen, daß die obliquen caſus ſìvrides, ſìvride
und nicht ſìvrites, ſìvriten lauten (vgl. ſ. 417. note).
In der Nib. caeſur ſteht der nom. ſìvrit häufig ſtumpf-
klingend (Lachm. a. a. o. 196.) woraus allmählige tonlo-
ſigkeit der zweiten ſilbe und das neuh. ſeifert f. ſeifried
erwachſen ſeyn mag. — 2) ſchwache maſc. ſind unbe-
denklich; beiſpiele: otte, brûne, gêre, nêre, boppe,
wâte etc. gen. otten etc.; hagene, gen. hagenen (wo-
für ungut die kürzung hagen) hegele, hegelen, witege,
witegen; hetele, hetelen; ſibche, ſibchen; wegfällt das
ſtumme e in etzel, wetzel, wërbel, ſwëmmel, gen.
etzeln, wërbeln. — 3) ſtarke fem. erſter decl. verrathen
ſich wohl nur durch den nom. und acc. -e, weil das
-e gen. und dat. auch in der vierten decl. gilt oder
durch den im gen. dat. abgehenden umlaut. Der acc.
chriemhilde, brünhilde ſteht im klingenden einſchnitt
Nib. 1347. 1368. 5548 etc. ſigelinde im reim auf kinde
kl. 161.; nie finde ich einen ſolchen nom. vielmehr
-hilt auf ſchilt, milt reimend; desgl. vriderûn, ſigerûn.
Bildungen mit -rât, wie herrât, machen den gen. dat. nicht
herræte, ſondern herrât. Ein älteres brünhilde, herrâte
ſcheint auch das hin und wieder vorbrechende ſchwan-
ken in die ſchw. form zu beſtärken, welches zuläßiger
aus der erſten ſtarken iſt, als aus der vierten; den dat.
brünhilden, acc. herràten, vriderûnen belegen die reime
kl. 2726. 3543. M. S. 2, 80b. Gleichwohl muß man bei
dem mangel, wenigſtens der ſeltenheit ſtarker nom. auf
-e annehmen, daß die meiſten weibl. eigennamen ſtar-
ker form der vierten decl. folgen, alſo den acc. dem
C c c 2
[772]II. declination der eigennamen.
nom. gleich ohne e, den gen. dat. aber mit oder (nach
ſ. 677. anm. 3.) ebenfalls ohne e bilden. Zuſ. ſetzungen
wie brünhilde -weinen, chriemhilde-man, adelheide-
barn, ſiglinde-kint zeigen den richtigen gen. — 4) fem.
ſchw. form: bërte, elſe, uote, helche etc. gen. bërten,
elſen und viele fremde namen; bildungen mit -el ſind
ſelten, vgl. giſele, guetel (alth. kiſila, kuotila) gen. gi-
ſelen, gueteln. — 5) bei fremden namen herrſcht einige
willkür. Theils wird die lat. flexion beibehalten, z. b.
Conrad v. W. ſetzt den nom. prîamus, acc. prîamum,
dat. prîamô (neben prîànt, prîànde, prîànden) pêleus,
pêleum, pêleô, (den acc. dat. prîamuſen, peleuſen,
prîamuſe, peleuſe finde ich nicht) desgl. den dat. hectorî
(: bî troj. 31b) oder den acc. f. helenam (: freiſam troj.
139a) neben der deutſchen form helênen; das lat. -us,
-ës fällt nach bequemlichkeít ab, z. b. neben bâchus,
achillës beſteht die form bâche (: ſprâche, râche) achille
(: wille) acc. achillen während achillës den acc. achillë-
ſen annimmt; ebenſo philippës, philippëſen oder phi-
lippe, philippen. Theils ſchwankt die quantität der vo-
cale, z. b. pollus reimt auf alſus troj. 174a; pollûs : hûs
troj. 152a 170c; pârîs: wîs troj. 32c, tantris: gewis Triſt.
56b welche bemerkung kaum hierher gehörte, wenn es
nicht ſchiene, daß der nom. mehr, die zutretende
flexion weniger den kurzen vocal dulde. Conr. hat die
nom. jônas, calcas: gras, was; ſchiron, agamemnon:
gedon; caſtor, neſtor: ſpor; hingegen den acc. jonâſen:
mâſen; ſchirônen, neſtôren. Manche namen führen in-
zwiſchen den langen voc. durch, z. b. pârîs, pârîſes,
pârîſe, pârîſen; artûs, artùſen; andere den kurzen, z. b.
die auf -ës, -ët, herculës, achillës, acc. herculëſen,
achillëſen (: gewëſen) gamurët, gamurëten (: erbëten).
Vieles ſcheint hierbei durch den reim geboten und ein-
geführt, z. b. da ſich kein deutſcher reim -âs findet,
muſte man die fremden -âs mit deutſchen -as binden,
die fremden -ât aber, weil es genug deutſche -ât gibt,
blieben lang, z. b. pilât, pilâten. Auf die kurzen -on,
-or paſt dieſe erklärung gleichwohl nicht, da ſich aller-
dings deutſche reime -ôn, -ôr darbieten. —
Im mittelniederl. finde ich zwar keinen adjectivi-
ſchen acc. ſtark. maſc., aber den acc. dem dativ gleich,
z. b. reinaert, îſengrîn, gen. reinaerts, îſengrîns; dat.
und acc. reinaerde, îſengrine, während die ſchwache
form beide caſus ſcheidet, z. b. brune, dat. brunen, acc.
brune. Jener ſtarke acc. auf -e iſt vielleicht aus einer
[773]II. declination der eigennamen.
apocope des adjectiviſchen -n (wie es im ſchw. acc.
maſc. abfällt) zu erklären, ſo daß reinaerde für reinaer-
den ſtünde. Schwache fem. haben (abweichend vom
ſubſt. ſ. 693.) auch im acc. -en (Huyd. op St. 1. 72. 73.
417.) — Fremde namen legen bald die lat. endung ab,
z. b. valentiniaen, gen. -aens, dat. acc. -ane, hector,
gen. hectors, dat. acc. hectore oder ſchwach: pilate,
gen. dat. pilaten; bald nicht z. b. pilatus, patroclus,
lazarus, achilles, dat. acc. patrocluſe, lazaruſe, achilleſe.
Der gen. heißt unveränderlich lazarus, achilles, jheſus.
Sonderbar bildet Maerl. den acc. jheſumme (nach dem
lat. jeſum, vielleicht für jheſumen?) 2, 129. 140. neben
jheſuſe 2, 127. —
Die neuhochd. biegung der eigennamen iſt ſehr ver-
worren. 1) ſtarken maſc. gibt man noch das gen. -s,
als: ludwigs, heinrichs, wilhelms, nicht mehr das dat.
-e, ſondern macht dieſen caſus dem nom. gleich. Der
acc. kann zwar das adject. -en annehmen: ludwigen,
wilhelmen, doch klingt dies ſchon alterthümlich und
es heíßt lieber ludwig, wilhelm. Weil einige das adj.
-en des ſtarken acc. mit dem ſchw. -en vermiſchten,
legten ſie fehlerhaft dem dat. oder gar dem gen. ein
ſchwaches -en zu. — 2) ſtarke fem. bleiben unverän-
derlich, nur ſind ihrer wenige, da die meiſten im nom.
-e zufügend ſich zu no. 4. ſchlagen. 3) ſchwache maſc.
pflegen ſtark zu declinieren, theils mit beibehaltung,
theils mit ablegung des -e, als: göthe, bôde, wille,
braun, hâgen. hêgel; gen. göthes, bôdes, willes, brauns,
hâgens, hêgels etc. Der noch zuweilen gehörte gen.
göthen (oder auch göthens nach ſ. 703.) dat. göthen
veraltet. — 4) die ſchw. weibl. form hat ſich bei den
eigennamen etwas länger gehalten, als beim ſubſt.; wäh-
rend ſchon lange der ſg. von zunge unveränderlich blieb,
duldete man, wenn kein art. vorſteht, den gen. marîen
oder marîens, dat. acc. marîen, zumahl bei vorausgeſetz-
tem gen. marîens mutter etc.; dieſe flexion -ens ahmt
fehlerhaft das männl. -ens nach, vergleicht ſich aber
dem -s, das in der zuſ. ſetzung weiblichen ſubſt. bei-
gelegt wird, z. b. hofnungslôs, krankheitsbericht (wo-
von im folg. buch). Richtiger ſteht in zuſ. ſetzungen
der gen. -en, wie: luîſenfeſt, auguſtenburg, marîenbild. —
5) wo in fremden namen das -us, -is, -es ſteht, lau-
ten alle caſus dem nom. gleich, z. b. ovidius, alexis. jo-
hannes und kein dat. ovidiuſe oder acc. ovidiuſen iſt
zuläßig (außer in verhärtungen wie hans, d. i. hannes,
[774]II. declination der ſtädtenamen.
johannes, acc. hanſen). Fällt jenes -us, -is, -es ab ſo
kann der acc. -en lauten: ovîden, achillen. — 6) zu-
weilen dauert das alth. -o und -a des ſchwachen nom.
fort, z. b. otto, brûno, hûgo *), êva, berta, marîa, aber
mit dem unorg. gen. ottos, brûnos und ſelbſt im fem.
bertas. marîas, welches -s nicht anders als das -ens
n° 4. zu beurtheilen iſt. — 7) unſere alte ſprache be-
ſtimmte eigennamen näher durch den ort des beſitzes
oder der herkunft und die praep. von, z. b. der von
eſchenbach, hûſen, wo nur der vorgeſetzte artikel oder
vorname declinieren kann, nicht der zur praep. gehö-
rige dat., alſo der gen. lautete: des von eſchenbach etc.
Heutzutage nimmt man ſolche dative für nom. und
flectiert ſie ſelbſt (theils mit vorgeſetztem, theils abge-
legtem von) wie maſculina ſg., ohne beachtung des oft
weibl. geſchlechts oder des plur. ihrer urſprüngl. bedeu-
tung z. b. von malsburg, von dem ende, von der ha-
gen, fürſtenau, fulda, cölln (ſt. von der fürſtenau, von
fulda, von cölln) gen. malsburgs, endes, hagens, ful-
das etc. Noch mehr verletzt der ſonderbare brauch, per-
ſönlichen adel mit der praep. von zu bezeichnen, allen
ſprachſinn, ſobald ſie wirklichen eigennamen vorgeſetzt
wird, (von müller, von göthe etc.) da ſie hier durchaus
einen ortsnamen fordert.
Eigennamen der ſtädte pflegen den beiſatz eines ſie nä-
her beſtimmenden ſubſt. z b. -burg, -ſtadt, -furt etc.
zu haben (wovon umſtändlich buch III.) und dann wird
letzteres nach dem geſchlecht und der decl. gebogen,
welcher es zufällt. Hier iſt bloß die decl. derjenigen
gemeint, welche kein ſolcher beiſatz auszeichnet, die
alſo entw. aus einem fremden, dunkeln wort beſtehen,
oder eine deutſche bildungsendung empfangen haben.
Wie bei den ſtädtenamen ergibt ſich gewöhnlich
geſchlecht und decl. aus dem beigeſetzten -land, -gau,
-mark, -reich etc.; hier bloß von dem fall, wo der-
gleichen zuſ. ſetzungen fehlen.
(goth.) I. ſg. ïk. meina. mis. mik. — dl. vit. ugka-
ra. ugkis. ugkis. — pl. veis. unſara. unſis (uns) unſis
(uns) — II. þu. þeina. þus. þuk. — dl. jut? ïgqvara.
ïgqvis. igqvis — pl. jus. ïzvara. ïzvis. ïzvis. — III. ſg.
ohne nom.; gen. ſeina; dat. ſis; acc. ſik — dl. fehlt —
pl. ohne nom.; gen. ſeina; dat. ſis; acc. ſik. — anm. der
nicht vorkommende nom. dl. zweiter perſ. iſt nach ana-
logie des pl. jus angeſetzt, vielleicht lautete er jit oder
ït, ſicher nicht git, doch jenes jut beſtärkt auch der
litth. dl. judu. pl. jûs. — für þu etwa þû? ſ. oben ſ. 97. -
ſtatt der auffallenden nichtunterſcheidung des dat. vom
acc. dl. und pl. würde die conſequenz im acc. pl. unſik,
ïzvik fordern.
(alth.) I. ſg. ih. mîn. mir. mih — dl. wiz? unchar.
unch. unch. — pl. wîr. unſar. uns. unſih. — II. dû. dìn.
dir. dih. — dl. jiz, iz? inchar. inch. inch. — pl. îr.
iwar. iu. iwih. — III. hat nur den gen. ſg. ſîn und den
acc. ſg. und pl. ſih. — anm. das lange wîr, îr folgt aus
dem goth. veis, jus, vgl. balgeis, ſunjus mit pelkî,
ſunî; der ſpätere N. hat kurzes wir, ir, wie belge,
ſune: — gen. pl. dl. endigt ſowohl -er, als -ar; ſtatt
[781]II. perſönliches ungeſchl. pronomen.
iwer, iwih begegnet iuwer, iuwih (ſ. 145.); ſtatt iu,
iuwih: ëu, ëuwih (ſ. 102.) — die dualformen muſten
beinahe alle gerathen werden, da ſich nur O. III. 22, 64.
der beleg: unker zueiô darbot, er reicht aber hin, die
übrigen fälle zu verſichern.
(altſ.) I. ſg. ik. mîn. mi. mi. — dl. wit. unker.
unk. unk. — pl. wî. uſer. us. us. — Il. ſg. thû. thîn.
thi. thi. — dl. git. inker. ink. ink. — pl. gî. iuwer. iu.
iu. — III. mangelt durchaus.
(angelſ.) I. ſg. ic. mîn. më. mëc (më) — dl. vit.
uncer. unc. unc. — pl. vë. uſer (ôre) us. uſic. — II. þû.
þîn. þë. þëc (þë) — dl. git. incer. inc. inc. — pl. gë.
ëóver. ëóv. ëóvic. — III. mangelt durchaus. — anm.
nur die frühſten quellen unterſcheiden die acc. mëc, þëc,
uſic, ëóvic, gewöhnlich fallen ſie mit dem dat. zuſ.;
merkwürdig ſtehet Cädm. 62, 2, ein acc. dl. incit, nach
welchem ein analoges uncit anzunehmen iſt; — uſer,
us entſpringen aus unſer, uns (ſ. 244.) und für das ältere
uſer gilt ſpäterhin das ſchwirrlautende ûre.
(altfrieſ.) die quellen gewähren kaum wi (nos) us
(nos, nobis) thû (tu) thi (tibi); die übrigen fälle wer-
den ungefähr wie im altſ. lauten.
(altn.) I. ſg. ëk. mîn. mër. mik. — dl. vit. ockar.
ockr. ockr. — pl. vër. vâr (vor) oſſ. oſſ. — II. þû. þîn.
þër. þik. — dl. it (þit) yckar. yckr. yckr. — pl. ër (þër)
ydhar. ydhr. ydhr. — III. hat weder dl. noch nom. ſg.
pl. alſo nur (wie das goth.) für ſg. und pl. ſîn. ſër. ſik. —
anm. ich ſchreibe ëk, mër, þër, ſër, vër, ër ſtatt des
üblichen ék, mér etc. (Raſk: ek, mèr, þèr etc.); wich-
tiger iſt mir die herſtellung des dualen vit, it (þit)
ſtatt vid, þid (bei Raſk: vidh, þidh); it haben ſelbſt
hſſ. (edd. ſäm. ed. hafn. II. p. 143.), ſpäter ſprach man
freilich vid, vidh und anlautend þidh, þër ſt. des frü-
heren it, ër (Raſk §. 531.) durch welches þër dat. ſg.
und nom. pl. vermengt werden; — im gen. pl. beſteht ne-
ben vâr die form vor und or (vgl. ſ. 285. über vâ, vo,
o) noch früher ſcheint ein oſſar (oder oſar) gegolten zu
haben (ſ. das poſſeſſ.) zu welchem ſich or, vâr verhält,
wie das angelſ. ûre zu uſer.
(mittelh.) I. ſg. ich. mîn. mir. mich; pl. wir. unſer.
uns. unſich (uns). — II. dû. dîn. dir. dich; pl. ir. iuwer.
iu. iuch. — III. hat nur gen. ſg. ſîn und acc. ſg. pl.
ſich. — anm. die kürze des wir, ir (welches dadurch
mit dem org. kurzen ir = ejus f., ei f., eorum, earum
[782]II. perſönliches ungeſchl. pronomen.
zuſ. fällt) folgt aus den reimen wir: zwir Triſt. 82b, ir
(vos): mir Triſt. 37c 45b Wilh. 2, 131a etc.; in dem oben
ſ. 351. berührten wier, ier ſuche man keine ſpur der
alten länge, weil ebenwohl mier, dier, ier (eorum) ge-
reimt werden, z. b. letzteres auf ſchier M. S. 2, 41b; —
der acc. pl. unſich (noch entſchieden im 12. jahrh.) er-
ſcheint nur ſpurweiſe Parc. 3593. Flore 909. M. S. 2, 63b 136b
171a 174b 194b und hat gewöhnlich gleich dem dat. uns,
während in perſ. II. das dat. iu und acc. iuch durchgehends
ſtrenge geſchieden ſind; iuch iſt kürzung aus iuwich; — der
merkwürdige gen. mînis Roth. 4426. iſt niederdentſch.
(mittelniederl.) I. ſg. ic. mîns. mî. mî; pl. wî. on-
ſer. ons. ons. — II. dû. dîns. dî. dî. pl. ghî. hûwer. hû.
hû. — III. hat lediglich den gen. ſîns (kein: ſich). —
aum. mîns (mei) belegt Maerl. 2, 145. 149. 183.; dîns
Maerl. 3, 79. ſîns Rein. 372. Stoke 2, 181. der ſg. zweiter
perſ. wird ſelten gebraucht, doch zuweilen (vgl. dû
Rein. z. 1957.); die länge von mî, dî, wî, ghî folgt aus
dem häufigen reim auf bî, vrî, ſî (Rein. 279. 306. 323.
334.) oder man müſte auch vri, ſi, bi annehmen (vgl.
oben ſ. 475.) — hû ſteht für û (ſ. 502.) welches daneben
vorkommt, beide reimen auf nû (Rein. 279. 307. 316.).
(neuh.) I. ſg. ich. mein. mîr. mich; pl. wîr. unſer.
uns. uns. — II. ſg. dû. dein. dîr. dich; pl. îr. euer.
euch. euch. — III. ohne nom., der gen. ſein gilt nur im
ſg., hingegen ſich für den dat. acc. ſg. und pl. — anm.
neben mein, dein, ſein jedoch unedler: meiner, deiner,
ſeiner; — die dehnung des wîr, îr iſt keine wiederher-
ſtellung, ſondern folge der allg. regel ſ. 518., daher auch
mîr, dîr und îr (ei f.); — in pl. I. hat die dat. form
den acc., in II. die acc. form den dat. eingenommen.
(neuniederl.) I. ſg. ik. mîns. my. my; pl. wy. on-
zer. ons. ons. — II. ohne ſg. — pl. gy. uwer. û. û. —
III. ohne nom. ſg. pl., allein zîns gen. ſg., zich acc. ſg.
und pl,; zich dat. ſg. — anm. ſtatt mîns, zîns, zuwei-
len mîner, zîner, umgekehrt ſtatt uwer zuweilen uws.
(neuengl.) I. ſg. î. mîne. me. me; pl. we. ours. us.
us. — II. ſg. thou. thîne, thê. thê; pl. ye. youre. you. you. —
III. mangelt durchaus. — anm. für î im mittelengl. bis-
weilen noch ich, wenn voc. folgt; in beiden perſ. ge-
bricht gen. ſg. pl.
(ſchwed.) I. ſg. nom. jag; dat. acc. mig; pl. nom.
vî, dat. acc. oſſ. — II. ſg. nom. dû; dat. acc. dig; pl.
nom. î oder nî; dat. acc. êder. — III. bloß ſig für dat.
acc. ſg. und pl. —
(dän.) wie im ſchwed.; nur jeg f. jag, os f. oſſ
und kein nî, ſondern î; ſtatt êder in gemeiner ſprache
jer; zuweilen gilt noch der gen. pl. vores, êders. —
das poſſeſſivum iſt ein aus den genitiven der ebenabge-
handelten pron. hergeleitetes adj., das auch adjectiviſch
decliniert, jedoch organiſcherweiſe der ſchwachen form
unfähig erſcheint.
Schlußbem. von der nach verſchiedenheit der mund-
arten bald weiteren bald engeren bedeutung und con-
ſtruction des poſſ. dritter perſ. in der ſyntax. Die wach-
ſende beſchränkung deſſelben hat in einigen neueren
ſprachen unorg. bildung eines weiteren poſſ. von dem
geſchlechtigen perſönl. pron. veranlaßt, welches in der
ſchlußanm. zu letzterm abgehandelt wird. —
(goth.) maſc. ïs. ïs. ïmma. ïna; pl. eis. ïzê. ïm. ïns. —
fem. ſi. ïzôs. ïzai. ïja; pl. ïjôs. ïzô. ïm. ïjôs. — neutr.
ïta. ïs. ïmma. ïta; pl. ïja. ïzê. ïm. ïja. — anm. maſc. und
neutr. ſind unbedenklich; beim fem. der unbelegbare
nom. pl. aus dem acc. pl. ïjôs Joh. 11, 19. (wofür feh-
lerhaft Marc. 16, 8. ïzôs ſteht) zu ſchließen.
(alth.) maſc. ir. [ës] imu. inan (in); pl. ſrê. irô. im.
ſiè. — fem. ſiu. irâ. iru. ſia; pl. ſiô. irô. im. ſiô. — neutr.
iƷ. ës. imu. iƷ; pl. ſiu. irô. im. ſiu. — anm. α) ir nom.
maſc. allein bei J., bei allen andern ër; nom. neutr.
aber überall iƷ, nirgends ëƷ; gen. neutr. ës bei O. und
T. (I. 1, 151. II. 16, 30. 24, 76. III. 20, 47. IV. 7, 12.
T. 71, 4.) N. behält is. Die übrigen caſus zeigen kein
ë, namentlich kein ëra, ërô, noch weniger ënan, ëm. —
β) die form des eingeklammerten gen. ſg. maſc. iſt zwar
theoretiſch, kommt jedoch nie vor und wird durch ſìn
vertreten (wovon buch IV.) — γ) acc. ſg. maſc. lautet
inan J. K. O. gl. jun. 180. monſ. etc.; bei T. gewöhnlich
inan, doch znweilen in (21, 6. 53, 4. 154, 2. 197, 5.); bei N.
und W. entſchieden in (nicht inen), auch gl. hrab. 954b
in grûêt; in iſt organiſch, inan ſetzt einen unvorhandenen
nom. inêr voraus. Nach der merkwürdigen ſchreibung
D d d
[786]II. perſönl. geſchlecht. pronomen.
inann K. 24b wäre inân zu ſetzen und aus inana zu den-
ten (vgl. oben p. 88.) — δ) dat. ſg. maſc. neutr. ſchwankt
zwiſchen imu, imo; kein inſtr. iû erſcheint irgend-
wo. — ε) gen. ſg fem. ſchwankend wie beim ſubſt.
und adj. zwiſchen irâ, irô; dat. iru, irô; gen. pl. über-
all irô. — ζ) das ê, ô in ſiê. ſiô iſt nach der analogie,
ohne weitern beweis: N. hat ſie (d. h. nach ſeiner ſchrei-
bung ſ. 105. ſîe) für m. und f. wie blinde, blinde;
es ſcheint, auch im nom. ſg. f. bereits ſi f. ſiu (Stalder
dial. p. 109.) — η) O. T. N. machen ſchon den dat. pl.
in ſtart im. — θ) hër f ër im nom. ſg. maſc. ſpielt ins
niederd. und ſteht nur bei T. und hild. hat aber kein
hiƷ, hës, his, himo, hira etc. neben ſich —
(altſ.) maſc hë (hie) is. imu. ina (ine); pl. ſiâ (ſiê)
irô. im. ſiâ (ſiê) — fem. ſiu. irâ. iru. ſia; pl. ſiô. irô.
im. ſiô. — neutr. it. is. imu. it; pl. ſiu. irô. im. ſiu. —
anm. im maſc. entſchieden hé, hie (niemahls ë, ie)
aber in keinem andern caſ. dieſe vorgeſchobne ſpirans;
der gen. fem. ſg. ſcheint meiſtens fehlerhaft irô ſtatt
irâ zu lauten.
(angelſ.) tritt die ſpirans h allenthalben vor, maſc.
hë. his. him. hine; pl. hi. hira. him. hi. — fem. hëó.
hire. hire. hi; pl. hi. hira. him. hi. — neutr. hëó. hira.
him. hëó — anm. neben hi kommt hie und hig vor
(ſ. 261.). neben hira, him auch hëora, hëom. —
(altfrieſ.) maſc. hi. his. him. hini; pl. hia. hiara.
hiam. hia. — fem. hiu. hiri. hiri. hia; pl. hia. hiara.
hiam. hia. — neutr. hit. his. him. hit; pl. hiu. hiara.
hiam. hiu. —
(altn.) maſc. hann. hans. honum. hann; fem. hon.
hennar. henni. hana; beiden geſchl. mangelt der pl., das
neutr. iſt gar nicht vorhanden. Der wurzelvoc. hat ſein
bedenken; bei reinem a muß der nom. f. hön, der dat.
maſc. hönum lauten (wie vön, vönum vom adj. vanr)
allein die hſ4. geben hon, honum, hânum; im nom. fem.
gilt neuiſländ. hûn anſtatt des beßeren hun (wiewohl o
ſonſt in der flexion û zu vertreten ſcheint); ferner, der
umlaut des gen. dat. in e widerſtreitet aller theorie, da
das gen. -ar keinen wirken kann, das dat. -i keinen wirkt
(es heißt vanri, hvatri, oder wäre die ſubſt. anomalie
hendi ſ. 657. in anſpruch zu nehmen?); endlich verlangt
die aſſim. nn für nr vorausgehenden langen voc. (ſ. 737.)
es heißt ſinn für ſìnr, einn für einr, ſinnar, einnar für
ſìnrar, einrar keineswegs vann, vannar für vanr, vanrar.
Stände aber hann für hânr, ſo würde der gen. hâns, der
[787]II. perſönl. geſchlecht. pronomen.
acc. f. hâna (wie ſîns, ſìna) fordern und zwar der nom.
f. hân, dat. m. hânum ſtimmen, allein hennar, henni
für hannar, hanni unerklärt bleiben. Außerdem ſcheint
die kürzung des voc. vor nn nicht durchgreifend, und
wenn frânn, frânnar, brûnn, brûnnar gelten (ſ. 307. 329.)
dürfte auch hànn, hànnar. Die anomalie der aufgeſtell-
ten formen deutet auf ältere andere. —
(mittelh.) maſe. ër. [ohne gen.] im. in; pl. ſie. ir.
in. ſie. — fem. ſie. ir. ir. ſie; pl. ſie. ir. in. ſie. — neutr.
ëƷ. ës. im. ëƷ; pl. ſie. ir. in. ſie. — anm. α) überall ër,
ëƷ (im reim auf hër, ſpër, bër etc. mëƷ, ſëƷ etc.) das iƷ
in ſchlechten hſſ. iſt mundartiſch. — β) die caſus ir. im,
haben das ſtumme e nach der regel abgeſtoßen und ir
reimt auf dir, mir, ir (vos); M. S. 1, 29b ein bemerkens-
werthes imme (ſt. im): gimme. — γ) acc. ſg. m. durch-
aus in, alſo mit dem dat. pl. in (wie ſchon alth. bei
N. W.) zuſ. gefallen, kein inen (morolf 12b z. 1136. innen
verdient wenig rückſicht, da dort öfter das niederd. ëne
ſteht, z. b. 1131. 1159, wie auch im Rother ine, ëne) —
δ) hër für ër weicht über die grenze des mittelh. hinaus
ins niederd. und mag etwa der thüring. heſſ. mundart
eigen ſeyn; im niederd. wird es völlig zu hë, hê, hie. —
ε) ſiu im nom. ſg. f. und pl. neutr. höchſt ſelten, fragm.
21c auf iu, Flore 30b auf driu gereimt, häufiger bei
Ottoc. (z. b. 303b) ſiu: driu. Die meiſten und ge-
genauſten dichter brauchen ſie nicht bloß für acc. ſg.
fem. und pl. maſc. fem., ſondern auch nom. ſg. f. und
pl. neutr. namentlich Wolfr. Walther, Reinb. etc. häu-
fig in beweiſenden reimen. Hartm. und noch einige
ſetzen alle dieſe fälle ſì im reim; wieder andere, Gotfr.
Flecke, Rudolf etc. bald ſie, bald ſì, ohne daß die ab-
wechſelung auf einen calusunterſchied hinauslauft. Auf-
fallend enthält ſich Conr. v. W. des ſie und ſî im reim;
maria 69 ſtehet ſìe (eam): marîe, in welchem gedichte
die reime nicht ſtrenge genug ſind, um jene form zu
beweiſen.
(mittelniederl.) maſc. hi [kein gen.] hëm. hëm; pl.
ſi. haer. hën. ſi. — fem. ſoe. haer. haer. ſi; pl. ſi. haer.
hën. ſi. — neutr. hët (kein gen.) hëm. hët; pl. ſoe.
haer. hën. ſoe. — anm. α) vielleicht überall hî, ſî anſt.
hi, ſi? (vgl. vorhin ſ. 782.) — β) hët, hëm, hën zei-
gen ë und haer ſteht nach ſ. 469. 478. gleichfalls für
hër. — γ) ſoe entſpricht dem mittelh., weit ſeltneren,
ſin. (hoe, quomodo dem hochd. hiu, vgl. oben ſ. 482.);
der übergang aus dem älteren ſiu begreift ſich durch die
D d d 2
[788]II. perſönl. geſchlecht. pronomen.
ausſprache ſû. indem ſich û und iu nahe liegen — δ) der
acc. maſc. fällt zu dem dat., lautete aber früher gewis
hëne, wie noch bei anlehnungen -ene (oben ſ. 505. η.);
ſtatt des dat. ſg. hëm ſelten hëme (Huyd II, 351.) — ε) im
dat. pl wechſeln hën und hëm Huyd. op St. I, 98. 99.) —
ζ) ich ſtehe an, ob dem gen. pl. neben haer die form
haerre zu bewilligen iſt? möchte ſie lieber leugnen und
auf das poſſeſſ. beſchränken, (ſchlußbem. 2.) — η) das
anlautende h ſchwindet jedesmahl bei den häufigen
inclinationen.
(mittelengl.) maſc. hë. his. hím. him; fem. nom.
acc. ſhë, zuweilen hye. gen. dat. hir; neutr. hit, his,
him hit; pl. aller geſchl. nom. acc. zuweilen noch hye.
gen. hir. dat. him. — anm. α) ſtatt him, hir häufig
hëm, hër; ſtatt hit auch it. — β) ſchwanken zwiſchen
ſhë und hye, hy, oft ſtehn beide nebeneinander, vgl,
Triſtr. 1, 10. 3, 12. — γ) für ſhë, ſchë zuweilen ho,
ſcho (vgl. ho, quomodo).
(neuh.) maſc. êr. [ohne gen.] îm. în; fem. ſie îrer.
îr. ſie; neutr. ês. [ohne gen.] îm. ês; pl. aller geſchl.
ſie. îrer. înen. ſie. anm. adjectiviſche flexion îrer im
gen. fem. und gen. pl. iſt ebenſo unorganiſch als der
dat. pl. înen, deſſen form an den alth. acc. ſg. m. erinnert.
(neuniederl.) maſc. hy. [ohne gen.] hem. hem; pl.
zy. hunner. hun. zy. — fem. zy. hârs. hâr. hâr; pl. zy.
hârer. hâr. zy. — neutr. het. [ohne gen.] hem. het; pl.
zy. hunner. hun. zy. — anm. im dat. pl. maſc. neutr.
gilt neben hun das richtigere hen und ſollte auch im
dat. pl. fem. gelten. Die gemeine mundart hraucht im
gen. pl. maſc. neutr. ganz organiſch hârer ſt. hunner.
(neuengl.) maſc. he. his. him. him; fem. ſhe. her.
her. her; neutr. it. its. him. it; pluralform mangelt für
alle geſchl. — anm. der vom nom. it unorganiſch ge-
bildete gen. neutr. its reißt erſt ſeit dem 16. 17. jahrh.
ein, in Shakeſpeare hat man viele its ſt des richtigeren
his hineincorrigiert: ſelbſt her dient als falſcher nom.
für ſhe und bekommt dann den gen. hers.
(ſchwed.) maſc. han. hans. honom. honom; fem.
hon. hennes. henne. henne; ohne neutr. und pl.
(dän.) maſc. han. hans. ham. ham; fem. hun. hen-
des. hende. hende; ohne neutr. und pl.; für ham frü-
her ein jetzt veraltendes hannem.
Schlußbem. aus gründen, die erſt buch IV. ent-
wickeln wird, hat ſich im hochd, und niederl. (in kei-
[789]II. poſſ. aus dem perſönl. geſchlecht. pronomen.
ner der übrigen ſpr.) allmählig ein unorg. poſſeſſivum
gebildet, jedoch nur für den ſg. fem. und pl. aller ge-
ſchl., nicht für den ſg. maſc. und neutr., eben weil
die form des gen. ſg. maſc. neutr. im geſchl. perſ. pron.
erloſchen war.
es ſind hier drei begriffe zu unterſcheiden α) der. β)
dieſer. γ) jener.
(goth.) maſc. ſa. þis. þamma. þana; pl. þái. þizê. þáim.
þans. — fem. ſô. þizôs. þizái. þô; pl. þôs. þizô. þáim.
þôs. — neutr. þata. þis. þamma. þata; pl. þô. þizê.
þáim. þô. — anm. 1) nom. ſg. maſc. fem. ſa, ſô ge-
hören einem verſchiednen ſtamme, wie ſchon ihre
ſchwache form anzeigt; das alth. dër, diu führte auf
ein analoges þis, þija. — 2) alle übrigen caſus gehen
ſtark und adjectiviſch; auffällt der acc. ſg. fem. und
nom. acc. pl. neutr. þô ſtatt þa (analog dem blinda,
tva, ba etc.) — 3) ein inſtr. neutr. þê hat ſich in den
partikeln biþê, du-þê bewahrt. — 4) von þata fällt
bei anſtoßendem voc. das a zuweilen weg, vgl. þat
Joh. 6, 29, 12, 6.
(alth.) maſc. dër. dës. dëmu. dën; pl. diê. dërô. dêm.
diê. — fem. diu. dërâ. dëru. dia; pl. diô. dërô. dêm.
diô. — neutr. daƷ. dës. dëmu. daƷ; pl. diu. dërô. dêm,
diu. — anm. 1) alles aus einem ſtamm und ſtarker adj.
form; das ë in dër, dërâ, dërô verhält ſich zum adj.
-êr, -êrâ, -êrô wie das goth. þizôs, þizê zum adj.-áizôs,
-áizê; dem dat. pl. laße ich dêm, nach dem goth. þáim
und adj. -êm, goth. -áim (obſchon ſich nirgends: deim
darbietet, wie zueim, duobus, goth. tváim, nicht zuêm,
[791]II. demonſtratives pronomen.
ſo wenig als hêm, lêm f. heim, leim; es mag aber in
-èm, dèm die tonſchwächung angeſchlagen werden) —
der dat. ſg. dëmu (oder dëmo) acc. ſg. dën entfernt ſich
vom adj. -emu, -an (goth. -amma, -ana); übrigens kein
dënan für dën (wie inan, in, ſ. 785. und huënan, huën
ſ. 798.) — 2) alle caſus mit vocaliſch anlautender flexion
ſchieben i ein, alſo: diê, diu, dia, diô, wo vielleicht djê,
dju, dja, djô zu ſchreiben? man findet dëâ für diê und
dëô für diô. Hierher ſcheint auch der dat. pl. diêm für
dêm zu gehören, vgl. thien gl. jun. 248. diem K. 22a 24b
und namentlich N. ſetzt beſtändig dien (Stalder dial. p. 84.),
geſchrieben dîen (ſ. 105.)? oder diên? — 3) ohne ein-
ſchiebung ſelten dè ſtatt diê (miſc. 1, 19.) mit dem goth,
þái ſtimmend; ôfter im nom. pl. neutr. (nicht aber im
nom. ſg. f.) dei ſt. diu, mahnend an das neutr. zuei
(und nicht zuiu) vorhin ſ. 761. und die goth. reihe þa,
tva; belege für dei K. 18b 20b 26b 29b 51b gl. hrab.
972a exhort. und miſc. 1, 19. etc. (vgl. unten deiſu für
diſiu). — 5) der inſter maſc. neutr. lautet diû ? djû, wo-
mit doch die otfried. accentuation thiu [Hoffmann p. 4.
12. 14.] zum unterſchied vom unaccentuierten nom. f.
nom. pl. neutr. thiu ſchwer zu einigen iſt) und antwor-
tet dem goth. þê auch in den häufigen part. mittiu
(ſt. mitdiu) zidiu, pidiu etc. — 6) der nom. ſg. maſc.
thie für thër ſtehet bei T., entſpricht deſſon hie für
ër und ſtreift ins niederd. — 7) der gen. dat. ſg. f.
variirt gleich dem ft. adj. und der erſten decl. ſt. ſubſt.
zwiſchen -â, -u und -ô. —
(altſ.) maſc. thie. thës. thëmu. thëna; pl. thiâ. thërô.
thêm. thià. fem. thiu. thëra. thëru. thia; pl. thiâ. thërô.
thêm thiâ. neutr. thât. thës. thëmu. that; pl. thiu. thërô.
thêm. thiu. — anm. 1) für thie zuweilen thë, für thëna,
thëra: thëne, thëre. 2) inſtr. wie im alth. thiu. —
(angelſ.) maſc. ſë. þäs. þam. þone; fem. ſëó. þäre.
þäre. þa; neutr. þät. þäs. þam. þät; pl. aller geſchl. þa.
þara. þàm. þa. — 1) wie im goth. nom. ſg. m. f. ſë, ſëó
von anderm ſtamm, der auslaut aber nicht zur ſchw.
form paſſend; ſpäter oder dialectiſch ſcheint dafür þë,
þëó vorzukommen. — 2) die länge oder kürze der a
und ä für einige caſus macht bedenken, gewis ſcheint
mir die länge vom dat pl. þâm (goth. þáim, alth. dêm,
altn. þeim) die kürze von þät (goth. þata, alth. daƷ,
altn. þat) þäs (goth. þis, alth. dës, altn. þëſſ); ungewis
pl. neutr. þa? (goth. þa) oder â? (alth. dei, vgl. tvâ,
alth. zuei); dat. ſg. þam? (goth. þamma, alth. dëmn)
[792]II. demonſtratives pronomen.
þâm? (altn. þeim); þäre? (goth. þizôs, alth. dërâ, dazu
die analogie von þäs) þære? (alth. þeirrar); þara? (goth.
thizê, alth. dërô) þâra? (altn. þeirra). Für þàm ſteht
zuweilen þæm oder für þam, þäm; für þâra, þara: þæra,
þära; für þone häufig þäne (dem alth. dën ähnlich und
aus dem wechſel zwiſchen ë, o, a begreiflich). — 3) der
inſtr. maſe. neutr. þŷ iſt noch ſehr gebräuchlich. —
(altfrieſ.) maſc. thi. thës. thâ. thëne; fem. thiu.
thëre. thëre. thia; neutr. thet. thës. thâ. thet; pl. aller
geſchl. tha. thëra. thâ. tha; der dat. thâ f. thâm gleicht
dem blinde f. blindem (ſ. 736.).
(altn.) maſc. ſâ þëſſ. þeim. þann; pl. þeir. þeirra.
þeim. þâ. — fem. ſû. þeirrar. þeirri. þâ; pl. þœr. þeirra.
þeim. þœr. — neutr. þat. þëſſ. þvî. þat; pl. þœ. þeirra.
þeim. þœ — anm. 1) nom. maſc. fem. ſâ, ſû wie im
goth. und angelſ. anderes ſtammes; die älteſten denk-
mähler zeigen die ſorm ſiâ für maſc. und fem. — 2) das
auslautende â in ſâ, þâ ſteht für urſprünglich kurzes ſa,
þa (ſ. 281.), ebenſo ſû für ſu und þœ für þö (= þö-u,
þa-u). — 3) þœr nehme ich ſtatt des gewöhnlichen þær
an (wie tvœr ſt. tvær) weil das goth. þôs, alth. diô
(tvôs, zuô) ein ô weiſen; der umlaut œ für ô erwartet
noch nähern aufſchluß; — þeir entſpricht dem goth.
þai und der dat. pl. þeim dem þaim; der dat. ſg. þeim,
desgl. þeirrar, þeirri, þeirra weichen ab von þamma,
þizôs, þizai, þizê und forderten ein goth. þáizôs, þái-
zái, þáizê, alth. dêrâ, dêrû, dèrô (alſo den adj. flexio-
nen analog), den grund des ei und der gem. rr anſtatt
r habe ich noch nicht entdeckt. — 4) die inſtr. form
þvî erhält ſich merkwürdig im dat. neutr., welchem
kein þeim, ſo wie dem dat. maſc. kein þvî zuſteht. —
5) für þeim (dat. ſg. maſc.) hin und wieder ein älteres
þeima (Raſk erſte ausg. p. 244; in der zw. ausg. §. 533.
iſt dies unrichtig ausgedrückt).
(mittelh. maſc. dër. dës. dëm. dën; pl. die. dër.
dën. die. — fem. diu. dër. dër. die; pl. die. dër. dën.
die. — neutr. daƷ. dës. dëm. daƷ; pl. diu. dër. dën.
diu. — anm. 1) das ë in dër, dës, dëm, dën erweiſen
reime, dër und dës reimen öfter, dëm ſeltner (:nëm
Iw. 38c. brëm Bon. 45.) noch ſeltner der acc. maſc. dën
(Triſt. 5c troj. 18c meiſterg. 37c) und dat. pl. dën (Iw.
33c); unterſchied zwiſchen dat. pl. dên und acc. ſg. dën
um ſo weniger zu vermuthen, als ſchon der alth. dat.
pl. dêm nicht über allen zweifel iſt und kein mittelh.
[793]II. demonſtratives pronomen.
dên auf gên, ſtên etc. reimt. Zwar auf die länge ließe
das manchmahl (doch nicht im reim) vorkommende
dien, eben weil es ſtets den dat. pl., nicht den acc. ſg.
auszeichnet, ſchließen; belege M. S. 2, 142b 143a 145a
147a. b. 189b 190b 191b 192a 193a, b. 196a; Ben. 26. 39.
48. 49. 53. 148 etc. — 2) apocope des ſtummen e in
dëm f. dëme, dër f. dëre iſt in der ordnung. — 3) für
die kein dì (analog dem ſì für ſie ſ. 787.), Friged. 1b
drî: dî fehlerhaft, in driu: diu zu beßern: daß bei in-
clinationen die zu di-(wie ſie zu ſi-) werde, iſt etwas
anders. — 4) die ſcheidung zwiſchen diu und die gilt
nach der ſtrenge und wird erſt im 14. jahrh. untergra-
ben. — 5) das inſtr. diu beſchränkt ſich auf partikeln:
bëdiu, zëdiu etc. — 6) die für dër in nom. ſg. maſc. iſt
niederd. — 7) über deƷ f. daƷ Ben. Wig. h. v. Schm. §. 747.
(mittelniederl.) maſc. die. dës. dën. dën; fem. die.
dër. dër. die. neutr. dat. dës. dën. dat; pl. aller geſchl.
die. dër. dën. die. — anm. 1) für die kein dë, gleich-
viel ob es demonſtrativ oder als bloßer art. ſtehe, um-
gekehrt für dës (:ës Rein. 310.) dër kein dies, dier,
hingegen ſchwanken alle denkmähler zwiſchen dën und
dien (:bien Maerl. 3. 343.) — 2) keine ſpur eines dem
ſoe ähnlichen doe für den nom. fem. und pl. neutr.; der
inſtr. nur in der part. bedì übrig, wofür ſelbſt bidên,
bidien gewöhnlicher (Huyd. op St. 1, 227.)
(neuh.) unorg. unterſchied zwiſchen artikel und al-
leinſtehendem demonſtr.; erſterer iſt unbetont und decli-
niert ſo: maſc. der. des. dem. den.; fem. die. der. der.
die. neutr. das. des. dem. das; pl. comm. die. der. den.
die. Letzterem genügt die betonung nicht, ſondern es
erweitert die flexion des gen. ſg. pl. und dat. pl.: maſc.
dêr. deſſen. dêm. dên; fem. die. dêren. dêr. die; neutr.
dâs. deſſen. dêm. dâs.; pl. aller: die. dêrer. dênen. die.
Das erweiterte dêrer, dênen gleicht dem neuh. îrer,
înen; der willkürliche unterſchied zwiſchen dêren und
dêrer ſtimmt aber nicht zu dem im gen. ſg. f. wie im
gen. pl. einförmigen îrer.
(neuniederl.) auch hier trennung des artikels vom
ſtrengen dem., erſterer lautet: maſc. de. des. den. den;
fem. de. der. der. de; das neutr. hat nur den gen. des und
braucht für die übrigen caſus ſg. das perſ. pron. het;
der pl. aller geſchl. decliniert: de. der. den. de. Das
ſtrenge demonſtr. hingegen: maſc. die. diens. dien. dien;
fem. die. dier. dier. die; neutr. dat. diens. dien. dat;
pl. comm. die. dier. dien. die.
(neuengl.) ein art. the und ein eigentliches demonſtr.
that beide völlig unbiegſam, gelten für alle geſchl. ca-
ſus und num.; die urſprünglichen demonſtrativformen
they und them aber ſind ihrer hinweiſenden kraft be-
raubt und dienen die mangelnden pl. formen der dritten
perſon auszudrücken.
(ſchwed.) maſc. und fem, den. dens. den. den;
nentr. det. dets (oder deſſ) det. det; pl. comm. de. dê-
ras. dem. de.
(dän.) maſc. und fem. den. dens. den. den; neutr.
det. dets. det. det; pl. comm. de. dêres. dem. de.
Im goth. pflegt das unter α. abgehandelte pron. zugleich
den begriff οὗτος zu vertreten; allein in den adv. und
partikeln himmadaga (σήμερον) und hinadag (μέχρι τῆς
σήμ) fram himma (ἀπ ἄρτι) und hita (ἕως ἄρτι) liegen
offenbare reſte eines ausgegangenen pron., deſſen decl.
vermuthlich der des geſchl. perſ. pron. glich, alſo: maſc.
his, his. himma. hina; pl. heis. hizê. him. hins. — fem.
hija (?) hizôs. hizái. hija; pl. hijôs. hizò. him. hijôs. —
neutr. hita. his. himma. hita; pl. hija. hizê. him. hija.
Verwandt sind ihm ferner: hêr (hîc) hidrê (huc) wie
þar (ibi) þaþrô (illinc) dem erſten demonſtr. — Alth.
formen deſſelben pron. würden lauten: hir. his. himu.
hinan; fem. hiu, hirâ etc. neutr. hiƷ etc. ſpuren erblicke
ich gleichfalls in: hiutû (hodie) contr. aus dem inſtr.
hiû-takû; hiurû (hoc anno) aus hiû jârû; mittelh. hiute,
hiure; neuh. heute, heuer; hînaht (hanc noctem. ſt.
hianaht?) mhd. hînaht, hînte; nhd. heunt (ſt. heint);
vgl die weitern part. hiar (hîc) hëra (huc) hinana (hinc)
etc. — Im angelſ. und frieſ ſcheinen die formen dieſes
pron. geſammt erhalten, aber in die bedentung des da-
für aufgegebenen geſchl. perſ. pron. übergegangen, we-
nigſtens fügen ſich die ſ. 786. angeführten caſus genau
zu den gemuthmaßten gothiſchen, desgl. das adv. hëó-
däg (hodie Cädm. 16, 20.) neben igdäges, îdäges (wie
hig = hëó); im altn. iſt vielleicht îdag (hodie) nicht
aus der praep. î (in) zu erklären, vielmehr = hîdag,
h [...]dag (vgl. þvî, þŷ mit hî, hŷ) und das dunkle eddiſche
hŷnott (Skirn, in fine) = hînaht *). —
Alle deutſchen ſprachen (außer der goth.) beſitzen
aber für das zweite demonſtr. folgendes ganz adjecti-
viſches pronomen:
(alth.) maſc. dëſêr. dëſes. dëſemu. dëſan; pl. dëſê.
dëſêrô. dëſêm. dëſê. — fem. dëſju. dëſêrâ. dëſêru. dëſa;
pl. dëſô. dëſêm. dëſô. — neutr. diz (dizi). dëſes.
dëſemu. diz; pl. dëſju. dëſêrô. dëſêm. dëſju. — anm.
1) i für ë herrſcht bloß im neutr. diz (niemahls dëz),
deſſen z-(nicht Ʒ-) laut aus der ſchreibung dhiz (nicht
dhizs, wie izs, azs, dhazs) bei J. hervorgeht und durch
die nebenform thizi (mittelh. ditze) gl. jun. 239. beſtä-
tigt wird; quellen, die im erſten dem. den nom. acc.
pl. neutr. dei bilden, gebrauchen auch hier deiſu
(K. 18b 24a b. 27b 49b hymn. noct.) ſolche, die ſtatt ër,
dër ein niederd. hie, thie zeigen, namentlich J. T. ſetzen
dhëſe, thëſe im nom. ſg. maſc.; J. 343. 378. hat den
gen. dhëſſes f. dhëſes. — 2) einige aſſimilieren das ſ zu r,
ſobald die flexion ein r hat, als: dërêrô für dëſêrô; da
hierin, ſo wie im i ſtatt ë der wurzel vieles ſchwankt,
füge ich die decl. dieſes demonſtr. nach O. und N. bei;
O. maſc. thërêr. thëſes. thëſëmo. thëſan; pl. thëſê. thë-
rërô. thëſêm. thëſê. — fem. thiſu. thërêrâ. thërêru. thëſa;
pl. thëſô. thërêrô. thëſêm. thëſô; — neutr. thiz. thëſes,
thëſemo. thiz. pl. thiſu. thërêrô. thëſêm. thiſu. — N.
maſc. diſêr. diſes. (diſſes?) diſemo. diſen; pl. diſe. dirro.
diſên. diſe. — fem. diſju. dirro. dirro. diſe; pl. diſe.
dirro. diſên. diſe. — neutr. diz. diſes. (?diſſes 70, 1.)
diſemo. diz; pl. diſju. dirro. diſên. diſju. — T. hat den
nom. m. bald thëſe, bald thëſêr (97.) bald thërêr (111.
117.); den dat. thërru (13, 5. 162, 2.); neben dem neutr.
thiz ſteht zuweilen this gedruckt, wohl fehlerhaft (wie
thas f. thaƷ). — 3) den ſonderbaren nom. ſg. dhëaſa
bietet J. 408. (in allen drei ausg.) vermuthlich iſt dhëaſu
zu leſen und das altſ. thius, angelſ. þëós zu verglei-
chen. — 4) der inſtr. lautet dëſû, thiſû.
(altſ.) maſc. thëſe. thëſes. thëſumu. thëſan; pl. thëſê.
thëſârô. thëſon. thëſê. — fem. thius. thëſârô. thëſâru.
thëſa; pl. thëſâ. thëſârô. thëſon. thëſâ. — neutr. thit.
thëſes. thëſumu. thit; pl. thius. thëſârô. thëſon. thius.
(angelſ.) þës. þiſes. þiſum. þiſne; fem. þëós. þiſſe.
þiſſe. þâs; neutr. þis. þiſes. þiſum. þis; pl. aller geſchl.
þâs. þiſſa. þiſum. þâs. — anm. 1) das â in þâs ſtimmt
zur alth. nebenform deiſu; vielleicht gebührt dem acc.
ſg. fem. þas, kein þâs. — 2) man findet þiſſes, þiſſum
[796]II. demonſtratives pronomen.
f. þiſes, þiſum. unorganiſch, weil das ſſ in þiſſe, þiſſa
aus ſr ſtammt, doch haben letztere caſus mitunter þiſſere,
þiſſera und dann wäre jenes þiſſes, þiſſum rechtfertig. —
3) inſtr. lautet þëós.
(altn.) maſc. þëſſi. þëſſa. þeſſum. þënna; pl. þëſſir.
þëſſara. þëſſum. þëſſa. — fem. þëſſi. þëſſarar. þëſſari.
þëſſa. pl. þëſſar. þëſſara. þëſſum. þëſſar. — neutr. þëtta.
þëſſa. þëſſu. þëtta; pl. þëſſi. þëſſara. þëſſum. þëſſi. —
anm. 1) die ſchwache form im nom gen. ſg. maſc. iſt
bemerkenswerth. 2) eben ſo auffallend das vor dem r
bleibende a in -arar, -ari, -ara, während ſonſt alle
adj. -rar, -ri, -ra haben; fehlerhaft ſtehet jedoch þëſſar,
þëſſi, þëſſa für þëſſrar, þëſſri. þëſſra? (vgl. ſ. 740. n° 2.) —
3) ſt. des nom. maſc þëſſi galt ein früheres þërſi und
ſt. des inſtr. þëſſu þvîſa (Raſk §. 533.).
(mittelh.) maſc. dirre. diſes. diſeme. diſen; pl. diſe.
dirre. diſen. diſe. — fem. diſiu. dirre. dirre. diſe; pl.
diſe. dirre. diſen. diſe. — neutr. diz (ditze). díſes. diſe-
me. diz; pl. diſiu. dirre. diſen. diſiu. — anm. 1) der
nom. maſc. dirre ſcheint abnorm, und für dirr zu ſte-
hen, da aus barer nur bar = barr, aber kein barre wird
(dirre und barre wären comparative formen) indeſſen gilt
er allgemein und hat ſelbſt reime für ſich, (Wilh. 2,
101a); das richtigere diſer beſteht nebenher (Kolocz 380.)
im gen. dat. f. ſg. und gen. pl. iſt dirre untadelhaft,
wofür gleichfalls die nebenform diſere annehmbar wäre,
hingegen diſer verwerflich aus demſelben grunde, der
kein diſem f. diſeme duldet; Nib. 84. alſo diſer in di-
ſere oder dirre zu ändern. — 2) die gewöhnliche form
des nom. acc. ſg. neutr. iſt diz (oben ſ. 411.) und ditze
(Maria 1308. 1520. 2122.) auf witze reimend (Ottoc. 630b);
kaum wird ſich diƷ aus dem reim auf gebiƷ (Flore
22b), eher dis (hoc) aus dem reim auf gewis (Reinfr.
166.) rechtfertigen; die ſchreibungen diƷe, diƷƷe ſind
ganz verwerflich; man halte diz, ditze für keine con-
traction aus einem nirgends nachweiſlichen diſeƷ. —
3) der gen maſc. neutr. ſtehet nicht im reim, geſchrie-
ben aber diſes und diſſes (Nib. 6204.); bedenken macht
diſſe (Wigal. 1901. Kl. 1373. 1384. Müll. 1462. 1473. Hag.)
welches nicht aus diſes, wie dirre aus direre erklärt
werden darf; beßer wäre diſſ (Nib. 1206.) wie der nom.
m. dirr beßer als dirre. — 4) diſ (hic) für diſer und diſ
(hi, hos) für diſe reimt Ottocar mehrmahls auf gewis, parîs
(536b 606b 657b).
(mittelniederl.) maſc. dëſe. dëſes. dëſen. dëſen; fem.
dëſe. dëſre. dëſre. dëſe; neutr. dit oder ditte. dëſes. dë-
ſen. dit (ditte); pl. comm. dëſe. dëſre. dëſen. dëſe. —
anm. 1) für dëſre bald dëſere, bald dëſer. — 2) das dop-
pelte neutr. aus reimen erweiſlich, z. b. dit: wit, pit
(Rein. 372. Maerl. 2, 125.) ditte:hitte, zitte (Maerl.
1, 445. 2, 76. 125.)
(neuh.) maſc. dîſer. dîſes. dîſem. dîſen; fem. dîſe.
dîſer. dîſer. dîſe; neutr. dîſes. (ohne fl. dîs) dîſes. dîſem.
dîſes; pl. comm. dîſe. dîſer. dîſen. dîſe. — anm. die
decl. iſt ganz regelmäßig adjectiviſch und ſowohl dirre,
als ein neutr. ditz (analog den formen ſchatz. ſitz, witz)
unvorhanden, außer in mundarten (Schm. §. 659. 747.)
(neuniederl.) dêz, fem. dêze gehen regelmäßig; im
nom. acc. neutr. hat ſich dit erhalten.
(neuengl.) this pl. thêſe (ſpr. thîſe)
(ſchwed.) maſc. denne. dennas. denna. denna; pl. deſſe.
deſſes. deſſa. deſſa; fem. denna. dennas. denna. denna;
pl. deſſa. deſſas. deſſa. deſſa; neutr. detta. dettas. detta.
detta; pl. deſſe. deſſes. deſſa. deſſe.
(dän.) maſc. fem. denne. dennes. denne. denne;
neutr. dette. dettes. dette; pl. comm. diſſe. diſſes. diſſe.
diſſe.
(goth.) jàins, jàina, jàinata decliniert ganz wie blinds. —
(alth.) gënêr, gënu, gënaƷ (bei O.) gleichfalls wie plin-
têr; das ë ſchließe ich aus dem altn; nach dem goth.
ái ſollte man ei erwarten, da -áin dem alth. -ein
(nicht -in, -ën) entſpricht, wenigſtens -ên (wie im
dat. pl. -êm = áim, vgl. ſ. 791.). Wirklich hat eine
zweifelhafte ſtelle O. II. 9, 163. geinên f. gënên (und
hentige ſchweizermundarten: äine, däine; Stald. dial. 114.)
Bei N. vermuthe ich ënêr, ënju, ëneƷ, nicht ênêr etc. —
(altſ. angelſ.) mangelt dies pron. — (altn.) hinn, hin,
hitt decliniert wie einn (ſ. 760.), ſtößt aber (wie hann
ſ. 786.) wider die regel (ſ. 737. 740.), daß nur nach lan-
gem voc. nr zu an aſſimiliere, welches alles wieder auf
hinn = hinr für hênr, heinr (analog dem ſinn = ſînr
ſ. 784.) führt; folglich die alth. kürzung beſtätigt. We-
gen des h ſtatt j vgl. ſ. 324; die ältern quellen zeigen
inn oder ënn — (mittelh.) jëner, jëniu, jëneƷ regel-
mäßiger decl., aber häufiges e für ë weiſen die ſ. 334.
beigebrachten reime; das ſtumme e nach dem n bleibt
gewöhnlich (ſ. 374.), ſo zuläßig jen für jene (illi) iſt;
[798]II. interrogatives pronomen.
bisweilen noch die form ener, z. b. M. S. 1, 132b 188a —
(mitteln.) gewöhnlich ſchwache form: ghone = ghëne
(ſ. 471.) — (neuh.) jêner, jêne, jênes, wie jedes andre
adj. doch nicht ſchwach. — (neuniederl.) umgekehrt mei-
ſtens ſchwach: de gêne. — (neuengl.) yon. — (ſchwed.)
hin. hin. hint (nicht hitt) (dän.) hîn. hîn. hînt.
es können vier begriffe geſondert werden α) quis (τίς)
β) quisnam (ποῖος) wer von mehrern, γ) uter, (πότερος)
wer von zweien, δ) qualis.
(goth.) maſc. hvas. hvis. hvamma. hvana; pl. hvai.
hvizê. hváim. hvans. — fem. hvô. hvizôs. hvizái. hvô.
pl. hvôs. hvizô. hváim. hvôs. — neutr. hva. hvis. hvam-
ma. hva; pl. hvô. hvizê. hváim. hvô. — anm. 1) beleg-
bar ſind lediglich nom. ſg. m. f. n., gen. m., acc. m. f. ſo-
dann der inſtr. m. n. hvê. Kein pl. caſus, doch erſcheint
hvans in dem zuſ. geſetzten hvanzuh (quosque) und die
übrigen fälle erweiſt theoretiſch die analogie des erſten
demonſtr. — 2) nur hat der nom. ſg. n. das t abgelegt
und hva ſtehet für hvata (wie blind neben blindata). —
3) die practiſche ungebräuchlichkeit der meiſten caſus
ſchreitet in den übrigen ſprachen weiter vor.
(alth.) nach der analogie von dër, diu, daƷ wäre
die vollſtändige decl. maſc. huër. huës. huëmu. huënan
(huën); pl. huiê. huërô. huêm. huiê. — fem. huiu. huëra.
huëru. huia; pl. huiô. huërô. huêm. huiô. — neutr. huaƷ.
huës. huëmu. huaƷ; pl. huiu. huërô. huêm. huiu. —
anm. 1) belegbar ſind nur der ſg. m. n., wo auch der
inſtr. huiû oder hiû gilt; im acc. m. haben huënan alle
die inan, hingegen huën alle die in ſetzen (alſo ab-
weichend von dën, nicht dënan, vorhin 791.) — 2) die
weibl. und pl. caſus ermangeln gänzlich. — 3) meiſten-
theils gilt ſchon w für hu im anlaut.
(altſ.) ich finde nur den ſg. maſc. huie. huës.
huëmu. huëna; neutr. huat; weder fem. noch pl.
(angelſ.) maſc. hva. hväs. hvam. hvone; neutr. hvät.
hväs. hvam. hvät; der inſtr. hvî, hŷ; alles nach der
analogie des erſten demonſtr.; fem. und pl. unüblich.
(altn.) maſc. hvar. hvëſſ. hveim. hvann; neutr. hvat.
hvëſſ. hvî. hvat; fem. und pl. außer gebrauch, doch
gilt der ſg. maſc. auch fürs fem., – ſtatt hvar, hvat fin-
[799]II. interrogatives pronomen.
det ſich: hor, hot (Raſk §. 534.). — anm. ſelbſt der nom.
acc. m. hvar und hvann kommen nicht vor und wer-
den durch die formen des zweiten int. hver, hvern
ausgedrückt (vgl. Raſk §. 219.).
(mittelh.) maſc. wër. wës. wëm. wën (nicht wë-
nen); neutr. waƷ. wës. wëm. waƷ; inſtr. wiu
(mittelniederl.) maſc. wie. wies. wien. wien; neutr.
wat. wies. wien. wat.
(neuh.) maſc. wêr. weſſen. wêm. wên; neutr. was.
weſſen. wêm. was.
(neuniederl.) maſc. wie. wiens. wien. wien; fem. wie.
wier. wier. wie; neutr. wat. wiens. wien. wat; merk-
würdig der wohl nach analogie des demonſtr. neueinge-
führte ſg. fem.
(neuengl.) whô. whôſe. whôm. whô; neutr. what.
(ſchwed.) hô. hvars. hvem. hvem; neutr. hvad;
der gen. ſtammt aus dem zweiten interr.
(dän.) hvô. hvis. hvem. hvem; neutr. hvad.
(goth.) hvarjis, hvarja, hvarjata folgt ganz der
zweiten adj. decl. ſ. 720., der nom. maſc. hvarjis (Marc.
9. 34.) ſteht meiner anſicht nach für hvaris. — (alth.)
fehlt ein pron. hueri, huerju, hueri. — (altſ. angelſ.)
fehlt. — (altn.) exiſtiert es vollſtändig: hverr, hver,
hvert; geht adjectiviſch, ſchiebt aber (wie midhr ſ. 742.)
vor vocaliſch beginnenden flexionen das bildungs-i ein,
alſo: hverjum (cuinam) hverjan (quemnam) hverjar
(quaenam) hverjum (quibusnam); der gen. lautet hvers,
hverrar (wie: midhs, midhrar) etc. Im acc. maſc. heißt
es gewöhnlich hvern (ſt. hverjan). — Den übrigen ſpä-
teren mundarten geht dies zweite interr. ab; eine ſpur
dauert im ſchwed. gen. hvars.
das goth. hvaþar decliniert genau wie anþar ſ. 764; das
alth. huedar wie andar, e (oder ë?) für a iſt mir noch
unaufgeklärt; das altſ. hueder, angelſ. hvädher declinie-
ren regelmäßig; — die altn. form lautet hvârr. hvâr,
hvârt (oder hvorr, hvor, hvort) und decl adjectiviſch, doch
ohne einſchiebung von i, alſo nach urſprünglich erſter
decl.; acc. ſg. maſc. hvârn (ſt. hvâran. wie annan = an-
narn ſt. annaran oder anran); übrigens ſcheint â
durch unterdrückung des dh entſprungen, da man nach
[800]II. allg. vergleichung der declination.
dem goth. und alth. ein älteres hvadhar zu vermuthen
hat (etwa wie niederl. vâr aus vader ſ. 537.). — Das
mittelh. fragwort wëder (: lëder Flore 22b) decl. nach
mager ſ. 747. iſt aber ſelten (Parc. 199a Triſt. 26b 74b) und
im neuh. ganz ausgegangen, ſo wie es den übrigen
mundarten gebricht, obgleich es in adv. oder unbeſtimm-
ten pronom. dem ſtamme nach fortdauert. Volksdialecte
beſitzen es noch vgl. Stald. 117. 118.
goth. hvêleiks (hvileiks); alth. huëlîhhêr, bei N. wëlêr
(Stald. dial. 116.); altſ. huilîk; angelſ. hvilc, hvylc; altn.
hvîlîkr; mittelh wëlcher, bei Boner wël, gen. wëls,
acc. wëln etc. (alſo nach hol ſ. 746.); mitteln. wëlke;
neuh. welcher; neuniederl. welke; engl. which; ſchw.
dän. hvilken; die flexion überall adjectiviſch.
der begriff der relation wird in allen deutſchen ſprachen
theils durch das bloße erſte demonſtr. (zuweilen ſelbſt
das geſchl. perſ. pron.), theils durch eine demſelben
beigefügte partikel, theils durch das erſte und vierte
interrog., theils endlich durch eine bloße partikel aus-
gedrückt; die ausführung dieſer verhältniſſe gehört alſo
nicht hierher.
bilden ſich theils aus den vorher abgehandelten pron.,
mittelſt gewiſſer prae- oder ſuffixe, theils aus andern
ſubſt. oder adj., deren declination nichts eigenthümli-
ches darbietet, daher auch dieſer abſchnitt der flexions-
lehre fremd iſt.
durch inclination und zuſ. ziehung ändern ſich verſchie-
dene pronominalformen, wovon ich im vierten buche
näher handeln werde.
Der hiſtoriſche ſatz, daß die adjectiviſche flexion
vollkommner als die ſubſtantiviſche ſey, daß ferner ſelbſt
im adj. erloſchene formen aus den biegungen einiger
zahlwörter und pronomina geſchloßen werden dürfen,
führt zu folgenden betrachtungen:
Behandeln wir das uns überlieferte als etwas ſtehen-
des, ohne nach ſeinem urſprung zu fragen, ſo läßt ſich
die eigenthümlichkeit der ſchwachen decl. in folgende
allgemeine grundzüge faßen; a) alle caſus mit ſtrenger
ausnahme des nom. ſg. jedes geſchlechts zeigen ein cha-
racteriſtiſches -n: auch dem dat. pl. mangelt es ge-
wöhnlich, nicht durchgehends. — b) die drei geſchlech-
ter ſind zwar geſchieden, weniger aber durch conſonan-
ten, als durch vocale, deren verhältnis bei vergleichung
der einzelnen ſprachen ziemlich räthſelhaft erſcheint.
Nur im goth. fällt auf das weibliche ô ein licht durch
zuſ. ſtellung mit dem vorhin (ſ. 806.) bemerkten ô des
gen. pl., gegenüber dem männl. und neutr. ê. —
c) gleichheit des männl. und neutr. gen. ſg. bleibt un-
geſtört; im pl. wankt ſie; gleichheit des nom. ſg. fem.
mit dem nom. acc. pl. neutr. geht verloren, dagegen
tritt ſie zwiſchen dem nom. ſg. fem. und nom. acc. ſg.
neutr. hervor.
