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DEUTSCHE GRAMMATIK

VON
DrJACOB GRIMM
KURHESS. BIBLIOTHECAR, MEHR. GEL. GES.
MITGL.

ERSTER THEIL; ZWEITE AUSGABE.

GÖTTINGEN:
IN DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG.
1822.

[[II]][[III]]

HERRN GEH. JUSTIZRATH UND
PROFESSOR VON SAVIGNY
IN BERLIN ZUGEEIGNET
.


[[IV]][[V]]

VORREDE.


Es hat kein langes beſinnen gekoſtet, den erſten
aufſchuß meiner grammatik mit ſtumpf und ſtiel, wie
man ſagt, niederzumähen; ein zweites kraut, dichter
und feiner, iſt ſchnell nachgewachſen, blüten und rei-
fende früchte läßt es vielleicht hoffen. Mit freuden
gebe ich dem publicum dieſes ſeiner aufmerkſamkeit
nunmehr würdiger gewordene werk, das ich mühſam
gepflegt, unter ſorgen und nöthen, wo mir die arbeit
bald verleidet geweſen, bald (und nach Gottes güte
öfter) mein troſt geblieben iſt, bis dahin vollbracht habe.
Schädlich wurden ihm auch der gebotene drang unab-
läßiger ausarbeitung, welcher mir nie geſtattete vorher
zu entwerfen, nachher zu beßern; dann eine unüber-
windliche neigung meiner natur, immer lieber fort zu
unterſuchen, als das unterſuchte darzuſtellen. Die er-
giebigkeit des feldes iſt noch von ſolcher art, daß es
nie verſagt und kein blatt der quellen wieder geleſen
werden kann, das nicht durch weitere ausſichten er-
weckte, oder begangene fehler bereuen ließe; wenn nun
eine reiche errungenſchaft zu geringerem lobe gereicht,
als vielſeitig erwogene verwaltung und haushälteriſche
benutzung einer an ſich ſchmälern, ſo mag mich tadel
treffen, daß ich nicht aus allen gefundenen ſätzen den
gewinnſt, deſſen ſie fähig ſind, zu ziehen verſtanden
habe, ja daß wichtige beleuchtungen zuweilen an unwirk-
ſamer ſtelle ſtehen. Nicht alle meine behauptungen kön-
nen ſtich halten, doch, indem man ihre ſchwäche ent-
decken wird, andere wege ſich ſprengen, auf denen die
wahrheit, das einzige ziel redlicher arbeiten und das
einzige, was in die länge hinhält, wann an den namen
derer, die ſich darum beworben, wenig mehr gelegen ſeyn
wird, endlich hereinbricht; was uns das ſchwerſte war,
darf der nachwelt kinderſpiel, kaum der rede werth ſchei-
nen, alsdann ergibt ſie ſich neuen löſungen, wovon wir
noch keine ahnung hatten und kämpft mit hinderniſſen
da, wo wir alles abgethan wähnten. So gewis iſt es,
daß jeder ſchärfer geſpaltete ſtoff auf der einen ſeite
erleichtert, auf der andern erſchwert; mittel, gleich-
ſam handhaben, um ſeiner meiſter zu werden, ſind
vervielfacht und unmöglich kann er uns ganz ent-
ſchlüpfen; dafür bleiben eine menge vorher mit aufge-
griffener einzelnheiten jetzt unberührt und unerfaßt.
Im großen iſt die zu löſende aufgabe beträchtlich
vorgeſchritten, im kleinen unbefriedigender geworden.
[VI]Vorrede.
Dieſem ſehr natürlichen gefühle nach kommt mir mein
buch, ungeachtet ich es beßer gerathen weiß, ſchlech-
ter vor, als das erſte mahl. Übeler weitſchweifigkeit
zeihen wird mich keiner, der nur die maßen über-
ſchauen und der forſchung unſerer ſprache ſo viel raum
gönnen will, als andere nicht ſo nahe liegende theile
der wißenſchaft herkömmlich einnehmen; manches ein-
zelne, das ſich gerne geltend gemacht hätte, iſt zurück-
gewieſen worden; die unterſuchung hat oft dadurch
ſchwerfälliges anſehen, daß ich auf jeden gegenſtand
gerade zu, keinem im wege ſtehenden anſtoß vorüber
gehen wollte. Dieſes verfahren hängt bei mir wenig-
ſtens mit der unbefangenheit ſehr zuſammen. Allgemein-
logiſchen begriffen bin ich in der grammatik feind; ſie
führen ſcheinbare ſtrenge und geſchloßenheit der be-
ſtimmungen mit ſich, hemmen aber die beobachtung,
welche ich als die ſeele der ſprachforſchung betrachte.
Wer nichts auf wahrnehmungen hält, die mit ihrer
factiſchen gewisheit anfangs aller theorie ſpotten, wird
dem unergründlichen ſprachgeiſte nie näher treten. Etwas
anders iſt, daß auch hier zwei verſchiedene richtun-
gen laufen, eine von oben herunter, eine von unten
hinauf, beide von eigenthümlichen vortheilen begleitet.
Wohl mögen lateiniſche und griech. grammatiker auf
der höhe ihrer ſprachbildung ſelbſt die fähigkeit deutſcher
ſprache, ähnliche feinheit und ründung in anſpruch zu
nehmen, bezweifeln. So wenig aber der erhabenere
ſtand des lat. und griechiſchen für alle fälle der deut-
ſchen grammatik ausreicht, in welcher noch einzelne
ſaiten reiner und tiefer anſchlagen; ebenſo wird, nach
A. W. Schlegels treffender bemerkung, die weit vollen-
detere indiſche grammatik wiederum jenen zum cor-
rectiv dienen. Der dialect, den uns die geſchichte als
den älteſten, unverdorbenſten weiſt, muß zuletzt auch
für die allgemeine darſtellung aller verzweigungen des
ſtamms die tiefſte regel darbieten und dann bisher ent-
deckte geſetze der ſpäteren mundarten reformieren, ohne
ſie ſämmtlich aufzuheben. Es ſcheint mir für unſere
deutſche grammatik eher vortheilhaft als nachtheilig,
daß in ihr damit angefangen worden iſt, von unten
herauf zu dienen. Deſto reichlicher wird ſie zu der
gründlichen, keine einzelnheit gefährdenden aufſtellung
des großen ganzen beitragen, ſollten auch manche
ihrer vorläuſigen regeln unter höherm geſichtspuncte
verſchwinden, d. h. anders gefaßt werden müßen.


[VII]Vorrede.

Die abhandlung der laut- vor der formenlehre hat
dieſe ſichtlich gefördert; in der natürlichen ordnung
würde es gleichfalls gelegen haben, das dritte buch,
worin ich die wortbildung erörtere, dem zweiten vor-
auszuſchicken. Da aber durch dieſe vorſchiebung das
werk ſeiner erſten ausgabe vollends unähnlich geworden
wäre und für den beginn des ſprachſtudiums die kennt-
nis der declinationen jetzt noch das wichtigſte ſcheint,
verſpare ich lieber die lehre von den wortbildungen.
In dem erſten buche, deſſen druck faſt vor zwei jahren
angefangen wurde, möchte ich freilich wieder verſchie-
dene ſtücke abändern und nach reiferer überlegung be-
richtigen, vor allem (ſchon nach der uralten alphabeti-
ſchen reihe β, γ, δ; b, c, d) die kehl- den zungenlauten
vorordnen; damahls beachtete ich die folge der deutſchen
mediae: b, d, g. Die in der formenlehre durchgeführte,
factiſch nur theilweiſe vorhandene ſtreng althochdeutſche
lautreihe konnte im erſten buche, wo ſie die unter-
ſuchung der buchſtaben geſtört hätte, nicht beobachtet
werden; tritt ſie ſelbſt im zweiten zu hart vor, ſo feh-
len uns gerade die mittel einer anſchaulichen, lebendi-
gen kenntnis dieſer mundart, wodurch jene theorie etwa
gemäßigt worden wäre. Unentbehrlich ſchien mir ſcharf-
poſitive abgrenzung für den ſatz der lautverſchiebung
(ſ. 584), deſſen einfluß auf das etymologiſche ſtudium
vielleicht lat. und griech. philologen zur prüfung reitzt.
So wie dieſen die geſetze claſſiſcher metrik eine fülle
grammatiſcher regeln offenbart haben, iſt in den deut-
ſchen denkmählern die beachtung der alliterationen
und reime von außerordentlichem gewicht. Ohne den
reim wäre faſt keine geſchichte unſerer ſprache auszu-
führen. Das band der poeſie ſoll nicht allein die hörer
und ſänger des lieds erfreuen, es ſoll auch die kraft
der ſprache zügeln, ihre reinheit ſichern und kunde da-
von auf kommende geſchlechter bringen. Ungebundene
proſa läßt dem gedächtnis den inhalt verhallen, den or-
ganen die wahre belautung der worte zweifelhaft wer-
den. Der reim hat nur ſchlechte dichter gezwängt,
wahren gedient, ihre gewalt der ſprache und des gedan-
kens zu enthüllen. Es gibt aber zeiten, wo die kunſt
des reimes ausſtirbt, weil ſich die ſinnliche zartheit der
wurzelärmeren ſprache verhärtet und neugebildete zuſam-
menſetzungen eine von natur ſteifere bewegung haben;
ſo ſind früher die metra nach dem geſetz der quantität
(welches ich unſerer ſprache aus gebliebenen nachwir-
[VIII]Vorrede.
kungen zu vindicieren gewagt habe) und der alliteration
untergegangen. Keine ſprache thut den rückſchritt, es
iſt daher verkehrtheit oder eitles ſpiel, verſchwundene
und fremde versmaße, welchen die heutigen ſprachver-
hältniſſe nicht gewachſen ſind, neu einzuführen. Der
gröbere nachläßige reim unſerer beſten neueren dich-
ter weiſſagt ſelbſt dieſer form einen allmähligen tod.
Mit welcher reinheit, fertigkeit und natur reimten die
dichter des dreizehnten jahrhunderts!


Das einladende ſtudium mittelhochdeutſcher poeſie
führte mich zuerſt auf grammatiſche unterſuchungen; die
übrigen älteren mundarten mit voller ausnahme der alt-
nordiſchen, theilweiſer der angelſächſiſchen, bieten we-
nig dichteriſches; eine anſehnliche maße mittelnieder-
ländiſcher und altengliſcher werke läßt ſich jenen doch
kaum vergleichen. Es kann darum nicht befremden,
daß ich die mittel- und die von ihr unzertrennliche
althochdeutſche grammatik umſtändlicher abgehandelt
habe, als die der übrigen ſprachen. Hätte ich mich ganz
auf ſie beſchränken ſollen? die hintereinander wieder-
hohlte ausarbeitung ähnlicher und immer ungleicher
ſprachverhältniſſe ermüdet unbeſchreiblich und ſtumpſt
die ſchärfe einzelner geſichtspuncte, denen ſich derje-
nige hingeben kann welcher die erforſchung eines ein-
zigen, für ihn begrenzten dialects unternommen hat.
Da ich aber einmahl davon ausgegangen war, das un-
ſtillſtehende, nach zeit und raum veränderliche element
unſerer ſprache nachzuweiſen, muſte ich eine mundart
wie die andere zulaßen, durfte ſelbſt den blick nicht
ganz von den urverwandten fremden ſprachen abwen-
den. Wo hätte ich auch die rechte ſcheidung gefunden?
das goth. war als erſte grundlage, ohne welches das
althochd. unverſtändlich geweſen wäre, nicht zu umge-
hen; das angelſächſ. und altnord. boten anziehende er-
läuterungen und hatte ich einmahl die ältere mundart
verhandelt, ſo war keine urſache vorhanden, die ſpätere
auszuſchließen, eigenthümliche brauchbarkeit für das
ganze hatte jede. Aber freilich müſte ihnen allen wo
nicht gleiche, doch größere ausführlichkeit widerfahren,
wenn auch ihr reichthum an quellen und hülfsmitteln
dem unſerer hochdeutſchen mundart des dreizehnten
jahrhunderts nachſteht.


Studium und erkenntnis der mittelhochdeutſchen dicht-
kunſt haben in der letzten zeit zwar gewonnen, lange nicht
ſo um ſich gegriffen, als man von der trefflichkeit ihrer
[IX]Vorrede.
denkmähler erwarten ſollte. Sie finden noch immer wenig
bearbeiter und mehr bearbeiter, als theilnehmende
leſer. Möchte die allmählig erleichterte vertrautere be-
kanntſchaft mit der ſprache auch zu der lieblichkeit und
unſchuld und zu dem geiſte führen, die in dieſen poe-
ſien walten. Die ſchleſiſchen, welche für väter der
neueren dichter gelten, ſtehen tief unter aller verglei-
chung mit jenen älteren, ſchmählich vergeßenen. Mir
wenigſtens wiegt ein lied Walters (ja eine ſtrophe wie
die ſ. 141b: ô wê war ſint) einen ganzen band von Opiz
und Fleming auf, die ſich ſelten mit freiem gefühl, in
unbeholfener ſprache und befangen in ſteifer nachbil-
dung fremder muſter ausſprechen, ſo daß das ausgeſuch-
teſte einzelne kaum ohne misfälliges und hartes ſeyn
wird. Dort aber iſt alle gefügigkeit reiner, deutſcher
ſprache, herzliche empfindung, überraſchende feinheit
der wendungen und belebtheit des gedankens. Wie un-
erſchöpflich zeigt ſich Wolframs poeſie im Parcifal und
Wilhelm, wie ſanft und gemäßigt Hartmanns im Iwein,
gewis auch im Erek, wie zart gehalten Gotfrieds im
Triſtan! Solche bücher zu leſen und verſtehen zu
lernen faßen ſich heutzutag wenige den muth, an Ita-
lienern und Spaniern verthun viele ihre kraft und ihre
zeit; ſind dort die erſten ſchwierigkeiten größer, ſo
wird auch das weitere verſtändnis frommen, weil es
tiefer eingeht.


Die forderungen, welche man jetzo an einen her-
ausgeber mittelhochdeutſcher gedichte zu machen hat,
ſind nach und nach geſteigert und verſtändigt worden;
ich glaube, daß bald darüber kein zweifel mehr obwal-
ten wird. Sorgloſe auflagen nach ſchlechten handſchrif-
ten und mit halber ſprachkenntnis fruchten nichts; di-
plomatiſch-ängſtliches wiedergeben guter handſchriften
reicht nicht aus und kann nur in ſeltnen fällen geboten
ſeyn. Wir fordern alſo critiſche ausgaben, keine will-
kürliche critik, eine durch grammatik, eigenthümlich-
keit des dichters und vergleichung der handſchriften
geleitete. Es iſt uns weniger zu thun um die ſchreib-
weiſe eines noch ſo ausgezeichneten copiſten, als darum,
allerwärts die ächte lesart des gedichts zu haben und bis-
her kennt man wohl verſchiedene handſchriften mit vor-
züglich gutem texte, keine, die einen tadelloſen lieferte.
Jene ſchreibweiſe mag an und für ſich mancherlei auf-
klären, die einſchwärzung fremder mundarten mag der
geſchichte dieſer mundarten willkommen, ja der offen-
[X]Vorrede.
bare ſchreibfehler für beurtheilung ähnlicher fälle brauch-
bar ſeyn; ſolche nebenzwecke dürfen die critik des tex-
tes nirgends aufhalten. Der critiſche herausgeber, durch
geprüfte geſetze beſchränkt und gebunden, wird zwar
noch manchem irrthum ausgeſetzt bleiben, doch ſelbſt
ſein irren iſt anregend und unſchädlicher als jene beru-
higung bei dem rohen text; zumahl die handſchriften
in gewahrſam liegen und immer nachverglichen werden
können. Ein haupthülfsmittel gewährt, wie vorhin be-
merkt, der reim; wer ſich mit reimweiſe, ſpracheigen-
heiten und wortreichthum eines bedeutenden dichters
vertraut gemacht, und alle ſeine vorhandenen ſchriften
ſtudiert hat, wird eine ausgabe wagen dürfen, die ſich
handſchriftlichen verderbten lesarten zu widerſetzen be-
fugt iſt. In dieſem ſinne hat bereits Hagen für die Ni-
belungen (deren epiſche natur allerdings eigene beſtim-
mungen des critiſchen verfahrens fordert) rühmliches
geleiſtet, von ſeinem Triſtan ſteht die erwartung höher;
Lachmann bereitet eine ausgabe ſämmtlicher dichtun-
gen Eſchenbachs vor und wollte Benecke ſeiner lange
beabſichtigten recenſion des Iwein noch den kürz-
lich in fehlerhafter hſ. aufgefundenen Erek nebſt den
übrigen kleineren werken Hartmanns beigeſellen, ſo
werden nachahmenswürdige muſter die grundſätze einer
geſunden critik ſichern und verbreiten, in der mittel-
hochdeutſchen allgemeinen ſprachregel aber die varietä-
ten einzelner dialecte, welche ich jetzt nur hin und
wieder andeuten konnte, deutlich hervortauchen. Auf
denkmähler der althochdeutſchen periode iſt dieſe critik
ſchon unanwendbar, theils verlangt das höhere alter
der im ganzen ſorgfältigeren handſchriften größere ach-
tung und unverletzbarkeit, theils liefert der ſparſamere
fluß der quellen, die ungebundenheit der proſaiſchen,
der freiere reim der gebundenen dem critiker weit we-
niger mittel in hand. Auch die dialectiſche abweichung
iſt noch, worauf ich gleich hernach kommen werde,
beträchtlich größer und für jedes werk ſind mehr be-
ſondere regeln aus ihm ſelbſt zu ſuchen.


Zwiſchen meiner darſtellung des mittel- und neu-
hochdeutſchen wird eine lücke empfindlich ſeyn; man-
nigfaltige übergänge und abſtufungen hätten ſich aus
den ſchriften des vierzehnten ſo wie der drei folgenden
jahrhunderte ſammeln und erläutern laßen, dem altnor-
diſchen und neuſchwediſchen oder däniſchen liegt eine
nicht unbedeutende maße altſchwed. oder altdäniſcher
[XI]Vorrede.
werke in der mitte. Ich will nicht in abrede ſtellen,
daß ſolche denkmähler manches lehrhafte und nütz-
liche für die geſchichte unſerer ſprache, welches genaue
unterſuchung fordert, in ſich begreifen; da ſich aber
keine blühende poeſie gründete, konnten niederſetzun-
gen der ſprache, wie ſie zur aufſtellung eigner perioden
nöthig ſind, auch nicht erfolgen. Die ſchriftſteller die-
ſer zwiſchenzeit vergröbern ſtufenweiſe die frühere
ſprachregel und überlaßen ſich ſorglos den einmiſchun-
gen landſchaftlicher gemeiner mundart; oft weiß man
nicht, ob ihre beſonderheit von der alten reinen ſprache
her übrig geblieben oder aus dem gebiete des volksdia-
lects eingedrungen iſt. Genügende darſtellung ſolcher be-
ſonderheiten würde weitläuftige anſtalten und erörterun-
gen verlangen. Vielleicht daß andere nach und nach
die gar nicht unanziehende arbeit vornehmen, ich meine,
alle grammaticalien jeder hervorragenden maße ſorgfälti-
ger prüfung werth halten. Sehr ſchicklich ließen ſich
dankenswerthe beiträge dazu in ſchulprogrammen mit-
theilen, geſellſchaften, die für deutſche ſprache an
verſchiedenen orten zuſammengetreten ſind, oder gern
zuſammentreten und je weniger ſie ins allgemeine ſchwei-
fen, deſto mehr wirken, könnten ihren löblichen eifer
am fruchtbarſten beweiſen, wenn ſie ſich, um beiſpiele
anzuführen, die grammatiſche regel der ſchweizerchro-
niken des vierzehnten jahrhunderts, oder Kaiſersbergs,
oder Hans Sachſens oder Fiſcharts zur aufgabe machten;
ſelbſt einige ausgezeichnete ſchriften des ſiebzehnten
jahrhunderts, wie Philander von Sittewald, der deutſche
Simpliciſſimus hätten, vorzüglich in abſicht der ſyntactiſchen
regeln, noch gültige anſprüche auf grammatiſches ſtudium.
Luthers ſprache, deren grammatik gleichwohl eigentlich
dargeſtellt zu werden verdiente, gehört nicht in dieſen
kreis, ſie muß ihrer edlen, faſt wunderbaren reinheit,
auch ihres gewaltigen einflußes halber, für kern und
grundlage der neuhochdeutſchen ſprachniederſetzung ge-
halten werden, wovon bis auf den heutigen tag nur
ſehr unbedeutend, meiſtens zum ſchaden der kraft und
des ausdrucks abgewichen worden iſt. Man darf das
neuhochdeutſche in der that als den proteſtantiſchen
dialect bezeichnen, deſſen freiheitathmende natur längſt
ſchon, ihnen unbewußt, dichter und ſchriftſteller des
katholiſchen glaubens überwältigte. Unſere ſprache iſt,
nach dem unaufhaltbaren laufe aller dinge, in lautver-
hältniſſen und formen geſunken, meine ſchilderung neu-
[XII]Vorrede.
hochdeutſcher buchſtaben und flexionen durfte es nicht
verhehlen ſondern hervorheben; was aber ihren geiſt
und leib genährt, verjüngt, was endlich blüthen neuer
poeſie getrieben hat, verdanken wir keinem mehr, als
Luthern. —


Die volksmundarten, im gegenſatz zur edleren
ſprache der dichter und ſchriftſteller habe ich nur
ausnahmsweiſe (z. b. beim dualis) berührt, auch meine
anſicht von ihnen an einigen ſtellen des buchs geäußert.
Ihr grammatiſcher bau iſt ohne zweifel höchſt merkwür-
dig; unſere literatur hat nunmehr zwei werke gewon-
nen, die durch treue und vollſtändigkeit der ſamm-
lung, durch gelungene faßung des ſchwierigen ausdrucks
allen nachfolgern zum muſter gereichen werden; an
ausführlichkeit und ordnung der grammaticalien iſt
Stalder von Schmeller übertroffen worden. Über das
geſchichtliche der volksſprachen fehlt es noch ſehr an
beobachtungen; da ihre verſchiedenheit überaus mannig-
faltig iſt, und ſelbſt nahgelegene landſtriche grell von
einander abſtechen, können ſie mit der unmerklichen,
milderen abſtufung der ſchriftſprache nur in weiterem
verhältniſſe ſtehn. Dieſes denke ich mir auf folgende
art. In der frühen zeit gelten viele dialecte gleich-
anſehnlich nebeneinander, ihre grenzen laufen mit
denen der einzelnen ſtämme; ſobald herrſchaft und bil-
dung einem volke vorgewicht geben, fängt ſeine mund-
art an ſich über benachbarte, abhängige auszubreiten,
d. h. von deren edlem theile angenommen zu werden,
während die einheimiſche mundart unter den volkshau-
fen flüchtet. Die ſtärkere mundart ſteigt, die ſchwä-
chere ſinkt und wird gemein, doch ſelbſt die herrſchende
muß durch ihre wachſende ausdehnung unvermerkt
eigenheiten der andern ſtämme an ſich ziehen, folglich
dem ungebildeten theile des ſtammes, von dem ſie aus-
gieng, gleichfalls entrückt werden. Im achten, neunten
und zehnten jahrhundert blühen in Deutſchland mehr edle
dialecte, als vier, fünf jahrhunderte ſpäter. Noch läßt
ſich die ſächſiſche ſprache nichts gefallen von der frän-
kiſchen oder ſchwäbiſchen; weder Otfried hätte ſich
vor Kero, noch der überſetzer Tatians vor Notker der
eigenthümlichkeit ſeines dialects zu ſchämen gebraucht,
jedem dieſer war er die einzige, edelſte art des ausdrucks.
Im zwölften, dreizehnten jahrh. waltet am Rhein und
an der Donau, von Tyrol bis nach Heſſen ſchon
eine allgemeine ſprache, deren ſich alle dichter bedie-
[XIII]Vorrede.
nen; in ihr ſind die älteren mundarten verſchwommen
und aufgelöſt, nur noch einzelnen wörtern oder for-
men klebt landſchaftliches an. Um dieſe zeit hat ſich
die ſächſiſche, weſtphäliſche und frieſiſche ſprache län-
ger ihr recht bewahrt; ſie lebt in den Niederlanden in
reichlichen ſchriftdenkmählern, ſchwächer im innern
Sachſenland fort, ich bin zu keinem befriedigenden
ſchluß gelangt, ob Veldek habe hochdeutſch ſchreiben
wollen, eindrücke ſeiner heimath aber nicht verwinden
können? oder ob ſein niederdeutſches werk ins hoch-
deutſche umgeſchrieben worden ſey? Offenbar dankt
die heutige niederſächſiſche volksſprache gewiſſe feinhei-
ten, die ſie vor oberdeutſchen gemeinen dialecten vor-
aus hat, gerade dem umſtande, daß ſie einige jahrhun-
derte länger in ſchrift- und öffentlichem gebrauch geblie-
ben iſt. Doch ſie hat ſich zur rechten zeit unbezeugt ge-
laßen, ohne belebende literatur ſinkt ſie mit dem ſech-
zehnten jahrh. zum volksdialect herab und wir ſehen die
neuhochdeutſche ſchriftſprache durch das geſammte reich
herrſchend, alle abzeichen früherer ſtammverſchieden-
heit gewichen, freiheiten, die ſich noch mittelhochd.
dichter genommen, unedel und unerlaubt. Das reſultat
wird daher dieſes ſeyn: ein dialect iſt ſo alt und eben-
bürtig, als der andere, ehmahls aber ſprach der gemeine
mann wie der edle, heute iſt die aus verſchmelzung
der völkerſchaften errungene ſprache eigenthum des
gebildeten theils, alſo jedem erwerbbar; der unge-
bildete theil bleibt bei der angeſtammten mundart und
pflanzt ſie fort, ſie hat lebenswärme, bildungswärme
geht ihr ab. Der gemeine volksdialect ſteht auf ſeinem
boden ſicher und geſchloßen, iſt heimiſch, zutraulich,
ſtets natürlich, an einzelnem wohllaut und triftigem
ausdruck reich; die zeichen gebildeter ſchriftſprache
ſind: adel, zartheit, einſtimmung, vermiedener übellaut
des ganzen; erſt kraft der ſchriftſprache fühlen wir
Deutſche lebendig das band unſerer herkunft und ge-
meinſchaft und ſolchen vortheil kann kein ſtamm glau-
ben zu theuer gekauft zu haben oder um irgend einen
preis hergeben wollen. Mich dünkt, die entwickelung
eines volks fordert auch für die ſprache, unabhängig
von ihrem innern gedeihen, wenn ſie nicht verküm-
mern ſoll, erweiterte äußere grenzen.


Aus dem geſagten erläutert ſich mehr als eine er-
ſcheinung der grammatik. Mundarten welche durch
natürliche lage gehegt und von andern unangeſtoßen
[XIV]Vorrede.
bleiben, werden ihre flexionen langſamer verändern; be-
rührung mehrerer dialecte muß, auch wenn der ſiegende
vollendetere formen beſäße, weil er ſie mit aufgenom-
menen wörtern der andern mundart, auszugleichen hat,
abſtumpfung beider mundarten beſchleunigen. Die-
ſer gegenſtand kann nur durch eine genaue ver-
gleichung aller deutſchen dialecte, wozu hier kein
ort iſt, gründlich erledigt werden. Eine andere ein-
leuchtende bemerkung ſcheint, daß wir den althoch-
deutſchen und altſächſiſchen dialecten land anzuweiſen
faſt nicht anders hoffen dürfen, als durch aufſpürung
ihrer eigenheit in der eingrenzung heutiger volks-
ſprache. Was ich meine ſollen einige beiſpiele zeigen.
Der ausdruck hëvan (coelum), der ſich nur in dem un-
rein-alth. hildebrand findet, bleibt auf den ſächſiſchen
volksſtamm beſchränkt (angelſ. hëofon, engl. heaven,
plattd. hewen, häwen), allen übrigen mundarten fremd
(goth. himins, altn. himinn, alth. himil, altfrieſ. himul,
niederl. hêmel, weſtphäl. hemmel); wenn nun in der
altſächſ. E. H. beide ausdrücke hëbhan und himil ab-
wechſeln, wenn ſich ferner ausmitteln ließe, auf wel-
chem landſtriche zwiſchen Weſtphalen und Niederſach-
ſen beide noch heute den einwohnern geläufig ſind (der
cleviſche Teutoniſta führt heven und hymmel an) ſo
wäre ein punct gewonnen, der uns mit andern ähnli-
chen die heimath des dichters der E. H. verriethe. Die
demſelben dialect eigne analoge bildung gëbhan (mare)
angelſ. gëofon, iſt ſpäteren mundarten abgeſtorben.
Keine reinmittelh. quelle liefert hëven oder hëben, weder
Veldek noch Herbort haben es, aber Reinolt v. der lippe
ſetzt zeile 92. ſogar: himel und hëben zuſammen; weiſt
er wieder die ſcheide Weſtphalens und Sachſens, die un-
gefähr an dieſen fluß fällt? Der unſtatthaften ableitung
des wortes hëvan von hefan (tollere) muß man entſagen.
— Ein anderes beiſpiel gewährt die praep. von, welche
altſächſ. fan, niederländ. und plattdeutſch van, altfrieſ. fon
lautet, im angelſ. und altn. gänzlich mangelt. Die alt-
und mittelhochd. form iſt zwar vona (ſ. 85) von, ſelbſt
bey ſolchen, die in andern wörtern -an für -on ſetzen
(z. b. N. wanên f. wonên bei O. T.) allein einzelne denk-
mähler weiſen fana (miſc. 1, 19) hin und wieder brauchen
mittelh. dichter van (ſ. 448. 450.) auch H. Sachs reimt
van: man. Wenn nun in heutigen hochdeutſchen
mundarten van f. von nur im öſtlichen, nicht im weſt-
lichen Baiern erſcheint (Schm. §. 316.), ſo folgt klar,
[XV]Vorrede.
daß es dem älteren wie dem neuern ſchwäbiſchen dia-
lecte abzuſprechen ſey, dieſer aber auf die bildung des
neuhochdeutſchen, welchem durchaus nur von gerecht iſt,
mächtiger gewirkt habe, als der bairiſche. — Das nie-
derdeutſche ſtërre für ſtërne (ſ. 390. 391) begegnet meines
wißens in oberdeutſcher volksſprache nirgends, wenig-
ſtens in keinem der genauer unterſuchten dialecte, na-
mentlich nicht im elſäßiſchen; ſollte es im lothringi-
ſchen, mainziſchen, trieriſchen beginnen und für das
alth. ſtërro bei O und T. einen fingerzeig geben? — Ein-
zelnes zuſammentreffen beweiſt freilich nicht genug; hat
man erſt ſolcher linien mehr gezogen und viele be-
rührungs- oder abſtandspuncte gewonnen, ſo wird ſich
die ſonderung mancher dialecte faſt mathematiſch nach-
rechnen laßen. Bei ſammlung der volksmundarten müßen
aber auffallend hier fehlende, dort vorhandene wörter
und formen, gleichviel ob ſie in der ſchriftſprache oder
nicht vorhanden ſind, ins auge gefaßt, überhaupt die
mundarten um ihrer ſelbſt willen unterſucht, nicht als
ergänzungsmittel der gebildeten ſprache betrachtet wer-
den. Es liegt oft mehr daran zu wißen, ob ein ganz
üblicher ausdruck der ſchriftſprache in der gemeinen
des volks vorhanden ſey, oder ihr gebreche? als von
einer ſcheinbar ſeltſamen, verderbten form kunde zu
erlangen.


Da die verwandtſchaft und abweichung der dialecte
ſo ſehr an den wortbildungen und fügungen, als an den
lauten, flexionen und einzelnen wörtern geprüft werden
muß, enthalte ich mich, vorläufig auf anſichten ein-
zugehn, die mir über frühere und ſpätere verzweigung
unſerer völkerſchaften vorſchweben. Ich hoffe ſie beim
ſchluße des werks vollſtändiger zu geben; auch die in
der erſten ausgabe mitgetheilten allgemeinen ſätze über
den hiſtoriſchen gang der ſprache ſind als unreife erör-
terungen jetzt bei ſeite gelegt worden. Über eine an-
dere verſchiedenheit der gegenwärtigen von der frühe-
ren einrichtung muß ich mich indeſſen näher erklären:
die anführung der belegſtellen geſchieht unhäufiger als
in der erſten auflage, das iſt oft nachtheilig. Der
grammatiker ſoll von jedem einzelnen fall rechenſchaft
geben können; durch beifügung des belegs werden die
unbelegbaren fälle für den leſer und nacharbeiter her-
vorgehoben. Bei weiterem fortſchritt ergeben ſich nun
ganze ſtrecken als ausgemacht und es würde läſtig ſeyn,
ſie noch einzeln beweiſen zu wollen; das ſchwere bleibt
[XVI]Vorrede.
nur, die grenze des ſcheinbar ſicheren von dem wirk-
lich ſicheren zu treffen. Ich habe zwar das ſchwierige
und zweifelhafte mit anführungen zu ſtützen geſtrebt,
ungern viele aus mangel an raum unterdrückt. Noch
wichtiger war es freilich, die beiſpiele ſelbſt, auch ohne
hinzugegebnen beleg zu mehren, und ſo beträchtlich
dieſe vermehrung von der magerkeit der erſten ausgabe
abſtechen wird, genüge ich mir hierin noch lange nicht.
Grammatiſche gewähr kann nicht anders geleiſtet wer-
den, als durch vollſtändige aufzählung aller beiſpiele,
die unter jede einzelne regel der laut- und flexions-
lehre gehören; nicht bloß zum erweis der einzelnheit
ſelbſt, ſondern weil der überblick der maße unberechen-
bare vortheile hat. Solche vollendung der deutſchen
grammatik iſt aber natürlich nicht auf einmahl von einem
zu erreichen; wir ſollen ihr mit vereinten kräften nach-
eifern und es wird ſich durch geſchickte anordnung
ſelbſt auf beſchränktem raume weit mehr erreichen laßen,
als ich gegenwärtig liefere.


Das verzeichnis der quellen und hülfsmittel iſt weg-
geblieben, weil es nicht in die grammatik gehört, ſon-
dern in die geſchichte der literatur unſerer ſprache und
poeſie. Ich habe einige althochd. denkmähler mehr
brauchen können, als zu der erſten ausgabe, namentlich
die gloſſae auguſtanae (bei Braun vol. 2. p. 117-127);
gloſſae trevirenſes (wovon mir Hr. Prof. Wyttenbach be-
reitwillig die hſ. geliehen hat; es ſind die auch von
Gerbert herausg. gloſſae ſanblaſianae, welchen ſie jedoch
berichtigung, hin und wieder ergänzung gewähren);
bedauernswerth iſt der verluſt der im achten jahrh. über-
ſetzten kirchengeſänge. Voſſius hatte die pergamenthand-
ſchrift beſeßen, Fr. Junius davon copie genommen, er
ſagt in der vorrede zum goth. gloſſar: hos XXVI. anti-
quae eccleſiae alamannicae hymnos transſcripſimus ex
membranis voſſianis. Aus dieſer abſchrift ſind bekannt-
lich nur vier hymni (bei Hickes und Eckhart) im druck
erſchienen, die 22 fehlenden müßen für grammatik und
lexicon nicht wenig wichtiges enthalten, ein ſatz aus
hymn. 25. ſtehet in den gl. jun. 182; einer aus 21, 3.
bei Schilter v. kapot, aus 25, 4. v. kioſun ſewes [ich
kann nicht erklären, wie Schilter oder Scherz zu dieſen
ſtellen gelangt iſt?] In der erſten hälfte des vorigen
jahrh. wurde Junius abſchrift noch zu Oxford bewahrt
(v. catal. mſſ. angl. p.255. n° 5221.), jetzt fehlt ſie und
ſoll laut eingezogener erkundigung ſchon vor 60 jahren
[XVII]Vorrede.
geſtolen worden ſeyn. Vielleicht läßt ſie oder das ori-
ginal ſich noch irgendwo in England oder Holland auf-
ſpüren. — Zu München mögen manche einzelne bruch-
ſtücke und gloſſen althochd. mundart liegen, zu S. Gal-
len liegen die wichtigen ſogenannt keroniſchen gloſſen,
vielleicht aus dem ſiebenten jahrhundert, gewis von Ke-
ro’s, des überſetzers der benedictin. regel, ſprache ab-
weichend; ſie wird Fügliſtaller, einer der gründlichſten
kenner unſerer ſprache, demnächſt mit den geſammten
ſchriften Notkers drucken laßen. Die altſächſiſche Evan-
gelienharmonie, deren herausgabe ſchon vor drei jahren
endlich kein hindernis im wege ſtehen ſollte, iſt immer
noch nicht erſchienen; Hr. Bibliothecar Scherer war ſo
gefällig, mir auf mein anſuchen einige bruchſtücke der mehr-
fach genommenen abſchriften zu ſenden, aus denen ſich
meine bekanntſchaft mit dieſer mundart einigermaßen er-
weitert hat. Von den mailändiſchen entdeckungen iſt außer
und ſeit dem majiſchen ſpecimen nichts heraus. Wenn nun
ſchon einzelne blätter des wiederaufſtehenden Ulphilas
manche dunkelheit zerſtreuen, die vorher unſern blick
hemmte, der ganze vorrath aber maſſen von licht verbrei-
ten muß, wenn durch vollſtändige bekanntmachung der
werke Notkers erſt eigentliche ſicherheit und anſchauliche
fülle der beiſpiele für viele regeln der alth. grammatik ent-
ſpringen und das ſtudium der altſächſiſchen ſprache bald
einen feſteren halt gewonnen haben wird; ſo tröſtet mich
der gedanke an die bevorſtehenden aufſchlüße, wodurch
dieſem feld eine theilweiſe oder gänzliche umarbeitung
bereitet werden kann, über vermeidlich geweſene män-
gel meiner jetzigen arbeit.


Mit ſolchen nothwendigen oder verſchuldeten in-
neren unvollkommenheiten verträgt ſich auch das,
was an dem äußeren meines buchs misfallen wird.
Ein ſtolzes kleid geziemt der deutſchen grammatik noch
nicht. Die verlagshandlung hat, nach mislungenem ver-
ſuch, unvorhandene typen gießen zu laßen, um nicht
länger aufzuhalten, zu einzelnen holzſtöcken greifen
müßen, welche unſauber ins auge fallen, für einige
buchſtaben gar nicht einmahl gebraucht werden konn-
ten; dieſen übelſtand aber reichlich vergolten durch ver-
ſtattung jeder bequemlichkeit, durch zulaßung mehrerer
bogen über die verabredete zahl und durch verwendung
eines tüchtigen ſetzers, ohne welchen das werk nicht
ſo correct ausgefallen wäre. Die etwas ſchwankende
neuhochdeutſche orthographie fällt größtentheils mir zur
b
[XVIII]Vorrede.
laſt. Unſere heutige ſchreibung liegt im argen, darüber
wird niemand, der mein buch lieſt, lange zweifelhaft
bleiben. Es iſt natürlich, auf den gedanken zu kommen,
daß ihr noch in manchem ſtück zu helfen ſey, bedenk-
lich aber zur ausführung zu ſchreiten, da verjährte mis-
griffe nunmehr ſchon auf den reim der dichter und ſelbſt
die wirkliche ausſprache übel eingefloßen haben. Mei-
nen abweichungen wird nicht leicht kein geſchichtlicher
grund zur ſeite ſtehen, verſchiedene habe ich nur für,
die grammatiſche aufſtellung des neuhochdeutſchen ge-
wagt, nicht für den neutralen text, über dem ich un-
ſere orthographie oft vergaß. Wie mit ihr zu verfahren,
ob ſie noch für änderungen, nach ſo vielen widerwärtigen,
mit recht geſcheiterten verſuchen, empfänglich ſey, ver-
diente eigens erwogen zu werden, worauf ich mich aber
hier nicht einlaße; mittel und wege dazu lehrt meine dar-
ſtellung kennen. Einſichtige werden, jeden zumahl ge-
waltſamen neuerungen des hergebrachten in der regel
abhold, als ausnahme die abſchaffung eingeſchlichener
misbräuche, an die man ſich freilich auch gewöhnt hat,
gerne ſehen. Gleich aller geſchichte warnt die hiſto-
riſche grammatik vor freventlichem reformieren, macht
uns aber tugenden der vergangenheit offenbar, durch de-
ren betrachtung wir den dünkel der gegenwart mäßigen
können. An rechter ſtelle wird ſich dann manches wün-
ſchenswerthe und lang gemiſte immer anwendbar zeigen.
So ſchien mir, als ich an die niederſchreibung dieſes
werks gieng, ohne daß ich es früher gewollt hatte oder
jetzo beſonderen werth darauf legte, die verbannung
der großen buchſtaben vom anlaut der ſubſtantive thun-
lich, ich glaube nicht, daß durch ihr weglaßen irgend
ein ſatz undeutlich geworden iſt. Für ſie ſpricht kein
einziger innerer grund, wider ſie der beſtändige frühere
gebrauch unſerer ſprache bis ins ſechzehnte, ſiebzehnte
jahrhundert, ja der noch währende aller übrigen völker,
um nicht die erſchwerung des ſchreibens, die ver-
ſcherzte einfachheit der ſchrift anzuſchlagen. Man
braucht nur dem urſprung einer ſo pedantiſchen ſchreib-
weiſe nachzugehen, um ſie zu verurtheilen; ſie kam auf,
als über ſprachgeſchichte und grammatik gerade die ver-
worrenſten begriffe herrſchten. Näher beſehen hat man
ihr auch ſchon verſchiedentlich entſagen wollen, die ab-
handlungen der pfälziſchen academie, der voſſiſche Ho-
mer ſammt anderen ſchriften ſind ohne große buchſtaben
gedruckt. In beibehaltung der lateiniſchen terminologie
[XIX]Vorrede.
iſt auf rath und mit beiſtimmung verſtändiger männer
nichts geändert worden; an andere mir anfangs ſelbſt
ungefüge deutſche ausdrücke für eigenthümlichkeiten der
deutſchen grammatik ſcheint man ſich zu gewöhnen und
ich ſtehe nicht an, ſie ihrer kürze und bequemlichkeit
wegen fortzugebrauchen, oder man verſuche, das was
ich umlaut, ablaut, anlaut, inlaut, auslaut nenne, be-
ſtändig zu umſchreiben und in eine fremde ſprache zu
überſetzen.


Die verſchrobenheit der deutſchen ſprachlehre in
unſeren ſchulen, den unwerth der bücher, die man da-
bei zu grunde legt, hatte ich lebhaft beklagt; ſchei-
nen einige meiner behauptungen zuweit gegangen
(wiewohl ich nur den faſt ſinnloſen elementarunterricht
angegriffen, nicht aber vernünftige anwendung deutſcher
grammatik in höhern claſſen verredet habe) ſo glaube
ich doch fernerer oder eigentlicher verantwortung über-
hoben zu ſeyn und begnüge mich, wohldenkende ſchul-
männer auf das verfahren, welches verſchwiſterte, an
practiſchem gefühl uns ſo oft überlegene völker, Eng-
länder, Holländer, Dänen und Schweden, rückſichtlich
des unterrichts in der angebornen, einheimiſchen ſprache
beobachten, zu verweiſen.


Allen, die mir durch aufmunterung und guten rath
die fortſetzung meiner arbeit erleichtert haben, danke
ich. Der ſachkundige jen. recenſent wird einige ſeiner be-
merkungen mit dem fortſchritte meiner kenntniſſe zuſam-
mengetroffen finden. Fügliſtaller hat mir mit freund-
lichſter zuvorkommenheit fragen über Notker beantwor-
tet, aber auch noch anderes aus dem ſchatze ſeiner
ſammlungen nicht vorenthalten. Wie vermöchte ich
die in ununterbrochenem briefwechſel erfahrene regſte
theilnahme meiner freunde Benecke und Lachmann ge-
nug zu rühmen, deren eingebungen, ſo oft ich ihnen
nur zu folgen verſtand, ich zu meinem gewinn gefolgt
bin. Solche ausführliche und rückhaltsloſe mittheilun-
gen, als mir Lachmann gemacht hat, muß man an ſich
erfahren haben, um ihren werth zu begreifen, denn ſie
belehren, treiben an und ſtören doch nicht das zur ar-
beit nöthige innere geſammeltſeyn, ſondern man meint
durch ſich ſelbſt fortzulernen.


[XX]

Abkürzungen.


a. Heinr. (armer Heinrich) a. Tit. (Wolfr. Titurel,
ed. Docen) a. w; altd. w. (altd. wälder) Am. (got amûr)
As. (aſegabuch) Barl. (Barlaam) Ben. (Beneckes beiträge)
Beov. (Beovulf, ed. Thorkelin) Bit. (Biterolf) Bloch (danſk
ſprogläre, Odenſe 1817.) Boeth. (Alfreds Boethius) Bon.
(Bonerius) Botin (ſvenſka ſpråket Stockh. 1792.) Br. (li-
terae brocmannorum, ed. Wiarda) Buttm. (ausführl. gr.
ſprachl.) C. A. (cod. argenteus) Cädm. (Cädmonis para-
phraſis) Conr. (Conrad v. Würzburg) E. H. (Evangelien-
harmonie) En. (Eneit) exh. (exhortatio) Flore (Flore und
Blanſchiflûr) fragm. (fragm. und kl. ged. Müller theil III.)
Frib. (Vriberg Triſtan) Frig. (Vrîgedanc) Georg (Reinbots
Georis) gl. aug. (gloſſae auguſtanae) gl. blaſ. (blaſianae)
gl. caſſ. (caſſellanae) gl. hrab. (Hrabani)gl. jun. (Junii) gl.
monſ. (monſeenſes) gl. trev. (trevirenſes) gl. zwetl.
(zwetlenſes) Gotfr. (Gotfried von Straßburg) Gudr. (Gu-
drun) Hartm. (Hartmann v. Aue) Herb. (Herborts tro-
jan. krieg, cod. pal.) hild. (Hildebrandslied) Huyd. (Huy-
decoper) J. (überſetzung des iſidoriſchen tract. de nati-
vitate etc. ed. Roſtgaard) Jud. (Judith) Jw. (Jwein) K.
(Keros überſ. der reg. Bened.) Karl (Strickers Karl) kl.
(klage) kolocz (koloczer codex) Lohengr. (Lohengrin) M.
S. (ſammlung der minneſinger) Maerl. (Maerlants ſp. hiſt.)
Maria (ed. Oetter) meiſterg. (altmeiſtergeſangbuch) miſc.
(Docens miſcellaneen) N. (Notkers pſalmen) Nib. (Nibe-
lungen) O. (Otfried) Orl. (Rudolfs Orlenz) Ottoc. (Otto-
car v. Horneck) Par. (Cädmons paraphraſis) Parc. (Par-
cifal) Raſk (im angelſ. iſt deſſen angelſakſiſk ſprogläre
Stokh. 1817; im altn. deſſen anviſning till Iſländſkan,
Stockh. 1818. gemeint) Rein. (Reinaert de vos) Ritſ.
(Ritſons romances) Roth. (Rother) Rud. (Rudolf v. Enſe)
Schm. Schmeller (bairiſche mundarten) Schn. Schneider
(latein. grammatik) ſchwanr. (Conrads ſchwanritter) St.
(Melis Stoke) Stald. Stalder (Schweizerdialectologie) T.
(überſetzung Tatians) Tit. (Titurel) Triſt. (Gotfrieds Tri-
ſtan) Triſtr. (Ercildounes Triſtrem) troj. (Conrads troian.
krieg) Veld. (Heinr. v. Veldek) W. (Wileram) Weber
(metrical romances) weſſobr. (weſſobrunner fragment)
Wig. Wigal. (Wigalois) Wigam. (Wigamur) Wilh. (die
drei theile Wilhelm des heiligen) Wolfr. (Wolfram v.
Eſchenbach). Die zahlen ſind nach blättern und ſpalten
angemerkt, zuweilen nach zeilen.

[[1]]

ERSTES BUCH.
VON DEN BUCHSTABEN.


Vorbemerkungen. 1) Paläographiſche betrachtungen
und unterſuchungen der äußeren geſtalt der buchſtaben
gehören in die diplomatik. Die angenommene herlei-
tung der runenſchrift aus den lateiniſchen oder griechi-
ſchen buchſtaben, ſo wie die einſchränkung der runen
auf bloß Skandinavien, muß bei gründlicher forſchung
ſchwinden. Weder die runen noch ſelbſt die gothiſchen
buchſtaben laßen ſich hinreichend oder vollſtändig auf
das lateiniſche und griechiſche alphabet zurückführen;
der hauptbeweis dieſes ſatzes fließt theils aus der über-
einſtimmung der gothiſchen o, u, q, v. þ und des
zweimahl nebengeſtrichenen f mit den runiſchen zei-
chen, theils aus der merklichen verſchiedenheit der ſäch-
ſiſchen und markomanniſchen runen von den nordi-
ſchen. Ein ſolches zerfallen der runen in grundver-
wandte, jedoch eigenthümlich geſtaltete und nicht wohl
auseinander herzuführende arten deutet ja wie bei der
ſprache ſelbſt, die ſich in ſtets ähnliche und ſtets unähn-
liche ſtämme verbreitet, auf einen weit feineren, leben-
digeren organiſmus und auf ein höheres alter der runen-
ſchrift, als man bei der anderen mechaniſchen erklä-
rungsweiſe folgern dürfte. Die einzelnen runen tragen
alte, gleichfalls einſtimmige und abweichende namen, in
deren wurzel der vocal oder in deren anfang der con-
ſonant ſteht, dem ſie gebühren. Das und noch mehr
der inhalt oder ſinn dieſer namen, ſelbſt die von alten
dichtern hinein gelegte, vielleicht auch traditionell fort-
gepflanzte auslegung derſelben beſtätigen den zuſammen-
hang der runen mit einer früheren heidniſchen zeit.
A
[2]I. von den buchſtaben insgemein.
Für die anordnung, vergleichung und auslegung der uns
oft nur in fehlerhaften, ungenauen abſchriften überlie-
ferten runenalphabete wird noch manche dunkelheit zu
löſen bleiben, einiges aber von dem, was ſchon jetzo
klar erſcheint *), bei den einzelnen buchſtaben berührt
werden, in soweit es für die grammatik wichtig iſt.
In dieſer findet auch keine ſtelle was über die verſchie-
dene bildung und änderung der durch das chriſtenthum
eingeführten griechiſchen oder lateiniſchen ſchrift in der
diplomatik auseinandergeſetzt werden muß. Einzelne
länder, einzelne jahrhunderte ſchreiben genauer als an-
dere, nach der richtung, die geiſtiger fortſchritt und ge-
lehrſamkeit genommen haben. In ungünſtigen zeiten
verſchlimmern ſich ſchrift und ſprache. Zuweilen iſt
auf die urſprüngliche niederſchreibung oder vervielfälti-
gende abſchrift einzelner werke ungewöhnliche, für die
geſchichte der ſprache erſprießliche ſorgfalt gewendet
worden; ein beiſpiel liefern Notkers arbeiten zu S. Gal-
len. Aus dem ſyſtem und den beobachteten zeichen
ſolcher werke kann die grammatik vieles lernen; allein
ſie muß ſogar weiter ſchreiten, wenn ſelbſt durch dieſe
zeichen die der ſprache weſentlichen, zum theil erſt
durch hiſtoriſche ſprachvergleichung erkennbar gewor-
denen laute und töne nicht genügend dargeſtellt werden
können. Noch viel mehr muß ſie, unbekümmert um
die entſtellten oder nachläßigen lesarten ungenauer und
ſchlechter handſchriften, die regel der ſprache nach ort
und zeit ſelbſt ergründen und eine angemeßene ſchrei-
bung ein- und durchführen. Da ſich aber die abwei-
chungen und eigenheiten der hſſ. nicht bloß auf fahr-
läßigkeit u. unwißenheit der abſchreiber gründen, ſon-
dern zuweilen aus der beſonderen mundart der verfaßer,
umarbeiter und ſchreiber fließen, ſo können freilich alle
ſolche beſonderheiten an und für ſich in der ſprachge-
ſchichte lehrreich werden. Es verſteht ſich nur dabei
von ſelbſt, daß die grammatik, ſo angelegen ihr die ſorg-
fältige zergliederung einzelner mundarten ſeyn muß,
nicht in das familienleben und die unendlichkeit aller
und jeder idiome eingehen darf, ſondern für perioden
u. landſchaften allgemeineren, feſteren regeln zu folgen
hat. Critiſchen herausgebern der bedeutenden ſchrift-
[3]I. von den buchſtaben insgemein.
ſteller und dichter bleibt es überlaſſen, auf die feinere
darſtellung ihrer eigenthümlichkeiten bedacht zu neh-
men. Doch mit dem höheren alter eines denkmahls
ſteigt ſeine ehrwürdigkeit, ja unverletzlichkeit; was wir
uns bei der herſtellung eines textes aus dem dreizehnten
jahrhundert erlauben, würde an einem aus dem achten
übel angewandt ſeyn, wo unſer maßſtab dürftiger, jeder
fehlſchritt ſtörender iſt. In der heutigen ſprache ſtören
die ſichtbaren mängel der geltenden orthographie am al-
lerwenigſten.


2) Zur darſtellung der laute in ſämmtlichen deutſchen
ſprachen bediene ich mich meiſtentheils der heutigen
gangbaren buchſtaben, deren unzulänglichkeit für alle
fälle leicht einzuſehen iſt. Sie würden ausreichen, wenn
es bloß auf die einfachen oder grundlaute ankäme; aber
in der miſchung und zuſammenfügung pflegt ſich gerade
die mannigfaltigkeit der mundarten zu erweiſen. Für
diejenigen miſchlaute, welche der eine oder der andere
dialect liebt, ſchafft er ſich zuweilen beſondere zeichen,
und wenn auch ſolche zeichen graphiſch erwogen eine
miſchgeſtalt verrathen, haben ſie doch ein einfacheres
anſehen und ſind wirklich im gebrauche behülflicher,
als die einzeln aufgelöſten und nebeneinander geſtellten
beſtandtheile der zuſammenſetzung. In unſerm worte:
ſchrift z. b. drücken wir acht laute mit ſieben zeichen
aus, f. nämlich ſtehet für ph. Das ſch würde der Ruſſe
ebenfalls mit einem einzigen zeichen, folglich jenes wort
mit fünf buchſtaben ſchreiben können. Dergleichen
eigene buchſtaben zu ſp. ſt. und andern lieblingslauten
unſerer ſprache wären ihr ſo dienlich, als es dem Grie-
chen ſein ψ für ps. iſt. Sie mangeln nun einmahl.
Die adſpirierten b. d. t. ſind mit den ſächſiſchen alten
zeichen ƀ. ð. þ. dargeſtellt, letzteres iſt auch für den go-
thiſchen, unleugbar ſelbſt formell identiſchen buchſtab ver-
wendet worden. Die gothiſchen hv. und qv. erſcheinen
hingegen aufgelöſt; der gleichförmigkeit mit den übri-
gen alten mundarten wegen, bei denen die zeichen doch
zu ſehr befremdet hätten, und weil der Gothe ſelbſt für
die ähnlichen hl. hn. hr. kein eignes zeichen hat, ſon-
dern ſie auflöſt. Das wichtigſte ſchien, die mannigfal-
tigkeit der vocalmiſchungen aufzufaßen, und zu dieſem
ende sind theils mehrere übliche zeichen gebraucht,
theils da ſie immer nicht hinreichten. einige neue er-
funden, wenigſtens neu beſtimmt worden. Strenge gra-
A 2
[4]I. von den buchſtaben insgemein.
phiſche conſequenz war hierbei weder leicht noch nö-
thig, weil das gewohnte möglichst behalten werden
ſollte, aber der begriff jedes lautes das angelegentlichſte
ſchien. Der circumflex dient zur bezeichnung der ge-
dehnten vocale, der acutus zur unterſcheidung diphthon-
giſcher verhältniſſe; der gravis kommt nur beim engli-
ſchen vor, und ganz wie bei heutigen grammatikern
dieser ſprache. Daß ich den circumflex auch über die
nordiſchen dehnlaute ſtatt des dafür gewöhnlichen acu-
tus geſetzt habe, wird man der gleichförmigkeit zu gut
halten. Angelſächſiſche, hochdeutſche und ſelbſt nordi-
ſche handſchriften bedienen ſich, alle jedoch unregel-
mäßig, eines hackens, der bald mehr dem acutus, bald
mehr dem circumflex gleicht, letztern wählen hin und
wieder angelſächſiſche drucke. Die meiſten hſſ. laßen
alle dehnzeichen aus, und andere brauchen den acutus
neben dem dehnenden circumflex oder auch allein zur
wirklichen accentuation, die von der dehnung völlig
verſchieden iſt (ſ, unten.). Mein verſuch, ſo viele und
großentheils neuentwickelte lautverhältnisse ſorgfältig
auszudrücken, fordert nachſicht; vielleicht läßt ſich das
ſyſtem in der folge vereinfachen und vervollkommnen,
am beſten so, daß die vergleichung der verſchiedenen
ſprachſtämme noch mehr hervorgehoben wird. Eigene
gothiſche, ſächſiſche, althochdeutſche lettern gießen zu
laßen ſcheint mir aber koſtſpielige und verwerfliche zie-
rerei, welche den druck ſammt dem leſen erſchwert,
für die einfachen laute gar nichts fruchtet und bei den
gemiſchten im ſtich läßt, weil zu den vorhandenen den-
noch neue typen erfunden werden müßen. Nebenbei
nehmen ſich ſowohl der gothiſche als der angelſächſiſche
typus ungefällig aus; von jenem hat man bisher nur ein
großes, unnöthig raum koſtendes format gebraucht. Den
richtigen geſichtspunkt befolgen die herausgeber nordi-
ſcher ſprachdenkmähler; Engländer und Holländer über
der treue, die ſie in einem gemengſel von mancherlei
buchſtaben ſuchten, vernachläßigten oft die höhere,
welche nur aus einer vertrauten bekanntſchaft mit dem
grammatiſchen bau aller dieſer mundarten hervorgeht.


Eintheilungen der buchſtaben.


1) In vocale und consonanten. Der vocaliſmus hat in
allen deutſchen ſprachen beſonders tiefe bedeutung und
[5]I. von den buchſtaben insgemein.
iſt, wie es ſcheint, feſter und feiner beſtimmt, als z. b.
in der griechiſchen u. lateiniſchen. Kein vocal ſteht oder
wechſelt willkürlich in derſelben mundart; wenn eine
verſchiedene mundart übergänge zeigt, ſo haben ſolche
nicht weniger bei conſonanten ſtatt, und erfolgen über-
all nach vorgezeichneten geſetzen und verwandtſchaften.
Etymologen, welche den vocal für etwas gleichgültiges
erklären, wie er es in einigen ſprachen des orients eher
zu ſeyn ſcheint, und ſich bloß an das gerippe der con-
ſonanten halten, verlieren dadurch mehr als ſie gewin-
nen, indem die kenntniſs der vocalverhältniſſe gerade
die ſicherſten und reichhaltigſten aufſchlüße über den
[urſprung] und die ableitung der wörter gewährt; auf-
ſchlüße, die mit jenen ungezügelten ſprüngen im felde
des conſonantiſmus den auffallendſten gegenſatz bilden.
Man muß jedoch genau die bedeutung und geſchichte
der vocale in der wurzel von denen in der endung
eines wortes unterſcheiden. Die vocale in letzteren ha-
ben ein kürzeres, geringeres leben, ſind auch häufigeren
veränderungen ausgeſetzt und können weniger im allge-
meinen, als im einzelnen betrachtet werden, ein gründ-
liches urtheil über ſie wird erſt aus der ſchwierigen un-
terſuchung der accentuation einmahl hervorgehen.


2) Die vocale ſind entweder einfache oder doppelte,
womit die eintheilung in kurze oder lange gänzlich zu-
ſammenfällt (vergl. unten die bemerkungen über die pro-
ſodie). Der einfachen (kurzen) gibt es in den deutſchen
[ſprachen] achte: a, e, i, o, u, ë, ö, ü (= y), von wel-
chen wiederum a, i, o, u als die reinen, e, ö, ü aber
als getrübte (umlaute) betrachtet werden müßen; mit dem
ë hat es eine eigne bewandtniſs, die ſich hier noch nicht
ſondern erſt in der althochdeutſchen buchſtabenlehre ent-
wickeln läßt. Die ausſprache des a, i, u (finden, fand,
funden) gleicht ſich in allen (oder den meiſten) deutſchen
zungen; ſchon ſchwankender iſt die des o. Es wird
zumahl auffallen, daß ich dem e die natur eines reinen
vocals nicht beilege; auf gründe die man hierwider aus
ganz abſtracten unterſuchungen der ſprachlaute oder aus
der betrachtung fremder ſprachen vorbringen wollte,
laße ich mich jetzt nicht ein; in der deutſchen ſprache
ſteht es hiſtoriſch zu erweiſen, daß das e als [umlaut],
das ë als erſatz für frühere andere laute zu betrachten
ſey, wie denn auch die älteſten runen gar kein zeichen
zu beiden beſitzen. Ein anderer grund liegt mir in dem
[6]I. von den buchſtaben insgemein.
ſpäteren entſpringen und ſteigenden umgreifen der um-
[laute], welches auf frühere ſeltenheit und ſelbſt abhan-
denſeyn des einfachen e ſchließen läßt. Hierfür ſpricht
endlich auch die in den neueren ſprachen immer wach-
ſende auflöſung faſt aller vocale der endungen in ein
tonloſes e, ſo daß das erlangte entſchiedene übergewicht
dieſes lauts ſeinen anfänglich geringeren umfang gleich-
ſam zurückbedeutet. Die uralte ſprache braucht über-
haupt weder alle vocale, noch alle conſonanten ent-
wickelt zu haben; manche fremde ſprachen entbehren
bekanntlich einzelner einfacher conſonanten. Noch viel
mehr aber gilt das von den gemiſchten oder zuſammen-
geſetzten lauten, vocalen und conſonanten, in deren
entfaltung und vielfältigen beſtimmung meiner anſicht
nach etwas unurſprüngliches zu ſuchen iſt. Merkwürdig
beſitzen die Griechen für a, i, u nur ein, für e und o
jedesmahl zwei zeichen (ε, η; ο, ω), welches die un-
gewiſsheit beider laute beſtätigt, obgleich ſie proſodiſch
eben dadurch beſtimmt worden ſind und η und ω für
doppelte laute geachtet werden müßen.


3) Ein doppelter vocal ſetzt den zuſammenfluß zweier
einfacher in einer ſilbe voraus; einſilbigkeit iſt das we-
ſentliche erforderniſs jedes diphthongen. Man kann
zwei arten der doppelvocale angeben:



4) Wegen ausſprache der doppelvocale merke man
weiter:



5) Triphthongen würden möglicherweiſe in noch
größerer anzahl vorhanden ſeyn, wirklich aber beſtehen
ſie in weit geringerer. Die ältere ſprache kennt ſie gar
nicht, die ſpäterer nur ſelten, und ſie entſpringen aus
zuſammengezogenen mehrern ſilben.


6) Der eintheilung der vocale in reine und trübe iſt
ſchon gedacht worden. Man könnte ſie auch benennen:
dichte und dünne. Zu den reinen gehört a, o, u, de-
nen die trüben e, ö, ü entſprechen, zwiſchen beiden
ſteht i eigentlich in der mitte, als keiner trübung fähig.
Die von einem folgenden vocale bewirkte trübung (ver-
dünnung) des vocals der wurzel heißt nun: umlaut.
Man merke:



7) Genau vòn dem umlaut muß der ablaut unterſchie-
den werden, ein allen deutſchen ſprachen eigenes, we-
ſentliches verhältniß mannigfaltiger vocalabwechſelung.
Zufolge beſtimmter, in den innerſten bau unſerer ſprache
verflochtener geſetze löſen ſich in den wurzeln ſelbſt
und ohne daß dazu eine auf der endung beruhende ver-
anlaßung nöthig wäre, vocallaute einander ab. Die da-
bei auftretenden vocale ſind einfache oder doppelte, nie-
mahls aber trübe. Regeln und eingreifende folgen des
ablauts können erſt in dem abſchnitt von der ſtarken
conjugation und von der wortbildung ins licht geſetzt
werden. —


8) Die erſte eintheilung der conſonanten iſt wiederum
die in einfache und doppelte. Die einfachen zerfallen
ſodann in flußige (liquidae) und ſtumme (mutae). Jener
ſind viere: l, m, n, r. Die mutae theilen ſich nach dem
werkzeug ihrer hervorbringung lippe, zahn (zunge), kehle
in drei reihen: labiales b, p, v; dentales (linguales) d, t,
ſ; gutturales g, k, h. Die drei letzten jeder reihe, das
wehende v, das ſauſende ſ und das hauchende h kann
man ſchicklich ſpiranten heißen. Dem v aber ſteht
noch ein eigener conſonant das j zur ſeite; beide ver-
mitteln den übertritt der vocale u und i in die con-
ſonantenreihe und verdienen deshalb den namen halber
vocale. Sämmtliche deutſche ſprachen beſitzen alle dieſe
einfachen conſonanzen.


9) Die doppelten conſonanten ſind, gleich den voca-
len entweder doppelt durch ſich ſelbſt (geminae) oder
durch verbindung verſchiedenartiger (compoſitae). In
[11]I. von den buchſtaben insgemein.
beiden fällen verwächſt auch wieder der laut in derſel-
ben ſilbe, und wenn conſonanten aus verſehiedenen ſil-
ben aneinander ſtoßen, ſo iſt keine doppelung vorhan-
den. Im lat. aſſero, immitto, attero findet ſich nicht der
eigentliche doppellaut, den wir in maſſa, flamma, mitto
wahrnehmen, jenes bleibt bloße aſſimilation. Ebenſo
unterſcheidet unſer ohr annehmen, zerrinnen, ausſenden
von mannes, zerren, miſſen. Dasſelbe gilt von der com-
poſition; man vergleiche ſtand mit haus-tenne, fiſk mit
us-kunþ etc. Doch können auch anſtoßende conſonan-
zen. zumahl aſſimilationen durch lange ausſprache all-
mählig in wirkliche doppellaute übergehen. Es iſt von
wichtigkeit, ſich mit den in jeder mundart beliebten
compoſitionen der conſonanten bekannt zu machen.


10) Geminationen, in der älteren ſprache ſelten, wer-
den in der neueren häufig; es erſcheint alſo in ihnen zwar
etwas gebildetes, zugleich aber eine entſtellung des frü-
hen proſodiſchen wohllauts. Mehr hiervon nachher bei
der anmerkung über die proſodie. Übrigens geminie-
ren nur einfache conſonanten, nicht zuſammengeſetzte,
daher die hochdeutſchen ff und ƷƷ gewiſſermaßen un-
organiſch ſind.


11) Unter den componierten conſonanten ſind im all-
gemeinen die mit den ſpiranten die wichtigſten, hier ge-
ſchieht die vermiſchung beider laute am innigſten. Ent-
weder ſteht der ſpirant vor oder nach. Jenes z. b. in
den doppellauten hl. hn. hr. hv.; ſl. ſm. ſu. ſk. ſp. ſv.;
vl. vr.
dieſes in ch. ph. th. vh. bh. gh. dh.; hs. rs. ts.;
kv. tv.
etc. Es miſchen ſich auch dreie, wovon ſkr.
das älteſte und wichtigſte beiſpiel (vgl. das fräukiſche
chl. chr.), ſpäterhin nehmen dieſe dreifachen zu und
zweifache verwandeln ſich in ſie, wie unſer ſch. ſchr.
ſchl. etc.; einige finden ſich bloß in der ausſprache,
nicht in der ſchrift, wie ſchp. ſcht. tſch. u. a. Für die
zweifachen ſchreiben manche mundarten eigne zeichen,
als z. ƀ. ð, þ, x und alle f (ph); für qv. hv. hat Ulfilas
buchſtaben. Der häufige gebrauch einiger zweifachen
namentlich des f. þ und z bewirkte, daß man ſie fac-
tiſch in den meiſten mundarten für einfache gelten ließ,
daher ſie theils keine poſition machen, theils ſich gemi-
nieren können. Das unorganiſche dieſer vereinfachung
fließt am deutlichſten aus der abweichenden ſitte ver-
ſchiedener ſprachen in dieſem punct. Dem Griechen
[12]I. von den buchſtaben insgemein.
galt ſein χ ſo gut einfach als ſein φ. Dem Hochdent-
ſchen iſt f. einfach, ch aber nicht.


12) Die richtige ausſprache ſo mannigfaltiger doppel-
laute hat natürliche ſchwierigkeit, doch gibt es kenn-
zeichen, z. b. die hiſtoriſchen übergänge verſchiedener
doppellaute, oder das ausfallen eines der verbundenen
conſonanten; die ſpäteren r. l. n. ſtatt hr. hl. hn. zei-
gen daß das gewicht auf dem liquiden buchſtab ruhte.


13) Der kürze halben werde ich mich im verfolg zu-
weilen der ausdrücke anlaut, inlaut, auslaut für ſolche
conſonanten bedienen, die in anfang, mitte und ende
eines worts ſtehen, z. b. keine dentſche mundart kennt
die dem Griechen ſo beliebten anlaute mn. pt., keine
den ſlaviſchen anlaut ſr. etc. Überhaupt gilt auch von
den conſonanten die für die vocale gemachte bemer-
kung, daß ſich jede mundart ihr gefällige laute unter
ſo vielen möglichen auswählt und auf ihre weiſe zu-
richtet.


14) Endlich muß bemerkt werden, daß nicht weniger
bei den conſonanten ein gewiſſer umlaut einzutreten
pflegt, ein übergang in verwandte laute, deſſen bedingun-
gen ſich doch im allgemeinen nicht darlegen laßen. Nur
ſoviel kann vorläufig geſagt werden, der conſonantum-
laut hängt nicht von der endung, ſondern meiſtentheils
davon ab, daß der inlaut zum auslaut wird. Auch ken-
nen ihn nicht alle mundarten und nicht auf dieſelbe
weiſe. Mich für die erörterung dieſer übergänge und
ſonſt der bekannten eintheilung in tenues (p. t. k.) me-
diae
(b. d. g.) und aſpiratae (ph. th. ch.) zu bedienen,
nehme ich keinen anltand. — Von einem ablaut der con-
ſonanten iſt gar keine rede.


Anmerkung über die proſodie.


Vorhin iſt geſagt worden, daß die einfachen und
doppelten vocale zugleich den begriff der länge und
kürze in ſich ſchlößen. Dieſes würde ziemlich ohne
bedeutung ſcheinen, wenn man den maßſtab des heuti-
gen ſprachſtandes hinzubringen wollte, der uns ledig-
lich auf den ton oder accent weiſt. Unſere dichter neh-
men ſelbſt bei der verſuchten nachbildung antiker vers-
maße auf die geſetze der quantität keine eigentliche
[13]I. von den buchſtaben insgemein.
rückſicht. Dieſe geſetze an ſich ſelbſt ſind gleichwohl ſo
einfach und in der natur menſchlicher ſprache ſo ſehr be-
gründet, daß eine hiſtoriſche unterſuchung der deutſchen
nothwendig auf die frage führen muß. ob nicht wenig-
ſtens in verfloßenen zeiten proſodiſche grundſätze merk-
lich vorgewaltet haben und aus welchen ſpuren das noch
zu erkennen ſeyn wird? Sind doch die neugriechiſ he
und romaniſche ſprache der alten griechiſchen und la-
teiniſchen quantität verluſtig geworden; warum ſollte
die analogie dieſer fortbildung oder verbildung nicht
auch für die deutſche geltend gemacht werden dürfen?
geht hier der ſprachgeiſt keinen natürlichen gang? Ich
glaube daß etwa folgende puncte anzuſchlagen wären:


1) die gedehnten und diphthongiſchen laute in den al-
ten flexions- und bildungsendungen weiſen darauf, daß
die heutige betonung ganz derſelben wörter u. formen
ihren ehmahligen zuſtand nicht ausreichend erkläre, ge-
ſchweige ſinnlich erſchöpfe. Man halte unſer: tage
(dies), wege (vias), hat (habet), bitte (peto) zu dem
goth. dagôs, vigôs, habáiþ, bidja oder dem alth. tagâ,
wëgâ, habêt, pittu; weiter: ſteine (lapides) ſalbes (un-
gis) zu ſtainôs, ſalbôs; niemand zweifelt wohl, daß die
heutzutage gleichtonigen ſilben tag, weg, ſtein, ſalb vor
alters nicht auf einer reihe geſtanden haben können, es
iſt ſehr glaublich daß das ſtufenweiſe abſchwächen der
doppellautigen endungen, ihre vermiſchung mit den kur-
zen, endlich ihre gänzliche abwerfung oder verſtümme-
lung auf ein dem neuen ſprachſtandpunct entgegengeſetztes
princip ſinnlich höherer vollendung hinweiſe, wie es
uns andere in jenen ſtücken auffallend einſtimmende
ſprachen der vorwelt mehr und minder wirklich zei-
gen. Gebührte jenen endungen mit doppellaut eine ge-
wiß merkliche länge, ſo muß ſich neben ihr in den ſil-
ben dag, vig, wenn ſie gleich betont wurden, eine
deutliche kürze offenbart haben. Ohne dies würde ein
ganz unglaubliches übergewicht ſchleppender längen in
der ſprache geweſen ſeyn. Vergleicht man nun lateini-
ſche formen *) dazu: menſâs, paſſerês, modôs; ſo ergibt
ſich ſchon entſchiedene analogie, die aber noch ſteigt,
wenn in beiden ſprachen wurzeln mit formen übereintref-
fen, z. b. in habêre und alth. habên, peto und goth. bidja,
[14]I. von den buchſtaben insgemein.
ſèmen und alth. ſâmo. Daher deutſche wörter von zwei
kurzen ſilben, z. b. gibit, liſit, ſaman, fater, völ-
lig wie petit, legit, ſimul. pater; von zwei langen,
ſteinà wie nôdôs; das geſetz der poſition in bindan, fal-
lan etc wie in findere, fallere etc. endlich. überflüßige
poſition bei ſchon an ſich langem vocal. ſtuontun wie
môns. Gehen dem vocal zwei oder mehr conſonanten
voraus, ſo ſtören ſie ſeine kürze nicht, z. b. pflëgan,
ſtëlan, ſtrëdan, (fervere) ſtritun (pugnabant) etc. wie im
lat. plico, precor, ſcrobis, ſtropha, ſtimulus etc. die erſte
ſilbe kurz bleibt. Alles dies, wenn es ſich völlig erwei-
ſen ließe, gewährt eine ähnliche, günſtige vertheilung
oder mannigfaltigkeit der quantität im deutſchen.


2) Als im verlauf der ſprache die endungen ſich ab-
nutzten und die früherhin langlautigen ihre länge ein-
büßten, muſte dies dem auf der wurzel ruhenden ton
ein übergewicht geben, welches die darin befindliche
kürze drückte und allmählig überhören machte. Das
gefühl für die langen laute der flexion, für die kurzen
der wurzel ſtumpfte ſich, kurzlautige endungen aber und
langlautige wurzeln fielen mit der tonloſigkeit jener und
der betonung dieſer in den meiſten fällen zuſammen.
Dem ohre muſten eine zeitlang und während der über-
gänge manche ehdem kurze laute zweifelhaft (ancipites)
ſcheinen, bis dieſe zweifel nach und nach die gewalt
des tones in dem ſinne ſeiner regel entſchied. Und die
wirkung fieng bald an ſich ſogar in der äußerlichen
ſchrift zu zeigen Die ſchrift der meiſten ſprachen
pflegt die quantität der laute, vielleicht eben, weil ſich
dieſe ſchon verdunkelt, ſelten genau zu bezeichnen, ge-
wöhnlich thut ſie halbe ſchritte oder kann nichts anders
thun. Die griech. ſchrift unterſcheidet die langen und
kurzen α, ι, υ nicht mehr, die lateiniſche ihre längen und
kürzen nirgends. Die altdeutſchen dehn- oder vielmehr
längezeichen wurden von den wenigſten und faſt nie ge-
nau befolgt; in der bloßen ausſprache beruhte die fort-
dauer oder ſpur der quantität. Endlich trat die ſchrei-
bung ſogar auf die ſeite des tons und ſtrebte, verſchwin-
dende kürzen als tönende ſilben darzuſtellen. Hierzu
dienten zweierlei mittel: gemination des auf den kur-
zen vocal folgenden conſonanten und einſchaltung eines
dehnenden e. oder h. In jenem fall entſprang poſition,
in dieſem doppelvocal, in beiden eigentlich war es bloß
der ton, dem es galt. Von wichtigkeit aber iſt es zu
[15]I. von den buchſtaben insgemein.
bemerken, daß früher geminiert und erſt ſpäter gedehnt
wurde *). Bei der gemination ſcheint man gewiſſer-
maßen noch die alte kürze des vocals zu ehren und ihn
nur durch die verſtärkte conſonanz bändigen zu wollen;
die dehnung hebt ihn ſelbſt auf, indem ſie ihn in einen
wirklich langen umwandelt. Daher mag eine durch die
volksſprache oder die inconſequenzen der ſchrift zuwei-
len hervorbrechende gemination in ſilben, die man ge-
wöhnlich dehnt, auch beweis für die alte kürze geben,
vater z. b. lautet im munde des volks häufig vatter,
und die ſchreibung des abgeleiteten vetter bezeugt die
einſtige correption der ſilbe fa. Beiſpiele von gemina-
tionen ehmals kurzer [wurzeln] ſind aus vielen: hammer,
kommen, himmel, nimmt ſtatt: hamar, qvëman, himil,
nimit; von dehnungen: nehme, liege, lieſeſt ſtatt: nimu,
ligu, liſis. Vorzüglich unorganiſch erſcheint aber die
gemination im pl. praet. und part. einiger ſtarken con-
jugationen z. b. griffen, goßen, gegriffen, gegoßen, rit-
ten, geritten, ja ich erkläre mir auf dieſe weiſe haupt-
ſächlich die entſtehung ſo unnatürlicher doppelungen,
als ff und gehörig verſtanden auch ß (ƷƷ) ſind. So ha-
ben ſich freilich ſchon ſehr frühe affe, phaffe, ſpäter
griffen, ſchiffen etc. eingeführt; für die unächtheit der
doppelung ſpricht theils die progreſſion derſelben, theils
ihr ausbleiben in den ſächſiſchen und nordiſchen ſpra-
chen. Ein Niederſachſe würde noch heute den unter-
ſchied zwiſchen ton und quantität fühlen, wenn man
ihn grêpen (rapere) und grepen (rapuerunt) gêten (fun-
dere) u. gaten (fuſum) ausſprechen ließe **); der ton ge-
bührt beidemahl der erſten ſilbe, aber im erſten fall iſt
ſie lang, im andern kurz.


[16]I. von den buchſtaben insgemein.

3) das geſetz der quantität kann in der ſprache vor-
handen und ſelbſt noch wirkſam ſeyn, ohne daß es eine
dichtkunſt anwende. Mag es nun uralte verſchollene
deutſche lieder gegeben haben, oder nicht, in welchen
ſich eine ſolche anwendung deutlich offenbarte; ſo viel
ſcheint anzunehmen, daß die uns verbliebenen älteſten
denkmähler unſerer poeſie, ſächſiſche, hochdeutſche *)
und nordiſche mehr den accent beachten, als das proſo-
diſche maß, wiewohl die bisher vernachläßigte ſorgſa-
mere unterſuchung dieſes gegenſtandes erſt zu ſicheren
aufſchlüßen führen dürfte. Eine ſpur des proſodiſchen
princips meine ich inzwiſchen in der hochdeutſchen
reimkunſt zu entdecken. Die reime ſind entw. ſtumpfe
oder klingende**), unter denen man ſich nicht immer
dasjenige vorſtellen muß, was ſie heute bedeuten, näm-
lich ſolche die auf der letzten ſilbe reimen oder auf der
vorletzten mit tonlos nachklingender letzter. Für meine
gegenwärtige abſicht reicht es hin, drei perioden zu un-
terſcheiden. I. Otfried kennt ſtumpfe und klingende reime;
völliger gleichlaut iſt in beiden nicht nöthig, wiewohl
oft vorhanden, häufig gilt bloße aſſonanz. Stumpfe ſind
ihm, die lediglich auslauten, folglich a) einſilbige auf
einſilbige wörter, wâr: thâr. ſàr: hiar. thù: nû. quad:
pad. man: nam. thaƷ: was. b) einſilbige auf zweiſil-
bige, wâr: meiſtar. thaƷ: ſînaƷ. man: findan. c) einſil-
bige auf dreiſilbige, mêr: fremidêr. nôt: bilidôt. thës:
githigines. Klingender reime, d. h. ſolcher die in- und
auslauten, gibt es folgende: a) zweiſilbige auf zweiſil-
bige, zeiƷan: heiƷan. fiure: hiare. ſcrîban: bilîban.
muate: guate. ahtu: ſlahtu. ferti: henti. hanton: antôn.
racha: ſprâcha etc. b) zweiſilbige auf dreiſilbige, wîſa:
fëliſa. nôtin: ſteinôtin. wîbe: druhtine. c) dreiſilbige
auf dreiſilbige, worahta: forahta. managên: hebigên. tha-
nana: thëgana. — Erwägt man alle dieſe reime, ſo ha-
ben, was den accent betrifft, die einſilbigen wörter ſtets
[17]I. von den buchſtaben insgemein.
einen ton, ſey es den hohen oder tiefen; die zweiſilbi-
gen auf der penult. die dreiſilbigen auf der antepen.
desgleichen. In zweiſilbigen wörtern iſt die letzte ton-
los, in dreiſilbigen die letzte ebenfalls tonlos, die vor-
letzte entweder ſtumm (bilidôt) oder nur tonlos, mitun-
ter vielleicht tieftonig ſmâhêti, frumôno, ſteinôtin). Nie
alſo, und darauf kommt es mir an, kann die letzte ſilbe
ſtumm ſeyn, welches ſie wird, wenn eine kurze ſilbe
vorausgeht; mit andern worten, Otfried bedient ſich nie
in ſeinem ganzen gedicht *) zweiſilbiger wörter, deren
erſte ſilbe (d. h. wurzel) proſodiſch kurz iſt, wohin
eine menge von den geläufigſten wörtern gehört, als:
lëſan, wëſan, grebir, zelit, ſito (mos) buhil, nëman,
nimit, himil, thëgan, fëlis etc. Bekommen ſolche wör-
ter noch eine ſilbe, verſtummt mithin penult., ſo dienen
ſie ihm häufig ſtumpf oder klingend, nachdem ſie auf
ein einſilbiges oder mehrſilbiges wort reimen, menigî.
ſitôta, obana, fadumon, zelitun, buhiles, giſcribauêr:
bilibanêr etc. II. Mittelhochdeutſche periode. Jetzt gilt
gleichlaut, höchſtens reimen einzelne ungleiche doch
verwandte conſonanten, aber der vocal muß genau ſtim-
men, und ſprâche reimt nicht mehr auf ſache. Stumpfe
reime a) einſilb. auf einſilb. wörter. b) einſilb auf mehr-
ſilbige noch zuweilen, als tôt: morderôt. c) zweiſilb.
auf zweiſilb. mit vorletzter kurzer. als lëſen, wëſen;
ſite: mite; riten: ſiten; dëgen: wëgen; legen: ſtegen;
bliben: geſchriben etc. d) zweiſilb. auf dreiſilbige mit
langer antepen. als ligen: heiligen. e) mehrſilb. auf
mehrſilbige, aber wobei bloß die unbetonte endſilbe in
betracht kommt **). Klingende a) zweiſilb. auf zweiſilb.
mit vorletzter langer, als jâren: wâren; alten: halten.
b) dreiſilb. auf dreiſilbige mit kurzer antep. als edele:
B
[18]I. von den buchſtaben insgemein.
wedele. Hier ſind uns bloß die ſtumpfen reime c. und d.
wichtig, deren letzte ſilbe verſtummt, ſo daß die unter
c. einſilbig, die unter d. zweiſilbig werden. Letztere
taugten Otfried bald zu ſtumpfen bald zu klingenden,
weil ihre penult. tiefton und länge hatte, ihre ult. alſo
nicht verſtummte. Die unter c. waren bei ihm gar nicht
reimfähig, ſie ſind es nunmehr geworden, weil der ton,
den ihre penult. freilich immer hatte, allmählig an ge-
wicht und wirkung zu- und die alte kürze daran abge-
nommen hat. Der ton verſchafft jetzt der penult. den
reim, aber die ult. von dem verſtummen retten kann
er noch nicht. III. Neuhochdeutſche periode. Stumpfe
reime, nur einſilb. auf einſilb. wörter. Klingende, nur
zweiſilb. auf zweiſilb. oder mehrſ. auf mehrſ. Alſo, die
ſtnmpfen reime der vorigen periode unter c, ſind zu
klingenden geworden; leſen: weſen reimt ſo gut wie
laufen: kaufen; alten: halten; das heißt, der ton hat
noch weiter gegriffen, die alte kürze ganz verdrängt und
die letzte ſilbe iſt nur tonlos, nicht mehr ſtumm. —
Das reſultat dieſer kürzlich angeſtellten unterſuchung
unſerer reimkunſt kann ſo ausgedrückt werden: Otſried
reimte zweiſilbig — —:— —, —⏑:— —, —⏑:—⏑,
aber niemahls ⏑ ⏑, oder ⏑—. Einſilbige und dreiſilbige
wörter, die er braucht, ließen ſich zwar den abſtracten
regeln der quantität unterwerfen und ſo meßen, daß für
ſeine einſilbigen reime die formeln —:—, ⏑:⏑, —:⏑,
⏑:—; für ſeine dreiſilbigen — — —, ⏑ ⏑ ⏑, — —⏑, ⏑ ⏑—,
—⏑—, ⏑—⏑ hervorgiengen. In der that wäre aber
ein ſolches verfahren ungültig, denn lebendig fühlte der
dichter das geſetz der quantität nur in zweiſilbigen wör-
tern, für jene erſetzt es ihm ſchon der ton. Hentzutage
iſt in zweiſilbigen wörtern weder zum klingenden reim
länge der vorletzten erforderlich (wie noch in der mitt-
leren zeit) noch kürze derſelben zum reim überhaupt
(wie bei Otfried) oder zum klingenden (wie in per. II.)
hinderlich, ſondern kürze und länge ſind in dem ton
aufgegangen und weil jede vorletzte den ton hat, heißt
zweiſilbig reimen immer auch klingend reimen. Sollte
ſich aber für jenes längere haften des proſodiſchen prin-
cips in zweiſilbigen wörtern nicht ein natürlicher grund
angeben laßen? ich denke mir allerdings, daß es in
ein- und dreiſilbigen eher gefährdet wird. Einſilbige
wörter, weil ſie ganz für ſich daſtehen, nehmen dadurch
eine beſtimmtheit an, die ſie in hinſicht der dauer ihres
lauts, weil der gegenſatz fehlt, einander gleicher macht
[19]I. von den buchſtaben insgemein.
und längere oder kürzere zelt leichter verhören läßt. In
drei und mehrſilbigen ſchwanken ſatz und gegenſatz.
Zweiſilbigen drücken ſich die begriffe der dauer am
ſicherſten ein.


4) dieſe grundſätze über altdeutſche proſodie theile
ich als bloße meinung mit, um fernere prüfung zu ver-
anlaßen und mich vorläufig zu rechtfertigen, wenn in
der formenlehre verſchiedentlich von langen und kur-
zen vocalen und deren einfluß auf manche flexionen die
rede ſeyn wird. Lachmann hat für das mittelhochdeutſch
einen feinen unterſchied zwiſchen gedehnten, ſchweben-
den
und geſchärften lauten aufgeſtellt, der den obigen
anſichten practiſch begegnet, ſich aber doch in einigen
puncten davon entfernt. In abſicht des gedehnten *)
lauts waltet kein zweifel ob; geſchärfter iſt ihm vorhan-
den, wo ich poſition, d. h. verlängerung der ſilbe mit
kurzem vocal durch doppelte conſonanz annehme, als
in: finden, wilde etc., an ſich wird der kurze vocal
durch die poſition weder lang, noch der lange länger,
ſondern ſcheint nur ſo, weshalb man auch nicht von
geſchärften lauten, ſondern vielmehr von geſchärften
ſilben reden ſollte. In dem ſchwebelaut erkennt Lach-
mann dasjenige an, was ich für die alte correption halte,
was aber in der jetzigen ſprache ebenfalls gedehnt oder
geſchärft zu werden pflegt, denn wir ſprechen: wehſen,
lehſen wie nehmen, obſchon wir nur letzteres ſchreiben;
die ſchärfung wird natürlich jetzo ſtets auch geſchrieben.
Zwei weitere beſtimmungen machen mir Lachmanns
vorſtellung zu verwickelt, theils inſofern er die fort-
dauer des ſchwebelauts für den fall gewiſſer zuſammen-
ziehungen, welche poſition, folglich ſchärfung herbei-
zuführen ſcheinen, behauptet (wovon nachher bei den
zuſammenziehungen) theils den ſchwebelaut leugnet,
wenn bei geminiertem auslaut der letzte conſonant ab-
fällt, z. b. in man (vir) val (caſus). Hierüber werde ich
mich in der alt- und mittelh. buchſtabenlehre näher äußern.
Laßen ſich nun beide beſtimmungen beſtreiten oder
fließen nur einzelne ausnahmen aus ihnen her; ſo wird
die lachmanniſche bezeichnung des ſchwebelauts, im
gegenſatz zu dem unbezeichneten geſchärften, durch
B 2
[20]I. von den buchſtaben insgemein.
einen ſtrich überflüßig und in ſo weit hinderlich dünken,
als ſie mit dem tonzeichen verwirrt, auch beim zuſam-
menſtoß des ſtrichs und der punctierten vocale änßerlich
unbequem ausfällt.


5) ſchließlich bemerke ich als wichtigen grund
für das ehmahlige vorhandenſeyn einer deutſchen pro-
ſodie, daß in der lithauiſchen (altpreußiſchen) und let-
tiſchen ſprache noch bis auf den heutigen tag der unter-
ſchied zwiſchen quantität und betonung lebt und beider
geſetz in der rede befolgt wird, wie man ſich aus Ru-
higs und Stenders grammatiken darüber belehren kann.
Da nun kein anderer fremder ſprachſtamm den unſrigen
ſo nahe berührt, als eben dieſer lettiſche und ſeine
gleichſam ſtillgeſtandene, noch jetzt ſo vollkommene
form und flexion die deutſchen alten dialecte, darunter
den gothiſchen am meiſten beleuchtet; ſo ſcheint mir
die annahme unvermeidlich, daß in letzteren ebenfalls
eine nunmehr verlorene verflechtung beider grundge-
ſetze, des der proſodie und des accentes, ſtatt gefunden
habe. Iſt aber das proſodiſche princip einmahl dagewe-
ſen, ſo wird es kaum fehlen, daß noch in der heutigen
ſprache, vielmehr in den älteren, ſpur und nachwirkung
davon übrig ſey, zu deren entdeckung und aufklärung
das ſtudium der lithauiſchen und lettiſchen ſprache ein
großes beitragen kann.


Anmerkung über den accent.


Der laut (ſonus) iſt die ausſprache der ſtimme ſelbſt,
den dauernden laut mißt das geſetz der quantität. Der
ton (tonus, accentus) aber iſt die den laut begleitende
hebung oder ſenkung der ſtimme. Von frühe an war
gewiß auch ton in der ſprache und verflochten mit ihrer
eigenſten beſonderheit; die quantität ſcheint etwas all-
gemeineres, gleichſam die poëtiſche, der accent die
proſaiſche lebendigkeit der ſprache zu umfaßen. Hieraus
läßt ſich der allmählige untergang der quantität und die
zunehmende ausdehnung des tons begreifen. Der ton
muß auch als eine haupturſache vieler veränderungen
der ſprache angeſehn werden, indem er flexions- und
bildungsendungen zu ſeiner hebung heran und dadurch
zuſammenzieht, in ſeinen ſenkungen aber den wahren
laut der buchſtaben beſchädiget und verdunkelt. Der
eigentliche ton beruht auf dem acutus (hochton), wozu
[21]I. von den buchſtaben insgemein.
der gravis die gegenſeite gibt, allein dieſer gegenſatz
iſt verſchiedener ſtufen fähig von dem bloßen ſinken
(tiefton) bis zum völligen weichen des tons (tonloſer
laut) und von da bis zum verſtummen des vocals (ſtum-
mer
laut).


Ausmittelung der accentuation für zeiträume und
zweige der deutſchen ſprachen hat beinahe unüberwind-
liche ſchwierigkeit zu beſtehen, die ſchrift kommt wenig
zu hülfe. In gothiſchen, nordiſchen, ſächſiſchen hſſ. be-
finden ſich meines wißens gar keine tonzeichen, in bei-
den letzteren nur lautzeichen und dieſe ſparſam und un-
genau. Gedruckte ausgaben aller dieſer denkmähler
nehmen auf den accent in ſeinem eigentlichen ſinne
nicht die mindeſte rückſicht. Die alt- und mittelhoch-
deutſchen hſſ. gewähren indeſſen wichtige aufſchlüße,
und zumahl ſind einige alth. denkmähler mit ungemei-
ner ſorgfalt accentuiert. Sämmtliche abſchriften des ot-
friediſchen werks haben accente (und daneben keine
dehnzeichen für den doppellaut); leider hat man bei
den abdrücken dieſe accente für unwichtig angeſehn
und ausgelaßen, bloß in den noten theilt Scherz einige
bezeichnete ſtellen mit, andere Roſtgaard in ſeinen va-
rianten und daraus, ſo wie aus ſelbſtgenommenen ab-
ſchriften verſchiedener capitel der wiener und pfälzer
hſſ. habe ich meine unvollſtändige kenntniß von
Otfrieds accenten geſchöpft. Wichtiger ſcheinen noch
die der notkeriſchen werke. Bei der ausgabe der pſal-
men hat man ſie ebenfalls unterdrückt, welchem man-
gel Fügliſtaller bei ſeiner hoffentlich bald erſcheinen-
den ausgabe ſämmtlicher ſchriften Notkers gründlich
abhelfen wird; ſeinen mittheilungen danke ich vorläufig
einige nachricht über dieſe accente; neben ihnen be-
diente ſich Notker zugleich der dehnzeichen. In an-
dern alten werken, namentlich den ſ. galler Tatian, ſo-
dann bei Willeram und in einzelnen gloſſenſammlun-
gen vom 10-12 jahrh. finden ſich hin und wieder, ſel-
ten genau durchgeführte, ſtriche oder hacken, die zu-
weilen wirkliche accente, meiſtens für die ausſprache
der diphthongen beſtimmt, zuweilen dehnzeichen ſchei-
nen. Alle dieſe hülfsmittel und die wichtigſten nämlich
Otfrieds und Notkers tonzeichen, werden dennoch,
wenn ſie einmahl zugänglich geworden ſind, keine
hinreichende einſicht in die alte accentuation gewäh-
ren, da ſie ſich faſt nur mit dem acutus befaßen, über
[22]I. von den buchſtaben insgemein.
deſſen ſetzung man an ſich, in den meiſten fällen min-
deſtens, am geringſten verlegen ſeyn würde; tieftonige
zeigen ſie zuweilen, tonloſe und ſtumme laute gar nicht
an. Eine reichlichere quelle fließt uns inzwiſchen aus
der mittelhochdeutſchen dichtkunſt zu, durch deren
nähere unterſuchung Lachmann neuerdings ſo lehrreiche
aufſchlüße über die damahlige accentuation gewonnen
hat. Damit muß man endlich ein genaues und verglei-
chendes ſtudium der accente in den noch lebenden
deutſchen ſprachen, zumahl nach den gedichten ver-
binden und durch analogie auf die verlorene betonung
der alten zu ſchließen trachten. Hier und ehe einmahl
die buchſtabenlehre abgehandelt iſt, können nur einige
ganz allgemeine ſätze aufgeſtellt werden.


1) mit länge und kürze, wie aus dem vorhergeſagten
klar iſt, haben die tonſtufen urſprünglich nichts ge-
mein; lange ſowohl als kurze ſilben können den acu-
tus oder den gravis bekommen und lange ſowohl als
kurze tonlos und ſtumm werden.


2) die bekannte regel, daß der ton auf die wurzel
falle, bedarf näherer beſtimmung. Nämlich bei dem un-
zuſammengeſetzten nomen, verbum, oft auch adver-
bium hat die wurzel den acutus, alſo für dieſen fall in
mehrſilbigen wörtern ſtets die erſte ſilbe. Bei zuſam-
menſetzungen bekommt aber die wurzel oft bloßen tief-
ton (tonlos oder ſtumm werden kann ſie nie oder höchſt
ſelten). Den hoch- oder tiefton zu ermitteln hält hier
ſchon ſchwer, zumahl in dem fall der vorſilben. Die
nordiſche ſprache legt der vorſilbe beſtändig den acutus,
der folgenden wurzel den gravis zu (Raſk §. 52.) z. b.
landſkapr, mismunr, umgânga. Die neuhochdeutſche
hält es zwar mit landſchaft, misgunſt, umgehen (con-
verſari) ebenſo, allein ſie beſitzt vorpartikeln in menge
und ſchwankt in deren betonung nach noch unerforſch-
ten geſetzen und gewohnheiten, z. b. bei den vorſilben
ge-be-ver-zer- etc. iſt die nordiſche regel unpaſſend,
denn die wurzel behält den acutus, ja die vorſilbe
bleibt tonlos, z. b. benehmen, geloben etc. Andere
vorſilben haben, wie im nordiſchen, den acutus, die
wurzel den gravis, z. b. ab-auf-an- etc. wie: abneh-
men, aufgehen, ankunft. Häufig ſteht einer und derſel-
ben partikel verſchiedener ton zu, da in umfang, un-
glück die wurzel tief, in unendlich, umfangen (am-
plecti), umgehen (praetergredi) hoch tönt. Ich führe
[23]I. von den buchſtaben insgemein.
dieſe beiſpiele nicht an, um abzuhandeln, ſondern um
die bedenklichkeit von vermuthungen über die richtige
betonung derſelben fälle in den alten mundarten darzu-
thun. Auf die goth. vorſilbe ga- die nord. regel vom
acutus der erſten ſilbe anzuwenden verbietet außer dem
bloßen gefühl der umſtand ſelbſt, daß dieſe partikel im
nord. gänzlich mangelt. wogegen ihr häufiger einſtim-
mender gebrauch im althochd. und das ſchwanken der
laute ga-gi-, die tonloſigkeit des goth. ga- höchſt-
wahrſcheinlich machen. Aber welche ſichere auskunft
gibt es über goth. partikeln wie un-dis- und andere?
Otfried und Notker werden die frage über die betonung
der vorpartikeln befriedigend beantworten, beiden iſt
gi-bi-ir-zi-fër- unbetont, ún-úber-ána-ála- etc.
haben aber den acutus, ſo ſchreibt Otfried ſtets álang
(integer). Einigemahl gibt Notker in ſolchen fällen of-
fenbar auch den tiefton mit an, z. b. in úngérn (d. h.
úngèrn).


3) in weiteren fällen, namentlich alſo für das unzu-
ſammengeſetzte pronomen, die partikeln, flexions- oder
bildungsendungen den wahren ton zu treffen macht erſt
die eigentliche ſchwierigkeit. Alle dieſe waren urſprüng-
lich einmahl auch wurzeln, die in der länge der zeit
verkürzt. entſtellt und verdunkelt worden ſind. Heu-
tige ſprachen lehren, daß auf pronomen und partikeln
zuweilen der hochton fällt, daß ſie aber auch tieftonig
und tonlos werden. Otfried (auch der ſ. gall. Tatian)
accentuiert oft íh, ímo, ínan, oft nicht. Nie ge-
bührt den endungen der acutus *), ſie ſchwanken
zwiſchen tiefton, tonloſigkeit, verſtummen und hier
eben ſcheinen nach verſchiedenheit der zeit und mund-
art unendliche abweichungen einzutreten. Ich genüge
mich an einigen beiſpielen. Im alth. menniſco (homo),
fiſkarî (auch ſiſhârî), ſalbôta vermuthe ich die erſte ſilbe
hoch- die zweite tieftonig, die dritte tonlos; ſo iſt es
im nord. manneſkja, fiſkari, þackada. Zwiſchen jenen
[24]I. von den buchſtaben insgemein.
formen und den neuhochd. menſch, fiſcher, ſalbte, in
denen die tieftöne tonlos geworden und verſchluckt
ſind, haben grade gelegen, welche man im mittelh.
ſuchen muß. Hier ſchwebte menniſche ſchon über in
meniſche mit der zweiten ſtumm, ſelbſt in die abwer-
fung des letzten e; bei Boppo (2. 233 a) reimt me-
neſch auf theneſch ſtumpf. Im 12. jahrh. konnten ſich
reime wie menniſchen: fiſchen finden (Maria 1029 men-
niſche: tiſche). Das mittelh. viſchære hat die zweite
noch tieftonig, tonlos aber ſalbete. Ferner, im mittelh.
iſt von zwei kurzen ſilben die zweite ſtumm (laden,
manic, lëſen) aber auf eine erſte lange folgt die zweite
tonlos (ſlâfen heilic, ſælic); doch bei verlängerter endung
bricht der alte tiefton hervor (ſæligen: genigen). wie
uns Lachmann lehrt. Der alth. acc. ſâlîgan hatte ge-
wiß den nämlichen tiefton, vermuthlich auch der nom.
ſâlîg (O. II. 16, 50: wîg). Sollte ſich die nord. doppelte
form heilagr und helgr anſchlagen laßen? in letzterer
iſt der ſtumme vocal ausgefallen, in erſterer der be-
tonte geblieben. Und hätte im goth. liubana (carum)
und frumana (probum) die zweite ſilbe deutlich ver-
ſchiedenen accent gehabt? Es ließen ſich zweifel vor-
bringen.


4) daß es ſtumme laute auch ſchon im goth. gegeben
habe, bezweifle ich gar nicht, weil gerade der Gothe
in manchen fällen vocale auswirſt, wo ſie im alth. noch
tonlos oder ſtumm ſtehen bleiben, namentlich zwiſchen
muta und liq. z. b. fugls, rign, alth. fogal: rëgan.
Dieſe neigung zieht durch die goth. ſprache, und be-
weiſt das eigenthümliche gothiſcher accentuation. Die
geſchichte der accente wird ſich alſo mit der ſehr ver-
ſchiedenen entwickelung der bildungs- und flexions-
triebe jeder mundart vertraut zu machen haben und dies
ſind unterſuchungen, worauf unſere jetzige grammatiſche
kenntniß noch nicht recht gerüſtet iſt.


Wegwerfen der buchſtaben.


Die ſprache ändert ſich nicht allein durch den über-
gang von buchſtaben in andere, durch die verwechſe-
lung der kürzen mit längen und beider mit dem tone,
ſo wie durch die vermilchung verſchiedener accente;
eine haupterklärung ihrer vielgeſtaltigen entwickelung
fließt aus dem freilich mit der ſchwächung der quanti-
[25]I. von den buchſtaben insgemein.
tät und veränderlichkeit der accentuation in verbindung
ſtehenden wegwerfen *) einzelner laute in wurzel und
endung. Jedes abwerfen und ausſtoßen einzelner oder
mehrerer buchſtaben und die dadurch verurſachte zu-
ſammendrängung der übrigbleibenden benimmt der an-
ſchaulichkeit der wurzeln und endungen, mindert folg-
lich das ſinnliche leben der ſprache. Der wohllaut mag
dadurch gewinnen, eben ſo häufig büßt er ein; über-
haupt muß man das fortſchreiten in zuſammenziehungen
eigentlich nicht aus einer bewußt gewordenen neigung
zum wohllaute noch aus einer wohl zuweilen vorhan-
denen gleichgültigkeit gegen eindringende mislante er-
klären wollen, ſondern vielmehr aus der unhemmbaren
hinrichtung der ſprache nach dem geiſtigen begriff, den
kürzung, zuſammenziehung und zuſammenſetzung der
wurzeln allerdings erhöhen.


Im einzelnen wird nun die bedeutung dieſer erſchei-
nungen für die hiſtoriſche grammatik ſehr von dem um-
ſtande abhängen, in wie weit ſie ſich bei einer und der-
ſelben mundart und zu gleicher zeit ereignen oder erſt
aus der vergleichung verſchiedener mundarten und zei-
ten zu ſchließen ſind. In erſtern ſchwebt noch die
[26]I. von den buchſtaben insgemein.
ſprache zwiſchen der änderung und dem alten zuſtand,
in letzteren hat ſich die änderung befeſtigt und des alten
zuſtandes iſt vergeßen. Beiſpiele dieſer art wären das
goth. fugls ſtatt des gar nicht mehr vorkommenden fu-
gals oder noch höher hinauf etwa fugalus, ferner, der
nord. inf. -a ſtatt -an. Zu jener art gehört aber wenn
das mittel[l]. zwìc in zwî, das nord. drôg in drô apoco-
piert wird. Sagt man daher zwî ſteht für zwîc, ſo iſt
die veränderung eſoteriſch; ſagt man: fugls ſteht für
fugals, ſo iſt ſie exoteriſch, d. h. aus der goth. ſprache
an ſich nicht zu erweiſen. Ich glaube daß ich mich
durch dieſe ausdrücke einigemahl kürzer und beſtimmter
faßen kann. Mit der zeit freilich verwandeln ſich die
anfänglich eſoteriſchen in exoteriſche wegwerfungen.
Das neuh. lobte beſteht ſchon feſt und lobete nicht mehr
daneben, oder, in hahn fühlen wir das frühere hane
jetzt gar nicht mehr.


Der allgemeinen angabe der verſchiedenen arten und
namen füge ich einige bemerkungen und wenige bei-
ſpiele zu, reichlichere folgen in der buchſtabenlehre
ſelbſt. Die buchſtaben werden weggeworfen entw. an
einem worte oder zwiſchen zweien ſich berührenden.
Jener fall macht drei arten


1) wegwerfen des anlauts, aphäreſe. Von vocalen
wüſte ich kein beiſpiel (vgl. ὀδόντες mit tunþjus, Schnei-
der p. 13. 179.) Von conſonanten zwei wichtige fälle,
der ſpirant h. vor l. n. r. v, hlahan, hneigan, hráins,
hveits heutzutage: lachen, neigen, rein, weiß; der ſpi-
rant v. häufig im nord. (vada, ôd eſoteriſch und ûlfr,
wulfs exoteriſch)*); g vor n im nord. (gnôgt, nôgt).


2) wegwerfen des inlauts (zuſammenziehung). Dieſe
iſt häufig und mannigfaltig



3) Wegwerfen des auslauts, apocope.



Der zweite hauptfall aller wegwerfungen betrifft die
zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden wörtern ſtattfinden-
den. Hiervon läßt ſich begreiflicherweiſe noch weniger
im allgemeinen handeln, zumahl bei den älteren ſpra-
chen, wo uns faſt keine gedichte zum maßſtab dienen,
da doch gerade das feinere ohr der poëſie auszuſtoßen
pflegt, was die proſa noch leidet. Die hauptſächlichſten
arten ſind:


1) wegwerfung zwiſchen zuſammengeſetzten wörtern *),
und zwar gewöhnlich des auslauts von der erſten (vorne
ſtehenden) wurzel, alſo ganz der apocope analog. So-
wohl der vocal fällt aus z. b. gêren (honorare) f. ge-
[31]I. von den buchſtaben insgemein.
êren, bûtan f. be-ûtan (engl. but) binnen f. be-innen,
botſchaft f. boto-ſcaf, tagſtern f. taga-ſtërro etc. — als
der conſonant z. b. ſigimunt f. ſigis-munt. nebigaſt f.
das ältere hnebisgaſt, edel-mann f. edels-man — zuwei-
len beide, vocal und conſonant, vielleicht nicht gleich-
zeitig, ſondern nacheinander z. b. tâlanc (hodie) ſt.
taga-lang. Manchmahl wirkliche ſyncopen in der erſten
wurzel, z. b. uolrîch, âlbërt ſt. uodal-rìch, adal-bë-
raht etc. Der Gothe duldet den hiatus zuſammenſtoßen-
der vocale lieber, als daß er den der erſten wurzel ab-
wirft, z. b. ga-áiſtan, ga-ibnjan, bi-abrjan, ana-áu-
kan etc. doch vgl. and-áugjô f. auda-augjô. Ein glei-
ches finde ich auch im alth. gebrauch begründet.


2) zwiſchen zwei nicht zuſammengeſetzten wörtern,
und zwar ſo, daß die urſache des wegwerfens in der be-
rührung beider zu linden iſt, denn ſonſt tritt bloße apocope
ein. Die fälle (meiſtens eſoteriſch erkennbar, in ſo fern
ſie ſich nicht in eigne zuſammenſetzungen verhärten)
ſind in den deutſchen ſprachen weit ſeltner, als in der
griechiſchen und lateiniſchen und die enthaltſamkeit
ſelbſt der heutigen dichtkunſt läßt doch wohl einen
ſchluß auf die ältere poësie zu, der mir durch die be-
trachtung der nordiſchen und mittelh. nicht widerlegt
zu werden ſcheint. Das mittelh. auslautende tonloſe e
wird z. b. vom ſchwachen ſubſt. und ſchwachen praet.
gern abgeworfen, wenn ein vocal-anlaut folgt, doch
nicht immer, ſondern nach erforderniß des metrums.
Aufmerkſamkeit verdienen die von ihm ſelbſt ſchon ſo
benannten ſynaloephen Otfrieds welche in den hſſ.
durch einen doppelten punct, über und unter den im
betonten leſen der zeile zuszulaßenden vocal geſetzt,
angezeigt werden. z. b. (III. 25, 59.) ſprâcha ouh. (ad
Lud. 154.) zi thëmo êwinigen (I. 11, 12.) zala irgâ-
bin, ſind die auslaute a, o und a doppelt punctiert.
Die meiſten, ſowohl der otfriediſchen ſynaloephen, als
der ſonſt bemerklichen weglaßungen beziehen ſich auf
das, was man inclination (ἔγκλισις) nennt, worunter ich
aber nicht allein die ſich hinten anlehnenden wörter
(encliticae) begreife, ſondern auch die es vornen thun,
in welchem letztern fall der claſſiſche ſprachgebrauch
eine kraſis annimmt, doch verſchmelzung der laute hat
im deutſchen nicht immer ſtatt, gewöhulich erfolgt nur
abwerfen eines vocals oder conſonanten. Ich führe
die wichtigſten fälle an:


[32]I. von den buchſtaben insgemein.

Näherer forſchung bleibt vorbehalten, ob und in
wie fern die inclination aufſchluß über die alte accen-
tuation gewähre? da es ganz natürlich ſcheint, daß
auch im deutſchen die enclitica ihren ton auf die ſilbe
werfe, der ſie ſich anlehnt. Den acutus gibt ſie ihr
nicht, wie im griech. (wo nicht einmahl förmliches an-
wachſen, wenigſtens in der ſchrift, gefordert wird),
denn Otfried accentuiert in: hôhemo (hôhe imo) thju-
nan (thju inan) die penult. nicht; vielleicht tönt ſie tief
und wird tieftonig, wenn ſie tonlos war; gewiß iſt je-
nes hôhemo anders betont worden als der dativ hôhe-
mo. Die tonloſe endung in dem heutigen liebten ge-
winnt unmerklich in liebtenſ; anders wohl im alth. ri-
tunſe ſt. ritun ſi.


[33]I. gothiſche buchſtaben.

Soll der apoſtroph bei durch ihre berührung und anleh-
nung verkürzten wörtern geſetzt werden? denn im fall
der apocope, ſyncope, innern eliſion und zuſammen-
ſetzung wird ihn niemand ſchreiben wollen, weil er
dann unendlich ſeyn müſte. Die alten handſchriften
brauchen ihn überhaupt nicht. Nützlich aber, wenn
nicht nothwendig ſcheint der apoſtroph für jene berüh-
rungen, wo ſie ſich noch nicht in völlige zuſammenzie-
hungen (wie: nicht, niemand etc.) verknöchert haben,
entbehrlich in einigen gar zu häufigen fällen (wie z’im,
z’ir etc.)


Von den gothiſchen buchſtaben.


Gothiſche lieder, aus deren metrum aufſchlüße über
die ausſprache der einzelnen laute zu nehmen wären,
mangeln. Die übertragung der eigennamen und einiger
anderen wörter der heil. ſchrift in das gothiſche kann
uns verſchiedenes lehren. Vorausſetzen darf man, daß
Ulphilas mit der damahligen griechiſchen ausſprache
bekannt war, doch auch muthmaßen, daß er in der
anwendung auf den goth. laut zuweilen ſtrauchelte;
daher einige inconſequenzen, wo ihnen nicht andere
oder ſelbſt ſchwankende lesarten des griech. textes zu
grunde gelegen haben.


Ulphilas hat in der ſchrift die fünf vocale a, e, i,
o, u, von welchen jedoch e und o, obgleich mit dem
einfachen zeichen ausgedrückt, durchaus als gedehnte
(doppelte) zu betrachten ſind. Es gibt alſo nur drei
einfache gothiſche vocale a, i, u, den griech. α, ι, ου
entſprechend; einigemahl dient auch u für den gedehn-
ten laut û; außer ihm noch zwei gedehnte, e und o,
den griech. η und ω entſprechend und vier andere dop-
pellaute: ai, au, ei, iu, deren letzter nur in goth.
nicht in fremden wörtern auftritt. ai, au, ei dienen
aber für die griech. einfachen laute ε, ο, ι. Das griech.
υ (y) wird durch den goth. conſonanten v. wieder ge-
geben.


(A) a, unter allen goth. vocalen der häufigſte, gilt
ſo viel als ein griech. α. und lautet wie dasſelbe oder
wie das neuh. in laden, alt etc. Und zwar iſt es ein
C
[34]I. gothiſche vocale.
kurzer, einfacher, kein langer laut; das lange a (oder â)
fehlt und wird in den analogen fällen anderer ſtämme
durch ê erſetzt. Hierwider gilt der einwurf nicht, daß
Ulphilas alle griech. α. der eigennamen durch ſein a wie-
dergibt; haben ſich auch in dieſen urſprünglich meiſt
hebräiſchen wörtern lange a befunden, ſo lag berück-
ſichtigung griech. quantität außer dem geſichtspunct
des goth. überſetzers und er muſte das kurze und lange α,
das er nur mit einem buchſtab fand, für daſſelbe zei-
chen halten. Eben ſo wenig beachtete er den griech.
accent, ſondern läßt dem ά und das nämliche goth. a.
widerfahren, vergl. Α᾽βραάμ, Μαὰθ.


Dieſes a leidet jeden conſonanten hinter ſich, ſo
wie doppelte conſonanz. Die vorzüglichſten wurzeln,
wo es vorkommt, ſind außer den ablauten und endun-
gen folgende: ba (ambo). ga-. hav (quid). ja (immo).
ſa (is). ſva (ſic). tva (duo). aba (vir). abrs (vehemens).
ga-daban (συμβαίνειν). gabigs (dives). graban (fodere).
haban (habere). jabai (ſi). ſaban (linteum). badi (balneum).
nadr (ſerpens). ſkadus (umbra). daddjan (lactare). vaddjus
(vallum). af (ab). afar (poſt). hafjan (tollere). hafts (prae-
ditus). gaſkafts (conſtitutio). agis (timor). aglus (difficilis).
bagms (arbor). dags (dies). faginôn (gaudere). fagrs (pul-
cher). magan (valere). magaþs (virgo). magus (puer).
ſnaga (veſtis). tagl (capillus). tagr (lacrima). þragjan (cur-
rere). draggkjan (potare). gagg (ἀγορα). glaggvus (dili-
gens). laggs (longus). vaggareis (cervical). aha (mens).
ahan (palea). ahma (ſpiritus). ahtau (octo). ahva (aqua).
fahan (capere). fahêds (gaudium). hahan (ſuspendere).
hlahjan (ridere). klahs (parvus). lahan (vituperare). mahts
(vis). ga-nah (ſufficit). nahts (nox). rahnjan (reputare).
ſlahs (plaga). tahjan (lacerare). þahan (tacere). þlaſnan
(turbari). þvahan (lavare). vahſjan (creſcere). vahs
(μεμπτὸς). vahtvô (vigilia). ak (ſed). akeit (acetum).
akrs (ager). rakjan (tendere). ga-ſakan (increpare). vakan
(vigilare). ſakkus (ſaccus). ſmakka (ficus). alds (generatio).
alhs (templum). alêv (oleum). aljan (alere, σιτευειν). balgs
(uter) balþs (audax). dal (vallis). dvals (fatuus). -falþs
(-plex). falþan (plicare). halbs (dimidius). hali (tartarus).
hals (collum). haldan (tenere). halts (claudus). kalds (fri-
gidus). kalkja (meretrix). malan (molere). malô (tinea).
malvjan (conterere). ſaljan (offerre). ſkal (debet). ſkalja
(tegula). ſkalks (ſervus). ga-ſtaldan (poſſidere). un-tals
(ἀπειθὴς) talzjands (ἐπιστάτης). tvalif (duodecim). valdan
[35]I. gothiſche vocale.
(imperare). valjan (eligere). valtjan (volvere). valus (virga).
valvjan (volvere). alls (omnis). alleina (cubitus). amſa
(humerus). fram. hramjan (crucifigere). lamb (agnus).
namô (nomen). ſama (ſimul) ſkaman (erubeſcere). tamjan
(domare). þramſtei (ἀκρις). vamba (venter). ſtamms (bal-
bus). an (num). ana (ad). anaks (ſubito). and (per). andeis
(finis). anſts (amor). ans (trabs). bani (vulnus). band (vin-
culum). banſts (horreum). fana (pannus). fani (lutum).
hana (gallus). handus (manus). hanfs (mancus). hanſa
(agmen). hvan (quam). land (regio). manvus (paratus).
nanþjan (audere). ſandjan (mittere). ſtandan (ſtare). faúra-
tani (prodigium). tandjan (accendere). þanjan (tendere).
tvans (duos). þanjan (tendere). van (defectus). vandjan
(vertere). anna (ſtipendium). kann (novi). manna (homo).
ſkapan (creare). hvapnan (extingui). ara (aquila). arbi
(heres). arms (brachium). arniba (ἀσφαλῶς, tute). arvjô
(fruſtra). baris (hordeum). barn (infans). barms (gremium).
farjan (proficiſci). gards (domus). hardus (durus). harjis
(exercitus). hvar (ubi). kar (cura). marei (mare). marka
(limes). marzjan (impedire). ſmarna (ſtercus). ſparva (paſſer).
ſvarts (niger). ſvaran (loqui). thar (ibi). tharbs (egenus).
vardja (cuſtos). vargjan (condemnare). varjan (defendere).
varmjan (calefacere). aſilus (aſinus). aſans (meſſie). aſneis
(mercenarius). aſts (ramus). baſi (bacca). faſkja (κείρια,
faſcia). faſtan (ſervare). gaſts (peregrinus). gras (gramen).
hlaſôza (hilarior). raſta (ſtadinm). þvaſts (ἀσφαλὴς). vaſjan
(veſtire). at (praep). atiſks (ſeges). ataþni (ἐνιαυτὸς). batizô
(melius). gatvô (πλατεία). hatis (odium). katils (vas ahe-
neum) latjan (tardare). mats (cibus). nati (rete). ſatjan
(ponere). vatô (aqua). vratôn (ire). atta (pater). ſkatts
(numus). aþriza (prior). faþa (ſepes). faþs (praepoſitus).
fraþi (ſapientia). hvaþô (ſpuma). laþôn (invitare). maþa
(vermis). maþl (concio). raþjô (numerus). ſaþs (ſatur)
ſkaþjan (nocere). ſtaþs (locus). aviliudôn (εὐχαριστειν).
aviſtr (ovile); was auf ein einfaches: avi (ovis) wie þivi.
oder vielleicht: áus gen. aváis ſchließen läßt. ſavai
(panci). gavi (regio). havi (foenum). mavi (puella). ſlavan
(tacere). azêts (facilis). azgô (cinis). hazjan (laudare).
razn (atrium) razda (ſermo).


Zu merken iſt, daß ſtammverwandte lat. wörter ſtatt
des goth. a. meiſtens ein o haben, vergl. duo, ambo,
nox, octo, odium, molere, volvere, oleum, collum, no-
men, domare, hortus, hoſtis, longus, ὁλος, ovis, (οἶς) mit:
tva, ba, nahts, ahtáu, hatis, malan, valvjan, alêv,
C 2
[36]I. gothiſche vocale.
hals, namô, tamjan, gards, gaſts, laggs, alls, avi (?).
Doch auch entſpricht das lat. (kurze) a, in habere, ta-
cere, ſal, ager, ſatur, ratio, tendere, mare, vergl. mit
haban, þahan, ſalt, akrs, ſaþs, raþjô, þanjan, marei.
Noch ſeltner u, kara, cura.


(E) entſpricht durchaus nicht demſelben zeichen in
den übrigen deutſchen ſprachen, ſondern iſt ſtets dop-
pellaut; ich führe daher das dehnzeichen dabei ein,
welches Ulphilas ſo wenig hier, als bei andern gedehn-
ten vocalen braucht. Für die vergleichende grammatik
werden aber die dehnzeichen nothwendig. Der goth.
doppellaut folgt 1) aus dem gr. η, dem es in namen
und beibehaltenen wörtern gleichgilt, z. b. Iêſus (Ἰη-
σοῦς
) *) aíkklêſjô (ἐκκλησία) amên (ἀμὴν) Môſês (Μωσῆς).
vergl. mêna (μῆνη). Die byzant. ſchreibung γήπαις (Pro-
cop. 3, 1.) pl. γήπαιδες gibt auch ein goth. ê zu erkennen.
2) aus dem ſchwanken in einen andern nahen diph-
thongen ei (ee in ei, wo alſo freilich ein kurzes e),
nicht in endungen allein, als: þizê und þizei; dalê, da-
lei Luc. 3, 5. judáiê, judáiei Joh. 12, 1.; ſondern ſelbſt
im ablaut vêſun, veiſun und in wurzeln: lêtan, leitan;
manaſêþs, manaſeiþs; grêtan, greitan; ſpêds, ſpeidizô;
azêtizô, azeitizô; lêkeis, leikeis. Seltner der umgekehrte
fall, wo ei urſprünglicher ſcheint, in veihs (vicus) und
vêhs (Marc. 8, 27.) **) 3) aus dem analogen â ande-
rer ſtämme. 4) aus dem langen lat. e, das in gleichen
wörtern dem goth. ê und alth. â entſpricht, z. b. ec-
clêſia, ſèmen, mènſis (mehr beim alth. â); alêv aus
olêum deutet auf eine ausnahme von der gewöhnl. cor-
reption oleum (Schneider p. 55. 98.) vgl. ἐλαιον und
olîvum.


[37]I. gothiſche vocale.

Die ausſprache mag der des gr. η und lat. ê nahe
gekommen ſeyn, obſchon in dem auf anderm wege
(d. h. bereits vor Ulphilas) ins goth. gerathenen acêtum
(das N. T. hat ὅξος) das ê zu ei (akeit) geworden iſt,
wie es nach dem vorhergehenden in goth. wörtern ſelbſt
zwiſchen beiden doppellauten ſchwankt. Dadurch ver-
mitteln ſich zugleich die ſcheinbar weiter abliegenden
verwandtſchaften des alth. â, das mittelh. in æ um-
lautet, und des angelſ. â, welches in einigen fäl-
len dem goth. ài und alth. ei entſpricht. Mehr
entfernt ſich die ausſprache des nord. â. Außer
den endungen und ablauten, wo das ê genug er-
ſcheint, findet es ſich in ziemlich wenig wörtern:
hvê. hidrê (huc). nê (non, d. h. nein). þè. untê (do-
nec). grêdags (famelicus). un-lêds (pauper). fahêds (gau-
dium) ſpêds (ſerus). ga-grêfts (placitum). mêgs (affinis).
ſvêgnjan (gaudere). vêgs (fluctus). nêhva (prope). flê-
kan (plangere). lêkeis (medicus). bi-rêkja (periclitans).
têkan (attingere). kêlikn (turris). mêl (tempus, ſignum).
mêla (modius) ſêlei (felicitas). mêna (luna) vênjan (ſpe-
rare). ſlêpan (dormire) vêpn (arma). fêra (tractus terrae)
fêrja (inſidiator) hêr (hîc). jêr (ἔτος) mêrjan (nuntiare).
un-vêrjan (indignari). ſvêrs (honoratus). mês (menſa)
ſvês (proprius) lêtan (ſinere) andaſêts (abominabilis)
azêtizô (facilius). nêþla (acus). hêþjô (ταμιεῖον, concla-
ve). alêv (oleum). lêvjan (tradere). ſkêvjan (abire).
Manche andere mögen nur in den bruchſtücken nicht
vorkommen, wie rêdan (conſulere) etc.; man kann auch
den weibl. eigennamen audifleda (goth. áudiflêds) und
die männl. gibimêrs, valimêrs etc. hierher nehmen.


(I) ï und i, UIphilas bedient ſich zweier zeichen für
daſſelbe kurze i, nämlich eingangs der wörter gibt er ihm
ſtets zwei puncte, als: ïn, ïmma, ïſt; in der mitte er-
hält es gleich dem griechiſchen und runiſchen gar kei-
nen, außer dem fall, wo die vorhergehende ſilbe ſelbſt
mit i (Mariïns) ei (Tôbeiïn ái (Eſáiïn) oder áu ſchließt.
Bei dem án wird entw. das folgende i auch zweipunctig
(táuï, ſáuïl, ſtáuïda) oder das u geht in v über und
i bleibt (tavi, ſtavida). Verwandelt ſich hingegen das
i ſelbſt in j (welches geſchieht, ſobald ein vocal folgt),
ſo bleibt áu und wird nie zu v. (táujan, máujôs). Ich
behalte den doppelpunct jenes einzelnen falls wegen
bei, da ſich übrigens i und ï in ausſprache und bedeu-
tung gar nicht unterſcheiden.


[38]I. gothiſche vocale.

In den eigennamen entſpricht i zwar häufig dem
gr. ι. oft gibt aber auch Ulphilas letzteres durch ei,
welchem ſchwanken wieder keine kenntniß griech. pro-
ſodie zu grunde liegt, da z. b. die langen ι in Τîμαίος,
Νìκόδημος ein goth. ei zeigen müſten, allein i bekommen.
Eher ſchiene der überſetzer griech. accentuation berück-
ſichtigt zu haben, vgl. Chriſtus, Χριστός; Timáius, Τι-
μαίος
: Nikáudêmus, Νικόδημος; ſilôam, σιλωὰμ; ſiôn,
σιων; ſinapis, σινάπεως Marc. 4. 31. (der nom. σίναπι) und
dagegen: rabbei, ραββὶ; Daveid, Δαβίδ; Seimôn, Σίμων;
Mailkeis, Μελχὶ; Teitus, Τίτος. Wie dem nun ſei, ich
will die ausnahmen nicht verſchweigen, in denen ſich
i für das accentuierte und ei für das unaccentuierte gr. ι
findet: Filippus, Φιλίππος; Didimus, Δίδυμος; Seidôn,
Σιὸῶν; Galeilaia, Γαλιλαία; Peilatus, Πιλάτος etc. Viel-
leicht nimmt man beßer an, die damahlige dem Ulphi-
las geläufige gr. ausſprache habe zwiſchen ι (wenigſtens
dem langen) und ει geſchwankt (Buttmann §. 3, 2 §. 5, 7.)
und wir dürfen darüber an dem goth. i und ei, welche
in goth. wörtern ſelbſt viel genauer geſchieden ſind,
nicht irre werden.


Das goth. i muß gleich dem a kurz und einfach
gelautet haben, î fehlt und wird in analogen fällen
der übrigen mundarten durch das nahe ei ausgedrückt,
wogegen i dem alth. i oder ë entſpricht. Einen zweifel
ſcheint bi zu machen, welches ſich im alth. und angelſ.
in die praepoſ. und partikel bi zerlegt, der Gothe
kennt nur ein bi und kein bei daneben. Übrigens ver-
trägt das goth. i. jeden conſonanten folgend, ſo wie die
verdoppelten. Die hauptſächlichſten fälle ſind: bi. ni
(non, d. h. nicht). ſi (ea). giban (dare). gibla (pinnacu-
lum). ïba (ſi). ïbns (aequalis). ïbuks (retrogradus). liban
(vivere) ſibja (pax). ſibun (ſeptem) ſtibna (vox). ſvibls
(ſolphur). bida (preces). fidur (quatuor). ïd- (re-). midja
(medius). nidva (aerugo). viduvô (vidua). ïddja (ivit).
hlifan (furari). ïftums (poſterus) lifnan (ſupereſſe). ſifan
(gandere). ligan (jacere). rign (pluvia). ſigljan (navigare).
ſvigljz (tibicen). vigs (via). bliggvan (caedere). briggan
(afferre). figgrs (digitus). ïggqvis (σφῶϊ) ſiggvan (ſuere).
brikan (frangere). ſriks (avarus). ïk (ego). mik (me).
rikjan (acervare). ſik (ſe). ſtiks (punctum). ſtikls (calix).
ſtriks (apex). ſvikns (innocens, ? ſiukns). vikô (ſeries).
filhan (commendare). ſilms (ſtupor) filu (multum). gild
(tributum). gilþa (falx). hilpan (juvare). hvilftri (σορὸς,
[39]I. gothiſche vocale.
loculus, nicht feretrum). ïnkilþô (praegnans). milhma
(nubes). miliþ (mel). ſilan (ſilere) ſildaleiks (rarus). ſilubr
(argentum). ſpilda (πινακίδιον). ſtilan (furari). ſviltan
(mori). viljan (velle) fill (cutis). ſpillôn (narrare). fimf
(quinque) himins (coelum). ïm (ſum) ïm (eis) niman
(ſumere). qviman (venire) timjan (decere). timrjan (fabri-
care). trimpan (calcare). þrim (tribus). ïnn. ïnilô (excuſa-
tio). bindan (ligare). blinds (coecus) findan (invenire).
hindar (retro) kintus (κοδράντης). plinſjan (ſaltare). qvinô
(mulier). ſinþs (iter). ſinaps (ſinapi). ſineigs (ſenex).
ſinteins (perpetuus). ſvinþs (fortis. þinſan (trahere). vinja
(pabulum). vinds (ventus) brinnan (urere). ginnan (inci-
pere). kinnus (mentum). linnan (ceſſare). minniza (minor)
rinnan (fluere). ſpinnan (nere). nipnan (moerere) ſipôneis
(diſcipulus). ſkip (navis). vipja (corona. riqvis (caligo).
hiri (δεῦρο). ſiſks (piſcis). friſahts (exemplum). giſtra (heri).
ïs (is). liſan (legere). mis, ſis (mihi, ſibi). dis- (dis-)
usqviſſ (perditio) qviſtjan (perdere) ſviſtar (ſoror) vis
(malacia). viſan (eſſe). gavriſqvan (τελεσφορειν). fritan
(veſci). gitan (acquirere). glitmunjan (ſplendere). ïtan
(edere). mitan (metiri). mitôn (cogitare) ſitjan (ſedere)
vit (νῶϊ) vitôþ (lex). vlits (vultus). vrits (κεραία). vritus
(grex). ïþ (contra). liþus (membrum). miþ (cum). niþjis
(cognatus). qviþan (dicere). qviþus (venter) viþan (ligare).
viþra (contra). gahiv (? penuria) ſnivan (ire). þivi (famula).
ïzôs (αὐτῆς) ïzvis (vobis).


Die vergleichung verwandter wortſtämme im griech.
u. lat. belehrt uns über das ſchwanken des i in e (und
zwar ë, vgl. das alth.) zwiſchen welchen beiden in faſt
allen ſprachen ein mittellaut liegt (Schneider p. 13-17.)
Man halte: dis-, fiſks, vigs, ſilan, viduvô, qvivis, min-
niza zu: dis-, piſcis, via, ſilere, vidua, vivi, minor;
und wiederum: ïk, mik, ſik, ſibun, midja, miliþ, ïta,
ſitja, mita, fill, ſineigs, qviman, qviþrs, vinds, viljan,
miþ, hliftus, zu: ego, me, ſe, ſeptem (ἑπτα), medius,
mel, edo, ſedeo, metior, pellis, ſenex, venire, venter,
ventus, velle, μετὰ, κλεπτὴς.


(O) o gehört wie ê zu den doppelvocalen, weshalb
ich ihm auch das dehnzeichen gebe. Gründe: 1) die
runiſche geſtalt, dem geſtürzten gr. ȣ zu vergleichen (ȣ);
mehr hierüber beim althochd. 2) das entſprechende gr. ω
(z. b. Ainôk, Ε᾽νωχ; ſkaúrpjônô, σκορπίων; jôta, ἰῶτα, etc.)
wogegen o durch gegeben wird (Baúaúz, Βοὸζ).
[40]I. gothiſche vocale.
3) die analogie anderer ſtämme, welche uo oder ô in den
fällen des goth. ô ſetzen. 4) unſtatthaftigkeit der ge-
mination nach dem ô. — Man ſpreche es allenthalben
gedehnt, wie oo; außer den ablauten und endungen
haben es zumahl folgende goth. wörter: ô! dôbn (ob-
muteſce) drôbnan (turbarí). grôba (fovea). fôdr (vagina).
fôdjan (nutrire). flôdus (fluctus). frôds (prudens) gôds
(καλὸς). knôds (genus). môds (ira). rôdjan (loqui). ana-
ſtôdjan (incipere). vôds (demens). gadôfs (conveniens).
lôfa (manus). -dôgs (-tägig) ôgan (timere). ſvôgjan (in-
gemiſcere). hôha (aratrum) rôhſn (atrium). ſkôhs (cal-
ceus). ſkôhſl (daemon). vrôhs (accuſatio). ſtôjan (judicare).
tôja (opera). bôka (liber). ſôkjan (quaerere). vôkrs (fructus).
gôljan (ſalutare). hôlôn (defraudare). ſtôls (thronus).
blôma (flos) dôms (judicium). fôn (ignis). hvôpan (glo-
riari) hrôpjan (clamare). vôpjan (clamare). hôrs (adulter).
blôtan (colere). bôtjan (prodeſſe). fôtus (pes). hrôt (tectum).
hvôtjan (increpare). krôtôn (θλάειν) môta (telonium).
môtjan (occurrere) nôta (puppis). blôþ (ſanguis). brôþar
(frater). ſôþjan (ſaturare). Einige wurzeln könnten aus
goth. eigennamen zugefügt werden als, kônimundus,
tôtila (τωτίλας, alth. zuoƷilo) etc. Die vergleichung lat.
und gr. ſtämme ſcheint hier unergiebiger, doch ſtimmen
flôs und ποῦς etwa mit blôma, fôtus, obgleich der gen.
ποδὸς, pedis correption erleidet; gerade in dieſem wort
iſt die dehnung für alle deutſchen ſprachen ausgemacht.
Erwägt man, daß in ihnen das kurze a in ô ablautet,
ſo wird klar, daß die oben bei dem a angeführten pa-
rallelen lat. o ebenwohl hier bei dem ô ein paralleles
a zulaßen, folglich brôþar, ſôþjan mit frater, ſaturare
verglichen werden dürfen, obſchon bei dem o ſowohl
als a die lat. kürzen und längen nicht immer entſpre-
chen, frôds ſcheint das lat. prûdens und zugleich das
gr. φραδὴς, wie das goth. frôþs ſichtbarer ablaut von
fraþjan. — Einiges bedenken verurſacht mir fôn (ignis)
mit der ſchwachen nebenform funa, ſo wie in der en-
dung -nda ſt. -ôda zweimahl auffällt (ſ. die paſſive
conjugation); vgl. áinôhun und áinuhun beim unbeſt.
pronomen laúhmôni und laúhmuni; vidôvô, viduvô und
einige andere dergl. In den eudungen ließe ſich der
übergang des unbetonten ô in ein kurzes u begreifen,
ſchwerer zwiſchen den wurzeln fôn und funa, doch
mag ich (des nord. funi wegen) weder fûna, noch ein
ſonſt ganz allein ſtehendes fon annehmen; wôndôn
Luc. 20, 12. ſcheint ſchreibf. für wundôn.


[41]I. gothiſche vocale.

(U) u drückt in den beibehaltenen eigennamen
ſtets das gr. ου (ȣ) aus, z. b. Sûſanna, Σουσάννα, lairû-
ſalêm, Ἱερουσαλὴμ (wogegen die nebenform Ἱεροσόλυμα
durch lairauſaulyma gegeben wird, einigemahl ſchwankt
Ulph. zwiſchen beiden, vielleicht nach ſchwankenden
gr. lesarten); Fanûêl φανȣὴλ etc., hiernach hat es im
goth. gedehnten laut. In ächtgothiſchen wörtern macht
aber die geltung dieſes vocals ſchwierigkeit. Für einen
doppellaut ſollte man ihn halten 1) weil die rune ûr,
mit deren geſtalt das goth. ſchriftzeichen (n) ſtimmt, vor-
zugsweiſe den gedehnten laut ausdrückt. 2) wegen je-
nes gr. ου. 3) wegen des entſprechenden alth. und nord.
û. Letzterer grund gibt zugleich den einwurf her: war-
um zeigen andere und zwar zahlreichere alth. u. nord.
wörter ein u oder o, jedenfalls einen kurzen laut, in
welchen derſelbe goth. buchſtab ſteht? Daß er dann kei-
nen diphth. ausdrücke zeigt auch die folgende gemina-
tion, z. b. in brunna.


Dieſes nöthigt zu der annahme eines zweifachen
goth. u, obſchon Ulph. beide mit einem zeichen
ſchreibt *), welches nicht ſchlimmer iſt, als wenn auch
Lateiner und Griechen ihr langes und kurzes u, υ, in
der ſchrift nicht unterſcheiden.


û haben nur wenige wörter, und ſtets vor einfacher
conſonanz: dûbô (columba). ſtûbjus (pulvis). -ûh (an-
hangspartikel). oder -uh? lûkan (claudere). brûkja (uti-
lis). kûkjan (oſculari). ſûljan (fundare). rûm (ſpatium).
hûnjan (confidere, oder hunjan?). rûna (ſecretum). ſû-
pôn (condire). ſkûra (imber). hûs (habitatio). þûſundi
(mille). ût (ex) lûton (ſeducere.) ſûtis (dulcis). In letz-
term wort entſpricht ausnahmsweiſe kein alth. û, ſon-
dern uo (ſuoƷi). es findet ſich nur der comp. ſûtizô in
der bedeutung von ἀνεκτότερον.


Ein kurzes u hingegen (außer den ablauten und
endungen) du (ad) ju (jam) nu (nunc) þu (tu): ubils
(malus). ubizva (porticus). da-guds (εὐσεβὴς). gudja (pon-
tifex). ludja (facies). trudan (calcare). uf (ſub). ufar (ſu-
per). ſkufts (capillus). ufta (ſaepe). hugjan (cogitare). bugjan
[42]I. gothiſche vocale.
(emere). fugls (avis). hrugga (virga). juggs (juvenis), comp.
juhiza (? jûhiza wegen ausgeſto ßenen naſallauts?) pugg (cru-
mena) tuggô (lingua). þugkjan (videri). ugkis (νῶϊν) huhrus
(fames). uhtvô (diluculum). þuk (te). gabrukô (fruſtorum).
lukarn (lucerna). dulg (debitum). dulþs (ſolemnitas).
fula (pullus). huljan (involvere). hulþs (propitius). mulda
(terra). ſkulan (debere). ſulja (ſolea). tulgjan (firmare).
þulan (pati). ulbandus (camelus) vulþus (gloria). vulß
(lupus). vullareis (fullo). dumbs (mutus). frums (prin-
cipium). guma (vir). kumbjan (cumbere). ſums (qui-
dam). ſvumſl (κολυμβήθρα). hunds (canis). hunſl (victi-
ma). kuni (genus). -kunds (-γενὴς). kunþs (cognitus).
munan (μέλλειν). mundrei (ſcopus). munþs (os). pund
(pondus). ſundrô (ſeorſim). ſunja (veritas). ſuns (ſta-
tim). ſunus (filius). tunþus (dens). un- (in-). und (us-
que). undar (ſub). uns (nobis) brunna (fons). kunnan
(ſcire). ſunna (ſol). paúrpura. bruſts (pectus). buſns
(mandatum). drus (ruina). jus (vos). þus (tibi). us-
(e-) knuſſjan (genu flectere). us-druſts (aſpredo). luſtus
(cupido). ſnutrs (callidus). þruts-fill (lepra). guþ (Deus).
huzd (theſaurus). Dieſes u entſpricht im alth. und
nord. meiſtens dem o, doch auch noch oft einem glei-
chen u; ſeltner iſt der übergang in i, als: ubils, an-
gelſ. ifel, nord. illr; us- und þus, alth. ir-, dir (bei
den flexionen mehr beiſpiele, vergl. die goth. adj. auf
-us, hnaſqvus, hnaſqvja). Die ausſprache mag doch
u, nicht ü geweſen ſeyn, Ulphilas würde ſich ſonſt
dieſes lauts für das gr. υ der eigennamen bedienen.
Vergleichbare lat. wörter zeigen ebenfalls o, als: pon-
dus, homo, ſolea, tolerare und zwar kurzes, das i
könnte man in tibi, in-, erblicken. Daß die lat. über-
gänge des i und u (doch weniger in wurzeln als en-
dungen) ſehr häufig geweſen, lehrt Schneider p. 18-26.
Das lat. u. ſtimmt in anakumbjan (recumbere).


(Y) y; als ſchriftzeichen ſtimmt das gr. υ völlig mit
dem goth. und lat. v, bedeutet aber dort einen vocal,
hier einen conſonanten. In gr. wörtern, die ſie beibe-
hielten, drückten es daher die Römer nicht durch ihr
gewöhnliches v ſondern durch das identiſche zeichen
des großen gr. υ, nämlich ϒ aus; ſo entſprang das Y
oder y, welches man ſich auch als ein v. mit unten
verlängertem ſtriche vorſtellen kann. Letztere ſigur hat
der goth. conſonant v überall. Ulphilas bediente ſich
ſeiner aber auch ganz richtig, um in den bleibenden
[43]I. gothiſche vocale.
eigennamen den gr. vocal υ auszudrücken, welchem,
wie vorhin bemerkt, das kurze goth. u. nicht gleich-
kam. Dies vocaliſche v, das man bei auflöſung der
goth. ſchrift in unſer heutiges y verwandelt, findet ſich
durchaus nur in fremden wörtern, in keinem ächtgo-
thiſchen. Beiſpiele: Tyrai, Τυρῳ; azymê, ἀζύμων; byſ-
ſaun, βύσσον; ſpyreidans, σπυρίδας; ſmyrna, σμύρνη.
Man wende nicht ein, daß Ulph. in paurpura das υ
durch u gebe; er behielt nicht das gr. πορφύρα bei (das
dann paurfyra lauten müſte), ſondern die goth. ſprache
hatte dies wort (und mehr andere) ſchon früher aus
der lat. form porpura, purpura. Daher auch penult.
kurz, während [ſi]e in πορφύρα produciert wird. — Ei-
nigemahl überſetzt der Gothe das gr. υ conſonantiſch
mit v, als Λευὶ Laívvi, παρασκευὴν paraſkaívein.


(AI) ai, wie die zuſammenſetzung zweier einfa-
cher laute und die ſchreibung ai, nicht zu erkennen
gibt, iſt ein goth. diphthong, folglich einſilbig, doch
ſo auszuſprechen, daß man beide vocale vernimmt,
nicht gleich dem franzöſ. ai in einen trüben laut zu-
ſammenfallend.


Warum wählt nun Ulph. dieſen doppellaut, um die
gr. von natur kurzen ε zu überſetzen und ſogar εε
durch aiai? Beiſpiele: Aileiaizair, Ἐλιέζερ; Baiailzaibul,
Βεελζεβοὺλ etc. Schwerlich hörte er das griech. ε ir-
gend ſo breit ausſprechen, wie das goth. ai, aber ſei-
ner ſprache gieng hier laut ab und buchſtab, indem
das goth. e, als von natur lang und dem η entſprechend
bereits letztern laut auszudrücken hatte. In dieſer noth
bediente er ſich des diphthongen ai, der zugleich auch
das gr. αι wiedergab (Areimathaias, Αριμαθαίας Marc. 15,
43. Galeilaia, Γαλιλαία etc.) Schien nun Paitrus f. Πέ-
τρος
allerdings ein übeiſtand, ſo lag kein geringerer in
Pêtrus; die lat. verſion konnte η durch e (ê) und ε
durch e wiedergeben. Da überhaupt das (ungothiſche)
kurze e als umlaut des a betrachtet werden muß; ſo
mag die wahl des diphthongen, in welchem a durch
ein nachſchlagendes i ſehr gemildert wird, kein un-
richtiges gefühl zum grunde haben.


Jener vermeintliche übelſtand des ε = ai wird durch
nähere erwägung des ächtgothiſchen ai ſelbſt noch ver-
mindert. Denn aus der vergleichung der übrigen ſtämme
lernen wir zweierlei ai unterſcheiden, die Ulph. unun
[44]I. gothiſche vocale.
terſchieden laßen durfte, wie in alth. hſſ. e und ë nicht
unterſchieden ſind. Nämlich es gibt ein ái (mit dem
gewicht auf a) welchem das alth. ei und ê, das nord.
ei, das augelſ. â - und ein (mit dem gewicht auf i)
welchem das alth. ë, das nerd. ë und ia, das angelſ.
ë und eo begegnen. Regel ſcheint mir nun zu ſeyn:
das goth. ſtehet vor h und r, das ái vor allen übri-
gen conſonanten; beſtätigt wird ſie durch ein völlig
analoges verhältniß zwiſchen und áu. Beide das r
und h ziehen, ihrer ſchwierigen ausſprache wegen, den
ton auf den ihnen zunächſt ſtehenden vocal heran und
veranlaßen endlich die verſchmelzung beider vocale. —
Ein ái haben — außer den überſetzungen des gr. αι,
den ablauten (wo auch ausnahmsweiſe vor h. ái und
nicht aí gefordert wird) und den endungen — folgende:
jái (immo). vái (vae). ſái (ecce). váian (ſpirare). ſáian
(ſerere). áibr (δῶρον). hláibs (panis). váibjan (cingere).
gamáids (debilis). páida (tunica). máidjan (mutare). áigan
(poſſidere). áikan (affirmare). láikan (ſalire). táikns
(ſignum). dáils (pars). háils (ſanus). ſáiljan (ligare). váila
(bene). háim (ager). ains (unus). hláins (βουνὸς). hráinja
(purus). jáins (ille). gamáins (communis, κοινὸς). qváinôn
(plorare). ſtáins (lapis). tains (ſpina). ráip (corrigia).
vráiqvs (obliquus). áis (aes). fráiſan (tentare). káiſar
(caeſar). láiſjan (docere). gáiſjan (percellere). ráiſjan (ex-
citare). máis (magis). báitrs (amarus). gáitei (hoedus).
háitan (jubere). hváiteis (triticum). máitan (ſecare). nái-
teins (blasphemia). áiþs (juramentum). áiþþáu (aut).
áiþei (mater). háiþi (campus). máiþms (donum). áiv
(aevum). fráiv (ſemen). hláiv (μνῆμα). hnáivjan (depri-
mere). hráiv (funus). hváiva (quomodo). ſáiv (lacus).
ſáivala (anima). ſnáivs (nix). háiza (taeda). Bloß einzelne
erregen zweifel. Die länge des ái iſt nicht zu beſtreiten,
da auch das lat. ae einſtimmt, das bekanntlich ſehr oft
mit ai wechſelt und dem gr. αι analog iſt, vgl. Schnei-
der p. 50. 51. 57. Vergleichbar ſind: káiſar, vái, áiv,
áiz und caeſar, vae, aevum, aes. Dem o entſpräche
vermuthlich (das fehlende) áig (ôvum, ὠὸν), wodurch
der übergang von vaila, alth. wêla in wola, angelſ. vël;
von jáins in alth. gënar, angelſ. geon, engl. yone; von
áiþþáu in alth. ëddô und odô, angelſ. oððe, verſtänd-
licher würde. Das lange lat. u in ûnus, commûnis
dürfte ſich um ſo mehr mit áins, gamáins vergleichen,
als früher in dieſen und andern lat. wörtern oi ſt. û
vorkommt (Schneider p. 83.) Auffallend iſt das verhält-
[45]I. gothiſche vocale.
niß des goth. báitrs (wie ebenfalls das mail. bruchſt.
Matth. 26, 75. lieſt) zu dem bitr der übrigen ſprachen *).
Die geſchärfte ausſprache in áibr, báitrs mag erſt den
diphthongen in aí verwandelt (aíbr, baítr) und dann
ein ibar (?) wie bitar herbeigeführt haben. Will man
hiernach auf ái nur einfache conſonanzen folgen laßen,
ſo müßen die beiden letzten wörter der andern claſſe
beigezählt werden.


Dieſe begreift, außer den überſetzungen des gr. ε,
etwa nachſtehende: aíhvatundi (βάτος). aíhtrôn (men-
dicare). faíhu (pecus). haíhs (luſcus). maíhſtus (fimus).
raíhts (rectus). ſaíhs (ſex). ſaíhvan (videre). ſlaíhts. (planus)
ſvaíhra (ſocer). taíhſvô (dextera). taíhun (decem; aber
gatáihun, nuntiaverunt). þlaíhan (παρακαλεῖν). vaíhſta
(angulus). vaíhts (ens). air (mane). aírus (nuntius).
aírzjan (ſeducere). baíran (ferre). baírgan (tueri). faírguni
(mons). faírhvus (mundus). faírni (vetus), faírra (procul).
faírzna (calx). gaírda (zona). gaírnjan (deſiderare). haírda
(grex). haírtô (cor). haírus (gladius). hvaírban (vertere).
hvaírnei (calvaria) qvaírnus (mola). ſtaírno (ſtella). ſtaírô
(στεῖρα). ſvaírban (tergere). þaírkô (foramen). taíran (te-
rere). vaír (vir). vaírilô (labium) vaírpan (jacere). vaírs
(deterius). vaírþan (fieri) vaírþs (dignus). Die verglei-
chung der lat. tero, fero, pecus, decem, ſex, dextera,
rectus mit taíra, baíra, faíhu, taíhun, ſaíhs, taíhſvò,
raíhts erbringt lauter kurze e (nämlich ë), ein kurzes o
zeigen ſocer und cor, cordis: ſvaíhra, haírtô; ein kur-
zes a καρδία (haírtô) cardo (haírus); ein kurzes i vir
(vaír); kurzes e ſterilis (ſtaírô). Gieichwohl muß das
goth. als ein langer laut betrachtet werden, der ſich
nur der geſchärften ausſprache wegen (in den meiſten
fällen iſt poſition da) zum übergang in die kürze vor-
bereitet und ſogar in dem einzelnen fairra gemination
hinter ſich duldet; im alth. ë hat ſich die kürzung ent-
ſchieden, die nord. mundart ſchwankt zwiſchen ia und ë,
die angelſ. zwiſchen eo und ë. In der ſchärfung oder
in dem ſchwanken liegt Ulphilas rechtfertigung, daß
er ſeinen diphth. aí dem gr. ε für am nächſten hielt,
während er das ſcheinbar identiſche ái zu dem gr. αι
[46]I. gothiſche vocale.
verwendete. Bedeutend, daß ſchon Jornandes und frühe
urkunden das mit e, d. h. ë ausdrücken, vgl. den
eigennamen fridigernus bei jenem und bei Amm. Marc.;
aligernus in der ſynodus romana von 501. (Colet. V, 459.)
Zweifelhaft bin ich über aír und aírus, die vielleicht
áir, áirus lanten? vgl. alth. êr, nord. âr und nord. âri.
Auch etwa þláihan? vgl. das alth. flêhôn.


(AU) au überſetzt in gr. wörtern das o, indem das
goth. an ſich lange ô bereits für ω in beſchlag genom-
men war. Vermuthlich kannte Ulphilas aus dem runi-
ſchen alphabeth bloß othil, nicht aber ôs (ſ. das alth.
o und ô). Übrigens iſt aus den bemerkungen zum vor-
hergehenden diphthongen ai leicht zu folgern, daß ein
áu (welches das gr. αυ überträgt, als: Auguſtus, Ἀυγού-
στος
; Páulus, Παῦλος) und (zur übertragung des o,
als: apaúſtaúlus, ἀπόστολος) unterſchieden werden müße.
Jenem entſpricht das alth. ô und ou, das angelſ. ,
das nord. au; dieſem aber das alth. angelſ. und nord.
o oder u, zuweilen das angelſ. ea. Alſo bei letzterm
wieder wie vorhin ſchärfung und verkürzung, áu mag
auch hier die ältere, reinere, darum im ablaut haftende
form, aú die ſich entſtellende ſeyn. Belege für áu, außer
den ablauten und endungen, geben: bauan (habitare).
bnáuan (ψώχειν) ſtáua (judicium). tráuan (confidere).
dáubs (ſtupidus.) háubiþ (caput). galáubjan (credere).
láubs (folium). ráubôn (ſpoliare). áudags (locuples).
báuds (ſurdus). dáudjan (certare). láuds (homo). ga-
máudjan (ὑπομνῆσαι). ſáuds (ſacrificium). ſkáud (? res ni-
hili). áugô (oculus) áugjan (oſtendere). báugjan (verrere).
láugnjan (inſiciari). ſáuïl (ſol). afdáujan (conſumere). fráuja
(dominus). gáuja (incola). ſtráujan (ſternere). tánjan (fa-
cere). ſáulnan (contaminari). áuk (etiam). áukan (augere).
gáumjan (curare). dáun (odor). gáunôn (lugere) láun
(merces). ſáun (lytrnm). dáupjan (baptizare). hláupan
(currere). ráupjan (evellere). áuſo (auris). háuſjan (au-
dire). láus (liber). náus (cadaver). ráus (arundo). hláuts
(ſors). ſkauts (ſinus). ſpráutô (ſubito). ſtáutan (percutere).
blauþjan (delere). dáuþs (mortuus). náuþs (neceſſitas).
Man merke 1) die oben beim i gegebene regel lehrt,
daß i auf áu folgend entw. zwei puncte bekommt [táuï,
opus Rom. 12, 4; táuïdês, feciſti; ſtáuïdês, judicaſti,
dáuïdái (vexati), ſáuïl, ſol], oder ſobald auf das i wie-
der ein vocal folgt, in j übergeht (táujan, táujis, gáuja).
Häufig aber pflegt ſich vor jenem ï (nicht alſo vor j)
[47]I. gothiſche vocale.
der diphth. àu in av (d. h. kurzes a und conſ. v) auf-
zulöſen (tavida = tauïda, mithin gavi, mavi, havi =
gáuï, máuï, háuï). Doch der gebrauch ſcheint ſich bei
einzelnen wörtern meiſtens für eins oder das andere
zu erklären, ich finde z. b. nur ſáuïl und nur ſtravida,
gavi, nicht ſavil und ſtráuïda, gáuï. 2) folgt auf das
áu ein ei, ſo wird die auflöſung in av nothwendig,
als: tavei (fac), naveis (pl. von náus). Ohne zweifel
gilt daſſelbe vom ê, und der gen. pl. von náus würde
navê lauten *). Bei folgendem a bleibt hingegen áu
(ſtáua, báuan, nicht etwa: ſtava, bavan; in ſlavan, ta-
cere, favái, pauci iſt aber das v. organiſch); 3) in dem
bemerkten fall, wo das dem áu folgende i in j überge-
hen muß, pflegt áu zuweilen ſich in ô zu wandeln und
das ſcheint ſich wieder individuell zu beſtimmen. táuï
macht den pl. tôja (opera, ſt. táuja) und zum praet.
ſtáuïda lautet der inf. ſtôjan (judicare, ſt. ſtáujan). Hier-
durch unterſcheidet ſich fein: táuja (facio) táujis (facis)
von tôja (facta) -tôjis (- factor). Ich finde nie weder
einen inf. ſtáujan, noch andrerſeits frôja ſt. fráuja und
bloß der conſequenten regel müſte man beides tôja und
táuja (opera) oder beides táuï und tavi (opus) zugeben;
der lebendige gebrauch nimmt tôja und táuï an. — Alle
dieſe angaben bewähren uns die ausſprache áu (und
nicht aú), indem der nachdruck auf a und die flüchtig-
keit des u in dem doppellaut den übertritt des u in v
begünſtigte; ſobald aber der diphthong durch ein fol-
gendes j feſtgehalten wurde, die verdumpfung in ô ein-
treten konnte. Man ſpreche: táuï (—⏑) beinahe wie
tavi (⏑ ⏑) und tôja beinahe wie táuja aus. Zweifelhaft
bleibt mir, ob áuftô (forte) nicht aúftô laute. — Lat.
wörter zeigen in ſôl (ſáuïl) langes, in oculus (áugô)
kurzes o; in auris (áuſô), audire (háuſjan) augere (áu-
kan) denſelben diphthongen; in caput (háubiþ) kurzes a.
Daß das lat. au nicht mit dem laut ô zuſammenfalle,
zeigt Schneider p. 61. 62.


Das goth. gebührt, außer den ablauten vaúrpun,
baúrans und allen ähnlichen, nachſtehender anzahl:
aúhjôn (tumultuari). aúhns (fornax). aúhſns (bos). daúh-
[48]I. gothiſche vocale.
tar (filia). daúhts (epulae). draúhts (agmen). faúhô (vul-
pes). haúhs (altus). naúh (adhuc) inraúhtjan (infremere).
ſaúhts (morbus). þaúh (tamen). aúrahjô (ſepulcrum).
aúrali (ſudarium). aúrki (urcens). aúrt (herba). baúrs
(natus) baúrd (tabula). baúrgs (urbs). baúrjôþus (vo-
luptas). daúrô (porta). faúra (coram). faúrhts (timens).
gaúrs (triſtis). haúri (pruna). haúrds (porta) haúrn
(cornu). gamaúrgjan (decurtare). maúrnan (moerere).
maúrgins (mane). ſaúrga (cura). ſkaúro (ventilabrum).
ſpaúrd (ſtadium). gataúra (ruptura). vaúrd (verbum).
vaúrkjan (operari). ſtaúrknan (arefieri). ſtaúrran (fremere).
þaúrnus (ſpina) vaúrſtv (opera). vaúrms (vermis). vaúrts
(radix). Einiges bedenken geben: naúh, þaúh, haúhs;
die beiden erſten haben im alth- und mittelh. entſchie-
den ein o (noh, doh; noch, doch) das letzte aber im
mittelh. ein ô (hôch, auf flôch, zôch reimend, alſo dem
goth. þláuh, táuh entſprechend, folglich háuhs), wozu
die neuh. ausſprache: hoch im gegenſatz des geſchärf-
ten: noch, doch ſtimmt, ſo wie für þáuh die ſehr häu-
fige ſchreibung þáu. Über das alth. wird uns Notker
belehren. Das angelſ. gibt þeah (engl. though) verſchie-
den von beah (flexit), fleáh (ſugit); über heah oder
heáh bin ich unſchlüßig, das engl. hat high. Wenn
gleich nun ein alth. hôh, vielleicht auch fôha (vulpes
fem.) anzunehmen iſt, ſo beweiſt das noch nichts wider
haúhs, faúhô, obſchon ich zugebe, daß dieſe des fol-
genden einfachen ſpiranten wegen beinahe lauten wie
háuhs, fáuhô. Doppellaut war ſo wohl als áu, doch
ein etwas geſchärfter und dazu paſſen die ſpuren eini-
ger alth. ô in wörtern der goth. claſſe , die ſonſt kur-
zes o zu bekommen pflegen, und andrerſeits die nach
dem diphth. unerhörte goth. gemination in ſtaúrran,
(wie vorhin in faírra). — Aus dem gr. laßen ſich ὄρυξις
oder ὄρυχὴ (foſſa, aúrahjô) θυγάτηρ, θύρα, aus dem lat.
cornu, urceus, orale, (Du Cange h. v.) vermis, vergleichen.


(EI) ei. Es iſt oben bei dem i bemerkt worden,
wie der goth. text in übertragung der gr. ι zwiſchen i
und ei ſchwankt; ſelbſt das gr. ει muß durch ei wieder-
gegeben werden, der fall iſt aber ſelten (Ελιακεὶμ, Aí-
leiakeim, Ι᾽ωρεῖμ, lôreim). Nach dem vorgang der
diphth. ai und au ein éi und zu unterſcheiden, be-
rechtigt uns die vergleichung der übrigen ſtämme nicht,
welche ſtatt des goth. ei gewöhnlichſt ein î zeigen, es
mag nun h und r folgen oder nicht, vgl. ſkeirs nord.
[49]I. gothiſche vocale.
fkir; veihs aith. wìh. Ob in der goth. ausſprache
ſeibſt das gewicht auf dem e oder i liege, iſt ſchwer zu
ſagen und in der verſchmelzung zwei ſo dünner laute
kaum zu bemerken, welches die oben ſ. 36. angeführten
übergänge des ei, einerſeits in ê (ee), andrerſeits in i
beſtätigen. Noch ſchwerer ſcheint es auf die frage zu
antworten, welcher einfache laut in dem goth. e ſtecke,
das ſich hier mit dem i bindet? Weder das alth. e
(umlaut des a), noch ë (goth. ), ſondern wahrſchein-
lich die hälfte des goth. è (ee), mithin der eigentlich
einfache, kurze e lant, der für ſich in der goth. ſprache
gar nicht vorkommt. Ihn doppelt d. h. einen triph-
thongen êi anznnehmen, wäre ſicher falſch. Vollkom-
men entſpricht dem goth. ei kein zweilaut in allen übri-
gen mundarten, da das alth. ei vielmehr umlaut des
goth. ái ſcheint und die vergleichung des neuh. ei zwei-
deutig iſt, indem dieſes zwiſchen dem alth. î und ei
ſchwebt, ja in der ausſprache gänzlich das goth. ái wird.


Außer dem ei in den endungen ſind die wichtigſten
belege folgende: ei (ἵνα) ſei (ea). þei (ut, quod). drei-
ban (pellere). beidan (exſpectare). hleidnmei (ſiniſtra).
geigan (lucrari). idreiga (poenitentia). ſteigan (ſcandere).
leihvan (mutuari). teihan (nuntiare). þeihan (creſcere).
þeihvô (tonitru). þreihan (premere). veihs, veihſis (vi-
cus) veihs, veihis (ſacer). leik (caro). leikan (placere).
leikeis (medicus). reiks (dives. fortis). hveila (hora).
ſkeima (ſplendor). deina (deinô? carduus). keinan (ger-
minare). lein (linum). meins (meus). qveins (uxor).
ſeins (ſuus). ſkeinan (lucere). ſvein (ſus). þeins (tuus).
vein (vinum). greipan (rapere). ſveipáins (inundatio).
reirô (tremor). ſkeirs (clarus). beiſt (fermentum). eis
(vos). eiſarn (ferrum). geiſnan (ſtupere). reifan (cadere).
veis (nos). veiſôn (vilitare) beitan (cogere). heitô (fe-
bris). hveitjan (albare). leitils (parvus). ſmeitan (linire).
veitan (tendere). bleiþs (laetus). hleiþra (tugurium).
leiþan (ire). leiþus (potus). neiþs (invidia). ſeiþu (ſero).
ſleiþjan (laedere). ſneiþan (metere). hneivan (inclinare).
heiv (familia). ſpeivan (ſpuere). Der übergang des ê
in ei macht den des ei in ê begreiſlich, daher es z. b.
bei leikeis zweifelhaft bliebe, ob nicht lèkeis die ur-
ſprünglichere form (wie das alth. làhhî eher muth-
maßen ließe) vergl. qvêns und qveins, hleiþra und
hlêþra. Ebenſo werden veis und eis nord. vêr und êr
(þêr), alth. aber wir und ir kurzlautig, gerade wie die
D
[50]I. gothiſche vocale.
nord. dative mêr, þêr, ſèr ſchon im goth. mis. þus,
ſis heißen, dem alth. mir, dir, wir, ir, parallel. Die
kürzung des ei in i trifft ſich auch in dem verhältniß
zwiſchen qveins und qvinô. Auffallender iſt das alth.
luƷil neben dem goth. leitils, wiewohl þus, jus und
us- ueben dir, ir, ir- (und ur-) aufſchluß gewähren,
Von lat. wörtern liegen: vînum, lînum, vîſere, vîcus
zunächſt; die verkürzung des î in i ergäbe ſich in-licus
vergl. mit -leiks, das auch im neuh. -lich lautet; ra-
pio (in der compoſ. -ripio) ließe ſich zu greipan halten.


(IU) ïu, reingothiſcher diphthong, der ſich mit kei-
nem gr. laute begegnet, folglich vom gr. υ, für wel-
ches ſich Ulph. des conſonanten v bedient, abgelegen,
Zugleich der einzige mit vorſchlagendem i, da der Gothe
kein ïa, noch weniger ïê, ïô kennt. Zwiſchen ïu und
ju (z. b. in ju, jam; jus, vos) unterſcheide man ſorg-
ſam *), denn Ulph. ſchreibt niemahls ſtjurs, nju etc.
wie er hafjan etc. ſchreibt, ju iſt mit dem nachdruck
auf u auszuſprechen (etwa jú, beinahe gu), iu hinge-
gen beinahe i-u, doch nicht zweiſilbig, ſondern íu.
Dies gewicht auf i erweiſt ſich wiederum (wie vorhin
bei áu) aus der verſlüchtigung des leichteren u in den
ſpiranten v und zwar vor jedem folgenden vocal: triu,
gen. trivis; kniu, dat. kniva; þius (famulus), þivôs
(famuli), þivê (famulorum), þivi (famula); ſnivan (ire)
ſt. ſniuan; qvius (vivus), qviváize (vivorum), aber ga-
quiunan (reviviſcere). Muß das folgende i, eines auf
es folgenden neuen vocals halber, in j. übergehen, ſo
bleibt iu (wie oben áu blieb), oder kehrt zurück, z. b.
þivi macht den gen. þiujôs und die (anzunehmende,
aber nicht zu belegende) ſtarke form nivis (novus) die
ſchwache niuja (ſprich niu-ja zweiſilbig). Da der
diphthong überall íu (niemahls iú) hat, ſo kann der ac-
cent auf dem i geſpart werden. Es ſind nur wenige
wörter; kniu (genu). niu (nonne). triu (arbor). liubs
(carus). þiubs (fur). biudan (offerre). aviliudôn (εὐχα-
ριστειν
). biuds (menſa). þiuda (gens). liudan (creſcere).
hiufan (oder hniuban? plorare). liugan (nubere). liu-
gan (mentiri). biuhts (mos). hiuhma (multitudo). liuhaþ
(lux). niuhſjan (viſitare). tiuhan (ducere). þliuhan (fugere).
niuja (novus). ſiujan (ſuere). ſiuks (aegrotus). hliuma
[51]I. gothiſche vocale.
(auris). ïumjô (multitudo). niun (novem). ſiuns (viſio)
ïup (ſurſum). diups (profundus). hniupan (rumpere).
ſtiurs (juvencus). us-ſtiuriba (ἄσώτως). qvins (vivus).
þius (famulus). kiuſan (eligere). liuſan (perdere). kriu-
ſtan (τρίζειν). giutan (ſundere). liuta (hypocrita). niutan
(capere). þiuþs (ἀγαθὸς). liuþ (cantus). dius (ſera, muth-
maßung ſt. dihs, dat. pl. dihzam Marc. 1, 13.). — Die
entſprechenden laute ſind im alth. iu, io (ia) und û;
im angelſ. eó und ŷ, im nord. iu. ŷ, io, û etc.; ſchon
das goth. iu und u berühren ſich (lûkan, claudere, ſt.
liukan) (erſt líukan, dann liúkan). Hierher gehört auch
das lat. lange u in lùx (liuhaþ), dûco (tiuha); den
übergang in iv beſtätiget vîvus (qvius, qvivis) und ſelbſt
novus, novem (beide kurzes o) vergl. mit niuja, niun
wobei die wandlungen des o in langes und kurzes i
(Schneider p. 18.) und das gr. νέος, ἐννέα erwägung
verdienen.


Dies ſind die goth. vocale. Von einem umlaut der-
ſelben keine ſpur; namentlich die wurzeln a, ê, û wer-
den durch ein in der endung folgendes i oder ei nicht
im mindeſten getrübt, es heißt aha (mens), ahins,
ahjan; balgs, balgeis, balgim; dêds, dêdja; rûna, garûni.
Sollte aber doch eine veränderung des lauts eingetreten
ſeyn, die Ulphilas nicht ſchrieb, oder nicht ſchreiben
konnte? Unglaublich: jenes, weil ſeine ſchrift ſonſt ſo
viel feines und genaues zeigt; dieſes, weil er ſehr wohl
belgeis, belgim hätte ſchreiben und die unterſcheidung
eines e und ê eben ſo gut ſeinen leſern zutrauen dür-
fen, als die des u und û. Denn wäre ein umlaut vor-
handen geweſen, ſo müſte das e der ausſprache des ê
immer näher geweſen ſeyn, als der des a und dieſes
hätte ſeinen leſern mehr unbequemlichkeit verurſacht.
Sich die laute, die man für umlaute des ê und û gelten
laßen wollte, klar zu denken, wäre auch nicht leicht;
vermuthlich lag die ausſprache des goth. ê dem alth.
æ näher als deſſen grundlaute, dem â. Das alth. û
ſcheint manchmahl offenbare abweichung aus einem
älteren iu und daß es anderemahl in iu umlautet, ge-
ſtattet noch keine gleichſetzung des letztern mit dem
goth. ïu, da vielleicht beiderlei diphthongen zu unter-
ſcheiden ſind. Ich bilde mir alſo ein, daß der Gothe
gar keinen umlaut hatte und erkläre es ſehr wohl aus
meiner oben angeführten anſicht von dem weſen des
umlauts überhaupt. — Die ſchon im goth. vorhan-
D 2
[52]I. gothiſche conſonanten. liquidae.
denen ſpuren eines vocalwechſels in unbetonten endun-
gen wird eine bemerkung zu dem alth. vocalſyſtem nä-
her anzeigen.


Gothiſche conſonanten.


(L. M. N. R.) liquidae.

Alle kommen als an- in-
und auslaut vor, von den anlauten l. n. r. unterſchei-
det aber der Gothe genau die aſpirierten anlaute hl. hn.
hr. vl. vr. (wovon näheres bei h und v) und ſo we-
ſentlich, als die ſpäteren ſprachen noch die anlaute ſl.
ſm. ſn. von den anlauten l. m. n. zu ſcheiden verſte-
hen. Das einfache l. m. n. machen keine weitere be-
merkung nöthig. Das einfache r trennt ſich ſehr be-
ſtimmt von dem einfachen ſ und die vermengung bei-
der erfolgt erſt in den übrigen ſtämmen deutſcher ſprache
(mehr hierüber beim ſ. und gleich hernach bei rſ.).
Die inlautenden r ſind hauptſächlich: ara. arjan. marei.
hvarjis. harjis. ſvaran. kara. karja. faran. farjan. fêra.
fêrja. ſvêrs. mêrjan. hiri. baíran. taíran. haírus. ſtaírs.
aírus. taúra. baúrjus. gaúrjan. haúri. ſkaúrô. reirô. ſkûra.
ſtiurs. ſtiuran. Auslautende: kar. hvar. jêr. ur- aír.
vaír. daúr. faúr. Über die ausſprache des r vergl. die
oben bei dem und gemachte bemerkung.


gemination der inlautenden liquidae.

(MM) bloß nach kurzem a, i, u, ſvamm (ſpongia)
Matth. 27, 48 doch Marc. 15, 36 ſvam; gavamm (im-
purum); hauptfall die dativendungen: -amma, im pro-
nom. ïmma, himma, þamma, hvamma, ainummêhun
neben áinômêhun, wegen des vorſtehenden ô.


(NN) wiederum nur nach a, i, u, eigentlich bloß
die fälle des lauts und ablauts einer conjugation: brinnan,
ſpinnan, rinnan, ginnan, linnan, brinnô, rinnô, minniza,
kinnus, ïnn, ïnna; kann, brann etc. manna, anna,
kannjan, rannjan; brunnun etc. brunna, ſunnô, kun-
nan, munnôn. Häufiges ſchwanken in den einfachen
laut, ſowohl bei anſtoßendem conſonanten: rant Joh. 16,
30, brunſts, als ſonſt: kuni (genus), branjan (urere)
branjada (uritur) garunjô (confluxus) manags, manhun,
manaſêþs neben: manniſks, mannbun, mannaſêþs. Vgl.
ïn (in) ïnuh (ſine) mit ïnn (intus, intra).


(LL) nur nach kurzen vocalen und ſelten; die ein-
zigen belege ſind: alls, alleina, fill (cutis) ſpillôn, vullô
(lana), fulls. Einfaches 1 haben: vilja, huljan, aljan
(zelus) u. a.


[53]I. gothiſche conſonanten. liquidae.

(RR). Die einzigen fälle ſind: faírra (longe), ſtaúr-
ran (fremere) und hier ſcheint rr nicht wurzelhaft, ſon-
dern aus rn, dieſes aber aus einer ſyncope entſprungen.
Die neigung, das rn zu aſſimilieren, iſt progreſſiv. —


Unter den verbindungen der liquiden mit andern
conſ. ſcheinen folgende fälle die wichtigſten *).


(LB) halbs. ſalbô. ſilba. (LD) alds. faldan. haldan.
gild (tributum). kalds. mulda. ſpáiſkuldr. ſilda-. ſpilda.
valdan. vilda. (volui). (Lþ) balþs. -falþs. gilþa (falx)
gulþ. kilþei (uterus). hulþs. vilþi (ſilveſtris). vulþus.
(L T) halts. ſalt. ſviltan. valtjan. (LZ) talzjan.


(MB) dumbs. kumbjan. lamb. vamba. (MF) ſimf.
(MP) trimpan. (Mþ) gaqvumþs. (MS) amſa. ſvumſl.
gramſt. (feſtuca) þramſtei.


(NT) ſinteins. kintus. (ND) andeis. bindan. blinds.
grundus. hindar. hunds (canis). kindins. -kunds (oriun-
dus) land. munda (memini) pund. ſandjan. ſtandan.
ſundrô. tandjan. undar. vindan (involvere) vinds (ventus).
Hierher die flexionen der conjug. -nd und -nds.
(Nþ) anþar. finþan. hinþan (capere) kunþs (notus)
munþs (os) nanþjan. ſinþs. ſvinþs. tunþus. vinþjan (ven-
tilare). (NG. NK. NQ.) ſieh bei g. (NS) ans. anſts.
banſts. hanſa. hunſl. kunſts. plinſjan. þinſan. uns. vgl.
die eigennamen: ildefons, monefons, anſimund, tran-
ſimund.


(R N) -aírna. arniba. barn. faírni. gaírnjan. haúrn.
hvaírnei. kaúrn. maúrnan. qvaírnus. ſmarna. ſtaírnô.
undaúrni. þaurnus. (RS. RZ.) aírzjan. fairzna. marz-
jan. þaúrſis. vaírs (pejus). (R D) hardus. ſpaúrds. gaírda.
haírda. vardja. vaúrd. (R T) aúrts. haírtô. ſvarts. vaúrts.
(Rþ) aírþa. maúrþr. vaírþan. vaírþs.


Für die ausſprache und hiſtoriſch wichtig iſt es,
auf die verbindung und gleichſam verwachſung ſolcher
conſonanzen zu achten. Spätere mundarten aſſimilieren
gerne, aber nach folgerechten reihen, z. b. ſie wandeln
[54]I. gothiſche conſonanten. liquidae.
mb in mm: rn, rs in rr*); nþ, lþ (nicht aber nd, ld)
in nn, ll. Andere ſtoßen das n vor ſ und þ gänzlich
aus, was vermuthen läßt, daß es vor dieſen buchſtaben
(wie vor den gutturalen) mehr naſal geweſen, als vor
dem d. — Übrigens fordern alle angeführten verbindun-
gen mit l, m und n, gleich den goth. geminationen, ſtets
in der wurzel a, i, u. Die mit r hingegen, gleich dem
rr, haben a, aí, aú, niemahls einen andern vocal oder
diphth. vor ſich. Da nun ſämmtliche und , denen
die liquida r folgt, im alth. einen kurzen vocal, nämlich
anfangs i und u, bald aber und daneben e und o zei-
gen, ſo ſtellt ſich die regel auf, daß keine deutſche
wurzel **) im inlaut liquida verdoppelt oder mit andern
conſonanten verbunden anders leidet, als wenn einfache
vocale vorausgehen. Zugleich wird die nothwendigkeit
der unterſcheidung des goth. ai und einleuchtender
geworden ſeyn. Im goth. niunda (nonus), was man
gegen jene regel anführen könnte, iſt iund nicht wur-
zelhaft, ſondern - da die zugetretene endung, wie tai-
hun-da (decimus) zeigt und ſelbſt niun iſt aus urſprüng-
licher zweiſilbigkeit (ni-un, wie taíh-un) in den ein-
ſilbigen diphth. verengt worden. Wichtiger wird jener
grundſatz für die betrachtung der alth. ablaute hialt,
wialt; hier iſt hinten keine endung zugetreten, aber
vornen muß der diphth. in ein älteres hi-alt. hî-alt,
hî-halt augelöſt werden. Eben ſo zerfällt das zweiſil-
bige thiarna (virgo) in ein dreiſilbiges früheres thi-arn-a.
In mittelh. zuſammenziehungen, die ſcheinbar der ge-
fundenen regel widerſtreiten, z. b. lêrte, îlte, zierte,
ſwârte, verräth ſich die ſyncope und die hinten ange-
heftete endung von ſelbſt.


(V. F. B. P.) labiales. v der bloße lippenſpirant,
f die aſpirata, b media, p tenuis; die drei letzten dem
gr. φ. β. π. in den eigennamen entſprechend.


[55]I. gothiſche conſonanten. labiales.

(P) macht keine ſchwierigkeit, es iſt von b und f
ſtrenge geſchieden und tritt als an- in- und auslaut auf.
Beiſpiele von in- und auslauten: [ï]up (ſurſum) ſkip (na-
vis) hups (femur). ſûpôn (condire). vêpn (arma). diups
(profundus). ſipôneis (diſcipulus). ráip (corrigia). váips
(corona) vipja (corona) ſkapan, ſkôp. ſlêpan, ſáizlêp.
greipan, gráip. vaírpan. hláupan. káupatjan (colaphizare).
kaupôn (emere). nipnan (moerere). ráupjan (evellere),
hrôpjan und vôpjan (clamare). hvôpan (gloriari). hniupan
(rumpere) hvapjan (extinguere). ſveipeins (inundatio),
trimpan (calcare). hilpan, halp. — Als anlant nur in
wenigen wörtern, die meiſtens fremde ſcheinen: paſka,
práufêtês, práitôria, piſtikeins (πιστικὸς), peika-bagms
(φοίνιξ, vermuthl. aus dem lat. pîcea, gr. πεύκη, d. h.
fichte), pund (pondus). Näher zu prüfen bleibt der
urſprung von páida (tunica). plapja (platea). plats (aſſu-
mentum). plinſjan (ſaltare) puggs (marſupium). — Dem
p entſpricht im nord. u. ſächſ. gleichfalls die tenuis p;
im hochd. aber die aſp. f.


(B) als anlaut häufig; die fälle ſind in dem gloſſar
nachzuſehn. Als inlaut gleichfalls häufig, ſowohl nach
einfachen als doppelten vocalen: aba. -aba. abrs. gabei.
gabigs. graban. haban. ſaban. ïba. ïbns. gibls. ſvibls.
liban. ſibun. ſibja. ſviban (ceſſare)? ſtibna. -uba. ubils.
ubizva. ſilnbr. áibr. gahláibs. láibôs. dráibjan. váibjan.
dáubjan. galáubjan. háubiþ. ráubôn. dreiban. grôba. dôbnan.
drôbnan. dûbô. liubs. þiubs. Desgleichen auf liquide
folgend: halbs. ſalbôn. ſilba. dumbnan. hvaírban. ſvaírban.
arbja. Als auslaut kommt es aber regelmäßig nur nach
liquiden vor, z. b. halb. ſvarb (terſit). dumb. lamb.
Geht ein vocal vorher, ſo lautet es um in f, als þiubs,
hláibs, im acc. þiuf, hlaif; giban, graban, im praet.
gaf, grôf, pl. wieder gêbun, grôbun; im imp. gif! graf!
tvalif (duodecim) gen. tvalibê; láubôs (folia), láuf acc. ſ;
doch finden ſich einige ſchwankende formen: grôb
Luc. 6, 48. ſt. grôf; tvalib Luc. 2, 42. 6, 13. 8, 1; umge-
kehrt hláifs ſt. hláibs Joh. 6, 33. wiewohl hier das bloße
ſ nachſchlägt (vgl. hernach den umlaut des d in þ).
Da die praep. af (von) und uf (unter) bei angehängtem
-ûh in abûh, ubûh übergehen, ſo ſcheinen ſie auch
hierher zu rechnen, allein afar (poſt) ufar (ſuper) lauten
nie abar, ubar. Die bildungsendung -ubni lautet drei-
mahl ſo, und zweimahl -ufni. Sogar das inlautende b
lautet vor t in f um: gaft (dediſti), grôft (fodiiſti), fra-
[56]I. gothiſche conſonanten. labiales.
gifts (deſponſatio) wiewohl Luc. 1, 27. die ausnahme
fragibtim. Von dieſem ft ſogleich mehr. — Dem goth.
b entſpricht das alth. b, ſo wie dem umlautenden aus-
laut f das alth. p; im nord. b dem goth. anlaut, aber f
beides dem goth. in- und auslaut, letztern alſo ohne
umlaut. Wieder anderes zeigen die ſächſ. mundarten.


(F) als anlaut häufig und in den gloſſaren zu finden;
als inlaut ſeltner: afar (poſt) haſjan. lifnan. ſifan. lôfa.
ufar (ſuper). hufum (ploravimus); nach liquiden: vulfs.
hanfs; vorzüglich vor einem nachſtehenden t. als: aftu-
ma. iſtuma. hvilſtri. fimfta. ſkafts. hafts. gagrêſts. hliftus.
ſkufts. numfts. ufta. áuftô (gaft, grôft, gifts ſind vorhin
beim b angeführt). Als auslaut, außer den beim b be-
rührten umlauten gaf, grôf; noch in af. uf. fimf und
ohne zweifel in den formen vulf (acc.) hanf (mancum)
auch in den griech. eigennamen. als lôſêf (Ι’ωσὴφ) gen.
Iôſêfis (nicht Iôſèbis). — Das goth, anlautende f ſteht
dem alth. nord. und ſächſ. f gleich; bedenklicher ſind
die in- und auslaute. Der iniaut ft zwar entſpricht
auch im alth. und ſächſ. dem ft, im nord. aber dem pt.
Die übrigen in- und auslaute f entſ[pr]echen dem alth. f
nur dann, wann ſie nicht in b rückumlauten. Eine
weitere vergleichende ausführung gehört nicht ſchon
hierher; hier fragt ſich bloß: ob der Gothe zweierlei f
ausgeſprochen, wenn ſchon nur ein zeichen dafür ge-
ſchrieben habe? Zu erwägen ſcheint 1) da, nach alth.
regel falls ein umlaut eintritt. im auslaut die tenuis, im
inlaut die media zu ſtehen pflegt, ſo fällt im goth. die
auslautende aſpirata und innere media auf; doch zeigt
ſich im goth. þ und d etwas analoges und vom alth. t
und d wieder abweichendes, jene regel kann alſo hier
nicht gelten. 2) nach der bekannten gr. regel fügen ſich
aſp. med. und ten. jede zu ihres gleichen, nicht zu
verſchiedenartigen. Hierzu ſcheint das nord. pt beßer
zu ſtimmen, als das goth. und alth. ft. — Sollten ſich
die zweierlei goth. f ſo annehmen laßen. daß eins
ein aſpiriertes p, das andere ein aſp. b wäre? folglich
ph und bh? An und für ſich iſt einleuchtend, daß eine
vollftändig entwickelte aſpiration nicht allein die tenuis,
ſondern auch die media treffen müße, bh wäre alsdann
der natürliche umlaut des inneren b in dem auslaut:
hláibs, acc. hláibh, womit ſich auch das ſchwanken
zwiſchen b und f in ſolchen fällen erklärt. Dieſes bh
wird durch das altſächſ. ƀ, ſo wie durch das alt- und
[57]I. gothiſche conſonanten. labiales.
mittelh. v beleuchtet werden, und gewinnt durch die
analogie des dh (ð) und gh, unterſchieden von th (þ)
und ch, welche der Gothe nicht unterſcheidet oder gar
nicht kennt. ph ſchiene das goth. f in wörtern wie
vulfs, fimf etc. ſo wie in allen anlauten und es iſt kei-
nem umlaut unterworfen, ſo wenig als p. Vorläufig
habe ich noch nicht gewagt von dieſer zerlegung des f
in zwei arten für die äußerliche bezeichnung gebrauch
zu machen; vollſtändige einſicht in die vielfach ver-
wickelten labiallaute wird erſt nach dem ſchluße der
ganzen buchſtabenlehre in einer vergleichenden tabelle
möglich werden.


(V) der laut des bloßen wehens, wie er aus der
leiſeſten bewegung der lippen hervorgeht, gleichſam
zwiſchen vocal und conſonant ſchwebend und eben aus
dem u übertretend in den lippenlaut, daher dem j, das
ſich aus dem ï entwickelt, analog. Selbſt das ſchriftzei-
chen, wie vorhin bei dem y geſagt worden, iſt förm-
lich eins mit dem gr. v und lat. v. entfernt ſich aber
von der geſtalt des goth. u, die man ein umgeſtürztes u
(n) nennen kann. Byzantiner ſchwanken hier in dem
ausdruck der eigennamen goth. ſtamms, bald ſetzen ſie
β, bald οὐ, einige ſchreiben βανδήλοι; βανδαλαριος, βα-
λάμηρος
, andere und die meiſten οὐανδαλοι, οὐακις, οὐισαν-
δος, οὐιλας, οὐιτιγις, οὐλφιλας
etc. Beiderlei ſchreibart
läßt ſich rechtfertigen; β entſpricht ſchon in altgr. wur-
zeln häufig dem lat. v, in lateiniſchen wechſeln b und v
(Schneider p. 226-228. zumahl p. 368. über das ſchwan-
ken zwiſchen β und ου), bekanntlich haben die Spanier
bis auf die neueſte zeit jenes für dieſes geſchrieben.
Die ſchreibung οὐ erklärt den urſprung des doppelten
u oder v, man ſetzte uu oder w, um den unterſchied
von dem vocal u oder dem v, welchem einzelne mund-
arten eine erhöhte lippenausſprache beilegten (das hochd.
v wurde zu bh und endlich f), merklich zu machen.
Einige ſchrieben uv und ſelbſt vu, die dem gr. οὐ gleich-
falls ſehr nahe kamen und die auflöſung jener byzanti-
niſchen οὐ, wo man das folgende goth. u *) und ſelbſt i
zuweilen unterdrückte (οὐλφιλας wäre οὐουλφιλας gewe-
ſen) in lat. einfache u verdient tadel, weil der Gothe
nie, wie der Norde, das v vor dem u wegſtößt, das i
[58]I. gothiſche conſonanten. labiales.
nach dem v aber durchaus nicht fehlen darf. Man lieſt
ſo bei lat. ſchriftſtellern und in der verſion der byzan-
tiniſchen: ulphilas (neben vulphilas und ſogar gulphilas,
weil dem uv, vu das gu wieder verwandt war) und die
falſchen formen: uligagus, ulitheus etc. für viligangus,
vilitheus. Befremdend auf den erſten anblick, allein
conſequenter iſt die ſchreibung ubi ſt. vvi oder vi, uba
ſt. wa in den ſubſcriptionen weſtgoth. concilien des
6. 7. iahrh. als ubiligiſclus, ubinibal. ubidericus, uba-
dila, ubinedarius, ubaldefredus, ubiſandus (conc. tolet.
III. VII. IX. XV.) Die vergleichung ſo mannigfaltiger
ſchreibweiſen, hat man einmahl ihren grund eingeſehen,
vermag weiter nichts zu lehren oder zu beweiſen; wir
haben uns an die weit genauere ſchreibung in Ulphilas
goth. texte ſelbſt zu halten, um die beſchaffenheit des
conſonanten v näher kennen zu lernen.


Ein bedeutender unterſchied zeigt ſich ſogleich zwi-
ſchen dieſem halbvocal und dem andern, nämlich dem j.
Das ï (nicht das ái, ei) wird jederzeit, ſo oft ein vocal
(verſteht ſich in demſelben worte, nicht bei bloßer zu-
ſammenſetzung) darauf folgt, zum j; das u wandelt ſich
bei folgendem vocal nie in v (vgl. Jêſuis, Jêſua), außer
wo es in den diphthongen áu mit folgendem ï, ei, ê —
oder iu (desgl. im hiatus ju) mit jedem folgenden vocal
vorkommt; ſo entſpringt aus háuan, qvius, náus, kniu —
havi, qvivis, naveis, kniva. Ein anderer unterſchied:
das j iſt anlaut und inlaut, nie auslaut, das v anlaut,
inlaut und auslaut.


Die fälle des aulautenden v zeigt das gloſſar. Als
inlaut ſteht es


  • 1) nach vocalen a) im falle jenes umlauts des áu, iu,
    ju in av, iv, iv; die beiſpiele ſuche man oben bei
    den diphth. áu, iu. ju wandelt ſich in den declina-
    tionsendungen, z. b. ſunjus, ſunivê. — b) nach ein-
    fachen vocalen außer jenem umlautsfall; mir iſt nur
    favai und ſlavan (lilere) erinnerlich, etwa die neben-
    form viduvô — c) nach den diphthongen ê und ô
    ſelten (nur: lèvjan, ſkêvjan, vidôvô) häufiger vor ái
    und ei (ſnaivs. áiva, hráiva, hváiva, hnáivjan, ſáivala,
    ſpeivan, heiva)
  • 2) nach conſonanten und zwar nach l: balvjan, malvjan,
    valvjan, vilvan — nach n: manvu (paratum), manvi
    (ſumptus) manvjan (parare) — nach r: ſparva, arvjô —
    [59]I. gothiſche conſonanten. labiales.
    nach d: nidva, fidvôr, bandvjan, ſkadvjan — nach þ:
    ſaliþva, friaþva (ſt. frijaþva) — nach t: gatvô, vahtvô,
    uhtvô — nach z: ïzvis, ubizva — nach hs: taíhſvô —
    nach h: ahva, aihva, ſaíhvan, faírhvus, þeihvô, nêhva,
    leihvan, — nach g und gg: bidagva *), triggvs, trigg-
    vaba, gaſtiggvan (offendere), ſiggvan (canere) bliggvan
    (caedere) aggvus (anguſtus) glaggvus (ſolers) — nach
    q und gq (in dieſen fällen macht qv in der ſchrift
    ein zeichen aus): vraíqvs (curvus) þlaqvus (tener).
    hnaſqvs (mollis) vriſqvan. ſtigqvan (συμβαλλειν) ſtag-
    qvjan (impingere) igqvis. ſigqvan (labi).

Die fälle des auslauts ſind: áiv. hláiv. ſnáiv. hráiv. vaúrſtv
vermuthlich auch balv (malum) malv (arena) und die
ſtarken praet. ſahv. valv.


Nach dieſer muſterung wird ſich über die ausſprache
des goth. v füglicher entſcheiden laßen. Ob der anlaut
v mehr wie das neuh. w oder mehr wie das engl. w
(d. h. mit ſchnellem vorſchlag eines u) ausgeſprochen
worden ſey, wage ich freilich nicht zu beſtimmen. Für
jenes redet die hochd. nord. dän. und ſchwed. gewohn-
heit — für dieſes die engliſche, von dem angelſ. kann es
nicht behauptet werden. Für jenes redet die byzant.
ſchreibung β — für dieſes οὐ, ub und das alth. uv, uu,
welches aber auch darum nicht einfach geſchrieben
werden durſte, weil v ſich dem f alut genähert hatte.
Ein grund zu guuſten der erſten ausſprache ſcheinen die
wörter, wo dem anlaut v ein u folgt (vulfs, vullô,
vulþus), das gerade in ein alth. o übertritt, fände man
hier uvolf ausſprechlicher, ſo müſte von uvulfs das ge-
gentheil gelten (vgl. Schneider p. 368. 369. über cervos
und cervus). Der nämliche grund ſchickt ſich für die
goth. inlaute -vu (faírhvus, manvu) und in den auslau-
ten muß das v mehr der ſchärfere conſonant, als der
weichere vocal geweſen ſeyn, weil ſich dieſe fälle (ſahv,
valv, rapuit etc.) nie mit dem auslautenden u vermiſchen
(z. b. faíhu, valu, baculum). Wollte man die inlaute
áiva, eiva **) wie aiuva, eiuva ſprechen, ſo würden
[60]I. gothiſche conſonanten. labiales.
zu viel vocale auf einander ſtoßen und zuſammenziehun-
gen entſprungen ſeyn, die man wohl anders geſchrieben
hätte. Gerade die einzelne ausnahme ajukduþ (aeterni-
tas), das ich mir aus áivukduþ erkläre, beſtätigt daher
die regelmäßige nichtzuſammenziehung. Eher möchten
die inlautenden v. denen conſonanzen vorhergehen und
andere vocale als u folgen, ſanftere vocalähnlichere aus-
ſprache fordern, gatvô, manvi beinahe wie gatuo, ma-
nui, obſchon umgekehrt lat. dichter tenvis, genva aus
genua, tenuis machten (Schneider p. 364.) und manvi
conſonantmäßig ausgeſprochen wohlklingt. Etwas ganz
anderes iſt, daß allerdings die meiſten in- oder auslau-
tenden goth. v urſprünglich eingeſchobene bedeutung
habende u waren, daher ſie ſpäterhin (gleich den i) aus-
fielen, vgl. gatvô, vahtvô mit dem alth. gaƷƷa, wabta;
manvjan mit mittelh. menen und ſchon eſoteriſch im goth.
ſelbſt fidvôr neben fidur. (vgl. Schneider 332. 333.) Dies
erläutert manches in der wortbildung. —


gemination inlautender labiales (pp. bb. ff. vv.) hat
durchaus keine ſtatt, bloß den hebr. namen Λευὶ finde
ich Laívvi, desgl. σάββατον, ραββὶ, ἐφφαθὰ (Marc. 7, 34.)
φιλίππος: ſabbatô, rabbei, aíffaþa, Filippus wiedergege-
ben. Einen goth. namen Γρίππας hat Procop 1, 7. —
Von hierher gehörigen conſonantverbindungen ſcheinen
folgende die wichtigſten.


1) anlautende, die man in gloſſar nachſchlage: BL.
BN. (nur bnáuan, fricare) BR. — PL. PR ſcheinen
fremd — FL (das einzige flêkan, vgl. þL) FR (vgl.
þR) — VL (bloß vlits, vláitôn) VR — mit bn vgl. das
hochd. u nord. ſn. In der ausſprache bl. br. fl. fr.
herrſcht der labiale laut über den leiſer nachtönenden
liquiden (dem. Italiener wandelt ſich bl. fl. in bj. fj.)
hingegen in vl. vr. walten die liquidae vor, denn ſpä-
tere mundarten werfen das v völlig ab, ein grund mit
für ſeine conſonantiſche ausſprache, da u länger gehaftet
haben würde.


2) inlautende. BL. BR (ſvibls, abrs) verrathen
deutlich den zwiſchen mut. und liq. ausgeſtoßenen vo-
cal und ſind darum hier nicht wichtig. BN nur in ſtibna.
Die formen FT ſind vorhin unter F angegeben. Merk-
**)
[61]I. gothiſche conſonanten. linguales.
würdig iſt FST (in dem einzigen þrafſtjan, conſolari)
weil ſich hier f in der ausſprache dem v und vielleicht
dem vocal u nähert. Jornandes liefert den eigennamen
trafſtila, den einige hſſ. und comes Marcellinus trauſtila
(d. h. þráuſtila) ſchreiben, die lesarten tranſtila und
ſtrantila ſind corrupt. þrafſt lautet im alth. traoſt, trôſt
und jener name trôſtilo.


(S. Z; þ. D. T.) linguales. t. tenuis, d. media, þ.
aſpirata, den gr. τ. δ. θ. parallel; der ſpirant ſ. reiner
ſauſelaut, z ihn mit den übrigen dentalen vermittelnd.


(T) eben ſo ſtreng von d und þ geſchieden, wie p
von b und f und ſich nie mit einem derſelben ver-
wechſelnd; häufiger an- in- auslaut. Die anlaute im
gloſſar. Inlaute (außer den obangeführten formen lt.
nt. rt) atiſk. ataþni. batizô. gatvô. hatis. katils. latjan.
mats. nati. ſatjan. vatô. vratôn. grêts. lêtan. itan. fri-
tan. gitan. mitan. mitôn. vitôþ. vlits. vrits. lûtôn. ſû-
tis. ſnutrs. þrutsfill. báitrs. gáitei. háitan. máitan. hvái-
teis. náiteins. hláuts. ſkáuts. ſpráutô. ſtáutan. beitan.
heitô. hveitjan. leitils. ſmeitan. veitan. giutan. niutan.
liuta; die neutra ïta, þata und alle adj. endungen -ata.
Auslaute: at (praepoſ.) at (edebat) und ſo die praet.
der andern verba; mat (acc. und ſo die übrigen acc.)
hrôt. vit (dualis). ût (praep.) andaſèt (adj. neutr.), die
II. praet. gaft, namt, qvamt, magt etc. — Dem goth. t
entſpricht das nord. und ſächſ. t im hochd. aber die
aſp. z und Ʒ.


(D) an- in- und auslautend. Folgende inlaute
(außer den formeln ld. nd. rd. zd.) fadrein. nadr. badi.
ſkadus. ſads. hvadrê. ſtads. lêds. ſêds. grêdags. bida. fi-
dur (fidvôr). midja. nidva. viduvô. fôdr. fôdjan. flôdus.
frôds. gôds. knôds. môds. vôds. rôdjan. gudja. ludja.
trudan. bráids. gamáids. páida. máidjan. áudags. báuds.
dáudjan. gamáudjan. ſáuds. láuds. beidan. hleidumei.
ſleidja. þiuda. biudan. biuds. liudan; hierher auch die
paſſiviſche endung -ada, und das -da der ſchwachen
praet. Der auslaut d findet ſich im praet. neutr. und
acc. vieler unter den inlauten angeführten wörter, als:
hund. ald. vaúrd. ſad. gôd. laud. bráid. gamáid. etc.
endlich in der vorpartikel ïd-. Was nun die ausſprache
betrifft, ſo muß ſich der anlaut d von dem anlaut þ
merklich unterſchieden haben, denn nie findet ein
[62]I. gothiſche conſonanten. linguales.
wechſel zwiſchen beiden ſtatt, anders verhält es ſich
mit den in- und auslauten; die goth. ſonſt ſo ſichere
rechtſchreibung ſchwankt in gewiſſen fällen zwiſchen d
und þ, beide ſcheinen ſich folglich ſehr nahe geweſen
zu ſeyn. Doch merke man 1) daß vorausgehende li-
quida den eigenthümlichen laut beider conſonanten
feſtigt, daher ld. nd. rd nie mit lþ. nþ. rþ vermengt wer-
den, das gilt auch von zd (zþ kommt nicht vor), na-
mentlich iſt in den verbalflexionen (in der III., im paſ-
ſiv. und part. praeſ.) nd nicht durch auszudrücken.
Der Gothe ſchreibt falþan, fáifalþ, aber ſtaldan, ſtáiſtald
und wechſelt nicht, vilþi (ſilveſtre) lautet ihm verſchie-
den von vilda (volui). 2) geht dem dentallaut ein vo-
cal, einfacher oder doppelter, voraus, ſo lautet die
urſprüngliche med. gern in die aſp. um, ſobald ſie aus-
lautet oder das bloße geſchlechtskennzeichen s nach-
folgt; bleibt aber med. im inlaut. Jener umlaut ver-
gleicht ſich dem des b in f (oben ſ. 55.) und es ſcheint
wirklich die alsdann entſpringende aſpirata mehr ein
dh als th, wiewohl der Gothe, wie bei dem f, für
beide nur ein zeichen (þ) gebraucht. Folgende fälle
ſind die wichtigſten a) beim verbum: biudan, báuþ
(Marc. 6, 8. 8, 30. doch Luc. 5, 14. báud.); bidjan, baþ;
ſtandan, ſtôþ; b) beim ſubſt. die neutr. oder acc.
maſc. und fem. láuþ, háubiþ, miliþ, ſêþ (ſationem),
fahêþ, liuhaþ, vitôþ, ſtaþ, faþ, im gen. láudis, háubi-
dis, ſêdáis, fahêdáis, liuhadis, vitôdis, ſtadis, fadis.
c) beim adj. das neutr. naqvaþ, ſaþ, (ſad Luc. 15, 16.)
gôþ (gôd nur Luc. 14, 34.) im gen. naqvadis, ſadis,
gôdis. Hierher auch das neutr. part. praep. auf -iþ,
als: fôdiþ, rôdiþ, þiuþiþ, ſchwach þata, fôdidô, þiuþi-
dô, þaúrlidô. d) meiſtens ſchwanken bei nachfolgendem
ſ, als: ſêþs, fahêþs, neben ſêds, fahêds, unlêds; desgl.
in III. ſing. und II. pl. die gewöhnlich -iþ -eiþ -ôþ
áiþ -uþ zuweilen auch -id -eid -ôd aíd -ud (?) endi-
gen. 3) mit dieſen umlautenden und ſchwankenden
fällen dürfen nicht verwechſelt werden diejenigen, wo
die aſp. weſentlich iſt, daher auch im inlaut bleibt (mit
andern worten, wo th, nicht dh ſtatt findet) z. b. áiþs,
áiþis; qviþan, qvaþ, qvêþun, wovon ſogleich mehr.
4) es ſcheint, daß in einigen abgeleiteten wörtern, ver-
glichen mit ihren wurzeln, d und þ auch im inlaut
ſchwanken, als ſleiþa (ζημία) ſleidja (χαλεπὸς) gaſleiþ-
jan (ζημιοῦσθαι); frôds, frôdis: fraþjan, frôþ; ſads,
ſôþjan, náudi-bandi, náuþs, náuþjan. — Dem goth. d
[63]I. gothiſche conſonanten. linguales.
entſpricht auch das nord. u ſächſ. d (und jenem umlaut
das ð); in der regel das hochd. t (doch mit manchen
überbleibſeln und übergängen des d).


(þ) an- in- und auslaut. Die inlaute ſind haupt-
ſächlich und außer den ſ. 53. angegebenen lþ. mþ. nþ.
rþ folgende: aþriza, faþa, fraþi, hvaþô, laþôn, maþa,
maþl, raþjô, ſkaþjan, nêþla, hêþjô, liþus, niþja, qviþan,
qviþrs, viþan, viþra, brôþar, ſoþjan, bruþs. aiþs, áiþei,
háiþi, máiþms, áuþja, dáuþs, náuþs, bleiþs, hleiþra,
leiþan, leiþus, neiþs, ſeiþu, ſleiþian, ſneiþan, þiuþs,
liuþareis; unter den endungen namentlich die der fem.
aut -iþa und der correlativpartikeln -aþrô. Auslante
(außer den vorhin berührten umlauten des d) iþ, miþ,
guþ (Deus), liuþ, blôþ, die praet. qvaþ, láiþ, frôþ,
ſkôþ etc. und die verbalflexionen: iþ, eiþ, áiþ, ôþ,
uþ. — Das goth. þ habe ich ſchon vorhin für th, im
gegenſatz zu dem zuweilen ebenſo bezeichneten dh, er-
klärt. Ihm entſprechen þ im nord. u. ſächſ. — im hochd.
d, das nur bei einigen noch mit th ausgedrückt wird.


(S) der reine ſauſelaut, lat. u. gr. grammatikern ein
halbvocal (Schneider p. 345.), der dem h in manchen
ſtücken analog ſteht, mit ihm wechſelt (vgl. haſa, lepus,
ſanſkr. ſaſa) und als bloßer ſpiritus anlautet (Schneider
p. 198. 355. vgl. ὑπὸ und ſub mit dem goth. uf.) Dieſe
beiden letzten erſcheinungen ſind gleichwohl den deut-
ſchen ſprachen fremd, aber die berührung des ſ mit dem
liquiden r (Schneider p. 358.) ſo wie den übrigen zun-
genbuchſtaben t und d (Schn. p. 252. 253. 259. 342.)
bewähren ſie hinreichend.


Die anlautenden ſ weiſt das wörterbuch. Den in-
lautenden geht entw. conſonant vorher (die formen ms,
ns, rs
ſind vorhin ſ. 53. angeführt, ſt wird nachher be-
rührt werden) oder ein vocallaut; letzterer gibt es fol-
gende: aſans, kaſja, baſi, hlaſôza, naſjan, vaſjan, graſis
(graminis) kaſis (vaſis), lêſun, vêſun, nêſun, mêſis
(menſae), ſvêſis (proprii), liſan, viſan, niſan, hriſjan,
viſis (tranquillitatis), druſis (ruinae), kuſun, luſun, dru-
ſun, þùſundi, fráiſan, láiſjan, ſáiſô, eiſarn, veiſôn,
geiſjan, háuſjan, áuſô, ráuſis (arundinis), láuſis (liberi),
liuſan, driuſan, kiuſan. Auslaute (außer dem nomina-
tivkennzeichen -s [dem ſogenannt unweſentlichen s]
und den vielen endungen auf -s) folgende: gras, kas,
las, nas, vas, mês, ſvês, vis (tranquillitas), vis (eſto)
desgl. lis, nis, dis-, ïs (is), ïs (ejus), hvis (cuius)
[64]I. gothiſche conſonanten. linguales.
þis (τοῦ); die endung -is in hatis, baris, riqvis, agis;
die dative: mis, ſis, þus; us (praep.), drus, eis, veis,
máis, jus; die praet.: die praet.: dráus, kaus, láus; láus (liber),
náus (cadaver), ráus (arundo); (die formen hs unten
beim h).


Die ausſprache des an- und inlautenden ſ. ſcheint
unzweifelhaft und ganz die des neuh. ſenden, ſingen,
haſe, kieſen. Bedenken macht das auslautende, weil
doch kaum zu glauben iſt, daß der nom. ïs und gen. ïs
oder beim nomen überhaupt der nom. -s und gen -is
ein gleichlautiges ſ. gehabt haben ſollten. Dazu tritt
daß einige auslautende ſ. ſobald ſie inlante werden, in
z umlauten, als þus, þuzei; jus, juzei, us, uzuh etc.
Hiernach möchte man zweierlei ſ. annehmen, das ge-
wöhnliche, wie es in gras, kas, vas, las, ráus, láus etc.
ſtattfindet und das auch im inlaut bleibt; ſodann ein
milderes, das im inlaut z wird und in den flexionsendun-
gen und partikeln, meiſtens in tieftonigen oder tonloſen
ſilben vorkommt. Dieſes letztere ſ iſt in den übrigen
mundarten entweder zu r geworden oder völlig abge-
ſtoßen, wozu die geſchichte der flexionen überall be-
lege liefert; nähere verwandtſchaft des goth. z mit
dem r wird ſich hernach erweiſen. Ganz treffend ſcheint
jedoch dieſe unterſcheidung zwiſchen dem ſ der wur-
zel und dem der flexion nicht, da ſie eben jenen gen.
ïs, -is nicht von dem nom. ïs, -s ſondert, glaublich
aber dem gen. ein ſchärferes ſ als dem nom. zuſteht,
weswegen das gen. ſ auch in den ſpäteren mundarten
feſter gehaftet hat. Gleichwohl lautet der goth. gen. þis,
hvis bei angehängtem -ei, -uh in þizuh, þizei, hvizei
um, der ziſchlaut iſt folglich trüber, als der in gras,
graſis. Alles erwogen halte ich folgendes für die rich-
tigſte anſicht: der reine ziſchlaut geht progreſſiviſch in
unſerer ſprache verloren, vornämlich bei vorherſtehen-
dem vocal. Der Gothe beſitzt mehr reiner ſ als irgend
eine der übrigen mundarten und ſcheidet ſie ſtrenge von
der liquida r, áis, kas, kaſja, vaſjan ſind ihm ganz an-
dere begriffe als aír, kar, karja, varjan; in den endun-
gen pflegen aber die ſ ſchon getrübt zu werden und in-
lautend in z umzulauten. Andere deutſche ſprachen
ſchreiten weiter, theils indem ſie in- und auslaute der
endungen in r wandeln und das r ſelbſt abſtoßen, theils
ſogar das wurzelhafte ſ in r übergehen laßen; alles all-
mählig und ſchwankend, vgl. das alth. peri (goth. baſi)
[65]I. gothiſche conſonanten. linguales.
aber noch haſo (goth. vermuthl. haſa), wofür angelf.
hara; alth. noch lôs (goth. láus) aber rôr (goth. ráus)
ôra (goth. auſô) êr (goth. áis) etc. Auch bei den Rö-
mern folgte in manchen wörtern dem älteren ſ ein jün-
geres r (Schneider p. 341. 343.) und die lat. declin. zeigt
einen umlaut des ſ in r, welcher dem goth. ſ in z
gänzlich gleicht, ſelbſt in identiſchen wurzeln, als aes,
aeris; goth. áis, ázis. Das goth. ſ entſpricht alſo im
anlaut ſtets dem ſ der übrigen mundarten, im in- und
auslaut bald ihrem ſ bald ihrem r.


(Z) als anlaut ungothiſch und nur in gr. namen wie
zaíbaídaíus, zakarias etc. vorhanden, woraus jedoch die
ausſprache ds (ζ) erhellt, der laut iſt nicht ſowohl
ſchwächeres, als durch die vorſchlagende media d ge-
hemmtes ſ; offenbar ein zuſammengeſetzter buchſtab.
In den inlauten muß es als ein umgelautetes ſ betrach-
tet werden, wohin ſelbſt zuſammenziehungen ganzer
wörter gehören, vgl. Luc. 3, 1. Filippáuzuhþan. Die
wichtigſten fälle (außer angeführten und noch anzufüh-
renden verbindungen lz. nz. rz. zd. zn. zv.) ſind a) die
flexion des comparativs -ôza, -iza, der urſprung ans
ſ folgt aus dem adv. máis und dem ſt des ſuperlativs.
b) die des gen. fem. ſing. und des gen. pl. der adjective
auf -áizôs -áizê, c) der II. paſſivi auf -aza -ôza.
d) die anhängung der partikeln uh und ei, als: vileizuh
(visne), uzuh, andizuh, dizuh, þanzei, þuzei, juzei.
e) vermiſchte fälle: uzêta, uzôn, háizam (taedis), haz-
jan. azêts, aqvizi, riqvizeins, barizeins, hatizôn, ſáizlêp
(ſt. ſáiſlêp). Setzt dieſes z immer ein umgelautetes ſ
voraus, ſo kann es ſelbſt kein auslaut ſeyn, inzwiſchen
findet ſich aiz (ſt. áis) und riqviz (neben dem richtige-
ren riqvis) geſchrieben, weil vocalanlaute folgen. Übri-
gens iſt der umlaut des ſ in z von dem des b in f
(oben ſ.55.) und d in þ (oben ſ. 62.) darin verſchieden,
daß er in dieſen beiden fällen als auslaut, in dem ge-
genwärtigen aber umgekehrt als inlaut erſcheint. An
ſchärfe ſteht allerdings das ſ dem f und þ, an milde
das z dem b und d zu vergleichen; nur kann man ſ
in den hier erörterten formen nicht wohl für den um-
laut halten, ſondern daß dieſer das z ſey, ergibt der
goth. gen. Mòſêzis (Μωσέως) vom nom. Môſês (Μωσῆς),
und Faraízis von Faraís (φαρὲς). Zuweilen wird auch
ſ ſtatt z ſelbſt geſchrieben, ſo miſdô neben mizdô und
Joh. 7, 13. agifis ſt. agizis. — Das inlautende z wird
E
[66]I. gothiſche conſonanten. linguales.
in allen andern deutſchen mundarten durch r ausge-
drückt, und entſpricht nie dem alth. z und Ʒ. Gerade
ſo geht die goth. form rs, zd in ein alth. rr, rt über. —


gemination inlautender linguales.

(TT) nur in: atta *) und ſkatts. (DD) vaddjus.
tvaddjê (duorum). daddjan. ïddja. ïddalja. (SS) miſſô.
viſſa. usſtaſſ. usqviſſ. knuſſjan. aſſarjus (aus dem lat.
aſſarium); die endungen -aſſus -naſſus. Die zuſam-
mengeſetzten þ und z geminieren nicht. Schein-
bare, aber nicht wirkliche doppelung, vielmehr bloße
aſſimilation ſind die partikeln: aþþan, áiþþáu, uþþan,
miþþan, niþþan, duþþê, in allen ſchließt die erſte ſilbe
mit dem einen, und beginnt die zweite mit dem an-
dern þ; jeder geminierte laut fordert aber einſilbigkeit,
(ſ. unten am ſchluß der goth. buchſtabenlehre). — tt
auch nord. tt, alth. tz; dd hat weder im nord. noch
alth. ſeines gleichen, das nord. dd iſt ganz was anders;
nach der analogie von vaddjus, nord. u. alth. vallr,
wal, ſcheint das goth. dd in ll überzugehn und aller-
dings berühren ſich d und l, dd und ll (ſedda: ſella.
Schneider p. 255. 256.). Für die ausſprache des goth.
dd vgl. die eigennamen Addei (Α᾽δδὶ) þaddáins (Θαδ-
δαῖος
) ſaddukáieis (σαδδουκαῖοι) etc. Die gemination ſſ
gleicht ſich in allen deutſchen zungen.


Die wichtigſten lingualverbindungen ſind:


  • 1) anlautende, die das gloſſar weiſt. TR (kein tl. tm)
    TV (bloß tva, duo und die ableitungen). DR (kein
    dl). DV (bloß dvals). þL (þlaſnan. þlaqvus. þlaíhan.
    þliuhan). þR (þrafſtjan. þragjan. þreihan. þramſtei.
    þriſkan. þri. þriutan. þrutsfill. þV. (þvahan. þvaírhs).
    SK. SL. SM. SN. SP. SPR. (ſpráutô) ST. STR. SV.
    welche ſämmtlich ſcharf gleich den lat. ſc, ſp, ſt
    (denen romaniſche mundarten ſogar ein e vorſchoben)
    anlauten. — Die unterſchiede tv. dv. þv. vermiſcht
    das hochdeutſch allmählig und wandelt auch dv und
    þv in zw, das eigentlich nur dem goth. tv entſpricht.
    Merkwürdig der übergang des þl (nicht des þr) in ſl
    der übrigen mundarten; die anlautenden aſp. th und
    ph wechſeln ſonſt im deutſchen nicht, bekanntlich
    [67]I. gothiſche conſonanten. linguales.
    aber in andern ſprachen (ruſſiſch oft f ſtatt th), zu-
    weilen im deutſchen inlaut (vgl. eftho und eththo).
  • 2) inlautende. TL. TR. þL. þM. þR. gründen ſich
    ſichtbar auf ſyncope. vgl. ſitls, báitrs, ſnutrs, maþl,
    máiþms, qviþrs. SL desgleichen (vorhin unter mſ. nſ.
    angegeben). Wichtiger folgende: SK faſkja. gaþraſk.
    fiſks. atiſks. manniſks. háiþiviſks. SN. aſneis. fulhſni.
    hláivaſnôs. SQV. hnaſqvus. vriſqvan. ST. bruſts. lu-
    ſtus. kroſts. vaſtja. faſtan. þvaſts. aſts. gaſts. raſta.
    qviſtjan. ſviſtar. druſts. iſt beiſt. láiſtjan. áiſtan. blôſtr.
    gilſtr. vaúrſtv. (mſt, nſt oben bei den liq.; hſt unten
    bei h.), in der ll. praet. entſpringt ſt. durch zuſam-
    menziehung: qvaſt, báuſt, láiſt etc. und es iſt kenn-
    zeichen des ſuperlativs. — ZD. huzd. razda. mizdô,
    muthmaßlich manche ähnliche, die in den bruch-
    ſtücken fehlen, als: uzd (cuſpis) *) bruzd (aculeus)
    hazd (ornatus muliebr.) etc. obgleich ſich nur die
    wurzeln, nicht die endungen beſtimmen laßen. —
    ZG nur azgô. — ZN. razn, andavleizns, vielleicht
    auch anabuzns, wiewohl nur Stjernh. Marc. 12, 28.
    ſo lieſt, gewöhnlich anabuſns. — ZV. izvis. ubizva.
    tuzverjan (haeſitare). — Das verhältniß der for-
    meln zd. zg. zu. zv zu den übrigen mundarten iſt
    bisher ganz überſehen worden; zd entſpricht dem
    alth. rt, angelſ. rd, nord. dd; zn dem angelſ. ſn,
    nord. nn; zv vereinfacht ſich im alth. und nord. zu ſ
    wie ich aus opaſa (ubizva) toſa (tuzverjan) **) und dem
    gewöhnlichen ausfall des goth. v (oben ſ. 60.) ſchließe
    zg geht über in ſk, ſch. — Mit zd ſtimmt die gr.
    form σθ, in μισθὸς ſogar wörtlich mit mizdô, deren
    keins aus dem andern geborgt iſt, wie das angelf.
    meord (alth. mërt?) klar zeigt. Vielleicht liegt das
    lat. merces den letztern formen nahe, während das
    böhm. mzda erſteren zufällt.

E 2
[68]I. gothiſche conſonanten. gutturales.

(H. J. G. K. Q.) gutturales. k tenuis; g media; die aſpi-
rata fehlt; h. der einfache, reine hauchlaut; j die media
mit dem vocal i vermittelnd, wie v zwiſchen b und u;
q ſtets mit v verknüpft und dieſes qv nichts anders als
kv, daher bloßes zeichen für einen beliebten doppel-
conſonanten.


(K) ſtreng von allen übrigen kehllauten geſchieden.
Die anlaute im gloſſar. Inlaute, bei vorausgehendem vocal:
akeit *), akrs, rakjan, ſakan, flêkan, têkan, lêkeis, rêkja,
brikan, ſtikls, ſtriks, vikô, bôka, ſôkjan, vôkrs, lû-
kan, lukarn, brûkja, kûkjan, áikan, láikan, táikns, áukan,
leikan, reiks, ſiuks. Auslaute, die praet. ſôk, brak etc.
die acc. ſtrik etc. die neutra leik, ſiuk und folgende pro-
nomina und partikeln: ïk, mik, ſik, þuk, ak, áuk.
In den gr. namen drückt k ſowohl κ als χ aus, zum
beweis, daß der Gothe keinen laut für letzteres hatte,
denn des zeichens X, welches Ulphilas für die zahl
600 als ziffer braucht, hätte er ſich ohne anſtand be-
dienen können und keine verwechſelung mit dem lat.
x zu fürchten gehabt, da er ξ ſtets in kſ auflöſt. Ja er
ſetzt in einem falle x und nicht k für χ, nämlich ſtets
in dem namen Xriſtus, der gewöhnlich abgekürzt ge-
ſchrieben wird; ohne zweifel überwog hier die heilig-
keit der hergebrachten ſchreibung und die creuzgeſtalt,
ungeachtet Xriſtus ausgeſprochen wurde wie Krêta (Κρή-
τη
) Tit. 1, 5. Doch ſtehet auch Joh. 6, 4. paſxa ſt.
des gewöhnl. paſka. — Dem goth. k laufen das nord. k
und angelſ. c parallel, im alth. aber zerfällt es in k und ch.


[69]I. gothiſche conſonanten. gutturales.

(G) ebenfalls an- in- auslautend. Folgende inlaute
(anßer den zuſammengeſetzten formen): agis. aglu. dags.
faginôn. fagrs. magan. magaþs. magus. ſnaga. tagl. tagr.
þragjan. mêgs. ſvêgnjan. vêgs. ligan. rign ſigljan. ſviglja.
vigs. -dôgs. ôgan. ſvôgjan. hugjan. bugjan fugls. áigan.
áugô. báugjan. láugnjan. geigan. idreiga. ſteigan. liugan.
Die auslaute ergeben ſich aus den fällen der inlaute;
pronomen und partikel endigt nie auf g. Das bei der
media b und d bemerkte ſchwanken in den aſpirierten
laut findet nicht ſtatt, eben weil der Gothe keinen kehl-
laut aſpiriert. Allein bisweilen wechſelt g mit dem
bloßen ſpiritus h, als: aíh, áigum; juggs, juhiza; mehr
hierüber beim h. — Das nord. u. ſächſ. g entſpricht dem
gothiſchen, der alth. laut ſchwebt zwiſchen k und g.


(J) hat in der ſchrift das zeichen des lat. g, wäh-
rend der goth. g laut durch das griech. Γ gegeben wird,
dieſes nimmt in der goth. alphab. ordnung die dritte,
jenes die 15te ſtelle ein und folgt dem n, drückt daher
(ſtatt des gr. ξ) die zahl 60 aus. — Es ſteht nur, wenn
in demſelben worte ein vocal darauf folgt, kann dem-
nach nie auslauten, ſo wenig als das lateiniſche (Schnei-
der p. 284.) wodurch es ſich von dem ſehr wohl auslau-
tenden v unterſcheidet. Seine ausſprache mag der des
hochd. jot gleichkommen, d. h. zwiſchen i und g, härter
als jenes und weicher als dieſes, dem Angelſachſen wird
es gänzlich zu g. In allen fällen iſt es conſonantiſch,
begründet folglich keine filbe, ſondern ſchließt ſich an
den folgenden oder vorhergehenden vocal. — Als anlaut
erſcheint es in: ja, jabái, jah, jái, jáins, jêr, ju, juggs,
juk, jus, von dem diphthongiſchen ïup, ïumjô verſchie-
den, denn ïáins, ïèr, wenn ſie ſtattfänden, würden
triphthongiſch ſeyn. Ob dieſes j wurzelhaft, oder mehr
gleichgültiger vorſchlag ſey, läßt ſich zum theil aus der
nord. ſprache ſehen, welche es meiſtentheils abwirft,
vgl. ëf, jabái; ënn, jáins; âr, jêr; ûngr, juggs; ok, juk;
ër, jus; doch in ja, ja bleibt es. Die alth. wirft es bis-
weilen weg, z. b. in âmer, ëner neben jâmar, jëner. —
Das inlautende j bezieht ſich ſtets auf eine unwurzelhafte
bildungsendung i zurück, der ein vocal nachfolgt. z. b.
bajôþs, ija, frijái, namentlich zeigen es die ſchwachen
ſubſt, und verba, welche mittelſt des i von den ſtarken wur-
zeln abgeleitet werden, als: fiſkja (piſcator), ſiujan (nere),
gadráuſjan (praecipitare) etc. man ſpreche zweiſilbig bei-
nahe: fiſkga, ſiugan, dráuſgan, nur etwas milder, als g.
[70]I. gothiſche conſonanten. gutturales.
Fällt in der veränderten flexion der hintere vocal weg,
ſo kehrt j in ſeinen urſprünglichen vocallaut, als ſivida
(nevit) dräuſida (praecipitavi[t]). Die regel war ſchon
oben ſ 37. bei dem I. entwickelt, ſo wie ſ. 58. bei dem
V. gezeigt, daß ſich die diphthongen ái und ei, bei fol-
gendem vocal, nicht in aj, ej wandeln z b. armáiô,
þáiei, habáiûh *). Hier bleiben einige fälle zu erwähnen,
wo Ulphilas ſchwankt, er ſchreibt ſáian (ſerere) ſáians
(ſatus) ſaiada (ſeritur), aber ſaijands (ſerens) ſaijiþ (ſerit),
gleich als ob neben der ſtarken form ſaian eine ſchwache
ſaïjan beſtände. Er ſchreibt fijan (odiſſe), fijands (ini-
mici) gewöhnlich, ausnahmsweiſe fiáis (μισήσεις, Matth.
5, 43.) und fiand inimicum Matth. 5. 43 Neh. 6, 16);
frijôn (amare), frijônds (amicus) aber friaþva (amor).
Ich halte die eliſion des j. in fiáis, fiands, friaþva für
ungenau, kommt ſchon letzteres viermahl ſo geſchrieben
vor und nicht anders. In fremden eigennamen wagt
Ulphilas kein goth. j. einzuführen, wenn es bei folgen-
dem vocal ſtehen müſte; es heißt ſowohl im anlante:
ïakôb, ïèſus, ïôſêf etc. als im inlant: mariam (dreiſilbig)
zakarias (vierſilbig), abiaþar etc. Die ausgaben verſtoßen
manchmahl hierwider, Junius hat Luc 8, 41. richtig
ïaeirus, Marc 5, 22. unrichtig jaeirus. In Fuldas namen-
regiſter iſt meiſt alles falſch.


(H) an-in-auslautend. Inlaute (zwiſchen zwei vo-
calen oder zw. vocal und unweſentlichem ſ.): aha ahaks.
ahan. fahan fahên. fahêds. hahan. hlahjan. klahs. lahan. ſlahs.
tahjan. þahan. þvahan. vahs. hôha. ſkôhs. vrôhs. faíhu.
haíhs. taíhun. þlaihan. aúhjôn. faúhò. haúhs. teihan.
þlaíhan. aúhjôn. faúhô. haúhs. teihan. þeihan. þreihan.
veihs. liuhaþ. tiuhan. þliuhan. Von dem verbundenen h
bald beſonders. Der auslautenden, außer dem neutr.
acc. imp. und praet. der inlaute, als: klah, vah, ſlah,
ſkôh, ſrah, haihah. faúrhah, ganah, tánh — die parti-
keln náuh, þáuh. jah, -ûh. Man überſehe nicht. daß
das in- und auslautende h kein kurzes (einfaches) i
ſelten u vor ſich leiden, für -uh ſind mir bloß drei
fälle zweifelhaft, die anhangspartikel -uh, die ich eben
daher lieber -ûh annehme, juhiza und huhrus. welche
beide letztere aus -ugg contrahiert ſind und daher viel-
leicht ûh haben könnten. In allen fällen, wo die übri-
[71]I. gothiſche conſonanten. gutturales.
gen mundarten ein goth. i und u vor dem h erwarten
ließen, zeigt ſich ein oder , einigemahl vermuthlich
ái, áu. Das gilt auch von dem ht. hſ. hſt., wird für
die praet. pl. einiger ſtarken verba, und für die ver-
gleichende etymologie insgemein wichtig, fällt aber
auf, da ſich h ſo gerne nach kurzem a und zwiſchen
zwein a einfindet. Letzteres geht ſo weit, daß gr. ei-
gennamen, welche αα zuſammenſtoßen, ein h eingeſcho-
ben wird, als: Ἀβραὰμ, Ἀαρὼν, Μαὰθ, Ναασσὼν, goth,
Abraham. Aharôn, Mahaþ, Nahaſſôn; kaum andern ſich
berührenden vocalen, z. b. βεελζεβȣ[`]λ, γέεννα, Ἰσραὴλ,
Γαβριὴλ. Σιλωὰμ, Σιὼν, goth. baíaílzaíbul, gaíaínna,
lſraêl, Gabriêl, Silôam. Siôn. mit ausnahme jedoch von
lôhannês, Ἰωάννης, Bêþlaíhaím, Βηθλεὲμ*). Der Gothe
liebt folglich den hauchlaut in der mitte zweier a, braucht
ihn aber auch nach den diphthongen, nicht nach i und u,
aus ähnlicher urſache meidet er das r vor dieſen beiden
einfachen lauten, obgleich ſich hier einige ſeltene aus-
nahmen finden (hiri). — Der anlaut h, inſofern er mit
keinem conſonanten verſetzt iſt, gleicht ſich in allen
deutſchen ſprachen, wechſelt auch nicht mit andern
buchſtaben; er mag bloß härter (ch) oder weicher ge-
ſprochen worden ſeyn. Fremde ſprachen lehren genug
übergänge des h in andere laute, namentlich in f und ſ;
nicht unwichtig war es mir, das litth. ſz häufig dem h
(und in wörtern, wo die lat. unadſpirierte gutt. c herrſcht)
gleich zu finden, z. b. ſzalmas, helm; ſzimtas, hundert;
ſzirdis, herz; ſzuns, des hunds; ſzaltas, kalt etc. etwa
wie den Franzoſen ch = ſch lautet. —


gemination inlautender gutturales.

(KK) nur ſakkus (σάκκος) ſmakka (ſicus, ſlavon.
ſmokvenika, dalmat. ſzmokva) aíkklêſjô (ἐκκλησία) ur-
ſorünglich fremde wörter; dahin auch der eigenname
Zakkáius (Ζακχαῖος). (GG) iſt häufig: aggvus. gaggs.
laggs. glaggvus. vaggareis. draggkjan. driggkan. þaggkjan.
þuggkjan. bliggvan. briggan. figgrs. iggqvis. ſiggvan.
huggrjan. hrugga. juggs. pugg. tuggô, hat alſo nur nach
einfachem vocal ſtatt. In den fremden wörtern aggilus,
áivaggêljô, Naggeis ſtimmt es ganz zu dem gr. γγ in
ἄγγελος, εὐαγγέλιον etc., der Grieche geſtatter es auch
[72]I. gothiſche conſonanten. gutturales.
nach doppelvocalen, z. b. ἤγγειλα (nuntiavi). Dieſes
goth gg wandelt ſich durch alle andere mundarten in
ng. iſt auch gewiß von den Gothen mit naſallaut aus-
geſprochen worden. Ob indeſſen Ulphilas die ſchrei-
bung gg *) denGriechen abgeborgt habe? bleibt eine andere
frage und es könnte ſeyn, daß der goth. naſenlaut gg
von dem heutigen ng verſchieden war, etwa zwiſchen
ng und hh ſchwebend, wofür theils der übergang von
juggs, huggrjan in juhiza, huhrus, theils der umlaut áih
in áigum (ſt. áihum) redet. — j und h geminieren nie.


gutturalverbindungen.

  • 1) anlautende. KL. KN. KR. GL. GR; am wichtigſten
    für die hiſt. grammatik ſind die mit h. HL. hlahan.
    hláibs. hláins. hláiv. hláupan. hláuts. hleibjan. hleidu-
    mei. hleiþra. hlifan. hlija. hliuma. HN. hnáivjan.
    hnaſqvus. hniupan. HR. hráins. hráiv. hramjan. hrei-
    ſan. hrôpjan. hrôt. hrugga. hruk. HV. (wofür das ein-
    fache ſchriftzeichen ☉ dient) hvas (quis) mit allen ver-
    wandten. hvapjan. hvaþô. hvaírban. hváiteis. hveila.
    hveits. hvilftri. hvôtjan. Dieſes h muß ſcharf vorge-
    ſchlagen haben, weil ſich damit wörter wie hlahan
    (ridere) lahan (vituperare); hláibôs (panes) láibôs (reli-
    quiae); hlifan (furari) lifnan (ſupereſſe); hreiſan (con-
    cuti), reiſan (ſurgere); hvaþô (ſpuma) vaþ (ligavit);
    hveitjan (albare) veitjan (intendere) und andere, die
    nichts zuſammen gemein haben, genan ſcheiden. Es
    findet ſich noch in den übrigen älteſten mundarten auf
    gleiche weiſe, ſchwindet aber in den neueren allmäh-
    lig, wodurch nachtheilige vermiſchung und verluſt
    mancher wurzel entſpringt. Dem hr entſpricht das
    gr. und lat. rh (Schn. p. 212 — 214.); dem hv zuwei-
    len das lat. qv. (hvas, quis) und litth. kw (hváiteis,
    kwetys); ich darf auch das gr. κλέπτης (hliftus) κλαίειν,
    κλάειν
    (hlahan, beides weinen und lachen bedeutet:
    ſchallen) anführen, um den merklichen und wurzel-
    haften vorſchlag des h. zu beſtätigen. Der böhm.
    ſprache iſt er noch geläuſiger, indem ſie anßer hl. hn.
    hr. hw. auch hb. und hm darbietet, die pohln. aber
    ſetzt g ſtatt dieſes h. — QV. wird von Ulphilas mit
    einem beſonderen buchſtaben geſchrieben, der beinahe
    dem lat. u gleicht, allein in qv (oder kv) aufgelöſt
    werden muß, nicht in qu, da auf ihn noch ein andrer
    [73]I. gothiſche conſonanten. gutturales.
    vocal folgt, namentlich n ſelbſt, welches bei folgen-
    dem vocal ſtets zu v wird. Auch das auslautende qv
    entſcheidet hierfür, z. b. vráiqv (curvum) ſagqv (occi-
    dit), den andern fällen des auslautenden v vergleich-
    bar. — Die anlaute qv gibt das gloſſar, nur in dem
    einzigen qvrammiþa (ἰκμὰς, Luc. 6, 8.) ſtößt ein con-
    ſonant daran; das wort iſt höchſt verdächtig (vgl.
    Ulphil. illuſtr. p. 60.).
  • 2) inlautende. Die formen kl. kn. kr. gl. gn. gr verra-
    rathen den ausgeworfenen vocal und ſcheinen für die
    buchſtabenlehre unbedeutend. Bedeutender folgende:
    GM, nur bagms, es mag aber mehrere *) gegeben ha-
    ben, ſcheint das nord. dm (badmr, fadmr), alth.
    baum. GV. QV. GGV. GGK, bei v und gg angegeben.
    GQV nicht gleichviel mit ggk, ſondern v ſchlägt nach;
    gqv verhält fich alſo zu ggk, wie ggv: gg. Nur ſig-
    qvan und ïgqvis, letzteres auch ïggqvis, Luc. 19, 31.
    ſogar ïnqvis (Jun. ïzqvis. Stjernh. ïzvis) geſchrie-
    ben. — HM. ahma, hiuhma. milhma. HN. þraíhns. —
    HR. huhrus. ſvaíhra. — HS. ahs. ſaíhs. veihs. vahſjan.
    taíhſvô. niuhſeins. fulhſni. rôhſn. aúhſns. vaíhſta.
    maíbſtus. vahſtns. ſkôhſl. Dies hs entſpricht dem
    gr. ξ und lat. x. vgl ἑξ, δεξιὸς, ſex, dexter mit ſaíhs,
    taíhſvs, iſt aber nie anlaut. Die gr. ξ in eigenna-
    men gibt Ulph. durch ks (Alaikſandrus. Arfakſad) wel-
    ches ks in keiner goth. wurzel, ſondern nur bei ver-
    bindung des geſchlechtszeichens mit dem k der wur-
    zel vorkommt (reiks, ſiuks). — HT. mahts. nahts.
    ahtáu. vahtvô. uhtvô. raíhts. vaíhts. ſlaíhts. friſahts.
    inſahts. innagahte gaþlaíhts. þlaúhts (Marc. 13, 18.
    þláuhs) daúhts. draúhts. ſaúhts. raúhts (rugitus). daúh-
    tar, und die praet. mahta, aíhta, þahta, þuhta, ôhta,
    vaúrhta, faúrhta. Alle ht wandeln ſich nord. in die
    gemination tt; entſprechend iſt das lat. ct (octo, noctis,
    rectus). — HV, oben unter v angeführt, dem ahva
    entſpricht das lat. aqva.

Nach abgehandelter goth. buchſtabenlehre eine an-
merkung über aſſimilationen bei Ulphilas zwiſchen zwei
ſich berührenden wörtern. Der fall iſt, wenn ein pro-
[74]I. althochdeutſche buchſtaben.
nomen oder eine partikel mit þ beginnt und eine vor-
hergehende partikel oder ein pronomen mit vocal oder
h oder ebenfalls mit þ ſchließt, ſo inclinieren beide
wörter und aſſimilieren häufig ein doppeltes þ, als:
duþþè, (Matth. 27, 8.) miþþan, ûþþan, niþþan, aþþan
áiþþán *), náuþþan, þáiþþan (Rom. 12, 4.) ſumáiþþan
(Matth. 26, 67. Joh. 11, 46.) jaþþans (Tit 1, 9.) jaþ-
þuk (Philem. 19.) — ſtatt du þè, miþ þan, ûh þan, nih
þan, at þan, náuh þan, þái þan, ſumái þan, jah þans,
jah þuk; häufig ſtehen beide wörter getrennt und auf
die letzte weiſe. Die ambroſ. hſſ. ſcheinen die aſſimi-
lation noch auf andere conſonanten zu erſtrecken, ich
finde janni (Matth. 25, 42, 43, 44.) jaſſa (Matth. 26, 2, 71.)
ſtatt jah ni, jah ſa (wie der cod arg. Matth. 26, 71.
hat). Matth. 5, 37. bindet ſich auch das hülfszeitwort
mit der partikel: ſijáiþþan f. ſijái þan, doch nie andere
verba oder nomina z. b. für þái þaúrnjus dürfte nicht
þáiþþaúrnjus vorkommen.


Althochdeutſche buchſtaben.


Es iſt kein alth. ſprachdenkmahl vorhanden, das
uns die verhältniſſe der buchſtaben ſo feſt beſtimmte,
wie Ulphilas die der gothiſchen; viel genanigkeit zeigt
ſich in Notkers werken. Ein anderer anſtoß macht aber
noch mehr zu ſchaffen, bei Ulphilas lag eine einzige,
ſicher begränzte mundart vor; hier begegnen wir ver-
ſchiedenen, zwar nahe verwandten und verfließenden,
allein manche beſonderheit kundgebenden mundarten,
deren gränzen, weil die quellen zu dürftig oder land-
ſchaftlich ungewiß ſind, ſich eben nicht deutlich dar-
legen laßen. Wenigſtens jetzt noch nicht; vielleicht
daß es zukünftig gelingt, hinreichende eigenthümlich-
keiten des alemanniſchen, bairiſchen und fränkiſchen
dialects oder noch mehrerer, abzuſtecken und hernach
buchſtaben und formen eines jeden derſelben für ſich
zu behandeln. Alle einzelnen ſpuren ſolcher beſonder-
heiten werde ich ſorgſam herausheben; wer erwägt,
wie in den zeiten des 7. bis zum 11 ten jahrh. von
welchen es ſich hier zunächſt handelt, die früher mehr
[75]I. althochdeutſche vocale.
bewahrte nationalität der hochdeutſchen völkerſchaften
politiſch in einander übergehen und ſich berühren muſte,
wird das bedenkliche der unterſuchung zugeſtehn. Wei-
chen doch denkmähler, die beide an einem und dem-
ſelben ort, wenn ſchon nicht gleichzeitig, hervorgegan-
gen ſind, ich meine Keros und Notkers arbeiten, in
manchen lautverhältniſſen ſo bedeutend von einander
ab, daß man kaum geneigt bleiben dürſte, ſie der näm-
lichen mundart zuzuſchreiben.


Althochdeutſche vocale.


Ich werde zuerſt die einfachen, dann die gedehn-
ten *), endlich die übrigen doppelten vocale abhandeln.
Die ganze reihe ſcheint vollſtändiger und mitunter fol-
gerichtiger als die gothiſche, was größtentheils aus der
mannigfaltigkeit der mundarten, zum theil von den um-
lauten, die der Gothe nicht kennt, herrührt.


(A) a, der reine laut in unzähligen wörtern (durch
ſpätere runen von dem â unterſchieden und aſk be-
nannt), völlig dem goth. a gleich, ſeine kürze noch
wirkſam in dem anhebenden und ſteigenden verdoppeln
einiger conſonanten, namentlich des darauf folgenden f
und Ʒ. Von der verwandtſchaft des lat. kurzen o ließen
ſich die beiſpiele mehren, vgl. mani, manòn, rat etc.
mit monile, monere, rota **); aber auch die von ein-
ſtimmendem a, als: aha, aran, gans, naſa, waba, fater,
palz vergl. mit aqva, arare, anſer, naſus, favus, pater,
baltens. Den Römern iſt alſo wohl zu trauen, daß ſie
in deutſchen eigennamen wie batavi, chamavi, marco-
manni, vandali, chatti, marſi, langobardi, mattium,
mannus, vangio, arpus, araris, vahalis etc. den laut
des a getroffen haben ***); in den beiden erſten zeigt
[76]I. althochdeutſche vocale.
ſich die ſilbe ba- cha- unſtreitig kurz. Zugleich geht
hervor, daß in jener frühen zeit noch an keinen um-
laut des a bei folgendem i zu denken iſt, vgl. arminius,
albis, ſcaldis, amiſia, aliſo, arpus, canninefas, aſcibur-
gium, angrivarii etc., da die Römer, wenn ſie hier kei-
nen a laut hörten, gewiß ihr e geſchrieben hätten; er-
weislich lauten gerade dieſe wörter ſpäter um, vgl.
erbe, elbe, ſchelde, ems, eſcheburg, engern. Es fragt
ſich alſo überhaupt: wann hat der umlaut des hochd.
a in e begonnen? Dies wird hernach bei dem e näher
gezeigt werden, hier ſind vorerſt aus der früheren zeit
weitere belege für die ungeſchwächte kraft des a anzu-
führen, aus Ammianus Marc.: agilimundus, hariobau-
des, laniogaiſo, carietto; aus Vopiſcus: halidegaſtes. In
den diplomen vom 6-9. jahrh. unzählige namen auf
adil- (ſt. adal), agil-, albi-, amil- (ſt. amal), ari-,
angil-, magin-, ragin- etc. in welchen ſpäter entſchie-
den das a in e umlautete. Da aber eigennamen halb
außer dem laufe der eigentlichen ſprache liegen und in
ihnen die alten laute länger haften; ſo können ſie nicht
die zeit des völligen untergangs des a in dem e lehren.
Nachſtehende belege ſind daher aus den alth. denkmäh-
lern ſelbſt geſchöpft. Die gl. ker. haben: flazzi (area)
kidrawit (minitatur) piwarjan (prohibere) furiſazzju
(praepono); die gl. hrab. alpiƷ (cignus) harjôn (praedari)
harti (durus) etc. die gl. caſſ. farhir (porci) chalpir (vi-
tuli) canſî (anſeres) hanîn (gallina) anti (et). Iſidor hat
noch: angil, gardhea (virga), ſalbídha (unctio) mahtîg
(potens) aldin (veteris) dhrîfaldin (trino) foraſagin (pro-
phetae) chiſcaftim (creaturis) bînamin (cognomine) arbes
(haereditatis) andine (fronte) chiwaldidha (poteſtas) ſtan-
dit (ſtat). Kero: ſtarchiſto (fortiſſimus) tagalîh (quotidia-
nus) managî (multitudo) kihaltida (obſervantia) lantſcaffi
(provincias) antfangida (acceptio) armida (miſeria) alti-
nôn (diſſimulare) kihalſit (amplexus) unmahtîg (infirmus)
zaharim (lacrimis) ſalmin (pſalmo) karawit (parat) armi-
hërzèr (miſericors) etc. Otfried: ganzida (ſalus) ſarphida
(acrimonia) zaharin (lacrimis) mahtin (viribus). Tatian:
arni (meſſi); doch es wäre überflüßig, in beiſpielen fort-
zufahren, meine anſicht iſt folgende. So weit die älte-
ſten quellen alth. ſprache hinaufreichen (gewiß ins 8te,
vielleicht ins 7te jahrh.) erblicken wir den reinen a
laut, ſobald ein i der endung nachfolgt, nicht mehr
ausſchließlich, wie früher, ſondern daneben den um-
laut e. Das verhältniß ſchwankt, doch vielleicht nicht
[77]I. althochdeutſche vocale.
geſetzlos, ſondern nach ſtufen. 1) wurzeln deren ā bloß
ein einfacher conſonant folgt, mögen höchſtens noch im
7ten oder anfang des 8ten den vocal vor dem umlaut
geſchützt haben, z. b. warjan (defendere) hari (exerci-
tus) halid (heros). Später hieß es werjen, heri, helid,
ſelida (manſio), ſicher im 9ten nie anders. Ausnahme
machen etwa zuſammenſetzungen, wo ſich oft das alte
(wie in eigennamen) befeſtigt; ſo hat man von pînamo,
ſoraſago den gen. pînamin, foraſagin fortgeduldet, wäh-
rend vom einfachen namo bereits nemin galt; J. 406.
ſogar alilendi (captivitas) wo ſonſt gerade das umge-
kehrte elilandi natürlicher ſcheinen müſte. 2) iſt hin-
gegen poſition in der wurzel, ſo hegt ſie den reinen
laut länger, daher noch im 8. 9ten jahrh. arbi, mahtin,
angil, -ſcaffi, arni etc. nur allmählig immer ſeltner und
neben dem umlaut. Bei Iſidor pînamin, angil, arbi;
bei Kero pînemin, engil; in gl. doc. noch paldida (au-
dacia) zurgangida (deſtructio), Otfr. und Tat. beldida,
flezzi, nezzi, Notker zegengeda. 3) über eine mitt-
lere ſilbe hin wirkt das i früher noch nicht den um-
laut in die wurzel, daher zaharî, ſtarachiſt, garawit;
in ſolchen fällen behält ſelbſt Notker, der es ſonſt faſt
beſtändig *) umlautet, das alte a bei allendî (captivitas),
garewet, bis ſich noch ſpäter auch hier der umlaut ein-
drängt, mittelh. gerwet. Je eher man ſich an die con-
traction gewöhnte, deſto leichter, daher ſchon alth.
ſterchî (fortitudo). — Die wahrnehmung dieſes natürli-
chen, in dem buchſtabenverhältniß begründeten ſtufen-
gangs ſcheint mir ſchon hinreichend die meinung abzu-
weiſen, daß der umlaut des a in e jederzeit beſtanden
habe, aber zuerſt gar nicht **), dann ungenau, endlich
durchgängig im ſchreiben bezeichnet worden ſey. War-
um ſchrieb man denn in der ungenauen zeit niemahls
hazi, halid, ſalida? oder in der älteſten niemahls ſelbi-
da, ermida? Und wirkte das i ſtets einen geſprochenen,
[78]I. althochdeutſche vocale.
wenn auch ungeſchriebenen umlaut bei dem a, ſo müſte
das nämliche für andere vocale behauptet werden, de-
ren umlaut ſpäter in ſchrift und ausſprache vortritt.
Wäre dem aber ſo, warum ſollte man ſich nicht auch,
wenigſtens zuweilen, damit abgegeben haben, ihn in
der ſchrift auszudrücken? Alth. quellen weiſen jedoch
kein beiſpiel vom umlaut des â in æ, des ô in œ, des
o in ö, des u in ü, wohl aber beginnt der des û in
iu mit dem 10. jahrh. ſchwankend. Auch ſcheint es
mir von jeher der hochdeutſchen ſchreibung eigen ge-
weſen. ſich treu und ſoweit die mittel reichen, nach
der ausſprache zu richten.


(E) e, zerfällt in zwei ganz verſchiedene laute, die
ſich in der ausſprache zwar ähnlich ſind und gewiß
in der heutigen mehr vermiſchen, als in der älteren;
noch im 13. jahrh. reimen genaue dichter wörter mit
beiderlei e nicht aufeinander. Ihre verſchiedenheit geht
aber auch deutlich aus ihrem urſprung hervor. Gleich-
wohl werden ſie niemahls von einander ausgezeichnet,
ſondern in allen alt- und mittelh. hſſ. mit dem nämli-
chen buchſtab geſchrieben. Ich war lange unſchlüßig,
welche ſchickliche bezeichnung einzuführen ſey und
trete mit dem, was ich jetzo vorſchlage *) gern zurück,
[79]I. althochdeutſche vocale.
wenn ſich eine vorzüglichere finden läßt, merke auch
ein für allemahl an, daß der unterſchied lediglich auf
das hoch- und allenfalls tieftonige e anwendbar iſt.
Von dem unbetonten und ſtummen kann gar nicht
mehr geſagt werden, ob es wie e oder ë laute, keins
von beiden würde dafür ausreichen, da es ſich ſelbſt
aus dem o, i, u und andern lauten entwickelt. Für
das tonloſe und ſtumme e werde ich mich alſo des ge-
wöhnlichen zeichens fortbedienen, es mag nun aus ei-
nem alten ë, i, o, u oder aus noch andern entſprun-
gen ſeyn. Dergleichen tonloſe e häufen ſich freilich erſt
recht im mittel- und neuhochdeutſch, zeigen ſich aber
ſchon in den älteſten denkmählern unſerer mundart,
z. b. in dem worte fater und ähnlich endenden, wo
man nie der endung -ar oder -ir begegnet. Dieſes e
iſt kein wurzelhaftes e (d. h. umlaut des a), denn wo
wäre die umlautwirkende endung i? ebenſowenig läßt
ſich darin ein ë, a, i, u mit ſicherheit nachweiſen, de-
ren es jedes geweſen ſeyn könnte. Man vergleiche die
nord. ſorm fadir; auch da ſcheint die tonloſe endung
kein eigentliches i zu ſeyn, weil ſie nicht den umlaut
des a erregt. Der Gothe kennt kein ſolches e, ſein ê
in dem gen. pl. entſpricht dem alth. ô und überhaupt
ſind alle vocale ſeiner unbetonten endungen noch ge-
nau beſtimmt, während ſie im alth. ſchon bedeutend
ſchwanken *). Hier alſo wird bloß von dem e und ë in
der wurzel gehandelt.


Das e, welches als umlaut des a, verurſacht durch
ein nachfolgendes i oder î betrachtet werden muß, hat
ſich nach dem vorhingeſagten, vermuthlich ſeit dem 6.
und 7. jahrh. entwickelt und in den folgenden fort-
ſchreitend ausgebildet, ſo daß es von dem 12. 13ten an
in jenem falle gänzlich das a vertritt. In den aufbe-
haltenen deutſchen eigennamen vom iten bis zum 6ten
findet ſich, wie im gothiſchen überhaupt, gar kein ſol-
ches e, ſondern alle ſcheinbar darin vorkommenden
weiſen ſich entw. als ë oder als ê aus. Nach dieſer
zeit fangen die e an, glaublich zuerſt in ſilben ohne po-
ſition (daher die eigennamen eribo. helidbërt, heribërt,
neribërt, werinhart, megilo, meginrât, reginhart etc.)
*)
[80]I. althochdeutſche vocale.
dann auch in poſitionellen (engilràt, nendilo, eſkirîh
u. a.). Die gl. caſſ. haben ſchon: zendi (dentes) lenti
(renes) lempir (agni). Iſidor zeigt: nemin (nominis)
hebit (habet) meghin (virtus) ſtedi (loco) redha (ratio)
edhili (genus) ſweri (jura) mendit (gaudet) chiſendit
(miſſus) wendu (verto) chimengid (mixtus) feſtinôn (fir-
mare) endi (et) heftida (fixit) nerren (ſalvare) reſtida
(manſit) etc. Kero: megi (poterit) ekî (diſciplina) fre-
midi (peregrinus) ſelida (manſio) nemin (nomine) eribun
(heredes) redja (ratio) zelita (numeravit) kremita (afflixit)
enkemu (anguſto) autlengan (reſpondere) giſpenſtim (ſua-
ſionibus) refſì (argue) unſemftî (durities) engilum (ange-
lis) ſkemmiſt (breviſſimum) etc. Das übergewicht des
e hat ſich deutlich entſchieden und es wäre überflüßig
aus ſpäteren denkmählern weitere belege beizubringen —
Überall iſt dieſes e offen und einfach wie in dem heu-
tigen: menge, ende, fremd auszuſprechen oder wie das
lat. e in perennis, ineptiae etc. welche ganz auf gleiche
weiſe für umlaute des a gehalten werden müßen. (Schnei-
der p. 9.). Es wechſelt mit keinem andern vocal, man
müſte denn das unten bei dem w näher zu beſprechende
ſchwanken zwiſchen ew und ôw hierhernehmen wollen.


Das ë lautet geſchloßen und unſicher, zwiſchen dem
i und einem doppellant ſchwebend, (wie noch heut zu
tage in: leben, degen, geld, werden und etwa das lat.
in ſex, dexter, verto, fero) ſcheint aber ſchon von früh-
ſter zeit an ſo beſtanden zu haben. Wir finden es bei
den Römern in wörtern, denen entſchieden ein i ge-
bührt, als ſëgeſtes, ſëgimêrus, ſëgimundus, hërmunduri,
hërminones, treviri, vënedi, wo aber niederdeutſche
mundarten gleichfalls ë eingeführt haben, z. b. ſëge, ſëde
(victoria, mos). Strabo ſchreibt: σεγέστης (al. σαιγέστης),
ἑρμόνδοροι, μέλων (offenbar milo) und daneben: σαιγιμῆρος
(al. σιγιμῆρος) βαιτόριτ. Dem hochd. ë entſpricht es in
hërtha und andern, vermuthlich in vëleda, gëlduba.
Dem römiſchen ohr ſchwankten dieſe wörter zwiſchen
ë und i, welches andere haben als: viſurgis, (viſara,
ſpäter wëſer) friſii (niederd. frëſen), cimbri, brinno (ein
canninefas, Tac. hiſt. 4, 15, womit das bekannte βρέννος,
Pauſan. 10, 19 etc. zu vergl.); zur näheren beſtimmung
dieſes unſicherſten lauts folgende ſätze


  • 1) ihm entſpricht das goth. (nicht ái) bei folgendem
    h und r, vergl. ſëhs (ſex) rëht (rectus) wëht (aliquid,
    gewöhnlicher wiht), ſëhan (videre) zëſawa (ſt. zëhſawa,
    [81]I. althochdeutſche vocale.
    dextera) ërren (ſeducere) bëran (ferre) fërſna (calx)
    hërza (cor) etc. Jenes αι bei Strabo für ë oder i iſt
    merkwürdig, da auch lat. ſchriftſteller das goth. und
    byzant. durch ë ausdrücken (oben ſ. 46.). Diph-
    thongen entwickeln ſich wohl aus zuſ. gezogenen ein-
    fachen vocalen mehrerer ſilben, nicht aber aus einzel-
    nen einfachen; umgekehrt treten einfache ſpäter an
    die ſtelle älterer doppellaute, wie das lat. ai, ae zu ê
    und ſelbſt zu kurzem e wird (Schn. p. 53. 55.). In
    unſeren wörtern ſcheint mir daher älter und ë jün-
    ger, letzteres iſt entſchieden kurzer, aus der miſchung
    wieder einfach gewordner laut, der zuweilen in das
    kurze i übergeht, wie die wörter ſihu (neben ſëhu,
    goth. faíhu) und miſt (miſit, früher wohl mihſit, goth.
    maihſtus) darthun.
  • 2) in den wörtern, wo dem ë kein h und r folgt, ent-
    ſpricht das goth. i, vgl. gëban, lebèn, rëgan, lëſan,
    weg, hëlfan, gëlt etc. mit giban, liban, rign, liſan,
    vigs, hilpan, gild. Manche können wir nur nicht in
    den goth. bruchſtücken vergleichen, ſo z. b. würde
    dem alth. zëpar (oblatio) ein goth. tibr entſprechen;
    überall ſcheint hier ë wiederum jünger als i theils
    weil in ganz analogen conſonantverhältniſſen das i ge-
    blieben iſt (denn warum ſollten ſibun, ligan, himil,
    gibal etc. andern geſetzen folgen als gëban, dëgan, në-
    man, nëbal etc.?) theils im niederd. die verwandlung
    in ë noch weiter umgreift (vgl. ſëven, hëmel, gë-
    bel u. a. m.).
  • 3) die innige verwandtſchaft aller alth. ë, ſowohl der
    aus dem goth. ai als i ſtammenden, mit dem i ſließt
    aus dem vortreten des i in gewiſſen flexionen und
    ableitungen der wurzeln, die das ë an ſich tragen.
    Hauptfall iſt der ſing. praeſ. ſtarker conj. vgl. wër-
    fan, wirfu, wirfis, wirſit; gëban, gibu, gibis, gi-
    bit und alle ähnlichen. Sodann ableitungen: knëht,
    giknihti (famulitium); thëgan, githigini; gëlſtar (tri-
    butum) gilſtrjo (tributarius); wëtar, giwitiri; ſtërro,
    giſtirri; ſëdal, giſidili; bërg, gibirgi; fëld, gifildi; —
    ërda, irdiſk; ſterban, ſtirbig; ſpër, ſpirili (ſagitta);
    ſcërm (defenſio) ſcirmen (defendere); bëran, birig (fer-
    tilis); ferro, irſirrên; hërza, gahirzan (concordare) etc.
    Hier entſpringt die bedenkliche frage: gibt es einen
    umlaut des ë in i? ſcheinen die angeführten fälle
    nicht andern, wo der umlaut offenbar iſt, analog?
    F
    [82]I. althochdeutſche vocale.
    nämlich in der conj. dem praeſ. malan, malu, melis,
    melit etc. in der ableitung dem man, menniſk; haſal
    heſilîn (colurnus), tanna, tennîn (abiegnus). Näher
    erwogen vermag ich keinen umlaut des ë in i
    anzunehmen, a) der umlaut trübt den reinen vocal, i
    aber iſt ſelbſt einfacher, reiner laut. b) die endung i
    müſte dann überall das ë umlauten, nie aber wird
    man zu hërza den gen. hirzin finden. c) die endung
    i lautet a in e um, faran, ferit, ferjan (transfretare);
    aber ſo bald ſie wegfällt, hört der umlaut auf, daher
    faru (veho) und im imp. far! mal! (mole). In unſern
    fällen waltet alſo ein anderes geſetz, denn es heißt
    neben gibit, wirfit auch gibu, wirfu, gip! wirf! Die
    ableitungen irfirrên, gahirzan zeigen ebenſowenig ein
    endungs-i. — Aus dieſen gründen halte ich das mit
    ë wechſelnde i für keinen umlaut, vielmehr für den
    in gewiſſen flexionen und ableitungen länger haften-
    den, urſprünglichen laut, der von der endung unab-
    hängig ſich zuweilen noch feſter erhalten (z. b. durchs
    ganze verbum ligan), zuweilen ungeachtet der endung
    verloren hat (z. b. von knëht heißt das adj. knëhtiſk,
    nicht knihtiſk). Vgl. was unten über die ähnliche er-
    ſcheinung des u ſtatt o, des iu ſtatt io geſagt wer-
    den wird.
  • 4) die beobachtung des richtigen lautes e und ë unter-
    ſcheidet viele wörter, z. b. bëro (urſus) beri (bacca);
    hëra (huc) heri (exercitus); namentlich ſtarke verba
    von den abgeleiteten ſchwachen z. b. ginëſan (ſanari),
    ginerjan (ſanare); gizëman (decere), gizemjan, (do-
    mare); bëran (ferre), berjan (ferire) etc.
  • 5) einige doch ſeltene übergänge des ë in o erinnern
    an das parallele angelſ. eo und die oben ſ. 44. bemerkte
    verwandtſchaft des lat. o, überhaupt aber an das ab-
    lautsverhältniß zwiſchen nëman und ginoman. Ein
    merkwürdiges beiſpiel iſt Otfrieds worolt, da alle an-
    deren alth. quellen wëralt haben. Aehnlich wola
    (bene) O. T. N. und wëla K. gl. jun.; ſo wie das ſubſt.
    wolo (opes) altſ. wëlo, angelſ. wëla; oder muß ſtatt
    ë ein ê ſtehen? vgl. goth. váila und im verbum das
    ältere wëllent mit dem ſpäteren wollent, wobei das
    lat. bonus und bene (mit kurzem e), volo und velle
    ſelbſt erläutern. Vgl. oba (num) goth. ïba, nord. ëf,
    und das alth. wëhha (hebdomas) goth. vikô mit dem
    mittelh. woche; endlich das alth. quëman und quëna
    [83]I. althochdeutſche vocale.
    mit dem mittelh. komen und kone. Die formenlehre
    wird fernere belege liefern, z. b. in dem pronom.
    nihhein und nohhein.

(I) i ſteht dem goth. i gleich. hat aber beſchränktern
umfang *), da, wie wir eben geſehn, viele goth. i zu
alth. ë geworden ſind. Dabei macht ſich wieder die
vorhin beim a mitgetheilte bemerkung geltend, daß vo-
cale mit folgendem einfachen conſ. den laut leichter
wechſeln, die mit poſition ihn länger halten, vgl. gëban,
wëban, ëban, wëg, thëgan, rëgan, hëlan, ſtëlan, nëman,
wëſan, lëſan etc. wo im goth. i ſteht und andrerſeits wildi,
willo, zimbar, bindan, windan, ring, hinkan, ginnan,
plint, thinſan, rippea, fiſk etc. Nur laßen ſich doch
nicht alle fälle hiernach regeln; ausnahmen treten auf
beiden ſeiten über. So ſind die formen id meiſtens dem
i treu geblieben, als nidar, widar, fridn, lidî (membra),
ausgenommen qvëdan (dicere) **); einige auf ib, als:
biba (tremor) ſibun, nebſt andern namentlich einſilbigen
und partikeln: himil, in, miti, hina, ir (ex); pronomina
mir, dir, is (ejus) imu, im, inan, ira, iru, aber im
nom. ër und ëz (goth. is, ita) ſo wie zër- (goth. dis-).
Einige ſchwanken nach verſchiedenheit der denkmähler,
z. b. ſcif (navis) O.; ſcëf M. T. N. gl. hrab. jun. und
Ried no. 43. — die alten runennamen haben noch gibu
ſt. des ſpäteren gëba (donum), ebenſo wechſeln wiſſa und
wëſſa (ſcivit) etc. — in gewiſſen flexionen und ableitun-
gen tritt das alte i hervor, wie oben beim ë angemerkt
worden iſt, es mag poſition in dem wort ſeyn oder nicht,
eben ſo bleibt in den ablauten midun, ritun, ſcinun etc.
das i ſtets unverſehrt und geht nie in ë über. Endlich
merke man, daß einige alth. i auch dem goth. ent-
ſprechen, alſo in den formen ih und ir, vgl. fihu, hirtî,
wirs (pejus); ſogar pittar dem goth. ái in báitrs
(ſ. oben ſ. 45.)


(O) o, wird gleich dem e in den runen nicht aus-
gedrückt, mangelt auch in der gothiſchen ſprache ***).
F 2
[84]I. althochdeutſche vocale.
Es verhält ſich genau zu dem u, wie das ë zu dem i,
nämlich beide o und ë ſcheinen abweichung von dem
urſprünglichen u und i; gerade wie bei folgendem h
und r das goth. in das nämliche ë übertrat, ſo ent-
ſpricht in gleichem fall dem goth. aú das alth. o; end-
lich wie dort ſchwankt auch hier die verwandlung und
ausnahmsweiſe hat ſich das alte u erhalten.


  • 1) ſchon die älteſten von den Römern aufbewahrten for-
    men der deutſchen eigennamen zeigen dieſes o, vgl.
    marobodvus, gothini, gothones, oſi, foſi, moſella,
    moſa *); Strabo ſchreibt ἑρμόνδοροι ſtatt hermunduri.
  • 2) dem goth. entſprechen die formen: ohſo. tohter.
    giboran (natus) fora. horn. morgan. ſoraga. wort; dem
    goth. u hingegen: got. opaſa (porticus). ofto. fogal.
    folo (pullus) molta (terra) olbenta. woldar (gloria).
    wolf. wolla. gomo (vir) hort (theſaurus). Viele behal-
    ten das alte u, in denen allmählig auch o eintritt,
    vgl. die neuh. ſohn, ſonne, ſollen, fromm etc. dieſe
    progreſſion des o iſt mir der ſtärkſte beweis ſeiner
    unurſprünglichkeit **). Daher formen wie: obana,
    lobôn, hof (curia) bogo (arcus) holz, phoſo (mar-
    ſupium) hoſa (braca) u. a. wozu uns die goth. ver-
    gleichung abgeht, ebenſo unzweifelhaft auf ein älte-
    res u weiſen.
  • 3) zwar nicht in der conjugation (weil es kein o im
    ſtarken praeſ. gibt) aber doch in andern flexionen und
    ableitungen bricht das alte u, (wie vorhin das i aus
    dem ë) hervor. Man erwäge: mordar (homicidium),
    murdrjo (homicida) horn, einhurnjo (monoceros); thorn,
    thurnîn (ſpinoſus) wolf, wulvîn (lupinus); gold, guldîn;
    wort, antwurti; hold, huldî; fora, furi; holz, hulzîn;
    ***)
    [85]I. althochdeutſche vocale.
    zorn, zurnen; korn, folkurni; fogal, fugali; loch,
    lucha; thorrên (areſcere) thurri (aridum); ros (equus)
    ruſſîn (equinus); horo (lutum) hurwîn (luteus); horſkî
    (induſtria) hurſgjan (incitare); pocch (caper) pucchîn
    (caprinus); tobal (vallis) gitubili (convallis) etc. Auch
    hier iſt weder umlaut, noch rückkehr des alten lauts,
    ſondern feſthaften deſſelben, durch gewiſſe biegungen
    und ableitungen verurſacht *). Wir werden gleich
    ſehen, daß, ohne eine endung i, das alte u in den
    ablauten zugun, wurfun, bundun (wie das i in ritun)
    ebenfalls geblieben iſt, bis das vorrückende o im neuh.
    endlich zogen, noch nicht worfen, bonden, aber im
    niederd. auch worpen und bonden bewirkte.
  • 4) des in o übergehenden ë iſt vorhin beim ë gedacht,
    aber beſondere erwägung verdienen noch die wörter
    auf on: tonar (tonitru), wonên (habitare) und fona
    (praep.). Letzteres fehlt dem goth. nord. und angelſ.
    ſtamm völlig und der niederd. hat fan. Dieſes a zeigt
    auch Notker in wanên (K. T. haben wonèn) ſo wie
    das nord. vanr (aſſuetus) und umlautend venja (con-
    ſuetudo). Ein u hingegen gewährt das angelſ. dunor
    (tonitru) und vunjan (manere), auch das nord. dyn
    und dunr. Da ſich nun auch aus quëna ſpäter kone
    entwickelt, vgl. das nord. kona und angelſ. cvën, ſo
    vermuthe ich für alle dieſe wörter längſt verlorene
    ſtarke ſtämme, die gleich dem goth. niman, nam, nu-
    man gehabt haben: winan, wan, wunan; dinan, dan,
    dunan. Jenes o darf alſo aus einem frühern u und a
    geleitet werden. Man halte hierzu das vorhin ſ. 75.
    über den wechſel zwiſchen a und o (wamba, womba;
    durnaht, durnoht) beigebrachte; ein weiteres beiſpiel
    gibt die copula joh, die bei J. K. O. N. ſo und nicht
    jah, wie im goth. lautet; bloß die exhort. lieſt ja und
    in beiden hſſ. (Vgl. nachher über das ſchwanken der
    diphthongen ia und io).

(U) u, die runiſche gleich der gothiſchen ſchrift
bedient ſich für das kurze u keines eigenen, ſondern
des zeichens, das eigentlich für das lange gilt. Dieſer
laut hat im alth. nur geringern umfang wegen der vielen
übergänge in o. Auch hier erſcheint vorzugsweiſe das o
zunächſt in wurzeln mit einfachem, ſpäter in denen mit
[86]I. althochdeutſche vocale.
doppeltem conſonanten, vgl. bei Tacitus: brùcteri, dul-
gibini, tungri, luppia, neben: tubantes, ubii, uſipii,
burii, gugerni, rugii, deren erſte ſilbe jedoch proſodiſch
ungewiß iſt; in den meiſten fällen würde ich eher lauge
û annehmen, tûbantes, ûbii, bûrii. In althochd. denk-
mählern: lobôn, obana, fogal, nol, holir, folo, lolâri,
goman, honec, boto, herizoho, got, neben: ubil, hugu,
buhil, thulen, mulen, ſculan, fruma, ſumar (aeſtas),
ſum (quidam) furi; in den ablauten zugun, bugun etc.
heißt es ſtets u, in ginoman, gizogan, holſan, giboran
ſtets o. Auf der andern ſeite: fuhs, luhs, druhtin, ſuht,
zuht, ginuht, hrucki, mucka, abulg, ſpulgen (ſolere)
ſtulla (hora) krumb, dumb, ſtumm, kumft, numft, zumft,
kunni, grunnî (calamitates) brunno, ſunna, wunna,
unda, hungar, zunga, kunſt, brunſt, ſtunta, ſuntar,
wunta, ſunta, uns, runs, funs, kuphar, wurm, giburt,
thurft, thurri, ſcurgan (trudere), burg, kurbiƷ, wurz,
luſt, bruſt, akuſt, nuƷƷî (nuces) fluƷƷî, puƷƷi (putens) etc.
woneben das o in: wolf, wolkan, morgan, thorf. ſtor-
nên, mornên, horn, zorn, dorn, korn, ſcorrên, thor-
ren, ſo daß ſich alſo nach dopp. r und einem auf r fol-
genden conſ. das o vorzüglich gern entwickelt, was auf
das goth. weiſt. In den ablauten hulfun, wurfun
bleibt das u und aus dem ablautsverhältniß muß er-
klärt werden, warum einigemahl das u dem goth.
gleich zu ſtehen ſcheint, vgl. thurah (per) mit þaírh,
nämlich thurah iſt eigentlich þaúrh.


(AA) â, in den ſächſ. runen âc (quercus) benannt,
welcher name für kein alth. â paſſend war, weil hier
die form eih lautet und das angelſ. â dem alth. ei (goth.
ái) entſpricht. Dieſe berührung zwiſchen ei und â ver-
mittelt aber auch die identität des alth. â mit dem goth.
ê, deſſen übergang ins goth. ei oben bemerkt worden
iſt; man erwäge ferner das mittelniederl. ae für â und
den mittelh. umlaut des â in æ. Nach allem dieſem
wird das ſchwanken des â in ae, ai und ê ganz natür-
lich ſcheinen. Wirklich weiſen auch einige von den
Römern bewahrte eigennamen auf einen laut hin, der
mehr dem goth. ê, als dem alth. â gleicht. Hierher gehö-
ren ſuêvi und chêruſci, die ſicher kein kurzes ë haben,
wie ſchon Strabo’s ſchreibung σόηβοι und χηροῦσκοι lehrt
(der ſpätere Claudian, IV. conſ. Hon. v. 451. gebraucht
che- fälſchlich kurz). Jener volksname lautet alſo alth.
ſuâbâ und mittelh. ſwâbe, welches die reime gâbe:
[87]I. althochdeutſche vocale.
Arâbe; ſwâben: gâben (donis, dabant) unwiderſprechlich
darthun. Die bildung chêruſc wäre das alth. hâruſk oder
hâriſk und könnte von hâr abgeleitet, ſo viel als piloſus
bedeuten *). Das dritte wort, das in betrachtung
kommt, iſt rhênus, ῥήνος, dem jedoch die alth. form
rîn (? hrîn) ausgemacht zur ſeite ſteht, folglich kein rân;
aber ein goth. reins (hreins) ließe ſich füglich mit rêns
(hrêns) vereinbaren; in allem fall muß man die ablei-
tung von rinnan (fluere) aufgeben, hrînan (tangere, aber
auch mugire) hat näheren anſpruch.


Es ſcheint mir nützlich, die alth. wörter mit dem
diphth. â hier ſo vollſtändig als möglich anzuführen,
außer den ablauten und endungen â, ſind es folgende:
ſuâb (ſuevus) nâdala (acus) ginâda (gratia) ſcâf (ovis)
wâfan (arma) ſlâfan (dormire) bâga (lis) frâga (quaeſtio)
wâga (libra) lâga (inſidiae) wâg (fluctus) mâg (affinis)
wâgan (audere) trâgi (tardus) nâh (prope) ſcâh (praeda,
ludus latr.) dâha (teſta) gâhî (feſtinatio) ſmâhî (dedecus)
krâha (cornix) zâhi (tenax) ſpâhi (prudens) wâhi (exi-
mius) mâhal (cauſa, ſignum) ſtâhal (chalybs) fâhan (capere)
hâhan (ſuspendere) plâhen (inflare und balare) krâhen
(crocitare) mâhen (ſecare foenum) nâhen (ſuere) ſmâhen
(vituperare) drâhen (torquere) ſâhen (ſeminare) tâht (el-
lychnium) brâhtun (attulerunt) lâhhi (medicus) brâhha
(ager quieſcens) ſprâhha (lingua) ſcâhhâri (latro) âl (an-
gnilla) duâla (mora) quàla (nex) zâla (periculum) ſtrâlâ
(tela) hâli (lubricus) ſâlida (beatitudo) mâlôn (pingere)
jâmar (miſeries) brâmo (vepris) ſâmo (ſemen) tâmo (dama)
râmên (tendere) nâmi (acceptus) gizâmi (decens) biquâ-
mi (conveniens) gân (ire) wân (flare) wân (ſpes) ſpân
(aſſula) gitân (factus) ſëltſâni (rarus) âno (ſine) mâno
(luna) mânôt (menſis) **) hâr (crinis) jâr (annus) wâr
(verus) ſâr (illico) bâra (feretrum) fâra (dolus) ſcâra (vomis,
falx) thâra, thâre (illuc) ***) lâri (vacuus) mâri (famoſus)
[88]I. althochdeutſche vocale.
ſuâri (gravis) gilâri (aedes), alle ſubſt. auf -âri, alle adj.
mit -bâri; z. b. egibâri (terribilis); pâpiſt (papa) *)
ſuâs (proprius) kâſi (caſeus) blâſan (flare) fnàſan (anhe-
lare) flât (pulcher) pfât (padus) tât (factum grât (ſpina)
rât (conſilium) wât (veſtis) ſât (ſatio) drât (filum ferri)
nât (ſutura) gât (it) ſtât (ſtat) drâti (vehemens) ſpâti (ſe-
rus) ſtâ [...]í (ſtabilitas) grâtag (avidus) âtum (ſpiritus) brâ-
tan (aſſare) zâta (coma, lanugo) ſcrâto oder ſcrâti (fau-
nus) grâvo (comes) râvo (tignum) mâƷa (moderatio)
râƷa (favus mellis) ſtrâƷa (ſtratum) râƷi (vehemens)
trûhfâzo (dapifer) lâƷan (ſinere) grâƷan (eiulare) firwâ-
Ʒan (maledicere) ſâwen (ſerere) grâwân (caneſcere) chlâ-
wa (ungula) brâwa (ſupercilium) pfâwo (pavo) lâwêr
(tepidus) plâwêr (coeruleus) grâwèr (canus). Einige hier
nicht angeführte ſind zweifelhaft und vielleicht ſchwan-
kend **). So muß man zwar nach dem mittelh. u.
nord. ein jâ (immo) folglich auch gijâzen (conſentire)
annehmen; das goth. ja (vgl. jai) ſtimmt aber für den
kurzen vocal und der lange ſcheint ſich erſt allmählig
eingedrängt zu haben (vgl. unten über einſilbige aus-
laute î und û, die frühere i und u verrathen). Außer
jâ findet ſich kein alth. einſilb. wort mit dem auslaut â,
nämlich grâ (canum) lâ (tepidum) plâ (coeruleum) etc.
ſtehen nur mit dem kennzeichen grâwaƷ oder grâwêr.
Unleugbar entſpringt das â in manchen fällen aus der
zuſammenziehûng, z. b. gât ſteht für gangit, ſtât f. ſtan-
dit; dannân N; danân K. 2. a 26 a; inân (eum K. 24 b);
ûƷân gl. jun. 26. für danana, inana, ûƷana. Daß bei
ausgeſtoßenem n der kurze vocal lang werde, wenn er
betont iſt, wird hernach bei den liq. näher beſprochen
werden. Anderemahl ſcheint h auszufallen, wofern ich
[89]I. althochdeutſche vocale.
N. drânen (lacrimis) aus drahenen richtig deute. Allein im
alth. ſcheint ſchon die volle form das â zu beſitzen, z. b.
ſtâhal, mâhal (goth. mêl, nord. und mittelh. mâl) neben mâl;
oder iſt ein ſtahal, mahal erweislich? fahan, hahan ſollte
man freilich nach dem goth. fahan, hahan muthmaßen;
der nie eintretende umlaut (es heißt nie fehit, ſlehit,
ſtets fâhit, hâhit), beſtimmte zeugniſſe (faaho, captator
gl. hrab 951 b) und die mittelh. analogie entſcheiden für
fâhan, hâhan; der lange vocal entwickelt ſich alſo erſt
allmählich nicht urſprünglich aus der zuſammenziehung.
Daher das goth. fahan für juhiza, nicht jûhiza ſpricht.
Steht bichnâ (cognoſcat) J. 348 für bichnahe? oder hat
es mit bichnâhen und den übrigen aufgeſtellten in
-âhen *) und -âwen richtigkeit? Unbeſtreitbar ſind
die praet. chnâta, nâta, krâta etc.


In vergleichbaren lat. wörtern entſpricht außer dem
ê (ſêmen, ſuêvus, vêrus, μῆνη) das lange â ſtrâtum,
câſeus, dâma, pâpa) ein kurzes in padus. — Der unter-
ſchied zwiſchen a und â iſt höchſt wichtig, und ohne
ihn fielen wörter zuſammen, die nichts gemein haben
oder wenigſtens im verhältniſſe des lauts und ablauts
ſtehen, vergleich: ſalida (manſio) ſâlida (felicitas); rat
(rota) rât (conſilium) rato (lolium); haru (linum) hâr
(crinis); lahhan (linteum) lâhhan (medicina); wan (va-
cuus) wân (ſpes); ano (avus) âno (ſine); malan (molere)
mâlôn (pingere) ſcara (agmen) ſcâra (forceps); zala (nu-
merus) zâla (perditio); magu (puer, übrig in magazogo
und magad, puella) mâg (aſſinis); wagan (currus) wâ-
gan (audere) faran (ire) fârên (inſidiari); nam (cepit)
nâmi (acceptus) manên (monere) mânin (lunae) ſamo
(ceu) ſâmo (ſemen) clawêr (ſollers) lâwêr (tepidus) etc.


(EE) ê; hat mit dem goth. ê nichts gemein, kommt
außer den endungen in ſehr wenig wörtern und nur
in einem ablaut vor. Die endungen ê können erſt in
der formenlehre erörtert werden. In den übrigen fällen
iſt das alth. ê offenbar zunächſt dem ei verwandt, in
einigen ſchwanken beide, (wie das goth. ê und ei eben-
falls.) Hiernach ſteht unſer ê meiſt dem goth. ái und
angelſ. â parallel, welches die in den drei mundarten
verglichenen wörter lehren. Bei näherer betrachtung
[90]I. althochdeutſche vocale.
zeigt ſich, daß ê nur in drei fällen ſich aus dem ei
(goth. ái) entwickelt, und außer ihnen ei bleibt, höch-
ſtens ausnahmsweiſe in ê überſchwankt. Jene find
folgende:


  • 1) bei urſprünglich auf das ei folgendem, gewöhnlich
    aber weggeworfenem oder in den vocal o und u auf-
    gelöſtem w (goth. v). So ſtehet ſêo (mare) hrêo (ca-
    daver) hlêo (latibulum) chlêo (trifolium) ſnêo (nix)
    ſêola (anima) êa (lex), ſlêaƷ (hebetatum) *), erſtens für
    ſêu, hrêu etc., wie ſich namentlich ſêula (J. 366.) vor-
    findet, dann für ſêw, hrêw, hlêw etc. wie ſich wie-
    der, ſobald ein folgender vocal den conſ. ſchützte,
    wêwo (dolor) êwîn (aevum) lêwes (mali) ſlêwen
    (hebeſcere) êwa (lex) vorfindet, endlich alle dieſe für
    ſeiw, hreiw, hleiw, chleiw, ſneiw, eiw, ſeiwla, eiwa,
    ſleiwaƷ, weiwo, welche den goth. formen ſáivs, hráiv,
    hláiv, ſnáivs, áiv, ſáivala ſichtlich gleichkommen.
    Jene abſtumpfung ſchreitet aber noch weiter fort und
    bald zeigt ſich, im mittelh. entſchieden, ſê, rê, lê,
    klê, ſnê, ê (lex) ſêle. Die alth. interj. wê lautete
    ſchon goth. vái, mit ihr ſind componiert: wênag, wê-
    lih, beide: pauper, miſer bedeutend; vgl. die interj.
    ſê (ἰδοὺ) J. und K; goth. ſái.
  • 2) bei folgendem h. Hierher gehören die ablaute zêh,
    thêh, lêh, ſpêh, für ein früheres zeih, theih, leih,
    ſpeih; da ſich letzteres verbum häufig in der form
    ſpê zeigt, ſo kann man es dem vorigen fall beizählen
    und aus ſpêv, ſpeiv ableiten, was dem goth. ſpáiv
    gemäß iſt. Ferner: rêho (capreolus) zêha (digitus
    pedis) flêha (precatio) ſlêha (prunus ſpinoſa), das
    vom praet. lêh ſtammende ſubſt. lêhan (foenus), fêh
    (multicolor) — früher wohl reiho (noch findet ſich
    reia, caprea) zeiha, fleiha, leihan, feih.
  • 3) bei folgendem, urſprünglichem ſ, das ſich aber in r
    verwandelt hat, kurz in wörtern, wo dem alth. êr
    ein goth. áis begegnen muß, namentlich alſo êr (aes)
    gêr (telum) ſêr (dolor) mêr (magis) hêr (illuſtris) êra
    [91]I. althochdeutſche vocale.
    (honor) lêran (docere) kêran (vertere), das mittelh.
    rêren (fundere) finde ich nicht. Parallele goth. wör-
    ter ſind áis, máis, láiſjan *); die übrigen kommen
    nicht vor, ich zweifle kaum, daß goth. wörter wie
    gáis (telum) ſáis (dolor, vulnus) áiza (honor) áiſjan
    (honorare) beſtanden haben **). Sonderbar erſcheint haz-
    jan (laudare) neben hêr und hêren (illuſtrare), das goth.
    wort wiederhohlt ſich aber zu oft, als daß an einen
    ſchreibf. für haiſjan zu denken wäre, vielleicht ſind
    beide formen unverwandt. Zweifelhaft bin ich, ob
    dem alth. êr (prius) das ê gebührt, indem das goth.
    aír (nicht áis) ër erwarten läßt und die mittelh. ver-
    kürzung ê nicht entſcheidet, ſelbſt nicht die ſchrei-
    bung ęr, aer (im Iſidor); Notker circumflectiert êr
    und êriſto (primus). — Da wo das frühere ſ geblie-
    ben und nicht in r übergegangen iſt, zeigt ſich auch
    kein êſ ſondern eiſ, als: freiſa (periculum) meiſa (pa-
    rus) keiſar (caeſar) etc. Notker hat inzwiſchen die
    interj. lês, und êſchôn neben eiſkôn (poſtulare).

Die ganze entwickelung des alth. ê aus dem ei,
welchem v. h. ſ. folgen, gewährt ein willkommnes zeug-
niß für die identiſche natur dieſer drei ſpiranten über-
haupt; ihr hauch ſcheint das i des diphthongen zuerſt
aufzulöſen, das ei in ee (ê) zu verwandeln. Vor ande-
ren, leiblicheren conſonanzen duldet die alth. mundart
noch kein ê, ſondern bewahrt das ei; wir werden her-
[92]I. althochdeutſche vocale.
nach ſehen, daß die niederdeutſche *) weiter gieng;
doch ſcheinbare ausnahmen wären das alth. pêde (ambo)
und zuêne (duo), jenes zuſammengezogen aus peiode,
pejôde (vgl. mânôd, goth mênôþs) ſo daß hier das j
dem h nicht weit abſtünde (vgl. wê, wêha und oben
ſ. 70. die note über bajôþs und vaja); zuêne hingegen
dürfte aus zueihne. zuêhne entſpringen, inſofern ſich ein
goth. tvá[i]hnai, tváihnôs näher begründen ließe. Mehr
von allem bei den zahlwörtern; pêde ſchwankt auch
noch in peide.


Alth. hſſ. pflegen dieſes ê zuweilen ae und ę zu
ſchreiben, welches nicht mit dem mittelh. umlaut des
â in æ zu vermiſchen iſt. Die gl. hrab. 962a kalaert
(ernditus) 952a zaeha (articula) 956a aerwirdig. 951b laeo.
Bei J liefert oft dieſelbe ſeite beiderlei ſchreibung,
vgl. 408 ęrwirdîg und aerwirdîg. 371 hęrduom 387 haer-
duom 397 aewîn, 398 aewun und ewen **). Gleichzei-
tige lat. hſſ. ſetzen ę gleichbedeutend mit ae, welcher
laut auch wirklich dem alth. ê und ſeinem urſprung
aus ei und ái zumeiſt entſpricht, ſ. oben ſ. 86.; in die-
ſer hinſicht führe ich noch an, daß alth. diplome des
7. 8. 9. jahrh. ae ganz richtig in eigennamen ſchreiben,
denen unſer ê gebührt, vgl. herigaer, wâlgaer, hûngaer,
teutgaer bei Neugart no. 11. 23. 34 etc. Die häufigen
mit -gêr zuſammengeſetzten namen, als gêro (kêro)
nôtgêr (notkêr), amalgêr etc. weiſen auf jenes ältere
geir, goth. gais zurück, welchem die formen radagai-
ſus (comes Marcellin. p. 14.) gaiſericus (Idatius p. 17.)
laniogaiſus (Amm. Marcell.) gaiſo (conſul im jahr 351.)
gaiſo (comes, Greg. tur. 9, 30.) neue beſtätigung bringen.


Einige alth. denkmähler ſetzen zuweilen ê für ie,
nach niederdeutſcher weiſe, welche beides, ei und das
umgekehrte ie, in ê zuſammenfallen läßt. So I. 367. 385.
fênc für fienc; gl. hrab. 952b 964a 968b wêlîm (fervere-
mus) zêrî (decus) fêl für wielîm, zierî, fiel; gl. monſ.
359. fênc, 325. wêlun, 346. plêſot etc. K. O. T. N. ha-
ben dies ê für ie niemahls; mehr darüber beim ia und ie.


[93]I. althochdeutſche vocale.

(II) î (mit dem runiſchen namen îs glacies). die-
ſer doppelvocal macht keinen anſtand, entſpricht be-
ſtimmt dem goth. ei und ſchwankt in keinen verwandten
laut über *). Außer den endungen beiſpiele in der ſtar-
ken conjugation; hier noch einige andere: bî (praep.)
brî (puls) blî (plumbum) drî (tres) frî (liber) ſî (ſit) ſî
(illa bei N.) pîa (apis zweiſilbig) chlîa (furfur zweiſilbig)
lîb (corpus) wîb (femina) lîd (potus) blîd (laetus) nîd
(invidia) rîfo (pruina) pîga (acervus) lîh (caro) hîha (ſponſa)
wîh (ſacer) rîhhi (regnum) îla (feſtinatio) mîla (milliare)
zîla (linea) huîla (tempus) fîla (lima) rîm (numerus)
kîmo (germen) mîn. dîn. ſîn. ſuîn (ſus) pîna (cruciatus)
fîra (feſtum) îs (glacies) hrîs (virgultum) îſarn (ferrum)
ſpîſa (cibus) wîſo (dux) zît (tempus) wît (amplus) hîu
(familia, zweiſilbig) îwa (taxus) huîƷ(albus) flîƷ (ſolertia)etc.
Ohne die beachtung des unterſchieds zwiſchen einfachem
und doppeltem i wird man viele formen und wurzeln
vermengen, z. b. pî (praep.) K. 27b pi-(partikel) rîtan
(inf.) giritan (part.) wiӡan (ſcire) wîӡan (imputare) lid
(membrum) lîd (potus) wis (eſto) wîſi (ſapiens) und eben
ſo genau muß man vom î den andern doppellaut ei tren-
nen, vgl. lîm (gluten) leim (argilla), hnîgan (cadere)
hneigan (flectere), ſuîn (ſus) ſuein (puer, famulus),
wîƷan (imputare) weiƷan (praebere) huîƷ (albus) hueiƷi
(triticum) wîh (ſacer) weih (mollis) etc. — Hiſtoriſch
wichtig iſt die wahrnehmung, daß î zuweilen auf ein
älteres i zurückführt (vgl. oben ſ. 88. über jâ und ein
älteres ja), namentlich auch hier in einſilbigen wörtern,
oder da wo das i die wurzelſilbe ſchließt. So entſpricht
pî (praep.) dem goth. bi (nicht bei) hat ſich aber in der
vorpartikel pi- kurz erhalten. Die betonung der wur-
zel ließ allmählig die kürze des vocals überhören und
wandelte ihn endlich in einen gedehnten. Ferner mag
in frî, ſî, pîa, chlîa vorher ein kurzes i geweſen ſeyn
und vermuthlich iſt in der vollen form fri-jêr, fri-gêr,
pi-ja, pi-a geſprochen worden, daher alth. neben pîa
auch pina (nicht pîna); îla (feſtinatio) ſteht in den monſ.
gl. und ſonſt illa (? ilja) geſchrieben und illan könnte
[94]I. althochdeutſche vocale.
dem goth. ïddja verwandt ſeyn. (vgl. unten gemination
der liq.). Ganz offenbar wird das alte i in figidôn (ze-
lari) gl. monſ. 349. 365.) figida (periculum) 386 und figinda
(inimici, bei N. neben fìanta) ſtatt fijidôn, fijandôn
(odiſſe); ferner in higinnes-luſt (delectatio carnis) N. 7, 10.
ſt. hijannes, hîannes?


(OO) ô. Die nord. runen legen dem ô nur ein zeichen
und einen namen bei, nämlich ôs (auch lat. ôs, ôris);
die ſächſiſchen haben zwei zeichen und zwei namen,
nämlich ôs und ôþel. Das zeichen des letztern hat of-
fenbar die geſtalt des goth. ô, folglich auch deſſen be-
deutung, ſteht alſo dem alth. ô nicht parallel, ſondern
dem alth. uo (ua), wie ſchon der name ôþel zeigt, wel-
cher alth. uodal, uadal, uodil (patria) lautet. Unſer
alth. ô entſpricht zumeiſt dem goth. àu; ob es auf jene
erſte ſächſ. rune anſprüche hat, wage ich nicht zu ent-
ſcheiden, bevor ſich die form ôs in einer alth. quelle
oder ein goth. áus nachweiſen läßt, was bisher noch
nicht der fall iſt; bezweifeln kann man es ſogar, weil
dem goth. àu, alth. ô das angelſ. gleich iſt, mithin
der name eás, nicht ôs lauten ſollte.


Das alth. ô fordert folgende nähere beſtimmung


  • 1) wie ſchon ë und o, wegen ihres urſprungs aus i (aí)
    und u (aú) unverkennbare ähnlichkeit zeigen, ſo ver-
    gleicht ſich auch dem ê das ô. Nämlich ê entwickelte
    ſich aus ái (ei) bei folgendem h. ſ (r). v; in den übri-
    gen fällen blieb ei; ähnlich entwickelt ſich ô aus dem
    áu bei folgendem h. ſ (r) und weiter d. t. Ʒ. n; in
    den andern fällen namentlich vor b. f. g. hh. m *)
    bleibt au (ou) beſtehn. Die entwickelung des ô
    ſcheint bloß etwas mehr vorgeſchritten, als die des ê.
    Dieſem au und ô, ei und ê entſpricht noch meiſten-
    theils das neuhochd. au und oh, ei und eh.
  • 2) beiſpiele des au (ou) werden hernach unter dieſem
    diphth. vorgelegt werden. Das ô ſteht vor ſpiranten
    und dentalen, alſo auch vor dem das frühere ſ er-
    ſetzenden r, dann vor der liq. n, alſo nicht vor den
    labialen p. b. f. den gutturalen k. g. hh. und den liqui-
    den l. m. Es ſteht auch gleich dem ê auslautend,
    meiner meinung nach nur in: frô (dominus) frô (lae-
    [95]I. althochdeutſche vocale.
    tus) ſtrô (ſtramen M. 335. 339.) wo ein h oder w
    hinten abgeſtreift iſt, frô für frôho, frô und ſtrô für
    frôw, ſtrôw, früher wohl frauho (oder fraujo) fraw,
    ſtrawi, gerade wie vorhin ſê, wè etc. erklärt wurde.
    Der hiatus ôa in drôa (onus) frôaƷ (laetum) etc.
    Die weiteren fälle ſind: ôdo (forte) ôdi (vaſtatus)
    plôdi (verecundus) prôdi (fragilis) ſnôdi (vilis) tôd
    (mors) hôh (altus) flôh (fugit) zôh (traxit) fôhe
    (pauci) nôna (hora nona) lôn (merces) hônida (ma-
    cula) ſcôni (pulcher) frôno (ſancte) bôna (faba) rôr
    (arundo) trôr (ſtilla) môrî (aethiopes) ôra (auris) hôr-
    jen (audire) lôs (liber) lôs (perdidit) chôs (elegit)
    rôſa (roſa) bôſi (pravus) trôſt (ſolatium) ôſan (hau-
    rire) ôſtra (paſcha) ôſtana (ex oriente) nôt (neceſſi-
    tas) brôt (panis) rôt (ruber) bôt (obtulit) und ähn-
    liche ablaute, ôtag (dives) ſcrôtan (molere) ſtôƷan
    (ferire) grôƷ (magnus) anapôƷ (incus), pîpôƷ (artemi-
    ſia) nôƷ (cepit) und ähnl. ablaute. Die auf ôw un-
    ten beim inlaut w.
  • 3) ſtatt dieſes ô zeigen in denſelben wörtern die gl.
    hrab. und Hild. lied das dem alten au nähere ao, als:
    ſtrao, thraoa, taod, plaodi, aodo, laon, ſcaoni, dorn-
    laoh (974 a) haoh, zaoh, raor, haoren, laos, naot,
    aotmali, ſcraotan, ſcaoƷ *). Die caſſ. hſ der exhort.
    zeigt fraono, naot, faoi (pauca, l. faohju) wo die
    münchn. hſ frônô, nôt, fôhju. Auch in urkunden
    bei Ried no. 4. 8. 21. aoſtar, caoƷ, aot, traoſt.
  • 4) derſelbe dialect beſitzt dann auch ein ô (oo), welches
    er, einſtimmig mit dem goth. ſächſ. nord. ſtamm für
    das gewöhnliche alth. uo (ua) ſetzt, alſo ein wahres
    ôthil, von jenem alth. ô (= áu. ao) durchgängig ver-
    ſchieden. So haben die gl. hrab. pôh (ſcriptura) hôt
    (pileus) duôg lavavit) frôt (prudens) plôſtar (ſacrifi-
    cium) ſtônt (ſtetit) hrôft (clamor) ſôhit (quaerit) taga-
    rôd (crepuſculum) zô (praep.) hrôm (gloria) canôc
    (ſatis) drôs (glandula) plôƷan (libare) etc. Dieſes ô iſt
    dem vorhin bemerkten ê ſtatt ie analog, findet ſich
    auch in der nämlichen mundart, die der niederd. an-
    [96]I. althochdeutſche vocale.
    gränzend geweſen ſeyn muß, da im niederd., wie ei
    und ie in ê. ſo au und ua in ô zuſammenfallen.
    Spuren des ô ſtatt ua (uo) verrathen indeſſen noch
    andere alth. denkmähler, namentlich J. 342. 353. bôh
    350. wôtniſſa 402. blômo neben duom 344. huolida
    (fruſtrabatur) 396. hruoft 389. guotlìh, muodìc, ſluo-
    gun. fuoƷ, zuo (praep.) und dhuo (cum, quando).
    Die letzte partikel iſt zumahl merkwürdig, weil ge-
    rade andere denkmähler, die entſchiedner hochdeutſch
    ſind, als J. ſie mit ô ausdrücken; O thô, N. dô und
    in der regel mittelh. dò (ausnahmsweiſe duo).
  • 5) weder in dieſem dô, noch in den andern gemeinalt-
    hochd. partikeln ſô und ô (interj.) läßt ſich das ge-
    wöhnl. alth. ô (= au) erkennen, ſondern es iſt deut-
    lich ein ôthil, d. h. dem goth. ô in ausſprache und
    bedeutung gleich. Dasſelbe ô beweiſe ich aus dem ô
    der adj. fem. pl. blindô (goth. blindôs), welches of-
    fenbar nicht mundartiſch, ſondern durch alle alth.
    denkmähler ſtattfindet. Schreibt O. ausnahmsweiſe
    nicht zwò (duae) ſondern zua, ſo darf man dies zwar
    inconſequent aber nicht unrichtig heißen, da er in
    dem einzelnen fall ſein ua (welches ihm ſonſt überall
    für uo gilt) anwendete, zua mithin = zuo, d. h.
    zvuo, zwuo, zwua ſteht, ſtatt des conſequenteren
    zuô, zwô. Die partikel ſô entſpringt vermuthlich aus
    ſvua oder ſvuo, vgl. das goth. ſva, ſvê, nord. ſvâ.
    Das alte ô hat ſich ferner in den wohl noch betonten
    endungen des comp. ôr, der gen. pl. ôn, ô der inf.
    auf -ôn etc. *) zu halten gewußt und nicht mit uo,
    ua vertauſcht, aus welchem allem wichtige beſtärkung
    der früheren, größeren einſtimmung der alth. mit den
    goth. lauten hervorgeht. Dieſe zeigt ſich ſogar in
    dem ſpurweiſen übergang des unbetonten oder tiefto-
    nigen ô in u, vgl. gl. monſ. 365 vigidunta ſt. vigi-
    dônta, 367. hepinuntêr ſt. hepinôntêr (wie oben ſ. 40.
    krôtôda, krôtuda).

(UU) û hat in den nord. und ſächſ. runen ein zei-
chen und einen namen. Das zeichen ſtimmt mit dem
goth. buchſtab überein, der, wie oben gezeigt worden,
zugleich häufig das kurze u ausdrücken muß; das gilt
[97]I. althochdeutſche vocale.
auch von der rune, weil keine andere für den kurzen
laut vorhanden iſt. Der name ûr (entw. ûrns, wilder ochs,
oder die partikel ûr-, neuh. auer) ſchickt ſich freilich
bloß für den laugen. Die grammatik hat im alth. wie
im goth. das lange û von dem kurzen u gehörig zu un-
terſcheiden. Jenes iſt übrigens gleich dem î ziemlich
beſtimmt und nur geringem ſchwanken in andere dop-
pellaute ausgeſetzt; die endungen abgerechnet (im ab-
laut trifft es ſich nirgends) möchten nachſtehende belege
die wichtigſten ſeyn: nû (jam) dû (tu) *) ſû (ſeropha)
chûa (zweiſilb. vacca) pûan (zweiſ. habitare) dûba (lamina
dolii) tûba (columba) ſûbar (purgatus) trûbo (uva) rûda
(ſea[b]ies) ſtûdahi (fruticetum) ûf (praep.) dûfar (ſtolidus)
hûfo (acervus) ſcûfila (pala) ſûfan (ſorbere) ſûftôd (ſingul-
tus) ſûgan (ſugere) rûh (hirſutus) bûh (venter) mûhhilâri
(ſicarius) drûho (ciſta) trûh (compes) lûhhan (claudere)
prûhhan (uti) ſtrûhhôn (impingere) tûhhil (mergulus)
fûl (putris) mûl (mulus) ſûl columna) mûla (roſtrum)
rum (ſpatium) ſcûm (ſpuma) chûmida (morbus) tûmo
(pollex) tûmôn (ſalire) prûn (furvus) hûn (?catulus) zûn
(ſepes) rûna (ſuſurrus) ſûr (acidus) bûr (domus) ûr- (par-
tikel) trûrìg (triſtis) mûra (murus) hûs (domus) ſûs (ſtri-
dor) hûſo (echinus) mûs (mus) lûs (pediculus) tûs (binio)
tûſunt (mille) fûſt (pugnus) lûſtren (auſcultare) bûtil
(marſupium) ſnûtan (emungere) brût (uxor) drût (carus)
hût (cutis) hlût (ſonorus) krût (herba) trûwen (confidere)
ûwila (noctua) ûƷ (praep.) ſtrûƷ (ſtruthio) lûƷôn (latere)
mûƷôn (mutare). In lat. wörtern derſelben wurzel
gleiches langes û, vgl. tû, ſûgere, mûlus, mûs, ſtrûthio,
mûtare, wogegen dem kurzen u gewöhnlich das kurze
entſpricht, vgl. nuƷ, puzzi mit nux, puteus. Dies
macht wahrſcheinlich. daß auch die Römer in deutſchen
namen das û gleichförmig ausdrückten (ſ. oben: tûbantes,
ûbii, bûrii) nicht durch au, wofür man etwa den mons
taunus (Tac. ann. 1. [...]6. 12, 28.) anführen könnte, allein
dieſes wort ſcheint, wo nicht undeutſch, doch nicht
hochdeutſch (ſ. unten beim angelſ. û über dûn). Frei-
G
[98]I. althochdeutſche vocale.
lich läßt ſich die berührung des û mit dem au nicht ab-
leugnen (vgl. pûan, trûwën und das goth. báuan, tráuan) *).
Manchmahl ſcheint zwiſchen û und au das verhältniß
des lauts und ablauts zu walten, z. b. ſûfan (bibere)
praet. ſauf und davon biſaufen (mergere); ſûgan (ſugere)
praet. ſaug, wovon ſaugen (lactare). — Verwechslung
des û mit uo finde ich öfters bei N. in der form -ûh.
-uoh; er ſchreibt zwar huoh (irriſio) ſcuoh (calceus)
aber daneben hûhôn (irridere) geſcûhen (calceare); um-
gekehrt druoh (compes) neben drûh. Zu bemerken iſt
auch ſt. einmahl nua O. IV, 18, 55. welches an das
goth. du (oder dû?) gegenüber dem alth. zuo, zua erin-
nert, wenn man ſchon das goth. du, dis- näher in dem
alth. zi, zër- finden könnte; verwandt ſind ſich zuo und
zi unleugbar. Im mittelh. vermiſchen ſich uo und û
noch häufiger, im neuh. ſind alle uo zu û (uh) geworden.


(AE) es iſt vorhin beim ê gewieſen worden, daß ae
zuweilen für jenes geſchrieben werde. So im Hild aen,
haetti, laet ſtatt ên, hêtti, lêt. In allen dieſen beiſpie-
len iſt das ê nicht mehr hoch- ſondern niederdeutſch;
in aeriſt (êriſt) aber auch hochdeutſch.


(AI) der diphthong ai iſt der alth. ſprache eigentlich
fremd; nur könnte man fragen, weil er ſich ſpäterhin
in bairiſchen denkmählern und bis auf heute in der dor-
tigen volksſprache findet, ob er nicht auch für die alt-
bairiſche mundart anzunehmen ſey? Inzwiſchen zeigen
gerade ſolche ſtücke, deren abfaßung man entſchieden
nach Baiern ſetzen möchte, das gemein alth. ei, nament-
lich die exhort. die gl. monſ. und das weſſobr. gebet.
Umgekehrt gewähren die vermuthlich nicht in Baiern
geſchriebenen hrab. gl. ſpuren des ai, als 950b laidazit.
951a kail. 952b hailac; häufiger aber gebrauchen ſie da-
neben das ei 952b heiƷ, 953a heit, leitit, 954a kleinî etc.
Die ſpätere gloſſenſamml. welche Gerbert p. 17-108. aus
einer hſ. von S. Blaſien liefert, enthält kein ai, die
trierer hſ. deſſelben werks in den nämlichen wörtern
bald ai (ain, bain, ſail, raif, ſaifa, laib, faim etc.) bald
wieder ei (reid, weitin, deiſmo, ei etc.), neben jenen
ai jedoch weder au f. ou noch gar ei f. î und es fehlt
an allem grunde, die abfaßung der arbeit nach Baiern
[99]I. althochdeutſche vocale.
zu ſetzen. Ferner das ei und kein ai geben wirkliche
bair. urkunden des 8. 9. jahrh. bei Ried n°. 2. 8. 15. 22.
47. 50 etc. zeiƷ, heim, leid, eigil, geiƷ, pein etc. ale-
manniſche hingegen zuweilen ai ſtatt des gewöhnl. ei,
vgl. in Neugarts namenverz. aimo, gaila, haimo, haitar,
paio, laibolf, aigant etc. Ich möchte alſo das ausnahms-
weiſe in den alth. quellen allerdings vorhandene ai nicht
der bairiſchen mundart zueignen, ſondern es für das
ältere, unumgelautete ei überhaupt anſehen. — Man
verwechſle mit ai nicht den hiatus âi, z. b. plâju (ſpiro)
gâì (feſtinatio) ſt. plâhj[u], gâhî; gidrâit (tortus) etc.


(AO) daß dieſer doppellaut einer beſondern mund-
art ſtatt des gemein-alth. ô eigen ſey, iſt vorhin beim ô
gezeigt worden; welcher mundart aber? wage ich nicht
zu beſtimmen. Die augeführten belege waren ans den
gl. hrab. dem Hild. und urkunden bei Ried. Aber auch
Neugart n°. 47. hat aotahar 79 gaoƷbërt 48. maorin-
zan etc. *). — Mit dem oa, welches einige für ua, uo
ſchreiben, darf ao nicht vermiſcht werden, iſt aber zu-
weilen doch dafür geſetzt worden, was um ſo begreif-
licher ſeyn wird. als auch ua dem ô parallel ſteht, wie
oa dem ô, beides freilich in verſchiedenen dialecten.
Wenn alſo bei Ried n°. 8. 21. aopi, aogo, taom nicht
verſchrieben iſt. ſo ſtünde doch beßer ôpi, ôgo, tôm
(d. h. uopi, uogo, tuom); taoc (valet) im Hild. ſteht
entw. für tauc oder iſt hinneigung zum niederd. dôg.


(AU) dieſer diphthong iſt gemeinalthochdeutſch, aber
nur in den frühſten denkmählern zu treffen; ſpätere
(T. O. N.) erſetzen ihn durch ou, nie durch ô. Eine
gewiſſe analogie zwiſchen au und ai läßt ſich nicht ver-
kennen 1) weil beide inſonderheit vor h. ſ. r. in ô und ê
übergehen. 2) in den übrigen fällen ſich ſpäter in ou
und ei verwandeln, jedoch 3) im neuh. wieder als au
und ai (freilich ei geſchrieben) auftreten. Hieraus folgt
zugleich, daß au und ai als das früheſte, dem goth. noch
nähere hochdeutſch **), weniger als ein beſonderer
G 2
[100]I. althochdeutſche vocale.
(bairiſcher) dialect betrachtet werden müßen; es ſcheint
jedoch, daß ſich das ai eher in ei, als das au in ou
verändert habe, indem J. und K., die noch dem au an-
hängen, bereits das ei annehmen (eine vermuthung hier-
über unten bei der bemerkung über den alth. umlaut). —
Wie vorhin geſagt, ſtehet au vor m; b. p. f; g. k. hh
und nicht vor n. r. h. ſ. d. t. Ʒ. (man merke daß der liq. l
weder au noch ô vorhergeht, wohl aber das ſonſt analoge
ai, ei und ê). Beiſpiele: thaum (vapor) ſlaum (ſordes)
paum (arbor) ſtraum (alvens) ſaum (ora, ſella) gauma
(cura) gaumo (faux) traum (ſomnium) haubit (caput)
raubôn (ſpoliare) gilaubîn (fides) zaupar (monſtrum) laup
(folium) ſtaup (pulvis) kauf (emtio) ſtauf (cyathus) trauf
(ſtillavit) taufì (baptiſma) hlaufan (currere) piſauſan (mer-
gere) auga (oculus) ſaugen (lactare) gaugron (vacare)
flaugen (fugare) laugnen (inficiari) taugno (clam) trauc
(fefellit) pauc (umbo) hauc (collis) lauc (ſlamma) flauc
(volavit) auhhôn (augere) bauhhan (ſignum) prauhhan
(uti). Zu erwägen bleiben noch


  • 1) einſilbige wörter auf au, wohin namentlich die praet.
    blau, hrau, chau, brau, die ich nicht belegen, ſon-
    dern nur aus der analogen ſpäteren form blou, rou,
    kou, brou vermuthen kann. Hierher auch die ſubſt.
    tau (ros) gl. jun. 224. dau (mos, wovon daulîh, moralis
    gl. hrab. 961a) und die adj. clau (prudens) frau (laetus)
    rau (crudus) obgleich dieſe faſt nur mit angehängtem
    kennzeichen vorkommen: clawaƷ, frawaƷ, rawaƷ und
    daneben die einfachen clô, frô, rô eintreten können.
    Weiteres unten beim conſ. w.
  • 2) wörter mit dem auslaut h, in denen doch dieſer nicht
    der einfache ſpirant h ſeyn kann (vor welchem au
    in ô übergeht) ſondern für die aſp. hh (ch) ſteht, vgl.
    auh (etiam) rauh (fumus) lauh (clauſit) lauh (allium)
    bauhnida (ſignificavit). Weiteres beim h. —

Die zeit, wo au vor m. b. p. etc. in ou übergieng
läßt ſich nicht genau anſetzen; denkmähler des 8.
jahrh haben noch meiſtens au, bei T. O. N. iſt das ou
entſchieden. Doch urkunden aus der zweiten hälfte
des 8ten zeigen ſchon ou, vgl. Eccard fr. or. 1, 675. in
einer urk. von 779 houc und bei Neugart no. 68. (von
**)
[101]I. althochdeutſche vocale.
778) loup; aus dem 9ten ebend. no. 219. 231. 437. 462.
loup und poum. Einige denkmähler ſchwanken, ſo hat
Hild. neben rauba ſchon bouga; in den gl. jun. zeigen
die verzeichniſſe A. B. au, das etwas jüngere C aber ou
und vermuthlich iſt 225. die gloſſe wîrouhpoum aus C
fälſchlich in B gerathen, welches 226. paum 239 rauh
gewährt; vgl. inzwiſchen 215 louginit, und gl. blaſ. 5b
ſlroum 10b bougâ.


(EA) ëa, ſteht für das gemeinalth. ia bei J. vgl.
hëar, dhëa, lëaƷ (392) ſtatt hiar, dhia, liaƷ; auffallend
iſt dhëaſa (408. ed. palth. 270.) ſ. dhiſa Neben dem
ëa auch ê, als ſênc (367) und ia, als: fiant, ſia. K.
zeigt ëa gleichfalls in dëa, këanc und lëaƷ, hat aber
häufiger ia, als: hiar, ſtiagil, fiant, fial, fianc; 42b
mias (menſa) 43b mëas. Die gl. jun, 195. dëa, 201
lëaƷ, 2 [...]2 zëar, 205 nëaƷes, 213 mëata; gewöhnlich ia
185 ziarî, [k]ianc 209. kiangi, ſtriani, 221 hiaƷ, 223
fliad etc. 227 mètun, 197 mietta; die gl. blaſ. 8 a blëas.
9a fëal ſëa (eam). Ob ëa eine beſondere mundart aus-
zeichne? da es in zwei ſonſt verſchiedenen quellen, l.
und K. vorkommt, bezweifle ich, eher ſcheint es der
ältern ausſprache gemäß. Ubrigens erſetzt es auch das
ja in gardhëa (virga) minnëa (amor) und iſt von dem
zweiſilbigen êa (lex) ſlêaƷ (hebes) zu unterſcheiden. —
Mehr von der natur dieſes diphth. unten beim ia.


(EI) d. h. ei (nicht ëi) ein gemeinalth. diphthong,
dem goth. ái entſprechend und früher auch im alth.
durch ai ausgedrückt (ſ. vorhin ai). Ausnahmsweiſe
wird hier alſo der umlaut von einem in derſelben ſilbe
unmittelbar nachfolgenden i gezeugt. Das goth. ei iſt
ihm nicht analog und vermuthlich ſchon dem klange
nach abweichend; man könnte erſteren diphthongen
, den unſrigen éi; oder jenen ëi, dieſen ei bezeichnen.
Da aber das goth. ái doch einmahl in ein alth. éi über-
gieng, ſo muſte auch der übergang des eí in î eintre-
ten, weil ſonſt zwei zu nahe laute nebeneinander und
zwar als laut und ablaut hätten ſtehen müßen. Dieſer
übelſtand trifft das neuh. ei, welches genau betrachtet
bald eí bald éi iſt. — Vor h. r. ſ. w. pflegt das alth. ei
in ê überzugehn (ſ. oben beim ê). Beleg geben: ei
(ovum) hei (καῦμα) ſceidan (ſeiungere) eidâ (juramenta)
heidan (ethnicus) greif (prehendit) hneigjan (flectere)
eigir (ova) ſueiga (armentum) neihhen (libare) zeihhan
(ſignum) weihhì (mollities) geilì (petulantia) heilac
[102]I. althochdeutſche vocale.
(ſanctus) teil (pars) heim (domus) leim (lutum) hreini
(purus) ſein (tardus) pein (os) ſcein (lucebat) meiſa (ſar-
cina) folleiſt (auxilium) gneiſto ([ſe] [...]tilla) ſcreip (ſcribe-
bat) ſtreit (dimicabat) eit (ignis) heitar (lucidus) pheit
(induſium) heiƷ (fervidus) weiƷ (novit) hueiƷî (triti-
cum) heiƷan (vocare) agaleiƷì (ſolertia) *).


(EO) ëo gilt dem io gleich, wie vorhin ëa dem ia
und ungefähr in den nämlichen älteren quellen, I. hat:
lëoht (lux) ſëor (quatuor) dhëoh (femur) dhëonôn (ſer-
vire) dhëod (gens) lëogan (mentiri) hrëofun (vocabant)
und in den flexionen: ëo, huëo. waldendëo, heidëo,
woneben jedoch nerrendjo, john ſtattfindet. K. hat: lëoht,
dëonoſt, pëotan, fëor, flëoƷan, zëohan, flëohes, ëo,
huëo, hentëo, willëôno, neben: fior, diomuat, piotan,
johhe, joh, (jugum) joh (et). Die hrab. und jun. gl.
pëor (cereviſia) ſpëoƷ (haſta) ſlëoƷan, hlëoƷan, lëoht,
hlëotan, pëotan, chëol (navis) etc. T. O. N. zeigen
dies ëo nirgends mehr, aber daß es in früher zeit zu-
mahl in der altfränkiſchen mundart geherrſcht hat, wei-
ſen die eigennamen theodobertus, theodogildis, theodo-
ricus, theodovaldus, theodulfus bei Greg. tur., welcher
den goth. königen theudo und theudegiſilus mit feinem
gefühl das goth. eu (in) beilegt. Ich bemerke noch,
daß Sidon. apollin. eo in theodoris der deutſchen ſprache
gemäß richtig diphthongiſch, Venant. fort. aber e-o
zweiſilbig gebraucht und zwar das e lang, welches
vielleicht zeigt, daß in dem io, ëo der ton auf dem i
und ë ruht; (die ſtellen bei Schneider p. 123.). Inzwi-
ſchen vergleiche man in Neugarts verz. p. 96b 120. 121.
die mit dhëot, thëot, dëot und diot, thiot gebildeten zahl-
reichen namen, um zu ſehen, wie auch der alemanni-
ſchen mundart früher ëo, ſpäter io zugeſtanden habe.
Weiteres unten beim io.


(EU) ëu bei I. für iu, aber nur in hrëuûn (poeni-
tentiam) 384. ëuwih (vos) ëu (vobis) neben iu, die
übrigen fälle haben iu, als liugn, liudî etc. freuwî 355,
freuwidha 345, ſteht für frewì, nicht friuwî, und hat
ein eu, nicht ëu; undiphthongiſch und zweiſilbig ſind
ſêulu 366, hrêue 374. Die andern denkmähler bieten
[103]I. althochdeutſche vocale.
gar kein ëu an hand, wohl aber urkundliche eigenna-
men des 8ten jahrh. vgl. bei Neugart p. 107b lëudiſca,
lëutbald, lëutbërt, woneben und zumahl ſpäter iu weit
gewöhnlicher iſt. Früher mag das ëu gegolten haben,
wenigſtens im altfränkiſchen, vgl. bei Greg. tur. leuba,
leubaſtes, leubovera, leudaſtes, leudegiſilus, leudovaldus.
Dieſes ëu ſcheint denn auch in teutones und teutobur-
gum bei den röm. ſchriftſtellern zu ſtehen, dem alth.
iu, nicht dem io entſprechend, woraus zugleich gefol-
gert werden kann, daß unſer volksname thiudiſc oder
thëudiſe von thiodiſc, thiodîg (popularis) unterſchieden,
alſo nicht geradezu von thiod abzuleiten iſt. Mehr bei
dem unterſchied zwiſchen io und iu. Indeſſen räume
ich verwechſelungen des ëo und ëu ein und erinnere
nur an des Venant. fort. leudos (lieder) wo leodos rich-
tiger wäre; ihm war vermuthlich das eu diphthongi-
ſcher als eo, das er, wie oben bemerkt, zweiſilbig zu
nehmen pflegt.


(IA). Dieſer diphthong iſt dem K. und einigen äl-
tern gloſſenſammlungen, im 9ten jahrh. aber und in
ausgedehnterem ſinne dem O. eigen, weder dem T. noch
andern denkmählern. Im allgemeinen gilt analogie zwi-
ſchen ia und ua im gegenſatz zu io und uo, d. h. die
welche ia gebrauchen, haben auch ua und die welche
io ſetzen, haben auch uo. Der ſchluß von dem uo auf
io taugt aber nicht überall, weil das uo ſpäter dauerte,
als bereits io in ie aufgelöſt war. Analog iſt ferner *)
zwiſchen beiden diphthongen ia (io) und ua (uo) die
zuſammenziehung in ê und ô. Hier unterſuchen wir
vorerſt ia und bemerken


  • 1) da, wo O. ia mit den älteren denkmählern gemein
    hat, alſo wo letztere auch ëa zeigen, ſcheint der
    diphthong unurſprünglich und erſt aus einer vorgefal-
    lenen zuſammenziehung entſtanden. Daher dieſem ia
    auch kein goth. diphthong entſpricht. Der hauptfall
    iſt der des ablauts ia ſtatt der goth. reduplication.
    Aus háihald, faifah, máimáit mögen die einſilbigen
    formen hialt, fiang, miaƷ herrühren, obſchon wir die
    mittelſtufen nicht genügend nachweiſen können; zu-
    [104]I. althochdeutſche vocale.
    nächſt vorher gieng vermuthlich ein zweiſilbiges hî-
    alt, fî-ang, mî-aƷ und dieſen vielleicht hei-alt, fei-
    ang, mei-aƷ; heihalt, feifang, meimaƷ, meimaiƷ.
    Das reſnltat fand ſich ſchon oben ſ. 54. aus der regel,
    daß dem diphthongen keine doppelconſonanz nach-
    folgen dürfe *). Auf gleiche weiſe löſen ſich nun
    auch in andern fällen die diphthongen ia in mehrere
    ſilben auf: thiarna (virgo) in thi-arna oder thî-arna,
    es ſcheint wie das goth. viduvaírna (orphanus) aus
    viduva (viduus) gebildet aus thiu oder thi[vv]i mit der
    endung -arna, ſo daß thiwarna im mittel liegen würde
    [von den bildungen arn -arna -erni näheres in der
    wortbildungslehre]; fiar (quatuor) war früher zweiſilbig
    fï ar, ſi-ar, wie das goth fidvôr, das ſelbſt ſchon
    in fidur ſchwankende, ferner das celtiſche pedvoar,
    pedvor neben petor, pevar — das dor. τέττορες, äol,
    πίσυρες, att. τέσσαρες — das lat. quatuor, litth. ketturi, —
    ſlaviſche tſchetari, tſchitvari — ſanſer. ſchatvari ge-
    nügend beweiſen. In dem ſaliſchen geſetz noch fitter,
    ſo daß ältere hochd. formen fidvar, fidar, fjar gelautet
    haben mögen, vgl. das nord. fiögur. Bei näherer auf-
    merkſamkeit werden ſich voch in andern alth. wörtern
    mit dem ſcheinbaren wurzellaut ia ähnliche zuſam-
    menziehungen nachweiſen laßen, zumahl in wörtern
    die im goth. fehlen. z. b. ziari, das mir mit decor,
    decorus nah verwandt ſcheint (vgl. indeſſen unten
    beim linguallaut über die rune: ziu). Geringere offen-
    baren ſich in: thia (τήν) ſia (eam) hiar (hîc) welche frü-
    her einmahl zweiſilbig thi-a ſi-a hi-ar lauteten, wie
    die ſchwachen inf. auf -jan, d. h. i-an. ſîant iſt noch
    zweiſilbig, fî-ant, goth. fijands, fiands; desgl. ſpî-an
    (ſpuere) etc.
  • 2) O. gibt dem ia ausdehnung auf den fall. wo die übri-
    gen ëo und io ſetzen, ſelbſt ſolche, die das vorige ia
    mit ihm gemein hatten, z. b. biadan, ſliaƷan, liabe,
    diafên (profundis); K. pëotan, ſlëoƷan **). Dieſes
    [105]I. althochdeutſche vocale.
    ia beruht in der regel nicht wie das vorige auf einer
    verkürzung und ſteht dem goth. iu parallel. Ausnah-
    me machen die ablaute riaf, wiaf, ſtiaƷ etc. deren ia
    dem gleichfalls eine zuſammenziehung vorausſetzen-
    den, baßeren io entſpricht.

(IE) in ie halte ich das e weder für ë noch für e
(umgelautetes a) weil hier weder grund zum umlaut vor-
handen, noch ein ë denkbar iſt; vielmehr das e iſt aus
dem ältern a und o, wie in den endungen zu geſche-
hen pflegt, entſtellt worden, ie mithin nichts anders
als ein abgeſchwächtes ia oder io. Hieraus fließt zu-
gleich. daß in dieſen der ton auf dem i ruht. Ein
ſolches ie zeigen J. K. und die frühſten quellen noch
faſt gar nicht (mietta gl. jun. 197. zierida M. 319.); bei
T. und O. beginnt es, bei N. hat es ſich beinahe ent-
ſchieden au die ſtells des ia und io gedrängt, zuweilen
ſelbſt an die des iu. Bei O. iſt es weniger häufig, nament-
lich im ablaut ſelten, doch finde ich rietìn f. riatîn; andere
beiſpiele; ſirlieſen f. firliaſan, lied (cantio) ziere: ſkiere
J. 23, 42. biet (menſa), thiete (populo). T. gebraucht es
öfter, namentlich im ablant: gieng, phieng. hieƷ, blie-
ſon, ſliefon etc.; andere beiſpiele: mieta, ziegala, fiebar
(febris), thienôn neben thionôn. N. kennt kein ia*)
und io mehr. ſondern bloß ie, ſchreibt aber dieſes ſtets
îe. welches zwar für die ablaute gîeng, hîeƷ etc. in ſo-
fern ſie nach obiger anſicht aus î-e entſprangen, paſſend
ſcheinen könnte, für den wirklichen diphthongen, der
dadurch zum triphthongen (iie) würde, nicht zu billi-
gen iſt. Daß kein î. ſtatt finde, folgt auch aus dem
wechſel der ia mit ëa. Soll damit bloß der dem i vor
dem e gebührende nachdruck gemeint ſeyn, ſo wäre die
bezeichnung íe empfehlungswerther, ſcheint aber auch
entbehrlich. Daß N. ſelbſt kein wirklich gedehntes î
meine, folgere ich aus ſeinem misbrauche deſſelben îe
für zwei weitere fälle, denen gar nicht dieſer diphthong
zuſteht. Theils finde ich îe ſtatt î, z. b. dîehent (profi-
**)
[106]I. althochdeutſche vocale.
ciunt) wîehûs (templum) ſogar dîenen (tuum), wo doch
öfters auch das richtige î geſetzt iſt; theils ſogar ſtatt
des kurzen i, nach neuhochd. weiſe, z. b. ſîeho (video)
jîeho (dico) etc. *).


(IO) dieſer diphthong verhält ſich zu dem folgenden
iu, wie ſich das einfache o zu u verhält, das heißt: iu
ſcheint die ältere, früher allein gültige form, die ſich
allmählig in io verwandelt und ſo, daß einzelne wörter
zwiſchen beiden ſchwanken. Der Gothe, wie er kein
einfaches o kennt, hat auch kein io, ſondern für das
alth. io und iu beidemahl iu. Vom iu hernach beſonders,
beim io (früher auch ëo) bleibt zu merken


  • 1) es muß von dem ia (ëa) und zumahl dem ablauten-
    den wohl unterſchieden werden. Erſt O. gebraucht
    ſein ia mitunter für fälle des wirklichen io. Doch in
    einer conjug. ſcheint ſogar dem ablaut beßer io ſtatt
    des otfriediſchen ia zuzuſtehen, nämlich bei den ver-
    bis, deren praef. au, ô und uo hat, vgl. ſtioƷ, wiof,
    hrëof, hio. Der grund iſt einleuchtend, nämlich auch
    dieſes ablautende io muß gleich dem ia aus zuſammen-
    ziehungen erklärt werden; wie daher die ſtämme mit
    a im praet. ia zeigen, ſo hätten die mit ô, au, uo
    eigentlich iô, ian, iuo zu bekommen; aus hîau, ſtîôƷ,
    hrîuof wäre allmählig hio, ſtioƷ, hriof geworden. In
    der that läßt ſich fragen; ob nicht, wenigſtens in den
    älteſten quellen richtiger hiô, ſtiôƷ geſchrieben würde?
    und dann gehört der triphthong gar nicht zu un-
    ſerm diphth. io. Später aber galt gewiß ein diphthong.
    io in dem ablaut hio, wie ie in dem ablaut gieng etc.
  • 2) O. gibt manchen wörtern ſtets io**), als: lioht (lux)
    thiot (gens) thionôn (ſervire) ſpioƷ (haſta); in andern
    [107]I. althochdeutſche vocale.
    ſchwankt er zwiſchen io und ia, als: ziarî (decor)
    III. 22, 14. zioro (decôre) I. 2, 82. giſciaren (feſtinare)
    IV. 12, 88. ſcioro (mox) II. 7, 107. Ja, einzelne wör-
    ter zeigen nach den umſtänden ia, io und in, z. b.
    liubêr (carus) I. 25, 34. liubî (amor), liublicho, giliu-
    ben; liob (carum) liobon (caris); liabe (cari) V. 25, 48.
    liaban (carum) I. 15, 93.; diuf (profundum), diofo (pro-
    funde) diaſa (profundam) V, 6, 4. diafèn (profundis)
    V, 8, 47.; thiob (fur) githiuben (furari) etc. Iſt gar
    keine endung, oder die endung o da, ſo liebt die
    wurzel io, wogegen die endungen a. i. î, e, ê ein ia
    oder iu vor ſich zu haben pflegen. Kein umlaut wal-
    tet hier, ſondern ein ähnliches verhältniß älteres und
    jüngeres lauts, wie wir es oben zwiſchen i und ë, u
    und o gefunden haben, daher es auch nur zuweilen
    nicht durchweg eintritt; im ablaut namentlich bleibt
    O. ia, es mag nun giang, giangi oder giangun heißen.
    (vgl. unten über vocalwechſel tonloſer endungen).
  • 3) T. und andere kennen kein ſolches ſchwanken zwi-
    ſchen ia und io. ſondern nur zwiſchen io und iu. Bei-
    ſpicle von io: thiob, thiot, liob, lioht, gioƷo (fretum)
    thionôn, riohhen (fumare) rioƷet (fletis) tior (ani-
    mal) etc.