Nähere prüfung der ganzen erſcheinung hat mich
zu folgender theorie hingeführt: die ſchwache form
der ſubſt. und adj. beruht im zuſammenſtoß eines prin-
cips der bildung (eben des ſchon erwähnten -n) mit
dem der flexion, wobei letzteres am ende überwältigt
wird und weicht, erſteres aber die natur eigentlicher
caſus annimmt. Zuerſt werde ich hiernach die ſchwa-
chen ſubſt. (anm. 1-12.) dann die adject. (13-19.) zu
entwickeln ſuchen.
geht man von dem gedanken aus, die anfängliche flexion
werde dasjenige von innen enthalten haben, womit ſich
die ſpätere ſprache von außen behilft; ſo ſcheinen prae-
poſitionen und pronomen als ſuffixe, mittelſt welcher
ſich caſusverhältniſſe an der wurzel entwickeln, in be-
tracht zu kommen. Nothwendigkeit liegt doch keine
hierunter, weil umſchreibung zwar der ſache ſelbſt ana-
log, nicht identiſch zu ſeyn braucht. — 1) praepoſitionen
ſehen wir auf das verhältnis des gen. dat. acc. abl.
eingeſchränkt; einen dieſer caſus fordern ſie weſentlich;
ſollen ſie folglich auf die formation derſelben angewandt
werden, ſo hat man ſie nicht als eigentliche praepoſitio-
nen, ſondern als bloße der wurzel angehängte partikeln
anzuſehen. Dergleichen urpartikeln unternehme ich
nicht, aus irgend einer deutſchen ſprache nachzuweiſen.
Wären ſie nachweiſlich, ſie würden weder den nom. und
voc. (welchem letztern das ſuffix einer interj. zukäme) noch
die modificationen der zwei- und mehrzahl erklären.
Das ſ (r) des nom. maſc., der vocal des nom. f. und
pl. neutr., das t (Ʒ) des nom. ſg. neutr. find von par-
tikeln unabhängig; nicht weniger iſt es das im pl. wal-
tende und wenigſtens im dat. und acc. den merkmah-
len des ſg hinzutretende ſ (r). 2) fragt es ſich: ob das
geſchl. perſ. pronomen (werde es nun mit ſeinen flexio-
nen ſelbſt erklärt oder als etwas unbegriffenes aufgeſtellt)
allen übrigen declinierenden wörtern als ſuffix einver-
leibt ſey? ſo daß z. b. fiſks: fiſk -is (er fiſch) blinds:
blind -is (er blind) blindamma: blind -imma (blind ihm)
bedente? etc. Die annahme führt, wie man ſieht, kei-
nen ſchritt weiter; geboten wäre ſie bloß, wenn die
individuelle geſtalt jenes pron. in den flexionen der übri-
gen wörter deutlich vorträte und der begriff ſelbſt eine
veränderung empfienge. Offenbar aber wird in blin-
damma, geſetzt es ſtünde für blind-imma, die wurzel
blind nicht anders beſtimmt, als die wurzel i in ïmma
und die eigenthümlichen formen des pron. treten ge-
rade zurück. Namentlich mangelt das ſ des nom. fem.
ſi, alth. ſiu; es heißt blinda, plintu nicht blindü, plint-
ſiu. Das alth. demonſtr. dërêr, diſiu verräth eine ganz
andere zuſ. ſetzung (aus dër -ër, diu -ſiu), nach jener
anſicht wäre ſchon dër = d-ër, folglich dërêr = d -ër
-ër. Will man dem ſiu ſelbſt ſein alter ableugnen, und
ein früheres iu (goth. ija) behaupten, ſo ſchwindet da-
[835]II. von der conjugation im allgemeinen.
mit wieder alle individualität, woran das ſuffixum er-
faßt werden könnte. Die caſuszeichen bleiben mir
ein geheimnisvolles element, das ich lieber jedem worte
zuerkennen will, als es von einem auf alle übrigen
leiten.
In der conjugation erfährt ein wort vielfältigere
und bedeutendere beſtimmungen, als in der declination.
Außer dem verhältnis der perſon und des numerus muß
auch das des tempus, modus und genus ausgedrückt
werden. Die flexionsfähigkeit des deutſchen verbums er-
ſcheint inzwiſchen ſehr geſunken. Vom genus paſſivum
vergehen mit der goth. ſprache die letzten reſte; das me-
dium mangelt überall, wenn man eine altnord. einiger-
maßen analoge reflexivform abrechnet. Vier modi ſind
vorhanden: infinitiv, imperativ, indicativ, conjunctiv;
kein optativ. Das empfindlichſte iſt der verluſt mancher
tempusflexionen; nur das praeſens und ein praeteritum
ſind uns verblieben, kein futurum und keine abſtufung
der vergangenheit kann durch bloße innere abänderung
des wortes mehr erreicht werden.
Die art und weiſe, wie ſich abgegangene oder ab-
geſtumpfte flexionen erſetzen und ergänzen, gehört
eben ſo wenig in eine darſtellung der conjugation, als
der gewiſſe flexionen nach allgemeinem geſetz beglei-
tende umlaut; wiewohl einige beſtimmungen des letz-
tern bei den einzelnen flexionen am ſchicklichſten zur
ſprache kommen.
Bei der abhandlung deutſcher conjug. ſind (außer
jenen überbleibſeln verlorener flexionen) folgende vier
puncte zu erörtern:
Das ſtarke praet. muß als hauptſchönheit unſerer
ſprache, als eine mit ihrem alterthum und ihrer ganzen
einrichtung tief verbundene eigenſchaft betrachtet wer-
den. Unabhängig von jenen endungsflexionen, wodurch
die unter A. B. berührten verhältniſſe beſtimmt werden,
betrifft es die wurzel ſelbſt und zwar auf doppelte
weiſe: entw. wird der anlaut der wurzel vor derſelben
wiederhohlt (reduplication) oder der vocal der wurzel
(ſey er in oder anlautend) in einen andern verwandelt
(ablaut). Die goth. ſprache kennt noch beide mittel,
ſie redupliciert und lautet ab, zuweilen wendet ſie
ablaut und redupl. vereint an. Die redupl. hat nie
[837]II. von der conjugation im allgemeinen.
mit den auslautenden wurzelconſonanten zu ſchaffen.
In den übrigen mundarten iſt die eigentliche redupl.
untergegangen (leiſe ſpuren abgerechnet), d. h. ſtatt
ihrer hat ſich ein unorg. diphthong gebildet und auf
die doppelung des conſon. wird kein bedacht mehr ge-
nommen. Jener diphth. kann dann füglich für eine eigene
art des ablauts gelten und die abtheilung der conjuga-
tionen wird dadurch nicht geſtört.
Die reduplicierende conj. läßt den vocallaut der wur-
zel unverändert und ſchiebt bloß dem ſg. und pl. praet.
ind. conj., nicht aber dem part. praet. die verdoppelung
vor. Die ablautende läßt dem praet. ſg. und pl. nie den
voc. des praeſ., zuweilen dem part. praet.; unverbrüchliche
regel iſt, daß der vocal des praet. conj. (ſg. und pl.) dem des
pl. praet. ind. gleich ſey. Überhaupt ergeben ſich zwölf
conjugationen, ſechs reduplicierende und ſechs ablautende,
deren formel ich mich begnüge, hier nach der goth.
und alth. mundart aufzuſtellen, da es ſehr leicht iſt,
den regeln des erſten buchs gemäß ſie für alle übrigen
zu entwerfen:
anmerkungen zu dieſer tabelle:
paradigma der perſonenendungen:
| I. | II. | III. |
| ind. praeſ. ſg.-a | -is | -iþ |
| dl.-ôs | -ats | — |
| pl.-am | -iþ | -and |
| praet. ſg. … | -t | … |
| dl.-u (?) | -uts | — |
| pl.-um | -uþ | -un |
| conj. praeſ. ſg.-áu | -áis | -ái |
| dl.-áiva (?) | -áits | — |
| pl.-áima | -áiþ | -áina |
| praet. ſg.-jáu | -eis | -i |
| dl.-eiva | -eits | — |
| pl.-eima | -eiþ | -eina |
| imp ſg. — | … | — |
| dl. — | -ats | — |
| pl.-am | -iþ | — |
| inf. -an. part. praeſ. -ands. part. praet. -ans. | ||
Anmerkungen: I. dual. praeſ. ind. belegt galeiþôs
Joh. 14, 23; die endung -u im praet. folgere ich aus
magu Marc. 10, 39; ſiju Joh. 10, 30. 17, 22; -diva dl.
pracſ. conj. belegt ſitáiva Marc. 10, 37; -eiva im praet.
fordert die analogie. I. dl. imp. mag wie im ind.
-ôs lauten. Die übrigen flexionen ſcheinen mir der
belege unbedürftig.
Von jedem einzelnen verbum gebe ich die I. ſg.
praeſ. ind.; praet. ind. ſg.; praet. ind. pl.; part. praet.
an, wonach man ohne mühe das ganze conjugieren
wird. Die einzelnen ſtämme ordne ich nach der
buchſtabenlehre, indem ich liq. voranſtelle und ihnen
lab. liug. gutt. folgen laße.
Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.
| I. | II. | III. |
| ind. praeſ. ſg. [vocal] | -s | -þ |
| dl.-ôs | -ts | — |
| pl.-m | -þ | -nd |
| praet. ſg.-da | -dês | -da |
| dl. — | -dêduts | — |
| pl.-dêdum | -dêduþ | -dêdun |
| conj. praeſ. ſg. [vocal] | -s | [vocal] |
| dl. — | -ts | — |
| pl.-ma | -þ | -na |
| praet. ſg.-dêdjáu | -dêdeis | -dêdi |
| dl. — | -dêdeits | — |
| pl.-dêdeima | -dêdeiþ | -dêdeina |
| imp. ſg. — | [vocal] | — |
| dl. — | -ts | — |
| pl.-m | -þ | — |
| inf. -n. part. praeſ. -nds. part. praet. -þs. | ||
die einzelnen conjugationen ſcheiden ſich nach dem
zwiſchen wurzel und flexion tretenden ableitungsvocal,
in der erſten iſt dieſer i, in der zweiten ô, in der
dritten ái. Das praet. hat hiernach nirgends ſchwierig-
keit, vgl. naſ-i-da, ſalb-ô-da, hab-ái-da; im praeſ.
hingegen fallen bei begegnung des ableitungsvocals mit
dem der flexion auswerfungen und zuſ. ziehungen vor.
hier ergeben ſich zwei abtheilungen je nachdem die
wurzelſilbe kurz oder lang iſt; kurzſilbige, deren weit
weniger ſind, conjugieren, wie folgt:
[846]II. goth. erſte ſchwache conjugation.
| ind. praeſ. ſg. naſ-ja | naſ-jis | naſ-jiþ |
| dl. naſ-jôs | naſ-jats | — |
| pl. naſ-jam | naſ-jiþ | naſ-jand |
| praet. ſg. naſ-ida | naſ-ides | naſ-ida |
| dl. — | naſ-idêduts | — |
| pl. naſ-idêdum | naſ-idêduþ | naſ-idêdum |
| conj. praeſ. ſg. naſ-jáu | naſ-jáis | naſ-jái |
| dl. — | naſ-jáits | — |
| pl. naſ-jáima | naſ-jáiþ | naſ-jáina |
| praet. ſg. naſ-idêdjau | naſ-idêdeis | naſ-idêdi |
| dl. — | naſ-idêdeits | — |
| pl. naſ-idêdeima | naſ-idêdeiþ | naſ-idêdeina |
| imp. ſg. — | naſ-ei | — |
| dl. — | naſ-jats | — |
| pl. naſ-jam | naſ-jiþ | — |
| inf. naſ-jan; part. praeſ. naſ-jands; praet. naſ iþs. | ||
wobei auffällt, daß II. ſg. imp. auf -ei ſtatt -i endigt,
wiewohl häufige belege an dem -ei keinen zweifel
laßen (vgl. auch die anm. 4. zu der ſtarken form angeführ-
ten imp.) und für -i das einzige hiri (nicht hirei) Marc.
10, 21. Luc. 18, 22. Joh. 11, 34, 43. nachzuweiſen iſt.
Faſt alle hierher gehörigen verba haben den wur-
zelvocal a und nur einige i oder u.
Die langſilbigen verba erſter conj. richten ſich nach
dieſem paradigma:
| ind. praeſ. ſg. ſôk-ja | ſôk-eis | ſôk-eiþ |
| dl. ſôk-jôs | ſôk-jats | — |
| pl. ſôk-jam | ſôk-eiþ | ſôk-jand |
| imp. ſg. — | ſôk-ei | — |
| dl. — | ſôk-jats | — |
| pl. ſôk-jam | ſôk-eiþ | — |
alle übrigen tempora gehen völlig wie bei den kurzſil-
bigen und bedürfen keiner aufſtellung. Der unterſchied
lauft alſo dahinaus, daß wenn das bildungs-i auf ein
flexions-i ſtößt, durch einwirkung der langen wurzel-
ſilbe beide in -ei verſchmelzen, während auf kurze
wurzeln -ji folgt (vgl. ſ. 599. 606.).
Dieſe andere claſſe begreift nachſtehende verba:
Anmerkung. im praet. begegnen einige abweichun-
gen. doch höchſt ſelten: Luc. 16, 14. bi-mamindèdun
(irriſerunt), wo der ableitungsvocal vor dem d mangelt,
inſofern der inf. bi-maminjan lautete. Die ſpätere ho-
milie (Mai ſpec. p. 24.) liefert ſanda für ſandida, wäh-
rend Ulph. Joh. 11, 42. ſandidês, Matth. 27, 3. vandida etc.
ſetzt. Eher zu vertheidigen ſcheint kàupaſtêdun (cola-
phizarunt) Matth. 26, 67. (nach dem cod. ambroſ.) für
[849]II. goth. zweite ſchwache conjugation.
káupatidêdun vom inf. káupatjan Marc. 14, 65. (vgl.
anomala n° 2. ſeite 853.).
| ind. praeſ. ſg. ſalb-ô | ſalb-ôs | ſalb-ô |
| dl. ſalb-ôs (?) | ſalb-ôts (?) | — |
| pl. ſalb-ôm | ſalb-ôþ | ſalb-ônd |
| praet. ſg. ſalb-ôda | ſalb-ôdês | ſalb-ôda |
| dl. — | ſalb-ôdêduts | — |
| pl. ſalb-ôdêdum | ſalb-ôdêduþ | ſalb-ôdêdum |
| conj. praeſ. ſg. ſalb-ô (?) | ſalb-ôs | ſalb-ô |
| dl. — | ſalb-ôts | — |
| pl. ſalb-ôma (?) | ſalb-ôþ | ſalb-ôna (?) |
| praet. ſg. ſalb-ôdêdjáu | ſalb-ôdêdeis | ſalb ôdêdi |
| dl. — | ſalb-ôdêdeits | — |
| pl. ſalb-ôdêdeima | ſalb-ôdêdeiþ | ſalb ôdêdeina |
| imp. ſg. — | ſalb-ô | — |
| dl. — | ſalb-ôts (?) | — |
| pl. falb-ôm | ſalb-ôþ | — |
| inf. ſalb-ôn. praet. ſalb-ônds; ſalb-ôþs. | ||
offenbar verſchlingt hier das ô der ableitung den an-
ſtoßenden vocal der flexion, ſalbô, ſalbôs, ſalbôþ etc.
ſtehen für ſalbôa, ſalbôis, ſalbôiþ, wodurch im praeſ.
I. ſg. ind. und conj.; II. ſg. ind. conj. und I. dual. zu-
ſammenfallen. Die flexionen mit fragzeichen finden ſich
nicht im Ulph., ſcheinen mir aber unbedenklich.
Hierher gehören nach ordnung der dem ableitungs-
ô vorſtehenden vocale und conſon. folgende verba:
1) þiudanôn (regnare); vratôn (ire) laþôn (invitare). —
2) and-tilôn (auxiliari) faginôn (gaudere) ga fairinôn
(inculpare) fráujinôn (imperare) gudjinôn (ſacerdotio
fungi) hôrinôn (adult. committere) raginôn (regere) rei-
kinôn (imperitare) ſkalkinôn (ſervire); mitôn (cogitare)
viþôn (movere) hatizon (indignari). — 3) dvalmôn (in-
ſanire) ſalbôn (ungere) hvarbôn (ire). — 4) ſpillôn (nar-
rare) vaírþôn (taxare) fiſkôn (piſcari) áiviſkôn (convitiari)
ſviglôn (tibia canere) aíhtrôn (mendicare). — 5) ufar-
munnôn (obliviſci) vundôn (vulnerare) luſtôn (concupiſ-
cere). — 6) grêdôn (eſurire). — 7) hôlôn (fraudare)
krôtôn (conquaſſare). — 8) qváinôn (flere) vlaiton (cir-
cumſpicere) láigôn (lambere). — 9) gáunôn (lugere)
káupôn (emere) raubôn (ſpoliare). — 10) ga-veiſôn (vi-
ſitare) ga-leikôn (aequiparare) ïdreigôn (poenitere). —
H h h
[850]II. goth. dritte ſchwache conjugation.
11) ſûpôn (condire) lûtôn (ſeducere) aviliudôn (gratias
agere) liuþôn (canere). — 12) nachſtehende haben vor
dem ô noch ein i: frijôn (amare) ga-ſibjôn (reconciliari)
áuhjôn (tumultuari) praet. frijôda.
| ind. praeſ. ſg. hab-a | hab-áis | hab-áiþ |
| dl. hab-ôs (?) | hab-ats (?) | — |
| pl. hab-am | hab-áiþ | hab-and |
| praet. ſg. hab-áida | hab-áidês | hab-áida |
| dl. — | hab-áidêduts | — |
| pl. hab-áidêdum | hab-áidêduþ | hab-áidêdun |
| conj. praeſ. ſg. hab-áu | hab-áis | hab-ái |
| dl. — | hab-áits | — |
| pl. hab-áima | hab-áiþ | hab-áina |
| praet. ſg. hab-áidêdjáu | hab-áidêdeis | hab-áidêdi |
| dl. — | hab-áidêdeits | — |
| pl. hab-áidêdeima | hab-áidêdeiþ | hab-áidêdeina |
| imp. ſg. — | hab-ái | — |
| dl. — | hab-ats (?) | — |
| pl. hab-am | hab-áiþ | — |
| inf. hab-an; part. hab-ands, hab-áiþs. | ||
der ableitungsvocal lautet ái, erfährt aber ein von dem
ô zweiter conj. verſchiednes ſchickſal, nämlich α) vor
conſonantiſch anhebender flexion bleibt er, gleich jenem
ô, unbeeinträchtigt. β) hebt die flexion mit i an, ſo
verſchlingt er dieſes; alſo habáis, habáiþ ſtehen für ha-
bái-is, habái-iþ. γ) hebt aber die flexion mit a, áu
oder ſelbſt mit ái an, ſo wird das ableitende ái ausge-
worfen, mithin ſtehet haban, haba, habam, habáu, ha-
bái für habajan, habaja, habajam, habajáu, habajái? II.
ſg. und pl. miſchen ſich im ind. und conj.
Die einzelnen verba ſind: 1) ſkaman (pudere) ha-
ban (tenere) ſlavan (tacere) hahan (pendere) þahan (ta-
cere). — 2) ſilan (ſilere) liban (vivere) hlifan (furari)
ſifan (gaudere) vitan (obſervare). — 3) þulan (pati) mu-
nan (mente agitare). — 4) arman (miſereri) faſtan (ſer-
vare). — 5) gakunnan (obſervare) ſtaúrran (fremere) maúr-
nan (moerere) ſaúrgan (lugere) gajukan (ſubjugare). —
6) ſvêran (honorare). — 7) hvôpan (gloriari) blôtan (deum
colere). — 8) ga-þlaíhan (conſolari, demulcere) áiſtan
(vereri). — 9) báuan (aedificare) bnáuan (confricare) tráuan
(fidere). — 10) ga-hveilan (morari) reiran (tremere) ga-
[851]II. anomal. der gothiſchen conjugation.
leikan (placere) ga geigan (lucrari) veihan (ſanctificare). —
11) liugan (nubere). — 12) fijan (odiſſe) hat vor dem ái
noch ein i; praet. fijáida. —
Anm. ſchwankend ſteht bald hatan (odiſſe) bald hat-
jan Luc. 1, 71. 6, 27. Matth. 5, 44.); da einige praeſens-
flexionen dieſer conj. denen der ſtarken gleichlauten, ſo
könnten þlaíhan, báuan, welche nicht im praet. vor-
kommen, vielleicht ſtark gehen, praet. þaiþlaíh, báibáu?
Sie gründen ſich theils auf miſchung verſchiedener
wortſtämme und ableitungen, theils auf anwendung ſtar-
ker und ſchwacher flexion nebeneinander. Auxiliaria,
d. h. verba, welche ſehr häufig gebraucht werden und
ſtatt ihrer lebendigen bedeutung abſtracte begriffe an-
nehmen, tragen gewöhnlich ſolche unregelmäßigkeiten
an ſich.
| ſg. I. môt | ôg | váit | áih | mag |
| II. môſt | ôgt | váiſt | áihs | magt |
| III. môt | ôg | váit | áih | mag |
| dl. I. môtn | ôgu | vitu | áigu | magu |
| II. môtuts | ôguts | vituts | áiguts | maguts |
| pl. I. môtum | ôgum | vitum | áigum | magum |
| II. môtuþ | ôguþ | vituþ | áiguþ | maguþ |
| III. môtun | ôgun | vitun | áigun | magun |
| ſg. I. ſkal | man | dar | kann | þarf |
| II. ſkalt | mant | dart (?) | kant | þarft |
| III. ſkal | man | dar | kann | þarſ |
| dl. I. ſkulu | munu | daúru | kunnu | þaúrbu |
| II. ſkuluts | munuts | daúruts | kunnuts | þaúrbuts |
| pl. I. ſkulum | munum | daúrum | kunnum | þaúrbum |
| II. ſkuluþ | munuþ | daúruþ | kunnuþ | þaúrbuþ |
| III. ſkulun | munun | daúrun | kunnun | þaúrbun |
| fg. I. môſta | ôhta | viſſa | aíhta | mahta |
| II. môſtês | ôhtês | viſſês | aíhtês | mahtês |
| III. môſta | ôhta | viſſa | aíhta | mahta |
| pl. I. môſtêdum | ôhtêdum | viſſêdum | aíhtêdum | mahtêdum |
| II. môſtêduþ | ôhtêduþ | viſſêduþ | aíhtêduþ | mahtêduþ |
| III. môſtêdun | ôhtêdun | viſſêdun | aíhtêdun | mahtêdun |
| ſg. I. ſkulda | munþa | daúrſta | kunþa | þaúrfta |
| II. ſkuldês | munþês | daúrſtês | kunþês | þaúrftês |
| III. ſkulda | munþa | daúrſta | kunþa | þaúrfta |
| pl. I. ſkuldêdum | munþêdum | daúrſtêdum | kunþêdum | þaúrftêdum |
| II. ſkuldêduþ | munþêduþ | daúrſtêduþ | kunþêduþ | þaúrftêduþ |
| III. ſkuldêdun | munþêdun | daúrſtêdun | kunþêdun | þaúrftêdun |
Anmerkungen: α) den conj. ergibt der pl. ind. von
ſelbſt. — β) der ablaut verhält ſich in den drei erſten
und zwei letzten (môt, ôg, váit, kann, þarf) ordentlich;
in den fünf mittlern macht er anſtoß. Die ſingulare
áih, mag, ſkal, man, dar, ſollten nach der regel im
pl. aíhum, mêgum, ſkêlum, mênum, dêrum bekom-
men; áigum und magum ſondern den ablaut des pl.
nicht von dem des ſg.; ſkulum, munum, daúrum fol-
gen der zwölften conj., welcher fie wegen ihres ein-
fachen conſ. nicht zugehören; aú in daúrum (ſtatt dê-
[853]II. anomal. der gothiſchen conjugation.
rum) iſt zwar nicht zu belegen, doch aus dem praet.
daúrſta zu folgern. — γ) dem ſchwachen praet. gebührt
der vocal des pl. praeſ.; vor dem -d der flexion da,
dês, da; dêdum etc. konnte hier natürlich kein ablei-
tungsvocal eintreten, (wie in regelmäßigen ſchwachen
conj. i, ô, ái) folglich muſte der wurzelconſ. an dieſes
d ſtoßen, wodurch aſſimilationen und übergänge beider
conſ. verurſacht wurden. In dem einzigen ſkulda blei-
ben ſie unverändert; kunþa ſteht für kunnda; munþa f.
munda; mahta, ôhta, aíhta f. magda, ôgda, áigda;
þaúrfta f. þaúrbda; môſta f. môtda (wie in II. praeſ. môſt
f. môtt; vgl. oben ſ. 844. und káupaſta f. káupatida ſ. 848.)
dáurſta f. daúrda; viſſa f. vitda; die vorausſetzung einer
volleren form ſkulida, môtida, vitida etc. (oben ſ. 171.)
ſcheint mir gegenwärtig grundlos; woher ſollte das i
kommen? und nicht aus dem wohllautigen tid hätte
ſich ſt, ſſ entwickelt, wohl aber aus td. — δ) Luc. 19,
22. ſteht viſſeis für viſſês (vgl. vorhin ſ. 844. über ei
und ê) tadelhafter Neh. 6, 16. kunþidun ſt. kunþêdun;
Joh. 17, 23. kunnei (noſſet) ſt. kunni; ûhtêdun Marc.
11, 32. ſt. ôhtêdun. — ε) auch der imp. dieſer wörter
iſt eigenthümlich, er ſtimmt nicht, wie ſonſt überall,
zu dem ind., vielmehr zu dem conj.; II. pl. heißt: mu-
neiþ, kunneiþ, ôgeiþ, viteiþ etc. nicht: munuþ, vi-
tuþ. — II. ſg. iſt nur von ôgan belegbar, lautet ôgs
Luc. 1, 13, 30. Joh. 12, 15. Rom. 13, 4, für ôgeis (wie
baúrgs, bruſts ſ. 610. für baúrgeis, bruſteis) und ich
zweifle kaum, daß ein analoges: mags, kuns, muns,
þaúrfs, aíhs behauptet werden müße.
es ſind bloß die flexionen des praeſ. ind. und conj. er-
halten worden:
| I. | II. | III. |
| ind. praeſ. ſg.-da | -za | -da |
| pl.-nda | -nda | -nda |
| conj. praeſ. ſg.-dáu | -záu | -dáu |
| pl.-ndáu | -ndáu | -ndáu |
welche ſich für die geſammte ſtarke und dritte ſchw.
conj. näher ſo beſtimmen: -ada, -aza, -ada; pl. -anda,
-anda, -anda; conj. -aidáu, -áizáu, -áidáu; pl. -áin-
dau. In der erſten ſchwachen wird i eingeſchoben:
-jada, -jaza, -jada; janda; conj. -jáidáu, -jáizáu,
-jáidáu; -jáindáu. Die zweite ſchwache hat überall ô:
-ôda, -ôza, -ôda; ônda; conj. -ôdáu, -ôzáu, -ôdáu;
pl. -ônda. Beiſpiele ſind: háitada (vocor) háitaza (vo-
caris) háitada (vocatur); háitanda (vocamur); háitáidáu
(vocer) háitáizáu (voceris) etc. faſtada (ſervor) faſtáidáu
(ſerver) etc. huljada (tegor) huljaza (tegeris) huljáindáu
(tegantur) etc. galeikôda (comparatur) galeikôzáu (com-
pareris) etc.
Anmerkungen: 1) Luc. 18, 32. Marc. 9, 50. krôtûda,
ſûpûda ſt. krôtôda, ſûpôda. — 2) merkwürdiger Matth.
27, 42. 43. Marc. 15, 32. láuſjadáu, atſteigadáu für
ῥυσάσθω, καταβάτω, gewis verſchieden von der III. conj.
paſſ. láuſjáidáu, atſteigáidáu, die ganz etwas anders be-
deuten würden, nämlich liberetur, deſcendatur. Liegt
hier III. conj. eines goth. mediums vor? — 3) ein
inf. paſſ. auf -am läßt ſich kaum folgern aus Marc.
10, 45. ni qvam atanbahtjam, ak andbahtjan (οὐκ ἦλθε
[856]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
διακονηθῆναι ἀλλὰ διακονῆσαι) weil das vorangehängte at
zu berückſichtigen iſt, das nicht von qvam regiert wird,
auf welches verbum ſtets der bloße inf. folgt. — 4) nicht
weniger bedenklich ſcheint mir aflifnanda Joh. 6, 13. ſt.
des activen aflifnand (ſuperſunt).
| I. | II. | III. |
| ind. praeſ. ſg.–u | –is | –it |
| pl.–amês | –at | –ant |
| praet. ſg. … | –i | … |
| pl.–umês | –ut | –un |
| conj. praeſ. ſg.–e | –ês | –e |
| pl.–êmês | –êt | –ên |
| praet. ſg.–i | –îs | –i |
| pl.–îmîs | –ît | –în |
| imp. ſg. — | … | — |
| pl. — | –at | — |
| inf. –an; part. praeſ. –antêr, praet. –anêr | ||
Anmerkungen: α) conſonanten 1) das t der III. praeſ.
ind. und der II. pl. in allen modis ſollte zufolge des
goth. þ die alth. media d ſeyn, doch erſcheint dieſe
nirgends und man muß jenes t in die reihe der ſ. 156. 159.
angeführten auslaute (cot, mit, it-, pluot etc.) ſetzen;
in der III. pl. ant und dem part. antèr ſtimmt hingegen
t zum goth. d. — 2) die I. pl. -amês, -umês, -êmês,
-îmes übertrifft das goth. -am, -um, -áima, -eima
und bezeugt ein früheres goth. -ams, -ums, -áimas (?)
-eimas (?), welches ſich zu -amês etc. verhält, wie
blinds zu plintêr und den ſ. 808. vermutheten dat. pl.
fiſkams, viſcumêr beſtärkt. Übrigens ſollte man nach
der analogie von plintêr ein -amêr etc. ſtatt -amês er-
warten, welches einigemahl, doch wohl als ſchreibfehler
vorkommt, vgl. tragamer K. 21a; ſchon die frühſten
denkmähler ſchneiden das -ês zuweilen ab und endigen.
wie im goth., auf bloßes -m (vgl. pirum gl. hrab. 967b
ſculîm J. 377.), mit dem zehnten jahrh. hört es gänzlich
auf. Das auslautende -m aber ſchwächt ſich bereits im
neunten zu -n (ſelbſt bei O. und T., welche doch in-
lautend -mês daneben gebrauchen), ſo daß ſich I. pl.
praeſ. ind. -an mit dem inf. -an und I. pl. praeſ. conj.
[857]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
fo wie I. pl. praet. durchgehends mit der III. pl. ſchäd-
lich mengen. N. ſetzt überall -n. — 3) eine merkwür-
dige ſpur der I. ſg. conj. auf -m, ſtatt des vocals,
gewährt ar-wêlim (ferverem) gl. hrab. 952b, woraus
freilich die nothwendigkeit des dem pl. angefügten -ês
hervorgienge, ſo wie ſeine erläßlichkeit, ſobald dem ſg.
das -m mangelt. Was früher z. b. lâſi-m (legerem) laſîmês
(legeremus) lautete, konnte ſpäter lâſi (legerem) lâſîm
(legeremus) heißen; auch hier ſehe ich den gemuthmaß-
ten dat. ſg. palkim, dat. pl. palkimêr (ſ. 808.) beſtä-
tigt. — 4) ſpurweiſe bei O und T., entſchieden bei N.,
lautet die II. pl. jedes modi der III. pl. ind. gleich auf
-nt, während im praet. und conj die III. pl. ſelbſt die-
ſes t frei bleibt. — 5) II. ſg. praeſ. ind. conj. und
praet. conj. beginnt bey O. hin und wieder dem -s
ein t zuzufügen; bei N herrſcht dieſes -ſt ſtatt -s aus-
gemacht. — 6) II. ſg. praet. ind. hat kein dem goth. -t
paralleles - Ʒ, ſondern -i, und, wo der ablaut des ſg.
von dem des pl. abweicht, ſtets mit dem wurzelvocal
und dem conſ. des pl. ind., folglich zugleich des ſg. pl.
praet. conj. z. b. chôs, churi; was, wâri; ſcrei, ſcriri;
ſluoh, ſluogi; zêh, zigi; zôh. zugi; ſah, ſâhi; meit,
miti; ſôt, ſuti; war, wurri etc. — 7) das -n des inf.
mangelt höchſt ſelten, z. b. in den gl. wirceb, wo
aber die lesart nicht hinreichend ſicher iſt. — β)
flexionsvocale 1) I. praeſ. ſg. ind. hat -u ſtatt des
goth. -a (wie der nom. des ſtarken fem. erſter decl.);
N gebraucht dafür -o. — 2) langes ê in II. ſg. und
I. II. III. pl. praeſ. conj. folgt theils aus dem goth.
ái, theils aus N. ſchreibung -ê, theils aus kangees
K. 26b etc., das ê in -mês aus winnamees, pittamees etc.
K. 27a 28a. — 3) langes î in II. ſg. und I. II. III. pl. praet.
conj. wiederum aus dem goth. -ei und N. circumflec-
tiertem -î — 4) I und III. ſg. praeſ. conj. ſcheint frü-
her zuweilen -a ſtatt -e, vgl. gëba (dem) ſamarit.,
weſa (ſit) miſc. 2, 288. wërda (fiat) ibid., was für die
kürze des -e ſtreitet, da das goth. -áu, -ái lieber lan-
gen voc. muthmaßen ließe. — 5) allmählig wandeln ſich
alle kurzen flexions -a in tonloſe -e, die weder ë noch
e (umgelautetes a) ſind; ſpäter die kurzen -u und -i
in eben ein ſolches -e; bei N. ſind bereits die drei
kurzen vocale gemiſcht, doch noch von den langen ge-
ſchieden. — γ) zur überſicht der abſtufung ſetze ich die
flexionen nach O und N. her, welche man mit obigem,
den älteſten quellen gemäßem paradigma vergleichen
[858]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
kann; O. ind. praeſ. -u, -is, -it; pl. -emês (oder -en)
-et, -ent; praet. …, -i, …, pl. umês (oder -un)
-ut, un, conj. praeſ. -e, ês, -ê; pl. êmês (oder -ên) -êt,
-ên; praet. -i -îs, i; pl. îmês (oder -în) -ît, în. —
N. praeſ. ind. -o, -eſt, -et; -en, -ent, -ent; praet.
…, -e, …, pl. -en, -et, -en; conj. praeſ. -e,
êſt, -e; pl. -ên, -ênt, -ên; praet. -e, îſt, e; pl. -în,
-îſt, -în. —
Einzelne conjugationen.
Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.
| I. | II. | III. | |||
| ind. | praeſ. | ſg. | -u (-m) | -s | -t |
| pl. | -mês | -t | -nt | ||
| praet. | ſg. | -ta | -tôs | -ta | |
| -tumês | -tut | -tun | |||
| conſ. | praeſ. | ſg. | [vocal] | -s | [vocal] |
| -mês | -t | -n | |||
| praet. | ſg. | -ti | -tîs | -ti | |
| pl. | -tîmês | -tît | -tîn | ||
| imp. | ſg. | — | [vocal] | — | |
| pl. | — | -t | — | ||
| inf. -n; | part. praeſ. -ntêr; -têr. | ||||
der ableitungsvocal lautet i in der erſten, ô in der
zweiten, ê in der dritten conjugation. Die ſ. 856. 857.
für die ſtarke flexion gemachten bemerkungen verſtehen
ſich hier, ſo weit ſie anwendbar ſind, von ſelbſt. Für
das ê in mês zeugt wiederum haremees, manomses
K. 20a 21b; für die ausnahmsweiſe endung -im ſtatt -i
der I. ſg. praet. conj. arheiƷêtim (aeſtuarem) gl. hrab.
932b. — d ſtatt t in -da und ê in -dês ſtatt -tôs bei J.
(vgl. minnerôdês 374.) neigt ſich zu niederd. mundart;
tâs T. 121. fluohhotas 128. antlingitas desgleichen.
Kurzſilbige bewahren das i der ableitung überall, wo
die flexion nicht ſelbſt mit i anhebt, welches nur bei
II. III. ſg. praeſ. ind. der fall iſt:
| ind. praeſ. ſg. ner-ju | ner-is | ner-it |
| pl. ner-jamês | ner-jat | ner-jant |
| praet. ſg. ner-ita | ner-itôs | ner-ita |
| pl. ner-itumês | ner-itut | ner-itun |
| conj. praeſ. ſg. ner-je | ner-jês | ner-je |
| ner-jêmês | ner-jêt | ner-jên |
| praet. ſg. ner-iti | ner-itîs | ner-iti |
| pl. ner-itîmês | ner-itît | ner-itîn |
| imp. ſg. ner-i; pl. ner-jat | ||
| inf. ner-jan; part. ner-jantêr; praet. ner-itêr. | ||
vielleicht wäre im ſg. imp. nerî zu ſetzen? ſtatt des a
in nerjan, nerjames, nerjat ſtehet gewöhnlich und ſelbſt
bei ſolchen, die in ſtarker conj. a behalten, e: nerjen,
nerjemês, nerjet [ſ. die bemerkung zu den langſilb.]
Es ſind nur wenige verba: 1) queljan (necare) ſeljan
(tradere) ſceljan (decorticare) tueljan (morari) weljan
(eligere) zeljan (numerare, dicere) kremjan (affligere)
lemjan (debilitare) vremjan (promovere) zemjan (doma-
re) denjan (tendere) huenjan (vibrare gl. hrab. 976a) erjan
(arare) cherjan (ſcopare) nerjan (ſervare) ſcerjan (ordi-
nare) terjan (nocere) verjan (navigare) werjan (defen-
dere) in-ſuepjan (ſopire) pitepjan (opprimere) ſtrewjan
(ſpargere) vlewjan (lavare T. 19, 4.) vrewjan (exhilarare)
retjan (eripere) quetjan (ſalutare) zetjan (dilanire) O. IV.
5, 7.) hekjan (ſepire) lekjan (ponere) ſekjan (dicere)
wekjan (concutere). — 2) dikjan (orare). — 3) huljan
(tegere) muljan (conterere) vrumjan (promovere) pur-
jan (erigere) ki-purjan (evenire) ſpurjan (evenire) ſpurjan (inveſtigare)
[870]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
ſeutjan (commovere) ſtrutjan (ſpoliare) chnuſjan (eli-
dere) hukjan (cogitare).
Anmerkungen: α) das j geht nach r zuweilen in g,
zuweilen, in ig über, als nergan, vergan, wergan K.
58b nerige (gl. monſ. 397.) purigen (ibid. 323.) — β) häu-
figer fällt es ganz aus und der vorſtehende conſ, gemi-
niert, als: quellan, mullan, ſellan, zellan, vrumman,
cherran, nerran, terran, terran, in-ſueppan, rettan, ſeuttan,
chnuſſan, diccan etc. wo dann nur in II. III. praeſ. ſg.
und II. imp. ſg. einfacher conſ. bleiben mnß (vorhin
ſ. 867.) z. b. quellu, quelis, quelit, quellamês; vrummu,
vrumis, vrumit, vrummamês; cherru, cheris, cherit,
cherramês etc. Und ebenſo im ganzen praet. quelita,
mulita, terita, retita, retita, ſcutita, dikita etc. Dieſe
gemination hat, weil ſie langſilbig macht, miſchungen
mit der conj. langſilbiger verba verurſacht, wie ſich
hernach zeigen wird.
Langſilbige verba characteriſiert meiſtentheils (vgl.
anm. 1.) die auswerfung des ableitungs-i, wovon im
praet. folgende weitere wirkungen abhängen: α) das e
erfährt rückumlaut in a. β) geminierte conſ. wird vor
dem -ta, tôs etc. einfach. γ) ſchließt die wurzel mit:
ld, lt, nd, nt, rd, rt, ft, ſt, ht, ſo fällt vor dem -ta,
-tôs etc. das wurzelhafte d und t weg; lz, nz, rz, ls, ns,
rs hingegen ſo wie einfaches t, d bleiben. — paradigma:
| ind. praeſ. ſg. prenn-u | prenn-îs | prenn-ît |
| pl. prenn-amês | prenn-at | prenn-ant |
| praet. ſg. pran-ta | pran-tôs | pran-ta |
| pl. pran-tumes | pran-tut | pran-tun |
| conj. praeſ. ſg. prenn-e | prenn-ês | prenn-e |
| prenn-êmês | prenn-êt | prenn-ên |
| imp. ſg. prenn-î, pl. prenn-at | ||
| inf. prenn-an; part. prenn-antêr; ki-prantêr | ||
II. III. ſg. praeſ. prennîs, prennît (abſtehend von neris,
nerit), imp. prennî, wofür ſich vielleicht noch beweiſe
entdecken werden, ſetze ich vorläufig nach dem goth.
an. Wie bei den kurzſilbigen pflegt auch hier prennen,
prennet, prennemês, ſt. prennan, prennat, prennamês,
zu ſtehen; vermuthlich wirkte das eingerückt geweſene
ableitungs -i auf dieſe ſchwächung des a hin. Daß das
gewicht langer wurzel das i der ableitung hemme, be-
greift ſich; warum aber hat nicht auch im praeſ. rück-
umlaut des e ſtatt? ich glaube α) weil im praet. rein vo-
[871]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
caliſches i (-ita) herrſchte; deſſen aufhebung ſehr fühl-
bar war und darum den gebundenen voc. befreite; das
conſonantiſche j des praeſ. überhörte ſich und ſeine aus-
laßung blieb ohne wirkung. Auch bei den kurzſilbigen
zog die das lj, rj vertretende gem. ll, rr keinen rück-
umlaut nach ſich. β) in II. III. praeſ. ind. und II. imp.
ſg. hätte das i der flexion den rückumlaut doch gehin-
dert, dieſe formen ſtützten den umlaut auch in allen
übrigen des praeſ. γ) vermuthlich erfolgte die ſyncope
des i praet. nicht gleichzeitig mit der des j praeſ. ſon-
dern früher.
Beiſpiele der zahlreichen hierher fallenden verba:
1) ſnellan (digito projicere) ſnalta; ſtellan (collocare)
ſtalta; vellan (caedere) valta; welzan (volvere) walzta;
helſan (amplecti) halſta; memman (? complacere) mamta
(N. 34, 14.); piwemman (maculare) piwamta; chemphan
(certare) champhta; demphan (ſupprimere) damphta; chen-
nan (noſcere) chanta; nennan (nominare) nanta; prennan
(nrere) pranta; rennan (currere) ranta; ſcentan (dedeco-
rare) ſcanta; ſuentan (dilapidare) ſuanta; wentan (ver-
tere) wanta; ki-nendan (audere) kinanta; ſendan (mit-
tere) ſanta; enkan (auguſtare) ancta; duenkan (arctare)
duancta; henkan (concedere) hancta; ſprenkan (rum-
pere) ſprancta; ſenchan (inclinare) ſanhta; ſcenchan (in-
fundere) ſcanhta; ſtenchan (foetidum reddere) ſtanhta;
wenchan (vacillare) wanhta; merran (impedire) marta;
ſperran (claudere) ſparta; derren (ſiccare) darta; werman
(calefacere) warmta; ſterpan (occidere) ſtarpta; werpan
(volvere) warpta; zerpan (volutare) zarpta; rertan (? pro-
nuntiare) rarta; ſterchan (roborare) ſtarhta; refſan (incre-
pare) rafſta; heftan (figere) hafta; ir-kezan (delectare)
irkazta; ſezan (ponere) ſazta; huezan (acuere) huazta;
dueſpan (exſtinguere) duaſpta; meſtan (ſaginare) maſta;
reſtan (morari) raſta; decchan (tegere) dahta; chlecchan
(disrumpere) chlahta; recchan (exponere) rahta; ſtecchan
(figere) ſtahta; ſtrecchan (extendere) ſtrahta; wecchan
(excitare) wahta; wrecchan (perſequi) wrahta. — 2) ſtil-
lan (ſedare) ſtilta; villan (caedere) vilta; hëlman (galeare)
hëlmta; miltan (miſereri) milta; ſcimphan (ignominia affi-
cere) ſcimphta; antlinkan (reſpondere) antlincta; ſcirman
(tegere) ſcirmta; ki-pirnen (erigere) kipirnta; chrifan (ra-
pere) chrifta; ſtiftan (conſtituere) ſtifta; miſſan (aberrare)
miſta; ſcricchan (exſilire) ſcrihta; ar-ſticchan (ſuffocare)
ftihta. — 3) vullan (implere) vulta; huldan (favere) hulta;
dultan (pati) dulta; krumpan (curvare) krumpta; zuntan
[872]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
(incendere) zunta; chundan (notum facere) chunta; pi-
durnan (ſpinis cingere pidurnta; var-ſpurnan (impin-
gere) ſpurota; ſcurfan (exenterare) ſcurfta; antwurtan
(reſpondere) antwurta; ſturzan (labi) ſturzta; durſtan (ſitire)
durſta; hurſkan (acuere) hurſcta: ſcurkan (praecipitare)
ſcurcta; kurtan (cingere) kurta; vurban (mundare) vurpta;
chnupfan (nectere) chnupfta; chuſſan (oſculari) chuſta;
luſtan (cupere) luſta; zucchan (rapere) zuhta; itaruhhan
(ruminare) itaruhta — 4) wânan (putare) wânta; mâran
(divnlgare) mârta; wâtan (veſtire) wâtta. — 5) chêran (re-
verti) chêrta; lêran (docere) lêrta. — 6) îlan (feſtinare);
lìman (glutinare) lîmta; plîdan (taetificare) plìdta; huìƷan
(albare) huîƷta; wìhan (ſacrare) wîhta; lîhtan (facilitare)
lîhta. — 7) kouman (curare) koumta; chrônan (garrire)
chrônta; hônan (irridere) hônta; hôran (audire) hôrta;
ſtòran (deſtruere) ſtôrta; ki-loupan (credere) kiloupta;
roufan (vellere) roufta; toufan (baptizare) toufta; nôtan
(cogere nôtta; ar-ôdan (vaſtare) arôdta; lôſan (ſolvere)
lôſta; ôſan (vaſtare) ôſta; trôſtan (ſolari) trôſta; oukan
(oſtendere) oucta; ar-vloukan (fugare) vloucta. —
8) chûman (gemere) chûmta; ſcûman (ſpumare) ſcûmta;
zûnan (ſepire) zûnta; prûhhan (uti) prûhta. — 9) teilan
(dividere) teilta; heilan (ſanare) heilta; meinan (putare)
meinta; ir-ſceinan (oſtendere) ſceinta; zeinan (ſignifi-
care) zeinta; chleipan (illinere) chleipta; leipan (relin-
quere) leipta; peitan (urgere) peitta; preitan (dilatare)
preitta; leitan (ducere) leitta; ſpreitan (ſpargere) ſpreitta;
neiƷan (affligere) neiƷta; ki weiƷan (probare) weiƷta;
hneikan (flectere) hneicta; weikan (vexare) weicta. —
10) wiuman (ſcatere) wiumta; ſtriunan (lucrari) ſtriunta;
ſtiuran (remigare) ſtiurta; diupan (furari) diupta; liupan
(carum eſſe) liupta; ſtiufan (orbare) ſtiufta; riutan (ſucci-
dere) rintta; ſpriuƷan (fulcire) ſpriuƷta; liuhtan (lucere)
liuhta; hierher zähle ich auch die mit ia, ie bei O., als
gi-fiaren (perducere) gi fiarta (III. 14, 45. 21, 9.) giſcia-
ren (expedire) giſciarta (IV. 12, 88.) gimieren (appellere)
gimierta (V. 25, 4.) ziaren (ornare) ziarta; mieten (re-
munerare) mietta. — 11) vuolan (ſentire) vuolta; ſpuolan
(purgare) ſpuolta; wuolan (ſuffodere) wuolta; tuoman
(judicare) tuomta; zuoman (evacuare) zuomta; ſuonan
(judicare) ſuonta; hruoran (tangere) hruorta; vuoran
(ducere) vuorta; truopan (obſcurare) truopta; pruotan
(fovere) pruotta; pruokan (terrere) pruocta; huotan (cu-
ſtodire) huotta; ſuohhan (quaerere) ſuohta. — 12) bil-
dungen mit -al, -an, -ar: als mahalan (ſermocinari)
[873]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
mahalta; nakalan (clavis figere) nakalta; kakanan (ob-
viare) kakanta. — 13) bildungen mit -iz, -uſt: kirizan
(concupiſcere) anazan (ſt. anizan?. incitare) ki-jazan
(aſſentiri) duzan (tuiſſare) praet. kirizta, anazta, duzta;
ankuſtan (angere) ankuſta.
Anmerkungen: 1) verſchiedene denkmähler hegen das
ableitungs -i in praeſ. und praet.; ihnen fällt, wenn das
ſ. 870. vermuthete -îs, ît unerweiſlich wäre, die conj.
der kurz- und langſilbigen zuſammen; namentlich ge-
währt J. chennida, ſendida, quihhida, heftida, meinida,
nemnida, dehhida, ſaghida, aughida, luſtida, reſtida etc.
doch findet ſich 357. hôrdon ſt. hôridon. Im T. gibt es
noch viele -ita (zumahl nach mf, ng, ſg. ld, rt, ht,
ft, als: ſcimphita, hengita, antlingita, miſgita, heldita,
antwurtita, ahtita, liuhtita, heftita etc.) wo die gl. monſ.
O. und N. ſyncopiertes -ta zeigen. Verbis, deren wurzel
auf einfaches h ausgeht (nicht denen auf hh) läßt ſelbſt
O. das i, als: ſkiuhen (vereri) ſkiuhita; nâhen (appropin-
quare) nâhita [vgl. unten anom. 5.]; auch ableitungen
mit erſter langer ſilbe ſcheint es gern zu bleiben, z. b.
pouhnan (ſignificare, ſt. pouhanan) pouhnita; ar-îtalan
(exinanire) arîtalita [d. h. arîtalan, arîtàlita, nach der
note oben ſ. 374.] terchnan diſſimulare, ſt. terchinan)
terchnita; vuotran (paſcere, ſt. vuotaran) vuotrita; vluo-
bran (conſolari ſt. vluobaran) vluobrita; heilizan (d. i.
heilìzan, ſalutare) heilizita; rûnizan (rûnìzan, ſuſurrare)
rûnizita etc. Im allgemeinen merke man auch, daß das
part. praet. auslautend volle form mit dem ableitungs -i
behält, während ſie das praet. ind. bereits ſyncopiert [ſ.
unten participium]. — 2) der conſ. vor dem t praet. der
zuſ. gezognen form iſt ſchwierig und nach verſchieden-
heit der mundart feſt zu ſetzen. Die quellen ſchwan-
ken; ſolche, die noch inlautende med. b. g. dulden, pfle-
gen ſie vor t in ten. zu ſchärfen, z. b. uoben, nopta;
werben, warpta; hengen, hancta, doch ſelbſt O. iſt un-
zuverläßig, er und T. erlauben auch die med. vor dem
t. (I. 13, 28. goumpta f. goumta). Strengalth. galt ten.
durchgreifend; wegen des cch. bin ich zweifelhaft, ob
es vor dem t zu h oder c werde? K. 29b gibt kiſtactêm
46b kiſtrahtêr. Bey O. T. etc., welche ſtecken, ſtrecken
ſchreiben, iſt ſtacta, ſtracta ausgemacht. — 3) urſprüng-
lich kurzſilbige, durch gemination in gewiſſen fällen
langſilbig geworden, müßen ſich zuweilen als durchaus
langſilbige behandeln laßen und überkommen namentlich
rückumlaut. So entſpringt allmählig: zellu, zellîs, zellît;
[874]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
zellamês; praet. zalta anſtatt zellu, zelis, zelit, zella-
mês; praet. zelita; desgl. ſellu, ſalta ſt. ſelita; hullu,
hulta ſt. hulita; kremmu, kramta ſt. kremita; ſcuttu,
ſcutta ſt. ſcutita; rettu, ratta ſt. retita; quettu, quatta
ſt. quetita etc. zumahl begünſtigt O. dieſe, wie mir
ſcheint, unorganiſchen praeterita, indem gemination.
welche ſelbſt erſt im praeſ. aus dem ableitungs-i erwächſt,
nicht nochmahls durch deſſen ſyncope im praet. be-
ſtimmt werden kann. Man ſtelle wörter mit urſprüngli-
cher gem. denen mit unurſprünglicher gegenüber, z. b.
vullan (implere) vullîs, vullît, praet. vulta; chennan
(noſcere) chennîs, chenuît, chanta dem hullan (operire)
hulis, hulit, praet. hulita; dennan (tendere) denis, de-
nit, denita. Aus vullita, chennita wird jenes vulta,
chanta, ſolglich ſetzen hulta, danta ein hullita, dennita
voraus, welche nicht vorhanden ſeyn können, ſolange
die ſprache den urſprung des huljan, dennan aus huljan,
denjan fühlt. In der that iſt auch dennan ſo unerhört
als danta und ſelbſt O. gewährt thenen, thenita, allein
er gebraucht das analoge ſellen (tradere) ſalta neben dem
richtigeren wellen (eligere) welita (nicht walta), ja von
zellen abwechſelnd zelita oder zalta (ohne eigentlichen
unterſchied einer bedeutung numeravit und narravit)
während ihm doch II. III. praeſ. ſtets zelis, zelit lauten,
niemahls zellîs, zellît. Dieſe ſchwankende, progreſſive
verwandlung kurzſilbiger verba in langſilbiger iſt keiner
allgemeinen darſtellung fähig, ſondern nach zeit und
mundart zu beſtimmen. — 4) tadelhaft ſcheint mir ge-
mination nach langem vocal (vgl. oben ſ. 54. 123.) z. b.
hôrran (audire) lêrran (docere) beide bei K. mehrmahls;
ſtôrran (deſtruere) gl. monſ. 336. wânnan (ſperare) K. 24a
gl. jun. 187; hreinnan (caſtigare) K. 23a îllan (foſtinare)
gl. monſ. 383. 399. wiewohl ſie gleichfalls aus aſſimilier-
tem j der ableitung entſpringt (ſt. hôrjan, lêrjan, wânjan,
îljan) folglich in II. III. ſg. und dem imp. unterbleibt
(hôris, lêrît, îlit, niemahls hôrrîs etc.). Gäbe man ſie
zu, ſo müſte in wörtern mit organiſcher, d. h. von die-
ſem j unabhängiger gemination conſequent dreifaches r etc.
möglich werden, ſparrran f. ſparrjan. — 5) die con-
traction des praet. vermengt zuweilen: nanta kann von
nennan (nominare) oder nendan (audere) herrühren.
| ind. praeſ. ſg. ſalp-ôm | ſalp-ôs | ſalp-ôt |
| pl. ſalp-ômês | ſalp-ôt | ſalp-ônt |
| praet. ſg. ſalp-ôta | ſalp-ôtôs | ſalp-ôta |
| pl. ſalp-ôtumes | ſalp-ôtut | ſalp-ôtun |
| conj. praeſ. ſg. ſalp-ôe | ſalp-ôês | ſalp-ôe |
| pl. ſalp-ôêmês | ſalp-ôêt | ſalp-ôên |
| praet. ſg. ſalp-ôti | ſalp-ôtîs | ſalp-ôti |
| pl. ſalp-ôtîmês | ſalp-ôtît | ſalp-ôtîn |
| imp. II. ſg. ſalp-ô pl. ſalp-ôt | ||
| inf. ſalp-ôn; part. ſalp-ôntêr; ki-ſalp-ôtêr. | ||
I. ſg. praeſ. ſeit dem 9. jahrh. -ôn ſtatt -ôm, miſcht
ſich alſo mit dem inf. und der allmählig auch -ôn ſtatt
-ômês gebrauchenden I. pl. praeſ. Die länge des ab-
leitungsvocals beſtätigt oo bei K. (z. b. ladoot 17b, mi-
noont 24b) und ô bei N.; der conj. hat bei K. einige-
mahl eingeſchobenes h, als: ſcawôhe 52b trahtôhe 55b
[oben ſ. 189.]. O. T. und gl. monſ., mit verſchluckung
des characteriſtiſchen voc. des conj. ſetzen (wie der
Gothe) -ô, -ôs, -ô, ômês etc. für -ôe, -ôês etc., ihnen
fallen daher II. ſg. und I. II. pl. praeſ. conj. ind. zu-
ſammen. Der ſpätere N. behält das ê, ſchreibt aber
(nach Fügliſtallers mittheilung) -oe, -oêſt, -oe; -oên,
-oênt, -oên, welches nicht gerade ein früheres -ôê,
-ôês widerlegt. In den pſalmen zuweilen oi für oe, als:
bëtoiên 96, 7; minnoiên 86, 1; chôſoiên 108, 29; zu-
weilen ei: bëteiên 70. 7; jageie 7, 6; bildeiêſt 36, 1;
vermuthlich j. mithin analog dem bei K. eingeſchalte-
ten h. Auch gl. aug. 125b ahtôgên 122b ſtatôge ſt. ahtôên,
ſtatôe; miſc. 2, 288. rîhhiſôia d. i. rîhhiſôja (regnet) ſt.
des üblichen rîhhiſôe [wegen des a für e oben ſ. 857.].
Einzelne verba dieſer conjugation: 1) halôn (bei
einigen holôn, arceſſere) walôn (? wâlôn, aegrotare?
O. III. 2, 13.) zalôn (dinumerare N. 89, 11.) hlamôn (cre-
pitare, gl. hrab. 957b) namon (nominare, gl. monſ. 344.)
manôn (monere) wanôn (minuere, corrumpere O. I.
22, 115.) zanôn (dentibus lacerare) charôn (plangere)
pi-ſmarôn (irridere T. 67, 13. 20. 5, 3,) ſparôn (reſer-
vare O. II. 10, 38.) tarôn (nocere) lapôn (recreare) chra-
wôn (gratitare) ſcawôn (contemplari) pi-katôn (contin-
gere) ſatôn (ſaturare) ki-ſtatôn (locum praebere) vratôn
(ſauciare) ladôn (invitare) padôn (abluere) ſcadôn (nocere)
vaſôn (quaerere N. 100, 6.) chlakôn (queri) jakôn (venari)
hantſlakôn (plaudere manibus). — 2) ſpilôn (ludere, exul-
tare) tilôn (delere) wilôn (velare) zilôn (niti) kërôn (cu-
pere) ſcërôn (ſtertere, meridiari, laſcivire, gl. jun. 181.
[876]II. alth. zweite ſchwache conjugation.
monſ. 344. 347. doc. 231a aug. 127b; oder ſcêrôn?) pi-
ſmërôn (irridere O. IV. 23, 12. 25, 3.) in-cribôn (T. in-
crepare) pëtôn (orare) ſitôn (ſolere) ſmidôn (cudere) ki-
vridôn (pacificare) wëkôn (prodeſſe) ſpëhôn (circumſpi-
cere) zëhôn (tingere, gl. hrab. 963b, oder zêhôn?). —
3) polôn (jacĕre) ſpunôn (commentari, eigentl. nere;
O. 1. 14, 16. II. 4, 121. V. 14. 50.) chorôn (guſtare) lo-
pôn (laudare) topôn (inſanire) chutôn (? meditari, gl.
monſ. 350.) vnotôn (conquaſſare N. 109, 6.) ſcrodôn
(ſcrutari bei N., ſcrutôn bei T.) rohôn (rugire, gl. hrab.
964a vgl. N. 21, 14. 37, 9.) — 4) dancdallôn (meditari?
gl. jun. 214.) challôn (nugari) wallôn (ambulare) umpi-
halpôn (circumdare) ſalpôn (ungere) int-halſôn (decol-
lare) nidar-walzôn (provolvere) ſalzôn (ſaltare) walkôn
(volutari) damnôn (damnare) wannôn (ventilare) antôn
(zelari f. anadôn) vantôn (faſciis involvere? O. I. 11, 86.
fandôn) danſôn (trahere) phlanzôn (plantare) drankôn
(comprimere) lankôn (deſiderare) wunni-ſankôn (jubi-
lare) vuri-vankôn (praeoccupare) ſprankôn (ſalire N. 38,
1. 54, 1.) danchôn (gratias agere) wanchôn (vacillare)
arnôn (metere) warnôn (munire) artôn (habitare) vokal-
rartôn (augurari gl. jun. 194.) vnartôn (anhelare) ki-
chraphôn (hamare) ki-ſcafôn (conficere O. IV. 29, 61.)
praſtôn (ſtrepere) haƷôn (odiſſe, bei O.) vaƷôn (capere)
ſcazôn (lucrari) zaſkôn (rapere) mahhôn (facere) rahhôn
(diſſerere) int-rahhôn (excuſare) ahtôn (reputare) ſlahtôn
(victimare) trahtôn (cogitare). — 5) kot-ſpëllôn (evan-
gelizare) krunt-ſëllôn (fundare) kris-crimmôn (ſtridere,
gl. monſ.; N. griscramôn) innôn (recipere) minnôn
(amare) chintôn (prolem habere N. 107, 37.) rëntôn (red-
dere, reſpondere) ſpëntôn (expendere, largiri) wintôn
(ventilare) irrôn (errare) hirmôn (ceſſare) wërfôn (jactare
N. 21, 11.) hërtôn (alternari) wirtôn (epulari N. 41, 5.) wër-
dôn (aeſtimare) ki-wërdôn (praeditum eſſe) vërkôn (poſce-
re) wërchôn (operari) hriwôn (poenitere) niwôn (reno-
vare) mëƷôn (temperare N. 139, 8.) ſcëſſôn (dolare) zëſſôn
(fervere, ſpumare) miſtôn (ſtercorare) nëſtôn, niſtôn (nidifi-
care) viſcôn (piſcari) hizôn (aeſtuare) lëcchôn (lambere) aua-
prëhhôn (increpare) ſtëhhôn (ſtimulare, gl. hrab. 969a 975a
tihtôn (dictare). — 6) ſtollôn (fundare) muntôn (tueri)
wuntôn (vulnerare) tunchôn (tingere) ſpornôn (calcitrare)
vorſcôn (inquirere) purkôn (civitatem conſtituere) uppôn
(evacuare N. 63, 9.) pi-ſtophôn (obturare) choſtôn (tentare)
luſtôn (appetere T. 116. monſ. 409.) nôt-zogôn (violare)
chlocchôn (pulſare) locchôn (pellicere) procchôn (diffrin-
[877]II. alth. zweite ſchwache conjugation.
gere). — 7) mâlôn (pingere) tuâlôn (morari) zâlôn (diripere)
pârôn (acervare gl. jun. 237.) vârôn (fallere) lâkôn (inſi-
diari) rât-vrâkôn (conſulere, gl. jun. 197.) lâhbôn (ſanare)
kâhôn (praevenire) hintar-ſprâhhôn (calumniari). — 8) ei-
nôn (jungere) hreinôn (mundare) ſteinôn (lapidare) weinôn
(plorare) zeinôn (ſignificare) mêrôn (ampliare) ſueipôn (ferri)
weipôn (fluctuare) kreifôn (palpare O. III. 20, 76.) chêwôn
(oſcitare) peitôn (exſpectare) preitôn (dilatare) ſceitôn (di-
ſtinguere gl. monſ. 347. 352.) weidôn (paſcere) reiſôn (molirl
O. IV. 29, 51.) eiſcôn (poſcere) zuo-ka-reigôn (? attingere
gl. jun. 195.) weigôn (hinnire, gl. hrab. 959a hueiôn)
zeigôn (monſtrare, inſinuare, gl. hrab. 966b 968a O. I.
17, 28. IV. 11, 88, 104.) eihhôn (vindicare) vlêhôn (ro-
gare) zuêhôn (dubitare). — 9) phînôn (cruciare) vîrôn
(otiari) pîſôn (laſcivire) wîſôn (viſitare) ſtîkôn (ſtabu-
lare N. 48, 15.) zuîôn, zuîkôn (carpere). — 10) lônôn (re-
munerare) chrônôn (coronare) chôſôn (blandiri) pôſôn
(aſſuere O. IV. 28, 14.) hloufôn (diſcurrere gl. jun. 201.)
ſtôwôn (queri). — 11) tûmôn (circumire) hûfôn (acer-
vare) mûƷôn (mutare). — 12) niumôn (modulari) dionôn
(ſervire) niotôn (gaudere) liudôn (jubilare N. 32, 3.)
meri-crëoƷôn (margaritare). — 13) koumôn (epulari)
hroupôn (ſpoliare) ouhhôn (augere). — 14) pfruontôn
(alimoniam praeſtare) huorôn (adulterare) vuorôn (alere)
uparmuotôn (ſuperbire) unmuoƷôn (occupari) huohôn
(deludere) vluohhôn (dira precari). — 15) ein ableitungs i
(ë) vor dem ô haben folgende: entëôn (finire gl. hrab.
951b) herjôn (vaſtare) minnëôn (diligere gl. hrab. 964a)
âwicchëôn (deviare) hliumuntëôn (calumniari) undëôn
(fluctuare) etc. meiſtens iſt es ſchon ſyncopiert, erkenn-
bar aber theils an dem umlaut des a in e, theils an der
conſ. gemination. So ſtehet redôn (loqui) nothwendig
für redjôn; vrehtôn (mereri) f. vrehtjôn; willôn (delec-
tare N. 29, 2.) f. willjôn; herrôn f. herjôn; trëttôn (cal-
care) f. trëttjôn; wittôn (diſcriminare gl. monſ. 359.) f.
witjôn etc. — 16) die zahlreichen ableitungen von ſubſt.
oder adj. mit den bildungen -ſam, -al, -il, -ol, -an,
-in, -ar, -id, -ôd, -ik, -ah, -aht faße ich hier in
einigen beiſpielen zuſammen: kinuhtſamôn (ſatisfieri)
vreiſſamôn (periclitari) avalôn (ſatagere) pi-vankalôn
(praeoccupare) vokalôn (auſpicari) pëtalôn (mendicare)
ſtammalôn (balbutire) kruopilôn (rimari) rikilôn (clau-
dere) vihilôn (limare) pi-ſtumpilôn (truncare) zorcho-
lôn (aegrotare O. III. 23, 50.) ſamanôn (congregare) ëpa-
nôn (aequare) ofanôn (aperire) wâfanôn (armare) haſa-
[878]II. alth. zweite ſchwache conjugation.
nôn (polire) rëkanôn (pluere) ſëkanôn (benedicere) tru-
kanôn (fallere) veihhanôn (fraudare) zeihhanôn (ſignare)
redinôn (ratiocinari) hepinôn (tractare) hahſinôn (ener-
vare) altinôn (diſſimulare) pipinôn (tremere) veſtinôn
(firmare) wîƷinôn (mulctare) koukarôn (vacare) minni-
rôn (minuere) laſtarôn (convitiari) opfarôn (offerre) tëm-
perôn (temperare) ſmëhharôn (polire) vëƷarôn (compe-
dire) vlokarôn (volitare) wuntarôn (mirari) zimparôn
(fabricare) ir-choporôn (recuperare) anadôn (aemulari)
vîadôn (imitari? gl. monſ. 357.) kinâdôn (dignari) pili-
dôn (eſſingere) kiluſtidôn (delectari) ſelidôn (recipere)
antſeidôn (defendere N. ſt. ant-ſegidôn) einôdôn (con-
ſpirare) mittilôdôn (mediare) ſpillôdôn (exultare) wiomi-
dôn (ſcatere) duruftikôn (indigere) pirikôn (foecundare)
apahôn (abominari) përahtôn (illuſtrare) zorahtôn (id.).
Aſſimilationen und ſyncopen des bildungsvocals [z. b.
murmulôn, ëponôn, choporôn, veihnôn gl. hrab. 969a
vêhnôn T. 114. f. veihhanôn; vielleicht das unter 8 an-
geführte zeinòn f. zeihnôn, zeihhanôn? koukrôn, zim-
prôn, wuntrôn etc.] kommen hier nicht in betracht. —
17) endlich die dunkleren ableitungen -iſ, -it, -att,
als: heriſôn (dominari) lîhhiſôn (diſſimulare) piderpiſôn
(expedire) rîhhiſôn (dominari) ſcutiſôn (horrere) pluchi-
ſôn (dubitare) winiſôn (mutire) impitôn (inſerere) ſûf-
tôn (? ſûſitôn, gemere) trabattôn (fluctuare) etc. Voll-
ſtändigere angaben aller ſolcher ableitungen im dritten
buche. —
Anmerkungen: 1) ſchwanken zwiſchen erſter und
zweiter conj. iſt ſelten; O. gebraucht zeinen, zeinta, gi-
zeinit (I. 1, 164. V. 1, 52. T. 88.) neben zeinôn, zei-
nôta, gizeinôt (IV. 5, 41. V. 5, 28. 14, 1.). Bildungen
auf -izan gehören der erſten, die auf -iſôn der zwei-
ten an, darum ſteht cremizôn (fremere) gl. hrab. 964b
gremizôta (fremuit) T. 135. fehlerhaft f. cremizan, gre-
mizita; unterſchieden davon iſt aber crimmiſôn (ſaevire)
gl. hrab. l. c., jun. 225.; tarôn neben terren (= tarjan)
beruht nicht auf ſchwanken, ſondern doppelter herlei-
tung, jenes von dem ſubſt. tara, dieſes von einem ver-
lorenen ſtarken verbum. Einige gothiſch zur erſten ge-
hörende ſtehen alth. in der zweiten z. b. agjan (terrere)
bei N. 57, 3. egôn (wie der umlaut zeigt, für egjôn)
wo nicht eget [wie 79, 17. zundet f. zundôt] zu leſen
iſt. — 2) ſchwanken zwiſchen zweiter und dritter
[ſ. dort anm. 2.]
| ind. praeſ. ſg. hap-êm | hap ês | hap-êt |
| pl. hap-êmês | hap-êt | hap ênt |
| praet. ſg. hap-êta | hap-êtôs | hap êta |
| pl. hap-êtumês | hap-êtut | hap-êtun |
| conj. praeſ. ſg. hap-êe | hap-êês | hap-êe |
| pl. hap-êêmês | hap-êêt | hap-êên |
| praet. ſg. hap-êti | hap-êtîs | hap-êti |
| pl. hap-êtîmês | hap-êtît | hap-êtîn |
imp. II. ſg. hap-ê; pl. hap-êt
inf. hap-ên; part. hap-êntêr; hap-êtêr.
wie bei der vorigen conj. wird -êm und -êmês allmäh-
lig zu -ên; auch die conjunctivflexionen folgen der ana-
logie von ôe, ôês etc., N. hat -ee, -eêſt, -ee; -eên,
-eênt, -eên [zuweilen -ei, habeiê ſt. 12, 5. ſchameiên
34, 4. etc.]; O. T. und andere: -ê, -ês, -ê etc. Nach
dem goth. könnte man im pl. praeſ. ind. hapamês, ha-
pant erwarten, welches nirgends vorkommt. Selten fin-
det ſich ſtatt des ableitungsvocals -ê ein -â, luagâta
O. V. 7, 14. êrâta V. 25, 157. [I. 16, 2. thionâta ſt. thio-
nôta, III. 6, 37. korâta ſt. korôta] T. 103. ſcamâta; T. 87.
104. wonâta wonâtun gl. monſ. 365. ih wonân Pez theſ.
1, 418.; gl. aug. 124a altât (antiquitatur) und imp. wartâ
N. 79, 6. was ſich dem mînâ, feſtinodâ oben ſ. 723. ver-
gleicht und dem ſächſ. nähert.
Einzelne wörter: 1) ramên (tendere N. 118, 30.) ſca-
mên (erubeſcere) var-manên (contemnere, gl. jun. 201.
N. 99, 3; bei O. fir-monên III. 17, 105, 109.) wanên (ha-
bitare N. 87, 17. bei O. T. wonên) harên (clamare) ſpa-
rên (parcere) ſtarên (fixis oculis intueri) hapên (habere,
tenere) ar-ſtapên (rigere) zawên (agere, promovere)
dakên (ſilere) ki-makên (pollere) ſakên (dicere) in-ſa-
ken (delibare) — 2) zilên (ſtudere) hlinên (recumbere)
pi-winên (depaſcere gl. jun. 201.) wërên (durare N. 106,
38. O. II. 8, 68.) wërên (praeſtare J. 385.) int-wërên
(praeterire) chlëpên (haerere) lëpên (vivere) — 3) dolên
(pati) romên (? O. IV, 29, 73.) wonên (ſ. wanên) ar-to-
pên (inſanire gl. hrab. 954b) hloſên (auſcultare) hokên
(cogitare; O. hogên neben huggen, hugita; N. 114, 4.
be-hugêta) — 4) altên (ſeneſcere) ar-chaltên (frigeſcere)
haldên (vergere) ar-paldên (audere) hankên (pendêre)
lankên (deſiderare N. 37, 1. 106, 5.) ſtrankên (corrobo-
rari) ar-narrên (deſipere) parrên (rigere) ar-parmên
[880]II. alth. dritte ſchwache conjugation.
(miſereri) darpên (egere) partên (pubeſcere) wartên (ca-
vere) haftên (teneri) haƷên (odiſſe J. 345. T. 67, 18.
N. 128, 5.) naƷên (madere) laƷên (languere) paƷên (me-
lius ſe habere T. 55, 7.) raſtên (quieſcere) vaſtên (jeju-
nare) lahhên (ridere N. 34, 14.) wahhên (vigilare) un-
mahtên (languere) — 5) ki-ſtillên (ſilere) ar-plintên
(coecari) ar-vërrên (alienare) lirnên, lërnên (diſcere)
ar-virnên (ſeneſcere) dicchên (groſſeſcere) — 6) volkên
(ſequi) ar-ſtummên (muteſcere) ar tumpên (ſtuheſcere)
ſcorrên (eminere) porkên (cavere) ſorkên (moerere) mornên
(lugere) ſtornên (obſtupere) roſtên (ferruginare) loſkên la-
tere) — 7) ſuârên (gravari) krâwên (caneſcere) pâkên (rixari)
ar-trâkên (taedere) vrâkên oder vrâhên (interrogare) ſmâ-
hên (vileſcere gl. monſ. 347. N. 13, 6.) — 8) vîên (odiſle)
huîlên (morari) rîfên matureſcere) ſuîkên (tacere) lîhhên
(placere). — 9) krûên (horrere) trûên, trûwên (confi-
dere) ar-vûlen (putreſcere) rûnên (clam loqui) ſtûnen
(ſtupere) trûrên (moerere) ar-ſûrên (aceſcere) — 10) êrên
(honorare) arheiên (urere, gl. monſ. 320.) reidên (cri-
ſpare) arheiƷên (fervere) ar pleihhên (palleſcere) ar-
weihhên (marceſcere) — 11) rôtên (rutilare) ar-plôdên
(vereri) — 12) hruomên (jactare) luokên (videre) ar-luo-
kên (perſpicere gl. jun. 204.) ûƷ-luokên (eminere gl.
hrab. 961b) — 13) ableitungen von bildungen -al, -am,
-an, -ar etc. ſind unhäufiger als in voriger conj.; beiſpiele:
ar-îtalên (vaneſcere) tunchilên (obſcurari) chradamên
(perſtrepere) [vgl. ar-paramên ſt. ar-parmên] trunchanên
(ebriari O. II. 8, 98.) hlutrên (liquefieri) veiƷtên (pin-
gueſcere); oft finden ſich bildungen -ak: luſtakên (de-
lectari) roſtakên (aeruginem contrahere) intwonakên (de-
ſueſcere) pluotakên (ſanguinare) zi-accharakên (fodere gl.
monſ. 398.) etc. vgl. die unter 6 angeführten ſorakên, porakên.
Anmerkungen: 1) zwiſchen dritter und erſter ſchwan-
ken die verba hapên und ſakên. O. T. N. exh. regel-
mäßig habên nach dritter; K. (neben dem inf. habên
39b und part. kihabêt 31a) im praeſ. hebit (habet) 15a 28a
44a 54a; desgl. J. hebit 343. und im praet. hapta 355.
Ebenſo gebrauchen einige ſegjan, ſegit; praet. ſegita
(gl. jun. 202. J. 376. ohne umlaut ſaghida); andere ſagên,
ſagêta (O. T. N. gl. jun. 203.). Bloße ſyncope ſcheint
hogti O. II. 24, 26. IV. 9, 32. ſt. hogêti (I. 8, 43. 9, 27.).
Über vrâkên ſ. zehnte anomalie. — 2) wechſel zwiſchen
zweiter und dritter: ſtatt haƷên O. haƷôn (III. 14, 234.
V. 23, 304.) [vgl. ſ. 851. das goth. ſchwanken zwiſchen
dritter und erſter]; ſtatt ki-wërên (praeſtare) O. gi-wë-
[881]II. anomalien der alth. conjugation.
rôn (I. 15, 16.); ſtatt dolên O tholôn (IV, 25, 27.) und
daneben nach erſter thulten, thulta (IV. 25, 26.); neben
fagôn (exhilarare) I. 8, 44. III. 20, 143.) fagên IV 26, 72;
neben charôn N. 54, 1. ſtehet charên 37, 1; anſtatt ſatôn
80, 17. ſatên, inſoweit hier und in ähnlichen fällen den
ausgaben zu trauen iſt.
1) Eſſe beſteht aus viererlei ſtämmen α) III. praeſ. ſg.
ind. lautet: iſt. — β) der inf. ſîn; III. praeſ. ind. pl.
ſint (bei J. 347. 357. ſindun); das ganze praeſ. conj. ſî,
ſîs, ſî; ſîmês (ſpäter ſîn) ſît, ſîn. — γ) I. ſg. praeſ. ind.
pim (bim, pin, bin) II. piſt (biſt); pl. I. pirumês (ſpä-
ter pirum, pirun, birun) II. pirut (birut). N. braucht
die doppelform I. birin, birn II. birint; I. bin II. bint.
Der verlorene ſtamm zu pirun lautete ſchwerlich pîſan,
peis (nach rîſan, reis, rirun), vermuthlicher pîan, pei
(nach ſcrîan, ſcrei ſ. 867.) — δ) der inf. wëſan, imp.
wis; praet. was, wâri, was; wârumês (wârum, wârun)
wârut, wârun; conj. wâri, wârîs, wâri; wârîmês, wâ-
rît, wârîn. Das praeſ. wiſu, wiſis, wiſit etc. conj-
wëſe, wëſês, wëſe etc. geht zuweilen aus der concre-
ten bedeutung manere in die abſtracte eſſe über, oder
drückt zuweilen das lat. futurum ero oder den begriff
fio aus. Zu ſolcher abſtraction wiſu = ſum etc. paſt
auch der inf. wëſan = eſſe ſtatt des älteren ſîn; in der
exh. finde ich bloß ſîn, kein wëſan, bei K. bloß wëſan
(16a 19a 20b) kein ſîn, desgl. bei T. nur wëſan (44, 13.);
J. hat wëſan (354. 398.) neben ſîn (407) ebenſo O. wë-
ſan (I. 27, 4. IV. 1, 16. 4, 24.) und ſîn (I. 13, 23. 25, 9.
II. 19, 51.); N. beides wëſen (102, 7.) und ſîn (48, 12.
99, 3.). Den imp. wis belegt O. III. 1, 87. V. 10, 11.
T. 3. 2. 9, 2. N. 26, 9. 82, 2. W. 2, 17.
2) den goth. wörtern zweiter anomalie entſprechen alt-
hochdeutſche, nur dem ôgan kein uokan, dem munan kein
munan, wogegen unnan, ar punnan und tugan hinzutreten.
Beachtenswerth vor allem iſt, daß die formellen praet.
in II. ſg. ächt-indicative flexion-t bewahrt, nicht gleich
den übrigen ſtarken verbis mit dem conjunctiviſchen
-i vertauſcht haben; aus dieſer urſache bleibt hier auch
der zweiten perſon ablaut des ſg., während dort vocal
des pl. und des conj. eindrang. Die einzelnen verba
ſind nun folgende: α) [conj VII.] muoƷan (licere, lo-
cum habere) praeſ. muoƷ, muoſt (?), muoƷ; pl. muo-
Ʒumês, muoƷut, muoƷun; praet. muoſa, muoſôs, muoſa;
K k k
[882]II. anomalien der alth. conjugation.
pl. muoſumês, muoſun, muoſut; conj. praeſ. muoƷi
muoƷîs etc. praet. muoſi, muoſîs etc. — β) [conj. VIII.]
wiƷan (ſcire, noviſſe) praeſ. weiƷ, weiſt (J. 355. K. 18b
O. I. 26, 15. T. 155, 3. 238, 1.) weiƷ; pl. wiƷumês, wi-
Ʒut, wiƷun; praet. wiſſa, wiſſôs etc. conj. praeſ. wiƷi,
wiƷîs etc. praet. wiſſi, wiſſîs etc. O. macht das praet.
wëſſa und T. wëſta; für weiƷ finde ich bei letzterm
zuweilen wêƷ (131.) für wiƷumês, wiƷun: weiƷumês,
weiƷun (187, 3. 239, 5.) für wëſta weiſta (180, 2.) und
im part. praet. ſtatt wiƷan wëƷan (44, 18.) — γ) [conj.
VIII.] eigan (poſſidere), die ſchreibung eikan ſcheint hier,
wegen des aus h entſpringenden g bedenklich, auch verſagt
K. die ten. dem verbum, freilich nicht dem adj. eikan
(proprium). Die conj. iſt defectiv; praeſ. ſg. (eih, eiht, eih
oder êh, êht, êh?) fehlt überall, nicht der pl. eigumês, eigut,
eigun; conj. vollſtändig eigi, eigîs etc. Ein praet. (eihta,
êhta?) mangelt durchaus. Bei N. lautet pl. praeſ. ind.
eigen, eiget, eigen; der conj. eige, eigîſt, eige; pl. eigên,
eigênt, eigên, welchen formen in den pſalmen häufig ein
anlautendes h gegeben wird: heigen etc. wie K. 54a aus-
nahmsweiſe heikinin (proprii) f. eikinin ſtehet. —
δ) [conj. IX.] tugan (valere) oder tukan; praeſ. touc, tôht,
touc, pl. tukumês etc. oder tôh, tôht, tôh, tugumês etc.?
N. 29, 10. toug hildebr. taoc für taoh = tôh (vgl. oben ſ. 95.);
den pl. ſchreibt N. tugen, conj. tuge, tugîſt etc., praet.
tohta ete., O. dohta, dohtôs etc. — ε) [conj. X.] makan
(poſſe) K. 18a, praeſ. mac, maht (O. IV. 5, 119. 6, 3. T.
30, 6. mahſt T. 2, 9.) mac; pl. makumês, makut, ma-
kun (gl. jun. 240. 247.); praet. mahta, mahtôs, mahta;
pl. mahtumês etc. praeſ. conj. meki, mekîs, meki (K. 20b
21b O. I. 18, 33.) praet. mahti, mahtîs etc. O. hat mag
und nicht meg, außer bei anlehnungen wie megiƷ, me-
gih (IV. 12, 115. V. 25, 72.) wiewohl in dieſen ſtellen
auch der conj. megi angenommen werden kann. Allein
O. und T. bilden den pl. mugun, mugut, mugun; N.
mugen, mugent, mugen (ſt. magun. magut etc.) und das
praet. mohta ſt. mahta. Inconſequent behält O. bei dem
pl. mugun den conj. megi (I. 18, 33.), welchen T. mugi
bildet, [189, 3. mugau, poſſum; vermuthlich mugan, poſſe
zu leſen?] N. muge (poſſim) mugen (poſſe) 41, 2. 109, 4. —
ζ) [conj. IX.] ſcolan (debere) K. 28a 46a; praeſ. ſcal,
ſcalt (O. I. 25, 13.) ſcal; ſculumês, ſculut, ſculun (ſcalun
K. 48a leſefehler f. ſculun 45a); praet. ſcolta etc.; praeſ.
conj. ſculi; praet. ſcolti. Anlehnend ſceliƷ (O. II. 7, 32.
nach cod. vind.) f. ſcal iƷ. Bei N. fällt das c aus und
[883]II. anomalien der alth. conjugation.
der ſg. nimmt o für a an: ſol, ſolt, ſol; pl. ſulen, ſu-
lent. ſulen; praet. ſolta; praeſ. conj. ſule, fulîſt etc.
praet. ſolte, ſoltîſt etc., inf. ſulen. — η) [conj XII.]
unnan (favere) praeſ. an, anſt, an; pl. unnumês, unnut,
unnun; praet. doppelt, entw. onda (nicht onta) on-
dôs etc. O. I. 27, 61, II. 7, 3. oder onſta, onſtôs etc.
O. III. 22, 57.; praeſ. conj. unni, unnîs etc. praet. ondi
oder onſti. — θ) [conj. XII.] ar-punnan (invidere) geht
wie unnan. — ι) [conj. XII.] chunnan (noviſſe und in-
chunnan (arguere) gleichfalls wie unnan; das doppelte
praet. chonda (nicht chonta) chondôs und chonſta, chonſtôs
belegt O. I. 27, 62. III. 16, 14. — κ) [conj XII.] p[i] kun-
nan (incipere)? das regelmäßige verbum pi-kinnan,
praeſ. pi-kinnu, praet. pi-kan pflegt aus dieſem gleich-
ſam als praeſ. der bedeutung geſetzten praet. ein neues
ſchwaches praet. zu erzielen und zwar wiederum dop-
peltes, entw. pi-konda (gl. jun. 175. O. II. 7, 4. III. 14,
31. T. 155, 2; fehlerhaft pi-gunta gl. monſ. 338. ſtatt
pigunda) oder pi-konſta (bigunſta J. 387. 400.). —
λ) [jetzt conj. XII.] turran (audere) praeſ. tar, tarſt, tar;
pl. turrumês, turrut, turrun; praet. torſla; praeſ. conj.
turri; praet. torſti. — μ) [conj. XII.] durfan (opus ha-
bere) praeſ. darf, darft, darf; pl. durfumês etc. praet.
dorfta oder durfta? beide formen unbeleglich. —
Anmerkungen zur zweiten anomalie. a) vielleicht
entdecken ſich noch andere, z. b. ein dem goth. ôgan,
munan paralleles uokan (timere) monan (meminiſſe, wo-
mit das abgeleitete ſchwache var-monên, var-manên,
obliviſci, ſpernere zuſ. hängt). Läßt ſich aus ki-nah
(ſufficit gl. jun. 225.) ein ki-nakan (nach makan)
ſchließen? doch ich vermuthe falſche lesart ſt. ki-nuah
und folgere eher ein ki-nuokan (ſufficere) praet. ki-
nuohta (conj. VII.) — b) die ablaute eigumês, makumês
oder mukumês, ſculumês ſtoßen wider die regel, ſie
ſollten igumês, mâkumês, ſcâlumês heißen, fließen aber
ſchon aus der goth. abweichung aigum, magum, ſcu-
lum. turran fâllt ganz in XII., d. h. geminiert das r,
turrumês für turumês, torumês und dieſes für târumes
(wie pârumês); gleiche neigung zum pl. u [wie oben
ſ. 865. bruſtun, vluhtun f. brâſtun, vlâhtun] verräth
ſculumês und auffallender mugumês (neben magumês)
aus einem part. praet. ki-mukan (ſt. ki-mëkan), ki-
ſculan drang es wahrſcheinlich nach und nach in den
ind. vor. Noch unorganiſcher ergreift in N. ſol für
ſcal das u (o) ſogar den ſg. — c) die conſonanzaſſimila-
K k k 2
[884]II. anomalien der alth. conjugation.
tion des ſchwachen praet. entſpricht ziemlich der gothi-
ſchen: chonda, onda, arponda genau dem kunþa; ſcolta
dem ſkulda; mahta, dorfta dem mahta, þaúrfta; torſta
dem daúrſta; wiſſa dem viſſa und wie neben viſſa dort
môſta beſteht hier neben wiſſa auch wëſta, hingegen
muoſa ſtatt muoſſa (und kein muoſta). Der pl. chon-
dum, ſcoltum etc. nicht chondâtum, ſcoltâtum etc. folgt
dem allg. typus alth. ſchwacher form. — d) keinen
imp. finde ich, die goth. analogie kunns, þaurfs, ſkuls
würde: chuns, dorfs, ſculs rechtfertigen. —
3) wëllan, wollan (velle); dieſes wort hat eine ſon-
derbare richtung genommen, weil die ſprache den ur-
ſprünglichen conjunctiv allmählig indicativ nahm und
dadurch in eine andere conjug. fiel. Faſt jedes denkmahl
hat dabei etwas eigenes. K. conjugiert: I. willu, II. wili,
III. wili; pl. I. wëllêmês, II. wëllêt, III. wëllant, braucht
aber auch im ſg. III. wëlle, woraus auf I. wëlle, II. wël-
lês zu ſchließen iſt. N. I. wile, II. wile, III. wile; pl.
I. wëllên, II. wëllênt, III. wëllên; daneben den ſg.
I. wëlle, II. wëllêſt, III. wëlle. O. I. willu, II. wili
(incl. wildû IV. 23, 69.) III. wilit; pl. I. wollemês, II.
wollet, III. wollent; daneben den ſg. wolle, wollês,
wolle. T. I. willu, II. wilîs (238, 3.) III. wili; pl. wol-
lemês, wollet, wollen (?wollent); daneben den ſg. I.
wolle (239, 3. incliniert wolih) II. wollês (46, 2. ſteht
woli?) III. wolle. Durchgängig alſo verloſch der ächte
pl. wilîmês, wilît, wilîn, durchgängig die I. ſg. wili
außer in N. wile; III. wili dauert bei K. T. N. und II.
wilîs bei T. Der II. ſg. geben K. O. N. die form des praet.
ind. wili, wile; der I. ſg. K. J. T. O. die des praeſ. ind.
willn; der III. O. die des praeſ. ind. wilit. Dieſer ſg. praeſ.
willu, wilit verführte nach analogie des wechſels i und ë
(ſ. 863. 864.) zu einem pl. wëllêmês (wëllên) welchem doch
in I. II. conjunctivflexion verblieb (nirgends wëllamês,
wëllat) während III. wëllant (ſt. wëllên) lautet, und ſich
zu willu verhält wie hëllant zu hillu. Der conj. wëllên
zog von ſelbſt einen vollſtändigen ſg. conj. wëlle etc.
nach ſich, beide, wëlle und wili, dienen abwech-
ſelnd zur überſetzung des lat. vult, velit, voluerit. Wie
iſt aber das ſchwanken des ë und o in wëllêmês, wol-
lêmês etc. zu verſtehen? Strengalth. quellen (K. N. ex-
hort.) zeigen beſtändig ë, ſelbſt J. 382. wëllent; T. und
O. hingegen o. Übergänge des ë in o ſind ſ. 82. 85. er-
wähnt; auf wolle, wollên mag das part. hollan von
hëllan oder ſculi, mugi f. ſcâli, magi angeſchlagen ha-
[885]II. anomalien der alth. conjugation.
ben. Wenn wolle größere abirrung iſt, als wëlle, ſo
ſtimmt wolle mehr zu dem davon abſtammenden praet.
wolta, woltôs etc., deſſen ſich ſämmtliche alth. mund-
arten bedienen, namentlich auch die, welche im praeſ.
wëlle etc. hegen; kaum eine hat wëlta (nur gl. caſſ.
855b wëlta, wëltun) geſchweige wilta. Es ſcheint, daß
ohne rückſicht auf abhängigkeit dieſes praet. von dem
pl. praeſ., misbräuchlich die analogie ſcolta auf wolta
einwirkte. —
4) tuon (facere; K. tuan; gl. caſſ. tôn; T. N. tuon;
J. duon; O. duan) trägt ganz eigenthümliche miſchung
ſtarker und ſchwacher form an ſich. die aber nur ſchein-
bar ſeyn dürfte und hohes alterthum verräth. Hier
ſtelle ich die bloßen formen auf; erklärungen werden
am ſchluße des cap. folgen: praeſ. ind. I. tuom (ſpäter
tuon) II. tuos III. tuot; pl. tuomês II. tuot III. tuont;
praeſ. conj. I. tuoe II. tuoês III. tuoe; pl. tuoêmês II.
tuoêt III. tuoên. In II. III. ſg. ſchwankt O. zwiſchen
duas und duis, duat und duit [analog ſeinem ſtâs, ſteis,
ſtàt, ſteit etc. vorhin ſ. 868.] in II. III. pl. hat er duet,
duent [wie dort ſtêt, ſtênt]; auch in den gloſſen, wel-
chen ô für uo gemäß iſt, finde ich tôis, tôit (gl. hrab.
371a) niemahls aber tuois, tuoit f. tuos, tuot. — praet.
ind. I. III. tëta, II. tâti; pl. tâtumês, tâtut, tâtun; conj.
tâti, tâtîs, tâti; pl. tâtîmês etc. — imp. ſg. tuo, pl.
tuot (O. duet); part. praeſ. tuontêr; praet. ki-tânêr. —
5) nachſtehende verba, deren langem wurzelvocal
einfaches w oder h folgt, gehen eigentlich nach der
erſten ſchwachen, zeichnen ſich aber theils durch ſchwan-
ken zwiſchen w und h (zuweilen j), theils durch gänz-
liche ſyncope dieſer ſpiranten ſo wie der ableitunge-
oder flexionsvocale aus, verdienen auch, weil die mei-
ſten früherhin ſtarke form beſeßen haben, hier eine zuſ.
ſtellung; chnâhan (noſcere) praet. chnâta; praef. conj.
chnâ (noſcat) chnân (noſcant) J. 373. ſt. chnâe, chnâên.
chrâhan (crocitare) chrâta. drâhan (torquere) drâta.
lâhan (irridere, vituperare gl. monſ. 402)? lâta, lâhta?
mâhan (ſecare foenum) mâta. nâhan (ſuere) nàta;
T. 56, 7. nâwit (ſuit). nâhan (appropinquare) nâhta bei
O., nâhita bei T. (116.) nie nâta; plâhan (balare) gl.
hrab. 955a? plâhita; plâhan (flare) plâta, blâjo (ſpiro)
gl. zwetl. 117a; ſâhan (ſerere) ſâta; ſâwit (ſerit) T. 76.
ſâwent (ſerunt) 38, 1. ſâhet, ſâhent N. 36. 26. 125, 5.
ſmâhan (ſpernere) ſmâhta, ſmâhita. chèwan (vocare)
T. 141. gikêwen, praet. chêta?; ſêwan (ſtagnare) N.
[886]II. anomalien der alth. conjugation.
106, 35; praet. ſêta? hîwan (nubere) hîta, gl. monſ.
396. hîjen T. 156; tôwan (mori) tôta (gl. monſ. 353.)
N. 21. 18. ſteht doueta (?tôwêta nach dritter conj.?
ſciuhan (vereri) ſciuhita, ſciuhta, nicht ſciuta; N. ſkie-
hen, ſkiehta. muohan (vexare) muota (gl. monſ. 326.)
N. 95, 5. muohta. pluohan (florere) pluota, pluohita
(gl. jun. 203.) pluogentin (florentis) gl. monſ. 331. ruo-
han (rugire) ruota N. 37, 9. ſpuon f. ſpuoan (bene pro-
cedere) N. 2, 1. 118, 29. praet. ſpuota 15, 4. 118, 28;
ſpuohan oder ſpuowan finde ich nicht. pûan (habitare,
colere) oder pûwan; praet. pûta; gl. jun. 199. neben pa-
wan merkwürdig pahan, ich vermuthe leſefehler für
pûwan (auf derſelben ſpalte pûwo colonus) und pûhan,
da ſich zwar pawan = pauan, pouwan, kein pâhan
(praet. pâta!) denken läßt *). — Ohne zweifel gab es
ſolcher verba noch mehrere (vgl. das mittelh.), bei allen
fällt im praet. mit der ſpirans zugleich das ableitungs i
weg (chnâta — pûta, nicht chnâita, pûita), das praeſ.
behält aber den flexionsvocal: chnâit, plâit (gl. jun. 840.)
pûit etc. nur ſpuot würde für ſpuoit wie der inf. ſpuon
f. ſpuoan ſtehn (vgl. in 4ter anom. tnot f. tuoit).
6) kankan zeigt außer dem ſ. 868. bemerkten ſchwan-
kenden praeſ. nichts anomales, namentlich kein dem
goth. gaggida, ïddja paralleles kenkita, itta!
7) prinkan macht das praet. prâhta, pl. prâhtun;
O. läßt neben brâhta, brâhtun die ſtarke form brang,
brungun zu, auch gl. monſ. 363. das part. prunkan. den-
chan (cogitare) dunchan (videri) haben dâhta, dûhta;
wurchan (operari) worahta oder worhta; im praeſ.
ſchwankt der vocal, K. ſetzt wurchan, O. wirken; wër-
chôn (nach zweiter ſchw.) iſt eine ableitung und geht
regelfeſt. Das â in prâhta. dâhta entfernt ſich von der
goth. kürze, wird aber durch praahta, praahtun gl.
hrab. 959b 961b und das mittelh. gewis.
8) ſchwache verba mit der bildung -aw gehen rich-
tig nach erſter conj.; löſen aber bei ſyncope des ablei-
tungs-i vor dem -ta praet. jenes aw in den vocal u
oder o auf [vgl. ſ. 146. 147.]. Im praeſ bleibt aw: ka-
rawan (praeparare) pi-ſcatawan (obumbrare) ſalawan
[887]II. anomalien der alth. conjugation.
(decolorare) varawan (tingere); im praet. entw. vollſtän-
dig karawita, ſcatawita, ſalawita, varawita oder ſyn-
copiert: karota, ſalota, varota (nicht zu miſchen mit
dem -ôta zweiter conj., daher) gleichbedeutig karuta
(hild. und gl. hrab. 962b) etc. geſchrieben, wie ich auch
K. 24b für karata zu leſen vorſchlage. Die ausſtoßung
des a mit behaltener ſpirans: karwita, ſalwita etc. iſt als
dritte form zuläßig, vgl. K. 54b kikarwit. Das ganze
verhältnis nur ſcheinbar anomal.
9) die ſiebente goth. anomalie geht hier aus, denn
es läßt ſich z. b. von trucchanen (ſiccari) terchinen
(palleſcere) weſnen (marceſcere) weder ein ſtarker imp.
noch ein praet. nach zweiter conj. aufzeigen, obgleich
die bildungsſilbe -an, -in, -n jenem goth. -n ver-
wandt iſt. Solche verba gehen alth. ſowohl nach erſter,
als zweiter und dritter ſchw. conj.
10) zwar dem goth. fraíhna (ſ. 855.) antwortet frëgin
(fando accipio) im weſſobr. denkm. (? für frëginu), doch
kein praet. vrah, vrâhun will ſich finden, auch kein vragn
(vgl. angelſ. conj. XII.); N. hat 23, 8. frëget (interrogat).
Die übrigen nach dritter ſchwacher vrâkên, das von jenem
pl. vrâhun abgeleitet beßer vrâhên (K. 18b frâhêtomês)
geſchrieben würde. gl. jun. 177. frâganôn (conſulere).
11) fünf ſtarke praet. mit ſchw. praeſ. ſ. 867. 868.
12) defectiv und lediglich für den imp. gültig,
nie ohne die negation vorkommend ſcheinen: ni-
churi (noli) ni-churit (nolite) auch bloß bei K. 17a 24a
und T. (ni-curi und ni-curet, beides öfter) warum
nicht churjat, churat? iſt churît praet. conj. von chio-
ſan (conj. IX.) und die bedeutung: ne-elegeritis? dann
ſollte aber der ſg. ni-churîs und der pl. auch bei T.
ni-curît lauten. Zu vergl. wäre übrigens das goth. hiri,
hirjats, hirjiþ (ſ. 846.) und die bemerkung über ôgs
(ſ. 853. s.).
| praeſ. ind. -u -is -id | conj. -e -ês -e |
| -ad -ad -ad | -ên -ên -ên |
| praet. … -i … | -i -îs -i |
| -un -un -un | -în -în -în |
imp. ſg. … pl. -ad; inf. -an; part. praeſ. -and, praet. -an.
[888]II. altſächſiſche ſtarke conjugation.
die langen ê und î ſtützen ſich bloß auf alth. analogie;
ſtatt -e, ês, e, ên im praeſ. conj. häufig a, âs, a, ân,
ſodann auslautend -t ſtatt -d; folgende einzelne verba:
Anmerkungen: 1) der aus redupl. entwickelte diphth.
ê lautet häufig ie, zumahl vor einfacher lingualis, als:
hiet, ſkied, liet, ried, andried vgl. anſciann (conj. I.);
hliop, hrëop in conj. III. wären genau betrachtet hlîôp,
hrêôp. — 2) dem ſchwankenden ê, ie gleicht conj. VII.
das ſchwankende ô, uo. — 3) die alth. unterſcheidung
zwiſchen i und ë [ſ. 863.] zwiſchen iu und io (ëo)
[ſ. 865.] findet volle anwendung. — 4) umlaut des a in e
in II. III. ſg. praeſ. ſiebenter conj. als: feris, ferid; dre-
gis, dregid; nicht leicht in erſter vor der doppelconſo-
nanz, ſondern haldid, fallid. — 5) b (bh) wird auslau-
tend zu f, alſo im imp. und I. III. praet. ſg. wie: drî-
ban, drîf, drêf; gëban, gif, gaf; ſuërban, ſuirf, ſuarf etc.
zweifelhaft iſt mir nicht der auslaut hiuf (plora) hôf
(ploravi) aber der inlaut hiufu (ploro) hiofan (plorare),
vielleicht hiubu? da ich hiovan mit v finde (oben
ſ. 213.) etc. — 6) wandlung des ſ in r: drôs, drurun,
droran; kôs, kurun, koran; was, warun, wëſan; doch
wohl rês, riſun, riſan (nicht rirun, riran) ſo wie las,
lâſun, lëſan. — 7) das w in ſâwun, ſëwan, liwun, li-
wan nach ſ. 844. und 867. zu beurtheilen. — 8) ausfall
des n im praet. von ſtandan, ſtôd, ſtôdun; auch ſg.
praeſ. lautet: ſtên, ſtês, ſtêd (einmahl auch ſteid); pl. aber
ſtandad. — 9) ſchwaches praeſ. bilden: hebbjan, anſebbjan,
ſittëan, biddëan, liggëan, doch gebührt II. III. ſg. und ſg.
imp. einfache conſonanz: hebis, hebid; bidis, bidid;
ligis, ligid; ſitis. ſitid (vgl. die gem. der kurzſilb. in
erſter ſchw. conj.) pl. hebbjad, biddjad, liggjad, ſittjad.
| ind. praeſ. ſg. –u (–n) | –s | –d |
| pl. –d | –d | –d |
| praet. ſg. –da | –dôs (–dês) | –da |
| pl. –dun | –dun | –dun |
| conj. praeſ. ſg. [vocal] | –s | [vocal] |
| pl. –n | –n | –n |
| praet. ſg. –di | –dîs | –di |
| pl. –dîn | –dîn | –dîn |
imp. ſg. [vocal] pl. -d; inf. -n; part. praeſ. -nd, praet.
-d (t); in praet. I. III zuweilen -de ſtatt -da; in II.
zwiſchen -dôs und -dês ſchwanken; die langen nach
dem alth.; auslautend zuweilen -t ſtatt -d.
| ner-ju ner-is ner-id | ſôk-ju ſôk-îs ſôk-îd |
| ner-jad ner-jad ner-jad | ſôk-jad ſôk-jad ſôk-jad |
| ner-ida ner-idês ner-ida | ſôh-ta ſôh-tês ſôh-ta |
| ner-idun ner-idun ner-idun | ſôh-tun ſôh-tun ſôh-tun |
| ner-je ner-jês ner-je | ſôk-je ſôk-jês ſôk-je |
| ner-jên ner-jên ner-jên | ſôk-jên ſôk-jên ſôk-jên |
| ner-idi ner-idîs ner-idi | ſôh-ti ſôh-tìs ſôh-ti |
| ner-idìn ner-idìn ner-idìn | ſôh-tîn ſôh-tîn ſôh-tîn |
| ner-i ner-jad | ſôk-î ſôk-jad |
der inf. ſchwankt zwiſchen -ëan, -jan und -jen, un-
terdrückt alſo nicht den ableitungsvocal (ſuokan f. ſuo-
këan cap. 71. ſcheint fehler, vielleicht auch ſuôgan, ſtre-
pere cap. 68. f. ſuôgean?); im conj. -a, -âs, -a etc. ſtatt
-e, -ês, -e, wie in der ſtarken form ſchwankend.
Kurzſilbige wurzeln ſind wenige: queljan (cruciare)
frumjan und fremjan (efficere) dunjan (tonare) nerjan (ſer-
vare) ſcerjan (diſponere) terjan (conſumere) werjan (pro-
hibere) anſuebjan (ſopire) hriſjan (concuti) rekjan (nar-
rare) ſlekjan (debilitare) wekjan (excitare) thigjan (rogare)
thregjan (currere). Sie alle haben das praet. -ida unver-
kürzt; andere urſprünglich kurze ſind durch gemination
des conſ. lang geworden und ſyncopieren im praet. das
ableitungs-i, welches ſie im praeſ. unorganiſcher weiſe
neben der geminata fortführen, namentlich: ſelljan (tra-
dere) ſalda; telljan (narrare) talda; hebbjan (habere)
habda; libbjan (vivere) libda; lettjan (morari) latta; ſett-
jan (ponere) ſatta; queddjan (ſalutare) quedda; leggjan
(ponere) lagda; ſeggjan (dicere) ſagda; huggjan (cogitare)
hugdi. Von den wirkungen der ſyncope ſogleich mehr
bei den langſilbigen; zuweilen bleibt neben der gem.
des praeſ. das praet. vollſtändig; ſo erſcheint im praeſ.
[892]II. altſ. erſte ſchwache conjugation.
inf. quelljan, frummjan, reckjan, thiggjen und dennoch
quelida, frumida, rekida, thigida. II. III. praeſ. ſg.
vereinfachen (wie im alth. ſ. 870.) ſtets den conſ. z. b.
quelis, frumis, thigid, libid ſogar mit rückumlaut in
ſagid (dicit) habid (habet); die mit urſprüngl. geminata
thun das nicht, z. b. fullis, fullid; cuſſis, cuſſid etc.
Langſilbige behalten zuweilen das praet. -ida, theils
nach r, p und g, als: mârjan (celebrare) mârida; diurjan
(aeſtimare) diurida; hrôrj[a] [...] (tangere) hrôrida; hnêgjan (in-
clinare) hnêgida; ſêgjan (idem) ſêgida; wêgjan (vexare)
wêgida; dôpjan (baptizare) dôpida; vielleicht nach ſ: fûſ-
jan (incitare) lôſjan (ſolvere) niuſjan (inveſtigare)? fûſida,
lôſida, niuſida. Theils nach ld, ſt: beldjan (animoſum red-
dere) beldida; ſpildjan (perdere?) ſpildida; bruſtjan (erum-
pere) bruſtida; thruſtjan (ſitire) thruſtida; ſo wie bei erwei-
terung der wurzel durch bildungsmittel, z. b. binegljan
(clavis figere) bineglida; bôknjan (ſignificare) bôknida;
druknjan (tergere) druknida; gerewjan (parare) gerewida;
huerebjan (revertere) huerebida. In der regel ſcheiden ſie
das i vor dem -da aus, wodurch 1) rückumlaut des e in a
möglich wird; er tritt gleichwohl ſchwankend, bei ge-
wiſſen wörtern gar nicht ein; ich finde ihn bei gemi-
nierten urſprünglich kurzen: ſelljan, ſalda; telljan, talda;
hebbjan, habda; lettjan, latta; ſeggjan, ſagda; leggjan,
lagda etc. nicht bei folgenden: kennjan kenda; ſendjan,
ſenda; wendjan, wenda; queddjan, quedda etc. doch
erſcheinen auch telda und ſanda. — 2) beim conſ. anſtoß
fällt α) das d von -da völlig weg nach ft, ſt, ht, nd: heſt-
jan (figere) hefta; lêſtjan (praeſtare) lêſta; âhtjan (perſequi)
âhta; rihtjan (dirigere) rihta, endjan (finire) enda; ſendjan
(mittere) ſenda; wendjan (vertere) wenda; mundjan (tueri)
munda; nach bloßen d ſcheint es bald zu bleiben; lêd-
jan (ducere) lêdda. bald zu ſchwinden; hôdjan (cuſto-
dire) hôda, folglich auch blôdjan (timidum reddere)
blôda; fôdjan (parere) fôda; nach th bleibt es, aſſimi-
liert ſich aber jenes: cuthjan (nuntiare) cudda (zuwei-
len cutda). — β) nach t, tt, ſſ, vielleicht auch einfa-
chem ſ wandelt ſich -da in -ta: bôtjan (emendare)
bôtta; grôtjan (ſalutare) grôtta; môtjan (occurrere) môtta;
lettjan, latta (ſtatt lat -da) hettjan (perſequi) hatta (ſt.
hat -da) cuſſjan (oſculari) cuſta; lôſjan (ſolvere) lôſta (?) —
γ) aus kid wird durch die ſyncope ht: rôkjan (curare)
ſôkjan (quaerere) rôhta, ſôhta [ſ. unten 7te anomalie]. —
δ) nach l. m. n. r. b. d. g. beſteht -da unverletzt: ſelljan
(tradere) ſalda; filljan (flagellare) filda; fulljan (implere)
[893]II. altſ. zweite ſchwache conjugation.
fulda; dêljan (dividere) dêlda; hêljan (ſanare) hêlda;
îljan (properare) îlda; fôljan (ſentire) fôlda; klemmjan
(premere) klemda; quelmjan (necare) quelmda; dômjan
(judicare) gômjan (curare) gômda; tômjan (liberare)
tômda; cûmjan (plangere) cûmda; brennjan (urere)
brenda; kennjan (noſcere) kenda; a merrjan (impedire)
amerda; dernjan (occultare) dernda; wânjan (opinari)
wânda; ſtriunjan (lucrari) ſtriunda; hôrjan (audire) hôrda;
hebbjan (habere) habda; libbjan (vivere) libda; a -drôb-
jan (affligere) adrôbda; ôbjan (exercere) ôbda; gilôbjan
(credere) gilôbda; queddjan (ſalutare) quedda (= qued-da)
bêdjan (exſpectare) bêdda; lêdjan (ducere) lêdda; leggjan
(ponere) lagda; ſeggjen (dicere) ſagda; mengjan (miſcere)
mengda; fôgjan (aptare) fôgda; ôgjan (monſtrare) ôgda;
ſuôgjan (ſonare) ſuôgda; tôgjan (oſtendere) tôgda; wrôg-
jan (reprehendere) wrôgda. — 3) daß ſich vor dem -da
(-ta) jede gemination vereinfacht, lehren die beiſpiele —
4) mahljan (ſtatt mahaljan loqui) macht im praet. malda;
ich weiß nicht wie blîdzëan (laetificare)? blîdzta (alth.
plîdta).
| ind. praeſ. ſg. man-ôn | man-ôs | man-ôd |
| pl. man-ôd | man-ôd | man-ôd |
| praet. ſg. man-ôda | man-ôdôs | man-ôda |
| man-ôdun | man-ôdun | man-ôdun |
| conj. praeſ. ſg. man-ô | man-ôs | man-ô |
| pl. man-ôn | man-ôn | man-ôn |
| praet. ſg. man-ôdi | man-ôdîs | man-ôdi |
| man-ôdîn | man-ôdîn | man-ôdîn |
imp. man-ô, man-ôd; inf. man-ôn, part. man-ônd, man ôd.
in dieſer conj. rinnen die goth. und alth. zweite und
dritte untereinander: trûôn (credere) thrôôn (minari) ha-
lôn (arceſſere) ſpilôn (ludere) tholôn (pati) tâlôn (deci-
pere) ſtillôn (ſedari) fullôn (implere) mëldôn (prodere)
folgôn (ſequi); manôn (monere) hlinôn (recumbere)
wônon (habitare) lônôn (remunerare) thëonôn (ſervire)
fandôn (tentare) endôn (finiri) thancôn (gr. agere) han-
gôn (pendere) langôn (deſiderare) thingôn (convenire)
gërôn (cupere) êrôn (honorare) hêrôn (laudare) thorrôn
(areſcere) formôn (juvare) gnornôn (lugere) ardôn (habi-
tare) wardôn (cuſtodire) marcôn (ſignare) wërkôn (ope-
rari) fërgôn (exigere) ſorgôn (curare); côpôn (emere)
clibôn (haerere) lobôn (laudare) bivôn (tremere) rôvôn
[894]II. anomalien der altſ. conjugation.
(amicire) ſcawôn (contemplari) hatôn (odiſſe) gibadôn
(? lenire, ſolari bëdôn (adorare) gifrôdôn (ſapere) ſithôn
(proficiſci) frêſôn (periclitari) wîſôn (viſitare) coſtôn (ten-
tare) luſtôn (deſiderare) êſcôn (poſtulare) macôn (conſi-
cere) wacôn (vigilare) lîcôn (placere) thagôn (tacere)
frâgôn (interr.) ſuîgôn (ſilere) fêhôn (beare, foecundare)
etc. Einige haben ableitungs -i (ë) vor dem ô, als:
minnëôn (amare) gibârëon (geſtire) merkjôn (ſignare);
mehrere bildungsconſonanten: gamalôn (ſeneſcere) wë-
flôn (fluctuare) wëhſlôn (alternari) githiſmôn (turbari?)
faganôn (gaudere) ſamnôn (congregare) opanôn (aperire)
faſtnôn (firmari) druſinôn (decidere) wundrôn (mirari)
hêdrôn (ſerenare) ſicorôn (purgare).
| ind. praeſ. ſg. -e -eſt -edh | conj. -e -e -e |
| pl. -adh -adh -adh | -en -en -en |
| part. ſg. … -e … | -e -e -e |
| pl. -on -on -on | -en -en -en |
imp. ſg.…, pl. -adh; inf. -an; part. praeſ. -ende, praet.-en.
die langen flexionsvocale laße ich unbeſtimmt, das e vor
dem -ſt, -dh II. III. ſg. praeſ. ind. fällt häufig weg
(unten anm. 7.); das-ë II. praet. wie im alth. (ſ, 857. n° 6.)
Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.
| ind. praeſ. -e -ſt -dh | conj. praeſ. -e -e -e |
| -adh -adh -adh | -en -en -en |
| praet. -de -deſt -de | praet. -de -de -de |
| -don-don-don | -den-den-den |
imp. ſg. …, pl. -dh; inf. -an; part. -ende, praet. -d.
die plur. conj. ſchwanken zwiſchen -en und -on, -den
und -don.
| ner-je ner-ëſt ner-ëdh | ſêc-e ſêc-ſt ſêc-dh |
| ner-jadh ner-jadh ner-jadh | ſêc-adh ſêc-adh ſêc-adh |
| ner-ëde ner-ëdeſt ner-ëde | ſôh-te ſôh-teſt ſôh-te |
| ner-ëdon ner-ëdon ner-ëdon | ſôh-ton ſôh-ton ſôh-ton |
| ner-je ner-je ner-je | ſêc-e ſêc-e ſêc-e |
| ner-jen ner-jen ner-jen | ſêc-en ſêc-en ſêc-en |
| ner-ëde ner-ëde ner-ëde | ſôh-te ſôh-te ſôh-te |
| ner-ëden ner-ëden ner-ëden | ſôh-ten ſôh-ten ſôh-ten |
| ner-ë ner-jadh | ſêc ſêc-adh |
ner-jan; ner-jende; ner-ëd ſêc-an; ſêc-ende; ſôht.
Auch hier verbleibt kurzſilbigen das i der ableitung
und zwar als j vor vocaliſch anhebenden flexionen, d. h.
im praeſ. (mit ausnahme von II. III. praeſ. ind. und ſg.
imp., wo es im ë der flexion abſorbiert wird); als ge-
ſchwächtes ë hingegen vor dem -d des praet.; 1) cvel-
jan (necare) dveljan (ſeducere) heljan (operire) ſeljan
(tradere) ſpeljan (vices obire) teljan (narrare) 2) fremjan
(efficere) gremjan (laceſſere) temjan (domare) 3) þenjan
(extendere) dynjan (ſtrepere Beov. 60. 190.) þunjan (cre-
pitare Beov. 143.) 4) derjan (nocere) erjan (arare) fer-
jan (vehere) nerjan (ſervare) ſcerjan (ordinare) verjan
(prohibere) gebyrjan (decere) ſmyrjan (ungere) ſpyrjan
(inveſtigare) 5) onſvefjan (ſopire) 6) cnyſjan (pulſare)
fyſjan (feſtinare) hryſjan (quatere) 7) hegjan (ſepire).
Anmerkungen: α) das j geht nach r häufig in g über
oder erweitert ſich (vor der flexion e) zu ig, als: ferge,
nerge oder ferige, nerige, ſeltner mit eingeſchaltetem e
ferigëadh (Beov. 27.) ſt. ferjadh [vgl. unten zweite conj.]
β) für lj, mj, fj, ſj tritt gerne gemination ll, mm, bb, ſſ
ein (nicht nn, rr für nj, rj) als: cvellan, dvellan, ſellan,
tellan, fremman, onſvebban, cnyſſan; von dieſer gem.
bleiben alle formen frei, welche das j abſorbiert haben,
folglich II. III. ſg. praeſ., ſg. imp. und part. praet. Man
[904]II. angelſ. erſte ſchwache conjugation.
conjugiere: fremme, fremëſt, fremëdh; pl. fremmadh;
imp. fremë, pl. fremmadh; part. fremmende, fremëd;
ebenſo: ſelle, ſelëſt, ſelëdh (Beov. 104.); ſelladh; ſelë,
ſelladh, ſellende, ſelëd; cnyſſe, cnyſëſt, cnyſëdh; cnyſ-
ſadh; cnyſë, cnyſſadh; cnyſſende, cnyſëd etc. — δ) einige
verba mit ll ſtatt lj erſtarren allmählig zur langſilbigkeit,
d. h. ſtoßen das ë auch im praet. aus und rückumlau-
ten, namentlich: cvellan, ſellan, tellan, praet. cvëalde,
ſëalde, tëalde, part. cvëald, ſëald, tëald; die formen
cvelëde, ſelëde, telëde mangeln ſchon in den älteſten
denkmählern, welchen fremede, dynede, nerede etc.
noch geläufig ſind; nur der ſg. imp. behält einfaches 1:
ſelë, telë, cvelë. Aus dem ëa in cvëalde, ſëalde ſcheint
ſich ein y des praeſ. ſtatt e entwickelt zu haben, neben
ſellan, cvellan finde ich ſyllan, cvyllan (doch nicht:
tyllan) dem fëalle, fylſt, fyldh (ſ. 900.) analog. —
ε) gleiche langſilbigkeit hat ſich durch die gem. dd, cg,
cc ſtatt eines urſprünglichen dj, gj, cj feſtgeſetzt in a-
hreddan, lecgan, ſecgan, þicgan, hycgan, recean, vec-
can, þeccan etc. deren praeterita ſtets den ableitungs-
vocal ſyncopieren. doch auch hier bleibt ſg. imp. kurz-
ſilbig: z. b. ahredë (libera) ſegë (dic) etc. — θ) die,
welche ë im praet. behalten, ſchwanken ſpäterhin un-
organiſch in die zweite conj. indem ſie ſtatt deſſelben o
zulaßen, z. b. ferode f. ferëde etc.
Langſilbige werfen das i der ableitung im praet.
aus, wodurch 1) rückumlaut des e in ëa, des ê in ô
möglich wird; 2) geminata ſich vereinfacht; 3) conſo-
nanzveränderungen entſpringen, nämlich α) mn wird vor
dem d zu m. β) nach p, t, ſ, h wandelt ſich -de in
-te. γ) für c-d ſtehet immer h-t. δ) nach liq. und
einfachen mediis, auch nach f und dh, bleibt das -de
unbeeinträchtigt, nach ld, nd, rd fällt das d weg und
bloßes -e wird zur wurzel gefügt; ebenſo bleibt nach
lt, nt, rt, ft, ſt, ht das t vom -te weg. — 4) der
flexionsvocal in II. III. ſg. praeſ. braucht nicht, pflegt
aber wegzufallen, und dann gelten die ſ. 901. n° 8. vor-
getragenen conſ. beſtimmungen. — 5) gewöhnlich unter-
bleibt auch das -ë ſg. imp., welcher dadurch ſcheinbar
ſtark lautet (vgl. anm. β.) z. b. bärn (ure) læd (dnc) etc.
Aus dieſer claſſe folgende beiſpiele: 1) evellan (interi-
mere) cvëalde; fellan (proſternere) fëalde; ſtellan (ſalire)
ſtëalde; tëllan (referre) tëalde; gevemman (violare) ge-
vemde; nemnan (nominare) nemde; cennan (gignere)
cende; ſendan (mittere) ſende; vendan (vertere) vende;
[905]II. angelſ. erſte ſchwache conjugation.
drencan (potare) drencte; ſencan (mergere) ſencte; ſcren-
can (ſupplantare) ſcrencte; ſprengan (ſpargere) ſprengde;
bärnan (urere) bärnde; hvettan (acuere) hvette; lettan
(impedire) lette; ſettan (ſtatuere) ſette; ahreddan (eri-
pere) ahredde; reſtan (quieſcere) reſte; dreccan (vexare)
drëahte; ſtreccan (extendere) ſtrëahte; reccan (exponere)
rëahte; veccan (excitare) vëahte; þeccan (tegere) þëahte;
lecgan (ponere) legde ſpäter læde; ſecgan (dicere) ſegde,
ſpäter ſæde; ehtan (perſequi) ehte. — 2) ſpillan (per-
dere) ſpilde; on-cirran (divertere) oncirde; mirran (im-
pedire) mirde; lixan (fulgere) lixte; plihtan (ſpondere)
plihte; rihtan (dirigere) rihte; ontihtan (inſtigare) on-
tihte. — 3) fyllan (implere) fylde; myntan (ſtatuere)
mynte; ſtyrman (ſaevire) ſtyrmde; gyrdan (cingere)
gyrde; dyppan (immergere) dypte; cyſſan (oſculari) cyſte;
lyſtan (cupere) lyſte; hycgan (ſtudere) hygde. — 4) dælan
(dividere) dælde; hælan (ſanare) hælde; mælan (loqui)
mælde; ſælan (illaqueare) ſælde; mænan (opinari) mænde;
ſtænan (lapidare) ſtænde; afæran (terrere) afærde; ræpan
(vincire) ræpte; adræfan (pellere) adræfde; belævan (tra-
dere) belævde; bætan (frenare) bætte; ſpætan (ſpuere)
ſpætte; bædan (compellere) bædde; brædan (distendere)
brædde; lædan (ducere) lædde; vædhan (venari) vædhde;
ræſan (irruere) ræſde; ëdlæcan (renovare) ëdlæhte; nëalæcan
(propinquare) nëalæhte; tæcan (docere) tænte; gevæcan
(affligere) gevæhte. — 5) dêman (judicare) dêmde; ſtê-
pan (erigere) ſtêpte; bêtan (emendare) bêtte; grêtan (ſa-
lutare) grêtte; mêtan (obviare) mêtte; fêdan (nutrire)
fêdde; hêdan (cuſtodire) hêdde; ſpêdan (progredi) ſpêdde;
vêdan (inſanire) vêdde; ſêcan (quaerere) ſôhte; rêcan
(curare) rôhte; ſvêgan (ſtrepere) ſvêgde; vrêgan (accu-
ſare) vrêgde. — 6) cîgan (vocare) cîgde. — 7) gŷman
(obſervare) gŷmde; gerŷman (dilatare) gerŷmde; ſtrŷnan
(acquirere) ſtrŷnde; gehŷnan (humiliare) gehŷnde; hŷran
(audire) hŷrde; ſtŷran (imperare) ſtŷrde; ſcrŷdan (ornare)
ſcrŷdde; nŷdhan (cogere) nŷdhde; cŷdhan (nuntiare)
cŷdhde; lŷſan (ſolvere) lŷſte; ŷcan (augere) ŷhte.
Anmerkungen: α) einige dieſer verba bewahren das
ableitungs-ë zuweilen im inf. als: ſêcëan, veccëan,
drencëan etc. ſtatt welches ë ſich kaum i (j) findet. —
β) die durch gemination langgewordenen haben in II.
III. ſg. (bei unſyncopiertem flexionsvocal) und dann auch
im ſg. imp. einfachen conſ., als: ſeleſt, legeſt, ſegeſt;
ſele, lege, ſege; zum unterſchied von organiſcher ge-
mination, welche durchweg bleibt, z. b. fylleſt (imples)
[906]II. angelſ. zweite ſchwache conjugation.
fylle (imple). — γ) rückumlaut zeigt das praet. lediglich
vor ld und ht (ſëalde, cvëalde, þëahte, ſôhte, rôhte);
warum aber kein ſande, hradde, ſatte, drancte, lagde,
fulde, ſturmde, dômde, môtte, fôdde, ſcrûdde, geámde,
leaſte? [vgl. den altnord. rückuml.].
| ind. praeſ. ſg. ſëalf-ige | ſëalf-aſt | ſëalft-adh |
| pl. ſëalf-jadh | ſëalf-jadh | ſëalft-jadh |
| praet. ſg. ſëalf-ode | ſëalf-odeſt | ſëalft-ode |
| pl. ſëalf-edon | ſëalf-edon | ſëalf-edon |
| conj. praeſ. ſg. ſëalf-ige | ſëalf-ige | ſëalf-ige |
| pl. ſëalf-jon | ſëalf-jon | ſëalf-jon |
| praet. ſg. ſëalf-ode | ſëalf-ode | ſëalf-oden |
| pl. ſëalf-eden | ſëalf-eden | ſëalf-eden |
imp. ſëalf-a, pl. ſëalf-jadh; inf. ſëalf-jan; part. ſëalf-
igende, praet. geſëalf-od.
Zweite und dritte goth. conj. fallen auch hier zuſ.,
man bemerke 1) der ableitungsvocal o (? ô) erſcheint
nur im praet. 2) ſchwankend an ſeiner ſtelle zuweilen
a (? â) im ſg. (nie pl.) praet. und part. praet. vgl. Beov.
18. 30. 135. vîſade, 130 þrôvade, 178 brytnade, 14 ſëó-
made, 157 lëóſade etc. 60 gerëgnad, 171 genivad, 200 ge-
blôdegad; neben 26 vîſode, 193 þrôvode etc. Nicht un-
wahrſcheinlich iſt dieſes â aus der alten dritten conj.
übrig und dem goth. ái, alth. ê parallel; doch laßen
ſich im angelſ. nicht mehr die zweite und dritte conj.
nach dem ô und â ſondern; jenes einzelne a wurde
auch wörtern der zweiten beigelegt und verlor ſich
endlich ganz in dem überwiegenden o. — 3) der pl.
(nicht ſg.) praet. zeigt in den älteſten denkmählern e
ſtatt o; vgl. Beov. 12. 75. 109 ſceávedon, 19 þancedon,
93 reáfeden, 84 folgedon, 121 ſtaredon, 128 ſvîgedon etc.
mit 106 þancode, 215 ſvîgode, 65 ſceávode etc. welches
e von dem ë kurzſilbiger verba erſter conj. ganz unter-
ſchieden, als bloße ſchwächung des o anzuſehen iſt,
auch im ſg. (wie jenes ë) nicht vorkommt. Cädm. und
die proſaiſchen quellen gewähren neben dem e häufig o
im pl. — 4) im ſg. imp. -a und II. III. praeſ. ind. ſg.
-aſt, -adh ſcheinen ableitungs- und flexionsvocal ver-
ſchmolzen oder vielmehr letzterer iſt in erſterem aufge-
gangen, vgl. ſëalfa, ſëalfaſt, ſëalfadh mit dem goth. ſal-
bô, ſalbôs, ſalbôþ; alth ſalpô, ſalpôs, ſalpôt. Der voc.
a (vermuthlich â) ſtimmt zu dem unter 2. bemerkten
[907]II. angelſ. zweite ſchwache conjugation.
a (â) des praet., und zuweilen bekennen ſich auch II.
III. praeſ. ſg. zu ſolchem o z. b. taloſt f. talaſt. — 5)
deſto auffallender iſt die einſchiebung des i im inf. und
in allen übrigen praeſensformen, welche dadurch mit
den kurzſilbigen erſter conj. zuſ. fallen, vgl. ſëalfjan,
ſëalfige, ſëalfjadh mit nerjan, nerige, nerjadh. Den
unterſchied gründet bloß jener ſg. imp. und II. III. praeſ.:
ſëalfa, ſëalfaſt, ſëalfadh, abſtehend von nerë, nerëſt, ne-
rëdh. Die goth. alth. und altſ. zweite conj. zeigt ein i
vor dem ô nur in wenigen einzelnen wörtern (z. b.
herjôn, minnjôn) und läßt es dem praet. (z. b. minnëôda);
hier gebührt es allen und jeden im praeſ., ſchwindet
aber im praet. — 6) erweiterung des j in ig findet ge-
wöhnlich nur vor e der flexion ſtatt, als: taljan (aeſti-
mare) talige (aeſtimo Beov. 53.) lûfjan (amare) lûfige
(amo); ſtarjan (oculos figere) ſtarige (Beov. 134.) biswei-
len wird aber auch der flexion a ein e vorgeſchoben
und dann gleichfalls ig geſetzt, z. b. ſceávigëan (con-
ſpicere) ſceávigëadh (conſpicimus) gleichviel mit ſceávjan,
ſceávjadh; ferner: varigëadh (cultodiunt Beov. 103.) f.
varjadh. Im praet. gilt kein ſolches -igë-, ſondern nur
-ode, als ſceávode, ſtarode, talode etc. Übrigens vergl,
man das altſ. -ôjan (ſ. 895.) —
Beiſpiele 1) einfache ableitungen: taljan (loqui) til-
jan (colere) þoljan (tolerare) fûljan (putreſcere) ſpëlljan
(nuntiare) fulljan (baptizare) ſëalfjan (ungere) hëalſjan
(amplecti) ëalgjan (tueri) folgjan (ſequi); ſëómjan (one-
rare); monjan (monere) vunjan (habitare) leánjan (remu-
nerare) fandjan (tentare) endjan (finire) plantian (plan-
tare) þancjan (agere gratias) þingjan (convenire); and-
ſvarjan (reſpondere) ſtarjan (intueri) cëorjan (queri) her-
jan, hergjan (vaſtare) borjan (forare) ârjan (honorare)
hêrjan (laudare) gnornjan (moerere) lëornjan (diſcere)
ëardjan (habitare) vëardjan (cavere) rëordjan (ſermoci-
nari) mëarcjan (notare) bëorhtjan (lucere); clŷpjan (vo-
care) grâpjan (rapere) reáfjan (ſpoliare) lëófjan, lûfjan
(amare) ebbjan (recedere) gehivjan (formare) nivjan (re-
novare) trivjan (fidere) ſcëávjan (conſpicere) þëóvjan
(ſervire) þrôvjan (pati); hatjan (odiſſe) vlâtjan (intueri)
bodjan (nuntiare) giddjan (canere) trëddjan (incedere)
ſidhjan (proficiſci) vîſjan (viſitare) nëóſjan (inveſtigare)
coſtjan (tentare); vacjan (vigilare) lìcjan (placere) plucc-
jan (vellere) plëgjan (ludere) hogjan (cogitare) ſvîgjan
(tacere) tëohhjan (ſtatuere) âhſjan (exigere) ëahtjan (ob-
ſervare). — 2) bildungen mit -el, -en, -er oder -l,
[908]II. angelſ. zweite ſchwache conjugation.
-n, -r: madheljan (loqui) ſvëóteljan, ſvûteljan (mani-
feſtare) micljan (magnificare) ſëgljan (navigare); brytn-
jan (diſpenſare) ſamnjan (congregare) tâcnjan (ſignare)
geeâcnjan (concipere) þëgnjan, þênjan (miniſtrare) ge-
rëgnjan, gerênjan (ornare); geniderjan (humiliare)
ſvidhrjan (praevalere) hlëódhrjan (perſonare) vuldrjan
(glorificare) — 3) mit -v, -ſ, -g (ſtatt -av, -iſ, -ig):
nëarvjan (arctari) frätvjan (ornare) læſvjan (paſcere);
ſcadvjan (umbrare); fælſjan (expiare) ſvinſjan (modulari)
irſjan (iraſci) blëtſjan, blëdſjan, blëſſjan (benedicere)
blîdſjan (laetari) gîtſjan (cupere) rîcſjan (regnare) egſjan
(terreri); fâmgjan (ſpumare) myngjan (reminiſci) ſyngjan
(peccare) vêrgjan, vêrigëan (laſſeſcere) blôdgjan (ſangui-
nare) etc. — 4) ableitungen von adj. mit -ſum: geſib-
ſumjan (reconciliari) gehŷrſumjan (obedire) etc.
Anmerkungen: α) die einſtimmung den 1. ſg. und
des ganzen þl. praeſ. mit den kurzſilbigen erſter conj.
macht übergänge begreiflich. Einzelne verba, urſprüng-
lich zweiter conj. geminieren den conſ. nach weiſe der
erſten, behalten aber vor -a, -aſt, -adh, ſo wie im
praet., formen der dritten bei: einige laßen die erſte
conj. weiter eingreifen, und zuweilen gelten doppelfor-
men nach beiden. Statt lëofjan (vivere) I. lëofige II.
lëofaſt III. lëofadh; pl. lëofjadh findet ſich libban, I.
libbe II. lëofaſt III. lëofadh; pl. libbadh; praet. lëofode
(nicht lifde, noch weniger libbode) imp. lëofa, pl. lib-
badh. Ungefähr ſo verhalten ſich hycgan, fyligëan,
ſecgan, tellan zu hogjan, folgjan, ſagjan, taljan, nur
iſt bald erſte, bald zweite conj. überwiegend, z. b. es
ſtehet gern I. hyege II. hogaſt, im praet. gleich üblich
hygde oder hogode; ſecgan behält aber aus zweiter bloß
den imp. ſg. ſaga (Cädm. 21, Beov. 31.); tellan hat im
praeſ. lieber talige, talaſt, taladh als telle, telëſt, telëdh,
im praet. lieber tëalde als talode. habban (habere) macht
nach zweiter: II. hafaſt III. hafadh (neben häfſt, häfdh)
ſg. imp. hafa Beov. 51. (ſchwerlich habe) alles andere
nach erſter: habbe (habeo) pl. habbadh; praet. häſde;
part. häbbende, praet. häfd. — β) es kann im einzel-
nen zweifelhaft ſeyn, ob das dem -an vorhergehende g,
ig erweiterung des -i (ſ. 907.) oder die bildungsendung
-ig war; z. b. fàmgjan, vêrigëan ſtammt zwar vom adj.
fâmig, vêrig, aber ſyngjan könnte von ſynnig (culpabi-
lis) oder ſyn (culpa) geleitet werden, wie das alth. ſun-
tëôn von ſuntëa (neuh. ſündigen von ſündig?). Viel-
leicht haben die ableitungen vom adj. jene erweiterun-
[909]II. anomalien der angelſ. conjugation.
gen des i in ig veranlaßt? monigëan für monjan z. b.
läßt ſich von keinem adj. monig herführen.
Der inf. apocopiert das n und lautet auf bloßes -a,
womit der dat. pl. blinde, thâ (ſ. 736. 792.) zu verglei-
chen; im pl. praet. und ſtarken part. praet. haftet da-
gegen das -n (-on, -en); pl. praeſ. ind. ſetzt -th für
alle drei perſonen, gleich den ſächſiſchen ſprachen.
Starke conjugationen. I. halde (teneo) hîld, hîldon,
halden; ebenſo valde (impero) II. hête (vocor) hît, hî-
ton, hêten; ebenſo ſkêthe (divido) III. hlêpe (curro)
hlîp, hlîpon, hlêpen; ebenſo hrêpe (clamo) ſtête (pulſo)
IV. ſlêpe (dormio) ſlîp, ſlîpon, ſlîpen; ebenſo wêpe
(ploro) lête (ſino) rêde. VII. fare (veho) fôr, foron, fa-
ren; ebenſo ſkapa (creare) hlada (onerare) vada (per-
meare) vaxa (creſcere) draga (ferre, praet. drôch) ſlaga
(ferire, pr. ſlôch) VIII. grîpe (prehendo) grêp, gripon,
gripen; ſo: drîfa (pellere) ſnîtha (ſecare) hnîga (flectere)
ſtîga (ſcandere praet. ſtêch). IX. driupe (ſtillo) drâp,
drëpon, drëpen; ebenſo: kriapa (repere) niata (uti)
ſkiata (jaculari) ſlûta (claudere) biada (offerre) kiaſa (eli-
gere) kiuſe, kâs, këron, këren; liaſa (perdere) liaka
[911]II. altfrieſiſche ſchwache conjugation.