(IU) entſpricht dem goth. iu und ſcheint in den
früheren alth. denkmählern oft durch ëu ausgedrückt.
Zwiſchen iu und io tritt der oben (ſ. 84.) geſchilderte
wechſel zwiſchen u und o ganz analog ein. Das iu als
die ältere form iſt verblieben 1) gewiſſen wörtern, welche
durchaus kein io zeigen, als: ariup (dirus) griupo (frixo-
rium) piugo (ſinus) niumôn (cantare) liuni (forte) -niu
(endung weibl. namen) diu (virgo) ſtiurjan (gubernare)
fiur (ignis) liut (populus) tiuri (pretioſus) ſniumo (mox)
tiuval (diabolus) ſciura (horreum) liumunt (fama) giſiuni
(viſio) hiutu (hodie) niun (novem) friunt (amicus) etc.
2) dem ſing. praeſ. ind. und imp. der ſtarken verba, welche
im inf. conj. und praeſ. pl. io oder ia zeigen, als: piutu,
piutis, piutit etc. 3) gewiſſen ableitungen, z. b. thiob,
githiuben; lioht, liuhten etc. 4) andere ſchwankende
fälle ſind vorhin bei ëo, ëu, io angeführt worden. —
Der unterſchied zwiſchen io und iu zeigt ſich darin be-
deutend, daß im verfolg und namentlich im mittelh. die
io in ie übergegangen, die iu hingegen (größtentheils)
geblieben ſind. Regel iſt es unleugbar, daß dem io das
frühere ëo, neuh. ie — dem iu hingegen das frühere
und neuh. ëu zur ſeite ſteht; vgl. dëor, thier; theodo-
[108]I. althochdeutſche vocalc.
ricus, dieterich und andrerſeits tiuri, theuer; teudiſcus
(bei Nithard in dem bekannten eidſchwur) deutſch; im
neuh. weder deuterich noch dietſch *), ſo wie der orts-
name thiotmalli, thiatmalli ſpäter zu dietmold, dêtmold,
nie zu dentmold werden konnte. — In anſehung des iu
iſt noch anzuführen


  • 1) daß der diphthong, ſeltner zwar als ia und io, aber
    doch zuweilen eine frühere mehrſilbigkeit verräth.
    Zum beiſpiel in friunt aus fri-ônd contrahiert, weiter,
    die ablaute hiu (caecidi) (liuf) (cucurri), ein früher
    zweiſilb. hi-u, li-uf vermuthen laßend. In ſolchen
    fällen iſt der diphth. unurſprünglich, auch nie dem
    goth. iu entſprechend.
  • 2) von iu iſt wie im goth. ju zu unterſcheiden, obgleich
    alt- und mittelh. hſſ. das j faſt gar nicht ſchreiben.
    Bei O. und N. weiſt jedoch wieder die accentuation
    den unterſchied, nämlich der diphthong wird iu be-
    zeichnet. ju hingegen, weil es meiſtens tieftonig oder
    tonlos, gar nicht (die weibl. und neutr. endung -iu,
    als mâriu, ſcôniu), oder wo es wurzelhaft und tonfä-
    hig iſt, (z. b. iúng = jung). Hierdurch unter-
    ſcheidet ſich thiu (illa) und der inſtr. thíu (illo);
    [109]I. althochdeutſche vocale.
    iú (jam) und íu (vobis), zweckmäßiger jedoch glaube
    ich beiderlei durch das wiedereingeführte j zu ſon-
    dern: thju oder thïu (illa) thiu (illo) thiu (virgo)
    ju (jam) iu (vobis). Wie thiu iſt hiu der inſtr., da-
    her bei O. richtig híutu (hodie) accentuiert wird. N.
    ſchreibt den eigentlichen diphth. gleichfalls: íu*), ju
    hingegen iu [oder betont ].
  • 3) ſeit N. zeit erhält der eigentliche diphthong iu eine
    erweiterung, indem er auch, wiewohl ſchwankend,
    als umlaut des û zu gelten anhebt, vgl. chrût pl.
    chriuter; brût gen. briute. Dieſer umlaut lautet auch
    ſpäterhin ganz wie die übrigen fälle des mittelh. iu
    oder neuh. eu und unſtreitig hätte er, wäre er be-
    reits im 8. 9ten jahrh. vorhanden geweſen, mit dem-
    ſelben iu ausgedrückt werden können **). Wer folg-
    lich die anſicht vertheidigen will, daß ein alth. um-
    laut des û ſo gut vor N. als nachher beſtanden habe,
    muß aufſtellen, das umgelautete û habe früherhin
    nicht iu ſondern verſchieden gelautet, was mir we-
    nig wahrſcheinlich vorkommt, zu geſchweigen daß
    ſich der laut gar nicht wird angeben laßen. Und ſelbſt
    das ſchwanken bei N., der neben chriuter auch noch
    chrûter ſchreibt, redet für das damahlige ausbrechen
    eines noch unſicheren umlauts.
  • 4) vom übergang des iu in iw oder iuw unten bei dem
    conſ. w. —

(OA) nicht gemeinalth. ſondern mundartiſch für
ua, man ſuche es theils in alemann. urkundlichen ei-
gennamen (Neugart v. hroad-, moat-, oadal-, road-,
etc.) theils in den gl. ker. z. b. moat, ploat, ploamo,
poah, hroam, ploaƷu (ſacrifico) foakit (fuagit) etc. vgl.
gl. doc. 214. ſoana (judicium). Die beſtimmte mundart
will ich aber nicht örtlich anweiſen; lieber halte ich
oa für etwas alterthümlicher als ua, was auch zu dem
urſprung aus oo (ô) ſtimmt.


(OE. OI) ſind keine alth. diphthongen ***); zuweilen
ſtoßen die vocale ô und ê, e, oder i, als zweiſilbiger
[110]I. althochdeutſche vocale.
hiatus aneinander, das iſt ganz etwas anders, z. b. grôent
(virent) hôiro (celſior) ſt. hôhiro: pëtôjèn (oremus).
Das älteſte beiſpiel gewährt der flnßname moin, moën,
früher mogin, mohin, aus dem endlich das neuh. diph-
thongiſche main geworden iſt, aber noch in der volks-
ſprache ma-in mit hiatus, wofür ſelbſt die ſchreibung
ai redet neben der allgemeinen ſchreibung des ei f. ai.
Der name der ſtadt behielt das alte g länger: mogontia-
cum, maguntia, meginze, megenze, zuletzt auch mainz;
gerade ſo verräth ſich in dem neuh. getraide (frumen-
tum) die ſyncope aus gitragida.


(OU) vorhin bei dem au iſt ausgeführt worden,
daß dieſer ſeit dem 9ten jahrh. ſo häufige diphth. frü-
her durch au gegeben wurde, ſpurweiſe aber ſchon die-
ſes im 8ten vertritt. Sein verhältniß zu dem ô iſt ganz
das des au zu dem ô (ſ. oben ſ. 94.). Übrigens ge-
bührt der ton dem vorausſtehenden o (wie dem a in áu)
daher O. richtig óu accentuirt, N. desgleichen. Beiſpiele
gewähren die nämlichen, vorhin beim au angezogenen
wörter.


Hior bleibt die wichtigere frage übrig: die analogie
des ai, das ſich in ei wandelt und vermuthlich, weil
der einfluß des i der endung auf das a der wurzel all-
mählig auch für den diphthongen ai wirkte, — alles
das iſt unverkennbar; ſollte nicht weiter im diphth. au
das u eine ähnliche macht ausgeübt und das a in o ver-
wandelt haben? Nun ſind zwar oben beim einfachen
a und o übergänge dieſer beiden laute erwähnt wor-
den, namentlich in den wörtern halôn, holôn; wanèn,
wonên; fan, fona, denen ſich noch einzelne zufügen
laßen: als wamba I. T. O. M. und womba N. und
folma vgl. mit dem lat. palma. Inzwiſchen entſpringt
in diefen an ſich höchſt ſeltnen fällen das o ſtatt a un-
abhängig von einer endung u und läßt ſich dem ſo häu-
figen ſichtbar von der endung i abhängenden umlaute
des a in e kaum vergleichen. Hiergegen ſcheint auch
der nord. von der endung u abhängige umlaut des a in
ö nur wenig bedenken zu machen, weil gerade der
nord. diphth. au keine dem nord. ei (das allerdings aus
ai herſtammt) äbnliche verwandlung in öu befährt.
(Vgl. unterdeſſen einige ſpuren des der endung u wegen
***)
[111]I. althochdeutſche vocale.
umlautenden a im niederdeutſch). — Vom übergange
des ou in ow, ôw oder ouw unten beim w. —


(UA. UO) beide ſind ſich gleichbedeutend und bloß
mundartiſche verſchiedenheit; man kann annehmen, die
denkmähler welche im ablaut ia zeigen, haben auch
im ablaut ua, hingegen dem ie ſtehet uo zur ſeite. Der
älteren form ëa ſcheint oa, ſo wie dem zuſammenge-
zogenen ê das ô parallel. Dieſes ô mag die älteſte ge-
ſtalt *) des ablauts geweſen ſeyn, wie es ſich im goth.
nord. und ſächſ. erhalten hat; als aber im alth. au in ô
übergieng, muſte ſich für jenes ô die variante oa, ua,
uo
, erzeugen, welcher der runenname uadil nicht ei-
gentlich zuſtehen kann, da die runen diphthonge, die
aus ungleichen vocalen beſtehen, weder bezeichnen noch
benennen. — Uebrigens gehört in ua und uo dem u der
accent und O. ſetzt úa; N. ſchreibt wie beim îe auch
hier ûo, welches ich aus gleichem grund verwerfe **).
Denn ûo wäre triphthongiſch und ûa von dem zweiſil-
bigen û-a in chû-a (vacca) pû-an, tû-an nicht zu
ſcheiden. Etwas anders, daß dieſe allmählig in den
wirkl. diphth. chua, puan, tuan übergegangen ſeyn
können. Auch läßt ſich der wechſel zwiſchen oa und
ua ſonſt nicht begreifen; wer aber ein ôa behaupten
wollte, müſte nicht weniger das ô in ôo (und nicht oo)
zergliedern. — Das gewöhnliche ô wird nur ausnahms-
weiſe durch uo gegeben, wohin das bereits angeführte
dhuo und ſcuonîn (pulcritndo) auch bei J. 383 gehören.


Die vorhin bei dem ia und iu gemachte bemerkung,
daß davon ja, ju zu trennen ſind, gilt auch hier ganz
ähnlich zwiſchen dem ua (uo) und va (vo); O. ſchreibt
daher nicht z. b. dúalta ſondern duálta, d. i. dvalta (mo-
rabatur) aber ſúana (expiatio) d. h. ſúona (ſühne) ver-
ſchieden von ſuán (olor), d. h. ſvan. Ich muß indeſſen
aus urſachen, die beim w entwickelt werden, unfolge-
[112]I. althochdeutſche vocale.
richtig dualta ſchreiben, da dvalta nicht hochdeulſch
und dwalta ſonſt bedenklich wäre. Dort auch von dem
falle, wo ua, uo mit dem vorausgehenden w ſcheinbar
verſchmilzt (unahs, crevit; uuaſg, lavit; ſuuaƷi, dulcis
ſt. wuahs, wuaſg, ſwuaƷi).


Beiſpiele des ua oder uo: gaſt-luamî (hoſpitalitas)
nuatì (incaſtraturae) ſnuabila (catenula) bluag (verecun-
dus) bruogo (terror) ſtruot (ſilva) zuomìg (vacuns) und
unzählige andere, die ſich allerwärts ergeben. Dieſer
diphth. beruht klar auf dem ablautsverhältniß und führt
immer zu einem wurzelhaften a.


Auf meine obige behauptung, das alth. uo entſpringe
aus einem älteren ô, fällt licht, wenn man auch in den
romaniſchen ſprachen die entwickelung des uo, ue aus
dem lat. ô und ſelbſt o erwägen will, vergl. côr, côrpus,
bonus, moritur mit cuore, cuorpo, buono, muore etc.
Den Römern war uo, ua nur im hiatus bekannt und
ſchwerlich je diphthongiſch.


(UE und UI) ſind keine alth. diphthengen; zwar
könnte man ſich unter ue, wie beim ie, ein abge-
ſchwächtes ua oder uo denken, allein es findet ſich nicht
und das ſpätere mittelh. ue ſcheint etwas anderes, näm-
lich wirklicher umlaut. ui hat man aus unwißenheit in
alth. namen ſt. iu gebraucht, z. b. der lombard. ge-
ſchichtſchreiber liutprand wird ſo häufig als fälſchlich
luitprand genannt. Möglich zwar daß alte diplome
ſelbſt ui für iu zuweilen verſchrieben haben (vgl. Neu-
gart u. luit-), wahrſcheinlicher, daß ſie falſch geleſen
und abgedruckt worden ſind — Ich brauche kaum zu
errinnern, daß in wörtern wie: zuiſg, ſuëben. zuîval
kein diphthong ui, ue, ſteckt, ſondern zvi, ſvë, zvî;
daher O. ſeiner weiſe nach zuíſg, ſuében accentuiert.


Nach beendigter unterſuchung der alth. vocale be-
merke ich


  • 1) ſämmiliche alth. mundarten zeigen die einfachen und
    gedehnten vocale, unter letzteren ſtchet â, î, û feſt,
    wogegen ê und ô in der bedeutung ſchwanken, in-
    dem ſie gewöhnlich zwar dem ei und au, zuweilen
    aber auch dem ie und ua entſprechen. Die zahlrei-
    chen übrigen diphthongen beſchränken ſich ſehr, wenn
    man ſie nach den einzelnen mundarten verthcilt. J.
    hat folgende: ae, au, ëa, ei, ëo, ëu, ia, io, iu, uo; —
    [113]I. althochdeutſche vocale.
    K: au, ëa, ei, ëo, ia, io, iu, ua; — gl. hrab.
    ao, au, ei, ëo, ia, io, iu; — O. ei, ia, ie, io, iu,
    ou, ua; — T. ei, ie, io, iu, ou, uo; — N. ei, ie,
    iu, ou, uo, und ſo wird ſich jedem dialect, der uns
    genauer bekannt iſt, ſein eigenthümliches zuweiſen
    laßen. Durchgehend ſind bloß ei (abgeſehen von den
    ſpuren des ai) und iu; die früher größere zahl deu-
    tet nicht ſowohl auf eine vollkommenheit der ſprache,
    ſondern beruht zum theil auf unſicherer ſchreibung,
    wie denn offenbar die älteren ëa, ia; ëo, io faſt zu-
    ſammenfallen. Der Gothe kennt nur vier ſolcher
    doppellaute ái, áu, ei, iu und weil dazu ſein ei im
    alth. î iſt, ſo ſtehen ái, áu, iu den wichtigſten alth.
    nämlich dem ei, au (ou), iu zur ſeite; das ebenwich-
    tige ua war im goth. ô, wodurch das umgekehrte
    verhältniß des î zum goth. ei ausgeglichen wird. Den
    urſprung des ia und ie, zum theil auch des io, aus
    einer ſyncope habe ich mich bemüht zu zeigen. —
    Die individuelle beſtimmung der einzelnen beſtand-
    theile dieſer doppellaute in den älteren dialecten iſt
    bewundernswerth; verändert ſich nur ein einzelner
    laut, ſo folgt eine nachwirkung durch die ganze ver-
    wandte reihe und das geſetz der ablaute tritt in jeder
    neuen geſtalt analog und unverworren hervor. Erſt
    nach und nach verkennt und verſchiebt die ſpätere
    ſprache dieſe ordnung. Man nehme folgende wörter,
    goth. áigan, mein, láun, bagms, gôþ; — K. eigan,
    mîn, lôn, paum, guat; — gl. ker. eigan, mîn, lôn,
    paum, goat; — gl. hrab. eigan, mîn, laon, paum,
    gôt; — N. eigan, mîn, lôn, boum, guot, allenthal-
    ben folgerechte und klare einrichtung des lautver-
    hältniſſes.
  • 2) thriphthongen finde ich nicht, höchſtens ſcheinbare,
    nämlich die in zwei ſilben zerfallen, z. b. thrao-a
    (onus) ſonſt auch drô-a geſchrieben; chuo-a (vacca)
    holzmuo-ja (lamia); huei-ônti (hinniens); gi-îlta
    (feſtinabat) u. a. m. Später verſchwindet der hiatus
    meiſtens, entw. durch wegwerfen eines vocals (gîlte,
    chuo, auch chû) oder einſchieben eines conſon. (vgl.
    das neuh. biene, wiehern).
  • 3) umlaute haben wir nur bei a in e und ai in ei be-
    merkt; û in iu erſt mit dem 10. jahrh. — ob der des
    au in ou anzunehmen ſey? ſ. beim ou. Die umlaute
    â in æ; ô in œ; uo in ue; o in ö; u in ü; treten
    noch nicht ein.
  • 4) aus verſchiedenen anzeigen darf man ſchließen, daß
    in einer früheren zeit die abweichung von dem goth.
    vocallauten weit geringer war, als ſie in unſern alth.
    denkmählern erſcheint. Man vergl. die bemerkungen
    ſ. 79. über die abweſenheit des umlauts e; ſ. 81. über
    das frühere i ſtatt ë; ſ. 84. über das ältere u ſtatt o;
    ſ. 86. über das ältere ê ſtatt â; ſ. 89. über den urſprung
    des ê aus ei; ſ. 88, 93, 97. über ein älteres a, i, u, ſt. â,
    î, û; ſ. 111. die ſpuren des ält. ô ſt. uo; ſ. 99. über das
    ält. ai, au ſt. ei, ou; ſ. 107. über das ält. iu ſt. ia, io
    ie, ſo wie insgemein die unorganiſche natur der drei
    letztgenannten diphth.
  • 5) höchſt ſchwierig bleibt die geltung der alth. vocale
    in den nichtwurzelhaften theilen der wörter, nament-
    lich in den endungen, wo ein ganz anderes geſetz
    ihr verhältniß beſtimmt, als in den wurzeln. Zwar
    ſind auch die wurzelvocale der veränderung unterwor-
    fen theils durch den umlaut, theils durch mehr hi-
    ſtoriſche übergänge, wie wir deren zwiſchen i und ë,
    u und o und den diphthongen insgemein viele be-
    merkt haben. Gleichwohl herrſcht in ſolchen umlau-
    ten und übergängen ein geregelter, ruhiger gang oder
    es wirken dabei verſchiedenheiten der mundart. In
    den unradicalen wortbeſtandtheilen wechſelt hingegen
    der laut ſchneller und willkürlicher, wenn auch nicht
    ohne alle regel. Der grund liegt in der geringeren
    betonung. Ein gering betonter, oder tonloſer laut
    wird ſchwach und dadurch unſicher *). Dieſe unſicher-
    [115]I. althochdeutſche vocale.
    heit und abwechſelung der vocale unterſcheidet ſich
    von dem eigentlichen umlaut darin weſentlich, daß
    ſie durch keinen dem umlautenden vocal folgenden
    andern bedingt iſt, wiewohl ſie ſich zuweilen nach
    dem folgenden vocal regelt; ferner, bei dem umlaut
    wird der hochtonige vocal der wurzel getrübt, bei
    dem vocalwechſel der endung der unbetonte geſchwächt
    und gänzlich verwandelt *). Ich werde mich daber
    des ausdrucks vocalwechſel für die umänderung des
    unradicalen lauts im gegenſatz zu dem umlaut, d. h.
    der änderung des radicalen lauts (oben ſ. 9.) bedienen.
    Zur näheren entwickelung des vocalwechſels folgende
    ſätze, wobei jedoch auf die flexionsendungen, als
    welche an ihrem ort beſonders erwogen werden müßen,
    keine rückſicht zu nehmen iſt.
    • a) wie im goth. nur ſpurweiſe vocalwechſel, ſo war
      er in den älteſten hochd. quellen ſeltner **) als in
      denen des 9. 10. jahrh. Die einzelnen denkmähler
      ſchwanken aber unter einander und in ſich ſelbſt.
      K. z. b. ſchreibt die vorpartikel ga-, ohne daß ein
      grund der abwechſelung denkbar wäre, ka, ke, ki,
      ja einigemahl wirſt er den tonloſen vocal völlig fort
      (k’arnêm, mereamur). Er zeigt 25b ſuigalî (tacitur-
      nitas) und ſuigilî hinter einander, 25a murmulôd,
      25b murmolôn; und während er in gewiſſen wör-
      tern den unveränderten laut behält, als: arame
      (brachio) ſtarachiſt (fortiſſimum) wëralati (mundo,
      *)
      H 2
      [116]I. althochdeutſche vocale.
      unorganiſch ſt. wëralti) huarabes (revertaris) etc.
      wechſelt er ihn in andern, als: lëohete (lumine)
      përege (monte) ſt. lëohate, përage etc. ſyncopiert ihn
      in noch andern, als: ſimblum (ſemper) achre (agro)
      ſt. ſimbulum, achare. Jedes denkmahl wechſelt und
      ſyncopiert ſeine vocale auf eigenthümliche weiſe,
      die ſich vielleicht den herausgebern einzelner auf-
      klären kann, aber aus der vergleichung aller läßt
      ſich für die grammatik keine genügende allgemeine
      anſicht gewinnen.
    • b) Nur ſo viel ſcheint klar: unter den einfachen vo-
      calen der endungen ſind a, u, i als älter, o und e
      als jünger anzunehmen; gedehnte kommen beinahe
      nur in den flexionen vor (wovon hier nicht geredet
      wird) kaum in einigen wortbildungen (beiſpiele:
      -ôd -îg -în, mânôd, ſâlîg, thurnîn) andere diph-
      thongen (wie im goth. -eig -ein) gar nicht. Die
      einfachen laute ſtehen alſo hier vornämlich in be-
      tracht *) und für ſie gibt es drei fälle der ab-
      ſchwächung.
      Erſter fall: der vocalwechſel ereignet ſich in der
      ult. ohne hinzutretende flexionsendung. In man-
      chen wörtern ſcheinen die vocale a, u, i willkür-
      lich, z. b. durah, duruh, durih (praep.) ſpäter ſynco-
      piert durh; abant und abunt, ſpäter abent; magan
      (vis) und magin, megin; amal-, amil-, emil-, ga-
      gan, gagin, gegin etc, Nähere erwägung der wort-
      bildungslehre wird aber darthun, daß dieſes ſchwan-
      ken als ausnahme, die organiſche unterſcheidung
      des a, u, i als regel zu betrachten ſey, wie ſie
      ſich denn auch in gewiſſen wörtern nie verwech-
      ſeln, z. b. für ſibun, aphul ſteht nie ſiban, aphal,
      für gagan, magin, amil nie magun, amul, gagun.
      Zweiter fall: der vocal der bildungsendung wech-
      ſelt, wenn eine flexionsendung hinzutritt, mit einem
      dünneren, alſo: ſobald die bildungsendung, die vor-
      her ult. war, zur penult. wird; z. b. waƷƷar, waƷ-
      Ʒeres; heilag, heileges, heilegûn; përag, përeges etc.
      Dies vergleicht ſich genau dem lat. caput, capitis,
      homo (d. i. homon, homun, wie noch homunculus
      [117]I. althochdeutſche vocale.
      zeigt) hominis. Ich bemerke 1) daß häufig das a
      bleibt, waƷƷares, heilages. 2) daß das e zuweilen
      ſchon in der ult. vortritt, d. h. ohne folgende flexion:
      waƷƷer, heileg, (vgl. nomen, nominis) ja gewiſſe
      wörter zeigen überall e und nie a, z. b. die gang-
      baren verwandtſchaftsnamen ſater, fateres, bruoder,
      muoter. 3) daß ſtatt des vocalwechſels häufig ſyn-
      cope eintritt, als: wehſal, wehſles; zeihhan, zeihnes;
      gëlſtar, gëlſtres. Die geſetze dieſer ſyncope laßen
      ſich etwa nach den zwiſchen dem ausfallenden vocal
      liegenden conſonanten, ſo wie nach der poſition
      oder nichtpoſition in der wurzel näher beſtimmen. —
      Der ganze fall ſcheint ſich auf die ſchwächung des
      a in e zu beſchränken und wenn u oder i ſchon in
      der ult. herrſchen, bleiben ſie auch in penult. als:
      honug, honuges; aphul, aphules; himil, himiles;
      megin, megines. Nie wird auf dieſe weiſe a in i
      oder u, noch u in i oder a verwandelt; z. b. waƷƷar,
      waƷƷires, aphul, aphiles wäre unerhört. Vielleicht
      ließe ſich ein aphul, apholes, ganz analog dem përag,
      përeges, bei weiterer aufmerkſamkeit nachweiſen.
      Häufig iſt das o ſchon in die ult. vorgedrungen und
      bleibt dann: aphol, apholes, wie përeg, përeges.
      Syncopiert wird aber das u und i gleich dem a, als:
      ſimbulum, ſilubar (ſpäter ſimbolon, ſilabar) ſimblun,
      ſilbres.
      Dritter fall: in drei- und mehrſilbigen wörtern
      pflegt, zwar ſchwankend doch zumahl bei O deut-
      lich erkennbar, ſpurweiſe auch in älteren denkmäh-
      lern, eine aſſimilation des lautes ſtattzufinden, näm-
      lich der vocal der bildungsendung geht in den der
      flexion oder einen analogen (den einfachen ſtatt des
      gedehnten) über
      *). Am häufigſten erzeugen ſich
      auf dieſem wege die vocale e, i und o, ſeltner a
      und u, weil dieſe in der regel ſchon organiſche
      bildung ſind. Beiſpiele werden alles verdeutlichen.
      • α) ſcônara, zierara, grôƷara ſt. ſcônôra, zierôra,
        grôƷôra. kôrata (II. 4, 54.) luagata (V. 17, 16.) ſt.
        kôrôta, luagêta. Vermuthen ließen ſich: fadamâ
        (fila) ſt. fadumâ, fizaſan (callidum) ſt. fizuſan
        u. a. m.
      • β) bëſemes (ſcopae) ſt. bëſames; ſûberet (mundate)
        ſt. ſûbaret; finſteremo (obſcuro) ſt. finſtaremo; bit-
        teres ſt bittares; garewêm (paratis) ſt. garawêm.
        Manche der vorhin unter b) angeführten beiſpiele
        gehören vielleicht hierher, obgleich in heileges
        eher ſchwächung aus heilages als aſſimilation an-
        zunehmen iſt, da es auch heilegûn heißt.
      • γ) edili (genus) ſt. adali; ſpîhiri (ſpicarium) ſt. ſpî-
        hâri; ſidilen (incolae); bittirî (amaritudo) ſt. bit-
        tarî; zuivilîn (dubius) ſt. zuivalîn; fuatirî (paſce)
        ſt. fuatarî; ſûbirî (munda) ſt. ſubarî; hungirita
        (eſurivit) ſt. hungarita; durihil (pertuſus) ſt. duru-
        hil; gidigini (famulitium) ſt. gidigani;
      • δ) die adverbia: ëbono, offono, aboho, irbolgono,
        giholono (latenter) ſt. ëbano, abuho, irbolgano,
        giholano; die praet. tonorôta, regonôta, wunto-
        rôta, zeihhonôta, zuivolôta, wachorôta (vigilavit)
        etc. ſt. tonarôta etc. lachonon (faſciis) ſt. lachanon;
        fadomon (filis) ſt. fadumon; wagono (curruum) wol-
        kono (nubium) ſt. wagano, wolkano; bruadoron
        (fratribus) ſt. bruaderon, einogo, heilogo ſt. einago,
        heilago; habotôſt (ll. 14, 104.) ſt. habêtôſt etc.
      • ε) bitturu (amara) l. 15, 91. ſt. bittaru; ſo müſten
        folgerichtig auch ſûburu, finſturu, manugu etc.
        gelten, die ich nicht zu belegen wüſte. —

Aus dieſen beiſpielen ergibt ſich, daß man den wech-
ſel ſämmtlicher vocale an manchen wörtern erweiſen
könnte, als: bittaran (amarum) bitteres (amari) bittirî
(amaritndo) bittorô (amarae) bitturu (amara). Die ganze
dem wohllaut günſtige erſcheinung hat ſich, wie geſagt,
zumeiſt bei O entwickelt *) und iſt einer ähnlichen in
der nord. ſprache offenbar verwandt, unbegründet darf
ſie um ſo weniger heißen, als ſie ſich auch bei T. I. K.
u. a. und zumahl die aſſimilation des o ſpüren läßt; nur
ſchwanken dieſe weit öfter, z. b. K zwiſchen piladi
[119]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
und pilidi, T. zw. wuntarôt und wuntorôt. Und ſelbſt
O. ſchwankt augenſcheinlich; das ganze ſyſtem würde
ſich daher, ſollten auch die hſſ. einzelne beſtätigende
berichtigungen darbieten, nicht durchführen laßen; es
war im widerſtreit des wohllauts mit der abſtammung,
die ſich häufig geltend machte, erwachſen und muſte
bei der allmähligen verdünnung faſt aller unbetonten
laute in das einzige e bald wieder aufhören. Einzelne
wörter und formen mögen ſich auch nach zeit oder
mundart geſondert und von der aſſimilation frei gehal-
ten haben. Eben ſo gewiß iſt in andern durch aſſimi-
lation, und vocalwechſel überhaupt, indem der ge-
ſchwächte laut aus der penult. in die ult. eindrang, der
urſprünglichen und organiſchen lautbeſtimmung viel ab-
bruch geſchehen.


  • e) ſeit dem 10. 11. jahrh. erſcheinen nach und nach
    alle tonloſe wortbildungslaute zu e und i ver-
    ſchwächt, wodurch jede unſicherheit des früheren
    viellauts beſeitigt wurde. In den flexionen *) ha-
    ben ſich die alten vocale zum theil länger erhalten
    und dieſe abweichende geſchichte der bildungs- und
    der flexionsendungen wirſt einiges licht auf die
    ſ. 96. gemachte bemerkung, daß ſich das ô in der
    flexion ſogar treuer als in der wurzel ſelbſt (wo es
    in uo übergieng) bewahren konnte.

althochdeutſche conſonanten.


Dieſe lehre iſt eine der verwickelteſten, weil aus
vermiſchung der mundarten und oft monſtroſen mis-
bräuchen der ſchreibung beinahe endloſes ſchwanken
entſpringt, ſo daß ſelbſt die beſten hſſ. den grammati-
ker nicht befriedigen.


(L. M. N. R.) liquidae**).

Sämmtlich an- in- auslautend. Mit den anlauten
l. n. r. fangen ſchon ſeit dem Sten jahrb. an die anlaute
hl. hn. hr. ſich zu vermengen und bald ſind letztere ganz
in erſtere übergegangen (ſ. unten beim h). — Der aus-
laut m beginnt etwas ſpäter, jedoch nur in einigen
[120]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
flexionen, ſich in n zu wandeln, namentlich im dat.
pl.; in der prima pl. und in der prima ſing. einiger
ſchw. conjug. (näheres in der decl. und conj.). In
wurzeln und andern bildungsendungen (z. b. gadam,
buoſem) bleibt aber das auslautende m, und gänzlich
abgeworfen wird es nie. Fremde ſprachen lehren in
abſicht dieſes auslauts zwei ſtufen 1) m wird in n ge-
ſchwächt (vgl. Schneider p. 309-314.); die Spanier ver-
äudern tam, quam, Jeruſalem, Bethlehem etc. in tan,
quan, Jeruſalen etc. 2) m wird völlig unterdrückt
(Schn p. 301-309.) — Vom übertritt des inlautenden
m in n vor der aſp. f. unten bei den verbindungen mf.
nf. — Der inlaut n wird naſal (n. adulterinum), ſobald
eine gutturalis folgt, als: lang, wankôn, unk, aber in
der wurzel ſelbſt, nicht wenn in der zuſammenſetzung
n mit g und k anſtößt, z. b. in-gangan un-kuſt. Ob
das naſale n ausfallen und namentlich die form ng in
h übergehen könne? iſt oben ſ. 88. bei dem â berührt
worden, weil dadurch auch der vorausſtehende vocal
lang zu werden ſcheint, vgl. fangan, gangan, hangan,
brang mit fâhan, gâhen, hâhan, brâhta (ſt. brangta?) *).
Inzwiſchen kann nie aus langan (longum) lâhan werden
und jene fälle müßen als ausnahmsweiſe ableitungen be-
trachtet werden, die von den ſtämmen ng eigentlich
verſchieden ſind; wie denn auch gâhen und brâhta ſelbſt
der ſchwachen conjugation folgen; (mehr über alle dieſe
wörter bei der conj.) Den übergang des a in â bei aus-
fallendem naſallaut beſtärkt der oben ſ. 42. vermuthete
des goth. juggs in jûhiza (wiewohl jugund, das ſichtbar
mit jung zuſammenhängt, kein û hat, ſo daß kein älte-
res jungund ſondern vielmehr ein älteres jug, jugg an-
zunehmen bleibt); vgl. das ſchweiz. â, î, û ſt. an, in, un
(Stalder p. 33. 46. 72.); es wird vorausgeſetzt, daß die
ſilbe betont ſey. Aus unbetonter endung könnte das n
vor gutt. zwar ausfallen, würde aber den vocal nicht
ändern. Im alth. wäre honec, honeg (mel) J. 389. K. 16a
ſt. honing. honang (N. 18, 11. 118, 103.) faſt einziges bei-
ſpiel; erſt ſpäter auch kunig, pſennig ſt. kuning, pfe-
ning. — Fällt der alth. inlaut n vor dentalen aus? das
geſchieht im nord. und ſächſ. häufig. Eine ſpur wäre
[121]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
N. iſila (96, 1.) ſt. inſila; noch heute in der ſchweiz iſel
(Tſchudi 1. 366.) vgl. das ital. iſola, franz. iſle; vermuth-
lich iſt wieder verlängerung des vocals îſila zu behaupten,
wie die nord. form âs, ûs ſt. ans, uns beſtätigt; nur iſt jenes
îſila ausnahme nicht regel, N. ſchreibt uns (nobis) nicht
ûs, wie die Schweizer. Eine weitere ſpur O. ſtuant im reim
auf muat, guat, beſtimmt an das goth. ſächſ. und nord.
ſtôþ erinnernd, vgl. das alth. ſtâtîg (ſtabilis) und ähn-
liche ableitungen, die offenbar mit ſtandan zuſammenhän-
gen. Sollte das n in ſtuant, bant etc wenigſtens naſal
geweſen ſeyn? die heutige unnaſale ausſprache macht es
wenig wahrſcheinlich. Von ausfallendem n. vor gutt.
in tonloſer endung gibt uns hier umgekehrt N. einen
beleg in tuged, tugedig ſt. tugend, tugendig. — Bei dem
in und auslautenden r iſt es wichtig, auf diejenigen
fälle zu merken, in welchen ſich r aus dem früheren ſ
entwickelt hat. Daß ſ als das ältere und r als das jün-
gere zu betrachten iſt, folgt theils aus der oben ſ. 65.
nachgewieſenen latein. analogie, theils aus der progreſ-
ſion des r in wörtern, die im alth. noch ihr ſ behaupten.
In folgenden fällen erſetzt ein alth. r das goth. ſ oder z:
im nom. ſing. maſc. des adj. — im gen. u. dat. ſg. fem.
und im gen. pl. des adj. — im comparat. — ſodann in:
kar (vas) ahir (ſpica) aran (meſſis) peri (bacca) nerjan
(ſalvare) mir. thir. ir (ex) ir (vos) wir (nos) êr (aes) mêr
(magis) ſêr (dolor) hêr (ſplendens) *) gêr (telum) kêran.
lêran. trôr (ſanguis, ſtilla) rôr (arundo) ôra (auris) hôrjan
(audire) tior (fera)- in den pl. praet. wârun, birun, lurun,
churun, und vermuthlich noch in andern, deren ur-
ſprüngliches ſ erſt fortgeſetzte unterſuchung lehren wird **).
Geblieben iſt im gen. ſg. maſc. und neutr. — zum theil
in denſelben wörtern, deren ableitung oder flexion be-
reits r hat, als: nëſan (bene valere) trioſan (cadere, ſtil-
lare) wëſan, was; lëſan, las, lâſun; haſo (lepus); gëſtar
(heſternus) ***) kioſan, kôs; lioſan, lôs; îſarn (ferrum) etc.
ſo daß für den übergang keine conſequente analogie zu
finden iſt; man vergleiche lëſan, las, lâſun mit wëſan,
[122]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
was, wârun. Wörter und formen, die am häufigſten ge-
braucht wurden, ſcheinen ſich zuerſt dem r bequemt zu
haben (mehr unten beim f.). — Zwiſchen r und l gilt
kein wechſel (ausnahme: chilecha f. chirihha N. 34, 18.
101, 7. 143, 2.) und durch aſſimilation fillorane ſt. firlo-
rane O. I. 23, 73; zwiſchen l und n wohl nur in der ver-
bindung ſl. ſn, wovon unten beim f. —


gemination der liquiden iſt häufig, LL, MM, NN, RR,
man merke aber: nur im inlaut, im auslaut wird der conſ.
einfach, z. b. ſcal, klam, ſpan, war, praeterita von ſcëllan,
klimman, ſpinnan, wërran; desgl. im nom. fal, man,
gen. falles, mannes. Dieſe vereinfachung kann und muß
dem umlaut des inlautenden b und d in ein auslautendes
p und t verglichen werden, woraus ſich der wichtige
ſatz ergibt, daß die einfache liq. gleich der tenuis)
härter, die doppelte liq. (gleich der med.) miider laute.
Mundarten, welche die media der ten. vorziehen, wer-
den ſich ſtets zur gemination neigen (z. b. die däniſche)
und ſchon im allgemeinen haben wir in der gemination
ein ſpäteres, ſchwächendes princip zu erkennen geglaubt.
Wurde nun jener ſchreibung gemäß auch ausgeſprochen?
Ich bejahe dies und glaube ſelbſt, daß ohne die aus-
ſprache der einfache conſonantauslaut nicht geſchrieben
worden wäre. Die neuh. ſchreibung, fall, mann etc.
beweiſt nichts dawider, indem auch gab, rad etc. ge-
ſchrieben wird ſt. gap. rat. Im alt- und mittelh. ſprach
man fal (caſus) und tal (vallis) ganz gleich aus, uner-
achtet jenes den gen. falles, dieſes tales machte *). Da
nun der geminierte laut poſition erzeugt, ſo ſind die
angeführten gen. geſchärft, die nom. ſchwebend aus-
zuſprechen **). Übrigens tritt auch im inlaut die ver-
einfachte liq. ein, wenn das t des zuſammengezogenen
ſchw. praet. anſtößt, z. b. hulta, mamta, nanta, tharta,
[123]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
biwamt ſt. hullita, memmita, nennita, therrita, biwem-
mit, (maculatus).


Meine anſicht der gemination bewährt ſich ferner
durch die mögliche nachweiſung mancher geminationen
aus älteren conſonantverbindungen und ſolcher beiſpiele
liefern die mittel- und neuh. ſprache fortwährend mehr.
Wie viele ll. nn. rr entſtehen nicht durch li. ni. ri. das
die ableitung bildende i wird entweder in der gemi-
nation verſchlungen, beiſpiele: brunna (thorax) ſellen
(tradere) bûrro, werren (tueri) jüngere formen als: brunja,
ſaljan, bûrjo, warjan; oder es bleibt daneben beſtehen,
als kunni (genus) menni (monile) gl. jun. 214. ſt. kuni,
mani; fenni (lutum) goth. fani (woher das franz.
fange); henna (gallina) ſt. hanja. Aus bn. mn ent-
wickelte ſich zuletzt mm, nn in ſtimma, nennen; frü-
her ſtibna, ſtimua, namnjan, nemnjen, nennjen. Aus
madmun [...]i (lenitas) mammunti; aus guotlìhhìn (gloria)
bei I. cuatlìhhì bei K., ſpäter guallichî bei O. guol-
lichî bei N und W. Nicht unwahrſcheinlich beruht
wallôn (peregre abire) auf einem älteren wadalôn, wad-
lôn von wadal (vagus, exſul, mendicus) hergeleitet, und
ſelbſt wal (gen. walles, munimentum) dürſte durch ein
früheres dl erläutert werden, wenn man das goth. vadd-
jus erwägt, vgl. ëddo, odo und Notkers alde (aut);
gruntſëllôn (N. 77, 69.) f. gruntſëdilòn; illan (feſtinare)
mit ïddja, und über den wechſel des einfachen d mit I
Schneider p. 255. 256. (ſo iſt auch unſer ſilabar genau
das lith. ſidabras). Andere ll, wie al, alles, fal, falles etc.
ſcheinen freilich uralt. — Endlich läßt ſich manchen rr
der urſprung aus rn und rs nachweiſen: ſtërro, fërra aus
ſtërno, fërna (vgl. Stalder dial. p. 68.); irri, thurri, wir-
ran, merren, farr (taurus) etc. deuten auf ältere formen:
irſi, wirſan, marſjan, fars, wie theils einzeln ſtehen ge-
bliebene rs darthun, namentlich wirs (pejus) thurſt (ſitis)
ferſa (vacca), theils die goth. thaúrſis, airzjan, marz-
jan *). — Unbekannt hingegen ſind der alth. mundart
die aſſimilationen des nd und ld in nn, ll. — **)


[124]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.

In- und auslautende verbindung der liq. mit andern
conſonanten.


LM halm. malm. galm. folma (manus) ſalm (pſal-
mus) ſuilm (ſopor) hëlm. ſcëlmo (peſtis); kein ln, lr. —
LB. albiƷ (cignus) dëlban (fodere) ſalbôn. chalbir. LF.
hëlfan. LP. chalp. halp. ſalp. dalp. LD. wildi (ferus)
baldo (audacter) ſculdî (debita) holdan (carum) golde
(auro) waldes (ſilvae). LT. kalt. alt. giwalt. ſchilt. wal-
tan. faltan. ſpaltan. gëltan. molta. hilta (pugna). LS.
hals. LST. galſtar (faſcinum) gëlſtar (tributum) polſtar
(capitale). — LZ. halz (claudus) ſalz. ſmalz. holz. palz
(balteus) malz. polz. falzan. walzan. galza (ſucula).
ſpëlza. hëlza (capulus) wilzî (veletabi) filz (cento) ſulza
(muria) milzi (ſplen) ſmilzan. — LG. palg (follis) ſuëlg
(heluo) bëlgan. felga. LK. ſcalk. folk. tolk (vulnus). —
M leidet nur labiales neben ſich, weder linguales noch
gutturales *). MB. umbi. wamba. ambaht. zimbar. imbi
(examen). kambar (ſtrenuus, woher der volksname cim-
bri) chumbirra (tribus). MF. kempho (pugil) limfan.
dimfan. damph. fimf. ſcimph. MFT. ſamfto (mite)
ramft (labrum). numft. kumft. gizumft. MP. champ
(corona, criſta) krump. lamp. ſuamp. — N. läßt nur
lingual. und gutt. auf ſich folgen, keine labíales. Ein-
zige ausnahme finf (neben dem urſpr. fimf), ſo wie ſpäter
ſanfte und ranft. NG. fangan. gangan. hangan. ſuangar.
lang. ring. ding. gingo (ſpes) ſingan. bringan. pungo. (ana-
gallis) lunga (pulmo) lungar (expeditus) etc. NK. krank.
thank. wankôn. ſtank. ſkrank (fraus) bank. ſkinko (tibia)
trinkan. winkan. ſinkan etc. **) ND. bindan. findan.
ſlindan. ſindo (comes) linda (tilia) kindes. hindar. endi.
**)
[125]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
ſendjan. zundjan. hendî (manus pl.) andar. landes etc.
NT. ſant. rant. lant. hant. want. pfant. kint. wint. hunt.
phunt. grunt. munt. friunt etc. NS. gans. grans (prora)
zins. flins. uns. funs. runs. thinſan. linſi (lens) winſôn
(mutire) zinſera (thuribulum), endungen auf-anſa. NST.
anſt. gunſt. kunſt. brunſt. finſtar. NZ. ganz (ſanus) zuan-
zig. manzo (uber) kranz (diadema). lenzo (ver). benzo.
phlanza (plantatio) minza (menta) palinza. winzuril (vi-
nitor). winzan (lacerare). runzila (ruga). grunzig (celia),
endungen auf -enza. — RM. arm. harm. darm. ſuarm
etc. RN. ſcërn (ſcurrilitas) kërno. dorn. horn. korn.
hirni. harn etc. RB. huërban. ſtërban. etc. RF. dorf.
ſarf. wërfan. ſcurfen etc. RP. huarp. ſtarp etc. RD.
ërda. wërdan. ërdo (ſive) quërdar (eſca) mordar (homi-
cidium) gardea (virga) etc. RT. bart (barba) zart (te-
ner) fart (iter) wort (verbum) ſport (ſtadium) ort (cuſpis)
hort (theſaurus) prort und prart (labium, margo) furt
(vadum) artôn (colere) garto (hortus) rarta (loquela)
warten (tueri) irwartniſſi (corruptio) herti (durus) hirti
(paſtor) phorta (porta) chortar (grex). RS. wirs (pejus)
hirſi (milium) fërſana (calx). RST. durſt. wurſt. porſt.
harſtja (ſartago). RZ. ſuarz. harz. warza (verruca) hërza.
wurz etc. RG. bërg. duërg ( [...]us) ſcurgan (pellere) etc.
RK. wërk. etc. Viele dieſer zahlreichen conſonautver-
bindungen mit vorſtehender liquida gehen die buchſta-
benlehre nicht näher an und ſind daher nur mit einigen
beiſpielen berührt worden. Es leuchtet ein, daß ſie
auf ſyncopen beruhen; namentlich iſt in den formeln
lg. lp. rf. rm. rp. rg ein vocal dazwiſchen ausgefallen
und es finden ſich noch zuweilen vollſtändig halap. ſila-
bar. aram. ſuaram. huaraf (ſtamen) thorof (oppidum)
eribo (heres) huarabôn. bërag etc. Manche wörter ſyn-
copieren im alth. gar nicht, die es ſpäter gleichfalls
thun z. b. hiruƷ (cervus) pinuƷ (juncus) muniƷa (mo-
neta) biliſa (milimindrum) biladi (imago) ſeniph (ſinapi)
haniph (cannabis); vorzüglich merke man, daß der ſpi-
rant h und die aſp. ch (hh) noch nicht gern unmittel-
bar auf liq. folgt, daher wërah (opus) ſtorah (ciconia)
lerihha (alauda) pirihha (betula) fëlahan (commendare)
etc. Dies berechtigt uns, theils in nicht mehr zu be-
legenden fällen gleiche aufhebung der ſyncope zu ver-
muthen, z. b. ſtatt winzâri (vinitor) ein älteres winiƷâri
und vielleicht wîniƷâri; theils für ſolche wörter unge-
achtet der poſition noch eine zeitlang ſchwebende aus-
ſprache anzunehmen.


[126]I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.

Wichtiger iſt uns hier folgendes. mb und mp neigen
ſich allmählig zu der aſſimilation mm*); mft geht über
in uft. Daß der rs vordem mehr geweſen, iſt beim rr
angezeigt worden; — rt muß man zweierlei ſcheiden,
theils entſprechen ſie dem goth. rd (wort. ſport. herti.
hirti. warten.) theils dem goth. zd (hort. ort. prort.
rarta) vgl. oben ſ. 67. und vorhin ſ. 121. über das frühere
ſ ſtatt r. Bei einigen geht der goth. beleg ab **). —


(P. B. F. V. W.) labiales.

In den älteſten runen nur zwei zeichen zu allen
lippenlauten, nämlich für b und f, birihha (betula) und
fihu (pecus) benannt; den ſpiranten v drückte zugleich
die rune u aus und die tenuis p. ſcheint als anlaut ſel-
ten oder nur in fremden wörtern vorgekommen zu ſeyn
(vgl. oben ſ. 55.). Die ſächſ. runen fügen einen buch-
ſtab für v (w) hinzu, den ſie vên (opinio) und für p,
den ſie peord (verna, bauer im ſchachſpiel) benennen.
Der letzte name iſt aber dem alth. p unangemeßen,
theils weil das wort in der entſprechenden form përt
nicht gefunden wird, theils dem ſächſ. anlaut p mei-
ſtens der alth. anlaut ph. begegnet, auch vielleicht das
mittelh. pfërt (equus) dasſelbe wort iſt ***). Die nord.
form für peord lautet pëd (? pëdd), womit der perſiſche
name derſelben figur im ſchach: padeh (ital. pedone,
[127]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
franz. pion) merkwürdig einſtimmt, vermuthlich von
pada (pes) abzuleiten, fußgänger, gemeiner ſoldat im
gegenſatz zum reiter. Dem ſey nun, wie ihm wolle,
die rune p. eignet ſich für die alth. tenuis nicht, und
es beſteht ein ganz anders verhältniß der labiales, als
im nord. ſächſ. und goth., nämlich der goth. reihe
p. b. f. v. entſpricht ſtrengalthochdeutſch: f. p. v. w,
ſo daß die media b völlig ausgeht, f aber durch ph
und v durch bh näher erklärt werden muß. Dieſes vor-
herrſchen der aſpiration beruht im grunde auf der ver-
wandlung des einfachen p in ph und die unterſuchung
hat folgenden gang zu nehmen: erſtens iſt zu zeigen,
daß das übergewicht der aſpiration auch im althochd.
unorganiſch und unurſprünglich ſey; alsdann bleibt die
freilich ſchwankende regel der alth. labiales ſelbſt zu
erörtern. Den beweis jenes ſatzes ſuche ich in nach-
ſtehenden puncten


  • 1) die allgemeine einſtimmung der übrigen deutſchen
    [mundarten], der goth. ſächſ. frieſ. nordiſchen, verbürgt,
    daß auch die alth. ſtatt ihres ph früher die tenuis p
    gehabt haben werde. Noch mehr, in fremden und
    alten ſprachen ſind vergleichbare wörter ebenfalls un-
    aſpiriert, z. b. gr. πέπερι, lat. piper, lett. pipperes,
    lith. pipirras, böhm. pepr; — πιππίζω, lat. pipio,
    böhm. pjſkám; — σίνηπι, lat. ſinapi, lett. ſinnepes; —
    affe, böhm. opice — kaufen, lat. capere — greifen,
    lat. rapere, lett. grahbt, litth. grebju etc. Ebenſo
    laßen ſich ſanſkr. u. perſ. wörter mit p und nicht ph
    anführen; etymologen aber, welche dergleichen ge-
    brauchen, um die nähere verwandtſchaft der alten
    ſprachen mit dem niederd. darzuthun, unternehmen
    etwas unnöthiges. da meiner meinung nach auch das
    hochd. in den erſten jahrh. die aſpiration keineswegs
    gehabt hat. ſondern apo (ſimia) ſcapan, ſcip. pîpan.
    grîpan geſprochen worden ſeyn wird. Sie hätten alſo
    bloß zu zeigen, daß die niederd. ausſprache in dieſem
    punct der älteren treuer geblieben iſt *).
  • 2) in den von den Römern aufbehaltenen eigennamen
    iſt noch keine ſpur der alth. labialordnung, ſondern
    vielmehr gilt die organiſche gothiſche. Die tenuis p
    in: peucini, menapii, uſipii, uſipetes, luppia (niederd.
    lippe) *) — die media b. in belgae, bonna, baduhenna,
    -burg, bructeri, vibilius, tolbiacum (hochd. zulpich)
    gelduba, longobardi, cimbri, maroboduus, ubii, etc. —
    die aſp. f. in fenni, foſi, friſii. tanfana, canninefas,
    framea — die ſpirans v. in vandali, vangiones, ſuevi,
    helvetii, viſurgis, treveri etc. Manche dieſer namen
    ſind uns dunkel **) aber die vergleichbaren f. entſpre-
    chen nie einem niederd. p, die vergleichbaren p. kei-
    nem niederd. b. ſondern der hochd. aſp. ph.
  • 3) die alth. denkmähler ſelbſt zeigen ſpuren der tenuis,
    wo man aſp. erwarten ſollte, nämlich in wörtern, in
    welchen auch die übrigen deutſchen mundarten tenuis
    haben. Namentlich in pîna (dolor) përala (unio)
    puzza (puteus) paradîſi, pilgrim, palinza, pëdarſil
    (petroſelinum) palma, tempal, probiſt, pimenta, proſa,
    pira (pirus), piſcôf (epiſcopus) und ähnlichen, meiſtens
    aus dem latein entlehnten wörtern. Die entlehnung
    muß in einer frühen zeit erfolgt ſeyn, wo die aſpi-
    ration noch nicht eingeführt war, ſpäter aber war es
    natürlich, daß dieſe fremde wörter, die ſich dem
    gange der deutſchen laute nicht fügen wollten, ver-
    ſchonte, wenigſtens größtentheils; ja einige derſelben
    nahmen bei ſolchen, die der ſtrengalth. tenuis die
    media b. vorziehen oder mit beiden wechſeln, wie
    beſonders N., den umſtänden nach, letztere an, z. b.
    bîna (dolor) bira (pirus) buzza (puteus) und auch bei
    O. und T. biſcôf. Andere ſchwanken nach verſchie-
    denheit der denkmähler und zeiten zwiſchen tenuis
    und aſp. z. b. J. ſetzt noch porta, ſpätere phorta;
    O. noch pad (callis) plëgan (ſolere) N. phad, phlëgen,
    allein porta. In den monſ. gl. herrſcht ph. entſchie-
    den, als: phant, phunt, phanna, pherſiboum (perſicus)
    phorzih (porticus) phellôl, phorri (porrus) phalanza,
    phlanza und nur in jenen zuerſt genannten hat ſich
    [129]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    die ten. behauptet, meiſtens noch im neuh. (pein, perle,
    tempel, palme etc., ausgenommen pfütze) wïewohl
    einzelne ph. erſchienen ſind, z. b. phînôn (cruciare)
    gl. hrab. 953a, phînunga 955b.
  • 4) ein überzeugender grund iſt ferner der, daß die con-
    ſonanzverbindung ſp ſowohl im anlaut als inlaut ge-
    blieben iſt und ſich nicht in ſph (einen übrigens wohl-
    klingenden, im gr. σφ häufigen laut) verwandelt hat.
    Aber ſelbſt die denkmähler, welche am ſtrengſten der
    alth. labialregel folgen, zeigen unverändert ſp in den-
    ſelben wörtern, wo es die ſächſ. goth. und nord.
    mundart hat. Zahlreiche anlaute: ſpinnan, ſpër, ſpal-
    tan etc. bedürfen keiner aufzählung. Seltner ſind die
    inlaute und ich vermag nur liſpen (anhelare) M. 341.
    wiſbelôt (ſibilus) gl. doc. nëſpil (mespila) gl. doc. aſpa
    (tremula) gl. blaſ. 140. gerade zu belegen, es muß
    noch andere geben, z. b. hiſpan, wiſpan, haſpal,
    mëſpil etc. (vgl. die mittelh. ſp.). O. ſchreibt thueſben
    (extinguere) ſt. dueſpjan, was auf ein ſtarkes duiſpan
    zurückdeutet. Den bekannten eigennamen oſpirîn,
    oſbirîn fübre ich nicht an, weil er aus oſ-pirîn (urſa)
    componiert iſt, ebenſowenig die ſchwierige par-
    tikel zaſpëri, ziſpëri, d. h. za ſpëri, zi ſpëri
    (utique).
  • 5) im goth. etc. ſind ten. med. aſp. organiſch vertheilt;
    im alth. ſchwanken ten. u. med. für eine reihe von
    wörtern unter einander; dieſe unvollkommenheit kann
    nicht urſprünglich geweſen ſeyn.
  • 6) endlich kann die analogie der lingual- und guttural-
    buchſtaben angeſchlagen werden, wo im alth. eine
    gleich unorganiſche aſpiration eintritt und zunimmt.

Nachdem ich dargethan habe, daß im älteſten hoch-
deutſch ganz die goth. vertheilung und beſtimmung der
lippenlaute eingetreten zu ſeyn ſcheint, handelt es ſich
um die nähere darſtellung des eigentlichen verhältniſſes
dieſer conſonanten im 8 - 10. jahrh. wobei nun jene ſpu-
ren des früheren zuſtandes übergangen werden können.


(P und B) die tenuis entſpricht im an- in- und
auslaut der goth. media b. und ſtrenghochd. denkmäh-
ler, namentlich die hrab. und monſ. gl. ſchreiben nicht
nur im auslaute: kap (dedit) ſcreip (ſcripſit) ſtap (bacu-
lus) ſondern auch in- und anlautend: këpa (donum)
ſcripun, ſtapâ, trîpan, opaƷ, upar, umpi, zimpar; pat
I
[130]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
(rogavit) pipar (caſtor) pim (ſum) pein (os) pano (homi-
cida) puah (liber) pluamo (flos) prinkan (afferre) etc.
Dieſe könnten des b völlig entrathen, es lauft jedoch
zuweilen im inlaut mitunter, nie im auslaut, ſeltner im
anlaut. Andere quellen, K., die gl. jun., die hymnen etc.
räumen dem b mehr und in der regel beſtändig den in-
laut ein, während p nothwendig aus- und faſt immer
anlautet. J. hat die eigenheit, daß er das anlautende p
nur in fremden wörtern (porta, paſſio, paradîſi), das
auslautende nur in einigen, als 356. ſëlp 404. chalp dul-
det, ſonſt aber im auslaut die aſp. ſetzt, als 352. 402.
ûph, 372. ſcreiph. 394. 395. bileiph; dem an- und inlaute
gibt er b*). Noch weiter endlich gehen O. und T.,
welche das p gänzlich vernachläßigen, d. h. zwar in
fremden wörtern (porta, tempil) in deutſchen aber bloß
in der verbindung ſp. und inlautend vor t (kûmpta, gi-
loupta) dulden, ſonſt überall und namentlich im auslaut
(wîb. lîb. huob. ſtarb. gab) die media zeigen.


Eine viel conſequentere, ihm völlig eigenthümliche
regel beobachtet N., der bei oberflächlicher anſicht will-
kürlich zwiſchen p und b oft in der nämlichen zeile
zu ſchwanken ſcheint. Aufmerkſamkeit lehrte mich,
daß er (die form ſp. und einige fremde wörter abge-
rechnet) die ten. nie im in- und auslaut, ſondern ſtets
die med. ſetzt, alſo: trîben, habên, umbe, ubelî, gibet;
halb, warb, gab, treib etc. Der anlaut hingegen rich-
tet ſich nach dem auslaut des vorhergehenden worts.
Iſt dieſer auslaut ein vocal oder eine liq.; ſo hat das
nächſte wort im anlaut die media b; — war er die ſpi-
rans h oder eine lab. ling. oder gutt. ſo folgt im anlaut
die tenuis p und dasſelbe geſchieht endlich, wenn mit
dem anlaut ein ganz neuer ſatz beginnt, weil dann der
auslaut des vorigen zu weit getrennt iſt und nicht wei-
ter einwirkt. Letzteres ſcheint zugleich darzuthun, daß
N. in ſolchen wörtern die ten. für den wahren, nur den
umſtänden nach in die med. umlautenden buchſtab hält.
Beiſpiele ergeben ſich allenthalben und widerſprechende
ungenauigkeiten der pſalmenausgabe kommen nicht in
betracht. Es muß daher heißen: ih pin, aber ih ne
bin; des pëlgen, aber: ſelben bëlgen (98, 1.); got pë-
tôjên, wir bëtôjên (96, 7.) ih pito, mînero bitûn (118, 116);
[131]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
dîn bin ih, ſilo breit, ſint pediu (118, 90, 94, 96) mih
pînont (12, 5) îlet pehuoten, der behuotet (18, 12) und
ſo überall in unzähligen fällen. — Dem feinhörigen N.
folgen andere und ſpätere nicht, namentlich, was zu
verwundern iſt, keiner der mittelh. dichter.


Für jede der angegebenen verſchiedenheiten im ge-
brauche des p und b zeit und mundart feſtzuſetzen, hält
ſchwer; es ſtimmen hier denkmähler zuſammen, die in
andern ſtücken abweichen, z. b. O. und T.; während
O. und K., die ſonſt ia, ua gemein haben, darin von
einander abſtehen. Das vorherrſchende, umlautende b.
bei T. und O. ſtimmt zur neuh., dagegen der inlaut b.
und auslaut p. zur mittelh. weiſe. Dieſer umlaut zwi-
ſchen b. und p. (loup, loubes) vergleicht ſich zunächſt
dem goth. wechſel des f und b in denſelben wörtern
(láuf, laubis) und noch vollkommner J. lîban, leiph
(goth. hleiban, hláif); überhaupt entfernt ſich J. am
wenigſten von der goth. lautvertheilung.


(F. PH. PF.) die alth. aſp. entſpricht der goth. ten.
und eigentlich nicht der goth. aſp., welcher vielmehr
das alth. v. gleicht; doch aber finden miſchungen beider
alth. aſp., des f und des v ſtatt. Vorerſt will ich hier
fragen, ob f. ein einfacher oder doppelter laut ſey? und
antworten, ein doppelter. Daß ein beſonderer buch-
ſtab vorhanden iſt, beweiſt nicht dawider, man müſte
dann auch das nord. u. ſächſ. þ für einen einfachen
conſ. erklären; die drei aſp. f. þ und ch. ſtehen ſich aber
gewiß gleich. Eher könnte bedenklich machen, daß
lat. grammatiker zwiſchen ph und f. unterſcheiden
(Schneider p. 263-266.), wiewohl andern beide zuſam-
menfallen und das gr. φ in der regel durch das lat. f.
ausgedrückt wurde (Schn. p. 201.). Unterſchied iſt frei-
lich möglich und in der that merklich, aber nur zwi-
ſchen zweierlei aſpiratis, dem ph und bh, oder zwiſchen
der aſp. und triphthongen, wie pf (das iſt pph) und bf
(bph) ſind, deren gleich erwähnt werden wird. — Nun-
mehr ſtelle ich auf: das eine alth. f. entſpricht der goth.
ten. oder iſt mit andern worten das aſpiriert gewordene
goth. p, folglich jederzeit ſcharf wie ph und nie wie bh
auszuſprechen. Es wird daher häufig noch ph geſchrieben


  • 1) im anlaut kommt es, gleich dem goth. p, ſelten vor,
    meiſtens in fremden wörtern: phorta, phunt, phenning,
    phîpha, phlanza, phello, pheit (tunica) phluog (ara-
    trum) pharre (tauri) N. 21, 13. phogat N. 34, 1. etc.
    I 2
    [132]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    Dieſer anlaut hat ſich ſehr frühe in den noch härte-
    ren triphthong pf verwandelt; ſchon die hrab. gl. ſchrei-
    ben pfentinc, pfîfa, pfat, pfliht etc. Das anlautende
    pf galt jedoch weder für alle wörter noch mundarten
    allgemein, wie man aus denkmählern ſieht, welche
    dafür zuweilen nicht ph, ſondern f ſchreiben, z. b.
    K. 43b funt (libra) N. 103, 16. W. 4, 13. flanza (planta-
    tio) N. 8 [...], [...]. frëſſa (preſſura). Einige haben, wie oben
    bemerkt. das unaſpirierte alte p. beibehalten, nament-
    lich O. in porta, plëgan etc. und konnten es, weil ſie
    auch im anlautenden b der goth. media treu blieben.
    Die aber letztere durch p ausdrücken, bedienen ſich
    conſequent des ph (f. oder pf) ſtatt der goth. tenuis,
    während O. und ſeines gleichen inconſequent das in-
    und auslautende p mit f vertauſchen.
  • 2) im in- und auslaut wird am liebſten f geſchrieben
    und gewiß ph, nicht bh, geſprochen. Dies erhellt
    aus den daneben vorkommenden ſchreibungen ph. ff
    und pf.
    • a) die ſchreibung f belegt ſich bei O. T. N. allenthal-
      ben; gewiſſen wörtern iſt jedoch das ph vorbehalten
      und hier muß man den gebrauch eines jeden dieſer
      denkmähler beſonders kennen lernen. Alle drei
      ſchreiben: grîfan, ſlàfan, ſcif (ſcëf) lantſcaf etc.
      aber O. und N. wërfen, hëlfen, (daneben O. I.
      11, 122. hëlpha). T. wërphan, warph, wurphumes,
      thorph. O. und T. limphan, lamph; N limfen, lamf.
      Die monſ. gl. ſchwanken in denſelben wörtern,
      z. b. after und aphter.
    • b) ph hat daher in vielen fällen ganz wie f gelautet
      und beide ſind eigentlich eins z. b. huph (femur)
      etc. In denkmählern aber, die gewöhnlich f ge-
      brauchen, hat das ph mancher wörter unleugbar
      die ausſprache des pf, z. b. wenn O. kuphar (cu-
      prum) ſcepheri (creator) ſchreibt, iſt doch nicht an-
      zunehmen, daß noch kufar, ſceferi geſprochen wer-
      den dürfe *). So könnte auch ſein limphen und
      T. warph ins pf. hinüberſpielen. Richtiger wäre,
      wo pf geſprochen werden ſoll, es auch zu ſchrei-
      [133]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
      ben, allein es iſt, wie ſich hernach zeigen wird,
      häufig aus ph entſprungen, ſo daß in einzelnen
      wörtern die wahre ausſprache kaum auszumitteln
      ſteht. N. ſlâphôta 118, 28. gilt ſo viel als ſlâfôta.
    • c) die ſchreibung ff. ſo practiſch ſie ſich gemacht hat,
      ſcheint in der theorie ganz verwerflich, da das f
      ein doppellaut iſt und man zwar einen doppellaut
      noch mit einem einfachen verbinden, nicht aber
      wieder mit ſich ſelbſt doppeln kann. ff iſt phph,
      ſolglich (in einer ſilbe) ſo unausſprechbar als es
      thth und chch ſeyn würde. Meiner anſicht nach
      ſoll das ff, wo man es geſchrieben hat, entw. die
      ſtärkere aſp. ph, zum unterſchied von der gelinde-
      ren v ausdrücken, oder den triphthong pf. Jenes
      iſt der fall, wenn ſogar doppelvocale vorhergehen,
      denen keine geminierte conſonanz folgen darf, vgl.
      gl. hrab. 956b hûffôn (auch N. 60, 7.) ſauffi 960b
      ûffit (promit) 972a; gl. monſ. naffezen (dormitare)
      N. naphezen; — bei K. hlauffan, wâffan 16b*), ſlâffag
      (ſomnolentus) 23b ſcâffum 20b (N. 8, 8.) rîffant
      25a ſlâffit 46a ſlâffe 17a wohin auch tiuffi, N. touffî,
      offto 60, 6. ſcuoffe 63, 9. etc. Hier würde über-
      all richtiger ein f oder ph ſtehen. Das pf vertritt
      hingegen ff in ſceffan K. 33b, chamffan K. 19a (ne-
      ben chamfan 15a) heffan (K. und O. I. 19, 6.)
      chriffen (gl. jun. 217.) und in folgenden ſtellen
      J. 385. ſcheffidhes. 395. offerunc. 402 lantſcaffi (bei
      ihm = lantſcapſi) Bedenklich ſcheint allein der
      fall, wo dem ff ein einfacher vocal vorhergeht
      und doch kein pf zu vermuthen iſt, z. b. in affo
      (ſimia) offan (apertus) phaffo (papa) ſaffe (ſucco)
      ſciffe (navi) lantſcaſſi (K. 20a) etc., wo zumahl der
      auslaut nur ein f zeigt, als: ſaf, ſcif, lantſcaf.
      Hier iſt wohl eine unorganiſche anwendung der
      analogie anderer geminationen gemacht worden;
      dasſelbe werden wir unten bei dem ƷƷ und hh
      zu bemerken finden. Aeltere denkmähler richtiger
      ſcëf, ſcëfes; lantſcaf, lantſcafi. Sollte die critik
      überhaupt ſich erkühnen dürfen, das pſeudo- ff in
      den ausgaben zu tilgen?
    • d) pf iſt eigentlich pph, findet ſich auch ſo geſchrie-
      ben, vgl. krippha O. opphar O. ſcepphes: lepphes
      (curras) O II. 14, 55. (die wiener hſ, II. 4, 63. ſo-
      gar ſcefphe, gl. hrab. 962a hefphet; gl. doc. 204b
      ſlifphemes.) wipphe O. IV. 16, 55. ſtepphare N. 100,
      3. etc. häufiger ſteht pf, als ſtupfe (O im reim auf
      jenes wipphe) und gl. hrab. chripfju, ſcepfent,
      elptant, cnupfen, chupfa neben cnuphit, wirphit,
      ſuëphar. Zwiſchen pf und ph ſchwanken auch O
      und N. vgl. ſcepheri O. I. 5, 49. opheres II. 9, 67.
      opherôn N. 33, 1. opferôn 25, 6. chapfen 12, 2. ir-
      ropfzôt (eructat) 18, 3. ſtephida 38, 1. ſtepphâre
      100, 3. wephàre (hiſtrio) 39, 5. etc. daß andere in
      denſelben wörtern ff ſchreiben, iſt vorhin ange-
      merkt. Dieſes pf entſpricht theils dem einfachen
      p, theils dem pp der niederd. ſprache, und ent-
      ſpringt in letzterm fall häufig aus phi, z. b. krippha
      ſt. kriphea (T. crippea), chripphen ſt. chriphjan.
      Zuweilen hat es noch einen andern grund, z. b.
      op-phar, wofür man auch ob-phar (T. 7, 3.) fin-
      det, mag eigentlich in zwei ſilben, wie das lat.
      of-ferre, ob-ferre zerfallen. Uebrigens laßen das
      alt- und neuh. pf nicht immer auf einander ſchließen,
      z. b. chriphen zwar auf kripfen, aber kripfa lautet
      krippe und chapfen gaffen; vgl. ſchaffen und
      ſchöpfer. Wie ſticht gegen ſolche ungewißheit der
      reinliche, feſte gebrauch der goth. tenuis ab.

(F. V.) die zweite alth. aſp. entſpricht der goth.
aſp. *) und wird zumahl in denkmählern, welche die
erſte aſp. mit f ausdrücken, zum unterſchiede v ge-
ſchrieben; hierdurch iſt der mittel- und neuh. gebrauch
des v begründet, welches v nie oder nur misbräuchlich
an die ſtelle jenes erſten f treten kann. Beiderlei laut
war urſprünglich und ſo weſentlich verſchieden, als die
goth. ten. von der goth. aſp. Man ſpreche das v (oder
zweite f) milder als das vorige f und etwa zwiſchen
[135]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
ph und w, alſo wie bh aus, gleich dem goth. f in gaf,
þiuf (oben ſ. 55.), kurz gleich dem ſächſ. ƀ. Geſchrie-
ben wird es gewöhnlich mit dem vocalzeichen u, was
doch die grammatik billig meidet, um verwechſelung
mit dem vocallaut, zumahl in diphthongen und in ein-
zelnen fällen mit dem w zu verhüten. Dem w liegt
freilich das v ſehr nahe *) und ein ungeübtes ohr un-
terſcheidet beide im inlaute ſchwer von einander;
gleichwohl iſt der unterſchied ſo weſentlich, daß mit-
telh. genaue reimer kein v und w aufeinander reimen
(z. b. nie grâven, comitem, auf gràwen, caneſcere) und
im alth. ſind z. b. fravallicho (audacter) und frawalicho
(laete) hörbar verſchiedene wörter. Noch ſchwieriger
fällt die unterſcheidung des anlautenden v, von dem f
und beide ſind hier offenbar frühe ſchon vermiſcht, d. h.
das v iſt wie f geſprochen worden. Im auslaute wird
ſogar niemahls v geſchrieben.


  • 1) je ſeltner die erſte aſp. im anlaut, deſto häufiger die
    zweite, aber jenes erklärt, warum auch letztere ohne
    verwirrung mit dem buchſtaben f geſchrieben werden
    konnte. Sicherer geht die ſchreibung v, die ich zu-
    meiſt in den monſ. gl. beobachtet finde, als: varan,
    vallan, vëlahan (commendare). vëlgâ (canti) verjo (re-
    mex) vilo, vingar, vizus (aſtutus), vogal, vora, vu-
    luhun, vuri, vundun (inveniebant) etc. desgleichen
    vor doppellautern: vâra (dolus) viur (ignis) vuora
    (paſtus), kaum vor û, weil ſich dann drei gleiche
    zeichen häufen, daher fûl (putris) fûhtî (mador) nicht
    vûl (welches genau betrachtet uuul wäre); wohl aber
    í der verbindung vl. vr, als: vlins (ſilix) vliuſit,
    vrido, vrî etc. Nächſt dieſen gl. befolgt N. häufig
    dieſelbe ſchreibung, z. b. vater, vilo, vëld, vërro,
    vizes (doloſus) vlins, vrïſt, vrido, volgên, vore, viel
    (cecidit) etc. bedient ſich in den nämlichen wörtern
    aber auch des f und zwar häufiger, doch iſt der ge-
    brauch des v daneben keine bloße willkühr, ſondern
    nach der vorhin bei dem p und b gewieſenen regel
    ſtehet v im anlaut nur, wenn im anſtoßenden auslaut
    vocal oder liq. vorausgegangen war, z. b. demo vater,
    [136]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    den vater, aber nie des vater, vielmehr des fater
    (8, 2. 20, 2.); nie hôhvater, vielmehr hôhfater (pa-
    triarcha 79, 11.) vgl. mìnen vrido, aber von vornen:
    frido (20, 3.) etc. Inſoweit gilt die regel minder
    ſtreng, als ſtatt des v in allen fällen auch f geſetzt
    werden darf, nicht aber umgekehrt v für f. — Viele
    alth. quellen enthalten ſich gänzlich des anlautenden
    v (namentlich K. O. T.) und ſchreiben beſtändig f
    dafür.
  • 2) umgekehrt iſt im inlaut die zweite aſp. ſeltner, als die
    erſte; deſto leichter thut ſie ſich in der ausſprache
    kund. Die wenigen beiſpiele ſind etwa: avur, avar
    (retro) avarôn (iterare) avara (pyramis) avarah (gurgu-
    ſtíum, fiſchreuſe) avalôn (parare, comparare) fraval
    (contumax) havan (olla) arviƷƷa (eruca) chevja (cavea)
    hevo, hevit (levo, levat) hevîg (gravis) hevorâ (exclu-
    ſores, d. h. ſilberſchmiede, N. 67, 31. beßer wohl he-
    vârâ?) nëvo (nepos) chëvar (brucus) wëval (ſubteg-
    men) chëva (branchia) hrëves (uteri) wëverôn (rugire)
    ſcëvar (lapis fiſſilis) wërvo (vortex) chërvila (cerefo-
    lium) zuelivî (duodecim) livol (libellus) einlivî (unde-
    cim) ovan (fornax) hoves (curiae) hovar (gibbus) bi-
    ſcôves (epiſcopi) wolves (lupi) funivî (quinque) grâvo
    (comes) râvo (tignum) gitâvili (laquear) gâviſſa (migma,
    quisquiliae) zuîval (dubium) vîvaltra (papilio) briaves
    (epiſtolae) tiuval, tievil (diabolus) eivari (acris) ſeivar
    ſpuma) ſcûvila (pala) huoves (ungulae). Fremde wör-
    ter wie êvangeljo, êva, davîd, nave (J. 387.) etc. zei-
    gen ein gleiches v, und kein w, entſprechen alſo for-
    mell dem goth. a[i]vaggeljô, daveid *). — Daß nicht
    ſelten auch im inlaut f ſtatt v. geſchrieben wird, ver-
    ſteht ſich von ſelbſt; gewiſſe wörter ſchwanken in den
    denkmählern in die media; ſtatt avar, avarôn hat N.
    aber, aberôn (44, 2.) und neben hevo, hevit findet
    heffan, hepfan, hepfu ſtatt (näheres in der conjug.)
    K. ſelbſt ſchwankt zwiſchen ruava (numerus) 16b 22a
    und roaba 35a. b[.] zu welchem letztern die gl. jun. 2 [...].
    ruaba (indictio) ſtimmt. O. hat hebìg ſt. hevîg, gâbiſſa
    ſt. gâviſſa und die beiden hſſ. wechſeln zwiſchen u und f
    [137]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    in afur, diufal, afalôn etc. die pfälzer hat IV. 16, 36.
    zuelivî, die wiener zuelifî.
  • 3) im auslaut wird nie v, immer f geſchrieben, vgl. den
    nom. der angeführten genitive: wolf, briaf, huof,
    hrëf. Wurde aber dieſes f dem auslaut der erſten aſp.
    völlig gleich ausgeſprochen, z. b. ſliaf (dormivit) riaf
    (vocavit) gerade wie briaf? Urſprünglich gewiß nicht,
    denn dort war ein ph (goth. p), hier iſt ein v (goth. f)
    vorhanden. Allmählig mögen ſich aber beide aſp. im
    auslaut verglichen haben; mittelh. dichter reimen un-
    bedenklich rief: brief (nicht den inlaut riefen: brie-
    ven). Unter dieſer vorausſetzung könnte man einen
    umlaut zwiſchen f und v (wolf, wolves; hof, hoves)
    dem vorhingedachten zwiſchen p und b (thiup, thiu-
    bes; gap, gâbun) und zwiſchen f und ff (ſcëf, ſcëffes;
    grif, griffes) analog annehmen. Der Gothe beſtätigt
    aber nur den zweiten umlaut (þiufs, þiubis; gaf. gê-
    bun) nicht den erſten und dritten (vulfs, vulfis; ſcip,
    ſcipis) und ich halte ſie darum wenigſtens für unorga-
    niſch, wie ſie denn auch auf nichts anderm als einer
    ſtufenweiſen entſtellung der auslautenden aſp. zu be-
    ruhen ſcheinen. Das f in wolf hatte früher den laut
    des inlauts v; das f in ſcëf früher den des inlauts ff
    (d. h. ph.)

(W) dem labialſpiranten gewähren die nord. runen
kein eigenes zeichen, ſondern drücken ihn mit dem ûr
aus; die ſächſ. haben dafür einen beſonderen deutlich
dem lat. und goth. v verwandten buchſtab, welcher im
alth. ſchon deshalb nicht länger gelten kann, weil das
einfache v. zur bezeichnung der einen aſp. dient. Der
alth. ſpirant bezeichnet ſich vielmehr mit dem doppel-
ten v, nämlich vv oder verſchlungen w, ſtatt welches
die alten hſſ., wie ſie u für v ſchreiben, uu ſetzen. Bei
J. K. O. T. N. gl. hrab. jun. etc. findet ſich uu, weder vv,
noch uv, noch vu*) geſchrieben, ſo daß wenn der ſpi-
rant in der mitte zweier vocale u ſtehet oder û voraus-
geht, uuuu erfolgen kann, z. b. puuuuit (colit) hriuuuuu
(poenitentiam) N. 59, 4. drei u aber häufig vorkommen,
als: uuuntar (miraculum) zëſauuun (dexteram) triuuua
(fides) niuuuî (novities) **). Dieſem übelſtand wird aber
[138]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
durch accentuation und dehnzeichen meiſtens begegnet,
z. b. pûuuit, uuúntar, zëſauuûn geſchrieben *), oft auch
das w ausgeſtoßen, als pûan ſt. pûwan. Die ſchreibung
vv neben uu findet ſich in den ker. gl.; ſpäter wird vu
gebräuchlich (vgl. gl. monſ. und doc.), uv zeigt Wille-
râm vgl. gl. doc. anauvëſant, uvînrëpa, uvintila etc.
Ob alle dieſe verſchiedenheiten bloß graphiſch oder auch
für die ausſprache wichtig ſind, hat mancherlei beden-
ken und ich komme vielleicht noch nicht zum befrie-
digenden ſchluß.


  • 1) der anlaut w duldet auf ſich folgend jeden vocal, ein-
    fachen oder doppelten, ausnahme macht u, doch nicht
    allgemeine, indem O und T. uuúnta, uuúnſg, uuúr-
    fun ſchreiben, dagegen die älteren denkmähler, wie
    es ſcheint auch N. **) in dieſem falle ein u auslaßen,
    alſo: uunta, uunſk, uurm, uurti (fieret) uurfî (jeciſti)
    antuurti etc. Iſt nun hier anders ausgeſprochen wor-
    den, als wir heute wun, wur, zu ſprechen pflegen?
    und hat nicht eben die nord. mundart ul, un, ur
    ſtatt vul, vun, vur? Gegen die aphäreſe ſtreitet
    a) die analogie des goth. vul, vun, vaúr. b) daß O.
    und T. wirklich uuúl, uuún, uuúr, d. h. wul, wun,
    wur ſchreiben. c) das mittel- und neuh. unbedenk-
    liche wul, wun, wur in ſchreibung und ausſprache
    d) hätte die nord. ausſprache ſtatt gehabt, warum
    ſchrieb man nicht mit einzelnem u: ul, un, ur? Das
    dopp. uu fällt, mindeſtens bei ſolchen, die wie K. auch
    den langen vocal uu ſchreiben, hiermit zuſammen,
    ſchwerlich aber wäre ein alth. ûl, ûn, ûr der aus-
    ſprache gemäß, da ſonſt N. nicht uurm, ſonderm ûrm
    geſchrieben haben würde. An ein langes û iſt hier
    freilich nicht zu denken, allein ich geſtehe, wenn
    **)
    [139]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    gleich kein nord. un, ur zu behaupten ſeyn wird, daß
    mir die heutige ausſprache wun, wur für jene alth.
    uun, uur zweifelhaft bleibt. Gerade die ſpätere ſchrei-
    bung bei O. und T. ſcheint den übergang zu zeigen,
    und die goth. analogie beweiſt ſogar für eine verſchie-
    dene alth. ausſprache; weil alle übrigen alth. labiales
    materiell den goth. nicht entſprechen, vermuthe ich,
    daß auch das alth. uu anders als das goth. v gelautet
    hat. Ich ſtelle nunmehr folgende anſicht zu näherer
    prüfung auf:
    • α) der alth. anlaut uu oder w iſt, wenn ein vocal (mit
      ausnahme des u und uo) folgt, nicht wie das goth. v
      oder neuh. w zu ſprechen, ſondern vocaliſcher, etwa
      wie uv oder vu, mit einem worte, wie das engl. w.
      Dieſe ausſprache ſcheint aber nicht die organiſche,
      urſprüngliche zu ſeyn, ſondern mit der eingetrete-
      nen verrückung der lippenlaute im zuſammenhang.
      Ihre ſpur verräth bereits das oben ſ. 58. erwähnte
      weſtgoth. ub. Graphiſch beſtätigt wird ſie durch das
      uu, uv, vu und vv*), für welche fälle durchaus
      das verſchlungene w zu ſchreiben in der grammatik
      unbedenklich und bei unterbleibender accentuation
      ſelbſt rathſam ſcheint. Von dem, ebenfalls uu ge-
      ſchrieben wordenen û iſt w ganz verſchieden, in-
      dem jenes die ſilbe lang macht, dieſes nicht.
    • β) folgt der vocal u, ſo hat ſich begreiſlich die alte
      einfache gothiſche ausſprache, und mit ihr die
      ſchreibung des einfachen zeichens erhalten; uun-
      nun, uurfun iſt mir identiſch mit vunnun, vurfun
      und in der that können die buchſtaben nicht an-
      ders genommen werden. Alſo keine nord. aphäreſe
      wie zwiſchen vinna, unno; vërpa, urpo, wiewohl
      ein ihr ähnliches verhältniß zwiſchen winnan, vun-
      nun; wërfan, vurfun. Der einfache ſpirant er-
      [140]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
      ſcheint gerade an den entgegengeſetzten ſtellen. O
      und T. ſchreibung wu iſt entweder ungenauigkeit
      oder lieber zeugniß für die mundartiſche und all-
      mählige verwiſchung jenes unterſchieds, d. h. mit
      der zeit kam die ausſprache des einfachen v über-
      all wieder auf, man behielt aber in der ſchrift das
      zeichen des doppelten, da das einfache v für die
      aſp. diente.
    • γ) folgt der diphth. uo (des folgenden û entſinne ich
      mich mit keinem beiſpiel) ſo zeigt ſich wiederum
      das einfache v; vgl. K. 24a uuaf (gemitus) d. i. vuaf
      (nicht wuaf) gl. doc. vuophta (ululavit) d. i. vuofta
      (nicht wuofta) von der ſcheinbar gleichen ſchrei-
      bung vuort (verbum) d. i. wort zu unterſcheiden,
      wie die accentuation lehrt (vúofta und vuórt). O.
      hat hingegen das doppelte uu, vgl. giwuag IV. 28,
      33. wuahs (crevit) I. 16, 45. III. 6, 71, accentuiert
      giuuúag, uuúahs. Warum ſchreibt er aber uuaſg
      (lavit) III. 4, 10; IV. 11, 32? iſt dies vúaſg? Auch
      T. 132. uuoſc und nicht uuuoſc. Es ſcheint, daß
      bei nachfolgendem uo, ua das alte v ſtatt w etwas
      länger haftete. Uebrigens iſt das verhältniß des
      nord. vaxa, ôx zu dem alth. wahſan, vuohs ganz
      das vorhin nachgewieſene.
    • δ) da hiernach das alth. anlautende w nur in den we-
      nigſten fällen einfacher ſpirant iſt, ſo fragt ſich: ob
      nicht das vorhin als zweite aſp. aufgeſtellte v als
      ſolcher gelten könne, und mit dem unter β. γ. an-
      geführten v vor u und uo zuſammenfalle? Ich be-
      zweifle es, weil jene zweite aſp. gerade im anlaut
      häufig mit f verwechſelt wird, ſo daß z. b. vuntan
      (inventus) vuhs (vulpes) vuora (alimonia) im anlaut
      merklich von vunta (vulnus) vuohs (crevit) abwei-
      chen muſten. Ob unter dieſen umſtänden beßer
      vunnun, vunta, vuohs oder uunnun, uunta, uuohs
      geſchrieben werde? hat für und wider ſich. Jenes
      ſtellt das verhältniß zum w (welches wir doch wohl
      ſtatt uu ſchreiben müßen) deutlicher dar; dieſes
      verhütet verwechſelung mit der aſp. v.
  • 2) nächſt dem anlaut w kommen für die ausſprache des alth.
    ſpiranten die anlautenden verbindungen desſelben mit
    andern conſonanten in betracht. wl und wr ſind einge-
    gangen und haben ſich vielleicht anfangs in hl. hr., bald
    [141]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    aber in das bloße l und r verwandelt. Einzige ſpur des
    wr iſt uurehhan (exſulem) J. 384. wogegen (über
    anthlutte 346. unten bei der gem. tt.) in andern
    alth. quellen hrehhjo (exſul); doch finde ich auch in
    den tradit. fuld. 580. wrecheo als eigennamen- Die
    formen wrenjo (burdo) und wreniſc (petulans) gl.
    jun. 406. ſind niederdeutſch. Eher ließe ſich noch
    das bekannte warannio (admiſſarius) aus der lex ſal.
    anführen (alth. reinno, reinjo). Früher waren aber
    gewiß wl, wr in denſelben wörtern vorhanden, wo
    ſie die goth. und ſächſ. ſprache zeigt und wie eben
    aus der aphäreſe hervorgeht, wurde das w nicht
    ſchwer ſondern ganz einfach ausgeſprochen. — Un-
    gleich häufiger iſt die compoſition des labialſpiranten
    mit vorſtehender dent. und gutt. in den formen: du-
    tu- zu- ſu- qu- hu-
    , die an ihrem ort angegeben
    werden ſollen; hier liegt bloß an der bemerkung,
    daß in ihnen wiederum die einfache, alte ausſprache
    des w geherrſcht zu haben ſcheint. Denn ſelbſt
    ſolche, die überall uu ſchreiben, wie O. T. N., ſchrei-
    ben nicht quu, ſuu, huu etc. ſondern qu, ſu, hu,
    d. h. qv, ſv, hv. Umgekehrt weiſen ältere denkmäh-
    ler (die u und nicht uu bei folgendem vocal u ſetzen)
    namentlich I. und K. gerade huu, zuu, duu, ſuu
    (d. h. hw, zw, dw, ſw), nur nicht quu, welches ſie
    eigenthümlich noch mit h verbinden, quh oder qhu,
    wovon mehr beim q. Früher muß folglich in den
    fraglichen compoſitionen das w ſchwer und breit ge-
    lautet haben, wofür ferner ſpricht daß zuweilen ein
    anderer vocal zwiſchen eingerückt wird, zumahl in
    den formen tw, zw und ſw; die gl. ker. thowahit (la-
    vat) ſowimman (natare) neben ſuuimman, ſowaƷƷi
    (dulce) ſowërt (gladius) zowîhandan (ancipitem) zo-
    wîvlôn (ambigere) etc. die gl. doc. zawei (duo) za-
    wîflônt (ambigunt) ziwire (bis) ſuwarm (examen) und
    ſelbſt bei N. 88, 52. zewein (duabus) zewêne (duo)
    24, 10. 147, 1. zewîfel p. 258a, 17. zewiſken. daſ.
    Der eingeſchaltete vocal hat keinen etymologiſchen
    grund, ſondern ſoll bloß die volle ausſprache des w
    erleichtern und heben, wie man noch heute unter
    dem volk zewei, zeweifel hört. — Nach dieſem
    ſchwanken wird nun auch die grammatiſche ſchreibung
    bald hw, ſw etc. bald hu, ſu etc. ſeyn dürfen; hv,
    ſv ſtatt letzterer ſcheint wegen der verwechſelung
    mit der aſp. v. miſlich.
  • 3) inlautendes w; es iſt nie als leeres einſchiebſel zu
    betrachten, ſondern hat in der wortbildung ſeine be-
    deutung. Entw. berührt es den vocal der wurzel,
    oder den einer endung; conſonanten eigentlich nie.
    Erſter fall (berührung des wurzellauts); hier duldet
    das w folgende laute vor ſich: a, e, ë, i, o, u (?)
    â, ê, î, ô, û, ou, iu, nicht aber ei und au;
    • α) die formen aw, ew, ow, ôw, ouw müßen zuſam-
      men betrachtet werden, weil ſie in denſelben wör-
      tern untereinander ſchwanken. aw iſt die alter-
      thümlichſte, ew der gewöhnliche umlaut des aw,
      durch ein folgendes i verurſacht; ôw, ow und ouw
      der ſpäteren umſetzung des au in ô und ou ge-
      mäß. Beiſpiele: frawêr (laetus) frawôn (laetari) za-
      wèn (parare) zawa (tinctura) klawêr (verſutus) dra-
      wen (minari) ſcawôn (contemplari) rawa (quies)
      fawêr (paucus) ſtrawen (ſternere) hrawêr (crudus)
      hawan (caedere) gl. jun. 200; pawan (aedificare)
      gl. jun. 199. chrawôn (fricare) dawen (mori), einige
      derſelben, wie das letztgenannte, laßen ſich in die-
      ſer form nicht mehr belegen, ſondern erſcheinen in
      der form ôw, ouw; das frühere aw muß aber theo-
      retiſch behauptet werden. Beiſpiele von ew: gewi
      (pagus) hewi (foenum) ewî (agnae) ewiſtra (caula)
      ewit (grex ovium) drewî (minare) frewî (exhilara)
      fardewî (digere) flewen (lavare T. 19, 4.) crewilà
      (fuſcinulae) lewo (?lewjo, leo) ſtrewita (ſternebat)
      lewina (torrens). Von ôw: frôwôn (laetari) frôwe
      (laetificet) dôwen (mori) frôwa (femina) drôwa (com-
      minatio) gôwon (pagis) ôwon (terris) ſcôwôn (con-
      templari) ſtôwôn (queri, cauſari) hôwi (foenum) rô-
      waƷ (crudum) zôwen (parare) crôwilâ, ôwiſt (caula)*)
      ôwit (grex ovium) lôwo (leo) fôwêm (paucis) etc.
      Von ow und ouw: frowa, howi etc. frouwa, houwi,
      louwo etc. dieſelben unter ôw mitgetheilten wör-
      ter nach anderer mundart. — Ich bemerke nun 1)
      die form aw entſpricht dem goth. áu in fráuja,
      háuan, báuau, táujan, dáujan, ſtráujan und dem
      av in tavida, davida, avêþi, havi, ſtravi, faváim
      etc. Der gothe duldet den übergang des áu in av
      nur bei folgendem i, ê, ei (oben ſ. 47.); alth. ver-
      wandelt ſich jedes inlautende au in aw. Das kurze
      [143]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
      a in dem aw fließt mir theils aus dieſer goth. ana-
      logie, theils aus dem ſonſt unmöglichen umlaut in
      ew, endlich daraus, daß O. reime kein aw oder
      ew in der penult. leiden (wohl aber ôw) ſondern
      nur in der antepen. (drewita, frewita, ſtrewita, fre-
      wenti etc. öfter). Dieſer grund läßt weder an frau-
      wêr, freuwita *) etc. noch an frâwêr, frêwita den-
      ken. 2) wἰe ſ. 94. gezeigt worden, zerfiel der ältere
      diphth. au theils in ô**), theils in ou; für den aus-
      laut galten die formen frô und frou (laetus) neben-
      einander, für den inlaut bildeten ſich die doppelten
      frôwes und frouwes, beide, wie es mir ſcheint, un-
      organiſch ſt. frôes (welche form wirklich ſtatt hatte,
      wovon hernach) und frowes. Denn da die lab. aus
      dem u in dem diphth. au hervorgieng, darf ſie or-
      ganiſch nicht eintreten, ſobald jener diphth. durch
      ô (d. h. oo) oder ou ausgedrückt wird; ôw und ouw
      erfordern zu ihrer rechtfertigung ein triphthongiſches
      oou und ouu, das unerweislich und unanalog iſt.
      Inzwiſchen darf man die wirklich in den hſſ. vor-
      handene form ouw (wie ließe ſich ouuu anders deu-
      ten?) nicht beſtreiten und eben ſo wenig das hand-
      ſchriftl. ouu überall durch ow auslegen, ſondern bei
      O. muß es ôw ſeyn. weil er es häufig in der penult.
      reimt ***). Beide formen ôw und ouw zugegeben
      [144]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
      blieb jedoch in wörtern, wo der übergang des au
      in ou nicht durchgriff, d. h. die ſeltenheit des aus-
      lauts die anwendung auf den inlaut unfühlbar machte,
      die alte form aw und in noch mehrern das ew (weil
      der umlaut die analogie wiederum verſteckte) haf-
      ten, ſo daß mundartiſch gewiſſe wörter, ja bei dem
      nämlichen ſchriftſteller gewiſſe fälle eines worts der
      einen oder andern form anhängen. Bemerkenswerth
      vor allen iſt O. weiſe, welcher z. b. frawêr (laetus)
      frawô (laeter I. 2, 111.) frewen, frewita (laetum red-
      dere) frewida (gaudium) ſih frôwen (gaudere);
      gewi (pagus) gôwon (pagis); hewi (foenum)
      houwe (caedat, I. 23, 118; hôwe wäre auch richtig,
      aber nach Scherz not. 44. leſen beide hſſ. houwe)
      und ſo noch andere wörter fein unterſcheidet *),
      zweiſilbig aber nur die formen ôw, ouw und die
      auflöſung ou, niemahls aber ew, aw reimt. Bei N.
      finde ich (in den pſ. wenigſtens) regelloſes ſchwan-
      ken zwiſchen ew, ow und ouw, es heißt z. b. bald
      frewî (gaudium) bald frowî; hewe, howe und hou-
      we (foenum), lewo, lowo, louwo (leo); das ouw
      am ſeltenſten und wahrſcheinlich nicht in den ſiche-
      ren ſchriften Ns. Sein ew und ow ſind beide or-
      ganiſch und die accentuation fróuui, hóuue (nicht
      frôuui) lehrt, daß bei ihm an kein ôw zu denken
      ſey. Die form aw ſuche man zumeiſt in den älte-
      ſten gloſſen; wörter wie ſcawôn, frawa (domina)
      ſtawen (cauſari) zeigen im 9. jahrh. nie mehr aw,
      ſondern ow, ôw oder ouw. Die monſ. u. doc. gl.
      begünſtigen letztere überall und ſetzen vrowî, gowi,
      howi; T. hat gleich O. noch manche ew (threwen,
      flewen, ewit etc.) bei T. und überall wo reime und
      dehnzeichen nicht entſcheiden, bleibt die wahl
      zwiſchen ow und ôw, doch jenes als das beßere zu
      vermuthen **). — 3) Selten iſt der übergang des
      aw in ûw, aber jenes ôw (und nicht ow) beſtäti-
      gend, indem hier (wie dort ô dem au) û dem al-
      ten au gleichſteht, folglich w unorganiſcher aus-
      wuchs ſcheint. Die wichtigſten beiſp. ſind pûwen
      [145]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
      (aedificare) und gitrûwên (confidere) goth. bauan,
      gitráuan, welche ſehr frühe das û angenommen ha-
      ben müßen, indem ich nur einmahl pawan (gl. jun.
      199.) und nie gitrawan, auch ſpäter weder ein
      alth (wohl aber zuweilen ein mittelh.) pouwen,
      noch getrouwen wahrnehme. Häufig die beßere
      form pûan, gitrûên.
    • β) wiederum fallen die formen iw und iuw zuſam-
      men; alt und organiſch entwickelt ſich der inlaut
      iw aus dem auslaut iu und iſt ebenſo, nämlich
      kurz auszuſprechen; ſpäter (doch frühe genug) ent-
      ſprang, wie aus dem ou: onw, ein an ſich fehler-
      haftes iuw (kein îw, parallel dem ôw, weil auch
      im auslaut kein î parallel dem ô ſtatt fand). Die
      kürze des iw erweiſt ſich theils aus dem freilich
      ſeltnen übergange in ëw (hrëuun 1. 384. ëwih K. 17a.
      tëwe N. 33, 12. 10. 1. 27, 117. giknëwe, genu
      flectam, knëwun, genubus, knëwe, genu, wenn ſo T.
      19, 8. 200, 2. zu leſen iſt? *) — theils aus der un-
      fähigkeit aller wörter mit der penult. iw zum reim
      bei O, der in dieſem fall ſtets iw in den urſprüngl.
      diphth. iu auflöſt, um es lang zu bekommen. So
      finden ſich bei ihm häufig die reime: riuag (poeni-
      tens) riuan (poenitere) bliuan (percutere) riuon (poe-
      nitentiis) driuon (dat. pl. von driwa, fides) iuih
      (vos) iuêr (veſter) niuaƷ (novum) etc. und ich ver-
      muthe überall, wo im gedruckten texte riwag, ni-
      waƷ etc. ſteht, wird iu zu leſen ſeyn, wie auch
      viele einzelne emendationen nach den hſſ. beſtäti-
      gen. Außer dem reim hingegen oder in der antep.
      dreiſilb. wörter ſcheint die form iw untadelhaft (vgl.
      iweran dedic. 52. liwun IV. 16, 26. riwetin IV. 30,
      72. riwetut V. 20, 154. riwa I. 23, 22.) obſchon auch
      da ſehr häufig iu und zuweilen iuw ſteht, (vgl. iu-
      weru 1. 23, 98. iuwemo III. 22, 80.) welches letz-
      tere auch im zweiſilb. reim angienge **). Die älte-
      K
      [146]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
      ſten hochd. quellen zeigen alſo im inlaut gewöhn-
      lich iw, ſeltner iuw oder die auflöſung iu; hier
      noch einige beiſpiele: ſiwan (ſuere) biſpiwan (con-
      ſputus) irſiwan (vacuefactus) niwunga (novatio)
      triwi (fidelis) thiwi (virginis) chliwa (globus) etc.
      Bei O. iſt iu die gewöhnliche form, N. hat dieſes
      gar nicht ſondern ſchwankt zwiſchen iw und iuw,
      doch überwiegt letzteres *), und ſcheint ſpäterhin
      ganz zu herrſchen. Dieſes iuw durch iuv auszule-
      gen verbietet die offenbare ſchreibung dreier u
      (z. b. ríuuuun N. 9, 4. níuuuôt 38, 3. líuuuen **)
      108, 11.); eher könnte iw (geſchrieben íuu) ſo viel
      als iu-v ſcheinen, verwerflich aber macht eine
      ſolche annahme der wichtigere grund des mit dem
      alth. iw und aw analogen goth. iv und av.
    • γ) die inlautenden ëw ſind ſelten aber unbedenklich
      und zum theil vorhin als erſätze des iw angeführt;
      merkwürdig iſt das part. giſëwan O. II. 12, 88. N. 47, 9.
      f. giſëhan, aber an das goth. gaſaihvan mahnend.
    • δ) zweifel macht der inlaut uw, welcher nach dem
      organiſmus der conj. in dem pl. praet. von hriuwan,
      bliuwan etc. erwartet werden ſollte. Das nähere dort.
    • ε) die inlaute âw, êw, îw, ûw ſind oben ſ. 88. 90. 93. 97.
      augeführt worden.
  • 4) Zweiter fall des inlautenden w, nämlich in den wort-
    endungen, die das im auslaut ſchon weggefallene oder
    in einen vocal übergegangene w bewahrt haben. Bei-
    ſpiele: palawes (mali) marawêr (tener) garawan (pa-
    rare) chalawêr (calvus) falawêr (fulvus) ſalawêr (ater)
    arawêr fruſtraneus) farawa (color) zëſawêr (dexter)
    ſualawa (hirundo) hëlawa (palea) fëlawa (ſalix) ëlëawêr
    (flavus) ſêrawêr (aridus) horewes (luti) trëſewes (the-
    [147]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    ſauri) mëlewes (farinae) miliwa (tinea) wituwa (vidua)
    muruwî (teneritudo) ſcatuwes (umbrae) etc. die unbe-
    tonten vocale vor dem w ſchwanken nach den ſ. 117. 118.
    gegebenen erörterungen, fallen jedoch ſelten durch
    ſyncope aus; die alth. mundart meidet den im goth.
    beliebten zuſammenſtoß des w. mit andern conſ. und
    erſt im mittelh. kommen formen wie mëlwes, gerwen,
    zëſwe auf.
  • 5) dagegen pflegt die alth. ſprache das inlautende w.
    wenn zwiſchen ihm und dem wurzelvocal noch an-
    dere conſonanzen liegen, häufig auszuwerfen (oben
    ſ. 60.) vgl. aha, ſëhan, lîhan, nâhjan, uhta, wahta,
    wëllan, ſparo, gaƷƷa, ſelida, engi, inkar, ſinkan,
    opaſa mit dem goth. ahva, ſaíhvan, leihvan, nêhvjan,
    uhtvô, vahtvô, vilvan, ſparva, gatvô, ſaliþva, aggvus,
    iggqvar, ſiggqvan, ubizva. Nähere bekanntſchaft mit
    dem goth. wird noch mehr beiſpiele darbieten *). Zu-
    weilen hat ſich in ableitungen das w erhalten, vgl.
    ſparwâri (niſus). In dem vorhin angeführten part.
    giſëwan ſcheint w nicht bloßer erſatz des ausfallenden
    h, ſondern ſpar des alten w. — Verſchieden hiervon
    iſt die gleichfalls fortſchreitende eliſion des unmittelbar
    an die wurzel ſtoßenden w, als êa f. èwa (lex) frônte
    (laetantes) f. frôwente etc.
  • 6) der auslaut w wandelt ſich überall in den vocal o
    (früher u) und wird allmählig ſelbſt apocopiert. Da-
    her im nom. des ſubſt. und adj. (bei abgelegtem ge-
    ſchlechtskennzeichen) die formen: grâ (canus) plâ (li-
    vidus) ſê, rê etc. (oben ſ. 88. 90.) plî, prî; frô (laetus)
    rô (crudus) neben frou (O. II. 6, 45.) gilou (verſutus, gl.
    jun. 254.) ſtrou (ſtramen), hier ſind frühere: grâo, ſêo,
    plîo, frao, glao, ſtrao etc. anzunehmen. Folgt das w
    in der endung auf einen conſonanten, ſo dauert das o
    länger, als: palo (clades) ſalo (niger) chalo, falo, garo
    (paratus) faro (coloratus) trëſo, horo, mëlo, ſcato etc.
    wofür im mittelh. auch die apocope: kal, fal, hor,
    mël üblich wird. Die älteſte geſtalt dieſer wörter mag
    geweſen ſeyn: grâw, ſêw, plîw, fraw, ſtraw, garaw,
    palaw, chalaw etc. In den praet. hrau, chau, plau,
    K 2
    [148]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    prau, ſpäter ron, chon, blou, brou iſt begreiflich ſo we-
    nig apocope, als vertauſchung des u mit o, weil der ab-
    laut ſich aus dem praeſ. iu (hriuan oder hriwan) bildete.
  • 7) übergang des in- und auslautenden w in den kehl-
    hauch h iſt ſelten, findet aber doch ſtatt. Beiſpiele:
    ſâhen f. ſâwen (ſerere) wîho (milvus) neben wîwo,
    fôhê (pauci) f. fôwê; cnâhen (noſcere) plâhen (flare)
    entſprechen den angelſ. cnâvan, blâvan, wogegen die
    altſ. mundart viele h ſtatt der alth. w zeigt. Das goth.
    qvius, qvivis lautet im alth. quih, quëh, quëhhes und
    bald ſogar quëk. Mit dem gewöhnl. hîwe (nubat)
    vergl. man hîhun (ſponſus et ſponſa) O. II. 8, 17. wiewohl
    die andere hſ. hîun lieſt (goth. heivans? heivôns?).
    So gieng der flußname nâva (Tac. und Auſon.) in nâha
    über. — Sonderbar der übergang des w. in d., nämlich
    bei N. ardingun (gratis) f. arwingun, arawingun.

gemination inlautender labiales.

BB. PP. [nur bei vorausgehendem kurzem vocal der
wurzel *)] ſchwanken, weil die einfachen inlaute b
und p ſchwanken, und nach demſelben maßſtab **).
O. und T. ſchreiben: ſibba (pax, cognatio) ſibbo (cogna-
tus) ubbîg (vacuus) gotowëbbi (byſſus) ***)) ſtubbi (pulvis);
K. libbe (parcat) neben lippanti (parcens) und ſo andere:
ſippa, uppîg, gotawëppi, lappa (lacinia) ſtuppi, luppi (vene-
ficium) wuppa (tela) rippa (coſta) inſueppen (ſopire) gl.
hrab. 774b; pideppen (opprimere) gl. monſ. 382; ſcappâri
(vellus) gl. jun 232. etc. es gibt dieſer formen überhaupt
nur wenige. Die gemination ſcheint in ihnen nicht ur-
ſprünglich und durch ein allmählig unterdrücktes i
veranlaßt z. b. ſippa aus ſipja, ſibja entſtanden, ſtuppes
(pulveris) aus ſtûbjes etc. Dies folgt mir 1) aus dem
zuweilen einfachen conſ. N. z. b. ſchreibt ſcapâre (vellus)
liben (parcere) und ſelbſt K. libanto (parcendo) 2) aus
[149]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
dem einfachen conſ. der wurzeln wëban, ſtiuban, ſuëban
(ceſſare, dormire) von denen wëbbi, ſtubbi, inſuebjan
abſtammen. 3) aus dem einfachen der nord. wörter ſif,
ſifjar; rif gen. pl. rifja; vëfr, vëfjar. 4) aus der ſchrei-
bung bp und pb in andern wörtern, wo der vorſtehende
doppelvocal den doppelten conſ. als tadelhaft erſcheinen
läßt, vgl. erlaubpan K. 20a kelaubpames K. 27b truabpe
K. 44b 57a offenbar für laubjan, laubjames, truabje. Und
nun findet ſich gerade auch in jenen wörtern ubpîg gl.
hrab. 978. ſipbea J. 372. und erlauppe K. 57b. — FF. das
unorganiſche dieſer gemination die eigentlich phph be-
deutet, habe ich vorhin ſ. 133. nachgewieſen, auch er-
wähnt, daß zuweilen noch der alte laut p ſtatt ph in
der gemination pp erſcheine, z. b. crippea (praeſepe)
T. 6, 2. ſt. cripha, criphea (von criphen, cripfen, vellere).
Ein ſolches pp darf mit dem vorigen pp nicht vermiſcht
werden, iſt auch bei T. welcher bb ſchreibt, wohl davon
geſchieden und dem ſtrengalth. pph (ſ. 134.) entſprechend. —
Gemination des v und w tritt durchaus nicht ein. —


Labialverbindungen. Unter den anlautenden beur-
theilen ſich pl. pr. bl. br. fl. fr. vl. vr. nach dem. was
üher die einfachen labiales geſagt worden iſt, von ſelbſt.
Wegen wl, wr ſ. 141. Im in- und auslaut beinahe keine
verbindung einer vorſtehenden lab. mit andern conſo-
nanzen, außer im fall offenbarer contraction, z. b. zuiflôn
ſt. zuifalôn. zuivalôn. Alleinige erwähnung verdienen
hier die formen fs und ft. FS. (phs) anßer chafſa (capſa)
nur in lëfſa, T. 84. lëfſura (labium) wëfſa (veſpa) refſjan
(increpare) und trefs (lolium) entſpricht dem ſächſ. ſp.
(wëſpe, reſpen, dreſpe); man verwechſele nicht mit fs das
zuſammengezogene fz (nafzen. rofzen ſt. nafizen, rofozen)
wie im neuh. lefze ſt. leſſe geſchehen iſt. Ein anlautendes
fſ. oder pſ. iſt der hochd. ſprache zuwider, die ſogar das
fremde pſalmus in ſalm verweichlicht, pſalterium in ſaltâri
(doch bei J. iſt pſalm beibehalten), pſittacus in ſittih. —
FT (pht) after, (graft ſculptura N. 96, 7.) giſcaft (creatura)
-haft, chraft, ſcrift, gift, ſtift (machinatio) ofto, luft,
lauft (curſus) wuoft (fletus) etc. (die formen mſt oben
ſ. 124.) Ein ſchwanken zwiſchen f und ft beginnt ſchon
jetzo, indem K. neben wuaf (fletus) wuaft zeigt. Spä-
ter werden -ſcaf und ſaf (ſuccus) zu -ſcaft, ſaft; um-
gekehrt lauft zu lauf. Das alth. ft erſcheint übrigens
conſequenter, als das goth. ft (für pt, bt? oben ſ. 56.)
dem es entſpricht.


[150]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Drei alte runen für die tenuis, aſp. und ſpirans,
mit namen gewiß noch aus heidniſcher zeit, da die
wörter ſelbſt frühe untergegangen ſind. Die ten. heißt
im nord. tŷr, gen. tŷs, acc. tŷ und bedeutet den hei-
dengott Tŷr (Mars) von welchem der dritte wochentag
tŷsdagr (dies martis) den namen trägt. Die muthmaß-
liche goth. form würde tius, gen. tivis lauten, die ſächſ.
iſt tî, gen. tîves, der tagsname tîvesdäg, engl. twesday,
tuesday. Das neuh. und niederl. dienstag, dynsdag,
dingsdag beruht auf einer ſpäteren entſtellung und die
ableitung von ding (cauſa) iſt grundfalſch. Die aſp-
wird im nord. þurs (gigas) im ſächſ. aber þorn (ſpina)
und ſo auch ſelbſt in dem ſpäteren nord. alphabet be-
nannt. Die ſpirans heißt ſôl, ohne zweifel das goth,
ſáuïl, welches neben ſunnô beſteht und im goth. hochd.
und ſächſ. (nicht im nord.) allmählig von letzterm ver-
drängt worden iſt. — Hält man dieſe drei runen zu de-
nen der labialordnung, ſo ergibt ſich die einſtimmung,
daß hier, wie dort die aſp. f. (ph), die aſp. þ (th) hervor-
gehoben, dafür ten. und med. unter einem zeichen be-
griffen wird; hingegen der unterſchied, daß für den un-
aſpirierten laut dort runenzeichen und name (biörk) vor-
zugsweiſe der media b., hier umgekehrt der tenuis (tŷr)
gilt. Der grund iſt wohl in der ſeltenheit der anlauten-
den labialtenuis zu ſuchen. Ein anderer unterſchied
zeigt ſich darin, daß die ſpirans ſ. (ſo wie beim kehl-
laut h) eignes zeichen hat, die ſpirans v aber keins, in-
dem für dieſe das vocalzeichen u mitdient, wie denn
überhaupt v in verſchiedner hinſicht mehr dem j parallel
ſteht, als dem h und ſ.


Die ſpätern runen bleiben einſtimmig in bezeichnung
und benennung der ſpirans ſ., denn das angelſ. ſigel
(ſol) *)
und markomann. ſugil, ſuhil, ſuigil ſind dem
goth. ſáuïl unverkennbar ähnlich; im altſ. ſteht ſuigli
entw. für ſonne oder das wohl verwandte angelſ. ſwëgel
(coelum). Wichtiger wird uns hier die einführung einer
neuen rune für den begriff der media d, welche ſchick-
lich den angelſ. namen däg (dies) und ein eignes zeichen
bekommt. Dieſes zeichen wird nun in dem ſangaller
(mit dem angelſ. überhaupt analogen) alphabet ſammt
[151]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
dem namen beibehalten, letzterer aber der hochd. mund-
art gemäß tag und nicht dag geſchrieben, während tî
unverändert gelaßen iſt; ſo ſtehen alſo den angelſ. runen
t (tî, oder tîr) d (däg) þ (þorn) die ſangaller t (tî) d (tag)
þ (dorn) gegenüber und die namen tî und tag drücken
ſcheinbar dieſelbe tenuis aus. Dieſer misgriff iſt in den
andern hochd. niederſchreibungen runiſcher alphabete
vermieden und eine der hochd. lautverſchiebung ange-
meßene verrückung der namen vorgenommen worden:
die ten. hat das alte zeichen behalten, heißt aber nicht
mehr tî ſondern tac (dies); die media iſt aufgegeben,
dafür findet ſich eine doppelte aſp. nämlich th [mit dem
zeichen der ſächſ. media d und dem namen thorn *)]
und z (mit dem durch zwei zugefügte nebenſtriche ver-
änderten zeichen der alten tenuis und dem richtigen na-
men ziu, d. i. mars). Kurz, die namen tag, thorn (dorn),
ziu **) entſprechen völlig den ſächſ. däg, þorn, tî, wech-
ſeln aber unter ſich zeichen und ausſprache. und ſo
führt ſchon die runenſchrift auf den für die beſtimmang
der ausſprache alth. linguales wichtigſten ſatz: daß hier,
wie bei den labiales, die urſprüngliche ordnung der laute
verſchoben erſcheint. Dort war, ſtrenge genommen, die
med. b überflüßig, die ten. p zur aſp. und die alte aſp.
zu einer zweiten aſp. geworden, an die ſtelle der med.
aber die ten. p. getreten. Dieſer einrichtung der labia-
les p. ph. v. entſprechen die alth. linguales t, z und th,
wie ſich aus der näheren darſtellung deutlich beſtätigen
wird. Vorher habe ich auch hier zu zeigen, daß das
übergewicht der aſpiration in den alth. zungenlauten,
namentlich die verdrängung des t durch z (wie dort des
p durch ph) als etwas unorganiſches zu betrachten ſey.


[152]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
  • 1) alle mundarten deutſcher ſprache, außer der hoch-
    deutſchen, beſitzen die reine tenuis, ohne zuſatz des
    ziſchlauts, in parallelen wörtern. Vergleichbare lat.
    und gr. beherrſcht die media *) als: decem, dexter,
    dno, dens, cordis, ſedere, domare etc., ſo auch litth.
    du (duo) dantis (dens) deſzimts (decem) etc. Nur in
    einigen, wie es ſcheint, entlehnten wörtern entſpricht
    das lat. t dem alth. z, als: tegula, ziegal (nord. tîgull);
    tabula, zâvel; tributum, tribuƷ T.93.; bedenklicher
    ſcheint die vergleichung des gr. τέλος mit zil.
  • 2) in den von den Römern aufbewahrten deutſchen
    namen begegnet man keinem z. ſondern alle wörter,
    die es ſpäter führen, zeigen die tenuis **), vgl. ma-
    gontiacum, borbetomagus, tolbiacum mit maginz.
    wormiƷ-fëld, zulpih. Die meiſten beiſpiele ſtehen
    freilich in verdunkelten und verlorenen namen: tu-
    bantes, tungri, tencteri ***) bructeri, canninefates,
    uſipetes, nemetes, da aber die drei letzten gentilia
    ſind und der lat. nom. canninefas, uſipes, nemes lau-
    [153]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    tet (wie ſonſt arpinas, cres, gen. arpinatis, cretis) ſo
    macht die analogie jenes borbes, borbetis, (wurmiƷ,
    wurmiƷis) eine uralte dentſche endung canninefat,
    canninefatis, uſipit, uſipitis wahrſcheinlich, die ſich
    ſpäter in -aƷ, aƷis, iƷ, iƷis verwandelt haben würde
    und etwa den formen hiruƷ, hiruƷis (cervus) alpiƷ.
    alpiƷis (cignus) verglichen werden darf, denn daß
    letztere früher hirut, hirutis, alpit, alpitis lauteten,
    bezweifle ich nicht. Freilich iſt die bildungsendung
    -aƷ, -iƷ in den uns bekannten quellen deutſcher
    ſprache nicht für volksnamen beſtimmt, allein ich
    vermuthe doch keinen irrthum der Römer, denen die
    gewöhnliche endung dafür, nämlich -iſc, -uſc nicht
    unbekannt war, wie man aus cheruſci, nariſci ſieht.
    Ammians bucinobantes ſtehen den übrigen compoſ. mit
    bant (brabant, teiſterbant etc.) gleich und erweiſlich
    lautete dieſes im alth. banz und benzo (vgl. eli-benzo
    O. III. 18, 28. extraneus). — Die namen batavi, go-
    tones gehören keiner hochd. völkerſchaft und dauer-
    ten nicht im munde des volkes fort, ſonſt würden ſie
    ſpäter paƷavi, goƷones gelautet haben, wie pata-
    vium (caſtra batava) zu paƷowa wurde, lentia zu
    linz, confluentes zu cobolenzi, taberna zu zabern, ne-
    ben dem ſpäter einer romaniſchen mundart abgeborg-
    ten tâvernâri (caupo). Von den geminationen chatti,
    mattium, charietto etc. unten. — In einigen fällen
    ſtimmt das röm. t nicht zu dem alth. z ſondern eher
    zu th oder d, namentlich in tentones und teutobur-
    gum; mons taunus (Tac. ann. 1, 56. 12, 28.) vgl. mit
    dem angelſ. dûn (collis) welches eher celtiſchen ur-
    ſprungs ſeyn mag *).
  • 3) urkundliche fränkiſche und alemanniſche namen zei-
    gen wohl früherhin noch t ſtatt des ſpäteren z, Greg.
    tur. 9, 36. 10, 19. ſtrataburgum; 2, 7. metenſis, al.
    mettenſis; 3, 8. civitas tulbiacenſis, (freilich in Ripua-
    rien, weshalb das bekannte tangano in der lex rip.
    gleichfalls hier wenig beweiſt). Deutlicher ſpricht der
    pagus tulifeld (zw. Franken und Heſſen) tulingas, tul-
    [154]I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
    linchovin (b. Neugart 97. 877.) wofür anderemahl
    zollinchoven (id. 277.); jenes tuli erſcheint ſchon in
    Ptolem. τουλιφουρδ. Statt zurih zuweilen noch turih
    (der alte lat. name war nicht turicum, ſondern tigu-
    rum), neben uzinaha, uzinwîlâre: utanaha, utinwî-
    lâre und ſo andere bei Neugart wechſelnd; auch ſchei-
    nen eigennamen wie tuato, tuto, tôto wohl dieſelben
    mit zuaƷo, zuoƷo, zuƷo, zaoƷo und dergleichen
    formen mehr, die in den diplomen ſchwanken.
  • 4) in romaniſche ſprachen, zumahl in die franzöſiſche
    ſind manche deutſche wörter hauptſächlich aus der
    fränkiſchen mundart übergetreten. die ſtatt des ziſch-
    lauts die tenuis zeigen, welches folglich in einer zeit
    geſchehen ſeyn muß. wo noch das t im deutſchen
    galt. Freilich läßt ſich einwenden, daß die fränkiſche,
    gleich der ſächſ. mundart, ſelbſt keinen ziſchlaut ge-
    kannt habe, allein dies halte ich gerade für unerwie-
    ſen und unwahrſcheinlich, weil unter den Carolin-
    gern die Franken nicht weniger als die Alemannen
    z für t gebrauchten. Jene franzöſ. wörter mögen
    einige jahrhunderte früher übergegangen ſeyn. Bei-
    ſpiele: tas (congeries) alth. zaſi, vgl. taſſel, ein ge-
    räth; targe, ital. targa (clypeus) alth. zarga (ſepimen-
    tum, defenſio); teton, ſpan. tetilla, ziza; toaille
    (mappa) duahila, mittelh. zwehele; tîſon, toiſon;
    ſp. tuſon, ital. toſone (vellus) ſcheint mit zeiſan
    (carpere lanam) verwandt etc., vgl. das in einer fol-
    genden note angeführte tomber, tumber.
  • 5) das frühere t ſtatt z bezeugen augenſcheinlich die
    conſonantverbindungen ht, ft (pt), ſt und tr, die dem
    organiſchen ht, ft, ſt, tr, treu geblieben und keines-
    wegs in hz, fz, ſz, zr übergegangen ſind; deren tenuis
    folglich mit dem begriff der gewöhnlichen alth. ten.
    geradezu in widerſpruch ſteht. Lediglich im in- und
    auslaut findet ht (maht, naht, wahta, rëht etc.) und
    ſt haft, after etc.) ſtatt; die an- und inlaute ſt ſind
    allgemein häufig (ſtëlan, luſt, goth. ſtilan, luſtus);
    tr*) iſt bloß anlaut (trëo, trëtan, goth. triu, trudan).
    Der goth. anlaut tv verwandelt ſich hingegen ſtets in
    ein alth. zu (tvôs, zuô) ja ſogar þv wird allmählig
    zum ziſchlaut. Bemerkenswerth aber iſt auch, daß ſich
    der auslaut rt, ſtatt rz in kurt (O. II. 3, 55.) und churt-
    naſſi (exhort.) erhielt. K. N. M. ſcurz, churz.
  • 6) endlich haben einzelne t im an- und inlaute gehaf-
    tet. Ich zähle dahin: tûmôn (ſalire, ſaltare) wovon
    tûmâri (ſaltator) und das neuh. taumeln, (vgl. Stalder
    zumpeln) plattd. tûmeln, angelſ. tumbjan (ſaltare)
    engl. tumble *) — pitar (amarus) goth. baitrs, an-
    gelſ. bitor, nord. bitr. — otar (lutra) angelſ. otor,
    nord. otr — vielleicht noch ähnliche inlaute, die
    gleich bitter, otter, ſpäterhin geminieren, z. b. but-
    ter (butyrum) ſplitter, ſchitter, zittern und deren te-
    nuis ſicher ganz andern urſprung hat, als in wörtern
    wie: dotter (alth. tutiro, angelſ. dydring, luteum
    ovi), vetter, mutter etc. Jene gemination tritt ſchon
    im alth. tutto (mamma) gl. doc., ſpäter zitze, angelſ.
    tit, engl. teat hervor. Auch in einigen frühe aufge-
    nommenen lat. wörtern, z. b. titulo (titulus) capitulo
    (capitulum) ſpäter titel, capitel, veränderte ſich der
    laut nicht.
  • 7) zu welcher zeit, fragt es ſich nun, iſt die ten. im
    alth. dureh den ziſchlaut verdrängt worden? ſteht
    es mit dem vordringen des ziſchlauts an die ſtelle
    der ten. im lat. und romaniſchen in verbindung?
    Im lateiniſchen iſt zuvörderſt der fall viel beſchränkter
    und außer dem t vor i mit darauf folgendem zweiten
    vocal, bleibt die ausſprache der tenuis unverkümmert;
    ſeit dem 7. jahrh. ſcheint der hiatus tia, tie, tii, tio,
    tiu (folglich nie in wurzeln, nur in endungen) wie
    zia etc. gelautet zu haben, vgl. Schneider p. 247. 356.
    Die alth. ſprache zeigt hingegen, jene ſi und tr abge-
    rechnet, z vor allen und jeden vocalen, ſo wie vor
    dem w (v, u); zu der annahme, daß ſtufenweiſe auch
    hier erſt die formen tia, tio etc. und dann të. te, ti, ta etc.
    dem ziſchlaut nachgegeben hätten, berechtigt uns
    nichts, wiewohl es denkbar wäre. Ferner im lat.
    hängt jenes tia, tie etc. genau zuſammen mit einer viel
    umfaßenderen aſſibilation der tenuie des gutturallauts,
    nämlich des c vor jedem nachfolgenden i und e und
    tia, tie etc. ſcheint beinahe erſt aus der ſich vermi-
    ſchenden ſchreibung tia, cia etc. hervorzugehen; wo-
    gegen das alth. z mit der ten. k (oder c), die vielmehr
    [156]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
    in ch übergeht, beinahe in gar keiner berührung ſteht.
    An einen einfluß des romaniſchen ziſchlauts, welcher
    zumahl, wenigſtens in jener frühen zeit, nicht z. ſon-
    dern fortwährend tia, höchſtens cia geſchrieben wurde,
    glaube ich alſo nicht. Wohl aber wird der urſprung
    des alth. z ſtatt t etwa in die nämliche zeit, d. h. das
    7te jahrh fallen. Mir iſt keine alemann. fränk. bair.
    lombard. urkunde vor dem 8ten bekannt, in welcher
    entſchieden ein ſolches z vorkäme; zwar enthält der
    prolog zu Rothars geſetzen die namen nazo, igelzo *),
    allein die hſ. woraus er gedruckt iſt, ſtammt ſicher
    aus weit ſpäterer zeit, aus gleichem grunde beweiſen
    andere ſtellen nichts. Inzwiſchen könnte in einigen
    diplomen des 7ten der ziſchlaut durch c ausgedrückt
    ſeyn **), wie es in denkmählern des 8ten noch öfter
    geſchieht, vgl. Marini no. 60. und Mabillon no. 7. (vom
    jahr 653) gauciobertus, vermuthlich das ſpätere gôƷ-
    bërt; gauciobertus auch in den ſubſcriptionen des con-
    ventus clipiac.

Dies vorausgeſchickt laße ich die nähere darſtellung
der alth. linguales folgen.


(T und D) die ten. entſpricht (außer jenen vorhin
unter 5 und 6. angegebenen fällen und ſpuren) nirgends
der goth. und ſächſ. ten., ſondern der media, die alth.
med. hingegen bald der med. bald der aſp. des Gothen.
Der ſtrengalth. mundart ſcheint es angemeßen überall
im an- in- und auslaut t ſtatt des frühern d zu ge-
brauchen, folglich teil (pars) plint (coecum) plintêr (coe-
cus) zu ſchreiben; ja ſogar für die goth. aſp. ſchleicht
ſich, zumahl im auslaut (vgl. mit, it-, got, Deus etc.)
hin und wieder im inlaut (gotes), kaum im anlaut (außer
bei N.) die alth. ten. ein ***). Dazu kommt, daß viele
denkmähler häufig die alte med. beibehalten. Unter eine
[157]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
allgemeine regel fügen ſie ſich durchaus nicht, ſondern
beinahe jede quelle befolgt ihre eigene weiſe, weshalb
ich die einzelnen in der kürze ſchildern muß. Man
wird insgemein ſchwanken zwiſchen dem nachwirken-
den alten organismus und dem ſyſtem der neuen laut-
verſchiebung wahrnehmen. In den ſtrengalth. denkmäh-
lern iſt jener zumeiſt aufgegeben, dafür aber mehr con-
ſequenz in die ihn erſetzende neue einrichtung gebracht.


  • 1) I. ſetzt ten. nie im anlaut (ausg. das fremde titulo,
    tempil etc.) ſelten im inlaut (fater, miltniſſa. hant-
    griffa, gotes) häufiger im auslaut (got, wort, heit, mit,
    gimeinit). Die med. anlautend (dôdan, duom, duon,
    durî, drîban, druhtîn); inlautend (worde, munde,
    hendî, ſindun, zîde, endi, liudî) ſelten auslautend
    (quhad. dixit) *). Seine med. iſt überall die alte med.,
    nur daß er im auslaut die ten. dafür ſetzt, wo dann
    zwiſchen wort, wordes; heit, heideo umlautsverhält-
    niß ſtatt findet, nicht aber, wenn ſeine ten. für die
    alte aſp. ſteht (daher got, gotes, nicht godes) welches
    doch ſelten geſchieht, weil er die alte aſp. meiſtens
    beibehält (ſ. unten).
  • 2) auch O. kein anlautendes t außer in fremden wörtern
    wie tunihha, bleibt alſo ganz der alten med. treu
    [vgl. dag, deil, diuri, dragan, drinkan, druhtîn und
    eine menge ähnlicher **)]. Schwieriger wird die ent-
    ſcheidung über den in- und auslaut: in der regel ent-
    ſpricht ſein t dem goth. d, ſein d dem goth. þ; vgl.
    die endung -ita, -êta, -ôta im ſchw. praet., -enti
    im part. praet., blint, blintêr, hant, hentî, hanton,
    bant, banton, boto, rât (conſilium) muater, bluat (flos)
    fruat, guat, brût etc. und andrerſeits: die ſubſt. auf -ida,
    andar, bluad (ſanguis) rad (rota) bruader, ladôn, wërdan,
    ward, ërda, quëdan, quad, mânôd etc. Daneben aber
    auch ausnahmen, ſo ſtimmt thiot zwar zu þiuda, gi-
    thiuti nicht zu þiuþs etc. Organiſch iſt ſein t in ſt,
    ht, ft; ſein d in den meiſten anlauten; — unorganiſch
    [158]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
    ſein anlautendes dr, ſein in- und ausl. d (für th).
    ſein in- und ausl. t (für d), organiſch wiederum ſein
    anlaut th.
  • 3) T. weicht ſchon wieder ab, er hat anlautende t
    (tât, tiuri, tougal, tag, tuon, tûba) und tr (trado.
    truhtîn, trinkan etc.), doch ausnahmsweiſe d (deil
    231, 2. diuriſôn 25, 3. diuval und duom neben tuom).
    Im in- und auslaut wechſeln t und d faſt wie bei O.
  • 4) N. richtet ſich für den lingualanlaut nach der oben
    (ſ. 130.) beim labialen angegebene weiſe: geht im an-
    ſtoßenden auslaut voc. oder liq. vorher, ſo folgt die
    media d; geht lab. ling. gutt. vorher oder beginnt
    der ſatz von neuem, ſo folgt die ten. t; als: ter
    dag, tes tages; hier iſt ſî durſteg, turſtegju ſinget ſî
    (62, 1.); ze demo, mit temo etc. wiewohl zumahl in
    den pſſ. aus nachläßigkeit der hſ. oder des abdrucks
    oft wider die regel verſtoßen wird. Vermuthlich ſind
    auch jene organiſchen tr (in triuwa, trûwên, trëten)
    des wechſels in dr unfähig. Ein hauptunterſchied
    iſt aber der, daß N. ſein anlautendes t, d, ſowohl für
    die goth. med. als aſp. gelten läßt, während O. und
    T. noch eine anlautende aſp. anerkennen *). — In-
    und auslautend gebraucht N. nicht, wie beim lippen-
    laut, bloß die media, ſondern bald media (chind,
    finden, wenden, menden, leid, leideg, vëld, tôd,
    ander, die partikeln: alde, unde, wanda, nider, wi-
    der etc.) bald ten. (verbalflexionen -et -eta -ôta,
    -ente; nôt, nôte, zþt, zîte; guot, guotes; alt, altes
    etc.) überhaupt alſo ziemlich wie O. und T. nach
    dem grundſatz, daß t dem goth. d, aber d dem goth.
    þ entſpreche, doch mit ſichtbaren ausnahmen, z. b.
    N. ſchreibt blinden (coecum) O. blintan, was dem
    goth. blindana näher kommt (hierüber noch unten). —
  • 5) Strengalth. denkmähler (K. exhort. hymn. gl. hrab.
    monſ. etc.) haben im anlaut nur die ten. ſt. der goth.
    med. (alſo teil, tak, tal etc.) dagegen die med. ſt.
    [159]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
    der goth. aſp. (doh, duruh, daƷ, dritto, etc.) und
    folgen gleichem grundſatze auch für den in- und aus-
    laut *). Was die übrigen quellen nur für letztere
    thun, führen ſie conſequent überall durch, ſie er-
    kennen mithin die aſp. nirgend an, welche jenen
    ſchwankenderen quellen noch im anlaut haftet. Die-
    ſer ſtrengalth. weiſe pflichtet im grande auch N. bei,
    nur modificiert er feinhörig die beſtimmungen des
    anlauts. —

Die vorgenommene muſterung faße ich in einen
ſchluß zuſammen: für den goth. in- und auslaut iſt das
verhältniß leicht, die meiſten alth. quellen zeigen t für
d, d für þ; beim anlaut nachſtehende verſchiedenheiten:
goth. d: O. d; T. t; K. t; N. t, d; — goth. þ: O. th;
T. th; K. d; N. t, d. Der geſtörte organiſmus offen-
bart ſich, denn O. weiß kein t, T. kein d. K. kein
th im anlaut zu verwenden, gleichwohl half ſich jede
mundart nach ihrem vermögen; mit der alten aſp. war
O. auch noch die alte med. vergönnt und die alte ten.
gab er durch z, die reihe ſeiner anlaute ſcheint alſo un-
tadelhaft, aber im in- und auslaut weicht er ab und
folgt dem ſtrome der übrigen alth. maſſe. T. hat ſchon
ſeinen anlaut t mit dieſer ins gleichgewicht gebracht,
es iſt ſchwer zu ſagen, ob in der ausſprache ſein t dem
otfr. d, oder ſein th dem keron. d. näher gekommen ſey.
Bei K verdient die ausgleichung der an- und inlaute
lob und der verluſt der aſp. th ſcheint eigentlich durch
die andere aſp. z vollkommen ausgefüllt. Im kleinen
ergeben ſich bei allen ausnahmen und beſonderheiten,
die hier nicht dargeſtellt werden können, aber die auf-
merkſamkeit der herausgeber einzelner denkmähler in
anſpruch nehmen. — Frühes, aber wohl einziges bei-
ſpiel einer apocope des t oder d bei vorausgehendem
n iſt zan (dens) pl. zenî ſt. zant, zendî. welcher letztere
inlaut noch lange hin und wieder vortritt. Die -en
der neuh. tert. pl. entſpringen alle aus-ent.


Der ſtand des t oder d in den liquiden verbindun-
gen lt. nt. rt; ld. nd. rd; fordert noch eine nähere be-
trachtung, als ſie oben ſ. 124. 125. angeſtellt werden konnte.
[160]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
Folgerichtig entſprechen die drei erſtgenannten dem
goth. ld. nd. rd; die drei letztgenannten aber dem goth.
lþ. nþ. rþ; mithin ſollte in- und auslautend: alt. alti-
nôn (differre) hagi-ſtalt. kalt. haltan, hialt. waltan, gi-
walt. ſpaltan. gëlt. gëltan. zëlt. ſëlt-. ſcëltan. ſpëlta (ta-
bula) milti. ſcilt, ſciltes. molta. gidult (patientia);
ſcanta. want, wentî. hant, hentî. lant, lantes. brant
(titio). rant, rantes. tantarôn (delirare). wantala (nego-
tium) ſant, ſantes. abant. ſtantan. zantro (calculus pruna).
enti (finis) lentî (renes) blint, blintes. wint, wintes. win-
tar. hinta (cerva). rinta. linta (tilia) ſint (ſunt) ſintar (ſcoria)
bintan, bant. ſlintan. wintan. hintar. untar. wuntar.
ſuntar (ſeorſim) hunt. gunt (virus) grunt. munt (pro-
tectio) muntôn (tueri) wunta. ſcrunta. ſunta (culpa);
harto, herti. zart. wart, wartan. artôn (colere) fnartôn
(anhelare) wertiſàl (corruptio) hirti. wirt, ort, ortes.
hort. wort, nort (ſeptentrio) hurt. furt. giburt etc. ge-
ſchrieben werden, hingegen (oft würden ſonſt einzelne
wörter zuſ. fallen): bald, baldes. hald (proclivis), haldjan
(vergere) wald, waldes. faldan. wildi. gold, goldes. wol-
dar. hold, huldî. ſculd. tuld (ſolemnitas); andar. zand,
zendî. fandôn (O. I. 11, 86.) ginendjan. mendî. endi
(frons) lind (lenis) ſigi-lind (nom. pr.) ſind (iter). kind.
hrind, hrindir. findan, fand. hindan (capere) onda. bi-
gonda. konda. kund (notus) mund (os), mundes. gund
(bellum). unda (aqua) ſundar (meridies); ërda. wërdan,
ward. wërd (dignus) fordaro. mord. purdî etc. Wir
werden ſehen. daß auch im nord. und ſächſ. beiderlei
formen ſorgfältig getrennt ſind und im alth. beobach-
ten die älteſten quellen, ſelbſt O. und T. noch den heil-
ſamen unterſchied *); ſpäter aber fallen vermiſchungen
vor, theils indem der auslaut ld. nd. rd. in lt. nt. rt
(ein im mittelh. entſchiedenes gebrechen) theils inlau-
tende lt. nt. rt in ld. nd. rd. übertraten. Ich finde,
daß die verwirrung zunächſt bei den formen nt und nd
anhub, wogegen ſich lt, rt, ld, rd länger und treuer
bewahrten. Während N. noch richtig ſkilt, ſkiltes hat,
ſchreibt er, wenigſtens in den pſ., munt (os) ſpint
(adeps) ſunda, hende, blinde, zandro, ende (finis), ſken-
[161]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
den, lande etc. *) — J. welcher auch für die befragten
compoſitionen die organiſche ſchreibung d und dh (ſt.
des gemeinalth. t und d) behält, ſchwankt zuweilen in
der anwendung, richtig iſt ſein hendî, undar, worde,
aldom, walden; chindh, wardh, wërdhe; aber unrich-
tig daneben: wërde, munde (ore) ſindis, da auch dieſe
ein dh verlangen.


(DH. TH.) dieſer aſp. iſt ſchon im vorhergehen-
den erwähnung geſchehen, hier noch einiges nähere.
Ihr verhältniß ſcheint nicht das der aſp. ph und ch,
welche der goth. ten. gleichſtehen, vielmehr ent-
ſpricht dieſer das alth. z; th bingegen, wo es ſich er-
halten hat, fortdauernd der goth. aſp. Es ſind eigent-
lich zwei aſp. für den linguallaut anzunehmen, die
nur ihre ſtelle gewechſelt zu haben ſcheinen, nämlich
z ſteht mit ph und ch; th mit v (bh) und gh auf einer
linie; z würde folglich die erſte, th die zweite aſp.
heißen. Eine beſtätigung dieſer anſicht finde ich darin,
daß th bei einigen dh geſchrieben wird und bei andern
völlig in d aufgeht, gerade wie bh für v und in b auf-
gehend (ſ. 135. 136.). Die verwandtſchaft zwiſchen th,
dh und z (vorzüglich Ʒ) ergibt ſich noch mehr aus der
wirklichen ausſprache, indem bei jenen eine zumiſchung
von ſ, bei z eine zumiſchung von t erfolgt iſt, und dh
beinahe durch dſ, z durch tſ ausgedrückt werden
könnte. Mehreres hernach noch beim z. Einwenden
gegen die vergleichung des th. z. mit dem v. ph. läßt
ſich, theils daß beide nirgends mit einander vermiſcht
werden (wie ph und v häufig), theils den quellen,
welche v begünſtigen, gerade th widerſteht. Gründe für
und gegen verlangen daher genauere prüfung, wobei in
anſchlag zu bringen iſt, daß beide labialaſp. aus der
L
[162]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
verbindung des p oder b mit dem h entſpringen, bei
den lingualaſp. aber h und ſ ins ſpiel treten.


dh finde ich bei J. anlautend (dhu, dhih, dhir,
dhîn, dhër, dhiu, dhoh, dhuo, dhurah, dhrî, dhritto,
dhrâto, dhans, dhëod, dhechi, dhuingu etc.) inlautend
(endungen -idha -idhes; nidhar, widhar, ôdhil, odho,
edhili, heidhan, wërdhan, jugundhî etc.) auslautend
(wardh, chindh, leididh); überall dem goth. þ parallel.
Gleichergeſtalt zeigt in den gl. jun. das gloſſ. A. im an-
laut: dhrî- dhilli, dhanân, dhicho, dhorn, dhinc,
dhulta, dhëgan; inlautend: ſôdhe (edulio) *) fuaghidhû,
guldhîn, widharôn, trâdhun (fimbriam); auslautend:
fadh (trames, pfad).


th finde ich bei O. und T. beinahe nur im anlaut;
belege liefert jede ſeite. Vom inlautenden th einige ſel-
tene ſpuren bei T. ſtathin (littore) 236, 1. bruother,
wantha (quia), doch neben bruoder und wanda.


(Z) z und Ʒ. Dieſen buchſtab nenne ich aſp., weil
er mit dem ſpiranten ſ. componiert iſt und gleich den
andern beiden aſp. ph. ch an die ſtelle der utſprüngl.
ten. tritt. Gehört alſo unter die dopp. conſonanten. die
an ſich weiterer gemination unfähig ſind. Man merke


  • 1) der ziſchlaut hat zwei ſtufen, deren verſchiedene
    ausſprache freilich beinahe nur aus der analogie des
    neuh. und den mittelh. reimen geſchloßen werden
    kann. Ihrem urſprunge nach (beide ſtammen aus der
    alten ten.) ſollte man ſie für eins halten und die alth.
    ſchreibung zeichnet ſie in der regel gar nicht von ein-
    ander aus. Vermuthlich aber hat ſchon in frühſter
    zeit ein härterer, dem neuh. z gleichender und ein
    weicherer, dem neuh. ß gleichender ziſchlaut ſtattge-
    funden. Jenen ſchreibe ich mit z, dieſen mit Ʒ.
  • 2) beweiſes genug iſt allein J., der wirklich z durch das
    einfache z, dagegen Ʒ durch die zuſammenſetzung zſ. **)
    ausdrückt. Noch deutlicher wird der unterſchied in
    der gemination, für zz ſchreibt er tz, für ƷƷ aber zſſ
    (alle übrigen alth. denkmähler für beide fälle zz).
    [163]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
    Merkwürdige ähulichkeit dieſer iſidoriſchen orthogra-
    phie z, tz, zſ mit dem neuh. z, tz, ß; wiewohl ſich
    im mittelh. zwar kein unterſchied im geſchriebenen
    z und Ʒ, aber das einſtimmende tz nachweiſen läßt.
  • 3) als einen andern beweis kann man anſehen, daß ſich
    zuweilen c für z (nicht für Ʒ) bei folgendem e, ë, ei, i, î *),
    alſo nur im an- und inlaut (nicht im auslaut) findet,
    z. b. cît K. 23b 26b 27b und in den gl. jun. cît 245.
    lucil 217. ceina (caniſtra) 175. cëlt (papilio) 176. ci
    (praep.) 178. etc. cëſſôd (fervor) gl. monſ. 346. lôhicent
    (rutilant) gl. aug. 124b leidicit (deteſtatur) 122b 125a
    ficiſan (callere) 124b; ſelbſt N. 34, 19. ficiſe (doloſi).
    Auch dieſer ſchreibung begegnet man nicht ſelten in
    mittelh. hſſ. Sie iſt aus dem latein. (ſeit man ce, ci
    wie ze, zi ſprach) entlehnt und entbehrlich, lehrt aber,
    daß fuoƷî nie fuozî gelautet hat, weil doch ſonſt ir-
    gendwo ein fuocî vorkommen müſte, wiewohl mir
    hier das einzige crûci (crux) J. 373. 385. bedenken
    macht, welches ich des vorausſtehenden û halber für
    crûƷi und nicht crûzi nehme (erſt ſpäter entſprang die
    ausſprache creutz, wie weitzen ſt. weiƷi) und ſollte
    neben dem unlengbaren lucil = luzil ein ſchwankendes
    liuƷil gegolten haben, weil bei J. 374. 405. liuzil, 372. 373.
    ſogar lyuzil ſteht? (aber nicht liuzſil; mehr über dies
    wort unten beim adj.) Urk. des 8. 9. jahrh. zeigen
    häufig c für z (Neng. index v. lucilûnawia, pacinwei-
    da neben pazinweida etc.) doch in zoacinwîlâre möchte
    man wieder ein Ʒ vermuthen. — Eigentlich beruht
    die romaniſche vermiſchung der ausſprache tia mit cia
    auf einer tieferen berührung des lingual- und guttu-
    ralſyſtems. die ſich auch ſonſt ſpüren läßt, z. b. nux,
    nucis entſpricht dem deutſchen nuƷ, nuƷî, alſo frü-
    her nut, nutî; vielleicht iſt ſelbſt crux, crucis dem
    angelſ. rôd verwandt. Und das neuh. kauz (bubo)
    war noch im mittelh. chouch (goth. kauks?)
  • 4) an ſich fällt die unterſcheidung zwiſchen z und Ʒ
    auf, da beiden im goth. ſächſ. nord. die reine tenuis
    parallel ſteht und keine abſtuſung dieſer für in- und
    auslant geſpürt wird. Und da, nach dem vorhin
    ſ. 152 ff. ausgeführten, auch im alth. eine anfängliche
    ten. und allmähliger übergang derſelben in den ziſch-
    L 2
    [164]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
    laut anzunehmen iſt, ſo ſcheint es nicht, daß z und Ʒ
    zugleich, entſtanden ſeyn werden. Älter aber, nämlich
    der ten. näher, war wohl z (ſprich tſ) als das mildere
    Ʒ (ſprich zſ, das z in dem ſinne des lat. oder goth. z
    genommen, nicht in dem des hochd. z, weil dann
    zſ die falſche ausſprache tſſ gäbe, während die rich-
    tige dſſ verlangt). Im grunde muß Ʒ als ein triph-
    thong und etwas härter als das goth. z *) oder gr. ζ
    (dſ, δς) betrachtet werden, in der verſchmelzung nä-
    herte er ſich aber dieſem und ſelbſt dem neugr. ζ; es
    mag (wie aus τράπεζα d. h. τραπεδσα, allmählig tra-
    peza) aus waƷar d. i. wadſſar allmählig wadſar,
    waßar, beinahe waſſar geworden ſeyn **). Ob je-
    mahls ein watſar (wazar), ſo hart wie im an-
    laut, gegolten habe, will ich weder behaupten noch
    leugnen; belegen läßt es ſich nicht, für die annahme
    des milderen inlauts ſpricht zwar die ana ogie des im
    inlaut beliebten d, b und g ſtatt der tenuis, wiewohl
    dieſe auch da beibehalten wird; gegen den auslaut Ʒ
    ſcheint ſelbſt die häufig auslautende ten. zu ſtreiten.
    Auf jeden fall iſt die ähnlichkeit des verhältniſſes z:
    Ʒ mit dem der ten. zur med. nicht zu verkennen.
  • 5) eine andere anſicht wäre, z und Ʒ mit dem alth. ch
    und h zu vergieichen, nämlich h in dem ſinne ge-
    nommen, wie es auslautend für k ſteht, verſchieden
    vom reinen h (welches ſich zu jenem h verhielte wie
    z zum reinen ſ). Beide ſtufen ch und h ſtünden dem
    organ. k gegenüber, z und Ʒ dem org. t; der anlaut
    ch entſpricht dem z, der inlaut hh dem ƷƷ, aber ck,
    (cch) dem zz (tz) vgl. zan, chalp; hiruƷ, hiruƷƷes,
    ſtorah, ſtorahhes; waƷƷar, ſahha; gruoƷen, ſuohhen;
    ſcazzes (ſcatzes) ſackes. Zu widerſprechen ſcheint je-
    doch a) daß die inlaute hh und ch meiſtens gleich viel
    [165]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
    gelten, da doch ƷƷ und z ſich keineswegs erſetzen.
    b) daß im mittelh. alle ſolche h und hh zu ch werden,
    hingegen z und Ʒ geſchieden bleiben. c) daß der anlaut
    z überall herrſcht, ch aber theils ſchon im alth., theils
    im mittelh. durchgängig von dem alten anlaut k ver-
    drängt wird. Alſo ungleiche entwickelung beider
    lautreihen.
  • 6) es mag ſich nun anfänglich mit dem ziſchlaute ver-
    halten haben, wie es wolle; für die uns verbliebe-
    nen quellen gilt folgende regel: z (und nie Ʒ) iſt er
    im anlaut, z im in- und auslaut, wenn liquidae vor-
    hergehen (harz, harzes; holz, holzes, lenzo, alſo ei-
    gentlich nur in den formen lz, nz, rz, weil mz nicht
    vorkommt) oder er einem früheren geminierten tt ent-
    ſpricht (ſcaz, ſcazes, leidizen, deteſtari), wo dann ſtets ein-
    facher *) vocal vorausgehen muß; von letzterm fall und
    ſeiner ſchreibung unten bei den geminationen — Ʒ iſt
    er nur in- und auslautend, wenn er bei vorausgehen-
    dem einf. oder dopp. vocal **) einem früheren ein-
    fachen t entſpricht: thaƷ, guotaƷ, mëƷ, mëƷes; fuoƷ,
    fuoƷes; waƷar; obaƷ, obaƷes; albiƷ, albiƷes; hiruƷ,
    hiruƷes). Von der ſchreibung ƷƷ unten bei den ge-
    minationen; daſelbſt auch von einigen zweifelhaften
    fällen. — Beide ziſchlaute können in denſelben
    wörtern nach umſtänden der flexion vorkommen,
    z. b. ſizan (ſedere) ſaƷ (ſedit) ſàƷun (ſederunt); naƷ
    (madidus) nezan (madefacere) etc.
  • 7) obſchon, wie vorhin geſagt worden, das alth. Ʒ dem
    goth. z in der ausſprache einigermaßen nahe kommt
    und auch letzteres, gleich erſterm, niemahls anlautet;
    ſo ſind doch beide ihrem urſprunge nach von einan-
    der entfernt, genau betrachtet auch gewiß ver-
    ſchieden auszuſprechen. Der goth. ziſchlaut war eine
    verdickung des reinen ſ lauts, die ſich im alth. durch
    einen parallelen übergang in r offenbart; der goth.
    ſauſelaut wurde ziſchend, der alth. ſchwirrend. Das
    goth. z war dſ, ein mit d verſetztes ſ, ein umlaut des ſ.
    [166]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
    Das alth. Ʒ war etwas härter, dſſ, ein mit ſ ver-
    ſetztes d, oder vielmehr z; es kaun durchaus nicht
    als verwandt mit ſ und ſſ betrachtet werden. Noch
    weiter ab vom goth. z liegt das alth. z.

(S) von unterſcheidung des ziſch- und ſauſelautes
war ſo eben die rede. Dieſer iſt ein einfacher, heller,
ſpitzer; jener ein zuſammengeſetzter, trüber und krau-
ſer. Engliſche grammatiker pflegen den ſauſelaut hiſ-
ſing
, den ziſchlaut buzzing ſound zu benennen nach
dem ſchneidenden pfeifen (ſibilare, ſiffler, σίζειν, fi-
ſchiare) der ſchlange und dem dumpfen ſummen (bour-
donner) der biene oder hummel. Der ſauſelaut wird in
allen ſprachen derſelbe, der ziſchlaut aber unbeſtimmt
und ſtufenmäßig ſeyn, wir haben geſehn, daß die alth.
mundart zwei ſtufen, die goth. eine von beiden abwei-
chende kannte. Eigenheit deutſcher ſprache überhaupt
ſcheint es, daß ſie, gleich der lateiniſchen, den leiſen
ziſchlaut (ich meine das goth. z und alth. Ʒ) nie anlau-
ten läßt *), was im ſlav. und franzöſ. ſo häufig ge-
ſchieht. Sollte dies nicht ſchon frühe der reinen aus-
ſprache des anlautenden ſ nachtheil gebracht haben? **)
Wenigſtens pflegen es heutigestags manche zungen zu
breit und dick hervorzubringen, die wörter: ſonne, ſin-
gen z. b. ſo zu ſprechen, als ob ſie Ʒonne. Ʒingen lau-
teten. Dazu kommt, daß auch die ſpiranten h und w
im alth. zuweilen breiter als das goth. h und v gewe-
ſen ſeyn mögen und umgekehrt das goth. inlautende ſ
ſelbſt in z verdickt wurde. Letzteres iſt inzwiſchen auf die
alth. mundart unanwendbar. deren inlautendes ſ allmäh-
lig in r, nicht in Ʒ übertritt. Und wider die vermuthung
einer ziſchenden ausſprache des anlautenden ſ muß im
allgemeinen eingewendet werden, daß doch graphiſch
gar keine verwechſelungen dieſes ſ mit dem Ʒ und
eher im inlaut einige, doch höchſt ſeltene, zu bemer-
ken ſind, von welchen unten bei den geminationen.
Nie wird man Ʒal f. ſal (aula) waƷ f. was (erat) etc.
[167]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
andrerſeits nie was f. waƷ (quid) etc. geſchrieben *) und
noch im mittelh. nie las: daƷ gereimt ſehen. Theore-
tiſch kann immer eine eben ſo ſtrenge ſcheidewand
zwiſchen der ausſprache des alth. ſ und Ʒ gezogen wer-
den, als es für ihren urſprung geſchenen muß **).


Die übergänge des in- und anslautenden ſ in r
ſind oben ſ. 121. angezeigt, ſie ſcheinen ſich früher am
inlaut (vgl. die part. irnëran, irwëran, gikorau; die pl.
praet. wârun, nârun, frurun) ſpäter am auslaut (vgl. was,
nas. kôs, frôs) kund zu geben. Das unorganiſche der
veränderung erhellt aber aus dem eſoteriſchen ſchwan-
ken der einzelnen fälle, z. b. der pl. praet. von wëſan
lautet immer wârun, nie wâſun. aber im zuſ. geſetz-
ten firwëſan erhält ſich firwâſun; nâſun und nârun gel-
ten beide, lâſun allein, kein lârun. Nähere angaben
hierüber folgen in den conjugation. —


gemination der inlautenden linguales.

(TT) verſchiedenartig 1) wie der inlaut t dem goth.
d, ſo entſpricht zwar tt nicht dem goth. dd (welches
dem alth. ll zu vergleichen, oben ſ. 66.) ſondern tt
ſcheint ſich aus der einfachen, von einem i gefolgten
goth. med. zu entwickeln. Vorhergehen muß ſtets ein
kurzer vocal; die alte kürze wirkt und der ſchwebelaut
wird durch die gemination ein geſchärfter. Hiernach
ergibt ſich aus dem goth. badi das alth. betti (lectus);
gleichergeſtalt ſetzen ſpratta (norma) matta (mappa) ketti
(ſepulcrum, ſepimentum) wetti (pignus) bittan (rogare)
ſmitta (opiſicina) witta (ligamen) mutti (menſura) hutta
(tugurium) mitto (medius) mitt[u]li (liciatorium) dritto
(tertius) bruttan (conturbare) ſcuttan (quatere) rettan
(eripere) ***) etc. ein früheres fpradja, kadi (vgl. catena)
[168]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
wadi, bidjan, ſmidja, widja, mudi (vgl. modius), hudja,
midjo, thridjo, brudjan, ſcudjan voraus. Dieſen for-
men wird ſodann ein: beti, keti, ſmita etc. gefolgt
ſeyn, wie ſich wirklich neben rettan, bruttan, lcuttan
die formen retan, brutan, ſcutan finden *) und manche
andere, die ſpäter auch geminierten, im alth. noch die
einfache ten. zeigen, z. b. tutiro, wëtar neuh. dotter,
wetter **). 2) einige wörter, in denen ſich ausnahms-
weiſe die alte ten. erhalten hat, pflegen dieſe frühe
ſchon zu geminieren: bittar, ottar etc. (ſ oben 155.),
wiewohl die quellen ſchwanken. Dieſes tt hat ſicht-
bar einen ganz andern urſprung, als das vorige. 3)
nicht zu dulden iſt tt bei vorausgehendem dopp. vocal,
z. b. râttes, wâttan, K. 23a ſt. râtes. wâtan; hlûttrôr J. ſt.
hlâtrôr, denn ſchwerlich dürfte ein rattes, eher ein hluttrôr
zu erweiſen ſeyn. (vgl. oben ſ. 133. das falſche ſcâffes
etc.) Die beiſpiele ſind ohnedem höchſt ſelten. 4) ta-
delnswerth ſind auch die tt im Hild. ſitten, luttila,
heittu, hêttun, lêttun, muotti; theils ſämmtlich un-
hochd. und der ſächſ. ten. entſprechend, theils (die bei-
den erſten abgerechnet) wegen des vorausgehenden dop-
pelvocals unleidlich; offenbar wurde das ſcheinbar rich-
tige hochd. zz (luzzil, ſizzen) und ƷƷ (muoƷƷi, lieƷƷun)
nachgeahmt. — (DD) ſelten, gewöhnlich dem tt no. 1.
gleichgeltend, [gerade wie oben ſ. 148. das bb dem
pp. ***)] z. b. chledda (lappa) gl. monſ. 343. (bei Schilter
iſt chletta eingetragen) leddo (argilla) gl. trev. 29a lad-
dûn (aſſeres) ibid. 37b wofür latôno (aſſerum) monſ. 356.
ladduch (lactuca, latuca) gl. monſ. 414. rodda (cythara)
mittelh. rotte. Die eigennamen belegen den wechſel
zwiſchen tt und dd häufig vgl. waddo (Greg. tur. 6, 45.)
watto (Neug. no. 175) — Ganz andern urſprungs die
partikel ëddô, gewöhnlicher ëdô, odô, deren nebenfor-
men: ërdô, odhô, alde und in der vorpartikel ſogar
[169]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
ëta-, ëtta-, ëthes- die (hierher nicht gehörige) unter-
ſuchung erleichtern und erſchweren, vgl. oben ſ. 74.
über die goth. aſſimilation áiþþáu. — (ZZ) gemination
des ziſchlautes muß theoretiſch geleugnet werden, da
ſich tſtſ und dſſdſſ ſo wenig ausſprechen laßen, als
phph; practiſch aber ſind, gleich dem ff, in beinahe
allen denkmählern zz und ƷƷ anzutreffen, und J. drückt
jenes durch tz, dieſes durch zſſ, beide ſorgfältig vom
einfachen z und zſ unterſchieden aus. Die übrigen
ſchreiben bloß zz für zz und ƷƷ, ſchwanken aber oft
in ganz denſelben wörtern zwiſchen der gemination
und dem einfachen z, es kann folglich in der ausſprache
kein großer unterſchied beſtanden haben, wenn irgend
einer beſtand. Von wichtigkeit iſt mir hierbei, daß zu-
meiſt der genaue N. und in ſeinen correcteren werken
faſt überall das einfache z dem doppelten vorzieht, auch
niemahl tz hat. Die urſache des doppelten läßt ſich
bald errathen. Zur zeit da die ten. in den ziſchlaut über-
gieng, gab es ſchon verſchiedene geminierte tt (vgl. oben
ſ. 66. die goth. atta, ſkatts *), in ſolchen wörtern wäre
der geſchärfte laut durch den nur graphiſch einfachen,
an ſich aber ſelbſt componierten ziſchlaut ſo gut ge-
ſichert geweſen, als durch die gemination der tenuis.
Weil ſich indeſſen das einfache zeichen mit dem ein-
fachen laut verwechſelte; ſo ſchrieb man zz (nämlich
zz und ƷƷ) in demſelben gefühl **), welches mm, nn,
tt etc. zu ſchreiben lehrte, da doch in der ausſprache
ſcazzes, waƷƷar gänzlich eins war mit ſcazes, waƷar.
Neben dieſer entbehrlichen ſchreibung zz wurde die in
der ausſprache ſelbſt gegründete unterſcheidung des z
und Ʒ verſäumt; des anlauts z war man zwar gewiß,
aber bei den in- und auslauten: daz, wazzar, ſcaz,
ſcazzes belehrte kein zeichen, daß jene daƷ, waƷar,
dieſe ſcaz, ſcazes auszuſprechen ſeyen, bis endlich im
[170]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
mittelh. für letztere *) die auflöſung des ziſchlauts in tz
(conſequenter wäre tſ geweſen) gebräuchlich wurde und
dem übelſtand einigermaßen half. Wer die neuvorge-
ſchlagenen zeichen z und Ʒ billigt, kann des zz, ƷƷ
und tz gänzlich entrathen, es fragt ſich nur, wie beim ff,
ob man wagen dürfe, critiſch die alten hſſ. zu verbeßern?
Der grammatik wenigſtens, wenn ſie ohne nene vocal-
zeichen nicht ausreicht. muß es auch die conſonanten
ſchicklicher und der hiſtoriſch erweiſlichen ausſprache
angemeßener zu bezeichnen vergönnt ſeyn. Und ſollen
wir das ſchwanken der hſſ. gelten laßen, mit K. 35b
mëƷƷu, 38a mëƷu. 29b ſizan, 30b ſizzan edieren? bald
ëƷan, beƷiro, luzil, bald ëƷƷan, beƷƷiro, luzzil, nach-
dem die texte beides untereinander zeigen? Die durch-
führung des iſidoriſchen und mittelh. tz**) wäre eben-
wohl neuerung, will man es aber (im in- und auslaut?)
und daneben ƷƷ (im inlaut) beibehalten, ſo darf min-
deſtens letzteres nur bei vorausgehendem einfachen vo-
cal und nie bei doppeltem geſchrieben werden. Das
befolgen auch in der regel die guten alth. hſſ. obgleich
ausnahmsweiſe: T. 5, 9. heiƷƷent; 7, 4. heiƷƷan; 4, 18.
ſuoƷƷà etc. K. 15b mnaƷƷôt; 25a ſtôƷƷôn; 16a ëban
lôƷƷon etc. ſtehet, und J. 341. 388. heizſſit, 368. fuozſſî,
389. ſuuozſſera, ja 345. die monſtroſe ſchreibung chi-
lôthzſſom (conſortibus) ſt. chilôƷom ***). — (SS.) dieſe
organiſche gemination entſpricht dem goth. und ſächſ. ſſ;
die wichtigſten belege ſind; huaſſo, ſpäter waſſo (acri-
[171]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
ter), bildungen mit -naſſi, irſcaſſen (?exinanitus N. 74. 9.)
thëſſes (hujus) ëſſa (fumarium) krëſſo (gobius fluv.) krëſſa
(naſturtium) zëſſa (tempeſtas) ſcëſſo (rupes) ſcëſſôn (dolare)
frëſſa (preſſura), bildungen mit -niſſa -niſſi, miſſa-,
wiſſa (ſcivi) giwiſſèr (certus) gabiſſa (quisquiliae) wiſſan
(convocare) K. 22b gaſtwiſſôd (diverſorium) hroſſes (equi)
hruſſin (equinus) hruſſe-hiruƷ gl. jun. 199. kuſſes (oſculi)
chnuſſan (contundere) guſſa (inundatio) gl. jun. 210.
zuſſa (laena) gl. trev. und vermuthlich noch einige an-
dere. Die entſtehung dieſer gemination iſt doch wiederum
verſchieden. Das goth. viſſa entſprang aus vitida, ver-
muthlich gieng aber ein viſta vorher, wie môſta aus mò-
tida, ebenſo erweicht ſich qviſtjan im ſubſt. qviſſ. Die-
ſelbe erklärungsweiſe ſchickt ſich für das alth. wiſſa,
während muoſa ein einfaches ſ annimmt, gemination
litt der vorausſtehende doppelvocal nicht; die formen
wiſte, muoſte wirken ſpäter nach; ëſſa dürfte man dem
gr. ἑστία vergleichen. Anderemahl ſcheint ſſ nach dem
kurzen vocal ganz wie mm, nn (oben ſ. 122.) oder pp. it
(ſ. 148. 167.) aus dem einf. conſ. zu entſpringen, z. b.
chnuſſjan, chnuſſan aus chnuſan (nord. knoſa) und
hroſſes, kuſſes machen den nom. hros, kus (wie mannes,
man). — Dieſer inlaut ſſ unterſcheidet ſich urſprung und
ausſprache nach genan von dem inlautenden Ʒ, der be-
kanntlich auch ſehr oft ƷƷ geſchrieben vorkommt, vgl.
wiƷan (ſcire) gewiƷida (conſcientia) wiſſa (ſcivi) giwiſſaƷ
(certum). Einige ſeltene vermiſchungen wird man den-
noch einräumen; jenes aus td entſprungene wiſſa rechne
ich nicht dahin, denn es haftete feſt, unbekümmert um
den übergang des witan in wiƷan. Aber wiƷago (pro-
pheta) angelſ. vitega, verwandelt ſich im 11ten, 12ten jahrh.
in wiſſego (ſo ſteht N. 9, 16. doch bloß in der hſ.
der pſ. denn N. ſelbſt ſchrieb gewiß überall wiƷego);
alle mittelh. hſſ. haben die falſche form wiſſage. Das
angeführte guſſa ſcheint mit guƷ und gioƷan verwandt *).
Ob ein mir ſehr nahe liegendes anderes beiſpiel gerecht-
fertigt werden kann? wider die ableitung des namens
[172]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
der Heſſen aus chatti ſträubt ſich grammatiſch der grund-
ſatz, daß aus dem t zwar z oder Ʒ, aber kein ſ wird,
auch ſpricht der Niederdeutſche nie: hetten, wie er
ſprechen müſte, wenn die form heßen, d. i. heƷƷen er-
weiſlich wäre, ſondern überall heſſen, wodurch alſo
die hochd. ſchreibung und ausſprache heſſen beſtätigt
wird. Das chatti, χάττοι*), römiſcher ſchriftſteller
würde (wie das goth. ſkatts, attila; alth. ſcaz, azilo;
mittelh. ſcatz, etzele) ſogar hazî (wenn man ſtarke decl.
zugibt) mittelh. hetze erfordern, ſtatt welches beſtimmt
heſſen (ſchwach) vorkommt (Nib. 717. wo das haƷƷe
der münchn. hſ. ein mißverſtändniß vorausſetzt). Ganz
in die nachbarſchaft der chatti ſetzt Tac. einen gerin-
gern, vielleicht jenen verwandten ſtamm, die chaſuari,
bei Strabo χαττουάροι, bei Vellejus attuarii geſchrieben.
Hier wäre alſo, wenn des Tac. lesart richtig iſt, wie
ich glaube, frühe verwechſelung des t mit dem ſ und
es kommt hinzu, daß noch im 8ten jahrh. die fränk.
annalen der terra hattuariorum, hatuariorum, hattario-
rum gedenken, wobei die variante hazzoariorum **).
Nur ſcheint es mir uncritiſch dieſe chattuarii mit den
chatti und gar den ſpäteren haſſi für eins oder für enge
verbunden zu halten ***). Der name chatti ſtchet zu-
letzt bei Sidon. apoll. 7, 388, und Greg. tur. 2, 9. (der
hier aus Sulpitius Alex. ſchöpft; cod. corbej. lieſt chati);
die einige jahrh. nachher auftretenden haſſi, heſſi, heſ-
ſones, überall ſo †), nirgends haƷƷi, heƷƷi geſchrieben
fallen zwar geographiſch mit jenen beinahe zuſammen,
[173]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
doch der beweis einer völligen identität beider bleibt
wegen der auseinandergeſetzten ſchwierigkeit in den
buchſtaben mangelhaft. —


Anlautende lingualverbindungen.

TR, daß in einigen formen (trëo, trëtan) der or-
ganiſche zuſtand fortdauert und nicht in zr übergeht,
ſ. oben ſ. 154.; in audern (tragan, trinkan etc.) ent-
ſpricht es dem goth. dr. TU dem goth. dv gleich
(tuâla, mora) — DR bei O. ſt. der beiden tr. (drëtan
und dragan). DU desgl. ſt. tu. (duâla) bei andern aber
ſt. thu. (duingan, duang) — THU, bei O. (thuingan,
thueſben, thuahan, thuag: bei J. dhu, dhuingan) —
ZU (tſu) bei allen ſt. des goth. tv (zuival, zuîc etc.)
aber noch nicht ſt. des goth. þv *). Alle verſchieden-
heiten zwiſchen tr. tu. du. thu. zu. ergeben ſich aus der
darſtellung der einfachen linguales; daß man nicht duá
mit dúa verwechſeln dürfe, wurde oben ſ. 111. bemerkt.
Die ausſprache ſolcher lingualanlaute muß einigen mund-
arten hart geſchienen haben, da ſie wohl einen vocal
zwiſchen ſchieben, vgl. oben ſ. 141. über zaw, zow,
ſtatt zu; ähnlich die gl. ker. terawid (minitatur) thowa-
hit (lavat). Oder ſpur eines früheren unzuſammen-
gezogenen zuſtandes? davon bei der wortbildung. —
Wichtiger folgende: SL. SM. SN. SC. SCR. SP. SPR.
ST. STR. SU; es fragt ſich: ob der ſauſelaut rein und
ſcharf vorſchlägt? Vorhin ſ. 129. 154. wurde gezeigt, daß
ſich in der verbindung ſp. ſt. die organ. ten. erhalten
und nicht in ſph. ſz. gewandelt habe, ein gleiches muß
auch unten vom alth. ſk oder ſc behauptet werden.
Nur finden hier frühe ſpuren des ſch ſtatt, nämlich bei
folgendem e, ë, ei und i ſchreibt es ſchon J. (385.
ſcheffidhes. 350. 365. undarſcheit 408. ſcheinit; desgl. in-
lautend: 352. 370. 374. 391. fleiſches, fleiſche. 382.
judèiſchin. 390. 408. hebrêiſchin 387. iſrahêliſchin) und
nie in dieſen fällen ſc. welches dagegen, ſobald andere
vocale, oder conſonanten folgen, oder im auslaut, un-
verändert **) beſteht (vgl. ſcaffan, ſcama, ſcaft, ſcoldi,
[174]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
ſculdrom, ſcuof, ſcrîban, 369. himiliſca, 409. fleiſc, 375.
infleiſcniſſa, 382. fleiſclih, 386. manniſcniſſa 391. himi-
liſcun). Bei K. O. T. *) würde man dergl. vergebens
ſuchen, ungeregelter ſchwanken die gloſſen, vgl. gl.
aug. 119a ſchirrit (radit) 119b ſchërm, 121b ſchëlta (im-
precatio) aber 124b ſcëlta; 127b ſchërôn (ſtertere, ebenſo
gl. jun. 181.) **), es gibt leicht noch weitere belege,
doch machen die ſc lange die regel aus; mitunter lau-
fen ſeltene ſcha, gl. aug. 120a ſchahho (lingua maris)
doc. 233a ſchapen (radant). Mehr kommt darauf zu
wißen an, wie es N. mit ſc und ſch hält. In den
hſſ. der ungedruckten werke fand Fügliſtaller ſch nur
ein einzigesmahl, insgemein ſce, ſcë, ſcei und nicht
ſche, ſchë, ſchei etc. Die pſalmen aber zeigen ſchë,
ſchie, ſchei, ſchì ſehr häufig, daneben auch ſcë, ſcie
etc. gewöhnlich ſca, ſcu, einigemahl ſcha (vgl. 17, 39).
Aus allen dieſen, wenn gleich unſicheren ſchreibungen
müßen wir unleugbar folgern, daß ſich bereits in den
älteſten hochd. denkmählern ein übergang des ſk (ſc)
in ſch, man kann ſagen, eine aſpiration des ſk ange-
ſetzt hatte; ſie fieng mit dem ſchë, ſche, ſchei, ſchi,
ſchie, ſchî an. ergriff allmählig das ſka, ſku etc. und
breitete ſich immer weiter aus, ſo daß im mittelh. ent-
ſchieden kein ſc, ſondern überall ſch, ſelbſt ſchr herrſchte.
Auch hiermit hatte es ſein bewenden nicht, die form
ſch wurde der hochdeutſchen zunge ſo geläufig, daß ſie
ſpäterhin das reine ſ in den anlauten ſl. ſm. ſn. ſw an-
ſteckte und in ſchl. ſchm. ſchn. ſchw., hernach auf der
letzten ſtufe, zwar noch nicht in der ſchrift, aber in
der ausſprache, die am längſten widerſtehenden anlaute
ſp. ſpr. ſt. ſir in ſchp. ſchpr. ſcht. ſchtr wandelte. Be-
kanntlich nehmen volksmundarten, namentlich die
ſchwäbiſche auch ein in- und auslautendes ſchp und
ſcht an. Ich habe dieſe hiſt. entwickelung bis auf die
jüngſte zeit durchgeführt, um mit der progreſſion des
ſch ſeine frühere aufſteigende ſeltenheit zu erweiſen.
Organiſch war die reine und ſcharfe ausſprache des ſau-
ſelauts in den fraglichen verbindungen ſl, ſm etc. Ein
ſr hat der Deutſche nie gehabt, ſondern ein ſkr; der
Slave unterſcheidet beide, verwechſelt ſie aber nicht
[175]I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
und darum darf nicht vermuthet werden, unſer ſkr
gründe ſich auch auf ein älteres ſr, vielmehr ſcheint
unſere ſprache den ſlav. formen ſr einen vocal zwi-
ſchenzuſchieben *). Ein ſkl. ſkp. ſkt etc. liegt gleich-
falls außer der deutſchen lautbegrenzung und die ſpäte-
ren ſchl. etc. ſtehen dem aus ſkr. entſprungenen ſchr.
durchaus nicht parallel; ein für die etymologie nicht
zu überſehender ſatz. Als ſeltne, aber frühe ſpuren
eines ſcl ſtatt ſl darf ich jedoch nicht verſchweigen:
ſclahan hymn. noct. 4. ſclaht (occiſio) gl. hrab. 971a
ſclèwêtun (extabuerunt) gl. monſ. 338. (vgl. ſiêwèn, ta-
beſcere N. 106, 26. ſlèwa, hebetes, gl. aug. 123a) ſclei-
Ʒan (vellicare) gl. monſ. 333, wofür 344. 407. ſleiƷan;
ſclav (ſervus) T. 131. 146. und irgendwo erinnere ich
mich ſclito (traha), ſclëht, geleſen zu haben. — Zeugniß
für die ſcharfe ausſprache des ſ in dieſen anlautenden
verbindungen ſcheint mir endlich das zuweilen eintre-
tende ausſtoßen des k und w aus ſk, ſw, vgl. ſarf f.
ſcarf; ſol f. ſcal; ſô, goth. ſvê (hänſigere beiſpiele im
nord.) — ſc für ch oder k merkwürdig bei K. 51b ſcurcju
(curta) f. churzju; ſ. unten beim angelſ. ſc. — Übergang
des ſu in ſl nur in ſniumo (repente) K. M. ſliumo O. T.
ſliemo N. — von dem des zu in qu unten beim qu. —


in- und auslautende labialverbindungen.

Es iſt hier bloß der formen SK. SP. ST. zu erwäh-
nen; das ſeltne ſp wurde ſchon ſ. 129. beſprochen, un-
gleich häufiger erſcheinen ſk (über deſſen ausſprache vor-
hin bei dem anlaut ſk) und zumahl ſt. Beiſpiele von ſc
(außer endungen auf iſc, iſca) aſca (cinis) aſco (thy-
mallus) aſc (fraxinus) maſca (macula) hnaſc (mollis)
flaſca (aſcopa) faſca (fomentum) raſc (vivax) zaſkôn (ra-
pere) waſkan (lavare) irlëſkan (extingui) drëſkan (tritu-
rare) ſiſc (piſcis) tiſc (menſa) tiſco (alumnus) friſcing
(victima) miſkelôn (miſcere) froſc (rana) wunſc (deſide-
rium) fleiſc (caro) eiſkôn. Einige pflegen im inlaut die
ten. c in die med. g umzulauten: waſgan, lëſgan,
aſga, wunſgan, zuiſgun etc. Beiſpiele von ſt (außer
den endungen -ſt) aſt, gaſt, laſtar, raſta, faſto (firmiter)
maſt (malus) paſt (cortex) maſtôn (pinguefacere) paſto
(altile) nëſt (nidus) nëſtila (faſcia) ſuëſtar, gëſtar, geiſt,
meiſta, folleiſt, gneiſto (ſcintilla) miſt, liſt, biſt, iſt,
koſt, froſt (gelu) roſt (aerugo) luſt, bruſt, achuſt, gi-
[176]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
ruſti (inſtrumentum) eidbuſt (iuramentum) ruſtagî (bar-
baries) trôſt, ôſtar, rôſt (craticula) fùſt (pugnus) pluoſtar
(ſacriſicium). Die formen nſi, lſt, rſt oben ſ. 124. 125.


(K. G. GH. CH. Q. J. H.) gutturales.

Hier beſtätiget wieder das runen alphabet eine wich-
tige abweichung von der labial- und lingualordnung,
in welchen beiden die aſp. ph und th herausgehoben
wurde; wie aber dem Gothen der aſpirierte kehllaut
mangelt, ſo fehlt auch den alten runen das zeichen da-
für; es gab ihrer folglich nur zwei in dieſer reihe, eine
für die ſpirans (hagal, grando) eine für ten. und med.
zuſammen, nach der ten. kaun *) benannt. Die ſächſ.
runen unterſcheiden ten. welche den alten namen cèn
(iſt dieſe lautbezeichnung richtig? die analogie von laun,
leán erforderte ceán) beibehält, von der med. g und
nennen letztere gifu (donum, gratia). In den marko-
mann. runen bleibt dieſe med. gibu, ſie und hagal lei-
den keinen zweifel; hingegen wird der name der ten.
aſpiriert in chèn und daneben noch ein unterſchiedenes
chòn aufgeführt. Befriedigenden aufſchluß vermag ich
hierüber nicht zu geben und aus dem dunkeln ſinn der
wörter nicht zu rathen, welches von beiden die ten.
und was dann das andere bedeute? vielleicht ein q. in-
ſofern man etwas auf die ähnlichkeit des zeichens chôn
mit dem goth. Ч (qv) geben wollte; das zeichen chên
iſt ein umgekehrtes chôn, nämlich [...], wie denn auffal-
lend auch das nord. kaun ebenſo, das ſächſ. cèn um-
gedreht [𐌷] bezeichnet wird. So viel erhellt, daß die
zeichen [...], Ч, [𐌷] graphiſch, vermuthlich alſo auch im
laut, wo nicht eins ſind, doch einander ſehr nahe lie-
gen. Die alth. form des namens chôn ſtimmte völlig
zu kaun.


Unabhängig von dieſer noch nicht ganz aufgeklär-
ten beſtätigung durch das allmählig veränderte runen-
ſyſtem lautet der grundſatz für die alth. gutturales ſo:
die organiſche ten. iſt zur aſp. geworden, die organiſche
[177]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
med. zur ten., bleibt aber noch ſehr oft beſtehen (ſo
daß bald med. bald ten. mangelnd oder entbehrlich er-
ſcheint); alſo ſtrengalthochd. entſprechen ch und k dem
goth. k und g (gerade wie ph und p dem goth. p und
b; z und t dem goth. t und d). Dieſe ſtrengalth. con-
ſonanteinrichtung bedarf, wie ich mehrmahls erinnert
habe, der mediae b, d und g aus gleichen urſachen ei-
gentlich gar nicht mehr. Eine bedeutende abweichung
von der labial- und lingualordnung gründet ſich aber
nun darauf, daß die goth. ſprache keinen gutturallaut
aſpiriert, folglich eine dem alth v und th parallele
zweite alth. aſp. fehlen muß. In der regel fehlt ſie
auch wirklich. ſcheint jedoch ausnahmsweiſe in gh vor-
handen und dies wäre einer der ſeltenen fälle, wo man
der alth. lautordnung größere vollſtändigkeit, als der
goth. zuſprechen könnte.


Die unterſuchung hat auch hier den vorigen gang
zu nehmen und nachzuweiſen, warum die verwandlung
des k in ch für etwas unorganiſches und ſpäteres zu
halten ſey:


  • 1) wegen einſtimmung der übrigen mundarten, außer
    der hochdeutſchen, in der tenuis. Man vergl. auch
    die lat. wörter calvus, capere, cachinnari, caſeus,
    caeſar, carcer, crux, corona, capella, calix etc. mit
    chalawèr, choufen, chachazen, chaſi, cheiſar, char-
    chàri, chruzi, chrôna, chapella, chelih *). Desglei-
    chen die inlaute tectum, calix (calics), alce, pix (pics)
    mit dah, chelih, ëlah, pëh, in welchen allen h für
    ch ſteht.
  • 2) in deutſchen von den Römern aufbewahrten namen
    wird eigentlich c und ch geſchieden, bei gr. ſchrift-
    ſtellern jenes durch k, dieſes durch χ ausgedrückt.
    Ein c haben: catualda, catumerus, cariovalda, canni-
    nefates, hercynius (ἑρκύνιος) **) bucinobantes, carietto,
    M
    [178]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    cimbri (κίαβροι), dieſes c muß der goth. und über-
    haupt der organiſchen tenuis (folglich dem alth. ch)
    entſprechen; mit ſicherheit vergleichen läßt ſich nur
    das letzte wort: cimber iſt kambar (ſtrenuus), wofür
    N. chamber geſchrieben haben würde. Welchen laut
    bedeuten aber nun die röm. ch in chatti, cheruſci,
    chamavi, chauci? vgl. Ammians chonodomarius. Wä-
    ren nicht die vier erſten rückſichtlich ihrer wurzel
    ſo dunkel, daß man ſie kaum zu deuten wagt, ſo
    würde die vergleichung der ſpäteren form den beßten
    maßſtab darreichen. Es bleiben nur folgende annah-
    men übrig [α]) ch iſt in dieſen fällen mit c eins, wie
    denn wirklich hſſ. catti f. chatti und Strabo καύκοι,
    Dio Caſſ. (Reim. 544. 967.) καύχοι neben χαύκοι*)
    ſchreiben, letzterer auch (1104) χαριόμηρος, was doch
    mit obigem cario in cariovalda, carietto zuſammen-
    trifft. Die Römer brauchten das ch in barbariſchen
    namen (Schn. 209. 210.) ſie ſchwankten ſelbſt in lat.
    (aus dem gr. entlehnten) wörtern zwiſchen c und ch.
    Das ch in chonodomarius iſt gewiß ein organiſches
    k, denn chonôd bedeutet goth. knôds (genus) alth.
    chnuot. β) will man den Römern das ſchwanken
    zwiſchen c und ch in dieſen deutſchen namen nicht
    zur laſt legen. ſondern die aſp. als ſchon damahls in
    unſerer ſprache vorhanden gelten laßen; ſo ſtimmt
    das freilich nicht wohl zu dem aufgeſtellten grundſatz,
    noch zu der annahme. daß die ten. des labial- und
    lingualſyſtems in jener zeit ungetrübt beſtanden habe.
    Andererſeits muß erwogen werden, daß der mangel
    der gutt. aſp. im goth. eine wirkliche lücke bildet,
    die im organ einer andern mundart ausgefüllt gewe-
    ſen ſeyn könnte. Nur müſte dann jene aſp. in wör-
    tern vorkommen, welche im goth. oder ſächſ. keine
    ten. zeigten. Die ſeltenheit und ſchwierigkeit der
    beiſpiele des ch verhindert aber hier weiter einzudrin-
    gen. γ) noch eine andere muthmaßung wäre, daß
    **)
    [179]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    das befragte ch in beziehung zum h ſtehe. Freilich
    bietet die fränk. mundart ch für h dar, allein die Rö-
    mer vermiſchen es nie mit dem h in hermunduri,
    herminones, hercynius etc. man müſte denn Ammians
    hariobaudes mit obigem χαριο- und cario- verbinden
    wollen *), und die der identität des namens chatti
    und haſſi ſonſt entgegenſtehenden ſchwierigkeiten
    überſehen.
  • 3) alth. urkunden wechſeln mit c (oder k) und ch in
    denſelben namen, vgl. Neug. v. cadalôh und chada-
    lôh (chaddo in conc. cabilonenſe, chadbedo im conv.
    clipiac); n° 21. (vom jahr 757) zeigt, daß chambiƷ
    aus campiduna wurde. Bei Greg. tur. finde ich die
    organiſche ten. ausgedrückt in cariulfus (7, 37.) wo-
    neben charegiſilus 4, 51, charibertus 4, 3, charimer 9, 23;
    in andern hat er das fränk. ch fur h (wovon unten).
  • 4) bei dem lippen- und zungenlaut erhielt ſich die alte
    ten. in den verbindungen ſp. ſt, ht, ſt, tr; auf gleiche
    weiſe ſk, doch mit frühen übergängen in ſch, wovon
    vorhin (ſ. 173.) bei dem ſ gehandelt worden iſt. — Aber in
    der gemination cch (= kk) darf das erſte c für einen
    gleichſam nothwendigen überreſt der alten ten. gelten,
    da chch ſo unmöglich wäre, wie phph und tſtſ; pph
    (pf) und ttſ (tz) hingegen eintreten.
  • 5) überhaupt hat ſich die aſp. ch keinen ſo durchgrei-
    fenden eingang zu verſchaffen gewuſt, als z und ph.
    Zwar im in- und auslaut iſt das organ. k faſt überall
    verdrängt worden, aber aus dem anlaut nur in den
    ſtrengalth. quellen (namentlich K. und N.) welche k
    ſtatt der med. g gebrauchen. Die meiſten übrigen be-
    halten g in der media und das alte k im anlaut, ja dies
    hat ſich im mittelh. und als regel feſtgeſetzt, welches
    der conſequenz der lautvertheilung beträchtlich ſcha-
    det. Denn neben den anlauten f und z ſteht nun
    ganz unrichtig k (ſtatt ch), während im in- und aus-
    laut (gewöhnlich) ch gelaßen wird. So lernt man
    begreifen, wie das nämliche k im goth. kann, kniu,
    M 2
    [180]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    mik, vakan bald in unſer hann, knie, bald in mich,
    wachen überſetzt werden muß; wie genauer im ſtren-
    gen alth. chan, chniu, wachan! freilich mih f. mich.
    Das nähere wird die einzelne unterſuchung der kehl-
    laute ergeben. —

(K. C.) was vorerſt dieſe beiden buchſtaben für einen
und denſelben laut betrifft, ſo ſcheint hier ein entbehr-
licher überfluß vorhanden. Welches zeichen deutſcher
ſey, läßt ſich ſchwer ſagen, eigentlich iſt jedes auslän-
diſch, denn mit der alten rune (kaun, kòn) ſtimmt
keines. Der Gothe wählte ſtatt ihrer das gr. κ, der An-
gelſachſe gewiß ſchon im 6ten jahrh. das lat. c. Da-
mahls brachte dieſes keine unſicherheit der ausſprache,
weil ce, ci unbedenklich für ke, ki galt; die erſten alth.
denkmähler bedienen ſich beider buchſtaben. Als im
verfolg die ausſprache ze. zi eindraug, wurde das c vor
e und i zur bezeichnung der kehltenuis untauglich, auch
wie wir geſehn ſelbſt für den ziſchlaut gebraucht, folg-
lich ke, ki nothwendig. Vor andern vocalen als e und
i galten nun k und c nebeneinander mit gleicher be-
dentung fort, aber entbehren läßt ſich letzteres darum
nicht, weil es zur bildung der aſp. ch und der gemina-
tion dient. Will man kein einfaches c, ſo muß man
auch kh für ch und kk für ck ſchreiben. Letzteres iſt
ſelbſt im nord. bräuchlich. Die hſſ. variiren ohne ende.
Der Gothe konnte allerdings mit ſeinem k ausreichen,
weil ihm die aſp. fehlte; ein eignes zeichen für ch,
gleich dem f und þ, wäre das vorzüglichſte. — Die be-
deutung der alth. ten. iſt nach den mundarten ſehr ver-
ſchieden.


  • 1) ſtrenghochd. quellen namentlich K. verleugnen k im
    ſinn des goth. gänzlich (die verbindung ſk, auch ei-
    nige fremde wörter abgerechnet, wie capitulo, capi-
    tulum) und ſetzen es für das goth. g, als: këpa (do-
    num) ekì (diſciplina, terror) makan (valere) manak
    (multum) keiſt (ſpiritus) cot (Deus) *) cuat (bonus) kual-
    lìhhì (gloria) kêro (n. pr. gêro) etc. Dazwiſchen wird
    g gleichbedeutend noch gern im inlaut gebraucht, als
    tagâ, kangan, îlunga etc. lieber als takâ, kankan, îlunka,
    [181]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    was zuweilen auch ſteht. Anlautend findet ſich g für
    k ſelten, auslautend nie; man kann alſo annehmen,
    daß der auslaut k (c) im inlaut oft in g umlaute, z. b.
    fianc, fiangun; tak, tages. N. gebraucht, wie bei
    den labiales, in- und auslautend immer die med.
    alſo: tag, tages; fieng, fiengun, befolgt aber für den
    anlaut ſeine eigenthümliche, mit der ten. und med.
    abwechſelnde weiſe (oben ſ. 130. 158.) z. b. mit kote
    (cum Deo) mînan got (Deum meum); kâhes wândon
    ſie, aber wieo gâhes etc. (63, 4.) ſô ſie hôhôſt keflie-
    gent dìnen amorem ze gechieſenne (103, 3.); hieraus
    erhellt, warum man des verfaßers namen Nôtkêr (goth.
    náudigáis?) ſchreiben müße. Man vgl. eine menge
    eigennamen bei Neug. këbalinda, kërhilt, kiſalmâr,
    kôƷbërt oder côƷbërt etc.
  • 2) die meiſten übrigen, namentlich O. und T. fahren
    fort die alte ten. im anlaute gelten zu laßen, folglich
    k oder c (O. häufiger jenes, T. dieſes) zu ſehreiben,
    wo man in ſtrengalth. quellen immer dem ch begeg-
    net, z. b. kind, kunni, knëht, kôs, kuoni etc. In-
    und auslautend hegen ſie dieſes k (c) nur bei voran-
    ſtehendem conſ. [alſo in den formen lk, nk, rk, ſk,
    als: folk, folkes, ſcalc, ſcalkes; thank, thankes; mar-
    ka, arka; wërk, wërkes *); ſkeidan, fleiſk; pflegen
    aber ſk in- und auslautend unſicher in ſg. zu wan-
    deln, wovon nachher] oder in der gemination ck (kk,
    ſ. unten). Steht ein (langer oder kurzer) vocal vor-
    her, ſo aſpirieren ſie gleich den ſtrengalth. denkmählern.
  • 3) J. hat folgende eigenthümlichkeit: die (ſtets c, nie k
    geſchriebene) ten. vertritt ihm zwar, wie bei K. die
    goth. med., aber bloß im auslaut (druoc, fènc, mac,
    burc, manac. einìc, heilac etc.) ſogar die goth. ten.
    [182]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    (in den verbindungen ſc, lc, nc, als: fleiſc, folc, chi-
    danc; neben wërch); für die in und anlaute ſchwankt
    er zwiſchen g und gh. Für die goth. anlautende ten.
    (oder O und T. k, c.) ſetzt er die aſp. ch. (mit aus-
    nahme des fremden crûci, crux; der name chriſtus
    wird beſtändig xps̅ geſchrieben) vgl. chalp, chindh,
    chunden, chnëht, chennen etc. Von der gemination
    cc unten. —

(G) auch dieſe med. hat nach verſchiedenheit der
quellen unterſchiedene bedeutung


  • 1) in den ſtrengalth. entſpricht ſie a) der alten med.
    aber, wie vorhin gezeigt worden, ſelten oder ſchwan-
    kend, im wechſel mit k. — b) dem goth. j (wovon
    nachher).
  • 2) bei O. und T. beſteht g völlig im ſinne der alten
    med., an- in- und auslautend (gëba, egî, magan,
    manag, got etc.); ja ſie zeigt ſich in- und aus- (nicht
    an-) lautend *) unorganiſch ſtatt der alten ten. in der
    form ſg (vgl. fiſg, diſg, fleiſg. daſga, latîniſg, frôniſg,
    biſgôf, waſgan, miſgan, zuiſgen etc.) Dieſes ſg liegt
    mittenein zwiſchen ſc und ſch (oben ſ. 175.)
  • 3) J. bedient ſich des g nur im an- und inlaut, (nie
    im auslaut, wo er c dafür hat) ſchwankt aber in bei-
    den fällen zwiſchen g und gh, von welchem ſogleich
    gehandelt werden ſoll. Beiſpiele der reinen med.
    ſind: got: gurdil, gomo, gëron; dagâ, foraſago, auga,
    bërge, flugun, hringà, hringida, heilegan etc. **).

(GH) gleich dem dh nur bei J. und gl. jun. (gl. A.)
anzutreffen, ſowohl anlautend [gheiſt, gheizſſinu, ghël-
ſtar, ghëban, ghibis, ghëldan und die vorpartikel ghi ***)]
als inlautend (bighin, meghin, meghines, maneghîn,
[183]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
heileghîn, ewighîn, bërghe, wëghe, frâghêt, ſaghên,
ſinghemes, chimenghid, aughida, ſamnunghe, ſangheri;
einighêr, fuaghidha, abulghìghèr, ſpàtighèr, ſighi etc.);
nie auslautend. Die vorhin angeführten belege erge-
ben, daß in denſelben fällen die reine med. ſteht, bërge
neben bërghe, nicht aber ſteht umgekehrt gh in allen
fällen des g; nämlich gh ſcheint nur dann zuläßig,
wenn e, ë, ê, i, î folgen, keineswegs vor a, à, o, ô, u, û,
uo, au; es heißt nie: rëghonôda, foraſagho, daghâ.
Hieraus ergibt ſich eine unähnlichkeit des gh mit dem
dh, welches alle vocale hinter ſich duldet und auch
auslautet; dh entſpricht der goth. aſp. þ, gh der goth.
med. g; — dh entſpricht dem th anderer alth. quellen,
gh aber nicht dem ſonſtigen ch*). Hingegen darf es
ſich dem vor denſelben dünnen vocalen e, ë, i, ei in
ſch verwandelten ſc (oben ſ. 173.) zur ſeite ſtellen und
dem franz. vor e, i in die ausſprache ſch übertretenden
g vergleichen. Da das franz. ch vor a, o, u (aus der
lat. ten. c erwachſend) ebenfalls ſch ausgeſprochen wird,
ſo läßt ſich zwiſchen J. gh und ch (das auch die ältere
ten. erſetzt) eine analogie der entſtehung und ausſprache
nicht verkennen und ſelbſt die in der note berührte
ungenaue ſchreibung chi- ſtatt ghi- dadurch begreifen.
J. chindh, chennen wird ungeübten organen in der
ausſprache ſo ſchwer von ghinnan (incipere) ghëban
zu unterſcheiden ſeyn, als das franz. cher von germe,
obgleich in jenen alth. wörtern bei der aſpiration kein
ſauſelaut mit unterlauft. —


(CH) **) dieſe eigentliche aſp. des kehllauts ver-
langt genauere unterſuchung


  • 1) der anlaut, welcher ſtets ch, nie hh geſchrieben wird,
    vertritt a) in der regel die goth. ten., doch nur bei
    J. K. N. und in andern ſtrengalth. denkmählern; O. T.
    etc. beſitzen ihn nicht, ſo wenig als das neuh., da-
    her ſich ſeine ausſprache nur in mundarten des volks
    [184]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    wiederfindet. Die frage kann bloß ſeyn: ob ch hart
    und gurgelnd, wie gewöhnlich in der heutigen Schweiz,
    oder natürlich, nach dem begriff der aſpiration, wie
    von Chur bis Mayenſeld und im berner oberland (Stal-
    der dial. p. 62.) hervorznbringen iſt? Ich glaube,
    letzteres, theils weil, fände der dickere kehllant ſtatt,
    die ihn bezeichnende ſchreibung cch vorkommen
    würde, ſie findet ſich aber nirgend im anlaut, theils
    weil ch dem k anderer alth. quellen näher liegt und
    allmählich wieder in letzteres übergieng. Auf der an-
    dern ſeite ließe ſich freilich die analogie von pph an-
    ſchlagen, welches in der ausſprache und ſchreibung
    pf, neben ph, anlautend vorkommt; inzwiſchen iſt
    in der labialordnung ein etwas abweichendes verhält-
    niß, da der alth. anlaut ph zwiſchen dem goth. p und
    f ſchwankt; auch hat ſich pf im mittelh. und neuh.
    erhalten. Behaupten will ich jedoch nicht, daß die
    gurgelnde ausſprache cch im anlaute nirgend eingetre-
    ten ſey; mundarten mögen ſie gehabt haben *), nur
    unſere quellen führen nicht nothwendig darauf hin. —
    b) in der altfränk. mundart vertritt ch den bloßen
    hauchlant, gewiß ſchon ſeit dem 6. jahrh.; Greg. tur.,
    die fränk. conc. und andere urkunden jener zeit ge-
    währen eigennamen, wie folgende: chëdînus, childe-
    bërtus, childerîcus, childerûna, chilperîcus, chlodo-
    vëus, chloderîcus, chlotharius, chlotſuinda, chramnus,
    chrôcus, chrôtildis, chrôdegarius, ſighi chëlmus,
    chardarîcus, chaletrìcus, chagnoaldus, chadulfus etc.,
    welche den alemanniſchen formen: hëdìn, hildi-,
    hëlſi-, hlut-, hramm-, hruod-, hëlm, halid, haga-
    no, had-, begegnen. So ſchreibt Greg. tur. chuni
    für huni. und den alem. könig hruoh (?) nennt er
    chrôcus; im ſal. geſetz bedeutet chunnas ohne zweifel
    hunderte **). Dieſes ch für h ſtimmt, welches ich
    [185]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    ſchon oben ſ. 177. bemerkte, mehr zu dem lat. c in
    wörtern, wie centum, cannabis etc. als das durch
    alle übrigen deutſch. mundarten verbreitete h, wel-
    chem indeſſen ein gleiches alter zugeſtanden werden
    muß, weil es die goth und die frühſten ſpuren der
    anderen mundarten zeigen. Auch pflegen unfränkiſche
    ſchriftſteller das ch fränkiſcher eigennamen in h auf-
    zulöſen, z. b. Marcell. comes ſchreibt: hlotarius, hil-
    debertus, hramnus. Soviel iſt klar, daß dieſes alt-
    fränk. ch mit dem (aus der ten. entſpringenden) ge-
    wöhnl. alth. ch keine gemeinſchaft hat, vermuthlich
    auch etwas ſchwächer ausgeſprochen worden iſt.
    Wann es ſich verliert? fällt bei dem mangel ſpäterer
    fränk. denkmähler zu beſtimmen ſchwer; einzelne
    eigennamen haben es behalten, andere in c verwan-
    delt. z. b. clovis, welches die Franzoſen von louis
    unterſcheiden, als ob es zweierlei wörter wären. —
  • 2) der inlaut. a) dem goth. inlautenden k entſpricht ei-
    gentlich in allen alth. denkmählern die aſp. ch, nicht
    bloß bei K. und N. ſondern (wenn vocal vorausgeht)
    auch bei O. und T. vgl. ſacha, brëchan, wëcha, michil,
    zeichan, pauchan (nutus), ſiuchan, puoche etc. So
    wird auch bei N. überall und im ſpäteren mittelh.
    geſchrieben. Die früheren alth. quellen kennen die-
    ſelbe ſchreibung, brauchen ſie aber nicht ausſchließ-
    lich, ſondern daneben faſt häufiger das geminierte h.
    als: ſahha, nahho (cymba) brëhhan, wëhha, mihhil etc.
    Dieſes hh ſcheint etwas milder, als ch auszuſprechen,
    denn es entſpringt aus dem auslaut h (ſtatt ch), der
    inlautend geminiert (wie man, mannes; fal, falles;
    puoh, puohhes) und wirklich findet ſich zuweilen
    auch inlautend das einfache h geſchrieben: mihil (ſt.
    mihhil) zumahl nach langen vocalen als: zeihan, pau-
    han, brâhun (fregerunt) etc. Häufig aber müßen ch
    und hh völlig zuſammengefallen ſeyn, weil ſie in den-
    ſelben quellen hintereinander wechſeln, z. b. bei K.
    racha und rahha, machôt und mahhôt *). Von den
    nachtheilen der ſchreibung hh unten bei den gemina-
    tionen. — b) gehen conſonanten voraus, ſo hat ſich
    [186]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    nur in der verbindung ſk (oben ſ. 173.) allgemein
    die ten erhalten; lk, nk, rk zwar bei O und T. (oben
    ſ. 181.) nicht aber im ſtrengalth. K. N. M. wo lch. nch.
    rch (nie geſchrieben lhh, nhh, rhh) ſtattfinden, z. b
    wëlchêr (marcidus) ſcalches (ſervi) lanchâ (lumbi)
    danches (gratis) ſterchî (robur) wërches (operis); von
    cch nachher bei den geminationen. — c) das altfränk.
    ch für h zeigt ſich auch inlautend, als: medovêchus,
    childebërchtus; alemann. fêh, përaht.
  • 3) der auslaut wird faſt nirgends ch, ſondern h geſchrie-
    ben, was ſchädliche vermengung mit dem wahr-
    haften auslaut h zur folge hat. Ob das h, welches
    dem goth. auslaut k parallel iſt, eine andere, härtere
    ausſprache gehabt habe, als das dem goth. auslaut h
    entſprechende? (z. b. in joh, goth. jah; und joh, goth.
    juk) wage ich kaum zu entſcheiden. Näheres unten
    beim h. Auszunehmen iſt auch hier wieder theils
    überhaupt die verbindung ſc (welche bleibt und we-
    der in ſch noch ſh übergeht) theils bei O. und T.
    die verbindungen lk, nk, rk (welche nicht lh, nh, rh,
    bekommen, und unfolgerichtig von den übrigen aus-
    lauten ih, brah etc. abſtechen). Strengalth. tritt in-
    deſſen lch, nch. rch (nicht lh *), nh, rh) ein, ſcalch, folch,
    gidanch, wërch, rinch (procer) etc. doch ſind manche
    hierher hörige wörter noch unzuſammengezogen, z. b.
    wërah, ſtarah (fortis) und dann ſteht h auslautend;
    (ſ. die vorhin gemachte anmerkung ſ. 181.) höchſt ſel-
    ten iſt die ſchreibung ch im auslaut nach vocalen,
    K. 16a wërach ſt. wërah.

(J) die hſſ. zeichnen dieſen conſ. gar nicht, wie im
goth., von dem vocal i aus; ich ſtelle indeſſen unbe-
denklich das j wieder her, da an einem jederzeit in
der lebendigen ausſprache vorhanden geweſenen unter-
ſchied ſchon darum nicht zu zweifeln iſt, weil j (nicht
aber i) aphäreſe und ſyncope erleidet, auch in g über-
tritt, ferner weil ia, io, iu (nicht aber ja, jo, ju) ſpäter
in ie, en verändert wird. Etwas ganz anderes iſt, daß
i und j durch ausſprache und übergänge ſich ſelbſt nahe
berühren; ein von einem vocal gefolgtes, unbetont aus-
geſprochenes i wird kaum von dem j zu ſcheiden ſeyn.
ja man könnte j für ein des tons verluſtig gewordenes i
erklären, da gerade in den diphth. ia, io, iu der ton
auf dem i ruht und durch die accentuierung ía, íu der
[187]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
unterſchied von iá, iú (d. h. ja, ju) gut ausgedrückt
wurde (oben ſ. 104.). Übergänge des i in j laßen ſich
nachweiſen, z. b. das neuh je (unquam) entſpringt aus
ie und theoretiſch kann angenommen werden, daß alle
im inlaut verſchluckten j frühere i geweſen, z. b. hôren
(audire), vorher hôrjen deutet auf ein urſprüngliches
hôr-i-an, wie denn auch in der flexion das inlautende
j auslautend i oder î wird. Andrerſeits ſind ſchon
(ſ. 104. 109.) verſchiedene beiſpiele vorgekommen, daß
ſilben zuſammenrücken und manchem entſprungenen ia
ein älteres ja, dieſem dann wieder ein noch älteres i-a
î-a unterliege. In dieſer hinſicht iſt nun j: i = v (w):u
und der labialordnung p. b. f. v. u. ſcheint die gutturale
k. g. ch. j. i. parallel. die übergänge des j in g gleichen
denen des v in b. Nachzuweiſen aber wäre 1) warum
die lingualreihe keinen vocal als letzte baſis zeige?
2) wie die unverkennbare analogie der lingualreihe t. d.
th. ſ. mit der gutturalen k. g. ch. h. und ſelbſt der la-
bialen p. b. f. v. jenem paralleliſmus widerſpreche oder
damit auszugleichen ſey? kurz, warum die gutturales
eine doppelte unterlage, nämlich j und h beſitzen? Hier-
auf könnte ich ein und das andere antworten, was mir
noch nicht genügt *); die unterſuchung iſt allgemeiner
und ich wende mich hier zu der beſonderen betrach-
tung des j zurück.


  • 1) j als anlaut, nur in wenigen wörtern: jâ. jâmar. jâr.
    jagôn. jëhan. jënêr. jëſan (fermenteſcere, ſpäter jëren)
    jëtan (ſarrire) joh (et) john (jugum) johhalmo (lorum)
    ju (jam) jung. jugund. juchalôn (ſcalpere) juchido (pru-
    rigo) vermuthlich noch verſchiedene ortsnamen, z. b.
    jaƷƷa (Neug. n° 155. 226.) **) jaƷaha (fluß zw. Heſſen
    und Franken, heute joß genanut) etc. fremde eigen-
    namen verſtehen ſich von ſelbſt. Man merke nun,
    daß einige, namentlich K. O. T. vor ë und i das j in
    g wandeln, alſo: gëhan, gënêr, gëtan ſchreiben, ſo-
    bald aber in denſelben wörtern der ablaut a oder â
    entſpringt, das j zurücknehmen, daher in der conju-
    gation: gehan, ih gihu, gihis, gihit; praet. jah, pl.
    jâhun; vgl. oben ſ. 173. 183. die verwandlung des ſc und g
    [188]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    in ſch und gh vor denſelben dünnen vocalen. K.
    ſchreibt ſogar giu f. ju (jam) und gl. trev. und vindob.
    giechhalm f. johhalm. N. hat den umlaut in g nicht,
    er ſetzt jëhen, jihit, jah etc. dafür wirft er in ënêr,
    âmer das j gänzlich ab.
  • 2) inlautend gebührt ein j den älteren flexionsendungen,
    die es bald hernach ausſtoßen, z. b. fruaju (praecocia),
    grôƷju *), nennjen, hôrjen, alle zweiſilbig beinahe
    wie fruagu, grôƷgu, nenngen auszuſprechen, ſpäter
    grôƷu, nennen; von jeder dieſer flexionen am gehö-
    rigen ort das weitere. Die wirkliche ſchreibung g
    finde ich im pl. eigir (ova) vom ſg. ei, offenbar ſt.
    eijir, oder vielmehr ejir, ajir, da man im goth. (wenn
    die ganze form erweiſlich wäre) ein ái, pl. ajiza und
    im gen. ſg. ajis muthmaßen dürfte. Andere beiſpiele
    vigidôn (aemulari) gl. monſ. 349. 365. f. fijidôn; — ner-
    gendo (ſalvator) gl. ker. — frigêr (ingenuus) K. 21a.
    Noch im mittelh. begegnet man hin und wieder den
    formen ferge (nauta) vigent (inimicus) meige (majus) etc.
    wofür ich doch im alth. nur ferjo, mejo, fi-ant oder
    fî-ant annehme. Zuweilen ſteht ë ſtatt des j, als:
    ferëo, crippëa etc.

(H) der anlaut entſpricht dem goth. h; daß ihn die
altfränk. mundart zu ch ſteigere, wurde vorhin ſ. 184.
bemerkt; von den verbindungen hl. hr. hw unten **). —
Der inlaut kommt 1) mit dem goth. h überein und for-
dert eine milde ausſprache, als: aha, ſlahan, fâhan, fihu,
zëhan, ſëhan, zîhan, ziohan, ſcuahâ, hôhan etc. Nach ge-
dehnten vocalen pflegt dieſes h zuweilen auszufallen, vgl.
fìla (lima) früher fìhila, fìhla; gl. hrab. 968b fìhlôt (li-
mat) gl. flor. 983b ſogar fìgila (lima); bîhil (bipennis)
[189]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
gl. flor. 993a; clìha (furfur) ibid. 983b ſpäter clîa; fôêm
(paucis) neben fòhêm; und ſo ſcheint mâhal (ſermo, col-
loquium) urſprünglich eins mit mâl (ſignum, tempus),
wie das goth. mêl und nord. mâl ergibt, obgleich ſchon
im alth. dem begriffe nach mâhal und mâl unterſchie-
den werden *). Nach kurzen vocalen geminiert es zu-
weilen oder wird zu ch, vgl. gl. monſ. 404. lahhan (ri-
dere) ſt. hlahan, doch iſt dies ſelten und tadelhaft. —
2) mit dem goth. k, ſteht folglich für das alth. ch; bei-
ſpicle: mihil, ſihila (falx) zeihan (ſignum) eihilâ (glan-
des) etc. Alle dieſe wörter ſchwanken aber bald in ch,
bald in hh und beide letztere ſchreibungen, welche die
häufigeren ſind, verdienen den vorzug, weil ſie ſich
von dem unter 1) genannten h genauer ſcheiden **). —
Die verbindungen hs. ht. ſ. unten. Der auslaut h zer-
fällt wiederum in zwei ebenwohl verſchiedene laute
1) dem goth. h entſpricht er in: ſah (ſahv) falah (falh)
fërah (vita) walah (italus) duërah (þvaírhs) ſlah (percute)
hlah (ride) joh (jah) thoh (þaúh) noh (naúb) thuruh
(þaírh) nâh (nêhv) lêh (laíhv) zêh (taíh) thêh (þaíh) lìh
(leihv) zîh (teih) flôh (þlaúh) zôh (taúh) hôh (haúhs)
dioh (femur) fliuh (þliuh) ziuh (tiuh) huoh (clamor) ſcuoh
(ſkôhs) 2) dem goth. k in: brah (brak) rah (vrak) ſprah
(ſprak) ſtah (fixit) pah (rivus) tah (tectum) ſtorah (cico-
nia) wërah (opus) ſtarah (fortis) potah (corpus) ëlah (alce)
gimah (quietus) pëh (pix) plëh (lamina) lëh (licus fl.)
ih. dih. mih. ſih. unſih. iuwih. eƷih (acetum) ſprih
(ſprik) brih (brik) plih (fulgur) joh (juk) loh (foramen)
miloh (lac) ſcàh (latrocinium) ſlîh (repe) ſtrîh. wîh (vicus)
ſulîh. huelîh. gilîh. eih (quercus) auh (áuk) lauh (allium)
rauh (fumus) chauh (bubo) gauh (cuculus) lauh (clauſit)
ſioh (aegrotus) puoh (liber) duah (pannus). —


Aus dieſen belegen folgt, daß eine miſchung zweier
verſchiedener h in den in- und auslauten ſtattfindet.
Seit dem mittelh. hebt ſie ſich zwar großentheils auf, d.
[190]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
h die aus der ten. k abſtammenden h nehmen oft die
ſchreibung ch an. Inzwiſchen wage ich weder zu be-
haupten. daß im alth. dergleichen ſchreibung ungeach-
tet beide h verſchiedene ausſprache gehabt hätten, noch
critiſche einführung des ch überall, wo h das frühere
k vertritt, anzurathen


  • 1) weil ſich zwar inlautend ch für das zweite h, kaum
    aber auslautend geſchrieben findet; gerade die inlau-
    tende gemination hh erklärt ſich nur aus dem anslau-
    tend geſchriebenen h
  • 2) weil im mittelh. viele, im neuh. manche h erſter
    art in ch (das iſt: h zweiter art) übergetreten ſind,
    z. b. lachen (ridere), welches auf machen, ſachen
    reimt, während urſprünglich jonem h, dieſen k ge-
    bührte. Ferner: ſach (vidit) geſcach (accidit) bevalch
    (juſſit) gâch (ſubito) nâch (poſt) diech (femur) ſcuoch
    (calceus) durch (per) vërch (vita) twërch, hôch (altus)
    und die verbalformen: flôch, zôch, lêch, zêch, dêch
    und die partikeln noch, doch. Inlautend pflegt das
    organiſche h vorzutreten, als: ſâhen, gæhe (ſubitus)
    nâhen (appropinquare) ſcuohes, vërhes, twërhes etc.
    doch nicht überall, wie obiges lachen zeigt, das
    nicht bloß im auslaut des imperat. lach hat. Merk-
    würdig die ſtufenweiſe wiederherſtellung des h lauts,
    im neuh. gelten auch die auslaute: ſah, geſchah,
    ſchuh, floh, lich etc., hingegen einige, namentlich:
    durch, doch, noch, nach und das auslautende hoch
    behalten bis auf heute ihr unorganiſches ch; ebenſo
    lachen überall. Sollte hierdurch die allmählige ver-
    wandlung des þaúh, naúh in thôh, nôh, doh, noh,
    doch, noch aufgeklärt werden? vgl. oben ſ. 48.
  • 3) weil ſchon im goth. berührungen des k und h ein-
    treten, vgl. þaírh (per) þaírkô (foramen) *); alth.
    thurah, thurih (per) und vermuthlich thuriha (fora-
    men) davon ich bloß die ableitung thurihil (pertuſus)
    kenne, woraus bei ausfallendem i durkel wird **).
    Das goth. áikan (affirmare) wird im alth. zu jëhan
    (die nähere entwickelung unten bei der conjug.)
    aus vaúrkjan entſpringt vaúrhta (ſt. vaúrkida), aus
    [191]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    magan mahta (ſt. magida) und mahts, wovon nach-
    her umſtändlicher bei ht. In allen ſolchen formen
    ſcheint die ſpirans jünger als ten. oder media, die
    ten. aber überbleibſel einer uralten ten. die noch zu
    der lat. ten. ſtimmte (oben ſ. 177.) daher auch ver-
    gleichbare wörter im lat. c zeigen, z. b. nahts, nox
    (nocts) noctis; raíhts, rectus. —

gemination inlautender gutturales.

gemination des k oder c, im ſinne des goth. kk,
iſt in ſofern unmöglich, als die alth. mundart nach oben
ſ. 185. kein inlautendes einfaches k (für das goth. k)
kennt, ſondern es ſtets in ch wandelt, ein geminiertes
chch aber aller ausſprache widerſteht. Dafür begegnen
wir einem componierten cch, ja bei ſolchen, die das
organiſche k im anlaute dulden, obgleich ſie es inlau-
tend in ch wandeln, im fall der gemination, dem alten
ck oder kk. Ferner: ſtrengalth. quellen, die inlautend
k oder c für das goth. g gebrauchen, können dieſes al-
lerdings geminieren, welches kk oder cc für gg ſteht
und von erſterem cch gänzlich unterſchieden iſt. Alle
dieſe formen müßen beſonders betrachtet werden.


(CCH) dick aus der gurgel c-ch, wie wenn wir
flok-che ausſprechen ſollten, beide kehllaute unterſchie-
den und doch in einer ſilbe verbunden *). Dieſe ſtreng-
alth. gemination entſpricht dem goth. kk in ſakkáu
(ſacco) alth. ſacche, wie ttſ (tz) dem goth. tt entſpricht
und pph dem goth. pp entſprechen würde, käme letz-
tere gemination überhaupt vor. Vermuthlich gab es
mehrere goth. tt, pp, kk, als wir jetzt belegen können;
offenbar aber genügte dem Gothen in den meiſten fäl-
len, wo im alth. verdoppelt wird, der einfache laut.
Die bedingungen und veranlaßungen zu dem cch ſind
dieſelben, welche ich bei allen andern geminationen
angeführt habe, nämlich vorausgehender kurzer vocal **)
[192]I. althochdeutſche conſonanten gutturales.
und nachfolgendes i der ableitung, daher es ſich oft in
derivatis einfindet, deren ſtämme ein bloßes ch haben
z. b. rëhhan (expellere) reccho (expulſus, früher recchjo)
ſtëhhan (pungere) ſteccho (ſudes) ſahha (cauſa), ſecchja
(rixa); dah (d. i. dach, tectum) decchi (tegmen); dies
läßt bei andern auf die form untergegangener ſtämme
rathen. Practiſche regel zur auffindung der alth (inlau-
tenden) cch iſt: alle wörter, deren inlaut im nord. und
ſächſ. ck, cc, bekommen cch; alle die dort einfaches
k haben, bekommen ch. Beiſpiele: ſacches (ſacci)
nacchut (nudus) haccho (uncus) grunt-lacchâ (ſcaturigi-
nes) decchi (tegumen) ſecchil (ſacculus) ſecchja (rixa)
recchjan (tendere) hrecchjo (exſul) fleccho (macula)
peccho (piſtor) wecchjan (excitare) lecchôn (lambere)
irſerecchjan (excutere) hewi-ſcrecchjo (locuſta) chlecch-
jan (frangere) ſnëccho (limax) quëcchaƷ (vivum) frëcchî
(avaritia) ſmëcchar (tenuis) ëcchert (tantummodo) dicchi
(craſlus) plicches (fulguris) ſtricches (laquei) nicchjan
(deprimere) irquicchjan (vivificare) floccho (lanngo)
pocches (capri) chlocchôn (pulſare) ſtucchi (fruſtum)
trucchinen (ſiccare) drucchjan (premere) zucchjan (ra-
pere) jucchjan (ſcalpere). — Hinſichtlich dieſes inlauts
cch bemerke ich noch 1) er beſtätigt, gleich dem ſc,
die unorganiſche beſchaffenheit des alth. ch; in der ge-
mination erhielt ſich die vorſchlagende organiſche tenuis;
übrigens iſt die abwechſelung zwiſchen hh (ch) und
cch, gehalten zu dem goth. k und kk, offenbar kein
vortheil, ſondern ein nothbehelf. 2) wo ausnahms-
weiſe hh (ch) ſtatt cch geſchrieben ſteht, muß ein feh-
ler oder vielleicht angenommen werden, daß keine ge-
mination (wie ſie im goth. häufig unterbleibt) eingetre-
ten ſey. So läßt ſich J. 384. wrehhan (?wrehhun)
rechtfertigen, zumahl bei ausgeſtoßnem i; wrehho ent-
ſpricht dem goth. vrakja, während das üblichere wrecchjo
eigentlich ein goth vrakkja fordert. Man vgl. I. 399.
400. arwehhu ſt. arwecchju und 368. dhehhidon, gleich
daneben dhecchidon. In den älteſten denkmählern wäre
alſo der inlaut hh ſt. cch erträglich in ſpätern, wo die
gemination durchgegangen iſt, tadelnswerth. Bei K.
(auch gl. jun. 180.) ſteht ganz richtig achar, achres,
(goth. akrs); die ſpätere ausſprache fordert acchar. Eben-
ſo hat K. kerehhit (porrectus) dem goth. rakids ent-
ſprechend, und erwechen (excitare) *). Einzelne fälle
[193]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
ſchwanken billig nach zeit und mundart *). 3) fragt
ſich, welcher auslaut dem inlaut cch zuſtehe? Nach
dem alth. grundſatz, daß die inlautende gem. im aus-
laut wegfalle (mannes, man; falles, fal) würde der nom.
von ſakkes offenbar ſak lauten, da aber cch keine ei-
gentl. gemination ſondern eine ſie erſetzende compoſi-
tion iſt, könnte auch der nom. ſacch, pocch vertheidigt
werden. ſo gut als das analoge zopph (cirrus), oder
etwa ſcatz (ſcatts). Es ſcheint indeſſen ein gefühl des
alten, einfachen auslauts zurückgeblieben zu ſeyn, denn
N. ſchreibt im nom. nicht plicch, ſondern plig (fulgur),
ebenſo ſag (ſaccus) und einmahl rogh (tunica), alſo ver-
muthlich auch log, locches (cincinnus) etc. Man ſpreche
ein gehemmtes cch aus. 4) manche wörter ſchwanken
zwiſchen den geminationen cch (kk) und gg; natürlich
weil auch die einfachen inlaute k und g ſchwanken und
letzteres im ſtrengalth, häufig k lautet. Vgl. bei Neug.
den eigennamen eccho, eggo, eko, ecko; frëccho, fricko
(organiſche goth. formen wären davon: agja und frika)
mehreres gleich bei ck und gg.


(CC. KK. CK. K.) bezeichnet verſchiedenes


  • 1) in ſtrengalth. quellen die verdoppelung des dem goth. g
    parallelen k, mithin entſpricht cc bei J., kk bei K. und
    N. dem gg bei O. und T. — Beiſpiele: ſaccâri (rogus,
    pyrus) ëcco (ecce) ekka (acies) ſlekko (homicida) lec-
    can (ponere) likke (jaceat) awikki (avium, pravum)
    diccan (petere) hrukki (dorſum) brukka (pons) mukka
    (culex) lukki (fallax) flukki (volaturus) huckan (cogi-
    tare) **). Dieſes cc, kk, wird nie, oder nur fehler-
    haft ***), cch geſchrieben und iſt dann erkennbar, daß
    es im nord. gg, im engl. dg lautet. In wörtern, wo
    ſtrengalth. quellen noch nicht geminieren, ſchreiben
    ſie das einfache k und ſo findet man häufig hruki
    (dorſum, goth. hrugeis?) luki (fallax) etc.
  • 2) bei O. und T. auch hin und wieder andern bedeutet
    kk, cc, ck die gemination des organiſchen goth. k,
    N
    [194]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    mithin [...]p[re]chend dem ſtrengalth. cch. Zu belegen
    dienen alle vorhin angeführten: ſakkes, ſtecko, nak-
    kut, quëkkes, thikko (ſaepe) thecken, zucken etc.
    auch hier wird einigemahl ohne gemination bloßes k
    geſchrieben; z. b. T. ſetzt accar, O. aber akar II. 14,
    211. V. 23, 551, wiewohl die eine hſ. das richtigere
    ackar darbietet; ebenſo ſtehet IV. 7, 156, 165. wakar,
    IV. 11, 37. bekin (patera); T. 201, 4. thekit, 38, 4. rich-
    tiger thekki. Dies einfache k ſcheint ganz tadelhaft,
    weil O. und T. die einfachen inlautenden k immer in
    ch wandeln; man leſe alſo ungeminiert: achar, wa-
    char oder geminiert: ackar, wackar und dieſe emen-
    dation beſtätigen anderwärts die hſſ.; vgl. IV. 7, 106.
    wachar. I. 19, 31. wachar: êrachar (antelucanus) vgl.
    was vorhin ſ. 192. über achar etc. erinnert wurde. —
    Daß die gemin. kk oder ck auslautend zu k werde
    (ſak, bok, rok) verſteht ſich.

(GG) kommt nur bei ſolchen vor, die inlaute [...] d
die alte med. behalten, alſo bei O. T. und zuweilen
N. (der daneben das ſtrengalth. kk gebraucht). Belege
die vorhin gegebenen: egga, leggen, ſleggo, bein-ſeggo
(pediſequus) ëggo, awiggi, giwiggi (bivium) thiggen
(orare) ligge (jaceat) ruggi, brugga, mugga, luggi, fluggi,
huggen. — Obgleich nun die einfache inlautende med.
bei O. und T. der goth. völlig entſpricht (dagis, dages;
auga, ouga); ſo hat doch unſere gem. gg nichts mit dem
goth. gg, welches das naſale ng ausdrüekt (oben ſ. 71. 72.)
gemein, wie das alth. dd nichts mit dem goth. dd.


(HH) hiervon iſt ſchon oben bei der aſp. ch gehan-
delt. Dieſe gem. findet ſich nur bei J. K. T. und in
kleineren denkmählern, nicht aber bei O. und N.; fer-
ner, nie im an- und auslaut, auch nicht inlautend bei
vorausgehenden conſ. (alſo nie lhh ſt. lch etc.) folglich
bloß, wenn im inlaut vocale der gewöhnlichen aſp. ch
vorhergehen. Sie iſt keine wahre, organiſche gemina-
tion, weil ſie ſonſt nicht auf lange vocale (ruahha, zeih-
han, ſiuhhan, ſprâhha) folgen, und in andern quellen
nicht gänzlich entbehrt werden könnte; auch entſpringt
ſie nicht aus dem reinen h (und ſteht ſchon deshalb
außer vergleichung zu dem ſſ), ſondern aus dem auslau-
tenden h, welches die ſtelle der aſp. ch vertritt. Ob
man aber nicht dieſes h dem Ʒ und hh dem ƷƷ zur
ſeite ſtellen dürfe? habe ich oben ſ. 164. aufgeworfen
nud durch beiſpiele erläutert; auch ſtimmen die formen
[195]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
lz. nz. rz zu lch. nch. rch, wogegen beide 1Ʒ. nƷ. rƷ;
lh. nh. rh. ungültig ſind. Zur entfernung der dortigen
zweifel müſte man annehmen, daß die unterſcheidung
zwiſchen ch, h, hh ſpäterhin aufgegeben worden und
darum ſchon früher ſchwankend geweſen, daß hingegen
die zwiſchen z, Ʒ und ƷƷ in der ſprache fortgeblieben
ſey — *).


Gutturalverbindungen.

  • 1) anlautende. Die verbindung der liq. l. n. r. mit den
    anlauten k, g und ch beſtimmt ſich nach dem verhält-
    niſſe der beſondern mundart; K. ſchreibt krimmaƷ,
    chleinaƷ, wo O. grimmaƷ, kleinaƷ. — Die verbin-
    dungen mit h ſind noch in den älteſten denkmählern
    vorhanden, ſeit dem 9ten jahrh. fallen die ſpiranten ab.
    HL. hlahan. hlaufan. hleitar (ſcala) hliodar (ſonitns,
    oraculum) holſen (audire) hlohunga (mugitus) hlôt (pro-
    pago) hlût (ſonorus) hlûtar (purus). HN. hnaph (crater)
    hnaccho (collum) hnîgan. hneigjan. hnioſan (ſternutare)
    hnol (vertex) hnu Ʒ (nux) und vermuthlich andere mehr,
    als: hnaſc (mollis, wovon naſchhaft) hniƷ (lens, -dis).
    HR. hrad (rota) naht-hram (nocticorax) hraban (cor-
    vus) hrahho (guttur) hrawêr (crudus) hrëf (uterus)
    hregil (ſpolium) hreccho (expulſus) hrettjan (eripere)
    hrêo (cadaver) hrein (limpidus) hreigiro (? ardea) hrind
    (bos) hring. hrido (? febris). hriwa (poenitentia) hripa
    proſtituta). hrîs (frutex) hrînan (tangere) hriod (carex)
    hriob (ſcabioſus) hriudî (ſcabies) hros (equus) hruſſe-
    hiruƷ (hippelaphus) ga-hruſtit (comptus) hruki (dor-
    ſum) hruom (gloria) hruod (fama) hruoren (tangere)
    hruoh (cornix) hruofan (clamare) hruoƷƷun (ſambucis)
    gl. monſ. 412. und ſicher manche andere, ich bin
    unſchlüßig, welcher wurzel die eigennamen hram-
    munc, hrambërt zufallen. — HU. huër, huaƷ, huan,
    huar etc. huaſſaƷ (acidum) huarbôn. hueiƷi (triticum)
    hueiôn (hinnire) huëllêr (procax) huîl (tempus) huîƷaƷ
    (album). — Die aphäreſe dieſes anlautenden h hat der
    ſprache geſchadet und feine unterſchiede verwiſcht.
    wie vordem zwiſchen hleitar, leitan (ducere); hlahan,
    lahan (? làhan, vituperare); hloſan, lôſan (liberum);
    hniuſit (ſternutat) niuſit (explorat) hrad, hrades, hredir
    N 2
    [196]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    (rota, rotae), redja (ratio), rât (conſilium) rato (lolium);
    hringâ (annuli), rinkâ (proceres); hrîs, rîs (ſurge)
    huîƷan (album) wîƷan (imputare) etc. hörbar beſtan-
    den. — Q; der dem goth. qv parallele alth. laut ſcheint
    in ſtrengalth. mundarten härtere ausſprache zu haben,
    natürlich weil auch das einfache k in ch aſpirierte,
    alſo wie chw, chu. Die ſchreibung variiert; bei J. wird
    der ſpirant dem qu hinten zugefügt, z. b. quhad,
    quhidit, quhëdan, quhoman, quhâmi; bei K. zwi-
    ſchen eingeſchaltet: qhuat, qhuidit; folgt in der wur-
    zel der vocal u; ſo ſetzt J. nicht quhu ſondern chu
    als: chumft. Aus K. iſt mir kein beiſpiel dieſes falls
    gegenwärtig, ſchwerlich ſtehet qhuu und wohl auch
    chu, denn ſchon ſchwankt er zwiſchen kaqhuëtan
    und kachuëtan (dictum). Im gl. jun. C. finden ſich
    wechſelnd qhu und quh; vgl. 233. 240. 241. 244. 248. 250.
    Andere alth. quellen ſchreiben überall chu z. b. chuat,
    chuëdan, chuëman, chuâmi, chuiccho, chuirn (mola),
    N. ſogar oh ſtatt chu, ganz die bloße aſp. z. b. cham,
    chëdan, chad, chicchen, chumft. Die anlautend k
    beibehalten, namentlich O. T. aſpirieren auch qu nicht,
    ſchreiben es aber vor allen vocalen: quëman, quam,
    quâmi, quicken, quidu, quëna (uxor), außer vor u
    wo es ſich, gleich jenem quh in ch, in k wandelt,
    z. b. kunft, cum (veni!) etc. — Es zeigt ſich eine
    merkwürdige verwandtſchaft der anlaute qu und zu;
    die gl. ker. vornämlich ſchreiben quîfalôn (dubitare)
    quîfalt (duplex) quîohd (frondoſus) quîrohiwid (biga-
    mus) etc. doch daneben zuîfalt etc.; ſo finde ich auch
    gl. doc. 246b zuirnſtein ſt. des üblichen quirnſtein.
    Spuren ſolcher übergänge liefert uns die neuh. ſprache
    in quetſchen, zwetſchen; quer, zwerch; quittern,
    zwitſchern; ähnliche zwiſchen andern lingual- und
    gutturallauten ſind oben ſ. 163. angeführt, die ausſprache
    des franz. und engl. ch fällt in den lingualen laut
    (ſch, tſch) und das ſlav. ſchiwete (krain. ſh, böhm. u.
    pohln. oben gehäckelte z) vergleicht ſich in einzelnen
    wörtern, wie: ſhiv (vivus, goth. qvius) oder ſhèna
    (uxor, goth. qvinô) unverkennbar, ſo wie das lat. vi-
    vus an das für w ſtehende qu (oben ſ. 139. anm.)
    erinnert.
  • 2) in- und auslautende. Zu erwähnen ſind hier allein hſ
    und ht; qv kommt nicht mehr vor. HS, wie im goth.
    ſo, nicht mit dem lat. x geſchrieben, eine ſpur hat J. 405
    oxſſo 388 wëxſal und 396 waxſmo ſt. ohſo, wëhſal, wahſmo,
    [197]I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
    während ſonſt 368 ſëhs und nicht ſëxſ ſtehet; die
    überfüllte ſchreibung gleicht ſeinem zſ. und zſſ. Die
    hauptſächlichſten beiſpiele von hſ ſind: ahſa (axis)
    ahſala (ſcapula) wahs (cera) dahs (taxus) lahs (eſox)
    ſahs (culter) fahs (capillus) flahs (linum) wahſan
    (creſcere) waltiwahſo (nervus colli) hahſa (poples)
    hahſinên (ſubnervare) ſëhs (ſex) ihſil (ſtiria) rihſil-
    ſtecko (retorta) wîhſila (ceraſum duracinum) dîhſila
    (temo) ohſo (bos) fuhs (vulpes) luhs (lynx) uohſa
    (aſcella). Die ſächſ. und nord. ausſtoßung des h
    ſpürt ſich (doch ohne gemination des ſ) in zëſawêr
    (goth. taihſvs) und miſt (maihſtus); auch ſtehet M. 327.
    haſnêta f. hahſnêta. Das goth. ahs (ſpica) lautet ahar
    und von veihs (gen. veihſis) ſcheint das ſ abgeſchnit-
    ten, alth. wîh (gen. wîches). In allen formen h[ſ]
    ſcheint beinahe ein vocal dazwiſchen ausgefallen,
    denn nach ahar (früher ahas?) dürfte man ein älteres
    fuhas, fuhus, fuhes etc. muthmaßen; ich finde: nihu[ſ]
    (crocodilus, d. h. waßergeiſt, nix) und mit k, nicht h
    laut: akus, ackes (ſecuris) O. alſo ſtrengalth. achus oder
    acchus. — HT. 1) das goth. ht; nur einige beiſpiele:
    ahta. ſlahta. wahta. zwahta (O. I. 3, 51.) ahtô. maht. naht.
    ambaht. përaht. forahta. hlahtar. rëht. chnëht. fëhtan.
    geſihtî. wiht. tohter. holoht und ähnl. endungen. genuht.
    ſuht. truhtîn. lîht. fûhtî. lioht etc. zumahl die praet.
    mahta, tohta, dûhta, worahta. Daß auch dieſes h (wie
    im nord. unter gemination des t) ausgeſtoßen werden
    könne, bezweifle ich, oder man müſte chnët N. 62, 4.
    für keinen ſchreibfehler halten. — 2) ht aus einer
    ſyncope entſprungen und dem goth. -kid entſpre-
    chend, das h folglich dem auslautenden h (in ih,
    ſprah etc.) gleich, welches aus goth. k (ſprak) her-
    ſtammt. Hierher gehören nur die beiden fälle ruahta
    (curavit) und ſuahta (quaeſivit) ſt. ruahhita, ſuahhita
    (goth. ſôkida), allein im mittelh. mehren ſie ſich.
    Und manche der unter 1. angegebenen ht, obgleich
    ſie bereits der Gothe kennt, gründen ſich auf ähn-
    liche ſyncopen, nämlich worahta, dûhta, rëht etc.
    ſcheinen ein früheres worakita, dunkita, rëkit zu er-
    fordern, dergleichen freilich nicht mehr nachzuwei-
    ſen ſtehen (oben ſ. 190. 191.).

[198]I. althochdeutſche conſonanten.
Schlußbemerkungen.

  • 1) aſſimilation der conſonanten, die aus zwei ſilben
    durch ſyncope zuſammenſtoßen, unterſcheidet ſich
    von der gemination. Beiſpiele ſind ſ. 122. zwiſchen
    l und r, ſ. 171. zwiſchen z und ſ erwähnt worden;
    ebenſo aſſimilieren ſich ch und h in dem eigennamen
    rîhhart ſt. rìch-hart oder rîchi-hart, und für rîhhart
    ſchrieb man bald rîchart, welches nicht in rîo-hart
    auflösbar wäre. Aus lîchhamo (corpus) ward lîhha-
    mo und lîchamo; wollte man auch die auslautende
    ſchreibung lîh (für lîch) in der zuſammenſetzung
    fortgelten laßen, ſo berühren ſich dennoch in lîhhamo
    zwei urſprünglich verſchiedene h, die mit der ge-
    wöhnlichen ſchreibung hh nichts gemein haben, wie
    die altſ. ſprache darthut, worin richtig lîchamo d. h.
    lìc-hamo, nicht lîkamo geſchrieben wird. Das mit-
    tel- und neuh. bietet dergleichen aſſimilationen häu-
    figer dar; nähere unterſuchung wird ihrer manche
    ſchon in unſerer älteſten ſprache entdecken, ich ver-
    weiſe auf das ſſ in wiſſa (aus witida entſprungen). —
    Von der im goth. berührten aſſimilation bei unzu-
    ſammengeſetzten wörtern (ſ. 74.) hat das alth. keine
    ſpur, außer in der partikel ëddô.
  • 2) der regel, daß gemination der conſonanten nur auf
    kurzen vocal ſtattfinde, iſt ſ. 54, 104, 123, 148. ge-
    dacht. Anſcheinende ausnahme ſind die fälle, wo
    durch ſyncope zwei conſ. verſchiedener ſilben zu-
    ſammengedrängt werden, als: leitta (duxit) mietta
    (conduxit) ſt. leitita, mietita. Aſpiratae folgen auf
    kurze ſowohl als lange vocale (ſlâfan, ruochen, gruo-
    Ʒen), im erſten fall bewirken ſie poſition und ge-
    ſchärften laut (ſcifes, machôn, waƷar); weil die ein-
    fachen zeichen f und Ʒ täuſchten, fieng man frühe
    an die unpaſſende gemination ff, hh und ƷƷ und
    nur hinter langem vocal das einfache f und Ʒ zu
    ſchreiben *). Außer ph. tſ. ch. können nachſtehende
    conſonantverbindungen (ebenfalls ſämmtlich mit den
    ſpiranten h und ſ gebildet) doppelvocale vor ſich ha-
    [199]I. althochdeutſche conſonanten.
    ben: ft (hruoft, hlauft) ſc (fleiſc, wuoſc) ſt (geiſt,
    trôſt, fûſt) ht (tâht, lioht) hs (dîhſila, uohſa), wie-
    wohl früher ausgefallene vocale vermuthlich und zu-
    weilen noch erweiſlich ſind z. b. in lioht aus liohat,
    liohet. Bedenklicher ſcheint der lange vocal vor conſ.
    verbindungen, worin liq. vorkommt, ich möchte
    überall eine ſyncope entw. zwiſchen den vocalen des
    diphth. oder zwiſchen den verbundenen conſ. anneh-
    men, vgl. thiarna, pruonta (aus dem rom. prôvanda)
    und zumahl die ablaute giang, fiang, ſtuont, deren
    naſales n im goth. und nord. völlig erliſcht. Viel-
    leicht hat die alth. ausſprache, die das n behielt, das
    uo frühe ſchon in u verkürzt *). Übrigens muß man
    den zuſammenſtoß zweier ſilben wiederum von der
    eigentlichen conſonantverbindung unterſcheiden, z. b.
    fuorta, ruomta ſt. ſuorita, ruomita.
  • 3) geſchichte und beſchaffenheit der alth. conſonanten
    weiſen gleich dem vocalſyſtem (ſ. 113.) auf einen
    älteren dem goth. weit ähnlicheren organiſmus. Dem
    ph. z. und ch. gieng ein p. t. und k. voraus, wel-
    ches ſich noch in einzelnen verbindungen feſt erhal-
    ten hat. Weil aber in der regel die tenuis zur ſchär-
    feren aſp. wurde, muſte ſich von dieſer neuen aſp.
    die alte organiſche aſp. unterſcheiden und mildern,
    indem ſie ſich mehr der med. näherte (v, bh; th,
    dh, d; gh, g); wäre ſie völlig in die med. überge-
    treten, ſo hätte die alte med. völlig durch die alte
    ten. erſetzt werden können und dem goth. p. b. f;
    t. d. þ; k. g. ; würde ein alth. f. p. b; z. t. d;
    ch. k. g; zur ſeite ſtehn. Beides geſchah aber nur
    unvollkommen, es blieb bei zwei ſich vermiſchenden
    aſp. und aus demſelben grunde löſten ſich ten. und
    med. nicht rein von einander ab. Dieſes doppelte
    ſchwanken und jene ſpuren der alten ten. verurſachen
    eine verwirrung alth. conſonanzen, die ſich zwar in
    den beſonderen denkmählern eigenthümlich zu ſetzen
    ſucht, aber unverkennbare anzeigen eines unurſprüng-
    lichen nicht gehörig ausgeglichenen zuſtandes an ſich
    trägt. Der conſonantiſmus, gehalten gegen den nie-
    [200]I. althochdeutſche conſonanten.
    derdeutſchen und nordiſchen, bietet die ſchwächere
    ſeite der hochdeutſchen ſprache dar.
  • 4) was zur ſcheidung der einzelnen alth. dialecte bei-
    tragen kann, wird man aus der abhandlung einer
    jeden lautreihe leicht finden. In ermangelung ſiche-
    rer grenzpuncte habe ich verſchiedentlich zu der be-
    nennung gemein- oder auch ſtrengalthochd. greifen
    müßen. Die ſtrengalth. mundart würde ſich unbe-
    denklich nach Alemannien und Baiern ſetzen laßen,
    aber wie weit in die anliegenden landſtriche? Aus
    O. T. und den ihnen ähnlichen eine altfränkiſche
    mundart zu bilden, iſt doch zu miſlich, obſchon beide
    gewiß zwiſchen jenen ſtrengalth. und den niederd.
    gegenden gelegen haben. Das altfränkiſche, wie es
    in eigennamen aus der Merovinger zeit in diplomen
    des 6. 7. jahrh. erſcheint, berührt ſich eben nicht
    mit Otfrieds mundart. Nennt er ſie ſelbſt: fränkiſche
    zunge (I. 1, 67, 92. 228, 244.) wofür die lat. vorrede
    jedoch theotiſce, theotiſca gebraucht; ſo hat man ſich
    der unter den Carolingern weit ausgebreiteteren herr-
    ſchaft des fränk. namens zu erinnern und nicht ge-
    rade unmöglich wäre, daß der dichter, obſchon er
    im elſäßiſchen kloſter Weißenburg lebte, aus Aleman-
    nien herſtammte. Unſere alth. quellen fließen nicht
    allein aus ſehr verſchiedenen ländern, ſondern auch
    aus wenigſtens drei jahrh. zuſammen; wer vermag
    die veränderungen und miſchungen anzuſchlagen und
    gehörig zu trennen, die ſich nach zeit und ort *) er-
    eigneten? Ich begnüge mich daher mit der allgemei-
    nen benennung und bezeichne die vortretenden be-
    ſonderheiten der ſprache nach den einzelnen denk-
    mählern ſelbſt. O. und T. haben die meiſte ähnlich-
    keit, fallen aber durchaus nicht zuſammen; z. b. O.
    hat mit K. überein ia, ua; T. mit J. M. N. überein
    uo; O. hat ſcif, worolt, T. ſcëf, wërolt, (oben ſ. 82.
    83.) und ſo weichen beide in manchen wörtern und
    formen von einander. Nur iſt freilich viel wichtiger,
    daß beide O. und T. anlautend die alte med. b. g.
    behalten, (O. auch d, welches T. mit t vertauſcht),
    wogegen ſtrengalth. p. k und t gilt; N. aber wech-
    [201]I. althochdeutſche conſonanten.
    ſelt zwiſchen ten. und med. nach ſeiner eigenen weiſe.
    Ferner O. und T. beharren auch anlautend bei der
    alten ten. k (während ſie p und t für ph und z in
    der regel aufgeben); ſtrengalth. gilt conſequenter ch
    und das gebraucht auch N. Endlich beide behalten
    auslautend häufig die alte med. (wîb. dag. pad.), wo-
    für ſtrengalth. die ten. und nur inlautend med. (wîp,
    wîbes etc.) N. folgt hier aber dem O. und T., ja N.
    ſchreibt ſogar blind, blindes, während O. und T. in
    dieſer verbindung richtiger *) blint, blintes ſetzen.
    Man kann ungefähr annehmen, daß N. zwiſchen dem
    ſtrengalth. und O. T. wiederum eine mitte halte; O.
    und T. liegen dem niederd. näher, doch bedeutend
    davon ab, wie z. b. allein ihr inlaut fs. ſtatt des nie-
    derd. ſp. zeigt. Vergleichen wir vorläufig die ſpätere
    ſprache, ſo ergibt ſich eine ähnlichkeit des mittelh.
    insgemein mit dem ſtrengalth., wogegen viele abwei-
    chungen des neuh. vom mittelh. bereits bei O. und
    T. begründet ſind; allerdings iſt nicht von aus-
    nahmen und bloß vom verhältniß der buchſtaben die
    rede. Die veränderung der flexion verlangt hierbei
    ihre beſondere reifliche erwägung, wenn ſie gleich
    weniger in örtlichen umſtänden begründet, als durch
    die zeit überhaupt herbeigeführt ſeyn ſollte. Vielſei-
    tige miſchung mannigfacher einflüße iſt der hochd.
    ſprache eigen und hat ihr zwar genutzt, aber auch
    geſchadet.

Altſächſiſche buchſtaben.


Die unterſuchung wird dadurch erleichtert, daß
ein bedeutendes und vielleicht mehr der weſtphäli-
ſchen als der eigentlich ſächſiſchen mundart zufallen-
des denkmahl in zwei alten hſſ erhalten worden iſt.
Wiewohl beide theils in ſich ſelbſt, theils unter ein-
ander ſchwanken, ſo hört doch für die meiſten fälle
die unbeſtimmtheit, welche aus den mannigfaltigen
alth. dialecten hervorgeht, auf. Dagegen hemmen und
erſchweren wieder zwei andere nachtheile den erfolg
meiner nachforſchungen 1) die E. H. iſt noch nicht
herausgegeben und mir nur in bruchſtücken, höchſtens
zur hälfte, meiſt aus der einen oder der andern hſ. be-
[202]I. altſächſiſche vocale.
kannt geworden. 2) keine der hſſ. ſetzt *) vocalzei-
chen; ich muß folglich längen und kürzen nach der
analogie zu beſtimmen ſuchen **). Die benennung alt-
niederdeutſch im gegenſatz zu althochdeutſch könnte
ſchicklicher ſcheinen, doch belaße ich es bei dem her-
gebrachten altſächſiſch, nicht nur weil die allgemein-
heit des namens Sachſen früher Weſtphalen mit umfaßt,
inſotern ſich jene vermuthung näher beweiſen ließe,
ſondern auch, weil zum altniederdeutſch ebenwohl das
angelſächſiſche und frieſiſche gehören und wir die be-
nennung althochdeutſch gerne mit den beſtimmteren
alemanniſch, bairiſch, fränkiſch vertauſchen würden,
wenn unſere denkmähler ſolche feſte begrenzung er-
laubten.


Altſächſiſche vocale.


(A) wie im goth. u. alth. Beiſpiele: haba (habe)
gigado (par) ſcado (umbra) rador (coelum) ſcatho (latro)
graf (ſepulcrum) craft (vis) dag (dies) nagles (clavi) lagu
(aequor) dragan (ferre) thagôda (tacebat) faganôn (gau-
dere) ſlahan. hahan. naht. bac (tergum) gimaco (par)
racud (domus) wacôn (vigilare) thrac (moles) alah (tem-
plum) galgo (patibulum) ſamad (unâ) fano (pannus)
b[a]no (mors) manag. hand. land. giwand (mutatio) lang.
wang (campus) gimang (negotium) naru (propinquus)
garu (paratus) warag (exſecratio) hard (durus) ward (cu-
ſtos) ardôn (habitare) gaſt (hoſpes) fat (vas) hatôn (odiſſe)
fratu (ornamentum) water (aqua) ſcatt (theſaurus) glawe
(prudentes) ſcawôn (contemplari).


(E) gleich dem alth. entw. e oder ë. — Der umlaut
des a in e gilt durchgängig ***); beiſpiele: hebbjan (ha-
bere) edili. ſtedî (loca) beddi (lectus) egiſo (horror) gi-
neglid (clavis fixus) megin (vis) ſeggjan (nuntiare) egg-
[203]I. altſächſiſche vocale.
jon (aciebus) ecid (acetum) wrekkjo (exſul) reckjan (nar-
rare) ſeli (aula) eldibarn (homines) helid (heros) beldjan
(audere) bendi (vinculum) endi (finis) wendjan (vertere)
menigî. engil. gimengid (mixtus) bitengi (moleſtus) benki
(ſcamna) wlenki (ſuperbia) nerjan. werjan. dernjan (oc-
culere) merrjan (impedire) ſettjan (ponere). Verſteckt iſt
die urſache des umlauts in leng (diutius) trego (moeror)
ſegg (nuntius, vir) deren i abgeworfen iſt.


Beiſpiele des ë: gëban (dare) gëban (oceanus) hëban
(coelum) nëbal (nebula) ſëbo (mens) ſuëban (ſomnium)
ſëdel (ſedes) plëgan (ſolere) gëhan (fateri) ſëhan (videre)
wrëkan (perſequi) ſtëlan (furari) felis (rupes) wëlo (opes)
dëlban (fodere) ſëlbo (ipſe) ſëldlic (rarus) gëlp (arrogan-
tia) fërah (vita) bëreg (mons) hëru (gladius) hërand
(praeco) wërôs (viri) wërk (opus) giſuërc (caligo) ërl
(homo) fërn (vetus) wërth (dignus) ërtha (terra) hërte
(cor) hërro (dominus) fëter (compes) mëtôd (omnipotens)
giſëwan (viſus). Entſpricht alſo, wie im alth., dem
goth. i oder aí (vor h und r) und kehrt im praeſ. ſtarker
conj. gleichfalls in i zurück (hëlan, hilis; ſprëkan,
ſprikis).


(I) dem goth. ï entſprechend, nur wie das alth. häu-
fig in ë verwandelt, doch nach abweichendem gebrauch,
ſo gilt hier noch libbëan (vivere), alth. lëbên. Andere
beiſpiele: mid (praep.) idur (iterum) ſidu (mos) inwid
(ſcelus) middil (medius) biddean (orare) wigandôs (heroes)
thiggean (intercedere) wiht (aliquid) ik (ego) mikil
(magnus) hild (pugna) ſcild (clypeus) himiliſk (coeleſtis)
ſimnen (ſemper) thimm (obſcurus) kind (infans) ſind
(ſunt) thing (cauſa) rink (vir) ſink (theſaurus) ſcip (navis)
irmîn (nom. pr.) mirk (obſcurus) wirkean (operari) frithu
(pax) lith (membrum) ſith (iter) ſuith (fortis) firwit (cal-
liditas) ſittean (ſedere) bivôn (tremere) triwi (fidelis).


(O) iſt dem alth. o gleich, d. h. aus dem goth. u
und aú (vor r und h) entſprungen; beiſpiele: hobôs
(aulae) obar (ſuper) god (Deus) noh (adhuc) thoh (tamen)
drohtîn (dominus) antlocan (apertus) tholôn (pati) folma
(manus) holm (inſula, littus) gold. wolda. ſcolda. folgôn
(ſequi) bidolban (confoſſus) folk (plebs) conſta (ſcivit)
wonôn (habitare) ſlopjan (evadere) toroht (lucidus) wo-
rold (mundus) word (verbum) hord (theſaurus) thorn
(ſpina) hoſc (ludibrium) other (alius). Manche im alth.
gebliebene u ſind hier zu o geworden (drohtîn, alth.
truhtîn) dagegen andere geblieben, die ſich im alth. ver-
[204]I. altſächſiſche vocale.
wandeln (fuglôs, alth. fogalâ) *). In other, vermuthlich
auch toth (dens) iſt aber oth dem alth. and parallel.


(U) außer den fällen des ablauts (fulbun, wurrun,
clubun, lucun) reichen folgende beiſpiele hin: ubil (ma-
lus) lud (facies) cuddun (nuntiabant) hugi (animus) lu-
gina (mendacium) juguth (juventus) fugel (avis) tulgo
(valde) fulljen (implere) thrum (mucro) gumo (vir) ſu-
mer (aeſtas) cuman (venire) cumbal (ſignum) under (ſub)
mund (tutela) dunjan (tonare) cunni (genus) ſundea (pec-
catum) giſund (ſanus) hungar (fames) lungar (celer) dun-
car (obſcurus) thurh (per) burg (urbs) thurſtjan (ſitire)
cuſſjan (oſculari) bruſtjan (erumpere) hluttar (limpidus)
cuth (notus) muth (os) uth (unda).


(AA) nehme ich im ablaut und ſonſt parallel mit
dem alth. â an, alſo außer gâbun, nâmun, lâſun etc.
z. b. in folgenden: dâd (facinus) râd (conſilium) drâdo
(ſtatim) grâdag (vorax) giwâdi (veſtis) frâgôda (quaeſivit)
wâgi (aequor) ſpâhi (ſapiens) fâhjan (capere) nâhôr (pro-
pius) mâhljen (loqui) ſâlîg (beatus) ſân (ſtatim) mâno
(luna) ſlâpan (dormire) wâpan (arma) lâri (vacuus) wâr
(verus) mâri (illuſtris) fârungo (doloſe) hâr (crinis) ârundi
(nuntius) ſuâs (familiaris) lâtan (ſinere) âthom (ſpiritus).
Nur in einigen wörtern, wo die analogie anderer mund-
arten verläßt oder ſelbſt noch unbeſtimmt iſt, wage ich
nicht zwiſchen a und â zu entſcheiden, z. b. in gibada
(levamen) underbadôn (tollere? metu percellere). Na-
mentlich rechne man hierher die ſchon oben ſ. 88. be-
rührte, im altſ. ungleich häufigere vorpartikel a-, die
gewöhnlich dem alth. ar-, ir- (ex-) entſpricht, vgl.
a-rîſan (ſurgere) a-tuomjan (ſolvere) a-lôſjan (liberare)
und viele ſolche. Auf ein â- ſcheint zu deuten, daß
cod. monac. einmahl ao-drôbde (contriſtabatur) ſt. â-
drôbde (alth. ar-truopta?) und o-lât ſt. â-lât (im cod.
cott.) **) lieſt; inſofern die ausſprache des â ſich dem o
und ao näherte. Wiederum läßt der ausbleibende um-
laut des aht- in eht- (ſ. oben die note zum e) auf ein
âht ſchließen (mâht, nâht, ambâht etc.) wozu man die
entſprechende nord. form âtt halte.


[205]I. altſächſiſche vocale.

(EE) das altſ. ê iſt vieldeutiger, als das alth. und
entſpricht theils dem ê, theils dem ei, theils dem ie (ia)
im alth.; gerade ſo und aus dem ſelben grunde, wie
und weshalb das altſ. ô theils dem ô, theils dem ou,
theils dem uo der alth. mundart zur ſeite ſteht.


  • 1) ê parallel dem alth. ê, entſprungen aus ei. êo (lex)
    êwîg (aeternus) ſnêwes (nivis) hlêo (ſepulcrum) hrêo
    (corpus mort.) ſêola (anima) êra (dignitas) êrôn (hono-
    rare) lêra (doctrina) ſêr (dolor) hêran (illuſtrem) mêr
    (magis) êr (prius).
  • 2) ê = alth. ei; man kann es dem altſ. als eine con-
    ſequenz zurechnen, daß dieſes ê mit dem vorigen è
    gleichmäßig dem goth. ái entſpricht, während das
    alth. den laut in zwei verſchiedene ei und ê auflöſt.
    Beiſpiele: tuê (duo) pêda (tunica) arbêdi (labor) bêd
    exſpectavit) ſcrêd (gradiebatur) a-hlêd (recludebat)
    hêder (purus) lêdjan, lêddun (ducere) mêthm (cime-
    lium) bêthja (ambo) lêth (malum) mêth (vitavit) wrêth
    (iratus) êgan (habere) fêgn (ſcelus) ſtêg (aſcendebat)
    hnêg (vergebat) ſêgjan (inclinare) blêc (pallidus) tê-
    can (ſignum) gèl (libidinoſus) dêl (pars) hêl (ſanus)
    hêm (domus) ên (unus) hrên (purus) mên (ſcelus)
    bên (os) ſkên (luxit) ſtên (lapis) a -rês (ſurrexit)
    frêſa (periculum) mêſter (magiſter) gêſt (ſpiritus)
    lêſtëan (exſequi) flêſk (caro) ſuêt (ſudor) bêt (momor-
    dit) wêt (novit) hêtan (jubere) etc.; ſtês (ſtas) ſtêd (ſtat)
    vergleichen ſich dem alth. ſteis, ſteit. Merkwürdig
    iſt die veränderung des ênan (unum) in ënna, we-
    nigſtens glaube ich: daß bei der gemination ê nicht
    fortbeſteht, ſieh oben ſ. 124. über burro, hërro.
  • 3) ê = alth. ia, ie, zuweilen = alth. io, inſofern dieſes
    ſelbſt unorganiſch und aus einer zuſ. ziehung entſprun-
    gen iſt (oben ſ. 106.), nicht für das ächte io (z. b. nie
    lêht, lux oder thêd, gens). Dieſe dritte art des altſ.
    ê beruht folglich allgemein auf einer contraction frü-
    herer mehrſilbigkeit. Ich gebe in den clammern die
    alth. formen zur vergleichung: hêr (hiar, hier) mêda
    (miata, mieta) thêrna (thiarna) lêt (liaƷ, lieƷ) ſêll
    (fial) giwêld (wialt) gêng (gianc) fêng (fianc) rêdun
    (riatun) wêllun (wialun, wielun) wêp (wiaf, wiof)
    ſuêp (verſit) etc. So wie ſich ſpuren des ê für ie
    im alth. fanden (oben ſ. 92.), ſo ſchwanken umgekehrt
    die altſ. hſſ. noch in ie und ëo über, wovon nachher
    unter dieſen diphth. Ob ſich dies dritte ê in der aus-
    [206]I. altſächſiſche vocale.
    ſprache von den beiden vorigen unterſchieden hat?
    Darüber würden reime, wenn es ihrer gäbe, entſehei-
    den. Vermuthen könnte man für die beiden erſten:
    ee (faſt eë), für das dritte: ëe.

(II) dem alth. î völlig gleich; beiſpiele: hlîdan (te-
gere) glîdan (labi) tîd (tempus) ſîda (latus) wîf (mulier)
lîf (vita) hnîgan (inclinare) thîhan (creſcere) wîh (tem-
plum) lîk (corpus) rîki (regnum) ſcîmo (ſplendor) ſîmo
(vinculum) hrînan (tangere) mîn (meus) grîpan (rapere)
ſkîri (clarus) rîſan (ſurgere) wîſo (dux) thrîſti (temera-
rius) huît (albus) wrîtan (ſcribere) lîth (potus) ſlîthi (fe-
rus) nîth (invidia) etc. In einzelnen wörtern bin ich
über die länge oder kürze des i zweifelhaft, als in idis
(femina) und fri (feminae ingenuae), vermuthe aber
îdis und fri, ſo wie bi (praep.) mi (mihi) thi (tibi) u. a.


(OO) gleich dem ê dreifach


  • 1) ô = alth. ô, entſprungen aus ou: die partikeln ſô,
    thô, huô; hôbôs (aulae) in welchem das b ein ƀ iſt;
    dôd (mors) ôd (poſſeſſio) frôho (herus) lôn (praemium)
    frôniſc (herilis) drôr (ſanguis) hôrëan (audire) grôt
    (magnus) hlôt (ſors) etc.
  • 2) ô = alth. ou: hôbid (caput) gilôbjan (credere) girôbi
    (ſpolium) ôga (oculus) tôgjan (oſtendere) bôkan (ſig-
    num) ôcan (auctus) ôk (etiam) bôm (arbor) drôm
    (ſomnium) ſtrôm (torrens) gôma (epulae) kôpôn (mer-
    cari) dôpjan (baptizare) etc.
  • 3) ô = alth. uo: thô (tum) ôbëan (exercere) drôbi (ob-
    ſcurus) ôbaſt (feſtinatio) blôd (ſanguis) môd (animus)
    dôd (facit) ôdil (patria) fôdjan (parturire) ſôkëan (quae-
    rere) bôk (liber) ſtôl (thronus) dôm (judicium) dôm
    (facio) ſpôn (ſuaſit) ſcôp (creavit) fôr (ivit) môs (ci-
    bus) ſôt (dulcis) grôtan (ſalutare) ſôth (verus) etc.
    Wie beim ê in ie, ſchwanken auch hier die hſſ. zwi-
    ſchen ô und uo.

Zu welchen dieſer drei langen ô einzelne wörter
gehören, oder ob ſie ein kurzes o haben, entſcheidet
die analogie. Zu beurtheilen, ob die ausſprache das
dritte ô von den beiden erſten auszuzeichnen gewuſt
habe? gebricht uns ein ſichrer maßſtab. Man muß ſich
etwa in beiden erſten ô einen dem a, in letztern einen
dem u näheren laut denken.


(UU) wiederum dem alth. û parallel: bûen (habi-
tare) trûôn (confidere) brûd (coniux) crûd (herba) hlûd
[207]I. altſächſiſche vocale.
(ſonorus) dûfa (columba) crûci (crux) cûmjan (plorare)
grûri (horror) hûs (aedes) ûtan (extra) mûtôn (mutare) *).


(AU) dieſer diphth. findet nur höchſt ſelten und le-
diglich in den ſ. 100. 1.) bezeichneten einſilb. wörtern
ſtatt. Belegen kann ich keine beiſpiele als: glau (pru-
dens) gen. glawes; thau (mos) gen. thawes; ebenſo wür-
den dau (ros) hrau (crudus) etc. anzunehmen ſeyn.
Verſchieden iſt der tripht. âu in blâu **), gen. blâwes
und vermuthlich grâu (canus).


(EA. EO. EU) nämlich ëa, ëo, ëu, ſind mit den
üblicheren ia, io, iu gleichbedeutend; am häufigſten
wechſeln ë-a, j-a, j-e in der endung, z. b. minnëa,
rîkëas, biddëan ſt. minnja, rîkjes, biddjen. In der wur-
zel iſt ëa eigentlich nie vorhanden, da die beiden fälle
ſëa (eam) thëa (ii) ſich in ë-a, i-a auflöſen. Öfter
zeigt ſich ëo und zwar wurzelhaft in brëoſt, lëob, thëob,
ſëok, thëoda, knëohon, nëotan, gëotan etc., als con-
traction in den ablauten: hrëop (clamavit) hrëopun. Man
unterſcheide davon das triphthongiſche êo, ſêola, hrêo etc.
ëu finde ich (wie das einſilb. au) bloß in dem einſilb. trëu-
in der zuſammenſetzung trëu-lôs (fallox) trëu-logo
(mendax), das mehrſilb. ſubſt. lautet trëwa (fides).


(IA) ich finde nur wenige fälle: liagan (mentiri)
liaban (carum) diapa (profundam) thiadan (dominus)
und thiad-, ſämmtlich ſtatt des goth. iu und gemein-
alth. io, ſo wie auch in dieſen wörtern ſelbſt im altſ.
io viel üblicher iſt. Die ſpuren des ia gleichen alſo dem
otfriediſchen. In ſia (eam, ii) und thia erblicke ich
eine contraction aus ſi-a, thi-a, wie vorhin beim ëa.


(IE) dieſer häufigere diphth. iſt


  • 1) abſchwächung des vorigen ia, ſteht aber, außer in
    thied-, liebo, auch da, wo das ältere ia nicht mehr
    vorkommt, z. b. in thief (fur) brief (epiſtola) griet
    (arena) hier (hîc), namentlich in den ablauten: hiet,
    liet, gieng, fieng, hield, wiep etc. und wechſelt
    in allen fällen, wo ſich ie (ia) auf ein älteres
    i-a gründet, mit dem gedehnten ê, indem es eben-
    [208]I. altſächſiſche vocale.
    wohl hêr, lêt, gêng etc. heißen kann. Das organi-
    ſche io, wenn es auch ſpäter in ie übergeht, läßt
    ſich nicht durch ê vertreten, folglich findet kein
    thêd-, lêbo, thêf ſtatt.
  • 2) jenes zuſ. fallen des ie mit dem dritten ê veranlaßte
    tadelhafte vermengung mit dem zweiten ê, ja mit
    dem kurzen e und ë. Ich finde zuweilen hielago
    (ſanctus) hieri (exercitus) hie (is) thie (art.) huie (quis)
    in den hſſ. ſtatt: hëlago, heri, hë, thë, huë. Von
    gleicher art ſcheint mir die partikel gie — gie (tam —
    quam).

(IO) ſtehet gewöhnlich


  • 1) wie im alth. für das goth. iu, z. b. in knio, thiof,
    liof, thiod, thiodan, lioht, ſiok (aegrotus) tiono (in-
    juria) diop (profundus) brioſt *) (pectus) drioſan (ca-
    dere) griotan (plorare) griot (arena) etc. Im praeſ.
    der ſt. conj. geht io (ëo), wie im alth., über in das
    urſprüngliche iu, vgl. giotan, nëotan, giutid, niutid.
  • 2) auf früherer zuſ. ziehung beruht io in: io (unquam)
    nio (nunquam) hliop (cucurrit) thionôn (ſervire) thior-
    na (ancilla) fiond (inimicus) fior (quatuor). Auch ſkion
    (umbram) ſcheint contrahiert.

(IU) wiederum


1) das organiſche iu in: liud (populus) biudit (offert)
niud (cupido) ſniumo (cito) giſiuni (viſio) ſtriunen (lu-
crari) fiur (ignis) diuri (pretioſus) hiuri (placidus) thiu-
ſtri (obſcurus) niuſjan (viſitare.) — 2) auf zuſ. ziehung
beruhend in: iu (vobis) iuwes (veſtri) hiudu (hodie) ſo
wie in den inſtr. thiu, hiu, thius. — 3) unterſchieden
von dem noch zweiſilb. i-u in: thiu, ſiu (illa) fi-undo
(inimicorum) bi-um (ſum) bi-ûtan (praeter) — 4) un-
terſchieden von dem zwar einſilb. giu, deſſen gi für j
ſteht, vgl. giu (jam) giudeo (judaeus) giungoro (diſcipu-
lus) wovon unten beim j ein mehreres.


(UO) entſpricht dem alth. uo (erſcheint auch nicht
als ua, oder abgeſchwächt ue, wie man nach dem ſpur-
weiſen ia und ie neben io vermuthen könnte) ſchwankt
aber häufig in ô. Beiſpiele: thuo (tum) fruobor (ſola-
tium) fuodan (parturire) muodor (mater) bluod (ſanguis)
[209]I. altſächſiſche vocale.
guod (bonus) muod (mens) ruoda (crux) ſtuod (ſtetit)
huodjan (cuſtodire) buok (liber) ſuok (praet. von ſakan)
fuoljan (ſentire) gruomo (mica) tuomi (liber, ſolutus)
duom (judicium) ſtuop (praet. v. ſtapan) cnuoſl (genus)
gruottun (ſalutabant) buota (emendatio) ſuoth (verus)
etc. —


Schlußbemerkung: außer den einfachen finden ſich
alle gedehnten vocale; von den übrigen diphthongen
aber nur eigentlich in (io) und uo, denn die überbleib-
ſel von au ſind kaum anzuſchlagen, ëo, ëu bloße mo-
dificationen und ëa, ia, ie unorganiſch. Hierzu rechne
man das ſchwanken des uo in ô. Die goth. doppellauter
ái, ei, áu erſcheinen folglich in ê, î, ô; die alth. ei, au
(ou), uo in ê, ô, ô verwandelt, welches als ein nach-
theil der altſ. mundart gelten muß. Das goth. ei konnte
füglich zu î werden (wie im alth), weil kein weiteres
î vorhanden iſt; allein das altſ. ê und ô vermengen jedes
zwei weſentlich von einander abweichende laute, die
auch im altſ. früher geſchieden waren, wie die ſpuren
des ie und uo beweiſen. Stünde durchgängig ie für das
drîtte ê, und uo für das dritte ô; ſo würde ſich gegen
die lautvertheilung wenig einwenden, vielmehr die ver-
ſchmelzung der beiden erſten ê und ô (ſtatt der alth. ê,
ei; ô, ou) ſich als ein vorzug betrachten laßen. — Um-
laut findet lediglich der des a in e ſtatt. Vocalwechſel,
und aſſimilation (ſ. 114-118.) zeigt ſich in ſpuren, z. b.
baram (ſinus) warag (ſupplicium) warahta (operabatur)
thiadan (herus) bëreg (mons) huerebjan (volvere) hueri-
bida (volvebat) dërebëun (crudis) gardiri (hortulanus)
jungoro (diſcipulus) ſorogon (curis) frôbor (ſolatium) etc.
wiewohl daneben auch thiodan, ſoragon, jungaro, gar-
deri und ähnl. formen, oft ausſtoßung des vocals ſtatt
findet. Erſt nach bekanntmachung der beiden hſſ. wird
ſich hierüber ein beſtimmtes urtheil ergeben, vorläufig
ſcheint mir das ſyſtem des vocalwechſels ſchwankender,
als im alth.


Altſächſiſche conſonanten.


(L. M. N. R.) liquidae.

Von den anlautenden l. n. r. ſind hl. hn. hr. noch
unterſchieden. — Das inlautende n fällt aus 1) vor ſ
(nicht vor ſt. vgl. hernach die verbindung - nſt) als:
us (nobis) fus (promptus). 2) vor th. (nicht vor d und t,
O
[210]I. altſächſiſche conſonanten. liquidae.
vgl. hernach -nd, -nt) als: other (alter) ſith (iter) ſuith
(fortis) ſôth (verus) ſtôth (ſtetit) kuth (notus) muth (os).
3) vor f, als: fif (quinque). Weitere belege bietet die
analogie anderer mundarten. Frage iſt hierbei nur: ob
durch den ausfall der vorausſtehende kurze vocal lang
werde? Dafür ſpricht zwar die länge des nord. fùs etc.
nicht aber die kürze in oß (nobis) ödhrum (alteri, ſadhr
(verus) madhr (vir) etc. Freilich hat other (goth. anþar,
alth. andar) und ſôth, ſuoth (? goth. ſanþs, alth. ſand)
etwas auffallendes, man ſollte ather, ſath erwarten; of-
fenbar iſt hier eine änderung, keine verlängerung des
vocals (ſonſt würde âther, ſâth ſtehen) vorgegangen,
nämlich ſôth, ſuoth ſcheint der ablaut von ſanth und
other ablaut von anther, ein goth. unþar vorausſetzend.
Dieſe anſicht gewinnt durch die vergleichung des anzu-
nehmenden altſ. toth (dens) mit dem goth. tunþus und
alth. zand. Wahrſcheinlich bleibt alſo der vocal auch
nach ausgeſtoßenem n kurz, wie vorher. — Das inlau-
tende r iſt wie im alth. (oben ſ. 121.) zum theil aus
urſprünglichem ſ herzuleiten (vgl. nerjan, goth. naſjan)
ja die neigung zum ſchwirrlaut mag im altſ. noch vor-
herrſchender als im alth. ſeyn. Wenigſtens finde ich
grûri (horror), welches alth. wohl noch grûs oder grûſi
lautete. — Die angelſ. verſetzung des r bei folgendem
ſ und nn tritt nicht ein, es heißt z. b. gras, hros, brin-
nan, rinnan (angelſ. gärs, hors, birnan, irnan).


gemination. Ich finde anzumerken, daß die am in-
laut entſpringende gem. häufig auch im auslaut geſchrie-
ben wird, folglich auch geſprochen worden iſt; vgl.
ſpëll (nuncius) fëll (cutis) thimm (obſcurus) gewinn
(bellum) mann (vir) brunnjo etc. doch daneben ſpël,
grim, wam, man, im gen. beſtändig ſpëlles, grimmes,
wammes, mannes. Damit hängt nun zuſammen, daß
ſogar im ablaut von fallan und wallan die gem. bleibt:
fêll, fêllun; wêll, wêllun (alth. fial, fialun), vielleicht
mit in ë verwandeltem ê, wiewohl dieſe annahme nicht
nothwendig ſcheint, da hier ê kein organiſcher diphth.
iſt und in conſonantverbindungen. z. b. wêld, wêldun
(alth. wialt, wialtun) ebenfalls bleibt. — Weitere bei-
ſpiele von geminationen ſind: all (omnis) galla (fel)
hellja (tartarus) ſelljan (tradere) telljan (narrare) quelljan
(necare) ſtillo (quiete) filljan (percutere) willjo (voluntas)
grimmes (auſteri) frummjan (agere) brinnan (ardere) in-
nan (intus) minnja (dilectio) cunni (genus) ſunna (ſol)
[211]I. altſächſiſche conſonanten. liquidae.
wirran, warr (confundere) hërro, ſtërro, merrjan (impe-
dire) etc.; ënna (unum) iſt aus ênana oder einer um-
ſetzung von ênan zu erklären. — In viele wörter iſt die
gem. noch nicht gedrungen, z. b. himil, hamor (malieus)
und beſonders merkwürdig haben einzelne ableitungen
die alte, einfache liq. behalten, z. b. kuning und kuni-
burd (propago), neben dem ſchon gewöhnlichen kunni
(genus, goth. kuni).


verbindungen der liquidae. — LM. qualm. dualm.
hëlm. holm. folma. — LP. gëlp. hëlpa. LB. halb. dëlban.
ſëlbo. wofür bisweilen lf, wenigſtens auslautend ge-
ſchrieben wird. — LT. ſmult (ſerenus) ſuëltan (mori)
ſalt. malt etc. LD. ald. kald. haldan. ſëldlîc. meldôn
(prodere) ſpildjan (perdere) hild (pugna) ſkild. LTH.
ſcheint ſchon mit ld vermengt zu werden, indem ich
beldjan und huldî ſt. belthjan, hulthî finde. — LK. folc.
elcôr (alias) contrahiert aus elicôr. LG. galgo. bëlgan.
folgôn. tulgo (valde). — MN. ſtëmna (vox) dem goth.
ſtibna gleich; ſimnen (ſemper) wofür jedoch ſimlen, ſimla,
ſimblon üblicher, ſcheint zuſ. ziehung (alth. ſimblun,
ſimbulun). MB. umbi. cumbal (ſignum). — NT. ant-
(unorganiſch ſt. and-, aber ſtets ſo geſchrieben) tuentîc
(viginti) wintar (hiems). ND. hand. land. kind. bindan.
mund (tutela) giſund, ârundi etc. kein nth, auch kein
organiſches nſ, indem ſpunſja (ſpongia) fremdes ur-
ſprungs. NST. anſt (gratia) conſta (novit) farmonſta (in-
ficiabatur). NK. thank. benkî. ſkenkjo (pincerna) palën-
cea (palatium) wlenkî (arrogantia) drinkan. rink (procer)
dunkar (obſcurus) unk. NG. lang. gimang. hangan.
gangan. bitengi. hring. thing. thringan. thuingan. hungar.
tungal (ſidus). — RL. ërl (homo). RM. arm. farm (onus)
irmin. formôn (prodeſſe). RN. darno (clam) barn. îſarn.
gërno (ſollicite) thiorna. thorn (ſpina) torn (ira) gnornôn,
gornôn (moerere). — RP. ſcarp. wërpan. RF. ſuarf (ter-
ſit). — RT. ſuart (niger) herte (cor) wurt (radix). RD.
gard. ardôn. hard (durus) burd. word (verbum) wurd
(fatum). RTH. warth (fiebat) wërth (dignus) ërtha (terra)
morth (homicidium) forth (ultra). — RK. marca. ſtark.
wërk. ſuërkan (caligare) mirk (tenebroſus). RG. bërg.
ſorga. morgan. burg. — Wie im alth. gründen ſich ver-
ſchiedene dieſer formen auf zuſ. ziehung, namentlich:
rl. rm. rg, indem ërl, arm, bërg ein älteres ëral, aram,
bërag vorausſetzen, welche theilweiſe wirklich noch
vorkommen. —


O 2
[212]I. altſächſiſche conſonanten. labiales.
(P. B. F. V. W) labiales.

(P) die ten. behauptet ganz den goth. organiſchen
character, iſt folglich anlautend höchſt ſelten, vgl. plë-
gan (exercere) pîna (cruciatus) pêda (tunica) oder fremde
wörter u. namen, wie palëncea, paſcha, pêtrus, para-
dyſi. In- und auslautend häufiger: ſcapan, ſcôp; ſta-
pan, ſtôp; ſcarp. wâpan. ſcip. gëlp. opan. hlôpan, hliop.
biſcôp. côpôn. diop. ſlopjan etc.


(B) auch die media macht als anlaut kein beden-
ken und entſpricht genau der gothiſchen. Deſto ſchwie-
riger ſind die in- und auslaute, Ein reines b. läßt ſich
mit ſicherheit nur für die einzige form mb annehmen,
wofür ich außer umbi (praep.) und cumbal (ſignum)
nichts belegen kann, ebendahin würden kamb (pecten)
lamb (agnus) dumb (mutus) etc. gehören. In allen übri-
gen fällen glaube ich gilt ein aſpiriertes bh, wiewohl es
die münchn. hſ. eigentlich nicht ſchreibt, aber die cot-
ton. ſcheint es häufig ƀ zu ſchreiben und beide hſſ. zu-
weilen v. Dieſe beſchränkung der med. ſtimmt völlig
zu der angelſ. u. nord. einrichtung, fand aber ſchon
theilweiſe im goth. (oben ſ. 55. 56.) ſtatt und hat ſich
im ſächſ. nur mehr entwickelt. Für den auslaut wird
man ſie leicht zugeben, wirklich kommt meines wißens
in der münchn. hſ. kein einziges auslautendes b. vor,
ſondern beſtändig wird graf (ſepulcrum) gaf (dedit)
wîf (femina) etc. in der cotton. hingegen, neben dem-
ſelben f einigemahl auch noch grab, gab, wîb und
vermuthlich mit ƀ grabh, gabh, wîbh geſchrieben. In-
lautend ſchreibt die münchn. grabes, gâbun, wîbes; die
cotton. entw. ebenſo, oder vielleicht wechſelnd grabhes
etc.; für dieſen inlaut wage ich noch nicht, die reine
med. allerwärts zu verſtoßen, ſondern nehme lieber
ſchwanken zwiſchen b und bh. an.


(BH) ƀ, bh *), v; dieſe aſp. tritt nur in- und aus-
niemahls anlautend ein.


  • 1) der auslaut b oder bh. ſteht bloß in der cott. hſ. zu-
    weilen neben dem f. wenn ein vocal vorausgeht, z. b.
    wîbh. lîbh, gabh. hobh (aula) ruobh (illuſtris) etc.;
    nach conſonanten ſtehet immer f. Dieſes ſchwanken
    zwiſchen b. bh. f. entſpricht dem goth. ſchwanken
    [213]I. altſächſiſche conſonanten. labiales.
    zwiſchen b und f in den nämlichen wörtern (ſ. 55.);
    nur daß im goth. die reine med. nach l. m. r.; hier
    lediglich nach m, nicht nach l. r. folgt. Im alth. ha-
    ben einige dieſer auslaute ein p (b) als: wîp, gap;
    andere ein f, als hof. Im angelſ. u. nord. gilt durch-
    gängig f dafür.
  • 2) der inlaut b, bh iſt weit häufiger und findet ſich in
    allen wörtern, die auf b, bh oder auf f (dem ein vo-
    cal oder conſonant vorausſteht) auslauten, z. b. wîbhe,
    lîbhe, ſcrîbhan, ſcribhun, gâbhun, hobhôs (aulae)
    thiobhôs, grabhe, huirbhit, ſëlbho, ſuërbhan (tergere)
    etc. dann aber auch in ſolchen, wo der entſprechende
    auslaut unſtatthaft iſt, als: abharon (poſteri) ſuëbhan
    (ſomnus) hëbhan (coelum) gëbhan (oceanus) ſibhun
    (ſeptem) ſebho (mens) hôbhid (caput) obhaſt (feſtina-
    tio) girôbhi (ſpolium) gilôbho (fides) bibhôt (tremit)
    fruobhor (ſolatium) etc. Dieſes inlautende bh iſt im
    goth. nirgend vorhanden, wenigſtens durch kein
    ſchriftzeichen ausgedrückt, hingegen dem nord. und
    angelſ. inlaute f ganz angemeßen. Im alth. entſpricht
    ihm a) meiſtens die unaſpirierte med. oder gar ten.
    vgl. wîbes, ſcrîban, ſibun, houbit und in der här-
    tern mundart: wipês, ſcrîpan, haupit. b) zuweilen
    die zweite aſp. v. als in: avaron, hovâ etc. (oben
    ſ. 136.) und vermuthlich laßen ſich dort wie hier dem
    ſchwanken des bh und v in die media keine feſte
    grenzen vorſchreiben, nur daß im altſ. die aſp. bh
    weit mehr wörter ergriffen hat.
  • 3) eine andere ähnlichkeit mit dem alth. iſt die wirk-
    lich in beiden hſſ. (alſo in der cotton. neben dem ƀ
    gleichbedeutig) eintretende ſchreibung u, das heißt v,
    und zwar beinahe nur inlautend: grave (ſepulcro) bi-
    vôd (tremit) ſëlvon (ipſi) fivî (quinque) tuelivî (duo-
    decim) druovôſt (triſtiſſimus) derevja (ignobiles) ruova
    illuſtres) bi-voran (antea) rôvôn (ſpoliare) etc. Hier
    dürfte ebenwohl ſtehen: grabhe, tuelibhî, derebhja,
    ruobha. Auslautend möchte u (v) höchſt ſelten ſtehen.
  • 4) da wo der auslaut f., ſtatt bh, geſchrieben wird, kann
    man zwiſchen ihm und dem inlaut bh umlautever-
    hältniß annehmen, z b. ſuarf (terſit) ſurbhun (terſe-
    runt) thiof, thiobhôs; hof, hobhôs; gaf, gâbhun;
    alth. theils dem umlaut thiop, thiobâ; gap, gâbun,
    theils dem umlaut hof, hovâ begegnend. Schreibt
    ſich der auslaut bh (thiobh, gabh) ſo hört dieſe an-
    [214]I. altſächſiſche conſonanten. labiales.
    nahme auf, wie im angelſ. und nord. von keinem
    umlaute rede iſt, weil in- und auslautend f waltet
    (þëóf, þëófas).
  • 5) wenn in der zuſ. ziehung ein conſ. auf das inlau-
    tende bh folgend wird, ſo pflegt es ſich in f zu wan-
    deln, was eine annäherung zum angelſ. ſyſtem iſt.
    vgl. ëfno (pariter) ôfſtlîco (celeriter) hôfdu (capite)
    tuîflëan (dubitare) ſt. ëbhano, ôbhaſtlîco, hôbhidu,
    tuîbhalëan; doch finde ich auch hôbhdu oder hôbdu
    und habhdun (habebant) nicht haſdun. Es mögen für
    einzelne wörter dieſe oder jene formen gegolten ha-
    ben. —

(F) wie im goth. angelſ. nord. nur ſo und nie auf-
gelöſt ph geſchrieben, obgleich ph. die urſprünglichen
beſtandtheile des f lauts ſind. Er ſteht im altſ.


  • 1) anlautend häufig, parallel dem goth. angelſ. und nord.
    anlaut f.
  • 2) inlautend ſelten, nämlich a) in der verbindung ft
    als: haft, ſcaft, craft, aftar, oft etc. b) zuweilen bei
    ſyncopen ſtatt des bh, als: ofſtlîc, ëfno etc. wovon ſo
    eben geredet wurde. c) vertritt er in andern einzel-
    nen fällen das bh; ſo finde ich dûfa (columba), wo-
    für dûbha richtiger ſtünde.
  • 3) auslautend häufig, ſowohl für das alth. f als p vgl.
    ëf (op, oba) gaf (gap) ſuarf (ſuarp) wîf (wîp) fif
    (finf) hof (hof) etc.

(W) der ſpirant bat die alth. ſchreibung un, welche
ich gleichförmig durch das zeichen w wiedergebe.
Ohne zweifel galt früher das einfache v wie im goth.
angelſ. nord. und ſelbſt mit runiſcher und goth. verlän-
gerung des ſtiels, wie die ſpuren im hildebr. lied deut-
lich zeigen. Seit man aber den alten buchſtab verlernte
und das einfache lat. u für die aſp. bh zu ſchreiben
anhub, bekam, wie im alth., der ſpirant nothwendig
das geminierte un; nirgends finde ich dafür vu geſchrie-
ben und nur einmahl uv (in êuve, êwe, lege). Ob nun
die ausſprache des altſ. w anders als die des goth. und
nord. v war? der (ſ. 138. 139.) vermutheten alth. ähn-
lich? will ich unentſchieden laßen und bemerke


  • 1) das anlautende uu vereinfacht ſich bei folgendem vo-
    cal u in u, als: uurd (fatum) uunſam (jucundus) uur-
    [215]I. altſächſiſche conſonanten. labiales.
    dun (fiebant) uurdi (fieret) uunder (res mira) *). Ebenſo
    ſteht in den verbindungen hu- ſu- tu- thu- (vgl.
    oben ſ. 141.) kein huu- ſuu- etc. es mag ein vocal
    folgen, welcher will, z. b. ſuëltan, ſualt, ſuultun;
    thuingan, thuang, thuungun **). In allen ſolchen fäl-
    len ſcheint der ſpirant allerdings einfacher gelautet zu
    haben, als da, wo er uu geſchrieben ſteht.
  • 2) das inlautende w ſteht nach kurzem und langem vo-
    cal. In jenem fall entwickelt es ſich gewöhnlich aus
    einem u, welches urſprünglich oder noch auslautend
    mit jenem kurzen vocal einen diphth. bildete, vgl.
    ſcawôn (contemplari) glawa (prudentes) trëwes (arbo-
    ris) thiwa (ancilla) gitriwi (fidelis) niwi (novus) hriwîg
    (poenitens); belege mit vorausgehendem o, u ſind mir
    unerinnerlich: Aber auch von dem unorganiſchen auw
    und iuw ſtatt aw, iw (oben ſ. 144. 145.) zeigen ſich
    ſpuren, namentlich gihauwan (caeſus) und iuwes,
    iuwan (veſtri, veſtrum) häufig, niemahls iwes, iwan.
    In giſëwan (viſus) farliwan (conceſſus) ſpiwun (ſpue-
    bant) ſtammt w nicht aus einem zum wurzelhaften
    diphth. gehörigen u, wie die vergleichung des goth.
    ſaíhvans, leihvans, ſpiwun lehrt. Das gilt auch von
    den fällen, wo dem w ein langer vocallaut vorausgeht,
    vgl. blâwes (lividi) ſàwun (videbant) hrêwes (funeris)
    êwes (legis) êwîg (aeternus) hîwiſki (familia). Beiſpiele
    des w in endungen ſind: garawen (parare) narawo
    (prope) balowes oder baluwes vom nom. balo. Zu-
    weilen fällt das w gänzlich aus, vgl. ſêola, bûan,
    gitrûôn (goth. ſáivala, báuan, gitráuan); ein gleiches
    geſchieht, wie im alth. nach conſonanzen (ſ. 147.).
    Von der berührung des inlautenden w mit h unten
    beim h.
  • 3) auslaut iſt w niemahls; das inlaut. w wandelt ſich
    auslautend in u oder o und verbindet ſich entw. mit
    dem vorſtehenden kurzen vocal in einen diphth. (trëo,
    arbor; trëu-lôs, infidelis) oder, wenn er lang war,
    bildet es eine eigne ſilbe (êo, lex; hrêo, funus; hîu
    familia) wofern man hier nicht einen triphth. anneh-
    men wollte. Jene beiden adj. haben den auslaut
    garu, naru. —

[216]I. [altſächſiſche conſonanten]. labiales. linguales.

gemination inlautender labiales iſt äußerſt ſelten.
PP. nur in der partikel upp, uppi, uppan; upp entſpricht
dem alth. ûf, das mit gekürztem voc. auch in uphe,
uffe übergeht. — BB. nur in hebbjan (habere) libbjan
(vivere) ſibbëa (cognatio), wiewohl ſich noch andere
vermuthen laßen. Dies bb gibt zugleich einen grund
für die inlautende med. ab, da die aſp. bh nicht gemi-
nieren könnte. — Eben ſo wenig findet ein altſ. FF ſtatt.


labialverbindungen; unter den anlautenden kommen
pl. pr. kaum vor, jenes in plëgan; bl. br. fl. fr. deſto
öfter; beiſpiele wären überflüßig. Aber die anlaute wl.
wr. müßen geſammelt werden, ich finde in meinen
bruchſtücken: wlit (facies) wlîtan (conſpicere) wlenkî
(inſolentia) wrëkan (perſequi) wrekkjo (exſul) wrîtan
(ſcribere) wrêth (iratus) wrôht (criminatio, lis) welchen
fich aus dem vollſtändigen text und aus der analogie des
goth. und angelſ. noch andere werden zufügen laßen. —
Inlautend kommt die einzige verbindung ft vor, die
ich vorhin beim f berührt habe. —


(T. D. DH. TH. Z. S.) linguales.

(T) organiſch wie im goth. und ſich von der med.
und aſp. rein abſondernd (ſôtan iſt dulcem, ſôthan aber
verum); eine ausnahme hiervon macht doch der auslaut,
wo ich zuweilen fehlerhaft t ſtatt der aſp. finde und
gewiß nicht aus bloßem ſchreibfehler. Namentlich ſte-
het immer quat (ajebat) und nie quad oder quath ge-
ſchrieben *), hingegen im pl. quâdun oder quâthun, nie
quâtun. Das tadelhafte ant- für and- iſt vorhin ſ. 211.
angemerkt worden. Ferner hat manchmahl die III. ſg.
und pl. ein falſches t, als: habit, ſagit; blôjat (florent)
dôjat (moriuntur); endlich das part. praet. als: farcôpôt
(venditus). Vielleicht ſind dieſe und ähnliche anomalien
einfluß der alth. ſchreibweiſe.


  • (D) 1) der anlaut ſcheidet ſich genau von der ten. und
    aſp.; beiſpiele: dag. darno (occulte) dëlban. dunjan
    (tonare) dâd. diop. diuri. dôjan. duon. duom. drohtîn.
    drôr etc.
  • 2) der in- und auslaut hingegen iſt entw. a) organiſch,
    d. h. dem anlautenden d entſprechend. Hierher na-
    [217]I. altſächſiſche conſonanten. linguales.
    mentlich die endung des ſchw. praet. -da und fol-
    gende belege, außer den vorhin angeführten formen
    ld. nd. rd: blad. bladu (ſolium) fader. ſido (mos) god
    (Deus) dâd. giwâdi. râd (conſilium) bêd (exſpectavit)
    pêda (tunica) îdis (femina) glîdan (labi) blôd (ſanguis)
    gôd (bonus) môd (animus) hlûd. thlod. liud. hiudû.
    b) oder unorganiſch für die aſp. geſetzt, wiewohl
    hier erſt genaue einſicht der hſſ. erforderlich wäre,
    weil ſich das geſtrichene d leicht überſieht. So finde
    ich: oder (alter) ſamad (ſimul) brûd (uxor) mid (praep.)
    etc. wo die aſp. richtiger ſchiene, nach goth. maßſtab
    mindeſtens. Nur muß theils das ſchwauken der goth.
    mundart ſelbſt, zumahl der umlaut des auslauts þ in
    den inlaut d (oben ſ. 62.); theils erwogen werden,
    daß jede mundart einzelne wörter anders beſtimmt
    haben könnte, wie z. b. das alth. got (Deus) mit, miti,
    brût ein altſ. god. mid. brûd beſtätigen, im gegenſatz
    zu dem goth. gnþ, miþ, brûþ. Vollſtändige verglei-
    chung beider hſſ. wird auch hier weiter führen, die
    münchn. ſcheint mehr unorganiſcher d zu enthalten,
    als die cotton., wo daher letztere in denſelben wör-
    tern aſpiriert, iſt ihre lesart vorzuziehen.
  • 3) fehlerhaft iſt d ſtatt t *), aber nur in dem einzigen
    ſëdel (thronus) gen. ſëdles, gebraucht, welches doch
    zu ſitan (ſittjan) gehörig ſcheint, wie denn im goth.
    ſitls und angelſ. ſëtel, ſëtl ſteht. Inzwiſchen lautet
    das wort auch im hochd. ſëdal, giſidili und nicht
    ſëƷal, giſiƷili, (erſt im neuh. findet ſich ſeßel) ſo daß
    die anomalie ihren guten grund haben und d über-
    bleibſel der uralten media ſeyn könnte (vgl. oben ſ. 152.).

(DH. TH.) vor allem fragt es ſich: ob eine doppelte
aſp. nämlich dh unterſchieden von th anzunehmen ſey?
Geſchrieben wird letztere nie mehr mit dem goth. an-
gelſ. und nord. þ, ſondern überall in th (wie im alth.)
aufgelöſt; dh hingegen nie ſo aufgelöſt, ſondern durch
das geſtrichene ð bezeichnet, wie im labiallaut bh durch
ƀ, während dort das alte einfache zeichen f für ph ge-
blieben iſt. Auch darin bewährt ſich die analogie bei-
der lautreihen, daß im anlaut nie dh und bh, ſondern
nur th und f (ph) gelten **), alſo dh und bh auf den
[218]I. altſächſiſche conſonanten. linguales.
in- und auslaut beſchränkt bleiben. In- und auslautend
kommt th in der verbindung rth vor (wiederum ähnlich
dem rf), weder nth noch nf treten ein (in beiden fäl-
len wird n elidiert) und lth. lf. vermengen ſich frühe
mit ld. lb. Die unterſcheidung des th und dh ſcheint
mir jedoch für den fall, wo in- oder auslautend vocale
vorhergehen, wenigſtens ohne genauere vergleichung
beider hſſ. faſt unausführbar, da ſich theils th und dh,
theils dh und d untereinander vermengen und dh in
meinen bruchſtücken überhaupt ſelten ſteht. Zwar miſch-
ten ſich in gleichem falle auch f. bh und b; allein f galt
vorzugsweiſe für den aus-, bh für den inlaut. Analog
möchte man nun th auslautend ſetzen und dh inlautend,
inzwiſchen finde ich th viel häufiger auch inlautend ge-
ſchrieben, als f. — Belege des anlautenden th: thagôn
(tacere) that. thanan. thank. thenkjan. thëgan. thing.
thuingan. thringan. tholôn. thoh. thurh. thunkit. thîn.
thiod. thiob. thionôn. thius. thuo (tum) etc. In- und
auslautend fordern th a) die formen rth (vorhin ſ. 211.)
b) die fälle, wo n vor dem th ausgefallen iſt (vorhin
ſ. 209.). obſchon hier auch dh gebraucht wird. Gleich-
gültig ſcheinen th und dh in den ſubſt. endungen -itha,
-ith, -uth, desgleichen in einzelnen wörtern, als:
frithu, lithî (artus) ithur (rurſus) ſcatho (latro) âthom,
quâthun, bêthja (ambo) wrêth (iratus) blîthi (laetus)
ſîthôr (poſtea) ôthi (facilis) ôthil (poſſeſſio) etc. nur daß
dh eher auf die fehlerhafte verwechſlung mit der med.
d führte.


(Z) habe ich nur zweimahl angetroffen, in blid-
zëan (benedicere) und lazto (ultimus); in beiden fällen
ſteht es gleich dem goth. z als inlautende trübung des
ſauſelauts, entſpricht alſo keinmahl dem alth. ziſchlaut.
Daher auch, neben lazto, laſto (contr. aus latôſto) ge-
ſchrieben wird und blidzëan angelſ. blëdſjan, bliſſan.
Es laßen ſich noch andere beiſpiele denken wie: bezto
(optimus) ſt. beſto (contr. aus betiſto). In fremden wör-
tern, wie zacharias, nazareth, hat z ebenfalls mehr den
ſauſe-, als den ziſchlaut.


(S) der reine, einfache ſauſelaut iſt anlautend ſehr
häufig und auslautend in mehrern endungen; ſeltner
(wegen des übergangs in r) in den wurzeln, folglich
auch inlauten. Belege der letzteren art ſind: was. gras,
graſes. thius, theſes. ſuâs (domeſticus) frêſôn. rîſan. wî-
ſôn. môs, môſes. lôs, lôſjan. fus, fuſjan. niuſjan; vgl.
auch fëlis, fëliſis; îdis, îdiſî; egiſo, egiſun etc.


[219]I. altſächſiſche conſonanten. lingual. guttural.

gemination inlautender linguales. TT; beiſpiele:
ſcatt, ſcattes. ſittjan (ſedere) gewittjes (mentis) flëttea
(atrio) ſettëan (ponere) hettëan (perſequi, hetzen) lettëan,
latta (morari); ſodann die ſ. 155. angegebenen wörter.
die im alth. die organiſche ten. beibehalten, namentlich
bittar, hluttar (limpidus). In grôttûn oder gruottun,
ſattun iſt tt aſſimilation ſt. grôtdun, grôtidun. ſetidun. —
DD. beddi. biddjan. inwid, inwiddjes. thriddjo. middil.
queddjan, quedda, (ſalutare) lêdjan, lêdda (ſt. lêdida)
ducere, muddi (modius). Neben quedda ſindit ſich quet-
da, ſo wie cu[t]dî (nuncia) ſt. cuddî oder cuthî; man
vgl. das alth. td. ſ. 168. — Die aſp. geminiert ſo wenig
als f. — SS. bildungen auf -neſſi; ſodann: cuſſjan.
wiſſa etc.


lingualverbindungen. 1) anlautende. tr. trego (dolor)
trëo (arbor) triwi (fidus). tu. tuiflëan tuê. tuêho. dr.
drohtîn. drincan. dragan. du. dualm. thr. thrac. thregjan
(torquere) thringan. thrim (multitudo) thrî. thrîſti. thu.
thuingan thuahan. ſc. ſcr. ſl. ſm. ſn. (ſniumo) ſp. ſpr.
ſi. ſir. ſu. (ſuâri. ſuâs. ſuëſter. ſuêt. ſuitho. ſuîgôn. ſui-
gli. ſuogan [ſtrepere] etc.) — 2) inlautende. ſc. flêſc.
fiſc. hoſc. ſp. coſp (compes) hoſp (contumelia). ſt. gaſt.
faſt. laſto. reſtjan. laſtar. beſto. liſt. gêſt. lêſtjan. thrîſti.
ôſtar. thiuſtri. brioſt. coſtôn (tentare) luſt etc. cuſta, lêſta
ſtehen f. cuſda, lêſtda. nſi. oben ſ. 211. angemerkt.


(K. G. J. H. Q.) gutturales.

Wie im goth. mangelt die aſp. gänzlich, ſcheinbare
ausnahmen lîchamo (corpus) ſind in lîc-hamo auf-
zulöſen.


(K. C.) beiderlei ſchreibung der ten wechſelt gleich-
gültig ab; ſtreng geſchieden iſt die media. Bemerkens-
werth ſteht c auch vor e und i und vermuthlich mit
der ausſprache k, da wenn nach alth. weiſe der ziſch-
laut geſprochen worden wäre, man ſ geſchrieben haben
würde, wie ſich ſpongia in ſpunſja wandelte. Die bei-
ſpiele ſind: ecid (acetum) vgl. oben ſ. 68. crûci (crux)
und palëncëa (palatium); ebenſo dürfte cêſar, celic (ca-
lix) ſtehen, welche ich kêſar, kelik geſchrieben finde.
Freilich vermag ich kein krûki oder palënkëa zu bele-
legen, in ſolchen fremden wörtern könnte das c eine
andere ausſprache, etwa die von ſ oder dſ gehabt haben?
(vgl. unten beim angelſ. c); indeſſen hebt die ſeltene,
aber doch zuweilen auch in achtdeutſchen, welche ge-
[220]I. altſächſiſche conſonanten. gutturales.
wiß den k laut haben, ſtattfindende ſchreibung c vor e
und i [z. b. gleich eingangs der cott. hſ. rîcëo = rîkjo]
allen zweifel.


(G) dieſe med. hält ſich ſtets innerhalb ihrer orga-
niſchen grenze und bleibt an- in- und auslautend die-
ſelbe *).


(J) wird ſo wenig hier, als im alth. durch die
ſchrift ausgezeichnet, beruht aber auf gleichem verhält-
niß, und weil ich das altſ. u in u und v ſcheide, muß
ich auch i in i und j ſcheiden.


  • 1) anlautend: jung, juguth, jâr, jâmar; vor e, ë, ê und
    i, î in g übergehend: gi (vos) gëhan (fateri) gihis
    und gêr (annus, welches einigemahl neben jâr vor-
    kommt); vor den übrigen vocalen mit gi- wechſelnd,
    als: gio (unquam) giungaro, giâmar. Dieſes gio etc.
    iſt mit dem zweiſilb. hiatus, z. b. gi-opanôd nicht
    zu verwechſeln.
  • 2) inlautend häufig in flexionen z. b. wâgjes, rîkjes,
    grûrje, eggjun; frâgojan, ſcadojan, ſajan, dôjan, nenn-
    jen, lêſtjen etc. Vor a pflegt es gerne in ë überzu-
    gehn, als rîkëas, lêſtëan und beiderlei form ſcheint
    völlig gleich.

(H) dem goth. h parallel und nicht, wie im alth.
daneben die goth. ten. vertretend, daher wörter wie ac
(ſed) ik, mik, ôk, lîk, bôk genau geſchieden von: hôh,
wîh (templum) noh, thoh, ſah etc.; ebenſo die inlaute
mikil, têkan, biker (cyathus) lacan, makôn von ſlahan,
fâhan, tëohan, thîhan etc. Hier noch andere beiſpiele
des in- und ausl. h: fërah (vita) thuruh (praep.) frata-
hun (ornamentis) trâhnî (lacrimae) mâhljen (loqui).
Man merke


  • 1) ſelten fällt der ſpirant aus, doch ſteht thuru f. thu-
    ruh, fillju f. filhju.
  • 2) vorgeſchoben iſt der anlaut h im pron. hë, hie (ille)
    aber die übrigen fälle haben kein h, ſondern is, ina,
    it etc. (ſ. unten beim pron.)
  • 3) vor t wandelt ſich ten. und med. in h; daher die
    ſchw. praet. mahta, thahta, êhta, ſôhta, wahta,
    [221]I. altſächſiſche conſonanten. gutturales.
    thûhta, warahta etc. ſt. magida, êgida, ſôkida, weki-
    da etc. Vor d bleibt aber g als: wrôgda, ſagda etc.
    Vgl. auch in der conj. den übergang von ſlahan, hla-
    han, thuahan in ſlôg, hlôg, thuôg; thîhan in githigan.
  • 4) wechſel zwiſchen w und h in ſâwun (videbant) und
    ſâhun, das part. hat immer giſëwan, farliwan, wie
    der inf. immer ſëhan, farlîhan *); knëo macht knëo-
    hes ſt. knëwes; tuêho (dubitatio) ſcheint das alth.
    zuîvo (? zuîwo); fraha (hilares) alth. frawe; fraho,
    frôho (dominus) alth. frô, goth. fráuja; fratah (orna-
    mentum) angelſ. frätuv. Die länge oder kürze des ei-
    nem ſolchen h vorausgehenden vocales erfordert wei-
    tere unterſuchung. vielleicht iſt frâha, frâho zu ſetzen;
    im fr. eſſen. ſteht der nom. frâ (laetus) [ſt. frau?]. —

gemination inlautender gutt. KK. rekkëan (tendere)
wrekkjo (exſul) und ſo gewiß noch andere. GG. ſegg-
jan (narrare) ſegg (nuncius) leggjen (ponere) eggi (acies)
thiggëan (accipere) huggjan (meditari). Dies gg mit dem
goth. nicht zu verwechſeln; der Gothe geminiert alle
dieſe altſ. wörter gar nicht. — gutturalverbindungen
1) anlautende, kl. kn. kr. ku. (welches aber beſtändig
qu geſchrieben wird); gl. gn. gr; alle dieſe wird das
gloſſar zur E. H. nachweiſen, von gn. habe ich bloß
gnornjan (moerere) und dafür mit elidiertem n häufig
gornjan gefunden, was auch dem goth. gaúrjan näher
liegt. Wichtiger ſind die formen hl. hn. hr. hu; die be-
lege laßen ſich aus den übrigen mundarten leicht ver-
vollſtändigen: hlahan. hlêo. hlîdan (tegere) hlînôn (re-
cumbere) hlëotan. hlôt (ſors) hlôpan. hlûd. hluttar. hnî-
gan. hnêgjan. hrên. hrêô. hriwîg. hrîſan. hrînan. hring.
hrôpan. hrôrjan (tangere). hrori (ruina). huë, huës.
huerbjan. huîla. huît. — 2) inlautende. hs wird ſo und
nicht x geſchrieben: fahs. ahſla. wahſan. wëhſlôn. ſëhs;
x wäre ks, das in keiner wahrhaften verbindung vor-
kommt. ht ahtjan. maht, naht. braht. ſlahta. ambaht.
githaht. forahta. fëraht. toraht. wiht. rihtjen. drohtîn.
lioht. wrôht. vgl. die vorhin angeführten ſchw. praet.


[222]I. angelſächſiſche vocale.

Angelſächſiſche buchſtaben.


Der anſehnliche vorrath von denkmählern, deren
bedeutendſte auch im druck bekannt gemacht worden
ſind, hat noch keine critiſche und ſichere feſtſetzung
des angelſ. alphabets herbeigeführt, worauf doch eine
nähere unterſuchung der ſpielarten des dialects nach ort
und zeit gegründet werden muß. Hic[k]es vorſtellung
von einer däniſch - ſächſiſchen und normänniſchen pe-
riode kann, wenigſtens in der weiſe, wie er ſie durch-
führt, nicht gebilligt werden. Gründlichere einſichten
würden aber von genauem ſtudium der hſſ. ſelbſt, das
nur in England vorzunehmen wäre, abhängen; ich habe
mich hauptſächlich an die älteſten quellen, nämlich an
die poëtiſchen gehalten und mittelſt der analogie der
übrigen deutſchen ſprachen geſtrebt, die angelſ. buchſta-
benlehre ſorgfältiger aufzufaßen, als bisher geſchehen war.


Angelſächſiſche vocale.


Leider bezeichnen die ausgaben und vermuthlich
die hſſ. ſelbſt in der regel gar keinen gedehnten vocal,
welches die unterſuchung außerordentlich erſchwert. In-
deſſen finden ſich beachtungswerthe ſpuren einer ſolchen
bezeichnung und zwar doppelter art: 1) zuweilen wird
ſtatt des gedehnten lauts die gemination geſchrieben,
vgl. Boeth. 150b vaa, 157b 169b 173a etc. good; andere
belege ſchlage man bei Lye nach, unter aa, aac, aad,
aar, faag, gaaſt, gaad, laad, maal, maan, raa, vaa, vaad;
briig, riip, tiid; hood, oo, moor, roop, voo, vood;
tuun etc. 2) zuweilen das dehnzeichen und zwar theils
der acutus (wie in nord. hſſ. und drucken) theils der
circumflex. So findet ſich im Boeth. 193b íſ, 190a á;
häufiger iſt der gebrauch in der Paraphr., es mögen einige
hundert wörter im ganzen gedicht bezeichnet ſeyn,
darunter für alle fünf vocale, doch häufig in den näm-
lichen wörtern, ſo daß, einmahl die regel der dehnung
feſtgeſetzt, nur in wenigen einzelnen fällen die helege
von wichtigkeit ſind. Hier beiſpiele: á, vá, má, ár, gár,
mán; éd, éce, égor, récaſ; tír, mín, tíd; ór, gód, ahóf,
fón; fús, ſcúr, búan, bú etc. Vermuthlich iſt keine alte
hſ. ganz ohne ſolche vocalzeichen; der herausgober des
Beovulf ſcheint ſie nicht geachtet zu haben, ich treffe
im druck kein einziges beiſpiel an. Den circumflex
ſetzt Lambard in der archäonom. aber ebenfalls ſchwan-
kend, z. b. â, âþ, hâl, gân, tâ, bân, lâc; bêc, gê[ſ], fêt;
[223]I. angelſächſiſche vocale.
fô, dô, hô, fôt, bôt, ſtôd; ût, cû etc.; ich möchte wißen,
ob ſeine hſ. ebenfalls den circumflex oder vielleicht den
acutus hatte? Ubrigens iſt wegen der ſeltenheit der be-
zeichnung insgemein zu erwarten, daß weder ſchreiber
noch herausgeber ihre wahre bedeutung verſtanden ha-
ben, daher in einzelnen wörtern keine volle beweis-
kraft für die natur des vocals in ihnen liegen mag.
Vielleicht finden ſich aber in England unter den älteſten
hſſ. einige mit ſorgſamerer accentuation. deren genauer
abdruck alsdann eine menge von zweifeln löſen würde.
Ich bediene mich überall des circumflexes ſt. des acutus
für den gedehnten laut, des acutus hingegen zu näherer
beſtimmung einiger diphthongen. Das übrige wird die
abhandlung des einzelnen darlegen.


(A) das reine, kurze a iſt beſchränkter als in irgend
einer andern deutſchen ſprache; da wo es im goth alth.
altſ. und nord. ſtatt findet, wechſeln im angelſ. a, ä
und ëa, doch nicht willkürlich, ſondern jeder dieſer
laute in eigner begrenzung; a tritt ein


  • 1) in den flexions- oder ableitungsendungen, -a, -as,
    -an, -aþ, -al (wofern nicht einige derſelben â haben).
  • 2) wenn auf das wurzelhafte a die gemination mm und
    nn folgt, z. b. ſvamm (fungus) vamm (macula) mann
    (homo) vann (lividus); hierher auch die praet. vann,
    ſpann, cann etc. Gewöhnlich wird im auslaut die
    gemination nicht geſchrieben, ſondern ſvam, man,
    van; in der flexion wird ſie ſichtbar: ſvammes, man-
    nes, ſe vanna *).
  • 3) ebenſo, wenn die verbindung mp. mb. nt. nd. nc. ng.
    folgt; beiſpiele: camp (pugna) lamb (agnus) gigant
    (gigas) plante (planta) dranc. ſvanc. vlanco. lang. gan-
    gan. vang. (campus) etc.
  • 4) folgt ein einfacher conſ. ſo ſteht a nur, wenn an die-
    ſen conſ. wieder ein a, o, u, ja, der flexions- oder
    ableitungsſilbe ſtößt; beiſpiele: ſacan (cauſari) ſcacan
    (quaſſare) hladan (onerare) ſcafan (radere) ſtapan (gradi)
    faran (ire) ſtarjan (intueri) vafjan (mirari) naca (cymba)
    draca (draco) macôde (fecit) maga (ſtomachus) hama
    (cutis) nama (nomen) tama (domitor) amuling (oriun-
    [224]I. angelſächſiſche vocale.
    dus ab Amalo) ſacu (cauſa) lagu (aequor) laþu (invi-
    tatio) mago-tuddor (propago) hagol (grando) ganot
    (fulica) ſadol (ſella) gamol (vetus) hafoc (accipiter) ſtapol
    (gradus) atol (deformis) ſalovîg (ater) hara (lepus) etc.
    Hauptſächliche wichtigkeit bekommt die regel in der
    declination, indem wörter, die auf einf. conſ. endigen,
    ihr ä in a umlauten, ſobald eine flexion auf a, o, u
    hinzutritt, z. b. mäg (filius) däg (dies) hväl (cetus)
    im pl. magas, dagas, hvalas; gen. maga, daga; dat.
    magum, hvalum; desgl. bei neutris: fät (vas) gläs
    (vitrum) pl. fatu, glaſu; fata, glaſa; fatum, glaſum;
    und in der adj. decl. wo lät (piger) gläd (laetus) im
    fem. latu, gladu oder im dat. pl. latum, gladum be-
    kommen. Doch in dieſen fällen iſt a weniger um-
    laut, als vielmehr rückumlaut. Ausnahmsweiſe ſcheint
    ein ſolcher auch zu gelten, wenn die verbindung ſt
    und ſc auf das ä folgt, z. b. gäſt (hoſpes) mäſt (ma-
    lus) äſc (fraxinus) pl. gaſtas, maſtas, aſcas; nicht aber
    bei andern conſ. verbindungen.

Hieraus ergibt ſich, daß kein a ſtehe α) wenn der
einf. conſ. auslautet, d. h. ihm keine flexion a, o, u
nachfolgt, z. b. ſtäf (baculus) frät (voravit) β) wenn
dem einf. conſ. die endung e folgt, z. b. ſtäfes, ſtäfe,
väter (aqua); hier ſcheint die adj. decl. eine ausnahme
zu machen, wovon erſt dort gehandelt werden kann.
γ) wenn andere, als die vorhin angegebenen doppel-
conſonanten auf den wurzellaut folgen, unerachtet ein
a, o, u der flexion nachkommt; die wurzel hat alsdann
ein ä oder auch ëa, z. b. cräft, gen. pl. cräfta; äcer,
pl. äcras; ëarm (miſer) ëald (vetus) etc. In der ver-
bindung ld ſcheint jedoch noch a neben dem üblichern
ëa zu gelten, wenigſtens finde ich in den älteſten hſſ.
ſowohl valdan (imperare) aldor als vëaldan, ëaldor etc.
geſchrieben. — Endlich bemerke man, daß zumahl ſpä-
terhin in den fällen 2 und 3 nicht ſelten o für a vor-
kommt, als mon, vom, long, gongan f. man, vam,
gangan; auch im 4ten ſall bei folgendem m, als homa,
noma, gomol, ſe vonna, f. hama etc. nicht aber für
das rückumgelautete a. Die ganze zerlegung des kur-
zen a-lauts in drei verſchiedene laute a, ä und ëa
hat auf den erſten blick etwas auffallendes, erläntert
ſich aber ſehr durch die nicht bloß im angelſ. ſondern
auch in den andern mundarten gangbare völlig analoge
ſpaltung des kurzen i- und u- lauts. Nämlich das
[225]I. angelſächſiſche vocale.
angelſ. i zerfällt in i, ë und ëo; u in u und o und ge-
rade wie die verbindungen [...] [...][mp,][nd] etc. den rel-
nen, urſprünglichen laut beſchützen, thun ſie es bei
den vocalen i und u, (vgl. die bemerkungen zum ëa
und ëo). Freilich der rückumlaut zwiſchen ä und a hat
bei den andern vocalen nicht auf dieſelbe weiſe ſtatt,
aber die rückkehr des alten i in gevideru (tempeſtas)
neben vëder, des y in hyrnën neben horn. bietet in
der that eine ſehr ähnliche erſcheinung dar. Aus allem
dieſem erhellt übrigens, daß a der ältere und anfäng-
lich alleinherrſchende vocal geweſen, dem ſich allmäh-
lig die abarten ä und ëa zugeſellten.


(E) dieſer vocal hat wie im alth. die zwiefache be-
deutung e und ë, welche ich auf gleiche weiſe äußer-
lich von einander unterſcheide.


  • 1) e iſt umlaut des a und durch ein in der endung be-
    findliches ë (früher i) erzeugt, welches zuweilen weg-
    gefallen ſeyn kann. Belege: veb, vebbes (tela) neb,
    nebbes (vultus) hebban (levare) mecë (enſis) recëd (do-
    mus) veccan (excitare) hnecca (collum) bed, beddes
    (lectus) ved, veddes (pignus) egë (terror) trega (dolor)
    ſecg (nuntius) ſecgan (nuntiare) elë (oleum) ſelë (aula)
    hel, hellë (tartarus) ellen (robur) ſellan (tradere) tellan
    (narrare) unvemmë (immaculatus) cempa (miles) men
    (viri) menë (monile) mennën (ſerva) fenn (palus) benn
    (vulnus) hen, hennë (gallina) engël (angelus) þengël
    (princeps) fengël (idem) hengëſt (equus) betengë (gra-
    vis) gegengë (conventus) leng (diutius) banc, bencë
    (ſcamnum) vlencë (arrogantia) vrencë (fraus) þencëan
    (cogitare) lencten (ver) endë (finis) hand, hendë (ma-
    nus) grendël (n. pr.) ſendan (mittere) ent (gigas) tventig
    (viginti) merë (mare) herë (exercitus) verjan (defendere)
    erjan (arare) bernan (urere) eſnas (mercenarii) net, nettes
    (rete) flet, flettes (area) metë (cibus) ſettan (ponere).
    Man hat dieſes e genau von dem folgenden ë ſo-
    wohl als von ä und ê zu ſcheiden, obſchon in den
    hſſ. zahlloſe verwechſelungen des e und ä eintreten,
    z. b. deg f. däg geſchrieben wird. Den unterſchied
    zwiſchen e, ë und ê kann man nicht aus den hſſ. ler-
    nen. In einigen wörtern, die in alten und guten hſſ.
    e haben, z. b. eſol (aſinus) brego (dux) hilft, weil die
    endung o keinen umlaut des a in e bewirkt, nur die
    annahme aus, daß eine frühere form eſël, bregë im
    mittel liege. Andremahle ſteht e offenbar fehlerhaft,
    P
    [226]I. angelſächſiſche vocale.
    wie in hrefn (corvus) eft (retro) ſt. hräfn, äft; äfter
    und eftör ließen ſich beide vertheidigen, jenes durch
    die analogie des alth. aftar, dieſes durch die des nord.
    eftir.
  • 2) ë entſpricht dem alth. ë, iſt aber gleich dem a be-
    ſchränkteren umfangs, und zwar verhält ſich ë zum
    ëo ungefähr wie a zum ëa. Nämlich als auslaut und
    vor einfachen l. m. n. r. ſ. t. d. dh. c. g. f. pflegt ë zu
    ſtehen, als: hë (ille) vë (nos) më (mihi) þëlu (tabu-
    latum) ſtëlan (furari) ſvëlan (urere) tëla (bene) vëla
    (opes) brëm (aeſtus) cvën (uxor) bëran (ferre) tëran
    (conſumere) vër (vir) vëſan (eſſe) ſëtel (ſedile) mëtod
    (Deus) mëtan (metiri) ëtoniſc (giganteus) fëtel (catena)
    mëdo (mulſum) vëder (tempeſtas) cvëdhan (dicere) mëc
    (me) ſprëcan (loqui) ſëgen (ſignum) ſëgel (velum) þëgen
    (miniſter) ëfen (aequalis) ſëfa (mens). Doch tritt auch
    ſchon in einigen dieſer fälle ëo ein, wie hernach ge-
    zeigt werden wird. Vor doppelconſonanten hat ë
    ſeltner ſtatt, und oft iſt dann ein vocal zwiſchen ihnen
    ausgefallen, vgl. hëlm (caſſis) ëfne (pariter) etc. —
    Wie im alth. (ſ. 81. 82.) kehrt auch hier der alte
    i-laut zurück, vgl. brëcan, bricdh; ſtëlan, ſtildh;
    vëder, gevideru; þën (miniſter) þinën (ancilla) rën
    (pluvia) rinan (pluere).

(I) entſpricht dem reinen goth. i mit ſicherheit nur
bei darauffolgendem mm. nn. mp. mb. nt. nd. nc. ng,
als grim, grimmes; vinnan, ſpinnan; gelimpan, timber;
minte (mentha) grindan (molere) ſinc (opes) drincan;
hring, ſvingan etc. In allen andern fällen ſchwanken
i, ë, ëo; doch haben viele angelſ. wörter i bewahrt,
welche im alth. ſchon ë zeigen, z. b. die infin. gifan,
ongitan, niman; weitere belege allenthalben. — Eigen-
thümlich liebt der Angelſachſe i vor h und ht, er ſetzt
es oft ſt. a, ë, o anderer ſprachen in dieſem fall; belege
unten bei den gutturalen. — Von der miſchung des i
mit y hernach bei letzterem.


(O) von doppelter art


  • 1) erſetzt es zuweilen, wie oben bemerkt, a in den ver-
    bindungen mm. nn. mp. etc. z. b. rom, rommes (aries)
    þonc (gratiae) ſond (arena) vong (campus) etc., auch
    vor einfachen conſ. namentlich vor d, m und n; ſo finde
    ich rodor (und nie rador) coelum, dem altſ. rador ent-
    ſprechend; gomel, noma, homa, hron (balaena) on (praep.,
    hochd. an) und ſelbſt nom (cepit). [Par. 11 und 16. ſteht
    [227]I. angelſächſiſche vocale.
    hóman und nóm; ich kann mir nicht denken, daß hier
    ein gedehntes ô richtig ſey, weil ſich doch kein vông,
    rômmes annehmen läßt; vermuthlich ſollte der acutus
    die verſchiedenheit von dem gewöhnlichen o bezeich-
    nen]. Hierher ſcheinen mir auch die bildungsendun-
    gen -ol, -or, (alth. al, ar) zu hören.
  • 2) und in der regel, entſpricht es, wie im alth., dem
    goth. aú und u. Belege: die endung -o in mago,
    brego, die ſtarken part. praet. mit dem ablaut o, god
    (Deus) boda (nuntius) ofn (fornax) ofer (ſuper)
    cofe (cubile) toga (dux) volcen (nubes) bold (man-
    ſio) gold (aurum) holt (ſilva) folm (manus) holm
    (inſula) bolſter (pulvinar) cnol, cnolles (vertex) bord
    (margo) vord (verbum) ſtorm (procella) vorn (acervus)
    þorn (ſpina) tor, torres (turris) coſp (vinculum) hoſc
    (ludibrium) botm (fundus). — Einigemahl vertritt dies
    o auch das ë (oben ſ. 82. 83.) z. b. in voſan ſt. vëſan;
    voruld ſt. vëoruld, vëruld; umgekehrt ë das o, z. b.
    mërgen f. morgen.

(U) gleichfalls zweierlei


  • 1) dem goth. u parallel und zwar jederzeit vor den
    conſ. verbindungen mm. nn. mp. mb. nt etc. (wie bei
    a und i) ſodann in andern fällen, welche (außer den
    ablauten und endungen -u, -um) folgende wörter
    belegen: bucca (hircus) tuddor (progenies) ful (pocu-
    lum) full (plenus) fultum (auxilium) vuldor (gloria)
    ſum (quidam) ſumor (aeſtas) trum (firmus) hup (coxa)
    us (nobis) huſl (ſacriſicium) ſuſl (ſupplicium) luſt (vo-
    luptas) cudh (notus) mudh (os) tux (dens maxill.) etc.
  • 2) dem goth. i, vgl. vuduve (vidua) vucu (ſeptimana)
    vudu (ſilva, alth. witu) vuht f. wiht (aliquid) cvuc oder
    cuc f. qvic (vivus) ſvura f. ſvira (collum). In lufu
    (amor) ſteht es ſogar für das alth. iu, io (? lûfu).

(Y) y, kurzer und einfacher vocal


  • 1) urſprünglich iſt er als umlaut des u zu betrachten
    und verhält ſich zu ihm, wie e zu a. Merkwürdig,
    daß die älteſten angelſ. denkmähler dieſen im alth.
    unbekannten umlaut, der erſt im mittelh. ü erſcheint,
    beſitzen; auch die nord. mundart beſitzt ihn ſo frühe;
    die ausſprache war ohne zweifel die des gr. v oder
    mittelh. ü. Der grund des umlauts liegt in dem i
    oder ë der endung, welches aber, gleich dem e, häu-
    ſig weggefallen iſt. Belege: tyddrjan (propagare) hygë
    P 2
    [228]I. angelſächſiſche vocale.
    (animus) fyllan (implere) ymb, ymbë (circum) cyn,
    cynnes (genus) cyning (rex) dynjan (tonare) byr, byrë
    (filius) byrne (lorica) hyrned (cornutus) vyrd (fatum)
    gemundbyrdan (tueri) tyrf (villa) þyrs (cyclops) fyrs
    (bruſcus) vyrt (radix) fyſan (feſtinare) cydhan (nun-
    tiare) und viele ähnliche, deren ſtämmen überall ein u
    gebührt, vgl. umb, full, fus etc. Nicht ſelten zeigt
    ſich der umlaut in wörtern deren ſtämme das u bereits
    mit dem ſpätern o vertauſcht haben, z. b. gydën (dea)
    gyldën (aurens) þyrnën (ſpinoſus) ſtyrman (ſaevire) and-
    vyrdan (reſpondere) cyſpan (vincire) hyſpan (irridere)
    hyrnën (corneus) etc. neben den einfachen god, gold,
    þorn, ſtorm, vord, coſp, hoſp, horn (ſ. oben 84. 85.);
    woraus zugleich hervorzugehen ſcheint, daß die goth.
    formen haúrn, þaúrn, vaúrd früher hurn, þurn, vurd
    lauteten.
  • 2) ſchon in den älteſten quellen miſcht ſich jenes y mit
    dem vocal i, wodurch zweierlei fehler entſpringen,
    nämlich a) ſchreibung und ausſprache des wahren i
    wird verderbt und man findet z. b. gyfan, rynan,
    nymdh, cvydh etc., jedoch nie vor den mehrerwähn-
    ten verbindungen mm, nn etc. (alſo nie: grymmes,
    byndan) aber oft für das beßere ëo, z. b. gyfon. ſy-
    fon, ſylf, ſvyrd, yrmen etc. ſtatt gëofon, ſëofon, ſëolf,
    ſvëord, ëormen. b) das wahre y wird mit i vertauſcht,
    z. b. higë cining etc. geſchrieben, wobei freilich die
    vorhin beim u gedachten übergänge zwiſchen u und
    i anzuſchlagen ſind. — Beide misbräuche, ſo häufig
    ſie in allen hſſ. und büchern vorkommen, werde ich
    zu vermeiden ſuchen. (vgl. unten die zuſammen-
    ziehung des anlauts mit der negation).
  • 3) dieſe unterſcheidung ſo wie die des y vom gedehn-
    ten ŷ hat, weil ſie aus den hſſ. nicht zu lernen iſt,
    im einzelnen, wo keine analogie anderer mundarten
    aushilft. ſchwierigkeit. Doch wird hier ſelbſt jener
    fehler nützlich, denn wo die ſchreibung zwiſchen
    y, ë, ëo ſchwankt, kann von keinem ŷ die rede ſeyn.

(AA) aa oder â ſteht nicht dem alth. und nord. â,
ſondern dem ei in dieſen beiden mundarten, folglich
dem goth. ái parallel und iſt ein neuer grund dafür,
daß jene ei früher ai lauteten. Die ausſprache iſt áa,
dem goth. ái näher als éi. Beiſpiele: â (ſemper) vâ
(vae) mâ (magis) tvâ (duo) bâ (ambo) râ (capra) âc
(quercus) blâc (pallidus) vâc (mollis) lâc (oblatio) lâcan
[229]I. angelſächſiſche vocale.
(ludere) ſpâca (radius rotae) fâcen (fraus) tâcen ſignnm
âd (rogus) brâd (latus) gâd (cuſpis) râd (paratus) hâd
(conditio) vâd (iſatis) hlâf (panis) hlâf-ord (nutritor,
dominus, brotherr *) lâfe (reliquiae) âgen (proprius) lâh
(verſicolor) hnâh (occidit) ſtàh (aſcendit) lâh (com-
modavit) gâl (ſalax) hâl (ſanus) mâl (macula) hâm (do-
mus) làm (limus) þâm (iis) fàm (ſpuma) ân (unus) flàn
(telum) bân (os) ſtân (lapis) mân (ſcelus) ſvân (bubulcus)
râp (funis) gràp (prehendit) âr (aes) âr (nuntius) âre
(honor) bâr (aper) gàr (telum) làre (doctrina) ſâr (vul-
nus) þâra (eorum) hâs (raucus) ſnâs (veru) gâſt (ſpiri-
tus) lâſt (veſtigium) bât (exſpectavit) hàt (calidus) hâ-
tan (jubere) vlàt (aſpexit) gevàt (ivit) bât (linter) âtor
(venenum) gât (hircus) tât (alth. zeiƷ) **) âdh (jura-
mentum) lâdh (inviſus) vrâdh (iratus) ſvâdhe (veſti-
gium) mâdhm (cimelium) âva (ſemper) vâva (malum)
ſnâv (nix) hlàv (tumulus) ſpâv (ſpuit) ſàvl (anima). —
Die formen (-âh, -âr, -âv beſtätigen meine anſicht
des alth. ê (oben ſ. 90. 91). Zuweilen lautet â in æ
um, wo durch es ſich dem alth. und nord. â, wel-
chem æ gewöhnlich entſpricht, nähert; bât (linter) iſt
zwar das nord, bâtr, welches letztere aber aus dem an-
gelſ. entlehnt ſeyn könnte, wie offenbar das hochd. boot,
das zeigt ſich ſchon am t, da das angelſ. bât ſtrengalth.
beiƷ lauten müſte; hält man das nord. bâtr für ächt, ſo
würde die wahre angelſ. form bæt und nicht bât ſeyn
(alth. þàƷ?). Vielleicht iſt ausnahmsweiſe ein angelſ.
â = alth. à anzunehmen, außer bât auch in nâmou (ce-
perunt), nicht næmon. Ob die partikeln ſva und þa
vielleicht ſvâ und þâ lauten, wird ſich ſchwer entſcheiden.


(EE) auch dieſer diphth. entfernt ſich von den übri-
gen ſprachen, indem er dem goth. ô und alth. uo gleich-
ſieht; doch kommt er auch noch in anderm ſinne vor.


  • 1) ê = goth. ô, alth. uo, iſt eigentlich umlaut dieſer
    diphth. folglich genan dem mittelh. ue und nord. œ
    entſprechend; die endung ë fällt indeſſen, wie auch
    bei den umlauten e und y, und bei allen übrigen im
    angelſ. der fall iſt, häufig weg. Belege: bêc (pl. von
    bôc, liber) ſècan (quaerere) rècan (curare) ***) glêd
    [230]I. angelſächſiſche vocale.
    (ignis) ſpêd (felicitas) flêdë (turgidus, aeſtuans) brê-
    dan (fovere) fèdan (alere) hêdan (cavere) vêdan (in-
    ſanire) mêdër (matri) hrêfë (leproſus) frêfrjan (con-
    ſolari) èfeſt (feſtinatio) ègor (aequor) gefègë (conveniens)
    vrêgan (accuſare) hèl (calx) cêlë (algor) fêljan (ſentire)
    dèman (judicare) hrèmìg (compos) bèna (rogator) cênë
    (audax) grêne (viridis) grênjan (virere) vêpan (plorare)
    gês (anſeres) bêtan (emendare) fèt (pl. von fôt) grêtan
    (ſalutare) ſvêtë (dulcis) êdhel (praedium) fèdha (pha-
    lanx) hrêdher (pectus) mêdhë (feſſus) brêdhër (fratri)
    têdh (dentes).
  • 2) zuweilen erſetzt ê den diphth. eá. namentlich wird
    in der Par. éc (etiam) réc, récas (fumus) écë (aeter-
    nus) accentuiert, alſo êc, rêc, êcë f. eác, reác, eácë;
    ebenſo anderwärts nêd (neceſſitas) dêpan (immergere)
    êdh (facilius) bêgas (annuli) nêtenn (pecora).
  • 3) endlich entſpricht ê dem altſ. ê und alth. ia, ie in
    mêd (merces) vêland (n. pr.) und den ablauten hêht oder
    hêt (juſſit) lêc (luſit) lêt (livit) ſpên (nexuit) fêng etc. —

Nach allem dieſem wird die ausſprache des ê dem
engl. ee oder einem langen î ziemlich gleichgekommen
ſeyn und wirklich finde ich Boeth. 195b cîle ſt. cêle,
wie 175b 176b ſteht. Die miſchung des erſten und drit-
ten ê begegnet der des ua und ia im alth. (oben ſ. 103,
note) und aus der verwandtſchaft des kurzen i und u,
des kurzen ë und o, erklären ſich die berührungen und
übergänge zwiſchen ê und ô.


(II) dem goth. ei, alth. und altſ. î völlig gleich, be-
lege ergeben ſich überall, hier nur einige: îdel (inanis)
ſìde (latus) bîdan (exſpectare) fìfel (fatuus) gîfer (avidus)
mìgan (mejere) ſcìma (ſplendor) îs (glacies) þìſla (temo)
fìras (homines) lìdh (potus) hìvan (domeſtici) etc.; bei
ausfallendem n wandelt ſich i vielleicht in ì, als: fîf
(quinque) ſvîdh (fortis)? (vgl. die bemerkung zum ô).