(claudere). X. XI. bire (fero) ber, bêron, bëren; ebenſo:
ſtëla (furari) nima (capere) jëfa (dare) wëſa (eſſe) brëka
(frangere) ſprëka (loqui). XII. hilpe (adjuvo) halp, hul-
pon, hulpen, ebenſo: jëlda (rependere) bëlga (iraſci)
binda (ligare) finda (inv.) winna (laborare) kwinka (ex-
ſtinguere, part. ût-e-kwnken Aſegab. 178.) twinga
(cogere) bërna (ardere) wërpa (jacere) kërva (findere)
vërtha (fieri). — Anmerkungen: α) wechſel zwiſchen
ia und iu in IX, ë und i in X. XI. XII. wie im alth.
und altſ. d. h. iu und i gelten im ganzen ſg. praeſ.
β) vermuthliche conſ. veränderungen bei ſyncope des
flexionvocals in II. III. praeſ. ſg. — γ) ſchwaches praeſ.
haben ſitta (ſedere) lidza (jacere); das praet. ſtark ſet,
pl. ſêton; lei, pl. lêgon.
Zwei ſchwache conjugationen: die erſle ſyncopiert
den ableitungsvocal, als: rêma (evacuare) rêmde; bêta
(reparare) bêtte; ſella (vendere) ſelde; ſedza (dicere)
ſêde; ſetta (collocare) ſette; reſza (porrigere) rekte (?)
drenſza (aquae immergere) drenkte etc. Die zweite hat
im praeſ. i, im praet. a, als: câpja (emere) câpjath (emi-
mus) câpade (emebam) part. praet. câpad; ebenſo: makja
(facere) halja (arceſſere) nomja (nominare) râvja (ſpo-
liare) endgja (finire) folgja (ſequi) etc. —
Anomalien: 1) wëſan; praet. was, wêre, was; pl.
wêron; praeſ. III. ſg. is, pl. ſënd. — 2) α) môt, môton.
β) wêt, witon. γ) âch, âgon; praet. âchte. δ) ſkël,
ſkëlon (auch ſkil, ſkil, ſkilon) praet. ſkolde. ε) mei, mêgon;
praet. machte. — 3) wil, pl. willath; praet. wëlde. —
4) dûa (facere) dûe (facio) dûath (faeiunt); praet. dëde,
part. praet. dên. — 5) brënſza (afferre) thenſza (cogi-
tare) praet. brochte, thochte. — 6) fâ (capere) praet.
fêng hat im part. praet. bald fên bald fênſzen. —
| ind. praeſ. … -r -r | conj. -i -ir -i |
| pl. -um -idh -a | -im -idh -i |
| praet. ſg. … -t … | -i -ir -i |
| pl. -um -udh -u | -im -idh -i |
imp. ſg. …, pl. -idh; inf. -a; part. praeſ. -andi, praet. -inn.
Anmerkungen: frühere beſchaffenheit der aufgeſtell-
ten flexionen lehrt die vergleichung der übrigen ſpra-
[912]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
chen, theilweiſe der gebliebene oder fehlende umlaut.
α) conſonanten: 1) apocope des n [ſ. 305. 820.] zeigt der
inf. -a, die III. pl. praet. ind. -u und III. pl. praeſ.
praet. conj. -i, welche ſämmtlich für -an, -un, -in
ſtehen; III. pl. praeſ. ind. büßt ſogar -nd ein. — 2) I.
pl. hat dagegen (gleich dem dat. pl.) -m bewahrt, nicht
in -n geſchwächt; bei anlehnendem pron. fällt es
fort, z. b. ſkulu-vër, ſkulu-vidh (Raſk §. 273.). Eben-
ſo ſchwindet das -dh der II. pl. durch inclination. —
3) II. ſg. praeſ. ind. und praeſ. praet. conj. hat das ur-
ſprüngliche -s in -r verwandelt [ſ. 305. 804. 805.]; wo-
her rührt aber das -r der III. ſg. praeſ. ind.? in den
übrigen ſprachen hat es kein vorbild, außer in der III.
ſg. praeſ. des angelſ. und frieſ. hülfsworts eſſe, welche
is (goth. alth. altſ. iſt) lautet und offenbar dem altn. ër
gleichſteht [mehr hiervon am ſchluße des cap.]. — 4) die-
ſes -r der II. III. ſg. praeſ. erfährt apocope oder aſſimi-
lation nach den regeln ſ. 650. 651. 736. 737; apocope,
wenn die wurzel ſelbſt mit ſ, r und rr ſchließt, und
alsdann fallen II. III. mit I. zuſammen, z. b. lës, frŷs,
eys, ſlær, bër, þvërr ſtatt lëſr, frŷſr, eyſr, ſlærr, bërr,
þvërr (obwohl zuweilen lëſſ, frŷſſ, ſlærr, bërr geſchrie-
ben wird); aſſimilation nach wurzelhaftem n, ſchwan-
kender nach l, als: ſcinn (lucet) f. ſcînr; kell (alget,
Völ. 9. 29.) f. kelr, doch begegnet auch elr (alit). Nach
ll, nn bleibt das flexions -r, als: fellr, brennr. —
5) II. ſg. praet. ind. hat einſtimmig mit dem goth. den
conſ. -t und den voc. des ſg., abweichend vom alth.
alt- und angelſ., wo die flexion -i, -ë den ablaut des
pl. oder conj. mit ſich führt. Von veränderung des
wurzelconſ. vor dieſem t hernach unten. — β) flexions-
vocale 1) der l. ſg. praeſ. iſt die flexion -i abgefallen,
wie der haftende umlaut fer, fell, ſlæ, eyk, gŷt
darthut, früher alſo: feri, felli, ſlæi, eyki, gŷti; dieſes
-i ſcheint ſich in dem einzigen heiti (vocor) und nicht
heit, zu bewahren. — 2) aus gleichem grunde muß vor
dem -r II. III. praeſ. ſg. ein organiſches i ſyncopiert
worden ſeyn. — 3) unorg. -i. weil kein umlaut daraus
folgt, beſitzen II. pl. praeſ. ind. und imp., alle flexio-
nen des praeſ. conj. und das part. praet.; vermuthlich
herrſchten hier chmahls -a und -ei (wie ſ. 805. blin-
deir f. blindir); in I. praeſ. conj. ſg. zeigen die älteſten
quellen häufig -a (Raſk §. 270.). — 4) das praet. conj.
hat organiſches -i und -î. — 5) heutzutage gilt in l.
pl. praeſ. conj. -um ſtatt -im und tadelnawerther im
[913]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
ganzen pl. praet. conj. -um, -udh, -u ſtatt -im, -idh,
-i. — 6) für -u, -um haben die alten hſſ. gern -o -om.
Unter ſolchen voransſetzungen ließe ſich etwa folgendes
ältere paradigma erwarten:
| ind. praeſ. ſg. -i -ir -ir | conj. -a -eir -ei(ê) |
| pl. -um-adh-and | -eim-eidh -ein |
| praet. ſg. … -t … | -i -îr -i |
| pl. -um-udh-un | -îm -îdh -în |
imp. ſg.…, pl. -adh; inf. -an, part. andi, praet. ann.
Einzelne conjugationen:
Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.
| ind. praeſ. ſg.… -r -r | conj. -i -ir -i |
| pl. -um -idh -a | -im -idh -i |
| praet ſg. -dha -dhir -dhi | -dhi -dhir -dhi |
| pl. -dhum-dhudh dhu | -dhim -dhidh -dhi |
imp. …; inf. -a; part. -andi, -dhr.
wegen des -r und der conj. flexionen gelten ganz die
ſ. 912. gemachten bemerkungen; daß die i im ſg. praet,
ind. unorganiſch ſind, folgt aus dem mangel des um-
lauts. wahrſcheinlich ſtehet -dhir, -dhi für -dhar, -dha,
weil auch in die erſte perſ. allmählig -dhi ſtatt -dha
eindringt.
| tel tel-r tel-r | brenn-i brenn-ir brenn-ir |
| tel jum tel-idh tel-ja | brenn-um brenn-idh brenn-a |
| tal-da tal-dir tal-di | bren -da bren -dir bren -di |
| töl-dum töl-dudh töl-du | bren -dum bren -dudh bren -du |
| tel-i tel-ir tel-i | brenn-i brenn-ir brenn-i |
| tel-im tel-idh tel-i | brenn-im brenn-idh brenn-i |
| tel-di tel-dir tel-di | bren -di bren -dir bren -di |
| tel-dim tel didh tel di | bren -dim bren -didh bren -di |
imp. tel. brenn; inf. tel-ja, brenn-a; part. tel-jandi,
brenn-andi; taldr, brendr.
Man merke 1) das ableitungs i mangelt im praet. und part.
praet. durchaus, die wurzel ſey langſilbig oder nicht. —
2) im praeſ. behalten kurzſilbige das i (verwandelt in j)
überall, wo die flexion mit a oder u beginnt, folglich
telja, teljum; vor dem unorg i in tel idh, tel-i, tel-
ir etc. verzehrt ſich jenes i der ableitung, doch ſtehen
die formen offenbar für tel-jidh, tel-ji, tel jir (d. h.
nach ſ. 912. für das frühere tel-jadh, tel-ja, tel-jeir);
praeſ. ind. ſg. ſtößt nicht nur das i der ableitung aus,
ſondern auch (wie die ſtarke conj.) das der flexion: tel,
telr ſetzt ein älteres tel-i, tel-ir und dieſes ein tel-ji,
tel-jir voraus. Ausnahme machen ſegja und þegja,
welche im praeſ. ſg. das i der flexion laßen: ſegi, ſegir;
þegi, þegir. — 3) langſilbige tilgen umgekehrt das ab-
leitungs-i vor a, u (brennum, brenna) und bewahren
das flexions-i im ſg. praeſ. (brenni, brennir, brennir);
alle langſilbigen, deren wurzel mit k und g ſchließt,
laßen gleichwohl das ableitende i ſtehen, und behalten
das flexiviſche im ſg. daneben (veikja, veiki, veikir,
veikjnm; vîgja, vîgi, vîgir, vîgjum). — 4) beim anſtoß
des wurzelconſ. an das -dh praet. folgende veränderun-
gen α) dh bleibt nach r, f, b und g. — β) nach l, m,
n wird es in kurzſilbigen zu d, langſilbige geſtatten
ſchwankend d und t. — γ) nach p, t, k, ſ zu t. —
δ) nach lt, nt, pt, ſt fällt es ganz weg. — ε) ſtatt dh-
dh ſtehet dd.
Beiſpiele der kurzſilbigen: dvelja (morari) dvaldi;
qvelja (cruciare) qvaldi; melja (molere) maldi; ſelja (tra-
dere) ſeldi; telja (numerare) taldi; velja (eligere) valdi;
ſkilia (diſcernere) ſkildi; þilja (coaſſare) þildi; hylja (te-
gere) huldi; dylja (celare) duldi; mylja (conterere) muldi;
fremja (patrare) framdi; gremja (offendere) gramdi;
kremja (infringere) kramdi; lemja (verberare) lamdi;
ſemja (reconciliare) ſamdi; temja (domare) tamdi; glymja
(ſtrepere) glumdi; rymja (mugire) rumdi; venja (aſſue-
facere) vandi; enja (extendere) þandi; dynja (tonare)
dundi; drynja (mugire) drundi; hrynja (ruere) hrundi;
ſtynja (ingemiſcere) ſtundi; berja (percutere) bardhi;
merja (contundere) mardhi; verja (tueri) vardhi; yrja
(arare) urdhi; byrja (ordiri) burdhi; ſmyrja (linere)
ſmurdhi; ſpyrja (quaerere) ſpurdhi; — glepja (offuſcare)
glapti; krefja (exigere) krafdhi; ſvefja (ſopire) ſvafdhi; tefja
(morari) tafdhi; vefja (intricare) vafdhi; fletja (planare)
flatti; hvetja (acuere) hvatti; ſetja (collocare) ſetti;
flytja (vehere) flutti; gledhja (laetificare) gladdi; qvedhja
[922]II. altnord erſte ſchwache conjugation.
(ſalutare) qvaddi; ſkedhja (laedere) ſkaddi; ſtedhja (ſtatuere)
ſtaddi; tedhja (ſtercorare) taddi; rydhja (ſternere) ruddi;
ſtydhja (fulcire) ſtuddi; þyſja (proruere) þuſti; rekja
(retexere) rakti; hrekja (pellere) hrakti; vekja (excitare)
vakti; þekja (tegere) þakti; lykja (claudere) lukti; ſegja
(dicere) ſagdhi; þegja (tacere) þagdhi [über ſegja, þegja
vgl. indeſſen anm. δ. zur zweiten conj.]; leggja (ponere)
lagdhi; hyggja (cogitare) hugdhi; tyggja (mandere) tugdhi.
Langſilbige: 1) mæla (loqui) mælti; hœla (laudare)
hœldi; fella (ſternere) feldi; ſtilla (temperare) ſtilti; fylla
(implere) fyldi; dœma (judicare) dœmdi; — 2) dreyma
(ſomniare) dreymdi; geyma (cuſtodire) geymdi; rŷma
(vacuare) rŷmdi; rœma (celebrare) rœmdi; ſkemma (cor-
rumpere) ſkemdi; ſtemma (cohibere) ſtemdi; kemba
(pectere) kembdhi; remba (niti) rembdhi; — 3) ræna
(ſpoliare) rænti; rŷna (occulta ſcrutari) rŷndi; ſŷna
(oſtendere) ſŷndi; beina (expedire) beindi; ſteina (pin-
gere) ſteindi; brenna (comburere) brendi; kenna (do-
cere) kendi; nenna (conari) nenti; renna (fundere)
rendi; — 4) læra (docere) lærdhi; mæra (laudare) mærdhi;
ſkîra (polire) ſkîrdhi; ſtŷra (gubernare) ſtŷrdhi; ſŷra
(fermentare) ſŷrdhi; ſperra (repagulis munire) ſperti;
verma (tepefacere) vermdi; firra (privare) firdhi; —
5) dreypa (inſtillare) dreypti; hleypa (concitare) hleypti;
ſteypa (fundere) ſteypti; ſleppa (amittere) ſlepti; kippa
(raptare) kipti; dìſa (ſubigere) dîfdhi; leifa (relinquere)
leifdhi; deyfa (hebetare) deyfdhi; leyfa (laudare) leyfdhi;
ſvæfa (ſopire) ſvæfdhi; œfa (exercere alth. uopan)
œfdhi; erfa (heredit. obtinere) erfdhi; — 6) beita (inci-
tare) beitti; feita (ſaginare) feitti; hreita (diſpergere)
hreitti; breidha (dilatare) breiddi; leidha (ducere) leiddi;
reidha (ferri) reiddi; ſnædha (cibum capere) ſnæddi;
fœdha (nutrire) fœddi; flœdha (inundare) flœddi; hitta
(invenire) hitti; mœdha (fatigare) mœddi; ſkœdha (cal-
ceare) ſkœddi; reiſa (excitare) reiſti; lŷſa (lucere) lŷſti;
melta (ſolvere) melti; girdha (cingere) girdhi; lypta
(levare) lypti; feſta (firmare) feſti; — 7) ſteikja (aſſare)
ſteikti; veikja (debilitare) veikti; dreckja (morgere)
dreckti; þeckja (noſcere) þeckti; fylkja (aciem inſtruere)
ſylkti; þenkja (cogitare) þenkti; merkja (notare) merkti;
hröckva (torquere) hröckti; ſtöckva (aſpergere) ſtöckti;
ſlöckva (extinguere) ſlöckti; teigja (allicere) teigdhi;
vîgja (conſecrare) vîgdhi; læghja (deprimere) lægdhi;
vægja (parcere) vægdhi; reigja (ſuperbire) rcigdhi; ſveigja
(flectere) ſveigdhi; hneggja (hinnire) hnegdhi; byggja
[923]II. altnord. erſte ſchwache conjugation.
(aedificare) bygdhi; hryggja (triſtitia afficere) hrygdhi;
fylgja (ſequi) fylgdhi; hengja (ſuſpendere) hengdhi;
lengja (differre) lengdhi; ſprengja (rumpere) ſprengdhi;
ſyrgja (plangere) ſyrgdhi. — 8) einige bildungen mit
-l, -n: ſigla (navigare) ſigldi; hefna (ulciſci) hefndi;
nefna (nominare) nefndi; egna (irritare) egndi etc.
Anmerkungen: α) dieſe conj. begreift nur umgelau-
tete oder unumlautbare vocale im praeſens, mithin nie-
mahls a, u, â, ô, û, au. — β) kurzſilbige wurzeln wan-
deln lj, mj, nj, rj niemahls in die gemination, daher
kein dem alth. ähnliches tella, hylla, fremma etc. nur
für gj findet ſich mit beibehaltnem j: ggj in leggja,
hyggja, tyggja, — γ) langſilbige durch. org. gemin. ver-
einfachen ſie vor dem d, dh, praet. als: brenna, brendi;
fylla, fyldi, hryggja, hrygdhi. — δ) die verhältniſſe des
rückumlauts ſtehn den alth. bemerkenswerth entgegen:
dort lauteten kurzſilbige im praet. nicht zurück um
(tueljan, tuelita; zemjan, zemita; denjan, denita; wer-
jan, werita), außer wo ſie durch gem, lang geworden
waren; langſilbige rückumlauteten (vellan, valta; chen-
nan, chanta; ſperran, ſparta; werman, warmta) — hier
haben kurzſilbige rückumlaut (dvelja, dvaldi; temja,
tamdi; þenja, þandi; verja, vardhi) langſilbige keinen
(fella, feldi; kenna, kendi; ſperra, ſperti; verma,
vermdi). Ausnahmsweiſe gilt von ſelja, ſetja, ſeldi,
ſetti, nicht ſaldi, ſatti (analog dem valdi, hvatti). —
ε) da wo praet. ind. rückumlautet, hat praet. conj. alle-
mabl umgelauteten vocal, vgl. taldi, flutti mit dem conj.
teldi, flytti. — ζ) beim rückumlaut a lautet pl. praet.
durch die flexion u in ö um: taldi, pl. töldu. — η)
kurzſilbige auf r und ſ ausgehende wurzeln behandeln
II. III ſg. praeſ. ind. wie die ſtarken verba (ſ. 912.)
z. b. byr (orditur) þyſ (ruit) ſt. byrr, þyſr; bei langſil-
bigen bleibt r durch i geſchützt, z. b. mærir (laudat)
lŷſir (lucet).
| ind. praeſ. ſg. kall-a | kall-ar | kall-ar |
| pl. köll-um | kall-idh | kall-a |
| praet. ſg. kall-adha | kall-adhir | kall-adhi |
| pl. köll-udhum | köll-udhudh | köll-udhu |
| conj. praeſ. ſg. kall-i | kall-ir | kall-i |
| pl. kall-im | kall-idh | kall-i |
| praet. ſg. kall-adhi | kall-adhir | kall-adhi |
| pl. kall-adhim | kall-adhidh | kall-adhi |
imp. kall-a, inf. kall-a, part. kall-andi, kall-adhr.
[924]II. altnord zweite ſchwache conjugation.
Der ableitungsvocal a (â ?) gleicht dem ſächſ. â und er-
ſcheint rein im praet. vor deni dh, ſodann in I. praeſ.
ind. und im imp.; unrein, d h. mit flexionsvocalen ver-
ſchmolzen in II. III. praeſ. (kallar für kall-a-ir) etc. —
Beiſpiele aus dieſer zahlreichen conjugation 1) einfache
ableitungen: fala (licitari) ſvala (refrigerari) tala (loqui)
kalla (vocare) ſtama (balbutire) mana (provocare) ſpana
(tendere) banna (interdicere) kanna (ſcrutari) ſanna
(comprobare) ſnara (torquere) ſvara (reſpondere) vara
(cavere) marka (ſignare) ſkapa (creare) tapa (perdere)
hata (odiſſe) rata (ruere) baſa (interimere) faſta (jeju-
nare) haſta (feſtinare) baka (coquere panem) ſaka (nocere)
þacka (gr. agere) daga (luceſcere) laga (aptare) klaga
(accuſare) ſaga (ſerrare); lina (lenire) rita (ſcribere) midha
(movere) ſkicka (ordinare); bora (forare) ſkodha (aſpi-
cere); muna (appetere) blunda (dormire); mâla (pingere)
kâma (maculare) þâma (egelidari); lîka (placere) fôrna
(immolare) hrôpa (clamare) blôta (immolare) hôta (mi-
nari) hrôſa (laudare); gaula (boare) ſauma (ſarcire) launa
(remunerare) raufa (perforare) bauta (transfigere); leita
(quaerere) geiga (tremere); þióna (ſervire) hliódha (ſo-
nare). — 2) bildungen mit 1, n, r: [...]mla (impedire)
fipla (contrectare) ſagla (ſerrare) gutla (glocire); batna
(reconvaleſcere) ſafna (congerere) ſofna (indormire)
blotna (molleſcere); lakra (lente fluere) klifra (ſcandere)
dud[r]a (immorari) giàlfra (ſtrepere) etc. — 3) mit t, d,
ſ: blakta (palpitare) neita (negare) jâta (affirmare) vërnda
(tueri) hreinſa (mundare) bifſa (motitare) hugſa (cogi-
tare) etc. — 4) mit k, g: elſka (amare) blîdhka (miti-
gare) idhka (frequentare) mînka (minuere) ſyndga (pec-
care) blôdhga (cruentare) audhga (locupletare) etc. —
5) mit j vor a: emja (ululare) ſynja (negare) herja (de-
bellare) ſkepja (ordinare) ſtedhja (curſitare) lifja (ſanare)
eggja (acuere) etc. ſie behalten das j durchgängig auch
im praet. emjadha, pl. emjudhum; herjadha, herjudhum. —
Anmerkungen: α) als gegenſatz zur vorigen conj.
herrſcht in dieſer der reine, unumgelautete vocal a, u,
â, ô, û, au oder der unumlautende i, î, ei; ausnahme
machen alle unter 5. genannten ableitungen, einzelne
unter 2. 3. 4. vor deren ableitungsconſ. ein i ſyncopiert
iſt, z. b. ſyndga entſpringt aus ſyndiga. — β) das u der
flexion zeugt umlaut des a in ö in I. pl. praeſ. und im
ganzen pl. praet. — γ) das u pl. praet. aſſimiliert ſich
überall den ableitungsvocal a, als: töpudhu, blôtudhu,
[925]II. altn. zweite (u. dritte?) ſchwache conjugat.
launudhu, mînkudhu, ſynjudhu. — δ) offenbar mengen
ſich in dieſer conj. die zweite und dritte goth. und
alth.; vgl. mana, þacka, þióna dem alth. manôn. dan-
chôn, dienôn und faſta, lîka dem faſtên, lîhhên oder
die bildungen -ſa, -ga dem alth. -iſôn, -akên. Gleich-
wohl verräth ſich eine frühere ſonderung dritter conj.
noch darin, daß ihr zugehörige verba ſcheinbar in die
erſte zu ſpielen pflegen, welcher ſie an ſich fremd ſind,
wie kürze oder unumlaut ihres wurzelvocals hinläng-
lich anzeigt. Beiſpiele ſolcher verba: ſpara (parcere)
vara (cavere) þola (pati) vaka (vigilare) lifa (vivere)
trûa (confidere) meina (autumare) und ihnen analoge;
ſie machen das praeſ. ind. ſpari, lifi, ſparir, liſir, kön-
nen aber nicht nach erſter gehen, weil ihnen umlaut
mangelt, weil ſie kurzſilbig ſperja, ſper haben müßen.
Folglich iſt ihr i praeſ. ind. unorganiſch, wahrſchein-
lich aus altem ei, ê entſprungen, welches ſparê, ſpareir,
lifê, lifeir dem alth. ſparên, ſparês, lëpên, lëpês ant-
wortet. Ihr praet. ſpardhi, vardhi, þoldi, vakti, lifdhi,
trûdhi ſyncopiert den ableitungsvocal und behält gleich
dem praeſ. ungetrübten wurzellaut; das praet. conj. lau-
tet um: ſperdhi. þyldi, vekti, trŷdhi. Einigemahl tre-
ten formen erſter conj. wirklich (d. h. mit umlaut) ein;
z. b. im praeſ. hefi (habeo) hefir (habes), doch im pl.
höfum, hafidh, hafa (nicht hefjum, hefidh, hefja, wo-
gegen ſegja (dicere) þegja (tacere) im ganzen praeſ.
ſegi, ſegir; pl. ſegjum, þegjum (nicht mehr ſögum, þö-
gum) bekommen; praet. ſagdhi. þagdhi. Neben ſol-
chen anſcheinenden, ſeltner wirklichen, übergängen in
die erſte, ſchwanken ſie in die zweite über, z. b. man
findet auch ſpara, ſparar, ſparadhi; vara, varar, varadhi
ſt. ſpari, ſparir, ſpardhi, zumahl gelten die part. praet.
ſparadhr, varadhr, þoladhr, trûadhr, ſogar þagadhr
(nicht vardhr, þoldr, trûdhr, þagdhr) dagegen hafdhr,
ſagdhr (nicht hafadhr, ſagadhr). Dergleichen a mögen
ſich dann wieder auf ein altes ei, ê gründen und vielleicht
lautete die dritte conj. folgendermaßen: lifa, lifeir, li-
feir; pl. lifum, lifeidh, lifa; praet. lifeidha etc. part.
praet. lifeidhr.
Vorbemerkungen: 1) alle flexionsvocale ſind in ein-
förmiges unbetontes e verwandelt (abgerechnet die ſpu-
ren des ô in der zweiten ſchw. conj.), doch folgt dem
[929]II. mittelhochd. conjugation.
das alte i und î vertretenden umlaut [vgl. auch bundè ſ. 370.]
Nach allg. grundſätzen wird tonloſes e ſiumm, ſobald kur-
zer voc. und einfacher conſ. vorſteht, ſtummes e aber ganz
unterdrückt α) nothwendig nach l, r; apocope tritt ein
a) in I. ſg. praeſ. ind. ſiebenter und eilfter ſtarker conj-
z. b. ich mal. var, hil, bir, welche dadurch mit dem
ſg. imp. zuſ. fällt; b in I, II. ſg. praeſ. conj. derſelben
conjugg. als: mal (molam, molat) var, hël, bër; c in
II. ſg. praet. ind. achter und neunter (unbeſchadet dem
umlaut) als: rir (cecidiſti) kür (elegiſti); d) in I. III.
ſg. praet. conj. derſelben conj. als: rir (caderem cade-
ret) kür; e) in I. ſg. praeſ. ind. ſchwacher conj. z. b.
zel (numero) ſpar parco), f) in I. III. ſg. praeſ. conj.
derſelben, als: zel (numerem, -et); g) im ſg. imp.
derſelben, als: zel (numera) ſpar (parce). — Syncope
vor dem -ſt, -t, -n, -nt aller temporum, welche apo-
copieren, ſodann im inf und part. praet. beider formen,
endlich vor dem -te ſchw. praet. z. b. melſt (molis)
melt (molit) hilſt, hilt; maln (molimus) malt (molitis)
hëln (celamus) hëlt (celatis) maln (molamus) hëln (ce-
lemus) etc. rirn (ceciderunt) kurn (elegerunt) kurt (ele-
giſtis) kürn (eligerent) kürt (eligeretis) zelſt (numeras)
nerſt (ſuſtines) etc.; ebenſo die inf. maln, varn, hëln,
bërn, zeln, bern (ferire) bewarn (curare) etc. die part.
praet. gemaln, gevarn, geholn, geborn, erkorn, gezelt,
gebert, bewart und die praet. nerte, bewarte etc. —
β) weniger durchgreifend nach m und n in denſelben
fällen; in der regel ſteht freilich: nim (ſnmo) man (mo-
neo) zem (domo) ſchin (luxiſti, lucerem) im reim auf
im, an, man (virum) hin, bin etc. desgleichen nimſt,
nimt, manſt, mant (: vant, lant reimend) etc. Bei ein-
zelnen älteren dichtern iſt jedoch nime, mane, ſchine
zuläßig, vorzugsweiſe in gewiſſen wörtern und formen,
namentlich im praeſ. conj. (nëme, nëmeſt, nëmet) viel-
leicht mit nachwirkung des alten -ê. Beſtimmtere aus-
nahme macht die flexion -n, nt, welche unmittelbaren
anſtoß des m, n der wurzel meidet, z. b. nëmen, në-
ment, genomen; lemen, lement; ſchamen, ſchament;
ſchinen (luxerunt, lucerent) manen (monere, monemus)
denen (tendere, tendimus) etc. Statt -nen erlauben ſich
wohl einzelne -n [wie im dat. pl. man f. manen ſ. 668,
van f. vanen ſ. 683;] z. b. man (monere) M. S. 2, 53b
auf an gereimt, welches n allenfalls auslautende verein-
fachung des n-n (ſ. 383.) wäre? Schwache verba mit
der bildung -en müßen das -en der flexion opfern, ſo-
N n n
[930]II. mittelhochd. conjugation.
bald die wurzelſilbe lang iſt (ſ. 374. vergl. den dat. pl.
meiden f. meidenen ſ. 669.) z. b. offen (aperire) wâfen
(armare) alth. ofanôn, wâfanôn; nicht bei kurzer wur-
zel, z. b. ſëgenen (benedicere) rëgenen (pluere). — γ) nach
ſ und h fällt ſtummes e weg vor den flexionen -ſt, -t,
nicht aber auslautend, auch nicht vor -n, -nt; z. b.
liſt (legis) liſt (legit) lëſt (legitis) ſihſt (vides) ſiht (videt)
ſëht (videtis) ſlehſt (caedis) ſleht (caedit) ſlaht (caedi-
tis) etc. hingegen: liſe (lego) lëſen; ſihe, ſëhen, ſlahe,
ſlahen (vgl. oben ſ. 373.); doch ſcheint dem conj. lëſet
(legatis) ſëhet (videatis) ſlahet (caedatis) einzuräumen. —
δ) nach den med. b, d, g keine apocope, alſo kein mit
dem imp. ſg. mengendes praeſ. gip, grap, lat, pflic,
ſondern: gibe, grabe, lade, pflige. Auch keine ſyncope
nach d; es heißt: ladet, badet, laden, baden, badete,
gebadet (außer wenn zugleich verwandlungen des wur-
zelconſ. erfolgen, wovon unten, z. b. batte f. badete);
nach b und g gleichfalls nicht vor -n, nt, als: laben,
biben, loben, ſchriben, ſchuben, ſagen, tragen, ligen,
gelëgen, nigen, genigen etc. Zuweilen aber vor -ſt,
-t der II. III. praeſ. ind. ſg., namentlich nach e und i
der wurzel, als: grebt, ſchebt, hebt, enſebt, tregt, legt,
gibt, wibt (texit) pfligt, wigt, ligt, wo kein grebet, ſche-
bet etc. zuläßig wäre. In II. praeſ. pl. ſcheint aber le-
get, hebet, reget, weget, pflëget, wëget vorzuziehen,
im conj. nothwendig. Unverkürzte flexion nehme ich
an bei den wurzelvocalen a, o, ë, wo immer eine II.
praeſ. pl. vorliegen wird, oder der ſg. zweiter ſchwacher
conj. z. b. grabet (foditis) ſchabet, habet, labet, trabet,
ſnabet, traget, jaget, klaget, behaget, ſaget, zaget; obet,
lobet, tobet, broget, zoget; klëbet, ſtrëbet, lëbet, wë-
get, pflëget. Auch die praet. pl. behalten e: ſchribet,
blibet, niget, ſiget (cecidiſtis) klubet, ſchubet; am
ſchwankendſten iſt der vocal i, das e bleibt im praet.
pl. (blibet, ſiget), im ſing. praeſ. zweiter ſchwacher
conj. (bibet) und im pl. praeſ. ſtarker oder ſchw. (ſiget,
vincitis, liget jacetis) ſchwindet aber im ſg. praeſ. ſtar-
ker oder erſter ſchwacher (pfligt, ligt, ſigt, vincit). —
ε) die tenues anlangend, ſo kann hier, weil p und k
nicht inlauten, nur nach dem t frage ſeyn; es findet
weder ſyncope noch apocope des ſtummen e ſtatt, z. b.
ſaten (ſatiare) ſate, ſateſt, ſatet; miten (vitavimus) mi-
tet, gemiten; buten (obtulimus) butet, geboten, büte,
büten, bütet; nur geſtatten ſich einzelne t für tet (ähn-
lich dem n für nen ſ. 929.) z. b. git (evellit) bit, trit
[931]II. mittelhochd. conjugation.
für gitet, bitet, tritet (ſ. 410.), welches ich wiederum
auf die III. ſg. praeſ. ſtarker und erſter ſchwacher be-
ſchränke, mithin weder ſat für ſatet ſatiat) noch jët
(evellitis) f. jëtet, noch ſtrit (pugnaſtis) f ſtritet zugebe. —
Bei ausſtoßung des ſtummen e in der conjug. ſehen wir
drei triebfedern wirken, bald die natur der wurzel [...], bald
die der flexionsconſonanz. bald ein nachgefühl urſprüng-
licher verſchiedenheit des flexionsvocals. Während
nach I, r, ohne rückſicht auf letzteren grund alle e aus-
fallen, nach d alle haften, erfährt nach andern conſ.
das e ſyncope, in ſo weit es auf einem alth. i, keine,
wenn es auf a, u, ê, î beruhte. Manches ſchwankende
werden künftige forſchungen näher beſtimmen. —
2) das unſtumme, tonloſe e darf nicht wegfallen,
gleichviel welche wurzelconſonanten vorhergehen, oder
welche flexionsconſ. folgen, z. b. mâlen pingere) mâ-
leſt, mâlet; gebâren, gebâreſt, gebâret; mêren, mêreſt,
mêret; vallen, velleſt, vellet; vuoren, vuoret; muolen,
muolet; hâlen, hâlet etc.; wichtige ausnahmen ergibt
das praet. ſchw. conj. —
3) flexionsconſonanten. α) nicht die reinmittelh.
ſprache, wohl aber die thüringiſche mundart (ſ. 387.)
ſchneidet häufig dem infinitiv ſein n ab (niemahls der
I. pl. praeſ. oder praet., noch der III. pl. praet.) ſo daß
er bald auf tonloſes, bald auf ſtummes e, zuweilen,
wenn auch letzteres abfällt, auf bloße wurzel ausgeht.
Das thüringiſche volk mag ſchon damahls, wie noch
heute [Reinwald idiot. vorr. p. X. Schmeller §. 586.916.],
alle inf. ohne n geſprocnen haben; dichter brauchen ſie
nur im reim und neben der gewöhnlichen form auf
-en; außerhalb des reims letztere. Der wartb. krieg
und Heinr. v. mîſen vaterunſer hat viel ſolcher ge-
ſtumpften inf. vgl. M. S. 2, 13b bevil, 14a ſpil; miſc.
1, 116. meine, 119. var, 121. beite, ſtê, 122. ſtê, be-
richte, ſî, 124. ſëhe, 125. ſchalle, 126. gê, valle, 127.
brëche, kieſe, 128. ſchicke, 129. gewinne, erſpar, man
(monere, welches alſo für mane ſteht, nicht wie die
ſ. 929. bemerkte gleiche form für manen) 135. ſî, wîche,
136. wende und in vaterunſer verſchiedentlich: verſtê,
geſì, muo (vexare ſt. muon) geſchî (evenire) zî (tra-
here) blîche, bediute, triute, ſteine, lërne etc. immer
in beweiſenden reimen. Unter den minneſängern: Kr. v.
hamle 1, 46b ſì, gê; Kriſtan v. lupin 2, 16b meine, 17a ſî,
17b tuo, wende, gelinge, meine; Hetzbolt v. wîƷen ſê
2, 18a kaffe, geſchaffe, bevël, gebueƷe, 18b twinge,
N n n 2
[932]II. mittelhochd. conjugation.
pfende, 19a geſî, 19b twinge, bringe, getrîbe; der dü-
rinc 20b ſtê. Dem ſächſ. und weſtphäl. dialect iſt dieſe
apocope fremd, Veldeck oder Herb. zeigen keine ſpur. —
β) ausgebreiteter und ſchon mit einer alth. mundart
ſtimmend (ſ. 857. n° 4.) iſt das vor dem t der 11. pl.
praeſ. und praet. ind. conj. und imp. eingefügte n, ſo
daß im praeſ. ind. II. III. pl. zuſ. fallend beide auf ent
flectieren, im praet. und conj. aber die II. ent von der
Ill. en abſteht. Es ſcheint ſchweizeriſch und tiefſchwä-
biſch, wie noch heutzutage (vgl. Schmeller §. 910. α.),
daher es entſchieden bei Boner herrſcht (ſint, lânt,
went, tuont, râtent etc. im reim 68, 29. ſint: blint)
im Amur, bei Hadloub (194b lânt, went, ſëhent) bei
Fleke (im reim Flore 28b âbent: gâbent; 55b verzigent:
ligent; lânt: beſtânt); ausgebildetere dichter jener ge-
genden meiden das -nt und fügen ſich reinmittelhoch-
deutſchem -t, namentlich Rudolf und Hartm., doch
letztern beſchleicht einmahl ſein volksdialect in dem
reim vernëment (percipiunt): nëment (accipiatis) Iw. 16c,
wogegen ſonſt richtiger ſît: zît, tuot: gemuot Iw. 9b etc.
Schwäbiſche abſchreiber trugen ihr -nt häufig ein,
z. b. M. S. 1, 4b rûment, lânt, welches der markg. v.
brandenburg ſicher nicht geſprochen hat; in Walters
liedern müßen eine menge von ſint, hânt, ſprëchent,
tragent etc. in ſìt, habt, ſprëchet gebeßert werden, da
die reime für letztere beweiſen (103a geruochet: ver-
fluochet; 115a 118a 120b ſît: ſtrît, zît, nît; 125a maget:
traget), der copiſt ſetzte oft beiderlei form nebeneinan-
der, z. b. 118a ſît und ſint. Manche hſſ. zeigen -n für
nt, vgl. Triſt. 14a. b. hôren, kieſen, ſëhen (nirgends im
reim) Nib. 6420. 6608. leſen einige binden, rîten, an-
dere bindet, rîtet; dieſes -en ſcheint mehr der rhei-
niſchen volksſprache eigen (Schmeller l. c.) vielleicht
war es Gotfr. geläufig, der es doch in keinen reim auf-
nimmt. — γ) etwas anderes iſt, daß bei anlehnung des
pron. wir das -n der I. pl. wegfällt, z. b. heiƷe-wir,
nëme-wir etc. ſeltner bei angelehntem ir das -t der
II. pl. [mehr in der abhandlung der inclinationen]. —
δ) II. ſg. praeſ. und praet. conj. behält zuweilen das
ältere -s ſtatt -ſt, vgl. rîtes: ſtrîtes Parc. 37b, zelles, velles
miſc. 1, 128; ſeltner das praeſ. ind. und praet. ſchwa-
cher form, vgl. gans, guns in der zweiten anomalie;
lides (paſſus es): vrides meiſterg. 31a; bei Winli 2, 23a
nehme ich lieber den ungenauen reim leides: ſchei-
deſt an, als ſcheides. Herb. reimt mehrmahls hâs, lâs
[933]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
(ſt. hâſt, lâſt): âs; lîs (jaces): prîs; Ulrich bîs (ſt. biſt):
markîs (Wilh. 3, 463b) Heinr. v. mîſ. hâs: las (vaterunſ.
mihi 243.) etc.
4) der ſg. imp. ſtarker und ſchwacher form erhält
öfters den anhang -â (ſ. 341.) welcher in der ſchwachen
das -e der flexion abſorbiert; z. b. râtâ, lâƷâ, klingâ,
kêrâ, loſâ, hœrâ, ſt. rât, lâƷ, klinc, kêre, loſe, hœre.
Man kann ihn durchaus nicht zur eigentlichen flexion
rechnen, als flexionsvocal würde er längſt e geworden
ſeyn; es iſt eine im fluß der rede anfliegende partikel,
deren vollſtändigerer geſtalt wir auch im alth begegnen
würden, hätten ſich aus jener zeit mehr lebendige dich-
tungen erhalten. Sie tritt auch zu ſubſt. z. b. ſpërâ Parc. 19b.
| ind. praeſ. ſg. -e -eſt -et | conj. -e -eſt -e |
| pl. -en -et -ent | -en -et -en |
| praet. ſg. … -e … | -e -eſt -e |
| pl. -en -et -en | -en -et -en |
imp. ſg. …, pl. -et; inf. -en; part. -ende, -en.
Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.
| ind. praeſ. -e -eſt -et | conj. -e -eſt -e |
| -en -et -ent | -en -et -en |
| praet. -te -teſt -te | -te -teſt -te |
| -ten -tet -ten | -ten -tet -ten |
imp. ſg. -e, pl. -et; inf. -en; part. -ende, -et.
weil die vocale der ableitung in e zuſ. fallen, die der
flexion häufig ſyncopiert werden, ſo iſt zwiſchen zweiter
und dritter conj. gar nicht mehr zu unterſcheiden; verba
erſter begegnen wiederum denen der zweiten. Zu dem
-s für -ſt (oben ſ. 932.) füge ich hier die beßern be-
lege: gewanctes, hanctes: ſanctes; wens: orlens Wilh.
2, 42b 188a 56b.
kurzſilbige ſyncopieren das e der ableitung ohne aus-
nahme (namentlich vor dem t des praet. und part. praet).
das der flexion nothwendig nach l, r, gewöhnlich
nach m, n, t, b, g; ihr wurzellaut iſt weſentlich
e oder ü, welches im praet. nicht rückumlautet, alles
gefühl der urſprünglichen a und u war hier abgeſtorben
(ſ. 362.); es ſind nur wenige wörter, wofür ich zwei
paradigmen gebe (praet. conj. iſt dem des ind. gleich):
| ind. ner ner-ſt ner-t | leg-e leg-ſt leg-t |
| ner-n ner-t ner-nt | leg-en leg-et leg-ent |
| ner-te ner-teſt ner-te | leg-te leg-teſt leg-te |
| ner-ten ner-tet ner-ten | leg-ten leg-tet leg-ten |
| conj. ner ner-ſt ner | leg-e leg-eſt leg-e |
| ner-n ner-t ner-n | leg-en leg-et leg-en |
| ner, pl. ne-t. | leg-e pl. leg-et |
imp. inf. ner-n, part. nern-de, ner-t; leg-en, leg-ende, leg-t.
1) queln. ver-ſeln (Triſt. 6034. part. verſelt Wilh. 1, 48a
Ulr. Triſt. 104.) ſcheln. ſmeln (Georg 4b) tweln. weln. zeln;
gremen. lemen. zemen; denen. menen (impellere) ent-
ſpenen (ablactare) wenen (aſſuefacere troj. 35a 94b) ent-
wenen (deſuefacere weltchr. Schütze 115. kolocz 146.);
bern (verberare ſubigere) ern (arare, erte, geert troj. 60c 62b)
kern (ſcopare) nern. beſchern (ordinare Wigal. 277.) wern.
zern (conſumere); ent-ſweben (Nib. 7376.) be-teben (op-
primere Reinfr. 27a Wittich 1603.); legen. regen (excitare)
bewegen (commovere) treten (terere) trette (unbelegt)
getret (Parc. 32b 168b Georg 8b) weten (tranſire, wette?
gewet, dieſelben belege); zeten (ſpargere) zette, gezet
(troj. 30a) — 2) vrümen. drümen (confringere Barl. 33.)
bürn (elevare) ſpürn. ſchüten (quatere, movere) gehügen
(recordari); im praet. vrümte, bürte, ſchütte (nicht mit u). —
3) ſmirn (ungere) ſmirte En. 22b ſcheint unhochd. f. ſtrîchen.
Anmerkungen: α) als ſeltne ausnahme erſcheint das
urſprüngliche ableitungs-i zu j, beinahe g verhärtet, in
werjen ſt. wern (Tit.: verjen, nautam, ſcherjen, praeconem;
Mar. 160. wergen: ſchergen) vgl. ſ. 435. β) das alte ll,
mm, nn, tt (ſ. 870.) findet keine ſtatt, wo es einträte,
würde das verbum langſilbig und rückumlautig, z. b. wenn
berren, gremmen, vrümmen, ſchütten gälte, hieße das
praet, barte, gramte, vrumte, ſchutte. — γ) Gewiſſe wörter
ſind dieſen weg gegangen, vorzüglich ſolche mit ll und
tt, als: zellen, zalte; twellen, twalte; hüllen, hulte;
[947]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
retten (eripere) ratte, part. rat (häufig bei Herb.); tret-
ten (conculcare) tratte (Loh. 143. und Herb.) part. trat
(Herb. und Wilh. 1, 110: gebat f. gebadet; wetten
(pignus dare) watte (?); wetten? (aquam tranſire) watte
(Herb. 57c); enpfetten (exuere) M. S. 2, 76b im kling-
reim) vielleicht auch zetten (ſpargere) vielleicht dennen,
wennen f. denen. wenen (M. S. 1, 9b 203b); mante (livl.
chr. 62a) ſtatt mente (Parc. 22a) verlangt den inf. mennen;
zuweilen gelten daneben, wenigſtens in anderer mund-
art, die urſprünglichen zeln, zelte; tweln, twelte;
treten, zeten; zuweilen mangeln dieſe, ich finde z. b.
kein hüln, hülte. — δ) für legt, legte, gelegt gilt ver-
ſchiedentlich leit, leite, geleit; das ähnliche ſeite (dixit)
deutet aufs alte ſegita (ſ. 880.). obwohl kein ſegte vor-
kommt (unten 959.); ſeſtner iſt die weitere verengung
lête, ſête (Wilh. 3, 115b 435a: hête); weite, geweit (Wizlau
meiſterg. 27c? gemeit) für wegte, gewegt weiß ich nicht
beſtimmt nachzuweiſen, noch weniger reite f. regte. —
ε) der unterſchied von den kurzſilbigen zweiter conj. be-
ruht auf dem hier nothwendigen, dort abgehenden um-
laut [vgl. tweln, twelte, zern, zerte mit twaln, twalte,
ſparn, ſparte; ausnahmsweiſe erſcheint er auch dort,
namentlich in hern, herte] weniger auf der I praeſ. ind.,
welche hier mit dem wurzelconſ. ſchließt, dort nur
mundartiſch oder alterthümlich dem infin. gleich ſeyn
kann (vgl. erläut. α. zur zweiten conj.).
Langſilbige dulden kein ableitungs-i im praet.,
d. h. die ſchon im alth. ſtattgefundne auswerfung deſſel-
ben dauert fort, folglich α) rückumlaut für alle umlaute
im praet. ind., namentlich für die im alth. noch nicht
vorkommenden fälle, ſelbſt das organiſche (nicht aus û
umgelautete) iu folgt dem ſtrom und wird zu û; ein-
zelne ausnahmen wo der umlaut haftet, ſ. anm. α. b —
β) vereinfachung der gemination vor anſtoßendem -te,
teſt, ten, tet; analog wird aus tz, ck bloßes z. c. —
γ) für ltte, ndte, ntte, ftte, rtte, ſtte, htte gilt mit aus-
ſtoßung des einen t (ſchwer zu ſagen, welches?) lte,
nte, nte, rte, fte, ſte, hte; hierbei ſchwanken lt und
nt (nicht rt) in ld, nd (ſ. 393. 409.), ich werde bei den
folgenden beiſpielen erſteres behalten. — δ) ebenſo wird
-tte meiſt zu -te; merkliche abweichung vom alth., wo
-tta bleibt (z. b. pruotta, leitta, mittelh. bruote, leite auf
guote, arbeite reimig) vgl. unten ſ. 953. — ε) vor dem -te
wandeln ſich meiſtentheils g, lg, ng in c, lc, nc; unſicherer
iſt die an ſich parallele änderung des b, rb in p, rp. —
O o o 2
[948]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
ζ) c (nämlich vereinfachte geminata) und ch ſchwanken,
bald bleiben ſie vor dem t, als: decken, dacte; blicken,
blicte; ſuochen, ſuochte; bald wandeln ſie ſich in h,
als: decken, dahte; ſuochen, ſuohte (beiſpiele ſ. 432. 433.
439. 440.). In beiden fällen iſt h ſehr erklärlich, das
für die ten. ſtehende entſpricht dem alth. h (in dahta,
ſtrahta ſ. 871.) und der ſelbſt im mittelh. nicht ganz ge-
tilgten neigung zu ch für k (ſ. 428. 440.); das für ch
ſtehende h iſt inlautende vereinfachung des alten hh
(= ch); theoretiſch ſchreibe ich jedoch mittelh. in er-
ſterm falle ct, in letzterm ht. — paradigma:
| brenn-e brenn-eſt brenn-et | brenn-e brenn-eſt brenn-e |
| brenn-en brenn-et brenn-ent | brenn-en brenn-et brenn-en |
| bran-te bran-teſt bran-te | bran-te bran-teſt bran-te |
| bran-ten bran-tet bran-ten | bran-ten bran-tet bran-ten |
brenn-e, brenn-et; brenn-en, brenn-ende, gebrant
1) gellen (bilem admiſcere) galte. erſchellen (intonare)
ſnellen. ſtellen. verſwellen (coercere aquam Wilh. 2, 181b)
twellen. vellen. zellen; kelten (refrigerare) kelte. elten
(conſumere fragm. 19b) helſen, halſte; velſchen, valſchte;
welzen, walzte; verſchelken (ſervum facere) verſchalkte;
kemmen (pectere) kamte. klemmen (premere) temmen (ag-
gere cingere); dempfen, dampfte. kempfen; brennen,
brante. kennen. nennen. rennen. trennen (ſolvere) blen-
den (coecare, obfuſcare) blante. (Parc. 52b) enden (finire)
lenden (navem appellere) ernenden (audere) pfenden.
ſchenden, ſchante (Maria 54.). ſenden. ſwenden. wenden.
ſwenzen, ſwanzte. engen (arctare) ancte. enphengen (accen-
dere) ergengen (ad eundum excitare) hengen (concedere)
klengen (facere ut tinniat) mengen (miſcere) pfrengen M. S.
2, 166a beſengen (adurere) ſpengen (fibulare Parc. 36c)
ſprengen. twengen; krenken (debilitare) krancte. lenken.
ſenken. ſchenken. ſchrenken. ſwenken (troj. 22c) trenken
(potare) wenken; ſperren, ſparte, zerren, zarte; wermen,
warmte; enterben (exheredare) enterbte (Triſt. 15a) verder-
ben (perdere) ſterben (interimere); beherten (confirmare)
beherte. verſcherten (denticulare) verſcherte (Parc. 34a);
ſwerzen (nigrare) ſwarzte; beſerken (loculo condere) be-
ſarcte. ſterken. merken (ſignare) heften, hafte. ſeften (implere
ſucco) refſen, rafſte; betten (lectum ſternere) bette. retten,
ratte. enpfetten. tretten. zetten; ergetzen, ergazte. bletzen
(plantare Wigal. 172.) hetzen (Parc. 72a) letzen (laedere) net-
zen (rigare) ſchetzen (taxare) ſetzen. wetzen. bleſten (cum
ſtrepitu immergi) blaſte oder bleſte (Parc. 145b) gebeſten
[949]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
(? aequiparari Georg 19a) eſten (ramos pandere) geſten (hoſpi-
tio excipere) gleſten (lucere) glaſte (Wigal. 268.) oder gleſte,
leſten (onerare) meſten (ſaginare) reſten (quieſcere) leſchen,
laſchte. enblecken. enblacte. decken. klecken. gelecken
(? Bit. 107a Georg 51a) recken. ſecken (in ſaccum recipere)
ſmecken (ſentire) erſchrecken (terrere) ſtecken. ſtrecken.
trecken (trahere) wecken. — 2) billen (pulſare) bilte. ſtillen
(pacare) villen (caſtigare) ſchimpfen. zinnen (ſtanare) zinte.
zinſen (trib. ſolvere) zinſte. irren (impedire) irte. ervir-
ren (alienare) ſchirmen. erkirnen (enucleare) ſchiffen (na-
vigare) ſchifte (Parc. 24c) vergiften, vergifte. ſchiften (ha-
ſtile fabricare Parc. 19b) ſtiften. ſwiften (ſedare) miſſen,
miſte. hiſpen, hiſpte. miſchen, miſchte. wiſchen. ritzen
(incidere) rizte. ſnitzen (ſculpere e ligno) ſpitzen (acuere)
blicken, blicte. bicken (roſtro tundere) nicken (deprimere)
erquicken (vivificare) ſchicken (diſponere) erſchricken
(terreri) ſpicken (lardo carnem trajicere) ſtricken (laque-
are) zwicken (vellicare) pflihten (obligare) pflihte. ent-
nihten (deſtruere Parc. 76a) entnihte. rihten. ſlihten
(laevigare). — 3) hüllen (operire) hulte. nüllen (? fallere)
ümbe-tüllen (ſepire troj. 119b 150c) betrüllen (infatuare)
vüllen (implere) dulden (tolerare) dulde. vergulden (de-
aurare) vergulde. krümmen (incurvare) krumte. dünnen
(tenuare) dunte. ergründen (ſcrutari) ergrunte. künden
(nuntiare) kunte. ſchünden (incitare) ſchunte. zünden
(incendere) zunte. verjungen (recreare) verjuncte. tun-
gen (ſtercorare) tuncte. bedürnen (ſepire) bedurnte. üm-
betürnen (turri cingere) zürnen (iraſci) zurnte. ſchür-
fen (incendere Iw. 3895.) ſchurfte. gürten (cingere) gürte
Parc. 59b 147a hürten (pungere) vürten (vadum tentare
Loh. 189; dunkel iſt mir Wolframs vürte und gevurt
Parc. 107c 144c Wilh. 2, 13b) antwürten (reſpondere)
mürden (occidere) mürde oder murte? part. ermurt (troj.
106a) dürſten, durſte. kürzen (breviare) kurzte. ſchürzen
(cingere) ſtürzen. würzen (condire) würgen (ſtrangulare
wurgte. lüppen (venenare) lupte knüpfen (nectere) knupfte.
krüpfen. ſchüpfen (trudere) güften (ſuperbire) gufte.
ſchüften (citius currere) küſſen, kuſte. lüſten. rüſten (pa-
rare) hütten (cubile parare) hutte Maria 177. nützen. nuzte.
beſchlützen (? M. S. 1, 92b) ſtützen (fulcire) bücken (incli-
nare) bucte. brücken (fricare) drücken. lücken (perforare)
nücken (nutare) Friberg 55a M. S. 2, 155b pflücken. rücken
(dimovere) ſmücken. tücken (deprimere) zücken (vibrare)
vrühten (fructum ferre) vruhte. — 4) ræmen (Parc. 139c
ſordes eluere) râmte. ænen (privare) ânte. wænen (opinari)
[950]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
wânte. læren (vacuare) lârte. vermæren (divulgare) ſchæ-
ren (? Parc. 102c vgl ſchâren ſ. 9[5]6.) beſwæren (gravare)
offenbæren (manifeſtare) væren (dolum ſtruere) bewæren
(probare); die auf -æhen. -æjen ſ. anom. — 5) kêren,
kêrte. lêren, lêrte. rêren (fundere). — 6) ilen, îlte. lîmen,
lîmte. wîhen, wîhte. — 7) dœnen (modulari) dônte.
hœnen (deſpicere) krœnen (garrire, ridere M. S. 2, 23b
wo man leſe: krœnet) krœnen (coronare troj. 122b)
krônte (troj. 5c) ſchœnen (ornare) vrœnen (publice in
poſſeſſionem immittere, beare M. S. 1, 31b 2, 50a vgl.
Friſch 299c) erbœren (elevare, tollere Wilh. 2, 142b vgl.
oben ſ. 346) erbôrte. hœren (audire) ſtœren (turbare) be-
tœren (infatuare) lœten (ferruminare) lôte. nœten (co-
gere) rœten (rubefacere) lœten (interficere) lœſen (ſol-
vere) lôſte. œſen, erœſen (exhaurire, vaſtare) rœſen (or-
nare) verbœſen (corrumpere Wilh. 2, 128b) rœſten (tor-
rere) rôſte. trœſten (conſolari) vlœƷen (fluidum reddere
troj. 19a 71b) vlôƷte. erſchœƷen (troj. 71a adaugere, pro-
creare, erſchieœen machen). — 8) ergeilen (recreare troj.
81b) ergeilte. heilen (ſanare) meilen (inquinare M. S. 1,
88a) ſeilen (laqueare) teilen (dividere) veilen (licitari,
mercari, feil machen Parc. 77c Wilh. 1, 108b) vereinen
(adunare) vereinte. leinen (acclinare) meinen (cupere)
reinen (purgare) erſcheinen (oſtendere) verſteinen (in
lap. vertere) ſweinen (diſſipare conſumere, ſwînen ma-
chen, ſchmiede 301. Ben. 189.) umbeſweifen (complecti
Flore 22a) beiten (cunctari) beite (kl. 3772.) breiten (di-
latare) eiten (adurere) leiten (ducere) bereiten. ſpreiten
(ſpargere) beiƷen (venari) beiƷte. reiƷen (impellere) be-
ſweiƷen (ſudore adſpergere Wilh. 2, 122a) leiſten, leiſte.
neigen (deprimere) neigte. ſeigen (inclinare) ſweigen (taci-
tum reddere) veigen (morti tradere). — 9) verwieren (obry-
zare) verwierte. zieren (ornare) verdieben (clam auferre)
verdiebte. lieben (placere) M. S. 2, 192b. — 10) briunen
(fuſcare) brûnte. ſlinnen (celerare) ſlûnte. ziunen (ſepire)
zûnte, gehiuren (beare, beſeligen M. S. 2, 233b Wilh. 1, 142b)
gehûrte. miuren (murum ſtruere) Parc. 55b gemiuret zu
leſen; ſiuren (acidum reddere) ſtiuren (gubernare) ſtûrte
(Reinfr. 183a: trûrte) tiuren (magnificare) tûrte (: mûrte
En. 71a 100c) betiuren (multi conſtare; aus betûrte hat
ſich das neuh. bedauern, beßer: betauern, entwickelt)
iufen (elevare Barl. 115. Reinfr. 138a 162a 194b) ûfte
hiufen (acervare) hûfte. briuten (matr. inire) brûte. diu-
ten (explanare) dûte. kinten (garrire? troj. 112b verkiu-
ten, verſprechen? M. S. 1, 153a) verkûte (Ulr. Triſt.
[951]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
257.: trûte) liuten (ſonare) riuten (facere novalia) rûte.
ertiuten (reſonare troj. 169b, vielleicht erliuten?) riuhen
(? rûhte) ſciuhen (vereri)? ſchûhte. tiuhen (immergere
M. S. 2, 200b) tûhte. liuhten (lucere) lûhte. viuhten
(rigare) vûhte. — 11) der umlaut öu ſcheint bei verbis
dieſer conj. noch nicht durchgedrungen. wenigſtens
finde ich: gelouben (credere) geloubte. ſich eines gelou-
ben (deficere) louben (folia capeſſere) loubte. betouben
(debilitare) ſtouben (pulv. excitare) roufen (evellere)
roufte. ſtroufen. toufen. (baptizare) ougen (oſtendere)
ſougen (lactare) ervlougen (fugare); nirgends gelöuben,
röufen, öugen in beweiſender form, vielmehr die reime
betoubet: houbet Parc. 10a; geloubet (frondoſus): houbet
troj. 119b; roufen, toufen: geloufen, koufen, troj. 73b
M. S. 2, 225b erzougen: ougen Ben. 147 etc. — 12) kue-
len (refrigerare) kuolte. wuelen (roſtro fodere) bluemen
(ornare) bluomte. ruemen (laudare) vertuemen (maledicere)
gruenen (viridare) gruonte. erkuenen (animum excitare)
ſuenen (pacificare) rueren, ruorte. vueren, vuorte. ueben
(uti) uobte. trueben, truobte. ruefen (vociferare) ruofte.
wuefen (ejulare) brueten (fovere) bruote. blueten (ſang.
emittere) bluote (Iw. 29b 36c) oder nach zweiter conj. bluo-
ten? vgl. Georg 45a: ruoten. übergueten (ſuperare) hueten,
huote. vrueten (? M. S. 2, 45a) wueten (inſanire) wuote.
bueƷen (ſatisfacere) buoƷte. grueƷen, gruoƷte. ſueƷen
(dulce reddere) ſuoƷte. wueſten (vaſtare) wuoſte. genue-
gen (ſufficere) genuogte. ruegen (reprehendere) vuegen
(diſponere) wuegen (conſiderare M. S. 2, 22a); keinen
umlaut leiden ruochen (curare) ſuochen (quaerere) rei-
mend auf buochen, tuochen (M. S. 2, 224a) praet. ruohte,
ſuohte. — 13) das auf bildungen mit l, n, r folgende
tonloſe oder ſtumme e richtet ſich nach bekannter re-
gel, alſo: regelen, begegenen, hemeren; praeſ. negele,
negeleſt etc. hingegen vuetern, liutern, praeſ. vueter,
vueterſt, liuter, liuterſt (liuter, depuret: kriuter, ſchmie-
de 69.) praet. negelte (f. negelete, mit letztem ſtum-
men e, weil in dieſer conj. das e vor dem te wegfällt,
wie in teilte f. teilete) liuterte (f. liuterete, mit vor-
letztem ſtummen e, deſſen ausfall zwei urſachen for-
dern). — 14) romaniſche wörter auf -ieren, als: tur-
nieren, ſchantieren, parlieren, zimieren, fiſchieren,
vernoigieren etc. praet. turnierte. —
Anmerkungen: α) umlaut mangelt folgenden um-
lautbaren: denen auf -uld, -ung, allen auf -ou, eini-
gen auf -uo. — β) rückumlaut mangelt denen auf
[952]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
-elt, -ert, -ürt; denen auf -end, -erb, -ett, -eſt
(wohl auch -ünd, -ütt, -üſt?) ſteht es nach verſchie-
denheit der mundarten frei ihrem praet. uml. zu laßen,
oder es rückumzulant n. z. b. Wolfr. ſagt gleſte, Wirnt
glaſte; Gotfr. ande (Triſt. 26b Wirnt ende (Wig. 66. 112.),
die meiſten ſante, ſande (miſit) H. Damen 64c ſende etc.
Vielleicht haftet zuweilen org. iu, z. b. tiurte, gehinrte
neben tûrte? Bildungen mit l, n, r führen ihren um-
laut der nicht eigentlich vom i vor dem -ta ausgieng,
durch, alſo nicht: nagelte, vuoterte. — γ) praet. conj.
iſt dem ind. gleich. wie ſich bei unumlautbaren von
ſelbſt verſteht, erquicte (refocillavit, refocillaret) meinte
(cupivit, cuperet); zweifeln möchte man bei den im
ind. rückumlautenden. Allein es heißt brante (com-
buſſit, combureret) wie im alth. pranta, pranti, vgl.
blante, erwante, ſazte Parc. 52b 55b erkanden M. S. 1,
67b etc. um ſo vielmehr hòrte (audirem) lûhte (lucerem)
huote (cuſtodirem). Ausnahmsweiſe und ſelten e ſtatt
des rückuml. a, M. S. 1, 134a erkenten: elementen,
livl. chr. 43b brenten: ſenten (mitterent), welcher um-
lant weniger der conjunctivflexion zuzuſchreiben, als
aus der contraction f. kenneten, brenneten zu erklären
iſt (vgl. die folg anm.). Nur anomale ſchwache praet.,
deren ind. keinen rückuml. zeigen kann, lauten im
conj. um. — δ) ſyncope des ableitungsvocals vor dem
-te iſt regel, alſo brante, hôrte, lôſte, blicte, neigte etc.
nicht: brennete, hœrete, lœſete, blickete, neigete. Von
dieſem gekürzten praet. gilt aber kein ſchloß aufs part.
praet., welches häufig den ableitungs-voc. behält und
dem oft beiderlei form, erkant und erkennet, gerecht iſt
(näheres beim part.). Der grund dieſer verſchiedenheit
liegt in dem -te des praet. und -t des part. Bei kurzſilbi-
gen durfte der ſtumme voc. wegfallen (welte, gewelt f.
welete, gewelet) ohne praet. und part. zu vermengen; bei
langlilbigen wog der tonloſe mehr, er blieb im part.
(geteilet), hätte aber mit dieſem das praet. vermiſcht, weil
das e in te nach vorausgehender tonloſer ſilbe ver-
ſtummte, folglich teilete ganz wie teilet lautete. Der
ſprachgeiſt opferte alſo das lautgeſetz dem der flexion,
indem er ein tonloſes e vor dem te ausſtieß, um das e
der flexion te zu ſichern *). Höchſt ſelten bricht um-
[953]II. mittelhochd erſte ſchwache conjugation.
gekehrt jenes lautgeſetz durch, das praet. läßt ſein e
der flexion fahren und bewahrt das tonloſe e der ablei-
tung; ſo lieſt man Georg 41a b. kündct (uuntiavit): en-
zündet mit apocopiertem ſtummem e ſt. kündete f. kunte.
Fehlerhaft wäre die apocope des e von der gewöhnlichen
ſyncopierten form des praet., außer im vers bei folgen-
dem vocal. Ich wüſte auch kein beiſpiel; denn gehaft
Parc. 93a: ſchaft ſtammt nicht von heften (figere) ſon-
dern haften (figi) zweiter conj., ſteht aber für hafte
(ſt. haftete) wie gert, erwachet f. gërte, erwachete
(unten ſ. 958. 959.). — ε) wiewohl in der regel leite,
huete, nôte ſt. der alth. leitta, huotta, nôtta ſtehen,
d. h. auf arbeite (labore) muote (animo) tôte (mor-
te) reimen, bleibt doch näher zu forſchen, ob nicht
einige, zumahl ältere dichter ein mittelh. leitte, huotte,
nôtte beobachten? Zwar geſchrieben finde ich es nir-
gends und bereits reimen Maria 61. huote: guote, 90 ge-
muote: huote, 201 leite: gereite etc. doch könnte man
huotte: guote, gemuotte: huote, leitte: gereite für den
freieren reim des 12. jahrh. nehmen. Wolfr. Reinb. und
Conr. ſcheinen jene praet. -eitte, -uotte, -ôtte nur
aufeinander zu reimen, vgl. Parc. 57a 194b beitte, ar-
beitte: bereitte, Wilh. 2, 165b leitte: bereitte, 50a tôtte:
nôtte, troj. 72a Georg 38b wuotte: huotte; desgl. andere
-eite, -uote, -ôte nur aufeinander, als Parc. 61c ge-
reite: breite, 75b gereite: arbeite, Wilh. 2, 187b bereite
(parati): geleite 157b arbeiten: leiten etc. Für die mei-
ſten dichter läßt ſich -eite, -uote, -ôte, -ûte bewei-
ſen, Klage 3771. gereite: beite, Iw. 36c bluoten: ruo-
ten, Triſt. 44a Flore 41a Wigal. 313. guote: behuote,
M. S. 1, 45a muote: wuote Triſt. 21a leiten: bereiten,
Kolocz 140. lûte: trûte etc. — ζ) ſpuren der ſ. 874. 4. an-
gemerkten gemination, wie es ſcheint mit vocalkürzung,
in wenne, wennet, wennen ſt. wæne, wænet, wænen M. S.
1, 47a Bon 35, 49. 42. 56. 69, 55. vermuthlich im praet.
wante, wande ſt. wànte? — η) den unterſchied von lang-
ſilbigen verbis zweiter conj. begründen folgende kenn-
zeichen, deren keines an und für ſich betrachtet völlig
ſicher iſt: a) tranſitive bedeutung der wörter erſter, in-
tranſitive derjenigen zweiter conj., mit ausnahmen auf
beiden ſeiten. b) umlaut und rückumlaut umlautbarer
verba der erſten alſo im praeſ. nur e, ü, æ, œ, iu, ue
(kein a, u, â, ô, û, uo) im praet. aber a, u, â, ô, û, uo
(nicht e, ü. æ, œ, in, ue) mit den ausnahmen α. β.
Verba zweiter haben ſelten uml., nie rückumlaut.
[954]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
c) ſyncopierter vocal im praet. erſter, unſyncopierter im
praet. zweiter (doch mit vielen ausnahmen). d) ver-
gleichung der alth. formen. e) die erſte hat häufig den
wurzelvocal e und ü, kaum ë und o (weil die ablei-
tung urſprüngliches i, u ſchützte, ſ. 81. 84.); die zweite
kaum e und ü, wohl aber ë und o. Ausnahmsweiſe,
neben ermürden (troj. 184a) ermurt, ermorden (meiſterg.
19b) ermort (klage 65.) alth. farmurdran gl. monſ. 404;
von würgen ſcheint das intr. worgen M. S. 1, 84b 2, 107b
unterſchieden. Die meiſte unſicherheit beſteht alſo für
wörter mit den vocaleu i, î, ê, ei, ie und einzelne,
wenige ſtehen zweifelhaft hier oder dort, z. b. billen. —
θ) im praet. können ſich verſchiedene verba begegnen
z. b. leite von leiten mit leite von legen; bereite von
bereiten mit reite von reden; vilte von villen mit bevilte
von beviln, miſte von miſſen mit miſte von miſten;
ſchifte von ſchiffen mit ſchifte von ſchiften u. a. m.
in welcher die zweite und dritte alth. zuſ. fallen:
| ſalb-e(-en?) ſalb-eſt ſalb-et | ſalb-e ſalb-eſt ſalb-e |
| ſalb-en ſalb-et ſalb-ent | ſalb-en ſalb-et ſalb-en |
| ſalb-ete ſalb-eteſt ſalb-ete | ſalb-ete ſalb-eteft ſalb-ete |
| ſalb-eten ſalb-etet ſalb-eten | ſalb-eten ſalb-etet ſalb-eten |
| ſalb-e, ſalb-et; ſalb-en, ſalb-ende, geſalb-et. | |
Anmerkungen: α) die alte länge der ableitungsvo-
cale ô und ê erſcheint ſpurweiſe theils in tieftonigem
u und e des part. praeſ. (ſ. 367. und unten) oder i (lô-
niſt ſ. 370.) theils in wirklichem ô ſowohl für verba der
alth. zweiten als dritten conj. Denkmähler des 12ten
jahrh. bieten es genug, doch meiſt im part. praet.,
ſeltner im praet. ind., noch ſeltner im inf., nie im
praeſ. und überhaupt nur in der letzten ſilbe; Kaiſerchr.
cod. pal. 361. reimt 72b dienôn: lôn, ſie ſetzt 69b kë-
beſôt, 72a volgôt, 75b wandelôt, 77b manôt, 89b vorde-
rôt, 90c houbetôt etc. Maria reimt 3. zwîvelôt, 6. ſcha-
tewôt, 9. gebrâchôt, 12. ſëgenôt: dorrôt, 13. wunderôt,
16. liuterôt, 24. trûwôt, 32. erwachôt, 34. gedienôt,
39. gemeiligôt, 44. begegenôt, 53. erledigôt etc. lm
13ten jahrh. veraltet ſolches ô; nur im volksſtil. wenn
es den reim trägt, bleibt es zuweilen haften: Nib. 4063.
ermorderôt, 7011. gewarnôt; klage (Müll.) 774. verwan-
delôt; Bit. 90b entwâpnôt, 97a verſêrôt. 125b geſenſtôt;
Morolf 7b 8a verwandelôt, Wigam. 18b geſatelôt; Friged.
28a zwîvelôt, 29b gemartelôt; fragm. 21a gejagôt (oder
gejagôt?: got) Nith. 2, 71a verwandelôt; Reinm. 1, 78b
82a verwandelôt. Am auffallendſten bei letzterm; die
höfiſchen dichter meiden es durchaus und wo es außer
reim oder in unbeweiſendem vorkommt, tragen ab-
ſchreiber die ſchuld (troj. 174c 178b ſicher zu leſen: ge-
[958]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
ſamnet, verdamnet). — β) I. praeſ. ſg. hat das en, n
verloren, man ſagt: ich beher (ſpolio) dol (Wigal. 3:
wol) lëbe (: gëbe troj. 2b) diene (: wiene M. S. 2. 73a)
verſûme (: kûme Ben. 177.) ſage (: klage, zage Parc. 46c
Wilh. 2, 84a) ſchouwe (: vrouwe Parc. 53c) etc nicht
mehr: ich behern, doln, lëben, dienen etc. Ausnahms-
weiſe und ſelten iſt dieſe perſ. dem inf. gleich, zumahl
bei niederdeutſchen, als En. 24abewarn: varn; 49clë-
ven: gëven; Herb. 5drëven: gegëven; Wilh. 3. 23aſchô-
nen: bônen; Wigam. 36bſagen: lëbtagen, wo nicht
ein auxiliare zu ergänzen und der inf. herzuſtellen iſt
(ſicher troj. 64cſol bewachen). Abſchreiber haben der-
gleichen en oft eingeſchwärzt z. b. Georg 3b ich getriu-
wen, 30b ich loben, troj. 6b ich ſorgen; ſelbſt bei nach-
geſetztem ich ſind ſie (vielleicht im 12ten jahrh. ?) nicht
mehr zu dulden, z. b. loben ich, ſagen ich troj. 62c
130c ſt. lobich. ſagich; noch weniger, wo ſie ſich in
die erſte ſchwache (ueben ich troj. 2b, ich nennen Georg
60a, gelouben ich Friged. 15b, ich lêren: kêren Herb.
23c) oder gar ſtarke (vorhin ſ. 945.) drängen. — γ) (be-
handlung des ſtummen e bei kurzſilbigen) nach l und r
fällt es nothwendig aus: ich zal, zil, hol, ſpar, gër,
bor; praet. zalte, zilte, holte, ſparte, gërte, borte;
ſie gehen wie kurzſilbige erſter conj. und zeichnen ſich
nur durch verſchiednen wurzelvoc. aus; wo auch dieſer
ſtimmt, wird die gleichheit vollkommen, z. b. hern,
her, herte vgl. mit nern, ner, nerte [tadelhafte apocope
des tonloſen e von gërte im ſtumpfen reim gërt: wërt,
ſwërt M. S. 2, 14b Georg 17a. b. 57a]. Nach m und n
bleibt e vor n und nt (manen, manent: wonen, wonent)
nicht vor t (mante, wonte) ſchwankend im auslaut
(man. won oder mane, wone). Nach b, d, g darf es
überall bleiben: lobe, bade, jage; lobete, badete, jagete,
weniger gut lobte, batte, jagte, indem abete, ëbete,
ibete, obete etc. ebenſo klingend reimen, als abte, ëbte,
ibte, obte. Nur bisweilen zwingt der reim zu -tte
ſtatt -dete, vgl. troj. 37a 38c rette (loquebatur): bette für
redete, ſo läßt ſich auch batte f. badete (Nib. 3622. 6148.)
ſmitte l. ſmidete (Barl.) vertheidigen. Nach t wird im-
mer ſyncopiert, z. b. geſtatte (conceſſit) Karl 64b ſatte (ſatia-
vit) nicht geſtatete, ſatete, Herb. 57c begatte (attigit):
watte, im auslautenden part. vereinfacht ſich t, vgl geſtat
Karl 71a Ernſt 32b geſat klage 3735. vgl. gebat oben ſ. 947.
δ) (conſouantausfall bei kurzſilbigen) med. b fällt nie
aus, d zuweilen im praeſ. und part. (M. S. 1, 106a 2,
[959]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
197a ſchat f. ſchadet, doch nicht im reim) das merk-
würdigere reiſt (a. Tit. 116.) reit (Parc. 140b) reite, reiten
(Nib. 210. 2919.) gereit (Parc. 52b) für redeſt etc. iſt kaum
durch reime zu beweiſen nur Ulr. Triſt. 433. 1575. gereit:
geſeit. Häufigere auflöſungen des g in i müßen nach ſ. 426.
beurtheilt werden, Wolfr. Hartm. haben nur verdaget, beha-
get, geklaget, verzaget; andere auch verdeit, beheit, bejeit,
gekleit, verzeit (im reim M. S. 1, 49a 2, 244a Wilh. 3, 327a
Wigal. 289. Ottoc. 479b 485a 588a) ſeltner im praeſ. (Nib.
3985. klage 3721. Müll.) niemahls beteit f. betaget.
Alter ſcheint ſeit (dicit, dicitis, Maria 77. Wigal. 8.
troj. 1a) ſeite (dixit Triſt. 30c 31a troj. 34c 37a) geſeit
(dictum Nib. 1. Wigal. 7. Iw. 1c etc.) nämlich abzulei-
ten nicht aus ſaget, ſagete, geſaget (alth. ſakêt, ſakêta,
kiſakêt) ſondern aus ſegt, ſegte, geſegt nach erſter conj.
(alth. ſekit. ſekita, kiſekit ſ. 880.) obſchon ich kein
mittelh. ſegen, ſegte nachweiſen kann, aber verzegt:
gewegt, legt aus troj. 91c 97c; bedenklicher klegte (oben
ſ. 426.). Wolfr. gebraucht allenthalben ſaget. ſagete, ge-
ſaget, nie ſeit, ſeite, geſeit. — ε) (behandlung des ton-
loſen e bei langſilbigen) nach der regel (ſ. 931.) bleibt
das tonloſe e und ſie leidet im praeſ. keine ausnahme,
durchgehends: mâle, mâleſt, mâlet; ſêre, ſêret; diene,
dienet; minne, minnet; danke, danket etc. kein mâl,
mâlt etc. Dem praet. tritt die ſilbe -te, -teſt, -ten,
-tet zu, deren e, nach ſ. 373. ſtumm iſt. Nun könnte,
theoretiſch angeſehn, dieſes ſtumme e dritter das ton-
loſe e zweiter ſilbe wieder tieftonig machen und ſêrête,
minnète, dankête hervorbringen; nirgends aber erſchei-
nen ſolche formen, namentlich nie im ſtumpfen reim
auf tete, tëte (fecit) inſofern aus dem alten. ê, ô ein
tieftoniges e, ë hätte werden mögen (ungefähr wie in
heilìgen i aus î). Vielmehr reimen dergl. praet. auf
dreierlei weiſe 1) überklingend in voller geſtalt z. b.
dankete: krankete, wâgete: bâgete. 2) klingend, mit
[nach t zuläßiger] apocope des ſtummen auslauts, z. b.
minnet (dilexit): rinnet (currit), folglich nur in I. III.
ſg., welche alsdann der III. praeſ. oder dem part. praet.
gleichlauten. 3) klingend, mit ſyncope des tonloſen e,
z. b. êrte ſt. êrete. Unter dieſen drein iſt der zweite fall
am ſeltenſten, ich wüſte ihn nur mit Reinbots erwachet
(ſtatt erwachete): gemachet (Georg 19a) zu belegen, wel-
ches beßer als ſein ſ. 958. angeführtes gërt, ihm aber
offenbar analog iſt. Außer reim, bei anſtoßendem vocalan-
laut ereiguen ſich dergl. auslaßungen des e häufig. Ich
[960]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
weiß nicht, ob ihnen diejenigen zur ſeite ſtehn, welche
ſich bei dem ältern Wernher [genug], ſelbſt im reime fin-
den? aber ein betonteres ô voraushaben, und vielleicht
in die form -ôte zu verbeßern ſind, vgl. Mar. 12. dor-
rôt: geſëgenôt; 53 erledigôt, 66 redôt: ſcadôt, 86 wun-
derôt (vgl. 77. 181.); unangreifbar ſcheint 32 erwachôt:
nôt. Der erſ[t]e fall iſt ohne zweifel zuläßig und häu-
figer, als der zweite, greift aber in die mittelh. reim-
kunſt. Reinklingend wie jagete: klagete ſind reime wie
bâgete: vrâgete nicht. Es wird darauf ankommen und
wohl nach einzelnen dichtern verſchieden beurtheilt
werden müßen, ob dem überklang eine eigne ſilbe oder
nicht gebührt, d. h. ob ſie für dreiſilbige (gleitende) oder
zweiſilbige reime gelten. Manche (Wolfr. Hartm. etc.)
enthalten, manche (Gotfr. Rud. etc.) bedienen ſich der
gleitenden. Triſt. 57b dürfte alſo minnete: verſinnete ſo
gut, als minnende: verſinnende gleiten. Den dritten fall
thun unleugbare reime dar, z. b. êrte: kêrte Wilh. 2, 21a
Iw. 29a 36a 49c; mêrte: kêrte Iw. 23a weinte: meinte,
beſcheinte Parc. 99a Wilh. 2, 14a Iw. 13c Wigal. 193.
Triſt. 30c, ſtarte: warte troj. 57b, dancten: wancten
Wilh 2, 191b etc. wo êrete, mêrete, weinete, ſtarrete,
danketen gekürzt ſind. Andere beiſpiele ſind nur ſchein-
bar, wie erhancte: wancte Parc. 108b; wirte: irte Wilh.
2, 80a, da gewancte von wenken (Parc. 112a) herrührt,
irte vom alth. irran, irta (impedire) nicht von irrôn,
irrôta (errare). Iene mêrte, êrte, weinte etc. laßen ſich
freilich wie die kürzungen langſilbiger praet. erſter conj.
(ſ. 952.) nehmen, als einen ſieg des -te über den ablei-
tungsvocal, ja man kann erwarten, daß die praet. bei-
der conjugg. ſich auf gleichen fuß zu ſetzen ſtrebten,
da ſchon früher einzelne wörter zwiſchen beiden
ſchwankten. Gewis aber, wenn ſie ſich auch in der
mittelh. zeit entwickelten und allmählig ſtärkten, iſt an
kein vorwalten dieſer richtungen zu denken. Die erſte
conj. ſyncopiert nothwendig, die zweite ausnahmsweiſe;
noch hält das gefühl des alth. ô und ê wider in dem
tonloſen e und noch ſondert der regere rückumlaut die
meiſten verba erſter conj. vernehmlich ab, geſellen würde
kein praet. geſalte (wie vellen valte) geſtatten, höch-
ſtens geſelte für geſellete. Wahrſcheinlich zeigte ſich
die kürzung zuerſt nach liq. (êrte, weinte), oder nach
vereinfachtem ll, nn, rr (ſtarte, minte, ſtilte f. ſtarrete,
minnete, ſtillete) parallel dem geſtumpften dat. ſg bâr,
ſchal, vël ſt. hâre, ſchalle, vëlle (ſ. 669. 680.). Nach
[961]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
ng, nk, rg durfte das e nicht fehlen, ſonſt würden ir-
gendwo bancte, lancte, dincte (ſt. bangete, langete, din-
gete) auf hancte (von hengen) wincte reimen; nach
nd bin ich zweifelhaft, kein wunte im reim auf kunte
und Nib. 8299. beßer zu leſen wundet. Nach -t, -lt,
-rt iſt die ſyncope des e (und mit ihm des einen t)
nothwendig, z. b. rôten, rôte (Wolfr. rôtte?) arten, arte,
warten, warte (:enkarte Wigal. 164.) alten, alte, ſtatt
rôtete, artete, wartete, altete, woneben nach zweitem
fall rôtet’, wartet’ möglich wäre. Nach b, g, f, h, ſ
mögen einzelne dichter mehr das bleibende oder aus-
fallende e begünſtigen, nach ll, mm, nn, rr ältere über-
haupt die beibehaltung des e und der gem. vorziehen,
lieber geſellete, minnete als geſelte, minte ſetzen. —
ζ) (conſonantausfall bei langſilbigen) hier kommt ledig-
lich vor kleit f. kleidet (fragm. 28b M. S. 2, 48a), öfter
gekleit f. gekleidet (ſchon Maria 77, im 13. jahrh. bei
den meiſten, doch bei Wolfr. und Hartm. nicht.) —
η) (behandlung der bildungen -l, -n, -r etc.) kurzſil-
bige gehen wie langſilbige einfache, hingegen langſilbige
wie kurzſilbige einfache. Erſtere behalten im praeſ.
das e nach der bildcnden liq. z. b. rigele, rigelet; ſë-
gene, ſëgenet; kobere, koberet; dem praet. ſcheint ri-
gelet’ oder rigelte angemeßen; part. gerigelet, gekobe-
ret. Langſilbige werfen das e in praeſ. und praet. fort,
z. b. klingel, klingelt; wunder, wundert; praet. klin-
gelte, wunderte (nicht klingelt’, wundert’), part. geklin-
gelt, geitert (ulceratus Parc. 116c), gîſert (ferro circum-
datus Parc. 108b); nach denen mit n fällt auch das n
der flexion weg z. b. wâpen (armare Parc. 52c) hier lau-
tet I. ſg. und pl. praeſ. dem inf. gleich: wâpen (armo)
wâpen (armamus) III. praeſ. wâpent, praet. wâpente, oder
wâpende (Parc. 139c 149b 168b) part. praet. gewâpent
[ebenſo: geoffent, geveſtent; unzuläßig ſind gewâpnet,
geofnet, geveſtnet etc.]. Aus gleichem grunde opfern
die (ſeltnen) bildungen mit -t das t der flexion, wodurch
I. praeſ. und praet. zuſ. fallen, z. b. enthoubeten (de-
collare) enthoubete (decollo) enthoubet (decollat, decol-
latis ſt. enthoubetet) enthoubete (decollavi ſt. enthoube-
tete) enthoubetet (decollaviſtis ſt. enthoubetetet) enthou-
beten (decollaverunt) ebenſo impfete (inſeruit Triſt. 4618.
f. impſetete) entnackete (nudavit f. entnacketete). Aus-
laßung des e vor dem bildungs-t ſcheint nicht gerade
zu tadeln, vgl. Karl 46b enthoubten (decollarent): ge-
P p p
[962]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
loubten; Maria 196. houpten (decollare): geloupten und
Wigal. 198. 199. 201. entnacten (denudabant).
| praeſ. ind. -e -es -et | pl. -en -et -en |
| conj. -e -es -e | -en -et -en |
1) praeſ. ſtarker und ſchwacher conj. fließen in dieſem
paradigma zuſammen und nur das praet. ſcheidet beide.
2) ind. und conj. gleichen ſich. bis auf die abweichung
der III. ſg., völlig. 3) die mittelh. regeln vom tonlo-
ſen und ſtummen e ſind hier unanwendbar; apocope
gilt (anlehnungen abgerechnet) niemahls, der wurzelvoc.
ſey lang oder kurz, es heißt nëme (ſumo) tëre (conſu-
mo) wie vrieſe (gelo); eben ſo wenig ſyncope vor dem
-n, es heißt tëren, nicht tërn, ſelten vor dem -s.
Nur vor dem -t darf das e wegfallen, aber auch blei-
ben, man findet têrt neben tëret, ſpaert neben ſparet,
ghêft neben ghëvet. 4) durch inclination wird das -t
zuweilen in d gewandelt, als hêfdi ſtatt hevet hie, drîfdi
ſt. drîvet ghi.
praet. ind. I. III. ſg. gibt die bloße abgelautete wurzel,
ohne flexion; pl. praet. ind. und das ganze praet. conj.
flectieren wie das praeſ. -en, -et, -en; -e, -es, -e;
-en, -et, -en; merkwürdig aber geht II. ſg. ind.
nicht auf -e, ſondern zuſ. fallend mit dem conj., auf
-es aus, belege: ſaghes (vidiſti) ſcrëves (ſcripſiſti)
Maerl. 2, 130. groeves (fodiſti) Rein. 351. — Einzelne
conjugationen:
Anmerkungen zu den ſtarken conjugationen.
praeſensflexionen, wie die ſtarken, außer daß ſg. imp.
nicht auf die bloße wurzel ausgeht, ſondern -e be-
kommt; die flexionen des praet. ind. und conj. ſind:
-ede, -edes, -ede; pl. -eden, -edet, -eden. Da aber
das ableitungs-e vor dem d in der erſten conj. immer,
in der zweiten gewöhnlich wegfällt, ſo entſpringen dar-
aus theils für den wurzelvocal, theils für die wurzelcon-
ſonanz, theils für das d der flexion folgende verände-
rungen: 1) von einf. conſ. der wurzel gefolgt wird a
zu langem ae, vgl. wanen, waende; maken, maecte;
ſaden, ſaedde, vermuthlich auch ë zu ê: deren, dêrde.
2) v und gh der wurzel werden zu f und ch, gleich als
lauteten ſie aus: ſcraven, ſcraefde; vraghen, vraechde;
auch lgh, rgh zu lch, rch, doch ngh zu nc: volghen,
volchde; ſorghen, ſorchde; minghen, mincte. 3) das
flexiviſche d wird nach wurzelhafter ten. p. t. c. jedes-
mahl zu t, desgl. ſobald ſich ngh zu nc gewandelt hatte:
drôpen, drôpte; haten, haette; vaken, vaecte; linghen,
lincte; ebenſo nach vereinfachtem ſſ: cuſſen, cuſte.
4) nach I. m. n. r und vereinfachtem nn bleibt d un-
geſtört; voelen, voelde; noemen, noemde; ſoenen,
ſoende; voeren, voerde; kennen, kende; ebenſo nach
[977]II. mittelniederl. erſte ſchwache conjug.
d. ſ. f (aus v) ch (aus gh): dieden, diedde; ſënden,
ſëndde; wîſen, wîſde; peinſen, peinſde; mêrſen, mêrſde;
laven, laefde; jaghen, jaechde; nur das aus p entſprin-
gende ch hat kein d nach ſich, weil eben dieſe verwand-
lung ans t bedingt war, alſo eôpen (emere) côchte,
nicht côchde. 5) nach ſt. cht ſchwindet das flexiviſche
t: vaſten, vaſte; wachten, wachte f. vaſtte, wachtte;
nach tt. dd iſt es gleichviel, vereinfachung der gem.
oder ſchwinden des t, d der flexion anzunehmen: ſët-
ten, ſëtte; quëdden, quëdde. 6) man prüfe genauer, ob
nicht ſtatt der unter 4. angenommenen diedde, ſëndde
zuweilen diede, ſënde vorkomme? wenigſtens Maerl.
1, 200. 332. 3, 283. reimt blënde (ſt. blëndde): ſcënde,
ſënde (ſt. ſëndde): ënde; voede (ſt. voedde): hoede.
7) aus dd kann bei nochmahliger contraction wieder-
um ten. werden, nämlich in II. pl. Rein. 282 meslêt-
tene (ſeduxiſtis eum) ſt. meslêddet hem, verſchieden von
meslêtene (ſeducitis eum) ſt. meslêdet hëm. — Für die
contraction des praeſ. gilt das bei der ſtarken conj. ge-
ſagte, z. b. ſcaet (nocet) tìt (proficiſcitnr) ſtehet für ſca-
det, tìdet.
Die ſcheidung von der zweiten läßt ſich beinahe nur
hiſtoriſch ermitteln, da α) ſyncope des praet. auch mei-
ſtens in zweiter β) kein lebendiger um- noch rück-
umlaut in erſter gilt; nur die alten umlaute e, nunmehr
zu ë geworden, beſtehen fort, vermögen aber nicht im
praet. das reine a zurückzunehmen, gleichviel ob die
wurzelſilbe kurz oder lang iſt, z. b. ëren (arare) êrde;
wënden, wëndde. γ) practiſch fallen die meiſten ë in
die erſte, die meiſten a in die zweite; doch können
auch die zu a verkürzten ae in der erſten ſtehen, z. b.
wanen (opinari). — Beiſpiele von verbis erſter conj.:
ſpëlen (ludere) ſpêlde. hêlen (ſanare) hêlde. voelen (ſen-
tire) voelde. noemen (nominare) noemde. roemen (jac-
tare, paraſitari Rein. 351.) gômen (obſervare) gômde.
wanen (putare) waende. mênen (idem) mênde. hônen
(deridere) hônde. dëren (nocere) dêrde. ëren (arare)
êrde. nëren (ſervare) nêrde. këren (vertere) kêrde. lêren
(docere) lêrde. ſcoren (rumpere) ſcôrde. hôren (audire)
hôrde. vuren (evirare) vurde *). ſtieren (gubernare) ſtierde.
Q q q
[978]II. mittelniederl. zweite ſchwache conjugation.
voeren (ducere) voerde. drôpen (inſtillare) drôpte. groe-
ten (ſalutare) groette. lêden (ducere) lêdde. gherêden
(praeparare) dieden (ſignificare) dôden (interficere) dôdde.
hoeden (cuſtodire) hoedde. voeden (alere) voedde. lûden
(ſonum excitare) lûdde. tôghen (oſtendere) tôchde. tëllen
(narrare) tëlde. kënnen (noſcere) kënde. blënden (coe-
care) blëndde. ënden (finire) ëndde. ſcënden (contume.
lia aff.) ſcëndde. ſënden (mittere) wënden (vertere)
linghen (elongare) lincte. minghen (miſcere) mincte. ghe-
hinghen (permittere) ſchërmen (tueri) ſcërmde. bërnen
(cremare) bërnde f. brënnen, brënde [das daneben vor-
kommende brande 1, 157. 3, 226. hat den inf. branden]
ſëtten (ponere) ſëtte. lëtten (impedire) lëtte. nutten (uti)
nutte. quëdden (ſalutare) quëdde. ſcudden (quatere)
ſcudde. cuſſen (oſculari) cuſte. trôſten (conſolari) trôſte.
dëcken (tegere) dëcte. mëcken (attendere) mëcte. wëcken
(excitare) wëcte. lëgghen (ponere) und ſëgghen (dicere)
machen leide, ſeide ſt. lëchde, ſëchde. ſtichten (fundare)
ſtichte. — Einigemahl erſcheint das alte ableitungs-i
verſteinert, ërjen (arare) Maerl. 2, 28. hërghen (vaſtare)
Stoke 1, 362.
ſyncopiert wird immer nach einfachem l. m. n. r. t. d.
ſ.; niemahls nach ll. rr.; ſchwankend ſyncopiert oder
nicht [doch überwiegend letzteres] nach p. v. w. k.
gh. mm und nn. Beiſpiele: dalen (occidere, labi) daelde.
halen (accire) haelde. talen (loqui) taelde. verſamen (con-
gregare) verſaemde. ſcamen (vereri) ſcaemde. tamen (de-
cere) taemde. rûmen (cedere) rûmde. tûmen (ſaltare)
manen (hortari) maende. ſpanen (lactare) wênen (plo-
rare) dienen (ſervire) wonen (habitare) rûnen (ſuſurrare)
ſtûnen (niti) ghebaren (geſtire) ghebaerde. ſparen (par-
cere) ſpaerde. vervaren (timere) vervaerde. êren (hono-
rare) êrde. lâven (recreare) lavede und laefde; ebenſo:
ſcaven (diſcedere) ſcraven (ſcalpere) bëven (tremere) lë-
ven (vivere) ſnëven (titubare) loven (laudare) rôven
(ſpoliare); côpen (emere) côchte, ſchwerlich côpede;
hopen (ſperare) hopede oder hôpte, nicht hochte; haten
(odiſſe) haette. bêten (deſcendere) bêtte. paden (ſemitare)
paedde. ſaden (ſatiare) ſaedde. ſcaden (nocere) gheſtaden
(concedere) gheſtaedde; tîden (proficiſci) tîdde. jaghen (ve-
nari) jaghede und jaechde; ebenſo: behaghen (delectari) va-
ghen (mundare) vraghen (interr.) doghen (tolerare) poghen
[979]II. anomalien der mittelniederl. conjugation.
(ſtudere); craken (ſtrepere) crakede und craecte; ebenſo:
graken (diluceſcere Stoke 2, 497.) maken (facere) naken
(appropinquare) gheraken (pertingere) ſmaken (guſtare)
vaken (dormitare) waken (vigilare) beſêken (commín-
gere Rein. 278.) ſmêken (adulari) vlouken (maledicere);
callen (blaterare) callede. gheſëllen (ſociare) gheſëllede.
dammen (aggerare) dammede. minnen (diligere) minnede,
ſeltner minde. ërren (errare) ërrede. mërren (morari)
mërrede. porren, porrede; danken. dancte. volghen (ſe-
qui) volchde. cranken (infirmari) crancte. peinſen (co-
gitare) peinſde. veinſen (ſimulare) veinſde. ſorghen (cu-
rare) ſorchde. baſſen (latrare) baſſede. vaſten (jejunare)
vaſte. taſten (palpare) taſte. hêſchen (exigere) hêſchede
und hêſte (3, 210.) ebenſo vrêſchen (fando percipere)
achten (attendere) achte. wachten (exſpectare) wachte. —
Bildungen mit -el, -em, -en, -er kürzen ihr praet.
beſtändig, als: wimpelen (velare) wimpelde; wandelen
(mutare) wandelde; nëſtelen (nidum aedificare) Rein.
350. ſtivelen (interficere) Maerl. 1. 105. 307. knielen (ge-
nuflectere) knielde; ſeilen (navigare) ſeilde; ontfaremen
(miſereri) ontfaremde oder ontfaermde; reinen (pluere)
reinde; lachteren (increpare) lachterde; ſëkeren (firmare)
ſëkerde; ſeltner ſind andere bildungen, z. b. mëtſen (la-
pidem caedere) mëtſte; hêlſen (ſalutare) 1, 275; mêrſen
(augeri) mêrſde (1, 157. 200.) minken (minuere) minkede
(2, 225.)
Das mittelengliſche verbum übergehe ich diesmahl,
bemerke nur die fortdauer des angelſ. hêht (ſ. 898.) und
ëode (909.), jenes lautet hiht (oder hight, ungut hihte,
highte) z. b. Triſtr. 99. 100. ſowohl für nominabar als
promiſi (Triſtr. 105. wo fälſchlich bihigh ſt. bihight) zu-
weilen fürs part. promiſſus (Triſtr. 117.) vgl. Tyrwhit
zu 1016. C. T. Für ivit ſteht bald yôde (: ſtôde, gôde
Triſtr. 98. 106.) bald yêde, gêde (: manhêde, dêde etc.
ibid. 100. 110.). —
Vorbemerkungen: 1) da die kurzſilbigkeit der wur-
zeln verſcherzt iſt, kann von wegfallendem ſtummem e
in einfachen wörtern keine rede ſeyn. 2) das tonloſe e
wird (anlehnungen und metriſche eliſionen abgerechnet)
niemahls apocopiert: ìch nême, fâre, mâle (molo) mâle
(pingo) etc. auch nicht ſyncopiert vor -n: nêmen, fâ-
ren, mâlen; wohl aber vor -ſt und -t, nämlich α) ohne
ausnahme in II. III. praeſ. ſg. ſtarker form, ſobald vo-
calwechſel eintritt, z. b. hältſt, hält; færſt, fært; wirfſt,
wirft; trittſt, tritt; ræthſt, ræth; nicht: færeſt, wirfeſt,
hälteſt etc. β) gewöhnlich in denſelben perſonen ſtar-
ker form ohne ſolchen vocalwechſel: heißt, gießt,
ſcheint; ausg. nach wurzelhaftem t, d: bieteſt, bietet;
reiteſt, reitet; meideſt, meidet; und nicht bietſt, biet.
γ) gleichgültiger darf es in II. III. praeſ. ſchwacher form,
ſo wie II. pl. praeſ. und praet. ſtarker bald bleiben, bald
wegfallen: lôbeſt, lôbet neben lôbſt, lôbt. Fühlbar
wirft man in der III. ſg. lieber aus, in II. pl. lieber
nicht, es heißt eher ihr lôbet, als er lôbet; auch die
[982]II. neuhochd. verbum. ſtarke conjugation.
II. ſg. und pl. conj. hegt das e: du gêbeſt, dieneſt; ihr gê-
bet, dienet. — 3) von ſyncope des e im praet. ſchwacher
conj. näheres dort. — 4) in mehrſilbigen bildungen -el
-em, -en, -er, -ig hat die flexion noch ſtummes e,
welches bei -el, -er richtig ſyn-, nicht aber apoco-
piert wird, z. b. ſicheln, klingeln, ändern, wundern;
ſichelſt, änderſt; ſichelt, ändert; hingegen: ſichele, än-
dere (wie oben ſ. 753. dunkele, mâgere) ſtatt: ſichel,
änder. Tadelhaft wäre ſichlen, wundren; ſichlet, wun-
dret; erlaubt iſt: ſichle, wundre. Bei den bildungen
- em, -en bleibt das e der flexion, man verſtößt das
der ableitung: âthmen, wîdmen, zeichnen, rêgnen
(nicht rêgen, analog dem dat. pl. rêgen, pluviis, ſt. rê-
genen); die mit -ig behalten beides den vocal der flex.
und abl. z. b. ſchædigen (nicht ſchædgen). — 5) die
flexionsconſonanten beider formen ſind im praeſ. dieſel-
ben, wie im mittelh., außer daß in III. pl. nunmehr
-en ſtatt des mhd. -ent eintritt, folglich I. und III. pl.
ganz zuſ. fallen. Hiervon macht ſelbſt das anomale ſind
(ſunt) nicht eigentlich ausnahme. —
im praet. die bedeutende abweichung vom mittelh., daß
II. ſg. nicht mehr auf -e mit umlaut, ſondern auf -eſt
ohne umlaut, ausgeht; einzelne conjugationen: I. falle,
fiel, fielen, fallen; halte, hielt, hielten, halten; hange,
hieng, hiengen, hangen; fange, fieng, fiengen, fangen;
das praet. gieng, part. gangen hat ein unorg. praeſ.
gêhe, gêhſt, gêht, inf. gêhen (ohne zweifel aus mhd.
gên, gêſt, gêt entſprungen); — II. da ſcheide nach ir-
riger analogie in VIII. übergeht, ſo bleibt das einzige:
heiße, hieß, hießen, heißen. — III. haue, hieb, hie-
ben, hauen; laufe, lief, liefen, laufen; rûfe, rief. rie-
fen, rûfen; ſchrôte, ſchriet; ſtôße, ſtieß — IV. ſchlâfe,
ſchlief, ſchliefen, ſchlâfen; ebenſo: brâte; râthe; laße
(ohne contraction); blâſe; — VII. mâle, mælſt, mælt;
praet. veraltet, part. noch mâlen; die praet. ſtund, ſtun-
den, part. ſtanden bildeten (analog dem gieng, gangen)
nach der mhd. kürzung ſtên, ſtêſt, ſtêt ein falſches
praeſ. ſtêhe, ſtêhſt, ſtêht, welches allmählig mit neuem
irrthum den ablaut a der zehnten conj. (ſêhen, geſchê-
hen) herbeiführend die nebenform ſtand, ſtanden zeugte,
wo nicht die verderbnis von bunden, ſturben (conj. XII.)
in banden, ſtarben ein ſtanden f. ſtunden, folglich ſtand
[983]II. neuhochd. verbum. ſtarke conjugation.
f. ſtund nach band, ſtarb veranlaßte; fâre, fûr, fûren,
faren; ſchwœre geht in XI. über; grâbe, grûb, grûben,
grâben; hêbe, hûb, hûben, hâben in XI. ſchwankend;
ſchaffe, ſchûf, ſchûfen, ſchaffen; lâde, lûd, lûden, lâden;
waſche, wuſch, wuſchen, waſchen; backe, bûk, bûken,
backen; ſchlâge, ſchlûg, ſchlûgen, ſchlagen; wachſe,
wuchs, wuchſen, wachſen. — VIII. kann in zwei claſ-
ſen getheilt werden 1) vor ten. und aſp. haben praet.
und part. kurzes i und geminierte conſonanz: greife,
griff, griffen, griffen; keife; kneife; pfeife; ſchleife; gleite,
glitt, glitten, glitten; reite; ſchreite; ſtreite; [inconſe-
quent auch ſchneide, ſchnitt, ſchnitten und leide, litt,
litten]; beiße, biß, bißen, bißen; befleiße; reiße;
ſcheiße; ſchleiße; ſchmeiße; bleiche, blich, blichen,
blichen; gleiche; ſchleiche; ſtreiche; weiche. 2) bei
vocaliſch ſchließender wurzel, ſodann vor liq. med. und
ſpir. langes î (geſchrieben ie): ſchreie, ſchrî, ſchrîen,
ſchrîen; ſpeie, fpî, fpîen, fpîen; ſcheine, ſchîn, ſchî-
nen, ſchînen; bleibe, blîb, blîben, blîben; reibe; ſchrei-
be; treibe; meide, mîd, mîden, mîden; ſcheide, ſchîd,
ſchîden, ſchîden [dieſes unorg. aus II. hierhergerückt,
durch vermengung des ie mit î]; preiſe (celebro) prîs,
prîſen, prîſen [ein fremdes wort, das ſich aus der ihm
gebührenden ſchwachen form: praet. preiſete, part. ge-
preiſet hierher eindrängte] weife (monſtro) wîs, wîſen,
wîſen [gleichfalls org. ſchwach, praet. weiſete]; ſchweige,
ſchwîg, ſchwîgen, ſchwîgen; ſteige; gedeihe, gedîh,
gedîhen, gedîhen; leihe; zeihe. — IX. wiederum zwei
claſſen: 1) vor aſp. kurzes o und gem. [das einzige bei-
ſpiel von ten. folgt unorganiſch der zweiten claſſe biete,
bôt, bôten ſtatt bott, botten, wogegen umgekehrt ſiede,
ſott, ſotten f. ſôt, fôten gilt]: ſchliefe, ſchloff, ſchlof-
fen, ſchloffen; triefe, troff, troffen, troffen; ſaufe,
ſoff, ſoffen, ſoffen; dieße, doß, doßen, doßen; ver-
drieße; fließe; gieße; ſchieße; ſchließe; krieche, kroch,
krochen, krochen; rieche. 2) vor med. und ſpir. langes
ô: ſchiebe, ſchôb, ſchôben, ſchôben; ſchniebe neben
ſchnaube (anhelo) ſchnôb, ſchnôben; ſtiebe neben ſtau-
be; ſchraube (nicht ſchriebe) ſchrôb, ſchrôben, ſchrô-
ben; erkieſe, erkôr, erkôren, erkôren; verliere, verlôr,
verlôren, verlôren; friere, frôr, frôren, frôren; biege, bôg,
bôgen, bôgen; fliege; ſchmiege; lûge, lôg, lôgen, lôgen;
truͤge oder triege, trôg, trôgen, trôgen; ſauge, ſôg,
ſôgen, ſôgen; fliehe, flôh, flôhen, flôhen; ziehe, zôg,
zôgen, zôgen. — X. gêbe, gâb, gâben, gêben; [wêbe
[984]II. neuhochd ſtarke conjugation.
in XI. überg.]; bitte, bât, bâten, bâten; trâte,
trât, trâten, trâten; eße, âß, âßen, eßen; freße; ver-
geße; meße; ſitze, ſâß, ſâßen, ſeßen; lêſe, lâs, lâſen,
lêſen; genêſe; von wêſen nur wâr, wâren, wêſen übrig,
kein praeſ.; lîge, lâg, lâgen, lêgen; [pflêge und wîge
in XI. überg.]; geſchêhe, geſchâh, geſchâhen, geſchê-
hen; ſêhe, ſâh, ſâhen, ſêhen; — XI. 1) mit bleibendem a
im praet.: hêle praet. ſchwach, part. noch ſtark hôlen;
ſtêle, ſtâl, ſtâlen, ſtôlen; befêhle, befâhl, befâhlen, be-
fôhlen (ſt. befelche, befalch etc.); nême, nâm, nâmen,
nommen; komme, kâm, kâmen, kommen; gehære, gebâr,
gebâren, gebôren; berſte, barſt, barſten, borſten; treffe,
trâf, trâfen, troffen; dreſche, draſch, drâſchen, droſchen;
breche, brach, brâchen, brochen; ſpreche und ſteche eben-
ſo; räche, praet. ſchw., part. rochen; erſchrecke, erſchrâk,
erſchrâken, erſchrocken. 2) nachſtehende aus X. und
VII. her gedrungene ſchieben o auch in den ſg. praet.:
wêbe, wôb, wôben, wôben; ptlêge, pflôg (neben pflâg
und pflêgte) pflôgen, pflôgen; wige, wôg, wôgen, wô-
gen; erwæge, erwôg etc.; fechte, focht, fochten, foch-
ten; flechte, flocht, flochten, flochten; ſchwœre (juro)
ſchwôr, ſchwôren (neben ſchwûr, ſchwûren) ſchwôren;
hêbe, hôb, hôben (neben hûb, hûben) hôben; gære
(fermenteſco) ſchwære (ulcero) praet. ſchw., part. ſtark:
gôren, ſchwôren; erlöſche, loſch, loſchen. — XII. 1) mit
bleibendem a im praet. ſg., welches zugleich, mit
ausnahme von wurden, den pl. einnimmt: helfe, half,
halfen, holfen; gelte, galt, galten, golten; ſchelte,
ſchalt, ſchalten, ſcholten; ſchwimme, ſchwamm,
ſchwammen, ſchwommen; beginne, begann, begannen,
begonnen; rinne; ſpinne; ſinne (cogito); binde, band,
banden, bunden; finde; ſchwinde; winde; ſinke, ſank,
ſanken, ſunken; ſtinke; trinke; dringe, drang, dran-
gen, drungen; klinge; gelinge; ringe; ſinge; ſpringe;
ſchlinge; ſchwinge; zwinge; wirre hat mit ſchwachem
praet. nur das part. worren; verderbe, darb, darben,
dorben; ſterbe; werbe; werfe, warf, warfen, worfen;
werde, ward, wurden (nicht warden) worden; berge,
barg, bargen, borgen; — 2) mit u oder o auch im ſg.
praet. quelle, quoll, quollen, quollen; belle; ſchwelle;
ſchalle (ſt. ſchelle) ſcholl, ſchollen, ſchollen; ſchmelze,
ſchmolz, ſchmolzen, ſchmolzen; melke, molk, molken,
molken; dinge, dung, dungen, dungen.
Anmerkungen: 1) (vocale) α) im verhältnis des e
zu i praeſ. ind. ſg. die wichtige änderung, daß perſ. I.
[985]II. neuhochd. ſtarke conjugation.
e und kein i bekommt, folglich mit I. praeſ. conj. zuſ.
fällt: gêbe, nême, werde; II. und III. behalten i:gibſt,
nimmſt, wirſt, gibt, nimmt, wird; [desgl. ſg. imp. gib,
nimm; ausg. werde ſt. wird]; offenbar miſchte ſich die
analogie des uml. a ein. bitten, lìgen. ſitzen bewahren
das i überall, ebenſo plur. praet. conj. VIII. und praeſen-
tia conj. XII. vor m und n. — β) das o iſt vorgerückt und
gilt nicht bloß im part. praet. ſondern auch pl. praet.
conj. IX.; ferner im part. praet. XII. vor mm, nn; u
bleibt, nur vor nd, ng, nk. — γ) ie und eu verhalten
ſich zwar im ſg. praeſ. ind. conj. IX. wie e und i in X.
XI. XII, d. h. auch hier darf nicht I. z. b. kreuche
ſondern nur II. III. kreuchſt, ſteußt, kreucht lauten.
Allein dieſe eu-form ſtirbt aus und wird mehr von
dichtern gebraucht, als in proſa, wo man kriechſt,
kriecht vorzieht. Einige haben im praeſ. au für ie, an-
dere ſchwanken zwiſchen au und ie, andere fehlerhaf-
ter zwiſchen ie und uͤ (luͤgen, truͤgen) — δ) umlaut
gilt a) in II. III. praeſ. ſg. ind. I. IV. VII. des a in ä,
â in æ, als: falle, fällt; ſchlâfe, ſchlæft; fâre, fært;
auch vor lt, halte, hält (ſt. hältet) natürlich aber nicht
in den ſchwachgewordenen falte, faltet; ſalze, ſalzet;
dem ſtarken ſchaffſt, ſchafft mangelt er gleichfalls.
b) au und û in conj. III. meiden den umlaut, haue,
haut; rûfe, rûft, nicht heut, ruͤft; ô hingegen hat
ihn: ſtôße, ſtœßt. c) das praet. conj. lautet a in ä,
â in æ, u in uͤ, o in ö, ô in œ um: banden,
bände; gâben, gæbe; wurden, würde; ſtunden,
ſtünde; fûren, fuͤre; troffen, tröffe; bôten, bœte. —
ε) aus vernichtung der alten kürzen erwächſt dem ab-
laut großer ſchade; conj. I. und IV. fallen zuſam-
men; augenſcheinlich leiden die verhältniſſe der ach-
ten und neunten. Welch ein abſtand der formen ſtrei-
ten, ſtritt, ſtritten; triefen, troff, troffen von den mhd.
ſtrìten, ſtreit, ſtriten; triefen, trouf, truffen! Die praet.
ſg. mîd, ſtîg, troff laßen ſich nach der buchſtabenlehre
den mittelh. meit, ſteic, trouf gar nicht vergleichen, aus
meit hätte ein neuh. meid (wie aus leit, dolor, leid)
aus trouf aber trauf (wie aus louf lauf) werden müßen.
Sollte durch mîd ſtatt meid zuſ. treffen mit dem praeſ.
meide verhütet werden? dieſer grund paſt nicht zu troff,
kroch, weil trauf, krauch wohl unterſchieden geweſen
wären von triefe, krieche. Ich erkläre die ſache ſo:
die nunmehrige gleichheit der langgewordenen plurale
bôten mit dem ſg. bôt und der ſg. gâb, nâm mit dem
[986]II. neuhochd. ſtarke conjugation.
pl. gâben, nâmen (wobei wieder die analogie von hieng,
hiengen; fûr, fûren anſchlug) verleitete, nicht nur den
pl. mîden, bôgen auf den ſg. mîd (ſt. meid) bôg (ſt.
baug) anzuwenden, ſondern noch fehlerhafter nach ſtrit-
ten, troffen, krochen ſogar den ſg. in ſtritt, troff, kroch
zu kürzen. Überhaupt iſt gleichheit der ablaute im ſg.
und pl. allmählig durchgedrungenes princip der neuh.
conjugation, woraus theils die pl. nach den ſg. (band,
banden; bôt, bôten) theils die ſg. nach den pl. (mîd,
mîden; ritt, ritten; troff, troffen; gâb, gâben; wôg, wô-
gen; quoll, quollen; ſchmolz, ſchmolzen und ſelbſt dung,
dungen) herfließen. Eintönigere, ungeſchmeidigere ge-
ſtaltungen gegenüber dem früheren organiſmus; ſchwan-
kende oder doppelte formen (band, banden; dung, dungen;
pflâg, pflâgen neben pflôg, pflôgen etc.) in natürlich gleichem
verhältnis. Von jenem zuſ. treffen des ſg. und pl. macht in
der regelmäßigen conj. ward, wurden einzige ausnahme,
obſchon neben ward die fehlerhafte form wurde (beßer
wäre wurd, wie dung) angenommen iſt; mehrere zei-
gen ſich bei den anomalien: mag, mœgen; kann, kön-
nen; weiß (nicht wiß, wie riß, biß) wißen; darf, dür-
fen, wo man die analogie nicht mehr fühlte; [vgl.
noch brach, brâchen; draſch, drâſchen?]. — 2) (con-
ſonanten) alle conſonanzverhältniſſe ſind weit ein-
facher, als im mittelh., d. h. in- und auslaute vollkom-
men gleich. Inlautende geminata und med. bleibt
auch auslautend; t iſt die einzige vorkommende tenuis,
auslautend faſt bloß im ſg. imp. (reit, ſtreit, biet) da
der ſg. praet. geminiert (ritt, ſtritt) ausgenommen bôt,
bât, trât. Vor dem -t der III. ſg. praeſ. wird das wur-
zelhafte t ausgeſtoßen in hält, ræth (= ræt, oben ſ. 525.)
ſt. hältet, ræthet (II. pl. aber haltet, râthet, nicht halt,
râth); in tritt, bietet, reitet (nicht trit, biet, reit) muß
es bleiben. In einigen fällen hat inlautende gem. die
alte vocalkürze gerettet: nimmſt, nimmt; kommen,
komme, kommſt, kommt; genommen, gekommen; rit-
ten, geritten; ſotten, geſotten; wie man ſieht unſicher,
da kein nemme, nemmen (= komme, kommen) ſon-
dern nême, nêmen beſteht, noch weniger im praet.
kamm, namm (f. kâm, nâm). Bei andern ſyncopen der
II. III. ſg. ſchwankt die ausſprache zwiſchen gibt und
gîbt (giebt auf liebt reimend); gîbt iſt dem hêbt, græbt etc.
analoger. Die mittelh. ff und ƷƷ (trëffen, ſchaffen, ëƷ-
Ʒen, biƷƷen) entſprachen dem neuh. ſſ und ß (wofür
in eßen, bißen eigentlich eßßen, bißßen ſtehen müſte,
[987]II. neuhochd. ſchwache conjugation.
was auch die unorg. ſchreibung eſſen, biſſen zu errei-
chen ſucht), der vocal bleibt bald kurz (ſchaffe, ſchafft,
eße, ißeſt, ißt; biß, bißen) bald wird er lang (trâf,
âß) auch vor ch ſchwanken länge und kürze: brach oder
brâch etc. — r ſtatt ſ dringt aus den pl. wâren, frôren,
kôren, verlôren in die ſg. wâr, frôr, kôr, verlôr (be-
greiflich nach gleichheit der ablaute), von da in die
praeſentia:friere, verliere (doch noch kieſe, nicht kiere). —
h, welches in ſchlâgen völlig verdrängt iſt, dauert in
leihen, zeihen, fliehen, ſêhen, geſchêhen ohne einmen-
gung des g; ziehen aber bekommt im praet. letzteres:
zôg, zôgen. — 3) (einmiſchung ſchwacher form): ſchwœ-
ren (f. ſchwêren oder ſchwæren; wie mundartiſch öpfel,
mönſch f. äpfel, epfel, menſch) hêben, bitten, ſitzen:
ſg. imp. ſchwœre, hêbe, bitte, ſitze. Viele verba, die
im mittelh. noch ſtark conjugierten, gehen nunmehr
ſchwach; einige haben neben ſtarkem part. praet. ihr
praet. geſchwächt oder ſchwanken zwiſchen ſchwach
und ſtark, z. b. mâlte, backte, pflêgte, wirrte, bellte.
Die flexionen der praet. ſind den mittelh. völlig gleich
und es bliebe wenig anzumerken, wenn nicht theils
das ſystem der kürzungen des ableitungsvocals noch
mehr entſtellt worden wäre, theils der rückumlaut auf-
hörte. Die einzelnen ausnahmen: kannte, nannte,
brannte, ſandte, wandte kommen kaum in betracht,
ſchon gelten (nicht kennte, aber) nennte, brennte, ſen-
dete, wendete daneben und die analogen rannte, trannte,
pfandte, ſchwaudte, ſchandte ſind unzuläßig, man ſagt:
rennte, trennte, pfändete, ſchwendete, ſchändete. Um
ſo viel mehr in allen übrigen: gällen, gällte; kämmen,
kämmte; engen, engte; ſenken, ſenkte; decken, deckte etc.;
Ein unterſchied erſter und zweiter conj. läßt ſich nicht
mehr durchführen; alle vormahls kurzſilbigen beider conj.
ſind jetzt langſilbig. Das praet. aller ſchwachen verba
wird in der regel ſyncopiert: næren, nærte; lêgen, lêgte;
drâben, drâbte; ſalben, ſalbte; minnen, minnte etc. die
volle form: nærete, lêgete, ſalbete etc. klingt gezwun-
gen feierlich. Eine zahlreiche auanahme machen aber die
verba, deren wurzel mit t, d, tt, it, nt, rt, ft, ſt, cht, dt, ld,
nd, rd ſchließt, ſie ſtellen, ſtatt der wohllautenden mit-
telh. ſyncope, gerade den ableitungsvocal wieder her,
gleichviel ob ſie früher der erſten oder zweiten conj.
zugehörten, als: wâten, wâtete; huͤten, huͤtete; leiten,
[988]II. anomalien der neuhochd. conjugation.
leitete; lâden, lâdete; rêden, rêdete; retten, rettete;
ſchütten, ſchüttete; falten, faltete; renten, rentete; här-
ten, härtete; heften, heftete; leiſten, leiſtete; lichten, lich-
tete; tödten, tödtete; melden, meldete; wunden, wun-
dete; morden, mordete. Die ſprache hat das bewußtſeyn
ihrer alten, großen mittel eingebüßt; ſie ſtrebt nach
deutlichkeit und wohllaut, erreicht aber nur eine ängſt-
liche, nur einen beſchränkten; ladte, redte, rettte, endte
ſchien ihr zu hart, latte, rette, ente zu gewagt, lâdete,
rêdete, rettete, endete blieb einzig ausweg. Selbſt dem
ſante, wante fügte ſchreibung ein d hinzu; bemer-
kenswerth iſt auch, daß diese ausnahmsweiſen rückum-
laute auf den ind. eingeſchränkt ſind, ihr praet. conj.
heißt kennte, brennte, nennte, ſendete, wendete, nicht
kännte, nännte, ſändte, wändte. Das praet. conj.
ſchwacher form lautet niemahls um, außer in den ano-
malien. Bildungen mit el, er, ig ſtoßen e vor dem
-te regelmäßig aus: ſchmeicheln, ſchmeichelte; ſìgeln,
ſîgelte; wundern, wunderte; ſchædigen, ſchædigte; die
mit em, en lieber das bildungs-e und behalten jenes:
âthmen, âthmete; rêgnen, rêgnete (nicht âthemte, rê-
gente).
Die flexion geſchieht, wie in der vorigen periode, nur
daß a) das -e der I. ſg. praeſ. wegfällt, im conj. aber
erhalten wird; b) II. ſg. praeſ. und praet. (aus gründen
der ſyntax, nicht der form an ſich) abgeſchafft worden
iſt; doch bleibt ſg. imp. Die wiederum abweichende
behandlung der wurzelvocale richtet ſich nach der buch-
ſtabenlehre.
I. val, viel, vielen, vallen; houd, hield, hielden, hou-
den; zout, ſpouw (findo) vouw (plico) machen das
praet. ſchwach: zoutte, ſpouwde, vouwde, behalten aber
das part. zouten, ſpouden, vouden; hang, hing, han-
gen; vang, gewöhnlicher vâ. ving, vangen; gâ (nicht
mehr gange) ging, gangen; hef, hief, hêven; was, wies,
waſſen; waſſch, wieſch, waſſchen; bas (latro) bekommt
zuweilen unorg bies ſt. baſte, inf. baſſen. — II. hêt,
ſcheid, praet. ſchwach hêtte (zuweilen noch hiet)
ſcheide, part. ſtark hêten, ſcheiden; eiſch, êſch, ei-
ſchen. — III. lôp, liep, lôpen; roep, riep, roepen;
houw, hieuw, houwen; brouw (braxo) praet. ſchwach
brouwde, part. brouwen; ſtôt, ſtiet, ſtôten; unorg. hier-
her rückend: word (fio) wierd, worden und mundar-
tiſch noch andere aus XII. (ſ. unten). — IV. ſlâp, ſliep,
ſlâpen; lât, liet, lâten; râd, brâd; blâs; blies, blâzen. —
VII. vâr, voer, vâren; zwêr (juro) zwoer, zworen; grâf,
groef, grâven; drâg, droeg, drâgen; ſlâ (f. ſlâg) ſloeg,
ſlâgen; unorganiſch jâg und vrâg, praet. joeg, vroeg,
neben dem richtigern jâgde, vrâgde, part. praet. gejâgt,
gevrâgt (nicht gejâgen, gevrâgen); umgekehrt ſind von
mâl, lâd, bak, lach die ſtarken praet. moel, loed, boek
(biek) loech den ſchwachen mâlde lâdde, bakte, lachte
gewichen, die part. aber ſtark geblieben; ſtâ (f. ſtand)
hat ſtond, part. geſtân; von wâjen (flare) behauptet T.
Kate noch ein ſtarkes praet. woei, wofür meiſtens wâide
gilt. — VIII. bezwîm (animo deficio); grîn, grên, grê-
nen, grênen; quîn (langueo); ſchîn; grîp, grêp, grêpen,
grêpen; nîp; ſlîp; blîf, blêf, blêven, blêven; drîf, kîf,
(rixor); rîf (raſtro colligo); ſchrîf; ſtîf (amylo ſubigo);
wrîf; bît, bêt, bêten, bêten; drît (merdo); krît (ploro);
rît; ſchît; ſlît; ſmît; ſplîte; wît (imputo); glîd, glêd,
glêden, glêden; lîd (patior); belîd (confiteor); mîd; be-
nîd (invideo); rîd; ſchrîd; ſnîd; ſtrîd; prîs (laudo) prês,
prêzen, prêzen; rîs (ſurgo); wîs (monſtro); hîſch oder
hîs (trochlea ſuſtollo); blîk, blêk, blêken, blêken; ſtrîk;
wîk; bezwîk; hîg (anhelo) hêg, hêgen, hêgen; krîg;
mîg; nîg; rîg (ligo); ſtîg; zwîg (taceo); ſchwankend
dîg, dîd, dîe (proficio); ſpîg und ſpîe (ſpuo) [auch nach
IX. ſpuig, ſpûw]. — IX. druip, drôp, drôpen, drôpen;
kruip; ſluip; zuip; kluif, klôf, klôven, klôven; ſchuif;
ſnuif; ſtuif; giet, gôt, gôten, gôten; verdriet; niet;
ſchiet; vliet (fluo); fluit (fiſtulo); ſluit (claudo); ſnuit
[991]II. neuniederländiſche ſtarke conjugationen.
(mungo); ſpruit; bied, bôd, bôden, bôden; vlied (fu-
gio); zied (bullio); kies, kôs und kôr, kôzen und kô-
ren; verlies, verlôr (nicht verlôs) verlôren; vries, vrôs
und vrôr, vrôzen und vrôren; duik, dôk, dôken, dô-
ken; luik; riek und ruik, rôk, rôken, rôken; bedrieg,
bedrôg, bedrôgen, bedrôgen; lieg; vlieg; zuig; tôg
(traxi) part. getôgen hat kein praeſ.; krui (trudo) krôi,
krôjen, krôjen. — X. gêf, gâf, gâven, gêven; wêf hat
nur noch das ſtarke part. wêven; êt, ât, âten, gêten;
vergêt; mêt; vrêt; ſit, ſât, ſâten, ſêten; trêd, trâd, trâ-
den, trêden; bid, bâd, bâden, bêden; lês, lâs, làzen,
lêzen; genês; wês, wâs (ſeltner wâr), wâren, wêzen;
ſtêk macht jetzt auch ſein part. mit o nach XI. (Kilian
und Hoofd geben noch geſteken, vgl. T. Kate p. 565.)
lig, lâg, lâgen, lêgen; zie (video) zâg oder zach, zâ-
gen, zien. — XI. ſtêl, ſtâl, ſtâlen, ſtôlen; bevêl; nêm,
nâm, nâmen, nômen; kom, quâm, quâmen, kômen;
von bêr, bâr iſt nur das part. bôren übrig; brêk, brâk;
brâken, brôken; ſprêk; ſtêk; wrêk hat nur das part-
wrôken ſtark; plêg, plâg, plâgen, das part. plôgen ver-
altet; folgende haben das o aus dem part. ins praet.
dringen laßen, gehen alſo in XII. über: verhêl, verhôl,
verhôlen; ſchêr, ſchôr (nicht ſchoer) ſchôren, ſchôren;
zwêr (ulcero) zwôr (nicht zwoer, was juravi heißt)
zwôren, zwôren; wêg (libro) wôg, wôgen, wôgen. —
XII. zwel, zwol, zwollen, zwollen; help, holp, holpen
holpen; delf, dolf, dolven; ſmelt, ſmolt, ſmolten; geld,
gold, golden; ſcheld, ſchold, ſcholden; melk, molk,
molken; von belg nur das part. verbolgen übrig; zwelg,
zwolg, zwolgen; glim (candeo) glom, glommen; klim,
(ſcando); zwem (nato); krimp (contrahor); begin, be-
gon, begonnen; rin oder ren; win; bezin, bind, bond,
bonden; ſlind; vind; wind; zend, zond, zonden; blink,
blonk, blonken; drink; klink (corroboror); ſchenk (in-
fundo); ſchrink (marceo); ſlink (diminuo); ſtink; zink;
zwenk (labo); ding, dong, dongen; dring; dwing;
ſpring; wring; zing; werp, worp, worpen; bederf (cor-
rumpor) bedorf, bedorven; kerf; ſterf; werf (verto);
zwerf (vagor); berſt, borſt, borſten; berg, borg, borgen;
und aus XI. hierher eingetreten: tref, trof, troffen;
trek, trok, trokken; vecht, vocht, vochten; vlecht,
vlocht, vlochten; die auf lp, lv, rp, rv, bilden zumahl
flamländiſch das praet. (nicht aber part. praet.) mit dem
ablant ie: hielp, hielpen; dielf, dielven; wierp, wier-
pen; ſtierf, ſtierfen; par[t]. holpen, dolven, worpen, ſtor-
[992]II. neuniederländiſche ſchwache conjugation.
ven, unterſcheiden ſich alſo nur durch das e im inf. von
conj. III., welcher worden (fieri) gänzlich zufällt, ob-
gleich zuweilen noch werd, word f. word, wierd vor-
kommt. —
Anmerkungen: 1) wie im neuh gilt gleichheit des
ablauts für ſg. und pl. praet. nur daß hier in XII. das
[o] pl. den ſg., im neuh. meiſtentheils das a ſg. den pl.
eingenommen hat (neuh. ſinge, ſang, ſangen; neunie-
derl. zing, zong, zongen). 2) im praeſ. verdrängt e
das i hin und wieder auch vor m und n (zwem, ren,
zend, ſchenk). 3) die unorg. übergänge aus VII. in I.
haben nun andere aus XII. in III. zur ſeite, obgleich die
urſache beider verſchieden war; in hief, wies verwech-
ſelte ſich ie mit oe, in wierp, kierf waltete einfluß
des rp, rf auf das a (mnl waerp, caerf; altfrieſ. werp,
cerf, angelſ. vëarp, cëarf). 4) bemerkenswerth in XII.
ſmolt, ſmolten; gold, golden; ſchold, ſcholden ſt. der
mnl. ſmout, ſmouten; gout, gouden; ſchout, ſchouden;
man ſetzte flexionsdeutlichkeit über das feinere lautver-
hältnis, ließ aber doch houden neben dem praet. hield
beſtehen. 5) geminierter conſ. wird auslautend einfach,
v, z zu f, s, hingegen verauslauten d und g; bei ſyn-
copen des flexionsvoc. inlautend daſſelbe zu beobachten:
valt, ſchrîft ſt. vallet, ſchrîvet. 6) t und d fallen vor
dem t der flexion weg, z. b. ſluit (claudit) f. ſluitet.
die vertrauliche rede ſchneidet bei gangbaren wörtern
zuweilen das ganze -de praet. ab, z. b. zei, zou, wou,
kon f. zeide, zoude, woude, konde; in der regel aber
bleibt -de; einige ſetzen alle perſ. des plur. praet.
gleich, nämlich auf -den, andere endigen I. III. auf
-den, II. auf -det, welches ſowohl der II. pl. praeſ.
als der II. pl. praet. ſtarker form auf -et (nicht -en)
angemeßner ſcheint; vgl. T. Kate p. 551. Das ablei-
tungs-e fällt überall weg, alſo auch da, wo noch ein
mittelniederl. -ede galt. Dagegen beſteht die der hochd.
mundart mangelnde vortheilhafte abwechſelung zwiſchen
-de und -te immer fort. Nach l. m. n. r. b (aus bb)
d. g. f (aus v) w und s (aus z) bleibt -de; nach p. t.
k. f (aus ff) ch und s (aus ſſ) folgt -te. Jede gem. wird
einfach; entſpringendes dd, tt und ſelbſt ſtt, chtt bleibt.
Beiſpiele: ſpêlen, ſpêlde; ſtellen, ſtelde; râmen, râmde;
kammen, kamde; wênen, wênde; minnen, minde; êren,
[993]II. neuniederländiſche anomalien.
êrde; warren, warde; krabben, krabde; lâden, lâdde; red-
den, redde (fehlerhaft reddede): zâgen, zâgde; eggen, egde;
lâven, lâfde; bouwen, bouwde; râzen, râſde; — hôpen,
hôpte; ſtoppen, ſtopte; groeten, groette; zetten, zette
(fehlerhaft zettede); râken, râkte; drukken, drukte;
blaffen, blafte; pochen, pochte; kraſſen, kraſte; verqui-
ſten, verquiſtte; wachten, wachtte. Für legt (ponit) zegt
(dicit) pflegt leit, zeit; für legde (poſui) zegde (dixi) leide,
zeide (gekürzt zei) zu ſtehen; kôpen macht kôcht f.
kôpte. Bildungen mit -el, -em, -en, -er, -ig, als:
ſneuvelen, âdemen, rêgenen, wonderen, mâtigen haben
im praet. ſneuvelde, âdemde, rêgende, wonderde, mâtigde.
1) eſſe vierſtämmig α) III. praeſ. ſg. ind. is. β) inf.
zîn; ind. pl. praet. zîn, zît, zîn; praeſ. conj. zî, zî;
pl. zîn, zît, zîn; pl. imp. zît; kein part. gezîn. γ)
I. praeſ. ſg. ind. ben; die vertrauliche ſprache erlaubt
ſich auch den unorg. pl. I. bennen II. bent III. bennen
(etwa nach analogie von ren, men pl. rennen, men-
nen). δ) inf. wêzen; praet. wâs, pl. wâren; imp. wês,
pl. wêſt; part. gewêſt neben gewêzen. — 2) α) moet, pl.
moeten; praet. moeſt part. gemoeten. β) wêt; wêten;
wiſt; gewêten. γ) mâg; môgen; mocht; gemocht.
δ) zal; zullen; zoude, gekürzt zou. ε) kan; konnen;
konde, gekürzt kon, zuweilen noch koſt; gekonnen,
gekoſt. ζ) durf, pl. durven nimmt das urſprünglich zu
derren gehörige praet. dorſt an; — deugen geht im praeſ.
regelmäßig I. deug III. deugt, pl. deugen; praet. docht. —
3) willen (velle) wil, pl. willen; praet. wilde und in
gemeiner ſprache woude, gekürzt wou; part. gewilt. —
4) doen; I. doe, III. doet; pl. doen; praet. dêd, pl. dê-
den; part. gedân. — 6) hebben; I. heb III. hêft; pl.
hebben, hebt, hebben; praet. hadde; part. gehad. —
7) drâjen, drâide; ebenſo: krâjen, nâjen, mâjen, blâ-
jen, wâjen, zâjen; vlêjen (blandiri); bloejen, groejen,
moejen, roejen (remigare), vloejen; lôjen (corium pa-
rare) gôjen (projicere) rôjen (metiri); h kann nicht in-
lauten, wohl aber w: bouwen, ſchouwen etc. und als
bildungs-w in verwen. — 8) brengen, brocht; den-
ken, docht; dunken, docht; werken, wrocht; zoeken,
zôcht. — 9) vrâgen, praet. vroeg neben vrâgde, part.
gevrâgt.
große beſchränkungen der flexion: 1) conj. fällt mit ind.
zuſ. 2) die drei perſ. des pl. ſowohl praeſ. als praet.
ſind der erſten perſ. ſg. immer gleich, dieſe aber iſt es
dem inf., d. h. letzterer hat ſein -n gänzlich verloren;
ſcheinbare ausnahme machen chriſten, ſoften, lighten,
threaten etc., deren -en bildung, nicht flexion iſt (an-
gelſ. criſtnian, altn. kriſtna). 3) ſelbſt das -e der
flexion entbehren inf., imp., I. ſg. und I. II. III. pl.; es
heißt bind (nectere, necte, necto, nectimus etc.) fall
(cadere, cado, cadimus etc.) hear (audire, audi, audio,
audimus etc.) und nach doppelter conſ. oder auslautend
einfacher gem. gilt das ohne ausnahme; nach urſpr.
einfacher conſ. bleibt zuweilen e α) durchgängig nach
v, s, z: grave, ſhave, give, drîve, move, love, weave,
reave, leave, rîſe, raiſe, chôſe, ſnêze, vrêze etc. β)
nach ap, îp, op: ape (nachäffen) ſtrîpe, grîpe, hope,
nicht nach êp, eap, ip: crêp, ſlêp, leap, ſtrip. γ) nach
at, ît, ot: hate, bîte, wrîte, note; nicht nach êt, ôt,
it, ut: mêt, tôt, ſlit, ſhut. δ) nach ak, îk, ok: make,
ſhake, take, ſtrîke, ſtroke; nicht êk, eak: ſêk, ſpeak.