(OO) doppelter art:


  • 1) ô = goth. ô, alth. uo; der gewöhnliche und häufigſte
    fall, deſſen umlaut das vorhin abgehandelte ê iſt; bei-
    ſpiele (außer ablauten und endungen) tô (praep.) bôc
    (liber) môdor (mater) môd (animus) gôd (bonus) flôd
    (fluctus) ſrôfer (ſolatium) ôfoſt (feſtinatio) dôgor (tem-
    pus diei) ôga (terror) brôga (idem) bôh (armus)
    vrôht (lis) ſôhte (quaeſivit) rôhte (curavit) côl (frigidus)
    vôl (peſtis) gelôme (ſrequenter) dôn (facere) nôn (hora
    [231]I. angelſächſiſche vocale.
    nona) ôr (origo) bôr (ſcalprum) môr (palus) cnôſl (pro-
    pago) bôſm (ſinus) un-rôt (triſtis) blôtan (immolare) fôt
    (pes) brôdhor (frater) etc. — In der Par. finde ich ſt. des
    ablauts ô öfters ëô (geſchrieben eó) z. b. tëôc, ſcëôc,
    ſcëôd, ſpëôn, ſcëôp für tôc, ſcôc etc. welches erſt bei
    der conj. erörtert werden kann.
  • 2) zuweilen entſpringt ô aus a durch auslaßung von con-
    ſonanten, namentlich des n; ſo: fôn, hôn ſt. fangan,
    hangan; gôs (anſer) alth. gans und vermuthlich auch
    ſôft (ſuavis) ſôdh (verus) tôdh (dens) ôdher (alter) vgl.
    mit dem alth. ſanft (ſenfti) ſand (?) andar. Oder wäre
    in dieſen fällen bloß einfaches o anzunehmen? Die
    Par. accentuiert fôn, aber auch, wie ich vorhin ſ. 227.
    bemerkte, nóm. Das engl. ſchwanken zwiſchen gooſe,
    tooth, ſooth, other, ſoft entſcheidet nichts.

(UU) macht gleich dem î keine ſchwierigkeit und
entſpricht dem û in den übrigen mundarten. Belege:
bûan (habitare) brûcan (uti) lûcan (claudere) clûd (rupes)
ſcrûd (veſtitus) þûfë (vexillum) bûgan (flectere) fûl (ſor-
didus) rûm (ſpatinm) rûn (myſterium) dûn (collis) tûn
(ſepes) ûp (praep.) mûr (murus) ſcûr (imber) ſûr (acidus)
hûs (domus) lûs (pediculus) mûs (mus) trûvjan (confidere).
Auch den auslauten þû, nû, bûtû (ambo) hû (quomodo)
ſcheint das dehnzeichen zu gebühren; wegen des kurzen
oder laugen u, falls ein n ausgeworfen iſt, ſtehe ich,
wie bei i und a in zweifel, beiſpiele ſind: fus (cupidus
huſl (ſacrificium) ſuſl (ſupplicium) gudh (bellum) cudh
(notus). In der Par. ſteht fús, aber auch fúht (morbus),
welchem ſicher kein û zukommt.


(YY) von doppelter beſchaffenheit


  • 1) ŷ = goth. iu und nord. ŷ; entſprechend ſowohl dem
    alth. iu, als dem ſpäteren umlaut des û, im angelſ.
    offenbar als ſolcher umlaut des û anzuerkennen. Bei-
    ſpiele (außer dem praeſ. ſg. ſtarker verba) þŷ (inſtr.
    alth. thin) brŷd (conjux) ſcrŷdan (ornare) bŷga (angu-
    lus, ſinus) gerŷman (dilatare) gerŷnë (myſterium) ſtrŷ-
    nan (gignere) ſŷr (ignis) fŷſan (cupere) mŷs, lŷs (pl.
    von mûs, lùs) þŷſtrë (tenebroſus) ŷdh (unda). ŷdh und
    fŷſan lauten vielleicht ydh und fyſan.
  • 2) ŷ = mittelh. œ, œi und nord. ey, d. i. umlaut des ô und
    au, alſo angelſ. umlaut des ea. So leitet ſich von
    hleápan, beám, heán, dreám etc. ab: hlŷp (curſus)
    bŷmjan (tuba canere) drŷmjan (jubilare) hŷnan (irri-
    [232]I. angelſächſiſche vocale.
    dere). Andere beiſpiele: nŷdan (cogere) aflŷgan (alth.
    arflaugen) gŷman (curare) hrŷman (vocare) flŷma (pro-
    fugus) etc. Da für eá, wie vorhin gezeigt, auch ê vor-
    kommt, ſo beſteht neben den meiſten dieſer wörter auch
    die form: nêdan, hrêman etc.; dies wäre einer der
    puncte, woran man künftige forſchungen über örtliche
    verſchiedenheit der mundarten zu knupfen hätte.
  • 3) ſchreibung des î ſtatt ŷ iſt tadelhaft, aber häufig, ſeltner
    wird ŷ für î geſetzt; beides ſuche ich zu vermeiden.

(AE) einer der häufigſten und wichtigſten angelſ.
vocallaute, den ich in zwei ganz verſchiedene arten zu
zerlegen wage, obſchon hſſ. und gedruckte denkmähler
gar keine anleitung dazu geben *); ä iſt ein kurzer, dem
einfachen a zunächſt liegender, æ hingegen ein entſchie-
den langer laut, beide vertauſchen ſich nie in ihrer be-
deutung und wollte man ſie ungetrennt laßen, ſo würde
eine reihe von analogien, welche die übrigen ſprachen
an hand bieten, völlig verwiſcht werden.


  • I) ä entſpricht dem goth. hochd. und nord. a, aber nur
    in den fällen, wo im angelſ. weder ſelbſt a, noch ëa
    eintritt, jene ſind oben, dieſe werden hernach ange-
    geben werden. In der wurzel ſteht mithin ä
    • 1) ſobald ein einzelner conſ. darauf auslautet, vgl. die
      ſubſt. bäc (tergum) þräc (robur) fnäd (fimbria) däg,
      äg, mäg, ſtäf, träf (tentorium) hväl (balaena) väl
      (ſtrages) gläs, fät, pädh (callis); die adj. gläd, hräd
      (celer) ſmäl, lät, hvät (acer); die praet. bräc, ſpräc,
      bäd, mäg, läg, bär, genäs, väs, frät, mät, ſät,
      cvädh etc. die pron. und partikeln: þät, hvät, ät etc.
      Ausnahme machen a) die auslaute m, hier bleibt a,
      oder wandelt ſich gern in o, z. b. nam (cepit) cvam
      (venit) lam (claudus) oder auch nom, cvom, lom
      und nicht näm, cväm, läm. b) die auslaute f. p. t
      [233]I. angelſächſiſche vocale.
      und r, vor welchen lieber ein ëa ſteht (wovon nach-
      her) obgleich ſich daneben auch ä findet, wie ge-
      wöhnlich in ſtäf, ſeltner in gäf, gäp, tär. c) ſchein-
      bare ausnahme ſind die oben ſ. 223. angeführten aus-
      laute m und n, welche für die gemination gelten,
      daher nur ein vam, van (d. h. vamm, vann) kein
      väm, vän ſtattfindet.
    • 2) ſobald der einzelne conſ. inlautend von einem e
      oder (wegen ſyncope eines vocals) von einer liq. der
      endung berührt wird, z. b. väter (aqua) äled (ignis)
      häfer (caper) fäder (pater) äcer (ager) mäger (graci-
      lis) fäger (pulcher) hägel (grando) hrägel (veſtis) hä-
      ſel (corylus) däges, däge, überhaupt alle gen. und
      dat. ſg. der mäunl. u. neutr. ſubſt.; — fämne (fe-
      mina) ſmälne (parvum) ſmälrs (parvorum) häglas
      (grandines) ägru (ova) räſn (laquear, goth. razn)
      välſe (n. propr.) fälſjan (expiare). Ausnahmen a) bei
      adj. die gen. ſg. maſc. und neutr., die acc. ſg. fem.,
      die nom. pl. maſc. und die nom. ſg. fem. und neutr.
      ſchwacher form (kurz: bei adj. kehrt das a auch
      bei der endung e zurück) z. b. ſmale (parvi, par-
      vam) þät ſmale (parvum) b) auch das von e gefolgte
      m ſcheint lieber a als ä vor ſich zu leiden, vgl. ga-
      men (jocus) gamel (vetus). c) bei der endung des
      ſtarken part. prät. finde ich ſchwanken und z. b.
      bald hladen bald hläden (onuſtus). d) verſteht ſich
      von ſelbſt, daß bei jedem andern vocal der endung
      als e das a der wurzel eintritt, namentlich in den
      gleichen fällen, ſobald noch die ältere endung
      a, o, n ſtatt des abgeſchwächten e gilt, z. b. hagal,
      hagol; ſpäter hägel.
    • 3) folgen doppelconſonanzen, ſo gilt ä (außer den vor-
      hin berührten ſyncopen ſmälne, ägru) nur vor ſc.
      ſt. ft. fn (äſc, gäſt, fäſt, cäſter, cräft, äfter, häſt,
      hräfn) unter welchen jedoch ſt und vielleicht ſc in-
      lautend das a zurücknimmt, vgl. gaſtas, aſcas (?), nicht
      aber ft, es heißt cräfta, nicht crafta. Sodann vor
      den geminationen pp. bb. tt. cc. ſſ. als: äppel (po-
      mum) läppa (fimbria) täppe (taenia) cräbba (cancer)
      häbban (habere) fät, fättes (pinguis) gnät, gnättes
      (culex) vrät, vrättes (artificium) vräcca (exſul) läſſa
      (minor) näſſe (promontorium). Andere doppelte
      conſ. haben kein ä vor ſich, entw. a (wie die ge-
      mination mm, nn) oder ëa (wovon unten).

[234]I. angelſächſiſche vocale.

Nach dieſer auseinanderſetzung wird nähere ein-
ſicht in das weſen des angelſ. ä möglich ſeyn, das in
den übrigen deutſchen ſprachen kaum etwas analoges
hat. Es unterſcheidet ſich 1) von dem e, dem umlaute
des a, denn es wird nicht durch die endung ë hervor-
gebracht; die endung e, bei der es zuweilen eintritt,
iſt theils kein ſolches ë, ſondern ein unbetontes, abge-
ſchwächtes, theils findet es häufig bei auslautendem
oder dopp. conſ., folglich ohne ein endungs-ë ſtatt.
Wirklich vermiſchen auch die hſſ. ä und e ſelten mit-
einander, man wird weder ber, meg für bär (tulit)
mäg (valet) noch fälë, härë f. ſelë (aula) herë (exerc.)
finden. 2) von dem ë, z. b. vëg (via) rëgn, rën (pluvia)
lautet anders als vägn, vän (currus) mägen (vis) etc.
3) von dem langen ê, umlaute des ô. 4) von dem lan-
gen æ, denn wörter, die letzteres haben, behalten es
durchaus bei, wenn ſchon a, o, u in der endung folgt;
da es folglich mæl (momentum) gen. u. dat. pl. mæla,
mælum heißt, ſo darf man nicht dæg (dies) ſondern nur
däg ſchreiben, gen. und dat. pl. daga, dagum. ä und
æ verhalten ſich genau zueinander, wie das alth. a: â,
vgl. läg (jacebat) lægon (jacebant) alth. lag, lâgun. Hier
noch einige beiſpiele von dergleichen, in genauer ſcrei-
bung wohl unterſchiedenen lauten: fëfer (febris) frêfer
(ſolatium) fêgan (jungere) fäger (pulcher) vëg (via) vë-
gan (eludere) praet. väg, pl. vægon; vägen (plauſtrum)
væg (fluctus) vâh, vâges (paries). — Ohne zweifel alſo
muß ä als ein kurzer *), quantitativ dem a gleicher
laut, nicht als ein umlaut, ſondern als eine trübung des
reinen a betrachtet werden, die ſich am füglichſten der
trübung des i in ë, des u in o vergleichen läßt, welche
anſicht dadurch beſtätigung empfängt, daß neben dem
ä ein ëa, wie neben dem ë ein ëo aus a und i erwach-
ſen. Dies wurde ſchon vorhin ſ. 224. angedeutet, hier
bemerke ich weiter α) das verhältniß zwiſchen i und ë
hat ſich in mehrern deutſchen zungen, das zwiſchen a
und ä hauptſächlich in der angelſ. hervorgethan. β) je-
nes iſt ſchwankend, dieſes dadurch geſicherter, daß es
mehr von endungsvocalen abhängt. Denn auch im an-
gelſ. behält vëg (via) ſein ë überall bei und bekommt
nicht im pl. etwa vigas, viga. γ) das verhältniß i und
ë ſpricht ſich beſonders im ſg. und pl. praeſ. ſtarker
[235]I. angelſächſiſche vocale.
conj. aus, wo kein ſolcher einfluß der endung wahrzu-
nehmen iſt und gerade die verba mit der wurzel a zei-
gen keinen analogen wechſel mit ä, eher das umgekehrte
(mehr hierüber bei der conj.) δ) ä iſt die durch keine
wirkſame, volle vocalendung aufgehaltne entſtellung
des reinen a-lants, der bleibt, ſobald a, o, u folgen
und einfache conſonanz zwiſchen liegt. ε) man er-
gleiche das verhältniß des nord. a und ö, wiewohl letz-
teres ein durch die andung u gezeugter umlaut des a,
da im gegentheil das angelſ. a mit der endung u ver-
träglich iſt. Außerdem würde mögr, gen. pl. maga ſehr
an mäg, maga erinnern; im dat. pl. bekommt jenes
mögum, dieſes magum. — Auszuſprechen hat man das
angelſ. ä wie das engl. in hàve (habere) verſchieden von
e, welches dem engl. e in web (tela) gleichlautet.


  • II) æ iſt 1) der dem alth. und nord. â parallele laut,
    breit wie áe zu ſprechen, und zwiſchen dem goth. ê
    und jenem à einſtehend, wogegen das angelf. â dem
    goth. ái entſpricht. Ein deutliches beiſpiel der jeder
    mundart eigenthümlichen, unverwirrenden fügung der
    lante. Dies angelf. æ darf ſo wenig als das goth. ê für
    einen umlaut des â erachtet werden, obgleich im mit-
    telh. u. nord. ein ſolcher umlaut wirklich ſtattfindet.
    Beiſpiele (außer den pl. praet. lægon, æton, ſæton etc.)
    ſpræce (lingua) vræce (vindicta) dæd (facinus) ræd (con-
    ſilium) ſæd (ſemen) ſnæd (offa) þræd (filum) mæg (pa-
    rens) græg (canus) væg (fluctus) bæl (pyra) mæl (tem-
    pus) ſtræl (ſagitta) hælë (vir) ſæl (felicitas) ælf (genius)
    ſlæpan (dormire) væpn (arma) færinga (improviſo) hær
    (crinis) mærë (clarus) ſvære (gravis) ræs (curſus, vi-
    gor; engl. race) ſvæs (familiaris) lætan (ſinere) ſtræt
    (via). 2) ausnahmsweiſe iſt es indeſſen wirklich um-
    laut des â und dann jenem nord. oder mittelh. æ for-
    mell, aber nicht materiell gleich, indem ei gar nicht
    umlautet. Belege: brædo (latitudo) hælan (ſanare) ge-
    mæne (communis) ſtænën (lapideus) ænig (unicus) ræ-
    pling (funiculus) læran (docere) hæto (aeſtus) hvætë
    (triticum) dræfan (pellere) etc. von den ſtämmen brâd,
    hâl, mân, ſtân, ân, râp, làre, hàt; ferner getæſë (com-
    modus. gerecht von tâſo, goth. taíhſvus) fægë (moribun-
    dus) vædhan (venari); dæl (pars) pl. dælas würde rich-
    tiger dâl, dâlas heißen, wie ich zuweilen gedâl finde *),
    [236]I. angelſächſiſche vocale.
    indeſſen ſteht auch durchgehends ſæ (mare) pl. ſæs,
    dat. ſæm ſt. ſàv. ſàvas, ſâvum. — In der ausſprache
    mögen beide, urſprünglich verſchiedene æ zuſammen-
    fallen, feingenommen könnte man erſteres áe, letzte-
    res áë bezeichnen.

(EA) ebenfalls zwei durchaus verſchiedene arten.


  • I) ëa = goth. alth. nord. a, und zwar in folgenden fällen
    • 1) wenn die geminationen ll. rr und die verbindun-
      gen lm. lp. lf. lt. ld. ldh. lc. lg. lh. ls; rl. rm. rn.
      rp. rf. rt. rd. rdh. rc. rg. rh. rs. folgen. Belege:
      ëalle (omnes) gëalla (fel) hëalle (aulae) vëalles (fun-
      damenti) hëarra (dominus) pëarroc (clauſura) cnëar-
      rum (navibus) vëarres (calli), auslautend wird übli-
      cherweiſe ëal, hëal, vëal, cnëar geſchrieben; hëalm
      (culmus) cvëalm (nex) ſëalm (pſalmus) gëalp (ſoni-
      tus) hëalp (juvit) cëalf (vitulus) hvëalf (convexus)
      hëalf (dimidius) ſëalfe (unguentum) hëalt (claudus)
      mëalt (braſium) ſëalt (ſel) ſine-vëalt (rotundus) tëalt-
      jan (nutare) cëald (frigidus) ëald (vetus) ëaldor
      (praefectus) bëaldor (princeps) häg-ſtëald (coelebs)
      vëald (ſaltus) fëaldan. hëaldan. vëaldan. und die
      praet. ſëalde (tradidit) tëalde (narravit) cvëalde (cru-
      ciavit) von den inf. ſellan, tellan, cvellan; cëalc
      (calx) gevëalc (volutatio) ſcëalc (ſervus) ëalgjan
      (tueri) gëalga (patibulum) ëalh (palatium) fëalh (com-
      mendavit) gëalh (triſtis) vëalh (peregrinus) hëals
      (collum) pëarl (gemmula) þëarl (validus) bëarm (ſi-
      nus) ëarm (miſer) hëarm (dolor) þëarm (inteſtinum)
      bëarn (infans) dëarn (occultus) fëarn (lolium) ſtëarn
      (ſturnus) hëarpe (cithara) die praet. cëarf, hvëarf,
      ſtëarf; cvëartern (carcer) ſvëart (niger) tëart (aſper)
      ëard (ſolum) vëard (cuſtos) hëard (durus) gëard (ſe-
      pimentum) vëardh (fiebat) ëarc (arca) mëarc (marca)
      ſtëarc (fortis) geſvëarc (caligo) ſmëarcjan (ſubridere)
      ëarg (pravus) mëarh (medulla) vëarh (nequam) ëars
      (podex) etc. Zuweilen findet ſich in dieſen fällen a
      oder ä geſchriebe[n] (z. b. galga, älh, ſvärt) ſcheint
      mir aber tadelhaft; bloß bei einer umſetzung des r
      ließe ſich das ausbleiben des ëa begreifen, z. b. ärn
      (cucurri) gärs (gramen) ſt. ran, gräs, woneben nicht
      unrichtig gëars vorkommt.
    • 2) vor h, den verbindungen ht und x (hs) wandelt ſich
      a ferner in ëa; belege: ëa (aqua) ſt. ëah, ſëah (vidit)
      gefëah (gaudebat) ëahta (octo) mëaht (poteſtas)
      [237]I. angelſächſiſche vocale.
      hlëahter (riſus) nëaht (nox) fëaht (pugnavit) aſtrëaht
      (extenſus) þëahte (tegebat) ëaxl (humerus) fëax (cri-
      nis) lëax (ſalmo) ſëax (culter) vëax (cera) vëaxan
      (creſcere) etc.
    • 3) ſchwankend finde ich ëa, a und ä vor dem ein-
      fachen e. r. p. f. t. d. dh. c. g, desgleichen vor der
      verbindung ft, ſt. Beiſpiele des ëa: bëalo (malum)
      ëalo (cereviſia) fëalo (fulvus) bëaru (lucus) mëar
      (equus) tëar (lacrima) cëar (cura) ſëaro (machinae)
      ſcëare (portio) gëap (patulus) ſtëap (altus) geſcëapu
      (creaturae) cëaf (palea) gëaf (dedit) ëafora (cognatus)
      hëafoc (accipiter) ongëat (intellexit gëat (porta) ëat
      (edebat) ſcëat (numus) ëatol (dirus) bëado (pugna)
      on-gëador (ſimul) ëador (ſepes) ſcëado (umbra)
      hëadho (culmen) ſcëadha (latro) ſcëacen quaſſatus)
      crëacas (graeci) *) mëagol (magnus), compoſita mit
      -ſcëaft, cëaſter (urbs). Mehrere dieſer formen ſind
      oben unter a und ä angeführt worden, z. b. hafoc,
      atol, ſcacen, gäf, ät, es läßt ſich darüber keine all-
      gemeine regel aufſtellen, ſondern man muß die vor-
      wiegende individuelle ſchreibung an den einzelnen
      wörtern lernen **). Nicht ſelten hängen feinere
      unterſchiede verwandter formen an ſolchem wech-
      ſel der bezeichnung z. b. ſtäp (greſſus) pl. ſtapas;
      ſtapan (gradi) ſtëap (ſcandens, excelſus) ***); ſcäft
      (haſta) fea-ſcëaft (egenus).
    • 4) die hauptfälle und wo ëa entſchieden ſteht, ſind
      die unter 1. und 2. angegebenen, in welchen l. r
      und h, von einem weiteren conſ. gefolgt, eintreten.
      Dieſe wahrnehmung erhält durch die analoge unter-
      ſcheidung der goth. ái und aí; áu und aú [...] oben
      ſ. 44. 46.) indem aí und aú gleichergeſtalt durch ein
      folgendes r und h bedingt ſind, mehr bedeutſamkeit.
      Ich werde beim ëo bald darauf zurükkommen.
    • 5) übergänge des ëa in ia und ie (wovon einiges wei-
      ter bei dieſen) verrathen einen abweichenden dialect
      [238]I. angelſächſiſche vocale.
      und ſind unbefremdlich, übrigens rechtfertigung
      meiner näheren beſtimmung des ea in ëa. Dem ie
      liegt dann gänzlicher übergang in i (oft geſchrie-
      ben y) nahe genug, vgl. ëald, ſuperl. ildeſt; ildan
      (morari, alth. eltjan, praet. alta) etc.
    • 6) wo ëa einmahl ſteht, bleibt es feſt im worte, ohne
      rückſicht auf endungen; es heißt z. b. mëar (equus)
      gen. mëares, pl. mëaras und die beweglichkeit, die
      der wechſel zwiſchen ä und a herbeifuhrte, ſtockt.
    • 7) ëa iſt zwar diphthongiſch, aber beinahe kurz (wie
      auch jenes goth. aí, aú kürzer als ái, áu) zu ſpre-
      chen, d. h. gleich einem kurzen a mit flüchtig vor-
      geſchlagenem ë.
  • II) = goth. áu; alth. au, ô, ou; nord. au; dieſer
    lange diphth. wirft den ton aufs a und wird daher
    in der Par. eá, bei Lambard eâ (p. 17. eâcnjend) ac-
    centuiert. Daher ſeine ausſprache von dem áu der
    übrigen mundarten, gleichfalls mit betontem a (wie
    denn die oeſtreich. volksſprache â ſt. au in bâm, lâb
    zeigt) nicht viel abweicht. Das vorſchlagende e wage
    ich nicht für ein ë (aus i entſpringend) zu erklären,
    es ſcheint abſchwächung eines anderen vocals. Bele-
    ge: feá (paucus) freá (dominus) þreá (correptio) eác
    (etiam) leác (porrum) breác (fruebatur) hreác (ſtrues)
    reác (fumus) ſleác (piger) eácan (augere) eácen (prae-
    gnans) beácen (ſignum) beád (obtulit) ſeád (fervuit)
    deád (mortuus) neád (neceſſitas) reád (ruber) eádîg
    (dives) eáden (genitus) deáf (ſurdus) leáf (folium) ge-
    leáfa (fides) heáfod (caput) reáf (veſtis, ſpolium) beáh
    (corona) eáge (oculus) leáh (mentitus eſt) fleáh (vola-
    vit) deáh (color) heáh (altus) neáh (vicinus) þeáh (ta-
    men) beám (trabs) dreám (jubilum) fleám (ſordes)
    hreám (clamor) ſtreám (torrens) geáme (cura) beán
    (faba) leán (merces) ceáp (pecus) leáp (corbis) heáp
    (acervus) ſteáp (cyathus) ceápan (emere) hleápan (cur-
    rere) eáre (auris) veás (forte, caſu) leás (ſolutus) ceás
    (elegit) eáſt (oriens) neát (pecus) geneát (ſocius) hleát
    (ſortitus eſt) breát (fregit) greát (magnus) beátan (per-
    cutere) geátas (nom. gentis) eádhe (facile) deádh
    (mors) ſeádh (puteus) deáv (ros) þeáv (mos) gleáv
    (prudens) hreáv (poenituit) ceáv (manducavit) eávjan
    (oſtendere) ſceávjan (contemplari) heávan (caedere) *). —
    [239]I. angelſächſiſche vocale.
    Des in ê übergehenden eá wurde ſ. 230. gedacht, mit
    der alth. ſcheidung des au in ô und ou hängt das nicht
    zuſammen, da ſich ſowohl nêd (neceſſitas) nêt pecus)
    als bêh (corona) hrèm (clamor) findet. Folgende
    verlangen berückſichtigung α) ea ſt. des goth. ah und
    alth. âh, als: leán (vituperare) ſleán (occidere) þveán
    (lavare). Raſk p. 72. nimmt auch eá in dieſen wörtern
    an; ſollte ihnen ëa zukommen, wie vorhin ſ. 236. den
    praet. ſeah, gefëah? Letzteres ſtimmt zu dem goth.
    ah, und erſteres nicht zu dem alth. âh. β) geár (an-
    nus) ſceáp (ovis) widerſpricht gleichfalls dem goth.
    jêr, alth. jâr und ſcâf; nicht unwahrſcheinlich wäre
    ſcëap, eher wohl gëar? am ſicherſten, weil hier gë = j,
    gëâr ſt. gëær.

(EO) wiederum mehrfach.


  • I) ëo = goth. aí, nord. ia, alth. ë, und zwar
    • 1) vor rr und den verbindungen mit r: rl. rm. rn.
      rp. rf. rt. rd. rdh. rc. rg. rh. rs *). Belege: ëorrë
      (iratus) fëorran (procul) hëorras (cardines) ſtëorra
      (ſidus) ëorl (vir nobilis) cëorl (ruſticus) ëormen
      (n. pr.) fëorme (victus) bëorn (heros) cvëorn (mola)
      gëorne (libenter) lëornjan (diſcere) ëornuſt (ſtudium)
      ëorp (fuſcus. Par. p. 67.) vëorpan (jacere) hvëorfan
      (verti) ſtëorfan (mori) hëorte (cor) ſtëort (cauda)
      hëord (grex) ſvëord (gladius) cnëord (ſtudium) rëord
      (ſermo) **) ëordhe (terra) vëordh (dignus) dëorc (ob-
      ſcurus) vëorc (opus) bëorgan (tueri) bëorh (arx)
      fëorh (vita) nëorxna-vang paradyſus) bëorht (cla-
      rus) ëorſjan (iraſci) fëorſjan (elongare). Auszuneh-
      men, wie beim ëa, ſind die umſetzungen des
      r als: bërſtan (frangi) þërſcan triturare ſt brëſtan,
      þrëſcan und darum nicht bëorſtan, þëorſcan.
    • 2) vor h. hs (x) und ht; die belege ſind ſelten: fëoh
      (pecunia) blëoh (color) fëohtan (pugnare) pëohtas
      (picti) ſëox (ſex); gewöhnlicher iſt der übergang in
      i: ſix, riht (alth. rëht) etc. (ſ. oben beim i und un-
      ten beim h.)
    • 3) anderwärts ſchwankt der laut zwiſchen ë und ëo,
      nachſtehende zeigen meiſtens ëo: bëo (apis) ſëo
      (illa) ëode (ivit) ëodor (tectum) gëof (donum) gëo-
      fon (mare) hëoſon (coelum) bëofan (tremere) ëofor
      (aper) clëofu (rupes) cëol (celox) gëolu (flavus) ëo-
      loc (carex) mëoloc (lac) vëoloc (concha) ëom (ſum)
      bëon (eſſe) hëonon (hinc) hëoro (enſis) hëora (eo-
      (rum) hëorot (cervus) vëorold (mundus) ſvëoſtor
      (ſoror) prëoſt (presbyter) ëoten (gigas) ſvëot (turma)
      ſvëotol (manifeſtus) etc.
    • 4) ëo hat gleich dem ëa (von welchem es überall ge-
      nau zu ſcheiden iſt) zwar diphthongiſche, doch
      halbkurze ausſprache, mit bloßem vorſchlag des ë.
      Die hauptfälle ſeines eintritts (folgendes r und h)
      ſtellen es dem goth. aí (oben ſ. 44.) nahe und wenn
      da ein a dem i vorſchlägt, ſo hat ſich hier umge-
      dreht ë (das heißt i) in den vor-, und o in den
      betonten nachſchlag gelegt. Denn daß o überwiegt
      ſcheint mir aus dem parallelen nord. ia (beinahe
      ja) zu folgen, welches in iö umlautet und ein ſol-
      ches o für a (ſ. oben bei o) mag auch das angelſ.
      o in ëo ſeyn, nämlich ein kurzes o. Es muſte ſich
      vor dem aus a ſtammenden ëa eigenthümlich zu ëo
      beſtimmen. Den vorſchlag ë beweiſen die übergänge
      in i. Der grund weshalb h und r auf den vorher-
      gehenden vocal zurückwirken, kann zwar in der
      ſchweren ausſprache beider conſonanten liegen, ge-
      hört aber zu den ſprachgeheimniſſen, die ſich erſt
      künftiger forſchung näher enthüllen werden, vgl.
      oben ſ. 44. 48. 80. 84. 90. 91. *). —
  • II) ëó = goth. und alth. iu; der accent auf dem ó wi-
    derſtreitet der ſ. 50 und 108 vorgetragnen bezeichnung
    íu (nicht iú), zu dem ëó bewogen mich doch theils
    die beſtimmte accentuation nió-bedd und liódho-ben-
    dum (Par. 9. 1, 23.) theils die nord. accentuation ió,
    [241]I. angelſächſiſche vocale.
    iú; wie denn auch Raſk dieſes angelſ. eó von dem
    vorigen eo unterſcheidet. Ferner läßt ſich für iú oder
    ëó anführen, daß es zuweilen in û (vgl. lûcan, clau-
    dere) und noch öfter in ŷ übertritt, welches letztere
    umlaut des û iſt. Belege: ſëóc (aegrotus) lëód (gens)
    bëódan (offerre) lëóf (carus) þëóf (fur) lëógan (men-
    tiri) gëógudh (juventus) lëóht (lux) hvëól (rota) lëóma
    (lux) ſnëóme (illico) flëón (fugere) ſtrëónan (gignere)
    ſcëónë (pulcher) tëóna (damnum) dëóp (profundus) hëóp
    (roſa ſilv.) dëór (fera) cëóſan (eligere) gëótan (fundere)
    ſprëót (contus) lëódh (carmen) ëóv (vobis) cnëóv (genu)
    trëóv (arbor) þëóv (ſervus) nëóv (novus) hrëóvan (poe-
    nitere) cëóvan (mandere).
  • III) in einigen ablauten kommt ſtatt der alten redupli-
    cation ein ëo vor, welches offenbar keins der beiden
    vorigen, ſondern dem alth. ia, ie entſprechend und
    entw. noch zweiſilbig oder doch triphthongiſch iſt.
    Hierher die praet. blë-ov, hë-ov, cnë-ov, crë-ov,
    ſë-ov, rë-ov, ſvë-op, fë-ol, vë-ol, hë-old,
    vë-old, bë-ot; ferner die bereits oben beim ô be-
    rührten: ſpë-ôn, të-ôc, vë-ôx, ſpë-ôv (ſucceſſit)
    ſcë-ôp, über welche alle man die abhandlung der
    conj. nachſehe. In dieſelbe reihe ſind fë-over (qua-
    tuor) und ähnl. wörter zu rechnen, die ausſprache
    mag freilich bald von keinem unterſchied dieſer ë-o
    und des zweiten ëó gewuſt haben.

(IA. IE. IO.) dieſe doppellaute könnten gänzlich
übergangen werden, da ſie nur mundartiſch für andere
verſchiedene laute hin und wieder geſetzt ſind, und die
vocalreihe, ohne ſie ins ſpiel zu bringen, vollſtändig ab-
geſchloßen wird. Indeſſen beſtätigen ſie theils meine
nähere beſtimmung des e durch ë, theils verdienen ſie
darum erwähnung, weil ſie ſchon in den älteſten denk-
mählern neben der üblicheren form bemerklich, wahr-
ſcheinlich alſo ſpuren des früheren zuſtandes ſind.


  • 1) ia findet ſich am ſeltenſten, ſo ſteht Boet. 158b ſiaro
    Bëov. 192. gialp f. ſëaro, gëalp.
  • 2) häufiger ie und zwar a) für ë, als gield (debitum)
    gieldan (ſolvere) giet (adhuc) giena (iterum) cieſte
    (arca) etc., in allen dieſen wörtern wird gewöhnlich
    ë oder ëo, oft auch y geſchrieben. b) für ëó oder
    deſſen umlaut ŷ, als ſtrienan (gignere) ſci ne (pulcher);
    hier könnte ie accentuiert werden. c) für ëa, z. b.
    Q
    [242]I. angelſächſiſche vocale.
    hierra (dominus) Par. 16. und ſo im Oroſ. mehrmals
    der gen. ie (aquae) neben dem nom. ëa. d) für eá,
    z. b. gieman (curare) ievde (oſtendit) nieht (nox) niehſt
    (proximus), wäre ebenfalls mit ié zu bezeichnen und
    entſpricht auch dem ſonſtigen ê oder ŷ, gleich dem ŷ
    als umlaut des eá zu betrachten, woher ſich die ver-
    wechſlung mit dem unter b angeführten ie erklärt.
    e) für ä, als gieſt (hoſpes), wofür auch giſt vorkommt
    (vgl. das nord. giſtr); da ä und ëa ſchwanken, ſo
    wäre dieſer fall ſchon unter c) einbegriffen, inzwiſchen
    habe ich niemahls gëaſt angetroffen.
  • 3) noch häufiger io, nämlich a) für ëo, z. b. hiofon
    (coelum) giofon (mare) bio (apis) ſio (illa) hionon (hinc)
    biorn (vir) etc. b) für ëó, folglich ió zu ſchreiben,
    z. b. ióv (vos) trióvum (arboribus) ſióc, þióf etc. c) für
    das dritte ëo, vgl. die praet. ſi-ov, cni-ov etc. —
    iu iſt kein angelſ. diphth. und das bisweilen geſchrie-
    bene iu muß näher zu ju beſtimmt werden.

Schlußbemerkung zu den vocalen

  • 1) das ſyſtem iſt vollkommner als das altſächſiſche. Die
    reinen vocale, a, i, u entwickeln ſich in den trübun-
    gen e, ë, o. y. ä und halblängen ëa, ëo auf eine ſehr
    eigenthümliche, obſchon mancher verwechſlung bloß-
    geſtellte weiſe. Sämmtliche dehnlaute â, ê, ô, î, û
    ſind vorhanden, einige anders, als ſonſt beſtimmt.
    Von weiteren diphth. gibt es eigentlich nur dreie *):
    æ (d. i. áe) eá und ëó, die vergleichung des goth.
    ê, ô, û, ái, au, ei, iu mit dem alth. â, uo, û, ei, ou,
    î, iu und angelſ. æ, ô, û, â, eá, ì. ëó lehrt, daß von
    dieſen ſieben hauptlängen unſerer ſprache nur das ein-
    zige û formell und materiell durch die drei mundar-
    ten geht, bei den übrigen aber form und materie
    wechſeln. Im goth. und alth. zeigen ſich drei ge-
    dehnte und vier andere diphth., im angelſ. hingegen
    vier der erſten und drei der letzten art, welches auf
    die größere weichheit der mundart deutet. Neben-
    laute ſind im angelſ. ê und ŷ, wie im alth. ê und ô,
    jene umlaute, dieſe ſtellvertreter anderer vorhandenen
    laute.
  • 2) der umlaut. welcher im goth. völlig mangelt und im
    alth. nur bei a in e ſichtbar war, erſcheint weit aus-
    gebildeter, indem auch u in y, â in æ, ô in ê, û in ŷ,
    eá in ŷ umlauten. Man bemerke aber theils die häu-
    fige apocope und ſyncope des den umlaut bedingen-
    den ë oder i (bêc, lŷs, ben, þencan, lŷſan, ſt. bècë,
    lŷſë, benë, þencëan, lŷſëan), theils das dadurch wohl
    veranlaßte umgreifen des umlauts in formen, denen
    kein ſolches ë zugeſchrieben werden kann, z. b. brŷd
    (ſponſa) ſt. brûd, benc ſt. banc, eſt (amor) ſt. aſt. Für
    keinen (von der endung i, ë, abhäugigen) umlaut halte
    ich den wechſel zwiſchen a, ä, ëa, ie; i, ë, ëo, io;
    u, o, y.
  • 3) dem goth. ſteht das angelſ. näher als das alth. in ô,
    in â für ai, in æ für ê; in au oder ou iſt das alth.
    verwandter, als eá.
  • 4) die vocale der endungen ſchwächen ſich nach ähnlichen
    ſtufen, wie im alth. und ſtatt der früheren a, u dringen
    allmählig o und e, endlich letzteres allein vor; i iſt
    ſchon in den frühſten quellen als endung unerhört und
    durch ë vertreten, das ich nach ſeinem urſprung und
    der wirkung des umlauts leicht beſtimmen konnte;
    ob es aber in der ausſprache von dem das a und o
    erſetzenden e zu unterſcheiden ſey, laße ich dahin-
    geſtellt. Von einer aſſimilation der vocale (oben ſ. 117.)
    finde ich nichts gewiſſes (vgl. z. b. ôfoſt mit êfeſt?);
    alle dieſe unterſuchungen der unbetonten laute for-
    dern zunächſt critiſche beſtimmung der zeiten und
    mundarten, deren die angelſ. denkmähler noch ent-
    behren. Die älteſten darunter ſcheinen von diplomen
    des 9ten und 10ten jahrh. in dieſer hinſicht nicht be-
    deutend abzuweichen.

Angelſächſiſche conſonanten.


Hier iſt in der hauptſache entſchiedene überein-
kunft mit dem goth. organiſmus und die alth. lautver-
ſchiebungen bleiben der angelſ. ſprache fremd.


(L. M. N. R.) liquidae.

Die anlaute l. n. r. ſind von den anlauten hl. hn. hr.
und vl. vr. genau verſchieden und noch lange zeit, zu-
mahl letztere, da wr. ſogar im engl. fortdauert. — Der
auslaut m ſchwächt ſich nirgends in n und nur ſchein-
Q 2
[244]I. angelſächſiſche conſonanten. liquidae.
bar in der prima pl. praet. ſchw. conj., da lëofedon
nicht f. lëofedom ſteht, ſondern die in die [1]te und [...]te
perſ. dringende [3]te iſt. — Der inlaut n fällt vor f. ſ. und
ð *) aus. vgl. fif alth. finf, funf) ſoftë, ſeftë (alth ſenfti)
gos (alth. gans) fus (alth. funs) huſl (goth. hunſl) ſuſl
(ſupplicium) eſt alth. auſt) ſvidh (goth. ſvinþs) gudh
(pugna) mudh (goth. munþs) todh (alth. zand) odher
(alth. andar) ſodh verus, alth. ſand?) cudh (notus) cudhe
(novi. goth. kunþa) udhe (favi, alth. onda) endlich über-
all die tert. pl. praeſ. -adh f. and. Ausnahmen: canſt
(noviſti, nicht caſt). das fremde tënſë, tinſë (cenſus).
Ob durch den ausfall der vorhergehende vocal lang
werde? iſt vorhin bei î, ô, û und beim altſ. ſ. 210.
gefragt worden; für die länge ſtreitet zwar das nord.
âſt, fùs etc. für die bleibende kürze aber, daß eſt und
nicht æſt, gos und nicht gæs geſchrieben wird. — Vor
c und g mag n ganz alth. ausſprache gehabt haben, nur
nicht in fremden wörtern wie ſpongëa, wo es gleich
dem engl. ſponge lautet, (vgl. oben ſ. 211.) — Das r iſt,
wie im alth. ſowohl organiſch als unorganiſch; letzteres
da, wo es an die ſtelle des goth. ſ tritt, nämlich im
gen. und dat. ſg. fem. und gen. pl. des adj. — im com-
parat. — in den pl. praet. væron, curon, hruron, lu-
ron — in folgenden wörtern: âr, gâr, ſâr, mâr, eáre,
hŷran (audire) hara (lepus) dëór (beſtia) îren (ferrum)
nerjan (ſervare) grŷrë (horror). Auslautend erleidet
dieſes r zuweilen apocope und zwar beſtändig in den
pronom. formen vë (nos) gë (vos) më (mihi) þë (tibi)
in der vorpartikel a- (alth. ar, ir, ur, goth. us) und in
verſchiedenen declinationsendungen. Schwankend finde
ich mâr und mâ (magis) nebeneinander. Gehaftet hat
das alte ſ: im pl. maſc. dagas etc. — im gen. ſg. m. und
neutr. — in den infin. vëſan, genëſan, leſan, cëóſan,
lëóſan, hrëóſan — im ſg. praet. väs, genäs, läs, ceás,
leás, hreás — im pl. praet. genæſon, læſon — in einzel-
nen wörtern, als: baſo (bacca) naſo (naſus) ſvæs (fami-
liaris) etc., neben îren beſteht ìſen und ìſern (ferrum).
Auch in der verbindung hs (x) dauert das ſ, vgl. ax
(ariſta, goth. ahs, alth ahir). — Nicht jenes unorgani-
ſche, ſondern das organ r. pflegt verſetzt zu werden,
wenn ein vocal und dieſem n (ſt. nn) und ſ (ſt. ſſ oder
in der verbindung ſc, ſt.) folgt; dann tritt es hinter
[245]I. angelſächſiſche conſonanten. liquidae.
den vocal und ſchließt ſich dem n und ſ an. Belege:
birnan, barn, burnon (ardere) irnan, arn, urnon (cur-
rere) burna (rivus) vgl. mit dem goth. brinnan. rinnan,
brunnô — gärs (gramen) *) hors (equus) cërſe (naſtur-
tium) fërſc (integer) þërſcan (triturare) þërſcvold (limen,
neben þrëſcvold) bërſtan (disrumpi) forſt (algor) hy ſtan
(ornare) hŷrſtan (frigere) firſt (dilatio); vgl. mit dem alth.
gras, hros, chrëſſa, friſc, drëſcan, driſcnvili **) prëſtan,
froſt, hruſtjan, hrôſtjan, friſt. Daß bei dergleichen um-
ſetzung der vocal a nicht nothwendig in ëa, ë nicht in
ëo (wie ſie ſonſt vor rn. rs. müſten) übergehen, habe
ich oben ſ. 236. 239. bemerkt. Der wohllaut gewinnt
zwar etwas, doch wenig und die vermengung mit den
wahrhaften formen rn. rſ. beeinträchtigt ſonſt ***) Ver-
muthlich hat aber eine ſolche r-verſchiebung hin und
wieder noch in anderen fällen ſtatt, nur ſehr ſchwan-
kend und einzeln, bei folgendem m. d. pſ. (ſtatt ſp), als:
forma (primus) bird (pullus) †) cirpſjan (criſpare) vgl.
mit froma, der nebenform brid, briddes und dem hochd.
criſpen; in der regel bleibt auch das r in ſolcher rich-
tung unverſchoben. z. b. aus brëmel (tribulus) wird kein
bërmel; endlich zeigt ſich das unorganiſche der ver-
rückung in dem ſpäteren vorſchreiten einzelner beiſpiele,
wie namentlich im engl. neben bird weiter third und
cart vorkommen, wofür man im angelſ. nur þridda und
crät (currus) antreffen wird. Ähnliche verſchiebungen
unten beim g und x.


gemination der liquidae wird in der regel auslau-
tend nicht geſchrieben (oben ſ. 223.) vgl. vël (fons) vël-
les; vam, vammes; man, mannes; tor, torres; auch in-
lautend nicht. ſobald ein conſ. anſtößt, z. b. ëalne
(omnem) ſt. ëallene, oder durch verſetzung vornen an-
rückt, z. b. hors, horſes ſt. hros, hroſſes. — Wie beim
alth. entſteht die gemination oft in dem abgeleiteten
[246]I. angelſächſiſche conſonanten. liquidae.
worte ſt des ansgefallenen i, z. b. fremman, ſellan f.
fremjan, ſeljan; und wie im altſ. durch zuſ. rückung, als
ânne (unum) mînne (meum) grênne (viridem) ſt. ânene,
mînene, grênene; iſt hier anne, änne, minne, grënne
anzunehmen?


verbindungen; die meiſten belege ſind oben bei a,
e, i, o, u vor m und n; bei ëa und ëo vor l und r
bereits gegeben worden. Hier nur einige zuſammen-
ſtellungen und bemerkungen: MB. ambiht. camb. gom-
bon (nord. gamban) amber, omber (cadus) lamb. vamb.
brember, brembel (rubus) timber. fimbel. dumb. cumbol
(ſignum) ymbë (circa) ſymbël (convivium). MN. fämne
(femina) ſemninga (ſubito), ſtëmn (vox) wohl alle contra-
hiert. LN. vyln (ancilla) myln (mola) beruht auf eli-
ſion und richtiger ſtehet vylen, mylen RN. ärn (do-
mus) ſcheint gleichfalls f. ären zu ſtehn, weil eine
wahrhafte verbindung ëarn (wie bëarn etc.) fordern
würde. — Gewöhnlich iſt auch das auf die liq. folgende
ſ. urſprünglich durch einen ausfallenden vocal davon
getrennt geweſen; alle fälle laßen ſich doch nicht ſo
erklären. LS. fælſjan (expiare, luſtrare) wahrſcheinlich
von einem mir noch dunkelen adj. fâl oder ſælë?) gælſa
(luxus) von gâl (luxurioſus) hælſjan (augurari) von hâl;
vælſing oder välſing (nom. pr.) vgl. das nord. volſûngr;
cynëgils (nom. pr.) iſt umſetzung ſt. cynë-giſl. MS.
hramſe (allium urſinum) brimſa (tabanus) gewiß von ei-
nem verh. brimſjan, wie grimſjan (ſaevire); þrimſa (mo-
neta quaedam, von tremiſſis?). NS. clænſjan (purgare)
bênſjan (ſupplicare) von clænë (purus) bên (ſupplicatio);
bei ſvinſjan (modulari) minſjan (minuere) pinſjan (pen-
ſare) weiß ich keine ſolche ſächſ. wurzel, die beiden
letzten ſind offenbar fremdes urſprungs, darum iſt in
ihnen, wie in dem obenangeführten tënſe, das n vor ſ
nicht ausgefallen und in clænſjan etc. nicht, weil die
verbindung ns keine wahre war. RS. ëars (nates) bëars
(lupus piſc.) tëors (penis) þyrs (gigas) ſyrs (lolium) ſind
organiſch verbundene rs. auch in virs (pejus) firſjan
(elongare) und irſjan (iraſci) entſpricht rs dem goth. rs.
rz. und hat ſich noch nicht in rr. verwandelt *); mærſjan
(celebrare) dŷrſjan (aeſtimare) iſt aber, wie clænſjan, aus
[247]I. angelſächſiſche conſonanten. labiales.
mærë und dŷrë entſprungen *); curſjan (devovere) weiß
ich nicht befriedigend zu erklären. — Die goth. zd ſind
ſämmtlich in rd übergegangen, vgl. brëard, brëord oder
brord (ſummitas, punctum) ord (cuſpis) hord (theſau-
rus) mëord (merces) rëord (loquela) pëord (im ſchach,
oben ſ. 126.) —


(P. B. F. V.) labiales.

Hier iſt beinahe ganz die goth. einrichtung, ich
darf daher dieſe vorausſetzen und mich auf wenige be-
merkungen beſchränken.


(P) anlautend zwar meiſt in fremden, doch auch
in verſchiedenen deutſchen wörtern, als: pada (milvns)
pädh (ſemita) plëgjan (ludere) plëoh (periculum) pliht
(periculum) pluccjan (vellere) prät (aſtus) prettîg (aſtu-
tus) etc. In- und auslautend häufig, z. b. ſcapan
(creare) ſcôp (poëta).


(B) anlautend von p und f getrennt, häufig vorhan-
den; in- und auslautend aber nur in der ſeltenen ge-
mination bb und der verbindung mb, ſonſt überall
durch f erſetzt **).


(F) der anlaut dem goth. f entſprechend, der in-
und auslaut hingegen theils dem goth. b theils dem
goth. f. vgl. drêfan, ſëofon, yfël; ufor (ulterius) vulf
etc. mit den goth. dreiban, ſibun, ubils; ufar, vulfs.
Es iſt auch kein ƀ (bh) wie im altſ. anzutreffen. Ob
die ausſprache zweierlei f, alſo eine zweifache aſp. ge-
ſondert habe? will ich nicht entſcheiden; erſt in den
ſpäteren denkmählern pflegt ſich ein, im engl. noch
häufigeres, inlautendes v ſtatt f zu zeigen, das dem
alth. und altſ. v parallel wäre. Die alten und ächtan-
gelſ. quellen kennen es aber kaum ***) ſchon darum, weil
[248]I. angelſächſiſche conſonanten. labiales.
der ſpirant v in ihnen einfach und nicht (wie im engl.)
doppelt geſchrieben wird. — Dieſes zuſ. fallen der in-
und auslaute b und f iſt ein nachtheil gegenüber dem
alth. und unorganiſch, wie jene ſpuren des b. in bb.
mb. und das geſchiedenbleiben der lingualen in- und
auslaute bewähren; inzwiſchen zeigt das goth. ſchwan-
ken in gleichen verhältniſſen, wie frübe die neigung
in der ſprache lag, auch ſtimmt darin die nord. zu der
angelſ. mundart.


(V) iſt der reine ſpirant, fein wie im goth. auszu-
ſprechen und mit der alten rune geſchrieben; merk-
würdig findet ſich einigemahl noch u daneben, na-
memlich Boeth. 150b ſvua 151a vuolde ſt. ſva, volde *);
vgl. bei Lye unter: vurättan, vurâdh ſt. vrättan, vrâdh.
Folgt ein wirkliches vocaliſches u, ſo wird v nicht
weggeſtoßen, z. b. hvurfon, vurpon etc., ausnahmen
hiervon (vgl. Lye unter: uht, ucu ſt. vuht, vucu) ge-
hören ſpäterer zeit und mundart. Übereinſtimmend
wird auch in den verbindungen hv. qv. ſv. dv. þv. tv.
ſo und nicht hu, qu, ſu, du, þu, tu geſchrieben.


Wegen der in- und auslautenden v, denen vocale
vorausgehen, bemerke ich


  • 1) dem goth. au und avi (folglich dem alth. au, awi,
    ewi, oder ou, ouwi) parallel entwickelt ſich die dop-
    pelform α) av, äve: tavjan (parare) ëal-tävë (integer)
    ſlav (piger) clavu (ungulae) þavjan (regelari). Häufiger
    β) eáv: beáv (oeſtrum) eáv (ovis) deáv (ros) deávjan (ro-
    reſcere) þeáv (mos) gleáv (prudens) hreáv (crudus) þreáv-
    jan (minari) feáva (pauci) hneáv (parcus) eávjan (oſten-
    dere) ſceávan (contemplari). Und da eá ſowohl in ié
    übergeht als in ŷ umlautet, ſind daneben noch fol-
    gende formen gültig: iévjan (oſtendere) ŷvjan (oſten-
    dere) bŷvan (? colere. Bëovulf 169.)
  • 2) dem goth. in und ivi (alth. iu, iwi und iuwi) ent-
    ſpricht wiederum α) zuweilen noch ive: nives (novi)
    nivre (novae) nivjan (novare) nivel (pronus) trivë (fi-
    ***)
    [249]I. angelſächſiſche conſonanten. labiales.
    delis) trivën (ligneus) gewöhnlich aber β) ëóv, als:
    nëóv (novus) hlëóv (refugium) cnëóv (genu) trëóv
    (arbor) trëóven (ligneus) ëóv (vobis) þëóv (ſervus)
    lâdtëóv (dux) nëóvol (pronus) trëóvë (ſidus) cëóvan
    (mandere) hrëóvan (poenitere) ferner in den part.
    praet. ſëóven (colatus) vrëóven (?Beov. p. 128.) ge-
    ſpëóven (ſputus). Nebenbei ió, z. b. trióvum (arbo-
    ribus) ſt. trëóvum. Selten wird auslautend das v aus-
    gelaßen, z. b. hlëó f. hlëóv. Verſchieden von dieſem
    ëó ſind ſtrenggenommen die ablaute: hë-ov, cnë-ov
    etc. (ſ. oben ſ. 241.) daß mëóvle (virgo) f. meávle
    ſteht. wurde ſ. 238. vermuthet.
  • 3) ëv finde ich in dem einzigen part. praet. geſëven
    (viſus).
  • 4) âv entſpricht dem goth. áiv; beiſpiele: ſnâv (nix)
    hlâv (tumulus) crâv (cornix) ſâvel (anima) vâva (ma-
    lum); die praet. ſpâv, ſâv (colavit) þrâv (torſit) und
    das part. þrâven (tortus, goth. þráihans) (nicht ſpâ-
    ven, ſondern ſpiven oder ſpëóven, goth. ſpivans);
    endlich die inf. und part. cnâvan, ſâvan, blâvan, crâ-
    van; cnâven, ſâven etc. und das abgeleitete hâvjan
    (ſpectare) ein ſtarkes hîvan, hâv, hivon, hiven vor-
    ausſetzend.
  • 5) æv theils dem goth. êv antwortend, als: lævjan
    (prodere) theils umlaut des â, z. b. blævan (bucci-
    nare.) Ich bin unſicher, wohin die adj. hæven (coe-
    ruleus) und blæven (perſeus) gehören, vielleicht
    ſtammt jenes von hîvan, hâv und bedeutete eigent-
    lich: limpidus, ſpecioſus.
  • 6) îv dem goth. eiv parallel; hierher die verba ſpîvan,
    ſìvan, þrîvan und das verlorene hîvan, wovon noch
    das ſubſt. hîv (ſpecies, forma) hîvjan (formare) und
    vermuthlich hîviſcë (res familiaris) hîvan (familia-
    res) þrîva (ter) tvîva (bis).
  • 7) ôv blôvjan (florere) ſpôvan (bene ſuccedere) flôvjan
    (fluere) ſtôv (locus) þrôvjan (pati); ſelten der um-
    laut ê, blêvjan (efflorere).
  • 8) ûv trûvjan (confidere).

Die ganze darſtellung lehrt, daß der kurze vocal
vor v nur ausnahmsweiſe fortdauert, gewöhnlich aber
der diphthong und v dazu geſetzt werden. Dieſe un-
organiſche überladung rührte daher, daß man im aus-
laute das v nicht abwarf, z. b. deáv ſt. deá, trëóv ſt.
[250]I. angelſächſiſche conſonanten. labiales.
trëó (goth. triu) zuließ, wovon ſich nun fälſchlich, aber
naturlich die inlaute deáves, trëóves ſt. daves, trives
bildeten. Die analogie der fälle, welche den anlaut v
organiſch beſitzen, (vgl. ſpâv, hîv, goth. ſpáiv, heiv)
wirkte [dazu] mit. vielleicht auch bei dem ëó die ver-
änderte accentuation (ſt. ío. goth. íu), worauf ich doch
kein gewicht lege, weil ſich die anomalie ëóv gerade ſo
in dem alth. iuw (ſt. iw) hervorthut, wie eáv in dem
alth. ouw, auw (ſt. aw). obgleich im alth. auslaut mei-
ſtens mit richtig abgelegtem w iu und on ſteht. — In
den endungen fällt der unbetonte vocal vor dem v
meiſt aus und es ſtößt dann zu dem vorhergehenden
conſ. z. b. bëadves (pugnae) fëalves (fulvi) ſalvîg (luri-
dus) mëalve (malva) mëolves (farinae) arvunga (gratis)
bëarves (arboris) ſëarvum (inſidiis) hyrvjan (blasphemare)
baſve (coccineos. Par. 90, 15.) haſve (aſperae? Par. 69, 2.
33, 12.) ræſva (pollens princeps, nord. ræſir) læſu
(paſcuum, gen. læſve) læſvjan (paſcere). Die volle form
lautet: bëaduves, bëadeves, fëaluves etc. — Das in-
und auslautende v tritt zuweilen in die gutturalis c
(cvic, cvices goth. qvius, qvivis) und noch öfter g über
(wovon hernach beim g). —


gemination der labialinlaute.


(PP) ſelten: äppel (pomum) cnäp, cnäppas (cacumen)
lippe (labium) ſcippend (creator) yppjan (aperire) ëoppa
(n. pr.) hoppjan (ſaltare) loppe (pulex). — (BB) häufiger:
gabban (deridere) häbban (habere) hebban (tollere) neb,
nebbes (vultus) veb, vebbes (tela) cnebba (n. pr.) ebbe
(receſſus maris) ſvebban (verrere) libban (vivere) crib,
cribbe (praeſepe) ſib, ſibbe (cognatio) rib, ribbe (coſta)
vibba (brucus) clibbor (?); die meiſten fälle ſind wie
im alth. aus einem unterdrückten ableitungs-i zu erklä-
ren. — FF. VV ſind unorganiſch und eigentlich nicht
vorhanden, nur ff finde ich theils in dem fremden wort
offrjan (offerre), wo es aſſimilation für obfrjan iſt; theils
in einigen nom. pr. der angelſ. genealogie als: offa,
vuffa, ſtuffe, yffe, mithin überall außerhalb der eigent-
lichen ſprache. —


labialverbindungen. Im anlaut pl. pr. ſelten, bl.
br; fl. fr. häufig; von vl. vr. hier die wichtigſten:
vläc (tepidus) vlacjan (tepere) vlencë (faſtus, ſplendor)
vlanclice (arroganter) vlatjan (nauſeare) vlîtan (aſpicere)
vlite (ſpecies, vultus) vrëcan (ulciſci) vræce (ultio) vrecca
(exſul) vrenna (regulus, engl. wren) vräne (laſcivus)
[251]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
vrâdh (iratus) vrîdhan (ligare) vrät, vrättes (res mira)
vrixl (alternatio) vraxljan (luctari) vrêgjan (accuſare)
vrôht (accuſatio) vrenc (dolus) vrëón (tegere) vreáh
(tegebat) vringan (ſtringere) vrincle (ruga) vrìtan (ſcri-
bere) vridhjan (creſcere) vrôt (roſtrum, rüßel) vrôtan
(eruere). Zwiſchen vr ſchiebt ſich zuweilen u ein, vu-
râdh, vurättan, ſ. vorhin ſ. 248 und vgl. oben ſ. 141. —
Inlautend: ft (belege beim ä) und ps welches gleich
dem alth. fs (oben ſ. 149.) für ſp ſteht, doch finde ich
im angelſ. beiderlei form untereinander ſchwanken, vgl.
väps (veſpa) äpſe (tremulus) häpſe (ſera) hrëpſung (ves-
per) vlips (blaeſus) cops (compes) cirpſjan (criſpare)
neben väſp, äſpe, häſpe, vliſp, coſp und hviſprjan
(ſuſurrare) — vs iſt keine wahre verbindung, ſondern
man beurtheile hrëóvſjan (dolere) trëóvſjan (fidem dare)
wie oben die formen ms, ns, und ähnliche.


(T. D. ð. þ. Z. S.) linguales.

Wie im goth. zumahl
anlautend rein geſchieden, daher auch in den gedichten
t. d. þ. keineswegs mit einander alliterieren.


(T) ich führe hier die liquidverbindungen lt, nt
und rt an: hëalt (claudus) mëalt (braſium) ſëalt (ſel)
ſinevëalt (rotundus) tëaltjan (tolutare) belt (balteum)
ſpelt (far) ſvëltan (mori) mëltan (liquefieri) miltë (ſplen)
miltiſtre, mylteſtre (meretrix) hilt (capulus) gilte (ſucula)
anfilt (incus) holt (ſilva) bolt (catapulta) gylt (delictum)
ſtylijan (haeſitare); plant (planta) gigant (gigas) ent (gi-
gas) raccenta (catena) flint (ſilex) minte (menta) ſtintan
(hebetare) vinter (hiems) hrunting (nom. gladii) munt
(mons) punt (pons) ſtunt (hebes, fatuus) huntjan (venari)
dynt (ictus) myntjan (diſponere); ſvëart (niger) tëart
(aſper) ſtëort (cauda) ſpëort (ſporta) port (portus) portic
(porticus) turtel (turtur) vyrt (radix) cyrtël (tunica). —
Auslautend bei zuſ. ziehungen ſteht bisweilen t ſtatt dh,
namentlich in der III. praeſ. ſg. bei den wurzeln auf
d. t. ſ. nd. lt, als: brit, it, ſlìt, lŷſt, bint, ſvilt, ſtatt:
briddh, itdh, ſlìtdh, lŷſdh, binddh, ſviltdh. Zu tadeln
iſt die vorkommende ſchreibung ſint f. ſind (ſunt);
warum ſteht aber geſynto (ſanitas) f. geſyndo (vom adj.
geſund, ſanus)?


(D) dieſe med. iſt im anlaut überall und ſorgſam
von der ten. und aſp. zu unterſcheiden, daher wörter
wie: deáv (ros) þavjan (regelari) tavjan (parare) þeáv
(ritus); gât (caper) gâd (mucro); âd (rogus) âdh (jura-
[252]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
mentum etc. nichts mit einander zu ſchaffen haben *);
fein re unterſcheidungen, z. b. zwiſchen deádh (mors)
und deád (mortuus) (vgl. oben ſ. 157. note) werden da-
durch möglich. In- und auslautend tritt aber verſchie-
dentlich ſchwanken zwiſchen med, u. aſp. ein,


  • a) in der regel nicht bei den verbindungen nd. rd,
    welche von dh (ſtatt ndh) und rdh ſcharf abweichen
    beiſpiele: gandra (anſer mas) fandjan (ſcrutari) hand.
    land. rand. ſand. ſtandan. endë blind. bindan. hinder.
    vind. hund (canis) mund tutela); hëard. ëardjan (ha-
    bitare) ſacërd (ſacerdos) hirdë (paſtor) bord (margo)
    ſvëord (enſis) vord (verbum), auszunehmen: vurdon
    (fiebant) vorden (factus) neben vëordhan (fieri) vëardh
    (fiebat) welche anomalie völlig dem ſ. 160. in der note
    berührten ward, wurtun. wortan entſpricht.
  • b) in der verbindung ld ſcheint das urſprüngliche ld
    und ldh zuſ. gefloßen, da ich nicht nur: ëald, cëald,
    hägſtëald, hëaldan, gëld, mildë, hild (pugna) etc.
    ſondern auch: bald (audax) hald (acclivis) vild (ferus)
    gold. vuldor. hyld (favor) etc. alſo überhaupt kein ldh
    oder lþ weiter antreffe.
  • c) nach vocalen pflegt ſich dh gleichfalls oft in die
    med. d zu ändern, wie die vergleichung der übri-
    gen mundarten ergibt; eine feſte regel darüber läßt
    ſich nicht aufſtellen. Raſk bemerkt p. 67. 68. 71. daß
    cvëdhan, cvädh; ſnîdhon, ſnâdh; mîdhan, mâdh;
    ſëódhan, ſeádh; im pl. praet. und part. d annehmen:
    cvædon, gecvëden; ſnidon, ſniden; ſudon, ſoden;
    welches ſich der unter a) bemerkten anomalie vurdon,
    vorden anſchließt. Der Gothe bleibt ſtatt ſolches
    wechſels dem þ in dieſen wörtern durchgängig treu.
    Beiſpiele nicht dieſes, ſondern des organiſchen d ſind:
    hladan (ſtruere) fäder (pater) vëder (tempeſtas) god
    (Deus) âd (pyra) lâd (iter) dæd (facinus) ſæd (ſemen)
    mêd (merces) ſpêd (ſucceſſus) hêdan (cavere) fêdan
    (parere) vîd (amplus) tîd (tempus) blôd (ſanguis) mô-
    dor (mater) þëód (gens) reád (ruber) etc.

(þ. ð.) da für die aſp. zwei verſchiedene zeichen,
nämlich þ (th) und ð (dh) gelten, ſo muß auch ihre
[253]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
ausſprache unterſchiedlich geweſen ſeyn, obgleich die
labialreihe nur eine aſp. f. (kein ƀ) und die guttural-
ordnung gar keine aſp. beſitzt. Die hſſ. und drucke ver-
wirren þ und ð (wofür ich mich ungern der auflöſung
dh. bediene) in einem fort; dazu kommen übergänge
des dh. in die media. Offenbar lautete þ härter (beinahe
ths, thz), dh weicher (etwa ds, dz) und dem d ziem-
lich nahe; ich folge der aus der analogie des altſ. ent-
lehnten, übrigens auch von Raſk p. 9. angenommenen
regel, und ſchreibe im anlaut þ. im in- und auslaut
dh. Der anlaut þ darf nicht mit der med. verwechſelt
werden, der in- und auslaut dh hingegen iſt, nach dem
vorhin entwickelten


  • a) in den verbindungen dh (ſtatt ndh) und rdh nicht
    durch d oder rd auszudrücken; beiſpiele: ſvidh, cudh
    etc. (oben ſ. 244.) ëordhe (terra) vëordhan (fieri) vëordh
    (dignus) mordh (homicidium) furdhor (ulterius) etc.
  • b) die verbindung ldh iſt gänzlich abgekommen und in
    ld verwandelt; die urſprüngliche aſp. hatte wohl hier
    einen blöden laut, daher im nord. die völlige ver-
    wandlung des goth. lþ. in die gemination ll, und
    ſelbſt im angelſ. die form vildëór (fera) ſt. vild - dëór.
  • c) nach vocalen geht dh zuweilen in d über; aus den
    älteſten hſſ. müſten die fälle, wo dh. feſt ſteht und
    wankt, ſorgfältig geſammelt ſeyn, hier von vielen nur
    einige belege, welchen ein organiſches dh gebührt:
    ladhjan (vocare) hradhe (ſubito) ſtadhol (ſirmus) bädh
    (fons) pädh (callis) ſtädh (littus) ſcëádha (latro) lëdher
    (funis) fëdher (penna) gridh (pax) nidh (homo) nidher
    (deorſum) vidh (contra) tidha (compos) tidhjan (prae-
    ſtare) genidhlan (emollire) âdh juramentum) lâdh in-
    viſus) vrâdh (iratus) vædhjan (venari) êdh (facilius)
    hrêdher (mens) fêdha (cohors) mêdhë (feſſus) blìdhë
    (laetus) nîdh (malitia) lîdh (poculum) lidh (artus)
    brôdhor (frater) lëódh (carmen) ſeádh (puteus).

(Z) iſt kein angelſächſiſcher buchſtab noch laut; ſel-
ten ſchreiben ihn einzelne hſſ.; man ſehe Lye unter
bädzere, bäzere (baptiſta ſtatt bädhere, alſo die ausſpra-
che der aſp. dh. bezeichnend, welche gleich einem mil-
den ds lautet.


(S) die ausſprache war vermuthlich rein und von
dem ziſchlaut entfernt; erſt ſpäter ſeit der normäuni-
ſchen eroberung wurden mit fremden wörtern viele z
[254]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
in das engliſche eingeführt. Von den übergängen des
ſ in r vorhin ſ. 244. Beiſpiele des wahren ſ: baſu (coc-
cinum) naſu (naſus) vaſe (coenum) hliſa (fama) hruſa
(terra) häſel (corylus) blæſe (fax) flyſë (vellus) byſen
(exemplum) yſela (favilla) etc.


gemination der inlaute. (TT) häufig, beiſpiele oben
ſ. 233. hier noch andere: fät, fättes (craſſus) hvettjan
(acuere) mettën (parca) fittë (cantilena) mytta (modius)
ſcottas (ſcoti) etc. insgemein wird nach kurzem vocal
(wie im alth. aber ungefüger ƷƷ für Ʒ ſteht) oft gemi-
niert, z. b. mettas (cibi) vom ſg. metë, ſnottor (prudens)
hluttor (purus) bitter (amarus) und ſo in den ableitun-
gen -etta, -ettan, als: ämetta (formica) bilcettan (eruc-
tare) blicettan (coruſcare) etc. wo häufig richtiger ein-
faches t geſchrieben wird: metas, ſnotor, blicetan etc.
Verſchieden von der gemination tt iſt bei zwiſchenaus-
fallendem vocal die aſſimilation tt ſtatt -tid im ſchw.
praet. z. b. hâtte (vocabatur) mêtte (occurrit) für hâ-
tede, mêtede (goth. môtida), deagl. ſtatt -ttid, z. b.
onette (feſtinavit) ſette (poſuit) f. onettede *) ſettede;
vgl. über ähnliche alth. tt. oben ſ. 168. 198. — (DD)
dem alth. tt. parallel und im ganzen ſeltner als tt; bei-
ſpiele: bed, beddes. ved, veddes. ahreddjan (eripere)
gëddjan, giddjan (canere). midda (medius) þridda (ter-
tius) biddjan (rogare) invidda (doloſus) tuddor (proge-
nies). Im ſchw. praet. entſpringt dd. wiederum aus
zuſ. ziehung und iſt keine eigentliche gemination, vgl.
hêdde (cavit) fêdde (parturivit) genêdde (coëgit) lædde
(duxit) gebrædde (dilatavit) ſtatt hêdede, fêdede, genê-
dede, lædede. — (þþ.) ſo wenig als ff. wahre gemina-
tion, doch als aſſimilation nicht unhäufig, zumahl in
den partikeln oþþe (aut) und ſiþþan (poſtea) vgl. oben
ſ. 74; weiter in den ſchw. praet. cyþþe (nuntiavit) ge-
neþþe (audebat) ſt. cyþde (cyþede) geneþde (geneþede)
wie man daneben geſchrieben findet, von den inf. cyþ-
jan, geneþjan (alth. ginenden) man vgl. das altſ. td
(ſtatt thd) oben ſ. 219. Scheinbare gemination der aſp.
indeſſen kommt verſchiedenemahle nach analogie der
dd. in fällen vor, wo die einfache aſp. völlig hinreichte,
namentlich in der Par. beim pl. von nidh (homo)
nidhdhas, niþþas, niþþa, niþþum; ebenſo maþþum
(Bëov. p. 78. 80. 99. 163? dat. pl. von mädh). Daneben
[255]I. angelſächſiſche conſonanten. linguales.
oft das richtigere niþas, niþa, niþum; maþum finde ich
nicht, dagegen neben pädh, padhas das tadelhafte peþþ-
jan (callem facere). beßer pedhjan; ferner viþþe (lo-
rum) ſt. vidhje. Dies unorganiſche þþ. ðð hat mit dem
alth ff. ƷƷ. einerlei quelle. — (SS) außer der häufigen
bildung -niſſe ſind folgendes wahre geminationen: aſſa
(aſinus) näſſe (promontorium) hiſſas (juvenes) miſſjan
(errare) coſſas (oſcula) cnyſſjan (premere) etc. In an-
dern wörtern ſcheint ſſ. durch aſſimilation entſprungen,
als: liſſe (gratia, manſuetudo) aus lidhſe, das ſich da-
neben findet, von lidhſjan (miteſcere, von lidh, alth.
lind. mitis); bliſſe (gaudium) aus blidhſe, blîdhſe von
bliſſjan, blidhſjan (laetari, von blîdhe, laetus); bleſſjan
(benedicere. ſegnen) neben blêdſjan, blêtſjan (vermuth-
lich von blêd; fructus, ubertas, ſegen) þiſſe (huius f.)
aus þiſre; läſſa (minor) comp. von lytel; viſſe (novit,
gewöhnlicher doch viſte) aus vitede; miſſere (temp. ſe-
meſtre, annus) weiß ich noch nicht befriedigend zu er-
klären, es iſt das nord. miſſiri.


lingualverbindungen. 1) anlautende, die das gloſſar
näher weiſt; tr: trega (vexatio) trendel (orbis) trëdan
(calcare) trëóv (arbor) trëóvë oder trivë (fidus) trog (lin-
ter) trum (firmus) trymjan (firmare) trudh (tibicen) —
tv: tvâ (duo) tvîg (ramus) tvincljan (ſcintillare) — dr:
draca. drincan. dreám (jubilum) drëógan (tolerare) drih-
ten etc. — dv: dväs (hebes) dveljan (decipere) dvëorg
(nanus) dvînan (tabeſcere) — þr: þräc (robur) þrag
(curſus) þræd (filum) þreát (turma) þrëó (tria) þrì (tres)
þrîſtë (audax) þringan (premere) þroſm (vapor) þ ôvjan
(pati) þruh (loculus) þrim (cohors) — þv: þvang (cor-
rigia þvingan (cogere) þveán (lavare) dvëorh (curvus) —
ſc. ſcr. ſl. ſm. ſn. ſp. ſpr ſt. ſtr. ſv; alle häufig. —
2) inlautende: ſp. ſt, ſc; belege: äſpe. häſp. vliſp.
coſp. hoſp. hyſpjan (ſ. oben beim ps.) — braſtljan (cre-
pitare) þräſtjan (torquere) cëaſt (lis) cëaſter (caſtrum) eſt
(gratia) nëſt (nidus) reſtjan (quieſcere) miſt (nebula) viſt
(victus) viſtljan (ſibilare) miſtel (viſcus) þiſtel (carduus)
griſtel (cartilago) oft (ſquama) fôſtor (nutritio) muſt
(muſtum) ſvëoſtor (ſoror) þëôſter (obſcurus) etc. — aſce
(cinis) räſcetan (ſtrepere) dväſcjan (extinguere) äſc (fraxi-
nus) flæſc (caro) hneſc (tener) diſc. fiſc. viſcjan (optare)
âſcjan (poſcere) cûſc (caſtus) huſc (contumelia) merſc
(palus); zuweilen ſetzen ſich dieſe ſc. in x (cs) um,
z. b. hnexjan (mollire) âxjan, axe, frox (rana), flaxe,
fixas, tux (dens maxill.) für hneſcjan, âſcjan, aſce, froſc,
[256]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
flaſce, fiſcas, tuſc. — Uneigentliche verbindungen (wie
oben ls. ms. ns. vs) ſind ts, ds, dhs, z. b. blîdſjan,
mildſjan, blêdſjan, wofür man auch blìtſjan, miltſjan,
blêtſjan findet, zuweilen die aſſimilation ſſ (wovon vor-
hin), vielleicht mit verkürzung des voransſtehenden
langen vocals. Hier noch weitere belege: gîtſjan (con-
cupiſcere) metſjan (cibare) brŷ[t]ſan (fragmenta) unrôtſjan
(contriſtari); die vergleichung des alth. lehrt den aus-
fall eines vocals zwiſchen dem t der wurzel und ſ der
weiterbildung, mildſjan, metſjan würden alth. miltiſôn,
maƷiſôn (oder meƷiſôn) lauten. Ebenſo lehren ſn in
byſen (mandatum) räſn (laquear) die ſyncope im goth.
zn (oben ſ. 67.) —


(C. G. J. H. X.) gutturales.

(C) es wird c, nicht k geſchrieben (dieſes erſt ſpä-
ter oder einzeln in fremden wörtern, z. b. kâſere, cae-
ſar) aber k geſprochen. Vor a, o, u, â, ô, û und den
conſonanten l, n, r, v, hat das kein bedenken; vor ä,
e, ë, i, y, ëa, eá, ëo, ëó, ê, î, ŷ könnte man zwei-
feln, da


  • 1) das romaniſche c vor e, i, y ſpäter den ziſchlaut
    empfieng (vgl. oben ſ. 68. 180.) und zwar im franz.
    wie z (nämlich alth. Ʒ) im ital. wie tſch geſprochen
    wurde.
  • 2) die angelſ. wörter mit cë, ci, cy etc. gewöhnlich im
    engl. die ſchreibung ch und ausſprache tſch. bekom-
    men, vgl. cëaf, cîld, cîdan, cicen, ceác, cyrice etc.
    mit chaff, chìld, chìde, chicken, chèek, church.
  • 3) das frief. in gleichem falle tz, ſz, ſth, zeigt, z. b.
    tziáka (engl. chèek) tzurke, ſzurke, ſthërke (engl.
    church etc.)
  • 4) das ſchwed. kë, ki, ky, kä, kö, wie tje, tji, tjy,
    tjä, tjö, nach andern ſelbſt wie tſchë, tſchi, tſchy,
    tſchä, tſchö lautet, z. b. känna (noſcere) ſpr. tjänna
    oder tſchänna.
  • 5) die nordiſche (wenigſtens heutig-isländiſche) und dä-
    niſche mundart dem ë, e, i, y, ö, ſobald k voraus-
    ſteht, ein j, jene in der ausſprache, dieſe ſogar in
    der ſchreibung vorſchiebt, z. b. kenna wird isländ.
    kjenna geſprochen, dän. kjende geſchrieben, wie denn
    auch isländ, drucke deswegen kénna (Raſk: kènna)
    ſetzen.

Welche dieſer entſtellungen des reinen k-lauts wäre
nun auf den analogen angelſ. fall anwendbar? mit
[257]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
ſicherheit wohl keine. Als die Sachſen ſtatt der frü-
heren rune cên das lat. c zu ſchreiben begannen, galt
jene abänderung der ausſprache noch nicht, ſonſt wür-
den ſie nicht c, das in cirm (fragor) geziſcht hätte, in
can (novi) für den unbezweifelten k. laut angenommen
haben. In ſo früher zeit und noch lange nachher iſt
an keinen einfluß der franzöſ. ausſprache auf die angelſ.
zu denken. Die nord. ſprachen, und in ihrem heuti-
gen ſtande geſtatten keine unmittelbare beziehung auf
das angelſ.; bedeutender ſcheint der grund, welchen
die frieſ. und engl. ausſprache an hand gibt. Doch kön-
nen dies ſpäter eingetretene abweichungen ſeyn, zumahl
man ſie eben durch eine veränderte ſchreibung auszu-
drücken für nöthig achtete, denn hätte ſchon das angelſ.
c in gewiſſen fällen dem engl. ch gleichgelautet, ſo
würde ſich wohl die ältere ſchreibung behauptet haben.
Es iſt nicht einmahl ausgemacht, daß das heutige engl. ch
von jeher die ausſprache tſch. beſaß; vermuthlich lautete
es vorher milder, etwa wie ſch (unten ſ. 262. 266.) Hat ſich
nicht auch ausſprache und ſchreibung des alth. ſc. ſl etc.
allmählig in ſch. ſchl. verwandelt (oben ſ. 173. 174.) wer
wollte mit dem neuh. gebrauch den alth. früheren bewei-
ſen? Das mit den beſten angelſ. quellen gleichzeitige denk-
mahl der altſächſ. (weſtphäliſchen) ſprache bedient ſich
ſeltner des c als des k, aber einigemahl auch vor ë und
i; wollte man hier behaupten, daß in dergleichen fällen
c und k beide von dem reinen gutturallaut abgewichen
ſeyen, ſo würde aus der alliteration die beſte widerlegung
folgen, indem allenthalben z. b. gicoran, kuning, kêſer;
cuman, cnuoſle, kêſures; kind, kriſt; kind, kunnëas etc.
zuſammengefügt werden. Nun alliterieren aber auch in
den angelſ. gedichten z. b.: cymë (adventus): cräfta:
cûſcne; cyning: Caïnes; cyſt: cvëalm; cynna: cvice; Caï-
nes: cynne: cvëalm; cnëó: cenned; ceápas: cnôſle;
cëar: côlran (frigidiores); cen-þëc: cräfte: cnihtum;
cëalde: camp *) etc. Dieſer grund entſcheidet mir wider
die engl. ausſprache des angelſ. c vor ë, i etc., kein
dichter hätte ceáp zu cnôſl gebunden, wenn jenem der
laut des engl. cheap (oder ein anderer ziſchlaut, ds
oder das franz. z), dieſem der reine k laut eigen gewe-
ſen wäre. Freilich würde der alliteration die nord. oder
dän. ausſprache kjë, kji etc. nicht geſchadet haben
R
[258]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
und dieſe iſt es auch, welche Raſk p.8. für unſeren fall
behauptet *). Theils aber ſcheint ſie mir für die altnord.
quellen ſelbſt noch nicht genug erwieſen, theils fragt
ſich, warum die nord. analogie mehr als die goth. und
alth. gelten ſolle. Vorläufig lege ich alſo dem angelſ. c
überall und vor jedem vocal die ausſprache bei, welche
das alth., vermuthlich auch das goth. k gehabt hat; die-
ſer reine k laut trübte und wandelte ſich ſpäter in der
regel (doch mit vielen, ohne jenen urſprünglichen zu-
ſtand auch nicht wohl begreiflichen ausnahmen) in das
engl. ch. Hätte ſich früher das c in zwei ganz ver-
ſchiedene laute zerlegt, ſo dürfte man wenigſtens ein-
zelne ſpuren eines beſtrebens, dieſe verſchiedenheit zu
bezeichnen, in den hſſ. erwarten; namentlich hätte für
den ziſchlaut das nicht völlig unbekannte z zu gebot
geſtanden. Ich ſehe aber ſelbſt in fremden wörtern
durchgängig c geſchrieben, vgl. cëlendre (coriandrum)
cëllas (cellae) cërfille (cerefolium) cëderbeám (cedrus)
circol (circulus) citere (cithara); für creuz dient das ei-
gene wort rôd, dagegen wird crûcë in der bedeutung
von hydria gefunden. — Übrigens ſind die an- in- und
auslaute dieſer tenuis c ſo häufig, daß es keiner belege
bedarf. Vom übergang des c in h unten bei der ver-
bindung ht.


(G.) hier iſt der fall, wo es der goth. med. entſpricht.
von dem zu ſcheiden, wo es ſich aus dem j oder v
entwickelt.


  • I) eigentliche media; hier will Raſk wiederum die ana-
    logie des nord. anwenden und g vor e, i, y, weicher
    als vor a, o, u, nämlich wie gj geſprochen wißen **).
    Dies wird nicht einmahl durch die engl. ausſprache
    unterſtützt, welche das g in give, begin, geld, get
    dem in garden, god, good, gulf gleichhält. Der ge-
    wöhnliche laut der deutſchen med. muß noch viel-
    [259]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
    mehr im angelſ. gelten, wo g oft vor die diphth. ëa,
    eá, ëo, ëó zu ſtehen kommt; ich glaube nicht, daß
    man noch ein j dazumiſchen und z. b. gëalga, gëorn
    wie gjëalga, gjëorn ausſprechen ſoll. Auch in- und
    auslautend, namentlich in den verbindungen lg, ng, rg
    hat g die gemeine ausſprache, z. b. lang, langjan.
    Zweifelhaft ſind einige fremde wörter, namentlich
    ſpongëa (ſpongia) das als eingeführte ausländiſche waare
    die roman. ausſprache ſpondſia, gleich dem engl. ſpunge
    und altſ. ſpunſja (oben ſ. 211. 244.) gehabt haben mag.

Das inlautende g wird bei vorausgehendem kurzen
vocal und nachfolgender endung -en *) in einigen wör-
tern ausgeſtoßen, z. b. rën (pluvia) þën (miniſter) vän
(currus) gefrinan (fando audire) kaum in den älte-
ren denkmählern, welche die volle form rëgen, þëgen,
vägen, gefrignan ſetzen; doch ſteht auch im Bëov. ge-
frinan und ſonſt überall þinën (ancilla) ſt. des weit ſelt-
neren þignën (abgeleitet von þëgn, wie mennën von
man). Mägdh (virgo) wird in den jüngeren quellen
gewöhnlich zu mädh und mädhën (engl. maiden). Hin-
gegen ſchon in allen älteſten ſchwächt ſich das auslau-
tende g in h, ſobald ein langer vocal unmittelbar vor-
ausſteht (belege hernach beim h), wird jedoch inlautend
alsbald wieder zu g, vgl. beágas, hnigon etc. Zuweilen
ſetzt ſich gn in ng um, wie obiges gefrignan, gefrägn,
gefrugnen in fringan (?) frang (oder fräng) gefrungen.


II) uneigentlich ſtehet g


  • 1) ſtatt des j und zwar α) anlautend vor ë, i, ëa, ëo,
    ëó als: gë (vos) gët (adhuc) gëſe (immo) git (vos
    duo) giſt (fermentum) gif (ſi) gicel (ſtiria) gëa (ita)
    gëar (annus) gëó (olim) gëógadh (juventus) gëoc
    (jugum) gëólëca (vitellus ovi) gëóla (nord. júli) gëo-
    mor (moeſtus) gëonung (oſcitatio) gëong (juvenis)
    gëond (per, ultra) gëonre (illuc). Dieſes g ſteht
    nie unmittelbar vor a, o, u und deren doppelung
    (das obige eigentliche g allerdings, vgl. onginnan,
    ongan, ongunnon, gâd, gôd etc.) ſondern ein ë wird
    zwiſchengeſchoben, daher die alth. wörter jâr, jung:
    gëar, gëong lauten; vielleicht ſollte gëâr, gëóng ge-
    ſchrieben werden? Übrigens vgl. man ſ. 187. 188.
    R 2
    [260]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
    das aus dem alth. j ebenfalls vor ë und i entwickelte
    g. — β) inlautend kann g das j vertreten, wenn
    die liq. r. voranſteht (z. b. hergan, nergan, vergan
    ſt. herjan, nerjan, verjan) *) oder ſonſt wenn noch
    ein i dazwiſchen geſchoben wird. Das geſchieht
    namentlich gern in dem praeſ. ſchwacher conj. z. b.
    ëardige (habito) þëóvige (ſervio) ſtatt ëardje oder
    ëardie. Und da ëardige für ëardije ſteht, ſo ent-
    ſpringt hier genau beſehn das j unorganiſch, indem
    ſeine baſis i daneben bleibt, vergleichbar dem ſ. 188.
    beigebrachten alth. eigir (eijir) ſt. egir (ejir) und
    nicht unanalog dem unorganiſchen alth. iuw, ouw,
    angelſ. ëóv, ſtatt iw, aw, iv. Dieſe verwandtſchaft
    zwiſchen j und v wird ſich hernach noch weiter
    bewähren. Organiſch wären (wie gavi, nivis, ajis)
    nur die formen nerge (ſervo) ëardje, wogegen nerige,
    ëardige (wie gauwi, niuwis, eigis) überladen ſchei-
    nen. Seltner geht aus dem praeſ. die form -ig
    auch in den inf. über ëardigan, þëóvigan, oder gar:
    ëardigëan, þëóvigëan (ſt. des beßeren ëardjan); in
    letzterm fall wird das ableitungs i dreimahl ausge-
    drückt. Man muß übrigens dieſes g = j und -ig
    = ij von der wahren med. g in bëorgan, bëlgan und
    namentlich in den von adj. auf -îg geleiteten ver-
    bis unterſcheiden, z. b. ſyngjan (peccare) vêrgjan
    (laſſeſcere) ſârgjan (dolere) byſgjan (occupare) von
    den adj. ſynnîg (culpabilis, altſ. ſundîg) vêrîg (laſ-
    ſus, altſ. wuorîg) ſârîg (doloroſus, alth. ſêrag und
    im verb. ſêragên) etc. um ſo mehr als hier zuweilen
    die endung -îg hervortaucht, z. b. vêrîgëan (= vêrg-
    jan) ſteht, welches mit jenem ëardigëan zufällige
    ähnlichkeit erhält; wollte man den unterſchied zwi-
    ſchen îg und ig hier nicht mehr anwenden; ſo ſon-
    dert ſich doch die conjugationsendung in beiden wör-
    tern ganz abweichend: vêrîg-je, vêrîg-e (laſſeſco)
    ëard-ige (habito) — γ) in- und auslautend ent-
    ſpringt g aus dem vocal i in folgenden wörtern:
    äg (ovum) gen. äges **) big (praep.) drig (aridus)
    [261]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
    gen. driges. frig (liber) hig (illa, illi) glig (ludus,
    jocus) ig (inſula) ig-däges (eodem die) ſig (ſit) tvig,
    Par. 49, 10. in der bemerkenswerthen ſtelle: mid
    unc tvig (ſt. tvâm oder tvêgen) vig-bed (altare).
    Wie das letzte wort kommen auch die übrigen mei-
    ſtens in zuſ. ſetzungen, als: big-ſpëll, big-cvid,
    ig-land, frig-man etc. vor, im eigentlichen aus-
    laut hingegen entw. ein langes î (bî, frî, hî, ſî)
    oder der diphth. ëó (frëó, hëó, ſëó, glëó) und ſelbſt
    in der zuſ. ſetzung ëó-land, vëófod ſt. igland, vig-
    bed. Hiernach ſcheinen mir beide formen aus einem
    urſprünglichen kurzen i zu fließen (vgl. oben ſ. 93.)
    das ſich mit der zeit entw. in î verlängerte (und
    aus î = ii wurde dann ig = ij) oder in iu = iv
    wandelte, iu aber bekanntlich im angelſ. in ëó.
    Wir treffen alſo wieder auf die parallele zwiſchen
    ig (ij) und iv. ſì. ſig rechtfertigt ſich durch das
    goth. ſijái, hig durch das goth. ija. Neben glig-
    finde ich in der compoſition gliv-, glëó-, glî- und
    ſt. nëóv (novus) ebenfalls niv- und nig- (z. b. nig-
    cuma, advena).
  • 2) daß g = j ſich mit dem v berühre, wurde ſo eben
    gewieſen; es ſind noch einige fälle, wo g das v
    vertritt, ohne daß j ins ſpiel kommt, d. h. fälle, in
    welchen g auf ein urſprüngliches u bezogen wer-
    den muß. So entſpricht græg (canus) gen. græges
    dem alth. grâo, grâwes; analog ſchiene clæg (lutum),
    da auch im engl. beide zu gray und clay werden.
    hväg (ſerum lactis) cäg (clavis) engl. key, whey,
    mögen kurzes ä haben; inſofern neben ſchlüßel
    auch ſchon die bedeutung von verſchluß, ſeptum,
    gilt, ſteht das franz. cage und lat. cavea (käfig) zu
    vergleichen *). cigan (vocare) iſt das ſeltne alth. ge-
    këwen (T. 141.) **). Ob ſich das g in nigon (no-
    vem) aus dem u in iu (goth. niun) deuten läßt? es
    ftünde für nëón, nëvon, nivon, wie vorhin nig-
    gleichgeltend mit niv-. Auch noch in andern wör-
    tern wechſeln g und v, wie in hvëógol und hvëo-
    **)
    [262]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
    vol (rota); vgl. eávjan mit dem goth. augjan und
    den übertritt der angelſ. formen: ſorg, morgen,
    fylgjan, hergjan, mëarh in die engl. ſorrow. mor-
    row, fellow, harrow, marrow. Steht doch ſelbſt
    das alth. crâju hârir (gl. jun. 198.) dem angelſ. græg
    analog für grâwu, man müſte denn -ju für die
    flexion (crâ-ju ſt. crâw-ju) nehmen. —

(CH) dieſe aſp. geht ab, wie im goth. und lîcho-
ma, fläſchoma (beide: corpus) wird man nach ſ. 198. 219.
zu beurtheilen wißen.


Hier eine allgemeinere bemerkung: es iſt auffallend,
daß der dem hochd. organ ſo geläufige ziſch- und
aſpirierte kehllaut im niederd. und faſt auch in den
nord. mundarten beinahe gebrechen. Sollte ſich die
lücke in dem lautvermögen, zu welchem jeder glücklich
gebildete dialect berechtigt und geneigt ſcheint, viel-
leicht dadurch hergeſtellt haben, daß die ſächſ. und nord.
kehllante c und g unter gewiſſen umſtänden (nämlich
bei folgendem e, ë, i) in den ziſchlaut ſchwanken, wäh-
rend ſie (bei folgendem a, o, u) ungetrübt bleiben? Von
dieſer ſpaltung des k und g in den reinen und getrüb-
ten laut weiß nämlich die hochd. mundart durchaus
nichts; die ſonſtige berührung des hauch- und ziſchlauts
ließe ſich aber dabei anſchlagen (vgl. ſ. 164. 194.) und
die veränderung des lat. c und g in den ziſch- oder
wenigſtens zungenlaut romaniſcher ſprachen nicht über-
ſehn. In der engliſchen. frieſiſchen und ſchwediſchen
hat ſich die erſcheinung am ſtärkſten entwickelt *).


Ohne zweifel aber erſt ſpäter und ſehr allmählig;
im älteſten angelſ. galt nach dem vorhin bei c und g
gezeigten überall noch die reine ausſprache der ten. und
med., um wie vielmehr im gothiſchen; das übrige nie-
derd. und niederländ. hat ſie ſich bis auf heute erhalten.
Das angelſ. hingegen mag ſchon im 10ten oder ſicher
11ten jahrh. gleich nach der normänn. eroberung den ziſch-
laut und vielleicht anfänglich ſtatt ſeiner die kehlaſpiration
begonnen haben. Lyes wörterbuch liefert die beiſpiele
chêce oder auch chieke (mala) chîdan (increpare) chinnë
(mentum) chorl (ruſticus) ſt. ceac, cîdan, cinne, cëorl;
[263]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
ohne nähere angabe der quellen und hſſ. aus welchen
ſie entnommen ſind; auf genaue zeitbeſtimmung käme
es hier vor allem an, ſchwerlich reichen dieſe formen
über das 10te jahrh. zurück, ſie ſind vorlänfer der im
12ten entſchiedenen engl. cheek, chide, chide, chin,
churl. Als die ausſprache ch in th, tſh übergieng,
wurde die alte ſchreibung beibehalten. So hätte ſich
alſo eine der alth. afp. ch. vergleichbare angelſ. afp. in
der letzten zeit dieſer mundart hervorgethan, vermuth-
lich auch jenes chinnë dem alth. chinni nicht ungleich
gelautet, ſo ganz verſchieden immer in beiden ſprachen
der grund ſolcher aſpiration geweſen wäre. Das alth. ch
tritt allgemein an die ſtelle des k (wie f und z an die
des p und t); hier im angelſ. hängt die einführung des
ch von dem auf c folgenden ë oder i ab, woneben p
und t ungeſchmälert fortbeſtehn, ſo daß ch dem f un-
parallel und z nicht vorhanden iſt. In der ausſprache
näherte ſich aber die ſchreibung ch bald dieſem z und
ſtellt gewiſſermaßen beide alth. laute dar:


Ganz verſchieden von dieſem ch iſt das ſchon in
den älteſten quellen vorhandne hh (wovon unten bei
den geminationen).


(I) wird in den hſſ. durch das vocaliſche i ausge-
drückt und geht häufig in g über, welches letztere im
ſchriftzug oben offen und dem goth. j ähnlicher iſt, als
dem goth. g.


  • 1) anlautend findet es ſich nur zuweilen neben der ge-
    wöhnlicheren ſchreibung g, vgl. jâ (immo) jëó (un-
    quam) jët (adhuc) joc (jugum) jugudh (juventus)
    jung (juvenis) ſtatt gëa, gët, gëógudh, gëóng.
  • 2) häufiger nehme ich das inlautende j an, z. b. in her-
    jan, nerjan, belgjan, ſyngjan etc. theils nach analo-
    gie des goth. theils jenes übertritts in die noch här-
    tere med. g. wegen. Doch mag mitunter der ur-
    ſprüngliche vocal i vocaliſch, alſo herian dreiſilbig
    geſprochen worden ſeyn, zumahl wenn c oder g vor-
    ausgiengen, weil ſich dann gewöhnlich die ſonſtige
    abſchwächung des i in ë einfindet, als: þencëan, bel-
    gëan. Daß dies in den übrigen fällen nicht ſo leicht
    geſchieht, iſt eben ein grund für das conſonantiſche
    j. —

(H) ſowohl organiſch als unorganiſch, nämlich das
auslautende zwar keiner vermengung mit der auslau-
[264]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
tenden ten. ausgeſetzt (ſondern ic, eác, lîc, bôc unter-
ſchieden von fâh (varius) heáh, ſëah etc.) wohl aber
die auslautende med. erſetzend, ſobald â, eá und ô vor-
angeht. Beiſpiele: hnâh. ſâh. ſtâh praet. von hnîgan,
ſìgan, ſtìgan; beáh (corona) deah (tinctura) leáh. fleáh.
dreáh. vreáh, praet. von lëógan, flëógan; þvôh, ſlôh,
hlôh praet. von þvëan, ſléan, (wiewohl auch ſchon
dieſes f. þvëahan geſetzt iſt) hlëahan; genôh (ſufficiens).
Ob es noch vor andern langen und kurzen vocalen ge-
ſchieht, z. b. tvîh (ramus) f. tvîg ſtehet, weiß ich
nicht; ich finde þrah (curſus) neben þrag. Einigen auf-
ſchluß über dieſes h ſtatt g gibt das um ſich greifen
des auslauts g ſtatt j oder v, doch keinen zureichen-
den, da ſo viele organiſche g, zumahl nach kur-
zem vocal bleiben, z. b. däg, mäg etc. Richtiger
ſcheint es, dieſes h nicht als eine ſteigerung, ſondern
als eine minderung des kehllauts zu betrachten und der
nord. apocope deſſelben in demſelben fall gleichzuſetzen
(hnê, ſtê, ſê, ſlô, drô für hneig, ſteig, ſeig, ſlôg,
drôg). Übrigens ereignet ſich die verwandlung des g
in h verſchiedentlich auch bei vorausſtehendem 1 und
r, als: fëalh (occa) bëorh (mons) burh (arx) mëarh
(medulla) hëarh (delubrum) etc.; inlautend aber fëalge,
bëorge. In hinſicht des organiſchen h iſt zu merken


  • 1) es fällt in- und auslautend zuweilen aus, vgl. þîſel
    (temo) fëo (pecunia) blëo (color) ſt. þîhſel, fëoh,
    blëoh. ferner: ſlëan, þvëan, ëa (aqua) f. ſlëahan,
    þvëahan, ëah. andëttan (fateri) mag mit vocalkürzung
    aus and-hætjan abſtammen.
  • 2) vor t wandeln ſich ten. u. med. in h, vgl. vehte,
    mëahte, rôhte, ſôhte ſt. vecide, magide, rêcide, ſêcide.
  • 3) zwiſchen h und v kein ſolcher wechſel, wie im altſ.
    (ſ. 221.) ſondern die endung v bleibt in cnëóv, cnëóves,
    frätuv, frätves (tapes). —

gemination inlautender gutturales.

(CC) die verdoppelung der org. tenuis, beiſpiele:
ſacc, ſacces. hracca (occiput) hnecca (cervix) reccan (ex-
ponere) ſtreccan (extendere) dreccan (vexare) feccan (ad-
ducere) veccan (excitare) vreccan (expellere) vrecca (ex-
ſul, miſer) þicce (frequenter) vicce (venefica) viccjan
(faſcinare) cviccjan (vivificare) tviccjan (vellere) ticcën
(hoedus) ſticca (baculus) docce (lapathum) pluccjan (vel-
lere) ſcucca (daemon) läccan (prehendere) väcce (vigilia)
hväcce (arca) väccer (alacris). — (GG = CG) die gemi-
[265]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
nation der med. wird in den älteſten hſſ. mit cg, zu-
weilen und ſpäter mit gg ausgedrückt; belege: ecg
(acies) mecg (vir) *) ſecg (nuntius) ſecg (carex) **) vecg
(cuneus) ſlecg (mallens) hecge (ſeptum) lecgan (ponere)
ſecgan (dicere) vecgan (agitare) licgan (jacere) vicga
(blatta) eár-vicga (blatta forficularis) fricgëan (interro-
gare) bycgan (emere) brycg (pons) hycgan (moliri) hrycg
(dorſum) mycg (culex) etc. — Beide geminationen cc
und cg dürfen nicht verwechſelt werden, wiewohl es
in ungenauen hſſ. geſchieht; cg (gg) entſpringt überall
aus einem gewöhnlich wegfallenden ableitungs-i, das
heißt ſecg ſtehet für ſegi, lecgan f. legjan, hrycg f.
hrygi, weshalb das a und u der wurzel auch jederzeit
in e und y umgelautet iſt. cc muß meiſt ebenſo erklärt
werden, doch nicht immer, wie die wörter ſacc und
ſcucca beweiſen. Nach und nach nimmt der gebrauch
beider geminationen zu, z. b. findet ſich viggend oder
vicgend (militantes) f. das ältere und beßere vigend;
tadel verdient die gem. wenn kein vocal vorauεgeht,
z. b. hrincg ſt. hring (doch vgl. unten das frieſ. ns ſtatt ng).


Übrigens entſpricht materiell cc dem ſtrengalth. cch
und otfried. kk; cg aber dem ſtrengalth. kk und otfr.
gg. Formell gleicht die bildung cg jenem cch in ſofern,
als ſtatt der wahren gemination eine verbindung der
ten. mit der med. oder aſp. vorgegangen iſt; man halte
auch beide zu dem ſ. 148. 168. angegebenen td, pb,
ſtatt dd und bb. Da unter zwei geminierten lauten der
vorſtehende ſtärker iſt und der zweite nur nachhallt, ſo
muſte dies verhältniß, ſobald eine media geminiert, leicht
dahin führen, die erſte derſelben durch die ſtärkere ten.
zu bezeichnen, bei pp. cc. tt. gieng etwas ähnliches
nicht an. Zugleich lehrt es uns, daß in dem angelſ.
cc. und cg. reine kehllaute ausgeſprochen wurden und
ſo wenig als bei dem einfachen c und g an aſpiration
oder ziſchlaut gedacht werden darf. Die hiſtoriſche
verfolgung dieſer laute bis zur heutig-engliſchen aus-
ſprache beſtätigt das vollkommen, nämlich im altengl.
wird das angelſ. cc entw. zu kk, ck (inſofern es auslau-
[266]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
tet, als neck, ſack, rack, thick, quick, chick) oder zu
cch (wenn ein ë, i folgte, weil ſich vor dieſen dünnen
conſ. jedes c in ch wandelt, z. b. fecche, wrecche,
cacche, wacche, kycchen) — das cg hingegen überall
zu gg. vgl. legge, ligge, hegge, egge, rygge, brygge. Ver-
muthlich haben hier noch che und ge, gleich den an-
lauten, anfänglich gutturale ausſprache und lauteten der
ſchreibung gemäß: fec-che, bryg-ge. Allmählig aber
nimmt che und ge eine beimiſchung des linguallauts an
und das vorſchlagende c verkehrt ſich dann in t, folg-
lich das g in d; ſo entſpringt aus cch das engl. tch
(ſprich tſch, z. b. fetch, wretch, catch, watch, kitchen,)
aus gg das engl. dg (ſprich dſch: edge, hedge, bridge).
Die ganze entwickelung gehört erſt folgenden perioden
an, muſte aber vorlaufen, um die angelſ. ausſprache der
geminierten kehllante zu beſtimmen und ſelbſt die oben
vorgetragene der einfachen zu beſtätigen. Sie gereicht
auch zum erweis, daß der veränderten ausſprache nach
und nach, doch langſam, veränderte ſchreibung zu fol-
gen pflegt *). — (HH) findet nur in wenigen, hanpt-
ſächlich folgenden wörtern ſtatt: tiohhjan oder tëohhjan
(ſtatuere, reputare) hlihhan (ridere) cëahhetan (cachin-
nari) genëahhe (ſuſſicienter). Neben letzterm wird aber
auch genëahe und ſtatt hlihhan gewöhnlicher hlëhan,
hlëahan, hlëan geſchrieben. Vergleicht man ferner das
goth. hlahan und ganah (ſufficit), ſo ergibt ſich, daß
dieſes hh keine aſpiration des c, folglich kein ch, ſon-
dern eine unnöthige gemination des h ſey, die mit dem
alth. hh (verſchieden von ch oben ſ. 185. 194.) inſo-
fern dieſes zuweilen auch das inlautende h. vertritt
(oben ſ. 189.) gleichen anlaß hat. Das häufige tëohhjan
iſt nichts anders als das mittelh. zëchen, welches zwar
auf rëchen, brëchen reimt, allein kein aus k entſprin-
gendes ch beſitzt, folglich alth. zëhhjan oder beßer
zëhjan lanten würde. —


gutturalverbindungen

  • 1) anlautende. cl. cn. cr. cv. für letzteres zuweilen cu,
    aber erſt ſpäter, beim übergang ins altengl. qu geſchrie-
    ben; ſtatt cvu und cvy wird cu und cy geſetzt **),
    [267]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
    vgl. cumen (part. von cviman) cuma (hoſpes) cymë
    (adventus) und bald ſelbſt im inf. cuman und im
    praet. com ſt. cvom; ungewöhnlicher iſt cuc oder
    cvuc, f. cvic (vivus) überhaupt vor dem ſtatt i ge-
    ſchriebenen y bleibt cv beſtehn, z. b. cvydan, cvyrn,
    cvylm ſtatt cvidan, cvirn, cvilm. gl. gn. gr. zu gn
    folgende belege: gnagan (rodere) gnät (culex) gnëdhen
    (frugalis) gnîdan (fricare, verſchieden von cnëdan,
    depſere) gnornë (moeſtus). Von hl. hn. hr. hv. führe
    ich aus Lye die wichtigſten beiſpiele an: hladan (hau-
    rire) hlæder (ſcala) hläſt (onus) hlâv (agger) hlâf (pa-
    nis) hland (lotium) hleápan (ſalire) hlëahtor (riſus)
    hlëor (gena) hlëov (umbraculum) hlëótan (ſortiri)
    hlëódhor (oraculum) hlid (tegmen) hlifjan (eminere)
    hlinjan (recumbere) hliſa (fama) hlot (ſors) hlôdh (praeda)
    hlovan (mugire) hlùd (ſonorus) hlùtor (limpidus) hly-
    ſtan (audire) — hnäp (calix) hnäppjan (dormire) hnæ-
    gan (hinnire) hneáv (tenax) hnecca (cervix) hneſc
    (mollis) hnîgan (inclinare) hnîtan (cornu petere) hnit
    (lens, -dis) hnol (vertex) hnut (nux) hnygele (tomen-
    tum) — hraca (guttur) hracca (occiput) hræd (velox)
    hräfn (corvus) hrägl oder hregël (amiculum) hræv (ca-
    daver) hrâgra (ardea) hradhe (ultro) hreác (ſtrues)
    hrëod (arundo) hreddan (eripere) hrëman (clamare)
    hrëóh (turbidus) hrëôp (clamavit) hrëóſan (cadere)
    bord-hrëodha (teſtudo) hrëóvan (poenitere) hrêran
    (agitare) hrêdher (pectus) hrycg (dorſum) hriddel (cri-
    brum) hrif (uterus) hrìm (pruina) hrìnan (tangere)
    hring (circulus) hriofol (lepra) hriſel (radius textorius)
    hridhjan (febricitare) hrôc (cornix) hrôf (culmen)
    hrodher (bos) hruſa (terra) hryrë (ruina) u. a. m. —
    hväl (balaena) hväm, hvämmes (angulue) hväſtrjan
    (ſtrepere) hvät (ſtrenuus) hvät (quid) hvætë (triticum)
    hvëorfan (abire) hvëarfjan (vertere) hvêlan (putreſcere)
    hvëlp (catulus) hvëodha. hvidha (aura lenis) hver (le-
    bes) hvîl (tempus) hviſprung und hviſtlung (ſuſurrus)
    hvîtë (albus) hvitel (cultellus) hvôſta (tuſſis) hvrädl
    (fibula) u. a. m.
  • 2) in- und auslautende. x ſtehet a) organiſch für hs:
    ëaxl (humerus) fëax (coma) lëax (ſalmo) ſëax (culter)
    flëax (linum) vëaxan (creſcere) vëax (cera) ſëx (ſex)
    mëox, mix (ſtërcus) nëxt (proximus) lox (lynx) oxa
    (bos) byxën (buxeus) b) unorganiſch ſowohl für ſc:
    fix (piſcis) tux (dens) ryxa (ruſcus) etc. (vgl. oben
    ſ. 255.) als das umgekehrte cs und ſelbſt gs, z. b. ëax
    [268]I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
    (ſecuris) rîxjan (regnare) axe (cinis) lixan (fulgere)
    für aces, rîcſjan, aſge, ligſan. Gewöhnlich gründet
    ſich die form cs und gs auf eine ſyncope, vgl. egſa
    (timor) ſt. egëſa. Wie das x in nëorxena-vang (pa-
    radiſus) und ëolux-ſecg (papiluum? papyrio, ſchilf)
    zu deuten ſey, hängt von der aufklärung dieſer dun-
    keln wörter ab *)ht. ſaht (reconciliatus, nord.
    ſàttr) ſahtljan (pacare) ehtjan (perſequi) lëóht. bëorht.
    cniht. riht. pliht. ambiht. niht. fliht (volatus) viht.
    dihtan (conſtituere) ſtihtjan (diſponere) tihtan (inci-
    tare) tihtljan (accuſare) drihtën. geniht (abundantia)
    brohte. dohtor. —

Schlußbemerkungen. 1) aſſimilationen ſind ſ. 250. 254.
255. erwähnt. 2) die negation në wird mit dem unmittel-
bar folgenden gangbaren pronomen oder der partikel oder
dem hülfaverbum, inſofern dieſe auf einen vocal anlau-
ten, zuſammengezogen, als: nic, nis, nân, nænëgl, nä-
fre ſt. në ic, në is, në ân, në äfre. Das gleiche ge-
ſchieht bei den mit den ſpiranten h. und v. beginnen-
den hülfsverbis: habban, vëſan, villan, vitan; es heißt
demnach: nabban, näs, næron, nillan, nolde, nitan,
nât, niton ſt. në habban, në väs, në væron etc. Dieſe
contraction iſt dem wohllaut förderlich und erinnert an
das völlig analoge lat. nolle und nemo f. ne-velle (vgl.
nequeo, neſcio) und ne-homo. Vor andern wörtern
geht ſie aber nicht an, z. b. ne vëard, ne vurdon, ne
[269]I. altfrieſiſche vocale.
vorhton zieht ſich keineswego zuſ. in nëard, nurdon,
norhton. Statt nillan, nitan wird meiſtens nyllan, nytan
geſchrieben, jenes ſcheint mir doch richtiger.


Altfrieſiſche buchſtaben.


Die aufſtellung der altfrieſiſchen mundart muß ge-
gen die zeitfolge anſtoßen und nachdem alth. altſ. an-
gelſ. quellen des 8ten, 9ten und 10ten jahrh. abgehandelt
worden ſind, ja während weiter unten erſt mittelh. und
altengl. des 12ten, 13ten vorkommen, hier ſchon einge-
ſchaltet und auf denkmähler geſtützt werden, welche
dem 13ten und 14ten zugehören. Leider mangeln ältere;
die jüngeren aber ſind dazu ſparſam vorhanden, uncri-
tiſch herausgegeben, und die unterſuchung der frieſ.
buchſtaben ſcheint mehr als einer bedenklichkeit ausge-
ſetzt. Doch überwiegt dieſe die doppelte erwägung,
theils daß die frieſ. gleich der nord. ſprache langſamer
entwickelt wurde und gehaltener blieb, als jene anderen
mundarten, folglich ſpätere urkunden dieſer beiden dem
früheren zuſtande jener factiſch nahe ſtehen, theils daß
die frieſiſche mundart gerade den übergang zwiſchen der
ſächſ. und nordiſchen ausweiſt. Zur leichteren verſtänd-
niß des ganzen muß darum das frieſiſche überall dieſe
ſtelle einnehmen. Die beinahe einzigen, zugänglichen
quellen von bedeutung ſind die brocmer willküren und
das aſegabuch.


Altfrieſiſche vocale.


Sie liegen zwiſchen den alt- und angelſächſiſchen
und nach der analogie dieſer ſind die gänzlich man-
gelnden vocalzeichen auch hier anzuſetzen.


(A) wie im angelſ. beſchränkt, doch etwas weniger,
indem zwar dem ä ein e, dem ëa meiſtens das gewöhn-
liche a entſpricht, wogegen aber o ſtatt a weiter um-
greift. Das reine a ſteht 1) in den flexionen -a, -ar etc.
2) vor den geminationen und verbindungen mm. nn. pp.
bb. tt. dd. kk. gg. mp. mb. nt. nd. nk. ng, als: lappa.
gabbja. kamp. hand. land. and. fang. ſwang. branga;
häufiger wird es jedoch in dieſen fällen zu o, wiewohl
das urſprüngliche a an dem umlaut e (kempa, henſza)
zu erkennen iſt. 3) vor ll. lp. lv. lt. ld. lk. lg. ls, x
und cht (wo überall ein angelſ. ëa gilt), als: all. halp.
halv. halt (claudus) ſkalt (debes) halda. ſkalk. galga. hals.
[270]I. altfrieſiſche vocale.
fax. ſax. achta etc. Hier haftet a feſt und ſchwankt
nicht in o über. 4) vor einfacher conſonanz und dar-
auf folgendem vocal nur wenn die wurzel nicht einſilbig
und dadurch des e fähig geworden, denn ſonſt bleibt
das e, obſchon ein flexionsvocal wieder anſtößt; die
ſchöne angelſ. abwechſelung zwiſchen ä und a (oben
ſ. 224.) findet nicht mehr ſtatt. Beiſpiele des noch ein-
tretenden a ſind: claga, maga (ſtomachus) latha (invitare)
makja. gadur (ſimul) wapul (ſcatebra) walu (baculus, wo-
her walubora, ſtabträger, pilgram) fara etc.


(E) vieldeutiger, als in irgend einer andern deut-
ſchen mundart *), ſowohl e als ë bezeichnen doppeltes.


  • I) e nämlich 1) den gewöhnlichen umlaut des a, z. b.
    weldech (potens) fenne (palude) brenſza, fenſza, leng
    (diutius) betera, endë, lemithe (debilitatio) weddja,
    meldja, mentlar, eſnë (ſervus) beſma etc. 2) das angelſ.
    ä und zwar ohne rückkehr des urſprünglichen a, wenn
    dem conſ. ein vocal folgt, es heißt z. b. dei (dies)
    bek (dorſum) und im pl. degar, degum, bekum, nicht
    dagar, dagum, bakum. Weitere beiſpiele: hef (mare)
    jef (dedit) ſtef (baculus) et (praep.) thet. weter (aqua)
    wet (udus) bed (petiit) feder (pater) reth (rota) ſmek
    (guſtus) ſlek (ictus) bifel (juſſit) pel, pelar (palus) ſmel
    (vilis) etc. Außerdem tritt daſſelbe e vor den ver-
    bindungen rl. rm. rn. rp. rv. rt. rd. rk. rg. rs ein, wo
    im angelſ. ëa gilt, als: kerl (n. pr.) erm (brachium)
    erma (pauperes) bern (infans) berd (barba) merk (mar-
    ca) erg (piger) gers (gramen) **). Vermuthlich war,
    wenigſtens früher, dieſes e von dem unter 1) ange-
    führten in der ausſprache unterſchieden, wie im an-
    gelſ. ä von e; ſo lange ſich aber ein beſtimmter be-
    weis dafür nicht führen läßt, wage ich keine äußer-
    liche unterſcheidung beider e vorzuſchlagen ***).
  • II) ë bedeutet wiederum 1) das altſ. ë, folglich das an-
    gelſ. ë und ëo, namentlich vor den verbindungen
    mit l und r, als: hëlpa, dëlva, ſëlva, ſkëld, ſëlover
    (argentum) mëloc (lac) ërva, hërte, ſtërt (cauda) ërthe
    (terra); aber auch ſonſt und zum theil da, wo die
    übrigen ſprachen das alte i erhalten: ſënd (ſunt) jëva
    (donum) bëdum (precibus). 2) das altſ. oder alth.
    kurze o, folglich das goth. bald aú, bald u, z. b.
    ëme (avunculus) gërdel (cingulum) hërne (angulus)
    thërp (villa); hauptfälle ſind die pl. praet. und part.
    praet. ëpen (apertus) bëren (natus) ſwëren (juratus)
    këren (electus) urlëren (perditus) bëdon (obtulerunt,
    verſch. von bêdon petiverunt) bëden (juſſus) bilëken
    (clauſus) bi-nëten (benutzt) ſkëten (percuſſus) etc.
    Dieſe erſcheinung erläutert die nahe berührung der
    goth. aí, aú, u, der angelſ. ë, ëo, o ſo wie die ſon-
    ſtigen übergänge zwiſchen ë und o (ſ. 82. 83. 227.) *). —
    3) endlich vertritt ë das angelſ. y und iſt umlaut des
    e; vgl. rëg (dorſum) këru (lex) ſpëra (inveſtigare)
    nëttë (utilis) mënotêre (monetarius) brëgge (pons)
    ſtëmplinga (truncatio); hierfür wird aber auch i ge-
    ſchrieben: brigge (pons) kining (rex) etc. worüber
    man die bemerkung zum angelſ. y ſehe.

(I) dem kurzen i der übrigen ſprachen gleich und
oft in ë ſchwankend; fehlerhaft zuweilen ſtatt des um-
lauts e geſchrieben. Zuweilen noch das alte i ſtatt des
ſpätern ë; vgl. ita (edere) ivin (planus) irtha (terra)
wike (hebdomas). — Daß i auch das angelſ. y vertritt,
wurde eben angemerkt.


(O) von doppelter art I) den reinen a-laut in den
dort unter 2) angegebenen fällen vertretend, z. b. hond.
brond. lond. ſtonda. gonga. long. thonk. ſponne. monna
(virorum) ponne (pfanne) bonnar (interdicta) etc. zuwei-
len auch in dem 4ten fall des a, z. b. lom (claudus)
noma (nomen) homer (malleus) homelja (debilitare) fona
(vexillum) bona (occiſor) hona (gallus) fovne (femina,
angelſ. fämne) noſe (naſus) onkel (talus). II) das ge-
wöhnliche o in: god (Deus) boda (nuntius) top (cirrus)
[272]I. altfrieſiſche vocale.
bold (domus) gold. folk. forma (primus) morth. etc.
Man beachte boda neben jenem bëdon und bëden, in
dem ſubſt. hat ſich die ältere form geſichert und offen-
bar lauteten jene früher bodon, boden; neben walu-
bëra kommt walu-bora vor.


(U) in der regel das organiſche kurze u, zumeiſt
vor liquiden geminationen und verbindungen, als: ſunna.
bewllen (maculatus) pund. grund. efunden. bunden.
tunge, burnen (uſtus); einigemahl vertritt u ſogar a in
dieſen verbindungen, vgl. gunga, und-, ſtatt ganga,
and-.


(AA) bedeutet zweierlei; gewöhnlich


  • 1) das goth. áu, angelſ. eá und dient der betonung des
    letztern zum erweis; begegnet alſo dem alth., altſ. und
    angelſ. â durchaus nicht. Belege: dâd (mors) âge
    (oculus) hâgera (altior) bâm (arbor) ſtrâm (flumen)
    tâm (ſoboles, angelſ. teám) lân (merces) hâna (laeſus,
    miſer) frâna (praeco, judex) kâp (emtio) hlâpa (cur-
    rere) hâp (acervus) âre (auris) kâs (elegit) lâs (ſolu-
    tus) âſter (in oriente) blât (nudus, pauper) nât (ſo-
    cius) grât (magnus) flât (fluxit) râva (rapere) dâvja
    (ſurdeſcere) hâved (caput).
  • 2) ſeltner entſpricht es dem angelſ. â und goth. ái, wo-
    für ſonſt meiſtens ê gilt. Belege: mâ (magis) hâgon
    (habeant) lâra (doctrina) mâra (major) frâſa (periculum)
    flâſk (caro) âthom (gener) clâthar (veſtes) twâm (duo-
    bus) lâva (reliquiae).

Dieſe vereinigung des goth. áu und ái in dem frieſ.
â paralleliſiert ſich der des goth. aú und aí in dem
frieſ. ë.


(EE) bezeichnet fünf doppellaute


  • 1) = angelſ. æ, goth. ê, alth. â. dêd (facinus) mêg (affi-
    nis) rêd (conſilium) ſlêpa (dormire) vêpen (arma) hêr
    (crinis) jêr (annus) wêr (verus) ſvês (proprius) lêta
    (ſinere).
  • 2) = angelſ. ê (umlaut des ô) glêd (ignis) ſêka (quae-
    rere) fêla (ſentire) kêla (refrigerare) dêma (judicare)
    kêma (queri) ſêna (reconciliare) grêne (viridis) dên
    (factum) dêth (facit) bêta (emendare) mêta (occurrere).
  • 3) = angelſ. ê (für eá), gewiſſermaßen umlaut des erſten
    frieſ. â; die belege ſind ſeltner: nêd (neceſſitas) hêra
    (audire) lêſa (ſolvere) ſtêta (tundere).
  • 4) = altſ. ê ſt. des alth. ei; belege häufig: brêd. lêda
    (ducere) hêlëg. dêl. ênëg. bên. mên. ſtên. êth. bêthe.
    lêſtja.
  • 5) = altſ. und angelſ. ê ſt. ie; ſeltner: brêv. bêr (cere-
    viſia) prêſter. mêde (munus). gêng, bên, bênnon, ab-
    laut von ganga, banna; ſt. dieſes ê findet ſich auch
    ein langes î.

(II) ſtehet 1) und meiſtens für das alth. altſ. angelſ.
î, als: tîd. hwît etc. 2) zuweilen, neben dem ê, für
das alth. ia, ie, als: mîde (munus) hîr (hîc) hîton (vo-
cabantur) 3) vermuthlich auch für das angelſ. ŷ. 4) end-
lich ſpäterhin für das aus eg entſpringende ei, als: dî
(dies) mî (poteſt) vgl. ſchlußbemerkungen.


(OO) dem goth. und angelſ. ô entſprechend: blôd.
gôd. hôd. brôther. môder. hrôf (tectum) ſlôg. drôg. dôk.
dôm. fôt. bôte etc.


(UU) gleicherweiſe dem organiſchen û in den übri-
gen mundarten parallel: fül. thüma. hüs. füſt etc.


(IA) iſt das goth. iu, angelſ. ëó, vgl. kiaſa (eligere)
liaſa (perdere) biada (jubere) driapa (ſtillare) thiad (gens)
liaf (carus) thiaf (fur) ſiak (aeger) fial (rota, nord. hiól)
liacht (lucidus) thianja (ſervire) ſtiapfeder (privignus) *).
Dieſes ia gleicht merkwürdig Otfrieds zweitem ia (oben
ſ. 104.) ſeltner dem erſten, namentlich in den ablauten
nicht, da ſich kein giang etc. ſondern gêng findet. An-
dere fälle zeigen jedoch ein ſolches zuſ. geſchobenes ia,
z. b. fiarda (quartus) tian (decem) tha nia (novi) fia (pe-
cunia) fiand (inimicus) friage (liberet) ſwiaring (gener)
etc. ſt. fiuwarda, tëhan, fëho, ſwëharing, niwa oder niu-
wa etc. (von hia, hiara beim pron.)


(IE. IO) beide ſehr ſelten; ie ſcheint einigemahl das
nord. ia, vgl. ierd (Br. §. 87. 172.) field (campus); an-
dremahl jë, vgl. jëva, jëld, jëftha. io finde ich in liod
(gens) friond, fior (ignis) rioſtring, woneben aber auch
liud und friund.


(IU) in wenigen, allein gangbaren wörtern, als:
fiuchta (dimicare) riucht (rectus, jus) tiucht (zeugt) niu-
gon (novem) ſiugon (ſeptem) ſiugge (ſcropha) fiuwer
(quatuor) triuwa (fides); entwickelt ſich alſo vor ch
S
[274]I. altfrieſiſche vocale.
(das iſt h) g (das iſt j) und w. Nach meiner erläute-
rung des angelſ. in- und auslautenden g. (ſ. 261.) und
der bemerkung (ſ. 240.) über den einfluß des h auf den
vorausgehenden vocal wird man dieſes unorganiſche iu
leicht deuten; es entſpringt aus i bei folgendem v, j, h.
Wie im alth. triuwa aus triwa wurde, ſo hier, ſo aus
fiwer (goth. fidvôr) finwer; niugon vergleicht ſich dem
angelſ. nigen; ſiugon ſtammt aus ſibun, ſivun, ſiun, ſiu-
ven, ſiugen *), fiuchta, riucht entſpricht dem goth. faíh-
tan, raíht, angelſ. fihtan, riht, neben fihtan galt aber
fëohtan wie pëohtas (picti) neben pihtas, früher vielleicht
auch rëoht, drëohtën ſt. riht, drihtën (goth. entw. draíh-
tins oder wahrſcheinlicher draúhtins, vgl. alth. truhtin,
mittelh. trëchtin) wonach auch ein altfrieſ. driuchtin an-
zunehmen ſtünde, ſtatt welches ſpäter drochten vor-
kommt. —


Schlußbemerkungen.

1) alle kurzen und gedehnten
vocale ſind vorhanden, von ſonſtigen diphthongen nur
ein einziger ia, da ſich iu aus dem kurzen i entwickelt.
ei und au fehlen und können nur ſcheinbar aus con-
tractionen und conſonant-verwandlungen (wie hâudling
aus hâvedling, dei, wëi, mei aus deg, dej. wëg, meg)
hervorgehen **), wodurch geringe härte in die ſonſt
weiche mundart kommt. Die miſchung mehrerer diph-
thongen in den gedehnten lauten, vornämlich dem ê, iſt
der klarheit der wurzeln nachtheilig. Dem Angelſachſen
gewährt ſein ea den vortheil, daß er â von ê geſchie-
den halten kann; der Frieſe, weil er â für eá ſetzt,
muß jenen laut unter ê bringen. 2) dieſes ê nähert die
altfr. der altſ. mundart, wogegen das verhältniß der
übrigen vocale ſich entſchieden zum angelſ. neigt, na-
mentlich â = eá, abweichend vom altſ. ô, das häufig
mit dem wahren ô (uo) zuſ. fällt. Auch die zerlegung
des a in a und e iſt eine bedeutende ähnlichkeit mit dem
angelſ. a und ä, wovon im alth. und altſ. keine ſpur,
analog mit dem e, ä ſteht das gedehnte ê, angelſ. æ.
3) umlaut gilt: des a in e, des u in ë oder i; vielleicht
auch des â in ê, des û in ê oder î, welches erſt nähere
[275]I. altfrieſiſche conſonanten. liquidae. labiales.
unterſuchungen wo möglich erbringen müßen. Eben-
ſowenig wage ich jetzt über vocalwechlel und aſſimi-
lation zu urtheilen.


Altfrieſiſche conſonanten.


(L. M. N. R.) liquidae.

Die anlaute l. n. r. unter-
ſcheiden ſich von hl. hn. hr. ſtatt deren zuweilen lh.
nh (?) rh. geſchrieben ſteht. — n. fällt inlautend weg,
wie im altſ. *), aber auch auslautend bei vorhergehen-
dem a, alſo in allen infin. und flexionen ſchw. decl.
z. b. finda ſt. findan, tha blâta (pauperes) thene hona
(gallum) ſt. blâtan, honan. Folgt dem naſalen n ein
weiterer conſonant, ſo wird es wieder merklich, vgl. të
findande. Auch bleibt es auslautend, ſobald e und o
vorausſtehen, namentlich in den pl. praet. und part. als:
fundon, furden. Dieſer gebrauch ſtellt das altfrieſ. deut-
lich in die mitte zwiſchen das altſ. angelſ. auf der einen,
und das altnord. auf der andern ſeite. — Denſelben ge-
ſichtspunct bewährt die ſteigende verwandlung des in-
und auslautenden ſ in r welche ſich namentlich auf den
nom. pl. des ſubſt. erſtreckt; es heißt degar (dies) tâmar
(liberi) ſt. des altſ. dagôs, angelſ. dagas, teámas, wie
im nord. dagar. Bald aber fällt, wie im alth., der
conſ. gänzlich von dieſer endung ab, dega, alth. tagâ;
das r hat folglich leiſe ausſprache gehabt. Lägen mehr
altfr. wörter vor, ſo würde ſich auch in andern fällen r
ſtatt des organ. ſ ergeben, man vgl. lereſta (minimus.
Br. 145. 209.) ſt. leſta. — Umſetzung des r gilt, wie im
angelſ. vgl. bërna (ardere) gers (gramen) hors (equus);
gänzlicher ausfall des r ſcheint aber ſpäteren denkmäh-
lern zu gehören (ges, hos oder os, ben für gers, ors,
bern). — Die geminationen und verbindungen geben
nichts beſonderes zu erinnern; der übertritt des nk, ng
in nſz kann erſt unten beim kehllaut erledigt werden.


(P. B. F. V. W.) labiales.

P überhaupt, B und F im anlaut ſind völlig orga-
niſch; in- und auslautend ſteht b (außer der ſeltnen
verbindung mb) niemahls, ſondern wird durch den in-
laut v und den auslaut f erſetzt. Dieſe beiden drücken
S 2
[276]I. altfrieſiſche conſonanten. labiales.
folglich zweierlei aus, theils das alth. p und b, vgl.
jef (dedit) ſtef (baculus) râf (rapina) wîf, werf (locus ju-
dicii) half und inlautend jêvon, ſteves, râves, wîves,
werves, halves, lâva (reliquiae) ſzîvja (certare) ſkrîva
(ſcribere) etc., theils, obgleich ſeltner, das alth. f und
v, als: fif, hof, brêf und inlautend: hoves, brêves, ſê-
ver (ſpuma) oven etc. In fovne (virgo) ſt. favne, fevne
iſt ein v erſterer art, wie die vergleichung des angelſ.
fämne, ſtëmn (goth. ſtibna, folglich fabnô; alth. ſtimna,
ſtimma, folglich famna, famma?) lehrt; vox würde
ſtëvn heißen, iſt mir aber nicht vorgekommen. — In-
lautend ſteht f und nicht v, ſobald ein t oder th folgt.


W. der ſpirant wird in den quellen hänfig, aber
fehlerhaft mit dem vorigen v verwechſelt, ſo beßere
man Br. §. 140. thiawes in thiaves und unzähligemahl
dergl. mehr. Hier iſt bloß von dem wahren w die rede;
ſt. wu findet ſich gleichfalls (ſ. 138. 139. 214.) w (in den
älteſten hſſ. wohl un geſchrieben), als wlle (lana) wnde
(vulnus) bewllen (temeratus) etc. Der entwickelung des
inlautenden w aus iu wurde vorhin gedacht; ich ver-
mag nicht zu entſcheiden, ob die ausſprache ein orga-
niſches hawa (caedere) Br. §. 25. *) tawa (parare) baw
(oeſtrum) oder unorg. hâwa, tâwa, bâw (dem alth. hou-
wan gemäß) verlangt, für letzteres ſcheint frowe
(?frôwe) Br. §. 96. 97. zu ſprechen. Übrigens fällt aus-
und inlautend dieſes w öfters aus, vgl. ſêla, nia, trê
elte (integer, angelſ. ëaltäv) etc.


geminationen. pp. bb. ſelten: oppa (ſuper) gabbja
(Br. §. 152.) hebbe, ſibbe; fehlerhaft ſtehet ff in ſkeffe,
ſkiffa, ſkiffene (Br. §. 7. 12. 19. 140.) für ſkeppe (§. 108.).
Von den verbindungen fübre ich bloß die anlaute wl.
wr. an: wlit (facies) wlëmelſa (As. p. 196. ein dunkler
ausdruck) wrëka (ulciſci) wrêgja (accuſare) und gewiß
noch a. m. Mit dem wr. darf man die häufige fehler-
hafte ſchreibung wr. ſt. ur nicht vermengen, noch we-
niger wrald (ſeculum) d. h. wërald. —


(T. D. TH. Z. S.) linguales.

T überall **), D und TH im anlaut organiſch, der
in- und auslaut ſchwankt zwiſchen d und th. Man
[277]I. altfrieſiſche conſonanten. lingual. guttural.
kann die einzelnen fälle, meiſt die nämlichen wörter,
leicht nach der analogie des alt- und angelſ. beurthei-
len. — Z kommt nicht ſelten, aber faſt nur verbunden
mit ſ oder t (ſz. tz) vor; von dieſem zungenlaut kann
erſt bei den kehllauten gehandelt werden, an deren ſtelle
er eintritt; mit dem alth. z hat er nichts zu ſchaffen. —
Bei dem S hier nichts zu erinnern.


geminationen tt. dd. ſſ. wie im altſ. ſetta (ponere)
ſcet, ſcettar (opes) thrëdda (tertius) leſſa (minor) zuwei-
len fälſchlich ſtatt der einfachen conſ. geſchrieben, z. b.
hwëdder (Br. 33. 43.) f. hwëder (71.) lettera (50.) f.
letera (134.) thth iſt beſtändig aufzulöſen; z. b. withtha,
nethther, ſkêthther (Br. 7. 32. 42.) in with tha, neth
ther, ſketh ther. ſueththa (vicinia Br. 167.) zu ändern
in ſuetha (78. 168). —


(K. G. CH. J. H. Q. X.) gutturales.

K wird, zumahl in den verbindungen cl. cn. cr. ſc.
und auslautend noch gerne durch c ausgedrückt, des-
gleichen anlautend vor a, â, o, u, wiewohl in allen
dieſen fällen auch k gilt. Vor e, ë, i, ia, ie, ê, î,
ſtehet kaum c, ſondern immer k, vgl. kempa (pugil)
këmen (ventum) kêma (queri) kiaſa, welches anlautende
k ſtark und mit aſpiration ausgeſprochen wurde, wie
aus übertritten in den zungenlaut ſz, ſth, tz (ſz ſchrei-
ben Br., ſth ſchreibt As., tz oder auch bloß z noch
andere quellen) erhellt, doch nicht überall, nur in ge-
wiſſen wörtern. Ich finde: ſzetel (cacabus) ſzërke (ec-
cleſia) ſzeſe (caſeus) ſzelk (calix) ſzin (mentum) ſkîva
(certare); oft auch mit eingeſchaltetem i ſzielk, tzierke
etc. dagegen andere wörter, z. b. kining, kyning, kem-
pa, këtha etc. die ſchreibung und vielleicht ausſprache
k. behalten. Spätere denkmähler ſetzen wohl tzieſe, äl-
tere kiaſa; der zungenlaut hat ſich, wie im engl. erſt
ſpäter und allmählig eingeſchlichen, das würden ältere
hſſ. entſcheiden. Der inlaut k leidet von dieſer aſſibi-
lation nur in der gemination kk und verbindung nk,
wie nachher gezeigt werden ſoll. Der auslaut k ſteht
zuweilen für g, z. b. ſlec (ictus) was an das mittelh.
ſlac, ſlages erinnert.



[278]I. altfrieſiſche conſonanten. gutturales.

G. 1) der anlaut geht ſelten in j über, namentlich
aber in jëlda (ſolvere) jëva (dare) und jërja (cupere);
gewöhnlich bleibt g, auch vor e, ë, i, z. b. gers, gër-
del etc. doch lautete es ſicher ſehr gelinde, wie aus ſei-
ner gänzlichen abwerfung geſchloßen werden darf, z. b.
in der vorpartikel ë- ſtatt gë- und in der compoſition
undunga ſt. undgonga (entgehen). 2) der inlaut g, ſo-
bald e, ë vorausſteht und ein conſ. folgt, wandelt ſich
in i, als: neil (unguis) deis (diei) brein (cerebrum)
wein (currus) ſleith (ferit) vergl. die angelſ. formen
nägel, däges, brägen, wägen. Dasſelbe geſchieht, wenn
der vocal e oder i folgt, als; geie (emenda eigentl. va-
dimonium) geie (emendet) aien (contra) tojens, vgl. mit
dem engl. gage und again, angelſ. togegnes. Folgt ein
andrer vocal, ſo tritt die med. wieder hervor, als: de-
gar, degum; hierwider ſcheinen die inf. geia, leia (Br.
§. 45. 161.) zu ſtreiten; man wird ein ausgefallenes i
hinzudenken müßen, geia für gegja und vielleicht iſt
bei folgendem vocal lieber j ſtatt i zu ſprechen, alſo
geja, leja, ajen. Gehen andere vocale als e, ë vorher,
oder conſonanten, ſo bleibt g, vgl. muge, lôgum (an-
gulis) wërgja etc. 3) der auslaut g wird bei vorausge-
hendem e, ë ſtets zu i, als: dei, mei, hei, wëi, angelſ.
däg, mäg, häg, vëg; bei vorausgehendem gedehnten
vocal hingegen zu ch, welches dem angelſ. h entſpricht,
vgl. âch (poſſidet) wâch (paries), angelſ. âh, vâh; da ch
auch bei den altfrieſ. adj. auf -ëch (alth. îg, goth. eigs)
ſtatt findet, ſo iſt vielleicht weldêch (potens) monnêch
(multus) hêrêch (obediens) ſcëldêch etc. anzunehmen,
obſchon im angelſ. hier kein h eintritt (menig, ſcyldig),
Die inlaute nehmen wieder g zurück: âgon, wâgum,
weldêgum; unorganiſch ſcheint dieſes g in hâgera (altior)
von hâch (altus), weil hier das ch kein urſprüngliches
g war. — Von der verbindung ng unten bei den gemi-
nationen des kehllauts.


CH. iſt keine eigentliche aſp. des kehllauts, ſondern
verſtärkung des auslautenden h, welches theils organiſch
ſteht, vgl. hâch (altus) thâch (quamvis), theils unorga-
niſch für die med. g, wie eben gezeigt wurde, vgl.
âch, wâch. Dies letztere ch (früher wohl h) ſt. g hat
ähnlichkeit mit dem alth. h (mittelh. ch) ſt. des goth. k
(oben ſ. 189.), das erſtere ch ſt. h findet auch inlautend
vor t ſtatt, vgl. nacht, achta, liacht, riucht, tichtëga
(accuſatio) etc. in der tertia praeſ. pflegt dann das aus-
[279]I. altfrieſiſche conſonanten. gutturales.
lautende t abzufallen, vgl. tiuch, ſkech f. tiucht, ſkecht,
und dieſe ſelbſt wieder für tiuhth, ſkekth.


J. der anlaut 1) organiſch in jong, ja etc. 2) unor-
ganiſch theils für g in jëva, jëld etc. theils für i in der
verbindung ië als: jëf (an) jëftha (aut) vielleicht kann
aber hier auch iëf, iëftha geſchrieben werden, da in-
und auslantend häufig i aus j (ſtatt g) entſpringt, wie
die vorhin gegebenen beiſpiele dei, mei, neil, brein
darthun. Nach einem conſ. und vor einem a nehme ich
inzwiſchen den inlaut j und nicht i an, alſo namentlich
in den ſchwachen verb. halja, ſkenſzja etc.


H. ſteht nur anlautend, das auslautende wird durch
ch erſetzt, das inlautende häufig weggeworfen.


gemination drängt ſich hier, wie in den übrigen
mundarten, ſtatt der alten einfachen conſonanz häu-
fig ein, und da meiſtens ein folgendes ableitungs- i. im
ſpiel iſt, ſo pflegt ſich nach dem, was ich vorhin bei
dem k bemerkte, auch der linguallant geltend zu machen.
Für kk zeigt ſich in den uns vorliegenden denkmählern
überall ſchon ſz (tſ) für gg aber das etwas mildere dz
(dſ), wenigſtens ſollte man ſo unterſcheiden, wiewohl
häufig ſz ſtatt dz geſchrieben wurde. Beiſpiele: reſza
(tendere) brëſzen (fractus) lîſza (aequare) wîſzing (pirata)
ſpêſze (radius rotae) ëtſil (calcar) cletſja (contus As. 237.)
womit man das angelſ. reccan, ſpâca, das nord. vîkingr
zuſammenhalte; in allen den fällen, wo ein langer vo-
callaut vorausſteht, war die gemin. kk. fehlerhaft einge-
treten, folglich auch an ihrer ſtelle die verbindung ſz
und für ſpèſze, wîtſing würde richtiger ſpêke, wîking
ſtehen, wie ich neben reſza, brëſzen das ungeminierte
reka, brëken vorfinde (vgl. oben ſ. 192. über wrehho
und wrecchjo; rehhan und recchjan). Beiſpiele von dz:
ſedza (dicere) lidza (jacere) vidzja (lectica) ſt. ſeggja,
liggja, viggja. Daß dieſe ſz und dz, ſo wenig als die
gem. kk, gg auslauten, bedarf keiner erinnerung; ſie
werfen licht auf die frieſ. eigennamen rîtſard, edzard,
wîtſard etc. alth. rîhhart, eggihart, ecchart, wîhhart und
mahnen an die franz. provenzal. und ital. ſchreibung
und ausſprache richard, rizard, ricciardo etc. — Hier
muß denn auch erwähnt werden, daß die verbindun-
gen nk und ng einen ähnlichen hang zu dem lingual-
laut, jedoch ebenfalls nur in- nicht auslautend verra-
then. So heißt es: thenſza (cogitare) hlenſzene (catena,
junctura) ſkenſzja (infundere) ſt. thenkja, hlenkene (ge-
[280]I. altfrieſiſche conſonanten. gutturales.
lenk) ſkenkja; ebenſo: brenſza (afferre) thinſza (judicare)
hanſzoch (pendens) ſtefgenſza (baculum geſtans) fenſzen
(captus) menſzja (miſcere) henſzja (concedere) etc. ſt.
brengja, thingja, gengja, fengen etc. gleichbedeutend
und zumahl ſpäter wird ein bloßes ſ geſchrieben: brenſa,
genſa, fenſen. Mir ſcheint auch dieſen verbindungen
nſz, nſ. eine unorg. gemination nkk, ngg. unterzu-
liegen. theils weil früher und richtiger nk, ng und ſo
noch ſpäter in vielen wörtern geſchrieben wird, vgl.
fang, leng, finger, penning, penningar etc. theils weil
ſich im alth. und angelſ. ſpuren analoger gemin. offen-
baren, vgl. rincchâ oben ſ. 191. note und hrincg vorhin
ſ. 265; dem engl. bench (ſpr. bentſch) angelſ. benc (ſpr.
benk) dürfte ein bencg vorhergegangen ſeyn. Selbſt die
goth. geminationen ggk und gg für nk, ng (oben ſ. 71.)
erläutern das geſagte, obſchon bei ihnen kein zungen-
laut in der ausſprache merklich und die liq. n halb un-
terdrückt wurde. — gutturalverbindungen. 1) anlautende,
wie im altſ., auch ſteht qu für kw; die anlaute hl. hr.
hw. werden zuweilen lh. rh. wh. geſchrieben z. b. lhâp
Aſ. p.91. rhôf Br.26.etc. Ich finde folgende: hlâpa
(currere) hladder (ſcala) hlenſzene (articulus) hleſt (onus)
hli (tumulus) hlât (ſors) hloth (turma) hlût. hrëge (dor-
ſum) hrënë (olfactus) hrêra (tangere) hring (circulus)
hrôpa (clamare) hwërva. hwîla. hwît u. a. m. — 2) in-
lautende; ſtatt hs, wie im angelſ. die ſchreibung x; ſtatt
ht, wie vorhin bemerkt, cht.


Schlußbemerkung. Viele conſonanten fallen in der
zuſ. ſetzung und flexion aus, vgl. neth (non habet) nëlle
(nolit) nêt (neſcit) wie im angelſ. (oben ſ. 268.); ferner:
eta (in dem) ſêt (ſey es) ſât (ſo es) fär et tha, ſê hit,
ſâ hit; ſlêma (ſchlägt man) f. ſleitma; ëk (quisque) alrëk
(omniscunque) hok (qualiscunque) für ëlk, allraëlk,
hwëlk (ſ. beim pronomen) halne (vergentem) f. haldne
und ſelbſt im auslaut wal f. wald (violentia). Es wür-
den ſich hierüber nähere regeln ergeben, wenn die quel-
len ſicherer und älter wären.


Altnordiſche buchſtaben.


Die alte nordiſche oder, wie ſie gewöhnlich hieß,
isländiſche ſprache iſt in zahlreichen, vortrefflichen
denkmählern geſichert, auch ſeit man ſich beflißen, dieſe
im druck herauszugeben, grammatiſcher und richtiger
[281]I. altnordiſche vocale.
behandelt worden, als irgend eine der übrigen deutſchen
mundarten. Gleichwohl hat erſt neuerdings Raſk durch
ſeine gründlichen arbeiten manchen misbräuchen und
ungenauigkeiten der üblichen ſchreibweiſe ein ende ge-
macht; ihm folge ich meiſtentheils, nur in den puncten
nicht, in welchen entweder die analogie der vorausab-
gehandelten ſprachen eine andere auffaßung an hand
gibt, oder Raſk ſich allzu ſehr an die heutige isländ.
ausſprache gekehrt zu haben ſcheint. Zwar ſind keine
nord. hſſ. vorräthig, die an alter den alth. und angelſ.
beikämen, dafür aber viele dinge, die wir aus dieſen
mühſam beweiſen müßen, im nord. an ſich ſelbſt klar
und andere ſpracheigenheiten lehrt die poëtiſche form
(wie die der mittelh. gedichte) treuer, als eine diplo-
matiſch weit ältere proſa.


Altnordiſche vocale.


(A) entſpricht formell und materiell dem goth. a,
wie die belege überall ergeben; das nord. a iſt immer
(nämlich in den wurzeln) auch ein goth. a, umgekehrt
gilt aber kein ſicherer ſchluß von dem goth. a auf ein
nord. a, indem dieſes folgende beſchränkungen erfährt
1) es lautet in e um, ſobald ein i, 2) in ö, ſobald ein
u der flexion erſcheint oder vorausgeſetzt werden muß,
3) es wandelt ſich in â, ſobald es (d. h. das wurzel-
hafte a) auslautet oder lm, lf, lk, lg, ls, nk, ng, tt
und (mit ausfallendem n.) ſ. folgen. Alle dieſe fälle
werden an ihrem ort näher erörtert werden; hier nur
beiſpiele: velja (goth. valjan) fen (goth. fani) hönd
(goth. handus) ſâ (goth. ſa) jâ (goth. ja) hâlmr (culmus)
hâls (collum) lângr (goth. laggs) mâttr (goth. mahts) âs
(goth. ans).


(E) wie im alth. entw. e oder ë.


  • I) e = umgelautetes a, durch ein nachfolgendes i er-
    zeugt, z. b. dagr, dat. degi; völlr (ſt. vallur) dat.
    velli; Þak (tectum) Þekja (tegere) etc. Man merke α)
    wird das den umlaut wirkende i ſyncopiert, ſo tritt
    reines a zurück, als: velja, valdi (ſt. velidi) fetill (bal-
    theus) dat. fatli (ſt. fetili) pl. fatlar (ſt. fetilar) β) aus-
    genommen, wenn gemination des conſ. dazwiſchen
    liegt, alsdann beſteht der umlaut, z. b. brenna ſt. brenn-
    ja, fella ſt. fellja, mennſkr ſt. menniſkr. γ) in den ver-
    gleichungsſtufen bleibt e, ungeachtet des ausgefallenen
    i, als: betra, eldra, bezta, elzta ſt. betira, eldira etc.
    [282]I. altnordiſche vocale.
    δ) dasſelbe geſchieht noch in andern fällen, die keiner
    allgemeinen angabe fähig ſind. z. b. fedr (patres). ε)
    apocope des auslantenden i zieht auch keinen rück-
    umlaut nach ſich, ſondern das e bleibt; eine für die
    flexionslehre ſehr ergiebige regel, z. b. ben (vulnus)
    elr (gignit) offenbar f. beni, elir, obgleich zuweilen
    ein unorganiſches vordringen des umlauts aus der
    häufigeren in die ſeltnere endung anzunehmen iſt, z. b.
    belgr (follis) el (gigno) mag aus belgir (folles) elir
    (gignit) entſprungen ſeyn, indem der nom. ſg. balgr,
    die I. ſg. al oder ala zu vermuthen wären. Näheres
    bei den flexionen ſelbſt. ζ) folgt in der endung i und
    die wurzel behält dennoch a, ſo gilt der ſchluß, daß
    dieſes i unorganiſch an die ſtelle eines früheren andern
    vocals getreten ſey. vgl. die part. vakinn, valinn (nicht
    vekinn, velinn); die pl. dalir (valles) bragir (carmina);
    die dat. landi, graſi (nicht delir, bregir, lendi, greſi);
    lauter anzeichen, daß die endung i hier fehlerhaft
    angenommen worden, wie auch die vergleichung an-
    derer mundarten beſtätigt, z. b. die im goth. und alth.
    entſchiedene partic. endung -an. Auch das rückum-
    lautende valdi und fatli müſte wegen der weitern en-
    dung i von neuem in veldi, fetli umlauten, wenn ſie
    organiſch wären, beide aber ſtehen vermuthlich für
    valda (velida) und fatla (fetila), goth. valida, fatla,
    alth. welita, feƷila oder feƷile. Das nähere gibt die
    flexionslehre ſelbſt. —
  • II) ë = goth. i und ái, alth. ë; hſſ. und drucke zeich-
    nen es von dem vorigen e nicht aus, nach der ana-
    logie des hochd. führe ich auch hier das punctierte ë
    ein. Ohne zweifel war doch die ausſprache beider e
    verſchieden, brënna (ardere) kann nicht wie brenna
    (comburere) gelautet haben. Wenigſtens vom altnord.
    muß dies gelten, wenn ſich gleich allmählig in der
    heutigen isländ. ausſprache manche e und ë (wie im
    neuhochd.) vermiſchen; Raſk §. 15. 16. nimmt in
    vërk (opus) und her (exercitus) in vëgir und degi
    den nämlichen laut an, für die altn. ſprache gebe ich
    das nicht zu. Daß das ë in vëgr und vërk dem i-
    laut weit näher liege ſcheint mir ſelbſt aus einem an-
    dern gebrauch oder misbrauch der neuisländ. aus.
    ſprache zu folgen, wonach manche urſprüngliche ë
    mit dem langen ê vermengt werden; nämlich Raſk
    lehrt §. 17. mër (mihi) und brêf (epiſtola); ëk (ego)
    ëta (edere) und fêll (cecidit) gleich auszuſprechen.
    [283]I. altnordiſche vocale.
    Gerade wie im neuhochd. das urſprünglich kurze i
    in mir, gibt mit dem diphth. in liebt, fiel zuſ. fällt,
    daher man mier ſchreiben könnte, wie man giebt
    ſchreibt. Die altnord. ë ſind richtiger nach dem maß-
    ſtab ihres urſprungs und der analogie verwandter
    ſlämme, als nach dem der neuisl. ausſprache zu be.
    urtheilen. — Beiſpiele des ë 1) vor einfachen conſ.
    ëf (ſi) ëfa (dubitare) Þëgn (homo liber) frëkr (nimius)
    fëla (multum) ëm (ſum) ënn (ille) drëpa (ferire) bëra
    (ferre) bëra (urſa) ër (eſt) mër (mihi) ëta (edere)
    etc. 2) vor doppelten: brëgda (vertere) drëcka (bi-
    bere) ëcki (non) ëlgr (alce) fëlmr (metus) brënna (ar-
    dere) bërg (ſaxum) dvërgr (nanus) vërpa (conjicere)
    frëſtr (mora) dëtta (cadere) etc. *). Die verwandt-
    ſchaft des ë mit dem i zeigt ſich theils in den ſchwan-
    ken zwiſchen beiden, z. b. neben rënna, brënna,
    drëcka gilt vinna, finna; für ënn findet ſich inn und
    hinn etc. theils in dem gewiſſe fälle des goth. i und
    aí vertretenden ia (wovon unten), in deren flexionen
    und ableitungen wiederum zuweilen das reine i vor-
    bricht, z. b. in dirfaz (audere) von diarfr, birni (urſo)
    von biörn (d. h. biarnu); endlich in dem neben dem
    ë für gewiſſe flexionen und ableitungen geltenden al-
    ten i, als vëdr (aër) vidra ſik (aura ſe reficere), vërd
    (pretium) virda (aeſtimare) vërk (opus) mannvirki
    (opus hum.) mër (mihi) mik (me) etc. Ein hauptfall
    der ſonſt hier analogen alth. ſprache nämlich das vor-
    treten des i im ſg. praeſ. (oben ſ. 81.) findet jedoch
    keine ſtatt, es heißt vërpa, vërp, vërpr, gëfa, gëf,
    gëfr, nicht virpr, gifr. —

Durch genaue beachtung des e und ë wird man
viele ſonſt zuſ. fallende wörter unterſcheiden lernen,
z. b. ver (defendit) dreckja (mergere) ber (bacca) ek
(veho) von: vër (virum) drëcka (bibere) bër (fero) ëk
(ego) etc. Beide weichen wiederum von dem gedehn-
ten ê ab, z. b. her (exercitus) el (gigno) fell (cado) vër
(nos) von hêr (hic) êl (nimbus) fêll (cecidit) vêr
(piſcina), wiewohl ſich ë und ê näher ſtehen, als e und
ê oder e und ë, daher auch jene öfters verwechſelt
werden **).


[284]I. altnordiſche vocale.

(I) gleicht dem goth. kurzen i, wird jedoch be-
ſchränkt theils durch die übergänge in ë, theils durch
die verwandlung in î bei folgendem nk, ng. Auslaut
iſt (das wurzelhafte) i ſo wenig als a im nord., die
goth. negation ni lautet hier nê (ſt. në).


(O) erſetzt, wie das alth. und angelſ. o, bald das
goth. n, bald das goth. aú, z. b. god (Deus) bodi (nun-
tius) holt. ſonr; morgun. ormr (vermis) Þorn. horn
etc., doch hat ſich in manchen fällen das alte u erhal-
ten, in welchen es jene mundarten bereits einbüßen,
namentlich bei folgendem ll, als gull, fullr, alth. gold,
follêr, goth. gulÞ, fulls. Auch zeigt ſich das alte u
(gleich dem alten i ſtatt ë) in ableitungen und flexio-
nen, wo y (das heißt der umlaut des u) gilt, vgl. ſyni
(fil o) hyrnîngr (cornutus) yrmlîngr (vermiculus) etc. —
Außerhalb der wurzel in den endungen ſchwanken u
und o in den hſſ.


(U) das goth. kurze u, aber beſchränkt durch über-
gänge 1) in o (wie i in ë) 2) in û, ſobald es auslautet
und die verbindung nk. ng. darauf folgt. 3) durch den
umlaut in y, als: gull, gyllîng (deauratio) full, fylli
(plenitudo) luku (claudebant) lyki (clauderet). — Wenn die
heutige ausſprache des u dem neuh. ü gleicht (Raſk §. 24.)
ſo kann ſie früher nicht dieſelbe geweſen ſeyn, als dem y
noch der laut ü zuſtand; vermuthlich lautete alſo vordem
das u rein, wie im hochd., und erſt ſeit y = i lautete,
fieng das u an = ü geſprochen zu werden.


(Y) y, umlaut des u (wie e des a) und nur ſchein-
bar des o (nämlich wo dieſes ein altes u vertritt); man
ſehe das eben beim o und u geſagte. Die isländ. aus-
ſprache vermiſcht dieſes y mit i (wie ŷ mit î), die ältere
unterſchied beide beßer und gab dem y den laut des
mittelh. ü (Raſk §. 25. 67.) Ähnliche vermiſchung mit i
zeigt das angelſ. (oben ſ. 228.). Die runen haben kein
y, erſetzen es aber richtig durch u (wie e durch a) und
nicht durch i; die zeit, wo der umlaut entſprungen,
läßt ſich ſchwer ausmitteln.



[285]I. altnordiſche vocale.

(AA) â, ich brauche für dieſen und alle übrigen
dehnlaute den circumflex, ſt. des in den nord. ausgaben
befindlichen acutus, wie auch ſchon Raſk §. 13. vor-
ſchlägt. Das nord. â entſpricht dem alth. â in den wör-
tern und wohl auch in der ausſprache, welche urſprüng-
lich áa geweſen ſeyn muß, allmählig aber nach zeit und
ort in áo, áu, av, å und ſelbſt o *) vergierte. Raſk
nimmt die ausſprache av als regel, bei vorausſtehendem
v ausnahmsweiſe o an, weil ſich z. b. ſvâ, vâru nicht
wohl ſvav, vavru ſprechen ließe, ſondern ſvo, voru,
und eben darum ſchreiben viele: vo, vogr, vopn, vos,
vod ſt. vâ, vâgr, vâs, vâd etc. Da indeſſen im hâtta-
lykill ſvâ: â (habet) reimt und letzteres wort damahls
ſchwerlich wie ein bloßes o lautete, ſo mag man we-
der av noch o, vielmehr áa, vielleicht áe, mit hin-
neigung zum angelſ. æ und goth. ê geſprochen haben.
Übrigens ſind nicht alle nord. â organiſch, ſondern einige
in fällen entſprungen, wo ihnen kein goth. ê und alth.
â parallel ſteht, wie ſich ſogleich ergeben wird. Die
einzelnen fälle des nord. â ſind nämlich: 1) die ablaute
im pl. praet. gâfu, lâſu, bâru etc. 2) bei folgendem
einfachen conſ. ohne daß andere weggefallen ſcheinen:
brâd (eſca) brâdr (citus) dâd (virtus) fâdr (ornatus) grâ-
dugr (avidus) hâd (ludibrium) hâdr (commiſſus) klâdi
(ſcabies) mâdr (tritus) nâd (gratia) râd (conſilium) ſâd
(ſemen) ſnâd (cibus) þrâdr (filum) gâfa (donum) bâgr
(protervus) mâgr (affinis) lâgr (brevis) tâg (vimen) vâgr
(mare) krâka (cornix) râk (diſcrimen) ſkâk (ludus latrunc.)
ſprâk (laeſio levis) âl (lorum) âll (anguilla) bâl (rogus)
kâl (caulis) mâl (tempus) mâla (pingere) ſkâl (patera)
ſkâli (cubile) tâl (dolus) klâm (obſcoenitas) nâm (praeda)
þâm (aër egelidus) frân (nitens) mâni (luna) rân (rapina)
drâp (caedes) ſnâpr (ſtultus) tâp (vigor) âr (annus) âr
(miniſter) blâr (lividus) dâri (ſtnltus) fâr (periculum) flâr
(callidus) frâr (pernix) grâr (canus) hâr (crinis) hlâr (laxus)
hnâr (ſtrenuus) hrâr (crudus) kl[ä]r (clarus) nâr (funus)
blâſa (ſpirare) dâs (candela tenuis) krâs (pulpamentum)
vâs (udor) lâs (ſera) mâs (anhelitus) gât (cura) grâta (flere)
kâtr (laetus) lâta (linquere) mâti (modus) etc. — 3) durch
den ausfall eines organiſchen h. ſcheint die verlängerung des
a entſprungen in: â (aqua) lân (mutuum) târ (lacrima)
[286]I. altnordiſche vocale.
ſtâl (chalibs) hlâtr (riſus) ſlâtr (carnes mactatae) ſt. der alth.:
aha, lêhan, zahar, ſtahal, hlahtar, ſlahtar (?) und ſo
werden ſich noch andere der vorhin angeführten â er-
läutern. — 4) merkwürdig ſcheinen einzelne nord. â dem
angelſ. â, folglich dem alth. ei, das auch gewöhnlich
im nord. ei lautet, zu entſprechen, vgl. â (habet) von
eiga, alſo für ei oder eig ſtehend (goth. aih, angelſ. âh)
bâdhir (ambo) ſâl (anima) angelſ. ſâvl; ſâr (vulnus) angelſ.
ſâr, goth. ſáis (?) bâtr (cymba) angelſ. bât (oben ſ. 229.) etc.
Dieſes â entſprang ſichtlich aus ai, welches auch im
nord. vor dem ſpätern ei gegolten haben wird, ai, bai-
dir, wandelten ſich allmählig in ae, baedir, â, bâdir,
während die meiſten ai zu ei wurden; (vgl. unten den
umlaut æ für ái, ei) — 5) vor den verbindungen lm. lf.
lp. lk. lg. ls. nk. ng. tt. (ſt. ht) und ſ (ſt. ns) *) wan-
delt ſich a in â; beiſpiele: gâlm (ſinus) hâlmr (culmus)
mâlmr (metallum) ſâlmr (pſalmus) ſkâlm (framea) âlfr
(genius) hâlfr (dimidius) kâlfr (vitulus) ſkâlpr (vagina gla-
dii) bâlkr (trabs) fâlki (falco) ſkâlkr (nequam) hâls (collum)
krânkr (aegrotus) þânki (mens) ânki (vitium) hânki (funi-
culus) ângr (dolor) bânga (pulſare) fâng (captura) gàngr (in-
cellus) hânga (pendere) ſprânga (transſcendere) lângr
(longus) rângr (obliquus) ſvângr (fames) ſtrângr (ſtrenuus)
vângr (campus) þâng (fucus) âtt (genus) âtti (habuit)
âtti (octavus) drâttr (tractus) brâtt (cito) hâttr (mos)
mâttr (vis) ſâtt (reconciliatio) ſlâttr (ictus) þâttr (ſectio)
þrâtta (certare) âs (numen ethnicum, pl. æſir, goth.
unbedenklich ans, anzeis, alth. ans, enſî, wie viele
eigennamen mit ans- beſtätigen, und die halbgötter
anſes bei Jornandes) âs (trabs, goth. anz) âſt (amor,
goth. anſts) bâs (ſtabulum, goth. banſt) gâs (anſer,
alth. kans) etc. In allen dieſen fällen nimmt die
isländ. ausſprache ein â an, ſogar ſtatt ia ein iâ (wovon
unten), auch iſt dem gebrauch ein gewiſſes alter zuzu-
geben, da ſehon frühe hſſ. z. b. die der nord. geſetze
bolkr (ſchwerlich bôlkr) für bâlkr, ſetzen, und der ge-
wöhnliche umlaut des a in ö ausbleibt, es heißt z. b.
im dat. pl. mâttum, âſtum, ſâlmum, nicht möttum,
öſtum, ſölmum, wie ſtehen müſte, wenn der unumge-
[287]I. altnordiſche vocale.
lautete fall ein reines a hätte. Ferner muß erwogen
werden theils, daß in dem fall tt und s für ht und ns.
durch den auswurf des h und n eine veränderung des
vocals herbeigeführt worden ſeyn kann (vgl. oben ſ. 210.
231.) theils die angelſ. mundart vor den verbindungen
nc. ng. das a mit o vertauſcht (oben ſ. 223. 226.) vor
lm. lp. lf. lc. lg. ls hingegen mit ëa (ſ. 236.) obgleich
wieder die analogie beider ſprachen nicht überall zu-
trifft, denn auch vor mm. nn. mp. mb. nt. nd. ll. rr.
lt. ld etc. verändert ſich das ſächſ., nicht aber das nord.
a, ſondern es heißt: land, kambr, ſalt etc. Dieſes
ſchwanken ſchon läßt mich vermuthen, daß, wo nicht
ſämmtliche, doch die meiſten der unter 5) angegebenen
veränderungen des a in â unorganiſch und der älteren
nord. ſprache unangemeßen waren, wie ſie es der goth.
alth. und altſ. ſind, und das beſtätigen die vorhandenen
ſpuren des umlauts vollkommen *). Neben lâng, gânga,
fâng, hânga, hâls etc. findet nämlich lengi, genginn,
fenginn, hengja, helſi (collare) etc. ſtatt, da ſonſt das
wahre â in æ umlauten müſte; gleicherweiſe bekommt
gânga (iter) im gen. göngu, krângr (tenuis) im fem.
kröng (f. kröngu) etc. wo das organ. â unverändert er-
ſcheinen würde. Endlich wird zuweilen ſt. der ver-
bindung nk mit weggeworfnem n das k geminiert und
dann bleibt ebenfalls der vorhergehende vocal rein, z. b.
frackr (francus) þacka (gratias agere) hleckr (catena) beckr
(ſcamnum) dreckja (mergere) gleichſam ſtatt: frânkr, þân-
ka, hlânkr etc. (ſ. unten beim n.) — 6) die auslautenden â
ſind folgende: â (in) â (flumen) â (agna) brâ (cilium) fâ
(ſplendor) fâ- (paulo) flâ (ſtratum) frâ (de) gâ (laſcivia)
gâ (obſervare) hâ (pellis) hâ (foenum) hâ- (alte-) jâ
(imo) krâ oder râ (angulus) lâ (aequor) lâ (coma) mâ
(terere) nâ (cadaver) nâ (prope) pâ (pavo) râ (caprea)
ſâ (ille) ſkâ (obliquitas) ſkrâ (libellus) ſlâ (ſubſus) ſmâ
(contemnere) ſpâ (vaticinium) ſtrâ (ſtramen) ſvâ (ſic) tâ
(digitus pedis) vâ (pericnlum) þâ (tunc) þrâ (deſiderium)
ſodann die nom. fem. ſg und pl. neutr. der vorhin an-
geführten adj. blâr, frâr, flâr, grâr, hlâr, hrâr etc. end-
lich die praet. â (habet) knâ (novit) mâ (valet) lâ (ja-
cuit) frâ (interrogavit) vâ (dimicavit) þâ (obtinuit). Es
gibt kein auslautendes kurzes a (in der wurzel), obige
â ſind aber ſehr verſchiednen urſprungs, einige entſtan-
[288]I. altnordiſche vocale.
den aus ag, wie die zuletzt genannten praet. þâ, vâ,
frâ, lâ, mâ, vermuthl. auch lâ (aequor) vgl. mit lögr;
andere aus av, wie â (ovis) fâ- (paulo) hâ (foenum)
ſtrâ; andere aus eih, wie â (habet) râ (caprea) fâ (ſplen-
dor) tâ (vgl. oben ſ. 90.); andere aus ah, wie â (flu-
men) ſmâ, ſpâ; andere aus auh, wie hâ-; aus an, wie
â (in) andere haben ein organ. â, wie nâ (prope) pâ,
blâ, grâ etc., einige bleiben ungewiß, endlich ſchei-
nen einige aus dem bloßen kurzen a allmählig verlän-
gert worden zu ſeyn, wie jâ, ſâ, þâ; ſvâ vertritt bei-
des, das goth. ſva und ſvê. —


(EE) ê; ſo häufig die altn. mundart â braucht, ſo
ſelten ê, welches weder dem goth. noch alth. ê ent-
ſpricht, wohl aber meiſtens dem ſächſiſchen. Man un-
terſcheide folgende fälle:


  • 1) ê iſt unorgan. zuſammenziehung und dem (erſten)
    alth. ia gleich. Hierher gehören vornämlich die ab-
    laute grêt, lêt, blêt, hêt, blês, lêk, fêll, gêck, fêck,
    hêck, hêlt; ſelbſt die ausſprache läßt noch den vor-
    ſchlag eines leiſen i hören, griet, liet, mit dem ac-
    cent auf e, alſo griét, weshalb auch Raſk §. 17. je
    vor einfacher, vor doppelter conſonanz zu ſprechen
    lehrt, dem alth. ia, ie gerade entgegengeſetzt, wel-
    ches den vordern vocal betont, ía, íe (oben ſ. 104.
    note. ſ. 105.) Wie dieſe ablaute ſind noch einzelne,
    wiewohl wenige fälle zu beurtheilen, als: hêr (hîc)
    brêf (epiſtola).
  • 2) auslautend ſteht ê theils für das organiſche iu, als:
    trê (arbor) knê (genu) — theils für eih, eig, als: fê
    (goth. faíhu) ſê (goth. ſaíhva) hnê-(neben hneig,
    goth. hnáig, angelſ. hnâh) ſê (neben ſeig, angelſ. ſâh);
    theils für î, als: ſê (ſim) und gar das kurze i, als
    nê (non). Zweifelhaft ſind mir rê (aequitas) ſpê (lu-
    dibrium) und vê (ſacra, für vîh?) welches letztere
    ohne dehnzeichen bei Biörn und Raſk vorkommt,
    Die ausſprache aller dieſer auslaute mag ebenfalls ié
    ſeyn, wie ſich auch ſpie neben ſpê geſchrieben findet.
  • 3) vor tt, welches aus ht entſpringt, wandelt ſich das
    kurze ë in ê, als: frêtt (reſponſum) lêttr (levis) rêttr
    (jus) ſêtt (ſenio) ſlêttr (planus) *) nicht aber vor an-
    derm tt, z. b. ſettr (compoſitus) brettr (curvus) etc.
    [289]I. altnordiſche vocale.
    Man vergl. das frieſ. iu vor cht und die verlängerung
    des a vor tt. Die andern fälle des â vor lm, lf etc.
    ziehen jedoch kein analoges ê nach ſich, es heißt
    z. b. fenginn, þengill etc.
  • 4) nach einfachem gutturalanlaut, alſo nach k und g,
    ferner nach ſk nehmen die isländ. grammatiker eine
    verwandlung des e ſowohl als des ë in ê an und ſchrei-
    ben: gêl (cano) gêll (reſono) gêld (expendo) gêng (eo)
    gêſtr (hoſpes) kêl (algeo) kèm (venio) kênna (noſcere)
    ſkêf (ſcalpo) ſkêmma (curtare) ſkêr (ſcindo) und ſo überall
    ſt. gel, gëll, gëld, geng, geſtr, kel, këm, kenna, ſkef, ſkem-
    ma, ſkër; ja ſogar den diphth. ei laßen ſie in den triphth.
    êi übergehn, als gêit (capra) ſkêid (curriculum) etc. *)
    Die urſache liegt bloß in dem kehllaut, der vor den dün-
    nen vocalen e, ë, ei und i ein gelindes i oder j nach
    ſich einſchaltet, ſo daß gel wie gj-el, këm wie kj ëm
    klingt, und füglich ein ê geſchrieben werden kann,
    das unerklärlich wäre, wenn man nur auf den vocal-
    laut ſieht. Da ſich unten bei den gutt. ergeben wird,
    daß dieſe ausſprache erſt ſpäter eindringt, ſo muß
    auch für das altnord. ein gel, gëld, geng etc. behauptet
    werden.
  • 5) in einigen andern fällen ſcheint mir ê unorganiſch
    und ë richtiger, z. b. in mër, þër, ſër, vër; in mël
    (noch beßer miöl, farina) vël (aſtutia, angelſ. vile,
    engl. wile) etc. obgleich die heutige ausſprache ein
    je zeigen mag. Man ſchrieb wohl é (mein ê), um die
    ausſprache e zu verhüten, weil man kein ë hatte.

(II) î gleicht dem alth. und angelſ. î, zu bemerken
iſt nur, daß die ſpätere ausſprache es vor ng. nk. ſt. des
älteren i eintreten läßt, vgl. hrìngr (annulus) rîngl (confuſio)
þîng (cauſa) ſìnkr (tenax) etc.; tt (ſtatt ht) vor denen i zu î
würde, finde ich nicht, andere verbindungen, wie lm etc.
dulden das kurze i, als: hilmir (rex) etc. Die auslau-
tenden î ſind hauptſächlich folgende: bî (apis) frî (liber)
hî (otium) hî (lanugo) î (in) qvî (cohors) ſî (ſemper) ſtrî
(ſtupa) þrì- (tri-) wohin auch die am ende einer ſilbe
das a einer zweiten ſilbe berührenden î gehören: dî-ar
(divi) frî-a (ſolvere) klì-a (nauſea) nî-a (enneas) ſî-a
(filtrum) ſtî-a (caula) ſvî-ar (ſueci) ſvî-a (remittere)
tî-a (equa) vî-a (vagari). Alle ſind gleich den auslau-
T
[290]I. altnordiſche vocale.
ten â und ê verſchieden zu erklären, î und ſì ſtehen
für in, ſin; ſìa für ſìha; ſtìa f. ſtîga; einige bleiben mir
noch dunkel.


(OO) ô. 1) in der regel das goth. ô und alth. uo;
belege (außer den ablauten): glôfi (chirotheca) grôf (la-
cuna) hôf (modus) hôfr (ungula eq.) kôf (ningor tenuis)
lôfi (vola manus) þôf (fullonica) bôgr (armus) gnôgr
(ſufficiens) hôgſamr (manſuetus) lôga (alienare) ôga (terror)
plôgr (aratrum) rôgr (calumnia) ſkôgr (ſilva) bôk (liber)
brôk (femorale) flôki (floccus) hrôkr (vir fortis) klôkr
prudens) krôkr (uncus) lôka (pendere) môk (ſomnus levis)
ſlôkr (lurco) ſnôkr (anguis) ſôkn (curia) bôl (praedium fôl
(ſtultus) gôl (latratus) hôl (jactantia)ôl (funis) rôl (vaga-
tus) ſkôli (ſchola) ſtôll (ſedes) blômi (flos) dômr (judi-
cium) drômi (vinculum) lômr (columba) ôman (ſonus
confuſus) rômr (vox) tômr (vacuus) bôn (rogatio) gôn
(oculorum intentio) krôna (corona) tôn (tonus) glôpr
(fatuus) grôpa (ſulcare) hôpr (turma) hrôp (clamor) ôp
(idem) flôr (pavimentum) frôr (quietus) glôra (micare)
hôr (adulter) jôr (equus) klôr (fricatio) kôr (chorus) môr
(animus) rôr (quietus) ſkôr (calceus) ſlôr (ignavia) ſtôr
(magnus) tôra (nitela) þrôr (cervus) drôs (femina nob.)
fôſtr (educatio) hrôs (laus) ôs (os) rôs (roſa) blôt (victi-
ma) bôt (emenda) fôtr (pes) hôt (minae) klôt (capulus)
môt (occurſus) nôt (ſagina) rôt (radix) ſnôt (femina ſa-
piens) ſôt (fuligo) blôdh (ſanguis) flôdh (turba) fôdhr (pa-
bulum) frôdhr (prudens) glôdh (ignis) gôdhr (bonus)
grôdhr (feracitas) jôdh (proles) môdhir (mater) môdhr
(feſſus) ôdha (avia magna) ôdhinn (deus ethn.) ôdhr (fu-
rens) ſlôdhi (callis) brôdhir (frater) hrôdhr (laus) ôdhal
(praedium) rôdhr (remigatio). In einigen dieſer wörter,
namentlich in den fremd ſcheinenden: ôs, rôs, tôn,
krôna entſpricht wohl ô dem alth. ô, vielleicht auch in
hrôs und hrôſa (laudare) mittelh. rœſen. — 2) durch
ausgelaßene conſ. wird ô begründet in ſôl (ſol, goth.
ſáuil) ôn (fornax, ſt. ofu) ſôp (purgamen, ſt. ſvop?) —
3) wie â erfordert die ſpätere ausſprache ein ô vor den
verbindungen lm. lp. lf. lk. lg. nk. ng. tt (ſtatt ht). als:
hôlmr (inſula) ôlmr (furioſus) ſtôlpi (columna) gôlf (pa-
vimentum) hrôlfr (n. pr.) kôlfr (bulbus) tôlf (duodecim)
fôlk (populus) hôlkr (tubus) dôlgr (hoſtis) kôlga unda)
tôlg (ſevum) bôlſtr (cervical) kôngr (rex, ſt. konûngr)
dôttir (filia) drôtt (plebs) drôttinn (dominus) flôtti (fuga)
nôtt (nox, richtiger ſchiene nâtt, ſ. die declination) ôtta
(matutina) ôtta (terrere) ſôtt (morbus) þôtti (cogitatio)
[291]I. altnordiſche vocale.
þrôttr (vigor). In ôtta (alth. uohta) ôtti (goth. ôhta) war
wie man ſieht das ô ſchon organiſch vorhanden; in den
übrigen entſpricht ôtt dem alth. oht und uht. Vor ls
finde ich kein ô, vgl. dols (haeſitatio) vols (ſplendor).
Daß auch in den übrigen der organ. ausſprache ein kur-
zes o angemeßen war, folgt [wie bei dem â aus dem
umlaut e und nicht æ] aus dem umlaut y und nicht
œ, welches doch dem wahren ô zur ſeite ſteht,
vgl. hylki (capſa) von hôlkr; fylkir (dux) von fôlk:
alſo früher auch holkr, folk. — 4) auslaute: flô (pulex)
flô (ſtratum) hô (interj.) klô (unguis) krô (caſula) lô
(tomentum) lô (corylus fem.) ô (interj.) ô (part. negans)
rô (quies) ſlô (os ſub cornibus) tô (ceſpes) tô (lana) þô
(quamvis) þrô (vas cavum); ebenſo ſind zu beurtheilen:
glô-a (nitere) gô-i (nomen menſis) grô-a (vernare)
hô-a (clamare) hrô-i (heros) lô-a (alludere) mô-a
(argilla linire) ô-a (timere) ô-ir (timet) etc. Die praet.
drô, ſlô, hlô ſtehen für drôg, ſlôg, hlôg. —


(UU) û, dem goth. und alth. û gleich; beiſpiele:
brûdh. hûdh. lûdhr (tuba) ſnûdhr (roſtrum) ſkrûdh (ornatus)
dûfa. ſkrûfa (cochlea) hûfa (pileus) mûgi (multitudo) brûk
(uſus) fûll (putris) ſûla (columna) rûm. rûn. dûn. brûn.
tûn. gnûpr (prominentia) ſûpa (ſorbere) ûr. mûr. ſûr. lûr
(ignavia) ſkûr. hûs. lûs. mûs. þûſund. brûſa (aeſtuare) ût.
ſtrût (ſtruthio) etc. Außerdem entſpringt û aus u vor lf.
nk. ng und s (ſtatt ns) als: ûlfr (lupus) dûnka (reſonare)
krûnk (crocitus) mûnkr (monachus) ûngr (juvenis) klûngr
(ſaxetum) hûngr. bûnga (tumor) drûngi (onus) tûnga.
þûngr fûs etc. Ohne zweifel galt auch hier früher ein
kurzes u, weshalb mir die dehnung der umlaute ŷlfa (lupa)
ŷngi (juventus) þŷngja (gravare) und der weiter unten
anzuführenden ähnlichen bei Biörn zweifelhaft ſcheint. —
Auslaute: bû (aedificium) brû (pons) grû (multitudo)
frû (uxor) lû (laſſitudo) nû (jam) rû (temulentia) trû
(fides) þû (tu) ſnû-a (vertere).


(YY) ŷ, ſowohl umlaut des û, folglich dem mittelh.
iu gleich, als dem organiſchen goth. und alth. iu, wie-
wohl dieſer diphth. in gewiſſen fällen noch daneben be-
ſteht. Da nun letzterer im isländ nicht íu (wie im alth.)
ſondern iú lautet, iú und ŷ aber kaum verwechſelt wer-
den, ſo ſcheint dem ŷ die ausſprache üi, üj, beinahe
ügj, zuzuſtehen, wie ſie Raſk §. 67. beſtimmt. Vielleicht
kann man dieſes zweite ŷ in den meiſten fällen als um-
T 2
[292]I. altnordiſche vocale.
laut des jú oder ió betrachten *). Hentzutage wird je-
doch beiderlei ŷ gewöhnlich mit î vermengt (Raſk §. 25.).
Belege des ŷ = umlaut des û ſind: hŷdha (cutem depo-
nere) prŷdha (ornare) ſkrŷdha (veſtire) fŷla (putreſcere)
rŷma (vacuare) rŷna (literas ſcrutari) gnŷpa (promonto-
rium) pŷngja (crumena) kŷngi (portentum) dŷngja (acer-
vus) fŷſi (deſiderium) hŷſa (in dom. recipere) mŷſlìngr
(muſculus) ŷta (trudere, von ût, foras) etc. — ŷ = um-
laut des iu oder ió ſcheinen mir (abgeſehn von den praeſ.
ſing. bŷd, gŷt etc.) ill-þŷdi (coetus pravorum, von
þiód) þŷda (aptare) þŷfi (furtum, v. þiófr) ſŷn (viſio,
v. ſión) trŷni (roſtrum, v. trióna) dŷpi (profunditas, v.
diúpr) dŷr (animal) dŷr (carus) fŷr (ignis) hŷr (laetus,
ôhŷr, auſterus, altſ. unhiuri) ŷr (arcus) nŷr (novus) nŷra
(ren) tŷr (nomen deaſtri) þŷr (ſervus, goth. þius) grŷta
(lapidare v. griót) etc. — Die auslaute wird man hier-
nach beurtheilen: blŷ (plumbum, vielleicht f. blì?) bŷ
(habito) dŷ (lama) mŷ (tabanus) nŷ (neo) nŷ (novilu-
nium) ſkŷ (nubes) ſlŷ (conferva) ſnŷ (verto) ſŷ (ſtupa)
tŷ (inſtrumentum) þŷ (ancilla); desgleichen flŷ-a (fugere)
gnŷ-a (fricare) lŷ-a (contundere) mŷ-a (moleſtare) nŷ-a
(renovare) ſkŷ-a (nubilare) ſpŷ-a (vomere) ſŷ-a (colare,
beßer ſì-a) tŷ-a (parare, goth. tánjan).


(AE) æ, iſt umlaut des organiſchen â und nicht dem
angelſ. ſondern dem mittelh. æ zu vergleichen; Raſk gibt
ihm §. 14. die ausſprache aj (alſo ái), ſo daß ſich die
berührung der diphth. goth. ai = angelſ. â; goth. ê =
angelſ. æ, nord. und hochd. â mit dem umlaute æ und
der ausſprache ái mehrfach entwickelt, ſo verſchieden
auch beiderlei laute in der bedeutung ſind. Es wird
daher nicht befremden, wenn ausnahmsweiſe das nord.
æ dem goth. ái, angelſ. â, alth. ê (ſt. ei) parallel ſteht **).


  • 1) æ, umlaut des â, = mittelh. æ = goth. ê, angelſ. æ,
    alth. â. Belege: die ſg. praeſ. von fâ, lâta, grâta,
    blâſa etc. fæ, læt, græt, blæſ etc. die conj. gæfi, læſi,
    [293]I. altnordiſche vocale.
    bæri, næmi etc. die flexionen: drætti, hætti, mætti,
    drættir, gættir, hættir, mættir etc. von drâttr etc. gæs
    pl. von gâs und eine menge ableitungen, als: æſa (dea
    ethnica) ætt (genus) bær (praegnans) bæſa (ad praeſepe
    ducere) ôdædi (maleficium, unthat) hæra (pilare) lægja
    (ſuccuba) mær (clarus) mæli (loquela) nædi (quies)
    ſæll (beatus) þræll (ſervus) kæti (laetitia) ræna (ſpoliare)
    u. a. m. Die â vor tt und s lauten in æ um, nicht
    aber die vor lm. lf etc. welche in e umlauten (oben
    ſ. 287.)
  • 2) æ = goth. ái, alth. ê, angelſ. â, wofür auch im
    nord. zuweilen noch â ſteht (ſ. oben â 4.) als deſlen
    umlaut es betrachtet werden könnte. Hierher hören:
    æ (ſemper, goth. áiv) hræ (cadaver, goth. hráiv) ſær
    (ſaivs) ſnær (ſnáivs) læra (docere, láiſjan) ſærdhr (vul-
    neratus) hæſi (raucedo) læſîng (ſera) bædhi (tam-quam)
    klædhi (veſtimentum) æfi (aevum) etc. In einigen pa-
    rallelen fällen iſt ganz richtig ei entſprungen, nament-
    lich meir (magis, weder mâr, wie fâr, vulnus, noch
    mær wie læra) ſ. unten beim ei.
  • 3) hſſ., ausgaben und wörterbücher mengen beiderlei æ
    mit dem ganz verſchiednen diphth. œ (wovon unten),
    der gewiß eine andere ausſprache hatte. —

(AU) au, in den hſſ. av geſchrieben und áu *) aus-
zuſprechen, iſt das goth. áu, alth. au (ou) und ô, angelſ.
eá. Belege (außer den ablauten gaut, kaus etc.): audhugr
(dives) naudh (neceſſitas) ſaudhr (vervex) daufr (ſurdus)
lauf (folium) auga. baugr. haugr. (collis) laug (lavacrum)
auk (etiam) gaukr (cuculus) haukr (accipiter) laukr (al-
lium) auli (ſtultus) bauli (taurus) ſtauli (ſervulus) aumr
(miſer) glaumr (ſtrepitus) naumr (tenax) ſanmr (ſartura)
ſtraumr. taumr. daun (odor) hraun (aſpretum) kaun (ul-
cus) laun. raun (tentatio) hlaup. kaupa. laupr (cophi-
nus) ſaup (juſculum) ſtaup (poculum) aur (lutum) kaur
(ſtridor) maur (formica) ſaur (ſtercus) auſa (haurire) fauſi
[294]I. altnordiſche vocale.
(ſtultus) haus (cranium) hnaus (gleba) bauta (pellere)
braut (via) gauti (n. pr.) grautr (arena) naut (bos) nautr
(ſocius) ſkaut (gremium) ſtaut (haeſitatio lectionis) taut
(murmur) þraut (labor) u. a. m. Drucke und hſſ. ver-
wirren dieſen diphth. au ungrammatiſch mit dem un-
diphthongiſchen ö, dem durch u erzeugten umlaute des
a, indem ſie nicht ſowohl erſtern ö, als vielmehr letz-
tern au (av) ſchreiben. Nach dem fac ſimile (hinter der
edda ſæm. I.) lieſt das fragm. membr. univ. Grimn. 43.
44. 46. richtig havca. öllum. bölvërkr. alfödr und Hŷ-
misqv. 3. önn (goth. anna, labor) welche 4 letzte ö die
herausgeber unrichtig in avllom. bavlvërkr. alfavdr.
avnn abändern. Der cod. reg. lieſt hingegen ſelbſt ſchon
Skirn. 30. 38. gavrþom. avll ſt. görþom. öll. Die aus-
gabe der Niâlsſaga drückt au und ö durch av aus, in
einigen fällen letzteres durch o. In Biörns wörterbuch
ſind au und ö meiſtentheils richtig unterſchieden, nicht
durchgängig, indem z. b. höfud ſt. haufud (goth. háu-
biþ, angelſ. heáfod), hingegen vor nk, ng beſtändig au
ſt. ö geſetzt wird, z. b. haunk, ſtaung, taung ſt. hönk,
ſtöng, töng. Die kopenh. ausg. der edda ſchwankt zwi-
ſchen au (av) und ö und hat z. b. bald ſavdull, bald
(das richtigere) ſödull. Andere, welche die verſchieden-
heit beider laute einſehen, wollen au durch au, das ö
aber durch av ausdrücken, alſo gaut (fudit) laug (lava-
crum) aber gavtu (ſemitae) lavgr (fluidum) lavg (lex) etc.
geſchrieben wißen. Ihnen pflichtet Raſk §. 29. bei und
verfährt danach in ſeinen ſtockholmer ausgg. meiſten-
theils, doch nicht allentbalben, obgleich er in der vorr. zur
Snorraedda p. 14. “allſtadhar” (ubique) ſagt, denn über-
all finden ſich ö neben av, z. b. p. 46. mörg. miöc. iö-
tun. göngu etc. Mir misfällt dieſe bezeichnung des
unterſchieds, theils weil av in den hſſ. insgemein auch
für das walire au ſteht. theils da, wo es den ölaut aus-
drücken ſoll, zur conſonantiſchen ansſprache des v in
av verführt, welche, wie wir oben geſehn, gerade dem
ganz abweichenden â gebührt. Ich werde ſorgſam den
dipht. au von dem umlaut ö trennen und weder aun-
nur, ſauk, haunom, noch avnnur, ſavk, havnom, ſon-
dern überall önnur, ſök, hönom ſchreiben, will aber
zugeben, daß ſich in der ausſprache au und ö (wie
länge und kürze) begegneten und verwirren konnten.
Sonſt würden alte hſſ. nicht beide durch av ausdrücken,
auch das au nicht ſpäter, z. b. im ſchwed. zu œ (lan-
gem ö) werden, als: lœga (lavare) hœfved (caput), wäh-
[295]I. altnordiſche vocale.
rend das altn. ö wieder zum reinen a wird, als: lag
(lex) annor etc Für die altn. ſprache iſt die ſcheidung
des au und ö ſehr wichtig, weil man ohne ſie wörter
wie bauli, auka, laug, haukum (accipitribus) baugum
(annulis) gauf (palpitatio) kaur (murmur) etc. vermen-
gen würde mit böl (malum) aka, gen. öku (currus) lögr
(aqua) hökum (mentis) bögum (jacturis) göfugr (nobilis)
kör, karar (lectus).


(EI) ei, wie éi, d. h. der umlaut des a, mit nach-
ſchlagendem i, alſo gleich dem alth. ei und nicht wie
das ueuh. (ai lautende) ei auszuſprechen. Nach Raſk
§. 15. beinahe wie ej, alſo gewiß mit betonung des vor-
deren vocals, was zugleich die betonung des nord. áu
(nicht aú) beſtätigt; §. 22. nimmt er die conſonantiſche
ausſprache ej zurück und ein rein diphthongiſches ei
an. Alte hſſ. ſchreiben æi ſt. ei, vgl. den anfang der
Hŷmisqv. im fragm. membr. univ. væidhar. tæina. tæitr.
læit etc. welches zwar nicht nachzuahmen iſt, aber den
urſprung aus einem älteren ai und den accent auf éi be.
weiſt. Offenbar ſchwankte es ſelbſt in æ und gerade in
den fällen wo das alth. è aus ei entſprang (ſ. oben das
zweite altnord. æ), obgleich ſich neben ſnær (?ſnæir,
ſneir, ſnair) etc. einzeln das ei in meir (magis) geir
(haſta) keira (vehere) behauptete *). Ja zuweilen iſt
ohne umlaut â (aa) aus ai (wie im angelſ.) geworden
(oben ſ. 228). Belege ergeben ſich allenthalben in den-
ſelben wörtern, wo das goth. ái, alth. ei, angelſ. â wal-
tet. In ê wandelu eig die praet. hnê, ſtê, ſê.


(EY) ey, von dem vorigen ei durchaus verſchie-
den, iſt umlaut des an und dem mittelh. öi parallel,
oder dem angelſ. zweiten ŷ. Auszuſprechen faſt wie je-
ner mittelh. diphth. (mehr öy als öi) und wie im heuti-
gen Island und andern norweg. gegenden das au ſelbſt
lautet, ö mit nachſchlagendem i, beinahe œ, (Raſk
§. 69.) nur darf man dieſe ausſprache nicht auf das alt-
nord. au anwenden **). Die heutige mundart weiß ey
[296]I. altnordiſche vocale.
von ei nicht zu unterſcheiden (Raſk §. 26.) und ſchreibt
fälſchlich z. b. keyra f. keira. Belege: ey (inſula, goth.
avi?) hey (foenum, goth. havi) fley (liburna) mey (virgo,
goth. mavi?) gey (latratus) grey (canis f.) freya (n. pr.
alth. frouwa) deyfa (hebetare) leyfa (laudare) fleygr (vo-
lucris) reykr (fumus) geyma (cuſtodire) gleyma (obliviſci)
ſeyma (ſuere) teyma (fune ducere) reyna (ſcrutari) hleyp
(curro) eyr (aes) freyr (n. pr. goth. fráuja) reyr (arundo)
(þeyr) (ventus egelidus) eyra (auris) beyra (andire) leyſa
(ſolvere) ſteyta (tundere) bleydhi (timiditas) eydhi (ſoli-
tudo etc. Bisweilen ſteigt der umlaut in formen, denen
die endung i gebricht, ſo ſteht neydh ſt. naudh, gerade
wie im angelſ. nŷd ſt. neád. — Der übergang in œ
liegt nahe, mœr (virgo) neben mey; weiter der in â,
denn das oben ſ. 287. angeführte hâ (neben hey) ſcheint
aus der apocope des v von hav zu erwachſen.


(IA) ia, auszuſprechen iá, deswegen bei Raſk mit
ja ausgedrückt, vom alth. ia formell. und materiell ganz
verſchieden. Es iſt das angelſ. ëo und entwickelt ſich
auf zwar nicht gleiche aber doch ähnliche weiſe aus
dem ë 1) bei nachfolgendem ll. ld. lt. ls. rr. rl. rm.
rn. rf. rt. rdh. rk. rg. als: fiall (mons) hiall (gradus)
ſniallr (velox) ſpiall (colloquium) giald (pecunia) ſialdan
(raro) ſpiald (tabula) tiald (tentorium) bialt (capulus)
mialta (mulctum ire) ſmialſa (ſorbillare) ſkiarr (fugax)
fiarri (remote) iarl (vir nob.) biarmi (lucubrum) biarnar
(urſi) giarn (cupidus) hiarni (cerebrum) ſtiarna (ſtella)
diarſr (audax) hiarta (cor) biartr (lucidus) iardhar (ter-
rae) þiark (quaſſatio) biarg (ſaxum) tiarga (clipens).
Muthmaßlich auch früher vor lm. lp. lf. lk. lg. wo ſpä-
ter ein ià gilt (ſ. unten); vor rp und rr (ſtatt rs) bleibt
ë beſtehn, als: vërpa, vërri (pejor) þvërra (decreſcere),
nirgend viarpa, viarri, þiarra; vor ll. lt. lg. rf. rt. rdh.
ſchwankt es, denn neben den angeführten finden ſich
mit ë die ſtarken inf. vëlla, ſvëlla. ſkëlla. ſvëlta. vëlta.
ſvelgja. hvërfa. ſnërta. vërdha, und nie in dieſen wör-
tern ia. — 2) ſchwaukend vor l. r. f. t. dh. ſ. g. k: fia-
lar (aſſeris, tabulae) hiala (fabulari) tiara (pix) iaſn (ae-
qualis) kiaftr (roſtrum) fiatla (fruſtra agere) fiatra (vincire)
miatla (parum detrahere) fiadhradr (pennatus) hiadhn
**)
[297]I. altnordiſche vocale.
(nix compacta) miadhar (medi) ſmiadhra (adulari) kias
(adulatio) pias (niſus) þiaſſi (n. pr.) biaga (luxare) biak
(moleſtia) miak (motus lentus) kíak (ſecuris) ſtiak (tu-
multus) u. a. m. woneben, vor denſelben conſonanzen
häufig aber auch ë ſtattfindet, z. b. fëla (occultare) ſtëla
(furari) bëra (ferre) ſkëra (ſcindere) bëra (urſa) ëf (an)
ëfni (materia) gëfa (dare) lëſa (legere) brëk (vitium) rëka
(pellere) etc. *). Jedes ia lautet bei folgendem oder vor-
auszuſetzendem u in um **); ia iſt kein voller diphth.
ſondern wie das angelſ. ëo und goth. aí ***), wegen
der nahen berührung mit i oder ë, faſt einfacher laut
mit leiſe vorſchlagendem i. Dieſes i mag ich dennoch
nicht in j verwandeln, theils um der analogie mit dem
angelſ. ë willen, theils weil das j wirklich davon unter-
ſchieden war, im angelſ. lautet das j conſonantiſch und
wird zu g, im nord. gilt aphäreſe des eigentlichen j.
Das hochd. jung lautet angelſ. gëong, nord. ûng; das
hochd. ërda, angelſ. ëordhe, nord. wie mir ſcheint beßer
iördh, als jördh; eben ſo iötunn (angelſ. ëoton, ëton,
alth. ëƷan?) beßer als jötunn, da wir auch im hochd.
das anlautende ia, ie von ja, je unterſcheiden †). Noch
[298]I. altnordiſche vocale.
weniger kann inlautend die ſchreibung gjarn ſt. giarn
auf beifall rechnen (mehr noch unten beim j).


(IE) ie, kein altn. diphth. ſondern ſpätere orthogra-
phie ſt. ê in verſchiedenen wörtern, z. b. knie, ſpie, trie,
hie, hiegomi, flietta, ſtietta, þiettr, hieri, iel, ſt. knê
(genu) ſpê (ludibrium) trê (arbos) hê (? ros) hêgomi
(vanitas) flètta (nectere, hochd. flechten) ſtètta (? fulcire)
þêt[i]r (denſus, dicht) hêri (lepus) êl (nimbus); einigemahl
auch für ë geſetzt, z. b. þier (vos) ſt. þër (ſ. 289.). Daß
kein ie als umlaut der ia gelte, wurde vorhin angemerkt.


(IO) io, mit der betonung = angelſ. ëó, goth.
íu, alth. ío; ein organiſcher diphth., den Raſk wieder
ohne gültigen grund in verwandelt; von ia, deſſen
umlaut , ſo wie von iâ, ſtehet ió gänzlich ab und
wird nur unorganiſch mit ihnen verwechſelt. Eine
ſolche verwechſlung liegt der gewöhnlichen ſchreibung
miólk, gen. míólkr (lac, lactis) unter; das angelſ. mëo-
loc (nicht mëóloc) und alth. miluh lehren, die altn.
form miölk, mialkar; entw. ſo oder auf neuere weiſe
(ià vor lk) müſte miâlk, miâlkar ſtehn, das man in der
ausſprache für miólk nahm. Der Schwede ſetzt auch
richtig miölk, wie miöd (altn. miödhr) und nicht miulk,
wie er ſpiut, tiuf etc. dem altn. ſpiót, þiófr gemäß
ſchreibt. Hiernach ſind ähnliche misbräuche zu beur-
theilen; das org. ió belegen folgende beiſpiele: frió (ſe-
men) þió (clunes) friófr (foecundus) ſliófr (hebes) þiófr
(fur) drióli (taurus) hiól (rota) hióm (ſuperficies) hlióma
(reſonare) liómi (ſplendor) riómi (cremor) ſkiómi (fulgor)
hrión (ſcabretum) mióni (gracilis) prióna (texere) ſión
(viſus) tión (damnum) þión (ſervus) biór (cereviſia) miór
(tener) *) niórunn (terra) ſtiórn (imperium) frióſa (al-
gere) gióſa (eructare) hnióſa (ſternutare) kióſa (eligere)
fiós (bovile) liós (lumen) þiós (fruſtum carnis) nióſn (ex-
perimentum) brióſkr (cartilago) lióſta (ferire) brióſt (pec-
tus) brióta (frangere) gióta (parere) hlióta (obtinere)
hnióta (labare) hrióta (ſtertere) nióta (uti) ſkióta (jaculari)
þrióta (deficere) fliót (fluvius) griót (lapis) liótr (turpis)
ſkióti (equus) ſpiót (haſta) þriótr (obſtinax) biódhr (diſcus)
þiódh (gens) biódha (offerre) hniódha (tundere) hliódh
[299]I. altnordiſche vocale.
(ſonus) liódh (carmen). Den urſprung dieſes ió aus
einem ältern iú erſieht man in wörtern derſelben con-
jug. die letzteres behalten und namentlich vor p. k und g.
In einzelnen fällen entſteht ió, wie im alth., aus zuſ.
ziehungen, vgl. fiórir (quatuor) oben ſ. 104; fión (odium)
aus fi-jon? hión (conjuges) aus hi-von? lión (leo)
aus li-on?


(IU) (nicht jú) die ältere, in gewiſſen fällen ver-
bliebene form des vorausgehenden . und zwar bei
folgendem p. f. *) k. g, als: diúpr (profundus) driúpa
(caderè) gliúpr (bibulus) hiúpr (velamen) kriúpa (repere)
riúpa (tetrao) ſtiúpr (privignus) gliúfr (locus praeruptus)
hriúfr (moeſtus) kliúfa (findere) liúfr (carus) riúfa (rum-
pere) fiúka (ningere) liúka (claudere) miúkr (lenis) riúka
(fumare) ſiúkr (aeger) ſtriúka (elabi) biúgr (curvus) bliúgr
(verecundus) driúgr (continuus) fliúga (volare) liúga (men-
tiri) ſiúga (ſugere) ſmiúga (repere). Warum die lippen-
und kehllaute das vorſtehende bewahren, die lingua-
les und liq. es aber in ió übergehen laßen? verdient
aufmerkſamkeit; man vgl. oben ſ. 94. 100. das vor n.r.
und den linguales entwickelte alth. ô, während m die
lab. und gutt. das alte au (ou) vor ſich behalten; bloß
der einfluß des m iſt verſchieden, I aber dort gar nicht
vorkommend. Eine andere analogie bieten die verbin-
dungen lp. lf. lk. lg. nk. ng. an hand, welche den vorſte-
henden kurzen vocal verlängern (oben ſ. 286. 289. 290. 291.)
während er vor lt. ld. nt. nd. kurz bleibt; offenbar ſteht
auch hier die lingualordnung gegenüber der labialen und
gutturalen. Noch ein paralleliſmus der beiden letzten
wurde ſ. 187. bemerkt. Aus dergleichen jetzt noch un-
reiſen wahrnehmungen können dereinſt wichtige auf-
ſchlüße erwachſen. — Statt iu haben ein bloßes langes û:
lûta (vergere) lûka (claudere), letzteres bereits im goth.
lûkan (ſ. 51.) — Das ſeltne íu in níu (novem) tíu (de-
cem) iſt kein eigentlicher diphth., vielmehr i-u, und
etwa îu zu ſchreiben? So entſpringt auch in dem be-
kannten eigennamen giúki (oder gíuki?) der diphth. aus
contraction (ſt. giviki) wie die altſ. form giviko und
die alth. kibicho (Neugart n° 518.) lehren.


(OE) gleich dem angelſ. AE von doppelter, völlig
verſchiedener art, entw. ö oder œ.


[300]I. altnordiſche vocale.
  • I) ö = umlaút des kurzen a (nicht des â), von der en-
    dung u gezeugt, wie das e von der endung i; ein
    der altnord. ſprache eigenthümlicher vorzug, der mit
    jenem e in den wurzeln a eine ſchöne abwechſelung
    hervorbringt, vgl. börkr (cortex) gen. barkar, dat.
    berki; lögr (d. i. lögur, aequor) gen. lagar, dat. legi,
    wogegen dies wort im alth. lagu, lages, laga lauten
    wurde. Alte hſſ. (ſ. die ſchriftprobe aus dem fr. edd.
    membr. univ.) pflegen es mit einem geſchwänzten o
    (8) zu ſchreiben (vgl. lâtînu-ſtafrofit p. 276. wo aber
    eine andere deutung ſteht). Dieſes unbequeme zei-
    chen iſt zwar als ſolches dem geſchwänzten ę analog,
    nicht aber deſſen bedeutung, indem nirgends ę für e
    (umlaut des a) ſondern nur für æ geſetzt wird. Ich
    bediene mich daher des neueren gangbaren zeichens ö,
    ohne jedoch ö mit ë auf eine linie zu ſtellen. Daß
    einige ausgaben es durch o, und viele hſſ. und ausg.
    durch av ausdrücken, wurde oben ſ. 294. bemerkt.
    Belege wie amma, ömmu; gladdi, glöddu; allr, öll; ſök,
    ſakar; armr, örmum; völlr, vallar; mölr (tinea, goth.
    malô) etc. finden ſich überall. Der einzige fall iſt
    noch zu bedenken, wo a vor nk. ng nach der neueren
    ausſprache zu â wird; hier nimmt Raſk §. 78. 79. bei
    hinzutretender endung u und i eine veränderung des
    â in au (nicht av = ö) und ei an, z. b. gânga, gen.
    gaungu; fàng pl. faung; lângr, fem. laung; þânki,
    dat. pl. þaunkum. Der alten ausſprache war gewiß
    göngu, föng, þönkum, und aus gleicher urſache geng,
    leug etc. gemäßer als geing, leing; wird doch auch
    engill (angelus) und nicht eingill geſchrieben. Folge-
    rechter ſchiene, wie hâlfr, hâlf etc. auch krânkr, krânk
    (ſt. kraunk) anzunehmen oder den alten umlaut krönk
    neben krânkr zu laßen, da man lieber krenkja als
    kreinkja ſagt. Die entwicklung eines au und ei aus
    wurzelhaftem a iſt gewiß unorganiſch zu neunen. —
    Ausuahmsweiſe und ſelten finde ich ö ſtatt o geſetzt,
    z. b. in dem worte tröll (gigas) wie theils daraus er.
    hellt, daß ſchon der nom. ſg. tröll (nicht trall) und
    der gen. pl. trölla (nicht tralla) lautet, theils aus dem
    umlaut in trylla (faſcinare), theils aus dem ſchwed.
    und dän. o in troll, trold. Vielleicht würde auch im
    altn. beßer geſchrieben: troll.
  • II) œ = umlaut des ô, = angelſ. ê, mittelh. ue. Die-
    ſen diphth. drücken die beſten hſſ. und drucke durch
    æ aus, womit er gar nichts zu ſchaffen hat; Biörn
    [301]I. altnordiſche vocale.
    immer; Raſk, welcher zuerſt wieder auf die verſchie-
    denheit beider laute gemerkt (§. 73.), führt ſie weder
    in ſeinen ausgg. noch in der anviſning durch; ſofern
    nicht zweifelhafte wörter vorliegen, werde ich über-
    all den umlaut des â mit æ, den des ô mit œ bezeich-
    nen *). Belege des letzteren ſind: die conjunctive der
    ablaute ô: tœki, œli, gœli etc. die pl. bœkr (libri)
    nœtr (ſaginae) rœtr (radices) bœtr (mulctae) fœtr (pe-
    des) etc. vom ſg. bôk, nôt, rôt, bôt, fôtr; rœ (re-
    migo) fœdha (parere) frœdhi (prudentia) hœfa (decere)
    lœfa (palma menſurare) dœgr (tempus diei) nœgja (ſuf-
    ficere) œgja (terrere) œgir (mare) rœgja (calumniari)
    ſœkja (quaerere) hœll (calx) hœla (laudare) kœla (refri-
    gerare) dœma (judicare) ſœma (honorare) tœma (eva-
    cuare) bœn (precatio) grœnn (viridis) hœna (gallina)
    œpa (clamare) þœr (illae) tvœr (duae) fœra (ferre) ſœtr
    (dulcis) etc. Ohne beachtung des unterſchieds wü de
    z. b. rœki (obſervo) wie ræki (pellerem) oder ſœtir
    (dulces) wie ſætir (ſederes) ausſehen. —

(IAA) iâ, ein triphthong, wiewohl das i nur gelinde
vorſchlägt; verhält ſich zum ia, wie â zu a und ent-
ſpringt 1) wenn die verbindung lm. lp. lf. lk. lg. ls. auf
ia folgen, als: hiâlmr (galea) hiâlpa (opem ferre) biâlſi
(veſtis ampla) giâlfr (ſtrepitus) ſiâlfr (ipſe) ſkiâlfa (tre-
mere) þiâlf (labor) biâlki (trabs) kiâlki (maxilla) ſpiâlk
(aſſerculus) innfiâlgr (incurvatus) ſkiâlgr (obliquus) friâls
(liber) 2) noch in andern fällen, wenigſtens nach Biörus
wörterbuch: priâl. ſtriâla. diâſn. biâtr. piâtr. riâtl. ſpiâtr,
lauter ſeltne und nicht leicht zu beurtheilende wörter.
3) in den auslauten hat iâ gleichen grund mit dem aus-
lautenden â ſtatt a und fiâ (odiſſe) giâ (laſcivia) gliâ
(ſtratum) hiâ (apud) kiâ (coaptare) kliâ (expedire) kriâ
(deſiderare) liâ (gramen demenſum) rià (attrectare) ſiâ
(videre) ſiâ (is) tiâ (praeſtare) þiâ (in ſervit. redigere)
fiâr (pecuniae) liâr (falx) etc. ſind meiſtentheils aus i-a
zu erklären, alſo nicht organiſcher doppellaut.


(IOE) iö, triphthongiſch, wenn man ö für einen
diphth. nimmt, ſonſt nur gleich dem ia diphthongiſch,
[302]I. altnordiſche vocale.
verhält ſich zu ia wie ö zu a. Mit dem ió nicht zu
verwechſeln. Beiſpiele: giöf (donum) ſkiögr (vertigo)
fiöl (aſſer) þiöl (lima) ſtiölr (anus) kiölr (navis) miöll
(nix) ſkiöldr (clypeus) hiörr (gladius) ſpiör (telum) biörn
(urſus) biörk (betula) biörg (auxilium) niördhr (n. pr.)
iördh (terra) hiörtu (corda) hiörtr (cervus) miödhr (mul-
ſum) etc. Ein endungs-u iſt allenthalben zu ſupponie-
ren, wie noch aus der vergleichung anderer mundarten
erhellt, z. b. hiör (gladium, goth. haíru, altſ. hëru) giöf
(alth. kipu) fiöl- (multi-, alth. filu); ſiö (ſeptem) ſteht
für ſiöfu (alth. ſibun, angelſ. ſëofon) fiör (vita) zeigt auf
das alth. fërah oder fëruh (?) vielleicht auf das goth.
faírhvus, wenn ſich die begriffe κόσμος, welt und le-
ben begegnen (vgl. den altſ. ausdruck firiho-barn, kin-
der der welt, menſchen). — Zweideutig ſcheint das iö
einiger wörter, als: miöl (farina) ſmiör (butyrum) welche
nach Raſk §. 75. nirgends ia bekommen. Ich denke mir
indeſſen ihr organiſch (d. h. aus ia entſprungen) und
die rückkehr des ia darum unmöglich, weil nach ein-
fachem l und r das urſprüngliche u gern in v verwan-
delt zwiſchen liq. und endung a tritt, folglich die wir-
kung letzterer hemmt. So hat der gen. pl. miölva,
ſmiörva (?) von fiör, hiör, fiörva, hiörva ſt. miala,
ſmiara, hiara, fiara, wie ſich kiala und ſpiara von kiölr,
ſpiör findet. Auch zeigen die entſprechenden alth. wör-
ter ë in mël, ſmër *), wie in ërda und mëdo (mulſum).
Die von Raſk angeführte ableitung mylja (contundere)
kann nicht von miöl, ſondern nur von mola herſtam-
men; ſmyrja (ungere) nicht von ſmiör, ſondern ſetzt
ein ſmora voraus, freilich ſind ſich miöl und mola,
ſmiör und ſmora mittelſt des ablautsverhältniſſes ver-
wandt und auf ein verlorenes mëla, mal, molinn; ſmëra
ſmar, ſmorinn (nach ſtëla und bëra) zu gründen. Wie
miöl, ſmiör neben ëk mël, ëk ſmër beſtehen, iſt vor-
hin ſ. 297. in der note gewieſen.


Schlußbemerkungen zu den vocalen

  • 1) aus den drei urlauten a, i, u entſpinnen ſich die trü-
    bungen e, ë, o, ö, y ſammt den halblängen ia, iö,
    denen vielleicht auch das ö beizuzählen iſt. Die dehn-
    [303]I. altnordiſche vocale.
    laute â, ê, î, ô, û ſtimmen zu der altſächſ. anord-
    nung; aber die im altſ. mangelnden eigentlichen diphth.
    au, ei (altſ. mit ô und ê zuſ. fallend) ſind vorhauden,
    außerdem iu (ió). Bloße umlaute ſind æ, œ, ŷ;
    triphthonge iâ, (iaa) iö (ioe) wenn ö für diphthon-
    giſch gilt. [Ganz untriphthongiſch ſind die zuſ ge-
    rückten ô-a, ô-i ſ. oben beim ô, vermuthlich iſt
    ein g ausgefallen; ebenſo deute man die edd. namen:
    ôinn, môinn und ähnl. fälle.] Die ſ. 242. genannten
    ſieben hauptläugen lauten hier â, ô, û, ei, au, î, iu,
    alſo wie im alth. mit ausnahme des ô für uo, mithin
    vier gedehute und drei andere diphth. ſo daß die
    mundart zwar unhärter als die goth. und alth., zu-
    gleich unweicher, als die altſ. reihe (â, ô, û, ê, ô,
    î, iu) iſt und eine glückliche mitte hält; (auch das
    frieſ. weicher: ê, ô, û, ê, â, î, iu). Die accentuie-
    rung ió, iú weicht von der alth. íu ab und ſtimmt
    zur angelſ. ëó, hingegen áu, éi zum alth. áu, (nicht
    zum angelſ. eá) und éi, Während ei aus dem älteren
    ai (durch umlaut) entſteht, iſt au wenigſtens in der
    ſchrift geblieben, in der ausſprache vielleicht zu öu
    geworden.
  • 2) umlaut noch regſamer und feiner, als im angelſ, näm-
    lich i verwandelt a in e, u (o) in y, â in æ, ô in
    œ, û (iu) in ŷ, au in ey [nicht ë in i; iö aber in i,
    Raſk §. 76. 77. weil das hier vortauchende i der alte,
    ächte laut iſt]. Allein außerdem wirkt die endung u
    den umlaut des a in ö (folglich des ia in iö), ohne
    auf andere vocale einfluß zu äußern, man müſte denn
    das neuere aung, aunk (ſ. 294. 300.) für umlaut des âng,
    ânk durch u, und eing für umlaut desſelben durch i
    halten. — Die den umlaut zeugende endung i und u
    iſt (wie im angelſ.) häufig weggefallen.
  • 3) die geſchichte der endungsvocale würde durch denk-
    mähler und hſſ., die den zuſtand der ſprache mehrere
    jahrh. vor der zeit, bis wohin die erhaltenen reichen,
    anzeigten, ſehr aufgeklärt werden, denn vieles-läßt auf
    bedeutende veränderungen ſchließen. Auffallend wei-
    ſen gerade die älteſten hſſ. o ſtatt u, als: augo (oculi)
    flugo (volabant) mînom (meis) vârom (fuimus) fögor
    (pulchra) ni-ondi (nonus) da doch hier das u für or-
    ganiſcher gehalten werden muß. Unorganiſch iſt ſicher
    die endung i in vielen fällen. nämlich in allen, wo
    ſie den vorausgehenden umlautsfähigen wurzelvocal
    [304]I. altnordiſche vocale.
    nicht umlautet; von dieſem wichtigen ſatze wird bei
    den flexionen oft gebrauch gemacht werden, beiſpiele
    ſind die pl. fem. giafir etc. die nom. ſg. des ſchw.
    maſc. api etc. die praeſ. conjunct. fari etc. die part.
    farinn etc. die ſchwachen praet. taldi etc. wo ein
    wahrhaftes i gifir (ſt. giefir) epi, feri, ferinn, teldi
    hervorgebracht hätte. Nähere vermuthungen in der
    flexionslehre ſelbſt. Gleichergeſtalt verräth die ſchrei-
    bung fagur, vakur (pulcher, vigil) ein uneigentliches
    u, weil das eigentliche (wie im fem.) vökur, fögur
    bewirken würde; offenbar ſteht es hier für ein älte-
    res a, wie auch das alth. wakar, fagar beſtätigt und
    richtiger wird im altn. maſc. vakr, fagr geſchrieben. —
    Häufig erfährt der vocal der ableitung und flexion
    ſyn- und apocope; der gebliebene umlaut bezeugt
    ſein früheres daſeyn, z. b. giöf=giöfu, merkr=mer-
    kir; eine menge anderer fälle lehrt die vergleichung
    des alth. z. b. daß ûngr, ûng, ûngt (jungêr, jungu, jun-
    gaƷ) für ûng’r, ûng’, ûng’t (wo ’ den ungewiſſen
    laut ausdrücken ſoll) ſtehe. Wenn die liq. l. oder
    r. zwiſchen zwei vocalen, dem der ableitung und
    flexion oder auch zwei flexionsvocalen ſteht, ſo wird
    der vordere vocal ſyncopiert und das dreiſilbige wort
    zweiſilbig, vgl. gam’lan (veterem) fag’ran (pulchrum)
    ſtœr’ri (major) ſt. ſtœriri (alth. ſtuoriro) das vierſilbige
    dreiſilbig z. b. fagar’ra (pulchrorum) ſt. fagarera.
  • 4) auch die alth. aſſimilation (ſ. 117. 118.) zeigt ſich
    theils wirklich, theils in der vorausſetzung. Wirklich
    z. b. im pl. der ſchw. pract. launudhum (remunera-
    vimus) ſt. launadhum (oder irgend einen andern vo-
    cal ſtatt des a) und durch dieſe vorrückung des aſſi-
    milierten vocals wird nun ſelbſt umlaut der wurzel
    herbeigeführt, als: kölludhum (vocavimus) ſt. kalla-
    dhum. Eben dieſer umlaut beweiſt ſodann eine vor-
    gegangene, durch die ſpäter apocopierte endung ent-
    ſtellte aſſimilation in formen, die ohne ſolche annahme
    unerklärbar wären. Nämlich das u in fögur (venuſta)
    gömul (vetuſta) hängt von dem weggeworfenen u der
    flexion ab, deſſen aſſim. es war, die volle ächte, form
    lautete föguru (ſt. fagaru) gömulu (gamalu), eben dar-
    um muß aber auch bitur (amara) für bituru, dieſes
    für bitaru ſtehen. Raſks ſchema der adj. auf ur
    (§. 184.) fagur, fögur, fagurt, iſt ohne zweifel unor-
    ganiſch, obgleich ſpätere ſprachverderbniß ſolche for-
    men darbieten mag, es muß heißen fagar, fögur,
    [305]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
    fagart (oder fagr, fögur, fagrt) und ebenſo bitar, bitur,
    bitart (bitr, bitur, bitrt); dieſe formen ſetzen ein äl-
    teres fagar’r, föguru (ohne aſſ. fagaru) fagar’t; bitar’r,
    bituru (ohne aſſ. bitaru) bitar’t voraus. Der dat. pl.
    hat fögrum, bitrum (f. fögurum, biturum) der gen.
    pl. bitarra (f. bitar’ra). Ein beiſpiel des aſſimilierten
    i mag der compar. fegra (pulchrius) liefern, es ſteht
    für nichts anders als fegirira, feg’rira (goth. fag’rizô)
    woneben auch mittelſt a compariert werden darf: fa-
    grara (ſt. fagarara) bitrara (bitarara) nicht bitra, weil
    dieſe zuſ. ziehung, keines umlauts fähig, mit dem
    acc. ſg. fem. oder acc. pl. maſc. des poſitivs bitra ver-
    wechſelt werden würde.

Altnordiſche conſonanten.


Wie im ſächſ. in allen hauptzügen beibehaltung der
goth. einrichtung.


(L. M. N. R.) liquidae, Die anlaute l. n. r. ſind
noch von hl. hn. hr. geſchieden, nicht mehr aber die
ſächſ. und goth. vl. vr. vorhanden, ſondern zu l. und
r. geworden. — Der auslaut m. ſteht feſt und geht nie
in n. über. Deſto mehr wankt das in- und auslautende n,
ſobald ihm ein vocal vorausgeht, iſt es naſal (Raſk
§. 58.); gänzlich wegfällt es 1) in flexionen a) vor
auslautendem t; das part. neutr. tamit (domitum) für
tamint (tamin’t); hit, eitt f. hint eint (ſ. unten tt)
b) in der ſchw. declination und in allen infinitiven.
2) in wurzeln a) bei folgendem ſ. dh. k. (hiervon un-
ten bei den verbindungen ns. ndh. nk.) b) in einzel-
nen partikeln, deren vocal alsdann lang wird: î, â und
ô-, goth. in, ana, un. — Das r aus ſ. iſt weiter vorge-
rückt, als in irgend einer andern deutſchen ſprache,
namentlich nicht nur in den ſ. 121. 244. gegebenen alth.
und angelſ. flexionen, ſondern in dem fall des nom.
pl. insgemein und zuweilen ſelbſt des gen. ſg. maſc.
und neutr., obſchon meiſtens hier noch ein ſ. waltet.
Einzelne wörter mit ſolchem r. ſind den hochd. oder
ſächſ. analog; die goth. baſi, viſan, und haſa lauten
hier ber, vëra und hieri, hêri (ſt. hari, den grund der
vocaländerung begreiſe ich noch nicht, denn die endung
i iſt hier unorganiſch und keinen umlaut des a in e zeu-
gend) vermuthlich gehören auch hler (auſcultatio) und
U
[306]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
gær (heri) *) hierher; oß (nobis, goth. uns, angelſ.
us) bekommt im poſſeſſ. orr für oſr, (angelſ. uſer) da-
gegen beſtehen nös (nares) ax (ahs, ſpica) ſvâs (proprius)
und die inf. kióſa, frióſa, praet. kaus, fraus pl. kuro,
fruro; lëſa und rîſa behalten das ſ. durchaus. (vgl. un-
ten rr. ſſ. und rſ; desgl. die aſſimilationen ll. nn. kk.
dd ſtatt rl. rn. rk. rd.) Der auslaut r. fällt in verſchied-
nen nom. ſg. fem. weg, in maſc. nur bei vorausgehen-
dem r und ſ. (ſtôr f. ſtôr’r; laus f. lauſ’r, andere ſchrei-
ben aber lauß). —


geminationen. Die hochd. und ſächſ. ſitte, inlautend
ſt. der ableitung i zu geminieren, beſteht nicht (es heißt
ſelja, nicht ſella; fen nicht fenn; kyn, gen. kyns nicht kynn,
kynns etc.); ebenſowenig die andere, organiſche gemination
im auslaute zu vereinfachen (es heißt fall, falls **); vann,
unno; ſvall, ſullo; nicht; fal, van, ſval). Dagegen
ſchreiben viele ll und nn vor d und t (Raſk §. 44.)
als: villdi, giallda, lannd, vanndi ſt. vildi, gialda, land,
vandi; letztere ſchreibung hat den vorzug. — Manche
altn. geminationen entſpringen durch aſſimilation, na-
mentlich: ll aus dem organ. ldh, vgl. ballr (audax, goth.
balþs) villr (ferus) hylli (gratia) hallr (proclivis) gull (au-
rum); dieſes ll. entſpricht dem alth. ld (nicht lt) vgl.
oben ſ. 160. Seltner und tadelnswerth aus dl (für dhil)
als: milli f. midli (midhli) frilla f. fridla (fridhila, alth.
fridila, amaſia) bralliga (cito) f. brâdliga; — ferner aus
rl, als kall (ſenex) valla (vix) ſt. des richtigern karl,
varla, welches beinahe kardl, vardla ausgeſprochen wird.
Umgekehrt aſſimiliert ſich der auslaut lr ebenfalls zu
ll, falls ein diphth. vorausſteht, als: heill, ſtôll f. heilr,
ſtôlr; bisweilen auch nach einfachem vocal, zumahl in
mehrſilbigen wörtern, als gamall f. gamalr; iökull (glacies)
f. iökulr (Raſk §. 93.) — ll aus fl? vgl. illr (malus) aus
iflr? (oben ſ. 42) — mm. aus mf. in fimm (quinque) —
nn (wie ll aus ldh) aus ndh (dem alth. nd, oben ſ. 160.
parallel) vgl. annar (alius) ſannr (verus) manns (hominis)
[307]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
tönn (dentes) nenna (niti, aggredi) enni (frons) ſigr-linn
(n. pr.) ſinn (momentum) finna (invenire) kinn (maxilla)
die praet unna, kunna. kunnr (notus) munur (os) gunn
(pugua) ſunnr (auſter) unn (fluctus) hlunnar (phalan-
gae) etc. Alle dieſe formen zeigen im ſchwed. zuwei-
len, im dän. gewöhnlich nd. Hierbei iſt zu mer-
ken, daß oft mit auswurf des n das dh ſtehen bleibt,
folglich die nebenformen madhr. ſadhr. adhrir, fidhr (in-
venit) etc. eintreten, zwar nicht ohne regel, ſondern
bei folgenden r ſteht gerne die form dh, ſonſt die form
nn, als: madhr, gen. manns, acc. mann; annar, pl.
adhrir. Die erwägung dieſer doppelform hat für das
part. praet. ſcheinbare wichtigkeit; Raſk §. 91. 93. 193.
194 nimmt eine ſchwankende erklä ung der beiderlei
endungen an, ſo daß ihm galinn bald = galidhr, bald
= galinr; galit bald = neutr. von galidhr, bald = ga-
lint erſcheint. Ich glaube, galinn (die ſtarke form) ent-
ſpringt nie aus galidhr (der ſchwachen) weil es ſonſt
galinnr heißen würde. da nach obigem nicht nr, ſon-
dern nur nnr zu dhr wird; hingegen kann galit aus
galint gedeutet werden, oder auch aus galidht, indem
es dann für galitt ſtünde. Man hat alſo eine ſtarke
und ſchwache form galinn, galin, galint und galidhr,
galidh, galit theoretiſch anzunehmen, deren fälle ſich
practiſch durchkreuzen. Obiger buchſtabenwechſel nn:
dh (ndh) wirkt hier gar nicht mit und überhaupt wirkt
er nur in der wurzel nicht in flexionen, desgl. die
partic. ſind. — Die ſpätere ausſprache vermiſcht (wie
ll mit dl. rl. lr) nn mit dn. rn. nr; ſeinn (tardus)
brûnn (fuſcus) wird geleſen ſeidn, ſeiddn, brûdn
(Raſk §. 43. 58.), doch geſchieht es nur nach doppel-
vocal; für einn, ſteinn ſchreiben einige eirn, ſteirn,
weil auch rn in horn beinahe hodn, hordn; jârn
beinahe jârdn, jâdn klingt; aus nr wird nn in minn
(meus) hinn (ille) lëſinn (lectus) lëſinna (lectorum, f.
lëſinra, alth. lëſanero) — rr. die aus rn. rs entſtanden
ſind, finde ich fiarri (aber ſtiarna, hiarni); vërri (pejor)
þurr (aridus), wogegen andere rs in ſſ übertreten (ſ. her-
nach bei rs). Andere rr wird erſt fortgeſetzte unter-
ſuchung beurtheilen lehren, vgl. harri (rex) narri (ſcurra)
ſtarri (accipenſer) knörr, knarrar (navigium) korra (reſpi-
ra[r]e) knurra (murmurare) etc.


verbindungen. lm. lp. lf. lt. ld. ls. lk. lg. belege ſind
ſ. 286. 290. 291. gegeben; ln. lr. keine organ. verbindung,
ſondern ſtets aufzulöſen in l’n, l’r als: holr (cavus) ſalr
U 2
[308]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
(atrium) alth. holêr, ſal; kein lb und kein ldh (das zu ll
wird). — Mit m binden ſich nur die lab. b (nicht f) p, und
die ſpirans ſ. vgl. gamban. lamb (agnus) vömb (venter)
þömb (arcus) dramb (faſtus) gambr (blateratio) ambr (ſtri-
dor) ambôtt (ſerva) kambr (pecten) klambr (fuſtum glaciei)
fimbull, timbr (aedificium) ëmbla (n. pr.) ſumbl. kumbl.
drumbr (n. pr.) etc. dampi (vapor) kampr (myſtax) klampi
(fibula) ſvampr. dömp (ancilla) ſtimp (lucta) etc. hams (cutis,
dat. hamſi) bamſi (urſus) ymſir (varii) ſemſa (tardare) ſkramſ [...]
(crocitus) doch mag dieſem ms contraction unterliegen,
wie die ſchreibung bambſi ſt. bamſi lehrt. — Mit n bin-
den ſich eigentlich keine labiales, die ſehr ſeltnen np
verrathen ſyncope, ich finde nur: hanpr (cannabis) und
danpr (n. pr. vgl. edd. ſæm. p. 106. 244.); nt und nd be-
dürfen keiner belege und bloß der bemerkung daß nd
im ablaut von binda, vinda, hrinda zu tt wird (batt,
vatt, hratt) im pl. kehrt nd zurück (bundo) [analog das
in ck übertretende ng]; ndh findet nicht ſtatt, ſondern n
wird ausgeworfen oder dh ausgeworfen und n geminiert;
beiſpiele oben unter nn. Selten iſt ns, vgl. dans (ch rea)
ſtans (ſtupor) hœns (nom. pl., im gen hœnſa, gallus et
gallina) rënſl (deliquium) kenſl (notio) pînſl (martyrium)
woneben pîſl, wie denn in andern fällen n vor ſ ausfällt,
als: oß (nobis, angelſ. us, alth. uns) huſl (? hûſl, ſacra-
mentum, zuweilen noch hunſl) ſûs (promptus) und die
ſ. 286. angeführten âs, âſt, bâs, gâs; man ſieht, jene, die
n vor ſ behalten, haben ein unorganiſches ns, rënſl, kenſl
ſtammen von rënna (rinnſal) kenna; hreinſa (mundare) iſt
das alth. hreiniſôn (franz. rincer). Der häufigen verbin-
dungen nk. ng iſt ſ. 286. 289. 291. gedacht, weil ſie, wenig-
ſtens ſpäterhin, das vorſtehende a, i, u in â, î, û ändern
(nicht e in ê) *); zuweilen tritt aber auch bei nk die vor-
hin bei ndh. erwähnte auswerfung des n ein. wenn ein
langer vocal vorausgeht, als: mûkr (monachus) kanûkr
(canonicus); geht ein kurzer vorher, ſo kann ſtatt nk
das k geminieren, vgl. frackr (francus) macki (juba
equina, dän. manke) þacka (gratias agere) drëcka (bibere)
dreckja (mergere) beckr (ſcamnum) hleckr (catena) hreckr
(dolus) ſkröckr (fraus, alth. ſkrank) etc. **). Warum
[309]I. altnordiſche conſonanten. liquidae.
heißt es nun frackr und nicht frânkr? warum ânki (vi-
tium) und nicht acki? die eine oder andere form ſcheint
ſich für einzelne wörter feſtgeſetzt zu haben. Auch die
verba hânga, gânga, fâ (ſt. fânga) nehmen im ablaut ein
ſolches ck an: hêck, gêck, fêck, ſt. hêng etc. (vielleicht
wäre hêk etc. oder hëck etc. richtiger) ſtînga, ſprînga
bekommen ſtack, ſprack; ſämmtliche pl. nehmen aber
ng zurück (hêngo, ſprûngo), wogegen das ck aus nk
feſt bleibt; drack, drucko. — Organiſch und häufig ſind
rl. rm. rn, vgl. erla (laborare) ârla (mane) karl (ſenex)
iarl (nobilis) varmr. armr. harmr. barn. ſkarn (ſtercus) etc.
desgleichen rp. rf. (kein rb) harpa. erpr (n. pr.) iarpr
(badius) vërpa. hvërfa. arfr etc.; nur ſcheinbare verbin-
dung rv in den nom. pr. ſkirvir, virvir, d. h. ſkir-vir,
wie fiör-vi, hiör-vi etc.; ferner: rt. rdh (welches nicht
gleich ldh. ndh in die gemin. übergeht) als: hiarta. ſvartr.
hirta (caſtigare) hardhr. hirdhir. ordh (verbum) vördhr
(cuſtos) gardhr (domus) iördh. vërdhr. mordh etc.; zu
merken, daß die alth. rt, angelſ. rd welche aus goth.
zd herrühren, altn. dd (wovon unten), die übrigen aber
rdh haben, dieſe nord. rdh ſind folglich zwiefach, theils
organiſch = goth. iþ (mordh. iördh) theils unorganiſch =
goth. rd (gardhr. hardhr) [ſ. unten bei d]; rs nicht zahl-
reich, vgl. berſi (urſus) herſir (ſatrapa) ars (culus) fors
(cataracta) þurs (gigas) ſich in ſſ neigend: beſſi, þuß
neben jenen, þërſi neben þëſſi *), rk und rg beide häufig:
örk, arkar. harka (vis) vërk. merki. lurkr (furca) dyrka
(colere) myrkr (tenebrae) biarga, barg. vargr. argr. borg.
dorg (hamus) morgun etc. einigemahl ſcheint rk in ck
(wie nk in ck) umzulauten, vgl. döckr (niger) angelſ.
dëorc (dëarc, oben ſ. 239.) alth. tarch; ſtœcka (creſcere)
f. ſiœrka; miócka (tenuare) f. miórka, obgleich die bei-
den letzten (von ſtôr und miór abgeleitet) kein org. rk
hatten. Raſks äußerung (§. 92.) daß der vorſtehende vo-
cal bei der verwandlung des rk in ck doppellaut ſeyn
müße, beſteht nicht mit obigem döckr.


(P. B. F. V.) labiales.

(P) wie im goth. und angelſ., ausgenommen die ver-
bindung pt ſtatt ft (wovon unten).



[310]I. altnordiſche conſonanten. labiales.

(B) wie im angelſ. d. h. (außer bb. und mb.) in al-
len in- und auslauten durch die aſp. vertreten.


(F) anlautend wie im goth. und angelſ.; daß aber
der in- und auslaut verſchiedenes urſprungs, bald or-
gan. f. bald ſächſ. bh. und alth. v *) ſey, lehrt die is-
länd. ausſprache (Raſk §. 36). Nämlich 1) auslautend
oder vor unweſentlichem r klingt es wie ein hartes v,
als haf (mare) hafr (caper) hâlfr (dimidius), ebenſo in-
lautend vor allen vocaſen, als: hafa (habere) erfîngi
(heres). Um hier in einigen wörtern den f. laut her-
vorzubringen, ſchreibt man ein unorg. ff (wovon bei
den gemin.) 2) vor l. n. dh. t. wie ein hartes b, bei-
nahe bb, als: tafla (tabula) nafn (nemen) hafdhi (habuit)
haſt (nodus; neuere (wie Biörn) ſchreiben ſogar in-
lautend bl ſtatt fl, doch nicht bn. bt für fn. ft. — Den
f. laut bebält f. in der verbindung fs, hingegen fn
klingt wie mn (beiſpiele unten).


(V) 1) der anlautende ſpirant leidet aphäreſe vor u,
deſſen umlaut y **), vor dem das u erſetzenden o
(vgl. oben ſ. 138. 139.) vor ô und deſſen umlaut œ. So
macht vëlla den pl. praet. ullo, conj. ylli; vadba das
praet. ôdh, conj. œdhi; vinna das praet. vann, unno,
ynni, unninn; ſo ſtehen ôdhinn (angelſ. vôden, alth.
wuotan) ormr (vermis) ordh (verbum) u. a. m. Vor ö
aber und dem ſo oft mit œ vermengten æ bleibt v. be-
ſtehen, vgl. völlr (campus) völu (gen. von vala) vön
(orbata) væri (eſſet) vægr (mitis) væna (ſperare) welches
die entwickelung dieſer laute beſtätigt und die ſchrei-
bung voro, vopn f. vâro, vâpn als verwerflich darſtellt,
(von einigen übergängen gleich nachher). Ob die aphä-
reſe ſchon von frühſter zeit an gegolten hat, läßt ſich
bezweifeln, weil die alten lieder oft noch ein ſolches u
und o conſonantiſch gebrauchen und z. b. (œgisdr. 2. 10.)
vinr: ordhi; ûlfs: vidharr alliterieren, gleich als ob
vûlfs, vordhi geſchrieben ſtünde, wie vermuthlich aus-
geſprochen werden muß; dabei erwäge man die alte
ſchreibung v für u, ſôlarl. 26, vërk: unnit, harbardsl.
[311]I. altnordiſche conſonanten. labiales.
35. vërſt: unnit, wo die herausgeber die hſſ. lesart vn-
nit ſogar in vunnit geändert haben; landnâmaſ. p. 17.
ſtehet vurþu ſt. urdhu. Ebenſo oft alliterieren aber auch
dieſe u und o vocaliſch, z. b. œgisd. 41. ûlf: ôſi; ſi-
gurd. 12. ûlf: ala etc. — 2) ausnahmsweiſe fällt der an-
laut v auch in einigen wörtern vor â ab, welches ſich
dann in o wandelt, als on (ſpes) oro (erant) ondr (pra-
vus) für vân, vâro, vândr; beßer erklärt man ſo: vâ
geht in vo über (oben ſ. 276.) und dann erfolgt aphäreſe,
wie vor jedem andern o (nicht ö); ſo alliterieren ulf
:on :eyro (fafn. 35.) on: engin (atlam. 70.) illra: ordha:
on (ſkirn. 2.); œgisdr. 36. ſcheint ono: vërr lieber vono
zu fordern (conſonantiſch vânir: vîg. godr. harmr. 29.).
Umgekehrt kann ſich vielleicht vâ aus o entwickeln,
z. b. vârr, vorr (noſter) aus orr (früher oß = angelſ.
uſer). Zweifelhaft iſt mir veſall (miſer) das vocaliſch
alliteriert: ill (hâvam. 13. vgl. 70.) wie es im dän. und
ſchwed. uſel, uſell lautet; entw. ſteht es für ôſæll, oder
ſtammt von vos (miſeria) müſte aber dann vâſall, vo-
ſall lauten. — 3) in den goth. und ſächſ. verbindungen
vl. vr wirft die altn. ſprache das v. ab, als lit (vlits)
rôta (eruere, angelſ. vrôtan) reckr (angelſ. vrecca); um-
ſo auffallender, da ſelbſt Schweden und Dänen zwar
nicht vl. aber doch vr. behaupten, als reidhr (iratus)
rângr (pravus) ſchw. u. dän. vrêd, vrong etc. Spuren
eines altn. vr. weiſt aber wieder die alliteration, in der
edda wird vëga ſo oft mit reidhr gebunden (œgisdr. 15.
18. 27. fâfn. 7. 17. 30. ſigrdrîf. 28.), daß an der allen an-
ſtand löſenden ausſprache vreidhr nicht zu zweifeln
iſt, da auch hl. hn. hr. hv. mit ha. hi. hei etc. gl. gn.
gr. mit ga. gi. gu etc. alliterieren *). Alſo galt ein älte-
res vr und vl ſtatt des ſpäteren r und l, wie im alt-
hochd. — 4) aus den verbindungen qv. tv. dv. þv. ſv.
fällt v. zuweilen weg, wodurch das darauf folgende ë
in o, das folgende i in y **), î in ŷ verwandelt wird,
als: ſofa (dormire) koma (venire) für ſvëfa, qvëma;
tyſvar (bis) tôlf, kykr (vivus) þŷ für tviſvar, tvölif,
qvickr, þvî. Seltner iſt kodho f. qvâdho, kona (mulier)
neben qvân, qvon, qvën. — 5) das auslautende oder
vom bloßen geſchlechtskennzeichen gefolgte goth. und
angelſ. v. findet nirgends ſtatt, ſondern iſt apocopiert,
[312]I. altnordiſche conſonanten. labiales.
vgl. trê (angelſ. trëov) ſnær (goth. ſnaivs, angelſ. ſnâv)
tryggr (goth. triggvs) etc. — 6) inlautend bricht ein ur-
ſprüngliches (alſo keineswegs epenthetiſches) v in der
flexion bei folgendem vocal bisweilen vor, nämlich a)
wenn langer vocal in der wurzel iſt, als: ſær, ſævar;
ſnær, ſnævar; ævi (aevum) tîvi, pl. tîvar (numina, divi)
zumahl in den zuſ. ſetzungen ſig-tîvar, val-tîvar; hâr
(altus) acc. hâvan; miór (tener) acc. mióvan, wie auch
ſtatt ſær. ſnær: ſiór. ſióvar, ſniór, ſnióvar geſchrieben
wird. Dieſes v muß in ſpäterer ausſprache dem vothin
erwähnten v = f. gleichkommen, da ſich auch hier f.
ſtatt v. findet: ſæfar, ſnæfar, æfi, tîfar, hâfan, miófan
etc. (Raſk §. 89. 188.); häufig bleibt der lippenlaut ganz
weg, als: ſnióar, hâan mióan, und viele wörter haben
gewöhnlich ſo (ohne einſchiebung des v.) als: blâr, acc.
blâan; frâr, acc. frâan, kuê, trê, dat. pl. kniâm, triâm
nicht blâvan, frâvan, knêvum, trêvum. Bei den wur-
zellauten û, ô, ŷ, finde ich niemahls das v, vgl. trûr,
trûan; nŷr, nŷan; klô (ungula) lô (alauda) brû (pons)
frû (domina) gen. klôar, lôar, brûar, frûr. Statt lô an-
dere lafa, vgl. angelſ laverc, laferc (lerche). — b) wenn
zwiſchen der wurzel und dem v (oder u) der ableitung
ein vocal ausgefallen iſt; dann zeigt ſich jener ablei-
tungslaut als conſonantiſches v, ſobald ein vocal folgt,
vgl. böl (malum) miöl (farina) ſöl (alga) fölr (pallidus)
ör (ſagitta) fiör (vita) hiörr (enſis) ſpörr (paſſer) bödh
(pugna) ſtödh (locus) dögg (ros) glöggr (prudens) rögg
(plica veſtis) dyggr (fidus) tryggr (idem) döckr (obſcu-
rus) ſkröck (figmentum) röckr (crepuſculum) þyckr (craſ-
ſus) lŷng (erica) myrkr (obſcurus) röſkr (ſtrenuus) etc.
alle dieſe ſtehen für bölu, öru, bödhu, glöggur, röſkur etc.
die einen vocal hinzubringenden flexionen oder weiteren
ableitungen haben nun bölvi, miölvi; fölvir; örvar, örvi;
ſpö [...]vi; bödhvar; ſtödhvar; döggvar; glöggvan; tryggvan;
döckvan; röckvi (vgl. das goth. riqviz); lŷugvi; myrk-
van; röſkvan etc. hierher gehören auch die inf. görva
(parare) höggva (caedere) ſöckva (mergere) röckva (veſpe-
raſcere) götva (inveſtigare) von gata (ſemita) und andere
ableitungen, als ölvi (ebrius) oder die eigennamen völva
(ſt. vala, völu) ſkirvir, virvir, yngvi, lŷngvi etc. Man
vergleiche die analogen alth. formen (oben ſ. 146.) palo,
palawes, palawe; mëlo, mëlewes, mëlewe; falo, falawo;
garawan etc. mit böl, böls, bölvi; miöl, miöls, miölvi;
fölr, fölvi; görva etc. ſo wie (ſ. 142.) klawêr, klawan;
hawan etc. mit glöggr, glöggvan; höggva; die goth.
[313]I. altnordiſche conſonanten. labiales.
(ſ. 59.) triggvs, triggvaba; glaggvs, glaggvaba etc.; die
angelſ. (ſ. 248.) gleáv, deav etc. Keine mundart ſtimmt
mit der andern völlig, die eine hegt noch das v, wo es
die andere ausſtößt und im einzelnen herrſcht ſchwan-
ken; ſo ſteht im nord. meiſtens göra f. görva, zuweilen
mit rückumlaut daggar f. döggvar, und mey, hey,
deyja, freyr ſt. des goth. mavi. alth. houwi, douwen,
frô. Auch die verwandtſchaft des v und h (ſ. 148. 221.)
zeigt ſich in obigem hâvan (altum) hâan, goth. haúhana,
alth. hôhan. — 7) in der compoſition geht zuweilen v
verloren, als norëgr, hvërnëg, öndugis (apprime) dö-
gurdher ſt. norvëgr, hvërnveg, andvëgis, dagvërdhr etc.
Daſſelbe begegnet dem h.


geminationen. (PP) happ (fortuna) heppinn (fortuna-
tus) knappr (a [...]ctus) kapp (contentio) kappi (heros) lapp
(fucus) löpp (planta pedis) grëppr (vir) ſlëppa (effugere)
leppr (panniculus) hreppr (pagus) kreppa (contrahere)
ſkeppa (modius) lippa (lana diducta) kippa (raptare) vippa
(gyrare) ſnoppa (roſtrum) toppr (villus) hoppa (ſaltare)
kroppr (corpus) upp (ſurſum) yppa (elevare) etc. Spä-
tere einführung verräth pappîr (charta) wie hernach ff
und dd in riddari. (BB) babba (balbutire) drabb (in-
eptiae) gabba (deludere) krabbi (cancer) nabbi (verruca)
ſlabba (nugari) ſtrabba (laborare) ebbi (n. pr.) ribba (ovis
macilenta) ſtubbi (truncus) lubbi (hirſutus) ubbi (idem)
ſtybba (fumus) etc. (FF) nur ſehr ſelten unorganiſch in
ſpäter eingeführten wörtern, als offr (ſacrificium) ſtraffa
(punire) gaffal (furca) aus dem dän. offer, ſtraffe, gaffel?
affall (detrimentum) iſt af-fall.


labialverbindungen; anlautende pl. pr. bl. br. fl. fr.
alle häufig, nicht mehr vl. vr. (ſ. oben beim v.) — in-
und auslautende: ps ſelten und vermuthlich durch ſyn-
cope entſprungen, vgl. apſi (procax) gleps (plagae) glepſa
(jurgium alth. klipſî, rixae, gl. doc. 207b) kepſi (ſervus
moleſtus vgl. das alth. chebiſa pellex) ups (ima pars tecti,
goth. ubizva, alth. opaſa) — pt häufiger: aptan (veſper)
aptr (retro) haptr (vinctus) kraptr (robur) ſkapt (haſtile)
eptir (poſt) ript (ſtragulum) ripta (ſcindere) ſkript (pictura)
ſkipta (diſtribuere) gipta (in matr. dare) opt (ſaepe) lopt
(aer) loptr (n. pr.) hroptr (n. pr.) dupt (pulvis) lypta (le-
vare) leiptr (fulgur) kiaptr (maxilla) tôlpti (duodecimus)
ëllepti (undecimus) etc. Dieſes pt zeigen die älteſten
denkmähler; ſpätere verwandeln es hin und wieder in
ft, als: aſtr. aſtan. eftir. giſta. ſkifta etc. doch kaum in
[314]I. altnordiſche conſonanten. labiales. lingual.
wörtern wie opt, kraptr u. a. wogegen die ſchwed. und
dän. mundart ft allenthalben und auch in oft, kraft etc.
durchführen. Erwägt man den urſprung dieſer wörter,
ſo erſcheint ft. conſequenter als pt, indem die ſtämme
gëfa, krefja, rîfa, ſkrîfa, ſkafa, tôlf ein f und kein p,
auch die goth. und ſächſ. ſprache in gleichem fall ft be-
ſitzen (ſ. 56. 214. 233.). Indeſſen das dem gr. und lat.
πτ. pt. entſprechende pt könnte auch merkwürdiger reſt
einer älteren ten. ſeyn (vgl. oben ſ. 127. note), die der
aſp., welche ich in den deutſchen ſprachen organiſch an-
nehme, vorausgieng. In der II. ſg. des ſtark. praet. neh-
men ſchon in den frühſten quellen die wurzeln mit f
kein pt an, ſondern behalten ft, als: gaft (dediſti) ſkalft
(tremuiſti) ſvaft (dormiviſti) etc. wofür die wurzeln mit p
natürlich pt zeigen, als: greipt (prehendiſti) varpt (jeciſti)
drapt (occidiſti) etc. dieſes letztere pt hat ſichtbar nichts
mit obigem pt gemein, welchem Raſk (§. 45.) die aus-
ſprache beinahe eines ft zulegt. — bs kommt in dem
einzigen krabſa (diſpergere) vor und iſt contrahiert; bt
nirgends. — fn hat gleichfalls einen zwiſchenvocal ver-
loren, z. b. nafn (nomen) höfn, hafnar (portus) hafna
(recuſare) iafn (aequalis) hrafn (corvus) ſtafn (prora)
fafnir (?fâfnir, n. pr.) ſvëfn (ſomnus) ſtëfna (congreſſus)
hefna (ulciſci) rifna (rumpi) etc. wie das alth. und altſ.
ëban, hraban, ſuëban lehrt. Die ausſprache iſt nach
Raſk §. 36. bn. bbn, zuweilen mn, in welches ſchwed.
alle fn übertreten; wozu das lat. mn in ſomnus (ſchwed.
ſömn), nomen (alth. früher naman ſt. namo?) und ſtimna,
fämne neben ſtibna, fovne (oben ſ. 276.) ſtimmen. — fs,
ſelten: tafs (praecipitantia) refſa (caſtigare) ofs (nimietas);
da neben kepſi auch kefſir gilt, ſo ſcheinen auch die
andern fs auf ein früheres ps zu zielen — ft ſpäter für
pt; beiſpiele vorhin bei letzterm. —


(T. D. ð. þ. Z. S.) linguales

(T) wie im goth. und ſächſ.; ein unorgan. t ſtatt d
finde ich ausnahmsweiſe in dem auslautenden praet hêlt von
halda (oddr. gr. 20) neben dem praeſ. held, auch bleibt
inlautend d: hêldum, hêldi; über andere erſcheinungen
des t unten ſchlußbem. bei den aſſimilationen.


(D) anlautend ſtreng von t und þ unterſchieden;
in und auslautend erfolgen aber ſpäterhin bei nach-
läß[ig]er ausſprache und ſchreibung häufige miſchungen
der med. mit der aſp. das heißt: die med. wird unor-
ganiſch ſtatt der aſp. gebraucht; ſo iſt namentlich in
[315]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
Biörns wörterb. keine einzige in- und auslautende lin-
gualaſp. anzutreſſen, vielmehr blindr. kaldr. breidr (goth.
blinds. kalds. bráids) ſowohl als eidr. iörd, iardar. mord
(goth. áiþs. aírþa. maúrþr) geſchrieben. Beide in- und
auslaute ſcheinen darum ſchwer zu unterſcheiden. Ein
hülfsmittel könnte zwar die analogie der übrigen ſpra-
chen darbieten, nämlich d. hätte dem goth. ſächſ. d. und
alth. t; hingegen dh. dem goth. þ. ſächſ. dh. alth. d.
zu entſprechen. Hiernach wäre unbedenklich eidhr.
iördh. mordh. zu ſchreiben. Abgeſehen davon, daß
dieſe règel nicht für alle einzelnen fälle ausreicht, da
die reiche nord. mundart oft kein paralleles wort in
den andern findet, ferner davon, daß jene ſprachen
ſelbſt wohl zwiſchen med. und aſp. ſchwanken; lehren
die beſten altn. hſſ. einen abweichenden poſitiven grund-
ſatz, der nur zuweilen obiger analogie begegnet. Näm-
lich die med. ſtehet in- und ausl. nur nach l. m. n.
(es ſeyen nun wirkliche verbìndungen ld. nd. oder
bloße zuſ. ſchiebungen l’d. m’d. n’d.) desgl. in der ge-
min. dd; — die aſp. aber nach allen vocalen und den
conſ. r. f. g. (Raſk §. 33. 34.) *). Hiernach müſte folg-
lich: blindr. kaldr, aber breidhr wie eidhr. iördh.
mordh. geſchrieben werden, weiter: ôdhinn, vadha,
gôdhr, hugdhi etc. ſo ſehr das alth. wuotan, watan,
guat, hugita und das angelſ. vôden, vadan, gôd zu
ôdinn, vada, gôdr, hugdi riethen. Indeſſen vergleiche
man in den eddiſchen ſchriftproben (hŷm. 3.) hugdhi.
(grimn. 42.) ôdhinn (49.) ordhinn (42.) ſkallda (49.)
dulda und Raſks ausgaben **), auch den vidal. cod. der
völuſpâ; die copenhag. edda ſchwankt regellos zwiſchen
d und þ. Vielleicht ließe ſich, wenn ältere hſſ. vor-
handen wären. der gebrauch widerlegen und die der
analogie gemäße regel retten. Die goth. verbindungen
rd und rþ fallen namentlich zuſammen, weil nicht al-
lein mordh. iördh. ſondern auch hardhr. ordh (verbum)
geſchrieben wird (ſt. des organiſchen hardr. ord?). Der
vermiſchung von nd und nþ; ld und lþ iſt vorgebeugt,
indem nd. ld. bleiben, nþ. lþ aber zu nn. ll. werden.
Gehen aber vocale voraus, ſo iſt alle vergleichung der
[316]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
goth. ſächſ. und alth. mundart unpaſſend, weil dann im
nord. nirgend mehr med. ſondern insgemein aſp. ſtehet.


(þ ð.) anlautend wird nur þ. (th). in- und ausl.
beides þ und ð geſchrieben, ſtatt letzteres, wegen un-
behülflichkeit des typus, brauche ich dh. Überall þ.
für die aſp. zu ſchreiben, wäre goth. weiſe angemeßen;
wie aber das goth. þ inlautend zu d wird, ſo drückt
auch dh. eine milderung der aſp. aus und nähert ſich
der med. d, welche, wie vorhin bemerkt, in ſchrei-
bung dafür geſetzt und gewiß in der ausſprache mit
dh. vermiſcht wird. Raſk §. 51. gibt dem þ den laut
des neugr. θ. und engl. th; dem dh. §. 34. den eines
weichen engl. th. Seinen ſchluß §. 35. von þ auf t, von
ð auf d kann ich jedoch nicht gelten laßen, weil im
goth þ beide aſp. þ und dh. zuſ. fallen und im alth.
beide durch d (nicht durch t und d) ausgedrückt wer-
den. Offenbar liegen ſich th und dh näher als t und d.
Daß dh. mit dem aus ndh. entſpringenden nn abwech-
ſele, wurde oben ſ. 307. bemerkt, beiſpiele ſadhr, madhr,
fidhr, midhr (minus) kndhr etc. neben ſannr, ſinnr,
minnr, kunnr; nicht bei anderm nn, ſo dürfte eigent-
lich für runnr (virgultum) brunnr (fons) kein rudhr,
brudhr ſtehen, ausnahmsweiſe und unorganiſch geſchieht
es dennoch, (vgl. brudhr, ſnorraedda p. 4.)


(Z) iſt nie anlaut; in- und auslautend kommt es
aber vor 1) für ſ. im gen. maſc. u. neutr. zumahl nach
d. t. und ll. als: landz. heſtz. allz, ſtatt lands. heſts.
alls — im ſuperl. als: hagaztr, höguzt, hagazt f. ha-
gaſtr, höguſt, hagaſt. 2) für ds und ts, als: lanz, elztr,
beztr, veizla, vizka, ſt. lands, eldſtr, betſtr, veitſla,
vitſka. 3) für rs, als: næztr, vëztr, ſyztr, ſtœztr ſt.
nærſtr, vërſtr, fyrſtr, ſtœrſtr. 4) für ſſ. vgl. þiazi, gi-
zur, özur etc. ſt. þiaſſi, giſſur etc. nach Raſk §. 522. ab-
kürzung alter ſchreibung. 5) für ſt. ſehr häufig in der
paſſiven flexion: bindaz, takaz ſtatt des hentigen bin-
daſt, takaſt; desgl. im ſuperl. optaz ſtatt optaſt (man
vgl. das frieſ. aber anlautende z neben ſt.) jedoch nur
auslautend, indem nicht optazr f. optaſtr gilt. — Raſk
bemerkt §. 49. die gerade entgegenſetzung des z für tſ
und ſt im 2ten und 5ten fall und man müſte wirklich
ſtatt betſt bald bezt, bald betz ſchreiben. Gleichwohl
findet ſich ſchwerlich letzteres, ſo wenig als bez. ſon-
dern nur bezt oder beſt, weil aus der vollen form betſt
nicht beide t laute zugleich unterdrückt werden kön-
[317]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
nen *). Der dritte fall (z für rs) ſcheint nicht ſehr alt,
die verwandlung des rs in ſſ wurde oben erwähnt und
ſo darf man auch vëztr aus vëſſtr ſt. vërſtr erklären, (ſo
daß der 3te dem 5ten fall begegnete) nicht aber alle ſu-
perl. -aſtr auf -arſtr zurückführen, wie Raſk §. 48. 201.
verſucht; wenn ſt. für rſt ſteht. muß das r in der wur-
zel liegen. Übrigens ſtand auch das altſ. z gern für ſ
vor welchem ein t ausgefallen iſt; dergleichen z könnte
noch die ausſprache tſ gehabt haben und ſich dem alth. z
nähern, während z für das bloße ſ dem alth. Ʒ ver-
wandter wäre. Ein goth. z (nämlich ſ das in r übertritt)
ſcheint das nord. niemahls.


(S) ſo manche org. ſ. auch in r übergetreten ſind.
als: eyr (aes) eyra (auris) heyra (audire) reyr (arundo)
dreyri (cruor) etc. (ſ. oben beim r) bietet doch der
ſprachreichthum eine große zahl von wörtern an, in
welchen der reine ſpirant fortwaltet; die meiſten ſind
den übrigen mundarten längſt entfremdet; belege: auſa
(haurire) eyſill (hauſtrum) baſa (interimere) biſa (moliri)
blâſa (ſpirare) bras (ferrumen) bris (callus) brîſìnga-men.
bros (ſubriſus) brûſa (aeſtuare) bûſi (caper) buſi (culter)
das (dos, languor) dis (tumulus) dìs (parca) draſill (equus)
drôs (fem. nobilis) duſill (ſervus) eyſa (cinis) fas (geſtus)
fis (palea) flas (praecipitantia) flos (plumula veſtium) fres
(felis mas) geiſli (radius) gis (cavillatio) gîſl (obſes) glis
(fucus) goſa (ſpirare) gras (gramen) grîs (porcellus) guſa
(eructare) hâs (raucus) haſa (nauſeam movere) haſl co-
rylus) haus (cranium) hes (palear) hiſa (funibus attollere)
hneyſa (ignominia) hnos (niſus) hoſa (caliga) hreiſi (vir-
gultum) hrês (frutex) hrôs (laus) hûs (domus) is (turba)
îs (glacies) kös, kaſar (cumulus) keiſa (gallina) kias
(blanditiae) kiſa (felis) klas (cento) knoſa (contundere)
krâs (ferculum) kuſi (vitulus) lâs (ſera) læſìngr (nivibus
clauſum iter, das mittelh. leiſe) lûs (pediculus) maſa (nu-
gari) mâſa (ſuſpirare) meis (corbis) mis (contra viam)
miſa (ſerum lactis) moſi (muſcus) mûs (mus) nös, naſar
(naſus) neiſa (contumelia) nes (lingua terrae) ôs (oſtium
fl.) ös (colluvies) pias (niſus) piſa (ſpongia) pos (invo-
lucrum) pûſa (ſponſa) qvâſir (anhelitus) qveiſa (colica)
qvis (rumor) qvîſl (ramus) qvos (convallis) râs (curſus)
[318]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
rauſa (nugari) reiſa (excitare) ris (fornix) riſi (gigas) rôs
(roſa) roſi (tempeſtas) ruſl (quisquiliae) ræſir (princeps)
ſiſa (lente moliri) ſlaſa (laedere) ſlis (infortunium) ſneis
(ramus, paxillus) ſvaſadhr (delicatulus) ſŷſla (negotium)
tos (haeſitatio) vas (motus) veiſa (palus) veſall (miſer)
vîs (ſapiens) vîſir (index, rex) viſundr (urus) vos (ſca-
bies, udor) þauſn (ſtrepitus) þrâs (lis) þræſur (ſimultates)
þys (tumultus). — Auffallend iſt das einfache ſ in liós
(ſchwed. lius, dän. lŷs) blys (taeda, ſchwed. bloß, dän.
blus) vgl. mit dem goth. liuhaþ, ſächſ. lëóht, lioht,
alth. liohat, lioht; ſtünde liós für lióhs, ſo würde irgend-
wo lióx (wie ax, fox für ahs, fuhs) vorkommen; doch
ſelbſt das lat. lux (lucs) gr. φλὸξ beſtärkt den ausfall oder
die verwandlung eines kehllauts, wogegen im angelſ. blys
(oder blyſa?) und kein blyht, blëóht. Auch nióſn (ex-
ploratio) ſchiene nach dem goth. niuhſeins ein älteres
nióhſn zu verrathen und þiós (fruſtum exos) dürfte man
zum alth. dioh (femur, früher diohat, dioht?) halten;
noch finde ich: kiós (convallis) tióſnur (clavi lignei). —


geminationen. (TT) mehr als eine art. 1) dem
goth. tt. entſprechend in ſkattr (tributum) und vermuth-
lich gehören einige andere tt. hierher, die ich nicht un-
ter die folgenden arten bringen kann: hattr (pileus)
brattr (arduus) hitta (invenire, quaerere) knittr (techna)
rittinn (macilentus) ſprëtta (creſcere) dëtta (cadere) hrotti
(gladius) glotta (ſubridere) etc. Ein dem angelſ. tt. pa-
ralleles (ſ. 254.) entwickelt ſich nicht, ſondern die ein-
fache ten. verbleibt in hvetja, bitr, ſnotr, otr. 2) tt.
für ht, dieſes verlängert den vorſtehenden kurzen vocal,
belege ſuche man oben bei â, ê, î, ô; dahin gehören
auch die adj. bildungen -ôttr, der eigenname ôttarr
(angelſ. ohtere) etc. 3) tt für nt. als: hitt (illud) mitt
(meum) itt. ſitt. eitt (unum) möttul (pallium) tuttugu
(viginti) ſtatt hint, mint, eint, möntul. tvintugu); zu-
weilen ſteht einfaches t geſchrieben: hit, vëtr (hiems)
für vëttr, vintr, und in dem neutr. part. beſtändig ta-
mit (domitum) galit (furioſum) f. tamitt, d. h. tamint.
Die gewöhnlichen adj. die nicht ſo gangbar ſind, als
jene poſſeſſ. und artikel, behalten jedoch nt, als. hreint
(purum) brûnt (fulvum) lint (lene) nicht etwa hreitt,
brutt, litt. 4) tt. aſſimilation für dht, in den adj. neutr.
glatt (hilare) gott (bonum) rautt (rubrum) mitt (me-
dium) ſt. gladht, gôdht, midht etc. 5) aſſimilation für
pt, ſelten und nicht ganz ausgemacht, vgl. ott (crebro)
ettir (poſtea) lìritti (interdictum) f. opt, eptir, læripti (?)
[319]I. altnordiſche conſonanten. linguales.
6) contraction aus -tidh in ſchw. praet. deren wurzel
ein t hat, als: ſetti, hvatti, flutti von ſetja, hvetja,
flytja und ebenſo im part. hvattr (excitatus) verſchie-
den vom adj. hvatr. 7) unorganiſch für t, im neutr.
der adj., deren wurzel auf einen vocal endigt. als: hâtt
(altum) blàtt (lividum) nŷtt (novum) etc. ſt. hât etc. wie
auch im maſc. hâr, blâr und nicht hârr etc. ſteht. 8)
für xt in ſëtti, ſiötti (ſextus), 9) f. tit, tilt in litt (par-
vum) ſtatt lìtit und dies ſtatt lìtilt. — (DD) wiederum
mehrfach: 1) = dem goth. zd, alth. rt, angelſ. rd, mit-
hin offenbare aſſimilation eines früberen rd oder, weil
nach ſ. 315 dem r. aſp. folgt, rdh; belege: rödd, rad-
dar (loquela, goth. razda) oddr (acies, alth. ort) wovon
ydda (acuere) hodd (gaza, goth. huzd) broddr (aculeus,
alth. prort) wovon brydda (cuſpidem formare) haddr
(peplum) hadda (unda maris) graddi (taurus) gaddr (cla-
vus, repagulum) gadda (figere) vermuthl. das alth. gart
(ſtimulus, virga) *) ſkadda (minuere, neben ſkarda) ver-
muthl. das hochd. ſcharte, ruptura. detrimentum. gëdda
(lucius) ëdda (goth. izda, aizda? alth. ërta?) pëdd
(verna, Biörn hat pëd, vgl. oben ſ. 126.) ſlëdda (falx)
ſtëdda (equa) lidda (ſervus) miódd (gracilitas, von miór,
gracilis) gnudd (murmur) ſuddi (pluvia tenuis) rudda
(clava) etc. manche dieſer wörter ſind mir noch zwei-
felhaft und mögen bei fernerer unterſuchung ein ande-
res dd. ausweiſen, in riddari (eques) liegt die ſpäter
eingeführte fremde form vor augen. — 2) dd entſpringt
aus -dhidh in ſchw. praet., deren wurzel dh. hat, als:
gledhja, gladdi; ſtedhja, ſtaddi; tedhja, taddi; qvedhja,
qvaddi; rydhja, ruddi; ſtydhja, ſtuddi; prŷdha, prŷddi;
fœdha, fœddi etc. und ebenſo in den part. praet. gladdr,
fœddr etc. — (SS) in- und auslautend ziemlich häufig,
beiſpiele: hlaſſ (onus) hvaſſ (acer) ſkaſſ (femina gigas)
traſſ (protervia) baſſi (aper) hleſſa (laſſus) hrëſſ (vivax)
ſëſſ (ſedes) miſſa (amittere) viſſ (certus) hnoſſ (cimelium)
bloſſi (flamma) koſſ (oſculum) kroſſ (crux) hroſſ (equus)
hryſſa (equa) þiaſſi (u. pr.) u. a. m., einige beruhen auf
contraction als: viſſa, blëſſa aus vitidha, blëdhſa.


lingualverbindungen. 1) anlautende, wie im goth.
u. ſächſ. tr. tv. dr. dv. þr. þv. (kein tl. dl. þl.) ſk. ſkr.
ſl. ſm. ſn. ſp. ſpr. ſt. ſtr. ſv; belege liefert Biörn, daß
von tv. dv. þv. ſv. zuweilen v ausfällt, wurde bei die-
[320]I. altnordiſche conſonanten. lingual. guttural.
ſem angemerkt. — 2) in- und auslautende: ſp. ſt. ſk;
beiſpiele: gaſpra (garrire) eſpi (populus) heſpa (fibula)
geiſpa (oſcitare) riſpa (ſcalpere) hiſpra (aſſectare); baſt
(cortex) laſt (calumnia) faſtr (firmus) frëſt (mora) brëſta
(rumpi) biſtr (iratus) qviſtr (ramus) liſt (ars) roſta (tu-
multus) froſt (gelu) duſt (pulvis) buſt (pinna) buſti (ſeta)
guſtr (aura) blâſtr (flatus) gneiſti (ſcintilla) gnîſta (ſtri-
dere) brióſt (pectus) lióſta (verberare) fôſtr (partus) þûſtr
(aura) etc.; naſkr (gnarus) aſka (cinis) daſk (verber)
aſkr (fraxinus) flaſka (lagena) raſk (tumultus) flêſk (lar-
dum frëſkr (glaucus) diſkr (patina) fiſkr (piſcis) miſkr
(ſuſurrus) froſka (rana) löſkr (ignavus) röſkr (ſtrenuus)
blöſk (ſtupor) brióſk (cartilago) bûſkr (virgultum) knûſka
(contundere) treyſkr (difficilis) etc. Zu unterſcheiden
ſind die ſt und ſk vor welchen n ausgefallen iſt: âſt, ôſt
ſtatt anſt, onſk (votum). Uneigentliche verbindung iſt
ſn, vgl. aſni (aſinus) riſn (largitas) bîſn (portentum)
loſna (ſolvi) u. a. m.; desgl. tl, miatl (parva detractio)
riatl (vagatio) qvotl (frequentatio?) kitl (titillatio). —


(K. G. J. H. X.) gutturales.

(K) gleichbedeutend mit k wird in alten hſſ. auch
noch c geſchrieben, ſeltner an-, häufiger auslautend
(ëc, miöc etc.) in der verbindung ſc und zumahl gemi-
nierend (ëcci, beccjom wo man doch lieber ck, neuer-
dings auch kk zu ſetzen pflegt. Ich gebrauche für die
einf. ten. k, für die gem. ck. Die ausſprache des (an-
und inlautenden) k iſt vor den (von Raſk §. 40. 41. wei-
chen genannten) vocalen ë, e, ê, i, î, y, ŷ, æ. œ. ei, ey,
ia, iö, ió (wie im angelſ. ſ. 256.) bedenklich, vor den
übrigen (harten) unzweifelhaft rein. Raſk behauptet
für jenen fall (zwar nicht die ſchwed. linguale, ſon-
dern) die dän. ausſprache kje, kjæ, kjei, kjey, ſkje,
ſtatt ke, kæ, kei, key, ſke; Biörn accentuiert: ké und
ſké (nicht kei, key, wohl aber inconſequent ſkéi. ſkéy).
Ich lengne nicht, daß man heutzutag in Island, und
vermuthlich lange ſchon, kenna, ſkemma ausſpreche wie
kjenna, ſkjemma; nur fürs altnord. iſt es mir unerwie.
ſen, weil ich auch im ſächſ. eine analoge ausſprache
nicht urſprünglich vorhanden ſondern allmählig aufkei-
mend finde. Ferner, wenn kém (venio) ſkéll (quatior)
geſchrieben wird. weicht auch dies von meiner ſchrei-
bung këm, ſkëll in der ausſprache nicht viel ab, da ë
beinabe wie i lautet; kjëm, ſkjëll, und bei wörtern, de-
ren vocal i, î iſt, ji, jî, alſo kjinn (mala) kjîta (altercari)
[321]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
ſkjil (diſcrimen) ſkjîna (ſplendere) wird nirgends geſchrie-
ben. Noch weniger kjyn, kjŷll, kjiaptr, kjiölr für kyn
(genus) kŷll (rivus) kiaptr (faux) kiölr (carina) wie doch
geſprochen werden müſte, wenn dem k vor weichen
vocalen der laut kj zuſtünde. Raſk ſtellt die ſache in
ſchiefes licht, wenn er das iö (oder wie er ſchreibt jö)
in kiör (arbitrium) und ähnlichen wörtern mit den diphth.
ia, ió, iâ aus dem gelinden kehllant erklärt, da dieſe
diphth. von dem k und ſeiner ausſprache unabhängig
in der wurzel beſtehen und eben ſo gut nach andern
conſonanzen vorkommen; kiöll, kialar hat die vocale
mit fiöl, fialar gemein, ſoll der kehllaut noch beſonders
wirken, ſo muß kjiöl, kjialar behauptet werden und kinn
anders lauten als minn (meus) nämlich kjinn. wofür
ich keinen beweis im dän. antreffe, wo man zwar kjende,
kjöl und ſogar kjön (genus) hingegen kind (mala) ſchreibt
und ſpricht. Nach allem dieſem, glaube ich, kann dem
k vor e, ei, ey, æ, œ die ausſprache kj für die jetzige
zeit zuſtehen (für die ältere bleibt ſie unerwieſen und
ich ſchreibe lieber ein altn. ke, kei etc. als ké, kéi oder
kje, kjei); ungewiſſer ſcheint k vor i, î, y, ŷ, ia, iö,
weil hier kj mit dem i oder y des wurzelvocals zuſ.
ſtößt, doch gibt Raſk, wie aus §. 39. erhellt, dem ge-
ſchriebenen druckinn, ëcki, baki die ausſprache druck-
jinn, ëckji, bakji, folglich lautet auch kinn, kiöll dem
heutigen Isländer kjinn, kjiöll *). Eine note geſtattet
ausnahmsweiſe die landſchaftliche ausſprache ëcki (ſt.
ëckji) und wahrſcheinlich iſt dies gerade der älteren
ſprache angemeßen.


(G) die organ. media; wegen ihrer heutigen aus-
ſprache vor den weichen vocalen gilt ganz das ſo eben
beim k geſagte, nämlich gemlir (ſenex) geit (capra) gey-
ma (curare) ginna (allicere) etc. lauten wie gjemlir, gjeit,
gjeyma, gjinna. — Mit j (wie im angelſ.) vermengt ſich
g nie; eben ſo wenig mit h, wird aber auslautend zu-
weilen im ſtarken praet. apocopiert, als hnê (hneig) ſtê
(ſteig) ſê (ſeig) drô (drôg) ſlô (ſlôg) und mit verlänger-
tem vocal vâ, lâ, mâ, knâ, ſvâ, þâ, frâ für vag — frag;
ſeltner inlautend vâu etc. f. vâgu, hierher auch brâ f.
bragd, praet. von brëgda (vgl. oben ſ. 264 und 303).


X
[322]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.

(CH) die aſp. fehlt völlig, ſelbſt die ſchreibung ch
in fremden wörtern oder zuſ. ſchiebung des k und h
verſchiedner ſilben wird gemieden und das einf. k da-
für gebraucht, als: kriſtr, lîkami ſt. lìkhami.


(J) ungeachtet ſich dieſer conſ. aus dem voc. i, wie
v aus dem u erzeugt, habe ich doch verſchiedentlich
auf den abweichenden gang beider conſonanzen hinge-
wieſen, vgl. oben ſ. 58 und 187; und ſolche abweichun-
gen lehrt auch das nord. j verglichen mit v. Letzteres
ſtand wenigſtens ehmahls vor l und r; das j ſteht durch-
aus nur vor vocalen; eine andere verſchiedenheit findet
ſich bei der alliteration. Die alten hſſ. unterſcheiden j
nirgends von dem vocal i, beweiſen folglich weder für
noch wider die annahme deſſelben in einzelnen fällen.
Meiner anſicht nach ſteht j


  • 1) anlautend ſehr ſelten und zwar in: jâ (ita) jol (feſtum),
    wozu man noch das fremde judi (judaeus) und die
    ſpat aus dem dän. aufgenommenen jagt (venatio) jon-
    frû (virgo) rechne. Gewöhnlich wird es vornen ab-
    geworfen und nicht bloß vor o, u, y (wie das v) ſon-
    dern vor allen vocalen, vgl. amr, ambl (querela, wo-
    neben doch jamla, queri) âr (annus) ëf (ſi) ënn (ille)
    ok (jugum) ûngr (juvenis). Die isländ. grammatiker
    nehmen jedoch j in allen fällen des anlautenden díphth.
    ia, iö, ió an und ſchreiben jarl, jördh, jötunn, jörmun,
    jór etc., man vgl. Biörn. Zugegeben, daß in dieſen
    diphth. das vorſchlagende i beinahe conſonantiſch,
    alſo wie j lautet, lautet es immer nicht völlig ſo, viel-
    mehr wie ein unbetonter vocal und ich ziehe die vo-
    caliſche ſchreibung vor, theils weil i keine aphäreſe
    erfährt (nie heißt es arl, ötunn etc.) theils dieſem ia,
    iö, ió das angelſ. ëo, ëó begegnet, nicht das der nord.
    aphäreſe entſprechende angelſ. gë [es heißt ëorl, ëoten,
    nicht gëorl, gëoten *), gleicherweiſe im alth. und altſ.
    ërl, ërda, ërman oder irman, nicht jërl, jërda]. Noch
    einen andern grund gegen das ja, jö, jó bietet mir
    die alliteration, in welcher ia, iö, ió beſtändig voca-
    liſche geltung haben; wäre der anlaut conſonantiſch,
    ſo würden ſie untereinander, vielleicht mit g (wie
    [323]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
    im ſächſ. oben ſ. 258. note) alliterieren; oder wenn man
    auch mitunter vocaliſche alliteration des j fände (vgl.
    oben ſ. 310. über u und v) ſo müſte doch als regel
    die conſonantiſche vorwalten. Sie iſt aber in der gan-
    zen edda, meines wißens, nicht ein einzigesmahl an-
    zutreffen, vielmehr überall ſtehen alliterationen wie
    iöfra: ôborna; öll: iafn; önn: iötni; innan: iötna etc. —
    Merkwürdig, allein nur neuisländ. ſteht der conſ. j in
    einigen wörtern ſt. des wegfallenden anlauts v, als:
    jurt (herba) für urt. vurt; jarteikn (ſignum, dän. jer-
    têgn, ſchwed. jertêkn, vermuthlich aus dem hochd.
    wahrzeichen).
  • 2) inlautend entſpringt j aus dem i der ableitung und
    flexion, ſo oft weiterer vocal folgt, als: ſitja, (ſedere)
    ſitjum (ſedeamus) berja (verberare) iljar (plantae pedis)
    vili, gen. vilja (voluntas) hit nŷja, midhja (novnm,
    medium) etc. Folgt ſelber i. ſo fließt das entſprin-
    gende ji in dem vocallant i zuſammen, alſo vili (vo-
    luntas) ſiti (ſedeam) ſt. vilji, ſitji, obwohl Raſk §. 39.
    in der ausſprache fortdauernden jot-laut annimmt und
    zu deſſen bezeichnung vilì, ſitì ſchreiben lehrt. Da
    nach der neueren mundart k und g vor i wie kj, gj
    lauten, ſo bekäme ſœkja (quaerere) ſegja (dicere) die
    ausſprache ſœkjia, ſegjia oder etwa ſœkija, ſegija?
    oder verſchmilzt das j aus der gutturalis mit dem j
    der ableitung? — Nicht Biörn etc. aber Raſk §. 21.
    verwandelt auch inlautend die diphth. ia, iö, ió, iú
    in ja, jö, jó, jú und ſchreibt bjarga, mjölnir, ſjón,
    ſjúkr etc.; mir ſcheint nach den vorhin beim anlaut
    entwickelten gründen biarga, miölnir, ſión beßer und
    grammatiſcher; in der ausſprache wird faſt kein un-
    terſchied merkbar ſeyn, da in jenen diphth. das i nur
    leiſe vorſchlägt. Daß der Gothe ſiuns, ſiuks und ge-
    wiß nicht ſjuns, ſjuks ſchreibt, gibt freilich keinen
    grund gegen das isländ. ſjón, ſjúkr, indem der goth.
    diphth. íu, der nord. aber iú, ió zu betonen iſt. Allein
    eben die accente drücken dieſe betonung aus und es
    wäre entw. iú, ió zu ſchreiben, oder bei ju, jo der
    accent wegzulaßen, wie bei ja, jö; da ſich iö ohne
    einen neuen typus nicht accentuieren ließ, ſchrieb ich
    lieber auch ia ſtatt iá.

(H) vermiſcht ſich weder mit ten. *) noch med.,
fällt aber häufig weg und zwar 1) anlautend theils ſpä-
X 2
[324]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
terhin vor l. n. r , (nicht vor v); gute alte hſſ. behaup-
ten noch getreu die verbindungen hl. hn. hr. und dieſe
alliterieren mit heim, halr etc. nicht mit den anlanten
l. n. r. *) — theils in zuſ. ſetzung, z. b. lîkami, viliâlmr,
nordhrâlfa f. likhami, vilhiâlmr (engl. william) nordhrhâlfa
(Raſk §. 400.) wiewohl es in vielen ähnl. fällen richti-
ger geſchrieben wird. 2) in- und auslautend überall;
belege oben bei den auslautenden gedehnten vocalen und
den tt und ſ. für ht, hs. Ein hauptunterſchied der
nord. von der goth. und hochd. mundart. — Mit j.
ſcheint h. verwandt in dem anlautenden hinn, hin, hit,
ſt. der älteren form inn, in. it oder ënn, ën, it (goth.
jáins, alth. jënêr, ënêr), vielleicht iſt h. dem vocal ohne
rückſicht auf ein früher abgelegtes j. vorgeſchoben **);
die berührung des inlautenden v mit h (hâvan, hâan,
hâhan) wurde oben beim v erwähnt. —


geminationen. (KK) ck, von gg. beſtändig abgeſon-
dert, 1) dem ſächſ. cc nur ſelten entſprechend, vgl.
hnacki (occiput) rackr (fortis) reckr (heros) brëcka (cli-
vus) bickja (canicula, angelſ. bicce, engl. bitch) u. a.
meiſtens gilt der alte, einfache conſonant, als: rekja
(evolvere) þekja (tegere) nakinn (nudus) bak (tergum)
akur (ager) qvikr (vivus) etc. ck mit umgelautetem wur-
zel-a und ausbrechendem v haben röckr, ſkröck wovon
röckva, ſkröckva; nöckvi (linter). 2) häufig aus nk ent-
ſtanden (vgl. oben ſ. 308.) wie die vergleichung anderer
mundarten lehrt: macki (juba dän. manke) blecki (can-
dor, blänke) hleckr (catena, dän. länke, hochd. gelenk,
frieſ. hlenſzene) eckja (vidua, dän. enke) ockr, yckr
(altſ. unk, ink) ſöck (mergor, hochd. ſinke) etc. Den
drei letztgenannten ſtehen die goth. ugqvis, ïgqvis, ſig-
qva, mit naſallaut, in ausſprache und ſchreibung näher
(vgl. die bemerkung zum 2ten gg). 3) ëcki (non) ſcheint
aſſimiliert aus eitki ſt. eitgi, (Raſk §. 224.) wie die ge-
meine ausſprache vîdhka (ampliare) blîdhka (mitigare)
zu vîcka, blîcka macht (Raſk §. 92). — (GG) mehrfach
1) = angelſ. cg, als: agg (rixae) baggi (onus) bragga (or-
[325]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
nare) hagga (movere) vagga, vöggu (cunae) leggja (po-
nere) ſeggr (vir) ſkegg (barba, angelſ. ſceacg, caeſaries,
engl. ſhagg) veggr (cuneus) veggr (paries) leggr (crus)
hregg (imber) egg (acies) eggja (acuere) liggja (jacere)
þiggja (acceptare) tiggi (rex) ſigg (callus) vigg (fulicula)
frugg (foenum mucidum) frugga (muceſcere) ſkuggi (um-
bra) gluggi (feneſtra) brugga (braxare) ſnugga (increpare)
dugga (navis piſcatoria) ugga (ſuſpicari) hryggr (dorſum)
yggr (timor) hyggja (cogitare) bryggja (pons) bygg (hor-
deum) byggja (ſtruere) tryggr (fidelis) tyggja (mandere)
ſtyggr (auſterus). 2) = angelſ. eáv, alth. auw und zwar
zeigt hier die nord. wurzel immer ein ö, alſo ein durch
u umgelautetes a, welches u noch in der flexion vor vo-
calen vorbricht, folglich ſetzt jedes nord. ögg ein frü-
heres öggv, öggu voraus, vgl. dögg (ros) gen. döggvar
oder daggar, döggva (rigare) högg (verber) höggva (cae-
dere) rögg (plica veſtis) lögg (margo vaſis) glöggr (calli-
dus, parcus) ſöggr (madidus) ſnöggr (repentinus, glaber).
Da dem glöggr, d. h. glöggur ſt. glöggvr, glaggvr (fem.
glögg ſt. glöggvu, glaggvu) das goth. glaggvus völlig
entſpricht, ſo dürfte auf ein analoges daggvus (ros) oder
haggvan (verberare) geſchloßen werden, wogegen eine
andere analogie, nämlich von báuan und havi, auf dáus
háuan führt. Entſcheiden müſten practiſch die uns noch
abgehenden goth. formen; daß auch im nord. der kehl-
laut ausfällt, zeigt uns hey (d. h. haui, foenum) wel-
ches dem begriffe nach von einem verbum hauen, ſe-
care ſtammt. Noch andere wörter zeigen es, nämlich
brû (pons) trûr (fidus) bû (rus, agricultura) bûa, ëk bŷ
(colere, ruſticare) bŷr (urbs) berühren ſich ganz nahe
mit den unter 1. angeführten bryggja, tryggr, byggja,
bei denen kein v. hervorbricht, z. b. byggi (habito) byg-
gir (habitat) tryggja (conciliare fidem) woneben jedoch
tryggva (niâlsſaga cap. 131. pag. 204.) und im adj. häufig
tryggvan (fidelem) tryggvir (fideles) vgl. das bekannte
n. pr. tryggvi, und das entſprechende goth. triggvs.
Aus allem folgere ich aber, a) das angelſ. eáv, ëóv in
heávan (caedere) trëóve (fidus) blëóvan (caedere) das
alth. aw, iw, oder auw, iuw in hawan, hauwan; triwi,
triuwi; pliwan, pliuwan; ſo wie in allen ähnlichen wör-
tern ſtehn dem goth. aggv, iggv und nord. öggv, yggv
gleich, nie dem bloßen goth. agg, igg; nie dem nord.
agg, ugg, ygg, das nicht ein v. abgeworfen hätte. b)
jedes goth. gg lautete durch die naſe, muthmaßlich wie
ng, folglich ggv wíe ngv; merkwürdig daß im hochd.
[326]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
ng die gg geblieben ſind, die ggv nicht (kein tring, fi-
dus noch klang, ſolers, noch blingan, flagellare), doch
mit ausnahme von aggvus und ſiggvan, alth. engu (ſt.
angwu, angawu?) ſingan (ſt. ſingwan, ſingawan?) Auch
das altnord. ng erſetzt gg, nicht aber ngv, ggv, wel-
ches blieb; ob dieſes ggv (oder dafür gg) naſal war?
ſpäterhin wohl nicht, ſeit auch gg die bloße gemination
ausdrückt, wo der Gothe einfache med. hat (z. b. leggja
goth. lagjan) höggva lautete nicht höngva, ſondern högg-
va; immer aber bleibt die ſchreibung höggva, glöggvan
deshalb zu beachten, weil ſie beweiſt, daß das goth. gg
nicht gerade aus dem gr. γγ entlehnt zu ſeyn braucht
(oben ſ. 72.) c) für den früheren altn. naſallaut ggv
(= ngv) ſtreitet auch die gemin. ck und ckv in wör-
tern, wo andere mundarten nk. zeigen, als: ſkröckr
alth ſkrank; ockr alth. unk; goth. ſkragqvus (?) ugqv;
ſtöckva (aſpergere, dän. ſtänke, ſchwed. ſtenka) ſöckva
(mergere, dän. ſänke, ſchw. ſenkja) beide mit den goth.
ſtarken formen ſtigqvan, ſigqvan (alth. ſtinkan, ſinkan)
verglichen. Das hochd. trinkan, trank verhält ſich zu
drëcka, drack wie hinkan, hank zu einem verlorenen
hëcka, hack, davon noch hökta (claudicare) über iſt.
d) jene parallelen eáv, ëóv, aw, iw, auw, iuw ſind
gleichwohl nicht aus aggv. iggv zu erklären; ſie ſchei-
nen vielmehr einfachere formen, aus denen ſich die na-
ſalen entwickelten *), ſind auch im goth. und nord. zu-
weilen noch neben dieſen ſelbſt vorhanden, vgl. tráuan,
trûa neben triggvs, tryggr; báuan, bûa neben byggja
(? früher byggva) und ebenſo muß ein blivan (ſt. bliuan)
neben bliggvan, wie ſniggvan neben ſnivan (ſt. ſniuan)
nord. ſnûa, theoretiſch behauptet werden. Dieſe dop-
pelform erläutert den wechſel zwiſchen zwei verſchiede-
nen ſtarken conjug. nämlich ſnivan, ſnáu alſo auch bli-
van, bláu; bliggvan, blaggv, alſo auch ſniggvan, ſnaggv
(woher vielleicht ſnëggo, animal repens vel tortum) und
ebenſo verhält ſich das hochd. ſinkan, ſank; ſingan, ſang
zum nord. ſöckva (früher ſiucka?) ſauck; ſŷngja, ſaung
(früher ſiunga ſaung? noch früher ſûa, ſau?) Die praxis
jeder mundart zeigt einzelne unvollſtändige formen, z. b.
[327]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
die wurzel, welcher das goth. tráuan und triggvs ge-
hört, entfaltet ſich in keiner der beiden ſtarken conjug.,
aber die theorie dürfte ein trivan, tráu und triggvan,
traggv vermuthen, von jenem ſtammt das alth. triwi,
triuwi, von dieſem das goth. triggvs, von jenem die
abgeleitete ſchw. form tráuan, tráuaída. Mehr von allem
in der formen- und bildungslehre, hier war bloß die
verſchiedenheit der verbindungen aggv, iggv von au,
av, auw und in, iv, iuw darzuthun. — 3) bisweilen
ſcheint gg dem aus i entſpringenden j verwandt und
namentlich egg dem ei, ej, angelſ. äg; vgl. egg (ovum)*)
gen. pl. eggja mit dem alth. ei, ejiro und ſelbſt egiro,
eigiro (ſ. 188.) angelſ. äg, ägra; hnegg (hinnitus) hneggja
(hinnire) mit dem angelſ. hnägan, alth. hveigôn **);
die gen. pl. beggja, tveggja mit dem angelſ. begra, tvegra
und alth. zueiero, zueigero (nicht aber peigero) und
vermuthlich verſtändigen ſich ſo noch andere wörter,
wozu mir vergleichung abgeht, als negg (cor) dregg
(faex), vielleicht auch einige der unter 1. aufgeführten
-egg. Analog ſcheint þriggja aus þrîja, þrija und frigg
(n. deae) gen. friggjar ***) aus frî (nobilis) alth. frigêr
zu leiten. Offenbar iſt aber in allen dieſen fällen die
gem. unorganiſch und aus einf. g (ſtatt j) wie jenes gg
des erſten falls (liggja, leggja) aus einf. (organ.) g hervor-
gegangen. — Von der ausſprache des ck und gg vor
weichen vocalen gilt das bei dem einf. k und g erör-
terte auch.


gutturalverbindungen. 1) anlautende. kl. kn. kr; für
kv wird lieber qv geſchrieben, fällt aber das v zuweilen
aus (oben ſ. 311.) wieder k; übrigens ſteht qv noch
(gleich dem goth.) in fällen, wo im alth. der anlaut w
herrſcht, z. b. qveina (queri) goth. qváinôn, alth. wei-
nôn (oben ſ. 139. 196.) — gl. gn. gr; hl. hn. hr. hv.
zahlreiche belege dieſer aller bei Biörn. Das ſlaviſche
km. gm. kennt die nord. mundart ſo wenig als eine
der übrigen deutſchen; daß die ſpätern dichter zuweilen
das h vor l. n. r. abwerfen oder fälſchlich zufügen,
[328]I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
wurde oben beim h angemerkt (Olafſen p. 119.). — 2) in-
und auslautende: bloß x ſtatt des org. hs: ax (ſpica) lax
(ſalmo) ſax (culter) vax (cera) vaxa (creſcere) fax (juba)
fox (vulpes) öxn (box) uxi (taurus) axla (ſuccollare) ſëx
(ſex) vîxla (permutare). Seltner ſtatt des contrahierten
ks: öx, axar (alth. akus, akuſi) nicht ſtatt gs, es heißt
hugſa (cogitare, nicht huxa). Andere contractionen
ſcheinen dextr (blanditiae, von dekr, blandus) hixti
(ſingultus) brîxl (probrum, aus brëgdſl? dän. breidelſe)
fyx (callidus, alth. fizus?) — Für ht gilt tt, und auch
für kt in ſòtti, þôtti von ſœkja, þykja, wiewohl einige,
z. b. Biörn 2, 365a ſôkti ſchreiben (vgl. oben ſ. 197. das
zweite alth. ht).


Schlußbemerkungen. 1) aſſimilationen ſind verſchie-
dentlich angegeben worden, vgl. nn, ll ſtatt nþ, lþ;
beim ſchwachen praet. iſt regel, daß p. t. k. ſ. der wur-
zel das anſtoßende dh der flexion in t verwandeln, als:
gapa, gapti; vænta, vænti; vaka, vakti; leyſa, leyſti
(ſt. gap’dhi, vænt’dhi, vak’dhi, leyſ’dhi). In d wandeln
es m und b, auch häufig n und l, als: þola, þoldi; drey-
ma, dreymdi; ſtëfna, ſtëfndi; kemba, kembdi; ſt. þol’dhi,
dreym’dhi, ſtëfn’dhi, kemb’dhi. Die wurzeln r. f. g be-
halten dh, als: þora, þordhi; duga, dugdhi; hafa, hafdhi.
Nach dh und t, tt, welchen vocale vorhergehen, cnt-
wickelt ſich dd (ſt. dhdh) und tt (ſtatt tdh, ttdh) als:
gledhja, gladdi; reita, reitti; hitta, hitti. Im allgemei-
nen ſollte man, wie nach p. t. k. die ten. t. eintritt, nach
den med. b. d. g. die med. d und nach den aſp. f und
dh die aſp. dh erwarten, allein dieſe conſequenz weicht
ſchon der oben ſ. 315. beim d und þ entwickelten nord.
praxis, welche kein rd ſondern nur rdh, folglich auch in
der zuſ. ſchiebung nur þordhi, gerdhi leidet und ebenſo
nach g die aſp. verlangt. Schwankend iſt die beſtimmung
nach wurzelhaftem l. ll. n. nn. ld. nd. rdh indem z. b.
mæla (loqui) mælti; mæla (metiri) mældi; fella, feldi;
ſtilla, ſtilti; ſŷna, ſŷndi; ræna, rænti; kenna, kendi; nenna,
nenti etc. gelten. (mehr von allem bei der ſchw. conj.)
Nach dieſen grundſätzen iſt nun auch die aſſimilation
des dem imp. inclinierenden pron. þû *) zu beurtheilen:
nach p. t. k. ſ. wird es zu t, als: grîptu, lâttu, taktu,
rîſtu; nach l, m, n zu d, als: ſtëldu, komdu, brenndu,
[329]I. altnordiſche conſonanten.
wiewohl l und n wieder ſchwanken und es namentlich
ſkaltu, muntu heißt; nach r. f. g. bleibt die aſp. als:
gëfdhu, fardhu, ſtîgdhu. — 2) geminierte conſonanz *)
in ſofern ſie aus der bloßen einfachen erwächſt, ſetzt
ſtets kurzen wurzelvocal voraus (liggja, ſeggr, hnacki;
nichts lehrt deutlicher die undiphthongiſche natur des ö,
als der dat. pl. hnöckum oder die ähnlichen fälle önnor,
öll etc.) Die auf aſſimilation gegründete gemination
pflegt ſogar den vorausgehenden gedehnten vocal zu ver-
kürzen, vgl. minn, ſinn, þinn (ſt. mînr, ſìnr, þînr) im
fem. mîn, þîn, ſìn **); gott (bonum) mott (fatigatum)
ſt. gôdht, môdht. Daneben nimmt Raſk §. 184. blâtt,
trûtt, nŷtt an, wo aber richtiger blât, trût, nŷt ſtehn
würde (oben ſ. 319.) weil zur gemination gar kein grund,
außer misverſtandner analogie, vorhanden iſt. Diphth.
(die nicht bloß gedehnte vocale ſind) bleiben bei der
gem. unverändert, als: heill, einn, rautt, breitt, eitt etc.
ſtatt heilr, einr, raudht, breidht, eint ***). Entgegen-
geſetzt jener kürzung des î und ô vor tt ſcheint gerade
die verlängerung des a, ë, o in â, ê, ô vor dem aus ht
entſpringenden tt; offenbar gebührt dieſer einfluß dem
h (oben ſ. 240. 274.), wie die fälle beſtätigen, wo das
nord. â dem alth. ah (ſ. 288.) gleichliegt. Ob ander-
wärts die gemination kürze oder nicht, verdient erſt nä-
here prüfung; Raſk nimmt §. 327. freilich bœnn, brŷnn,
gæſſ für bœnr, brŷnr, gæſr, aber auch vîſſa, fûſſi f. vîſri,
fûſri und §. 93. ſtôll, ſkînn f. ſtôlr, ſkînr an; vielleicht
wäre viſſa, fuſſi, ſtoll und ſkinn zu behaupten? Die
praet. fêll, gêck, fêck, hêck, (ſt. gêng, fêng, hêng)
könnten gleichfalls verkürzung in fëll, gëck, fëck, hëck,
erleiden (oben ſ. 283. note) und Raſk ſelbſt ſcheint
§. 262. ein gëck einzuräumen, wiewohl er hier wieder
die neue ausſprache des g vor e mit dem ê vermengt. —
3) die partikel nê fügt ſich nicht ſo ans verbum, wie
im angelſ. und frieſ. (ſ. 268. 280.) überhaupt wird eigent-
[330]I. mittelhochdeutſche buchſtaben.
lich ganz anders durch ein ſuffigiertes at verneint, von
welchem nach den umſtänden a oder t abgeworfen wer-
den kann (ſ. unten bei der conjug.). Noch anderer in-
clinationen des pron. ans verbum iſt ſchon oben ſ. 32.
erwähnt.


Mittelhochdeutſche buchſtaben.


Die mittelh. ſprache iſt fortſetzung der althochdeut-
ſchen; es bleiben alle hauptgrundzüge und bedarf kei-
ner neuen entwickelung derſelben. Nur was ſich im
allgemeinen verweichlicht oder im einzelnen abändert,
aber auch was ſich durch die zahlreicheren und gehalti-
geren quellen klarer beſtätigt, wird daher abgehandelt
werden. Die quellen gewähren, abgeſehn von ihrer an-
ſehnlichen menge, den unſchätzbaren doppelten vortheil,
theils daß ſie lebendige poëſie enthalten und die unge-
zwungene natur der ſprache ſehen laßen, theils daß die
genauigkeit der reimkunſt *) über die wirkliche aus-
ſprache aufklärt, weit mehr, als es die bloß einfach
anlautende, dazu alle vocale gleichſetzende nord. allite-
ration zu thun vermag. Dieſe vielen unter der benen-
nung mittelhochdeutſch zuſ. begriffenen denkmähler he-
ben von der mitte des 12ten jahrh. an und reichen bis
zum ausgange des 13ten, in deſſen erſtes drittel ſich
doch ihre eigentliche kraft und blüte drängt. Sie haben
zwar nicht alle eine und dieſelbe mundart, verrathen
aber lange keine ſo abſtechende verſchiedenheit unterein-
ander, als die althochd. quellen. Ich werde in den
ſchloßbemerkungen hierauf zurückkommen. Die mei-
ſten mittelh. dichtungen ſind in Schwaben, in der Schweiz,
in Baiern und Öſtreich entſprungen, verſchiedene in den
gegenden des Oberrheins und in Franken bis nach Thü-
ringen hinein. Was über dieſe begrenzung nördlich
fällt, ſtreift ſicher ſchon ins niederdeutſche oder mittel-
ſächſiſche.


[331]I. mittelhochdeutſche vocale.

Mittelhochdeutſche vocale.


Allgemeine regeln 1) die wortbildungslehre wird zu
beweiſen ſuchen, daß jede deutſche wurzel auf einen
conſ. ſchließt; ſcheinbare ausnahme hiervon machen ver-
ſchiedene einſilbige auf vocal auslautende wörter, denen
jedoch meiner anſicht nach überall conſ. apocopen zum
grunde liegen. Das nähere gehört nicht hierher; die
mittelh. ſprache, verglichen mit der alth. weiſt aber viele
ſolcher apocopen deutlich vor, z. b. lâ ſt. lâƷ, ſlâ ſt.
ſlaga (veſtigium) und es iſt klar, daß ſie auf den wur-
zelvocal einfluß äußern, d. h. ihn dehnen *), indem ſie
gleichſam in ihn geſchmolzen werden. Hiermit im ein-
klang lehrt das mittelh. vorläufig folgende practiſche re-
geln: a) jeder wurzelhafte (und betont bleibende) kurze
vocal wird gedehnt (lang) ſobald er auslautet; es giebt
kein da, bi, do, du, ſondern nur dâ, bî, dô, dû; be-
lege bei den einzelnen dehnlauten. b) gleiches geſchieht,
wenn an den betonten vocal eine flexionsendung ſtößt,
welches man auch ſo ausdrücken kann: wenn er eine
ſilbe endigt **); wohlverſtanden nach wahrhafter ſilben-
theilung, nicht nach neuhochd. (die fälſchlich ge-ben,
na-me, bin-den ſchreibt, ſtatt nam-e, bind-en); der fall
iſt ſelten und hat den nämlichen grund, da auch hier conſ.
ſyncopiert ſind; beiſpiele: bî-e (apis) vî-ent inimicus) etc.
öfters treten die beiden ſilben in eine zuſammen und dann
entſpringt der unorg. diphth. ie, z. b. hier (hîc) aus hî-er,
nicht hîer triphthongiſch. c) in zuſammenſetzungen dieſelbe
erſcheinung. z. b. tâ-lanc, ſî-frit, offenbar aus tage-
lanc, ſige-frit erwachſen. — 2) aufgenommene fremde
(lat. roman. und ſlav.) wörter pflegen ihre auslautenden
vocale (das verſteht ſich ſchon nach 1. a.) aber auch ihre
inlautenden, ſobald einfache conſonanz folgt, zu dehnen;
es heißt: dâvît, pârîs, magdâlênâ etc. In ſolchen wör-
tern fühlte der Deutſche weder die natürliche wurzel
noch betonung ſondern gab alle ihre laute mechaniſch
treu, wie ſie der buchſtab überlieferte, wieder; auf je-
der ſilbe wurde verweilt und ihr vocal, wenn er ein
[332]I. mittelhochdeutſche vocale.
kurzer war, dadurch in die länge gezogen. Anders aus-
gedrückt: für ſolche namen und wörter beobachtete man
jene heutige (falſche) ſilbentheilung pâ-rîs, mâ-rî-â,
dehnte alſo, der regel 1. b. gemäß, die vocaliſchen ſil-
benauslaute. Den beweis liefern die reime überall.
Gleichwohl hat auch dieſes geſetz für fremde wörter
mannigfache nähere beſtimmungen und ausnahmen, die
anderswo erörtert werden müßen *) namentlich verwan-
deln ſich einzelne eigennamen dadurch gleichſam in
deutſche, daß ſie deutſche flexion und in ihrer wurzel
deutſchen diphth. annehmen; während z. b. Hartmann
Artus bekannten ſeneſchal kâî auf ſî, bî reimt, heißt
er bei Wolfram keie, gen. keien und reimt auf meie,
leie etc. (vgl. unten die ſchlußanmerkung über betonung).


(A) wie im alth., nur tritt der umlaut in e nunmehr
längſt entſchieden ein; ausnahme macht zuweilen die
ſtarke conj. in II. III. ſg. praeſ. ind. vornämlich wenn
dem a die verbindung ng, lt folgt, als hanget, haltet
ſpaltet etc. nicht henget, heltet, ſpeltet (ſ. die conjug.)
Wenn ſich aber magede, magedîn ſt. megede findet,
ſo muß man die alth. form magadî, magatîn erwä-
gen, wobei zweifelhaft bleibt, ob der ſpätere umlaut
aus der dritten ſilbe gewirkt wurde oder aus der zwei-
ten, inſofern das a derſelben allmählig in i übergegan-
gen ſeyn konnte (vgl. oben ſ. 76. 77. über megin, emil,
ſcemil, gegin ſt. magan, amal, gagan) oder wäre alſimi-
lation im ſpiel? Nur den zweiten dieſer drei fälle ver-
ſtatten die häufigen mittelh. plurale wegene, ſetele, he-
vene, ſchemele (alth. waganâ, ſatalâ, havanâ, ſcamalâ) etc.


(E) ſowohl e als ë; daß der unterſchied beider fort-
während in der ausſprache merklich war, lehren die
reime, da ſie e und ë nicht verbinden. Man unter-
ſchiede alſo z. b. regen (movere) legen (ponere) egen
(occare) ſlegen (ictibus) megen (valeant) wegene (currus)
wegen (movere) gegen (contra) von rëgen (pluvia) dë-
gen (vir fortis) wëgen (viis) wëgen (pendere) pflëgen
(ſolere) gelëgen (jacens) ſëgen (benedictio) etc. oder: ber
(feriat) ber (bacca) ber (ictus) her (exercitus) mer (mare)
er (aret) wer (defenſio) ſwer (juret) von: bër (ferat) bër
(urſus) gër (deſiderium) ër (ille) dër. wër. hër (huc) ſpër
[333]I. mittelhochdeutſche vocale.
(haſta) mër (miſceo) ſmër (butyrum) wër (praeſtet) und
ſo überall. Anſcheinend gleichlautige tranſitiva und in-
tranſitiva ſind am e und ë zu erkennen, vgl. ſtërben
(mori) verdërben (perire) mit ſterben (occidere) verder-
ben (perdere); jene im reim auf wërben, dieſe auf ver-
ben, erben *). Ungenan reimende geſtatten ſich zuwei-
len ein e auf ë, als vëlde: ſelde (Maria 187.) verge:
bërge (Ernſt 38a) veter: wëter (Wilh. 1, 120a) legen:
pflëgen, dëgen (Nib. 859. 3215. 3909. 8474.) ſlegen: wë-
gen (Wig. 170. 402.) ſlegen: dëgen (Wig. 251. 277. 349.)
regen: pflëgen (Wig. 236.) dëgen: ſlegen (klage 129b. c
und in den Nib. achtmahl) **) lëben: ſteben (M. S. 2, 124a)
erne (meſſis): gërne (M. S. 2, 193a. b. 196a); gelërnet: ger-
net (Parc. 61a). Inzwiſchen darf man nicht alle fälle für
ſchlechte reime erklären, in denen ein e oder ë der ab-
ſtammung und früherem ſprachgebrauche zuwider ſteht.
Manche wörter können allmählig, wenigſtens nach land-
ſchaftlicher ausſprache ein e ſtatt ë angenommen haben
oder ein ë ſtatt e; war dies unorganiſch, ſo reimte doch
der dichter, wenn ſein ohr der gangbaren ausſprache
folgte, nicht unrecht; ſlege, ſlegen lautete, nach jenen
häufigen reimen zu urtheilen, wohl wirklich wie ſlëge,
ſlëgen. Anders laßen ſich anomalien, die wir ſelbſt bei
forgfältigen reimern wahrnehmen, kaum erklären; hier
die nöthigſten belege: 1) ë ſtatt des org. e zeigen frëbel:
nëbel (Parc. 73a Wilh. 2, 114b) frëvel: wëvel (Reinfr. 88a)
alth. fraval, nibal, wëval; ëffen: trëffen (troj. 17c 18c) da
doch die ableitung von affe effen fordert; wëlde, wël-
den: vëlde, vëlden (troj. 77c 171c); mëlde, mëlden:
vëlde, vëlden (alt. Tit. 97. ſchwanr. 583. 893. troj. 29a
77b) M. S. 1, 136a ſogar mëlden: ſchëlten; hier könnte
ſchon im alth. ein mëldan, mëldôn (prodere) ſt. meldan,
meldôn gegolten haben, da ſich das urſprüngl. mald
nirgends zeigt ***) und ſelbſt das angelſ. mëld, mëldjan
[334]I. mittelhochdeutſche vocale.
wie fëld zu nehmen wäre, vgl. Ernſt 30a helde: mëlde;
mëlm und gëlm reimen allen mittelh. dichtern: hëlm,
obwohl das alth. (auch mittelh.) galm und goth. malma
auf e deuten, eine verlorene ſtarke form mëlman, malm,
gëlman, galm könnte beiderlei ableitung rechtfertigen.
Der wichtigſte fall iſt aber die wahrnehmung, daß alle
und jede ehte im mittelh. die ausſprache ëhte bekommen,
denn ich finde geſlëhte (ſt. geſlehte, von ſlahta zu lei-
ten): knëhte, rëhte (Parc. 61a Wilh. 2, 132a, troj. 4b)
ëhte (oc [...]o, von ahta): rëhte, geſlëhte. (Parc. 56a 110b
117b 162c Wilh. 2, 132a 186a 187b troj. 131b) gebrëhte:
knëhte, rëhte (Parc. 102a M. S. 2, 202b) ëhtent: vëhtent
(M. S. 2, 238a) mëhte (poſſet): geſlëhte (Flore 6a 13c 29b
53c Triſt. 11a) und die adj. auf -ëhte: geſlëhte, rëhte
(M. S. 2, 127b troj. 23a 72b 116b) reimen, wohin auch
die n. pr. auf brëht (alth. përaht) gehören (rëhte: gêr-
brëhte. M. S. 1, 132a). Dieſe wandlung des e in ë iſt
ſichtbare wirkung des folgenden ht und vergleicht ſich
dem angelſ. iht ſtatt aht in mihte, niht etc. (oben ſ. 226.
268.) dem frieſ. iuht ſt. ëht (ſ. 274.) dem nord. âtt ſt.
att etc. Vielleicht wäre ein -æhte (welches die citate
aus Parc. merk würdig zeigen, während das dazu ge-
bundne wort mit einfachem voc. geſchrieben iſt) und aus
ihm der übergang in ë zu behaupten, in ſofern âhte ſt.
ahte zu erweiſen ſtünde, deſſen natürlicher umlaut æhte
iſt (mehr davon hernach bei â, æ und ht) *)). 2) e ſtatt
des org. ë zeigen wellen, welle: ſtellen, vellen, geſelle,
helle (Iw. 10a 16a troj. 23b 95c 119a 137a klage 122b)
welt: helt, gezelt, verſelt (Nib. 5083. 9035. troj. 53a
Flore 38c Parc. 52b) ſedele: edele (ſchmiede 1680). das
org. ë folgt aus geſidele; jene, jener, jenen, bei allen:
zene, ene, wene, tener, zenen, denen; ſweſter: veſter
(Parc. 91a Triſt. 31a 52a Georg 10a klage 125b troj. 12c
Flore 2c 31a) geſter: ſweſter (Flore 44c Iw. 35b) weſie,
weſten: beſte, geſte (Triſt. 36a 39a Karl 65a Iw. 13c a.
Heinr. 1133.) breſten: weſten, veſten (troj. 152c klago
130c 143b Wig. 65. 186. 194.) neſte: beſte (optimum)
(Wilh. 2, 85b) gebreſt (troj. 176a ſchmiede 1007) teſt: neſt
(M. S. 2, 134a) fôreſt: neſt (ſchmiede 413.) ſârâpandrateſt:
neſt (Parc. 12c) veſte (feſto): gebreſte (troj. 11c 119c) beſte
[335]I. mittelhochdeutſche vocale.
(ſarci): neſte (M. S. 2, 85b) gleſten: geſten (M. S. 1, 88a).
Das org. ë folgt aus den ableitungen geniſte, geſwi-
ſtere etc. die urſache, weshalb es vor ſt zu e wird, könnte
in der ähnlichkeit der ſpiranten h und ſ geſucht werden,
wenn auch ſt hier anders einwirkt, als ht; doch darf
das übergewicht der reime veſter, eſte, geſte, beſte etc.
in anſchlag kommen und eben darum läßt ſich nicht
in dieſen ein ë behaupten und in jenen beibehal-
ten. Überhaupt ſcheint mir das klar, daß zu den
unorganiſchen ë oder e die folgenden conſ. verbindun-
gen mitwirken; ſo in den angeführten beiſpielen ht. ſt.
ld. lm. (man denke an den einfluß des nord. Im. ſ. 286);
vor einfachen conſ. (zumahl liq.) bewahren ſich beide
vocale treuer und ſelbſt vor geminationen, da ſchwer-
lich ein guter dichter jener zeit den einen oder den
andern in helle (tartarus) und hëlle (clare) ellen (vis)
und ſnëllen (celerem) etc. verkennen wird, Nîthart aber
in einem tanzliede 2, 85b wagt es ſnëlle: helle zu rei-
men. — Von den berührungen des ë mit i und o bei dieſen.


(I) verhält ſich beinahe völlig wie im alth., tritt in
flexionen und ableitungen aus dem ë hervor (gëben, gip;
wëſen, wis; nëbel, genibele; dëgen, gedigene; fëder, gefi-
dere; ſëdel, geſidele; gër, gir, girde; ſchërbe, ſchirbìn
teſtaceus.) und ſchwankt mundartiſch in einzelnen wörtern,
ſchëf leſen noch alte hſſ. neben ſchif, im reim finde ich
nur letzteres (: grif, rif); allgemein gilt noch biben (tre-
mere) ebenſo allgemein aber gëbel (cacumen) wie ſwëbel,
nëbel, folglich dem neuh. gibel und beben gerade entge-
genſtehend. — Von dem î genau zu ſcheiden; reime
wie trîbet: bibet (Maria 177.) ſind im 13. jahrh. unerhört.


(O) das alth. o, allein beſchränkt durch den einge-
führten umlaut in ö (vgl. dieſes); das alte u zuweilen
noch in den ſ. 84. 85. angegebenen fällen hervorbrechend
und dann in ü umlautend, als: horn, einhürne, hürnîn;
dorn, gedürne, dürnîn; zorn, zürnen; mort, mürden
(occidere) vielleicht auch hort, hürden (opes colligere);
borgen (cavere) bürge (fidejuſſor) worgen, würgen; ſpor,
ſpürn; vogel, gefügele; holz, hülzîn; golt, güldîn;
wolle, wüllîn; dorren, dürre; vol, füllen; hol (cavus
und caverna, latibulum) hüllen (tegere) und ſo beziehen
ſich noch andere ſeltnere verba betrüllen (faſcinare) um-
betüllen (cingere, marginare) knüllen (pugno caedere)
nüllen (decipere) etc. auf die ſubſt. trol (praeſtigium) *)
[336]I. mittelhochdeutſche vocale.
tol (?) knol (nodus) nol (vertex). Ausnahmsweiſe bleibt
o ſtatt ü, als zobel, zoblîn (Parc. 68c̱) ſt. züblìn.
Das verhältniß des alth. o zu dem goth. aú und u war
(nach ſ. 84.) das, daß es erſterem vor h und r, letzte-
rem in den übrigen fällen (alſo auch vor dem aus goth.
zd entſpringenden rt.) antwortete. Folglich konnte das
alte u eigentlich bloß in letztem, nicht in erſtem fall
gelten und turrun (audebant) burgun (tuebantur) thur-
nîn, thurri etc. würden conſequenter ein o haben oder
behalten. Dieſe u vor r entwickeln ſich nun auch ge-
wöhnlich im mittelh., doch finde ich ſpurweiſe das
richtigere o, nämlich neben dem üblichen turren (aude-
mus) Wilb. 2, 175b torren (:geworren); [mehr hierüber
bei der conj.] — on haben folgende: von (praep.) gedon
(aegrimonia troj. 30c 45c 48b 53a 110b) wone (mos)
gewon (ſolitus) rone (truncus) kone (uxor) honëc (mel)
doner (tonitru); honëc bezieht ſich auf ein altes u; von,
gewon auf ein altes a (vgl. oben ſ. 85 und 75. halôn,
holôn, mittelh. holn) vielleicht auch das noch dunkle
gedon (zu denen, tendere? vgl. wenen und wone) und
rone (bairiſch rann). Mit ë verbinden das o außer kone
(nord. qvën) die adj. bildungen-ëht, als: durnëht, triu-
tel-ëht etc. für worolt, truhtîn ſtehet immer wërelt, wërlt,
trëhtîn (Iw. 35ḇ 37b trëhten: vëhten). Hingegen gelten
woche, op und wol, (vgl. ſ. 82.). Bemerkenswerth iſt
noch dert (ibi, Flore 12a: erwert) ſt. des üblichen dort
(alth. thorôt, doret).


(U) wie im alth. durch o, daneben aber nun auch
durch den umlaut ü beſchränkt. Doch dringt o in we-
nige wörter, die es nicht ſchon im alth. hätten und zu-
weilen nur in einzelnen denkmählern, z. b. im Tit.
reimt kopher (aes): opfer, M. S. 2, 150b floƷen (ſt. flu-
Ʒen): verdroƷen, dergleichen iſt ſelten und tadelnswerth;
neben dem herrſchenden o zeigt ſich das alte u in ge-
wiſſen ableitungen, nach umſtänden umlautend (ſ. vor-
hin beim o). Andere beiſpiele, wo kein umlaut ſtatt
hat, ſind: doln, gedult; holt (favens) hulde (favor), ſol,
ſult etc. Die neuh. analogie entſcheidet ſo wenig zwi-
ſchen o und u, als zwiſchen ë und i; ſpor (veſtigium)
lautet auch alth. ſpor, neuh. ſpur. Das wichtigſte und
ſchwierigſte bei unterſuchung dieſes vocals ſcheint mir
aber, daß der um ſich greifende umlaut ü offenbar noch,
wenigſtens ſchwankend, von gewiſſen formen ausge-
ſchloßen iſt, in welchen u fortbeſteht. Dies zu erken-
nen helfen weder ausgaben noch hſſ. ſondern allein die
[337]I. mittelhochdeutſche vocale.
reime. Der deutlichſte fall iſt zuvörderſt die verbindung
ng und nk, welche, ungeachtet die bedingung des um-
lauts eintritt, gewöhnlich kein ü vor ſich haben, beweis
die reime ſprunge:gelunge (Flore 44b) junge:ſwunge
(Ben. 230.) twunge:wandelunge (Barl. 251.) junge:twunge,
beƷƷerunge:ſwunge (M. S. 2, 133b 238a. b.) ſprungen:
den jungen (Wigam. 7a) jungen (verjüngen): entſprun-
gen, gelungen (M. S. 1, 59a 178b) zungen:tungen (ſter-
corare Wilh. 3, 259b) zungen:ſungen (Wilh. 3, 458a)
dunke:trunke (M. S. 2, 170b). Theils erinnert dieſes
unge ſt. ünge an das vorhin beim a bemerkte ange ſt.
enge im praeſ. ſtarker conj. (denn anderwärts ſteht frei-
lich enge) theils an das nord. ûng, ûnk f. ung, unk;
wenn auch hier der umlaut gar nicht mitwirkt, viel-
mehr ŷngi ſt. yngi ebenfalls erfolgt, ſo läßt ſich doch
der einfluß des naſalen ng, nk auf den vorausgehenden
vocal nicht leicht verkennen. Außer dieſen verbindun-
gen ſtehet u ſtatt ü in folgenden reimen: fluge:truge
(Parc. 84b) zugen:mugen (Am. 5c Flore 25b Triſt. 14b)
ſchulden:vergulden (M. S. 2, 20b) dulden:übergulden
(troj. 134a) umbe:ſtumbe (Iw. 17b) drunde:gunde, funde
(Parc. 17a Karl 35a) munde:kunde (Triſt. 33b) ſtunde:
kunde (Georg 3b) funde, wunde (a. Heinr. 197a 204a 207b)
ſtunden:unden (Ernſt 21a) ſunne:brunne (Flore 32b M. S.
1, 204a) nunne:gewunne (Flore 41a) ſunne:kunne (M. S.
2, 142b) etc. Schwerlich iſt an falſchen reim aus reimar-
muth, noch an vermiſchung des u und ü, wie vorhin
des e und ë zu denken; es ſind überreſte des alten un-
umlautenden u. Einmahl zeigen ſie ſich nur vor liq.
und med. (nicht vor ten. und aſp.) dann zumeiſt in
dem conj. ſtarker conj. d. h. man wird leichter brunne
(arderet) truge (falleret) kunne (ſciret) für brünne, trüge,
künne; nicht leicht kunne (genus) unde (fluctus) dunne
(tenuis) für künne, ünde, dünne treffen. Freilich einige
ausnahmen geben ſchon die obigen belege. Dagegen iſt
die unumlautende form nicht mehr allein herrſchend.
ſelbſt nicht vor ng. nk., ſondern es gibt überall auch
die umlautende daneben, ja dieſe beſteht als regel, jene
muß ausnahmsweiſe durch den reim bewieſen, ſodann
für einzelne dichter und wörter durchgeführt werden.
Bisweilen, wenn weder der reim ein n ſtatt ü beweiſt,
noch der gebrauch für u oder ü entſcheidet, mag es
zweifelhaft ſeyn, welches von beiden angemeßener iſt.
Einzelne wörter ſchwanken bei dem nämlichen dichter,
z. b. Wolfram reimt Parc. 7c umbe (alth. umbi): der
Y
[338]I. mittelhochdeutſche vocale.
tumbe, mithin kann es nicht ümbe heißen; Parc. 58a
Triſt. 116b troj. 73a 147c. chrümbe (flexuoſitas) wo ümbe
behauptet werden muß. weil alle ſolche fem. umlauten.
Durch den neuh. ſprachgebrauch wird man ſich nicht
irren laßen, der z. b. um, urkunde etc., kein üm, ur-
künde weiſt; mehr, doch nicht immer, hilft die wahr-
nehmung des (im mittelh. ausgefallenen) alten ablei-
tungs-i zurecht, die erkannten mittelh. umlaute kön-
nen aber ſelbſt der wortbildungslehre wichtig werden.
So ſetzen ünde, ſünde (gerte) ein undja, ſundja (gardja)
voraus, wofür ſchon die meiſten alth. quellen unda,
ſunta (gerta) haben. Die unumlautenden ſubſt. brunne,
ſunne, wunde weiſen auf das ältere brunno, ſunna,
wunta. — Von der vermengung des u mit uo hernach
bei letzterem.


(OE) ö, einfacher, ungedehnter laut, umlaut des
kurzen o (wie e des a) und mit dem œ (umlaut des ô)
nicht zu miſchen; die hſſ. (nicht die reime) verwechſeln
beide, drücken auch wohl das ö gar nicht aus, ſondern
laßen o. Eigentlich kommt dieſes ö (außer dem diphth.
öu, umlaute des ou) ſelten vor, deshalb, weil im falle
des umlauts der ableitung gemeinlich das alte u aus-
bricht, folglich deſſen umlaut ü eintritt, wie ich vor-
hin gezeigt habe. Es bleibt auf die conjunctive törſte *),
dörfte, möhte, töhte, wörhte, vörhte (die vier letzten
reimen nur untereinander, nicht mit indicativen und
das beweiſt eben den wirklichen umlaut) nächſtdem auf
einige ableitungen beſchränkt, als: götinne, töhterlìn,
ſtöllelîn, löckel: töckel (M. S. 1, 67a) höviſchen (courtoi-
ſer) götelint (Nib.) chöne-mâgen (Nib. 3010. 3067.); in
einigen dieſer wörter wäre auch ü ſtatt ö denkbar, wie
ſich alth. gutinna und mittelh. hübiſchen findet. Die
pluralumlaute töhter, göte, röcke, böcke, ſtöcke, flöcke,
welche hin und wieder geſchrieben ſtehen, ſind nur in
ſoweit tadelhaft, als hier eine organiſche pluralendung
â und nicht î waltete; nimmt man aber übergang in
eine andere decl. an, ſo ſcheint auch der umlaut gerecht
(die unterſuchung gehört in die flexionslehre). — Mis-
bräuchlich ſetzen doch meiſt ſpätere hſſ. (des 14. 15. jahrh.)
zuweilen ö für ë, als öpfel, frömde, ſchöpfære, möſſinc
(im ſ. galler Parc. ſtatt meſſinc, gl. jun. 290. blaſ. 48a an-
[339]I. mittelhochdeutſche vocale.
gelſ. mäſling, mäſtling, aurichalcum), ſogar mönſche (f.
menſche) hör, mör etc.


(UE) ü, umlaut des kurzen u, (wie ue der des uo
und in der des û) deſſen ſchon bei dem u gedacht wor-
den iſt. Sein wirkliches vorhanden ſeyn beweiſen theils
die hſſ. welche es hin und wieder durch ein überge-
ſchriebenes bäckchen, bald dem i. bald dem acutus ähn-
lich. ausdrücken, oft auch mit dem iu verwechſeln, —
theils ohne ſolche bezeichnung ſicherer die reime, indem
ſie nur wörter zu verbinden pflegen, denen das dem
umlaut zu grund liegende endungs-e (= i, î) zuſteht.
Wenn z. b. nicht brunne (fons): kunne (genus) reimt,
nicht hunde (canes): unde (fluctus). hingegen kunne (ge-
nus): dunne (tenuis) brunne: ſunne (ſol) hunde: munde
(ore) unde: urkunde etc. was iſt anders zu ſchließen,
als daß nunmehr künne, ünde, dünne, urkünde unter-
ſchieden von brunne, ſunne, hunde, munde geſprochen
worden ſey? Die ſprache bedurfte dieſes umlauts zur
ſonderung einer menge von formen; die alth. bedurfte
ſeiner nicht. Im alth. hieß es z. b. bundun, zugun,
conj. bundin, zugin; mittelh. würde bunden, zugen im
ind. und conj. ſtehen, wo nicht letzterer den umlaut
bünden, zügen bekommen hätte. Wiederum wäre das
alth. tumbo und tumbî im mittelh. tumbe ohne den um-
laut verfloßen, welcher das weibl. ſubſt. in tümbe (M. S.
1, 39b) verwandelte. Inzwiſchen hat dieſer grund des
bedürfniſſes, der auch für die übrigen umlaute ö, æ, ue
gilt, nicht allzuviel gewicht, da der umlaut des a in e
neben jenen volleren unterſcheidenden flexionen ſchon
im alth. beſtand; deutlicher aber ſcheint mir das ſpätere
und allmählige aufkommen des ü mit dem (vorhin bei u)
angegebenen ſchwanken zwiſchen ü und u bewieſen zu
werden. Ein ähnliches ſchwanken trat im alth. zwi-
ſchen a und e ein, im mittelh. herrſcht der umlaut e
bis auf wenige ſpuren (hanget, haltet). Ebenſo hört im
neuh. das mittelh. ſchwanken zwiſchen u und ü auf,
d. h. der umlaut herrſcht allenthalben. Daß im mittelh.
das alte u vorzugsweiſe in den ſtarken conjunctiven,
weniger im pl. der ſubſt. und in ableitungen beharrt.
gründet ſich vermuthlich auf die höhere bedeutung und
darum reinere erhaltung des lautverhältniſſes in den ab-
lauten; dieſelbe urſache ſchützte in den pl. bunden,
zugen das org. u länger vor dem übertritt in o. — Noch
bemerke ich, daß die möglichkeit des umlauts ü zuwei-
len eine verwandlung der alten endung a in i voraus-
Y 2
[340]I. mittelhochdeutſche vocale.
ſetzt, die man an und für ſich dem mittelh. tonloſen e
nicht abmerken kann; z. b. das umgelautete über folgt
gar nicht aus dem alth. upar (goth. ufar) ſondern ledig-
lich aus einem zwiſchenliegenden ubir (vielleicht aſſi-
milierte uparo in ubiri?). Analog ſind megen, megin,
magan (vorhin ſ. 332.) und löcke (vorhin ſ. 338.) ein
locchì ſt. locchâ vorausſetzend. Im zweifel aber dürfte
ein mittelh. uber neben über nicht unrichtiger ſeyn als
ein alth. gagen neben gegin (oben ſ. 77.); reime finde
ich weder auf uber, noch über. Ebenſo beurtheile man
durch oder dürch (alth. durah, durih); der reim auf
furch [ſulcus, Parc. 34a*) Wilh. 2. 38b Georg 35b 37b troj.
60b Lohengr. 133] läßt unſchlüßig (alth. furah, furih?)
und der neuh. unumlaut furche beweiſt wenigſtens nicht
wider den mittelh. umlaut.