ε) nach ad, îd, od: lade, chîde, bîde, nicht nach êd,
ead, oad: brêd, knead, load. ζ) ebenſo nach liq. de-
nen a, î, o vorhergehen: fìle, lame, come, wane, ſhîne,
ſpare, ſnore etc. nicht aber in: fêl, ſêm, dream, moan,
hear u. dgl. η) nach th bleibt faſt immer e: bathe,
wrîthe, clôthe, wreathe, doch ſtehet ſêth. Man ſieht
leicht, daß alle dieſe bleibenden -e keine überreſte der
alten flexion ſind, vielmehr unorganiſch angenommene
ſchreibweiſe, da ſie auch dem flexionsloſen ſtarken ſg. imp.
(come, ſhîne) und ſogar dem ablautenden ſtarken praet.
beigelegt werden, deſſen I. III. ſg. eben ſo wenig flexion
gebührt, vgl. ſhîne, ſhône; come, came; rîve, rôve etc.
ſtatt der offenbar richtigeren formen: ſhôn, cam, rôf,
folglich ſtehn auch die praeſentia für ſhîn, com, rîf
und die flexion mangelt ſo gut als in fall, bind, hear. —
4) II. ſg. praeſ. und praet. hat -ſt oder -eſt, alſo gab
das ſtarke praet. (wie im neuh.) den alten vocalausgang
auf: ſhôneſt (fulſiſti) ſangſt (ceciniſti) angelſ. ſcine,
ſunge. — 5) III. praeſ. hat -s, -es ſtatt des frühern
-th angenommen: ſhînes, ſings, hopes, hears etc.
doch ſchreibt man noch hath (habet) neben has, raineth
f. raines etc.
I. fall, fell, fallen; hold, held, holden. — II. ausge-
gangen. — III. draw, drew, drawn; blow, blew, blown;
ebenſo crow; grow; know; throw; ſnow; ſchwaches
praet. haben hew (f. how) mow, ſow : hewed, mowed,
ſowed, doch noch ſtarkes part. hewn. mown, ſown;
bèat, béat, bèaten kann als übergehend in X. angeſehn
werden, wogegen ſlay, ſlew, ſlain aus VII., fly, flew,
flown aus IX. hierher gerückt iſt. — IV. let, let, let;
dread (angelſ. ondrædan) geht ſchwach. — VII. ſtand,
ſtôd, ſtôd; ſhake, ſhôk, ſhaken, ebenſo forſake, awake,
und take; wax, wôx, waxn; ſhave, grave, lade praet.
ſchwach ſhaved, graved, laded, part. ſtark ſhaven, gra-
ven, laden. — VIII. ſhîne, ſhône, ſhône; drìve, drôve, dri-
ven; ebenſo: ſcrîve; ſtrîve; thrîve; ſmîte, ſmôt, ſmit-
ten; ebenſo: ſhîte; wrîte; chîde, chôd, chidden; eben-
ſo: abîde; rîde; ſtrîde; wrîthe, wrôthe, writhen; rîſe,
rôſe, riſen; merkwürdig, daß einige auf îte, îde ihr
praet. nicht ablauten, ſondern nur das i kürzen: ſhîte,
ſhit ſt. ſhôt, ebenſo: bîte, bit ſtatt bôt, zuweilen chid
ſt. chôd; ſind bit, ſhit, chid ſchwache formen f. bit’t,
chid’d? oder iſt, wie im neuh. biß, ritt die kürzung
aus dem part. eingedrungen? — IX. crêp, crôp oder
crope? crept (ſt. cropen); ſhôt (ſt. ſhêt) ſhot, ſhotten;
ſêth, ſod, ſodden; chôſe, choſe, choſen; frêze, froze, frozen,
die kürzungen ſhot, ſod wie bit, chid in VIII. und wie
das neuh. ſchoß, ſott zu erklären? — X. give, gave,
given; èat, éat und ate, èaten; ſit, ſate, ſate; bid,
bad, bidden; lie, lay, lain; ſê, ſaw, ſên. — XI. ſtèal,
ſtale und ſtole, ſtolen; come, came, come; forbeàr,
forbare und forbore, forbore; ſhèar, ſhare und ſhore,
ſhore; teàr, tare und tore, tore; ſweàr, ſware und
ſwore, ſwore; weàr, wore, wore; clèave, clove, cloven;
hèave, hove, hoven; wèave, wove, woven; get, got,
gotten; forget, forgat und forgot, forgotten; treàd, trode,
trodden; breàk, brake und broke, broke; ſpèak, ſpake
und ſpoke, ſpoke. — XII. ſwell, ſwelled (f. ſwoll)
ſwoln (f. ſwollen); help, holp, holpen; melt, melted
(f. molt) molten; ſwim, ſwam, ſwum; ſpin, ſpan, ſpun;
begin, began, begun; win, wan, won; run (ſt. rin)
ran, run; cling, clang, clung; ebenfo: fling, ring, ſing,
ſpring, ſting, ſtring, ſwing, wring; drink, drank, drunken;
ebenſo: ſhrink, ſink, ſlink, ſtink; bìnd, bound, bound;
fînd, grînd, wînd desgleichen; burſt (ſt. berſt) burſt, bur-
ſten; ſtick, ſtack, ſtuck; dig, dug, dug (neben digged);
R r r 2
[996]II. neuengliſche ſchwache conjugation.
fight, fought, foughten; — wie bei bound, burſt, fought
der u-laut aus dem pl. in den ſg. drang, ſo ſchwan-
ken auch ſpan, clang, ſang, ſank etc. in ſpun, clung,
ſunk etc.; bei run und burſt verbreitet er ſich ſelbſt ins
praeſ.; hang behält ſein a im praeſ. (nach conj. I.)
macht aber praet. und part. nach XII. hung, hung. —
Anmerkungen: 1) die verwirrung der ablaute zeigt und
erläutert ſich von ſelbſt. 2) alle verba in VIII. IX. mit
kehllaut nach dem wurzelvocal ſind untergegangen.
3) ſchwach geworden nachſtehende mit p nach dem
wurzelvocal: crêp, crept; wêp, wept; ſwêp, ſwept;
ſlêp, ſlept; lèap, léapt. 4) das praet. quoth (dixit) f. quath
dient auch als praeſens, hîght (promiſſus) nur als part.
praet. (vgl. ſ. 981.)
das praet. bildet die ſilbe -ed, welches aber bei ſyn-
copiertem e meiſtens in -t verwandelt wird; -ede oder
-te finden keine ſtatt, das einzige made abgerechnet,
ſofern man es aus makede erklären darf. Die vocal
und conſ. verhältniſſe im fall der ſyncope ſind zwar den
angelſ. (ſ. 904. 905.) analog, doch mit beträchtlichen ab-
weichungen: 1) nicht alle verba können das e aus-
ſtoßen; in der regel gehören die ſyncopierenden in die
alte erſte, die nicht ſyncopierenden in die alte zweite
conj. z. b. es darf nur ſpare, ſpared; thank, thanked;
beg, begged; live, lived etc. heißen. Im fall der ſyn-
cope bleibt 2) d nur in den vocaliſch ſchließenden
lay, laid; ſay, ſaid; ſhoe, ſhod; ſodann in hèar, héard;
ſell, ſold; tell, told. 3) zu t wird es α) nach l, m, n:
dèal, déalt; fèl, felt; dwell, dwelt; ſpell, ſpelt; ſpill,
ſpilt; ſmell, ſmelt; drèam, dréamt; lèan, léant; mèau,
méant; lèarn, léarnt; burn, burnt. β) nach p und k:
crêp, crept; kêp, kept; ſlêp, ſlept; ſwêp, ſwept; wêp,
wept; lèap, léapt; rèap, réapt; dip, dipt; ſlip, ſlipt;
tip, tipt; whip, whipt; crack, crackt; knock, knockt.
γ) nach f (aus v) gh (aus k, ch) und ſ: lèave, left;
rèave, reft; ſêk, ſought (etc. ſ. anomalien); loſe, loſt;
kiſſ, kiſt; miſſ, miſt; bleſſ, bleſt. 4) für -ded ent-
ſpringt bloßes d: blêd, bled; brêd, bred; fêd, fed;
ſpêd, ſped; lèad, led; rèad, réad; ſprèad, ſpréad; ſhed,
ſhed; hîde, hid. 5) für -ted bloßes t: mêt, met; ſet,
ſet; hit, hit; knit, knit; ſhut, ſhut; cut, cut; für
-rted, fted, ſted bloßes -rt, -ft, -ſt: ſmart, ſmart;
hurt, hurt; girt, girt; lift, lift; coſt, coſt; caſt, caſt.
[997]II. neuengliſche anomalien.
6) für -lded, -nded nicht ld, nd, ſondern wiederum
lt, nt: geld, gelt; gild, gilt; build, built; bend, bent,
ebenſo: lend, rend, ſend, ſpend, ſhend, wend. —
7) die unter 4. und 5. genannten, wofern ſie kurzen
vocal haben, vermögen praet. und praeſ. nicht zu un-
terſcheiden, welches auf einige ſtarke verba wie let,
let eingewirkt haben mag. — 8) lange vocale des praeſ.
kürzt das praet.: ê in e; èa in éa (oder eá) und e; î
in i; gegenſatz zu der mittelniederl. verlängerung bei
ſolchen ſyncopen; mit rückumlaut hat dieſer wechſel
nicht zu ſchaffen. — 9) wohl aber ſind ſold, told die
fortgeführten angelſ. rückumlaute ſëalde, tëalde von
ſellan, tellan; quell hat quelled, nicht quold. — 10) bil-
dungen mit -l, -n, -en, -er, -ſ kürzen das -ed im
praet. nicht: ramble, rambled; wittle, wittled; rain,
rained; threáten, threátened; ſlumber, ſlumbered; thun-
der, thundered; cléanſe, cléanſed etc.
1) eſſe hat nur drei ſtämme: α) praeſ. I. am II. art III. is
pl. are. β) praet. was, waſt, was; pl. were und zu-
weilen praet. conj. were, wert, were; pl. were. γ) inf.
und imp. be; part. praeſ. being, praet. bên. — 2) α) kein
praeſ. môt, das praet. muſt gilt zugleich fürs praeſ.
β) wot (f. wôte) pl. wot zuweilen wit für ſg. und pl.
praet. wiſt; kein not, niſt. γ) das praet. ought bedeu-
tet zugleich das verlorene praeſ. δ) may, mayſt, may;
pl. may; praet. mîght. ε) ſhall, ſhalt, ſhall; pl. ſhall;
praet. ſhould. ζ) dare, praet. durſt. η) can, canſt,
can; praet. could. — 3) will, wilt, will; praet. would;
zn nill kein nould. — 4) dô; praeſ. dô, doeſt, does;
pl. dô; praet. did; part. done. — 5) have; have, haſt,
has (hath); pl. have; praet. had. — 6) gô; gô, goeſt,
goes; pl. gô; praet. went (vom ſchwachen verb. wend ent-
lehnt) part. praet. gone. — 7) buy, bought; work, wrought;
ſêk, ſought; think, thought; bring, brought; catch,
caught; rèach, raught; tèach, taught; fraight, fraught.
allgemeine regeln 1) im ſg. praeſ. und praet. fallen alle
drei perſ. ſtets zuſammen. 2) praeſ. ſg. endigt auf -r,
welches altn. nur für II. III. geltend (ſ. 912.) jetzt auch
I. ergriffen hat. 3) I. pl. praeſ. und praet. endigen
[998]II. ſchwediſche ſtarke conjugation.
auf -e. 4) II. pl. praeſ. und praet. auf -en. 5) III.
pl. praeſ. und inf. gehen beſtändig auf -a aus. 6) die
altſchwed. ſprache gab II. praet. ſg. -ſt und I. pl. praeſ.
praet. -om, welches -om noch heute imperativiſch ge-
braucht wird. 7) vom conj. dauert nur in ſtarker con-
jug. das praet., außerdem ſcheint die III. ſg. imp. -[ſ]
aus dem conj. übrig.
| praeſ. ind. ſg. -er -er -er | pl. -e -en -a |
| praet. ind. ſg. … … … | pl. -e -en -o |
| praet. conj. ſg. -e -e -e | pl. -e -en -e |
| imp. ſg. — … -e | pl. -om -en -e |
I. faller, föll, fölle, fallen; håller, höll, hölle, hållen;
får, fick, finge, fången, inf. få; går, gick, ginge, gån-
gen, inf. gå, imp. gack. — II. hêter, hêt (neben hette)
hête, hêten. — III. lœper, lopp, lupe, lœpen; hugger,
högg, högge, huggen. — IV. gråter, græt, græte, grå-
ten; låter, læt, læte, låten. — VII. gâler, gôl, gôle,
gâlen; fàr (f. fàrer), fôr, fôre, fâren; ſvær (f. ſværer)
ſvôr, pl. ſvûre, part. ſvûren (nach XI.); ſtår, ſtôd, ſtôde,
ſtåden, inf. ſtå, imp. ſtatt; ſkâper, ſkôp, ſkôpe (neben
ſkâpade) ſkàpen; græſver, grôf, grôfve, græfven; hæfver,
hôf, hôfve, hæſven; drâger, drôg, drôge, dràgen;
gnâger, gnôg, gnôge, gnâgen; tvâger oder tvår, tvådde
f. tvôg, tvâgen; ſlår, ſlôg, ſlôge, ſlàgen; dœr, dôg
neben dödde, dôge; lêr, lôg neben ledde, lôge; väx
hat växte, im part. vuxen; unorg. fallen aus X. hierher:
væfver, vôf, vôfve, væfven: vræker, vrôk, vrôke, vræ-
ken; væger, vôg, vôge, vægen. — VIII. ſkìner, ſkên,
ſkêne, ſkînen; grìper, grêp, grêpe, grîpen; knîper;
pîper; blîfver, blêf, blêſve, blîfven; drîfver; klîfver;
rîfver; ſkrîfver; bîter, bêt, bête, bîten; ſlîter; lìder,
lêd, lêde, lîden; glìder; gnîder; rîder; ſvîder; vrîder;
ſkrîker (clamo) ſkrêk, ſkrêke, ſkrîken; ſvîker; vîker;
nîger, nêg, nêge, nîgen; ſtîger; unorganiſch: tîger
(ſileo) têg, têge, têgen oder tîgen (vgl. anm. 4. zur dän.
ſtarken conj.) — IX. drŷper, drœp, drûpe, drûpen;
krŷper; niuper; ſûper; klŷfver, klœf, klûfve, klufven;
brŷter, brœt, brûte, brûten; flŷter; giuter; knŷter;
niuter; rŷter; ſlûter; ſkiuter; ſkrŷter; ſnŷter; tiuter;
trŷter; biuder, bœd, bûde, bûden; ſiuder; ſtrŷker, ſtrœk,
ſtrùke, ſtrûken; rŷker; flŷger, flœg, flûge, flûgen; ſmŷ-
ger; liuger, lœg, lûge, lûgen; ſûger; aus XII. ſchwan-
[999]II. ſchwediſche ſtarke conjugation.
ken hierher die praeſ. ſiunker und ſiunger; bisweilen wird
praet. pl. dem ſg. gleichgeſetzt: flœte, rœte, flœge etc. —
X. dræper, drâp, dråpe, dræpen; gîfver, gâf, gåfve, gîf-
ven; ſôfver, ſôf, ſôfve, ſôfven (ſo für ſve, ſva, ſvå);
æter, åt, åte, æten; fræter, fråt, fråte, fræten; förgæter,
förgât, förgåte, förgæten; mæter, mât, måte, mæten; ſit-
ter, ſatt, ſåte (zuweilen ſûte) ſêten und ſutten; bêder,
bâd, både, bêden; qvæder, qvâd, qvâde, qvæden; læſer,
làs, låſe, læſen; ligger, låg, låge, lêgen; ſêr, ſåg, ſåge,
part. ſchw. ſedt. — XI. ſtiæler, ſtâl, ſtåle, ſtûlen; bær
(f. bærer) bâr, båre, bûren; ſkær (f. ſkærer) ſkâr, ſkåre,
ſkûren; in kommer, kom, komme, kommen entſpringt
ko aus qve, qva, qvå, wie bei ſofva in voriger conj.;
für ſtûlen, bûren etc. zuweilen ſtôlen, bôren; nêma
(diſcere) iſt veraltet, vgl. förnimma in XII. — XII. gäl-
ler, gall, gulle, gullen; ſmäller; hiälper, halp, hulpe,
hulpen; ſtiälper; ſvälter, ſvalt, ſvulte, ſvulten; välter; gäl-
der, gald, gulde, gulden; ſimmer, ſam, ſumme, ſummen;
und unorg. förnimmer (percipio) nam, numme, num-
men; dimper (cado) damp, dumpe, dumpen; brinner,
bran, brunne, brunnen; finner; hinner (arripio, per-
tingo); ſvinner; vinner; ſlinter (vacillo) ſlant, ſlunte,
ſlunten; binder, band, bunde, bunden; ſiunker, ſank,
ſunke, ſunken; ſlinker (negligenter ambulo); klinger,
klang, klunge, klungen; ſpringer; ſtinger; tvinger;
ſiunger, ſång (zuweilen ſöng nach IX.) ſunge, ſungen;
unorg. hänger (pendeo) hang, hunge, hungen; ſpiärner,
ſparn, ſpurne, ſpurnen; värper, varp, vorpe, vorpen;
värfver, varf, vorfve, vorfven; varder, vard, vorde, vor-
den; ſlipper, ſlapp, ſluppe, ſluppen; ſpritter, ſpratt,
ſprutte, ſprutten; dricker, drack, drucke, drucken;
ſpricker; ſticker; räcker, rack, rucke, rucken; briſter,
braſt, bruſte, bruſten. — anmerkungen: 1) der altnord.
umlaut (ſ. 917.) hört völlig auf, namentlich auch im
praet. conj., es heißt fôr (ivit) fôre (iret) bundo (liga-
bant) bunde (ligaret) etc. 2) der wechſel zwiſchen ŷ,
iu (geſchr. ju) und û in conj. IX. entſpricht nicht dem
altn. (ſ. 918.) ſondern erſcheint willkürlicher feſtgeſetzt.
3) gem. bleibt auslautend, doch mm, nn werden ein-
fach; fehlerhaft ſchreiben einige ſtatt des aus ld, nd ent-
ſpringenden ll, nn auslautend lt, nt, als: höllt, hant
f. höll, hann (vgl. anm. 2. zur dän. ſtarken conj.).
4) ſchwaches praeſ. verrathen umlaut, haftendes i der
wurzel, geminierte conſonanz und eingerücktes j: hæfja,
ſværja, bedja, ſittja, ligga, lê (f. leja) dœ (f. dœja).
[1000]II. ſchwediſche erſte ſchwache conjugation.
5) der ablaut neigt ſich zur gleichheit des ſg. mit dem
pl. und namentlich gilt ſkên, ſkêne in VIII. durchgän-
gig; flœt, flœte in IX. zuweilen; doch unterſcheiden ſich
drœp, drûpe in VIII. drâp, dråpe in X; bâr, båre in XI;
gall, gulle in XII. Seit der unorg. verlängerung drûpe,
drâp, bâr liegen nur dieſe û, â, dem œ, å in drœp,
dråpe, båre ungleich näher, als die kurzen und langen
vocale des altn. draup, drupum; bar, bârum; daher
auch das vordringende å in den ſg. åt, fråt nicht be-
fremdet vgl. das altn. ât ſ. 914. 6) im ſg. praeſ. wer-
den zuweilen inlautende conſ. ſyncopiert, als: bær f.
bærer; blîr f. blîfver etc.
das praet. wird durch -de oder -ade gebildet, wonach
ſich noch beide conjugationen ſcheiden; keine derſel-
ben vermag, wie die ſtarke form, das praet. conj. aus-
zudrücken.
| tæl-jer tæl-jer tæl-jer | bränn-er bränn-er bränn-er |
| tæl-je tæl-jen tæl-ja | bränn-e bränn-en bränn-a |
| tâl-de tâl-de tâl-de | brän -de brän -de brän -de |
| tâl-de tâl-den tâl-de | brän -de brän -den brän -de |
1) der ableitungsvocal wird im praet. ſtets gekürzt; etwas.
anders iſt das aus g entſtandene j in följa, följde; ſörja,
ſörjde; rœja, rœjde etc. welches viele tadelnswerth auf
verba ausdehnen, deren j aus i ſtammt, z. b. ſkîljde,
hœljde, tæljde ſt. des richtigen ſkîlde, hôlde, tâlde. —
2) bei der kürzung bleibt -de nach l, m, n, r, f, d,
g, wird aber zu -te nach p, t, k; für ndde, ltte, ntte,
ftte, ſtte, ſteht nde, lte, nte, fte, ſte; ſchwierigkeit
machen l und n, wonach der gebrauch zuweilen -te
duldet, z. b. mæla, mælte; rœna, rœnte; mêna, mênte,
nach vereinfachter gem. immer de: fälla, fälde, bränna,
brände. — 3) ehmals kurzſilbige wurzeln haben theils
ableitungsvocal im praeſ. theils rückuml. im praet. be-
halten. Jenes nur nach liq. t, d (ſælja, vælja, qvælja,
tælja, dœlja, hœlja, ſkilja, ſæmja, tæmja, vænja, ærja,
ſuærja, værja, ſmœrja, ſpœrja, hvättja, ſättja, glædja,
ſtædja, rœdja, ſtœdja) nicht nach p, f, k, g, ſ (kræfva,
qvæfva, täcka, ſæga, lägga) früher ſchrieb man kræfja,
dafja, jetzt allmählig auch ſätta, hvätta. Rückumlau-
tende praet. ſind: qvâlde, vâlde, tâlde, dôlde, tâmde,
[1001]II. ſchwediſche zweite ſchwache conjugation.
vânde, ſnârde, vârde, ſmôrde, ſpôrde, ſatte, hvatte,
gladde, ſtadde, rodde, ſtodde, krafde, qvafde, ſælja hat
ſålde (nicht ſàlde, vgl. ſ. 923. altn. ſeldi, nicht ſaldi)
ſæga und lägga:ſâde, lâde, ærja (arare) ærde. Des â, ô in qvâl-
de, tâmde, dôlde etc. bin ich unſicher, vielleicht hat ſich
in verhärteter ſyncope die kürze qvalde, tamde, dolde etc.
fortgepflanzt? — 4) urſprünglich langſilbige haben weder
j im praeſ. noch rückumlautendes praet., beiſpiele aus
der großen menge ſolcher verba : mæla, mælte; drœma,
drœmde; rœna, rœnte; læra, lærde; hœra, hœrde; fylla,
fylde; bränna, brände; välta, välte; ſölja, följde (ſt.
fölga, fölgde); ſända, ſände; blänka, blänkte; hänga,
hängde; ſörja, ſörjde (f. ſörga, ſörgde); dœpa, dœpte;
œfva, œfde; lêfva, lêfde; dœfva, dœfde; blœta, blœtte;
ſtœta, ſtœtte; ſprîda, ſprîdde; fœda, fœdde; blœda, blœdde;
lœſa, lœſte; kyſſa, kyſte; ſœka, ſœkte; åka, åkte; lêka,
lêkte; æga, ægde; wîga, wîgde; bygga, bygde etc.
| kall-ar kall-ar kall-ar | kall-ade kall-ade kall-ade |
| kall-e kall-en kall-a | kall-ade kall-aden kall-ade |
beiſpiele: 1) einfache: tâla; kalla; ſtamma; mâna; banna;
ſvâra; dåra; rôpa; bæfva; båta; bâda, vîſa; krûſa; nêka;
tacka; fråga; faſta; kaſta; ſkrifta; vackta etc. 2) bildun-
gen mit -l, -n, -r: ſamla; chriſtna; hvîtna; drunkna;
ſvimna; hamra; bullra; undra. 3) mit k, g, ſ: blîdka;
ſnîdka; ällſka; ſtâdga; rênſa etc. — anmerkungen: α) die
neuere ſprache ſchwankt immer häufiger zwiſchen bei-
den conj., d. h. ſie ſtrebt die vollere form des praet. -ade
zu kürzen und erlaubt ſich z. b. nêkte f. nèkade, brûkte
f. brûkade, tâlte f. tâlade (von tâla, verſch. iſt tæljde für
tâlde oder talde von tælja) tiente f. tienade etc. woraus
allmählig auch im praeſ. nêker — tiener ſt. des richti-
geren nêkar — tienar hervorgeht. Bemerkenswerth
ſteht in ſolchen kürzungen t (und nicht d) nach l und
n (nicht alſo tâlde, tiende). β) ſeltner find verba aus
erſter in zweite getreten, vgl. dêla, dêlade; bœrja, bœr-
jade; tænja (tendere) tænjade etc. — γ) imp. ſg. zweiter
conj. lautet -a, dem inf. gleich: kalla, ällſka!
1) eſſe zweiſtämmig: α) praeſ. œr, œr, œr; pl. œre, œren,
œro; altſchwed. äſt f. ær in ll. ſg; œrom f. ære in I.
[1002]II. däniſches verbum.
pl. — β) inf. vâra; praet. vâr, vâr (altſchw. vaſt) vâr;
pl. vôre (altſchw. vårom) vôren, vôro; praet. conj.
vôre. — 2) α) vêt, vête; viſte. β) må; måge; måtte.
γ) ſkal; ſkôle; ſkulle. δ) kan; kunne; kunde. anm.
œger (habeo) geht regelmäßig nach zweiter ſchw. praet.
œgde (nicht åtte); törs (audeo) hat im praeſ. beſtändig
paſſiviſches -s, praet. torde; måſte gilt wie im engl. f.
debui und debeo und im altſchw. ein jetzt ausgeſtorbe-
nes månde für das altn. man und mundi. — 3) vill, pl.
vîlja; praet. ville. — 4) hâfva; praeſ. hâr, pl. hâfve;
praet. hâde. — 5) giœra, praet. giorde. — 6) bringa,
bragte; tänka und tycka haben regelmäßig tänkte,
tyckte. — 7) vocaliſch endende wurzeln, ſofern ſie
nicht ſtark conjugieren (wie ſlå, gå, få, två, ſtå, dœ, lê,
ſê) folgen α) meiſtens der erſten ſchwachen, werfen aber
alle flexionsvocale des praeſ. weg, als: ſå (ſerere) ſår
(ſero) ſå (ſerimus) ſån (ſeritis) ſå (ſerunt) ſt. ſåa, ſåer,
ſåe, ſåen, ſåa; praet. ſådde; ebenſo: nå (appropinquare)
når, nådde; ſpå (vaticinari); ſkê (fieri) ſkêr, ſkêdde; dî
(lactare) dîr, dîdde; bô (habitare) bôr, bôdde; grô (vi-
rere); rô (remigare); ſkô (calceare); ſnô (torquere) ſpô
(feſtinare); trô (credere); dœ (mori) dœr, dœdde (ne-
ben dôg); ſtrœ (ſpargere); brŷ (vexare) brŷr, brŷdde;
flŷ (fugere) flŷr, flŷdde. β) wenige nach der zweiten
und ganz regelrecht, ohne kürzung der flexion: ſpêa
(irridere) ſpêar, ſpêade; tœa (roreſcere) tœar, tœade.
γ) mehrere ſchwanken zwiſchen j und g: bœja (flectere)
bœjer, bœjde oder bœga, bœger, bœgde; ebenſo plœja
(arare) rœja (reprehendere); fæja (mundare) fæjar, fæjade
oder fæga, fægar, fægade; ſnœja (ningere) ſnœjar, ſnœ-
jade oder ſnœga etc.
Die däniſche ſprache unterſcheidet den ſg. vom pl.,
(ſtrenge nur im praeſ.; wogegen im praet. ſchwacher
form überall, im praet. ſtarker oftmahls beide numeri
gleichlauten) das praeſ. vom praet., nicht mehr conj.
vom ind., nicht mehr die drei perſonen untereinander
(vgl. anm. 8. zur ſtarken conj.); praeſ. ſg. endigt ſtark
und ſchwach auf -er, -er, -er; pl. auf -e, -e, -e
(alſo mit dem inf. zuſ. fallend). Das ſtarke praet. hat
im ſg. unflectierten ablaut, im pl. -e; das ſchwache
im ſg. und pl. -de, oder -te, oder -ede.
I. falder, faldt, faldt, falden; holder, holdt, holdt, hol-
den; faaer, fik, fik, fangen; gaaer, gik, gik, gangen,
inf. gaae, imp. gak, neben dem neueren gaae. — II. hed-
der, hêd, hêd, ohne part. praet. — III. lœber, lœb, lœb,
lœben; hugger, hugg, hugg, huggen. — IV. græder,
græd, græd, ohne part. praet.; lâder (ſino) iſt durch
verwechſlung des organ. aa mit â in VII. eingetreten. —
VII. gâler, goel, goele, gâlen; fârer, foer, foere, fâren;
ſvärger, ſvoer (und ſoer) ſvoere, ſvôren; ſtaaer, ſlôd,
ſtôde, ſtanden, inf. ſtaae, imp. ſtât, neuer ſtaae; grâver,
grôv, grôve, grâven; lâder (ſino) lôd, lôde, lâ-
den; drâge, drôg, drôge, drâgen; ebenſo tâger und un-
org. jâger; lêr (rideo) loe, loe, part. lêt; ſlaaer, ſlôg,
ſlôge, ſlaaen. — VIII. grîner, grên, grêne, part. ſchw.;
trîner (gradior) ebenſo; ſkinner geht ganz ſchw.; grî-
ber, grêb, grêbe, grêben; knîber; pîber; ſlîber; blîver,
blêv, blêve, blêven; drîver; rîver; ſkrîver; glîder, glêd,
glêde, glêden, ebenſo: gnîder; rîder; ſkrîder; ſtrîder;
ſvîder; vrîder; bîder; ſlìder [doch machen beide letz-
tere, deren d dem ſchwed. t, deutſchen Ʒ entſpricht,
kein ſtarkes part., ſondern ſchwaches: bidt, ſlidt]; ſkrî-
ger, ſkrêg, ſkrêge, ſkrêgen; ſnîger (repo); kìger (inſpi-
cio); ſtîger; ſvîger; vîger. — IX. krŷber, krœb, krœbe,
krœben; klŷver, klœv, klœve, klœven; bŷder, bœd,
bœde, bûden; brŷder; flŷder; gŷder; lŷder; nŷder;
ſkrŷder; ſkŷder; ſnŷder; ſŷder; ſortrŷder; gŷſer, giœs,
giœs ohne ſtarkes part. praet. gleich den beiden folgen-
den fnŷſer; nŷſer; kŷſer, kiœs, kiœs, kŷſen; frŷſer,
frœs, frœs, fruſſen oder froſſen; fŷger, fœg, fœge,
fœgen oder fŷgen; ebenſo rŷger; ſtrŷger; flŷger und lŷ-
ger ſchwanken in flŷver, lŷver; praet. flœi, lœi, flœi,
lœi, part. flœjen, lœjen; ſŷnger und ſŷnker ſtreifen aus
XII. hierher. — X. dræber geht ſchwach; gîve, gàv,
gâve, gîven; ſôver, ſôv, ſôve, ſôven; æder, aad, aade,
part ſchwach; træder, traad (neben traadte) part. ſchwach;
bêder, bâd, bâde, bêden; kvæder, kvâd, kvâde, kvæ-
den; gîder, gâd, gâd, gîden; ſidder, ſâd, ſadde, ſid-
den; ligger, laae, laae, liggen; ſêr, ſaae, ſaae, ſên;
være (eſſe) hat nur das praet. vâr, vâre, part. væren;
læſer (lego) geht ſchwach, praet. læſte. — XI. ſtiæler,
ſtiâl, ſtiâle, ſtiaalen; bær (f. bærer) bâr, bâre, baaren;
ſkiær (f. ſkiærer) ſkâr, ſkâre, ſkaaren; ſtatt kôme, for-
nême gilt komme, fornemme nach XII. — XII. hiälper,
[1004]II. däniſche ſtarke conjugation.
hialp, hialp, hiulpen; ſkiälver, ſkialv, ſkialv, ſkiul-
ven; giälder, giald, giald, ſmälder, ſmald, ſmald,
beide ohne ſtarkes part.; fornemmer, fornam, fornam,
fornummen; binder, bandt, bandt, bunden; finder;
rinder; ſpinder; ſvinder; tvinder; ſtinker, ſtank, ſtank,
ſtunken; ſŷnker, ſank, ſank, ſunken; hänger, hang,
hang, ohne ſtarkes part.; ſpringer, ſprang, ſprang, ſprun-
gen; tvinger; klinger; ſŷnger, ſang, ſang, ſungen; ſlip-
per, ſlap, ſlap, ſluppen; träffer, traf, traf, truffen;
drikker (nicht drinker) drak, drak, drukken; ſtikker;
knäkker, knak, knak, knukken; bräkker; ſmäkker;
ſpräkker; träkker; briſter, braſt, braſt, bruſten; tärſker,
tarſk, tarſk, torſken. — anmerkungen: 1) folgenden
praet. der vier erſten conj. mangelt aller ablaut: faldt,
holdt, lœb, hugg, græd. 2) die wurzeln ld, nd in I
und XII werden im praet. auslautend und unorganiſch
zu ldt, ndt: faldt, holdt, bandt, fandt etc; nur halb
analog iſt das ſchwed. höllt, hant f. höll, han. — 3) der
ablaut des ſg. bleibt überall im pl. [altdäniſch noch im
XII. der pl. ſprunge etc. in I. ginge. finge Bloch §. 519.
530.] ja, der pl. praet. gibt ſogar ſein flexions-e auf
und lautet dem ſg. gleich, nothwendig nach den conſ.
verbindungen in conj. I. XII., willkürlich nach einfa-
chen conſ. d. h. man darf grêbe oder grêb; ſkâre oder
ſkâr; grôve oder grôv als pluralform brauchen; in laae,
ſaae hat ſich umgedreht das flexions-e des pl. verhärtet
in den ſg. eingeführt, daß letzterer eigentlich laa, ſaa
lautet folgt aus dem anomalen maa, pl. maae. — 4) oe
vor l und r ſtatt ô (ſ. 560.) erinnert ans mittelh. uo, ue,
mittelniederl. oe; aad, laae, ſaae, entſpricht dem altn.
ât, là, ſâ und ſchw. åt, låg, ſåg; das in ſtial, ſtiaalen;
hialp, hiulpen unorganiſch eingeſchobne i hat mit dem
ablaut nichts zu thun; gar kein ablaut iſt das au in
taug (tacuit) von tîe, es ſtammt mit apocopiertem -de
aus dem org. ſchwachen praet. þagdi von þegja [alt-
ſchwed. tagde, neuſchw. têg von tîga] wie das part.
taugt beſtätigt, vgl. oben ſ. 561. über tavs, taus f. tagſe.
Die beßere form tîede gilt daneben. — 5) ſchwache
praeſentia an umlaut, i für e, gemination und ablei-
tungs-j (g) erkennbar: hedder (altn. heitir), ſvärger, lêr,
dœr, ſidder, ligger. 6) ſchwache praet. neben ſtarken:
gâlede, fârede, jâgede, grînte, trînte, klingede etc. ne-
ben goel, foer, jôg, grên, trên, klang. 7) noch häufi-
geres ſchwanken zwiſchen ſtarkem und ſchwachem part.
praet, zumahl in VIII und IX. — 8) das altdän. ver-
[1005]II. däniſche ſchwache conjugation.
leiht der II. praet. ſg. hin und wieder die flexion -ſt.
als: fikſt, tôgſt, lêdſt, blêvſt, lœiſt, gâvſt, hialpſt (Bloch
§. 548.)
| praeſ. täll-er | pl. täll-e | praet. tâl-te | pl. tâl-te |
| bränd-er | brän-de | bränd-te | bränd-te |
1) der vocal vor dem -de, -te praet. wird ſtets ſynco-
piert, unorganiſch das aus dieſem voc. im praeſ. ent-
ſprungene g beibehalten in vâlgte, ſôlgte, dûlgte, ſpurgte
ſt. vâlte, ſôlte, dûlte, ſpûrte, ähnlich dem ſchwed. mis-
brauche: ſkîljde, hœljde, tæljde. — 2) bei der ſyncope
bleibt -de nur nach vocal und einfachem b, v, g der
wurzel (ſtræbde, krævde, hâvde, lâgde, ſâgde) wird aber
in allen übrigen fällen zu -te, namentlich nach liq. ten.,
d und ſ; valgde, ſtrakde, tänkde, vîſde (Bloch 493. 497.)
ſt. des allein richtigen valgte, ſtrakte, tänkte, vîſte iſt
unzuläßige neuerung; vielleicht darf auch nach b -te
folgen: raabte, ſtræbte ſt. raabde, ſtræbde. Das harte
ndte (ſendte, brändte) wird nicht in nde oder nte ge-
mildert; für ltte, ſtte aber, ſtatt der milderung lte, ſte,
unorg. übertritt in die zweite conj. vorgezogen, z. b.
välte, vältede, fäſte, fäſtede (ſchwed. välta, välte; fäſta,
fäſte) ähnlich dem neuh. kältete, dürſtete (mittelh. kelte.
durſte). — 3) urſprüngl. kurzſilbige wurzeln geben auch
hier ſpur des ableit. vocals im praeſ. α) durch gemi-
nation des conſ. (wie im alt- und mittelh.) als: tälle
ſkille, hylle, tämme, vänne, ſmörre, ſätte, räkke, väkke;
altn. telja, hylja, ſkilja, temja, venja, ſmyrja, ſetja, rekja,
vekja; welche gem. im praet. vereinfacht wird: tâlte,
ſkîlte, tâmte etc. β) durch verhärtung in g (nur nach
l und r) als: välge, ſälge, dölge, värge, ſpörge; altn.
velja, ſelja, dylja, verja, ſpyrja. γ) manche ganz pa-
rallele wörter zeigen keines von beiden, z. b. qvæle,
altn. qvelja, woraus eben ſo gut hätte qvälle oder
qvälge werden dürfen; glæde, altn. gledja etc. — 4) rück-
umlaut im praet. bewahren folgende urſpr. kurzſilbige:
tâlte, tâmte (?), vânte, ſatte, râkte, ſtrâkte, vâkte,
ſmûrte, lâgde, ſâgde [oder mit kurzem a: talte, rakte,
ſmurte?]; auffallend ſelbſt jene mit in g verhärtetem j
(d. h. dem urſprünglichen, rückuml. hindernden i):
valgte, ſolgte (ſchwed. ſålde) dulgte, ſpurgte, doch nicht
vargte, ſondern värgte, welches (wie das ſchwed. tæljde,
hœljde, nicht tâljde, hôljde) allerdings richtiger ſcheint. —
[1006]II. däniſche anomalien.
5) urſpr. langſilbigen gebührt weder gem. noch verhär-
tetes g, noch rückuml.; doch findet ſich ausnahmsweiſe
tadelhafte gem. (römme, altn rŷma) ſchwerlich jenes g.
denn in fölge, ſörge iſt g organiſch (altn. fylgja, ſyrgja);
tadelhafter rückuml. in fulgte (nach der analogie von
dulgte eingeführt) nicht ſurgte, ſondern ſörgte; beßer
wäre fölgte (ſchwed. följde, ſörjde). — 6) beiſpiele:
mæle, mælte; fœre, fœrte; vende, vendte; brände,
brändte; fœde, fœdte; ſœge, ſœgte; ſpîſe, ſpîſte etc.
Das praet. behält -ede; beiſpiele: 1) einfache: tâle, for-
mâne, tiene, ſvâre, bande, knurre, bâde, kaſte, knâge,
takke etc. — 2) bildungen l, m, n, r etc. ſamle, tumle,
rœdme, aabne, undre, elſke etc. — anm. α) die neuere
ſprache, beſonders der dichter, kürzt viele -ede in -te
(nach erſter conj.) z. b. tiente, elſkte f. tienede, elſkede;
allgemein kaldte f. kaldede (ſchwed. kallade). — β) die
grammatiker nehmen auch den imp. ſg. zweiter conj.
ohne flexions -e an, z. b. tâl, kaſt etc. wofür altdän.
tâle, kaſte; doch den bildungen mit -l, -m, n, r muß
das -e bleiben: handle, aabne, vandre; ohne grund er-
klärt Bloch §. 544. ſolche formen für undäniſch.
1) eſſe: α) êr, êr (altd. eſt) êr; pl. êre. β) inf. være;
praet. vâr, vâr (altd. varſt) vâr; pl. vâre. — 2) α) vêd;
pl. vîde; praet. vidſte. β) maa pl. maae; praet. maatte.
γ) ſkal pl. ſkulle; praet. ſkulde. δ) kan, kunne; kunde
(nicht kunte, oder kundte, weil hier nd dem altn. nn
entſpricht; vgl. ſ. 883. alth. konda, nicht konta). anm.
ejer oder eier hat ejede, nicht mehr das alte aatte; tœr,
pl. tœr, praet. turde; ebenſo bœr, pl. bœr; burde beide
regelmäßig nach erſter ſchw., nur daß der pl. nicht
tœre, bœre lautet; im altdän. noch häufig mon, monne
(altn. man, mundi). — 3) vil, ville; vilde. — hâve;
praeſ. hâr; pl. hâve; praet. hâvde. — 5) giœre; praeſ.
giœr, praet. giôrde. — 6) bringe, bragte; tänke regel-
mäßig tänkte, tykkes, tykkedes. — 7) α) nach erſter
ſchwacher: ſkê, ſkêde; ſnê (ningere) ſnêde; dœ, dœde.
β) die meiſten nach zweiter: naae, naaede; ſaae, ſaaede;
bôe, bôede; rôe (remig.) rôede; ſnôe, ſnôede; grôe, grôe-
de; tôe (lavare) tôede; ſtrœe, ſtrœede; tœe (roreſc.) tœede;
flŷe, flyede u. a. m. γ) bœje, bœjede; feje; plœje etc.
Das gegenwärtige buch behandelt die bildung und de-
clination, das vierte die bedeutung und conſtruction der
participien. Auch ihre bildung könnte, wie die der
geſteigerten adjective, ins dritte buch zu gehören ſchei-
nen; doch als flexionen des verbums angeſehen fallen ſie
der conjugation anheim. Sämmtliche deutſche ſprachen
erkennen zwei participia, eins der gegenwart und eins
der vergangenheit.
ſie geſchieht durch die ſilbe -and, wozu geſchlechts-
kennzeichen und flexionen der decl. treten; 1) in der
goth. ſtarken conj. bleibt dieſes and ungetrübt, in der
ſchwachen miſcht es ſich mit dem ableitungsvoc. näm-
lich in der erſten gilt j-and, in der zweiten -ônd (für
ô -and), in der dritten and (f. ái-and); beiſpiele: bínd-
ands, naſjands, ſalbônds, habands. — 2) alth. ſtark-ant,
ſchwach j-ant und -ant (f. j -ant), ônt (ô -ant) ênt
(ê -ant); beiſp. pintantêr, nerjantêr, ſalpôntêr, hapên-
têr; ſeit dem 9. jahrh. ſchwanken die ant in ent. —
3) altſ. -and oder end, ſchwach j-and, j-end, ônd;
z. b. bindand, nerjend, manônd. — 4) angelſ. -end:
bindende, nerjende, ſëalfigende. — 5) altnord. -and:
bindandi, teljandi, kallandi. — 6) mittelh. -end ge-
wöhnlich mit tonloſem oder ſtummem e, welches letz-
tere nach der regel ausfällt (hëlnde, bërnde, klingelnde;
nicht aber videlnde, kobernde); ausnahmsweiſe noch
tieftoniges -ànt, ànde, ènde, ùnde (beiſpiele ſ. 367. 957.);
vielleicht entſprach ùnt, ùnde dem alth. ônt (alſo ſchon
alth. vriunt f. vrîônt, goth. frijônds, wie vîant goth.
fijands?) doch wird es auch wörtern der erſten conj. ge-
geben, vgl. Ernſt 16a wueſtùnde: unde. Höfiſche dich-
ter vermeiden den tiefton, ſtatt: videlènde Nib. 7982.
lieſt E. L: vil videlende. Zu merken die (mögliche,
nicht nothwendige) abſorption des participialen -en α)
wenn lange wurzelſilbe mit n ſchließt, als: weinde (f.
weinende) Parc. 28c; diende (f. dienende) Nib. 2176.;
arnde (f. arnende) Tit. X. 190; β) wenn die bildungs-
ſilbe -en kurze wurzelſilbe vor ſich hat, z. b. rëgende,
ſëgende, neben rëgenende, ſëgenende; geht lange wur-
zel vorher, ſo iſt die auslaßung nothwendig. z. b. of-
fende, wâpende (ſt. offennde). γ) nach kurzer wurzel
auf -n kommt ſie vor z. b. mande f. manende, ſendeƷ
[1008]II. bildung des particip. praeteriti.
M. S. 1, 5a 2, 184a ſenender 1, 74a, doch nicht im reim.
δ) bedenklicher ſcheint ſie nach kurzer wurzel auf l
und r, wo das ſtumme e nothwendig wegfiel, z. b. hëlde
ſpilde, wërde f. hëlnde, ſpilnde, wërnde? und ließe
ſich brëhtiu (ſt. brëhtiu aus përahtju, oben ſ. 938.) aus
brëhendiu, brëhdiu deuten, indem hd zu ht geworden
wäre? ε) unleugbar iſt töude (moribundus) f. töunde,
töuwende Parc. 18c 55b 70a: vröude gereimt. — 7) mit-
tel- und nenniederl. -end. — 8) im mittelengl. beginnt
-end in die adjectiviſche bildung -ing zu ſchwanken,
welche letztere bald vorwiegt und im neuengl. jenes
-end völlig verdrängt hat. — 9) neuh. end, aber nie
mehr tieftonig; -nd nur in den fällen, wo noch ſtum-
mes e dauert, nämlich bei bildungen mit l und r: klin-
gelnd, wundernd; die mit m, n ſyncopieren ihr bil-
dungs -e: âthmend, rêgnend. Keine verkürzung leiden:
weinend, dienend, warnend etc.
doppelt nach dem unterſchiede ſtarker und ſchwacher
form. Die ſtarke conjugation wirkt es durch die flexion
-an, -in, -en, womit jedoch häufig ablaut verbunden
iſt; ich habe bei aufzählung der einzelnen ſtarken verba
jedesmahl zuletzt die geſtalt des part. praet. angegeben.
Aus dieſen angaben ſieht man, daß die reduplicieren-
den conjug. ihrem part. praet. reduplication entziehen,
folglich beſtändig den vocal des praeſ. laßen; glaublich
reduplicierte es aber in älterer zeit, ſo daß für fahans,
háitans, áukans, ſlêpans ein fáifahans, háiháitans, áiáu-
kans, ſáiſlêpans beſtand. Wie aber für ſáians und lê-
tans? ſáiſôans, láilôtans oder ſáiſáians, láilêtans? Ulphi-
las ohne redupl. hat erweiſlich ſáians Marc. 4, 16. und
lêtans Luc. 16, 18. (wo leitans, nach dem wechſel zwi-
ſchen ei, ê; ſ. 36.) nicht ſôans, lôtans, weshalb mir ſái-
ſáians, lailêtans wahrſcheinlicher vorkommt. Alle ſpäte-
ren ſprachen, wo ein ſcheinbarer ablaut îa, ie, iu, ê
das praet. der ſechs erſten goth. conj. formt, geben dem
part. praet. den vocal des praeſ.; ihn beſitzt auch das
part. praet. der ſiebenten und zehnten durchgängig: fa-
rans, liſans, woraus vielleicht ein älteres reduplicieren-
des princip dieſer conjugg. gefolgert werden darf, ein
fáifarans, láiliſans und daraus ein praet. ind. fáifôr, lái-
las? Das e ſtatt a im part. ſiebenter vor kehllauten,
welches die angelſ. altn. und niederl. mundart ent-
wickelt, muß als unorg. abweichung betrachtet werden.
[1009]II. bildung des particip. praeteriti.
Die vier übrigen conjugg. drücken die vergangenheit
auch am part. durch ablaut der wurzel aus und zwar
die eilfte verleiht ihm eigenthümlichen, vom ablaut des
ind. verſchiedenen (numans, nomanêr); die achte, neunte,
zwôlfte laßen ihm den des plur. praet. (gripans, gutans,
bundans, vaúrpans). Man merke, daß das part. praet.
überall kurzvocaliſch iſt. außer wo es in reduplicieren-
der conj. das áu, ai, ê des praeſ. beſitzt. Soviel vom
ab -oder nichtablaut des part. praet.; was die hinzutre-
tende flexion betrifft, ſo lautet ſie 1) goth. -an [abwei-
chend ſcheint nur fulgin κρυπτὸν Matth. 10, 26. Marc.
4, 22. Luc. 8, 17. gafulgin κεκρυμμένον Luc. 18, 34. 19,
42. von einem oben ſ. 842. nicht angeführten filgan, falg,
fulgun, davon nur II. praet. ſg. affalht ἀπέκρυψας (für
falgt, wie aiht f. áigt) aus Luc. 10, 21. nachzuweiſen
ſteht; von der adj. bildung -ein iſt dieſes -in verſchie-
den, ſo wie der ſtamm filgan von filhan, commendare,
part. fulhans; vgl. das altn. fëla in conj. XI.]. 2) alth.
an [giwagon O. I. 3, 72: wiƷagôn ſteht dem reime zu
lieb f. giwagan; verſchiedenemahl ſetzt O. -inu f. -anu,
als: gihaltinu IV. 29, 32. giwëbinu IV. 29, 28; doch 28,
16. ſteht giwëbanu] welches allmählig zu -en wird, N.
braucht entſchieden -en [bei T. ſcheinen viele -en aſſi-
milation, z. b. 244. erhabênen, während unflectiert er-
haban, nicht erhaben gilt. wiewohl der text ſchwankt,
z. b. 185, 12. worphanemo, nicht worphenemo] —
3) das mittelh. -en ſyncopiert ſein e nach den bekann-
ten grundſätzen (varn, korn, holn, born); neuh. unter-
bleiben dieſe ſyncopen mit der ſtummheit (vâren, kô-
ren, hôlen, bôren). — 4) altn. -inn (f. inr) niemahls
-ann; weil kein umlaut folgt (alinn, fallinn, lâtinn,
runninn etc. nicht elinn, fellinn, lætinn, rynninn; denn
ekinn, dreginn, fenginn haben andern grund) unorga-
niſch und dem -idh f. adh (ſ. 912.) analog. — 5) angelſ.
-en, ob zunächſt aus -an oder -in entſpringend? läßt
ſich nicht beſtimmen, doch erſteres als wahrſcheinlicher
annehmen. — 6) niederl. engl. ſchwed. dän. -en.
Das part. praet. ſchwacher conj. wird, analog dem
praet. ind. durch ein hinzugefügtes d oder t gebildet:
1) goth. d, das aber auslautend und vor s zu þ wird,
der vorausſtehende ableitungsvocal leidet keine weg-
laßung: naſiþs, branniþs, ſalbôþs, habáiþs; fem. naſida,
brannida, ſalbôda, habáida; neutr. naſi[þ] oder naſidata,
branniþ oder brannidata etc. — 2) alth. t, aus -und in
inlautend, neritèr, ſalpôtêr, hapêtêr. Der ableitungs-
S s s
[1010]II. bildung des particip. praeteriti.
voc. iſt in den beiden letzten conj. unauswerflich, desglei-
chen bei kurzſilbigen wurzeln der erſten: nerit, neritêr,
nerites, neritaƷ, ſelit, ſelitêr etc. Schwierigkeit machen
langſilbige: α) J. duldet auch hier keine auswerfung des i,
es mag flexion hinzutreten oder nicht: 342. 395. chi-
dhechidju, dhechiderô; 347. chihneigidju; 354. 361. 365.
chiſendidan; 358. chideiliden; 363. chinômidju; 378.
chichundidju; chibrêvidô; 388. arflaugidêm; 391. chiwî-
hidô; 404. chimengidê; 406. chiſaugida. β) ſtrengalth.
bei K. und N. folgende regel: der abl. vocal bleibt, wenn
das participiale -t auslautet, fällt aber weg, ſobald decl.
flexion hinzutritt, ſeine ſyncope zieht dann, was rück-
umlaut und conſonanten betrifft, dieſelben folgen nach
ſich, die oben beim ſyncopierten praet. ind. angegeben ſind.
Es heißt demnach piwemmit, kiprennit, kiderrit, kiſezit
(K. 45b) kimeſtit, (N. p. 263b, 15.) kirefſit, kiſtrecchit, kirih-
tit, kivillit, kivullit, kiwîhit, kitrôſtit, kiteilit, kiſuohhit,
kituomit (nicht piwamt, kiprant, kidart, kiſazt, kiſtraht,
kiriht, kivilt, kivult, kiwîht, kitrôſt, kiteilt, kiſuoht);
hingegen piwamtêr, kiprantêr, kidartêr, kimaſtêr, kiraf-
ſtêr, kiſaztêr (K. 27b N. 44, 17.) kiſtrahtêr, kirihtêr etc.
nicht kiprennitêr, kideritêr, kiſtrecchitêr, kirihtitêr etc.)
und ſo bei allen andern flexionen: kiprantes, kiprante-
mu etc. Ein kiſazt, kizalt, kivalt, kiſcant, kiwant, ki-
dact wäre ſo unzuläßig als ein kiſezitaƷ, kivellitaƷ, ki-
wenditaƷ, kikidecchitaƷ [kizelitaƷ etc. möglich, ſogar
üblich K. 27b 49a, wegen org. kurzſilbigkeit, zellan =
zeljan analog weljan, unanalog vellan; part. kiwelit, ki-
welitaƷ; kivellit, kivaltaƷ.]; doch als ſeltne ausnahme
farſalt miſc. 1, 4. γ) T. folgt zwar im ganzen der-
ſelben regel, d. h. es ſtehet gifullit, ziteilit, ziſprei-
tit, giſentit, bitheckit, arwelzit etc. und gifultên, zi-
ſpreittê, giſantê (13, 21.) bithactes (44, 18.) arwalz-
tan etc.; allein da in dieſem denkmahl noch manche
praet. ind. unſyncopiert vorkommen (oben ſ. 873.) z. b.
wâtita, ſougita, heldita, miſgita, bruogita, antlingita,
gihengita etc. pflegen auch die flectierten part. ſolcher
verba das i zu behalten; girôſtites 231, 2. erbruogite 217, 4.
gihelditemo 208, 6. gimiſgitan 202, 3. giwâtitan 196. 7. 244,
1. giſezitu 25, 1. 45, 4. gewentite 39, 8. giweigitê 44, 1.
girîmitu 44, 21. etc. giſelit 158, 6. giſelitu 67, 8. (neben
dem praet. ſalta) erklärt ſich aus der alten kurzſilbig-
keit; formen wie gizalt, giſalt, giwant gelten im T.
ſo wenig, als ſtrengalth. — δ) auch O. beobachtet mei-
ſtens den ſtrengalth, grundſatz, z. b. irfullit, gifuagit, gi-
[1011]II. bildung des particip. praeteriti.
zelit (II. 21, 87.) gimeinit, bicleibit, irougit und irful-
taƷ, gifuagtê, gizaltêr (I. 11, 18.) gimeintan, bicleiptaƷ,
irougtaƷ etc. geſtattet ſich aber einigemahl ginant III. 22,
101. gizalt III. 22, 38. für ginennit, gizelit; daß er V.
25, 172. bithekitaƷ und nicht bithactaƷ ſchreibt, iſt keine
abweichung, ſondern er behält in dieſem worte das org.
einfache k theken (nicht thecken, ſtrengalth. decchan,
dacta) weshalb das praet. thekita lautet. — ε) den ano-
malen praet. prâhta, dûhta, worhta entſpricht ein ſtets
(d. h. auch ohne flexion) ſyncopiertes part. prâht, kidùht
(K. 22b 26a) kiworht; auffallend gilt neben dâhta das
part. kidenchit (bithenkit O. I. 1, 45. II. 11, 103; geden-
chet N. 57, 10.) nicht kidâht (mittelh. gedâht); wie wohl
davon die mir nicht gegenwärtige flectierte form lautet?
kidanhtes (wie kiwanhtes von wenchan), kidàhtes oder
kidenchites? — ζ) bildungen mit l, m, n, r haben
ſtrengalth. nach der regel verkürztes part. mit, unver-
kürztes ohne flexion, z. b. kinekilit (clavatus) kinidirit
(humiliatus) kinakaltes (clavati) kinidartes (humiliati)
kizeihhanit (ſignatus) kizeihhantju (ſignata) etc.; bei T.
kommt wie das praet. nidarita, ſûbarita, ſo das part. for-
nidaritê 39, 2. giſûbiritê 64, 3. vor. — 3) die mir zu-
gänglichen bruchſtücke der altſ. E. H. liefern das ſchwache
part. praet. beinahe nur unflectiert; daß in zweiter conj.
das ô, in erſter bei kurzſilb. das i nicht ausfalle, ver-
ſteht ſich. Langſilbige haben es unflectiert meiſtentheils:
giwendid, ginâhid, gihrôrid, gifuogid, giwêgid, giwlen-
kid, gimengid, gifullid. giſendid, ginôdid etc.; bemer-
kenswerthe ausnahmen ſind giſald (nicht giſelid) gitald
(nicht gitelid) giſôht (nicht giſôkid) und giwarht (nicht
giwirkid); flectiert: fartaldâ etc. — 4) angelſ. bleibt das
ô zweiter conj. und bei kurzſilb. das ë erſter durchaus;
langſilbige behalten es in der regel, wenn keine flexion,
werfen es aus, wenn flexion zutritt, z. b. gecenned, ge-
læded, geſeted, gemenged, geſended, gebärned etc. gen.
gecendes, geſettes, gelæddes etc. dat. gecendum, gebärn-
dum. Ausnahmsweiſe ſyncopieren es auch außer der
flexion α) die ëa rückumlautenden: geſëald, getëald,
gecvëald, gevëaht, geþëaht; desgl. geſœd (dictum) Beov.
128. β) die anomalen part. broht, boht, vorht, þoht,
þûht, geſôht, gerôht. γ) ſchwankend ſind wurzeln mit
t und d; ältere quellen haben: geſeted (Beov. 128.
Cädm. 3. geſended (Beov. 70.) gelæded; ſpätere geſett,
geſent, gelæd etc. — 5) altn. bleibt wiederum das a zwei-
ter conj. nothwendig (kalladhr); das i erſter fällt bei
S s s 2
[1012]II. bildung des particip. praeteriti.
kurz- und langſilbigen weg, vgl. taldr, tamdr, brendr,
deildr. Man merke α) kurzſilbigen läßt die Edda im
nom. maſc. und neutr. noch häufig i: talidhr, hulidhr, du-
lidhr, tamidhr, baridhr, varidhr, þakidhr, lagidhr, ta-
lit, varit etc. wobei nur der unumlaut auffällt; ſind es
überbleibſel aus einer früheren zeit, die (gleich dem
goth.) noch keinen umlaut kannte? denn organiſch iſt
hier i und dasſelbe, welches im inf. telja, berja aus
talja, barja zeugt; um ſo vielmehr ſollte es telidhr, be-
ridhr, dylidhr zeugen. β) im nom. neutr. kurzſilbiger
hat ſich das i auch noch heute bewahrt: talit, hulit,
ſtunit, tamit, barit, varit etc. die ſich zum maſc., wie
kallat zu kalladhr verhalten, d. h. f. talidht, kalladht
ſtehen (ſ. 737.); da nun das part. praet. ſtarker conj. im
neutr. gleichfalls auf -it (f. -int) ausgeht, begreift ſich,
warum viele ſchwache verba erſter conj. aus ſolchem
neutr. unorganiſche formen -in, umgekehrt part. ſtarker
conj. formen -d entwickelten (oben ſ. 307.). Raſk ſtellt
für ſolche zweiformige part. eine miſchdeclination auf
(§. 194. 248.); ich zweifle, daß ſich aus alten denkmäh-
lern ein galda (incantatam) göldum (incantato) oder ein
talinn (numeratus) talins (numerati) ergebe ſt. der orga-
niſchen formen galna, gölnum und talidhrr, talidhs. All-
mählig aber reißt die doppelform ein. γ) langſilbigen, de-
ren neutrum bloßes -t, kein -it beſitzt, fehlt alle ver-
ſuchung zu dieſer doppelform, vgl. brendr, brent; rûmdr,
rûmt; hvattr, hvatt; gladdr, gladt. — 6) mittelh. tragen
ſich folgende abänderungen der früheren einrichtung zu:
α) kurzſilbige ſyncopieren das ableitungs -e nicht nur
in erſter, ſondern auch zweiter conj. nothwendig nach
l und r: gewelt, geſchelt, gebert, geſpürt; geſpilt, ge-
zilt, gewërt, geſpart; nach andern conſ. meiſtentheils,
das part. geht hier ganz analog dem praet. ind., nament-
lich auch in den formen geleit, geſeit (ſ. 947.) gereit,
gekleit f. geklaget (ſ. 959.) gekleit f. gekleidet (ſ. 961.).
β) langſilbige zweiter conj. behalten in der regel ihr e,
als: gehêret, gewâget, gemachet, geminnet, geſeller etc.
inzwiſchen ſteht ausnahmsweiſe gemaht f. gemachet
Flore 9c troj. 60a 116a 169a altd. w. 2, 89; gewaht f. ge-
wachet Ben. 144; anderwärts gemêrt f. gemêret etc. Bei
zutretender flexion wird die ſyncope zuläßiger, z. b. ge-
hêrte Parc. 52a 78c. γ) bei langſilb. erſter conj. iſt zwar
immer noch der unflectierte fall von dem flectierten zu
unterſcheiden und a) für letzteren kürzung zu behaup-
ten, folglich mit rückuml. und conſ. beſtimmung des
[1013]II. bildung des particip. praeteriti.
praet. ind. z. b. gebranter, geſazter, geracter, gerihter,
gevulter, geteilter etc. nicht: gebrenneter, geſetzeter etc.
belege: verſcharter (? verſcherter), getoufter a. Tit. 64.
76; bewandem. gerihtiu, geſagtem, geluptem, gewîhtin,
verkêrtem, gerihtem Parc. 46c 54a 67c 70a 116b 122a 126b
143a; geteilter, gedruckten Kl. 1785. 1956. 3178; gerac-
ten, gezartem, zevuortem Wigal. 158. 182 etc. Über-
haupt lind ſolche declinierte part. unhäufig und im Triſt.
wo ihrer gerade mehr vorkommen, als in andern ge-
dichten, findet ſich auffallend die unverkürzte form,
vgl. 49c geſenketem 51a zeſtücketen 56a erwünſchete 67a
gehertete 86a gelìmeten (doch 6b 85b gelìmten) 88c ge-
gelletem 114a gelüppeter etc. geſtattete dieſe Gotfr. mund-
art? oder iſt geſanctem, zeſtuctem, erwunſchte etc. zu
emendieren? [betouweten 4b, verweiſete 13b, getageten
28b, gewarneten 39c etc. gehören der zweiten conj.]
wie ich a. Heinr. 199b erbeiteten in arbeiten (exerci-
tum) ändere. Alle belege ſtehen anßerhalb des reims.
b) der weit häufigere unflectierte fall duldet volle und
gekürzte form, ſo oft bei der kürzung ein conſ. ver-
ſchwindet, namentlich in wurzeln mit ll. mm. nn. rr.
pp. tt. nd. rt. ht. ſt. ft. und einfachem t, es kann heißen:
gevellet, geſtellet, geſtillet, gevüllet, gekemmet, gebren-
net, zetrennet, genennet, erkennet, überzinnet, geſperret,
gelüppet, gerettet, gewendet, geſchendet, enzündet, gegür-
tet, entnihtet, erliuhtet, geheftet, gemeſtet, getrœſtet, behue-
tet etc. aber auch: gevalt, geſtalt, geſtilt, gevult, ge-
kamt, gebrant, zetrant, genant, erkant, überzint, geſpart,
gelupt, gerat oder geret, gewant, geſchant, enzunt, erlûht,
gegurt, entniht. gehaſt, gemaſt, getrôſt, behuot; auf
dialectiſcher verſchiedenheit beruht dieſe doppelgeſtalt
nicht. beiderlei part. ſtehen hintereinander in denſelben
gedichten und beide im reim [merklich ſo, daß gekürzte
form mehr durch den reim herbeigeführt wird, volle
aber waltet, wenn kein reim dazu zwingt, d. h. genant
reimt auf lant, hant, nicht leicht auf erkant, wohl aber
genennet auf erkennet;] gezellet iſt dem gezalt gänzlich ge-
wichen. Bei wurzeln ck und tz ſcheint gedecket, geſetzet,
gezücket, ergetzet, etc. üblicher als gedact, geſazt etc. die faſt
kein reim enthält, doch Nib. 1537. geſtraht: naht und außer
reim (Priſt. 2, 560. bedact Groote 664. bedecket); under-
ſazt lw. 5a (ſo auch cod cod. giſſ. und pal.) [über geſat f. ge-
ſetzet oben ſ. 415.]; wo rückuml. im praet. ind. ſchwankt,
darf er es auch im part. z b. von gerettet iſt beides geret
und gerat (Herb. 46a 51a) richtige kürzung. c) wenn durch
[1014]II. bildung des particip. praeteriti.
die ſyncope kein conſ. ſchwindet, hat das unflectierte
part. unverkürzte form, obgleich das praet. ind. und
ſelbſt das flectierte part. kürzt; hierher wurzeln mit ein-
fachem conſ. (t abgerechnet) und den conſ. verbindun-
gen mpf, rb, nz, rz, eng, enk, rk, als: geteilet, ge-
ruemet, geſuenet, geneiget, erœſet, gedempfet, gewer-
bet, geſtürzet, geſenket, gehenget, gemerket (nicht ge-
teilt, geruomt, geſuont, geneigt, erôſt, gedampft, ge-
warpt, geſturzt, geſanct, gehanct). Ausnahme machen
die part. gehôrt, gelêrt, gekêrt, gelôſt ſtatt und neben
gehœret, gelêret, gekêret, gelœſet. δ) die part. neunter
anomalie lauten beſtändig, flectiert oder unflectiert, ver-
kürzt: brâht, gedâht (nie gedenket) gedûht, geworht,
ervorht. — ε) daſſelbe gilt von langſilbigen bildungen
mit l, n, r, als: geklingelt, gezeichent, gewundert, ge-
klingelter, gezeichenter, gewunderter und da die mit
en das en des part. praeſ. ſyncopieren, fallen hier
beide part. faſt zuſammen, vgl. bezeichentiu (ſignata f.
zeichenetiu) bezeichendiu (ſignans f. zeichenendiu) zu-
mahl auch erſteres bezeichendiu geſchrieben werden
darf. — 7) mittel- und neuniederl. richtet ſich das part.
praet. nach dem praet. ind. — 8) ebenſo neuhochd. vgl.
genært, gelêgt, gedrâbt, geſalbt, verzinnt etc. aber: ge-
wâtet, gehuͤtet, geleitet, gelâdet, gerêder, geretter etc.
gekannt, genannt, geſandt, gewandt neben geſendet,
gewendet. — 9) neuengl. lauten part. praet. ſchwacher
form und praet. ind. gänzlich gleich. — 10) im ſchwed.
iſt das ſogenannte ſupinum, unterſchieden von dem part.
praet., unorganiſche entwiekelung und Botin §. 86. ſieht
ſehr unklar. Offenbar ſollte zu den praet. vâlde, ſände,
blänkte, lêkte, kallade das part. vâld, ſänd, blänkt, lêkt,
kallad, im neutr. vâldt, ſändt, blänkt, lêkt (ſt. blänktt,
lêktt) kalladt lauten. Allein man ſondert den fall ab,
wo das unſlectierte part. praet. mit dem auxil. ha[f]va
conſtruiert wird, nennt es alsdann ſupinum und gibt
ihm durchgängig bloßes t, nämlich a) in ſchwacher
form vâlt, ſänt, blänkt, lêkt, kallat unterſchieden vom
adjectiviſchen part. maſc. vâld, kallad, neutr. vâldt, kal-
ladt und nur in blänkt, lêkt damit zuſ. fallend. b) legt
man auch ſtarken verbis ein ſolches ſupinum mit der
endung -it zu, welches wiederum von der adj. flexion
-et abweicht. Dem maſc. fallen, lœpen, tâgen, grîpen,
brûten, hunnen entſpricht das neutr. fallet, lœpet, tâ-
get, grîpet, brûtet, hunnet, wie dem maſc. lìten das
neutr. lìtet (ſ. 755.) ſtatt fallent, lìtent. Das ſupinum
[1015]II. bildung des particip. praeteriti.
hingegen lantet: fallit, lœpit, tâgit, grîpit, brûtit, hun-
nit und wird, von ſeinem unorg. urſprung abgeſehn,
zumahl wegen üblicher auslaßung des hülfsworts hâr,
überaus bequem (mehreres in der ſyntax). Überhaupt
iſt das ſchwed. ſupinum nichts als die neutrale form des
part. praet. ſchwacher und ſtarker verba, die gar nicht
auffallen würde, hätte ſich nicht das alte i ſtatt e darin
verhärtet, und gälte nicht neben dem -it zugleich ein
adjectiviſches -et. — 11) däniſch gilt kein ſolches [-]it,
vielmehr überall -et oder -t, folglich iſt a) das urſprüng-
liche d der ſchwachen form verloren, es heißt z. b.
elſket (amatus) f. elſked, im neutr. elſket (amatum) f.
elſkedt b) das neutr. part. ſtarker verba lautet -et f.
ent, als: tvunget, tâget, hat aber unorg. zuweilen das
maſc. und fem. -en verdrängt, namentlich in VIII. grînt,
trînt, bidt, ſlidt; in IX. gydt, lydt, nydt, brudt, ſkudt;
in X. ædt, ſêt etc. wo man nicht, wie ich ſ. 1003. ange-
nommen, dieſe formen für übergänge in die ſchwache
conj. halten will. — Die bedeutende abweichung ſchwed.
und dän. participialform von der hochd. zeigen folgende
beiſpiele: ſchwed. han är vunnen, detta är vunnet, han
har vunnit; dän. han er vunden, dette er vundet, han
har vundet; er iſt gewonnen (alth. iſt kiwunnanêr)
dies iſt gewonnen (alth. kiwunnanaƷ) er hat gewonnen;
ſchwed. han är ällſkad, detta är ällſkat, han har ällſkat;
dän. han er elſket, dette er elſket. han har elſket; hochd.
er iſt geliebt, dies iſt geliebt, er hat geliebt. Die hochd.
einrichtung iſt zwar einförmiger, aber gehaltener, das
männliche und neutr. kennzeichen ſind gleichmäßig ab-
gelegt, im nord. nur erſteres, nicht letzteres.