(AA) â; die fälle dieſes dehnlauts ſind im ganzen
die alth. doch bemerke ich 1) wo die bedingung des
umlauts eintritt, wandelt ſich â in æ (ſ. unten). 2) ein-
zelne wörter ſind veraltet, z. b. lâhhi, ſuâs; dagegen
andere aus den reicheren mittelh. quellen zuzufügen,
als: âder (vena, im reim auf das fremde quâder) âbent
(: gâbent Flore 28b) ſtrâfen (punire) ſich zâfen (ornare, ganz
verſchieden von zouwen, alth. zawan, zauwan, parare),
vâlant (daemon) gâgen (gingrire, Parc. 68a) trâme (trabs
M. S. 2, 171b) lìchuâme (Karl 46b 118a ſonſt richtiger
lìchame) kràm (merx, pl. kræme troj. 143b, Barl. 37. 40.
191. 226. M. S. 1, 29b; Wolfram gebraucht es mit kurzem
a, Parc. 159a. Wilh. 2, 126a) krâme (taberna M. S. 2, 220a
klage 136b) krâmen (mercari, Barl. 279.) âme (menſura?
Georg 3b) jânen (M. S. 2, 166b) ſàn (ſtatim) die zuf. zie-
hungen: lân, vân, gân, ſtân, ſlân, twân, hân (habere)
hân (pendere) clân (unguibus) trân (fluentum) klâr (cla-
rus) pâr (par, bini) ſtàr (ſturnus) dâr (ibi, M. S. 2, 170a
:jâr, gewöhnlich mit kurzem a, dar) gebâren (geſtire)
un-dâre aegre, moroſe, inhumane? Iw. 2235. Gudr.
5536. Maria 153. Weltchron. cod. caſſ. 204b Kolocz 167.
364; dieſes adv. ſetzt wie ſwâre ein adj. ſwære, ein
nirgend vorbandenes undære voraus, folglich ein dære,
facilis, honeſtus? **) âs (cadaver) mâſe (cicatrix) ſlât (? in-
[341]I. mittelhochdeutſche vocale.
ſumibulum, Georg 20a) brât (lumbus) ſprât (torrens M.
S. 2, 240b) hât (habet) *) ſwâten (foetor M. S. 2, 219a)
râten (lolium meiſterg. 45a) drâte (vehementer) vrâƷ
(gluto troj. 60b) drâƷ (? Parc. 153b) gâƷ (eſum, ſt. gëƷƷen,
vgl. unten die conj.) ſâƷe (poſſeſſio) grâƷen (clamare
wâƷe (odor) ſwâƷen (? M. S. 2, 218a). — 3) die haupt-
ſächlichſten auslautenden â ſind: jâ (immo) dâ (ibi) wâ
(ubi) ſwâ (ubicunque) ſâ (ſtatim) dieſe vier haben r.
apocopiert; lâ (ſt. lâƷ, wie lân f. lâƷen) ebenſo ſind die
andern imp. gâ, ſtâ, hâ, ſlâ zu beurtheilen; zâ (interj.
Triſt. 22a) vermuthlich f. zâhi (? zahî M. S. 2, 161b vgl.
ahî Triſt. 33b M. S. 1, 116b 2, 221b) wie nâ (prope) f. nâhe
und chrâ (cornix) f. chrâhe; ſlâ (veſtigium) f. ſlage (alth.
ſlaga N. 2, 12.); die adj. grâ (canus) blâ (coeruleus) lâ
(tepidus) entwickeln ſich aus grâw, blâw, lâw und die
ſubſt. brâ (cilium) trâ (n. fluv.) aus brâwe, trâwe. End-
lich gehören hierher die häufigen interj. mit angehäng-
tem â, meiſtens imperative, ſelten im reim (doch Ben. 57-
wâfenâ: dâ) neinâ, heiâ-hei, ſnîâ-ſnî etc. — 4) Bei-
ſpiele des â in fremden wörtern (wohin eigentlich auch
wâr, verus, klâr, pâr zu rechnen: tërrâ (Georg 20a)
ſâlâmandrâ (Wig. 275.) creûſâ, ârâbiâ, âſiâ, bâche (bac-
chus) âche, cartâge, grâl, vâle (faille) parcivâl, curne-
wâl, zindâl, prôvënƷâl, gâles, âmer (ambra) âmen (ἀμὴν)
âdâm, barlaâm, âbrahâm, plân, gâwân, indiân, pellicân,
cunnewâre, arzât, trînitât, ſâlât, grânât, muſkât, tâvel,
âventiure, cûrâƷ etc. — 5) beſondere rückſicht verlangen
die â vor h. ch und ht; unſtreitig kann vor allen dieſen
ein organ. kurzes a eintreten, als: ſlahen (ferire) trahen
(lacrima) twahen (lavare) rahen (antennae, perticae) ahen
(aquae) aht (cura) naht (nox) maht (vis) braht (clamor)
mahte (potui) etc. deren zuſ. ziehung ſlân, twân erſt der
lange vocal gebührt. Stets langes â haben vor ſich fol-
gende: nâch (poſt, prope) gâch (praeceps) ſchâch (praeda)
ſprâche (loquela) râche (ultio) brâche (ager incultus) hâche
(n. pr.) wie ſich von ſelbſt verſteht die pl. praet. brâchen,
ſtâchen, ſprâchen, râchen; gâhen (praecipitare) genâhen
(propinquare) fâhen (capere) hâhen (ſuſpendere) ſmâhen
(vileſcere) ſâhen (viderunt) jâhen (aſſeruerunt) bâht (? Parc.
121c Frig. 21a) vâhten (dimicaverunt) flâhten (nexuerunt)
brâhten (attulerunt) gedâhten (cogitarunt) gâhten. nâhten.
[342]I. mittelhochdeutſche vocale.
Bedenklich ſcheinen: ſtâhel (chalybs) gemâhel (conjux)
die vielleicht kurzes a (und dann auch im alth. oben
ſ. 87. 89.) folglich im umlaut entw. ſtæhelin oder ſtehe-
lîn haben; für keins von beiden entſcheidet Nib. 7785
(wo der klingende verseinſchnitt mehelen oder mæheln
fordert) wie ſich aber aus dem organ. fahan. hahan ein
unleugbares fâhan. hâhan entwickelte, ſo kann der
gleiche fall bei ſtâhal, mâhal eintreten, (daß die zuſ.
ziehung ſtâl lautet, verſteht ſich, vgl. ſtâle: quâle Georg 9a).
Ferner brâhten, gedâhten ſcheinen der verführeriſchen
analogie vâhten, vlâhten zu folgen, da der pl. ſchw.
conj. das a nicht verlängert, auch mahten (poterant): be-
trahten reimt (Wig. 77.). Aber neben mahte (nicht mâhte)
begünſtigt die mittelh. ſprache ſelbſt den ſg. brâhte, dâhte;
part. brâht, gedâht, beide von braht (fragor) gedaht (tectus)
unterſcheidend, vgl. brâhte, gedâhte: nâhte, gâhte Wilh.
2, 73a Georg 2[8]b 37b Wig. 46. Ernſt 10a 38b 47b) brâht:
erdâht: verſmâht (Ben. 122.) wogegen naht: braht: gedaht
(Nib. 2749. 5813. 6647. 6979. 6989. 9599.) brahte: ahte
(troj. 179a) getrahte: gedahte (a. Heinr. 206b oder gedrâte:
gedâhte? vgl. kolocƷ. 58). In der weltchron. reimt Ru-
dolf tâht (ellychnium): naht, aber tâhten: brâhten.
Weniger reimungenauigkeit, als unſichere ausſprache
des kurzen a vor ht, vgl. das nord. â vor tt (ſtatt ht)
und vorhin (ſ. 334.) ëht ſtatt eht. Die bildungen auf
-ach (ſtûdach, albernach, troj. 4c Wilh. 2, 23a 27b) bekom-
men zuweilen langes â, vgl. dornâch: gâch (Parc. 69a);
über Wiruts reim ſach: gâch: nâch (59. 270) vgl. die
bemerkung zur conjug. des alth. ſëhan. — 6) auch in
andern fällen binden zuweilen genaue, häufiger ungenaue
reimer (wie Wirnt und Friberg) a auf â und bereiten
die allmählige vernichtung des unterſchieds zwiſchen
beiden vor. Zumahl geſchieht es vor liquiden in ein-
ſilbigen wörtern, als krâm: nam (Wilh. 2, 126a) hân:
man; man: getân: kapellân (Wilh. 2, 22b 41a 63b etc.
klage 119b 127a) erban: ſtân (M. S. 2, 161b) wâr:
gar (Parc. 14c) jâr, hâr, wâr: gar, war, ſchar, var (Wi-
gal. 47. 48. 51. 96. 107. 128. 161 etc.) ſchar: klâr (M. S.
2, 170a) parcivâl: wal (Parc. 44a) hâr: dar: gar (klage
123c 135b) die wörter ſân, tan (ſilva) plân, man, an,
hân, reimt Friberg, getân, hân, kan, man etc. Wirnt
hâufig aufeinander; dergleichen wäre bei Gotfried, Ru-
dolf, Conrad unerhört; faſt wundert mich, daß letzterer
(troj. 6b) wac ſt. wâc (wie 51a ſteht) gebraucht; zu emen-
dieren wüſte ich nicht und auch Wolfram reimt gelac:
[343]I. mittelhochdeutſche vocale.
wâc, mâc (Wilh. 2, 184b 195a). Seltner ſind dergl. in
klingendem reim, vgl. wânden: handen (Parc. 54c) haƷ-
Ʒen: mâƷen (Parc. 103c) twâlte: alte, gewalte (Karl 16a
Flore 52c). — 7) daß die ausſprache des â ſich mit ô
berührte, lehren einzelne reime, z. b. zwâre: ôre (Flore
3a) dôten: râten (ib. 19b) bâten: verſchrôten, lâƷen:
ſtôƷen, zôch: gâch, zôch: nâch, ſâƷen: grôƷen, lâƷen:
grôƷen, grôƷe: mâƷe, ſtôƷe: mâƷe (Lohengr. 76. 77.
81. 88. 105. 118. 127. 139.) ſchâch: doch (Tit.). Derglei-
chen erſcheinungen vervielfältigen ſich ſpäterhin, ſind
aber provinziell und beſtätigen gerade, daß die reine mit-
telh. ſprache beide doppellaute wohl unterſchied.


(EE) ê, ein wie im alth. ſeltner doppellaut, die
ſ. 90. 91. gegebenen belege dauern fort und laßen ſich
nur wenig vermehren; wohl aber bekommen viele fremde
wörter nach der allgemeinen regel, gedehntes ê; überall,
wo dem ê kein urſprüngliches w. h und r (ſ) voraus-
ſteht, kann man fremde wörter vermuthen. Hinzuzu-
fügen ſind 1) bêr *) (naſſa Georg. 14b M. S. 1, 83b) rêr
(ſtatus caducus) rêren (fundere, dejicere) **) blêren (ba-
lare, troj. 81a) gêre (lacinia veſtis) die nom. pr. gêſe,
nêſe, agnêſe (Ben. 168. 184.) inſofern ſie deutſchen ur-
ſprungs ***) 2) zuſ. ziehungen: ſtên (ſto, ſtare) gên (ire)
ſên (videre) vên (odiſſe) vlên (adulari) gêt (it) ſtêt (ſtat)
hêt (habuit) die part. getrêt, gewêt (f. getrëten, gewëten,
vgl. gâƷ f. gëƷen); bald entſpringt hier ê durch die
contraction, bald iſt es ſchon ohne ſie vorhanden, wie
in vlêhen, vêhen. Ebenſo beurtheile man die auslau-
tenden conjunctive gê, ſtê, geſchê; w iſt apocopiert
in: ê (lex) ſê (mare) ſnê. klê. rê (funus) lê. wê und
den praet. ſchrê, ſpê; r hingegen in ê (prius) mê; h in
ſê (videat) gevê (inimicus) zê (dig. ped.) rê (caprea),
woneben mit beibehaltner gutt. auch noch gevêch, rêch
vorkommt (über bêde unten beim ei). 3) beiſpiele des
ê in fremden wörtern: die buchſt. namen ê. tê (Eneit
12b Triſt. 104b) galêde (Wilh. 1, 86b) grêde (gradus) zêder
[344]I. mittelhochdeutſche vocale.
(cedrus) glêt (tugurium; ſlav. kljet, klijet *) krên (meer-
rettich, aus dem ſlav. chren) plânête. prôphête und ei-
gennamen wie: tiſpê, nôê, jëſſê, kundriê, ſâlâmandrê
(aus dem lat. pl. ſalamandrae, damahls ſalamandre ge-
ſchrieben) âbimêlêch, lâmêch, dâniêl, iſhrahêl, tîturêl,
ûriên, bêne, hellêne, ſirêne, millêne, terramêr, gîno-
vêre, ômêre, nâzarêt, machmêt, antrêt etc. 4) ungenaue
reime ſcheinen ſëhen: flêhen (M. S. 1, 52b; daſ. 50b lehrt
der ſtumpfe reim ſëhen: vêhen in ſên: vên berichtigen)
zëhene: lêhene (Wilh. 2, 167a, vielleicht zêne: [l]êne?)
doch darf der einfluß des h angeſchlagen werden, wie
denn auch M. S. 1, 4b etc. ſëhen: jëhen ausnahmsweiſe
klingend reimen, gleich als ſtünde ſêhen: jêhen (mehr
hiervon beim mittelniederd.); hërre und mërre (aus hê-
riro, mêriro oben ſ. 124.) büßen durch die gem. ihr ê
ein und reimen auf wërre, vërre; bisweilen aber noch
auf êr, als hërren: bêren (naſſis M. S. 2, 122b): kêren
(1. 188b); êrte, lêrte, kêrte: werte, herte (Parc. 51a 62c
Wilh. 2, 37b) vergleicht ſich den reimen ôrte: orte (her-
nach bei ô). — 5) noch bemerke ich. daß in alten eigen-
namen -gêr immer (ruodegêr, dietgêr, nôtgêr ſ. oben
ſ. 181.), -hêr meiſtentheils (walthêr, volchêr, gîſelhêr,
diethêr, reinhêr, gunthêr) auf langes ê (mêr, hêr, fêr)
reimt, letzteres zuweilen mit verluſt des tons länge ein-
zubüßen ſcheint vgl. Nib. 4989. 8521. gîſelher: mer, wer;
falls nicht -her gerade die urſprüngliche, ächte form iſt,
indem quellen des 6-9 jahrh. guntahari, theodahari, bër-
tehari (fränk. gundachari etc.) zeigen. Dagegen wern-
hêr: ſêr (Maria 58.) reinhêr, walthêr (Karl 45b 86b).
Die bloße bildungsendung -ære (ſperwære, viſchære) iſt
im mittelh. genau davon geſchieden, miſchung der laute
ê und æ ereignet ſich überaus ſelten (Georg. 22b 48a
hêre: ſwære; man beßere hêr: ſêr) unſeltner wohl des
ê und e, vgl. mêr: her (dat) Eruſt 10b 32a Karl 1b etc.)
hêre: mere (Ernſt 31a) vgl. oben ſ. 333. not. **.


(II) î. die verhältniſſe dieſes doppellauts ſind klar;
belege liefert zumahl die ſtarke conj., für welche die
unterſcheidung zwiſchen langem und kurzem i beſonders
wichtig wird; ſchrîbe iſt ſcribat; ſchribe ſcriberet und
wie viel andere wörter treten dadurch auseinander, z. b.
wide (vinculum ligneum) wîde (ſalix) wibe (texo) wîbe
(feminae) zil (punctum) zîle (linea) etc. Hier noch ei-
nige andere belege: tîch (piſcina) wîch gëben (locum
[345]I. mittelhochdeutſche vocale.
dare) geſchîde (? muſ. 1, 70.) blîde (hilariter) ſìvel (lae-
tus Wilh. 3, 399b) rîhe (pars ſuperior pedis) wîc gëben
(bellum inferre) bîl (actus quo fera capitur vel occiditur)
ſich geſìnen (? mehrmahls im Titurel) ſchît (lign. ſectam)
gîr (vultur) wîs (modus) etc. — Die auslautenden î ſind:
bî (praep.) blî (plumbum) brî (puls) vrî (liber) ſì (ſit)
ſî (ii, ea) etc. vgl. unten beim ic; drî (tres) trûtlî (cor-
culum) zwî (ramus); dem letzten iſt k. apocopiert, den
audern bald j bald w, bald n. vgl. die interj. fì, ahî. —
Beiſpiele des î in fremden wörtern: kàì, georî, tibî
(Georg 19a) centaurî, gurzgrî, ſpîcânardî, cupîde, wîde
(guido) arnîve, talfîn, rabbîn, îrlant, pîſe (piſum) pârîs,
georîs, hamît (ſepimentum) runzît, kurſît, ênîte, quît
(ſolutus) feirefîƷ, hardîƷ, âlîƷe etc. — Im praeſ. ſtarker
conj. erzeugt die contraction î in gît, kît, pflît, lît aus
gibet, quidet, pfliget, liget; dagegen verliert in den bil-
dùngsendungen — îc, -în, -lîch, -îƷ, das î mit dem
ton allmählich die länge und wird zu i oder auch ë.
Einigen reimt trëchtîn: ſîn, andern trëhten: vëhten; einigen
noch gevolgîc: wîc, andern geſellic: ſchellic; meiſtens noch
heidenîn: ſîn, zuweilen heidenin: gewin (beides Parc. 79a. b.)
vgl. den häufigen reim pſërt: wërt und den ſeltenen pfërît:
gît (M. S. 2, 146b). ſ. unten die ſechſte ſchlußbemer-
kung. — Miſchung des langen und kurzen i im reim iſt
höchſt ſelten, die ſcheinbare ausnahme drin neben drîn
(tribus) wirkliche dialectiſche verſchiedenheit (ſ. unten
decl. der zahlwörter). Und dem ungenauen reim in:
geſîn (Nib. 9287.) wird durch eine ältere lesart der bei-
den zeilen abgeholfen dem geſit: gît (Nib. 6229.) durch
das auch ſinngerechte gehît; geſmide (compes Wilb. 2,
100a) und geſmîde (opus affabre troj. 9c 30c) ſcheinen
verſchiedne wörter.


(OO) ô iſt das gemeinalth. ô, nicht das mundartiſche
(ſ. 95, 4.), lautet aber jetzo in œ (nicht ö) um. Es fin-
det ſich in deutſchen wörtern nur auslautend, ſodann
vor n. r; den ling. t. d. Ʒ. ſ und der ſpirans h welche
auslautend ch wird (nicht vor dem ch = goth. k, wel-
ches auch inlautend ch. bleibt) *). Belege ergeben ſich
nach dem alth., hier theils zuſätze, nähere angaben:
[346]I. mittelhochdeutſche vocale.
Rudolf in der weltchr. (kön. hſ. 29a) reimt ein
dunkles ôn: lôn, vielleicht das gr. ὢν (ens)? gewiß
deutſch iſt bôr (ſuperbia) Wilh. 2, 139a, dem auch das
umlautende erbœren (inſurgere) enbœren (efferre ſe) pa-
rallel ſteht, aber die ableitung von bërn, bar, geborn
würde ein kurzes o rechtfertigen und wirklich ſteht das
adv. enbor und ſubſt. urbor im reim: vor, hor, tor
(Triſt. 32b 38a troj. 9b 23b etc.); tôr (ſtultus); lôſen (frau-
dulenter agere); rôt (neutr. ferrum, catena Wilh. 1, 30b
vgl. 37b und troj. 1395. gerœtet, geſchmiedet) ſôt (Barl.
402. puteus, könnte aber auch aeſtus, qualm ſeyn, das goth.
ſáuds, θυσία, wobei Ulphilas wohl an brennen, ſieden
dachte; auf allen fall ſtammt ſôt von ſieden, fervere,
ebullire, und ſôt, puteus, angelſ. ſeadh, ſcheint eigent-
lich das warme waßer, worin man ſott) lôt (plumbum,
pondus) ſchôte (Georg 47a? recrementum, res abjecta,
vgl. das nord. ſkaud und goth. ſkáuda-ráip, elender
rieme, da im gr. ἱμὰς bloß ráip, lorum liegt; Boner.
81, 38. vielleicht ſchôter zu leſen?); die ſubſt. anebôƷ
(incus) lôƷ (ſors) genôƷ (comes) flôƷ (curſus aquae)
ſchôƷ (gremium) geſchôƷ (telum) dôƷ (ſonitus) klôƷ
(globus) kôƷ (garritus avium Ben. 152.) ſtôƷ (pulſus)
gôƷ (Triſt. 122c 124a junctura columnarum) trunkenbôƷe
(ebrius); die adj. grôƷ, blôƷ; kôſen (blandiri) rôſt
(craticula) flôch, pl. fluhen; zôch, pl. zugen; hôch, gen.
hôhes; lôch dat. lôhe (pratum, nemus) M. S. 2, 109b. —
Folgende auslaute: hô, lô mit apocopiertem h. für hôch,
lôch; ſtrô (ſtramen) drô (minae) vrô (laetus) rô (crudus)
mit apocopiertem w oder u für ſtrou oder ſtrouw etc.
wie ſich aus den umlautenden ableitungen ſtröuwen, vröu-
wen, dröuwen folgert. In ſô, alſô, ô, dô, zwô iſt der
dehulaut, wie oben ſ. 96, 5. zu erläutern, zuweiten zeigt
ſich ein ſolches ô noch in der endung -ôt, vgl. mâuôt:
tôt (Georg 37a): nôt (Wig. 13a) verſêrôt: nôt (Bit 97a) etc.,
desgl. -ôſt, trôſt: vorderôſt (Bit. 113a). In erdrôt (a.
Heinr. 205a): nôt; gedrôt: brôt (frîg. 8b) ſteht ô für ou
(gedrout, und dies f. gedrönwet). Sehr ſelten reimt das
auslautende ô auf uo, vgl. dô (tum): fruo (Nib. 7355.
Parc. 40b): zuo (Nib. 7311. klage 137b) und zwô:
zuo (Parc. 56a Wilh. 2, 155a) ſô: zuo (troj. 27a) gleich
als ob es duo, zwuo, ſuo gelautet hätte (gerade wie die
alth. ausnahmen, oben ſ. 96.) denn die annahme eines
übergangs der gegenreime in frô, zô wäre unhoch-
deutſch. — Beiſp. des ô in fremden wörtern: dôn (ſo-
nus) trôn (thronus) krône. ſône (n. fl.) përſône. patrône.
[347]I. mittelhochdeutſche vocale.
kôr (chorus) môr (maurus) rôſe. klôſe. glôſe. jûnô. plâtô.
hërôdes. îdôl. tintajôl. rôme. ſchîrôn. ſàlomôn. nâribôn.
antànôr. ſtôrîe. caſtôr. îſôt. gàlidrôt etc. — Miſchungen
des ô und o, nämlich reim beider auf einander geſtat-
ten ſich einzelne zumahl vor h (ch) und r (ſ. unten ie
vor denſelben conſ.) vgl. ênôch: noch (Wilh. 2, 138b)
ſpor: caſtôr (troj. 84a) gehôrte: borte (Parc. 9b 55c) por-
ten: hôrten (Wilh. 2, 44b) ort, wort: gehôrt (Parc. 2a 166b)
hôrten: orten: worten: ſtôrten (Parc. 196a Ben. 261.) vgl.
Ernſt 1a 3a 4a 6a 7a 9a 40b etc. Hier ſcheint überall lieber
ein kurzes o ſtatt des ô anzunehmen, da ſchon das goth.
áu vor h und r zu aú (alth. o) wurde und vielleicht
iſt auf dieſe weiſe das vorhin angeführte bôr, enbœren
in bor, enbören zu ändern, indem man die darauf rei-
menden kôr, hœren für kor, hören (hörn) gelten ließe.
Tadelhafter iſt Wirnts rôten (rubrum): geboten, (402.)
auffallend aber die ſelbſt durch gute reimer beſtätigte
unterſcheidung zwiſchen rôten (rubere Karl 116a Wilh.
2, 193a und roten (erubeſcere, troj. 79b 123b Parc. 49c 90b).


(UU) û, den ſich aus den alth. belegen ergebenden
wörtern füge man hinzu: hûbe (calantica) ſtrûben (hor-
rere, hirſutum eſſe) klûben (carpere) nûben (Tit. 1878?
nutare) blûc, blûges (timidus) rûch (hirſutus) ſlûch (uter)
ſtrûch (frutex) kûch (? M. S. 2, 238b) ſtûche (manica,
Gudr. 71b) ſtrûchen (titubare) ûfen (ſurgere) urgûl (aper,
Wittich 1606) grûle (horror, greuel) ſûmen (tardare)
lùne fortuna, temperamentum, laune) ſlûne (celeritas)
ſchûr (imber) getûren (durare) wûr (? Wilh. 2, 151a) grûs
(horror) rûſchen (ſtridere) tûſchen (commutare) bûſchen
(? [...]nrgere) bûwen (exſtruere) getrûwen (conſidere) drûƷ
(? Kelyn 209.) grûƷ (arena) lûƷen (latere) tûƷen (?moe-
rere). — Die auslaute ſind: bû (aediſicium) ſû (ſcropha)
mit apocopierung des w; rû (hirſutus) drû (vinculum)
hû (irriſio) vlû (rupes) mit apocopiertem h. und zwar
ſtehen die drei letzten für uoh (wovon hernach mehr)
wû (interj.) und klû (M. S. 1, 157b 2, 182a) ſind mir dun-
kel; dû und nû. — Beiſp. des û in fremden wörtern:
êſàû, tôberlû, pflûm (flumen) âvalûn, bârûne (barones)
jûne, neptûne, ſîgûne, gâlûnet, âmûr, punſûr, figûre,
nâtûre, mixtûre, artûs, jëſcûte, pôfûƷ etc. — Man merke
1) iu iſt umlaut des û, es nehmen aber auch organiſche
iu, d. h. die ſchon beſtanden, ehe der umlaut iu galt,
gleichſam durch rückumlaut, der hier fehlerhaft ſcheint,
das û an. So erkläre ich lûne aus dem alth. liuni (forte,
abl. eines ſubſt. liun?) und (das erſt im Tit. vorkom-
[348]I. mittelhochdeutſche vocale.
mende) ſlûne (woher unſer neuh. ſchleunig) aus dem
alth. ſliumo; in dieſen wurzeln wird man kein alth.
û treffen. Gleich unorganiſch macht liuhten (lucere) das
praet. lûhte (alth. liuhta ſt. liuhtita); bei dûhte (videba-
tur) zweifle ich, ob im alth. dûhta (wie ſ. 197. ſteht)
oder duhta ſtattfinde? Denn daß ein urſprüngliches kur-
zes u galt, weiſt das altn. þôtti (und nicht þûtti) frü-
her gewiß þotti. Aber wie des nord. tt. zeigt ſich auch
hier wieder die einwirkung des ht auf den vorausgehen-
den vocal und das ûht ſt. iuht oder uht vergleicht ſich
dem ſ. 334. beobachteten ëht, âht ſt. eht, aht. Die verwand-
lung des iu in û ereignet ſich ohne dazwiſchenkunft des b.
in den praet. rûte, dûte von riuten (exſtirpare) diuten
(explanare) vielleicht nach analogie von triuten (amare)
liuten (läuten), praet. trûte, lûte *), wo der rückumlaut
gerecht ſcheint, weil die wurzeln trût, lût haben. —
2) û entſpringt aus uo in den auelauten hû, vlû, drû,
vgl. oben ſ. 98. Für ſchuoch (calceus) finde ich weder
ſchuo noch ſchû, hingegen kuo (vacca) nicht kû noch
kuoch. Neben nû kommt (wie im alth.) bei einigen
dichtern nuo vor, im reim: zuo: fruo (Parc. 23a 70c
Wilh. 2, 14a 20b Georg 22a 41b Triſt. 1a 39c 89a etc. ſelt-
ner auf ein uo reimend, vgl. zuo: dû (Parc. 89a 179b
Wilh. 2, 67b Triſt. 27a); bei andern, z. b. Conrat, Hart-
mann etc. keins von beiden, ſondern nû ſtets auf dû
gereimt (Iw. 29c troj. 40c 41a) wohl aber du’n: ſun
(troj. 36c 49a) wie bei Wolfr. häufig ſun: tuon; vgl. un-
ten die reime uo: u. Bei dieſem ſchwanken wird man
reime wie ûf: ruof: ſchuof (Ernſt 8b 37a 44a) wenn nicht
rein, doch erträglich finden.


(AE) æ, umlaut des â, wonach ſich die belege von
ſelbſt ergeben; hier einige beiſpiele: wæge (utilis) træge
(tardus) wæhe (pulcher) zæhe (tenax) ſpæhe (ſapiens)
næhe (propinquus) hæle (lubricus) ænic (orbatus) ſëlt-
ſæue (rarus) volmæne (plenilunium) gevære (doloſus)
ſchære (forfex) jæric (annoſus) ſæte, næte, wæte gen.
von nât, ſât, wât, truhſæƷe, riſenmæƷe, ræƷe (acrimo-
nia) u. a. m. Fremde wörter können begreiſlich dieſes
æ nicht zeigen, außer ſolche, die ſo in deutſche form
umgegoßen ſind, daß ihr â umlautsfähigkeit erlangt.
[349]I. mittelhochdeutſche vocale.
Der fall iſt ſelten; ich finde criſtæne (Flore mehrmals:
wæne: ſeltſæne; alth. chriſtâni, Docen miſc. 1, 7.) und
brangæne (bei Gotfried; Vriberc 33a 39c hat aber pran-
gâne); im Parc. norwæge (16a 93c 160b 161c) beide letz-
tere ſetzen theoretiſch ein brangàn, norwâc voraus. die
ſich ſchwerlich nachweiſen laßen. Ohne umlaut bran-
gâne, norwâge anzunehmen, würde entw. die genauig-
keit des reims oder das frühe daſeyn des umlauts æ
überhaupt verdächtigen, inſofern nämlich wâne, ſëltſàne,
ſpàne geleſen werden müſte. Ob hærſenier, pfærît aus
hârſenier, pfàrît entſtehen, läßt ſich erſt nach aufhellung
ihres fremden urſprungs entſcheiden (vgl. oben ſ. 334. 345.
über pfërît und pſërt). Im Tit. lieſt man häufig væle
(defectus) neben dem unumgelauteten vâlen (roman. fal-
har, franz. faillir) neuh. fehlen; bei vînæger: unwæger
(Parc. 133c) kann wieder kein umlaut des â nachgewie-
ſen werden; ſollte aus roman. ai (in faille, vinaigre,
norvaige, brangain?) ein mittelh. æ, alſo ohne umlaut,
erwachſen? vgl. unten über iu in fremden wörtern. —
Ob in deutſchen wörtern zuweilen æ ſtatt e vor h und
ht ſtattfinde? entſcheidet ſich nach dem â oder a vor
dieſen lauten (ſ. 342.) vgl. æhte: gedæhte: bræhte (Parc.
128b M. S. 2, 20b).


(AI. AU) ai, au finden ſo wenig als im gemein. alth.
ſtatt, ſondern lauten ei und ou. Daß einzelne hſſ. ai
und au für dieſe, folglich auch ei für î ſchreiben (vgl.
Docen miſc. 1, 51-64. und Strickers Karl iſt nichts als
die vom copiſten eingeſchwärzte öſtreichiſch-bairiſche
volksausſprache. Niemand wird dieſe ai, au, ei der wah-
ren mundart Conrads beimeßen, in deſſen einer erzäh-
lung ſie geſchrieben ſtehen. Die reime beweiſen nichts
für ai, au, ei; ſie würden es, wenn irgend ein fremdes
wort mit beſtimmtem ai, au, ei einem deutſchen mit ei,
ou, î verbunden ſtünde, allein ich finde pâvei (pavia)
nanzei (nancejum): zwei, ſchrei reimend (Wilh. 2, 76b
196a) nicht auf ein bei ſtatt bì hingegen blâvî: bî (Wilh.
2, 7a 12a); ebenſowenig kai, êſau auf ein zwai, rau ſon-
dern kâî, êſâû auf ſî, nû. Bloß das gebe ich zu, daß
einzelne ou auf û reimen (ſ. unten beim ou) was ſich
in ein neuh. áu: aú aufzulöſen ſcheint; doch au für û
iſt weder gothiſch, noch alth. (mit ſeltenen ausnahmen,
oben ſ. 98. tauba f. tûba), wiewohl in jenen hſſ. zu fin-
den (vgl. Docen miſc. 1, 57. anƷ. auf ſt. ûƷ, ûf). —


(EI) ei, macht keinen anſtand und kommt häufig
vor, einige ſeltnere belege ſind: geweide (viſcera) vreide
[350]I. mittelhochdeutſche vocale.
(ſeceſſus) vreidic (transfuga) ſweime (motitatio) lancſei-
me (vix, aegre) leinen (inclinare) ſeine (tarde) leis, leiſe
(veſtigium) eiſe (horror) heiſe (raucus) weit (lividus) etc.
Ein ei weiſen zumahl die von ſtarken wurzeln auf î
abgeleiteten ſchwachen verba, vgl. ſchînen (videri) er-
ſcheinen (oſtendere) ſwînen (tabeſcere, conſumi) ſwei-
nen (conſumere) nîgen (flecti) neigen (flectere) zîhen,
wovon vielleicht zeigen *) etc. Man merke 1) der ans-
laut ei iſt ſelten, vgl. ei (ovum) zwei (duo) hei (interj)
gehei (? ardor) ſchrei (clamor) rei (M. S. 2, 79a) ſodann
die praet. ſchrei, ſpei, glei (garrivit) und ähnliche. Allein
dieſe praet. auf ei haben nur einige dichter (Wolfram,
Reinbot, Conrad), die übrigen gebrauchen, mit verwan-
deltem ei in ê, ſchrê und ſpê, was nach ſ. 90. ein apo-
copiertes h oder w vorausſetzt, daher auch für zwei oder
ei (ovum) nie ein mittelh. zwê, ê ſtattfindet. Wirnt
und Rudolf iſt beides, ſchrê und ſchrei gerecht (Wig.
181. 183. Bacl. 86. 118. 125. 204.) am ſeltenſten aber das
gleichfalls noch wolframiſche zeich f. zêch (Wilh. 2, 51a,
wo die änderung von verzeich in geſweich unnöthig).
2) das ſchwanken des inlautenden bêde und beide iſt theils
dialectiſch, theils mit der flexion zuſ. hängend (näheres
bei der flexion dieſes worts); leider (M. S. 2, 76b) für
lëder (corium) iſt zu tadeln. 3) wie ſich aus ei eig ent-
wickelt, umgekehrt aber eg vor lingualen zu ei wird,
unten beim g. 4) beiſpiele des ei in fremden wörtern:
pâvei, nanzei, turnei, keie, leie, feie (bei Wolfram und
Hartman; Conrad und Gotfried ſagen feine) marveile,
bëlrâpeire, tampenteire, bërteneis, wâleis, kurteis, tem-
peleiſe, fôreiſt, tſchôfreit, pûneiƷ etc.; es iſt hier über-
all wie ein deutſches ei auszuſprechen (vgl. unten oi)
franzeiſe: reiſe; kurteiſe: weiſe (Wilh. 2, 13b 47a) môrâ-
liteit: mueƷicheit (Triſt. 58a).


(EU) eu, ganz entbehrlich, aber in einzelnen hſſ.
ſowohl für iu als öu gebraucht; jenes wäre dann näher
in ëu, dieſes in eu (umlaut des au ſtatt ou) zu beſtim-
men, vgl. oben ſ. 102. 103.


(IE) ie entſpricht dem alth. ia und io, folglich dem
ſchon notkeriſchen ie und iſt ganz danach zu beurthei-
[351]I. mittelhochdeutſche vocale.
len, nur daß das (in den pſalmen vorkommende) tadel-
hafte ie ſtatt i im mittelh. unterbleibt, wiewohl es ſich
blicken läßt *). Dahin gehören die zumahl wolſrami-
ſchen reime ier (aravit) ſtier, tier, ſchier, hærſenier etc.
auf mir, dir, ir, gir, alſo der ausſprache nach ein mier,
dier, ier, gier vorausſetzend (M. S. 1, 184b Parc. 11c
189b Wilh. 2, 45a 104b 116b 131a 147b Wigal. 118. 401.
Weltchron. 261c M. S. 1, 148a. b. frîged. 3a 20c 21c) niht,
giht, geſiht: lieht Wilh. 223a, 34b 73b 145a Parc. 20a 22c
25a Nib. 2521. Wigal. 341. 381. 386. 400. vgl. Ernſt 25a
Wigam. 2a 3b etc. Maria 6. 7. 38. 71. etc. êneit 24e 26b) an
das niederd. niet erinnernd, wie denn auch lieht: riet
(M. S. 1, 9a) und niht: riet: ſciet (M. S. 2, 14a 187a rei-
men, endlich liep: ſip (Parc. 144b). Lauter ſtumpfe reime
und meiſtens mit h und r (ſ. oben ô vor h. r); kaum i: ie
in klingenden, doch M. S. 2, 84b triege: wige. — Aus-
lautende ie ſind: ie (unquam) nie (nunquam) hie (hîc)
wie (quomodo) knie (genu) die praet. lie, gie, vie, hie;
endlich die pron. die und ſie, welches letztere einige in
ſì verwandeln (nähere angaben beim pron.) ſeltner hie
in hî (Georg 32b: bî); von hie iſt r, von lie Ʒ, von den
drei andern praet. nc abgeſtoßen; vie (pecus) im reim
auf ſie ſteht für vihe oder vergleicht ſich dem obigen
niet f. niht. — Noch einige beiſpiele des diphth. in
unhäufigen wörtern: griebe (cremium) friedel (amaſius) **)
krieche (prunum) ſchiech und ſchiehe (ſugax) riech
(? Georg 31a) gief (ſtultus) hiefe (bacca cynosbati) griefe
(meiſterg. 33b) giege (fatuus) giel (faux) triel (M. S. 2,
77a) kiel (celox) ***) grien (arena, littus) ſiene (M. S.
2, 78a) kien (taeda) vienen (doloſe agere) verwieren (ob-
ryzare) ſlier (? Wilh. 1, 100b) bier (cereviſia) mies (mus-
cus) grieƷ (ſabulum). — In fremden wörtern entſpricht
ie dem roman. ie, iſt aber nicht mit dem accent auf e
wie das heutige franzöſ. iè (pièd, bière) ſondern wie
[352]I. mittelhochdeutſche vocale.
in den übrigen mittelh. wörtern auszuſprechen; bei-
ſpiele dâniel, ſier (ſuperbus) ſoldier, bëſchelier, âvenier,
ſurƷiere und ſo in allen infin. turnieren, vernôgieren
(renegare) etc. gahevieƷ, ſeitieƷ *). Auslautend wird
das fremde (niemahls das deutſche) ie ſtets zu îe, d. h.
zweiſilbig und klingreimend, vgl. ôbîe, turkîe, amîe,
cundrîe, lârîe, parmenîe etc. Aber auch in deutſchen
wörtern ſcheidet ſich ein zweiſilbiges îe überall von un-
ſerm diphth. ie, beide reimen nicht aufeinander; vgl.
bîe (apis) drîe (trias) ſnîe (ningor Georg 13b Tit. 2725.
3515. Wilh. 1, 23b; hiernach Wigal. 10978. ſine und
Gudr. 3444. ſnê in ſnîe zu berichtigen, vrîe (libera)
zwîe (ramo) klîe (furfur) glîen (garrire) bîen (apes)
ſchrîent (clamant) vîent (inimicus) u. a. m.


(IU), iu, ſeinem uriprunge nach mehrſach 1) das alte
organ. iu, außer dem praeſ. ſg. ind. und imp. einer ſtar-
ken conj. (biute, kiuſe, ſchiuƷe, fliuhet, fliuget etc.)
nur in wenigen, ungefähr folgenden wörtern: geziuc
(apparatus) beziugen (probare teſtibus) ſmiuge (M. S.
2. 73a) niune (novem) fiur (ignis) tiure (pretioſus) ge-
hiure (mitis) ſiure (acarus, atomus) ſchiure (horreum)
ſtiuren (adminiſtrare) liut (populus) diuten, tiuten (ex-
planare) biuƷ (talitrum troj. 116b) endlich die auslaute
ſpriu (palea) und bei ſpätern dichtern zuweilen ſchon
getriu ſt. getriuwe. Von dem inlautenden iuw (ſpriuwer,
getriuwe, niuwe, bliuwen, riuwen, kiuwen, briuwen
etc.) unten beim w. In allen übrigen fällen des organ.
iu gilt ie (wie im alth. ſchon ia. io, ie) und zwar pro-
greſſiv, indem einzelne formen, denen im alth. noch iu,
wenigſtens io, verblieb, es auch in ie verdünnen, vgl.
knie, tier, fliege, liep, liebe, diep, lieht, alth. knio,
tior, fliuga, liop, liubî, lioht (neben fiur, tiure, die
auch im alth. beſtändig iu zeigen) ſogar liegen (mentiri)
(ſ. die conjug.). Hat ſich noch in einzelnen ableitun-
gen das alte iu forterhalten, namentlich in liuhten (lu-
cere) neben lieht, ſchiuhet (veretur) neben ſchiech; ſo
erſcheinen auch dieſe fälle vermindert, und die alth. gi-
liuben (placere) firthiuben (clam auferre) lauten jetzo
gelieben, verdieben. 2) das unurſprüngliche, aber ſchon
im alth. vorhandene durch zuſ. ziehung erzeugte iu
dauert fort in hiu (caecidi) iu (vobis) iuch (vos) hiute
[353]I. mittelhochdeutſche vocale.
(hodie) hiure (hoc anno) friunt (amicus) zumahl in den
endungen des nom. ſg. fem. und pl. neutr. diu, ſiu,
vieriu, rîchiu etc. vgl. oben ſ. 108. 109. Der anlaut ju
darf mit iu nicht vermengt werden, in- und auslautend
findet kein ju mehr ſtatt, ſondern iſt in iu verwandelt.
3) ſehr häufig iſt iu das umgelautete û *) vgl. hiufen
(acervare) iufen (erigere) riuhen (aſperare) fiuhte (ma-
dor, alth. fûhtî) ſiule pl. von ſûl (columna) giule (Georg
36a) iule (noctua) griule (horror) kiule (clava) biule (ul-
cus) geliune (indoles) von lûne; hiune (gigas) ziunen
(ſepire) ſiure (acor) gemiure (murus) kiuſche (caſtus) ge-
tiuſche. gebiuſche. geriuſche. miuſe (mures) riuſe (naſſas
meiſterg. 31b) kriutel (herbula) triutel (amaſia) biutel
(pera) hiute, briute pl. von hût, brût, brût; kriuƷe (crux)
riuƷe (ruthenus) **). — So verſchiednen urſprung dieſe
dreierlei iu haben, reimen ſie gleichwohl untereinander,
floßen alſo in einer ausſprache zuſammen. Mit dem ü,
umlaut des kurzen u, werden ſie oft in ſchreibung,
nicht aber in reim und ausſprache vermiſcht; züge (tra-
heret) flüge (volaret) küre (eligeret) reimen nie auf
triuge (fallo) fliuge (volo) fiure (igni); ausnahme macht
der hin und wieder ſtehende reim friunde, friunden:
ſünde, ünden, künden (M. S. 1, 52a Ernſt 37b 39a mei-
ſterg. 15b livl. chron. 115b) während ſonſt friunde: niun-
de (M. S. 2, 146b und Tit.). Die verkürzung fründe
ſcheint neigung zur niederd. mundart. — In fremden
wörtern ſollte iu (nämlich der umlaut des û) ſo wenig
ſtattfinden, als æ (ſ. oben bei dieſem); indeſſen ſchwan-
ken dichter und wörter zwiſchen û oder iu vor der liq.
r. neben nâtûre, creatûre findet ſich âventiure, crea-
tiure, plâniure, als könnte hier die endung e umlaut
zeugen. câmahiu: driu (troj. 23b) ſcheint dem roman.
Z
[354]I. mittelhochdeutſche vocale.
camaheu nachgebildet, (in einer ſtelle bei Oberlin 27a
gâmabû: pû?). —


(OE) œ, umlaut des ô, wird in den hſſ (nicht wie
im nord. mit œ, wohl aber) mit ö verwechſelt, oder
auch gleich dieſem gar nicht bezeichnet. Die belege er-
geben ſich aus dem ô, hier einige: ſnœde, blœde, hœ-
hen, enpflœhen, ſchœne, hœne, lœne (mercedes) krœ-
nen, frœnen, hœren, tœren, ſtœren, rœren, trœren, bœſe,
lœſen, gekœſe, rœſen (laudibus extollere) œſen (exhau-
rire) tœten, nœte, rœte, lœten, gedœƷe, grœƷe etc. In
fremden wörtern nirgends, die deutſchgewordenen for-
men krœnen, kœre (chori) abgerechnet.


(OI) oi (oy) ein undeutſcher diphth., welcher nur in
romaniſchen wörtern beibehalten, zuweilen auch durch
ei ausgedrückt wird, vgl. Parc. 79a wâleis: kurteis, 80a
wâleiſe: berteneiſe, 92a kurteis, 110c punturteis; hinge-
gen 78c kurtois: bertenois, 76a franƷois, 65a pois: trois,
69a. b rois: pois und ſonſt wîgâlois (dreiſilbig) âvoi (zwei-
ſilb.) etc. Andere häufig im reim vorkommende bei-
ſpiele: troie, ſcoie, monƷoie, loie (? troj. 164b) gloie
(blumenname) boie (catena). Wenn das letzte wort deut-
ſchen urſprungs iſt, ſo haben es, wie allein der ausländi-
ſche diphth. darthut, die mittelh. dichter (ohne eine ver-
wandtſchaft mit bouc, bouges, armilla, annulus zu ahnen)
aus dem rom. boia überkommen (vgl. Du Cange v. boia)
M. S. 2, 255b ſteht beie Nib. 1089. peye, poye geſchrieben.
Man leſe nicht etwa bô-je, trô-je, ſondern diphthongiſch
troi-e, boi-e *), gerade wie in den einſilbigen pois, trois,
aber mit deutſcher betonung des vordern vocals, d. h. ói
(wie éi, íe) nicht nach franz. ſitte oí, eí, ié. Ausnahms-
weiſe finde ich Wilh. 2, 47a lôìs: prîs; Wilh. 3, 28b caſſ.
lôîſe: ſpîſe und Triſt. 2c lochnôis: gewis.


(OU) ganz das alth. aus früherm au ſtammende ou,
ſtehet auslautend, dann vor m, den lab. p. b. f. w, und
den gutt. k. g. ch, nicht vor n. r, den lingualen und
der ſpirans h, welche auslautend ebenfalls zu ch wird.
In allen letztern fällen gilt ô ſtatt ou. Bei dieſer unter-
ſcheidung zwiſchen ou und ô muß, was den auslaut ch
betrifft, deſſen doppelte natur erwogen werden, die
ganz der zweideutigkeit des alth. auslauts h (oben ſ. 100.
189.) entſpricht; ſtammt nämlich ch aus goth. k, ſo hat
es ou vor ſich, ſtammt es aus goth. h, ſo gilt ô; jenes
[355]I. mittelhochdeutſche vocale.
bleibt inlautend ch, dieſes wird wieder zu h. Folglich
heißt es rouch, rouches (fumus) louch, louches (allium)
nicht rôch, lôch; wohl aber flôch, flnhen (aufugit) hôch,
hôhes (altus) und nicht flouch, houch. Scheinbare aus-
nahme des grundſatzes, daß vor n und t kein ou ſtehe,
bilden die reime troun:droun (M. S. 1, 69b) drout:ge-
vrout (Parc. 37a Karl 65b) gevrout:beſtrout (Iw. 5b); der
erforderliche ſtumpfe reim veranlaßte die contraction der
klingenden wörter dröuwen und trûwen; ebenſo beur-
theile man die andern reime. — Hier die wichtigſten
beiſpiele des mittelh. ou, die praet, blou, brou, rou; tou
(ros); boum (arbor) troum (ſomnium) ſoum (ſarcina) toum
(vapor Karl 125a) zoum (frenum) ſtroum (fluentum, muſ.
1, 64.) goume (cura) oumet (gramen brevius) die praet.
kloup, ſchoup, ſtoup; loup (folium) roup (rapina) ſchoup
(faſciculus ſtram.) ſtoup (pulvis) urloup (licentia) toup
(ſenſu carens) gelouben (credere) houbet (caput) zouber
(praeſtigium) klouber (vinculum); die praet. trouf, ſlouf;
loufen (currere) konfen (emere) ſloufen (induere) roufen
(evellere) goufen (volis manibus) knouf (capitulum) houf
(acervus) touf (baptiſma) ſtoufære (nom. gentil.); belege
zu ouw unten beim w; die praet. flouc (volavit, verſch.
von flôch, fugit) ſouc, bouc, trouc, louc; bouc (armilla)
ouge (oculus) tougen (myſterium) lougen (inficiari); die
praet. rouch, krouch; ouch (etiam) gouch (cuculus, mo-
rio) louch (allium) rouch (fumus) chouch (bubo). —
Wichtig iſt es bei dieſem diphth. ou ſeine ſchon im
alth. (oben ſ, 98.) hervorbrechende, jetzt aber häufiger
werdende berührung mit û zu beobachten, die endlich
im neuh, völlige (wenigſtens äußerliche) vereinigung
beider laute nach ſich zog. Organiſch unterſcheiden ſich
û (uu) und ou durchaus, ſoum heißt onus, toup (hebes)
und haben mit tûbe (columba) verſûmen (negligere, alth.
farſùman K. 40a) nichts gemein; die ausſprache muſte aber
bald bei der neigung des u in den o laut einzelnes miſchen,
ſelbſt das angelſ. û und eá äußerlich noch beſtimmter
getrennt fallen im umlaut ŷ zuſammen. Die goth. báuan,
gatrauan erſcheinen im alth. als pûan, gitrûan (ebenſo
im nord. bûa, trûa), nirgends finde ich pauwan, pou-
wan, gitrauwan, gitrouwan; im mittelh. hingegen ne-
ben bûwen, getrûwen (? biuwen, getriuwen, ſ. unten
beim w) die form bouwen, getrouwen im reim: frou-
wen, ſchouwen, houwen (M. S. 1, 50a 94b 133a 184b
2, 43a 119a Gudr. häufig. Wilh. 1, 107b Georg 16a 26a
45b 58b) und ſelbſt im part. praet. gekouwen, geblouwen,
Z 2
[356]I. mittelhochdeutſche vocale.
gerouwen (Ben. 292. Gudr. 26b) vgl. unten die conjug.
Weiter, das organ. rûm (locus) wandelt ſich ausnahms-
weiſe in roum indem es auf troum, boum, goum reimt
(Parc. 1a 81b*) Ernſt 25b 32a 49a) verſûmen in verſou-
men
:goumen (Ernſt 29b) roumen, ſoumen:troumen
(Wilh. 2, 87a); kûme in koume:zoume (Lohengr. 119.);
pflûm in pfloum:goum (weltchr. caſſ. 261a). Desgl. vor
labialen, trûbe in troube:gloube (Georg 28b) tûben in
touben:glouben (Georg 29b); hûben in houben:gelouben
(kolocz 175) **) ûf in ouf:louf, kouf, touf (Georg 14b
38a 42a 43b 56b Wilh. 1, 46a 71b 75b 78a 88a); umge-
kehrt aber das organ. houf (acervus, angelſ. heáp) in
hûfe***), houf haben noch Ernſt 22b meiſterg. 30c.
Endlich auch vor kehllauten wird organ. ſtrûch (offenſio)
zu ſtrouch:ouch (Lohengr. 88.) inſofern die abſtammung
von ſtrûchen (offendere troj. 82c) ſicher ſcheint, ſtrouch
freilich würde von ſtrûch (frutex) beßer abſtehen †).
Daß man alle angeführten reime ou:û ſo nehmen, nicht
in ein vermeintliches bairiſches au auflöſen müße, habe
ich oben ſ. 349. behauptet, und wenn Wolfram, Reinbot
etwan auf Baiern vermuthen ließen, weiſen die verfaßer
von Lohengr. Wilh. 1. oder Heinr. v. Mor. ſicher wo
[357]I. mittelhochdeutſche vocale.
anders hin. — In fremden wörtern kann ou unbeſchränkt
vor allen conſ. ſtehn, alſo auch vor lingualen, iſt jedoch
überhaupt ſelten, vgl. âƷagouc, rîchoude, hërƷeloude
(im Tit., im Parc. hërƷeloide?) biſchof (aus piſcouf muſte
ich oben ſ. 94. ein daneben gültiges piſcôf folgern) hat
jetzt kurzes o und reimt auf hof (klage 145a Nib. 2645.
6045. Georg 34b). Selbſt das deutſche ouch läßt ſich
zuweilen in och kürzen (:doch, noch, Parc. 1a 139c)
[vgl. Lachm. rec. der Nib. 185.]


(OEU. OEI.) öu, öi, umlaut des vorhergehenden ou
und nicht triphthongiſch; genau genommen ſollte man
öü ſchreiben, wie im nord. ey (eü) den umlaut des au
bezeichnet; manche hſſ. gebrauchen öi, was an das
alth. oi ſtatt ou (oben ſ. 109. note) und die vielen ver-
wechſelungen des u mit dem i mahnt. Noch andere,
in denen eu ſteht, ſetzen ein au ſt. ou voraus und ſoll-
ten ebenfalls eü haben, um es von ëu (= iu) zu un-
terſcheiden. Der gemeinen ausſprache ſind dieſe ſpal-
tungen doch zu fein; ich werde mich überall der ſchrei-
bung öu bedienen. Beiſpiele: göu (pagus) höu (foenum)
ſt. göuwe, höuwe (goth gavi, havi) ſöugen (lactare)
töugen (myſterium, für töugene, alth. touganî) *), toup,
betöuben; loup, pl. löuber, erzöugen, öugen (demon-
ſtrare) fröuwen (gaudere) ſtöuwen (obſiſtere) ſtröuwen
(ſpargere) dröuwen (minari) töuwen (mori) etc. **). Zu
merken 1) daß zuweilen der umlaut ausbleibt, vgl. er-
zougen (:lougen, ougen, tougen. Ben. 147.) 2) daß
wie û und ou ſich auch zuweilen die umlaute iu und
öu vermengen, vgl. erziugen und erzöugen (beide von
[358]I. mittelhochdeutſche vocale.
erzeigen verſchieden, vorhin ſ. 350.) und urliuge aus
urlöuge, urlauge entſpringend (ſ. 353.). Beiderlei um-
laute iu und öu (nord. ŷ und ey) laufen auch im an-
gelſ. ŷ zuſammen.


(UA) ua fehlt, daher es auch in fremden wörtern
nie diphthongiſch. ſondern zweiſilbig zu nehmen vgl.
rûâl:kurnewâl; rûâle:mâle (Triſt. 37b 38b).


(UO) uo, in den hſſ. gewöhnlich (mit übergeſchrieb-
nem o) ů, dem ich doch die alth. ſchreibung vorziehe,
weil man den raum über den buchſtaben beßer zu an-
dern zwecken verwendet; aus gleichem grunde ſetze
ich ie, iu, œ, ue, ou, wo die hſſ. meiſtens auch
überſchreiben; æ billigt ein jeder. Das überſchreiben
iſt dem uo zumahl ſchädlich geworden, da es alte, gute
hſſ. mit dem übergeſchriebnen ou verwechſeln (vgl. im
alten Tit. mouter, mouſe etc. f. muoter, muoſe) ein uner-
träglicher misbrauch, denn uo und ou berühren ſich im
hochd. nirgends, nicht einmahl in reimausnahmen (geruo-
wen, zerbluowen Nib. 3589. falſche lesart ſt. gerouwen,
zerblouwen, desgl. truowen Nib. 232. 640. f. trouwen). —
Der diphth. uo entſpricht dem alth. außer daß er in ue um-
lautet Beiſpiele ergibt zumahl der ablaut, hier genügen fol-
gende wenige: fluoch (maledictio) tuoch (pannus) ſuoche
(inquiſitio) bruoder (frater) ruoder (remus) luoder (eſca
piſcator) fuoder (vehes) muoder (veſtis) ruofen (clamare)
wuofen (ejulare) kuofe (dolium) gefuoge (apte) luogen
(aſpicere) luoc (ſpelunca) kruoc (urceus) erbe-phuoc
(? Triſt. 122a) pfluoc (aratrum) pfuol (palus) knole (fri-
gide) muome (amita) huon (gallina) uop (mos) muor
(palus) ruor (Friſch 2, 135b) ſnuor (nurus) buoſt? buoſte?
(lorum) huoſte (tuſſis) buoſen (ſinus) gruoſe (ſemen)
muoter (mater) fuoter (pabulum) fruot (ſapiens) luot
(? Parc. 161c Georg 15a) gruoƷ (ſalutatio) ruoƷ (fuligo)
etc. Die auslaute ſind: zuo (praep) fruo (mane) tuo
(faciat); zuweilen auch: kuo (vacca) nuo (jam) duo (tu)
duo (tum) druo (? fructus, folliculi frugum Georg 41b)
ruo (quies Wigam. 5a). — Bemerkungen 1) von berüh-
rung des uo mit ô und û oben bei letztern. 2) Wolf-
ram reimt ſtuont, ſtuonden:kunt, funt, wunt, funden,
gebunden (Parc. 44a 57a 85b 93a 101a 108a 111c 114b
143c Wilh. 2, 40b 88a 94a) tuont:kunt (Wilh. 2, 43b);
nie dergleichen bei Hartmann, Gotfried, Conrad etc.
ſelbſt andere, ſonſt minder ſtreng gereimte gedichte mei-
den es, namentlich Nibel. Georg und Wigal; alle bin-
[359]I. mittelhochdeutſche vocale.
den ſtuont nur mit ſuont (Wilh. 1, 129a) oder tuont
(Nib. mehrmahls, Georg 14b Wigal. 17. 54.) jenes kunt,
funt hingegen richtig mit ſtunt (momentum) alth. ſtunta.
Gleichhäufig gebraucht Wolfr. den reim tuon: ſun (Parc.
88c Wilh. 2, 11a etc.) der auch bei einigen andern vor-
kommt (M. S. 2, 129a Wigam. 4a Nib. 421. 1345. 3993
Ernſt 8b Maria 33. 109. 110. 170. etc. [überall aber ſteht ſun
in dieſer reimverbindung nur im nom. oder acc. nirgends
im dat. ſg.] Ferner fuoƷ:guƷ (Parc. 138b) gewuohs:fuhs
(Wilh. 2, 28a) wuoft:luſt (Lohengr. 110.) ſluogen:zugen
(Georg 13b) u. dgl. m. Was iſt nun aus dieſen beiſpielen
zu ſchließen? daß in der beſtimmten mundart kunt, ſunt,
wunt, funden, ſun, fuhs etc. zu kuont, fuont, fuonden,
ſuon, fuohs etc. verlängert? oder umgekehrt ſtuont, ſtuon-
den, tuon, gewuohs zu ſtunt, ſtunden, tun, gewuhs
verkürzt worden ſind? Für letzteres ſpricht, daß funt,
wunt, ſun nicht auf tuont, ſuont (reconciliat) huon,
ſuon (reconciliatio) gereimt vorkommen, auch die ver-
wandtſchaft von ſtunt (momentum) genuht (abundantia)
mit ſtandan, genuoc auf ſolchem wege gerechtfertigt
würde. Indeſſen heißen dieſe ſchon im alth. (wo keine
ähnliche verkürzung bemerkt wird) durchgehends ſtunta,
ginuht. Überwiegende gründe ſtreiten für die annahme
der verlängerung in uo, nämlich a) die analoge ver-
wandlung des i in ie. b) daß beſtändig tuont und nie
tunt gebraucht wird, c) daß das û der fremden wör-
ter bârûn, lâtûn, kahûn gleichfalls auf ſun ſowohl als
tuon reimt (Parc. 133c Wilh. 2, 179a 192a 197b) und
wohl ein bâruon etc. (bei den übergängen zwiſchen
û und uo) nicht aber ein bârun gebilligt werden kann
(vgl. oben ſ. 348. die übergänge des û in uo). Übrigens
iſt der einfluß der verbindungen ut. hs. ft auf die ver-
änderung des u nicht zu verkennen. 3) berührung zwi-
ſchen uo und ie zeigte ſchon das alth. (ſ. 103. note);
merkwürdig lautet das neuh. mieder im mittelh. muo-
der. — 4) in fremden wörtern eigentlich kein uo; ſchein-
bare ausnahmen wie almuoſen (:buoſen Maria 39. troj. 165c)
cardemuome (cardamomum):bluome (troj. 70c) pfruonde
(: tuonde) deuten auf längſt vor der mittelh. periode ein-
geführte wörter, deren fremdes ô ſich, ſobald man es
für organiſch zu halten anfieng, in uo verwandelte.
T. 33, 3. hat noch êlimôſina *) und ebenſo hätte rôſa,
[360]I. mittelhochdeutſche vocale.
krôna etc. im mittelh. zu ruoſe, kruone werden kön-
nen; der ſprachgeiſt ſchwankte und betrachtete das aus-
länd. wort bald als deutſchen ſtoff, bald als undeutſchen.
Das ganze beſtätigung meiner anſicht, daß alle hochd.
uo früherhin ô lauteten.


(UE) ue, umlaut des uo; beiſpiele: ueben (exercere)
hueve (ungulae) buege (armi) fuegen (aptare) muejen
(moleſtiam afferre) bluejen (florere) luejen (vociferare)
kuele (frigor) gruene (viridis) hueten (cuſtodire) grue-
Ʒen (ſalutare) etc. Bei contractionen und oft im ſchwa-
chen praet. rückumlaut, vgl. muon: erbluon (wilh. 2,
176b) — ue weder mit iu noch ü zu verwechſeln, ſo
häufig beides in ſchlechten hſſ. geſchieht; ü berührt ue
nur in den ſeltnen fällen, wo uo auf u reimt, vgl.
ſtuende:künde (Wilh. 2, 58b 62b 103a 131b). —


Schlußbemerkungen zu den vocalen

  • 1) ſechs einfache (kurze) a, e, ë, i, o, u (y höchſtens in
    fremden wörtern, auch beßer durch i geſchrieben, weil
    z. b. boye, troys doch beie, treis lauten und auf deut-
    ſche ei reimen); fünf gedehnte (lange) â, ê, î, ô, û und
    noch fünf andere diphth. ei, ie, iu, ou, uo ſämtlich
    mit betontem vorderm vocal. Die ſieben längen (ſ.
    242. 303.) ſind hier: â, uo, û, ei, ou, î, iu, alſo drei
    gedehnte zu vier andern, woraus ſich die unwahr-
    ſcheinlichkeit der anſicht ergibt, daß ein mittelh. dia-
    lect ai für ei, ei für î brauche, indem dann nur zwei
    gedehnte vocale (â und û) in jener reihe blieben und
    die mundart überhart ſeyn würde; man müſte denn
    uo in ô verwandeln d. h. beinahe die goth. reihe â,
    ô, û, ai, au, ei, iu herſtellen, aber eben ein ſolches
    ô iſt unerweiſlich, auch bereits als nebenlänge (ſtatt
    des goth. áu) erforderlich.
  • 2) ob ein vocal lang ſey, kann falls er ein bloß gedehn-
    ter iſt (die länge der übrigen diphth. liegt am tage)
    erhellen a) aus der analogie älterer und verwandter
    dialecte. b) daraus, daß auf langen voc. nie geminierte
    conſonanz folgt, rechtverſtanden auch nie conſ, ver-
    bindung in derſelben ſilbe. außer bei contractionen
    c) am ſicherſten aus der verwendung mehrſilbiger wör-
    ter in der reimkunſt. Nämlich wenn auf voc. und
    einfachen conſ. der wurzel eine zweite ſilbe folgt und
    beide ſilben klingend reimen, iſt der voc. erſter ſilbe
    lang; reimen ſie ſtumpf, ſo iſt er kurz. Der lange
    [361]I. mittelhochdeutſche vocale.
    hat einen tonloſen vocal zweiter ſilbe, der kurze einen
    ſtummen hinter ſich, er verſchmilzt damit gleichſam
    zu einer ſilbe. Die arten ſtumpfer und klingender
    reime im mittelh. finden ſich oben ſ. 17. 18. bezeich-
    net. In einſilbigen ſtumpfreimenden wörtern mag der
    vocal lang oder kurz, von einem oder mehrern conſ.
    begleitet ſeyn. In zweiſilbigen klingenden fordert aber
    die erſte ſilbe entw. langen voc. ohne alle oder mit
    einfacher conſonanz oder kurzen mit doppelter (po-
    ſition). Welche reime klingen, welche ſtumpf ſind,
    ergibt in erzählenden gedichten die ſilbenzählung,
    leichter in ſtrophiſchen theils die ausſchließende einer
    von beiden arten, theils die verſchränkung klingender
    und ſtumpſer reime, welche ſtets im verhältniß bei-
    der ſtollen und ganzer ſtrophen wiederkehrt. Dies ge-
    ſetz wird von den meiſten dichtern unverbrüchlich
    gehalten und nur von einigen zuweilen verletzt. Kai-
    ſer Heinrich im erſten liede der ſammlung ſcheint es
    zu verfehlen; ein beweis, daß er ſich keiner frem-
    den hülfe bediente. Bei den frühſten meiſtern (z. b.
    Reimar d. a.) haben die ſtumpfen reime großes über-
    gewicht, auf ſeiten oft kein klingender; der ganze
    Winsbeke, Winsbekin ohne einen einzigen. Als ge-
    genſatz vergleiche man die menge klingender reime
    in Canzlers und Conrads liedern.
  • 3) der vollſtändig entfaltete umlaut veranlaßt nähere be-
    trachtungen. Die zeugeriſche endung i, î iſt (mit aus-
    nahme der bildungen -inc, -în -ic, -iſch) in ein
    unbetontes e abgeſchwächt, in deſſen ausſprache ſich
    ſchwerlich ë von e unterſcheiden läßt *). Gleichwohl
    vermag die urſprünglich a, o, u, kurz ein andrer
    voc. als i, î geweſene endung e durchaus keinen
    umlaut herbeizuführen **); an ſich ſcheinen beiderlei
    endungen gleich unkräftig und wirken doch ſo ver-
    ſchieden. Hieraus folgere ich: die ein- und durch-
    führung der umlaute muß in etwas früherer zeit ge-
    ſchehen ſeyn, wo noch die endung i, î, ë lebendige
    [362]I. mittelhochdeutſche vocale.
    bedeutung hatte *). Wir wißen, daß der umlaut des
    a in e bereits im 9ten, der des û in iu im 10ten jahrh.
    begann; die übrigen werden im 11. 12ten entſprungen
    ſeyn. Die mittelh. ſprache beobachtete die eingeführ-
    ten umlaute und rückumlaute mehr traditionell fort,
    als daß ſie ihren grund gefühlt hätte; da wo der um-
    laut noch im 13. jahrh. ausdehnung erhielt, wirkten
    äußere analogien, wie der gegenſatz des praet. conj.
    zum ind. oder der des pl. ſubſt. zum ſg. Practiſch
    irrte die ſprache, weil ſich die org umlaute feſt ein-
    geprägt hatten, wenig, doch bisweilen (man ſehe die
    decl. übergänge, auch die grundlos umgelauteten frem-
    den wörter, oben ſ. 349. 353.); ſpäterhin nehmen die
    irrthümlichen umlaute zu. Die ganze für die ge-
    ſchichte des umlauts wichtige anſicht wird durch die
    angelſ. und altn. wegwerfung der endung, von wel-
    cher die umlaute abhängen (ſ. 243. 303.), gerechtfer-
    tigt. Dergleichen ſyn- und apocopen ſind auch im
    mittelh. ganz gewöhnlich. Theoretiſch angeſehn ſollte
    man alsdann rückumlaut erwarten, ſo gut er in nante
    (ſt. nennete, nennita) vorbricht, dürfte er in har ſt.
    here, heri exercitus) hervorbrechen. Allein er thut
    es nicht, weil der mittelh. ſprache her und nante
    beides überlieferte formen ſind, in denen ſie den wech-
    ſel zwiſchen a und e nicht begreift; ſie verkürzt here
    in her, wie vile in vil; das natürliche a in erſterm
    wort hat durch den zu langen druck der endung
    gleichſam ſeine ſchwingkraft verloren und wird nicht
    wieder frei. Solche verhärtung des umlauts zeigt ſich
    allerdings ſchon im alth. wenn bei gewiſſen ſyncopen
    (kaum apocopen) des i dennoch e in der wurzel bleibt,
    z. b. der dat. von heri here (ſt. herje) macht, oder
    kennen f. kennjen ſteht, da es conſequent hare und
    kannen heißen ſollte. Ich denke mir, das verſchmel-
    zen des i mit dem folgenden vocale ließ ſein allmäh-
    liges aufhören überſehn, -e vertrat gewiſſermaßen das
    alte -ja, -je, wogegen in nanta der folgende conſ.
    die entfernung des i merkbar machte. Für mittelh.
    ſyncopen gilt jedoch dieſer grund wieder nichts; der
    umlaut bleibt, wenn auch dem ausgeſtoßenen i ein
    conſ. folgt, z. b. getregde (frumentum) ſælde, fröude
    [363]I. mittelhochdeutſche vocale.
    ſt. getregede, ſælede, fröuwede; niemahls getragde,
    ſâlde, froude. — Wie konnten aber in fällen lange
    vor dem 13ten jahrh. beſtehender ſyncopen nament-
    lich im ſchwachen Inf., neue mittelh. umlaute ent-
    ſpringen? z. b. bewæren, hœren, ruemen, triuten,
    küſſen, da doch das ſpätere alth. mit bereits ausge-
    worfnem i, piwâren, hôren, ruomen, trûten, kuſſen
    (ſt. piwârjan, hôrjan, ruomjan, trûtjan, kuſſjan) überlie-
    ferte? Um dies zu begreifen wird man annehmen
    müßen, daß die vom 10ten — 13ten jahrh. neu einge-
    führten umlaute zwar zuerſt in wörtern entſtanden,
    deren endungs-i noch thätig war, daß ſie aber nach-
    her zufolge äußerer analogie auf alle fälle des alten
    umlauts e erſtreckt wurden, namentlich auf den des
    ausgeſtoßenen i. Ebenſo beſtimmte man die rückum-
    laute hôrte, ruomte, trûte, kuſte nach der analogie
    von kante. Sichere, genau geſchriebene denkmähler
    aus dieſer zwiſchenzeit würden uns wohl über das
    aufkeimen ſolcher durch kein wirkliches i der flexion
    begründeten umlaute den zweifel benehmen. Als die
    ſprache den wahren grund des umlauts verlernte, fieng
    ſie an, ihn ſchwankend zu handhaben und fehlerhaft
    auszubreiten. Zum deutlichen beiſpiel gereichen die
    unorg. erſcheinungen des neuh. umlauts und rückum-
    lauts im verhältnis des adj. und adv.; die mittelh.
    herte (durus) harte (duriter) feſte (firmus) faſte (firmi-
    ter) lauten:hart (adj. und adv.) feſt (adj. und adv.
    denn das gebliebene faſt gilt für ferme); in hart wurde
    der rückumlaut des adv. auch fürs adj., in feſt der
    umlaut des adj. auch fürs adv. verwendet.
  • 4) das umlautwirkende i muß unmittelbar an die wahre
    wurzel rühren oder ausgeworfen daran gerührt haben
    (mit andern worten: die ſilbe nach der wurzel begin-
    nen
    ). Folgen erſt andere buchſtaben und hinterdrein
    ein ſolches i, ſo kann es dem wurzelvocal an ſich
    nichts anhaben, der zwiſchengetretene conſ. hindert
    es, auf die wurzel einzufließen; daher namentlich
    weder -niſſe, -lìn, -lîch, -lich, -rîch umlaut der
    wurzel zeugen, noch dreiſilbige wörter, deren e zwei-
    ter ſilbe kein urſprüngliches i war, wenn ſchon in
    der dritten ein e = i erfolgt, umlauten vgl. vancniſſe,
    (M. S. 2, 229b) manlìch (Parc. 4b 41c) wanclìche (a.
    Tit. 91.) guotlîche (Parc. 2c) lûterlîch (a. Tit. 41. 83.)
    jâmerec (Wigal. 43.) magetlîch (a. Tit. 31. 50.) vater-
    lìch, burgære, pfandære (Parc. 144a) ſuochære (50a)
    [364]I. mittelhochdeutſche vocale.
    watære (M. S. 2, 9a) etc. Im alth. leidet dieſer grund-
    ſatz keinen zweifel, die form weƷerlîn (aquula) f.
    waƷarlìn wäre hier unerhört, da lîn ſo wenig umlau-
    tende kraft hat, als wint in waƷarwint ſie haben
    würde. Ich ſagte: an ſich, denn mittelbar entſpringt
    allerdings umlaut der wurzel, wenn in dreiſilbigen
    wörtern das i dritter ſilbe den vocal der zweiten aſſi-
    miliert und nun dieſes künſtlich entſprungne i den
    der wurzel, welche es berührt, umändert. Nur muß
    wiederum das i der dritten den conſ. der zweiten
    ſilbe ſelbſt anrühren und nicht durch einen eignen
    conſ. davon abgeſchnitten ſeyn. Auf ſolche weiſe ent-
    ſtand das alth. edili (ed-il-i) aus adali (oben ſ. 118.);
    ſobald die (willkürliche) aſſimilation unterblieb, fand
    auch kein umlaut ſtatt, z. b. ſcamalîn (ſcam -al-în, vere-
    cundus) welches auch ſcemilîn heißen dürfte. Es fragt
    ſich, ob und auf welche weiſe dieſe aſſimilation jetzt
    im mittelh. gelte? Unbedenklich gilt ihre wirkung,
    der umlaut, in den überlieferten formen (nämlich des
    e ſtatt a) fort, es heißt beſtändig edele, nie mehr
    adele und ſo iſt menige, menge aus dem alten managî,
    menigî (multitudo) zu deuten, im adj. aber bleibt e
    der zweiten ſilbe und mit ihm a der wurzel überall,
    wo kein i dritter ſilbe zutritt, vgl. manec, manegen
    (alh. manag, managan) menegiu. Wie ſteht es aber
    mit den neuen umlauten? werden ſie noch durch le-
    bendige aſſimilation oder durch todtere analogie, nach
    den fällen des durch aſſimilation umlautenden a (und
    vielleicht û) hervorgebracht? Ich denke letzteres, aus
    doppelter urſache a) weil nach dem unter 2. entwickel-
    ten die mittelh. neuen umlaute überhaupt mehr auf
    äußere analogie gegründet ſind, als auf wahres gefühl
    der vocaländerung. b) weil ſich ſo die anhebende und
    ſteigende ausdehnung des umlauts auf unorganiſche
    fälle erklärt. Dieſe können hier nur angedeutet, nicht
    erörtert werden, wegen ihres zuſ. hangs mit der noch
    vielfach dunkelen lehre von den bildungs- und ablei-
    tungsſilben. So findet ſich weƷƷerlîn (M. S. 2, 249a)
    wo aſſimilation der zweiten, folglich umlaut der erſten
    ſilbe unpaſſend ſcheint; vogellîn iſt richtiger als vö-
    gellîn, wo hier nicht ein anderer misgriff, da die
    alte form fugali (N. 11, 1.) auf füg -el -e oder vogelîn
    (und dies könute in vögelîn umlauten) weiſt. In gen-
    ſelîn, lembelîn, bechelîn, knebelin etc. grævelîn (Parc.
    172c) tiubelîn (Parc. 185b) rechtfertigt ſich aber der
    [365]I. mittelhochdeutſche vocale.
    umlaut aus dem alth. genſilîn. lembilîn *); hæbrîn
    (avenaceus Parc. 63c, beßer wohl hebrîn) jæmeric (do-
    loroſus) ſind organiſch, unorganiſch aber jæmerlîch
    (dolendus) frœlich etc. wo auch alte hſſ. lieber jâmer-
    lîch, frôlîch gebrauchen. Allein im laufe des 13ten jahrh.
    mögen ſich hier beinahe überall umlaute einführen,
    ſelbſt in formen wie jæreclîch (per annum, alth. jâro-
    gilîh) tegelîch (quotidie, ſt. tegeclîch, alth. tagogilîh
    neben tagalîh, tagilîh **), menneclîch (quisque, alth.
    mannogilîh, mannilîh; ganz verſchieden von manlîch,
    alth. manlîh, virilis) etc. Untadelhaft iſt menſchlîch,
    menſchelîch, wo der umlaut von dem nach der wah-
    ren wurzel ausgefallenen i (menſche, meniſche) ab-
    hängt. Umlaute wie im neuh. bürger, mörder, eng-
    länder ſcheinen erſt ſeit der kürzung des -ære in -er
    einzudringen, vgl. Nib. 6348c 8276.
  • 5) die einzelnen umlaute ſind nun: a in e; o in ö; u
    in ü; â in æ; ô in œ; û in iu; ou in öu; uo in ue.
    Bei bezeichnung und ausſprache derſelben halte man
    ſich an den eingeführten gebrauch; erklärende theo-
    rien reichen nicht aus. Da â, ô, û = aa, oo, uu
    ſind, ſollte man auch den umlaut = ee, öö, üü ſetzen.
    Es verhält ſich aber nicht ſo, vielmehr weicht æ von
    dem wirklichen ê (das gar kein umlaut iſt) und iu
    von der ausſprache üü völlig ab, darum wird auch œ
    kein öö ſeyn. In æ = ae aus áa ſcheint der umlaut
    eigentlich den zweiten, unbetonten vocal des diphth.
    zu treffen, hiernach wären œ, ue, iu in óö, úö, úü
    zu deuten. Die ausſprache des iu war aber gewiß
    die des organ. (nichtumlauts) iu, da beiderlei iu auf
    einander reimen. Weniger geſichert iſt die alte aus-
    [366]I. mittelhochdeutſche vocale.
    lprache des æ, œ, ue, weil hier die reime nur jedes
    mit gleichartigem verbinden, doch nie æ mit ê oder œ.
    Dem ſcheine nach würde auch ue beßer aus ua folgen,
    als aus uo, doch letzteres herrſcht im mittelh. zu ent-
    ſchieden. Von den altn. umlauten ſtimmt æ zum
    hochd. æ; æ und œ miſchen ſich in der ſpäteren aus-
    ſprache (ſ. 301.); ŷ ſcheint wirklich verlängertes y und
    ey umlaut der beiden einzelnen vocale au. — Es iſt
    natürliche regel, daß kein umlaut auslaute; ausnahme
    machen göu, höu ſt. höuwe, göuwe, wo nicht nur
    das e der endung ſondern auch der vorausſtchende
    conſ. abgeworfen iſt. In den conj. gê, ſtè wird man
    kaum das umgelautete a der wurzel gangen, ſtanden
    erkennen dürfen, da ihnen vielmehr die contraction
    gên, ſtên zu grunde liegt.
  • 6) Anßer dem i der flexion üben zuweilen auch die dem
    wurzelvocal folgenden conſonanten gewiſſen einfluß
    über ihn aus. Sie ſcheinen ihn bald zu verlängern,
    bald in einen andern zu verwandeln. Dieſe erſchei-
    nungen ſind bereits bei den einzelnen vocalen erwähnt
    worden; hier ſtelle ich ſie nur zuſammen. Haupt-
    ſächlich in betracht kommen h und r, deren einwir-
    kung beim goth. ái, aí, áu, aú; alth. i, ë; u, o (ſ. 44.
    80.) und beim alth. ê ſt. ei (ſ. 90.) hervortrat; damit
    vergleiche man das mittelh. âht ſt. aht (ſ. 342.) ëht
    ſt. eht (ſ. 334.) ieht ſt. iht (ſ. 351.) ûht ſt. iuht (ſ. 348.);
    âr ſt. ar (ſ. 342.) ê ſt. er (ſ. 344.) ôrt ſt. ort (ſ. 347.)
    ier ſt. ir (ſ. 351.). Von den verbindungen nc. ng. nt.
    nd. . iſt vermuthlich das u ſt. ü (ſ. 337.); uo ſt. u
    (ſ. 358.) und ue ſt. ü (ſ. 366.) abhängig, welches an
    den nord. einfluß des naſallauts auf den vorſtehenden
    vocal erinnert. Im mittelh. ſind jedoch faſt nur ſpu-
    ren des ſyſtems, bei einzelnen dichtern, ohne recht
    bewuſte durchführung, die ſpuren ſtehen daher wie
    anomalien da; und dieſe nebſt andern anomalien zei-
    gen ſich wieder zuweilen vor andern conſonanzen
    beinahe als nachläßigkeit, reimzwang (ſo vielleicht
    die eſt ſt. ëſt ſ. 334.) oder falſche analogie. Manches
    wird erſt weitere forſchung im mittelh. und vertrau-
    tere bekanntſchaft mit den alth. mundarten an den tag
    bringen. Geminierte conſonanz fordert kurzen voc.
    vor ſich kürzt daher bisweilen den langen, z. b.
    immer, nimmer ſt. iemer, niemer (ſ. unten bei den
    geminat.)
  • 7) (einfluß des tons auf die lautverhältniſſe) der vocal-
    wechſel
    in den tieftonigen oder tonloſen unwurzelhaf-
    ten beſtandtheilen der wörter macht geringere ſchwie-
    rigkeit, als im alth., weil namentlich alle unbetonten
    ſilben die frühere mannigfaltigkeit der laute in e. zu-
    weilen noch i, vereinfachen. Tiefton erhält den al-
    ten laut, wenigſtens ſchützt er ihn länger; beiſpiele
    ſind zuſ. ſetzungen überhaupt, dann die bildungen
    auf -unge, -ſam, -niſſe, -inc, -inne etc. Nicht we-
    nige fälle ſchwanken aber zwiſchen tiefton und unbe-
    tonung und dann beginnt auch ihr laut zu ſchwan-
    ken, ſo daß der lange vocal in den kurzen oder der
    kurze, breite a, o, u in den dünnen e und i übertritt.
    Iſt auf dieſem wege der ſprachgeiſt einmahl irre ge-
    worden an dem wahren laut, ſo begegnet es ihm
    auch, daß er im tiefton kurze und dünne vocale ver-
    wendet, wo ihm noch lange und breite verſtattet ge-
    weſen wären. Die wichtigſten fälle werden das ge-
    ſagte erläutern a) die part. praeſ. haben bei langer
    wurzelſilbe noch oft den tiefton, wobei das alte aut,
    andi theils geblieben, theils in ent, ende, das alte
    ônt, ônde in unt, unde geſchwächt worden iſt, end-
    lich in der verwirrung auch unt, unde ſt. ant, ande,
    ent, ende gelten. In den Nib. ſtehen 193. 948. 2023-
    4856. 2819. 7982. etc. im (klingenden) verseinſchnitt:
    wërbènden, vîànden, ſorgènde, chüſſènde, dienènde
    (beßer dienùnde) videlènde (beßer videlùnde); im reim
    dieſes lieds können ſie natürlich nicht ſtehen, wohl
    aber reimen anderwärts (klingend)-unde, -ande (nicht
    mehr -ende) ſuochùnde:ſtunde (klage 136b) ſnîdùn-
    den:wunden (Bit. 67a) unde:wueſtùnde (Ernſt 16a)
    vîànden:handen, anden (Gudr. 44a 75a) vîànde:lande
    (Bit. 54a). Alſo meiſt in volksmäßigen gedichten.
    Eher auch in andern taugen zum ſtumpfen reim die
    ſing. ant, vgl. vîànt:lant (Bit. 37b) wîgànt:lant, vant
    (Barl. 364. Parc. 25c) vâlànt, wîgant:hant (Wig. 150)
    vgl. den einſchnitt vâlànt (Nib. 5589.). Bei kur-
    zem wurzelvocal iſt beides unzuläßig, vgl. die ein-
    ſchnitte, lëbende, chomende. (Nib. 913. 8286. 9386.)
    nicht lëbènde etc. — b) gleichergeſtalt benrtheile man
    die nicht von part. herzuleitenden ſubſt. olbènden:
    ſenden (Karl 13a) âbùnden:funden (Gudr. 90a) tûſùnt:
    ſtunt (Eneit 10a) weltchr. Schütze 8.) wunt:âbùnt
    (Bit. 37b 94a) und âbènt im einſchnitt (Nib. 4304.
    7285). Hingegen bei kurzer wurzelſilbe: jugent, tu-
    [368]I. mittelhochdeutſche vocale.
    gent, jugende, die zweiten ſilben ohne tiefton. —
    c) die alth. adj. endungen -ag, -îg (goth. -ags, eigs)
    ſind im mittelh. -ic oder -ec verfloßen, das noch zu-
    weilen -îc (gevolgîc:wîc Ernſt 40a) meiſtens ic lautet,
    hingegen bei langer wurzel und folgender dritter ſilbe,
    alſo zwiſchen hochton und unbetonung einſtehend,
    des tieftons fähig wird (oben ſ. 24.) daher die reime
    geſigen:nôtîgen (Maria 125.) verſwigen:heilìgen, ſæli-
    gen (Iw. 33a 58a); ebenſo in vierſilbigen formen, wo
    die beiden erſten kurzen einer langen ſilbe gleichſtehn,
    als lëbentìgen:geligen (Maria 24.) vgl. oben ſ. 23. —
    d) die endung -în der adj. und ſubſt. (maſc. und neutr.)
    behält gewöhnlich tiefton und dadurch ihre alte länge,
    wenn eine lange oder zwei kurze ſilben vorherſtehn.
    Daher die ſtumpfen reime menigîn:ſîn, megetîn:mîn
    (M. S. 1, 38b 39a) magedîn:ſîn (Nib. 5, 2365.) êrîn!
    würmîn:ſîn (Triſt. 123a Wilh. 2, 90a 192b wüllin:
    hærîn (Barl. 159.) trëhtîn : mîn (Triſt. 19a 19c etc.
    Flore 18a Maria 186.) güldîn:ſîn (M. S. 1, 38b) êrîn:
    lëbetîn (Flore 15c oder êrìn : lëbetìn?) ſîn : îbîn
    (Wigal. 132.) în, ſîn:trëhtîn:rinderîn:ſîdîn:êrîn (troj.
    1c 13a 22c 71c 78b):hürnîn, îſnîn (Wigam. 3a 6b) etc.
    ſeltner die klingenden ſcînen:îſerînen (Parc. 50c) pî-
    nen:leimînen (Georg 35a) güldîne:wîne (Ernſt 23a).
    Subſt. fem. ſchwanken zwiſchen -în, in und -inne,
    aus welchem letztern beide erſtere abgekürzt ſind, alle
    drei formen reimen; vâlentîn (Wigam. 3b) künigîn,
    wirtîn, heidenîn:ſîn, mîn, ſchîn (Parc. 45a b c. 79b
    190c Wig. 384., 86. etc.) woneben mit kurzem, immer
    aber noch tieftonigem i, heidenìn, künigìn:ſin, ge-
    win etc. (Parc. 79b Georg 1a. b. 20b 46b Wig. 285. 305.)
    vorkommt; belege für den reim -inne gehen uns
    hier nichts an. Die meiſten dichter wählen nach be-
    lieben unter den dreierlei formen, namentlich Wolfr.
    Hartm.; einige gebrauchen nur -în und inne (kein
    -in) wie es ſcheint Gotfr. und gewiß Conrad. In
    tonloſigkeit verfällt aber dieſe endung weibl. ſubſt.
    (wie allerdings die der maſc. und adj. zuweilen) nie-
    mahls. Man vgl. das ſchwanken ſelbſt der wurzeln
    drîn, drin (tribus) în, in (praep.) unten bei der
    decl. der zahlw. und den praepoſ. — e) die adj. bil-
    dung-lîch ſchwankt zwiſchen î und î; -lîch, -lî-
    cher, -lîches, -lîche überall haben Wolfr. u. Rein-
    bot; -lìch, -lìch, -lìcher, -lìche überall hat Con-
    rad. Meiſt -lîch, ſelten -lich Gotfried und Wirnt;
    [369]I. mittelhochdeutſche vocale.
    oft-lich. ſelten-lîch Hartm., Stricker und Rudolf, doch
    dieſe fünfe überall -lîche -lîchen *). Das adv. heißt
    bei allen lîche, auch bei Conrad; außerdem gilt bei
    einigen noch ein adv. des dat. pl. auf -en und dieſes
    lautet bei Conrad auf -lìchen, bei Hartm. auf -lîchen
    und -lìchen. Die meiſten andern gebrauchen es gar
    nicht (nämlich im reim). Das einfache adj. gelîch
    lautet bei allen ſo, nie gelich; aber ſelbſt den tiefton
    und bald den vocal letzter ſilbe büßen die gangbaren
    pron. wêlich, ſôlich, wëlch, ſolch ein. — f) die adj. bil-
    dung -rîch, -rîcher, -rîchen behält bei allen langes î, wo-
    gegen den meiſten die ſubſt. endung -rìch und nicht
    rîch heißt. vgl. heinrìch, dieterìch, eſterich, wuete
    rìch; Wolfr. aber ſcheint auch hier den langen vocal
    zu hegen:heimerîch und Maria 217. wuotrîche:grim-
    meclîche. — g) ſelten erſcheint die ſuperlativendung
    -iſt tieftonig im reim, vgl. minnîſt:liſt (klage 130b
    Bit. 86a) friſte:vorderìſte, friſten:jungìſten (Maria 77.
    129.) êrìſt:friſt (Barl. 294.) letzteres ſtumpfer reim,
    klingend aber ſteht ſchôniſt:lôniſt (M. S. 1, 53a. b);
    gleichſelten -ôſt, vgl. vorderôſt:trôſt (Nib. 6117. 8165.
    Bit‥ 113a). — h) das ſubſt. mânôt (menſis) reimt noch
    ſtumpf Maria 119. Georg 37a Wilh. 3, 331a caſſ. Wi-
    gam. 13a etc. — i) die ſubſt. endung -œre pflegt
    tieftonig und im reim durchgängig klingend zu
    ſeyn; in den Nib. hebt die verkürzung in ein tonlo-
    ſes -er daneben an, vgl. kocher 3916. 3922. kamerer
    4069. ſoumer 6353. tenlender 8276. ſt. kochære — ten-
    lendære. — k) das -man in nie-man, ie-man brau-
    chen verſchiedne dichter tieftonig, andern wird es
    zum unbetonten -men. Als ſtumpfer reim dient es
    nur ſelten. vgl. niemàn: dan (Iw. giſſ. 3218.) : gewan
    (Flore 5b) ſtân:(Nib. 4551.). — 1) bisweilen hängt noch
    an dem tiefton die erſcheinung alter vocale in den
    flexionen, worüber erſt die abhandlung dieſer ſelbſt das
    eigentliche licht geben wird. Das häufigſte beiſpiel
    gewährt die endung -ôn, -ôt in der ſchwachen conj.
    A a
    [370]I. mittelhochdeutſche vocale.
    (merkwürdig das kurze o in gejagòt:got fragm. 21a).
    Seltner î im praet conj.; ein beleg aus Flore 15c iſt
    vorhin ang führt worden, êrîn:lëbetîn; (lôniſt ſt. lô-
    nôſt:krôn’iſt M. S. 1, 53b klingt) hierher gehören aber
    (nach Lachmanns treffender wahrnehmung, ausw.
    XVIII.) gundè:bundè:kundè (Ben. 67.). ein älteres
    gundì, bundì bedeutend. Dergl ſtumpfe reime haften
    länger in der volkspoeſie; ſo in den Nib. uotè:guotè
    (6049. 4584.) uotèn:guotèn (53.) [alth. uotûn:guo-
    tûn] und hänfiger hagenè:jagenè:dëgenè:gademè
    (1337. 3733. 6053. 6917. 7173. 7885. 8525. 9357. etc.)
    Nur tonlos finde ich dieſe ſilben nicht, gerade tiefto-
    nig; ſpuren einer frühern, der ſprache ausgegangenen
    lebendigkeit der endungen. Der betonte gen. pl. hei-
    ligôn reimt noch auf lôn Maria 54. — Dieſe beiſpiele
    mögen hier hinreichen. Allmählig ſchwindet der tief-
    ton und dann verwandelt ſich der laut in ein farblo-
    ſes e. höchſtens bleibt i. Der reim zieht aus der en-
    dung in die wurzel und jene tieftonigen wörter von
    drei ſilben, die vorher klingend reimen, taugen nun-
    mehr nur zu reichen reimen oder zu gar keinen; jene
    tieftonigen ſtumpfen werden zu gewöhnlichen klingen-
    den. Statt jenes ſuochùnde:wunde reimt nunmehr
    ſuochende:fluochende; ſt. jenes tûſùnt:ſtunt nunmehr
    tûſent:hûſent (troj 127b); ſt. heilìgen:ligen, criſtæne:
    wæne. menigîn:ſîn, üppîc:wîc, minnìſt:liſt, gër-
    nôſt:trôſt, ſamnôt:ſëgenôt:nôt, verſêrôt:rôt, niemàn:
    dan etc. ſpäterhin heiligen:meiligen, criſten:friſten,
    menige:ſenige, üppic:lüppic, frühtic:zühtic, begin-
    neſt:minneſt (Georg 52b) gërneſt:ërneſt, ſamnet:ver-
    damnet, geſëgenet:berëgenet, verſêret:kêret, irdiſch:
    wirdiſch ſchmiede 1003, früher wohl irdìſc:fiſc) nie-
    men:riemen (Parc. 9b M. S. 2, 80a). Jede einzelne hat
    hier ihre beſondere geſchichte, nur die analogie des
    gangs iſt ihnen gemeinſchaftlich. Einiges zeigt ſich
    auch mundartiſch dort früher, hier ſpäter, z. b. der
    ältere Hartmann reimt trëhten:vëhten; der jüngere
    Conrad alterthumlicher trëhtîn:mîn. Jenen volks-
    mäßigen reim bundè:kundè etc. mieden alle künſtli-
    chen meiſter, es galt ihnen nur ein klingendes bunde:
    kunde; während ihre werke ſchon mehr geleſen wur-
    den und der hochton der wurzel die nebentöne
    ſchwächte, muſte in den ausſchließlich lebendigem
    geſange beſtimmten volksgedichten das aushalten der
    melodie dem ſtumpfen reime günſtig ſeyn. Die ge-
    [371]I. mittelhochdeutſche vocale.
    ſchichte des deutſchen reims lehrt uns überhaupt all-
    mählige auflöſungen ſtumpfer in klingende; nur war
    die neigung dazu in weit früherer zeit und ſchon bei
    Otfried vorhanden, weil er ſonſt nicht ſo ſichtbar
    nach dem gleichlaut der wurzeln geſtrebt (alter:zalter,
    henti:enti, ſcìnit:rînit, mînaƷ, thînaƷ etc.) und ſich
    an der letzten ſtumpfen ſilbe (mînaƷ:thaƷ etc.) be-
    gnügt hätte, vgl. oben ſ. 16. 17. Dieſes ſchwanken
    zwiſchen klingendem und ſtumpfem reim verrathen denn
    auch die mittelh. bundè:gundè, hagenè:degenè etc.
    da bei allen theils überwiegender, theils völliger wur-
    zelgleichlaut eintrifft, zum roh ſtumpfen reim rück-
    ſicht auf den auslaut hingereicht hätte, man vgl. die
    reime Kürenbergers 1, 38.
  • 8) analoge vocalkürzungen oder verwandlungen ereig-
    nen ſich bei der inclination und zwar auf doppelte
    weiſe a) die anlehnende ſilbe, indem ſie ihren ton
    auf die, welcher ſie ſich anfügt, überträgt, verdünnt
    dadurch ihren laut. Hauptfall iſt das pron. dritter
    perſon. Unangelehnt reimt ër auf gër, ſpër, hër (Ma-
    ria 16. Barl. [...]01. Wig. 22. Karl 38a) angelehnt wird
    es zu tonloſem er und bater, jater reimt: vater
    (Barl. 87. Wilh. 2, 3b, [...]a 45a 67b) vander:ander (Wilh.
    2, 25a 170b Parc. 111b 142b) aƷƷer:waƷƷer (Wilh. 2,
    124b Ernſt 20a) mohter:tohter (Maria 19. Wilh. 2, 70a
    84b) zôher:hôher (Triſt. 18a 25b) erſcheiner:einer
    (Maria 168). Ebenſo verhält es ſich mit ſahen (f. ſach
    in) ſluogen (f. ſluoc in) gaber (gap ir) fiſe (ſî ſì) etc.
    Die pron. 1 und 2ter perſ. ändern ſich bei der inclin.
    nicht, vgl. magich (mac ich) zwîvelſtû:nû Barl. 304.)
    biſtû:zuo (Triſt. 19c) chumſtû:zuo (Parc. 89a Wilh. 2,
    67b) die anlehnung ſcheint hier den ton höchſtens zu
    ſchwächen, nicht zu benehmen und nur unbetonte vo-
    calauslaute leiden verkürzung (oben ſ. 331.); biſte:liſte
    (êneit 18a) wohl unhochdeutſch. — b) unurſprünglich
    lange vocalauslaute verkürzen ſich, ſobald ihnen eine
    mit conſonanz anhebende ſilbe incliniert; ſie werden
    dadurch inlautend und nehmen die anfängliche kürze
    wieder an. So wird dû durch anlehnung des pron.
    3ter perſ. kurz. wie die reime mëldeſtun, verderbe-
    ſtun, gebæreſtun:ſun (troj. 36c 49a ſchmiede 1127) be-
    weiſen; gleicherweiſe duƷ (:ſchuƷ Georg 47b) dus für
    dû ëƷ, dû ës; ſor f. ſô ër etc. Am häufigſten werden
    dieſe kürzungen aus incl. der negation ne entſpringen,
    vgl, dane, jane, dine, ſine, nine, wine, ſone, dune,
    A a 2
    [372]I. mittelhochdeutſche vocale.
    nune *) ſtatt dâ ne, jâ ne, dî ne (die ne) ſî ne (fie
    ne) nie ne, wie ne, ſô ne, dû ne, dû ne, nû ne; incliniert
    hingegen ſtatt des ne die umdrehung en an das fol-
    gende verbum, ſo verbleibt jenen wörtern die länge,
    natürlich weil ſie dann auslauten, z. b. jâ enſol, ſô
    enweiƷ, nie enkan. Aus dieſer zuerſt von Lachmann
    entwickelten regel ergibt ſich theils b ſtätigung des
    oben ſ. 88. 97. vermutheten urſprünglichen ja, du,
    nu etc. **), denn ein von natur langer (ich meine,
    ein nicht als bloßer auslaut verlängerter) vocal muß
    auch inlautend lang bleiben, z. b. tuoƷ (Triſt. 11a M.
    S. 1, 63b 100a 140b) gêƷ f. tuo ëƷ, gè ëƷ. Theils
    ſtimmt ſie zu dem für die mittelh. conſ. gültigen
    grundſatz. daß eine unorganiſche wiederum nicht
    eine organiſche) ten. des auslauts inlautend zur alten
    med. zurückkehre, folglich auch, wenn ſie durch in-
    clination inlautend wird, z. b. gaber, meider, truogich
    ſt. gap ër, meit ër, truoc ich. Beſondere aufmerk-
    ſamkeit verdient die verkürzung des ie in nine, dine,
    ſine; die auslaute nie, die, ſie ſtehen freilich nicht für
    ni, di, ſi, wie jâ, dû für ja, du, aber unorganiſch
    waren ſie entſprungen aus i-e (oben ſ. 104.) und dar-
    um geht wohl bei der anlehnung das der frühern
    flexion, nicht der wurzel angehörige e auf; das u in
    diu hingegendarf auf dieſe weiſe nicht ausgeſtoßen und
    dine nicht f. diu en geſetzt werden. — Ob und wann
    ähnliche kürzungen auch außer der eigentlichen an-
    lehnung ſtattfinden, wenn im verſe auf ſolche unur-
    ſprüngliche vocallängen ein zu elidierender vocal oder
    ein conſ. mit kurzem voc. folgt z. b. da’rbôt, do ge-
    lac. igenôte f. dâ erbôt, dô gelac, ie genôte)? gehört
    in die mittelh. metrik ***).
  • 9) die lehre von dem tonloswerden und endlichen weg-
    fallen der vocale, alſo im mittelh. nur des e und i,
    gehört eigentlich nicht in die abhandlung der laute;
    da ich inzwiſchen des tieftons, als eines erhalters der
    alten laute gedacht habe, und die mittelh. mundart
    ſorgfältigere, in der flexionslehre nützliche beſtimmun-
    gen zuläßt, folgen auch hier die allgemeinen grund-
    ſätze über tonloſigkeit, ſyn- und apocope jener vo-
    cale. Die grade der tonloſigkeit ſind oben ſ. 21. be-
    zeichnet worden. Tonlos (unbetont) im ſtrengern
    ſinn iſt jedes e, i, das auf eine lauge ſilbe folgt (mid e,
    find-e, viſch-ær -e, ſæl ic. zieg-el, ruod-er, ât-
    em, rât-en, hürn-în) es ſchwankt noch in den al-
    ten tiefton. ſobald eine weitere ſilbe zutritt (ſæl-ìg-
    en, hürn-în-en). Stumm, wenn es auf eine kurze
    ſilbe [mit kurzem voc. und einfachem *) conſ.] folgt
    (lëſ-en, man-ic); es ſtehet noch da und muß ge-
    ſchrieben werden, es wird gleich einem ſtummen an-
    weſenden nicht mehr gehört, aber noch geſehn und
    behält einfluß. Die ſilbe, worin ſich der tonloſe laut
    befindet, zählt ſtets für eine ſilbe; die mit dem ſtum-
    men nicht mehr, ſondern fällt mit der vorausſtehen-
    den kurzen in eins zuſammen, lëſen, manic gilt me-
    triſch nur eine (aber lauge) ſilbe, eben als ob leſn,
    manc ſtünde. Die nächſte ſilbe auf ein ſtummes i,
    e wird darum wieder tonlos (manig-en, edel-en, igel-
    es) die nächſte auf ein tonloſes (dadurch wieder tief-
    tonig werdendes) hingegen ſtumm (ſæl-ìg-en) ſeyn.
    So wie tonloſe vocale in den tiefton, gehen ſtumme
    ins verſchwinden über; beide, tonloſe und ſtumme,
    wechſeln aber niemahls untereinander. Verſchwinden,
    d. h. wegfallen können nicht allein ſtumme, ſondern
    auch tonloſe vocale; die fälle, wo letzteres geſchieht,
    erlauben keine allgemeine angabe (vgl. ſælde, dienſt,
    lônte, hirt, alth. ſàlida, hirti, lônôta, thionoſt), viele
    werden aus der flexionslehre erſichtlich ſeyn. Über
    ſyncope und apocope des ſtummen i, e wurde oben
    ſ. 27. 30. aufgeſtellt, daß ſie nach liquidis eintreten.
    ***)
    [374]I. mittelhochdeutſche vocale.
    In betracht des l. r. leidet das auch keine einſchrän-
    kung, reime wie garn, dorn, korn, wirt (hoſpes)
    ſchilt, alt, wert (inſula) zil, ër: varn, geborn, erkorn,
    birt, hilt, gezalt, nert quil, bër und viele ähnliche
    thun dar, daß dieſe formen jetzo ſprachgemäß ſeyen
    und nicht mehr geboren, biret, hilet, neret, quile,
    bëre geſchrieben werden dürfe, der eigenname Wirnt
    (alth. Wirant) reimt auf zwirnt, nicht Wirent: zwi-
    rent. Ebenſo fällt in gezimber (tabulatum) morgens,
    morgen, ſpiegels, ſpiegel, wandelt etc. das ſtumme e
    der volleren form gezimbere, morgenes, morgene,
    ſpiegeles, ſpiegele, wandelet, nothwendig aus; ohne
    ſein ausfallen würden kraft obiger regel die tonloſen
    e nach der wurzelſilbe wieder tieftonig werden (ge-
    zimbère, ziegèle) *). Vor gutt. ſcheint es einigemahl
    zu haften, giric:wiric (ſchmiede 645, kolocz. 595. aber
    girc:wirc, vgl. kurc bei der verbind. rc) milich neben
    milch etc. Beim m und n gibt es der ausnahmen mehr;
    zwar apocope gilt gewöhnlich auch, vgl. nam (nomen)
    han (gallus): kam (veni) man, zan reimend, daneben
    aber findet ſich das ſtumme e, name, hane und eben-
    ſo nime (ſumo) ime (ei) theils bei ältern dichtern,
    theils gern (nicht nothwendig) in gewiſſen flexionen,
    namentlich im conjunctiv, dat. ſg. nom. pl. (vgl.
    ſchine:wine, jene:ſene Parc. 54c 140b. c nëme:zëme
    a. Heinr. 208c). Nach einer tonloſen zweiten ſilbe
    wird immer apocopiert, als âtem, zeichen (f. âteme,
    zeichene). Syncope leidet das ſtumme e nach m und
    n lediglich vor lingualen, als dent (:went, vultis)
    ſuns (:uns) nimƷ, nimt, wâpent (f. wâpenet) zei-
    chens etc. nicht vor liq. und gutt. welches hart ſeyn
    würde, es heißt himel, hamer, tener (vola manus) na-
    men, manic, manigen (nicht himl, hamr, tenr, namn,
    manc, mangen) doch pflegt nach tonloſer zweiter die
    ganze ſilbe en wegzufallen, wâpen, wolken, lougen f.
    wâpenen, wolkenen, lougenen (nicht nach ſtummer
    zweiter, alſo dëgenen etc.). Noch mehr ſchwankt
    zwiſchen ſtummheit und verſchwinden der laut vor
    den übrigen conſ.; insgemein wird hier apocope un-
    ſtatthaft; einige werfen nach t das e weg, z. b. got:
    tot (f. gote, tote) ſit:mit (f. ſite, mite). Syncopiert
    [375]I. mittelhochdeutſche vocale.
    wird nach h und ſ (immer) nach b und g (häufig)
    wiederum aber nur, wenn ling. folgen, z. b. ſiht
    (:niht) ſëht (:rëht) liſt (:heimwiſt Triſt. 64c) lëbt *),
    gibt, wigt, crëbƷ:lëbƷ; nicht vor andern conſ. folg-
    lich ſlahen, ſëhen, lëſen, riſel, kiſel, ſnabel, aber,
    nagel. tragen (kein ſlahn, ſëhn, lëſn etc.). — Dieſe
    grundſätze über das wegfallende und bleibende ſtumme
    e ſind mit ſicherheit nur aus den reimen zu ſchöp en;
    die hſſ. geſtatten ſich abweichungen, z. b. der ſ. gal-
    ler Parc. ſchreibt abr, odr, vatr, ja ſogar mit apocope
    tonloſer e andr, liehtr etc.; der alte Tit. minnch-
    lîche, ſchiltchlîche, hurtchlîche etc. ſt. minniclîche,
    ſchilticlîche; der gieſſ. lw. ſëhn, lëbn wëſn, bewëgn.
    Die ganze unterſcheidung zwiſchen ſtummen und weg-
    fallendem e könnte, da ſëhen und ſëhn, wëſen und
    wëſn metriſch gleichviel wären, d. h. eine länge bil-
    den, auch beide ſtumpf reimen würden. ſpitzfindig
    und unnöthig ſcheinen; ich will daher in folgenden
    ſätzen ihre wichtigkeit entwickeln: a) grammatiſche
    bedeutung haben das ſtumme und weggeworfne e,
    weil jenes den tiefton der vorausſtehenden tonloſen
    ſilbe weckt, wovon bei wegfallendem e keine rede
    ſeyn kann, vgl. die obigen beiſpiele: heiligen, leimîn-
    en, ſpiegels, ſpiegel, zeichens, zeichen und dazu
    wörter mit zweiter ſtummer ſilbe manigen, gademes,
    gademe, igeles, igele, karles, karle (alth. chareles,
    charele). b) das ſtumme e kann noch auf die vorher-
    gehende conſonanz einwirken, z. b. lobelîch, hoveſch
    würden durch ſyncope in loplîch, hofſch übergehn;
    ſige, hove (dat. von hof) tobe, abe, habe, rëbe, rede
    etc. durch apocope in ſic, hof, top, ap. rëp, ret.
    Nun haben wohl ſpätere dichter, z. b. Conrad ſic (vi-
    ctoria) im reim auf ſtric (troj. 166c M. S. 2, 87a) eben-
    ſo hof, nirgends hingegen kommt ein ſic (vinco) top,
    hap, rep, ret ſt. jener formen mit ſtummen e vor,
    und der vor dem ſtummen e ſtehende conſ. bleibt
    inlaut. c) metriſch wirkt der unterſchied, inſofern
    manec (manegen) nie zum reim auf banc, danc (lan-
    gen) habe, abe etc. nie auf grap, ſtap taugen, wel-
    ches geſchehen müſte, wenn manec, abe gleichviel
    [376]I. mittelhochdeutſche vocale.
    mit manc, ap wäre, gerade wie geborn, verlorn,
    bërn (denen kein ſtummes e mehr gebührt) in der
    that auf horn, korn, gërn (libenter) reimen *). Die
    ſchreibung geboren und manc iſt alſo fehlerhaft,
    ſtumpfreimig wären freilich beide ſo gut als das rich-
    tige geborn und manic. — Da wo die gegebenen re-
    geln nicht ausreichen, muß man aus der geſchichte
    der flexionen und für einz[e]lne dichter beſonders ler-
    nen, in welchen fällen ſtummer laut oder wegwerfen
    oder ſchwanken zwiſchen beiden gelte. Exoteriſche
    abweichungen wird es überall geben und wäre jenes
    mittelh. girec, wirec noch zuläßig, ſo darf das an
    bërc (und nimmer bërec) nicht irren, weil die con-
    traction der alth. form përag. përeg lange verjährt iſt.
    Schließlich die bemerkung, daß das e oder i inclinie-
    render ſilben ganz auf gleiche weiſe beurtheilt wer-
    den muß, d. h. bald wegfällt (ërƷ f. ër ëƷ) bald nur
    verſtummt (liſeƷ f. liſ ëƷ).

Mittelhochdeutſche conſonanten.


Auch hier läßt ſich verſchiednes allgemein faßen.


  • 1) das alth. verhältniß der ten. med. und aſp gilt un-
    ter der nähern beſtimmung, daß für den lippen- und
    kehllaut (abweichend vom ſtrengalth., einſtimmig mit
    O.) an- und inlautend die goth. med. b und g ſich
    [377]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    behaupten, während ten. und aſp. von der goth. weiſe
    abſtehen, auch im auslaut p und c überall herrſchen.
    Für den zungenlaut gilt der ſtrengalth. grundſatz wie-
    derum aber für ten. und aſp. allgemein, hingegen für
    med. bloß an- und inlautend, indem auch hier ten.
    immer den auslaut (2, α) zuweilen den anlaut (4, β)
    einnimmt. Dieſe miſchung mehrerer rückſichten läßt
    in einzelnen fällen ſchwanken vorausſehen, welches
    ſich bei der weiteren darſtellung und zumahl in conſ.
    verbindungen genugſam beſtätigen wird.
  • 2) regel für den auslaut iſt: er duldet nur ten. und
    aſp., keine med. ſondern wandelt dieſe überall in
    die ten., es mag voc. oder ein verbundner conſ. vor-
    ausſtehen; ſelbſt fremde wörter bequemen ſich, es
    heißt z. b. pfât (padus) ſâlât, runzît, dâvît. In dent-
    ſchen iſt folglich die auslautende ten. doppelt, bald
    organiſch (d. h. der ten. des an- und inlauts entſpre-
    chend) bald unorganiſch (d. h. in widerſpruch mit der
    an- und inlautenden) *). Jenes z. b. in bat (rogavit)
    rât (conſ.) blat (folium) reit (equitavit) zît (tempus)
    ſit (mos) diet (gens) tôt (mortuus) got (Deus) liut (po-
    pulus) guot (bonum); nac (collum) ſpëc (lardum) blic
    (obtutus) roc (tunica) druc (impreſſio) ſchalc (ſervus)
    kranc (aegrotus) ſtarc (fortis) etc. Unorganiſch in bat
    (balneum) rat (rota) ſchiet (ſejunxit) eit (jusj.)
    meit (vitavit) reit (criſpus) lit (membr.) tôt (mors)
    luot (oneravit); lac (jacuit) wâc (aqua) wec (via)
    ſweic (tacuit) wîc (pugna) ſic (victoria) bouc (flexit)
    blûc (timidus) balc (uter) rinc (circulus) berc (mons)
    etc. Die ausl. lab. ten. iſt meiſtens unorganiſch, nach
    voc. immer, vgl. gap (dedit) ſtap (baculus) ſwâp
    (ſuevus) treip (pepulit) lîp (corpus) ſip (cribrum) diep
    (fur) lop (laus) loup (folium) enſuop (intellexit) etc.
    in der conſ. verbindung gewöhnlich, z. b. ſalp (ung.)
    lamp (agnus) verdarp (interlit) organiſch nur in der
    an ſich ſeltnen form ſp. z. b. criſp (criſpus). Man
    merke α) dieſer übergang der med. in ten. berührt
    ſich dem anſchein nach mit jenem ſtrengalth. durch-
    [378]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    greifenden gebrauch der ten. und wäre dann nichts
    als theilweiſe modification desſelben. Allein hierzu
    ſtimmt nicht, daß die mittelh. ſprache auch im zun-
    genlaut, wo ſie den ſtrengalth. grundſatz ſelbſt behält,
    die auslautende med. wieder zur ten. werden läßt, es
    heißt ſowohl guotes, guot als eides, eit (ſtrengalth.
    eides, eid) ſo daß der mittelh. auslaut t. bald das
    goth. d. bald þ erſetzt. — β) die mittelh. weiſe be-
    gegnet auch nicht den meiſten übrigen alth. dialecten;
    wohl aber ziemlich dem des J. (oben ſ. 130. 157. 182.) —
    γ) es ſtehn ihr andere analogien zur ſeite; theils die
    verhärtung des v und h in ein ausl. f und ch vgl.
    hof, biſchof, wolf; ſach (vidit) vâch (cape) hôch (al-
    tus) zôch (traxit) etc. theils die (ſchon alth.) auflöſung
    der gem. ll. mm. nn. rr. ſſ. ck im auslaut, vgl. val
    (caſus) klam (aſcendit) bran (arſit) war (impedivit)
    gewis (certus) ſtric (laqueus) etc. theils endlich die zu-
    weilige verwandlung des auslauts m in n (ſ. unten
    liq.) — δ) ſcheinbare ausnahme macht die inclination,
    wodurch der conſ. wieder inlautend wird (hiervon
    ſogleich näher).
  • 3) der inlaut unterſcheidet ten. med. aſp.; die unorg.
    auslaute p. t. c. werden wieder zu b. d. g., nicht aber
    die organiſchen, welche ten. bleiben, vgl. bat, bades;
    ſchiet, ſchieden; lac, lâgen; bouc, bugen; ſip, ſibes;
    diep, diebes und ebenſo hof, hoves, ſach, ſâhen; val,
    valles; bran, brunnen etc. dagegen aber bat, bâten;
    zît, zîte; ſchalc, ſchalkes; criſp, criſpen etc. α) in-
    clinationen *) verſetzen den ausl. conſ. in die mitte,
    daher die wirkung des inlauts, vgl. gabich, gaber,
    ſtarber, wërbeƷ, leider (paſſus eſt) magich, pflager,
    vienger, twangen, ſahen (vidit eum) zôheƷ (Parc.
    127a 129a) bevalher (133a) etc. ſelbſt wenn ein conſ.
    anrührt, z. b. gruobſe (Parc. 125c) und anderwärts
    grabſe, habſe, lobſe, ſahſe (f. ſach ſi). Da aber die an-
    lehnung nicht zu erfolgen braucht (wie aus dem vers-
    maß zu erſehen iſt) ſo kann ebenwohl gap ich, gap ër etc.
    richtig ſeyn. Im erſten fall würde mager, leider, van-
    der zum reim auf mager (macer) beider, ander taugen,
    [379]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    im andern mac ër, leit ër, vant ër natürlich nicht.
    Stellt ſich hiernach auch vereinfachte gem. durch in-
    clination her? ein wanner, warrer f. wan ër, war ër
    zu belegen wüſte ich nicht, wohl aber aƷƷer:waƷƷer
    (Wilh. 2, 184b) ſt. aƷ ër. — β) wo nicht eigentliche
    inclination ſtattfindet, aber im metrum den unorg. conſ.
    auslaut ein tonloſer vocalanlaut berührt, pflegt nicht
    ſelten die org. med. rückzukehren, z. b. halb an, ſluog
    unde, lag under, tag erſchein etc. (dergl. im Parc. al-
    lerſeits). Hier ſind die älteſten hſſ. zu erforſchen, ob-
    gleich die beſten zu ſchwanken ſcheinen. — γ) zuſ.
    ſetzung macht den auslaut des vordern worts nicht
    zum inlaut folglich bleibt die unorg. ten. vgl. wîp-
    heit, wîp-lîch, tump heit, liep-lîch, vlîƷec-lîch,
    junc-fronwe, maget-lîch, lant-grâve, lant-hërre,
    friunt-ſchaft, hôch-vart, wolf-hart etc. ja ſie würde
    aus ſyncopen entſpringen, z. b. lop-lîch, kint-lîn,
    lemp-lîn ſt. des gewöhnlichern lobe-lîch, kinde-lîn,
    lembe-lîn (desgl. hein-lîch, hein-rich ſt. heime-
    lîch, heime-rîch, obgleich hier das m, wie im aus-
    laut, bleiben könnte) vgl. ërt-ſtift (Parc. 97c f. ërd-
    ſtift). Steht dieſer grundſatz, ſo bieten ſich unzählige
    berichtigungen unſerer texte dar, z. b. Parc. 40c leſe
    man entw. bade-lachen oder bat-lachen (40b richtig
    bat-ſtanden) 112c mac-tuom oder mage-tuom (wie
    47a) 128a chlac-haft oder chlage-haft (wie 128b) 118c
    tumpheit (wie 117c ſteht) M. S. 1, 126b mâc-ſchaft
    und ſëlp-wahſen (ſt. mâgſchaft, ſëlbwahſen vgl. ſëlp-
    ſcouwet Parc. 36a ſëlbander 106c) und ſprachgemäß
    ſcheinen mir ap-got (deaſter) ap-trunnic, ap-gründe,
    wie auch gute hſſ. leſen. Es thut nichts, daß einige
    dieſer formen im wirklichen auslaut unapocopiert, mit
    tonloſem oder ſtummen e vorkommen. — δ) eine hier-
    von ganz verſchiedene, wieder aber in der praxis nicht
    mehr lebendig gefühlte regel iſt die nur noch ſpur-
    weiſe unlengbare neigung zu den verbindungen pt
    und ct ſtatt bt, gt, inſofern zwiſchen b und t, g und
    t ein vocal ausfällt. Beiſpiele: lëpte, hapte ſt. lëbete,
    habete; wipt ſt. wibet (M. S. 2, 20b: gibt) ampt (Parc.
    12 [...]b ſt. ambet 127c a. Tit. 8: verklambet; früher wohl
    ambèt alth. ambaht) houpt ſt. houbet, houpte:roupte
    (troj. 29a) aptîe ſt. abetîe (vgl. abet:enthabet Georg
    34b) erſtapten:lapten (Reinfr. 44a̱ 121b 194a) ſt. erſta-
    ſtabeten (obriguerunt), labeten; opt. gelopt (troj. 157c)
    verdarpte:erſtarpte (Wilh. 3, 132b caſſ. Reinfr. 156b)
    [380]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    ſt. derbete, ſterbete. Zwar überzeugt keiner dieſer
    reime, d. h. nichts hindert jedesmahl bt. für pt. zu
    ſchreiben und da es inlautende organ. p beinahe nicht
    gibt, müſte pt. in fremden wörtern entſcheiden, wie
    ſich wirklich im Tit. enthepter:zepter nachweiſt, wo
    ſchwerlich ein zebter zu vertheidigen ſtünde. Die
    beſten mir bekannten hſſ. ſchwanken, z. b. Parc. 39b
    houptman 145b houbte und gewöhnlich lobte, tobte,
    ungeſtabt etc. ct für get zeigt ſich faſt nur in den
    ſchwachen praet. hancte, ſpraucte etc. f. hengete, ſpren-
    gete und zwar in den beweiſenden reimen: dancte,
    wancte (Flore 5a Parc. 108b Wilh. 2, 19[1]b) ſo daß ſich
    kein hangte, ſprangte an die ſtelle ſetzen ließe. Außer-
    dem wird zuweilen gefuocte, genuocte etc. gewöhn-
    licher gefuogte, genuogte geſchrieben, nirgend ſicte
    f. ſigete, wie es dann wohl im reim auf blicte ſtehn
    könnte, ferner [nur] magt, geſagt, klagt, gezogt, vogt
    etc. Ich wage nicht in allen dieſen fällen entw. -bet,
    get oder pt, ct vorzuſchlagen, vielmehr halte ich die
    praet. ſtarpte, warpte, hancte, ſprancte (deren volle
    endùng -bet, get längſt veraltet iſt) für ſtändige, todte
    formen, deren pt Otfried noch lebendig erkenuen
    mochte, welcher, obgleich er inlautend ſtets die med.
    b. hegt, bei der berührung mit t die ten. vorzog
    (warpta, zarpta, uapta, kûmpta, giloupta, oben ſ. 130.)
    dagegen das analoge kt nicht b-folgend hangta, ſprangta
    ſetzte. Die ſpuren beider lautverbindungen im mit-
    telh. ſind daher weder zu verwerfen, noch die ge-
    wöhnlichen bt, gt danach zu ändern. Einzelne pt.
    hat ſogar das neuh. namentlich haupt (ſt. haubt) man
    vgl. oben ſ. 313. 314. das nord. pt. und unten bei den
    gutt. über ht. — ε) gefühlter und allgemein gültig
    ſcheint der wiewohl ſeltne inlaut -ts ſtatt -des; im
    Parc. wird durchgehends âbents f. âbendes geſchrie-
    ben (z. b. 67b 119b. c. 133c) vgl. untƷ (59b f. undeƷ,
    unde daƷ) ietſwëder, ëtſlich, ëtſwenne (ſ. unten beim
    pron.). Anderwärts freilich lands (67b) wo lieber lan-
    des zu leſen. Der fall eines analogen -ps, -cs würde
    zumahl bei anlehnungen vorhanden ſeyn, gewöhnlich
    findet ſich obſe, lobſe, magſe (oben ſ. 378.) ſeltner
    opſe, macſe geſchrieben.
  • 4) Auch im anlaut ſind ten. med. aſp. geſchieden und
    wiederum macht hier die med. anſtand, indem ſie
    von gewiſſen auslauten des vorhergehenden wortes be-
    [381]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    rührt übergänge in die ten. erleidet *) Dies iſt notke-
    riſche regel, der ich oben ſ. 131. zu voreilig alle an-
    wendung aufs mittelh. abgeſprochen hatte. Sorgfälti-
    gere betrachtung des ſ. galler Parc. und des münchner
    bruchſtücks (Docen 2, 111. 112.) lehrt das gegentheil.
    α) am deutlichſten beim lippenlaut; auf vocal und liq.
    folgt die med. vgl. dô bat (40a) âne bart (108b 12 [...]a)
    zorne balt (88b) ditze bort (46a) ſîne bruſt (9a) du biſt
    (34a) ſol brëchen (38c) mueƷen bûwen (68b) han-boum
    (46c) ein bette (46a) er bat (39c) der burgære (46a) etc.
    auf die übrigen conſ. aber ten. vgl. zwelf prôt (45c)
    quëcprunne (147c) niht paƷ (40a) niht pûwen (39b)
    wart palt (88a) wueſtet pürge (47a) ganz offenbar zie-
    hen die auslaute ſ und ch (vgl. ſ. 335.) ten. nach ſich:
    des part (108a) ſus pant (107b) pfades pan (67c) hal-
    ſpërc (62c 138a) ëƷ prach (46b) daƷ pin ich (132b)
    daƷ prôt (40a) ich pin (6c 36c 63c 78a 106c 126c 131c 161a)
    durch peiƷen (67c) noch paƷ (58a) noch prôt (44c) mich
    pat (39b) etc. Und im münchn. Parc. ſich paƷ (wo ſ.
    gall. 39a ſich baƷ) nâher baƷ, ein blôƷ, wære breit. —
    β) beim zungenlaut größere unſicherheit, der ſ. gall. Parc.
    bietet wohl gar keine übergänge, der münchn. in dem
    kleinen ſtück nachſtehende: verlôs ten, ërƷ tô, ëƷ
    ter, unt tës, unt taƷ, ûf tër, wo ſ. gall. 39a. b. jedes-
    mahl med. zeigt; mit ten, mit tiu f. mit den, mit
    diu auch zuweilen in andern hſſ. mit ter hant. mit
    ten armen, (Iw. heidelb. 4446. mit ten) wo man auch
    inclination mitter hant etc. annehmen könnte (vorhin
    ſ. 378.), nur daß ſie dann keine inlautende med. ſon-
    dern vielmehr aſſimilierte ten. hervorbringt. Ein an-
    deres beiſpiel M. S. 1, 101a mit trîunge (ſt. drîunge).
    Auch kann man die fälle des ſich der zweiten perſ.
    anlehnenden dû (biſtu, hâſtu, mahtu, ſoltu etc. wor-
    über mehr bei der conj.) hierher rechnen. — γ) noch
    ſeltner ſcheint die gutt. med. umzulauten, ſelbſt jenes
    münchn. bruchſtück ſchreibt parzivâles gër, keines
    gürtens, turns gupfen, nicht kër, kürtens, kupfen
    und da ſich unten beim kehllaut zeigen wird, daß
    die ten. im mittelh. gewöhnlich die ſtelle der ſtrengalth.
    aſp. einnimmt (was ſich beim lippen und zungenlaut
    unanalog verhält) ſo kann auch nicht wohl k für g
    [382]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    ſtattfinden. Merkwürdige ſpur des notkeriſchen ge-
    brauchs zeigt ſich jedoch in der ſchreibung enkëlten,
    enkalt (Parc. 88b 118a 135c und ſicher öfter, da ſie
    auch Nib. hſſ. 3392. 3588, [8867 enckëlden] gewähren
    und das alte münchn. fr. Wilh. 2. 74b enkultet ir lieſt)
    f. engëlten, engalt, welches lediglich aus einem frü-
    hern ent-këlten, ent-kalt aufzuklären iſt (O. int-
    gëltan, N. aber in-gëlten; nicht unanalog ſcheint
    enpfâhen, enpfliehen, enpfinden f. entfinden, entflie-
    hen, entfâhen; das nähere bei der ſchwankenden vor-
    ſilbe int-, in-) eben ſo wenig verwundern darf lant-
    crâve (Nib. 8384. EM) oder burg-crâve (Parc. 10c)
    ſt. des gewöhnl. burc-grâve; das leichtl. fr. der Nib.
    lieſt 1042. 1074. 1079. 1088. und durchgehends hôch-
    kezît, während es übrigens immer ge ſetzt (auch
    hôchgemuot 1150. 1181.) — Aus den belegen erhellt
    a) daß nur vom umlaut der anlautenden med. in die
    ten. die rede iſt, die ten. ſelbſt aber unverändert be-
    ſteht. Da p bloß in fremden wörtern anlautet (pîn,
    palas, porte *), k aber, wie ich eben bemerkte, in
    die aſp. ſchwankt; wird dieſer ſatz beſonders für den
    zungenlaut wichtig. Neben tohter, tump, tac etc.
    kann nie ein dohter, dump, dac gelten, wenn ſchon
    vocaliſche oder liq. auslaute vorhergehen; mit andern
    worten, mittelh. t, das dem goth. d entſpricht, lautet
    nie in d um, wohl aber das dem goth. þ entſprechende
    d in t **). b) eingangs der ſätze und zeilen gilt über-
    all med., nicht wie bei N., ten.; ſelten verſtößt der
    ſ. gall. Parc. hiergegen und prât, pillîcher (52a 97b)
    ſcheinen fehlerhaft. c) überhaupt mag den ſchreibern
    das bewußtſeyn der regel fehlen, da neben jenen
    beiſpielen, wo die ausſprache auf das richtige führte,
    genug andere widerſtrebende vorkommen, theils b
    [383]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    für p. daƷ bette (46c) des bettes (134a) ich bin (9c
    110c 113b) mich batƷ (109c) und ſonderbar im münchn.
    fr. nih bûwen ſt. des ſ. gall niht pûwen *) etc. theils
    p für b, als: ein partohtr (127a) einen plâwen (140a)
    ſî prâhte (92a) niemen pier (48b) der pruſt (1c) etc.
    und ſo im münchn. fragm. d für t, lieƷ durch, ſtuont
    dâ, ſprach dër etc. Die vergleichung der älteſten mit-
    telh. hſſ. wird weiter führen, anſtößige ſtellen des ſ.
    gall. Parc. berichtigte gerade das münchn. bruchſtück;
    nach Beneckes verſicherung iſt im gieſſ. Iw. der grund-
    ſatz nicht zu ſpüren. Gleichwohl wird man ihn in
    critiſchen ausg. der frühſten mittelh. werke zu berück-
    ſichtigen, wo nicht durchzuführen haben. Zuſ ſetzun-
    gen, alt begründete ſchreibungen oft erhaltend, zei-
    gen in guten hſſ. worin ſonſt durchaus die med. gilt,
    (andere ſchwärzen überall p ſtatt b im anlaut ein)
    gern jene ten.; man vgl. hals-përc, wilt-præte, quëc-
    prunne, hôch-kezît etc., in hſſ. die wahrſcheinlich
    boten-brôt, horn- boge etc. leſen. Einzelne zeugniſſe
    für die regel (Nib. leichtl. 1119. unt pouge, Triſt. 96c
    gewis pin etc. Maria 361. meres piuge, 172 dâvîdis
    purge 28 alleƷ daƷter etc.) beweiſen bei dem übergewicht
    untreffender fälle weniger; widerſinniger wechſel, wie
    kanvôleiƷ, ganvôleiƷ (Tit. 40. 41.) gar nichts, die rich-
    tige lesart iſt kanvôleis (Parc. 14c).
  • 5) über gemination der conſ. finde ich zu erinnern α) ſie
    tritt nie auslautend, nur inlautend ein (wie ſchon
    im alth.), ein im allgemeinen unorganiſcher grundſatz,
    vermöge welches ſich wan (acquiſivit) und wan (va-
    cuus) val (caſus) und val (pallidus) ſwam (natavit)
    und ſwam (fungus) war (impedivit) und war (obſer-
    vatio) etc. nachtheilig vermiſchen. Gleiche ausſprache
    müßen aber die vereinfachten auslaute mit den an ſich
    einfachen gehabt haben, da beide unbedenklich und
    allerwärts aufeinander reimen, vgl. oben ſ. 122.
    Unorg. gemination des inlauts ſcheint gerade auf
    unorg. vereinfachung des auslauts gewirkt zu haben;
    die ſprache gewöhnte ſich beide fälle nach gleichem
    maße zu meßen und indem ihr der geminierende in-
    laut geläufiger wurde, wurde es der einfache auslaut.
    Es iſt ſchon vorhin ſ. 378. angemerkt, daß die regel
    [384]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    von ausl. ten. und inl. med. analog ſey; val, vales
    verhält ſich zu ſtrît, ſtrîtes wie bal, balles zu leit, lei-
    des; der lab. und kehllaut verſtattet die völlige ver-
    gleichung nicht, weil ihm die inl. ten. abgeht. —
    β) den urſprung unorgan. geminationen theils aus einf.
    conſonanz mit folgendem i, theils aus andern ältern
    conſ. verbindungen beurtheile man nach den ſ. 123. 148.
    167. 193. gegebenen grundſätzen. Beiſpiele unten bei
    den einzelnen lautreihen, hier faße ich die progreſſion
    der gem. (ſt. des ältern einf. conſ.) ins auge; zu er-
    kennen aber iſt ſie mit ſicherheit aus den reimen, weil
    ſie klingende ſtatt der früheren ſtumpfen zeugt, alſo
    genau mit dem vorſchreiten des klingreims überhaupt
    zuſ. hängt. Zwar heißt es noch ſtets hamer, kamer
    (beide ſtumpf) nicht hammer, kammer, noch ſtets
    drum (fragmen) drumen (frangere) etc. aber bereits
    ſchwankt es zwiſchen himel und himmel, vgl. himele:
    ſimele (ſchmiede 551): mimele (memel, livl. chr. 46b
    52b) dagegen ſchimmel: himmel (M. S. 2, 224b); ſogar
    imme: ſtimme (M. S. 1, 29a) ſt. des gewöhnlichen
    ſtumpfen ime:nime (troj. 32b 38a wo man auch leſen
    könnte im:nim); zwiſchen ſumer und ſumm r, letz-
    ters dem reim auf kummer, welches ſelbſt für kumber
    ſteht, zu gefallen (a. Tit. 82. M. S. 1, 55b 194a 2, 19b
    103b); das beßere ſumer würde ſtumpf auf frumer
    reimen. Mit immer verhält es ſich eigen; aus dem
    ältern iemer, niemer *) noch im reim aufeinander (M. S.
    1, 67b 71a 189b 2 [...]4a troj. 17c 133a etc.) ſcheint ſich frühe
    ein ſtumpfes imer, nimer (außer reim a. Tit. 76. 79.
    107. Parc. 118c etc.) daraus ein klingendes immer, nim-
    mer (Parc. 79c M. S. 2, 134a 177b 180a 219a: zimmer,
    timmer ſt. zimber, timber und Nib. 235. im einſchn.)
    zu entwickeln. Ähnliche übergänge des t in it; bei
    den guten, älteren dichtern beſtändig noch ſite (mos)
    mite (praep.) riten, liten, geriten. geliten etc. ſtumpf-
    reimig; bei ſpätern zuweilen ſitte, mitte, ſitten, ge-
    ſnitten, erlitten, klingend und auf ſmitte (fabrica)
    vgl. M. S. 1, 29a 2, 47b 161b 189a etc. Seit ritære (mi-
    les) in riter geſchwächt wurde, ſcheint es meiſtens
    ritter zu heißen, im reim: bitter (troj. 27a M. S. 1, 37a
    2, 166b) verſchieden von rîter (neuh. reiter,): wîter
    [385]I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
    (Wilh. 1, 107b). Dieſe beiſpiele belegen hinlänglich die
    progreſſion der gem.; meiſtens aber muß ſie als reimge-
    fällige *) ausnahme, die einf. conſonanz hingegen als
    regel betrachtet werden. — γ) jeder gem. muß ein
    kurzer vocal vorhergehen (oben ſ. 198.). Bei dieſer ge-
    legenheit einige worte über ff und ƷƷ, die ich ſ. 133.
    149. 169. für unrichtig erklärt habe, im mittelh. aber,
    der überwiegenden ſchreibung alter hſſ. halber, beibe-
    halte. Die einfachen zeichen f, Ʒ für den aſpirierten
    lippen- und zungenlaut verführten zur gem. nach ana-
    logie der übrigen wirklich einf. conſ., unfolgerecht
    dazu, weil man ch nicht geminierte. f. Ʒ. ch bilden
    eine linie, alle drei ſtehen nach langem ſowohl als
    kurzem voc. und in letzterm fall wirken ſie ſtets po-
    ſition; anders ausgedrückt, auf f. Ʒ. ch. kann nie ein
    ſtummes e folgen **). Durch die alth. einführung der
    aſp. an ſtelle der goth. ten. gieng der ſprache eine
    bedeutende anzahl alter kürzen verloren, wie zumahl
    die ſtarke conj. bewährt, im goth. grip-un, it-an,
    bit-un, brik-an waren die erſten ſilben kurz, im
    alth. grif-un, ëƷ-an, biƷ-un, brëhh-an wurden ſie
    poſitionell ***). Man darf vielleicht ein nachgefühl der
    alten ungehemmten kürze auf die anwendung der
    gem. in griff-en, ëƷƷ-en, biƷƷ-en einwirkend zu-
    geben; das princip der gem. mahnte an beſtimmt
    kurzen vocal, die poſition war aus der ſilbe nicht zu
    entfernen, d. h. biƷƷen:wiƷƷen, waƷƷer:laƷƷer,
    aƷƷer (f. aƷ ër) reimen nicht klingender als biƷen:
    wiƷen, waƷer:aƷer und die inclination fordert nicht
    einmahl äußerliche gem. (oben ſ. 371.) da bater (bat
    B b
    [386]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
    ër):vater ſtumpf reimt. Der (ſ. 376.) angeführte in-
    reim haƷ-ent: baƷ ſpricht ſogar für die ſchreibung
    des einf. zeichens.

(L. M. N. R.) liquidae.

Beim l zu merken, daß es in ſehr ſeltnen fällen r
vertritt und durch n vertreten wird (oben ſ. 122.). Jenes
in kilche bei Walther, Nith. (1, 103a 105b 2, 72b) Amur 50;
alle hſſ. der Nib. und Maria 84. 101. 210. haben chirche.
Wechſel zwiſchen l und n findet ſich in knobelouch
(Barl. 265.) alth. chlobilouch und enelende f. ellende (cod.
pal. 361. 6[8]b 69c etc.) alth. elilendi. Neben ode, oder,
ſehr häufig alde (oben ſ. 123.) zwiſchen l und r nur in ei-
nig n ableitungsendungen abwechſelung, z. b. pfellel,
pfeller, vgl. friedel:lieder (M. S. 2, 78b). — Der auslaut
m hat ſich nicht nur längſt in allen flexionen (die dat.
ſg. ausgenommen) zu n geſchwächt, er thut es jetzt auch
oft in wurzeln bei Walther, Rud. Strick. Conrad etc. vgl.
hein, ohein: bein, ein, ſchein etc. (M. S. 1, 105a Karl
14b 39b troj. 112a 115c Frig. 21b Nib. nur 4020c) ruon:
tuon (Bit. 62b) lein:ſtein (Barl. 318.) lan:kan, arn:gevarn
(Reinfr. 16a 2 [...]d etc.) kan, nan:han, an (Boner 8. 26.)
nichts dergl. bei Veld. Herb. Wolfr. Hartm. Wirnt., Gotfr.
etc. Doch gilt auch jenen u nur als ausnahme im reim
d. h. theils reimen die ächten m daneben, theils ſtehen
dieſe außer dem reim, es ſey denn, daß gewiſſe zuſam-
menſetzungen (die nach ſ. 379. keinen inlaut erzielen)
ein ſolches n zeigen, vgl. heinlich, heinrich, heinmuot
heinmuete (die ganze form misgebriff ſtatt heimœte alth.
heimôdi, vgl ſ. [...]59. über ô und uo). Inlautend wird das
unorg. n wieder zu m, lein, leimes (nie leines) *) und
nur die ſpäteren Reinfr, Boner, etc. geſtatten es ſich vor t,
vgl. nint, kunt:ſint, ſtunt; den althergebrachten reim
künic:frünic (Wilh. 2, 21b Wigal. 16. Wigam. 26b) rechne
ich nicht dahin, vgl. Maria 186. Rother (mehrmahls)
Ben. z. Wig. p. 438. übrigens auch Nib. 507. frum:ſun;
man ſchreibe alſo frümic, wie Bit. 94a 130b grîmen:ſchî-
nen, heime:eine. Es iſt unleugbar, daß jene aus-
lautenden n der ausl. ten. ſt. med. und der einf. conſ.
ſt. der gem. parallel ſtehen, d. h. theoretiſch; nicht ganz
practiſch, weil beide letztere fälle als regel durchgreifen,
[387]I. mittelhochdeutſche conſonanten liquidae.
der auslaut n aber als bloß ausnahmsweiſer verſuch daſteht,
der, ſo begründet er geweſen iſt, in der ſprache nicht
durchdrang. Im neuh. hat ſich der org. auslaut aller
dreier fälle wiederhergeſtellt, es heißt aus gleichem
grunde gab, ſchwamm, heim, nimmer gap, ſchwam,
hein. Dieſe gleichheit und ungleichheit der drei fälle
beweiſt mir ihre unorganiſche natur. Anßerdem fol-
gere ich: m iſt ein lebendigerer, f inerer laut, als n,
wie die med. feiner ſind als die tenues; die verwand-
lung des m in n kann man zwar ſchwächung zugleich
auch vergröberung nennen. — Inlautend fällt n ſelten,
doch zuweilen fort, namentlich wird aus ſint (poſtea)
und përmint mit verlängertem i ſît, përmît; einige
brauchen ſint und ſît, andere nur eins von beiden, hänfig
iſt ſint Nib. klage, Bit. Gndr. etc. Allgemein gelten
honec und künic, künigîn, küniginne ſt. der alth. chu-
ning, chuninginna; dagegen pfenninc (nicht pfennic).
Die merkwürdige apocope des n vom inf. iſt thüringiſch
(ſ. das mittelniederd.) nicht rein mittelh., wohl aber die
unterdrückung des n bei inclin. wir. Davon, ſo wie
von einſchaltung des n in die II. pl. (nëment f. nëmet)
bei der conjug. — Vom ſchwankenden verhältniß
zwiſchen ſ und r in der ſtark. conj. vgl. oben 343
und unten beim ſ. Einige partikeln apocopieren r; all-
gemein dâ (ibi) wâ (ubi) hie (hîc) ſâ (illico) alth. dar, huar,
hiar, ſâr [man unterſcheide dar, illuc, war, quorſum, hër,
huc; alth. dara, huara, hëra]; mê (magis) nur gewöhnlich,
Wolfr. und andere ältere gebrauchen noch mêr. In der
zuſ. ſetzung iſt das r oft erhalten, vgl. dar-umbe, dar-
inne, hier-inne etc. bei dar- ſind noch unterſuchungen
nöthig, ob es in einzelnen fällen dâ oder dar bedeutet,
z. b. dar-zuo iſt offenbar das alth. thara-zua, dar-an
(ibidem) das alth. thar-ana *). — Die ſilbe er wird (im
ſ. galler Parc., ſeltner in andern hſſ.) bisweilen zu re
verkehrt, wenn im anrührenden unbetonten auslaut vo-
cal oder n und r vorherſtehen, an welche ſich die fol-
gende partikel anlehnt. vgl. dorebeiƷte (125c 131b) al-
hirechorn (139a) ſirechanten (187a) direbeiƷten (188c)
unrechant (149a) wirreſlagen (139a) errehôrte (145a) der-
rehôrte (46c) ërreſach (39a) errechant (126a) errebeiƷte
(52b) etc. ſt. dô erbeiƷte, ſì erchanden, alhie erchorn,
B b 2
[388]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
unerchant, wir erſlagen etc. Analog iſt die umkehrung
des en in ne, vgl. donewas ſt. dô enwas und die kür-
zung der ie, î, ô in i, o (oben ſ. 372.). Geht die an-
lehnung nicht an, z. b. lehnt ſich das vorſtehende wort
ſelbſt ſchon an ein früheres, ſo iſt die umkehrung un-
zuläßig, vgl. dener erwarp; dô reiter, er newiſte (Parc.
108a). In decl. flexionen wird eine ähnliche umſetzung
des er und en nachgewieſen werden, anderre f. anderer,
vanne f. vanen etc. — Ausgeworfen wird r vor l in
wëlt (:gëlt Barl. 96. 130. M. S. 1, 157a etc.) ältere (Wolfr.
Wirnt etc.) gebrauchen noch durchgängig wërlt (:ge-
bërlt M. S. 2. 233a Lohengr. 84. 191.); über went f. wel-
lent unten bei der anomalen conj. Noch härtern ausſtoß
des wurzelhaften m erlaubt ſich der dichter Reinfrieds,
welcher oft nën:gën (nëmen, gëben): dën (eum) und
kon (komen):von reimt; dergl. ſonſt höchſt ſelten, das
vorhin aus den Nib. angeführte frun (frumen) : ſun ab-
gerechnet. — Auf einen gegenſatz des m und n zum l
und r (inſofern dieſe liq. geminieren oder noch andere
conſ. auf ſie folgen) hätte ich ſchon beim alth. weiſen
ſollen; nämlich alsdann erhält ſich vor m und n das alte
u und i, nicht ſo vor l und r, das heißt es gibt in deut-
ſchen *) wörtern keine -omm, -onn, -omp, -ont,
-ëmm, -ënn, -ëmp, -ënt etc. ſondern nur -umm,
-unn, -ump, -unt, -imm, -inn, -imp, -int etc.; wohl
aber gibt es -orr, -orn, -ërr, -ërn etc. neben -urr,
-irr etc. Vor einfachen m und n drängt ſich das o und
ë gleichfalls ein.


liquide geminationen. (LL) organiſch, wenigſtens
alt, zum theil noch dunkel ſcheinen: all (omne) galle
(bilis) vallen (cadere) wallen (fervere) **) kallen (garrire)
prallen (vibrari) ſchallen (intonare) bal, balles (pila) balle
(muſculus pollicis) ſtal, ſtalles (ſtabulum) gëlle (pellex,
aemula) bewëllen (maculare) ſchëllen (tonare) hëllen
(ſonare) gëllen (clamare) ſwëllen (tumere) bëllen (latrare)
drëllen u. a. dergl. ſtarke verba; ſnël, ſnëlles, vël, vëlles
(cutis) villen (cutem caedere) ſtillen (pacare) billen
[389]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
(ſculpere) *) grille (grillus) knolle (globus) wolle (lana) vol,
volles (plenus) hirn-bolle (cranium) troll (daemon) n. ähnl.
(oben ſ. 335.) Unorganiſch ſind 1) aus li entſprungen:
ellen (robur) helle (tartarus) geſelle (conſors) ſtellen (po-
nere) wille (voluntas) welle (velim) hüllen (tegere) etc.
2) aus ld erweiſlich nôt-geſtalle (amicus, neceſſarius)
deſſen pl. auf gallen, allen, vallen reimt (Parc. 112b
Frig. 22b fr. belli 31b) bei Conrad aber (ſchwanr. 685.)
nôt-geſtalden:balden lautet (wurzel das goth. ſtaldan,
genauer folglich im mittelh. nôtgeſtalten). Recht merk-
würdig, weil ſchon im alth. nôtigiſtallo, nôtſtallo (O. IV.
16, 8. und Ludw. lied) gilt. Für nâlde, nolde (acus)
könnte zwar nolle eintreten, wenn nicht ſtatt jenes ſelbſt
das org. nâdel **) gemeinmittelh. form wäre. 3) zu wal,
walles vgl. das goth. waddjus und lat. vallum. — (MM)
organiſch: klimmen (ſcandere) limmen, brimmen (ru-
gire) krimmen (ungulis rapere) ſwimmen (natare) ſtam,
ſtammes (ſtipes) hamme (ſuffrago). Nachzuweiſen der
entſprung 1) aus mb (mp) in wamme (venter) lam, lam-
mes (agnus) kam, kammes (pecten) krum, krummes,
timmer (obſcurus) zimmer (ſtructura) klemmen (premere)
kummer (dolor) imme (examen apium); einzelne ſchwan-
ken, bei ältern dichtern ſteht gewöhnlich lamp-bes,
ſwamp-bes, krump-bes, kumber, timber, zimber und
auch bei den ſpätern noch tump-bes, ſtump-bes, umbe
etc. Früh aber ſchon wamme, kaum wambe. Für ambet
(alth. ambaht): verchlambet (a. Tit. 8.) gilt ſpäter theils
ampt, theils amt (:ſchamt, ſamt, zamt. M. S. 2, 148b 176a
und ſo Conr. Rudolf [Barl. 383. 384.] etc.). Für ſumber
(tympanum) habe ich nie ſummer gefunden. 2) aus mn
(nämlich m-n) ſtimme (vox) goth. ſtibna, alth.? ſtima-
na, ſtimna, ſtimpna (vgl. das ſächſ. hëbhan mit himil
oder das alth. hraban mit ſächſ. hrämn N. ram, rammes
und dem öſtr. ramm. Aehnlich ſammen (im Tit.) aus
ſamnen, verdammen aus damnen, im 12. jahrh. noch
ſampnon:dampnon ***). 3) aus einf. m:grim, grimmes
[390]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
(ſchon alth. überall mit mm) nord. grimr; vgl. gris-
grammen:enpflammen (troj. 92c) aber erſt im 13. jahrh.
entwickeln ſich die vorhin ſ. 384. angeführten immer,
himmel etc. 4) fremde wörter: amme, flamme, gimme,
ſumme etc. — (NN) alt und organiſch ſind: die ſtarken
verba brinnen, ſpinnen. gewinnen etc. ſpannen, bannen
(doch mit einf. werdendem n des praet., wie vorhin bei
vallen. wallen) tanne (abies) tan, tannes (ſilva) man,
mannes (vir) kinne (mentum) zinne (pinna) tinne (tem-
pus cap.) minne (amor) inne, brunne (fons) ſunne (ſol)
dünne (tenuis) tenne (area) trünne (agmen) ſpünne
(uber) etc. einige darunter dunkel; wanne wohl das
fremde vannus, auch pfanne (patella) obgleich alt, un-
deutſch? Unorganiſch 1) aus ni:henne (gallina) brünne
(lorica) künne (genus); vielleicht auch obige ſpünne,
trünne. 2) aus mn (m-n) nennen (goth. namnjan, alth.
nemnjen, nennjen, nennen, aber noch chinamno l. 351.
mittelh. genanne und genenne; ebenwohl wie vorhin
mm. aus mn. hätte die form nemmen erwachſen kön-
nen und iſt wirklich in einigen alth. quellen vorhanden.
3) aus nt, nd; nämlich pfenninc, das im alth. zwiſchen
pfentinc (gl. hrab) phending (T. 126.) phenning gl.
monſ. und T. 138.) und pending, penthing (O. III. 14,
182.) ſchwankt; vielleicht kanne aus cantharus? — (RR)
organiſch in den ſtarken verbis wërren (impedire) kër-
ren (grunnire) etc. in den ableitungen ſperren (claudere)
zerren (distrahere) lerren (vexare) geſchirre (ſupellex)
auch wohl in narre (ſtultus) ſnarren (ſtrepere) garren
(Vriberg 38b) barre (repagulum) ſnurren (ſonum tremu-
lum edere) ſtorre (truncus, Georg 15b Wig. 215.) nähere
aufklärungen vorbehaltlich. Unorganiſch 1) aus rs, als
irre (erroneus) dürre (torridus). 2) aus rn, vërre (pro-
cul) woneben ſehr ſelten vërne (:gërne M. S. 1, 53b) *)
hingegen allgemein ſtërne (ſtella), die ſchreibung ſtërre
iſt nicht rein mittelh. ſondern der mundart O. und T.
entſprechend, welche ſtërro ſagt; ſtrengalth. ſtërno (N.
[391]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
gl. monſ. etc.) altſ. ſtërro, angelſ. ſtëorra; nord. und
goth. ſtiarna, ſtaírnô. Auf alle ſolche gegenſätze ver-
dient für die geſchichte der dialecte ſehr geachtet zu
werden. Verwandt möchte aber virne (remotum? vetus)
mit vërre ſeyn, obwohl goth. bereits faírni von fairra
unterſchieden wird. 3) aus einf. r. harren (attendere)
ſtarren (oculos figere) ſcharren (radere) fofern das nord.
ſtara, hara, ſkara dafür beweiſes genug iſt, für türren
das goth. daúran. 4) durch ſyncope hërre aus hêriro,
mërre aus mêriro (Triſt. 10c Flore 55a. c). 5) fremde
wörter: pfarre, mirre, karre, pforre (porrum) etc. —


labialverbindungen, hier anders geordnet als ſ. 124.
125. a) die der liq. mit liq. ſind unbedenklich; LM.
halm (culmus) galm und gëlm (ſonitus) qualm (nex)
walm (fervor) hëlm (caſſis) melm (pulvis) ſchëlme (peſtis)
kein -ilm, -olm, -ulm. LN häufig aber ſtets unorga-
niſch, durch ſyncope des ſtummen e verurſacht, vgl.
maln, zaln, weln, hëln etc. von RL. gilt dasſelbe, es
findet ſich nur in den eigennamen arl, karl und in përle,
das im Tit. auf ſtërle (ſtellula) reimt. — RM. arm (bra-
chium, pauper) barm (ſinus) warm (calidus) harm (do-
lor) harm (mustela) darm (viſcus) ſwarm (examen) varm
(filix) marmels (ſopor troj. 79a) ſchërm (tutela) ſchirmen
(tueri) gehirmen (quieſcere) tirmen (im Tit. determinare)
ſturm (procella) wurm (vermis) murm, murmer (mur-
mur), kein deutſches -orm. RN. barn (infans) garn (fi-
lum) arnen (remunerari) warnen (advertere) gërne (li-
benter) ſtërne (ſtella) kërne (nucleus) lërnen (diſcere)
ſchërnen (illudere) hirne (cerebrum) ſtirne (frons) virne
(vetus) enkirnen (enucleare) dorn (ſpina) horn (cornu)
zorn (ira) korn (granum); außerdem viele, gleich dem
ln, aus ſyncope entſprungene, als varn, ſparn, bern,
bërn, geborn etc. Vom übergang des rn in rr bei die-
ſem. — b) ſteht liq. vor lab. ling. gutt.; ſo macht das
verhältniß der ten. und med. bedenken. Nämlich nach
der regel ſ. 377. iſt auslautend nur ten. zuläßig, die dop-
pelter art, bald organiſch, d. h. auch im inlaut blei-
bend, bald unorganiſch, d. h. inlautend in die med.
rückkehrend ſeyn wird. Hiernach gibt es alſo auslau-
tend nur lp. lt. lc. rp. rt. rc. mp. (kein mt. mc.) (kein np)
nt. nc und nie ein lb. ld. lg etc., das ſteht feſt, die be-
lege ergeben ſich aus den inlauten, man verwandle nur
jede liq. mit med. in auslautende liq mit ten. Die in-
laute für den lab. und gutt. laut beſtimmen ſich leicht,
[392]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
es ſind folgende: lb. rb. mb [kein lp. rp. mp *), weil
p. nicht inlautet] lg. rg. ng. lk. rk. nk (k und c ſind
von gleicher bedeutung, letzteres ſchreibe ich aber aus-,
erſteres inlautend). Belege. LB. ſalben (ungere) halben
(dimidium) alben (alpibus) kalbes (vituli) elbe (albis)
elbeƷ (cignus) gewelbe (camera) ſëlben (ipſum) kein
-ilb -olb -ulb. RB. darben (egere) garbe (manipulus)
erbe (heres) biderbe (integer) ſchërbe (fragmen) wërben.
verdërben. ſtërben. zirben (volutare) korbe (corbi) ſur-
ben (n. gentis) MB. vorhin ſ. 389. bei mm. angeführt.
LG. balge (folle) walgen (volutari) bëlgen (iraſci) folgen
(inquinare) volgen (ſequi). RG. argen (ignavum) kargen
(avarum) zarge (ſepimentum) bërgen (tueri) twërgen (nanis)
morgen (mane) ſorge (cura) worgen (premi) borgen (fide-
jubere) burgen (urbibus); Wolframs nur im auslaut vor-
kommendes kurc (manifeſtus ſt. küric acc. kurgen?) be-
ruht auf ſyncope; dunkel iſt mir frîmurc (Wilh. 1, 136a)
lurc (M. S. 2, 199b) könnte aber wie kurc f. lüric ſtehen
oder gehörts zu lërc (ſiniſter)? Über verge, ſcherge un-
ten beim j. NG. ange (anguſte) lange (longe) ſtrange
(fortiter) gange (eat) hange (pendeat) bangen (angi)
ſlange (ſerpens) ange (cardo) angel (hamus) zange (for-
ceps) wange (maxilla) ſange (manipulus) mange (ma-
china bell.) mangel (penuria) ſpange (fibula) mengen
(miſcere) pfrengen (arctare) dringen. ſingen. ſprin-
gen. lingen. twingen. bringen. ringen. dingen. ginge
(deſiderium) vinſterlingen (adv.) vinger (digitus) rin-
ger (levior) jungen (juvenem) zunge (lingua) ſtunge
(incitamentum) lunger (celer) hunger (fames) tunge (gra-
viter); kein ëng, ong. LK. balke (trabs) kalkes (calcis)
falke (falco) ſchalke (miniſtro) walken (verberare) mël-
ken (mulgere) folke (genti) tolke (interpres) wolken
(nubes) molken (ſerum). RK. arke (ciſta) ſarkes (ſar-
cophagi) barke (cymba) ſtarken (fortem) verterken
(obſcurare) merken (obſervare) wërke (opere) lërken (ſi-
niſtrum). NK. danken (gr. agere) wanken (titubare) van-
[393]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
ken (ſcintillis) kranken (aegrotum) franken (franci) blan-
ken (albis) lanke (latus) anker (anchora) enkel (talus)
ſchenkel (poples) benke (ſcamna) ſchenken (donare) ge-
lenke (articulus) trinken. hinken. ſinken. winken. pin-
ken (ſcintillare kolocz 278.) rinke (fibula) vinke (frin-
gilla) vlinke (ſquamula aeris ſplendentis) zinke (dens,
cornu) tunke (abyſſo) unke (ſerpenti) dünken (videri)
dunkel (obſc.) karfunkel. kunkel (colus). — Schwierig-
keit entſpringt bei dem zungenlaut; nach der theorie
ſollte, den auslaut t ſowohl für das goth. d als für þ
zugegeben, in jenem fall der mittelh. inlaut t bleiben,
in dieſem zur med. d werden, es folglich heißen alter
(alds) herte (hardus) ente (andeis) und balder (audax)
wërder (vaírþs) finden (finþan). Allein die mittelh.
mundart vermag nicht, was ſchon die alth. nicht mehr
vermochte (vgl. ſ. 160.); den zweiten theil der regel be-
achtet ſie genan und ſchreibt niemahls balter, wërter,
finten, hingegen drängen ſich häufig inlautende unorg.
d. ſtatt t nach l. ein, ſchreibung und reime ſchwanken
zwiſchen ld. lt; rd und rt unterſcheiden ſich in der re-
gel fortdauernd; nach n hat ſich d entſchieden feſtge-
ſetzt, es gilt in deutſcher labialverbindung faſt kein
inlaut nt*), Das nähere werden die belege geben; übri-
gens vgl. man das angelſ. ld für ld und lþ (ſ. 252.) ſo
wie das nord. rd für rd und rþ (ſ. 315.). LD. LT. α) or-
ganiſche ld, wofür nie lt: nâlde, (acus), nâlden:
ſâlden Herb. 44b gl. jun. 291., gewöhulich nâdel, ſtreng-
alth. nâdala, bei T. 106. nâlda) balde (mox) walde
(ſilva) halde (proclivitas) vëlde (campo) gevilde. mëlden
(prodere) wilde (ſilveſtris) golde (auro) tolde (cacumen
arb.) holden (carum) ſolde (ſtipendio) dulde (feſtivitatis)
hulde (favor) ſchulde (debita) dulden (pati); keine wahre
verbindung iſt in bilde (imago) helde (heroes) bevilde
(ſepultura) etc. aber auch in ihnen ld. nothwendig. β)
org. lt, abwechſelnd mit unorg. ld: alten (ſeneſcere)
erkalten (frigeſcere) halten. ſchalten. walten. valten.
ſpalten. ſpëlte (tabula) zwiſpilten (duplicare) gëlten.
ſchëlten. ſëlten. ſchilte (clypeo) milte (largus) molte
(terra). Das ausnahmsweiſe ld belegen folgende reime
[394]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
alde:balde, walde (Wilh. 2. 72b 182b) gewalde:balde (M.
S. 2, 37b) nôtgeſtalden:balden (ſchwanr. 685.) walde:walde
(Ben. 86.) ſchëlden:mëlden (M. S. 1, 136a) ſchëlde:vëlde
(Herb. 90d) ſchilde:wilde (M. S. 2, 29b 37b) milde:bilde
etc. ja gute hſſ. ſetzen außer dem reim überall ſchilde, ſchil-
des (Parc. 50a 52a a. Tit. 79.) im reim ſchilte:bevilte (Parc.
51c Wilh. 2, 41a Wig. 209.) anßer reim häufig aldeſte (ſenior)
neben elter und alter (aetas) Parc. 2a. b mildecheit (Parc. 3a)
etc. Den weibl. eigennamen auf -hilt gebührte inlau-
tend ein lt, ſie pflegen aber ld zu haben. (RD) wofür
nie rt: werdes (inſulae) ërde (terra) wërde (fiat) wër-
den (dignum) wirde (dignitas) orden (ordo) morden (oc-
cidere) norden (a ſeptentr.) hordes (theſauri) bürde
(onus). (RT) arten (indolem aſſumere) garte (hortus)
harte (duriter) bartes (barbae) warten (curare) zarten
(demulcere) marter (cruciatus) verte (itineris) gerte (virga)
ſcherten (inciſuram fac.) ſwërte (gladio) hirtes (cuſtodis)
wirtes (cauponis) orte (cuſpide) worte (verbo) pforte
(porta) hurte (ictu) furte (vado) geburte (genere) gürten
(cingere). In rd. ſchwankt art, artes (indoles) wofür
die beſten hſſ art, ardes, arde; im reim kommts mit
rd. nicht vor, weil kein gegenreim da iſt. (ND) ande
(inimicus) hande (manuum) landes (terrae) pfandes (pig-
noris) rande (margine) ſande (arenâ) ſchande (confuſio)
zanden (dentibus) enblanden. ander. glander (ardens)
genenden (audere) menden (gaudere) ende (finis) ſenden
(mittere) wenden (vertere) olbenden (camelis) ſwinde
(fortiter) geſinde (famulitium) kinde (infanti) hinde
(cerva) linde (molliter) linde (tilia) winde (vento) rinde
(cortex) vinden. winden. binden. ſlinden. hinder (retro)
ſinder (ſcoria M. S. 1, 184b angelſ. ſindor, engl. cinder)
hunde (cani) grunde (fundamento) ſtunde (horâ) ſunde
(peccatum) urkunde (teſtis) unde (infra) unde (unda)
wunde (vulnus) munde (ore) munder (alacer) wunder
(miraculum) beſunder (ſeorſim) ſchünden (incitare) kün-
den (not. facere) zünden (incendere) etc. weder ënde
noch onde. Alle dieſe nd. ſind theils org. theils unor-
ganiſch. Um einige nd ſteht es ganz beſonders; ich
habe oben ſ. 154. unter den ſpuren des verbliebenen org.
t. die wörter wintar (hiems) und mantal (pallium) über-
ſehen, das goth. vintrus, ſächſ. vinter, mentel, nord.
vëtur, möttul lehren, daß im alth. die formen winzar,
manzal conſequent (und dem phlanze ſächſ. plante etc.
analog) geweſen wären, durchgängig aber heißt es win-
tar. Auch im mittelh. iſt nun an kein winzer, manzel
[395]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
zu denken, die beſten hſſ. ſchreiben nt und den älte-
ſten dichtern taugen beide wörter zu keinem reim (aus
mangel an gegenreim). Allmählig aber ändert man auch
dieſe inlaute nt in nd und reimt winder:hinder, linder,
ſwinder (Georg 31b 33b 54b Ben. 161. M. S. 1, 83b 192b
2, 72a 84b) mandel:wandel, gemandelt:wandelt (M. S.
214a 225a). Außer reim ſteht Nib. 3018. a. Tit. 82.
winder geſchrieben. — c) verbindungen mit ſpiranten
und aſp. LW. RW. keine wahre verbindung, ſondern
l-w, r-w, kommt nur inlautend vor, z. b. ſwalwe,
valwe, varwe etc. LS. hals (collum) gelſe (meiſterg. 11b
laqueus?) vels (rupes, aus felis) bilſe (hyoſcyamus aus
biliſa). MS. bims, (pumex, alſo bimis) ſims (prominen-
tia) trims (?H. Damen 66a). NS. gans (anſer) vlans
(roſtrum) grans (prora) panſen, ranſen (Wilh. 2, 30a)
vlins (ſilex) zins (cenſus) linſe (lens) dinſen (trahere)
uns (nobis) runs (curſus). RS. fërſen (calx) kirſe (cera-
ſum) birſe (ancilla? fragm. 42b) wirs (pejus) ors (equus)
türſe (gigas). LH. RH. nur inlautend, wird ausl. zu lch. rch;
beiſpiele malhe (pera) walhe (itali) befëlhen (commendare)
ëlhen (alcibus) zwilhen, drilhen (du-triplicare) bedol-
hen (Lohengr. 62.); vërhes (vitae) twërhen (transverſum)
vorhte (timor) worhte (texebat) furhen (ſulcis); ſämt-
liche lh. rh. beruhen auf ſyncope (alth. malaha — furi-
hum). LF. LV, zweierlei, theils in- und auslautend lf.
hëlfen (juvare) gëlf (ſuperbia) wëlfe (catuli); theils ausl.
lf, inl. lv. zwelf, zwelve, einlef, einleve, wolf, wolves
(lupus) colve (clava) pulver (pulvis). MPF. ſt. des
ältern mf, mph; kampf (pugna) tampf (vapor) ſtempfen
(tundere) krempfen (contrahere) gelimpfen (convenire)
ſchimpf (jocus) rimpfen (ringi) ſtrumpf (tibiale) ſtumpf
(truncus). NF. NV. ebenſo theils in- und ausl.
als hanf, hanfes (cannabis) theils inl. nv, als fünve
(quinque). RF. (kein rv) in- und ausl. wërfen, warf.
ſcharf (acer) harfe (harpa) dorf (villa) bedürfen, bedarf,
ſchürfen (excudere); einige ſetzen pf in ſcharpf etc.
(vgl. die labiales). LZ. ſalz (ſal) ſmalz (butyrum) halz
(claudus) valz (lamina) walzen (volutari) hëlze (capulus)
këlzen (ſuperbire? M. S. 2, 58a) milze (ſplen) vilz (pan-
nus coactilie) ſtolz (ſuperbus) holz (lignum) bolz (ſa-
gitta) kolzen (caligae, alth. kâlizjun K. 51b). NZ. ganz
(integer) tanz (chorea) kranz (corona) glanz (ſplendens)
ſchranz (fiſſura) ſwanz (cauda) pflanze (planta) ſchanze
(chance) lanze (lance) kanz-wagen (genus vehiculi,
Friſch ſ. v.) minze (mentha) ſprinze, glinzen (Georg 35b)
[396]I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
zinzel (M. S. 2, 80a) münze (moneta) unz (usque) lunze
(leaena) trunzûn (fruſtum). RZ. ſwarz (niger) harz (reſina)
ſnarz (emunctorium, meiſterg. 2a) mërze (martius) kërze
(candela) hërze (cor) ſmërze (dolor) ërz (aes) lërze (ſiniſtra)
ſtërzen (fallere) hirz (eervus) wirz (aroma) kurz (brevis)
wurz (herba) ſtürzen (praecipitari) ſchürzen (accingere)
lürzen (adulari). LCH. RCH. (kein nch) der ausl. des
vorhinangeführten inl. lh. rh, alſo walch (italus) ëlch,
ſchëlch (Nib. 3762.) befilch (commenda) march (equus)
ſtorch (ciconia) vërch, furch, durch (praep.) etc. Die
wahre aſp. ſteht nicht hinter l und r, ausnahmsweiſe
aber ſtatt der ten. z. b. ſchalch, ſtarch f. ſchalc, ſtarc
ſelbſt in reimen (ſ. unten gutt.) — d) verbindungen
dreier conſonanzen. NFT. ſt. des älteren mft: ſanfte
(ſuaviter) ranft (labrum) zunft (congregatio) kunſt (ad-
ventus) ſigenunft (victoria) vünfte (quintus). LST. gël-
ſter (veneficium) âgelſter (pica). NST. gænſterlîn (ſcintilla)
vinſter. gelinſter (Lohengr. 55.) kunſt. brunſt. runſt. ver-
nunſt. geſpunſt. verbunſt. RST. ërſt, hërſt ſt. êreſt, hêreſt.
virſt (culmen) vorſt (ſilva) borſt (ſeta) worſt (tricae. troj. 2a)
getorſte (audebat) durſt (ſitis) hurſt (nemus) fürſte (prin-
ceps) wurſt (farcimen) bürſte (pecten ſetaceus).


(P. B. F. V. W.) labiales.

Für ten. und med. reichen die allgemeinen regeln
aus (über auswerfung des b unten in der ſchlußbem.);
bei darſtellung der aſp. zeigen ſich dieſelben ſchwierig-
keiten, wie im alth., die ganze lautreihe iſt verſchoben.
Nämlich unerachtet das goth. oder ſächſ. p conſequent
in die aſp. übertritt (wie t in z) ſo wird das org. b
nicht überall zu p (wie doch d zu t), ſondern p hat
faſt nur im auslaut ſtatt und b bleibt an- und inlautend.
Folglich kann nun b nicht, wie es ſollte (und wie d das
goth. þ vertritt) die goth. aſp. vertreten und hier bleibt
wieder die aſp. ſtehen. Es muß daher zweierlei aſp.
geben.


  • 1) die erſte, der goth. ten. begegnende aſp. iſt bald ph
    bald f und ph ſcheint gänzlich in das triphthongiſche
    pf (pph) übergegangen. Zwar ſchreiben alte hſſ. wie
    der ſ. galler Parc. ph vermiſcht mit pf, ohne zweifel
    aber gebührt auch jenem die ausſprache dieſes, da
    kein f für ph mehr geſchrieben wird. Man merke
    nun a) anlautend ſteht immer pf, alſo (nach ſ. 55. 212.
    [397]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    247.) beinahe nur in urſprünglich fremden längſt über-
    gegangenen wörtern, als pfaffe (papa) pfalenze (pallan-
    tia) pfàwe (pavo) pfelle (pallium) pfëterære (petraria)
    pflanze (planta) pfîlære (pilarius) pfingeſten (pentecoſte)
    pfunt (pondus) u. a. m. Es gibt einige, deren fremd-
    heit bezweifelt werden kann, wenigſtens unansgemacht
    ſcheint, immer aber erregt auch ihre deutſchheit be-
    denken, pfeite hieß freilich ſchon dem Gothen páida,
    dem Sachſen pêda, aber wo wäre die deutſche wur-
    zel? bloß das ſchw. verbum enpfëtten (ſt. enpfeiten)
    exuere leitet ſich daher; das wort iſt finniſch, luſle-
    nius pag. 254. hat paita ſubucula linea, paidotan ſub.
    proſpicio etc. pfat, pfades (trames) bei O. pad. pa-
    des, ſächſ. pädh ſcheint mir das gr. πάτος und nicht
    von deutſcher verwandter wurzel, weil dieſe der ana-
    logie zufolge im ſächſ. mit f, im hochd mit v anlau-
    ten würde (vgl. ποῦς mit fôt, vuoƷ); pfîl (telum)
    mag das lat. pilum ſeyn, wiewohl es ſagitta bedeutet,
    entſcheidend wird hier, daß es weder die alth. noch
    ſächſ. ſprache kennen, denen dafür ſtrâla, ſtræl gilt;
    ſehr leicht verwechſelten ſich die begriffe wurfſpieß
    und pfeil. Merkwürdig wenn pflëgen undeutſch wäre,
    da dies wort ſtarke conj. hat; ich werde unten dar-
    thun, daß dieſe zwar fürs mittelh. unbedenklich, fürs
    alth. höchſt zweifelhaft ſey und weder im nord. noch
    ſächſ. gelte im goth. fehlt das ganze wort, ſo wie pfliht,
    das vielleicht mit pflëgen gar nicht verwandt iſt. Auf
    die fremdheit von pfluoc (aratrum) angelſ. plôg, nord.
    plôgr führt, daß im goth. nicht dies wort, ſondern hôha
    ſteht. Über pfage (equus) beim mittelniederd. Ich
    wüſte kein mit pf anlautendes wort, an dem nicht
    ähnliche verdachtsgründe hafteten oder das nicht of-
    fenbar fremd wäre. In einigen fremden hat die
    alte ten. fortgedauert (z. b. pîn, dolor) in einigen
    ſich ſogar in med gewandelt: biſchof, bir (pirum)
    bilgerîn etc. Neu übergehende fremde wörter behal-
    ten die fremde ten. bei, z. b. palas, përmint, plân,
    prueven, pûneiƷ, porte und viel ähnliche; erſt ſpäter
    gewinnen noch einige darunter aſpiration, vgl. das
    neuh. pforte, ein beweis, daß ſie der ſprache immer
    vertrauter werden. — b) in- und auslautend ſteht pf
    nur in gewiſſen fällen, nämlich α) durchaus nach m,
    belege vorhin ſ. 395. aber auch außer der eigentlichen
    labialverbindung, z. b. im fremden ſchumpfentiure
    (ſconfittura) ſchampfanzûn, ampflîſe. β) nach n bloß
    [398]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    in der zuſ. ſetzung des en- (für ent-) in enpfàhen,
    enpfinden, enpflëhten, enpfliehen, enpfueren u. ähn-
    lichen. Da den einfachen wörtern die zweite aſp.
    gebührt (vâhen, vinden, vlëhten, vueren) ſo iſt hier
    die merkwürdige ſpur eines wechſels der anlaute v
    und f (woraus pf wurde) dem notkeriſchen zwiſchen
    beiden (ſ. 136.) völlig gemäß und das ſ. 382. ange-
    führte enkëlten beſtätigend. Die ſchreibung empf.
    (Barl. v. emphie) ſcheint an ſich tadelhaft und ver-
    miſchung mit dem vorhergehenden mpf, um ſo mehr
    als ſelbſt in der verbindung nf, nſt (vorhin ſ. 395.)
    kein pf. für f eintritt, obwohl nft gerade aus einem
    älteren mft herſtammt, ſo wie nf in funf aus mf.
    Hiervon mag das fumpfcech, fumpfhundert (Nib. 2305.
    2815. G.) eine ſpur bieten. γ) nach r nur bei einigen
    namentlich Wolfram in ſcharpf, das alsdann nicht auf
    bedarf reimt. δ) häufiger nach kurzen vocalen, theils
    auslautend, als: zopf (cirrus) knopf (nodus) kropf
    (ſtruma) ſchopf (criſta) kopf (ſcyphus) theils inlautend:
    apfel (pomum) krapfe (uncinus) zapfe (obturamentum)
    kapfen (aſpicere) ſtapfen (gradi) ſchepfen (haurire)
    ſnepfe (gallinago) ſchepfære (creator) beklepfen (fal-
    lere) kripfen (rapere) klopfen (pulfare) tropfe (ſtilla)
    kopfer (aes) knüpfen (nodare) überkrüpfe (inglnvies)
    kupfe (cacumen) ſupfen (ſorbere) ſchupfen (trudere) etc.
    Daneben findet in denſelben wörtern auch wohl ff
    ſtatt, als kaffen, ſchuffen und in den meiſten fällen
    ſcheint der zufall einen oder den andern dieſer laute
    eingeführt zu haben; theoretiſch würde eben ſo gut
    hupf, hüpfe (femur) oder apfe ſt. des bräuchlichen
    huf, hüffe, affe ſtehen können; ſelbſt conſequenz
    mangelt, da z. b. tropfe vom pl. praet. truffen des
    verbi triefen ſtammt und für trufe, truffe, troffe ſteht.
    oder neben jenem ſtapfen ſtaffel (gradus, nie ſtapfel)
    gilt. Weiteres unten beim ff. — c) nach langen vo-
    calen ſteht in- und auslautend nur f (weder pf, noch
    ff) als ſlàf, ſlâfes; grîfen, greif; triefen, trouf und ſo
    überall ohne ausnahme. Nach 1 immer (hëlfen, half)
    nach n und r meiſtens, nach m niemahls. Nach kur-
    zen voc. wechſelt das ausl. f und inlaut. ff mit pf;
    ſ. vorhin und unten beim ff. — d) das in- und aus-
    lautende p fremder wörter wird ſchwankend ausge-
    drückt, bald durch ff wie in pfaffe, bald durch b wie
    in pabes, bald bleibt es, vgl. wâlap, kâlopeiƷ, ſcha-
    pel, ſinôpel etc.
  • 2) die zweite aſp. begegnet der goth. aſp. und könnte
    a) anlautend, weil die erſte aſp. anlautend überall durch
    pf ausgedrückt wird, f geſchrieben werden, welchem
    f nur eine ſanftere ausſprache als dem in- und ausl.
    f erſter aſp. gebührte. In dieſer abſicht ſchiene es
    aber noch ſicherer, gänzlich die ſchreibung f aufzu-
    geben und im an- (wie im in-) laut v dafür zu
    ſchreiben. Bei dem ſchwanken der hſſ. zwiſchen f
    und v haben die herausgeber mittelh. gedichte ver-
    ſchiedene maßregeln danach genommen. Zwar alle
    ſetzen f vor u, ü, û, uo, ue; einige aber auch vor
    iu, l und r, wo andere v ſchreiben. Vor den übri-
    gen voc. alle v. Ich ſtehe nicht an für denſelben laut
    daſſelbe zeichen v vorzuſchlagen, da uns die ver-
    miſchung mit dem vocal u, derentwegen in hſſ. frei-
    lich flins, frî, funden deutlicher ſeyn mag als vlins,
    vrî, vunden, indem man v auch für u zu ſchreiben
    und zu leſen pflegte, nicht mehr bindet. Denn wir
    drücken den vocal in den ausgaben beſtändig durch
    u aus, und es gewinnt ſonderbares anſehen, wenn in
    verſchiednen formen das nämliche wort bald ein v
    bald ein f zeigt, z. b. vant, vinden, funden oder vo-
    gel, gefügele; verlieſen, flôs. Daß f in funden anders
    gelautet habe, als v in vinden läßt ſich nicht bewei-
    ſen *), vielmehr aus unleugbaren alth. ſchreibungen,
    wie vuri, vuora = furi, fuora widerlegen. Auch vruo,
    vlinƷit wurde geſchrieben und vr. vl. zeigen ebenfalls
    gute mittelh. hſſ; der ſ. gall. Parc. hat in der regel
    fr. fl. zuweilen daneben vr. vl. wie z. b. 115a vlôs
    117b vrâge etc.; vor u, ü etc. finde ich allerdings in
    den älteſten mittelh. hſſ. immer f, nie v, in jüngern
    aber auch letzteres, z. b. M. S. 1, 136a. b. vûl, vuoge,
    gevueget; vor in ſchweben die älteren und jüngeren
    zwiſchen f und v (bald fiure, bald viure). Am ſel-
    tenſten erſcheint f vor andern voc. als u — iu; doch
    kommt es noch vor, vgl. a. Tit. 4. ferderben und an-
    derwärts fienc f. vienc. Wichtiger wäre, einem durch
    den berührenden auslaut bewirkten wechſel zwiſchen
    f und v nachzuſpüren, (oben ſ. 136.) doch keine alte
    hſ. zeigt ihn, nur in dem vorhin ſ. 398. bemerkten
    enpf. ſtatt env, möchte ein entf. ſtecken. — b) inlau-
    [400]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    tend muß dieſe zweite aſp. durchaus v und nie f ge-
    ſchrieben werden, da grâven nicht auf ſlàfen reimt.
    Alte hſſ. gewähren auch haven, frevel, grâve, hoves,
    huoves, unſîvel (? infeſtus Wilh. 3, 399b caſſ.) zwîvel,
    chëver, ſchëver, wolves, colve (Wilh. 2, 177b) fünve,
    zwelve und wohl noch einige; es ſind ihrer nur we-
    nig dentſche *). Spätere hſſ. ſetzen f in welches auch
    allmählig die ausſprache neigte. heven (levare) iſt nur
    ausnahmsweiſe vorhanden (M. S. 2, 72b Lohengr. 62.
    174.) die regel hat heben und enſeben; eben ſo ſteht
    in aber (iterum) nur die media. Bei folgendem t, z, ſ
    wird aber v zu f, als nëve, niftel; zwelve, zwelfte;
    fünve, fünfte, funfzic; hofs ſt. hoves, hoſſchen ſt.
    hoveſchen; huofſlac etc. übergang in die med. zeigt
    auch Wolframs frëbel f. frevel (oben ſ. 333.). Allmäh-
    lig ſcheint ſich gänzlich die erſte aſp. einzudrängen. —
    c) auslautend gilt kein v, ſondern verwandelt ſich in
    die erſte aſp. f, völlig vergleichbar dem wechſel zwi-
    ſchen med. und ten. der in- und auslaute (ſ. 378.)
    Das ausl. f iſt folglich doppelt, entw, die wahre erſte
    aſp. (wie in ſchif, ſchâf) oder die zweite vertretend
    (hof, huof, wolf). Jene bleibt inlautend f oder wird
    ff und pf; dieſe wird ſtets v. — d) fremde wörter mit
    f haben anlautend niemahls v, überall f, gleichviel
    welche voc. und conſ. folgen, vgl. fier (einſilbig, franz.
    fièr) franzois, failieren (faillir) etc.; daß ſie inlautend
    f bewahren, verſteht ſich, vgl. jàfìte, jêrafìn; auch das
    fremde ph. wird beibehalten, nicht in pf. verändert,
    phârâô, jôſaphàt etc. eher in f. zumahl auslautend,
    jôſêf. Das vom v. hingegen wird auslautend zu f,
    brief (breve); anlautend bald zu f, bald zu v, für
    ventaille ſtehet Parc. 11a 61c 62c 139a fintâle (ſintâle
    iſt verſehen) Wilh. 2, 183a vintâle; für venie (venia,
    nicht vênîe; im 12. jahrh. venige:menige Maria 51. etc.)
    doch kein fenie (vgl. Parc. 116c 177b). Inlautend
    wird es ſtets zu v, vgl. âventiure, glâvîe, âvoi, pâ-
    vilûn, râvîne, ſangîve, arnîve etc. Mitunter ſchwan-
    [401]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    ken die roman. mundarten ſelbſt zwiſchen v und b,
    als prouver, probar, prueven; diavolo, diable, tiuvel,
    tievel; tabula, tavola, tâvel. Zu biſchof, -ves, halte
    man nicht das lat. epiſcopus, vielmehr das ital. veſ-
    covo, zu ſtëven (Wilh. 2, 40b 102b) nicht das lat.
    ſtephanus, ſondern das rom. eſteve, eſtevenon (Ro-
    quef. h. v.).

(W) da die ſchreiber die vocale u, iu, ou, uo, ue
häufig durch v, iv, ov, vo, ve bezeichneten, war ihnen
auch ſt. der alth. ſchreibung des ſpiranten uu ein unver-
ſchlungenes vv geläufig. Beßer unterſcheiden grammatik
und ausgaben durchgehends vocal von der conſonanz
und ziehen jene vv in w zuſammen. Ferner ſparen
die ſchreiber gerne vor w und nach w ein u, indem
ſie z. b. niwe ſetzen, wo offenbar (im klingreim) ninwe
ſtehen muß, oder wnne, ſwnge f. wunne, ſwunge.
Hat die ſ. 138-140. entwickelte anſicht grund, ſo muß
man ſie gleichwohl im mittelh. anfgeben und für alle
und jede w dieſelbe ausſprache, folglich ſchreibung an-
nehmen, wie denn auch nach ſ. t. z die bewährteſten
hſſ. w und kein u ſetzen.


  • 1) der anlaut w iſt unbedenklich, daher überall von
    der anl. zweiten aſp. zu ſcheiden; war (cura) win-
    den, want, wunden von var (eat) vinden, vant, vun-
    den; zugleich wohl ein grund für die ſchreibung vun-
    den ſt. funden.
  • 2) das inlautende w ſtehet a) in der regel zwiſchen
    zwein vocalen, z. b. frouwe, riuwe, ſënewe, doch
    kann der vordere voc. den umſtänden nach wegfallen,
    als ſënwe, mëlwe, varwe, nie aber der hintere, ohne
    daß ſich w entw. ganz verlöre oder in den voc. u
    auflöſte. — b) in der wurzel macht w nach langen
    vocalen keinen anſtoß, vgl. grâwen (caneſcere) brâ-
    wen (ſuperciliis) clâwen (ungulis) pfàwe (pavo) gâwân
    (n. pr.) êwen (ſeculis) ſnêwes (nivis) klêwes (trifolii)
    wêwen (malis) ſêwen (undare) [zweifelhaft lêwe, leo
    und kêwe, faux, eigentlich os hiulcum; in jenem,
    als fremden wort follte man ein ê vermuthen und
    die monſ. gl. 329. 339. 345. haben gêwôn, oſcitare,
    lêwinchilì, leunculus, wo wieder ein langes, kein
    kurzes e, weil dieſe gl. für ew-, wenn ich nicht irre,
    immer ôw oder onw gebrauchen] getrûwen, bûwen;
    nach ô iſt mir kein w. bekannt, es müſte in fremden
    namen ſeyn; nach î in dem fremden îwein, îwân
    C c
    [402]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    (ſpätere hſſ. eibain, eibein) und in der partikel nîwan,
    wofür andere hſſ. niuwan; nach iu und ou häufig (wo-
    von gleich mehr) nach ei nirgends; nach ie und uo
    ſelten, vgl. hiewen, ſt. hiuwen (caedebant) bediewen
    f. bediuwen (ſervum facere) liewe (umbraculum Wigal.)
    ruowe (quies). — c) kann es aber nach kurzem voc.
    ſtattfinden? gibt es noch ew, iw, uw, oder ſind alle
    zu euw, ouw, iuw, ûw geworden? Dem goth. avi,
    ivi entſprach noch ein alth. ewi, iwi, ëwi (ſ. 142-146.)
    allein ſchon damahls galten übergänge des ewi in euwi,
    ouwi, des iwi in iuwi. Die neigung der ſprache, alte
    kürzen allmählig zu verlängern, die progreſſion der
    klingenden und abnahme der ſtumpfen reime laßen
    wo nicht gänzlichen untergang doch große beſchrän-
    kung jener ewe, iwe vorausſehen. Wirklich ſind euwe,
    ouwe, iuwe mittelh. regel und ſehr häufige klingreime.
    Ja, das beliebte iuw entwickelt ſich auf eine neue im
    alth. ungekannte weiſe, nicht allein aus dem org. iw
    (iuwer, triuwe, niuwe) ſondern auch aus dem org.
    iu (fiuwer, tiuwer ſt. fiure, tiure) und u (bliuwen
    flagellarunt ſt. bluwen?). Wenn nun in beiden fällen
    vorzügliche hſſ. (z. b. der ſ. galler Parc.) iw ſchreiben,
    als: iwer, triwe, niwe, fiwer, tiwer; ſo kann dies höch-
    ſtens für beibehaltung der alten ſchreibung iw gelten,
    und doch nichts anders als iuw bedeuten, weil theils
    der klingende reim oder einſchnitt iuw fordert (z. b.
    Nib. 297. niuwe f. niwe) theils die form iw, wäre
    ſie wirklich kurz, zuweilen ſtumpf reimen müſte. M.
    S. 2, 205a ſcheinen zwar kiwen (mandere): ſchiwen
    (? vgl. geſchiuwe 2, 94a):riwen [gedruckt ſteht kiven,
    ſchiven, riven] offenbar ſtumpf, aber ſie könnten auch
    in kiun, ſchiun, riun zuſ. gezogen werden. Gleiche
    unſicherheit trifft verſchiedene ſpuren des anſcheinend
    kurzen und ſtumpfen ew, vgl. M. S. 2, 60a dewen:
    frewen und die ſ. 357. angeführten lewen:frewen:
    drewen:kewen, verwandelbar in leun, freun, dreun,
    kenn oder löun, fröun, dröun, köun? Das vorhin ge-
    ſchloßene lêwe, kêwe läßt ſich wenigſtens mittelh. nicht
    rechtfertigen, da wohl ew, nicht aber êw des über-
    gangs in ouw und der kürzung in eu, öu fähig ſcheint,
    oder man hätte die reime lêun:freun:dreun:kêun
    (lw. 49a) gutzuheißen, wie M. S. 2, 166b in der that
    êun (ſt. êwen) auf keun oder kêun ſtumpf reimt. Die-
    ſer letztangeführte reim kann freilich nur in ſolcher
    auf. ziehung richtig ſeyn; in den übrigen fällen ließe
    [403]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    ſich ausnahmsweiſe ein kurzes ewen, iwen zugeben,
    da auch die ſpiranten ſ und h, wenn ihnen kurzer
    voc. vorausgeht, das folgende ſtumme e nicht weg-
    werfen (ſ. 375.) Stark für iuw ſprechen aber die for-
    men iew, welche ſich wie das ſpätere ie zum älteren iu
    überhaupt (ſ. 352.) verhalten; gleich dem goth. þivs,
    þivis, þin hat kein alth. diu, diwis (ſervus) gegolten,
    ſondern ein diu, dinwis, das im verfolg zu dio, diowes
    und endlich zu die, diewes (vgl. hie, hiewen) erbleichte.
    Am ſicherſten wird man im mittelh. entw. euw, ouw,
    iuw annehmen oder (mit auswerfung des w) eu, ou, iu
    zu dem folg. conſ. ziehen. Durch das mittelh. iuw iſt
    übrigens ein geſetz des ablautsverhältniſſes, welches für
    die verba mit ou und ei im praet. ſg. kurzen voc.
    des pl. und part. fordert, beeinträchtigt und durch
    vermengung der i und u eine vermiſchung zweier
    conj. herbeigeführt, nämlich ſchrîen, ſchrei bekommt
    entw. ſchrîen, geſchrîen oder ſchriuwen, geſchriuwen
    (ſt. ſchriwen, geſchriwen) wie bliuwen, blou entw.
    blûen, geblûen oder bliuwen, gebliuwen (ſt. bluwen,
    gebluwen); näheres bei der conj. — d) in allen die-
    ſen fällen halte ich w nirgends für ein bloßes zwi-
    ſchen wurzel und flexion eingeſchaltetes trennungs-w;
    vielmehr ſetzt es ein organ. u als ſeinen grund vor-
    aus. bûwen folgt aus bouwen (ſ. den wechſel zwi-
    ſchen û, ou ſ. 355.) und ſteht für ein theoretiſches
    bowen. Neben trûwen kann auch nach der analogie
    mittelh. umlaute (ſ. 363.) trinwen, zuläßig werden,
    vgl. den reim erniuwet vertriuwet M. S. 2, 232b ge-
    niuwet:getriuwet 2, 21b; ſelbſt biuwen:riuwen 1, 17 [...]b
    ſt. des üblichen bûwen:getrûwen (Triſt. 69a Flore 38a
    Karl 27b troj. 71c 98b 175c) da doch biuwen ſo häufig
    auf riuwen, briuwen, niuwen etc. reimen könute.
    Daß w nicht zur bloßen ausfüllung des hiatus diene,
    folgt aus ſeiner abweſenheit in andern fällen, z. b. in
    bî-e (apis), wo kein bîwe oder biuwe eingetreten
    iſt. Die mittelh. ſprache tilgt alle org. w nach î und
    zieht den hiatus vor, z. b. ſpîen, ſpê (goth. ſpeivan,
    ſpaiv) ſchrîen, ſchrê, pl. ſchrîen (ſt. ſchrien, das nach
    der regel ſ. 331. unzuläßig) oder ſchrirn oder ſchriu-
    wen (ſt. ſchriwen). — e) liegt folglich w überall dem
    voc. u nahe, ſo iſt es auch darum wahre ſpirans und
    keine aſp. Das wird durch ſeine verwandtſchaft und
    verwechſlung mit der ſpir. h beſtätigt (vgl. ſ. 148‥
    Zwar für ruowe (quies) noch kein ruohe (neuh. ruhe),
    C c 2
    [404]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    für ſchiuhen (vereri) aber bisweilen ſchiuwen, vgl.
    ſchiuhet:fliuhet, ziuhet Maria 187. 225. M. S. 1, 204a
    2, 198b 200b und ſchiuwet:riuwet meiſterg. 32a ſchiu-
    we: getriuwen M. S. 2, 225b Morolf 50b 51a kein li-
    wen noch liuwen f. lihen (commodarunt) vgl. ſ. 145.
    Weil ſich h und j begegnen, könnte berührung zwi-
    ſchen j und w vermittelt werden; doch im reinen
    mittelh. iſt ſie beiſpiellos, weder ein muewen f. mue-
    jen (vexare) noch weniger ruoje f. ruowe, obgleich
    neuh, in beiden ein h. Genau geſchieden iſt auch w
    vom inlaut v, daher z. b. ruowe nie auf huove oder
    liewe auf brieve reimend. — f) zwiſchen w und v
    ſchwanken allerdings fremde wörter, doch nicht gleich-
    zeitig. Frühe und ſchon im alth. aufgenommene zei-
    gen w, pfâwe (pavo); als man ſie einführte wurde
    wohl noch die deutſche ſpirans gleich der lat. geſchrie-
    ben und geſprochen. Die mittelh. mundart behielt
    insgemein in roman. wörtern die fremde ſchreibung
    bei, beobachtete aber dafür deutſche ausſprache; ſo
    ſchrieb man âventiure (nicht awentiure) nahm aber
    das v wie ein deutſches (in grâve) folglich beinahe b
    lautendes. Darum ſpäterhin in dergl. wörtern oft die
    wirkliche med. eintritt (abentheuer) — g) w unbe-
    tonter ſilben (ſ. 146. 147.) pflegt ſich mit auswerfung
    des vorausgehenden tonloſen oder ſtummen e an die
    wurzel zu lehnen, welche meiſt auf liq. zuweilen auf
    ling. ausgeht, als ſwalwe, mëlwe, milwe, gehilwe
    (congeries nubium) gilwe (flavedo) varwe, begarwe
    (penitus) ſënwe, witwe, zëſwe. Doch ſteht auch
    wohl das trennende e, als ſenewe (Parc. 58a) zëſewe.
    Oft wird w unterdrückt, als ſchate (nicht mehr
    ſchatwe). — h) von ſyncopen des inl. w nachher
    beim auslaut.
  • 3) auslautendes w. Nach goth. (ſ. 59. überſehener) regel
    beharrt die ſpirans v im auslaut nur nach langem voc.
    oder nach conſonanz, áiv, ſpáiv, ſpeiv (ſpue) heiv,
    ſahv, valv; nach kurzem voc. löſt ſie ſich in u auf:
    ſnáu, kniu (nicht ſnav, kniv). Im alth. nirgend mehr
    w im auslaut, ſondern entw. auflöſung in u, o, oder
    völlige wegwerfung. Jetzt im mittelh. wird α) in ton-
    loſer, unwurzelhafter ſilbe w ſtets apocopiert, ohne
    als ein voc. über zu bleiben, vgl. gël, mël, var, gar
    (alth. mëlo, garo). β) in betonter wurzel fällt es nach
    â, ê, î, uo, ie gleichfalls rein weg, vgl. grâ, brâ, ê,
    ſpê, ſpî (ſpue) ruo (quieſce) hie (ſuccidit). Auch in
    [405]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
    den auslauten ou, iu, eu mag eine ſolche apocope
    liegen, d. h. hou (ſuccide) blon (flagellavit) tou (ros)
    niu (novus) getriu (fidelis) etc. für houw, blouw, touw,
    niuw etc. ſtehen. Schwerlich iſt es noch die org.
    auflöſung. Denn niu, getriu ließe ſich etwan auf
    niw, getriw, nicht aber hou auf ein nie beſtandnes
    how zurückleiten, da houw aus dem alten hauw f.
    hau entſprang. Mithin gilt im mittelh. überhaupt
    keine auflöſung des w in u mehr. Für göu, höu,
    (ſt. göuwe, höuwe) findet ſich kaum geu, heu (ſt.
    geuwe, heuwe! und das f. gewe, hewe) wohl aber
    leu (ſt. löu, löuwe) a. Tit. 93. und ſonſt (vgl. ſ. 357.
    die note über lewe) — γ) auch das inlautende w er-
    fährt ſyncope, ſobald es ein folgender, vorher durch
    e davon getrennter conſ. berührt; mit anderen worten:
    nebſt dieſem e wird nothwendig auch w ausgeſtoßen.
    Alſo bràn, clân f. brâwen, clâwen; bediet (klage 1029.
    Biter 6379.) f. bediewet (in ſerv. redactus) fröude, be-
    ſchöude f. fröuwede, beſchöuwede; töun, dröun, f.
    töuwen, dröuwen; ruon (:tuon Georg 27b M. S. 1,
    189a) f. ruowen *), vgl. die ſyncope des inl. en
    (ſ. 374.). Zugleich lehrt dies die unſtatthaftigkeit eines
    mittelh. lênn, kêun, êun (ſ. 402.) da aus lêwen, kê-
    wen, êwen (wie aus grâwen, grân) lên, kên, ên
    werden müſte. Zuweilen wird ſogar wen verſchluckt,
    wie in Wolfr. bekanntem reime fröude: töude (töu-
    wende, moribundus) [vgl. unten beim kehllaut die
    ſyncope der ſpirans h].

geminationen. (PP) knappe (armiger) trappe (tarda)
erblappen (M. S. 2, 156a) ſnappen (inhiare) gippengap-
pen, hippenhappen (M. S. 2, 80b) kappe (capa) kappel
(ſacellum) pappel (populus) ſchapperûn. rappe (corvus
M. S. 2, 132a Barl. 265.) appet (abbas:gekappet Wilh.
3, 130a caſſ.) zeppel (diſcordia troj. 12a) rippe. gnippe
(M. S. 2, 71b) gippe (abundantia) ſwippe (flagellum)
krippe. ſippe. vipper (vipera) kipper (Georg 42b Bit. 84b
87b) philippe. âgrippe. hoppen:zoppen (Ben. 167.) ge-
lüppe. geſtüppe. wüppe. üppic. ſnüppic. Dieſes pp muß
befremden, da das inl. einfache p aufgegeben iſt, hat
aber verſchiednen urſprung 1) in ſippe, rippe, ſtüppe,
[406]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
wüppe etc. würde allerdings bb folgerechter ſeyn; hier
ſcheint ſich die ſtrengalth. ten. behauptet zu haben und
ebenſo werden wir beim kehllaut ck ſtatt gg finden.
2) in den fremden kappe, kappel, pappel, vipper ſteht
gem. ſtatt der einf. conſ. mit verkürztem vocal, alſo für
kâpe, vîper; zuweilen iſt die einf. geblieben, wie in
ſcbàpel (corona) doch in ſchappel ſchwankend. 3) wich-
tiger iſt ein ſchwanken zwiſchen pp. p und b in eini-
gen deutſchen wörtern. Offenbar bildet rappe, gen.
rappen bloße nebenform zu raben, gen. rabenes (eine
dritte ram, rammes vorhin ſ. 389.). Die ſ. 148. ange-
führten pideppen, inſueppen ſcheinen bedeben, enſwe-
ben zu lauten (N. 79. 6. pittepeſt, opprimis ſicher falſch,
vermuthlich pitepeſt. pitebeſt?) ich finde im Wittich
betept (opprimit): erhept und im Reinfr. vertept (immer-
ſus) auf ein gleichfalls dunkeles ept. (? vertopt: opt,
vertobet, obet) beidemahl mag pt aus bet entſtehen;
enſwebte, enſwebete (ſopivit) gewähren Nib. 7376; die
verwandtſchaft des altſ. ſwëbhan (ſomnus) iſt unverkenn-
bar. geteper (fraus?) troj. [...]0b: ſcheper (vellus) reimend
iſt entw. in getepper: ſchepper oder getæper:ſchæper zu
beßern, nachdem man ein alth. ſcappâri oder ſcâpâri
(Maria 114. ſchâpære, gl. herr. 187b ſchaper) annimmt.
Aus dem noch ungedruckten theil des troj. kr. bringt
Oberlin v. tapen einen reim auf wapen bei, man leſe
wiederum wappen:tappen oder wâpen:tâpen; wappen,
wâpen (armamentum) ſcheint ſchon im mittelh. von wâ-
fen (arma) verſchieden, [vgl. beide formen im Barl.
Wilh. 2, 73a. b. lieſt das münchn. fragm. beidemahl wap-
pen] urſprünglich ſind ſie dasſelbe wort und ſo dürfte
man auch ſchapper, ſchepper noch auf ſchâf (ovis) be-
ziehen, wiewohl ſich nie ſchâfâri, ſchæfære findet. Ein-
zelnes bedarf alſo noch beßerer aufklärung; ſo viel iſt
klar, daß in deutſchen wörtern das mittelh. pp auf ein
ſächſ. bb führt, das ſächſ. pp aber auf ein mittelh. pf. —
(BB) in keinem deutſchen wort, höchſtens in fremden,
z. b. rabbîne (rom. ravine) alſo für râvîne wie vipper
f. vîper und ein neuer beleg der nahen berührung des
b und v, da letzteres in der gemin. zweideutig gewor-
den wäre. — (FF) dieſe unorg. gemin. kommt häufig
und in den beſten hſſ. vor, jedesmahl, ſo oft ein aus-
lautendes (und zwar dem goth. ſächſ. nord. p entſpre-
chendes) f inlautet und kurzen voc. vor ſich hat, als
affe, klaffen, ſaffes, effinne, trëffen, ſchiffe, griffen,
offen, ſluffen, ſlüffe etc. Von ſeinem ſchwanken in pf
[407]I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
vorhin ſ. 398. Fremde wörter haben es ſt. p oder ph,
vgl. pfëffer (piper) gaffer (ſt. gâfer) d. i. caphora, cam-
phora, ſaffer (ſaphyrus) etc. — v und w geminieren nicht.


labialverbindungen; anlautende: pl. pr (nur in frem-
den wörtern) bl. br (häufig) pfl. pfr. pfn*) nur pfnaſt
(fremitus Parc. 138b) pfnâſen (Wilh. 1, 94b) pfnuſt (ſin-
gultus) pfnurren (Oberlin h. v.) fl. fr (oder vl. vr) kein
wl. wr. Das pſ. fremder wörter gleichfalls in ſ. verein-
facht. — In- und auslautende (fſ) chefſe, refſen (Barl.)
trëfs (zizania) auch wohl lëfſe und wëfſe, welche ſelten
vorkommen (lëfſe:kefſe Wilh. 3, 147b caſſ.) — (ft) af-
ter. graft (foſſa) haft. ſchaft (haſta) geſchaft. kraft. fri-
untſcaft. ſtift. trift. begrift (complexus Parc. 97c) inwift
(favus. Lohengr. 191.) gift. niftel. oft. louft (curſus)
luft. tuft. gruft oder kruft (Parc. 111b troj. 44a) guft
(ſuperbia) kluſt. ruoft. wuoft (clamor) ſiuften (ingemiſ-
cere). Hierbei zu merken 1) ft. entſpringt theils aus
wurzelhaftem f (ſchaft, grift, louft, wuoft, ruoft aus
ſchaffen, grîfen, loufen, wuofen, ruofen) theils aus b
(ſchrift, wift, trift, gift, kluft aus ſchrîben, wëben,
trîben, gëben, klieben) theils aus v (vgl. niftel mit
nëve, zwelfte mit zwelve). In beiden letztern fällen
ſteht alſo f unorganiſch, gerade wie das nord. pt. un-
organiſch für ft (ſ. 313. 314). Einzelne wörter laßen
noch unentſchieden, ob ihrer wurzel f oder b gebühre,
z. b. luft, tuft, ſtift. 2) einzelne ſchwanken der zeit
und dem dialect nach zwiſchen f und ft. Alth. galt
allgemein -ſcaf, ſcaffi und ſo noch im 12. jahrh. -ſcaf,
ſceffe, im 13. jahrh. reinmittelh. allgemein -ſchaft,
ſchefte (nur die ans niederd. grenzenden, wie Herbort,
haben noch riterſchaf, geſelleſchaf:traf); hingegen gilt
durchaus ſaf ſt. des neuh. ſaft. Wolfr. Reinbot etc.
ſagen louft (Parc. 176b 177a Wilh. 2, 195a Georg 46a)
Conrad aber noch louf (troj. 89c 161c ſchwanr. 955);
wuoft:ruoft Triſt. 39c wuofte Wilh. 1, 19b ruft, wuft:
luft Lohengr. 110. Docen miſc. 1, 123; Wolfr. braucht
aber ruof (Wilh. 2, 9b 31b) ebenſo Conrad, Nib. Klage
u. Bit. haben wuof, ruof. Für guft zeigt ſich Nib.
6230. (ſ. gall.) guf und wif (M. S. 2, 71b tela, ſodann
adumbratio, conceptio) ſcheint einerlei mit wift. 3)
[408]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
nft, früher mft, ſind vorhin ſ. 396. angeführt, von ihrer
berührung mit nſt (vernunft vernunſt; brunft, brunſt)
und der ft mit ht in der wortbildungslehre. Hierher
gehört noch die wah nehmung wieder einer dialecti-
ſchen verſchiedenheit. Statt des gewöhnlichen ſigenunft,
-nünfte (auf kunft reimend M. S. 2, 133a Barl. 59. 66 etc.)
verſtattet ſich Conrad ſigenuft, -nüfte und reimt auf
luft (troj. 29c ebenſo Lohengr. 93. 100.) ſchon im alth.
beſtehen farnumft, farnuft (und farnunſt) teilnumft und
teilnuft nebeneinander.


(T. D. Z. S.) linguales.

(T. D) die verhältniſſe fließen aus den vorange-
ſchickten allg. regeln. Folgendes nähere iſt zu merken
1) die ſtarken ſtämme îd und ied dem goth. eiþ, iuþ
entſprechend) verändern d in t nicht bloß nach allg.
grundſatz auslautend (im praet. ſneit und imp. ſnît) ſon-
dern auch inlautend, ſobald ſie im ablaut kurzen vo-
cal bekommen. Alſo eine ausnahme der ſ. 378. gegebe-
nen regel, daß unorg auslaute t inlautend wieder zu d
würden. Beiſpiele ſnîden, ſnîdet; ſneit, ſnite, ſniten,
geſniten; ebenſo lîden, mîden; ſieden, ſindet; ſôt, ſüte,
ſuten, geſoten und nicht ſuide, ſniden, ſüde, ſuden,
geſoden, da doch im goth. þ unverrückt bleibt, ſneiþan,
ſneiþiþ, ſnáiþ, ſniþ[u]n. Dieſe merkwürdige (und ſchon
im alth. allgemein geltende) anomalie ſtimmt ganz zu
dem ſ. 252. angezeigten wechſel des angelſ. dh und d
in ſnîdhan, ſnidon, ſëodhan, ſudon; bei wërden, wur-
den, worden (nicht wurten, worten) hat ſie ſich ver-
wiſcht, vgl. oben ſ. 160. und unten bei der alth. conj.
die erwägung, ob der wechſel noch für andere verba an-
zunehmen ſey. Andere verba, wie laden, luot, luoden,
ſcheiden, ſchiet, ſchieden etc. ſind ihm nirgends ausge-
ſetzt. — 2) bei inclinationen pflegt d. (zumahl wenn es
an einen auslaut ſ. ſtößt, oben 381.) in t. überzugehen,
als wiltu, muoſtu, biſtu, liſtu (lege) daƷtu (? daſtn)
für daƷ dû, dëſtu für dës dû (Barl. 9, 34.) und dëſte ſt.
dësdiu mit folgendem compar. Im 10ten jahrh. galt
noch dës-dè (W. 5, 9.), das in mittelh. hſſ. vorkom-
mende dëſter f. dëſte verdient tadel. 3) dafür daß t
das org. d im auslaute verdrängt, pflegt es inlautend
nach l. m und zumahl n von d. verdrängt zu werden,
wie ſchon vorhin (ſ. 393.) bei den verhindungen ld. nd.
gezeigt wurde. Dieſe neigung zur inlautenden med. of-
fenbart ſich allgemein auch außer eigentlicher verbin-
[409]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
dung der ling. mit dem vorſtehenden l. n (dem m ver-
bindet ſie ſich nicht) ſobald durch ſyncope eines vocals
ein t der flexion das l. m. n. der wurzel berührt; haupt-
fall iſt der des ſchwachen praet. Mit dem unterſchiede,
daß in eigentlicher verbindung der inlaut nt nothwen-
dig zu nd wird, außer eigentlicher verbindung hinge-
gen nt und nd gleichgelten, z. b. kante, kande (cogno-
vit) und gleichergeſtalt rûmte, rûmde (exceſſit) wolte,
wolde, bevilte, bevilde. Unter dieſer beſtimmung ſtelle
man mit Lachmann (rec der Nib. 212.) die regel: daß
nach l. m. n. jedes (inlautende) t gegen d vertauſcht
werden dürfe, aber nicht umgekehrt (kein d gegen t;
für wilde, ander kann es nie heißen wilte, anter). —
4) bei dem worte zan (dens) iſt der lingualauslaut ſtän-
dig apocopiert (ſ. 159.), inlautend aber dialectiſches
ſchwanken. Die meiſten (Wolfr. Gotfr. Conr.) machen
den pl. zene, dat. zenen; einige zane, dat. zanen (Herb.
21c. d 37c) einige zende, dat. zenden (M. S. 2, 81b 222a
Morolf 44b 45b 49a Mai 175.) einige mit rückumlaut
dat. zanden (M. S. 2, 131b klage 1884.) vgl. unten die
decl. Für vâſàn (phaſianus) Parc. 69a Wilh. 2, 61a Bit,
71b (:vân) ſetzen andere vâſant, vâſandes (Georg 22a Or-
lenz mihi 11111. M. S. 2, 192a 244a Friberg 9a 25b) vgl.
das franz. faiſan und faiſand; ebenhierher kann man
triſtan, triſtandes, triſtran, triſtrandes, triſtant (:hant Frib.
16a) zählen, das f. triſtram, wie prîant (troj. 180b:geſant)
für prîam zu ſtehen ſcheint, doch hat Conr. neben prîant
weder prîan noch prîam, aber die volle form prîamus
häufig. In deutſchen wörtern mit ausnahme jenes zan
iſt die auswerſung des wurzelhaften zungenlauts nach
n unerhört. — 5) höchſt ſelten wird von ſt das t apo-
copiert; doch finde ich Wilh. 3, 160b caſſ. gebras (f. ge-
braſt): was, hâs f. hâſt (Herb. : âs, êneâs) lîs f. lîſt (ja-
ces, Herb. : prîs) welches an das niederd. is f. iſt (Mo-
rolf 51a 57b:gewis) erinnert, vgl. bei der anom. conj.
das ſchwankende praet. muoſe und muoſte, wiſſe und
wiſte. In den zuſ. ſetzungen luſſam, maſboum und
laſſtein ſcheint ſſ. durch aſſimilation aus luſtſam,
maſtboum, laſtſtein hervorzugehen (ſ. indeſſen ſ. 416.
über las). In ſolchem fall muß aber wie bei eigentli-
cher gem. kurzer voc. vorſtehen, d. h. aus gruoƷſal
wird kein gruoſſal. — 6) inlautende t und d pflegen
häufig auszufallen, wenn ein t der flexion nachfolgt;
mit ihnen wird ſodann jedesmahl das zwiſchenliegende
tonloſe e ſyncopiert, vgl. ſchat f. ſchadet (M. S. 1, 106a)
[410]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
geſmit:gewit f. geſmidet, gewidet (Wilh. 2, 178b) trit f.
tritet (Frig. 12c:lit) geſmit f. geſmidet (:lit Lohengr. 135.)
bit f. bitet (troj. 161c : geſit oder iſt geſite und der conj.
bite, roget zu ſetzen? vgl. a. Heinr. 197a) rît f. rîtet
(:ſchît fragm. 28b) mît:rît ſt. mîdet, rîtet (Iw. 45b giſſ.)
gekleit f. gekleidet, ermort f. ermordet, geſchant f. ge-
ſchendet etc. Hauptfall iſt der des ſchwachen praet. (ſ.
die conjug.). Dem reim nützen ſolche ſyncopen, indem
ſie die verſchiedenheit zwiſchen d und t ausgleichen.
Daß der vorausgehende kurze vocal dadurch nicht ver-
längert wird, zeigen die belege, es heißt nicht ſchât,
trît, bît und das iſt merkwürdig, weil ſyncopen des lip-
pen- und kehllauts in analogem fall eine ſolche verlän-
gerung nach ſich ziehen (gît f. gibt, lît f. ligt). Gleich-
wohl macht eine (ſchon ſ. 345. angeführte) ausnahme
kît f. quidet, welches M. S. 1, 45b auf lît reimt; hier
ſcheint die zuſ. ziehung alt und nothwendig. Denn
nothwendig iſt ſie ſonſt nicht überall, es darf eben-
wohl ſchadet, ſmidet, mîdet, rîtet etc. heißen und
heißt ſelbſt lieber ſo; nur im ſchwachen praet. wird
ſie es oft (ſ. die conjug.) — In ſëdel (ſedes) f. ſëƷƷel
erſcheint die ſpur einer uralten media (oben ſ. 217.) ver-
gleichbar wären winder und mandel (ſ. 394.), die doch
anders entſpringen, ſëdal aber heißt es auch im alth.


(TH) unmittelhochdeutſch, höchſtens in fremden
namen (thêôphilûs, thêôdâs, îther) vorkommend; zuſ.
ſtoß des t und h aus zwei verſchiednen ſilben wirkt
kein wahres th (diethêr, walthêr, d. i. diet-hêr, vgl.
ſ. 344.).


(Z) fortwährend zwei ſtufen des ziſchlauts (ſ. 162.
163.) obſchon ſie die hſſ. an ſich nicht unterſcheiden.
Vorerſt aber lehren es die reime, denn auf ërz (aes)
wäre ërƷ (ër ëƷ) auf ſalz (ſal) halƷ (hal ëƷ) unzuläßig;
wogegen hirƷ (cervus) richtig auf irƷ, mirƷ, (mir ëƷ)
reimt (Barl. 256. Wigal. 208. Georg 32a); ferner reimen
niemahls ſchaz:vaƷ, ſiz:biƷ etc. Sodann lehrt es die
aus dem z, nicht Ʒ entſpringende ſchreibung tz. End-
lich beſtätigt den unterſchied das in guten und alten
hſſ. zuweilen für z (nicht für Ʒ), wenn e, ë, i folgen,
geſchriebene c, als hërce, wurcel, ce, cît (vgl. tumbi-
cen deſipere gl. herr. 199a) etc. In deutſchen wörtern
muß man dies c völlig aufgeben, in fremden (parcivâl,
halcîbier) mag es eher bleiben; ſchicklicher ſchiene z
auch da. — Die ſ. 165. geſtellte regel leidet im ganzen
noch anwendung, nämlich


[411]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
  • 1) der anlaut iſt beſtändig z, niemahls Ʒ (wie bei den
    labialen pf. und niemahls f.); dieſer deutſchen aus-
    ſprache fügen ſich auch fremde wörter: zëndâl, zëp-
    ter, zîmier, zîtels etc. Der laut iſt ganz ts*), anders
    vielleicht in einzelnen mundarten; eine aber jüngere
    hſ. (Wekherlins beitr. p. 16. 28.) gebraucht auffallend
    ſch. ſc. für z, als ſchagen, ſchôch, ſcwei f. zagen,
    zôch, zwei; heute noch hört man letztes wort zuwei-
    len ſchwei ausſprechen. Die reine mittelh. mundart
    mengte gewiß nirgends ihr z und ſch.
  • 2) in- und auslautend ſtehet z in den verbindungen
    lz. nz. rz (oben ſ. 395.) durchgängig und häufig; in
    zuſ. ſetzungen wie fünfzic, zwênzic, ſumer-zît etc.
    iſt z kein wahrer inlaut. Nach vocalen ſeltner und
    zwar α) nach kurzen in der regel nur auslautend, der
    inlaut wandelt es in tz (ſtatt zz). Die wichtigſten be-
    lege ſind: ſchaz (theſaurus) kraz (fricatus) widerſaz
    (repugnatio) traz (contumacia) glaz (glabretum) plaz
    (ictus, kolocz 122.) ſiz (ſedes) underviz (diſcrimen.
    Parc. 55b) fürwiz (curioſitas) fliz (troj. 82c ?arcus) roz
    (pituita) kloz (caudex) nuz (commodum) urdruz (mo-
    leſtia); wird, was doch erſt ſpäterhin und ungewöhn-
    lich geſchieht, nach inlautendem tz ein e abgeworfen,
    ſo entſpringt ebenfalls der auslant z, als diz:wiz
    (a. Wäld. 2, 191.) ſt. ditze, witze; ſchüz (jaculator)
    f. ſchütze (alth. ſcuzjo). Ausnahmsweiſe muß durch
    ſyncope das inlautende tz zu z werden, weil tz we-
    der vor noch nach ſich unmittelbare berübrung ande-
    rer conſ. verträgt, vgl. flogzen (volitare) ſt. flogitzen
    (flockitzen?) blëkzen (micare) ſt. blëckitzen; ſazte (po-
    ſuit) ſt. ſetzete, ſpizte (acuit) f. ſpitzete. **). Dieſes
    z vor t vergleiche man dem ſ. 379. verhandelten p vor
    t, da ſich auch die auslaute z und p entſprechen.
    β) nach langem voc. iſt tz unmöglich ***), wenn es
    [412]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
    gleich fehlerhaft hſſ. ſchreiben; aber z? gewiß iſt es
    höchſt ſelten. Die zum theil ſchon ſ. 163. berührten
    bedenklichen fälle ſcheinen mir folgende: kriuze
    (crux) weil alte hſſ. c haben (Nib. 3630. 3938.), und
    im Tit. reimt es mehrmahls auf ſchiuze (horror) wel-
    ches offenbar von ſchiuhen und dem freq. ſchiuhitzen
    zu leiten iſt, aus ſchiuhitze, ſchiuchze zog ſich ſchiuze
    zuſ.; durch contraction kann aber auch in andern
    fällen eine ſonſt unerträgliche verbindung zwiſchen
    voc. und conſ. entſtehen. fragm. 40b reimt kriuze
    auf ein dunkles gebiuze (ſtridor, clamor?) gehörte das
    zu dem ſ. 352. angeführten biuƷ, ſo könnte gebiuƷe,
    folglich auch kriuƷe richtige lesart ſeyn. Das neuh.
    kreutz oder kreuz (mit dem z, nicht ßlaut) darf ſo
    wenig irren, als das neuh. weize (triticum) reizen
    (irritare) heizen (calefacere) beizen (aceto macerare)
    da dieſe mittelh. entſchieden weiƷe, reiƷen, heiƷen
    lauten und auf heiƷe, heiƷen, geiƷen, âmeiƷen etc.
    reimen (troj. 28b 116c Georg 35a Parc. 99a M. S. 2, 198b).
    So fälſchlich in den hſſ. reitzen ſteht (Nib. 8322. 9178.)
    ebenſo falſch wäre kriutze, für kriuƷe aber ſpräche
    der ß laut in dem neuh. ſcheußlich, von jenem ſchiuƷe;
    entſcheiden würden reime auf ſliuƷe, giuƷe, ge-
    niuƷe etc. die ich nicht belegen kann. Mit vocalkür-
    zung krütze läßt ſich nicht annehmen, weil es nie
    auf nütze, ſchütze etc. reimt; übrigens findet ſich kein
    liuzel, ſondern immer lützel. Ob von jâ und dû ein
    verbum jâzen, dûzen (ſt. jâitzen, dûitzen) oder mit
    verkürzung, vielmehr herſtellung der urſprüngl. kürze,
    jazen, duzen oder jatzen, dutzen gebildet werde?
    bleibt näher zu erforſchen (ſ. 372. note) im alth. gilt
    gijâzen oder gijazen (conſentire, gl. doc.). Von ſiuf-
    zen (gemere) nachher bei den übergängen. — In frem-
    den wörtern beſtimmt ſich das in- und ausl. z leicht,
    wenn liq. vorhergeht, alſo mërze (martius) arzât (me-
    dicus) garzûn, ſurziere, graharz, brôbarz (dieſe zuſ.
    reimend Parc. 51c 54a : ſwarz Wigam. 35a) parzivâl,
    gurnemanz (:ſchranz, ſchanz Parc. 45c 57b), mêlîa-
    kanz, tanz, lanzelôt, fìanze, halzibier etc., nie mit Ʒ
    (welches freilich der rom. ausſprache angemeßener
    wäre). Gehen vocale vorher, ſo iſt gerathener, ein
    Ʒ zu ſchreiben; bloß dann gebührt dem auslaute z,
    wenn das wort inlautend ſicher tz bekommt, oder
    ein deutſches z darauf reimt. Viele fälle, wo die
    hſſ. bald z bald tz zeigen, bleiben ungewiß.
  • 3) das in- und auslautende Ʒ iſt umgekehrt nach conſ.
    ſelten, nach voc. häufig. Mit conſ. verbindet es ſich
    nie organiſch, bloß durch ſyncope, vgl. hânƷ f. hân
    ëƷ; hirƷ, elbƷ f. hireƷ, elbeƷ. Zuweilen ändert ſich
    dann Ʒ in z, Conrad gebraucht wirklich hirz (cer-
    vus) und reimt es auf wirz (aroma) troj. 79b ſchmiede
    1313; oder wäre ein wirƷ, wireƷ anzunehmen? Von
    wurz, gen. würze (herba) iſt dieſes wirz bei Conr.
    ſelbſt verſchieden, vgl. troj. 137c ſchmiede 1295, ob-
    gleich die herleitung von gewürze (condimentum) aus
    wurz (herba) alles für ſich hat. Es käme darauf an bei
    Conr. einen reim, der hirƷ mit irƷ, mirƷ verbände,
    aufzufinden oder nicht. Tadelhaft aber wird wirzburc
    ſt. würzburc (herbipolis) geſchrieben. Auch pëlleƷ,
    pëllîƷ (pellis) Parc. 55a Wigal. 29. 31. kolocz. 363. 418.
    verkürzt Conr. in belz (troj. 45a); ſamƷtac (Parc. 106b)
    auch nach dem neuh. ſamstag ſo und nicht ſamztac
    zu ſprechen *). — Das Ʒ nach vocalen beſtimmt fol-
    gender grundſatz: nach langen ſteht in- und auslau-
    tend Ʒ (nie ƷƷ) nach kurzen auslautend Ʒ, inlau-
    tend ƷƷ; man ſchreibe folglich aƷ, âƷen; beiƷ, biƷ-
    Ʒen; gruoƷ, grueƷen, gruoƷte; ageleiƷe (ſtudioſe) etc.
    Inlautend nach kurzem voc. kann kein Ʒ ſtatt ƷƷ
    (wie vorhin z ſtatt tz) durch ſyncope möglich werden,
    z. b. haƷte f. haƷƷete, weil im ſchwachen praet.
    nach ƷƷ nie e ausgeworfen wird; den grund ergibt
    die conjug., ja der unterſchied zwiſchen z und Ʒ
    überhaupt beruht hierauf. — Die in- und auslaute Ʒ
    fremder wörter beurtheilen ſich nach denſelben regeln;
    das auslautende Ʒ (und nicht z) bezeugen eine menge
    reime, karriôƷ:grôƷ etc.
  • 4) die ſ. 154. bemerkten überbleibſel der alten ten. ſtatt
    des ziſchlauts dauern für ht. ft. ſt. tr. noch fort, man
    füge aus ſ. 394. winter und mantel hinzu. Das otfrie-
    diſche kurt**) findet ſich in der heſſiſchen und thü-
    ringiſchen mundart; Herbort hat kürte : antwürte
    (5c 23d 47d 56b) dagegen kürze:würze (27a 70a) Heinr.
    v. Mîſen kurt (v. 256. 4782.) auf geburt, ſo wie (v. 355.)
    [414]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
    bekurten:geburten gereimt vgl. Morolf 64b gekurt:ge-
    burt. Wigal. 392. bietet atigêr (jaculum). eine, wie
    auch das i der flexion zeigt, unverſtanden beibehal-
    tene form ſt. ezegêr (oder etzegêr) angelſ. ätgâr, nord.
    atgeir. Endlich gehört hierher auch ſiufzen (gemere
    alth. ſûftôn, bei N ſûftôn und ſiuftôn) wofür gute mit-
    telh. hſſ. noch ſiuften, ſûften vgl. Maria 135. Nib. 9155.
    Wigal. 42. 202. 281. und ſiuftehûs Barl. 159. Der ſ.
    galler Parc. lieſt überall ſiufzen, z. b. 39a wo aber das
    münchn. fragm. ſûften. Dies allmählig einreißende fz
    wäre einzige ſpur einer verhochdentſchung des ft,
    während luft, lüften, gift etc. nicht zu lufz, gifz
    werden; vielleicht aber bedarf die wurzel des worts
    noch anderer aufklärung (vgl. goth. ſvôgjan, angelſ.
    ſeófjan) das ft entſpricht dem niederd. cht (ſuchten
    wie lucht f. luft), auch könnte ein freq. ſiuftitzen,
    ſiuftzen im ſpiel ſeyn; ſiuffizen Barl. 34. ſcheint un-
    richtige lesart.
  • 5) ſchwanken zwiſchen z und Ʒ, zwiſchen tz und ƷƷ
    findet gar keine ſtatt *), unerachtet bei dem lippen-
    laut pf und f, pf und ff zuweilen ſchwanken. Bloß
    hiſtoriſch gehen frühere Ʒ in z über, wie vorhin an
    hirz, belz gezeigt worden und noch deutlicher am
    neuh. weitzen, reitzen etc. zu erſehen iſt. — Über-
    gang des Ʒ in ſ wurde ſ. 171. berührt. Schon die
    ausſprache unterſcheidet das ausl. Ʒ unmerklich von
    der bloßen ſpirans, daher hin und wieder beide rei-
    men, maƷ:genas, amfortas: ſaƷ, gras:gaƷ (Parc.
    105a. b. 118a) wîs : flîƷ (Flore 1a) ſtrûƷ : hûs (M. S.
    2, 236b) was:baƷ, ſaƷ, naƷ (fragm. 17c 18c) etc. Con-
    rad verſieht es in keinem ſolchen reime. Inlautend
    iſt der fehler weit ſeltner, erſt ſpätere werke, wie der
    Titurel, reimen wohl roſſen:ſtôƷen oder küſſen:
    güƷƷen. Hiermit ſind die organiſchen, bereits im
    goth. **) und alth. vorhandenen übergänge des wur-
    zelhaften t folglich des ſpäteren Ʒ in ſ nicht zu ver-
    mengen, wie ſie in den anomalen praet. muoſte, wiſte
    [415]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
    eintreten. Die ſcheinbar gleichen fälle buoƷte,
    gruoƷte etc. geſtatten durchaus keine ſolche verwand-
    lung in gruoſte, buoſte; noch weniger kann das mit-
    telh. ſazte zu ſaſte werden. Bei der inclination des
    dû könnte daſte aus daƷdû entſtehn. (vgl. daƷter oben
    ſ. 383.) Allgemein gilt wiſſage (propheta) vermuthlich
    wîs-ſage verſtanden, da ſich ſonſt die alte endung -ag
    in eg, ig (wiſſege) verwandelt haben würde.
  • 6) wegwerfen des Ʒ findet ſich a) in dem verbum lân,
    lât, lie f. lâƷen, læƷet, lieƷ (pl. lieƷen, niemahls
    lien) näheres über die ſchwankende volle und contra-
    hierte form bei der conjug. Die analogen verwâƷen,
    mâƷen etc. contrahieren nie. b) vor dem ſuperlativen
    ſte fällt Ʒ und der folg. tonloſe vocal aus in grœſte,
    beſte, leſte f. grœƷiſte, beƷƷiſte, leƷƷiſte, ſelten rück-
    umlautend grôſte, baſte. Ähnliche ſyncope der ſpi-
    rans h und ſ in hœſte, bœſte f. hœhiſte, bœſiſte läßt
    vermuthen, daß ſie auch bei Ʒ wegen ſeiner dem ſ
    nahen ausſprache ſtattfindet. — Z wird ſyncopiert in
    geſat (poſitus) beſat, verſat, entſat f. geſazt und dies
    f. geſetzet; eine merkwürdige form, da ſich theils im
    praet. nur ſazte (Barl. 58. Maria 10. nie ſate), theils
    von den analogen hetzen, wetzen, letzen etc. nie ge-
    hat, gewat, gelat, theils geſat ſelbſt nicht bei allen
    dichtern, ſondern nur bei einigen findet, vorzüglich
    Wernher (Maria 24. 69. 112. 162. 173. 191. 207.) Hartm.
    (Iw. 57b) Rudolf (Barl. 116. 130. 210. 336. Orl. mihi
    1401. 1797 etc. weltchr. Schütze 214. 242.) fragm. 172
    Morolf 58a 59b 60a etc. Niederdeutſch iſt dies geſat,
    wiewohl es ebenſo aus geſettet folgt und hier auch
    wirklich ſate f. ſettede galt, darum nicht. Wie beim
    ausgeworfnen d. t. (oben ſ. 410.) erfolgt durch ſyncope
    des z. Ʒ. auch keine verlängerung des kurzen wur-
    zelvocals.

(S) zur überſicht hier eine zuſ. ſtellung der deut-
ſchen wörter, welche die einfache ſpirans behalten:
gras (gramen) glas (vitrum) twas (fatuus) baſe (amita)
haſe (lepus) naſe (naſus) waſe (ceſpes) vaſe (radix) haſel
(corylus) vaſel (ſoboles) traſen (currere, fragm. 24b) ma-
ſer (tuber in ligno) eſel (aſinus) lëſen. wëſen. genëſen.
vëſe (ptiſana, aus dieſem fremden wort?) bëſme (ſco-
pae) wiſe (pratum) riſe (gigas) diſen (hunc) kiſel (cal-
culus) zwiſel (furca) wiſent (bubalus) mos (muſcus) hoſe
(bracca) loſen (audire) pfoſe (marſupium) ſus (ita) üſele
[416]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
(favilla) krüſelîn (urceolus Wilh. 2. 85b) âs (cadaver) mâſe
(cicatrix) blâſen (flare) pfnâſen (idem) râſen (delirare, wohl
mehr niederd. Morolf. 50a 64a) kæſe (caſeus) îs (glacies)
rîs (virgultum) grîs (canus) wîſe (ſapiens) ſpîſe (cibus)
lîſe (leniter) bîſe (aquilo) zîſe (regulus) wîſel (index)
îſen (ferrum) brîſen (nectere) rîſen (cadere) prîſen (lau-
dare) gîſel (obſes) lôs (liber) rôſe (roſa) kôſen (blaudiri)
bœſe (pravus) œſen (vaſtare) rœſen (laudare) hûs (do-
mus) lûs (pedic.) mûs (mus) ſûs (ſtridor) grûs (horror)
tûſent (mille) riuſe (rete) eiſe (timor, aus egiſe) leis,
leiſe (veſtigium) reiſe (iter) freiſe (periculum) heiſe (rau-
cus) meiſe (parus) weiſe (orphanus) weiſen (gula) deiſme
(fermentum) neiſen (perdere, meiſterg. 11a 43a 47b) kie-
ſen. nieſen. verlieſen. frieſen. frieſe (friſo) mies (muſcus)
buoſen (ſinus) druoſe (glandula) gruoſe (ſemen); nicht
hierher gehören was (acer) ros (equus) kus (oſculum)
gewis (certus) deren inlaut ſſ. bekommt, zweifelhaft
bleiben hes (palear) las (onus) *) vielleicht auch mos (moſes
oder moſſes?). Längſt in r verwandelte ſ. haben ber,
kar, mêr, rôr etc. (goth. baſi, kaſi, máis, ráus) der ei-
genname nêre (Kl. 1705 und Alph. im einſchnitt) mag
auch ein uraltes nêſo bedeuten (?goth. náiſva, vgl. na-
ſua Jul. Caeſ. 1, 37. und oben ſ. 343. not. ***). Einer
berührung der ſpiranten h und ſ. wurde ſ. 318. gedacht;
gehört dahin, daß das roman. foreſt unſern mittelh.
dichtern bald fôrëſt, (Parc. 7b) bald fôrëht lautet? das
neuh. forſt entſpringt daher, doch foreſta früher wohl
ſelbſt aus einem alth. forehahi (fohrenwald)? Daß aber
h in fôrëht kein ſchreibfehler iſt, folgt aus dem reim auf
ſlëht (Parc. 144c Wilh. 1, 36b), ſchahtelân f. chaſtelan
und der ſpätern ſchreibung ſchachtelan (Boner) vgl. den
ſchweizernamen tſchachtlan und oben ſ. 279. rizard,
richard. Eine andere verwandtſchaft des zuugen- und
kehllauts hernach bei tz. Insgemein aber iſt die ſpi-
rans ſ. (wiewohl dem übergang in r unterworfen, das
mit h und w einige beziehungen theilt) feſterer natur
als h und w, erfährt auch weit ſeltner ſyncope, nämlich
bloß vor dem ſt. des ſuperl. fällt es zuweilen aus (ſ. 415.).


lingualgeminationen.


(TT) urſprung und vorſchritt dieſer gem. ſind im
allg. erörtert worden, hier aber noch verſchiedene fälle
[417]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
näher zu erwägen. Nach a iſt ſie (mit ausnahme des
eigennamens hatte:geſtatte Karl 64a) wohl nirgends ein-
gedrungen, es heißt blat, blates; ſat, ſates, geſaten;
glat, glates; ſchate (umbra) ſtate (opportunitas *)) va-
ter etc., natürlich, weil hier kein folgendes i auf die
verdoppelung wirkte; aus demſelben grunde entſchiedne
gem. nach e, als bette, wette, lette (argilla) erretten (eri-
pere) zetten (dissipare) doch mit ausnahme von bleter und
veter, welchetroj. 50c ſchmiede 1820 ſtumpf reimen (Wilh. 1,
120a veter:wëter, doch Amur 13b etter:wëtter klingend).
Nach ë ſonſt kein tt, nur t, deſto mehr ſchwanken
nach i. Beſtändig tt. haben bitter, zitter (tremor) ſmitte
(officina fabri); ritter mag ſich im verlaufe des 13. jahrh.
entwickelt haben, warum mieden ſonſt die älteren dich-
ter den reim auf bitter? erſt Conrad gebraucht ihn
(troj. 27a) und einige andere M. S. 1, 37a; freilich kommt
riter ſtumpfreimig auch nicht vor (? auf ungewiter)
und alte hſſ. wie der ſ. gall. Parc. ſchreiben ritter, der
gieſſ. Iw., cöln. Wigal. aber riter. Früher und in der
regel galten gewiß mitte (medium) dritte (tertius) denn
beide ſind ſchon alth., ausnahmsweiſe ſteht noch drite
(Maria 97. Wigam. 31b) und enmiten (Barl. 68. 337.
Amur 7a). Einfaches t gebührt den wörtern ſite (mos)
trites (gradus) ſnites (maſc. ſegminis) ſnite (fem. buc-
cella) ſchrites (paſſus) **) rite (febris) bite (rogo) biten
(rogare in welchem wort man ein tt. erwarten ſollte)
und überall den praet. liten, miten, ſtriten, ſniten etc.
Selten die klingenden formen bitten, ſitten, geſnitten
(M. S. 1, 29a b) oben ſ. 384. Nach o haben tt die wör-
ter ſpot, ſpottes, ſpotten; rotte (lyra) rotte (agmen) otte
(n. pr.) wiewohl nicht durchgehends, Rudolf gebraucht
D d
[418]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
noch ſpote und ſpoten (ſtumpf, ſ. Barl.) und rote ſteht
Ernſt 14a 34b 38b 50b M. S. 2, 132b. Einfaches t müßen
haben got, gotes; tote, bote, rote (rhodanus) und die
part. praet geboten, geſoten. Nach n in den nämlichen
praet. desgleichen. buten, ſuten, überhaupt kein tt;
nach ü aber in hütte (tugurium) mütte (modius) ſchüt-
ten (fundere) zerütten (turbare). — (DD) gar nicht vor-
handen, es ſey denn in fremden namen wie liddamus
Parc. 100c 101a. b. — (ZZ.) theilt ſich in zz und ƷƷ.
1) für zz wird gewöhnlich tz (zuweilen c und cz) ge-
ſchrieben, doch nicht allgemein, der ſ. galler Parc. hat
meiſtens zz (ſogar im auslaut, vgl. ſazz:chrazz 37c) ei-
nigemahl tz (29a witze); ich bediene mich überall des
tz, theoretiſch richtiger würde das einf. z für tz und
ebenſo Ʒ für ƷƷ ſtehen, alſo von keiner inlautenden
gem. tz. ƷƷ. ſondern nur von einer in- und ausl. aſp.
z und Ʒ die rede ſeyn. Dieſe anſicht beſtätigt ſich ſo-
gar durch die ſchreibung des zz und tz im auslaut, in-
dem ſie im fall wirklicher gem. nur dem inlaut zuſtün-
den; das auslautende pf. findet niemand anſtößig. Be-
lege des tz, außer den inlauten der vorhin beim z ge-
nannten wörter: katze (felis) tatze (pes) ratzen (grassari
Frig. 20c) atze (n. pr.) etzele (n. pr.) netze (rete) metze
(n. pr.) ketzer (ſodomita) ſetzen (ponere) ergetzen (exhila-
rare) hetzen (perſequi) wetzen (acuere) bletzen (ſarcire, in-
ſerere) letzen (laedere) ſchetzen (aeſtimare) benetzen (irri-
gare) hitze (calor) witze (ingenium) ditze (hoc) ſpitzic
(acutus) litzic (? Reinfr. 14 [...]a) antlitze (Parc. 29a troj.
146a Herb. 5b 69a 89a vultus) ritze (fiſſura) kitze (hoe-
dus) ſitzen (ſedere) ſwitzen (ſudare) ſnitzen (ſculpere)
ſmitzen (inſicere) endungen -itzen, -itze. kotze (amictus)
lotze (Morolf 45a 63b) getotzen (ſternere ſe? kolocz 148.)
nütze (utilis) pfütze (puteus) ſchütze (jaculator) antlütze
(Ben. 64. Maria 29. 66. facies) umbekützen (amicire) be-
tützen (fragm. 3 [...]b conſternare) [n]rdrütze (taedioſus) es
werden ihrer wenige mehr ſeyn, vielleicht dutzen (oder
dützen, tuiſſare)? (vorhin ſ. 412.) und crütze (crux)
ſ. 412. vgl. Maria 54. cruce. Durch inclination würde
datze aus dà ze entſpringen, ich weiß nicht, ob gute
hſſ. dieſer theorie entſprechen. Neben den [angeführten]
beiden formen antlitze, antlütze erſcheint, wiewohl
nur außerhalb reim eine dritte antlihte (Triſt. 109b
112c) antlühte, antliuhte? (Barl. 64.) welches ein merk-
würdiger übergang zwiſchen zungen- und kehllaut
wäre, wenn es ſich nicht vielmehr auf die ſchon im
[419]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
alth. *) wahrgenommene vermiſchung gründet, in wel-
chem fall nur antlitze und antlütte rechtſertig ſind, viel-
leicht das verkürzte antlit (Flore 28b Morolf 8b) antule
(a. Tit. 124.) ſcheint bedenklich. — 2) von ƷƷ hier ei-
nige beiſpiele: gaƷƷe (platea) vaƷƷe (vaſe) waƷƷer
(aqua) haƷƷen (odiſſe) laƷƷen (retardare) neƷƷe (mador)
keƷƷel (cacabus) neƷƷel (urtica) ſeƷƷel (M. S. 2, 215a)
meƷƷer (culter) ëƷƷen. frëƷƷen. mëƷƷen. vergëƷƷen.
wiƷƷen (ſcire) biƷƷe (morſu) broƷƷen (M. S. 2, 108a)
fluƷƷen. guƷƷen. nüƷƷe (nuces) ſlüƷƷel (clavis) drüƷƷel
(roſtrum) ſchüƷƷel (patena). — (SS) in wenig wörtern:was,
waſſen (acrem) heſſen. meſſinc (aurichalcum) ëſſe (uſtrina)
hëſſen (Parc. 140b) miſſen. wiſſe, wëſſe. gewiſſen (certum)
ſubſt. auf-niſſe zuweilen nüſſe) ros, roſſes. kus, kuſſes. güſſe
(M. S. 2, 140b Wilh. 3. caſſ. 101b 257b) in letzterm wort
ein noch dunkler übergang aus Ʒ (ſtamm:gieƷen) der
ſich aber ſchon im alth. findet (ſ. 171.). Auch im Tit.
der reim küſſen:güſſen. Außerdem in den fremden
wörtern maſſenîe. maſſe. eſſe (aſſis) mëſſe. prëſſe. do-
ſchëſſe etc. In wîſſage, freiſſam, luſſam (aſſimiliert) be-
rühren ſich die ſ. zweier ſilben. Von ſſ. für hs unten
bei letzterm.


anlautende lingualverbindungen.

TR. häufig und wie im ſtrengalth. TW. gebührt
eigentlich nur folgenden: twâle (mora, ebenſo tweln,
morari) twalm (torpor) twas (hebes) und twërc (nanus).
Sehr unorganiſch bekommen es aber allmählig auch
twahen (lavare, gilt vom menſchl. leib, waſchen allge-
mein auch von ſachen) twehele (mappa) twërch (transverſus)
twingen (cogere) ſt. des richtigern dw. Der ſ. galler
Parc. gieſſ. lw. etc. haben dieſes falſche tw. überall
ſchon. — DR. wie im ſtrengalth. DW. verliert ſich im
laufe des 13. jahrh., die älteſten hſſ. kennen es aber
noch, und ſchreiben dwahen, dwehele, dwërch **) dwin-
gen, dwanc, dwungen, vgl. Maria 15. dewanger 86. dwun-
gen 104. dewuoch etc. neben betwungen 5. 119. 153.
D d 2
[420]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
betwanch 125. 230. twuoch 116. *). Das alte münchn.
fr. lieſt Wilh. 2, 73b 74a dwanch, und Nib hſſ 232. 388.
erdwingen, dwang. Jenes twingen etc. iſt nicht beßer,
als wenn man tringen, trì etc. f. dringen, drî eingeführt
hätte. Ob eine zeitlang tw und dw noch dialectiſch un-
terſchieden waren, könnten wir nur erfahren wenn un-
ſere dichter alliteration gebraucht hät en. — ZW. überall
richtig, wie im alth. Im neuh. werden wir auch alle
tw. in zw. übergehen ſehen, ſo daß nunmehr zw die
drei org. ganz verſchiedenen anlaute tw. dw. zw. aus-
drücken muß. — SL. SM. SN. SP. SPR. ST. STR. SW. **)
beſtehen und nicht ſchl. ſchm etc wohl aber gehen die
alth. ſc. ſcr. über in SCH. SCHR. Daß dieſer übergang
viel früher begonnen habe, wurde ſ. 173-175. darge-
than; die meiſten denkmähler des 12. jahrh. haben be-
reits ſch. ſchr, z. b. die gl. herrad. In Maria bald ſc.
bald ſch; im münchn. fr. des Wilh. 2. und des Parc.,
im gieſſ. lw. entſchieden ſch. ſchr; nur der ſ. gall. Parc.
(der gerade das anlautende ch ſtatt k hegt) gibt häufiger
ſc als ſch, und vor allen vocalen, z. b. ſcande, geſcë-
hen, ſcoup, ſciere. lſt bei dieſer verſchiedenen ſchrei-
bung auch verſchiedene ausſprache? oder umgekehrt
dieſelbe ausſprache anzunehmen, es ſtehe nun ſc oder
ſch geſchrieben? In letztem fall aber welche ausſprache
iſt die richtige, ſc oder ſch? Ich wage keine entſchei-
dung; zum theil wird ſie von der anſicht abhängen,
welche man ſich über k und ch bildet. In rom. wör-
tern ſcheint ſch bald aus ſc (ſchumpfentiure, ſconfitura)
bald aus ch (ſchapel, ſchanze, ſchëvalier, wofür Triſt.
40b chëvalier, Wigal. 170. ſogar zëvalier) bald aus einf.
ſ zu entſpringen (ſchëneſchalt Parc. 36c 49a. c rom. ſene-
ſchal ***), ſchariant Parc. 188c, im Wigal. ſariant; vgl.
[421]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
den inlaut ſch. Andere bſſ. ſetzen wohl tſch f. ſch, als
tſchionàtûlander, und ſelbſt Parc. 122b tſchanpfanzûn.


in- und auslautende lingualverbindungen. Von SCH
gilt das ſo eben beim anlaut geſagte, während die gl. her-
rad. viſch, eƷƷiſch, rætiſche etc. ſchreiben, hat der ſ. gall.
Parc. und cöln. Wigal. oft noch viſc, tiſc, viſcære etc. Die
wichtigſten beiſp. ſind: aſche (cinis) aſche (piſcis) wâſchen-
walt (voſagus) waſchen (lavare). naſchen (ligurire) chlì-
baſche (genus cibi? ſlav. chleb, panis). carraſche (vehi-
culum) haſche (ſecuris) haruaſch (thorax) pfaſch (via an-
guſta) taſche (pera) quaſchiure (vulnus) munſalvæſche
(Parc. 140a) drëſchen, erlëſchen, pfnëſchen (fremere) viſch.
tiſch. wiſch. friſch. riſch (vegetus) miſchen. hiſchen
(ſingultire) endungen -iſch, -iſche; froſch (rana) röſche
(aſper) löſche (corium rubicundum) nuſche (ſibula) züſchen
(a. Tit. 156.) fleiſch freiſchen (fando audire) heiſchen
(poſtulare) rûſchen (ſtridere) tiuſch (ſt. diutiſch) kiuſche
(caſtus) gebinſche (fragor) getiuſche (ſallacia). Von conſ.
leidet ſch faſt nur liq. vor ſich, vgl. falſch (falſus) clin-
ſchôr (n. pr.) wünſchen (optare) menſche (homo) hei-
denſch (gentilis) herſch (M. S. 1, 117a) tœrſch (ſtultus)
vorſchen (inquirere), doch auch f. in hofſch ſt, hoveſch;
es ſind meiſt ſyncopierte oder fremde wörter. Das ſch
in den fremden wörtern verdient beſondere aufmerkſam-
keit; gleich dem anlautenden gründet es ſich theils auf
ſc (taſche, taſca; flaſche, flaſca; haſche, aſcia) *) theils
auf ein bloßes ſ. vgl. harnaſch, harneſe, harnes; pfaſch,
paſſus, pas; wâſche (voſagus) falſch, fals, faux und clinſchôr
(wie ſtets im Parc.) iſt richtiger als clinſôr (M. S. 2, 6a. b.)
ganz verwerflich aber clingeſor oder clingeƷor; die rom.
quelle kann clenſor gehabt haben (ens wandelt ſich in
ins, wie cenſus in cins, vgl. oben ſ. 388. 395.). Da die
verwandlungen des ſ in ſch ſteigen (neuh. lauſchen, herr-
ſchen, wirſch; alth. loſan, hërriſôn, wirs etc.) ſo ſcheint
mir daraus die dem neuh. ſch gleiche ausſprache des
mittelh. ſch (oder ſc) zu folgen **). — TSCH. ſehr ſel-
ten, vgl. getſchen:ſtetſchen (M. S. 2, 190b) bisweilen in
fremden wörtern ſtatt ſch, ala muntſalvatſche (a. Tit. 12.)
quatſchiure und quetſchen. — SP. nur in: haſpel (troch.
[422]I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
lea) raſper (Wilh. 1, 18b ita cod. caſſ., vgl. den beina-
men des thüring. heinrich raſpe, und raſpenbëre Loh. 63.
gl. trev. 16a giraſpe quiſquiliae) eſpe (arbor) lëſpe (labium,
außerm reim M. S. 2, 16[9]b ſt. lëſſe) vëſper (abend) hiſpe
(fibula) criſp (criſpus) riſpen (plicare Wilh. 1, 38b M. S.
1, 83b 2, 57b fragm. 26a) wiſpel (ſibilus) ziſpen (motitare)
liſpen (anhelare); es mag noch andere geben, die mir
nicht vorgekommen ſind, z. b. ein deſpen (extinguere)
vgl. oben ſ. 129. Nicht hierher gehört zwi-ſpilden (du-
plicare Wilh. 2, 68b Georg 8b kolocz 99.) und zwi-ſpilt
(duplum, Scherz zu fr. belli 25b vgl. Parc. 48b). — SW.
durch zuſ. ziehung in zëſwe (dextera) f. zëſewe; auf
zëſwen reimt Conr. (ſchmiede 1568. kol. 1526.) erſwë-
ſwen, erlëſwen, erzlëſwen? deſſen bedeutung wohl mar-
cere, deſſen form jedoch dunkel iſt. Verſtändlich wird
mit aber ein anderer reim auf zëſwen. nämlich hëſwen
im Tit. durch die vergleichung des ſ. 250. angeführten
angelſ. wortes haſva (aridus, ariditate aſper) jenes mit-
telh. hëſwe (? heſwe) heißt torridus, pallidus und nicht
unwahrlcheinlich muß auch in der ſchmiede erhëſwen
geleſen werden. — ST. häufig, hier nur einige beiſpiele:
taſten (tangere Parc. 68c 148a wo ſtaſten fehlerhaft; M. S.
2, 24. betaſten f. beſtatten) waſtel (panis Wilh. 2, 62a) waſte
(deſertum, ſo Wolfr. Parc. 60a und Walth. 1, 132a waſten,
vaſtare; die übrigen deutſcher: wuoſte und wueſten,
jenes ſcheint aus dem rom. vaſte, vaſter, gaſter entlie-
hen; alth. wuaſtì, wuoſtî, wuaſtinna, niemahls waſtî,
waſtinna) gueiſte (ſcintilla, troj. 29c 92b geneiſten, ſcin-
tillare, guiſtern M. S. 1, 184b wofür a. Tit. 115. guanei-
ſten, gâneiſten? vgl. gæneſter gl. herr. 198b und gænſter
Parc. 25a 106a) huoſte (tuſſis) etc. —


(K. G. CH. I. H.) gutturales.

(K. C.) vorerſt, was die ſchreibung betrifft, ſo ſetze
ich in deutſchen wörtern anlautend kein c, ſondern
immer k; auslautend kein k, ſondern immer c, alſo
kieſen, kleine, kneht, tac, balc, bërc. Beide buchſta-
ben drücken zwar dieſelbe tenuis aus und es ſcheint
einfacher, nur ein zeichen, nämlich k für den an- und
auslaut, folglich tak, balk anzunehmen. Einzelue hſſ.
thun dies auch, wiewohl die älteſten (falls ſie ten. ſchrei-
ben) c vorziehen. Man kann das einf. c dulden, ſo lange
man die gem. kk durch ck ausdrückt und die aſp. ch
nicht anders ausdrücken kann, denn dafür wird nie-
mand kh durchſetzen. inlautend kommt die gutt. tenuis
[423]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
nur vor α) in der verbindung mit liq. und hier ſchreibe
ich k, z. b. ſchalkes, benke, ſtarken von den auslauten
ſchalc, banc, ſtarc, da ein inlautendes c vor e, i etc.
wie z ausſehen würde. β) nach voc. lediglich bei con-
tractionen ſtatt der geminata und hier ziehe ich wieder
die ſchreibung c vor, als blicte, ructe ſt. blickete,
ruckete, weil die inl. ten. vor t insgemein der ausl. ten.
parallel ſteht und ich im auslaut c ſetze (blic, blickes).
Ob aber dieſe parallele auch auf die verwandlung der
inl. med. in c vor t erſtreckt werden dürfe? (fuocte f.
fuegete, hancte f. hengete) iſt oben ſ. 380. beſprochen.


Wichtiger als die ſchreibung k oder c (die theorie
hätte nichts wider und die conſequenz forderte ſelbſt
ein allgemeines k und kk, wie p und pp) iſt der zwei-
fel zwiſchen k und ch, nicht ſowohl der ſchreibung,
als der wirklichen ausſprache nach. Ich bemerke 1) da
im lippen und zungenlaut ſtatt der goth. ten. p und t
die aſp. pf und z gelten, warum greift nicht im kehl-
laut die aſp. ch. für das goth. k durch? warum heißt
es nicht chieſen, ſchalch, arche wie es pfeit, wolf, wër-
fen, zërn, ſalz, hërze heißt, um ſo mehr als in- und
auslautend die aſp. wirklich gilt, ſobald vocale vorher-
gehen, z. b. brëchen, brach, brâchen, nimmer brëken,
brac, brâken. Nun ſchreiben auch in jenen fällen viele
gute mittelh. hſſ. entſchieden ch und nicht k; einige
ebenfalls gute ſchreiben aber k (c). Für die ausſprache
und die danach einzurichtende ſchreibung der reinen
ten. ſpricht a) die gemination ck, welche gewiß kk
und im auslaut wie einfaches k. lautete, ſac, ſackes;
blic, blickes; druc, druckes; denn ſolche wörter rei-
men nie auf entſchiedene aſp. wie dach, daches; ſtich,
ſtiches; ſpruch, ſpruches. Schreiben alſo hſſ. dennoch
ſach, ſaches; blich, bliches; ſo iſt das zu tadeln und
erregt bedenken für andere fälle, wo ſie gleichfalls ch.
ſetzen. b) wäre die aſp. für die goth. ten. allgemein
durchgedrungen, ſo hätte auch die med. allgemein durch
ten. erſetzt werden müßen, wie ſich im ſtrengalth. zeigt,
aber keine mittelh. h[ſ]. gewährt kras, taken. vielmehr
iſt die med. hier geblieben. Nichts natürlicher. als daß
man die reine ten. da, wo die aſp. nicht waltete, bei-
behielt, d. h. im anlaut durchgehends, in- und ausl.
nach liq. c) für letztern fall, nämlich die verbindungen
lc, nc, rc lehrt der reim wieder die ausſprache. Nach
dem grundſatz ſ. 377. tritt med. auslautend in ten. (ta-
ges, [...]ac; ſiges, ſic; balges, balc; ringes, rinc; bërges,
[424]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
bërc) *); nun aber reimen unbezweifelt ſchalc (ſchalkes):
balc (balges) danc (dankes):lanc (langes) ſtarc (ſtarkes):
are (arges). In beiden fällen iſt alſo eine gleiche ten.
geſprochen worden. Wollte man einwenden, daß auch
die auslautende med. aſpiriert worden ſeyn könne, ſo
antworte ich, theils wäre das ein ſprung, da keine med.
in aſp. ſondern nur in ten. und dieſe dann in aſp. über-
tritt, und es unthunlich ſeyn würde, für balch, junch
die inlaute balges, junges anzuſetzen; theils beweiſt der
reim die ausſprache der ten., indem tac, ſic etc. nie
auf entſchiedene aſp. (brach, ſtich) vielmehr beſtimmt
auf entſchiedene ten. (ſac, blic) reimen; was aber von
tac, ſic gilt, muß es auch von balc und junc. Die
ſchreibungen ſchalch, danch, ſtarch ſind alſo wiederum
verwerſlich, noch vielmehr tach (dies) ſich (vict.) balch.
rinch. bërch etc. d) die falſchen ſchreibungen, ſach,
ſaches, ſchalch, ſchalches etc. machen mistrauiſch gegen
die in denſelben hſſ. übliche ſchreibung der anlaute
charl, chieſen, chunſt etc. und reden für eine eben-
mäßige ausſprache und ſchreibung der bloßen ten. welche
in alten hſſ. auch oft genug ſteht. Freilich entſchieden
wird damit nichts und reime vermögen hier nicht zu
entſcheiden; alliterationen vermöchten es, inſofern etwa
ein deutſches ch. nie mit einem roman. c gebunden
würde. Was ſich noch ſonſt für den anlaut ch. ſagen
läßt, hernach unten bei der aſp. e) ſollte hier nicht
auch die neuhochd. ausſprache zurückbeweiſen? ſie zeigt
nicht nur in ſchalk, dank unbezweifelte ten. ſondern
auch in allen anlauten karl, kieſen etc. während, wie
im mittelh., die übrigen lantreihen der conſequenteren
aſp. auhängen (pfund, pfeife, zahn, zunge). Hierzu
ſtimmen im alth. O und T. — 2) der ſprung vom g.
zum ch. kann nur durch ein im mittel geweſenes k er-
klärt werden. Da nun der anlaut g. als regel gilt, ſelten
ſpur des ſtrengalth. k. erſcheint (ſ. 382. enkëlden, hôchkezît
Parc. 52a ferner Wig. 164. enkarte f. entgarte, Nib. 3764.
enkân f. entgân etc.); ſo müſte man in wörtern wie
eigennamen, die dem organiſmus der eigentlichen ſprache
entwachſen ſind, nach beiſpielen forſchen. Und ich
finde einige auffallende. Das lat. graeci war in ein alth.
[425]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
kriahhî verwandelt worden (ſelbſt im angelſ. neben grë-
cas crëcas vgl. oben ſ. 237. not.; im roman. wohl mei-
ſtens mit g. Roquef. 1, 713a) dies kr. wurde bei O. nicht
wieder zu gr. aber bei N. zu chr (68, 35. chriechiſc)
mittelh. hſſ. ſchwanken zwiſchen kr. und chr, vgl. Nib.
5369. chriechen, Parc. 80c. Ebenſo entſpringt chriemhilt
und chutrûn aus grimbilt und gutrûn durch ein vermit-
telndes k; ſchon ein dipl. bei Neugart n° 525. vom j. 881.
hat die form chriembilt, die veränderung des i in ie
(wie bèi chriechen, nord. grickir) verdunkelte den ur-
ſprung, ob im nord. grimhildr oder grìmhildr zu ſchrei-
ben ſey, laße ich hier unentſchieden. Auch bei gudrûn,
godrun wechſelt der nord. vocal, vielleicht iſt gôdrûn
und dann im hochd. guotrûn richtig, worans ſich die
falſche ſchreibung choutrûn, chautrûn verſtändigte. In
chriſt blieb der org. aſp. überall ungeändert und bloß
die ſächſ. und nord. mundart führte ihr kr. ein *)
3) das c. romaniſcher wörter wurde durch die deutſche
ten. wiedergegeben und gerne c, aber auch k geſchrie-
ben, z. b. cunnewâre (das nord. gunnvör) kappe, keie,
condûwieren, caſtêl etc. bot, oft in denſelben wörtern die
rom. mundart ein ch. ſo entſprang ein deutſches ſch,
als ſchapperûn und Wolfram ſagt nicht caſtêl, ſondern
ſchahtêl (vorhin ſ. 416.). In einigen namen hat der ſ.
gall. Parc. tenuis in andern ch. z. b. kanvôleis, karnant,
clîas, clinſchôr, hingegen charchôbrâ, bêâchurs, chûchû-
merlant (cumberland) und chlâmidê neben clâmidê (vgl.
49a c 50a c). Solche neuaufgenommene namen hatten
in der wirklichen ausſprache ſicher die reine ten. (kar-
kôbrâ) wie die rom. p. und t. nicht zu pf. z. wurden.
Dies wäre ein grund wider die ausſprache der aſp. in
deutſchen wörtern, wenn ſie ſchon geſchrieben ſteht. —
4) fehlerhaft ſcheint k. zuweilen ſt. ch. geſchrieben zu
ſeyn in fällen wo letzteres ſelbſt aus dem zuſ. ſtoß zweier
ſilben entſpringt, z. b. frümekeit f. främic-heit, frü-
mecheit. — 5) ausgeſtoßen wird k in mar-ſchalk, mar-
ſtal (Parc. 111b) inſofern dieſen zuſ. ſetzungen das mit-
telh. mark (alth. marah) zum grund liegt. Das die
med. vertretende c erleidet apocope in zwî (Gotfr.) ſt.
zwîc (Wolfr.)


[426]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.

(G) an- und inlautend bäufig, im auslaut ſtets durch
c. erſetzt. Syncopiert wird dieſe med. in morne f. mor-
gene (Flecke, Rud. Conr. Nith. im reim auf zorne)
nicht in morn f. morgen oder in den ähnlichen fällen
ſorgen, borgen. Zuweilen bei folgendem t, als pflît,
lît f. pfligt, ligt; zuweilen in i aufgelöſt treit f. tregt,
welche auflöſung indeſſen auch vor d, ſ und n ſtatt
findet und mancherlei willkürliches hat. Vorerſt ſetzt
ſie jederzeit ein wurzelhaftes a voraus, das in e umlau-
tet. d. h. ei entſpringt aus agi, und das flexions-i iſt
es, welches den umlaut erweckt, nicht das in i verwan-
delte g, denn in denſelben formen kann auch, wenn g
bleibt, umlaut eintreten, z. b. legte, tregt neben leite,
treit. Sodann ſchwankt das ei nach zeit und dialect
und leidet auf theoretiſch analoge fälle gar keine an-
wendung; bald gilt ei allein und kein ege z. b. eiſe (ti-
mor) f. egeſe und von uralter zeit her meiſte f. megiſte;
bald gilt nur ege und kein ei; bald beiderlei nebenein-
ander. Anfangs ſcheint man es nur für ein wirkliches
ege, allmählig auch für age gebrancht zu haben. Die
ältern ſetzen daher treit f. tregt, heidruoſe (inguen Parc.
116b alth. hegidruoſi) erweit f. erwegt (Wilh. 2, 152a)
meide f. megede, gein f. gegen, geine f. gegene (ſitus)
wobin auch die eigennamen meinhart, reinhart, ein-
hart etc. gehören, geleit f. gelegt, leite f. legte, getreide
f. getregede, gejeide f. gejegede etc. die ſpätern aber
auch meit f. maget, kleit f. klaget, gekleit f. geklaget,
ſeit f. ſaget, geſeit f. geſaget, teidinc f. tagedinc, in
welchen fällen der umlaut unorganiſch iſt. weil kein
megt, klegt, geklegt, ſegt, tegedinc ſtattfindet (anßer
reim freilich klegte M. S. 1, 201b 2, 48b 53a 62a). Hier
muß manches einzelne näher beſtimmt werden, als es
im allgemeinen möglich iſt; Wolfr. hat ſtets getregede,
gejegede, nie getreide, häufig aber gein; das ſubſt. geine
reimt Herbort auf reine, gemeine etc. Für negt (rodit)
regt (movet) regte niemahls ein neit, reit, reite auch
noch überall egedehß (lacerta, ſpäter eidechſe) etc. *). —
Dieſer auflöſung des g in i ſteht der verwandte, aber
umgekehrte fall zur ſeite, wo ſich g aus j entwickelt
(ſ. unten beim j). — Merkwürdig iſt das eindringen
des g an die ſtelle des h. in der conjug. einiger ſlarken
verba und zwar nach ſtufen α) das verbum ziehen nimmt
[427]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
im praet. und part. praet. überall g für h an, ſobald
dieſes inlaut wird, alſo züge (traxiſti) zugen (traxerunt)
gezogen (tractus); nicht auslautend zôc oder zouc (für
zôg, zoug) ſondern zôch (f. zôh) und bei inclination
zôher (nicht zouger). Das organiſch analoge fliehen
weiß aber nichts von der anomalie, ſondern hat regel-
mäßig flôch, flühe, fluhen, geflohen. Gerade wie zie-
hen zu fliehen verhalten ſich zîhen. gedîhen zu lîhen;
jene beide bekommen zêch, gedêch, zige, gedige, zi-
gen, gedigen; letzteres bleibt regelfeſt lêch, lihe, lihen,
gelihen. β) eine zweite ſtnfe wandelt auch den auslaut
ch (für h) in c (für g). Hierher gehören ſlahen, twa-
hen, gewahen, praet. ſluoc, ſluege, ſluogen, geſlagen etc.
ſtatt der org. ſorm ſluoh, ſluehe, ſluohen, geſlahen
desgl. bei inclin. ſluoger f. ſluoher. Und in einer an-
dern conj. wird das verb. ſëhen (nie aber geſchëhen,
jëhen) von gleicher ſucht angeſteckt, obſchon nur ſpur-
weiſe, da es meiſtentheils richtig geht. Nämlich Wolfr.
Parc. 30c reimt geſâhen: pflâgen, was die ausſprache
geſâgen vorausſetzt und 124c ändert die anlehnung ſach
er nicht in ſaher, vielmehr ſager *); wiewohl ich im
reim kein ſolches ſager. hingegen ſac (vidit) f. ſach-
pflac ( Wilh. 2, 177b 178a) finde. (vgl. unten ch.
5te bem.). Hierher fällt denn auch das allgemein gül-
tige genuoc und genuoge vgl. mit dem goth. ganôhs,
ganôhái. Im niederd. und neuh. ſchreitet dies unorg. g.
noch weiter vor und ergreift auch die formen des praeſ.
ſlagen, zwagen, doch bleiben ziehen und zeihen, ge-
deihen, ja beide letztere kehren ſelbſt im praet. zu dem
h. zurück (ziehen behält zog, zogen). Der neigung
hätte aber ſchon oben ſ. 182. im alth. meldung geſche-
hen ſollen, indem hlahan, ſlahan, duahan, giwahan be-
reits die praet. hluoc, hluogun ſt. hluoh, hluohun bil-
den und ziohan, zîhan, gedîhan meiſtens wie im mit-
telh. gehen; ja ſelbſt der Gothe hebt ſchon zwiſchen
áigum und aìhum an zu ſchwanken und hat tagrs f. das
alth. zahar. Die abhandlung der conj. wird näheres erörtern.


(CH.) zwei arten ganz verſchiedenes urſprungs.


  • 1) ch. ſtatt der reinen ſpirans h, nur auslautend in noch
    (ad huc) doch (tamen) joch (atque) den praet. ſach,
    [428]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    jach, geſchach, lêch, zêch, gedêch, zôch, flôch, in
    den imp. derſelben verba und des verbums vâhen
    (nicht aber der verba twahen, ſlahen, gewahen), ſo-
    dann in: gâch (praeceps) nâch (poſt) rêch (caprea)
    gevêch (varius) hôch (altus) ſchiech (fugax) diech (fe-
    mur) ſchuoch (calceus) rûch (hirſutus) endlich in den
    verbindungen lch. rch (belege oben ſ. 396.); alſo mit
    ausnahme der fünf zuerſt genannten wörter durchaus
    nach vorgängig langem voc. oder nach liq. Vielleicht
    würden auch noch, doch, wenn das h ihrer inlaute
    fühlbar geblieben wäre, nôch, dôch lauten.
  • 2) ungleich häufiger iſt ch ſtatt der goth. ten. wenn vocal
    vorhergeht; jedoch nur aus- und inlautend. Dieſes ch
    unterſcheidet ſich vom vorigen weſentlich darin, daß es
    auch im inlaute bleibt, wo jenes zu h wird. Belege:
    ach (interj.) och, uch (Georg 12a) krach (fragor) bach
    (rivus) dach (tectum) vach (thecae) gemach (otium) kach
    (riſus fragm. 24a) flach (flaccidus Iw. 4a) ſwach (debílis)
    ſache (cauſa) wache (cuſtodia) bache (baco) trache (draco)
    ſpache (ſurculus) machen (parare) lachen (linteum)
    wachen (vigilare) lache (palus) blëch (lamina) bëch
    (pix bei Conrad etc.) frëch (audax) lëch (n. fl.) brë-
    chen (frangere) rëchen (ulciſci) ſprëchen (loqui) ſtëchen
    (pungere) trëchen (trahere) zëchen (ordinare) ich. mich.
    dich. ſich. unſich. iuch. pich (pix, bei Wolfr.) ſtich.
    ſlich. ſtrich. gerich (vindicta) âſwich (fraus) wich
    (fuga, livl. chron. 71b 148b) endungen -lich, -rich;
    michel (magnus) ſichel (falx) ſicher (certus) kicher
    (cicer) die endung -iche (lëriche, alauda, meriche,
    equa) joch (jugum) bloch (truncus) loch (foramen) roch
    (figura in lud. latr.) woche (hebdomas) knoche (os)
    kochen (coquere) ſchochen (M. S. 2, 105b) ſpruch
    (dictum) bruch (fractura) ruch (odor)*); ſchâch (lud. latr.)
    ſprâche (ſermo) râche (vindicta) bâche (bacchus) hâche
    (n. pr.) âche (aquis gr.) lâchenîe (ſortilegium) lâmêch
    und ähnl. fremde namen; entwîch (fuga Parc. 96c 138c)
    lîch (color) tîch (piſcina) endung -lîch. rîche (dives)
    ſlîchen. ſtrîchen. ſwîchen. wîchen. bûch (venter) ſlûch
    (hydria) ſtrûch (frutex) brûchen (uti) ſtûche (manica)
    tûchen (mergi) bleich (pallidus) leich (ludus) weich
    [429]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    (mollis) eich (quercus) ſleichen (clam inferre) ſmei-
    chen (adulari) zeichen (ſignum) reichen (porrigere)
    ſiech (aegrotus) riech (aſper) kriechen (graeci) krie-
    chen (ſerpere) riechen (fumum dare) entliechen (re-
    cludere) ouch (etiam) gouch (ſtultus) louch (cepe)
    rouch (fumus) buoch (liber) tuoch (pannus) fluoch (ma-
    ledictio) ruochen (curare) ſuochen (quaerere). Das
    einzige lachen (videre) hat ſich aus dem org. hlahan
    entwickelt.
  • 3) in der verbindung mit ſ wird das goth. k jedesmahl
    zu ch, an- in- und auslautend, vgl. ſchîn, ſchrift,
    lëſchen, laſch, weitere belege vorhin ſ. 420. 321. Man
    kann nur dieſe verwandlung des ſk in ſch nicht ſicher
    mit der allgemeinen des k in ch paralleliſieren, indem
    ſowohl hſſ. welche letztere lieben (z. b. der ſ.
    galler Parc.) gerade ſc und nicht ſch; als auch umge-
    kehrt andere, denen der anlaut k geläufig iſt, den-
    noch ſch ſchreiben. Auch im alth. gehen ch und ſch
    nicht immer zuſammen.
  • 4) verbunden mit liq. in- und auslautend kein ch für
    k, ſondern fortwährend die alte ten. ſchalc, ſchalkes,
    banc, benke, arke etc., vgl. oben beim k bem. 1. c.
    Ausnahmsweiſe reimt bevalch, empfalch: marſchalk
    Nib. 6961. kl. 1602. Bit. 33b, und häufig bei Ottocar, ſo
    daß dialectiſch die ſtrengalth. ausſprache marſchalch ge-
    golten haben mag. Das einfache ſchalc reimt nur auf
    balc etc., der dat. pl. ſchalken:gewalken Wilh. 2, 178a.
    Ebenſo ungenau vërch:wërc Nib. 894[7]. (richtiger 2013
    wërc:getwërc) wo wieder das alth. wërah (oben ſ.181.)
    nachzuckt; noch tadelhafter ſwëlchen:ëlchen a w.
    3, 13. ſt, ſwëlgen, da doch wohl ſwëlc, ſwëlges gilt
    (man leſe daſ. allen ſt. aller).
  • 5) daß die ſchreibung ch für c (als auslautende med.)
    unleidlich ſey (denn für c als org. ten. läßt ſie ſich
    überall eher hören) wurde oben ſ. 424. bewieſen.
    Reime, die ein ſolches ch mit einem richtigen ch
    bänden, finden ſelbſt ausnahmsweiſe keine ſtatt. Hin-
    gegen erlaubt ſich Hartm. Iw. 47b ſmach (ſt. ſmac,
    ſmackes): ſach, oder wäre ſmac:ſac zu leſen und
    letzteres das ſ. 427. beſprochene ſac, ſâgen? (vgl. un-
    ten beim h die bem. e). Richtiger reim aber iſt
    eƷƷich:ſich (Iw. 25a) denn es heißt eƷƷich, eƷƷiches
    (ſ. 68. note) und das neuh. eßig, eßiges verdient den
    tadel.
  • 6) gründe wider die ausſprache der aſp. im anlaut oben
    ſ. 423. Für ſie iſt allerdings die häufige ſchreibung in
    den hſſ., und die fortdauer des harten kehllauts in
    der ſchweizermundart (der wenigſtens manche mittelh.
    gedichte nahe lagen) anzurechnen. Der gemeinmit-
    telh. dialect war weder der ſtrengalth. noch der des
    O. und T., ſondern lag zwiſchen beiden. Dem neuh.
    liegt er zwar zu grunde, doch nähert ſich deſſen
    miſchung etwas mehr der niederd. und O. und T.
    Ich habe daran gedacht, ob bei dem ſchwanken in
    org. ganz gleichen fällen etwa die gewohnheit unter-
    ſchiede zwiſchen k und ch. für einzelne wörter *)
    gebildet hätte und mir einen durchſchnitt beider an-
    laute nach mehrern alten hſſ. entworfen, doch ohne
    befriedigenden erfolg. Zwar iſt es z. b. einleuchtend,
    daß in Maria unter vielen ch. die wörter kint, ku-
    nic, knappe, karl, kamer etc. mehrentheils k. haben
    und im münchn. fr. Wilh. 2. wiederum kint, kune-
    ginne die einzigen k. in deutſchen wörtern ſind.
    Ferner wird in roman. lieber k als ch. geſchrieben
    und in jenem ſeltnen umlaut der med. in ten. (ſ. 382.
    und 424. enkültet, hôchkezît, enkarte) hat ſich das
    gefühl für k. erhalten. Allein im a. Tit. ſteht bei
    überwiegendem ch. zuweilen kraft, bekande, erkande,
    kunſt, kriegen, küngîn etc. meiſtens chüngîn und
    immer chint, nie kint; im ſ. gall. Parc., deſſen k.
    und ch. ſich ſchon mehr das gleichgewicht halten,
    ſchwanken beide namentlich in jenen kint, künic,
    knappe etc. und ſelbſt in roman. wörtern. Bís jetzt
    habe ich noch keine gute mittelh. hſ. geſehen, die in
    den anlauten entw. bloß k oder bloß ch befolgte, (ſelbſt
    der gieſſ. Iw. ſchwankt) noch weniger eine, die für
    gewiſſe wörter beſtimmt zwiſchen beiden wechſelte.
    Daß einzelne mundarten die wirkliche aſp. oder doch
    einen härteren laut, als die reine ten. ausſprachen
    folgt auch aus der wiewohl ſeltnenen ſchreibung ck,
    vgl. ckoſt, ckumber (Parc. 163b 129a) ckaſten, ckatze
    [431]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    (a. w. 3, 184.). Dieſes anlautende ck vergleicht ſich
    dem zuweilen auch vorhandenen anlaute tz f. z und
    dem ganz üblich gewordenen pf. für f; conſequent
    müſte es eigentlich cch (nicht ck) heißen, vgl. oben
    ſ. 191. Den anlaut k ſcheint endlich das ſelbſt in hſſ.
    die dem ch. ergeben ſind, gültige q anzuzeigen; denn
    q ſteht = ku, kw und wird in ſtrengalth. denkmäh-
    lern, die ch für k ſetzen, ebenfalls aſpiriert, qh oder
    chu (ſ. 196.). Dergl. findet ſich nun nicht im mit-
    telh., eher q bisweilen für andere fälle des k (Parc. 92a
    qnappen f. knappen).
  • 7) hſſ. des 12. jahrh. oder aus dem anfang des 13. z. b.
    Maria, der heidelb. Iw. etc. beobachten noch oft die
    alth. gewohnheit auslautend h für ch zu ſchreiben
    und zwar für beide fälle des ch ſowohl ſah, nah als
    ih, mih, brah, vgl. oben ſ. 189. Schicklicher, da
    hier die ausſprache der aſp. unbezweifelt iſt, entſagt
    man dieſer ſchreibung.
  • 8) inlautend entſpringt ch. zuweilen aus dem zuſ. ſtoß
    zweier ſilben und zwar α) aus c-h, als junchërre,
    wìchart, ſchalcheit, irrecheit, frümicheit, ſælicheit etc.
    β) aus ch-h, als ſiecheit, ſmâcheit, rîcheit, rîchart,
    lìchame etc. In dem erſten (nicht in dem zweiten)
    fall erklärt ſich die verwandlung des ch in k (ſueƷe-
    keit, irrekeit, trûrekeit, frümekeit) und das neuh.
    keit in frömmigkeit, ſeligkeit, ſo wie das k in jun-
    ker. Die neuh. ſprache dehnt ihr keit noch auf ei-
    nige fälle aus, wo es keinen ſinn hat, z. b. ſauber-
    keit (neben ſicherheit) mittelh ſûberheit; oder freund-
    lichkeit, wo ein bloßes freundlicheit (wie reichardt)
    hätte entſpringen ſollen. Iſt das mittelh. edelkeit
    (Barl. 39. 40. 42. Frig. 10a 16b) richtig? bis ſich ein
    adj. edelic nachweiſen läßt. ſcheint mir edelheit vor-
    züglicher und ebenſo wohllautend, als tunkelheit
    (neuh. dunkelheit). Bei armekeit, barmekeit iſt das
    adj. armec, barmec zu erweiſen. Übrigens halte ich
    für die wahre mittelh. ausſprache die ſchreibung ſue-
    Ʒecheit, armecheit etc. paſſender als ſueƷekeit, weil
    ſelbſt das organ. k. inlautend vor voc. aſpiriert wird
    (brëchen, ſuochen) wie vielmehr das zuſammenfließende
    c-h hörbar bleiben muß; dieſes c-h ſtrengte die
    kehle offenbar ſtärker an als ch, wie etwa ſtap-feſt
    (baculo nixus) den lippen ſchwerer werden würde als
    ſtapfeſt (gradiris); auch jeder vocal diphth. iſt weicher
    als der hiatus.
  • 9) abgeſtoßen wird das auslautende erſte ch bisweilen
    in nâ, rê, gevê, hô, rû, flû (ſ. oben bei den langen
    voc.) bisweilen auch das zweite in zuſ. ſetzungen und
    anlehnungen, als rîlîch f. rîchelîch; îne, mîne f. ichne,
    michne. In der conj. leidet dies zweite ch inlautend
    nie ſyncope, z. b. in brichet, ſprichet (kein brît etc.)
  • 10) fragt es ſich: ob inlautend ch vor t beſtehe? der
    fall betrifft nicht die neuh. form cht, welche als org.
    verbindung im mittelh. überall ht lautet. Es iſt bloß
    von zuſ. ziehung der in bem. 2. angegebenen verba
    machen, lachen, wachen, brëchen, ſtëchen, ſchâchen
    (ſchach bieten) ſlîchen, brûchen, reichen, ſmeichen,
    kriechen, ſuochen, ruochen und ähnlicher die rede.
    Bei den ſtarken könnte die ſyncope des e zwiſchen
    ch und t lediglich im praeſ. ſtatt haben, es iſt aber
    entſchiedene regel, daß das e nach ch ſtehen bleibe,
    alſo brichet, ſtichet, ſlîchet, kriuchet; ſollte ausnahms-
    weiſe verkürzung eintreten, ſo glaube ich, daß frü-
    herhin bricht, ſlîcht, kriucht und nicht briht, ſlîht,
    kriuht gelte. Im reim finde ich keine ſolche kürzung
    bei genauen dichtern; Frib. aber reimt allerdings niht,
    iht, geſchiht:briht, ſpriht (2a. c. 7b). Bei den ſchwa-
    chen verbis kommt außer dem praeſ. vorzüglich das
    praet. in betracht; überhaupt ſind hier manche rück-
    ſichten. Einmahl meiden die früheren dichter das e
    auszuwerfen, dem ein alth. ô oder ê zu grunde liegt,
    es heißt darum wachet, machet, lachet, brûchet, wa-
    chete etc. vermuthlich hatte dies e im 12. jahrh. noch
    merklichen tiefton wachèt, wachète; einzelne, zu-
    mahl ſpätere werfen es allerdings aus und hier ſpre-
    chen folgende reime für ht, laht:maht (M. S. 21a)
    lahte:mahte (a. w. 3, 183.) vielleicht nachwirkung
    des alten hlahan? gemaht:naht, aht, beaht, bedaht,
    geſlaht (troj. 60a 116a 169a Flore 9c 12c 16a 21c a. w.
    2, 89 etc.) maht:erdaht (M. S. [...], 1b erdàht iſt nicht
    nothwendig, oben ſ. 342.) mahte:ahte, ſlahte (Flore
    46c troj. 3bſchâhte:brâhte (Frib. 23a) etc. andere wie
    reichte:leichte (troj. 118c) ſleichten:reichten (M. S.
    2, 231b) beweiſen nichts, man dürfte ebenwohl ht.
    leſen, obſchon in guten hſſ. die das organ. ht nie
    durch cht. ausdrücken, allerdings die ſchreibung cht
    f. chet gewicht hat, z. b. im ſ. gall. Parc. (vgl.
    wachte:lachte 134c). Durch dieſes ht. vermiſchen
    ſich aber die formen verſchiedner bedeutung, z. b.
    wahte (vigilavit) mit wahte (excubiae) und wahte
    [433]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    (excitavit) die früherhin genan geſchieden wachete,
    wahte und wacte lauten. Schwache verba, deren e
    dem alth. i entſpricht, werfen es ſchon leichter aus,
    gewiſſe praet. nothwendig, ruochen, ſuochen haben
    im praet. ein unerläßliches ht, ruohte, ſuohte, wel-
    ches ſchon im alth ruohta, ſuohta (vgl. goth. ſôhta,
    nord. ſôtti) hieß und richtig auf ſchuohte (calceavit)
    reimt (Loh. 22.), kaum auf fluohte f. fluochte (maledixit),
    Unter einander reimen ſie oft, auch im part. geruoht, ver-
    ſuoht (Triſt. 45a 141c troj. 158c); das zuſ. gezogne praeſ.
    aber könnte zum unterſchiede ſehr wohl ruocht, ſuocht
    (f. ſuochet, goth. ſôkeiþ) haben. Dieſer org. umlaut des
    ch in h (goth. k in h) entſpricht dem des Ʒ in ſ (goth.
    t in ſ) bei wiſte, mnoſte und wie letztern kein gruoſte
    zur ſeite ſteht (oben ſ. 415.) ſcheint auch neben ruohte,
    ſuohte ein mahte unzuläßig, wenigſtens nach der
    theorie; ſpäter führte ſichs ein. Man beobachte, ob
    alte, ſorgfältige ſchreiber ruocht, ſuocht im praeſ.,
    ruohte, ſuohte im praet. ſetzen; ob ſie machte (fecit)
    wachte (vigilavit) von wahte (vigiliae) mahte (potuit)
    unterſcheiden? Der ſ. gall. Parc. hat zwar ſuochte
    111c aber ebend. auch dachte f. dahte. Wäre ht
    allgemein aus chet entſprungen, ſo fänden ſich bei
    älteren dichtern nahliegende reime wie briht, ſpriht etc.
    auf niht, iht etc. häufig vor. Allmählig mochte die aus-
    ſprache für den unterſchied zwiſchen ht und cht un-
    empfänglich werden; im neuh. hat er ſich eben ganz ver-
    wiſcht, jenes geruhte (f. geruohte, dignatus eſt) abgerech-
    net, aus dem man dafür den falſchen inf. geruhen leitete.
  • 11) auch zwiſchen dem org. hs (ſ. unten die verbindung)
    und dem zuſ. geſtoßenen chs wird verſchiedenheit ob-
    walten. Letzteres kommt ſeltner vor, z. b. in ge-
    rîchſen (imperare) oder der inclin. ichſe (Parc. 65a). —

(J) wird in keiner mittelh. hſ. vom vocal i ge-
ſchieden, und iſt


  • 1) anlautend unbedenklich, aber in deutſchen wörtern
    unhäufig, vgl. jâ. jagen. jâmer. jâr. jëhen, jach, jâhen.
    jëten, jat, jâten. jëſen, jas, jâren, jëner. joch (goth.
    juk) joch (goth. jah) junc, jugent. jucken. Vor i be-
    ſteht es nicht (wohl aber vor ë. folglich abweichend
    vom alth. ſ. 187; vielleicht weil die ausſprache das ë
    dem e ſchon näher gebracht hatte?) ſondern tritt
    äußerlich in die med. über; vgl. das praeſ. der drei
    angeführten ſtarken verba gich (fateor) giht; ſo auch
    E e
    [434]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    die mir noch nicht vorgekommenen gite (evello) gitet,
    git und giſe (fermenteſco) giſt (neuh. giſche, giſcht
    mit verwandeltem ſ in ſch vorhin ſ. 42 [...].). Dieſer
    übergang in die med. bewährt die conſonantiſche na-
    tur des j, welche ferner daraus erhellt, daß die alth.
    ia, io, iu zu ie geworden, die ja, jo, ju aber ge-
    blieben ſind, endlich aus der verwandlung des ie in i,
    vgl. iemer, iegenote mit immer, igenote (ſ. 384. 372.)
    Man gewöhne ſich joch, juchart auders auszuſprechen,
    als iuch (vos) und iuwele (noctua) nicht wie das
    neuh. juweel; nur muß j (und an ſeiner ſtatt g) we-
    niger breit als ein reines g anlauten, aus begiht (con-
    feſſio) konnte ſich bìhte zuſ. ziehen (vgl. bîhte:lîhte,
    ſîhte Miſc. 2, 215. Parc. 26a) nicht aber aus gegihte
    (arthritis) ein gîhte. — Da die fremden ſprachen über-
    haupt keinen diphth. ia, ie, io, iu beſitzen, folglich
    auch im anlaut nicht, ſo findet in aufgenommenen
    namen und wörtern überall j ſtatt, vgl. jâchant, jâſpis,
    jêſus, jâcôp, jôſèf, jâfìte, jôrâm, jêſchûte, jûdas, jûde.
    Das iſt freilich dem goth. brauche ganz entgegen,
    denn Ulph. ſchreibt ïakôb, ïêſus, ïuda, ïudáius (oben
    ſ. 70.) nicht jakôb etc., und wegen dieſer verſchie
    denheit hätte ich oben ſ. 187. nicht ſagen ſollen, daß
    ſich für fremde namen ein alth. j von ſelbſt verſtünde.
    Man müſte achten, ob Otfrieds accente etwas ent-
    ſcheiden, ob er nämlich íohannan, iudaſe oder ióhan-
    nan, iúdaſe ſetzt? nur in letzterm fall wäre j auszu-
    ſprechen. Allein ich glaube beinahe erſteres, da die
    wenigen mir gerade zugänglichen accentuierten ſtel-
    len, nämlich epil. 61. 165. 196. im cod. vind. íacobe,
    íoſepe, íohane gewähren. Im alth. alſo wie im goth.;
    im mittelh. wird aber, eben weil ſich die wahren
    diphth. ia, io, iu (meiſtens) verloren und in ie ver-
    dünnt hatten, vor dem (dazu nach ſ. 331. verlänger-
    ten) voc. fremder wörter gewiß ein j gelten. Ein-
    zelne rom j ſind nach beſonderer mundart in ein
    deutſches ſch übergegangen, als joie ſchoie (ſ. 421.)
    oder auch tſch als tſchôfreit (jeofroi) jouſte, joſte ſo-
    gar in den völlig undeutſchen anlaut tjoſt.
  • 2) inlautendes j. Dem Gothen wandelte ſich jedes inl.
    flexions i in j ſobald vocal darauf folgte (ſ. 69.) als
    kuni, kunja; qvêmi qvêmjáu; dieſe regel iſt (ſ. 188.)
    auts alth. angewendet worden, doch noch unerwie-
    ſen (ich verweiſe auf die abhandlung der flexionsen-
    dungen). Fürs mittelh. dürfte ſie noch ſchwerer zu
    [435]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    behaupten ſeyn, wiewohl ſich hier und da thei’s j,
    theils es vorausſetzende übergänge in g zeigen, α) nach
    l. n. r; vgl. ſerge (nanta f. ferje, goth. farja?) im fal-
    ſchen, aber beweiſenden reim auf bërge (Ernſt 33a)
    richtig auf ſcherge (Georg 42b außer reim Parc. 107c
    d. h. ſcarjo, praeco, der die harmſcara vollzieht) ähn-
    lich iſt das noch gangbare mergen f. marjen, marien.
    Nach l ſcheint g für j zu ſtehn in tilgen (delere) alth.
    dilôn, dilen (O. J.) angelſ. dilgjan; mittelh. iſt das
    wort ſelten (Oberlins citate 1639. 1785. aus Barl. bei
    Köpke nicht zu finden) die form mag tiljen, tilgen
    ſeyn, im reim ſteht ſie nicht, obſchon lilgen (liliis)
    paſſen würde. Zu unterſuchen wären noch folgen
    (contaminare) und wolgen (nauſeare); fremde wörter
    mit lg. rg, ng berührt Lachm. ausw. XVI. Offenbar
    ſind mittelh. lg. rg. für lj. rj. nur einzelne trümmer;
    in der regel alle i der ableitung, mögen ſie früher
    zu j geworden ſeyn oder nicht, längſt ausgeſtoßen und
    ſo gut erbe, her, nern f. arbjo, hari, narjan ſteht,
    würde ver, tiln f. farjo, tiljan gelten. So iſt hern
    (vaſtare) f. das alth. herjôn durchaus regel, allein hſſ.
    des 14. 15. jahrh. zeigen noch manchmahl hergen. —
    β) unmittelbar nach langem vocallaut hat ſich j län-
    ger erhalten. Hierher gehören: bluejen (florere) brue-
    jen (aqua fervida perfundere) gluejen (ardere) muejen
    (vexare) luejen (rugire) nuejen (incaſtrare, i. e com-
    pingere) ruejen (remigare Reinfr. 102b 175b) *) ge-
    mueje (aerumna) kneje (vaccae) frueje (praecox); im
    auslaut oder ſobald inlautend das j wegfällt, tritt
    rückumlaut ein, woraus zugleich erhellt, daß es ein
    urſprüngliches ableitungs-i war, vgl. kuo (vacca)
    fruo (mane) die praet. muote, gluote, bruote, bluote,
    luote oder den ſyncopierten inf. bluon, muon, luon etc.
    Ferner die ſchwachen verba blæjen (flare) dræjen (tor-
    quere, tornare und moveri) kræjen (crocitare und
    kræje, cornix) mæjen (metere) næjen (nere) ſæjen (ſe-
    rere) ſchræjen (emanare) wæjen (ſpirare) praet. blâte etc.
    contrahiert blân, drân, mân, nân, ſân, meiſtans wird
    blæn, dræn, mæn, næn, ſæn geſchrieben. In beiden
    fällen, nach ue und æ, verſtatten ſich wohl die hſſ.
    g für j (bluegen, bruegen etc. blægen, ſægen etc.)
    was mir ungenau ſcheint, weil kein reim ſolche for-
    E e 2
    [436]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    men mit wahren g in fuegen, truegen (ferrent) rue-
    gen (accuſare) oder lægen, pflægen bindet. Da man
    j zn ſchreiben nicht verſtand zog man das g dem
    unbequemeren i (blueien, blæien) vor; denn noch ta-
    delhafter iſt, wenn einige mit verkürzung des æ
    bleien, weien etc. ſetzen, woraus, wie hernach ge-
    zeigt werden wird, ſelbſt ein bleigen, ſeigen etc. her-
    vorgieng. Durch die contraction entſprangen aber
    verwechſelungen des j mit h und w; da nämlich
    bæhen (torrere) dræhen (odorem ſpargere) verkürzt
    gleichfalls bæn. dræn lauten, folglich auf dræn (f. dræ-
    jen) ſæn reimen (z. b. Parc. 101c) ebenſo ſchuon (cal-
    ceis f. ſchuohen) ruon (f. ruowen, quieſcere) auf
    muon, bluon, ſo brauchte man in ungekürzter form
    leicht untereinander und ſchrieb muewen, bluewen
    oder dræhen f. dræjen, wo nicht die beziehung der
    halbvocale w. j. h. überhaupt tiefer liegt. wie ſich
    denn ſchon im alth. ſâwen und ſâhen (ſerere) plâhen
    und plâgen (plâjen) wenigſtens in verſchiedenen denk-
    mählern zeigt (vgl. die alth. ſchwache conj.) — γ) bei
    j und w erſcheint auch eine gleiche anomalie. Wie
    ſich aus aw, iw für au, iu frühe ein auw, ouw,
    iuw entwickelte, habe ich verſchiedentlich nachge-
    wieſen und bereits ſ. 188. 260. das eige (eije) ſ. eie,
    eje damit verglichen. Zwar das goth. ái wird bei folg.
    vocal nicht zu j (oben ſ. 70.) und ein vermuthetes
    ái, ajis (ovum) bleibt höchſt bedenklich (leider geht
    uns die verſion von ὠὸν Luc. 11, 12. ab); alth. heißt
    es durchgängig ei, eies oder ei, eiges, niemahls eges,
    wofür aber das angelſ. äg, äges ſpricht. Auch die
    andern alth. formen gewähren nur -eie oder -eige;
    als: peigirâ (bavari, mit v wie ovum) zweigerô und
    zweierô, weigôn und weiôn (hinnire) etc. Im mit-
    telh. gilt -eie vielleicht dialectiſch neben -eije (ge-
    ſchrieben eige, weil man kein eiie ſchreiben mochte)
    vgl. zweien (ſich paaren) heien (neuh. hegen? das
    wäre merkwürdig ein eg für eig) alzeie n. urbis) und
    ſelbſt fremde wörter wie majus, major haben ſich dem
    einen oder andern bequemt, meie, meier oder meige,
    meiger (nie mege, meje) Parc. 23b 96c reimen meien:
    feien, Wolfr. ſprach feie, keie, nicht feije, keije; prî-
    vîleie aus privilege; eier:meier M. S. 2, 191a:beier
    meiſterg. 42a weien (hinnire):zweien Karl 125b; man
    dürfte auch eijer, meijer, beijer, weijen, zweijen, al-
    zeije ſetzen [vgl. in den hſſ. meigen:leigen:heigen:
    [437]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
    reigen:zweigen Ben. 31. leigen:heigen:verſeigen (co-
    lare) M. S. 1, 45a ſchreigen (? fragm. 29b) meigen:rei-
    gen troj. 119b] nur kein völliges g ſprechen, da mei-
    ger nicht auf veiger; meigen nicht auf zeigen reimt.
    Tadel verdient aber die ſchreibung ſeigen, meigen,
    neigen, ſo natürlich ſie aus dem falſchen ſeien, weien
    (f. ſæjen, wæjen) entſprang; nie wird ein angebliches
    weien weigen (flare) auf weien, weigen (hinnire),
    zweien, zweigen, reimen; ebenſowenig fallen mæjen
    (ſecare) und meijen (majum) zuſammen. Das rom. oi
    ſcheint dem deutſchen ei meiſtens gleich (ſ. 354.) wes-
    halb meijen : gleijen (M. S. 2, 22b) ſt. gloijen; hieraus
    erklären ſich die reime und ſchreibungen beige, beije,
    boije, boie (catena) ſchoige, troige, ſchoije, troije,
    ſchoie, troie. — δ) ſolch ein doppelter ausdruck des
    (in der regel ganz ſyncopierten) i findet denn auch
    zuweilen nach l. n. r in den unter α. beſprochenen
    fällen ſtatt, vgl. Maria 5. herige (d. i. herije) ſt. herje,
    herge (exercitu) und tiligen (delere, ſchon bei N. ti-
    ligôn) f. tiljen, tilgen; dieſe erweiterungen ſind im
    angelſ. weit häufiger (oben ſ. 260.). Zuweilen bekom-
    men fremde wörter, die gewöhnlich auf -îe endigen,
    ein ſolches -ige, vgl. venige im reim auf menige
    (ſ. 400.) und mâterige auf das vorhin angeführte herige;
    wirkliche bildungsendung iſt vorhanden in endigen
    (finire) ſchadgen (ſchädigen, nocere) etc. Weitere
    beiſpiele ſind aber bige (apis, f. bîe) d. h. bije, nicht
    reimend auf ſige, pflige (außer im niederd. Morolf
    58a:wige); vigent (inimicus f. vîent) frigen (liberum
    f. frîen) ſ. oben ſ. 93. 94. Allmählig ſcheinen jedoch
    auch die erweiterten formen ein langes î und wirk-
    liches g angenommen zu haben, da ſich âmîge, gefrî-
    get auf zwîge, ſchrîget (M. S. 1, 204a) reimen laßen
    und arzenîge:drîge (M. S. 1, 126a) klingen.
  • 3) auslautend kein j, noch weniger g ſeinerſtatt.

(H) vom anlaut bloß zu bemerken, daß ihn im
verlauf des 13. jahrh. ungehörig das verb. heiſchen, hieſch
(exigere) annimmt (vgl. Barl. 58.); die älteſten quellen
haben noch das richtige eiſchen, ieſch (Parc. 30c 53a 54c)
was freiſchen, frieſch (aus vereiſchen) beſtätigt; ähnlich
das ſpätere heidechſe neben eidechſe (lacerta), alle ſolche
fälle fordern eine vernehmliche ſpirans des inlauts, die
in der ſchnelle der ausſprache den anlaut ergreift und
darauf haftet (oben ſ. 188. not. **). — Auslautend wan-
[438]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
delt ſich h beſtändig in ch (vorhin ſ. 427.); mehr zu er-
wägen gibt das inlautende; a) es ſteht zwiſchen zwei vo-
calen nach langem und kurzem. Letzteres in:ahen.
rahen. ſlahen. trahen. twahen (oben ſ. 341.) zaher (eini-
gen vielleicht zâher lacrima) jëhen. ſëhen. brëhen. ge-
ſchëhen. ſpëhen. zëhen (decem) ſwëher (aſſinis) heher
(graculus) gihe (fateor) ſihe (video) vihe (pecus) lihe
(commodarem) rihe (figerem) gedihe. zihe. vohe (vul-
pes f.) geflohen. fluhen (fugerunt). Häufiger nach lan-
gem voc. in:dâhe (argilla, neub. thou) vâhen. gâhen.
hâhen. nâhen. ſmâhen. jâhen. ſâhen. geſchâhen, und
deren umlaut æ; ferner in wæhe. zæhe. ſpæhe. ſmæhe.
næhe und den verbis wæhen (ornare) ſmæhen (vitupe-
rare) bæhen (torrere) dræhen (fragrare) bræhen (intelli-
gere? Parc. 4 [...]c) lêhen. vêhen. flêhen. zêhe. zîhen. lîhen.
rîhen. gedîhen. wîhen (conſecrare) ſîhen (colare) drîhe
(inſtrumentum) rîhe (ſuperf. pedis) hôhen (ſublimem)
ôheim oder œheim (avunculus) enpſlœhen (alienare)
fürgezœhe (praerogativa Wilh. 2, 831) *) rûhen (aſperum)
riuhe (aſpredo) ſchuohe (calcei); aut ei und on vermag
kein ſolches h zu folgen, da jene alsdann immer zu ê
und ô werden (auch kein w nach ei [ſ. 402.] wohl aber
ou). — b) die einſchiebung eines unorg. h zwiſchen
zwei vocale wurde ſchon im goth. (ſ. 71.) und alth.
(ſ. 189.) wahrgenommen, meiſtens bei vorſlehendem kur-
zen, vielleicht auch zur kürzung des vorſtehenden lan-
gen, und dann wäre duruftigohê, trahtohê (K. 55b) f.
duruſtigôê, trahtôê geſetzt. Da nun zufolge ſ. 331. 332.
im mittelh. dânîêl, gâbrîêl, michâêl etc. ſtehn müſte, ſo
ſcheint das eingerückte h gleichfalls die zuweilen fühl-
bar gebliebene fremde kürze ſichern zu ſollen, vgl. dâ-
nihêl, michahêl. gabrihêl, wiewohl ſolche ſchreibungen
ſelbſt das latein des mittelalters kennt. Ob das kürzende
h auch vor conſ. eintritt? man müſte ſchreibung und
ausſprache ſeiner roman. quelle kennen, um über Wolf-
rams gahmurêt (Parc. 2b. c. 3c 4a etc. a. Tit. 27. 32 etc.)
ëhkûnat (:ſtat, pſat Parc. 43b 100a alſo nicht ëhkûnât;
daher 122b ehkûnaht:maht) vërdûlaht (96c 97a 100a:
naht, bedaht, geſlaht) ahkârîn u. a. zu urtheilen; es
könnte zwar grâharz. grâhardeis, lâhedûmân (94c 95a)
aber auch graharz, grahardeis, lahedûmân heißen, damit
man graarz nicht wie grâarz etc. ausſpreche. Heutiges-
[439]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
tags würden wir einen fremden kurzen voc. eher durch
geminat. des folgenden conſ. zu erreichen ſtreben (gam-
murett. ekkunatt, wie ich den urſprung vieler deut-
ſchen gem. erläutert habe, oben ſ. 14. 15., auch wirklich
in andern mittelh. fällen geminiert wird, ſ. oben ſ. 406.)
und bedienen uns des eingeſchobnen h umgekehrt ge-
rade zur dehnung z. b. lohn f lôn. Auch darum könnte
das nord. tt (für ht), vor welchem man vielleicht un-
organiſch und ſpäter den vocal verlängert (oben ſ. 3 [...]8.
329.) da er früher wohl kurz geweſen, mit dem ht
in ëhkûuaht, vërgûlaht verglichen werden. Es hatte
(wie jene reime auf maht, naht beweiſen) gewiß die
ausſprache des mittelh. ht (neuh. cht). Die ht in fôrëht,
ſchahtelân ſind ſ. 416. anders gedentet, nämlich aus ſt;
ein kürzendes h bei ihnen anzunehmen ſcheint in der
that miſlich, da die roman. wörter durch ausſtoßung
des ſ ſelbſt langes a bekommen (châtean, forêt). —
c) dem eingeſchobnen ſteht das ausgeſtoßene h entge-
gen, mit welchem in der ſyncope zugleich der folgende
tonloſe voc. ausfällt, als mâl, ſtâl. ſîle (lima:wîle Wilh.
1, 60b) bîl (ſecuris) vân, hân, twàn, ſlân etc. Daß hier
die ſyncope den kurzen voc. der wurzel längere, lehren
beide letzte wörter (twahen. ſlahen) wogegen vâhen,
hâhen ſchon unſyncopiert langes â beſitzen (unorganiſch?)
Hiernach ſind mir mahel, ſtahel oder mâhel. ſtâhel (vgl.
ſ. 342.) ſihele, bihel oder ſihele, bîhel (vgl. ſ. 188.) zwei-
felhaft. Nicht völlig ausgeworfen. doch ſchwach ausge-
ſprochen wird h zwiſchen r und t, in Wolframs rei-
men porten:vorhten, ort:unervorht (Parc. 44a 53c vgl.
worhten:vorhten 19a 36a) ähnlich den ſ. 351. angeführ-
ten reimen liebt, niht, riet. Von durh fällt es bei ſpä-
teren zuweilen ab. — d) vom in w und g übergehen-
den h oben ſ. 404. 426. — e) von den verbindungen
ht. hs unten; anßer dem org. ht entſpringt aber ein
nnorg. h vor t ſtatt ch und c. Da ht für cht vorhin
ſ. 432. verhandelt worden iſt, bleibt hier noch das ht
für ct übrig, welches folg. reime belegen. ſmahte:ahte
(Flore 43b Iw. 29a) *)verdaht:maht (troj. 10c) bedaht:
vaht (a. w. 1, 60.):ſlaht (troj. 183a):naht (Karl 39b):
gemaht (Flore 12c):braht (M.S. 1, 192a) erſchrahte:mahte
(kl. 2237.) erklahte:mahte (troj. 183b) wahte:mahte
(Flore 47c) verſtraht:naht (Nib. 1537.) blihte:nihte, ge-
[440]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
rihte (Flore 42c 48b Iw. 26b) erſchrihte : rihte (kolocz
395. 399.) getruht:genuht (muſ. 1, 66. Wo zwei ſolcher
ht zuſ. reimen, beßere man in ct, z. b. Barl. 204. oder
Wilh. 2, 177a denn namentlich Wolfr. ſcheint des fal-
ſchen ht (für cht ſowohl als ct) gänzlich frei zu ſeyn.
Wo aber beide unorg. ht aufeinander reimen (d. h. kein
organ. ht dabei iſt) könnte man auch die ſchreibung cht
für beide wörter (z. b. geſtracht:gemacht) gelten laßen;
doch ziehe ich ht vor. — ht für gt iſt ſehr ſelten, aber
bei Wolfr. vorhanden liht:niht (Parc. 144c) und Walth.
pfliht:niht (M. S. 1, 102a) vielleicht ungenauer reim,
und ligt, pfligt zu leſen, denn anderemahl findet ſich
auch giht:ſtrît (Parc. 121c): wît (Flore 23a); gît und
nît f. giht, niht ſchienen gewagt. —


gutturalgemination. (CCH. CK.) cch haben die äl-
teren hſſ. bisweilen, vgl. dicche (Maria 43. a. Tit. 11.)
ecche (ſ. gall. Nib.) etc. noch ſeltner kch, rokch (Parc.
111b) und da der laut nichts anders iſt, als gem. des
inlautenden ch (für goth. k) vgl. wachen (vigilare) wec-
chen (excitare) trëchen (trahere) trecchen (contrahi) ſo
ſcheint dieſe ſchreibung angemeßen. Vorzüglicher aber
das übliche ck (z. b. im ſ. gall. Parc.) theils weil dafür
auch kk vorkommt, theils in der gem. (wie im anlaut)
die ten. geblieben ſeyn könnte; vielleicht galt provin-
ziell die ausſprache cch. in der regel ganz die des neuh.
ck, wozu kommt, daß ſich vor t und im auslant ck
vereinfacht (wecken, wacte; decken, dacte; blickes,
blic,) welches ſich ſo beßer erklärt. Ich ſchreibe durch-
gehends ck; tadel verdient 1) die ſchreibung eines einf.
k (z. b. eke a. Tit. 2. und im gieſſ. Iw. brüke, rüke etc.
merkwürdig gerade in wörtern, denen organiſch gg
ſtatt ck gebührte). 2) die ſehr verbreitete ſchreibung
ch, welche der reim widerlegt, da z. b. blicket (intue-
tur) nicht zu brichet (frangit) nacket (nudus) nicht zu
wachet (vigilat) ſtimmt *). Hier die wichtigſten beiſp.
des ck: ſacke (ſacco) nacke (collo) ſmacke (olfactu)
klacke (fragore) ſnacke (meiſterg. 12b) bracke (canis) bei
einigen auch tracke (draco f. trache, z. b. M. S. 2, 106b)
[441]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
hacke (aſcia) vackel (fax) acker (ager) ôtacker (n. pr.)
wacker (ſolers) nacket (nudus) decke (tegmen) ecke
(acies) recke (pngil) ſtecke (baculus) flecke (macula)
zwecke (ſcopo) *) hecke (ſepes) imbrecke (n. pr. Bit. 47b
49a embrico) mecke (Bon. 14, 9.) manſlecke (homicida)
wecke (cuneus) becke (piſtor) und die ſchw. verba lecken.
trecken. ſtecken. recken. wecken. decken. ſtrecken.
ſchrecken. blecken. ſmecken. zecken; quëcken (vivacem)
ſpëcke (lardo) ſnëcke (limax) blicke (aſpectu) ſtricke
(laqueo) ricke (perticà) **) zicke (hoedus) zwickel (cu-
neus) genicke (collo) ſchricke (terrore) bicke (ictu) wicke
(vicia) dicke (ſaepe) die ſchw. verba blicken. ſchicken.
zwichen. nicken. erquicken. erſticken. ſpicken. rocke
(tunicâ) bocke (hoedo) ſtocke (trunco) locke (cincinno)
getrocke (fallacia) gezocke (agmine) brocke (Georg 42b)
tocke (pupa) kocken (naves magnae) drucke (preſſu)
zucke (raptu) rucke (tractn) tucke (ritu, more) ſlucke
(haustu) ſmucke (amplexn) ſtücke (fruſtum) mücke (cu-
lex) rücke (dorſum) lücke (foramen) brücke (pons) ge-
lücke (fortuna) flücke (par volando) die ſchw. verba
zücken. drücken. ſmücken. rücken. brücken (friare)
bücken. pflücken. nücken (nutare, Frib. 45a) lücken (fo-
rare). — (GG) eigentlich verſchieden von dem vorigen
ck. unter welchem ich gleichwohl die wörter aufgezählt
habe, denen organ. gg gebührt, nämlich: egge, hegge,
ſlegge, wegge, ſnëgge, mügge, flügge, rügge, brügge
(vielleicht noch einige andere ***) indem die ableitung
ein inlautendes g lehrt; ſlegge ſtammt offenbar von ſla-
hen, ſluoc. Auch findet ſich oft noch gg. geſchrieben
(M. S. 2, 46b 57b 58a 67b 152a 166a vgl. ſegge, carex 2,
181a rogge 2, 101a) zuweilen (wie ich vorhin bei ck
bemerkie) einfaches k in bſſ. die das wahre ck durch
ch. ausdrücken, zuweilen wohl cg (ecge Nib. 2816.)
Manche dichter pſlegen nicht gerne ck = gg mit einem
ck = kk zu reimen; andere und ſelbſt gute finden kein
bedenken dabei vgl. decke:wecke (cuneos troj. 28c)
tücke:flücke (ſchwanr. 959.):brücke (M. S. 2, 8b) etc.
Da nun auch im neuh. alle gg zu ck geworden ſind,
[442]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
überdem die alth. kk und gg ſchwanken (ſ. 193. 194.)
und die gem. des g. in andern fällen, wo man ſie er-
warten ſollte (z. b. in ligen, legen, ſagen ſächſ. liggen,
leggen, ſeggen) nicht gilt; da endlich pp. das bb. ver-
tritt (ſ. 406); ſo war vermuthlich ſchon im gemeinmit-
telh. das gefühl für jenen unterſchied ſtumpfer, als in
einzelnen mundarten. Wer ihn ſtrenge handhaben will,
kann ſich im zweifel aus den ſächſ. frieſ. und nord.
ſprachen belehren (vgl. ſ. 221. 264. 279. 324.) Fehler-
haft ſteht gg nach conſonanten, z. b. zirgget, zingge
(M. S. 2, 124b 166a) ſtatt k. —


gutturalverbiudungen. 1) anlautende KL. KN. KR.
GL. GN. GR-, aus den gloſſarien zu erſehen; gn. wohl
nur in gnaben (ſerpere?) gneiſte (ſcintilla, f. geneiſte?
alſo wie gnâde f. genâde u. a. m.) von dem ſich zuwei-
len unentbehrlich machenden vorſtehenden ge- mehre-
res in der wortbildnngslehre. QU bloß in einigen wör-
tern, und ſchwankt in k über, d. h. zwiſchen k und
folgendem a, i kann u ausfallen, als: quëln, quil, qual,
quâlen oder kil, kal; quît und kît (aït); quam, kam;
nicht leicht vor andern, alſo kein këln, këc, këlle f.
queln, quëc, quëlle etc. zuweilen miſcht ſich u mit dem
folg. voc. und zeugt ein kurzes o, in kom f. quam,
kone f. quëne, komen (inf.) f. quëmen. Fremden wör-
tern bleibt ihr qu, als quaſchiure (vulnus). Es verſteht
ſich, daß vor u jederzeit k für qu. eintritt: kunft, ko-
men (part. goth. qvumaus) — 2) in- und auslautende.
HS. den alth. belegen (ſ. 197.) läßt ſich wenig zufügen
(einige derſelben ſind ſogar unbräuchlich geworden):
dëhſen, dahs (linum frangere) ſahſen (ſaxones) ungejah-
ſen (in einem ungedr. liede Nîtharts, vielleicht unge-
lahſen, das noch H. Sachs nöthig braucht) buhs (M. S.
2, 206a) wëhſel (viciſſitudo) dræhſel (tornarius Parc. 62a
dræchſel aber unrichtig; anders verhält es ſich mit rîch-
ſen, gelîchſen) einige wörter ſchwanken auch in das
niederd. ſſ, namentlich gilt durchgängig was, waſſes
(acer) wie ſchon alth. huas, huaſſes (doch daneben noch
im 10. 11. 12. jahrh. wahs, wahſes fr. belli far. 3020.
wahsſam) vgl. waſſe:maſſe (ſchmiede 1020.) Triſt. 65b
reimen was (acer) : ſcharſas, ſchwerlich wahs:ſcharſahs
zu leſen; Maria 210. ſëhſe:wëſſe (ſcivit); entſchiedner
bei Herbort 4d 20b 86d was (fuit):vas (capillus 57c
gras (gramen):ſas (culter). X. eigentlich nur in frem-
den wörtern gültig als pfinxtac (Parc. 52a Nib. 5473.)
pfinxtmorgen (Nib. 1197.) in voller form aber pfingeſt
[443]I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
(im Tit. pfingſten:ringſten) ferner crucifixen (cruci-
fixum) welches auf nixen ſyrenarum (M. S. 2, 200b)
reimt, letzteres als deutſches wort fordert die genauere
ſchreibung niches, gen. pl. nicheſen. Indeſſen wird auch
ax oder axs f. ackes geſchrieben. — HT. ahte (obſerva-
tio) pfahte (aus pactum, lex) maht (vis) naht (nox) man-
ſlaht (homicidium) braht (clamor) trahten (meditari)
über das ſchwanken zwiſchen aht und âht ſ. 342. über
ëhte ſt. ehte ſ. 334. wo beiſpiele angegeben ſind; vëhten.
flëhten. rëht. ſlëht. endungen -ëht, -oht, -aht (? ôht,
âht) iht. wiht. niht. pfliht. geſiht. geſciht. zuoverſiht.
maſtriht (Parc. 38b traj. ad moſam) gegihte (arthritis)
gedihte (ſpiſſus) tihten (dictare) ſlihten (planare) rihten.
rohter. mohte. tohte. fluht. fruht. genuht. zuht. ſuht.
duhte (videbatur) bîhte (confeſſio) lîhte (leviter) ſîhte
(ſicce) lieht (lux) ûſtrieht (terra ignota. troj. 128c) lûhte
(lucebat) ſuohte (quaeſivit) ruohte (curavit). Manche
dieſer ht ſlammen aus fremdem ct (pactum, trajectum,
dictare) einige aus deutſchem ct und gt (die anomalen
praet. mahte oder mohte, duhte, ruohte, ſuohte, brahte,
brâht). Die unorg. ht für ct und cht ſieh ſ. 432.; viel-
leicht auch ht für ſt? (ſ. 416.). Von berührung des ht
mit ſt beim niederd. vgl. die reime krefte:geſlchte
Wilh. 2, 38b maht:ſchaft:haft Wilh. 1, 17a braht:riter-
ſchaft Reinfr. 52d gemaht:ſchaft Bon. 49, 5.


Schlußbemerkungen.

  • 1) durch aſſimilation wird der conſ. einer vorſtehenden
    ſilbe dem der folgenden gleichgemacht, als küllinc (pro-
    pinquus) kolocz 404. 407.) f. künelinc (ejusd. generis)
    Roth. 35a Maria 200. noch konling, künlinge; ebenſo
    zwillinc (gemellus) aus zwinelinc (vgl. analoge lat. fälle
    bei Schneider p. 300.). Das alth. guollîch f. guotlìch (oben
    ſ. 123.) ſcheint veraltet, wenn nicht bîhtebuoch ſ. 31. 32.
    die ſonderbare form gvenlichi in guollîche zu beßern
    iſt. Andere beiſpiele vorhin ſ. 419. beim ſſ. Zuwei-
    len wird ein buchſtabe der vorſtehenden ſilbe unter-
    drückt, um aſſim. oder einfachern laut hervorzubrin-
    gen, wie in luſſam, rìlîch, ſiecheit f. luſtſam, rîchlìch,
    ſiechheit (oben ſ. 419. 431.). — Die einem eigennamen
    vorgeſetzten ſubſt. hërre und frouwe pflegen in hër
    und frou gekürzt zu werden, z. b. hër heinrich, hër
    îſengrîn, frou brünhilt; einigemahl zeigt ſich ſchon
    die ſtärkere kürzung des letzteren in vër, als vër
    pinte, vër hërſant (kolocz 363. 383. 384.) vër guete,
    [444]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. Schlußbem.
    vër mâƷe, vër zuht (muſ. 1, 66.), welches in dem
    neuh. jungfer f. jungfrau ganz üblich wurde, vorge-
    ſetzt hört man jetzt nur in gemeiner volksſprache:
    fer amtmännin etc. Beides ſehr häufig im mittelnie-
    derl., wo man ſogar noch die volle form daneben
    ſetzte, z. b. vrouwe ver conincginne, here her coninc
    (Huyd. op Stoke 2. 147-149.)
  • 2) die übergänge der vocale u und i in die halbvocale
    w und j (aus dieſem ſelbſt in die med. g) ſind be-
    kannt, umgekehrt löſen ſich g. j. w. in den vocal auf.
    Unbekannt aber ſcheint der hochd. mundart die ent-
    wickelung der liq. l aus u, der die franz. und nie-
    derl. inlautende verwandlung des organ. l in u zur
    ſeite ſteht (maux, ſauf f. mals, ſalv; oud, goud f. ald,
    gold) *). Indeſſen finde ich in der ſteiriſchen mund-
    art eine ſpur, Ottocar ſagt in und außer reim nicht
    piſchof, wie alle mittelh. dichter, ſondern piſcholf
    und reimts auf wolf, ruodolf, adolf, welches ſich le-
    diglich aus einem alth. piſcouf erklärt, vgl. oben ſ. 94.
    und 357. Stalder hat im Aargau eine auflöſung des l
    in uw bemerkt (dial. 64.)
  • 3) die mittelh. reimkunſt fordert gleichheit der conſo-
    nanten wie der vocale, allein von dem übergange aus
    der loſeren regel des 12ten jahrh. bis zu der feſtigung
    jenes grundſatzes findet eine beachtungswerthe ab-
    ſtufung ſtatt. Das ſtreben nach völligem gleichlaut
    war bereits im 12ten jahrh. entſchieden, nur noch
    häufigere ausnahmen zuläßig. So reimen z. b. Maria
    15. 20. die vocale ei: û, i: u in weiſen:hûſen, rin-
    der:under; kaiſerchron. 71b ſtërnen:warnen, 92b gal-
    gen:ougen etc. nur gleiche länge oder kürze der
    penult. muſte gewahrt ſeyn, z. b. lâſen:naſen wäre
    unzuläßig geweſen. Ähnliche reime ungleicher con-
    ſonanzen lehren gedichte wie Maria, die kaiſerchro-
    nik (cod. pal. 361.) u. a. allenthalben. Theils ver-
    ſchlägt im auslaut ungleichheit der verſchiedenen li-
    quiden nichts (ſicher:michel; anger:ſlangen theils
    ſtört eine über den reim hinaus laufende liq. oder
    [445]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
    ſpirans nicht (volleiſte:geiſtes; liuten:diute; flêhen:
    êre) theils vertragen ſich inlautend verſchiedenartige
    conſonanten, wo nicht überhaupt, doch nach ver-
    wandtſchaften. Namentlich liq. untereinander (lîchâ-
    men:wâren, heile:ſteine Mar. 173.) liq. und ſpiranten
    (bluome:ruowe Mar. 8. 14. flêhen:êre) ſpiranten un-
    tereinander (flêhen:êwen Mar. 3. 42.) liq. und mediae
    (heime:leide; ſchône:brôde; meinen:neigen; tûbe:
    ſûme Mar. 24. 15. 163. 120. bilide:himile; ſamene:
    menige; brennen:ſenden; kunne:entſprungen) am
    allerhäufigſten mediae untereinander (haben:ſagen;
    ougen:glouben; mâgen:gâben; juden:lugen; ſwî-
    gen:mîden; engel:wandel; wërde:herbërge; getri-
    ben:liden; verdürbe:würde etc. Mar. 5. 21. 160. 150.
    91. 36. 172. 155. 215.). Nie aber lind ten. oder aſp.
    mit andern reihen zuläßig; untereinander höchſtens
    auslautend, nicht inlautend, z. b. kein reim bindet
    grîfen:bîƷen:ſwîchen, keiner gerte:wërke, wiſte:
    kriſpe; die einfachen p und k fehlen bekanntlich in-
    lautend; geminierte tenues reimen wohl unbedenklich.
    Ich will hier nicht die reimkunſt des 12ten jahrh., die
    verglichen mit der früheren Otfrieds mancher feinen
    entwickelung fähig ſeyn wird, abhandeln, ſondern
    nur eine bemerkung für die eigentlich mittelh. ſprache
    einleiten. Jene ausnahmsweiſen reime werden mit
    dem 13ten jahrh. immer ſeltner, verſchwinden aber
    noch nicht ganz; Wolfr. Flecke, Stricker, Rudolf brau-
    chen ſie hin und wieder, außerdem einzelne andere.
    Parc. 11b ſteht ſogar râƷâlîk:wîp (10c: wîc) 181b ver-
    decket : geſteppet (?geſtecket) M. S. 1, 99a wîp : lît
    kolocz 392. 413. ſìt:wìp, gnuoc:huot; kaum liq. un-
    tereinander, denn Spërvogels êre:ſêle 229b ſcheint
    den ſ. 370. 371. beſprochenen ſtumpfen reimen beizu-
    rechnen und êrè:ſêlè, wie in demſelben liede langè:
    mannè, tagè:grabè, waldès:goldès anzunehmen. Ein
    beßeres beiſpiel lieder:friedel iſt ſ. 386. angeführt.
    Aber die drei mediae verbinden ſich unleugbar noch
    öfter, zumeiſt b:g, ſeltner g:d, noch ſeltner b:d.
    Belege ſind ougen:rouben:gelouben; gâbe:mâge;
    flugen:ſtuben (Parc. 3b 101a 13a 63b) gegëben:ſëgen
    (Karl 9a) habeten:klageten (Flore 24c) ſiget:gibet
    (Frig. 3b) gëben:ſëgen; truogen:gruoben; geſchriben:
    ligen (weltchr. caſſ. 57c 62d 106b 256c) knaben:ſagen;
    ſchieben:biegen; arget:darbet; lëben:pflëgen (M. S.
    2, 74a 80a 228a) ſwiger:nider (Wilh. 2, 65a) einander:
    [446]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
    langer; wâge:genâde; herbërgen:wërden (Flore 3b
    29c 27a) ſëlbe:vëlde (M. S. 2, 81b). Solcher reime
    freizuſprechen ſind Gotfr. Hartm. Conr. (legen:begë-
    ben Iw. 12c in bewegen zu beßern, pflëgen:ge-
    gëben fr. 4 [...]a macht die autorſchaft Conrads an dieſem
    gedicht noch verdächtiger ſ. Lachm. ausw. X.) und
    andere rein reimende dichter ihrer zeit. Man muß
    nur von frühern anomalen reimen ſpätere regelfeſte
    reime unterſcheiden, die auf buchſtabenanomalie be-
    ruhen. Beiderlei art iſt oft in denſelben wörtern ganz
    anders auszulegen. Auch Wernher hätte œheim:ſtein
    gebunden, wie er wirklich heime:reine (Mar. 120.)
    bindet; bei ihm iſt es reimanomalie, das hein:ſtein
    der ſpäteren (vgl. oben ſ. 38[5]. 386.) aber wirkliche
    ſprachanomalie geworden; dort würde es unrichtig
    ſeyn hein und hier unrichtig heim zu ſchreiben, ne-
    ben dem fruheren künic:frümic ſcheint kein ſpäteres
    frünic zu erweiſen, weil n nur auslautend für m gilt.
    Jene reime zwiſchen b. d. g. mögen nun auch zu der
    mittelh. auswerfbarkeit der inlautenden b. d. g. (ſ. 396.
    410. 426.) bei folgendem t hauptſächlich beigetragen *)
    haben; analoge verkürzungen vor n (ſ. 426) ſind nicht
    durchgeſetzt worden. Und gerade ältere dichter, wie
    Wolfr. die ſich des anomalen reims bedienen können
    (pfliget:gibet), meiden die ſyncope (pflît:gît), außer
    wo ſie, wie in kît, chìt (Mar. 14. ſogar chiut, ? chuit,
    chwît) länger hergebracht war. Überhaupt ſind der-
    gleichen ſyncopen alle nur für einzelne wörter herge-
    bracht, und nicht auf analoge zu erſtrecken; b wird
    lediglich in gibt (gît) ausgeſtoßen, nicht in wibt,
    noch weniger lëbt, hebt, grebt; g in pfligt und ligt
    (pflît, lît) nicht in ſigt, wigt, negt, ſlegt; d in qui-
    det, geſmidet, ſchadet, mîdet, kleidet (kît, geſmit,
    ſchat, mît, kleit) nicht in ledet, redet etc. Verlänge-
    rung des wurzelvocals ſcheint nicht nothwendige folge
    (ſ. 410.). Mit der ſyncope des g iſt ſeine auflöſung
    in j und i (oben ſ. 426.) nicht einerlei, doch ver-
    wandt; [auch] hier ſtehen den formen treit, leit etc.
    andere unauflöſbare regt, bewegt etc. zur ſeite. Aus
    der verwandtſchaft zwiſchen g und d muß aber die
    auffallende kürzung von redet, redete in reit, reite
    (Parc. 140b Nib. 210. 2919.) erläutert werden; Conr.
    [447]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
    hat geredet:ledet (troj. 93a 160a) vgl. redete (Nib. 5445.
    M. S. 1, 38a etc.) —
  • 4) die vorige bemerkung betraf veränderungen, welche
    im ganzen die zeit allmälig hervorgebracht hatte. Es
    fragt ſich aber auch nach den örtlichen einflüßen der
    dialecte auf die verſchiedenen mittelh. denkmäler.
    Dieſe verſchiedenheiten ſind lange nicht ſo in das auge
    fallend, als bei den alth quellen (ja man hat bisher
    alles unter dem namen ſchwäbiſcher ſprache zuſ. ge-
    worfen) immer aber ſichtbar. Von dem was ſich ent-
    ſchiedner an die niederd. mundart ſchließt, wird dort
    die rede ſeyn. Hier mögen einzelne züge, inſoweit
    ſie aus der buchſtabenlehre hervorgehen, zuſ. geſtellt
    werden. An der äußerſten grenze von oberdeutſchland,
    in ſteiermark, erſcheint Ottocar (dichter der langen
    reimchronik bei Pez) der zwar erſt dem ſchließenden
    13. und beginnenden 14. jahrh. angehört, aber man-
    ches alterthümliche bewahrt hat. Tieftonige ſilben
    (ſ. 367-370.) welche die meiſten dichter des 13. jahrh.
    aufgeben, behaupten ſich noch bei ihm. Häufig reimt
    er formen wie trûrìgen, ſælìgen, liſtìgen, lëbendìgen,
    beinzìgen (ſingulatim ſt. bì einzìgen) etc. auf ligen,
    verzigen; lëbendìc (lëbndìc, im gedruckten text ſteht
    lemptig):ſic (victoria), ferner das comparative - èr
    (als lengër) auf entwër, das ſuperl. -ìſt (tiurìſt, lie-
    bìſt) auf friſt; vertìgt (neuh. abfertigt) im reim auf
    ſigt, ligt u. a. m. Auch die eigenthümlichkeit einiger
    ausdrücke (z. b. urlæbe ſt. urloup) zeugen für die be-
    ſonderheit des dialects. Darf man ihm das mehrbe-
    ſprochene bairiſche oder oeſtreichiſche au, eu, ai, ei
    für ou, û, in, ei, ì und das anlautende p. t. k für
    b. d g zugeſtehn? Die hſſ. des 15. jahrh. aus denen
    er abgedruckt worden iſt, geben ihm jene vocale; von
    den conſ. nur p, nicht t und k, ſchreiben aber an-
    dere, zumahl geminierte ſo barbariſch (namentlich cz
    für z, ſlz für Ʒ, kch für k etc.) daß wenn man ſie
    für nicht nothwendig ſteiriſch hält, auch an den übri-
    gen zweifeln darf. Kein reim beweiſt für ai, ei, au,
    überall iſt auflöſung in ei, î, ou oder û anwendbar,
    d. h. was letzteren diphth. betrifft, zuweilen reimen
    û und ou aufeinander, wie bei andern dichtern mehr
    (ſ. 355, 356.). Ich finde ûf:houf; hûgen (hugonem :
    tougen; hûſe:pouſe (pauſa, niederd. pôſe) lût:mût
    (telonium, aus dem mittellat. muta, nicht aus dem
    [448]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
    goth. môta) etc.; will man nun hier einen wirklichen
    übergang des û in ou annehmen (au wird obendrein
    durch piſcholf aus piſchouf, nicht piſchalf aus pi-
    ſchauf widerlegt, ſ. 444.) folglich ein ouf, hous, houg;
    ſo iſt das weder ausſchließend ſteiriſch, noch einmahl
    bairiſch, ſondern ſtreift tiefer in Deutſchland hinein.
    Gegen ei für î ſtreitet mir theils die kürzung des î
    in i (ſ. 369.) theils die entwickelung des î aus i; wie
    ſollte pfleit, geit aus pfligt, gibt werden? pflît, gît
    begreift ſich. Eher oberdeutſch dürfte Ottocars -nus
    f. -nis, niſſe (vancnus:gus, kus reimend) ſcheinen;
    hiervon bei der wortbildung; ſein ſun (filius):tuon,
    ſein vier, trier:mir ſind wieder allgemeiner (ſ. 359. 351.);
    ſein van (ſt. von):an, man etc. kann noch weniger
    für ſteiriſch gelten, dem erſten anblick nach faſt für
    niederd., woran auch ſein häufiges draven oder dra-
    fen (tolutim ingredi) in reim auf grâven, grâfen (denn
    a:â reimen ihm öfters) und gedraft:geſelleſchaft er-
    innert. Ottocar gewährt alſo kein kennzeichen ober-
    deutſcher mundart, das von den gemeinmittelh. buch-
    ſtabenverhältniſſen ſicher abwiche. Ich habe ihn ab-
    ſichtlich vorangeſtellt, weil man dergleichen bei ei-
    nem vom einfluße der künſtlichen poeſie unabhängi-
    gen verfaßer, deſſen dialectiſche abweichung in for-
    men und wörtern auch offenbar iſt, gerade am erſten
    erwarten durfte. Wie viel ſchwerer wird die unter-
    ſuchung bei den berühmten dichtern des 13. jahrh.
    fallen. Jede freie, edele poëſie ſtrebt aus dem beſon-
    deren und gemeinen heraus und über den unendli-
    chen, ja grellen zwieſpalt niederer idiome erhebt ſich
    eine die gebildeten theile des volks verbindende
    ſprache, in welcher zwar landſchaftliche grundlagen
    immer noch vorhanden ſind, nur weit leiſer hervor-
    tauchen. Dazu tritt, daß die meiſten dichter jener
    zeit wanderten und mit den ſprachabweichungen an-
    derer gegenden bekannt wurden, wenn ſich ſchon die
    eigenthümlichkeit ihrer einheimiſchen mundart nie
    ganz verwiſchte. Bei einzelnen müßen wir vorbilder
    und lehrer vorausſetzen, die auf ſprache und reim-
    kunſt nicht ohne einfluß geblieben ſeyn können.
    Endlich ſind wir über den wahren geburtsort man-
    cher ausgezeichneten meiſter noch unaufgeklärt. Hart-
    mann ſcheint z. b. ein Schwabe, hielt ſich aber ver-
    muthlich in franken auf und ſein muſter wirkte
    auf Wirnt, der Wolframs landsmann heißen könnte,
    [449]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
    entſchieden ein. Bei Wolfram *) dagegen hatte der
    aufenthalt in thüringen, wo er wahrſcheinlich Vel-
    decks bekanntſchaft machte und mit deſſen dichtungen
    er vertraut war, deutlichen einfluß. Wer wird halb-
    niederd. formen colven:wolven, prêſter:mêſter (Wilh.
    2, 177b 207b) nicht zunächſt aus En. 54b 68c herleiten?
    Wolfr. ſprach außer ſolchen reimen gewiß prieſter
    und meiſter; noch deutlicher mahnen die ſ. 427. er-
    wähnten ſac und ſâgen ſt. ſach. ſâhen an En. 2a 8b
    9b. c. etc. vielleicht auch der reim des ht auf ft (ſ. 443.)
    Wolframs reime des i auf ie (ſ. 351.) des u auf uo
    (ſ. 358. 359.) finden bei Veld. und Herb. ſtatt und ſchei-
    nen ſich aus dem niederd. i, ô, o ſt. des hochd. ie,
    uo, u recht bequem zu erläutern, wonach gingen:
    ringen, hilt (tenuit): ſchilt, dôn (facere): ſon (filius)
    dieſes: gewon (aſſuetus) reimen. Nur mit dem wich-
    tigen unterſchied, die niederd, mundart geneigt zum
    kürzen, die hochd. zum verlängern des lauts; jener
    wird hielt zu hilt, dôn vielleicht zu don; dieſer mir
    zu mier und ſun zu ſuon. Schwerlich hat aber hier
    Veld. eingewirkt, da wir dergleichen reime vor und
    nach Wolfr. zeit (bei Wernher und Ottocar) antref-
    fen; im 13. jahrh. bei Wirnt und Reinb., die ſie ſo-
    wohl ihrem vorbild Wolfr. abgeſehn, als aus der
    ſprachweiſe des landes geſchöpft haben können. Auch
    den reim hërren: kêren (Parc. 9a) hat Wolfr. theils
    mit Veld. (hërre:êre, ſêre) und allen niederdeutſchen
    gemein, theils mit andern oberdeutſchen als Stricker
    (hërren:êren a w. 3, 209.) Hardegger (bêren:hërren
    M. S. 2, 122b) Ringenberg (1, 188b hërren:vërren:
    kêren) Ottocar (hërren:êren, häufig) Ernſt (hërre:êre
    2a etc.) Zeichen der fränkiſch-bairiſchen mundart
    (Wolfr. Wirnt. Reinb. Stricker, einzelne minneſänger,
    wie Reinm. v. Brennenberg, die ungekannten vff. von
    gudrun, ernſt etc.) wären ungefähr: vermiſchung des
    i mit ie, u mit uo, e mit ë (ſ. 333.) a mit â (ſ. 342.)
    o mit ô (ſ. 347.) û mit ou (ſ. 355.) auch wohl des iu
    F f
    [450]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
    mit ü in fründe (ſ. 353. vgl. M. S. 1, 186a enzündet:
    gefründet) des ê und ë (in jenen reimen êr:ërr); da-
    gegen mehr haltung der conſ, verhältniſſe, namentlich
    des alten wechſels zwiſchen anl. med. und ten.
    Stufen bleiben immer dabei beſtehn, z. b. Reinbot
    reimt ſchon deshalb ſtrenger als Wolfr. und Wirnt,
    weil er ſpäter iſt. Die ſchwäbiſch-ſchweizeriſche
    mundart (Hartm. Flecke, Rud., viele liederdichter, der
    vf. des amur etc.) meidet jene vocalungenauigkeiten,
    zieht ſchrê dem ſchrei vor (ſ. 350.) nieman dem nie-
    men (ſ. 369.) trëhten dem trëhtîn und ſchwankt frü-
    her aus dem -lîch in -lich, als der bairiſche dialect;
    n wird zuweilen vom verkleinernden lîn abgeworfen
    (Flore 11a 35c) der ſchweizeriſche hat vielleicht den
    harten kehlanlaut ch beibehalten, ſein chilche f. kirche
    iſt ſ. 386. bemerkt, ihm mag auch die unterſcheidung
    des ck und gg (ſ. 441.) beiwohnen (vgl. Stalder dial.
    p. 63. 64.); einige reime (ſ. 421. note) laßen auf breite
    ausſprache des ſt (heute noch in Schwaben ſcht)
    ſchließen. Gotfried und Conrad gehören keiner dieſer
    beiden mundarten an, jener kann die elſäßiſche, dieſer
    die fränkiſchrheiniſche vorſtellen; für die buchſtaben
    ergeben ſie wenig eigenes, beide reimen rein, zumahl
    Conrad. Anffallend iſt Gotfr. van ſt. von im reim
    auf man, gewan etc. (1b 4b 24b 30c 52b 58b 74b 76b 80c)
    aber keine neigung zum niederd. (Veld. nie van im
    reim, Herb. nur einmahl 113c) vielmehr auch ſonſt
    in Oberdeutſchland vorhanden (Flore 2c und vorhin
    bei Ottocar) und überreſt des alten -an für -on
    (ſ. 85. 336.); heutige oberdeutſche idiome ſchwanken
    zwiſchen ron und ran, gewon (aſſuetus) und gewan.
    Daneben reimt Gotfr. von:gewon (7a) wie alle übri-
    gen mittelh. dichter. Analog wechſelt er mit mahte:
    trahte (6b 115a) und mohte:tohte (137a) außer dem
    reim nur mohte (und von), doch für elſäßiſch darf
    auch mahte nicht gelten, da es ſich ebenwohl Wirnt (77)
    verſtattet. Stricker reimt wal für wol:ſwal (a. w.
    3, 232.) welches freilich niederd. klingt und ſich Mo-
    rolf 46b 47b 49b 50b 51b findet; die übrigen mittelh.
    wol:ſol, vol etc. (ſal f. ſol Veld. Herb. im reim) den-
    noch iſt wal nicht unhochd. da auch J. wala, neben
    dem alth. wola der übrigen, darbietet, noch andern
    wëla (goth. váila) gilt. Der wechſel zwiſchen a, o, ë,
    den einzelne wörter im mittelh. ſowohl als im alth.
    und ſelbſt niederd. kund geben, läßt ſich alſo nicht
    [451]I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
    auf eine beſtimmte örtliche mundart zurückführen;
    wir dürfen bloß ſagen, die ſpuren dieſes a bei Gotfr.
    Flecke. Strick. Wirnt. Ottoc. mangeln bei Wolfr.
    Hartm. Rud. Conr. u. a. Conrad bedient ſich nie
    eines ſolchen van f. von, während einige ſeiner aus-
    drücke, die man bei Wolfr. Hartm. Rud. vergebens
    ſuchen würde, gerade bei Gotfr. oder Ottoc. eintre-
    ten (z. b. bîl gedon *). Welchem landſtrich fällt wohl
    die mundart zu, deren einzelne beſonderheiten in
    einer bearbeitung der Nib., in der klage, Bit. Gudr.
    vorherrſchen? z. b. ſint f. ſìt (ſ. 387.) Schwäbiſch iſt
    ſie gewiß nicht, eher bairiſch; anderes eigenthümliche
    derſelben gedichte z. b. hiet (habuit):riet, ſchiet etc.
    reimend begegnet in Lohengr. und Ottoc., würde ſich
    aber in einem niederd. rêt:hêt auflöſen, wo auch
    jenes ſint vorkommt. Sind erſt einmahl die erfaßli-
    cheren dialectiſchen abweichungen der formlehre und
    der wörter ſelbſt nach den einzelnen dichtern ſorg-
    fältig erforſcht, dann werden ſich durchſchnitte aus-
    mitteln, an deren maßſtab ſich die leiſere verſchie-
    denheit der lautverhältniſſe ſtützen kann. Im alth. tritt
    ſie viel deutlicher hervor; N. und O. ſtechen mehr
    von einander ab, als irgend zwei mittelh. dichter; ſtatt
    jenes worolt und wërolt, wërelt (ſ 200.) heißt es bei
    allen wërlt und Rudolfs wëlt iſt weniger örtliche ab-
    weichung, als ſpätere; ſchëf f. ſchif finde ich noch
    in hſſ. (Nib. 1906. 1945.) aber nicht in beweiſendem
    reim, Conr. reimt ſchif auf grif. Buchſtabenverhält-
    niſſe, wie ſie in heutigen mundarten des volks fluctuie-
    ren (man erwäge allein die menge der ſchweizeriſchen
    bei Stalder) ſind weder auf die verſchiedenheit alth.
    dialecte anwendbar, noch weniger auf die der mittelh.,
    F f 2
    [452]I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
    höchſtens dürfen ſie einzelnes beſtätigen, meiſtens
    weichen ſie ganz ab. Wer z. b. ein mittelh. bairiſches
    bain f. bein und mein für mîn behauptet, findet in
    der heutigen bair. volksſprache das weder zum goth.
    noch zu irgend einem alth. dialect ſtimmende boan
    und main. Dafür haben einige ſchweizermundarten
    wirklich bain, andere boin, bân, bæn, bên, boan, doch
    alle mîn (mî) und nicht mein. Alſo keine folgerich-
    tigkeit, wie wir ſie in abweichungen alth. dialecte
    ſtets wahrnehmen.

Mittelniederdeutſche buchſtaben.


Den zuſtand der ſprache in ſachſen, engern, weſt-
phalen um dieſe zeit bezeugen ſpärliche denkmähler,
nicht einmahl rein erhaltene. Erſt künſtlich laßen ſie
ſich zum theil herſtellen und wieder nur künſtlich an
das altſächſ. knüpfen. Im 10. 11. jahrh. reißt beinahe
aller faden ab. Einzelne kleine bruchſtücke, einige
orts- und eigennamen in urkunden ſind von der mund-
art übrig, die früher ſo gefügſam, auch unter den ſächſ.
kaiſern gewiß nicht ohne gunſt und pflege geblieben
war. Später gewann, als ſich die herrſchaft des reichs
nach franken und ſchwaben wendete, das hochdeutſch
die oberhand. Reinniederdeutſche dichtungen des 13.
jahrh. laßen ſich kaum aufweiſen, Eberhards gandersh.
chronik (bei Harenberg und Leibnitz) vielleicht aus die-
ſer zeit, verſchiedene kleinere gedichte aus dem 14ten
(geſammelt bei Bruns) ſtehen weit unter dem blühenden
reichthum mittelh. denkmähler und ſind dazu aus ſchlech-
ten hſſ. ohne ſprachcritik abgedruckt nur behutſam zu
gebrauchen. Wichtiger iſt folgendes. Die bedeutend-
ſten dichtungen des 12. jahrh., wiewohl in hochd.
ſchreibung auf uns gebracht, verrathen eine halbniederd.
abfaßung; dahin rechne ich (nicht Wernhers Maria)
die kaiſerchron. (c. pal. 361.) den ſich damit berühren-
den lobgeſang auf Anno, das lied von Karl (c. pal. 112,
ein ſtück bei Schilter gedr.) noch entſchiedner das von
Rother. Die niederd. ſprachformen ſind an den reimen
erkennbar, die wahren buchſtabverhältniſſe doch nicht
ganz herſtellbar, weil die freiere reimkunſt jener zeit
verſchiedenartige voc. und conſ. nach gewiſſen verwandt-
ſchaften verbindet; alſo z. b. aus Roth. 6b wenden:kin-
den, kennen:ſinnen iſt kein niederd. kënnen, wënden,
[453]I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
ſënnen, kënden erweiſlich, da henden auch auf bewun-
den (9b) reimt und ſo verhält es ſich mit einer menge
ungenauer reime in Roth. fragm. und kaiſerchr., die
durch herſtellung ſcheinbarer niederd. formen genau wer-
den würden. Ein näheres ſtudium der freieren reim-
kunſt kann aber grundſätze an hand geben, nach wel-
chen ſich mancher zweifel zwiſchen hoch- und niederd.
urform in dieſen gedichten löſen wird. Ähnliche dun-
kelheit, doch geringere, ſchwebt über Heinr. v. Vel-
decks werken, den die mittelh. dichter ſelbſt als den
gründer ihrer meiſterſchaft anſehen, und deſſen êneit
(oder ênêd im reim auf wârhêd 4a 102a) mir die haupt-
quelle mittelh. ſprache ſcheint. Dichtete er in niederd.
ſprache und wurden ſeine arbeiten nachher in hochd.
umgeſchrieben? oder bequemte er ſich ſelbſt zum hochd.
ſo, daß er eigenheiten der angebornen mundart dabei
freien lauf ließ? Anders und in näherer beziehung auf
unſere buchſtabenlehre ausgedrückt lautet dieſelbe frage
ſo: ſind eine menge ungenauer reime in Veld. werken
in genaue niederdeutſche zu verwandeln? oder als un-
genaue hochd. beizubehalten? Beiderlei anſicht läßt
ſich vertheidigen. Dafür daß der dichter in reiner mut-
terſprache dichtete, redet 1) ſeine herkunft aus weſtpha-
len, ſein aufenthalt am clever hof, wo er die êneit be-
gann und man wohl kein hochd. verlangte. Er been-
digte ſie ſpäter in thüringen, aber auch da waren beide
mundarten leicht verſtändlich. Es zeigt ſich im ganzen
werke gleichförmigkeit, im letzten theil neigt kein
hochd. vor. 2) Veld. gebraucht nicht allein ungenaue
reime in größerer zahl, als irgend ein mittelh. dichter,
ſondern ſelbſt ſolche, die ſich keiner der letztern er-
laubte; alle aber löſen ſich ohne mühe in niederd. ge-
naue auf. Sollte er ſtrâƷen:câritâten (M. S. 1, 18b)
bruoder:muoter (En. 11a. b) anchîſës:iſt En. 24a) (ge-
buoƷt:muoƷ (En. 33a) ſchaz:haƷ, daƷ (En. 48a 68a 72b)
vaƷƷe:ſazte (En 63b) etc. gebunden haben und nicht
vielmehr ſtrâten:câritâten, brôder:môder, anchîſës:ës,
gebôt:môt, ſcat:hat, dat, vate:ſate? Umgekehrt, wenn
ihm daneben das hochd. gerecht war, warum zeigen
ſich keine reime, die hochd. genau, niederd. ungenau
ſeyn würden? Ich wüſte aus der ganzen En. nur fol-
gende anzuſchlagen, 39b wît (albus): vërnît (rubrum,
aus dem roman. vermeil, vermeis) wo das hochd. wîƷ:
vërnîƷ ſchicklicher ſcheint, allein vernîƷ ſelbſt iſt uner-
wieſene form; ſodann 43c 59b ei:zwei, wo zwar kein
[454]I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
ê:twê, vielleicht aber ei:twei zuläßig wäre (ſ. unten
beim ei) endlich 73b turnûm:tuon, wo dôn unpaſſender
ſcheint, weil turnûs ſonſt auf hûs reimt. Man müſte
wegen der fremden eigennamen Veldecks quelle vor ſich
haben, die ſchon den Virgil entſtellte. Zu larina, tar-
peia ſchickt ſich ſonſt beßer lârêne:êne 67b tarpîde:ſtrîde,
tîde 68b 69a, als eine:laureine, tarpîte:ſtrîte, zîte. und
tarcûn:tuon 68a beßer zu Virg. tarchon, wenn man tar-
côn:dôn ſetzt, wie 68b tarcône:ſcône. — Andrerſeits
ſtreitet für eine hochd. grundlage mit eingeſtreuten ſaxo-
niſmen 1) wenn möglicherweiſe ſchon jene vorgängigen
gedichte (rother, karl, kaiſerchr.) der abſicht ihrer ver-
faßer gemäß hochdeutſch ſprechen ſollten, ſo kann man
ſpäterhin die ausbreitung des hochd. als hofſprache im-
mer ſicherer annehmen. Einzelnes, was in baiern,
ſchwaben unverſtändlich geworden wäre, gab an thü-
ringiſchen, ſächſiſchen höfen keinen anſtoß. 2) keine
reinniederd. hſ. der En. iſt vorhanden; wäre ſie einmahl
da geweſen, ſo hätten ſie wohl einzelne reiche nieder-
dentſche abſchreiben laßen und vervielfältigt. Eine caſ-
ſeler hſ. (die älteſte aller mir bekannten und wohl noch
ans dem 12ten jahrh.) iſt im grundton entſchieden hoch-
deutſch. Aber den grundton eingeräumt, woher rühren
einzelne ſpuren des niederd. die der reim nicht ein-
mahl forderte, anders als aus einem älteren niederd. ur-
text? Warum ſchreiben die copiſten irlëden:vermiden
(58b 60b) da ſie reinhochd. ſchreiben konnten erliten:
vermiten? 3) die zurückfübrung aufs niederd. ſcheint
Veld. reime zu genau und regelmäßiger zu machen, als
ſie nach dem fortgang der kunſt damahls ſchon ſeyn
konnten; ende:winde, riſen:genëſen gereimt ent-
ſpricht dem 12. jahrh. mehr als ein vermuthetes niederd.
ënde:wënde, rëſen:genëſen. Dieſen einwurf mag man
halb zugeben, nicht ganz. Sichtlich reimt Veld. ge-
nauer, als jene älteren dichter, geſtattet ſich nie gleich
ihnen e auf o, a auf o und noch weniger willkürlich
ſind ihm conſonanten. Sein ë, i auf e ſcheint alſo wirk-
lich etwas von der ausſprache zu verrathen. 4) einige
ſpätere, ebenfalls aus niederdeutſchland gebürtige dich-
ter behalten wohl einzelne ſaxoniſmen bei, reimen aber
im ganzen genauer, d. h. vermeiden reime wie enden:
winden, da doch, wäre ënden, wënden wirklich nie-
derd. die reimgenauigkeit damit beſtanden haben würde,
folglich dergleichen reime häufiger ſeyn müſten. — Über
Veld. wage ich noch nicht zu entſcheiden, glaube aber,
[455]I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
daß in niederd. dichtern des 13. jahrh. die zurückfüh-
rung auf ein angeblich niederd. original ſchwieriger oder
vollends unthunlich wäre. Solche ſind namentlich Her-
bort von fritzlar, der im erſten zehntel des 13. jahrh.
einen troj. krieg (c. pal. 368.) dichtete und ſchon ſeinem
wohnorte nach (in heſſen, zwiſchen weſtphalen und
thüringen) manche niederd. ſprachform erwarten läßt;
dann der gefühlvolle minneſänger Heinr. v. morunge
(in engern, unweit göttingen?) ſpäterhin Wizlau (aus
rügen in pommern) und einige andere. Thüringiſche,
meiſniſche dichter des 13. und beginuenden 14. jahrh.
werden nicht ganz ohne ausbeute für die mittelniederd.
mundart laßen; es ſind ihrer weder viele noch bedeu-
tende (Heinr. von mîſen, der die gloſſe zum gebet des
Herrn dichtete, fällt mit dem mîſnære oder mit Frauen-
lob zuſammen?). Mehr aufſchlüße dürfte aber das lied
von den haimonskindern und malagis (c. pal. 340.) ver-
muthlich in rheiniſch- weſtphäl. dialect abgefaßt, ge-
währen. Bediene ich mich in der nachfolgenden aus-
einanderſetzung der mitteln. laute veldeckiſcher reime,
ſo geben ſie keinen vollen beweis, ſondern nur wahr-
ſcheinlichkeit (noch mehr gilt das von reimen aus ro-
ther, karl); reime aus Herb. und andern genau reimen-
den dichtern des 13. jahrh. beweiſen aber wirklich und
ihre einſtimmung beſtätigt.


Mittelniederdeutſche vocale.


(A) wie das mittelh. kurze a *) und in e umlautend.
Unorg. entwickelt es ſich als rückuml. in den ſchw.
praet. larde, karäe von lêren, kêren, nie in dem ana-
logen fall von mêren, ſêren, êren, Aus Rother iſt karde
unerweiſlich, wiewohl es die hſ. außer reim 9a 25b 26a etc.
und im reim 26b karde:hôrden hat, ſo daß allerwärts
kêrde ſtehn dürfte. Auch En. 24b 36b karde außer reim,
dagegen kêret, êret, lêret, kêrte:êrte im reim 17c 18a
41a 58c etc.; Herb. reimt 38b verkart:bart, 1b 60a ge-
kart:gelart, 3c karde:ſwarde, 44c:harde 59b karde:
baſthadre (ſpurii) 9d undâre (oben ſ. 340.): widerkâre
(reditus) und gandersh. 164a harde:karde Bruns 57
karden:ſparden. Unter den mittelh. dichtern ver-
[456]I. mittelniederdeutſche vocale.
ſtatten ſich karte, verkart, außer den thüringern
Heinr. v. mîſen (gloſſe 3156.) mîſnære (meiſterg. 40b)
Heinr. v. frib. (3a) und Wilh. 1, 24b 136b 3, 404b;
keine andere, namentlich Wirnt nicht (deſſen enkarte
Wig. 164. f. entgarte ſteht, ſ. oben ſ. 424.). Ein gleich-
falls bedenkliches markte (En. 23c 29a 101a) von merken
würde erſt der reim beweiſen. — Näherer unterſuchung
bedarf, ob vor einigen liq. verbindungen a ſich in o
neigt, wenigſtens ſchreibt gandersh. holden, wolden,
kolden etc. Bruns 28, 260 holden:olden, was an das
niederl. houden, wouden, kouden, und an angelſ. oder
nord. analogie gemahnt. (ſ. 223. 236. 287.).


(E) dem urſprunge nach theils e, theils ë. Man
bemerke 1) die ë ſtatt i haben ſich im vergleich zum
mittelh. ſehr gemehrt; ſtatt riſen, iſt, gewis, nider, wi-
der, ſige, geſchriben, ſchilt etc. heißt es rëſen (:genë-
ſen En. 27b) ës, gewës (:anchîſës hërcnlës, dës En.
24a 38c 62a 72b 73b 81c 86b Herb. 92d) nëder, wëder (:vë-
der En. 81c) ſëge (Herm. Damen 18 [...]. geſëgen:dëgen) ge-
ſcrëven (:benëven En. 71b) ſcëld (:vëld En. 66c). Hiernach
geht der mittelh. wechſel zwiſchen ë und i im praeſ.
ſtarker conj. und in ableitungen verloren, ſtatt nëbel,
genibele, gëben, gibt gilt:nëvel, genëvele, gëven, gëfd;
beweis die reime geſëdele:edele; wëdere (repugnans):
ungewëdere (tempeſtas) gevëlde (campus): ſcëlde (cly-
pei) enſefd (intelligit):gëfd (dat) En. 99b 2b 68a 26c etc. —
2) die ausſprache ſcheint e und ë ſchwächer zu ſchei-
den, denn e und ë, ſogar e und i reimen allenthalben.
Belege aus Rother wie beherden:ſwërde 3a, ſprëken:
recke 6a, ſinnen:bekennen, kinden:wenden 6b oder
wie erkennen:minnen fragm. 5a will ich hier nicht ver-
mehren. Aber auch Veld. und die ſpäteren reimen ſo,
vgl. enſeve (intelligat): bëve (tremat) En. 76a lëved:en-
ſeved En. 73c 74b; negele:ſëgele En. 4c; vrëde:rede
En. 4c 8a 36a 41c 65a 75a 92b Herb. 47d 52a; geleged
(poGtus): geſëged (vincit) En. 77c; ſnëllen:geſellen En.
54c 69b; bilde:helde (heroum) En. 25a; kinde:ende
En. 25a; winde:ende En. 1a 14c 39a 63c; winden, vin-
den:ſenden En. 8c 16b 50b 60a; dinge:enge En. 49a;
dingen:lengen En. 79c; kenne:inne En. 26b; kenned:
ſinned En. 40c; kennen:minnen En. 25c 73b; hengen:
bringen Mor. 61a; drinken:denken En. 7c 47b 56c 74a;
ſtinken En. 71b; ſinken:wenken En. 56a; ſwërden (enſi-
bus): beherden (probare) En. 88c werden (defendebant)
En. 29c; ſwërde:nerde En. 36a; ſwërde:verde (itineris)
[457]I. mittelniederdeutſche vocale.
Herb. 37a; ſpërn:nern, wern En. 84c 87c; wërken:
merken En. 12c 43a 71c Herb. 1b 12c 87b:ſterken En.
43b 88a livl. chron. 52a; vëchte:geſlechte Herb. 51d;
krechten (viribus):vëchten, gandersh. 169a leſten:këſten
Bruns 53. Wenn nun in dieſen belegen keine bloße
reimnoth, ſondern wirkliche vermengung der e, ë und
i waltet, welcher laut ſiegte alsdann? ſprach man die ë
wie e aus oder die e wie ë? Im mittelh. ſ. 334. vermu-
thete ich beides; hier ſcheint mir der ë laut allgemei-
ner zu gelten, weil offenbare e ſich mit dem noch i
geſchriebenen ë verbinden (ſenden:winden etc.) im
niederländ. ſogar ſelbſt zu i werden (ingel f. engel,
ſcinken f. ſchenken). In den obigen beiſpielen würde
man alſo enſëve, nëgele, rëde etc. ſchreiben können,
welches ich zu weiterer prüfung aufſtelle. Vorläufig be-
halte ich die unterſcheidung e und ë nach ihrem ur-
ſprung bei.


(I) wie eben ausgeführt, beſchränkter, als im mit-
telh.; ja es fragt ſich: ob nicht durchall ë dafür zu
ſetzen iſt? Auf die hochd. ſchreiber, welche ihr i ein-
ſchwärzen, wäre nichts zu geben; da der reim mënne
(amor) godënne (dea) ſënne (ſenſus) mit kënne (noſco)
verbindet, wird man auch ſënne, mënne, godënne
ſchreiben dürfen, wenn kein reim dazu nöthigt. Analog
iſt die verdrängung des u durch o. Wenigſtens wüſte
ich keine regel zu entwickeln, die das i und u gewiſſen
fällen vorbehielte, leugne aber nicht, daß Veld. ſybille,
camille nur auf wille, ſtille, nie auf phëlle, geſelle,
heHe etc. reimt. Er ſcheint folglich i vor ll mehr zu
hegen, als vor nn. — Zuweilen nähert ſich das urſprüng-
liche i dem ü, wie noch in heutigen volksmundarten
i, ü, ö wechſeln, vgl. kinde:ſünde (gandersh. 151a)
müſchen:twiſchen, plücken:ſchicken (Mor. 50a. b.).


(O) gleich dem ë ausgedehnter, als im mittelh. und
in wörtern üblich, wo letzteres noch u behauptet, z. b.
worven (mittelh. wurben) dornîn (ſpineus) goldìn (au-
reus). Beweiſend ſind reime wie ſon:gewon Herb.
111d; dor (porta): vor En. 19b; hold:ſcold En. 16c 17a
wolde:ſcolde (culpam) En. 1a etc.; bogen (arcubus):
vlogen (volabant) En. 89b; mochte (valuit): dochte (vi-
debatur) En. 3a 34b 35c 48c 78c Herb. 17d; dochte:on-
tochte (dedecoris) En. 33a; mochte:dochte (profuit)
En. 2[1]a; mochte:tochte (traxit) Herb. 33b 46b; mochten:
vlochten (fugere) En. 89c; gorde (cinxit):borde En. 13c
[458]I. mittelniederdeutſche vocale.
40b 44a etc. Schwerlich ſind ſo häufige ungenaue reime
(wolde:ſchulde) anzunehmen. — Manchmahl vertritt o
ſowohl â als a, vgl. gandersh. 148a gemolt (pictus):golt
und das vorhin beim a bemerkte holden etc.; dafür
bleibt a in van, ſal, wal (mittelh. von, ſol, wol), van
und wal beweiſt inzwiſchen kein veldeckiſcher reim, ſal
und ſald bindet er häufig mit al, gewald z. b. En. 73b. c.


(U) folgerechter ſcheint o in allen fällen des mittelh.
kurzen u (ſ. vorhin beim i), mithin on-, konne, ſcold,
vorſte etc. Vielleicht ſchwankten mundarten in einzelnen
wörtern, die ſich, weil keine reine quelle vorliegt, ſchwer
ausmitteln (ſ. hernach den umlaut ü).


(OE) ö, dieſes umlauts des o bin ich auch nicht
ſicher; theoretiſch würde er z. b. im conj. ſtörve (more-
retur) wörve, vlöge ſtattfinden. Veld. reimt törne (tur-
res):gërne (libenter) En. 98a 100c, welches vom ſing.
torn (Herb. 30c 54b:horn, geborn) herkäme, erträglich;
beßer klänge tërne (d. h. terne) vom ſing. tarn, inſofern
er zu erweiſen ſtünde, Mor. 63b harn:verlarn, neben
horn:verlorn.


(UE) ü; gilt o durchweg für u, ſo iſt dieſer umlaut
ebenfalls abgeſchnitten. Deſto eher ließe ſich die aus-
nahmsweiſe kürzung des iu in ü hören, die ſchon beim
mittelh. (ſ. 353. 450.) annäherung zum niederd. ſchien,
nämlich fründe fand ſich gerade bei Heinr. v. mor. und
findet ſich ferner Herb. 16a 28d 33d etc. morolf 44a 56b,
freilich im reim auf organ. ü (ünde, urkünde, ſünde).
Veldek hat jedoch nirgends ein ſolches fründe, wiewohl
er kunde:funde (? künde, fünde) 16b reimt.


(AA) â, ganz der mittelh. laut; zu merken iſt
1) verwechſlung mit kurzem a, En. 17b mag (poſſum):
mâg (parens). 2) es ſcheint bei Veld. noch kein umlaut
des a in æ zu gelten, beweis die reime wâne (opinor):
âne En. 4b; wânen:dîânen 27b; openbâre (palam):wâre
(eſſet) 43a; wâren (erant): ërkâren (propugnaculis) 49a;
wâren:troijâren 50a 53a; wâren:ſwâren (gravibus) 53a
54a; mâre:openbâre:jâre:wâre:ſwâre M. S. 1, 18a;
jâre:clâre:mâre 1, 19a; oder ſind alles ungenaue reime
wæne:âne, wâren:ſwæren etc.? Dafür ſpricht ſogar
der reim kêren:troijâren oder troijæren 78a (das ange-
führte minnelied 1, 19a ſondert aber reimende ê in einer
folg. ſtrophe genau ab) und die berührung des æ mit ê;
auch reimen 7c bedæhte:rëhte. Herb. 9d 34c reimt un-
dâre (oben ſ. 340.), vâre (dolo):widerkâre (reditus,
? widerkêre) und 89d bâren:âren.


[459]I. mittelniederdeutſche vocale.

(EE) verſchiedenes urſprungs 1) ê = æ, zuweilen
bei Veld. z. b. êre, ſêre:mære En. 73a 61a ganz gewöhn-
lich aber bei Herb. 1d gebære:lêre; 4b wæren:êren;
14b 79a vêhe:wæhe; 27b unwæne:âthêne; 32d wære:
ſêre; 50b 101c wære:mêre; 50c richtære:mêre; 54b kêre:
bëtelære; 74d vêhe : ſæhe; 88c 106c unwæne : zwêne;
89b flêhe:ſæhe; 116a tichtære : lêre etc. ſo daß man
überall bei ihm ê für æ ſchreiben kann. Belege aus
ſpäteren ſind wæne:zwêne Morolf 52b wære:êre (gan-
dersh. 149b) lêre:wære (Bruns 27.) etc. Wenn nun æ
bei Veld. durch â, bei Herb. durch ê vertreten wird,
beide dichter ausnahmsweiſe auch â:ê reimen; ſo erin-
nert dies verhältnis an das goth. ê, das dem alth. â,
und an das angelſ. â, das dem alth. ê parallel iſt. Viel-
leicht fiel einzelnen mittelnied. dialecten â und ê ganz
zuſ. und es hieß jêr (annus) wêren (erant) etc. wofür
man ſelbſt die ſchreibung jêre, clêre M. S. 1, 18a 19a an-
ſprechen dürfte (auch Heinr. v. mor. reimt 1, 56a ſêle:
quêle, ſtêle f. quæle, ſtæle und Fr. v. hûen 1, 92. jêre
auf wêre oder jâre auf wâre f. wære) oder mâre (magis)
lâren (docere) âren (honorare) etc. wodurch ſich die vor-
hin ſ. 455. beſprochenen praet. karde, larde erläutern
könnten. als kürzungen aus kârde, làrde? — 2) ê = mit-
telh. ê und ei, alſo nicht nur êren, kêren, flêhen etc,
ſondern auch ſtên. bên, tên (ſurculus) etc. Sogar ein-
zelne kurze e und ë ſcheinen vor h, w und r lang zu
werden, wie es dem urſprung des ê aus ei vor dieſen
conſonanzen analog iſt. Hierher gehört ſêhen (für ſëhen):
flêhen M. S. 1, 52b klingend, ſo daß keine contraction
in ſên:flên thunlich und daraus die verlängerung des
voc. herzuleiten wäre; 50b 51a muß ailerdings en[t]ſên:
vên:gên; ſên:ſtèn:gên:geſchên; 53a jên:flên; 54a ſèt
(f. ſêhet oder ſëhet, nicht aber ſihet vgl. ſ. 456.):gêt:
54b gê:ſê (f. ſêhe) M. S. 2, 249b ſmên (f. ſmæhen,
ſmæn):ſên geleſen werden. Ein klingendes ſêhent:
jêhent f. ſëhent, jëhent gebraucht auch Burkart 1, 86a
und Otte v. brandenb. 1, 4b; desgl der thüring. dichter
des wartb. kriegs jêhet:ſêhet (f. gihet, ſihet) jêhen:
ſêhen, ſpêhe:ſêhe (f. ſëhen) geſêhen : brêhen (Docen
miſc. 1, 119. 120. 124. 134.). lêwen (leones) reimt Veld.
En. 23a:ſnêwen; vgl. Roth. 8b lêwe:êne, oben ſ. 401.;
beſonders häufig iſt aber der ſchon im mittelh. geſpürte
reim hërre:êre, ſêre (ſ. 449.) auf die ausſprache hêre
deutend. In den älteren gedichten kêre:hërre, lêren:
hërren etc. fragm. 1a 3a; êren:hërren, hêre:vërre etc.
[460]I. mittelniederdeutſche vocale.
Roth. 1a 47a 3a mag es der freiere reim ſeyn, der hër-
ren auch auf wâren (fragm. 6b Roth. 48b) und êwen
(Roth. 45a) bindet. In Veld. En. ſtehen hërre, hërren:
êre, ſêre, êren, kêren beinahe auf allen blättern ge-
reimt (1c 2c 5a etc.); ſeltner bei Herb. (17d hërre:wêre
f. wære). — 3) ê = ie ſcheint, wie im altſächſ., zu
ſchwanken, ich erinnere mich aus der En. nur des ein-
zigen reimes prêſter : mêſter 68d, der ein ê = ie mit
einem ê = ei bände, da doch ſonſt rêde (conſuleret)
mêde (donum) u. dgl. auf arbêde, wârhêde, berêde etc.
nahe gelegen hätten (übrigens ein zeugniß für Veld.
reimgenauheit; als loſe reime wären miede : arbêde un-
tadelhaft); in der regel muß ie bei Veld. und Herb.
fordauern und lied (carmen) ſchied (ſejunxit) von lêd
(odioſus) geſondert werden. Andere quellen haben da-
gegen ê für ie, vgl. geſtênd: gedênd, lêve:dêve gan-
dersh. 151b 154b, allêne:dêne, dênen:mênen Bruns
115. 116. etc.


(II) wie im mittelh. und nicht in ê übertretend, un-
geachtet das kurze i oft zu ë wird, das mittelh. trîben,
treip, triben, getriben lautet hier drîven, drêf, drëven,
gedrëven. Eine annäherung zwiſchen î und ê verräth
doch der reim arbêd:tîd En. 23b.


(OO) wie das altſ. ô dreifach, nämlich das hochd.
ô, ou und uo erſetzend, z. b. ſtôten (trudere) hôved
(caput) môd (mens), daher die ins mittelh. unübertrag-
baren reime ſcône (pulcher):kône (audax) En. 35a hôrde
(audiit):vôrde (duxit) Herb. 33b; môde:hêmôde (patria)
Herb. 46d 101a; hêmôden:behôden gand. 161a; dô (tum)
ſô (ita):tô (ad) frô (mane) En. 24c 73c Herb. 5c 31b 36b
46c 80d 115b, wiewohl theils das mittelh. ähnliche reime
von ô:uo kennt (ſ. 346.). theils im mitteln. (wie im
altſ.) der laut uo neben ô (analog dem ie neben ê) vor-
kommen könnte; wirklich reimen Veld. und Herb. das
dritte ô kaum auf die beiden erſten. Beide aber zu-
weilen ô auf kurzes o, namentlich vor rd, als hôrde
(audivit):andworde (reſpondit) En. 13b 21c:worde (verbo)
En. 17b 79b; hôrden:borden (fimbriis) En. 13c 14b;
gehôrd:vord Herb. 21d; vôrden (ducebant): worden
Herb. 32d; gevôrd:dord (illuc) 18a, wobei man eher
kürzungen in horde, vorde, gehord (analogie des mit-
telh. ſ. 347.) als verlängerung in wôrde, bôrden (vgl.
das niederländ.) anzunehmen hat. Das mittelh. urloup
(venia) lautet orlof ſt. orlôf, da es auf hof (aula) reimt,
[461]I. mittelniederdeutſche vocale.
z. b. Herb. 104d und orlove:hove En. 5b. Der reim
dôn (facere):ſon (filius) En. 20c 34c ſcheint umgekehrt
verlängerung in ſôn (mittelh. in ſuon, oben ſ. 359.) an-
zuzeigen, dieſes ſôn reimt auf die eigennamen flêgetôn
ſînôn. lâomedôn, margaritôn En. 8a 9c 23a Herb. 11c 31d;
vgl. dônde:begonde gandersh. 151b.


(UU) unveränderlich, gleich dem î, doch wieder
ſpur einer berührung mit ô (oder uo) in Veld. reim ſûr
(acidum):vôr, vuor (ivit) En. 4c 23a mûren (muris):
vôren, vuoren En. 3c 5b; vgl. die mittelh. û:uo ſ. 348.


(AE) æ, ſcheint zu mangeln (ſ. oben unter â, ê).


(EI) gewöhnlich zu ê geworden, als crêt (circus)
agelête (ſtudioſe) berên (tetigit) twên (duobus) etc. Viel-
leicht aber gilt noch ei und nicht ê für die auflöſung
aus eg, ej (vgl. das frieſ. ei, ſ. 274. 278.) und ſo deute
ich Veldeks vorhin ſ. 453. angezogenen reim ei (ovum):
twei, d. h. eg, tweg, nicht ê, twê; Herb. reimt in-
zwiſchen 35a zwei:ſpei (ſpuebat) was füglicher twê:
ſpê oder hochdeutſch wäre. Ebenſo gein und geine f.
gëgen, gëgene zu beurtheilen (das Herb. wieder hochd.
auf gemeine reimt ſ. 426.) dreid:ſeid, jeid:meid En. 13a
14a deiding En. 96b.


(IE) ein häufiger doppellaut, der bisweilen 1) zu ê
wird, ſ. vorhin bei ê; Veld. reimt diere:gîre En. 49b.
2) vor liq. verbindungen ſich in i oder ë verkürzt, vgl.
die reime hield:ſcild En. 93b.c gieng:jungeling, gienge:
dinge, giengen:jungelingen Herb. 3a 6a 99a. Aber auch
in andern fällen noch, Herb. ſetzt z. b. überall ſtëre
(vervex) gen. ſtërn (:enbërn, gewërn) welches mit ſtier
(taurus) nah verwandt ſcheint.


(IU) ſeltner als ie; 1) ein iu = umlaut des û ver-
mag ich nicht zu beweiſen. 2) von der kürzung in ü
vor nd oben beim ü. 3) iu (vobis):tô En. 68b iſt auf-
fallend, (der caſſ. cod. lieſt tarcons rede überhaupt ver-
ſchieden und hat den reim iu:driu) aber zu den über-
gängen des iuw in ôw ſtimmend, wovon unten beim w.
die rede ſeyn wird.


(OE) œ, umlaut des ô? zweifelhaft.


(UO) gleich dem ie 1) in ô verwandelt. 2) in u
(oder o) verkürzt, vgl. hund, mund:ſtuond Herb. 3c 8a
(oben ſ. 359.).


[462]I. mittelniederdeutſche conſonanten. liq lab.

Mittelniederdeutſche conſonanten.


Alle verhältniſſe ſind ungeſtörter und einfacher als
im mittelh., überhaupt noch die altſächſ. grundſätze an-
wendbar. Namentlich die mittelh regel, daß med. im aus-
laut zur ten. werde, ſcheint mir hier nicht zu behaupten;
es heißt dag, dages; bad, bades, nicht dac, bat und
nie reimen dag, bad auf brac (fregit) at (edit); bloß
beim lippenlaut tritt analoger wechſel zwiſchen f und
v (gaf, gâven) ein. Auch die anlaute ſtehen unver-
änderlich.


(L. M. N. R.) liquidae.

Die wenigen, unſicheren quellen laßen hier kaum
etwas eigenes bemerken. Veld. u. Herb. reime verrathen
keine ausſtoßung des n und keine umſetzung von gras
oder brinnen. Für ſtërne gilt vermuthlich ſtërre, wie-
wohl der reim: vërre fragm. 3a nicht ſtrenge beweiſt.
Herm. Damen 60a reimt ſtërren:ſêren, rêren, vërren;
65a vêrre:lêre (ſ. oben bei ê).


(P. B. F. V. W.) labiales.

(P) anlautend nur in undeutſchen wörtern, oder
vielleicht in uralten, aus ganz anderm conſ. verhältnis
ſtehen gebliebenen. Fremdes urſprungs, aber völlig dun-
keles, ſcheint mir page (equus) gen. pagen, ein wort,
deſſen ſich Herb. häufig bedient, und welches noch heute
in weſtphalen und uiederſachſen gangbar iſt. doch der
holländ. frieſ. angelſ. und nord. mundart nicht gänzlich
abgehen würde, wenn es wirklich deutſch wäre. Merk-
würdig wegen der ſtarken conj iſt pîpen[,] pêp (ſtillare,
auch bei Herb. und ebenſo isländ. vgl. Biörn) es gehört
zu pîpa, tibia und gilt vom auslaufen aus der röhre.
In- und ausl. kommt. die ten. oft vor, als ſlàpen, wâ-
pen, grîpen, rôpen, ſliep, grêp, riep, hopen (ſperare)
ſcëp (navis) etc. Ungenaner reim ſcheint kamp (pugna):
lam (agnus) En. 85c (mittelh. kampf:lamp).


(B) lautet häufig an (bên, blôme), niemahls in noch aus.


(F. V) eigentlich zwei verſchiedene aſp. 1) im an-
laut ſollte durchgängig f geſchrieben werden, alſo fos
(vulpes) frëde (pax) flieten (fluere) allein lange ſcheint
die hochd. ſchreibung des v eingewurzelt, der man
ſchon im eſſener bruchſt. (aus dem 10. jahrh.) begegnet.
Daß das anlautende v. anderer natur ſey, als das iul. lehrt
eben die vergleichung des hochd. und goth. z. b. vat,
[463]I. mittelniederdeutſche conſonanten. labiales.
gëve (donnm), mittelh. vaƷ, gëbe, goth. fat, giba. —
2) auslautend ſteht nur f. (nie v) z. b. gaf (dedit) dief
(fur) ſcrêf (ſcripſit) lof (laus) hof (aula) wolf (lupus)
ſtarf (mortuus eſt) entſpricht alſo theils dem mittelh. p
(das für b. auslautet) theils dem f. Veld. reim lief:
brief En. 81b 83a 93a; ſëven-warf (ſepties): bedarf (opus
habet) En. 93a widerſtreitet der mittelh. mundart, welche
bedarf:ſcharf (acer) reimt, das aber mittelniederd. ſcarp
lautet und zu warp (feriit) ſtimmt (En. 25a 65c 94c). —
3) inlautend wird das ausl. f. zu v, als gaf, gâven
(:grâven En. 100a; mittelh. gâben, grâven) graf, graves;
ſnaven (titubare); genëve (cognatus) rëven (delirare);
enſuof (intellexit,) enſuoven; dief, dieve; viever (fe-
bris); lief, liever etc. Vor t bleibt auch inlautend f,
kraft, ſcaft etc. desgl. bei contractionen vor d, als hôfde
(capite) gelôfde (credidit) ſt. gelôvede, hôvede. Bemer-
kenswerth der reim gelôfde:kôpde En. 3b, der auch im
mittelh. geloupte (geloubte): koufte ungenau wäre. Veld.
ſcheint, wie vorhin bei kamp und lam, hoch und nie-
derd. formen zu vermiſchen. Reinniederd. reimen aber
orlove:hove; lieve:brieve En. 5b 34c.


(W) von v. genau zu unterſcheiden. Das anlautende
w. galt ohne zweifel noch vor l und r, läßt ſich aber
aus den verderbten denkmählern nicht beſtimmen (beßer
aus der analogie des altſ. angelſ. und frieſ. ſ. 216. 251.
276.). Einzelne ſpuren hat der abſchreiber im Rother
ſtehen laßen, z. b. wrêf (fricavit) 11b wrang (ſtrinxit)
25b und ſo iſt 5b (z. 437. ſtatt want) zu leſen. — Das
inlautende w duldet keinen kurzen voc. vor ſich, unter
den langen nur â, ê, ô, kein î, û, iu, uo; vgl. pâwe
(pavo) lêwe (leo) ſnêwe (nive) und zumahl begegnen ſich
in ôw die mittelh. ouw, ûw und iuw, hôwen, ſcôwen,
bôwen, tôwen (parare En. 11a) frôwe (femina) môwe
(manica En. 92b) rôwe (dolor) trôwe (fides) getrôwe (fi-
dus) gerôwen (dolere); beweiſende reime ſind, die ent-
ſchiedne mittelh. iuw mit ouw binden (M. S. 1, 18a. b.
En. 4b 33b 37b 60c 62a 87a) vgl. das vorhin ſ. 461. an-
geführte iu:tô. — Auslautend kein w. —


Die gemination pp. hat ſtatt, kein ff; bb ſcheint in
wörtern wie ſibbe, ribbe möglich. Bei der verbindung
ft. iſt zu merken, daß ſie häufig mit ht reimt (mehr da-
von beim kehllaut).


(T. D. S.) linguales.

Eine unvollkommenheit zeigt ſich im mangel der
aſp. th; ſollte ſich vielleicht auch anlautend d und th.
[464]I. mittelniederdeutſche conſonanten. ling. gutt.
unterſcheiden z. b. dochte (valuit) dag, dêl, thochte
(videbatur) thagen (tacere) thief etc. (welches ſich aus
den vorliegenden quellen nicht ergibt, indeſſen nach
dem maßſtab des hochd. t und d. leicht herzuſtellen
wäre; im fragm. belli, zuweilen auch in Roth. werden
d und th noch geſchieden); ſo fallen ſie in - und ausl.
ſicher zuſammen, denn brôder (ſt. brôther) reimt auf
môder En. 11a 76b 81a 102c; ſcade (damnum, f. ſcathe):
ſtade (occaſio) En. 87c ſcaden:unſtaden En. 82b.


(T) entſpricht dem mittelh. z und Ʒ, daher ſcat
und vat (ſchaz, vaƷ) reimen; eben ſo wenig bedenken
machen hier hërte (cor) hërt (cervus) der ſchwan würde
elvet oder elft heißen; baltieren En. 39c iſt cingere, bau-
droier, mittelh. balzieren (balz, balteus). — Ob aber
nicht t znweilen auslautend für d ſteht, wie ſchon im
altſ. (ſ. 216.)? das müſten reine quellen lehren, vorläufig
nehme ich das ſtrengrichtigere d in der regel an, und
begnüge mich hier, auf die reime niet:ſcriet, riet, ſiet
(En. 5a 11c 51a) zu weiſen, welche die ſchreibung ſcried,
ried verdächtigen. Eine miſchung des hoch- und nie-
derd. t. geſtattet ſich Heinr. v. mor. M. S. 1, 52a in dem
reime bat (rogavit):nat (madidus), der in beiden mund-
arten ungenau iſt (mittelh. bat:naƷ; mitteln. bad:nat)
vgl. dieſelbe anomalie bei Veld. vorhin ſ. 463. — Die nie-
derd. apocope des t iſt oben ſ. 409. unter 5. erwähnt, vgl.
den reim bës (es):gewës En. 74c. und die belege ſ. 456.


(D) parallel dem goth. d und þ, folglich dem mit-
telh. t und d. bade (commodum, auf ſtade opportunitas
reimend, Herb. 15c 18a 31b) ſcheint mir das ſ. 204. an-
geführte gibada und löſt den zweifel über das kurze a.
Wie eben erwähnt ſetze ich d auch auslautend in den
verbindungen nd, ld, z. b. gewald, bald, kind und
dieſe reimen auf ſald (debes) En. 24c 73b përmind (per-
gamenum) En. 81c 84c.


(S) gibt nichts zu erinnern. Auch nicht die gemi-
nationen und verbindungen. —


(K. G. J. CH. H.) gutturales.

Eigentlich fehlt, wie beim zungenlaut, aſp. und ch
ſcheint mir nur in cht für ht vorzukommen.


(K. C.) wie im altſächſ.


(G) 1) vom übertritt in i vorhin beim ei. 2) die
verwandlung des h in g iſt noch beliebter, als im mit-
telh. (ſ. 427.) geſag (vidit) reimt: dag, lag, mag
[465]I. mittelniederdeutſche conſonanten. guttural.
En. 1c 2a 16b 55c etc. Bruns 77. [ſag:nag ſt. nâh En. 2c?
beßer ſà: nâ ſ. beim h.] ſag (vidit):mag meiſterg. 6a;
geſâgen, ſâgen (viderunt):lâgen, frâgen, plâgen En. 6b
9b. c. 62b 70a 98a Mor. 45a Bruns 74; geſâge (viderem):
lâge, plâge En. 10b 77c; ſchâgen (fiebant):dragen Bruns 76.
hôge:ſynagôge En. 63a. Bedenklich iſt noch durg:burg
En. 91c.


(J) das inlautende wird gewöhnlich unterdrückt,
ſelbſt in wörtern, wo es die mittelh. mundart noch be-
hauptet, z. b. vere (nauta) reimen Veld. (En. 23b) und
Herb. 13b 110d 111c:here (exerc.) mere (mare).


(H) gilt beinahe nur anlautend. Das auslautende
wird apocopiert, vgl. nâ, gâ (mittelh. nâch, gâch):wà,
dâ En. 77b 102a Herb. 52b, die (femur):knie En. 59b, hô:
frô En. 2c etc. oder in g verwandelt. Beides geſchieht
auch oft beim inlaut, vgl. tîen, (incuſare,: blîen, plum-
beus En. 74c) mittelh. zîhen; hôſten:drôſten En. 99a;
ſâgen, hôge (mittelh. ſâhen, hôhe) hôgeſte Bruns 88.;
einige behalten das inlautende h (ſ. vorhin beim doppel-
laut ê). Der mittelh. verbindung hs entſpricht ein nie-
derd. auslautendes s, inlautendes ſſ, daher ſas (culter)
fas (crinis) *) was (cera) auf was (fuit) las (legit) reimen
En. 39b 43c 80a Herb. 4d 41d und büſſen (pyxidibus):
küſſen Herb. 60a. Von dem mittelh. ht wird zwar auch
h weggeworfen, z. b. niet f. niht (auf ſcried, ried rei-
mend En. 11c 51a) liet (lux):niet En. 24c (verſchieden
von lied carmen); häufiger aber bleibt es und ſogar,
wie ich glaube, in ch geſchärft, vgl. mochte (potuit)
dochte (valuit und videbatur) dochter (filia) nacht (nox)
vëchten (dimicare) etc. Die ſchärfung des h in ch gieng
um ſo leichter an, als die ſprache ſonſt gar kein aſp.
ch kennt, alſo die mittelh. verwirrung mehrerer ht ab-
geſchnitten iſt (das mittelh. machte, maht lauten hier
makede, macht), folgt mir aber aus der häufigen reim-
berübrung mit der labialaſp. in der verbindung ft; vgl.
haften: crachten Roth. 13a; ſtifte: berichte (ſt. ſtiftede,
richtede); vorchte (timuit):dorfte (deberet); worchten:
dorften; nacht:endehaft; vacht:wonhaft; werhaft:ge.
dacht; kraft:nacht; dachte:ernſthafte etc. En. 3b 21b
G g
[466]I. mittelniederländiſche vocale.
22c 26c 28a 31b 48c 49a 70a 79b; kraft:nacht Herb. 52a.
Iſt dieſes ft : cht wie das mittelh. ft : ht (ſ. 443.) anzu-
ſehen oder verwandlung des ft in cht anzunehmen,
folglich ſtichte, dorchte, kracht, hacht? En. 15b 52b ſteht
brûdlocht:ontocht, gracht (foſſa):gedracht; bei Herb.
94b graft (foſſa):kraft und ſelbſt bei Bruns 89. dêlhafte:
achte, gandersh. 153a nicht:ſchrift, 169a kreften:vëchten.


Mittelniederländiſche buchſtaben.


Mittelniederländiſche mundart nenne ich die wäh-
rend des 13. 14. jahrh. in brabant, flandern und holland
blühende; ſie verdient zwar den namen einer nieder-
deutſchen ſo gut als die ſächſ. und weſtphäliſche. womit
ſie auch in den meiſten grundzügen übereinſtimmt, wird
aber in der grammatik vortheilhaft geſondert 1) weil ſie
reinlichere und reichlichere quellen beſitzt, (von 1270 an
bis 1350 erſcheint das wichtigſte;) vieles liegt ungedruckt,
eine überſicht in Hoffmanns bonner bruchſt. Otfrieds
XV-XX. 2) weil ſie einzelne berührungen theils mit
dem hochd. theils mit dem frieſiſchen zeigt und ſich
dadurch von dem weſtphäl und zumahl niederſächſ. ab-
ſcheidet. Auf dieſe verſchiedenheiten werde ich es in
der buchſtabenlehre vorzüglich abſehen. Die ausgaben
Maerlants und Melis Stokes ſind zwar ſorgfältig nach
den hſſ., aber ohnc ausreichende grammatiſche ſprach-
critik gefertigt worden; richtigere lesart gewährt auch
hier die beachtung der reime. Längeres ſtudium wird
manches von dem berichtigen, was ich vorläufig oft als
bloße anſicht aufſtelle.


Mittelniederländiſche vocale.


Die unterſuchung wird dadurch erleichtert und be-
ſtätigt, daß die meiſten hſſ. wenn auch ſchwankend den
laugen (gedehnten) vocal doppelt ſchreiben: ee, ii,
oo, uu, wofür ich der übereinſtimmung mit den vori-
gen mundarten wegen die gleichbedeutende bezeich-
nung, ê, î, ô, û gebrauche, für â gilt ae.


(A) in der regel dem kurzen a der übrigen mund-
arten gleich, als dach, daghes (dies) name (nomen) tant
(dens) lanc (longus) cracht (vis) etc. erfährt aber ver-
ſchiedene theils einſchränkung theils erweiterung. 1) die
ſprache duldet kein a vor lt. ld, alſo kein -alt -ald,
ſondern löſt dieſe in -out, oud auf, vgl. wout (ſilva) out
(vetus) houden (tenere) ſout (ſal). Dieſe regel iſt prac-
[467]I. mittelniederländiſche vocale.
tiſch auf alle und jede fälle anwendbar, wo ein hochd.
alt, ald, alz in die niederl. mundart überſetzt werden
ſoll. Theoretiſch muß man aber einen früheren über-
gang der formen alt, ald in olt, old annehmen und erſt
dieſe ſich in out, oud ſchmelzen laßen. Denn auch die
organiſchen olt, old, z. b. holt (fidus) holden (fidelibus)
holt (lignum) golt (aurum) zerſchmelzen ebenſo und
woude (ſilvâ) reimt allerwärts auf goude (auro). Vor
den übrigen verbindungen lm, ls, lf, lg etc. bleibt a
ungekränkt:halm, palme, hals, half, balg etc wesha b
kein franzöſ. einfluß anzunehmen iſt, indem franz. zwar
eſmeraud f. eſmerald, aber auch paume, baube, maux
f. palme, balbe, mals gelten. Außerdem bleibt im franz.
a beſtehen, obgleich ich hin und wieder ebenfalls caut,
autare (Reinaert 342. 361.) f. cout, outare antreffe, und
ein ſolcher unterſchied einzelne wörter gehörig ſondern
würde, z. b. ſcaude (ſcaldis) von geſcouden (geſcholten)
hauden (tenere) von houde (favor). Den dichtern aber
reimen, wie gemeldet, beiderlei ou Bei contractionen
entſpringt weder oude noch alde, vielmehr aelde, z. b.
in haelde, taelde, praet. von halen. talen. — 2) vor den
verbindungen mit r. beſteht kein a, alſo kein arm, arp,
arb, arf, arw, art, ard, ars, arc, arg, welche ſich in
aerm, aerp etc. wandeln. Sobald jedoch zwiſchen r und
dem weitern conſ. ein alter ausgeſtoßener voc. zuweilen
vortaucht, ſtellt ſich das kurze und einf. a in der wurzel
her, z. b. arem (brachium) warem (calidus) ſvarem (turba)
ontfaremde (miſertus eſt) arechſte (peſſimus) neben aerm,
waerm, ontfaermde, aergſte. Übrigens iſt es gleichgültig,
ob jene verbindungen rm, rp etc. organiſch ſind, oder
durch ſyncope entſpringen, letzteres z. b. in ſpaert par-
cit) ſt. ſparet, erſteres in haert (durus) aert (genus). Un-
richtig ſchreiben die meiſten hſſ. harde (duriter) f. haerde,
welches z. b. Rein. 276.:reinaerde reimt; das umge-
ſetzte trat (calcavit) finde ich nur tart geſchrieben (Maerl.
1, 242. 392. 2, 244. Rein. 291.) freilich immer anßer
reim; beßer ſchiene taert. — 3) jedes kurze, wurzel-
hafte a wird in ae verlängert, wenn durch contr. oder
compoſition der auf es folgende conſ. mit einem andern
conſ. der endung zuſammenrückt, z. b. halen (arceſſere)
manen (monere) ſpanen (lactare) ſcraven (radere) maken
(agere) raken (attingere) naket (nudus) ſaden (ſatiare)
begaden (inſtruere) ſcapen (creare) claghen (queri) im
praet. haelde, maende, ſpaende, ſcraefde, maecte, raecte,
ſaedde, begaedde, claechde ſt. halede, ſpanede, ſcravede,
G g 2
[468]I. mittelniederländiſche vocale.
makede, ſadede, claghede; ebenſo naect (nudus) ge-
maect, geraect, ſcaept (creat) und in andern fällen, als
waeſt (nicht waſt) f. was hët. Das gefühl der ſyncope
ſcheint dieſe trübung des wurzellauts zu veranlaßen,
nicht das gewicht der poſition, denn in den organ. ver-
bindungen hant, tant, dat. pl. handen, tanden liegt
poſ. gerade ſo wie in ſpaende, maende und aus alde,
valde wird oude, voude nicht aelde, vaelde. Dadurch
unterſcheidet ſich auch dieſe änderung des a von der in
der zweiten bemerkung, indem die organ. verbindun-
gen haerde, baerde (aſcia) baert (barba) waerp etc. ſo
wohl als die zuſ. ziehungen ſpaert, ſpaerde ae bekom.
men. — 4) o für a ſteht in ſochte (mittelh. ſanfte) am-
bocht (officium neben ambacht) brochte und mochte,
vgl. das mittelh. brâhte, brahte, mohte, mahte (ſ. 342. 450.).
5) ë für a in nëſe (naſus, neuniederl. neus, wie reus,
gigas f. rëſe); in ghewëlt (poteſtas) f. ghewout (jenes
Maerl. 1, 292. Rein. 342. dieſes 1, 227. Rein. 347,); ſcënde
f. ſcande; die part. gedrëghen, geſlëghen, geſcëpen f.
gedraghen, geſlaghen, geſcapen etc. Neben einander
gelten wël, wale (beide für bene, und beide im reim). —
Dieſen beſchränkungen des a ſtehen folgende erweite-
rungen gegenüber, deren erſte die wichtigſte iſt 1) jedes
organ. lange a (d. h. im mittelniederl. ae) wird verkürzt,
ſobald dem darauf folgenden conſ. ein unbetontes flexions-
e folgt. So bekommen die ſubſt. mael (punct. tempo-
ris) ſtael (chalybs) traen (lacrima) waen (opinio) jaer
(annus) baer (crinis) maech (parens) daet (facinus) im
dat. ſing. oder im pl. male, ſtale, trane, jare, maghe,
dade; das adj. blaer (infelix) die ſchw. form de blare,
ebenſo die pron. und part. haer, naer, daer:hare, nare,
dare und namentlich haben die pl. ſtarker conj. kein
dem hochd. entſprechendes ae, ſondern a in gaven, wa-
ren, laghen, plaghen etc. Theils zeigen die hſſ. in allen
ſolchen fällen a, nicht ae, theils verbinden die reime
überall entſchieden kurze a mit ihnen, z. b. ontfaren:
jaren, wale (bene):altemale, namen (nomine):quamen,
draghen:laghen, raven:gaven, hane (gallus):wane,
ſcade:dade, vaten (vaſis) haten (odiſſe):laten (ſinere) etc.
2) a ſteht für o in halen (arceſſere) van (von) wale
(bene):tale, male reimend, vgl. oben ſ. 75. 85. 336. 450.
3) a für ë, in das (ejus) auf was reimend; vaghen (po-
lire):laghen; dieſe erweiterung entſpricht der fünften
beſchränkung. — 4) a für î; bei Maerl. häufig lachame
(corpus) für lîchame oder lichame; nimmt man die kür.
[469]I. mittelniederländiſche vocale.
zung des î in i an, ſo kann bei der nahen berührung
zwiſchen i und ë lachame aus lëchame folgen, wiewohl
mir letzteres nicht vorgekommen iſt.


(E) urſprünglich zweierlei, nämlich e und ë, all-
mählig aber in der ausſprache ë zuſ. gefloßen. Ich be-
merke 1) der umlaut des a in e iſt ſchon lange vor die-
ſer periode durchgeführt worden, an ein nichtumlauten-
des ande (finis) angel (angelus) kannen (noſcere) daher
kein gedanke. 2) es gehörte ſchon zeit dazu, um den
anfänglichen e-laut mit dem gewöhnlichen ë (= i) zu
vermiſchen. Daß die mundart kein reines e mehr kenne,
beweiſen nicht allein die reime, ſeget (dicit):plëget (ſo-
let) beſeven (intelligere):lëven (vivere) hevet (habet):
gëvet (dat) verſleghen (occiſus):plëghen (ſolere) echt
(poſtea):rëcht (rectus) hebben (habere):rëbben (coſtis)
ghedreghen (portatus):wëghen (viis) verde (itineris):ërde
(terra) ſtede (loco):vërde (pax) ghewelt (poteſtas):vëlt
(campus) und ähnliche, die man bei jedem dichter über-
all findet; ſondern auch der wirkliche übergang in die
ſchreibung und ausſprache i (bei folgendem nn, ng, nk,
nd) ingel (angelus) kinne (noſco) in und außer reim
z. b. hinne (gallina) Rein. 344. Maerl. 1, 264. ingel, min-
get (miſcet) Maerl. 2, 62. ghehingen (concedere) ſcinden
(ignominia afficere). Beweiſende reime ſind hier bekin-
net:rinnet Maerl. 2, 62. vinger:inger (anguſtus) 2, 214.
kinne (noſco):coninginne 1, 207. inden (finire):ſcinden
(contumelia afficere) 1, 421. mingen (miſcere):dingen 2,
399. bekint:vint 2, 401. kinne: minn [...], 432. kinnen:
minnen 2, 438. bekinde: gheninde (audacia) Rein. 357.
ſcinken (vinum fundere):drinken Rein. 296. etc. Ich
werde alſo (in den wurzeln) kein e, vielmehr immer ë
ſchreiben: ſëget. beſëven, hëvet, verſlëghen etc. ob-
gleich durch dieſe ausſprache zwei etymologiſch ver-
ſchiedne laute untereinander gerathen, z. b. vërde kann
bald pax (f. vrëde), bald itinere bedeuten. Das niederd.
ë für e (ſ. 456.) wird durch dieſes niederl. offenbar be-
ſtärkt. — 3) vor r mit verbundnem weiterem conſ.
ſpielt ë in ae über, und es ſteht ſwaerde (enſe) aerde
(terra) paerde (equo) für ſwërde, ërde, përde, beweis
die reime aerde: mëſbaerde Maerl. 3, 234. waert (verſus):
geſpaert 3, 249. waerc (opus):maerc (marca) ſcaermen:
ontfaermen, ſtaert (cauda): reinaert Rein. 351. 287. 291.
wodurch eine nachtheilige miſchung der formen waert
(fiebat) waert (verſus) maerken (obſervare) maerken (mar-
cis) etc. entſpringt, welche im mittelh. wart und wërt,
[470]I. mittelniederländiſche vocale.
merken und marken geſchieden ſind. Im neuniederl.
ſind zwaard, aarde, paard, ſtaart etc. völlig einge-
fleiſcht *), damahls aber mag die ausſprache geſchwankt
haben, wie ſelbſt die ſchreibung ſchwankte, wenn der-
gleichen ë nicht auf entſchiedene ae, ſondern unterein-
ander reimen, vgl. ërde:vërde. vërde:përde, ërde:wërde
Maerl. 2, 253. 277. 278., bei Stoke 3. 26. ſteht ſogar ein
tadelhaftes veerde:peerde; wo kein mitreimendes ae
dazu nöthigt, ſcheint es richtiger, ë zu ſchreiben, wo-
nach dies unzähligemahl herzuſtellen iſt, z. b. përde, ërde,
vervërde, Maerl. 2, 284. 294. bërken:mërken Rein. 350. —
4) wie im niederd. ſind viele i, die mittelh. bleiben, zu
ë geworden, namentlich in dem ablaut drëven, ghedrë-
ven (triben, getriben). Andere beiſpiele bëm (ſum) ës
(eſt) hëm (ei) nëm (ſume) ghewës (certus) mëſſen (er.
rare) lëde (membra) vrëde (pax) ſëde (mos) mëde (cum)
plëcht (obligatio) mëkel (magnus) blënt (coecus:bekënt:
gheſcënt Maerl. 2, 349. 418.:ſënt, poſtea Rein. 278.) ghe-
hërmen (quieſcere:ſcërmen Maerl. 2, 337.) etc. nament-
lich heißt es ghëvet (dat) lëghet (jacet) plëghet (ſolet) etc.
In manchen wörtern ſchwanken ë und i, z. b. in mëcken.
micken (animadvertere) das bald auf trëcken, lëcken,
bald auf ſcicken, ſticken, ſcricken reimt. — 5) ë ent-
ſpricht dem hochd. u oder ü in ëvel (malum, morbus)
lëttel (paucus) einſtimmig mit dem angelſ. ifel (oben
ſ. 42.) litel. Vom ë für a vorhin ſ. 468. und vom wech-
ſel zwiſchen ë und o hernach bei letzterm. — 6) bis-
weilen kürzen ſich ê und ie in ë; ſo reimen die com-
poſ. mit -heit, -hêde waerhëde, kërſtinhëde etc. oft
auf lëde, mëde, ſëde; wëten (ſciunt):hêten (vocantur)
Rein. 3, 276; lëcht (lux):ëcht, rëcht, plëcht Maerl. 2, 248.
255, 371. Rein. 324. hëlt (f. hêlt. tenuit):vëlt Maerl. 2,
277:gewëlt 3, 43. 47; hëlden (f. hêlden tenuerunt):tëlden
(narravimus) 3, 276. (vgl. hernach ê) — 7) von einer um.
gekehrten verlängerung des ë in ê hernach bei letzterem.


(I) 1) durch die übergänge in ë beſchränkt; vor
Il und nn, desgleichen vor den verbindungen mit n
ſcheint i am liebſten zu haften, vgl. wille. ſtille. ſille
(limen) ſinne. minne. ſpinnen. binden. vinden etc. doch
mit ausnahmen, als blënt f. blint, quëllen:geſëllen.
[471]I. mittelniederländiſche vocale.
2) erweitert durch die übergänge des urſprünglichen e
(umlauts des a) wiederum zumeiſt vor nn, nd, nt. ng etc.
als ſint (ſanctus) hinne (gallina) etc. ſ. oben ſ. 469.
3) erweitert durch die ebenfalls vor lt, ld und dem na-
ſalen nc, ng eintretende kürzung des ie, als hilden, hin-
gen, gingen (mittelh. hielten, hiengen, giengen) unbe-
denklich auf wilden, dingen, jongelingen etc. Verwandt
die kürzung des ie in ë, daher z. b. hëlt und hilt beide
gelten. — 4) ſeltner vertritt i ein u, namentlich aber in
dinne (tennis, auf ſinne, minne reimend, mittelh. dünne)
Maerl. 2, 91. 440. dinct (videtur, mittelb. dünket) pit (puteus,
mittelh. pfütze):dit gereimt Maerl. 2, 125. Rein. 350. (auf
derſelben ſeite aber putte:nutte); ſtic, ſtickes (portio, fru-
ſtum, mittelh. ſtücke) häufig auf dicke, micken reimend
ſcheint organiſch. vergl. mit dem goth. ſtika (στιγμῇ)
vgl. oben ſ. 457. — 5) î zu i verkürzt findet ſich in licht
(levis) vgl. lichten:dichten Rein. 370. (mehr davon beim î).


(O) 1) gleich dem mittelh. o in god (Deus) ſpot
(ludibr.) ſot (ſtultus) hof (aula) lof (laus) doven (inſa-
nire) mos (muſcus) volc (gens) nolle (occiput) u. a. m.
2) aus u entwickelt, das mittelh. noch beſteht, in den
praet. ſtoven (mittelh. ſtuben) loken (clauſerunt, mittelh.
luchen) etc. daher reimen ſtoven:doven Rein. 325.
(mittelh. ſtuben und toben nicht). Weitere beiſpiele:
molen (molam) worſt (farcimen) cont (notus) mont (os)
hont (canis) conſt (ars) domp (hebes) ſonde (peccatum)
ſtonde (hora) vonden (inveniebant) ſpronc (ſaltus) jonc
(juvenis) ons (nobis) doghet (virtus) verhoghen (laetum
reddere) vochten (pugnabant:mochten Maerl. 1, 285.)
vochte (pugnaret:mochte 1, 359.) dochte (videbatur) etc. —
3) o für a iſt vorhin ſ. 468. gezeigt. — 4) wechſel zwi-
ſchen ë und o (vgl. ſ. 82. 336.) in die ghone (ille, mit-
telh. jëner) home (illi, ſt. des gewöhnl. hëm, im reim:
vrome Maerl. 2, 274.) woch (via, ſt. wëch, beide bei
Maerl. öfters, z. b. nebeneinander 1, 334.; für wëghe
doch kein woghe) proſent (f. prëſënt 1, 266.) roſe (gigas
ſt. rëſe, Huyd. op St. 3, 306. und vermuthlich auch noſe
f. nëſe, naſus). Neben wëke (hebdomas) iſt mir woke
nicht vorgekommen, ebenſowenig wol neben wël, das
vielmehr mit wale abwechſelt (ſ. 468.). — 5) kürzung
des ô in o tritt auf dieſelbe weiſe ein, wie die kürzung
des ae in a, nämlich ſo oft ein unbetontes e der flexion
auf den conſ. der wurzel folgt. Daher heißt es horen
(audire) doren (ſtulti) lopen (currere) copen (emere) ho-
nen (affligere) lonen (remunerare) bome (arbore) groten
[472]I. mittelniederländiſche vocale.
(magnum) oghen (oculi) doghen (durare) hoghen (altum)
node (neceſſitate) blode (meticuloſus) dode (morte) etc.
hingegen hôn (contumelia) lôn (merces) bôm (arbor)
grôt nôt, dôt und hôrde (audivit) hôrt (audit) verdôrt
(inſipiens) lôpt (currit) hôch (altus) ſôch (ſugebat). Zum
beweis dienen die reime gheploghen:hoghen Maerl. 2,
243. toghen (oſtendere):droghen (ſicco) Maerl. 3, 236.
horen:tëvoren (ſupra) 3, 245., verglichen mit voren:
toren (violentia, zorn) 3. 254. gheboren (natus):horen
3, 291. 294. 2, 317. Völlig ausgemacht ſcheinen mir
gleichwohl dieſe kürzungen nicht, indem die hſſ. zuwei-
len ô (oo) ſchreiben, wo bloßes o erfordert würde (z. b.
Rein. 310. 331. nôde, blôde, dôden) und was mehr be-
deutet, entſchieden kurze o aufeinander zu reimen pfle-
gen (bode:gode:ghebode; vrome, come), nicht leicht
aber auf die verkürzten node, blode, ome, gome etc. —
6) analoge kürzung des oe in o gilt nicht, es heißt
groeten (ſalutare) bloede (ſanguine) bloemen (flori-
bus) etc.; ausnahmsweiſe findet ſie jedoch ſtatt und zwar
immer in rochte, ſochte (curavit, quaeſivit) von roe-
ken, ſoeken, die beſtändig auf mochte, dochte, ſochte
(lenis) reimen, hin und wieder in andern reimen
als comen:blomen, domen, ſt. bloemen, doemen
Maerl. 2, 308. 370. 475. brudegome:blome 3, 283. (vgl.
unten ô und oe).


(U) in einigen formen noch nicht in o übergegan-
gen, wie es ſcheint zumeiſt vor ll. dd. tt. ggh. cht. ſt.
als: dullen (inſipere) vullen (implere) doch im adj. neben
vul auch vol. vollen; mudde (modius Maerl. 1, 397.)
nutte (utilis) rugghe. brugghe. lucht (aer) vrucht (fructus)
vrucht (metus) ſuchten (gemere) luſt (deſiderium) ruſt
(quies) etc. Ob die ausſprache dem hochd. u oder ü
glich? läßt ſich ſchwer ſagen (vgl. den übergang in i,
ſ. 471. und umgedreht des i in u, als luſtich, juchtich
f. liſtich, gichtich Maerl. 2, 112.). Ein anderes beden-
ken macht die kürzung des û in u, welche nach der
beim a und o entwickelten regel einzutreten ſcheint,
nämlich die denkmähler ſchreiben freilich hûs, huſe;
ghelût, ghelude; rûm, rume; mûr, mure; brûn, bru-
nen; tûn (ſepes) tune etc. aber nicht durchgehends, z. b.
Rein. 308. ſteht hûſe. Die reime lehren hier aber nichts,
da alle organiſch kurzen u vor einf. conſ. längſt zu o
geworden ſind (z. b. vrom, ſomer, ſone); eben weil bru-
nen, tune nicht in bronen, tone übergehen, möchte
ich die kürzung leuguen. Wenn ſich mit ausgeſtoße-
[473]I. mittelniederländiſche vocale.
nem n onſe (d. h. unſe) in uſe wandelt (:huſe Huyd.
op. St. 3, 228.), ſo wird es dadurch nicht ſicher ûſe
(oben ſ. 210. 231.). Die kürze von mure (muro) würde
der reim dure (per):ſure (acidus) ſcrifture, ure (hora)
Maerl. 1, 36. 40. 134. entſcheiden, wenn dure ſelbſt
ſicher kurz wäre.


(Y) grammatiſch zu entbehren und lieber mit i aus-
zndrücken, zumahl es verwechſelungen mit ŷ (welches
die hſſ. ij ſchreiben, es bedeutet aber î) ausgeſetzt iſt.
Vorzüglich wird y in fremden wörtern geſetzt, als yeve
(eva Huyd. 2, 148.; d. h. ieve wie der reim: lieve lehrt
Maerl. 1, 80.) reynaert, reynout, payment, pays, (pax)
etc. beßer reinaert, reinout, paiment, pais.


(AA) â, mangelt und wird durch ae vertreten, ſtatt
welches man im neuniederl. wieder â (aa) ſchreibt.
Zweifel machen bloß im auslaut die ſchreibungen na
(poſt, prope) ga (eo) va (cape), die ſehr oft auf fremde
namen, wie aſia, ſcylla, reimen, gewiß aber langlautig
ſind. Wenigſtens gebührte ihnen â, (ghâ : ſcolaſticâ)
wenn man nicht ae ſetzen will.


(EE) ê, gilt 1) auslautend in ſê (mare) ſnê (nix)
wê (malum) mê (magis) twê (duo). 2) entſpricht dem
mittelh. ê vor r in mêr (magis) wëderkêr (regreſſus)
êre (honos) êre (antea) verſèren (vulnerare) kêren (ver-
tere) lêren (docere) welche beiden im praet. kêrde, lêrde
(nicht kaerde. laerde) haben; das mittelh. hërre heißt
ſtets hêre oder hëre; ein h iſt ausgefallen in lên (lêhen)
und ſwêr (affinis). 3) dem mittelh. ei in häufigen fäl-
len: ê. nên. bên. twên. grëp. drêf. bêt (momordit)
wrêt (iratus) gheblêt (balatus) ghêt. hêt (calidus)
vlêſch. hêſch. ghêſt (ſpiritus) mêſt. wêc (mollis) blêc
(pallidus) nêch (inclinavit) etc. 4) nie dem ſächſ. ê = ie,
welches durchgängig ie lautet; man laße ſich den reim
hêt:hêt (calidus) Maerl. 1, 103. nicht täuſchen, erſteres
hêt bedeutet nicht hiet vocabatur, ſondern hêtet oder
hëtet, vocatur. Maerl. könnte alſo Veld. reim mêſter:
prêſter (ſ. 460.) nicht gedichtet haben, er ſagt prie-
ſter. — 4) in fremden wörtern ſteht ê (außer den aus-
lautenden joſuê, jeptê etc. Maerl. 1, 104. 109.) in amên
(:bên Rein. 334.) tîbêrt, grimbêrt (:ſêrt, kêrt Rein. 304.
323. 331.), unrichtig würde man tibaert, grimbaert
ſchreiben, ſo wie umgekehrt pêrde, êrde für paerde,
aerde oder përde, ërde verwerflich ſcheint. — 5) ſtêt (ſtat):
[474]I. mittelniederländiſche vocale.
wêt, ſwêt reimend (Rein. 352. Maerl. 1, 126. 2, 241.)
ſchwankend in ſtaet (: gaet Rein. 353. und gaet:laet
Maerl. 1, 159.) vergleicht ſich dem mittelh. ſtêt und ſtât. —
6) aus kurzem ë entſpringt ê, gleich dem ae aus a,
ſobald nach dem conſ. der wurzel ein tonloſer voc. der
flexion ausfällt und der conſ. der flexion mit jenem conſ.
zuſ. ſtößt. z. b. ſprêx : brêx, ſprêct:brêct, Maerl. 2,
251. 464. wêts:vermêts, verghêts 2, 444. 448. ſtammen
aus ſprëkes, brëkes, ſprëket, wëtes, verghëtes. Ebenſo
ſetzen hêlt (heros) bêlde (imago) bêfde (tremuit) hêft
(habet) lêft (vivit) ein völligeres hëlet, bëlede, bëvede,
hëvet, lëvet voraus, und (wie ich auch ſ. 468. bemerkte)
das ê hängt gar nicht von der bloßen conſ. verbindung
ab, indem z. b. vëlt (campus) vëlde (campo) weder ê
bekommen, noch auf hêlt, bêlde reimen. Die ſchrei-
bung dêmſter (obſcurus) f. dëmſter verdient misbilli-
gung. — 7) ſchwieriger zu entſcheiden fällt mir, ob
ſich das org. lange ê bei nachfolgendem flexionsvoc. er-
halte oder kürze? Die quellen ſchreiben bald kêren,
êren, bald këren, ëren; bald allêne, ghemêne, clêne,
wêue (ploratu), bald allëne, rëne (pure) etc. reimver-
bunden finde ich aber nur këren, ëren, lëren unterein-
ander, nicht mit dëren (nocere) vertëren (conſumere)
ëren (arare) ſwëren (jurare) ontbëren (carere) përen (pira),
dagegen Maerl. 2, 240. dëren:viſentêren. Den bäufigen
reimen clëne:athëne:gemëne:ghëne (nulla) clënen:
mënen (putare) etc. ſtehen keine ſichere kürzen zur ſeite.
Deutlich aber iſt wahrzunehmen, daß bei dem reim
ëde, ëden nur bëde (ambo) lëde (duco) bëden (ambo-
bus) lëden (ducere) clëden (veſtibus) beſcëden (modeſtus)
gherëden (parare) reimen, andrerſeits vrëde (pax) mëde
(praep.) ſëde (mos) ſtëde (loco) lëde (membra) die com-
poſ. mit -hëde, als dierhëde und lëden (membris) lë-
den (ibant) ſtrëden (pugnabant) ſëden (moribus) hëden
(hodie) ſwëden (ſuecia) mëden (media). Ich möchte
daher unbekümmert um die ungenauigkeit der ſchrei-
bung *) und gegen die analogie der ausgemachten kür-
[475]I. mittelniederländiſche vocale.
zung jaren, waren (ſt. jaeren, waeren) aufſtellen, daß
allerdings kêren, êren, lêren, clêne, athêne, ghemêne etc.
bêde, bêden, lêden, ſcêden. gherêden geſetzt werden
müße. Dazu kommt das ſobwanken der formen êde,
êden in eide, eiden (ſ. unten beim ei). Auffallend iſt
die entſchiedene kürze in hëden (mittelh. hiute) aber
analog dem nëghene (mittelh. niune) auf jëghene rei-
mend (Maerl. 1, 147.). Ob wohl die ausſprache zwiſchen
nëghen (novem) und nëghen (inclinarunt) unterſchied
machte?


(II) in den hſſ. gewöhnlich ij geſchrieben, beque-
mer und gleichförmiger ſetze ich î. Der laut ſelbſt hat
in rîm (gelu) dîn (tuus) ſwîn (ſus) wîf (femina) vîf
(quinque) wîch (bellum) prîch (fervor) lîc (corpus) tît
(tempus) etc. gar keine ſchwierigkeit; folgt aber dem
wurzelconſ. ein voc. der flexion, ſo handelt es ſich, wie
bei den übrigen dehnlauten, um die kürzung. Die hſſ.
ſetzen allerdings rime, dine, wive, vive, ſcriven (ſcri-
bere) wighe, prighe, rike (regnum) like, tide, ſtriden
(pugnare) etc. An entſcheidenden reimen gebricht es
wieder, da die org. kurzen i in ë übergegangen ſind,
als ſëde (mos) ſëghe (vict.). Inſofern unterſcheiden ſich
freilich ſcriven, ſcrëven (ſcripſerunt) mittelh. ſchrîben,
ſchriben; doch darf man (wie vorhin ſ. 472. beim u)
ſagen, daß rime, dine, ſcrive im fall wirklicher kürzung
ebenfalls zu ë geworden ſeyn könnten, was nirgends
geſchehen iſt. Und ausnahmsweiſe wird auch rîme,
dîne etc. geſchrieben, vgl. lîne:pîne, lîden:ſìden Rein.
306. 332. Auslautend gewöhnlich i, als wi (nos) ghi
(vos) mi (mihi) bi (apud) di (tibi) ſi (ſit) hi (ille) vri
(liber) bidi (ideo) vgl. unten ie.


(OO) ô wird in den denkmählern häufig mit oe
vermiſcht, welchen fehler die beobachtung der reime
ziemlich, doch nicht ausreichend zu meiden lehrt; es
laufen einige falſche reime mitunter, z. b. Rein. 353.
grôte:voete; geſtattet man groeten (magnum) zu ſchrei-
ben, ſo verfällt damit groeten (ſalutare). Maerl. 2, 339.
ſtehet côs (elegit):altôs (ſemper) *) 340. coes:altoes;
*)
[476]I. mittelniederländiſche vocale.
1, 113. ome (patrnelis:rome) 178. oem:droem; Rein.
318. hoerden:woerden. 333. wôrden:hôrden. Die re-
gel ließe ſich nach dem maßſtab der übrigen mundar-
ten leicht ausfinden, z. b. dem angelſächſ., man ſchreibe
ô für eá (mittelh. ô, ou) alſo dôt (mortuus) bôt (obtu-
lit) rôt (ruber) brôt (panis) côs (elegit) lôs (liber) lôf
(folium) ſtôf (pulvis) rôf (rapina) hôft (caput) verdôft
(inſaniens) bôm (arbor) lôn (merces) — aber oe für ô
(mittelh. uo) alſo voet (pes) goet (bonum) bloet (ſan-
guis) groeten (ſalutare) voeden (alere) bloeme (flos) coene
(audax) vloer (pavimentum) ſwoer (juravit) etc. Hier-
nach iſt obiges coes unrichtig und auch die von Clignet
(teut. LXVI.) beigebrachten hoenen, loenen, woenen
ſind es ohne zweifel (ſchwerlich reimen ſie irgendwo
auf coenen audacem, groenen viridem). Indeſſen iſt
vielleicht der hochd. unterſchied zwiſchen ô und ou zu
berückſichtigen, inſofern die ou ebenfalls oe ſeyn könn-
ten, folglich die formen oem, oep, oef, oec, oech, z. b.
boem, goeme (cura) hoepe (acervus) loef, roef, ſtoef,
hoeft, hoech (altus Rein. 290. 320.) vloech (volavit)
loech (mentiebatur) loec (clauſit) oec (etiam); obgleich
ich ebenfalls in ihnen ô vorziehen würde, weil es beßer
iſt. daß die mittelh. ô und ou in ô zuſ. fallen, als die
mittelh. ou und uo in oe, und weil die anomale ſchrei-
bung auch bei den formen ôn, ôr, ôt, ôd vorkommt,
wo ſie vollends nicht zu vertheidigen iſt. Auf das oe
werde ich unten zurückkommen, zum ô bemerke ich
1) es gebührt den auslauten hô, vlô (fugit) ſtrô (ſtra-
men) vrô (laetus) alſô und den darauf reimenden frem-
den wörtern dominô, pharaô, franſiô (Rein. 288. Maerl.
1, 81. 120.); man unterſcheide davon die auslaute auf
oe. 2) ob ſich ô in o kürze? iſt ſ. 471. verhandelt wor-
den; nimmt man in einigen fällen oe ſtatt ô als richtig
und auch bei ihm kürzung in o als möglich an, ſo
würden ſich reime wie vote:grote rechtfertigen. Al-
lein ich zweifle, weil alsdann nahliegende reime wie
gronen, conen:honen, lonen häufiger vorkommen
müſten, auch ſpricht die faſt allgemeine ſchreibung für
die beibeheltung des oe in groenen, goeden (etc. — 3)
vor rt, rd gilt überall ô ſtatt o, als wôrt (verbum) vôrt
(ulterius) môrt (homicidium) bôrt (margo) pl. wôrden
etc. wie die reime auf ghehôrt, verdôrt, hôrden, ſcôr-
den (rumpebant) lehren, in welchen ein nothwendiges
ô ſtattfindet. Statt der verbindung rm, rn iſt mit ein-
geſchobnem e -rem, -ren üblich, z. b. ſtorem, koren,
[477]I. mittelniederländiſche vocale.
toren, aus deſſen ſyncope nach der folgenden bemer-
kung ſtôrm, kôrn, tôrn fließen würde. Dies ô vor
den verbind. mit r. vergleicht ſich dem ae in denſelben
fällen (ſ. 467.) — 4) entſpringt auch ô aus o durch ſyn-
cope der flexion, z. b. hôpte (ſperavit) nôpte (impulit)
ſt. hopede, nopede. Dadurch wird verdôft (ſt. verdo-
vet) reimfähig auf hôft (hôvet).


(UU) û. 1) die auslaute ſind dû (tu) nû (jam) rû
(aſper) hû oder û (vobis) und fremde namen, wie eſaû,
monjû Maerl. 1, 36. 2) beiſpiele des inlautenden û ſind:
rûm (ſpatium) tûn (ſepes) brûn (fuſcus) pûr (purus) mûr
(murus) crût (herba) brût (ſponſa) hût (cutis) ghelût
(clamor) ſût (meridies) ût (ex) drût (Rein. 302.) dedût
(franz. deduit) hûs. mûs. përtûs (franz. pertuis) crûs
(crux) cûſſc (caſtus) rûſſcen (ſtridere) lûſſcen (latere) dûtſc
(theodiſcus) bûc (venter). 3) folgt dem einf. wurzelconſ.
ein flexionsvocal, ſo iſt nach ſ. 472. zweifelhaft, ob kür-
zung des organ. û vorgehe. In nachfolgenden belegen
will ich einmahl fortdauer der länge annehmen: tûmen
(ſaltare oben ſ. 155.) cûme (vix) crûme (mica) couſtûme
(franz. couſtume) ſcûmen (ſpumare) rûnen (ſuſurrare) hû-
nen (hunni) ſtûnen (inniti) ſûren (aceſcere) avontûre,
ſcriftûre, ghebûre (ruſticus) ûre (hora) geſtrûren (Maerl.
1, 180.) dûve (columba) lûden (ſonare) pûde (ranae
Maerl. 1, 90. Rein. 342.).


(AE) ae, ein der ſprache ſehr beliebter laut, ohne
zweifel áe, mit leiſe nachklingendem e, in der rhei-
niſch-weſtphäl. mundart ái, im nenniederl. áa (à); ich
hätte æ ſchreiben können, wollte aber verwechſelung
mit dem hochd. æ verhüten und eine gewiſſe analogie
zwiſchen ae und oe (wiederum nicht œ) erhalten. Der
diphth. entſpricht 1) dem mittelh. â und angelſ. æ (letz-
term wohl ganz in der ausſprache) und iſt kein umlaut.
Von dem kurzen a unterſcheidet er ſich organiſch in
vielen ſonſt gleichſcheinenden wörtern, z. b. raet (con-
ſil.) raet (favus) daet (facinus) daen (factus) gemaech
(cognatus) vgl. mit rat (rota) dat (hoc) dan (nemus) mach
(poteſt). Die belege ergeben ſich nach den übrigen
ſprachen, hier nur einige ſeltnere oder in jenen unge-
wiſſe wörter: ſaen (illico) daer (ibi, vgl. ſ. 87.) haer
(hîc) haer (huic f.) vaer (periculum) naer (prope) maer
(ſed) odevaer (ciconia) blaer (aſper, miſer) braes (bra-
chium) dwaes (ſtultus) aes (cadaver) raet, gen. raetes
(fav. mellis) dagheraet (crepuſculum) quaet (malus) vraet
[478]I. mittelniederländiſche vocale.
(gulo) naelde (acus) maent (menſis) traech (ignavus);
ſtael (chalybs) gaen, ſlaen, traen (lacrima) dwaen u. a.
ſind wie die hochd. ſtâl, gân, ſlân zu beurtheilen. Auch
in fremden wörtern ſtimmt es zu â, als aviaen, vol-
caen etc. und bloß auslautend ſcheint nicht es, vielmehr
noch â zu gelten. — 2) dieſes ae wird durch einen im
hochd. und angelſ. unzuläßigen übergang in a ſehr be-
ſchränkt (oben ſ. 468.) z. b. dem mittelh. ſprâche ſteht
kein ſpraeke, ſondern ſprake entgegen, auf make (mit-
telh. mache) reimig. — 3) andrerſeits eben ſo ſehr erwei-
tert dadurch, daß ſich bei ſyncopiertem flexions-e das kurze
a in ae längert; z. b. aex:gemaex ſt. akes, gemakes; taelde
(loqnebatur) ſpaende (lactavit) taende (dentibus prehendit
ſt. talede, tanede (alth. zanôta) welche nunmehr auf naelde
(acus) maende (menſes) reimen; ghemaent (monitns:
waent (opinatur). Auf dieſem wege haben ſich allmäh-
lig falſche längen im neuniederl. für den unſyncopier-
ten fall eingeführt, z. b. klâgen (queri) mâken (facere)
aus klâgde, mâkte; hân (gallus) aus hânbalk f. hanebalk.
Beide regeln (2 und 3) treffen im reſultat überein, in-
dem z. b. maende menſes und monuit, mane luna und
moneo heißt, mit dem unterſchiede, daß maende (men-
ſes) und mane (moneo) organiſch, maende (monuit)
und mane (luna) unorganiſch ſind. Zuweilen entſpringt
ae ſelbſt bei zuſ. ſetzungen, z. b. Rein. 322. aenbalke f.
hanebalke. — 4) beiderlei wechſel zwiſchen a und ae,
alſo in haer, haers, hare, ſtael, ſtaels, ſtale, manen,
maende etc. läßt ſich dem angelſ. wechſel zwiſchen a
und ä in däg, däges, dagas (ſ. 224. 233.) gar nicht ver-
gleichen, bei letzterm handelt es ſich von zwei kürzen
a und ä, das lange æ gerade ſteht unveränderlich. Daher
auch die einzelnen beiſpiele ganz anders ausfallen, im
niederl. gilt dach, daghe; im angelſ. hær, hæres, hære. —
5) in dem ae ſtatt a und ë vor den verbind. mit r
(ſ. 467.) ſehe ich aber eine ähnlichkeit mit dem angelſ.
ëa und ëo vor denſelben verbindungen (ſ. 236. 239.). die-
ſer wechſel iſt auch ſtändig, d. h. von der flexionsſyn-
cope unabhängig. Es heißt ſtaerf, haert, waert, angelſ.
ſtëarf, hëard, vëardh; und ſtaert, ſwaerd, waert, angelſ.
ſtëort, ſvëord, vëordh. Dieſe anwendung des ae für
die zwei geſchiedenen fälle ëa und ëo, ſo fehlerhaft ſie
ſeyn mag, deutet an, daß früher das ae vor r-verbin-
dungen eine von dem ae (1. 2. 3.) abweichende aus-
ſprache hatte. Vielleicht auch abweichende ſchreibung.
Ausnahmsweiſe ließe ſich tart (und nicht taert? etwa
[479]I. mittelniederländiſche vocale.
durch das angelſ. arn (und nicht ëarn, ſ. 223.) entſchul-
digen, weil es, wie dieſes fur ran, für trat ſteht.


(AI) nicht niederländiſch, nur in einigen fremden
wörtern als pais (pax) paiment, pallais (palatium) u. a.;
übrigens vom triphth. aei zu unterſcheiden. Die ſpä-
tere clever mundart ſetzt ai für ae (jair, clair) ſo wie
oi für oe.


(AU) au behauptet ſich in einigen fällen 1) in der
verbindung ouw ſetzen verſchiedene handſchriften noch
auw (z. b. Rein.), belege unten beim w; und ſelbſt
ſolche, die ouw ſchreiben, haben auslautend bei apo-
copiertem w nicht ou, ſondern au, vgl. dau (ros) rau
(poenituit) blau (caedit) Maerl. 1, 174. 2, 140. 205. —
2) ſtatt des aus alt entſpringenden out zeigt ſich bis-
weilen das richtigere aut (ſ. 467.) — 3) von auw das
triphth. aeuw zu ſcheiden; belege beim w.


(EI) findet ſtatt 1) als altes gewöhnlich durch ê ver-
drungenes ei, neben jenem, zumeiſt in der form êde, eide,
nicht dialectiſch, ſondern in denſelben quellen, vgl. weide
(pabulum) beide, heide (campus) heiden, verſceiden im
reim auf ſeide (dixit) leide (poſuit) lamfreide Maerl. 1, 37.
43. 99. 149. Rein. 296. 301. 317. Anderemahl ſtehet
bêde, ſcêden, lêde (duco) (wahrſcheinlicher als bëde,
lëde, ſcëden, oben ſ. 475. (und ebenſo wechſeln hameide
(repagulum, mittelh. hâmît) galeide foſſeide (altfranz.
galée, foſſée) mit hamêde, galêde; rêne (pure) mit
reine (:ſeine, ſequana, Stocke 3, 69.). Außerdem finde
ich mit ei, nicht mit ê, heilech (ſanctus) heimelic (ſe-
cretus) keiſer (caeſar) und ſelbſt für ë in einde (finis).
Merkwürdig eiſt f. ës hët, analog dem waeſt f. was
hët. — 2) ei aus eg entſpringt in ſeit (dicit) ſeide (dixit)
leide (poſuit) ſeine (benedicat) reine (pluat) ſeil (velum)
ei (ovum) neien (hinnire, Maerl. 1, 196. altn. hneggja,
vgl. oben ſ. 327.) — 3) fremde wörter: lamfreit (lanfroi)
jofreit (jeofroi) reinaert (reinard, rênard, d. i. reginhart)
cheins (cenſus) peinſen (neben penſen, cogitare) veinſen
(fingere) veinſter (feneſtra) reimêren (redimere Maerl.
2, 294. Huyd. op St. 1, 126. vgl. Roquef. v. reimbrer)
und gewiß noch andere.


(EU) ganz entbehrlich und findet ſich nur zuweilen
ſtatt des (aus organiſchem u) entſpringenden kurzen o,
daher ihm ein mittelh. u entſpricht. Beßer und alter-
thümlicher wird o geſchrieben, z. b. joghet (juventus)
[480]I. mittelniederländiſche vocale.
doghet (virtus) verhoghen (exhilarare) dor (porta) cor
(electio) ſcoren (rumpere) ſcorde oder ſcôrde (laceravit,
lacerabatur) jode (judaeus) rode (canis) inzwiſchen zei-
gen die hſſ. neben dieſem o in denſelben wörtern bald
eu bald ue, z. b. Maerl. 2, 132. 178. lieſt man den reim
jeuden:reuden, 196. 314. 367. jueden:rueden; 2, 61.
doghet:verhoghet, 2, 139. deughet:verheughet, 1, 233.
dueghet:jueghet; 2, 152. ſcuerde und ſceurde hinterein-
ander; Huyd. op St. 2, 17. erklärt beide, eu und ue,
für in der ausſprache zuſ. fallend. Offenbar iſt aber die
eine ſchreibung, nämlich ue, ganz verwerflich, wie
ſchon aus dem neuniederl. eu (und nicht ue) folgt, das
auch andere frühere o vertritt, z. b neus, reus (mittel-
niederl. noſe, roſe = nëſe, rëſe). Die hentige ausſprache
dieſes eu, nämlich ö, wage ich nicht für jenes alte o,
eu, anzunehmen. Kurz ſcheint mir der laut in jedem
fall und ſchon deswegen gibt ihm das diphthong. eu
ein falſches anſehen. Vom triphthong. êu ganz ver-
ſchieden.


(IE) häufiger doppellaut, welcher 1) meiſtens mit
dem mittelh. ie übereinſtimmt, beiſpiele: knie (genu)
niemen (nemo) vlien (fugere) dienen (ſervire) hiet (vo-
cabatur) liet (ſinebat) miede (munnus) riep (vocabat) liep.
ſliep. viel (cadebat) bier (cereviſia) vier (quatuor) dier (ani-
mal) hier (hic) lief (carus) dief (fur) dierne (famula Maerl.
3, 341.) vrieſen (friſones) verlies (jactura) vliet (fluentum)
vlieten (fluere) liegen (mentiri) etc. Seltnere dem mittelh.
mangelnde wörter ſind:lier (gena, altn. hlêr) miere (formica
altn. maur) ſnieme (ſubito, alth. ſniumo) ries (ſtultus)
brieſſcen (rugire) lieſſcen (Maerl. 1, 452.) — 2) die fort-
ſchreitende verwandlung der alten iu in ie hat auch fol-
gende betroffen, denen noch ein mittelh. iu gebührt: vier
(ignis) onghehier (immanis) dier (carus) ſtieren (gubernare)
lieden (hominibus) bedieden (ſignificare) auf hier, dieren,
ſcieden reimend. — 3) unorganiſch iſt das den ablaut
verwirrende ie in hief (ſuſtulit) beſief (intellexit) wies
(crevit) wieſſc (lavavit) etc. ſtatt des mittelh. uo; mehr
hiervon bei der conj. — 4) dieſe wird auch beeinträch-
tigt durch das ie, welches in plien (ſolere) ſien (videre)
beghien (confiteri) geſcien (fieri) ſpien (inveſtigare) aus
ſyncope der guttur. hervorgeht; alle reimen auf vlien
(fugere) bien (apes). Hierher gehören weiter tien (de-
cem) niet (nihil) iet (aliquid) vie (pecus); lien (fateri)
ſtammt aus liden, aber liet (fatetur) reimt auf riet
(Rein. 374.) folglich auf liet (ſivit); die ſprache kennt
[481]I. mittelniederländiſche vocale.
überhaupt kein von ie unterſchiedenes îe, vielmehr alle
î-e ſind diphthongiſche ie geworden, weshalb auch
bien (apes) einſilbig iſt, wie vlien. Zweifel hiergegen
macht die ſchreibung nîede (hinniret):wîede (conſecra-
ret) Maerl. 1, 195, da nîen aus neien ſtammt (vorhin
ſ. 479.); doch nien aus nîen, neien iſt kein ſprung, ſon-
dern nur eine weitere abſtufung, als wien aus wîen
(mittelh. wîhen). — 5) der verſchiedene urſprung der
auslautenden ie iſt hiernach gar nicht zu verwundern,
vgl. vie (pecus) ſie (video) plie (ſoleo) bie (apis) lie (fa-
teor) nie (nunquam) wie (quomodo) die (ii, eam) auch
wohl drie, wie (nos) ſt. drî, wî (Maerl. 1, 121.) — 6)
ſt. des mittelh. ſêle (anima) gilt ſiele:gheviele (Rein. 338.)
und michiele (mittelh. michahêle) Maerl. 2, 241; vgl.
liebaert (leopardus, aber leo bedeutend); ſonderbar iſt
mielre (pictor) Maerl. 2, 280. f. maelre. — 7) vor ng. nc.
kürzt ſich ie in i, als ghinc, vinc, ghinghen, hinghen:
jonghelinc, dinghen. — 8) ie in roman. wörtern bleibt,
z. b. fier, riviere, maniere; auch das rom. i wird zu-
weilen ie, vgl. engiene (ingenio, arte, franz. engin):
ſiene Maerl. 2, 424, andremahle ſteht î, vgl. venîn:wîn
Maerl. 3, 88, ſo wie bald benedien:marien, bald ghe-
benedît:lît und wiederum ſowohl lî:tît (tempus) als
liet:niet, immer in der bedeutung von fatetur geſchrie-
ben wird; vgl. den wechſel der auslautenden î mit ie. —
9) in einigen formen ſchwankt ie und û, als dûtſc und
dietſc, lûden und lieden (homines).


(IU) geht der mundart völlig ab (ſ. ui).


(OE) häufig, aber ſchwankend in ô und ou. 1) or-
ganiſch dem mittelh. uo parallel; dahin gehören die
auslaute vroe (mane) toe (ad) doe (tum, vgl. ſ. 96. 358.)
coe (vacca) ſcoe (calceus); weitere beiſpiele: roelant
(n. pr.) noemen (nominare) doemen (judicare) bloeme
(flos) coene (audax) doen (facere):baroen (baro) ve-
niſoen (caro ferina) und ähnliche roman. wörter *)
(vgl. das mittelh. bâruon ſ. 359.); voer (ivit) voere (mos)
ſnoer (reſtis) vloer (atrium) ſwoer (juravit) hoever (ripa)
behoeven (opus habere) groef (fodit) droef (obſcurus)
voet (pes) bloet (ſanguis) ſpoet (celeritas) ſoet (dulcis)
goet (bonum) ſtoet (ſtetit) broeder (frater) moeder (ma-
ter) vroede (prudentia) aermoede (paupertate) moeſte
H h
[482]I. mittelniederländiſche vocale.
(debuit) boec (liber) dwoech (lavavit) pl. dwoeghen,
droech (portavit) pl. droeghen, wroeghen (accuſare) vloe.
ken (maledicere) etc. Inzwiſchen pflegen die hſſ. vor
f. und den gutt. gern ou zu gebrauchen, wie ich glaube,
unrichtig; vielleicht im gefühl einer durch den mis-
brauch des oe ſt. ô nöthig gewordenen unterſcheidung.
Nämlich 2) oe wird unorganiſch ſt. ô augewendet in
boem. ſtroem. goem. oem. loef. roef. ſtoef. loes. bloet
(nudus) groet (magnus) oec. hoech. vloech und allen
ähnlichen (vorhin ſ. 476.). Verwerfen es künftige cri-
tiſche ausgaben, ſo müßen ſie auch das ou ſtatt oe ver-
werfen. — 3) übrigens iſt oe nicht gleich dem neunie-
derl. oe mit u auszuſprechen, wie theils aus der ver-
wechſlung mit ô folgt, theils aus der kürzung in o vor
nt, nd; vgl. ſtont (ſtetit):cont reimend Maerl. 3, 61. —
4) mit dem oe in ſoe (illa) und hoe (quomodo) iſt es
eigends bewandt, erſteres entſpringt aus einem älteren
ſiu, letzteres aus hui f. hvi, hwi. Das zuſ. gezogene
ſoet ſteht f. ſô hët.


(OI) in einigen fremden wörtern, als franſois, troi-
jere, point, häufig oy geſchrieben. Dialectiſch vertritt
es auch ô und oe, vgl. avondſt. p. 326. 327. gheboirt,
voirt, doirn, hoirn und im teutoniſta boik, boirt, voir,
oiſt etc. Alſo kein reinniederländ. doppellaut.


(OU) verſchiedenartig 1) in den formen out, oude
theils aus alt, alde entſpringend, vgl. houden (tenere)
ſpouden (findere) out (vetus) ſmout (adeps) ſcoude (ſcal-
dis) ſout (ſal) bout (ſuperbus) cout (frigidus) etc. in wel-
chem fall doch zuweilen aut, aude geſchrieben wird;
theils aus olt, olde, vgl. hout (lignum) hout (carus)
moude (terra) woude (voluit) ſoude (debuit) gout (au-
rum) côbout (ſpir. famil.) ſout (ſtipendium). — 2) in
der form ouw wiederum mit auw wechſelnd; näheres
unten beim w. — 3) unorganiſch für oe geſetzt vor f.
p. ch. k, vgl. behouf (neceſſitas) grouf (fodiebat) prouft
(experitur) roupen (vocare) drouch (portavit) plouch
(aratrum) louch (riſit) ghenouch (ſatis) ghevouch (aptus)
bouc (liber) ſouc (quaere) houke (angulo) rouken (cu-
rare) ſouken (quaerere) etc. wie ich vorhin beim ô und
oe erläuterte, wenn einige oec (etiam) loech (mentitus
eſt) für ôc, lôch etc. ſchreiben, ſcheint allerdings bouc
und louch f. das organ. boec, loech angemeßen. Ich
ſchlage aber vor, ſich überall, dort des oe und hier des
ou zu enthalten, wie es die analogie der übrigen mund
arten und ſelbſt des neuniederl. fordert.


[483]I. mittelniederländiſche vocale.

(UE) ein bedenklicher laut, der aber in den denk-
mählern zuweilen erſcheint 1) offenbar fehlerhaft für
eu, wovon vorhin ſ. 480.). 2) für û in fällen wo die-
ſes einer an ſich noch zweifelhaften kürzung in u un-
terliegt, namentlich in der form uere für ure oder ûre,
vgl. avontuere:creatuere Rein. 314. muere:ghebuere,
muere:ſcuere (horreo) Rein. 285. 307., obgleich gewöhn-
lich in dieſen wörtern das beßere-ure ſteht. Es ſcheint
bloße nachahmung der ſchreibungen duere (per) ter
cuere (inſigniter) duere (portà) Maerl. 2, 34. 61. (ſt. deure,
ceure und dieſes = dore, core) welche zwar unter ein-
ander, nicht leicht auf jene muere, ſcuere, avontuere
reimen, ausnahmsweiſe freilich ſure (acidi):dure Maerl.
1, 36. vgl. vorhin ſ. 473. — Critiſche ausgaben können
das ue gänzlich aufgeben.


(UI) dieſer im neuniederl. gewöhnliche diphth. iſt
unerweislich. Die quellen ſchreiben offenbar kûſſc,
dûtſc und nicht kuiſſc, duitſc, ja ſie reimen huſe (domo):
muſe (mures) Rein. 308., ſo daß an einen umlaut des û
in ui, parallel dem des mittelh. û in iu (wonach hûſe
nicht auf miuſe reimt) kein gedanke iſt. Selbſt das
neuniederl. ui läßt ſich jenem umlaute nur einiger-
maßen, nicht überall vergleichen, da es z. b. zwar muize
(mures) heißt, aber auch muis (mus). Findet ſich in
den ausg. zuweilen ui, z. b. Maerl. 2, 196. ghecruiſt,
ſo ändere man in ghecrûſt. —


(AEI. OOI. OEI. AEU. EEU. IEU) ſechs der mittel-
niederl. ſprache zuſtändige triphthongen, doch alle nur
in wenigen wörtern; aei, ôi, oei lauten im neuniederl.
aai, ooi, werden aber in den denkmählern gewöhnlich
ay, oy geſchrieben, vielleicht ſind ſie nur diphthongiſche
ai, oi? Ich finde vraei (pulcher, bonus) Maerl. 2, 392.
3, 270. ghecraei (clamor) Rein. 342. waeide (ſpiravit)
blaeide (efflavit) Stoke 3, 7. im inf. waejen, blaejen?
(vgl. oben ſ. 435.) eben ſo ſaejen (ſerere) maejen (me-
tere) Maerl. 2, 465. gewiß auch draejen (tornare) etc.
Sodann hôi (foenum) môje (das goth. mavi, obwohl
amita bedeutend?) Rein. 315. 324. 358. ſcôjen (mendi-
care) Rein. 358. vernôjen (taedere, ennuyer) Rein. 315.
324. ôit, nôit (unquam, nunq.) moeje (labor) vermoejet
(feſſus) Maerl. 2, 75. moeilic (difficilis (Maerl. 2, 56.) ont-
ſcoejen (diſcalceare) vloejen (fluere) Rein. 359. vermuth-
lich auch bloejen (florere) groejen (virere) u. a. m. —
Belege zu den drei letzten doppellauten unten beim w. —


H h 2
[484]I. mittelniederländiſche vocale.
Schlußbemerkungen zu den vocalen.

  • 1) die vertheilung der vocale entfernt ſich weiter vom
    urſprünglichen organiſmus, als im mittelh., nament-
    lich iſt die verwirrung der e, ë, i ein bedeutender
    nachtheil. Manche verhältniſſe der ablaute leiden
    darunter.
  • 2) einen ins auge fallenden unterſchied vom mittelh.
    gibt die unentwickelung des umlauts. Bloß der um-
    laut des a in e beſteht oder vielmehr hat beſtanden,
    da ſich e und ë vermengen, folglich in neuen fällen
    wirkt er nicht mehr. Gälte noch ein lebendiger um-
    laut des a in e (nicht bloß ein beibehaltener) ſo müſte
    z. b. der pl. gaven (ſt. gaeven) im conj. geven (da-
    rent) bilden, bildet aber gaven, welches wiederum
    für gaeven ſteht. Dieſe unanwendbarkeit des umlauts
    hindert eine menge formen gehörig zu ſcheiden, die
    bei der früheren, deutlicheren ſtexionsendung freilich
    auch ohne umlaut geſchieden waren, allein jetzt ver-
    ſchwimmen vgl. waren (erant) waren (eſſent) goten
    (fuderunt) goten (funderent) ſloeghen (percuſſerunt)
    ſloeghen (percuterent) beweis die reime quame (veni-
    ret):ſcame (Stoke 3, 61.) und viele ähnliche. Oft
    hat nun die ſprache auf anderm wege der zweideu-
    tigkeit zu begegnen geſucht, z. b. durch verwandlung
    der ſtarken in ſchwache form, die zumahl beim nie-
    derl. ſubſt. weiter umgreift, als in andern mundarten
    und vermuthlich mit aus dieſem grunde. Wichtig
    aber ſcheint die abweſenheit des umlauts für die beim
    goth. und alth. (gegen die annahme, daß es unge-
    ſchriebene und doch ausgeſprochene umlaute gegeben
    habe) verfochtene beſchränkung und ſtufenweiſe em-
    porkunft deſſelben (ſ. 10. 51. 109. 113. 363.) Hier im
    niederl. beweiſen reim und heutige ſprache, daß wirk-
    lich kein umlaut geſprochen wurde. Auch im mittel-
    niederd. war er mangelhafter, als im mittelh.; dieſe
    abſtumpfung des gefühls für vocallaute im ſächſ. und
    niederl. verdient um ſo mehr aufmerkſamkeit, als das
    altſ. es mit dem umlaut zu halten ſchien, wie das
    alth., das angelſ. und altn. aber ihn beſonders be-
    günſtigten.
  • 3) eine andere eigenthümliche abweichung der niederl.
    ſprache von der vocaleinrichtung der übrigen zeigt
    ſich in dem wechſel zwiſchen kürze und länge (a und
    ae, ë und ê, i und î, o und ô, u und û) je nach-
    dem α) ein zutretendes flexions-e ſtatt der organ.
    [485]I. mittelniederländiſche vocale.
    länge kürze, oder β) ein ſyncopiertes flexions-e *)
    ſtatt der organ. kürze länge herbeiführt. Die fälle ſind
    bei den buchſtaben angegeben, bedürfen aber im ein-
    zelnen noch weiterer prüfung. Gewährte uns die nie-
    derl. poeſie durch den unterſchied ſtumpfer und klin-
    gender reime ſo beſtimmten aufſchluß über länge und
    kürze der voc., als es die mittelh. thut; ſo würden
    wir hier ſicherer vorſchreiten. Allein es gibt kaum
    ſtrophiſche lieder mit reim verſchränkungen; die vers-
    meßung der gleichreimigen, erzählenden gedichte habe
    ich noch nicht gehörig unterſucht. Die in den mei-
    ſten hſſ. beobachtete ſchreibung macht das auseinan-
    dergeſetzte ſyſtem wahrſcheinlich, doch bei manchem
    ſchwanken nicht gewiß. Einiges darf man für aus
    den reimen bewieſen annehmen. Die genauigkeit der
    dichter im reimen läßt ſich nicht bezweifeln, Maerl.
    z. b. bindet kein bat (rogavit) dat (id) man (vir) dan
    (nemus) auf raet (conſil.) gaet (it) ſaen (ſtatim) ſtaen
    (ſtare), warum ſollte er ein hanen (gallis) varen (ire)
    auf waenen (putare) jaeren (annis) binden? er reimt
    alſo wanen, jaren:hanen, varen, weil man wirklich
    wanen, jaren ausſprach. Dieſe kürzung des ae in a
    beweiſen unzählige reime. Ungleich wenigere die
    verlängerung z. b. Rein. 338. 343. ghemaent (moni-
    tus): waent (putat) maende (monuit):waende (puta-
    vit) es iſt gleichgültig, ob man hier waende kraft der
    regel β aus wanede entſpringen, oder die org. länge,
    weil die bedingung der regel α aufhört, ſich von ſelbſt
    wiederherſtellen laßen will. Das aufgeſtellte verhält-
    niß ſcheint zwiſchen a und ae am ausgemachteſten,
    bedenklicher bleiben die kürzungen des ê, î, û. Die
    regel β hat einige analogie mit der neuhochd. deh-
    nung des ſchwebelauts mahnt, mahnte ſt. des älteren
    manet, manete, nur daß es auch im inf. mahnen, wie
    im neuniederl. maanen (= maenen) heißt. Mittel-
    niederd. reimen wânen und manen niemahls, mittelh.
    weder wânen:manen, noch wânde:mande. Über-
    haupt geht die mittelh. mundart in dieſem punct na-
    turgemäßer zu werke, die ſyncope der flexion kann helt
    nicht in hêlt umwandeln, obwohl es noch eine zeitlang
    wie hel’t lautet (vgl. oben ſ. 28 und 376. note).
  • 4) über tonlos werdende vocale hier nur einige andeu-
    tungen; maent (menſis) maende (menſes) reimen auf
    waent, waende Rein. 281. Maerl. 2, 316. vrient (ami-
    cus):ghedient Rein. 291. 327., viànt aber auf lant, viàn-
    den:handen Maerl. 3, 220. 236., niemen (nemo):ſniemen
    (mox); conìnc:aermìnc:rinc, ghinc Rein. 278. 339; woe-
    ſtìnen (deſertis):ſcinen; gheblanket:bët Maerl. 1, 340. etc.

Mittelniederländiſche conſonanten.


Vorbemerkungen. I) für den auslaut gilt die mit-
telh. regel (ſ. 377.) wonach er bloß ten. und aſp. zu-
läßt, das inlautende v. d. gh. wird zu f. t. ch
*), vgl.
ſtaves, ſtaf (baculus) rades, raet (conſilium) rades, rat
(rota) daghes, dach (dies) maghes, maech (cognatus).
Die org. tenuis bleibt unveränderlich: ſcapes, ſcaep
(ovis) vates, vat (vas) ſcakes, ſcaec (lud. latr.). Eben-
falls aber löſt ſich geminierte in einf. conſonanz auf,
als valles, val; mannes, man; ſpottes, ſpot; bëddes,
bët (lectus, neben bëdde Maerl. 2, 437.).


  • 2) der inlaut leidet kein f und ch zwiſchen zwein vo-
    calen, wohl aber, wenn ſie ſich an eine folgende con-
    ſonanz lehnen können, als hêft (habet) hôfde (capite).
  • 3) anlautend verändert ſich nach mittelh. analogie
    (ſ. 381. 382.) v in f, d. in t (nicht g in ch) wenn ein
    auf ſ. t. ch auslautendes wort angefügt wird oder an-
    lehnt, es reicht nicht hin, daß es bloß vorhergehe.
    Namentlich gehören hierher die zuſ. ſetzungen mit mës-,
    ont-, noch-, die inclination der praep. mët, up, der
    part. ënt und des pron. ’t (= hët) als: mësfal (infor-
    tunium) ontfaen (accipere) ontflien (effugere) ontfaer-
    men (miſereri) tfolc, tſëlt etc. ſtatt mësval, ontvaen,
    ontvlien, ontvaermen, hët volc, hët vëlt. Auf t und
    d ſind nicht diefelben fälle gerecht; ich finde mës-
    daen, ontdaen (nicht mëſtaen, onttaen) hingegen
    alduſtaen Rein. 300. uptie, mëttî, mëtter, mëtten f.
    aldusdaen, updie, mëtdî, der, den; nochtan, nochtanne
    [487]I. mittelniederländiſche conſonanten. liquidae.
    f. nochdan, nochdanne (Rein. 304. Maerl. 2, 277.)
    alſtu Maerl. 2, 476.) f. als dû; ëntaer, ëntie häufig
    ſt. ënde daer, die; torp, tërde ſt. hët dorp, hët
    dërde (tertium) zuweilen auch minder gut:dac für
    hët dac (tdac, tectum) etc. vgl. Huyd. op St. 1, 32.
    Es herrſcht alſo, wie im mittelh., kein vollſtändiges
    ſyſtem der abwechſelung, die gebliebenen bruchſtücke
    ergänzen und erläutern ſich aber gegenſeitig *), offenbar
    ſtehen das mittelh. mitten, mittiu, unttaƷ dem nie-
    derl. mëtten, mëttî, entie zur ſeite; ohne die regel
    zu wißen, würde ſich das neuniederl. toen (tunc),
    welches heutige ſchriftſteller, auch wenn kein auslau-
    tendes t. ſ. ch vorhergeht, ſtatt doen misbrauchen, gar
    nicht begreifen laßen. —

(L. M. N. R.) liquidae.

Wechſel zwiſchen l und n finde ich in ſlëcke (limax)
mittelh. ſnëcke (vgl. ſlëckenhûs Maerl. 1, 46.); daß l
nach o in u ſchmilzt, iſt ſ. 467. 482. ausgeführt (vgl.
ſ. 444.) zuweilen heſteht daneben das ältere uld (ſpäter
old) vgl. Maerl. 1, 13[3]. 148. guldin, goudin 3, 226. guldin-
mont (chryſoſtomus) 3, 229. goudinmont oder hulde, ſculde
neben houde, ſcoude (Huyd. op St. 1, 366. 367.) zuweilen
das ältere alt, zumahl im praet. ſcalt, galt Maerl. 2, 142.
pl. gouden 1, 277. Verſetzung des l kann man in naelde
(acus) ſt. nadel finden vgl. oben ſ. 389. 393. — m ſchwächt
ſich nicht in n, eher aſſimiliert nm zu mm, als om-
mare (ingratus Maerl. 2, 342.) vgl. ſ. 389. note. — n fällt
nicht immer vor gutt. aus, es heißt coninc (rex) pën-
ninc, wohl aber honich (mel) Rein. 292. 293.; auch vor
ling. ſchwankt ſtoet (ſtetit) und ſtont (auf ſpoet, vroet
und cont, mont reimend) ſint (poſtea) reimt auf kint
Maerl. 1, 120. Bei zuſ. ziehung fällt es vor r in häufi-
ger pronominalform êre, mîre, ſîre (auch miere, ſiere
geſchrieben) aus, ſt. ënere (unâ) minere, ſinre; ſchwer-
lich in andern wörtern, z. b. kein clêre f. clënere (par-
viori). Ein merkwürdig vorgeſchobner anlaut n zeigt
ſich in naernſt, naerſt (ſedulitas) neben dem gleichbe-
deutigen aernſt, aerſt; beide formen gelten noch im neu-
[488]I. mittelniederländiſche conſonanten. liquidae.
niederl. zuſammen. — Umſetzung des r (oben ſ. 244. 245.)
trägt ſich vor ſ, t, d und n. auch wohl cht zu, gewöhn-
lich ſtehen beide formen frei, gras und gars (gramen,
gaers?). Weitere fälle ſind: ors f. ros (equns) përſeme
(uſura Maerl. 3, 292. alth. phraſamo) vervorſen (conge-
latus) Maerl. 1, 7. 394., daneben vervroren (:doren 1,
419.) ſt. vervroſen, vorſt (gelu) f. vroſt; kërſt (chriſtus:
ërſt Maerl. 2, 372.) bërſte (defectus) vërſt (dilatio) f.
brëſte, vrëſt; kërſp (criſpus) Maerl. 1, 265.; vërſſc (re-
cens) vorſſc (rana); tërden, tart f. trëden, trat (calcare)
vërde und vrëde (pax) dërde (tertius) bërnen (ardere)
Maerl. 1. 123. Rein. 319. 284. (wo fehlerhaft bërren)
verbornen Maerl. 3, 184. bërnde Stoke 3, 56. 154. Nie
aber nach angelſ. analogie ërnen, arn (currere) ſondern
rënnen, ran, gheronnen. Neben vruchten (timere) vrucht
(timor) ghewracht (effectum) wrochte (effecit) Maerl.
2, 278. 409. 420. 1, 124. 132. Stoke 2, 294. gilt kein unver-
ſetztes vurchten, vorchten, worchte, ghewarcht (mittelh.
worhte, geworht.) —


gemination. ll, wie im mittelh. val, valles, callen
(loqni Maerl. 2, 472.) wille, ſtille, nolle (occiput), zu-
weilen durch aſſim. als mallîc aus manlîc (vgl. ſ. 443.)
geht ein langer voc. vorher, ſo wird nicht geminiert,
ſondern wohl das n ausgeſtoßen, z. b. pîlîc f. pînlîc
(doloroſus) Huyd. op St. 2, 47 [...].; ſpille (fuſus) Rein. 295.
vergleicht ſich dem hochd. ſpindel, ſpinnel. — mm, in
manchen wörtern haftet noch der einf. laut, wo im
mittelh. unorg. gem. gilt, z. b. hamer (malleus) hëmel
(coelum) ſomer (aeſtas) vgl. oben ſ. 384. Dagegen finde
ich jammer (Rein. 284.) ëmmer (ſemper) nëmmer und
mm für mb: ſtëmme (vox) lam, lammes, omme (mit-
telh. umbe) dommen (ſtultum) — nn, wechſelt in einigen
wörtern mit nd, es heißt donder (tonitru) aber lonnen
(londinum Maerl. 1, 126.); durch inclination entſpringt
die gem. z. b. in verlôs menne (Maerl. 1, 83.) ſt. men
hëm (man ihn); onnêren (Maerl. 1, 136. kann aus ont-
êren (was 1, 82. ſteht) und on-êren fließen. — rr aus ur-
ſprünglichem rs in ërre (iratus) mërren (morari Maerl.
2, 221.) vaerre oder vërre (taurus) vgl. Maerl. 1, 83. 84.);
aus rn in ſtërre (ſtella Maerl. 1, 265.) vërre (procul).
Das häufige porren (movere, incitare, moveri, profi-
ciſci) in porre (in itinere Maerl. 2, 161. 3, 7.) verſchie-
den von porſe [impetus: orſe, orſen Maerl. 1, 315. 316.
Stoke 2, 184. vermuthlich das roman. preſſe, neuniederl.
përs, wie auch ërſen (equis) f. orſen im reim auf për-
[489]I. mittelniederländiſche conſonanten. liq. lab.
ſen Maerl. 1, 93.] iſt mir dunkel, mag aber fremd oder
uralt ſeyn, wiewohl es andere deutſche volksmundarten
kennen (brem. wörterb. v. purren, Stalder v. pfurren).


Beiſpiele der liquiden verbindungen ergeben ſich
allerwärts von ſelbſt; daß alt, olt, alde, olde fehlen,
verſteht ſich. Vom verhältniß der zungenlaute hernach
unten. Statt rl. rm. rn pflegt die mundart rel, rem, ren
zu ſetzen, z. b. karel, warem, arem (brachium) ſcërem
(tutela Maerl. 2, 401.) ſtorem (tumultus) coren (granum)
toren (ira) einſtimmig mit der alth. vollen form charal,
waram, aram (nicht aber bei rn). Die ſyncope ſcheint
das e gewiſſermaßen aus der flexion in die wurzel zu
drängen, waerm, aerm und dann ließe ſich auch coern,
toern hören. Näher erwogen beſteht dieſe anſicht frei-
lich nicht, weil alle verbindungen mit r, auch ſolche,
deren vollere form unerweiſlich wäre (z. b. für waerp
kein warep unerachtet des alth. waraf) ae vor ſich ha-
ben, hingegen ſcêrm, ſtôrm unſtatthaft ſind.


(P. B. F. V. W.) labiales.

(P) auch hier iſt die deutſchheit der wörter mit an-
lautender ten. verdächtig; außer plëghen (mit der
nebenform plien) kommt vornämlich das vorhin be-
rührte porren und das ſtark conjugierende prinden, prant,
ghepronden (rapere) in betracht, ich glaube, daß es aus
dem roman. prendre abſtammt; prîch (fervor) vielleicht
aus prou, proe, proueſſe, ſpan, prieſſa; zu unterſuchen
ſind poghen (ſtudere) pëſe (nervus) Rein. 298. 313. Maerl.
1, 445. pût oder pude (bufo, rana) vergleicht ſich dem
nord. padda und plattd. pogge, powe, padde, alle dun-
keler herkunft; pakers (leproſus Maerl. 2, 227. 246.) kün-
digt ſich ſchon durch die endung (ſ. das gleichbedentige
laſers = lazarus 1, 144.) als fremd an, ich weiß es aber
noch nicht abzuleiten (vielleicht aus dem mittellat. pa-
carius, pack- oder ſackträger?). Andere wie pais (pax)
peinſen (cogitare) proiêl (nemus, mittellat. brogilum,
vgl. Roquef. 1, 187b) etc. ſind augenſcheinlich. — In-
und auslautend iſt p ganz organiſch, vgl. pape (presby-
ter) wapene (interj. dolentis) ape (ſimia) ſcapen (creare)
lapen (lambere Rein. 335.) hopen (ſperare) roepen (cla-
mare) ſlapen (dormire) ſcaep (ovis) krimpen, kramp,
ghekrompen, ſcamp (dedecus) Rein. 319. etc. Auffal-
lend dompheit (Rein. 372.) f. domheit, dompelike (ſtulte
Maerl. 1, 309.) f. dommelike.


[490]I. mittelniederländiſche conſonanten. labiales.

(B) anlautend ſehr häufig (wie im ſächſ.), weder in-
lautend [außer in der gem. bb. und deren vereinfachung,
z. b. hëbſe, habe eam; mb hat fich zu mm aſſimiliert;
in fremden, wie maerber, franz. marbre, marmor dauert
b; in zuſ. ſetzungen, wie ontbëren, aerbeit, labor iſt
kein wahrer inlaut] noch auslautend, ſondern das goth.
giban, gaf, gêbun heißt hier ghëven, gaf, gaven, wie
im altſ. gibhan, gaf, gâbhun. Daß der anlaut b ſich
in v verwandle, ſcheint unerhört, findet aber in einer
merkwürdigen ausnahme, nämlich in ontſaermen (mi-
ſereri) ſtatt. Einmahl ſteht hier faermen (wegen des
anſtoßenden t, wie ontflien f. ontvlien) f. vaermen
(welches einfache wort außer gebrauch iſt) dieſes ſo-
dann für baermen, wie der alth. altſ. und angelſ. ſtamm
param, baram, barm, bëarm (ſinus) beweiſt. Ohne den
übertritt in vaerm (oder varem) wäre das f ungedenk-
bar, da die b nach ont- unverändert bleiben (ontbie-
den, ontbëren). Freilich heißt das alth. wort irpar-
men nicht antparmen; im neuniederl. gilt erbarmen
neben ontfermen.


(F) ſollte anlautend wie im goth. altſ. angelſ. und
frieſ. ſtehn, hat ſich aber inconſequent durch das hochd.
v verdrängen laßen. Nur in den ſ. 486. bezeichneten
fällen gilt es als umlaut des v, vader, volc, varen wird
zu ffader, tfolc, ontfaren (ſt. des vader, hët volc) Ro-
maniſche wörter behalten ihr f, als foſſeide, fier (ſuper-
bus) favele etc. — Inlautend 1) zwiſchen zwei vocalen
nur wo es dem inlautenden mittelh. v entſpricht, z. b.
tafel, twifel nicht tavel, twivel, obwohl der gegenſatz
nicht durchzuführen iſt, da ich brieve (Rein. 372. Maerl.
1, 309.) wolve etc. finde. 2) in der verbindung ft dem
ft der übrigen ſprachen gleich, z. b. ſcrift, ghift (do-
num) etc. 3) durch ſyncope des vocals hinter v aus
dieſem entſpringend, gewöhnlich vor lingualen, als hêft,
hôft f. hëvet (habet) hovet (caput) hôfde (capite) ver-
dôft (verdovet) bêfde (bëvede, tremuit) hôfſch f. hoveſc
wolfs, halfs f. wolves, halves, wîfs f. wives etc. Aus-
nahmsweiſe ſcheint ſich v vor ſ in den vocal u (ſtatt f)
aufzulöſen, z. b. paeus (papae) f. paves, eigentlich pa-
veſes, nicht paefs, Rein. 360. (wo fehlerhaft pacus ge-
druckt ſteht). — Der auslaut f iſt häufig und antwortet
meiſt dem mittelh. p, als gaf, ſcrêf, blêf. lôf (folium)
lof (laus) caf (palea) af (praep.) half (dimid.) ſtaerf
(mittelh. ſtarp) etc. zuweilen dem mittelh. f als brief,
hof, wolf.


[491]I. mittelniederländiſche conſonanten. labiales.

(V) als anlaut parallel dem goth. f und mittelh. v,
varen, viant, vlien, vrient etc. Inlautend hingegen dem
goth. b, mittelh. b und altſächſ. bh, z. b. avont (veſpe-
ra) raven (corvus) laven (reficere) tëve (canis f.) ëver
(aper) lëven (vivere) bëven (tremere) vive (quinque)
wive (feminâ) gaven (dabant) ſcrëven (ſcribebant) ſëlver
(arg.) dëlven (fodere) ſterven (mori) ſcuvût (bubo Maerl.
2, 348. Rein. 350.) etc. Wird der dem v folgende voc.
ausgeſtoßen (gewöhnlich vor lingualen, zuweilen vor l,
wenn noch ein flexions-e zutritt) ſo wandelt ſich v in
f, als lêft, ſcrîft, naefle (umbilico) aefs (obliquus) f.
lëvet, ſcrivet, navele, aves. Auslautend wird dies v
jederzeit zu f, es müſte denn in das vocaliſche u ſchmel-
zen, was ſich doch nur höchſt ſelten, etwan in frem-
den wörtern zutragen wird. Ich finde bailliu (franz.
baillif) gen. baillius, paeus f. paves iſt vorhin angeführt,
der gewöhnliche reim auf paves lautet aves (obliquus)
Maerl. 3, 65. Stoke 2, 458.


(W) anlautend vor allen vocalen, doch kaum vor
u, weil ſich dieſes meiſtens in o verwandelt hat, daher
wolf, worp (jactus) worſt, worm etc. In der verbin-
dung wr, nicht aber in wl. dauert die ſpirans fort. Von
tw. dw. ſw. qw. unten bei den verbindungen. — Das
inlautende w. in der flexion unbedenklich (varuwe co-
lor, wëdewe vidua etc.) ſcheint in den wurzeln, wie
im mittelh., ein überflüßiges u vor ſich zu entwickeln.
Hierher folgende formen 1) auw, ſchwankend in ouw,
als vrouwe (femina) mouwe (manica) Maerl. 2, 292. rou-
wen (dolere) Rein. 325. rouwe (dolor) bouwen (aedifi-
care) donouwe (danubius) ſcouwen (videre) blouwen
(flagellare) trouwen (confidere) getrouwe (fidelis) hou-
wen (caedere). In Rein. ſind alle dieſe mit auw, in
Maerl. mit onw geſchrieben. 2) aeuw triphthongiſch
und nicht auf die vorigen auw reimend; nur: claeuwe
(ungula) braeuwe (ſupercilium) graeuwe (cani) blaeuwe
(lividi) raeuwe (crudi) zweifelhaft bin ich wegen naeuwe
(anguſtus, tenax) daeuwen (roreſcere) kaeuwen (rumi-
nare, perpendere Stoke 3, 73.) und paeuwel (paulus)
die zwar mit auw, aber bei ſolchen geſchrieben wer-
den, denen ſonſt ouw gilt. Auch heißt es neuniederl.
naauw wie graauw. 3) êuw, nur: lêuwe (leo) êuwe
(ſeculum) ſnêuwe (nive) ſêuwe (lacu) Rein. 375. iſt êwe
geſchrieben. 4) ieuw, das einzige nienwe (novus) Maerl.
1, 134. 403. 437. und dazu in nûwe ſchwankend, vgl.
nûwe:ſpûwe (ſputum) nûwen:verdûwen (digerere, op-
[492]I. mittelniederländiſche conſonanten. labiales.
primere) Maerl. 1, 433. 3, 186. Ich muthmaße noch
hieuwen (caedebant). — 5) ûw, außer dem ebenange-
führten nûwe, verdûwen, ſpûwen (ſpuere) vlûwen (re-
tia Maerl. 1, 168.) brûwen (coquere) ſcûwen (fugere) hû-
wen (nubere) Maerl. 3, 28. 229. hûwes (veſtri). An ein
kurzes uw iſt hier ſchwerlich zu denken, obwohl die
denkmähler uw, nicht ûw, ſchreiben und das beſtätigt
meine anſicht über das langbleibende û (ſ. 472. 477.). Dieſe
ûw, ieuw entſprechen dem mittelh. iuw (ſ. 402. 403.)
und begreifen die alth. formen iw, iuw, îw, ûw. —
Im auslaut beſteht kein w, entweder gilt die auflöſung
in u (dasſelbe, das überſlüßig neben dem inlautenden
w beibehalten wird) als dau (ros) rau (dolebat) blau (cae-
debat) niemahls rou, blou; lêu (leo) Maerl. 3, 73.; oder
das (unorganiſch zugefügte) u wird abgeworfen, als ſê,
ſnê, nie-mare (= nî-mare, res novae). — Unbetonte
flexionen endigen auf-u, als ghëlu (ſlavus) calu (cal-
vus) Maerl. 2, 24. allmählig fällt auch das u ab.


gemination. pp dem mittelh. pf. gleichgeltend,
z. b. appelen (poma) ſtoppen (ſtipare) crop, croppes
(ruma) clippel (klipfel) cop, coppes (cratera) nap,
nappes (patera) etc. dann in eigennamen und frem-
den wörtern, als biſſcop, biſſcoppes, pippîn, coppe
(n. gallinae). — bb. hëbben (habere) ribbe (coſta) cribbe
(praeſepe) drubbelen (ſaltare trippeln) Stoke 3, 371.) etc.
jacob hat im dat. bald jacobpe, (Maerl. 2, 335.) bald ja-
coppe, jenes an eine alth. ſchreibung (ſ. 149.) erin-
nernd. — ff. eigentlich unorganiſch, hat ſtatt in hëffen
(tollere) Rein. 320. Maerl. 1, 288. und bei anlehnungen
(wo man eher v. erwarten ſollte) z. b. ſcrêffer, gaffer
(d. h. ſcrêf daer, gaf daer Maerl. 3, 242. Rein.
324. alſo ohne den vorſtehenden langen laut zu kür-
zen (Rein. 313. leſe man aber hieffene, hob ſie ihn).
Außerdem in fremden wörtern: truffen (commenta)
Maerl. 1, 2. offerde (opferte) afferike (africa) antiffene
(antiphona) Maerl. 3, 136. etc. —


labialverbindungen. 1) anlautende. pl. pr. bl. br.
vl. vr, (kein wl) wr in wrëken (ulciſci) wriven (fricare)
wrêt (iratus) u. a. die ſich aus dem neuniederl. erſehen.
Für das fremde pſ. ebenfalls ſ in ſalm, ſouter (pſalm,
pſalter); Stoke 3, 142. lieſt eine hſ. pſeudo, andere ſeudo,
ſpeudo. — 2) in- und auslautende; bloß ft und ſein
auffallendes ſchwanken in cht zu betrachten. Von ht
für ſt in den älteren ſächſ. ſprachen noch keine ſpur,
[493]I. mittelniederländiſche conſonanten. lab. ling.
ebenſowenig im frieſ. und nord., aber im mittelniederd.
und ſelbſt mittelh. reime zwiſchen ſt:ht (ſ. 466.). Viel-
leicht hat auch der reim im niederländ. den allmähligen
übergang herbeigeführt und begünſtigt. Man kann un-
terſcheiden wörter, die durchgängig cht annehmen, z. b.
lucht (aër) ëcht (poſtea) achter (poſt) ſacht (lenis hochd.
ſanft) cracht (vis) gracht (foſſa) etc. von ſolchen, wo
noch ft bleibt und ſelbſt im reim auf ein org. cht. ge-
ſchrieben wird als ſcrift (ſcrifte:wichte Stoke 3, 370.)
ghifte (donum:lichte Stoke 2, 539.) ofte (aut) etc. zu-
mahl, wenn t erſt durch compoſ. an f. ſtößt, z. b. vîf-
tien (quindecim), obgleich hin und wieder ſelbſt ſcricht,
ghicht, ochte, vîchtien geſchrieben ſteht, vgl. Huyd. op
St. 1, 350. 3, 300. Für das ſyncopierte hêft, hôft (= hë-
vet, hovet) und analoge fälle wird ſich kaum cht. vor-
finden, deſto auffallender ſteht es ſogar für pt in be-
côchte (ſolvebat) Maerl. 1, 453. 3, 249. etc. von becopen,
welches durch ein becôſte f. becôpte vermittelt wird.
Die hochd. -ſcaft, ruoft, louft heißen -ſcap (gut ver-
ſchieden von ſcaft, ſcacht, contus) roep, lôp; kunft
und vernunft aber cômſt (Maerl. 1, 13.) vernuft. Die-
ſes comſt, ſo wie das mittelh. vernunſt, brunſt (ſ. 408.)
führen auf die berührung der ft mit ſt, wozu ſich un-
ten die der ſt. mit cht geſellen wird, eine beleuchtung
des verhältniſſes der ſpiranten w. ſ. h. überhaupt.


(T. D. S. Z.) linguales.

Sehr nachtheilig geworden für dieſe ganze lautreihe
iſt der verluſt der aſp., welche völlig in med. übertritt.
Das goth. þiubs (fur) und diups (profundus) laþôn (in-
vitare) fadrs (pater) fallen in dief, diep, laden, vader
zuſammen und noch ſchlimmer wird die ſache im aus-
laut, denn da ſich nach der allg. regel (ſ. 486.) jede med.
in ten. wandelt, ſo bezeichnet das auslautende t dreier-
lei org. laute 1) t, in dat (id) ſout (ſal). 2) d, in goet
(bonum) wout (ſilva). 3) þ, in [b]at (balnenum) fout (-plex).
Das mittelh. ſteht in dieſem ſtücke vortheilhafter, da
es diep und tief, laden und vater ſcheidet, im auslaut
nur die beiden letzten t verſchmelzt. Daher viele nie-
derl. reime, z. b. ſmout:out, bêt:ſnêt, raet:vraet etc.
mittelh. unreime abgeben ſmalz:alt, beiƷ:ſneit, rât:
vrâƷ (ambro); gleichergeſtalt verhalten ſich raden:ghe-
naden, moeder:broeder (Maerl. 2, 475.) und das mit-
telh. râten, genâden, muoter, bruoder. Dies voraus-
geſchickt ergeben ſich zu dem einzelnen folgende nä-
here bemerkungen


[494]I. mittelniederländiſche conſonanten. linguales.

(T) an- und inlautend dem hochd. z und Ʒ entſpre-
chend *), ausgenommen a) inclination bewirkt t für d
(ſ. 486.) als:mettien, uptien, nochtan ſt. mët dien, up
dien, noch dan, bantſe (ligavit eos) Rein. 357. icte (ich
die) Stoke 2, 437. b) desgl. ſyncope, als: goets, viants,
hoveta (Maerl. 2. 25.) diefte (furtum Rein. 335.) maecte,
mintſten (Rein. 337.) etc. ſtatt goedes, viandes, hovedes,
dievede, makede, mindeſten. — Der auslaut t. bedentet,
wie vorhin geſagt, drei organiſche und zwei mittelh.
laute. Das t aufgenommener fremder wörter bekommt
daher in beiden mundarten ganz verſchiedene gegen-
reime, z. b. baraet (fraus): laet (ſine) baraten:verwaten,
martinët:bët, gheſët (Rein. 286. 309. 310.); mittelh. pâ-
rât nicht auf lâƷ, pârâten nicht auf verwâƷen etc. Ein
probierſtein für undeutſche wörter, z. b. das mittelh.
rote oder rotte (cohors, oben ſ. 417. 418.) verlangt, wäre
es einheimiſch, ein niederl. rode, rodde, es heißt aber
rote (:lote, ſorte reimig Maerl. 3, 3, der pl. roten häu-
fig:goten, gothones oder beſloten, ſcoten 1, 29. 114. 3.
347. 349. 351.); umgekehrt ließe das niederl. rote auf
ein hochd. rôƷe ſchließen, ſtatt deſſen uns rote, rotte
begegnet. Es iſt folglich fremdes urſprungs (Roquef. v.
rote) und insgemein, wo ſich einzelne laute dem re-
gelmäßigen wechſel deutſcher mundarten nicht fügen,
gilt vermuthung eines ausländiſchen wortes. Dieſer
grundſatz leidet nur beſonders zu erweiſende ausnah-
men, dergleichen wir ſ. 394. beim hochd. winter, man-
tel (auch niederl. ebenſo) wahrnahmen. Hier war die
anomalie im hochd., eine niederländ. unregelmäßigkeit
vermuthe ich in bate (fem. lucrum, auxilium) ombate
(detrimentum) welches auf vorſate (anteceſſor) laten
reimt (Maerl. 2, 245. 323.) und doch bade, ombade lau-
ten ſollte, wenn es mit dem ſächſ. gibada, bade richtig
iſt (ſ. 204. 464.). Mit t. geſchrieben ſcheint es dem
ſtamme bat (melius) bëter (melior) verwandt.


(D) an- und inl. dem goth. d und þ, folglich dem
hochd. t und d parallel (womit in liq. verbind. das
mittelh. ſchwanken zwiſchen t und d abgeſchnitten iſt;
hier gilt überall d); mangelt den übrigen mundarten der
[495]I. mittelniederlandiſche conſonanten. linguales.
entſprechende ausdruck, ſo bleibt die beurtheilung un-
gewiß, z. b. vode (homo pannoſus, Rein. 332.) bladen
(flare) Huyd. op St. 3, 320 etc. Zuweilen tritt d in die
ten. über, wie vorhin beim t gezeigt iſt. Syncope er-
fährt es bei folgendem t der flexion, als vint f. vindet
(:twint Maerl. 2, 458.) gheſcaet:ghepaet Maerl. 2, 408.
f. gheſcadet, ghepadet 1, 45. hoet (f. hoedet): vroet;
desgl. in der compoſition blîſcap f. blideſcap etc. und
der ſchnelleren ausſprache in andern fällen, z. b. moer
f. moeder, woensdach f. woedensdach etc. — Auslautend
gilt es nicht, daher Rein. 345. goud:houd (vetus) in
gout:hout zu berichtigen. Die einzige obenerwähnte
ausnahme iſt god, gen. gods.


(TH oder DH) mangeln, th wird bloß in fremden
namen geſchrieben, wie theodoſius etc. Scheinbar ſteht
es in zuſ. ſetzungen:onthouden, onthërven d. i. ont-
houden, ont-hërven; vermuthlich iſt das häufige ont-
hier (usque, Maerl. 1, 119. 148. 205. 271 etc. Huyd. op
St. 1, 156.) ähnlich zu erklären *).


(S) vom anlaut ſogleich mehr beim z. Die aus den
übrigen mundarten erhellenden beiſpiele des inlautenden
laßen ſich vermehren, hauptſächlich aber durch aufge-
nommene fremde wörter, als braes (franz. bras) Maerl.
1, 46. tas (acervus, franz. tas) 2, 473. puſoen (franz.
poiſon) 3, 71. pêſe (nervus, vorhin ſ. 489.) noſen (no-
cere) noſe (damnum) onnoſel (innocens) 2, 74. 89. alle
aus dem franz. noiſier, noiſe. Deutſch ſind aber dwaes
oder dwas (fatuus) ſwaſelinc (cognatus) rieſen (inſanire)
u. a. Auslautend ſteht außer dem org. 1) ein unorgani-
ſches ſ für hs in was (cera) das (meles) wies (crevit)
vos (vulpes) etc. geminiert inlautend. 2) für x in crûs
(crux) Maerl. 3, 248. crûſde Stoke 1, 437. geminiert eben-
falls, daher cruſſe (cruce) cruſſen (crucifigere); vielleicht
ſchließe ich aus mëſſe (fimo, cinere) Maerl. 3, 239. rich-
tig auf einen nom. mës (angelſ. mix, mixen) neuniederl.
mëſt. 3) merkwürdig in der verbindung ns parallel dem
hochd. nz. Die wörter ſind folgende: dans (chorea)
gans (integer, ſanus) ganſen (ſanare) Maerl. 1, 313. 3, 71.
[496]I. mittelniederländiſche conſonanten. linguales.
vgl. aantek. 69. Huyd. op St. 1, 569. cans (franz. chance)
canſelieren (franz. chanceler) Huyd. op St. 3, 285. glans
(ſplendor) crans (corona) lans (lancea) franſois (gallus).
Unorganiſch erſcheint hier die niederl. ſprache durchaus
nicht, eher die hochd., die das roman. dance, chance,
lance, francois wie plante unter nz bringt; in keiner
der deutſchen mundarten, welche t für hochd. z, Ʒ ha-
ben, gilt aber gant, glant, ſwant, krant, die däniſche
hat gandſke (penitus) dands, glands, ſvands, die iſländ.
dans, glans, krans; glans ſcheint dem angelſ. clänſjan
(Iuſtrare, mundare) verwandt. Das wichtigſte und dun-
kelſte dieſer wörter iſt ganz, deſſen ſich O. und N. im
ſinne von ſanus *) bedienen, andere und ältere denk-
mähler aber, ſo wie goth. altſ. angelſ. nord. völlig ent-
halten. Seine verſuchte herleitung aus geneſen ſcheint
ſinnreicher, als ſtatthaft. Nenniederl. wird ganſch, gantſch
vielleicht zum unterſchied von gans (anſer) geſchrieben
und geſprochen, obwohl ſelten gebraucht; der gewöhn-
liche ausdruck iſt, wie im plattd., hêl, gehêl (hochd.
heil) mit analoger begriff entwickelung. — 4) in der ver-
bind. ls ſcheint guls (avidus, vorax) Maerl. 1, 150. 347.
2, 106. 142. aus dem franz. goulus (guloſus) entſprungen;
wals (? Maerl. 2, 85.) — 5) übergang des ſ in ch unten
beim kehllaut.


(Z) wird neuniederl. ſtatt des einf. ſ geſetzt 1) an-
lautend vor vocalen und w; hingegen bleiben ſch. ſl.
ſm. ſn. ſp. ſt, welche unterſcheidung auf das hochd. ſ
und ſch (oben ſ. 174.) licht wirft. 2) inlautend wieder-
um, wenn ein voc. darauf folgt; in den verbind. ſp. ſt
bleibt ſ. 3) auslautend bleibt immer ſ, womit man wie-
der die mittelh. neigung zu ſch. für ſ in fremden wör-
tern vergleiche (ſ. 421.). — 4) fremde wörter behalten
auch vor vocalen ihr ſ. Alſo, vor vocalen hat der nie-
derl. ſauſelaut ſanftere, vor conſ. und auslautend härtere
ausſprache, reiner ſauſelaut bleibt er deswegen immer;
es ſind nur zwei ſtufen, vgl. oben ſ. 166. Von dem
hochd. z oder Ʒ (dem ziſchlaut) iſt dies niederl. z ganz
verſchieden, wie ich ſchon aus der beigebrachten ana-
logie zwiſchen dem niederl. z:ſ und dem hochd. ſ:ſch
[497]I. [mittelniederländiſche conſonanten]. linguales.
folgere, auch dieſes ſch. iſt kein ziſch, ſondern verbin-
dung des ſauſe- mit dem kehllaut, gewiſſermaßen ein
aſpirierter ſauſelaut (ſh) wie das niederl. auslautende ſ
das hſ. vertritt. Ferner hat das niederl. z keine ge-
meinſchaft mit dem goth. z (ſ. 65.) welches nie anlau-
tet, conſ. hinter ſich leidet (razn, huzd) und ſich viel-
mehr mit dem r berührt. — Dieſe erörterung des neu-
niederl. ſ und z. muſte vorweg erfolgen, um die be-
antwortung der frage möglich zu machen: ob ein ſol-
ches z bereits im mittelniederl. eintritt? Die denkmäh-
ler zeigen es in der regel noch nicht, ſie ſchreiben
ſake, ſal, ſeide wie ſlaep, was; ausnahmsweiſe und ein-
zeln, d. h. ohne conſequenz, ſetzen hſſ. des 14. 15.
jahrh. freilich zake, zin, ziele etc.; beiſpiele auf allen
bogen der ausg. Maerl. und Stokes, auch im Rein. kann
man ſie aufſchlagen (320. ſteht zat, ziere, zye, zêre,
zwoer, zwaer neben ſach, ſîn, îſingrên, wëſen, ſoude).
Entſcheiden müſten die älteſten, fleißigſten hſſ; vorläu-
fig enthalte ich mich in der mittelniederl. grammatik
aller z für ſ. — Übrigens gibt es einige wenige niederl.
wörter, deren anlautendes ſ. dem hochd. z. begegnet;
anders ausgedrückt, wo dem hochd. z kein niederd. t
entſpricht. Die merkwürdigſten beiſpiele ſind: ſâ (in-
terj.) verſaghet (vecors) Maerl. 1, 453. 2, 249. ſaghe Rein. 287.
vermuthlich auch ſidderen (tremere) mittelh. zâ (oben
ſ. 341.) verzaget, zittern, neuniederl. tſa, vertſaagt, tſidderen
geſchrieben. Hier iſt der wirkliche ziſchlaut unbezwei-
felbar, daher auch dieſe wörter im plattd. ein z und
kein t haben. Sind ſie nun mit hochd. ausſprache ins
niederd. aufgenommen worden? oder hat ihr hochd.
ziſchlaut andere bedentung, als gewöhnlich? zagun
(ignavi) zagaheit (ignavia) kennen bereits alth. denkmähler.


gemination. (TT) dem mittelh. tz parallel, nicht
dem ƷƷ, ſtatt welches hier richtiger einfaches t gilt,
vgl. water (aqua) nëtele (urtica) hat, hates (odium).
Beiſpiele ſind: ſëtten (ponere) lëttel (parum) ſitten (ſe-
dere) hitte (calor) pit, pittes (puteus) lëtten (impedire)
ſmëtten (maculare) wët, pl. wëtten (leges) ſcat, ſcattes
(theſ.) dit, ſeltner ditte (hoc, : hitte Maerl. 2, 76.) vët,
vëttes (pinguis) *) ſot, ſottes (fatuus) etc. Folgt in der
flexion noch ein t, ſo wird das wurzelhafte tt. auslau-
I i
[498]I. mittelniederländiſche conſonanten. linguales.
tend ganz verſchlungen, z. b. ſët (ponit) gheſët (poſi-
tus) verhit (calefactus:ſit, ſede Maerl. 2, 476.) ſt. ſëttet,
gheſëttet. verhittet; inlautend fällt nur ein t weg, als
ſëtte (poſuit) ſt. ſëttede, vgl. das mittelh. geſat und ſazte
(ſ. 411. 415.). Da wo tt. mit einem hochd. tt. überein-
kommt, wie in bitter, otter, iſt letzteres überbleibſel der
alten lauteinrichtung (ſ. 155. 168.) und zu ſolchen wör-
tern gehört auch ſpot, ſpottes (ludibrium) mittelh. eben-
ſo, nicht ſpoz, ſpotzes (bloß der abſchreiber Rothers
wandelt z. 1970. ſpoten in ſpozen; wie 936. tuginthaft
in zuginthaft!) — (DD) = mittelh. tt, als: ridder (eques)
bëdde (lectus) wëdde (pignus) quëdden (ſalutare) bidden
(rogare) etc. und beſonders häufig durch zuſ. ziehung
des ſchw. praet. als: adde (habnit) ſendde (miſit) lûdde
(ſonuit) lèdde (duxit) endde (finiit) etc. f. havede, ſen-
dede, lûdede, lêdede. — (SS) organiſch nur in wenigen
wörtern:mëſſen (errare) kuſſen (oſculari); vielleicht auch
baſſen (latrare) Rein. 321. Statt des einf. ſ. in moſſe
(muſco) bëſſem (ſcopa) Maerl. 1, 28. Rein. 296; häufiger
für hs, als: voſſe (vulpi) ſëſſe (ſex) waſſen (creſcere);
roſſide neben ronſide Huyd. op St. 3, 231., zuweilen
durch inclin. als nëſſer (ne ës daer) Maerl. 1, 4. Der ſſ
aus fremdem x iſt vorhin gedacht, dahin gehört auch
lëſſe (lectio); von ſſc ſtatt ſc gleich bei den verbindungen.


Anlautende lingualverbindungen. TR. traech (tar-
dus) traen (lacrima) trëcken (trahere) trouwen (confi-
dere) trôſt (refugium). — TS. vielleicht ſtatt ſ (wovon
ſ. 497.) zuweilen fürs franz. ch. als tſarel (charles) Stoke
3, 10, zuweilen durch incl. der praep. te. als tſamen
(unâ) tſinen (ad ſuos). — TW. twê (duo) twifel (du-
bium); twiſſcen (inter) löſt ſich in tuſſcen; twint (res
minutiſſima) ſtammt wohl aus quint (quentlein) (vgl.
ſ. 196. qu und zw). — DR. DW. gleich der einf. med.
für die med. und aſp. dragen. dringen. drinken. drôm
(ſomnium) dwaes. dwërg. dwingen etc. — ſl. ſm. ſn. ſp.
ſpr. ſc. ſcr. ſt. ſtr. ſw.
Im neuniederl. werden ſc. ſcr.
zu ſch. ſchr., hiervon zeigen die mitteln. hſſ. einzelne
ſpuren, ich führe inzwiſchen ſc. durch. Zuweilen ver-
tritt es das roman. eſc, deſc, als ſconfieren (ſuperare
bello) ſcuerſſe, beßer ſceurſſe (eſcorce, Maerl. 2, 78.) etc.
ſwëſter löſt ſich auf in ſuſter.


In- und auslautende. tſ und dſ ſind unorganiſch
und ſtammen entw. aus contraction oder drücken ein
roman. ch aus. Erſteres z. b. mêtſen (murum exſtruere,
alth. meziſôn) Maerl. 1, 20. rûtſen (repere) Rein. 303.
[499]I. mittelniederländiſche conſonanten ling. gutt.
quêtſen (vulnerare) Maerl. 1, 414. 2, 53; krë êtſe (can-
cros) Maerl. 1, 368. ſcheint fehler f. krëvete oder krêfte
(mittelh. crëbeƷe) wo es nicht das alte plural-ſ, alsdann
ſteht krëvêtſe f krëvetes. Der andere fall tritt ein z. b.
in roetſe (rupes) Maerl. 1, 143. roedſe 2, 21[5]. geſchrie-
ben (beßer wohl rôtſe) aus dem franz. roche; tierdſe
(hora tertia) 2, 182. altfranz. tierce, tierche; ridſaert,
franz. richard (erinnert ans frieſiſche, oben ſ. 279. und
an die berührung der zungen- und kehllauteüberhaupt). —
ſp. wëſpe (veſpa) liſpen (balbutire) wiſpelen (vagari)
beriſpen (caſtigare) quiſpel (faſciculus) croſpel (cartilago)
kërſp (criſpus) etc. — ſt häufig: ghêſt (ſpiritus) gaſt
(hoſpes) prieſter etc. von einzelnen übergängen in cht.
beim kehllaut. — ſſc, ſchreibung eines doppelten ſ. ſoll
vielleicht ausſprache ſch ausdrücken? häufig vorkom-
mend, z. b. aſſce (cinis) viſſc, biſſcop, cûſſc (caſtus)
wiſſcen. brieſſcen (rugire) lieſſcen (Maerl. 1, 452.) tuſſcen
(inter) bluſſcen (exſtinguere) 1, 184. lûſſcen (latere) 2, 54.
rûſſcen (ſtridere) u. a. m.; geht ein conſ. vorher, ſo ſteht
lieber einf. ſ. als: menſce, ghedalſc (clamor) Huyd. op
St. 2, 104. malſc (vorax:valſc Rein. 276.). Im auslaut
oft ſch für ſc geſchrieben.


(K. G. GH. J. CH. H. Q. X.) gutturales

ten. und med. ſtimmen mit der goth. nord. ſächſ.;
außerdem iſt aber auch eine aſp. vorhanden und zwar
doppelte, gh. ch.


(K. C) geſchrieben wird ausl. ſtets c, als tac (ra-
mus) ic (ego) blêc (pallidus) havec (accipiter) ſtaerc
(fortis) ſuërc (nubes); inl. ſtets k, als ſtaerken, ſuërke,
maken (facere) naken (appropinquare) vake (ſomnus) bëke
(rivus) brëken (frangere) têkin (ſignum) graken (dilu-
ceſcere) donker (obſcurus) drinken etc., es ſey dann,
daß durch ſyncope ein weiterer conſ. folge, wo c wie-
der eintritt, z. b. maect (facit) maecte (fecit). Anlau-
tend ſteht k vor ë, ê, ei, i, î, als kënnen, kërke (ec-
cleſia) kêren, keiſer, keitîf (franz. chetif) kinder, kîf
(altercatio); vor den übrigen voc. und l. n. r ſchreibe
ich mit den beſten hſſ. c (wiewohl in ihnen k unterlau-
fen) als: carel, can, coninc, cûme, comen, cort, clêne,
cracht etc. Der grund, weshalb anlautend k zu ſchrei-
ben iſt, fordert es auch inl. wegen des folgenden (un-
betonten) e der flexion. In der verbindung ſc bleibt
durchgehends c, wenn auch an- oder inl. ë, i darauf
folgen. — Es fragt ſich nunmehr 1) nach der aus-
ſprache; mich dünkt, ein linguallaut nach frieſ. ſitte
I i 2
[500]I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural.
(ſ. 277.) für kë, ki etc., obſchon die zwiſchen k und
c wechſelnde ſchreibung ziemlich zum frieſ. gebrauche
ſtimmt, läßt ſich durchaus nicht vermuthen. Irgendwo
würde ſonſt ſpurweiſe ein ſërke, tſërke, tſërel, dënſen
vorkommen (frieſ. tſierke, tjerke, engl. church; tſierl,
tjerl, engl. churl; thënſen, cogitare) zumahl tſ. für das
roman. ch gebraucht wurde (ſ. 499.) Vielleicht aber lau-
tete kë, ki etc. etwa wie khë, khi abweichend von ca,
co (= ka, ko)? Dem unterſchied von gh und g wäre
dies zwar angemeßen, wird jedoch durch keine ſchrei-
bung ch oder kh beſtätigt und auf allen fall mögen ſich
k und c in der ausſprache ganz nahe liegen, wo ſie
nicht eins waren. 2) nach der bedeutung. In der re-
gel entſpricht dieſe ten. völlig der gothiſchen, drinken,
dranc; brëken, brac; in einem fall aber auch der goth.
med., nämlich auslautend wird nghe zu nc, daher
dwanc, ſpranc:dranc (bibebat) reimen. Zufällig treffen
dieſelben reime im mittelh. ein, in beiden mundarten
aber aus verſchiednem grunde, nämlich mittelh. ſtehet
tranc eigentlich f. tranch; mittelniederl. ſpranc f. ſpranch
wie die auslaute. denen voc. vorausgeht, beweiſen (mit-
telh. lac, jacuit und ſprach dixit; mittelniederl. lach
und ſprac).


(G) ſteht nur im anlaut vor den voc. a, o, u, oe,
ou, ae, ô, û, und den liq. l. r als gaf, god, guls, goet,
gout, gaet, gôme, glans, grôt. Folglich nicht 1) anlau-
tend vor ë, i, ê, î, ei, wo gh. gilt. 2) inlautend über-
haupt nicht, indem α) bei folgendem flexions-e gh ein-
tritt, wie im erſten fall. β) bei ſyncopen ch, wie im
dritten fall. 3) auslautend wieder nicht, wiel α) bei
vorſtehendem voc. ch geſetzt wird β) bei vorſtehender
liq. aber c, als balc, ſpranc, bërc (goth. balg, ſprang,
baírg), dinc, coninc etc.


(GH) vertritt die reine med. überall, wenn ihr ë,
i, ê, î, ie, ie folgen, gilt alſo nie auslautend oder bei
ſyncopen, wo es wiederum dem ch weicht. Beiſpiele
des gh. ſind: die häufige vorpartikel ghë-, ghëven (dare)
ghifte (donum) ghêft (dat) ghî (vos) vraghen (quaerere)
oghen (oculi) hoghen (altum) mëneghen (crebrum) co-
ninghinne (regina) etc. Die hſſ. befolgen aber den ge-
brauch nachläßig und ſetzen oft g für gh *); im Rein.
[501]I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural.
iſt er ſorgfältiger beachtet, als in den ausg. Maerlants,
ohne zweifel aber begründet und uralt, wie ſchon die
alth. analogie einiger mundarten beweiſt (ſ. 183.). Ob
dem wechſel zwiſchen g und gh der zwiſchen c und k
begegene, habe ich vorhin gefragt; eine unähnlichkeit
beider liegt übrigens darin, daß k auslautend und bei
ſyncopen zu c wird, hingegen gh nicht zu g. ſondern
ch. Dem unwandelbaren goth. g in giban, gaf, manag,
managan, ſteigan, ſtáig entſprechen drei niederl. laut-
modificationen in ghëven, gaf, mënech, mëneghen,
ſtighen, ſtêch. — Übergänge der med. in den voc. u,
vermittelſt des w ſind mehr bemerkt worden, hier finde
ich: becnauſe (corrode eam) Rein. 280. ſt. becnaechſe
von becnaghen; ſoghen (ſues):moghen Maerl. 1, 102 etc.
Vom übergang in j ſogleich.


(J) vom vocal i genau zu ſondern, man ſchreibe
iemen (aliquis) niemen (nemo,:ſniemen Maerl. 1, 156.)
iet (aliquid, : hiet Rein. 369.) aber jëghen (contra); fälſch-
lich Huyd. op St. 2, 189. jëghelîc f. ieghelîc, 2, 215.
das richtige ie (unquam). — Dieſes j kommt überein
1) mit dem mittelh. in jâ (imo) jaghen (venari) jaer
(annus) jammer (planctus) jonc (juvenis). 2) mit dem
mittelh. g in jëghen (contra) jan (favet) jonnen (favere)
jonſte (favebat) jicht oder jucht (arthritis Maerl. 2, 338.);
umgekehrt ſteht ghëne oder gone (ille) und beghien
(confiteri) Rein. 360. ſt. des mittelh. jëner, jëhen. 3) in
roman. wörtern als jêſte, joeſte, joye, jufroet etc. 4) zu-
weilen ſchwindet es völlig, z. b. in tëgen ſt. të-jëghen,
t’jëghen (Huyd. op St. 2, 255.) mittelh. zë- gëgene
(Nib. 6747.) angelſ. togägnes. Ob biechte (confeſſio) Rein.
360. aus bjëchte, bejëchte, beghichte entſpringt? 5) in-
lautend wohl ſehr ſelten, und vielleicht zu i oder gh
geworden, ich finde merje (equa, merie?) Maerl. 1, 196.
die roman. maelghe, faelghe (maille, faille) Huyd. op
St. 2, 136. hërghen (depopulari) id. 1, 362.


(CH) mehrfach, 1) vertritt im auslaut (im inlaut bei
ſyncope) das gh, als plëghen, plach; nighen, nêch;
ſlaghen, ſloech; vraghen, vraechde; claghen, claechde;
dach, gen. daghes (dies) mënech (multus) honich, gen.
honichs oder honighes (mel) heilech, gheheilecht oder
gheheileghet; oghe (oculus) ôchſienlîc (manifeſtus Maerl.
1, 101.) mach (poteſt) maechſcien (forſan, d. h. evenire
poteſt, neuniederl. in miſſchien verdreht, Huyd. op St.
2, 380.). Ausgenommen die liq. verbindung nghe, welche
ausl, nc bekommt, z. b. coninc, gen. coninx oder co-
[502]I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural.
ninghes (nicht coninch, coninchs). darum reimt ganc
(ganghes) auf danc (dankes) dranc Maerl. 3, 23. 1, 138;
hingegen gilt der auslaut rch z. b. bërch, gen. bërghes
oder bërchs (Maerl. 1, 36.) nicht bërc, gen. bërx, folg-
lich nicht reimend auf wërc (opus) clërc (clericus).
Vermutblich auch lch, z. b. balch, balchs, kein balc,
balx. Der mittelh aſp. ch iſt dieſes niederl. ch. nicht
genan zu vergleichen, es ſcheint mehr auslautende
ſchärfung des gh. daher meine behauptung ſ. 424. daß
vom g kein ſprung auf ch füge, darunter nicht leidet.
Denn ch entſpringt hier aus gh. — 2) in der verbind.
cht gleicht ch dem mittelh. ht, ausnahmsweiſe dem ſt;
mehr davon unten — 3) ch vertritt das roman. c frem-
der wörter, vgl cheins (cenſus) Maerl. 1, 151. 330. machë-
done 1, 147. përche (perſia) përchevael (perceval) woneben
aber auch tſ und ſ geſchrieben wird, als tſeins 2, 141. përſe,
përtſevael. Merkwürdiger iſt das aus dem hochd mit
beibehaltnem ziſchlaut geborgte chieren (ornare) chierlîc
(ornatus) chierheit (pretioſitas) Maerl. 1, 8, 133. 256. 3,
250. auch cierlîc, ſierlîc geſchrieben Huyd op St. 1, 356;
oder gehört es unter die ſ. 497. beſprochenen wörter,
deren tſ. ſ dem hochd. z entſpricht? und hat die nie-
derd mundart nicht ein dem hochd. zier analogeres tier
beſeßen? (vgl. ſ. 121. 151.) wobei ſelbſt die niederl. re-
densart goedertiere, quadertiere, mëneghertiere, twêtiere,
putertiere (Maerl. 1, 8. 277. 322. 2, 30. aant. 143.) erwä-
gung fordert. Wäre aber auch letzteres tier ganz ver-
ſchieden von erſterem chier ſo glaube ich doch kaum,
daß man dieſes aus dem roman. cher, chier leiten dürfe,
weil das neuniederl. verſieren, vercieren ganz die be-
deutung des hochd. verzieren (ausſchmücken) hat.


(H) gilt nur anlautend und zwar herrſcht hier ganz
der ſ. 188. bemerkte doppelte fehler 1) daß ein ungehö-
riges h dem reinen vocalanlaut vorgeſchoben wird, z. b.
hëten, hat, hëcht, horen, hoghen, hêt, hîs, hodevaer, hout,
hoever, hût etc. ſtatt ëten (edere) at (edebat) ëcht (poſtea)
oren (aures) oghen (oculi) êt (juramentum) îs (glacies)
odevaer (ciconia) ût (ex) out (vetus) oever (ripa); desgl.
in der compoſition z. b. onthërven ghëhënt f. ontërven
(exhereditare) ghëënt (finitus). 2) daß umgekehrt das ge-
hörige h aphäreſe leidet, z. b. adde, alp, aerde, ôch, ane f.
hadde (habuit) halp (juvit) haerde (duriter) hôch (altus) hane
(gallus) und inder compoſ. heilecheit, boef, bëndeli ke,
reinaert, reinout f. heilechheit, behoef (neceſſitas) be-
hëndelike, reinhaert, reinhout. Beides iſt der ſprache
[503]I. mittelniederländiſche conſonanten. gutteral.
nachtheilig und mengt z. b. hout (vetus) mit hout (lig-
num) und hout (tenete), aert (durus) mit aert (modus);
ſolche wörter ſtehen oft im reim, vgl. Rein. 332. hoghe
(oculus):hoghe (alte) 312. hût (ex):hût (cutis) 370. hals
(collum):als-en-hals (pariter?) wofür 362. als-en-als
geleſen wird. Vermuthlich hat der vorhergehende aus-
laut (je nachdem er liquid oder vocaliſch iſt) einfluß
auf dieſes zugefügte oder weggenommene h, nur läßt
ſich keine regel daraus machen, vielmehr gilt ſchwan-
kende willkür, vielleicht gewohnheit bei einzelnen for.
men, ſo finde ich faſt überall godſat (maledictio f. gods-
hat, dei odium) Maerl. 1, 62. Rein. 367. und Huyd. op
St. 2, 350, wo einmahl godshat, Maerl. 2, 196. ſogar
ein part. ghegatſat (maledictus); eben ſo häufig ſtehet
ôvërde, ôvaerde (ſuperbia) ſelten hôvërde (Maerl. 2,
125.). — Das inl. mittelh. h iſt hier entw. ganz wegge-
fallen (vgl. vlien, ſien. tien mit fliehen, ſëhen, zëhen)
oder zu gh. geworden (hoghen, ſaghen mit hôhen, ſâ-
hen); in der verb. ht zu cht; das ausl. mittelh. ch für
ein älteres h. entſpricht dem niederl. ch. —


gemination. (CK) = mittelh. ck. vgl. dëcken (te-
gere) ſcricken (terreſieri) micken (intendere) blicken
(intueri) etc. auslautend und bei ſyncopen erwächſt einf.
tenuis, als blic (intuitus) blict (intuetur) blicte ſt. blickede;
daher auch der gen. von blic entweder blickes oder blix
(d. i. blics).


(GGH) = mittelh. gg, als rigghe (dorſum) brugghe
(pons) etc. aber in manchen wörtern, die dort einf. g
haben, als ligghen (jacere) lëgghen (ponere) ſëgghen (di-
cere). Zuweilen wird cgh für ggh geſetzt (Huyd. op
St. 1, 4.) fälſchlich aber für gh; die ſchreibung co-
nincghinne (oder conincginne) iſt ſo tadelhaft als doncker
f. donker.


gutt. verbindungen. 1) anlautende CL. CN. CR. GL.
GR. QU. letzteres häufiger als im mittelh., beiſpiele:
quale (cruciatus) quaet (malus) quanſìs (quaſi, proforma
Rein. 349.) quëne (vetula Maerl. 2, 240.) quëtſen (vulne.
rare) quic (vivus) etc.; nicht vor o, oe, u, û. — 2) in-
und auslautende. Das mittelh. hs wird ausl. zu ſ, inl.
zu ſſ. — X bedeutet cs (nicht chs) und kommt oft vor,
beruht aber immer auf ſyncope, vgl. aex (ſecuris Maerl.
3, 22.) blëxem (fulgur) f. blëcſem, d. h. blëckeſeme;
houdix Maerl. 3, 250. f. houd-ic-ëſ; ghelux (:pollux
Maerl. 1, 108.) f. gheluckes; havexbërch (habspurg)
[504]I. mittelniederländiſche conſ. gutt. ſchlußbem.
ſprêx (loqueris) jonghelinx (adoleſcentis) lanxt (longiſſi-
mus) f. lancſt, langheſt. Dieſes x iſt daher dem angelſ.
und altn. x = hs unvergleichbar. — CHT. dreierlei
1) = mittelh. ht, als nacht, achte (octo) achte (cura)
mochte (valuit) brochten (attulerunt) lëcht (lux) licht
(levis) etc. 2) = mittelh. ft, als cracht, achter, ëcht,
ſochte (lenis) etc. oft noch mit ft wechſelnd, vgl. vor-
hin ſ. 493. 3) = mittelh. ſt. merkwürdig in dem häu-
figen worte lachter (dedecus, vituperatio:achter Rein.
278. vgl. Huyd. op St. 3, 425-427. (neuniederl. wieder
laſter); eine beſtätigung der ſ. 416. wahrgenommenen
übergänge des ſt in ht, womit auch die des ch in ſ
und tſ (ſ. 502.) zuſ. gehalten werden müßen. Übrigens
gilt mittelniederl. forêſt (Huyd. 1, 218. 219.) —


Schlußbemerkungen.

1) aſſimilation bei ll und ſſ berührt, läßt ſich aber
durch weitere beiſpiele belegen, wie mallîc (quisque)
f. manlîc, manghelîc, ſo ſteht ballinc (extorris) f. banlinc.
Dieſe gemination durch aſſim. hat gleich der org. gem.
nothwendig kurzen voc. vor ſich; nicht aber ſcheinbare
gem. durch ſyncope, z. b. lûdde, lêdde oder contraction
(vgl. ſ. 492.). — 2) inl. gemination vereinfacht ſich ausl.
wie im mittelh. und ſelbſt durch apocope eines vocals
wird dieſe vereinfachung häufiger möglich, als im mit-
telh. Daher reimen bët (lectus) und nët (rete) Rein. 318.
Maerl. 2, 437., jenes für bëdde, dieſes für nëtte ſtehend;
mittelh. nur bette, netze, kein bet, nez daneben. Der-
gleichen den ſprachformen ſchädliche kürzungen erleich-
tern freilich den reim. — 3) die reimkunſt erkennt auch
hier gewiſſe verwandtſchaften der conſ. So reimt bis-
weilen v (= bh):gh, als begraven:daghen, lëven:
plëghen Stoke 1, 54. 2, 265. (ibiq. Huyd.); noch häufi-
ger f (=ph): ch, als ſcrifte:wichte Stoke 3, 370., ja
dies hat förmlichen übergang des ft in cht gefördert;
vgl. den auslant ſlach : ſtaf reimend Rein. 299. Seltner
finde ich zwierlei tenues gereimt, doch Rein. 372. trac
(traxit):dat (illud) noch ſeltner ſ auf d in laſet:verſa-
det (ſatiatus) Rein. 282. Gleichheit der voc. iſt gewöhn-
lich beobachtet, man müſte denn lieber ungenauen reim
als ſchwanken zwiſchen gewiſſen voc. annehmen, alſo
wërt:ſpaert (oben ſ. 469.) wie z. b. knëchte:nachte
Stoke 3, 261. 4) inclination, zumahl der pronominal-
formen, hat weit häufiger ſtatt, als im mittelh., die
ſprache gewinnt dadurch viel geſchmeidigkeit (vgl. das
[505]I. mittelniederländiſche conſ. gutt. ſchlußbem.
angelf. und frieſ. ſ. 268. 280.). Hier die wichtigſten
beiſpiele. α) vom neutralen art. hët (der alsdann ſelbſt
dat vertritt) wird bloß das ausl. t behalten und dem
ſubſt. angehängt, als: trike, (regnum) tlëven (vita) tlëcht
(lux), tgat (foramen) thîs (glacies Rein. 319.) lautet aber
dieſes ſelbſt lingualiſch an, ein conſ. ausgeſtoßen, z. b.
tin (ſtannum) für dat oder hët tin, ſtatt t’tin; torp für
hët dorp, ſtatt t’dorp; tërde (tertium) f. hët dërde, t’dërde;
weniger gut bleibt die anl. med. mit verſchlucktem t,
als dac (tectum) für tdac (vgl. oben ſ. 487.) noch fehler-
hafter (indeſſen meiſt vor l und b) ſteht zuweilen dlëcht
(Maerl. 3, 296.) f. tlëcht (lux) dbêlde (3, 124.) f. tbêlde
(imago) (vgl. Huyd. op St. 3, 150.). Geht dem ſubſt.
praep. oder adj. mit liq. auslaut vorher, ſo lehnt ſich
das t lieber dieſem, als dem ſubſt. ſelber an, z. b. int
rike (in regnum) alt volc (omnis turba, nicht: al tfolc. —
β) ebenſo bleibt vom gen. maſc. und neutr. dës nur
das ſ entweder dem ſubſt. anlehnend (ſconinx, regis;
ſnachts, noctis, ſpapen, presbyteri) oder einer vorſte-
henden praep. (tës coninx, ad regis); zuweilen wird das
d wieder hörbar, doch wegen des folgenden ſ in t ver-
wandelt, z. b. ints lêts duvels name (in nomine mali
diaboli) ſteht f. in dës lêdes d. n. Rein. 312. — γ) der
art. die incliniert mit weggeworfnem ie vocalanlauten-
den ſubſt. z. b. dërde (terra) doghen (oculi) dandre
(alii). — δ) die praep. mët, ût, up, të ziehen den art.
an, behandeln ihn aber nicht auf gleiche weiſe; nämlich
up und mët läßt ihn ganz, aſſimiliert nur d zu t, als:
upten, mëtter, mëttien, mëttem f, up den, mët der etc.;
ût erträgt kein gem. nur einf. t, als ûter, ûten f. ût
der, ût den; nach të verſchwindet außer dem auslaut
alles: tës, tër, tën f. të dës, të dër, të dën. — ε) die
praep. të, wenn kein art. vorhanden iſt, lehnt ſich ans
ſubſt. oder adj. z. b. têren (ad honorem) tëtene (ad
edendum) tſinen (ad ſuos) thûwaert (zu euch-wärts)
Rein. 353. — ζ) inclination des pron. hët (außer dem
obigen fall, wo es dat vertritt) daert (daer hët) hît (hi
hët) jaet (jâ hët) ſoet (ſô hët) wî lëſent (lëſen hët) alſt
(als hët) alſict (als ic hët). — η) incl. des pron. oder
hie mit vermuthlicher kürzung, dëdi (dëde hî) haddi
(hadde hî) peinſdi (peinſde hî); ebenſo ſoe (illa) mit kür-
zung in ſo, als: datſo (quod illa) Rein. 334; ſî (eam) in
ſe, als: ſiſe (illi illam); der acc. hëm wird zu -ene, als
ickene (ego eum) leidene (ponebant eum), wobei ein
ſtück von der flexion des verbi verloren geht, vgl. mocht-
[506]I. mittelengliſche vocale.
ſine (ſt. mochten ſi hem) wortſi (f. worden ſi) Huyd. op
St. 3. 169. — θ) incl. von ës (eſt) z. b. hëts (hët ës)
dats (dat ës) dits (dit ës) wats (wat ës) dins (dit en ës)
Maerl. 2, 165. — ι) von daer (ibi) bleibt häufig nur -re
übrig, als ſpringenre, maectenre f. ſpringen daer etc.
Maerl. 1, 36. 69. offere f. of daer 1, 414. — κ) vermiſchte
fälle: wattan Rein. 283. (wat dan) nochtan (noch dan)
dattu (dat dû) Maerl. 3, 82. indoe (haud facio). — Es
gibt noch andere beiſpiele und ſelbſt für die vorgetrage-
nen feinere beſtimmungen; hier ſollte bloß der bedeu-
tende einfluß der inclination auf die lautverhältniſſe ge-
zeigt werden. Man vgl. oben ſ. 371. 372. 378. 381. Noth-
wendig ſind die anlehnungen nicht überall, oft ſtehen
die vollen formen, z. b. dat gras (nicht aber: hët gras)
neben tgras (für hët gras) etc.


Mittelengliſche buchſtaben.


Ich gebe aus mangel an raum und zureichendem
ſtudium oberflächliche überſichten. Die quellen ſind
nicht unbedeutend und zu genauerer bearbeitung einla-
dend; außer Triſtrem und Chancers werken ſteht das
wichtigſte bei Ritſon und Weber geſammelt, der zeit
nach fallen ſie wiederum dem 13. und 14. jahrh. zu.
Schon die niederländiſche ſprache zeigte größere zumi-
ſchung romaniſcher wörter als die hochdeutſche, doch
eine unvergleichbar geringere, als ſie im engliſchen ein-
getreten iſt. Offenbar haben die materiell immer noch
überwiegenden deutſchen beſtandtheile in der geſellſchaft
ſo vieler fremder wörter und laute von dem organiſchen
verhältnis ſowohl der buchſtaben als der flexionen man-
ches verlieren müßen.


Mittelengliſche vocale.


Im mittelh. half der klingende und ſtumpfe reim
länge oder kürze der vocale erkennen. Die mittelengl.
ſprache hat aber keine tonloſen e und i im ſinne des
ſ. 373. aufgeſtellten unterſchiedes, ſondern lauter ſtumme,
folglich nur ſtumpfe, niemahls klingende reime *). Dies
[507]I. mittelengliſche vocale.
lehren die ſtrophiſchen gedichte augenblicklich, in de-
nen allen: name (nomen) fare (ire) calle (appellare) kiſſe
(oſculari) abîde (morari) ſtâne (lapis) etc. ſo einſilbig rei-
men als: man (vir) fall (caſus) is (eſt) hand (manus) etc.
Beide mundarten erſcheinen hier bei gleichem ſtreben
in merkwürdigem gegenſatz: die hochdeutſche verdun-
kelt alte kürzen, indem ſie zweiſilbige ſtumpfe reime
allmählig in klingende wandelt; die engliſche bewirkt das-
ſelbe, weil ſie alle klingenden zu einſilbig-ſtumpfen wer-
den läßt, einſilbige wörter aber, ihrer einförmigen be-
tonung wegen die alte kürze ſchwerer bewahren kön-
nen (oben ſ. 18. 19.). Man darf annehmen, daß in be-
tonten wörtern deutſchen ſtammes (auf die ich mich
hier beſchränken muß) kurze vocale nur vor geminier-
ter oder ſonſt doppelter conſonanz eintreten, nicht aber
vor einfacher mit folgendem ſtummen e. Organiſch
einſilbige formen, auf einfache conſonanz auslautend,
pflegen bald den kurzen voc. beizuoehalten, z. b. was
(fuit) that (id) his (ejus) bald ihn durch zufügung eines
unorg. ſtummen e gleichfalls zu verlängern, z. b. bâre
(nudus) bâre (portavit) ſâke (cauſa) überhaupt ſcheinen
die laute a, e, o in vielen fällen nicht allein gleichbe-
deutig, ſondern auch in â, ê, ô übergängig.


(A) beiſpiele 1) vor geminationen: halle (aula) alle
(omnes) thanne (tum) 2) vor conſ. verbindungen: balde
(audax) hald (tenere) cald (frigidus) land (terra) band
(ligavit) ſang (cecinit) arm (brachium) barm (ſinus) craft
(vis) aſke (poſtulare), 3) in einſilbigen wörtern: man
(vir) can (ſcivit) ſat (ſedit). — Dieſes a entſpricht alſo
dem angelſ. a, ä und ëa, in der wirklichen ausſprache
mag der laut geſchwankt haben zwiſchen a, ä und o,
welches letztere vor den liquiden verbind. ſelbſt geſchrie-
ben wird: hold, old, cold, lond, bond, vermuthlich
aber langes ô iſt. Sicheres läßt ſich nicht beſtimmen,
da ſogar die a der dritten art auf lange a reimen, z. b.
man, bigan (coepit) auf ſtâne (lapis) tâne (captus).



[508]I. mittelengliſche vocale.

(E) theils e, als hell (inferi) bedde (lectus) ende
(finis) theils ë, fëld (campus) ſchëld (clypeus) ſtërre (ſtella).


(I) theils organiſch, als 1) wille (voluntas) tille (us-
que) inne (intus) 2) milde (lenis) childe (infans) milk
(lac) blind (coecus) thing (res) ſwinke (labor) miſſe (ca-
rere) 3) in (praep.) begin (incipere) is (eſt) — theils
für das org. u, aus deſſen umlaut dem angelſ. y erwach-
ſend (ſ. 228.), als: kiſſe (oſculari) fille (implere) kinne
(genus) minde (memoria) king (rex) ying (juvenis) etc.
Ob beiderlei i vor ld, nd, alſo in den wörtern wild
(ferus) mild, child, blind, grind (molere) mind und
ähnlichen ſchon in î verlängert werde? weiß ich nicht;
analog aber wäre das ſchwanken des a vor ld, nd in â
oder o, und der übertritt des u vor denſelben buch-
ſtaben in ou.


(O) beiſpiele: ſmocke (veſtis muliebr.) morrow. oft
(ſaepe) dohter (filia) gold (aurum) molde (pulvis) tonge
(lingua).


(U) unter allen kurzen vocalen (in wörtern deut-
ſchen urſprungs) der ſeltenſte; beiſpiele: full (plenus)
bull (taurus) but (ſed) tuſk (dens) turne (vertere) etc.
Vor ld. nd. iſt er in ou übergegangen, z. b. hound,
found, ſtounde, ſhoulder.


(Y) mit i jetzo gleichbedeutend, alſo entbehrlich
und um ſo mehr zu vermeiden, als es für den kehllaut j
eingeführt iſt; man müſte ſonſt z. b. yyng f. ying ſchrei-
ben, wie Ritſ. 2, 92. wirklich pleyyyng f. pleying zu
leſen ſteht.


(AA) â iſt 1) organiſch = angelſ. â in brâde (latus)
râde (equitavit) lâfe (panis) hâme (domi) bâne (os) ſtâne
(lapis) âne (unus) âre (honor) wâre (erant) hâre (crinis)
hâte (calidus) gât (capra) etc. 2) unorganiſch verlänger-
tes a in mâde (fecit) glâde (laetus) nâme (nomen) tâne
(capere) fâre (ire) bâre (tulit) ſpâre (parcere) yâre (para-
tus) hâre (lepus) câre (cura) câſe (caſus) etc. 3) ſteht es
auslautend in einſilbigen formen: gâ (ire) mâ (magis)
wâ (calamitas) ſlâ (ferire) bâ (ambo) etc. In allen drei
fällen ſind übergänge in ô ſehr geläufig, daneben auch
andere in ê vorkommend. Es reimt mô, ſlô, gô, bô
auf tô (praep.) dô (facere) zuweilen ſlê, gê auf trê (ar-
bor) hê (ille); ferner ôre (honor) ſôre (valde) lôre (doctri-
na) bôre (tulit) ône (unus) ſtône (lapis) hôme (domi)
môme (cepit) auf dône (factus) ſône (mox) côme (ve-
nire), zuweilen auch wêre (erant) hêre (crinis) yêre
[509]I. mittelengliſche vocale.
(annus) ête (edebant) auf hêre (audire) êre (auris) lête
(ſinere). Hiernach iſt die wirkliche ausſprache kaum
feſtzuhalten, ſie ſchwankt zwiſchen â, ô, ê und gewiſſe
wörter kommen unter dreierlei geſtalt vor, z. b. fair-
hâde, fairhôde, fairhêde (pulcritudo). In den meiſten
herrſcht jedoch eine oder die andere vor, z. b. finde ich
kein êne, hême neben âne, hâme, ône, hôme und kein
wôre, hôre neben wâre, hâre, wêre, hêre; â kann als
die allgemein gültige, urſprüngliche form betrachtet
werden, zuweilen trifft man auch aa geſchrieben, z. b.
in Chaucers houſe of fame 254. caas: Eneâs, ſo daß
hier an die neuengl. ausſprache kês nicht zu denken iſt.


(EE) ê, 1) organiſche länge α) = angelſ. ê, mittelh.
ue: brêde (panis) ſtêde (equus) ſpêde (felicitas) blêde
(ſanguis) ſêke (quaerere) kêne (audax) grêne (viridis)
ſwête (dulcis) fête (pes) grête (ſalutare) β) = angelſ. ê,
eá, mittelh. ô, ou: dêde (mors) nêde (neceſſitas) rêde
(ruber) êke (etiam) êre (auris) hêre (audire) lês (ſolutus)
chês (elegit) grête (magnus) nête (jumentum) γ) = an-
gelſ. ê, mittelh. ie: mêde (merces) dêre (animal).
δ) = angelſ. æ, mittelh. ei: lêde (ducere) brêde (lati-
tudo) dêle (pars) clêne (purus) hête (calor) hête (vocare)
ε) = angelſ. æ, mittelh. â: wêde (veſtis) dêde (factum)
bêde (rogabant) rêde (conſilium) ſtêle (chalybs) ſlêpe
(dormire) yêre (annus) wêre (erant) bêre (portabant) ête
(edebant) ſtrête (via) lête (ſinere). ζ) = angelſ. ëó, mit-
telh. ie: bêde (offerre) yêde (ivit) bêre (cereviſia) thêf
(fur) ſêke (aeger) têne (damnum, afflictio) ſchêne (pul-
cher) gête (fundere). — 2) unorganiſche länge ſtatt e
und ë, als: quêne (regina) ſêne (viſus) ſtêde (locus) ête
(edere) mête (metiri) wêle (bene) etc. — 3) auslaute:
hê (ille) mê (mihi) thê (tibi) trê (arbor) thrê (tres) ſê
(videre) bê (eſſe) frê (liber) glê (glaudium) etc. — Aus
allen dieſen beiſpielen erhellt, wie viel urſprünglich ge-
ſchiedene laute hier zuſ. fließen, wie unſicher ihre aus-
ſprache geweſen ſeyn mag. Alle reimen untereinander.
Zweifelhafte wörter laßen ſich ſchwer der einen oder
andern art beizählen, z. b. das häufige adv. bidêne, al-
bidêne (ſimul, pariter?) vielleicht bidône (penitus?).


(II) î, bleibt ſeinem org. zuſtande getreuer, weil ſchon
früher das kurze i vor einf. conſonanz in ë übergetreten
war, folglich dem î keine verlängerte kurze i zur ſeite
ſtehen, wie dies bei â und ê der fall war. Beiſpiele
des î: mîne (meus) tîde (tempus) abîde (exſpectare) etc
[510]I. mittelengliſche vocale.
ergeben ſich allerwärts. Nur wird jetzt auch das angelſ.
ŷ durch î (wie y durch i) ausgedrückt, als fîre (ignis)
mîſe (mures) etc. Vermuthlich wandelt ſich das kurze i
vor ld, nd in î (vorhin ſ. 508.) Ob aber dem î über-
haupt ſchon die neuengl. aueſprache, nämlich ei, beizu-
legen iſt? bezweifle, weil ich keinen grund abſehe,
warum man in dieſem fall nicht auch wirklich: meine,
teide, feire, meiſe geſchrieben hätte, wie man aller-
dings ou für û ſchrieb; vgl. unten ei.


(OO) ô wiederum 1) organiſche länge α) = angelſ. ô,
mittelh. uo, als: blôde (ſanguis) gôde (bonus) rôde (crux)
ſtôde (ſtetit) yôde (ivit) ſlôgh (feriit) drôgh (portavit)
bôke (liber) lôke (intueri) tôke (cepit) fôle (pullus eq.)
ylôme (ſubito) dôme (judicium) bône (rogatio) etc. wird
häufig durch ê (1. α), das heißt, ſeinen [umlaut] ausge-
drückt. β) nebenlaut für â, als ôke (quercus) dône
(factus) bône (os) ône (unus) hôme (domi) ôre (honor)
thôre (ibi) ſôre (valde) gôſt (ſpiritus) wôſt (ſcis) etc.
2) unorgan. länge, als côme (venire, adventus) nôme
(cepit) bôre (portavit). 3) auslaute: mô (magis) ſô (ita)
gô (ire) fô (inimicus) twô (ambo) etc. — Die ausſprache
wird nach dem neuengl. zweifelhaft ſcheinen, wo die
unter α. genannten ô wie û, die unter β. wie ô lau-
ten, folglich bône (rog.) von bône (os) geſchieden.
Auch pflegen ältere quellen im falle β. lieber â zu brau-
chen. ſo daß ſich wiederum bône (rog.) und bâne (os)
gehörig trennen. Jenes ô liegt dem û. dieſes dem â
näher; gleichwohl begegen ſich beide nicht nur in der
ſchreibung, ſondern auch wirklichen ausſprache, da
z. b. côme bald auf dôme (neuengl. doom) bald auf
hôme (neuengl. home) reimt (Ritſ. 1, 4. 19. 20. 67.) auch
beiderlei ô im parallelen umlaut ê (für mittelh. ue und
ei) zuſ. trifft. Einige wörter, denen urſprünglich kein ô
mit û-laut gebührt, z. b. mône (luna) gôs (anſer ha-
ben dieſen im neuengl. moon, gooſe entſchieden und
ſchon im angelſ. môna, gôs, nicht mæna, gæs, wie man
erwarten ſollte. Jenes môna hätte ſ. 231. unter 2. zum
beweis dienen ſollen, daß auch gôs nicht aus gans,
vielmehr aus gâs herzuleiten ſey.


(UU) û, mangelt, das angelſ. û iſt zu ou geworden,
wogegen ſt. des erſten ô zuweilen u, das heißt û ge-
ſchrieben vorkommt, vgl. Ritſ. 1, 1. 2. bûke (liber)
gûde (bonus).


(YY) ŷ übergegangen in î


[511]I. mittelengliſche vocale.

(AI) ai, haufig ay geſchrieben, entſpricht dem an-
gelſ. äg, als dai (dies) lai (jacuit) mai (valet) wai (via)
ſai (dicere) brain (cerebr.) main (vis) fain (laetus) ogaine
(contra) frain (interrogare) faire (pulcer) und ſo häufig
in fremden wörtern ſertaine (certain) gawaine (Ritſ. 1, 65.
auf ſwaine, famulus, angelſ. ſvân) kai (Ritſ. 1, 4. 16. auf
mai, ai, ſemper) etc.


(EA) ea, wird zuweilen ſt. des üblichen ê geſchrie-
ben, vgl. Ritſ. 2, 131. earen (auribus): tearen (lacrimis)
angelſ. eárum, tëarum; neuengl. ears, tears.


(EI) ei oder ey kommt in fällen des angelſ. eág,
eáh vor, iſt alſo (wie ai = ag, äg) auflöſung des g in
den vocallaut, und eigentlich êi, wiewohl in der re-
gel das g und gar gh noch dazu geſchrieben wird, z. b.
eie (oculus) eije, eige, deie (mori) heie (altus). Andere
beiſpiele ſind: neighe (prope) beighe (annulus) heighe
(altus) ſeighe (videbat) fleighe (volabat) ſleighe (callidus).
Einigermahl fürs angelſ. ëo, als leie (mentiri) dreie (pati).
Da dieſe -eighe im Triſtr. auf -îe (46. 184. auf crîe,
ermonîe) reimen, könnte man hieraus auf die ausſpra-
che ei für î ſchließen, mindeſtens auf eine annäherung. —
Ganz verſchieden iſt das ei in den part. aſkeing, ſnoweing
d. h. aſkeìng, ſnoweìng, mit kurzem i auf thing reimig.


(EO) eo, ſelten noch geſchrieben in teone, teon,
fleon (angelſ. tëóna, tëón, flëón) ſt. des üblicheren têne,
tên, flên, vgl. Ritſ. 2, 106. 119. 121. 127.


(EU) eu, zuweilen im auslaut für ew, als bleu
(flavit) Ritſ. 2, 145.


(OU) ou*), auch ow geſchrieben, vertritt durchge-
hends das angelſ. û, wie das neuh. au das mittelh. û,
vgl. brouke (uti) roune (myſterium) houſe (domus) kouth
(notus) mouth (os) loud (ſonorus, angelſ. hlûd) etc. und
gilt auch vor ld, nd ſtatt des kurzen u, moulde (pulvis)
hound (canis) mount (mons) ſtounde (hora) etc. Vor gh
pflegt ou ſtatt ô = hochd. uo zu ſtehn, als ynough
(abunde) lough (riſit) wough (curvum). —


Schlußbemerkungen. 1) der organiſmus der vocale
iſt entſtellter, als in irgend einer anderen deutſchen
ſprache, wozu namentlich die eingangs bemerkte nei-
[512]I. mittelengliſche conſonanten. liquidae.
gung ein ſtummes e unnöthig anzuhängen und ſtumpf
zu reimen beitrug. — 2) der umlaut findet ſich zwar in
den wörtern aus der ältern ſprache, wirkt aber nicht mehr
lebendig und darum ſchwanken einzelne wörter zwi-
ſchen umgelauteter und unumgelauteter form, z. b. es
gelten fôte und fête (pes), ſôte und ſwête (dulce) neben-
einander. Vielleicht iſt hieraus die unſicherheit des ô
und ê-lauts auch in fällen zu begreifen, wo an ſich
kein umlaut gedenkbar ſcheint, z. b. in yôde und yêde
(ivit) angelſ. ëóda oder ëôda, man ſetzte yêde, wie
man blêde f. blôde (ſanguis) ſetzte. — 3) tiefton hat ſich
noch in ſilben erhalten, wo ihn das neuengl. nunmehr
entbehrt, z. b. in den part. endungen -ànd. -ìng, im
ſuperl. -èſte etc. Daher lifànd, bêrànd, brinnìng, wîſèſte
auf hand, king, beſte reimen. Auch vielen wörtern
franzöſ. ſtamms gebührt andere betonung als im neuengl.
vgl. Tyrwhitt’s eſſay §. 17. — inclination tritt ebenfalls
ein, vgl. tîme : bî-me, nâme : frâ-me Ritſ. 2, 113.
Weber 3, 236.


Mittelengliſche conſonanten.


Vorbemerkungen. 1) die mittelh. und mittelniederl.
vertretung der auslautenden media durch die ten. tritt
hier nicht ein; es heißt cald (frigidus) ſwang (vibravit)
aber ſalt (ſal) ſwanc (laboravit). Freilich wird auch gern
mit dem falſchen anhangs -e geſchrieben: calde, ſwan-
ge. — 2) nur das gemin. ll und rr pflegt ausl. zu ſtehen,
als will, ill, fërr, ſtërr etc. nicht aber nn, mm, pp. tt.
kk, ſondern ran, ronne; nek, nekkes; ſhip, ſhippes. —
3) anlautend kein wechſel zwiſchen f und v oder d
und t; bei inclinationen zuweilen t für th, als hêrandtêr
(Weber 2, 18.) f. hêre and thêre, vergleichbar dem nie-
derl. harentare f. haer end daer.


(L. M. N. R.) liquidae.

Die niederl. verweichung des 1 in den vocal hat
keine ſtatt, man hüte ſich wôde (lignum) dem niederl.
woud (ſilva) zu vergleichen; erſteres iſt das angelſ. vudu,
alth. witu, letzteres das angelſ. vëald, alth. wald. —
Merkwürdig, daß die angelſ. umſetzung des r allmählig
wieder ausſtirbt, es heißt gras (gramen) brinie (thorax)
rin, ran, yronne etc. nicht gars, birne, irne. Doch
Ritſ. 2, 139. finde ich yorne:horne, ferner kërs (naſtur-
tium) f. krëſſe und ſonſt allgemein bird f. bryd, ſo wie
bërne, barn, yborne (ardere).


[513]I. mittelengliſche conſonanten. labiales.
(P. B. F. V. W.) labiales.

Ein laut mehr, als im angelſ., nämlich v, ſchon
durch die einführung vieler roman. wörter veranlaßt,
deren v (vertue, venerie, veine, viſage etc.) nicht den
laut der ſächſ. ſpirans bekam, für welche es alſo ein
dopp. v oder w zu ſchreiben nöthig wurde *). Man
kann vermuthen, daß ſich vaine (vanus) und waine
(currus) damahls in der ausſprache ebenſo unterſchie-
den, wie im neuengl. d. h. erſteres lautet einem hochd,
w, letzteres einem hochd. u gleich und jenes iſt durch-
aus kein hochd. v = f. Für den anlaut herrſcht alſo
kein bedenken; auch für den auslaut nicht, da ſich in
ihm nur w und niemahls v zeigt. Inlautend aber be-
gegnen ſich zweierlei v, ein romaniſches z. b. in vîve
(vivax) vîvary (vivarium) contrôve (fingere) dîvers (di-
verſus) etc. dem ſächſiſchen, welches ſeinerſeits dem
älteren f. entſpricht in fällen, wo das altſ. und alth.
bh. und v gelten (vgl. oben ſ. 247.) namentlich wird
das ausl. f. inlautend zu dieſem v. Beiſpiele: lêf (fo-
lium) mit ſtummen e lêve, pl. lêves; hêved (caput);
calf, calve, pl. calves (vitulus); wîf, pl. wìves (femi-
na); êven (veſpera, angelſ. æfen) êven (aequalis, an-
gelſ. ëfen) ſtêven (clamor, vox) glôve (chirotheca angelſ.
glôfa) dôve (columba) etc. Ich weiß nicht, ob ſchon
jetzt wie im neuengl. manche wörter vor dieſem inlau-
tenden v. den vocal kürzen, unerachtet ſtummes e
folgt? vgl. yive (dare, angelſ. gifan) live (vivere, lifan)
ëver, nëver (æfre, næfre) ſëven (ſëofon) hëven (hëofon)
u. a. m. Die analogie fordert im mittelengl. lieber ein
langes yîve, lîve, êver; auch reimt z. b. lêve (vivo):
êve (veſper). — Die eigentliche ſpirans w. ſteht inlau-
tend nur vor ſtummen vocal (einige ſchreiben ſie auch
vor conſ. ſowle, hawke, rownd, downe, kowth; beßer
ſoule, hauke, round, doune, kouth); der vorangehende
wurzelvocal iſt entw. a oder o oder e und dieſe drei
ſchwanken. Dieſes w kommt auch auslautend vor, wo-
fern nicht ein ſtummes e dazu geſchrieben iſt. Beiſpiele:
law (lex) daw (mos) ſaw (vidit) ſaw (narratio) raw (li-
K k
[514]I. mittelengliſche conſonanten. labial. lingual.
nea, ordo) plawe (ludere) law (humilis) knaw (novisse)
felawes (ſocii) dawes (dies, pl.) now (jam) ſnow (nix)
ynowe (multi) throwe (tempus, intervallum) blowe
(flare) rowe (remigare) fewe (pauci) newe (novus) trewe
(fidus) knewe (novit) blewe (flavit) ſhewe (oſtendere)
n. a. m. Für knaw, raw, law ſteht aber ebenwohl
know, row, low oder für blow, blaw; ſeltner blow für
blew; alles aus der unſicherheit der einfachen a, o, e
leicht erklärlich. Ob aw, ow wie au oder âw, ôw (d. i.
beinahe âh, ôh, â, ô) ausgeſprochen wurden und ew
wie iu oder eu? läßt ſich kaum beſtimmen. Offenbar
ſtammen viele dieſer w aus früherem g. vgl. law (lex;
angelſ, lage) ſaw (loquela, ſage) dawes (angelſ. dagas)
throwe (angelſ. þrage) foule, fowl (angelſ. fugel) etc.
neben ynowe ſteht das adv. ynough, neben dawes der
ſing. dai (angelſ. däg). — Die übrigen lippenlaute erge-
ben ſich leicht nach dem angelſ. und neuengl.; man
ſammle ſich aus den gloſſaren die anlaute wl. wr und
wh (welches dem angelſ. hv gleich).


(T. D. TH. S.) linguales.

In der aſp. kein unterſchied mehr zwiſchen dh und
th, ſondern letzteres überall stehend, auch aufgelöſt
geſchrieben ſtatt des alten zeichens þ, welches jedoch
noch einzelne hſſ. beibehalten *). Der organ. unter-
ſchied zwiſchen d und th. wird meiſtens beachtet, am
genauſten im anlaut; die in- und auslaute haben zu-
weilen d ſtatt th, welches man nach den ſ. 252. 253. ge-
gebenen regeln beurtheile. Die vermiſchung iſt zwar
weiter vorgeſchritten als im angelſ. aber nicht ſo weit,
als im neuengl., z. b. brôther, ôther ſind noch richtig
geſchieden von fâder, môder, wogegen neuengl. beide
letztere unorganiſch father, mother lauten. — Bemer-
kenswerth iſt die auflöſung des th. in die ſpirans ſ. im
auslaut der flexionsendung der tert. sing. ind. (nicht aber
des plur.). Neben hâth (babet) yîveth (dat) wôneth (ha-
bitat) mâketh (facit) tâketh (aufert) etc. heißt es ſchon
in denkmählern des 13. jahrh. hâs, yîves, wônes,
mâkes, tâkes vgl. den reim biſêkes: chêkes Ritſ. 1, 66.
und flês (fugit) ſês (videt): lês Triſtr. 174. Bei weiterer
ſyncope des wurzelconſ. pflegt noch ein ſtummes e zu-
[515]I. mittelengliſche conſonanten. gutturales.
zutreten, ſo daß namentlich hâſe (habet) tâſe (aufert)
ſlâſe (ferit) mâſe (facit) gâſe (it) auf die praet. râſe (ſur-
rexit) wâſe (fuit) reimen, oder gôſe (it) auf lôſe (laus)
fôſe (inimici) vgl. Ritſ. 1, 7. 30. 36. 44. 66. 80. 107. 113.
Weber 3, 123. 128. 130 etc. Chaucer, wenn ich nicht
irre, meidet ſolche reime, ſetzt auch gewöhnlich -eth,
kein -es, indeſſen beſtätigt der im neuengl. durchge-
führte übergang dieſes -eth in -es die verwandtſchaft
der laute th und ſ. (vgl. die zweite ſchlußbem.). — z
kommt nur ſehr ſelten in romaniſchen wörtern vor, z. b.
lâzar (leproſus) bâzard (caſus) dûzein (neuengl. dozen)
und bat dann den ſ. 166. benannten buzzing ſound. Im
neuengl. gibt man ihn unorganiſch einigen wörtern,
z. b. hazel (corylus), die mittelengl. ein reines ſ. haben.


(C. K G. CH. J. H. Q. X) gutturales.

Ich handle hier bloß von dem kehllaut der ſächſ.,
nicht dem der franzöſ. wörter. — (K. C) ſteht vor a, o,
u, â, ô, l, n, r mit dem gewöhnlichen laut, nicht vor
ë, i, ê, î, wo es ſich in ch (ausgeſpr. ſch oder tſch?)
wandelt. Auszunehmen ſind diejenigen i und î, e und
ê, welche aus umgelautetem o, u, û, a und ô ſtam-
men; ſie behalten den reinen laut der ten., werden aber
mit k, nicht e geſchrieben, z. b. king (rex) kiſſe (oſcu-
lari) kembe (pectere) kenne (noſcere) kêne (audax) etc.
ferner die aus angelſ. cve, cvi entſpringenden ke, ki,
zwiſchen denen im grunde auch ein (ausgeworfenes)
u liegt, als kell, kill (occidere) kîthe (nuntiare). Ohne
einſicht in dieſe ausnahmen würde die verwandlung des
k in ch willkürlich eingeführt ſcheinen, was ſie ſchwer-
lich iſt; man unterſcheidet z. b. chêpe (emere) und
kêpe (ſervare) chîld (infans) und killed (occiſus) vgl.
mit dem angelſ. ceápan und cêpan, cild und acvelled.
Einige wörter widerſprechen indeſſen: chirche, chërche
(eccleſia) aus cyrice und chiken (pullus gall.) welches
von coc (gallus) herſtammt, folglich angelſ. cycen lau-
ten ſollte, gleichwohl durchaus cicen geſchrieben wird,
ſo daß ſich in ihm der y-laut, als man noch den i-
laut davon unterſchied, frühe verdunkelt haben mag.
Die ſpätere ſprache nahm alſo chicken f. kicken, ne-
ben cok an. — Das inlautende k. wird häufig ſynco-
piert, vgl. tâſe, mâſe, tâne (:ſtâne reimig) mâde f. tâ-
kes, mâkes, tâken, mâkede. — (G) die graphiſche ähn-
lichkeit dieſes buchſtaben in hſſ. mit dem Ʒ hat man
ungeſchickt zuweilen in abdrücken durch z wiederge-
geben (vgl. Scotts gloſſ. zum Triſtr. unter z); die laute
K k 2
[516]I. mittelengliſche conſonanten. gutturales.
g und z berühren ſich gar nicht; g hat völlig den laut
der reinen med., ſchwankt aber in manchen wörtern
theils in den voc. i und halbvoc. y (= j) theils in w
(wovon vorhin). — (CH) vertritt bisweilen das k vor ë,
ê, i, î, ſcheint aber dann die ausſprache ſch oder tſch
zu bekommen; cch in cacche, wacche etc. mag unbe-
zweifelt wie tſch. lauten, wie aber ch in michel, mo-
chel. moche, muche? da das neuengl. ſelbſt zwiſchen
mickle und much ſchwankt; vom ſch. ſtatt ſh und ſc
hernach beim h. (J. Y.) für j wird y. geſchrieben. deſ-
ſen berührung mit g. ſchon aus dem angelſ. erhellt. Es
ſtehet 1) = hochd. j. in yêre (annus) yâ (immo) ying
(juvenis) 2) = hochd. g. in yîve (dare) yift (donum)
yaf (dedit) yôven (dabant) yëlde (expendere) yëſter
(heri) yâte (oſtium, porta, verſchieden von gâte, via, je-
nes altnord. gâtt, dieſes gata, hochd. gaƷƷe) yême (cu-
rare). 3) = hochd. vocalanlaut in yê (vos) you (vobis)
yôde (ivit). In den beiden erſten fällen ſchreibt der An-
gelſachſe gëar, gëong, gifan, gëaldan; im dritten gë
(vos) ëóv (vobis) ëôda (ivit). Die angelſ. vorpartikel gë-
wird gleichfalls durch y- gegeben, als yronne (gerun-
nen) ygrâve (gegraben) etc., hier lautet es ganz voca-
liſch, wie kurzes i. 4) auslautend ſchreibt man beßer
i als y, in day (dies) kay (clavis) und noch vielmehr in-
lautend in thyng (res) yyng (juvenis). — (H) von klei-
nerem umfang, als früherhin. Theils gilt ſtatt der an-
laute hl. hn. hr. bloßes l. n. r. für hv jedoch das um-
geſetzte wh (ähnlich dem rh. für hr) wofür der ſchotti-
ſchen mundart die ſchreibung quh eigen ſcheint, z. b.
quhat, quhîle f. what, whîle; theils fällt es in- und
ausl. weg oder wird durch gh und bloßes g ausgedrückt,
z. b. highte (vocabatur) angelſ. hêht, wôgh oder wough
(curvus, iniquus) angelſ. vôh. Dagegen tritt h. verbun-
den mit ſ. in manchen fällen des alten ſc ein, z. b.
ſhall, fiſh, ſhewe, ſelbſt für den reinen ſauſelaut, na-
mentlich in ſhê (illa) angelſ. ſëó; einige gebrauchen
ſch. für ſh. In andern fällen bleibt ſc. beſtehen. Dieſes
ſchwanken zwiſchen ſ. ſc. ſh. ſch. verlangt eine eigne
unterſuchung. — Der gutt. gemination iſt oben ſ. 265.
266. gedacht. Das frühere cv wird nun qu geſchrieben,
z. b. quërte (cuſtodia) quick (vivus) angelſ. cvëartern,
cvic; einige ſind mit ausgeworfnem u in bloßes k über-
gegangen (nie in ch.) x ſowohl das organ. hs als cs,
ja zuweilen ſc, daher z. b. axel (humerus) axe (ſecuris)
axe (poſtulare f. aſke) und die zuläßigkeit von reimen,
[517]I. mittelengliſche conſonanten. gutturales.
wie waxe (cera): axe (ſecuris) die im niederl. was, axe
unthunlich wären (oben ſ. 503. 504.) Die verb. ht und ft
berühren ſich, wie die häufigen reime ſofte, ofte:dohter
(Ritſ. 2, 107. 120.) rightes:yiftes; ſoft, oft:bought, wrought
(Triſtr. 34. 83. 150.) darthun; man findet ſogar dofter (filia)
geſchrieben, ſo daß während im niederl. ft zu cht wer-
den, hier umgekehrt ht in den laut ft übertreten. —


Schlußbemerkungen 1) die vortheilhafte inclination
der partikel ne (ſ. 268.) gilt noch in denſelben fällen,
als: nône (nullus) nôther (neuter) nis (non eſt) nâs (non
fuit) nêre (niſi fuerit) nâth (non habet) nadde (non ha-
buit) nill (non vult) nolde (noluit) nâte, nôte (neſcit)
niſte (neſcivit). Unangelſ. hingegen iſt die anlehnung
des pron. î (ego), wobei deren abgeſtoßener kehllaut
wieder erſcheint: ichâm (ſum) ichave (habeo) ichille,
ichulle (volo). Die hier dem ch gebührende ausſprache
wage ich kaum zu beſtimmen, gewiß war ſie nicht tſch,
eher c-h; ſeltner findet man ich alleinſtehend für î
(ego). — 2) die reime ſind in abſicht auf conſonanten
bei dem auch hierin ausgezeichneten Chaucer ſehr ge-
nau, andere dichter zumahl die älteſten verſtatten ſich
wohl n:m (Ritſ. 2, 124.) oder verſchiedene ten. z. b.
grîpe:ſmîte, fleoten:weopen, brêke:gête (Ritſ. 2, 93. 97.
Triſtr. 177.) und aſp. blîthe:olîve (Ritſ. 2, 106.) knâve:
bâthe (Web. 3, 256.); von ht:ft war vorhin die rede;
wôt:maidenhôd (Weber 3, 19.) ſcheint fehlerhaft, rîſe:
lîthe, ſwîthe (Triſtr. 43.) aber aus der vorhin bemerkten
verwandtſchaft zwiſchen ſ und th erklärlich. — 3) cha-
racteriſtik der mundarten, namentlich der ſchottiſchen
und engliſchen hängt von näherem ſtudium ſicherer quel-
len, zuſ. gehalten mit der heutigen volksſprache ab. — *)


Neuhochdeutſche buchſtaben.


Bei überſicht der heutigen lautverhältniſſe iſt mehr
an wichtigen, allgemeinen veränderungen, als an ein-
zelner ausführung, die, der reichhaltigkeit des ſtoffs
wegen, zu weit führen würde, gelegen. Auf das feld
der volksmundarten wage ich mich gar nicht; die ab-
weichungen von den buchſtaben der ſchriftſprache ſind
[518]I. neuhochdeutſche vocale.
hier ſo mannigfalt, verwickelt und ſchlüpfrig, daß es
ſchon vieler anſtalten bedarf, um über die natur eines
einzelnen volksdialectes ins klare zu kommen. ge-
ſchweige mehrerer und aller. Jede gemeine volksmund-
art, wie mir ſcheint, gewährt eine doppelte ſeite, die
bei der buchſtabenlehre beſonders einleuchten. Sie ſteht
über der gebildeten ſchriftſprache durch ihre lebendig-
keit und ungezwungenheit, ſelbſt in fehlerhaften bleibt
ſie natürlich; tief unter der ſchriftſprache durch ihre
rohheit, d. h. den mangel an bewußtſeyn und haltung.
Im einzelnen kann die volksſprache weniger verloren
haben, als die gebildete ſchriftſprache; dafür hat ſie nie
gleich dieſer etwas im ganzen gewonnen. Der gang
der ſchriftſprache läßt ſich periodiſch verfolgen; in der
mundart des volks verſinkt einzelnes beinahe unver-
merkt und was ſie zu beſitzen fortfährt iſt ungleich
oder unvollſtändig vgl. ſ. 451. 452. Erſt wenn die ge-
ſchichte der buchſtaben nach den denkmählern der
ſchriftſprache ergründet ſeyn wird, können lücken ver-
ſchiedener zeitalter durch trümmer ergänzt und erläutert
werden, die in den lebenden dialecten des volks fort-
dauern.


Neuhochdeutſche vocale.


Das org. verhältnis der längen und kürzen (in be-
tonten ſilben) hat ſich nach und nach aufgelöſt. Kurzer
vocal gilt nur noch 1) vor geminiertem conſ., welcher
in der regel in- und auslautend geſchrieben wird, z. b.
mann (vir) mannes, ſinn (ſenſus) ſinnes, krumm (cur-
vus) krummes. Zuweilen auslautend der einfache, als:
man (imperſ.) in (praep.) um (praep.) 2) vor conſ. ver-
bindungen, als: hand (manus) welt (mundus) kind (in-
fans) wort (verbum) jung (juv.) mit ausnahme verſchie-
dener, in denen ſich das gefühl vorgefallener ſyncope
lebendig erhalten hat, z. b. bârt, pfêrd (gleichſam ſt.
bâret, pfèred) etc. Um ſo vielmehr in wârt (curat) êrt
(honorat) ſt. wâret, êret Langer hingegen 1) organiſch.
2) unorganiſch vor jedem einfachen conſ., die wenigen
fälle abgerechnet, wo auslautende gemination ungeſchrie-
ben bleibt. Den beweis der organ. länge liefert die ge-
ſchichte, den der unorg. aber der reim, theils auf org.
lange wörter, theils der klingende reim an ſich; unzu-
reichend die ſchreibung. Nämlich in bezeichnung bei-
der längen hat ſich die ſchreibung viele misbräuche an-
gewöhnt α) die länge der diphth. au, ei, eu, ie iſt an
[519]I. neuhochdeutſche vocale.
fich klar und bedarf keines zeichens. Der bloße ge-
dehnte laut aber wird β) zuweilen gar nicht bezeichnet,
z. b. in kam (venit) kamen (venerunt) ſpan (feſtuca) las
(legebat) war (fuit) waren (fuerunt) zwar (mittelh. ze wàre)
von (praep.) hut (pileus), zuweilen ausgedrückt bald γ)
durch äußere doppelung, als: haar (crinis) meer (mare)
moos (muſcus); kein ii, uu, weil die organiſchen î, û
in ei, au übergegangen ſind, verlängerte organiſchkurze
i, u aber theils früher zu ë, o geworden waren, theils
anders bezeichnet werden, namentlich î durch ie (wo-
von unter ε); bald δ) durch eingeſchobnes h, als: hahn
(gallus) wahr (neben jenem zwar!) ſehnen ihm (ei) lohn.
huhn (gallina); endlich wird ε) das gedehnte i eigens
durch ein nachgeſchobenes e, alſo durch verwandlung in
den diphth. ie dargeſtellt: wieder (rurſus) viel (multus)
ziemen (decere) glied (membr.) mieden (vitabant). — Es
hat in den letzten jahrh. nicht an verſuchen gefehlt,
eine ſo ſchwankende orthographie zu berichtigen. Ei-
nige wollten das eingerückte h und e überall verbannen,
ſchrieben folglich lon (merces) vil (multus) etc. begien-
gen aber den fehler, auch das organiſche h und ie zu
beeinträchtigen, indem ſie z. b. zen (decem) fil (cecidit)
annahmen. Und obgleich in vielen wörtern (β) die deh-
nung allerdings unangedeutet iſt, daher han (gallus) be-
handelt werden dürfte wie kam (venit); ſo leiſtet die,
wenn ſchon inconſequente, bezeichnung der länge man-
chen nutzen, dem zu gefallen das beibehaltene hahn
und haar umgedreht die einführung eines kahm oder
kaam (venit) hätte anrathen können. Nur durch die
zwei nebeneinanderſtehenden buchſtaben ah, aa, eh,
ee etc. wird die ſchrift ſchwerfällig und ſchleppend.
Weniger um etwas neues vorzuſchlagen oder gar durch-
zuſetzen, bediene ich mich für die bequemlichkeit mei-
ner grammatiſchen aufſtellung der gewohnten längezei-
chen â, ê, î, ô, û in allen neuh. lautverhältniſſen,
ſchreibe folglich der ausſprache gemäß: kâm, hâr, bân,
lêben, wîder, davon die kurzen in kamm (pecten)
harren (exſpectare) manne (viro) widder (vervex) unter-
ſcheidend. Veränderung üblicher wortſchreibung führt
etwas gewaltſames und ſtörendes mit ſich; niemand be-
helligt ſich gern mit kleinigkeiten. Beim ſtudium der
grammatik erſcheinen aber die buchſtaben bedeutend
und zweckloſe misbräuche ärgern. Zwecklos nenne ich
eine ſchreibung, welche weder hinreichenden hiſt. grund
hat noch die ausſprache mehr als halb trifft. Die reime
[520]I. neuhochdeutſche vocale.
unſerer genauſten dichter (ſo viel ungenaue auch die
größten neueren verſchulden) lehren keinen unterſchied
zwiſchen haaren (crinibus) waren (erant) fahren (pro-
ficiſci) wahren (veris), zwiſchen bienen (apibus) ihnen
(eis) dienen (ſervire); warum wäre es ungenau zu ſchrei-
ben bâren, wâren, fâren, wâren, înen, bînen? ja ſelbſt
dînen, wie gût für guot? Die vermuthung, daß aa
und ah eine ſtärkere wenigſtens andere dehnung, als das
unbezeichnete a bedeute, läßt ſich nur faßen und ſo-
gleich wieder aufgeben. Entſprach haar dem mittelh.
hâr, ſee dem mittelh. ſê; ſo muſte auch klaar, waar
(verus) ſeer (valde) und nicht ſchaar (agmen) heer (exer-
citus) ſtehn. Und ſoll mehr (magis) ehre (honor) ſtär-
ker dehnen, als meer (mare) beere (bacca); ſo verdien-
ten ſchnee (nix) ſeele (anima) tadel. Das ie für i hat
hiſtoriſchen anlaß (oben ſ. 106. 351.) nur, indem man ſie-
het (videt) gier (cupido) einführte, ſchrieb man kein
dier (tibi) ier (vos) ſondern jenes dir, dieſes ihr, da
doch dir:ihr:bier (cereviſia) reimen. In verſchiedenen
wörtern herrſcht völlig ſchwankender ſchreibgebrauch,
z. b. in namen (nomen) ſamen (ſemen) einmal (ſemel)
wofür häufig nahmen, ſaamen, einmahl; eine weiſe iſt
hier gut und ſchlecht, wie die andere. Der fall β. (die un-
bezeichnung der dehnung) gründet ſich offenbar auf die
alte kürze, da aber dieſe einmahl verſcherzt iſt, darf
die ſchreibung der heutigen ausſprache folgen. Durch
den verluſt ſo vieler kürzen hat die ſprache inneren
ſchaden genommen, der den wirrwarr der orthographie
noch bei weitem überwiegt. Unzählige mittelh. unter-
ſcheidungen zwiſchen namen (nomen) nâmen (ſumebant)
wagen (currum) wâgen (audere) etc. ſind vernichtet.
Und welche auffallende mishandlung des urſprünglich
gleichen vocals in nahe nebeneinander ſtehenden for-
men? das alth. nimu, nimis, nimit lautet gegenwärtig
nême, nimmſt, nimmt, weil in der 2ten und 3ten perſ.
unorg. gem., in der 1ten unorg. dehnung ſich geltend
machten. Das alth. zimu, zimis, zimit aber lautet wie-
der anders, nämlich zîme, zîmeſt, zîmet. Hier ſind
fugen verletzt worden, die mit dem wahren leben und
vermögen unſerer ſprache mehr als man glauben ſollte
zuſ. hängen. — Dies vorausgeſtellt kann ich die abhand.
lung der einzelnen vocale kürzer faßen.


(A) beiſpiele: fall (caſus) ſtamm (truncus) wannen
(unde) narr (ſtultus) hand (manus) arg (malus) wald
(ſilva) aſt (ramus).


[521]I. neuhochdeutſche vocale.

(E) kein unterſchied mehr zwiſchen e und ë merk-
bar, weil vor gem. das org. i meiſt bleibt und in ver-
bindungen wie ſterben, ſchmelzen der laut dem in erben
gleichkommt. Andere beiſpiele: ende (finis) wenden
(vertere) berg (mons) ſchweſter (ſoror) wetter (tempeſtas)
vetter (patruelis) brennen (ardere und urere). Vom ver-
hältnis zu ä nachher.


(I) wie im mittelh.


(O) beiſp. voll (plenus) kommen (venire) gold (au-
rum) hort (theſ.) greift in einigen ablauten ſtatt u wei-
ter um ſich als im mittelh. z. b. geronnen, mittelh.
gerunnen, nicht aber gefonden etc. Dieſem geronnen,
geſponnen wäre freilich der inf. rennen, ſpennen analog,
hier bleibt jedoch i, außer in brennen (f. brinnen).


(U) brummen (rugire) jung (juv.) burg (arx) etc.


(Y) wird willkürlich in verſchiedenen wörtern ge-
ſetzt, ganz mit dem laute des i, z. b. in ſeyn (eſſe) zum
unterſchiede von ſein (ſuus). Eigentlich findet es ſich
nur verbunden mit a und e, alſo in den diphth. ay,
ey = ai, ei, nie für ſich ſtehend. Von dem y in frem-
den wörtern iſt hier keine rede.


(AA) 1) organiſch in jâr (annus) wâr (verus) hâr
(crinis) und den meiſten, die im mittelh. â haben; aus-
zunehmen ſind einzelne α) geminierende, z. b. jammer
(planctus) wohin auch laßen (ſinere) zu zählen. β) in ô
übergehende, namentlich wô (ubi) mônd (luna) mônat
(menſis) ône (ſine); neben âthem gilt ôthem, ôdem (ſpir.)
als alterthümliche, edlere form; volksdialectiſch noch
mehrere: ſtrôfen (punire) ôbed (veſper) jôr (annus); hier-
aus iſt nichts gegen die ausſprache des reinen â in den
übrigen zu folgern. — 2) unorganiſch in nâm (cepit)
gewâren (animadvertere) ſpâren (parcere) hâſe (lepus)
und unzähligen andern.


(EE) 1) organiſch in ſêr (valde) mêr (magis) ſêle
(anima) etc. 2) unorganiſch in wêren (defendere) hêr
(exerc.) ſpêr (haſta) nêmen (ſumere) etc. hier fallen kur-
zes e und ë der frühern zeit zuſammen. 3) fehlerhaft
für æ in ſchwêr (gravis) lêr (vacuus).


(II) nie organiſch, d. h. dem mittelh. î entſprecheud,
unorganiſch aber häufig (mit der ſchreibung ie) z. b. in
vîh (pecus) ſîht (videt) gîbt (dat, woneben andere gibt,
d. h. ohne gefühl der ſyncope des unbetonten e) wîſe
(pratum) în (eum) etc. vgl. unten ie.


(OO) 1) organiſch in lôn (merces) ôr (auris) rôt
(ruber) etc. 2) unorganiſch in ſôn (filius) vôn (praep.)
[522]I. neuhochdeutſche vocale.
wônen (habitare) gebôt (mandatum) etc. 3) einigemahl
für â. wovon oben.


(UU) 1) nicht dem mittelh. û (welches jetzt au) pa-
rallel, ſondern dem uo, vgl. gût (bonus) blûme (flos)
fûr (ivit) ſchnûr (funis) thûn (agere), alſo wenigſtens
organiſche länge. 2) unorganiſch ſt. des mittelh. kurzen
u nur vor g, alſo in wenig wörtern namentlich zûg
(tractus) flûg (volatus) tûgend. jûgend.


(AE) zweierlei art, zuweilen kurz (ä), gewöhnlich
lang (æ), beides in berührung mit e und ê. Nämlich,
wo man den umlaut des a und â nicht mehr fühlte,
ließ man e, namentlich in enge (anguſtus) engel (ange-
lus) ende (finis) wenden (vertere) etc. und ſo werden
die vorhin angeführten ſchwêr und lêr zu erläutern ſeyn.
Wo man ihn fühlte, d. h. wo in naheliegenden flexio[n]en
noch a und â daneben eintraten, wurde die bezeich-
nung aͤ gebraucht (natürlich ohne unterſchied der kürze
und länge, die ich hier durch ä, æ ausdrücke). Alſo in
mit enge, ende, wenden urſprünglich völlig gleichen
fällen ſchrieb man länge (longitudo) hände (manus)
wände (parietes) und unterſchied berge (abſcondat) von
bärge (abſconderet) nême (ſumat) von næme (ſumeret),
formen die im mittelh. bërge, bürge, nëme, næme
kräftiger geſchieden waren. æ iſt jedesmahl anzunehmen,
wenn das mittelh. e nach der allg. regel unorganiſch
verlängert werden müſte, alſo z. b. in zæne (dentes)
zæmen (domare) glæſern (vitreus) etc. ſodann da, wo
es dem org. mittelh. æ antwortet, als læſen (legerent)
wænen (opinari) mære (fabula) etc. Die ausſprache an-
langend, ſo fällt ä ziemlich mit e zuſammen (vgl.
ſchätzen mit ſetzen) und könnte als zeichen entbehrt
werden; æ aber unterſcheidet ſich merklich von ê, z. b.
ſpêren (cuſpidibus) wêren (defendere) reimt ſchlecht
auf mæren (fabulis) wæren (forent). Hier ſind auch einige
anomalien eingeführt, bær (urſus) gewæren (concedere) etc.
ſollten den laut ê ſtatt ihres æ haben.


(OE) wiederum ö und œ; erſteres z. b. in götter
(dii) dörner (ſpinae) bewölkt (nubilus); letzteres in hœ-
ren (audire) ſchœne (pulcher) organiſch, in ſœne (filii)
bœten (offerrent) unorganiſch.


(UE) desgleichen ü und uͤ; in den beiſpielen füllen
(implere) fünde (inventa) guͤte (bonitas) ſuͤne (expiatio)
fluͤge (volatus) wie die vorigen umlaute zu beurtheilen.


(AI) nur in einigen fremden benennungen. als:
kaiſer (caeſar) mai (majus); auflöſung des kehllauts ag
[523]I. neuhochdeutſche vocale.
in main (moenus) hain (hagen); fehlerhaft ſcheint ei in
vertheidigen ſt. thaidigen, d. h. tagedingen, aber der
übergang geſchah ſchon im mittelh. und ei wurde wie
in reinhart unverſtanden beibehalten (ſ. 426.).


(AU) häufiger diphth. in welchem ſich zweierlei
org. laute nachtheilig miſchen. 1) au = mittelh. û, in
haus (domus) raunen (ſuſurrare) mauer (murus) etc. 2)
au = mittelh. ou in taub (ſurdus) baum (arbor) etc.
Die vermengung des û und ou begann ſchon im mit-
telh., heutzutage unterſcheidet die gebildete ausſprache
nicht mehr zwiſchen beiden lauten (unthunlich wäre,
nach einigen gemeinen volksdialecten, das erſte au durch
, das zweite durch àu zu bezeichnen) d. h. kaum
(vix) reimt untadelhaft auf baum (arbor) oder ſchaum
(ſpuma) auf traum (ſomnium).


(EI) ganz analoge vereinigung 1) des mittelh. î in
mein (meus) eis (glacies) fleiß (dilig.) etc. und 2) des
mittelh. ei in klein (parvus) reiſe (iter) ſchweiß (ſu-
dor) etc. Aus gleichem grunde die zurückführung der
alten unterſcheidung (etwa durch accentnierung meín
und kein) aufzugeben, und die vermiſchte ausſprache
in den reimen der genauſten dichter bewährt, leim (glu-
ten):heim (domi); eile (feſt.):teile (parte).


(EU) = mittelh. iu, vgl. neu (novus) treue (fides)
leute (homines) heute (hodie) ſeule (columna) etc. ver-
hält ſich zu dem gleichfolgenden äu wie e zu ä.
Ganz tadelhaft ſchreiben einige eu für ei in reuter (eques).


(AEU) äu (nicht aü) umlaut des au und zwar bei-
der arten deſſelben, z. b. mäuſe (mures) und bäume (ar-
bores). Wo man den umlaut nicht mehr fühlte wurde
die ſchreibung eu gewählt vgl. keuſch (caſtus) grcuel
(horror) mittelh. mit iu; heu (foenum) freude (gaud.)
mittelh. œi.


(IE) 1) organiſch wie im mittelh. als: dieb (fur) die-
nen (ſervire) etc. wohin auch die ſchon im mittelh. gül-
tige endung ie romaniſcher wörter (revier, turnier, re-
gieren); verſchiedene ie in conſ. verbindungen hat man
ſchwankend gekürzt, vgl. ging (ivit) fing (cepit) f. gieng,
hieng, nicht aber hilt f. hielt. 2) unorganiſch für kur-
zes i in wieder (rurſus) giebt (dat) wieſe (pratum) etc.
In dieſem falle ſetze ich (grammatiſch) î, welches man
auch für das erſte ie brauchen, d. h. dîb (fur) lîbe (amor)
ſchreiben könnte, wie gût, rûm (mittelh. guot, ruom).


Schtußbemerkungen. 1) das verkennen der alten
kürzen und der unterſcheidungen î, ei, û, au, hat em-
[524]I. neuhochdeutſche conſonanten. liquidae.
pfindlichen nachtheil gebracht; ſo z. b. iſt der org. ab-
laut mîden, meit, miten; ſtrîten, ſtreit, ſtriten theils
zu meiden, mied, mieden, theils zu ſtreiten, ſtritt, ſtrit-
ten geworden. — 2) dichter erlauben ſich ungenaue
reime, z. b. nennen:können (aus künnen) gêgen:mœ-
gen; willen:füllen; hütte:tritte; ſchützen:ſitzen etc.
die zwar der heutigen ausſprache noch widerſtehn, all-
mählig aber ſie untergraben und die lautverwirrung ver-
mehren helfen. Einzelnes falſche iſt in ſchrift und aus-
ſprache bereits durchgegangen, z. b. ereignen (evenire). —
3) unhiſtoriſche grammatiker haben nach zufälliger, äuße-
rer wortunterſcheidung geſtrebt, z. b. wider (contra)
von wieder (rurſus), ſeyn (eſſe) von ſein (ſuus) namen
(nomen) nahmen (ceperunt), womit für das auge weni-
ges, für das ohr nichts ausgerichtet wird. Geringer er-
ſatz für die menge unwiederherſtellbares. — 4) umlaute
gelten und zwar a in ä, o in ö, u in ü, â in æ, ô in
œ, û in uͤ, au in äu.


Neuhochdeutſche conſonanten.


Hier hat ſich in vergleich mit der vorigen periode
wenigeres geändert. Es hört 1) alles ſchwanken zwi-
ſchen an- in- auslautender ten. med. und aſp. auf, der
einmahl im wort angenommene laut bleibt darin feſt,
z. b. gâb, gâben (mittelh. gap, gâben) tâg, tâges (tac,
tages) wolf, wolfes (wolf, wolves) entgelten (entkëlten);
bloß in empfinden, empfangen etc. hat ſich pf ſtatt f.
erhalten. Die med. iſt demnach häufiger, die ten. be-
ſchränkter als im mittelh. 2) im zungenlaut dauert die
ſtrengalth. ten. fort, z. b. trâgen, bâten, bât, niederd.
dragen, bâden, bad; nicht im lippen- und kehllaut, z. b.
bein, gêben, gâb (alth. pein, këpan, kap); geiſt, lîgen,
lâg (alth. keiſt, likan, lak). Durch die ungleichheit die-
ſes grundſatzes gerathen die lautreihen oft in misverhält-
nis. — 3) gemination gilt in der regel auch auslautend;
einige ausnahmen, wie man, in, wurden vorhin ſ. 518.
bemerkt; am unſchlüßigſten dürfte man bei dem ohne-
hin ſeltnen ſſ. ſeyn, zwiſchen ros, gewis und roß, ge-
wiß (nur nicht roß, gewiß). Im ganzen hat die gem.
zugenommen; vgl. hammer, jammer, nimmt, genom-
men, ſitten, geſtritten etc. denen im mittelh. noch einf.
conſ. zuſtand.


(L. M. N. R.) liquidae.

Kein auslautendes n für m (ſ. 386. 387.); einige apo-
copierte r ſind hergeſtellt, namentlich hier (hîc) mêr
[525]I. neuhochdeutſche conſonanten. labiales, ling.
(magis), nicht aber die andern (ſ. 387.); ſtern, fern, nicht
ſterr, ferr (ſ. 390.). In der liq. verbindung gilt ſchilde
(clypeo) milde (mitis) hingegen alten, ſelten, ſchelten etc.
(ſ. 393. 394.) munter, unter, hinter neben den übrigen
nd. (ſ. 394.) und überall winter, mantel, unreime auf
kinder, handel.


(P. B. F. V. W.) labiales.

Des beſondern iſt wenig zu bemerken übrig. f.
ſteht anlautend vor u, ü, û, uͤ, ei, eu, 1, r, ſodann in
fremden wörtern und ausnahmsweiſe in deutſchen ſtatt
v, als: fangen, fieng, befêlen, folgen etc. während man
vâter, ver-, vôr, vîl, voll, vôgel etc. beibehielt. Beßer
ſtünde überall f, zumahl auch das inlautende v ver-
ſtoßen iſt (grâfen, zweifel, wölfe) mit ausnahme des ge-
bliebenen frêvel (flagitium). Das in- und auslautende
w. wird gleichfalls aufgegeben: frau, treu, reue, blau,
blaues, ſêne (nervus) mêl, mêles (far) ſchnê, ſchnêes etc.
Nach l. und r. hat ſich med. eingedrängt: ſchwalbe (hi-
rundo) farbe (color) milbe (tinea) wittib neben witwe
(vidua); in lœwe (leo) mœwe (larus) dauert w. —
Schriebe man das dehnzeichen über jeden langen vocal
z. b. ſchâfen (ovibus) rûfen (vocare) ſo könnte ohne ir-
rung ſchafen (creare) ofen (patens) wie ſchaphen, ophen,
gelten ſt. ſchaffen, offen; einige vereinfachen das zeichen
inlautend bei nachfolgendem conſ. als treffen, trift; hof-
fen, hofnung, conſequenter ſcheint mir trifft, hoff-
nung. — Die lab. verbindung fs (ſ. 407.) hört ganz auf,
man ſagt weſpe, aber fehlerhaft lefze.


(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Auffällt die wiedererſcheinung des im mittelh. längſt
ausgegangnen th. Es läßt ſich aber nicht bergen, daß
ſein gebrauch unorg. und ganz verwerflich ſey. Mit dem
th. Otfrieds und Tat. ſ. 161. 162. (die ſonſt in einigem
zu dem neuh. ſtimmen, worin dieſes vom mittelh. ab-
weicht) hat es ſichtbar gar nichts zu thun, ja ſteht nie
in denſelben wörtern, vielmehr lauter ſolchen, wo O.
media (anl.) oder ten. (in- und ausl.) ſetzt. Es iſt we-
der in ausſprache, noch abkunft eigentlich aſp., ſondern
nichts als baare tenuis, welche man nun ſeit einigen
jahrh. ohne allen grund nicht ſchreibt 1) anlautend in:
thâl, thât, thau (ros) theil, theidigen, theuer, thier,
thôn, thôr, thuͤre, thurm, -thûm, thûn, thræne; wäh-
rend in org. gleichen andern, z. b. tâg, tanne, taube,
teich etc. die ten. ungekränkt haftete. 2) in- und ausl.
z. b. in âthem, râth, miethe, nôth, rôth, mûth, wûth
[526]I. neuhochdeutſche conſonanten. linguales.
werth u. a. m. Vielleicht dachte man den in gemeiner
ausſprache dem d ſich genäherten laut des t hervorzu-
heben. wenn man hinter ihm ein h einſchaltete. Die
wahrſcheinlichere urſache dieſes tadelhaften th. iſt aber,
daß man ein dem wurzelvoc. nachgeſetztes dehnungs-h
misbräuchlich ihm vorſetzte, alſo tuhn, tahl in thun,
thal wandelte; in büchern des 16. 17. jahrh. iſt ganz auf
gleiche weiſe jhar, jheling, jhenen ſt. jahr, jehling,
jehnen (jenen) ghen ſt. gehn, khun ſt kühn, mhü ſt. mühe,
rhu, rhum ſt. ruhe, ruhm entſprungen; mit recht hat
man dergl. jh. gh. kh. mh. rh ſpäter verworfen die
einzelnen th unſchicklich behalten. Auf unterſcheidun-
gen wie hût (pileus) hûth (paſcuum) tôn (ſonus) thôn
(argilla), welche im organiſmus der lautverhältniſſe
unſerer ſprache unbegründet ſcheinen, halte ich nichts;
müßen wir doch thôr (ſtultus) von thôr (porta) un-
unterſchieden laßen (mittelh. tôre und tor). — Die
ſ. 408. unter 1. nachgewieſene anomalie dauert fort
und vermehrt ſich dadurch, daß d und tt wechſeln,
letzteres auch ſelbſt den ſing. praet. einnimmt, vgl.
ſchneiden, ſchnitt, ſchnitten, ebenſo leiden und ſieden,
ſott, ſotten, wogegen meiden:mied, mieden bekommt,
In ſtreiten, reiten, gleiten, bieten iſt zwar kein wech-
ſel der ten. und med. möglich, aber die unnatürliche
gem. der ten. tritt bei den drei erſtgenannten verbis,
nicht bei dem letzten ein. — In den fällen ſ. 408. 2. 3.
bleibt jetzt immer die ten. ohne übergang in med., die
part. deſto iſt unverſtanden fortgeführte formverhärtung.-
Die beiden ſtufen des ziſchlauts beſtehen und zwar z.
unverändert, wie im mittelh. nur daß in- und ausl.
vor kurzem vocal jedesmahl gem. tz. geſchrieben wird:
ſchatz, ſitz, ſchätze, ſitzen, ſetzte. Mit dem Ʒ hat
ſich manches nachtheilige zugetragen: 1) es wird ß. (ſz)
geſchrieben. welches eigentlich die mittelh. gem. ƷƷ
ausdrückt, aber auch fürs einf. Ʒ gilt, z. b. frâß (voca-
vit) mâß (modus) grôß (magnus) iß (ede) daß (quod)
waßer (aqua) laßen (ſinere) eßen (edere) ſtôßen (trudere)
weiß (albus) etc. Man beachte den unorganiſchen wech-
ſel langer und kurzer vocale in denſelben wörtern: eßen,
âß, meßen, màß Seit ß. ale wirkliche gemin. erſchien,
nicht mehr als bloße conſ. verbindung oder aſſibilation
(was es urſprünglich doch war) legte man ihm die wir-
kung aller übrigen gem. nämlich vocalverkürzung bei
und wandelte làƷen, in laßen, gôƷ (fudit) in goß, muoƷ,
mueƷen in muß, müßen, ja nach einiger ausſprachs
[527]I. neuhochdeutſche conſonanten. linguales.
ſogar grœƷer in größer etc. Wo ſich aber die länge be-
hauptete, näherte ſich der ziſch- dem ſauſelaut oder
gieng völlig in ihn auf, d. h. grôß, ſtôßen lauten bei-
nahe wie grôs, ſtôſen und es iſt nichts als die gewöhn-
liche inconſequenz unſerer rechtſchreibung, daß grôß,
ſchôß (gremium) und lôs (ſors) noch verſchieden behan-
delt werden, wiewohl einige mâs (modus) ſchôs (grem.)
etc. zu ſchreiben angefangen haben. 2) im neutralen
kennzeichen iſt das unorg. s. gänzlich eingeführt, der
ausſprache und ſchreibung nach, z. b. gûtes (bonum)
hartes (durum) ês (id) dâs (id) wâs (quid) etc. nur einen
(nichtswerthen, ſogar ſchädlichen) unterſchied zwiſchen
dem pron. dâs und der conj. daß haben wir uns auf-
gedrängt. Es verſchwimmen alſo gûtes (bonum) und
gûtes (boni); und der reim gûtes (bonum):blûtes (ſan-
guinis) macht kein bedenken (mittelh. nicht guoteƷ:
bluotes) *). Noch einige andere einſilbige nehmen das
ſ. an, namentlich aus (ex) lôs (ſors). Endlich 3) haben
ſogar die grammatiker, während ſie die ſchreibung des
ß nach langem voc. (in ſtôß, ſtôßen, weiß, weißen)
vertheidigen, den falſchen ſatz erfunden, daß nach kur-
zem voc. der inlaut ß zu ſſ werde, mithin waſſer (aqua)
feſſel (vinclum) eſſen (edere) laſſen (ſinere) wiſſen
(ſcire) etc. zu ſchreiben ſey, wonach z. b. gewißen
(conſcientia) mit gewiſſen (certum) unorganiſch zuſ. fällt.
Ich verſuche es einmahl, dieſem fehler auszuweichen,
da mir wirklich ſcheint, daß die unterſcheidung miſſen
(carere) gebißen (morſus) maſſe (maſſa) haße (odio)
feinhörigen immer noch angemuthet werden dürfe. Irre
ich (und daß die dichter miſſe:wiße reimen, wie
glücke:blicke iſt mir wohl bekannt) ſo ſollte we-
nigſtens die ſchreibung den alten, guten unterſchied ſo
lange ehren, als ſie noch grôß und blôßen (nudum),
welche auch auf lôs (liber) kôſen (adulari) reimen, bei-
behält. — Die verbindung zw vertritt jetzo drei frühere
anlaute (ſ. 420.) zwerg (nanus) zwerch (obliquus) zwei
(duo). Statt der mittelh. ſl. ſm. ſn. ſw gelten ſchl.
ſchm. ſchn. ſchw. wie ſch. ſchr; dagegen bleiben ſp.
ſpr. ſt. ſtr. in der ſchrift, lauten jedoch ſchp. ſchpr.
ſcht. ſchtr. an, nicht in noch aus. —


[528]I. neuniederländiſche buchſtaben.
(K. G. CH. J. H.) gutturales.

Für die ten. das k-zeichen, c nur in fremden wör-
ter und ck im gebrauch; die med. darf nunmehr auch
auslauten, dichter aber geſtatten ſich noch zuweilen ſang
(cecinit): dank, barg (abſcondidit):ſtark. Vom ſchwan-
ken zwiſchen g und h oben ſ. 427. — Das erſte mittelh.
ch gilt in hoch, noch, doch; nicht in ſâh, geſchâh, lîh,
flôh; — das zweite und dritte gelten ebenſo. Die übri-
gen mittelh. ch hören auf, namentlich herrſcht ten. im
anlaut. — Anlautend beſteht j theils org in jâ, jâgen,
jâr, jæten, jêner, joch, jung, jucken; theils unorg. in
jê (unquam) jetzt (modo) ſt. ie, iezt, deſſen richtigkeit
die landſchaftliche ausſprache î, îzt und immer ſt. iemer
bewährt. Der fehler iſt nicht ſehr alt, Zeſens reim-
anzeiger ordnet ie (unquam) noch richtig unter: die,
ſie. Inlautend kein j mehr, nach langem voc. ſeiner
ſtatt öfters h, als: gluͤhen, bruͤhen, kuͤhe, bluͤhen, blæ-
hen, drêhen, kræhen, næhen, ſæhen, wêhen. — Der
gebrauch und misbrauch des h hat zugenommen 1) org.
ſtecht es wieder in ſâh, geſchâh etc. dann in ſchmæhen,
bæhen und, wie eben bemerkt, für j in bluͤhen etc. auch
für w in rûhe (quies). wogegen es in ſcheuen mit un-
recht verbannt iſt. 2) unorg. als dehnzeichen in un-
zähligen wörtern, als: ſehnen, dehnen, mahnen etc.
wofür ich grammatiſch ſênen, dênen, mânen ſchreibe. —
Für ht, hs durchgängig cht, chs; für ck und gg durch-
gängig ck, denn ſchreibungen wie roggen (ſecale) ſt.
rocken ſind mundartiſch. — qu iſt beibehalten.


Neuniederländiſche buchſtaben.


Man hat zu anfang dieſes jahrh. in Holland den
immer bedenklichen ſchritt gethan, einförmige recht-
ſchreibung entwerfen zu laßen und von ſtaatswegen ein-
zuführen; ſeitdem wird ſie in den meiſten büchern
beobachtet. Einige ſprachgelehrte, mit dieſer feſtſetzung
unzufrieden, kehren ſich wenig daran und folgen ab-
weichenden anſichten. Mir ſcheint, daß die neue (ſie-
genbeekiſche) orthographie grammatiſch ungenüge, weil
ſie ſich zu ſehr (aber auch wieder nicht ſtrenge) an
den alten ſchreibgebrauch hält; ſie iſt weder gelehrt ge-
nug, noch practiſch. Ohne alle anmaßung (wie ich
die neuhochd. übliche ſchreibung mit einer bequemeren
[529]I. neuniederländiſche vocale.
vertauſcht habe) bin ich ſie daher hier zu verlaßen be-
fugt und genöthigt.


Neuniederländiſche vocale.


Die bezeichnung der länge geſchieht ohne zweifel
angemeßener, als im hochd.; man bedient ſich dazu
weder des eingeſchobenen h, noch des dem i angehäng-
ten e, ſondern der gemination, ſchreibt alſo z. b. daad
(factum) een (unus) mijn (d. i. miin, meus) ſchoon
(pulcher) muur (murus) wofür ich wiederum das gleich-
bedeutige dâd, ên, mîn, ſchôn, mûr ſetze. Tadelhaft
iſt nur. daß man dieſe gem. nicht genug braucht und
in vielen wörtern, wo ſie eben ſo wohl vorhanden iſt,
gar nicht ausdrückt, d. h. den einf. vocal anwendet
(wie im neuhochd.). Niederl. dichter unterſcheiden
gleich den hochd. überall klingende und ſtumpfe reime.
Hieraus ergibt ſich unwiderſprechlich, daß jeder org.
kurzgeweſene vocal, auf welchen einf. conſonanz folgt,
lang geworden ſey. Finden wir an derſelben ſtelle z. b.
jagen:vagen, wo in andern ſtrophen doeken:hoeken,
vlieten:genieten reimen, ſo wird man auch jâgen:vâ-
gen zu ſprechen und zu ſchreiben haben. Noch mehr,
die beſten dichter binden weten (ſcire):hêten (vocari)
ontvlogen:ôgen (oculis), tônen (oſtendere):wonen (ha-
bitare), zum klaren erweis, daß ausſprache und ſchrei-
bung wêten, ontvlôgen, wônen fordere. Das hat auch
die im 17. 18. jahrh. herrſchende orthographie häufig,
nur nicht immer, erkannt, ich finde z. b. in Kramers
wörterb. ganz richtig mâken, zâken, wônen etc. aufge-
ſtellt, andern wörtern gibt er ſchwankend länge oder
kürze z. b. jagen und jâgen, wieder in andern folgt er dem
gebrauch und ſchreibt die kürze, z. b. “jâr pl. jaren, nicht
jâren” (warum nicht?) Dies princip, welches urſprüng-
liche kürzen in längen wandelt, iſt gerade das umge-
drehte mittelniederl., wonach kürzen aus längen wurden
(ſ. 468. 470. 471. 472.); dort wurde jaeren (annis) zu
jaren, weil es auf varen reimt, jetzt wird varen zu vâ-
ren, weil es klingend, folglich auf jâren reimt, damahls
reimte nam (cepit):ſtam (ſtirps) jetzo nâm (cepit):
krâm (merx). Das heutige â in jàren iſt bloß zufällige
herſtellung des alten organiſmus, da mit derſelben regel
varen in vâren (ire) verderbt wird. Lange zeit hindurch
erhielt ſich die mittelniederl. kürzung des â, ô etc. in
a, o (bei folgendem einf. conſ. mit ſtummen e) in der
L l
[530]I. neuniederländiſche vocale.
ſchrift, als ſie ſchon in der ausſprache untergraben war.
In dieſer überwog allmählig der entgegengeſetzte grund-
ſatz der vocalverlängerung, wozu ſich die ſchrift unbe-
denklich bequemte, ſobald kein ſtummes e folgte, wes-
halb auch Siegenbeek nâm (nomen) ân (praep.) vêl
(multum) etc. richtig lehrt, unerachtet ein mittelniederl.
nam, an, vel galt. Lehrt er aber zu ſchreiben lezen
(legere) blazen (flare) und daneben ſchônen (pulchrum)
hôgen (altum wênen (plorare) etc. ſo gebricht dieſem
ſyſtem ſelbſt innere folgerichtigkeit. — Die verlängerung
der kurzen vocale iſt übrigens dem gang, welchen die
engliſche und nenhochd. ſprache einſchlagen, völlig ent-
ſprechend, wie in dieſen ſind auch hier die fälle aus-
lautend nicht geſchriebener conſonanzgemination aus-
zunehmen.


(A) org. in vlam (flamma) man (vir) dan (tum) zal
(debet) was (fuit) bannen (bannire) alle (omnes) dapper
(fortis) hand (manus) gaſt (hoſpes) etc. Wird vor den
verbindungen mit r nicht verlängert (wie ſ. 467. 2.) ſon-
dern:arm (brachium) erbarmen (miſereri) hard (durus)
warm (calidus) ſchwankt jedoch bei dergleichen wörtern
in e, welches für die ausſprache des mittelniederl. ae
beweiſt, vgl. werm (calidus) kermen (queri) ontfermen
(miſereri) etc. Umgekehrt organiſches ë in a, als hart
(cor) ſmart (dolor), zuweilen in â, als ſtârt (cauda)
zwârd (enſis) vgl. oben ſ. 469. 470.


(E) beiſpiele: hebben (habere) zeggen (dicere) trek-
ken (trahere) geld. veld. melden. delven (fodere) plen-
gen (fundere) zwerven (vagari) ver (longe) ſter (ſtella)
wet pl. wetten (lex) ſtam (vox) mes (culter) het (id)
met (cum) etc. Von einer unterſcheidung des ë und e
kann nicht mehr die rede ſeyn, weil ſchon im vorigen
zeitraum alle e zu ë geworden und es der ausſprache
nach noch heute ſind. In wenſch (votum) vertritt e ein
org. u. Einige wörter ſchwanken wohl zwiſchen kürze
und länge z. b. beter (= better) und bêter.


(I) beiſpiele: ik (ego) blikken (conſpicere) ridder
(eques) ſchitteren (micare) kim, pl. kimmen (ὁριζων)
min (minus) wil (voluntas) zich (ſe) ding (res) ſchild
(ſcutum) etc. Zuweilen für urſprüngliches ie, als: hing
(pendebat) licht (lux).


(O) beiſpiele: kon (potuit) zon (ſol) vol (plenus)
ſtof (materies) op (praep.) hop (lupulus) jong (juvenis)
ſchonk (donavit) zonde (peccatum) wonder (mirac.) etc.
[531]I. neuniederländiſche vocale.
Überall vertritt es hier das org. u, auch in kon, ſchonk
(wo nämlich der ablaut des pl. in den ſing. drang).


(U) beiſpiele: ſtuk (fruſtum) brug (pons) geluk (for-
tuna) zullen (debent) hun, hunne (pron.) dus (ita) ruſt
(quies) put (puteus) geſtut (nixus) etc.; auszuſprechen
wie hochd. ü oder franzöſ. u.


(Y) gilt in fremden wörtern wie: ſylbe, ſyſtema,
(früher auch in ey, uy ſtatt ei, ui) wird aber häufig
fehlerhaft für ij (welches ich mit î ausdrücke) gebraucht,
namentlich in den auslauten zy (illa) by (apud) my (me)
gy (vos) hy (ille); der laut iſt kein anderer als zî bî etc.
und unterſchiede wie zwiſchen zy (illa) und zij (ſit)
bedeuten wenig.


(AA) 1) org. in jâr (annus) mâr (vero) râd (conſ.)
dwâs (ſtultus) ſlâpen (dormire) blâzen (flare) etc. 2) un-
org. α) wenn der einf. conſ. auslautet, als: dâg (dies)
nâm (nomen) hân (gallus) tâl (ſermo) lâs (legit) etc.
β) wenn noch ein ſtummes e folgt, als nâmen (nomina)
hânen (galli) wâter (aqua).


(EE) 1) organiſch α) = mittelh. ê in zê (mare) ſêr
(valde) êr (honor) β) = mittelh. ei in wêk (mollis)
têken (ſignum) bên (os) ên (unus) têder (tener) klêd
(veſtis) gêſt (ſpir.) etc. in gewiſſen wörtern bleibt ei.
γ) = mittelh. iu in hêden (hodie). — 2) unorg. ſtatt kur-
zes e in bêld (imago) aber nicht mehr hêld ſondern held
(heros), wêk (hebdomas) wêg (via) nêder (infra) lêzen
(legere) brêken (frangere) nêmen (ſumere) gêven (dare)
gêft (dat) lêven (vita) ſchênen (lucebant) etc.


(II) org und dem mittelniederl. î entſprechend, z. b.
lîden (pati) lîk (corpus mort.) mîn (meus) îzer (ferrum)
zwîn (ſus) etc. wird meiſtens ij, zuweilen auch y ge-
ſchrieben. Die heutige ausſprache iſt nicht ganz das
reine (mittelh.) î, ſondern zwiſchen dieſem und ei, wo-
mit es provinzielle ausſprache vollends vermengt (ſo
daß alsdann, wie im neuhochd. ei das frühere î und ei
zuſ. fließen); kein dichter reimt inzwiſchen lîden auf
leiden.


(OO) 1) organ. dem mittelh. ô und ou parallel als:
hôren (audire) lôs (liber) brôd (panis) grôt (magnus)
ſchônen (pulchrum) bôm (arbor) tôm (proles) ſtôf (pul-
vis) hôfd (caput) lôpen (currere) etc. 2) unorg. in zôn
(filius) ſpôr (veſtigium) vôgel (avis) dôr (per) bôg (arcus)
bôde (nuntius) kôren (granum) hôren, hôrn (cornu)
bôrd (margo) wôrd (verbum).


L l 2
[532]I. neuniederländiſche vocale.

(UU) von sehr becſhränktem umfange und nur vor
r und w gebräuchlich, als: vûr (ignis) mûr (murus) ge-
bûr (ruſticus) zûr (acidus) ûr (hora) dûren (durare) ſtûr
(aſper) ſtûren (mittere) glûren (ſpeculari) hûren (locare);
ûw (vobis) dûwen (trudere) hûwen (nubere) lûwen (mi-
teſcere) ſtûwen (comprimere); in allen übrigen fällen
des mittelniederl. û nunmehr zu ui geworden. Die
ausſprache iſt die des hochd. uͤ, daher kein vûr,
mûr auf voer (ivit), kein natûren auf roeren reimen,
und hûr (conductio) von hoer (meretrix) ganz abweicht.
Neben glûren kommt ein gleichbedeutiges loeren vor,
das wohl richtiger lûren zu ſchreiben wäre. Vor w
ſchwankt es in ou, wenigſtens finde ich auch houwen,
ſtouwen geſchrieben.


(AE) jetzt veraltete ſchreibung für â, die man aber
noch in vielen büchern des vorigen jahrh. findet, z. b.
bei TenKate.


(AI) veraltet in hair (crinis) ſt. hâr.


(AU) ſelten und zwar 1) ſtatt des alten al in autâr
(altare) neben altâr. 2) in dauw (ros) benauwt (anxius),
verſchieden von âuw.


(EI) 1) altes ei in beide (ambo) leiden (ducere) eike
(quercus) eigen (proprius) heil (ſalus) klein (parvus) rein
(purus) etc. Zwiſchen ihm und dem ê, das in ganz
analogen fällen ſteht, z. b. klêd (veſtis) ſpêk (radius ro-
tae) ên (unus) gemên (comm.) gilt alſo ein poſitiv durch-
geſetzter unterſchied. Der laut ei ſchwebt zwiſchen ê
und î, das beinahe wie ei ausgeſprochen wird. 2) ſtatt
der kurzen e in einde (finis) peinzen (cogitare), nicht
aber in den analogen wenden, ſchenden; ferner in heir
(exercitus) ſt. hêr (mittelniederl. here) und ebenſo meir
(mare). 3) aus g entſpringend in leidde (poſuit) zeil
(velum) ſeiſſe (ſenſe ſt. ſegenſe).


(EU) dieſer in der vorigen periode noch fehlende
oder nur hin und wieder vorblickende laut iſt nun
ziemlich häufig und gewährt entſchiedne länge; auszu-
ſprechen wie ein neuhochd. œ. Beiſpiele: keulen (co-
lonia) dreunen (ſonare) ſteun (fulcrum) ſteunen (niti)
deur (porta) geur (odor) keuren (eligere) ſcheuren
(rumpi) treuren (mœrere) heup (femur) heuvel (collis)
deugd (virtus) jeugd (juventus) vleugel (ala) reuk (odor)
keuken (culina) ſleutel (clavis) leuteren (lottern, ſchlot-
tern) reutelen (röchelen) neus (naſus) reus (gigas) reu-
zel (roſtrum) etc. Hier ſind mancherlei org. laute zuf.
gemengt, α) das kurze u, oder vielmehr deſſen übertritt
[533]I. neuniederländiſche vocale.
in o, daher ſchwanken zwiſchen der verlängerung in
ô und eu, ich finde ſpôr (veſtig.) und ſpeur, môlen
(mola) und meulen; ein oder das andere hat ſich will-
kürlich feſtgeſetzt. β) das früherhin aus a und ë ent-
wickelte o, als neus, reus. γ) das lange û in ſteu-
nen, treuren, die der analogie nach ſtuinen, trûren ha-
ben ſollten (wie bruin, mûren). vgl. ſchlußb. 4. über
den flandr. dialect. — Zur erklärung dieſes eu nehme
ich an: es iſt ein urſprünglicher umlaut des o, den man
freilich angemeßener mit ö, œ bezeichnet hätte, viel-
leicht ahmte man das franz. eu (jeune, leur) nach; mehr
unten ſchlußbem. 1.


(IE) im ganzen wie in der vorigen periode; der
aus ui (mittelniederl. û) übergetretenen wörter mögen
einige mehr ſeyn oder künftig mehr werden, z. b. für
kuiſch (caſtus) wird ſchon heute kieſch geſchrieben.
Die übergänge in i find dort erwähnt, einige formen
ſchwanken, man ſagt z. b. vriend (amicus) und vrind
(:kind, vrinden:vinden).


(OE) entſpricht dem mittelh. uo und ue oder dem
neuh. û und uͤ. vgl. gloed (fervor) bloed (ſanguis) voet
(pes) bloeme (flos) doemen (judicare) voelen (ſentire)
voeren (ducere) doel (ſcopus) etc. lautet aber wie û,
begegnet alſo der ſchreibung, nicht der ausſprache des
vorhin abgehandelten û. In ou ſchwankt es nicht mehr.


(OU) 1) aus al, ol erwachſen in woud (ſilva) hou-
den (tenere) hout (lignum) etc. 2) in rouw (dolor)
vrouw (fem.) mouw (manica) ſchouwen (contemplari)
verdouwen (digerere) vouwen (plicare) etc.


(UI) dem mittelniederl. û, dem mittelh. û und iu,
dem neuh. au und eu parallel; ſteht vor allen conſ. nur
nicht vor r, wo das unumlautende û bleibt; denn aus
dem umlaut muß dieſer diphth. wiederum erklärt wer-
den (ſ. ſchlußbem.). Beiſpiele: zuil (columna) ruim
(ſpatium) kruim (mica) bruin (fuſcus) huiveren (tremere)
duif (columba) gebruik (uſus) bruid (ſponſa) luid (ſono-
rus) huis (domus) duiſter (obſcurus) etc.


(AAI. OOI. OEI. AAU. EEU. IEU) den ſ. 483. ange-
gebenen triphthongen entſprechend: frâi (pulcher) krâi
(cornix) zwâi (vibratio) mâien (metere) zâien (ſerere)
plôi (plica) ôit (unquam) môi (pulcher) kôi (ſtabulum)
ſtrôien (ſpargere) tôien (ornare) bloeien (florere) boeien
(compedibus vincire) ſpoeien (accelerare) moeien (mo-
lestare) râuw (crudus) kâuwen (manducare) blâuw (coe-
ruleus) flâuw (debilis) êuw (ſeculum) lêuw (leo) lêu-
[534]I. neuniederländiſche vocale.
werk (alauda) hieuw (caecidit) nieuw (novus), letzteres
weder nûw (wie ûw, vobis) noch nuiw (wie ſonſt ui
für hochd. iu). —


Schlußbemerkungen. 1) der umlaut mangelt wie im
vorigen zeitraum, d. h. er dauert nur unverſtanden in
gewiſſen wörtern fort, die er ehmahls belebte, z. b.
in wenden (vertere) menſch (homo) bed (lectus) er-
ſcheint aber im pl. von hand, balg etc. nicht mehr. Da
ſich a und e in dieſem verhältniß nahe liegen, kam
zuweilen e in umlautsunfähige formen, z. b. echter
(poſt) erg (pravus, wofern hier nicht e das alte ae in
aerg ſt. arg?). Aus ähnlichem ſchwanken zwiſchen um-
lautender und unumlautender form erkläre ich mir das
verhältniß zwiſchen eu und ô, z. b. deun (tenax) ſcheint
dem mittelh. gedon (compreſſio, vis, ſ. 336.) verwandt,
deuntje (modulatio) unſerm tœnchen; ſlot, ſleutel ver-
halten ſich wie ſchloß, ſchlüßel, dreunen iſt unſer drœ-
nen, heup das mittelh. huf. gen. hüffe, richtiger wäre
freilich ohne umlaut hôp, wie wônen (habitare) ſpôr
richtiger als weunen, ſpeur. Endlich iſt der diphth. oe
als umlaut eines früheren organ. ô (oo) zu betrachten, das
er in der ſchreibung gänzlich verdrängt hat, denn roemen
(gloriari) gemoed (mens) vergleicht ſich dem mittelh.
ruemen, gemuete, folglich ſtehen roem (gloria) moed
(animus) voet (pes) f. rôm, môd, vôt (mittelh. ruom,
muot, fuoƷ). Die unorg. ausdehnung unverſtandenes
umlauts habe ich oben ſ. 512. gerade ſo im mittelengl.
nachgewieſen; der ſing. voet iſt ganz jenes fête. —
2) aus der verhandlung der buchſtaben ergibt ſich die
abänderung der ſ. 484. 485. (unter 3.) vorgetragenen mit-
telniederl. einrichtung. Der dortige fall α. beſteht nicht
mehr, es heißt jâr, jâren; êr, êren; tîd, tîden; ôr, ôren;
mûr, mûren. Und ob zwar im fall β. ebenſo wie da-
mahls gerâkt (tactus) ſprêkt (loquitur) etc. gilt, iſt doch
dieſe verlängerung nicht folge der ſyncopierten flexion,
vielmehr ſchon im inf. râken, ſprêken vorhanden. — 3)
tonloſe und ausfallende vocale der endung ſind aus den
dichtern zu lernen; ſehr häufig wird z. b. das â in
vruchtbâr, ſtrîdbâr ausgeſtoßen, wenn noch ein flexions-
e folgt, dierbren f. dierbâren (eximium) d’ondrâgbre pîn
(die unertragbare pein). — 4) die vocale der flämiſchen
(flandriſchen) und brabäntiſchen mundart (in welcher
während des 16. 17. jahrh. vieles gedruckt worden iſt)
weichen verſchiedentlich von der neuniederl. (holländi-
ſchen) einrichtung ab. Lernen läßt ſich kaum etwas
[535]I. neuniederländiſche conſonanten.
neues daraus, was nicht ſchon im mittelniederl. vorge-
kommen wäre; dieſes kann dadurch beſtätigt und erläu-
tert werden. So gilt noch ae für â; au für ou (gaud,
vaud, ſtaut); ou für oe (roupe, clamo; bouc, liber) doch
oe daneben (z. b. voet, pes; vroet, prudens, nicht vout,
vrout); ue für ô (duer, per; vueghel, avis; huenich, mel)
eu (dueghd, virtus; duer, porta) und û (huere, hora;
natuere; vuer, ignis); û für ui (ût, ex; hûs, domus);
ei f. ê (in meinſch, homo; weinſch, votum). Merk-
würdig, daß gerade die beiden umlaute eu und ui mangeln.


Neuniederländiſche conſonanten.


Vorbemerkungen. 1) die med. d und g bleibt im
auslaut, doch mag die ausſprache des ausl. d dem t na-
hekommen, da die dichter unbedenklich klêd, lied,
gloed, nôd, môrd mit wêt, ziet, voet, vlôt, vôrt ver-
binden. Inlautend darf kein bieden, lieden auf vlieten,
genieten reimen. Inconſequent iſt in einigen wörtern
der alte auslaut t ſtehn geblieben, namentlich met (cum)
ſt. med, inlautend mêde, ferner ont- ſt. ond-. Von g
und ch unten beim kehllaut. Das v und z wandeln
ſich auslautend ſtets, inl. aber vor conſ. in f und ſ,
als: gêven, gêft, gâf, gâven; bêven (tremere) bêfde;
grâven, groef, grâf (ſepulcrum); grâf (comes) grâvinne
(comitiſſa) lief, lieve, liefling nicht lievling) lêzen, lâs,
râzen (inſanire) râſde etc. *). Geminierte conſonanz wird
im ausl. einfach geſchrieben, behält aber kurzen voc.
vor ſich, als ſtem, pl. ſtemmen; zin, zinnen; ſter, ſter-
ren. 2) die regel vom inlaut ſ. 486. beſteht. — 3) die
änderung des anlauts durch inclin. und zuſ. ſetzung
hat ſich meiſtens verwiſcht, man ſchreibt misval, ont-
vangen, ontving, ontzetten ſt. misfal, ontfangen, ont-
ſetten; met den ſt. metten etc. Einzelnes unverſtande-
nes dauert fort z. b. toen (tum) ſt. doen und regellos
neben doen; toch neben doch; ontfermen etc.


(L. M. N. R.) liquidae.

Die im vorigen zeitraum wahrgenommenen eigen-
heiten behaupten ſich, ſlek (cochlea) nâld (acus) côning,
[536]I. neuniederländiſche conſonanten. liquid. lab.
hônig (neben hôning); ſtân hat im praet. ſtond, nicht
ſtoed. Das prosthetiſche n in nârſt findet, doch mehr
nach gemeiner volksſprache, andere ſeines gleichen, z. b.
narm (brachium) welches Huyd. op St. 3, 105. aus: den
arm erklärt, vgl. Bilderdijk geſl. der naamw. p. 208. —
Umſetzungen des r: borſt (pectus) vorſt (gelu) born ne-
ben bren (fons) dorſchen (triturare) derde (tertius) nôd-
druft (neceſſitas) wrochte (operabar) etc. Wechſel des r
und ſ: bês, bêr, bêzie (bacca); mês, mêr (parus) vgl.
mit mĕrula, obwohl mir die formen bêr, mêr, als wirk-
lich vorhandene niederl. bedenklich ſind, ſo wie andere
zuſ. ſtellungen bei Bilderd. l. c. pag. 91. — Der verbin-
dung mp. iſt die ſprache geneigt, vgl. klomp, plomp,
ſtomp, ramp (miſeria) rimpel (ruga) dompelen (mergere)
mompelen murmurare) etc. ja ſie bringt ſie hervor, wenn
auf m. auslautende ſubſt. durch -je verkleinert werden,
als bloempje (floſculus) wormpje (vermiculus) prâmpje
(navicula) ruimpje (ſpatiolum) etc. Gerade wie mpje er-
gibt ſich bei verkleinerung der auslaute l, n die beliebte
form -ltje, -ntje, als vogeltje (avicula) muiltje (crepi-
dula) ſtẻntje (lapillus) reintje (vulpecula) deuntje (can-
tiuncula) zoentje (oſculum) wagentje (curriculus) etc.,
zum begriff der diminution ſind p und t unweſentlich,
wie auch aus ſchâpje (ovicula) duifje (columba) u. a.,
wo das bloße j ſteht, erhellt. Die form -tje ſcheint
mir alſo unorganiſch überwiegend, wenn ſie auf andere
fälle, z. b. bîetje (apis) koetje (vaccula) ringetje (annu-
lus) ansgedehnt wird und gar zuweilen bloemtje, bômtje
ſt. bloempje, bômpje vorkommt. —


(P. B. F. V. W.) labiales.

In dieſer lautreihe finde ich wenig anzumerken, was
nicht ſchon aus dem mittelniederl. folgt. Man prüfe
nach den wörterbüchern die fremdheit der anlaute p
und f; bei letzterm erſcheinen wohl inconſequenzen.
Daß fâm (fama) fâli (palliolum, mittelh. feile) fêſt (feſtum)
geſchrieben werde, begreift ſich, nicht ſo, warum flâuw
(debilis) frâi (venuſtus)? da man doch vlieten (fluere)
vriezen (algere) und ſelbſt vlam (flamma) ſetzt. — Die
anlautenden wr gibt das wörterbuch; die inlautenden
ouw, ûw, ieuw, êuw, âuw vgl. bei den vocalen, beide
erſtere ſchwanken in einzelnen wörtern. Ob auslautend
beßer nieu, lêu, flâu. vrou? oder nieuw, lêuw, flâuw,
vrouw? gelte, iſt beſtreitbar; die neuſte ſchreibung be-
günſtigt letzteres und wohl mit unrecht, (vgl. die aus-
laute wêduw, vidua; zênuw, nervus). — Von den gemin,
[537]I. neuniederländiſche conſonanten. labial. ling.
ſind pp und bb häufig, vgl. krabben (radere) ebbe (re-
ceſſus mar.) dubbel (franz. double) tobbe (cupa) etc.;
ff gebräuchlich in ſtraffen (punire) ſchaffen (parare) tref-
fen (pertingere) heffen (tollere) beſeffen (intelligere) effen
(aequalis) und dem daraus ſtammenden neffens (juxta,
hochd. neben). Dies ff iſt nichts als eine unorg. dop-
pelung des v und ſteht für heven, beſeven, even, da
man der vermiſchung mit w halber nicht vv ſchreiben
konnte, vor einfachem v aber das e wie ê ausgeſehn
hätte. Wirklich ſchwarkt ſchreibung und ausſprache
in êven, nêvens (nicht hêven, beſêven) analog dem
neuh. êben, nêben und den übrigen neuniederl. formen
lêven (vita) nêvel (caligo) gehêven (elatus) zêven (ſeptem).
Jene gemination darf alſo auch als ein hervortauchen der
alten vocalkürze in dergleichen wörtern angeſehen wer-
den, vgl. ſ. 133. das alth. heffan und ſ. 514. die bemer-
kung zu dem mittelengl. v mit vorausgeltendem kur-
zem e. — ft beſteht noch in einigen wörtern z. b. ſchrift,
oft (utrum) etc., in andern ſchwankt es in das beliebte
cht, z. b. ſchaft, ſchacht (contus); der Brabänter ſetzt
ſogar helcht, hellicht f. helft (dimidium). —


(T. D. S. Z.) linguales.

Auch hier ſtimmt die mittelniederl. ſchilderung, das
abgerechnet, daß med. jetzt wieder auslautet, obgleich
in einigen büchern des vorigen jahrh. noch lant, hant,
bemint etc. zu leſen ſteht. th nur in fremden namen
oder ſcheinbar, z. b. in thans (illico) aus te hans, te
hands, hochd. ze hant, zur hand. Auffallend iſt d für h
in nâder (propior) vlieden (fugere) geſchieden (evenire)
ſt. vlien, geſchien (hochd. næher, fliehen, geſchêhen)
wie auch jene ausgeſprochen beinahe lauten. Die
ſprache hat eine beſondere leichtigkeit, den inlaut d zu
überhören und ſammt dem folgenden tonloſen e völlig
auszuwerfen, nicht bloß (wie im hochd. ſ. 409.) bei fol-
gendem weiteren zungenlaut, ſondern überall, auch vor
liq. und vocalen, zumahl bei vorſtehendem (urſprünglich)
kurzem vocal. So wird aus vâder, âder (vena) blâden
(foliis) blâderen (foliis) vâdem (orgyia) mêde (cum)
ſchrêden (paſſibus) nêder (infra) vêder (pluma) êdik
(acetum) bôde (nuntius) gôden (diis) gebôden (nuntia-
tum) etc. vâr, âr, blâren, blân, vâm, mê, ſchrên, nêr,
vêr, êk, bô, gôn, gebôn, welche unbedenklich auf un-
zuſ. gezogene formen wie jâr, vâren, ſtân, êr (honor)
zô (ita) reimen; gleichergeſtalt entſpringt aus woeden
(furere) bieden (offerre) woen, bien: doen, zien reimig.
[538]I. neuniederländiſche conſonanten. ling. gutt.
Ohne dehnzeichen ſollte geſchrieben werden vaar, neer,
boo, woen; man hat aber die unſchickliche ſchreibung
vaâr, neêr, goôn, boô, woên angenommen, als läge auf
dem zweiten vocal ein ton oder anderer laut, als auf
dem erſten, da doch váar etc. zn betonen wäre und
überhaupt nicht zwiſchen beiden aa, ee etc., ſondern
erſt nach ihnen der conſ. wegfällt *). Verlangt dieſer
wegfall bezeichnung, ſo darf es keine andere ſeyn, als
der apoſtroph: vaa’r, nee’r, boo’ (vâ’r, nê’r, bô’) woe’n.
Zugleich lehren woen, bien, daß â, ê, ô in den übrigen
fällen nicht erſt durch die eliſion des d veranlaßt wird,
es war ſchon in vâder, nâder, bôde vorhanden, ob-
gleich man vader, neder, bode zu ſchreiben pflegt. —
Umgekehrt drängt ſich d nach l. n. r. ein, wenn die
ſilbe er folgt, namentlich alſo im comparativus, pl. auf
er, und in ableitungen, z. b. minder (minor) mêrder (ma-
jor) helder (clarior) kleinder (minor) ſchônder (pulchrior)
zêkerder (certior) hoenderen (gallinae) bênderen (oſſa)
dâlder (thalerus) inwônder (incola) beſtelder f. beſteller etc.;
einige dieſer formen ſchwanken und man zieht wohl
heute die weglaßung des d vor. Organiſche urſache
hatte dieſes d nur in den comp., wo ld, nd, rd die ge-
mination ll, nn, rr (heller, minner, merre f. mêrer)
erſetzte; hernach wurde es auf ſcheinbar ähnliche fälle
erſtreckt. — Das verhältnis des ſ und z oben ſ. 496. an-
gegeben, einige wörter haben auch anlautendes ſ. vor
vocalen, namentlich ſiſſen (ſibilare) ſuizen (ſtridere) ſul-
len (labi, unterſchieden von zullen, debere). Statt
gans (totus) gilt gants, ganſch (ſ. 496.) neben dans,
glans etc. inlautend danſſen, glanſſen; ſtatt des mittelnie-
derl. ſſc nunmehr ſch; im anlaut ſchwankend ſidderen
und tſidderen (ſ. 497.). Sonderbar âſſem (ſpiritus) neben
âdem. —


(K. G. J. CH. H.) gutturales.

Dieſe lautreihe hat ſich verglichen mit den voraus-
gehenden mehr verändert, hauptſächlich dadurch daß
gh völlig und damit ch großentheils abgeſtorben iſt.
Es heißt dâg (dies) pl. dâgen ſt. des mittelniederl. dach,
daghen. Das ſ. 501. aufgeſtellte erſte ch hört ohne
zweifel auf und lautet allerwärts g; dadurch iſt das an-
[539]I. neuniederländiſche conſonanten. gutturales.
dere, ganz verſchiedene in der verbindung cht wankend
geworden, welche die meiſten durch gt auszudrücken
pflegen, als: pligt, gewigt, gezigt, berigt, regt (jus)
vlugt, bragte (attulit) dogter (filia) nagt (nox) etc. unor-
ganiſch, wie man aus dem ſächſ. ſieht, wo die verbind. ht.
nicht von der med. g. abhängt. cht wird behalten, wenn
es dem hochd. ft entſpricht, als gracht, kracht, ſticht,
zucht, lucht etc. da aber dieſe unanſtößig auf nacht
(nox) vlucht, plicht reimen, nie auf dâgt (luceſcit) drâgt
(portat) folglich kurzen voc. vor ſich leiden, (wie er
ſich vor ch ſchickt) keinen langen (wie er ſich vor g
gebührt); ſo erkläre ich die ſchreibung gt (= hochd. cht)
in allen wörtern für verwerſlich, man ſetze môgen,
mochte (hochd. mœgen, mochte) brengen, brachte nicht
mogte, bragte. Außer der verb. cht erſcheint ch ferner
1) im pron. zich (ſe aber ſehr unorganiſch, wie man
aus der reihe goth. ik, mik, ſik, hochd. ich, mich,
ſich; neuniederl ik, mî, zich ſogleich ſieht; in mî iſt
die gutt. apocopiert, wie im engl. î ſtatt ic, aber zich,
(mittelniederl. überhaupt noch ungekannt) entlehnte erſt
die ſpätere ſprache mit dem aſpirierten laut aus dem
hochdeutſch, ohne zu bedenken daß zik oder zî form-
gerechter geweſen wäre. 2) in doch (tamen) noch (ad-
huc, nec). welche der analogie von hôg (altus) zâg (vi-
dit) gemäß dôg, nôg lauten ſollten, auch zuweilen dog,
nog geſchrieben werden; zwiſchen noch (nec) und nog
(adhuc) zu unterſcheiden iſt rein willkürlich. 3) lichâm
(corpus) vgl. oben ſ. 198. 219. 262. muß des kurzen i
wegen nunmehr bleiben, ſchlechter iſt die ſchreibung
ligchâm, ſo wie 4) lagchen ſt. lachen (ridere), zuweilen
ſelbſt lachchen. — Die fehler rückſichtlich des h (ſ. 4.)
hören wieder auf, dauern aber in der flandriſch-bra-
bantiſchen mundart fort, wo man hantwerpen f. ant-
werpen etc. findet. — Zwiſchen j und i der unterſchied
des vorigen zeitraums, daher iemand, iet, ieder, aber
jeugd (juventus) jong, jâr zu ſchreiben. — ck, qu, x werden
nunmehr durch kk, kw, ks bezeichnet, als blikken, takken,
kwâd (malum) kwiſpel, blikſem (fulgur) etc. wogegen
ſich theoretiſch wenig einwenden läßt. —


Schlußbemerkung. Die ſ. 504. vorgetragenen inclina-
tionen ſind heutzutage beſchränkter; doch bleibt noch t
für het, s für des, k für ik, s für is, d für de (bei
vocalanlauten) allgemein bräuchlich, im ſchreiben werden
ſie aber nicht angelehnt ſondern apoſtrophe voraus oder
nachgeſchickt, z. b. ’t volk, op ’t land, in ’t wâter, ’s
[540]I. neuengliſche vocale.
kônings zîde, ’k heb, dit ’s, d’ârde oder auch de ârde;
die holländiſche poeſie bedient ſich der ſynalöphe un-
gleich häufiger, als die heutige hochd. ſchwed. oder
däniſche.


Neuengliſche buchſtaben.


Die urſachen, welche einer einfachen orthographie
aller heutigen ſprachen verderblich werden, nämlich
ſchwanken zwiſchen der alten ſchreibung und der neuen
ausſprache, walten hier auf alle weiſe; ſo groß gewor-
den iſt die verwirrung, daß man die wahre ausſprache
faſt nur ungelehrt durch das gehör zu lernen vermag.
Über die ſucht, von der wir zuweilen Hochdeutſche
und Niederländer befallen ſehen, ein gleichförmiges laut-
ſyſtem aufzufinden und mit verletzung aller hiſtoriſchen
rückſicht roh ins volk einzuführen, ſind daher Englän-
der lange hinaus. Die grammatiken und wörterbücher
bedienen ſich zwar zur näheren beſtimmung verſchiede-
ner lautverhältniſſe einer accentuation, welche aber dem
gewöhnlichen leſer und ſchreiber ganz unbekannt blei-
ben kann. Dieſe accente weichen von der ſonſtigen
verwendung derſelben zeichen ab; mir bedeutete acu-
tus den erſten, gravis den zweiten ton; engliſche gram-
matiker ſetzen in gleichtonigen ſilben den acutus um
kurzen, den gravis um langen laut eines vocals auszu-
drücken, z. b. thíng, hánd, mìld, nàme, ſprich: thinng,
hännd, meild, næm; in diphth. brauchen ſie beide
mehr zu willkürlicher unterſcheidung. — Statt die
menge von regeln und ausnahmen über ausſprache der
engl. buchſtaben einzeln abzuhandeln und auf meine
vorſtellungsart zu beziehen, mögen hier einige unvoll-
ſtändige bemerkungen über das wichtigſte genügen, wo-
bei ich ohnehin auf die deutſchen oder ſächſ. beſtand-
theile der ſprache eingeſchränkt bleibe.


Neuengliſche vocale.


Auch die neuengl. poeſie kennt nur ſtumpfe, keine
klingende reime; wörter, deren vocal einfache conſo-
nanz und flexions-e folgt, haben letzteres ſtumm, er-
ſteren lang. Das heißt: die organ. länge und tonloſe
flexion (came, venerunt; mìne, meus, angelſ. cæmon,
mîn) ſteht mit der org. kürze und ſtummen flexion
(name, nomen; angelſ. nama) gänzlich gleich. Ich werde
[541]I. neuengliſche vocale.
die kurzen vocale unaccentuiert laßen, die langen ſtatt
des gravis aber circumflectieren.


(A) zwar noch geſchrieben in can, man, hand, land,
thank, glad, craft etc. lautet aber wie neuh. ä. In all,
halm, balk, malt, warm etc. gilt jetzt â, vor ld. ng
übergang in ô, o, als ôld, côld, ſong, wrong.


(E) end (finis) men (homines) bench (ſcamnum).


(I) thing, thick, thin; vor ld, nd meiſtens zu î
geworden, doch mit ausnahmen z. b. wind.


(O) ſmock, tongue, gold, wolf, ſorrow, one (unus).


(U) full, but, under etc. die ausſprache bald wie
hochd. u, bald zwiſchen o und ö; vor ld, nd (meiſtens)
zu ou geworden.


(Y) kurz nur in unbetonten ſilben.


(AA) nâme, gâte, tâke, ſâke, ſtâre, hâlm, wârm,
lautet bald æ, bald ê, bald â. Dem angelſ. â (hochd.
ei) entſpricht es nirgend mehr, vgl. ô, oa und den ge-
kürzten artikel a, an, während das zahlwort one lautet.


(EE) lautet wie ein mittelh. î: hê (ille) mê (me)
thê (te) bê (eſſe) bê (apis) êven, êvil, dêd, ſtrêt, fêt
(pedes) ſên (viſus). Wird bald è bald èe geſchrieben
und inconſequent z. b. thee (te) neben me (me), die
ſich in der ausſprache ſo wenig ſcheiden, als bè von
bèe; die ſchreibung ee führt auf ein angelſ. theils ëó
(dèep, dèer) theils ëo (bèe, ſèen) theils ê (dèem, fèet)
theils æ (ſtrèet, dèed).


(II) mîne, thîne, tîde, rîde etc. ſodann vor nd,
ld, gh, mînd, chîld, wîld, hîgh, nîght; ausgeſprochen
wie hochd. ei.


(OO) 1) = angelſ. ô, jedoch doppelter art α) òo,
ausgeſpr. û, als môd, blôm, bôn, môn. β) òo, ver-
kürzt wie u lautend, blôd, gôd, fôt, in brother ſogar
einfach geſchrieben. 2) = angelſ. â, ausgeſprochen ô,
als: hôme, bône, ſtône, chôd; häufiger erſcheint hier
oa. 3) auslaut in ſô, frô, whô, dô, tô, whô etc., bald
ô, bald û auszuſprechen.


(UU) fehlt in der ſchrift, nicht, wie eben bei ô ge-
ſehn, in der ausſprache.


(YY) ſtets einfach und nur auslautend geſchrieben,
in der wirkung dem î gleich, alſo mit der ausſprache
ei: bŷ, mŷ, thŷ etc.


(AU) ſelten, z. b. laugh, draught; häufiger aw: law,
draw, hawk; beide mit überhörtem u oder w wie â
lautend.


[542]I. neuengliſche vocale.

(AI. AY) main, brain, hair, may, day etc, beide
wie æ zu ſprechen, ai inlautend, ay auslautend.


(EA) vielfach 1) èa, mit dem laut î, in: eam, dream,
bean, leaf, ſheaf, ear, hear, leaſe, eaſt, neat etc., meiſt
dem angelſ. eá parallel, zuweilen dem kurzen ë, als
ſpeak (ſprëcan). 2) èa, von einigen eà accentuiert, mit
der ausſprache ê, als: great, bear, break; organiſch eins
mit dem vorigen erſten (häufigeren) èa, alſo angelſ. theils
eá, theils ë. Es iſt willkür des ſprachgebrauchs, daß
neat, great, ſpeak, break wie nît, grêt, ſpîk, brêk lau-
ten. 3) éa, vor den verbindungen mit r, wie ä lau-
tend: earl earneſt, earth, = angelſ. ëo. 4) eá, wie kur-
zes e lautend in heaven, read (legi) dead (mortuus) etc. —
Ub-igens merkwürdig, daß der im mittelengl. ſelten ge-
wordene diphth. wieder ſo häufig vorkommt.


(EI) mit der ausſprache ê (their, eight, neigh) und
î (either, neither); zuweilen ſtatt î (und deſſen wahrer
ausſprache gemäß) geſchrieben in height, ſleight.


(EW) iu auszuſprechen (new, flew, ew).


(IE) lautet î und iſt organiſch in thief, unorg, in
field, ſhield, yield. Wo es aus dem zweiſilbigen î-e
erwächſt, gebührt ihm die ausſprache ei, als: lie, flie,
pl. ſlies. Man accentuiert daher thíef, fíeld, und
lie, flies.


(OA) entſpricht dem angelſ. â, lautet aber wie ô,
als: loam, loaf, goat etc. ich weiß keinen grund, war-
um man in andern wörtern ô ſchreibt (hôme, bône,
ſtrôd) zuweilen ſchwankt ſelbſt die orthographie, z. b.
clôthe, cloathe. Vermuthlich war die ausſprache in
gewiſſer zeit und gegend wirklich oa (wie in bairiſcher
volksmundart boan, ſtoan). Selten gieng ſie in â über,
wie in broad (wo man óa zum unterſchied von jenem
òa ſchreibt).


(OE) bald ô (doe, foe) bald û (ſhoe) zu ſprechen.


(OU) mehrerlei 1) óu mit der ausſprache au, als:
thou, loud, foul, ſour, ſouth, houſe, mouſe; desgl.
ſtatt org, kurzes u vor nd: hound, wound (praet. von
wind); zuweilen ów geſchrieben: how, now, mow
(horreum) ſow, brown, fowl (avis), welches ausgeſpro-
chen nicht von jenem foul (putridus) zu unterſcheiden.
2) òu, auszuſprechen ô in four, ſoul und ſtatt org. kur-
zes u vor ld: mould, ſhoulder; zuweilen òw geſchrie-
ben: mow (metere) crow, know, bow, flow. 3) ,
auszuſprechen û, als: you, youth, wound (vulnus);
[543]I. neuengliſche conſonanten.
wie kurzes u in could, ſhould. 4) lautet wie a in thought’
wrought. 5) wie o in enough. —


Schlußbemerkungen. 1) eine (durch ua, ui, oi, ieu,
eou, eau, in fremden wörtern noch gemehrte) verwir-
rende menge diphthongiſcher lautbeſtimmungen; ſtatt
der ſechs mittelengl. ai, ea, ei, eo, eu, ou (worunter
dazu ea, eo, eu ſehr ſelten im gebrauch) nunmehr
neune: au, ai, ea, ei, ew, ie, oa, oe, ou, beinahe
ſämmtlich unſicherer ausſprache. Jene ſieben längen
(ſ. 242.) ſind im engl. der ſchreibung nach: à (ee), oo,
ou, ò, ea, ì, ew, der ausſprache nach: æ (ê), û, au,
ô, î, ei, iu, wovon û, au, ei (mood, mouſe, mìne)
auffallend zu der nsuhochd. lautveränderung (mûth,
maus, mein) ſtimmen, ô und î (ſtône, èar) hingegen
ſtark abweichen (ſtein, ôr). Gilt aber vom neuh. û,
au, ei kein ſchluß auf die ausſprache des mittelh. uo,
û, î, ſo wird man auch das angelſ. ô, û, î nicht neu-
engliſch ausſprechen wollen, obwohl û im mittelengl.
bereits zu ou, daraus zu au ward. 2) die ſtörung des
organiſmus wird man nicht bezweifeln, wenn man theils
wörter, die in den übrigen ſprachen gleichen vocal ha-
ben, im engl. von einander abgewichen erblickt
(z. b. die mittelh. hâr, jâr, tât, mâne: hair, year, deed,
moon; unter, hunt, wunde: under, hóund, woùnd)
theils im engl. gleichlautig gewordene in verſchiedenlau-
tige der übrigen ſprachen auflöſen muß (vgl. ſtreet, feet,
ſeen, deep mit dem mittelh. ſtrâƷe, fueƷe, geſehen, tief).
3) ſelbſt der einfluß der verbindungen nd. ng. ld. auf
die organiſchen kürzen a, i, u erzeigt ſich ungleich:
hand, long, côld; mînd, ring, mîld; hóund, yong, mòuld.
4) der umlaut iſt ein todter, ſpur ſeiner wirkungen aber
noch ſichtbar und erhöht die ſchwierigkeit der laute.


Neuengliſche conſonanten.


1) media lautet aus und ſcheidet ſich reinlich von
der ten., die dichter, während ſie es mit verwandten
vocallauten unſtrenge nehmen, reimen kein d auf t,
kein g auf k. 2) hiermit einſtimmig wird gem. im aus-
laut geſchrieben, als: beck (nutus) muck (ſtercus) will
(voluntas) ſtill (adhuc) aſſ (aſinus) miſſ (carere); incon-
ſequent aber kein mm, nn, rr, bb. pp. gg. dd. tt, ſon-
dern ſwim (natare) lin (ceſſare) ſtar (ſtella) ſtab (caedere)
ſhip (navis) beg (orare) ſit (ſedere). 3) inlautend ſcheint
gemination zuweilen ungeſchrieben vorhanden, z. b. in
[544]I. neuengliſche conſonanten, liquid. lab. ling.
ſhadow (umbra) body (corpus) ſeven (ſeptem) heaven
(coelum) ever (ſemper), wo die nachwirkung des alten
kurzen vocals klar waltet.


(L. M. N. R.) liquidae.

l. wird nach a und o (nicht aber e, i) bei folgen-
dem m, k, v, f in der ausſprache überhört, d. h. halm
(culmus) calf (vitulus) ſtalk (caulis) folk (gens) lauten
hâm, câf, ſtâk, fôk, was ſich einigermaßen dem ver-
ſchmelzen des niederl. l vor d vergleicht, die verlän-
gerung des a dem dortigen u.


(P. B. F. V. W.) labiales.

Faſt wie im vorigen zeitraum; b. wird auslautend
nach m nicht geſprochen, lamb wie lämm; der inlaut
f inconſequent wieder in einigen wörtern zugelaßen,
z. b. lîfe (vita) wîfe (mulier) ſâfe (ſalvus) nicht aber in
lîve (vivus) wîves (mulieres) ſhâve (radere) etc.; die in-
und ausl. w. bei den voc. angezeigt. In der anlauten-
den verb. wr. überhört die ausſprache das w völlig;
bei wh. iſt zu unterſcheiden, vor a, e, i, y, u, ea, â, î,
lautet es wie w, zwiſchen whîle (morari) und wîle
(fraus), jenes altn. hvîla, dieſes vêl, kennt die ansſprache
keine abweichung; vor o und ô hingegen lautet wh
wie h, vgl. whô, whôſe, whôm und hier pflegt es in
einigen wörtern gerade auch unorganiſch das eigentliche
einfache h zu vertreten, z. b. whôre heißt angelſ. nicht
hvôre, ſondern hôre; whôle (ſanus) ſteht deutlich für
hôle (angelſ. hâl), wie auch das daneben geltende hèal
(ſanare) lehrt. Mittelengl. daher noch richtig hôl und
hôre. Die ſpätere ſchreibung unterſchied für die augen
whole, whore von hole (foramen) hore (canus).


(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Das inl. d. überhört ſich zuweilen, z. b. in wednes-
day, handſome (ſprich hännſome, wennsday, niederl,
woensdag) aber lange nicht ſo häufig als im neu-
niederl. Das an- und auslautende th. wird in der re-
gel geliſpelt, etwa gleich dem griech. θ geſprochen,
in gangbaren pronom. und partikeln (thou, their, than
the etc.) lautet es wie med. oder das alte dh. Dieſe
weichere ausſprache gebührt auch dem inlautenden th,
ſo daß die ſ. 514. getadelte ſchreibung father, mother
auf den feinhörigen unterſchied zwiſchen d und dh hin-
auslauft; man ſpricht modher wie brodher aus, ſtatt mo-
der. — Statt ſ. hat ſich unbefugt ein roman. c einge-
drängt in lîce, mîce pl. von louſe, mouſe, während
man gêſe (nicht gêce) pl. von gôſe ſchreibt; ebenſo in
[545]I. neuengliſche conſonanten. ling. guttur.
den contractionen pence, dîce ſt. pennies, dies. Die
ausſprache des ſ. iſt ſauſen (hiſſ), die des z. ſummen
(buzz) ein milder, dem harten hochd. ziſchlaut unver-
gleichbarer laut, eigentlich aber nur in undeutſchen,
romaniſchen wörtern herrſchend, eben jenes buzz ſelbſt
iſt nicht ſächſ, abſtammung. Das inlautende ſ mildert
und nähert ſich dem ſummlaut, am deutlichſten ſondern
ſich die anlaute ſ und z. Dem niederl. z begegnet das
engl. wohl in der ausſprache, nicht in den wörtern
ſelbſt und beide haben verſchiednen grund, daher z. b.
das niederl. zon mild, das engl. ſun hart anlautet.


(C. K. G. CH. J. H. Q. X.) gutturales.

Die hauptſache ergibt ſich aus dem vorigen zeit-
raum; orthographiſch hat man einigen anlauten vor a,
o, k zugetheilt, den meiſten c, als: kock (rupes) un-
terſchieden von cock (gallus) beide gleicher ausſprache.
Vor i bleibt natürlich k. Vor n laßen ſich anlautend k
und g gar nicht hören, knê, knîfe, gnat, gnaw klin-
gen wie nê, nîfe, nat, naw. Die ſyncope des inl. k
dauert fort, wenigſtens in der ausſprache lautet tâken =
tân (ſprich: tên, tæn) und man ſchreibt auch vertrauli-
cherweiſe ta’en, allgemein aber mâde f. mâked. — Statt
y iſt g wieder hergeſtellt in give, gift, dagegen yâte
und gâte vermengt. — Für ht wird ght geſchrieben,
doch ht. geſprochen; in enough (ſatis) gh. wie f.


Schlußbem. die inclination der verneinung iſt größ-
tentheils verloren, gilt nur in none (nullus) neither (neu-
ter) nill (nolle); not und nought ſind urſprünglich das-
ſelbe (angelſ. naviht, navht, nauht, nât wie das hochd.
nicht aus newiht, niht, nit).


Schwediſche buchſtaben;


vocale.


Gleich der neuhochd. und neuniederl. dichtkunſt
beobachtet die ſchwed. den unterſchied ſtumpfer und klin-
gender reime, welcher lehrt, daß auch hier organiſche
kürzen mit einfacher conſonanz verlängert worden ſind.
Darum reimen træda (calcare): klæda (amicire) ſkûren
(ſciſſus): mûren (muro) ſêder (mores): hêder (honos)
ungeachtet im altnord. trodha, ſkorinn, ſidhir kurzen
voc. beſitzen *). Darum hat grîpa nun auch im part.
M m
[546]I. ſchwediſche vocale.
grîpen, während das altn. den inf. grîpa vom part. gri-
pinn unterſcheidet. Nur zeigt ſich hier bei dem a eine
merkwürdige abweichung von der hochd. und niederl.
ſprachgeſchichte. Durch die unorg. vocalverlängerung
wurde maln (molere) farn (ire) zu mâlen, fâren und
gleichlautig, folglich reimfähig mit mâlen (pingere) jâ-
ren (annis). Das altnord. mala (molere) fara verlängert
ſich nun zwar ſchwed. in mâla, fâra, reimt aber nicht
auf måla (pingere) und fâra behält einen von år (annus)
abweichenden laut. Im verlauf der zeit hatte das alte,
organiſche â den laut å angenommen, welchem die un-
org. verlängerung des a nicht beikommen konnte. Die-
ſer unterſchied zwiſchen â und å iſt vortheilhaft. Übri-
gens läßt die ſchwed. ſchrift den dehnlaut völlig unbe-
zeichnet und ſetzt a, e, i, o, u zugleich für â, ê, î,
ô, û, deren einführung in der grammatik nothwendig
iſt. Die jetzt mit recht veraltete orthographie früherer
jahrh. hatte wohl verſucht, das neuhochd. dehnzeichen
h. hin und wieder und ganz überflüßig bei dem å ein-
zuführen, z. b. åhr für år (annus).


(A) vor geminierter und verbundner conſonanz, z. b.
padda (rana) hatt (pileus) natt (nox) all (omnis) hammar
(malleus) panna (frons) annar (alius) narr (ſtultus) halm
(culmus) half (dimid.) hals (collum) balk (trabs) ande
(ſpiritus) hand (manus) varm (calidus) etc. Auszuneh-
men: ll (das für ld ſteht) ld. ng. rd. welche å erfordern.


(E) e und ë ſind vermengt, beide drücke ich mit
e aus; dieſes e aber beſteht nach willkürlichem gebrauch
in verſchiedenen wörtern, denen ganz analoge gewöhn-
lich ä angenommen haben, beiſpiele: engel, enkja (vi-
dua) menniſkja (homo) berg (mons) eller (ſive) ſvenſk
(ſuecanus) etc. Bei vergleichung neuſchwed. bücher mit
ſolchen, die vor hundert jahren gedruckt wurden, findet
man den gebrauch des ä zu, den des e abnehmen. Da-
mahls hieß es noch heſt (equus) rett (jus) lemna (lin-
*)
[547]I. ſchwediſche vocale.
quere) hemna (vindicare) etc. heute: häſt, rätt, lämna,
hämna. Beide laute näherten ſich alſo in der ausſprache
und die meiſten der noch üblichen e dürften, ohne ihr
zu ſchaden, mit ä geſchrieben werden, eller (aut) engel
(angelus) klingen ſicher wie äller, ängel, auch alle dich-
ter reimen unbedenklich berg (mons) tempel auf dvärg
(nanus) ſtämpel (ſigillum) früher dwerg, ſtempel ge-
ſchrieben. Hiernach ſcheinen mir Botins unterſcheidun-
gen des e und ä vollends in unbetonten flexionen (ſv.
ſpråket p. 36. 53.) allzu ſpitz und ich meine, daß man
ſogar in wurzeln durchgängig ä ſchreiben könne. An-
fänglich lief wohl der unterſchied zwiſchen e und ä auf
die begründete unterſcheidung zwiſchen ë (= i) und e
(umlaut des a) hinaus, man ſchrieb verld (mundus) herre
(herus) herde (paſtor), hingegen hand, händer, ände
(finis) etc. d. i. nach mittelh. bezeichnung vërld, hërre,
hender, ende. Seitdem aber der gebrauch träffa (attin-
gere) ſvärd (enſis) rätt (jus) etc. einführte, und umge-
kehrt e für das umgelautete a galt, z. b. in menniſka,
engel, efter, iſt die organ. verſchiedenheit verwiſcht.
Vgl. unten ê, æ, je, jä.


(I) beiſpiele: himmel (coelum) minne (memoria) ſtilla
(ſedare) ſtinga (pungere) mild (lenis) miſta (perdere).


(O) beiſpiele: troll (ſpectrum) torr (ſiccus) folk (po-
pulus) morgon (mane) borg (arx) ord (verbum).


(U) beiſpiele: udd (cuſpis) full (plenus) gull (au-
rum) gunga (oſcillare) bunden (ligatus).


(Y) umlaut des u: fylla (implere) gyllen (aureus)


(AA) â, unbezeichnet wie kurzes a geſchrieben; bei-
ſpiele: fâder (pater) tâla (loqui) drâga (ferre) dâg, pl.
dâgar (dies) fâra (ire) etc. lautet gleich dem hochd. â,
ohne beimiſchung des o, daher ganz verſchieden von å.
Das â iſt ſtets unorganiſch, das å ſtets organiſch lang.


(EE) 1) organiſch, d. h. bald dem altnord. ê parallel
als brêf (epiſtola); bald (und häufiger) dem altn. ei, als:
hêder (honor) hêl (totus) hêta (vocari) grêp (prehendit)
bên (os) etc. 2) unorg. ſtatt des altn. ë oder i, als lêfva
(vivere) vêta (ſcire) grêpo (prehenderunt) ſêder (mores)
bêdja (orare) etc.; in êder (vos) vertritt es ſogar das
altn. ydhr. — Beiderlei ê ſchwankt zuweilen in æ, ſo
lautet das altn. eiga (habere) eiginn (proprius) hier æga
und êgen; andere beiſpiele unten beim æ.


(II) 1) organiſch in mîn (meus) grîpa (prehendere)
bîta (mordere) blîfva (manere) etc. 2) unorg. ſeltner (we-
gen der übergänge des i in ë) z. b. in frîd (pax) gîfva
M m 2
[548]I. ſchwediſche vocale.
(dare). — Ob ſich vor ng, nk (nach ſ. 289.) kurzes i
verlängert, bezweifle ich, finde wenigſtens nirgends an-
gemerkt, daß i in ting, ring anders laute, als in vind.


(OO) 1) organiſch in bôk (liber) fôt (pes) blôd (ſan-
gnis) ſkôg (ſilva) tôm (vacuus) etc. 2) unorganiſch in
gôd (Deus) bôge (arcus) ſôn (filius) bôra (terebrare) etc.


(UU) 1) org. in mûr (murus) ſkûr (imber) mûs
(mus) etc. 2) unorg. ſeltner (wie bei î, wegen der über-
gänge in o) z. b. ſtûlen (furto ſublatus) ſlûten (clauſus)
ſlût (finis). — Auch hier nehme ich kein û vor ng, nk
an, ſondern tung (gravis) tunga (lingua).


(YY) umlaut des û, als: rŷma (fugere) aber auch in
andern fällen dem alth. iu parallel, als: ſŷn (viſus).


(AE) in der ſchrift ä, grammatiſch ſind aber ä und
æ genau zu ſcheiden. 1) das häufige ä iſt beſtändig kurz
und wie vorhin bei e ausgeführt worden, theils umlaut
des a, als: bränna (comburere) tänder (dentes) tänka
(cogitare) ſätta (ponere) etc. theils urſprüngliches ë, als:
vänner (amici) rätt (jus) dvärg (pumilio) ſmärta (dolor) etc.
2) eben ſo häufig æ und beſtändig lang; ſeinem urſprung
nach mehrfach α) org. lang. d. h. dem altn. æ entſpre-
chend, meiſtens umlaut des à: mæla (narrare) aber auch
das zweite altn. æ, læra (doctrina) klæda (veſtire) etc.
β) unorg. lang und wiederum zweifach, theils urſprüng-
licher umlaut des a, z. b. fæder (patres) ſæger (dicit);
theils urſprüngliches ë, als: bæra (ferre) ſkæra (ſcindere)
læſa (legere) bæfva (tremere). Dieſes unorg. æ verhält
ſich ſchwankend zu ê, wie das kurze ä zu e, es heißt
z. b. æfva (aeque) bæfva (tremere) væfva (texere) aber lêfva
(vivere) gîfva (dare) mittelh. ëben, bëben, wëben, lëben,
gëben; ferner hær (exercitus) hærja (depopulari) neben vêrja
(defendere) und ich finde bald færja (trajectus) bald fêrja.


(AO) å geſchrieben, zwiſchen a und o geſprochen,
ein laut, den man in deutſchen volksmundarten hört,
weder mit â, noch ô zu mengen. Entſpricht dem altn.
â und wird auch vor ng, ld (oder ll ſtatt ld) ſogar
vor rd (welches im altn. kurzes a behält) für das kurze
a geſetzt: lång (longus) gång (iter) ſtång (pertica) månge
(plures) (ånger (anxietas) ålder (aetas) båld (fortis) vålda
(imperare) hålla (tenere) fålla (plicare) hård (durus) gård
(praedium) etc. angetroffen; fehlerhaft ſchreiben ei-
nige: long, gong, bold, (umgekehrt unrichtig andere
å ſtatt o, ô z. b. gålf f. golf pavimentum, fågel f. fô-
gel, avis dån f. dôn, fragor). Dagegen gilt vor den
übrigen verbindungen, die im altn. â fordern (ſ. 286.)
[549]I. ſchwediſche vocale.
wieder kurzes a, vgl. krank (aeger) hals, halm, half,
natt (nox) etc. ås (trabs) gås (anſer) beſtehen aber. Die
übrigen fälle wie år (annus) låta (ſinere) ſpråk (lingua) etc.
belegen ſich allenthalben.


(EI) beſteht dem laut nach nur in ſehr wenigen
wörtern und wird dazu ej geſchrieben, ſcheint auch
bloße auflöſung des org. g; vgl. ej (non) nej (minime)
altn. ei (eigi) nei. Inlautend etwan in fejd (pugna) deja
(miniſtra, femina) *) dejlig (formoſus) lejon (leo) ander-
wärts degelig, däjelig geſchrieben etc.


(IA) eigentlich im einzigen iag (ego) vorhanden,
wird aber jag (d. i. jâg) geſchrieben und den organ. j in
jâ (imo) jâga (venari) gleichgeſtellt. Von der entwicke-
lung des diphth. ia aus i, ë ſogleich mehr beim ie, iä.


(IE, IAE) jetzt allgemein je, jä ſt. ie, iä geſchrie-
ben; der wechſel zwiſchen e und ä muß ganz wie ſ. 546.
beurtheilt werden, es iſt wirklich einerlei, ob man
hjelm, hjerta, jern, jemn oder hjälm etc. ſchreibe;
gleichförmig ſollte man nur eins oder das andere an-
nehmen, in gedruckten neueren gedichten leſe ich hjerta:
ſmärta, qvällar : fjellar etc. Der accent ruht ohne zwei-
fel auf dem e, hiérta, iérn und i klingt vor, ſo daß
es anlautend freilich entſchiednen jot-laut annimmt;
ob dieſer früherhin auch in fjell, hjelm etc. vorhanden
war, bezweifle ich, mit verweiſung auf oben ſ. 297. 322.
folge indeſſen dem ſchreibegebrauch. Vermuthlich wa-
ren alle je, jä in früherer zeit ja, welches bloß in jâg
(altn. ëk, nicht einmahl iak) fortdauerte; hjarta, hjalm
ſchwächten ſich allmählig in hjerta, hjelm ab; umlaut
ſcheint hierbei außer dem ſpiel. Der entſprung dieſes
ja, je, jä aus altem i, ë iſt wie im altnord. darzulegen,
ereignet ſich mithin 1) und hauptſächlich vor den liqui-
denverbindungen: fjell (mons) hjerne (cerebrum) ſtjerne
(ſidus) djerf (audax) fjerta (pedere) hjelp (auxilium)
mjelte (lien) etc. In einigen bleibt e oder ä, als: ſmärta
(dolor) dvärg (nanus) berg (mons) verpa (ovum ponere).
2) vor l. r. f. d. t. g. k, folglich nach allgemeinem
grundſatz mit unorgan. längerung des e, ä in ê, æ als:
ſjæl (phoca) ſkjæl (ratio) kjær (carus) tjæra (pix) jæmn
(ſt. jæfn aequalis) fjæder (pluma) fjæt (veſtigium) fjæk (ſto-
[550]I. ſchwediſche vocale.
lidus) etc. man dürfte ebenwohl ſkjêl, kjêr, jêmn
ſetzen. — Ausnahmsweiſe begegnet je (jê) dem altn. ,
namentlich in tjêna (ſervire) altn. þióna, welches tjôna
nach der analogie von hjôn (familiaris) heißen ſollte.


(IO) geſchrieben jo entſpricht ſchwankend dem altn.
ió, iö und y. vgl. hjôn (altn. hión) hjort (altn. hiörtr)
jord (altn. iördh) tjock (altn. þyckr) gjorda (cingere,
altn. gyrda, girda) ſkjorta (induſium, altn. ſkyrta, ſkirta)
zuweilen rückumlaut, als: gjœra (facere) praet. gjorde.


(IOE) geſchrieben , parallel dem altn. iö, als mjœl
(far) mjœd (mulſum) mjölk (lac, vgl. oben ſ. 298.) nicht
dem altn. , ausg. ſjœ (lacus); in kjœn (genus) dem
altn. kyn.


(IU) geſchr. ju, dem altn. ió gleich; in den meiſten
fällen wird anzunehmen ſeyn; beiſpiele: ſjunga (ca-
nere) ſjûda (coquere) ſpjût (cuſpis) ljûs (lux) hjûl (rota)
ſjûk (aeger) etc.


(OE) entw. kurzes ö, oder langes œ, in beiden fäl-
len nachtheiliger zuf. fluß verſchiedner org. laute. Das
ſeltnere kurze ö entſpricht 1) dem altn. ê, hochd, ie in
höll (tenuit) föll (cecidit) högg (caecidit). 2) dem altn.
u in ſtödd (fultus). 3) dem altn. œ in född (genitus)
fötter (pedes). 4) dem altn. y in dörr (janua) törne, ſpina,
þyrnir). 5) dem altn. au in höſt (autumnus). 6) dem
in bröſt (pectus) oder haben beide letztere langes œ?
Das häufige œ hingegen 1) dem altn. au in kœpa (emere)
hœk (accipiter) gœt (fudit) bœd (obtulit) dœd (mors)
œga (oculus) bœn (faba) etc. 2) deſſen umlaut ey in
hœra (audire) œra (auris) rœna (experiri) etc. hierher na-
mentlich auch œ (inſula) mœ (virgo) hœ (foenum) dœ
(mori). 3) dem altn. œ (umlaut des ô) in: dœma (ju-
dicare) bœn (votum) hœna (gallina) fœda (gignere) bœte
(mulcta) ſœt (dulcis) etc. In dieſen dreien fällen org.
länge, in den folgenden unorg. längerung der kürze:
4) = altn. ö (umlaut des a) hœr (linum). 5) = altn. y
(umlaut des u) bœlja (unda) fœlja (ſequi) bœrja (inci-
pere) ſœner (filii) fœre (altn. fyrir) bœr (ventus ferens,
altn. bir oder byr). 6) = altn. o in fœr (praep) —
Muthmaßlich unterſchieden ſich im altſchwed. ſo ver-
ſchiedne laute noch durch die ausſprache, heute ſtim-
men ſie völlig zuſammen und den dichtern reimt z. b.
bœner (preces) auf ſœner (filii) ſœm (margo) auf berœm
(laus) ſœt (dulcis) auf ſkœt (jaculatus eſt) da doch altn.
weder bœnir: ſynir, noch mittelh, ſoum: ruom, ſuoƷ:
ſchôƷ paſſen.


[551]I. ſchwediſche vocale.

(OEI) wird öj, analog dem ej, geſchrieben und ent-
ſpringt auch meiſtens aus ög, œg, als: nœja (contentum
eſſe) bœja (flectere) drœja (tardare) hœja (efferre) ſlœja
(peplum) etc. Statt hœjd (eminentia) frœjd (laetitia)
ſchrieb man früher hœgd, frœgd.


Schlußbem. 1) die ſchwed. ſprache, im gegenſatz
zur bochd. und altn., beſitzt auffallend wenig (aus ver-
ſchiednen voc. zuſammengeſetzte) diphthongen und hat
(gleich der niederd., zumahl niederſächſ.) die früheren
au, ei in dehnlaute (œ, ê) verdichtet; die häufigen je,
jä, jo, jö, ju lauten gleichfalls undiphthongiſch und rei-
men auf ê, æ, ô, û, als: ljûs, ſpjût, jord auf hûs, ût,
ord während das alth. ſpioƷ den ton auf i hat. Die
goth. ſieben längen (ſ. 242.) ſind hier: å, ô, û, ê, œ, î,
jû. Hieraus ergibt ſich eine gewiſſe weichheit, welche
aber durch volltönigkeit der einfachen laute, namentlich
des a und o in flexionen, vermindert wird. 2) der um-
laut
iſt vorhanden, doch verworrener, als im altn. Die
flexion i oder e, das früheres i war, wandelt a in e, ä
(man, menniſka; hand, händer) o in ö (törne, ſpina) u
in y (gull, gyllen) ô in œ (ſôn, ſœner) û in ŷ (rûm,
rŷma); dagegen lautet å nicht um und œ vertritt ſowohl
au als deſſen umlaut ey. Der durch u erregte umlaut
des a in ö (ſ. 300.) iſt abgeſtorben, ſt allr, öll, öllu gilt
aller, all, allo; ſt. hönd, handar, ſaga, ſögur gilt hand,
hands, ſaga, ſagor. Spurweiſe hat er ſich gleichwohl
des worts bemächtigt und läßt dann keinen rückuml.
zu, vgl. hœr (linum) namentlich viele ſchwed. jö, jœ,
als björn, björns mit dem altn. biörn, biarnar. Aus
hiörtr (cervus) gen. hiartar, pl. hirtir wurde hjort, hjorts,
hjortar; aus ſkiöldr, ſkialdar, ſkildir (clypeus) aber mit
umlautsform ſkjöld, ſkjölds, ſkjölder; aus hiarta, hiörtu
(cor) mit rückumlautsform hjarta (abgeſchwächt hjerta,
hjärta). Dreierlei wege ſtatt des einen organiſchen. —
3) aſſimilation, anlehnung und ſyncope erfordern noch
näheres ſtudium. Ich erwähne hier bloß einer auffallen-
den, im ſchwed. und dän. durchgedrungenen aphäreſe,
nämlich die häufige praep. entſpringt aus dem altn.
uppâ (d. h. upp-â) ſchwed. uppå, iſt folglich das alth.
ûfan (ûf-an).


Schwediſche conſonanten.


Allgemein: 1) wie im altn. beſteht media in den
auslauten. 2) daher auch geminata, als: fall (caſus)
[552]I. ſchwediſche conſonanten. liquidae.
narr (ſtultus) lapp (cento) natt (nox) udd (cuſpis) viſſ
(certus) bock (hircus) ägg (ovum); bloß m und n gelten
für mm, nn, z. b. fem (quinque) ram (unguis) ſam
(unâ) kan (poteſt) man (vir) da doch femm, ramm,
ſamm, kann, mann geſprochen wird. In einigen wör-
tern ſteht auch nn geſchrieben, z. b. brunn (puteus)
vielleicht zur unterſcheidung von brûn (fuſcus). 3) un-
org. gemination, dadurch oft kürzung langer vocale hat
noch mehr als im neuh. zugenommen, vgl. rum, rum-
met, (locus) rem, remmar (lorum) himmel (coelum)
ſamman (con-) mit dem altn. rûm, rûmit, himinn, ſa-
man etc. Heute ſchreibt man ſogar lopp (curſus) ſkepp
(navis) ſkumma (ſpumare) vattn (aqua) etc. wo vor hun-
dert jahren noch ſkep, ſkuma, vatn, vermuthlich aber
mit geſprochnem kurzem voc. geſchrieben wurde. Man
halte till (praep.) brott (culpa) dömma (judicare)
komma (venire) vänner (amici) blomma (flos) lott (ſors)
ſvett (ſudor) tecken (ſignum) zum altn. til, dœma, brot,
koma, vinir, blômi, hlutr, ſveiti, teikn. Das tt in
kortt (brevis) ſoll den kurzen voc. anzeigen, während
es in ſitt, lett etc. organ. grund hatte; Botin ſchreibt
dafür korrt, findet aber mit recht keine nachahmer;
beßer wäre kort, dagegen ſtôrt (magnum) zum ausdruck
der wirklichen länge.


(L. M. N. R.) liquidae.

Die anlaute l. n. r. bezeichnen auch das altn. hl.
hn. hr; dagegen dauert hv und vr wie im ſächſ. und
goth. (altn. r) nicht aber vl. ſondern l. — Das in- und
ausl. n fällt, wie im altn. (ſ. 305.) weg, auch die r und
ſ. verhalten ſich ebenſo: bêr (bacca) hâre (lepus) vâra
(eſſe) oſſ (nobis) vår (noſter) gn bekommt die naſale aus-
ſprache ngn, als hägn (ſepes) rägn (pluvia) vagn (currus) etc.
lauten hängn, vangn (vgl. oben ſ. 259.). — Wechſel zwi-
ſchen ll und ld, vgl. hylla (ſpondere fidem) gyllen (aureus)
hålla (tenere) fålla (plicare) fällan (raro) kall (frigidus) qvell
(veſper) villa (error) aber vild (furens) huld (fides) guld
(aurum) båld (fortis) etc.; desgl. zwiſchen nn und nd,
als: ſanner (verus) ſinne (mens) ſunnan (meridies) aber
kind (maxilla.) tand (dens) etc.; zwiſchen rr und rn:
fjerre (procul) ſtjerna (ſtella); zwiſchen mm und mb,
ſtatt lam, kam, humla (ſprich lamm, kamm, hummla)
gammel, nemlig (videlicet, ſpr. nemmlig) wurde voriges
jahrh. noch oft lamb, kamb, humbla, gambel, nemblig
geſchrieben; mp wechſelt nicht mit mm: ſvamp (fun-
gus) kamp (pugna) ſtamp (tudes) hamp (altn. hanpr). —
[553]I. ſchwediſche conſonanten. labiales.
Allgemein mn ſtatt des altn. ſn. in: hamn (portus) famn
(amplexus) namn (nomen) hämn (vindicta) jemn (ae-
quus) emne (materies) remna (hiſcere) ſtemna (concio)
ſömn (ſomnus); altſchwed. mpn: hampn, empne, ſtempna;
mſt in komſt (adventus) und blomſter (flos) womit
das angelſ. blôſma, blôſtma, engl. bloſſom zu verglei-
chen. — Aſſimiliertes ll in frilla (pellex) bröllop (nuptiae)
ſt. fridla, brûdlop etc.


(P. B. F. V.) labiales.

Wenig vom altn. abweichend. Der auslaut f wird
inlautend, wenn vocal darauf folgt, zu fv, alſo 1) zwi-
ſchen zwei vocalen: hâfva (habere) ſtâf, ſtâfvelſe (ſyl-
laba) âfvel (ſoboles) lêfva (vivere) grêfve (comes) væfva
(texere) œfva (exercere) gîfva (dare) drîfva (trudere)
rœfva (rapere) hûfvud (caput) djäfvul (diabolus) ſjelf,
ſjelfven (ipſe) etc. 2) zwiſchen liq. und voc. ſkelfva
(tremere) helfvete (orcus) verfva (expedire) ſperf, ſperf-
ven (paſſer) ulf, ulfven (lupus) etc. Ohne zweifel mil-
derung des härteren auslauts f, dieſes fv. alſo dem fächſ.
bh und alth. v zu vergleichen. Mit unrecht ſcheint
aber heute auch dem auslaut mildere labialis eigen,
wenigſtens will Botin p. 27. af, gaf, ſparf wie av, gav,
ſparv leſen, alsdann würde man ohne abwechſelung in-
lautend hâfa, ſkelfa ſetzen können. — Die ſpirans v.
wurde bisher unnöthig durch das hochd. w. bezeichnet
und noch heutzutage bedient man ſich dieſes w. für
den druck mit deutſchen lettern, ſeit der zunehmenden
einführung lateiniſcher hingegen richtiger des einfachen
v; die hochd. niederl. und engl. mundart bedürfen das
doppelte w, weil ſie ein davon verſchiednes v beſitzen. —
Das im altn. inlaut vortretende v (oben ſ. 312.) mangelt
faſt gänzlich, ſpurweiſe ſteckt es in dem auslautenden f
ſparf oder ſperf (paſſer, altn. ſpörr, ſpörvar). — pp und
bb ſind beide häufig und organiſch; ff iſt ſelten und un-
org. in wörtern, die man aus dem hochd. entlehnte,
z. b. träffa (attingere) ſtraffa (punire) offer (ſacrificium)
ſkaffa (curare); deren einige die ſprache ſelbſt in org.
geſtalt beſaß, nur mit andrer bedeutung, namentlich
dräpa (ferire) ſkapa (creare) und das hochd. ſtrâfen würde
ein ſchwed. ſtråpa fordern. Die fehlerhafte ſchreibung
fft ſtatt ft (gifft, lufft) meidet man jetzo. — Zur ver-
gleichung mit ſ. 216. 250. 276. hier die wichtigſten an-
laute vr: vrak (ejecta maris) vrå (angulus) vrål (ulula-
tus) vrång (perverſus) vræka (ejicere) vrêd (iratus)
vrengja (pervertere) vrenſk (equus admiſſ.) vrêt (ſeptum)
[554]I. ſchwediſche conſonanten. linguales.
vrîda (torquere). — Statt des altn. pt. allenthalben ft;
ſtatt fn aber mn; fs in refſa (ſarrire).


(T. D. S.) linguales.

Nachtheilig verſchwindet die aſp. und zwar 1) das
anlautende altn. þ wird zur ten. folglich begegnen ſich
z. b. tunga (lingua) und tung (gravis) altn. tûnga, þûngr;
til, till (praep.) und tîlja (aſſer) altn. til, þilja etc. Hier-
nach entſpricht das anlautende ſchwed. t. bald dem
hochd. d (ting, cauſa; tiſtel, carduus; tjêna, ſervire)
bald dem z (tand, dens; tôm, vacuus; twiſt, lis). 2)
in pronom. und partikelformen hatte ſich das org. th.
länger bewahrt, noch im vorigen jahrh. ſchrieb man
häufig: then (ille) thit (illuc) thå (ibi) thŷ (eo, enim)
thû (tu); heutzutage aber gleichfalls tŷ f. thŷ und in
den übrigen die med. als: den, dit, då, dû, dig, detta,
dêra. 3) das in- und ausl. altn. dh iſt durchgängig zur
med. geworden, als: êd (ſacramentum) jord (terra) gôd
(bonus) vâda (tranſire) etc. — Die altn. ten. und med.
bleiben auch im ſchwed. an-in- auslautend, als: tâm
(manſuetus) låta (ſinere) dâg (dies) blind (coecus) ålder
(aetas) etc. Ebenſo unverändert beſteht die ſpirans ſ,
außer den gewöhnlichen folgende beiſpiele: bâſa (ver-
berare) brâſa (ſtrues ignis) dâſa (libidinari) dvâs (ſtupor)
fâſa (horrere) hâs (ſuffrago) mâs (parcus) mâſa (indul-
gere ſibi) râſa (furere) vâſa (merges ſegetis) ås (trabs)
blåſa (flare) fråſa (ſtridere) gås (anſer) Iås (ſera) mås
(mergus) næſe (naſus) næs (iſthmus) hvæſa (ſibilare) ſnæſa
(increpare) glês (rarus) rêſe (gigas) glîſa (ridere) lîſa (le-
vare) rîs (virga) vîſna (marceſcere) nôs (nares) rôſa (lau-
dare) ôs (foetor) œſa (haurire) dœs (acervus) gœs (go-
bis) brûſa (aeſtuare) bûſe (ſpectrum) dûs (ſtrepitus) hŷſa
(domo recipere) rŷſa (horrere) ljus (lux) kjuſa (faſcinare)
u. a. m. Dieſe ſpirans erſcheint häufig in ableitenden
bildungen der nomina und verba, z. b. gumſe (aries)
rœkelſe (thus) gamſa (laſcivire) gramſa (rapere) rênſa
(purgare) hêlſa (ſalutare) etc. wo kein org. verbundenes
ms, ſondern contraction vorliegt (vgl. ſ. 308.) aus gu-
miſe, gum’ſe; namentlich gehört hierher die eigene adj.
form auf -ſe, als: ênſe (concors) dôgſe (utilis) harmſe
(iratus) ſorgſe (triſtis) ångſe (anxius) gängſe (currens) varſe
(certior factus) etc. — z wird heute nirgends geſchrie-
ben und auch in der paſſiven form mit ſ. ausgedrückt.
Im vorigen jahrh. war tz für ts in den genitiven hjer-
tatz etc. bräuchlich; jetzt gilt nur das beßere hjertats. —
[555]I. ſchwediſche conſonanten. linguales. guttur.
Geminiertes tt 1) = altn. tt in ſkatt, hatt, hitta etc.
2) tt für ht in natt, rätt, lett, tett (ſpiſſus, hochd. dicht) etc.
3) tt für nt in mitt, ditt, ſitt, ett etc. dagegen bleibt
vinter (hiems) mantel (pallium). In den part. praet.
ſteht gâlet f. gâlent (oben ſ. 307. 318.) ebenſo lîtet, trô-
get etc. vgl. Botin p. 111. 4) unorg. tt für t in den
neutris blått, hått, nŷtt (vgl. ſ. 319.). 5) unorg. für t
in bitter (amarus) — dd und ſſ wie im altn.; letzteres
nicht (wie in vielen drucken des 17. 18. jahrh.) mit
hochd. ß zu ſchreiben. — Die verbindungen ſind ſp. ſt.
ſk; beiſpiele: raſp (lima) leſp (blaeſus) geſpa (oſcitare)
wiſp (peniculus) riſpa (rumpere) braſk (pompa) daſka
(verberare) laſka (congeries) leſka (extinguere) beſk (ama-
rus) ſiſka (carduelis, hochd. zeiſig) bruſk (cartilago) äſka
(poſcere) etc. Nicht dies in-, aber das anlautende ſk
iſt vor den weichen vocalen wie ein hochd. ſch zu
ſprechen, z. b. ſkîlja, ſkynda, ſkæl, ſkên lies ſchîlja,
ſchynda, ſchæl, ſchên; vor den harten voc. lautet es
natürlich. Beide laute wechſeln oft in demſelben wort,
z. b. ſkarp und ſkärpa lies ſkarp, ſchärpa. dt im neutr.
der adj. auf d häufig, z. b. gôdt, blîdt, ſändt (miſſum)
ondt (malum), ſteht für gôd’t, blìd’t etc., iſt alſo keine
wahre verbindung und wie bloßes t auszuſprechen.


(K. G. CH. J. H. Q. X.) gutturales.