Zum ſchluße der lehre von bildung des part. praet.
die frage: iſt ihm die vorgeſetzte partikel ge- (goth.
ga-; alth. ka-, ki-; altſ. gi-; angelſ. ge-) weſentlich?
An ſich nicht (weshalb ſie auch bei darſtellung der ſtar-
ken conj. weggelaßen worden iſt) theils weil ſie einigen
mundarten, der nordiſchen namentlich, völlig fehlt,
theils in den übrigen vor gewiſſen participien, theils
endlich meiſtens unzuläßig iſt, wenn bereits andere
partikeln das verbum binden, z. b. ir-runnan, pi-ſcol-
tan, vir-loran etc. Gleich den übrigen partikeln modi-
ficiert daher jenes ga-, gi- die eigentliche bedeutung
des zeitworts und gleich ihnen kommt es nicht bloß
dem part. praet., vielmehr der geſammten erſcheinung
deſſelben zu. Auf welche weiſe ſolche modification ein-
trete, iſt im folgenden buch abzuhandeln; hierher ge-
[1016]II. bildung des particip. praeteriti.
hört der ſatz: daß allmählig da, wo der ſinn des ver-
bums unverändert beſtehen ſoll, wo folglich die übri-
gen tempora dieſer vorſilbe ermangeln, ſie ſich an das
part. praet. drängte und ihm ſeit abſchleifung der flexio-
nen gewiſſermaßen unentbehrlich wurde. In der regel
ſind die meiſten verba ihrer ſäbig, zuweilen ſelbſt, wenn
ſchon andere partikeln vorſtehen (ûƷ-ki-varan. in-ki-
puntan etc.; näheres anderswo); hauptaugenmerk verdie-
nen diejenigen verba. welche das gi- von ihrer unzuſ.
geſetzten form immer oder zuweilen abweiſen. 1) im
goth. finde ich folgende part. praet. ohne ga-: haldane,
ſáians, haitans, fráiſans, þraìhans, taúhans, quiþans,
vaúrþans und die ſchwachen: vagiþs, aliþs, valiþs, rô-
diþs, dáupiþs, manviþs. 2) alth. heiƷan (vocatus T. 13, 1.)
quëman, vuntan, wortan; die ſchwachen: prâht, ſcan-
têr. 3) angelſ. weit mehrere: hâten (vocatus, aber ge-
hâten promiſſus) hladen, hafen, ſcëacen, ſcepen, ſcofen;
dropen, boren (portatus, aber geboren natus) comen, fun-
den etc. und die ſchwachen: cenned, vëaht, þëaht.
4) mittelh. lâƷen oder lân, gëben (Wigal. 275. 405.)
vrëƷƷen (Karl 28b) komen, troffen, vunden, worden
[aber geheiƷen]; die ſchw. brâht, vreiſchet (Maria 87.
Parc. 69c) krônet (Parc. 4a) tân f. getân oben ſ. 966.; an-
dere wie niuwe-ſliffen (Nib. 1617.) niuwe-born, vol-
mëƷƷen (M. S. 1, 103a) alt-ſprochen) Karl 28b etc. müßen
ſchon als zuſ. ſetzungen betrachtet werden. 5) neuhochd.
leidet die ſchriftſprache keine weglaßung des ge-, außer
in worden (abſtract genommen; concret: geworden); es
heißt: gelaßen, gegêben, geſunden, gebracht etc. 6) um-
gekehrt iſt die vorpartikel im neuengl. verſchwunden;
mittelengl. ſteht zuweilen noch ye- oder bloßes y-, i-.
ſie iſt entw. adjectiviſch oder ſubſtantiviſch. I. (adjecti-
viſche decl.) 1) goth. nach der regel des comparativs
(ſ. 756.) nur ſchwach, nicht ſtark: gibanda, gibandei,
gibandô; der einzige nom. ſg. maſc. ſtehet auch ſtark:
gibands (oder iſt er dann als ein ſubſt. anzuſehen?) —
2) alth. gilt beides ſtarke und ſchwache form, jene aber
nach zweiter decl. d. h. unflectiert endigt der nom. auf
-i: këpanti, këpanti, këpanti; flectiert këpantêr, kë-
pantju, këpantaƷ (ſt. këpantjêr, këpantjaƷ) etc. Schwach:
këpanto, këpanta, këpanta (ſt. këpantjo, këpantja, kê-
pantja). — 3) altſ. gëbandi, wie im alth., nur tritt in
der flexion das j häufiger vor, z. b. ſlâpandjes oder ſlà-
[1017]II. declination des particip. praeſens.
pandeas (dormientis) gnornondjê (moerentes) buandjun
(habitantibus). — 4) angelſ. ſtark: gifende, gen. gifen-
des; fem. gifende, gen. gifendre etc. ſchwach: gifenda,
fem. gifende etc. — 5) altn. nur ſchwach, wie im goth.,
und gleich dem comp. (ſ. 758.): gifandi, gifandi, gifanda;
auch der ſtarke nom. maſc. unzuläßig. — 6) mittelh.
nach alth. regel, mit den durch die zeit herbeigeführ-
ten veränderungen der adj. decl.: gëbende und gëben-
der etc. — 7) neuh. gêbend (wie reich für rîche etc.)
und gêbender. — 8) in den übrigen ſprachen nach maß-
gabe der frühern regel und der adj. flexion. — II. (ſub-
ſtantiviſche decl.) gilt nur fürs maſc. 1) goth. nach der
anomalie mênôþs (ſ. 610.): frijônds (amicus) fijands (ini-
micus) garda-valdands (paterfam.) naſjands (ſalvator); gen.
frijôndis oder frijonds? dat. frijônd, naſjand Luc. 1, 48. acc.
fijand Matth. 5, 43. valdand Matth. 10, 2[6]; nom. und acc. pl.
frijônds Matth. 5, 47. fijands Matth. 5, 44. 2) alth. gehen
die ſubſt. vriunt, vîant, wîkant, hëlfant, heilant (wie mà-
nôt ſelbſt (regelmäßig nach decl. 1. (ſ. 613.) vgl. die pl.
friuntà O. II. 8, 94. fîanta I. 12, 4. fîendâ N. 5, 9. fîendô
gen. pl. N. 88, 43. dat. ſg. -e: heilante O. I. 7, 12. hël-
phante O. V. 25. 13 etc. Zu wundern wäre nicht, wenn
andere alth. quellen auch den anomalen nom. pl. vriunt.
vîant darböten. — 3) altſ. finde ich beides, anomale und
regelmäßige decl., bald den pl. wâpen-bërand (armi-
geri) bald wîgandôs (bellatores). — 4) angelſ. lautet der
nom. ſg. -nd (verſch. vom adjectiviſchen-nde): frëónd,
fëond, vëaldend, hælend, nergend, vîgend etc.; der pl.
theils anomal dem nom. ſg. gleich (wie häledh ſ. 647.)
zumahl in zuſ. ſetzungen: fold-bûend (terricolae) ymb-
ſittend (accolae) hëlm-bërend (galeati) ſæ-lîdhend (na-
vigatores; Hild. ſêolidantê, adjectiviſch) gar-vîgend
(bellatores) vgl. Beov. 136. 137. 170. 187. 196. 208. und
mit umlaut frŷnd, fŷnd (Raſk p. 30.); theils regelrecht
mit dem pl. -as, als: vëaldend, vëaldendas. — 5) altn.
geht der ſg. beſtändig ſchwach, fällt alſo mit dem ad-
jectiviſchen zuſammen, z. b. frændi (amicus) fìandi,
bûandi (ruſticus) zuſ. gezogen bôndi, dômandi (judex) etc.
Der pl. hingegen decliniert ſubſtantiviſch anomal: nom.
acc. -ndr (zu dem goth. -nds ſtimmend) gen. -nda, dat.
-ndum; als: frændr, fìendr, bœndr, vegendr, dômendr, lë-
ſendr etc. (Raſk §. 122.); fìandi pflegt gleich andi (ſpiri-
tus) den pl. auch regelmäßig zu bilden: fìandar, andar.
Der umlaut [b]œndr, dômendr vergl. ſich dem in fedhr,
brœdhr, menn. ſœtr ſ. 663. — 6) mittelh. iſt (wie ſchon
[1018]II. declination des paricip. praeteriti.
alth.) der gebrauch ſubſt. part. praeſ. eingeſchränkt; ich
finde nur vriunt, vîent, wîgant, vâlant, welche regel-
mäßig flectieren, heilant (Maria 9.) pl. vriunde, vîende,
wîgande; doch erſteres macht zuweilen den anomalen
pl. vriunt Parc. 45b Nib. 639. 2118. 5607. 7727. — 7) neu-
hochd. freund, feind, heiland regelmäßig, pl. freunde,
feinde; andere dauern nur in eigennamen, als: weigand,
vôland, wieland.
dieſe geſchieht in allen deutſchen ſprachen adjectiviſch,
beides nach ſtarker und ſchwacher form, z. b. goth. hal-
dans, haldana, haldanata; haldana, haldanô, haldanô;
aliþs, alida, alidata; alida, alidô, alidô etc. und ſo in
den übrigen, ganz nach der erſten adj. decl. Zu bemer-
ken iſt bloß 1) die im altnord. bisweilen unorganiſch
entwickelte doppelgeſtalt des part. praet. auf -n und -d
(ſ. 1012.) verurſacht eine aus beiden gemiſchte decl.,
indem man vor conſonantiſch beginnenden flexionen der
n-form, vor vocaliſchen der d-form den vorzug gibt,
z. b. taminn, tamin, tamit; gen. tamins, taminnar, ta-
mins; dat. tömdum, taminni, tömdu; acc. taminn,
tamda, tamit; pl. tamdir, tamdar, tamin; gen. taminna,
taminna, taminna; dat. tömdum, tömdum, tömdum;
acc. tamda, tamdar, tamin; die ſchwache decl. hat folg-
lich lauter d-formen: tamdi, tamda, tamda etc. Dieſe
einrichtung iſt dem wohllaut günſtig, aber wider die
natur des unterſchieds ſtarker und ſchw. conj., daher
auch den älteſten quellen nur tamdr, tömd, tamt, gen.
tamds, tamdrar, tamds; dat. tömdum, tamdri, tömdu;
acc. tamdan, tamda, tamt etc. hingegen: galinn, galin,
galit; gen. galins, galinnar, galins; dat. gölnum, ga-
linni, gölnu; acc. galinn, galna, galit etc. gemäß ſcheint,
vgl. edd. ſæm. 256a lamdan, mutilatum (nicht laminn). —
2) im alth. ſcheint aſſimilation des vocals der partici-
pialen endung ſehr ſelten, und etwa in kipuntan, ki-
puntenêr, kipuntenes zuläßig, aber kein kipuntonô f.
kipuntanô; noch weniger kimanetêr f. kimanôtêr, ſon-
dern die ê und ô ſchw. conj. ſtehn unverletzlich. Daß
bei langſilbigen erſter ſchw. mit der decl. kürzung des
ableitungs -i eintrete (kiteilit, kiteiltêr, kiteiltes; kiſe-
zit, kiſaztêr, kiſaztes etc.) verſteht ſich nach ſ. 1010. —
3) mittelh. iſt auf das ſtumme oder tonloſe e in der
flexion ſtarker part. praet. bedacht zu nehmen, wobei
die regel der adj eigen und ëben (ſ. 747. 749.) eintritt;
[1019]II. bildung des participialen adverb.
es heißt demnach: gevangen, gen. gevangens, dat. ge-
vangenme und ſchwach: der gevangen, des gevangen,
dem gevangen, den gevangen etc. ſchwach decliniert
lauten alle langſilbigen unveränderlich, vgl. gevangen
Parc. 50b Wigal. 24, 410. gevallen Parc. 68a beſcheiden
Parc. 69a verborgen Iw. 11a 15b beſcholten: molten Wilh.
2, 189b geworfen Parc. 44a; kurzſilbige müßen das e der
flexion behalten z. b. gelëgen, gen. gelëgenes, dat. ge-
lëgenem und ſchw. der gelëgene, der gezogene. der
verlorne (: zorne Parc. 47c) etc. Nach dieſen grundſätzen
wäre: diu gevangene Parc. 50b der betwungene Parc. 53b
die gevangenen Triſt. 137a in gevangen, betwungen;
geladen (onuſtum) Parc. 82b geriten Parc. 130c in gela-
denen, geritene zu beßern. — 4) neuh. bleibt das ſtum-
me e überall, z. b. der gefallene, geworfene, gelàdene,
berittene, gen. gefallenen; eher darf das bildungs-e
ſyncopiert werden: gefallne, gefallnen.
Im alt- und mittelh. (allen übrigen mundarten man-
gelt die form) bildet ſich aus beiden participien mittelſt
der endung -o ein eigenthümliches participiales adverbium.
Man darf dieſes -o weder für den adjectiviſchen dativ
noch inſtr. neutr. halten, welche auf -emu und -û en-
digen, vielmehr iſt es genau das nämliche o, wodurch
auch andere adverbia aus ſubſt. und adj. geleitet wer-
den. Da nun dieſes alth. -o im goth. -a lautet (ana-
log dem ſchwachen nom. maſc. alth. -o, goth. -a),
müſte ein paralleles goth. adverbium gleichfalls auf -a
endigen. I. das adverbium des part. pracſ. findet ſich
bei J. K. und hauptſächlich N., ſeltner bei O und T.;
vgl. folgendo, predigôndo, bauhnendo, lëogando J. 355.
372. 393. 394; hôrendo, ſtôƷonto, farmanênto, farſû-
mando K. 17a 25a 40a; anaſtantando gl. jun. 191. erquic-
cento gl. wirceb. 981b; huhôndo, irrefſendo, rîcheſondo,
chëdendo, tonerôndo unde blëcchezendo, biegendo, tuon-
do, bëtôndo unde jëhendo, nendendo, wunderôndo etc.
N. 12, 5. 13, 1. 28, 10. 70, 11. 76, 19. 78, 5. 79, 12. 80,
11. 88, 25. 101, 9. 106, 26. 118, 162, 170, 171. 125, 4.
135, 1. und anderwärts mehr; bei O. nur mammònto
(placide) III. 19, 40. 26, 59. IV. 23, 66. aſſimiliert ſt.
mammênto von mammên (miteſcere); bei T. nur bi-
bento 60, 8. Im mittelh. iſt es ſeltner und ſchwerer zu
erkennen, weil -ende mit andern flexionen des part.
praeſ. zuſ. trifft; in folgenden beiſpielen liegt es klar
[1020]II. vom inſinitiv.
vor: blâſende Nib. 3796. ſlâfende M. S. 2, 183b unwiƷ-
Ʒende Parc. 60b 184a al-weinende Parc. 188c (alſo auch
185c 185a). — Il. das adverbium part. praet. iſt noch
ſeltner, wird auch nur vom part. ſtarker und nicht
ſchw. conj. gebildet: chiholono (aſſ. ſt. chiholano) J.
365; offono, offano (inſofern offan für das übrige part.
eines verlorenen verb. gelten kann); vergëbeno N. 36,
21. 43, 18; mittelh. verholne a. Tit. 152. vergëbene
Parc. 107b Flore 74a troj. 70a 89b Friged. 50. — Bemer-
kenswerth ſetzt die neuh. ſprache beiderlei adverbien
in den genitiv um und ſagt: eilends, zuſêhends. ſchwei-
gends, und vergêbens [das iſländ. forgëfins, ſchwed.
forgäfves, dän. forgiäves ſind aus dem hochd. geborgt].
Daß die gewöhnliche flexion des inf. -an laute, im
frieſ. nordiſchen, engliſchen (im hochd. nur mundar-
tiſch) das n abfalle, wurde ſ. 910. 912. 931. 994. 998. gelehrt
Liegt in dieſer flexion ein urſprünglicher accuſativ, ſo
hält ſie wenigſtens mit den übrigen formen des acc.
nicht durchgängig ſchritt; zwar der alth. acc. maſe.
ſtimmt zu dem -an, doch der goth. und augelſ. acc.
-ana, -ne fügt einen weitern voc. zu und der altn. ca-
ſus behauptet das im inf. apocopierte -n.
Der deutſche inf. hat die bedeutung der gegenwart,
nicht der vergangenheit, er kommt daher auch mit der
form des praeſ. überein: α) in ſtarker form zeigt er we-
der redupl. noch ablaut, ausnahmsweiſe haben ablaut
die inf. zweiter anomalie. β) in ſchwacher conj. ſchiebt
er nie d oder t ein. γ) bei dem unterſchied, welchen
einige ſtarke conj. zwiſchen voc. des ſg. und pl. praeſ.
ind. machen, gebührt dem inf. ſtets der abgeſchwächte
voc. des plur. (oder des praeſ. conj. überhaupt), nicht
der voc. des ſg. praeſ. und namentlich der II. III. ſg;
alſo alth. chioſan, këpan, hëlan, [ſt]rpan, nicht chiuſan,
kipan, hilan, ſtirpan etc. Ganz irrig ſetzen einige neuh.
quillen (ſcatere) erliſchen (extingui) ſt. quellen, erlöſchen;
bloß II. III. praeſ. ind. kann hier den intranſ. begriff
quillt, liſcht vom tranſ. löſcht (extinguit) ſondern; und
wer möchte ein ſchmilzen (liquefieri) von ſchmelzen
(liquefacere) zu ſcheiden wagen, da ſelbſt kein brinnen
(ardere), vielmehr nur brennen (für ardere und combu-
rere) zuläßig iſt.
Gleichwohl gibt es bemerkenswerthe ſpuren eines
ausgeſtorbenen inf. praeteriti. Die verba zweiter ano-
malie haben nicht nur überall im inf. abgelauteten wur-
zelvocal, ſondern auch im altn. ſculu, munu die flexion
-u, ſtatt -a (ſ. 926.) welchem ſculu, munu ein goth.
ſculun, munun entſprechen würde. Allein es heißt ga-
munan Luc. 1, 72. vitan Marc. 7, 24. kunnan Marc. 4,
11. Luc. 8, 10. Joh. 14, 5. nach deren analogie (und nach
den part. praeſ. áigands, ôgands etc.) ich ſ. 851. die
übrigen unbelegbaren inf. môtan, ſkulan etc. aufgeſtellt
habe. Altnord. werden ſogar den ſchwachen praet. ſkyldi,
mundi parallele inf. ſkyldu, mundu gefunden (Raſk §. 251.)
z. b. edd. ſæm. 242. 243.; vielleicht ſtehen zuweilen re-
gelmäßige ſtarke praeterita infinitiviſch, wie fòru (iviſſe)
ſiôdhu (ſtetiſſe) vgl. Egilsſaga p. 104. —
Geſetzt der inf. wäre ein eigentlicher acc., der ſich
dann auch nominativiſch als ſubſtantiv brauchen ließe
(wovon näher in der ſyntax), ſo fragt es ſich nach dem
entſprechenden gen. und dativ? Dieſe beiden caſus ſind
in der alt- und mittelh., der dativ in der altſ., angelſ.
und mittelniederl. ſprache häufig anzutreffen, zweifel-
haft im goth., den nordiſchen mangeln ſie gänzlich.
1) die alth. form lautet für den gen. -annes, für den
dat. -anne, welches ſich in den ſchw. conj. zu -jannes
(-jennes, -ennes) -ônnes, ênnes; -janne (-jenne, -enne)
-ônne-ênne geſtaltet [keine vocalkürzung -onnes, -onne;
ennes, enne, da noch N. ausdrücklich hier ô und ê
ſchreibt] z. b. plâſannes, choufennes, topônnes, vrâkên-
nes; varanne, teilenne, machônne, fiſcônne, ſca-
mênne etc. — 2) altſ. dativ: faranne, blîdzeanne, adôm-
jenne, tholônne etc. — 3) angelſ. faranne, rêcenne, ge-
fremmanne etc. — 4) mittelh. gilt zwar noch -ennes,
-enne (mit tonloſem e, ſonſt reimte wohl -ènne klin-
gend und würde auf denne, tenne, henne zu reimen
gewagt) wenn lange wurzelſilbe vorhergeht, z. b. mî-
dennes, vindennes, ſchëltennes, weinennes; waltenne,
bietenne, machenne, tuonne etc. Bei kurzer wurzel-
ſilbe wird e ſtumm (alſo auswerflich) und n für nn ge-
ſetzt, alſo -enes, -ene z. b. lëſene, ligene, ſagene, gë-
bene, dolne (a. Tit. 152.) wërne etc. Freilich ſcheint
nn nach tonloſem e ſchwer auszuſprechen (vrâgenne,
wie vrâgende, ſtärker als ſagene, ſagende, ſchwächer als
vrâgènne, vrâgènde) iſt aber unentbehrlich, da auf bloß
einfaches n folgendes e wegfallen müſte, d. h. für mî-
denes, waltene würde nothwendig mîdens, walten ſte-
[1022]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
hen. Nach dieſen grundſätzen iſt die ungenaue ſchrei-
bung der hſſ. öfters zu berichtigen, z. b. M. S. 1, 108b
lies gëbene, 62b 65a lëbene, Parc. 135a lîdenne; 189b
dienennes (ſt. diens); M. S. 1, 62a ſprëchennes etc. —
5) mittelniederl. durchgehends -ene oder -ne, ohne
rückſicht auf länge und kürze der wurzelſilbe, z. b. lë-
vene (Rein. 285. 291.) ſinghene (Rein. 280.) doene (Rein.
287.) varene oder vaerne, errene oder êrne etc. vgl.
Huyd. op St. 3, 219. — 6) neuh, hört die form nn auf,
der gen. bekommt bloßes -s, meidens, frâgens, lâdens;
der dat. iſt ohne flexion: meiden, frâgen (wie zeichen,
ſigno; rêgen, pluviâ). Allein aus dem alten nn und der
vorgeſetzten praep. ze hat ſich durch verwechſelung mit
nd (wie niemannes zu niemandes wurde) ein unorga-
niſches, adjectiviſch declinierbares participium auf -nd
mit paſſiver bedeutung allmählich entwickelt: ein zu
lêſender (legendus) zu gêbender (dandus). Vielleicht
iſt es noch zeit, dieſe unnatürliche, ſteife bildung ganz
aus der ſprache zu verweiſen. —
Ulphilas hat keinen gen. -annis, ônnis; meidet
einen dat. -anna, ônna mit der praep. du zu verbin-
den und ſetzt den baaren inf. z. b. du ſaihvan, du aih-
trôn etc. (wie alth. und mittelh. zi lônôn, ze ſëhen etc.
doch umgekehrt ſeltner, conſtruiert wird); nur Luc. 14,
31. ſcheint du viganna (ad pugnandum) zu ſtehen.
Sämmtliche ſtarke verba der zwölf hauptabtheilungen
ſtellt folgendes verzeichnis zuſammen [α goth. β alth.
γ altſ. δ angelſ. ε altn. ζ mittelh. η mitteln. θ neuh. ι
neuniederl. κ engl. λ ſchwed. μ dän.]: 1) β vallu, γ
fallu, δ fealle, ε fell, ζ valle, η valle, θ falle, ι val, κ
fall, λ faller, μ falder. 2) β wallu, γ wallu, δ vëalle,
ε vell, ζ walle. 3) α ſalta, β ſalzu, ζ ſalze. 4) β walzu,
ε velt, ζ walze, λ välter. 5) α halda, β haltu, γ hal-
du, δ hëalde, ε held, ζ halte, η houde, θ halte, ι houd,
κ hold, λ håller, μ holder. 6) α valda, β waltu, γ
waldu, δ vëalde, ε veld, ζ walte. 7) α gaſtalda. 8) β
ſpaltu, ζ ſpalte. 9) β ſcaltu, ζ ſchalte. 10) α falþa, β
valtu, ζ valte. 11) ζ halſe. 12) δ vëalce, ζ walke.
13) ζ banne, η banne? 14) β ſpannu, δ ſpanne, ζ
[1023]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
ſpanne. 15) γ anſcanne? 16) β plantu, γ blandu, ε
blend, ζ enblande. 17) ζ vlanze? 18) α faha, β vâhu,
γ fàhu, δ fô, ε fæ, ζ vâhe, η vanghe, θ fange, ι vâ, λ
fa͗r, μ faaer. 19) α haha, β hâhu, γ hâhu, δ hô, ε
hângi, ζ hâhe, η hanghe, θ hange, ι hang. 20) β kanku,
γ gangu, δ gange, ε geng, ζ gân, η ganghe, θ gèhe,
ι gô, λ går, μ gaaer. 21) β) aru? ζ ar? 22) γ ſvêpu,
δ ſvâpe, ε ſveip, ζ ſweife. 23) α háita, β heiƷu, γ
hêtu, δ hâte, ε heiti, ζ heiƷe, η hête, θ heiße, ι hêt,
λ hêter, μ hedder. 24) α máita, β meiƷu, ζ meiƷe.
25) α ſkáida β ſceitu, γ ſkêdu, δ ſkâde, ζ ſcheide, η
ſcêde, θ ſcheide, ι ſcheid. 26) α fráiſa. 27) β zeiſu,
ζ zeiſe. 28) ζ eiſche, vreiſche, η vrêſche, ι eiſch. 29) α
áika, β gihu, ζ gihe. 30) α láika, δ lâke, ε leik, ζ
leiche. 31) α hláupa, β hloufu, γ hlôpu, δ hleápe, ε
hleyp, ζ loufe, η lôpe, θ laufe, ι lôp, λ lœper, μ lœ-
ber. 32) β hruofu, γ hrêpe, δ hrêpe, ζ ruofe, η roepe,
θ rûfe, ι roep. 33) β houwu, δ heáve, ε högg, ζ hou-
we, η houwe, θ haue, ι houw, λ hugger, μ hugger.
34) δ grôve, κ grow. 35) δ hlôve. 36) δ rôve. 37) δ ſpôve.
38) ε bŷ. 39) β nûwu ζ zernûwe; vgl. nûa ſ. 926. 40) α
ſtáuta? β ſtôƷu. ζ ſtôƷe, η ſtôte, θ ſtôße. 41) δ beáte, κ bèat.
42) β pluoƷu? δ onblôte, ε blœt. 43) γ ôdu? δ eáde?
ε eydh? 44) β ſcrôtu, ζ ſchrôte, θ ſchrôte. 45) ε eys.
46) α áuka, γ ôku? δ eáce? ε eyk. 47) β vluohhu, γ
flôku. 48) α ſlêpa, β ſlâfu, γ ſlâpu, δ ſlæpe, ζ ſlâfe,
η ſlape, θ ſchlâfe, ι ſlâp. 49) α láia. 50) α ſáia, δ ſàve.
51) α váia. 52) δ blâve, κ blow. 53) δ cnâve, κ know.
54) δ crâve, κ crow. 55) δ þrâve, κ draw. 56) α lêta,
β lâƷu, γ lâte, δ læte, ε læt, ζ lâƷe, η late, θ laße,
ι lât, κ let, λ la͗ter, μ lâder. 57) α grêta, δ græte, ε græt,
λ gråter, μ græder. 58) β varwâƷu, ζ verwâƷe, η ver-
wate. 59) β râtu, γ râdu, ε rædh, ζ râte, η rade, θ râthe, ι
râd. 60) γ andrâdu, δ ondræde, ζ entrâte. 61) β prâtu,
ζ brâte, θ brâte, ι brâd. 62) β plâſu, ε blæs, ζ blâſe,
η blaſe, θ blâſe, ι blâs. 63) α flêka. 64) α têka, δ tæce,
ε tek, λ tâger, μ tâger. 65) ζ bâge. 66) ε el. 67) δ
gale, ε gel, λ gâler, μ gâler. 68) ε kel. 69) β malu,
ε mel, ζ mal, η male, θ mâle. 70) α us-ana. 71) β
ſpanu, γ ſpanu, δ ſpane, ζ ſpan. 72) α ſtanda, β ſtantu,
γ ſtandu, δ ſtande, ε ſtend, ζ ſtân, η ſtae, θ ſtêhe, ι
ſtâ, κ ſtand, λ ſtår, μ ſtaaer. 73) α fara, β varu, γ faru,
δ fare, ε fer, ζ var, η vare, θ fâre, ι vâr, λ fâr, μ fà-
rer. 74) α ſvara, β ſuerju, δ ſverige, ε ſver, ζ ſwer,
η ſwere, θ ſchwœre, ι zwêr, κ ſwear, λ ſvær, μ ſværger.
[1024]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
75) α ſkapa, β ſcafu, γ ſkapu, δ ſcape, ε ſkep. ζ ſchaffe,
η ſcape, θ ſchaffe, λ ſkâper. 76) γ ſtapu, δ ſtape, η ſtape.
77) α graba, β krapu, γ grabu, δ grafe, ε gref, ζ grabe,
η grave, θ grâbe, ι gràf, κ grave, λ græfver, μ grâver.
78) β ſcapu, δ ſcafe, ε ſkef, ζ ſchabe, η ſcave, κ ſhave.
79) ε hnef. 80) ε kef. 81) α hafja, β heffu, γ hebbju,
δ hebbe, ε hef, ζ hebe, η heffe, θ hêbe, ι hêf, λ hæfver.
82) β inſeffu, γ anſebbjn, ζ enſebe, η beſeffe. 83) β
hlatu, δ hlade, ε hledh ζ lade, η lade, θ lâde, κ lade,
μ lâder. 84) β watu, δ vade, ε vedh, ζ wate, η wade.
85) α fraþja. 86) α raþja. 87) α ſkaþja. 88) β waſcu,
ζ waſche, θ waſche. 89) α ſaka, β ſahhu, γ ſaku, δ
ſace, κ ſake. 90) δ bace, ζ bache, η bake, θ backe.
91) ε ek. 92) γ ſkaku, δ ſcace, ε ſkek, κ ſhake. 93) δ
vace, η wake, κ wake. 94) β traku, γ dragu, δ drage,
ε dreg, ζ trage, η draghe, θ trâge, ι drâg, λ drâger, μ
drâger. 95) β naku, ζ nage, λ gnâger. 96) ζ behage?
97) θ vrâge, ι vrâg. 98) ι jâg, μ jâger. 99) α ſlaha, β
ſlahu, γ ſlahu, δ ſlëahe, ε ſlæ, ζ ſlahe, η ſlaghe, θ
ſchlâge, ι ſlâ, λ ſlår, μ ſlaaer. 100) α tvaha, β duahu,
γ thuahu, δ þvëahe, ζ twahe, η dwaghe, λ twâger.
101) β lahu? γ lahu? δ lëahe. 102) β kiwahu, ζ ge-
wahe, η ghewaghe. 103) α hlahja, β hlahhju, γ hlahu,
δ hlëahhe, ε hlæ, η lache, λ lêr, μ lêr. 104) ε dey. λ
dœr. 105) ε gey. 106) ε ſlæ. 107) ε klæ. 108) α vahſja,
β wahſu, γ wahſu, δ vëaxe, ε vex, ζ wahſe, η waſſe,
θ wachſe, ι was, κ wax, λ väx. 109) β rîmu. 110) ι
bezwîm. 111) α keina, β, chînu, γ kînu, ζ kîne.
112) α ſkeina, β ſcînu, γ ſkînu, δ ſcîne, ε ſkîn, ζ
ſchîne, η ſcîne, θ ſcheine, ι ſchîn, κ ſhîne, λ ſkîner.
113) β hrînu, γ hrînu, δ hrîne, ζ berîne. 114) δ dvîne,
η dwîne. 115) β ſuîne, ζ ſwîne. 116) ε hvîn. 117) ε
gîn. 118) ζ grîne, ι grîn, μ grîner, vgl. ε hrîn. 119) ζ
quîne, ι quîn. 120) μ trîner. 121) α greipa, β krîfu,
γ grîpu, δ grîpe, ε grîp, ζ grîfe, η grîpe, θ greife, ι
grîp, κ grîpe, λ grîper, μ grîber. 122) β ſlîfu, ζ ſlîfe,
θ ſchleife, ι ſlîp, μ ſlîber. 123) β piwîfu. 124) ε ſvîp.
125) ζ pfîfe, θ pfeife, λ pîper, μ pîber. 126) η nîpe,
ι nîp, θ kneife, λ knîper, μ gnîber. 127) θ keife. ι
kîf. 128) α dreiba, β drîpu, γ drîbu, δ drîfe, ε drîf,
ζ trîbe, η drîve, θ treibe, ι drif, κ drîve, λ drîfver,
μ drîver. 129) β chlîpu, γ clìbu, ζ klîbe, η clîve, λ
klîfver. 130) β pilîpu, ζ blìbe, η blîve, θ bleibe, ι blîf,
λ blîfver, μ blîver. 131) β ſcrîpu, γ ſkrîbu, δ ſcrìfe, ζ
ſchrîbe, η ſcrîve, θ ſchreibe, ι ſcrîf, κ ſhrîve, λ ſkrìfver,
[1025]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
μ ſkrîver. 132) β rîpu, ε rîf, ζ rîbe, η wrîve, θ reibe,
ι wrîf, λ rîfver, μ rîver. 133) α ſveifa, δ onſvîfe, ε
ſvîf. 134) ε þrîf, κ thrîve. 135) κ ſtrîve. 136) ζ be-
ſchîbe. 137) α ſpeiva, β ſpîwu, γ ſpîvu, δ ſpîve, ζ
ſpîe. 138) β ſcrîu, ζ ſchrîe, λ ſkrîker, μ ſkrîger. 139) β
grîu, ζ glîe. 140) α beita, β pîƷu, γ bîtu, ε bît, ζ bîƷe,
θ beiße, ι bît, κ bîte, λ bîter, μ bîder. 141) α ſmeita,
β ſmîƷu, δ ſmîte, η ſmîte, θ ſchmeiße, ι ſmît, κ ſmîte.
142) α veita, β wîƷu, ζ wîƷe, ι wît. 143) β vlîƷu, δ
flîte, ζ vlîƷe, θ fleiße. 144) β rîƷu, γ wrîtu, δ vrîte, ε
rît, ζ rîƷe, η rîte, θ reiße, ι rît, κ wrîte. 145) β ſlîƷu, δ ſlîte,
ε ſlît, ζ ſlîƷe, θ ſchleiße, ι ſlît, λ ſlîter, μ ſlîder. 146) γ
giwîtu, δ gevîte. 147) δ vlîte, ε lît. 148) ζ glîƷe (ver-
muthlich eins mit 147). 149) ζ ſchîƷe, θ ſcheiße, ι
ſchît, κ ſhîte. 150) η ſplîte, ι ſplît. 151) ε drît, ι drît. 152) ι
krît. 153) α beidu, β pîtu, γ bîdu, δ bîde, ζ bîte, η
bîde, κ bîde. 154) β rîtu, δ rîde, ε rîdh, ζ rîte, η rîde,
θ reite, κ rîde, λ rîder, μ rîder. 155) β ſcrîtu, γ ſkrîdu,
δ ſcrîde, ζ ſchrîte, θ ſchreite, ι ſchrîd, μ ſkrîder. 156) β
ſtrîtu, ζ ſtrîte, θ ſtreite, η ſtrîde, ι ſtrîd, κ ſtrîde (?) μ
ſtrîder. 157) γ glîdu, δ glîde, ζ glîte, θ gleite, ι glîd,
λ glîder, μ glîder. 158) γ hlîdu, δ hlîde. 159) δ cîde,
κ chîde. 160) δ gnîde, λ gnîder, μ gnîder. 161) ζ ſprîte.
162) ζ brîte. 163) ζ ſchîte. 164) α leiþa, β lîdu, γ lî-
thu, δ lîdhe, ε lîdh, ζ lîde, θ leide, ι lîd, λ lîder.
165) α ſneiþa, β ſnîdu, γ ſnîthu, ε ſnîdh, ζ ſnîde, θ
ſchneide, ι ſnîd. 166) β mîdu, γ mîthu, ζ mîde, η
mîde, θ meide, ι mîd. 167) δ vrîdhe, ζ rîde? κ wrîthe,
λ vrîder, μ vrîder. 168) ε ſvîdh, λ ſvîder, μ ſvîder.
169) ε qvîdh. 170) ζ nîde. 171) α reiſa, β rîſu, γ rîſu,
δ rîſe, ε rîs, ζ rîſe, η rîſe, ι rîs, κ rîſe. 172) ζ brîſe.
173) θ preiſe, ι prîs. 174) θ weiſe, ι wîs. 175) ε rîſt,
176) η crîſche, θ kreiſche. 177) ι hîſch. 178) β ſuîhhu,
γ ſuîku, δ ſvîce, ε ſvîk, ζ ſwîche, η ſwîke, ι bezwîk,
λ ſvîker, μ ſvîger. 179) β ſlîhhu, ζ ſlîche, θ ſchleiche.
180) β kirîhhu. 181) δ blîce, ε blîk, θ bleiche, ι blîk.
182) ε vîk, ζ wîche, η wîke, θ weiche, ι wîk, λ vîker,
μ vîger. 183) ζ gelîche, η gelîke, θ gleiche. 184) ζ
ſtrîche, η ſtrîke, θ ſtreiche, ι ſtrîk. 185) ζ tîche. 186) ι
kîk, μ kîger. 187) α hneiva, β hnîku, γ hnîgu, δ hnîge,
ε hnîg, ζ nîge, η nîghe, ι nîg, λ nîger. 188) α ſteiga,
β ſtîku, γ ſtîgu, δ ſtîge, ε ſtîg, ζ ſtîge, θ ſteige, ι ſtîg,
λ ſtîger, μ ſtîger. 189) β ſîku, γ ſîgu, δ ſîge, ε ſîg,
ζ ſîge. 190) δ mîge, ε mîg, ι mîg. 191) ζ krîge, ι
krîg. 192) ζ ſwîge, η ſwîghe, θ ſchweige, ι zwîg.
T t t
[1026]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
193) λ tîger, μ tîer. 194) ι hîg. 195) α leihva, β lîhu,
γ lîhu, δ lîhe, ζ lîhe, θ leihe. 196) α teiha, β zîhu,
δ tîhe und tëó, ζ zîhe, η tîghe, θ zeihe. 197) α þeiha,
β dîhu, γ thîhu, δ þëó, ζ dîhe, θ deihe. 198) α þreiha.
199) β intrîhu, δ vrîhe und vrëó, ζ rîhe (?). 200) δ
ſîhe und ſëó, ζ erſîhe (?). 201) ζ erwîhe (?). 202) α
hninpa. λ niuper. 203) β ſliufu, ζ ſliufe, η ſlûpe, θ
ſchliefe, ι ſluip. 204) β ſûfu, ε ſŷp, ζ ſûfe, η ſûpe,
θ ſaufe, ι zuip, λ ſûper. 205) β triuſu, ε drŷp, ζ
triuſe, η drûpe, θ triefe, ι druip, λ drŷper. 206) δ
crëópe, ε krŷp, η crûpe, ι kruip, κ crêp, λ krŷper, μ
krŷber (vgl. 261.). 207) α hiufa, γ hiufu. 208) β chliupu,
γ kliufu, ε klyf, ζ kliube, ι kluif, λ klŷfver, μ klŷver.
209) β ſciupu, δ ſcëófe, ζ ſchiube, η ſcûve, θ ſchiebe,
ι ſchuif. 210) δ dëófe (vgl. 26[2].). 211) δ rëófe, ε rŷf.
212) ζ ſtiube, η ſtûve, θ ſtiebe, ι ſtuif. 213) θ ſchniebe,
ι ſnuif. 214) θ ſchraube. 215) α ſniva, μ ſniger. 216)
β chinwu, δ cëóve, ζ kiuwe. 217) β hriuwu, δ hrëóve,
ζ riuwe, η rouwe. 218) β pliuwu, ζ blinwe, η blouwe
(vgl. 410.). 219) β priuwu, δ brëóve, ζ briuwe. 220)
α giuta, β kiuƷu, γ giutu, δ gëóte, ε gŷt, ζ giuƷe, η
giete, θ gieße, ι giet, λ giuter, μ gŷder. 221) α niuta,
β niuƷu, γ niutu, δ nëóte, ε nŷt; ζ niuƷe, θ nieße,
ι niet, λ niuter, μ nŷder. 222) α þriuta, β driuƷu, ζ
driuƷe, η driet, θ drieße, μ trŷder. 223) β diuƷu, ζ
diuƷe, θ dieße. 224) β hliuƷu, ε hlŷt. 225) β riuƷu,
ζ riuƷe. 226) β ſliuƷu, ζ ſliuƷe, θ ſchließe, ι ſluit,
λ ſlûter. 227) β vliuƷu, ε flŷt, ζ vliuƷe, η vliete. θ
fließe, ι vliet, λ flŷter, μ flŷder. 228) γ grintu? 229)
δ brëóte, ε brŷt, λ brŷter, μ brŷder. 230) δ ſcëóte, ζ
ſchiuƷe, η ſciete, θ ſchieße, ι ſchiet, κ ſhot, λ ſkiuter,
μ ſkŷder. 231) ε hnŷt, μ knŷter. 232) ε hrŷt, λ rŷter.
233) ε lŷt, μ lŷder. 234) ζ ſpriuƷe, θ ſprieße. 235) η
criete? 236) ι fluit. 237) ι ſnuit, λ ſnŷter, μ ſnŷder.
238) λ tiuter. 239) λ ſkrŷter, μ ſkrŷder. 240) biuda,
β piutu, γ biudu, δ bëóde, ε bŷdh, ζ biete, η biede,
θ biete, ι bied, λ biuder, μ bŷder. 241) β hliutu, γ
hliudu. 242) ε rŷdh. 243) ε hnŷdh. 244) β ſiudu, δ
ſëódhe, ε ſŷdh, ζ ſiude, θ ſiede, ι zied, κ ſêth, λ ſiu-
der, μ ſŷder. 245) α driuſa, β triuſu, γ driuſu. 246)
α kiuſa, β chiuſu, γ kiuſu, δ cëóſe, ε kŷs, ζ kiuſe, η
cieſe, θ kieſe, ι kies, κ choſe, μ kŷſer. 247) α liuſa,
β liuſu, γ liuſu, δ lëóſe, ζ liuſe, η lieſe, θ liere, ι lies.
248) δ frëóſe, ε frŷs, ζ vrieſe, η vrieſe, θ friere. ι
vries, κ frêze, λ frŷſer, μ frŷſer. 249) δ hrëóſe. 250)
[1027]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
ε gŷs, μ gŷſer. 251) ζ niuſe. 252) λ fnŷſer, μ fnŷſer.
253) α kriuſta. 254) ε lŷſt. 255) α lûka, β liuhhu, γ
lûku, δ lûce, ε lŷk, ζ liuche, η lûke, ι luik. 256) β
riuhhu, γ rinku, δ rëóce, ε rŷk, ζ riuche, η rûke, θ
rieche, ι ruik, λ rŷker, μ rŷger. 257) δ ſmëóce. 258)
ε ſtrŷk, λ ſtrŷker, μ ſtrŷger. 259) ε fŷk, λ fiuker, μ
fŷger. 260) ζ kriuche, θ krieche (vgl. 207.). 261) ι
duik (vgl. 211.). 262) α biuga, β piuku, δ bëóge, ζ
biuge, η bûghe, θ biege. 263) α liuga, β liuku, δ lëóge,
ε lŷg, ζ liuge, η lieghe, θ luͤge, ι lieg, λ liuger, μ lŷ-
ver. 264) β ſûku, δ ſûce (ſt. ſûge), ε ſ g, ζ ſûge, η
ſûghe, θ ſauge, ι zuig, λ ſiuger. 265) β triuku, δ
drëóge? ζ triuge, η drieghe, θ truͤge, ι drieg. 266) β
vliuku, δ flëóge, ε flŷg, ζ vliuge, η vlieghe, θ fliege,
ι vlieg, κ fly, λ flŷger, μ flŷver. 267) ε ſmŷg, ζ ſmiuge,
θ ſchmiege, λ ſmŷger. 268) ε tygg. 269) α tiuha, β
ziuhu, γ tiuhu, δ tëóhe, ζ ziuhe, θ ziehe. 270) α
þliuha, β vliuhu, δ flëóhe, ζ vliuhe, η vlie, θ fliehe,
ι vlied. 271) ι krui? 272) β trifu, δ drëpe, ε drëp, ζ
triffe, θ treffe, λ dræper, μ dræber (und daneben unorg.
träffer). 273) α giba, β kipu, γ gibu, δ gife, ε gëf, ζ
gibe, η ghëve, θ gêbe, ι gêf, κ give, λ gîfver, μ gîver.
274) β wipu, δ vëfe, ε vëf, ζ wibe, η wëve, θ wêbe,
ι wêf, κ weave. 275) δ ſvëfe, ε ſëf, λ ſôfver, μ ſôver.
276) η clëve, κ cleave. 277) α ïta, β iƷu, γ itu, δ ëte,
ε ët, ζ iƷƷe, η ëte, θ eße, ι êt, κ eat, λ æter, μ æder.
278) α frita, β vriƷu, δ frëte, ζ vriƷƷe, θ freße. 279)
α gita, β kiƷu, γ gitu, δ gite, ε gët, ζ giƷƷe, η ghëte,
θ geße, ι gêt, κ get, λ gæter, μ gider. 280) α mita,
β miƷu, δ mëte, ε mët, ζ miƷƷe, η mëte, θ meße, ι
mêt, λ mæter. 281) α ſita, β ſizu, γ ſittu, δ ſitte, ε ſit,
ζ ſitze, η ſitte, θ ſitze, ι zit, κ ſit, λ ſitter, μ ſidder.
282) α bidja, β pittu, γ biddu, δ bidde, ε bidh, ζ bite,
η bidde, θ bitte, ι bid, κ bid, λ bêder, μ bêder. 283)
α truda, β tritu, δ trëde, ε trëdh, ζ trite, η tërde, θ
trête, ι trêd, κ tread, μ træder. 284) α ïn-vida? 285)
β chnitu, δ cnëde, ζ knite. 286) δ brëde? 287) α
qviþa, β quidu, γ quithu, δ cvëdhe, λ qvæder, μ kvæ-
der. 288) α viþa, β witu, ζ wite. 289) β ſtridu, ζ
ſtrite. 290) α liſa, β liſu, γ liſu, δ lëſe, ε lës, ζ liſe,
η lëſe, θ lëſe, ι lês, λ læſer. 291) α niſa, β niſu, δ
nëſe, ζ niſe, η nëſe, θ nêſe, ι nês. 292) α viſa, β
wiſu, γ wiſu, δ vëſe, ζ wiſe. 293) β chriſu. 294) α
brika, β prihhu, γ briku, δ brëce, ζ briche, η brëche,
θ breche, ι brêk, κ break, μ bräkker. 295) α rika? ε
T t t 2
[1028]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
rëk? μ räkker? 296) α vrika, β rihhu, γ wriku, δ vrëce,
ζ riche, η wrëke, θ räche, ι wrêk. 297) β ſprihhu,
γ ſpriku, δ ſprëce, ζ ſpriche, η ſprëke, θ ſpreche, ι
ſprêk, κ ſpeak. 298) β ſtihhu, γ ſtiku, ζ ſtiche, η ſtëke,
θ ſteche, ι ſtêk (vgl. 417.) 299) β ſuihhu? 300) ε lëk.
301) ζ triche? η trëke, ι trêk, μ träkker. 302) ζ ſchricke?
θ ſchrecke. 303) α liga, β liku, γ liggu, δ licge, ε
ligg, ζ lige, η ligghe, θ lîge, ι lig, κ lie, λ ligger, μ
ligger. 304) α viga, β wiku, ε vëg, ζ wige, η wëghe,
θ wîge. 305) β phliku, γ pligu, ζ pflige, η plëghe, θ
pflêge, ι plie. 306) δ þicge, ε þigg. 307) α fraíha, ε
frëg. 308) α ſaíhva, β ſihu, γ ſihu, δ ſëo, ε ſê, ζ ſihe,
η ſie, θ ſêhe, ι zie, κ ſê, λ ſêr, μ ſêr. 309) β vihu,
δ fëo. 310) β ſcihu, ζ ſchihe, θ ſchêhe. 311) β vnihu
(vgl. 253.). 312) ζ bribe? 313) α ſtila, β ſtilu, γ ſtilu,
δ ſtële, ε ſtil, ζ ſtil, η ſtële. θ ſtële, ι ſtêl, κ ſteal, λ
ſtiæler, μ ſtiæler. 314) β hilu, γ hilu, δ hële, ζ hil,
η hële, θ hêle. 315) β quilu, γ quilu, δ cvële, ζ kil.
316) β tuilu, ζ twil. 317) β ſuilu. 318) α nima, β
nimu, γ nimu, δ nime, ε nëm, ζ nim, η nëme, θ nême,
ι nêm, λ nimmer, μ nemmer. 319) α qvima, β quimu,
γ cumu, δ cume, ε këm, ζ kom, η come, θ komme,
ι kom, κ come, λ kommer, μ kommer. 320) α tima,
β zimu, ζ zim. 321) ε ſvëm? 322) ζ ſtim. 323) ζ
ſchim? 324) η ſtëne. 325) α baira, β piru, γ biru, δ
bëre, ε bër, ζ bir, η bëre, θ bære, ι bêr, κ bear, λ
bær, μ bær. 326) α taíra, β ziru, γ tiru, δ tëre, η tëre,
κ tear. 327) β ſciru, δ ſcëre, ε ſkër, ζ ſchir, η ſcëre,
θ ſchêre, κ ſhear, λ ſkær, μ ſkiær. 328) β ſuiru, ζ ſwir,
θ ſchwære. 329) β duiru (v. 430.). 330) ζ gir, η ghëre (?)
θ gære. 331) κ wear? 332) β hillu, ζ hille. 333) β
pillu, ζ bille, θ belle. 334) β ſcillu, ε ſkell, ζ ſchille,
θ ſchalle. 335) β ſuillu, δ ſvëlle, ε ſvëll, ζ ſwille, η
ſwelle, θ ſchwelle, ι zwel, κ ſwell. 336) β willu, ζ
wille. 337) ε gëll, ζ gille, λ gäller. 338) ε hvëll. 339)
ε ſmëll, λ ſmäller, μ ſmälder. 340) ζ drille. 341) ζ
knille. 342) ζ quille, θ quelle. 343) α hilpa, β hilfu,
γ hilpu, δ hëlpe, ζ hilfe, η hëlpe, θ helfe, ι help, κ
help, λ hiälper, μ hiälper. 344) β tilfu, γ dilbu, δ
dëlfe, ζ tilbe, η dëlve, ι delf. 345) δ gëlpe. 346) ε
ſkëlf, μ ſkiälver. 347) λ ſtiälper. 348) α vilva. 349)
α ſvilta, γ ſuiltu, δ ſvëlte, ε ſvëlt, η ſwëlte, λ ſwälter.
350) β ſmilzu, δ mëlte, ζ ſmilze, η ſmëlte. θ ſchmelze,
ι ſmelt, κ melt. 351) α gilda, β kiltu, γ gildu, δ gilde,
ε gëld, ζ gilte, η gëlde, θ gelte, ι geld, λ gälder, μ
[1029]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
giälder. 352) β ſciltu, ζ ſchilte, η ſcëlde, θ ſchelte, ι ſcheld.
353) δ mëlce, ζ milke, θ melke, ι melk. 354) ζ ſilke? 355)
β pilku, γ bilgu, δ bëlge, ζ bilge, η bëlghe. 356) β ſuilku, δ
ſvëlge, ε ſvëlg, ζ ſwilge, η ſwëlghe, ι zwelg. 357) α ſilha
(vgl. oben ſ. 1009. über ein davon verſchiedenes filga?)
β vilhu, γ filhu, ε fël, ζ vilhe, η vël, θ fehle, ι vêl.
358) ζ dilhe? 359) β) primmu, ζ brimme. 360) β
ſuimmu, ζ ſwimme, θ ſchwimme, ι zwem, κ ſwim, λ
ſimmer (vgl. 322.). 361) ζ grimme. 362) ζ klimme,
η climme, ι klim. 363) ζ limme. 364) ι glim. 365) α
trimpa. 366) β limfu, δ limpe. 367) δ rimpe, ζ rimpfe.
368) ζ dimpfe, λ dimper. 369) ζ klimpfe. 370) ζ
krimpfe, η crimpe, ι krimp. 371) α brinna, β prinnu,
γ brinnu, δ birne, ε brënn, ζ brinne, λ brinner. 372)
α ginna, β kinnu, γ ginnu, δ ginne, ζ ginne, η ghinne,
θ ginne, κ gin. 373) α linna, β linnu, δ linne, ζ linne.
374) α rinna, β rinnu, γ rinnu, δ irne, ε rënn, ζ rinne,
η rinne, θ rinne, ι rin, κ run, λ rinner, μ rinder. 375)
α ſpinna, β ſpinnu, δ ſpinne, ε ſpinn, ζ ſpinne, η
ſpinne, θ ſpinne, ι ſpin, κ ſpin, λ ſpinner, μ ſpinder.
376) α vinna, β winnu, γ winnu, δ vinne, ε vinn, ζ
winne, η winne, θ winne, ι win, κ win, λ vinner,
μ vinder. 377) β chlinnu. 378) β ſinnu, ζ ſinne, θ
ſinne, ι zin. 379) ζ trinne? 380) δ ſtinte, κ ſtint, ſtunt.
381) λ ſlinter. 382) α binda, β pintu, γ bindu, δ binde,
ε bind, ζ binde, η binde, θ binde, ι bind, κ bînd, λ
binder, μ binder. 383) α vinda, β wintu, δ windu, δ
vinde, ε vind, ζ winde, θ winde, ι wind, κ wînd, μ
vinder. 384) β ſcrintu, ζ ſchrinde. 385) β ſlintu, ζ
ſlinde, η ſlinde, θ ſchlinge, ι ſlind. 386) β ſuintu, δ
ſvinde, ζ ſwinde, θ ſchwinde, λ ſvinner, μ ſvinder. 387)
ε hrind. 388) ζ drinde? 389) ζ ſchinde. 390) δ grinde,
κ grînd. 391) η prinde. 392) ι zend. 393) μ tvinder.
394) α finþa, β vindu, γ finde, δ finde, ε finn, ζ vinde,
η vinde, θ finde, ι vind, κ fînd, λ finner, μ finder. 395) α
hinþa, λ hinner. 396) α þinſa, β dinſu, ζ dinſe. 397) α
drigka, β trinhu, γ drinku, δ drince, ε drëck, ζ trinke,
η drinke, θ trinke, ι drink, κ drink, λ dricker, μ drikker.
398) α ſigqva, β ſinhu, ε ſöck, ζ ſinke, η ſinke, θ ſinke,
ι zink, κ ſink, λ ſiunker, μ ſŷuker. 399) α ſtigqva, β
ſtinhu, δ ſtince, ε ſtöck, ζ ſtinke, θ ſtinke, ι ſtink, κ
ſtink. 400) ε hröck. 401) δ cvince. 402) δ ſcrince, ι
ſchrink. κ ſhrink. 403) δ ſvince, ι zwenk. 404) ζ hinke.
405) ζ winke. 406) ι blink. 407) ι klink. 408) ι ſlink,
κ ſlink, λ ſlinker. 409) ι ſchenk. 410) α bliggva (ſ. 219.)
[1030]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
411) α ſiggva, β ſinku, γ ſingu, δ ſinge, ε ſŷng, ζ ſinge,
η ſinghe, θ ſinge, ι zing, κ ſing, λ ſiunger, μ ſ[i]nger.
412) β drinku, γ thringu, δ þringe, ζ dringe, θ dringe,
ι dring. 413) β duinku, γ thuingu, ζ twinge, η dwinghe,
θ zwinge, ι dwing. λ tvinger, μ tvinger. 414) β prinku,
δ bringe. 415) γ ſpringu, δ ſpringe, ε ſprîng, ζ ſpringe,
η ſpringhe, θ ſpringe, ι ſpring, κ ſpring, λ ſpringer, μ
ſpringer und daneben ſpräkker. 416) γ ſuingu, δ ſvinge,
ζ ſwinge, θ ſchwinge, κ ſwing. 417) δ cringe. 418)
δ ſtiuge. ε ſtîng, κ ſting, λ ſtinger, μ ſtinger und dane-
ben ſtikker (vgl. [...]99.). 419) δ vringe, ζ ringe, η wringhe,
θ ringe, ι wring, κ wring. 420) δ þinge. θ dinge, ι
ding. 421) ε ſlŷng. 422) ζ klinge. η clinghe, θ klinge,
κ cling, λ klinger, μ klinger, 423) ζ linge, θ linge.
424) κ fling. 425) κ ſtring. 426) κ ring. 427) β chirru,
ζ kirre. 428) β ſcirru. 429) β wirru. γ wirru. ζ wirre,
θ wirre. 430) ε þvërr (vgl. 330). 431) δ mëorne. 432)
δ ſpëorne, ε ſpirn, λ ſpiärner. 433) α vaírpa, β wirfu,
γ wirpu, δ vëorpe, ε vërp, ζ wirfe, η wërpe, θ wërfe,
ι werp, λ värper. 434) β ſnirfu. 435) α hvaírba, β
huirpu, γ huirbu, δ hvëorfe, ε hvërf, ζ wirbe, θ werbe,
ι werf, λ värfver. 436) α ſvaírba, β ſuirpu, γ ſuirbu,
ε ſvërf, ζ ſwirbe, ι zwërf. 437) β ſtirpu, δ ſtëorſe, ζ
ſtirbe, η ſtërve. θ ſterbe, ι ſterf. 438) δ cëorfe, ι kerf.
439) ζ dirbe, η dërve, θ derbe, ι derf. 440) ε ſnërt.
441) α gaírda. 442) α vaírþa, β wirdu, γ wirthu, δ
vëordhe, ε vërdh, ζ wirde, η wërde, θ werde, ι word,
λ varder. 443) ε ſvërdh? 444) α þaírſa. 445) γ ſuirku,
δ ſvëorce. 446) α baírga, β pirku, δ bëorge, ε bërg, ζ
birge, θ berge, ι berg. 447) ζ twirhe? 448) ε ſlëpp,
λ ſlipper, μ ſlipper. 449) ε dëtt. 450) ε ſprëtt, λ ſprit-
ter. 451) β prittu, ε brëgd. 452) β priſtu, γ briſtu,
δ bërſte, ε brëſt, ζ briſte, θ berſte, ι berſt, κ burſt, λ
briſter, μ briſter. 453) ε gnëſt. 454) β driſku, δ þërſce,
ζ driſche. η dërſche, θ dreſche, ι derſch, μ tärſker.
455) β liſku, ζ liſche, θ löſche. 456) κ dig. 457) μ
knäkker. 458) μ ſmäkker. 459) λ ſpricker (vgl. 415.).
460) β vihtu, δ fëohte, ζ vihte, η vëchte, θ fechte, ι
vecht, κ fight. 461) β vlihtu, ζ vlihte, η vlechte, θ
flechte, ι vlecht. 462) ζ dihſe. —
Bemerkungen:
Die ſchwache form iſt ohne zweifel jünger, als die ſtarke*)
α) weil letztere mannigfaltig, erſtere einförmig iſt; β) nur
die ſtarke reine wurzeln enthält, die ſchwache ableitung
vorausſetzt; γ) weil fremde wörter der ſchwachen,
nicht der ſtarken form fähig werden; ausnahmen höchſt
ſelten und an ſich tadelhaft (preiſen von preis, franz.
prix) δ) die ſtarke allmählig ab-. die ſchwache zu-
nimmt; wenn ſich das edlere getriebe jener vernützt,
wirrt und räthſelhaft erſcheint, dient die feſtere, äußere
handhabe dieſer leicht zur erhaltung und herſtellung der
verlorenen ordnung.
Jedes ſchwache verbum beruht weſentlich auf zwei
ſtücken 1) auf einer durch die vocale i, ô und ái ge-
wirkten ableitung, von welcher im folgenden buch
nähere rede ſeyn wird. Man merke α) dieſe ablei-
tungsvocale verwachſen mehrfältig mit den flexionsvoca-
len, woraus ei ſtatt ji (ſ. 847.) ô ſtatt ôa, ôi (ſ. 849.) a
ſtatt áia, ái ſt. aji (ſ. 850) entſpringt. β) ſpäter ſchwin-
det das ableitende i und ein tonloſes e vertritt ô und ê.
γ) daher gewinnen manche ſchwache verba den fal-
ſchen ſchein unabgeleiteter, z. b. das mittelh. baden, hant-
ſlagen, minnen wird den ſtarken verbis laden, tragen,
winnen ähnlich (alth. padôn, hantſlakôn, minnôn) und
neuh. fällt ſogar der inf. rathſchlâgen mit ſchlâgen (mit-
telh. râtſlagen und ſlahen, ſlân) zuſammen, ſo daß
unhiſtoriſche ſprachlehrer nicht begreifen, warum jenes
im praet. rathſchlâgte, dieſes ſchlûg bekommt. δ) zu
einer vergleichung der ableitungstriebe i (ei), ô, ái bei
dem verbum mit den in der flexion des nomens wal-
tenden i, ei, ô, ái (vgl. ſ. 811. 812.) iſt der jetzige
ſtand unſerer ſprachforſchung noch nicht gerüſtet. —
[1041]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
2) beruht der begriff des ſchwachen verbums auf der
durch äußerliche und erſt nach dem ableitungsvocal ein-
tretende zuthat ausgedrückten vergangenheit. Da die-
ſes praet. als eigentliche flexion betrachtet werden muß,
verlangt es hier nähere unterſuchung: α) im goth. lau-
tet der ſg. -da, der pl. -dêdum, das part. -þs, gen.
-dis (ſ. 845. 1009) in allen übrigen mundarten ſtimmen
ſg. pl. und part. überein, alth. -ta, -tumês, -têr; altſ.
-da, -dun, -d; angelſ. -de, -don, -d; altn. -dha,
-dhum, -dhr (nach Raſks anſicht; beßer wohl -da,
-dum, -dhr). Abänderungen, welche durch ſyncope
des ableitungsvocals in dieſer flexion entſtehen können,
gehen uns hier nichts an. β) der goth. ſg. -da ent-
ſpricht dem alth. -ta, ſächſ. -da, angelſ. -de etc. aber
der goth. pl. (ſammt dem davon geleiteten ſg. und
pl. praet. conj.) beſitzt eine ganze ſilbe mehr. -dêdum
würde ein alth. -tâtumês, ein altſ. dâdum etc. fordern.
Nur in einer einzigen ſtelle K. 18b erloſôtâtun (impege-
runt) ſt. erloſôtun, wofern richtig geleſen und ein erlo-
ſôn (impingere) glaublich iſt [wie wenn erloſô oder das
dafür zu ſetzende wort acc. pl. fem. wäre und der über-
ſetzer impegerunt in ictus dederunt aufgelöſt hätte?
vielleicht ërdſtôƷô oder erdſtôƷâ tâtun?] gleich dane-
ben ſteht auch plâton. frâhêtomês etc. γ) hat ſich tâ-
tun in -tun, -dâdun in -dun abgeſchliffen, könnte uns
auch der goth. pl. -dêdun einen älteren vollſtändigeren
ſg. weißagen; wie aber lautete dieſer? Die form dèdun
an und für ſich gemahnt an bêdun, trêdun alth. pâ-
t[a]n, trâtun und dieſe antworten genau dem vermuthe-
ten -tâtun, welches gerade praet. pl. des anomalen tuon
iſt (ſ. 885). δ) keine unter allen anomalien des verbums
iſt dunkler, als tuon, dôn, dem goth. und nord. dialect
mangelt es merkwürdigerweiſe. Der Gothe überſetzt
ποιεῖν mit táujan (alth. zawjan, mittelh. zöuwen) wel-
ches dem alth. tuon gar nicht verwandt iſt; der altn.
ausdruck für denſelben begriff lautet gera (alth. kara-
wan). Allein im goth. hat ſich das ſubſt. dêds und dêdja
(alth. tât und tâto) im altn. dâd erhalten, zum zeichen,
daß das verbum dieſen ſprachen nicht fremd ſey. Die
vollſtändigen formen der hochd. ſächſ. und frieſ. anoma-
lie ſind nicht wohl mit einander zu vereinbaren: der
alth. inf. tuon entſpricht dem angelſ. dôn, doch das
alth. part. kitân nicht dem angelſ. gedôn; altſ. lauten
zwar, wie im angelſ., praeſ. und part. mit demſelben
vocal duan und giduan, nur dieſes ua paralleliſiert ſich
U u u
[1042]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
weder dem alth. uo, noch angelſ. ô, weil es alsdann
uo oder ô heißen müſte. Die altſ. mundart beſitzt auch
gar kein diphthongiſches ua; wahrſcheinlich iſt dû-an,
gidû-an zu leſen, d. h. das a zur flexion zu nehmen, wo-
zu das altfrieſ. dûa ſtimmt, wo aber das part. dên lau-
tet. Das alth. praet. tâtun, ſg. tëta, altſ. dâdun, dëda
vergleichen ſich; zu tëta, dëda paſt der angelſ. ſg. dide,
nicht der pl. didon (gewöhnl. geſchrieben dyde, dydon);
welcher pl. iſt nun organiſcher? die augelſ. ſprache hat
in achter conj. den pl. ablaut i (bidon, glidon) die alth.
in zehnter â (pâtun, trâtun), doch zu keinem von bei-
den ſchickt ſich der ſg. dide, tëta (ſt. des erforderlichen
dâd und tat!) geſchweige der inf. dôn, tuon (ſt. dîdan,
titan oder tëtan!). Ebenſowenig darf man dôn, tuon
ſchwachformig annehmen, theils weil die analogie von
bûan, bûde, gebûn (ſ. 910.) dôn, dôde, gedôn oder von
ſpuon, ſpuota (ſ. 886.) tuon, tuota, kituon fordert, theils
ein wort, das zur erklärung der ſchwachen form die-
nen ſoll, nicht ſchon ſelbſt das ſchwache kennzeichen
des praet. an ſich tragen kann. Dazu tritt, daß die II.