In dieſer lautreihe iſt verſchiednes eigenthümliche
für die ausſprache und miſchung der ſtufen zu merken.
1) die anlautende ten. iſt unrein vor e, i, y. ä, ö, ê, î, ŷ,
æ, œ, jä, je, jo, ju; wie ſie aber eigentlich laute, un-
ſicher, da die grammatiker abweichende auskunft geben.
Botin p. 28. 44. 55. nimmt tj an und will die geſchrie-
benen kêk (maxilla) kîl (cuneus) kyſſ (oſculum) kær
(carus) kœn (genus) wie tjêk, tjîl, tjyſſ, tjær, tjœn aus-
geſprochen wißen; bloßes t hingegen vor den diphth.
jä, je, jo, ju, als: kjortel (tunica) kjuſa (incantare) lies:
tjortel, tjuſa. Raſk (angelſ. ſpr. p. 8.) behauptet die här-
tere ausſprache tſch, lieſt alſo tſchêk, tſchîl etc. wel-
ches ganz zu dem engl. auch in die ſchrift übergegan-
genen ch ſtatt k ſtimmte *). In ſchwed. büchern wech-
ſelt die ſchreibung kæder, kjæder, tjæder (tetrao gallus
[556]I. ſchwediſche conſonanten. gutturales.
ſilv.) und hier ſcheint nach dem iſl. þidr (lagopus mas
bei Biörn) letzteres richtig, beweiſt aber die gleichheit
der laute kæ und tjæ. Zufolge dieſer ſchwed. regel ha-
ben wurzel und ableitung deſſelben worts bald kehl-,
bald zungenausſprache, z. b. kam (pecten) kämma (pectere)
kâr (vas) kæril (vaſculum) lies: kamm, tjämma; kâr,
tjæril. — 2) in- und auslautend behält k immer reinen
laut, z. b. in hâke (uncus) ſtocken (truncus), obgleich
landſchaftlich ebenfalls hâtje, ſtoctjen geſprochen wird
(Botin p. 21.) — 3) die in- und ausl. ten. hat ſich je-
doch in verſchiedenen ſehr gangbaren wörtern in med.
verweicht, dahin die pron. jag, mig, dig, ſig, någon (altn.
ëk, mik, þik, ſik, nockr) die adj. bildungen -lig (auch
iſländ. ſchon -ligr, ſt. -lîkr, Raſk §. 371.) pîga (virgo,
altn. pîka) und das verb. tâga (altn. taka). Andere, org.
völlig gleiche, behalten k, als: ſâk, ſâker; bâk (pone,
poſt) bôk (liber) ſœka (quaerere) etc. (vgl. unten die ver-
bind. gt.) Im altſchwed. galt noch jak, mik, ſik etc. —
4) vor denſelben weichen vocalen, die das anl. k in tj
wandeln, iſt nun auch das anl. g wie j auszuſprechen
(nicht gj, wie das altn. in gleichem fall, oben ſ. 321.)
man leſe alſo gênom (per) gill (vegetus) gêt (capra)
gälla (ſonare) gœk (cuculus) jênom, jill, jêt, jälla, jœk.
Vor je, jä, jo, ju wird g gar nicht gehört, z. b. gjärn,
gjœra, gjuta ſprich: järn, jœra, juta, daher in ſolchen
wörtern die ſchreibung ſchwankt, weil man j ſetzen
oder weglaßen kann, ohne die ausſprache zu ändern,
als: gjœra oder gœra, gœk oder gjœk. Vor den harten voc.
behält g ſeinen natürlichen laut und wie beim k wech-
ſeln beide laute in den nämlichen wörtern, z. b. gîfva,
gâf; guld, gyllen, lies: jîfva, gâf; guld, jyllen. — 5) in-
und ausl. behält g den laut der reinen med., z. b. in
dâ, dâgen (nicht dâj, dâjen) pîga (virgo) hêlig (ſanctus);
doch mit einigen ausnahmen α) nach r und l lautet es
wiederum j, als belg (follis) berg (mons) helge (ſanctus)
lies: belj, berj, helje, vgl. die praet. ſkîljde, fœljde von
ſkîlja, fœlja etc. β) im neutr. der adj. auf -lig wie k
(Botin p. 28. 43.) alſo hêligt, rôligt l. hêlikt; nicht aber
in adj. mit wurzelhaftem g z. b. ſlûgt (callidum) wo es
rein auszuſprechen. — 6) ch findet ſich (außer chriſten,
chriſtall) heutzutage nur in den partikeln ach und och,
welche man gleichwohl ack, ock ausſpricht und ſo
ſchreiben ſollte; unterſchied zwiſchen och (et) und ock,
ockſå (etiam) iſt eingebildet und unorganiſch. ôk (ju-
gum) ſcheidet ſich aber durch ſeine nunmehrige länge.
[557]I. ſchwediſche conſonanten. gutturales.
Urſprünglich war dies verhältnis gerade umgekehrt,
nämlich altn. ok (jugum) kurz, ôk aber lang (= auk),
freilich ohne ton und darum ok geſchrieben, vgl. das
mittelh. joch und ouch. — Früherhin pflegte man ſt.
der verbind. kt häufig cht zu ſetzen, als fruchta (timere)
dichta (concinnare) etc.; heute frukta, dikta. — 7) j iſt
in der ſchwed. ſchreibung ſehr beliebt α) org. anlaut in
jâ (imo) jâga (venari) β) an- und inlautend in ja, je,
jo, jä, jö, ju, die durch entſchieden conſonantiſche aus-
ſprache des j und betonung des folgenden a, e, o, ä, ö, u
eigentlich aufhören diphthongen zu ſeyn. Daher auch,
wie ſchon bemerkt, jord, ljûf genau: ord, ûf (bubo)
reimen. In tieftonigen und tonloſen ſilben ſchwindet j
zuweilen in ausſprache und ſchreibung z. b. männiſka
(homo) früher männiſkja, menniſkja. γ) ſelbſt auslautend
nach vocal, oder in- und ausl. zwiſchen zwein conſo-
nanten wird j geſchrieben, der allgemeinen anſicht von
der natur dieſes conſ. zuwider, als: nej (non) fœlj,
fœljde imp. und praet. von ſœlja (ſequi); g nach l, r
lautet wie j. δ) nach anlautendem ſ hat j die ausſprache
des franzöſ. j, mit andern worten der anlaut ſj die des
hochd. ſch, als: ſjette, ſjû, ſjæl lies: ſchette, ſchû,
ſchæl. — 8) die ſpirans h braucht der Schwede (ſeit
das falſche dehnzeichen h abgeſchafft iſt) lediglich an-
lautend und ſpricht ſie vor den halbvocalen j, v gar
nicht aus, ſo daß hvaſſ (acutus) hvête (triticum) hjerta,
hjelm:vaſſ, vête, jerta, jelm lauten; in allen übrigen
fällen klingt h wie das hochd. Ohne zweifel war im
altſchwed. das h noch vor j und v lautbar. — 9) die
gem. kk wird ck geſchrieben, beides ck und gg kom-
men vor und behalten ganz ihre natürliche ausſprache
(weil die abweichende des k und g vor weichem vocal
nur anlautend gilt). — 10) man ſchreibt qv, nicht kv;
x wie im altn., z. b. ſax, lax, vax etc.; einigemahl er-
ſcheint ſſ in böſſa (pyxis) welches aus dem niederd. ent-
lehnt ſcheint. 11) tadelhafte unſicherheit in ſchreibung
der verbindungen gt, kt. Dem mittelh. ht ſollte aller-
wärts tt entſprechen, ich finde aber neben natt (nox)
åtta (octo) ätt (genus) rett (jus) lett (levis) etc. makt
(potentia) akta (aeſtimare) dikta (dictare) und ſchwan-
kend geſchrieben magt, agta digta, ſo wie rigtig (rectus)
ſagte (leniter) ägtenſkap (conjugium) bragte (attulit)
vigt (pondus) etc. Ähnliche fehler im iſländ. (Raſk
p. 294.) Im neutr. der adj. auf g iſt dagegen gt voll-
kommen richtig.


[558]I. däniſche vocale.

Schlußbemerkungen. 1) die ſchwed. ausſprache
vermengt viele, in der ſchrift noch geſchiedene wörter,
namentlich die anlaute ſk. ſj; gjo. hjo. jo; kä, tjä etc.;
ſo ſind ſjæl (anima) ſkæl (ratio); gjord (cingulum) hjord
(grex) jord (terra); kæra (carus) tjæra (pix) für das ohr
ununterſcheidbar; desgleichen blott (nudus) blått (coeru-
leum) etc. 2) inclination ſcheint ſelten.


Däniſche buchſtaben.


vocale.


Im allgemeinen das ſchwed. verhältnis, dieſelbe ver-
längerung organiſcher kürzen, dasſelbe vorſchreiten un-
org. conſ. gemination (die jedoch auslautend ungeſchrie-
ben bleibt) und dadurch verderben urſprünglicher län-
gen. Ebenſo wie im ſchwed. unterſcheidet ſich aber
der laut des org. langen a (altn. â) von dem unorg. ver-
längerten, weshalb der neuh. reim jâren:fâren (jahren,
fahren) im dän. gleichfalls unzuläßig wäre, weil aar
(annus) von fâre (ire) ganz verſchieden lautet. Bei den
andern vocalen hingegen ſtimmt die organ. zur unor-
ganiſchen länge, z. b. blîve (manere) reimt auf gîve
(dare) ſîde (latus): vîde (ſcire) und letzteres lautet gleich
mit vîde (dilatare); urſprünglich hatten vide, give kur-
zes i. Organiſche länge pflegt die ſchreibung noch durch
äußere doppelung auszudrücken, allein ſchwankend, in-
dem ſie 1) aa überall ſetzt, das wort mag einſilbig oder
durch zutreteude flexion mehrſilbig ſeyn, als: aar (annus)
aaret (das jahr) maal (modus) maale (metiri) 2) ee, ii,
oo, uu nur im einſilbigen fall, einfachen vocal, ſobald
flexionsſilben anwachſen, als: eeg, pl. ege (quercus)
viin, vinet (vinum) huus, huſet (domus), was en die
mittelniederl. weiſe (ſ. 484.) mahnt, aber verwerflich
ſcheint, weil in der that keine verkürzung ſtatt findet,
vielmehr ege, huſe, blive etc. klingend reimen. — Ich
werde die bezeichnung ee, ii, oo, uu mit meiner ge-
wöhnlichen ê, î, ô, û vertauſchen, dieſe jedoch ein-
und mehrſilbig gebrauchen, alſo êg, êge; vîn, vînet etc.
ſchreiben. Hingegen aa muß ich beibehalten, weil es
im laut von dem unorg. â abweicht; vielleicht hätte ich
dafür das ſchwed. å ſetzen ſollen, dem es gänzlich ent-
ſpricht. — Bloch hat in ſeiner danſk ſproglære die vo-
cale genau, meines bedünkens, durch verwirrung des
tons mit dem laut, allzu ſpitzfündig abgehandelt.


[559]I. däniſche vocale.

(A) in: tal, tallet (numerus) tak, takken (gratia)
tand (dens) vand (aqua) fand (diabolus) etc. vor einigen
liq. verbind. in aa oder o übertretend, allein ſchwan-
kend und anders, als im ſchwed. Vor ld ſteht: holde
(tenere) folde (plicare) vold (poteſtas) kold (frigidus);
aber falde (cadere) galde (bilis) kalde (vocare) alder
(aetas); vor nd: aand (ſpiritus) vaand (periculum) baand
(vinculum) haand (manus); aber ſand (arena) band (ban-
num) ſand (verus) tand (dens); vor ng ſtets kurzes a
als: ſang (cantus) gang (iter) fang (captura) mange (plu-
res); vor rd: haard (durus) kaarde (enſis) gaard (aula).
Man vgl. das ſchwed. Wo ld, nd dem altn. ll, nn ent-
ſpricht, bleibt a, wo ſie auch altn. ld. nd. lauten, än-
dert es ſich meiſtentheils, nicht immer, z. b. in land
nicht.


(E) häufig, theils urſprüngliches e, theils ë; bei-
ſpiele:ende (finis) vende (vertere) emmer (cinis candens)
ven, venner (amicus) ſtemme (vox) nenne (audere) lem,
lemmer (membrum) glemme (obliviſci) let (levis) etc.
Bloch p. 19. unterſcheidet ein gröber und feinerlautendes
e, beide ſeyen kurz, jenes dem ä, dieſes dem i näher,
jenes z. b. in ven (amicus), dieſes in led (articulus).
Da im altn. vinr und lidr gleichlauten, ſo vermag ich
dieſe verſchiedenheit hiſtoriſch nicht zu faßen, noch die
wörter anzugeben, welche der einen oder andern aus-
ſprache zufallen. In led ſcheint mir der Däne eher
zwiſchen länge und kürze zu ſchwanken, ich finde lê-
devand und leddevand (gliedwaßer); dem Schweden iſt
ven, venner (= vän, vänner) kurz, lêd aber lang.
Wenn Bloch den feinern laut im artikel en, et an-
nimmt, ſo bezweifle ich zwar nicht die verſchiedenheit
dieſer e von denen in ven, let (levis), erkläre ſie aber
aus der unbetonung; en, et iſt das tonlos gewordene
zahlwort èn, êt. Übrigens wechſelt die ſchreibung e
und ä in manchen wörtern, wie im ſchwed. z. b. dverg
oder dvärg (nanus) nur daß dem Dänen das e, dem
Schweden das ä beliebter iſt. Zuweilen wechſelt auch
je mit e, als: bjerg (mons) neben dverg (ſchwed. berg,
bärg).


(I) nähert ſich in der ausſprache dem e, in welches
es oft übergetreten iſt (z. b. ven, lem, led; altn. vinr.
limr, lidr). Beiſpiele: ting (res) finde (invenire) vis
(certus) ſlikke (lambere) etc.; warum es nach Bloch
p. 21. in kikkert (fernrohr) anders lauten ſoll, ſehe ich
nicht ab.


[560]I. däniſche vocale.

(O) beiſpiele: folk (gens) borg (arx) komme (venire)
kobber (cuprum) etc. Tadelnswerthe miſchungen mit
dem urſprünglich langen aa, nämlich 1) o für aa vor ld,
als: folde, holde, kold ſt. des richtigeren faalde, haalde,
kaald. 2) aa für o, als: taarn (turris).


(U) nähert ſich dem o (wie i dem e) als: grund
(ſolum) kunſt (ars) guld (aurum) knurre (murmurare)
ulv (lupus). Warum (nach Bloch p. 23. vgl. 281. 282.)
das u in ſlutte (claudere) ſtund (hora) u-mäßiger, d. h.
vom o weiter abliegend ſeyn ſolle, begreife ich wieder
nicht, ohne zweifel reimt auch allen dichtern grund
auf ſtund.


(Y) umlaut des u, als: gylden (aureus) ynde (favor)
yngre (junior) zuweilen unorg. für u, in kys (baſium)
ſynd (peccatum). Schwankt nach ausſprache und ſchrei-
bung in kurzes ö, vgl. dör (oſtium) mit dem altn. dyr;
man ſchreibt ſtytte und ſtötte (fulcrum). Dies erklärt
ſich aus dem ſchweben des unumlautenden u und o.


(AA) zwei ganz verſchiedene arten. 1) organiſche
länge, dem altn. â parallel, auszuſprechen aber wie das
ſchwed. å, folglich zwiſchen a und o, beinahe ô; die-
ſen däniſchen laut ſchreibe ich beſtändig aa. Beiſpiele:
haar (crinis) aar (annus) raade (regere) naade (favor) etc.
Er vertritt α) kurzes a vor nd, rd.; klingt dieſes aa nach
Bloch p. 279. in der heutigen ausſprache ganz wie kur-
zes o; ſo ſollte man auch hond, hord ſchreiben. β) ô,
und theils org. langes (haane, deridere; daab, baptiſmus);
theils org. kurzes (taale, tolerare; aaben, apertus) oft
ſchwankend, bald kaage, bald kôge (coquere) ſprôg (lin-
gua) f. ſpraag. — 2) unorg. verlängerung des a, die in der
dän. ſchreibung ganz unausgedrückt bleibt; lautet wie
hochd. â, nicht wie das vorhergehende aa; ich bezeichne
ſie mit â. Beiſpiele: tâle (loqui) gâde (via) fàre (ire) etc.


(EE) 1) organiſche länge in ên (unus) bèn (os) mêne
(putare) vêd (ſcio) êg (quercus) êgen (proprius) etc.
2) unorganiſche in trêdje (tertius) nêden (infra) êder
(vobis).


(II) 1) org. in vîs (ſapiens) vîſe (modulus) blìve (ma-
nere) etc. 2) unorg. in vîde (ſcire) gìve (dare) etc.
Beide in der ausſprache eins, gîve reimt auf blîve (neuh.
gêben, bleiben).


(OO) 1) org. für altn. ô in bôg (liber) dôm (judi-
cium) gôd (bonus) môder (mater), zuweilen in die
ſchreibung oe (nicht œ) ſchwankend, als foed (pes)
moere (gaudium afferre) hoer (adulterium) vgl. Bloch
[651[561]]I. däniſche vocale.
pag. 280. 2) unorg. in kône (mulier) ſôve (dormire) etc.
3) zuweilen für aa geſchrieben, als: vôve (audere).


(UU) 1) org. in mûs (mus) brûn (fuſcus) brûge
(uti etc. 2) unorg. in hû (mens).


(YY) ſtets org. lang, aber bald dem altn. ŷ, bald
iú parailel, z. b. ſŷv (ſeptem) ſŷg (aeger) nŷde (frui)
dŷr (animal) lŷs (lumen) etc.


(AE) doppelter art 1) kurzes ä, ſtatt des kurzen e;
beiſpiele: läs (onus) läſſe (onerare) lärred (linum) välge
(eligere) vägge (parietes) väkke (excitare) etc. 2) lan-
ges æ, und zwar theils organiſch, z. b. in lære (docere)
klæde (veſtis) etc. theils (und weit häufiger) unorg. ver-
längerung des altnord. e und ë, vgl. glæde (laetum red-
dere) væve (texere) ræv (vulpes) bære (portare) hæle (ce-
lare) etc. — Schwanken zwiſchen ä und e, zwiſchen
æ und ê kann nicht befremden; in der regel wird der
gefühlte umlaut durch ä, æ, der ungefühlte durch e aus-
gedrückt, doch mit vielen inconſequenzen.


(AI) außer einigen fremden wörtern, wie mai etc.
nur vorhanden in vaie (efHare).


(AU) gleichfalls kein eigentlicher diphth. daher dem
altn. au (das zu œ geworden iſt) unvergleichbar, viel-
mehr meiſtentheils aus aufgelöſtem v (ſtatt g) entſprin-
gend. So ſteht faur (pulcher) für favr und dies für fâ-
ger; gnauſling (avarus) f. gnavſling von gnâve (ſchwed.
gnâga, rodere); laurbær (laurus, ſchwed. lâgerbær); taus
(taciturnus) würde früher tâves, ſchwed. tâgſe lauten
und hört zum altn. þegja (tacere); aus ſâv (ſerra, ſchwed.
ſåg) bildete ſich ſau und mit wiedervortauchendem g
ſaug, ebenſo verhält ſich laug (convivium) hauge (hor-
tus, pratum) zum ſchwed. lâg, hâge. Verſchiedene an-
dere ſind mir dunkel, die interj. au! bau! und das da-
von geleitete forbauſe (metu percelli); noch andere ſchei-
nen germaniſmen, z. b. pauke, pauſe, ſmaus (ſchmaus)
traurig; ſtaut (ſuperbus) neben dem üblicheren ſtolt er-
innert ans niederl.


(EI) weit häufiger als das vorſtehende au, aber (wie
dieſes aus av) aus ej zu deuten, folglich dem altn. (zu
ê gewordnen) ei höchſt unähulich. Über die ſchreibung
ei oder ej müſte man etwas feſtſetzen. Einmahl wäre
obigem au ei und nicht ej analog, oder auch âv und
grammatiſch êj zu ſchreihen. Erlaubt man ſich (nach
ſchwed. weiſe) ein auslautendes ej, als nej (non) vej
(via) ſo zieht dies auch inlautendes j. bei folgendem
conſ. nach ſich, z. b. ſpejl (ſpeculum) dejiig (formoſus)
N n
[562]I. däniſche vocale.
ſejl (velum) ſejr (victoria). Strengtheoretiſch hingegen
dürfte j nur inlautend zwiſchen zwei voc. ſtehen, aus-
lautend und bei anſtoßenden conſ. zu i werden, alſo
z. b. veje (vias) eje (poſſidere) ſejer (victoria) oder noch
beßer vêje, êje, ſêjer; aber: vei (via) nei (non) ſeir
(victoria); vgl. unten g und j. Verwerflich ſind die
ſchreibungen ey, vey etc. — Ausnahmsweiſe zeigt ſich
das wahrhaft diphthongiſche (nicht aus ej ſtammende)
ei, z. b. in reiſe (iter) reiſe (erigere) feig (moribundus) etc.
wo der Schwede conſequenter: rêſa, fêg; ſichtlicher ger-
maniſmus in meiſel (ſcalper, hochd. meißel, altn. meitill).


(IA. IE. IO. IAE. IOE.) ſind nach dem zu beurthei-
len, was ſ. 549. beim ſchwed. geſagt worden. Neuere
grammatiker halten die ſchreibung ja, je, jo, jä, jö
für beßer als das altdän. ia, ie, io, iä, iö, wovon ich
mich ſo wenig, als beim altn. überzeugen kann. Frei-
lich iſt zwiſchen dem dän. je und ie (in jêſus, tiene)
kein ſolcher unterſchied, wie zwiſchen dem hochd. je
und ie (jêſus, dienen); vielmehr das dän. ie beſtändig
ié, das hochd. beſtändig íe, ſo daß dän. tiene, tjene =
tjêne auf mêne (arbitrari) reimt, das hochd. dienen aber
auf bienen (apibus) ihnen (eis). Diphthongiſch bleiben
immer beide, gleichviel ob der unbetonte voc. vor -
oder nachſchlägt, und ſchreibungen, wie mjœd, ſjelden
widerſprechen der conſonantiſchen natur des j. Will
man mittelſt der ſchreibung j ſolche wörter von den
mehrſilbigen (undiphthongiſchen) i-e unterſcheiden,
z. b. ſtjerne (ſtella, zweiſilb.) von ſti-erne (calles, dreiſ.)
bjerg (mons, einſilb.) von bi-er (apes oder exſpectat,
zweiſ.), ſo wäre dies mit der accentuation ſtierne und
ſtîerne eben ſo deutlich ausgerichtet. Indeſſen behalte
ich die neue orthographie je etc. bei. Die dän. je, jä
entſprechen den ſchwed., doch ſo, daß im dän. je, im
ſchwed. jä häufiger iſt; manche wörter ſchwanken, z. b.
hjelpe und hjälpe; jo, jö begegnen ſich gleichfalls in
beiden mundarten. Zuweilen gilt einf. vocal in der ei-
nen, je in der andern, vgl. das dän. bjerg mit dem
ſchw. berg, hingegen das dän. milt (ſplen) melk oder
mälk (lac) mit dem ſchw. mjelte, mjölk. Das ſchwed.
ju beſitzt die dän. ſprache gar nicht; ſie hat es in ŷ ver-
dichtet, vgl. tŷv (fur) frŷſe (algere) ſchwed. tjuf, frjuſa
(zuweilen auch frŷſa). — Zwiſchen anlautendes k und
g bei folgendem weichem voc. hat ſich gern ein unorg.
j eingedrängt, z. b. gjennem (per) kjende (noſcere)
ſchw. gênom, kenna (känna).


[563]I. dänilſche vocale.

(OE) mit einem durchſtrichenen o (Ø) ausgedrückt,
welche unbequeme geſtalt man längſt hätte aufgeben ſol-
len; α) kurzes ö in ſön. ſönne (filius) öxe (ſecuris)
börn (liberi) fölge (ſequi) dölge (dolere) ſölv (argentum)
önſke (cupere) folglich dem altn. o, ö, y und i entſpre-
chend β) langes œ und zwar 1) für das altn. au, als:
ſtœde (tundere) brœd (fregit) œje (oculus) lœs (ſolu-
tus) etc. 2) für deſſen umlaut ey. als: mœ (virgo) œ
(inſula) œre (auris). 3) für altn. œ, als: hœne (gallina)
bœn (preces) fœle (ſentire) fœre (ducere). — γ) langes
oe (weder zu ſchreiben noch zu ſprechen œ, ſondern
unzuſammengezogen óe) erinnert an das hochd. uo, u[e]
und ſchwankt in das gewöhnl. ô, als fôd und foed (pes,
pl. födder) hôr and hoer (fornicatio) ganz verſchieden
von fœd (natus) hœre (audire); entſpringt häufig aus
ſyncopiertem d, g, als moer (mater) foer (pabulum) ſt.
môder. fôder, daher auch lieber môer, fôer zu ſchreiben.


(OEI) iſt œj, alſo dem ej analog; beiſpiel: œje (ocu-
lus) bœje (flectere) etc.


(OU) aus ov (= og) ſtammend, wie au aus av,
übrigens ſelten: boug (armus) ploug (aratrum) tong (fu-
nis) neben bov, plov, tov, vgl. oben beim au die form
aug und Bloch p. 284. —


Schlußbem. 1) da ei, au, ou zufällig und ſpä-
terhin aus eg, av, ov entſpringen, ſo neigt ſich die
ſprache, wie die ſchwed., zur verdichtung der alten
diphthongen. Die altn. ei, au, ey ſind zu ê, œ gewor-
den. 2) umlaut, durch altes i gezeugt, beſteht fort, als
haand, hænder; guld, gylden; von dem durch altes u
gezeugten erhalten ſich einzelne trümmer, z. b. hör,
hörret (linum) börn (infantes). 3) länge und kürze er-
ſcheint mir häufig ungewiß; entſcheiden müſten fein-
hörige dichter. Die unorg. gem. der conſonanten (na-
mentlich der liq.) hat alles maß überſchritten und greift
viel weiter um, als im ſchwed. Dadurch werden zwar
alte kürzen gerettet, die der Schwede dehnt, z. b. hon-
ning (mel) ſönner (filii) ſchwed. hônung, ſœner, altn.
hunâng, ſynir; ſehr nachtheilig aber alte längen vernich-
tet, z. b. dömme (judicare) blomme (flos) grönne (vi-
rere) ſchwed. dœma, blôma, grœna. Anderes ſchwankt,
z. b. ich finde dœr, dœren (oſtium) und dör, dörren
(ſchwed. dörr). Vermuthlich gilt zuweilen im auslaut
(bei ungeſchriebner gem) langer vocal, der ſich inl.
kürzet, z. b. væg (paries) pl. vägge; doch der ſing. von
ſönner ſcheint ſön und nicht ſœn Ja ſelbſt gôd (bonus)
N n 2
[564]I. däniſche conſonanten.
mîn (meus) hvîd (albus) werden durch zutretendes t
der neutralen flexion gekürzt in godt, mit, hvidt, dem
altn. gott, mitt (nicht aber hvitt, ſondern hvîtt) ver-
gleichbar, oben ſ. 329.


Däniſche conſonanten.


Allgemeine grundſätze: 1) die org. tenuis hat ſich
nach vocalen (alſo in- und ausl.) durchgängig in med.
verwandelt, vgl. ſkîb (navis) grîbe (rapere) ſœbe (ſor-
bere) ſœd (dulcis) hvêde (triticum) vîde (ſcire) ſŷg (ae-
grotus) fŷge (vento ferri) wogegen im ſchwed. ſkêp,
grîpa, ſœpa, ſœt, hvête, vîta, ſjuk, fjuka. Dieſe ver-
weichlichung *) ſchadet; während ſchwed. bjuda (offerre)
ſjuda (coquere) njuta (frui) ſkjuta (jaculari) ſtîga (ſcan-
dere) vîka (cedere) geſondert ſind, ebenſo hochd. bie-
ten, ſieden, genießen, ſchießen, ſteigen, weichen; fal-
len dän. bŷde, ſŷde, nŷde, ſkŷde, ſtîge, vîge in eine
reihe. Dadurch vermengen ſich z. b. vîde (ſcire) vîde
(dilatare) ſœd (dulcis) ſœd (coquebat). 2) anlautend
ſtets, ſo wie in- und ausl. nach conſ., folglich auch
geminiert, bleibt die org. ten. vgl. pîbe (tibia) tand
(dens) kande (cantharus) torp (oppidum) ſalt (ſal) melk
(lac) und in ungeſchriebener gem. hop (interj.) ſtik
(ictus) ſkat (theſaurus) zum erweis, daß man hopp,
ſtikk, ſkatt ſchreiben ſollte. Deſto auffallender ſteht nun
vittig (ſapiens) von vîde ab (altn. vitugr, vita) ſkipper
(nauta) von ſkîb (altn. ſkipari, ſkip), zugleich beweis
für das jüngere alter der b und d in ſolchen wörtern;
als die gem. entſprang, ſchrieb man gewiß ſkip, ſkipe
(navigare) vite (ſcire), ſonſt wäre ſkibber, viddig ent-
ſprungen. 3) jene vermengung mindert ſich bisweilen
dadurch, daß die org. med. d und g (org. b kommt
nicht vor) in- und auslautend auszufallen oder ſich g
in j auf zulöſen pflegt, vgl. môer f. môder; ſtîe f. ſtîge
(ſcala) vej (via) eje (poſſidere). 4) daß conſ. gemination
auslautend nicht geſchrieben werde, habe ich ſo eben,
daß ſie dadurch bei ihrem bedeutenden zunehmen un-
ſicherheit in den vocallaut bringe, vorhin (ſ. 563.) ange-
zeigt. Einzelne ſchreibung der auslautenden gem. (Bloch
[565]I. däniſche conſonanten. liquidae.
p. 285.) unterſcheidet wohl einige formen fürs auge,
greift aber lange nicht durch.


(L. M. N. R.) liquidae.

Die altn. ll und nn erſcheinen hier als ld und nd:
galde (bilis) hald (proclivis) ſtald (ſtabulum) kalde (vo
care) falde (cadere) ilde (male) vild (ferus) ſpilde (cor-
rumpere) fuld (plenus) guld (aurum) huld (favor) mand
(vir) ſand (verus) pande (patina) tand (dens) anden (alius)
brände (urere) ſpände (figere) ſvend (puer) hende (ei f.)
kjende (noſcere) ind (intro) ſkind (cutis) kind (gena)
rinde (fluere) ſpinde (filum torquere) finde (invenire)
unde (favere) etc. Ausnahmen: al, alle (omnis) *) ſtille
(temperare) nenne (audere), noch ſeltner ſteht ll für das
altn. ld, wie in heller (potius). Gewöhnlich bleiben
die altn. ld. nd auch im dän. als: alder (aetas) kold
(frigidus) vold (vis) holde (tenere) folde (plicare) muld
(terra) haand (manus) rand (margo) vind (ventus) und
vocalveränderungen erklären ſich vielleicht als ein mit-
tel einzelne formen geſchieden zu halten. Man vgl. das
altn. falla (cadere) hallr (procliv.) falda (plicare) halda
(tenere) mit dem däu. falde, hald, folde, holde. Im
ſchwed. iſt die form ll und nn beliebter, verdrängt ſo-
gar das altn. ld. nd in fa͗lla, hålla. mull (terra) munn
(os) etc. wiewohl hand, rand etc. bleiben. Jede mund-
art beſtimmt ſich in ſolchen fällen eigenthümlich ſchwan-
kend. Jene altn. ll. nn verlor die däniſche, überkam aber
eine menge unorganiſcher, wie mölle (mola) honning,
ſönner, venner etc. (altn. hunang, ſynir, vinir) desgl.
mm, wie komme, domme (judicia) blomme (flos) etc.
ſie wandelt auch die altn. mb in mm, als kam, kam-
men (pecten) lam, lammet (agnus); die form mp beſteht:
hamp (cannabis) kamp (pugna) ſvamp (fungus) ſtump
(obtuſus) etc. — Aſſimiliert iſt dronning (regina) aus
drottning (alth. truhtininna?) Das ſchwed. mn fehlt und
vn liegt dem altn. fn näher. — r für ſ erſcheint in
blære (veſica, ſchwed. bla͑ſa); ſchwanken zwiſchen rr
und rv in ſpurre (paſſer) und ſpurv; altn. ſpörr, ſchwed.
ſparf (vgl. das hochd. ſperber und ſperling); umſetzung
des r in kors (crux) kirſtin (chriſtina).


[566]I. däniſche conſonanten. labiales.
(P. B. F. V.) labiales.

Die anlaute wie im altn.; in- und ausl. aber ten.
nach dem allg. grundſatz zu beſchränken. Noch be-
ſchränkter wird aber die aſp. welche in- und ausl. nicht
allein nach vocalen, ſondern auch nach l und r in die
ſpirans übergeht, als: hâv (pelagus) gîve, gâv; blîve,
blêv; kurv (corbis) ſölv (argentum) kalv (vitulus) gulv
(ſolum) altn. gëfa, gaf, blîfa, bleif; kâlfr; gôlf; ſchwed.
hingegen gîfva, gâf; blîfva, blêf; ſilf, kalf, golf. Bloß
in der verbind. ft hält ſich inlautende aſp. Überhaupt
iſt v. ein lieblingslaut der weichen dän. ſprache, er ſteht
1) als org. ſpirans im anlaut: vaaben (arma) vand
(aqua) etc., nach ſ. bleibt v zuweilen aus, z. b. ſort
(niger) ſaa (ita) altn. ſvartr, ſvâ, vgl. oben ſ. 311. — 2)
in- und ausl. ſtatt des org. g. als: lâv (humilis) mâve
(ſtomachus) ſkôv (ſilva) elkôv (amor) âvn (palea) gâvn
(lucrum) fâvn (amplexus) fâvr (pulcher) dâvre (pran-
dinm) etc. altn. lagr. magi, ſkôgr, elſkugi, ögn, gagn,
fagnadhr, fagr, dagvërdhr. Von berührung des v mit g
war ſchon mehrmahls die rede (ſ. 261.) zuweilen zerlöſt
es ſich ganz in den vocal u, wovon vorhin bei au, ou
beiſpiele, zuweilen erſcheint neben der auflöſung das
anfängliche g; in plôug. hânge überfließt entw. die lab.
oder gutt. (plôv, hâve oder plôg, hâge) dem überfließen-
den mittelh. w in iuw vergleichlich. — 3) in- und
ausl. ſtatt des org. f (ſchwed. fv, f.) wozn vorhin bei-
ſpiele angeführt; hier noch von den verbind. vn, vr:
nâvn (nomen) râvn (corvus) hâvn (portus) ſtâvn (prora)
jævn (aequus) lêvne (linquere) ſtêvne (concilium) hâvre
(avena) etc. Ganz aus fällt dieſes v in dûe (columba) ſtûe
(hypocauſtum) hûe (tiara). — In dem dän. v, vn ſinken
mithin die altn. f. g. fn. gn zuſammen und vielleicht trat
jenes überflüßige g wieder zu, um hâuge von hâv (mare)
lâng (convivium) von lâv (depreſſus) abzuſondern (beßer
altn. lag und làg; ſchwed. lag und la͗g). — Geminiert unter-
ſcheiden ſich pp und bb gehörig: ſneppe (ſcolopax) ſnappe
(ſurripere) lappe (ſarcire) ſlippe (effugere) loppe (pulex)
grib, gribben (gryphus) gubbe (ſenex) ſtub, ſtubben (trun-
cus) etc.; ff. ſcheint mir, wie im ſchwed., fremde wör-
ter anzudeuten, (ſtraffe, träffe, gaffel, ſkaffe, offre). —
Das anlautende vr verhält ſich wie das ſchwed.; bſ in
vebſe iſt eine auch andern deutſchen ſprachen geläufige
umſetzung von veſbe (veſpa), eigentlich heißt dieſes in-
ſect dän. gêding, gêdehams, ſchwed. gẻting, iſl. geit-
hamr (geißhaut). — ft häufig, vgl. ſkrift (ſcriptura)
[567]I. däniſche conſonanten. linguales.
ſkrifte (confeſſio) drift (paſcuum) vifte (gyrare) gifte (in
matr. dare) etc. Verſchieden davon iſt die uneigentl.
verbind. vt in ſtîvt neutr. von ſtîv (rigidus) u. a.


(T. D. S.) linguales.

Die labialreihe unterſchied noch anlautende ten.
med. aſp.; hier aber iſt (wie im ſchwed.) aſp. in ten.
übergetreten (th. bloß in fremden wörtern und der ein-
zigen partikel thî, ideo, zum unterſchied von tî, de-
cem [ſchwed. jene tŷ, dieſes tjo]; andere pronominal
und partikelformen haben d angenommen, als: den, de,
der, dâ). Nimmt man dazu die nach allg. dän. regel
ſtattfindende auflöſung der in- und ausl. ten. in med.;
ſo ergeben ſich die auffallendſten umkehrungen der org.
lautvertheilung, z. b. des altn. þióta (ululare) þriatîgir
(triginta) þorp (oppidum) torg (torum) in tûde, trêdîve,
torp, torv (ſchwed. tjuta, trettijo, torp, torg). Daher
auch die dän. zungenlaute in einem ganz verſchobenen
verhältniß zum hochd. ſtehen, vgl. tiende, tjene mit
zehnte, dienen oder dœd, ſtœd mit todt, ſtoß. In den
verbindungen und gem. ſcheiden ſich t und d. orga-
niſch, z. b. galte (aper) ſmelte, ſmerte. — Auslautend
(bei vorſtehendem voc.) pflegt d noch die weich aſpi-
rierte oder liſpelnde ausſprache des altn. dh, engl. th
zu haben, z. b. in den praepoſ. med, ved (engl. with)
gôd, l. med’, ved’ gôd’. Inlautend wird es oft über-
hört, ſo daß manden, guldet faſt wie mannen, gullet
klingen; bei nachfolgendem r der endung auch wohl
ſelbſt in der ſchrift ausgeworfen, z. b. fâer, môer, brôer,
lær (corium) bîer (moratur) vêjr (tempeſtas, aer,) ſtatt
fâder, môder, brôder, læder, bîder, vêder (ſchwed. væ-
der, das eingeſchobene j iſt unorg. beruht aber auf ei-
ner vermiſchung mit ſejr ſt. ſêger). Seltner fällt es
ohne folgendes r weg, z. b. im inf. bîe, gnîe (fricare)
ſt. bîde, gnîde; vgl. den ausfall des niederl. d (oben
ſ. 537.). — Die ſpirans ſ. verhält ſich wie im ſchwed.
und iſt in den ſcheinbaren verbindungen gängſe, êns
(concors) taus (tacitus) hams (cutis) dands (chorea) ræd-
ſel (horror) aadſel (cadaver, ſchwed. åtel) bîdſel (fre-
num, altn. beitſl) etc. leicht zu beurtheilen‥ Aus ge-
neigtheit zu dieſem dſ. (in dän. volksliedern die na-
men âdeluds, ſidſelille 3, 361.) ſetzt der Däne ſogar tiſtel
in tidſel (carduus) um. — z iſt undäniſch, wird auch in
fremden wörtern gewöhnlich durch ds, ts ausgedrückt. —
geminationen tt. dd. ſſ. als: ſkytte (ſagittarius) ſpytte
(ſpuere) lytte (auſcultare) bred, bredden (margo) gnid-
[568]I. däniſche conſonanten. linguales. gutturales.
der (lendes) nödder (nuces) niſſe (ſpir. fam.) viſſen (flac-
cidus) viſſelig (certus) ſyſſel (negotium) etc. Das ver-
hältniß zwiſchen tt und dd ſchwankt, erläutert ſich aber
hiſtoriſch, z. b. ſkytte oder hvitte (dealbare) rührt aus
einer zeit her, wo noch ſkŷte (jaculari) hvît (albus) ſt.
des ſpäteren ſkŷde, hvîd galten; nödder aus einer jün-
geren, wo die verwandlung des nöt in nöd ſchon ge-
ſchehen war. Der Schwede ſagt richtig ſowohl ſkytta
als nötter; altn ſkyti, hnytir; mittelh. ſchütze, nüƷƷe. —
Die anl. lingualverbindungen ſind ganz die ſchwediſchen,
d. h. von aufhebung der aſp. abgeſehn auch die altnor-
diſchen. Dieſe drei ſprachen beſitzen den ausdrucksvol-
len triphthongen ſqv (ſkv) (lat. in ſqvama. ſqvalere), den
ich im hoch- und niederd. miſſe *). Beiſpiele: dän.
ſqvaldre (blaterare) altn. ſqvaldra, ſqvola, ſchwed. ſqvalra;
ſqvoppe (aquam cum ſonitu movere) altn. ſqvampa,
ſchwed. ſqvalpa; ſqvulpe (colluere); ſchwed. ſqväka
(coaxare) altn. ſqvetta (raptim fundere). Der Gothe
kennt ein inlautends ſqv (ſ. 67.) das angelſ. wörterb.
kein ſcv. obwohl das engl. ſquab, ſquabble, ſquall,
ſquaſh, ſquat, ſquint, ſquirt, ſquîre (altn. ſqvîari, po-
cillator) etc. darbietet; vgl. die norweg. wörter bei Halla-
ger p. 118b. — Das inlautende ſp finde ich mitunter
in ſb verweicht, als: läſbe (ſibilare, liſpeln) veſbe (veſpa);
andere ſchreiben läſpe, veſpe, giſpe (anhelare) haſpe
(gyrgillus) etc. ſk und ſt häufig, letzteres zuweilen in
dſ übergehend, zuweilen aſſimiliert, wie huſtrû (mater-
fam.) aus hûsfrû.


(K. G. J. H. Q. X.) gutturales.

Ähnlich dem altn. gebrauch bekommen die anlaute
k und g vor weichen voc. mildere ausſprache, welches
indeſſen die dän. rechtſchreibung meiſtentheils durch ein
zwiſchengerücktes i (j) bezeichnet; kjende, kjœbe, gjeſt,
gjemme und ebenſo nach der verbindung ſk, ſkjêl,
ſkjœd etc. ſtatt der urſprünglichen formen kende, kœbe,
geſt, gemme, ſkêl, ſkœd. Die ſchreibweiſe hat ihr nach-
theiliges. theils weil ſie nicht ſtrenge durchgeführt wird,
z. b. ich finde kêde (taedium) gêd (capra) für kjêde,
[569]I. däniſche conſonanten. gutturales.
gjêd *); theils weil ſie vor dem i nicht gilt, folgerichtig
müſte es auch:gjitter, gjîve, kjind und nicht gîve, git-
ter, kind heißen; theils endlich, weil ſie das org. je,
jö, jä verdunkelt. Offenbar hat dieſes z. b. in gjerne,
kjeft, kjœl andern ſinn, als in jenen wörtern, wie die
vergleichung des altn. giarn, kiaptr, kiölr mit geſtr,
geyma, kenna lehrt. — Vor den harten vocalen (a, o,
u, aa) lauten k und g wie im hochd. an. In- und ausl.
wandelt ſich nach dem allg. grundſatz k in g, außer
wenn es für kk ſteht oder conſ. vorausgeht. Die in-
und auslautende org. media (nicht das aus k entſprun-
gene g) hingegen 1) nach harten voc. und liquidis gern
in v, beiſpiele vorhin bei den diphth. au, ou und dem
v, hier noch einige: vôve (audere, beßer wäre vaave)
torv (forum, altn. torg) marv (medulla) neben vôgn
(currus) gilt auch vôvn 2) nach weichen voc. gern in j;
beiſpiele oben bei ei, œi; weitere: lêjr (caſtra, ſchwed.
læger) vêje (ponderare) oft wird g in der ſchreibung be-
halten, aber wie j geſprochen, z. b. rêgn (pluvia) êgn
(regio) lauten rejn, ejn. 3) nach langem û und î pflegt
der kehllaut gar auszufallen, z. b. dûe (altn. dûga,
valere) ſtîe (ſcala), pîge (virgo) lautet pîe. Alle dieſe
verweichungen des g verwirren in der dän. ſchreibung
und noch mehr ausſprache viele wörter, z. b. dûe (va-
lere) klingt wie dûe (columba) nâvn (nomen) wie gâvn
(commodum) drâge (portare) nicht viel anders als ſkâve
(radere). Daß in den volksliedern krîg (bellum): lîv
(vita) reimt, kann nicht befremden. — Das undäniſche
ch kommt lediglich in fremden wörtern vor. Der conſ. j
iſt mehrfach α) ſelten der hochd. anlaut, z. b. jâ (immo)
jammer (miſeria); gewöhnlich leidet er aphäreſe, als:
aar (annus) β) das altn. i in mjœd (mulſum) björn (ur-
ſus) kjœl (navis) jævn (aequus). γ) nach k, g vor wei-
chen voc. eingeſchoben: kjœbe (emere) gjek (ſtultus)
δ) auflöſung der med. in vèj (via) œje (oculus). Die
pron. jeg, mig, dig, ſig lauten jej, mej, dej, ſej oder
gar jê, mê etc. — Die ſpirans h lautet niemahls in noch
aus. Anlautend wird ſie vor j und v überhört, z. b.
hjelm, hvas (acer) geleſen: jelm, vas; landſchaftlich
aber, namentlich von den Jüten, noch dentlich ausge-
ſprochen. — Geminationen kk. gg (auslautend ungeſchrie-
[570]I. däniſche conſonanten. gutt. norwegiſch.
ben, doch geſprochen) tyk (craſſus) rykke (movere) läk
(ſtillans) läkke (ſtillare) etc. ryg (dorſum) äg (ovum) vugge
(cunae) begge (ambo) ligge (jacere) etc. — In der verb. qv
haben neuere hv einführen wollen. ſo wie ks für x; beides
gleichgültig, denn Blochs grund p. 293. dagegen, daß
man die org. verbindung ſex durch die ſchreibung ſeks
mit der unorg. bäks (gen. von bäk, rivus) menge, be-
deutet nichts, da ja hals, kors mit keinem andern ls,
rs, als die gen. von dâl (vallis) chôr (chorus) zu ſchrei-
ben ſind. Daher mittelniederl. unbedenklich brêx. ſtrîx
(= brekes, ſtrikes) neben aex (oben ſ. 503.). Schädlicher
war die vermengung des org. hs und ks in dem dän.
und inagemein nord. x. — Vom verhältniß des dän. gt
(in magt, vis; frugt, fructus; agt, cura) zu dem org. tt
(in aatte, octo; natt, nox) gilt das beim ſchwed. geſagte. —


Anmerkung: die norwegiſche mundart, obgleich bei-
nahe nur volksſprache, verdient genauere unterſuchung,
als ihr bisher zu theil geworden iſt. Hallager gibt in
der vorr. zu ſeinem ſchätzbaren wörterb. die hauptab-
weichungen der norw. von der dän. buchſtabenlehre an,
woraus erhellt, daß der Norwege vieles mit dem Schwe-
den, manches mit dem Iſländer gemein hat, was Dänen
und Schweden abgeht; in wieder anderm iſt er eigen-
thümlich. Der norw. ſprache gebührt noch ſaang, laang
(dän. ſang, lang) maale (dän. mâle) bein, brei, meire
(dän. bên, brêd, mêre) lous, ouge, blout oder laus, auge,
blaut (ſchwed. œga, lœs, blœt); g und k vor weichem
voc. lautet (wie im ſchwed.) j und tj, als: geit (capra)
kjukling (pullus) ſprich: jeit, tjukling, für die ausſpra-
che iſt es oft gleichviel kj oder tj zu ſchreiben: als kjû
oder tjû (fur) kjuk oder tjuk (craſſus) ſk lautet wie ſj.
Inlautend gilt durchweg org. ten. als rôpe (clamare)
graate (plorare) tâke, pîka (ſchw. und dän. mit g);
mn ſtatt des dän vn; ſ ſtatt r in blaaſe, jaſe (lepus)
gjäſt (fermentum) dän. blære, hâre, gjær; merkwürdig
aber qv für hv, als: qvas (acer) qveite (triticum) qvît
(albus) qvâl (balaena) qvaa (dän. hvad) dem lat. qv in
qvid, qvod, aqva (goth. ahva) ſo wie dem ſchott. quh
(ſ. 516.) begegnend. Mit ſchott. und engl. ausſprache
ſtimmt auch. daß k vor n nicht lautet, als: knâ, knîf
ſprich nâ, nîf. Gleichergeſtalt ſchwindet das anlautende
l zuweilen, jôs (lux) jaa (falx) jôm (ſonus) altn. liós,
liar, hliómr, überhaupt ſcheint die norw ausſprache der
liq. l. r. ſchwierig, beide löſen ſich oft ab. oft in vo-
cale auf, z. b. bjöin f. björn, hoin, koin f. horn, korn
[571]I. überſicht der kurzen vocale.
und dies in hodn, kodn, wie jädn (ferrum) f. järn.
Eigenthümlichkeiten der letzten art bezeichnen gerade
das volksmäßige element und ich enthalte mich ihrer
mehrere anzuführen. da ich auch die hochd. volksmund-
arten aus meiner abhandlung abweiſen muſte.


Allgemeine vergleichung.


Am ſchluße dieſes erſten buchs wird ein überblick
ſo vielfacher buchſtabenverhältniſſe dienſam ſeyn und
vielleicht durch die zuſammenfaßung aller einzelnheiten
einige neue anſichten gewäbren.


Die vocale betrachte ich hier außerhalb dem ge-
ſichtspuncte des ablauts, deſſen wichtige verhältniſſe
erſt im zweiten buche dargeſtellt werden können. Auch
iſt, wie in der buchſtabenlehre, meiſtentheils nur von
dem vocal der wurzeln die rede. Bei der ganzen vo-
calreihe gehe ich von dem ſatze aus, daß die drei kür-
zen a, i, u
die urſprünglichſten, älteſten aller vocallaute
ſind. Ihnen allein gebührt eine gewiſſe durchgreifende
ſtetigkeìt. Nicht als hätten ſie keine veränderung erlit-
ten, da gerade aus ihnen alle übrigen kürzen abzulei-
ten ſind; gleichwohl ihre organiſche regel (die formel
winnen, wann, wunnen), aller ſich durchkreuzenden
ausnahmen unerachtet, waltet ſichtbar in jedem zweige
des deutſchen ſtammes. Es laßen ſich einzelne wörter
nachweiſen, in welchen durch alle zeiten und mundar-
ten a und i unwandelbar geblieben ſind, z. b. hammer
(malleus) fallen (cadere) wille (voluntas) fiſch (piſcis).
Für u iſt, man kann ſagen zufällig, die völlige durch-
führung in keinem worte möglich; hund (canis) deſſen
u in den meiſten dialecten beſteht, widerſtrebt in dem
niederl. hond, engl. hound, ſo wie full (plenus) im
hochd. voll. Dennoch hat man u mit i und a völlig
auf eine linie zu ſtellen, denn in den meiſten wörtern
begegnen die nämlichen widerſprüche ebenwohl bei den
zwei letzteren. Alle drei vocale aber, und das iſt für
jenen ſatz beweiſend, haben wo ſie ſtehen immer die
nämliche bedeutung; was im einzelnen der eine dialect
trübt, bewährt dafür der andere. Wenn von finden,
funden das engl. fînd. found abweicht; ſo ſtimmt das
engl. ſtill, full zu dem ſchwed. ſtill, full, wie das
ſchwed. finna, funnen zu jenem finden, funden. Das
[572]I. überſicht der kurzen vocale.
verwandelte ſchwed. ha͗rd, das dän. haand lauten im
altn. hard, hand mit demſelben a, das in brann durch
alle nord. ſtämme zieht; das altn. lopt erſcheint als rei-
nes u in dem dän. ſchwed. hochd. luft, niederl. lucht
u. ſ. w. Jede deutſche mundart führt alſo auf dieſe ur-
ſprünglichen a, i, u. Mit allen andern vocallauten iſt
ein ſolches verfahren ſchlechterdings unthunlich, man
verſuche es z. b. mit î und û, die ſich meiſtentheils
gleich bleiben; î erſcheint im goth. und neuh. ſtets
als ei, û im engl. als ou, neuh. als au.


Die allmählige änderung der drei kürzen a, i, u
läßt ſich in folgende haupterſcheinungen faßen: I. ver-
wandlung durch conſonanten, II. verwandlung durch
weitere vocale (umlaut und aſſimilation) III. verwand.
lung durch den accent.


I. einfluß der conſonanten auf a, i, u.



II. Einſluß der dem wurzelvocal folgenden endungs-
vocale



III. Einſluß des accents. In allen deutſchen ſpra-
chen trägt allmählig die betonung zur verwirrung der
org. quantitätsverhältniſſe bei, indem ſie jeden kurzen
voc., dem bloß einfache conſonanz folgt, in einen
langen umſchafft. So bilden ſich unzählige â, ê, î, ô, û,
æ, œ, uͤ an ſtelle früherer a, e, ë, i, o, u, ä, ö, ü.
Man merke



Die langen vocale ſämmtlicher deutſchen ſprachen
führen ſich auf ſiebene zurück, welche nach gothiſcher
folge geordnet dieſe tabelle zeigt:

1234567
goth.êôûáiáueiiu
  • gl. hrab.âôûei, êau, aoîëo, iu
    gl. ker.âoaûei, êau, ôîëo, iu
    J.âô, uoûei, êau, ôîëo, iu
    O.âuaûei, êou, ôîia, iu
    N.âuoûei, êou, ôîie, iu
mhd.âuoûei, êou, ôîie, iu
nhd.âûauei, êau, ôeiie, iu
altſ.âô, uoûêôîia, iu
mnd.âôûêôîie
angelſ.æôûâîëó
m. engl.êô, êouâ, ô, êê, eaîê
n. engl.êôouô, oaeaîê
mnl.aeoeûê, eiôîie
nnl.âoeui, ûê, eiôîie
altfr.êôûêâîia, iu
altn.âôûeiauîió, ŷ
ſchwed.åôûêœîju, jo
dän.aaôûêœîŷ
norw.aaôûeiouîjo, ju

kleine und ſchwankende varianten, z. b. das hin und
wieder vortretende alth. ai ſtatt ei, ſind in der abhand-
lung jeder mundart nachzuſehen. Auf die (bei den kur-
zen vocalen unter III. beſprochenen) unorg. verlängerun-
gen konnte hier gar nicht geachtet werden. Ich bemerke



Die bisherige überſicht lehrt, daß die vocalverhält-
niſſe ſchwanken und verſchiedener einwirkung unter-
liegen, daß aber ihre austheilung und abwechſelung
nichts willkürliches ſey, vielmehr nach tiefbegründeten,
bis jetzt noch unaufgedeckten geſetzen erfolge. Die re-
gel der ablaute wird hierüber mehr licht verbrieten.
Man kann die vocale als die nothwendige färbung oder
belebung aller wörter betrachten, als den othem, ohne
welchen dieſe gar nicht beſtehen würden. Die eigent-
liche individnaliſierung des worts beruht auf dem vo-
callaut; er gewährt die feinſten beziehungen.


Die geſtalt, wenn ich ſo ſagen darf, die ſpecies des
worts gründet ſich hingegen auf die conſonanz. Hier
erſcheinen die verhältniſſe ungleich ſicherer und dauern-
der; mundarten, deren vocale meiſtentheils abweichen,
behalten auch häufig dieſelben conſonanten bei.


[581]I. überſicht der conſonanten.

Die vier liquidas ſind unwandelbar, ihr flüßiges
element erhält ſie gerade aufrecht in aller gewaltſamen
erſchütterung; mit ihnen tragen ſich bloß einzelne ver-
tauſchungen, verſetzungen, ausſtoßungen, geminationen
zu, deren ungeachtet ihre weſentliche bedeutung die-
ſelbe bleibt d. h. wenn ſchon z. b. für chirche zuwei-
len chilche erſcheint, ſtehen doch in allen übrigen fäl-
len r und l. grundverſchieden. Zu merken:



Gleich den liquiden laufen die drei ſpiranten v. h.
ſ. weſentlich unverändert durch alle deutſche mundar-
ten. Ihre innere verwandtſchaft folgere ich theils aus
dem vor ihnen eintretenden ê ſtatt ei (ſ. 91.) ô ſtatt au
(ſ. 94.) theils aus den übergängen zwiſchen h und v, w
(ſ. 148. 403.) h und ſ (ſ. 318. 416.) und der berührung
der aſpiration mit der aſſibilation (th. ts. z); zwiſchen
v. w und ſ, kein unmittelbarer wechſel; h und v, die
leiſeſten aller conſ., fallen zuweilen unerſetzt aus, ſelbſt
anlautend und zumahl vor liquiden. —


Ganz anders verhält es ſich mit den übrigen conſo-
nanten, ein merklicher gegenſatz zwiſchen den hoch-
deutſchen und allen anderen mundarten wird offenbar.
Im labial-, lingual-, guttural-laut entſpricht die goth.
(ſächſ. frieſ. nord.) ten. der hochd. aſp.; die goth. med.
der hochd. ten.; die goth. aſp. der hochd. media. Das
einzelne ſtellt ſich ſo vor augen:

goth. P. B. F.T. D. þ.K. G. .
alth. F. P. B,(V)Z. T. D.CH. K. G.

[582]I. überſicht der conſonanten.
es iſt eine veränderung eingetreten, vermöge welcher
im hochd. jeder dieſer neun conſ. gleichmäßig von ſei-
ner ſtelle rückte *). Daß aber hier der hochd. zuſtand
als der abgewichene, jüngere; der goth. (ſächſ. frieſ.
nord.) als der frühere betrachtet werden müße, unter-
liegt keinem zweifel, und iſt bei auseinanderſetzung der
alth. buchſtaben mit verſchiedenen gründen bewieſen
worden. Anmerkungen:



Bei ſolchen vergleichungen, die hier keineswegs
ausführlich gepflogen werden, vielmehr nur unſere deut-
ſchen lautverhältniſſe unter den rechten geſichtspunct
zu ſtellen beitragen ſollen, geht man billig von den con-
ſonanten aus. Läßt ſich für dieſe eine gegründete be-
ſtimmung ermitteln und annehmen, ſo werden dadurch
vielleicht auch einige blicke in die geſchichte der vocale
vergönnt.


Vorerſt begegnen wir dem wichtigen ſatze: liquidae
und ſpirantes ſtimmen in allen weſentlichen verhältniſſen
zu der art und einrichtung deutſcher zunge. Dasjenige,
ſo ſcheint es, worin die verzweigungen deutſcher
ſprache unter einander nicht abweichen, wird ſich un-
abweichend in der lat. griech. und indiſchen nachwei-
ſen. Ausdrücklich erkennt das ſanſkrit noch r und l als
vocale an und gebraucht in dieſem ſinne r oft, l ſeltner.
Die ſchwächung des älteren m in ein ſpäteres n er-
ſcheint überall, eine menge von wörtern mit m im ſanſkr.
und lat. bekommen im griech. n; gerade wie der mit-
telh. auslaut n inlautend wieder zu m wird (lein, lei-
mes; arn, armes, ſ. 386.) ſo verhält ſich ἦν zu ἦμεν (lat.
eram, eramus, vgl. νέον mit novnm). Analoge ver-
wandlungen des ſ in r bieten ſich allenthalben dar. na-
mentlich iſt das latein dem r vorzugsweiſe ergeben, r
aber immer als jüngere form zu betrachten. Den wech-
ſel der ſpiranten v (des digamma) ſ. h. bezeugen ἑσπέρα,
veſpera; ἑπτὰ, ſeptem; ὗς, ſus; ἕρπω, ſerpo; ἑκυρὸς,
[584]I. uergleichung fremder buchſtaben.
ſocer; ὑπὸ, ſub; ſas, ſâ (ſanſkr. is, ea) gr. ὁ, ἡ, goth.
ſa, ſô; ἅλς, ſal; ſaſa (ſanſkr. lepus) haſo etc.; auch fällt
der anlautende ſpiritus ganz ab, z. b. das lat. anſer ſteht
f. hanſer (ſanſkr. hamſa, cignus) odium f. hodium (goth.
hatis) ἐαρ lat. ver, und das gr. ἴδμεν (ſanſkr. vidmas,
lat. videmus, goth. vitum) hatte früher ein digamma
vor ſich. Am ſeltenſten tauſchen v und ſ, vgl. ſiniſter
mit winſter.


Noch merkwürdiger als die einſtimmung der liq.
und ſpir. iſt die abweichung der lippen- zungen- und
kehllaute nicht allein von der gothiſchen, ſondern auch
der alth. einrichtung. Nämlich genau wie das alth. in
allen drei graden von der goth. ordnung eine ſtufe ab-
wärts geſunken iſt, war bereits das goth. ſelbſt eine
ſtufe von der lateiniſchen (griech. indiſchen) herabge-
wichen. Das goth. verhält ſich zum lat. gerade wie
das alth. zum goth. Die ganze für geſchichte der
ſprache und ſtrenge der etymologie folgenreiche zwei-
fache lautverſchiebung ſtellt ſich tabellariſch ſo dar:

griech. P. B. F.T. D. TH.K. G. CH.
goth. F. P. B.TH. T. D.‥ K. G.
alth. B(V) F. P.D. Z. T.G. CH. K.

oder anders aufgefaßt:

gr. goth. alth.gr. goth. alth.gr. goth. alth.
P F B(V)T TH DK ‥ G
B P FD T ZG K CH
F B PTH D TCH G K

Hieraus ergibt ſich nunmehr, wie der Gothe die durch
abgang der kehlaſp. entſpringende lücke deckt: er be-
dient ſich anlautend ſtatt ch des ſpiritus h, in- und
auslautend zuweilen des h, häufig aber auch der med. g.
Im alth. ſtünde hier die med. g überall conſequent und
dem b. d der andern reihen analog; es mag aber ein
überreſt der früheren lauteinrichtung ſeyn, daß auch
alth. der goth. anlaut h, weil man ihn für eine ſpirans
und nicht aſp. nahm, fortgalt. Nur zuweilen erſcheint
g daneben. Dieſe verwendung des h für ch findet be-
merkenswerth gerade auch im lat. anlaut ſtatt, ſo daß ſich
die gutturales näher beſtimmt folgendergeſtalt ausnehmen:

griech.lat.goth.alth.
κch, gh, g
γgkch
χhgk

[585]I. vergleichung fremder buchſtaben.
Die nöthigen belege zu den aufgeſtellten neun gleichun-
gen ſind:


I. (P. F. B,V.) 1) anlaut: pax, pacis, pacatus;
goth. fahêds (gaudium, quies) altn. feginn (contentus,
laetus) — pes, pedis; ποῦς, ποδὸς; ſanſkr. padas; goth.
fôtus; alth. vuoƷ — piſcis, fiſks, viſc. — porca (ſul-
cus) alth. vuriha — porcus, alth. varah — πόρος (iter,
via) goth. faran (ire) — pater, πατὴρ, goth. fadrs, alth.
vatar — patis (ſanſkr. conjux) litth. pats, gr. πόσις (? dor.
πότις) goth. brûd-faþs (ſponſus) — πῦρ, alth. viuri —
πολὺ, alth. vilo, goth. filu — πλέος, goth. fulls, alth.
vol — πρωὶ, alth. vruo — pecus, goth. faίhu, alth. vihu —
pulex, alth. vlô — plecto, alth. vlihtu — πέρδω, litth. perdziu,
ſchwed. fjerter, alth. vërzu — παλάμη, lat. palma, an-
gelſ. folma. alth. volma — πτέρον (f. πετέρον, wie πετάω
f. πτάω) altn. fiödhur, alth. vëdar — πεύκη, picea, hochd.
vihta — pellis, goth. fill, alth. vël — pullus, goth. fula,
alth. volo — pauci, goth. favai, alth. vaohê — primus,
goth. frumiſts, alth. vromiſt. — 2) inlaut (das goth. in-
lautende b für f ungenauer als das nord. und ſächſ. f.
bh) κάπρος, caper, altn. hafr — λοιπὸς (reliquus) altn.
leifar (reliquiae) goth. láibôs — ſvapa (ſanſkr. ſomnus) ὕπνος
altn. ſvefn, altſ. ſuëbhan — ſeptem, angelſ. ſëofon, goth.
ſibun — aper, altn. iöfur, angelſ. ëofor, alth. ëbar —
ὑπὲρ, ſuper, goth. ufar, altn. yfir, alth. ubar — rapina,
angelſ. reáf, alth. roub.


II. (B. P. F.) 1) für den anlaut weiß ich keinen
beleg, zur beſtärkung meiner anſicht, daß deutſche wör-
ter mit dem anlaut p, hochd. f (ph) mangeln (oben ſ. 55.
131. 212. 247. 397. 462.). 2) inlaut: κάνναβις, cannabis,
altn. hanpr, alth. hanaf; ſollte ſich turba mit dem goth.
þaúrp, alth. dorof; ſtabulum mit altn. ſtöpull, alth. ſta-
phol; labi mit hláupan, loufan vergleichen?


III. (PH. B. P.) die aſp. der alten ſprachen bedarf
ſelbſt noch näherer forſchung; das ſanſkrit kennt eine
zwiefache: ph und bh, die in dem gr. φ. lat. f und
b gemiſcht wiederſcheinen. 1) anlaut: die ind. wurzel
bhu, die griech. φυ, die lat. fu in dem verbum ſeyn,
vgl. mit dem angelſ. bëon, alth. pim (ſum) — φηγὸς,
fagus, altn. beyki, altn. puocha — forare, altn. bora,
alth. poren — frangere, fregi; goth. brikan, alth. prë-
chan — frui, fructus; goth. brûkôn, alth. prûchôn —
frater, brôþar, pruoder — flare, blaſan, plaſan — fero
(im ſanſkr. die wurzel: bhr) goth. baíra, alth. piru —
[586]I. vergleichung fremder buchſtaben.
φύλλον, folium, altn. blad, alth. plat — ὀφρὺς, altn. brâ,
alth. prawa. — 12) inlaut: ἐλέφας, αντος, goth. ul-
bandus, alth. olpenta — κεφαλὴ, haubiþ, houpit —
νεφέλη, nebula goth. nibls?, alth. nëpal - λράφειν,
goth. graban, alth. grapan. Dieſe inlaute ſchwanken in
die claſſe I, als: caput, angelſ. heáfod, alth. haubit,
vgl. das altn. nifl, dem ein alth. nëbal gerecht wäre.


IV. (T. TH. D.) 1) anlaut: tauta (lett. gens,
regio) goth. þiuda, alth. diot — tu, goth. þu, alth.
dû — tenuis, tener, altn. þunnr, alth. dunni — τείνειν,
tendere; goth. þanjan, alth. denen — τρεῖς, tres; þreis;
drî — tergere, altn. þërra — τέρσειν (arefacere) goth.
þaúrſis (aridus) torridus, alth. durri — tacere, goth. þa-
han, alth. dagen — τρέχειν, goth. þragjan — ταλᾷν, τλᾷν,
tolerare, goth. þulan, alth. dolen — tectum, goth. þak,
alth. dach — ταῦρος, altn. þiór — tad (ſanſkr. id) gr.
τό (für ταδ) goth. þat, alth. daƷ — talis, altn. þvîlîkr. —
2) inlaut: ratio raþjô, redja — frater, brôþar, pruoder —
μετὰ, goth. miþ — dantas (dens, dentis) tunþus, zand —
rota, altn. hradhr (celer) alth. hrad (rota) — iterum,
goth. viþra, alth. widar — ἕτερος, anþar, andar — viel-
leicht ἔτης, ἑταῖρος (ſocius) dem altſ. geſith, alth. ſindeo —
ἔτος (annus) dem dunkeln goth. ataþni (d. h. at-aþni,
alth. aƷ-adani?) vergleichbar.


V. (D. T. Z.) 1) anlaut: dingua, tuggo, zunga (vgl.
oben ſ. 152.) — deus, divus, litth. diéwas; griech.
δὶς, διὸς (denn θεὸς iſt cretiſch) altn. tŷr; alth. ziu
(vgl. oben ſ. 150. 151.) — dantas (ſanſkr.) ὀδοὺς, ὀδόν-
τος
; dens, dentis; goth. tunþus, alth. zand — διὰ-, lat.
dis-, ſächſ. to-, alth. zi-, — δαμᾷν, domare, goth.
tamjan, alth. zemen — δρῦς, goth. triu — digitus, vgl.
mit dem ſächſ. têkan (ſignum) alth. zeichan — δεικνύειν,
δείκειν, indicare, ſächſ, tôgjan, hochd. zeigen — δόλος,
dolus, altn. tâl, alth. zâla — ducere, goth. tiuhan, alth.
ziohan — δύο, duo, goth. tva, alth. zuei — δάκρν, goth.
tagr, alth. zahar — δεξιὰ, dextra, goth. taíhſvô, alth.
zëſawa. — 2) inlaut: ἡδὺ, goth. ſuti, alth. ſuoƷi — ad,
goth. at, alth. aƷ — ἕδος, ſedes; ſedere, goth. ſitan, alth.
ſiƷan — ἔδειν, edere; itan; ëƷan — εἴδειν, εἰδέναι, videre,
goth. vitan, alth. wiƷan — odium, goth. hatis, alth. haƷ —
claudere, alth. ſlioƷan — laedere, hochd. letzen — radix,
altn. rôt — ὕδωρ, goth vatô, alth. waƷar — ἱδρὼς,
ſudor, ſveiti, ſueiƷ — pedes, fôtjus, vuoƷi. —


VI. (TH. D. T.) die Lateiner haben kein th (außer
in fremden wörtern) oft aber iſt ihnen das gr. θ in die
[587]I. vergleichung fremder buchſtaben.
gleichſtuſige labialaſp. f. übergetreten, wie auch im
griech. ſelbſt die aeol. mundart φ für θ zeigt (vgl. θυ-
μὸς
ſpiritus, animus mit fumus, φύμος; θύειν mit fire,
ſuſſire) beides mahnt an die ſ. 66. 67. angezeigte berüh-
rung des goth. þl. mit fl. — 1) anlaut: θυγάτηρ, goth,
daúhtar, alth. tohtar — θύρα, lat. pl. fores, goth. daúr,
alth. tor — θὴρ, aeol. φὴρ, lat. fera, altn. dŷr, alth.
tior — θαῤῥέειν (audere) goth. ga-daúran, alth. turran,
vgl. die praet. gadaúrſta, getorſta mit θαῤῥος, θάρσος,
θρασὺς
. — θέναρ (vola manus) alth. tënar — 2) inlaut: μέθυ,
angelſ. mëdo, alth. mëtu — ἔθος, angelſ. ſido, alth. ſitu. —


VII. (K. H,G. H,G.) in der zweiten ſtufe ſteht das
goth. h für ch, in der dritten das alth. h. für g. 1) an-
laut
: claudus, halts, halz — κάνναβις, altn. hanpr, alth.
hanaf — canere vgl. mit hano (gallus, wie dieſes mit altn.
kalla, alth. challôn, clamare, fari) — caput, háubiþ, hou-
bit — καρδία, cor, haírtô, hërza — κύων, canis, hunþs, hund —
κοῖλος, hol — celare, hilan, hëln — κάλαμος, calamus, ha-
lam, halm — κάρτος, καρτερὸς, hardns, hart — cornu,
haúrn, horn — collum, hals — κρυμὸς (gelu) altn. hrîm —
κλαίειν, goth. hlahan — κράζειν, crocitare, goth. hruk-
jan — κλέπτης, goth. hliftus. — 2) inlaut: ὄκος, oculus,
áugo, ouga — acies, alth. egga — lux (lucs) liuhad,
lioht, vgl. λευκὸς mit liuhadeins — οἶκος, goth. veihs —
lacus, angelſ. lagu — acus, aceris, alth. ahan, agan —
δάκρυ, tagr, zahar — tacere, þahan, dagen — pecus,
faihu, viho — ἐκυρὸς, ſocer, goth. ſvaihra, hochd. ſchwa-
ger, ſchwieger — μήκων (papaver) alth. mâgan, neuh.
mohn (? goth. mêhan). Inlautend entſpricht zuweilen
das ſanſkr. ſh, als: daſha, gr. δέκα, lat. decem, goth.
taíhun, litth. deſzimts.


VIII. (G. K. CH.) 1) anlaut: granum, altn. korn,
alth. chorn — γένος, genus; kuni; chunni — γένυς,
gena, altn. kinn, alth. chinni — γόνυ, altn. knê,
alth. chnio — γυνὴ, altn. kona, alth. chona — gelu
(frigus) gelidus, goth. kalds, alth. chalt — gula (gut-
tur) alth. chëla — guſtare, kiuſan, chioſan — gau
(ſanſkr. vacca) altn. kû, alth. chua. — 2) inlaut: ἐγὼ,
ego, goth. ϊk, alth. ih — vigil, alth. wachar — ἀγρὸς,
ager, goth. akrs, alth. achar — ἄγειν, agere, altn. aka —
μέγας, μέγαλος; mikils; michil — rex, regis, regnum;
reiks; rîchi — jugum, juk, joch — augere, áukan, au-
chôn — ἀμέλγειν, mulgere, altn. miόlka, alth. mël-
chan. —


[588]I. vergleichung fremder buchſtaben.

IX. (CH,H. G. K.) lateiniſch gilt hier h für ch
(χειμὼν, hiems; χεὶρ, lat. hir; χὴρ, herinaceus vgl.
Schneider p. 202.) alth. aber häufig g für k, welches
letztere ich hier nur theoretiſch durchführe. 1) anlaut:
χὴν, anſer (f. hanſer) goth. gans, alth. kans — χέω
(fundo) χυτὸς (fuſus) goth. giutan, alth. kioƷan — χολὴ,
altn. gall, alth. kalla — χθὲς, heri, heſternus, goth. gi-
ſtra, alth. këſtar — χόρτος, hortus, gards, alth. karto —
hoſtis (peregrinus) gaſts, kaſt — homo, goth. guma,
alth. komo — χθὼν wie χθὲς f. χὲς f. χὼν und dieſes
f. χὼμ, vgl. χαμαὶ, humi) humus; zu vergleichen mit
dem goth. gauï, alth. kouwi, kou. — 2) inlaut: ἔχειν,
goth. áigan, alth. eikan — τρέχειν, dor. τράχειν, goth.
þragjan — λέχος, goth. ligrs, alth. lëkar — λείχω, λίχω
(lambo) goth. láigô, alth. lêkôn — λοχᾷν (inſidiari)
(goth. lêgôn?) alth. lâkôn. —


Anmerkungen zu dieſer conſonanzvergleichung:



Aus dem verhältnis der conſonanten geht alſo ge-
nügender beweis einer urverwandtſchaft der vergliche-
nen ſprachen hervor. Sollte ſich, auf es geſtützt, nicht
zugleich berührungen der vocale nachſpüren laßen? die
analogie zwiſchen hochd. und gothiſchem vocalſtande
nicht zu dem ſchluße leiten, daß auch latein. vocale
mit goth. zuſammenhängen müßen? Unſicherer und ab-
gebrochener wird dieſer zuſ. hang ſchon deßhalb ſeyn.
weil wir in deutſchen dialecten derſelben conſonanten-
ſtufe ſo ſchwankenden und manigfaltigen vocalen begeg-
nen. Gleichwohl gibt es noch ſolche unverkennbare
ähnlichkeiten:



P p 2
[596]II. von der declination.

ZWEITES BUCH.
VON DEN WORTBIEGUNGEN.


ERSTES CAPITEL.
VON DER DECLINATION.


Die declination geſchieht in allen deutſchen ſpra-
chen weſentlich durch dem worte hinten eingefügte
endungen. Das wort kann ſowohl in ſeiner nackten
wurzel, als in einer abgeleiteten, d. h. ſchon durch eine
bildungsendung vermehrten geſtalt declinieren. Im letz-
ten fall muß man die flexionsendung (den caſus) von
der voranſtehenden bildungsendung trennen, deren ſogar
mehrere verbunden eintreten können. Im goth. worte
dags iſt dag die reine wurzel, s der caſus; in arbja arb
die wurzel, i die ableitung, a der caſus; in blôtinaſſus
blôt die wurzel, i die erſte, naſſ die zweite ableitung,
us der caſus. Zuweilen verwächſt aber der caſus mit
einem bildungsvocal. Unweſentlich zur declination ſind
1) der durch einen vocal der endung im vocal der wur-
zel gezeugte umlaut, wenn ſich gleich ſpäterhin aus
dieſem umlaut die abgeſchliffene endung ſchließen läßt.
2) der vorgeſetzte artikel, d. h. ein ſyntactiſch ange-
wandtes mittel, der unvollkommenheit des caſus zu
hülfe zu kommen oder ſeinen abgang völlig zu erſetzen.
Der umlaut beurtheilt ſich nach den allgemeinen geſetzen
(im erſten buch); vom gebrauche des artikels wird erſt
im vierten buche gehandelt werden.


Die caſus beſtehen aus vocalen und conſonanten.
Jene laßen ſich nicht im allgemeinen beſtimmen, dieſe
ſind nur folgende: die ſpirans ſ; die liquidae m. n. r
und die lingualis t. Hiſtoriſch ergibt ſich aber, daß r
in der declin. überall ein unurſprüngliches, nämlich all-
mählig aus ſ entſtandenes ſey; ebenſo daß n wahrſchein-
lich überall (in den meiſten fällen gewiß) früheres m
vertrete. Folglich blieben nur ſ und m als anfängliche
beherrſcher aller caſus. Die lingualis t (nach goth. be-
ſtimmung, das heißt = lat. d, = hochd. z) erſcheint
nur als ſeltne ausnahme in dualer pronominalform.


[597]II. von der declination im allgemeinen.

Alle deutſchen ſprachen unterſcheiden ſingularis und
pluralis; vom früheren dualis gibt es einige trümmer,
Sie unterſcheiden vier caſus: nominativ, genitiv, dativ,
accuſativ; mit den formen des nom. fallen die des vo-
cativs, mit denen des dat. die des ablativs und inſtru-
mentalis zuſammen. Allein auch des vocativs und in-
ſtrum. früheres daſeyn bewähren theilweiſe ſpuren. Spä-
terhin fällt der acc. zum nom., ja der dat. büßt ſeine
auszeichnung ein.


Ferner iſt die unterſcheidung der drei geſchlechter
zu beobachten. Das maſculinum beſitzt deutlichere und
dauerhaftere form, das femininum mildere, weichere,
das neutr. eine der männlichen meiſtens ähnliche, nur
ſtumpfere. Einige weibliche declinationen ſtimmen bei-
nahe ganz zu den männlichen.


Keine der deutſchen mundarten beſitzt die caſus in
vollkommener, urſprünglicher geſtalt; vocale und conſ.
haben ſich vielfältig abgeſchliffen und dadurch allmählig
vermiſcht, endlich aufgelöſt. Die goth. ſprache mag ſich
hierin ungefähr zu der älteren, reineren verhalten, wie
ſich die neuhochd. zur goth. verhält. Vollſtändigere,
ſchärfere caſusformen können theils aus der analogie
und gegeneinanderhaltung der ſubſtantive, adjective und
pronomina gefolgert, theils aus der vergleichung urver-
wandter fremder ſprachen vermuthet werden. Hierüber
läßt ſich aber erſt nach geſchehener darſtellung der ver-
ſchiedenen declinationen am ſchluße des ganzen urthei-
len, wo ich auch meine anſicht von der eigentlichen
bedeutung der caſuszeichen entwickeln will.


Noch bleibt einer durch die geſammte deutſche
zunge waltenden unterſcheidung zwiſchen ſiarker und
ſchwacher flexion zu erwähnen. Erſtere iſt die ältere
und (innerlich) einfachere; die ſchwache ſcheint durch
einſchaltung eines zur declination anfangs unweſentlichen
bildungs-n entſtanden, zeigt ſich dem zufolge niemahls
an reinen wurzeln. Dieſes bildungs-n führte ſchnellere
abſchleifung der wahren caſus herbei und erſchien dann
als eigne, der declination weſentliche form. Beweis
und ausführung meiner behauptungen zu ende dieſes
capitels; aufgeſtellt werden müßen aber nach dem un-
teiſchied ſtarker und ſchwacher form alle deutſche de-
clinationen, da er hiſtoriſch ein wirklicher geworden iſt.


[598]II. goth. ſubſtant. ſtarkes maſc. erſte decl.

Gothiſches ſubſtantivum.


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: nom. fiſk-splur. fiſk-ôs
gen. fiſk-isfiſk-ê
dat. fiſk-afiſk-am
acc. fiſkfiſk-ans
voc. fiſk
  • 1) einfache wörter: áiþs (juramentum) andbahts (miniſter)
    aſts (ramus) bagms (arbor) dags (dies) hunds (canis)
    hláibs (panis) [hláibis, hláiba, hláif; hlaibôs] láubs
    (folium) [láubis, láuba, láuf; láubôs] ſinþs (iter) ſkalks
    (ſervus) ſkatts (numus) ſtáins (lapis) ſtôls (thronus) vaír
    (vir) vigs (vía) vinds (ventus) vulfs (lupus) þiubs (fur)
    [þiubis, þiuba, þiuf; þiubôs].
  • 2) mit der bildung -v, -u: ſáivs (lacus) [ſáivis, ſáiva,
    ſáiv; ſáivôs, ſáivê] ſnáivs (nix) áivs (aevum) þus (fa-
    mulus) [þivis, þiva, þiu; þivôs Neh. 5, 16. þivê Luc.
    16, 13. þivam, þivans] vgl. decl. 3. anm. 3.
  • 3) mit der bildung 1: fugls (avis) katils (cacabus) ſitls
    (ſedes) ſvibls (ſulphur).
  • 4) mit der bildung -an, -in: ſabans (linteum) þiudans
    (rex) himins (coelum) kindins (praeſes) maúrgins (πρωῒ),
  • 5) mit der bildung -r: akrs (ager) figgrs (digitus) ligrs
    (lectus) tagrs (lacrima) vôkrs (lucrum).
  • 6) mit der bildung -iſk: atiſks (ſeges).

Anmerkungen.


  • 1) wörter mit unbelegtem pl. können auch zur vierten
    decl. gehören; die, deren nom. ſg. abgeht, in erman-
    gelung anderer beweiſe ſelbſt neutral ſeyn. Ungewiß
    ſind demzufolge: ans (trabs) aljan (zelum) biuds
    (menſa) dôms (judicium) drus (caſus) usfilhs (ſepul-
    tura) gaggs (platea) gramſt (feſtucam) hláuts (ſors)
    hups (femur) laun (mercedem) môds (ira) mêgs (ge-
    ner) munþs (os) neiþ (invidiam) plat (aſſumentum)
    runs (fluxus) urruns (oriens) rûm (ſpatium) ſigis (vi-
    ctoriae Philip. 3, 14.) ſkáut (fimbriam) ſkôhs (calceus)
    ſkuft (capillum) ſlêps (ſomnus) gaſtalds (ſe habens)
    ſtik (punctum) ſtriks (apex) ſtiur (vitulum) ſvam (ſpon-
    giam) ſvult (mortem) táins (ramus) váip (coronam)
    veitvôds (teſtis) vlit (vultum) vrit (literam) þlaúhs (fuga)
    þraíhns (coactio). Nach aller analogie fallen inzwi-
    ſchen dôms, gaggs, hláuts, mêgs, môds etc. zur ge-
    genwärtigen decl.
  • 2) die mit s ſchließenden wurzeln nehmen im nom. ſg.
    kein caſus -s an, machen ihn alſo dem acc. gleich;
    ſo ſtehet ans (trabs) urruns (ὰνατολὴ) drus (caſus) f.
    anß, druß, urrunß. Dadurch mengen ſich ſcheinbar
    formen wie runs (origo) runſis, runſa, runs (Luc. 1, 78.
    Matth. 8, 11.) mit runs (ῥύσις) runis, runa, run
    (Luc. 8, 43, 44. Marc. 5, 25. Matth. 8, 32.) oder ans, anzis
    mit der endung -ans, -anis.
  • 3) es ſcheint, daß auch dem Gothen -r -s hart vorkam,
    (wenn kein weiterer conſ. vorausgieng, wie in akrs)
    und der nom. dem acc. gleichſtand; wenigſtens finde
    ich durchgehends vair (vir) und nicht vairs, vielleicht
    zum unterſchiede von der org. verbindung vaírs (pe-
    jus)? und Neh. 5, 18. ſtiur (vitulus) f. ſtiurs; ebenſo
    würde denn auch decl. 4. baúr (ſilius) nicht baúrs ſte-
    hen, Doch vergl. die adj. decl.

Starkes maſc. zweite declination.
beiſpiel:har-jispl.har-jôshaírd-eispl.haírd-jôs
har-jishar-jêhaírd-eishaírd-jê
har-jahar-jamhaírd-jahaírd-jam
har-ihar janshaírd-ihaírd-jans
har-ihaírd-i (ei)
  • 1) dieſe decl. iſt theoretiſch ganz die vorige, indem das
    zwiſchentretende i zur bildung, nicht zur decl. gehört,
    weshalb eigentlich aufzuſtellen wäre: hari-s, harj-is,
    harj-a, hari; harj-ôs, harj-ê, harj-am, harj-ans.
    Für die ſprachgeſchichte gewährt aber jene practiſche
    aufſtellung vortheil und iſt auch beizubehalten, weil
  • 2) im nom. und gen. ſg. eine merkwürdige verſchieden-
    heit eintritt. Geht nämlich eine kurze, bloße wurzel-
    ſilbe voraus, ſo bleibt-jis, als: harjis (exercitus) niþjis
    (cognatus) andaſtaþjis (adverſarius); geht aber eine lange
    ſilbe, oder gehn mehrere ſilben voraus, ſo wandelt ſich
    ji in ei (vgl. ſ. 36. über i und ei). Dieſer fall iſt un-
    gleich gewöhnlicher; er begreift a) andeis (finis) aſneis
    (mercenarius) blôſtreis (cultor) vitôda-faſteis (legis
    peritus) haírdeis (paſtor) hváiteis (triticum) leikeis (me-
    dicus) faúra-maþleis (praefectus) ragineis (conſiliarius)
    ſipôneis (diſcipulus) und ohne zweifel, wenn bêruſjôs
    (parentes) eines ſg. fähig iſt, würde dieſer bêruſeis
    (parens) lauten *); auch der pl. ſilbaſiunjôs (teſtes ocu-
    [600]II. goth. ſubſt. ſtark. maſc. zweite u. dritte decl.
    lati) führt auf -ſiuneis. b) bildungen auf -areis: bô-
    kareis (ſcriba) dáimonareis (daemoniacus) láiſareis (do-
    ctor) liuþareis (cantor) môtareis telonarius) vaggareis
    (cervical) vullareis (fullo). — In der ſchwachen conj.
    wechſeln ji und ei nach gleichem geſetz: naſja, naſjis,
    naſjiþ ſôkja, ſôkeis, ſôkeiþ; (über einiges abwei-
    chende dort).
  • 3) theoretiſch ſollte der nom. ſg. vom gen. unterſchie-
    den lauten und zwar unbedenklich haris, haírdis; gen.
    harjis, haírdeis. Wirklich findet ſich einmahl láiſaris
    Luc. 6, 40. ſt. des gewöhnlichen láiſareis (Matth. 9, 11.).
    Dieſer nom. auf -is folgt auch aus dem das s able-
    genden acc. -i (und nicht -ei). Natürlich aber ver-
    anlaßte der unorg. nom. -eis den ausnahmsweiſen
    voc. leikei (Luc. 4, 23.); doch vgl. den analogen voc.
    -au der folg. decl.
  • 4) ſipôni Matth. 10, 25. iſt entw. acc. oder unorg. dat.
    (ſtatt ſiponja) vgl. ſunu f. ſunau in folg. decl.

Starkes maſc. dritte declination.

beiſpiel: ſun-uspl. ſun-jus
ſun-ausſun-ivê
ſun-auſun-um
ſun-uſun-uns
ſun-au
  • 1) einfache wörter: aírus (nuntius) dáuþus (mors) faírh-
    vus (mundus) flôdus (flumen) fôtus (pes) haírus (gla-
    dius) hliftus (fur) huhrus (eſuries) kintus (obolus) lei-
    þus (ſicera) liþus (membrum) luſtus (voluptas) magus
    (puer) maihſtus (fimus) qviþus (uterus) ſakkus (ſaccus)
    ſkadus (umbra) ſtubjus (pulvis) ſunus (filius) tigus (de-
    cas) tunþus (dens) ulbandus (camelus) vahſtus (ſtatura)
    valus (baculus) vintrus (hiems) vulþus (gloria) þaúr-
    nus (ſpina).
  • 2) auf ôdus: aúhjôdus (tumultus) gabaúrjôdus (voluptas).
  • 3) auf -ilus: aſilus (aſinus).
  • 4) auf -naſſus blôtinaſſus (cultus) etc.; auch aſſus: ufar-
    aſſus (abundantia).
  • 5) fremde wörter: aggilus. apaúſtaúlus. aſſarjus. diábaúlus.
    fareiſaíus. kumbitus. praúfêtus.

Anmerkungen.


  • 1) auch hier ſcheint die aufſtellung untheoretiſch, näm-
    lich u, gleich dem i voriger decl. ein bildungsmittel,
    mit welchem aber die caſus noch mehr als dort ver-
    [601]II. goth. ſubſt. ſtark. maſc. dritte decl.
    wachſen ſind. Der acc. ſunu verhält ſich zu ſunu -s,
    wie hari zu hari -s und fiſk zu fiſk -s. Ob nun ſun-
    aus f. ſunuis; ſunau f. ſunua; ſunum f. ſunuam etc.
    ſtehe, läßt ſich aus der deutſchen ſprachgeſchichte
    kaum entſcheiden, doch die decl. der eigennamen
    bietet eine merkwürdige beſtätigung im gen. ïêſuis,
    dat. ïêſua ſt. ïêſaus, ïêſau, neben paítraus, paítrau,
    xriſtaus, xriſtau etc.
  • 2) au gleicht dem ei voriger decl., allein nicht vollſtän-
    dig; dort drang ei in den nom., hier bleibt us des nom.
    richtiger vom aus des gen. geſchieden. Hier dringt
    aber au in den dat., welcher dort -ja nicht in ei
    wandelt. Der voc. hat hier regelmäßig au, dort nur
    in der ausnahme ei. Ausnahmsweiſe treten wiederum
    vermengungen ein; Luc. 4, 3. der nom. ſunaus f. ſu-
    nus; Luc. 1, 79. der gen. dáuþus ſt. dáuþaus; Luc. 1,
    54. der dat. magu ſt. magau; Luc. 9, 38. der dat. ſunu;
    mehr dergl. in den eigenuamen. Ubrigens hat au
    ohne rückſicht auf kürze oder länge der vorgängigen
    ſilbe überall ſtatt.
  • 3) im nom. und gen. pl. kommt noch ein i ins ſpiel,
    ſunjus ſtände nach obiger muthmaßung für ſunuôs;
    ſunivê f. ſunuê; dat. und acc. pl. bedürfen keines i,
    weil ſie ſich genugſam auszeichnen, der nom. ſunjus
    würde ohne i mit dem ſing. zuſ. treffen. In ſtubjus,
    aſſarjus und dem f. vaddjus herrſcht ein ſolches i durch
    alle caſus: ſtubjus, ſtubjaus, ſtubjau, ſtubju; der pl.
    (wenn er vorkommt) würde lauten: ſtubjus, ſtubive,
    ſtubjum, ſtubjuns, folglich nom. ſg. und pl. übereins.
    Oder ließe ſich ein ſtubivôs, ſtubivê und gar ſtubivam,
    ſtubivans (wie þivôs, þivê in decl. 1.) annehmen?
  • 4) das geſchlecht mancher wörter bleibt ungewiß; ſ.
    die fem. und neutr. auf u.
  • 5) fremde wörter ſchwanken mit dem nom. pl. in de-
    cl. 4; als: aggileis Marc. 1, 13. apaúſtaúleis Marc. 6, 30.
    fareiſaíeis Luc. 15, 2. praúfêteis Luc. 10, 24. neben ag-
    giljus Marc. 12, 25. Luc. 2, 15. etc.

Starkes maſculinum. vierte declination.

beiſpiel: balg-spl. balg-eis
balg-isbalg-ê
balg-abalg-im
balgbalg-ins
balg
[602]II. goth ſubſt. ſtark. maſc. vierte decl.

enthält wenige wörter: áivs (aevum) arms (brachium)
banſts (horreum) barms (gremium) baúrs (genitus) ga-
draúhts (miles) faþs (dux) gards (domus) gaſts (peregri-
nus) láuþs (homo) mats (cibus) náus (mortuus) [navis,
nava, nau? oder nav?; pl. naveis Luc. 7, 22, navê, na-
vim, navins Luc. 9, 16.] puggs (marſupium) ſáuds (ſa-
crificium) ſaggvs (cantus) ſlahs (ictus) ſpaúrds (ſtadium)
ſtads (locus) vêgs (fluctus).


Anmerkungen.


  • 1) da nur der nom. dat. und acc. pl. ſich von den for-
    men der erſten decl. abſcheiden und der ganze ſg.
    zuſammenfällt, ſo bleiben viele wörter ungewiß zwi-
    ſchen beiden decl. (ſ. dort anm. 1.)
  • 2) einige ſchwanken erweiſlich; ſo ſteht neben dem acc.
    áivins Matth. 6, 13. der dat. áivam Rom. 11, 36. Es
    könnte demnach bald ſnáivins bald ſnáivans (nives)
    gelten.
  • 3) zuweilen unſicherheit zwiſchen maſc. und fem. der-
    ſelben decl., wenn die wörter nur im pl. vorkommen
    und das geſchlecht ſonſt unentſchieden bleibt. So
    habe ich puggs, ſpaúrds bloß der analogie wegen hier-
    her geſetzt; ahaks (columba) ſcheint eher fem.

Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: gib-apl. gib-ôs
gib-ôsgib-ô
gib-aigib-ôm
gib-agib-ôs
  • 1) einfache wôrter: aírþa (terra) anna (negotium) arka
    (ciſta) bida (petitio) bôka (liber) gabruka (fragmentum)
    faþa (ſepes) fêra (regio) gairda (zona) giba (donum)
    gilþa (falx) grôba (fovea) haírda (grex) hanſa (cohors)
    hrugga (baculus) hveila (hora) láibôs (reliquiae) marka
    (regio) maþa (vermis) mulda (terra) páida (tunica) raſta
    (ſtadium) razda (loquela) id-reiga (poenitentia) rûna
    (conſilium) ſaúrga (cura) ſleiþa (damnum) ſmarna
    (ſtercus) ſpilda (tabula) ſtáiga (ſemita) ſtáua (judicium)
    vamba (venter) vraka (perſequutio) þiuda (gens).
  • 2) mit der bildung 1: nêþla (acus) ſáivala (anima).
  • 3) mit der bildung ein, in, n: alleina (cubitus) fairina
    (crimen) faírzna (calx) draúhſna (mica) hláivaſna (ſe-
    pulcrum) ſtibna (vox).
  • 4) mit der bildung r: hleiþra (tabernaculum).
  • 5) mit der bildung ſ: gáitſa (caper).
  • 6) mit der bildung v: ahva (fluvius) ſaliþva (manſio)
    triggva (pactio) ubizva (porticus).
  • 7) mit der bildung : aírziþa (ſeductio) diupiþa (pro-
    funditas) und alle ähnlichen.
  • 8) mit der bildung i: ſunja (veritas) vrakja (perſequutio)
    Marc. 4, 17. neben dem dat. pl. vrakôm Marc. 10, 30.
    Vielleicht noch andere, ſ. anm. zur folg. decl. —

Anmerkung: einige wenige wörter, die bloß im dat.
ſg. vorkommen, können zwar dieſer, aber auch der
vierten decl. zufallen, als: jundai (juventute) Luc. 18, 21.
môtai (telonio) Matth. 9, 9. Marc. 2, 14. — Wiederum
ſolche, von denen bloß der nom. pl. vorkommt, dürften
auch maſc. 1. decl. ſeyn.


Starkes femininum. zweite declination.

beiſpiel: þiv-ipl. þiu-jôs
þiu-jôsþiu-jô
þiu-jaiþiu-jôm
þiu-jaþiu-jôs
þiv-i

auch dieſe decl. muß gleich der zweiten männl. untheo-
retiſch aufgeſtellt werden. An ſich und urſprünglich
war ihr paradigma völlig das von giba, gibôs, folglich
þivi (ſt. þiuj-a) þiuj-ôs, þiuj-ai, þiuj-a etc. Der be-
weis liegt in den unter 8. der vorigen decl. angeführ-
ten vollſtändigen formen ſunja und vrakja. Andere wör-
ter haben das-a des nom. abgeworfen, wie einige maſc.
das -s des nom. Dem maſc. war dieſes abwerfen nach-
theilig, weil es nom. und acc. mengte; dem fem. bringt
es vortheil, weil es umgekehrt nom. und acc. unter-
ſcheidet. Vielleicht verurſachte der das -a ablegende
voc. (mavi Luc. 8, 54.) den nom. -i ſtatt -ja. Aus-
nahmsweiſe legt es auch der acc. ab (kunþi, notitiam
Luc, 1, 77.).


Das kennzeichen dieſer decl. d. h. den nom. auf -i,
haben nun beleglich folgende wörter:


  • 1) einfache: þivi (ancilla) mavi (virgo) [maujôs, mau-
    jai etc.] bandi (vinculum) kunþi (cognitio) þiudangardi
    (regnum).
  • 2) bildungen: aíhvatundi (rubus) hulundi (ſpelunca) þû-
    ſundi (mille) laúhmôni (fulgur) aquizi (ſecuris). Ver-
    [604]II. goth. ſubſt. ſtark. fem. dritte decl.
    muthlich gehören ebendahin die ähnlichen: fráiſtubni
    (tentatio) vunduſni (vulnus) frijôndi (amica) aúrahi
    (ſepulcrum) deren nom. mangelt. —

Weitere belege müßen lehren, ob der nom. ſg. fol-
gender fem. -i, oder -ja habe; in beiden fällen gehen
alle übrigen caſus gleich: banjôs (plagas) háiþjôs (agri)
haljai (tartaro) hvilftrjôm (feretris) kalkjôm (meretricibus)
ludja (faciem) plapjô (platearum) ſkaljôs (tegulae) ſuljôm
(ſcandaliis) vaſtjôs (pallii) vinja (paſcuam) vipja (coronam).


Zweifel zwiſchen einem acc. ſg. f. oder acc. pl.
neutr. waltet bei faúradaúrja (πλατείας) Luc. 10, 10. und
haúrja (ἄνθρακας Rom. 12, 20. ἀνθρακιὰν Joh. 18, 18.)


Starkes femininum. dritte declination.

Stimmt in allem zu der dritten männlichen. Mit
ſicherheit fallen hierher bloß: handus (manus) aſilus
(aſina) kinnus (maxilla) vaddjus (vallum) vritus (grex);
muthmaßlich etwan auch: qvaírnus (mola) ulbandus
(camelus).


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: anſt-spl. anſt-eis
anſt-aisanſt-ê
anſt-aianſt-im
anſtanſt-ins.
  • 1) einfache wörter: alds (aetas) anſts (gratia) brûþs (nu-
    rus) dáuns (odor) dêds (facinus) dulþs (feſtum) fra-
    gibts (deſponſatio) haúrds (oſtium) knôds (genus) fra-
    luſts (perditio) mahts (vis) náuþs (neceſſitas) anda-
    numfts (aſſumtio) quêns, queins (uxor) ſaúhts (mor-
    bus) manna-ſêþs (virorum ſatio, i. e. mundus) ſiuns
    (viſio) af-ſtaſſ (repudium) us-ſtaſſ (reſurrectio) vaíhts
    (res) fra-vaúhrts (peccatum) vaúrts (radix) vêns (ſpes)
    þaúrfts (inopia). Mit der vorſilbe ga: gabaúrþs (na-
    tivitas) gafaúrds (conſeſſus) gakunþs (aeſtimatio) ga-
    máinþs (ἐκκλησία) gamunds (memoria) gaqvumþs (con-
    cilium) garuns (forum) gaſkafts (creatio.)
  • 2) bildungen mit -n, an: aſans (meſſis) anabuſns (lex)
    rôhſns (atrium) táikns (ſignum) mit -um: midums
    (medium).
  • 3) bildungen mit -aþ, -aiþ, -êd: magaþs (virgo) mi-
    ta s (menſura) gamáindáiþs (κοινωνία) fahêds (laetitia)
  • 4) von ſchwachen infinitiven auf -an, ôn, jan gebildete
    ſubſt. z. b. báuains (habitatio) laþôns (vocatio) dáu-
    peins (baptiſmus). Ihrer gibt es viele.

Anmerkungen.


  • 1) nach anm. 2. zur erſten männl. decl. unterbleibt auch
    hier das nom. -s, ſobald das wort ſelbſt auf s oder
    gar ſſ endigt; ſo ſteht garuns gen. garunſais, afſtaſſ
    gen. afſtaſſais, vrôhs, gen. pl. vrôhſê für garunß, af-
    ſtaſß, vrôhß. In dáuns gen. dáunais iſt es hingegen
    caſus -s.
  • 2) einige wörter ſcheinen den ſing. nach dieſer vierten,
    den pl. nach der erſten decl. zu machen. So findet
    ſich Luc. 15, 12. dáil (portionem, μέρος) Luc. 19, 13.
    dáilôs (portiones, μνᾶς); háim (vicum) háimai (vico)
    aber haimôs (vicos) háimô (vicorum). Vielleicht ge-
    hörten noch andere dahin; vgl. náiteinôs (blaſphemiae
    Marc. 3, 28.) neben náiteinins (blaſphemias, Marc. 2, 7.
    Luc. 5, 21.) und láiſeinô (doctrinarum Marc. 1, 27.).
  • 3) wo gen. und dat. ſg. abgeht, iſt der form nach auch
    ein maſc. vierter decl. möglich; ſolche unſichere ſind:
    ahaks (columba) us-druſts (aſpredo) daúhts (coena)
    vrôhs (perſequutio).

Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiel: vaúrdpl. vaúrd-a
vaúrd-isvaúrd-ê
vaúrd-avaúrd-am
vaúrdvaúrd-a
  • 1) einfache wörter: barn (filius) baúrd (tabula) blôþ
    (ſanguis) daúr (oſtium) fill (cutis) fôn (ignis) gud (ido-
    lum) háurn (cornu) hûs (domus) huzd (theſ.) jêr (an-
    nus) juk (jugum) kas (vas) kaúrn (granum) lamb
    (agnus) land (terra) leik (corpus) lein (linum) mêl
    tempus) mês (menſa) ráus (arundo) hrôt (tectum) ſalt
    (ſal) ſkip (navis) ſvein (ſus) ſvês (proprietas) gaþraſk
    (area) vaúrd (verbum) vis (malacia).
  • 2) bildungen mit -l, -il, -ſl: tagl (capillus) ſaul (ſol)
    hunſl (ſacrificium) ſkôhſl (daemon) ſvumſl (natatorium).
  • 3) bildungen mit -n, in, an: kêlikn (turris) razn (do-
    mus) vêpn (arma) áigin (proprietas) ahan (palea) akram
    (fructus).
  • 4) mit -r: áibr (munus) maúrþr (caedes) ſilubr (ar-
    gentum).
  • 5) mit -arn: eiſarn (ferrum) lukarn (lucerna).
  • 6) mit -s, -is: veihs (vicus) dihs (? dius, fera) agis
    timor) hatis (odium) riqvis (caligo).
  • 7) mit -þ: háubiþ (caput) liuhaþ (lumen) miliþ (mel)
    vitôþ (lex).
  • 8) mit -v, -u: alêv (oleum) fráiv (ſemen) hláiv (ſepul-
    crum) vaurſtv (opus) kniu (genu) triu (arbor).

Anmerkung. einige unvollſtändig vorkommende ſind
zweifelhaft, z. b. der gen. beiſtis Marc. 8, 15. konnte
einem neutr. beiſt oder maſc. beiſts gehören; ſauïl (ſol)
ſteht im nom. ohne -s (Marc. 1, 32. 13, 24.) ſonſt würde
ich das maſc. vorziehen.


Starkes neutrum. zweite declination.

beiſpiel: kun-ipl. kun-ja
kun-jiskun-jê
kun-jakun-jam
kun-ikun-ja

gleich der zweiten männl. decl. theoretiſch eigent-
lich mit der erſten eins: kuni, kunj-is, kunj-a,
kuni etc., weil i bloßes bildungsmittel iſt. Doch finde
ich hier kein analoges -eis f. jis im gen. bei vorſtehen-
der langer ſilbe, vgl. faúra-gaggjis Luc. 16, 2. Dieſe
decl. begreift folgende wörter:


  • 1) mit der bloßen bildung -i: arbi (hereditas) badi
    (lectus) baſi (bacca) biuhti (mos) fani (lutum) faſki
    (faſcia) faura-gaggi (praefectura) faúra-tani (porten-
    tum) faúra-daúri (platea) gavi (regio) havi (foenum)
    háili (sanitas) kuni (genus) ufar-mêli (inſcriptio) nati
    (rete) andanahti (veſper) reiki (imperium) garûni (συμ-
    βούλιον
    ) tavi (opus) gavairþi (pax) gavaúrki (lucrum)
    anda-vaírþi (pretium) and-vaírþi (facies) anda-vaúrþi
    (reſponſum).
  • 2) mit -ni, uni: ataþni (annus) faírguni (mons).
  • 3) mit -ubni: faſtubni (jejunium) valdubni (poteſtas) vi-
    tubni (ſapientia).
  • 4) mit -iſki: barniſki (infantia).
  • 5) mit -iſti: haúhiſti (altitudo).

Anmerkung: unvollſtändig belegte können auch maſc.
2ter decl. ſeyn, namentlich: auralja (ſudario) aúrkjê
(urceorum) fraþja (mente) filêgrja (latibulo) fulhſnja
(latibulo).


[607]II. goth. ſubſt. ſtark. neutr. ſchw. maſc. erſte decl.
Starkes neutrum. dritte declination.

hierher bloß faíhu (pecunia) gen, faíhaus, dat. faíhau,
acc. faíhu, pl. kommt nicht vor.


Schwaches maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: han-apl. han-ans
han-inshan-anê
han-inhan-am
han-anhan-ans
  • 1) einfache: aba (maritus) aha (mens) ara (aquila) atta
    (pater) blôma (flos) brunna (fons) fana (pannus) fula
    (pullus) funa (ignis) galga (patibulum) hôha (aratrum)
    unhulþa (daemon) man-leika (effigies) ûs-liþa (para-
    lyticus) liuta (hypocrita) lôfa (vola manus) manna (homo)
    mêla (modius) mêna (luna) nuta (captor) ſkeima (ſplen-
    dor) ſnaga (pannus) ſmakka (ficus) ſtáua (judex, gen.
    ſtáuïns, dat. ſtáuïn) ſunna (ſol) ga-taúra (fiſſura).
  • 2) bildungen mit -l -ul: gibla (pinnaculum) magula
    (puerulus).
  • 3) mit -m: ahma (ſpiritus) hiuhma (turba) milhma
    (nubes).
  • 4) mit -r: ſvaíhra (ſocer).
  • 5) mit -v: nidva (aerugo) vilva (raptor) ſparva (paſſer)
    gavaurſtva (cooperarius) bidagva (mendicus).
  • 6) mit -ah: brôþraha (frater).
  • 7) fremde wörter: aipiſtula (epiſtola) ſpyreida (σπυρὶς)
    wovon jedoch nur die acc. pl. auf -ans vorkommen
    Neh. 6, 17, 19. Marc. 8, 8, 20.

Anmerkungen.


  • 1) iſt bloß der acc. pl. vorhanden, ſo kann das wort
    der erſten ſtarken decl. maſc. gehören: amſans (hume-
    ros) viduvaírnans (viduos).
  • 2) haizam (facibus) Joh. 18, 3. vielleicht maſc. oder
    neutr. ſtarker decl.
  • 3) nôtin (puppi) vaíhſtins (anguli) vaíhſtam (angulis)
    malmin (pulveri) funins (ignis) funin (igne) ſchwer-
    lich neutr. ſchwacher form.

Schwaches maſculinum. zweite declination.

beiſpiel vil-japl. vil-jans
vil-jinsvil-janè
vil-jinvil-jam
vil-janvil-jans.
[608]II. goth. ſubſt. ſchw. fem. erſte u. zw. decl.

eigentlich wieder mit der vorigen eins und vilj-a, vilj-
ins etc. aufzuſtellen; die vorkommenden wörter find:
arbja (heres) aúrtja (hortulanus) bandja (vinctus) vái-
dêdja (maleficus) af-êtja (vorator) fêrja (inſidiator) ſiſkja
(piſcator) frauja (dominus) ganja (incola) gudja (ſacerdos)
dulga-háitja (creditor) haúrnja (buccinator) kaſja (figulus)
maurþrja (homicida) nêhvundja (proximus) arbi-numja
(heres) gaſinþja (comes) ſkatja (nummularius) ſviglja (ti-
bicen) timrja (faber) vardja (cuſtos) vaúrſtvja (operarius)
vilja (voluntas); bis auf das letzte lauter perſönliche wör-
ter. Der dat. ïddaljin (deſcenſu) könnte im nom. ïddalja
oder ïddaljô (neutr.) haben.


Schwaches femininum. erſte declination.

beiſpiel: tugg-ôpl. tugg-ôns
tugg-ônstugg-ônô
tugg-ôntugg-ôm
tugg-ôntugg-ôns
  • 1) aglô (moleſtia) armáiô (miſericordia) azgô (cinis) brin-
    nô (febris) daúrô (janua) driuſô (praecipitium) dûbô
    columba) faúhô (vulpes) fullô (ſupplementum) heitô
    (febris) hvaþô (ſpuma) un-hulþo (daemon) juggô (pul-
    lus) ga-jukô (par mizdô (merces) quinô (mulier)
    ga-raznô (vicina) rinnô (torrens) vinþi-ſkaúrô (ven-
    tilabrum) ſtaírnô (ſtella) ſvaíhrô (ſocrus) ſunnô (ſol)
    tuggô (lingua) vikô (ordo) vardô (cuſtos).
  • 2) bildungen mit -il: ïnilô (excuſatio) mavilô (puella)
    vaírilô (labrum).
  • 3) bildungen mit -v: bandvô (ſignum) gatvo (platea)
    taíhſvô (dextera) uhtvô (crepuſculum) vahtvô (vigilia)
    vidôvô (vidua).

Anmerkung: von fraveitô (vindicta) reirô (motus)
findet ſich nur der nom. ſg., ſchwerlich aber ſind es
neutra, ſondern hierher gehörig.


Schwaches femininum, zweite declination.

beiſpiel: raþ-jôpl. raþ-jôns
raþ-jônsraþ-jônô
raþ-jônraþ-jôm
raþ-jonraþ jôns

hiernach: aíkklêſjô (eccleſia) aívaggêljo (evangelium) hêþjô
(cubiculum) ïumjo (turba) mitaþjô (menſura) niþjô (cog-
nata) raþjô (ratio) ga-runjô (inundatio) tainjô (corbis).
Es verhält ſich ebenſo, wie mit der zweiten männl.


[609]II goth. ſubſt. ſchw. fem. dritte decl ſchw. neutr.
Schwaches femininum. dritte declination.

beiſpiel: manag-eipl. manag-eins
manag-einsmanag-einô
manag-einmanag-eim
manag-einmanag-eins

enthält meiſtens bildungen aus adjectiven, als: agláitei
(laſcivia) baírgahei (regio montana) bleiþei (miſericordia)
faúrhtei (timor) ûs-filmei (terror) frôdei (ſapientia faíhu-
frikei (avaritia) ufar-fullei (abundantia) ga-gudei (pie-
tas) arma-haírtei (miſericordia) handugei (ſapientia) hlei-
dumei (ſiniſtra) kilþei (uterus) analaugnei (occultatio)
managei (multitudo) mikilei (magnitudo) ga-raíhtei (ju-
ſtitia) un-ſêlei (nequitia) ûs-ſtiurei (effrenatio) ſiukei
(aegritudo) ſvinþei (fortitudo) filu-vaúrdei (multilo-
quium). Folgende ſtammen aber aus ſtarken ſubſt.: áiþei
(mater) gabei (poſſeſſio) gáitei (capra) hvaírnei (calva-
ria) liutei (ſimulatio) magaþei (virginitas) marei (mare)
þramſtei (locuſta); über gumei und quinei ſ. unten vierte
anomalie. Von verbis ließen ſich leiten: veitvôdei (te-
ſtimonium) miþ-viſſei (conſcientia) vaja-mêrei (blaſphe-
mia) un-agei (ſecuritas). — Da der acc. ſg. dieſer decl.
dem der wörter auf -eins nach der vierten ſtarken
weibl. begegnet, ſo dürfte der nom. von inmáidein (mu-
tationem) maþlein (ſermonem) ſowohl inmáidei, maþlei,
als inmáideins, maþleins heißen.


Schwaches neutrum.

beiſpiel: haírt-ôpl. haírt-ôna
haírt-inshaírt-ônê
haírt-inhaírt-am (-nam)
haírt-ôhaírt-ôna

nur wenige wörter: áugô (oculus) áuſô (auris) haírtô
(cor) kaúrnô (granum) namô (nomen) þaírkô (foramen)
vatô (aqua) ubilô (malum) barnilô (infans).


Anmerkungen: 1) es findet ſich der pl. namna (no-
mina) Luc. 10, 20. Marc. 3, 17. ſtatt namôna. 2) der
dat. pl. vatnam (aquis) ebenſo ſtatt vatônam und dieſes
merkwürdig für vatam. Vermuthlich heißt es alſo auch
namnam und vatna. Oder wäre für beide wörter außer
der ſchwachen form namô, vatô eine ſtarke namn, vatn
(wie razn, vêpn) gültig? oder gienge der ſg. ſchwach,
der pl. ſtark? (vgl. am ſchluße dieſes capitels über die
bedentung der ſchwachen form.) — 3) die beim ſchwa-
Q q
[610]II. gothiſches ſubſtantiv. anomalien.
chen maſe. anm. 3. angeführten formen ſind vielleicht
neutral. — 4) malô (tinea) Matth. 6, 19, 20. zweifelhaft.
fem. oder neutr. Das entſprechende altn. mölr iſt ſtar-
kes maſc.


Anomalien des gothiſchen ſubſtantius.

Anomalien der decl. überhanpt gründen ſich theils
auf abſchleifung und contraction der gewöhnlichen for-
men, theils auf vermiſchung zweier declinationen, theils
auf vermiſchung ſtarker und ſchwacher form.


  • 1) brôþar (frater) Luc. 15, 27. Rom. 14, 15. macht den
    gen. brôþrs Luc. 6, 41, 43. den dat. brôþr. Marc. 3, 17.
    Luc. 6, 42. Rom. 14, 10. acc. brôþar Rom. 14, 10. voc.
    brôþar Luc. 6, 42; den pl. regelrecht nach der dritten:
    brôþrjus Marc. 3, 31, 35. Joh. 7, 3. acc. brôþruns Marc.
    10, 30. Luc. 18, 29. — Ebenſo die fem. daúhtar (filia)
    und ſviſtar (ſoror) gen. ſviſtrs Marc. 3, 25. dat. daúhtr
    Marc. 7, 26. acc. daúhtar Marc. 6, 22. plur. ſviſtrjus
    Marc. 3, 32. 6, 3. Joh. 11, 3. dat. daúhtrum Luc. 1, 5.
    acc. ſviſtruns Marc. 10, 30.
  • 2) das maſc. mênôþs (menſis) Luc. 1, 36. und die fem.
    alhs (templum) baúrgs (civitas) bruſts (pectus) nahts
    (nox) mitaþs (menſura) werfen im gen. und dat. ſg.
    die caſusvocale aus, alſo gen. mênôþs (ſt. mênôdis) alhs
    (ſt. alhais) Matth. 27, 51. baúrgs (ſt. baúrgais) Luc. 9, 10.
    nahts (ſt. nahtais) Luc. 2, 8. — dat. mênôþ (ſt. mênôda)
    Luc. 1, 26. alh (ſt. alhai) Luc. 1, 21. 2, 46. Marc. 12, 35.
    14, 49. baúrg (ſt. baúrgai) Matth. 9, 1. 10, 23. Marc.
    5, 14. 6, 11. mitaþ (ſt. mitadai) Marc. 4, 24. naht (ſt.
    nahtai) Marc. 4, 27. Luc. 17, 34. — Ebenſo ſind die
    nom. und acc. dieſer wörter contrahiert: mênôþs (ſt.
    mênôdans) Luc. 1, 24. 56. baúrgs (ſt. baúrgins) Matth.
    9, 35. 10, 23. 11, 1. bruſts (ſt. bruſtins) Philem. 5, 12.
    Luc. 18, 13. Im dat. finde ich nahtam Marc. 5, 5. —
    Vermuthlich gab es noch mehrere, auch das maſc.
    reiks (princeps) Matth. 9, 18. macht zwar den gen.
    reikis Matth. 9, 23. aber den pl. reiks (ſt. reikôs)
    Joh. 7, 26.
  • 3) auch mann (homo) gehört darupter, miſcht ſich aber
    noch außerdem mit ſchwachen formen; nom. ſg. manna
    Matth. 8, 2, 9. 27, 57. gen. mans (ſt. mannis) Matth.
    8, 20. 9, 6. Marc. 7, 15. Luc. 7, 34. dat. mann (ſt. man-
    na) Matth. 7, 26, 8, 4. Luc. 8, 33. acc. mannan Matth.
    [611]II. alth ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
    30, 35. 9, 9, 32. voc. manna Luc. 5, 20. nom. pl. mans
    (ſt. mannôs) Matth. 7, 12. 8, 27 Luc. 2, 15. und da-
    neben mannans Marc. 7, 8. gen mannê Luc. 14, 24.
    dat. mannam Matth. 6, 2. 9, 8. Marc. 11, 30. acc. mans
    (ſt mannans) Matth. 5, 19. Marc. 8, 24.
  • 4) fadrein (parentes) ſteht als pl. maſc. im nom. und
    acc. unveränderlich. Luc. 8, 56. 18, 29 Joh. 9, 2 3. 8.
    20. 22. Käme bloß der acc. vor, ſo würde ich ihn
    auf einen nom. fadrei (ſtatus parentis) beziehen, ſo
    wie die acc. gumein (ἄρσεν) quinein (θῆλυ) Marc. 10, 6.
    auf nom. gumei, quinei nach der dritten ſchw. decl.
    fem. Richtiger alſo wird man ſie als ſubſtantiv ge-
    brauchte neutra adjectiver form betrachten (von ihrer
    conſtruction in der ſyntax).
  • 5) von den fem. die den ſg. nach der vierten, den pl.
    nach der erſten decl. bilden oben ſ. 605.
  • 6) von den ſchwachen neutr. mit vielleicht ſtarkem pl,
    vorhin ſ. 609.
  • 7) außer manna haben ſtarke und ſchwache form fôn
    und funa (ignis); quêns und quinô. Für das gr. ἥλιος
    gebraucht Ulphilas drei goth. wörter: ſauïl Marc. 1, 32.
    13, 24. ſunna Marc. 4, 6. 16, 2. und ſunnô Matth. 5, 45.
    Luc. 4, 40.

Althochdeutſche declination.


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: nom. viſc.pl. viſc-â
gen. viſc-esviſc-ô
dat. viſc-aviſc-um
acc. viſcviſc-â
inſtr. viſc-û

die länge oder kürze der caſusvocale kann nicht zur
gewisheit gebracht werden; doch die â des nom. und
acc. pl ſind höchſtwahrſcheinlich, theils nach der ver-
gleichung des goth. -ôs, -ans (vgl. gâs ſt. gans ſ. 286.)
theils weil N. zuweilen noch ausdrücklich â circum-
flectiert, wiewohl nicht durchall. Dieſe -â ſcheiden
auch den nom. und acc. pl. vom dat. ſg. mit kurzem -a.
Das û des inſtr. und das ô des gen. pl. (unterſchieden
von dem kurzen o des ſchwachen maſc.) nehme ich
nach analogie des goth. è an, N hat keinen inſtr. mehr
und wenn er, wie es ſcheint, im gen. pl. o, nicht ô
Q q 2
[612]II. alth. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
ſchreibt, ſo kann dies ſpätere abſchwächung ſeyn. O.
und T. behalten im inſtr. u, wie im pl. a bei, während
ſie das dative kurze a in e ſchwächen; dies ſpricht für
die länge des û wie des â. Endlich geht das û des inſtr.
nicht in o über, da doch gerade das kurze u des dat.
pl. bei O. und T. zu o wird. Die verderbnis des m
dieſes caſus in n ſcheint mit dem neunten jahrh. zu be-
ginnen, O. und T. haben entſchieden on ſtatt des frü-
heren um, om. N. endlich ſetzt -e im dat. und inſtr.
ſg. und -en (nicht -ên) im dat. pl., behält aber â im
nom. acc. und ô im gen. pl. Dieſe decl. begreift:


  • 1) einfache wörter *): ampaht (miniſter) chnëht (ſervus)
    danch (gratiae) diop (fur) dorn (ſpina) eid (jusjur.)
    hals (collum) ant-heiƷ (votum) heid (perſona) hleip
    (panis) hnol (collis) hlôƷ (ſors) hrinc (annulus) hund
    (canis) hof (aula) kanc (iter) keiſt (ſpiritus) krif
    (tactus) kot (Deus) locch (cincinnus) mâc (cognatus)
    muot (animus) mund (os) nîd (invidia) kinôƷ (ſodalis)
    pauc (umbo) poum (arbor) plicch (fulgur) pocch (hir-
    cus) rinc (procer) roup (ſpolium) runs (curſus) ſoum
    (ſarcina) ſcaz (numus) ſcalh (ſervus) ſcoup (faſc. ſtra-
    minis) ſcuof (poëta) ſind (iter) ſtrît (lis) ſcrit (paſſus)
    ſtap (baculus) ſtuol (ſella) ſtrûƷ (ſtruthio) ſtouf (calix)
    ſtein (lapis) ſpër (haſta) urſprinc (origo) tac (dies) trôſt
    (ſolatium) tuom (judicium) turs (gigas) viſc (piſcis)
    vroſc (rana) walt (nemus) wëc (via) wîc (bellum) wint
    (ventus) wirt (hoſpes) wolf (lupus) zins (cenſus).
  • 2) bildungen mit -al, -il, -el, -ol: ſëkal (velum) ha-
    kal (grando) nakal (clavus) vokal (avis) puhil (collis)
    himil (coelum) chiſil (calculus) ſtedil (fundamentum)
    livol (liber) linnol (linea) etc.
  • 3) bildungen mit -am, -um: aram (brachium) param
    (ſinus) ſuaram (turba) âtum (ſpiritus) fadum (filum)
    eidum (gener) etc.
  • 4) mit -an, -în: dëkan (miles) morkan (mane) rëkan
    (pluvia) ſëkan (benedictio) wakan (currus) truhtîn
    (dominus) etc.
  • 5) mit -ar, -er: achar (ager) ëttar (ſepes) vinkar (di-
    gitns) hunkar (fames) wuldar (gloria) etc.
  • 6) mit -ôd: mânôd (menſis) wiƷôd (lex, ſacramentum).
  • 7) mit -ac, -uc: përac (mons) haruc (lucus).
  • 8) mit -ah, ih: vëdah (ala) potah (corpus) ſtorah (cico-
    nia) habuh, habih (accipiter) eƷh (acetum).
  • 9) mit -iſc: eƷiſc (ſeges).
  • 10) mit -iſt: henkiſt (equus admiſſ.) herpiſt (autumnus)
    ewiſt (ovile).
  • 11) mit -uƷ -iƷ: churpiƷ (cucurbita) alpiƷ (cignus)
    hiruƷ (cervus) hornuƷ (crabro) etc.
  • 12) mit -inc, -linc, -olf etc.
  • 13) ſubſtantive participia: vîant (inimicus) vriunt (amicus)
  • 14) bildungen mit -w, welches auslautend zu o gewor.
    den iſt: palo (pernicies) palawes, palawa; ſalo (ſalix)
    ſalawes; ſnêo (nix) ſnêwes; ſêo (mare) ſêwes; chlêo
    (trifolium) chlêwes; hlêo (agger) hlêwes; dëo, dëwes
    oder diu, diwes (ſervus).

Anmerkungen.


1) perſönliche wörter zeigen noch zuweilen den al-
ten acc. ſg. auf -an, wie er ſich bei eigennamen und
adj. findet, als: kotan (Deum) truhtìnan (dominum) etc. —
2) mehrſilbige wörter aſſimilieren und ſtoßen ihre vo-
cale zuweilen aus, z. b. përac, përekes; vinkar, vin-
kres, vinkurû; ſnabal, ſnabeles, ſnabulû (O. I. 25, 55.)
allein dieſe regeln werden ſchwankend befolgt und grei-
fen nicht durch. — 3) da der ſg. dieſer decl. mit dem
der vierten zuſ. fällt, ſo entſpringt für einzelne wörter,
deren pl. nicht vorliegt, ungewisheit, zu welcher von
beiden decl. man ſie rechnen will. Einige bilden denn
auch, nach verſchiedenheit der denkmähler, ihren pl.
bald mit der erſten, bald mit der vierten, vgl. gl. jun.
212. cruagâ (lagenas) O. II. 8, 57. kruagî; T. 43, 1. wintâ
K. 18b wintî; T. 4, 18. fuoƷâ (pedes) 95. 138. fuoƷì;
gl. monſ. 391. fuoƷì; O. I. 1, 42. IV. 27, 40. fuaƷì I. 25,
56. fuaƷin; K. 17b 47a fuaƷum, O. I. 27, 118. V. 8, 37.
7, 111. fuaƷon; N. 13, 5. 100, 8. gebraucht liutâ, râtâ ſt.
des üblicheren liutî, râtî etc.


Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: hirt-ipl. hirt-â
hirt-eshirt-ô
hirt-ahirt-um
hirt-ihirt-â
hirt-û
[614]II. alth. ſubſt ſtark. maſc. zweite u. dr. decl.

nach der ſ. 599. gemachten bemerkung eigentlich ganz
die vorige decl. und theoretiſch aufzuſtellen: hirti, hirt-es
(ſt hirtj-es) hirt-a (ſt. hirtj-a) etc. Das practiſch un-
terſcheidende i des nom. und acc. gehört der bildung,
nicht der flexion, um ſomehr, als es in den übrigen
caſibus wegfällt. Ich habe i und nicht î angeſetzt, je-
nes gebührt dem acc. ſchon nach dem goth.; im nom.
könnte man unterſcheiden und auf kurze ſilbe i, auf
lauge î vermuthen, z. b. riſi, wini, aber hueiƷî, hirtî.
Für i ſpricht auch das ſpätere -e bei N. (riſe, hitte)
der in der zweiten weibl. decl. î behält.


Der wörter mit der bloßen bildung -i gibt es nur
wenige (einige goth. ſind hier neutral, z. b. heri, exer-
citus; enti, finis): aſni (mercenarius) lant-deri (latro
T. 199, 8. von derjen, nocere) hirſi (milium) hirti (cu-
ſtos) hrucki (dorſum) hueiƷi (triticum) lâhhi (medicus)
puzzi (putens) riſi (gigas) wini (amicus). — Deſto häu-
figer iſt die bildung -ari, -eri, dem goth. -areis ent-
ſprechend, lautet aber bei andern -âri.


Der dat. pl. endigt auf -um, vgl. wehchârum (heb-
domadariis) K. 43a artârum (cultoribus) gl. jun. 198. lê-
rârum (doctoribus) K. 24b; O und T. geben inzwiſchen
-in: hirtin T. 6, 5. lêrarin T. 12, 4. arnarin (meſſori-
bus) T. 72, 6. lachin (medicis) T. 60, 3. buohherin (ſcri-
bis) T. 57. 1. 189, 1. ſcualârin O. III. 16, 18. brëdigârin
O I. 22, 66, wiewohl ſie den nom. pl. ſtets auf -â en-
digen laßen.


Starkes maſculinum dritte declination.

beiſpiel: ſun-upl. ſun-î
ſun-esſun-eô
ſun-juſun-im
ſun-uſun-î

das bildende i dauert nur im dat. ſg. vgl ſidju (more)
J. 343. ſitju K. 42b gl. monſ. 402. fridju K. 41a 57a hugju
Miſc. 2, 290. ſunju J. 143.; ſpätere haben hier entw.
bloßes -u, oder auch ſchon -e. Wie der inſtr. in die-
ſer decl. lauten könne, weiß ich nicht, ſchwerlich ſunjû.
Später geht das u in o über und gleicht im nom. den
wörtern no. 14. der erſten decl. — Der ganze pl. iſt ei-
gentlich in die vierte übergetreten.


Hierher gehören nur noch: haru (linum) gl. jun.
211. huku (mens) mëtu (mulſum) ſiku (victoria) ſitu
(mos) ſunu (filius) vridu (pax); muthmaßlich viele an-
[615]II. alth. ſubſt. ſtark. maſc. vierte decl.
dere, z. b. maku (puer) ëru (nuntius) hëru (gladius) etc.
dann noch einige fremde wörter, als apoſtolu, mâgu
(magus, ſapiens) wenigſtens nach dem pl. mâgî, dat.
mâgin (T. 8, 1, 4. 10, 1.) zu ſchließen. — ſunu lautet
bei O. und T. ſchon gänzlich ſun, d. h. folgt auch im ſg.
der vierten decl.


Starkes maſculinum. vierte declination.

beiſpiel: palcpl. pelk-î
palk-espelk-jô (eo)
palk-apelk-im
palcpelk-î
palk-û

der ſg. iſt dem der erſten decl. gleich; im pl. rechtfer-
tigt ſich î aus dem goth. -eis, -ins und der analogie
des -â (-ôs, -ans) obgleich der ſpätere N. hier ſchon
-e zeigt. ſo daß wenigſtens dieſes î früher verkürzt wor-
den ſeyn mag, als das der zweiten weibl. decl. — -jô,
des gen. pl. wird allmählig zu -ô. wie im goth.
durchgehends -ê (in balgê) für -jê zu ſtehen ſcheint. —
Dieſe decl. zählt weniger wörter, als die erſte:


  • 1) einfache (ich führe den nom. ſg. und pl. an): arn, ernî
    (aquila) aſt, eſtî (ramus) châs, châſî (caſeus) chorp,
    chorpî (corbis) chruoc, chruokî (urceus) halm, helmî
    (calamus) heit, heitî (perſona) houk, houkî (tumulus)
    caſt, keſtî (hoſpes) cruoƷ, cruoƷî (ſalutatio) lid, lidî (mem-
    brum) liut, liutî (pop.) naph, nephî (catillum) pah, pahî
    (rivus) palc, pelkî (cutis) polz, polzî (puls) priaf, prievî
    (literae) hart-pûr, hartpûrî (magiſtratus) phad, phedî
    (ſemita) phar, pherrî (taurus) phluoc, phluokî (aratrum)
    phunc, phunkî (marſupium) rand, rendî (margo) rât, râtî
    (conſ.) ſalm, ſelmì (pſalmus) ſcilt, ſciltî (clipeus) ſcûr,
    ſcûrî (imber) ſcrit, ſcritî (paſſus) ſlak, ſlekî (ictus)
    ſpurt, ſpurtî (ſtadium) ſtaph, ſtephî (paſſus) ſtouf, ſtoufî
    (cyathus) ſun, ſunî (filius) tiſk, tiſkî (menſa) vuoƷ,
    vuoƷî (pes) vlins, vlinſî (ſilex) wâk, wâkî (unda)
    wân, wânî (ſpes) zan, zenî; zand, zendî (dens).
  • 2) bildungen mit -al, ol: aphol, ephilî (malum).
  • 3) mit -ar: zahar, zaharî (lacrima).
  • 4) mit -ah: firahim (hominibus) weſſobr.
  • 5) mit hs: luhs, luhſî (lynx) vuhs, vuhſì (vulpes).
  • 6) mit -ft: umpi-hunrft (circuitus) luft, luftî (aer)
    hlouft, hlouftî (curſus) ſcaft, ſceftî (haſta) ſunft,
    ſunſtî (palus).
  • 7) mit -ant, unt: liumunt (fama) wiſant, wiſunt (bu-
    balus).
  • 8) mit ôd: chërrôd, chërrodî (ſtridor) ſëlpwaltôd (pri-
    vilegium).

Anmerkungen. 1) vom ſchwanken in die erſte ſ. dort.
2) manche wörter rühren ſichtbar aus der dritten her,
welcher ſie noch in früheren quellen zuſtehen, z. b.
vuoƷ, ſun.


Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: këp-apl. këp-ô
këp-ôkëp-ônô
këp-ôkëp-ôm
këp-akëp-ô

die länge des ô erhellt ſowohl aus dem goth., als aus
der notkeriſchen circumflectierung und iſt merkwürdige
ſpur uralter übereinkunft des alth. mit dem goth. laut,
da in der regel dem goth. ô alth. uo entſpricht (ſ. 96.)
Niemahls zeigt ſich hier ein këpuo, gëbua. Der gen.
pl. ſteht unorg. in der ſchwachen form, këpônô f. këpô,
offenbar theils zur unterſcheidung von dem gen. pl.
maſc viſcô (goth. fiſkê, gibô) theils weil ô mit dem
gen. ſg. und nom. pl. zuſ. treffen würde (nachdem die
muthmaßlich frühere form këpôr, goth. gibôs aufgegeben
war). Der letzte grund paſt freilich nicht auf diejeni-
gen quellen, welche im gen. und dat. ſg., nom, und
acc. pl. kein ô zeigen.


Nämlich das aufgeſtellte paradigma findet ſich völlig
beobachtet nur in den monſ. gl., ſodann, was den nom,
acc. ſg. gen. und dat. pl. angeht, auch in allen übrigen
denkmählern; für den gen. dat. ſg. und nom. acc. pl.
bemerke ich folgende verſchiedenheiten:


  • α) K. gibt dem gen. ſg. -â, dem dat. ſg. -u, dem nom.
    und acc. pl. -ô, hat folglich: këpa, këpâ, këpu, kë-
    pa; këpô, këpônô, këpôm, këpô. Hiermit ſtimmen
    die gl. hrab. exhort. u. a. m. Das lange -â gen. ſg.
    folgere ich theils aus der nöthigen unterſcheidung
    vom nom. und acc., theils aus der analogie des nom.
    pl. maſc. (viſcâ verhält ſich zu këpâ wie fiſcôs: gibôs).
    Dieſer analogie halben ſcheint -â ſogar conſequenter
    als -ô, dieſes aber ſtimmt doch mehr zu dem ô des
    nom. und dat. pl. — Das -u dat. ſg. könnte viel-
    leicht -û ſeyn, es entſpricht dem goth. -ai.
  • β) die weichere mundart bei I. O. T. bildet den ſg. wie
    K. führt aber auch im nom. acc. pl. -â ſtatt ô, de-
    cliniert alſo: gëba, gëbâ, gëbu, gëba; gëbâ, gëbônô,
    gëbôm (-ôn) gëbâ. Dieſe weiterführung des â iſt fol-
    gerichtig, aber nicht durchgreifend, weil im gen, und
    dat. pl. noch das alte ô beharrt.
  • γ) N macht den ſing. ganz nach dem paradigma, hat
    aber â ſtatt ô im nom. acc. pl., ſolglich: këba, këbô,
    këba; këbâ, këbôn (ſt. këbônô) këbôn (ſt. -ôm).

Vergleicht man dieſe viererlei weiſen miteinander,
ſo ſcheint das aufgeſtellte paradigma, welches die mei-
ſten ô enthält, abgeſehn vom dat. ſg. (der zum goth. ai
nicht ſtimmt) hiſtoriſch die getreuſte. Unleugbar hinge-
gen treten die einzelnen caſus individuell geſchieden in
der weiſe α. am beſten vor. Die beiden letztern ſchwä-
chen dieſe individualität wieder und jede anders.


In dieſe decl. gehören nun


  • 1) einfache wörter: aha (aqua) archa (ciſta) chara (la-
    mentatio) chiulla (pera) chlaka (querela) chripha (prae-
    ſepe) dinpa (furtum) drawa (minae) êa, êwa (lex)
    eiſca (poſtulatio) êra (honor) ërda (terra) hanſa (cohors)
    harta (durities) hëlfa (auxilium) hella (inſeri) hilta
    (pugna) hiza (aeſtus) hlancha (lumbus) hriwa (poeni-
    tentia) hunda (captura) huîla (mora) îla (feſtinatio)
    këpa (donum) kërta (virga) couma (coena) cruopa
    (fovea) lapa (refectio) aleipa (reliquiae) lìp-leita (victus)
    lèta (doctrina) ki-louba (fides) luoka (ſpelunca) ki-
    mabha rei conditio) mëlda (delatio) minna (amor)
    mieta (munus) molta (terra) mûra (murus) ki-nâda
    (gratia) nara (victus) pâka (contentio) pëta (preces)
    pita (exſpectatio) pîna (cruciatus) phorta (porta) prawa
    (ſupercilium) puoƷa (ſatisfactio) quâla (nex) rahha (res)
    râhha (vindicta) rawa (quies) reda (ratio) reiſa (iter)
    rîha (muſculus tibiarum, gl. jun. 227.) ruaba (nume-
    rus) ſaka (narratio) ſèla (anima) ſippa (pax) ſîta (latus)
    ſcama (pudor) ſciura (horreum) ſcôƷa (finus) ſcuola
    (ſchola) ſmërza (dolor) ſprâhha (lingua) ſtimna (vox)
    ſtulla (momentum) ſtunta (hora) ſtrâƷa (via) ſuona
    (judicium) ſunta (peccatum) teila (diviſio) toufa (baptis-
    mus) trencha (aquare) triwa (fides) tuâla (mora) unda
    (fluctus) valka (occaſio) vâra (dolus) vaƷa (ſarcinula)
    vîra (celebratio) volma (manus) vrâka (quaeſtio) vruma
    (commodum) vuora (paſtus) ki-wâda (ſpiritus gl. monſ.
    390.) wampa (venter) wara (cura) warta (ſpecula) weida
    [618]II. alth. ſubſt. ſtark. fem. erſte u. zweite decl.
    (paſcuum) ki-wona (mos) wunta (vulnus) wunna
    (gaudium) zâla (decipula) zala (numerus).
  • 2) die häufigen bildungen mit -id, als: ſalpida (unctio)
    ſpâhida (ſapientia) etc.
  • 3) bildungen mit -unk: herjunka (direptio) ſamanunka
    (congregatio) etc.
  • 4) mit -niſſ: drîniſſa (trinitas) etc.
  • 5) mit -inn: mâkinna (cognata) etc.
  • 6) mit -in, an: chuhhina (culina) vërſana (calx)
  • 7) mit -ah: malaha (pera)
  • 8) mit -ht: ahta (cura) ſlahta (genus) trahta (cogitatio)
    wahta (vigilia) zuahta (generatio) vorahta (metus) vëhta
    (pugna)
  • 9) mit -ſ: lëſſa (labium)
  • 10) mit -aw: varawa (color)
  • 11) mit -i, e: ſuntja (peccatum) ſippea (cognatio) chri-
    phea (praeſepe) minnea (amor) hizea (calor) kartea
    (virga) ſecchea (lis) etc. meiſtens iſt aber das bildende
    i, e völlig ausgefalien
  • 12) einige fremde wörter, wie nâtûra, martira, phâ-
    lanza etc.

Starkes femininum, zweite declination.

beiſpiel: heil-îpl. heil-î
heil-îheil-ônô
heil-îheil-im
heil-îheil-î

dieſe decl. ſtimmt nicht recht zu der goth. zweiten,
überhaupt nicht zu dem begriff der zweiten decl. maſc.
und neutr., wonach man eher die bei der erſten un-
ter 11. angeführten ſuntja, ſippja etc. den wörtern hirti
und chunni gleichſetzen ſollte. Inzwiſchen war im goth.
gerade auch der nom. ſg. ſeines -a entblößt worden,
was eine analogie von þivi: heilî begründet. Die übri-
gen caſus fügen ſich wenig, noch mehr widerſpricht
die ganz verſchiedene formation der wörter in der goth.
und alth. zweiten decl. Kein einzelnes begegnet ſich,
wenn man kunþi abrechnet.


Das thema heilî (die länge des î erwieſen aus den
ſchreibungen antreitii, abulkii K. 16a 23b, auch aus N.
beibehaltung dieſes î) bietet weniger eine decl. dar, als
vielmehr auflöſung früherer caſus, für den ſing. erſtar-
rung in einem einzigen. Den ſeltenen gen. pl. belegt
meri-minnônô (ſyrenarum) gl. monſ. 324., den dat. and-
[619]II. alth ſubſt ſtark. fem. zweite u. vierte decl.
reidim J. [...]86. menigin (turbis) T. 80. gâhin O. II, 14,
187. — Wahrſcheinlich ſtammen alle hierher gehörigen
wörter aus der dritten ſchwachen, indem ſie das -n
allmählig abwarfen.


  • 1) die meiſten ſind mittelſt des i aus adj. oder part. ab-
    geleitet: altî (ſenectus) chundî (notitia) chrumpî (flexuo-
    ſitas) pidirpî (fructus) ëpanî (rectitudo) ar-hapanî (cel-
    ſitudo) hêrî (gloria) heilî (ſalus) hertî (durities) huldî
    (favor) kâhî (praecipitatio) kuallîhhî (gloria) kuatî (bo-
    nitas) it-mâlì (feſtivitas) menikî (multitudo) miltî
    (manſuetudo) mihhilî (magnitudo) nâhî (proximitas)
    plintî (coecitas) minnaſâmî (amabilitas) ſcônî (pulcri-
    tudo) ſlihtî (planities) ſtillî (tranquillitas) ſuoƷî (dul-
    cedo) tiufî (profunditas) tiurî (pretioſitas) trunchanî
    (ebrietas) vravalî (faſtus) weihhî (mollities) wîhî (ſancti-
    tas) ziorî (decus)
  • 2) anderen urſprung haben: hëlî (amictus) decchî (tegu-
    mentum) antreitî (ordo) apulkî (ira) meriminnî (ſyrena)
    mendî (gaudium) toufî (baptiſma) etc.
  • 3) ableitungen auf -niſſ: përahtniſſî (claritas) volniſſî
    (plenitudo) etc.

Starkes femininum. dritte declination.

mangelt.


Starkes femininum vierte declination.

beiſpiel: auſtpl. enſt-î
enſt-îenſt-jo (eo)
enſt-îenſt-im
anſtenſt-î

der pl. ſtimmt genau zur vierten maſc., die langen î
nom. und acc. heruhen auf denſelben gründen; ob etwa
zur unterſcheidung ein kurzes i des gen. dat. ſg. ange-
nommen werden dürfe, bezweifle ich, weil auch in
der erſten weibl. decl. gen. ſg. und nom. pl. überein-
kommen. Das goth. ais und eis führt auf ê, î, doch
iſt mir ein alth. ê im gen. dat. ſg. nie vorgekommen;
N. ſpäteres kurzes e gilt für ſg. und pl. — Dieſer decl.
folgen: ankuſt (angor) anſt (gratia) apanſt (invidia) ara-
peit (labor) arn (meſſis) vrumi-chiſt (primitiae) urchiſt
(reditus) chluft (emunctorium) chnuot (natura) chraft
(vis) chuo, chuoî (vacca) chumft (adventus) chuſt (gu-
ſtus) achuſt (vitium) unchuſt (turpitudo) diu, gen. diwî
(ſerva) duruft (neceſſitas) ëht (ſubſtantia) eih (quercus)
pi-giht (confeſſio) hant (manus) -heit in komaheit, dëo-
heit etc. hlouft (curſus) prûihlouft (nuptiae) huf (femur)
hût (cutis) jugund (juventus) kans (anſer) keiƷ (capra)
[620]II. alth. ſubſt. ſtarkes fem. vierte declin.
kift (donum) kir (cupido) êra-krebt (dignitas) kluot
(fervor) laſt (onus) liſt (fraus) liumunt (fama) luſt (vo-
luptas) makad (virgo) maht (vis) miluh (lac) munt (tu-
tela) naht (nox) nât, nâtî (ſutura) ki-niſt (ſalvatio) nôt
(neceſſitas) nuot (incaſtratura, gl. jun. 209.) ka-nuht
(abundantia) numft, nuft (ſumptio) nôt-numft, ſiki-
numft etc. nuƷ (nux) pluot (flos) prunſt (incendium)
pruſt (pectus) prût (ſponſa) ki-pulaht (ira, aemulatio)
puruc (urbs) kipurt (nativitas) vuri-purt (abſtinentia)
eid-puſt (jus juraudum) quirn (mola) quiſt (calamitas)
ki-riht (vindicta) ſât, ſâtî (ſatio) ki-ſcaft (creatura) ki-
ſciht (hiſtoria) niu-ſciht (prodigium) ſcrift (ſcriptura)
ſculd (debitum) ki-ſiht (facies) ſlaht (occiſio) man-ſlaht
(homicidium) ki-ſpanſt (perſuaſio) ſpuot (proſperitas)
ſtat (locus) ſû, gen. ſuwî, ſûwî? (ſus) ſuht (tabes) ſûl
(columna) eid-ſuart (coniuratio) tac-alt (recreatio) (bei
N. nach zweiter decl. tagaltî) tât, tâtî (factum) truh (vin-
culum T. 53, 4.) tuld (ſolemnitas) tur (porta) vart (iter)
vluoh (rupes) vluht (fuga) vluot (fluxus) vlô (pulex) vol-
luſt, vol-leiſt (auxilium) vraht, vrehtî (meritum) vriſt
(occaſio) vûſt (pugnus) ki-wahſt (pubertas) vrumi-wahſt
(primitiae) vgl. owahſt (ſtirps, gl. hr. 952a) ki-walt (po-
teſtas) ana-walt (latibulum) wât, wâtî (veſtis) wëralt,
worolt (mundus) wiſt (alimentum, ſubſtantia) und viele
compoſita wie heim-wiſt, nah-wiſt, ſaman-wiſt etc.
wurſt (farcimen) wurt (fatum) ki-wurt (dignitas) zît
(tempus) zuht (educatio) ki-zumft (pactum).


Anmerkungen: 1) der gen. pl. nimmt bei den ſpä-
teren ſchon -ô ſtatt eo, jo an. — 2) im dat. pl. zuwei-
len -um, un, on ſtatt -im, in, namentlich in hantum
K. 25a 45b hanton O. I, 20, 33. II. 3, 35. III. 10, 68.
(bei dieſem worte vielleicht nachwirkung des alten -u,
vgl. goth. dritte decl.) magadon O. I. 6, 14 etc. — 3) im
dat. ſg. Miſc. 2, 290. anſt ſtatt enſtî. — 4) unvollſtändig
belegte wörter gehören unſicher dieſer oder der vierten
männl. und verſchiedene ſchwanken wirklich, was erſt
im dritten buch bei der lehre vom geſchlecht näher er-
örtert werden kann.


Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiel: wortpl. wort
wort-eswort-ô
wort-awort-um
wortwort
wort-û
[621]II. alth. ſubſt. ſtarkes neutrum. erſte decl.

die caſus denen der erſten männl. in allem gleich, außer
daß nom. und acc. pl. jede endung abgelegt haben, folg-
lich wie im ſg. lauten (daß dieſe früher vorhandene en-
dung -u war, erhellt aus der zweiten decl.). Gewiſſe
wörter (wovon anm. 2.) ſchieben aber im pl. ein bil-
dungs -ir ein. — Hierher ſind zu rechnen


  • 1) einfache wörter: chalp (vitulus) char (vas) chint (in-
    fans) chorn (granum) chrût (herba) dinc (cauſa) dioh (fe-
    mur) ei (ovum) hâr (crinis) hol (foramen) holz (lignum)
    horn (cornu) hort (theſaurus) hrad (rota) hrint (armen-
    tum) hrîs (virgultum) hros (equus) huon (pullus) hûs
    (domus) jâr (annus) joh (jugum) âkëƷ (oblivio) krap (ſe-
    pulcrum) apkot (idolum) kuot (bonum) lamp (agnus)
    lant (terra) leit (dolor) loh (foramen) pi-loh (clauſtrum)
    lop (laus) lôn (praemium) loup (folium) maƷ (panis)
    muos (cibus) muot (animus) nôƷ (jumentum) pant (vin-
    culum) parn (infans) pein (os) plat (folium) plëh (lamina)
    plî, pliwes (plumbum) porſt (ſeta) prët (aſſer) prôt (pa-
    nis) prôƷ (groſſus, groſſulus) phant (pignus) ſank (can-
    tus) ſcâf (ovis) ſcif (navis) ſeil (laqueus) ſêr (dolor) pi-
    ſëƷ (obſeſſio) ſpër (haſta) ſpor (veſtigium) ſuërt (enſis)
    ſuîn (ſus) tal (vallis) teil (pars) tior (fera) tuom (judi-
    cium) vahs (crinis) vaƷ (vas) vërs (verſus) vleiſc (caro)
    wahs (cera) wâr (veritas) wiht (res, ſpiritus) wîc (bel-
    lum) wîp (femina) zuîc (ramus).
  • 2) bildungen -al, -il: ſëdal (ſedile) zuîval (dubium)
    hregil (veſtis) etc.
  • 3) bildungen -am, um: kadum (camera).
  • 4) bildungen -an, in, arn: kaman (gaudium) wâfan
    (arma) wolchan (nubes) zeihhan (ſignum) mekin (vis)
    pecchin (pelvis) îſarn (ferrum).
  • 5) bildungen -ar, ir, r: ahar (ſpica) altar (ſenectus)
    chuphar (cuprum) chortar (grex) hunkar (fames) ſila-
    par (argentum) waƷar (aqua) viur (ignis) etc.
  • 6) bildungen -it, t: houpit (caput) lioht (lux).
  • 7) bildungen -aƷ: opaƷ (pomum).
  • 8) bildungen -ôſt: dionôſt (ſervitium).
  • 9) bildungen -ah: vërah (anima) wërah (opus).
  • 10) bildungen -ëc: honëc (mel).
  • 11) bildungen -o, u: trëſo, trëſewes (theſaurus) hrêo,
    hrêwes (cadaver) mëlo, mëlewes (far) chuëo, chnë-
    wes (genu) horo, horewes (lutum) lêo, lêwes (malum)
    ſpriu, ſpriwes, ſpriuwes (palea) trëo, trëwes (arbor)
    ſaro (inſidiae).
  • 12) comp. mit ki-: ki-ſcrîp, ki-heiƷ, ki-mah etc.

[622]II. alth. ſubſt ſtark. neutr. erſte u zweite decl.

Anmerkungen: 1) ſchwanken zwiſchen maſc und
neutr. iſt begreiflich; näheres in der lehre vom genus.
2) die merkwürdige anſchiebung der ſilbe -ir (niemahls
-ar; ſpäterhin aber -er) iſt ein bildungsmittel und der
decl. weſentlich fremd, daher auch dieſem erweiterten
pl. die gewöhnlichen gen. und dat. endungen zutreten:
hûſir, hûſir-ô, hûſir-um, hûſir. Practiſch läßt ſich in-
deßen von dem ſing. hûs eiu pl. hûſ-ir, hûſ irô, hûſ-
irum, hûſ-ir annehmen. Dieſe pluralform tritt erweis-
lich bei folgenden wörtern ein: charir, cherir (vaſa, vgl.
pîcherir, alvearia, gl. caſſ. 855a) chalpir. chrûtir. eigir
(ova) hârir. holir. holzir. huonir. hûſir. hredir (rotae)
hrêwir. hrindir. hrîſir. apkotir. krepir. lempir. lohhir.
pilohhir. loupir. nôƷir (pecora) pantir, pentir. plëhhir.
pletir. porſtir. pretir ſpriuwir, ſpriur. ſuînir. tiorir (ferae)
telir (valles) varhir (porculi) welfir (catuli) wihtir (crea-
turae); zweifelhaft bleiben mir: halſirom (habenis gl.
flor. 985a) welches eher einen ſg. halſira als hals zu ha-
ben ſcheint; ſeidir (tendiculae, gl. doc.) juhhir (cen-
turiae, mon. boic. VII. 373. juhhiran 1. juhhirun) wahſir
(gl. caſſ. 854b wo fälſchlich waheir gedruckt, gloſſe des
dunkelen wortes uuaſa?) ſcheint pl. von wahs (cera) —
3) bisweilen wirft ſchon der dat. ſg. ſeine endung ab,
ſo ſteht T. 44, 8, 9. hûs ſt. hûſe.


Starkes neutrum. zweite declination.

beiſpiel: chunn-ichunn-i (-ju, -u)
chunn-eschunn-jô (-eô)
chunn-echunn-um
chunn-ichunn-i (-ju, -u)
chunn-jû

das kurze i ſcheidet dieſe caſus von dem -î der pl.
maſc. fem. vierter und dem der fem. zweiter überhaupt;
N. hat ſchon -e für -i. Im gen. und dat. ſg. gilt -es,
-e
für ein früheres -jes, je (ja) das noch zuweilen vor-
kommt, z. b. in herjes, herje, perjes, ôljes; die volle
form des inſtr. hat T. 138: mit ôljû ſalbôn (oleo ungere).
Von dieſem -jû ſcheide ich dann das -ju, -u nom. und
acc. pl., welches ſich merkwürdigerweiſe bei dem ein-
zigen T. obwohl ſchwankend erhalten hat. Während
nämlich die übrigen quellen chunni, kunni, peri etc.
ſetzen, hat T. cunnu, beru, zuweilen auch: neƷƷju
(retia) giſcuohju (calceamenta) giwâtju (veſtimenta) etc.
[623]II. alth. ſubſt. ſtarkes neutr. zweite decl.
Dieſes -ju, -u iſt zwar die ältere form, allein unfolge-
richtig, da ſich in der erſten decl. bei T. niemabls wortu,
kindu, meginu, ſondern wort, kind, megin findet.
Neben dem -ju, -u liefert, wenigſtens die ſ. galler hſ.
T. auch die pl. cunni, giwâti, urcundi etc. — Vom dat.
pl. gilt das bei der zweiten männl. decl. bemerkte, die
regel heiſcht -um, un und die ältern quellen haben es
auch: endum I. 394. pettum K. 48a; auch O. III. 14, 147.
gowon, T. hingegen 19, 3. neƷƷin, 107. wiƷin etc. —
In dieſe decl. fallen:


  • 1) bildungen mit bloßem -i: arpi (hereditas) ampahti
    (miniſterium) chetti (? ſepulcrum) chruci (crux) chunni
    (genus) churni (frumentum) enti (finis) heri (exerci-
    tus) hirni (cerebrum) impi (progenies) kewi (pagus)
    kuſſi (inundatio) aplâƷi (remiſſio) elilendi (exſilium)
    pilipi (panis) antlutti (facies) mâri (fama) mutti (mo-
    dius) neƷƷi (rete) ôli (oleum) peri (bacca) petti (lectus)
    piladi (imago) âpnlki (ira) wola-quëti (ſalutatio) rîhhi
    (regnum) rippi (coſta) ruomi (ambitio) ſëlt ſâni (mira-
    culum) wabar-ſiuni (ſpectaculum, ſo iſt T. 210, 3. zu
    leſen) ſtuppi (pulvis) urteili (judicium) tenni (area)
    vleƷƷi (atrium) weppi (tela) waſtweldi (ſolitudo) wiƷi
    (tormentum) antwurti (reſponſum) az-zâſi (ſupellex)
  • 2) bildungen mit -il, ir: kipili (frons) innôdili (inte-
    ſtina) hôhſëtli (thronus) ſteinili (calculus) vingiri (an-
    nulus) eimperi (urnula) etc.
  • 3) bildungen mit -ink: heiminki (patria)
  • 4) mit -unt: mammunti (lenitas) arunti (nuntius)
  • 5) mit -ôt: hêrôti (dignitas) einôti (ſolitudo)
  • 6) mit -iſc: hiwiſki (familia) kumiſki (genus hum.)
  • 7) mit -niſſ: ſuoƷniſſi (dulcedo) etc.
  • 8) viele mit der vorſilbe ki: kiwâti (veſtitus) kiwikki
    (bivium) kidikini (famulitium) kiſtirni (militia) ki-
    zimpari (aedificium) etc.

Anmerkungen: 1) bedenklich iſt die decl. der un-
ter 2. angeführten bildungen -ili, iri, wovon hernach
in der ſiebenten anomalie. — 2) ſchwanken zwiſchen
dieſer und der zweiten weibl. decl. begreift ſich; bei O.
âbulgi neutral, bei K. âpulkî weiblich (mehr hiervon
in der abhandl. des genus). — 3) wie bei der vorigen
decl. ſcheint der pl. auch hier zuweilen -ir anzuſchie-
ben, vgl. kefildir (campi) N. 95, 13. vom ſing. kefilde;
geteleren (convallibus) miſc. 1, 39. vom ſg. getele.


[624]II. alth. ſubſt. ſchwaches maſcul. erſte decl.
Starkes neutrum. dritte declination.

enthält bloß vihu (pecus) witu (lignum) welche wie
ſunu declinieren. anßer daß der nom. und acc. pl. (wenn
ein pl. vorkommt) dem nom. acc. ſg. gleich ſeyn würde.


[Schwaches] maſculinum. erſte declination.

beiſpiel:han-ohan-un (on)
han-inhan-ônô
han-inhan-ôm
han-un (on)han-un (on)

die langen ô im gen. und dat. pl. gründen ſich theils
auf N., theils auf diſcoom, willoom K. 25a; nach dem
goth. hanam hätte ich eher hanom unterſchieden von
zunkôm (tuggôm) und hanonô (hanan[ë]) angeſetzt. Statt
-in des gen. dat. ſg. haben die ſpäteren -en. Im acc.
ſg. nom. und acc. pl. ſcheint u älter als o; im nom. ſg.
nie u für o. N. behält dies o des nom. ſg. und die ô
gen. dat. pl., vertauſcht aber das in u ſchwankende o
überall mit e (er decliniert folglich: hano, hanen, ha-
nen. hanen: hanen, hanôn, hanôn, hanen). —


  • 1) einfache wörter: ano (avus) anto (iracundia) anke
    (cardo) aro (aquila) aſco (thymallus) chappo (gallus)
    chempho (pugil) cherno (granum) chîmo (germen) chlinko
    (torrens) chlopo (decipula) chnapo (puer) cholo (carbo)
    cholpo (fuſtis) choccho (navis) chrampho (ſpaſmus) chra-
    pho (uncus) chreito (calathus) chrëſſo (thymallus) chuocho
    (panis tortus) diſco (diſcipulus) draccho (draco) drëno
    (fucus) dûmo (pollex) encho (ruſticus) erpo (heres)
    heit hafto (ſacerdos) haccho (uncinus) joh-halmo (lo-
    rum) ê-halto (pontifex) lîh-hamo (corpus) hano (gal-
    lus) fora-haro (praeco) haſo (lepus) heimo (grillus)
    ſculd-heiƷo (exactor) hërro (dominus) hërdo (vellus
    N. 71, 6.) hiufo (tribulus) hloufo (curſor) hnacco (occi-
    put) wituhopho (upupa) hrahho (ſublinguium) hreinno
    (admiſſarius) hûfo (cumulus) hûſo (echinus) huoſto (tuſ-
    ſis) huërpo (vortex) kalko (patibulum) kanzo (auetus)
    karto (hortus) lëdarkarwo (coriarius) wîn-këpo
    (caupo) kioſo (ſretum maris) kinko (O. gingo, ſpes,
    deſiderium) kiumo (koumo, palatum) kneiſto (ſcin-
    tilla) komo (homo) ſiſi-komo (pelicanus) krâvo
    (comes) krapo (vallum) kriupo (gremium) lappo (pal-
    mula) lëddo (argilla) lodo (lodix) mado (tarmes) mâgo
    (papaver) mako (ſtomachus) manko (machina) mâno
    [625]I. alth. ſubſt. ſchwaches maſcul. erſte decl.
    (luna) mëƷƷo (lapicida) naccho (navis) namo (gen. na-
    min und nemin; nomen) nardo (nardus) narro (ſtul-
    tus) nëvo (nepos) nioro (ren) niumo (modulatio) ohſo
    (bos) ordo (ordo) paccho (mandibula) palcho (trabs)
    pano (mors) paſto (altile T. 125.) prôt-peccho (panifi-
    cus) eli-benzo (O. III. 18, 28. alienigena) përo (urſus)
    phapho (eccleſiaſticus) phâwo (pavo) phoſo (marſu-
    pium) pîko (acervus) piuko (ſinus) piƷo (buccella)
    wolfpîƷo (lyciſcus) pluomo (flos) poko (arcus) porto
    (cingulum) poto (nuntius) prâmo (vepris) prâto (caro)
    prëmo (oeſtrus) pruoko (terror) prunno (fons) puƷo
    (navis) chnie-rado (poples) reccho (raſtellum) rîfo
    (pruina) alt-riſo (ſilicernius) riumo (ligamentum) rudo
    (moloſſus) ôr-rûno (ſuſurro) fora-ſako (propheta)
    ê-ſako (juridicus) ſâmo (ſemen) ſcado (damnum) ſcahho
    (lingua maris) troum-ſceido (interpres ſomnii) ſcelo
    (admiſſarius) ſcepho (creator) ſcëlmo (peſtis) ſcincho
    (tibia) ſcëſſo (rupes) ſcirno (ſcurra) ſcollo (gleba) he-
    wi-ſcreccho (locuſta) ſcuzo (ſagittarius) luki-ſcrîpo
    (pſeudographus) ſeito (laqueus, chorda) vuoƷ-ſendo
    (pediſequus) ſilo (funis) man-ſlecco (homicida) plinti-
    ſlîhho (coeculus) ſlito (traha) ſmëro (arvina) ſnëcco
    (limax) ſnëpho (perdix) ſparo (paſſer) ſparro (tignum)
    ſpiƷo (ſorex) ſporo (calcar) ſprëhho (locutor) hewi-
    ſtapho (locuſta) ſtëhho (palus) ſtërno (ſtella) ſtiuro (gu-
    bernator) ſuono-tako (dies judicii) tiuto (mamma)
    toſto (origanum) toto (patrinus) trado (fimbria) trëko
    (dolor) trincho (potator) tropho (ſtilla) trûbo (uva) tuo-
    mo (judex) vâho (captator) valcho (falco) vano (vexil-
    lum) hant-vano (mantile) reine-vano (tanacetum)
    vincho (fringilla) vlado (placenta) vlëccho (macula)
    vloccho (lanugo) ort-vrumo (auctor) volo (puledrus)
    wapo (favus) waſo (ceſpes) êwarto (pontifex) wildi-
    wahſo (nervus colli) wêwo (malum) weiſo (pupillus)
    willo (voluntas) wîo (milvius) wolo, wëlo (deliciae)
    kote-wuoto (tyrannus) zapho (duciculum) zincho (al-
    bugo) heri-zoho (dux) maka-zoho (paedagogus) zuîvo
    (dubium).
  • 2) bildungen mit -al, il: napalo (umbilicus) neſtilo
    (vitta) chinni-pahlo (maxilla) tumphilo (gurges).
  • 3) mit -am, m: wahſamo (fructus) phraſamo (uſura) ro-
    ſamo (rubor) pëſamo, pëſmo (ſcopa) deiſmo (fermen-
    tum) chuhmo (cacabus) phëdemo (pepo) haramo
    (migale) kliƷamo (nitor).
  • 4) mit -ir, -r: vetiro (patruelis) heigero (ardea) chë-
    vero (brucus) zantro (calculus) habero (avena) totoro
    (vitellius) choloro (cholera) inpotro (granum) etc. hier-
    her auch die comp. jungôro (diſcipulus) heriro (do-
    minus).
  • 5) mit -id, ôd: holôdo (foramen) juhhôdo (prurigo)
    prunnido (odor) ſuërido, ſuërdo (dolor) ſtëhhido (pleu-
    reſis).
  • 6) andere ableitungen: ekiſo (horror) ëlaho (alce) vë-
    laho (conditor) charopho (cyprinus) menniſko (homo).
  • 7) compoſ. mit ki-: kaltro (coaevus) kilanto (indigena)
    kiſello (ſocius) kihleipo (conſervus) kiſippo (cognatus)
    kituolo (haereticus) kivatero (patrinus) etc.

Schwaches maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: will-jopl. will-jun
will-jenwill-jônô
will-jenwill-jôm
will-junwill-jun

kommt nur in den älteſten denkmählern und neben:
-eo, -eon, eônô, eôm vor; bald fällt dies i und e ganz
aus und die wörter ſchlagen ſich zur erſten decl. will-o,
will-in etc. Beiſpiele ſind: arpeo (heres) êvangeljo.
hreccheo (exſul) einhurnjo (unicornus) murdreo (homi-
cida) innapurjo (incola) ſtapheo (paſſus) verjo (remex)
willeo (voluntas) die part. nerendeo (ſalvator) walden-
deo (imperans) etc.


Schwaches femininum. erſte declination.

beiſpiel: zunk-apl. zunk-ûn
zunk-ûnzunk-ônô
zunk-ûnzunk-ôm
zunk-ûnzunk-ûn

das ô im gen. dat. pl. iſt hier nicht zu bezweifeln und
gleich dem û aus N. erweiſlich; das û folgt auch aus
dem völlig analogen ſchwachen adj. cotchunduun K. 40a.
An die ſtelle des durchgreifenden goth. ô iſt alſo hier
theils û, theils ô getreten und im nom. ſg. ſogar kurzes a.


  • 1) einfache wörter: alpa (mons) amma (nutrix) ana
    (avia) aſca (cinis) chieva (branchia) chruſta (cruſta)
    dâha (teſta) dola (cloaca) halpa (latus) harra (ſaccus)
    hërra (domina) hinta (cerva) hoſa (femorale) hutta
    (tugurium) huorra (adultera) kâha (feſtinatio) kalla
    [627]II. alth. ſubſt. ſchwaches femin. erſte decl.
    (fel) kouma (cura) linta (tilia) linta (faſcia) loupa (um-
    braculum) luccha (foramen) lûta (vox) mâſa (cicatrix)
    minza (menta) morna (moeſtitia) mucca (culex) muoma
    (amita) nâlda (acus) nuſca (fibula) paſa (amita) biba
    (tremor K. 48a) pinta (faſcia) pluoma (flos) prôſa (proſa)
    phanna (frixorium) phîfa (pipa) phlanza (planta) quëna
    (uxor) rëpa (vitis) rinna (canalis) rinta (cortex) rorra
    (calamus) runza (ruga) ſalpa (unguentum) ſceida (va-
    gina) ſcëlta (jurgium) ſcîna (manifeſtatio) ſcîpa (globus)
    ſëha (viſus) ſmërza (dolor) ſnita (buccella) ſnuda (de-
    riſio) ſpinna (aranea) ſprata (linea) ſteinna (olla) ſtunta
    (hora) ſunna (ſol) taſca (pera) tincta (atramentum) tota
    (commater) tila (uber, gl. monſ. 322. gr. θηλὴ) trumpa
    (tuba) tûba (columba) vaſca (fomentum) vaſta (jeju-
    nium) vëſa (ptiſana) vîga (ficus) vliuga (muſca) voha
    (vulpes f.) vreiſa (periculum) vrouwa (femina) waka
    (cunae) wanna (vannus) wëhha (hebd.) wëſſa (veſpa)
    winta (trochlea) wîſa (modus) zâta (lanugo) zêha (dig.
    pedis) zeinna (ſporta) zika (hoedus) zîla (linea) zuhha
    (ruga) zunka (lingua). — Man bemerkt leicht, daß fem.
    in denen nn, rr, ſc vorkommt, meiſtens ſchwach decli-
    nieren, vgl. phanna, wanna, ſpinna, rinna, ſteinna,
    zeinna, ſunna, (ausg. minna, wunna) harra, hërra, rorra
    (vgl. die ſchwachen maſc. hërro, narro, ſparro) aſca,
    taſca, vaſca, nuſca etc.
  • 2) bildungen mit -al, -il: ſëmmala (ſimilago) ſuëgala
    (calamus) ſnuobila (catenula) hufila (gena) liuzila (par-
    vitas) niphtila (neptis) ſcuƷila (patera) keiſila (flagellum)
    purkila (caſtellum) ſihhila (falx) etc.
  • 3) mit -an, in: vërſana (calx) miſtina (ſterquilinium)
  • 4) mit -ar, ir: avara (imago) natara (anguis) lankara
    (deambulatio) platara (veſica) ſalpara (unguentaria) ſcul-
    tira (humerus) zimpira (aedificatio) ritera (cribrum)
  • 5) mit -arr, irr: chumbarra, chumbirra (tribus) chil-
    purra (agna) zâturra (meretrix gl. jun. 225.) zimpirra
    (aedificatio)
  • 6) mit -ahh, -ihh: ſnarahha (tendicnla) lërahha (alauda)
    menihha (armilla) chirihha (eccleſia) merihha (equa)
    volihha (puledra) tunihha (tunica)
  • 7) mit -aw: ſualawa (hirundo) witawa (vidua) zëſawa
    (dextra)
  • 8) mit -orn: diorna (virgo)
  • 9) mit -ent: olpenta (camelus) ſcephenta (parca)
  • 10) comp. mit ki-: ki-vatera (commater) ki-mâla
    (ſponſa)
  • 11) fremde wörter, als: antiphôna, alamuoſa (gl. wirceb.
    978b) etc.

Anmerkung: einzelne wörter ſchwanken zwiſchen
dieſer und der erſten ſtarken decl., erklärlich, da in bei-
den nom. ſg. gen. dat. pl. übereintreffen.


Schwaches femininum. zweite declination.

beiſpiel: red-japl. red-jûn
red-jûnred-jônô
red-jûnred-jôm
red-jûnred-jûn

nur in wenigen wörtern der älteſten denkmähler, als
càlizja (caliga) lectja (leczja, lectio) winja (amica) redja
(ratio), welches aber zuweilen ſtark decliniert. Das
vorhin bemerkte nn, rr entſpringt manchmahl durch
ausſtoß dieſes i, ſteinna aus ſteinja, rorra aus rôrja.


Schwaches femininum. dritte declination.

beiſpiel: manek-înpl. manek-în
manek-înmanek-înô
manek-înmanek-îm (?)
manek-înmanek-în

dieganze aufſtellung hat bedenken wegen des zwieſpalts
der hierher bezüglichen wörter mit der zweiten und
vierten ſtarken decl. Nämlich 1) die von adj. abgeleite-
teten ſubſt. angehend, ſo ſtimmte der zur zweiten ge-
ſchlagene nom. manakî, ſiohhî völlig mit dem goth. ma-
nagei, ſiukei, wenn ſich dazu der gen. manakîn (mana-
geins) weiſen ließe; es erſcheint aber das unwandel-
bare manakî. Andere analoge bildungen haben inzwi-
ſchen unleugbar -în und nicht allein im gen. dat. acc.
ſondern auch unorganiſch im nom. ſg. vgl. guotlîhhîn
(gloria) J. 369. guotlîhhîn (gloriam) J. 353, 355. 386. got-
lîhhîn (divinitatis) J. 367. *) urchundîn (auctoritate)
J. 340. 361. ôdhîn (vaſtitas) J. 381. ſcuonîn (decore) J. 383.
huldîn (gratiae) J. 385. grimmîn (pervicaciam) J. 394.
antwërdîn (conſpectu) J. 397. armhërzîn (pietate) J. 403.
weshalb 365. maneghiu (pluralitas) in maneghîn zu än-
dern iſt. Die gl. jun. gewähren: 195. ruomilîn (arrogan-
[629]II. alth. ſubſt. ſchwaches femin. dritte decl.
tia) 221. ſtechilîn (praecipitium) 258. keilîn (ſuperbia)
253. chaltîn (torpor) 251. unreinîn (immundities) 238.
rûmîn (amplitudo) 254. kinuhtſâmîn (ubertas) 239. ſi-
chîn (1. ſiochîn, morbus) 244. ſniumîn (pernicitas) 249.
ſtrengîn (robur) 250. waſſìn (ſagacitas) 260. krimmîn (fu-
rore) 259. waſſîn (ſagacitate) 260. wôtagîn (furore); gl.
herrad. 188a ſerpfîn (feritas) 191b ſterchîn 194b kergîn
(aſtus). Bei K. 42b it-niwîn (renovatione). Späterhin
wurde bei dieſen wörtern mit weggeworfnem n die zweite
decl. üblich, doch, wie es ſcheint, das lange î behalten. —
2) von den movierten femininis (dem goth. áiþei, gáitei,
þramſtei, quinei entſprechend) gilt dasſelbe; nur dauern
ſie länger, da noch O. I. 16. 5. foraſagîn (prophetiſſa) T. 142.
henîn (gallina, gl. caſſ. 854. hanîn) 97. zikîn (hoedum)
116. eſilin (aſina) 57, 5. cuningîn (regina); gl. caſſ. 854.
phâîn (pavo fem.) gl. monſ. 414. tâmîn (damula) gewäh-
ren. Hierher rechne man auch die lebloſen: burdîn (onus)
T. 67, 9. 109. O. III. 24, 131. burdîn (oneris) O. IV. 25.
24. acc. IV. 5, 18, 24. V. 4, 31. pl. T. 141. putîn (dolium)
gl. caſſ. 854b lentîn (humeri) T. 13, 11. 150. lendînô
(lumborum) J. 404.; die monſ. gl. 334. 351. ſetzen (purdî)
(onus) im dat. pl. purdinon (vgl. unten ſiebente anoma-
lie) hingegen 357. portîn (liga[t]ura). — 3) die aus ſchwa-
chen verbis entſpringenden ruhîn (rugitus) lewîn (? lu-
hîn, lujîn, rugitus) mendîn (gaudium) gl. jun. 249. 253-
chilaubîn (fide) J. 357. 405. alôſnîn (redemtionem) 1. 385.
daufîn (baptiſmatis) J. 388. urſuohnîn (examine) gl. jun.
257. ſcheinen anfänglich nach vierter ſtarker: mendîn,
gen. mendînî, dat. mendînî, acc. mendîn gehabt zu ha-
ben. Übergänge veranlaßte ſchon im goth. der gleich-
lautende acc. ſg. beider decl.


Schwaches neutrum.

beiſpiel: hërz-apl. hërz-ûn
hërz-inhërz-ônô
hërz-inhërz-ôm
hërz-ahërz-ûn

befaßt nur die drei wörter hërza (cor) ouga (oculus)
ôra (auris). Zuweilen kommen dieſe wörter weiblich
vor, O. II. 9. 23. hërzâ gidiganô (f. angelſ. und alt-
frieſ. ſchw. fem.) K. 17a ſogar hërzâ iwerju (corda
veſtra) und 27b augâ (oculi) ohne adj. ſo daß alſo auch
der neutr. ſchwachen form ausnahmsweiſe gleichheit des
nom. pl. und ſg. zugeſtanden haben mag. — T. 21, 2.
lieſt die ſ. gall. hſ. richtig waƷƷar ſt. waƷƷarun.


[630]II. alth. ſubſt. anomalien.
Anomalien der alth. ſubſtantive.

  • 1) vatar, pruodar, muotar, ſuëſtar, tohtar pflegen im
    ſing. unverändert zu bleiben, alſo im gen. pruader
    K. 21a fater O. IV. 33, 32, 51. T. 165. 3. 232. 3. 242, 2.
    Ausnahmsweiſe fateres (patris) K. 16b 49b. Im pl. lau-
    ten nom. und acc. ebenfalls denen des ſg. gleich: bruo-
    der T. 78. 239, 4. ſuëſter O. IV. 29, 114. V. 23, 250.
    T. 78, doch findet daneben faterâ T. 82. 87. pruadrâ
    K. 17b und tohterâ (filiae) n. 44, 13. ſtatt. Der gen.
    und dat. pl. muß vaterô, muoterô, vaterum, muote-
    rum etc. lauten.
  • 2) man macht den gen. bald mannes O. V. 24, 11. bald
    man V. 21, 22; den acc. mannan J. 349. K. 24a oder
    man O. I. 22, 81; den dat. manne; nom. acc. pl. man
    O. IV. 5, 60. T. 141; gen. mannô, dat. mannum.
  • 3) naht und puruc haben im gen. dat. ſg. neben nahtî,
    purukî zuweilen unveränderlich burg O. I. 14, 37. T.
    21, 11. O. I. 12, 37. naht (noctis) hymn. noct. 11.
    Ähnlich itis O. I. 5, 12. ſt. iteſî (feminae).
  • 4) das goth. bôka, bôkôs (liber) würde analog heißen
    puohha, pl. puohhô; allein K. und O, die dieſes wort
    zwar weiblich gebrauchen, haben den pl. puah, buah,
    allo in neutraler form. Der gen. ſg. lautet buachî
    O. ad Sal. 9. ad Lud. 181. Bei T. 240, 2. ſteht der
    pl. fem. buoh, 18, 1. aber der acc. ſg. maſc. then
    buoh (librum) ſo wie K. 30b 31a der dat. puache, N.
    105, 23. aba dînemo puoche. Mithin ſchwanken form
    und genus. Der gen. dat. pl. bôhhô, buohhum bei J.
    entſcheidet nichts über die andern caſus.
  • 5) dem goth. þiuda, þiudôs gemäß gehet das fem.
    dhëoda, gen. dhëodâ, dat. dhëodu, dat. pl. dhëodôm
    bei J., ſo wie thiota, thiotâ, pl. thiotâ, gen. thio-
    tônô, dat. thiotôn bei T. Daneben braucht aber auch
    J. den nom. pl. dhëodûn (gentes) ſchwach und T. 124.
    den ſchwachen dat. ſg. thiotûn. — Neutrum iſt thiot
    thiotes, thiote bei O., gen. pl. thiotô, ja der acc. ſg.
    ſtehet ſogar männlich 1. 2, 28. 15, 72, V. 6, 28. Auch
    T. hat 145. thiot (ſt. thiota) widar thiotû und 128.
    thiotô (gentium ſt. thiotônô) [69, 9. thiatogo bei Pal-
    then iſt fehler f. thiotâ, wie cod. ſ. gall. lieſt]; gl.
    monſ. und hrab. 96 [...]a haben dëotâ (gentes). — N. end-
    lich läßt diet nach der vierten weibl. ſtark gehen, gen.
    diete, pl. diete, gen. dietô.
  • 6) der anomalie des im pl. neutr. eingeſchobenen -ir
    iſt ſ. 621. gedacht.
  • 7) nicht unähnlich dieſem -ir ſind einſchiebungen der
    ſilbe -in, welchen man vorzüglich bei N. begegnet;
    ſie ſcheinen der ſchweizeriſchen mundart gemäß und
    haben ſich auch in ihr bis auf heute erhalten, ja wei-
    ter ausgebreitet (vgl. Stalder dial. p. 209. 210. 212. 213.)
    Nämlich α) aus adj. gebildete fem. zweiter ſtarker
    decl. läßt auch N. im ſing. unverändert, fügt ihnen
    aber im pl. in zu und decliniert ſie nach der erſten,
    alſo: heilî (ſalus) heilî, heilî, heilî; pl. heilinâ, hei-
    linôn, heilinôn, heilinâ und gleicherweiſe: wîtî (am-
    plitudo) wiolichî (qualitas) breitî (latitudo) finſterî
    (caligo) hôhî (altitudo) armhërzî (miſericordia) waƷ-
    Ʒermichelî (abyſſus) liebſâmî (affectio) etc. pl. wîtinâ,
    wiolichinâ etc. Dieſe declinationsform iſt ihm ganz
    geläufig, weder findet ein pl. wîtî, noch ein ſg. wî-
    tina ſtatt. Da ſolche wörter im goth. zur dritten
    ſchw. gehörten, ſo wird das n begreiflich und ferner,
    warum andere, auch im alth. der dritten ſchwachen
    beigezählte ſich in dieſe weiſe verirren. Wenigſtens
    haben die monſ. gl. neben dem nom. purdî (onus)
    334. 351. den dat. pl. purdinum, purdinôm 405. gl.
    jun. 227. Muthmaßlich ſetzt N. purdî, pl. purdinâ;
    menigî (manigî) pl. meniginâ (weder manigî nach
    2. ſt., noch manigîn nach 3 ſchw.) — β) die movier-
    ten fem. behandelt N. wiederum verſchieden, er gibt
    ihnen im nom. ſing. -en oder -in, im gen. und pl.
    aber enn mit ſtarker decl. als: guten (dea) gen. gu-
    tennô, dat. gutennô, plur. gutennâ, gen. gutennôn.
    So gehen wirten (conjux) herzogen (duciſſa) mânen
    (luna) etc., die miſchung der beiden bildungsformen
    -în und inna iſt bei N. zur decl. form geworden. —
    γ) neutra auf -î mit dem begriffe der verkleinerung
    ſchieben im gen. dat. ſing. und pl. ein ſolches n ein,
    ſo decliniert: fugelî (avicula) fugelines, fugeline,
    fugelî; fugelju, fugelinô, fugelinen, fugelju — eimberî
    (urnula, vom einfachen eimpar, urna, ſicla ſt. einpar,
    wie zuîpar gerula; neuh. eimer, zuber) eimberines,
    eimberine; eimberju, eimberinô etc. — becchî (pelvis)
    becchines etc. — magetî (puella) magetines etc. Ich
    bin zweifelhaft, ob nicht auch bei eingeſchaltetem n
    langes î bleibe? andern wörtern zweiter ſchw. decl.
    gibt N. durchgängig ſchon -e (chunne, rîche, pere,
    ſtubbe; gen. chunnes, rîches etc.); nicht unwahrſchein-
    [632]II. altſächſ. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
    lich aber iſt jenen anomalen im nom. und acc. das n
    apocopiert, ſo daß die eigentliche geſtalt fugelîn, eim-
    berîn, becchîn, magetîn lautete, und ſie der erſten
    decl. zugehörten. Erweislich hat T. 60, 13, 14. den
    nom. magatîn, 97. den acc. fingirîn (annulum) 160, 5.
    kindilîn (filioli) wie auch O. I. 9, 14. IV. 13, 6. In-
    zwiſchen bekennen außer N. ſelbſt die älteren ſtreng-
    alth. denkmähler den anomalen nom. auf -î mit dem
    gen. -înes oder -ines, z. b. hûſilî (domicilium) chin-
    dilî (filiolus) charilî (vaſculum) lewinchilî (leunculus)
    gen. lewinchilînô (gl. monſ. 339. 334.) ſingirî (annulus)
    gl. jun. 195. Weitere hier nöthige aufſchlüße werden
    ſich erſt buch III. in der lehre von den diminutiven
    ergeben. Die heutige ſchweizerſprache ſchiebt das -n,
    meiner meinung nach unorganiſch, noch andern neu-
    tris ein, die keine diminutiva ſind, z. b. bêri (bacca)
    pl. bêrini, netzi (recte) pl. netzini (N. pere, pl. pere) *).

Altſächſiſches ſubſtantivum**).


Starkes maſculinum, erſte declination.

beiſpiel: fiſcpl. fiſc-ôs
fiſc-as (es)fiſc-ô
fiſc-a (e)fiſc-un (on)
fiſcfiſc-ôs
fiſc-û
[633]II. altſ. ſubſt. ſtark. maſc. erſte u. zw. decl.

as, a im gen. dat. ſg. noch zuweilen der cod. cott., ge-
wöhnlich beide es, e; un im dat. pl. cod. monac., on
cod. cott. (keiner um, om). Die übrigen caſus ſtehen
in beiden feſt, namentlich auch der inſtr., nur bemerke
ich im cott. (Temler p. 143.) einmahl den acc. pl. ſlutilâ
(claves) ſt. ſlutilòs, nach alth. weiſe, während ſonſt
überall der acc. gleich dem nom. endigt. — Hierher
gehören: 1) einfache wörter: bôm (arbor) bord (clypeus)
dag (dies) dêl (pars) duom (judicium) drôm (ſomnium)
fiſc (piſcis) gard (domus) gêſt (ſpiritus) hlôt (ſors) hof
(hobhôs, aula) holm (inſula) hund (canis) kuſſ (oſculum)
muth (os) rinc (procer) ſand (arena) ſidh (iter) ſcalc (ſer-
vus) ſcat (pecunia) ſlâp (ſomnus) ſtên (lapis) ſtôl (thro-
nus) ſtrôm (fluvius) ſtrîd (lis) thanc (gratiae) thiob (fur)
thorn (ſpina) thurſt (ſitis) wang (campus) ward (cuſtos)
wëg (via) wër (vir) wîh (templum) wôp (ploratus). —
2) auf -al, -il, l: bodl (villa) diubil (diabolus) engil
(angelus) ërl (vir nobilis) fugl (avis) himil (coelum) na-
gal (naglôs, clavus). — 3. auf -am, -om, m: atham (ſpi-
ritus) baram, barm (ſinus) fadm (amplexus) farm (onus)
harm (dolor) mêdm (theſaurus) waſtm (ſtatura) — 4) auf
-an, in: hëbhan (coelum) ſuëbhan (ſomnium) thëgan
(thëgnôs, miniſter) thiodan (rex) morgan (mane) drohtin
(dominus) — 5) -or, er: ëdor (ſepes) hamor (malleus)
rador (coelum) fingar (digitus) wintar (hiems) hungar
(fames) — 6) -ing: cuning (rex) gaduling (cognatus) —
7) -and: wîgand (heros) hetteand (perſequutor) âband
(veſper) wâpan-bërand (armiger) — 8) -ôd, id: mëtôd
(creator) helid (heros) rakud (domus, wofern es nicht
neutr.) — 9) -ah, -ag, -ic. alah (templum) bërag
(bërgôs, mons) këlic (calix) — 10) -is: fëlis (rupes) —
11) comp. mit gi: giſith (comes) — 12) auf -êo, o:
ſnêo (nix) gen. ſnêwes; ſêo (mare) ſêwes; êo (lex) gen.
êwes, dat. êwe, acc. êo; ſcado (umbra) gen. ſcadowes.


Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: hird-ipl. hird-jôs
hird-eas (-jes)hird-jô
hird-ea (-je)hird-jun
hird-ihird-jôs
hird-jû

nur wenige wörter 1) auf bloßes -i: hërdi oder hirdi
(cuſtos) hugi (mens) maki (gladius) meti (cibus) ſeli
(aula) ſlegi (homicida) wini (amicus) vermuthlich noch
[634]II. altſ. ſubſt. ſtark maſc. dritte u. vierte decl.
andere, die bei unvollſtändigen belegen auch für neutr.
zweiter decl. gelten können, z. b. tiri (decus) endi
(finis); die comp. mit -ſcipi, ſcëpi ſchwanken augen-
ſcheinlich zwiſchen maſc. und neutr.; heri (multitudo)
und meri (mare) ſind im altſ. weiblich. — 2) auf -âri,
eri
: altari (altare) ſoleri (coenaculum) garderi (hortula-
nus). — Zuweilen wird das i ausgeworfen, namentlich
in hërdôs.


Starkes maſculinum. dritte declination.

hierher die wörter: fridu (pax) hëru (gladins) lagu
(aequor) magu (puer) ſidu (mos) ſunu (filius) wîſu (prin-
ceps oder wîſo ſchwach?) die faſt nur im nom. und
acc. ſg. vorkommen. Doch ſunu macht den gen. ſunjes
und einmahl, wo die lesart richtig, den dat. ſunu (nicht
ſunje). Den pl. von ſunu gewähren meine bruchſtücke
nicht, ich vermuthe aber nicht ſunjôs, ſondern ſunî.


Starkes maſculinum. vierte declination.

ſpuren: liudî (homines) gen. liudjô, dat. liudjun; fôt
(pes) pl. fôtî, gen. fôtô ſt. fôtjô, dat. fôton ſt. fôtjun;
ſegg (vir) pl. ſeggî, gen. ſeggjô; ſcild (clypeus) dat. pl.
ſcildjun; gaſt (hoſpes) dat. pl. gaſtjun; thrum (ſonitus) dat.
pl. thrumeon; vielleicht auch râd (conſ.) pl. râdî? Ich
finde den pl. trahnî (lacrimae) bin aber des geſchlechtes
ungewiß, der ſg. muß trahen, trahan lauten. — Die
decl. des ſg. fällt mit der erſten decl. zuſammen, im dat.
pl. aber ſollte man eher -in als -jun erwarten, wirk-
lich ſteht einmahl trahnin (lacrimis).


Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: gëb-apl. gëb-â
gëb-âgëb-ônô
gëb-ûgëb-un
gëb-agëb-â

ſtatt des kurzen a im nom. acc. ſg. zuweilen ſchon e. —
Hierher gehören aha (aqua) bëda (preces) gibada (leva-
men) buota (emendatio) ërtha (terra) folda (terra) folma
(manus) forhta (timor) fruma (utilitas) galla (bilis) gëba
(donum) gôma (prandium) halba (latus) halla (aula) hëlpa
(auxilium) huîla (tempus) kara (querela, luctus) lêra
(doctrina) logna (ignis) mêda (merces) pêda (tunica)
pîna (cruciatus) quâla (nex) raſta (requies) ſaka (cauſa)
ſêola (anima) harâmſcara (poena) ſoiga (cura) ſprâka
[635]II. altſ. ſubſt. ſtark. fem. zw., dr. u. vierte decl.
(ſermo) ſtrâta (via) ſtëmna (vox) wahta (cuſtodia) wîſa
(modus); ſodann die bildungen -idha, -ina, als: tiu-
ridha (laudatio) firina (ſcelus) etc. -ea, -ja haben: min-
nea (amor) ſundea (peccatum) ſpunſja (ſpongia) wun-
nea (gaudium).


Starkes femininum. zweite declination.

im ſing. unveränderlich auf -î: bendî (vinculum) dôpî
(baptiſma) eldî (aetas) gôdî (benignitas) herî (exercitus)
huldî (favor) menegî (turba) merî (mare) ôdmuodî (hu-
militas) menniſkî (humanitas).


Starkes femininum. dritte declination.

gebricht; hand (manus) macht den pl. handî, gen. handô,
dat. handon (handun).


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: dâdpl. dâd-î
dâd-îdâd-jô
dâd-îdâd-jun
dâddâd-î

hiernach: bank (benkî, ſcamnum) buok (liber) giburd
(genus) burg (arx) brûd (conjux) dâd (factum) fard (iter)
hand (manus) hel (tartarus) idis (mulier) jugudh (juven-
tus) craft (virtus) liſt (ſcientia) magad (virgo) maht (po-
teſtas) nôd (neceſſitas) ſculd (debitum) ſuht (morbus) tîd
(tempus) githaht (cogitatio) wërold (mundus) giwald
(vis) wiht (res) wurt (radix) wurd (fatum) und gewiß
manche andere. — anmerkung: dat. pl. -jun ſt. in, wie
bei der vierten maſc.


Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiel: wordpl. word2) fat-u
word-as (es)word-ôfat-ô
word-a (e)word-unfat-un
wordwordfat-u
word-ô

1) einfache wörter: bac (tergum) blad (folium) barn (in-
fans) fat (vas) fiur (ignis) Hêſc (corpus) folc (populus)
gold (aurum) graf (ſepulcrum, gen. grabes, grabhes)
hûs (domus) hros (equus) jâr (annus) kind (proles) corn
(granum) crûd (herba) land (terra) lîn (linum) lioht (lux)
mên (noxa) môs (cibus) niud (deſiderium) rëht (jus)
[636]II. altſ. ſubſt. ſtark. neutr. erſte u. zweite decl.
ſinc (pecunia) ſpër (haſta) tal (numerus) wîf (mulier) wîn
(vinum) word (verbum) thrac (labor) thinc (cauſa). —
2) bildungen mit l, m, n, r: cumbal (ſignum) tungal
(ſidus) ſëgal (velum) cnuoſl (genus) brahtm (ſtridor) tê-
can (ſignum) lacan (pannus) wâpan (arma) wolcan (nu-
bes) bôcan (nutus) lëgar (cubile) ſilubar (arg.) fëtar (com-
pes) watar (aqua) wëdar (tempeſtas) — 3) mit -id, -ôd:
hôbid (caput) wêrôd (turba). — 4) mit -ah: fërah
(vita). — 5) mit -êo, ëo: hlêo (umbra) gen. hlêwes;
hrêo (cadaver) gen. hrêwes; knëo (genu) gen. knëohes;
trëo (arbor) gen. trëwes. — 6) comp. mit gi-: giwin
(bellum) gimang (turba) gilag (fatum) gibod (mandatum)
giwand (? mutatio) giſuërc (nubes) giſcap (decretum) gi-
thuing (coactio).


Anmerkungen 1) der bildungsvoc. wird bei zutreten-
dem flexionsvoc. oft ausgeſtoßen, als: cumbal, cumbles;
ſilubar, ſilubres; hôbid, hôbdes, hôbde, hôbdû. — 2)
wichtig iſt der doppelte, aber nicht willkürliche nom.
acc. pl. Die regel ſcheint: alle kurzſilbigen wörter ha-
ben im pl. die alte endung -u behauptet: bacu, bladu,
fatu, grabu, giſcapu, talu, thracu; langſilbige aber ma-
chen ihn dem ſg. gleich: barn, crûd, thing, wîb, word.
Die zweiſilbigen ſchwanken, neben têcan, ſëgal (und
nicht têcnu, ſëglu) finde ich brahtmu (ſt. brahtemu, ſtri-
dores). — 3) das geſchlecht mancher wörter iſt unſicher,
z. b. hoſc (contumelia) gëlp (ſuperbia) drôr (ſanguis)
können maſc. und neutr. ſeyn.


Starkes neutrum. zweite declination.
beiſpiel:kunn-ipl.kunn-i
kunn-eas (jes)kunn-jô
kunn-ea (je)kunn-jun
kunn-ikunn-i
kunn-jû

arbêdi (labor) arundi (nuntius (bilidi) imago) endi (fi-
nis) fletti (atrium) gigengi (mos) kunni (genus) curni
(frumentum) elilendi (exſilium) urlagi (bellum) rîki
(regnum) girûni (myſterium) giſiuni (viſio) giſithi (co-
hors) mût-ſpëlli (mutatio?) giwâdi (veſtitus) witi (ſup-
plicium) webbi (tela) giwirki (opus); hiwiſki (familia)
comp. mit-ſcipietc. Anmerkung: zuweilen wird im nom.
und acc. das i nebſt einem der geminierten conſ. abge-
worfen, z. b. bed (lectus) flet (atrium) inwid (dolus) giwit
(ſolertia) ſt. beddi, flettí, inwiddi, giwitti; im gen. noth-
wendig: beddjes, inwiddjes, giwittjes.


[637]II. altſ. ſubſt. ſchw. maſc. erſte u. zweite decl.
Starkes neutrum. dritte declination.

fihu (pecus) vermuthlich auch widu (lignum).


Schwaches maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: han-opl. han-on
han-en (-on)han-ônô
han-en (-on)han-ôn
han-onhan-on

im gen. dat. ſg. iſt ſchon die endung -on für -en häu-
fig eingerißen. 1) einfache wörter: bano (homicida)
bodo (nuntius) mund-boro (protector) en-dago (dies
ultimus) fano (pannus) frôho (dominus) ord-frumo
(auctor) galgo (patibulum) bag-gëbo (epularum largitor)
gramo (furor) gruomo (mica) gumo (vir) fëther-hamo
(induviae plumoſae) lîk-hamo (exuviae) hërro (domi-
nus) wis-cumo (hoſpes) mâno (luna) naco (cymba)
namo (nomen) ſëbo (mens) ſîmo (vinculum) ſcatho (latro)
ſcîmo (ſplendor) wâr-ſago (veridicus) wider-ſaco (ini-
micus) ſtërbo (peſtis) ſtuopo (gradus) ſtërro (ſtella) tiono
(injuria) heri-togo (dux) tuêho, tuëho? (dubium) wëlo
(divitiae) — 2) bildungen mit -ar: abharon (filii) eldi-
ron (parentes) jungaron (diſcipuli) — 3) mit -is: egiſo
(timor) — 4) mit der vorſilbe gi-: gilôbo (fides) gimaco
(par) gigado (conjux). — Anm. einige nach bloßer ana-
logie angeſetzte ſind unſicher, z. b. ſîmo (altn. ſîmi) wo-
von mir nur dat. pl. ſîmon vorkommt.


Schwaches neutrum. zweite declination.

brunnjo (fons) urkundeo (teſtis) ſcenkeo (pincerna) wil-
leo (vol.) wrekkjo (exſul) gibeddeo, gibenkeo (conſors
lecti, ſcamni).


Schwaches femininum. erſte declination.

beiſpiel: tung-apl. tung-ûn
tung-ûntung-ônô
tung-ûntung-ûn
tung-ûntung-ûn

ſo gehen: dûbha (columba) ërdha (terra) hiwa (conjux)
porta (porta) quëna (mulier) raſta (requies) ruoda (crux)
ſunna (ſol) ſtëmna (vox) ſtrâta (via) thiorna (virgo) wan-
ga (gena); einige (z. b. ërtha) ſind auch in der ſtarken
decl. aufgeführt und ſchwanken zwiſchen beiden. Eini-
gemahl findet ſich hier, wie dort, e ſtatt a im nom. ſg.


[638]II. angelſ. ſubſtant. ſtarkes maſc. erſte decl.
Schwaches femininum. zweite declination.

hellja (gehenna) ſundja (peccatum) uthja (unda) gehen
mitunter ſtark.


Schwaches femininum. dritte declination.

fehlt.


Schwaches neutrum.

hërta (cor) ôga (oculus) ôra (auris).


Anomalien des altſächſiſchen ſubſtantivs.

  • 1) fader, muoder lautet im gen. dat. ſg. ebenſo; zu doh-
    ter, ſuëſter fehlen belege.
  • 2) man, gen. mannes; pl. man, gen. mannô.
  • 3) vom neutr. frî finde ich bloß den nom. pl. frî (mulieres).
  • 4) die fem. naht, magad, idis, hand haben im dat. ſg.
    ebenſo (ſt. nahtî, magadî, idiſî, hendî); wie es ſcheint
    zuweilen im gen. ſg., naht auch im pl. (noctes) f. nahtî.
  • 5) thiod iſt weiblich und bleibt im ſg. unverändert;
    daneben gilt aber auch thioda nach erſter ſtarker.
  • 6) die fem. vierter decl. wërold und craſt erſcheinen
    zuweilen als maſc. vierter: wërold, wëroldes; craft,
    craftes. inſtr. craftû; ebenſo findet ſich der gen. nah-
    tes
    und wihtes.
  • 7) einſchiebungen des -ir und -in kommen nicht vor.

Angelſächſiſches ſubſtantivum*).


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: fiſcpl. fiſc-as
fiſc-esfiſc-a
fiſc-efiſc-um
fiſcfiſc-as

1) einfache wörter: ar (nuntius) âd (rogus) âdh (jusjur.)
beáh (annulus) beárn (trabs) bëorg (mons) bëorn (vir
fortis) bëód (menſa) blæd, blædas (flatus) brand (titio)
ceáp (pecus) cëol (navis) clædh (veſtis) cnoll (cacumen)
copp (calix) coſp (compes) cräft (vis) däg, dagas (dies)
dæl, dælas (pars) diſc, diſcas und dixas (ferculum) dôm
(judicium) dreám (jubilum) drinc (potus) ëard (ſolum)
ent (gigas) eſt (amor) fëld (campus) fiſc, fiſcas und fixas
[639]II. angelſ. ſubſt. ſtark. maſc. erſte decl.
(piſcis) forſt (gelu) fyrs (rubus) gâr (jacnlum) gäſt (hoſ-
pes) gâſt (ſpiritus) gnätt (culex) grund (ſolum) hâd (per-
ſona) hëlm (caſſis) heáp (cumulus) hëóf (ululatus) hëor
(cardo) hrân (rangifer) hreác (acervus) hring (annulus)
hrôf (culmen) hväl, hvalas (balaena) hvëolp (catulus) hyll
(collis) hyſſ (juvenis) lâſt (veſtigium) luſt (voluptas) mäg,
magas (filius) miſt (caligo) môr (palus) mudh (os) nidh (ho-
mo) orc (crater) pädh, padhas (callis) râp (funis) ræd, rædas
(conſilium) ræs, ræſas (impetus) rand (margo) rêc (fumus)
ſâl (lorum) ſceáf (manipulus) ſcëat, ſcëattas (pecunia)
ſcëld (clypeus) ſcôp (poëta) ſecg (vir) ſeám (onus) ſëol
(phoca) ſmidh (faber) ſtäf, ſtafas (baculus) ſtân (lapis)
häg-ſtëald (coelebs) ſtræl, ſtrælas (ſagitta) ſtream (fluen-
tum) ſvêg (ſtrepitus) tëar (lacrima) torr (turris) væg, væ-
gas (fluctus) vamm (malum) vëall (vallum) vëard (cuſtos)
vëg (via) vër (vir) vind (ventus) vulf (lupus) vyrm (ver-
mis) þëóf (fur). — 2) bildungen mit -l, m, n, r: ëarl
(vir nob.) cëorl (ruſticus) eſol (aſinus) fengel (princeps)
fugel (avis) nägel (clavus) ſagal (vectis) ædhm (ſpiritus)
bôſm (ſinus) êdhm (odor) fædhm (amplexus) wäſtm (ſta-
tura) âdhum (gener) mâdhum (cimelium) drihten (dominus)
ëoten (gigas) hëofon (coelum) hräfn (corvus) rëgn (pluvia)
ſëgn (ſignum) þëgn (miles) þëóden (rex) äcer (ager) baldor
(princeps) cëafor (ſcarabaeus) ëaldor (ſenior, dominus) ëdor
(ſepes) ëofor (aper) êgor (aequor) finger (digitus) häfer (ca-
per) nicer (monſtr. maris) rodor (coelum) ſigor (victoria)
vëlor (labium) vuldor (gloria) þunor (tonitru) — 3) mit
-ing: cyning (rex) hrunting (n. pr.) etc. — 4) mit -els:
byrgels, byrgelſas (ſepulcrum) fätels (vaſculum) rêcels
(thus) ſcyccels (chlamys) ſticels (aculeus) väfels (tegmen) —
5) mit -adh, edh, odh, od: mônadh (menſis) vëarodh
(littus) häledh (vir fortis) hacod (lupus piſc.) — 6) mit
-ot: hëorot (cervus) — 7) mit -h: mëarh (equus) pl.
mëaras ſt. mëarhas. — 8) mit -oc: hafoc (accipiter) vëo-
loc (cochlea) — 9. mit -eſt: hëngeſt (equus) — 10) mit
-ord, erd: hlâford (dominus) ſacerd (ſacerdos) — 11) mit
-v und -o (ſtatt -v): ſnâv, ſnâvas (nix) hræv, hrævas
(cadaver) þeáv, þeavas (mos) þëóv, þëóvas (ſervus)
bëaro, bëarvas (lucus) bëalo, bëalvas (malum) ſcëado,
ſcëaduvas (umbra). — Anmerkungen: 1) die auf -els ſchei-
nen zuweilen im nom. acc. pl. das -as abzuwerfen,
bleiben aber doch männl. z. b. Oroſ. p. 28. tvêgen fätels
ſt. fätelſas. 2) bei denen von 2 bis 7 wird der bildungs-
vocal oft, jedoch ſchwankend, ausgeſtoßen, z. b. bôſom
bôſm, näglas, fingras, mâdhm, mâdhmas, môndhe (menſe) etc.


[640]II. angelſ. ſubſt. ſtark. maſc. zw. u. dritte decl.
Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: hird-epl. hird-as
hird-eshird-a
hird-ehird-um
hird-ehird-as

der einzige unterſchied von der erſten decl. beruht auf
dem im nom. acc. ſg. gebliebenen bildungs-e; alle übri-
gen caſus werfen es weg und hirdes, hirdas iſt dem
fiſces, fiſcas gleich. [Ohne] zweifel war früher das e noch
im pl. ſichtbar, es hieß: hirdeas, hirdea, hirdeum und
ſpurweiſe ſtehet Beov. 165. meceas (enſes) neben 110.
mecas; 166. ſvengeas (vibrationes) anderwärts ligeas
(flammae) ligea (flammarum). Späterhin löſt ſich auch
öfters das e im nom. acc. ſg. ab und erfolgt völliger über-
tritt in die erſte; bei Cädm. bereits lig für lige. Solche
wörter erſter decl., die vorher der zweiten gehörten,
ſind oft am umlaut zu kennen, rêc (fumus) ſvêg (fragor)
ſveng (vibratio) weiſt auf ein älteres rêce, ſvêge, ſvenge
(d. h. ohne umlaut: reáce, ſvôge, ſvange). — Man kann
noch hierher zählen 1) einfache wörter mit bloßem bil-
dungs-e: bere (hordeum) bryne (incendium) cvide (dictum)
ele (oleum) ege (timor) ende (finis) eſne (ſervus) fridhe
(pax) häle (vir, dem pl. hälas bin ich nirgends begegnet)
here (exercitus pl. hergas, herigeas) hyge (animus) hryre
(ruina) hvæte (triticum) læce (medicus) aldor-, fëorh-
lege (exitium) lige (flamma) mece (enſis) mene (mo-
nile) mere (lacus) mete (cibus) ryne (curſus) ſele (aula)
ſige (victoria) viele comp. mit ſcipe als ſinſcipe (con-
jugium) etc. vlite (nitor) þûfe (vexillum) þyle (orator). —
2) viele mit der bildung -ere: fiſcere (piſcator) huntere
(venator) etc.


Starkes maſculinum. dritte declination.

hierher fallen wenige wörter: bregu (dux) hëoru (enſis,
cardo) lagu (aequor) magu (puer) mëdu (mulſum) ſalu
(aula) ſidu (mos) ſunu (filius) vudu (lignum) welche
dazu größtentheils nur im nom. acc. ſg. oder in der
compoſition vorkommen, z. b. bregu-ſtôl (thronus)
hëoru-grim (altſ. hëru-grim, mittelh. ſwërt-grim)
mëdu-gâl (ebrius). Alleinſtehend iſt mit ablegung des
bildungs-u hëor pl. hëoras, ganz in die erſte decl.,
mit verwandlung des -u in -e, hyge, ſige, ſele (ſt.
hugu, ſigu, ſalu) in die zweite getreten. Die flexion
der häufigſten unter dieſen ſubſt. (nämlich ſunu, vudu)
[641]II. angelſ. ſubſt. ſtark. fem. erſte decl.
erſcheint aber faſt anomal und auch untereinander ab-
weichend. ſunu macht den gen. ſuna (ſt. ſunes) dat.
ſuna (ſt. ſune) acc. ſunu; pl. ſuna (ſt. ſunas oder ſune?)
gen. ſuna, zuweilen ſchwach ſunena, dat. ſunum; be-
lege hat Lye h. v. Von vudu hingegen findet ſich zwar
der dat. ſg. vuda und Boet. p. 54. der gen. ſg. vuda
aber daneben vudes und nom. pl. vudas; möglich daß
beide letztere caſus ſchon nach der zweiten decl. zu
nehmen ſind, weil neben vudu zuweilen die form vude,
vyde gilt.


Starkes maſculinum. vierte declination.

die meiſten wörter dieſer decl. ſind theils zur erſten
übergegangen (ſcild, ſcildas, clypeus; ræd, rædas, con-
ſilium etc.) theils zur zweiten, indem ſich das e aus
dem pl. gleichſam in den ſg. drängte (ſo ſtünde mete,
metas, cibus für mat, mete und ſele, ſelas für ſal, ſele?).
Übrig bleiben wenige pl. auf -e: lëóde (homines) byre
filii, Beov. 91., wo aber auch 195. 216. der ſg. byre, (fi-
lius) burh-vare (cives) cant-vare (cantium habitantes) *)
dene (dani) engle (angli) woneben ich gleichwohl, zwar
nicht lëódas, aber byras (Cädm. 29, 4.) burhvaras, cantvaras
antreffe. Der gen. pl. lautet lëóda, dat. lëódum (ſt. lëódem).


Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: gif-upl. gif-a
gif-egif-ena
gif-egif-um
gif-egif-a

nur noch wenige wörter: duru (porta) faru (iter) färbu
(color) fremu (commodum) gifu (gratia) lufu (amor)
ladhu (invitatio) nafu (modiolus rotae) notu (uſus, offi-
cium) racu (narratio) ſacu (cauſa) ſagu (dictum) ſcëamu
(pudor) hëarm-ſcëaru (ſupplicium) ſcôlu (ſchola) ſnôru
(nurus) ſtigu (ſcala) ſtudu (columna) ſvadhu (veſtigium)
-varu (complexus incolarum, land-varu, provincia;
burh-varu, civitas; cëaſter-varu, arx) vracu (ultio)
vradhu (fulcrum) ydhu (unda). — Zuweilen findet ſich
auch der acc. ſg. auf -u und gen. pl. auf -a ſtatt -ena;
S s
[642]II. angelſ. ſubſt. ſtark. fem. zw. u. vierte decl.
doch iſt den ausgaben, am wenigſten dem lyeſchen wör-
terbuche, nicht zu trauen.


Starkes femininum. zweite declination.

eine dem alth. î entſprechende, im ſg. unveränderliche
endung -o begegnet in ſubſt. welche aus adj. entſprin-
gen, als: ädhelo (nobilitas) brædo (latitudo) hælo (ſalus)
hyldo (favor) ofermetto (luxuria) menigo (multitudo)
ſnytro (prudentia) ſtrengo (rigor) þëoſtro (caligo) *) yldo
(ſenectus) etc. Später ſcheint aber -e einzutreten: hæle,
menige etc. — Ob auch den bildungen mit -dh (goth. -jþ,
alth. -id) z. b. ſtrengdho (auſteritas) yrmdho (paupertas) ein
ſolches -o rechtmäßig zuſtehe, müßen die älteſten hſſ. ent-
ſcheiden; der theorie nach fallen ſie vielmehr der erſten
decl. zu, practiſch ſchwanken ſie aber auch in die vierte
und machen den nom. ſtrengdh, yrmdh.


Starkes femininum. dritte declination.

mangelt (vgl. anom. 3.)


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: dædpl. dæd-a
dæd-edæd-a
dæd-edæd-um
dæd-edæd-a

die zahlreichſte und gewöhnliche abwandelung angelſ.
fem. der auch viele zufallen, die in den übrigen ſpra-
chen zur erſten gehören: 1) einfache wörter: âr (honor)
äht (patrimonium) bær (feretrum) ben, benne (vulnus)
bên (preces) bend (vinculum) blis gen. bliſſe (gaudium)
blêd (fructus) brëóſt (pectus) brŷd (ſponſa) bôt (emen-
datio) burg (arx) dæd (facinus) dûn (mons) ëarc (ciſta)
ecg (acies) folm (manus) glêd (ardor) hëal, hëalle (aula)
hel, helle (tartarus) hen, henne (gallina) hild (pugna) lâd (via)
lâf (reliquiae(lis gen. liſſe (gratia) lâr (doctrina) mäg (virgo)
mëare (ſignum) mêd (merces) miht (potentia) niht (nox) râd
(equitatio) rëord (ſermo) reſt (quies) rôd (crux) rûn (my-
ſterium) ſëalf (unguentum) geſcëaft (creatura) ſib, ſibbe
(pax) ſpræc (ſermo) ſpêd (ſucceſſus) ſtôv (locus) ſtræt
(platea) ſyn, ſynne (peccatum) tîd (tempus) vên (ſpes)
vomb (venter) voruld (mundus) vund (vulnus) vyn, vynne
(gaudium) vyrd (fatum) ydh (unda) þrag (tempus, curſus)
þëarf (neceſſitas) þëód (gens). Man ſieht, die mit kurzem voc.
[643]II. angelſ. ſubſt. ſtark. neutrum. erſte decl.
und einfachem conſ. geminieren letzteren. — 2) wenige
bildungen mit -l: âdl (morbus) ſâvel oder ſâvl (anima). —
3) viele mit -en, -n: byrgen (ſepultura) byrdhen (onus)
byſen (exemplum) elfen (lamia) ellen (vis) gŷmen (cura)
gyden (dea) lenden (lumbus) metten (parca) mennen
(ancilla) räden (ordo) ſtëfen (vox) vylen (ſerva) þëóvén
(ancilla) þînen (ancilla); die übrigen caſus pflegen das e
der bildung auszuſtoßen, z. b. ſtëfne (vocis) vylne (ſer-
vae) ſt. ſtëfene, vylene; auch wohl den conſ. zu gemi-
nieren, z. b. þînenne (miniſtrae) rädenne (conditionis)
ſt. þînene, rädene. — 4) wenige mit -er: frôfer, frêfer
(ſolatium) gen. frôfre, cëaſter (arx) lifer (hepas). —
5) viele mit -ung: blêtſung (benedictio) ſamnung (con-
gregatio). — 6) viele mit -nis, -nes: nëovelnis (abys-
ſus) etc. im gen. nëovelneſſe. — 7) einige auf -es: ides
(femina) gen. ideſe — 8) auf -oc: mëoloc (lac) gen.
mëolece. — 9) auf -odh, udh: dugudh (virtus) gëogodh
(juventus) — 10) auf -dh (ſ. die bem. zur zweiten decl.)
als: yrmdh (miſeries) ſældh (felicitas) etc.


Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiele: vordpl. vordfätpl. fat-u
vord-esvord-afät-esfat-a
vord-evord-umfät-efat-um
vordvordfätfat-u

1) einfache: äg (ovum) bäc (tergum) bädh (balneum) bân
(os) bëarn (infans) bil, billes (ſecuris) brëd (aſſer) brim
(aequor) broc (miſeria) cëalf (vitulus) cild (infans) dëór
(animal) fäc (ſpatium) fäs (fimbria) fät (vas) fnäd (fim-
bria) flôd (flumen) fŷr (ignis) gëat (porta) gläs (vi-
trum) gôd (bonum) gräs (gramen) grin (laqueus) hilt
(globus capuli) hors (equus) hlidh (jugum montis)
lamb (agnus) leáf (folium) lëódh (carmen) lëóht (lux)
land (terra) lîc (corpus) neát (jumentum) reáf (ſpo-
lium) ſcæp, nicht ſcëap (ovis) ſcip (navis) ſpëll (nar-
ratio) ſvëord (enſis) ſvîn (ſus) tûn (oppidum) tvig (ra-
mus) vëorc (opus) vîf (femina) vicg (equus) vord (ver-
bum) þing (res). — 2) bildungen mit -el, en, er: ſë-
tel (thronus) tungel (ſidus) yfel (malum) beácen (nutus)
cicen (pullus) fâcen (dolus) mæden (virgo) mägen (vis)
nŷten (pecus) tâcen (ſignum) ticcen (hoedus) væpen
(arma) väſten (deſertum) volcen (nubes) clyſter (clau-
ſtrum) eher, ſpäter ëar (ſpica) fëdher (ala) lëdher (lo-
rum) tiber (ſacrificium) timber (aedificium) vundor (mi-
S s 2
[644]II. angelſ. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte u. zw. decl.
raculum) väter (aqua). — 3) mit -od, ed, et: heáfod
(caput) hîred (familia) hundred (centuria) vëofod (al-
tare) liget (fulmen). — 4) die mit -h werfen dieſes im
gen. und dat. gerne fort, als: fëoh (pecunia) gen. fëos
dat. fëo; plëoh (periculum) gen. plëos, dat. plëo; þëoh
(femur) gen. þëos, dat. þëo; fëorh (vita) gen. fëores,
dat. fëore (vgl. maſc. erſte decl. no. 7.) — 4) auf -v
und o: cnëóv, cnëóves (genu) trëóv, trëóves (arbor)
mëlo, mëleves (farina) ëalo (cereviſia) gen. ëaleves; ſëaro
(inſidiae) gen. pl. ſëarva; vielleicht auch bëado, bëadves
(bellum).


Anmerkungen: 1) den pl. auf -u machen α) wie im
altſ. die kurzſilbigen wörter, es heißt: bacu, badhu,
brëdu, brimu, brocu, faſu, fatu, fnadu, gëatu, glaſu,
grinu, hlidhu, hofu, ſcipu, tvigu (auch tviggu); hinge-
gen bëarn, hors, lëódh, lëáf, ſcæp, tûn, vîf etc. Das
von Lye angeführte bânu (oſſa) wäre hiernach falſch
und in bân zu beßern. β) die bildungen mit -el, en, er:
ſëtlu, tunglu, nŷtenu, volcnu, fëdheru, lëdheru, väteru etc.;
ſeltner findet ſich daneben ſëtel (throni) tungel (ſidera)
väter (aquae). γ) auch die andern mehrſilbigen, z. b.
vëofodu (altaria) heáfdu (capita). δ) die mit den vor-
ſilben ge- und be- zuſ. geſetzten, obgleich ihre wur-
zelſilbe kurz iſt, z. b. gebodu (mandata) bebodu (id.)
genipu (tenebrae) vom ſg. gebod, bebod, genip. — 2)
die wörter äg, cëalf, cild, lamb ſchieben im pl. (wie
die alth. anomalie) ein er ein und haben dann die en-
dung -u: ägeru oder ägru (ova) gen. ägra, dat. ägrum;
ebenſo cëalfru (vituli) cildru (infantes) lambru (agni).
Das analoge hrydheru (armenta) hat auch im ſg. hrydh-
er, hrydheres und geht ganz regelmäßig, wie wäter.


Starkes neutrum. zweite declination.

beiſpiel: rîc-epl. rîc-u
rîc-esrîc-a
rîc-erîc-um
rîc-erîc-u

ſo gehen; inne (domus) vite (ſupplicium) yrfe (heredi-
tas), diminutiva auf -incle, beſonders comp. mit ge-:
gemære (limes) gelæte (exitus) getimbre (aedificium) etc.,
im ganzen iſt dieſe decl. hier ärmer, als in den übri-
gen ſprachen, deshalb, weil viele wörter mit abwerfung
des bildungs-e in die erſte übertreten. So gilt nicht
mehr denne (cubile) pl. dennu; cynne (genus) pl. cynnu;
[645]II. angelſ. ſubſt. ſchwaches maſculinum.
bedde (lectus) pl. beddu; flette (coenaculum) nette (rete)
etc. ſondern denn, dennes, pl. denn (Beov. 205. 226.)
cynn, cynnes, pl. cynn; bedd, beddes, bedd etc. Ver-
ſchiedne gehören auch zur zweiten männl. decl., die
im alth. neutral ſind, als: ende, mere, mene etc.


Schwaches maſculinum.

beiſpiel: han-apl. han-an
han-anhan-ena
han-anhan-um
han-anhan-an

aus der menge dieſer wörter hier nur einige: 1) ein-
fache: bana (mors) bêna (rogans) brôga (terror) cempa
(miles) côfa (cubile) lind-crôda (vexillum) cuma (ad-
vena) dropa (ſtilla) flêma (profugus) uht-floga (draco,
i. e. tempore volans antelucano) guma (vir) hana (gal-
lus) hliſa (fama) lîchoma (corpus) hunta (venator) hild-
lata (ignavus, ad pugnam tardus Beov. 211.) mëlda (dela-
tor) maga (cognatus) mon-lîca (ſtatua) môna (luna)
mudha (os flum.) nama (nomen) nëfa (nepos) oxa (bos)
plëga (ludus) ſëfa (mens) ſìma (vinclum) ſcëadha (latro)
ſcîma (ſplendor) hædh-ſtapa, môr-ſtapa (loca deſerta,
paludinoſa transmeans) ſtëorra (ſtella) ſvëora (collum)
tîma (tempus) tëóna (damnum) trega (dolor) vâva (ma-
lum) vëla (opulentia) viga (bellator) vîſa (rector) villa (vo-
luntas) udh-vita (philoſophus) vrecca (exul) þûma (pol-
lex). — 2) bildungen mit -el: hafela (vgl. oben ſ. 247.)
nafela (umbilicus). — 3) mit -em, -m: ſmëdema, ſmëdma
(ſimilago) vielleicht auch hodhma (? nubes, Beov. 183.). —
4) mit -or: ëafora (proles maſcula) gëongra (diſcipulus). —
5) mit -es: egeſa (terror). — 6) mit v: räſva (dux). —
7) mit ge-: gemaca (ſocius) geleáfa (fides) geſtëalla
(conſors) etc.


Anmerkungen: 1) freá (dominus) gen. freán ſteht
genau betrachtet für freáa oder freáha, freáan oder freá-
han (vgl. das goth. fráuja, altſ. frôho) im pl. kommt
es nicht vor, glaublich müſte der gen. pl. freána (f.
freáena) lauten. Ebenſo verſchlingt in tvëo (dubium)
gen. tvëon (altſ. tuëho, tuëhen; alth. zuîvo, zuîvin)
der wurzelvocal den des caſus; die volle form wäre
tvëoa, tvëoan oder tvëoha, tvëohan. — 2) die zweite
ſchwache decl. hört durch abwerfung des bildungs-e
auf, ſpurweiſe findet ſich zuweilen vreccea ſt. vrecca,
Beov. 188. 190. 193. 215. aglæcea (creatum infelix) —
3) fehlt der nom. ſg. ſo kann ein wort auch ſchw. fem.
[646]II. angelſ. ſubſt. ſchw. femininum. neutrum.
ſeyn, z. b. ich bin ungewiß, ob der pl. bunan (pocula
Beov. 206. 226.) einem maſc. buna oder fem. bune zu-
ſteht, wiewohl das ſeltnere fem. unwahrſcheinlicher iſt.


Schwaches femininum.

beiſpiel: tung-epl. tung-an
tung-antung-ena
tung-antung-um
tung-antung-an

1) einfache wörter: burne (latex) bŷme (tuba) byrne
(lorica) ëordhe (terra) folde (terra) hëorte (cor) hruſe
(terra) hyrne (angulus) mage (cognata) minte (menta)
myre (equa) panne (patina) ſunne (ſol) ſyrce (indu-
ſium) tunge (lingua) vîſe (modus) vuce (hebdomas)
þrôte (guttur) — 2) bildungen mit -l: fimble (fabula)
mëavle (puella) onmädle (arrogantia) — 3) mit -n: fämne
(femina) cycene (coquina) — 4) mit -r: blädre (veſica)
nädre (anguis) culufre (columba) — 5) mit -es: cifeſe
(pellex) — 6) mit -ig:hlæfdige (domina) — 7) mit v:
ſvaleve (hirundo) vuduve (vidua).


Anmerkungen: 1) ſpuren der zweiten ſchw. decl.
(mit dem bildungs-e) z. b. in cyrice (eccleſia) gen. cy-
ricean; ſo ſtehet Beov. 189. 205. ſërcean (induſium)
f. ſërcan. — 2) auch hier (digitus pedis) pl. tân f.
tâe, tâan (alth. zêha, zêhûn); dat. pl. hat vollſtändig
tâum, gen. tâena oder dafür tâna.


Schwaches neutrum.

decliniert wie das fem., anßer daß der acc. ſg. dem
nom. gleich iſt; hierher mit ſicherheit nur eage (oculus)
eáre (auris), nach Raſks muthmaßung auch lunge (pul-
mo) clive (glomus).


Anomalien des angelſächſiſchen ſubſtantivs.

  • 1) fäder iſt im ſg. unveränderlich (nur ſelten im gen.
    fäderes ſt. fäder), hat aber den pl. regelmäßig: fäde-
    ras, fädera, fäderum. brôdhor, gen. brôdhor, pl.
    brôdhra (wie ſuna); ebenſo môdor, dôhtor, ſvëoſtor;
    von den dat. ſg. ſogleich.
  • 2) verſchiedene maſc. und fem. mit den vocalen a, u, ô
    und û lauten im dat. ſg., meiſtens auch nom. und acc.
    pl. um; man (homo) dat. men, pl. men; brôdhor, dat.
    brêdher; môdor, dat. mêder; dôhtor, dat. dêhter;
    fôt (pes) fêt (pedi) fêt (pedes); tôdh (dens) dat. tèdh,
    pl. têdh; bôc (liber) bêc (libro) bêc (libri); brâc
    [647]II. angelſächſiſches ſubſtantiv. anomalien.
    (bracca) dat. brêc, pl. brêc; gôs (anſer) gês (anſeri)
    gès (anſeres); turf (ceſpes) tyrf (ceſpiti) tyrf (ceſpites);
    burh (arx) dat. byrh, pl. byrh; (vacca) dat. cŷs,
    pl. cŷ; lûs (pediculus) dat. lŷs, pl. lŷs; mûs (mus)
    dat. mŷs, pl. mŷs. Im gen. ſg. (mannes, fôtes, tôdhes,
    bôce, brôce, gôſe, mûſe) gen. pl. (manna, fôta, bôca,
    mûſa etc.) dat. pl. (mannum, fôtum, mûſum etc.) kein
    umlaut. Der umlaut deutet auf eine untergegangene
    endung -i (-e).
  • 3) das fem. hand hat zuweilen im gen. hand ſt. hande, im
    dat. handa ſt. hande (Beov. 58. 202. 224.); ebenſo duru
    zuweilen im dat. dura; eine ſpur der alten dritten
    decl. (da auch ſunu, vudu den dat. ſuna, vuda bilden).
  • 4) niht (nox) viht oder vuht (res) haben im nom. acc.
    pl. wiederum niht, viht (nicht nihta, vihta) gen. pl.
    nihta, vihta; ſie ſtimmen mithin zu bôc, mûs und
    ihr alter nom. pl. war vermuthlich nihte, vihte.
  • 5) einige zweiſilbige maſc. pflegen im pl. die endung
    -as wegzulaßen, z. b. häledh (heroes) f. häledhas;
    fätels f. fätelſas (ſ. anm. 1. zur erſten decl.)
  • 6) die fem. ſœ (mare) œ (lex) ëa (flumen) bëò (apis)
    ſtehen im ſg. unverändert, zuweilen aber wird im gen.
    ſg. und nom. pl. die männl. form. ſæs (f. ſæes, ſæas)
    und ëas (fluminis) gefunden; dat. pl. ſæm (f. ſæum);
    von bëó führt Lye den ſchwachen pl. bëón (für bëóan?
    wie tveon) an; frëó (mulier, altſ. frî) kommt mir
    nur im nom. oder acc. vor.
  • 7) wie die ſtarken fem. erſter decl. ihren gen. pl. ſchwach
    auf -ena ſt. -a bilden, ſo erſcheint ausnahmsweiſe
    auch im maſc. ſunena f. ſuna oder dagena f. daga.
    Andere miſchung ſtarker und ſchw. decl. zeigen duru
    (porta) lufu (amor) und hëofon (coelum) indem ſie
    den gen. und dat. ſg. zuweilen ſchwach bilden: du-
    ran, lufan und hëofenan; letzteres wird alsdann auch
    weiblich conſtruiert (þære hëofenan).
  • 8) von einſchaltung des -er im pl. neutr. vorhin ſ. 644.

Altfrieſiſches ſubſtantivum.


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: fiſkpl. fiſk-ar
fiſk-esfiſk-a
fiſk-efiſk-um
fiſkfiſk-ar
[648]II. altfrieſ. ſubſt. ſtark. maſc. femin.

die ſpäteren denkmähler nehmen bald im nom., vorzüg-
lich gern im acc. pl. α (vermuthlich â) ſtatt -ar und im
dat. -on ſtatt -um. Beiſpiele einfacher wörter ſind:
bâm (arbor) bon (interdictum) pl. bonnar, bûr vicinus)
dei (dies) gen. deis, pl. degar; dêl (pars) erm (brachium)
êth (juramentum) fiſk (piſcis) hiri-gong (bellum) hâp
(acervus) këd (praeco) pl. këdar oder këddar; klâth (ve-
ſtis) ſith (comes) ſtef (baculus) tâm (infans) tufk (dens)
therm (ile) wëi (via) pl. wëgar etc. Beiſpiele von bil-
dungen: drëppel, pl. drëpplar (limen) neil, pl. neilar
(clavus) dëgan, pl. dëgnar (vir) finger, pl. fingrar (di-
gitus) ſkilling pl. ſkillingar, monath pl. monathar (menſis).


Übrige declinationen des ſtarken maſculinum.

die zweite enthält wörter auf -e (here, exercitus) und
-ere (clagere, actor; mënotere, monetarius); von der
dritten bloß die ſpuren ſunn (filius) pl. ſuna, frëtho (pax);
von der vierten bloß liod (gens) pl. liude, dat. liudem.
Auffallend ſind mir die pl. auf -er:ſiler und ſlater (Br.
§. 162. 163.) von ſil (catarracta) und ſlat (foſſa).


Starkes femininum.

hier ſind die erſte und vierte decl. erkennbar, doch
ſchwer zu ſcheiden, weil faſt nur der nom. ſg. und gen.
pl. ſicheres kennzeichen gibt. Die zweite iſt ganz zur
erſten gefallen, obgleich von wörtern wie hête (calor)
kalde (algor) etc. kaum der pl. vorkommt.


beiſpiele: I. bô-epl. bô-aIV. wraldpl. wrald-a
bôt-ebôt-enawrald-ewrald-a
bôt-ebôt-umwrald-ewrald-um
bôt-ebôt-awraldwrald-a

nach I. gehen: bêre (feretrum) bôte (ſatisfactio) ierde
(terra) kèſe (dens max.) noſe (naſus) ſèle (anima) ſeke
(cauſa) ſine (nervus) ſprêce (lingua) were (labium), ſo-
dann die bildungen mit -ene, -inge, -ethe als: hlen-
ſzene (compago) thampene (ſuffocatio) bivinge (motus)
thiuvethe (furtum) etc.; lâve (reliquiae) kommt, wenig-
ſtens in der bedeutung von erbſehaft, nur im pl. vor;
lâva, gen. lâvena (Br. 94.). Zuweilen im dat. pl. -en
ſtatt um: lâven (Br. 116. 117.). Der pl. kêrar (leges,
Br. 215.) vom ſg. kêr oder kêre (Br. 159.) befremdet. —
Nach IV. gehen: dêd (facinns) glêd (ignis) nêd (neceſ-
ſitas) tîd (tempus) und (vulnus) wrald (mundus) etc.


[649]II. altfrieſ. ſubſt. ſchwaches maſc. fem. neutr.
Starkes neutrum.

hat die gewöhnlichen beiden decl. die erſte mit dem
ſächſ. unterſchied des pl. a) entw. dem nom. ſg. gleich:
bèn (os) bern (infans) dôk (pannus) hêr (crinis) hûs
(domus) kind (infans) lâf (folium) riucht (jus) thing (ju-
dicium). b) oder auf -u (o) endigend, als bodu (man-
data) hef (mare) hefu (maria) gerſu (gramina f. greſu)
muth (os) pl. muthu; ſkipu (naves); muthmaßlich auch
die mehrſilbigen: hâved (caput) pl. hàvedu; dolekh (vul-
nus) Br. 194. pl. dolekhu? colekh (fovea) Br. 190. —
Der zweiten folgen: rîke (regnum) etc. — Spuren der
einſchiebung -er im pl. kinderu (liberi) Br. 113. kin-
der; aber ſchon (wie im angelſ.) ſg. rither (armentum)
gen. ritheres.


Schwaches maſculinum.

beiſpiel: hon-apl. hon-a
hon-ahon-ena (ona)
hon-ahon-um
hon-ahon-a

boda (nuntius) crocha (olla? Br. 146. 147.) fona (vexil-
lum) frâna (judex) grêva (comes) hona (gallus) hâna (mi-
ſer) hëra (dominus) -jëva (-dator) campa (pugil) knapa
(ſervus) maga (ſtomachus) mutha (os ſlum.) nëva (nepos)
noma (nomen) omma (ſpiritus) aſega (juridicus) ſwima
(vertigo) thûma (pollex) willa (voluntas) brëcma (mulcta)
menniſka (homo) etc.


Schwaches femininum.

beiſpiel: tung-epl. tung-a
tung-atung-ena
tung-atung-um
tung-atung-a

fovne (femina) hërne (angulus) hërte (cor) lunge (pulmo)
nichte (neptis) poune (patella) ſunne (ſol) ſwarde (cutis)
ſzëreke (eccleſia) tâne (digitus pedis) tunge (lingua) etc.


Schwaches neutrum.

geht dem fem. völlig gleich und begreift nur die wör-
ter âge (oculus) âre (auris).


Anomalien der altfrieſijchen declination.

1) mon, monnes, monne; pl. men, monna, monnem.
2) fôt, pl. fêt, ohne zweifel auch tôth (dens) pl. têth.
[650]II. altnord. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
3) hond (manus) gen. hond, dat. hond. pl. honda. 4)
feder, môder, ſuſter, brôther ſcheinen bald indeclina-
bel, bald declinabel, vgl. Br. 104. 111. die dat. feder
und federe, môdere; 112. ſtehen die pl. brôthere, ſu-
ſtere, 118. hingegen brôther. Aus beßeren quellen wür-
den ſich dieſe und andere anomala deutlicher ergeben.


Altnordiſches ſubſtantivum*).


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: fiſk-rpl. fiſk-ar
fiſk-sfiſk-a
fiſk-ifiſk-um (-om)
fiſkfiſk-a

1) einfache wörter: âlfr (genius) armr (brachium) baugr
(annulus) bôgr (armus) brunnr (fons) dagr (dies) dolgr
(inimicus) dômr (judicium) draumr (ſomnium) dvërgr
(nanus) eidhr (jusj.) eldr (ignis) fiſkr (piſcis) gammr
(vultur) gângr (greſſus) gardhr (domus) grëppr (vir
fortis) harmr (dolor) haukr (accipiter) heimr (mun-
dus) hëſtr (equus) hlunnr (phalangae) hrîngr (annu-
lus) hrûtr (aries) leikr (ludus) lundr (nemus) mâgr
(affinis) môdhr (animus) rafr (ſuccinum) ſtockr (tignum)
ûlfr (lupus) vargr (lupus) vindr (ventus) þiófr (fur). wur-
zeln auf l und n aſſimilieren das r des nom. ſg. als:
hôll (collis) ſtôll (ſella) þræll (ſervus) hœll (calx) ſteinn
(lapis) hreinn (rangifer) ſveinn (juvenis) ſtatt ſtôlr,
þrælr, hœlr, ſteinr, hreinr; gen. ſtôls, acc. ſtôl; die auf
ll und nn behalten es aber, z. b. hallr (ſilex) brunnr
(fons) gen. brunns, acc. brunn. Wurzeln auf r. ſ. x
apocopieren es, als: vër (vir) geir (cuspis) leir (argilla)
aur (lutum) mûr (murus) þiór (taurus) âs (pertica) îs
(glacies) lâs (ſera) ôs (os flum.) bâs (ſtabulum) huaus
(ceſpes) hâls (collum) lax (ſalmo) ſtatt vërr, leirr, aurr,
îſr. hâlſr, laxr, obwohl einige geirr, leirr, aurr und
aſſimilierend âſſ, îſſ, lâſſ ſchreiben, welches letztere ver-
werflich ſcheint, da dem gen. âſſ (â-s) îſſ (îſ-s) ge-
[651]II. altnord. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
bührt. — 2) bildungen mit -al, il, ul, welche das r
des nom. ſg. beſtändig aſſimilieren, als: kadhall (funis)
engill (angelus) eckill (viduus) hefill (elevator) ketill
(lebes) böggull (faſciculus) jökull (mons glaciei). ſt. kadh-
alr, engilr, böggulr, jökulr; die mit bloßem -l (alſo
ſyncopiertem bildungsvocal) apocopieren das r, als: fugl
(avis) iarl (vir nob.) karl (mas) ſt. fuglr, iarlr. — 3) die
bildung -m kommt nur im pl. meidhmar (cimelia) vor,
der ſg. würde meidhmr lauten (goth. máiþms) — 4) bil-
dungen mit -an, in, un, -n, apocopieren das r, als
þiódhan (rex) aptan (veſper) herjan (bellator) himin
(coelum) morgun (mane) iötun (gigas) hrafn (corvus)
ſvëfn (ſomnus) vagn (currus) ſt. himinr, hrafnr etc. wie-
wohl einige aſſimilierend himinn, iötunn ſchreiben. —
5) bildungen mit -ar, -ur, -r apocopieren das r nom.
ſg. als: hamar (malleus) akur (ager) blâſtur (flatus) hlâtur
(riſus) iöfur (rex) ſigur (victoria) hafr (caper) ſtatt ha-
marr — hafrr; zuweilen findet ſich aber auch hamarr,
iöfurr etc. geſchrieben. — 6) bildungen mit -ûng, als:
konûngr (rex) þumlûngr (pollex) etc. —


Anmerkungen: 1) die geſchichte der bildungsvocale
wird erſt im dritten buche abgehandelt und dort gezeigt
werden, daß akur unorganiſch für akar, akr ſtehe.
Hierher gehört bloß, daß der bildungsvocal der wörter
von 2. 4. 5. ausfällt, ſobald ein caſusvocal hinzutritt,
alſo: engill, engils, engli, engil; englar, engla, englum,
engla; hamar, hamars, hamri; hamrar, hamra, höm-
rum, hamra ſtatt engili — hamara. Rückumlaut in ke-
till, ketils, katli, pl. katlar; fetill (balteus) dat. fatli,
pl. fatlar; vielleicht hefill, haflar; engill, eckill behalten
aber englar, ecklar, ſo wie lykill (clavis) im pl. lyklar
(nicht luklar); bikar (calix) nikur (hippopotamus) erleiden
gar keine ſyncope, pl. bikarar, nikurar. — 2) der um-
laut des a in ö im dat. pl. richtet ſich nach den regeln
ſ. 303. 304; z. b. dögum (diebus) örmum (brachiis)
hröfnum (corvis) ſt. hröfunum; hömrum ſt. hömurum. —
3) das -i des dat. ſg. pflegt in einſilbigen wörtern mit
langem vocal bisweilen wegzufallen und dieſer caſus
dann dem acc. gleich zu lauten, z. b. hrîng (annulo)
hœl (calce) hôl (colle) îs (glacie). Oft hängt die eine
oder andere form von der wortſtellung ab (Raſk §. 140.) —
4) überhaupt ſcheint dies dative i unorganiſch deshalb,
weil es keinen umlaut wirkt; (oben ſ. 282. 283.) es
heißt: harmi, gammi, hrafni, katli (und nicht hermi,
hrefni, ketli, = ketili) hlunni, dômi (nicht hlynni,
[652]II. altn. ſubſt. ſtark. maſc. erſte u. zw. decl.
dœmi). Bemerkenswerthe ausnahme macht dagr (dies)
dat. degi (ſt. dagi) pl. dagar, welches degi offenbar in
die dritte decl. überſpielt, wo das i organiſch, d. h.
von umlaut begleitet iſt. Dies beſtätigen andere wörter,
die nicht bloß den dat. ſg. ſondern auch den ganzen
pl. bald nach erſter, bald nach dritter decl. abwandeln,
z. b neben bôgr (armus) bôgs, bôgi, pl. bôgar gilt bôgr,
bôgar, bœgi, pl. bœgir (vgl. fôtr bei den anomalien)
grautr (puls) ſkôgr (ſilva) vindr (ventus) machen den ſg.
nach dritter, den pl. nach erſter. — 5) verſchiedene
ſchwanken in die vierte decl., bald nur mit dem gen.
ſg. (z. b. fiſkjar neben fiſks; pl. aber fiſkar, nicht fiſkir)
bald bilden ſie den pl. nach beiden (z. b. vëgr, via;
pl. vëgir und vëgar; mar, equus pl. marir und marar) —
6) neben ſær (mare) ſnær (nix) finden ſich ſiâr und ſiôr;
ſniâar, und ſniô, gen. ſiôs und ſiôar, ſiâvar, ſiâfar; ſniôs,
ſniôar, ſniâfar; dat. ſiô, ſniô oder ſiâ, ſniô, ſniôvi.
hiör (gladius) macht den gen. hiörs, dat. hiörvi nach
der erſten, zuweilen (richtiger) hiarar, hiri (?) nach der
dritten. — 7) vër (vir) und nidhr (cognatus) ſchieben
im ganzen pl. j ein: vërjar, nidhjar etc.


Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: hird-irpl. hird-ar
hird-ishird-a
hird-ihird-um
hird-ihird-a

im ſg. hat ſich das bildungs -i erhalten, im pl. verlo-
ren, denn da ſollte es hirdjar, hirdja, hirdjum heißen
(wie bei denen anm. 7. zur vorigen decl. genannten).
Der dat. ſg. ſcheint genau betrachtet füur hirdji, der gen.
für hirdjis (wie fiſks f. fiſkis) zu ſtehen. — Umfaßt bloß
bildungen mit -i (die mit -ari gehen ſchwach) die aber
noch zahlreich ſind und meiſtens perſonen, ſeltner ſachen
(zumahl gewächſe) bezeichnen: bœtir (emendator) einir
(juniperus) endir (terminus) eyrir (uncia) fylkir (dux) hel-
lir (antrum) herſir (dux) hirdir (opilio) læknir (medicus)
lêttir (levamen) mækir (enſis) mælir (modius) miſſir
(jactura) nennir (hippopotamus) reynir (ſorbus ſilv.)
ſkëlmir (nequam) ſtillir (rex) ſtŷrir (imperator) vîdhir
(ſalix) þyrnir (ſentis) œgir (mare) etc. — Rückumlaut
findet im pl. nicht ſtatt. wodurch das ältere -jar, ja,
jum bewährt wird. aurar (opes) ſcheint weniger der pl.
von eyrir, als von einem verlorenen aur.


[653]II. altn. ſubſt. ſtark. maſc. dritte decl.
Starkes maſculinum. dritte declination.

hâtt-rpl. hætt-irſon-rpl. ſyn-ir
hâtt-arhâtt-aſon-arſon-a
hætt-ihâtt-umſon-iſon-um
hâtthâtt-uſonſon-u
mög-rpl. meg-irkiöl-rpl. kil-ir
mag-armag-akial-arkial-a
meg-imög-umkil-ikiöl-um
mögmög-ukiölkiöl-u

ich ſetze vier beiſpiele, um die eintretenden umlaute
darzuſtellen; die caſus ſind ganz dieſelben. Dieſe umlaute
lehren 1) daß i im dat. ſg. und nom. pl. hier organiſch.
alſo vom i dat. ſg. erſter decl. zu unterſcheiden iſt.
2) daß mögr und kiölr für ein früheres mögur, kiölur,
folglich der acc. mög, kiöl f. mögu, kiölu ſtehen. Ohne
umlaut war mithin ältere form: mag -ur, kial -ur ſo
wie hâtt -nr, ſon -ur, vidh -ur. — Hierber fallen fol-
gende wörter: örn (aquila) biörn (urſus) börkr (cortex)
bôgr (armus) bôgar, bœgi; bœgir, bôga, bôgum, bôgu.
drâttr (tractus) fëldr (pelſis) fiördhr (ſinus) fridhr (pax)
göltr (verres) hâttr (mos) hiörtr (cervus) kiölr (navis)
knörr, knarrar (navis mercator.) knöttr (pila) köttr (ca-
tus) lidhr (articulus) limr (membrum) litr (color) lögr
(aqua) mâttr (vis) miödhr (mulſum) ſidhr (mos) ſkiöldr
(ſcutum) ſonr (filius) ſpânn (ramentum ligni) dat. ſpæni.
ſiódhr (marſupium) vidhr (lignum) völlr (vallum) völr
(baculus) vöndr (virga) vördhr (cuſtos) þâttr (ſectio car-
minis) þrâdhr (filum).


Anmerkungen: 1) das r nom. ſg. apocopieren örn,
biörn (niemahls ſteht örnr, biörnr) neben ſonr gilt auch ſon
im nom.; knörr ſteht für knörr’r, knörrur ſpânn f. ſpânr.
2) zuweilen lautet der dat. dem acc. gleich: lit (colore)
ſidh (more) kiöl (navi) lög (mari) etc. neben liti, kili,
legi; (vgl. dritte anm. zur erſten decl.). — 3) eigentlich
iſt dies hinneigung zur vierten decl., da, ſobald der
dat. ſg. nicht auf i- endigt, dieſe endung für den acc.
pl. freiſteht und ſtatt ſonu, knöttu, örnu, þâttu etc. ge-
ſagt werden kann: ſyni, knetti, erni, þætti (Raſk §. 151.).
Die abwandlung nach der dritten ſcheint in ſolchen fällen
immer beßer und alterthümlicher. Manche wörter be-
wahren nur den acc. pl. auf -u, gehen übrigens ganz
nach der vierten, z. b. konu (propinquos) neben koni. —
4) ſchwanken zwiſchen dritter und erſter dort in der
[654]II. altn. ſubſt. ſtark. maſc. dr. u. vierte decl.
vierten anm.; der dat. degi verlangt einen nom. dögr,
gen. dagar; bôgr und ſpânn machen den gen. ſg. lieber
ſpâus, bôgs als ſpânar, bôgar. Neben hiör, hiörs (gla-
dius gilt das ältere hiarar; vielleicht auch neben dörr
(haſta) dörs und hörr, hörs (linum) ein älteres dörur,
hörur, gen. darar, harar, dat. deri, heri. Raſk gibt dem
worte ſmidhr (faber) §. 138. den gen. ſmidhs. §. 148.
ſmidhar und neben fridhar findet ſich fridhs (§. 155.);
âs (numen ethn.) hat im gen. âß, dat. âs, im pl. aber
æſir, âſa, âſum, âſu, ebenſo geht qviſtr (ramus) im ſg.
nach I, im pl. nach III.


Starkes maſculinum. vierte declination.

beiſpiele: belg-rpl. belg-irbrag-rpl. brag-ir
belg-jarbelg-jabrag-arbrag-a
belgbelg-jumbragbrög-um
belgbelg-ibragbrag-i

Hier fallen dat. und acc. ſg. immer zuſammen; ein dat.
ſg. auf -i würde dem acc. pl. begegnen. Zu achten iſt
1) auf die wörter; welche im gen. ſg. gen. und dat. pl.
i einſchieben, es ſind meiſtens ſolche, deren wurzel
auf l, r, k, gg, lg, ng, rg, ausgeht, namentlich: beckr
(ſcamnum) belgr (follis) bylr (turbo) byr (ventus ferens)
drengr (vir) dryckr (potus) her (exercitus) hryggr (dor-
ſum) hylr (gurges) hyr (ignis) lækr (rivus) leggr (crus)
mergr (medulla) reykr (fumus) ſeggr (vir) ſeckr (ſaccus)
ſtyr (bellum) veggr (cuneus) verkr (dolor) *) þvengr (cor-
rigia); außerdem noch bœr, bœjar (urbs) bedhr (lectus)
vefr (tela). Augenſcheinlich haben alle dieſe wörter um-
gelauteten vocal, nicht bloß in den caſus, welche i ein-
ſchieben, ſondern überall; theils ſcheint eine miſchung
mit der zweiten decl. vorgefallen, vgl. her, bedhr, vefr
mit dem alth. neutr, heri, petti, webbi (man berichtige
oben ſ. 148. vëfr, wëbbi in vefr, webbi), theils, wo keine
ſolche miſchung erweislich iſt, umlaut und einſchiebung
des i unorganiſch, d. h. belgr, gen. pl. belgja ſtehend
für balgr, balga; der nom. und acc. pl. belgir, belgi wäre
untadelhaft. — 2) folgende ſchieben kein i ein: bolr
(truncus) bragr (carmen) breſtr (defectus) bur (filius) dalr
(vallis) geſtr (hoſpes) gramr (heros) hamr (cutis) hagr
(conditio) hlutr (res) hugr (mens) hvalr (balaena) hver
[655]II. altnord ſubſt. ſtark. femin. erſte decl.
(thermae) konr (propinquus) lŷdhr (populus) mar (equus)
matr (cibus) munr (diſcrimen) qviſtr (ramus) refr (vul-
pes) rêttr (jus) ſalr (aula) ſaudhr (aries) ſtadhr (locus)
ſtafr (baculus) vëgr (via) vinr (amicus) etc. 3) einige
der unter 1., noch mehrere der unter 2. angeführten
wörter pflegen den gen. ſg. auf -s nach der erſten (ſtatt
-jar oder -ar) zu bilden, namentlich: drengr. þvengr,
hylr, ſeckr; bolr, breſtr, dalr, geſtr, gramr, hvalr, hver,
lŷdhr, mar, qviſtr, refr, ſtafr. Verſchiedene ſchwanken,
z. b. her macht: hers und herjar, ſalr: ſals und ſalar, wie
das ſ. 652. angeführte fiſks, fiſkjar. Dieſer gen. auf -s
führt denn auch zuweilen den dat. auf -i herbei; ſo fin-
det ſich geſti f. geſt. —


Anmerkungen: 1) die nom. bur, mar, byr, hyr,
her, hver, ſtyr ſtehen für burr, marr etc. für vinr zu-
weilen vin. — 2) ſonderbar, daß die endung -ir, i,
des nom. acc. pl. keinen umlaut wirkt, es heißt bragir,
ſalir, dalir, konir, hlutir, munir etc. nicht aber bregir,
delir, kynir, hlytir etc. der umlaut müſte denn unorg.
durchs ganze wort laufen, wie in her, geſtr, hylr etc.
Um ſo auffallender, als wörter dritter decl. im nom. pl.
und wenn ſie den acc. pl. auf -i ſtatt -u bilden (ſ. dort
anm. 3.) allerdings umlauten. Zwiſchen ſynir und ko-
nir (von ſonr, konr) legir und bragir (von lögr, bragr)
alſo keine analogie.


Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: giöfpl. giaf-ar
giaf-argiaf-a
giöf (-u)giöf-um
giöfgiaf-ar

1) einfache wörter: âl (lorum) önn (labor) örk (ciſta)
giöf (donum) giördh (cingulum) gröf (fôvea) grön (barba)
höll (aula) hlein (tibicen telae) iördh (terra) mön (juba)
miöll (nix) nös (naſus) ôl (funis) qvöl (ſupplicium) röd
(ratio) rödd (vox) röſt (requies, milliare) rûn (runa) ſin
(nervus) ſeil (funis) ſök (cauſa) ſkeidh (pecten telae)
ſkömm (pudor) ſôl (ſol) tâg (vimen) vömb (venter) vör
(labium). 2) bildungen mit -m, -n (ſelten): miödhm
(coxendix) höfn (portus). — 3) mit -ul, -l, -ur, -r,
(wenige wörter): göndul (bellona) ſkögul (parca) öxl
(humerus) nâl (acus) fiödhur (penna) lifur (hepas) ædhr
(vena) gen. ædhrar, neunord. ædh, ædhar. — 4) mit -ûng,
-îng
(häufig): hörmûng (moeror) ſiglîng (navigatio) etc.


[656]II. altn. ſubſt. ſtark. femin. erſte u. zweite decl.

Anmerkungen: 1) die rückumlaute ergeben ſich nach
allgemeinen regeln, z. b. önn, annar; grön, granar;
rödd, raddar; göndul, gandlar; fiödhur, fiadhrar; miödhm,
miadhmar; höfn, hafnar; öxl, axlar; der umlaut des
nom. und acc. ſg. deutet auf einen alten caſus -u und
giöf, önn, göndul, öxl, höfn etc. ſteht für ein frühe-
res giöfu, önnu, göndlu, öxlu, höfnu oder vollformig:
göndulu, öxulu, höfunu (axlar, ſkaglar f. axalar, ſkaga-
lar); folglich ſôl, tâg, rûn für ſòlu, tâgu, rûnu. —
2) die meiſten wörter dieſer decl. neigen ſich allmählig
in die vierte und ſtatt des pl. giafar, iardhar, ſôlar,
hafnar, fiadhrar etc. der älteren denkmähler zeigt ſich
bald und heutzutage entſchieden: giafir, ſôlir, hafnir,
fiadhrir. Es iſt aber ſchwierig, aus der heutigen vier-
ten mit gewisheit die ſubſt. anzugeben, welche vordem
zur erſten gehörten, wo nicht der umlaut ö auf den
alten nom. -u führt. Nach alth. analogie würden mold
(terra) ull (lana) þiódh (gens) etc. früherhin moldu,
ullu, þiódhu gehabt haben. Die hernach aum. 4. 5.
zu nennenden, ſo wie die bildungen -ûng, îng blei-
ben jedoch ſelbſt im neuiſl. der erſten decl. getreu. —
3) dieſe bildungen machen auch den dat. ſg. auf -u; es
ſcheinen daher die dat. giöfu, grönu, röddu, göndlu,
lifru etc. ältere form ſtatt des ſpäteren giöf, grön etc.,
das ſich bei dem ſchwanken in die vierte leicht ein-
drängte. — 4) die mit dem umlaut ö, deren wurzel auf
gg, r und d ausgeht, ſchieben bei zutretendem caſus-
vocal gerne v ein, als: dögg (ros) rögg (plica veſtis)
ör (telum) ſtödh (locus) pl. döggvar, röggvar, örvar.
ſtödhvar, welches v dann auch rückumzulauten hindert;
ſpäterhin gilt auch daggar, ſo wie insgemein vör (labium)
varar, kein vörvar. — 5) ähnlich ſchieben die mit dem
umlaut e und y gerne j ein, als: ben (cicatrix) egg
(acies) fit (membrana pedis avium) hel (lethum) il (beßer
wohl yl? planta pedis) klyf (ſarcina) nyt (fructus) ſyn
(negatio) pl. benjar, eggjar — ſynjar. menjar (veſtigia)
hat keinen ſg.


Starkes femininum. zweite declination.

beiſpiel: feſt-ipl. feſt-aræf-ipl. æf-ir
feſt-arfeſt-aæf-iæf-a
feſt-ifeſt-umæf-iæf-um
feſt-ifeſt-aræf-iæf-ir

von beiden weiſen wenige wörter 1) byrdhi (onus) elfi
(fluvius) ermi (manica) eyri (ora campi) feſti (catena)
[657]II. altn. ſubſt. ſtarkes fem. dritte decl.
heidhi (teſqua) lŷgi (mendacium) meri (equa) mŷri (pa-
lus) veidhi (venatio). — 2) æfi (aevum) elli (ſenectus)
gledhi (hilaritas) mildi (lenitas) rêtt-vîſi (juſtitia) etc.,
welche gewöhnlich nur im ſg. vorkommen. — 3) neben
byrdhi und elſi gilt zuweilen byrdhr, elfr im nom. ſg.


Starkes femininum. dritte declination.

beiſpiele: tönnpl. tenn-rrôtpl. rœt-r
tann-artann-arôt-arrôt-a
tönntönn-umrôtrôt-um
tönntenn-rrôtrœt-r

Die umlaute zeigen an, daß dem nom. dat. acc. ſg.
früher ein caſus -u, dem nom. acc. pl. aber ein -i ge-
bührt, folglich die decl. mit der dritten männlichen we-
ſentlich übereingeſtimmt hat. Steht demnach tönn für
tönnu, tennr f. tennir, rœtr f. rœtir; ſo wird auch rôt,
hind, hindr ſtehen für rôtu, hindu, hindir. — Dieſe
decl. begreift 1) einfache wörter: önd (anima) ört (anas)
bôk (liber) bôt (emendatio) eik (quercus) geit (capra)
glôdh (pruna) grind (cancelli) hönd (manus) hönk (fu-
niculus) hind (cerva) kinn (maxilla) miólk (lac) mörk
(ſaltus) nit (lens, -dis) nôt (ſagina) nyt (nux) rönd
(margo) rôt (radix) ſpöng (lamina) ſteik (caro frixa) ſtöng
(pertica) ſtrönd (littus) töng (forceps) tönn (dens) vîk
(ſinus). 2) von bildungen wüſte ich das einzige nögl
(unguis) gen. naglar, pl. neglr.


Anmerkungen: 1) die auf g und k ausgehenden wur-
zeln machen den gen. ſg. meiſtens dem nom. pl. gleich,
alſo eik, eikr; ſteik, ſteikr; vîk, vîkr; mörk, merkr;
miólk, miólkr; ſpöng, ſpengr, gen. pl. ſpânga; hönk,
henkr. hânka; töng, tengr, tânga (weil nach iſländ,
mundart âng, ànk ſt. ang, ank eintritt, [oben ſ. 286. 287.]
pflegt Raſk aung, aunk ſt. önk, önk und eing, eink ſt.
eng, enk zu ſchreiben, mithin ſpaung, gen. ſpeingr
pl. ſpeingr, ſpânga, ſpaungum); bôk hat im gen. bôkar,
nicht bœkr. Neben dem gen. ſg. merkr. ſpengr, tengr,
henkr kommt jedoch auch der gewöhnliche markar,
ſpângar, hânkar vor. — 2) der dat. ſg. iſt in der regel
dem nom. und acc. gleich; ausnahmsweiſe findet ſich
öndu, mörku, und noch merk würdiger hendi (manu)
dem dat. ſg. der dritten männl. gleich. — 3) da ſich
die ſingg. der erſten, dritten und vierten weibl. decl.
in der regel gleichen, ſo entſpringt zumahl für umlauts-
unfähige wurzeln unſicherheit, nach welcher ihr
T t
[658]II. altn. ſubſt. ſtarkes fem. vierte decl.
pl. abgewandelt werde. Es iſt daher nicht zu verwun-
dern. daß die gen. markar, randar, ſtângar zuwei-
len den nom. acc. pl. markir, randir, ſtângir nach vier-
ter bilden. — 4) einige ſchreiben fehlerhaft im nom.
acc. pl. -ur ſt. -r, da dieſes -r für org. -ir und nicht
-ur ſteht, auch in letzterm fall den umlaut ö wirken
müſte. Inzwiſchen erklärt dieſes -ur vielleicht einige
übergänge in den ſchwachen gen. pl (ſ. anomalien).


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: âſtpl. âſt-ir
âſt-arâſt-a
âſt (-u)âſt-um
âſtâſt-ir

1) einfache: âſt (amor) braut (via) dâdh (facinus) drôs
(virgo) ferdh (iter) fôrn (victima) grein (ſectio) grund
(ſolum) hiâlp (auxilium) idh (negotium) krâs (cibus)
leidh (via) naudh (neceſſitas) norn (ſaga) ſión (viſus) ſôl
(ſol) tîdh (tempus) ſûl (columna) und (vulnus) unn
(unda) vâdh (veſtis) etc. Einige dieſer, z. b. hiâlp, ſôl,
und, unn mögen vor alters zur erſten gehört haben;
hentzutag fallen auch folgende der vierten zu: giöf, gröf,
ſkömm, röſt, vör etc. — 2) bildungen mit -n: audhn
(deſertum) eign (proprietas) ſôkn (curia) höfn (portus). —
3) mit -in nnr: alin (cubitus) gen. âlnar (ſt. alinar).
4) mit -an (ſehr viele): andvarpan (gemitus) ragan (ex-
probratio timiditatis) leiptran (fulgur) etc. der bildungs-
voc. wird nicht ſyncopiert: gen. andvarpanar, pl. and-
varpanir, gen. andvarpana, dat. (aſſimilierend) andvör-
punum; aus dieſem dat. pl. entſpann ſich die ſpätere
nebenform andvörpun, andvörpunar, rögun, rögunar. —
5) mit -dh: dygdh (virtus) gerdh (actio) hefndh (ul-
tio) etc. — 6) mit -tt (alth. ht): ætt (genus) frêtt (ora-
culum) ambôtt (ancilla) ſôtt (morbus) vætt (pondus)
vættr (genius).


Anmerkungen: 1) der dat. ſg. ſchwankt zwiſchen
-u und dem zuſ. fallen mit acc. — 2) wie in der vier-
ten männl. begleitet kein umlaut die endung -ir nom.
acc. pl. Es heißt giafir, varir, ſôlir, unnir und nicht
etwa gifir, verir, ſœlir, ynnir. Die häufige herkunft
dieſer wörter aus der erſten decl. (giafar, varar, ſôlar)
lehrt dieſe unwirkſamkeit der endung ir zum theil be-
greifen. — 3) brûdhr (ſponſa) hildr (bellona) und verſchie-
dene eigennamen bewahren das -r nom. ſg., pflegen
aber auch den dat. acc. lg. auf -ï zu endigen.


[659]II. altn. ſubſt. ſtarkes neutrum. erſte decl.
Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiel: ordhpl. ordh2) föt
ordh-sordh-afat-a
ordh-iordh-umföt-um
ordhordhföt

1) einfache wörter: ax (ſpica) bak (tergum) bâl (rogus)
band (vinculum) barn (inſans) bladh (folium) bordh
(menſa) fàng (captura) fat (vas) fiall (mons) glas (vitrum)
gler (idem) gras (gramen) gull (aurum) haf (mare) hâls
(collum) hof (aula) holt (aſpretum) hroß (equus) iódh
(proles) lamb (agnus) lidh (auxilium) lìn (linum) mâl
(tempus) man (mancipium) ordh (verbum) rak (foennm
madidum) rân (rapina) rûm (ſpatium) ſax (culter) ſkap
(animus) ſkip (navis) ſtrîdh (certamen) tal (loquela) tâl
(dolus) tiald (tentorium) tûn (viridarium) vaf (trama)
vax (cera) vîg (caedes) vigg (equus) v. gloſſ. edd. ſæm. II.
vîn (vinum) þak (tectum) þîng (judicium) und viele an-
dere. — 2) bildungen mit -al, -l: ôdhal (praedium) hagl
(grando) tagl (cauda equina) etc. — 3) mit -n -iu: magn
oder megin (robur) nafn (nomen) ragn (imprecatio) regin
(numen) vatn (aqua) etc. — 4) mit -ar, -r: ſumar (ae-
ſtas) fôdhr (pabulum) ſëtr (ſedes) ſilfr (argent.) etc. — 5)
mit -dh:hœfudh (caput) heradh (tribus).


Anmerkungen: 1) alle mit wurzelhaftem kurzen a
lanten im nom. acc. und dat. pl. in ö um, welches einen
früheren nom. acc. pl. auf -u beweiſt: öxu, böku, bör-
nu etc. ſtatt des heutigen öx, bök, börn; folglich laute-
ten auch hof, vîg etc. vormahls hofu, vîgu. Gleichviel,
ob einf. oder dopp. conſ. dem a folgt, es heißt ſowohl
föt, glös als lömb und ſelbſt fâng (weil es für fang ſteht)
bekommt föng (Raſk faung); mâl, tâl, rân etc. bleiben
hingegen im pl. unveränderlich. Auch die mehrſilbigen
lauten ihr a in ö um, durch aſſimilation des bildungsvoc.,
denn wie ſumar, ôdhal den pl. ſumur, ôdhul (= ſu-
muru, ôdhulu) machen, ebenſo maſtur (malus navis)
den pl. möſtr (= möſtru, möſturu) und die ſyncopier-
ten vatn, tagl, magn (= megin) den pl. vötn, tögl,
mögn (= vötnu, vötunu) — 2) das -i dat. ſg. iſt wie
beim maſc. (vorhin ſ. 651.) von keinem umlaut beglei-
tet. — 3) der umlaut der nom. ſg. fiör (vita) miöl (fa-
rina) ſkrök (figmentum) ſöl (alga ſaccharifera) weiſt auf
ein abgelegtes bildungs- (nicht caſus-) u, welches vor
flexionsvocalen als v vortritt, gen. ſöls, dat. ſölvi, pl.
ſöl, gen. ſölva, dat. ſölvum etc. — 4) keine ſpur von
wörtern, die im pl. -ir einſchöben.


T t 2
[660]II. altn. ſubſt. ſtark. neutr. zweite u. dr. decl.
Starkes neutrum. zweite declination.

beiſpiele: kynpl. kynrîk-ipl. rîk-i
kyn-skyn-jarîk-isrîk-ja (-a)
kyn-ikyn-jumrîk-irîk-jum (-um)
kynkynrîk-irîk-i

das erſte paradigma ſtellt wörter vor, die urſprünglich
denen des zweiten gleichförmig waren, in der folge
aber das i in den nom. acc. ſg. pl. und im gen. ſg. aus-
warfen; kyn, men ſteht für kyni, meni; kyns, mens
f. kynis, menis. Alle umlautsfähigen wurzelvocale in
dieſer decl. ſind umgelautet und offenbar umfaßt die
erſte weiſe lanter kurzſilbige, die zweite lauter langſil-
bige wörter. Der erſten weiſe folgen: egg (ovum) flet
(ſtratum) kyn (genus) men (monile) nef (naſus) nes
(lingula terrae) net (rete) rif (coſta) ſel (tugurium) ſkegg
(barba) ſker (ſcopulus) vedh (pignus) þil (tabulatum).
Der zweiten mehrere: bŷli (habitaculum) dœmi (exem-
plum) engi (pratum) enni (frons) epli (pomum) erendi (ne-
gotium) erfi (epulae funebr.) erfidhi (labor) fylki (provincia)
herbergi (diverſorium) klædhi (veſtis) mæli (loquela) merki
(ſignum) mynni (oſtium) qvædhi (carmen) vîgi (propugna-
culum) vîti (culpa) rîki (regnum) trŷni (roſtrum) yndi
(gaudium) etc. Wörter der zweiten weiſe, deren wur-
zel nicht auf die gutt. g und k ſchließt, pflegen im
gen. und dat. pl. das i auszulaßen, alſo: epla, eplum;
enna, ennum; qvædha, qvædhum etc. ſtatt eplja, ennja,
epljum, ennjum, wie es ſicher einmahl geheißen hat,
eben weil dieſe caſus nicht rückumlauten (nicht: apla,
öplum; qvâdha, qvâdhum). Bemerkenswerthe ausnahme
macht hiervon læti (geſtus) mit dem rückuml. gen. dat.
pl. lâta, lâtum. — Zuweilen gelten beide formen, z. b.
fulltîng und fulltîngi (auxilium).


Starkes neutrum. dritte declination.

fê (pecunia) macht den gen. fiâr.


Schwaches maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: han-ipl. han-ar
han-ahan-a
han-ahön-um
han-ahan-a

1) einfache: andi (animus) ângi (ſuavis odor) api (ſimia)
ari (aquila) arfi (heres) bani (interfector) bogi (arcus)
[661]II. altn. ſubſt. ſchw. maſc. erſte u. zweite decl.
daudhi (mors) dreyri (ſanguis) dropi (gutta) ecki (aerumna)
fâni (fatuns) fari (viator) faxi (coluber i. e. jubatus) funi
(ignis) galgi (patib.) goti (equus) gumi (homo) haki
(uncus) hani (gallus) hêri (lepus) kappi (pugil) fê-lagi
(ſocius) Iîmi (onus) maki (par) mâni (luna) nëfi (frater)
riſi (gigas) rûni (collocutor) ſëfi (mens) ſìmi (funis) ſkati
(rex) ſkuggi (umbra) tângi (cuſpis) uxi (bos) vandi
(periculum) þânki (mens) und viele andere. — 2) bil-
dungen mit -l, n: geiſli (radius) nagli (clavus) aſni
(aſinus) — 3) mit -ari: dômari (judex) lëſari (lector) etc.


Anmerkungen: 1) das -i nom. ſg. weckt keinen
umlaut; wo er ſich zuweilen findet, hat er einen an-
dern grund, z. b. ecki, dreyri mögen urſprünglich zur
zweiten ſchw. decl. gehören. — 2) die mit -ari aſſimi-
lieren im dat. pl., z. b. bakari (piſtor) lëſari, dat. pl.
bökurum, lëſurum. — 3) daß der gen. pl., wie im fem.
und neutr., vormahls -na ſt. -a lautete beweiſen die
in den älteſten denkmählern noch vorfindlichen formen
gumna (virorum) bragna (militum) gotna (equorum)
flotna (idem) ſkatna (regum) oxna (boum) von gumi,
bragi (veraltet) floti, ſkati, oxi (ſt. uxi); ſelbſt im nom.
zeigt ſich gumnar, gotnar etc. neben gumar, gotar. —
4) nach neutraler weiſe bilden den nom. ſg. auf -a ſt. -i
die wörter hërra (herus) ſîra (dominus).


Schwaches maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: vil-ipl. vil-jar
vil-javil-ja
vil-javil-jum
vil-javil-ja

der nom. i ſtebet für-ji (Raſk-ì). 1) bildungen mit
bloßem -i nur einige wörter: ſtedhi (incus) tiggi (rex)
vili (voluntas) ein-heri (monoheros) ey-ſkeggi (inſu-
lanus) ſkip-veri (nauta) ill-virki (nequam). — 2) mit
îngi: frëlſîngi (libertus) hœfdhîngi (princeps) rænîngi
(latro) etc.


Schwaches femininum. erſte declination.

beiſp.: tûng-ahpl. tûng-urharp-ahpl. hörp-ur
tûng-uhtûng-nahörp-uhharp-na
tûng-utûng-umhörp-uhhörp-um
tûng-utûng-urhörp-uhhörp-ur

1) einfache: amma (avia) aſka (cinis) bâra (unda) ëdda
(proavia) ëgda (aquila f.) dûfa (columba) flaſka (lagena)
[662]II. altn. ſubſt. ſchw. fem. erſte, zw. u. dr. decl.
gânga (iter) gata (platea) gâta (aenigma) grîma (larva)
haka (mentum) harpa (lyra) hoſa (caliga) orruſta (pugna)
pîpa (fiſtula) qviga (bucula) ſaga (relatio) ſkata (raja, piſc.)
ſkemma (gynaeceum) ſtaka (verſus) tala (oratio) tûnga
(lingua) vala (fatidica) villa (error) vika (hebdomas) þûfa
(tuber) u. a. m. — 2) bildungen: veitſla (convivium).


Anmerkungen: 1) die mit n ſchließenden wurzeln
machen den gen. pl. auf -a ſtatt -na, weil ſonſt zwei
n zuſ. ſtoßen würden, alſo gleichlautend mit dem nom.
ſg. z. b. lîna (linea) tinna (ſilex) tina (cantharus ſtann.)
kanna (cantharus) kona und qvenna (femina) ſkepna
(creatura) 2) vala heißt zuweilen mit vorbrechendem
bildungs -u: völva, gen. völvu, gen. pl. völuna oder
valna.


Schwaches femininum. zweite declination.

beiſpiel: kirk-japl. kirk-jur
kirk-jukirk-na
kirk-jukirk-jum
kirk-jukirk-jur

hierher: bylgja (unda) dryckja (potatio) eckja (vidua)
fylgja (genius famil.) ferja (linter) gryfja (fovea) gydhja
(dea) hækja (grallae) hyggja (opinio) kirkja (ecclelia) lilja
(lilia) manneſkja (homo) reckja (lectus) ſmidhja (opifi-
cina) ſylgja (umbella) ylgja (lupa). Zu merken, daß
alle, denen kein kehllaut vor dem j hergeht, den gen.
pl. ohne n, alſo dem nom. ſg. gleich machen, z. b. lilja
(liliorum) gryfja (fovearum).


Schwaches femininum. dritte declination.

vielleicht könnte man die zur zweiten ſtarken gezähl-
ten, welche im ſg. unveränderlich bleiben und kaum
einen pl. beſitzen, hierhernehmen?


Schwaches neutrum.

beiſpiel: hiart-apl. hiört-u
hiart-ahiart-na
hiart-ahiört-um
hiart-ahiört-u

nur wenige wörter: auga (oculus) biúga (farcimen) eyra
(auris) eyſta (teſticulus) hiarta (cor) hnodha (glomus)
lûnga (pulmo) nra (ren).


[663]II. altnord. ſubſt. anomalien.
Anomalien der altn. ſubſtantivdeclinationen

  • 1) fadhir, brôdhir, môdhir, dôttir, ſyſtir machen über-
    einſtimmend den gen. dat. acc. ſg. auf -ur: födhur,
    brôdhur (zuweilen gen. födhurs, brôdhurs) môdhur,
    dôttur, ſyſtur; den nom. acc. pl. auf -r: fedhr, brœdhr,
    mœdhr, dœtr, ſyſtr; den gen. dat. pl. auf -a, um: fedhra,
    fedhrum; brœdhra, brœdhrum; mœdhra, mœdhrum;
    dœtra, dœtrum; ſyſtra, ſyſtrum. Die umlaute oder un-
    umlaute offenbaren, daß das -ir nom. ſg. für ein älteres
    -ar, das -r pl. für ein älteres -ir eingetreten iſt, folg-
    lich die frühere form: fadhar födhur, pl fedhir lautete;
    die aſſimilierten bildungsvocale weiſen aber auf noch
    ältere caſusvocale hin. Im gen. und dat. pl. ſollte man
    theoretiſch fadhra, brôdhra, födhrum, brôdhrum etc.
    vermuthen.
  • 2) madhr (ſt. mannr) im ſg. regelmäßig manns, manni,
    mann (nicht madh); im pl. aber menn (offenbar ſt.
    mennir) manna, mönnum.
  • 3) fôtr, gen. fôtar, dat. fœti, acc. fœt; pl. fœtr. fôta,
    fôtum, fœtr; alſo nach der dritten männl. bisweilen
    aber im gen. dat. ſg. fôts, fôti nach der erſten.
  • 4) vëtur (hiems) auch nach der dritten, nur mit apoco-
    pen und ſyncopen, nämlich der nom. acc. ſg. vëtur
    ſteht für vëturur, der gen. vëtrar f. vëtarar, dat. vëtri
    f. vëtiri; nom. acc. pl. vëtr f. vëtirir, vëturu; gen.
    vëtra f. vëtara, dat. vëtrum f. vëturum. Zuweilen im
    gen. ſg. vëturs neben vëtrar.
  • 5) fìngur (digitus) im ſg. nach der erſten männl. gen.
    fìngurs, dat. fîngri; pl. aber nom. acc. fìngur (ſt.
    fîngrar, fîngra) gen. fîngra, dat. fîngrum.
  • 6) das fem. hönd (manus) nach dritter weibl. außer
    daß es im dat. die alte endung hendi bewahrt.
  • 7) nâtt (nox) nach der vierten: gen. nâttar, dat. acc.
    nâtt; pl. nom. acc. nætr (ſt. nættir) gen. nâtta, dat.
    nâttum. Es gilt aber die (durch verwechſlung des pl.
    nætr mit nœtr veranlaßte) nebenform nôtt nach der
    vierten: gen. nœtr, dat. acc. nôtt; pl. nœtr, gen.
    nôtta, dat. nôttum.
  • 8) gâs (anſer) mûs (mus) lûs (pedic.) brûn (ſupercilium)
    im ſg. nach der vierten weibl.; im nom. acc. pl. aber
    nach dritter umlautend und apocopierend: gæſſ (ſt.
    gæſir, gæſr) mŷs (ſt. mŷſir, mŷſr) lŷs (ſt. lŷſir, lŷſr)
    brŷn (ſt. brŷnir, brŷnr) gen. dat. gâſa, gâſum; mûſa,
    mûſum etc. Zuweilen auch: mŷſſ, lŷſſ, brŷnn. Die
    [664]II. altnord. ſubſt. anomalien.
    alten gebrauchen auf dieſe weiſe den pl. dyr oder
    dyrr (porta) ſt. dyrir, gen. dura, dat. durum.
  • 9) einſilbige, auf vocal auslaufende wörter werfen an-
    ſtoßende caſusvocale weg. nur nicht im gen. pl. α)
    männliche: nâr (corpus exanime) gen. nâs, dat. acc.
    nâ; pl. nâr, gen. nâa, dat. nâm; ſkôr (calceus) ſkôs,
    dat. ſkô (ſt. ſkôi) acc. ſkô; pl. ſkôr, ſkôa, ſkôm, ſkô,
    zuweilen ſkûar, gen. acc. ſkûa; ſo im ſg. freyr (n. pr.)
    freys, frey, frey; liâr (falx) gen. liâs; tŷr, tŷs, tŷ,
    (n. pr) ŷr (arcus) ŷs, ŷ; iór (equus) iós, ió; ſniâr
    (nix) ſniâvar. dat. ſniâ; ſiâr (mare) ſiâvar, dat. ſiâ; dat.
    pl. ſnîam, ſiâm (nebenform: ſnær, ſær; ſnævar, ſævar;
    dat. pl. ſæm) mâr (larus) gen. mâvar; bœr (urbs) gen.
    bœjar. — β) weibliche: â (flumen) gen. âr (ſt. âar)
    pl. âr (f. âar) gen. âa, dat. âm (f. âum); ebenſo ge-
    hen brâ (cilium) giâ (ruptura montis) krâ (angulus)
    liâ (gramen demenſum) (caprea) ſkrâ (ſera) ſlâ
    (ſubſus) ſpâ (vaticinium) þâ (terra egelida) etc. Alle
    dieſe nach der erſten; ey (inſula) mey (virgo) þŷ (ſerva)
    gen. eyjar, meyjar, þŷjar; nom. pl. eyjar, gen. eyja,
    dat. eyjum etc. Der dritten decl. folgen: (dig. pe-
    dis) gen. târ (f. tâar) pl. tær, gen. tâa, dat. tâm; â
    (agna) gen. ær. pl. ær, gen. âa, dat. âm; (corylus)
    gen. lôar; pl. lœr. gen. lôa, dat. lôm (f. lôum) eben-
    ſo frô (quies) flô (pulex) klô (unguis) (quies)
    (ceſpes) þrô (cavum exciſum). frû (domina) gen.
    frûr, pl. frûr (f. frûar) gen. frûa, dat. frûm nach der
    erſten; (vacca) gen. ſg. und nom. pl. kŷr (nach
    der dritten) gen. kûa, dat. kûm; brû (pons) nach bei-
    den im pl. bald brûr, bald brŷr. Man merke. daß
    folgende drei bisweilen im nom. ſg. das alte caſus -r
    zeigen: mœr (virgo) kŷr (vacca) ær (agna) vgl. anm. 3.
    zur zweiten und vierten weibl. decl. — γ) neutrale: ſtrâ
    (ſtramen) frœ oder friô (ſemen) hey (foenum) (rus)
    hlè (umbra) knê (genn) ſpê (ludibrium) trê (arbor) gehen
    meiſt regelrecht. außer daß die vier letzten den dat. ſg.
    dem nom. gleichmachen, bù hat bûi, fræ ebenfalls fræ
    oder friôvi; der dat. pl. lautet ſtrâm, bûm, heyjum (?)
    triâm, kniâm; die andern ſind ohne pl. (templum)
    geht im ſg. wie knê, hat aber im gen. dat. pl. vêa,
    vêum; ſê (opes) macht den gen. ſg. fiâr, gen. dat. pl.
    fiâ, fiâm.
  • 10) übergänge der declinationen ſind einzeln angemerkt.
    Alle mit -ſkapr und -adhr componierten maſc. ge-
    hen im ſg. nach dritter (nur ohne umlaut des -i dat.
    [665]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
    ſg.) im pl. nach vierter; neben -adhr gilt die form
    -udhr 2. b. mânadhr (menſis) gen. mânadhar, dat. mâ-
    nadhi, pl. mânadhir, mânadha, mânudhum; oder
    mânudhr, mânadhar etc. — Die ſpätere ſprache führt
    beim maſc. und fem. pl. auf -ir ſtatt der früheren
    -ar ein.
  • 11) miſchung ſtarker und ſchwacher form zeigt ſich
    theils in durchgängiger ausſtoßung des ſchwachen n
    im dat. pl. und theilweiſer im gen. pl. maſc. auch
    einiger fem. ſchw. form, theils umgedreht in anwen-
    dung dieſes n auf einige gen. pl. fem. ſtarker form:
    ſo findet ſich ſâlna (animarum) eikna (quercuum) f.
    ſàla, eika, wo nicht beſondere ſchwache nebenfor-
    men vollſtändig anzunehmen ſind, z. b. erweiſlich
    ſâla (anima) gen. ſâlu. Neben blutr (res) lîkamr (cor-
    pus) und den comp. mit -leikr (Raſk §. 147.) gilt
    bluti, lìkami, -leikl; neben den fem. ey, þŷ ſpäter
    eyja, þŷja etc.
  • 12) manchen wörtern mangelt der ſg., manchen der pl.
    (Raſk §. 129. 146.) einige ändern im pl. das geſchlecht
    (Raſk §. 136.).

Mittelhochdeutſches ſubſtantivum.


Starkes maſculinum, erſte declination.

beiſpiele: viſchpl. viſch-etacpl. tag-e
viſch-esviſch-etag-estag-e
viſch-eviſch-entag-etag-en
viſchviſch-etactag-e

1) einfache wörter: âl (anguilla) arc, -ges (pravitas) arm
(brachium) art, -des (genus) aſch (fraxinus) bâc, -ges
(lis) bal, -lies (pila) ban, -nnes (interdictum) bërc, -ges
(mons) bîl (momentum conſiciendi feram) biuƷ (tali-
trum) biƷ (morſus) blic, -ckes (fulgur) boc, -ckes
(hircus) bolz (ſagitta) bort (latus navis) anebôƷ (incus)
bonc, -ges (annulus) boum (arbor) braht (ſtridor) brief,
-ves (literae) bûch (venter) danc, -kes (gratiae) diep (fur)
dorn (ſentis) dôƷ (fragor) druc, -ckes (compreſſio) dunc,
-kes (arbitrium) eit, -des (jusj.) eiƷ (ulcus) galm (clamor)
gart (ſtimulus) geiſt (ſpiritus) gëlt (ſolutio) gêr (jaculum)
gief (ſtultus) giel (faux) gìr (vultur) glaſt (ſplendor) glaz,
-tzes (calvities) glêt (tugurium) got, -tes (Deus) gouch
(cuculus) grieƷ (arena) grif-ffes (raptus) grîn (clamor)
[666]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
grûs (horror) grûƷ (glarea) ur-gûl (aper) hac, -ges (ne-
mus) halp (manubrium) halm (calamus) ur-hap (origo)
har, hars (linum) hart (ſilva) haƷ (odium) hëlm (galea)
heiƷ (appellatio) hërt (ſolum) hof, -ves (aula) houf (acer-
vus) hunt (canis) kam, -mmes (pecten) kampf (pugna)
kërn (nucleus) kil, kils (caulis) kìl, kîles (cuneus)
kiel, kieles (navis) kìp (contentio) klëp (viſcus) klôƷ
(gleba) knëht (ſervus) kouf (emtio) kraz, -tzes (frictio)
krach (fragor) kreiƷ (circus) kriec, -ges (bellum) kus,
-ſſes (oſculum) laſt (onus) leich (ludus) leim (argilla) leip
(panis) vol -leiſt (adjutor) lìm (gluten) lîp (vita) liſt (ars)
liut (populus) loc, -ckes (capilli) lop (laus) louch (cepe)
louc, -ges (flamma) louf (curſus) lôƷ (ſors) lût (ſonitus)
mâc, -ges (cognatus) man (juba En. 40a Wigal. 91. 96.)
maſt (malus) mat, -ttes (interitus) mëlm (pulvis) miſt
(fimus) mort (caedes) munt (os, oris) muot (animus) nît
(invidia) ort (cuſpis) pſîl (ſagi [...]ta) pflûm (flumen) pin
(dolor) prîs (laus) qualm (vapor) rant (umbo) reif (an-
nulus) rîn (rhenus) rinc, -ges (annulus) ric, -ckes (ne-
xus viſceris) riƷ (fiſſura) roc, -ckes (tunica) roch (fi-
gura ludi latr.) rôſt (craticula) roſt (aerugo) rouch (fu-
mus) roup (ſpolium) rûm (ſpatium) rûn (ſuſurrus) ruom
(gloria) ſal, ſals (aula) ſant (arena) ſchâch (praeda) ſchal,
-lles (ſonus) ſchalc, -kes (ſervus) ſchaz, -tzes (opes)
ſchilt (ſcutum) ſchimpf (jocus) ſchîn (ſplendor) ſchoup
(ſtramen) ſchranc, -kes (fraus) ſchrîn (ſcrinium) ſchrit,
-tes (greſſus) ſchûm (ſpuma) ſchûr (imber) ſeim (ſuccus)
ſin, -nnes (animus) ſlâf (ſomnns) ſlich (aſtutia) ſlûch
(uter) ſlûr (homo piger) Bon. 51. ſmac, -ckes (odor) ſmit,
-des (faber) ſmuc, -ckes (ornatus) ſnal, -lles (projectio
digitis facta) ſnar, -rres (ſtridor) ſolt (ſtipendium) ſoum
(ſarcina) ſpat (ſuffrago) Parc. 27c ſpëht (picus) ſpot, -ttes
(ludibrium) ſprunc, -ges (ſaltus) ſtal, -lles (ſtabulum)
ſtam, -mmes (truncus) ſtanc, -kes (odor) ſtap (baculus)
ſtat, -des (littus) ſtein (lapis) ſtëc, -ges (ponticulus) ſtich
(ictus) ſtil, ſtils (manubrium) ſtoc, -ckes (fuſtis) ſtoup
(pulvis) ſtric, -ckes (laqueus) ſtrît (certamen) ſtrûch (frutex)
ſtrûƷ (ſtruthio) ſûs (ſtridor) ſwam, -mmes (fungus) ſwanc,
-kes (vibratio) ſweif (cauda) ſweiƷ (ſudor) tac, -ges (dies)
tam, -mmes (agger) tan, -nnes (nemus) teic, -ges (maſſa)
teil (pars) tîch (palus) tiſch (menſa) touf (baptiſmus) *) tôt
(mors) triel (roſtrum) trit, -tes (ingreſſus) trôn (thro-
[667]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
nus) trôſt (ſolatium) troum (ſomnium) trunc, -kes (po-
tus) trût (dilectus) tuc, -ckes (geſtus) tunc, -kes (bara-
trum) twalm (vapor) twërc, -ges (nanus) unc, -kes
(vipera) uop (mos) ûr (urus) val, -lles (caſus) valſch
(falſitas) vâr (dolus) vent (figura ludi latr.) vilz (lana
coacta) viſch (piſcis) vlins (ſilex) vlîƷ (ſolertia) vluc, -ges
(volatus) vluoch (maledictio) vroſch (rana) vroſt (frigus)
wal, -lles (ebullitio) walm (fervor) wân (opinio) wanc,
-kes (receſſus) wëc, -ges (via) wert (inſula) wif, -ffes
M. S. 2, 71b wîc, -ges (bellum) wîn (vinum) wint (ventus)
wirt (hoſpes) wîs (modus) wiſch (terſorium) wolf, -ves
(lupus) wûr (urus) Wilh. 2, 151a zart (adulatio) zein (te-
lum) zins (cenſus) zol, -lles (telonium) zorn (ira)
zoum (frenum) zuc, -ckes (raptus) zûn (ſepes) zwîc,
-ges (ramus). Dahin auch die mit der vorſilbe ge-, als:
gebûr (ruſticus) gedanc, -kes (cogitatie) geheiƷ (votum)
gelimpf (convenientia) gemach (commoditas) genôƷ
(conſors) gerich (vindicta) gewërp (negotium) gewin
(lucrum) etc. — 2) bildungen mit -el, -em, -en, -er,
als: nagel (clavus) vogel (avis) kradem (clamor) âtem
(ſpiritus) dëgen (miles) meiden (equus caſtratus) wagen
(currus) vinger (digitus) ëter (ſeptum, tectum) ëber (aper)
und viele ähnl. — 3) mit -ic, -ich, -inc, -linc, als:
künic, -ges (rex) habich (accip.) bertinc (barbatus) nîdinc
(invidioſus) kiſelinc (calculus) etc. — 4) mit lingualen, als:
mânot (menſis) helt (heros) voget (advocatus) hirƷ (cervus)
krëbƷ (cancer) imbiƷ (prandium) erneſt (labor) etc. — 5) par-
ticipiale ſubſt. als: âbent (veſper) wîgant (pugil) wiſent
(bubalus) vâlant (daemon) vriunt (amicus) vîant (inim.)
— 6) wurzeln mit voc. auslaut: klê (trifolium) lê (ag-
ger) rê (funus) fê (lacus) ſnê (nix) ſchuo (calceus) bû
(aedificium). —


Anmerkungen: I) die grenze zwiſchen der erſten
und vierten decl. iſt nicht rein abzuſtecken, da beide
den ſg. ganz überein haben und viele wörter gar nicht
im pl. vorkommen, z. b. art, aſch, bâc, bîl, ſal (Nib.
322. iſt der dat. ſg. ſal die richtige leſart, vgl. 2459.) etc.
Außer dieſer unſicherheit ſind, weil auch die plur. ca-
ſus beider zuſ. fallen, alſo nur am umgelauteten wur-
zelvocale die alte verſchiedenheit der endungen vierter
decl. erkennbar wird, wirkliche miſchungen und über-
gänge anzunehmen, theils practiſch aller umlautsunfähigen
wörter aus der vierten in die erſte (z. b. tiſch, ſchilt,
liut), theils umlautsfähiger aus der erſten in die vierte.
Manche übertritte letzterer art haben ſich erſt gegen den
[668]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
ſchluß des 13. und im 14. jahrh. entwickelt, als das
nachgefühl der urſprünglichen verſchiedenheit verloren
gieng und die analogie der umlaute blind fortwirkte.
Im zweifel dürfen daher plurale vierter decl., für die
gute mittelh. zeit, nur aus reimen bewieſen werden,
nicht aus fehlern der hſſ. Erweiſen läßt ſich z. b. kein
pl. rende, gedenke, ſchelke, ſtebe, göte etc. da viel-
mehr rande, gedanke, ſchalke, ſtabe, gote aus randen
Bit. 37a 94a gedanken Parc. 1a ſchalken Wilh. 2. 178b
ſtaben Wilh. 2, 65a Parc. 26a Georg 19b gote Wilh. 2,
99b goten Parc. 11a Wilh. 2. 20b Barl. 322. etc. hervor-
gehen. Maſc. mit geminierender conſonanz ſcheinen
mir beſtändig der erſten decl. zu folgen (val, valle;
kam, kamme; ban, banne; kus, kuſſe; boc, bocke);
die form -unc, -kes war, nach ſ. 337., keines umlauts
fähig. Auch zu den ſg. mit dem voc. ou, û finde ich
keinen erweiſlichen pl. öu, iu; ob einige bildungen mit
-el, -en, -er den pl. umlauten? unten bei der vierten
decl. Im 14. jahrh. haben ſich freilich die pl. velle,
küſſe, zölle, böcke, göuche, ſetele, hevene etc. ent-
wickelt. — 2) wichtig iſt die beobachtung der ſyncope
und apocope des caſus -e. Man merke α) das ſiumme
e
fällt infolge der regel ſ. 374. nach einfacher liq. auf
kurzen voc. nothwendig aus und hier entſpringt eine
den neutris mit demſelben buchſtabenverhältnis völlig
gleiche decl. Es gehören hierher wenig maſc. mit wur-
zelhafter liq. (ſal, kil, ſtil, man, har) und von ihnen
kann ich den pl. nur vermuthen, nicht belegen; wohl
aber alle bildungen mit -el, -em, -en, -er, deren bil-
dungsvocal lange wurzelſilbe voranſteht. Die mit wur-
zelhaftem n. behalten jedoch im dat. pl. das ſtumme e
bei (manen ſt. man -n) die mit -en werfen es ſammt
dem n fort (meiden ſt. meiden -n; oben ſ. 374.). Die
mit -em werden im dat. pl. die volle form behaupten,
obgleich ſich zu âtem kein pl. belegen läßt. Zum pa-
radigma dienen:

kilpl. kilmanpl.manharpl. har
kil-skilman-smanhar-shar
kilkil-nmanman-enharhar-n
kilkilmanmanharhar
engelpl. engelâtempl. âtem
engel-sengelâtem-sâtem
engelengel-nâtemâtem-en
engelengelâtemâtem
meidenpl. meidenackerpl. acker
meiden-smeidenacker-sacker
meidenmeidenackeracker-n
meidenmeidenackeracker

Zur vergleichung ſetze ich beiſpiele der bildnngen -el,
-em, -en, -er mit kurzer wurzelſilbe her, welche, da
ihr bildungsvocal ſtumm iſt, das tonloſe caſus -e nicht
ablegen, folglich volle declinationsform behalten:

nagelpl. nagel-ekradempl. kradem-e
nagel-esnagel-ekradem-eskradem-e
nagel-enagel-enkradem-ekradem-en
nagelnagel-ekrademkradem-e
ſëgenpl. ſëgen-eëberpl. ëber-e
ſëgen-esſëgen-eëber-esëber-e
ſëgen-eſëgen-enëber-eëber-en
ſëgenſëgen-eëberëber-e

fehlerhaft wird zuweilen bei denen mit n das en dat. pl. apo-
copiert, z. b. Wig. 312 man f. manen Nib. 2402. dëgen f.
dëgenen. — β) nach andern (nicht liquiden) conſonanzen
bleibt das ſtummé e in der regel und fällt bloß ausnahms-
weiſe weg. Dieſe ausnahme ereignet ſich zumeiſt nach t ίm
dat. ſg. alſo bei den wörtern ſpat, got, ſpot, vgl. ſpat (ſuffra-
gine) Parc. 27c got (Deo) Wigal. 72. kolocz 315. 354.
Barl. 7. etc. für ſpate, gote; unzuläßiger ſcheint der gen.
gots f. gotes; Barl. 53. ſtehet got (deos) Parc. 178b got
(dii) f. gote. (vgl. vriunt bei der decl. des part. praeſ.)
Nach lab. und gutt. ſind ſolche apocopen ganz zu mei-
den, z. b. kein lop, tac, hac f. lobe, tage, hage. —
γ) das unſtumme, tonloſe e pflegt ausnahmsweiſe in ſubſt.
mit geminiertem conſ. wegznfallen, vgl. ſchal (ſonitu)
Parc. 28c Wilh. 2, 19a ſtatt des üblicheren: ſchalle und
gleichergeſtalt würde kus, ſin, tan, val etc, wohl für
kuſſe, ſinne, tanne, valle hingehen, vgl. die anomalie
man f. manne. Der gen. kuſſ f. kuſſes iſt tadelnswerth. —
δ) ähnliche ausnahmsweiſe dativkürzungen (bei tonloſem
e) auch in andern fällen, vgl. grâl Parc. 105a 106b 113b
ſt. grâle; lîp ſt. lìbe Nib. 1363. 6720. tôt ſt. tôde Nib.
4402, zumahl, wenn ein anderes ſubſt. im gen. voran-
ſteht und gleichſam incliniert. Genitive wie prîſſ
(? priſſ) f. prîſes, âbents f. âbendes (oben ſ. 367.) vriunts
f. vriundes etc. ſind nicht nachzuahmen (vgl. vriunt bei
der decl. des part. praeſ.). — 3) vom ſchwanken des
geſchlechts (manche wörter ſind mundartiſch neutra
z. b. bal, tonf, zil, lop etc.; einige fem. z. b. man,
(juba) im dritten buche. — 4) die unter 6. genannten
[670]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſc. zw. u. dr. decl.
vocalanslautigen ſchieben im gen. und dat. wein: ſê, ſêwes,
ſêwe; bû, bûwes oder bouwes; doch gilt abwechſelnd
der gekürzte dat. ſê, ſnê etc.; ſchuo bekommt h: ſchuohes.


Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: hirt-epl. hirt-e
hirt-eshirt-e
hirt-ehirt-en
hirt-ehirt-e

befaßt 1) wenige mit der bloßen bildung -e, nament-
lich ende (finis) êre (aes) hirſe (milium) hirte (cuſtos)
kæſe (caſeus) pfëlle (pallium) rücke (dorſum) wine (ami-
cus) weiƷe (triticum). 2) viele mit œre, als: ſciltære
(pictor ſcuti) viſchære (piſcator) etc. — Anmerkungen:
1) in dem an ſich ſeltenen wine (Nib. 3606. 8642.) ſcheint
das alte ableitungs -i zu dauern (vgl. die dritte decl.) da
ſonſt die gekürzte form win mittelhochdeutſcher wäre
(Bit. 44b 70a win: hin, ſin) vgl. Parc. 54c win: erſchin
(? erſchine, ſ. unten vorbem. 1, β zur conjug.). 2) ende
iſt häufig neutral, ebenſo êr (aes) ſt. êre; vielleicht auch
Wig. 261. (2. 7078.) êr ſtatt êre zu ſetzen? — 3) hirte
geht häufiger entw. ſtark nach erſter decl. hirt, hirtes
(M. S. 1, 192a) oder ſchwach hirte, hirten (Parc. 76b troj.
13a 14a). — 4) einige auf -œre, gehen in -er und da-
mit in die erſte decl. über (vgl. oben ſ. 369.); ſo ſtehet
Parc. 38a kochære (pharetra) in den Nib. meiſt kocher
(nicht unrichtig, vgl. gl. jun. 174. das alth. cohhar (und
M. S. 2, 195a. b wanger (cervical) ſt. wangære, 2, 196b dienèr;
häufig ritter, zuweilen rìter ſt. des früheren ritære (ſ. 384.).


Starkes maſculinum dritte declination.

Trümmer in wenigen wörtern, die -e ſtatt des al-
ten -u bewahren, unerachtet kurzer wurzelvocal voraus-
geht und zumahl nach t das ſtummgewordene -e leicht ab-
zufallen pflegt; es ſind: mëte (mulſum) ſchate (umbra) bei
Gottfr. Wirnt; ſige (victoria) ſite (mos) vride (pax) wite
(? lignum, troj. 81a) welche den ſg (der pl. wird kaum
eintreten) ganz nach hirte, wine etc. abwandeln, aber nicht
zur zweiten decl gezählt werden können, weil das -e drit-
ter keinen umlaut wirkt (d. h. kein altes i war). Für
ſchate wird ſich nirgendwo ſchete finden. Daß ſnite,
trite, ſchrite hierher hören, bezweifle ich oben ſ. 417.
Im verlaufe des 13. jahrh. weicht aber das e allmählig
und nur vride bleibt durchaus; ſige, ſchate gewöhnlich:
mët, ſit, wit gehen in die erſte über, zuweilen ſchat
[671]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. vierte decl.
und ſic. -ges, — ſun (filius) iſt, wie vuoƷ (pes) zan
(dens) ſchon im altb. vierter decl., d. h. der ſg. ſune,
vuoƷe kommt gar nicht vor.


Starkes maſculinum. vierte declination.

beiſpiel: balcpl. belg-e
balc-esbelg-e
balg-ebelg-en
balcbelg-e

befaßt jetzo bloß umlautsfähige wörter 1) einfache: aſt,
eſte (ramus) bach, beche (rivus) balc, belge (cutis) bart,
berte (barba) baſt, beſte (cortex) brant, brende (titio)
brât, bræte (lumbus) bruch, brüche (fractio) darm, der-
me (inteſt.) dôn, dœne (ſonus) drât, dræte (fil. ferri)
ganc, genge (greſſus) gaſt, gefte (hoſpes) grât, græte (ca-
cumen) grunt, gründe (fundus) gruoƷ, grueƷe (ſaluta-
tio) guƷ, güƷƷe (effuſio) harm, herme (muſtela) hals,
helſe (collum) huof, hueve (ungula) huot, huete (pileus)
klanc, klenge (ſonus) knopf, knöpfe (nodus) koch,
köche (coquus) kopf, köpfe (modius) korp, körbe (ſporta)
krâm, kræme (mercimonium) kranz, krenze (corona)
krât, kræte (galli cantus) kropf, kröpfe (ſtruma) lôn,
lœne (merces) luft, lüfte (aër) luhs, lühſe (lynx) môr,
mœre (equus) munt, münde (os) napf, nepfe (catillum)
pfâl, pfæle (ſudes) pfat, pfede (callis) pfluoc, pfluege
(aratrum) pfuol, pfuele (palus) ram, ræme (ſordes) rât,
ræte (conſ.) ruoƷ, rueƷe (fuligo) runs, rünſe (fluentum)
ſarc, ſerke (ſarcophagus) ſchaft, ſchefte (contus) ſchopf,
ſchöpfe (cirrus) ſchranz, ſchrenze (fiſſura) ſchuƷ, ſchüƷƷe
(emiſſio teli) ſlac, ſlege (plaga) ſlât. ſlæte (infumibulum)
ſpân, ſpæne (feſtuca) ſprât, ſpræte (torrens) ſpruch,
ſprüche (dictum) ſtapf, ſtepfe (paſſus) ſtranc, ſtrenge
(funis) ſtuol, ſtuele (ſella) ſturm, ſtürme (procella) ſun,
ſüne (filius) ſwanz, ſwenze (cauda) ſwarm, ſwerme
(examen) tanz, tenze (chorea) topf, töpfe (olla) tuft,
tüfte (vapor) turn, türne (turris) vanc, venge (captura)
varm, verme (filix) vlans, vlenſe (roſtrum) vluƷ, vlüƷƷe
(fluvius) vuhs, vühſe (vulpes) vunt, vünde (inventum)
vurt, vürte (vadum) vuoc, vuege (decor) vuoƷ, vueƷe
(pes) wâc, wæge (aequor) walt, welde (ſilva) wunſch,
wünſche (votum) wurf, würfe (jactus) wurm, würme
(vermis) zan, zene (dens) zopf, zöpf, zöpfe (cirrus); desgl.
verſchiedene mit vorſtehendem ge-,: gedranc, gedrenge
(turba) geluſt, gelüſte (cupiditas) etc. wofern die pl. ein-
[672]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. vierte decl.
treten. — 2) mit -el, -er gebildete; gewiß apfel, pl.
epfel (pomum) zâher, pl. zæher (lacrima), richtiger za-
her, pl. zehere [vgl. oben ſ. 438.]; ob noch andere?


Anmerkungen: 1) unter den angeführten plur. ſind
einige (beſte, ſpræte, vlenſe etc.) nur analogiſch ange-
nommen und noch unbelegt; ſie können daher [ſo wie
andere zu belegende mundartiſch] in die erſte decl. fal-
len, z. b. ſtatt des paradigma belge folgt balge aus dem
reime blâsbalgen: walgen M. S. 1, 134a. Die conſ. ver-
bindungen entſcheiden nicht gerade immer, arm, laſt,
maſt folgen der erſten, aſt, gaſt, darm der vierten decl.,
gleichwohl ſcheinen gewiſſe verbindungen, z. b. -nt
gern zu ſchwanken (Bit. 122b reimt renden : henden,
wiewohl man randen: handen ändern dürfte) und offen-
bar begünſtige die verb. rm, rn, rt, ng, ns, nz den um-
laut. Häufig inzwiſchen legen bloß ungenaue und ſpä-
tere hſſ. wörtern erſter decl. den pl. umlaut der vierten
zu, vgl. gedenke, fröſche, zölle, höven, böcke, löcke,
göte etc. M. S. 2, 178a 198a 171a. b 134b 214a troj. 145b
97a 113a etc. wo meiner anſicht nach überall der unumlaut
herzuſtellen iſt. Für ungrammatiſch halte ich namentlich
e ſtatt a in den wurzeln vieler bildungen mit -el, -en,
-er, welche im alth. ſtrenge der erſten decl. angehö-
ren; ſo leſen die älteſten Nib. hſſ. mitunter hevene
(ollae) ſetele (ephippia) ſchemele (ſcabella) trehene (la-
crimae) wegene (currus) etc. [noch dazu meiſt fehler-
haft mit æ geſchrieben] daneben aber ſchwankend das
richtige a, wie 4502 wagene, 2620c nagelen etc. Es
zwingt nichts, dieſe umlaute für gültig zu achten, und
ich würde Nib. 1507 trahenen 2295 ſchamele Wigal. 33
zagele etc. beßern. — 2) die weglaßung des caſus -e
erfolgt wie in der erſten decl., nämlich α) die des ſtum-
men nach liquidis; es kommt hier keine wurzel mit
l oder r vor, hingegen zweie mit n: zan und ſun,
gen. zans, ſuns; dat. zan, ſun; der pl. behält das e
(zene Parc. 31b troj. 26b ſüne Parc. 42b troj. 9a 128a 135a
136a; dat. zenen Parc. 138b troj. 72a) vielleicht nach-
wirkung des alten bildungs-vocals (vgl. dritte decl.);
daneben ſteht doch der gen. pl. ſun : tuon gereimt
Parc. 88c; apfel und zâher gehen nach engel und acker
(oder zaher nach ëber) außer daß ſie im pl. umlauten:
epfel, epfel, epfeln; zæher, zæher, zæhern (oder zehere,
zehere, zeheren) vgl. den gen. pl. zæher Parc. 46c
β) wurzeln mit kurzem vocal und t fehlen hier. —
γ) ausnahmsweiſe wegfall des tonloſen e in dativkürzun-
[673]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes femin. erſte declin.
gen: wâc, walt, aſt, krâm, vurt Parc. 105a 108a 127a
159a Barl. 62. ſtatt: wâge, walde, aſte, krâme, vurte etc.


Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: gëb-epl. gëb-e
gëb-egëb-en
gëb-egëb-en
gëb-egëb-e

1) einfache: ahte (cura) arke (ciſta) bëte (preces) her-bërge
(caſtrum) bîte (mora) bôie (catena) brünne (thorax) buoƷe
(ſatisfactio) ërde (terra) êre (honor) gâbe (donum) gëbe
(gratia) gerte (virga) gimme (gemma) goume (cura) grêde
(gradus) habe (portus) halde (clivus) hëlfe (auxilium) helle
(tartarus) huobe (menſura agri) huote (cuſtodia) hurte
(pugna) Parc. 94c jëhe (fama) île (feſtinatio) klage (que-
rela) klinge (lamina) koſte (ſumptus) krippe (praeſepe)
krône (corona) labe (refectio) lade (ciſta) lâge (dolus)
lêre (doctrina) linge (ſucceſſus) marke (limes) mâƷe (mo-
dus) mëlde (delatio) miete (merces) minne (amor) mîle
(milliare) muoƷe (otium) mûre (murus) onwe (campus) pfahte
(pactum) pflëge (cura) pîne (cruciatus) quâle (ſupplicium)
râche (vindicta) rede (ratio, cauſa) reiſe (iter) rinke
(fibula) rippe (coſta) Tit. 89. riuwe (dolor) rote, rotte (co-
hors) ruoche (cura) ſage (relatio) ſache (cauſa) ſange
(manipulus) ſchanze (periculum) ſchande (dedecus) ſchiure
(horreum) ſchôƷe (gremium) ſchuole (ſchola) ſèle (anima)
ſippe (cognatio) hërzeſlage (palpitatio cordis) Triſt. 8a
ſlahte (genus) ſmiuge (parcimonia) ſnîde (acies) ſorge (cura)
ſpîſe (cibus) ſprâche (ſermo) ſtate (occaſio) ſtimme (vox)
ſtiure (fulcrum) ſtrâle (ſagitta) ſtrâƷe (via) ſtroufe (caſti-
gatio?) Nib. 8096. Frîged. 31c ſtunde (hora) ſuoche (per-
quiſitio) ſuone (compoſitio) toufe (bapt. Tit. 24.? alth. toufa)
trahte (cogitatio) triuwe (fides) troufe (ſtillicidium) twâle
(mora) unde (unda) valde (ſcrinium) vëhte (pugna) vîle
(lima) vîre (celebratio) vorhte (timor) volge (ſequela)
vreide (ſeceſſus) kl. 3827. Gudr. 26a Bit. 115b vreiſe (peri-
culum) vuoge (aptitudo) vuore (alimonia) wâge (libra) wâge
(auſum) wahte (cuſtodia) wamme (venter) warte (ſpecula)
waſte (ſolitudo) wide (ſalix) wîle (tempus) wîſe (modus)
wunde (vulnus) wunne (jubilum) zange (forceps) zarge
(ſeptum) zëche (computus) zîle (linea) zinne (pinnacu-
lum). Verſchiedene mit vorgeſetztem ge-: genâde (gra-
tia) ungehabe (triſtitia) etc. — 2) bildungen mit -d (alth.
-id) als: bevilde (ſepultura) ſelde (aedes) ſælde (felicitas)
gebærde (geſtus) fröude (gaudium) etc. — 3) mit -ung:
U u
[674]II. mittelh. ſubſt. ſtark. fem. erſte decl.
handelunge (actio) manunge (admonitio) etc. — 4) mit
-niſſ: vancniſſe (captivitas) vinſterniſſe (tenebrae) etc. —
5) mit inn: küniginne (regina) mæninne (luna) mœrinne
(aethiopiſſa) wülpinne (lupa) etc. — 6) mit -en: këtene (ca-
tena) küchen (coquina) metten (matutina) vërſen (calx). —
7) mit -h: malhe (pera) furhe (ſulcus). — 8) mit -w:
varwe (color) ſwalwe (hirundo). — 9) mit -eſt: dieneſte
(ſerva) Nib. 3382. [altn. þiónuſta]. — 10) das bildende -e
iſt überall getilgt. aber noch am umlaut kenntlich, vgl.
minne, krippe, rippe, ſippe, hitze, gerte, brünne, ſün-
de etc. — 11) einige fremde: brëdige, bërle etc. —


Anmerkungen: 1) wegfall des ſtummen e und zwar
α) unerläßlich nach liquidis; hierher gehören: nahtegal
(luſcinia) ſal (traditio, conceſſio) ſchal (lanx) ſwal (gekürzt
aus ſwalwe M. S. 1, 51b) wal (electio) zal (nume-
rus) el (cubitus) kolocz 297. 325. kël (gula) dol (paſſio)
ſol (ſolea) nam (captura) Parc. 55b ram (inſtrumenti ge-
nus) Iw. 45c ſcham und ſchëm (pudor) gran (myſtax)
man (juba) Parc. 61c Triſt. 125b won, gewon (conſue-
tudo) nar (alimentum) ſchar (cohors) var (iter) var (ge-
kürzt ſtatt varwe) war (cura) ſchër (forfex); die decl.
lautet ſo:

zalpl. zalſcharpl. ſchar
zalzalnſcharſcharn
zalzalnſcharſcharn
zalzalſcharſchar

vgl. ſchar (cohortes) Bit. 80a 93a etc.; die auf n machen
jedoch den gen. dat. pl. -en, manen (jubis); küchen
macht dieſe caſus küchen (ſt. küchenn) N. 3874.; ebenſo
vërſen; këtene aber këtenen Triſt. 33cβ) ausnahme-
weiſe nach t; ſo ſtehet bët f. bëte; ſtat f. ſtate; gehört
auch ſtrut (ſilva) Tit. 129. hierher? — 2) wegfall des ton-
loſen e iſt ſelten; ich finde mehrmahls aht, ſlaht, z. b.
Nib. 5518; ſodann fêl Wigal. 224. M. S. 2, 125a buoƷ f.
buoƷe etc. — 3) ſchwanken zwiſchen ſtarker und ſchwa-
cher form wegen einſtimmung der gen. dat. pl. begreif-
lich; namentlich wechſeln beide bei den wörtern bâre
(feretrum) ërde (terra) porte (porta) brücke (pons) ſtrâƷe
(via ſtrata) u. a. m. — 4) folgende vocaliſch auslautende
wurzeln ſind im ſg. ohne alle caſus-endung: brâ (ſu-
percilium) klâ (ungula) ſlâ (veſtigium) ê (lex) drô (mi-
nae) [ſtehen folglich für brâe, klâe, ſlêe, drôe]; die
drei letzten haben keinen pl., die beiden erſten den gen.
dat. pl. brân, klân, den nom. acc. pl. bald ſtark brâ
M. S. 2, 48a 181b klâ Wigal. 234; bald ſchwach: brân,
[675]II. mittelh. ſubſt. ſtark. femin. erſte u zw decl.
klân Parc. 25c 75c. Zuweilen macht der pl. noch brâ-
wen, klâwen M. S. 2, 47b troj. 44a 45c. Die auf -î be-
halten hingegen das caſus-e, als: bîe (apis) Tit. 77.
Wilh. 2, 73b drîe (trias) klîe (furfur) krîe und ſchrîe (cla-
mor) ſamt vielen fremden: maſſenîe etc., den pl. inſofern
er üblich iſt bilden ſie ſchwach: bîen (apes) M. S. 1, 84a
Kolocz 151. Wilh. 2, 124a 53a (wo bîen zu leſen?) *) und
amîe ſchon den ſg., vgl. amîen Wigal. 104. 105.


Starkes femininum. zweite declination.

practiſch ſind, ſeit auflöſung des alth. a und î in e, alle
fem. erſter und zweiter decl. zuſ. gefallen. Doch behalte
ich die beſondere aufſtellung bei, theils weil die ſubſt.
zweiter in der regel keinen pl. gebrauchen (ausnahme
macht der dat. pl. z. b. von hulde) theils in der ſchwei-
zeriſchen mundart die alte endung i geblieben zu ſeyn
ſcheint; man vgl. gueti, grimmi, decki, ſnelli etc. in
hſſ. des Barl, und Boner. und Stalder dial. p. 208. Gleich-
wohl glaube ich, daß Rudolf ſelbſt eher das gemein-
mittelh. e geſetzt habe, als jenes mundartiſche i. — In
dieſe decl. gehören 1) eine menge aus adj. gebildeter
ſubſt. z. b. blenke (albor) brœde (fragilitas) dræte (vehe-
mentia) erge (pravitas) grimme (auſteritas) herte (duri-
ties) kelte (frigus) krenke (debilitas) krümbe (flexuoſitas)
leide (odium) liebe (amor) milte (largitas) menige (mul-
titudo) muede (laſſitudo) rœte (rubor) ſenfte (lenitas)
ſterke (fortitudo) ſtæte (conſtantia) ſueƷe (dulcedo) veſte
(arx) wilde (ſolitudo) witze (intelligentia) wîƷe (albe-
do) etc. — 2) Andere meiſt von verbis abgeleitete: er-
berme (miſericordia) bürde (onus) decke (tegmen) ecke
(acies) übergulde (inauratio) gulte (debitum) Barl. 124.
153. 252. heide (teſqua) büge (ſomnium) M. S. 1, 58a
2, 132a hulde (favor) rihte (directio) ſlihte (aequitas)
urteile (ſententia) töufe (baptiſmus) etc.


Anmerkungen: 1) zwar haben alle umlautsfähigen
wurzelvocale dieſer decl. (hulde, gulde, gulte nach ſ. 337.
U u 2
[676]II. mittelh. ſubſt. ſtark. fem. zw. u. vierte decl.
abgerechnet) den umlaut; doch gibt er kein ſicheres
merkmahl ab, theils wegen der ſeiner unfähigen wörter
(liebe, grimme etc.) theils wegen der auch in erſter decl.
umlautenden (unter n°. 10.) — 2) apocope des ſtummen
e in: ner (ſervatio) Triſt. 40c wer (defenſio) zer (con-
ſumptio) Wilh. 2, 12b (alth. nerì, werî, zerî). Zweifel-
haft gehört das häufige gër oder gir (voluntas animi,
cupiditas) hierher, oder in die vierte, nachdem ſich ein
alth. nom. ſg. kirî oder kir (wie ich vorhin ſ. 620. ange-
nommen) beweiſen läßt. Von zweiſilbigen adj. gebildete
feminina legen das e nur ab, wenn die erſte ſilbe lang
iſt, alſo z. b. diu vinſter (caligo) bitter (amaritudo) töugen
(ſecretum) alth. vinſterî, toukanî; fehlerhaft aber, wenn ſie
kurz iſt, es heißt: diu übele (pravitas) vrevele (audacia)
ëbene (planities). Die hſſ. verfehlen oft beides. — 3) zu-
weilen fallen wörter aus der vierten declin. hierher, na-
mentlich: arbeite (labor) Nib. 4248. M. S. 2, 73b zuweilen
wörter aus der zweiten in die vierte, als: urteil.


Starkes femininum. dritte declination. mangelt.


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: kraftpl. kreft-e
kreft-ekreft-e
kreft-ekreft-en
kraftkreft-e

alp, elbe (genius) M. S. 1, 50b meiſterg. 2b 37b angeſt,
engeſte? (anguſtia) ant, ente (anas) Bon. 79, 19. ax,
exe (ſecuris) arbeit, arbeite (labor) bluot, bluete (flos)
brunſt, brünſte (incendium) bruſt, brüſte (pectus) brûrte
briute (ſponſa) burc, burge (arx) geburt, gebürte
(nativitas) miſſedâht, -dæhte (ſuſpicio) diet, diete
(gens) gedult, gedulte (patientia) eich, eiche (quercus)
gans, genſe (anſer) geiƷ, geiƷe (capra) gluot, gluete
(ardor) gunſt, günſte (conceſſio) haft, hefte (manu-
brium) Ben. p. 195. hant, hende (manus) comp. mit
-heit, als: manheit, manheite etc. huf, hüffe (femur)
hurt, hürte (clathrum) hût, hiute (cutis) jugent, jügende
(juventus) kraft, krefte (vis) kunft, künfte (adventus)
kunſt, künſte (ars) âkuſt, âküſte (nequitia) leis (nix re-
cens) Parc. 67c volleiſt (auxilium) lîch, lîche (corpus)
brût-louft, löufte (nuptiae) lûs, liuſe (pediculus) luſt,
lüſte (voluptas) maget, megede; meit, meide (virgo)
maht, mehte (poteſtas) âmaht (languor) milch, milhe
(lac) comp. mit -muot, als: übermuot, übermuete etc.
mûs, miuſe (mus) naht, nehte (nox) nât, næte (ſutura)
[677]II. mittelh. ſubſt. ſtark. femin. vierte decl.
nôt, nœte (neceſſ.) genuht, genühte (abundantia) comp.
mit -nunft, als: ſigenunft, -nünfte (victoria) pfeit, pfeite
(tunica) pfliht, pflihte (nexus) rât, ræte (conſilium) M. S.
1, 131a 169b 176b Parc. 121b Wigam. 40a (wiewohl der
nom. ſg. rât unbewieſen und vielleicht ein ræte nach
zweiter decl. anzunehmen iſt?) ſât, ſæte (ſeges) comp.
mit -ſcaft, als: riterſcaft, riterſcefte. geſciht, geſcihte
(eventus) ſchrift, ſchrifte (ſcriptura) ſchult, ſchulde *)
(debitum) angeſiht, angeſihte (facies) ſnuor, ſnuere (fu-
nis) ſtat, ſtete oder ſtet (locus) ſtuot, ſtuete (equa) ſûl,
ſiule (columna) tât, tæte (factum) tagalt, tagalte (jocus)
der bildung nach vielleicht richtiger tagelte nach zwei-
ter. tugent, tügende (virtus) tuht, tühte (valor) Ben.
p. 165. tult, tulde (celebratio) vart, verte (iter) vluot,
vluete (fluctus) vluſt, vlüſte (jactura) vruht, vrühte (fructus)
vûſt, viuſte (pugnus) want, wende (paries) wât, wæte
(veſtis) wërlt, wërlde (mundus) inziht, inzihte (incul-
patio) zît, zîte (tempus) zuht, zühte (diſciplina).


Anmerkungen: 1) die vocalauslautenden vlô (pulex) kuo
(vacca) vluo (rupes) ſû (ſus) ſcheinen im ſg. unverän-
derlich, im pl. vlœhe, kueje, vluehe, ſiuwe zu bekom-
men. klû M. S. 2, 182a im reim auf vlû ſt. vluo iſt mir
unklar. — 2) nach wegfallendem ſtummen e könnte nur
in den wörtern kur (arbitrium) tur (porta) gir, gër (cu-
piditas) bin (apis) frage ſeyn. Die [beiden] erſten wür-
den dann den nom. acc. ſg. kur, tur, die übrigen ca-
ſus umlautend kür, tür machen; jenen nom. und acc.
vermag ich aber nicht ſtrenge zu erweiſen, da ſelbſt die
alth. tur und kir nicht über den zweifel hinaus ſind, ob
ſie vielleicht turî, churî, kirî nach decl. II. lauteten? bin
hat den pl. nom. bin, gen. bin, dat. binen. — 3) alle
wörter dieſer decl. können im gen. und dat. ſg. das e ab-
legen, alſo beide caſus dem nom. und acc. gäozlich gleich
machen. Seltner geſchieht es im gen. (vruht Parc. 126a
vart Parc. 24c bruſt Parc. 1c diet Parc. 46a zuht Parc. 39b
nôt Tit. 102. 110. tât Tit. 14. etc.) hänſiger im dat. (nôt
Iw. 20c Parc. 105c kraft Parc. 28a 107b 123a hant Parc.
102b 106a wât Parc. 108a angeſt Tit. 43. vruht Parc. 106c
diet Parc. 110a etc.) Mit den unveränderlichen formen
vruht, vart etc, wechſeln die declinierenden gen. dat. vrühte,
[678]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte decl.
verte ab. Ich ſehe hier keine apocope des tonloſen flexions-
vocals (wie in decl. 1. anm. 2.) und zwar α) weil bei
apocope, wenigſtens des ſtummen e, der wurzelumlaut
bleibt; es heißt z. b. ner, her (alth. nerî, heri) nicht
nar, har; hier aber umgekehrt vruht, tât, vart, nôt und
nicht vrüht, vert, tæt, nœt. β) weil die in gleichem
buchſtabenverhältniß befindlichen nom. gen. acc. pl. das
e nie ablegen (kein tât, vart für tæte facta, verte itinera).
γ) weil die, folglich bloß den ſg. angehende indeclina-
bilität ſpurweiſe bereits im alth. vorkam (oben ſ. 620.
no. 4. 630. no. 3.) wo an keine apocope des unbetonten
caſus vocals zu denken iſt. δ) weil dies e im neuh.
nothwendig wegfällt, nicht bloß, wie das tonloſe,
wegfallen kann. — 4) vom fem. art (natura, cultura,
genus) finde ich nur die unveränderliche form des
ſg;., niemahls den gen. dat. erte; daneben bedienen
ſich dieſelben denkmähler wechſelnd und häufiger des
maſc. art, ardes, arde, [wie im angelſ, ëard] doch auch
nicht im pl. Letzteres ſcheint mir ſtets die bedeutung
von genus, indoles zu beſitzen, während das fem. zu-
gleich den abſtracten begriff von modus (art und weiſe)
ausdrückt. — 5) ich zähle noch die nur im ſg. und ganz
unveränderlich vorkommende form -în hierher: küni-
gîn, meiſterîn, hërzogîn etc.; kürzung der daneben gül-
tigen form -inne (erſte ſt. decl. no. 5). Inſofern auch
-in eintritt, dürſte dieſes der erſten decl. angehören und
wie küchen, vërſen beurtheilt werden; vgl. oben ſ. 368.
und unten die dritte ſchwache decl.


Starkes neutrum, erſte declination.

beiſpiel: wortpl. wort
wort-eswort-e
wort-ewort-en
wortwort

1) einfache: âs (cadaver) bal, -lles (pila) Wigal. 199.
bant, -des (vinclum) barn (infans) bat, -des (balneum)
blat, -tes (folium) bloch (truncus) brôt (panis) bunt,
-des (pellis) buoch (liber) dach (tectum) diech, -hes (ſemur)
dinc, -ges (res) gëlt (praeſtatio) glas (vitrum) golt (aurum)
abgot (idolum) gôƷ (junctura tecti) Triſt. 122c 124a grap,
-bes (ſepulcr.) gras (gramen) guot (bonum) hap. -bes
(portus) Parc. 187a hâr (crinis) heil (ſalus) horn (cornu)
hûs (domus) huon (pullus) jâr (annus) îs (glacies) kar
(vas) kint, -des (infans) kleit, -des (veſtis) krût (herba)
lamp, -bes (agnus) lant, -des (terra) liet, -des (carmen)
[679]II. mittelh. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte decl.
lit, -des (membrum) loch (foramen) loup, -bes (folium)
mâl (ſignum) maƷ (cibus) mëƷ (menſura) mein (nefas)
mies, mos (muſcus) nëſt (nidus) ort, -tes (cuſpis) ors
(equus) pfant (pignus) pflac, -ges (morticinium) Bon. 73,
26. rat, -des (rota) rêch, -hes (caprea) riet, -des (carex)
rint, -des (armentum) rîs (virgultum) rôr (arundo) ros,
-ſſes (equus) ſahs (culter) ſant, -des (littus) underſcheit,
-des (diſcrimen) ſchâf (ovis) ſchif (navis) ſchrîn (ſcri-
nium) ſeil (funis) ſêr (dolor) beſëƷ (obſidium) ſlôƷ (clau-
ſtrum) ſpër (haſta) ſpor (veſtigium) ſpil (ludus) ſtat, -des
(littus) ſwërt (enſis) ſwîn (ſus) tal (vallis) teil (pars)
tier (animal) tor (porta) trân (flumen) tuoch (pannus) vahs
(capilli) vaƷ (vas) viur, viuwer (ignis) volc, -kes (pop.)
wal (campus) wërc, -kes (opus) wiht (creatura) wîp,
-bes (femina) wort (verbum) zil (terminus) — 2) bil-
dungen, -el, -em, -en, -er, als: ſchapel (ſertum) ga-
dem (aedes) ellen (virtus) îſen (ferrum) lachen (pannus)
wâpen (arma) wolken (nubes) zeichen (ſignum) eiter (virus)
îſer (ferrum cuſum, bei Wolfr. von îſen dem unverarbei-
teten metall unterſchieden) laſter (vitium) lëger (cubile)
luoder (eſca) waber (viſio) waƷƷer (aqua) wëter (tempe-
ſtas) *) etc. — 3) lingualbildungen: houbet (caput) lieht
(lux) pfert (equus) ôbeƷ (pomum) dieneſt (miniſterium)
etc. — 4) gutturalbildungen: honec, -ges (mel) march
(equus) vërch (vita) — 5) vocalauslautige mit vorbre-
chendem w als rê, rêwes (funus) knie, kniewes (genu)
tou, touwes (ros) blî, blîwes (plumbum) mël, mëlwes
(far) hor, horwes (lutum), ei (ovum) hat eiges. —
6) comp. mit ge-, als: gebot (mandatum) etc.


Anmerkungen: 1) vom ſtummen e gelten die oben
ſ. 668. beim maſc. vorgetragenen regeln; man decliniere
folglich:

zilpl. zilſpërpl. ſpër
zil-szilſpër-sſpër
zilzil-nſpërſpër-n
zilzilſpërſpër

und nach zil weiter: ſpil (ludus) tal (vallis) mal (fer-
culum, verſch. von mâl, mâles?) wal (campus ſtra-
gis) hol (foramen); nach ſpër aber: kar (vas) ſpor
(veſtigium) tor (porta); ebenſo gehen mël (far) hor (lu-
tum) wenn ſie im obliquen caſus das alte w nicht
[680]II. mittelh. ſubſt. ſtark. neutr. erſte u. zw. decl.
mehr brauchen. Der gen. pl. ſpër (und nicht ſpëre)
findet ſich häufig, z. b. Tit. 67. Parc. 17b 19c 23c 82b
84a. b. 92a 93a Wigal. 129. (z. 3440.) 246. (z. 6667. wo alle
hſſ. ſpër leſen) ſpil (ludorum) Bit. 122a mal (ferculorum)
kolocz 163. Wigal. 7. (z. 121.) leſe man hor oder
mit cod. C. horwe. — îſen, laſter etc. declinieren vôl-
lig wie meiden, acker ſ. 669. gadem und lëger aber wie
wort. — 2) das tonloſe e wird ausnahmsweiſe gekürzt
in vël (cute) ſt. vëlle Parc. 64b 122a; ros (equo) ſt. roſſe
Wigal. z. 2005. und 11112 ros (equorum) ſt. roſſe; pfert
ſt. pferde Parc. 125a hâr ſt. hâre Wilh. 2, 7b wîp ſt. wîbe
Nib. 3516; lant f. lande in den Nib. mehrmahls und
ähnlicher fälle mehr. — 3) folgende haben im pl. das
paragogiſche (umlaut wirkende) er: bender. bleter. blö-
cher. buecher. dieher. dörfer. eiger. abgöter. greber. hue-
ner. hiuſer. kelber. kinder. kleider. kriuter. lember.
lider. lieder. löcher. löuber. örter. pfender. reder. rêher.
rieder. rinder. rîſer. röſſer. telr. tuecher. welfer (catuli)
wîber. zwîer (rami) und wohl andere, die mir noch
nicht vorgekommen ſind. Von den meiſten gilt zu-
gleich der pl. ohne -er, einige haben immer -er, an-
dere nie; das nähere gehört nicht hierher in die flexions-
lehre. Die decl. der pl. auf -er richtet ſich nach dem
Io eben für das bildungs -er in lëger und laſter ent-
wickelten unterſchiede; es heißt:


  • reder
  • reder-e
  • reder-en
  • reder

und


  • wîber
  • wîber
  • wîber-n
  • wîber

daher mit recht: klage 3892 (4027.) ſwërter (enſium) Parc.
123c wîber (feminarum). telr (valles) vermuthlich auch
hölr (foramina) weil in ihnen (nach ſ. 374.) das ſtumme e
der zweiten ſilbe erliſcht, machen die gen. dat. telre,
telren; hölre, hölren.


Starkes neutrum. zweite declination.

künn-epl. künn-eberpl. ber
künn-eskünn-eber-sber
künn-ekünn-enberber-n
künn-ekünn-eberber

1) bildungen mit bloßem -e: bette (lectus) bilde (ima-
go) erbe (hereditas) ende (finis) ecke (acies Bit. 110a)
ellende (exſilium) abgründe (abyſſus) heile (ſalus) leich
des von ruge p. 459. hirne (cerebrum) kinne (mentum)
kleinœde (xenium, clenodium) kriuze (crux) künne
[681]II. mittelh. ſubſt. ſtark, neutr. zw. u. dr. decl.
(genus) urliuge (bellum) antlütze (facies) mære (fabula)
mütte (modius) netze (rete) œle (oleum) pâradîſe (para-
diſus) rîche (regnum) rippe (coſta) Parc. 19c ſtücke (fru-
ſtum) ſwelle (limen) ſtüppe (pulvis) tenne (area) tinne
(tempus capitis) wette (pignus, obligatio) wiƷe (ſuppli-
cium) antwürte (reſponſum) — 2) mit der vorſilbe ge-:
gebeine (oſſa) gedigene (famulitium) gedürne (dumetum)
gegihte (arthritis) gehilze (capulus) gelücke (fortuna)
gemuets (animus) geſlehte (genus) getihte (carmen) ge-
vilde (planities) und viele ähnliche.


Anmerkungen: 1) umlautsfähige wurzelvocale lauten
beſtändig um; ob es mit kleinœde ſeine richtigkeit hat?
die meiſten hſſ. liefern kleinôde Parc. 146a 186c Triſt. 16a
78a Barl. 250. hingegen kleinêde Wig. 53 und 151. das
verkürzte kleinêt; Ottoc. 598b kleinêt (:hêt gereimt);
En. 92b 98b clînôte (? clênôde) — 2) die durch wegfall
des ſtummen e verkürzten wörter können practiſch der
erſten decl. beigezählt werden, wie das paradigma ber
zeigt. Es ſind folgende: ber (bacca) her (exercitus) mer
(mare) und mehrſilbige wie gewæfen (armatura) gezim-
ber (tabulatum) alth. kiwâfani, kizimpari. Den gen.
pl. belege ich mit wîn-ber (weltchron. Schütze p. 210.)
wîbe-her (Parc. 85b) — 3) göu (pagus) höu (foenum)
find kürzung der daneben gültigen formen göuwe, höu-
we. — 4) einſchiebung des -er im pl. finde ich in
kleinœter Flore 7b; gevilder von gevilde und getel, pl.
getelre iſt mir noch nicht vorgekommen.


Starkes neutrum. dritte declination.

ſpuren in vihe (pecus) wite (lignum), welches letztere
meiſtens maſc. erſcheint, auch in wit apocopiert wird.


Schwaches maſculinum.

beiſpiel: haſ-epl. haſ-en
haſ-enhaſ-en
haſ-enhaſ-en
haſ-enhaſ-en

1) einfache: affe (ſimia) an oder en (avus) ande (ira) ar
(aquila) bache (porcus) balle (muſculus manus) balme
(palma) Barl. 114. bër (urſus) bluome (flos) boge (arcus)
bote (nuntius) brache (canis) brunne (fons) buole (ama-
tor) dil (aſſis) georg 38a enke (ſervus) erbe (heres) garte
(hortus) gêre (ſinus veſtis) ginge (deſiderium) grabe (foſſa)
grâve (comes) grîfe (gryphus) gupfe (culmen) Parc. 39a
orthabe (auctor) ham (hamus) hamme (poples) haſe (le-
[682]II. mittelh ſubſt ſchwaches maſculinum.
pus) hërre (dominus) einhürne (unicornis) *) kempfe (pu-
gil) knabe (puer) knappe (armiger) knolle (nodus) knurre
(truncus) koche (navis) kol (carbo) lewe, leu (leo) mâne
(luna) mâſe (cicatrix) meige (majus) merze (martius) nam,
name (nomen) narre (ſtultus) ohſe (bos) pfaffe (clericus)
pfage (equus) pfarre (taurus) troj. 68a 71a. c. pfâwe, pfâ (pavo)
queſte Parc. 28a) rappe (corvus) recke (vir fortis) rîfe
(pruina) riſe (gigas) rite (febris) ron (truncus) rüde (canis)
ſâme (ſemen) ſchade (damnum) ſchate (umbra) [bei Wolfr.
Conr. u. a.] ſeite (chorda) ſchenke (pincerna) ſil (funis)
ſlange (ſerpens) ſlite (traha) ſmërze (dolor) ſpache (ra-
mus) ſpar (paſſer) ſpor (calcar) ſprünge (ſaltator) ſtër
(vervex) kolocz 395. ſtërne (ſtella) ſtolle (fulcrum) wider-
ſtrîte (adverſarius) ſwan (cignus) ſwalme (hirundo) walt-
ſwende (lignum perdens, i. e. heros) ſunne (ſol) tôre
(ſtultus) tote (patrinus) trache (draco) trappe (tarda) tûme
(pollex) turſe (gigas) van (pannus, vexillum) vauke (ſcin-
tilla) vinke (fringilla) volle (abnndantia) Nib. 8347. 9433.
vol (pullus equi) ſachwalte (cauſidicus) grieƷwarte (praeco)
waſe (ceſpes) weiſe (orphanus) wîtweide (late paſcens)
wër (vas, -dis, ſatisdans) wërre (ſcandalum) wille (vo-
luntas) zapfe (dnciculum) her-zoge (dux) und viele an-
dere, namentlich aus verbis gebildete. — 2) bildungen
mit -el, -em, -en, -er als: nabele (umbilicus) einſidele
(eremita) balſem (balſamus) bëſme (ſcopa) heiden (ethni-
cus) chriſten (chriſtianus) këvere (brucus) habere (avena)
reiger (ardea) vetere oder vetter (patruus) **). — 3) an-
dere bildungen: menſche (homo) ſwërde (dolor). — 4)
verſchiedene fremde wörter; aberëlle (aprilis) criſtalle,
cocatrille (crocodilus) etc. — 5) compoſita mit ge- ge-
bûre (ruſticus) gedinge (ſpes) geloube (fides) geſelle (ſo-
cius) gevatere (patrinus) etc.


Anmerkungen: 1) das ſtumme e fällt nach 1, r noth-
wendig und gänzlich weg; man decliniere
[683]II. mittelh. ſubſt. ſchwaches maſculinum.

kol *)pl. kol-narpl. ar-n
kol-nkol-nar-nar-n
kol-nkol-nar-nar-n
kol-nkol-nar-nar-n

und darnach: dil, ſil, vol, ſpar, bër, ſtër, wër, ſpor.
Nach m und n fällt es nur im nom. ſg. weg, nicht in
den übrigen caſus, weil mn oder nn mislauten würde.
Die älteren dichter hegen es hier auch noch im nom. ſg.
Wolfr. namentlich gebraucht name (nomen) geſchieden
von nam (cepit); die ſtrengmittelh. decl. lautet aber:

nampl. nam-envanpl. van-en
nam-ennam-envan-envan-en
nam-ennam-envan-envan-en
nam-ennam-envan-envan-en

ebenſo gehen: ham, an, han, ſwan, ron; ſpätere denkmäh-
ler geſtatten ſich zuweilen den dat. vanne, vanen (im Tit.
auf manne gereimt). wozu theils der nom. van, theils die
richtig kurze ausſprache des a in vanen (beinahe van’n)
verleitete; doch findet ſich kein analoges aune, ſwanne,
ronne. MehrGlbige bildungen -en mit ſtummen e (alſo
langer erſter ſilbe) namentlich chriſlen, heiden (alth. chri-
ſtano, heidano) können entw. nach van gehen, pl. chri-
ſtenen, heidenen, oder (wie die ſtarken ſubſt. meiden,
woken im dat. pl.) das flexions -en überall wegwerfen,
in welchem falle ſie ganz indeclinabel alle caſus dem
nom. ſg. gleichmachen, (dies darf nicht verleiten, ſie für
ſtark zu halten, denn nie gilt der gen. heidens, chri-
ſtens). — 2) nach t fällt das ſtumme e nicht regelmäßig
weg, ſondern nur ausnahmsweiſe bisweilen im nom.
ſg. als: bot, tot, ſchat, rit ſtatt bote, tote, ſchate, rite;
in den übrigen caſus aber boten etc. kein botn. —
3) das tonloſe (unſtumme) e muß immer bleiben und
buol, mân f. buole, mâne wären fehlerhaft; aus glei-
chem grunde einſidel, gevater ſtatt einſidele, gevatere. —
4) umlaut in dieſer decl. zeigt die alth. zweite decl. an,
z. b. recke, einhürne, ſchenke ein hreckjo, einhurnjo,
ſcenkjo; da ſich neben vol (Parc. 132b M. S. 2, 152b
troj. 110b) vül (M. S. 1, 80. Vrîbërc 16c) findet, mag auch
ein alth. vuljo neben volo behauptet werden.


[684]II. mittelh. ſubſt. ſchw. ſemin. erſte decl.
Schwaches femininum. erſte declination.

beiſpiel: zung-epl. zung-en
zung-enzung-en
zung-enzung-en
zung-enzung-en

1) einfache: albe (mons) ameiƷe (formica) amme (nu-
trix) an (avia) aſche, eſche (cinis) barte (aſcia) baſe (ami-
ta) bir (pirum) biule (ulcus) blate (thorax) bütte (dolium)
brücke (pons) galle (fel) garbe (manipulus) gelle (pellex)
gërſte (hordeum) glocke (campana) gruobe (fovea) halbe
(latus) halſe (collare) harpfe (nablium) henne (gallina)
hinde (cerva) hoſe (braccae) hütte (tugurium) kanne
(cantharus) kappe (cucullus) katze (felis) kefſe (capſula)
kirche (eccl.) kiſte (ciſta) kiule (fuſtis) kon (uxor) kreie
(cornix) lache (palus-dis) linde (tilia) lîte (clivus) loube
(umbraculum) lücke (lacuna) mâſe (cicatrix, oder männl.?
vgl. Wilh. 2, 42a) minze (mentha) mül (mola) muome
(amita) naſe (naſus) olbende (camelus) ouwe (pratum)
pfanne (frixorium) pfîfe (tibia) porte (porta) rëbe (vitis)
rinde (cortex) rinne (canalis) rœre (calamus Parc. 123a)
ruote (virga) ſchalte (remus) ſcharte (inciſura) ſchîbe
(orbis) ſchirbe (teſta) ſchmitte (officina) ſchrunde (fiſſura)
ſchuppe (ſquama) ſëhe (viſus) ſîde (ſericum) ſîte (latus)
ſiure (acarus) ſlinge (laqueus) ſnite (buccella) ſpinne (ara-
nea) ſprîƷe (feſtuca) ſtange (contus) ſtande (cupa) ſtrange
(reſtis) ſtrieme (virga) ſtube (vaporarium) ſunne (ſol)
ſwarte (cutis) tanne (abies) taſche (pera) tincte (atramen-
tum) tûbe (columba) valte (plica) vaſte (jejunium) veile
(linteolum) vîge (ficus) vliege (muſca) vrouwe (femina)
wage (cunae) wanne (vannus) wëlle (unda) wîde (ſalix)
wicke (vicia) woche (ſeptimana) wülpe (lupa) wunde
(vulnus) zange (forceps) zêhe (dig. pedis) zunge (lin-
gua) u. a. m. — 2) bildungen mit -el, -er: buckel (um-
bo) geiſel (flagrum) gugele (cucullus) gürtel (cingulum)
inſel (inſula) nëſtel (vitta) niftel (neptis) tâvel (tabula)
twehele (mappa) vackel (taeda) videle (fides, -ium)
zwiſele (furca) âder (vena) âgelſter (pica) gâlander (ga-
lerita) kamere (camera) kulter (culcitra) natere (vipera)
vëdere (penna) u. a. m. — 3) mit -ew: ſënewe (nervus)
ſwalewe (hirundo) witewe (vidua) — 4) mit der vorſilbe
ge-: geſpil (ſocia) gevatere (commater) gemâle (ſponſa) etc.


Anmerkungen: 1) regelmäßiger wegfall des ſtummen
e nach liq. wie beim maſe., mül, geſpil, nëſtel, niftel etc.
gehen wie kol; bir, âder, âgelſter etc. gehen wie ar;
[685]II. mittelh. ſubſt. ſchw. fem. erſte, zw. u. dr. decl.
kon gehet wie van. — 2) ausnahmsweiſer wegfall des
ſtummen e nach t könnte im nom. ſg. blat, ſnit eintre-
ten. — 3) ob die bildung -en bei dieſer decl. auch in
betracht kommt? iſt zweifelhaft, da z. b. küchen, vër-
ſen ſchwach gerade ſo wie ſtark lauten müſten, nämlich
der ſtarke gen. küchen ſtände f. küchene, der ſchwache
gen. küchen f. küchenen (wie wolken, heiden f. wolke-
nen, heidenen). Sonſt ſcheint mir das ſeltene dieren
(ancilla, virgo) Parc. 62a allerdings hierher gehörig, und
ſteht für dierene, dierne, lautet aber dirne (gen. dir-
nen?) ſchmiede 355. 1797. verkürzt dirn M. S. 2, 82a
4) ſchwanken zwiſchen ſchw. und ſt. form ſ. oben
ſ. 674. anm. 3. 4.


Schwaches femininum. zweite declination.

in die erſte übergegangen; die wörter oft erkennbar am
umlaut (mül, rœre) oder an gemin. conſ. (ſchmitte
alth. ſmitja?)


Schwaches femininum. dritte declination.

ſpuren in mengîn (multitudo) Flore 49c 55b 59a menigîn
(multitudine) M. S. 1. 38b bürden (onus) Frib. 21b bürden
(oneris) Flore 5b Wilh. 3, 176a gewöhnlich gehen jetzt
menige, bürde (troj. 8c 12c Wilh. 2, 36b) nach zweiter
ſtarker. Vielleicht dürfen noch andere, z. b. mænîn
(luna) hërzogîn, heidenîn, als aus den maſc. mâne, her-
zoge, heiden moviert hierher genommen werden, wie-
wohl ich kein alth. mânîn, herzogîn, heidenîn (goth.
menei, haritaúhei, háiþnei?) zu belegen vermag; vgl.
anm. 5. zur vierten decl.


Schwaches neutrum.

beiſpiel: hërz-epl. hërz-en
hërz-enhërz-en
hërz-enhërz-en
hërz-ehërz-en

nur die wörter hërze (cor) ôre (auris) ouge (oculus)
wange (gena) *)). Wie im alth. gilt ausnahmsweiſe hërze,
ouge, ôre, wange im nom. acc. pl. Nib. 3251. Triſt. 75a
86a 88a 121b Parc. 5a etc. Selbſt im dat. ſg. hërze Triſt.
35b Tit. 30. M. S. 1, 174a wange Triſt. 9c.


[686]II. mittelh. ſubſtantiv. anomalien.
Anomalien der mittelhochdeutſchen ſubſtantive.

  • 1) vater, bruoder, muoter, ſwëſter, tohter im ſg. un-
    veränderlich; den pl. lauten einzelne hſſ. um in veter,
    brueder, mueter, töhter, doch ſcheint das ſpätere
    verderbnis. Nicht mehr beweiskraft haben die ſchwa-
    chen pl. tohteren, ſwëſteren troj. 81c 82a 97b 101c
    107a. Zu unterſuchen bleibt, ob ſwëher, ſwêher, (ſocer)
    Wilh. 2, 83a 182bſwiger (ſocrus) ſwâger (maritus ſo-
    roris) Wilh. 3, 63b auf trâger (tardius) reimend, gleich-
    falls unveränderlich ſind; nach dem goth. ſvaíhra,
    ſvaihrô ſollte man die ſchwache form ſwëhere, ſwigere
    erwarten, allein auch im alth. gilt ſuëhar, ſwigar, kein
    ſuëhero, ſwigera.
  • 2) man ſowohl ganz unveränderlich für alle caſus ſg. und
    pl. (gen. ſg. lw. 21c Parc. 48a dat. ſg. Parc. 43a gen. pl.
    Nib. 308. Bit. 58a dat. pl. Bit. 56a 90a) als nach der
    erſten ſt. maſc. decl. gen., mannes, dat. manne; gen.
    pl. manne, dat. mannen. Doch lautet nom. acc. pl.
    immer man, niemahls manne. Oft beiderlei form ne-
    beneinander, z. b. von manne ze man Wilh. 2, 35b.
  • 3) naht nach vierter weibl. gen. dat. nehte M. S. 2, 185b
    fragm. 31c; zuweilen ohne umlaut nahte M. S. 2, 66b
    108b; zuweilen das indecl. naht (noctis) M. S. 1, 63b;
    ſeltner männlich, mit dem gen. nahtes (vgl. M. S. 1, 37a
    des nahtes) der aber häufig adverbialiter vorkommt. —
    diet ſcheint im mittelh. überall weibl. und nur in nie-
    derd. quellen (En. Roth. etc.) zeigt es ſich männlich. —
    buoch iſt entſchieden neutrum.
  • 4) von einſchiebung des -er vorhin ſ. 680.; einſchie-
    bung des -en kommt nicht vor, ſelbſt nicht bei aus
    der ſchweiz gebürtigen dichtern, nur lüge (mendacium)
    zeigt Nib. 18227. den pl. lügene. Man vgl. aber die
    zur dritten ſchw. weibl. decl. angemerkten ſpuren des
    -în, in, -en. Neutrale diminutiva gehen ſchon im
    nom. ſg. auf -lîn, ſehr ſelten auf -lî aus (vgl. vin-
    gerlî griffelî Flore 11a 35c trûtlî amur 14c minnerlî
    fragm. 15a; näheres bei der wortbildung).
  • 5) ſchwanken zwiſchen ſt. und ſchw. form z. b. gebûr,
    gebûre ſ. 667. 682 n. a. m. vgl. 674.

Mittelniederdeutſches ſubſtantivum.


Die beſchränktheit der quellen läßt keine eigentliche
darſtellung der declinationsflexionen zu; bedeutende ab-
[687]II. mittelniederl. ſubſt. ſtark. maſc. erſte decl.
weichungen vom mittelhochdeutſch, wenn ſie ſtatt fän-
den, würden ſich immerhin verrathen. Ich nehme da-
her im ganzen die gültigkeit der mittelh. declinationen
an, doch ſcheint 1) der umlaut enger begrenzt, wes-
halb z. b. die vierre männl. decl. vielleicht nur die wör-
ter begreifen könnte, welche das a ſing. im pl. zu e
verwandeln. 2) der plur. neutr. noch öfter auf -e en-
digend, z. b. vate (vaſa) hôvede (capita) etc. 3) vom
altſ. -s des pl. maſc. erſter und zweiter decl. iſt keine
ſpur. 4) ob die kürzung des ſtummen e nach den mit-
telh. grundſätzen erfolge, wage ich nicht zu behaupten.


Mittelniederländiſches ſubſtantivum.


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: viſſcpl. viſſc-e
viſſc-esviſſc-e
viſſc-eviſſc-en
viſſc-cviſſc-e

1) einfache, als: aerm, aerme (brachium) baert, baerde
(barba) bërch, bërghe (mons) dach, daghe (dies) dief,
dieve (fur) dwaes, dwaſe (ſtultus) êt, êde (juramentum)
gaſt, gaſte (hoſpes) god, gode (Deus) hont, honde (ca-
nis) kêr, kêre (iter) maech, maghe (propinquus) moet,
moet (animus) mont, monde (os) mûr, mure (murus)
nap, nappe (crater) pat, pade (ſemita) ram, ramme (aries)
raet, rade (conſilium) ries, rieſe (ſtultus) ſaerc, ſaerke
(ſarcophagus) ſcalc, ſcalke (ſervus) ſcat, ſcatte (theſ.)
ſcilt, ſcilde (clypeus) ſin, ſinne (ſenſus) ſlach, ſlaghe
(ictus) ſpronc, ſpronghe (ſaltus) ſtaf, ſtave (baculus) ſtèn,
ſtêne (lapis) ſtier, ſtiere (taurus) top, toppe (cirrus)
traen, trane (lacrima) vaec, vake (ſomnus) wolf, wolve
(lupus) worp, worpe (jactus) und viele andere. — 2) bil-
dungen mit -el, -en, -er, als: appel (pomum) crëkel
(cicada) inghel (angelus) ſlôtel (clavis) raven (corvus)
ëver (aper) lachter (vitium) vingher (digitus) etc. —
3) mit -inc, -linc: jonghelinc, jongelinghe; ballinc
(maleficus) coninc, coninghe etc.


Anmerkungen: 1) die voc. und conſ. veränderungen
richten ſich nach der buchſtabenlehre, man halte aerm;
traen, trane; voet, voete etc. für keinen umlaut (in
hochd. ſinne) — 2) die mittelh. regeln vom ſtummen e
ſind unanwendbar; zuweilen wird das e im gen. ſg.
[688]II. mittelniederl. ſubſt. ſt. maſc. erſteu. zw. decl.
ausgeſtoßen, als bërchs, diefs, honts, maechs, ſcats,
coninx neben bërghes, dieves, hondes, maghes, ſcattes,
coninghes. Das dative caſus-e bleibt immer. — 3) da-
gegen kann das e der bildungen el, er wegfallen, z. b.
vogle, apple, applen ſt. voghele, appele, appelen. —
4) der ſächſ. pl. auf -s zeigt ſich nur in der anomalie
mans und zuweilen in den aus der zweiten decl. über-
tretenden bildungen -er ſtatt -ere (ſ. die zweite decl.)
5) übergänge der plur. caſus in die ſchwache form fin-
den ſich zwar verſchiedentlich in den denkmählern, mei-
ſtens aber an unbeglaubigten ſtellen, d. h. außerhalb dem
reim. So lieſt man Maerl. 3, 159. zeile 45 duvelen (dia-
boli), zeile 48 richtiger duvele; 3, 206. inghelen (ange-
lorum) 1, 47. wolven, voſſen (lupos, vulpes) 2, 118.
corven (corbes) 3, 119. zeile 23 ſtênen (lapides) zeile 25
richtiger ſtêne; 1, 46. appelen (poma) 1, 403. daghen
(dies) Rein. 366. daghen etc.; nichts hindert hier über-
all -e herzuſtellen und das -en für einen fehler der hſ.
oder der ausgabe zu nehmen. Im reim, wo die lesart
unabweiſlich iſt, ſteht faſt durchaus ſtarke form; Maerl.
3, 71. finde ich daghen: claghen, man könnte gleich-
wohl ſt. des inf. das ſubſt. claghe ſetzen, und Rein. 361.
iſt ſicher trane: grane f. tranen:granen zu leſen; (vgl.
die anm. zur erſten weibl. decl.) — 6) vîant und vrient
machen den pl. vîande, vriende Maerl. 2, 125. doch
ſtehet Rein. 332. Maerl. 2, 135. auch der pl. vrient
(:verdient).


Starkes maſculinum. zweite declination.

1) die wenigen auf bloßes -e, als hërde (cuſtos) rugge
(dorſum) weite (triticum) gehen ſchwach, gen. hërden,
weiten, ruggen. — 2) die zahlreichen bildungen auf
-are, -ere ſind ſchwankend, nämlich α) die auf -are
[welche form gewöhnlich eintritt, ſobald ein unbeton-
tes -el, -en, -er vorausſteht, z. b. loghenare (mendax)
droghenare (fallax) mordenare (homicida) molenare (mo-
litor) maertelare (martyr) kërſelare (ceraſus) wiſſelare
(numularius) tôverare (veneficus) etc. doch finden ſich
außerdem: pilare (fulcrum) outare (altare) ſondare (pec-
cator) u. e. a.] pflegen ſchwach zu declinieren, alſo im
gen. ſg. und nom. pl. maertelaren etc. — β) die auf
-ere [eintretend, wenn dieſe bildung unmittelbar an
die wurzel rührt, als: backere (piſtor) voetganghere
(pedeſter) dëlvere (foſſor) dorpere (ruſticanus) ghëvere
(dator) hoedere (cuſtos) jaghere (venator) lëſere (lector)
[689]II. mittelniederl. ſubſt. ſt. maſc. zw. u. vierte decl.
drômſpëlre (ſomniorum interpres) riddere (eques) u. a. m.]
gehen bald ſchwach, pl. backeren, jagheren, ridderen;
bald ſtark: backers, jaghers, ridders, ſpëlres etc. und
in dieſer form ſcheinen ſie auch gern das e im nom.
acc. ſg. zu apocopieren. Man decliniert alſo z. b. wë-
vere (textor) entweder

wëver-epl. wëver-enoder: wëverpl. wëver-s
wëver-enwëver-enwëver-swëver-s
wëver-enwëver-enwëver-ewëver-s
wëver-ewëver-enwëverwëver-s

der gen. und dat. dieſer erſtarrten pluralform bedarf ei-
niger belege: dienres (miniſtris) Maerl. 2, 47. hollanders
(batavorum) Stoke 3, 239. jonghers (diſcipulis) Maerl. 2,
144. 164. 3, 170. freilich ſtehen alle ſolche pl. auf -s nie-
mahls in beweiſendem reim. Selten zeigen ſie ſich bei
den unter α. genannten auf -are, doch ſtehet Maerl. 3,
146. mordeners 1, 172. loghenaers ſt. des üblichen mor-
denaren, loghenaren, wodurch auch ein nom. ſg. loghe-
naer möglich wird, vgl. outaer (: daer) Maerl. 1, 57. ſt.
outare.


Starkes maſculinum, dritte declination.

mangelt.


die hierher fallenden wörter haben zwar das -e im
nom. ſg. bewahrt, als: ſone (filius) auf ghone, ghewone
reimend; mëde (mulſum) Rein. 338. ſëde (mos) gewöhn-
lich fem. zuweilen noch maſc.; ſëghe (victoria) vrëde
(pax); declinieren aber nunmehr ſchwach, vgl. ſonen
(filios) Maerl. 1, 57. 438. 3, 14. ſonen (filiorum) Rein.
285. ſëghen (victoriae) Maerl. 3, 104. vrëden (pacis) Maerl.
1, 115. vrëden (paces) Rein. 375. zum theil in beweiſen-
der reimform.


Starkes maſculinum. vierte declination.

mangelt gleichfalls gänzlich, weil die ſprache keinen um-
laut anerkennt; alle hierher bezüglichen wörter ſind in
die erſte decl. übergetreten als: gaſt, gaſte; pat, pade;
nap, nappe; raet, rade; appel, appele etc.


Starkes ſemininum. erſte declination.

beiſpiel: mied-epl. mied-en
mied-emied-en
mied-emied-en
mied-emied-en
X x
[690]II. mittelnied. ſubſt. ſt. ſem. erſte bis viert. decl.

1) einfache wörter: bëde (preces) bie (apis) blaſe (bulla)
haghedochte (latebrae) êre (honor) ghîle (fraus) grane
(barba) haghe (nemus) hëlle (tartarus) kële (gula) laghe
(inſidiae) miede (remuneratio) miere (formica) micke
(furca) moude (terra) nëſe (naſus) ghenade (gratia) pîne
(dolor) ſaghe (relatio) ſake (cauſa) ſale (aula) Maerl. 3,
137. ſcale (cortex) ſcare (agmen) ſiele (anima) ſmade (de-
decus) ſmake (guſtus) ſmërte (dolor) ſpîſe (cibus) ſoene
(reconciliatio) ſoghe (ſus) ſonde (peccatum) ſtonde (hora)
tale (ſermo) trouwe (fides) voere (ritus) wîle (momen-
tum) wîſe (modus) wrake (ultio) etc. — 2) bildungen
mit -t (ſtatt -ed) ghemênte (communio) clênte (parvi-
tas) diepte (profunditas). — 3) mit -ingh: caerminghe
(querela) grakinghe (crepuſculum) etc. — 4) mit -en:
havene (portus) loghene (mendacium) rëdene (ratio). —
5) mit -inn: apinne (ſimia) coninghinne etc. — 6) mit
-rn: dierne (ancilla) — 7) mit -eſſ: abdeſſe, prophe-
teſſe etc.


Anmerkung: da der pl. ſchwache form angenom-
men hat, hingegen die ſchwache decl. im acc. ſg. ſtarke,
ſo beruht der ganze unterſchied auf dem gen. und dat.
ſg., weshalb nicht zu wundern iſt, daß dieſe caſus
neben -e häufig auf -en ausgehen, ſelbſt im reim, vgl.
Rein. 289. mouden:houden; Maerl. 1, 273. mieden: lie-
den; 1, 160. êren:kêren; 3, 223. ſcaren:waren; 3, 2.
talen: dalen etc. Inzwiſchen ſind dergleichen fälle durch
die unachtſamkeit der herausgeber noch vermehrt wor-
den und man darf Maerl. 3, 315. haghen:daghen in
haghe: daghe beßern, wenn ſchon 3, 97. haghen im reim
auf draghen geduldet werden muß.


Starkes femininum. zweite declination.

die ehemahls hierher gehörigen wörter ſind theils an
der abkunft aus adj. (coude, frigus; conde, notitia;
hulde, gratia) theils an dem alten ableitungsumlaut
des a in e (= ë) z. b. bëke (rivus) ſtëde (locus) nëre
(ſervatio) tëre (conſumptio) endlich auch an dem abge-
henden plur. erkennbar.


Starkes femininum. dritte declination.

mangelt.


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiele: daetpl. dad-eganspl. ganſ-e
daetdad-egansganſ-e
daetdad-engansganſ-en
daetdad-egansganſ-e
[691]II. mittelniederl. ſubſt. ſtark. neutr. erſte decl.

hiernach: aert, aerde (genus) aex, aexe (ſecuris) borch,
borghe (arx) borſt, borſte (pectus) brût, brude (ſponſa) conſt,
conſte (ars) coemſt, coemſte (adventus) cracht, crachte
(vis) daet, dade (facinus) dinc, dinghe (cauſa) dôt, dode
(mors) gans, ganſe (anſer) ghêt, ghête (capella) ghift,
ghifte (donum) haeſt, haeſte (feſtinatio) hant, hande
(manus) hort, horde (clathrum) joghet, joghede (juven-
tus) jonſt, jonſte (favor) brûlucht (nuptiae) macht, machte
(vis) maghet, maghede (virgo) molen, molene (mola)
mûs, muſe (mus) nacht, nachte (nox) nôt, node (neceſſ.)
quërn, quërne (mola) Maerl. 3, 117. daghe-raet, -rade
(crepuſculum) ſcout, ſcoude (debitum) ſpoet, ſpoede
(ſucceſſus) ſtat, ſtade (civitas) tît, tîde (tempus) tucht,
tuchte (diſciplina) vaert, vaerde (iter) vliet (fluentum)
ghewëlt, ghewëlde und ghewout, ghewoude (poteſtas)
wërelt, wërelde (mundus) wët, wëtte (lex) u. a. m.


Anmerkungen: 1) ſelten nehmen gen. und dat. ſg.
die endung-e an, dade, ganſe etc. — 2) häufig ſchwankt
der pl. in ſchwache form, zumahl außer dem reim,
z. b. muſen Maerl. 1, 323. (vgl. das richtige muſe:huſe
Rein. 308.) magheden Maerl. 2, 183. 184. 3, 142. und ſo
anderwärts wëtten, dinghen, ſcouden etc. Meiſt läßt
ſich critiſch die ſtarke endung herſtellen.


Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiele: wôrtpl. wôrtvatpl. vat-e
wôrd-eswôrd-evat-esvat-e
wôrd-ewôrd-envat-evat-en
wôrtwôrtvatvat-e

1) einfache: bên (os) caf (palea) calf (vitulus) dal (val-
lis) dier (beſtia) ei (ovum) gat (foramen) gras, gaers
(gramen) haer (crinis) hof (aula) hol (cavea) hûs (do-
mus) jaer (annus) kint (infans) lant (terra) lët (mem-
brum) lëcht (lux) lier (gena) liet (carmen) lôf (folium)
lôt (plumbum) paert (equus) rîs (virgultum) ſant (arena)
ſcaep (ovis) ſcëp (navis) ſwërc (nubes) ſwêt (ſudor)
vat (vas) vël (cutis) vëlt (campus) wîf (femina) wôrt
(verbum) u. a. m. — 2) bildungen -en, -er: horen
(cornu) coren (granum) lëven (vita) laken (pannus) tê-
kin (ſignum) wapen (arma) îſer (ferrum) lëger (caſtrum)
water (aqua) etc. — 3) diminutiva, als: voghelîn (avi-
cula) ſonekîn (filiolus) wëlpekîn (catulus) etc. — 4) mit
der vorſilbe ghe-, als: gheſût (ſonitus) ghemanc (cla-
mor etc.


X x 2
[692]II. mittelniederl. ſubſt. ſchwaches maſcul.

Anmerkungen: 1) den pl. auf -e machen α) alle mit
kurzer wurzel, alſo dale (valles) vate (vaſa) ſcëpe (na-
ves) lëde (membra) gate (foramina) β) alle deren wur-
zel noch bildungsſilben zuwachſen, wapene, watere,
îſere, vogheline, wëlpekine. Schwankend ſind γ) die
einſilbigen langen, in der regel iſt ihr nom. pl. dem des
ſg. gleich, man ſehe bên:ſchên, amên Rein. 312. 334.
Maerl. 3, 134. dier: hier, fier Rein. 329. 340. lier:dier
Rein. 297. 300. 304. daneben aber diere: baniere; liere:
riviere Rein. 345. 301. Von haer, jaer, wîf kann der
pl. entw. ebenſo, oder hare, jare, wive lauten. — 2) er
können im pl. einſchieben: calf, ei, hoen, kint, klêt,
lôf, rîs: calvere, eiere, hoenre, kindere, klêdere, lôvere,
rîſere und wohl a. m. — 3) von vie (pecus) die (femur)
iſt mir der gen. ſg. unerinnerlich; letzteres hat den ſchw.
pl. dien Maerl. 1, 64. 176.


Starkes neutrum. zweite declination.

die hierher gehörigen neutra ſind, gleich den maſc.
zweiter decl. in die ſchwache form übergetreten, alſo
bëdde (lectus) bêlde (imago) hëre (exercitus) mudde
(modius) orloghe (bellum) rîke (regnum) etc. bilden den
pl. bëdden etc. Gleichergeſtalt die bildungen -ëſſe:
vonnëſſe (ſententia) etc. bëdde, nëtte kürzen ſich zu-
weilen in bët, nët Rein. 318.


Schwaches maſculinum.

beiſpiel: han-epl. han-en
han-enhan-en
han-enhan-en
han-ehan-en

ſo gehen: ape (ſimia) bake (porcus) bëre (urſus) bode
(nuntius) cnape (miniſter) drake (draco) grave (comes)
lîchame, lachame (corpus) hane (gallus) haſe (lepus)
hëre (dominus) mane (luna) menſce (homo) nëve (nepos)
oſſe (bos) pape (clericus) roſe (gigas) rouwe (dolor)
ſcinke (pincerna) vane (pannus) wille (voluntas) u. a. m.


Anmerkungen: 1) viele ſonſt zur zweiten und drit-
ten ſtarken decl. gehörige fallen hierher; beiſpiele ſind
dort angeführt. 2) verſchiedene im hochdeutſch ſchw.
maſc. ſind hier oft weiblich, z. b. name (nomen) Maerl.
1, 11, 36. 2, 175. 197. ſtërre (ſtella) Maerl. 2, 70 etc. Nä-
heres bei erörterung des geſchlechts; das völlige zuſ.
fallen der flexion befördert ſolche übergänge.


[693]II. mittelniederl. ſubſt. ſchw. fem. neutrum.
Schwaches femininum.

paradigma genau wie das des ſchw. maſc.; hierher ge-
hören 1) einfache: aſſce (cinis) bate (commodum) baerde
(aſcia) bîle (ſecuris) bloeme (flos) crûne (corona) galghe
(patib.) haerpe (nablium) hërte (cor) Maerl. 3, 89, 161.
Rein. 290. 306. 326. 339. 342. hinde (cerva) hinne (gal-
lina) kërke (eccl.) linde (tilia) lîne (funis) mamme
(mamma) përe (pirum) roede (virga) ſonne (ſol) ſpille
(fuſus) ſtërre (ſtella) tënte (tentorium) tëve (canis fem.)
tonge (lingua) wëke (hebd.) etc. — 2) bildungen mit
-el, -in, -er: navele, nafle (umbilicus) Maerl. 3, 134.
wôſtìne (deſertum) adere, adre (vena) etc.


Anmerkungen: 1) ſchwanken der meiſten wörter
erſter ſtarker decl. hierher. 2) geſchlechtsübergänge; na-
mentlich im dat. ſg. gelten gerne weiblich: name (no-
men) ſcade (damnum) u. a. m.


Schwaches neutrum.

decliniert gleich dem maſc. und fem.; ôghe (oculus) ôre
(auris); außerdem dürfte man die vordem der zweiten
ſtarken decl. zugehörigen (bëdde, Iîke) nun hierher rech-
nen; hërte iſt weiblich.


Anomalien des mittelniederländiſchen ſubſtantivum.

1) vader, broeder, môder, dochter, ſuſter im ſg. un-
veränderlich und namentlich nehmen die beiden erſten
kein -s im gen. (vgl. Huyd. op St. 1, 158-162). Die
plur. form bedarf noch unterſuchungen; Maerl. 3, 340.
vadere: gadere; Rein. 284. broeders; Maerl. 2, 178. doch-
tren, aber außerhalb reims. — 2) man entw. unverän-
derlich, (vgl. die pl. raetsman, quërneman Maerl. 1, 122.
3, 117.) oder mit dem gen. ſg. und dem pl. mans (vgl.
tëmmermans Rein. 294. Maerl. 3, 325.) oder mit dem gen.
mannes, dat. manne, pl. manne Maerl. 3, 133. — 3) liede
(homines) gilt nur im plur. und ſcheint männlich; der
nom. liede ſteht im reim Rein. 369. Maerl. 2, 99, 107,
163. 3. 212. 224. 228; außerhalb reims zuweilen die
ſchwache form lieden, höchſt ſelten im reim (Maerl.
1, 16.); den gen. pl. lieder (Maerl. 1, 160.) der ein un-
erweiſliches neutr. mit dem nom. liedere vorausſetzt,
halte ich für fehlerhaft, wie denn auch ſonſt das rich-
tige liede (Maerl. 1, 163.) vorkommt. — 4) diet (gens)
iſt regelmäßiges neutr.; gen. diedes, dat. diede; boec (li-
ber) bald neutr. bald maſc., vielleicht mit dem unter-
[694]II. mittelengliſches ſubſtantivum.
ſchiede, daß jenes das ganze werk, dieſes die abthei-
lung des ganzen ausdrückt; der pl. lautet boeke. —
5) vom eingeſchobnen -er ſ. oben ſtarkes neutr.


Mittelengliſches ſubſtantivum.


Die eingetretene erſchlaffung und vermengung der
declinationsunterſchiede bewirkt


  • 1) einen allgemeinen plur. -es für alle geſchlechter und
    caſus, ohne rückſicht auf die ehmahlige ſtarke oder
    ſchwache form; ſtarke maſc.: fiſhes (piſces) ëtenes (gigan-
    tes) houndes (canes) ſwevines (ſomnia) ſones (filii) fôſe
    (inimici ſt. fôes); ſtarke fem.: brynies (thoraces) giftes
    (dona) craftes (vires) nihtes (noctes) wondes (vulnera);
    ſiarke neutr.: barnes (liberi) bônes (oſſa) hôvedes (ca-
    pita) wordes (verba) wërkes (opera); ſchwache maſc.:
    bëres (urſi) ſtërres (ſtellae) hûsbondes (mariti) fêlawes
    (ſocii); ſchw. fem.: tonges (linguae) woukes (hebdoma-
    des); ſchw. neutra: êres (aures) hërtes (corda).
  • 2) der genitiv wird nur gebraucht, wenn er dem regie-
    renden ſubſt. voranſteht, z. b. godes love (amor Dei)
    ſomers day, kinges blôd, cockes crowe (galli cantus)
    the foxes tayles (caudae vulpium) at the yêres ende
    (in fine annorum) the beggares rowe (mendicorum
    ordo). In dieſer ſtellung bleiben die fem. bald ohne
    -s, als: chirche dor (porta eccleſiae) ſonne bêm (ra-
    dius folis) bald wird es ihnen unorganiſch beigelegt:
    worldes ende (finis ſeculi) fortunes errour (error for-
    tunae). — Steht das regierte ſubſt. nach dem regie-
    renden, ſo wird der gen. ſtets in die praep. oft mit
    dem dativ aufgelöſt, z. b. the king of londe (rex ter-
    rae) the lawe of londes (lex regionum).
  • 3) der dativ ſing. nimmt noch oft die endung -e an,
    z. b. winde (vento) hëvene (coelo); der dat. pl. zeigt
    nie mehr -m oder -n, ſondern gleicht dem nom.
    z. b. to the windes (ventis).
  • 4) ausnahmsweiſe bilden fem. und neutra zuweilen den
    pl. ohne -es, als: dède (facta) honde (manus) yère
    (anni) londe (terrae).
  • 5) auch der nom. ſg. bewahrt oft ſein altes bildungs-
    oder flexions -e, als: ſone (filius) fiſhere (piſcator)
    wille (voluntas) hërte (cor) quëne (femina) ſmocke
    (veſtis).
  • 6) ſpurweiſe ſteht im plur. das -en ſchwacher form,
    z. b. feren (ſocii) oxen (boves) crabben (cancri) go-
    men (viri) eighen (oculi) êren (aures) und ſo auch
    im dat. êren (auribus) oxen (bobus) welches man
    nicht für das dative -en, em halte. Unorganiſche
    ausdehnung dieſes -en auf ſtarke wörter: honden (ma-
    nus) lamben (agni).
  • 7) beibehaltung alter anomalien. men (viri) brêthern
    (fratres) fète (pedes) têthe (dentes) aber dieſes ê wird
    häufig auch dem ſing. ſtatt des alten ô gegeben, fête
    ſt. fôte (pes) vgl. oben ſ. 509. 510. blêde und blôde
    (ſanguis) und ſlête (grando) Ritſ. 1, 17. engl. ſleet,
    hochd. ſchlôße (mittelh. ſlôƷe). — Das paragogiſche r
    im plur. einiger neutr. als: children (liberi) airen (ova)
    und wohl noch anderer.

Neuhochdeutſches ſubſtantivum.


Starkes maſculinum. erſte declination.

das paradigma fiſch, tâg behält die mittelh. flexion bei;
hierher zähle ich 1) folgende einfache: âl. arm. berg.
biß. blick. blitz. brief. dieb. eid. ernſt. filz. fiſch. flins.
feind. freund. geiſt. grieß. griff. grimm. halm. hâg. hecht.
hengſt. helm. hêrd. hirſch. hund. kelch. kern. kîl (cau-
lis) keil. knecht. krebs. kreiß. krieg. leich. leim (argilla)
leim (viſcus) leib. laut. luchs. miſt. mord. mûth. neid.
pelz. pfeil. pilz. preis. reif (circulus) reif (pruina) reim.
rhein. ring. riß. ſchild. ſchimpf. ſchein. ſchrein. ſchritt.
ſeim. ſenf. ſîg. ſinn. ſitƷ. ſcherz. ſchlich. ſchmied. ſchûh.
ſpecht. ſpêr. ſtêg. ſtein. ſtîl. ſtich. ſtrick. ſchweif. ſchweiß.
tâg. teig. theil. teich. tiſch. trîb. tritt. weg. wein. wind.
wink. wirth. wiſch. zins. zwerg. zweig. — 2) bildun-
gen mit -el, -em, -en, -er. — 3) mit -ig, -ich, -ling. —
4) mit -at: mônat. — 5) vocalauslautige: klê, ſê, ſchnê,
bau, gau, thau. — 6) mit der vorſilbe ge-: gewinn. ge-
noß. glimpf.


Anmerkungen: 1) aufhören des mittelh. wechſels
auslautender conſonanzen ergibt ſich aus buch I. (ſ. 524.)

  • 2) durch erweiterung des umlauts ſind noch mehr wör-
    ter in die vierte übergegangen, d. h. alle umlautsfähi-
    gen mit ausnahme von: âl, arm, hâg, tâg, halm, hund,
    luchs, ſchûh, laut, welche den pl. âle, arme, tâge,
    hâge, hunde, luchſe, ſchûhe, laute (nur volksdialec-
    [696]II. neuhochd. ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.
    tiſch æle, ärme, tæge, hälme, lüchſe) bilden, während
    die analogen: darm, ſchlag, qualm, mund, ſchlund,
    fuchs der vierten decl. folgen. Selbſt die mehrſilbigen
    bildungen -el, -en, -er, ſobald der umlaut ihren wur-
    zelvocal treffen kann, unterliegen ihm und fallen in
    die vierte decl. (ausg. morgen, pl. morgen, nicht mörgen).
  • 3) umlautsfähige wörter, deren pl. ungebräuchlich iſt,
    entſcheiden ſich für keine von beiden decl. z. b. bann,
    dank, ſand, haß, haft, harm, ambôß, trôſt, rôſt, roſt,
    hort, ſtolz, tôd, zorn, rûm, mûth, graus (horror)
    ſtaub, bau, thau etc. Einige ſind durch veränderung
    des geſchlechts dem zweifel über um -oder nichtum-
    laut entgangen, z. b. die jetzigen neutra: lôs, lôb etc.,
    oder femin. locke, mæne (juba) etc.
  • 4) einige ſind theilweiſe oder ganz in die ſchwache form
    ausgewichen. Die letztere art gebe ich unten bei der
    ſchw. decl. an. Bloß den pl. machen ſchwach, mit
    bleibendem ſtarken ſing., folgende: ſê, ſêen; dorn,
    dornen; maſt, maſten; bolz, bolzen; ſtachel, ſtacheln;
    einige ſchwanken, z. b. gau, thrôn im pl. bald -e,
    bald -en.
  • 5) dagegen treten weit mehrere, org. ſchwache, in die
    ſtarke form über; ihr verzeichnis bei der ſchw. decl.
  • 6) wegfall des caſus -e. α) des ſiummen wie im mit-
    telh durchgehends nach liquidis. Nur ſind wegen be-
    ſchränkung des ſtummen e die fälle nicht mehr die-
    ſelben. Da nämlich (ſ. 518.) kil und ſtil jetzt zu kîl,
    ſtîl (geſchrieben kiel, ſtiel) werden, erſcheint in ihren
    flexionen kein ſtummer vocal, ſondern ein bloß ton-
    loſer, der nicht weggeworfen wird. Dagegen tritt
    in allen mehrſilbigen kürzung ein, ſowohl in denen
    mit organiſch langer wurzel (engel, reigen, finger)
    als mit org. kurzer, unorg. verlängerter (êſel, rêgen,
    êber). Vergleicht man hier das neuh. mit dem mittelh.
    ſo declinieren in beiden perioden wörter wie engel,
    reigen, finger völlig übereins, wörter wie kîl und êber:


(mhd.) kilpl. kilëberpl. ëber-e
kil-skilëber-esëber-e
kilkil-nëber-eëber-en
kilkilëberëber-e
(nhd.) kîlpl. kîl-eêberpl. êber
kîl-eskîl-eêber-sêber
kîl-ekîl-enêberêber-n
kîlkîl-eêberêber

[697]II. neuhochd. ſubſt. ſtark. maſc. erſte decl.
in anſcheinender umdrehung, die ſich aus der verſchie-
denen quantität der wurzelvocale erläutert. Die mit-
telh. einſilbigen maſc. bûr (domuncula) ſchûr (imber)
gîr (vultur) welche ganz wie viſch gehen, erweitert in
die neuh. zweiſilb. formen bauer, ſchauer, geier *), de-
clinieren wie finger, êber, obſchon ihre endung kein
wahres bildungs -er iſt (weshalb auch der pl. ſchauer,
nicht ſchäuer, wie ſonſt acker, äcker). Bildungen mit
-en machen übrigens den dat. pl. dem nom. gleich, z. b.
rêgen (pluviis) ſt. rêgen’n. — β) das unſtumme, tonloſe
e fällt nie im gen. oder dat. pl. weg (nie tâg, fiſch f.
tâge, fiſche; tâgn, fiſchn f. tâgen, fiſchen) kann aber
im gen. dat. ſg. wegfallen. Man ſagt bald tâges, tâge;
hundes, hunde; ſchrittes, ſchritte; bald tâgs, tâg; hunds,
hund; ſchritts, ſchritt; doch mag, wegen häufung der
conſ., ſchrittes, hundes edler ſcheinen. Bei den bildun-
gen -ig, -ling, -at, gilt der wegfall; kœniges, jüng-
linges, mônates würde heutzutag geziert lauten, ſo wie
in einzelnen andern fällen, namentlich zuſ. ſetzungen
gebrauch und gehör für oder wider die ſyncope ent-
ſcheiden, z. b. kriegesrath, tôdsfurcht ſind unleidlich. —
7) ſê, ſchnê, klê, bau, thau ſchieben kein w mehr ein,
ſondern bilden den gen. ſês oder ſêes, den dat, ſê.


[698]II. neuhochd. ſubſt. ſt. maſc. zw. bis vierte decl.
Starkes maſculinum. zweite declination.

hört (mit ausnanme des einzigen kæſe, caſeus, gen. kæſes,
pl. kæſe) auf; 1) hirte, hirſe, weize gehen ſchwach. 2) die
alten bildungen -œre ſind zu -er geſchwächt in die
erſte decl. eingetreten und declinieren ganz wie finger,
êber etc. Die unorg. natur ihres -er folgt theils aus
dem ſchon im ſg. ſtattfindenden alten umlaut (z. b. jæger,
mittelh. jegere) theils aus dem unumlaut des pl., z. b.
mâler, (nicht mæler nach der analogie von acker, äcker).


Starkes maſculinum. dritte declination.

gleichfalls erloſchen; ſîg, mêth gehen ſtark nach erſter;
ſôn, fûß nach vierter; frîde, ſchatte ſchwach; ſitte iſt
weiblich.


Starkes maſculinum. vierte declination.

beiſpiel: balgpl. bälg-e
balg-esbälg-e
balg-ebälg-en
balgbälg-e

1) umlautbare einfache: aſt. bach. balg. ball. band. bart.
baſt. baum. bauch. block. bock. brand. bruch. verdacht.
darm. dunſt. druck. duft. fall. fang. flôh. flûch. ſlûg.
fluß. froſch. froſt. fund. fûß. fuchs. gang. gauch. gaul.
glanz. grund. hall. hals. hang. hôf. hût. kamm. kampf.
kân (cymba) kauf. klang. klôß. knauf. knopf. korb. koch.
krach. krâm. kranz. kropf. krûg. lauch. lauf. mund. napf.
pfâl. pfâd. pflûg. pfûl. qualm. râth. rand. rang. raub.
raum. rauch. rock. ſaft. ſâl. ſarg. ſaum. ſchaft. ſchacht.
ſchall. ſchalk. ſchatz. ſchaum. ſchlag. ſchlauch. ſchlund.
ſchmuck. ſchrank. ſchopf. ſchwamm. ſchwân. ſchwank.
ſchwanz. ſchwarm. ſchwung. ſchuß. ſôn. ſold. ſpân.
ſpruch. ſprung. ſtâb. ſtall. ſtamm. ſtand. ſtock. ſtrang.
ſtrauch. ſtrauß. ſtrôm. ſtrumpf. ſtrunk. ſtûl. ſturm. ſumpf.
tand. tanz. tôn (ſonus) topf. traum. trôg. tropf. trunk.
thurm. wall. wolf. wunſch. wurf. wurm. zân. zaum.
zoll. zopf. — 2) umlautbare bildungen -el, -en, -er
als: apfel, nâgel, vôgel, hâfen, hammer, acker etc. im
pl. äpfel, nægel, vœgel, hæfen, hämmer, äcker. —
3) mit der vorſilbe ge-: geſang, geruch, geſchmack,
geſtank.


Anmerkungen: 1) man vgl. anm. 1. 2. 3. zur erſten
decl. — 2) über den wegfall des caſus -e gelten die
dort anm. 6. entwickelten regeln. ſâl, ſâles, pl. ſæle;
nâgel, nâgels, pl. nægel etc. bilden denſelben gegenſatz
[699]II. neuhochd. ſubſt. ſtarkes fem. erſte decl.
zum mittelh. ſal, ſals; nagel, nageles, pl. nagele (negele) —
3) altâr, pl. altære iſt eine abnormität.


Starkes femininum. erſte declination.

aus dem früheren ſchwanken zwiſchen ſt. und ſchw.
form hat ſich eine gemiſchte in der weiſe feſtgeſetzt,
daß alle org. ſchwachen fem. den ſing. nunmehr ſtark,
die org. ſtarken erſter decl. hingegen den pl. ſchwach
bilden. Folglich gehen gâbe und zunge einſtimmig:

gâb-epl. gâb-enzung-epl. zung-en
gâb-egâb-enzung-ezung-en
gâb-egâb-enzung-ezung-en
gâb-egâb-enzung-ezung-en

hierher gehören 1) einfache z. b. amme. bâre. bêre. bitte.
blûme. brücke. decke. êre. eile. ecke. erde. feige. fichte.
fliege. furche. gâbe. galle. halle. henne. hölle. hülfe.
kerze. klâge. klaue. krône. lêre. linde. minne. mûme.
nâſe. nichte. pfeife. quelle. rache. rêde. rinde. rûte.
ſâge. ſache. ſalbe. ſchwalbe. ſchwarte. ſène (nervus)
ſprâche. ſpeiſe. ſonne. ſtimme. ſtrâße. ſünde. tanne. tau-
be. taufe. tonne. treue. wache. weile. weiſe. witwe.
woche. wonne. wunde. zange. zinne. zunge und viele
ähnliche, deren anführung überflüßig ſcheint. — 2) bil-
dungen mit -el, -en, -er. — 3) mit -d: freude. zierde. —
4) mit -ung, -in, -inne. — 5) mit ge-: genâde, ge-
bærde etc.


Anmerkungen 1) auswerfung des -e. α) des ſium-
men
, kann nur in den bildungen -el, -er vorkommen,
findet aber in ihnen allen ſtatt, da nach ſ. 518. der kurze
vocal ſich vor einf. conſonanz verlängert hat; beiſpiele
ſind fìdel, gâbel, inſel, neßel, ſpindel, wurzel, âder,
natter, kammer, fêder etc. die im ſg. ganz indeclina-
bel bleiben, im pl. fìdeln, âdern etc. bekommen. Die
mittelh. einſilbigen fem. mit kurzem voc. vor liquidis
(ſ. 674., 684.) haben entw. nach verlängerung des vo-
cals das flexions-e wieder angenommen: ſchâle, kêle,
muͤle, bîne (apis) mæne (juba) bêre (bacca) thuͤre etc.
oder es, der verlängerung unerachtet, im ſing. wegge-
laßen: ſchâm, zâl, ſchâr, (dieſer letzte ſeltnere fall ge-
hört eigentlich unter β.). Es erſcheinen alſo wie beim
maſc. ähnliche gegenſätze der mittel- und neuh. flexion
(dort: kël, këln; videle, videlen; hier: kêle. kêlen;
fidel, fideln). lauer, trauer, mauer, ſcheuer, ſteuer,
feier, leier ſind nach ſ. 697. zu beurtheilen. — β) das
[700]II. neuhochd. ſubſt. ſtark. fem. zw. u. viert. decl.
tonloſe e fällt nie im pl., nur im ſing. weg und zwar
a) nach liq. in: quâl, zâl, ſchâm, ſchâr, gefâr (peric.)
pl. quâlen, zâlen etc. nachtigall, pl. -gallen. b) nach
cht: acht (ohne pl.) furcht (ohne pl.) pacht, pracht,
ſchlacht, wacht pl. ſchlachten, wachten. c) nach au,
frau, pl. auen, frauen; mark pl. marken; ſchuld pl. ſchul-
den. hût (cuſtodia) pein (dolor) ohne pl. u. a. m. d) nach
den bildungen -in (ſtatt -inn, mittelh. -inne) und
-ung, als: kœnigin, freundin, pl. kœniginnen, freundin-
nen; lâdung, meinung, pl. lâdungen etc. — 2) über-
gang einiger wörter aus der vierten hierher, namentlich:
eiche, geſchichte, bluͤte, ſäule, beide letztere mit unorg.
umlaut.


Starkes femininum. zweite declination.

alle hiſtoriſch hierher bezüglichen wörter (z. b. guͤte,
ſuͤße, rœte, länge, breite, menge und viele ſolche) fal-
len völlig zur erſten decl. d. h. ſie machen die caſus ſg.
gleich; allein ermangeln meiſt des plur., welcher inzwi-
ſchen, wenn er bisweilen gewagt wird, ebenfalls
ſchwache form annimmt, z. b. mengen (multitudines).


Anmerkungen: 1) entſpringen dergleichen fem. aus
zweiſilb. adj. auf -el, -en, -er; ſo ſollten ſie das ſtumme
e abwerfen, folglich: dunkel (caligo) êben (planities)
bitter (amaritudo) lauten. Weil ſie ſich dann aber nicht
von den adj. unterſchieden, ſtoßen ſie lieber das e vor
der liq. aus und behalten das hintere: dunkle, êbne,
bîttre. Fehlerhaft ſcheint mir êbene, bîttere (doch vgl.
die neuh. adj. decl.). Auch ſäure (nicht ſäuere) ſteht
für ſäuer (mittelh. ſiure, wie gemäuer = gemiure). —
2) wo in umlautbaren wörtern umlaut fehlt, nament-
lich in kunde, taufe (alth. chundî, toufî) ſcheint ſchon
im mittelh. künde, töufe mit kunde, toufe abgewech-
ſelt zu haben. huld (mittelh. hulde, nicht hülde) legt
das e ab.


Starkes femininum. dritte declination.

mangelt.


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: kraftpl. kräft-e
kraftkräft-e
kraftkräft-en
kraftkräft-e

befaßt nur noch umlautsfähige wörter: angſt. axt. bank.
braut. brunſt. bruſt. fauſt. frucht. gans. gruft. gunſt (ohne
[701]II. neuhochd. ſubſt. ſtarkes neutr. erſte decl.
pl.) hand. haut. kluft. kraft. kûh. kunſt. laus. luft. luſt.
macht. magd. maus. nacht. nât. noth. vernunft (ohne pl.)
nût (fuge, zapfe bei handwerkern) nuß. ſau. ſchnûr.
ſtadt. wand. wurſt. zucht. zunft.


Anmerkungen: 1) alle umlautsunfähigen bilden, wie
die fem. erſter decl., den pl. ſchwach auf -en ſtatt -e,
obſchon ſie im ſg. kein -e annehmen. Sie gleichen
daher den dort anm. 1 unter β. angeführten. Es ſind
folgende: arbeit, die comp. mit -ſchaft und -heit
(-keit) pflicht, mitgift, ſchrift, liſt, velt, zeit; milch
hat keinen pl. Einzige ausnahme macht niſſe (lendes)
dem der ſg. gebricht. — 2) dieſem beiſpiel folgen auch
die umlautbaren: brût (foetus) bucht, burg, geburt, fàrt,
glût, ſàt, ſucht, ſchlucht, thât, jûgend, tûgend; pl. brû-
ten, burgen, geburten etc. gedult, armûth, dêmûth, un-
mûth etc. ſind ohne pl. — 3) die völlig (d. h. auch mit
dem ſg.) in die erſte eintretenden ſind dort anm. 2.
genannt.


Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiel: wortpl. wort-e
wort-eswort-e
wort-ewort-en
wortwort-e

völlig der erſten ſt. männl. gleich und durch den nom.
acc. pl. auf -e vom mittelh. neutr. geſchieden. 1) ein-
fache: band. beil. bein. blech. blei. bôt. brôt. ding. eis.
erz. fell. fleiſch. garn. gift. gold. hâr. hêr. heu. jâr. knie.
land. lôt. mâß. mêl. mêr. môs. obſt. pfêrd. rê. recht.
rôr. roß. ſchâf. ſchiff. ſchwein. ſchwert. ſeil. ſpîl. ſtift.
thier. vîh. wachs. werk. wild. wort. zelt. zîl. zinn u. a.
namentlich die, deren pl. hernach in der zweiten anm.
vorkommen. — 2) bildungen mit -el, -en, -er. — 3) mit
-nis, niſſes. — 4) verkleinerungen mit -lein. — 5) vor-
geſetztes ge-: gefuͤl, gewerk, gemach etc.


Anmerkungen: 1) wegfall des caſus-e gerade wie
beim maſc. folglich α) des ſiummen in den zweiſilb. bil-
dungen -el, -en, -er; bündel, ſîgel, laſter, fûder,
mieder etc. bleiben unveränderlich, nur daß ſie im
gen. ſg. ein s, im dat. pl. einn anhängen: bündels, bün-
deln; fûder, fûdern. Die mit -en laßen auch das da-
tive n weg: zeichen, zeichens, zeichen (ſt. zeichen’n).
Hingegen die einſilbigen thâl, mêl, ſpîl, zîl, hêr, mêr,
[702]II. neuhochd. ſubſt. ſt. neutr. erſte u. zw. decl
ſpêr haben durch die verlängerung wieder ein unſtum.
mes e bekommen. — β) das unſiumme e haftet in der
regel überall im pl., alſo: bande, beile, ſpîle, dat. ban-
den etc.; im gen. dat. ſg. kann es wegfallen: bandes,
beiles oder bands, beils etc. Ausnahmsweiſe laßen es
die mit -lein überall und nothwendig aus: kindlein,
gen. kindleins, dat. kindlein; pl. kindlein, gen. und dat.
kindlein; nicht kindleines, kindleinen. — 2) einfügun-
gen des plur. -er haben ſich vermehrt und da hier (nach
1. α.) das ſtumme e durchgehends fortfällt, geht häuſer
gerade wie fûder, nur daß das eingeſchobene -er über-
all umlaut wirkt, das bildungs-er nicht (der umlautende
pl. klœſter vom ſg. klôſter iſt höchſt abnorm; es ſollte
klôſter wie laſter heißen; klœſter forderte den ſg. klôſt).
Solcher erweiterten pl. ſind die wichtigſten (in volks-
mundarten gibt es noch mehrere): æſer, ämter, bæder,
bänder, bilder, blätter, blecher, bretter, buͤcher, dächer,
dinger, dörfer, eier, fächer, fäßer, felder, gelder, glæ-
ſer, glîder, græber, græſer, guͤter, häupter, häuſer, hem-
der, hölzer, hörner, huͤner, jöcher, kälber, kinder,
kleider, körner, kräuter, lämmer, länder, läuber, lich-
ter, lieder, löcher, mæler, mäuler, menſcher, neſter,
pfänder, ræder, reiſer, rinder, ſcheiter, ſchilder, ſchlößer,
ſchwerter, ſeiler, ſtifter, ſtücker, thæler, trümmer,
-thuͤmer, tuͤcher, völker, wämmſer, weiber, wörter,
zelter; ſodann: gemächer, gemuͤther, geſichter, geſpen-
ſter, gewänder. Was hierbei ſonſt zu erörtern iſt, ge-
hört nicht in die flexionslehre. — 3) leid macht den
ſchw. pl. leiden ſt. leide.


Starkes neutrum. zweite declination.

hat aufgehört, indem nicht nur das ſtumme e von bün-
del (faſciculus) mündel (pupillus) [ſolcher verkleinerun-
gen hat die ſchriftſprache wenige, die oberd. volks-
ſprache viele; vgl. oben ſ. 686.] gemäuer, getæfel, ge-
zimmer etc.; ſondern auch das tonloſe von den übrigen
gefallen iſt. Alle dieſe wörter gehören nun zur erſten
decl. z. b. bett. bild. glück. hemd. kinn. reich. ſtück.
geſchlecht. ellend. gleichnis etc. wiewohl man vor hun-
dert jahren noch bette, bilde, glücke, hemde ſchrieb.
Bloß gemælde, gemuͤſe, geſinde, gewölbe erhalten ſich.
Übrigens iſt in umlautbaren die alte endung e an dem
nothwendigen umlaut zu merken.


[703]II. neuhochd. ſubſt. ſchwaches maſculinum.
Schwaches maſculinum.

beiſpiel: hâſ-epl. hâſ-en
hâſ-enhâſ-en
hâſ-enhâſ-en
hâſ-enhâſ-en

dieſem paradigma treu geblieben ſind folgende 1) ein-
fache: affe. barde. bôte. bûbe. bürge. bûle. drache. erbe.
falke. farre. gatte. götze. hâſe. heide. junge. knâbe.
knappe. knolle. laie. löwe. neffe. ochſe. pâthe. pfaffe.
rappe. rîſe. ruͤde. ſchütze. trappe. waiſe. zeuge; dahin
gehört auch bauer, gen. bauern, pl. bauern, inſofern
es dem mittelh. gebûre entſpricht, desgl. nachbâr, nach-
bàrn f. nachbauer. — 2) mit der vorſilbe ge-: gefærte,
gehülfe etc.


Anmerkungen: 1) nachſtehende ſchneiden das (un-
ſtumme) e des nom. ſg. ab, ohne darum die übrigen
caſus zu ändern: ân (avus) bær (urſus) chriſt (chriſtia-
nus) fink. fürſt. geck. grâf. greif. herr. menſch. narr.
ochs. pfau. ſchenk. ſpatz. geſell und man erlaubt ſich
auch wohl: bûb. knâb. pfaff. jung; roher wäre: aff,
hâs, rîs, falk, ganz verwerflich: drach, erb, knapp,
wais, zeug. Hin und wieder erſcheinende acc. ſg.
bær, fürſt, grâf etc. ſt. bæren, fürſten, grâfen ſind
zu tadeln. Die apocope des nom. kann man ſich er-
klären, theils aus beibehaltung der mittelh. apocope des
ſtummen e (wie auch beim fem. zâl, ſchâr gelten),
welches jedoch nur auf die beiden erſtgenannten ân
und bær paſt; theils aus der allgemeinen, beim fem.
durchgedrungenen neigung des ſg. in die ſtarke form. —
2) dieſe neigung hat ſich bei andern anders entwickelt,
die ſprache verwechſelt die ſchwache flexion -en mit
der bildung -en bei ſtarken wörtern und trägt ſtarke
form auf den nom. und gen. ſg. organiſch ſchwacher
wörter über:

ehmahls: bog-epl. bog-enjetzo: bôgenpl. bôgen
bog-enbog-enbôgen-sbôgen
bog-enbog-enbôgenbôgen
bog-enbog-enbôgenbôgen

ſo declinieren: balken. backen. bißen. bôgen. brâten.
brunnen. daumen. flâden. flecken. funken. galgen. gar-
ten. gaumen. glauben. grâben. haufen. hâken. hûſten.
krâgen. kûchen. mâgen. nâmen. riemen. ſâmen. ſchâden.
ſchlitten. ſpâten. tropfen. wâſen. willen. zapfen. In bê-
[704]II. neuhochd. ſubſt. ſchw. maſc. femininum.
ſen (ſcopa) iſt bloß der gen. bêſens unorganiſch da der
nom. bêſen f. bêſene und der pl. bêſen f. bêſen’n ſteht.
Die urſprüngliche geſtalt der übrigen erweiſt ſich aber
theils in dem vorbrechenden nom. ſg. balke, backe,
glaube, nâme, ſâme, wille etc. theils in dem unumlaut
des pl., da doch organiſch ſtarke bildungen -en heutzu-
tage nach vierter decl. umlauten (wâgen, wægen; lâ-
den, læden; bôden, bœden); es heißt aber im pl. nicht:
bälken, bœgen, bræten, brünnen, däumen etc. und nur
fehlerhaft gärten, græben, krægen, mægen. Aus dem
mittelh. ſpor, gen. ſporn ſollte folgerecht ſpôre, ſpôren
oder (nach bôgen) ſpôren, ſpôrens (etwan auch ſporn,
ſporns) geworden ſeyn; es hat ſich aber die anomale
miſchform ſporn, ſpornes, pl. ſpornen entwickelt. —
3) die in der vorigen anm. verhandelten wörter können
zwar für ſtarkformig, ihrem plur. und dat. acc. ſg. nach
aber zugleich noch für ſchwachformig gelten. Folgende
org. ſchwache maſc. treten ganz unzweideutig in die
ſtarke decl. über, nämlich α) in die erſte: âr (aquila)
pl. âre und ebenſo adler, pl. adler (mittelh. adelar, ade-
larn) april (oder aprill) chriſtall. mai. märz. mond (luna,
pl. monde; mond für menſis ſcheint mir aus monat,
monet, moned gekürzt) keim. reif (pruina) ſchelm.
ſchmerz (doch mit behaltnem ſchw. pl.) ſtern. vetter.
gevatter. β) in die vierte: hân. ſalm. ſchwân. herzôg.
nâbel, pl. næbel. — 4) ſchwache form ſt. der alten ſtar-
ken haben angenommen a) aus der erſten ſtarken: held,
gen. helden, pl. helden; râbe, gen. râben, pl. râben ſt.
râben, râbens, râbens [umdrehung des falls in anm. 2.]
gedanke, gen. -en, pl. -en (neben dem ſtarken blei-
benden dank). b) aus der zweiten: hirte. hirſe. rücke.
weize und letztere (nach anm. 2.) wieder rückkehrend
in die ſtarke form: weizen, weizens; rücken, -ens.
c) ebenſo iſt aus dem alten fride, ſchate der dritten
decl. mittelſt eines ſpäteren frîde, frîden; ſchatte, ſchat-
ten, ſchattens entſprungen. — 5) die aus verbis ſtam-
menden mittelh. ſchwachen maſc. nehmen meiſt (doch
nicht alle) im neuh. die ſtarke form -er an: kämpfer,
ſachwalter etc. — 6) weiblich ſind jetzo: blûme, fâne,
kôle, ſchlange, ſaite, ſonne u. a.


Schwaches femininum.

vermiſcht mit der ſtarken form und iſt oben unter der
erſten decl. mitabgehandelt. In der zuſ. ſetzung oder
im adverb. hat ſich nicht ſelten der alte ſchwache caſus
[705]II. neuniederl. ſubſt. maſculinum.
erhalten, welches anderwärts näher ausgeführt wer-
den wird.


Schwaches neutrum.

1) herz, gen. herzens, dat. herzen; pl. ſchwach. 2) auge,
gen. auges, dat. auge; pl. ſchwach. 3) ôr, ôres, dat.
ôre; pl. ſchwach. 4) wange iſt fem. 5) die ſchwachen
pl. betten, leiden von bett, leid fallen jetzt hierher.


Neuhochdeutſche Anomala.

  • 1) vâter, brûder, ſchwâger declinieren regelmäßig ſtark
    nach der vierten (wie acker); mutter, tochter machen
    den ſg. unveränderlich, den pl. umlautend mütter,
    töchter (da ſonſt die vierte weibl. keine bildungen
    -er kennt). ſchweſter und ſchwîger, im ſg. indecl.,
    gehen, weil ſie im pl. nicht umlauten können, ſchwach.
  • 2) mann, mannes, manne (oder mann) pl. mannen (in
    der bedeutung von vaſallen) gewöhnlich männer.
    Dieſe einſchiebung des urſprünglich neutralen plurals
    -er erleiden noch folg. maſc.: geiſt, geiſier; gott,
    götter; dorn, dörner; rand, ränder; halm, hälmer;
    ort, örter; wald, wälder; leib, leiber; ſtrauch, ſträu-
    cher;
    die comp. mit -thûm, irrthum, irrthmer etc.
    Theils waren ſie ehdem neutra, theils ſcheinen ſie
    falſchverſtandne analogie.

Neuniederländiſches ſubſtantivum.


Starkes und ſchwaches maſculinum.

beiſpiele: ſtênpl. ſtên-enhânpl. hân-en
ſtên-sſtên-enhân-shân-en
ſtênſtên-enhânhân-en
ſtênſtên-enhânhân-en

1) die vormahls ſtarken maſc. bilden den ſing. wie ſonſt,
den pl. aber ſchwach; a) einfache wörter: ârd (genus)
arm (brachium) balk (trabs) barm (ſinus) bêr (urfus)
berg (mons) bôm (arbor) buik (venter) dâg (dies) dank
(gratiae) dans (chorea) dief (fur) diſch (menſa) dôd
(mors) drank (potus) dwerg (nanus) êd (jusj.) gang
(greſſus) gaſt (hoſpes) gêſt (ſpiritus) glans (ſplendor)
god (Deus) grond (fundus) halm (ſtipula) hals (collum)
hart (cervus) helm (galea) hoed (pileus) hôf (hortus)
hond (canis) hôp (cumulus) kam (pecten) kelk (calix)
Y y
[706]II. neuniederl. ſubſt. maſculinum.
kòl (braſſica) krans (ſertum) krôp (ſtruma) kus (oſcu-
lum) lach (riſus) laſt (onus) mâg (affinis) meſt (fimus)
moed (animus) mond (os) môrd (caedes) môs (muſcus)
moſt (muſtum) nek (cervix) nîd (invidia) pels (pellis)
pîl (pilum) râd (conſ.) rêp (funis) rîm (pruina) roem
(gloria) rok (tunica) rôk (fumus) rug (dorſum) ſchat
(theſ.) ſcherm (tutela) ſchîn (ſplendor) ſchôt (gremium)
ſlâp (ſomnus) ſmâk (guſtus) ſmid (faber) ſtâk (baculus)
ſtên (lapis) ſtier (taurus) ſtoel (ſedes) ſtorm (tempeſtas)
ſtrik (nodus) ſtrîd (bellum) tand (dens) torf (ceſpes)
twìn (filum duplex) viſch (piſcis) vloed (fluctus) voet
(pes) vond (inventum) vos (vulpes) vriend (amicus)
wal (vallum) wêg (via) welp (catellus) wîn (vinum)
wind (ventus) wolf (lupus) worm (vermis) zak (ſaccus)
zêm (melligo) zêt (ſedes) zin (ſenſus) zôp (hauſtus)
zwam (fungus) etc. — b) bildungen mit -el, -em, -en,
-er
, als: âdel (genus) appel (pomum) âdem (halitus)
zêgen (benedictio) akker (ager) vinger (dig.) etc. —
c) mit -ing, -ling. — d) mit -er, -âr, als: ridder
(eques) lêrâr (doctor) — e) andere bildungen: êdik (ace-
tum) ernſt (ſerium) etc. — 2) die vormahls ſchwachen
bilden den pl. ſchwach, den ſing. aber ſtark, als: âp
(ſimius) bôg (arcus) erf (heres) grâf (comes) hân (gallus)
hâs (lepus) hoeſt (tuſſis) knâp (puer) hèr (dominus) nâm
(nomen) nèf (fratruelis) os (bos) riem (corrigia) tap
(obturamentum) vlek (macula) vorſt (princeps) wil (vo-
luntas) etc.


Anmerkungen: 1) ſchließt die wurzel mit den conſ.
cht, ft, ſt, ſch ſo bekommt der gen. ſg. -es ſtatt -s,
als: knechtes, gêſtes, viſches, oder man umſchreibt ihn
durch praepoſitionen; dem dat. ſg. gibt die edle ſchreib-
art noch die flexion e bei vorſtehendem artikel, z. b.
ten dâge (illa die) den voſſe (vulpi) etc. — 2) die bil-
dungen mit -el, -em, -en, -er, -âr pflegen, zumahl
im gemeinen ſtil, den plur. auf s zu bilden, als: gêvels
(faſtigia) bêzems (ſcopae) wâgens (currus) vâders (patres)
dienârs (miniſtri) welche endung allen pl. caſus zu-
ſteht und nur theoretiſch von einigen grammatikern auf
den nom. und acc. beſchränkt wird. Die edlere ſchreib-
art zieht gleichwohl bei den meiſten ſolcher wörter
ſchwache form vor und ſetzt: gêvelen, bêzemen, vâ-
deren, dienâren, nur bei denen auf -en nicht wàgenen
ſondern wâgens oder wâgen. — 3) zuweilen und
ſchwankend erſcheint im ſg. das urſprünglich bildende
oder ſchwache -e, als: vrêde (pax) rugge (dorſum) bôde
[707]II. neuniederl. ſubſt. femininum.
(nuntius) erve (heres) hâze (lepus) jonge (puer) nâme
(nomen) etc. — 4) ſelten hat ſich die ſchwache endung
in eine unorg. bildung -en verwandelt, z. b. in veulen
(pullus equi) gen. veulens; ſo bildet auch jonge (puer)
den pl. jongens. — 5) ausnahmsweiſe gilt noch der org,
ſchwache gen ſg. in hêren (domini) grâven (comitis)
menſchen (hominis) hertôgen (ducis).


Starkes und ſchwaches femininum.

beiſpiele: krachtpl. kracht-entongpl. tong-en
kracht-ekracht-entong-etong-en
kracht-ekracht-entong-etong-en
krachtkracht-entongtong-en

dieſelbe miſchung ſtarker und ſchw. form, wie beim
maſc. 1) urſprünglich ſtarke: a) einfache: âr (ſpica) bâr
(feretrum) borſt (pectus) bruid (ſponſa) dâd (facinus)
deugd (virtus) deur (porta) êr (honos) end (anas) gans
(anſer) geit (capra) gent (ſcrobs) hal (aula) comp. mit
-heid, als ſchònheid etc. im pl. -hêden; hel (infernus)
heup (coxa) jeugd (juventus) klôf (fiſſura) kracht (vis)
lèr (doctrina) liſt (fraus) lucht (aer) luis (pediculus)
macht (poteſtas) mâgd (virgo) mât (modus) meid (virgo)
melk (lac) min (amor) muis (mus) nâld (acus) nôd und
nôddruft (neceſſ.) pôrt (porta) rêf (rima) ruſt (quies) ſchâl
(phiala) ſchort (ſupparum) ſchrift (ſcriptura) ſchuld (de-
bitum) ſlêf (cochlear) ſprâk (ſermo) ſtad (urbs) ſtang
(haſta) ſtêg (ſemita) tâl (lingua) tang (forceps) tên (vir-
gula) trouw (fides) vârd (iter) vlag (vexillum) vlucht
(fuga) vrouw (uxor) wèr (defenſio) wereld (mundus)
wet (lex) wîk (vicus) wrâk (vindicta) zâk (res) ziel
(anima) etc. b) bildungen mit -el, -en, -er, als: nêtel
(urtica) hâven (portus) leugen (mendacium) kâmer (cu-
biculum) ſplinter (feſtuca) etc. — c) mit -ing: mâning
(monitio) loſſing (redemtio) etc. -nis: droefnis (moeſti-
tia) etc. — 2) urſprünglich ſchwache, als: bloem (flos)
bôn (faba) gal (bilis) kan (cantharus) kerk (eccleſia) kiſt
(ciſta) krôn (corona) mâg (ſtomachus) mân (luna) rôs
(roſa) ſtar (ſtella) ſtôf (hypocauſtum) tong (lingua) wang
(gena) wêk (hebdomas) wol (lana) zon (ſol) etc.


Anmerkungen: 1) auch die fem. auf -el, -en, -er
können den unorg. pl. -s annehmen, als: nêtels, leu-
gens, ſplinters. — 2) ſehr häufig erſcheint bei den fem.
urſprünglich erſter und zweiter ſtarker oder ſchwacher
decl. im nom. acc. ſg. die endung -e, ſo daß ſich alle
Y y 2
[708]II. neuniederl. ſubſt. neutrum.
caſus ſg. gleich ſind, z. b. ârde (terra) bêde (precatio)
boete (poenitentia) duive (columba) groeve (fovea) hulde
(favor) henne (gallina) koude (frigus) longe (pulmo)
nichte (neptis) reize (iter) ſtemme (vox) wîze (modus) etc.
bildungen mit -t, -d entbehren dieſes e niemahls, z. b.
diepte (profunditas) dikte (craſſities) begêrte (cupiditas)
vreugde (laetitia). Zumeiſt ſchwanken die mit gemi-
nierter liq., man ſchreibt gleichrichtig gal, ſtem, hen,
ſtar und galle, ſtemme, henne, ſterre. — 3) kein ſolches
e annehmen die aus vierter decl. ſtammenden: borſt,
bruid, dâd etc. ja dieſe können es umgedreht im gen.
dat. ablegen, folglich den ganzen ſg. ohne alle endung
machen Bei vorſtehendem artikel läßt man das -e gen.
und dat. ſg. gern ſtehen, z. b. ter borſte.


Starkes und ſchwaches neutrum.

decliniert dem maſc. völlig gleich. Hierher gehören eine
menge einfacher, als: bâd (balneum) bed (lectus) blâd
(folium) bloed (ſanguis) boek (liber) bord (aſſer) brôd
(panis) dak (tectum) dal (vallis) dêl (pars) dier (animal)
ding (res) doek (linteum) dorp (pagus) erf (hereditas)
gat (foramen) geld (pecunia) glàs (vitrum) goed (opes) grân
(ſemen) goud (aurum) grâs (gramen) hâr (crinis) heil
(ſalus) heir (exercitus) hôfd (caput) huis (domus) jâr
(annus) jok (jugum) kâf (ſtipula) kalf (vitulus) kind
(infans) klêd (veſtis) koren (frumentum) kruis (crux)
lam (agnus) land (terra) lêd (dolor) lêm (argilla) licht
(lux) lid (articulus) lied (carmen) lîk (cadaver) lôd
(plumbum) lôt (ſors) luik (operculum) mêl (farina) moes
(legumen) mout (polenta) mud (modius) net (rete) pond
(pondus) recht (juſtitia) riet (juncus) rîk (regnum) rot
(putredo) ſchâp (ovis) ſchip (navis) ſlot (arx) ſpel (lu-
ſus) ſpôr (veſtigium) getâl (numerus) vat (vas) vel (cu-
tis) veld (ager) vlêſch (caro) vlôt (ratis) vâd (vadum)
werk (opus) wôrd (verbum) zâd (ſemen) zêr (ulcus)
zout (ſal) zwêrd (enſis) zwîn (ſus) u. a. m. — 2) bil-
dungen mit -el, -en, -er, als: euvel (malum) lâken
(mappa) wâter (aqua) etc. — 3) diminutiva auf -ken,
-eken
, -je, -mpje, -ltje, -ntje (vgl. oben ſ. 536.) als:
vrouken, hoedeken etc. — 4) mit -ſel, als blîfſel (re-
liquiae) etc. — 5) mit -t, als: gebênte, gebergte etc. —
6) nur wenige urſpr. ſchwache: ôg (oculus) ôr (auris)
lichâm (funus) hert (cor).


Anmerkungen: 1) die unter 2. 3. 4. genannten neh-
men einen unorg. pl. auf -s an, als: euvels, lâkens, wâ-
[709]II. neuengliſches ſubſtantivum.
ters, vroukens, meiſjes, bloempjes, blîfſels; die unter
5. fügen zu dem ſchw. -en das -s hinzu: gebêntens
(oſſa). — 2) nachſtehende ſchieben -er an und haben
dann in der edleren ſprache die flexion -en, in der ge-
meinen -s, als: bên (os) pl. bênderen oder bênders;
berd (barba) berderen; blâd (folium) blâderen; ey (ovum)
eyeren; goed (opes) goederen: hoen (pullus) hoenderen;
kalf (vitulus) kalveren; kind, kinderen; klêd, klède-
ren; lam, lammeren; lied, liederen; gemoed, gemoede-
ren; râd (rota) râderen; rund (armentum) runderen;
ſpân (feſtuca) ſpânderen; volk (gens) volkeren. Da nun
einige derſelben zugleich ohne einſchiebung des -er
den pl. regelmäßig bilden, z. b. blâd, blâden; râd, râ-
den: volk, volken etc. ſo beſteht für ſie eine dreifache
pl. flexion (blâden, blâderen, blâders). — 3) das ur-
ſprüngliche -e zeigt ſich zuweilen im ſg. der vormahli-
gen ſchwachen oder zweiten ſtarken decl. als: herte,
bedde, mudde, gebênte, gebergte etc., neben hert, bed,
mud.


Anomalien des neuniederländiſchen ſubſtantivum.

1) vâder, broeder haben jetzt im gen. ſg. vâders,
broeders; im pl. vâders, broeders oder vâderen, broe-
deren; moeder, dochter, zuſter im ſg. unveränderlich,
im pl. wie vâder. — 2) man, gen. mannes, dat. manne;
pl. manuen und mans; auch zôn (filius) macht den pl.
zôns und zônen. — 3) die durchgreifende miſchung ſt.
und ſchw. formen ſo wie die abweſenheit des umlauts
hat in der lehre vom genus mehr unſicherheit und ab-
weichung verurſacht, als dies im hochd. der fall iſt; da-
von im folg. buche das nähere.


Neuengliſches ſubſtantivum.


Das plurale -s (zuweilen -es, wo ſich conſonanten
drängen) wird allen ſubſt. ohne rückſicht auf ihr ge-
ſchlecht gegeben, ebenſo das -s gen. ſg., wenn dieſer
caſus dem regierenden ſubſt. vorſteht, gebraucht. Einige
überreſte der alten flexionen erhalten ſich in folgenden
anomalien: 1) brother (frater) pl. brothers oder brethren.
2) man (homo) pl. men. 3) fôt (pes) tôth (dens) gôſe
(anſer) pl. fêt, têth, gêſe. 4) mouſe (mus) louſe (ped.)
pl. mice, lice; cow (vacca) ſow (ſus) pl. kine, ſwine.
5) ox (bos) pl. oxen; chick (pullus) pl. chicken. 6) child
[710]II. ſchwed. ſubſt. ſt. maſc. erſte, zw. u. dr. decl.
(infans) mit eingeſchobnem r pl. children. egg (ovum)
macht aber eggs, nicht mehr egren.


Schwediſches ſubſtantivum.


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: fiſkpl. fiſk-ar
fiſk-sfiſk-ars
fiſkfiſk-ar
fiſkfiſk-ar

1) viele einfache, z. b. arm (brachium) aſk (capſa)
bock (hircus) dâg (dies) dâl (vallis) dverg (nanus) fiſk
(piſcis) gaſt (ſpiritus) gûd (Deus) häſt (equus) hund (ca-
nis) hœg (tumulus) lâg (lex) lêm -mmar (membr.) orm
(vermis) pilt (puer) qviſt (ramus) ſkalk (ſervus) ſkôg
(ſilva) ſtên (lapis) ſtôl (ſedes) træl (ſervus) ulf (lu-
pus) etc. — 2) bildungen -el, -en, -er, -ar, als: en-
gel (angelus) fågel (avis) ſtöfvel (ocrea) regn (pluvia)
finger (digitus) hammar (malleus) etc. — 3) mit -ung,
-ling:
kônung (rex) yngling (juv.).


Anmerkungen: 1) die unter 2. ſyncopièren im pl. den
bildungsvocal, als: englar, ſtöflar, fingrar, hamrar f. en-
gelar, ſtöfvelar, hammarar. — 2) einige ſchieben im pl.
i ein, ſo: dreng (famnlus) drengjar, neben drengar. —
3) die altſchwed. ſprache beſaß noch das -er des nom.
ſg., das -a gen. pl. und das -om des dat. pl. z. b. dâger
(dies) dâga (dierum) dâgom (diebus). Dieſe bemerkung
gilt für alle männl. declinationen.


Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: fiſkar-epl. fiſkar-e
fiſkar-esfiſkar-es
fiſkar-efiſkar-e
fiſkar-efiſkar-e

enthält viele bildungen mit -are, deren pl. und ſg. im-
mer gleichlauten: älſkare (amator) gångare (equus tolu-
tarius) etc.


Starkes maſculinum. dritte declination.

beiſpiel: ſônpl. ſœn-er
ſôn-sſœn-ers
ſônſœn-er
ſônſœn-er
[711]II. ſchwed. ſubſt. ſtark. ſem. erſte u. dr. decl.

bierher zähle ich die wenigen pl. auf -er mit umlau-
tender wurzel: brand (titio) bränder; fôt (pes) fötter;
lêdamôt (membrum) ledamœter; ſtâd (urbs) ſtæder; ſôn
(filius) ſœner und vielleicht noch einige. Die meiſten
altn. dritter decl. ſind in die erſte übergetreten, theils mit
beibehaltenem, verhärtetem u -umlaut z. b. örn (aquila)
örnar; biörn (urſus) biörnar; theils mit abgelegtem, z. b.
galt (aper) galtar; vall (vallum) vallar; ſpån (ſegmen)
ſpånar; tråd (filum) trådar.


Starkes maſculinum. vierte declination.

beiſpiel: vænpl. vänn-er
væn-svänn-ers
vænvänn-er
vænvänn-er

1) einfache wörter in geringerer zahl als bei erſter decl.
z. b. balk (interſeptum) böld (ulcus) êd (jusj.) flôd (fluvius)
gäſt (hoſpes) gång (iter) lêd (articulus) ort (locus) rätt (jus)
ſèd (mos) ſkald (poeta) ſvên (puer) ſång (cantus) væn
(amicus) etc. — 2) einige bildungen: månad (menſis).


Anmerkungen: 1) kein umlaut; die pl. lauten: bal-
ker, flôder, orter, ſkalder. — 2) manche ehedem hier-
her gehörige ſind in die erſte übergegangen, z. b. bälg
(follis) bälgar; væg (via) vægar etc.


Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: ſôlpl. ſôl-ar
ſôl-sſôl-ars
ſôlſôl-ar
ſôlſôl-ar

1) wenige einfache, z. b. aln (cubitus) bœk (fagus) êk
(quercus) grên (ramus) grind (janua) hûd (cutis) jord
(terra) mân (juba) qvarn (mola) ſjæl (anima) ſkâm, mmar
(pudor) ſôl (ſol) värld (mundus) etc. — 2) die häufigen
bildungen mit -ing: drottning (regina) lemning (reli-
quiae) etc. — Anmerkung: manche ſonſt hierherfallende
ſind in die vierte oder in die ſchw. decl. übergetreten.


Starkes femininum. zweite declination.

mangelt.


Starkes femininum. dritte declination.

beiſpiel: tandpl. tänd-er
tand-ständ-ers
tandtänd-er
tandtänd-er
[712]II. ſchwed. ſubſt. ſtark. neutr. erſte u. zw. decl.

kennzeichen iſt hier wieder der pl. umlaut: and (anas)
änder; bôt (mulcta) bœter; bôk (liber) bœker; hand (ma-
nus) händer; nat (nox) nätter; rôt (radix) rötter; ſtrand
(littus) ſtränder; ſtång (contus) ſtänger; tand (dens) tän-
der; tång (forceps) tänger. — Anmerkung: unumlautbare
rechne ich zur vierten, z. b. gnet (lens, -dis) gnetter.


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: kraftpl. kraft-er
kraft-skraft-ers
kraftkraft-er
kraftkraft-er

kennzeichen iſt der unumlaut, 1) einfache, als: bœn
(preces) drift (motus) gnet, gnetter; häfd (mos) hielp
(auxil.) hind (cerva) kind (gena) kraft (vis) lœn (merces)
mark (campus) maſt (malus) mîn (geſtus) nœd (neceſſitas)
ört (herba) ſak (cauſa) ſôt, ſotter (morbus) ſkrift (ſcriptum)
tìd (tempus) u. a. m. — 2) comp. mit -ſkap und -hêt.


Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiel: ordpl. ord
ord -sord-s
ordord
ordord

1) eine menge einfacher, als: år (annus) bâd (balneum)
band (vinclum) barn (infans) bên (os) berg (mons) blâd (fo-
lium) diur (animal) folk (gens) glâs (vitrum) hâf (mare)
hår (crinis) lâg (ſocietas) lamb (agnus) land (terra) lius
(lux) ord (verbum) rœr (juncus) ſår (vulnus) ſvärd (en-
ſis) torg (forum) u. a. m. 2) bildungen: tâgel (cauda
equina) namn (nomen) vatten (aqua) finger (digitus)
hufvud (caput) etc. — Anmerkung: neben dem ordent-
lichen pl. kommt von land (terra) ſtånd (ſtatus) t g
(utenſile) vîn (vinum) der paragogiſche pl. länder, ſtän-
der, tŷger, vîner vor.


Starkes neutrum. zweite declination.

beiſpiel: kynn-epl. kynn-e
kynn-eskynn-es
kynn-ekynn-e
kynn-ekynn-e

hiernach: ærende (nuntius) äpple (pomum) belæte (ima-
go) gille (tribus) hvête (triticum) klæde (veſtis) kynne
[713]II. ſchwed. ſubſt. ſchwache declinationen.
(genus) krŷpe (latébra) lŷte (vitium) löfte (votum) minne
(memoria) näſte (nidus) ſinne (animus) rîke (regnum)
värde (pretium) u. a. m. — Anmerkungen: 1) der pl. iſt
nach analogie des altn. und des ſchwed. maſc. zweiter
decl. (alſo dem ſg. gleich) aufgeſtellt; kaum aber wird
er ſo heute gebraucht; ſondern meiſtens mit anhängen-
dem artikel: kynnen, gillen, lŷten, rîken, welches Bo-
tin p. 93. 104. irrthümlich für die indefinitive endung
hält, welche durch ein weiter zugefügtes -a definitiv
werde: kynnena, gyllena. Mehr hiervon da, wo die
anhängung des artikels verhandelt werden wird. —
2) auch hier können einige -r anſchieben, als klæder
(veſtes) fängelſer (captivitates) belæter (imagines).


Schwaches maſculinum.

beiſpiel: hân-epl. han-ar
hân-es (-as)han-ars
hân-e (-a)han-ar (-om)
hân-e (-a)han-ar

ande (ſpiritus) biälke (trabs) bôge (arcus) hâre (lepus)
hâne (gallus) galge (patib.) kämpe (athleta) lunge (pul-
mo) måne (luna) niure (ren) oxe (bos) vilje (vol.) u. a. m.
Anmerkung: die eingeklammerten, beßeren flexionen
ſind noch der bibelſprache gemäß, aber hentigestags
veraltet.


Schwaches femininum.

beiſpiel: tung-apl. tung-or
tung-as (-os)tung-ors
tung-a (-o)tung-or (om)
tung-a (-o)tung-or

aſka (cinis) bœna (faba) frilla (pellex) helſa (ſalus) hœna
(gallina) kanna (cantharus) mŷra (formica) mygga (culex)
männiſka (homo) næſa (naſus) pîga (virgo) pîpa (fiſtula)
qvinna (femina) ſtierna (ſtella) ſtûga (hypocauſtum) tärna
(virgo) vîſa (modulatio) und viele andere. Anmerkun-
gen:
1) auch hier zeigen die eingeklammerten flexionen
den früheren, jetzt veralteten organiſmus an. — 2) einige
machen den ſg. ohne -a, namentlich: gräns (limes)
rôs (roſa) våg (unda).


Schwaches neutrum.

beiſpiele: hiert-apl. hiert-anœg-apl. œg-on
hiert-ashiert-ansœg-asœg-ons
hiert-ahiert-anœg-aœg-on
hiert-ahiert-anœg-aœg-on
[714]II. däniſches ſubſt. ſtarkes maſc. erſte decl.

wie hierts (cor) gehet nyſta, nöſta (glomus); wie œga
(oculus) aber œra (auris). Die pl. endung -an, -on
ſcheint mir kein ſuſſigierter artikel (vgl. die zweite ſtarke
decl.) ſondern ſpur der alten ſchwachen form.


Anomalien des ſchwediſchen ſubſtantivum.

1) fâder, brôder, pl. fæder, brœder oder fædrar, brœ-
drar; môder, dotter pl, mœdrar, dottrar. 2) man, pl.
männer, in comp. -män. — 3) die fem. gås (anſer) lûs
(ped.) mûs (mus) machen den pl. gäſſ, löſſ, möſſ. — 4) vo-
calauslautige wurzeln gehen in der regel vollſtändig und
werfen nur zuweilen den anſtoßenden flexionsvocal weg.
α) männliche: ſå (ſitula) brô (pons) hô (urceus) lô (lynx)
ſkô (calceus) fnœ (nix) ſiö (mare) bŷ (aedificium) hŷ
(color) pl. ſåar, hôar, ſkôar, bŷar. — β) weibliche: å
(amnis) rå (antenna) vrå (angulus) pl. åar, råar, vråar;
tå (dig. pedis) bekommt tænar: mô (terra inculta) kô
(vacca) klô (ungula) rô (quies) trô (fides) pl. môr, klôr;
mœ (puella) œ (inſula) pl. mœar, œar, zuweilen mœjar,
œjar; dŷ (palus) pl. dŷar; frû (femina) pl. frûar und
frûer; hûſtrû, jungfrû aber hûſtrûr, jungfrûr. — γ) neu-
trale lauten im ſg. und pl. gleich: knæ (genu) rå (pla-
centa) ſkrå (tribus) ſtrå (ſtramen) bî (apis) blŷ (plum-
bum) brŷ (angor) bô (nidus) tô (linum) hœ (foenum). —
5) von einſchiebung des er beim ſt. neutr.


Däniſches ſubſtantivum.


Starkes maſculinum. erſte declination.

beiſpiel: fiſkpl. fiſk-e
fiſk-sfiſk-es
fiſkfiſk-e
fiſkfiſk-e

1) einfache: biörn (urſus) brand (titio) dâg (dies) dâl
(vallis) dôm, pl. domme (judicium) dreng (famulus)
drœm, drömme. (ſomnium) dverg (nanus) fiſk (piſcis) gang
(iter) grîs (porcellus) hat, hatte (pileus) heſt (equus) hund
(canis) lund (nemus) örn (aquila) ſvend, ſvenne (famulus)
ſkôv (ſilva) træl (ſervus) tŷv (fur) u. a. m. — 2) bildun-
gen mit -el, -er: himmel (coelum) engel (ang.) finger
(dig.) âger (ager) ſêjer (victoria) etc. ſo wie mit ſynco-
piertem bildungsvocal -l, -n, -r: fugl (avis) ravn (cor-
vus) ſeir (victoria). Die erſtgenannten werfen ihn aber
im pl. weg, als: himle, fingre (nicht: himmele, fingere).


[715]II. dän. ſubſt. ſtark. maſc. zw., dr. u. viert. decl.
Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: fiſkerpl. fiſker-e
fiſker-sfiſker-es
fiſkerfiſker-e
fiſkerfiſker-e

viele bildungen mit -er (altn. -ari), welche ſich von de-
nen auf -er erſter decl. dadurch unterſcheiden, daß ſie
im pl. den bild. voc. nicht ſyncopieren, es darf nur
fiſkere, ſkippere, tienere heißen, nicht fiſkre, tienre;
dort umgekehrt fingre, âgre, nicht fingere, âgere.


Starkes maſculinum. dritte declination.

beiſpiel: fôdpl. född-er
fôd-sfödd-ers
fôdfödd-er
fôdfödd-er

nur wenige wörter mit pluralumlauten: ſtâd, ſtæder
(urbs) ſtand, ſtänder (ſtatus) fôd, födder (pes); ſœn, ſön-
ner (filius) hat unorganiſch den umlaut auch in den ſg.
übergetragen.


Starkes maſculinum. vierte declination.

beiſpiel: vênpl. venn-er
vên-svenn-ers
vênvenn-er
vênvenn-er

wörter, am unumlautenden pl. erkennbar: bälg (pellis)
êd (jusj.) flôd (fluvius) gieſt (hoſpes) gud (Deus) lem,
lemmer (membrum) ret, retter (jus) ſkielm (nebulo) von
ſæd (mos) gilt bloß der pl. ſæder; ſodann die bildun-
gen aften (veſpera) morgen (temp. mat.) maaned (men-
ſis) pl. aftener, morgener, maaneder.


Starkes femininum. erſte declination.

beiſpiel: ſôlpl. ſôl-e
ſôl-sſôl-es
ſôlſôl-e
ſôlſôl-e

wenige wörter: bœg (fagus) borg (arx) brûd (ſponſa) êg
(quercus) grên (ramus) grind (clathrum) hiord (grex)
ſkâm, ſkamme (pudor) ſiæl (anima) ſôl (ſol) alen, alne
(cubitus).


[716]II. dän. ſubſt. ſtark. femin. dritte u. vierte decl.
Starkes femininum. zweite declination.

mangelt.


Starkes femininum. dritte declination.

beiſpiel: tandpl. tänd-er
tand-ständ-ers
tandtänd-er
tandtänd-er

and, änder (anas) bôg, bœger (liber) bôd, bœder (mulcta)
haand, händer (manus) kraft, kräfter (vis) nat, nätter
(nox) rôd, rödder (radix) ſtang, ſtänger (contus) tand,
tänder (dens).


Starkes femininum. vierte declination.

beiſpiel: ſâgpl. ſâg-er
ſâg-sſâg-ers
ſâgſâg-er
ſâgſâg-er

ohne pluralumlaut: art (modus) bœn, bœnner (preces)
drift (motus animi) dŷd (virtus) gêd (capra) hôv (ungula)
hûd (cutis) jord (terra) kind (gena) maſt (malus) nödd
(nux) ſâg (cauſa) ſkaal (pelvis) tîd (tempus) urt (herba)
verden, verdener (mundus) etc.; alle bildungen mit -ing
und comp. mit -hêd, -ſkab. kraft geht nach 3.


Starkes neutrum. erſte declination.

beiſpiele: ordpl. ordfâdpl. fâd-e
ord-sord-sfâd-sfâd-es
ordordfâdfâd-e
ordordfâdfâd-e

hierher eine menge wörter: aar (annus) æg (ovum) ax
(ſpica) bierg (mons) blâd (folium) dŷr (animal) fâd (vas)
haar (crinis) horn (cornu) lêd (membrum) lîv (vita) lŷs
(lux) maal (ſermo) ord (verbum) ſaar (vulnus) ſalt (ſal) ting
(res) u. v. a. — Anmerkungen: 1) die pl. endung -e tritt
in wörtern mit urſprünglich kurzer wurzelſilbe ein,
wenn ſie auch nunmehr lang geworden iſt, alſo: blâde
(folia) fâde (vaſa) ſkîbe (naves); früher gewis blad, blade;
fad, fade; ſkib, ſkibe, wie man aus glâs (vitrum) pl.
glaſſe ſieht, wo der kurze vocal geminiertes ſ wirkte,
alſo früher glas, glaſe galt. Urſprünglich lange machen
den pl. dem ſg. gleich: aar, maal, ord etc. — 2) aus-
nahmsweiſe haben auch langſilbige ſolches -e, als: land
(terra) lande; brŷſt (pectus) brŷſte; ſlot (arx) ſlotte; hûs
(domus) hûſe; krûs (crater) krûſe etc. — 3) der entſprung
[717]II. dän. ſubſt. ſlarkes neutr. ſchw. decl.
dieſer endung -e aus altem -u iſt oben ſ. 659. dargethan
und merkwürdige ſpur des durch u gewirkten vocal-
umlauts erhält ſich im dän. barn (infans) pl. börn (vgl.
oben ſ. 563.) ſtatt des analogeren barn oder barne. —
4) folgende erweitern den pl. durch -er: brädt (aſſer)
brädter; brŷſt (pectus) brŷſter (neben brŷſte) bäkken
(pelvis) bäkkener; hôved (caput) hôveder; hôf (aula)
hoffer; lem, lemmer (membr.) pandt (pignus) pandter;
ſtêd (locus) ſtêder; alle bildungen mit -ſel: bidſel, bidſler;
fängſel, fängſler etc.


Starkes neutrum. zweite declination.

1) viele ſonſt hierher gehörige wörter ſind mit abgeleg-
tem bildungs -e in die erſte decl. übergegangen, z. b.
kiœn (genus) ſind (mens) etc. — 2) die gebliebenen
bilden den ſg. wie im ſchwed. z. b. klæde (veſtis) rîge
(regnum) äble (pomum) billede (imago) embede (offi-
cium) etc. Ihr pl. iſt entw. ungebräuchlich, oder wird
mit angehängtem artikel gemacht, oder ſchiebt -er an:
billeder, embeder, rîger.


Schwaches maſculinum.

beiſpiel: hân-epl. hâ-er
hân-eshâ-ers
hân-ehâ-er
hân-ehâ-er

âbe (ſimius) bûe (arcus) gaſſe (anſer mas) hâne (gallus)
hâre (lepus) kiempe (pugil) u. v. a. Einige apocopieren
das -e im ſg. als: aand (ſpiritus); oxe (bos) macht den
pl. öxene, öxne, nicht oxer; vermuthlich ſtammt er von
einem ſg. öxen (nach erſter ſtarker). Wegen des umlau-
tenden pl. bönder von bonde (agricola) verweiſe ich auf
die decl. der particip. Verſchiedene wörter ſind in die
ſtarke form eingetreten, z. b. nar, pl. narre (altn. narri).


Schwaches femininum.

ſtimmt gänzlich mit der decl. des maſc. überein; beiſpiele
ſind: dûe (columba) klâge (querela) kône (femina) pîge
(puella) qvinde (mulier) tunge (lingua) vîſe (modulatio) u.v.a.


Schwaches neutrum.

beiſpiel: hiert-epl. hiert-en
hiert-eshiert-ens
hiert-ehiert-en
hiert-ehiert-en

nur: hierte (cor) œje (oculus) œre (auris).


[718]II. goth. ſtarkes adject. erſte declin.
Anomalien des däniſchen ſubſtantivs.

1) fâder, brôder, môder, datter pl. fædre, brœdre,
mœdre, döttre. 2) mand. pl. mänd. 3) gaas, pl. giæs, gæs;
mûs, lûs behalten auch im pl. mûs, lûs, gen. pl. mûſes,
lûſes. — 4) mit vocalauslaut α) männl. und weibl.: aa
(fluvius) raa (antenna) ſaa (palea) taa (dig. pedis) ſkê
(cochlear) bî (apis) brô (pons) kô (vacca) klô (ungula)
ſô (ſus) mœ (virgo) œ (inſula) bŷ (urbs) etc. pl. aaer,
ræer, ſaaer, tæer, ſkèr, bìer, brôer, kœer, klœr, ſœr,
mœer, œer, bŷer. β) neutrale: hœ (foenum) ſtraa (ſtra-
men). Mit vielen ſchon im ſg. aae, bîe, œe, ſtraae etc.
zu ſchreiben ſcheint verwerflich, weil ein ſolches e nur
ſchwachen wörtern wie bûe, dûe etc. gebührt. — 5) von
einſchiebung des -er beim ſt. neutr.


Gothiſches adjectivum.


Starkes adjectivum. erſte declination.

maſe.fem.neutr.
ſing. blind-sblind-ablind-ata [blind]
blind-isblind-áizôsblind-is
blind-ammablind-áiblind-amma
blind-anablind-ablind-ata [blind]
pl. blind-áiblind-ôsblind-a
blind-áizêblind-áizôblind-áizê
blind-áimblind-áimblind-áim
blind-ansblind-ôsblind-a

1) einfache: alls (omnis) arms (pauper) baírhts (mani-
feſtus) balþs (audax) blinds (coecus) bráids (latus)
dáubs (ſtupidus) us- dáuds (ſollicitus, nach dem adv.
usdáudô) dáuþs (mortuus) diups (profundus) -dôgs
(-ἥμερος, -tägig) dumbs (mutus) dvals (ſtultus) -ſalþs
(-plex) faúrhts (timidus) þrutsfills (leproſus) usfilms
(pavidus) friks (cupidus) frôds (prudens) frums (bo-
nus) fùls (putris) fulls (plenus) gaúrs (moeſtus) gôds (κα-
λὸς
) hafts (capax) haíhs (lnſcus) hails (ſanus) halbs (di-
midius) halts (claudus) hanfs (mancus) haúhs (altus) hlas
(hilaris) hulþs (propitius) hveits (albus) juggs (juvenis)
kalds (frigidus) klahs (puſillus) -kunds (oriundus) kunþs
(notus) laggs (longus) láus (ſolutus) unlêds (pauper) liubs
(carus) qvius, gen. qvivis (vivus) raíhts (rectus) rûms
(amplus) ſads (ſatur) ſiuks (aeger) ſlaíhts (planus) ſtamms
[719]II. goth. ſtarkes adject. erſte declin.
(balbus) *) ſvarts (niger) ſvês (proprius) ſvinþs (fortis)
untals (inobediens) triggvs (fidus) þarbs (egenus) þiuþs
(ἀγαθὸς) mikil þuhts (arrogans) tvaírhs (iratus) þvalts
(certus) unvahs (inculpatus) usvaúrhts (perfectus) filuvaúrds
(multiloquus) vaírþs (dignus) veihs (ſanctus) invinds (in-
juſtus) vôds (inſanus) vráiqvs (obliquus). — 2) bildungen mit
-il: leitils (parvus) mikils (magnus) ubils (malus). — 5) mit
-n: ïbns (aequalis) analáugns (occultus) ſvikns (innoxius). —
4) mit -r: abrs (validus) báitrs (acerbus) fagrs (pulcher)
mundrs (?) ſnutrs (callidus) etc. — 3) mit -ag, -eig,
-uk
: áudags (dives) grêdags (famelicus) manags (multus)
gabeigs (opulentus) þiuþeigs (benedictus) ïbuks (retro-
gradus) etc. — 6) mit -ah: unbarnahs (ἄτεκνος) ſtáínahs
(lapidoſus). — 7) mit -ein: filleins (pelliceus) liubadeins
(lucidus) þaúrneins (ſpineus) etc. — 8) mit -iſk: man-
niſks (humanus) haíþiviſks (ſilveſtris). — 9) mit -ad,
als: naqvaþs (nudus). — 10) mit der vorſilbe ga-:
gahvaírbs (ſubjectus) gadôfs (conveniens) filu-galáubs
(πολύτιμος) gaguds (honeſtus) galeiks (ſimilis) gamáids
(mancus) ganôhs (uber) garaíhts (juſtus) gaſkòhs (calcea-
tus) gatils (opportunus) gavamms (maculatus) etc.


Anmerkungen: 1) das norninative -s bleibt weg,
wenn die wurzel ſelbſt auf ſ auslautet, alſo ſvês, hlas
f. ſvêſ -s, hlaſ -s gen. ſvêſis, hlaſis (oben ſ. 599.); hingegen
ſtehtr -s, als: gaúr -s, Luc. 18, 23. ſvêr -s (honoratus) Marc.
6, 4. Luc. 7, 2. gen. gaúris, ſvêris (oder ſvêrjis?) und
vermuthlich galt auch mêrs, (clarus) ſ. oben ſ. 37. [von
dem wurzelhaften rs, wie in vaírs etc. iſt hier keine
rede]. — 2) die neutrale endung des nom. acc. ſg. -ata
kann, ohne rückſicht auf vorhergehende conſonanz, bald
ſtehen, bald wegbleiben; weiteres in der ſyntax. —
3) ſchwanken zwiſchen erſter und zweiter declination;
wörter der letzteren pflegen im nom. ſg. maſc. und
nom. acc. ſg. neutr. (ohne -ata) ihr bildungs -i auszu-
ſtoßen, folglich denen erſter decl. zu gleichen; belege:
bleiþs Luc. 6, 36. hráins Matth. 8, 3. Luc. 5, 13. 9, 39.
hráin Matth. 8, 3. Tit. 1, 15. gamáin Rom. 14, 14. ſêl
Marc. 7, 22. andanêm Luc. 4, 19. andaſèt Luc. 15, 15.
Vermuthlich gehören hierher auch die anm. 1. ge-
nannten ſvêrs und mêrs, [ſvêrs, ἔντιμος, geehrt, von
anſehen und gewicht; alth. ſuâr, ſuâri, gravis], nicht
[720]II. goth. ſtarkes adject. erſte declin.
aber gaúrs, weil Matth. 6, 16. gaúrái und kein gaúrjái
ſteht. — 4) zu favái (pauci) finde ich keinen ſg., er
würde fáus lauten.


Starkes adjectivum. zweite declination.

ſing. mid-ismid-jamid-jata [mid-i]
mid-jismid-jáizôsmid-jis
mid-jammamid-jáimid-jamma
mid-janamid-jamid-jata [mid-i]
plur. mid-jáimid-jôsmid-ja
mid-jáizêmid-jáizômid-jáizê
mid-jáimmid-jáimmid-jáim
mid-jansmid-jôsmid-ja

hierher: aírzis (erroneus) ufáiþis (ἐνόρκιος) alêvis (olivifer)
arnis (tutus) arvis (fruſtraneus) azeitis, azêtis, (εὔκοπος)
áuþis (deſertus) bleiþis (mitis) unbrûkis (inutilis) faírnis
(vetus) framaþis (alienus) fris (liber) láushandis (vacuus)
bihatis (iracundus) hráinis (purus) unkaris (incurius) midis
(medius) andanêmis (gratus) nivis gen. niujis (novus)
raþis (εὔκοπος) birêkis (periclitans) reikis (dives) ſêlis
(bonus) andaſêtis (abominabilis) ſibis (cognatus) ſleidis
(ſaevus) ſpêdis (ſerus) ſvêris (gravis) ſutis (ἄνεκτος) ful-
latôjis (perfectus) ustrudis (ſegnis) vilþis (ferus) und mit
der vorſilbe ga: gabaúris (voluptuoſus) gamáinis (com-
munis) gahahis (conſequens) gavilis (voluntarius).


Anmerkungen: 1) paradigma und angabe der nom.
maſc. ſind der theorie gemäß, aber nicht vollſtändig zu
belegen. Nämlich für den nom. ſg. maſc. iſt fullatôjis
Matth. 6, 48. ubiltôjis Joh. 18, 30. einziger beleg; für
den nom. ſg. neutr. (ohne -ata) faírni Luc. 5, 39. vilþi
Marc. 1, 6. (randgloſſe). Für die theorie ſpricht die ana-
logie theils der ſubſtantive (ſ. 599.) theils der adj. dritter
decl. (hardus vgl. mit hráinis). Wie inzwiſchen ſchon
beim ſubſt. ein unorg. nom. -jis ſtatt -is (ſ. 600.) ein-
drang, ſo könnte er auch hier beim adj. eintreten;
ferner die dort beobachtete rückſicht auf kurze oder
lange wurzelſilbe eben ſo beim adj. geſucht werden,
d. h. ein nom. und gen. maſc. aírzeis, hráineis, allein
dergleichen habe ich nirgends gefunden (ſo wenig als
beim ſtarken ſubſt. neutr. einen analogen gen. -eis;
oben ſ. 606.) Für ein theoretiſches fris (liber) gen. fris
oder frijis; nom. pl. frijái Joh. 8, 36. wäre die analogie
des pron. ïs, gen. ïs, plur. ijái. — 2) ſtatt dieſes theore-
tiſchen nom. ſg. maſc. und neutr. bedient ſich der Gothe
[721]II. goth. ſtarkes adj. zweite u. dritte decl.
lieber α) der ſchwachen form, z. b. im voc. unſêlja
(improbe) Luc. 19, 22. β) gewöhnlich aber, mit ſyn-
copiertem i, der ſtarken form nach erſter decl. (belege
dort anm. 3.) — 4) ſolche unorganiſche hráins, gamáins.
ſêls, ſvêrs, andanêm, andaſêt etc. benehmen der zwei-
ten decl. für alle übrigen caſus nichts, d. b. es muß
hráinjamma, hráinjana, hráinjái, hráinjáizê, ſêljamma,
niujamma, andanêmjamma, andaſètjái Tit. 1, 16. etc.
und darf nicht hráinamma, nivamma etc. heißen. Im
ganzen fem. gilt das paradigma unverletzt. — 5) ver-
ſchiedene adj. dieſer zweiten decl. abſtrahiere ich bloß
aus den comparativen -iz-, und adverbien -iba, -jaba,
-jô, die adjective form des poſitivs mangelt in den ulph.
bruchſtücken; namentlich: arnis, arvis, azêtis. ſutis,
gabaúris, gahahis. Das verbum ſkeirjan beweiſt noch
nicht für ein adj. ſkeiris (clarus), da z. b. natjan (ri-
gare) eher auf nats (madidus) führt, als auf natis. Nä-
heres bei der wortbildung — 6) vom ſchwanken zwi-
ſchen zweiter und dritter decl. gleich hernach.


Starkes adjectivum. dritte declination.

überreſte der mittelſt -u gebildeten adj., aus denen ſich
kein vollſtändiges paradigma aufſtellen läßt, ſondern nur
der nom. ſg. maſc. hard -us fem. hard -us neutr.
hard -u; man rechne hierher: aggvus (anguſtus) aglus
(moleſtus) glaggvus (ſolers) hardus (durus) hnaſqvus (te-
ner) manvus (paratus) ſeiþus (ſerus) þaúrſus (ſiccus)
þlaqvus (mollis); das adv. filu läßt auf ein gänzlich
ungebräuchliches adj. filus (multus) ſchließen.


Anmerkungen: 1) die merkwürdige gleichheit des
weibl. nom. mit dem männl. verdient den beleg þaúr-
ſus Luc. 6, 6. — 2) ob der gen. ſg. hardáus lauten könne
und wie die übrigen caſus? beruht auf bloßer muth-
maßung. Schwerlich entbehrte der dat. acc. maſc. ſein
adjectiviſches -mma, -na, vielleicht hieß es hardvamma,
hardvana? — 3) wo andere caſus (oder auch das neutr.
mit -ata) vorkommen, zeigt ſich mit verwandlung des
u in i, übertritt in die zweite decl. alſo: þaúrſjana
(aridum) Marc. 11, 20. manvjata Marc. 14, 16. ſt. þaúrſvana,
manvata? Nur im nom. ſg. haftet u, kein hardis, þaúr-
ſis etc. erſcheint noch; daher ich auch zu dem dat pl.
hnaſqvjáim Matth. 11, 8. Luc. 7, 25. den nom. hnaſqvus
dem nom. hnaſqvis vorziehe. — 4) ohne zweifel gibt
es ſolcher wörter auf -us noch andere und gab ihrer in
früherer zeit viel mehr.


Z z
[722]II. goth. ſchw. adj. erſte u. zweite decl.
Schwaches adjectivum. erſte declination.

ſg. blind-ablind-ôblind-ô
blind-insblind-ônsblind-ins
blind-inblind-ônblind-in
blind-anblind-ônblind-ô
pl. blind-ansblind-ônsblind-ôna
blind-anêblind-ônôblind-ônê
blind-amblind-ômblind-am
blind-ansblind-ônsblind-ôna

Anmerkung: verſchiedene wörter begegnen nur in
ſchwacher form, z. b. ïnkilþô (gravida) aftuma (ultimus)
ïftuma (poſterus) etc.; die erörterung anderswo.


Schwaches adjectivum. zweite declination.

ſg. mid-jamid-jômid-jô
mid-jinsmid-jônsmid-jins
mid-jinmid-jônmid-jin
mid-janmid-jônmid-jô
pl. mid-jansmid-jônsmid-jôna
mid-janêmid-jônômid-jônê
mid-jammid-jômmid-jam
mid-jansmid-jônsmid-jôna

Anm. beſtimmte belege des dat. ſg. maſc. und neutr.
gewähren ſtandhaft -jin (z. b. hráinjin Marc. 9, 25. Luc.
9, 42. niujin Luc. 5, 36. unſêljin Matth. 5, 39. Joh. 17, 15.)
kein -ein nach der analogie von ſ. 599.


Schwaches adjectivum. dritte declination.

mangelt,
vermuthlich declinieren alle adj. auf -us ſchwach nach
zweiter, alſo hardja, hardjô.


Althochdeutſches adjectivum.


Starkes adjectivum. erſte declination.

ſg. plint-êr [plint]plint-u (-ju) [plint]plint-aƷ [plint]
plint-esplint-êrâplint-es
plint-emu(-emo)plint-êruplint-emu(-emo)
plint-anplint-aplint-aƷ [plint]
plint-û— —plint-û
pl. plint-ê [plint]plint-ô [plint]plint-u(-ju)[plint]
plint-êrôplint-êrôplint-êrô
plint-êmplint-êmplint-êm
plint-ê (?-a)plint-ôplint-u(-ju)[plint]
[723]II. alth. ſtarkes adj. erſte decl.

1) ausgemacht iſt das -êm dat. pl., theils nach dem
goth. -áim, theils dem bei K. häufigen -eem*), theils
dem beſtändigen -ên (ſtatt -êm) bei N. — 2) zu dem
-êr nom. ſg. maſc. gebricht goth. analogie, indem der
vocal vor dem -s überall ausbleibt. Allein K. liefert
-eer ziemlich oft, und N. durchgängig -êr. — 3) den
nom. pl. maſc. nehme ich nach dem goth. -ái an wenn
ſchon K. kein -ee, N. kein -ê gewähren; doch ſie ha-
ben es in der analogen tert. praeſ. ſg. conjunct, wo
ein gleiches goth. -ái. Spur eines richtigen unterſchieds
zwiſchen nom. und acc. pl. m. (alſo plintê, plintâ; goth.
blindái, blindans) verräth ſich J. 392. 398. mînâ (meos)
dhînâ (tuos) vgl. mit 400. dhînê tui); inzwiſchen ſte-
hen 347. 368. die acc. hruomegê, îſnînê, ſînê und 360.
der nom. chifeſtinôdâ, wie es ſcheint, mit übergeſchrie-
benem ê. Die unterſcheidung verlangt daher beßern be-
weis und hat gegen ſich, daß beim ſubſt. nom. und acc.
ebenfalls zuſ. fallen. — 4) auch dem gen. dat. ſg. fem.
und gen. pl. comm., unerachtet bei K. und N. immer
-er-, kein -eer-, -êr- ſteht, wage ich ê beizulegen,
weil das goth. -áiz-, -áis überall zum alth. -êr-, -êr
wird. — 5) gen. dat. ſg. maſc. und neutr. haben ohne
zweifel kurzes e, -emu antwortet dem goth. -amma,
-es
dem goth. -is (alſo eigentlich -ës); aus gleichem
grunde gebührt kürze dem ſpäteren notkeriſchen -eƷ
(ſtatt -aƷ, -ata) im nom. acc. ſg. neutr. — 6) die aus-
lautenden -ô gen. pl. comm., inſtr. maſc. neutr.
ſtehn oder fallen mit der analogen annahme beim ſubſt. —
7) die auslaute der weibl. caſus ſind denen des ſubſt.
erſter weibl. decl. parallel. Denkmähler, welche im gen.
ſg. këpô, dat. këpô zeigen, ſetzen auch hier -êrô, -êrô;
die mit gëbâ, gëbu hingegen -êrâ, -êru; doch behält
der nom. acc. pl. adj. immer -ô auch bei denen mit
gëbâ. — 8) eigene ſchwierigkeit hat der nom. ſg. fem.
und der ihm gleiche nom. acc. pl. neutr. Mir ſcheint
ſeine flexion auf -u organiſch und der analogie der
prima praeſ. ſtarker conj. ſo wie den ſpuren des -u
nom. ſg. erſter ſt. decl. (wovon am ſchluße des capitels)
angemeßen. Sie findet ſich durchgehends bei O., hin
und wieder bei J. und T. Die übrigen (gerade älteſten
und ſtrengalth. quellen, namentlich K. gl. monſ. jun. etc.
Z z 2
[724]II. alth. ſtarkes adj. erſte decl.
bis auf N. herab) endigen dieſen caſus auf -iu = ju,
welches ſich offenbar aus der zweiten decl. eingeſchlichen
hat, während ſie doch in der ſtarken prima praeſ. das
richtige -u aushalten, oder in -o verwandeln, nicht
mit dem ſchw. -ju vermiſchen. Mehr über dies -ju
bei der zweiten decl. — 9) dat. ſg. maſc. neutr. lautet
früher auf -emu, ſpäter auf -emo aus, welcher wechſel
die kürze des vocals beſtätigt. —


1) folgende einfache adj: âkaleiƷ (ſtudioſus) âpah
(perverſus) âriup (dirus) al, -lles (omnis) alt (vetus)
arac, arc (tenax) aram, arm (miſer) chalt (frigidus)
chluoc (prudens) chranh (debilis) chrump (curvus)
chund (notus) churt, churz (brevis) haft (capax) hald
(vergens) halp (dimidius) halz (claudus) ham, -mmes
(mancus) heil (ſalvus) heis (raucus) heiƷ (calidus) hël, -lles
(clarus) hêr (illuſtris) hlût (ſonorus) hôh (altus) hol (cavus)
hold (propitius) horſc (celer) hriup (leproſus) huas, -ſſes
(acer) huël, -lles (procax) huîƷ (albus) junc (juvenis)
kâh (praeceps) kanz (integer) unkâƷ (incoenatus) keil
(elatus animo) këlf (ſuperbus) kër (cupidus) kërn (pro-
nus) klanz (nitidus) klat (laetus) kleif (obliquus) kram
(iratus) krim, -mmes (ferus) krôƷ (craſſus) kuot (bonus)
lam (claudus) lanc (longus) laƷ (tardus) leid (exoſus) lîht
(levis) liup (gratus) lôs (liber) nâh (vicinus) naƷ (madidus)
pald (audax) par (nudus) planh (albus) pleih (pallidus)
plint (coecus) plûc? (timidus) preit (latus) prûn (fuſcns)
quëh (vivus) raſc (alacer) rëht (rectus) hlûtreiſt (clamo-
ſus) rôt (ruber) rûh (aſper) ſarf, ſcarf (acer) ſat (ſatur)
ſêr (doloroſus) ſìht (vadoſus) ſiuh (aeger) ſcam, -mmes
(brevis) ſcior (citus) ſlaf (remiſſus) ſlëht (planus) ſmal (par-
vus) ſnël, -lles (celer) vramſpuot (proſper) ſtam, -mmes
(balbus) ſtarh, ſtarah (fortis) ſtum, -mmes (mutus) ſtur, ſtiur
(magnus) ſuarz (niger) ſuâs (privatus) ſûr (acidus) tiuf (pro-
fundus) tôt (mortuus) toup (ſurdus) trût (dilectus) tump
(mutus) tuërh, tuërah (transverſus) vêh (multicolor) vlah
(planus) vol, -lles (plenus) vrad (ſtrenuus) vrat (ſaucius)
vrëh (avarus) vruot (prudens) vûl (putris) vuns (promptus)
wâr (verus) warm, waram (calidus) weih (mollis) ſina-
wël, -lles (rotundus) wëlh (marcidus) wërd (dignus)
wîh (ſacer) wît (amplus) wunt (ſaucius) wuot (rabidus)
zam (manſuetus) zeiƷ (tener) und vermuthlich noch ei-
nige; manche verlorene kann man aus den gebliebenen
adv. ſchließen, z. b. chûm (aeger) krâƷ (vehemens).
Mit -haft, -hald, -kërn, -lîh, -lôs, -luom, -muot,
-ſam, -valt, -vol, -wart ſind eine menge adj. zuſ.
[725]II. alth. ſtarkes adj. erſte decl.
gefügt, deren aufzählung im dritten buch. — 2) mit der
vorfilbe ki-: kihlos (exaudiens) kihël (conſonus) kilîh (ae-
qualis) kimah (idoneus) kimeit (vanus) kinuoc (abundans)
unkiſlaht (degener) kiwis, ſſes (certus) kiwon (aſſuetus)
kizal (celer) u. a. m. — 3) viele bildungen mit -al, -il: ſlâ-
fal (ſomnolentus) îtal (vacuus) ëƷal (edax) zunkal (linguo-
ſus) ſuîkal (taciturnus) kamal (vetus) etc. mihhil (magnus)
liuzil (parvus) etc. upil (malus) — 4) mit -am? wenn
man die unter den einfachen aufgezählten arm, warm
unter die erweiſliche form aram, waram bringt. —
5) einige mit -an, -n: ëpan (aequalis) eikan (proprius)
toukan (clandeſtinus) loukan (occultus) tarchan (obſcu-
rus) trucchan (ſiccus) [ſ. die participia] — 6) viele mit
-în: durnîn (ſpineus) alparîn (populeus) liuhtîn (luci-
dus) etc. — 7) viele mit -ar, -ur: wacchar (vigil)
ſmëcchar (venuſtus) vinſtar (obſcurus) ſihhur (ſecurus
etc. — 8) viele mit -ac, -îc: pluotac (cruentus) nôtac
(coactus) ſcamac (verecundus) ſlâfac (ſomno deditus)
vreidac (apoſtaticus) wahſmîc (fertilis) etc.; vielleicht
ſteht das unter den einfachen genannte arc für arac. —
9) mit -aht, -oht: përaht (clarus) zoraht (lucidus)
hornoht (cornutus) poumoht (nemoroſus) etc. — 10) mit
-aſc, -iſc: mannaſc, menniſc (humanus) irdiſc (terro-
nus) vrôniſc (ſplendens) unadaliſc (degener) etc. viel-
leicht auch das unter 1. angeführte horſc (horiſc gl.
monſ. 368.) — 11) einige mit -ot, -it: nahhot (nudus)
liohit (lucidus) veiƷit (pinguis) etc. — 12) vocalauslautige,
nur in den fällen, wo das paradigma ein unflectiertes
plint zeigt, ſonſt aber in w übergehend; es ſind fol-
gende: krâo, krâwêr (canus) lâo, lâwêr (tepidus) plâo,
plâwer (lividus) klao, klawêr (callidus) vrao, vrawêr
(laetus) rao, rawêr (crudus) ſtatt welcher jedoch auch
krâ, lâ, plâ, klou, vrou, rou vorkommt, [vgl. crâju oben
ſ. 262.] ferner: chalo, chalewêr (calvus) ſalo, ſalewêr
(ater) valo, valewêr (fulvus) ëlo, gëlo, ëlewêr, gëlewêr
(flavus) karo, karewêr (paratus) maro, marewêr (marci-
dus) varo, varewêr (tinctus) zëſo, zëſewêr (dexter). —


Anmerkungen: 1) umlaut kann, weil keine flexion
i hat, in dieſer decl. nicht vorkommen, namentlich
wirkt ihn das unorg. -ju ſtatt -u im nom. ſg. f. und
nom. acc. pl. neutr. nicht, es heißt ſmalu, zamu, ſmalju,
zamju. Auffallend zeigen aber dieſe caſus in dem adj.
allêr bei O. durchgehends ellu, bei I. ſchwankend allju
(392. 405.) ellju (376. 402, wo dem a ein e ühergeſchrie-
ben); die übrigen quellen, namentlich K. und N. hahen
[726]II. alth. ſtarkes adj. erſte u. zweite decl.
nur allju. T. bald allju (38, 6.) bald allu (67, 8.). Da
nun gerade O., welcher beſtändig -u, niemahls -ju
flectiert, dieſen umlaut hegt, ſo iſt er vielleicht von dem
vocal u abhängig und ſpnr einer ſolchen einwirkung
außerhalb dem nord. ſprachſtamm (ellu = öll, öllu). Ich
bemerke noch, daß das inſtrum. û bei O. keinen um-
laut zeugt, vgl. mit allû III. 1, 54. V. 16, 38. — 2) zwei-
ſilbige adj., ſobald ſie durch flexion dreiſilbig werden,
aſſimilieren (ſ. 117. 118.), doch in den verſchiedenen
quellen unübereinſtimmend und unregelmäßig, beiſpiele
ſind: pittar (amarus) pitturu, pitterê, pittorô, pitterêm;
karo, karewêr, karawaƷ, karowô. Noch unſicherer ſind
eintretende ſyncopen, z. b. veiƷtêrô ſt. veiƷitêrô, pitres
ſt. pittires; ſie erſcheinen erſt allmählig bei den ſpäteren,
namentlich N. und nähern ſich großentheils ſchon den
mittelh. auswerfungsregeln, N. ſetzt z. b. îſenînro (fer-
reâ) hungerge (eſurientes) T. hungaragê. — 3) die adj.
zweiter decl. legen noch häufiger ihr bildungs -i ab, als
im goth. (ſ. die zweite decl.); nur iſt den ſ. 719. gegebenen
fällen die apocope des i vom unflectierten adj. beſonders
ähnlich und ſo ſtehet ſuâr (grave) K. 43a O. I. 18, 76. IV.
24, 32. für und neben ſuâri O. V. 19, 13. oder hart (du-
rum) T. 82. 149. für das gewöhnliche herti.


Starkes adjectivum. zweite declination.

das paradigma ſollte lauten und hat auch in früherer zeit
gewis gelautet:

ſg. mit-jêr [mit-i]mit-ju [mit-i]mit-jaƷ [mit-i]
mit-jesmit-jêrâmit-jes
mit-jemumit-jêrumit-jemu
mit-janmit-jamit-jaƷ [mit-i]
mit-jûmit-jû
pl. mit-jê [mit-i]mit-jô [mit-i]mit-ju [mit-i]
mit-jêrômit-jêrômit-jêrô
mit-jêmmit-jêmmit-jêm
mit-jamit-jômit-ju [mit-i]

allein hiervon iſt nichts übrig, als 1) der unaufgegebene
gebrauch des unflectierten miti, ganz analog dem ſub-
ſtantiven hirti und chunni (ſ. 613. 622.) wodurch ſich
adj. zweiter decl. fortwährend von denen erſter ſchei-
den. 2) die hier organiſche flexion -ju des nom. ſg.
fem. und nom. acc. pl. nentr. welche ſich jedoch auch
in den meiſten quellen unrechtmäßig der erſten decl. be-
[727]II. alth. ſtarkes adj. zweite decl.
mächtigt, alſo kein unterſcheidendes merkmahl abgibt.
O. hingegen gebraucht hier wie in der erſten decl. bloßes
-u, als mâru, ſcônu, was auch ganz conſequent iſt. Je-
nes urkundliche -iu näher in -ju zu beſtimmen berech-
tigt α) der urſprung dieſes bildungsvocals. β) die leich-
tigkeit ſeines wegfalls bei zutretender flexion. γ) die
goth. analogie. δ) ſollte N., welches mir Fügliſtaller
angibt, in dieſer adj. endung -íu accentuieren [Stalder
dial. 268. 269. ſteht gleichwohl manigiu, alliu, mînin],
ſo halte ich es für ſpätere, unorg. entwickelung des
diphthongiſchen iu aus ju, die auch durch übertritte
in -eu, ew beſtärkt wird [vgl. hernach die mittelh. decl.].
3) höchſt ſelten erhält ſich i in anderen flexionen; O. I.
1, 149. redjê (prompti). Gewöhnlich gehen alle caſus
(die unter 1 und 2. genannten fälle abgerechnet) völlig
nach dem paradigma erſter decl. und es heißt: mittêr,
mittes, mittemu, mittan etc., in welchem worte conſ.
gemination das alte j vertritt. Gerade ſo ſtehet K. 15b
43b 42a 45b ſuarre, ſuarriu, ſuarrera, ſuarrun ſt. des
theoretiſchen ſuâri, ſuârju, ſuârjêrâ, ſuârjûn (vgl. oben
ſ. 123. 167.). —


1) einfache mit bloßem -i: chûſci (caſtus) chleini (ſub-
tilis) chriſtâni (chriſtianus) chuoli (frigidulus) chuoni (au-
dax) dicchi (craſſus) drâti (ſubitaneus) dunni (tenuis) durri
(aridus) vior-ecchi (quadrangulus) enki (anguſtus) hâli
(lubricus) wît-hendi (ſpatioſus manibus) herti (durus) arm-
hërzi (miſericors) hôni (irriſus) hreini (purus) irri (iratus)
kâpi (acceptus) kiri (avidus) kruoni (viridis) lâri (vacuus)
elilentî (exſul) lindi (lenis) lanclipi (longaevus) lîſi (ſub-
miſſus) lukki (falſus) mâri (famoſus) milti (largus) miti
(medius; kommt aber nicht unflectiert vor, ſondern
entw. mittêr oder ſchwach mitto) muodi (feſſns) nâmi
(acceptus) niuwi (novus) nuzi (utilis) ôdi (facilis) plîdi
(laetus) plôdi (ignavus) prôdi (fragilis) râƷi (rapax) redi
(promptus) O. III. 19, 7. reiti (paratus) O. IV. 19, 99.
rîfi (maturus) gl. hrab. 351a rîhhi (dives) rinki (levis) rû-
mi (amplus) ſamfti (lenis) ſëltſâni (rarus) ſcef-ſoufi (nau-
fragus) ſcôni (pulcher) vior-ſcôƷi (quadrangulus) ſmâhi
(vilis) ſpâti (ſerus) ſpâhi (ſagax) ſtâti (conſtans) ſtilli (quie-
tus) ſtrenki (fortis) ſuoƷi (dulcis) ſuâri (gravis) tiuri (pre-
tioſus) trâki (iners) triuwi (fidus) truopi (obſcurus) lanc-
vari (longaevus) veiki (moribundus) veili (venalis) veſti
(firmus) virni (vetus) vûhti (madidus) wâhi (venuſtus)
wâki (utilis) wildi (ferus) wîſi (ſapiens) wuoſti (deſertus)
wârwurti (verax) zâhi (tenax) ziori (decorus). Hierher
[728]II. alth. ſtarkes adj. zweite decl.
auch die comp. mit -mâƷi, -muoti, -pâri. — 2) mit der
vorſilbe ki-:-kihiuri (manſuetus) kiloupi (nemoroſus) ki-
luppi (toxicatus) kimeini (communis) kiminni (dilectus)
kimuati (gratus) kiſprâhhi (diſertus) unkiſtuomi (violens)
kiſunti (incolumis gl. monſ. 364. 368.) kivuoki (aptus) ki-
vâri (doloſus) kizâmi (decens) kizenki (attingens) etc. —
3) mit der vorſilbe ein-:einharti (conſtans) einhluƷi (ſolita-
rius) einſtimmi (unanimis) einſtriti (pertinax) einwilli (con-
cors) — 4) desgl. mit vorſtehenden praep.: pidërpi (uti-
lis) piquâmi (commodus) antphenki (acceptus) antnâmi
(idem) widarpërki (arduus) widarzâmi (abſurdus) miti-
wâri (manſuetus, bei einigen mundwâri, mandwâri) ur-
hërzi (excors) urhlôƷi (exſors) urmâri (eximius) urpluoti
(exſanguis) urſêli (exanimis) urſcruofi (ſpurius gl. monſ.
326.) urwâfni (inermis) urwâni (deſperans) anawâni (ſpe-
rans) etc. — 5) wenige bildungen mit -al, -ar (das zu
-il, -ir aſſimiliert): edili (nobilis) vravili (elatus) ſûpiri
(purus) eivari (zeloſus); desgl. einige andere: arandi
(aſper) mammunti (mitis) vremidi (alienus). —


Anmerkungen: 1) umlaut des wurzelhaften a kann
hier eintreten, tritt aber nur allmählig und ſchwankend
ein (ſ. 76. 79.) z. b. O. I. 4, 145. antfangi, T. 18, 2.
antphengi. Bei N. (welchem -i zu -e geworden) kommt
umlaut des û in iu hinzu, alſo: chiuſce, viuhte. 2)
ſchwanken der unflectierten fälle in die erſte decl.
iſt ſchon dort anm. 3. beſprochen und begreiflich, da
die eigentliche flexion beider ganz zuſ. fällt. Auch
êrachar (antelucanus) O. I. 19, 31. ſtehet für êrachari,
êrachiri (gl. monſ. 353. 356.); glaublich untarthioh (ſub-
jectus) O. I. 22, 113. f. untarthiohi. Einzelne abwei-
chungen begründet zeit und mundart, z. b. neben dem
alth. wârwurti gilt ein goth. láuſavaúrds, pl. -vaúrdái,
nicht vaúrdjái. Ungewis bleibt die erſte oder zweite
decl. für adj. deren unflectierte erſcheinung mangelt;
z. b. ich weiß nicht, ob vlât oder vlâti (venuſtus) zuom
oder zuomi (vacuus) ſtattfindet, auch ſporju (rudia)
gerju (calida) gl. monſ. 408. 356. ſind mir unſicher. —
3) die vocalauslautigen vrî (liber) und vruo (praecox)
zeigen das bildungs-i noch in allen flexionen; vrî macht
vrigêr, vriju, vrijaƷ (oder vrîu, vrîaƷ) gen. vriges, vri-
gêrâ (vgl. oben ſ. 93.) vruo (oder vrua) vruojêr, vruoju etc.
das unflectierte vruo ſteht genau genommen für vruoi;
niuwi, triuwi kürzen ſich zuweilen in niu, triu, zu-
mahl vorſtehend in den comp. niukërn, triulôs, welches
letztere vielmehr das ſubſt. triuwa verkürzt.


[729]II. alth. ſchwaches adj. erſte decl.
Starkes adjectivum. dritte declination.

iſt ausgeſtorben und wörter wie enki, durri, herti fol-
gen der zweiten; in klau (perſpicax) nach der erſten
vertritt u das v im goth. glaggvus, nicht das u. Aber
in dem u der ſubſt. bildung ernuſt (ſedulitas) ſpüre ich
ein altes adj. ernu, arnu, das ſchon dem Gothen zu
arni geworden iſt.


Schwaches adjectivum. erſte declination.

ſg. plint-oplint-aplint-a
plint-inplint-ûnplint-in
plint-inplint-ûnplint-in
plint-un (on)plint-ûnplint-a
pl. plint-un (on)plint-ûnplint-ûn
plint-ônôplint-ônôplint-ônô
plint-ômplint-ômplint-ôm
plint-un (on)plint-ûnplint-ûn

alle flexionen ſtimmen mit denen der ſchw. ſubſt. decl.
überein und bedürfen keiner andern erörterung. Auf-
fallend aber verletzt N. im dat. pl. dielen paralleliſmus,
da er blindên, blindên, blindên (wie in ſtarker form)
ſetzt, neben hanôn, zungôn, hërzôn. Den gen. pl.
bildet er blindôn, blindôn, blindôn, wie hanôn, zun-
gôn, hërzôn und auch die übrigen caſus den ſubſtantivi-
ſchen gemäß. — Verſchiedene wörter ſtehen lieber ſchwach
als ſtark, z. b. zako (ignavus) këro (avidus) vgl. O. IV.
28, 39. gëro mit dem ſtarken kër N. 118, 104. Näheres
in der ſyntax.


Schwaches adjectivum. zweite declination.

mangelt, indem ſtatt mitjo, mitja; mârjo, mârja nach
erſter decl. mitto, mitta; mâro, mâra etc. gilt; ſpur-
weiſe mâreo = mârjo im weſſobr. denkmahl.


Altſächſiſches adjectivum.


Starkes adjectivum. erſte declination.

ſg. blindblindblind
blind-as (-es)blind-ârô (-êrô)blind-as (-es)
blind-umublind-ârô (-êrô)blind-umu
blind-an (-ana)blind-a (-e)blind
blind-û— —blind-û
pl. blind-â (-ê)blind-âblind (-u)
blind-ârô (-êrô)blind-ârô (-êrô)blind-ârô (-êrô)
blind-on (-un)blind-on (-un)blind-on (-un)
blind-â ( ê)blind-âblind (-u)

1) den flexionsvocalen lege ich nur muthmaßlich länge
und kürze bei; -as und -es, -ârô und -êrô ſchwan-
ken nach beiden hſſ; im pl. maſc. überwiegt -â ſtatt
des mehr hochd. -ê; im dat. pl. iſt das ê völlig ver-
wiſcht. — 2) den acc. -ana pflegen noch compoſita und
mehrſilb. adj. zu behalten (langlamana, niudſamana, un-
ſundigana) oder das vordere a zu ſyncopieren (hêlagna,
mahtigna, lutilna) einſilbige dagegen das hintere a zu
apocopieren als: blindan, langan, ſtarkan etc. Doch
wechſeln hêlagan und hêlagna. — 3) dem nom. ſg. geht
alle flexion ab, d. h. nie ſtehet blindêr, blindn, blin-
dat. — 4) zuweilen ſcheint der nom. acc. pl. gleich dem
ſubſt. (ſ. 636.) auf -u zu endigen, z. b. mînn (mea); ob
dies auf den nom. ſg. fem. auszudehnen iſt? — Zu die-
ſer decl. gehören 1) einfache: ald (vetus) all (omnis)
arm (miſer) bad (audax) blêc (pallidus) blind (coecus)
diop (profundus fruod (ſapiens) ful (plenus) fûs (promptus)
gêl (ſuperbiens) gërn (cupidus) glad (laetus) gnorn
(moeſtus) grim (ferox) grôt (magnus) guod (bonus) haft
(eaptus) hêr (clarus) hêt (calidus) hlûd (ſonorus) hôh
(altus) hold (carus) huat (alacer) huît (albus) jung (ju-
venis) kald (frigidus) kuth (notus) lang (longus) lêth
(exoſns) liof (gratus) lôs (liber) lung oder lungar? (celer)
quic (vivus) ruof (famoſus) ſcarp (acer) ſiok (aeger) ſcîn (lu-
cidus) ſuoth (verus) ſtark (fortis) ſtum (mutus) ſuart (niger)
ſuâs (privatus) ſuith (fortis) thim (obſcurus) torn (fervi-
dus) wâr (verus) warm (calidus) wêk (mollis) wîd (la-
tus) wrêth (iratus) etc. ſo wie die comp. mit -faſt,
-full, -hërt, -lic, -muod, -ſam, -ruof, -ward etc.;
untergegangene folgen aus adv. und verbis z. b. aus
tulgo, atuomjan ein tulg (validus) tuom (liber) — 2) bil-
dungen mit -il, -an, -în, -ar, -ur: mikil (magnus)
êgan (proprius) lînîn (linteus) bittar (amarus) hêdar (ſe-
renus) ſicur (certus) etc. — 3) mit -ag, -ig: manag
(multus) hêlag (ſanctus) mahtig (potens) etc. — 4) mit
-aht, -ht: toraht (lucidus) fëraht (confiſus) bërht (il-
luſtris) lioht (lucidus) — 5) vocalauslautige, die in der
flexion -w oder -h annehmen, als: glau (perſpicax)
glawâ blâu (lividus); garu (paratus) pl. garowâ; naru
(anguſtus) pl. narawâ; frâ oder frâu (?) (hilaris) pl.
frâhâ etc.


[731]II. altſächſ. ſtarkes adj. erſte u. zweite decl.

Anmerkungen: 1) kein umlaut möglich. — 2) ſchwan-
kende aſſimilation, z. b. wârôrô ſt. wârârô — 3) vocal-
ſyncope bedarf näherer unterſuchung; beiſpiele: hlutrû
(cum limpido) bitres (amari) etc. — 4) übertritt adj.
zweiter decl. hierher im unflectierten fall; ich finde:
diur (pretioſus) faſt (firmus) hard (durus) hrên (purus)
mild (placidus) mirk (obſcurus) ſuot (dulcis) ſuâr (gravis)
thrîſt (audax) doch ſcheinen faſt, hard, ſuâr auch fur
die übrigen caſus der erſten decl. zu folgen, da ſich
z. b. im acc. ſg. m. hardan, faſtan, ſuâran und kein
herdean, feſtean, ſuârean zeigt.


Starkes adjectivum, zweite declination.

ſg. midd-imidd-imidd-i
midd-eas (-jes)midd-eârô (jêrô)midd-eas (-jes)
midd-jumumidd-eârô (jêrô)midd-jumu
midd-ean (-jan)midd-ea (ja)midd-i
midd-jû— —midd-jû
pl. midd-eâ (-jê)midd-ea (jâ)midd-ju
midd-eârô (-jêrô)midd-eârô (-jêrô)midd-eârô (-jêrô
midd-junmidd-junmidd-jun
midd-êa (-jê)midd-eâ (-jâ)midd-ju

das thema iſt zum theil problematiſch, da ich dem dat.
ſg. aller geſchl. und gen. ſg. fem. nirgends begegne; nicht
unwahrſcheinlich gelten hier und im gen. pl. die flexio-
nen erſter decl.: middumo, middârô oder middêrô; im
gen. pl. finde ich wirklich dernêrô ſt. dernjêrô, derneârô.
Dem nom. ſg. fem. könnte nach analogie des nom. pl.
nentr. -ju zuſtehen. — Hierber gehören: blîthi (laetus)
derni (occultus) dërebi (audax) diuri (pretioſus) druobi
(obſcurus) gruoni (viridis) unhiuri (immanis) hriwi
(poenitens) lâri (vacuus) mâri (eximius) mildi (lenis)
middi (medius) niwi (novus) ôſtrôni (auſtralis) ôthi (fa-
cilis) rîki (dives) ſkîri (purus) ſcôni (pulcher) ſpâhi (ſa-
piens) ſtrengi (fortis) ſuoti (dulcis) bitengi (imminens)
thrîſti (andax) thiuſtri (caliginoſus) wêki (mollis) u. a. m.


Anmerkung: der in die erſte decl. theilweiſe oder
ganz (faſt, hard, ſuâr) übertretenden iſt dort gedacht.


Altſächſiſches ſchwaches adjectivum.

blindo, blinda, blinda gehen völlig wie die ſubſt. hano,
tunga, hërta; middjo (-eo) middea (-je) middea (-je)
aber wie die ſubſt, willeo, ſundea.


[732]II. angelſächſ. ſtarkes adj. erſte decl.

Angelſächſiſches adjectivum.


Starkes adjectivum. erſte declination.

ſg. blindblind (-u)blind
blind-esblind-reblind-es
blind-umblind-reblind-um
blind-neblind-eblind
pl. blind-eblind-eblind-u
blind-rablind-rablind-ra
blind-umblind-umblind-um
blind-eblind-eblind-u

nähere vocalbeſtimmung der flexionen unterlaße ich, wie
beim ſubſt. Von den ſpuren des inſtr. unten in den er-
läuterungen. Der nom. ſg. fem. ſchwankt zwiſchen ab-
legen aller flexion (welches entſchieden für maſc. und
neutr. gilt) und beibehalten des -u; es ſcheinen hier-
über folgende regeln zu gelten α) alle kurzſilbigen wör-
ter ſtehen nicht ohne -u, als: tilu, ſmalu. β) mehrſil-
bige bildungen behalten es meiſtentheils, als: eadigu,
gâſtlicu, âgenu, fägeru, micelu; doch die beiden letz-
teren auf -er, -el apocopieren es häufig: fäger, micel,
γ) langſilbige legen es ab, als: blind, hëalf, gôd, fäſt,
hât etc. Offenbar vergleichen ſich dieſe grundſätze den
beim ſubſt. ſ. 644. vorgetragenen und walten ebenſo bei
der erſten decl. des ſtarken fem., welche kurze wurzeln
wie gifu, ſacu, ſcëamu umfaßt, während lange zur vier-
ten decl. übertreten, wie bær, lâr, ſpræc. Ganz ſtreng
iſt es doch nicht damit zu nehmen; da ſ. 641. ſcôlu,
ſnôru; ſ. 644. bânu der theorie widerſtreiten, ſo muß ich
auch hier ein ausnahmsweiſes hëardu ſt. hëard etc. zu-
geben. Auch ſcheint der ſonſt dem nom. ſg. fem. paral-
lele nom. acc. pl. gern bei dem -u zu beharren, uner-
achtet der langen wurzelſilben.


Dieſe decl. begreift 1) einfache: bald, bëald (audax)
bär (nudus) bëorht (lucidus) blâc (pallidus) blanc (albus)
blind (coecus) brâd (latus) cald, cëald (frigidus) côl
(frigidulus) cranc (debilis) crumb (curvus) cudh (notus)
cund (oriundus) cûſc (caſtus) cvic (vivus) deád (mor-
tuus) deáf (ſurdus) dëarn (occultus) dëóp (profundus)
dëorc (tenebroſus) dumb (ſtolidus) dvæs (hebes) ëal,
-lles (omnis) ëald (vetus) ëarg (pravus) ëarm (miſer)
ëorp (ſuſcus) fäſt (firmus) fät, -ttes (pinguis) fâh (ver-
ficolor) feá (paucus) fëax (crinitus) fërſc (integer) forht
[733]II. angelſächſ. ſtarkes adj. erſte decl.
(pavidus) frëc (vorax) from (probus) frôd (ſapiens) ful,
-lles (plenus) fûl (putris) fûs (prônus) gâl (laſcivus)
gëalh (triſtis) gëap (ſubdolus) gëong (juvenis) gëorn (avi-
dus) gläd (hilaris) gleáv (prudens) gnorn (moeſtus) gôd
(bonus) gram (offenſus) greát (magnus) grim, -mmes
(atrox) hâl (ſanus) hâr (canus) hâs (raucus) hât (calidus)
heáh (altus) hëalf (dimidius) hëald (pronus) hëalt (clau-
dus) hëard (durus) hlûd (ſonorus) hneáv (parcus) hnäſc
(mollis) hol (cavus) hold (propitius) hräd (citus) hreáv
(crudus) hvät (acer) hvëalf (convexus) hvît (albus) lam
(claudus) lâdh (exoſus) lät (tardus) lang (longus) leás
(liber) lëóht (lucidus) lëóf (carus) neáh (propinquus) nyt,
-ttes (utilis) râd (paratus) read (ruber) rëód (rubicundus)
rëht (rectus) rôf (clarus) rot (hilaris) rûh (hirſutus) rûm
(ſpatioſus) ſâr (gravis) ſcëarp (acer) ſeîn (ſplendens) ſcîr
(limpidus) ſcort (brevis) ſëalt (ſalſus) ſëóc (aeger) ſîd (am-
plus) ſlëac (piger) ſmäl (gracilis) ſmolt (ſerenus) ſnël -lles
(velox) ſôdh (verus) ſpär (parcus) ſtëap (altus) ſtidh (rigi-
dus) ſtirn (aſper) ſtrang (fortis) ſtunt (ſtultus) ſvær (gravis)
ſvæs (proprius) ſvëart (niger) ſvidh (fortis) ſvift (pernix)
tât (tener) tëart (aſper) til (aptus) torht (lucens) trum
(firmus) þëarl (vehemens) þyn, -nnes (tenuis) þyr, -rres
(aridus) vâc (mollis) van, -nnes (teter) vär (cautus) væt
(udus) ſinevëalt (rotundus) vëordh (dignus) vîd (latus)
vîs (ſapiens) bilvit (ſimplex) vlanc (ſuperbus) vläc (te-
pidus) vrâdh (iratus) vund (vulneratus) — 2) viele bil-
dungen mit -ol, -el, -en, -or, -er: hnitol (petulcus)
micel (magnus) âgen (proprius) ſtænen (lapideus) ſnotor
(prudens) etc. — 3) mit -ig: eádig (felix) etc. — 4) mit
-iht: ſtæniht (lapidoſus) etc. — 5) mit -iſc: cildiſc
(puerilis) etc. — 6) mit der vorſilbe ge: gemët (aptus)
gevis, -ſſes (certus) etc. — 7) eine menge comp. mit
-cund, -fäſt, -fëald, -fëax, -ful, -fus, -gëorn, -hëard,
-hëort, -leás, -môd, -rôf, -ſum, -vëard u. a. m. —


Anmerkungen: 1) der umlaut derer mit kurzem ä
in a iſt nach ſ. 224. 232. 233. zu beurtheilen und gehört,
da er die flexionen nichts angeht, inſofern nicht hier-
her, wie er auch beim ſubſt. (ſ. 638. 643.) keiner beſon-
deren darſtellung bedurfte. Indeſſen zeigt ſich eine ver-
ſchiedenheit, der flexionsvocal e führt beim adj. über-
all das reine a der wurzel zurück, während beim ſubſt.
ä bleibt (däges, däge; fätes, fäte); ſollte dies auf eine
frühere flexion -a, -as ſtatt -e, -es deuten? Der an-
ſchaulichkeit wegen ſetze ich ein paradigma her:
[734]II. angelſächſ. ſtarkes adj. erſte u. zw. decl.

ſg. hväthvat–uhvät
hvat–eshvät–rehvat–es
hvat–umhvät–rehvat–um
hvät–nehvat–ehvät
pl. hvat–ehvat–ehvat–u
hvät–rahvät–rahvät–ra
hvat–umhvat–umhvat–um
hvat–ehvat–ehvat–u

wonach folgende gehen: bär, gläd, hräd, lät, ſmäl,
ſpän, vär nicht aber die langen dvæs, ſvæs, væt, die im
dat. etc. dvæſum, ſvæſum, vætum behalten. — 2) wur-
zeln mit geminierter conſ. vereinfachen ſie vor den
flexionen -ne, -re, -ra, es heißt alſo grim, grimmes,
grimmum, grimme, grimra etc., desgl. vanne, vanre;
ëalne, ëalre; geviſne, geviſre etc. — 3) ob wurzeln auf
n und r mit langem vocal dieſen kürzen, wenn durch
den anſtoß des -ne, -re gemination entſpringt? ich
meine z. b. anne (unum) ſcinne (lucidum) gedonne
(factum) ſvärre (gravi) ſt. ân-ne, ſcîn-ne, gedon-ne,
ſvær-re. — 4) mehrſilbige auf -el, -en, -er, -ig ſyn-
copieren den bildungsvocal, wenn die flexion vocaliſch
anlautet, nicht, wenn n oder r anſtößt, alſo: fägru,
fägres, fägrum, fägerne, fägerre; hâlgu, hâlges, hâlgum,
hâligne, hâligre. Doch bei denen auf -el, -en, -ig
unterbleibt die ausſtoßung auch häufig, z. b. mänigu,
hâtenu (vocata) etc. — 5) vocalauslautige wie fëalo
(fulvus) gëolo (flavus) mëaro (tener) entwickeln ein v:
fëalves etc.; drî (aridus) frî (liber) ein g. — 6) wörter
zweiter decl. ſind mit abgelegtem -e häufig in dieſe
übergegangen, als ſvær, nyt, þyn etc. ſtatt ſvære, nytte,
þynne (vgl. ſ. 645. denn, cynn etc.).


Starkes adjectivum. zweite declination.

das bildungs-e hat ſich bloß im nom. ſg. aller ge-
ſchlechter bewahrt und im nom. pl. neutr., vielleicht
im nom. pl. maſc. fem.; wenn ſich ein middê, middê
verſchieden von midde, midde annehmen ließe. Im
nom. ſg. fem. und nom. acc. pl. neutr. ſcheint die flexion
-u, ohne rückſicht auf vorausgehenden langen oder kur-
zen vocal zu beſtehen. Alle übrigen caſus folgen mit
ſyncopiertem e der erſten decl.; ohne zweifel galt aber
in früherer zeit middeum, êceum etc. ſtatt middum,
êcum.


[735]II. angelſächſ. ſchw. adj. erſte u. zweite decl.

Hierher fallen: comp. mit -bære, als: luſtbære (de-
lectabilis) etc. blìdhe (laetus) cêne (audax) clæne (purus)
gecynde (genuinus) gedêfe (congruus) dëóre, dŷre (pre-
tioſus) drêfe (turbidus) eádhe (facilis) êce (aeternus) fæge
(moribundus) fæle (venalis) gefêge (aptus) fëórfête (qua-
drupes) grêne (viridis) heáne (contemptus) gehende (pro-
pinquus) hlæne (macer) unhŷre (ferus) læne (fragilie) ge-
mæne (communis) unmæne (ſincerus) mære (clarus)
mêdhe (feſſus) midde (medius) milde (mitis) nëóve,
nive (novus) rêdhe (trux) rîce (dives) rîpe (maturus)
ſæne (tardus) andſæte (abominab.) ſcëóne, ſciene (pul-
cher) ſêfte (placidus) ſmêdhe (laevis) ſmylte (ſerenus)
ſtille (quietus) ſvære (gravis) ſvête (dulcis) untæle (irre-
prehenſibilis) getæſe (dexter) ëaltæve (bonus) bitenge (in-
cumbens) trëóve, trŷve (fidus) þicce (craſſus) þŷſtre
(obſc.) þrîſte (temerarius) geþvære, môdþvære (mitis)
unvemme (immaculatus) vêſte (deſertus) vilde (ferus)
vræne (laſcivus) vyrdhe (dignus) yrre (iratus).


Anmerkungen: 1) nach anm. 3. zur vorigen wäre
auch hier im acc. maſc. grënne, cënne, länne, ſänne etc.
zu muthmaßen. — 2) gleichergeſtalt gilt ſtilne, þicne,
yrne, unvemne, ſtilre, þicre, yrre, unvemre etc. — 3) der
dort 1. abgehandelte umlaut kann hier nicht vorkom-
men. — 4) übergänge und ſchwanken ſind dort anm. 6.
berührt; man findet ſvær und ſvære, ſtil und ſtille, luſt-
bær und luſtbære etc.


Schwaches adjectivum. erſte declination.

blinda, blinde, blinde gänzlich nach hana, tunge, eáge;
man merke 1) die ſ. 734. genannten haben hier in allen
caſibus a und nirgend ä, namentlich auch im nom. ſg.
fem. neutr. und gen. pl. comm. ſëó late, þät late, þâra
latena, welches wieder beweiſt, daß das e in dieſen
flexionen unorg. iſt. — 2) einige adj. gelten nur in ſchwa-
cher form, z. b. vana (carens) vräcca (exſul).


Schwaches adjectivum. zweite declination.

mit der vorigen decl. einſtimmig; nur in den älteren
quellen hin und wieder ſpuren des bildungs -e, als:
middea, êcea, middean, êcean ſt. des üblicheren midda,
êca, middan, êcan, vgl. ſ. 645.


[736]II. altfrieſiſches adjectivum.

Altfrieſiſches ſtarkes adjectivum.


ſg. blindblind–eblind
blind–esblind–ereblind–es
blind–eblind–ereblind–e
blind–eneblind–eblind
pl. blind–eblind–ablind–e
blind–erablind–erablind–era
blind–eblind–eblind–e
blind–eblind–eblind–e

das auffallendſte iſt die apocope des dativen m, ſowohl
im ſg. maſc. neutr. als pl. comm., früher galt gewis
blindem ſt. dieſes blinde. Br. §. 127. finde ich auch noch:
mith ſinem, neben: mith ſine monnum. Die kürzun-
gen des -ene, -ere, -era in -ne, -re, -ra müßen nach
beßeren quellen beurtheilt werden. Spuren der zwei-
ten decl. in den nominativen rîke, diore etc.


Altfrieſiſches ſchwaches adjectivum.

blinda, blinde, blinde wie hona, tnnge, âge (ſ. 649.).


Altnordiſches adjectivum.


Starkes adjectivum. erſte declination.

ſg. blind–rblindblin–t
blind–sblind–rarblind–s
blind–umblind–riblind–u
blind–anblind–ablin–t
pl. blind–irblind–arblind
blind–rablind–rablind–ra
blind–umblind–umblind–um
blind–ablind–arblind

1) das -r nom. ſg. maſc. und -t nom. acc. neutr. ſind
unerläßlich und ihre in den übrigen ſprachen mehr oder
minder eingerißene apocope hat keine ſtatt; folgende
ausnahmen abgerechnet α) das -r unterbleibt, wenn das
wort mit r, rr, ſ, ſſ, fn, gn, rn ſchließt; hier fallen
nom. maſc. und fem. (wo in dieſem kein umlaut wal-
tet) zuſammen; beiſpiele: ſnar, ſnör; þurr, þurr; laus,
laus; vîs, vîs; hvaſſ, hvöſſ; viſſ, viſſ; iafn, iöfn; ſkygn,
ſkygn; giarn, giörn. β) das -t nur im einzigen nôg
(copioſum) ſ. Raſk erſte ausg. p. 78.; in der zweiten
ausg. fehlt dieſe behauptung. — 2) verſchieden von
[737]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
jenem abfall des männl. -r (unter r, α) iſt ſeine aſſimi-
lation
mit dem anſtoßenden einfachen l und n, in
einſilbig langen oder mehrſilbigen; ſtatt l-r, n-r
heißt es ll, nn (oben ſ. 306. 307.); beiſpiele: heill,
ſeinn ſt. heilr, ſeinr; gamall, eiginn ſt. gamalr, eiginr,
Stößt gemin. ll, nn an, ſo bleibt das -r, als: illr,
ſannr. — 3) das neutrale -t wird nicht, wohl aber
werden ihm anſtoßende dh aſſimiliert, wenn vocal vor-
ausgeht; für gladh -t, gôdh -t, blîdh -t gilt glatt (und
mit vocalkürzung) gott, blitt (oben ſ. 318.). Bei an-
ſtoßendem nd, rdh wird d, dh verſchluckt, z b. blint
für blindt, hart f. hardht. Vocalauslautige wörter ge-
minieren das neutr. t, wie mir ſcheint, ohne noth, als:
hâtt, nŷtt (oben ſ. 319. n° 7.). — 4) gegenſatz zu der
bewahrung des -r, -t bildet die durchgedrungene apo-
cope
der vocaliſchen flexion, welche im nom ſg. fem.
und nom. acc. pl. neutr. ohne zweifel früherhin gegol-
ten hat. Der gebliebene, nothwendige umlaut des wur-
zelhaften a in ö lehrt, daß dieſe flexion (wie beim ſubſt,
ſ. 656. 659.) -u war. Stehet öll, hög für öllu, högu,
ſo muß auch blind, blâ, ſtôr ſtehen für blindu, blâu,
ſtôru. — 5) das i im dat. ſg. fem. und nom. pl. maſc.
muß, weil es keinen umlaut zengt, unorganiſch ſeyn. —
Die ein- und nicht eintretenden umlaute macht folgen-
des paradigma anſchaulich:

ſg. hvat-rhvöthvat-t
hvat-shvat-rarhvat-s
hvöt-umhvat-rihvöt-u
hvat-anhvat-ahvat-t
pl. hvat-irhvat-arhvöt
hvat-rahvat-rahvat-ra
hvöt-umhvöt-umhvöt-um
hvat-ahavt-arhvöt

Dieſe decl. enthält 1) einfache adj.: allr (omnis) ângr (angu-
ſtus) apr (aſper) ær (annuus) argr (ignavus) armr (pauper) ætr
(edulis) audhr (vacuus) aumr (miſer) bâgr (difficilis) ballr
(pugnax) beinn (rectus) beitr (acutus) ber (nudus) biartr (lu-
cidus) biúgr (curvus) blackr (fuſcus) blànkr (albus) blâr (coe-
ruleus, inanis) blaudhr (mollis) blautr (nudus) bleik[r] (palli-
dus) blìdhr (blandus) blindr (coecus) bliúgr (verecundus)
brâdhr (praeceps) breidhr (latus) brûnn (furvus) brŷnn
(conſpicuus) bŷll (habitabilis) byltr (revolutus) bær (ca-
pax) dàr (vehemens) daudhr (mortuus) daufr (ſurdus)
deigr (mollis) dimmr (opacus) diúpr (prof.) döckr (ni-
ger) dreifr (ſparſus) driúgr (continuus) driúpr (humilis)
A a a
[738]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
drægr (tolerabilis) dumbr (mutus) dyggr (fidus) dŷr (pre-
tioſus) dæll (mitis) fàdhr (ornatus) falr (venalis) fâr (pau-
cus) faſtr (firmus) fœr (meabilis) feigr (morti vicinus)
feitr (pinguis) flatr (planus) forn (vetus) fölr (pallidus)
frackr (liber) framr (audax) frânn (nitens) frâr (celer)
frëkr (nimius) frîdhr (formoſus) frînn (venuſtus) friófr
(foecundus) frômr (probus) frôdhr (prudens) frôr (quie-
tus) frœgr (clarus) fûll (putridus) fullr (plenus) fûs (pro-
nus) gætr (parabilis) geipr (apertus) giarn (proclivis)
gladhr laetus) gliúpr (bibulus) glöggr (perſpicax) gnôgr
(abundans) gôdhr (bonus) gör (factus) gramr (iratus)
grâr (griſeus) greidhr (expeditus) greipr (cernuus) grettr
(torvus) grimmr (ſaevus) grôfr (rudis) grunnr (vadoſus)
grŷ [...]tr (lapidoſus) grœnn (viridis) hâdhr (commiſſus) hagr
(aptus) hâlfr (dimidius) hâll (lubricus) haltr (claudus)
hallr (proclivis) hâr (celſus) hardhr (durus) hâs (raucus)
haſtr (trux) heill (integer) heitr (fervidus) hirdhr (tutus)
hlâr (laxus) hliódhr (taciturnus) hlŷr (tepidus) hnappr
(arctus) hnâr (ſtrenuus) hollr (fidus) holr (cavus) hoſkr
(fortis) hradhr (celer) hrâr (crudus) hreinn (purus) hreſſ
(vivax) hryggr (triſtis) hvaſſ (acer) hvatr (alacer) hvëllr
(ſonorus) hvîtr (albus) hŷr (mitis) hœfr (aptus) hœgr
(quietus) hæpr (lubricus) hættr (periculoſus) iarpr (ba-
dius) illr (malus) kaldr (frigidus) klàr (clarus) kleipr (an-
guſtus) klôkr (prudens) krânkr (aeger) krîngr (aptus)
kræfr (fortis) kunnr (notus) kyrr (quietus) kær (carus)
lâgr (humilis) lângr (longus) latr (piger) laus (liber)
leidhr (inviſus) lêttr (levis) lîkr (ſimilis) linr (lenis) liós
(clarus) liúfr (carus) lægr (vicinus) læs (literatus) midhr
(medius) mildr (clemens) miór (tener) môdhr (feſſus)
mylkr (lactans) myrkr (tenebroſus) mær (clarus) mætr
(inſignis) napr (frigidus) nipr (pulcher) nôgr (abundans)
nŷr (novus) nŷtr (utilis) nœgr (ſufficiens) næmr (capax)
ôdhr (rabidus) ölr (ebrius) œr (amens) öngr (anguſtus) ör
(celer) plumpr (ruſticus) prûdhr (urbanus) qvikr (vivus)
qvmær (commodus) ragr (timidus) rackr (fortis) rammr
(amarus) ramr (fortis) râmr (raucus) rângr (obliquus)
raudhr (ruber) reidhr (iratus) reimr (ſonorus) rêttr
(rectus) rîfr (largus) rîkr (dives) riódhr (facie rubicun-
dus) rôr (quietus) röſkr (ſtrenuus) rûmr (amplus) rækr
(extorris) rænn (ſimilis) ſadr (ſatur) ſannr (verus) ſâr
(ſaucius) ſeigr (lentus) ſeinn (tardus) ſekr (ſons) ſêttr
(modeſtus) ſîdhr (laxus) ſìnkr (tenax) ſiúkr (aeger) ſkakr
(obliquus) ſkammr (brevis) ſkarpr (acer) ſkeifr (obliq.)
ſkiar (fugax) ſkilmr (quaſſatus) ſkiótr (celer) ſkîr (cla-
[739]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
rus) ſkær (limpidus) ſlakr (remiſſus) ſleipr (lubricus)
ſlêttr (planus) ſliâr, ſliófr, ſlær (hebes) ſlîngr (callidus)
ſlippr (nudus) ſlægr (vafer) ſlæmr (vilis) ſmâr (parvus)
ſmeikr (lubricus) ſmëltr (liquidus) ſnâdhr (lanuginoſus)
ſnar (celer) ſnarpr (acer) ſnaudhr (inops) ſniallr (fortis)
ſnöggr (glaber) ſöggr (madidus) ſpakr (prudens) ſprækr
(fortis) ſtamr (balbus) ſterkr (robuſtus) ſtiúpr (privignus)
ſtoltr (ſuperbus) ſtôr (magnus) ſtrângr (ſeverus) ſtrîdhr
(aſper) ſtuttr (brevis) ſtŷfr (rigidus) ſvalr (frigidus)
ſvângr (famelicus) ſvartr (niger) ſvâs (proprius, dulcis)
ſveipr (criſpus) ſvidhr, ſvinnr (prudens) ſûr (acidus)
ſŷnn (evidens) ſæll (beatus) ſæmr (decens) ſœtr (dulcis)
tamr (aſſuetus) teitr (laetus) tentr (dentatus) tîdhr (fre-
quens) tômr (vacuus) traudhr (invitus) trëgr (ſegnis)
treiſkr (difficilis) trûr (fidus) tryggr (fidelis tviſtr (triſtis)
tæpr (anguſtus) tær (limpidus) þeckr (gratus) þrâr (con-
tumax) þröngr (anguſtus) þreyttr (feſſus) þrumr (tonans)
þvër (transverſus) þûngr (gravis) þunnr (tener) þurr (ari-
dus) þŷdr (egelidus) þyckr (ſpiſſus) þyrſtr (ſitiens) ûngr
(juvenis) vandr (difficilis) vanr (inops) vanr (aſſuetus)
var (cautus) varmr (tepidus) vaſkr (ſtrenuus) vâtr, votr
(humidus) veikr (infirmus) -verdhr (vergens) vîdhr (am-
plus) vîgr (bellicoſus) vildhr (acceptus) villr (ſilveſtris)
virkr (profeſtus) vîs (ſapiens) viſkr (ſagax) viſſ (certus)
vædhr (vadoſus) vægr (mitis) vænn (formoſus) vænn (ſpe-
randus) vær (hilaris) ŷgr (ferus). — 2) viele comp. mit
-lâtr, -leitr, -ligr, -ordhr, -ſamr, -verdhr. — 3) viele
bildungen mit -al, -il, n (ſtatt -an) -in, -r (ſtatt -ar):
gamall (vetus) lîtill (parvus) iafn (planus) ſilfrinn (ar-
genteus) bitr (acer) dapr (obſcurus) fagr (venuſtus) gîfr
(vehemens) îtr (eximius) lipr (agilis) magr (macilentus)
ſnotr (callidus) vitr (ſapiens) u. a. m. Dieſe letztern mit
-r halte man nur nicht den einfachen unter 1. genann-
ten gleich, indem bitr, dapr, magr für bitar, dapar,
magar ſtehen (vgl. oben ſ. 304.) alſo in jedem caſus das
bildungs -r zeigen, gen. magrs, dat. mögrum etc. wäh-
rend die unter 1. das flexions -r lediglich im nom. ſg.
maſc. haben; z. b, hagr, gen. hags, dat. högum. —
4) bildungen mit -ag, -ug, -ig: heilagr (ſanctus) kun-
nugr (gnarus) blôdhigr (cruentus) etc. wohin auch einige
ſyncopierte: margr (multus) höfgr (gravis) urgr (tritus)
zu rechnen. — 5) mit -ôtt: krînglôttr (circularis) etc. —
6) mit -ſk: beiſkr (acerbus) bernſkr (juvenilis) elſkr
(amans) etc. wohin ſelbſt die unter 1. genannten holkr,
röſkr, treiſkr, vaſkr, viſkr zu zählen.


A a a 2
[740]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.

Anmerkungen: 1) die mit ll, mm, nn, rr, ſſ, tt
pflegen ihre conſonanz vor dem neutralen -t zu ver-
einfachen, als: ſniallr, ſnialt, ſkammr, ſkamt; ſvinnr,
ſvint; þurr, þurt; viſſ, viſt; ſtuttr, ſtutt; doch ſchreibt
man auch ſniallt, ſkammt, ſvinnt, nicht aber viſſt, ſtuttt.
Von nd, rdh, ſt wird der letzte conſonant vor dem t.
verſchluckt, als blindr, blint, hardhr, hart; faſtr, faſt.
Die (unumlautbaren) auf ſt und tt machen folglich nom.
ſg. fem. und neutr. gleich und lauten im nom. acc. pl.
neutr. wie im ſg. als: lêttr, lêtt, lêtt; während nach ſ. 736.
die (unumlautbaren) mit apocopiertem -r den nom. fem.
ſg. und neutr. pl. dem nom. ſg. maſc. gleichſetzen. Im
nom. fem. zeigt ſich jederzeit das reine, wurzelhafte
conſonantverhältnis, eben weil die conſonantloſe flexion
keinen anſtoß gibt, vgl. blindr, blind, blint; leyſtr, leyſt,
leyſt; rêttr, rêtt, rêtt; viſſ, viſſ, viſt; þurr, þurr, þurt;
ſûr, ſûr, ſûrt. — 2) vor dem genitiven -s vereinfacht
ſich das wurzelhafte ſſ, z. b. viſſ, (certi) ſtatt viſß; da-
gegen vîs (ſapiens) bekommt regelmäßig vîſſ. Alle übri-
gen geminationen und conſ. verbindungen bleiben vor
dem -s, ſo wie vor dem -ri, -ra, -rar ungekränkt, na-
mentlich heißt es allrar, allri, allra; viſſrar, viſſri, viſſra
(anders als im angelſ. ſ. 734.). Die mit einfachem ſ.
nach langem vocal, welche im nom. maſc. das r ab-
werfen, pflegen auch -ar, -i, -a ſtatt -rar, -ri, -ra zu
ſetzen, als: lauſar, vîſar, lauſi, vîſi ſt. lauſrar etc. —
3) vocalauslautige adj. die im nom. neutr. tt für t ha-
ben (ſ. 319. n° 7.) geminieren auch -rrar, -rri, -rra ſtatt
-rar, -ri, -ra, namentlich blâr, frâr, hâr, hrâr, miór,
friór, trûr, hlŷr, nŷr. Ihren langen wurzelvocal ſchei-
nen ſie dabei nicht zu kürzen, wenigſtens nimmt Raſk
p. 101. blâtt, nŷtt, blârrar, nŷrrar an und kein blatt,
nytt, blarrar, nyrrar. Vielleicht war es im altn. nicht
ſo; der heutige Isländer nimmt â für å, nicht mehr
für verdoppeltes a (oben ſ. 545. note). — 4) wurzeln mit
1 und n nach langem vocal, welche das -r nom. maſc.
aſſimilieren, thun ein gleiches mit den flexionen -rar,
-ri, -ra, z. b. ſæl (beatus) ſællar, ſælli, ſælla; brûnn,
brûnnar, brûnni, brûnna ſt. ſælr, ſælrar, brûnr, brûnrar.
Auch hier wäre kürzung des vocals zu vermuthen, fäll.
brunn? Bei kurzem wurzelvocal bleibt aber -r, als:
holr, holrar, holri und nicht holl, hollar, holli. — 5) von
conſonantaſſimilation handeln die beiden vorigen anmer-
kungen; vocalaſſimilation ereignet ſich in dem vocal der
bildungen mit al, ar, worüber ich mich bereits ſ. 304.
[741]II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.
305. geäußert habe. Der theorie nach entſpringen ga-
mall, gömul, gamalt; þagall, þögul, þagalt; ſvipall, ſvi-
pul, ſvipalt; fagar, fögur, fagart; bitar, bitur, bitart.
Allein der gebrauch hat häufig das weibliche u unorga-
niſch auf das maſc. und neutr. erſtreckt und während
gamall, gömul, gamalt fortgelten, theils ein fagur, fö-
gur, fagurt; dapur, döpur, dapurt (wo der unumlaut
den misgriff beweiſt) bitur, bitur, biturt, [man ſchreibt
beßer im maſc. und neutr. fagr, fagrt; bitr, bitrt] theils
ein umlautendes þögull, þögul, þögult eingeführt. Eine
andere abweichung iſt, daß veſall und heilagr im fem.
umlautend ſt. aſſimilierend, veſöl, heilög ſt. veſul, hei-
lug heißen, als wäre ihr bildungsvocal ein wurzelhafter
(richtig in den compoſ. ſtarfſamr, ſtarfſöm etc.) — 6) ab-
geſehen von dieſer aſſimilation ſyncopieren mehrſilbige
auf al, ar den bildungsvocal vor vocaliſch anhebender
flexion, alſo; gamlan (veterem) gömlum (veteri) gam-
lir etc. bitran, bitrum, ſt. gamalan, gömulum, bitaran,
bituru. In den flexionen -rar, -ri, -ri, -ra ſollte wie
gamallar, gamalli, gamalla auch fagarrar, fagarri, fagarra
ſtehen; ich finde aber neben dem unorg. fagurrar, -ri,
-ra ein beßeres verkürztes fagrar, fagri, fagra. — 7) die
mehrſilbigen auf -in, als: eiginn (proprius) ſteininn (la-
pideus) gyllinn (aureus) etc. bilden (nach anm. 4.) den
nom. ſg. maſc. richtig auf -inn, den gen. dat. fem. auf
-innar, inni; gen. pl. -inna. Eigenthümlich aber lau-
tet ihr nom. acc. neutr. auf -it ſtatt -int (oben ſ. 307.);
ihr acc. malc. dem nom. gleich, auf -inn ſtatt -inan,
z. b. ſteinit (lapideum) ſteininn (acc. m. ſtatt ſteininan.)
Ob der dat. ſg. ſteininum oder ſteinnum, der nom. pl.
ſteininir oder ſteinnir etc.? laße ich unentſchieden; gyl-
linn hat gyllnum, gyllnir; doch ſilfrnum, ſilfrnir ſt.
ſilfrinum, ſilfrinir ſcheint zu hart. — 8) miſchformen
haben mikill und lîtill, nämlich im neutr. mikit, lîtit
(nicht mikilt, lîtilt) als wäre die bildung mikinn, lî-
tinn; ebenſo im acc. maſc. mikinn, lîtinn (nicht miklan,
litlan); alle übrigen caſus folgen der form -il; lîtill aber
kürzt merkwürdig ſeinen wurzelvocal, ſobald der bild.
vocal ausfällt, dat. ſg. litlum, litlu, pl. litlir (nic [...]ht lît-
lum, lîtlir); gen. ſg. lîtils, gen. pl. lîtilla; dat. itlum.
heilagr fem. heilög pflegt im dat. ſg. helgum, helgri,
helgu anzunehmen. Andere miſchformen bei decl. der
participien.


[742]II. altn. ſtark. adj. zw. u. dr. decl. ſchw. decl.
Starkes adjectivum. zweite declination.

iſt erloſchen: 1) das bildungs -i im unflectierten fall
überall abgefallen, die wurzelſilbe ſey lang oder kurz,
alſo ohne die beim neutr. ſubſt. ſ. 660. wahrgenommene
unterſcheidung. Sein früheres daſeyn verräth aber in
umlautbaren der umlaut: ætr, bær, dŷr, fœr, grœnn,
hŷr, læs, mær, nŷr, nœgr, næmr, qvæmr etc. entſpre-
chen den alth. âƷi, bâri, tiuri, vuori, kruoni, hiuri,
mâri, nâmi, quâmi; mittelh. æƷe, gruene, næme. 2) in
der vocaliſch beginnenden flexion zeigen die älteſten
denkmähler noch das i an den wörtern midhr, midh,
mitt und nŷr, nŷ, nŷtt; dat. midhjum, midhri, midhju;
nŷjum. nŷrri, nŷju; acc. midhjan, midhja, mitt; nŷ-
jan, nŷja, nŷtt etc. Ebenſo kommt von rîkr, rîk, rîkt
neben rîkum, rîkan das ältere rîkjum, rîkjan vor. Im
nom. pl. ſtehet midhir, rîkir f. midhjir, rîkjir [nach
Raſks ſchreibung f. midhìr, rîkìr].


Starkes adjectivum. dritte declination.

das alte bildungs -n ſpürt ſich wiederum 1) wenn der
umlaut des wurzelhaften a in ö im maſc. und neutr.,
überhaupt durchs ganze wort hindurch eintritt; hier-
her: döckr, fölr, glöggr, gör, ölr, öngr, ör, röſkr,
ſnöggr, ſöggr. þröngr. 2) wenn zwiſchen wurzel- und
flexionsvocal ein v vorbricht; dahin α) die eben ange-
führten mit dem umlaut ö, folglich dat. döckvum,
glöggvum, görvum etc. acc. döckvan; pl. döckvir etc.
β) hryggr, myrkr, tryggr, þyckr; dat. þyckvum, acc.
þyckvan. γ) hâr, friór, miór, ſliór; dat. hâvum, frió-
vum etc. woneben auch hâfum, friófum geſchrieben
wird. Man vgl. über dies keineswegs leer eingeſcho-
bene v oben ſ. 312. 325. — Spätere quellen zeigen
döckum, glöggum, hâum etc.


Schwaches adjectivum. erſte declination.

fing. blind-iblind-ablind-a
blind-ablind-ublind-a
blind-ablind-ublind-a
blind-ablind-ublind-a
pl. blind-ublind-ublind-u
blind-ublind-ublind-u
blind-ublind-ublind-u
blind-ublind-ublind-u
[743]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte declination.

1) die ſingg. gleichen völlig der ſchw. ſubſt. decl., nicht
aber die plurale. — 2) das i nom. ſg. maſc. iſt unorga-
niſch und weckt keinen umlaut. — 3) das -u im ſg.
fem. und pl. comm. weckt ihn üherall; z. b. rögu,
ſvörtu etc. von ragr, ſvartr. — 4) mehrſilbige ſyncopie-
ren nach dem anm. 6. 7. 8. der ſtarken decl. entwickel-
ten grundſatze, folglich: gamli, gamla, gamla; gamla,
gömlu, gamla etc. fagri, fögru, fagra etc. und unorga-
niſch þögli, þöglu, þögla etc. — 5) manche adj. ſind
nur in ſchw. form üblich, z. b. faxi (jubatus) andvani
(mortuus) fulltîdhi (adultus) etc. ja dieſe erſtarren häu-
fig für alle geſchlechter zu der indecl. endung -a: and-
vana, fulltîdha, hleſſa (feſſus) lama (claudus) etc.


Adjectiva zweiter und dritter ſchwacher declinationen.

fügen früherhin durchgehends j und v ein, als: rîkji
(rìkì) rîkja, rîkja; döckvi, döckva, döckva etc.


Mittelhochdeutſches adjectivum.


Starkes adjectivum. erſte declination.

ſg. blind-erblind-iublind-eƷ
blind-esblind-erblind-es
blind-emblind-erblind-em
blind-enblind-eblind-eƷ
pl. blind-eblind-eblind-iu
blind-erblind-er (-ere)blind-er
blind-enblind-enblind-en
blind-eblind-eblind-iu

1) ablegung aller flexion, im goth. nur bei dem nom.
acc. neutr. ſg., im alth. ſchon bei dem nom. acc. ſg.
und pl. jedes geſchlechts zuläßig, kann jetzt in jedem
caſus ſg. ſowohl als pl. und in jedem geſchlecht vor-
kommen. Das eingeklammerte [blint], eben weil es
überall beizufügen geweſen wäre, iſt darum im para-
digma ganz unterblieben. Nähere umſtände und bedin-
gungen in der ſyntax; hier bemerke ich vorläufig, daß
dieſe flexionsweglaßung bei den adj. gemâl, gemuot, ge-
var, gehâr, gezan etc. als regel gilt und ſie nur aus-
nahmsweiſe flectiert gebraucht werden. — 2) das alth.
-ju nom. ſg. fem. und nom. acc. pl. neutr. erſcheint
jetzt als ein diphthongiſches, unorganiſches -iu (vgl.
ſ. 353. 727.), Bit. 3a reimt zwelvin auf iu (vobis). Gleich-
[744]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte declination.
wohl iſt bemerkenswerth, daß außer dem pronom. diu,
ſiu und den zahlwörtern driu, vierin etc. welche ver-
ſchiedentlich: iu, getriu reimen, kein anderes adj. mit
der flexion -iu als reim auftritt. Der tieftonige oder
tonloſe diphthong ſtimmte nicht zu hochtonigen wör-
tern wie: hin (caecidit) ſpriu, getriu. Verſchiedene, zu-
mahl ſpätere hſſ. zeigen -eu, ew. — 3) der gen. dat ſg.
fem. und gen. pl. comm. flectiert meiſtens auf -er, zu-
weilen auf -ere, -re; keins iſt aber willkürlich, ſon-
dern nach den ſchon beim ſubſt. angewendeten regeln
vom ſtummen e zu beurtheilen (ſ. hernach anm. 2.) —
4) ein gleiches gilt vom dat. ſg. maſc. neutr., der in
der regel auf -em, zuweilen auf -eme und -me en-
digt. —


1) einfache: al, -lles. alt. ân (expers) arc, -ges. arm. balt,
-des. bar. blanc, -kes. bleich. blint, -des. blôƷ (nudus) blûc,
bliuc, -ges (verecundus) breit brûn, bunt (varius) fin. dërp
(azymus) gàch (praeceps) ganz. geil. gër. gërn. glat, -ttes (lae-
vis) glanz. gram. grim, -mmes. grîs (griſeus) grop (craſſus)
grôƷ. guot. halp. heil. heis (raucus, neben heiſe und heiſer)
heiƷ. hël, -lles. hêr. hôch. hol. holt, -des. junc, -ges. kalt,
-des. karc. -ges (tenax) klâr. kluoc, -ges. kranc, -kes.
kriſp krump. kunt, -des. kurc (oben ſ. 392.) kurz. lam.
lanc, -ges. laƷ. leit, -des. lerz (ſiniſter) liep. lieht. lîht.
lôs. lure (ſ. 392.) lût (ſonorus) mat, -ttes (corruptus)
mort (mortuus) nâch. naƷ. quëc, -ckes. quît (liber) raſch.
reit. -des (criſpus) bereit, -tes (paratus) rëht. riech
(rigidus) rôt. ſat, -ttes. ſcharpf. ſcharf. ſchart (denticu-
latus) ſchiech (fugax) ſchîn (evidens) ſêr. ſiech. ſîht. llaf
(enervis) ſleif (lubricue) ſlëht ſmal. ſnël, -lles. ſtarc, -kes.
ſtolz. ſtum, -mmes. ſûr. ſwach. ſwarz. ſwint, -des (fortis)
tief. tôt. toup. trût. tump. twërch. valſch. vêch. vil (mul-
tus) vlach. vol, -lles. vrat (ſaucius) vrëch. vriſch. vrom,
vrum (utilis) vruot. vûl. wan (inanis) wâr. warm. weich.
wëlc, -kes. ſinewël, -lles. wërt, -des. wît. wîƷ. wunt.
zam. zart (tener) zorn (iratus); compoſita mit -haft, -gërn,
-lìch, -lôs, -muot, -ſam, -valt. -vol. — 2) mit der vor-
filbe ge: gehant (manibus praeditus) gehâr (crinitus) gehaƷ
(odioſus) gehorn (cornutus) gelìch (aequalis) gelîp (corpore
compoſitus) gemâc (cognatis gaudens) gemâl (colore g.) ge-
man (ſubditis g.) gemeit (ſuperbus) gemuot (affectus animo)
gerat (velox Herb. 60c) gerëht (juſtus) gereit (paratus) geſit
(moratus) geſlaht (ingenitus) geſchuoch (calceatus) geſunt
(ſanne) gevriunt (amicis g.) gewar (cautus) gewis, -ſſes
(certus) gewon (aſſuetus) gezagel (caudatus) gezan (den-
[745]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte declination.
tatus) etc. — 3) bildungen mit -el, -en, -er, als: go-
gel (laſcivus) michel (magnus) eben (planus) eigen (pro-
prius) mager (macer) heiter (ſerenus) etc.; mit -în, als:
êrîn (aheneus) etc. — 4) mit -ic, -ec, -iges, -eges:
manic (multus) heilic (ſanctus). — 5) mit -iſch, -eſch:
irdiſch (terrenus) heideniſch (ethnicus) etc. — 6) mit -oht,
-ëht
: bartoht (barbatus) etc. — 7) mit -et, ern: nacket
(nudus) nuechtern (jejunus). — 8) vocalauslautige: blâ
(coerul.) grà (canus) lâ (tepidus) gen. blâwes, grâwes, là-
wes; rô (crudus) vrô (laetus) gen. rouwes, vrouwes oder
rôs, vrôs; vrî (liber) gen. vrîges; rû (hirſutus) gen. rû-
hes. Die im alth. zweiſilbigen mit dem bildungsvocal
-o haben dieſen jetzt abgelegt, zeigen aber noch zu-
weilen -w im obliquen falle: kal (calvus) ſal (niger) val
(fulvus) gël (flavus) gar (paratus) -var, gevar (coloratus)
gen. kalwes, — varwes; zës oder zëſe kommt nicht vor,
nur die flectierte form zëſwer, der zëſwe. —


Anmerkungen: 1) den umlaut durch die flexion -iu
verurtheile ich, wie im alth.; keinen entſcheidungsgrund
gibt der reim, weil in ihm nach der obigen bemerkung
-iu nicht vorkommt. Die beſten und älteſten hſſ. müßen
alſo beobachtet werden. Unleugbar findet ſich in ihnen
bald elliu, bald alliu, nach der mundart einzelner dich-
ter. Wo aber elliu ſteht, iſt es das fortgeführte alth.
ellu und berechtigt zu keinem ermiu, ſwerziu, eltiu,
lengiu etc., dergleichen ſich in hſſ. des 14. jahrh. genug
zeigen. Noch tadelnswerther würde ein wæriu, rœtiu,
gröbiu, liutiu ſeyn. Vermuthlich führte auch die mis-
verſtandene analogie von hertiu, ſwæriu, neben dem nom,
maſc. hart, ſwâr (der ſich für herte, ſwære findet) zu
jenem unorg. ermiu, ſwerziu. — 2) ſyn- und apocope
des ſtummen e erfolgt nach den beim ſubſt. geltend ge-
machten regeln, nur ſind wegen der mehrſilbigkeit adjec-
tiviſcher flexion die fälle hier etwas verwickelter. Einſil-
big-lange wurzeln gehn nach dem hauptthema blint und
dahin gehören die meiſten adjectiva; ſie alle behalten den
vorderen flexionsvoc., ſtoßen aber den hinteren ab. Die
einſilbig -kurzen werfen den vorderen nach l und r be-
ſtändig aus [dahin: ſmal, hol, bar, gër (gir); vil iſt als
adj. höch ſelten und erſt bei ſpätern, z. b. meiſterg. 16b
der pl. gen. vilr; vielleicht kal, ſal, val, gël, gar, var,
inſofern ſie kein w einſchieben, welches in der regel ge-
ſchieht] nach m, n gilt ſchwanken [hierher: lam, gram,
-ſam, zam, vrum; wan, gewon, gezan, inſofern letz-
tere nicht indecl. ſtehen] nach andern conſ. weder ſyn-
[746]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte declination.
noch apocope [hierher bloß: grop]. Hingegen bleibt bei
allen einſilbigkurzen der hintere flexionsvocal nach dem
r und m. Die paradigmen *) lauten wie folgt:

ſg. hol-r hol-iu hol-Ʒbar bar-iu bar-Ʒ
hol-s hol-re hol-sbar-s bar-re bar-s
hol-me hol-re hol-mebar-me bar-re bar-me
hol-n hol hol-Ʒbar-n bar bar-Ʒ
pl. hol hol hol-iubar bar bar-iu
hol-re hol-re hol-rebar-re bar-re bar-re
hol-n hol-n hol-nbar-n bar-n bar-n
hol hol hol-inbar bar bar-iu

der nom. ſg. m. bar ſteht für bar’r; im acc. ſg. fem.
und nom. acc. pl. m. f. fallen hol, bar mit dem flexions-
loſen hol, bar (= blint) zuſammen.

lam-r lam-iu lam-Ʒgrob-er grob-iu grob-eƷ
lam-s lam-re lam-sgrob-es grob-ere grob-es
lam-me lam-re lam-megrob-eme grob-ere grob-eme
lam-en lam lam-Ʒgrob-en grob-e grob-eƷ
pl. lam lam lam-iugrob-e grob-e grob-iu
lam-re lam-re lam-regrob-ere grob-ere grob-ere
lam-en lam-en lam-engrob-en grob-en grob-en
lam lam lam-iugrob-e grob-e grob-iu

bei dichtern, welche name, ſwane ſt. nam, ſwan ſetzen
(ſ. 683.) wird auch lame, wane f. lam, wan gelten. —
Mehrſilbige bildungen mit -el, -en, -er gehen wenn
die wurzelſilbe kurz iſt, ganz nach blinder, wenn ſie
lang iſt nach holr, bar, lamer. Ich ſtelle bloß den ſg. auf:

gogel-ergogel-iugogel-eƷ
gogel-esgogel-ergogel-es
gogel-emgogel-ergogel-em
gogel-engogel-egogel-eƷ
ëben-erëben-iuëben-eƷ
ëben-esëben-erëben-es
ëben-emëben-erëben-em
ëben-enëben-eëben-eƷ
mager-ermager-iumager-eƷ
mager-esmager-ermager-es
mager-emmager-ermager-em
mager-enmager-emager-eƷ
michel-rmichel-iumichel-Ʒ
michel-smichel-remichel-s
michel-memichel-remichel-me
michel-nmichelmichel-Ʒ
eigen-reigen-iueigen-Ʒ
eigen-seigen-reeigen-s
eigen-meeigen-reeigen-me
eigeneigeneigen-Ʒ
heiterheiter-iuheiter-Ʒ
heiter-sheiter-reheiter-s
heiter-meheiter-reheiter-me
heiter-nheiterheiter-Ʒ

der acc. ſg. maſc. eigen ſteht für eigen’n (wie die dat.
pl. meiden, îſen ſ. 668. 680. für meiden’n, îſen’n) ähnlich
iſt die kürzung des heiterre in heiter, z. b. M. S. 1. 147a in
vinſter naht. — Adj. auf -în, wie êrîn, îſenîn (ferreus) gehen
nach blinder, folglich: êrîner, gen. êrînes, dat. êrînem; ſo-
bald aber ein unbetontes -in entſpringt (oben ſ. 368.), decli-
[748]II. mittelh. ſtarkes adject. erſte u. zw. decl.
nieren ſie gleich denen mit der bildung -en, doch mit
zuweilen rückkehrendem tiefton auf den bildungsvocal
bei langer wurzel (ſ. 373.), z. b. gleſin (vitreus) macht
gleſiner, gleſines, gleſinem; aber hürnin, hürnìner oder
hürninr, dat. hürnìneme. Ebenſo ſind die auf -ic, -ec
zu beurtheilen; maneger geht wie ëbener; heilìger wie
grober, jenes macht den dat. ëbenem, dieſes heilìgeme.
Die auf -iſch declinieren wie blinder, ſyncopieren aber
oft den bildungsvocal (z. b. tiutſchiu, heidenſchiu) wel-
ches, als der flexion fremd, nicht hierher gehört. —
3) die dritte anm. zur alth. erſten decl. iſt auch hierher
bezüglich; man findet nicht ſelten: hart, milt, zier, ſwâr,
wîs, klein, rîch, gemein u. a. m. ſtatt herte, milte, ziere,
ſwære, wìſe, kleine, rîche, gemeine; meiſtens iſt das eine
oder das andere der mundart verſchiedener dichter an-
gemeßen und dem einen bereit, dem andern bereite etc.
geläufig. — 4) erloſchene adj. ſind aus adverbien zu
ſchließen, z. b. aus kûme, lîſe.


Starkes adjectivum. zweite declination.

die flexionen ſind gänzlich zur erſten decl. übergegangen
und wörter der zweiten nur in ihrem flexionslolen zu-
ſtande, wo das bildungs -e vortritt, zu erkennen.


1) blìde, blœſe. bœſe (pravus) dihte (ſpiſſus) dicke.
dræte. dünne. dürre. enge. gæbe. gæhe (praeceps) gîte (avi-
dus, gewöhnlicher gîtic) grimme (Wigal. 283.) gruene. hæle.
herte. hœne. irre. kiuſche. kirre (cicur) kleine. kuele. kuene.
lære. linde. mære. milte. mitte (medius) muede. næhe (vi-
cinus) niuwe. nütze. œde. ræhe (raucus) ræƷe. reine. rîfe.
rîche. ringe. röſche (aſper, troj. 44b) ſchœne. lanc -ſeime
(tardus) *) ſeine (tardus) ſenfte. ſmæhe. ſnœde (vilis) ſpæhe.
ſpæte. ſpitze (acutus, meiſtens ſpitzic) ſtæte. ſtille. ſtrenge.
ſueƷe. ſwære. tenke (ſiniſter) tiure. træge. truebe. veige.
veile. veſte. viuhte. vlücke. wæge (utilis, favens) wæhe. wære
(certus) wilde. wîſe. wueſte. zæhe. — 2) gebære (aptus) ge-
hiure. gelenke (agilis) gemæge (cognatus) gemæƷe (commo-
dus) gemeine. geminne. genæme (acceptus) genœte (curio-
ſus) geſchîde (? muſ. 1, 70.) geſinne (ingenioſus) geſippe
[749]II. mittelh. ſchwach. adject. erſte u. zw. decl.
(cognatus) getriuwe. gevære (doloſus) gevuege. gewære (ve-
rax) gezæme (decens) u. a. m. — 3) biderbe. behende
(promptus) bereite (paratus) ellende (alienus) lancræche
(vindictam diu ſervans) nâchræte (inſidioſus) alwære (ſim-
plex) ſëltſæne (rarus) unwæne (inexſpectatus) vierecke etc.
— 4) edele. vrevele. vremede. mürwe (tener). —


Anmerkungen: 1) umlaut bei ſeiner fäbigen wurzeln
iſt hier nothwendig durch alle caſus hindurch. — 2) ſyn-
und apocope geſchieht wie in der vorigen decl., ereig-
net ſich hier aber kaum, da die unter 1. aufgezählten
adj. keins mit kurzer wurzel gewähren; edeler, vreve-
ler gehen wie gogeler. Zuweilen wird tiure in tiuwer
erweitert und decliniert dann wie heiter, gen. tiuwers,
tiuwerre. — 3) vom ſchwanken in die erſte decl. dort
in der dritten anm.; unterſchiede der bedeutung zwi-
ſchen nâch und næhe; gâch und gæhe etc. wird erſt
das folgende buch auseinanderſetzen. Mit dem über-
gang in die erſte decl. iſt rückumlaut verbunden, z. b.
hart, ſwâr ſt. herte, ſwære; wird in der metriſchen
ſcanſion ein vocal elidiert, ſo bleibt hingegen der um-
laut. vgl. “hert und wîƷ” Parc. 56b. “kuen und balt,”
“ſchœn und hêr” Nib. Auch zeigt der umlaut, daß jene
übertritte in die unumlautige form erſter decl. nur den
unflectierten fall betreffen, d. h. man wird zwar hart,
ſwâr etc. finden, aber kein hartes, hartem, harten, ſon-
dern immer hertes, hertem, herten; vgl. das goth. und alth.


Schwaches adjectivum. erſte declination.

1) blinde, blinde, blinde folgen ganz der ſubſtantiven
flexion: haſe, zunge, hërze. — 2) auch die regeln über
das ſtumme e bleiben die nämlichen; die ſchwache
form hol, bar, lam (oder lame) ſtimmt demnach zu
kol, ar, nam (ſ. 683.); grobe geht wie blinde *). Eben-
ſo bei den mehrſilbigen, es heißt: gogele, ëbene, ma-
gere; gen. gogelen, ëbenen, mageren etc. allein: michel,
eigen, heiter, gen. micheln, eigen, heitern. — 3) die wör-
ter gemâl etc. (oben. ſ. 743.) bleiben auch bei vorſtehenden
artikel meiſt unflectiert; merkwürdig ſteht: der arem, dem
arem für: der arme, dem armen Parc. 140b Kolocz 165. 180.
[750]II. mittelniederl. ſtarkes adjectivum.
4) gewiſſe adj. ſind nur in ſchwacher form üblich, z. b.
zage (ignavus) eine (ſolus) etc. auch âne (expers) gerade
(par) Triſt. 122a ſcheint gern ſo zu ſtehen.


Schwaches adjectivum. zweite declination.

die flexion ganz wie in erſter, doch gilt kein rückum-
laut in umlautbaren, alſo: herte, herte, herte, nicht:
harte. Der umlaut war eingewurzelt.


Mittelniederdeutſches adjectivum.


auch hier enthalte ich mich der aufſtellung; nur das iſt
mit ſicherheit anzunehmen, daß die dem mittelh. -er
und -eƷ analogen flexionen des nom. ſg. maſc. neutr.
-er, -et längſt verloren ſind; es gilt lediglich das un-
flectierte blind, blind. Dem nom. ſg. fem. und pl. neutr.
hingegen ſteht kein -iu, ſondern -e zu.


Mittelniederländiſches adjectivum.


Starkes adjectivum.

ſg. blintblintblint
blind–esblind–reblind–es
blind–enblind–reblind–en
blind–enblind–eblind
pl. blind–eblind–eblind
blind–reblind–reblind–re
blind–enblind–enblind–en
blind–eblind–eblint

1) dem. nom. ſg. fehlt alle flexion und in der wortſtel-
lung können auch die übrigen caſus ohne flexion ge-
ſetzt werden. — 2) der dat. ſg. maſc. und neutr. hat
niemahls -em, ſondern wie im pl. comm. -en. Im ſg.
maſc. fallen demnach dat. und acc. zuſammen. — 3) der
gen. dat. fem. und gen. pl. comm. ſchwankt zwiſchen
-er und -re (ſtatt -ere); nur regeln ſich die fälle weni-
ger nach der langen oder kurzen wurzelſilbe (wie im
mhd.) als nach der natur anſtoßender conſonanzen. So
ſtehet -re nach n, nd, als: coenre, rênre, blindre etc.;
-er nach d, t, g, k, cht etc., als: goeder, langher,
ſtaerker, rechter. Nähere prüfung wird hierüber genaue-
res ausmitteln. — 4) adj. zweiter decl. ſind am -e zu
erkennen, das ſie unflectiert an ſich tragen, z. b. dinne
[751]II. Neuhochd. ſtark. adject. erſte declination.
(tenuis) ghemicke (commodus) clêne (parvus). Viele
haben es abgelegt, z. b. onghehier (immanis). Umlaut
tritt gar nicht ein. — 5) das wichtigſte wäre, alle adj-
dieſer mundart vollſtändig zu verzeichnen; ihr reich-
thum gewährt manche, die im mittelh. ausgegangen ſind,
z. b. blaer (inanis, miſer).


Schwaches adjectivum.

ſg. blind-eblind-eblind-e
blind-enblind-enblind-en
blind-enblind-enblind-en
blind-enblind-enblind-en
pl. blind-eblind-eblind-e
blind-enblind-enblind-en
blind-enblind-enblind-en
blind-eblind-eblind-e

bemerkenswerthe abweichung von der ſchwachen ſubſt.
decl. (ſ. 692.); unſicher bleibt mir der gen. pl., da die-
ſer caſus kaum vorkommt, ſondern wie in der ſtarken
form umſchrieben zu werden pflegt. Es würde alſo in
den übrigen caſibus, wenigſtens maſc. und fem., ſtarke
und ſchw. decl. zuſ. fallen.


Mittelengliſches adjectivum.


ganz inflexibel; verzeichniſſe mit unterſcheidung aller
derer, welchen das bildungs -e gebührt, gehören dar-
um nicht in gegenwärtiges buch.


Neuhochdeutſches adjectivum.


Starkes adjectivum. erſte declination.

ſg. blind-erblind-eblind-es
blind-esblind-erblind-es
blind-emblind-erblind-em
blind-enblind-eblind-es
pl. blind-eblind-eblind-e
blind-erblind-erblind-er
blind-enblind-enblind-en
blind-eblind-eblind-e

1) neben den flexionen gilt ein unflectiertes blind in
dem nom. acc. ſg. und pl. für alle geſchlechter; nicht
[752]II. neuhochd. ſtarkes adject. erſte declination.
mehr in dem gen. dat., höchſtens als dichteriſche licenz;
das nähere in der ſyntax. — 2) das mittelh. -iu hat
ſich verloren. — 3) das mittelh. -eƷ erſt in -eß, end-
lich in -es verkehrt, ſo daß nom. acc. neutr. ſonderbar
mit dem gen. zuſ. fallen; nur gemeine mundarten un-
terſcheiden das weichere -eß von dem ſchärferen geni-
tiven -es (oben ſ. 527. vgl. Schmeller p. 145. 225.). —
4) gen. dat. f. und gen. pl. comm. zeigen einförmig -er
(unten anm. 2.).


1) einfache: all. arg. arm. bâr. blank. blau. blind.
bloß. braun, breit. bunt. dick. dumm. dünn. dürr eng. fâl.
falſch. faul. feig. feil. fein. fett. flach. voll. frech. frei.
fremd. friſch. frôh. fruͤh. fromm. ganz. gàr (coctus) geil.
gelb. gern. grâm. grau. grimm. greis. grell. grôb. grôß.
gût. gruͤn. halb. hart. heil. heiß. hell. hêr. hôch. hold.
jung. kàl. karg. klàr. klein. klûg. kraus krumm. kuͤl.
kund. kurz. lâm. lang. laß. lau. laut. leicht. leid. lêr.
licht. lieb. lind. lôs. matt. mild. nâh. naß. neu. plump.
quitt. raſch. rauh. recht. reich. reif. rein. bereit. rôh.
rôt. rund. ſanft. ſatt. ſcharf. ſchêl. ſcheu. ſchief. ſchlaff.
ſchlank. ſchlecht. ſchlimm. ſchmâl. ſchnell. ſchœn. ſchwach.
ſchwarz. ſchwêr. ſchwuͤl. ſeicht. ſiech. ſpæt. ſpitz. ſtark.
ſteif. ſteil. ſtill. ſtraff. ſtolz. ſtreng. ſtumm. ſtumpf. ſuͤß.
taub. teig. tief. tôdt. traut. treu. vîl. wach. wâr. warm.
weiß. weit. welk. werth. wild. wuͤſt. wund. zâm. zart.
zwerch; ſodann comp. mit -haft, -lich, -ſam,
-feſt etc. — 2) mit der vorſilbe ge: gleich. gemein.
gemûth. angenêm. bereit. gering. geſchwind. geſund. ge-
wis etc. — 3) bildungen mit -el, -en, -er: eitel,
dunkel. eigen, hager etc. ſauer und theuer gehören jetzt
unorganiſch hierher (oben ſ. 697.) — 4) mit -ig: êwig,
rûhig, ſinnig etc. — 5) mit -iſch: hœfiſch, närriſch, ir-
diſch etc. — 6) mit -icht: ſteinicht etc. — 7) mit -t:
feißt, nackt.


Anmerkung: 1) die flexion -e ſtatt des mittelh. -iu
zeugt keinen umlaut, namentlich heißt es nur alle,
nicht elle. — 2) hinſichtlich der ſyn- und apocopen
zeigt die ſprache keine conſequenz α) bei den langge-
wordenen, ehdem einſilbigkurzen, hören ſie natülich
auf, es heißt, hôl, bâr, làm; hôles, hôle etc. β) da-
für ſollten ſie bei allen mehrſilbigen eintreten und ſo
gut es heißt gen. engels, fingers, rêgens, êbers, pl. en-
gel, finger, êber etc. müſte ein gen. dunkels, heiters,
êbens, mâgers; pl. dunkel, heiter, êben, màger ſtattfin-
den. Allein dieſe wörter behalten ſämmtlich das e und
[753]II. neuhochd. ſchwaches adjectivum.
gehen wie blinder, alſo: dunkeler, mâgerer, dunkeles,
mâgeres, fem. dunkeler, magerer; pl. dunkele, mâgere;
der einzige acc. ſg. maſc. und dat. pl. kann noch ſyn-
copieren: dunkeln, mâgern, heitern, neben dunkelen,
mâgeren, heiteren. Lieber werfen die übrigen caſus das
bildungs -e weg: dunkler, êdler, mâgrer, êbner, dunk-
les etc. wodurch dann freilich das flexions -e gerechtfer-
tigt wird; im acc. ſg. maſc. und dat. pl. ſtehet ungut
dunklen, êdlen, mâgren, und beßer dunkeln, êdeln, mâ-
gern; bei denen auf -en gilt jedoch êbnen neben êbe-
nen. Hiernach kann man ſich leicht paradigmen zuſ.
ſetzen. Übrigens ſtimmt die unorg. entfaltung dieſer
decl. zu dem ſ. 700. angeführten ſubſt. êbne, bittre oder
êbene, bittere. — 3) der augenſchein lehrt, daß viele
der angegebenen adj. das urſprüngliche bildungs -e ab-
geſtoßen haben und vordem zur zweiten decl. gehörten,
namentlich: dick, dünn, dürr, feil, fruͤh, gruͤn, hart,
klein, kuͤl, lind, mild, gemein, neu, reich, rein, ſanft,
ſchœn, ſtill, ſuͤß, treu, wild, wuͤſt; ebenſo die bildun-
gen bieder, êdel, behènd, albern, nüchtern etc. Um-
lautbare verräth meiſtens der gebliebene umlaut; fehlt
auch er (wie in hart, ſanft) ſo geſchah der übertritt
früher.


Starkes adjectivum. zweite declination.

das bildungs -e erhält ſich nur im unflectierten fall we-
niger wörter, die ſprache hat es, wie ſo eben gezeigt
wurde, in den meiſten allmählig verloren, und wird es
auch in den folgenden mit der zeit ablegen: blœde. bœſe.
enge. jæhe. irre. kirre (cicur) muͤde. œde. ſchnœde.
træge. weiſe. zæhe. — Alle flexionen gleichen denen er-
ſter decl.


Schwaches adjectivum.

paradigma wie im mittelh., mit der einzigen wichtigen
abweichung, daß der acc. ſg. fem. dem nom. gleichlau-
tet: die blinde ſt. die blinden. Das ſtimmt zwar zum
acc. ſg. zunge ſt. zungen, allein der ſubſt. gen. dat. hat
ebenfalls zunge, während hier das adj. die ſchwache
form läßt: der blinden. Das unfolgerechte fällt in die
augen. — Die kürzung der mehrſilbigen iſt nach anm. 2.
zur erſten ſt. decl. zu beurtheilen, nämlich der nom. ſg.
aller geſchl. ſammt dem acc. ſg. fem. neutr. kürzen
entw. gar nichts: dunkle, êbene, mâgere, heitere,
ſauere etc. oder den bildungsvocal: dunkle, êbne, ſaure etc.
B b b
[754]II. ſchwediſches adjectivum.
Die übrigen caſus, folglich alle mit der flexion -n
dürfen (wie dort der acc. ſg. maſc. und dat. pl.) den
flexionsvocal ſyncopieren: dunkeln, mâgern, heitern,
ſauern, (nicht dunklen, mâgren, ſauren, heitren,) oder
auch ſtehn laßen: dunkelen etc. Die auf -en thun entw.
letzteres (êbenen) oder werfen das e der flexion aus
(êbnen).


Neuniederländiſches adjectivum.


ſtarke und ſchwache form fließen, wie beim ſubſt., un-
tereinander:

ſg. blind-eblind-eblind-e
blind-enblind-eblind-en
blind-enblind-eblind-en
blind-enblind-eblind-e
pl. blind-eblind-eblind-e
blind-enblind-enblind-en
blind-enblind-enblind-en
blind-eblind-eblind-e

die angenommenen genitivformen dürften jedoch kaum
gebräuchlich ſeyn, dieſer caſus wird meiſtens umſchrie-
ben und nur die edle ſchreibart ſetzt in gewiſſen fällen
einen alterthümlichen gen. ſg. blindes, blinder, blindes;
pl. blinder. Zuweilen ſteht im nom. ſg. ein unflectier-
tes blind.


Schwediſches adjectivum.


Im ſg. ſtarker form iſt die flexion geſchwunden, außer
daß dem neutr. -t zugefügt wird, welches deun auch
im gen. und dat. bleibt. Maſc und fem. fallen unter
ſich und für alle caſus flexionslos zuſammen; der altn.
umlaut, welcher bei wurzeln mit a das fem. unterſchei-
det, mangelt gänzlich. Jenes neutrale t tritt hinzu, un-
erachtet die wurzel auf d, t, nd, rd, 11 auslautet, z. b.
gôd -t (bonum) tät -t (denſum) hvît -t (album) blind -t
(coecum) hård -t (durum) kall -t (frigidum), da, wo
ſie mit -tt, lt, rt, ſt ſchließt, bleibt das neutr. t weg
und in ſolchen wörtern lauten alle geſchlechter übereins,
z. b. blott (nudum) halt (claudum) *) kort (breve) faſt
[755]II. ſchwediſches adjectivum.
(ſirmum) etc.; adj. auf -ms, -rs laßen es gleichfalls
weg, z. b. ſams (concors) varſe (cautus). Vocaliſch aus-
lautende hingegen geben dem neutr. -tt ſtatt -t: blått
(coeruleum) frîtt (liberum) nŷtt (utile) rått (crudum) etc.
bildungen mit -en ſtoßen das n vor dem t aus: lîten
(parvus) lîtet (parvum) êgen (proprius) êget (proprium)
nicht lîtent, êgent. Bildungen mit -el, -er, -ig, -iſk etc.
bekommen das neutrale -t. — Der plur. aller adj. wird
zwar flectiert, hat aber durchgehends ſchwache form
angenommen, man müſte denn für einen reſt der ſtar-
ken halten, daß das maſc., wie es ſcheint willkürlich,
blinde neben blinda lauten darf.


Die ſchwache form iſt leicht zu faßen: im ſg ha-
ben alle caſus des maſc. -e, alle des fem. und neutr.
-a; im pl. alle caſus aller geſchlechter -a; folglich:
blinde, blinda, blinda; pl. blinda, blinda, blinda. Aus-
nahmsweiſe, wenn das adj. ſubſtantiviſch ſteht, gilt
noch der alte gen. ſg. maſc. blindes und pl. blindas (ſ.
anm. 2.). Mehrlilbige ſyncopieren den bildungsvocal,
z. b. gamle, gamla; îdle, îdla; ègne, êgna; bittre, bit-
rra ſt. gammale, gammala; îdele, îdela etc. —


Anmerkungen: I) einige adj. haben die ganz in-
flexible endung -a, als: ringa (levis) ſtilla (quietus) äkta
(legitimus) etc. 2) noch vor einigen jahrh. galt ſtatt der
heutigen abgeſchliffenen nachſtehende decl., die ich um
ſo mehr anführe, als ſie in der bibelüberſetzung größ-
tentheils befolgt iſt:

ſg. blind-erblindblind-t
blind-sblind-sblind-s
blind-omblind-eblind-o
blind-anblind-ablind-t
pl. blind-eblind-ablind
blind-esblind-asblind-es
blind-omblind-omblind-om
blind-eblind-ablind

und die ſchwache form lautete

ſg. blind-eblind-ablind-a
blind-esblind-asblind-as
blind-eblind-ablind-a
blind-eblind-ablind-a
pl. blind-ablind-ablind-a
blind-asblind-asblind-as
blind-ablind-ablind-a
blind-ablind-ablind-a
B b b 2
[756]II. Dän. adj.; gefteigerte adjective.

Däniſches adjectivum.


Vom ſg. ſtarker form gilt im ganzen was über das
ſchwed. adj. geſagt worden iſt. Das neutrale t unter-
bleibt bei den wurzeln mit -t (welches für -tt ſteht,
oben ſ. 564.) und -ſt, als: let (leve) tet (ſpiſſum) brat
(praeceps) faſt (firmum); bei denen mit -d, -ſk ſteht es
bald, bald nicht, alſo glâd (laetum) raſk (velox) etc.
neben glâdt, raſkt, gôdt (bonum) ondt (malum). Auch
die auf -es machen das neutr. dem maſc. gleich, z. b.
länds, läns (vacuum) fälleds, fälles (commune). Vocal-
auslautige nehmen t (für tt) an: blaat (coeruleum) nŷt
(novum); doch trô, blŷ, ſkŷ bleiben unverändert. Mehr-
ſilbige bildungen -en werfen das n aus: lîden, lîdet;
êgen, êget ſt. lîdent. êgent, wiewohl einige wörter
ſchwanken, z. b. nœgent und nœget (nudum). — Der
pl. endigt überall auf -e, wie in der ſchwachen form.
Dieſe hat -e im ſg. und pl. aller geſchlechter und für
alle caſus: blinde, blinde, blinde; mehrſilbige auf -el,
-en, -er ſyncopieren, z. b. gamle, nœgne, magre ſt.
gammele etc. — Anmerkungen: 1) einige adj. auf -e
bleiben völlig unverändert, z. b. ringe, bange (timidus). —
2) die altdäniſche ſprache zeigt ſpuren vollkommnerer
flexion, namentlich den nom. ſg. maſc. auf -er, gen. -s,
acc. -en etc.


Declination der geſteigerten adjective.


Von der ſteigerung des poſitivs zum comparativ und ſu-
perlativ wird im dritten buche rede ſeyn; hierher ge-
hört bloß eine bemerkung über die declination der bei-
den höheren grade. Der ſuperlativ iſt in allen deutſchen
mundarten beider der ſtarken und ſchwachen form fä-
hig; der comparativ hingegen nach der älteren, organi-
ſchen einrichtung nur der ſchwachen und nicht der
ſtarken. Erſt ſpäterhin drängt ſich auch die letztere ein.
Die comparative decl. erfordert folgende nähere unter-
ſuchung


  • 1) der goth. comparativ geht gleich dem poſitiv im maſc.
    nach hana, im neutr. nach haírtô. Merkwürdig weicht
    aber das fem. von der flexion des poſitivs ab, es heißt nicht
    (wie blindô, blindôns; midjô, midjôns nach tuggô, raþjô)
    blindôzô, blindôzôns; ſpêdizô, ſpêdizôns; ſondern ana-
    log der dritten ſchw. weibl decl. (managei, manageins)
    blindôzei, blindôzeins; ſpêdizei, ſpêdizeins. Belege
    [757]II. declination der geſteigerten adjective.
    ſind: aldrôzei Luc. 1, 18. ſpeidizei Matth. 27, 64. vaírſi-
    zei ibid. Der grund dieſer weibl. comparative auf
    -ei ſtatt ô kann in keinem allgemeinen buchſtaben-
    verhältnis liegen, da die form -ôzô, -izô nichts an-
    ſtößiges hat und beim neutralen comp. wirklich ein-
    tritt. Er berubt alſo in dem weſen der flexion -ei,
    welche an ſubſtantiven (managei) comparativen und
    ſelbſt comparativiſch verwendeten poſitiven (Matth. 27,
    64. ſtehet frumein = frumôzein, priore) das weibl.
    geſchlecht bezeichnet; vgl. inzwiſchen unten die bil-
    dung des goth. relativen pronomens.
  • 2) im althochd. iſt α) die flexion des comp. gänzlich
    mit der des ſchwachen poſ. einſtimmend, d. h. plin-
    tôro, plintôra, plintôra; pittarôro, pittarôra, pittarôra
    declinieren wie hano, zunka, hërza *). Wenn O. II.
    22, 35. III. 18, 66. auch das maſc. auf -a zu endigen
    ſcheint, ſo iſt entw. liobôro, furiro zu emendieren
    oder falls alle hſſ. die lesart beſtätigen, das neutrum
    anzunehmen und ein ſubſt. wie thing ausgelaßen zu
    verſtehen; cleinira (ſubtilior) gl. jun. 226. iſt vermuth-
    lich das femin. (vgl. inzwiſchen den altſ. comp.). Bei
    dem ſpäteren N. herrſcht die ſchwache form des comp.
    noch ohne ausnahme, vgl. manegeren, lieberen, lin-
    deren, wëlcheren, lengeren, ſnëlleren 39, 13. 49, 5. 51,
    5. 54, 22. 89, 9. 103, 3. Bei W. ſcheint ein unflectier-
    ter nom. ſg. und pl. vorzukommen, vgl. 1, 4. ſuoƷer
    (ſt. ſuoƷera) 1, 13. holder (ſt. holdero) 4, 10. beƷƷer
    (ſt. beƷƷera) 1, 2. 4, 10. beƷƷer (ſt. beƷƷeren); dane-
    ben 1, 3. richtig beƷƷera. — β) umlaut des comp.
    läßt ſich ein zweifacher gedenken a) er kann bei adj.
    zweiter decl. durch den bildungsvocal i begründet
    ſeyn und herrſcht dann im ganzen wort, z. b. ſtren-
    kiro, ſtrenkira, ſtrenkira; peƷiro etc. wiewohl die äl-
    teſten quellen ſtrankiro, paƷiro leiden. b) adj. erſter
    decl. können ihn durch aſſimilation erhalten, ſobald
    die flexion ein i zeigt, was alſo nur im gen. dat ſg.
    maſc. neutr. der fall iſt, und dem zuweilen, aber
    nicht nothwendig eintretenden umlaut des ſchwachen
    ſubſt. entſpricht (vgl. ſ. 77. nemin = namin). So heißt
    [758]II. declination der geſteigerten adjective.
    es. lenkirin (longioris) eltirin (ſenioris) im gen. fem.
    aber lankôrûn, altôrûn, und eben ſo wenig beſitzen
    den umlaut andere caſus des maſc. und neutr. Außer
    dem i wirken andere flexionsvocale aſſimilation der
    bildungsvocale. z. b. plintara (ſt. plintôra) rîchoro (ſt.
    rîchiro) vgl. oben ſ. 117. doch überall ſchwankend.
    Und zu dieſem ſchwanken, ja durchkreuzen verſchie-
    dener einflüße geſellt ſich die allmählige abſtumpfung
    der comparativen bildungsvocale ô und i in ein zu-
    weilen betontes, zuweilen tonloſes e, worüber erſt
    im folgenden buch rechenſchaft zu geben iſt,
    wonach es aber wenig wundern darf, daß in der
    nächſten periode die umlaute des comparativs eine
    großentheils unorganiſche entwickelung zeigen.
  • 3) das altſächſ. blindôro, blindôra, blindôra decliniert
    nach hano, tunga, hërta; die vollſtändige ausgabe der
    E. H. wird lehren, wie es um die einigemahl be-
    merkte flexion -a des maſc. ſtehe.
  • 4) der angelſ. comp. blindra, blindre, blindre gehet nach
    hana, tunge, eáge.
  • 5) die altnord. flexion hat ihr eigenthümliches, näm-
    lich a) im ſg. folgen maſc. und neutr. des comp. ganz
    der ſchwachen form des poſitivs, d. h. auch der des
    ſubſt. hani, hiarta, alſo maſc.: blindari, gen. blindara;
    neutr. blindara, gen. blindara. Das fem. aber be-
    kommt nicht -a, gen. -u wie der poſitiv blinda,
    blindu oder tûnga, tûngu; ſondern, einſtimmend mit
    der goth. einrichtung, gleich dem ſubſt. æfi (ſ. 656.
    662.) -i: blindari, gen. blindari; dat. und acc. eben-
    falls blindari (ohne zweifel war dieſes i, wenigſtens
    urſprünglich ein î). — b) der pl. endigt überall in al-
    len geſchlechtern auf -i (î), alſo wieder abweichend
    vom ſchwachen poſitiv. — An umlaut iſt hier nirgends
    zu denken.
  • 6) im mittelhochd. erklärt ſich α) das aufkommen der
    ſtarken flexion folgenderweiſe: die meiſten adj. ſind
    einſilbig-lange, die bei zutretendem tonloſen -er das
    ſtumme flexions -e nach der regel abwerfen, es heißt:
    blinder, ſchœner, beƷƷer ſt. blindere, ſchœnere, beƷ-
    Ʒere. In gleichem fall befinden ſich mehrſilbige mit
    erſter kurzer, der comp. z. b. von mager, ëben lau-
    tet demnach: magerer, ëbener ſt. magerere, ëbenere.
    An der minderzahl von einſilbig -kurzen oder mehrſil-
    bigen mit erſter langer erſcheint hingegen das ſchwache
    flexions -e, die poſ. hol, lam, heiter, îtel, eigen
    [759]II. declination der geſteigerten adjective.
    machen den comp. holre, lamre, heiterre, îtelre, ei-
    genre ſt. holere, heiterere etc.; zum beleg diene vin-
    ſterre fragm. 15a. Wie andere caſus dieſer ſehr ſelten
    aufſtoßenden comp. lauten, möchte ich wißen, zweifle
    aber daß ſich z. b. ein gen. holres, vinſterres aufwei-
    ſen laße und würde eher die org. ſchwache form hol-
    ren, vinſterren muthmaßen. Bei jener mehrzahl von
    adj ließ ſich inzwiſchen der ſprachgeiſt verleiten,
    blinder, ſchœner, magerer für die flexionsloſe ſtarke
    form zu nehmen und bildete nun den gen. und an-
    dere caſus ſtark. So ſtehet z. b. Maria 89. waƷ tiu-
    rers, M. S. 1, 108b waƷ liebers, Parc. 6b iht liehters,
    Wigal. 84. 91. 137. 144. nicht ſchœners, edelers, Iw.
    31b ze hôherm etc. wofür im alth. huaƷ tiuririn, niht
    ſcônirin, iowiht liohiterin, zi hôhirin geſtanden haben
    würde. Bemerkenswerth iſt der ſtarke nom. fem. un-
    ſælìgeriu (infelicior) ſt. des organ. ſchwachen unſælìger
    Iw. 30a. — β) die ſchwierige unterſuchung über den
    umlaut der comp. gehört. da er in keinem fall von
    der flexion gewirkt wird nicht hierher.
  • 7) in den mittelniederl. quellen lautet der nom. ſg. comp.
    bald: blinder, blinder, blinder, bald: blindre, blin-
    dre, blindre und ebenſo der nom. pl. (nicht blindren).
    Die obliquen caſus habe ich nicht geleſen.
  • 8) der mittelengl. comp. zeigt keine flexion.
  • 9) der neuhochd. iſt ſchwacher und ſtarker form gleich
    dem poſ. und ſuperl. fähig; bei mehrſilbigen bildun-
    gen mit -er pflegt man den mislaut ſtarker formen,
    z. b. bittererer (acerbior) bittereres (acerbioris) [vgl.
    ſ. 757. note] durch ſyncope zu mindern: bittrerer, bit-
    treres. — Vom ſchwankenden umlaut des comp. im
    folgenden buche.
  • 10) der neuniederl. comp. bleibt im ſg. völlig unflec-
    tiert: blinder, blinder, blinder; der pl. lautet für
    alle caſus: blindere.
  • 11) im ſchwed. gilt für alle caſus und geſchlechter ein
    unveränderliches blindare; im dän. ebenſo blindere.

Declination der zahlwörter.


Es iſt hier wiederum nur von der declination der zah-
len, nicht von ihrer bildung und zuſ. fügung die rede.


[760]II. declination der cardinalzahlen.
A. von den cardinalzahlen.

regel: alle cardinalien declinieren entw. gar nicht, oder
ſtark (bald adjectiviſch, bald ſubſtantiviſch); niemahls
ſchwach.


  • 1. die einzahl decliniert in allen mundarten regelmäßig
    als adj. erſter decl.; goth. áins, áina, áinata [áin];
    alth. einêr, einu, einaƷ; altſ. ên, ên, ên; angelſ. ân,
    ân, ân; altfr. ên, ên, ên; altn. einn, ein, eitt
    (gen. eins, einnar, eins etc. nach p. 737.) mittelh.
    einer, einiu, eineƷ; mittelniederl. ên, ên, ên; mit-
    telengl. âne, âne, âne; neuhochd. einer, eine, eines;
    neuengl. ône (ausgeſpr. uonn); ſchwed. ên, ên, êtt;
    dän. ên, ên, êt. — Der pl. der cardinalzahl findet
    gar nicht ſtatt, eben ſo wenig die ſchw. form, allein
    1) die ſchwache form bedeutet: ſolus und hat alsdann
    ſg. und pl.; goth. áina, áinô, áinô; alth. eino, eina,
    eina etc. 2) die ſtarke form drückt das unbeſtimmte
    pronomen: quidam, aliquis aus und iſt dann gleich-
    falls des ſtarken pl. fähig. Der Gothe braucht jedoch
    die bloße card. zahl nie auf ſolche weiſe; im alth.
    begegnet ſie zuweilen, in den neueren ſprachen als
    ſogenannter unbeſtimmter artikel deſto häufiger, in die-
    ſer geſtalt wird ſie des hochtons verluſtig und mehr-
    facher kürzung unterworfen. Mittelh. bleibt ein tief-
    tonig, ſelbſt reimbar (Iw. 5a Wigal. 196. 208. 232. g.
    ſchm. z. 797. vgl. einen: kleinen M. S. 2, 202a); die
    flexionen des nom. und acc. einer, einiu, eineƷ;
    einen, eine, eineƷ können in ein gekürzt werden,
    nicht die des gen. ſg. weshalb dieſes ein dem unflec-
    tierten blint (oben ſ, 743.) kaum vergleichbar ſcheint.
    Doch gilt neben eines, einer, einem die ſyncopierte
    form eins, einr, eime (ſt. einme) weil der geſchwächte
    ton kürzung des langen voc. einleitete, folglich nach
    der analogie wans, wanr, wanme (ſ. 746.) wirkte [vgl.
    unten die decl. der pofſeſſ.], einre oder eire f. einer
    iſt ungebräuchlich *). — Die neuh. ſchriftſprache ver-
    zichtet auf den pl. des art. ein, duldet aber außer dem
    nom. maſc. neutr. keine kürzung. Mundarten kür-
    zen und inclinieren mit großer freiheit und verwand-
    lung des ei in e (Stalder p. 89. Schmeller §. 769.). —
  • II. die goth. zweizahl bildet nom. dat. acc. tvài, tvôs,
    tva;
    tváim, tváim, tváim; tvans, tvôs, tva ganz ad-
    jectiviſch nach blindái; gen. kommt nur vom maſc.
    Joh. 8, 17. vor und lautet: tvaddjê, welches eben ſo
    gut bloße nebenform eines etwa vermuthlichen tvaijê
    oder tváiáizê ſeyn kann, als ſich neben dem acc.
    fem. tvôs Luc. 9, 3. tveihnôs findet. ohne daß der
    gr. text zu einer abweichung anlaß gäbe. Ein unvor-
    handenes goth. tveihnái (tváihnai?) entſpräche dem
    alth. nom. acc. zuênê, woneben kein dem goth. tvái
    und altn. tveir gemäßes zuê nom. acc. fem. lauten
    zuô (vgl. ſ. 96.) woraus zuo, bei einigen zua wurde;
    nom. acc. neutr. haben zuei, was vom goth. tva und
    altn. tvö abſtehend zum angelſ. tvâ ſtimmt. Der gen.
    pl. lautet ſubſtantiviſch J. 352. zueijô, ſpäter meiſtens
    zueiô, daneben auch adjectiviſch zueièrô; adjectiviſch
    der dat. zuêm. — Der angelſ. nom. acc. maſc. lautet
    tvêgen, fem. tvâ, nentr. tvâ; gen. tvêga und daneben
    tvêgra; dat. tvâm; alle von den gewöhnlichen flexio-
    nen des ſubſt. und adj. weichend; dazu finde ich noch
    einen acc. tvig (oben ſ. 261.) — altſ. nom. m. tuêne,
    neutr. tuê; altfrieſ. nom. tuêne, neutr. tuâ. — Die
    altn. geſtalt des nom. iſt: tveir, tvœ (nicht tvær) tvö,
    welches letztere offenbar aus tvöu erwächſt; gen.
    tveggja; dat. tveim; in den älteſten denkmählern auch
    tveimr; acc. tvâ (tvo) tvœr, tvö. — mittelh. zwêne
    (bei ſpätern zwên, Lohengr. 37. 38.) zwô (vgl. ſ. 346.)
    zwei; gen. zweier, zuweilen zweiger; dat. zwein (nicht
    zweien); die ſchwache gen. form: diſer zwein Parc.
    166a iſt verdächtig, man leſe: diſen zwein. — mit-
    telniederl. nom. acc. twê, twê, twê; gen. twêr; dat.
    twên. — neuhochd. zwei, zwei, zwei; gen. zweier;
    dat. zwein; neuengl. twô; ſchwed. två, två, tû; dä-
    niſch: tô, tô, tô. —
  • III. von der goth. dreizahl iſt nur der acc. maſc. fem.
    þrins, dat. þrim und gen. þrijê (Luc. 3, 23.) zu bele-
    gen; auf den nom. þreis. þrijôs, þrija führt die ana-
    logie des pron. is unſicher, da der gen. keineswegs
    þrizê, þrizô, vielmehr þrijê lautet; — alth. driê (J. 358.)
    bei andern drî; fem. driô; neutr. driu; gen. driô
    (J. 357.) vermuthlich daneben driêrô?; dat. drim. —
    angelſ. þrî, þrëó, þrëó; gen. þrëóra; dat. þrim. —
    altn. þrîr, þriar, þriú; gen. þriggja; dat. þrim wo-
    neben wiederum þrimr, þrëmr; acc. þriâ, þriar,
    þriú
    . — mittelh. drî, drî, driu; gen. drîer; dat. bald
    [762]II. declination der cardinalzahlen.
    drin (Hartm. Wirnt. Rud. etc.) bald drîn (Conr. v.
    W. Conr. Flecke). — mittel- und neuniederl. drie,
    gen. drier; neuh. drei, drei, drei; gen. dreier, dat.
    drein; ſchwed. trê, trê, trŷ; dän. trê, trê, trê. —
  • IV. die unflectierte vierzahl goth. fidvôr; flectiert ver-
    muthlich fidvôreis, gen. fidvôrè, doch iſt nur der dat.
    fidvôrim nachzuweiſen. — Alth. unfl. vior; nom.
    maſc. viorê; neut. viorju; dat. viorim. — angelſ. unfl.
    fëóver; gen. fëóvera. — altfrieſ. unfl. fiuwer. — altn.
    nom. fiórir, fiórar, fiögur; gen. fiögra; dat. fiórum;
    acc. fióra, fiórar, fiögur. — mittelh. unfl. vier; flect.
    viere, viere, vieriu; dat. vieren; neuh. unfl. vier; fl.
    viere, viere, viere. — ſchwed. fŷra, dän. fìre inde-
    clinabel. —
  • V. goth. fimf, kommt nicht flectiert vor. — alth. unfl.
    vinf; decl. vinevî (vinvî) vinvju; dat. vinvim. — altſ.
    fif; decl. fivî. — angelſ. fif und altn. fimm unverän-
    derlich. — mittelh. vunf und fl. vunve, vünviu. —
    dän. ſchwed. fem unflexibel.
  • VI. goth. ſaihs, angelſ. ſix, altn. ſex kommen nur un-
    gebogen vor; altſ. ſës, fl. ſëſſe; alth. ſëhs, fl. ſëhſî,
    ſëhſju;
    dat. ſëhſim; mittelh. ſëhs, fl. ſëhſe; niederl.
    zes, dän. ſchwed. ſex, unveränderlich.
  • VII. goth. ſibun nur unflectiert; alth. ſibun und declinie-
    rend: ſibunî (aſſim. ſibinî) neutr. ſibunju; gen. ſibunô;
    dat. ſibunim. — altſ. ſivon, angelſ. ſëofon, gen. ſëofona;
    altfr. ſiugon, altn. ſiö (entſprungen aus ſiöu) — mittelh.
    ſiben, decl. ſiben (ſtatt ſibene) neutr. ſibeniu, niederl.
    zeven; ſchwed. ſiu; dän. ſŷv unveränderlich.
  • VIII. goth. ahtán, ohne flexion; alth. ahtô, decl. ahtowî?
    den dat. ahtowen hat N. p. 235a und noch eine ſpä-
    tere quelle (Oberlin 271.) den nom. echtewe, echtwi; —
    altſ. ahto; angelſ. ëahta; altn. âtta; altfr. achta; mit-
    telh. aht und decl. ëhte (ſt. ehte, vgl. ſ. 334.) Parc. 56a
    M. S. 2. 129b, ahtowe M. S. 2, 234a; neutr. ahtiu; neuh.
    acht, decl. achte; ſchwed. åtta (otta); dän. aatte (otte).
  • IX. goth. niun; der gen. niunê Luc. 15, 7. beweiſt den
    nom. niuneis. — alth. niun, decl. niunî; neutr.
    niunju — altſ. nigon; angelſ. nigon, decl. nigene
    altn. nîu — mittelh. niun, decl. niune, neutr. niuniu;
    neuh. neun, decl. neune — niederl. nêgen; ſchwed.
    nijo; dän. nî ohne beugung.
  • X. goth. taíhun, die flexion würde lauten: taíhuneis,
    gen. taíhunê, dat. taíhunim; alth. zëhan, zëhun, decl.
    zëhauî (aſſim. zëhinî); altſ. tein; angelſ. tyn; altfr.
    [763]II. declination der cardinalzahlen.
    tian; altn. tîa; mittelh. zëhen (contr. zên) decl. zë-
    hen
    (f. zëhene); neuh. zehn, decl. zehne; ſchwed.
    tîo; dän. tî.
  • XI. goth. wahrſcheinlich áinlif; alth. einlif, decl. ein-
    livî
    , dat. einlivim; — altſ. êleven; angelſ. endlëofan;
    altn. ellifu; mittelh. einlif, einlef, decl. einleve; neuh.
    eilf, elf; engl. eleven; ſchwed. ellofva, elfva; dän.
    elleve. —
  • XII. goth. tvalif; decl. gen. tvalibê, dat. tvalibim;
    alth. zuelif; decl. zuelivî — angelſ. tvelf, decl. tvelfe,
    gen. tvelfa, dat. tvelfum — altn. tôlf; mittelh. zwe-
    lef, zwelf; decl. zweleve, zwelve; ſchwed. tolf, dän.
    tolv. —
  • XIII bis XIX werden mit X zuſ. geſetzt und ſind im goth.
    und alth. danach zu beurtheilen z. b. fimftaíhun, decl.
    fimftaíhuneis, dat. fimſtaíhunim; alth. ſibunzëhan, decl.
    ſibunzëhinî etc. Unveränderlich aber wird angelſ.
    -tyne, altn. -tân oder tiân, ſchwed. -tôn, dän. -tên
    angehängt. —
  • XX. XXX XL. L bildet der Gothe mit dem ſubſt. maſc.
    tigus (decas) das ganz regelmäßig flectiert wird (ſ. 600.);
    bei XX. XXX, die vorſtehenden zahlen mit ihm, z. b.
    tváitigjus, dat. tváimtigum; þrijêtigivê, þrinstiguns;
    bei XL. L finde ich die vorzahl ungebogen, z. b. den
    acc. fidvortiguns, fimftiguns und nicht fidvorinstiguns,
    fimfinstiguns. LX. fehlt in den quellen LXX. LXXX.
    XC werden mit dem neutralen ſubſt. têhund (gleich-
    falls decas) gebildet, das den gen. ſing. têhundis
    macht: ſibuntêhund, ahtáutêhund, niuntêhund und
    gleicherweiſe C. taíhuntêhund. — Im alth. bilden ſich
    XX -C mittelſt des gewöhnlich unflectierten -zuc,
    -zoc
    *), ſpäter -zëc; zueinzuc bis zëhanzuc, obgleich
    die flexion möglich ſcheint, vgl. zëhenzuge (centenos)
    T. 80. — Das alt- und angelſ. -tig von tuêntig bis
    tëontig declinieren nicht; im altn. gilt tuttugu (viginti)
    von XXX bis C theils das indecl. -tiû, theils das de-
    clinierende -tigir, acc. tigi. — Das mittelh. -zëc,
    neuh. -zig bleiben meiſtens unverändert.

Das einfache neutr. hund (centum) pl. hunda be-
gegnet weder im goth. noch hunt, pl. hunt im alth.,
ſondern ſtatt ſeiner wie geſagt taíhuntêhund, zëhan-
[764]II. declination der ordinalien.
zoc. Weitere hunderte werden aber mit hunda gebil-
det, als: tvahunda, dat. tváimbundam; þrijahunda; fimf-
hunda; niunhunda. Alth. zueihunt, driuhunt, niunhunt,
(N. hat ſelbſt neben zênzëch 89, 4. einhunt 89, 5.) — an-
gelſ. tvâhund, þrëóhund etc. altſ. — (nach dem eſſener fr.)
hundered oder hunderod — altn. hundradh (neutr.) tvö-
hundrudh etc. — mittelh. hundert, zweihundert, driu-
hundert etc.


Das goth. þûſundi iſt ein weibl. ſubſt. und decli-
niert nach ſ. 603; ebenſo das altn. þûſund, pl. þûſundir
in früheren quellen, ſpäterhin wird es neutral. Das alth.
dûſunt (nicht tûſunt) war vielleicht auch weiblich, ob-
gleich thûſuntin (millíbus) T. 67, 14. und thûſonton O.
III. 6, 8. nicht entſcheiden; O. IV. 17, 34. wohl thûſunt
filu managu ſt. managa zu ſetzen, der acc. ſg. fem.
würde nicht paſſen. Mittelh. iſt tûſent entſchiedner pl.
neutr., daher zwei-, driu -tûſent etc. Auch das angelſ.
þùſend, gen. þûſendes, pl. þûſenda.


B. von den ordinalzahlen.

regel: alle ordinalien declinieren ſchwach (und zwar
in den ſprachen, wo die ſchwache form des ſubſt. von
der adjectiven abweicht, adjectiviſch); ausnahmen: 1) die
ordinalzweizahl, welche ohnedem nicht aus der cardi-
nalis gebildet wird, ſondern eine beſondere wurzel hat,
decliniert ſtark und nicht ſchwach; goth. anþar, anþara,
anþar (im maſc. weder anþars, noch im neutr. anþa-
rata); alth. andar und andarêr, fem. andaru, nt. andar,
andaraƷ; altſ. othar: angelſ. oþer; — altn. annar, ön-
nur, annat (ſt. annart), beginnt die flexion vocaliſch,
ſo wandelt ſich das nn in dh, alſo: gen. annars, annar-
ra[r], annars; dat. ödhrum, annarri, ödhrum; acc. annan
(ſt. annarn) adhra, annat; pl. adhrir, adhrar, önnur;
gen. annarra; dat. ödhrum; acc. adhra, adhrar, önnur. —
mittelh. ander, anderiu (enderiu Parc. 75c verwerflich
nach ſ. 74 [...].) anderƷ und ander; decliniert wie heiter,
alſo im acc. fem. ſg. und nom. acc. plur. maſc. fem.
ander; häufig ſteht aber das unflectierte ander auch für
den nom. fem. ſg., nom. acc. pl. neutr., gen. dat. fem.
gen. pl. comm. (ſt. anderre) vgl. Barl. 34. ein ander
wëlt; daſ. 342. der ander (aliorum). — Die neuh. und
niederländ. ſprache bildet die unorg. ord. zahl zweite,
twêde und beſchränkt ander auf den begriff von alius;
auch kann es ſtark und ſchwach declinieren. Die ſchwed.
[765]II. declination der zahlwörter.
und dän. ſind dem organiſmus treu geblieben, nur de-
cliniert die ſchwed. ordinal. andre ſchwach, während
das ſtarke annar, annor, annat die bedeutung von alius
a, um bekommt; im dän. gilt für beide fälle; anden. —
2) die neuh. ſprache theilt den ordinalien, wie den
comparativen, neben der ſchwachen auch ſtarke form zu.


C. von den übrigen zahlwörtern.

Die diſtributivzahlen declinieren ſtark, ſind aber in den
meiſten mundarten unvollſtändig. Am vollſtändigſten im
altn. wo die diſtributive einzahl einn (unus) im acc. ſg.
maſc. einan und nicht einn bekommt; tvennr (binus)
þrennr (ternus) fërn (quaternus) gehen regelmäßig und
haben im nom. pl. tvennir, tvennar, tvenn etc. Schwed.
dän. nur die pl. maſc. fem. tvenne, trenne; tvende,
trende
. Im goth. und hochd. ſcheint das bei den card.
angegebene tveihnôs (binae) tveihndim (binis) und zuènê
(bini) urſprünglich diſtributiv geweſen zu ſeyn. — Für
ἀμφότεροι hat der Gothe bái, neutr. ba, dat. báim, welche
formen einen nom. fem. bôs (ambae) acc. bans, bôs, ba
und gen. baijê nach ſich ziehen; allein daneben gilt
noch ein ſubſtantiviſches bajôþs, dat. bajôþum, ver-
gleichbar mit mênôþs (ſ. 610.), folglich im gen. bajôþê,
acc. bajoþs. Dieſer goth. bildung ähnlich, aber adjecti-
viſch declinierend ſind die alth. formen pêdê, pêdô,
pêdju
(pêdu) gen. pêdêrô, dat. pêdêm, entſprungen aus
einem früheren pêôdê etc. oder peiôdê, wie ſich zuwei-
len im neutr. beidu ſt. bêdu findet. Die einfache ge-
ſtalt pênê, pô, pei (nach analogie von zuêne, zuô, zuei)
mangelt gänzlich. Dafür beſteht im angelſ. das einfache
bêgen, bâ, bâ (nach tvêgen, tvâ, tvâ) gen. bêgra, dat.
bâm und daneben ein componiertes bâtvâ (nicht aber
das maſc. bêgentvêgen) dat. bâmtvâm. Die altn. form
bâdhir, bâdhar, bœdhi (? bœdhi) gen. beggja, dat. bâdhum,
acc. bâdha, bâdhar, bœdhi nähert ſich mehr der alth., ab-
geſehen vom gen., welcher dem tveggja, þriggja, folg-
lich dem alth. zueiô, drijô gleicht und ein alth. peiô,
pejô ſtatt pêdêrô fordert. Das einfache beir, bœr, bö
iſt auch hier nicht zu ſpüren. Mittelh. gilt das adjec-
tiviſche bêde, bêde, bêdiu gen. bêder, dat. bêden neben
beide, beide, beidiu, gen. beider, dat. beiden; neuh.
nur beide. Schwed. både, gen. bägge; dän. baade,
begge
, doch wird heutzutage der gen. auch für den
nom. gebraucht und baade auf das adv. beſchränkt.


[766]II. declination der eigennamen.

Declination der eigennamen.


In den gothiſchen denkmählern begegnen nur undeutſche
eigennamen, welchen Ulphilas die deutſche flexion, ſo
gut es gehet, anpaſt; überall ſubſtantiviſche.


  • 1) der erſten oder vierten männlichen (deren beider ſg.
    zuſ. fällt) folgen alle im griech. nom. conſonantiſch
    auslautenden (mit ausnahme derer auf -ος, -ας); ſie
    nehmen gleichwohl im goth. nom. kein -s an, bil-
    den alſo nom. und acc. gleich; z. b. adam, adamis,
    adama, adam. Ebenſo abraham, aínôk, gabriêl, mô-
    ſês (gen. môſêzis) etc.
  • 2) der zweiten männl. alle im griech. text mit indecli-
    nabelm ì; auch ſie erhalten kein -s im goth. nom.,
    welcher dem acc. gleichlautet; der gen. bekommt, da
    die erſte ſilbe immer lang iſt, -eis, der dat. würde,
    wenn er ſich vorfände, -ja lauten. Beiſpiel: maílki,
    maílkeis, maílkja, maílki; ebenſo: laívvi, hêli etc.
  • 3) der dritten männl. ſolche die im griech. auf -ος en-
    dend nach der griech. zweiten decl. gehen. Ulphilas,
    dem ſonſt das gr. o zu wird (ſ. 46.) und der -ες
    in aís überſetzt (z. b. φαρὲς in faraís, gen. faraizis)
    gibt merkwürdig jenes -ος nicht durch aús, z. b. πι-
    λάτος
    nicht durch peilataús, was den gen. peilataúzis
    gefordert haben würde; er wählt vielmehr die, viel-
    leicht durch lat. einfluß vorbereitete ächtgoth. en-
    dung -us, gen. -áus. Beiſpiel: paítrus, gen. paítráus,
    dat. paítráu, acc. paítru. Hiernach: chriſtus, ïêſus,
    ïakôbus, teitus, alaíkſandrus, aúguſtus, filippus, mar-
    kus, barþaúlumaíus, þaddaíus etc.
  • 4) der ſchwachen männl. alle, die im gr. texte -ας ha-
    ben und nach der gr. erſten decl. gehen; welches -as
    auch im goth. nom. ſtatt -a bleibt; beiſpiel: lukas,
    gen. lukins, dat. lukin, acc. lukan; ebenſo: barrabas,
    tôbeias, annas, þômas, ſatanas etc.
  • 5) für die weibl. namen anna, marja, marþa, ſuſanna,
    weil ſie derſelben gr. decl. zugehören, behält Ulphi-
    las die ſchwache männl. form bei, alſo marja, mar-
    jins, marjin, marjan. Das gothiſchere marjô, mar-
    jôns, marjôn, marjôn wagte er nicht zu bilden. An-
    dere weibsnamen, wie aíleiſabaíþ, magdalênê ſind
    ihm inflexibel. Für ἡρωδιὰς, gen. ἡρωδιάδος ſetzt er
    nach dritter ſchw. weibl. decl. hêrôdiadei, gen. hê-
    rôdiadeins (denn -ins Marc. 6, 17, 22. ſcheint fehler)
    acc. hêrôdiadein.
  • 6) zuweilen ſchwankt er zwiſchen gothiſcher und beibe-
    haltener griech. flexion, ſo z. b. ſteht Joh. 6, 71. der
    acc. ïſkariôtu, einen nom. ïſkariôtus fordernd, Luc. 6,
    16. ïſkariôtên, nach dem gr. ἰσκαριώτην; Joh. 11, 5.
    der acc. lazarun (λάζαρον) Luc. 16, 23. der goth. acc.
    lazaru etc. —

Griech. und lat. denkmähler haben uns umgekehrt
viele goth. eigennamen bewahrt, die ſich aus der frem-
den flexion in die reingothiſche zurückführen laßen.
Starke maſc. erſter decl. wären z. b. alareiks, gibaimêrs
valahrabans (gen. valahrabanis) und aus den goth. ur-
kunden viljariþ, alamôds, guþiliubs; zweiter hingegen
raginareis, vakis (gen. vakjis, dat. vakja); dritter ſtar-
ker z. b. die mit -mundus gebildeten, als rêkimundus,
gunþamundus, gen. rêkimundáus etc. wenn man der
altn. analogie trauen darf, vielleicht die mit -friþus, in
welchem fall die goth. urkunde vinjáifriþas für vinjái-
friþus verſchrieben hätte; ſchwache maſc. ſind häufig:
attila, ſvinþila, mêrila, vamba, tulga (gen. tulgine) etc. —


Der alth. ſtarken decl. der eigennamen kennzeichen
iſt, daß ſie den acc. ſg, maſc. auf -an, ganz adjectiviſch
bildet und dadurch vom nom. unterſcheidet. So z. b.
bekommen die nom. hludowig, hartmuot, werinpraht
den acc. hludowigan, hartmuotan, werinprahtan; eben-
ſo fremde, z. b. petrus, zacharias den acc. petruſan,
zachariaſan. Ja dieſen acc. empſangen ſelbſt perſönliche
ſubſt. wie kot, man, truhtîn (oben ſ. 613. anm. 1.) oder
perſonificierte, wie polâri (ſtella polaris) acc. polâran
O. V. 17, 62. Was die einzelnen declinationen betrifft,
ſo fallen die erſte und vierte im ſg. zuſammen, gen. -es,
dat. -a (ſpäter -e) alſo: hartmuot, hartmuotes, hart-
muota (hartmuote) hartmuotan; petrus, petruſes, pe-
truſa (petruſe) petruſan. Die zweite decl. zeigt ſich in
dem nom. auf -i urkundlicher eigennamen, z. b. heſſi,
nebi; anderer auf -ari als kundahari, oder mit -wini
gebildeter, z. b. ëparwini, obgleich die frühſten diplome
bereits ëparwin haben. Spuren der dritten würden in
bildungen mit -muntu, -vridu zu ſuchen ſeyn, z. b.
ſikimuntu, gen. ſikimuntes, dat. ſikimuntju, acc. ſiki-
muntan; ſikivridu, ſikivrides, ſikivridju, ſikivridan; doch
fehlen mir belege, da in den älteſten diplomen entw.
die lat. endung -mundus, -fridus (zuweilen -fritus
z. b. liutfritus Neug. n° 19.) oder -mund und -frid,
kein -mundu, -fridu erſcheint. Fremde namen wie
petrus, iacobus bringen alth. ſchriftſteller natürlich nicht
[768]II. declination der eigennamen.
in dieſe, ſondern ſtets in die erſte decl. zuweilen aber
mit weglaßung der latein. endung, z. b. chriſt, gen.
chriſtes, acc. chriſtan und nicht chriſtus, chriſtuſes,
chriſtuſan, während petrus, iohannes, herodes: petru-
ſes, iohanneſes, herodeſes bilden. — Mannsnamen
ſchwacher form ſind häufig und unbedenklich, z. b.
prûno, gen. prûnin, dat. prûnin, acc. prûnun; ebenſo
poto, kêro, wilichomo und alle auf -ilo, als: ezilo etc. —
Bei alth. weibsnamen läßt ſich die ſtarke flexion nicht
belegen, aber muthmaßen. Zur erſten decl. zähle ich
z. b. die mit -rûna, -wara gebildeten, als hiltirûna, vri-
durûna, hiltiwara, vriduwara, gen. hiltirunô, hiltivarô;
vielleicht auch die mit -hilta z. b. prunihilta, gen. pru-
nihiltô, obſchon eine urk. von 817. (Neug. n° 192.) be-
reits den nom. prunnihilt nach vierter decl. gibt. Da
die mehrzahl weibl. namen der vierten zufällt, werden
ſolche übertritte begreiflich; zu dieſer vierten gehören
bildungen mit -lint, -rât, -kunt, -vlât, -louc, -trût, z. b.
ôſtarlint, gen. dat. ôſtarlintî, acc. ôſtarlint. Lateiniſch
pflegen dieſe namen meiſtens die endung -is zu em-
pfangen, jene erſter decl. hingegen -a, doch iſt ſich
darauf nicht zu verlaßen. Die ſchwache weibl. decl. be-
greift außer fremden namen wie maria, eva (gen. ma-
riûn, evûn) viele einheimiſche, z. b. përahta, uota, he-
liſpa etc. deren gen, përahtûn, uotûn zuweilen zuſ. ge-
ſetzte ortsnawen darbieten; der gen. mariûns T. 4, 2 iſt
mir verdächtig.


Über altſächſ. namen läßt ſich kaum urtheilen,
doch mag ihre decl. wenig von der alth. abweichen, na-
mentlich findet der acc. maſc, auf -an ſtatt, z. b. hero-
deſan. — Im angelſ. folgen der erſten ſt. männl. decl.
älfred, cëolmund, ânlâf, vulfſtàn, hrôdgâr, hëorogâr,
bëóvulf, däg-hräfn, grindel, hengeſt und unzählige an-
dere. Der zweiten ine, hedde und bildungen mit -vine,
-here, als: eádvine, cudhvine, äſchere, älfhere, vulfhere.
Keine nach dritter und vierter (vielleicht hëalfdene?
Beov. 7. 81.) auch keine ſpur eines adjectiviſchen acc.
maſc. auf -ne, vielmehr ſind ſich acc. und nom. überall
gleich. Schwache maſc. häufig z. b. offa, ſibba, penda, fitela
erc. gen. offan, fitelan. Fem. erſter ſt. decl. ſcheinen ſelten,
doch ſteht im Beda p. 325. begu; die meiſten declinieren
nach der vierten, namentlich die mit -burh, flæd, ſviþ etc.
Schwache fem. ſind z. b. eve, marie, gen. evan, marian.
Fremde namen behalten in den übertragungen gern die
fremde flexion bei, z. b. auguſtinus, johannes, acc. au-
[769]II. declination der eigennamen.
guſtinum, johannem, am erſten wird der dat. deutſen
geſetzt, z. b. pilate, jacobe, herode. —


Altnordiſche quellen geben über die decl. der ei-
gennamen hinlänglichen aufſchluß: 1) maſc. erſter ſtar-
ker: aſkr, âlfr, ërpr, þôr, freyr, reginn, egill, ſammt
unzähligen andern einfachen ſowohl als gebildeten;
gen. aſks, âlfs, ërps, þôrs, freys, regins, egils; dat.
aſki, âlfi, ërpi, þôr, frey, regni (? ragni) agli. Die auf
-ar als: gunnar, ſigar entſprechen dem alth. -hari nach
zweiter decl. (kundahari, ſikihari) und ſyncopieren im
dat. das a nicht, gunnari, ſigari, während das dem
alth. -ar gleiche -ar ſyncopiert wird (hamar, dat.
hamri) — 2) zweiter ſtarker: brîmir, hœnir, grîpir,
mîmir, fâfnir, hamdhir, ſkirnir etc. gen. brîmis, dat.
und acc. brîmi. 3) dritter ſtarker: hâkon, hâlfdan,
magnus (dieſe drei ohne -r im nom. ſg. vgl. oben
ſ. 653. anm. 1.) hödhr, niördhr, ullr, ſigurdhr *), ſig-
mundr und alle bildungen mit -mundr, -undr, -hiörtr,
-biörn, -vindr, -vidhr als: ſæmundr, völundr, önundr,
arnbiörn, eyvindr, folkvidhr; gen. hâkonar, hâlfdanar,
magnuſar, hadhar, niardhar, ullar, ſigurdhar, ſigmun-
dar etc. dat. hâkoni, hâlfdani, magnuſi, nirdhi, ſigurd-
hi etc. In den bildungen mit -rödhr, z. b. geirrödhr,
gudhrödhr, ſigrödhr lautet der gen. geirrödhar, dat. geir-
rödhi (nicht geirradhar, geirredhi) vgl. Snorraedda p. 113.
115., oder wäre geirraudhr, dat. geirreydhi zu ſchreiben?
Yngl. ſaga c. 53. ſteht ein gewis fehlerhafter nom. gud-
reydr neben gudrödr. Iſt -rödhr das gleichfalls dunkle
angelſ. -red oder -rêd in älfred, cynred etc.? Dem
alth. -rât entſpricht das altn. -râdhr (gen. -râdhar,
dat. -rædhi?) z. b. þakrâdhr (alth. danhrât). Die bil-
dungen -udhr haben den gen. -adhar, dat. -adhi z. b.
nidhudhr, nidhadhar, nidhadhi, welcher wechſel bei
andern ſubſt. ſtatt findet (Raſk §. 153.) wiewohl der
nom. gleichfalls nidhadhr heißen darf. Schwanken
zwiſchen erſter und dritter decl. wie beim ſubſt. (ſ. 654.);
Har. hârf. ſaga c. 11. ſteht der gen. arnvidhs und arn-
vidhar; anderwärts hiörvardhar und hiörvardhs, welches
letztere beßer ſcheint, da der nom. hiörvardhr lautet,
C c c
[770]II. declination der eigennamen.
nicht hiörvördhr. 4) vierter decl. würden ſolche namen
ſeyn, die im gen. die flexion -ar, im nom. aber wur.
zelhaftes a (nicht ö) zeigen und den dat. dem acc.
gleichmachen. Gehört heimdallr (nicht heimdöllr) gen.
heimdallar hierher? oder darf in comp. der umlaut des
tieftonigen a unterbleiben? denn es heißt auch hâlfdan
(nicht hâlfdön) gen. hâlfdanar, dat. hâlfdani (nicht hâlf-
deni) und im dat. ſigurdhi, ſigmundi (nicht -yrdhi,
-myndi) da doch ſyni ſtatt findet. Warum gilt aber im
fem. z. b. mardöll, gen. mardallar (Snorraedd. p. 37. 154.)?
und hat ullr im dat. ulli oder ylli? Hier bleibt weiter
zu forſchen. 5) maſc. ſchwacher decl. ſind z. b. bragi,
bicki, locki, helgi, andvari, atli, budhli, högni (ſt.
höguni) und dergl. in menge; gen. braga, bicka etc.
6) fem. ſtarker form (wobei doch die erſte, dritte und
vierte decl. ſchwer zu ſcheiden ſind): rân, nâl, hnoſſ,
vör, ſôl, bîl, iördh etc. gen. rânar, nâlar, hnoſſar, va-
rar; desgl. bildungen und compoſ. als: gëfiun, ſigrûn,
gudhrûn, gullveig; gunnlödh, mardöll, hiördîs, hervör,
gullrönd etc. gen. gëfiunar, ſigrûnar, gunnladhar, mar-
dallar, hiördîſar etc.; dat. ſigrûnu, gunnlödhu. Ver-
ſchiedene haben im nom. die alte flexion -r und den
dat. -i, nicht -u, (vgl. ſ. 658. anm. 3.) namentlich:
hildr, þrûdhr, gërdhr, heidhr, rindr, urdhr, ſigridhr
und weitere comp., gen. hildar, dat. hildi; auch idhunn
(für idhudr?) ſigrlinn machen den gen. idhunnar, dat.
idhunni, ſigrlinnar, -linni, welches für die fem. vier-
ter decl. überhaupt einen alten dat. ſg. -i vermuthen
läßt. Andere ſchieben, gleich einigen ſubſt. erſter decl.
(ſ. 656. anm. 5.) i ein, namentlich: hel, ſif, frigg, laufey,
gen. heljar, ſifjar, friggjar, laufeyjar; dat. helju etc.
Entw. ganz unveränderlich (wie æfi ſ. 656.) bleibt ſkadhi
oder nimmt im obliquen caſus die männl. flexion -a
an (wie die comparative p. 758.), wenigſtens iſt Snorra-
edda p. 82. der gen. ſkadha zu leſen. — 7) fem. ſchwa-
cher form: ëdda, ëmbla, fulla, grôa, kâra, nanna, ſvâ-
va etc. gen. ëddu, nönnu, ſvâvu. Zweiter decl. fenja,
menja, herkja etc. —


Die mittelh. ſprache behält 1) im ſtarken maſc. den
adjectiviſchen acc. bei, als: ſîvriden, iringen, âdâmen,
jôhanneſen, parzifâlen, engelhêren, liudegêren etc. wo-
neben ſeltner der ſubſtantiviſche, dem nom. gleiche vor-
kommt, z. b. ſìvrit kl. 139. näheres hierüber in der ſyn-
tax. Übrigens fallen decl. 1. 4. natürlich zuſammen; ſpu-
ren der zweiten ſind faſt verwiſcht, daß aus den alten
[771]II. declination der eigennamen.
bildungen -her (für -here, alth. -hari) und -win (für
-wine, alth. -wini) mit vocallängerung -hêr und -wîn
geworden, deutet dahin. Namen wie ëberwîn, ortwîn,
wolfwîn reimen beſtändig auf ſchîn, ſîn etc., dagegen
neben walthêr, ſigehêr, reinhêr, wernhêr etc. (bei
Stricker im karl) gunthêr, volchêr (Nib.) dat. walthêre,
gunthêre; acc. walthêren etc. noch die organiſchen for-
men wernher, walther (M. S. 2, 74b 173a 227b kol. 387.)
giſelher (Nib.) dat. walther, acc. walthern, gîſelhern
gelten [vgl. oben ſ. 344.] obgleich auffallend die dat.
und acc. nirgend im reim vorkommen (Lachm. rec. d.
Nib. 197.). Spuren dritter decl. gebrechen ganz; namen
wie ſigemunt reimen auf bunt, kunt etc. und wollte
man in dem reim ſîvrit auf mit, bit, ſit ein altes ſîvrite
(ſtatt ſîvride, wie mite, ſnite f. mide, ſnide ſ. 408.) er-
kennen und dem mit, ſit für mite, ſite gleichſtellen, ſo
ſteht entgegen, daß die obliquen caſus ſìvrides, ſìvride
und nicht ſìvrites, ſìvriten lauten (vgl. ſ. 417. note).
In der Nib. caeſur ſteht der nom. ſìvrit häufig ſtumpf-
klingend (Lachm. a. a. o. 196.) woraus allmählige tonlo-
ſigkeit der zweiten ſilbe und das neuh. ſeifert f. ſeifried
erwachſen ſeyn mag. — 2) ſchwache maſc. ſind unbe-
denklich; beiſpiele: otte, brûne, gêre, nêre, boppe,
wâte etc. gen. otten etc.; hagene, gen. hagenen (wo-
für ungut die kürzung hagen) hegele, hegelen, witege,
witegen; hetele, hetelen; ſibche, ſibchen; wegfällt das
ſtumme e in etzel, wetzel, wërbel, ſwëmmel, gen.
etzeln, wërbeln. — 3) ſtarke fem. erſter decl. verrathen
ſich wohl nur durch den nom. und acc. -e, weil das
-e gen. und dat. auch in der vierten decl. gilt oder
durch den im gen. dat. abgehenden umlaut. Der acc.
chriemhilde, brünhilde ſteht im klingenden einſchnitt
Nib. 1347. 1368. 5548 etc. ſigelinde im reim auf kinde
kl. 161.; nie finde ich einen ſolchen nom. vielmehr
-hilt auf ſchilt, milt reimend; desgl. vriderûn, ſigerûn.
Bildungen mit -rât, wie herrât, machen den gen. dat. nicht
herræte, ſondern herrât. Ein älteres brünhilde, herrâte
ſcheint auch das hin und wieder vorbrechende ſchwan-
ken in die ſchw. form zu beſtärken, welches zuläßiger
aus der erſten ſtarken iſt, als aus der vierten; den dat.
brünhilden, acc. herràten, vriderûnen belegen die reime
kl. 2726. 3543. M. S. 2, 80b. Gleichwohl muß man bei
dem mangel, wenigſtens der ſeltenheit ſtarker nom. auf
-e annehmen, daß die meiſten weibl. eigennamen ſtar-
ker form der vierten decl. folgen, alſo den acc. dem
C c c 2
[772]II. declination der eigennamen.
nom. gleich ohne e, den gen. dat. aber mit oder (nach
ſ. 677. anm. 3.) ebenfalls ohne e bilden. Zuſ. ſetzungen
wie brünhilde -weinen, chriemhilde-man, adelheide-
barn, ſiglinde-kint zeigen den richtigen gen. — 4) fem.
ſchw. form: bërte, elſe, uote, helche etc. gen. bërten,
elſen und viele fremde namen; bildungen mit -el ſind
ſelten, vgl. giſele, guetel (alth. kiſila, kuotila) gen. gi-
ſelen, gueteln. — 5) bei fremden namen herrſcht einige
willkür. Theils wird die lat. flexion beibehalten, z. b.
Conrad v. W. ſetzt den nom. prîamus, acc. prîamum,
dat. prîamô (neben prîànt, prîànde, prîànden) pêleus,
pêleum, pêleô, (den acc. dat. prîamuſen, peleuſen,
prîamuſe, peleuſe finde ich nicht) desgl. den dat. hectorî
(: bî troj. 31b) oder den acc. f. helenam (: freiſam troj.
139a) neben der deutſchen form helênen; das lat. -us,
-ës fällt nach bequemlichkeít ab, z. b. neben bâchus,
achillës beſteht die form bâche (: ſprâche, râche) achille
(: wille) acc. achillen während achillës den acc. achillë-
ſen annimmt; ebenſo philippës, philippëſen oder phi-
lippe, philippen. Theils ſchwankt die quantität der vo-
cale, z. b. pollus reimt auf alſus troj. 174a; pollûs : hûs
troj. 152a 170c; pârîs: wîs troj. 32c, tantris: gewis Triſt.
56b welche bemerkung kaum hierher gehörte, wenn es
nicht ſchiene, daß der nom. mehr, die zutretende
flexion weniger den kurzen vocal dulde. Conr. hat die
nom. jônas, calcas: gras, was; ſchiron, agamemnon:
gedon; caſtor, neſtor: ſpor; hingegen den acc. jonâſen:
mâſen; ſchirônen, neſtôren. Manche namen führen in-
zwiſchen den langen voc. durch, z. b. pârîs, pârîſes,
pârîſe, pârîſen; artûs, artùſen; andere den kurzen, z. b.
die auf -ës, -ët, herculës, achillës, acc. herculëſen,
achillëſen (: gewëſen) gamurët, gamurëten (: erbëten).
Vieles ſcheint hierbei durch den reim geboten und ein-
geführt, z. b. da ſich kein deutſcher reim -âs findet,
muſte man die fremden -âs mit deutſchen -as binden,
die fremden -ât aber, weil es genug deutſche -ât gibt,
blieben lang, z. b. pilât, pilâten. Auf die kurzen -on,
-or paſt dieſe erklärung gleichwohl nicht, da ſich aller-
dings deutſche reime -ôn, -ôr darbieten. —


Im mittelniederl. finde ich zwar keinen adjectivi-
ſchen acc. ſtark. maſc., aber den acc. dem dativ gleich,
z. b. reinaert, îſengrîn, gen. reinaerts, îſengrîns; dat.
und acc. reinaerde, îſengrine, während die ſchwache
form beide caſus ſcheidet, z. b. brune, dat. brunen, acc.
brune. Jener ſtarke acc. auf -e iſt vielleicht aus einer
[773]II. declination der eigennamen.
apocope des adjectiviſchen -n (wie es im ſchw. acc.
maſc. abfällt) zu erklären, ſo daß reinaerde für reinaer-
den ſtünde. Schwache fem. haben (abweichend vom
ſubſt. ſ. 693.) auch im acc. -en (Huyd. op St. 1. 72. 73.
417.) — Fremde namen legen bald die lat. endung ab,
z. b. valentiniaen, gen. -aens, dat. acc. -ane, hector,
gen. hectors, dat. acc. hectore oder ſchwach: pilate,
gen. dat. pilaten; bald nicht z. b. pilatus, patroclus,
lazarus, achilles, dat. acc. patrocluſe, lazaruſe, achilleſe.
Der gen. heißt unveränderlich lazarus, achilles, jheſus.
Sonderbar bildet Maerl. den acc. jheſumme (nach dem
lat. jeſum, vielleicht für jheſumen?) 2, 129. 140. neben
jheſuſe 2, 127. —


Die neuhochd. biegung der eigennamen iſt ſehr ver-
worren. 1) ſtarken maſc. gibt man noch das gen. -s,
als: ludwigs, heinrichs, wilhelms, nicht mehr das dat.
-e, ſondern macht dieſen caſus dem nom. gleich. Der
acc. kann zwar das adject. -en annehmen: ludwigen,
wilhelmen, doch klingt dies ſchon alterthümlich und
es heíßt lieber ludwig, wilhelm. Weil einige das adj.
-en des ſtarken acc. mit dem ſchw. -en vermiſchten,
legten ſie fehlerhaft dem dat. oder gar dem gen. ein
ſchwaches -en zu. — 2) ſtarke fem. bleiben unverän-
derlich, nur ſind ihrer wenige, da die meiſten im nom.
-e zufügend ſich zu no. 4. ſchlagen. 3) ſchwache maſc.
pflegen ſtark zu declinieren, theils mit beibehaltung,
theils mit ablegung des -e, als: göthe, bôde, wille,
braun, hâgen. hêgel; gen. göthes, bôdes, willes, brauns,
hâgens, hêgels etc. Der noch zuweilen gehörte gen.
göthen (oder auch göthens nach ſ. 703.) dat. göthen
veraltet. — 4) die ſchw. weibl. form hat ſich bei den
eigennamen etwas länger gehalten, als beim ſubſt.; wäh-
rend ſchon lange der ſg. von zunge unveränderlich blieb,
duldete man, wenn kein art. vorſteht, den gen. marîen
oder marîens, dat. acc. marîen, zumahl bei vorausgeſetz-
tem gen. marîens mutter etc.; dieſe flexion -ens ahmt
fehlerhaft das männl. -ens nach, vergleicht ſich aber
dem -s, das in der zuſ. ſetzung weiblichen ſubſt. bei-
gelegt wird, z. b. hofnungslôs, krankheitsbericht (wo-
von im folg. buch). Richtiger ſteht in zuſ. ſetzungen
der gen. -en, wie: luîſenfeſt, auguſtenburg, marîenbild. —
5) wo in fremden namen das -us, -is, -es ſteht, lau-
ten alle caſus dem nom. gleich, z. b. ovidius, alexis. jo-
hannes und kein dat. ovidiuſe oder acc. ovidiuſen iſt
zuläßig (außer in verhärtungen wie hans, d. i. hannes,
[774]II. declination der ſtädtenamen.
johannes, acc. hanſen). Fällt jenes -us, -is, -es ab ſo
kann der acc. -en lauten: ovîden, achillen. — 6) zu-
weilen dauert das alth. -o und -a des ſchwachen nom.
fort, z. b. otto, brûno, hûgo *), êva, berta, marîa, aber
mit dem unorg. gen. ottos, brûnos und ſelbſt im fem.
bertas. marîas, welches -s nicht anders als das -ens
n° 4. zu beurtheilen iſt. — 7) unſere alte ſprache be-
ſtimmte eigennamen näher durch den ort des beſitzes
oder der herkunft und die praep. von, z. b. der von
eſchenbach, hûſen, wo nur der vorgeſetzte artikel oder
vorname declinieren kann, nicht der zur praep. gehö-
rige dat., alſo der gen. lautete: des von eſchenbach etc.
Heutzutage nimmt man ſolche dative für nom. und
flectiert ſie ſelbſt (theils mit vorgeſetztem, theils abge-
legtem von) wie maſculina ſg., ohne beachtung des oft
weibl. geſchlechts oder des plur. ihrer urſprüngl. bedeu-
tung z. b. von malsburg, von dem ende, von der ha-
gen, fürſtenau, fulda, cölln (ſt. von der fürſtenau, von
fulda, von cölln) gen. malsburgs, endes, hagens, ful-
das etc. Noch mehr verletzt der ſonderbare brauch, per-
ſönlichen adel mit der praep. von zu bezeichnen, allen
ſprachſinn, ſobald ſie wirklichen eigennamen vorgeſetzt
wird, (von müller, von göthe etc.) da ſie hier durchaus
einen ortsnamen fordert.


Declination der ſtädtenamen.


Eigennamen der ſtädte pflegen den beiſatz eines ſie nä-
her beſtimmenden ſubſt. z b. -burg, -ſtadt, -furt etc.
zu haben (wovon umſtändlich buch III.) und dann wird
letzteres nach dem geſchlecht und der decl. gebogen,
welcher es zufällt. Hier iſt bloß die decl. derjenigen
gemeint, welche kein ſolcher beiſatz auszeichnet, die
alſo entw. aus einem fremden, dunkeln wort beſtehen,
oder eine deutſche bildungsendung empfangen haben.


  • hebraeiſche ſtädtenamen, die der gr. text nicht flec-
    tiert. läßt auch Ulphilas ungebogen, z. b. nazaraíþ,
    bêþlaíhaìm, kafarnaúm, ïaíruſalêm (ἱερουσαλὴμ) etc.
    merkwürdige ausnahme macht der gen. ïaíruſalêms
    Neh. 7, 2, 3. Finden ſich gr. flexionen, ſo bleiben
    dieſe bald buchſtäblich, z. b. daíkapaúlaíôs (δεκαπόλεως)
    af areimaþáias (ἀπὸ ἀριμαθαίας) lazarus af bèþanias,
    [775]II. declination der ſtädtenamen.
    da doch die goth. praep. af keinen gen. regiert; îai-
    ruſaúlymôn (ἱεροσολύμων) etc. bald aber, und dieſer fall
    iſt für uns der wichtigſte, ſtehen goth. flexionen. Ge-
    wöhnlich nimmt der ſing. die erſte, der plur. die vierte
    ſtarke weibl. decl. So ïaíruſaúlyma, gen. -ôs, dat.
    -ái, acc. -a, ferner: ſeidôna, ſeidônôs, ſeidonái, ſei-
    dôna; tyra, tyrôs, tyrái, tyra, wiewohl von keinem
    dieſer drei wörter der nom. auf -a vorkommt, der
    gen. bloß vom erſten, der acc. vom zweiten und drit-
    ten, der dat. von allen. Wiederum mangelt der nom.
    pl. -eis, acc. -ins, aber der gen. ſeidônê, tyrê und
    dat. ïaíruſaúlymim. tyrim, ſeidônim, ſaúdaúmim iſt be-
    legbar. Auf gleiche decl. weiſen die dative ſg. ïaíru-
    paúlái und baíraújái (in Mai’s ſpec. p. 28.) nom. ïai-
    rupaúla (hieropolis) baíraúja (beroea). Unvoliſtändiger
    zeigen ſich andere declinationen, nämlich in ïaírei-
    kôn der acc. erſter ſchw. weibl. in daíkapaúlein, bêþ-
    fagein der dat. dritter ſchw. weibl., ohne daß ein
    nom. -ô, -ei vorkommt; in ïaíruſaúlymjam, ſaú-
    daúmjam, gaúmaúrjam der dat. pl. und in ſaúdaúmjê
    gen. pl. der zweiten ſt. neutr.; endlich in bêþanjin
    der dat., in beþanjan der acc. ſg. ſchw. männl. Ab-
    weichungen, die mehr zufällig durch den fremden
    text herbeigeführt ſind, als ächtgothiſche biegungen
    der ortsnamen kundgeben; ïaíruſaúlymjam, ſaúdaúm-
    jam (nach kunjam) ſollten den gr. dat. pl. neutr. ἱε-
    ροσολύμοις, σοδόμοις
    vom nom. τὰ ἱεροσόλυμα, τὰ σόδομα
    überſetzen. —
  • 2) alth. quellen biegen fremde wörter, wie nazareth, ïe-
    ruſalem, betlehem nur im gen. ſg. vgl. ſiônes, betlê-
    mes J. 355. 402. welche demnach für neutra gelten.
    Die lat. endung -a hingegen wird nach der erſten ſt.
    weibl. decl. flectiert, vgl. den acc. bethania, dat. be-
    thaniu O. III. 2, 10. 6, 2. den dat. rumu O. I. 11, 4.
    ſodomu T. 65, 4. Dieſer decl. folgen ohne zweifel
    die gl. blaſ. 84. gl. trev. 35b aufgeführten: mëza, wir-
    tina, baſila, ſpìra, wormiza, tungra, luticha, con-
    ſtanza, paƷonwa, ageleia, prëma und dgl. Doch fin-
    den ſich ſtädtenamen ohne ſolche endung a-, deren
    geſchlecht, folglich decl. unſicher iſt; waren ſie weib-
    lich, ſo gehen ſie nach vierter ſtarker; dahin gehören
    in jenen gloſſen: tul (tullum) ûƷtriht (ultrajectum) *)
  • 3) im altnord. finde ich conſ. auslautige fremde ſtädte-
    namen nach erſter weibl. ſt. abgewandelt, z. b. parîs,
    gen. parîſar, die mit der endung -a hingegen nach
    der ſchwachen, z. b. troja, gen. troju. Meiſtens fügt
    man ihnen -borg, ſtadhr etc. zu und dann leidet ihre
    decl. wie die der einheimiſchen namen keinen zweifel.
  • 4) conſonantiſch auelautende ortsnamen ſind im mittelh.
    unveränderlich, z. b. jêruſalêm, lunders, âkers, ber-
    beſter (balbaſtrum) acratôn, meilân, nantës, kâridôl,
    parìs etc. ebenſo mit eïnem langen voc. ſchließende,
    als: ninivê, jêrnſalê, aglei, karkobrâ etc. Die mit -e
    folgen der erſten ſt. weibl. decl., bilden demnach alle
    caſus gleich: troie, rôme, metze (George 1b) bërne,
    ſpîre, brâge, wiene (M. S. 1, 105b 197b 2, 73b 235a)
    ſibilje (ſevilla) mimele (memelina) ôranſe (arauſio,
    franz. orange) und mit apocopiertem ſtummen e bâſel.
    Indeſſen merke man α) einige haben im nom. conſo-
    nantauslaut, im dat. -e, gleichſam nach vierter ſtar-
    ker, z. b. koln (colonia) dat. kolne, Anno 105. 115.
    ſogar umlautend kölne Parc. 38b M. S. 1, 1 [...]6a wiewohl
    auch der nom. kölne M. S. 2, 153a; arl (arelatum) dat.
    arle M. S. 2, 63a Wilh. 1, 16a; wormeƷ, dat. wormƷe
    (Nib.). β) da, wie buch IV. gewieſen werden ſoll,
    viele ortsnamen, zumahl die mit -ing gebildeten, im
    dat. pl. vorkommen, z. b. tettingen, ſo wendete man
    dieſen caſus unorganiſch auf andere an, welchen nur
    der ſg. gebührt und ſetzte z. b. wienen (:niemen kl.
    2908. Müller; vgl. 3031. Hagen) metzen (Nib. 34. 42.
    M. S. 2. 67b: retzen, i. e. regium, reggio) bechelâren
    etc. anſtatt wiene, metze, bechelâr *) welches -en für
    keine ſchw. flexion zu halten iſt, daher auch außer
    dem dat. nicht eintreten kann. γ) das geſchlecht hat
    ſchwierigkeit, indem die conſtruction bald auf ein
    weibliches weiſt (Nib. 3247. kl. 4282. wormeƷ diu vil
    wîte; kl. 3932. in wormƷe der wîten; Tit. 37. ûƷ
    der ſtarken berbeſter; Friged. 3964. ackers diu iſt;
    Parc. 164b ûƷ der wìten acratôn M. S. 2, 212a die
    rîchen miſenburc [ſo zu leſen ſtatt nieſenbërc; vgl.
    *)
    [777]II. declination der ſtädte- und völkernamen.
    Nib. 5521.]) bald auf neutrales (vgl. Kolocz 56. 57.
    wienen, daƷ.). Der im goth. und alth. bemerkte
    neutrale gen. -s, -es ſcheint im mittelh. ſelten.
  • 5) im neuhochd. gänzlich neutraler gebrauch aller orts-
    namen, ohne rückſicht auf das männl. oder weibl.
    geſchlecht des beiſatzes. Man bildet heutzutag den
    gen. nicht allein rôms, jeruſalêms, ninivês, berns,
    prâgs, wiens etc. ſondern auch freiburgs, neuſtadts
    und ſogar meiningens, gelnhauſens.

Declination der völker- und ſectennamen.


  • 1) Ulph. hat nach dritter ſt. decl. ſaúr (ſyrus) f. ſaúrs
    wie vaír, baúr oben ſ. 599; pl. ſaúreis, gen. ſaúrê,
    dat. ſaúrim, acc. ſaúrins; auch von dem beibehaltenen
    ſamareitês (σαμαρείτης) bildet er den gen. pl. ſamareitê.
    Für krêtês (κρῆτες) Tit. 1, 12. iſt vermuthlich krêteis
    zu ſetzen: haibraíus, fareiſains, ïudaíus, ſaddukaíus,
    nazôraíus gehen im ſg. nach dritter, im pl. nach
    vierter: fareiſeíeis, -ê, -im, -ins; ſelbſt der pl. von
    chriſtus lautet Marc. 13. 22. chriſtjeis. Doch auch ein
    dat. ïudaíum, acc. ïudaíuns iſt vorhanden (vgl. ſ. 601.
    nr. 5.)
  • 2) (alth.) nach der erſten ſt. gehen: ſvâp, peigar (bojus
    f. peigwar, ungefähr wie vior f. vitwor) lancpart,
    purkunt, walah, weſtvâl, alaman, nortman etc. und
    alle ableitungen -inc, charilinc, durinc etc. pl. ſvâpâ,
    peigirâ, alamannâ oder alaman, durincâ; nach zweiter
    bildungen -ari, -eri: rômari, përſeri, tenimarcheri,
    choſtinzeri etc. pl. rômarâ, rômerâ etc. — nach vier-
    ter: hûn (hunnus) chrieh (graecus) ſyr (ſyrus) tan (?da-
    nus) ſarz, ſerz (arabs. d. h. ſaracenus, mit verwand-
    lung des c in z, oben ſ. 68. 163; im altn. ſerkr blieb
    der kehllaut) wilz (veletabus); pl. hûnî, chriehhî,
    ſyrî, tenì, ſerzì, wilzî; gen. hûneo etc. — nach
    ſchwacher: ſahſo, vranho, judo oder judeo etc. Ver-
    ſchiedene ſchwanken aus ſtarker form hierher, z. b.
    ſerzo (arabs). — Die decl. adjectiviſcher bildungen er-
    gibt ſich von ſelbſt.
  • 3) (angelſ.) nach erſter ſtarker: ſvæf, finn, þyring pl.
    ſvæfas, finnas, þyringas; nach vierter (ich gebe den
    ſicheren pl., da der ſg. kaum vorkommt): afdrëde
    (obtriti) dene (dani) engle (angli) vylte (veletabi)
    ſurpe (ſorabi) crëce (graeci) und alle auf -vare (oben
    ſ. 641. note): bægdhvare, romvare etc. — nach ſchwa-
    [778]II. declination der völker- und ländernamen.
    cher: francan, ſëaxan, friſan etc. ſvëon (ſueci) f.
    ſvëoan wie ſ. 645. tvëo.
  • 4) (altn.) nach erſter: âlfr, finnr, ſvâfr, borgundr, und
    alle auf -ûngr, pl. âlfar, finnar; nordhmadhr pl.
    nordhmenn; — nach vierter: halr, halir; danr, danir;
    vanr, vanir; grikr. grikir (girkir) ſerkr, ſerkir; danr
    danir; âs hat æſir (ſ. 654.) — ſchwache: ſaxi, gôti,
    jamti, judi, ſvì (ſuecus) f. ſvji etc. ſammt den bil-
    dungen -ari, -veri.
  • 5) (mittelh.) nach erſter: ſwâp, ſwâbe; dürinc, düringe;
    nibelunc, nibelunge; weſtvâl. weſtvâle; aleman, pl.
    aleman (M. S. 1, 132a) beier oder beiger pl. beier (wie
    acker ſ. 669.) etc. — nach zweiter die bildungen -ære
    oder -er (ſ. 369. 670.) — nach vierter finde ich keine
    mehr, z. b. kein tan, pl. ten, vielmehr das ſchwache
    ten M. S. 2, 232a — nach ſchwacher: vranke. ſahſe,
    heſſe, kûre, ſameite (ſamogeta) ſwêde, pl. vranken etc.
    viele aus ſtarker form hierher übergetretene: krieche,
    kriechen; ten, tenen (wie van ſ. 683.) hiune, hiunen.
  • 6) (neuh.) die meiſten vordem ſtarken ſind nun ſchwach:
    ſchwâbe, ſchwâben; dæne, dænen wie heſſe, heſſen;
    ſachſe, ſachſen; baier, pommer machen den pl. baiern,
    pommern, ſchwanken aber im gen. ſg. zwiſchen -rs
    und -rn; bildungen mit -er behaupten die ſtarke
    form: waldecker pl. waldecker (nicht -rn).
  • 7) im ſchwed. haben einige völkernamen die pl. flexion
    -ar nach der erſten ſt. oder nach der ſchw. form,
    z. b. jomsvikingar, ſaxar, finnar, aſar, ſvêar; andere
    -er nach der vierten: grêker, gœter, rŷger, egder etc.
    Im dän. faſt alle -er nach der vierten oder ſchwachen,
    z. b. ſvâber, burgunder, franker, ſakſer, lapper; keine
    mehr -e nach der erſten, einige -ere nach der zwei-
    ten: rommere, ſpaniere.

Declination der ländernamen.


Wie bei den ſtädtenamen ergibt ſich gewöhnlich
geſchlecht und decl. aus dem beigeſetzten -land, -gau,
-mark, -reich etc.; hier bloß von dem fall, wo der-
gleichen zuſ. ſetzungen fehlen.


  • 1) den gr. gen. behält Ulph. in galeilaías bei, doch ſoll
    Luc. 2, 2. nicht ſyrias, ſondern die goth. flexion ſy-
    riáis ſtehen, wozu der dat. krêtái Tit. 1, 5. ſtimmt.
    Dieſe ländernamen folgen alſo der erſten ſt. weibl.
    [779]II. declination der ländernamen.
    decl. krêta, krêtôs, krêtái, krêta; der pl. würde wohl
    die vierte begehren.
  • 2) (alth.) N. und der überſetzer T. laßen häufig die lat.
    flexion z. b. den acc. galileam, aegyptum, dat. ae-
    gypto, gen. traconitidis etc., doch ſteht T. 22, 2. der
    deutſche acc. ſyria; 5, 11. der dat. ſyriu 55, 2. gali-
    leu und 9, 4. der dat. egypten. O. hat 1. 8, 13. in
    aegiptum, aber I. 1, 182. den dat. macedonin; II. 7,
    78. III, 2, 1. den acc. galilea. Alſo gehen auch hier
    ſyria, galilêa etc. nach fem. 1. ſt und man hat ein
    ſchw. maſc. aegypto, gen. aegyptin anzunehmen.
    Deutſche länder und landſchaften kommen nie ohne
    beifügung von -lant, -rìhhi, -diot, -gouwi etc. vor.
  • 3) (mittelh.) lat. fem. auf -a -ia behalten ſelten -â, als:
    âſiâ, eurôpâ, traciâ, zuweilen nehmen ſie -ê, -î (arabê,
    arabì; valturmiê: wê Wilh. 2, 48b) meiſt ein unbetontes
    -e an, richten ſich aber in der ausſprache des ihm
    vorſtehenden i nach dem romaniſchen. Nämlich î gilt
    in: türkîe, barbarîe, ſürîe, bulgerîe, picardîe, rûme-
    nîe, armenîe, parmenîe etc. geht ein naſales an, on
    voraus, ſo entſpringt ein franz. ague, ogne; ital.
    agna, ogna; ſpan. aña, uña und mittelh. anje, onje,
    als: ſpanje, ſchampanje, almanje, britanje, katelanje,
    babilonje, macedonje, wildonje mit zwei nebenfor-
    men, theils verhärtung des j in g (ſpangen, katelan-
    gen, wie im mittelniederl. ſpaengen, almaengen,
    bertaengen) theils gänzlichem ausſtoß des j mit vo-
    calverlängerung (ſpâne, britâne, macedône, babi-
    lône). Ebenſo wird aus ili ein ital. igli, ſpan. ill,
    franz. ill, mittelh. ilj (ſibilje, cecilje, ſicilje) daneben
    ill (ſebille) wie pülle (:erſchülle reimig) ſt. apulia,
    ital. puglia, franz. pouille; doch kein verlängertes îl.
    Für ſürîe ſcheint ſeltner ſürje (M. S. 1, 144a) ſürge
    (im Otnit) zu gelten, noch ſeltner ſirre (im gedr. hel-
    denb.). Alle dieſe uamen auf -e declinieren, wie die
    ſtädtenamen auf -e, nach gëbe; conſonantiſch aus-
    lautende (indiân, përſiân, brôbarƷ etc.) ſind inflexi-
    bel. — Deuiſche ländernamen pflegen durch den dat.
    pl. des völkernamens und die praep. ze, von, in um-
    ſchrieben zu werden, als: zen burgunden, zen ſwâ-
    ben, zen hegelingen, von den hegelingen, oder ohne
    art. ze burgunden, ze kriechen, ze lamparten; aus
    dieſem dat. pl. (vielleicht auch aus dem ſchwachen
    gen. pl. mit weggelaßenem lant, ſtatt: ſahſenlant,
    [780]II. declination der ländernamen.
    vrankenlant?) führte ſich nach und nach der unorg.
    ländername burgunden, ſwâben, ſahſen ein, und wurde
    wie ein neutraler ſing. conſtruiert, vgl. M. S. 2, 63a
    kerlingen ſtât mit vride, vlandern hât, ſwâben iſt
    M. S. 1, 200b 2, 174b; meiſter alex. 142a etc. Einen
    gen. ſwâbens, kriechens gibt es aber nicht und die
    deutſchere bildung der ländernamen durch wechſelnde
    beiſätze herrſcht noch immer vor (z. b. Gudr. 1a 8b in
    îrlande, ûƷ îrrîche).
  • 4) (neuh.) die meiſten ländernamen ſind neutral und des
    -s gen. fähig, z. b. brâbant, indien, aegypten, ſpâ-
    nien, armênien, portugall, würtemberg, ſchaumburg etc.
    gleichergeſtalt die urſpr. dat. pl. heſſen, ſchwâben, fran-
    ken, ſiebenbürgen (wo der ſinn dem ſg. widerſtrebt,
    vgl. M. S. 2, 7a gein ſibenbürgen) etc. Nur einige
    fem. auf -ei erhalten ſich: lombardei, türkei, bulga-
    rei, noch wenigere mit conſ. auslaut, z. b. die ſchweiz,
    die krimm.

Declination des pronomens.


A. perſönliches ungeſchlechtiges pronomen.

(goth.) I. ſg. ïk. meina. mis. mik. — dl. vit. ugka-
ra. ugkis. ugkis. — pl. veis. unſara. unſis (uns) unſis
(uns) — II. þu. þeina. þus. þuk. — dl. jut? ïgqvara.
ïgqvis. igqvis — pl. jus. ïzvara. ïzvis. ïzvis. — III. ſg.
ohne nom.; gen. ſeina; dat. ſis; acc. ſik — dl. fehlt —
pl. ohne nom.; gen. ſeina; dat. ſis; acc. ſik. — anm. der
nicht vorkommende nom. dl. zweiter perſ. iſt nach ana-
logie des pl. jus angeſetzt, vielleicht lautete er jit oder
ït, ſicher nicht git, doch jenes jut beſtärkt auch der
litth. dl. judu. pl. jûs. — für þu etwa þû? ſ. oben ſ. 97. -
ſtatt der auffallenden nichtunterſcheidung des dat. vom
acc. dl. und pl. würde die conſequenz im acc. pl. unſik,
ïzvik fordern.


(alth.) I. ſg. ih. mîn. mir. mih — dl. wiz? unchar.
unch. unch. — pl. wîr. unſar. uns. unſih. — II. dû. dìn.
dir. dih. — dl. jiz, iz? inchar. inch. inch. — pl. îr.
iwar. iu. iwih. — III. hat nur den gen. ſg. ſîn und den
acc. ſg. und pl. ſih. — anm. das lange wîr, îr folgt aus
dem goth. veis, jus, vgl. balgeis, ſunjus mit pelkî,
ſunî; der ſpätere N. hat kurzes wir, ir, wie belge,
ſune: — gen. pl. dl. endigt ſowohl -er, als -ar; ſtatt
[781]II. perſönliches ungeſchl. pronomen.
iwer, iwih begegnet iuwer, iuwih (ſ. 145.); ſtatt iu,
iuwih: ëu, ëuwih (ſ. 102.) — die dualformen muſten
beinahe alle gerathen werden, da ſich nur O. III. 22, 64.
der beleg: unker zueiô darbot, er reicht aber hin, die
übrigen fälle zu verſichern.


(altſ.) I. ſg. ik. mîn. mi. mi. — dl. wit. unker.
unk. unk. — pl. wî. uſer. us. us. — Il. ſg. thû. thîn.
thi. thi. — dl. git. inker. ink. ink. — pl. gî. iuwer. iu.
iu. — III. mangelt durchaus.


(angelſ.) I. ſg. ic. mîn. më. mëc (më) — dl. vit.
uncer. unc. unc. — pl. vë. uſer (ôre) us. uſic. — II. þû.
þîn. þë. þëc (þë) — dl. git. incer. inc. inc. — pl. gë.
ëóver. ëóv. ëóvic. — III. mangelt durchaus. — anm.
nur die frühſten quellen unterſcheiden die acc. mëc, þëc,
uſic, ëóvic, gewöhnlich fallen ſie mit dem dat. zuſ.;
merkwürdig ſtehet Cädm. 62, 2, ein acc. dl. incit, nach
welchem ein analoges uncit anzunehmen iſt; — uſer,
us entſpringen aus unſer, uns (ſ. 244.) und für das ältere
uſer gilt ſpäterhin das ſchwirrlautende ûre.


(altfrieſ.) die quellen gewähren kaum wi (nos) us
(nos, nobis) thû (tu) thi (tibi); die übrigen fälle wer-
den ungefähr wie im altſ. lauten.


(altn.) I. ſg. ëk. mîn. mër. mik. — dl. vit. ockar.
ockr. ockr. — pl. vër. vâr (vor) oſſ. oſſ. — II. þû. þîn.
þër. þik. — dl. it (þit) yckar. yckr. yckr. — pl. ër (þër)
ydhar. ydhr. ydhr. — III. hat weder dl. noch nom. ſg.
pl. alſo nur (wie das goth.) für ſg. und pl. ſîn. ſër. ſik. —
anm. ich ſchreibe ëk, mër, þër, ſër, vër, ër ſtatt des
üblichen ék, mér etc. (Raſk: ek, mèr, þèr etc.); wich-
tiger iſt mir die herſtellung des dualen vit, it (þit)
ſtatt vid, þid (bei Raſk: vidh, þidh); it haben ſelbſt
hſſ. (edd. ſäm. ed. hafn. II. p. 143.), ſpäter ſprach man
freilich vid, vidh und anlautend þidh, þër ſt. des frü-
heren it, ër (Raſk §. 531.) durch welches þër dat. ſg.
und nom. pl. vermengt werden; — im gen. pl. beſteht ne-
ben vâr die form vor und or (vgl. ſ. 285. über vâ, vo,
o) noch früher ſcheint ein oſſar (oder oſar) gegolten zu
haben (ſ. das poſſeſſ.) zu welchem ſich or, vâr verhält,
wie das angelſ. ûre zu uſer.


(mittelh.) I. ſg. ich. mîn. mir. mich; pl. wir. unſer.
uns. unſich (uns). — II. dû. dîn. dir. dich; pl. ir. iuwer.
iu. iuch. — III. hat nur gen. ſg. ſîn und acc. ſg. pl.
ſich. — anm. die kürze des wir, ir (welches dadurch
mit dem org. kurzen ir = ejus f., ei f., eorum, earum
[782]II. perſönliches ungeſchl. pronomen.
zuſ. fällt) folgt aus den reimen wir: zwir Triſt. 82b, ir
(vos): mir Triſt. 37c 45b Wilh. 2, 131a etc.; in dem oben
ſ. 351. berührten wier, ier ſuche man keine ſpur der
alten länge, weil ebenwohl mier, dier, ier (eorum) ge-
reimt werden, z. b. letzteres auf ſchier M. S. 2, 41b; —
der acc. pl. unſich (noch entſchieden im 12. jahrh.) er-
ſcheint nur ſpurweiſe Parc. 3593. Flore 909. M. S. 2, 63b 136b
171a 174b 194b und hat gewöhnlich gleich dem dat. uns,
während in perſ. II. das dat. iu und acc. iuch durchgehends
ſtrenge geſchieden ſind; iuch iſt kürzung aus iuwich; — der
merkwürdige gen. mînis Roth. 4426. iſt niederdentſch.


(mittelniederl.) I. ſg. ic. mîns. mî. mî; pl. wî. on-
ſer. ons. ons. — II. dû. dîns. dî. dî. pl. ghî. hûwer. hû.
hû. — III. hat lediglich den gen. ſîns (kein: ſich). —
aum. mîns (mei) belegt Maerl. 2, 145. 149. 183.; dîns
Maerl. 3, 79. ſîns Rein. 372. Stoke 2, 181. der ſg. zweiter
perſ. wird ſelten gebraucht, doch zuweilen (vgl. dû
Rein. z. 1957.); die länge von mî, dî, wî, ghî folgt aus
dem häufigen reim auf bî, vrî, ſî (Rein. 279. 306. 323.
334.) oder man müſte auch vri, ſi, bi annehmen (vgl.
oben ſ. 475.) — ſteht für û (ſ. 502.) welches daneben
vorkommt, beide reimen auf nû (Rein. 279. 307. 316.).


(neuh.) I. ſg. ich. mein. mîr. mich; pl. wîr. unſer.
uns. uns. — II. ſg. dû. dein. dîr. dich; pl. îr. euer.
euch. euch. — III. ohne nom., der gen. ſein gilt nur im
ſg., hingegen ſich für den dat. acc. ſg. und pl. — anm.
neben mein, dein, ſein jedoch unedler: meiner, deiner,
ſeiner
; — die dehnung des wîr, îr iſt keine wiederher-
ſtellung, ſondern folge der allg. regel ſ. 518., daher auch
mîr, dîr und îr (ei f.); — in pl. I. hat die dat. form
den acc., in II. die acc. form den dat. eingenommen.


(neuniederl.) I. ſg. ik. mîns. my. my; pl. wy. on-
zer. ons. ons. — II. ohne ſg. — pl. gy. uwer. û. û. —
III. ohne nom. ſg. pl., allein zîns gen. ſg., zich acc. ſg.
und pl,; zich dat. ſg. — anm. ſtatt mîns, zîns, zuwei-
len mîner, zîner, umgekehrt ſtatt uwer zuweilen uws.


(neuengl.) I. ſg. î. mîne. me. me; pl. we. ours. us.
us. — II. ſg. thou. thîne, thê. thê; pl. ye. youre. you. you. —
III. mangelt durchaus. — anm. für î im mittelengl. bis-
weilen noch ich, wenn voc. folgt; in beiden perſ. ge-
bricht gen. ſg. pl.


(ſchwed.) I. ſg. nom. jag; dat. acc. mig; pl. nom.
vî, dat. acc. oſſ. — II. ſg. nom. dû; dat. acc. dig; pl.
nom. î oder nî; dat. acc. êder. — III. bloß ſig für dat.
acc. ſg. und pl. —


[783]II. poſſeſſives pronomen.

(dän.) wie im ſchwed.; nur jeg f. jag, os f. oſſ
und kein nî, ſondern î; ſtatt êder in gemeiner ſprache
jer; zuweilen gilt noch der gen. pl. vores, êders. —


B. poſſeſſives pronomen.

das poſſeſſivum iſt ein aus den genitiven der ebenabge-
handelten pron. hergeleitetes adj., das auch adjectiviſch
decliniert, jedoch organiſcherweiſe der ſchwachen form
unfähig
erſcheint.


  • 1) der Gothe beſitzt ſieben poſſeſſiva: meins, ugkar, un-
    ſar; þeins, igqvar, ïzvar; ſeins, weil die dritte perſ.
    pl. dem ſg. gleichlautet und der dl. mangelt. Man
    merke, daß ugkar, unſar, igqvar, ïzvar im nom.
    maſc. und neutr. ſtets das -s und -ata weglaßen; im
    nom. fem. bleibt -a.
  • 2) alth. gelten die nämlichen: mînêr, uncharêr, unſa-
    rêr; dîner, incharêr, iwarêr; ſînêr. Zu merken iſt,
    daß ſich bei O. eine doppelte form der beiden pl.
    poſſ. entwickelt hat, nämlich außer: unſerêr, unſeru,
    unſeraƷ; iwerêr, iweru, iweraƷ ein: unſêr, unſu,
    unſaƷ; iwêr, iu, iwaƷ. Strengalth. und organ. ſind
    bloß die erſteren, die letzteren beruhen auf verwech-
    ſelung des bildungs-er mit dem -êr des nom. ſg.
    maſc. Belege der doppelform ſind: unſô IV. 31, 20.
    unſerô III. 21. 27. unſên IV. 5, 60. unſerên I. 18, 68;
    andere caſus begünſtigen eine von beiden, ſo habe
    ich im gen. pl. nie unſêrô, ſtets unſerêrô gefunden.
  • 3) die altſ. poſſ. lauten: mîn, unk, uſ; thîn, ink, iu;
    ſîn, welches letzte alſo nach untergegangenem pron.
    dritter perſ. fortwährt; unk, uſ, ink, iu folgen der
    zweiten otfried. weiſe, ſtehen mithin für unker, uſer,
    inker, iuwer, welche zwar in der E. H. fehlen, aber
    nicht allen niederd. mundarten fremd geweſen ſeyn
    können, wie z. b. die niederd. form uſerê (noſtri) im
    hildebr. darthut.
  • 4) angelſ. poſſ.: mîn, uncer, uſer (ûre); þîn, incer,
    ëóver; ſîn; — hier alſo bleibt das bildungs -er unge-
    ſchädigt; die doppelform uſer und ûre folgt aus dem
    doppelten gen. pl. uſer, ûre; uſer aſſimiliert, ſo oft
    die flexion ſr herbeiführt, dieſes zu ſſ, alſo: nom.
    uſer, uſer, uſer; gen. uſſes (ſt. uſres) uſſe (ſt. uſre)
    uſſes; dat. uſſum (uſrum) uſſe (uſre) uſſum; acc. uſer-
    ne, uſſe, uſer; pl. nom. acc. uſſe, uſſe, uſer; gen.
    uſſa, uſſa, uſſa (ſt. uſra); dat. uſſum, uſſum, uſſum
    [784]II. poſſeſſives pronomen.
    (ſt. uſrum); — ûre geht: ûre, ûre, ûre; gen. ûres,
    ûrre, ûres; dat. ûrum, ûrre, ûrum; acc. ûrne, ûre,
    ûre etc.; vielleicht kürzte ſich vor rr der vocal, urre,
    urra?
  • 5) altn. poſſ. ſind: minn, ockar, vor; þinn, yckar,
    ydhar; ſiun — in den ſg. poſſ. kürzt ſich î zu i, ſo-
    bald die flexion aſſimilation des nr in nn (ſ. 307.) des
    nt in tt (ſ. 318.) wirkt, es heißt demnach minn, mîn,
    mitt; gen, mîns, minnar, mîns; dat. mînum, minni,
    mînu; acc. minn (wie einn ſ. 760.) mîna, mitt etc. —
    ockar, yckar, ydhar gehen nach ſ. 741. fem. ockur,
    yckur, ydhur, neutr. ockart, yckart, ydhart (wofür
    ſpäterhin ockat, yckat, ydhat) — vor, vor, vort oder
    vâr, vâr, vârt oder or, or, ort wird bei den alten
    dichtern da, wo die flexlon mit voc. beginnt, noch
    durch die ältere form oſſ-erſetzt, z. b. oſſom (noſtro)
    oſſa (noſtram) oſſir (noſtri) Raſk §. 532.
  • 6) im mittelh. (und allen folgenden ſprachen) beſtehen
    wegen der ausgeſtorbenen dualform nur fünf poſſeſ-
    ſiva: mîn, unſer; dîn, iuwer; ſîn. α) unſer und iu-
    wer gehen regelmäßig nach heiter (ſ. 747.): unſer
    (f. unſer’r) unſeriu (oder ohne flexion unſer) unſerƷ
    (ohne fl. unſer) gen. unſers, unſerre, unſers etc. —
    β) die otfried. nebenform uns, iu für unſer, iuwer iſt
    unmittelh. und ſtreift, wo ſie geſpürt wird, ins nie-
    derd., im Rother, in der livl. chron. etc. lieſt man
    häufig: uns, unſes, unſeme, unſen; M. S. 1, 7b (bei
    Joh. v. brab.) iu minne; uns man Nib. Müller 6296.
    ſcheint druckf. f. unſer, wie Hagen 6575. lieſt, ohne
    das uns als variante zu nennen. — γ) die ſg. poſſ. ge-
    braucht Wolfr. ausnahmsweiſe unflectiert, z. b. Parc.
    18a die ſîn, von den ſîn ſt. die ſîne, von den ſînen;
    in der regel biegt er ſie ordentlich. — δ) bedenklich
    erſcheint in den hſſ. unorg. ſchwache form der poſſ.
    bei vorſtehendem artikel, allein meines wißens in
    keiner nothwendigen lesart, z. b. ſtatt Nib. 419. die
    ſînen 5643 die mînen, 5660 der mînen, 6647 des un-
    ſern, 5715 die iuwern, 8252 des ſînen läßt ſich eben-
    wohl und mit beiſtimmung der varianten: die ſìne,
    die mîne, der mîner, des unſers, die iuwer, des ſînes
    leſen; Parc. 22427. der dîn, M. S. 1, 148b diu dîniu
    (oder unfl. diu dîn) herſtellen. Doch eben die unſel-
    tenheit des fehlers in ſonſt guten, alten hſſ. lehrt, daß
    im verlauf des 13. jahrh. die ſchwache form wirklich
    aufgekommen ſeyn mag.
  • 7) mittelniederl. mîn, ons; dîn, hû; ſîn; alſo mit ab-
    legung des -er von onſer, hûwer.
  • 8) neuh. mein, unſer; dein, euer; ſein; alſo mit beibe-
    haltung des -er in unſer, euer; von allen poſſ. gilt
    nunmehr erklärt ſchwache ſowohl als ſtarke form.
  • 9) neuniederl. nur viere: mîn, ons; uw; zìn.
  • 10) engl. nur viere: my, our; thy, your.
  • 11) ſchwed. fünfe: mîn. vår; dìn. êder; ſìn; das neutr.
    lautet: mitt, ditt, ſitt; vårt, êdert; im altſchwed.
    hieß noch das maſe. êdar, fem. êdor, neutr. êdart.
  • 12) dän. fünfe: mìn. vôr; dîn. êder; ſìn; für êder in
    gemeiner mundart jer; das neutr. hat mit, dit, ſit,
    vort, êdert (jert). —

Schlußbem. von der nach verſchiedenheit der mund-
arten bald weiteren bald engeren bedeutung und con-
ſtruction des poſſ. dritter perſ. in der ſyntax. Die wach-
ſende beſchränkung deſſelben hat in einigen neueren
ſprachen unorg. bildung eines weiteren poſſ. von dem
geſchlechtigen perſönl. pron. veranlaßt, welches in der
ſchlußanm. zu letzterm abgehandelt wird. —


C. perſönliches geſchlechtiges pronomen.

(goth.) maſc. ïs. ïs. ïmma. ïna; pl. eis. ïzê. ïm. ïns. —
fem. ſi. ïzôs. ïzai. ïja; pl. ïjôs. ïzô. ïm. ïjôs. — neutr.
ïta. ïs. ïmma. ïta; pl. ïja. ïzê. ïm. ïja. — anm. maſc. und
neutr. ſind unbedenklich; beim fem. der unbelegbare
nom. pl. aus dem acc. pl. ïjôs Joh. 11, 19. (wofür feh-
lerhaft Marc. 16, 8. ïzôs ſteht) zu ſchließen.


(alth.) maſc. ir. [ës] imu. inan (in); pl. ſrê. irô. im.
ſiè. — fem. ſiu. irâ. iru. ſia; pl. ſiô. irô. im. ſiô. — neutr.
iƷ. ës. imu. iƷ; pl. ſiu. irô. im. ſiu. — anm. α) ir nom.
maſc. allein bei J., bei allen andern ër; nom. neutr.
aber überall , nirgends ëƷ; gen. neutr. ës bei O. und
T. (I. 1, 151. II. 16, 30. 24, 76. III. 20, 47. IV. 7, 12.
T. 71, 4.) N. behält is. Die übrigen caſus zeigen kein
ë, namentlich kein ëra, ërô, noch weniger ënan, ëm. —
β) die form des eingeklammerten gen. ſg. maſc. iſt zwar
theoretiſch, kommt jedoch nie vor und wird durch ſìn
vertreten (wovon buch IV.) — γ) acc. ſg. maſc. lautet
inan J. K. O. gl. jun. 180. monſ. etc.; bei T. gewöhnlich
inan, doch znweilen in (21, 6. 53, 4. 154, 2. 197, 5.); bei N.
und W. entſchieden in (nicht inen), auch gl. hrab. 954b
in grûêt; in iſt organiſch, inan ſetzt einen unvorhandenen
nom. inêr voraus. Nach der merkwürdigen ſchreibung
D d d
[786]II. perſönl. geſchlecht. pronomen.
inann K. 24b wäre inân zu ſetzen und aus inana zu den-
ten (vgl. oben p. 88.) — δ) dat. ſg. maſc. neutr. ſchwankt
zwiſchen imu, imo; kein inſtr. iû erſcheint irgend-
wo. — ε) gen. ſg fem. ſchwankend wie beim ſubſt.
und adj. zwiſchen irâ, irô; dat. iru, irô; gen. pl. über-
all irô. — ζ) das ê, ô in ſiê. ſiô iſt nach der analogie,
ohne weitern beweis: N. hat ſie (d. h. nach ſeiner ſchrei-
bung ſ. 105. ſîe) für m. und f. wie blinde, blinde;
es ſcheint, auch im nom. ſg. f. bereits ſi f. ſiu (Stalder
dial. p. 109.) — η) O. T. N. machen ſchon den dat. pl.
in ſtart im. — θ) hër f ër im nom. ſg. maſc. ſpielt ins
niederd. und ſteht nur bei T. und hild. hat aber kein
hiƷ, hës, his, himo, hira etc. neben ſich —


(altſ.) maſc hë (hie) is. imu. ina (ine); pl. ſiâ (ſiê)
irô. im. ſiâ (ſiê) — fem. ſiu. irâ. iru. ſia; pl. ſiô. irô.
im. ſiô. — neutr. it. is. imu. it; pl. ſiu. irô. im. ſiu. —
anm. im maſc. entſchieden hé, hie (niemahls ë, ie)
aber in keinem andern caſ. dieſe vorgeſchobne ſpirans;
der gen. fem. ſg. ſcheint meiſtens fehlerhaft irô ſtatt
irâ zu lauten.


(angelſ.) tritt die ſpirans h allenthalben vor, maſc.
hë. his. him. hine; pl. hi. hira. him. hi. — fem. hëó.
hire. hire. hi; pl. hi. hira. him. hi. — neutr. hëó. hira.
him. hëó — anm. neben hi kommt hie und hig vor
(ſ. 261.). neben hira, him auch hëora, hëom. —


(altfrieſ.) maſc. hi. his. him. hini; pl. hia. hiara.
hiam. hia. — fem. hiu. hiri. hiri. hia; pl. hia. hiara.
hiam. hia. — neutr. hit. his. him. hit; pl. hiu. hiara.
hiam. hiu. —


(altn.) maſc. hann. hans. honum. hann; fem. hon.
hennar. henni. hana; beiden geſchl. mangelt der pl., das
neutr. iſt gar nicht vorhanden. Der wurzelvoc. hat ſein
bedenken; bei reinem a muß der nom. f. hön, der dat.
maſc. hönum lauten (wie vön, vönum vom adj. vanr)
allein die hſ4. geben hon, honum, hânum; im nom. fem.
gilt neuiſländ. hûn anſtatt des beßeren hun (wiewohl o
ſonſt in der flexion û zu vertreten ſcheint); ferner, der
umlaut des gen. dat. in e widerſtreitet aller theorie, da
das gen. -ar keinen wirken kann, das dat. -i keinen wirkt
(es heißt vanri, hvatri, oder wäre die ſubſt. anomalie
hendi ſ. 657. in anſpruch zu nehmen?); endlich verlangt
die aſſim. nn für nr vorausgehenden langen voc. (ſ. 737.)
es heißt ſinn für ſìnr, einn für einr, ſinnar, einnar für
ſìnrar, einrar keineswegs vann, vannar für vanr, vanrar.
Stände aber hann für hânr, ſo würde der gen. hâns, der
[787]II. perſönl. geſchlecht. pronomen.
acc. f. hâna (wie ſîns, ſìna) fordern und zwar der nom.
f. hân, dat. m. hânum ſtimmen, allein hennar, henni
für hannar, hanni unerklärt bleiben. Außerdem ſcheint
die kürzung des voc. vor nn nicht durchgreifend, und
wenn frânn, frânnar, brûnn, brûnnar gelten (ſ. 307. 329.)
dürfte auch hànn, hànnar. Die anomalie der aufgeſtell-
ten formen deutet auf ältere andere. —


(mittelh.) maſe. ër. [ohne gen.] im. in; pl. ſie. ir.
in. ſie. — fem. ſie. ir. ir. ſie; pl. ſie. ir. in. ſie. — neutr.
ëƷ. ës. im. ëƷ; pl. ſie. ir. in. ſie. — anm. α) überall ër,
ëƷ
(im reim auf hër, ſpër, bër etc. mëƷ, ſëƷ etc.) das
in ſchlechten hſſ. iſt mundartiſch. — β) die caſus ir. im,
haben das ſtumme e nach der regel abgeſtoßen und ir
reimt auf dir, mir, ir (vos); M. S. 1, 29b ein bemerkens-
werthes imme (ſt. im): gimme. — γ) acc. ſg. m. durch-
aus in, alſo mit dem dat. pl. in (wie ſchon alth. bei
N. W.) zuſ. gefallen, kein inen (morolf 12b z. 1136. innen
verdient wenig rückſicht, da dort öfter das niederd. ëne
ſteht, z. b. 1131. 1159, wie auch im Rother ine, ëne) —
δ) hër für ër weicht über die grenze des mittelh. hinaus
ins niederd. und mag etwa der thüring. heſſ. mundart
eigen ſeyn; im niederd. wird es völlig zu hë, hê, hie. —
ε) ſiu im nom. ſg. f. und pl. neutr. höchſt ſelten, fragm.
21c auf iu, Flore 30b auf driu gereimt, häufiger bei
Ottoc. (z. b. 303b) ſiu: driu. Die meiſten und ge-
genauſten dichter brauchen ſie nicht bloß für acc. ſg.
fem. und pl. maſc. fem., ſondern auch nom. ſg. f. und
pl. neutr. namentlich Wolfr. Walther, Reinb. etc. häu-
fig in beweiſenden reimen. Hartm. und noch einige
ſetzen alle dieſe fälle ſì im reim; wieder andere, Gotfr.
Flecke, Rudolf etc. bald ſie, bald ſì, ohne daß die ab-
wechſelung auf einen calusunterſchied hinauslauft. Auf-
fallend enthält ſich Conr. v. W. des ſie und ſî im reim;
maria 69 ſtehet ſìe (eam): marîe, in welchem gedichte
die reime nicht ſtrenge genug ſind, um jene form zu
beweiſen.


(mittelniederl.) maſc. hi [kein gen.] hëm. hëm; pl.
ſi. haer. hën. ſi. — fem. ſoe. haer. haer. ſi; pl. ſi. haer.
hën. ſi. — neutr. hët (kein gen.) hëm. hët; pl. ſoe.
haer. hën. ſoe. — anm. α) vielleicht überall hî, ſî anſt.
hi, ſi? (vgl. vorhin ſ. 782.) — β) hët, hëm, hën zei-
gen ë und haer ſteht nach ſ. 469. 478. gleichfalls für
hër. — γ) ſoe entſpricht dem mittelh., weit ſeltneren,
ſin. (hoe, quomodo dem hochd. hiu, vgl. oben ſ. 482.);
der übergang aus dem älteren ſiu begreift ſich durch die
D d d 2
[788]II. perſönl. geſchlecht. pronomen.
ausſprache ſû. indem ſich û und iu nahe liegen — δ) der
acc. maſc. fällt zu dem dat., lautete aber früher gewis
hëne, wie noch bei anlehnungen -ene (oben ſ. 505. η.);
ſtatt des dat. ſg. hëm ſelten hëme (Huyd II, 351.) — ε) im
dat. pl wechſeln hën und hëm Huyd. op St. I, 98. 99.) —
ζ) ich ſtehe an, ob dem gen. pl. neben haer die form
haerre zu bewilligen iſt? möchte ſie lieber leugnen und
auf das poſſeſſ. beſchränken, (ſchlußbem. 2.) — η) das
anlautende h ſchwindet jedesmahl bei den häufigen
inclinationen.


(mittelengl.) maſc. hë. his. hím. him; fem. nom.
acc. ſhë, zuweilen hye. gen. dat. hir; neutr. hit, his,
him hit; pl. aller geſchl. nom. acc. zuweilen noch hye.
gen. hir. dat. him. — anm. α) ſtatt him, hir häufig
hëm, hër; ſtatt hit auch it. — β) ſchwanken zwiſchen
ſhë und hye, hy, oft ſtehn beide nebeneinander, vgl,
Triſtr. 1, 10. 3, 12. — γ) für ſhë, ſchë zuweilen ho,
ſcho (vgl. ho, quomodo).


(neuh.) maſc. êr. [ohne gen.] îm. în; fem. ſie îrer.
îr. ſie; neutr. ês. [ohne gen.] îm. ês; pl. aller geſchl.
ſie. îrer. înen. ſie. anm. adjectiviſche flexion îrer im
gen. fem. und gen. pl. iſt ebenſo unorganiſch als der
dat. pl. înen, deſſen form an den alth. acc. ſg. m. erinnert.


(neuniederl.) maſc. hy. [ohne gen.] hem. hem; pl.
zy. hunner. hun. zy. — fem. zy. hârs. hâr. hâr; pl. zy.
hârer. hâr. zy. — neutr. het. [ohne gen.] hem. het; pl.
zy. hunner. hun. zy. — anm. im dat. pl. maſc. neutr.
gilt neben hun das richtigere hen und ſollte auch im
dat. pl. fem. gelten. Die gemeine mundart hraucht im
gen. pl. maſc. neutr. ganz organiſch hârer ſt. hunner.


(neuengl.) maſc. he. his. him. him; fem. ſhe. her.
her. her; neutr. it. its. him. it; pluralform mangelt für
alle geſchl. — anm. der vom nom. it unorganiſch ge-
bildete gen. neutr. its reißt erſt ſeit dem 16. 17. jahrh.
ein, in Shakeſpeare hat man viele its ſt des richtigeren
his hineincorrigiert: ſelbſt her dient als falſcher nom.
für ſhe und bekommt dann den gen. hers.


(ſchwed.) maſc. han. hans. honom. honom; fem.
hon. hennes. henne. henne; ohne neutr. und pl.


(dän.) maſc. han. hans. ham. ham; fem. hun. hen-
des. hende. hende; ohne neutr. und pl.; für ham frü-
her ein jetzt veraltendes hannem.


Schlußbem. aus gründen, die erſt buch IV. ent-
wickeln wird, hat ſich im hochd, und niederl. (in kei-
[789]II. poſſ. aus dem perſönl. geſchlecht. pronomen.
ner der übrigen ſpr.) allmählig ein unorg. poſſeſſivum
gebildet, jedoch nur für den ſg. fem. und pl. aller ge-
ſchl., nicht für den ſg. maſc. und neutr., eben weil
die form des gen. ſg. maſc. neutr. im geſchl. perſ. pron.
erloſchen war.


  • 1) da im hochd. gen. ſg. fem. und gen. pl. comm. gleich-
    lauten, ſtimmt auch das daher entſpringende poſſ.
    überein und heißt auf neuh. îrer, îre, îres, ganz re-
    gelrecht und vollſtändig, wie jedes adj. beides ſtark
    und ſchw. declinierend. Schwierig iſt bloß die erſte
    erſcheinung dieſes poſſ. auszumitteln. Im 14. jahrh. ſtand
    es feſt; denn hſ4. dieſer zeit ſchwärzen es an unzäh-
    ligen ſtellen der älteren gedichte ſtatt des org. gen.
    ir ein. So viel ich weiß nöthigt kein mittelh. reim,
    irgendwo irs, irme, irn, iriu, irre, irƷ anzuerken-
    nen; die übrigen caſus würden die flexion als ſtum-
    mes e apocopieren, ſo daß ein poſſeſſives ir (= neuh.
    îre) mit dem org. gen. it zuſ. fallen müſte. Gründe
    aus dem ſilbenmaß reden aber nicht für irs, irn, irƷ
    [ires, iren, ireƷ ſind nach ſ. 745. verwerflich *)] weil
    der gen. ir gleiche wirkung thut; für irme, irre [irem,
    irer wieder verwerflich] iriu könnten ſie ſprechen, da
    wo zwei ſilben ſtatt einer gefordert würden, mir iſt
    keine überführende ſtelle wißentlich [Wig. 4042. 7440.
    dichtete Wirnt eher ir als irre; 10473. eher ir als irme
    und will man iriu Amur 1005. irme M. S. 2, 224a mei-
    ſterg. 19b vertheidigen?] Bei einem der ſpätern dichter,
    der vielleicht ſelbſt ſchon nach 1300 lebte, M. S. 2, 178a
    wird irs gerade mit dem anomalen gen. man (ſ. 686.)
    conſtruiert; hier iſt ſchwerlich: ir man, leicht aber: ir
    mannes zu leſen. Das poſſ. darf alſo reinmittelh. werken
    des 13. jahrh. abgeſprochen werden, nicht dem 13. jahrh.,
    weil es alte hſſ. zwiſchen 1200 — 1300 mehr oder we-
    niger wirklich zeigen, (vgl. Nib 5414. 6148. 8163.
    8747.) welches ich niederd. einfluß beilege, der ein-
    zelnen copiſten anhängt. So ſetzt die alte wohl noch
    vor 1200 gefertigte heidelb. hſ. des Iw. das poſſ. häu-
    fig an die ſtelle hartmanniſcher ir, aber die niederd.
    neigung dieſer hſ. iſt auch an andern formen nicht
    zu verkennen. Und hierzu ſtimmt völlig die entſchie-
    denheit des mittelniederl. poſſ. haer. Nur läßt ſich
    [790]II. demonſtratives pronomen.
    bei dem abgang reiner niederd. quellen nicht aus-
    machen; wann das niederd. poſſ. ir angehoben hat?
    wahrſcheinlich im 12. jahrh., wo nicht früher, weil
    die niederd. mundart durch größere abſchleifung ihrer
    adj. flexion leichter verführt werden muſte, den gen.
    ir für ein männl. oder neutr. adj. zu halten, der
    hochd. des 11. 12. jahrh. hingegen ein irer, ireƷ
    ohne zweifel fremd blieb.
  • 2) das mittelniederl. poſſ. decliniert ganz wie blint
    (ſ. 750.) folglich: haer, haer, haer; gen. hares, haerre,
    hares. dat. haren, haerre, haren etc. Später hat man
    ſich nicht damit begnügt und aus dem eingeführten
    gen. pl. maſc. neutr. hunner ein neues poſſ. hun ge-
    ſchaffen, welches freilich nur gelten ſollte, wenn ein
    pl. maſc. oder neutr. im ſatze herrſcht. Doch die
    neuniederl. mundart verwirrt nicht ſelten ihre beiden
    poſſ. hâr und hun miteinander.

D. demonſtratives pronomen.

es ſind hier drei begriffe zu unterſcheiden α) der. β)
dieſer. γ) jener.


α) demonſtrativum: der.

(goth.) maſc. ſa. þis. þamma. þana; pl. þái. þizê. þáim.
þans. — fem. ſô. þizôs. þizái. þô; pl. þôs. þizô. þáim.
þôs. — neutr. þata. þis. þamma. þata; pl. þô. þizê.
þáim. þô. — anm. 1) nom. ſg. maſc. fem. ſa, ſô ge-
hören einem verſchiednen ſtamme, wie ſchon ihre
ſchwache form anzeigt; das alth. dër, diu führte auf
ein analoges þis, þija. — 2) alle übrigen caſus gehen
ſtark und adjectiviſch; auffällt der acc. ſg. fem. und
nom. acc. pl. neutr. þô ſtatt þa (analog dem blinda,
tva, ba etc.) — 3) ein inſtr. neutr. þê hat ſich in den
partikeln biþê, du-þê bewahrt. — 4) von þata fällt
bei anſtoßendem voc. das a zuweilen weg, vgl. þat
Joh. 6, 29, 12, 6.