ſg. wenigſtens im alth. völlig der ſtarken conj. gemäß
tâti lautet, nicht tâtôs, wogegen wiederum das altſ. dë-
dôs, angelſ. dideſt abſticht. Um den inf. dieſer anoma-
lie mit dem praet. und das praet. mit der ſtarken conj.
in einklang zu bringen, möchte man reduplication, etwa
nach dritter conj. annehmen, aus einem goth. dôan, praet.
dáidô, pl. dáidôun, part. dôans müſte ſich allmählich
dáida, dida, pl. dêdun; alth. tëta, tâtun entfaltet haben?
aber dann wäre, das bedenkliche ſolcher veränderun-
abgerechnet, ein ſubſt. dêds (alth. tât) aus reduplicati-
ver form erwachſen, was ſ. 1039. geleugnet wurde! und
warum entfernt ſich das ſchwache part. praet. ſo ent-
ſchieden von jenem part. kitân, gedôn? ſtatt kiſalpôtêr,
geſëalfod wäre kiſalpôtânêr, geſëalfodon zu erwarten? —
ε) bemerkenswerth und bis jetzt unerklärt ſcheint mir
das abweichende verhältnis der goth. formen ïddja, ïdd-
jèdun (ſ. 854.) wo der plur. des zweifachen d ermangelt;
die ſtellung des ableitungs -j weiſt das vorausgehende dd
nothwendig der wurzel zu und ïddjêdun ſtünde wohl-
lautshalber für ïddidêdun? — ζ) wie es ſich immer ver-
halte [weiteres unten, fremde ſpr. n° 7.], ein zuſ. hang
des hülfsworts thun mit dem praet. ſchwacher conj.
ſcheint mir ziemlich ausgemacht und wird durch den
auxiliariſchen gebrauch des engl, did (we did ſalve =
ſalbôdêdum) beſtärkt.
Die flexion iſt ſchon ſ. 835. 836. im allgemeinen charac-
teriſiert worden; nähere erläuterungen ſind erſt jetzt
möglich. Redupl. und ablaut waren, wie wir geſehn
haben, unterſcheidendes merkmahl der ſtarken, ablei-
tungsvoc. und eingeſchaltetes d, t der ſchwachen con-
jugation, in der eigentlichen flexion dienen conſonanten,
um das verhältnis der perſonen, vocale, um das der
zeit und modalität auszudrücken.
Bei dem nomen mislang die erklärung der caſus aus
ſuffixion der ſpäterhin äußerlich waltenden praepoſitio-
nen und pronomina (ſ. 834). An dem verbum läßt ſich
ebenſowenig das weſen der redupl. und des ablauts aus
ſpäterer umſchreibung des praet. deuten; mehr anſchein
gewann die ableitung des d ſchwacher form von einem
eingewachſenen oder ſuſſigierten auxiliare, welches neuere
mundarten wirklich und mit ähnlicher wirkung außen-
her zu dem ſtamm conſtruieren (ſ. 1042.); denkbar wäre
auch der verwuchs anderer hülfsverba, zumahl des ver-
bums ſeyn, etwan um ſtufen der vergangenheit oder
den begriff der zukunft auszudrücken; allein die deutſche
[1052]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
ſprache gewährt keinen ſolcher fälle. Eine bedeutung
der vocale, welche die differenz des conjunctivs vom
ind., des praeſ. vom praet., des goth. paſſ. vom act.
ausdrücken, getraue ich mir nicht nachzuweiſen, ſie
birgt ſich in tiefes dunkel gleich derjenigen, welche
vocale beim genus und numerus des nomens haben mö-
gen. Aber die perſonenkennzeichen, d. h. conſonanten
der verbalflexion ſcheinen bündige vergleichung mit
dem perſönlichen pronomen, deſſen verhältniſſe ja gerade
dem begriff des zeitworts einverleibt werden ſollen,
zuzulaßen. Es wird dadurch wirklich etwas erklärt
und einzelne züge des ungeſchlechtigen pron. bieten
ſich überraſchend her; untreffendes müſſen wir aus dem
verderbnis der ächten geſtalt theils der pronomens, theils
der verbalflexion, welche undenkliche zeit lang jedes
auf eignem weg, ohne nachgefühl anfänglicher einigung
fortgeſchritten ſind, zu verſtändigen ſuchen. Bald läßt
ſich das pron. (deſſen ſchwierige anomalie ſ. 813. bemerkt
worden) aus dem verbum, bald das verbum aus dem
pron. ahnen; ſehr begreiflich bleibt die dritte perſon
am dunkelſten, deren geſchlechtsloſes pronomen ſich
zumeiſt änderte, einzelner caſus verluſtig ward, biswei-
len völlig ausgieng; das geſchlechtige pron. dritter perſ.
leidet aber gar keine beziehung auf verbalflexionen. Die
kennzeichen der beiden dritten perſonen -d und -nd
bleiben mir durch das deutſche pron. unaufgehellt. Füg-
ſamer iſt das -m der I ſg; führen hapêm, ſalpôm, gâm,
tuom, pim, auf ein älteres pintam ſt. pintu (goth. binda)
ſo mag ïk, ih, altn. ëk (parallel dem gekürzten bind,
ek, veho) die ſtufungen ihhu, ihham, ïkam nachweiſen;
aus dem pintamês I. pl. folgere ich ein früheres meis ſt.
veis, alth. die ſtufen meis, mîs, wîs, wîr. Das þ zweiter
perſ. ſtimmt unverkennbar zu þu und läßt ein älteres þjus
ſtatt jus (altn. þër neben ër) muthmaßen. Endlich berühren
ſich die dualconſ. v. und ts mit den pron. formen vit und
jut (früher juts?) Die betrachtung urverwandter frem-
der ſprachen wird dieſe wahrnehmungen unterſtützen
helfen.
Anlehnung lebender pronominalformen an lebende
verbalflexionen iſt etwas anders, hat aber zufällige ähn-
lichkeit dadurch, daß die ſyntax das pron., welches
ſchon abgeſondert ausgedrückt iſt, zu inclinieren geſtat-
tet, gerade wie das ſuffigierte daneben noch leiblich ge-
ſetzt werden darf, z. b. J. 346 ih antlûhuh (wo nicht
[1053]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
antlûhhu zu leſen?) für ih antlûhu oder antluhuh
allein (auffallend Hild. wilihuh f. wiljuh?) Ebenſo
durfte es heißen ſowohl pintamês, als wir pintamês;
ſowohl binden, als wir binden. Die anlehnungen ab-
zuhandeln, iſt hier nicht ort und ſtelle, ihre verſchie-
denheit von jenen ſuffixen folgt daraus, daß mehrerlei pro-
nomina inclinieren können, ſuffigiertſeyn nur die unge-
ſchlechtigen. Weder in bandich (ligavi) noch bander
(ligavit) ſteckt ein ſuffix, d. h. uralte perſonenflexion,
ja es kann das lebendige pronomen zu dem todten d. h.
ſuffigierten, obendrein angelehnt werden, z. b. biſtu,
hâſtu, mahtu f. biſt dû etc. Ungenau ſtellt folglich Raſk
§. 276. die II. praet. lêzt (ſiviſti) d. h. wirkliche flexion
mit der incl. lêtk (ſivi) zuſammen und man kann nicht
conjugieren I. lêtk, II. lêzt, III. lêt, ſondern nur: I. lêt,
II. lêzt, III. lêt; lêtk aber iſt der II. lêztu parallel, wel-
ches freilich ſoviel bedeutet als das bloße lêzt. Bei-
ſpiele mannigfalter anlehnungen aus volksmundarten ſind
bei Schmeller §. 717-726. und Stalder p. 125. 126; ein
alth., unentſchieden, ob ſuffigiertes oder incliniertes
pron. enthaltender fall wurde vorhin berührt.
Die urſache der meiſten anomalien iſt ſ. 851. angezeigt;
häufiger verbrauch nützt die formen gewiſſer verba
ab und zugleich ihre bedeutſamkeit, indem er die ſinn-
lichen eindrücke des begriffs zu leerer allgemeinheit
verflüchtigt. Die conjugation kommt aus dem gleiſe
und gleichſam bewußtſeyn ihrer vollen entfaltung und
da allgemeine begriffe näher liegen, als beſondere, ſo
gewöhnen fich verſchiedene wortſtämme zueinander und
bilden miſchformen, deren unregelmäßigkeit in der
ſicheren übung gar nicht empfunden wird. Dieſelben
urſachen bewahren aber auch vor dem allmähligen ver-
derben, welchem die regelmäßige conjugation ausge-
ſetzt iſt und in der anomalen flexion ſind, wenn ſchon
einzelne und ſtückhafte, ſpuren des höhern alterthums
zu finden. Ein klares beiſpiel liefert die erſte anomalie,
in deren vermengung überreſte einer ſonſt ganz verlore-
nen früheren ſcheidung des futurum vom praeſ. zu ent-
decken waren (ſ. 1051).
Die wichtigſte aller anomalien iſt die zweite; hier
hat die bedeutung des praet. die eigentliche form des
[1054]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
praeſ. weggedrängt, hernach mit zuziehung des he-
bels ſchwacher conj. ein neues praet. aufgebracht. Ich
weiß will urſprünglich ſagen: ich habe erfahren, ich kann
urſprünglich: ich habe gelernt, ich mag urſprünglich:
ich habe die kraft erworben und ebenſo laßen ſich die
übrigen deuten. Zuweilen noch im mittelh. ſteht z. b.
kan der bedeutung und conſtruction zufolge als ein wah-
res praet. und nicht als praeſ., hänfiger gilt began völ-
lig ſoviel als begonde und von ihm währt auch das
wirkliche praeſ. beginne fort. — Für die geſchichte des
ablauts darf nicht überſehen werden, daß ſich in dieſen
anomalien einige pluralvocale wider die regel ſträuben,
namentlich das goth. magum, munum, ſkulum, daúrum
(ſ. 852.) worüber ich nichts befriedigendes zu ſagen wüſte.
Hat aber der buchſtabe der anomalie die vermuthung des
alterthums eher für, als gegen ſich, ſo gewinnt die ſ. 1035.
vorgetragene anſicht durch ſkulum keine beſtätigung,
vielmehr ließe das part. ſtulans, numans auf einen pl.
praet. ſtulun, numun ſchließen, baurans auf baúrum
(= daúrum) und meine trennung der XIten conj. würde
gerechtfertigt. Zu dem pl. u ſcheint ſelbſt das von hi-
lan (celare) abgeleitete huljan (occulere) zu ſtimmen.
Die bei der declination verglichenen ſprachen bieten
auch hier lehrreiche beziehungen zu der deutſchen, mei-
ſtentheils iſt ihre conjugation vollſtändiger und feiner
gebildet; ich gehe nicht darauf aus, ſie im ganzen
zu ſchildern, vielmehr nur herauszuheben, was ſich mit
der deutſchen einrichtung berührt.
3, 29. vgl. die angelſ. rune ſtân für ſt. — 9, 6. über
das verhältnis der halbvocale zu den ſpiranten ſ. den
nachtr. zu ſ. 580. — 9, 32. folglich kann kein umlaut
auslauten, wohl aber in der letzten ſilbe ſtehn, welches
immer den ausfall des umlautzeugenden vocals voraus-
ſetzt. — 12. anlaut, inlaut, auslaut brauche ich von vo-
calen, wie von conſ. — 13, 41. peto iſt nicht bidja
(vgl. ſ. 1060.) — 14. hier wird dem heutigen Nieder-
ſachſen mehr als billig iſt zugetraut; er ſpricht auch grê-
pen (rapuerunt) und gâten; vgl. die note ſ. 545. — 16.
ſind zweiſilbige auf zweiſilbige mit bloßer rückſicht auf
den auslaut nicht ſtumpfreimend? — 21. ſeitdem hat
Hofmann accentuierte bruchſtücke Otfrieds ſorgfältig her-
ausgegeben. — 22, 18. der hier und weiter verſchiedent-
lich (z. b. 40, 41.) angenommene ſatz von der tonloſig-
keit langer ſilben und vocale ſcheint höchſtbedenklich;
mehr darüber im dritten buche bei den vocalen der bil-
dungsſilben. — 29, 28. quaþit iſt unerweiſliche hypo-
theſe, vgl. ſ. 844. 1048. — 29, 30. das beiſpiel ap iſt
[1068]nachtrag.
ſchlecht gewählt, und dieſe form nie mittelh. auslaut,
in der compoſition aptrunnic, apkot mag es vorkom-
men. — 30, [...], die hier und ſ. 374. zu allgemein geſtellte
regel habe ich im zweiten buch allmählig beſchränkt,
vgl. ſ. 745. 929. — 31. von verunſtaltung zuſ. geſetzter
wörter wären viele beiſpiele anzuführen, die interj. ar-
man entſpringt aus arm-man. Das neuh. bietet manche
wörter dar, wo der erſte theil den ſchein der wurzel,
der zweite ſchein tonloſer bildungsendung annimmt, vgl.
nachbar, nachber, aus nâchbûre; wimper aus wint-brâ;
eimer, zûber, aus alth. einpar (eimpar) zuipar, d. h.
ein oder zweiträgiges gefäß; bieder aus biderbe; albern
aus alwære; begreiflich ſind eigen- und ortsnamen zumeiſt
ſolchen änderungen unterworfen und werden der über-
tragung ſelbſt in verwandte mundarten unfähig; wer
ahnt in der ausſprache des engl. ſouthampton ein hochd.
ſüd -heim -zaun (angelſ. ſudh -hàm -tûn)? — über den
hiatus herrſchen in der neuhochd. dichtkunſt verworrene
anſichten, welche ſich auch als undeutſche zeigen wer-
den, ſobald man die geſchichte unſerer poeſie ſtudieren
will. — 32, 29. zuns nicht häufigſt, vielmehr ſelten (Nib.
1575. E. L. 2494. E. L. 3511. G). — 34, 12. ſo wie 38, 7
eine müßige, wo nicht ſchiefe bemerkung, da ſich die
griech. ſchreibung ἀβραὰμ, χριστός und ἀβραὰμ, χριστὸς
danach richtet, ob das wort am ſchluße oder in der
mitte eines ſatzes ſteht. — 43, 13 in πορφύρα iſt υ kurz. —
44, 45. 1. vorkommt und das goth. a = lat. o iſt (nach
ſ. 35). — 45, 14. gatáih, pl. gataíhun (ſ. 841). — 46, 8.
doch ſteht zuweilen goth. u (oder û) für gr. o, neben
aú, als: Neh. 16, 17, 19. aípiſtulans, Phil. 2, 25. apaú-
ſtulu und ſo wechſeln diabaúlus und diabulus. — 52, 11.
merkwürdig Luc. 7, 37. alabalſtráun (ἀλάβαστρον) da ſonſt
nirgends alabalſter f. alabaſter ſteht, doch hat D. Cange
alabauſtrum; ferner n für m in balſan (μύρον) balſanie,
balſana, Luc. 7, 37, 38. Joh. 11, 2. 12, 3. — 53, 10. talz-
jan aus tal -ſ -jan? — 53, 17. munda heißt munþa, doch
ſcheint nd urſprünglicher (vgl. ſ. 853). — 55, 16. über
páida aufſchluß ſ. 397.; plinſjan ſcheint das ſlav. plaſati ſo
wie plats das ſlav. plat (Dobr. inſt. p. 117.) — 57, 11. die
vergleichende conſ. tabelle blieb aus mangel an raum her-
nach weg. — 59, 11. fehlt ugkis, uggkis. — 63, 34. aſneis,
aſilus. — 64, 2. us -aſſimiliert ſich mit r in der compo-
ſition, als: urrinnan, urreiſan, bleibt aber vor hr, als:
ushriſjan, ushramjan; jenes rr auch ſ. 74. nachzutra-
gen, — 67, 19. im verhältnis von azgô zum angelſ. aſce
[1069]nachtrag.
altn. aſka, alth. aſca, (O. aſga) mittelh. aſche liegt
etwas unregelmäßiges. — 67, 24. zd: rt erläutert den
bairiſchen volksdialect (Schm. §. 631.) der jedoch auch
goth. rd in ſcht wandelt, z. b. hard, vaúrd in haſcht,
wouſcht. Die urſache, warum die alth. rt im goth.
bald zd, bald rd haben, bleibt zu ergründen, ſie ſcheint
in verwandten griech. und lat. wörtern bald rt
(vgl. hortus mit gards) bald σθ zu fordern (μισθὸς, goth.
mizdô) vgl. nachtr. zu ſ. 126. — 68 note, vgl. nachtr.
zu 177. — 73, 40. wäre das alth. floum (colluvies O. V.
1, 42.) das griech. φλέγμα f. pituita, lat. flemen, plemen,
ſo ſtände ein goth. þlagms nach bagms zu erwarten;
wenn nun die alth. formen -oum, -aum (vgl. ſ. 1036) auf
ein früheres -agam deuten, poum auf pagam, worin
pag wurzel, -am bildung, ſo ſcheint es minder verwe-
gen, das lat. fagus mit bagms, poum zu vergleichen, nur
blieb in bagms unverſchobner kehllaut, während in bôka,
puocha regelmäßige lautverſchiebung waltet. — 79, 3. nach
dieſer regel ſoll auch 83, 39. në, pë nur den urſprung
aus i erläutern, nicht die wirkliche ausſprache anzeigen;
im angelſächſ. habe ich mir in unbetonten flexionen das
ë zur verdeutlichung der umlaute häufig erlaubt, hätte
aber lieber e ſetzen ſollen. — 81, 36. ferner: gërſta (hor-
deum) girſtîn (hordeaceus); reht, girihti; ſlëht (laevis)
ſlihtan (laevigare); vërah (vita) virihi (viventium genus)
u. a. m. — 88, 3. N. âſôn (niti) führt Fügliſt. dial. p. 265.
an, wenn es aber zu aſneis gehört, muß aſôn geſchrie-
ben werden. — 88, 8. 1. ſcrato, vgl. ſ. 341. — 89, 7. bei
K. 23b aahtunga. — 91, 10. vgl. ſ. 121. — 94, 41. das ô
in biſcôf wird durch piſcouf noch nicht bewieſen; mit-
telh. entſchieden biſchof; vgl. ſ. 444. — 95, 43. auch
weſſobr. hat ô (in côt, côtlîh) für das gemeinalth. uo. —
97. zuzufügen: farſûman (negligere) chûſc (caſtus). —
103. 105. dem aus alter redupl. entſpringenden ia, ie
wäre z. b. das verſchrumpfte franz. jeune aus dem lat.
jejunus vergleichbar. — 108. vgl. das angelſ. geþëóde
convenientia, conjunctio, idioma; bei O. kann daher gi-
thiuti ebenfalls idioma, ſermo vulgaris ſ. plebejus ſeyn,
wie ἴδιος das gemeine, private im gegenſatze zum edeln,
öffentlichen ausdrückt. — 115. ἄτονα ſind nicht tonloſe,
ſondern ganze wörter, in denen nur tiefton iſt. Von
den goth. ſyncopierten bíldungsvocalen ausführlicher im
dritten buch. — 116. hochd. volksmundarten, denen be-
reg, ſcharef, hanef etc. gemäß iſt, ſ. bei Schm. §. 564.
637. und vgl. ſ. 1037. — 122. 3. ſonderbar das vor-
[1070]nachtrag.
brechende r in T. fuortren (paſci) f. fuotren. — 122, 4.
vgl. ſt und fr im fluobara bei T. mit dem altſ. fruobra,
angelſ. frôfor. — 122, 6. fillorinju O. I. 20, 11. ſt. firlo-
ranju — 123. in galla (bilis) ſcheint ll. alt, in kiulla
(pera T. 44, 6.) unorganiſch, vgl. das angelſ. cavel, cavl
(corbis, ſporta). — 123, 7. von rr ſind zu wenig bei-
ſpiele gegeben, vgl. harra (ſaccus) ſurro gl. jun. 184. —
125. beizuſügen zu ns: hanſa (cohors) T; zu rs zërs
(penis); zu rz chërziſtal (candelabrum) churz (brevis). —
126, 34. die goth. asdingi erſcheinen bei Lydus (de ma-
giſtratibus, ed. Fuß, Lugd. bat. 1812. p. 248.) als ἄστιγ-
γοι, die ſtelle lautet: σὺν τοῖς ἐνδόξοις τοῦ ἔθνους, οὓς ἐκά-
λουν ἀστίγγους οἱ βάρβαροι; auch Jornandes ſchreibt aſtingi
(ed. lindenbr. p. 97. 102) und Dio Caſſius lib. 71. (Reimar.
1185, 96. 1186, 8.) ἄστιγγοι; da ſie unter Gothen, Vandalen
und Marcomannen vorkommen, bezeichnet der name kei-
nen volksſtamm, ſondern wie auch Lydus ſagt, die claſſe der
edeln, kann alſo leicht mit art (genus, nobilitas) zuſ. hän-
gen. Das ſd des Dracontius iſt dem ſt der übrigen vorzuzie-
hen, nicht uneben vergleicht ſich das gr. ἐσθλὸς. — 126, 37.
über pfërt vgl. ſ. 334. — 131, 5. dies wird ſ. 381. 398 etc.
zurückgenommen. — 148, 16. wohl kein übergang, viel-
mehr zwei verſchiedne wörter, da die gl. ker. beides
arowingon und erdhincum liefern; übrigens ſchreibt
N. árdingûn (Fügliſt); mehr davon bei den adv. —
149, 21. fn ſ. 407. nachgeholt; inlautendes vs in klipſì
(rixae) gl. doc; ft in ſüftôn (gemere) vgl. ſ. 414. — 154,
42. mehr belege zu kurz und kurt ſ. 413. note; beizufü-
gen ſind wintar (ſ. 394.) und ſcalt (ſ. 1044.). — 155, 5.
auch eitar (venenum) gehört hierher, angelſ. âtor, altn.
eitr. — 157, 40. organiſcher hätte O. dôt (mortuus) und
dôd (mors) geſchieden, parallel dem angelſ. deád und
deádh, engl. dead und death, neuh. tôdt (f. tôt) und
tôd. — 159, 2. merkenswerth die med. in kaſtudit K.
18b vgl. altn. ſtodh (fulcrum). — 166. hier waren die
inlautenden ſ genau zu ſammeln; merkwürdig haſinôn
(ſubnervare) und das zu 88, 3. berührte âſôn (niti; ge-
braucht N. âs, trabs für ans?) — 167, 2. das nie geht
zu weit, ausnahmsweiſe ſtehen -s und -Ʒ gereimt, vgl.
ſ. 414. — 171, 10. vitida und môtida ſind unſtatthaft,
vgl. ſ. 853. — 175, 19. unbegreiflich iſt mir die form
ſuorga (cura, triſtitia) bei O. und T.; weil aber O kei-
nen diphth. uo hat, ſondern ua, ſo muß es für ſworga
ſtehen; vgl. ſ. 1038. über dieſes wort. — 177. das merk-
würdige adv. umbi-kirg (circumcirca) O. IV. 27, 42.
[1071]nachtrag.
V. 3, 30, wenn es dem lat. circa verwandt iſt, muß den
ſ. 68. beigebrachten goth. wörtern zugefügt werden; ſpä-
terhin herrſcht in bezirk, zirkel der lingual -ſtatt des
gutt. lauts — 180, 43. ob auch anomalien der formen-
lehre mit der heiligkeit des namens zuſ. hängen? z. b.
der lat. voc. deus ſt. dee (Schn. form. p. 65.). — 182,
28. 4.) wechſel zwiſchen g und h, ſowohl in ſtarker
conj. (vgl. ſ. 427. 867.) als in andern wörtern, z. b. flêga
(aſſentatio) gl. monſ. 376. ſt. flêha (ſ. 90.); ſuëhur
(ſocer) ſuigar (ſocrus) goth. ſvaíhra und ſvaíhrô; ſlac
(ictus) ſtatt ſlah, goth. ſlahs Joh. 18, 22. — 185, 17.
3) ch. für goth. media, namentlich bei J. in der vor-
ſilbe chi-; im weſſobr. fr. (mit runenſchrift) chafregin,
chaworahtos, forchàpi, chawurchanne neben forgip und
galaupa; gl. m nſ. 404. chartôm îſarnînên, cardis (? vir-
gis) ferreis. Haben hier unkundige ſchreiber das ſtreng-
alth. k (= goth. g) mít dem k (= goth. k) weicherer
mundarten verwechſelt und in die aſp. geſteigert? —
187, 32. berichtigt ſ. 434. — 201. O und T. haben beide
ſtërro (ſ. 390.), beide wonên, firmonên (ſtrengalth. wa-
nên, varmanên), beide wollemês (ſ. 884, ſtrengalth. wël-
lemês) etc. weichen aber in manchem ab, z. b. O. hat
wëſſa, T. wëſta (ſ. 882.); O. megi, T. mugi (ſ. 882.); O.
biſmëron, T. biſmarôn; O. dougno, T. tougolo; O. fru-
men, T. fremen, O. quâtun, T. quâdun (ſ. 867.) u. a. m. —
211, 25. ſpunſja, vgl. ſ. 259. 280. — 226, 20. fëld (campus)
ſcëld, ſëldan, hëlpan (ſ. 239.). — 228, 32. miſchung des
e mit y in fyllan etc. (ſ. 904.) vergleichbar dem alth.
wechſel zwiſchen e und u in vreman und vruman
(ſ. 869.). — 258, 25. ich errathe nicht, warum für die
med. g außer der einfachen rune gifu noch eine zuſ.
geſetzte gâr vorkommt, da auch das altn. geir wie giöf
(alth. kêr wie kipu) anlautet; oder ſtützt ſie Raſks wei-
cheres g vor e, i, y; härteres vor a, o, u, â etc.? —
259, 19. ausfall des inlautenden g vor d ferner in læde,
ſæde (ſ. 905.) broden (ſ. 898.) vgl. das mittelh. leite, ſeite. —
277. noch nenfrieſ. ſk ſtatt des niederl. ſch. — 307, 3.
grunnr (fundus). — 316, 26. auch in II, ſg. praet.
(ſ. 919.) — 318, 15. vgl. 1031, 45. — 326, 37. vgl. ſ. 916.
1036. — 331, 27. nicht bei zuſ. ſetzungen ohne con-
traction, es heißt z. b. zwi -valt, dri -valt (nicht zwî-
drî-). — 332, 3. doch wohl marîa, nach uralter aus-
ſprache des von jeher bekannten namens. — 336, 17. l.
honec. — 336, 32. ſchon Karl 35a amis 304. opfer:
kopfer. — 339, 1. dies ö iſt im neuhochd. ergötzen,
[1072]nachtrag.
ſchwœren, lœwe, löſchen; und im 17. 18. jahrh. findet
man nachöhmen, ſchröcklich, wölſch etc. — 340, 11.
M. S. 2, 146a dür (adv.): vür. — 341, 24. âmen M. S.
2, 137a Maria 112. Flore 59c; jedoch amen Ernſt 33a. —
344, 34. her: mêr ſteht Karl 1a (nicht b) nur in der in-
haltsanzeige, die nicht vom Stricker iſt. — 344, 44. Dobr. in-
ſtitt. p. 233. — 345, 22. Lachm. ausw. VIII. râvît. — 346, 40.
itroj. 37a verſchuldet ſchwerlich Conr. den reim. — 347. hû-
chen (ſpirare) hû lieber interj. irridentis, fragm. 25c liederſal
155. — 349, 24. das geleugnete au kann ſich in fremden
wörtern durch auflöſung des v in u zuweilen ergeben, vgl.
laurîn M. S. 2. 15a wizlau, niclauſes a. Heinr. 203c darf
aber dem deutſchen ou nicht gleichgeſetzt werden, denn
lourîn wäre nach ſ. 353. unerlaubt; laurîn iſt aus lâvrîn
(wie tâvriân im Parc.) zu leiten. — 351, 3. ier: ſchier
M. S. 2, 41b. — 351, 21. vielleicht George 32b und Flore
44b hie: bie zu ſetzen? — 352, 5. nicht ſtets, zuwei-
len wird es -je (ſ. 779). — 353, 12. bemiuſeln (illinere):
iuſeln (favillâ, Friſch 411b) fragm. 40a; oder müſelen:
üſelen? — 353, 45. urlogen (certare) a. w. 3, 66. — 354, 2.
dieſelbe ſtelle fragm. 45c gamâhiu: piu (wahrſcheinlich
apulien, altfranz. la puille, pouille (vgl. ſ. 779). — 355, 6.
man lieſt beßer vröun, dröun, gevröut; vroun im reim
nur kolocz 146. — 357. 6. kürzungen des ou in o ſind
überhaupt häufiger, vgl. das zu ſ. 353. nachgetragne ur-
logen und ebenſo urloben Karl 30b 31b. — 357, 4 im
Tit. herƷelöude: beſchöude, verwechſelung des öu mit
oi. — 359, 10. George 13b vlugen ſt. ſluogen zu beßern. —
361, 27. die ausnahme bezieht ſich auf den haftenden
laut i, nicht auf den ton, denn -ic und -iſch ſind mit-
telh. unbetont, -ìgen und -ìſche kommen zuweilen
vor (beiſpiele ſ. 24. und 368). — 365 * ob dieſe anſicht
grund hat, oder keinen? gehört ins dritte buch. —
366, 9. in ſtumpfem reim vor auslautendem conſ. kann
niemahls æ, œ, ue, iu (uml. des û) ſtehen, wohl aber
e, ö, ü vor liquiden, hinter denen ſtummes e der flexion
apocopiert iſt, z. b. her, tür; ö wird doch kaum ſo
vorkommen. — 368, 40. in iſt praep. (goth. ïn, neuh.
in) în aber adv. (goth. inn, neuh. ein). — 368. 369.
die fälle e und f ſind wichtig genug, um zu vollſtän-
digeren beobachtungen zu reizen; einiges wird ſich
dann anders beſtimmen. — 373, 20. wörter wie manic,
namen (nomine) im reim ſtets einſilbig, können außer
dem reim allerdings zwei ſilben zählen, vgl. anm. zu
ſ. 507. — 379. hier hätte auch liepſte f. liebeſte M. S. z,
[1073]nachtrag.
16b und ähnliches bemerkt werden können, was zu
dulden, nicht aber einzuführen iſt. — 382, 2. andere bei-
ſpiele ſind ſ. 487. nachgeholt, vgl. enkëgen Parc. 52a und
anderwärts enpran (exarſit). — 386, 7. in verſchiedenen
fremden wörtern wird l bald gelaßen, bald unterdrückt,
welches nicht immer aus der ſchwankenden original-
form zu erklären (ſ. 444. note), zuweilen als dichterfrei-
heit zu betrachten iſt. Gotfr. reimt iſôt: tôt, iſôte:
rôte etc. aber auch iſolt: golt, iſolde: morolde (Triſt.
90a. b. 62a). Die meiſten dichter ſagen pliât, bliât (Wi-
gal. h. v.) Wolfr. ſagt plîalt Parc 56b 75c, Herbort 69a
blîalt M. S. 2, 63a ſteht coucaſals ſt des üblichen couke-
ſâs (kaukaſus) wo nicht coukelſas zu leſen, wie im Ot-
nit göikelſas, was die vorr. zum heldenbuch ſogar in
glockenſachſen entſtellt hat. vgl. den nachtr. zu 52, 11.
über alabalſtráun und das niederl. out ſtait olt. — 392,
16. vgl. neuniederl. keurig, ausbündig; ſtatt frîmurc lieſt
cod. pal. fêmurc. — 395, 33. noch im 13. jahrh. hanef. —
400, 6. ſûver M. S. 2, 19a b. (alth. ſûpar, ſûbar). — 403,
18. pl. praet. ſchrîen iſt unerweiſlich und nur ſchrien
oder ſchriuwen oder ſchrirn zuläßig (ſ. 936). — 410, 7.
merkwürdig reit, reite f. redet, redete (l. 959). — 416,
1. wohl krueſelîn. — 417, 10. nach ſ. 679. zu berichti-
gen. — 418, 3. der nom. iſt roten, gen. rotenes (nach
ſëgen ſ. 669.) alth. rotan, gl. blaſ. 79a. — 420, 39. ſo
wenig als in willehalm, irmenſchart das deutſche wili-
hëlm, irmengart. — 422, 31. Türheim erlaubt ſich guns
(f. gunſt): uns Wilh. 3, 236a 362b Triſt. z. 185; vgl.
den wechſel zwiſchen -s und -ſt in der zweiten perſ.
(ſ. 932. 933). — 429, 31. allerdings ſwëlch, ſwëlhes
(ſ. 940). — 430, 2. auch das buchſtabenſpiel in der ſtro-
phiſchen einleitung zu Gotfr. Triſt. (Grootes ausg. p. 3.
vgl. 403.) um den namen dieterich zu verewigen, denn
in der fünften ſtrophe iſt: tiure und in der neunten:
chunſt zu leſen; cunſt oder kh für ch verwerfe ich;
[wenn das g der erſten ſtr. auf gotfrit deutet, könnte
das t der eilften, wo trîbe zu leſen, ganz einfach: tih-
tære ausdrücken, mit dieſen zwein ſtrophen ſchloß er
den namen deſſen, für den er das werk unternommen,
ein]. 432, 4. vielmehr ine, mine ohne verlängerung?
doch vgl. das engl. î. — 433, 22. dachte f. dâhte kommt
auf Bodmers rechnung. — 434, 19. 1. jâcop:lop M. S.
2, 123a jàcobe: lobe amis 321. nicht jûde, ſondern jüde
(alth. judeo ſ. 777.) jüden: rŭden g. ſchmiede ſ. 238. —
Y y y
[1074]nachtrag.
435, 10. die ſtelle 1785 ſteht bei Köpke 81, 10, aber mit
anderer lesart. — 438, 7. rihe, gedihe, zihe ſind falſch,
es heißt rige, dige, zige (ſ. 943). — 443. über maſtrieht
und ûƷtrieht vgl. ſ. 779, note. — 444. auch decliniert:
vërn f. vrouwen. — 448, 11. vancnus auch bei Ulr. v.
Thürh. — 448, 18. dieſes draft mehrmabls in Laßbergs
liederſ.: ſchaft, haft, kraft, z. b. ſ. 459. 464. 465. vgl.
Schm. §. 398. — 449, 6. die ſtelle 207b lautet im cod.
pal. ûƷ der heiden ê ein prieſter grâ. was darunder mei-
ſter dà; der copiſt wollte das unhochdeutſche tilgen. —
449, 29. wahrſcheinlich nicht von Stricker, auch nicht
das 450, 37. angeführte gedicht. — 452, 5. Schmeller
drückt dies bair oa mit ae aus (§. 146. 147.) — 464, 43.
wie im mittelniederl. (ſ. 500.) für den auslaut nach vo-
calen ch ſtatt g anzunehmen, mithin ſach (vidit): dach
(dies) etc. zu ſchreiben, dann aber auch noch weiter
die im mittelniederl. auslaut bleibende tenuis in ch zu
wandeln fordern beinahe reime wie: vlouch: rouch,
ouch: louch, bëch: wëch En. 25a 28a 40b? wollte man
vlouk: rouk, ouk:louk, bëk:wëk, ſo bleibt ſak (f. ſag,
vidit): dak bedenklich. — 497, 43. mittelh. veiƷ (M. S.
2, 192a); lw. 3892. ſcheint der ſuperl. veiſte (contr. aus
veiƷſte, wie grœſte, leſte ſ. 415.) herzuſtellen. — 518,
30. ferner: bin (ſum) un -(partic. privativa) und nach
der ausſprache vieler gebildeten: von, an, hin, es, das etc.
unſern gegenden iſt vôn, ân, hîn geläufiger und Göthe
reimt an: wahn, hin: ihn. — 522, 7. einige ſprechen:
gebûrt, fûrt. 524, 39. widder (vervex) mittelh. wider,
hingegen geſieder, nieder, wieder, fêder, lêder u. a. m. —
525, 2. kein r nach au, eu, ei (ſ. 697). — 526, 28. bemer-
kenswerth das unorg. z in hageſtolz (coelebs) ſt. hageſtalt
(wie: alt, kalt) alth. hagiſtalt, angelſ. hägſtëald; im mittelh.
finde ich den ausdruck nicht. — 525, 19. falb. gerben. —
555, 30. mit dieſer berührung des kehl- und zungenorgans
ſind die tl, tn, dl bairiſcher volksſprache ſt. kl, kn, gl
zu vergleichen (Schm. §. 475. 518.) — 565, 6. field, altn.
fiall. — 568, 13. auch ſlaviſch ſkv. ſchkv. Dobr. p. 164.
170. — 572. hier war der gegenſatz der liq. und ſpiranten
zu den mutis mehr hervorzuheben. Letztere wirken auf
den ihnen vorſtehenden vocal ſelten, die einflüße des l,
m, n, r, unter den ſpiranten zumahl des h. kann man
recht aus den volksmundarten kennen lernen. — 575, 9.
doch nicht dem gemein -weſtphäl. dialect, welcher iek,
iäk für ik, ies f, is (eſt), iatt f. et (id), iamm f. im
[1075]nachtrag.
(ei) diamm f. dem (illi) diarr f. der, hiärt f. hert, härt
(cor) u. a. m. zu hören gibt. Fallen nicht auch die
mittelh. ie vor r und h (ſ. 351.) hierher? (vgl. ie vor r
bei Schm. §. 275.). Vor r und h beginnt die verwand-
lung des i und u in ë und o, und reißt hernach allge-
meiner ein; ſo mag ia, ie ſtatt i vor r und h anheben,
dann um ſich greifen. — 580. 581. das verhältnis der
halbvocale v und j (ſ. 9.) zu den ſpiranten v, ſ, h (ſ. 10.)
liegt noch im dunkel, erſtens hat die lingualordnung
gar keinen halbvocal, dann die gutturale einen von der
ſpirans h verſchiednen halbvoc. j, endlich fragt es ſich:
ob der halbvocal v mit der ſpirans v zuſ. fällt? Ich
habe dieſes räthſel ſchon ſ. 187. berührt. Zu beachten
iſt, daß ſich halbvocale (d. h. vocale mit conſonantiſcher
geltung) nur aus i und u entwickeln, nicht aus a, be-
greiflich nicht aus den unurſprünglichen e und o. Und
da wiederum l und r zu u und i werden können, ſind
ſie halbvocaliſch in umgedrehtem ſinn, d. h. conſonan-
ten mit vocaliſcher geltung. Hängt mit jener reicheren
ausſtattung der kehllautsreihe zuſammen, daß ihr zu-
weilen die aſp. entzogen wird? — 583, 33. madidus,
mador, goth. natjan, alth. naƷ — 584, 15. nähme man
eine vierte ſtufe an, ſo würde der laut zur erſten ſtufe
zurückkehren; dahin ließe ſich etwa einzelnes rechnen,
wie das zu ſ. 185. und 526. nachgetragene ch und z in
châpi, hageſtolz, welches aber unorg. ausnahmen ſind;
nie zeigt ſich dergleichen in feſter, geregelter reihe. —
585 bis 588. zu den neun gleichungen folgen hier noch
einige beiſpiele. I, 1. pallidus, litth. palwas, altn. fölr,
alth. valêr; ſlav. poſt (jejunium) alth. vaſta; litth.
paukſztis (avis) goth. fugls; ſlav. plſt (coactile) alth.
vilz; ſlav. pjaſt (pugnus) alth. vûſt; πέρας, goth.
fêra. — I, 2. nepos, alth. nëvo; κῆπος, alth. hof, hoves;
copia, hûfo; ὁπλὴ, altn. hôfr, alth. huof, huoves. —
II, 2. litth. obolys, ruß. jabloko, altn. epli, alth. epfili;
ruß. obezjana (ſimia) böhm. opice, altn. api, alth. affo. —
IV, 1. trituro, angelſ. þërſce, alth. driſcu; tonitru, an-
gelſ. þunor, alth. donar; ſlav. trn, tern (ſpina) goth.
þaúrnus, alth. dorn. — V. 2. καρδία, cor, cordis, haírtô,
hërza; radix, altn. rôt; hoedus, altn. geit, alth. keiƷ;
madidus, alth. naƷ; κόνις, κόνιδος, altn. nit, alth. niƷ (ſt.
hnit, hniƷ); nidus, ſlav. gniezdo, angelſ. nëſt, alth. nëſt;
vielleicht nodus, goth. nati (aus knoten beſtehend) alth.
nezi. — VII, 1. κῆπος, hof; copia, hûfo; crinis, hâr; cere-
Y y y 2
[1076]nachtrag.
brum, hirni. — VII, 2. pulex (pulec-s) ſlav. blocha, alth.
vlôh. — VIII, 1. ſlav. gnjetn (premere, depſere) alth.
chnëtan. — VIII, 2. litth. nogas (nudus) altn. naktr, alth.
nacchot. — IX, 1. hoedus (= hoidus) altn. geit. — 591,
24. im ſlav. anlaut herrſcht zuweilen die med. der zwei-
ten oder dritten ſtufe, zumahl in den verbindungen bl,
br, gn, gr, als: blocha (pulex) brat (frater) bronja (lo-
rica, Dobr. p. 115.) alth. prunja; gnida (κόνις, κόνιδος
Dobr. 195.); graditi (cingere, goth. gaúrdan) etc.; dem
deutſchen hl, hu begegnet chl, chv z. b. chvila (mora)
hvîla; chljev, hleip u. a. m. — 591, 25. pilnas, ple-
nus, ſlav. pln, poln. — 593, 19. dies beiſpiel iſt ver-
ſehen, δάκρυ und lacrima haben beide kurzes a, das
lang werden daif. — 593, 29. der participialendung we-
gen iſt prûdens doch lieber aus providens zu leiten. —
594. bei einer vergleichung der vocale und der farben
fällt a mit weiß, i mit roth, u mit ſchwarz zuſammen. —
603, 3. friaþva (amor). — 604, 12. vgl das altn. fem. eyſa
(cinis ignitus) 604, 25. friſahts (ὑπόδειγυα) Ioh. 13, 15 ein
bedenkliches wort. — 605, 20. hei daúhts entſcheidet das
adj. mikila Luc. 5, 29. fürs fem. — 608, 6. hlija (taberna-
culum). — 608, 24. ſtaírô (στεῖρα). — 610, 10. guþ(Deus) hat
im nom. kein -s, vgl. nachtr. zu 180, 43. — 612, 8. O. aſſi-
miliert daher wolkonon IV. 19, 108. ſt. wolkanun. —
612, 24. ſpër gehört unter die neutra. (ſ. 621.) — 614, 1.
ſcatu (umbra) ritu (tremor). — 614, 30. vridoo (vridô)
K. 17b gen. pl.? da im text pacis ſteht? — 615, 36. wîs,
wîſì (dux)? O. IV. 31, 51. wîſî, duces? nach dem altn.
vîſir ſollte man wîſi, pl. wîſà nach decl. 2. ſchließen. —
617, 30. bei N. 34, 16 naſa, gen. naſô. — 618, 5. nicht
zu überſehen iſt. daß bei K. ſtatt -unka, -unga,
der nom. -unc ſtehet: ſcauwunc 51b (mit dem adj. diſu)
arnunc 57a ſamanunc 57b alle übrigen caſus aber nach
dem ſchema gehen, gen. arnungâ, arnungu, acc. ar-
nunga etc.; auch J. 363, 366. ſetzt den nom. bauhnunc,
der aber, nach dem dat. dhëmu bauhnunge 370 zu
ſchließen männlich zu ſeyn ſcheint, wogegen 357. 351 der
acc. ſg. bauhnunga wieder weiblich iſt. Angelſ. bildun-
gen -ung folgen der vierten decl. (ſ. 643.), haben folglich
im nom. auch keinen vocal. — 618, 13. auch bildungen
mit -ar, wenigſtens T. 7, 4 fluobra (conſolationem). —
620, 2. lîh (corpus, figura) O. IV. 35, 62 — 621, 23. var (tra-
jectus) O. III. 8, 16. — 622, 24. auf dieſe dativkürzung hûs
war mehr gewicht zu legen, vgl. ze apkutjô hûs gl. monſ.
[1077]nachtrag.
405. zi thëmo druhtînes hûs O. II. 4, 104. 11, 8. in dem
hûs N. 54, 14. ze dînemo hûs N. 5, 8. dagegen: in pluo-
ſtar -hûſe gl. monſ. 402. (vgl. nachtr. zu ſ. 680.) — 622.
623. 681 oli, nicht ôli. — 623, 17. meri-minni (ſyrena) —
624, 28. vielleicht hàcho ſt. haccho? — 625, 1. varmano
(contemptor) — 626, 34. vgl. auch chëlnun, ſunnuun K.
20a 24b ſuarzún miſc. 1, 19. — 626, 36. vielleicht im
nom. ſg. zunkâ? vgl. ſ. 820. — 626, 38. chëla (guttur). —
627, 13. trâta (conculcatio) gl. monſ. 333. varmana (con-
temptus) gl. jun. 197. — 629, 38. auch wanka (gena). —
630, 7. auch der pl. maſc. gibruader (fratres) O. II. 24, 18.
IV. 26. 29. und pl. fem. giſuëſter (ſorores, mit vorſtehen-
dem thiô) O. III. 24, 109. — 630, 16. ohne zweifel lautet
auch der nom. pl. naht, beleg iſt mir nicht zur hand,
dat. pl. nahton O. IV. 7, 182. — 630, 44. analog ſchwankt
lint, maſc. O. III. 6, 62 IV. 3, 1. pl. thiê liutì III. 10,
48. dagegen fem. thiô zua liutî III. 10, 48. W. 4, 4. daƷ
liut neutr. aber 6, 11. ſînen liut. — 631. über einſchie-
bung des -n in bairiſchen mundarten Schm. §. 856-
858. — 641, 28. cëaru (ſollicitudo) — 64 [...], 12. bëorma (fer-
mentum). — 653, 20. dörr, darrar (haſta). — 655, 34. öſp,
aſpar (populus tremula). — 662, 1. fura (abies). — 665,
39. der pl. gîre M. S. 2, 207a (vgl. ſ. 461. das citat aus
Veld.), gewöhnlich geht es ſchwach, vgl. nachtr. zu
681. — 666, 5. oder kamp, kambes Wig. 188. Karl 54b
M. S. 2, 171a (vgl. ſ. 389.) — 666, 12. über liut vgl.
nachtr. zu 686. — 666, 15. mattes oder mates? keines im
reim, aber außer reim mates M. S. 1, 137a. — 666, 21. roch
iſt neutr. — 666, 30. ſmuc nicht das neuh. ſchmuck, or-
natus, ſondern anſchmiegen Ben. 223. 243. — 667, 3. twërc
und getwërc iſt neutr. (liederſ. 385. liebeƷ zu leſen) —
667, 6. ein-vir (coelebs) liederſal 452. — 667, 5. vent zu
ſtreichen, vgl. nachtr. zu 682. — 667, 26. mânôt Georg 37a
Wigam. 13a — 667, 31. l. ſchuoch; ſchuo nur Mor. 52a 55b —
667, 36. der pl. die ſal ſtehet doch Ernſt 23a — 668, 1.
dieſe zeitbeſtimmung hat ihr bedenken, zumahl ich
ſchon ſ. 672. die älteſten Nib. hſſ. ausnehmen muß; al-
lerdings meiden die beſten dichter ſolche pl. im reim. —
668, 10 ſtaben: haben Parc. 126c — 668, 13. beſtändig
nicht, an ſac, ſecke iſt kein zweifel (vgl. zu 671.); auch
ſtebe als ausnahme erweiſlich, M. S. 2, 134b ſteben: gë-
ben. — 671, 18. koch, koche? in Wilh. 3. reimt kochen
(coquis): geſprochen, köche außer reim Wigal. 8859. —
671, 21. hanen-krât fem. En. 11c 20c. — 671, 26. ſac,
[1078]nachtrag.
ſecke a. w. 3, 191. M. S. 2, 108b gudr. 77b. — 672, 26.
wegen Parc. 30b halte ich für keinen ſyncopierten dat.
pl. curribus, ſondern den inf. wegen (agere, movere). —
673, 8. bâre (feretrum). — 673, 24. ſchære (forfex). —
673, 30. ſtroufe auch Georg 11b. — 674, 6. malhe geht
ſchwach. — 674, 16. kël geht ſchwach und fällt nach
ſ. 684, von dort aber mül hierher (dat. mül M. S. 1,
112a). — 674, 33. nicht ſo ſelten und genauer zu unter-
ſuchen, goum ſt. goume Parc. 85b M. S. 2, 83b Ernſt 29a
32a 49b Wigam. 11a; vurch (ſt. vurche) troj. 60b Parc. 34a
Wilh. 2, 38b Georg 37b liederſ. 377. buoƷ, koſt, tioſt ſchei-
nen häufiger, als die volle form, vermuthlich iſt auch wîs
(Parc. 119a daſſelbe mit wîſe; vgl. zu ſ. 618. über -unc
ſt. -unka. — 676, 28. brüſte gewis ſeltner als bruſt,
ſchon der goth. anomalie halben. — 677, 4. ræte in die-
ſen belegen iſt bald dat. ſg. bald. gen. pl. — 677, 9. ge-
ſpenſt Bon. — 677, 19. vlô Bon. 48, 1. — 677. anm. 3.
einige, wenigſtens Hartm. brauchen das e im gen. und
dat, nie (Lachm. answ. XXIII, 2, 13.), der Stricker hat
nie den gen. und dat. krefte. — 679, 16. ſchapèl tiefto-
nig. — 679, 24. mark Wigal. 189. 246. — 679, 39. var
(trajectus). — 680, 9. hûs nimmt faſt niemahls -e an
(vgl. zu 622.) nur zuweilen Parc. 176c troj. 6b 152b gudr.
22b, vielleicht nach umſtänden der ſyntax. — 680, 14.
empter? liederſ. 224. — 680, 15. l. eier (ſ. 436). — 681, 2.
l. öle oder öl; aber œre (foramen) — 681, 12. kleinœte
Parc. 90b kleinôt Wigam. 22a. — 681, 39. brëm (b. Wolfr.
brëme, oeſtrus). — 681, 41. gîre (vultur) Karl 66b Parc.
93c. — 682, 3. krage (gula) mâge (propinquus), nur im
ſchwachen pl. mâgen Maria 164. Bit. 39b gudr. 27a 31b
37a 41b; weit üblicher iſt mâc, pl. mâge. — 682, 9.
ſchaffe (orca) liederſal 514. — 682, 17. vende M. S. 2,
146b 222a 228a kolocz 182. — 682, 19. wabe (favus). —
683, 36. ver (nauta) ſt. verje. — 683, 21. das alth. chri-
ſtano iſt irrthum, nämlich das wort adjectiviſch chriſtâni
(ſ. 727.; exh. hat außer dieſem nom. den acc. chriſtânan,
dat. pl. chriſtânêm; die ſchw. form hätte chriſtâno) mit-
telh. chriſtæne (nachtr. zu 748.) offenbar nach dem lat.
gebildet; hingegen heidanêr ein alth. adj. gl. monſ.
336. gen. pl. heidanêrô gl. monſ. 340. und deutſche bil-
dung (goth. háiþns) alſo weder heidâni noch heidæne
möglich. Die ſchwache form des adj. wurde aber ſub-
ſtantiviſch geſetzt, J. 348. dher heidheno (ethnicus) und
daraus ſcheint im mittelh, ein doppeltes ſubſt. entwickelt,
[1079]nachtrag.
theils heiden, gen. heidens (Parc. 22128.) ſtark, theils
heide (Parc. 177b. c.) gen. heiden ſchwach, außer welchen
die adjectiviſche verwendung fortgilt. Neben chriſten,
das ſich ſt. chriſtæne eindrängte, weiß ich kein chriſte. —
684, 9. eſſe (uſtrina) gelte (vas ligneum). — 684, 14. l.
kræje (ſ. 968). — 684, 15. krîde (creta) krote (bufo). —
684, 16. malhe (pera) M. S. 2, 68b. — 684, 17. zuzufügen
molte (pulvis) Wilh. 2, 189b; mül ſelten ſchwach (M. S.
2, 150b) nunne (monialis) ruebe (rapa). — 684, 42. kël (gut-
tur) troj. 146a. — 686, 3. veter, ſchmiede 275. bruoder
(fratres) Wilh. 2, 201a troj. 169c ſwëſter (ſororum) Wilh. 2,
127b; gebruoder (fratres) Parc. 34a weniger gut gebrue-
der 78b; geſwëſter (ſorores) meiſt. alex. 143b. — 686, 28.
hier war auch burc gen. dat. burc, pl. burge (nicht
bürge), vgl. ſ. 610. 630; dann die anomalie von liut zu
bemerken, welches im ſg. neutr., im pl. maſc. iſt, ein
nom. ſg. der liut unerweiſlich. — 724, 13. dërp, dërap
(azymus). — 724, 22. krim nach der analogie des alt-
ſächſ. erweiſlichen grim angeſetzt und danach ſ. 744. ein
mittelh. grim; doch die mittelh. beſtimmt vorhandene
form grimme macht auch ein alth. krimmi wahrſchein-
licher. — 744, 26. ran (macilentus) liederſal 161. (382. ron)
vgl. Friſch h. v. — 726, 37. miti wird hier unaufgegeben
genannt, 727, 31. geleugnet? letzteres iſt ganz richtig, mit
erſterer behauptung wollte ich nur das allgemeine para-
digma erläutern, zu dem ich hier ein anderes wort
hätte ausleſen ſollen. Setzt man hreinjêr, hreini und
zeile 37. hreini, ſo gilt alles dort geſagte. — 727, 39.
ſpizi (acutus) gl. jun. 227. — 733, 22. þëorf (azymus). —
744, 19. über grim vgl. nachtr. zu 744. — 744, 31. l.
ſtump, ſtumbes, denn nirgend reimt es auf drum, vrum;
tenc (ſiniſter). — 748, 12. z. b. dic f. dicke : blic
a. Heinr. 198a ſpiz f. ſpitze fragm. 26b : gliz. — 848,
23. chriſtæne Flore 3a 5a 12a 14b 20a doch vorwie-
gend ſubſtantiviſch gebraucht. — 748, 24. geile M. S.
2, 101b 185a. — 749, 31. im reim daƷ zam Wilh. 2, 80a
ſonſt ſetzen die alten dichter lieber diu lame, der lobe-
ſame etc. — 760, 28. der acc fem. ein ſcheint nicht gut,
iſt in guten hſſ. ſelten, im reim nur Parc. 91a Maria
123; auch der nom. fem. reimt wenig, Wigal 201. M. S.
2, 226; häufig der nom. maſc. und neutr.; eine f. einiu
M. S. 2, 182a fragm. 40c. — 761, 23. altſ. gen. pl. tueio. —
762, 18. auch der mittelh ſg. wird vünf haben, nicht vunf,
weil hier das ü durch verwechſlung mit dem organ. i ent-
[1080]nachtrag.
ſpringt; vünfte reimt auf künfte Wilh. 2, 178b. Das
einzige beiſpiel von miſchung des i und ü im mittelh,
während im angelſ. i und y leicht verſchwimmen, im neuh.
zuweilen ie aus mittelh. uo entſpringt, (mieder, lieder-
lich). — 763, 32. das ë in-zëc deutet den urſprung aus i an,
hat aber keinen ton mehr; hier oder ſ. 414 wäre der über-
gang des z in Ʒ zu erwähnen geweſen, welcher bei der
zahl driƷec (: vlîƷec, ſlîƷec reimend) eintritt, alle übri-
gen decaden behalten z. Die ſache begreift ſich nach
ſ. 412. 413. leicht. — 776, 22. wohl beßer wormez (b.
Leichtlen wormetz). — 781, 40. M. S. 2, 22bmîner ſelbes,
doch verdächtig. — 787, 12. Wolfr. hat noch meiſtens
ime (: nime), im jedoch Wilh. 2, 64a; Conr. Rud. haben
im. — 787, 17. vgl. inne (iis) M. S. 2, 203b altmeiſterg.
44b. — 792, 40. dëm : genëm Parc. 142a. — 792, 41.
dën : ſen reimt Wilh. 1, 39b 66a 133a; den läßt ſich, we-
gen undenkbarkeit des umlauts, nicht wohl annehmen,
obgleich auch dën (goth. þana, altn. þann) unorg.
ſcheint. — 796, 37. in einem hſ. paſſionale reimt dis
(hujus): is (eſt). — 808, 15. beßer erklärt ſich wohl dings,
zeugs etc. ſyntactiſch als der von beigefügten interrog.
abhängige genitiv; aus waƷ dinges wurde: was für
ein dinges, endlich: das dinges. Entſcheidend iſt auch,
daß niederdeutſche mundarten niemahls : dinget ſagen,
wohl aber : wat vör en dinges, alſo offenbare genitiv-
form. — 816, 9. man kann auch das heutige : mit alle
dem, mit nichten für überreſte des alten inſtr (mit allû,
mit nihtû?) anſehen. — 842, 23. rika beruht bloß auf ri-
kis Rom. 12, 20. — 844, 12. frêt (dann auch êt?) iſt
leicht richtig vgl. ſ. 1039. — 844, 33. hier auch hneivan,
ſpeivan, bliggvan, ſiggvan anzuführen. — 844, 42. auch
raþjan und hlahjan. — 854, 12. faúrhtjan, faúrhta ſt.
faúrhtida kommt zwar nicht vor, folgt aber aus aller
analogie und dem ſubſt. faúrbtei (timor). — 858, 15 über
halzu vgl. 1033. — 859, 23. pahhu, puoh, part. chipah-
han (gl. monſ. 383.). — rîdu (torqueo) reit, ritumês,
ritanêr? vgl. ſ. 936. — 860, 6. die bedeutung des hochd.
rîſan (cadere, defluere) ſcheint dem ſächſ. und nord.
rîſan, riſa (ſurgere) ſchroff entgegengeſetzt; im goth.
iſt die letztere bedeutung mit dem compoſ. ur-reiſan
(ſt. us-reiſan) verbunden, der C. A. gewährt nirgends
das einfache reiſan und ſo ſteht auch angelſ. ſtets a-rìſan
(ſurgere) welches dem alth. ur-rîſan parallel wäre, wo-
von jedoch nur das ſubſt. urriſt (reſurrectio) [T. 7, 8
[1081]nachtrag.
209, 5. ſcheint urreiſtî zu ſtehen?] übrig iſt. Beide wör-
ter könnten daher eins ſeyn und wie rinnan das nieder-
fließen, ur-rinnan das aufſteigen (oriri) ausdrückt,
ebenſo rîſan und urrîſan ſich verhalten, nur daß der
hochd, dialect jene, der ſächſ. und nord. (mit wegge-
worfener partikel) dieſe bedeutung feſthielt. — 864, 22.
oder gehört das hier im ſinn gehabte irwigan (confec-
tus) der gl. monſ. zu irwîhan (conficere) nach VIII? —
867, 36. N. auch ſchon lît (jacet). — 868. N. gân (eo)
gânge (eam) vgl. Fügliſt. bei Stalder p. 161; der alth.
imp. lautet : kanc. — 869, 33. ſpenjan, ſpenita (ſollici-
tare) gl. monſ. 327. — 869, 34. perjan, perita (terere,
verberare, percutere) gl. monſ. 337. — 870, 32. hier iſt
das praet. conj. prenti, prentîs etc.; (oder pranti, pran-
tîs) ausgelaßen. — 87, 13. helzan (debilitare) halzta O.
V. 23, 281. gl. jun. 201. — 871, 16. ka-huemman (ma-
culare) ſchreiben gl. hrab. 966b — 871, 22. lenkan, lancta
(protrahere). — 871, 33. hecchan, hahta (pungere) vgl.
gl. monſ. gihactêr (percuſſus). — 871, 40. irran, irta
(impedire). — 876, 3. ridôn (tremere) N. 2, 11. — 876,
21. ſcarpôn (concidere) gl. monſ. 329. — 877, 3. prâhhôn
(proſcindere) gl. monſ. 334. — 886, 29. vorahtan, vorahta. —
920, 11. die I. ſg. praeſ. heiti (vocor) iſt ſchwach, doch
hat der inf. heita, nicht heitja. — 932, 2. gê, bringe
liederſal 488. — 932; 40. rîtes : ſtrîtes Parc, 37b ſlindes:
geſindes Wilh. 2, 28a vgl. ſ. 945. — 933, 13. wahrſchein-
lich iſt es gar kein imp., da auch bei ſchwachen ver-
bis z. b. leſchâ-leſch, kêrâ-kêr gebildet wird, nicht
leſchâ-leſche, kêrâ-kêre. — 934, 26. neuwen bei H.
Sachs f. molere, tundere. — 934, 31. geloffen : offen
liederſ. 244. — 936. 24. inf. ſchîben liederſal 157. —
937, 18. Wilh. 2. (nicht 1), 5a lieſt cod pal. geſweich —
938, 34. für brëhtiu M. S. 1, 3b ſteht in der hſ. (nach
Raßmann) und bremer abſchr. liehtiu. — 940, 31.
Lachm. ausw. 303, unterſcheidet zwei formen: wirren,
war, gewurren und wërren, war, geworren. — 944, 42.
ſteit : gemeit meiſterg. 23a (in der näml. ſtrophe ſtât:
rât). — 946, 23. dern (laedere). — 947, 18. reit außer reim
Triſt. ed. Groote 2566. f. reget (ſt. regte). — 953, 7.
unleugbar iſt ſuont (f. ſuonte): ſtuont Wilh. 1. 129a. —
955, 5. korn (guſtare). — 956, 28. krônen (coronare). —
958, 18. auch M. S. 1, 9a ich gedenken : krenken. —
963, 4. wiſte fragm. 23c liederſ. 242. — 963, 17. gewiſt
liederſ. 239. — 966, 9. tân, liederſ. 113. 310. 379. —
Z z z
[1082]nachtrag.
969, 37. unorganiſch in II. ſg. ſtatt brâhteſt zuweilen
die ſtarke form bræhte M. S. 2, 148b (wo breht). —
967, 3. hiet, liederſal 463. — 987, 40. mit dieſem ein-
fluß des t vergl. die ſ. 873 angeführten praet. aus T. —
1016, 21. mittelwahſen (ſtatura humilis) ſprochen, alt-
ſprochen liederſ. 161. 302. — 1016, 23. krônet auch lie-
derſ. 367. 378. 522. vgl. gekrônet Nib. 2830. 2839. Barl.
335. (301. gekrœnet nach erſter conj.) — 1021, 24. T.
einigemahl -enna ſt. enne. z. b. 85. 87. zi nëmenna,
ëƷƷenna, der alte dat.-a ſt. des ſpätern -e (ſ. 612).
3,1. überlaßen. 4,20. verhältniſſe. 16,40. ſtyfðr. 20,7.
litthauiſchen. 34,39. falþan. 36,33. ein ïuis zu tilgen.
37,17. têhund ausgefallen. 38,39. ſiggvan (canere). 38,
14. φίλιππος. 40,39. pronomen, 41,36. gaguds. 46,
34. lytrum. 48,34. ὀρυχὴ. 49,22. ïdreiga. 49,32. rei-
ſan (ſurgere). 51,3. ἀσώτως. 52,25. ſtamms ausgefallen.
53,7. gaſtaldan (ſt. faldan). 53,9. falþan ausgefallen.
53,12. fimf. 53,23. runs ausgef. 53,29. gards. baúrds
ausgef. 61,26. t,. 62,31. þata fôdidô. 66,31. SKR
ausgef. 73,6. Luc. 8,6. 83,21. ëƷ. 86,18. puzzi. 86,
19. K. O. T. 88,11. truhſâƷo. 88,28. gl. jun. 206. 89,
26. ſcâra (forfex). 108,37. famae, benedictus; 110,15.
verhältnis. 113,33. triphthongen. 118,1. bëſamen.
123. bewamtêr ſt. biwemmitêr. 148,26. 974b. 155,5.
baitrs. 160,9. calculus,. 175,24. lingualverb. 193,25.
pyra. 213,23. wîpes. 221,30. hrêo. 229,12. bâd (ex-
ſpectavit). 231,40. öi (ſt. œi). 252,26. ſnîdhan. 255,
31. þvëorh. 267,18. hnägan. 267,22. hräd. 271,19.
o (ſt. e). 298,18. lehren (ohne comma). 313,12 dög-
urdhr. 317,30. hrîs. 338,40. ö für e. 343,17. nach-
ſteht. 343,38. bër (feram). 345,23. ſiebente. 345,29.
abgeholfen,. 350,18. Barl. 352,20. 2,72b. 353,32. ca-
mâhiu. 355,20. volis manuum. 361,21. Reinmar.
386,28. misgriff. 387,39, 139c. 388,29. al, alles. 389,
2. trol, trolles. 391,12. liquide verb. 391,30. erkirnen.
393,22. liquide verb. 394,19. gebürte. 429,8. ridere.
433,44. gihe (fateor) gich (fatere). 443,15. dûhte. 446,
32. ſlegt zu tilgen. 455,37. baſtharde. 465,40. ſibylla.
487,41. enkerwen. 499,29. (ſomno). 518,8. fehler-
haftem. 519,12. ſehnen, 527,40. ſchr. 585,10. viur.
585,13. vlôh. 592,11. ſzirdis. 604,28. qvêns, qveins.
608,4. fiſkja. 608,21. unhulþô. 608,22. qvinô. 610,
33. acc. pl. 612, 10, 11. a (ſt. â) o (ſt. ô). 613,1. ëtar. 618,
2. zâla (inſidiae.) 619,12. minnaſamî. 619,25. enſtjô. 619,
41. êht. 620,19. vlôh. 623,9. nezzin. 623,17. nezzi.
623,22. vlezzi. 628,41. côtlîhhê. 629,3. kinuhtſamîn. 631,
15. liebſamî. 632,11. fingirî. 637,26. Maſculinum.
638,29. beám. 642,33. mëarc. 644,16. leáf. 659,9.
hâls collum zu tilgen. 662.39. nŷra. 677,7. ſchaft,
ſchiht. 679,23. obeƷ. 684,26. ſtuobe. 695,27. ſitz.
700,27. bittre. 744,18. glates und 28. ſates, vgl. ſ. 417.
745,40. höchſt. 745,41. vilre. 800,12. wëlher. 803,
37. ſuâſaƷ. 808,20. palkimu. 815,34. -aƷ. 824,41.
[] pitarah. 841,10. lêta, ſino ausgefallen. 855,42. at andbaht-
jam. 858,8. -iſt. 858,36. ſtôƷu. 858,44. plâſu ausgef.
864,12-14. in I und III. pl. -e ſtatt -ê. 868,36. conj.
872,12. laetificare. 877,15. piſôn. 877,23. roupôn.
879,26. râmên. 879,32. inſakên. 896,16. ſceppe. 896,
17. ſteppe. 904,44. tellan. 929,7. I. III. ſg. 940,28.
ein twinge zu tilgen. 940,42. ê; 946,16. imp. ner,
pl. nert. 949,36. lupte. 962,17. ſeyn. 969,22. v.
mîſen. 990,33. ſplît. 991,32. bezin. 1013,42. ein
cod. zu ſtreichen. 1024,8. anſebbju. 1033.28. liuhtu).
1034,36. naktr, vandr. 1036,36. 916. IV, 4. maſſen.
VIII, 14. X, 45. XI, 17. XVI, 13. maſſe. — In dem ver-
zeichn. 1022-1030. hat der ſetzer, ohne daß ich es
gleich merkte, einige fehler meiner bezifferung berich-
tigt, ſo daß nun verſchiedene nach der hſ. gemachte
citate auf den folgenden blättern nicht mehr genau tref-
fen; man ſchlage dio vorher oder nachſtehende nummer
auf und wird ſich zurecht finden.