(alth.) maſc. dër. dës. dëmu. dën; pl. diê. dërô. dêm.
diê. — fem. diu. dërâ. dëru. dia; pl. diô. dërô. dêm.
diô. — neutr. daƷ. dës. dëmu. daƷ; pl. diu. dërô. dêm,
diu. — anm. 1) alles aus einem ſtamm und ſtarker adj.
form; das ë in dër, dërâ, dërô verhält ſich zum adj.
-êr, -êrâ, -êrô wie das goth. þizôs, þizê zum adj.-áizôs,
-áizê; dem dat. pl. laße ich dêm, nach dem goth. þáim
und adj. -êm, goth. -áim (obſchon ſich nirgends: deim
darbietet, wie zueim, duobus, goth. tváim, nicht zuêm,
[791]II. demonſtratives pronomen.
ſo wenig als hêm, lêm f. heim, leim; es mag aber in
-èm, dèm die tonſchwächung angeſchlagen werden) —
der dat. ſg. dëmu (oder dëmo) acc. ſg. dën entfernt ſich
vom adj. -emu, -an (goth. -amma, -ana); übrigens kein
dënan für dën (wie inan, in, ſ. 785. und huënan, huën
ſ. 798.) — 2) alle caſus mit vocaliſch anlautender flexion
ſchieben i ein, alſo: diê, diu, dia, diô, wo vielleicht djê,
dju, dja, djô zu ſchreiben? man findet dëâ für diê und
dëô für diô. Hierher ſcheint auch der dat. pl. diêm für
dêm zu gehören, vgl. thien gl. jun. 248. diem K. 22a 24b
und namentlich N. ſetzt beſtändig dien (Stalder dial. p. 84.),
geſchrieben dîen (ſ. 105.)? oder diên? — 3) ohne ein-
ſchiebung ſelten ſtatt diê (miſc. 1, 19.) mit dem goth,
þái ſtimmend; ôfter im nom. pl. neutr. (nicht aber im
nom. ſg. f.) dei ſt. diu, mahnend an das neutr. zuei
(und nicht zuiu) vorhin ſ. 761. und die goth. reihe þa,
tva; belege für dei K. 18b 20b 26b 29b 51b gl. hrab.
972a exhort. und miſc. 1, 19. etc. (vgl. unten deiſu für
diſiu). — 5) der inſter maſc. neutr. lautet diû ? djû, wo-
mit doch die otfried. accentuation thiu [Hoffmann p. 4.
12. 14.] zum unterſchied vom unaccentuierten nom. f.
nom. pl. neutr. thiu ſchwer zu einigen iſt) und antwor-
tet dem goth. þê auch in den häufigen part. mittiu
(ſt. mitdiu) zidiu, pidiu etc. — 6) der nom. ſg. maſc.
thie für thër ſtehet bei T., entſpricht deſſon hie für
ër und ſtreift ins niederd. — 7) der gen. dat. ſg. f.
variirt gleich dem ft. adj. und der erſten decl. ſt. ſubſt.
zwiſchen -â, -u und -ô. —


(altſ.) maſc. thie. thës. thëmu. thëna; pl. thiâ. thërô.
thêm. thià. fem. thiu. thëra. thëru. thia; pl. thiâ. thërô.
thêm thiâ. neutr. thât. thës. thëmu. that; pl. thiu. thërô.
thêm. thiu. — anm. 1) für thie zuweilen thë, für thëna,
thëra: thëne, thëre. 2) inſtr. wie im alth. thiu. —


(angelſ.) maſc. ſë. þäs. þam. þone; fem. ſëó. þäre.
þäre. þa; neutr. þät. þäs. þam. þät; pl. aller geſchl. þa.
þara. þàm. þa. — 1) wie im goth. nom. ſg. m. f. ſë, ſëó
von anderm ſtamm, der auslaut aber nicht zur ſchw.
form paſſend; ſpäter oder dialectiſch ſcheint dafür þë,
þëó
vorzukommen. — 2) die länge oder kürze der a
und ä für einige caſus macht bedenken, gewis ſcheint
mir die länge vom dat pl. þâm (goth. þáim, alth. dêm,
altn. þeim) die kürze von þät (goth. þata, alth. daƷ,
altn. þat) þäs (goth. þis, alth. dës, altn. þëſſ); ungewis
pl. neutr. þa? (goth. þa) oder â? (alth. dei, vgl. tvâ,
alth. zuei); dat. ſg. þam? (goth. þamma, alth. dëmn)
[792]II. demonſtratives pronomen.
þâm? (altn. þeim); þäre? (goth. þizôs, alth. dërâ, dazu
die analogie von þäs) þære? (alth. þeirrar); þara? (goth.
thizê, alth. dërô) þâra? (altn. þeirra). Für þàm ſteht
zuweilen þæm oder für þam, þäm; für þâra, þara: þæra,
þära; für þone häufig þäne (dem alth. dën ähnlich und
aus dem wechſel zwiſchen ë, o, a begreiflich). — 3) der
inſtr. maſe. neutr. þŷ iſt noch ſehr gebräuchlich. —


(altfrieſ.) maſc. thi. thës. thâ. thëne; fem. thiu.
thëre. thëre. thia; neutr. thet. thës. thâ. thet; pl. aller
geſchl. tha. thëra. thâ. tha; der dat. thâ f. thâm gleicht
dem blinde f. blindem (ſ. 736.).


(altn.) maſc. ſâ þëſſ. þeim. þann; pl. þeir. þeirra.
þeim. þâ. — fem. ſû. þeirrar. þeirri. þâ; pl. þœr. þeirra.
þeim. þœr. — neutr. þat. þëſſ. þvî. þat; pl. þœ. þeirra.
þeim. þœ — anm. 1) nom. maſc. fem. ſâ, ſû wie im
goth. und angelſ. anderes ſtammes; die älteſten denk-
mähler zeigen die ſorm ſiâ für maſc. und fem. — 2) das
auslautende â in ſâ, þâ ſteht für urſprünglich kurzes ſa,
þa
(ſ. 281.), ebenſo ſû für ſu und þœ für þö (= þö-u,
þa-u). — 3) þœr nehme ich ſtatt des gewöhnlichen þær
an (wie tvœr ſt. tvær) weil das goth. þôs, alth. diô
(tvôs, zuô) ein ô weiſen; der umlaut œ für ô erwartet
noch nähern aufſchluß; — þeir entſpricht dem goth.
þai und der dat. pl. þeim dem þaim; der dat. ſg. þeim,
desgl. þeirrar, þeirri, þeirra weichen ab von þamma,
þizôs, þizai, þizê und forderten ein goth. þáizôs, þái-
zái, þáizê, alth. dêrâ, dêrû, dèrô (alſo den adj. flexio-
nen analog), den grund des ei und der gem. rr anſtatt
r habe ich noch nicht entdeckt. — 4) die inſtr. form
þvî erhält ſich merkwürdig im dat. neutr., welchem
kein þeim, ſo wie dem dat. maſc. kein þvî zuſteht. —
5) für þeim (dat. ſg. maſc.) hin und wieder ein älteres
þeima (Raſk erſte ausg. p. 244; in der zw. ausg. §. 533.
iſt dies unrichtig ausgedrückt).


(mittelh. maſc. dër. dës. dëm. dën; pl. die. dër.
dën. die. — fem. diu. dër. dër. die; pl. die. dër. dën.
die. — neutr. daƷ. dës. dëm. daƷ; pl. diu. dër. dën.
diu. — anm. 1) das ë in dër, dës, dëm, dën erweiſen
reime, dër und dës reimen öfter, dëm ſeltner (:nëm
Iw. 38c. brëm Bon. 45.) noch ſeltner der acc. maſc. dën
(Triſt. 5c troj. 18c meiſterg. 37c) und dat. pl. dën (Iw.
33c); unterſchied zwiſchen dat. pl. dên und acc. ſg. dën
um ſo weniger zu vermuthen, als ſchon der alth. dat.
pl. dêm nicht über allen zweifel iſt und kein mittelh.
[793]II. demonſtratives pronomen.
dên auf gên, ſtên etc. reimt. Zwar auf die länge ließe
das manchmahl (doch nicht im reim) vorkommende
dien, eben weil es ſtets den dat. pl., nicht den acc. ſg.
auszeichnet, ſchließen; belege M. S. 2, 142b 143a 145a
147a. b. 189b 190b 191b 192a 193a, b. 196a; Ben. 26. 39.
48. 49. 53. 148 etc. — 2) apocope des ſtummen e in
dëm f. dëme, dër f. dëre iſt in der ordnung. — 3) für
die kein (analog dem ſì für ſie ſ. 787.), Friged. 1b
drî: dî fehlerhaft, in driu: diu zu beßern: daß bei in-
clinationen die zu di-(wie ſie zu ſi-) werde, iſt etwas
anders. — 4) die ſcheidung zwiſchen diu und die gilt
nach der ſtrenge und wird erſt im 14. jahrh. untergra-
ben. — 5) das inſtr. diu beſchränkt ſich auf partikeln:
bëdiu, zëdiu etc. — 6) die für dër in nom. ſg. maſc. iſt
niederd. — 7) über deƷ f. daƷ Ben. Wig. h. v. Schm. §. 747.


(mittelniederl.) maſc. die. dës. dën. dën; fem. die.
dër. dër. die. neutr. dat. dës. dën. dat; pl. aller geſchl.
die. dër. dën. die. — anm. 1) für die kein dë, gleich-
viel ob es demonſtrativ oder als bloßer art. ſtehe, um-
gekehrt für dës (:ës Rein. 310.) dër kein dies, dier,
hingegen ſchwanken alle denkmähler zwiſchen dën und
dien (:bien Maerl. 3. 343.) — 2) keine ſpur eines dem
ſoe ähnlichen doe für den nom. fem. und pl. neutr.; der
inſtr. nur in der part. bedì übrig, wofür ſelbſt bidên,
bidien gewöhnlicher (Huyd. op St. 1, 227.)


(neuh.) unorg. unterſchied zwiſchen artikel und al-
leinſtehendem demonſtr.; erſterer iſt unbetont und decli-
niert ſo: maſc. der. des. dem. den.; fem. die. der. der.
die. neutr. das. des. dem. das; pl. comm. die. der. den.
die. Letzterem genügt die betonung nicht, ſondern es
erweitert die flexion des gen. ſg. pl. und dat. pl.: maſc.
dêr. deſſen. dêm. dên; fem. die. dêren. dêr. die; neutr.
dâs. deſſen. dêm. dâs.; pl. aller: die. dêrer. dênen. die.
Das erweiterte dêrer, dênen gleicht dem neuh. îrer,
înen; der willkürliche unterſchied zwiſchen dêren und
dêrer ſtimmt aber nicht zu dem im gen. ſg. f. wie im
gen. pl. einförmigen îrer.


(neuniederl.) auch hier trennung des artikels vom
ſtrengen dem., erſterer lautet: maſc. de. des. den. den;
fem. de. der. der. de; das neutr. hat nur den gen. des und
braucht für die übrigen caſus ſg. das perſ. pron. het;
der pl. aller geſchl. decliniert: de. der. den. de. Das
ſtrenge demonſtr. hingegen: maſc. die. diens. dien. dien;
fem. die. dier. dier. die; neutr. dat. diens. dien. dat;
pl. comm. die. dier. dien. die.


[794]II. demonſtratives pronomen.

(neuengl.) ein art. the und ein eigentliches demonſtr.
that beide völlig unbiegſam, gelten für alle geſchl. ca-
ſus und num.; die urſprünglichen demonſtrativformen
they und them aber ſind ihrer hinweiſenden kraft be-
raubt und dienen die mangelnden pl. formen der dritten
perſon auszudrücken.


(ſchwed.) maſc. und fem, den. dens. den. den;
nentr. det. dets (oder deſſ) det. det; pl. comm. de. dê-
ras. dem. de.


(dän.) maſc. und fem. den. dens. den. den; neutr.
det. dets. det. det; pl. comm. de. dêres. dem. de.


β) demonſtrativum: dieſer.

Im goth. pflegt das unter α. abgehandelte pron. zugleich
den begriff οὗτος zu vertreten; allein in den adv. und
partikeln himmadaga (σήμερον) und hinadag (μέχρι τῆς
σήμ
) fram himma (ἀπ ἄρτι) und hita (ἕως ἄρτι) liegen
offenbare reſte eines ausgegangenen pron., deſſen decl.
vermuthlich der des geſchl. perſ. pron. glich, alſo: maſc.
his, his. himma. hina; pl. heis. hizê. him. hins. — fem.
hija (?) hizôs. hizái. hija; pl. hijôs. hizò. him. hijôs. —
neutr. hita. his. himma. hita; pl. hija. hizê. him. hija.
Verwandt sind ihm ferner: hêr (hîc) hidrê (huc) wie
þar (ibi) þaþrô (illinc) dem erſten demonſtr. — Alth.
formen deſſelben pron. würden lauten: hir. his. himu.
hinan; fem. hiu, hirâ etc. neutr. hiƷ etc. ſpuren erblicke
ich gleichfalls in: hiutû (hodie) contr. aus dem inſtr.
hiû-takû; hiurû (hoc anno) aus hiû jârû; mittelh. hiute,
hiure; neuh. heute, heuer; hînaht (hanc noctem. ſt.
hianaht?) mhd. hînaht, hînte; nhd. heunt (ſt. heint);
vgl die weitern part. hiar (hîc) hëra (huc) hinana (hinc)
etc. — Im angelſ. und frieſ ſcheinen die formen dieſes
pron. geſammt erhalten, aber in die bedentung des da-
für aufgegebenen geſchl. perſ. pron. übergegangen, we-
nigſtens fügen ſich die ſ. 786. angeführten caſus genau
zu den gemuthmaßten gothiſchen, desgl. das adv. hëó-
däg (hodie Cädm. 16, 20.) neben igdäges, îdäges (wie
hig = hëó); im altn. iſt vielleicht îdag (hodie) nicht
aus der praep. î (in) zu erklären, vielmehr = hîdag,
h [...]dag (vgl. þvî, þŷ mit hî, hŷ) und das dunkle eddiſche
hŷnott (Skirn, in fine) = hînaht *). —


[795]II. demonſtratives pronomen.

Alle deutſchen ſprachen (außer der goth.) beſitzen
aber für das zweite demonſtr. folgendes ganz adjecti-
viſches pronomen:


(alth.) maſc. dëſêr. dëſes. dëſemu. dëſan; pl. dëſê.
dëſêrô. dëſêm. dëſê. — fem. dëſju. dëſêrâ. dëſêru. dëſa;
pl. dëſô. dëſêm. dëſô. — neutr. diz (dizi). dëſes.
dëſemu. diz; pl. dëſju. dëſêrô. dëſêm. dëſju. — anm.
1) i für ë herrſcht bloß im neutr. diz (niemahls dëz),
deſſen z-(nicht Ʒ-) laut aus der ſchreibung dhiz (nicht
dhizs, wie izs, azs, dhazs) bei J. hervorgeht und durch
die nebenform thizi (mittelh. ditze) gl. jun. 239. beſtä-
tigt wird; quellen, die im erſten dem. den nom. acc.
pl. neutr. dei bilden, gebrauchen auch hier deiſu
(K. 18b 24a b. 27b 49b hymn. noct.) ſolche, die ſtatt ër,
dër ein niederd. hie, thie zeigen, namentlich J. T. ſetzen
dhëſe, thëſe im nom. ſg. maſc.; J. 343. 378. hat den
gen. dhëſſes f. dhëſes. — 2) einige aſſimilieren das ſ zu r,
ſobald die flexion ein r hat, als: dërêrô für dëſêrô; da
hierin, ſo wie im i ſtatt ë der wurzel vieles ſchwankt,
füge ich die decl. dieſes demonſtr. nach O. und N. bei;
O. maſc. thërêr. thëſes. thëſëmo. thëſan; pl. thëſê. thë-
rërô. thëſêm. thëſê. — fem. thiſu. thërêrâ. thërêru. thëſa;
pl. thëſô. thërêrô. thëſêm. thëſô; — neutr. thiz. thëſes,
thëſemo. thiz. pl. thiſu. thërêrô. thëſêm. thiſu. — N.
maſc. diſêr. diſes. (diſſes?) diſemo. diſen; pl. diſe. dirro.
diſên. diſe. — fem. diſju. dirro. dirro. diſe; pl. diſe.
dirro. diſên. diſe. — neutr. diz. diſes. (?diſſes 70, 1.)
diſemo. diz; pl. diſju. dirro. diſên. diſju. — T. hat den
nom. m. bald thëſe, bald thëſêr (97.) bald thërêr (111.
117.); den dat. thërru (13, 5. 162, 2.); neben dem neutr.
thiz ſteht zuweilen this gedruckt, wohl fehlerhaft (wie
thas f. thaƷ). — 3) den ſonderbaren nom. ſg. dhëaſa
bietet J. 408. (in allen drei ausg.) vermuthlich iſt dhëaſu
zu leſen und das altſ. thius, angelſ. þëós zu verglei-
chen. — 4) der inſtr. lautet dëſû, thiſû.


(altſ.) maſc. thëſe. thëſes. thëſumu. thëſan; pl. thëſê.
thëſârô. thëſon. thëſê. — fem. thius. thëſârô. thëſâru.
thëſa; pl. thëſâ. thëſârô. thëſon. thëſâ. — neutr. thit.
thëſes. thëſumu. thit; pl. thius. thëſârô. thëſon. thius.


(angelſ.) þës. þiſes. þiſum. þiſne; fem. þëós. þiſſe.
þiſſe. þâs; neutr. þis. þiſes. þiſum. þis; pl. aller geſchl.
þâs. þiſſa. þiſum. þâs. — anm. 1) das â in þâs ſtimmt
zur alth. nebenform deiſu; vielleicht gebührt dem acc.
ſg. fem. þas, kein þâs. — 2) man findet þiſſes, þiſſum
[796]II. demonſtratives pronomen.
f. þiſes, þiſum. unorganiſch, weil das ſſ in þiſſe, þiſſa
aus ſr ſtammt, doch haben letztere caſus mitunter þiſſere,
þiſſera und dann wäre jenes þiſſes, þiſſum rechtfertig. —
3) inſtr. lautet þëós.


(altn.) maſc. þëſſi. þëſſa. þeſſum. þënna; pl. þëſſir.
þëſſara. þëſſum. þëſſa. — fem. þëſſi. þëſſarar. þëſſari.
þëſſa. pl. þëſſar. þëſſara. þëſſum. þëſſar. — neutr. þëtta.
þëſſa. þëſſu. þëtta; pl. þëſſi. þëſſara. þëſſum. þëſſi. —
anm. 1) die ſchwache form im nom gen. ſg. maſc. iſt
bemerkenswerth. 2) eben ſo auffallend das vor dem r
bleibende a in -arar, -ari, -ara, während ſonſt alle
adj. -rar, -ri, -ra haben; fehlerhaft ſtehet jedoch þëſſar,
þëſſi, þëſſa für þëſſrar, þëſſri. þëſſra? (vgl. ſ. 740. n° 2.) —
3) ſt. des nom. maſc þëſſi galt ein früheres þërſi und
ſt. des inſtr. þëſſu þvîſa (Raſk §. 533.).


(mittelh.) maſc. dirre. diſes. diſeme. diſen; pl. diſe.
dirre. diſen. diſe. — fem. diſiu. dirre. dirre. diſe; pl.
diſe. dirre. diſen. diſe. — neutr. diz (ditze). díſes. diſe-
me. diz; pl. diſiu. dirre. diſen. diſiu. — anm. 1) der
nom. maſc. dirre ſcheint abnorm, und für dirr zu ſte-
hen, da aus barer nur bar = barr, aber kein barre wird
(dirre und barre wären comparative formen) indeſſen gilt
er allgemein und hat ſelbſt reime für ſich, (Wilh. 2,
101a); das richtigere diſer beſteht nebenher (Kolocz 380.)
im gen. dat. f. ſg. und gen. pl. iſt dirre untadelhaft,
wofür gleichfalls die nebenform diſere annehmbar wäre,
hingegen diſer verwerflich aus demſelben grunde, der
kein diſem f. diſeme duldet; Nib. 84. alſo diſer in di-
ſere oder dirre zu ändern. — 2) die gewöhnliche form
des nom. acc. ſg. neutr. iſt diz (oben ſ. 411.) und ditze
(Maria 1308. 1520. 2122.) auf witze reimend (Ottoc. 630b);
kaum wird ſich diƷ aus dem reim auf gebiƷ (Flore
22b), eher dis (hoc) aus dem reim auf gewis (Reinfr.
166.) rechtfertigen; die ſchreibungen diƷe, diƷƷe ſind
ganz verwerflich; man halte diz, ditze für keine con-
traction aus einem nirgends nachweiſlichen diſeƷ. —
3) der gen maſc. neutr. ſtehet nicht im reim, geſchrie-
ben aber diſes und diſſes (Nib. 6204.); bedenken macht
diſſe (Wigal. 1901. Kl. 1373. 1384. Müll. 1462. 1473. Hag.)
welches nicht aus diſes, wie dirre aus direre erklärt
werden darf; beßer wäre diſſ (Nib. 1206.) wie der nom.
m. dirr beßer als dirre. — 4) diſ (hic) für diſer und diſ
(hi, hos) für diſe reimt Ottocar mehrmahls auf gewis, parîs
(536b 606b 657b).


[797]II. demonſtratives pronomen.

(mittelniederl.) maſc. dëſe. dëſes. dëſen. dëſen; fem.
dëſe. dëſre. dëſre. dëſe; neutr. dit oder ditte. dëſes. dë-
ſen. dit (ditte); pl. comm. dëſe. dëſre. dëſen. dëſe. —
anm. 1) für dëſre bald dëſere, bald dëſer. — 2) das dop-
pelte neutr. aus reimen erweiſlich, z. b. dit: wit, pit
(Rein. 372. Maerl. 2, 125.) ditte:hitte, zitte (Maerl.
1, 445. 2, 76. 125.)


(neuh.) maſc. dîſer. dîſes. dîſem. dîſen; fem. dîſe.
dîſer. dîſer. dîſe; neutr. dîſes. (ohne fl. dîs) dîſes. dîſem.
dîſes; pl. comm. dîſe. dîſer. dîſen. dîſe. — anm. die
decl. iſt ganz regelmäßig adjectiviſch und ſowohl dirre,
als ein neutr. ditz (analog den formen ſchatz. ſitz, witz)
unvorhanden, außer in mundarten (Schm. §. 659. 747.)


(neuniederl.) dêz, fem. dêze gehen regelmäßig; im
nom. acc. neutr. hat ſich dit erhalten.


(neuengl.) this pl. thêſe (ſpr. thîſe)


(ſchwed.) maſc. denne. dennas. denna. denna; pl. deſſe.
deſſes. deſſa. deſſa; fem. denna. dennas. denna. denna;
pl. deſſa. deſſas. deſſa. deſſa; neutr. detta. dettas. detta.
detta; pl. deſſe. deſſes. deſſa. deſſe.


(dän.) maſc. fem. denne. dennes. denne. denne;
neutr. dette. dettes. dette; pl. comm. diſſe. diſſes. diſſe.
diſſe.


γ) demonſtrativum: jener.

(goth.) jàins, jàina, jàinata decliniert ganz wie blinds. —
(alth.) gënêr, gënu, gënaƷ (bei O.) gleichfalls wie plin-
têr; das ë ſchließe ich aus dem altn; nach dem goth.
ái ſollte man ei erwarten, da -áin dem alth. -ein
(nicht -in, -ën) entſpricht, wenigſtens -ên (wie im
dat. pl. -êm = áim, vgl. ſ. 791.). Wirklich hat eine
zweifelhafte ſtelle O. II. 9, 163. geinên f. gënên (und
hentige ſchweizermundarten: äine, däine; Stald. dial. 114.)
Bei N. vermuthe ich ënêr, ënju, ëneƷ, nicht ênêr etc. —
(altſ. angelſ.) mangelt dies pron. — (altn.) hinn, hin,
hitt
decliniert wie einn (ſ. 760.), ſtößt aber (wie hann
ſ. 786.) wider die regel (ſ. 737. 740.), daß nur nach lan-
gem voc. nr zu an aſſimiliere, welches alles wieder auf
hinn = hinr für hênr, heinr (analog dem ſinn = ſînr
ſ. 784.) führt; folglich die alth. kürzung beſtätigt. We-
gen des h ſtatt j vgl. ſ. 324; die ältern quellen zeigen
inn oder ënn — (mittelh.) jëner, jëniu, jëneƷ regel-
mäßiger decl., aber häufiges e für ë weiſen die ſ. 334.
beigebrachten reime; das ſtumme e nach dem n bleibt
gewöhnlich (ſ. 374.), ſo zuläßig jen für jene (illi) iſt;
[798]II. interrogatives pronomen.
bisweilen noch die form ener, z. b. M. S. 1, 132b 188a
(mitteln.) gewöhnlich ſchwache form: ghone = ghëne
(ſ. 471.) — (neuh.) jêner, jêne, jênes, wie jedes andre
adj. doch nicht ſchwach. — (neuniederl.) umgekehrt mei-
ſtens ſchwach: de gêne. — (neuengl.) yon. — (ſchwed.)
hin. hin. hint (nicht hitt) (dän.) hîn. hîn. hînt.


E. interrogatives pronomen.

es können vier begriffe geſondert werden α) quis (τίς)
β) quisnam (ποῖος) wer von mehrern, γ) uter, (πότερος)
wer von zweien, δ) qualis.


α) interrogativum: quis.

(goth.) maſc. hvas. hvis. hvamma. hvana; pl. hvai.
hvizê. hváim. hvans. — fem. hvô. hvizôs. hvizái. hvô.
pl. hvôs. hvizô. hváim. hvôs. — neutr. hva. hvis. hvam-
ma. hva; pl. hvô. hvizê. hváim. hvô. — anm. 1) beleg-
bar ſind lediglich nom. ſg. m. f. n., gen. m., acc. m. f. ſo-
dann der inſtr. m. n. hvê. Kein pl. caſus, doch erſcheint
hvans in dem zuſ. geſetzten hvanzuh (quosque) und die
übrigen fälle erweiſt theoretiſch die analogie des erſten
demonſtr. — 2) nur hat der nom. ſg. n. das t abgelegt
und hva ſtehet für hvata (wie blind neben blindata). —
3) die practiſche ungebräuchlichkeit der meiſten caſus
ſchreitet in den übrigen ſprachen weiter vor.


(alth.) nach der analogie von dër, diu, daƷ wäre
die vollſtändige decl. maſc. huër. huës. huëmu. huënan
(huën); pl. huiê. huërô. huêm. huiê. — fem. huiu. huëra.
huëru. huia; pl. huiô. huërô. huêm. huiô. — neutr. huaƷ.
huës. huëmu. huaƷ; pl. huiu. huërô. huêm. huiu. —
anm. 1) belegbar ſind nur der ſg. m. n., wo auch der
inſtr. huiû oder hiû gilt; im acc. m. haben huënan alle
die inan, hingegen huën alle die in ſetzen (alſo ab-
weichend von dën, nicht dënan, vorhin 791.) — 2) die
weibl. und pl. caſus ermangeln gänzlich. — 3) meiſten-
theils gilt ſchon w für hu im anlaut.


(altſ.) ich finde nur den ſg. maſc. huie. huës.
huëmu. huëna; neutr. huat; weder fem. noch pl.


(angelſ.) maſc. hva. hväs. hvam. hvone; neutr. hvät.
hväs. hvam. hvät; der inſtr. hvî, hŷ; alles nach der
analogie des erſten demonſtr.; fem. und pl. unüblich.


(altn.) maſc. hvar. hvëſſ. hveim. hvann; neutr. hvat.
hvëſſ. hvî. hvat; fem. und pl. außer gebrauch, doch
gilt der ſg. maſc. auch fürs fem., – ſtatt hvar, hvat fin-
[799]II. interrogatives pronomen.
det ſich: hor, hot (Raſk §. 534.). — anm. ſelbſt der nom.
acc. m. hvar und hvann kommen nicht vor und wer-
den durch die formen des zweiten int. hver, hvern
ausgedrückt (vgl. Raſk §. 219.).


(mittelh.) maſc. wër. wës. wëm. wën (nicht wë-
nen); neutr. waƷ. wës. wëm. waƷ; inſtr. wiu


(mittelniederl.) maſc. wie. wies. wien. wien; neutr.
wat. wies. wien. wat.


(neuh.) maſc. wêr. weſſen. wêm. wên; neutr. was.
weſſen. wêm. was.


(neuniederl.) maſc. wie. wiens. wien. wien; fem. wie.
wier. wier. wie; neutr. wat. wiens. wien. wat; merk-
würdig der wohl nach analogie des demonſtr. neueinge-
führte ſg. fem.


(neuengl.) whô. whôſe. whôm. whô; neutr. what.


(ſchwed.) hô. hvars. hvem. hvem; neutr. hvad;
der gen. ſtammt aus dem zweiten interr.


(dän.) hvô. hvis. hvem. hvem; neutr. hvad.


β) interrogativum: wer von mehrern.

(goth.) hvarjis, hvarja, hvarjata folgt ganz der
zweiten adj. decl. ſ. 720., der nom. maſc. hvarjis (Marc.
9. 34.) ſteht meiner anſicht nach für hvaris. — (alth.)
fehlt ein pron. hueri, huerju, hueri. — (altſ. angelſ.)
fehlt. — (altn.) exiſtiert es vollſtändig: hverr, hver,
hvert
; geht adjectiviſch, ſchiebt aber (wie midhr ſ. 742.)
vor vocaliſch beginnenden flexionen das bildungs-i ein,
alſo: hverjum (cuinam) hverjan (quemnam) hverjar
(quaenam) hverjum (quibusnam); der gen. lautet hvers,
hverrar (wie: midhs, midhrar) etc. Im acc. maſc. heißt
es gewöhnlich hvern (ſt. hverjan). — Den übrigen ſpä-
teren mundarten geht dies zweite interr. ab; eine ſpur
dauert im ſchwed. gen. hvars.


γ) interrogativum: wer von zwein.

das goth. hvaþar decliniert genau wie anþar ſ. 764; das
alth. huedar wie andar, e (oder ë?) für a iſt mir noch
unaufgeklärt; das altſ. hueder, angelſ. hvädher declinie-
ren regelmäßig; — die altn. form lautet hvârr. hvâr,
hvârt
(oder hvorr, hvor, hvort) und decl adjectiviſch, doch
ohne einſchiebung von i, alſo nach urſprünglich erſter
decl.; acc. ſg. maſc. hvârn (ſt. hvâran. wie annan = an-
narn ſt. annaran oder anran); übrigens ſcheint â
durch unterdrückung des dh entſprungen, da man nach
[800]II. allg. vergleichung der declination.
dem goth. und alth. ein älteres hvadhar zu vermuthen
hat (etwa wie niederl. vâr aus vader ſ. 537.). — Das
mittelh. fragwort wëder (: lëder Flore 22b) decl. nach
mager ſ. 747. iſt aber ſelten (Parc. 199a Triſt. 26b 74b) und
im neuh. ganz ausgegangen, ſo wie es den übrigen
mundarten gebricht, obgleich es in adv. oder unbeſtimm-
ten pronom. dem ſtamme nach fortdauert. Volksdialecte
beſitzen es noch vgl. Stald. 117. 118.


δ) interrogativum: qualis.

goth. hvêleiks (hvileiks); alth. huëlîhhêr, bei N. wëlêr
(Stald. dial. 116.); altſ. huilîk; angelſ. hvilc, hvylc; altn.
hvîlîkr; mittelh wëlcher, bei Boner wël, gen. wëls,
acc. wëln etc. (alſo nach hol ſ. 746.); mitteln. wëlke;
neuh. welcher; neuniederl. welke; engl. which; ſchw.
dän. hvilken; die flexion überall adjectiviſch.


F. relatives pronomen.

der begriff der relation wird in allen deutſchen ſprachen
theils durch das bloße erſte demonſtr. (zuweilen ſelbſt
das geſchl. perſ. pron.), theils durch eine demſelben
beigefügte partikel, theils durch das erſte und vierte
interrog., theils endlich durch eine bloße partikel aus-
gedrückt; die ausführung dieſer verhältniſſe gehört alſo
nicht hierher.


G. die unbeſtimmten pronomina

bilden ſich theils aus den vorher abgehandelten pron.,
mittelſt gewiſſer prae- oder ſuffixe, theils aus andern
ſubſt. oder adj., deren declination nichts eigenthümli-
ches darbietet, daher auch dieſer abſchnitt der flexions-
lehre fremd iſt.


H. anlehnung der pronomina.

durch inclination und zuſ. ziehung ändern ſich verſchie-
dene pronominalformen, wovon ich im vierten buche
näher handeln werde.


Allgemeine vergleichung der declinationen.


I. erwägung der ſtarken declination.

Der hiſtoriſche ſatz, daß die adjectiviſche flexion
vollkommner als die ſubſtantiviſche ſey, daß ferner ſelbſt
im adj. erloſchene formen aus den biegungen einiger
zahlwörter und pronomina geſchloßen werden dürfen,
führt zu folgenden betrachtungen:


[801]II. allg. vergleichung der declination.
  • 1) bereits die älteſte deutſche decl. ſcheidet (mit einziger
    ausnahme des perſönl. ungeſchl. pronomens) überall
    perſonen und ſachen, wiederum die perſonen in zwei
    geſchlechter; oberſte abtheilung aller decl. iſt folglich:
    in männliche, weibliche und neutrale. Es gibt hier
    vier allgemeine regeln: a) im neutr. ſind ſich nom. und
    acc. jedes num. nothwendig gleich, während maſc. fem.
    ſg. und maſc. pl. beide caſus urſprünglich ſcheiden.
    b) gen. und dat. jedes num. bildet das neutr. wie das
    maſc. und beide ſetzen ſich der weibl. flexion entge-
    gen; ſcheinbare ausnahme macht der dat. neutr. des
    altn. adj. und pron., welcher ſich die organiſcherweiſe
    auch dem maſc. auſtändige inſtrumentale form ange-
    eignet hat. c) nom. acc. pl. neutr. ſtimmen zu dem
    nom. ſg. fem. d) nom. und acc. pl. fem. fallen zu-
    ſammen, (mit ausnahme der ſogleich anm. 2. zu nen-
    nenden fälle) — Das neutr. hat keine eigenthümliche
    flexion, als die des nom. ſg.
  • 2) gibt es declinationen, wo maſc. und fem. zuſ. fallen?
    dies geſchieht lediglich a) in der dritten decl. der
    ſubſt. und adj.; das goth. magus geht völlig wie han-
    dus; þaúrſus (torridus) vermuthlich wie þaúrſus (tor-
    rida) [vgl. ſ. 721.]; das altn. mögr, magar, megi, pl.
    megir ſtimmt zu einem muthmaßlichen älteren höndr,
    handar, hendi, pl. hendir, woraus allmählig hönd,
    handar, hendi (den übrigen wörtern mangelt ſelbſt
    dieſer dat., vgl. ſ. 657. anm. 2.) pl. hendr. wurde. —
    b) in den ſ. 610. unter 1. 2. verzeichneten anomalien;
    vgl. 630. 646. 663. — Außerdem aber nirgends, na-
    mentlich nicht α) in den zweiten declinationen, de-
    ren i ſonſt dem u der dritten vergleichbar iſt; es heißt
    haris, harjis, harja, hari; hingegen þivi, þiujôs, þiu-
    jái, þiuja; ebenſo: midis, midjis, midjamma, mid-
    jana, aber midja, midjáizôs, midjai, midja. β) nicht
    in den pron. ïs, ïs, ïmma, ïna; his, his, himma,
    hina; (þas) þis, þamma, þana; hvas, hvis. hvamma,
    hvana; — wo ein fem. (ïja) ïzôs, ïzái, ïja; hija, hizôs,
    hizái, hija; (þa) þizôs, þizái, (þa); (hva) hvizôs,
    hvizái, (hva) zur ſeire ſteht. — Freilich bemerkens-
    werth iſt, daß ein nom. ſg. fem. midja, ïja, hija im
    C. A. gar nicht vorkommt (für þa, hva ſtehet ſô, hvô);
    zugeben muß ihn doch die theorie theils wegen des
    erweiſlichen acc. ſg. midja, ija, þa, theils wegen der
    alth. nom. mitju, ſiu, diu. Auf der andern ſeite keine
    ſpur
    eines weiblichen dem maſc. gleichen midis, ïs,
    E e e
    [802]II. allg. vergleichung der declination.
    his, hvas; und wenn das letzte pron. in mehrern
    ſprachen weiblicher form zu entbehren ſcheint, muß
    ſolches lieber aus dem weſen des der antwort noch
    ungewiſſen, ſich daher im vornehmern geſchlecht auf-
    ſtellenden interrogativums erläutert werden. Auch hat
    ſobald es vor einem fem. ſteht, der Gothe erweiſlich
    hvô k in hvas, hvana (vgl. Matth. 5, 46. Marc. 1, 27.
    Job. 18, 29.)
  • 3) (nom. ſg. maſc.) kennzeichen: auslautendes-ſ, welches
    ſich ſpäter in -r wandelt (worüber mehr n° 2. der vgl.
    fremd. ſpr.), noch ſpäter abfällt. Im goth. pron. erſcheint
    es nur in ïs, his (?) hvas, da für þas ein ſchwachfor-
    miges ſa gilt; im goth. adj. herrſcht es mit ausnahme
    der ſ. 7 [...]9. anm. 1. ſ. 764. und ſ. 799. genannten; im
    goth. ſubſt. mit den ausnahmen ſ. 599, 2. 610, 1, 3. de-
    nen man guþ (Deus) beifüge. Im alth. zeigen unab-
    legliches -r die pron. ër, dër, huër; alle adj haben
    ein den umſtänden nach ablegliches -êr; im ſubſt. geht
    dies kennzeichen völlig verloren. Die alt- und angelſ.
    mundart entbehren es durchaus, nicht bloß im ſubſt.
    ſondern auch adj. und pron.; vermuthen läßt ſich aus
    dem plural -ſ, daß der apocopierte laut -ſ und nicht
    -r geweſen. Im frieſ. war es aus gleichem grunde
    wohl -r, gebricht aber gleichfalls. Das altn. pron.
    zeigt -r in der aſſimil. nn für nr (hann, hinn); adj.
    und ſubſt. wahren es regelmäßig, mit den ihres orts
    bemerkten ausnahmen und aſſimilationen. Mittel-
    und neuhochd. wie alth.; im ſchwed. dän. iſt das -r
    heute völlig geſchwunden; altſchwed. ſubſt. und adj.
    beſitzen es zuweilen (ſ. 710. 755.); altdän. ſeltner.
  • 4) (nom. ſg. femin.) kennzeichen α) in der regel: vo-
    caliſcher auslaut;
    goth. -a (nom. und acc vermi-
    ſchend) doch die zweite ſubſt. decl. hat das -a nach
    dem i abgeworfen (im acc. behalten); alth. -u (nom.
    vom acc trennend) jedoch nur im pron. ſiu, diu, un-
    ablegliches, in ſämmtlichen adj. ablegliches -u; im
    ſubſt kein -u mehr, ſondern erſte decl. -a (früheres
    këpu, kipu bleibt muthmaßung); altſ. wie alth.; im an-
    gelſ. ſchwanken zwiſchen -u und apocope bei adj. und
    ſubſt. (erſter decl.). in zweiter ſubſt. decl. -o, was zum
    pron. hëó ſëó, þëó ſtimmt (vgl. hernach n° 30.), in þëós
    apocope; im altn. pron. adj und ſubſt. durchgreifende
    ablegung des vocals, daß er -u geweſen, lehrt der
    gebliebene wurzelumlaut; mittelh. fortwährend diu,
    diſiu, jeniu, zuweilen ſiu neben ſî, im adj. -iu (ge-
    [803]II. allg. vergleichung der declination.
    ſchieden vom acc. -e) im ſubſt. durchgehends -e,
    nom. und acc. zuſ. fallend; neuh. auch im pron. die
    dìſe, jene, ſie und im adj. -e; neunord. apocope ohne
    umlaut. Hauptfrage bei dieſer flexion iſt: ob das
    alth. angelſ. und nord. -u? oder das goth. -a für
    organiſcher zu halten ſey? angenommen, daß der
    acc. -a einen früheren conſ. abgelegt hat, ſcheint das
    goth. -a vorzüglicher, da es ſich vom nom. ſchw. form
    (-ô) ſcheidet, während im alth. ſubſt. -a und -a (wo-
    fern dies kein â) zuſ. fallen; ein goth. -u würde ſodann
    nachtheilig dem bildungs -u dritter decl. begegnen. —
    β) ausnahmaweiſe unvocaliſche flexion, d. h. ganz
    männliche a) in den anm. 2. a. b. angeführten fällen
    handus, þaúrſus, ſviſtar etc. b) in ſubſt. vierter decl.
    auſts etc. wo aber die übrigen mundarten das männl.
    kennzeichen ablegen (die altn. behält es zuweilen,
    ſ. 658. anm. 3.). Dieſe ablegung hat in ſprachen,
    welche auch die vocaliſche flexion apocopieren, na-
    mentlich im altn., verwirrung der vierten und erſten
    decl. nach ſich gezogen, wiewohl bei manchen wör-
    tern der umlaut die rechte der letztern wahrte. —
  • 5) (nom. ſg. neutr.) kennzeichen iſt t, dem aber ein vocal
    vorhergeht, goth. auch ein voc. folgt; in den goth.
    pron. ïta, hita, þata unableglich, in hva (für hvata)
    ſva (f. ſvata) abgelegt, in den adj. ableglich. Die alth.
    pron. iƷ, hiƷ (?) daƷ, huaƷ, ſuaƷ können das neutr.
    kennzeichen nicht ablegen, eben ſo wenig die mittelh.
    ëƷ, daƷ, waƷ, ſwaƷ, noch die neuh. es, das, was; in
    den alth. mittelh. und neuh. adj. iſt-aƷ, -eƷ, -es zwar
    vorhanden, allein auch ableglich. Im altſ. pron. it,
    that, huat, im angelſ. hit, þät, hvät bis aufs neunie-
    derl. het, dat, wat und neuengl. it, that, what her-
    unter ist das caſuszeichen vorhanden und unableglich
    (da doch das parallele männliche ganz verloren gieng).
    Die adj. der ſächſ. ſprache entbehren es hingegen;
    einige altſ. dialecte mögen es noch beſeßen haben,
    vgl. ſuâſat im hild. (goth. ſvêſata. alth. ſûaſaƷ). Im
    alt- und neunord. herrſcht das neutrale -t nicht nur
    in den pron. þat, hitt, hvat ſondern auch allen adj.
    unableglich. Keine deutſche ſprache hat das kenn-
    zeichen im ſubſt.
  • 6) (gen. ſg. maſc. und neutr.) kennzeichen -ſ, in pron.
    adj. ſubſt. gleichförmig und unableglich, noch zu -r
    geworden in mundarten, welche dergl. verwandlung
    mit allen übrigen ſ der flexionen vornehmen. Einzige
    E e e 2
    [804]II. allg. vergleichung der declination.
    ausnahme hiervon macht die dritte, theilweiſe die
    vierte decl. des altn. männl. ſubſt., wo die gen. ſo-
    nar, belgjar erſcheinen und nicht ſonas, belgjas; hier-
    aus folgere ich die länge der vorſtehenden vocale
    (vgl. anm 21.).
  • 7) (gen. ſg. fem.) hier ein durchgreifender unterſchied
    zwiſchen pron. und adj einer-, und ſubſt. andrerſeits.
    α) pron. und adj. haben ein doppeltes ſ, zwiſchen
    denen ein vocal ſteht. Die goth form iſt -zôs (ſtatt
    -ſôs) -áizôs, ïzôs, hizôs (?) þizôs, hvizôs, blindáizôs;
    die altn. -rar (vermuthlich -râr): þeirrar (ſt. þeirar) hen-
    nar (ſt. henrar) hinnar (ſt. hinrar) blindrar. In den übri-
    gen ſprachen leidet das hintere r apocope. alth. -râ,
    -êrâ
    : irâ, dërâ, plintêrâ ſtatt irâr, dërâr, plintêrâr;
    angelſ. -re (? -rê): hire, þære, blindre; ſpäter
    fällt auch der hintere voc. ab, mittelh. ir, dër, blin-
    der (doch noch: dirre, holre, heiterre etc. — β) ſubſt.
    haben nur einfaches -ſ; goth. -ôs, -áis: gibôs, an-
    ſtáis; altn. -ar (vermuthl. -âr): giafar, âſtar; die übri-
    gen apocopieren das r. alth. -ô (oder -â) -î: këpô,
    enſtî (ſt. eines frühern kipôr, enſtìr); angelſ. -e (? -ê):
    gife, dæde (ſtatt gifes, dædes?) etc. im ſchwed. dän.
    hat ſich der gen. ſôls. krafts erhalten. —
  • 8) (dat. ſg. maſc. und neutr.) analoge trennung:
    α) kennzeichen des dat. pron. und adj iſt mm und
    zwar goth. -mma, -amma: imma, himma. þamma,
    hvamma, blindamma; die jüngern ſprachen haben un-
    org. vereinfachung dieſes mm; alth. imu, himu (?)
    dëmu, huëmu, plintemu; altn. þeim, hveim, hànum,
    blindum; angelſ. him, þâm, hvâm, blindum; mittelh.
    im, dëm, wëm, blindem (neben edelme, holme) etc.;
    das merkwürdige imme für im ſ. 787. angeführt [nach
    niederheſſ. volksſpr. ämme; bei Stald, dial. 108. gibt
    imm wohl die alte kürze an?] — β) ſubſt. hingegen
    haben in allen deutſchen ſprachen bloßen vocal, goth.
    -a; alth. -a, -e; angelſ. -e; altn. -i; mittelh.
    -e etc., welche ſogar hin und wieder völlig abfallen.
  • 9) (dat. ſg. fem.) α) beim pron. einfaches ſ oder r mit
    nachfolgendem vocal; goth. ïzái, hizái (?), þizái,
    hvizai (?); alth. iru, dëru; angelſ. hire. þære; altn.
    þeirri (ſt. þeiri) henni (ſt. henri); mittelh. ir, dër etc. —
    β) dem adj. entzieht die goth. ſprache auffallend den
    conſ. und ſetzt blindái (ſt blindáizái? blindaizô?)
    die jüngern ſprachen geben das r nicht auf, alth.
    [805]II. allg. vergleichung der declination.
    plintêrn (weſſobr. fr. in dîno ganâda? ſt. dînêro?
    wahrſcheinlicher iſts kein dat. ſondern acc pl. dinô
    ganâdâ) angelſ. blindre; altn. blindri; mittelh. blin-
    der etc. — γ) das ſubſt. laßen alle ohne conſonanz,
    goth. gibái (wie blindái) anſtai; alth. këbô, enſtì; an-
    gelſ. gife, dæde; altn. giöf(u), âſt(u); mittelh. gëbe,
    krefte etc. —
  • 10) (acc. ſg. maſc.) kennzeichen-n. mit nachfolgendem
    vocal. α) pron. und adj.; goth. ïna, hina, þana,
    hvana, blindana; alth. (mit abgelegtem voc.) in (ne-
    ben dem nnorg. inan) dën, huën, plintan; angelſ.
    hine, þone, hvone, blindne; altn. (mit vocalablegung)
    þann, hann, blindan; mittelh. in, dën, wën, blin-
    den etc. — β) ſubſt. ohne alle flexion, die nackte
    wortgeſtalt; merkwürdige ausnahme machen die alth.
    eigennamen und verſchiedene perſönl. ſubſt. als: ko-
    tan, truhtînan, hartmuotan (ſ. 613, 767.)
  • 11) (acc. ſg. fem.) reinvocaliſche flexion. ohne conſo-
    nanz α) pron. und adj.; goth. ïja, hija (?) þô, hvô,
    blinda; alth. ſia, dia, plinta; angelſ. hî, þâ, blinde;
    altn. hana, þî, hlinda; mittelh. ſie, die, blinde. —
    β) ſubſt. goth. giba; alth. këpa; angelſ. gife; altn.
    giöf (ſt. giöfu, alſo den acc. mit dem nom. vermen-
    gend; ein früheres giafa = blinda ſcheint unzweifel-
    haft); mittelh. gëbe. Die beim nom. f. unter β. ge-
    nannten ſubſt. machen auch den acc. ganz wie maſc.
    ohne alle flexion: anſt, anſt, âſt; nur im angelſ. er-
    ſcheint dæde.
  • 12) (nom. pl. maſc.) dieſer caſus ſchwankt und hat bald
    ſ. oder r, bald bloßen voc. zum kennzeichen. α) zu
    dem adjectiviſchen voc. ausgang: goth. -ái, alth. -ê,
    angelſ. -e, blindái, plintê, blinde ſtimmen die pron.
    goth. þái, alth. diê, angelſ. þâ ſammt dem goth. zahl-
    worte tvái und alle alth. ſubſt. β) zu dem ſubſt. conſ.
    ausgang goth. -ôs, -jus, -eis; angelſ. -as hingegen
    die goth. pron. veis, jus, eis ſammt dem zahlworte
    þreis; alth. nur die pron. wîr, îr. γ) altn gilt der
    unverkümmerte conſ. ausgang für pron. zahlw. adj.
    und ſubſt., es heißt: vër, ër (? vêr. þêr) þeir, tveir,
    þrîr, blindir, fiſcar, belgir, ſynir (genauer und älter
    wohl: blindeir, fiſcâr, belgîr, ſynîr).
  • 13) (nom. und acc. pl. fem.) hier herrſcht erklärter
    conſ. ausgang im goth. und altn. pron. adj. ſubſt.;
    goth. þôs, ïjôs, tvôs, blindôs, gibôs; altn. þœr, tvœr,
    [806]II. allg. vergleichung der declination.
    blindar, giafar (verm. blindâr, giafâr); in den übri-
    gen ſpr. iſt der conſ. abgefallen: alth. diô, ſiô, zuô,
    plintô, këpô; angelſ. þâ, tvâ, blinde, gifa.
  • 14) (nom. acc. pl. neutr.) ſind dem nom. ſg. fem. gleich,
    alſo nach anm. 4. zu beurtheilen; zuweilen wird beim
    ſubſt. dieſer organiſmus verletzt, namentlich im alt-
    und mittelh. pl. wort ſtatt wortu, da doch im nom.
    ſg. f. vocal blieb. Im neuh. worte = blinde iſt die
    regel hergeſtellt.
  • 15) (gen. pl.) bloß die goth. mundart verſteht ſich auf
    nähere ſcheidung der geſchlechter, indem ſie dem
    maſc. und neutr. den ausgang -ê, dem fem. -ô zu-
    theilt; alle übrigen ſprachen brauchen einförmigen
    vocal. Hier kommt es auf den dieſem vocal vor- oder
    nicht vorſtehenden conſ. an; α) pron. und adj. haben
    ein ſ oder r. wie im gen. dat. ſg. fem.; goth. ïzê,
    ïzô, þizê, þizô, blindáizê, blindáizô; alth. irô, dërô,
    plintêrô; angelſ. bira, þâra, blindra; altn. þeirra (ſt.
    þeira) blindra etc. — β) ohne den conſ. ſind alle ſubſt.
    vgl. goth. fiſkê, vaúrdê, gibô; alth. viſkô, wortô;
    angelſ. fiſca; altn. fiſka, giafa [daß die alth. und an-
    gelſ. fem. erſter, zweiter decl. den gen. pl. ſchwach
    bilden, këpônô, gifena anm. 40. vgl. ſchw. form
    anm. 12.]. Bemerkenswerthe ſpur des wegbleibenden
    conſ. bietet auch der goth. gen. tvaddjê und alth.
    zueiô neben zueiêrô (ſ.76[r].)
  • 16) (dat. pl.) kennzeichen: einfaches, auslautendes -m
    (ſpäter zu -n geſchwächt) einſtimmig bei pron. adj.
    ſubſt. vgl. goth. ïm. þáim, blindáim, fiſkam, balgim,
    gibôm; alth. im, dêm, plintêm, viſcum, pelkim, kë-
    pôm; angelſ. him, þâm, blindum, fiſcum, gifum;
    altn. þeim, blindum, fiſkum, giöfum. Dennoch mag
    dieſe flexion nicht vollſtändig die urſprüngliche, ſon-
    dern hinter dem m ein ſ oder r abgefallen ſeyn: goth.
    ims, blindáims? alth. imêr, plintêmêr? altn. blindumr?
    wie es uns die altn. überbleibſel tveimr, þrimr (ſ. 761.)
    verrathen.
  • 17) (acc. pl. maſc.) die org. flexion -ns erweiſt ſich im
    goth. für pron. adj. ſubſt. vg. uns, ïns, þans, blin-
    dans, fiſkans, ſununs, balgins; alle übrigen ſprachen
    weichen ab und ſtellen ihren acc. dem nom. pl. völ-
    lig gleich. Sollte in dem alth. uns, ſächſ. us, altn.
    oſſ die alte flexion übrig ſeyn? —
  • 18) die von 3-17 unternommene durchſicht der einzel-
    nen caſus lehrt, daß a) rein vocaliſche flexion nur im
    [807]II. allg. vergleichung der declination.
    nom. ſg. fem. und nom. acc. pl. neutr. ſtattfinde, viel-
    leicht im acc. ſg. fem. (auch im inſtr. n° 37.) b) hingegen
    alle übrigen caſus, namentlich ſämmtliche männliche,
    irgendwo einen conſ. zeigen und zwar gebührt t (Ʒ)
    bloß dem nom. acc. ſg. neutr.; mm dem dat. ſg. maſc.
    neutr.; ms (mr) dem dat pl. aller geſchl.; n dem acc.
    ſg. maſc.; ns (nr) dem acc. pl. maſc.; ſ (r) dem nom.
    ſg. maſc., gen. ſg. maſc. neutr., nom. pl. maſc.; nom.
    acc. pl. fem., dat. ſg. fem., gen. pl. aller geſchl.;
    endlich zweifaches ſ dem gen. ſg. f. Augenſcheinlich
    iſt dieſes ſ (r) der häufigſte und bedeutendſte buchſtabe
    für alle declination; da wo er noch von einem vocal
    gefolgt wird (alſo inlautend und goth. z) d. h. im gen.
    dat. ſg. fem. und gen. pl. comm. erinnert er an die
    bildung des comparativs.
  • 19) nächſtliegende frage iſt: ob für zeiten, die über
    unſere älteſten ſprachdenkmähler reichen, ein organ. un-
    terſchied zwiſchen der flexion des pron. und adj. einer-,
    und der des ſubſt. andrerſeits anzunehmen ſey? oder
    ob ſich beiderlei flexionen allmählig, hauptſächlich durch
    größeren verfall der ſubſtantiviſchen, von einander
    entfernt haben? Unſer hentiges gefühl iſt an die ver-
    ſchiedenheit ſubſt. und adjectiviſcher decl. verwöhnt
    und wird, bei der abſchleifung aller flexionen und
    bildungen, ſelbſt einen vortheil für kürze oder be-
    ſtimmiheit des ausdrucks in ſolcher trennung finden
    wollen. Nachtheile, die umgekehrt der freieren wort-
    ſtellung daher entſpringen, kann erſt das vierte buch
    erläntern; hier folgende andere gründe für den zweiten
    jener fälle, nämlich für die urſprüngliche, freilich längſt
    verlorene einheit beider flexionsweiſen: a in derſchwa-
    chen form ſtimmen adj. und ſubſtantiviſche flexion
    ganz überein (doch vgl. anm. 14. zur ſchw. decl.). b) die
    trennung wäre ſchwankend und undurchgeführt d. h.
    gewiſſe caſus zeigen für pron. adj. ſubſt. gleichförmig-
    keit, namentlich im goth. der vocal des nom. ſg. fem.
    und pl. neutr.; das m des dat. pl.; das ns des acc. pl.;
    das ſ des nom. ſg. maſc.; das ſ des gen. ſg. maſc.
    neutr. Warum hätten nicht auch die übrigen früher
    eingeſtimmt? c) vergleichung der mundarten ſtellt
    uns den gang der allmähligen trennung dar: z. b.
    goth. hieß es noch fiſks wie blinds, altn. fiſkr wie
    blindr; alth. hingegen viſc neben plintêr; angelſ. ſo-
    gar fiſc, blind; ſchließt ſich hieraus kein früheres
    alth. viſcêr, angelſ. fiſces, blindes? Die zuläßigkeit
    [808]II. allg. vergleichung der declination.
    ſolcher ſchlüße eingeräumt muß aber auch fürs goth.
    ſelbſt z. b. blindáizôs auf ein älteres gibáizôs deuten.
    d) nicht immer (obſchon meiſtens) hat die älteſte
    mundart die älteſte form, z. b. der goth. dat. f. adj.
    blindái iſt abgeſchliffener, als das alth. plintêru, altn.
    blindri, gleicht aber genau der abſchleifung des dat.
    ſubſt. gibái, gëbu etc. ſtärkt dies nicht die vermu-
    thung eines dat. ſubſt. gibáizô?
  • 20) nach dieſem grundſatz vermuthe ich vollkommnere
    ſubſt. flexionen: a) ein dem blindata, plintaƷ paral-
    leles vaúrdata, wortaƷ; wenige alth. ſubſt, neutr. ge-
    hen auf -aƷ aus; obaƷ, angelſ. ofät macht den gen.
    obaƷes, ofätes (nicht obes, ofes, wie plintaƷ, blind
    [-ät], plintes, blindes) aber gibt die heutige volks-
    ſprache keinen fingerzeig in ihren: das dings, werks,
    zeugs, ſchreibens? früher: dingeƷ, wërkeƷ etc.? [ſ. her-
    nach fr. ſpr. n° 4.] b) einen alth. gen. ſg. fem. kí-
    pôr, enſtîr (? anſtêr); höher aufwärts ein goth. gibái-
    zôs, anſtáizôs; alth. kipêrôr, anſtêrôr etc. c) einen
    dat. maſc. neutr. fiſkamma, balgimma, viſkemu, pel-
    kimu etc. d) dat. fem. gibáizô, alth. kipêrô etc.
    e) acc. maſc. fiſkana, balgina; alth. viſcan, pelkin etc.
    f) nom. adj. pl. maſc. þáis, tváis, blindáis, alth. plin-
    têr (woraus plintê geworden, wie aus máis, mêr, mê)
    im alth. ſubſt. aber viſcàr, pelkîr, ſunìr ſo wie drîr
    (tres) g) im alth. nom. fem. diôr, zuôr (duae) plin-
    tôr, kipôr etc. h) im gen. pl. ſubſt. fiſkáizê, gibáizò;
    alth. viſkêrô, kipêrô etc. i) im dat. pl. ſubſt. fiſkams,
    balgims; alth. viſcumêr, palkimêr; k) im acc. pl.
    maſc. alth. viſcanêr, palkinêr; adj. plintanêr etc. —
    Solche conjecturen, die ſich höchſtens an uralten orts-
    namen beſtätigen könnten, machen keinen anſpruch
    auf individuelle ſicherheit, da ſich zumahl begleiten-
    den vocale und übergänge zwiſchen ſ und r kaum be-
    ſtimmen laßen; ſie ſollen nur eine mögliche oder wahr-
    ſcheinliche richtung der früheren ſprache bezeichnen.
  • 21) anſetzung und vergleichung der flexionsvocale
    hat eigene ſchwierigkeit; ein ſo bedeutendes hülfs-
    mittel, wie die beachtung der reime, wird erſt ſpä-
    ter anwendbar, nachdem ſchon der organiſmus die-
    ſer verhältniſſe vielfach gelitten hat. Einige vocal-
    längen gewährte die accentuierung und ſchreibung
    alth. denkmähler, andere die analogie goth. vocale.
    Im altn. leiſtet das umlautsprincip hin und wieder
    vorſchub; da wo die flexion i keinen umlaut wirkt,
    [809]II. allg. vergleichung der declination.
    muß ſie falſch ſeyn; z. b. der pl. maſc. adj. blindir
    weiſt auf ein beßeres blindeir (wie tveir, þeir) dem
    goth. blindái, tvái, þái; alth. plintê etc. angemeßen;
    ebenſo ſtehet âſtir (ſ. 658.) für âſteir; im alth. anſt,
    gen. enſtì ſcheint aber wirklicher übergang des ê in
    ein umlautzeugeriſches î anzunehmen, nach dem goth.
    anſts, anſtáis, anſtái, pl. anſteis war anſt, anſtê, anſtê,
    pl. enſtî erforderlich. Sollte die länge einiger altn. ca-
    ſusvocale nicht aus der verwandlung des ihnen fol-
    genden ſ in r zu ſchließen ſeyn? nämlich das goth.
    kurze -is gen. ſg. bleibt auch im altn. -s; das goth.
    -áus, -ôs (ſunáus, gibôs) wird zu -ar, -ar, vermuth-
    lich -âr (ſonâr, giafâr) desgl. -áis, -eis zu -âr, -îr
    (eigentlich -êr, îr) als: anſtáis, anſteis = âſtâr, âſtîr;
    -ôs zu -âr, als: fiſkôs, fiſkâr; ich habe nicht getraut,
    dieſe vermuthung, ohne weitere ſtützen in der altn.
    decl. einzuführen. Im alth. pflegen (während ſ nach
    kurzem voc. in flexionen haftet, z. b. viſkes) alle
    ſolche r abzufallen, wo ſie nicht ein nachfolgender
    voc. ſchützt, vgl. këpô, viſcâ, enſtî (ſt. kepôr, viſcâr,
    enſtîr) hingegen plintêrâ (ſt. plintêrâr) plintêrô (goth.
    blindáizê). Verdient der grundſatz beifall, ſo ge-
    hört er in die buchſtabenlehre, leidet aber auf ver-
    wandlung des wurzelhaften ſ in r keine volle an-
    wendung.
  • 22) im mitt[e]lh. ergaben ſich regeln über beibehaltung
    oder wegwerfung tonloſer und ſtummer flexions-
    vocale. Auf andere und frühere mundarten paſſen ſie
    nicht und es bleibt hier noch vieles zu ergründen.
    Wie erklärt ſich z. b. die urkundliche flexion des alth.
    nom. ſg. maſc. plintêr = goth. blinds (und nicht
    blindáis) altn. blindr.? nach anm. 21. wäre kein plin-
    tër möglich und plintr widerſtrebt der alth. mundart,
    der auch ein goth. fagrs, fugls ungerecht iſt, wofür ſie
    vakarêr, vogal (ſt. vogalêr) ſagen muß. Hierauf werde
    ich bei den grundſätzen der wortbildung zurückkom-
    men. Die alth. ſyncopiert kaum, apocopiert aber häufig;
    die angelſ. altn. ſyncopieren öfter, apocopieren ſelten;
    man halte die alth. adj. flexion -êr, ës, -emu, -an; -u,
    -êrâ etc. zum goth. -s, -is, -amma, -ana; -a, -ái-
    zôs etc. zum angelſ. -, -es, -um, -ne; -, -re etc.
    zum altn. -r, -s, -um, -an; -, -râr etc. Es fehlt
    aber nicht an ungleichheiten in einer und derſelben
    mundart. Die alth. z. b. verwirft die -u des pl.
    neutr., hält aber die -i ſg. der zweiten neutr. decl.
    [810]II. allg. vergleichung der declination.
    feſt (merkwürdige ausnahme macht diz, welches ge-
    bräuchlicher iſt als dizi, vgl. ſ. 795.); noch die mit-
    telh. wahrt -e (ſtatt jenes -i) hat aber kein -e für
    jenes -u; der mittelniederl. iſt bed f. bedde ſo gelän-
    fig als dit f. ditte. Die altn. ſetzt beides: kyn und
    föt f. kyni, fötu; das ſächſ. ſchwanken zwiſchen vord
    und fatu habe ich ſ. 636. 644. aus der vorſtehenden
    langen oder kurzen ſilbe gedeutet, vielleicht mit un-
    recht, da zwiſchen kyn und rîki ſ. 660. es ſich gerade
    umgedreht verhält. — Uebrigens iſt der entgegenge-
    ſetzte und doch analoge einfluß der flexionen auf den
    wurzellaut a in dem ſ. 734. 737. gegebenen paradigma
    vergleichenswerth. —
  • 23) die verſchiedenheit der einzelnen declinationen be-
    ruht auf den vocalen, nicht den conſonanten. Sie
    zeigt ſich am deutlichſten im ſubſt., weniger im adj.,
    tritt aber auch im pron. hervor. Wiederum iſt ſie
    unter den drei geſchlechtern vorzüglich beim maſc.
    entwickelt. Zum kennzeichen der vier männl. decl.
    mag der goth. acc. pl. maſc. dienen, welcher in der
    erſten a, in der zweiten ja, in der dritten u, in der
    vierten i gibt. Beim adj. erſcheinen die drei erſten
    decl., doch keine ſpur der vierten; das pron. mengt
    ſpuren aller; zur erſten bekennen ſich die formen þis,
    þamma, þana, þái, þizê (f. þáize?) þáim, þans, zur
    vierten ïs, ïs, ïmma. ïna, eis, ïzê, ïm, ïns; zur
    dritten jus (vos) uns (nos acc. während der nom. veis
    von der vierten zeugt).
  • 24) bei der erſten männl. und neutr. decl. fällt die flexion
    -is gen. ſg. im pron þis, hvis, adj. blindis und ſubſt.
    fiſkis auf. Hier ſcheint der voc. i unorganiſch, da er
    die erſte decl zu der vierten miſcht; beſtätigung finde
    ich in folgenden gründen: α) der gen. pl. þizê wäre
    gleich fehlerhaft, und gerade das adj. hat -áizê, nicht
    -izê. β) das org. i goth. flexion bleibt auch im alth.
    i, vgl. balgim, kuni mit palkim. chunni und zeugt
    ſpäter umlaut (mittelh. belgen, künne); jenes genitive
    -is hingegen wird alth. zu -es und bringt keinen
    umlaut, vgl. takes, tages. γ) im altſ. erſcheint ne-
    ben -es die merkwürdige ältere flexion -a [...], fiſkas,
    kunneas, die auf einen älteren goth. gen. fiſkas. kun-
    jas deuten. δ) für ein ſolches -as redet die erklärung
    des gen ſg. dritter decl. ſunaus aus ſunuas (anm. 27.) —
    (über das ſpätere -um des dat. pl. ſtatt -am nachher
    anm. 29.).
  • 25) warum wohl der goth. nom. gen. dat. pl. maſc. in
    pron. und adj. -ái, -áizê, -áim zeigen? da doch der
    dat. ſubſt. -am, der acc. durchgehends -ans gewährt?
    Augenſcheinlich verhält ſich in den flexionen a zu ái
    wie i zu ei; fiſkans, fiſkam zu biindái wie balgins,
    balgim zu balgeis; reine verlängerung des a und i ſind
    die goth. diphth. ái und ei keineswegs, aber ver-
    wandte längen, daher im nom. pl. ſubſt. maſc. ein
    -ôs neben dem dat. -am, acc. -ans auftritt, indem
    ô nach andrer ſeite hin dem langen â verwandt liegt.
    Im alth. darf î wirklich als reine längerung des i (palkî,
    palkim); â als reine längerung des a (nom. pl. viſcâ)
    betrachtet werden, woneben im adj. das dem goth.
    ái parallele ê herrſcht. Solche betrachtung würde
    müßig erſcheinen, zeigte ſie nicht den weg, wie eben
    die abweichung der flexionsvocale in verſchiedenen
    mundarten zu faßen ſey. Halb folgen ſie dem gang
    der wurzelvocale, halb dem geheimen nachgefühl in-
    nerer flexionsbedeutſamkeit. Da ſich nun in keiner
    ſprache längen und doppellaute vollſtändig entwickelt
    oder erhalten haben, waren auswege unvermeidlich.
  • 26) die zweite männl. und neutr. decl. iſt völlig die
    erſte, nur daß der bildungsvoc. i mit ins ſpiel ge-
    bracht wird, der im ſubſt. maſc. zuweilen -eis, -ei
    ſtatt -jis, -ji bewirkt (ſ. 599.), weder im neutr. noch
    männl. adj. (ſ. 606. 720.); den grund dieſes ſchwan-
    kens weiß ich nicht. Die übrigen mundarten gewäh-
    ren kein analoges î in denſelben flexionen. Unter
    den pronominalformen bekennt das alleinige dizi
    (ſ. 795.) zweite decl.
  • 27) in der dritten decl. wirkt der bildungsvocal u man-
    nigfacher als jenes i auf die flexionen ein; ſunáus,
    ſunáu mögen (wie haírdeis aus haírdjis) aus ſunuas,
    ſunna (? ſunvas. ſunva) herſtammen, wofür die ſ. 601.
    angemerkten nebenformen ïêſuis, (ſt. ïêſuas) ïêſua
    wichtig zeugen. Über die weiteren caſus vermuthun-
    gen ſtehen ſchon ſ. 601. anm. 3. Spätere ſprachen
    miſchen bei dieſer decl. die vocale u und i, über-
    gänge aus dritter in vierte decl. liefern bereits goth.
    nom. pr. (ſ. 777.).
  • 28) im gen. vierter männl. decl. ſchiene der gen. balgis
    organiſch, der dat. balga hingegen für balgi (früher bal-
    gimma? ſtehend; die goth. und alth. mundart machen
    den ſg. erſter und vierter völlig gleich (daher ſpäter
    [812]II. allg. vergleichung der declination.
    kein umlaut). Die altnord. abweichung des gen. bra-
    gâr, dat. brag von fiſks, fiſki verdient aufmerkſamkeit.
    Sollte der pl. balgeis aus balgjis entſpringen? Dem
    adj. überhaupt und dem ſubſt. neutr. mangelt dieſe
    vierte decl.
  • 29) in der weibl. erſten decl. verſtehe ich den wechſel
    zwiſchen dem -ái und ô der flexionen wie anm. 25,
    womit ſich auch der unterſchied alth. mundarten,
    welche den gen. ſg. und nom. pl. bald -â, bald -ô
    machen (ſ. 616. 617. 723.), aufklärt *). Der ſprach-
    geiſt hieng entw. dem alten -ô an (ohne es einmahl
    in uo zu wandeln, ſ. 96.) oder brauchte die natürliche
    länge â. Letztere herrſcht wohl in allen altn. gen.
    und plur. formen -âr = goth. -ôs, -áis): blindrâr,
    blindâr giafâr, âſtâr. ſonâr, bragâr. Im alth. adj. und
    dat. pl. haftete ô ſtärker. Schwerer bleibt mir die
    auslegung des -u im nom. ſg. (ſt. des goth. -a) ob-
    ſchon es ſich dem -um des männl. dat. pl. (goth. -am)
    vergleicht; das dative -u wäre wohl -û (? -uo).
  • 30) der zweiten weibl. ſubſt. decl. þivi (f. þiuja) acc.
    þiuja, pl. þiujôs ſteht das pron. ſi, acc. ïja, pl. ïjôs zu
    vergleichen; der alth. nom. ſiu, acc. ſia parallel dem
    adj. mitju, mitja könnte dann doch das ſ. 628. ver-
    worfene maneghju (J. 363.) vgl. mëƷhaftju (K. 37a)
    rechtfertigen, zumahl wenn man das angelſ. menigo
    (ſ. 642.), woneben menigëó (wie hëó), anſchlägt.
  • 31) die dritte fällt zuſ. mit der dritten männl. (vgl.
    anm. 2. a).
  • 32) die vierte hat, den gen. dat. ſg. abgezählt, männ-
    liche flexion; denn hieße auch der gen. anſtis, dat.
    anſta, ſo wäre die einſtimmung mit balgs vollſtändig
    und dieſe wörter gehörten in die zweite anm. (ſ. 801.).
    Wie aber anſtáis, anſtái ſich den formen gibôs, gibái
    nähern, ſcheinen auch die pl. háimôs, háimô, dáilôs
    (ſ. 605.) hervorzugehen. Indeſſen haben dieſe ausnah-
    men keinen fortgang und ſpätere ſprachen halten
    die erſte und vierte weibl. decl. fortwährend geſon-
    dert. —
  • 33) die fortſchreitende ſprache unterdrückt die bildungs-
    vocale i und u allmählig, wir ſehen ſchon im goth.
    [813]II. allg. vergleichung der declination.
    die zweite, noch entſchiedner die dritte decl. jedes
    geſchlechts eingeengt; ſpäterhin ſchwinden ſie bei-
    nahe. Der gang ſcheint zu ſeyn, daß anfangs die u
    ſich in i verdünnen, endlich die i ausfallen. Wie
    das goth. þaúrſus, manvus bei folgendem flexionsvoc.
    bereits þaurſjata, manvjata zeigen (ſ. 721.), verliert
    ſich das i zweiter decl. im unflectierten nom. maſc.
    neutr. (ſ. 719.). Das goth. hardus, þaúrſus heißt im
    alth. herti, durri nach zweiter, ja ſelbſt hart nach
    erſter. Und ſo könnte z. b. das goth. ſvarts (niger)
    früher ſvartus geheißen haben, wenn man dafür ei-
    nen eigennamen ſuartuas bei Procop 4, 25. anſchla-
    gen will.
  • 34) der formen des ungeſchl. perſ. pron. wurde nur ne-
    benher gedacht, inſofern ſie zu den übrigen flexio-
    nen ſtimmen, welches bei dem nom. pl. veis, jus
    und acc. uns der fall iſt. Alle andern caſus ſind un-
    gleich und den anm. 3-17 gegebenen merkmahlen
    fremd. Der goth. nom. ſg. ïk, þu weichen ſelbſt von
    einander ab; der gen. ſg. zeigt die reihe: meina,
    þeina, ſeina, der dat. mis, þus, ſis; der acc. mik,
    þuk, ſik; die nom. pl. veis, jus paſſen zu balgeis,
    ſunjus, der acc. uns zu ſununs; der gen. geht wie
    im ſg. auf -a aus, ſcheidet ſich aber von ihm durch
    die nahere beſtimmung -ara; unſara ſcheint aus dem
    acc. uns abgeleitet, nicht anders der dat. unſis, wel-
    cher nebſt ïzvis dem dat. ſg. parallel auslautet. Wie
    aber uns zugleich den dat., umgekehrt unſis zugleich
    den acc. ausdrückt, muß die dativform ïzvis dane-
    ben für den acc. dienen. Der acc. uns würde einen
    nom. vjus, der nom. veis einen acc. vins begehren
    oder ſtünde veis neben uns (? vuns) wie ïudáieis ne-
    ben ïdáiuns (ſ. 777.)? jus könnte ſehr wohl den
    acc. juns bilden, welches, wie uns unſis, den dat.
    junſis ergäbe, woraus juſis, ïzuis, ïzvis geworden?
    auf dieſelbe weiſe würde juſara? junſara? zu ïzvara? —
    Die übrigen mundarten tragen zur aufhellung dieſer
    dunkelheiten wenig bei; das alth. uns dünkt mich
    verſteinerte acc. form, die geblieben, nachdem alle
    andern acc. das n abgelegt hatten und ähnliche flexions
    -ſ in -r verwandelt worden waren. Doch der alth.
    acc. pl. bekommt überdem die flexion -ih, welche
    dem ih, mih, dih des ſg. entſprechend ſcheint: un-
    ſih, iwih
    ; ein ſolches goth. unſik, ïzvik mangelt, wird
    aber durch ein angelſ. uſic, ëóvic beſtärkt, wegen
    [814]II. allg. vergleichung der declination.
    welcher tenuis ich keine berührung des h mit ſ (etwa
    nach ſ. 318. 416.) muthmaße. Das altn. vër (? vêr)
    vor, oſſ, oſſ ſchickt ſich zu den goth. alth. formen,
    der pl. zweiter perſ. zeigt wieder ein abweichendes
    ydhr, wobei vielleicht an das altn. dd = goth. zd,
    alth. rt (oben ſ. 319.) zu denken wäre. —
  • 35) der numerus dualis, für ſubſt. und adj. längſt un-
    tergegangen, iſt bloß am pron. der erſten und zwei-
    ten perſon erhalten worden (ſ. 780. 781.) auch da ließ
    ihn die ſchriftſprache bald vergehen. In mittelh. ge-
    dichten, wo häufiger anlaß zum dual. wäre, erſcheint
    er nicht, ausgenommen bei dem ſteiriſchen Ottocar,
    der ſich verſchiedentlich (z. b. cap. 450. 451.) der dual-
    form zweiter perſon nom: ëz, dat. acc. ënch, auch
    des poſſ. ëncher bedient. Gemeine volksmundarten
    hingegen haben hin und wieder den uralten dualis
    bis heute fortgeführt, als rohen ſtoff, ohne ſich auf
    die lebendige, ſyntactiſche verwendung deſſelben zu
    verſtehen, d. h. ſie gebrauchen ihn für den plur. und
    mengen ihn mit pluralformen. Ich will hier die
    volksdialecte anführen, in denen der dualis fortdauert:
    a) auf den zwiſchen Island, Schottland und Norwe-
    gen liegenden Fær-eyjar (d. h. ſchaafinſeln, dän.
    færœer) lautet der dual. erſter perſon: vît. okkara.
    okkun. okur; zweiter: tît. tikkara. tikkun. tikur
    [Raſk veiledn. p. 277.) — b) norwegiſche volksſprache:
    erſter perſ. gen. aakons (kons) dat. acc. aakon; zw.
    perſ. gen. dekan oder dokkers, dat. acc. dekan [Halla-
    ger forerindr. XII.] vermuthlich findet ſich der nom.
    ebenfalls. — c) manche ſchwediſche mundart, viel-
    leicht auch die ſchottländiſche wird bei näherer auf-
    merkſamkeit ähnliche formen ergeben. Vorhandenſeyn
    des dual. nom. vit in Weſtbotnien bezeugt Ihre unter
    wi; dualformen in dem upländ. und weſtmanl. geſetz
    derſelbe unter okar. — d) nordfrieſiſche volksſprache:
    erſter perſ.: wet. unker. unk. unk; zweiter: jet. jun-
    ker. junk. junk [mitgetheilt von Hr. Prof. Falck zu
    Kiel] — e) weſtphäl. mundart der grafſchaft mark und
    des herzogth. weſtph. bloß für die zweite perſ. gätt
    (iät, ät) inker. ink. ink [mitgeth. von Hr. Conr. Holt-
    haus zu Schwelm] — f) bairiſch-oeſtr. mundart, bloß
    für zweite perſ. eß (iß, éz, tiz) enker. enk. enk;
    andere ſchreiben: ös (dös, döz) önger. öng. öng [vgl.
    Höfer 1, 187. 188. Schmeller §. 718. 721. wonach ink
    auch als nom., inkß, enkß als dat. acc. vorkommt]. —
    [815]II. allg. vergleichung der declination.
    Übrigens läßt ſich in allen deutſchen dualformen das
    auslautende t oder z [ſchwerlich Ʒ, obgleich die neuh.
    mundarten beides z und ß gewähren; im alth. ſcheide
    ich iz, vos duo von iƷ, illud] leicht aus der cardin.
    tva, zuei erklären, ſchwieriger das -k oder -nk; ver-
    muthlich war es urſprünglich accuſative form (paral-
    lel dem mik, þuk, ſik etc.) welche ſich wie uns in
    unſara, unſis über die anderen caſus verbreitete. —
  • 36) der vocativ fordert nähere unterſuchung α) im
    pron zweiter perſ. gleicht er überall dem nom. þu,
    jus; du, îr etc. β) im ſubſt. iſt für den pl. kein be-
    denken, der voc. hat genau die flexion des nom.
    Schwieriger ſcheint der voc. ſg.; die goth ſprache
    läßt ihm nicht das kennzeichen des männl. nom. -s,
    bildet den voc. fiſk, láiſari, hairdei, ſunáu, balg
    (Luc. 19, 22. Marc. 4, 38. 10, 17. Luc. 4, 23. 2. 48. Marc.
    5, 7. 10, 48. Matth. 9, 27. Luc. 7, 14. 9, 41.); auffal-
    lende unterſcheidung der voc. haírdei, ſunáu vom
    acc. haírdi, ſunu, da doch fiſk, balg und brô ar
    (ſ. 610) zum acc. ſtimmen. Für den voc. erſter weibl.
    decl. gebrechen belege; in zweiter lautet er þivi,
    mavi, (Luc. 9, 54.) verſchieden vom acc. þiuja, mauja.
    Beim neutr. ſind ſich nom. acc. voc. immer gleich.
    Alth. und angelſ. ſtimmen dieſe drei caſus im maſc. und
    neutr. ebenfalls zuſammen; zweifel könnte beim fem.
    da entſpringen, wo ſich nom. und acc. unterſchieden,
    z. b. im angelſ. gifu; ich würde hier den voc. dem
    nom. gleichſetzen, nicht dem acc. Im altn finde ich
    den voc. dem nom. gleich, alſo im maſc. auf -r en-
    digend; eine merkliche abweichung vom goth. ge-
    brauch. — γ) im adj ſind ſich voc. und nom. gänz-
    lich gleich, im goth. wie in allen andern ſprachen;
    er behält alſo namentlich im maſc, und neutr. das -s,
    -ata, alth. -êr, -âƷ etc. pflegt jedoch gern in ſchwa-
    cher form conſtruiert zu werden, worüber weiteres
    in der ſyntax.
  • 37) ein inſtrumentalis hat in der alth. und altſ. mund-
    art am längſten ausgedauert. Der goth. verblieb er
    nur in einigen pronominalpartikeln (ſ. 790. 798.) wo
    er die flexion -ê zeigt; die altn. behauptet ihn ſtatt
    der dativform des neutr. adj. und pron. und läßt ihn
    beim pron. auf -î, -ŷ, beim adj. auf u (muthmaß-
    lich -û) endigen; dem ſubſt. neutr. geht er ab, oder
    es müſte nachweiſlich ſeyn, daß die männl. und neutr.
    dativflexion -i (nach ſ. 651. anm. 4. in ſich ſelbſt un-
    [816]II. allg. vergleichung der declination.
    organiſch) aus alter inſtrumentalform abſtamme und die
    dativflexion verdrängt habe. Alth. gilt der inſtr. -û
    (welche länge das goth. -ê beſtätigt) einförmig für
    maſc. und neutr. des adj. und der erſten, zweiten,
    vierten decl. des ſubſt. Die ſyntax lehrt, daß er ſich
    auch ſeinem begriffe nach zumeiſt für neutra eigne.
    Fem. und pl. gewähren keine inſtr. form. — Mittelh.
    nur in den partikeln von diu, bëdin, mitalle, bëtalle;
    neuh. nur in deſto (ſ. 408.) übrig; vgl. Schmeller §. 760.
  • 38) mit den anm. 20. aus vergleichung des ſubſt. und
    adj. geſchloßenen, urſprünglich vollſtändigeren flexio-
    nen dürfen der decl. weſentlich fremde einſchiebungen
    nicht verwechſelt werden, deren zumahl beim alth.
    ſ. 622. 631., dann auch bei einigen anderen mundar-
    ten meldung geſchah. Die verſchiedenheit des falls
    leuchtet ein. Galt ein älterer gen. pl. viſkêrô, kipêrô,
    wortêrô, ſo blieb die erweiterung -êr- auf dieſen
    caſus; galt ein älteres fiſkana f. fiſk, viſcan f. viſc,
    ſo blieb das -an auf den acc. ſg. maſc. beſchränkt.
    Jene einſchiebungen bezogen ſich dagegen auf einen
    ganzen numerus, wenigſtens auf mehrere caſus, für
    welche der eingeſchaltete conſ. uncharacteriſtiſch war.
    Auch unterſcheidet der vorſtehende vocal die erweite-
    rung -êr, -an von dem paragogiſchen -ir, -in und
    darum gebe ich den gedanken auf an ein aus altem
    gen. pl. hûſêrô ſt. hûſô unorganiſch in die übrigen caſ.
    gedrungenes hûſèr, hûſêrum (etwa wie der acc. uns
    in den gen. unſara), da es niemahls ſo, vielmehr hû-
    ſirô, hûſir, hûſirum lautet. —
  • 39) die geſchichte der flexionen hat folglich zu achten
    a) auf das princip der flexion ſelbſt. b) auf verhärtung
    uralter flexion, die zu ſcheinbarer wurzel geworden
    neue caſus annimmt (dahin: uns, unſara etc.; deſſen
    ſt. des etc. ſ. unten fr. ſpr. n° 2. 4. vgl. oben ſ. 774.
    780.; Schmeller p. 203. note). c) auf einſchiebung von
    bildungsſilben, die umgekehrt ſcheinbare caſus wer-
    den, ächte verdrängen (hiervon war eben n° 38. rede,
    doch den wichtigſten fall liefert die ſchwache form).
    d) auf abnorme verwendung ächter flexionsmittel,
    wozu abgeſchliffene ſprachen greifen; dahin zähle ich
    z. b. den dän. und ſchw. misbrauch des -s im gen.
    pl., da es urſprünglich nur dem ſg. gebührte oder den
    neuhochd. misbrauch deſſelben -s in weibl. eigenna-
    men und zuſ. ſetzungen (ſ. 773. 774.).
  • 40) es iſt eine anomalie der hochd. alt- und angelſ. ſo
    wie der altfrieſ. ſprache, dem weibl. gen. pl. ſubſt.
    erſter und zweiter decl. ſchwache form zu verleihen;
    die angelſ. ſchreitet hierin noch weiter (ſ. 647. n° 7.).
    Der goth. und nord. bleibt ſolcher misbrauch fremd.

II. erwägung der ſchwachen declination.

Behandeln wir das uns überlieferte als etwas ſtehen-
des, ohne nach ſeinem urſprung zu fragen, ſo läßt ſich
die eigenthümlichkeit der ſchwachen decl. in folgende
allgemeine grundzüge faßen; a) alle caſus mit ſtrenger
ausnahme des nom. ſg. jedes geſchlechts zeigen ein cha-
racteriſtiſches -n: auch dem dat. pl. mangelt es ge-
wöhnlich, nicht durchgehends. — b) die drei geſchlech-
ter ſind zwar geſchieden, weniger aber durch conſonan-
ten, als durch vocale, deren verhältnis bei vergleichung
der einzelnen ſprachen ziemlich räthſelhaft erſcheint.
Nur im goth. fällt auf das weibliche ô ein licht durch
zuſ. ſtellung mit dem vorhin (ſ. 806.) bemerkten ô des
gen. pl., gegenüber dem männl. und neutr. ê. —
c) gleichheit des männl. und neutr. gen. ſg. bleibt un-
geſtört; im pl. wankt ſie; gleichheit des nom. ſg. fem.
mit dem nom. acc. pl. neutr. geht verloren, dagegen
tritt ſie zwiſchen dem nom. ſg. fem. und nom. acc. ſg.
neutr. hervor.


Nähere prüfung der ganzen erſcheinung hat mich
zu folgender theorie hingeführt: die ſchwache form
der ſubſt. und adj. beruht im zuſammenſtoß eines prin-
cips der bildung (eben des ſchon erwähnten -n) mit
dem der flexion, wobei letzteres am ende überwältigt
wird und weicht, erſteres aber die natur eigentlicher
caſus annimmt. Zuerſt werde ich hiernach die ſchwa-
chen ſubſt. (anm. 1-12.) dann die adject. (13-19.) zu
entwickeln ſuchen.


  • 1) der weg, von dem ich ausgehe, würde dunkeler ſeyn,
    wenn nicht die älteſte unſerer mundarten, die go-
    thiſche
    , unverdrängte überbleibſel des flexionsprin-
    cips gehegt hätte. Es ſind beim maſc. ſowohl als
    fem. die -s des gen. ſg. und des nom. acc. pl.; beim
    neutr. das -s gen. ſg. und das -a nom. acc. pl.;
    endlich das -ê gen. pl. maſc. neutr. und ô gen. pl.
    fem., welche ſich ſämmtlich den ausgängen ſtarker
    form vergleichen. Der dat. pl. behauptet ganz die
    ächte flexion, maſc. neutr. -am, fem. -ôm, ſtößt
    F f f
    [818]II. allg. vergleichung der declination.
    aber die bildung -n aus. Der nom. ſg. wirft flexion
    ſammt dem n der bildung weg, läßt aber den vorſte-
    henden bildungsvocal. Endlich dat. und acc. ſg. ha-
    ben das bloße bildungsmittel ohne ächte flexion.
  • 2) blôma ſtehet für blômans d. i. blôm-an-s; das -s fiel
    bereits in der ſtarken decl. zuweilen aus und weicht
    in den übrigen mundarten noch leichter; ein früheres
    blômas iſt zwar möglich, aus goth. eigennamen grie-
    chiſcher ſchriftſteller z. b. ἀττιλας, τοτιλας jedoch un-
    erweiſlich, weil dieſes -ας gerade graeciſiert ſcheint
    und Ulphilas (älter als Procop etc.) kein goth. -as
    kennt. Das bildende n fehlt dem nom. durchaus,
    wohl um den acc. von ihm zu ſondern. Der gen.
    blômins erklärt ſich aus blôminis d. h. blôm-in-is
    ſtatt blôm-an-is, wofern die wandlung des -an durch
    aſſimilation erfolgte, dergleichen damit der goth. ſprache
    beſtimmter nachgewieſen würde, als oben ſ. 114.
    Das i von dem -is fiel ab, doch die wirkung blieb;
    war es (wie vorhin (ſ. 810. geſagt) unorganiſch, ſo
    wird auch das i vor dem n früher anders gelautet ha-
    ben. Minder leicht als der gen. verſtändigt ſich der
    dat. blômin; die flexion -a iſt abgelegt, aber woher
    aſſimilation i? man ſollte meinen blôman für blômana;
    entw. muß ein alter dat. blômini, oder angenommen
    werden, daß es mehr auf äußeren unterſchied vom
    acc. ankam, Der acc. blôman, d. h. blôm-an iſt in
    der ordnung, da auch die ſtarke form fiſk von flexion
    entblößt war. Im nom. pl. blômans für blôm-an-ôs
    hätte die aſſimilation blômôns wirken ſollen (wie tug-
    gôns, eben weil ſich hſkôs und gibôs begegnen), im
    gen. desgl. blômênê ſt. blômanê oder vertritt -ê das
    dem Gothen mangelnde -â? der dat. blômam ſtehet
    für blômanam, der acc. blômans f. blômanans, wobei
    ich ſyncope des -an der flexion, nicht des der bil-
    dung annehme. Vielleicht drang der vorherrſchende
    a laut allmählig in nom. und gen. pl. ein.
  • 3) beim fem. erklären ſich gen. ſg. nom. acc. pl. tug-
    gôns
    gut aus tugg-ôn-ôs, durch aſſimilation, wenn
    die bildung -an und nicht eigentlich -ôn lautete;
    ebenſo der gen. pl. tuggônô d. h. tugg-ôn-ô; der
    dat. pl. tuggôm ſteht für tuggônôm, wie blômam f.
    blômanam. Bedenklich bleiben die drei übrigen ca-
    ſus, nom. dat. acc. ſg., indem tuggô aus tugg-an-a
    (wie blôma aus blôm-an-s) tuggôn aus tugg-an-ái
    (wie blômin aus blôm-an-s) tuggôn aus tugg-an-a
    [819]II. allg. vergleichung der declination.
    entſpringen müſte. Das ô könnte durch übergewicht
    jener fünf erſtgenannten caſus eingeführt ſeyn; der
    nom. tuggô verletzt inzwiſchen die gleichheit mit dem
    nom. pl. neutr. und da wir beim ſchwachen neutr.
    wirklich haírtôna finden, gewinnt ein älterer nom. und
    acc. ſg. fem. tuggôna (für tuggana) immer ſchein.
  • 4) gen. dat. ſg. neutr. haírtins, haírtin erläutern ſich
    wie blômins, blômin; woher aber das ô im nom. acc.
    haírtô? und im nom gen. pl. haírtôna, haírtônê?
    fl xiviſch kann es nicht ſeyn, weil die flexion richlig
    im -a und -ê liegt, dem nom. ſg. neutr, aber gar
    keine gebührt. Sollte der vermuthete ältere nom. ſg.
    fem. tuggôna für tuggana im parallelen pl. neutr. ein ab-
    normes ô (haírtôna für haírtana) gewirkt haben, von
    wo es ſich in die übrigen caſus (gen. dat. ſg. abge-
    rechnet) verbreitete? haírtôna gewöhnte an einen ſg.
    haírtô, wie blômanê an blôma, tuggônô an tuggô,
    da doch anfänglich der nom. ſg.: blômans, tuggana,
    haírtan geſtaltet war. Die bemerkenswerthen dat. pl.
    (oben ſ 609.) vatnam, namnam (ſt. vatam, namam)
    des nom. pl. namna, vatna (ſt. namôna, vatôna) be-
    zeugen theils früheren gebrauch des bildungs-n (folg-
    lich auch im nom. ſg. ?) theils die erläßlichkeit des
    weibl. ô im neutrum. —
  • 5) außer dem ô haben andere ſchwache fem. den diphth.
    ei (ſ. 609.) und wenn tuggô aus tuggana, ſo mag ma-
    rei aus marina, mareins aus marinôs entſpringen [vgl.
    unten anm. 16.]. Die ſchwankende flexion ungothi-
    ſcher wörter geſtattet ein ſolches -ei auch dem maſc.
    in dem acc. drakmein Luc. 15, 9. für drakman vom
    nom. drakma, gen, -ins, acc. pl. -ans. Bedenklicher
    wäre der ſchluß von alabalſtraun Luc. 7, 37. und byſ-
    ſaun Luc. 16, 19. auf einen ſchwachen nom. alabal-
    ſtráu, byſſáu, da hier ſteife übertragung des gr. ἀλά-
    βαστρον, βύσσον
    (wie Marc. 10, 51. rabbaunci f. ῥαββονὶ)
    vorzuliegen ſcheint. —
  • 6) alth. bleibt von der flexion nur der gen. pl. -ô übrig
    und entſpricht dem -ô ſtarker form; ich habe ihm
    den bildungsvoc. aſſimiliert angeſetzt, pluomônô, zun-
    kônô, hêrzônô; pluomonô, als gegenſatz zum fem.
    und neutr. wäre beßer, wenigſtens dem goth. blômanê
    gemäßer, zumahl auch im nom. pluomo, acc. pluo-
    mon; nom. pl. pluomon, dat. pl. pluomom (ſt. pluo-
    môm) o dem goth. a parallel ſteht; das -un, obwohl
    F f f 2
    [820]II. allg. vergleichung der declination.
    der älteſten quellen, ſcheint nicht ſo gut; gen. dat ſg.
    -in wie im goth. daß es früher zu -en wird, als an-
    dere i (z. b. palkim, chunni) und gleichen ſchritt mit
    dem -es (für -is, gen ſg.) nimmt, begünſtigt meine
    theorie, umlaute wie nemin, henin blicken nur ſel-
    ten vor und ſchwinden völlig (mittelh. nur: namen,
    kein nemen, wie doch belge, belgen). Im weibl. pa-
    radigma ſ. 626. 628. hätte ich den nom. zunkâ, redjâ
    ſetzen ſollen (wenn ſchon N. -a ſchreibt) theils zu
    treffender ſonderung des këpa von zunkâ, theils we-
    gen des goth. tuggô, da auch viſcâ, këpâ (nom. pl.)
    neben fiſcôs, gibôs gelten. Das û der übrigen caſus
    hat zwar mit recht länge, ſtimmt aber weder zum
    -ônô, -ôm des gen. dat. pl., noch dem -a des nom.
    ſg. Bei dem neutr. ſ. 629. ziehe ich wieder den nom.
    acc. ſg. herzâ vor; man beachte das ſchwanken in
    die ſtarke weibl. flexion.
  • 7) die angelſ. formen laßen ſich vielleicht ſo beſtimmen:
    maſc. -a, -an, -an, -an; -an, -enâ, -um, -an;
    fem. -ê, -ân, -ân, -ân; pl. -ân, -ênâ, -um, -ân;
    neutr. -ê, -an, -an, -ê; -ân, -ênâ, -um, -ân?
    Das -an gen. dat. ſg. maſc. neutr. mag einer alten
    gen. flexion -as angemeßen ſeyn.
  • 8) altn. iſt das auslautende bildungs -n überall abge-
    fallen (ſ. 305.), das inlautende manchmahl geblieben;
    beim maſc. ſtellt ſich der nom. -i ohne umlaut als
    unorg. dar, er lautete wohl früher gleich einzelnen
    ausnahmen, -a (ſ. 661. n° 4.); ſg. fem. endigt muth-
    maßlich: -â, -û, -û, -û; neutr. -â, -a, -a, -â?
    Der pl. maſc. weiſt ſtarke form, die aber weniger
    rückgekehrt, als (mit ausgeſtoßnem bildungs -n) von
    anfang geblieben ſcheint. Das n behielt z. b. gumnâr,
    gumnâ
    , welches vollſtändig mein theoretiſches goth.
    blômanôs, blômanê wäre. Gen. pl. fem. tûngnâ*)
    fügt ſich nicht minder an tuggônô; im nom acc. tûn-
    gûr kann ûr nicht bloße, ſtarke flexion ſeyn, da es
    einen ſtarken nom. pl. -ur oder -ûr gar nicht gibt:
    es iſt verfließung des vocals der bildung mit dem
    conſ. der flexion, des bildungsconſ. n wurde ausge-
    ſtoßen, folglich ſteht tûngûr für tûngonâr, tûngnâr.
    Im pl. neutr. nehme ich hiörtu f. hiörtnu. —
  • 9) ſchließt nach dergleichen annahmen jedes ſchwache
    ſubſt. eine bildungsform in ſich *), kann es folglich
    keine baare wurzel enthalten; ſo darf auch die be-
    deutſamkeit des bildenden -n in anſchlag kommen.
    Es iſt nicht zu verkennen, daß dieſe wörter vorzugs-
    weiſe den begriff von handeln, leben und regſamkeit
    auszudrücken haben, daher häufig zu appellativen von
    menſchen, thieren, bäumen, pflanzen, gliedern des
    leibs dienen.
  • 10) es kann dem bildenden -n ſchon ein oder mehr
    andere bildungsmittel vorhergehen, z. b. die ableitung
    -i (vgl. die zweiten ſchwachen declinationen, als
    vilja, gen. viljins d. h. vil-i-in-s) oder -l, -r (z. b.
    gibla, giblins, d. h. gib-l-in-s) oder ſelbſt ſchon
    -n vgl. das alth. hakano, hakanin (goth. hagana, ha-
    ganins, d. h. hag-an-in-s) miſtina, miſtinûn (d. h.
    miſt-in-ûn) etc. In goth. diminutiven magula, ma-
    vilô iſt die ſchwache form das dritte bildungsmittel
    und der gen. magulins, mavilôns zu zerlegen in
    mag-u-l-in-s, mav-i-l-ôn-s. Dieſe diminutive
    mahnen mich an die beſonderheit mittelh. ſprache,
    neben der üblichen ſchwachen form auf -el oder -ele
    (ſ. 771.) eine ſtarke auf -elîn zuzulaßen; z. b. gleich-
    viel mit etzel, gen. etzeln und durchaus kein anderer
    name iſt etzelìn. etzelînes (klage 358) und ſo wech-
    ſelt in Gudr. und Nib. hetele, hetelen; wërbel, wër-
    beln; ſwëmmel, ſwëmmeln mit hetelîn, hetelînes;
    wërbelîn, -înes; ſollte hier ein nachgefühl des ſchwa-
    chen nom. mit -n walten? ſt. des goth. attila, atti-
    lins ein älteres attilans, attilanis durchſchimmern?
    Mehr davon bei der lehre von den verkleinerungen.
  • 11) es fragt ſich: iſt das in gebliebener ſtarker form gel-
    tende bildungsmittel -an, -in einerlei mit dem prin-
    cip -n (oder -an, -ôn) ſchwacher form? z. b. das
    goth. þiudans, þiudanis (nicht aſſim. þiudinis); himins,
    himinis verglichen mit der ſuppoſition blômans, blô-
    manis, woraus blôma, blômins geworden. Eine be-
    jahende antwort, d. h. annahme verſchiedenes ſchick-
    ſals für urſprünglich gleichartige bildungen, ſtützt
    ſich auf das factum, daß ſich an manchen wörtern
    [822]II. allg. vergleichung der declination.
    beiderlei entwickelung nachweiſen läßt. Das altn.
    ſtarke nafn. nafns; vatn, vatns entſpräche einem goth.
    namn, namnis; vatn, vatnis; lantet aber ſchwach
    namô, namins; vatô, vatins, obgleich der pl. die ano-
    malie namna, vatna wirklich zeigt (ſ. 609.); alth. ent-
    ſpräche waƷan, waƷanes; naman, naman, namanes; für jenes
    gilt die gleichbedeutige ſtarke bildung -ar: waƷar,
    waƷares; für dieſes die ſchwache form: namo, na-
    min. Übertritte können durch einzelne, in beiden
    formen zuſ. treffende caſus, wie den acc. ſg. und pl.
    maſc. (vgl. þiudan mit blôman, d. i. blôm -an) ge-
    bahnt worden ſeyn. Beſonders lehrreich wird die
    vergleichung der ſtarkſchwachen decl. des wortes man-
    na
    (ſ. 610. 611.); der alth. gen. man (ſ. 630.) verhält
    ſich zum goth. mans wie alth. hanin zum goth. hanins.
    Das ſpätere ſchwanken zwiſchen ſtarker und ſchwa-
    cher decl. (ſ. 674. 685) gehört nur halb hierher, da
    die miſchung abgeſchliffener formen, welche keinen
    andern vocal hören laßen, als ein unbetontes e. dem
    früheren ſchweben einzelner wörter, bei vollem und
    wechſelndem vocal, aus form in form nicht gerade
    gleichgilt. Weshalb ich auch die uralte ſonderung
    und feſtſetzung einer deutſchen ſchwachen decl. [ge-
    bührlich ſcheint die benennung, weil das eigentliche
    flexionsprincip geſchwächt, beinahe aufgehoben wird]
    keineswegs unorganiſch heiße, die neuh. verwirrung
    des ſchwachen -en mit dem -en ſtarker bildung
    (ſ. 703. 704.) iſt unorganiſch, da ſie kaum in der ah-
    nung anſänglicher einheit beider grundſätze beruhen
    mag, und nicht allein ſtarke ſubſt. in ſchwache ver-
    wandelt, ſondern auch umgekehrt ſchwache zurück
    in ſtarke. Das letzte iſt wider die natur der ſprache;
    es gibt hier keine rückkehren.
  • 12) für unorganiſch gelten auch einmiſchungen ſchwa-
    cher form in einzelue caſus ſtarker wörter (vgl. anm. 40.
    zur ſtarken decl.) dergleichen die heutige deutſche
    volksſprache noch mehrere darbietet (Schmeller §. 810.
    845.). Und wer möchte die allmählige ausdehnung
    ſchwacher form auf den ganzen pl., die wiedereinwei-
    ſung ſtarker in den ſing. (mittelniederl. ſ. 689. 692;
    neuniederl. 705. 707. 708.) dem urſprung und gang
    unſerer ſprache angemeßen halten? Während das neuh,
    und niederl. durch falſche anwendungen ſchwacher
    flexion die menge gleichtöniger ausgänge -en faſt ins
    übermaß ſteigerte, gieng in der abgeſchliffenen engli-
    [823]II. allg. vergleichung der declination.
    ſchen das princip völlig unter; eine glücklichere hal-
    tung aber behaupteten nordiſche decl.
  • 13) bisher bloß vom ſchwachen ſubſt., an dem adjectiv
    ſcheint die ganze erklärungsweiſe zu ſcheitern. Das
    deutſche adj. hat außer der ihm mit fremden ſpra-
    chen gemeinen eigenſchaft, drei geſchlechter zu ent-
    falten, die (jenen gebrechende) beſondere: jede wur-
    zel, für alle geſchlechter, beides der ſtarken und ſchwa-
    chen form zu unterwerfen. Das ſubſt. fiſks erſtreckt
    ſich nicht über die eine männl. decl.; im gegentheil
    das adj. blind bringt es zu ſechſen: blinds, blinda,
    blindata; blinda, blindô, blindô.
  • 14) die adjectiviſche ſchwache decl. iſt nun der ſubſt.
    ſchwachen gänzlich gleich, müſte ſich folglich ebenſo
    entwickeln laßen. Wie aber vermag das zu geſche-
    hen, da die adj. ſtarke flexion von der ſubſtantiviſchen
    abweicht? Wie könnte aus blindáizôs ein blindôns,
    aus blindamma blindin, aus blindái blindans, aus blin-
    dáizê blindanê durch bloße einwirkung des bilden-
    den -n erklärt werden? Es bleibt kein andrer aus-
    weg, als: die ſchwache form des adjectivs erſcheint,
    wenn ſchon in uralter zeit, bis wohin unſere quel-
    len längſt nicht mehr reichen, vorhanden, dennoch
    der mangelhafteren ſubſtantivdeclination nachgeahmt,
    alſo gewiſſermaßen unurſprünglich; ſie ſcheint wenig-
    ſtens zuerſt auf eine reihe von adj. beſchränkt, zu-
    letzt typus für alle geworden. Für dieſe anſicht
    ſpricht theils der abgang einer ſo allgemeinen doppel-
    form in verwandten älteren ſprachen, theils die häu-
    fig unverkennbare ſubſtantiviſche conſtruction und be-
    deutſamkeit des ſchwachen adjectivs. Daher ſich die
    wahre adj. flexion ïbns, ïbnis, ïbnaizôs etc. von blinda,
    blindins, blindôns durchaus entfernt, obgleich in
    beiden die bildung -n regſam war.
  • 15) nachdem ſich die geſchwächte form einmahl indivi-
    duell geſetzt und den ſchein wirklicher flexion ange-
    nommen hatte, folgten viele ſubſt. und adj. der ana-
    logie und die maſſe wuchs durch ſich ſelbſt. Denn
    die anzahl ſchwach flectierter wörter iſt ſchon im
    goth. und alth. anſehnlich und nimmt mehr raum ein,
    als ſonſt dem bloßen bildungsmittel -n zugeſtanden
    werden dürfte.
  • 16) die beſchränkung des comparativs auf ſchwache decl.
    darf hierbei nicht überſehen werden; das mittel der
    [824]II. allg. vergleichung der declination.
    comparation tritt zwiſchen wurzel und ſchwache bil-
    dung: blindôza, blindôzins = blind-ôz-a (für blind-
    ôz-an-s) blind-ôz-in-is, während das -n in ïb-
    n-ôz-a, ïb-n-ôz-in-is vor dem -ôz ſtehet; war-
    um das fem. -ôzei, -izei laute und nicht -ôzô, -izô
    (oben ſ. 757.)? bleibt ſchwer zu ergründen, vgl. die
    fünfte anm.
  • 17) einzelne, wenige ſpuren ſchwacher flexion hat das
    pronomen, die wegen ihres hohen alters merkwürdig
    ſind. Der nom. ſg. maſc. fem. des goth. demonſtr. ſa,
    ſtimmt zu blinda, blindô; ſollte der acc. fem. þô
    für þôn, der pl. neutr. þô für þôna ſtehen, denn der
    ſtarken form wäre in beiden fällen nur þa gemäß?
    Ließe ferner das interrog. hvas, neben dem analogen
    fem. hvô, auf ein älteres ſas ſtatt ſa ſchließen, ſo
    könnten beide für ein älteres blindas ſtreiten (anm. 2.).
    Doch weder im angelſ. ſtimmt ſe, ſëó (nicht ſa, ſe) zu
    blinda, blinde, noch im altn. ſâ; ſù (nicht ſi, ſa) zu
    blindi, blinda; dieſe caſus, ohnehin andern ſtamms,
    als die übrigen, mochten ſich frühe verdunkelt ha-
    ben. Auch der alleinſtehende gen. ſg. maſc. þeſſa vom
    nom. þeſſi ist hier nicht beſonders wichtig; bei der
    bildung der pron. werde ich mehr davon ſagen.
  • 18) von vocativ und inſtr. keine ſpur bei der ſchwachen
    flexion, welches ihre größere ſtumpfheit bezeugt. Da
    wo dieſe caſus erforderlich ſind, ſteht für erſtern über-
    all der nom., für letztern der dat., bei ſubſt. ſowohl
    als adj.
  • 19) die aus mehr als einer urſache nöthige vergleichung
    der ſchwachen form mit dem ſuffigierten artikel kann
    erſt nach abhandlung dieſer lehre (im vierten buch)
    klar gemacht werden.

III. vergleichung fremder ſprachen.

  • 1) alle urverwandten erkennen die ſ. 801. aufgeſtellten
    regeln a. b. (nicht immer c. d.).
  • 2) zum goth. nom. maſc. -s ſtimmt das ſanſkr. -s oder
    -h (welche beide ſpiranten vorkommen) als: ſah (is)
    jah (qui) eſchah (iſte) ambaras (lat. imber, gr. ὄμβρος)
    dantah (dens) anjah (alius) navah (novus) fällt aber
    beim ſubſt. öfter, beim adj. zuweilen weg, z. b.
    pitâ ſt. pitarch (pater) ſarmâ (felix) — das gr. -s,
    vgl. ὄς (qui) ἐκεῖνος (ille) ὀδοὺς (für ὀδοντς) γέρα-
    νος
    (grus) ἄλλος (alius) νέος und erfährt gleichfalls apo-
    [825]II. allg. vergleichung der declination.
    cope in πατὴρ, τέρην (tener) etc. — das lat. -s, vgl. is,
    quis, dens (ſt. dents) alius, deus, novus; abfallend z. b.
    in pater, homo, liber etc. — das litth. -s, wie: tas (is)
    ſzis (hic. das goth. his ſ. 794.) diewas (Deus) dantis
    (dens) géras (bonus) ſzaltas (gelidus); abfallend nur im
    ſubſt. z. b. piemuͤ (opilio) — die ſlaviſche ſprache wirft
    es allenthalben fort. — Auf ein früheres allgemein deut-
    ſches -s, ſtatt des alth. und nord. -r, deuten ſelbſt ein-
    zelne wörter, in welchen -s fortdauerte, weil es in die
    wurzel wuchs, wenigſtens ſcheint mir vëlis, vëliſes;
    hals, halſes aus fils, filis; hals, halis entſprungen,
    wenn ich πέλα, πέλλα (maced. für φέλα, φέλλα) col-
    lum und das altn. fiall gen. fialls erwäge, obgleich
    hals ſchon im goth. den gen. halſis macht.
  • 3) nom. ſg. fem. (ſanfter vocalauslaut): ſanſkr. jâ (quae)
    ſâ (ea) eſchâ (iſta) anjâ (alia) tavâ (tua) ſutâvira (fi-
    lia) — griech. (quae) ἐκείνη (illa) ἄλλη (alia) μοῦσα
    (muſa) τιμή (honor) — lat. ea, quae, alia, nova, muſa,
    dea. — litth. tà (ea) ſzi (haec) tawa (tua) géra (bona)
    rankà (manus).
  • 4) nom. ſg. neutr.; hier findet ſich das dem goth. t
    in -ata, alth. Ʒ in -aƷ entſprechende d (oben
    ſ. 586.) merkwürdig im ſanſkr. pronomen, vgl. jad
    (quod) tad (id) etad (iſtud) kad (quid, interrog.) in
    den lat. formen: quod, id, quid, illud, iſtud, aliud iſt
    auch dieſes d keineswegs paragogiſch, ſondern urform;
    die Griechen in ὅ, τό, ἐκεῖνο, ἄλλο etc. haben es abge-
    legt, wie ſie überhaupt dieſen conſ. nicht im auslaute
    leiden. Da nun im ſanſkr. neben dem interr. kad
    ein relat. kim; im lat. neben jenen formen auch ſchon
    ipſum (nicht ipſud) gilt, läßt ſich muthmaßen, daß
    die lat. adj. endung -um (bonum, magnum) gleich-
    falls früher -ud gelautet habe, nicht anders urtheile
    ich von der griech. flexion -ον (für ομ) καλόν, νέον
    und der ſanſkrit. -am: navam (novum) etc. Offenbar
    blieb unſer durch alle adj. gehendes -ata, -aƷ dem
    alterthum getreuer, während jene ſprachen den acc.
    maſc. -am, -um, -ον auf den acc. (folglich nom.)
    neutr. anwendeten, etwa wie beim deutſchen ſubſt.
    dieſe caſus gleichſtehen (d. h. ohne flexion, vgl. fiſk
    mit vaúrd) woher ſich auch das häufige ſchwanken
    zwiſchen männl. und neutr. geſchl. begreift (z. b.
    ζυγὸν und ζυγὸς; ἅλς und ſal). Dafür behauptete ſich
    im lat. und griech. ſubſt. neutr. die parallele endung:
    jugum, aevum, ovum, malum; ζυγὸν, ὀὼν, μῆλον;
    [826]II. allg. vergleichung der declination.
    wodurch das vorhin ſ. 808. auch fürs deutſche ſubſt.
    geſchloßene -ata, -aƷ beſtärkt wird, alſo ein goth.
    jukata f. juk, ein alth. eigaƷ f. ei. Und wäre dieſe
    neutrale flexion vielleicht in einzelnen wörtern nach-
    zuweiſen, in denen ſie allmählich erhartete, d. h.
    ſich zur wurzel ſchlug? ſollte nicht unſer ſalz, holz
    auf ein früheres ſalaƷ, holaƷ denten [vgl. oben ſ. 808.
    n° 20, a], der gen. ſalzes, holzes eigentlich ſales, ho-
    les geweſen ſeyn? Man müſte alle analogie des gr.
    und lat. ἅλς, ἁλος; ſal, ſalis; ὕλη, ſilva verkennen;
    wer weiß aber, aus wie früher zeit ſolche verſteine.
    rungen rühren! jenes alth. ſalaƷ oder ein goth. ſalata,
    gen. ſalis (ſo wie die n° 2. vermutheten fils, filis;
    hals, halis) ſollen hier nur erläutern.
  • 5) gen. ſg. maſc. neutr. — kennzeichen gleichfalls ſ,
    welches aber in der zweiten lat. und gr. decl. für
    ſubſt. und adj. abgeworfen iſt; im litth. werfen es
    die meiſten decl. ab. Das ſanſkr. pron. hat kaſja
    (cujus) aſja (ejus) taſja (hujus) ſarmanas (felicis); das
    lat. ejus, hujus, cujus, illius etc.; das griech. und
    litth. ohne -s; τοῦ, οὗ; jojo, ſzio, to etc.
  • 6) dat. ſg. maſc. neutr. — hier ſcheint über das goth.
    mm ſtatt des ſpätern m aufklärend, daß das ſauſkr,
    pron. taſmai dem goth. þamma antwortet (wie ἐσμί =
    εἰμί dem dor. ἐμμί vgl. annals of orient. lit. p. 16.);
    ebenſo heißt kaſmai (cui) goth. hvamma; aſmai (ei-
    dem). Einfaches m wäre auch, als urſprüngliches zei-
    chen des acc, für den dat. unſchicklich; erſt nach-
    dem der deutſche acc. n angenommen, konnte ſich m
    dem dat. eignen. Sanſkr. ſubſt. und adj. zeigen kein
    ſm, bloßen vocal z. b. pitarê (patri) ſarmanê felici).
    Weder im lat. noch lgr. hat dieſer caſus irgendwo
    ein m, überall bloßen vocal (bei pron. adj. und
    ſubſt.) oder man müſte das altlat. ſogenannt para-
    gogiſche -d (Schneider 260. 261.) wegen ſeiner be-
    rührung mit -m (vgl. vorhin unter 4. aliud = alium)
    anſchlagen dürfen. Die litth. ſprache beſitzt gleich
    der deutſchen das dative m im pron. und adj. vgl.
    ſziám (huic) jamjam (ei) tam (ei) gerám (bono) me-
    dinnám (ſilveſtri), aber auch nicht mehr im ſubſt.;
    einſtimmend zeigen die ſlav. ſprachen -m im dat.
    pron. und adj., nicht ſubſt.
  • 7) acc. ſg. maſc. — dem deutſchen -n begegnet das
    griech. , herrſcht aber nicht nur in pron. und adj.,
    [827]II. allg. vergleichung der declination.
    ſondern auch im ſubſt. vgl. τόν, καλόν, λόγον. Beide
    führen auf ein älteres -m, welches ſich im ſanſkr.
    und lat. darlegt, vgl. tam (eum) imam (eundem) etam
    (iſtum) ſarmânam (felicem) pitaram (patrem) râmam (Ra-
    manem); eum, illum, bonum, hilarem, avum, patrem.
    Der litth. accuſ. endigt durchweg auf einen geſtrichenen
    vocal, der gerade das weggefallene n bedeutet (Mielcke
    §. 9. I, 6.). Alles beſtätigt meine vermuthung eines frü-
    heren ausgangs deutſcher ſubſt. auf -n, parallel den
    adj. und pron.
  • 8) gen. ſg. f. — kennzeichen ſ. doch mit häufigem ab-
    fall, z. b. in der lat. erſten decl. ſubſt. und adj. men-
    ſae, bonae, wo es im gr. bleibt: μούσης, καλῆς, und
    und im pron. τῆς, ἧς; ebenſo im litth. ſubſt. adj. und
    pron. rankôs (manus) gérôs (bonae) joſês, ſziôs, tôs,
    alſo gerade in den ſprachen, die das männl. gen. -s ab-
    legen. Dieſer ſtärkere haft des weibl. ſ mag mit dem
    doppelten goth. ſ zuſ. hängen; die ſanſkr. weibl. pro-
    nominal formen taſiâh (hujus) kaſjàh (cujus) aſjâh
    (ejusdem) ſtimmen zum goth. þizôs, ïzôs, hvizôs, ſ
    iſt auslautend zu h geworden.
  • 9) dat. ſg f. — keine fremde ſprache gewährt ſ, alle
    haben bloße vocalflexion.
  • 10) acc ſg. f. — kennzeichen m, wie beim maſc. nur
    mit vorausſtehendem langen vocal; ſauſkr. tàm (eam)
    imâm (eandem) etâm (iſtam); gr. τήν, ἥν; lat. eam,
    illam, iſtam und gleicherweiſe in adj. und ſubſt. κα-
    λήν, μοῦσαν
    ; bonam, menſam. Im litth. durchgehends
    geſtrichener voc. wie beim maſc. Alle deutſchen
    mundarten werfen dies kennzeichen weg und ein gi-
    ban, blindan müſte in ſehr frühe zeit fallen.
  • 11) pl. nom. m. — meiſt vocaliſch ausgehend, vgl. ſanſkr.
    imê (iidem) gr. οἱ, οἵ; lat. ii, illi, iſti, hi, qui; litth.
    tie, ſzie, und ebenſo die adj. und ſubſt. καλοί, λόγοι;
    boni, viri; geri (boni) ponai (domini); doch hat ſich
    in einigen decl. ſ erhalten, vgl. ſanſkr. ſarmânas (fe-
    lices) μέλανες, μῆνες; felices, menſes, currus; ſzwie-
    ſus (lucidi) waiſus (fructus).
  • 12) acc. pl. m. — kennz. ſanſkr. -n (wo der nom. -ê
    hatte) vermuthlich mit apocope eines h oder ſ: imân
    (eosdem) lôkân (mundos) ſutân (filios); umgekehrt mag
    vor dem gr. lat. litth. -s das n ſyncopiert ſeyn: τούς,
    οὕς, καλούς, λόγους, θήρας
    ; eos, illos, quos, hos, bonos,
    viros, breves, menſes, currus (vor s fiel häufig n aus,
    [828]II. allg. vergleichung der declination.
    vgl. toties, totiens; praegnas, praegnans; Schn. 456-
    63.); litth. tus, ſzus, gerùs (bonos) ſzwieſùs (lucidos)
    ponùs (dominos) waiſùs (fructus).
  • 13) nom. pl. f. — kennz. theils ſ, als: ſanſkr. imâh
    (eaedem) lat. breves, res, noctes; litth. tos, ſzios,
    géros (bonae) zwieſos (lucidae) rankos (manus) —
    theils vocal: αἱ, αἵ, καλαί, μοῦσαι; hae, eae, illae,
    bonae, menſae.
  • 14) acc. pl. f. — kennz. ſ: ſanſkr. imâh (easdem); τάς,
    ἅς, καλάς, μούσας
    ; eas, has, quas, bonas, menſas;
    litth. tas, ſzes, ſzwieſes, geras, rankas.
  • 15) nom. acc. pl. neutr. wie nom. ſg. f. vocaliſch, doch
    oft ohne genaue einſtimmung: τά, ἅ, καλά, σῦκα; ea,
    illa, bona, ſcamna, brevia, maria.
  • 16) gen. pl. comm. — kennz. α) -ſam, -ſum, -rum;
    ſanſkr. nur beim pron. keſhâm (quorum) eſhâm (eo-
    rundem) eteſhâm (iſtorum) kaſàm (quarum) etaſâm
    (iſtarum) aſâm (earundem); lat. ausgedehnter bei pron.
    adj. ſubſt. quorum, eorum, horum, illorum, bonorum,
    virorum, dierum; quarum, earum, bonarum, menſa-
    rum; vermuthlich früher -oſum, -aſum ſt. -orum,
    -arum; andere ſprachen ohne ſpur des ſ oder r; aus
    dem lat. darf man ſchließen, daß ſowohl im ſanſkr.
    adj. und ſubſt. ältere den pronominalen analoge flexio-
    nen galten, als auch im deutſch. ſubſt. ſolche, die
    dem pron und adj. glichen (ſ. 808.) ferner, daß dem
    deutſchen -zê, -zô, -rô hinten ein m oder n abge-
    ſchnitten iſt. — β) mit ausgeſtoßnem ſ oder r ein
    bloßes -âm, -um; ſo wie im ſanſkr. adj. und ſubſt.
    z. b. dêvânâm (deorum) apâm (aquarum) ſarmanâm
    (felicium); in der lat. dritten und vierten, ausnahms-
    weiſe der erſten und zweiten -um ſtatt -arum, -orum
    (Schn. formenl. p. 24. 69.); griech. überall -ων, bei
    pron. adj. ſubſt.; litth. überall -û, offenbar mit abge-
    legtem m. Alſo könnte zwar im goth. die alte form
    fiſkaizêm, gibôzôm ſtufenweiſe verſunken ſeyn, erſt
    zu fiſkáizê, gibôzô, oder zu fiſkêm, gibôm, endlich
    zu fiſkê, gibô doch ein wie hohes alter muß man
    ſchon für fiſkêm, gibôm vorausſetzen. wenn ſelbſt in-
    diſche und griech. gen. auf keiner andern ſtufe ſtehen!
  • 17) dat. pl. comm. — kennz. α) -bhjah, -bus, -ms;
    ſauſkr. ebhjah (eisdem) ſarmabhjas (felicibus); lat. nur
    im pron. nobis, vobis, quibus; in adj. dritter decl.
    brevibus und den zahlw. duobus, -abus, ambobus,
    [829]II. allg. vergleichung der declination.
    -abus; in ſubſt. der drei letzten: menſibus, artubus,
    diebus; ausnahmsweiſe in erſter: filiabus etc. (Schn.
    p. 25 ſqq.) was auf ein filiobus zweiter hinweiſt; et-
    wan entſprang oloes f. illis (Schn. p. 74.) aus oloe-
    bus? Litth. pron. und adj. -ms; ſubſt. bloßes -m,
    ein früherdeutſches -ms, -mr (ſ. 808.) beſtätigend;
    man halte das altn. þrimr, litth. trims zum lat. tri-
    bus, da aus habêm (habeo) habên (habere) hân, aus
    -ben im volksmunde häufig -bm, em wird (Schmel-
    ler §. 408. 550. 576.). Die deutſche und litth. ſprache
    warfen von ms = bs das ſ fort, andere — β) umge-
    kehrt den vordern conſ. und behielten -s [gerade wie
    beim gen. pl. aus der vollen form die dentſche das
    vordere r, die griech. das hintere ν behielt]: die lat.
    pron. his, eis, illis, iſtis ſt. hibus etc. zuweilen quîs
    f. quibus; adj. und ſubſt. erſter und zw. decl.; die gr.
    pron. adj. ſubſt. durchgängig -s, in dritter decl. -σι,
    σιν
    , (? für -νς, νσι) z. b. τρισί (tribus). —
  • 18) dieſe für unſern zweck ganz obenhin angeſtellte ver-
    gleichung erbringt, daß in allen ſprachen deſſelben
    urſtamms, wie in der deutſchen, nur ein conſonanti-
    ſcher typus für die geſammte decl walte, einzelne
    abgewichene oder erſtumpfte flexionen aber ebenſo
    auf vollendetere frühere zurückgeleitet werden dürfen.
    Das lat. his z. b. auf hibus; bonis auf bonobus, bo-
    nabus; der gen. boni, atri auf bonius, atrius (vgl.
    alius, ſolius, neutrius etc.); der nom. boni auf bo-
    noes, bonos; der acc. bonôs auf bonons, currus auf
    curruns, der gen. pl. ducum, legum auf ducerum,
    legerum (altlat. wirklich boverum, joverum, lapide-
    rum, regerum, nucerum; Schneider p. 171, obſchon
    einſchaltung eines bildungs -er im ganzen worte denk-
    bar wäre, boveres ſt. boves, wie ſich ſueres f. ſues
    auch findet; man vgl. das alth. hrindir, ſuînir) etc.
    Individuelle gewähr leiſten ſolche vermuthungen un-
    möglich (oben ſ. 808. 826.); in der wirklichkeit hat ſich
    keine ſprache weder vollſtändig noch regelrecht ent-
    faltet, und wahrſcheinlich werden theoretiſche bil-
    dungen nur durch hiſtoriſchen erweis langſamer
    übergänge.
  • 19) unterſchiede der geſchlechter *) und declinationen
    gründen ſich auf den vocal. α) vergleichbar dem
    [830]II. allg. vergleichung der declination.
    goth. ê maſc. neutr. und ô fem. iſt z b. das lat. o
    maſc. neutr. und a fem (mehreres in der lehre vom
    geſchlecht). — β) unterſuchung der ableitungsvocale
    -i, -u gehört in die bildungslehre; in der regel ge-
    ſtaltet fich jede ſprache auf eigne hand und es iſt ſel-
    ten, daß zu genau ſtimmender wurzel das geſchlecht,
    noch ſeltner bildung und ableitung ſtimme. Das ab-
    leitungs -i der deutſchen zweiten decl. entſpricht
    ganz dem -i, -e der lat. dritten; communis, com-
    mune dem alth. kimeinêr, kimeini; mare, gen. maris
    dem alth. meri, meres. Treffend vergleichen ſich
    kalds, kaldis, kaldamma, kaldana; litth, ſzaltas, ſzalto,
    ſzaltam, ſzalta (das a geſtrichen); lat. gelidus, gelidi,
    gelido, gelidum; nicht minder mikils, mikilis, mi-
    kilamma. mikilana dem gr. μέγα[λο]ς, μεγάλου, μεγά-
    λῳ, μέγα
    [λο]ν. Die -u der deutſchen dritten bat man
    in der lat. vierten, in der gr. dritten zu ſuchen, aber
    das lat. cornu geht im deutſchen horn nach erſter;
    faíhu und πῶϋ ſtimmen, auch πολύς zu einem veral-
    teten goth. filus. Aus der litth. vierten trifft ganz
    nahe zur goth. dritten: ſunus (filius) ſunaus, ſunui,
    ſunu (das u geſtrichen) voc. ſunau, inſtr. ſunumi; pl.
    ſunus, ſunû, ſunums, ſunùs; bei ſo großer überein-
    kunft darf man aus dem litth. adj. vierter, z. b. tam-
    ſus (obſcurus) tamſaus, tamſam, tamſu (geſtrichen)
    voc. tamſus; pl. tamſus, tamſû, tamſiems, tamſùs bei-
    nahe folgern, daß þaúrſus zwar den gen. þaúrſáus,
    den dat. ſg. aber þaúrſjamma, dat. pl. þaúrljáim bil-
    den werde.
  • 20) die geſtalt des perſ. ungeſchl. pron. iſt [unleugbar]
    ähnlich; ſanſkr. nom. aham, tvam; woraus ein frü-
    heres deutſches ïkam, þuam (þvam) zu folgern? ſchwe-
    rer weiß ich den acc. mâm (? für ahamam) tvâm (für
    *)
    [831]II. allg. vergleichung der declination.
    tuam) mit mik, þuk zu einigen. gr. ἐγώ, σύ; acc. ἐμέ
    (με) σέ, lat. ego, tu; me, te; litth. aſz (ſz vertritt
    den kehllaut, oben ſ. 592.) tù; acc mane (e geſtr.) tawe
    (e geſtr.); ſlav. ſprachen nom ja, ti; acc. mene, tebe. —
    gen. lat. mei, tui; gr. ἐμοῦ, σοῦ; litth. manes, tawes (in
    beiden geſtr. e, alſo für manens tawens? ; ſlav. meiſt
    (nicht in allen mundarten) wie der acc. — dat. lat.
    mihi, tibi (ſanſkr. tubhja); gr. ἐμοί, σοί; litth. mán,
    táw; alle abweichend von der deutſchen endung ſ,
    r. — pl. nom ἡμεῖς, ὑμεῖς; nos, vos; litth. més (ſamo-
    git wyſy) jùs; ſlav. mi, vi; dem deutſchen veis das
    ſanſkr. vajam (nos) näher. — acc. ἡμᾶς, ὑμᾶς; nos.
    vos; litth. mùs, jùs; ſlav. nas, vas — gen. ἡμων, ὑμων;
    noſtrum, veſtrum; litth. múſù, júſû; ſlav. naſ, vaſ —
    dat. ἡμῖν, ὑμῖν (? f. ἡμινσι); nobis, vobis. — Die dritte
    perſ. mangelt des nom.; acc. gr. ; lat. ſe, litth. ſawe
    (geſtr.); gen. οὗ, lat. ſui, litth. ſawes (e geſtr.); dat. οἷ,
    ſibi ſáw, welche caſus zugleich den pl. vertreten, außer
    im gr., wo ein pl. σφεῖς, σφῶν, σφίσι, σφᾶς vor-
    kommt. — Dualform gilt nur in beiden erſten perſ.
    gr. nom. acc. νῶϊ, σφῶϊ; gen. dat. νῶϊν, σφῶϊν; —
    litth. nom. muddu (zuweilen wedu) fem. mudwi;
    judu. fem. judwi; acc. muddu, judu (u geſtr.); gen.
    mumû, jumû; dat. mum, jum; — ſlav. (in krain.
    dial.) nom. ma, va; gen. acc. naj, vaj; dat. nama,
    vama. — Von allen abweichungen oder ähnlichkeiten
    dieſer formen mit den deutſchen begnüge ich mich
    hier eine gewiſſe analogie zwiſchen σφίσι und ïzvis
    anzumerken, um ſo mehr als auch im deutſch. berüh-
    rung des pl. zweiter perſ. mit dem geſchl. pron.
    dritter perſ. einzutreten ſcheint.
  • 21) den dualis hat die lat. nicht einmahl im pron. er-
    halten; die gr. und litth. behaupten ihn außer dem
    pron. auch bei adj. und ſubſt.; das ſanſkrit überall.
    Da er dem deutſchen adj. und ſubſt. mangelt, gehört
    keine vergleichung der flexionen hierher.
  • 22) den vocativ pl hält die gr. und lat. ſprache ſtets
    dem nom. gleich; der voc. ſg. ſcheidet ſich aber in
    der zweiten lat. und gr. decl. adj. ſowohl als ſubſt.
    durch eine eigne flexion von dem nom. In den übri-
    gen lat. decl. begegnen ſich wieder beide caſus; nicht
    jederzeit in der gr. dritten (Buttm. §. 45.). Der litth.
    voc. gleicht in pl. und dual. dem nom., ebenſo im
    ſg. des adj., nicht aber durchgängig des ſubſt., welche
    [832]II. allg. vergleichung der declination.
    unterſcheidung zwiſchen adj. und ſubſt. zu der goth.
    ſtimmt, während im lat. und gr. adj. wie ſubſt. dem-
    ſelben princip folgen.
  • 23) im ſanſkr. und litth. haben dat. abl. und inſtr. jeder
    ſeine eigenthümliche flexion; im griech. wie den mei-
    ſten deutſchen mundarten zeigt ſich für dieſe drei
    bloß der einzige dat. Auch im lat. pl. insgemein, ſo
    wie im ſg. zweiter decl., doch die andern decl. flec-
    tieren den abl. ſg. meiſtens verſchieden vom dat. —
  • 24) wie läßt ſich die deutſche ſchwache form in den
    fremden ſprachen nachweiſen? ich glaube folgender-
    geſtalt: auch in ihnen allen iſt das bildungsprincip -n
    rege, hat ſich aber nirgends ſo weit, daß es die ei-
    gentliche flexion verdrängt hätte, erhoben. Gleich-
    wohl erſcheint darin bedeutſame analogie mit deut-
    ſcher ſprache, daß der nom. ſolcher bildungen ſich
    des -n (mit ihm des -s der flexion) zu entſchlagen
    pflegt, folglich wenn man von ihm ausgeht, die in
    den übrigen caſus vorbrechende blldung allerdings
    ſchein wirklicher flexion gewinnt. Die folgenden bei-
    ſpiele gemahnen an die alth. anomalien heilî, pl. hei-
    linâ und fugelî, fugelines (ſ. 631.); für meine erklä-
    rung der ſchwachen flexion werden ſie deſto tref-
    fender beweiſen, wenn ſie ſogar in wurzeln über-
    einkommen. (lat. ſubſt.) α) mit apocope des n im
    nom.; homo, hominis (früher homonis) völlig das
    goth. ſchwache guma, gumins; draco, draconis; leo,
    leonis; ordo, ordinis; carbo, carbonis; ſermo, ſer-
    monis etc. — β) mit bleibendem -n: nomen, no-
    minis (das goth. nama, namins) ſemen, ſeminis (alth.
    ſâmo, ſâmin) carmen, carminis; flamen, flaminis; lien,
    lênis etc. — (gr. ſubſt.) α) mit bleibendem : εἰκών,
    εἰκόνος
    (vgl. manleika, -leikins) αἰών, αἰῶνος; λιμήν,
    λιμένος
    ; ποιμήν, ποιμένος (? goth. faíhumanna, alth. vi-
    human) μόσυν, μόσυνος. — β) mit ſyncopiertem ν:ῥὶς,
    ῥινός
    ; κτείς, κτενός; ἀκτίς, ἀκτῖνος (ſt. ῥίνς, κτείνς, ἀκ-
    τίνς
    ). — (griech. adj.) α) mit behaltnem ν: πέπων, πέ-
    πονος
    : ἄρσην, αρσενος. — β) mit ſyncope des ν: μέλας,
    μέλανος
    ; τάλας, τάλανος; der nom. ſtehet für μέλανς,
    τάλανς
    , im fem. und neutr. ohne ſyncope: μέλαινα,
    μέλαν
    ; vielleicht auch das pron. τίς, τίνος für τίνς? —
    (litth. ſubſt.) mit apocope des -ns: piemů, piemenio
    (obiges ποιμήν) mienů, mienenio (ganz das goth. mêna
    mênins) wiewohl der ungebräuchliche gen. durch die
    andere form mieneſio erſetzt wird; momů, momenio
    [833]II. allg. vergleichung der declination.
    (vertex) wandů, wandenio (goth. vato, vatins; das
    der wurzel eingeſchobne n gleicht dem dän. vand);
    der pl. zmones von zmogus ist ganz das lat. homi-
    nes, und verlangt einen verlorenen ſg zmů. — (ſlav.
    ſubſt.
    ) ich führe aus krain. mundart an: ſéme, ſé-
    mena (alth. ſâmo, ſâmin) téme, témena (vertex) víme,
    vímena (uber) imé, imena (alth. namo, namin) brème,
    breména (onus) plème, pleména (fetura) — (ſanſk.
    ſubſt.
    ) mit apocope des n: die neutra nama, nama-
    nas (goth. nama, namins) karma, karmanas (factum,
    ganz obiges lat. carmen); ebenſo fügen die maſc.
    dantî, haſtî, karî (namen des elephanten) im obliquen
    caſus -n ein. (ſanſk. adj.) auch mit apocope: ſarma
    (felix) gen. ſarmanas; mâni (honeſtus) acc. mâninam.
  • 25) gleich dem n fallen in fremden ſprachen verſchie-
    dentlich andere bildungsconſonanten aus, namentlich
    t und r. — im griech. wird jenes α) ſyncopiert; τέ-
    ρας, τέρατος
    ; χάρις, χάριτος und im adj. ἀργής, ἀργῆ-
    τος
    ; alſo für τέρατς, χάριτς, ἀργῆτς β) apocopiert in
    den neutris: σῶμα, σώματος; ebenſo δῶμα, αἷμα, ἅρμα etc.
    ferner: μέλι, μέλιτος, ſtatt: σῶματ, δῶματ, μέλιτ
    im lat. erfolgt α) ſyncope: anas, anatis; aetas, aeta-
    tis; ſalus, ſalutis etc. (vgl. die deutſchen bildungen
    -iþa, alth. -ida und wörtlich ſalus mit ſâlida).
    β) keine apocope, es heißt caput, capitis (wie háu-
    biþ, háubidis) — im ſlav. apocope bei folgenden neutr.
    tèle, teléta (vitulus) deklè, dekléta (puella) déte, dé-
    teta (infans) ſhebè, ſhebéta (pullus) u. a. ſämmtlich
    diminutiven lebendiger weſen (alth. junkidi, pullus;
    hemidi induſium etc.) — im litth. apocope des r:
    moté, moterîês (femina) dukté, dukteriês (filia) vgl.
    θυγάτηρ, daúhtar; im ſlav. des ſ: drevó, dreveſa
    (arbor) koló, koléſa (rota) teló, teléſa (corpus) okó,
    ozhèſa (oculus) vuhó, vuſhéſa (auris) nebó, nebéſa
    (coelum) etc. — von der ſyncope des gr. λ wurde
    vorhin anm. 20. das beiſpiel μέγας angeführt.
  • 26) ſelbſt der wechſel ſolcher bildungsbuchſtaben ver-
    dient berückſichtigung; ſteht das goth. áugô für áu-
    gôn, das krain. okó für okos, ſo finden wir im lat.
    die unverſehrte bildung 1: oculus. Unſer alth. wa-
    Ʒar iſt ganz das gr. ὕδωρ, lat. udor, udoris; das goth.
    vatô ſetzt ein vatôn, der gr. gen. ὕδατος ein ὕδατ
    voraus; mithin dreierlei ausbildung derſelben wurzel.

G g g
[834]II. allg. vergleichung der declination.
IV. Bedeutung der caſusflexion.

geht man von dem gedanken aus, die anfängliche flexion
werde dasjenige von innen enthalten haben, womit ſich
die ſpätere ſprache von außen behilft; ſo ſcheinen prae-
poſitionen und pronomen als ſuffixe, mittelſt welcher
ſich caſusverhältniſſe an der wurzel entwickeln, in be-
tracht zu kommen. Nothwendigkeit liegt doch keine
hierunter, weil umſchreibung zwar der ſache ſelbſt ana-
log, nicht identiſch zu ſeyn braucht. — 1) praepoſitionen
ſehen wir auf das verhältnis des gen. dat. acc. abl.
eingeſchränkt; einen dieſer caſus fordern ſie weſentlich;
ſollen ſie folglich auf die formation derſelben angewandt
werden, ſo hat man ſie nicht als eigentliche praepoſitio-
nen, ſondern als bloße der wurzel angehängte partikeln
anzuſehen. Dergleichen urpartikeln unternehme ich
nicht, aus irgend einer deutſchen ſprache nachzuweiſen.
Wären ſie nachweiſlich, ſie würden weder den nom. und
voc. (welchem letztern das ſuffix einer interj. zukäme) noch
die modificationen der zwei- und mehrzahl erklären.
Das ſ (r) des nom. maſc., der vocal des nom. f. und
pl. neutr., das t (Ʒ) des nom. ſg. neutr. find von par-
tikeln unabhängig; nicht weniger iſt es das im pl. wal-
tende und wenigſtens im dat. und acc. den merkmah-
len des ſg hinzutretende ſ (r). 2) fragt es ſich: ob das
geſchl. perſ. pronomen (werde es nun mit ſeinen flexio-
nen ſelbſt erklärt oder als etwas unbegriffenes aufgeſtellt)
allen übrigen declinierenden wörtern als ſuffix einver-
leibt ſey? ſo daß z. b. fiſks: fiſk -is (er fiſch) blinds:
blind -is (er blind) blindamma: blind -imma (blind ihm)
bedente? etc. Die annahme führt, wie man ſieht, kei-
nen ſchritt weiter; geboten wäre ſie bloß, wenn die
individuelle geſtalt jenes pron. in den flexionen der übri-
gen wörter deutlich vorträte und der begriff ſelbſt eine
veränderung empfienge. Offenbar aber wird in blin-
damma, geſetzt es ſtünde für blind-imma, die wurzel
blind nicht anders beſtimmt, als die wurzel i in ïmma
und die eigenthümlichen formen des pron. treten ge-
rade zurück. Namentlich mangelt das ſ des nom. fem.
ſi, alth. ſiu; es heißt blinda, plintu nicht blindü, plint-
ſiu. Das alth. demonſtr. dërêr, diſiu verräth eine ganz
andere zuſ. ſetzung (aus dër -ër, diu -ſiu), nach jener
anſicht wäre ſchon dër = d-ër, folglich dërêr = d -ër
-ër. Will man dem ſiu ſelbſt ſein alter ableugnen, und
ein früheres iu (goth. ija) behaupten, ſo ſchwindet da-
[835]II. von der conjugation im allgemeinen.
mit wieder alle individualität, woran das ſuffixum er-
faßt werden könnte. Die caſuszeichen bleiben mir
ein geheimnisvolles element, das ich lieber jedem worte
zuerkennen will, als es von einem auf alle übrigen
leiten.


ZWEITES CAPITEL.
VON DER CONJUGATION.


In der conjugation erfährt ein wort vielfältigere
und bedeutendere beſtimmungen, als in der declination.
Außer dem verhältnis der perſon und des numerus muß
auch das des tempus, modus und genus ausgedrückt
werden. Die flexionsfähigkeit des deutſchen verbums er-
ſcheint inzwiſchen ſehr geſunken. Vom genus paſſivum
vergehen mit der goth. ſprache die letzten reſte; das me-
dium mangelt überall, wenn man eine altnord. einiger-
maßen analoge reflexivform abrechnet. Vier modi ſind
vorhanden: infinitiv, imperativ, indicativ, conjunctiv;
kein optativ. Das empfindlichſte iſt der verluſt mancher
tempusflexionen; nur das praeſens und ein praeteritum
ſind uns verblieben, kein futurum und keine abſtufung
der vergangenheit kann durch bloße innere abänderung
des wortes mehr erreicht werden.


Die art und weiſe, wie ſich abgegangene oder ab-
geſtumpfte flexionen erſetzen und ergänzen, gehört
eben ſo wenig in eine darſtellung der conjugation, als
der gewiſſe flexionen nach allgemeinem geſetz beglei-
tende umlaut; wiewohl einige beſtimmungen des letz-
tern bei den einzelnen flexionen am ſchicklichſten zur
ſprache kommen.


Bei der abhandlung deutſcher conjug. ſind (außer
jenen überbleibſeln verlorener flexionen) folgende vier
puncte zu erörtern:



Das ſtarke praet. muß als hauptſchönheit unſerer
ſprache, als eine mit ihrem alterthum und ihrer ganzen
einrichtung tief verbundene eigenſchaft betrachtet wer-
den. Unabhängig von jenen endungsflexionen, wodurch
die unter A. B. berührten verhältniſſe beſtimmt werden,
betrifft es die wurzel ſelbſt und zwar auf doppelte
weiſe: entw. wird der anlaut der wurzel vor derſelben
wiederhohlt (reduplication) oder der vocal der wurzel
(ſey er in oder anlautend) in einen andern verwandelt
(ablaut). Die goth. ſprache kennt noch beide mittel,
ſie redupliciert und lautet ab, zuweilen wendet ſie
ablaut und redupl. vereint an. Die redupl. hat nie
[837]II. von der conjugation im allgemeinen.
mit den auslautenden wurzelconſonanten zu ſchaffen.
In den übrigen mundarten iſt die eigentliche redupl.
untergegangen (leiſe ſpuren abgerechnet), d. h. ſtatt
ihrer hat ſich ein unorg. diphthong gebildet und auf
die doppelung des conſon. wird kein bedacht mehr ge-
nommen. Jener diphth. kann dann füglich für eine eigene
art des ablauts gelten und die abtheilung der conjuga-
tionen wird dadurch nicht geſtört.


Die reduplicierende conj. läßt den vocallaut der wur-
zel unverändert und ſchiebt bloß dem ſg. und pl. praet.
ind. conj., nicht aber dem part. praet. die verdoppelung
vor. Die ablautende läßt dem praet. ſg. und pl. nie den
voc. des praeſ., zuweilen dem part. praet.; unverbrüchliche
regel iſt, daß der vocal des praet. conj. (ſg. und pl.) dem des
pl. praet. ind. gleich ſey. Überhaupt ergeben ſich zwölf
conjugationen, ſechs reduplicierende und ſechs ablautende,
deren formel ich mich begnüge, hier nach der goth.
und alth. mundart aufzuſtellen, da es ſehr leicht iſt,
den regeln des erſten buchs gemäß ſie für alle übrigen
zu entwerfen:


anmerkungen zu dieſer tabelle:




[840]II gothiſche ſtarke conjugation.

Gothiſches verbum.


Starke conjugationen.

paradigma der perſonenendungen:

I.II.III.
ind. praeſ. ſg.-a-is-iþ
dl.-ôs-ats
pl.-am-iþ-and
praet. ſg. …-t
dl.-u (?)-uts
pl.-um-uþ-un
conj. praeſ. ſg.-áu-áis-ái
dl.-áiva (?)-áits
pl.-áima-áiþ-áina
praet. ſg.-jáu-eis-i
dl.-eiva-eits
pl.-eima-eiþ-eina
imp ſg. —
dl. —-ats
pl.-am-iþ
inf. -an. part. praeſ. -ands. part. praet. -ans.

Anmerkungen: I. dual. praeſ. ind. belegt galeiþôs
Joh. 14, 23; die endung -u im praet. folgere ich aus
magu Marc. 10, 39; ſiju Joh. 10, 30. 17, 22; -diva dl.
pracſ. conj. belegt ſitáiva Marc. 10, 37; -eiva im praet.
fordert die analogie. I. dl. imp. mag wie im ind.
-ôs lauten. Die übrigen flexionen ſcheinen mir der
belege unbedürftig.


Von jedem einzelnen verbum gebe ich die I. ſg.
praeſ. ind.; praet. ind. ſg.; praet. ind. pl.; part. praet.
an, wonach man ohne mühe das ganze conjugieren
wird. Die einzelnen ſtämme ordne ich nach der
buchſtabenlehre, indem ich liq. voranſtelle und ihnen
lab. liug. gutt. folgen laße.


  • I. ſalta (ſalio) ſáiſalt, ſáiſaltum, ſaltans; halda (paſco)
    háihald, háihaldum, haldans; gaſtalda (poſſideo) gaſtái-
    ſtald, gaſtáiſtaldum, gaſtaldans; valda (impero) vaivald,
    váivaldum, valdans; falþa (plico) fáifalþ, fáifalþum,
    fal aus; faha (capio) fáifah, fáifahum, fahans; haha
    (ſuſpendo) háihah, háihahum, hahans.
  • II. háita (voco) háiháit, háibáitum, háitans; máita (ab-
    ſcido) máimáit, máimáitum, maitans; ſkáida (ſeparo)
    [841]II. gothiſche ſtarke conjugation.
    ſkáiſkáid, ſkáiſkáidum, ſkáidans; frálſa (tento) fáifráis,
    fáifráiſum, fráiſans; af-áika (nego) af-áiáik, af-áiái-
    kum, af-áikans; láika (ludo) láiláik, láiláikum, láikans.
  • III. hláupa (curro) hláihláup (?) hláihláupum, hláupans;
    ſtauta (percutio) ſtáiſtáut, ſtáiſtáutum. ſtáutans; ana-
    áuka (addo) ana-áiáuk, ana-áiáukum, ana-áukans.
  • IV. ſlêpa (dormio) ſaizlêp, ſáizlêpum, ſlêpans.
  • V. láia (irrideo) láilô, láilôum. láians; ſáija (ſero) ſáiſô,
    ſáiſôum, ſaians; váia (flo) váivô, váivôum, vaians.
  • VI. grêta (ploro) gáigrôt, gáigrôtum, grêtans; flèka (plan-
    go) faiflôk, fáiflôkum, flêkans; têka (tango) táitôk,
    táitôkum, têkans.
  • VII. us-ana (exſpiro) uzôn, uzônum, usanans; ſtanda
    (ſto) ſtôþ, ſtôþum, ſtandans; fara (proficiſcor) fôr,
    fôrum, farans; ſvara (juro) ſvôr, ſvôrum, ſvarans;
    ſkapa (creo) ſkôp, ſkôpum, ſkapans; graba (fodio)
    grôf, grôbum, grabans; hafja (tollo) hôf, hôfum, ha-
    fans; fraþja (ſaplo) frôþ, frôþum, fraþans; raþja (nu-
    mero) rôþ, rôþum, raþans; ſkaþja (noceo) ſkoþ, ſkô-
    þum, ſkaþans; ſaka (increpo) ſôk, ſôkum, ſakans;
    hlahja (rideo) hlôh, hlôhum, hlahans; ſlaha (percutio)
    ſlôh, ſlôhum, ſlahans; tvaha (lavo) tvôh, tvôhum,
    tvahans; vahſja (creſco) vôhs, vôhſum, vahſans.
  • VIII. keina (germino) káin, kinum, kinans [Luc. 8. 6. feh-
    lerhaft uskijanata f. uskinanata; vgl. unten 7te anom.];
    ſkeina (luceo) ſkáin, ſkinum, ſkinans; greipa (rapio) gráip,
    gripum, gripans, us-dreiba (expello) us-dráif, us-dri-
    bum, us-dribans; ſveifa (deſino) ſvaif, ſvifum, ſvifans;
    hneiva (inclino) hnáiv, hnivum, hnivans; ſpeiva (ſpuo)
    ſpáiv, ſpivum, ſpivans; and-beita (increpo) and-báit,
    and-bitum, and-bitans; ſmeita (illino) ſmáit, ſmi-
    tum, ſmitans; ïn-veita (adoro) ïn-váit, ïn-vitum,
    ïn-vitans; beida (exſpecto) báid, bidum, bidans;
    leiþa (eo) láiþ, liþum, liþans; ſneiþa (ſeco) ſnáiþ,
    ſniþum, ſniþans; ur-reiſa (ſurgo) ur-ráis, ur-ri-
    ſum, ur-riſans; ſteiga (ſcando) ſtáig, ſtigum, ſtigans;
    ga-teiha (nuntio) ga-táih, ga taihum, ga-taíhans;
    þeiha (creſco) þáih, þaihum, þaíhans; þreiha (premo)
    þráih, þraíhum, þraíhans; leihva, (commodo) láihv,
    laíhvum, laíhvans.
  • IX. dis-hniupa (dirumpo) dis-hnáup, dis-hnupum,
    dis-hnupans; hiufa (fleo) háuf, hufum, hufans; ſniva
    (verto, vado) ſnáu, ſnivum [ſt. ſnuum] ſnuans (oder
    [842]II. gothiſche ſtarke conjugation.
    ſnivans?) giuta (fundo) gáut, gutum, gutans; niuta
    (capio) náut, nutum, nutans; us-þriuta (moleſtiam
    facio) us-þráut, us-þrutum, us-þrutans; biuda
    (offero) báuþ, budum, budans; driuſa (cado) dráus,
    druſum, druſans; kiuſa (eligo) káus, kuſum, kuſans;
    fra-liuſa (perdo) fra-láus, fra-luſum, fra-luſans;
    kriuſta (ſtrideo) kráuſt, kruſtum, kruſtans; biuga (flecto)
    báug, bugum, bugaus; lîuga (mentior) láug, lugum,
    lugans; ga-lûka (claudo) ga-láuk, ga-lukum, ga-
    lukans; tiuha (traho) táuh, taúhum, taúhans; þliuha
    (fugio) þláuh, þlaúhans.
  • X. giba (do) gab, gêbum, gibans; bi-gita (invenio)
    bi-gat, bi-gêtum, bi-gitans; frita (voro) frat, frê-
    tum, fritans; ïta (edo) at, êtum, ïtans; mita (me-
    tior) mat, mêtum, mitans; ſita (ſedeo) ſat, ſètum,
    ſitans; bidja (rogo) baþ, bêdum, bidans; truda (calco)
    traþ, trêdum, trudans; ïn-vida (abnego) ïn-vaþ, ïn-
    vêdum, ïn-vidans; qviþa (dico) qvaþ, qvêþum, qvi-
    þans; ga-viþa (jungo) ga-vaþ, ga-vêþum, ga-vi-
    þans; liſa (colligo) las, lêſum, liſans; ga-niſa (ſanor)
    ga-nas, ga-nêſum, ga-niſans; viſa (maneo) vas,
    vêſum, viſans; ga-brika (frango) ga-brak, ga-brê-
    kum, ga-brikans (? ga-brukans); rika (congero) rak,
    rêkum, rikans; vrika (perſequor) vrak, vrêkum, vri-
    kans (?); liga (jaceo) lag, lêgum, ligans; ga-viga
    (moveo) ga-vag, ga-vêgum, ga-vigans; fraíha (in-
    terrogo) frah, frêhum, fraíhans [vgl. Ste anomalie];
    ſaíhva (video) ſahv, ſêhvum.
  • XI. ſtila (furor) ſtal, ſtêlum, ſtulans; nima (ſumo) nam,
    nêmum, numans; qvima (venio) qvam, qvêmum,
    qvumans; ga-tima (deceo) ga-tam, ga-têmum, ga-
    tumans; baíra (fero) bar, bêrum, baúrans; ga-taíra
    (deſtruo) ga-tar, ga-têrum, ga-taúrans.
  • XII. hilpa (adjuvo) halp, hulpum, hulpans; vilva (ra-
    pio) valv, vulvum, vulvans; ſvilta (morior) ſvalt,
    ſvultum, ſvultans; gilda (rependo) gald, guldum, gul-
    dans; ana-filha (commendo) ana-falh, ana-fulhum,
    ana-fulhans; ana-trimpa (irruo) ana-tramp, ana-
    trumpum, ana-trumpans; brinna (ardeo) brann, brun-
    num, brunnans; du-ginna (incipio) du-gann, du-
    gunnum, du-gunnans; af-linna (ceſſo) af-lann, af-
    lunnum, af-lunnans; rinna (fluo) rann, runnum, run-
    nans; ſpinna (neo) ſpann, ſpunnum, ſpunnans; vinna
    (patior) vann, vunnum, vunnans; binda (necto) band,
    bundum, bundans; bi-vinda (circumdo) bi-vand,
    [843]II gothiſche ſtarke conjugation.
    bi-vundum, bi-vundans; finþa (invenio) fanþ, fun-
    þum, funþans; fra hinþa (captivum duco) fra-hanþ,
    fra hunþum, fra-humþans; at-þinſa (attraho) at-
    þans at-þunſum, at-þunſans; drigka (bibo) dragk,
    drugkum, drugkans; bliggva (caedo) blaggv, bluggvum,
    bloggvans; ſiggva (lego) ſaggv, ſuggvum, ſuggvans;
    ſigqva (cado) ſagqv, ſugqvum, ſugqvans; gaſeigqva
    (ruo) ga-ſtagqv, ga-ſtugqvum, ga-ſtugqvans; vaírpa
    (jacio) varp, vaúrpum, vaúrpans; hvaírba (verto)
    hvarb, hvaúrbum, hvaúrbans; bi-ſvaírba (abſtergo)
    bi ſvarb, bi-ſvaúrbum, bi-ſvaúrbans; gaírda oder
    gaúrda? (cingo) gard, gaúrdum, gaúrdans; vaírþa
    (fio) varþ, vaúrþum, vaúrþans; þaírſa (arefio) þars,
    þaúrſum, þaúrſans [Marc. 3, 1.] baírga (ſervo) barg,
    baúrgum, baúrgans. —

Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.


  • 1) (reduplication) α) vocal: es wird nicht (wie ur-
    ſprünglich wohl geſchah derjenige der wurzel wie-
    derhohlt (alſo nicht fafah, áuáuk etc.) vielmehr jedes-
    mahl der diphih. ái vorgeſetzt. — β) conſonant: bei
    einfachem iſt kein bedenken; lautet aber die wurzel
    mit einer doppelconſonanz an. ſo wird in der regel
    bloß der erſte wiederhohlt, der zweite ausgelaßen,
    z. b. fáiflôk; gáigrôt, nicht fláiflôk, gráigrôt; aus-
    nahme machen die conſ. verbindungen ſp. ſt. ſk.,
    welche für einen untrennbaren laut gelten; man re-
    duplici rt alſo: ſtaiſtald, ſpáiſpald, ſkáiſkáid, nicht
    fáiſtald etc.; ich vermuthe daß hl. hn. hr. vl. vr des
    nämlichen vorzugs genießen, folglich hláihláup, nicht
    haihláup ſtehn müße; belege gebrechen.
  • 2) (vocale) α) vor dem r und h der wurzel wandeln
    ſich (conj. VIII. IX. XI. XII.) i in aí, w in ; wel-
    ches in VIII. IX. feine unterſchiede zwiſchen ſg. und
    pl. praet. gründet: táih, taíhun; táuh, taúhun, da der
    ſg. ein org. langes áu, ái beſitzt. — β) des i part.
    praet. der ſtämme ik in conj. X. bin ich nicht ganz
    ſicher; theoretiſch ſcheint das u der conj. XI. nur vor
    liquiden begründet, dagegen vor k, wie entſchieden
    vor g (ligan), i zu bleiben. Der C. A. gewährt kei-
    nen beleg weder für ik, noch uk; da aber in ſpätern
    ſprachen die ſtämme ik und ſelbſt ig in XI. ſchwan-
    ken, wäre ein goth, part. gabrukans möglich, wo-
    für auch das ſubſt. gabrukô (fruſtorum Marc. 8, 8.)
    redet. Zu vrukans ſtatt des vrikans nöthigt es keines-
    weges [vgl. mik, þuk; alth. mih, dih]. — γ) nicht un-
    [844]II. gothiſche ſtarke conjugation.
    analog dieſem uk ſtatt ik ſcheint das ûk ſtatt iuk in
    galûkan conj. IX. neben biugan, liugan. — δ) u für i
    zeigt im praeſ, und part. der conj. X trudan, gatrudans;
    vielleicht auch in XII. ein zu aú werdendes u gaúrdan
    (ſt. gaírdan) — ε) ê ſchwankt in ei nicht bloß im praeſ.
    conj. VI: leitan, greitan f. lêtan, grêtan, ſondern auch
    im pl. praet. conj. X: veiſun, veiſjau f. vêſun, vêſjáu
    (Neh. 5, 14, 17.); tadelhafter ſcheint i für ê in quimi
    Luc. 7, 3. nimeina Luc. 6, 34. quiþeina Luc. 8, 56. 9, 21.
    quiþeiþ Luc. 17, 6; umgekehrt ê für i in drêbi Marc.
    5, 6. und ſelbſt ei fur i in dreibeina Marc. 9, 18. (oben
    ſ. 36. 49.); frèt für frat Luc. 15, 30. mag ſchreibf.
    ſeyn. — ζ) iu beſteht nur auslautend oder inlautend
    vor conſ., vor vocalen wird es inlautend zu iv; in
    conj. IX. flectiere man alſo: ſniva, ſnivis, ſniviþ;
    praet. ſnáu ſnáut, ſnáu, pl. ſnivun (ſt. ſnuun); der
    imp. lautet ſniu. —
  • 3) (conſonanten) α) lingualiſch auslautende wurzeln wan-
    deln ihr t, d, þ vor dem -t der II. praet. ſg ind. in
    die ſpirans ſ, als: máimáiſt, bigaſt fáifalſt, láilôſt, bauſt,
    qvaſt, ſnáiſt, fanſt etc. ſtatt der üb lklingenden mái-
    máitt, bigatt, faifalþt, láilôtt, báuþt, qvaþt, fanþt;
    ein zugefügtes ſ finde ich in ſáiſôſt für ſáiſôt; liq.
    und tenues des lippen- und kehlorgans, ſo wie f, v,
    ſ, h vertragen ſich gut mit dem t dieſer flexion, als:
    ſtalt, qvamt, bart, gráipt, ſôkt, hôft, ſabvt, laſt,
    falht; auch die mediae b, g [ſ. zweite anomalie] —
    β) ſtandan (conj. VII.) behält im praeſ. jedes modi
    dieſe form bei; wirft aber im praet. das n aus und
    aſpiriert die media: ſlôþ. ſtôþun nicht ſtônd, ſtôndun;
    das part. praet. mangelt bei Ulph. ich vermuthe
    ſtaþans. — γ) das v der verba leihvan. ſaíhvan
    fällt auslautend nicht weg, weder im praet. láihv,
    ſahv noch im imp. leihv, ſaíhv, doch unterſcheidet
    Ulph. von letzterm (wodurch er ἴδε, ὅρα überſetzt,
    Matth. 8, 4. Joh. 7, 52 11, 34.) eine partikel ſái (um
    das gr. ἰδοὺ auszudrücken, Marc. 14, 41. Matth. 8, 2.
    11, 8.)
  • 4) (einmiſchung ſchwacher flexion) folgende verba bilden
    das praeſ. durch alle modos ſchwach (d. h. ſie ſchalten
    i ein) während das praet. ohne ausnahme ſtark bleibt:
    aus conj. VII. hafjan, fraþjan, ſkaþjan, vahſjan;
    aus X. bidjan; folglich bekommt zumahl II. ſg. imp.
    (der in ſtarker conj die bloße wurzel zeigt; vorhin
    ſ. 836.) hier flexion: hafei, fraþei, vahſei, bidei. Marc.
    [845]II. gothiſche ſchwache conjugation.
    4, 14. lieſt man ſáijiþ und 4, 16, 18, 20. das part. praet.
    ſáians, woraus man eine ähnliche ſchwache praeſen-
    tialform ſaijan, láijan, váijan muthmaßen ſollte, wel-
    cher jedoch 4, 3. der inf. ſáian part. praeſ. ſáiands,
    Matth. 6, 26. III. pl. praeſ. ſáiand; Marc. 4, 15. 31.
    das paſſive ſaiada widerſtreben, ſo daß jenes ſaijiþ
    wohl nur euphoniſch für ſáiïþ oder ſajiþ geſetzt wor-
    den iſt.

Gothiſche ſchwache conjugation.

I.II.III.
ind. praeſ. ſg. [vocal]-s
dl.-ôs-ts
pl.-m-nd
praet. ſg.-da-dês-da
dl. —-dêduts
pl.-dêdum-dêduþ-dêdun
conj. praeſ. ſg. [vocal]-s[vocal]
dl. —-ts
pl.-ma-na
praet. ſg.-dêdjáu-dêdeis-dêdi
dl. —-dêdeits
pl.-dêdeima-dêdeiþ-dêdeina
imp. ſg. —[vocal]
dl. —-ts
pl.-m
inf. -n. part. praeſ. -nds. part. praet. -þs.

die einzelnen conjugationen ſcheiden ſich nach dem
zwiſchen wurzel und flexion tretenden ableitungsvocal,
in der erſten iſt dieſer i, in der zweiten ô, in der
dritten ái. Das praet. hat hiernach nirgends ſchwierig-
keit, vgl. naſ-i-da, ſalb-ô-da, hab-ái-da; im praeſ.
hingegen fallen bei begegnung des ableitungsvocals mit
dem der flexion auswerfungen und zuſ. ziehungen vor.


Erſte ſchwache conjugation.

hier ergeben ſich zwei abtheilungen je nachdem die
wurzelſilbe kurz oder lang iſt; kurzſilbige, deren weit
weniger ſind, conjugieren, wie folgt:
[846]II. goth. erſte ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. naſ-janaſ-jisnaſ-jiþ
dl. naſ-jôsnaſ-jats
pl. naſ-jamnaſ-jiþnaſ-jand
praet. ſg. naſ-idanaſ-idesnaſ-ida
dl. —naſ-idêduts
pl. naſ-idêdumnaſ-idêduþnaſ-idêdum
conj. praeſ. ſg. naſ-jáunaſ-jáisnaſ-jái
dl. —naſ-jáits
pl. naſ-jáimanaſ-jáiþnaſ-jáina
praet. ſg. naſ-idêdjaunaſ-idêdeisnaſ-idêdi
dl. —naſ-idêdeits
pl. naſ-idêdeimanaſ-idêdeiþnaſ-idêdeina
imp. ſg. —naſ-ei
dl. —naſ-jats
pl. naſ-jamnaſ-jiþ
inf. naſ-jan; part. praeſ. naſ-jands; praet. naſ iþs.

wobei auffällt, daß II. ſg. imp. auf -ei ſtatt -i endigt,
wiewohl häufige belege an dem -ei keinen zweifel
laßen (vgl. auch die anm. 4. zu der ſtarken form angeführ-
ten imp.) und für -i das einzige hiri (nicht hirei) Marc.
10, 21. Luc. 18, 22. Joh. 11, 34, 43. nachzuweiſen iſt.


Faſt alle hierher gehörigen verba haben den wur-
zelvocal a und nur einige i oder u.


  • 1) aljan (ſaginare) ſaljan (offerre und divertere) valjan
    (eligere) hramjan (crucifigere) tamjan (domare) þanjan
    (tendere) arjan (arare) farjan (navigare) varjan (defen-
    dere); af hva jan (exſtinguere); latjan (tardare) mat-
    jan (edere) natjan (rigare) ſatjan (ponere) láuhatjan
    (lucere) hvaþjan (ſpumare) hazjan (laudare) naſjan
    (ſervare) vaſjan (veſtire); rakjan (extendere) us-vak-
    jan (excitare) vrakjan (perſequi) us agjan (metum
    injicere) lagjan (ponere) þragjan (currere vagjan (com-
    movere) audagjan (beatum reddere) ahjan (putare)
    fullafahjan (ſatisfacere) tahjan (lacerare).
  • 2) af-hriſjan (excutere); von einem muthmaßlichen
    hirjan (accedere) begegnen nur imperative formen:
    hiri (δεῦρο) hirjats (δεῦτε) hirjiþ (δεῦτε); gerade wie
    es mit den eingeklammerten gr. wörtern der fall iſt.
  • 3) huljan (tegere) glitmunjan (ſplendere) hugjan (cogi-
    tare) Philipp. 3, 13.
  • 4) nachſtehende ſcheinen langſilbig und gehen doch
    wie naſjan: af-daujan (conſumere) ſtráujan (ſternere)
    [847]II. goth. erſte ſchwache conjugation.
    táujan (parare) ſiujan (ſuere) ſtôjan (judicare) in II.
    táujis, fiujis, ſtôjis, in III. táujiþ, ſiujiþ, ſtôjiþ [und
    nicht táujeis, ſiujeis, ſtôjeis etc.]; nach ſ. 46. 47. 50.
    entſpringen aber au, iu und ô hier aus kurzſilbigen
    av, iv, wie auch die praet. tavida, ſivida lehren;
    man hat demnach wirklich tavjiþ, ſivjiþ auszuſpre-
    chen; hrôpjiþ (für hrôpeiþ) Luc. 9, 39. iſt hingegen
    verdächtig.

Die langſilbigen verba erſter conj. richten ſich nach
dieſem paradigma:

ind. praeſ. ſg. ſôk-jaſôk-eisſôk-eiþ
dl. ſôk-jôsſôk-jats
pl. ſôk-jamſôk-eiþſôk-jand
imp. ſg. —ſôk-ei
dl. —ſôk-jats
pl. ſôk-jamſôk-eiþ

alle übrigen tempora gehen völlig wie bei den kurzſil-
bigen und bedürfen keiner aufſtellung. Der unterſchied
lauft alſo dahinaus, daß wenn das bildungs-i auf ein
flexions-i ſtößt, durch einwirkung der langen wurzel-
ſilbe beide in -ei verſchmelzen, während auf kurze
wurzeln -ji folgt (vgl. ſ. 599. 606.).


Dieſe andere claſſe begreift nachſtehende verba:


  • 1) balvjan (torquere) malvjan (conterere) valvjan (vol-
    vere) valtjan (ruere) namnjan (nominare) brannjan
    (urere) kannjan (notificare) ur-rannjan (oriri facere)
    manvjan (parare) ſandjan (mittere) tandjan (incendere)
    vandjan (vertere) bandvjan (innuere) ana-nanþjan
    (audere) draggkjan (potum praebere) ſtagqvjan (impin-
    gere) varmjan (calefacere) fra-vardjan (corrumpere)
    marzjan (ſcandalizare) ga-vargjan (condemnare); bi-
    abrjan (commoveri) ga-haftjan (obligare) ſkaftjan (pa-
    rare) þrafſtjan (ſolari) daddjan (lactare) ſkadvjan (um-
    brare) maþljan (ſermocinari) us-agljan (ſugillare) tagrjan
    (plorare) rahnjan (computare) andbahtjan (miniſtrare)
    anamahtjan (vim facere).
  • 2) timrjan (fabricare) ga-blindjan (occoecare) ſvinþjan
    (robare) disvinþjan (diſſipare) plinſjan (ſaltare) gairnjan
    (cupere) aírzjan (ſeducere) vái-faírhvjan (ejulare)
    baírhtjan (lucere) ïbnjan (aequare) us-qviſtjan (delere)
    garaíhtjan (dirigere).
  • 3) fulljan (implere) tulgjan (firmare) ana-kumbjan (ac-
    cumbere) ga-ſvikunþjan (manifeſtare) huggrjan (eſu-
    [848]II. goth. erſte ſchwache conjugation.
    rire) þugkjan (videri) gaúrjan (affligere) kaúrjan (gra-
    vare) haúrnjan (cornu canere) ubilvaúrdjan (maledi-
    cere) maúrþrjan (occidere) þaúrſjan (ſitire) gavaúrkjan
    (operari) faúrhtjan (timere) huzdjan (opes colligere)
    knuſſjan (genu flectere) ïn-raúhtjan (fremere).
  • 4) mêljan (ſcribere) vênjan (ſperare) mêrjan (nuntiare)
    un-vêrjan (indignari) tuzvêrjan (dubitare); lêvjan (tra-
    dere) ſkêvjan (iter facere) ſvêgnjan (gaudere) nêhvjan
    (appropinquare).
  • 5) gôljan (ſalutare) dômjan (judicare); hrôpjan (clamare)
    vôpjan (vociferare) bôtjan (prodeſſe) hvôtjan (incre-
    pare) ga-môtjan (occurrere) fôdjan (alere) rôdjan (lo-
    qui) ana-ſtôdjan (incipere) veitvôdjan (teſtari) ga-
    ſô [...]jan (ſaturare) ſôkjan (quaerere) ga-ſvôgjan (inge-
    miſcere) vrôhjan (accuſare).
  • 6) dáiljan (partiri) háiljan (ſanare) ï-ſáiljan (illaqueare)
    ga hráinjan (mundare) ga-máinjan (inquinare) ſtáin-
    jan (lapidare); bi-váibjan (cingere) hnáivjan (humili-
    tare) ga-náitjan (probro afficere) arbáidjan (laborare)
    ïn-máidjan (transmutare) us-gáiſjan (alienari animo)
    láiſjan (docere) ur-ráiſjan (erigere) ga-láiſtjan (ſequi)
    táiknjan (oſtendere).
  • 7) bi-ſáuljan (contaminare, Tit. 1, 15.) gáumjan (ani-
    madvertere); dáupjan (baptizare) ráupjan (evellere)
    ga-dáubjan (obdurare) us-láubjan (permittere) us-
    dáudjan (certare) ga-máudjan (? ſuggerere) bláuþjan
    (delere) af-dáuþjan (occidere) náuþjan (cogere) ga-
    dráuſjan (praecipitare) háuſjan (audire) káuſjan (guſtare)
    láuſjan (ſolvere) áugjan (oſtendere) báugjan (verrere)
    láugnjan (inficiari) háuhjan (efferre).
  • 8) ſkeirjan (interpretari); hleibjan (juvare) hveitjan (al-
    bare) ïdveitjan (reprobare) bleiþjan (miſereri) ſlei jan
    (nocere) fulla-veiſjan (implere) ſildaleikjan (mirari). —
  • 9) hrûkjan (crocitare) kûkjan (oſculari). —
  • 10) ſniumjan (properare); ga-diupjan (prof. facere)
    þiu jan (benedicere) liuhtjan (lucere). —

Anmerkung. im praet. begegnen einige abweichun-
gen. doch höchſt ſelten: Luc. 16, 14. bi-mamindèdun
(irriſerunt), wo der ableitungsvocal vor dem d mangelt,
inſofern der inf. bi-maminjan lautete. Die ſpätere ho-
milie (Mai ſpec. p. 24.) liefert ſanda für ſandida, wäh-
rend Ulph. Joh. 11, 42. ſandidês, Matth. 27, 3. vandida etc.
ſetzt. Eher zu vertheidigen ſcheint kàupaſtêdun (cola-
phizarunt) Matth. 26, 67. (nach dem cod. ambroſ.) für
[849]II. goth. zweite ſchwache conjugation.
káupatidêdun vom inf. káupatjan Marc. 14, 65. (vgl.
anomala n° 2. ſeite 853.).


zweite ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. ſalb-ôſalb-ôsſalb-ô
dl. ſalb-ôs (?)ſalb-ôts (?)
pl. ſalb-ômſalb-ôþſalb-ônd
praet. ſg. ſalb-ôdaſalb-ôdêsſalb-ôda
dl. —ſalb-ôdêduts
pl. ſalb-ôdêdumſalb-ôdêduþſalb-ôdêdum
conj. praeſ. ſg. ſalb-ô (?)ſalb-ôsſalb-ô
dl. —ſalb-ôts
pl. ſalb-ôma (?)ſalb-ôþſalb-ôna (?)
praet. ſg. ſalb-ôdêdjáuſalb-ôdêdeisſalb ôdêdi
dl. —ſalb-ôdêdeits
pl. ſalb-ôdêdeimaſalb-ôdêdeiþſalb ôdêdeina
imp. ſg. —ſalb-ô
dl. —ſalb-ôts (?)
pl. falb-ômſalb-ôþ
inf. ſalb-ôn. praet. ſalb-ônds; ſalb-ôþs.

offenbar verſchlingt hier das ô der ableitung den an-
ſtoßenden vocal der flexion, ſalbô, ſalbôs, ſalbôþ etc.
ſtehen für ſalbôa, ſalbôis, ſalbôiþ, wodurch im praeſ.
I. ſg. ind. und conj.; II. ſg. ind. conj. und I. dual. zu-
ſammenfallen. Die flexionen mit fragzeichen finden ſich
nicht im Ulph., ſcheinen mir aber unbedenklich.


Hierher gehören nach ordnung der dem ableitungs-
ô vorſtehenden vocale und conſon. folgende verba:
1) þiudanôn (regnare); vratôn (ire) laþôn (invitare). —
2) and-tilôn (auxiliari) faginôn (gaudere) ga fairinôn
(inculpare) fráujinôn (imperare) gudjinôn (ſacerdotio
fungi) hôrinôn (adult. committere) raginôn (regere) rei-
kinôn (imperitare) ſkalkinôn (ſervire); mitôn (cogitare)
viþôn (movere) hatizon (indignari). — 3) dvalmôn (in-
ſanire) ſalbôn (ungere) hvarbôn (ire). — 4) ſpillôn (nar-
rare) vaírþôn (taxare) fiſkôn (piſcari) áiviſkôn (convitiari)
ſviglôn (tibia canere) aíhtrôn (mendicare). — 5) ufar-
munnôn (obliviſci) vundôn (vulnerare) luſtôn (concupiſ-
cere). — 6) grêdôn (eſurire). — 7) hôlôn (fraudare)
krôtôn (conquaſſare). — 8) qváinôn (flere) vlaiton (cir-
cumſpicere) láigôn (lambere). — 9) gáunôn (lugere)
káupôn (emere) raubôn (ſpoliare). — 10) ga-veiſôn (vi-
ſitare) ga-leikôn (aequiparare) ïdreigôn (poenitere). —
H h h
[850]II. goth. dritte ſchwache conjugation.
11) ſûpôn (condire) lûtôn (ſeducere) aviliudôn (gratias
agere) liuþôn (canere). — 12) nachſtehende haben vor
dem ô noch ein i: frijôn (amare) ga-ſibjôn (reconciliari)
áuhjôn (tumultuari) praet. frijôda.


dritte ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. hab-ahab-áishab-áiþ
dl. hab-ôs (?)hab-ats (?)
pl. hab-amhab-áiþhab-and
praet. ſg. hab-áidahab-áidêshab-áida
dl. —hab-áidêduts
pl. hab-áidêdumhab-áidêduþhab-áidêdun
conj. praeſ. ſg. hab-áuhab-áishab-ái
dl. —hab-áits
pl. hab-áimahab-áiþhab-áina
praet. ſg. hab-áidêdjáuhab-áidêdeishab-áidêdi
dl. —hab-áidêdeits
pl. hab-áidêdeimahab-áidêdeiþhab-áidêdeina
imp. ſg. —hab-ái
dl. —hab-ats (?)
pl. hab-amhab-áiþ
inf. hab-an; part. hab-ands, hab-áiþs.

der ableitungsvocal lautet ái, erfährt aber ein von dem
ô zweiter conj. verſchiednes ſchickſal, nämlich α) vor
conſonantiſch anhebender flexion bleibt er, gleich jenem
ô, unbeeinträchtigt. β) hebt die flexion mit i an, ſo
verſchlingt er dieſes; alſo habáis, habáiþ ſtehen für ha-
bái-is, habái-iþ. γ) hebt aber die flexion mit a, áu
oder ſelbſt mit ái an, ſo wird das ableitende ái ausge-
worfen, mithin ſtehet haban, haba, habam, habáu, ha-
bái für habajan, habaja, habajam, habajáu, habajái? II.
ſg. und pl. miſchen ſich im ind. und conj.


Die einzelnen verba ſind: 1) ſkaman (pudere) ha-
ban (tenere) ſlavan (tacere) hahan (pendere) þahan (ta-
cere). — 2) ſilan (ſilere) liban (vivere) hlifan (furari)
ſifan (gaudere) vitan (obſervare). — 3) þulan (pati) mu-
nan (mente agitare). — 4) arman (miſereri) faſtan (ſer-
vare). — 5) gakunnan (obſervare) ſtaúrran (fremere) maúr-
nan (moerere) ſaúrgan (lugere) gajukan (ſubjugare). —
6) ſvêran (honorare). — 7) hvôpan (gloriari) blôtan (deum
colere). — 8) ga-þlaíhan (conſolari, demulcere) áiſtan
(vereri). — 9) báuan (aedificare) bnáuan (confricare) tráuan
(fidere). — 10) ga-hveilan (morari) reiran (tremere) ga-
[851]II. anomal. der gothiſchen conjugation.
leikan (placere) ga geigan (lucrari) veihan (ſanctificare). —
11) liugan (nubere). — 12) fijan (odiſſe) hat vor dem ái
noch ein i; praet. fijáida. —


Anm. ſchwankend ſteht bald hatan (odiſſe) bald hat-
jan Luc. 1, 71. 6, 27. Matth. 5, 44.); da einige praeſens-
flexionen dieſer conj. denen der ſtarken gleichlauten, ſo
könnten þlaíhan, báuan, welche nicht im praet. vor-
kommen, vielleicht ſtark gehen, praet. þaiþlaíh, báibáu?


Anomalien der gothiſchen conjugation.

Sie gründen ſich theils auf miſchung verſchiedener
wortſtämme und ableitungen, theils auf anwendung ſtar-
ker und ſchwacher flexion nebeneinander. Auxiliaria,
d. h. verba, welche ſehr häufig gebraucht werden und
ſtatt ihrer lebendigen bedeutung abſtracte begriffe an-
nehmen, tragen gewöhnlich ſolche unregelmäßigkeiten
an ſich.


  • 1) das hülfswort eſſe beſteht im goth. aus dreierlei ſtäm-
    men α) praeſ. ind. ſg. lautet: I. ïm, II. ïs, III. ïſt. —
    β praeſ. ind. dl. I. ſiju II. ſijuts (?), pl. I. ſijum II. ſijuþ
    III. ſind; praeſ. conj. ſg. I. ſijáu II. ſijáis III. ſijái; pl.
    I. ſijáima II. ſijáiþ III. ſijáina. — γ) zum praet ind.
    und conj. dienen die formen des zur zehnten conj.
    hörenden viſan (manere); folglich: vas, vaſt, vas;
    pl. vêſum, vêſuþ, vêſun; conf. vêſjáu, vêſeis, vêſi;
    pl. vêſeima, vêſeiþ, vêſeina. Die praeſentia dieſes
    verbums behalten ihren concreten ſinn. —
  • 2) zehn verba mangeln gänzlich der praeſentialflexion,
    verleihen aber der ſtarken, ablautenden form ihres
    praet. bedeutung des praeſens und bilden dann für die
    bedeutung des praet. eins nach ſchwacher form. Es
    ſind folgende: α) aus conj. VII. môtan (χωρεῖν, ca-
    pere) ôgan (timere). β) aus conj. VIII. vitan (ſcire)
    áigan (habere). γ) aus X. magan (poſſe). δ) aus XI.
    ſkulan (debere) munan (meminiſſe) daúran (audere).
    ε) aus XII. kunnan (noſſe) þaúrban (egere); muthmaß-
    lich gab es ein in den fragm. unvorhandenes dugan
    (valere) nach conj. IX., unnan (favere) nach XII. und
    noch andere. Da nicht nur die ablaute, ſondern auch
    die ſchwachen praet. einige unregelmäßigkeit zeigen,
    ſetze ich alle im paradigma her:

H h h 2
[852]II. anomal. der gothiſchen conjugation.
A. praeſ. ind. der bedeutung.

ſg. I. môtôgváitáihmag
II. môſtôgtváiſtáihsmagt
III. môtôgváitáihmag
dl. I. môtnôguvituáigumagu
II. môtutsôgutsvitutsáigutsmaguts
pl. I. môtumôgumvitumáigummagum
II. môtuþôguþvituþáiguþmaguþ
III. môtunôgunvitunáigunmagun
ſg. I. ſkalmandarkannþarf
II. ſkaltmantdart (?)kantþarft
III. ſkalmandarkannþarſ
dl. I. ſkulumunudaúrukunnuþaúrbu
II. ſkulutsmunutsdaúrutskunnutsþaúrbuts
pl. I. ſkulummunumdaúrumkunnumþaúrbum
II. ſkuluþmunuþdaúruþkunnuþþaúrbuþ
III. ſkulunmunundaúrunkunnunþaúrbun
B. praet. ind.

fg. I. môſtaôhtaviſſaaíhtamahta
II. môſtêsôhtêsviſſêsaíhtêsmahtês
III. môſtaôhtaviſſaaíhtamahta
pl. I. môſtêdumôhtêdumviſſêdumaíhtêdummahtêdum
II. môſtêduþôhtêduþviſſêduþaíhtêduþmahtêduþ
III. môſtêdunôhtêdunviſſêdunaíhtêdunmahtêdun
ſg. I. ſkuldamunþadaúrſtakunþaþaúrfta
II. ſkuldêsmunþêsdaúrſtêskunþêsþaúrftês
III. ſkuldamunþadaúrſtakunþaþaúrfta
pl. I. ſkuldêdummunþêdumdaúrſtêdumkunþêdumþaúrftêdum
II. ſkuldêduþmunþêduþdaúrſtêduþkunþêduþþaúrftêduþ
III. ſkuldêdunmunþêdundaúrſtêdunkunþêdunþaúrftêdun

Anmerkungen: α) den conj. ergibt der pl. ind. von
ſelbſt. — β) der ablaut verhält ſich in den drei erſten
und zwei letzten (môt, ôg, váit, kann, þarf) ordentlich;
in den fünf mittlern macht er anſtoß. Die ſingulare
áih, mag, ſkal, man, dar, ſollten nach der regel im
pl. aíhum, mêgum, ſkêlum, mênum, dêrum bekom-
men; áigum und magum ſondern den ablaut des pl.
nicht von dem des ſg.; ſkulum, munum, daúrum fol-
gen der zwölften conj., welcher fie wegen ihres ein-
fachen conſ. nicht zugehören; aú in daúrum (ſtatt dê-
[853]II. anomal. der gothiſchen conjugation.
rum) iſt zwar nicht zu belegen, doch aus dem praet.
daúrſta zu folgern. — γ) dem ſchwachen praet. gebührt
der vocal des pl. praeſ.; vor dem -d der flexion da,
dês, da; dêdum etc. konnte hier natürlich kein ablei-
tungsvocal eintreten, (wie in regelmäßigen ſchwachen
conj. i, ô, ái) folglich muſte der wurzelconſ. an dieſes
d ſtoßen, wodurch aſſimilationen und übergänge beider
conſ. verurſacht wurden. In dem einzigen ſkulda blei-
ben ſie unverändert; kunþa ſteht für kunnda; munþa f.
munda; mahta, ôhta, aíhta f. magda, ôgda, áigda;
þaúrfta f. þaúrbda; môſta f. môtda (wie in II. praeſ. môſt
f. môtt; vgl. oben ſ. 844. und káupaſta f. káupatida ſ. 848.)
dáurſta f. daúrda; viſſa f. vitda; die vorausſetzung einer
volleren form ſkulida, môtida, vitida etc. (oben ſ. 171.)
ſcheint mir gegenwärtig grundlos; woher ſollte das i
kommen? und nicht aus dem wohllautigen tid hätte
ſich ſt, ſſ entwickelt, wohl aber aus td. — δ) Luc. 19,
22. ſteht viſſeis für viſſês (vgl. vorhin ſ. 844. über ei
und ê) tadelhafter Neh. 6, 16. kunþidun ſt. kunþêdun;
Joh. 17, 23. kunnei (noſſet) ſt. kunni; ûhtêdun Marc.
11, 32. ſt. ôhtêdun. — ε) auch der imp. dieſer wörter
iſt eigenthümlich, er ſtimmt nicht, wie ſonſt überall,
zu dem ind., vielmehr zu dem conj.; II. pl. heißt: mu-
neiþ, kunneiþ, ôgeiþ, viteiþ etc. nicht: munuþ, vi-
tuþ. — II. ſg. iſt nur von ôgan belegbar, lautet ôgs
Luc. 1, 13, 30. Joh. 12, 15. Rom. 13, 4, für ôgeis (wie
baúrgs, bruſts ſ. 610. für baúrgeis, bruſteis) und ich
zweifle kaum, daß ein analoges: mags, kuns, muns,
þaúrfs, aíhs behauptet werden müße.


  • 3) dieſen zehn verbis geſellt ſich ein eilftes mit der
    weitern beſtimmung zu, daß es im praeſens aller indi-
    cativen form entſagt und durchaus im conjunctiv
    ſteht: viljan (velle) viljáu (volo) vileis (vis) vili (vult)
    vileiva (?, nos duo volumus) vileits (vos duo vultis)
    vileima (volumus) vileiþ (vultis) vileina (volunt)
    welche formen einen unvorfindlichen ind. váil, váilt,
    váil; vilu, viluts; vilum, viluþ, vilun theoretiſch
    fordern. Das praet. erkennt den ind.: vilda, vildês,
    vilda; pl. vildêdum, vildèduþ, vildêdun; und im
    conj. vildèdjáu, vildêdeis etc. Des imp. entſinne ich
    mich nicht, er würde II. ſg. vils, II. pl. vileiþ bil-
    den. —
  • 4) gaggan (ire) hält im praeſ. durch alle modos ſtarke
    form: gagga, gaggis, gaggiþ etc. und würde ſeinem
    voc. nach der erſten zufallen, alſo im praet. redupli-
    [854]II. anomal. der gothiſchen conjugation.
    cieren: gáigagg, welches gleichwohl nie vorkommt,
    vielmehr vertreten wird α) durch die ſchw. form
    gaggida; nur Luc. 19, 12 (ἐπορεύθη). β) gewöhnlich
    durch ïddja ἐπορεύετο) ïddjês, ïddja; pl. ïddjêdum,
    ïddjêduþ. ïddjêdun, wofür man keinen inf. ïddjan (er
    heißt durchgehends gaggan anſetzen darf.
  • 5) briggan (afferre) geht im praeſ. ſtark, im praet. aber
    (nicht bragg nach conj. XII. ſondern) ſchwach: brahta,
    brahtês; pl. brahtêdun.
  • 6) vier verba erſter ſchwacher conj. gehen im praeſ. re-
    gelmäßig: bugjan (emere) þagkjan (cogitare) þugkjan
    (videri) vaúrkjan (operari), ziehen aber ihr ſchwaches
    praet. zuſammen: baúhta, þahta, ûhta, vaúrhta;
    pl. baúhtêdum, þahtêdum, þuhtêdum, vaúrhtêdum;
    ſtatt der vollen formen bugida (und vor h wandelt
    ſich u in aú; vgl. ſ. 842. þaúhum für þuhum) þagkida,
    þugkida, vaúrkida.
  • 7) alle mittelſt n abgeleiteten intranſitiva conjugieren
    ihr praeſ. ſtark, ihr praet. ſchwach und zwar nach
    der zweiten conjugation; es ſind im C. A. folgende:
    af-hvapnan (exſtingui) ga haftnan (figi) ga-batnan
    (proficere) ga-vaknan (excitari) ga-þlahſnan (turbari);
    ſvinþnan (roborari) ga-nipnan (moerere) af-lifnan
    (ſupereſſe) ga-qviunan (reviviſcere) disſkritnan (findi)
    fra qviſtnan (perire); ga-fullnan (impleri) af-dumb-
    nan (obmuteſcere) and-bundnan (ſolvi) af-taúrnan
    (rumpi) ga þaúrſnan (areſcere) ga-ſtaúrknan (ri-
    geſcere) us-gutnan (effundi); us-mêrnan (divul-
    gari) af-dôbnan (obmuteſcere) ga-drôbnan (tur-
    bari) us-lûknan (aperiri); ga-háilnan (ſanari) bi-
    ſáulnan (inquinari) dis-hnáupnan (rumpi) ga-dánþnan
    (mori) af ſláuþnan (ſtnpefieri) ïn-feinan (σπλαγχνί-
    ζεσθαι
    ) us-keinan (pullulare) us-geiſnan (ſtupere)
    veihnan (ſanctificari). Die conj. lautet demnach z. b.
    praeſ. veihna, veihnis, veihniþ; veihnam, veihniþ,
    veihnand; praet. veihnôda, pl. veihnôdêdum; conj.
    praeſ. veihnáu; pl. veihnáima; praet. veihnôdêdjáu,
    pl. veihnodêdeima; imp. ſg. veihn, pl. veihniþ; part.
    praeſ. veihnands, praet. veihnôþs. In den verbis kei-
    nan und ïnfeinan ſcheint das n zwar wurzelhaft (wes-
    halb auch keinan ſ. 841. zu conj. VIII. gezählt wor-
    den); doch ſtehen die praet. keinôda Luc. 8, 8. ïnfei-
    nôda Luc. 7. 13. 15, 28. neban dem part. praeſ. kei-
    nands, ïnfeinands Luc. 8, 7. Marc. 1, 41. Luc. 1, 78.
    [855]II. gothiſches paſſivum.
    und vielleicht lauteten die urſtämme keian, kái, kijun,
    kijans; feian, fái, fijun, fijans?
  • 8) in der zehnten conj. iſt zwar ein fraíhan (interrogare)
    frah, frêhun, fraíhans aufgeſtellt worden, gleichwohl
    gilt für das praeſ. durch alle modos die intranſitive
    form fraíhnan; ind. fraíhna, fraíhnis, fraíhniþ; conj-
    fraíhnáu, fraíhnáis, fraíhnái; imp. fraíhn, pl. fraíhniþ;
    daneben aber kein ſchwaches praet. fraíhnôda (wie
    in voriger anomalie) ſondern jenes frah, frêhun, part.
    fraihans (Luc. 17, 20.)
  • 9) fünf verba mit ſchwachem praeſ. und ſtarkem praet.
    ſ. 844. anm. 4. angegeben.

Gothiſches paſſivum.


es ſind bloß die flexionen des praeſ. ind. und conj. er-
halten worden:

I.II.III.
ind. praeſ. ſg.-da-za-da
pl.-nda-nda-nda
conj. praeſ. ſg.-dáu-záu-dáu
pl.-ndáu-ndáu-ndáu

welche ſich für die geſammte ſtarke und dritte ſchw.
conj. näher ſo beſtimmen: -ada, -aza, -ada; pl. -anda,
-anda, -anda; conj. -aidáu, -áizáu, -áidáu; pl. -áin-
dau. In der erſten ſchwachen wird i eingeſchoben:
-jada, -jaza, -jada; janda; conj. -jáidáu, -jáizáu,
-jáidáu; -jáindáu. Die zweite ſchwache hat überall ô:
-ôda, -ôza, -ôda; ônda; conj. -ôdáu, -ôzáu, -ôdáu;
pl. -ônda. Beiſpiele ſind: háitada (vocor) háitaza (vo-
caris) háitada (vocatur); háitanda (vocamur); háitáidáu
(vocer) háitáizáu (voceris) etc. faſtada (ſervor) faſtáidáu
(ſerver) etc. huljada (tegor) huljaza (tegeris) huljáindáu
(tegantur) etc. galeikôda (comparatur) galeikôzáu (com-
pareris) etc.


Anmerkungen: 1) Luc. 18, 32. Marc. 9, 50. krôtûda,
ſûpûda ſt. krôtôda, ſûpôda. — 2) merkwürdiger Matth.
27, 42. 43. Marc. 15, 32. láuſjadáu, atſteigadáu für
ῥυσάσθω, καταβάτω, gewis verſchieden von der III. conj.
paſſ. láuſjáidáu, atſteigáidáu, die ganz etwas anders be-
deuten würden, nämlich liberetur, deſcendatur. Liegt
hier III. conj. eines goth. mediums vor? — 3) ein
inf. paſſ. auf -am läßt ſich kaum folgern aus Marc.
10, 45. ni qvam atanbahtjam, ak andbahtjan (οὐκ ἦλθε
[856]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
διακονηθῆναι ἀλλὰ διακονῆσαι) weil das vorangehängte at
zu berückſichtigen iſt, das nicht von qvam regiert wird,
auf welches verbum ſtets der bloße inf. folgt. — 4) nicht
weniger bedenklich ſcheint mir aflifnanda Joh. 6, 13. ſt.
des activen aflifnand (ſuperſunt).


Althochdeutſches verbum.


Starke conjugationen.

I.II.III.
ind. praeſ. ſg.–u–is–it
pl.–amês–at–ant
praet. ſg. …–i
pl.–umês–ut–un
conj. praeſ. ſg.–e–ês–e
pl.–êmês–êt–ên
praet. ſg.–i–îs–i
pl.–îmîs–ît–în
imp. ſg. —
pl. —–at
inf. –an; part. praeſ. –antêr, praet. –anêr

Anmerkungen: α) conſonanten 1) das t der III. praeſ.
ind. und der II. pl. in allen modis ſollte zufolge des
goth. þ die alth. media d ſeyn, doch erſcheint dieſe
nirgends und man muß jenes t in die reihe der ſ. 156. 159.
angeführten auslaute (cot, mit, it-, pluot etc.) ſetzen;
in der III. pl. ant und dem part. antèr ſtimmt hingegen
t zum goth. d. — 2) die I. pl. -amês, -umês, -êmês,
-îmes
übertrifft das goth. -am, -um, -áima, -eima
und bezeugt ein früheres goth. -ams, -ums, -áimas (?)
-eimas (?), welches ſich zu -amês etc. verhält, wie
blinds zu plintêr und den ſ. 808. vermutheten dat. pl.
fiſkams, viſcumêr beſtärkt. Übrigens ſollte man nach
der analogie von plintêr ein -amêr etc. ſtatt -amês er-
warten, welches einigemahl, doch wohl als ſchreibfehler
vorkommt, vgl. tragamer K. 21a; ſchon die frühſten
denkmähler ſchneiden das -ês zuweilen ab und endigen.
wie im goth., auf bloßes -m (vgl. pirum gl. hrab. 967b
ſculîm J. 377.), mit dem zehnten jahrh. hört es gänzlich
auf. Das auslautende -m aber ſchwächt ſich bereits im
neunten zu -n (ſelbſt bei O. und T., welche doch in-
lautend -mês daneben gebrauchen), ſo daß ſich I. pl.
praeſ. ind. -an mit dem inf. -an und I. pl. praeſ. conj.
[857]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
fo wie I. pl. praet. durchgehends mit der III. pl. ſchäd-
lich mengen. N. ſetzt überall -n. — 3) eine merkwür-
dige ſpur der I. ſg. conj. auf -m, ſtatt des vocals,
gewährt ar-wêlim (ferverem) gl. hrab. 952b, woraus
freilich die nothwendigkeit des dem pl. angefügten -ês
hervorgienge, ſo wie ſeine erläßlichkeit, ſobald dem ſg.
das -m mangelt. Was früher z. b. lâſi-m (legerem) laſîmês
(legeremus) lautete, konnte ſpäter lâſi (legerem) lâſîm
(legeremus) heißen; auch hier ſehe ich den gemuthmaß-
ten dat. ſg. palkim, dat. pl. palkimêr (ſ. 808.) beſtä-
tigt. — 4) ſpurweiſe bei O und T., entſchieden bei N.,
lautet die II. pl. jedes modi der III. pl. ind. gleich auf
-nt, während im praet. und conj die III. pl. ſelbſt die-
ſes t frei bleibt. — 5) II. ſg. praeſ. ind. conj. und
praet. conj. beginnt bey O. hin und wieder dem -s
ein t zuzufügen; bei N herrſcht dieſes -ſt ſtatt -s aus-
gemacht. — 6) II. ſg. praet. ind. hat kein dem goth. -t
paralleles - Ʒ, ſondern -i, und, wo der ablaut des ſg.
von dem des pl. abweicht, ſtets mit dem wurzelvocal
und dem conſ. des pl. ind., folglich zugleich des ſg. pl.
praet. conj. z. b. chôs, churi; was, wâri; ſcrei, ſcriri;
ſluoh, ſluogi; zêh, zigi; zôh. zugi; ſah, ſâhi; meit,
miti; ſôt, ſuti; war, wurri etc. — 7) das -n des inf.
mangelt höchſt ſelten, z. b. in den gl. wirceb, wo
aber die lesart nicht hinreichend ſicher iſt. — β)
flexionsvocale 1) I. praeſ. ſg. ind. hat -u ſtatt des
goth. -a (wie der nom. des ſtarken fem. erſter decl.);
N gebraucht dafür -o. — 2) langes ê in II. ſg. und
I. II. III. pl. praeſ. conj. folgt theils aus dem goth.
ái, theils aus N. ſchreibung -ê, theils aus kangees
K. 26b etc., das ê in -mês aus winnamees, pittamees etc.
K. 27a 28a. — 3) langes î in II. ſg. und I. II. III. pl. praet.
conj. wiederum aus dem goth. -ei und N. circumflec-
tiertem -î — 4) I und III. ſg. praeſ. conj. ſcheint frü-
her zuweilen -a ſtatt -e, vgl. gëba (dem) ſamarit.,
weſa (ſit) miſc. 2, 288. wërda (fiat) ibid., was für die
kürze des -e ſtreitet, da das goth. -áu, -ái lieber lan-
gen voc. muthmaßen ließe. — 5) allmählig wandeln ſich
alle kurzen flexions -a in tonloſe -e, die weder ë noch
e (umgelautetes a) ſind; ſpäter die kurzen -u und -i
in eben ein ſolches -e; bei N. ſind bereits die drei
kurzen vocale gemiſcht, doch noch von den langen ge-
ſchieden. — γ) zur überſicht der abſtufung ſetze ich die
flexionen nach O und N. her, welche man mit obigem,
den älteſten quellen gemäßem paradigma vergleichen
[858]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
kann; O. ind. praeſ. -u, -is, -it; pl. -emês (oder -en)
-et, -ent; praet. …, -i, …, pl. umês (oder -un)
-ut, un, conj. praeſ. -e, ês, -ê; pl. êmês (oder -ên) -êt,
-ên; praet. -i -îs, i; pl. îmês (oder -în) -ît, în. —
N. praeſ. ind. -o, -eſt, -et; -en, -ent, -ent; praet.
…, -e, …, pl. -en, -et, -en; conj. praeſ. -e,
êſt, -e; pl. -ên, -ênt, -ên; praet. -e, îſt, e; pl. -în,
-îſt, -în. —


Einzelne conjugationen.


  • I. vallu (cado) vîal, vîalumês, vallanêr; wallu (ferveo)
    wîal, wîalumês, wallanêr; haltu (teneo) hîalt, hîal-
    tumês, haltanêr; ſcaltu (remigo) ſcîalt, ſcîaltumês,
    ſcaltanêr; ſpaltu (findo) ſpîalt, ſpîaltumês, ſpaltanêr;
    waltu (impero) wîalt, wîaltumês, waltanêr; valdu
    (plico) vîalt, vîaldumês, valdanêr; halzu (claudum
    reddo) hîalz, hîalzumês, halzanêr; ſalzu (ſalio)
    ſîalz, ſîalzumês, ſalzanêr; walzu (volvo) wîalz,
    wîalzumês, walzanêr; ſpannu (ſigo) ſpîan, ſpîanumês,
    ſpannauêr; plantu (? miſceo) plîant (O. IV. 12, 45.)
    plîantumês, plantanêr; ebenſo: inplantu? admiſceo,
    intermiſceo, rem difficilem impono; O. V. 23, 490. N.
    34, 13. 54, 4.) int -fanku (ſuſcipio) intfîank, intfîan-
    kumês, intfankanêr; kanku (eo) kîanc, kîankumês,
    kankanêr; hanku (ſuſpendo) hîanc, hîankumês, han-
    kanèr; aru (aro) îar, îarumês, aranêr (beleglich nur
    part. praet. ir-aranju, exarata gl. monſ. 392. ungea-
    ran W. 2, 1., das praet. folgere ich aus dem mittelh.). —
  • II. ſkeidu (ſeparo) ſkîad, ſkîadumês, ſkeidanêr; heiƷu
    (voco) hîaƷ, hîaƷumês, heiƷanêr; meiƷu (amputo)
    mîaƷ, mîaƷumês, meiƷanêr; zeiſu (carpo) zîas, zîa-
    ſumês. zeiſanêr.
  • III. hloufu (curro) hlîaf (O. III. 14, 165. V. 5, 11; lîuf
    N. 58. 5.) hlîafumês, hloufanêr; houwu (caedo) hîô
    (T. 185, 2. N. hîu) hîowumês, houwanêr; ſcrôtu (ſeco)
    ſcrîat. ſcrîatumês, ſcrôtanêr; ſtôƷ (tundo) ſtîaƷ, ſtîa-
    Ʒumes, ſtôƷanêr; — wuofu (ejulo) wîaf, wîafumês
    wuofanêr; hruofu (clamo) hrîaf, hrîafumês, hruofa-
    nêr; pluoƷu (libo) plîaƷ? pluoƷanêr (gl. hrab. 959a
    960a 966b; das praet. nicht zu belegen) vluohhu (ma-
    ledico) vlîah, vlîahhumês, vluohhanêr (praet. unbeleg-
    lich; part. praet. hat K. 18a 46a).
  • IV. ſlâfu (dormio) ſlîaf. ſlîafumês, ſlâfanêr; prâtu (aſſo)
    prîat, prîatumês, prâtanêr; râtu (conſulo) rîat, rîa-
    tumes, râtanêr; lâƷu (ſino) lîaƷ, lîaƷumes, lâƷanêr;
    [859]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
    var-wâƷu (maledico) var-wîaƷ, var-wîaƷumês, var-
    wâƷanêr; hâhu (ſuspendo) und vâhu (capio) haben
    bloß praeſ. das praet. aber nach conj. I. von hankan,
    vankan. —
  • V. VI. mangeln.
  • VII. malu (molo) muol, muolumês, molanêr; ſpann (al-
    licio) ſpuon, ſpuonumês, ſpananêr; ſtantu (ſto) ſtuont,
    ſtuontumês, ſtantanêr; varu (vehor) vnor. vuorumês,
    varanêr; ſuerju (juro) ſuor (ſt. ſuuor) ſuorumês, ſua-
    ranêr; krapn (fodio) kruop, kruopumês, krapanêr;
    ſkapu (rado) ſkuop, ſkuopumês, ſkapanêr; ſkafu (creo)
    ſkuof, ſkuofumês, ſkafanêr; heffu (tollo) huop, huo-
    pumês, hapanêr; in-ſeffu (intelligo) inſuop, inſuopu-
    mês, inſapanêr; hlatu (onero) hluot, hluotumês, hla-
    tanêr; watu (transmeo) wnot, wuotumês, watanêr;
    waſku (lavo) wuoſc, wuoſkumês, waſkanêr; traku
    (porto) truoc, truokumês, trakanêr; naku (rodo) nuoc,
    nuokumês, nakanêr; duahu (lavo) duoh (ſt. duuog)
    duogumês, duaganêr; lahu (veto) luog (O. II. 6, 5.)
    luogumês, laganêr; ſlahu (percutio) ſluoh, ſluogemês,
    ſlaganêr; kiwahu (mentionem facio) kiwuoh, kiwuo-
    gumês, kiwaganêr; hlahhu (rideo) hluoh, hluohnmês,
    hlahhanêr; var-ſahhu (abnego) varſuoh, varſuohu-
    mês, varſahhanêr; wahſu (creſco) wuohs, wuohſumês,
    wahſanêr. —
  • VIII. grîu (gannio) grei, grirumês, griranêr; ſcrîu (clamo)
    ſcrei, ſcrirumês, ſcriranêr; ki-rîmu (contingo) kireim
    (O. IV. 2, 26.) kirimumês, kirimanêr; chînu (germino)
    chein, chinumês, chinanêr; hrînu (tango) hrein, hri-
    numês, hrinanêr, ſcînn (luceo) ſcein, ſcinumês, ſci-
    nanêr; ſuînu (evaneſco) ſuein, ſuinumês, ſuinanêr;
    chlîpu (inhaereo) chleip, chlipumês, chlipanêr; pi-
    lîpu (maneo) pileip, pilipumês, pilipanêr; rîpu (frico)
    reip, ripumês, ripanêr; ſcrîpu (ſcribo) ſcreip, ſcripu-
    mês, ſcripanêr, trîpu (pello) treip, tripumês, tripanêr;
    krîfu (arripio) kreif, krifumês, krifanêr; ſlîfu labor)
    ſleif, ſlifumês, ſlifanêr; pi-wîfu (involvo, ? damno
    capitis) piweif, piwifumês, piwifanêr (N. 108, 7.)
    ſpîwu (ſpuo) ſpei (ſpê) ſpiwnmês, ſpiwanêr; ki-lîdu
    (tranſeo) kileit, kilitumês, kilitanêr; mîdu (evito)
    meit, mitumês, mitanêr; ſnîdu (ſeco) ſneit, ſnitumês,
    ſnitanêr; pîtu (exſpecto) peit, pitumês, pitanêr; rîtu
    (equo vehor) reit, ritumês, ritanêr; ſtrîtu (pugno)
    ſtreit, ſtritumês, ſtritanêr; ſcrîtu (gradior) ſcreit, ſcri-
    [860]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
    tumês, ſcritanêr; pîƷu (mordeo) peiƷ, piƷumês, pi-
    Ʒanêr; rîƷn (exaro) reiƷ, riƷumês, riƷanêr; ſiîƷu
    (rumpo) ſleiƷ, ſliƷumês, ſliƷanêr; ſmîƷu (collino) ſmeiƷ,
    ſmiƷumês, ſmiƷanêr; vlîƷu (operam do) vleiƷ, vliƷumês,
    vliƷanêr; wîƷu (imputo) weiƷ, wiƷumês, wiƷanêr;
    rîſu (decido) reis, rirumês oder riſumês, riranêr; hnîku
    (inclino) hneic, hnikumês, hnikanêr; ſîku (cado) ſeic,
    ſikumês, ſikanêr; ſtîku (ſcando) ſteic, ſtikamês, ſtika-
    nêr; dîhu (proficio) dêh, digumês, diganêr; lîhu (com-
    modo) lêh, liwumês, liwanêr; int-rîhu (revelo)
    intrêh, intrigumês, intriganêr; ſîhu (colo) ſêh, ſigu-
    mês, ſiganêr; zîhu (accuſo) zêh, zigumês, ziganêr;
    ki-rîhhu (praevaleo) kireih (N. 51, 9.) kirihhumês,
    ki-rihhanêr; ſuîhhu (fallo) ſueih, ſuihhumês, ſuihha-
    nêr; ſlîhhu (repo) ſleih, ſlihhumês, ſlihhanêr.
  • IX. chliupu (findo) chloup, chlupumês, chlopanêr; ſciu-
    pu (protrudo) ſcoup, ſcupumês, ſcopanêr; ſûfu
    (bibo) ſouf, ſufumês, ſofanêr; ſliufu (exuo) ſlouf, ſlu-
    famês, ſlofanêr; triufu (ſtillo) trouf, trufumês, trofa-
    nêr; chiwu oder chiuwn (mando) chou, chuumês,
    chuanêr; hriwu oder hriuwu (poenitet me) hrou,
    hruumês, hruanêr; pliwu oder pliuwu (verbero) plou,
    pluumês, pluanêr; priwu oder priuwu (braxo) prou,
    pruumês, pruanêr; hliutu (pullulo) hlôt, hlutumês,
    hlotanêr; piutu (offero) pôt, putumês, potanêr; ſiudu
    (coquo) ſôt, ſutumês, ſotanêr; diuƷu (ſono) dôƷ, du-
    Ʒumês, doƷanêr; ar -driuƷu (taedio ſum) ardrôƷ, ar-
    druƷumês, ardroƷanêr; hliuƷu (ſortior) hlôƷ, hluƷu-
    mês, hloƷanêr; kiuƷu (fundo) kôƷ, kuƷumês, koƷa-
    nêr; niuƷu (fruor) nôƷ, nuƷumês, noƷanêr; riuƷu
    (ploro) rôƷ, ruƷumês, roƷanêr; ſliuƷu (claudo) ſlôƷ,
    ſluƷumês, ſloƷanêr; vliuƷu (fluo) vlôƷ, vluƷumês,
    vloƷanêr; chiuſu (eligo) chôs, churumês. choranêr;
    liuſu (perdo) lôs, lurumês, loranêr; triuſu (cado)
    trôs, trurumês, troranêr; vriuſu (gelo) vrôs, vruru-
    mês, vroranêr; liuku (mentior) louc, lukumês, loka-
    nêr; piuku (flecto) pouc, puknmês, pokanêr; ſiuku
    oder ſûku (ſugo) ſouc, ſukumês, ſokanêr; triuku (de-
    cipio) trouc, trukumês, trokanêr; vliuku (volo) vlouc,
    vlukumês, vlokanêr; vliuhu (fugio) vlôh, vluhumês,
    vlohanêr; ziuhu (traho) zôh, zugumês, zoganêr; liuhhu
    oder lûhhu (claudo) louh, luhhumês, lohhanêr; riuhhu
    (fumo) rouh, ruhhumês, rohhanêr.
  • X. kipu (dono) kap, kâpumês, këpanêr; wipu (texo)
    wap, wâpumês, wëpanêr; chnitu (depſo) chnat, chnâ-
    [861]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
    tumes, chnëtanêr; pittu (rogo) pat, pâtumês, pëtanêr;
    tritu (calco) trat, trâtumês, trëtanêr; ki-witu (jungo)
    kiwat, kiwâtumês, kiwëtanêr; quidu (dico) quat, quâ-
    dumês oder quâtumes, quëlanêr; ſtridu (ferveo) ſtrat,
    ſtrâdumês, ſtrëtanêr; iƷu (edo) aƷ, âƷumês, ëƷanêr; ir-
    kiƷu (obliviſcor) irkaƷ, irkâƷumês, irkëƷanêr; miƷu
    (metior) maƷ, mâƷumês, mëƷanêr; vriƷu (voro) vraƷ,
    vrâƷumês, vrëƷanêr; ſizu (ſedeo) ſaƷ, ſâƷumês, ſëƷanêr;
    chriſu (repo) chras, chrâſumês, chrëſanêr; liſu (lego)
    las, lâſumês, lëſanêr; kiniſu (ſervor) kinas, kinâſumês,
    kinëſanêr; wiſu (exiſto), was, wârumês, wëſanêr;
    liku (jaceo) lac, lâkumês, lëkanêr; phliku (ſoleo)
    phlac, phlâkumes, phlëkanêr [das praet. iſt mir noch
    nicht vorgekommen und für pligit O. V. 19, 78. lieſt cod.
    vind. plëgit] wiku (pondero) wac, wâkumês, wëkanêr;
    gihu (ajo) jah, jâhumês, gëhanêr; ſihu (video) ſah,
    ſâhumês, ſëhanêr; ki-ſcihu (contingo) kiſcah, kiſcâ-
    humês, kiſcëhanêr; ki-vihu (gaudeo) kivah, kivâhu-
    mês, kivëhanêr; vnihu (anhelo) vnah, vnâhumês,
    vnëhanêr.
  • XI. hilu (celo) hal, hâlumês, holanêr; quilu (crucior)
    qual, quâlumês, quolanêr; ſtilu (furor) ſtal, ſtâlumês,
    ſtolanêr; ſuilu (uror) ſual, ſuâlumês, ſuolanêr; tuilu
    (torpeo) tual, tualumês, tuolanêr; nimu (ſumo) nam,
    nâmumês, nomanêr; quimu (venio) quam, quâmumês,
    quomanêr; zimu (deceo) zam, zâmumês, zomanêr;
    ki-duiru (contero) kiduar (O. III. 20, 95.) kiduârumês,
    kiduoranêr (gl. monſ. 411. herrad. 187a) piru (fero) par,
    pârumes, poranêr; ſciru (tondeo) ſcar, ſcârumês, ſco-
    ranêr; ſuiru (ulcero) ſuar, ſuârumês, ſuoranêr; ziru
    (conſumo) zar, zârumês, zoranêr; trifu (ferio) traf,
    trâfumês, trofanêr; ar-prittu (ſtringo) prat, prâttu-
    mês, prottanêr; priſtu (rumpor) praſt, prâſtumês, pro-
    ſtanêr; driſku (trituro) draſc, drâſkumês, droſkanêr;
    ir-liſku (exſtinguor) irlaſc, irlâſkumês, irloſkanêr;
    rihhu (ulciſcor) rah, râhumês, rohhanêr; prihhu
    (frango) prah, prâhumês, prohhanêr; ſprihhu (loqnor)
    ſprah, ſprâhumês, ſprohhanêr; ſtihhu (pungo) ſtah,
    ſtâhumês, ſtohhanêr; ſuihhu (foeteo) ſuahl, ſuâhumês,
    ſuohhanêr; vihtu (certo) vaht, vâhtumês, vohtanêr;
    vlihtu (necto) vlaht, vlâhtumês, vlohtanêr.
  • XII. hillu (conſono) hal, hullumês, hollanêr; pillu (latro)
    pal, pullumês, pollanêr; ſcillu (perſono) ſcal, ſcullu-
    mês, ſcollanêr; ſuillu (turgeo) ſual, ſuullumês, ſuolla-
    nêr; pi-willu (contamino) piwal, piwullumês, piwol-
    [862]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
    lanêr; hilfu (juvo) half, hulfumês, bolfanêr; tilfu
    (fodio) talf, tulfumês, tolfanêr; kiltu (rependo) kalt,
    kultumês, koltanêr; ſciltu (increpo) ſcalt, ſcultumês,
    ſcoltanêr; ſmilzu (liquefio) ſmalz, ſmulzumês ſmolzanêr;
    arpilku (iraſcor) arpalc, arpulkumês, arpolkanêr; ſuilku
    (glutio) ſualc, ſuulkumês, ſuolkanêr; [? ſuilhu, ſualh etc.]
    vilihu (commendo) valah, vuluhumês, volohanêr; primmu
    (rugio) pram, prummumês, prummanêr; ſnimmu (nato)
    ſuam, ſuummumês, ſuummanêr; ki-limfu (deceo)
    kilamf, kilumfumês, kilumfanêr; chlinnu (lino) chlan,
    chlunnumês, chlunnanêr; pi-kinnu (incipio) pikan,
    pikunnumês, pikunnanêr; linnu (ceſſo) lan. lunnumês,
    lunnanêr; prinnu (ardeo) pran, prunnumês, prunna-
    nêr; rinnu (fluo) ran. runnumês, runnanêr; ſinnu
    (proficiſcor) ſann, ſunnumês, ſunnanêr; ſpinnu (neo)
    ſpan, ſpunnumês, ſpunnanêr; winnu (laboro) wan,
    wunnumês, wunnanêr; pintu, pant, puntumês, pun-
    tanêr; ſcrintu (ſindo) ſcrant, ſcruntumês, ſcrunta-
    nêr; ſlintu (glutio) ſlant, ſluntumês, ſluntanêr; ſuintu
    (evaneſco) ſuant, ſuuntumês, ſuuntanêr; pi-wintu
    (circumligo) piwant, piwuntumès, piwuntanêr; ki-
    niudu (audacter aggredior) ki-nant (O. I. 2, 24.) ki-
    nundumês, kinundanêr [gewöhnlicher ſchwach: ki-
    nendu]; vindu (invenio) vant, vundumês, vundanêr;
    dinſu (traho) dans, dunſumês, dunſanêr; drinku (pre-
    mo) dranc, drunkumês, drunkanêr; duinku (cogo)
    duanc, duunkumês, duunkanêr; prinku (affero) pranc,
    prunkumês, prunkanêr; ſinku (cano) ſanc, ſunkumês,
    ſunkanêr; ſinhu (cado) ſanh, ſunhumês, ſunhanêr;
    ſtinhu (odorem ſpargo) ſtanh, ſtunhumês, ſtunhanêr;
    trinhu (bibo) tranh, trunhumês, trunhauêr; chirru
    (crepo) char, churrumês, chorranêr; ſcirru (rado) ſcar,
    ſcurrumês, ſcorranêr; wirru (impedio) war, wurrumês,
    worranêr; huirpu (revertor) huarap oder huarp, huur-
    pumês, huorpanêr; ſtirpu (morior) ſtarp, ſturpumês,
    ſtorpanêr; ſuirpu (abstergo) ſuarp, ſuurpumês, ſuuor-
    panêr; ſnirfu (coeco) ſnarf, ſnurfumês, ſnorfanêr;
    wirfu, warf oder waraf, wurfumês, worfanêr; wirdu
    (fio) wart, wurtumês, wortanêr; pirku (celo) parac
    und parc, purkumês, porkanêr.

Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.


  • 1) reduplication völlig außer gebrauch; doch in heialt
    K. 29b ſt. heihalt ſcheint ſie nachzuhallen. vielleicht
    in einzelnen interjectionen und dem ſubſt, vîvaltra
    (papilio) gl. blaſ. 74. zwetl. 127b nach heutig-oberd.
    [863]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
    volksſprache feifalter, pfeipfalter, fifalter, Aus der re-
    dupl. entwickelte ſich aber der unorg. ablaut îa, wie
    ich ihn zu ſchreiben wage, aus dem îa der gewöhn-
    liche diphth. ia [vgl. oben ſ. 103. 104.] ſpäter ie;
    verſchiedene denkmähler des 8. 9. jahrh. haben ëa
    [ſ. 101.], vielleicht auch êa zu ſchreiben: lêaƷ, blêas,
    fêanc? ſolche die ſich dem ſächſ. nähern, ſetzen ê,
    als: fênc J. 367. 385. Dieſer herleitung des alth. îa
    der vier erſten decl. aus uralter redupl. ſtehen zwei
    einwürfe entgegen: α) in erſter conj. verſtändigt ſich
    îa wohl aus eia, weil der voeal der wurzel a lautet;
    in zweiter hingegen ſollte man eiei, oder îei; in drit-
    ter eiô oder îô in vierter eià oder îâ erwarten, da
    hier von keinem wurzelhaften a rede ſeyn kann.
    Wirklich zeigt ſich ſpurweiſe in der dritten hîô (T.
    185, 2.) hîu (N. p. 258a, 12.) lîuf (N. 58, 5.) ſt. hîou,
    hlîouf [vgl. oben ſ. 106.], zur zweiten würde die
    ſchreibung îe, vielleicht îê? paſſen (hîêƷ, ſcîêd); all-
    mählig kam in alle vier conj. einförmigkeit des ab-
    lauts. Ja ein einzelnes verbum verflüchtigte das aus
    dem alten ei, î ſtammende i in den conſ. j und wies
    ſich aus der zweiten in die zehnte conj. ein, nämlich
    dem goth. áikan, áaik, áiáikun wäre alth. eihhan,
    îah, îahhun parallel, ſobald ſich aber jah, jâhun ge-
    bildet hatte, fand ſich das praeſ. gihan, gihu. —
    β) die ſyncope der ſpirans h (heialt, heiêƷ ſt. heihalt,
    heiheiƷ) iſt leicht, ſchwerer die der übrigen conſ. zu
    begreifen: wie wurde aus veival, ſpeiſpalt, meimeiƷ
    ein vîal, ſpîalt, mîêƷ? Hätten wir noch quellen
    des 6. 7. jahrh. übrig, ſie würden uns mittelwege
    aufdecken, durch welche dieſe formen gelaufen ſind,
    um aus fühlbarer redupl. in verhärteten ablaut aus-
    zuarten; die geſchehene verwandlung läßt ſich bei der
    identität aller einzelnen verba in den alth. und goth.
    conj. gar nicht beſtreiten.
  • 2) vocale; α) das kurze i wird zu ë, theils ausgedehn-
    ter, theils beſchränkter, als das goth. i zu aî. Aus-
    gedehnter, nämlich nicht bloß vor r und h, ſondern
    auch vor allen andern conſ. zehnter, eilfter und zwölf-
    ter
    conj. (außer vor m und n zwölfter). Einge-
    ſchränkter, nämlich ſowohl vor r und h, als vor al-
    len übrigen conſ. bleibt das alte i im ganzen praeſ.
    ſg. ind. und imp. während es im goth. vor r und h
    auch da verwandelt wird. Dadurch bildet ſich eine
    der goth. ſprache unbekannte unterſcheidung des praeſ.
    [864]II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
    ind. ſg. vom pl. ſo wie des ind. vom conjunct‥ welche
    im mittel- und neuh. bei abgeſchliffenen flexionen
    noch förderlicher wird. In der buchſtabenlehre iſt ſie
    aber unbegründet [oben ſ. 81. 82.] und nur aus dem
    haft der conjugationsförmlichkeit zu erklären. Zum
    beiſpiel dienen: praeſ. ind. ſg. I. kipu, ſihu, hilu,
    piru, hillu, wirfu; II. kipis, ſihis, hilis, piris, hillis,
    wirfis; III. kipit, ſihit, hilit, pirit, hillit, wirfit; pl.
    I. këpamês, ſëhamês, hëlamês, përamês, hëllamês,
    wërfamês; II. këpat, ſëhat, hëlat, përat, hëllat, wër-
    fat; III. këpant, ſëhant. hëlant. përant, hëllant, wër-
    fant; — praeſ. conj. ſg. I. këpê, ſëhê, hëlê, përê,
    hëllê, wërfê; II. këpês, ſëhês, hëlês, përês, hëllês,
    wërfês; III. këpê etc. pl. I. këpêmês, ſëhêmês etc. II.
    këpêt, ſëhêt etc. III. këpên, ſëhên etc. — imp. ſg. kip,
    ſih, hil, pir, hil, wirf; pl. këpat, ſëhat, përat etc. —
    inf. këpan, ſehan, hëlan, përan. hëllan. wërfan. —
    Bei pittan und ſizan (anm. 4.) gilt kein wechſel
    des i und ë, vielmehr behalten ſie immer i, desglei-
    chen thut likan (jacere) und häufig wikan (ponderare),
    nur daß ſie beide im part. praet. lëkan, wëkan (zu-
    weilen wikan) bilden. — β) das kurze i im praet.
    achter conj. unterliegt keiner ſchwächung in ë, ſelbſt
    wenn r folgt (vgl. ſcrirumês) eben ſo wenig das i
    zwölfter vor m und n (vgl. primman, primmu, prim-
    mamês; prinnan, prinnu, prinnamês). — γ) gleich-
    falls iſt die-verwandlung des kurzen u in o theils
    ansgedehnter, als im goth., indem die part. praet.
    neunter und eilfter vor allen conſ., die zwölfter
    vor l und r (nicht vor m und n) o bekommen;
    theils eingeſchränkter, indem die praet. pl neunter
    und zwölfter durchgehends ſelbſt vor r das u be-
    halten. Man vergleiche die part. koƷan, noman,
    ſtolan, poran, holfan, worfan mit den goth. gutan,
    numan, ſtulan, baúran, hulpan, vaúrpan und die pl.
    praet. wurfun, purkun mit vaúrpun, baúrgun. Die
    alth. ſprache ſcheidet in neunter conj. überall und in
    zwölfter vor l, r ein u praet. pl. vom o part. praet.
    (kuƷun, koƷan; churun, choran; wurfun, worfan);
    die goth. kennt keinen ſolchen unterſchied (gutun,
    gutan, kuſun, kuſan; vaúrpun, vaúrpan), offen-
    bar iſt er auch im alth. für das wahre ablautverhältnis
    unweſentlich, ja inconſequent, da [ſich] in achter das
    i pl. praet. und part. nicht in i und ë trennen (d. h.
    dem kuƷun, koƷan ſteht kein analoges ſliƷun, ſlëƷan
    [865]II. alth ſtarke conjugation.
    zur ſeite). — δ) ein der goth. ſprache ebenfalls unbe-
    kannter. dem unter α. berührten ganz analoger wech-
    ſel zwiſchen iu und io erſcheint im praeſ. neunter
    conj.; der ſg. ind. und imp. bleibt dem alten iu ge-
    treu, der pl. ind. und imp., ſo wie der ſg. und pl.
    conj. ſchwächen es in io (oder mundartiſch ëo, ia)
    z. b. kiuƷu, kiuƷis, kiuƷit; pl. kioƷamês. kioƷat,
    kioƷant; conj. kioƷe, kioƷês, kioƷe; pl. kioƷêmês,
    kioƷês, kioƷên; imp. kiuƷ, pl kioƷat. Nur da, wo
    ſich aus dem iu ein û entwickelt hat, bleibt dies
    überall, ohne mit io zu wechſeln, z. b. ſûfu, ſûfis,
    ſûfit; ſûfamês etc. — ε) verba, deren wurzel auf
    ou und iu endigt, pflegen bei vocaliſch anſtoßen-
    der flexion das ou in ôw oder ouw, das iu in iw
    oder iuw zu wandeln, alſo aus dritter conj. houwan,
    hôwan, praet. hîô, pl. hîôwun, imp hou; aus neun-
    ter chiwan oder chiuwan, praet. chou, pl. chunn oder
    chuwun, imp. chiu etc. vielleicht galt auch im pl. praet.
    nach goth analogie chiwun oder chiuwun? — ζ) im
    ſg. praet. achter verſteht ſich das ê ſtatt ei vor h (nicht
    hh nach ſeite 90; in neunter das ô ſtatt ou vor h
    (nicht hh) und ſämmtlichen lingualen nach ſ. 94. 100. —
    η) wie im goth. die ſtämme ik aus zehnter in eilfte
    ſchwanken, fallen die alth. ſtämme ëhh entſchieden
    der eilften zu, welcher ich auch ëſk, ëſt, ëtt und
    ëht beilege, obſchon beweisſtellen für die praet. pl.
    drâſkun, prâſtun, prâttun, vlâhtun mangeln und ein-
    zelne mundarten wenigſtens ëſt und ëht nach zwölf-
    ter conjugieren, vgl. bruſtun O. III. 20, 257. bruſti II.
    4, 71. vluhtun O. IV. 22, 39, wogegen das mittelh.
    brâſten, vlâhten jene formen unterſtützt. — θ) das
    praeſ. quëman, quimu gehet häufig in chuëman, chu-
    man, kuman, coman über; N. bildet auch das praet.
    cham, châmen, ſo wie er chëden, chad, châden
    ſchreibt für quëden, quad, quâden (oben ſ. 196.) —
    ι) von umlaut kann bloß in II. III. ſg. praeſ. ind. er-
    ſter und ſiebenter conj. die rede ſeyn, weil nur hier
    kurzes a der wurzel dem i der flexion vorangeht und
    noch kein andrer vocal dem umlaut unterworfen iſt.
    Die älteſten denkmähler ſcheinen haltis. ſalzis, waltit,
    varis, ſlahis, krapit etc. vorzuziehen, die ſpäteren, na-
    mentlich O. T. N. haben heltis, ſelzis, weltit, veris,
    ſlehis, grebit etc. Dieſer umlaut darf dem unter α.
    berührten wechſel zwiſchen ë und i, io und in nicht
    verglichen werden, wo nämlich i und iu von dem i
    I i i
    [866]II. alth. ſtarke conjugation.
    der flexion unabhängig auch in der erſten perſon
    (nimu, kiuzu) und dem imp. (nim, kiuz) erſcheinen.
    während es ſtets ohne umlaut haltu, varu, halt, var
    heißen muß. —
  • 3) conſonanten, α) geminierte liq. wird auslautend ein-
    fach (ſ. 122.) welches nur in I. III. praet. ind. ſg. und
    im ſg imp. der fall seyn kann, z. b. pram, ſpan, hal,
    war; prim, ſpin, hil, wir
    ; wodurch einzelne formen
    zuſ. fallen, als hal (ſonuit) hil (ſona) mit hal (celavit)
    hil (cela). Geminierte muta kommt nur in dem ein-
    zigen prëttan (conj. XI.) vor, welches tt vielleicht aus-
    lautend bleibt, wiewohl O IV. 17. 2. wegen des an-
    gelehnten pronom. (bratter) nichts beweiſt. Die ſchrei-
    bung hh ſtatt ch iſt nicht wahre gemination (ſ. 185.),
    practiſch kann man vielleicht die nämliche regel für ihre
    vereinfachung im auslaut gelten laßen, vgl. prëhhan,
    prah, imp. prih. — β) geminata vereinfacht sich, ſo-
    bald der ihr vorſtehende kurze voc. durch ablaut lang
    wird, nicht bloß aus-, ſondern auch inlautend; es
    heißt; valln, vial, vialun; ſpannu, ſpian, ſpianun
    (ſtatt: viall: viallun, ſpiann, ſpiannun) wohin man
    wiederum das h für hh in hlahhu, hluoh, hluohun
    und prihhu, prâhun (ſt. prâhhun) zählen mag, ob-
    ſchon bei der ſchreibung ch keine ſolche vereinfachung
    thunlich wäre (prichu, prach, prâchun; hlóc, riſit, gl.
    hrab. 954a ſcheint eher für hlôg zu ſtehn, als ein prac
    zu rechtfertigen) und aſp. allerdings langen voc. vor
    ſich verträgt prâchun analog dem trâfun, âƷun) ja
    ſelbſt conſ. verbindungen (drâſkun, prâſtun). — γ) die
    ſpirans ſ. iſt übergängen in r. ausgeſetzt, die wie es
    ſcheint durch den wechſel der länge und kürze des
    vorſtehenden vocals hervorgerufen werden, wenigſtens
    finde ich da, wo er in praeſ. und praet. gleich lang
    bleibt, unwandelbares ſ, alſo in zweiter und vierter
    zeiſan, zîas, zîaſun; plâſan, plîas, plîaſun. Hingegen
    in achter, neunter, zehnter tritt ſolcher übergang ein:
    rîſan, reis, pl. rirun, part. riran (oder riſan?) chio-
    ſan, chôs, churun, choran; wëſan, was, wârun, wë-
    ſan
    . Alle verba neunter mit ſ. nehmen entſchieden
    das r im pl. praet an; bei rîſan bin ich ungewis,
    ob nicht riſun, riſan neben rirun, riran gelte; in
    zehnter ſchwankts, das einfache wëſan, was, bekommt
    ſtets den pl. wârun (nie wâſun) behält aber ſ im part.
    wëſan (nie wëran); das comp. virwëſan (defendere)
    behält durchaus die ſpirans: virwas, virwâſun, vir-
    [867]II. alth. ſtarke conjugation.
    wëſan (O. II. 6, 108. III. 6, 91.); irwëſan ſcheint aber
    irwas, irwârun, irwëran (gl. monſ. 320. 338. 347. 363.
    confectus aetate) zu bilden; nëſan macht nas, nârun,
    nëran
    (gl. monſ. 405.); vermuthlich neben nâſun në-
    ſan
    ; chrëſan und lëſan bleiben völlig ohne r: las, lâ-
    ſun, lëſan
    etc. — δ) ein r entwickelt ſich im pl.
    praet. ſcrirun, grirun von den inf. ſcrîan, grîan achter
    conj., desgleichen in pirun (erſte anomalie). — ε) nicht
    unähnlich jenem übergang des ſ in r erfolgt einer des
    h in g im plur. und part. praet. ſiebenter, achter,
    neunter; vgl. ſlahan, ſluoh, ſluogun, ſlagan; duahan,
    duoh, duogun, duagan; zîhan, zèh, zigun, zigan;
    dîhan, dêh, digun, digan; ziohan, zôh, zugun, zô-
    gan
    ; vliohan, vlôh, vlugun, vlogan; welches g O.
    ſelbſt in den ſg. ſluag, thuag, wuag einführt. Die
    ſtämme mit h zehnter conj. behalten es durchgängig:
    ſëhan, ſah, ſâhun, ſëhan (nicht ſâgun, lëgan) etc.;
    vâhan, vieh (?) viegun (vierter conj.) bedarf beßers
    belegs, als fr. or. 2, 942. phiegen (? ſtatt phiengen). —
    ζ) auch die dem goth. þ parallele alth. media wird im
    pl. praet. und part. zur ten. vgl. in VIII und IX.: mî-
    dan, mitun, mitan; ſnîdan, ſnitun, ſnitan; ſiodan,
    ſutun, ſotan (oben ſ. 408.); unſicherer in X.: quëdan,
    quàtun, quëtan (O. quâtun, T. quâdun, N. châden);
    gleichſchwankend der lingualauslaut, einige ſchreiben
    meid. ſôd, quad, andere meit, ſôt, quat. — η) das
    im pl. praet. und part. von lîhan, ſîhan und ſëhan er-
    ſcheinende w beruht auf keinem ſolchen wechſel, es iſt
    organiſch (oben ſ. 844.): lîhan, lêh, liwun (O. IV. 16, 25.)
    liwanêr (gl. jun. 190; liuwen N. 108, 11. vgl. oben ſ. 146;
    ſîhan, ſêh, ſiwun, ſiwanêr (gl. monſ. 347. irſiwan 362.
    piſihan) die meiſten brauchen: ſëhan, ſah, ſâhun, ſëhanêr,
    bloß N. 34, 22. das part. keſëwen ſt. keſëhen, neben dem
    pl. ſâhen (nicht ſâwen) — θ) quëdan ſyncopiert zuwei-
    len die med. in II. III. praeſ. ſg.; ſtatt quidis, quidit oder
    chidis, chidit ſtehet quîs (O. III 20, 141. IV. 12, 49.) quît:
    chîs, chît
    (N.) — ι) ſtantan ſtößt ſtrengalth. ſein n im
    praet. nicht aus: ſtuont, ſtuontun, part. ſiantan; inzwi-
    ſchen reimt O. ſtuant: guat, muat (III. 17, 89, 100,
    III. 24, 86, 202. V. 9. 2. 14, 12.) gleich als lautete es
    ſiuat und I. 17, 38. lieſt die pſälz. hſ. wirklich ſo. —
  • 4) (einmiſchung ſchwacher form) das praeſ. ſchwach. bei
    ſtarkem praet. bilden folgende: aus ſiebenter. conj.
    ſuerran (jurare) heffan (tollere) ſeffan (intelligere) aus
    zehnter: pittan (orare) ſizan (ſedere), wo verdoppe-
    I i i 2
    [868]II. alth. ſchwache conjugation.
    lung, umgelautetes a und gebliebenes i das unterdrückte
    ableitungs-i anzeigen: ſuerjan, hefjan, ſefjan, pitjan,
    ſiƷjan; praeſ. ind. ſuerru; heffu (oder hepfu) ſeffu,
    pittu, ſizu; ſtößt in II. III. das i der flexion an, ſo
    wird die conſonanz vereinfacht: ſueris, ſuerit; hefis,
    hefit (bei einigen hevis, hevit) ſefis, ſefit; pitis, pitit;
    ſizis, ſizit (warum nicht ſiƷis, ſiƷit?); hingegen im pl.
    ſuerramês, ſuerrat, ſuerrat, ſuerrant; heffamês; ſeffamês;
    pittamês; ſizamês; desgl. im conj. ſuerre, heffe, pitte;
    imp. ſing. ſueri, hefi, ſefi, piti, ſizi; pl. ſuerrat, heffat,
    ſeffat, pittat, ſizat [vgl. erſte ſchw. conj. anm. 3.].
    Das praet. hat ſtark: ſuor (ſtatt ſuuor) huop, ſuop,
    pat, ſaƷ (nicht laz), part. praet. ſuaran, hapan, ſapan,
    pëtan, ſëƷan (nicht ſëzan). — Von ſtantan (conj.
    VII.) gilt neben dem regelrechten ſtantu, ſtentis, ſten-
    tit, ſtantamês etc. (T. 2, 9. 215, 2. 129. 135. O. II. 17,
    26. III. 12, 67.) eine verkürzte, nt ſyncopierende, wie
    es ſcheint ſchwache form und zwar doppelter art
    α) ſtâm (O. ſtân III. 13, 17.) ſtâs, ſtât (gl. hrab. 971a
    O. V. 12, 35.) pl. ſtâmês, ſtât, ſtânt. β) ſtêm (gl. monſ.
    404.) ſteis, ſteit (O. IV. 27, 60. V. 24, 19.) plur. ohne
    beleg. Analog findet ſich von kankan (conj. I.) neben
    kanku, kenkis, kenkit (gangu T. 162, 1. gengiſt O. V.
    15, 86. gengit T. 135. O. IV. 26, 27.) ein ſyncopiertes
    gâm, gâs, gât (gl. hrab. 954b 975b); pl. gâmês (gl. jun. 253.
    T. 166, 4.) gât, gânt; und gêm, geis, geit (O. I. 2, 37.).
    Beides, ſtât und ſteit, gât und geit ſtehen ſogar ne-
    beneinander (z. b. O. III. 7, 97, 105.) und letztere rei-
    men auf -heit, arabeit etc. —


Althochdeutſche ſchwache conjugation.
I.II.III.
ind.praeſ.ſg.-u (-m)-s-t
pl.-mês-t-nt
praet.ſg.-ta-tôs-ta
-tumês-tut-tun
conſ.praeſ.ſg.[vocal]-s[vocal]
-mês-t-n
praet.ſg.-ti-tîs-ti
pl.-tîmês-tît-tîn
imp.ſg.[vocal]
pl.-t
inf. -n;part. praeſ. -ntêr; -têr.
[869]II. alth. erſte ſchwache conjugation.

der ableitungsvocal lautet i in der erſten, ô in der
zweiten, ê in der dritten conjugation. Die ſ. 856. 857.
für die ſtarke flexion gemachten bemerkungen verſtehen
ſich hier, ſo weit ſie anwendbar ſind, von ſelbſt. Für
das ê in mês zeugt wiederum haremees, manomses
K. 20a 21b; für die ausnahmsweiſe endung -im ſtatt -i
der I. ſg. praet. conj. arheiƷêtim (aeſtuarem) gl. hrab.
932b. — d ſtatt t in -da und ê in -dês ſtatt -tôs bei J.
(vgl. minnerôdês 374.) neigt ſich zu niederd. mundart;
tâs T. 121. fluohhotas 128. antlingitas desgleichen.


Erſte ſchwache conjugation.

Kurzſilbige bewahren das i der ableitung überall, wo
die flexion nicht ſelbſt mit i anhebt, welches nur bei
II. III. ſg. praeſ. ind. der fall iſt:

ind. praeſ. ſg. ner-juner-isner-it
pl. ner-jamêsner-jatner-jant
praet. ſg. ner-itaner-itôsner-ita
pl. ner-itumêsner-itutner-itun
conj. praeſ. ſg. ner-jener-jêsner-je
ner-jêmêsner-jêtner-jên
praet. ſg. ner-itiner-itîsner-iti
pl. ner-itîmêsner-itîtner-itîn
imp. ſg. ner-i; pl. ner-jat
inf. ner-jan; part. ner-jantêr; praet. ner-itêr.

vielleicht wäre im ſg. imp. nerî zu ſetzen? ſtatt des a
in nerjan, nerjames, nerjat ſtehet gewöhnlich und ſelbſt
bei ſolchen, die in ſtarker conj. a behalten, e: nerjen,
nerjemês, nerjet [ſ. die bemerkung zu den langſilb.]
Es ſind nur wenige verba: 1) queljan (necare) ſeljan
(tradere) ſceljan (decorticare) tueljan (morari) weljan
(eligere) zeljan (numerare, dicere) kremjan (affligere)
lemjan (debilitare) vremjan (promovere) zemjan (doma-
re) denjan (tendere) huenjan (vibrare gl. hrab. 976a) erjan
(arare) cherjan (ſcopare) nerjan (ſervare) ſcerjan (ordi-
nare) terjan (nocere) verjan (navigare) werjan (defen-
dere) in-ſuepjan (ſopire) pitepjan (opprimere) ſtrewjan
(ſpargere) vlewjan (lavare T. 19, 4.) vrewjan (exhilarare)
retjan (eripere) quetjan (ſalutare) zetjan (dilanire) O. IV.
5, 7.) hekjan (ſepire) lekjan (ponere) ſekjan (dicere)
wekjan (concutere). — 2) dikjan (orare). — 3) huljan
(tegere) muljan (conterere) vrumjan (promovere) pur-
jan (erigere) ki-purjan (evenire) ſpurjan (evenire) ſpurjan (inveſtigare)
[870]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
ſeutjan (commovere) ſtrutjan (ſpoliare) chnuſjan (eli-
dere) hukjan (cogitare).


Anmerkungen: α) das j geht nach r zuweilen in g,
zuweilen, in ig über, als nergan, vergan, wergan K.
58b nerige (gl. monſ. 397.) purigen (ibid. 323.) — β) häu-
figer fällt es ganz aus und der vorſtehende conſ, gemi-
niert, als: quellan, mullan, ſellan, zellan, vrumman,
cherran, nerran, terran, terran, in-ſueppan, rettan, ſeuttan,
chnuſſan, diccan etc. wo dann nur in II. III. praeſ. ſg.
und II. imp. ſg. einfacher conſ. bleiben mnß (vorhin
ſ. 867.) z. b. quellu, quelis, quelit, quellamês; vrummu,
vrumis, vrumit, vrummamês; cherru, cheris, cherit,
cherramês etc. Und ebenſo im ganzen praet. quelita,
mulita, terita, retita, retita, ſcutita, dikita etc. Dieſe
gemination hat, weil ſie langſilbig macht, miſchungen
mit der conj. langſilbiger verba verurſacht, wie ſich
hernach zeigen wird.


Langſilbige verba characteriſiert meiſtentheils (vgl.
anm. 1.) die auswerfung des ableitungs-i, wovon im
praet. folgende weitere wirkungen abhängen: α) das e
erfährt rückumlaut in a. β) geminierte conſ. wird vor
dem -ta, tôs etc. einfach. γ) ſchließt die wurzel mit:
ld, lt, nd, nt, rd, rt, ft, ſt, ht, ſo fällt vor dem -ta,
-tôs etc. das wurzelhafte d und t weg; lz, nz, rz, ls, ns,
rs hingegen ſo wie einfaches t, d bleiben. — paradigma:

ind. praeſ. ſg. prenn-uprenn-îsprenn-ît
pl. prenn-amêsprenn-atprenn-ant
praet. ſg. pran-tapran-tôspran-ta
pl. pran-tumespran-tutpran-tun
conj. praeſ. ſg. prenn-eprenn-êsprenn-e
prenn-êmêsprenn-êtprenn-ên
imp. ſg. prenn-î, pl. prenn-at
inf. prenn-an; part. prenn-antêr; ki-prantêr

II. III. ſg. praeſ. prennîs, prennît (abſtehend von neris,
nerit), imp. prennî, wofür ſich vielleicht noch beweiſe
entdecken werden, ſetze ich vorläufig nach dem goth.
an. Wie bei den kurzſilbigen pflegt auch hier prennen,
prennet, prennemês, ſt. prennan, prennat, prennamês,
zu ſtehen; vermuthlich wirkte das eingerückt geweſene
ableitungs -i auf dieſe ſchwächung des a hin. Daß das
gewicht langer wurzel das i der ableitung hemme, be-
greift ſich; warum aber hat nicht auch im praeſ. rück-
umlaut des e ſtatt? ich glaube α) weil im praet. rein vo-
[871]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
caliſches i (-ita) herrſchte; deſſen aufhebung ſehr fühl-
bar war und darum den gebundenen voc. befreite; das
conſonantiſche j des praeſ. überhörte ſich und ſeine aus-
laßung blieb ohne wirkung. Auch bei den kurzſilbigen
zog die das lj, rj vertretende gem. ll, rr keinen rück-
umlaut nach ſich. β) in II. III. praeſ. ind. und II. imp.
ſg. hätte das i der flexion den rückumlaut doch gehin-
dert, dieſe formen ſtützten den umlaut auch in allen
übrigen des praeſ. γ) vermuthlich erfolgte die ſyncope
des i praet. nicht gleichzeitig mit der des j praeſ. ſon-
dern früher.


Beiſpiele der zahlreichen hierher fallenden verba:
1) ſnellan (digito projicere) ſnalta; ſtellan (collocare)
ſtalta; vellan (caedere) valta; welzan (volvere) walzta;
helſan (amplecti) halſta; memman (? complacere) mamta
(N. 34, 14.); piwemman (maculare) piwamta; chemphan
(certare) champhta; demphan (ſupprimere) damphta; chen-
nan (noſcere) chanta; nennan (nominare) nanta; prennan
(nrere) pranta; rennan (currere) ranta; ſcentan (dedeco-
rare) ſcanta; ſuentan (dilapidare) ſuanta; wentan (ver-
tere) wanta; ki-nendan (audere) kinanta; ſendan (mit-
tere) ſanta; enkan (auguſtare) ancta; duenkan (arctare)
duancta; henkan (concedere) hancta; ſprenkan (rum-
pere) ſprancta; ſenchan (inclinare) ſanhta; ſcenchan (in-
fundere) ſcanhta; ſtenchan (foetidum reddere) ſtanhta;
wenchan (vacillare) wanhta; merran (impedire) marta;
ſperran (claudere) ſparta; derren (ſiccare) darta; werman
(calefacere) warmta; ſterpan (occidere) ſtarpta; werpan
(volvere) warpta; zerpan (volutare) zarpta; rertan (? pro-
nuntiare) rarta; ſterchan (roborare) ſtarhta; refſan (incre-
pare) rafſta; heftan (figere) hafta; ir-kezan (delectare)
irkazta; ſezan (ponere) ſazta; huezan (acuere) huazta;
dueſpan (exſtinguere) duaſpta; meſtan (ſaginare) maſta;
reſtan (morari) raſta; decchan (tegere) dahta; chlecchan
(disrumpere) chlahta; recchan (exponere) rahta; ſtecchan
(figere) ſtahta; ſtrecchan (extendere) ſtrahta; wecchan
(excitare) wahta; wrecchan (perſequi) wrahta. — 2) ſtil-
lan (ſedare) ſtilta; villan (caedere) vilta; hëlman (galeare)
hëlmta; miltan (miſereri) milta; ſcimphan (ignominia affi-
cere) ſcimphta; antlinkan (reſpondere) antlincta; ſcirman
(tegere) ſcirmta; ki-pirnen (erigere) kipirnta; chrifan (ra-
pere) chrifta; ſtiftan (conſtituere) ſtifta; miſſan (aberrare)
miſta; ſcricchan (exſilire) ſcrihta; ar-ſticchan (ſuffocare)
ftihta. — 3) vullan (implere) vulta; huldan (favere) hulta;
dultan (pati) dulta; krumpan (curvare) krumpta; zuntan
[872]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
(incendere) zunta; chundan (notum facere) chunta; pi-
durnan (ſpinis cingere pidurnta; var-ſpurnan (impin-
gere) ſpurota; ſcurfan (exenterare) ſcurfta; antwurtan
(reſpondere) antwurta; ſturzan (labi) ſturzta; durſtan (ſitire)
durſta; hurſkan (acuere) hurſcta: ſcurkan (praecipitare)
ſcurcta; kurtan (cingere) kurta; vurban (mundare) vurpta;
chnupfan (nectere) chnupfta; chuſſan (oſculari) chuſta;
luſtan (cupere) luſta; zucchan (rapere) zuhta; itaruhhan
(ruminare) itaruhta — 4) wânan (putare) wânta; mâran
(divnlgare) mârta; wâtan (veſtire) wâtta. — 5) chêran (re-
verti) chêrta; lêran (docere) lêrta. — 6) îlan (feſtinare);
lìman (glutinare) lîmta; plîdan (taetificare) plìdta; huìƷan
(albare) huîƷta; wìhan (ſacrare) wîhta; lîhtan (facilitare)
lîhta. — 7) kouman (curare) koumta; chrônan (garrire)
chrônta; hônan (irridere) hônta; hôran (audire) hôrta;
ſtòran (deſtruere) ſtôrta; ki-loupan (credere) kiloupta;
roufan (vellere) roufta; toufan (baptizare) toufta; nôtan
(cogere nôtta; ar-ôdan (vaſtare) arôdta; lôſan (ſolvere)
lôſta; ôſan (vaſtare) ôſta; trôſtan (ſolari) trôſta; oukan
(oſtendere) oucta; ar-vloukan (fugare) vloucta. —
8) chûman (gemere) chûmta; ſcûman (ſpumare) ſcûmta;
zûnan (ſepire) zûnta; prûhhan (uti) prûhta. — 9) teilan
(dividere) teilta; heilan (ſanare) heilta; meinan (putare)
meinta; ir-ſceinan (oſtendere) ſceinta; zeinan (ſignifi-
care) zeinta; chleipan (illinere) chleipta; leipan (relin-
quere) leipta; peitan (urgere) peitta; preitan (dilatare)
preitta; leitan (ducere) leitta; ſpreitan (ſpargere) ſpreitta;
neiƷan (affligere) neiƷta; ki weiƷan (probare) weiƷta;
hneikan (flectere) hneicta; weikan (vexare) weicta. —
10) wiuman (ſcatere) wiumta; ſtriunan (lucrari) ſtriunta;
ſtiuran (remigare) ſtiurta; diupan (furari) diupta; liupan
(carum eſſe) liupta; ſtiufan (orbare) ſtiufta; riutan (ſucci-
dere) rintta; ſpriuƷan (fulcire) ſpriuƷta; liuhtan (lucere)
liuhta; hierher zähle ich auch die mit ia, ie bei O., als
gi-fiaren (perducere) gi fiarta (III. 14, 45. 21, 9.) giſcia-
ren (expedire) giſciarta (IV. 12, 88.) gimieren (appellere)
gimierta (V. 25, 4.) ziaren (ornare) ziarta; mieten (re-
munerare) mietta. — 11) vuolan (ſentire) vuolta; ſpuolan
(purgare) ſpuolta; wuolan (ſuffodere) wuolta; tuoman
(judicare) tuomta; zuoman (evacuare) zuomta; ſuonan
(judicare) ſuonta; hruoran (tangere) hruorta; vuoran
(ducere) vuorta; truopan (obſcurare) truopta; pruotan
(fovere) pruotta; pruokan (terrere) pruocta; huotan (cu-
ſtodire) huotta; ſuohhan (quaerere) ſuohta. — 12) bil-
dungen mit -al, -an, -ar: als mahalan (ſermocinari)
[873]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
mahalta; nakalan (clavis figere) nakalta; kakanan (ob-
viare) kakanta. — 13) bildungen mit -iz, -uſt: kirizan
(concupiſcere) anazan (ſt. anizan?. incitare) ki-jazan
(aſſentiri) duzan (tuiſſare) praet. kirizta, anazta, duzta;
ankuſtan (angere) ankuſta.


Anmerkungen: 1) verſchiedene denkmähler hegen das
ableitungs -i in praeſ. und praet.; ihnen fällt, wenn das
ſ. 870. vermuthete -îs, ît unerweiſlich wäre, die conj.
der kurz- und langſilbigen zuſammen; namentlich ge-
währt J. chennida, ſendida, quihhida, heftida, meinida,
nemnida, dehhida, ſaghida, aughida, luſtida, reſtida etc.
doch findet ſich 357. hôrdon ſt. hôridon. Im T. gibt es
noch viele -ita (zumahl nach mf, ng, ſg. ld, rt, ht,
ft, als: ſcimphita, hengita, antlingita, miſgita, heldita,
antwurtita, ahtita, liuhtita, heftita etc.) wo die gl. monſ.
O. und N. ſyncopiertes -ta zeigen. Verbis, deren wurzel
auf einfaches h ausgeht (nicht denen auf hh) läßt ſelbſt
O. das i, als: ſkiuhen (vereri) ſkiuhita; nâhen (appropin-
quare) nâhita [vgl. unten anom. 5.]; auch ableitungen
mit erſter langer ſilbe ſcheint es gern zu bleiben, z. b.
pouhnan (ſignificare, ſt. pouhanan) pouhnita; ar-îtalan
(exinanire) arîtalita [d. h. arîtalan, arîtàlita, nach der
note oben ſ. 374.] terchnan diſſimulare, ſt. terchinan)
terchnita; vuotran (paſcere, ſt. vuotaran) vuotrita; vluo-
bran (conſolari ſt. vluobaran) vluobrita; heilizan (d. i.
heilìzan, ſalutare) heilizita; rûnizan (rûnìzan, ſuſurrare)
rûnizita etc. Im allgemeinen merke man auch, daß das
part. praet. auslautend volle form mit dem ableitungs -i
behält, während ſie das praet. ind. bereits ſyncopiert [ſ.
unten participium]. — 2) der conſ. vor dem t praet. der
zuſ. gezognen form iſt ſchwierig und nach verſchieden-
heit der mundart feſt zu ſetzen. Die quellen ſchwan-
ken; ſolche, die noch inlautende med. b. g. dulden, pfle-
gen ſie vor t in ten. zu ſchärfen, z. b. uoben, nopta;
werben, warpta; hengen, hancta, doch ſelbſt O. iſt un-
zuverläßig, er und T. erlauben auch die med. vor dem
t. (I. 13, 28. goumpta f. goumta). Strengalth. galt ten.
durchgreifend; wegen des cch. bin ich zweifelhaft, ob
es vor dem t zu h oder c werde? K. 29b gibt kiſtactêm
46b kiſtrahtêr. Bey O. T. etc., welche ſtecken, ſtrecken
ſchreiben, iſt ſtacta, ſtracta ausgemacht. — 3) urſprüng-
lich kurzſilbige, durch gemination in gewiſſen fällen
langſilbig geworden, müßen ſich zuweilen als durchaus
langſilbige behandeln laßen und überkommen namentlich
rückumlaut. So entſpringt allmählig: zellu, zellîs, zellît;
[874]II. alth. erſte ſchwache conjugation.
zellamês; praet. zalta anſtatt zellu, zelis, zelit, zella-
mês; praet. zelita; desgl. ſellu, ſalta ſt. ſelita; hullu,
hulta ſt. hulita; kremmu, kramta ſt. kremita; ſcuttu,
ſcutta ſt. ſcutita; rettu, ratta ſt. retita; quettu, quatta
ſt. quetita etc. zumahl begünſtigt O. dieſe, wie mir
ſcheint, unorganiſchen praeterita, indem gemination.
welche ſelbſt erſt im praeſ. aus dem ableitungs-i erwächſt,
nicht nochmahls durch deſſen ſyncope im praet. be-
ſtimmt werden kann. Man ſtelle wörter mit urſprüngli-
cher gem. denen mit unurſprünglicher gegenüber, z. b.
vullan (implere) vullîs, vullît, praet. vulta; chennan
(noſcere) chennîs, chenuît, chanta dem hullan (operire)
hulis, hulit, praet. hulita; dennan (tendere) denis, de-
nit, denita. Aus vullita, chennita wird jenes vulta,
chanta, ſolglich ſetzen hulta, danta ein hullita, dennita
voraus, welche nicht vorhanden ſeyn können, ſolange
die ſprache den urſprung des huljan, dennan aus huljan,
denjan fühlt. In der that iſt auch dennan ſo unerhört
als danta und ſelbſt O. gewährt thenen, thenita, allein
er gebraucht das analoge ſellen (tradere) ſalta neben dem
richtigeren wellen (eligere) welita (nicht walta), ja von
zellen abwechſelnd zelita oder zalta (ohne eigentlichen
unterſchied einer bedeutung numeravit und narravit)
während ihm doch II. III. praeſ. ſtets zelis, zelit lauten,
niemahls zellîs, zellît. Dieſe ſchwankende, progreſſive
verwandlung kurzſilbiger verba in langſilbiger iſt keiner
allgemeinen darſtellung fähig, ſondern nach zeit und
mundart zu beſtimmen. — 4) tadelhaft ſcheint mir ge-
mination nach langem vocal (vgl. oben ſ. 54. 123.) z. b.
hôrran (audire) lêrran (docere) beide bei K. mehrmahls;
ſtôrran (deſtruere) gl. monſ. 336. wânnan (ſperare) K. 24a
gl. jun. 187; hreinnan (caſtigare) K. 23a îllan (foſtinare)
gl. monſ. 383. 399. wiewohl ſie gleichfalls aus aſſimilier-
tem j der ableitung entſpringt (ſt. hôrjan, lêrjan, wânjan,
îljan) folglich in II. III. ſg. und dem imp. unterbleibt
(hôris, lêrît, îlit, niemahls hôrrîs etc.). Gäbe man ſie
zu, ſo müſte in wörtern mit organiſcher, d. h. von die-
ſem j unabhängiger gemination conſequent dreifaches r etc.
möglich werden, ſparrran f. ſparrjan. — 5) die con-
traction des praet. vermengt zuweilen: nanta kann von
nennan (nominare) oder nendan (audere) herrühren.


Zweite ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. ſalp-ômſalp-ôsſalp-ôt
pl. ſalp-ômêsſalp-ôtſalp-ônt
praet. ſg. ſalp-ôtaſalp-ôtôsſalp-ôta
pl. ſalp-ôtumesſalp-ôtutſalp-ôtun
conj. praeſ. ſg. ſalp-ôeſalp-ôêsſalp-ôe
pl. ſalp-ôêmêsſalp-ôêtſalp-ôên
praet. ſg. ſalp-ôtiſalp-ôtîsſalp-ôti
pl. ſalp-ôtîmêsſalp-ôtîtſalp-ôtîn
imp. II. ſg. ſalp-ô pl. ſalp-ôt
inf. ſalp-ôn; part. ſalp-ôntêr; ki-ſalp-ôtêr.

I. ſg. praeſ. ſeit dem 9. jahrh. -ôn ſtatt -ôm, miſcht
ſich alſo mit dem inf. und der allmählig auch -ôn ſtatt
-ômês gebrauchenden I. pl. praeſ. Die länge des ab-
leitungsvocals beſtätigt oo bei K. (z. b. ladoot 17b, mi-
noont 24b) und ô bei N.; der conj. hat bei K. einige-
mahl eingeſchobenes h, als: ſcawôhe 52b trahtôhe 55b
[oben ſ. 189.]. O. T. und gl. monſ., mit verſchluckung
des characteriſtiſchen voc. des conj. ſetzen (wie der
Gothe) -ô, -ôs, -ô, ômês etc. für -ôe, -ôês etc., ihnen
fallen daher II. ſg. und I. II. pl. praeſ. conj. ind. zu-
ſammen. Der ſpätere N. behält das ê, ſchreibt aber
(nach Fügliſtallers mittheilung) -oe, -oêſt, -oe; -oên,
-oênt, -oên, welches nicht gerade ein früheres -ôê,
-ôês widerlegt. In den pſalmen zuweilen oi für oe, als:
bëtoiên 96, 7; minnoiên 86, 1; chôſoiên 108, 29; zu-
weilen ei: bëteiên 70. 7; jageie 7, 6; bildeiêſt 36, 1;
vermuthlich j. mithin analog dem bei K. eingeſchalte-
ten h. Auch gl. aug. 125b ahtôgên 122b ſtatôge ſt. ahtôên,
ſtatôe; miſc. 2, 288. rîhhiſôia d. i. rîhhiſôja (regnet) ſt.
des üblichen rîhhiſôe [wegen des a für e oben ſ. 857.].


Einzelne verba dieſer conjugation: 1) halôn (bei
einigen holôn, arceſſere) walôn (? wâlôn, aegrotare?
O. III. 2, 13.) zalôn (dinumerare N. 89, 11.) hlamôn (cre-
pitare, gl. hrab. 957b) namon (nominare, gl. monſ. 344.)
manôn (monere) wanôn (minuere, corrumpere O. I.
22, 115.) zanôn (dentibus lacerare) charôn (plangere)
pi-ſmarôn (irridere T. 67, 13. 20. 5, 3,) ſparôn (reſer-
vare O. II. 10, 38.) tarôn (nocere) lapôn (recreare) chra-
wôn (gratitare) ſcawôn (contemplari) pi-katôn (contin-
gere) ſatôn (ſaturare) ki-ſtatôn (locum praebere) vratôn
(ſauciare) ladôn (invitare) padôn (abluere) ſcadôn (nocere)
vaſôn (quaerere N. 100, 6.) chlakôn (queri) jakôn (venari)
hantſlakôn (plaudere manibus). — 2) ſpilôn (ludere, exul-
tare) tilôn (delere) wilôn (velare) zilôn (niti) kërôn (cu-
pere) ſcërôn (ſtertere, meridiari, laſcivire, gl. jun. 181.
[876]II. alth. zweite ſchwache conjugation.
monſ. 344. 347. doc. 231a aug. 127b; oder ſcêrôn?) pi-
ſmërôn (irridere O. IV. 23, 12. 25, 3.) in-cribôn (T. in-
crepare) pëtôn (orare) ſitôn (ſolere) ſmidôn (cudere) ki-
vridôn (pacificare) wëkôn (prodeſſe) ſpëhôn (circumſpi-
cere) zëhôn (tingere, gl. hrab. 963b, oder zêhôn?). —
3) polôn (jacĕre) ſpunôn (commentari, eigentl. nere;
O. 1. 14, 16. II. 4, 121. V. 14. 50.) chorôn (guſtare) lo-
pôn (laudare) topôn (inſanire) chutôn (? meditari, gl.
monſ. 350.) vnotôn (conquaſſare N. 109, 6.) ſcrodôn
(ſcrutari bei N., ſcrutôn bei T.) rohôn (rugire, gl. hrab.
964a vgl. N. 21, 14. 37, 9.) — 4) dancdallôn (meditari?
gl. jun. 214.) challôn (nugari) wallôn (ambulare) umpi-
halpôn (circumdare) ſalpôn (ungere) int-halſôn (decol-
lare) nidar-walzôn (provolvere) ſalzôn (ſaltare) walkôn
(volutari) damnôn (damnare) wannôn (ventilare) antôn
(zelari f. anadôn) vantôn (faſciis involvere? O. I. 11, 86.
fandôn) danſôn (trahere) phlanzôn (plantare) drankôn
(comprimere) lankôn (deſiderare) wunni-ſankôn (jubi-
lare) vuri-vankôn (praeoccupare) ſprankôn (ſalire N. 38,
1. 54, 1.) danchôn (gratias agere) wanchôn (vacillare)
arnôn (metere) warnôn (munire) artôn (habitare) vokal-
rartôn (augurari gl. jun. 194.) vnartôn (anhelare) ki-
chraphôn (hamare) ki-ſcafôn (conficere O. IV. 29, 61.)
praſtôn (ſtrepere) haƷôn (odiſſe, bei O.) vaƷôn (capere)
ſcazôn (lucrari) zaſkôn (rapere) mahhôn (facere) rahhôn
(diſſerere) int-rahhôn (excuſare) ahtôn (reputare) ſlahtôn
(victimare) trahtôn (cogitare). — 5) kot-ſpëllôn (evan-
gelizare) krunt-ſëllôn (fundare) kris-crimmôn (ſtridere,
gl. monſ.; N. griscramôn) innôn (recipere) minnôn
(amare) chintôn (prolem habere N. 107, 37.) rëntôn (red-
dere, reſpondere) ſpëntôn (expendere, largiri) wintôn
(ventilare) irrôn (errare) hirmôn (ceſſare) wërfôn (jactare
N. 21, 11.) hërtôn (alternari) wirtôn (epulari N. 41, 5.) wër-
dôn (aeſtimare) ki-wërdôn (praeditum eſſe) vërkôn (poſce-
re) wërchôn (operari) hriwôn (poenitere) niwôn (reno-
vare) mëƷôn (temperare N. 139, 8.) ſcëſſôn (dolare) zëſſôn
(fervere, ſpumare) miſtôn (ſtercorare) nëſtôn, niſtôn (nidifi-
care) viſcôn (piſcari) hizôn (aeſtuare) lëcchôn (lambere) aua-
prëhhôn (increpare) ſtëhhôn (ſtimulare, gl. hrab. 969a 975a
tihtôn (dictare). — 6) ſtollôn (fundare) muntôn (tueri)
wuntôn (vulnerare) tunchôn (tingere) ſpornôn (calcitrare)
vorſcôn (inquirere) purkôn (civitatem conſtituere) uppôn
(evacuare N. 63, 9.) pi-ſtophôn (obturare) choſtôn (tentare)
luſtôn (appetere T. 116. monſ. 409.) nôt-zogôn (violare)
chlocchôn (pulſare) locchôn (pellicere) procchôn (diffrin-
[877]II. alth. zweite ſchwache conjugation.
gere). — 7) mâlôn (pingere) tuâlôn (morari) zâlôn (diripere)
pârôn (acervare gl. jun. 237.) vârôn (fallere) lâkôn (inſi-
diari) rât-vrâkôn (conſulere, gl. jun. 197.) lâhbôn (ſanare)
kâhôn (praevenire) hintar-ſprâhhôn (calumniari). — 8) ei-
nôn (jungere) hreinôn (mundare) ſteinôn (lapidare) weinôn
(plorare) zeinôn (ſignificare) mêrôn (ampliare) ſueipôn (ferri)
weipôn (fluctuare) kreifôn (palpare O. III. 20, 76.) chêwôn
(oſcitare) peitôn (exſpectare) preitôn (dilatare) ſceitôn (di-
ſtinguere gl. monſ. 347. 352.) weidôn (paſcere) reiſôn (molirl
O. IV. 29, 51.) eiſcôn (poſcere) zuo-ka-reigôn (? attingere
gl. jun. 195.) weigôn (hinnire, gl. hrab. 959a hueiôn)
zeigôn (monſtrare, inſinuare, gl. hrab. 966b 968a O. I.
17, 28. IV. 11, 88, 104.) eihhôn (vindicare) vlêhôn (ro-
gare) zuêhôn (dubitare). — 9) phînôn (cruciare) vîrôn
(otiari) pîſôn (laſcivire) wîſôn (viſitare) ſtîkôn (ſtabu-
lare N. 48, 15.) zuîôn, zuîkôn (carpere). — 10) lônôn (re-
munerare) chrônôn (coronare) chôſôn (blandiri) pôſôn
(aſſuere O. IV. 28, 14.) hloufôn (diſcurrere gl. jun. 201.)
ſtôwôn (queri). — 11) tûmôn (circumire) hûfôn (acer-
vare) mûƷôn (mutare). — 12) niumôn (modulari) dionôn
(ſervire) niotôn (gaudere) liudôn (jubilare N. 32, 3.)
meri-crëoƷôn (margaritare). — 13) koumôn (epulari)
hroupôn (ſpoliare) ouhhôn (augere). — 14) pfruontôn
(alimoniam praeſtare) huorôn (adulterare) vuorôn (alere)
uparmuotôn (ſuperbire) unmuoƷôn (occupari) huohôn
(deludere) vluohhôn (dira precari). — 15) ein ableitungs i
(ë) vor dem ô haben folgende: entëôn (finire gl. hrab.
951b) herjôn (vaſtare) minnëôn (diligere gl. hrab. 964a)
âwicchëôn (deviare) hliumuntëôn (calumniari) undëôn
(fluctuare) etc. meiſtens iſt es ſchon ſyncopiert, erkenn-
bar aber theils an dem umlaut des a in e, theils an der
conſ. gemination. So ſtehet redôn (loqui) nothwendig
für redjôn; vrehtôn (mereri) f. vrehtjôn; willôn (delec-
tare N. 29, 2.) f. willjôn; herrôn f. herjôn; trëttôn (cal-
care) f. trëttjôn; wittôn (diſcriminare gl. monſ. 359.) f.
witjôn etc. — 16) die zahlreichen ableitungen von ſubſt.
oder adj. mit den bildungen -ſam, -al, -il, -ol, -an,
-in, -ar, -id, -ôd, -ik, -ah, -aht
faße ich hier in
einigen beiſpielen zuſammen: kinuhtſamôn (ſatisfieri)
vreiſſamôn (periclitari) avalôn (ſatagere) pi-vankalôn
(praeoccupare) vokalôn (auſpicari) pëtalôn (mendicare)
ſtammalôn (balbutire) kruopilôn (rimari) rikilôn (clau-
dere) vihilôn (limare) pi-ſtumpilôn (truncare) zorcho-
lôn (aegrotare O. III. 23, 50.) ſamanôn (congregare) ëpa-
nôn (aequare) ofanôn (aperire) wâfanôn (armare) haſa-
[878]II. alth. zweite ſchwache conjugation.
nôn (polire) rëkanôn (pluere) ſëkanôn (benedicere) tru-
kanôn (fallere) veihhanôn (fraudare) zeihhanôn (ſignare)
redinôn (ratiocinari) hepinôn (tractare) hahſinôn (ener-
vare) altinôn (diſſimulare) pipinôn (tremere) veſtinôn
(firmare) wîƷinôn (mulctare) koukarôn (vacare) minni-
rôn (minuere) laſtarôn (convitiari) opfarôn (offerre) tëm-
perôn (temperare) ſmëhharôn (polire) vëƷarôn (compe-
dire) vlokarôn (volitare) wuntarôn (mirari) zimparôn
(fabricare) ir-choporôn (recuperare) anadôn (aemulari)
vîadôn (imitari? gl. monſ. 357.) kinâdôn (dignari) pili-
dôn (eſſingere) kiluſtidôn (delectari) ſelidôn (recipere)
antſeidôn (defendere N. ſt. ant-ſegidôn) einôdôn (con-
ſpirare) mittilôdôn (mediare) ſpillôdôn (exultare) wiomi-
dôn (ſcatere) duruftikôn (indigere) pirikôn (foecundare)
apahôn (abominari) përahtôn (illuſtrare) zorahtôn (id.).
Aſſimilationen und ſyncopen des bildungsvocals [z. b.
murmulôn, ëponôn, choporôn, veihnôn gl. hrab. 969a
vêhnôn T. 114. f. veihhanôn; vielleicht das unter 8 an-
geführte zeinòn f. zeihnôn, zeihhanôn? koukrôn, zim-
prôn, wuntrôn etc.] kommen hier nicht in betracht. —
17) endlich die dunkleren ableitungen -iſ, -it, -att,
als: heriſôn (dominari) lîhhiſôn (diſſimulare) piderpiſôn
(expedire) rîhhiſôn (dominari) ſcutiſôn (horrere) pluchi-
ſôn (dubitare) winiſôn (mutire) impitôn (inſerere) ſûf-
tôn (? ſûſitôn, gemere) trabattôn (fluctuare) etc. Voll-
ſtändigere angaben aller ſolcher ableitungen im dritten
buche. —


Anmerkungen: 1) ſchwanken zwiſchen erſter und
zweiter conj. iſt ſelten; O. gebraucht zeinen, zeinta, gi-
zeinit (I. 1, 164. V. 1, 52. T. 88.) neben zeinôn, zei-
nôta, gizeinôt (IV. 5, 41. V. 5, 28. 14, 1.). Bildungen
auf -izan gehören der erſten, die auf -iſôn der zwei-
ten an, darum ſteht cremizôn (fremere) gl. hrab. 964b
gremizôta (fremuit) T. 135. fehlerhaft f. cremizan, gre-
mizita; unterſchieden davon iſt aber crimmiſôn (ſaevire)
gl. hrab. l. c., jun. 225.; tarôn neben terren (= tarjan)
beruht nicht auf ſchwanken, ſondern doppelter herlei-
tung, jenes von dem ſubſt. tara, dieſes von einem ver-
lorenen ſtarken verbum. Einige gothiſch zur erſten ge-
hörende ſtehen alth. in der zweiten z. b. agjan (terrere)
bei N. 57, 3. egôn (wie der umlaut zeigt, für egjôn)
wo nicht eget [wie 79, 17. zundet f. zundôt] zu leſen
iſt. — 2) ſchwanken zwiſchen zweiter und dritter
[ſ. dort anm. 2.]


[879]II. alth. dritte ſchwache conjugation.
Dritte ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. hap-êmhap êshap-êt
pl. hap-êmêshap-êthap ênt
praet. ſg. hap-êtahap-êtôshap êta
pl. hap-êtumêshap-êtuthap-êtun
conj. praeſ. ſg. hap-êehap-êêshap-êe
pl. hap-êêmêshap-êêthap-êên
praet. ſg. hap-êtihap-êtîshap-êti
pl. hap-êtîmêshap-êtîthap-êtîn

imp. II. ſg. hap-ê; pl. hap-êt


inf. hap-ên; part. hap-êntêr; hap-êtêr.


wie bei der vorigen conj. wird -êm und -êmês allmäh-
lig zu -ên; auch die conjunctivflexionen folgen der ana-
logie von ôe, ôês etc., N. hat -ee, -eêſt, -ee; -eên,
-eênt, -eên [zuweilen -ei, habeiê ſt. 12, 5. ſchameiên
34, 4. etc.]; O. T. und andere: -ê, -ês, -ê etc. Nach
dem goth. könnte man im pl. praeſ. ind. hapamês, ha-
pant erwarten, welches nirgends vorkommt. Selten fin-
det ſich ſtatt des ableitungsvocals -ê ein -â, luagâta
O. V. 7, 14. êrâta V. 25, 157. [I. 16, 2. thionâta ſt. thio-
nôta, III. 6, 37. korâta ſt. korôta] T. 103. ſcamâta; T. 87.
104. wonâta wonâtun gl. monſ. 365. ih wonân Pez theſ.
1, 418.; gl. aug. 124a altât (antiquitatur) und imp. wartâ
N. 79, 6. was ſich dem mînâ, feſtinodâ oben ſ. 723. ver-
gleicht und dem ſächſ. nähert.


Einzelne wörter: 1) ramên (tendere N. 118, 30.) ſca-
mên (erubeſcere) var-manên (contemnere, gl. jun. 201.
N. 99, 3; bei O. fir-monên III. 17, 105, 109.) wanên (ha-
bitare N. 87, 17. bei O. T. wonên) harên (clamare) ſpa-
rên (parcere) ſtarên (fixis oculis intueri) hapên (habere,
tenere) ar-ſtapên (rigere) zawên (agere, promovere)
dakên (ſilere) ki-makên (pollere) ſakên (dicere) in-ſa-
ken (delibare) — 2) zilên (ſtudere) hlinên (recumbere)
pi-winên (depaſcere gl. jun. 201.) wërên (durare N. 106,
38. O. II. 8, 68.) wërên (praeſtare J. 385.) int-wërên
(praeterire) chlëpên (haerere) lëpên (vivere) — 3) dolên
(pati) romên (? O. IV, 29, 73.) wonên (ſ. wanên) ar-to-
pên (inſanire gl. hrab. 954b) hloſên (auſcultare) hokên
(cogitare; O. hogên neben huggen, hugita; N. 114, 4.
be-hugêta) — 4) altên (ſeneſcere) ar-chaltên (frigeſcere)
haldên (vergere) ar-paldên (audere) hankên (pendêre)
lankên (deſiderare N. 37, 1. 106, 5.) ſtrankên (corrobo-
rari) ar-narrên (deſipere) parrên (rigere) ar-parmên
[880]II. alth. dritte ſchwache conjugation.
(miſereri) darpên (egere) partên (pubeſcere) wartên (ca-
vere) haftên (teneri) haƷên (odiſſe J. 345. T. 67, 18.
N. 128, 5.) naƷên (madere) laƷên (languere) paƷên (me-
lius ſe habere T. 55, 7.) raſtên (quieſcere) vaſtên (jeju-
nare) lahhên (ridere N. 34, 14.) wahhên (vigilare) un-
mahtên (languere) — 5) ki-ſtillên (ſilere) ar-plintên
(coecari) ar-vërrên (alienare) lirnên, lërnên (diſcere)
ar-virnên (ſeneſcere) dicchên (groſſeſcere) — 6) volkên
(ſequi) ar-ſtummên (muteſcere) ar tumpên (ſtuheſcere)
ſcorrên (eminere) porkên (cavere) ſorkên (moerere) mornên
(lugere) ſtornên (obſtupere) roſtên (ferruginare) loſkên la-
tere) — 7) ſuârên (gravari) krâwên (caneſcere) pâkên (rixari)
ar-trâkên (taedere) vrâkên oder vrâhên (interrogare) ſmâ-
hên (vileſcere gl. monſ. 347. N. 13, 6.) — 8) vîên (odiſle)
huîlên (morari) rîfên matureſcere) ſuîkên (tacere) lîhhên
(placere). — 9) krûên (horrere) trûên, trûwên (confi-
dere) ar-vûlen (putreſcere) rûnên (clam loqui) ſtûnen
(ſtupere) trûrên (moerere) ar-ſûrên (aceſcere) — 10) êrên
(honorare) arheiên (urere, gl. monſ. 320.) reidên (cri-
ſpare) arheiƷên (fervere) ar pleihhên (palleſcere) ar-
weihhên (marceſcere) — 11) rôtên (rutilare) ar-plôdên
(vereri) — 12) hruomên (jactare) luokên (videre) ar-luo-
kên (perſpicere gl. jun. 204.) ûƷ-luokên (eminere gl.
hrab. 961b) — 13) ableitungen von bildungen -al, -am,
-an, -ar
etc. ſind unhäufiger als in voriger conj.; beiſpiele:
ar-îtalên (vaneſcere) tunchilên (obſcurari) chradamên
(perſtrepere) [vgl. ar-paramên ſt. ar-parmên] trunchanên
(ebriari O. II. 8, 98.) hlutrên (liquefieri) veiƷtên (pin-
gueſcere); oft finden ſich bildungen -ak: luſtakên (de-
lectari) roſtakên (aeruginem contrahere) intwonakên (de-
ſueſcere) pluotakên (ſanguinare) zi-accharakên (fodere gl.
monſ. 398.) etc. vgl. die unter 6 angeführten ſorakên, porakên.


Anmerkungen: 1) zwiſchen dritter und erſter ſchwan-
ken die verba hapên und ſakên. O. T. N. exh. regel-
mäßig habên nach dritter; K. (neben dem inf. habên
39b und part. kihabêt 31a) im praeſ. hebit (habet) 15a 28a
44a 54a; desgl. J. hebit 343. und im praet. hapta 355.
Ebenſo gebrauchen einige ſegjan, ſegit; praet. ſegita
(gl. jun. 202. J. 376. ohne umlaut ſaghida); andere ſagên,
ſagêta
(O. T. N. gl. jun. 203.). Bloße ſyncope ſcheint
hogti O. II. 24, 26. IV. 9, 32. ſt. hogêti (I. 8, 43. 9, 27.).
Über vrâkên ſ. zehnte anomalie. — 2) wechſel zwiſchen
zweiter und dritter: ſtatt haƷên O. haƷôn (III. 14, 234.
V. 23, 304.) [vgl. ſ. 851. das goth. ſchwanken zwiſchen
dritter und erſter]; ſtatt ki-wërên (praeſtare) O. gi-wë-
[881]II. anomalien der alth. conjugation.
rôn (I. 15, 16.); ſtatt dolên O tholôn (IV, 25, 27.) und
daneben nach erſter thulten, thulta (IV. 25, 26.); neben
fagôn (exhilarare) I. 8, 44. III. 20, 143.) fagên IV 26, 72;
neben charôn N. 54, 1. ſtehet charên 37, 1; anſtatt ſatôn
80, 17. ſatên, inſoweit hier und in ähnlichen fällen den
ausgaben zu trauen iſt.


Anomalien der alth. conjugation.

1) Eſſe beſteht aus viererlei ſtämmen α) III. praeſ. ſg.
ind. lautet: iſt. — β) der inf. ſîn; III. praeſ. ind. pl.
ſint (bei J. 347. 357. ſindun); das ganze praeſ. conj. ſî,
ſîs, ſî; ſîmês
(ſpäter ſîn) ſît, ſîn. — γ) I. ſg. praeſ. ind.
pim (bim, pin, bin) II. piſt (biſt); pl. I. pirumês (ſpä-
ter pirum, pirun, birun) II. pirut (birut). N. braucht
die doppelform I. birin, birn II. birint; I. bin II. bint.
Der verlorene ſtamm zu pirun lautete ſchwerlich pîſan,
peis (nach rîſan, reis, rirun), vermuthlicher pîan, pei
(nach ſcrîan, ſcrei ſ. 867.) — δ) der inf. wëſan, imp.
wis; praet. was, wâri, was; wârumês (wârum, wârun)
wârut, wârun; conj. wâri, wârîs, wâri; wârîmês, wâ-
rît, wârîn.
Das praeſ. wiſu, wiſis, wiſit etc. conj-
wëſe, wëſês, wëſe etc. geht zuweilen aus der concre-
ten bedeutung manere in die abſtracte eſſe über, oder
drückt zuweilen das lat. futurum ero oder den begriff
fio aus. Zu ſolcher abſtraction wiſu = ſum etc. paſt
auch der inf. wëſan = eſſe ſtatt des älteren ſîn; in der
exh. finde ich bloß ſîn, kein wëſan, bei K. bloß wëſan
(16a 19a 20b) kein ſîn, desgl. bei T. nur wëſan (44, 13.);
J. hat wëſan (354. 398.) neben ſîn (407) ebenſo O. wë-
ſan (I. 27, 4. IV. 1, 16. 4, 24.) und ſîn (I. 13, 23. 25, 9.
II. 19, 51.); N. beides wëſen (102, 7.) und ſîn (48, 12.
99, 3.). Den imp. wis belegt O. III. 1, 87. V. 10, 11.
T. 3. 2. 9, 2. N. 26, 9. 82, 2. W. 2, 17.


2) den goth. wörtern zweiter anomalie entſprechen alt-
hochdeutſche, nur dem ôgan kein uokan, dem munan kein
munan, wogegen unnan, ar punnan und tugan hinzutreten.
Beachtenswerth vor allem iſt, daß die formellen praet.
in II. ſg. ächt-indicative flexion-t bewahrt, nicht gleich
den übrigen ſtarken verbis mit dem conjunctiviſchen
-i vertauſcht haben; aus dieſer urſache bleibt hier auch
der zweiten perſon ablaut des ſg., während dort vocal
des pl. und des conj. eindrang. Die einzelnen verba
ſind nun folgende: α) [conj VII.] muoƷan (licere, lo-
cum habere) praeſ. muoƷ, muoſt (?), muoƷ; pl. muo-
Ʒumês, muoƷut, muoƷun; praet. muoſa, muoſôs, muoſa;
K k k
[882]II. anomalien der alth. conjugation.
pl. muoſumês, muoſun, muoſut; conj. praeſ. muoƷi
muoƷîs etc. praet. muoſi, muoſîs etc. — β) [conj. VIII.]
wiƷan (ſcire, noviſſe) praeſ. weiƷ, weiſt (J. 355. K. 18b
O. I. 26, 15. T. 155, 3. 238, 1.) weiƷ; pl. wiƷumês, wi-
Ʒut, wiƷun; praet. wiſſa, wiſſôs etc. conj. praeſ. wiƷi,
wiƷîs etc. praet. wiſſi, wiſſîs etc. O. macht das praet.
wëſſa und T. wëſta; für weiƷ finde ich bei letzterm
zuweilen wêƷ (131.) für wiƷumês, wiƷun: weiƷumês,
weiƷun (187, 3. 239, 5.) für wëſta weiſta (180, 2.) und
im part. praet. ſtatt wiƷan wëƷan (44, 18.) — γ) [conj.
VIII.] eigan (poſſidere), die ſchreibung eikan ſcheint hier,
wegen des aus h entſpringenden g bedenklich, auch verſagt
K. die ten. dem verbum, freilich nicht dem adj. eikan
(proprium). Die conj. iſt defectiv; praeſ. ſg. (eih, eiht, eih
oder êh, êht, êh?) fehlt überall, nicht der pl. eigumês, eigut,
eigun; conj. vollſtändig eigi, eigîs etc. Ein praet. (eihta,
êhta?
) mangelt durchaus. Bei N. lautet pl. praeſ. ind.
eigen, eiget, eigen; der conj. eige, eigîſt, eige; pl. eigên,
eigênt, eigên, welchen formen in den pſalmen häufig ein
anlautendes h gegeben wird: heigen etc. wie K. 54a aus-
nahmsweiſe heikinin (proprii) f. eikinin ſtehet. —
δ) [conj. IX.] tugan (valere) oder tukan; praeſ. touc, tôht,
touc, pl. tukumês etc. oder tôh, tôht, tôh, tugumês etc.?
N. 29, 10. toug hildebr. taoc für taoh = tôh (vgl. oben ſ. 95.);
den pl. ſchreibt N. tugen, conj. tuge, tugîſt etc., praet.
tohta ete., O. dohta, dohtôs etc. — ε) [conj. X.] makan
(poſſe) K. 18a, praeſ. mac, maht (O. IV. 5, 119. 6, 3. T.
30, 6. mahſt T. 2, 9.) mac; pl. makumês, makut, ma-
kun (gl. jun. 240. 247.); praet. mahta, mahtôs, mahta;
pl. mahtumês etc. praeſ. conj. meki, mekîs, meki (K. 20b
21b O. I. 18, 33.) praet. mahti, mahtîs etc. O. hat mag
und nicht meg, außer bei anlehnungen wie megiƷ, me-
gih (IV. 12, 115. V. 25, 72.) wiewohl in dieſen ſtellen
auch der conj. megi angenommen werden kann. Allein
O. und T. bilden den pl. mugun, mugut, mugun; N.
mugen, mugent, mugen (ſt. magun. magut etc.) und das
praet. mohta ſt. mahta. Inconſequent behält O. bei dem
pl. mugun den conj. megi (I. 18, 33.), welchen T. mugi
bildet, [189, 3. mugau, poſſum; vermuthlich mugan, poſſe
zu leſen?] N. muge (poſſim) mugen (poſſe) 41, 2. 109, 4. —
ζ) [conj. IX.] ſcolan (debere) K. 28a 46a; praeſ. ſcal,
ſcalt (O. I. 25, 13.) ſcal; ſculumês, ſculut, ſculun (ſcalun
K. 48a leſefehler f. ſculun 45a); praet. ſcolta etc.; praeſ.
conj. ſculi; praet. ſcolti. Anlehnend ſceliƷ (O. II. 7, 32.
nach cod. vind.) f. ſcal iƷ. Bei N. fällt das c aus und
[883]II. anomalien der alth. conjugation.
der ſg. nimmt o für a an: ſol, ſolt, ſol; pl. ſulen, ſu-
lent. ſulen; praet. ſolta; praeſ. conj. ſule, fulîſt etc.
praet. ſolte, ſoltîſt etc., inf. ſulen. — η) [conj XII.]
unnan (favere) praeſ. an, anſt, an; pl. unnumês, unnut,
unnun; praet. doppelt, entw. onda (nicht onta) on-
dôs etc. O. I. 27, 61, II. 7, 3. oder onſta, onſtôs etc.
O. III. 22, 57.; praeſ. conj. unni, unnîs etc. praet. ondi
oder onſti. — θ) [conj. XII.] ar-punnan (invidere) geht
wie unnan. — ι) [conj. XII.] chunnan (noviſſe und in-
chunnan
(arguere) gleichfalls wie unnan; das doppelte
praet. chonda (nicht chonta) chondôs und chonſta, chonſtôs
belegt O. I. 27, 62. III. 16, 14. — κ) [conj XII.] p[i] kun-
nan
(incipere)? das regelmäßige verbum pi-kinnan,
praeſ. pi-kinnu, praet. pi-kan pflegt aus dieſem gleich-
ſam als praeſ. der bedeutung geſetzten praet. ein neues
ſchwaches praet. zu erzielen und zwar wiederum dop-
peltes, entw. pi-konda (gl. jun. 175. O. II. 7, 4. III. 14,
31. T. 155, 2; fehlerhaft pi-gunta gl. monſ. 338. ſtatt
pigunda) oder pi-konſta (bigunſta J. 387. 400.). —
λ) [jetzt conj. XII.] turran (audere) praeſ. tar, tarſt, tar;
pl. turrumês, turrut, turrun; praet. torſla; praeſ. conj.
turri; praet. torſti. — μ) [conj. XII.] durfan (opus ha-
bere) praeſ. darf, darft, darf; pl. durfumês etc. praet.
dorfta oder durfta? beide formen unbeleglich. —


Anmerkungen zur zweiten anomalie. a) vielleicht
entdecken ſich noch andere, z. b. ein dem goth. ôgan,
munan paralleles uokan (timere) monan (meminiſſe, wo-
mit das abgeleitete ſchwache var-monên, var-manên,
obliviſci, ſpernere zuſ. hängt). Läßt ſich aus ki-nah
(ſufficit gl. jun. 225.) ein ki-nakan (nach makan)
ſchließen? doch ich vermuthe falſche lesart ſt. ki-nuah
und folgere eher ein ki-nuokan (ſufficere) praet. ki-
nuohta (conj. VII.) — b) die ablaute eigumês, makumês
oder mukumês, ſculumês ſtoßen wider die regel, ſie
ſollten igumês, mâkumês, ſcâlumês heißen, fließen aber
ſchon aus der goth. abweichung aigum, magum, ſcu-
lum. turran fâllt ganz in XII., d. h. geminiert das r,
turrumês für turumês, torumês und dieſes für târumes
(wie pârumês); gleiche neigung zum pl. u [wie oben
ſ. 865. bruſtun, vluhtun f. brâſtun, vlâhtun] verräth
ſculumês und auffallender mugumês (neben magumês)
aus einem part. praet. ki-mukan (ſt. ki-mëkan), ki-
ſculan drang es wahrſcheinlich nach und nach in den
ind. vor. Noch unorganiſcher ergreift in N. ſol für
ſcal das u (o) ſogar den ſg. — c) die conſonanzaſſimila-
K k k 2
[884]II. anomalien der alth. conjugation.
tion des ſchwachen praet. entſpricht ziemlich der gothi-
ſchen: chonda, onda, arponda genau dem kunþa; ſcolta
dem ſkulda; mahta, dorfta dem mahta, þaúrfta; torſta
dem daúrſta; wiſſa dem viſſa und wie neben viſſa dort
môſta beſteht hier neben wiſſa auch wëſta, hingegen
muoſa ſtatt muoſſa (und kein muoſta). Der pl. chon-
dum, ſcoltum etc. nicht chondâtum, ſcoltâtum etc. folgt
dem allg. typus alth. ſchwacher form. — d) keinen
imp. finde ich, die goth. analogie kunns, þaurfs, ſkuls
würde: chuns, dorfs, ſculs rechtfertigen. —


3) wëllan, wollan (velle); dieſes wort hat eine ſon-
derbare richtung genommen, weil die ſprache den ur-
ſprünglichen conjunctiv allmählig indicativ nahm und
dadurch in eine andere conjug. fiel. Faſt jedes denkmahl
hat dabei etwas eigenes. K. conjugiert: I. willu, II. wili,
III. wili; pl. I. wëllêmês, II. wëllêt, III. wëllant, braucht
aber auch im ſg. III. wëlle, woraus auf I. wëlle, II. wël-
lês zu ſchließen iſt. N. I. wile, II. wile, III. wile; pl.
I. wëllên, II. wëllênt, III. wëllên; daneben den ſg.
I. wëlle, II. wëllêſt, III. wëlle. O. I. willu, II. wili
(incl. wildû IV. 23, 69.) III. wilit; pl. I. wollemês, II.
wollet, III. wollent; daneben den ſg. wolle, wollês,
wolle. T. I. willu, II. wilîs (238, 3.) III. wili; pl. wol-
lemês
, wollet, wollen (?wollent); daneben den ſg. I.
wolle (239, 3. incliniert wolih) II. wollês (46, 2. ſteht
woli?) III. wolle. Durchgängig alſo verloſch der ächte
pl. wilîmês, wilît, wilîn, durchgängig die I. ſg. wili
außer in N. wile; III. wili dauert bei K. T. N. und II.
wilîs bei T. Der II. ſg. geben K. O. N. die form des praet.
ind. wili, wile; der I. ſg. K. J. T. O. die des praeſ. ind.
willn; der III. O. die des praeſ. ind. wilit. Dieſer ſg. praeſ.
willu, wilit verführte nach analogie des wechſels i und ë
(ſ. 863. 864.) zu einem pl. wëllêmês (wëllên) welchem doch
in I. II. conjunctivflexion verblieb (nirgends wëllamês,
wëllat) während III. wëllant (ſt. wëllên) lautet, und ſich
zu willu verhält wie hëllant zu hillu. Der conj. wëllên
zog von ſelbſt einen vollſtändigen ſg. conj. wëlle etc.
nach ſich, beide, wëlle und wili, dienen abwech-
ſelnd zur überſetzung des lat. vult, velit, voluerit. Wie
iſt aber das ſchwanken des ë und o in wëllêmês, wol-
lêmês etc. zu verſtehen? Strengalth. quellen (K. N. ex-
hort.) zeigen beſtändig ë, ſelbſt J. 382. wëllent; T. und
O. hingegen o. Übergänge des ë in o ſind ſ. 82. 85. er-
wähnt; auf wolle, wollên mag das part. hollan von
hëllan oder ſculi, mugi f. ſcâli, magi angeſchlagen ha-
[885]II. anomalien der alth. conjugation.
ben. Wenn wolle größere abirrung iſt, als wëlle, ſo
ſtimmt wolle mehr zu dem davon abſtammenden praet.
wolta, woltôs etc., deſſen ſich ſämmtliche alth. mund-
arten bedienen, namentlich auch die, welche im praeſ.
wëlle etc. hegen; kaum eine hat wëlta (nur gl. caſſ.
855b wëlta, wëltun) geſchweige wilta. Es ſcheint, daß
ohne rückſicht auf abhängigkeit dieſes praet. von dem
pl. praeſ., misbräuchlich die analogie ſcolta auf wolta
einwirkte. —


4) tuon (facere; K. tuan; gl. caſſ. tôn; T. N. tuon;
J. duon; O. duan) trägt ganz eigenthümliche miſchung
ſtarker und ſchwacher form an ſich. die aber nur ſchein-
bar ſeyn dürfte und hohes alterthum verräth. Hier
ſtelle ich die bloßen formen auf; erklärungen werden
am ſchluße des cap. folgen: praeſ. ind. I. tuom (ſpäter
tuon) II. tuos III. tuot; pl. tuomês II. tuot III. tuont;
praeſ. conj. I. tuoe II. tuoês III. tuoe; pl. tuoêmês II.
tuoêt III. tuoên. In II. III. ſg. ſchwankt O. zwiſchen
duas und duis, duat und duit [analog ſeinem ſtâs, ſteis,
ſtàt, ſteit etc. vorhin ſ. 868.] in II. III. pl. hat er duet,
duent [wie dort ſtêt, ſtênt]; auch in den gloſſen, wel-
chen ô für uo gemäß iſt, finde ich tôis, tôit (gl. hrab.
371a) niemahls aber tuois, tuoit f. tuos, tuot. — praet.
ind. I. III. tëta, II. tâti; pl. tâtumês, tâtut, tâtun; conj.
tâti, tâtîs, tâti; pl. tâtîmês etc. — imp. ſg. tuo, pl.
tuot (O. duet); part. praeſ. tuontêr; praet. ki-tânêr. —


5) nachſtehende verba, deren langem wurzelvocal
einfaches w oder h folgt, gehen eigentlich nach der
erſten ſchwachen, zeichnen ſich aber theils durch ſchwan-
ken zwiſchen w und h (zuweilen j), theils durch gänz-
liche ſyncope dieſer ſpiranten ſo wie der ableitunge-
oder flexionsvocale aus, verdienen auch, weil die mei-
ſten früherhin ſtarke form beſeßen haben, hier eine zuſ.
ſtellung; chnâhan (noſcere) praet. chnâta; praef. conj.
chnâ (noſcat) chnân (noſcant) J. 373. ſt. chnâe, chnâên.
chrâhan (crocitare) chrâta. drâhan (torquere) drâta.
lâhan (irridere, vituperare gl. monſ. 402)? lâta, lâhta?
mâhan (ſecare foenum) mâta. nâhan (ſuere) nàta;
T. 56, 7. nâwit (ſuit). nâhan (appropinquare) nâhta bei
O., nâhita bei T. (116.) nie nâta; plâhan (balare) gl.
hrab. 955a? plâhita; plâhan (flare) plâta, blâjo (ſpiro)
gl. zwetl. 117a; ſâhan (ſerere) ſâta; ſâwit (ſerit) T. 76.
ſâwent (ſerunt) 38, 1. ſâhet, ſâhent N. 36. 26. 125, 5.
ſmâhan (ſpernere) ſmâhta, ſmâhita. chèwan (vocare)
T. 141. gikêwen, praet. chêta?; ſêwan (ſtagnare) N.
[886]II. anomalien der alth. conjugation.
106, 35; praet. ſêta? hîwan (nubere) hîta, gl. monſ.
396. hîjen T. 156; tôwan (mori) tôta (gl. monſ. 353.)
N. 21. 18. ſteht doueta (?tôwêta nach dritter conj.?
ſciuhan (vereri) ſciuhita, ſciuhta, nicht ſciuta; N. ſkie-
hen, ſkiehta. muohan (vexare) muota (gl. monſ. 326.)
N. 95, 5. muohta. pluohan (florere) pluota, pluohita
(gl. jun. 203.) pluogentin (florentis) gl. monſ. 331. ruo-
han
(rugire) ruota N. 37, 9. ſpuon f. ſpuoan (bene pro-
cedere) N. 2, 1. 118, 29. praet. ſpuota 15, 4. 118, 28;
ſpuohan oder ſpuowan finde ich nicht. pûan (habitare,
colere) oder pûwan; praet. pûta; gl. jun. 199. neben pa-
wan merkwürdig pahan, ich vermuthe leſefehler für
pûwan (auf derſelben ſpalte pûwo colonus) und pûhan,
da ſich zwar pawan = pauan, pouwan, kein pâhan
(praet. pâta!) denken läßt *). — Ohne zweifel gab es
ſolcher verba noch mehrere (vgl. das mittelh.), bei allen
fällt im praet. mit der ſpirans zugleich das ableitungs i
weg (chnâta — pûta, nicht chnâita, pûita), das praeſ.
behält aber den flexionsvocal: chnâit, plâit (gl. jun. 840.)
pûit etc. nur ſpuot würde für ſpuoit wie der inf. ſpuon
f. ſpuoan ſtehn (vgl. in 4ter anom. tnot f. tuoit).


6) kankan zeigt außer dem ſ. 868. bemerkten ſchwan-
kenden praeſ. nichts anomales, namentlich kein dem
goth. gaggida, ïddja paralleles kenkita, itta!


7) prinkan macht das praet. prâhta, pl. prâhtun;
O. läßt neben brâhta, brâhtun die ſtarke form brang,
brungun
zu, auch gl. monſ. 363. das part. prunkan. den-
chan
(cogitare) dunchan (videri) haben dâhta, dûhta;
wurchan
(operari) worahta oder worhta; im praeſ.
ſchwankt der vocal, K. ſetzt wurchan, O. wirken; wër-
chôn (nach zweiter ſchw.) iſt eine ableitung und geht
regelfeſt. Das â in prâhta. dâhta entfernt ſich von der
goth. kürze, wird aber durch praahta, praahtun gl.
hrab. 959b 961b und das mittelh. gewis.


8) ſchwache verba mit der bildung -aw gehen rich-
tig nach erſter conj.; löſen aber bei ſyncope des ablei-
tungs-i vor dem -ta praet. jenes aw in den vocal u
oder o auf [vgl. ſ. 146. 147.]. Im praeſ bleibt aw: ka-
rawan (praeparare) pi-ſcatawan (obumbrare) ſalawan
[887]II. anomalien der alth. conjugation.
(decolorare) varawan (tingere); im praet. entw. vollſtän-
dig karawita, ſcatawita, ſalawita, varawita oder ſyn-
copiert: karota, ſalota, varota (nicht zu miſchen mit
dem -ôta zweiter conj., daher) gleichbedeutig karuta
(hild. und gl. hrab. 962b) etc. geſchrieben, wie ich auch
K. 24b für karata zu leſen vorſchlage. Die ausſtoßung
des a mit behaltener ſpirans: karwita, ſalwita etc. iſt als
dritte form zuläßig, vgl. K. 54b kikarwit. Das ganze
verhältnis nur ſcheinbar anomal.


9) die ſiebente goth. anomalie geht hier aus, denn
es läßt ſich z. b. von trucchanen (ſiccari) terchinen
(palleſcere) weſnen (marceſcere) weder ein ſtarker imp.
noch ein praet. nach zweiter conj. aufzeigen, obgleich
die bildungsſilbe -an, -in, -n jenem goth. -n ver-
wandt iſt. Solche verba gehen alth. ſowohl nach erſter,
als zweiter und dritter ſchw. conj.


10) zwar dem goth. fraíhna (ſ. 855.) antwortet frëgin
(fando accipio) im weſſobr. denkm. (? für frëginu), doch
kein praet. vrah, vrâhun will ſich finden, auch kein vragn
(vgl. angelſ. conj. XII.); N. hat 23, 8. frëget (interrogat).
Die übrigen nach dritter ſchwacher vrâkên, das von jenem
pl. vrâhun abgeleitet beßer vrâhên (K. 18b frâhêtomês)
geſchrieben würde. gl. jun. 177. frâganôn (conſulere).


11) fünf ſtarke praet. mit ſchw. praeſ. ſ. 867. 868.


12) defectiv und lediglich für den imp. gültig,
nie ohne die negation vorkommend ſcheinen: ni-
churi
(noli) ni-churit (nolite) auch bloß bei K. 17a 24a
und T. (ni-curi und ni-curet, beides öfter) warum
nicht churjat, churat? iſt churît praet. conj. von chio-
ſan (conj. IX.) und die bedeutung: ne-elegeritis? dann
ſollte aber der ſg. ni-churîs und der pl. auch bei T.
ni-curît lauten. Zu vergl. wäre übrigens das goth. hiri,
hirjats, hirjiþ (ſ. 846.) und die bemerkung über ôgs
(ſ. 853. s.).


Altſächſiſches verbum.


Starke conjugation.

praeſ. ind. -u -is -idconj. -e -ês -e
-ad -ad -ad-ên -ên -ên
praet. … -i …-i -îs -i
-un -un -un-în -în -în

imp. ſg. … pl. -ad; inf. -an; part. praeſ. -and, praet. -an.
[888]II. altſächſiſche ſtarke conjugation.
die langen ê und î ſtützen ſich bloß auf alth. analogie;
ſtatt -e, ês, e, ên im praeſ. conj. häufig a, âs, a, ân,
ſodann auslautend -t ſtatt -d; folgende einzelne verba:


  • I. fallu (cado) fèll, fêllun, fallan; wallu (ferveo) wêll,
    wêllun, wallan; haldu (teneo) hêld. hèldun, haldan;
    waldu (impero) wêld, wêldun, waldan; blandu (mi-
    ſceo) blênd, blêndun, giblandan; fangu (?) fêng, fên-
    gun. fangan; gangu, gêng. gêngun, gangan; hangu
    (?) hêng, hêngun, hangan; cap. 68. (Hickes gr. angloſ.
    p. 127.) ein dunkeles praet. an-ſciann (? contremuit,
    tonuit) für anſcienn, anſcênn? praeſ. anſcannu?
  • II. ſuêpu (verro) ſuêp, ſuêpun, ſuêpan; hêtu (voco) hêt,
    hêtun, hêtan; ſkêdu (ſejungo) ſkêd, ſkêdun, ſkêdan.
  • III. hlôpu (curro) hliop, hliopun, hlôpan; hrôpu (clamo)
    hrëop, hrëopun, hrôpan; wôpu (lamentor) wêp, wê-
    pun, wôpan; die part. ôdan (genitus) ôcan (auctus,
    onuſtus) far flôcan (maledictus) deuten auf ôdu, êd;
    ôku, êk; flôku, flêk; gihauwan (inciſus) auf ein
    praet. hio?
  • IV. ſlâpu (dormio) ſlêp, ſlêpun, ſlâpan; lâtu (ſino) lêt,
    lêtun, lâtan; râdu (ſuadeo) rêd, rêdun, râdan, and-
    râdu (metuo) andrêd etc. fâhu und hâhu machen das
    praet. nach I.
  • VII. ſpanu (pellicio) ſpôn, ſpônun, ſpanan; ſtandu (ſte)
    ſtôd, ſtôdun, ſtadan oder ſtandan?; faru (proficiſcor)
    fôr, fôrun, faran; ſtapu (ingredior) ſtôp, ſtôpun, ſta-
    pan; ſkapu (creo) ſkôp, ſkôpun, ſkapan; grabu (fodio)
    grôf. grôbun, graban; hebbju (tollo) hôf, hôbun, ha-
    ban; anſebbju (intelligo) anſôf, anſôbun, anſaban;
    ſaku (cauſor) ſôk, ſôkun, ſakan; ſkaku (quatio) ſkôk,
    ſkôkum, ſkakan; dragu (porto) drôg, drôgun, dragan;
    halahu (?convitior, rideo) hlôg, hlôgun, hlagan; lahu
    (vitupero) lôg, lôgun, lagan; ſlahu (caedo) ſlôg, ſlô-
    gun. ſlagan; thuahu (lavo) thuôg, thuôgun, thuagan;
    wahſu (creſco) wôhs, wôhſun, wahſan.
  • VIII. hrînu (tango) hrên, hrinun, hrinan; kînu (ger-
    mino) kên, kinun, kinan; ſkînu (luceo) ſkên, ſkinun,
    ſkinan; grîpu (arripio) grêp, gripun, gripan; clîbu
    (haereo) clêf, clibun, cliban; drîbu (pello) drêf, dri-
    bun, driban; ſpîwu (ſpuo) ſpê (?) ſpiwun, ſpiwan;
    bîtu (mordeo) bêt, bitun, bitan; gi-wîtu (eo) giwêt,
    giwitun, giwitan; wrîtu (ſcribo) wrêt, writun, wri-
    tan; bîdu (exſpecto) bêd, bidun, bidan; glîdu (labor)
    [889]II. altſächſiſche ſtarke conjugation.
    glêd, glidun, glidan; hlîdu (operio) hlêd, hlidun,
    hlidan; ſcrîdu (gradior) ſcrêd, ſcridun, ſcridan; lîthu
    (tranſeo) lêth, lithun, lithan; mîthu (evito) mêth,
    mithun, mithan; ſnîthu (ſeco) ſnêth, ſnithun, ſnithan;
    a -rîſu (ſurgo) a-rês, a-riſun, a-riſan; ſuîku (fallo)
    ſuêk, ſuikun, ſuikan; hnîgu (inclino) hnêg, hnigun,
    hnigan; ſîgu (labor) ſêg, ſigun, ſigan; ſtîgu (ſcando)
    ſtêg, ſtigun, ſtigan; lîhu (commodo) lêh, liwun, li-
    wan; thîhu (proſum) thêh, thigun, thigan.
  • IX. cliufu (findo) clôf, clubun, cloban; hiufu (ploro)
    hôf, hufun, hofan; giutu (fundo) gôt, gutun, gotan;
    griutu (lacrimor) grôt, grutun, grotan (?ich finde
    bloß den inf. griotan) niutu (frnor) nôt, nutun, no-
    tan; biudu (offero) bôd, budun, bodan; hliudu (pul-
    lulo) hlôd, hludun, hlodan; driuſu (cado) drôs, dru-
    run, droran; kiuſu (eligo) kôs, kurun, koran; far-
    liuſu (perdo) lôs, lurun, loran; liugu (mentior) lôg,
    lugun, logan; lûku (claudo) lôk, lukun, lokan; riuku
    (fumo) rôk, rukun, rokan; tiuhu (traho) tôh, tugun,
    togan.
  • X. gibu (dono) gaf, gâbun, gëban; itu (edo) at, âtun,
    ëtan; bigitu (conſequor) gat, gâtun, gëtan; ſittu (ſe-
    deo) ſat, ſâtun, fëtan; biddu (peto) bad, bâdun, bë-
    dan; quithu (dico) quat (oben ſ.216.) quâthun, quë-
    than; liſu (lego) las, lâſun, lëſan; wiſu (maneo) was,
    wârun, wëſan; liggu (jaceo) lag, lâgun, lëgan; pligu
    (tracto) plag? plâgun? plëgan? (in meinen bruchſt.
    finde ich bloß den inf. plëgan); gihu (fateor) jah (?)
    jâhun (?) gëhan; ſihu (video) ſah, ſâhun und ſâwun;
    part. ſëwan (nicht ſëhan).
  • XI. hilu (celo) hal, hâlun, holan; quilu (crucior) qual,
    quâlun, quolan; ſtilu (furor) ſtal, ſtâlun, ſtolan;
    nimu (ſumo) nam, nâmun, noman; cumu (venio)
    cumis, cumid, cumad; quam, quâmun, cuman; biru
    (fero) bar, bârun, boran; briku (frango) brak, brâcun,
    brocan; ſtiku (pungo) etc. ſpriku (loquor) ſprak. ſprâ-
    kun, ſprokan (gewöhnlich finde ich giſprokan, ein-
    mahl giſprëkan nach conj. X.); wriku (perſequor)
    wrak, wrâkun, wrokan.
  • XII. hilpu (juvo) halp, hulpun, holpan; dilbu (fodio)
    dalf, dulbun, dolban; ſuiltu (morior) ſualt, ſultun,
    ſuoltan (?); gildu (rependo) gald, guldun, goldan;
    bilgu (iraſcor) balg. bulgun, bolgan; bi filhu (bifillju)
    (commendo) falh, fulhun, folhan; brinnu (uror) brann,
    [890]II. altſächſiſche ſtarke conjugation.
    brunnun, brunnan, ebenſo biginnu (incipio) rinnu
    (fluo) winnu (laboro) bindu (necto) band, bundun,
    bundan; findu (invenio) windu (torqueo) drinku
    (bibo) ſingu (cano) ſang, ſungun, ſungan; ſpringu
    (ſtillo) ſuingu (vibro) ſuang, ſungun, ſungan; thringu
    (urgeo) thuingu (cogo) thuang, thungun, thungan;
    wirru (confundo) warr, wurrun, worran; wirpu (ja-
    cio) warp, wurpun, worpan; huirbu (reverto) huarf,
    hurbun, huorban; ſuirbu (tergeo) ſuarf, ſurbun, ſuor-
    ban (? ſurban) wirthu (fio) warth, wurthun, worthan;
    ſuirku (obnubilo) ſuark, ſurkun, ſurkan; briſtu (rum-
    por) braſt, bruſtun, broſtan.

Anmerkungen: 1) der aus redupl. entwickelte diphth.
ê lautet häufig ie, zumahl vor einfacher lingualis, als:
hiet, ſkied, liet, ried, andried vgl. anſciann (conj. I.);
hliop, hrëop in conj. III. wären genau betrachtet hlîôp,
hrêôp. — 2) dem ſchwankenden ê, ie gleicht conj. VII.
das ſchwankende ô, uo. — 3) die alth. unterſcheidung
zwiſchen i und ë [ſ. 863.] zwiſchen iu und io (ëo)
[ſ. 865.] findet volle anwendung. — 4) umlaut des a in e
in II. III. ſg. praeſ. ſiebenter conj. als: feris, ferid; dre-
gis, dregid; nicht leicht in erſter vor der doppelconſo-
nanz, ſondern haldid, fallid. — 5) b (bh) wird auslau-
tend zu f, alſo im imp. und I. III. praet. ſg. wie: drî-
ban, drîf, drêf; gëban, gif, gaf; ſuërban, ſuirf, ſuarf etc.
zweifelhaft iſt mir nicht der auslaut hiuf (plora) hôf
(ploravi) aber der inlaut hiufu (ploro) hiofan (plorare),
vielleicht hiubu? da ich hiovan mit v finde (oben
ſ. 213.) etc. — 6) wandlung des ſ in r: drôs, drurun,
droran; kôs, kurun, koran; was, warun, wëſan; doch
wohl rês, riſun, riſan (nicht rirun, riran) ſo wie las,
lâſun, lëſan. — 7) das w in ſâwun, ſëwan, liwun, li-
wan nach ſ. 844. und 867. zu beurtheilen. — 8) ausfall
des n im praet. von ſtandan, ſtôd, ſtôdun; auch ſg.
praeſ. lautet: ſtên, ſtês, ſtêd (einmahl auch ſteid); pl. aber
ſtandad. — 9) ſchwaches praeſ. bilden: hebbjan, anſebbjan,
ſittëan, biddëan, liggëan
, doch gebührt II. III. ſg. und ſg.
imp. einfache conſonanz: hebis, hebid; bidis, bidid;
ligis, ligid; ſitis. ſitid (vgl. die gem. der kurzſilb. in
erſter ſchw. conj.) pl. hebbjad, biddjad, liggjad, ſittjad.


Altſächſiſche ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. –u (–n)–s–d
pl. –d–d–d
praet. ſg. –da–dôs (–dês)–da
pl. –dun–dun–dun
conj. praeſ. ſg. [vocal]–s[vocal]
pl. –n–n–n
praet. ſg. –di–dîs–di
pl. –dîn–dîn–dîn

imp. ſg. [vocal] pl. -d; inf. -n; part. praeſ. -nd, praet.
-d (t); in praet. I. III zuweilen -de ſtatt -da; in II.
zwiſchen -dôs und -dês ſchwanken; die langen nach
dem alth.; auslautend zuweilen -t ſtatt -d.


Erſte ſchwache conjugation.

ner-ju ner-is ner-idſôk-ju ſôk-îs ſôk-îd
ner-jad ner-jad ner-jadſôk-jad ſôk-jad ſôk-jad
ner-ida ner-idês ner-idaſôh-ta ſôh-tês ſôh-ta
ner-idun ner-idun ner-idunſôh-tun ſôh-tun ſôh-tun
ner-je ner-jês ner-jeſôk-je ſôk-jês ſôk-je
ner-jên ner-jên ner-jênſôk-jên ſôk-jên ſôk-jên
ner-idi ner-idîs ner-idiſôh-ti ſôh-tìs ſôh-ti
ner-idìn ner-idìn ner-idìnſôh-tîn ſôh-tîn ſôh-tîn
ner-i ner-jadſôk-î ſôk-jad

der inf. ſchwankt zwiſchen -ëan, -jan und -jen, un-
terdrückt alſo nicht den ableitungsvocal (ſuokan f. ſuo-
këan cap. 71. ſcheint fehler, vielleicht auch ſuôgan, ſtre-
pere cap. 68. f. ſuôgean?); im conj. -a, -âs, -a etc. ſtatt
-e, -ês, -e, wie in der ſtarken form ſchwankend.


Kurzſilbige wurzeln ſind wenige: queljan (cruciare)
frumjan und fremjan (efficere) dunjan (tonare) nerjan (ſer-
vare) ſcerjan (diſponere) terjan (conſumere) werjan (pro-
hibere) anſuebjan (ſopire) hriſjan (concuti) rekjan (nar-
rare) ſlekjan (debilitare) wekjan (excitare) thigjan (rogare)
thregjan (currere). Sie alle haben das praet. -ida unver-
kürzt; andere urſprünglich kurze ſind durch gemination
des conſ. lang geworden und ſyncopieren im praet. das
ableitungs-i, welches ſie im praeſ. unorganiſcher weiſe
neben der geminata fortführen, namentlich: ſelljan (tra-
dere) ſalda; telljan (narrare) talda; hebbjan (habere)
habda; libbjan (vivere) libda; lettjan (morari) latta; ſett-
jan (ponere) ſatta; queddjan (ſalutare) quedda; leggjan
(ponere) lagda; ſeggjan (dicere) ſagda; huggjan (cogitare)
hugdi. Von den wirkungen der ſyncope ſogleich mehr
bei den langſilbigen; zuweilen bleibt neben der gem.
des praeſ. das praet. vollſtändig; ſo erſcheint im praeſ.
[892]II. altſ. erſte ſchwache conjugation.
inf. quelljan, frummjan, reckjan, thiggjen und dennoch
quelida, frumida, rekida, thigida. II. III. praeſ. ſg.
vereinfachen (wie im alth. ſ. 870.) ſtets den conſ. z. b.
quelis, frumis, thigid, libid ſogar mit rückumlaut in
ſagid (dicit) habid (habet); die mit urſprüngl. geminata
thun das nicht, z. b. fullis, fullid; cuſſis, cuſſid etc.


Langſilbige behalten zuweilen das praet. -ida, theils
nach r, p und g, als: mârjan (celebrare) mârida; diurjan
(aeſtimare) diurida; hrôrj[a] [...] (tangere) hrôrida; hnêgjan (in-
clinare) hnêgida; ſêgjan (idem) ſêgida; wêgjan (vexare)
wêgida; dôpjan (baptizare) dôpida; vielleicht nach ſ: fûſ-
jan (incitare) lôſjan (ſolvere) niuſjan (inveſtigare)? fûſida,
lôſida, niuſida. Theils nach ld, ſt: beldjan (animoſum red-
dere) beldida; ſpildjan (perdere?) ſpildida; bruſtjan (erum-
pere) bruſtida; thruſtjan (ſitire) thruſtida; ſo wie bei erwei-
terung der wurzel durch bildungsmittel, z. b. binegljan
(clavis figere) bineglida; bôknjan (ſignificare) bôknida;
druknjan (tergere) druknida; gerewjan (parare) gerewida;
huerebjan (revertere) huerebida. In der regel ſcheiden ſie
das i vor dem -da aus, wodurch 1) rückumlaut des e in a
möglich wird; er tritt gleichwohl ſchwankend, bei ge-
wiſſen wörtern gar nicht ein; ich finde ihn bei gemi-
nierten urſprünglich kurzen: ſelljan, ſalda; telljan, talda;
hebbjan, habda; lettjan, latta; ſeggjan, ſagda; leggjan,
lagda etc. nicht bei folgenden: kennjan kenda; ſendjan,
ſenda; wendjan, wenda; queddjan, quedda etc. doch
erſcheinen auch telda und ſanda. — 2) beim conſ. anſtoß
fällt α) das d von -da völlig weg nach ft, ſt, ht, nd: heſt-
jan (figere) hefta; lêſtjan (praeſtare) lêſta; âhtjan (perſequi)
âhta; rihtjan (dirigere) rihta, endjan (finire) enda; ſendjan
(mittere) ſenda; wendjan (vertere) wenda; mundjan (tueri)
munda; nach bloßen d ſcheint es bald zu bleiben; lêd-
jan (ducere) lêdda. bald zu ſchwinden; hôdjan (cuſto-
dire) hôda, folglich auch blôdjan (timidum reddere)
blôda; fôdjan (parere) fôda; nach th bleibt es, aſſimi-
liert ſich aber jenes: cuthjan (nuntiare) cudda (zuwei-
len cutda). — β) nach t, tt, ſſ, vielleicht auch einfa-
chem ſ wandelt ſich -da in -ta: bôtjan (emendare)
bôtta; grôtjan (ſalutare) grôtta; môtjan (occurrere) môtta;
lettjan, latta (ſtatt lat -da) hettjan (perſequi) hatta (ſt.
hat -da) cuſſjan (oſculari) cuſta; lôſjan (ſolvere) lôſta (?) —
γ) aus kid wird durch die ſyncope ht: rôkjan (curare)
ſôkjan (quaerere) rôhta, ſôhta [ſ. unten 7te anomalie]. —
δ) nach l. m. n. r. b. d. g. beſteht -da unverletzt: ſelljan
(tradere) ſalda; filljan (flagellare) filda; fulljan (implere)
[893]II. altſ. zweite ſchwache conjugation.
fulda; dêljan (dividere) dêlda; hêljan (ſanare) hêlda;
îljan (properare) îlda; fôljan (ſentire) fôlda; klemmjan
(premere) klemda; quelmjan (necare) quelmda; dômjan
(judicare) gômjan (curare) gômda; tômjan (liberare)
tômda; cûmjan (plangere) cûmda; brennjan (urere)
brenda; kennjan (noſcere) kenda; a merrjan (impedire)
amerda; dernjan (occultare) dernda; wânjan (opinari)
wânda; ſtriunjan (lucrari) ſtriunda; hôrjan (audire) hôrda;
hebbjan (habere) habda; libbjan (vivere) libda; a -drôb-
jan (affligere) adrôbda; ôbjan (exercere) ôbda; gilôbjan
(credere) gilôbda; queddjan (ſalutare) quedda (= qued-da)
bêdjan (exſpectare) bêdda; lêdjan (ducere) lêdda; leggjan
(ponere) lagda; ſeggjen (dicere) ſagda; mengjan (miſcere)
mengda; fôgjan (aptare) fôgda; ôgjan (monſtrare) ôgda;
ſuôgjan (ſonare) ſuôgda; tôgjan (oſtendere) tôgda; wrôg-
jan (reprehendere) wrôgda. — 3) daß ſich vor dem -da
(-ta) jede gemination vereinfacht, lehren die beiſpiele —
4) mahljan (ſtatt mahaljan loqui) macht im praet. malda;
ich weiß nicht wie blîdzëan (laetificare)? blîdzta (alth.
plîdta).


Zweite ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. man-ônman-ôsman-ôd
pl. man-ôdman-ôdman-ôd
praet. ſg. man-ôdaman-ôdôsman-ôda
man-ôdunman-ôdunman-ôdun
conj. praeſ. ſg. man-ôman-ôsman-ô
pl. man-ônman-ônman-ôn
praet. ſg. man-ôdiman-ôdîsman-ôdi
man-ôdînman-ôdînman-ôdîn

imp. man-ô, man-ôd; inf. man-ôn, part. man-ônd, man ôd.
in dieſer conj. rinnen die goth. und alth. zweite und
dritte untereinander: trûôn (credere) thrôôn (minari) ha-
lôn (arceſſere) ſpilôn (ludere) tholôn (pati) tâlôn (deci-
pere) ſtillôn (ſedari) fullôn (implere) mëldôn (prodere)
folgôn (ſequi); manôn (monere) hlinôn (recumbere)
wônon (habitare) lônôn (remunerare) thëonôn (ſervire)
fandôn (tentare) endôn (finiri) thancôn (gr. agere) han-
gôn (pendere) langôn (deſiderare) thingôn (convenire)
gërôn (cupere) êrôn (honorare) hêrôn (laudare) thorrôn
(areſcere) formôn (juvare) gnornôn (lugere) ardôn (habi-
tare) wardôn (cuſtodire) marcôn (ſignare) wërkôn (ope-
rari) fërgôn (exigere) ſorgôn (curare); côpôn (emere)
clibôn (haerere) lobôn (laudare) bivôn (tremere) rôvôn
[894]II. anomalien der altſ. conjugation.
(amicire) ſcawôn (contemplari) hatôn (odiſſe) gibadôn
(? lenire, ſolari bëdôn (adorare) gifrôdôn (ſapere) ſithôn
(proficiſci) frêſôn (periclitari) wîſôn (viſitare) coſtôn (ten-
tare) luſtôn (deſiderare) êſcôn (poſtulare) macôn (conſi-
cere) wacôn (vigilare) lîcôn (placere) thagôn (tacere)
frâgôn (interr.) ſuîgôn (ſilere) fêhôn (beare, foecundare)
etc. Einige haben ableitungs -i (ë) vor dem ô, als:
minnëôn (amare) gibârëon (geſtire) merkjôn (ſignare);
mehrere bildungsconſonanten: gamalôn (ſeneſcere) wë-
flôn (fluctuare) wëhſlôn (alternari) githiſmôn (turbari?)
faganôn (gaudere) ſamnôn (congregare) opanôn (aperire)
faſtnôn (firmari) druſinôn (decidere) wundrôn (mirari)
hêdrôn (ſerenare) ſicorôn (purgare).


Anomalien der altſächſiſchen conjugation.

  • 1) eſſe vierſtämmig: α) praeſ. ind. ſg. II. is (neben dem
    üblicheren: biſt) III. iſt. — β) pl. praeſ. ind. I. II. III.
    ſind oder gleichbedeutend ſindun; praeſ. conſ. ſg. ſî,
    ſîs, ſî;
    pl. ſîn, ſîn, ſîn; der inf. niemahls ſîn. —
    γ) inf. wëſan, imp. wis (einmahl wës) pl. wëſad;
    praet. ind. was. wâri, was; pl. wârun; conj. wâri etc. —
    δ) I. praeſ. ind. ſg. biun, zuweilen noch bium; II. biſt.
  • 2) α) môt, môſt, môt; pl. môtun; praet. môſta. — β)
    wêt, wêſt, wêt; witun; wiſſa. — γ) êgan ohne praeſ.;
    praet. êhta. — δ) mag, magt, mag; mugun; mohta
    und mahta. — ε) ſkal, ſkalt, ſkal; ſkulun; ſkolda. —
    ζ) farman (aſpernatur) farmanſt, farman; pl. farmu-
    nun? praet. farmunſta (cap. 63. ſteht der pl. farmuon-
    ſtun = farmônſtun, alſo farmanan nach ſpanan conj.
    VII? ich bezweifle die lesart, weil ſonſt auch des
    praeſ. farmôn, pl. farmônun haben müſte) — η) dar
    pl. durrun (?), durſta. — θ) kan, kanſt, kan; pl. kun-
    nun; praet. kunſta.
  • 3) I. willju II. wili und wilt. III. willje. pl. wëlled;
    praet. wëlda, wëldun (nur ſelten wolda, woldun).
  • 4) I. dôn, zuweilen dôm; II. dôs III. dôd oder dôt; pl.
    dôd. praet. I. III. dëda II. dëdôs (nicht dâdi) pl. dâ-
    dun
    (einigemahl dëdun); part pr. giduan (nie gidân)
    inf. duan, weder giduon, duon, noch gidôn, gidôn;
    lauter merkwürdige abweichungen vom alth.
  • 5) die praet. von ſâjan (ſerere) blôjan (florere) dôjan
    (mori) kommen mir nicht vor; Hickes gr. franc. 71.
    behauptet neben ſâida ein ſtarkes ſêu? bûan macht
    bûida.
  • 6) ſcadojan entſpricht dem alth. ſcatawan, nämlich das
    o dem aw. und ſo dürfte neben dem vorhin angegeb-
    nen gerewjan gleichviel garojan ſtehen. Die form -ôjan
    ſcheint aber zuweilen bloße erweiterung des -ôn,
    als: frâgôjan, halôjan, folgôjan, gitrûôjan, ſcawôjan
    ſt. frâgôn, halôn, folgôn, gitrûôn, ſcawôn, vergleich-
    bar dem angelſ. ſceávigëan neben ſceávjan oder hienge
    es mit einer alth. conjunctiviſchen form zuſammen?
    (oben ſ. 875.).
  • 7) thenkjan, thunkjan, wërkjan haben: thâhta, thûhta,
    warhta
    (warahta); ſôhta, rôhta ſind vorhin ſ. 892. er-
    wähnt. fragn (fando accipio) finde ich nur in I. III.
    ſg. vermuthl. prät. (vom praeſ. frëgn?); ein andres
    praet. heißt frâgôda.

Angelſächſiſches verbum.


Starke conjugation.

ind. praeſ. ſg. -e -eſt -edhconj. -e -e -e
pl. -adh -adh -adh-en -en -en
part. ſg. … -e …-e -e -e
pl. -on -on -on-en -en -en

imp. ſg.…, pl. -adh; inf. -an; part. praeſ. -ende, praet.-en.
die langen flexionsvocale laße ich unbeſtimmt, das e vor
dem -ſt, -dh II. III. ſg. praeſ. ind. fällt häufig weg
(unten anm. 7.); das-ë II. praet. wie im alth. (ſ, 857. n° 6.)


  • I. fëalle (cado) fëol, fëollon, fëallen; vëalle (aeſtuo)
    vëol, vëollon, vëallen; hëalde (teneo) hëold, hëoldon,
    hëalden; vëalde (dominor) etc.; vëalce (volvo) vëolc,
    vëolcon, vëalcen; ſpanne (tendo) ſpên, ſpênnon, ſpan-
    nen; von fange, hange ſind bloß die praet. fêng, hêng
    übrig (ſ. anm. 12.); gehört vëaxe (creſco) hierher oder
    in VII? praet. vëox, vëoxon?
  • II. ſvâpe (verro) ſvëop, ſvëopon, ſvâpen; hâte (jubeo)
    hêt (hêht) hêton, hâten; ſcâde (ſeparo) ſcëod, ſcëo-
    don, ſcâden; lâce (ludo) lêc, lêcon, lâcen.
  • III. hleápe (ſalio) hlëôp, hlëôpon, hleapen; hrêpe (clamo)
    hrëôp, hrëôpon, hrêpen; wêpe (ejulo) wëôp, wëô-
    pon, wêpan; heáve (caedo) hëôv, hëôvon, heáven;
    grôve (vireo) grëôv, grëôvon, grôven; rôve (remigo)
    rëov, rëôv, rëôvon, rôven; ſpôve (ſuccedo) ſpëôv,
    ſpëôvon, ſpôven; hlôve (mugio) hlëôv, hlëôvon, hlô-
    [896]II. angelſächſiſche ſtarke conjugation.
    ven (unbelegt); beáte (verbero) bëôt, bëôton, beáten;
    on-blôte (immolo) onblëôt, onblëôton, onblôten;
    die part. eáden (genitus Boet. 197.) und eácen (auctus,
    praegnans) führen auf eádan, ëôd, eácan, ëôc.
  • IV. ſlæpe (dormio) ſlêp, ſlêpon, ſlæpen; græte (ploro)?
    grêt, grêton, græten; læte (ſino) lêt, lêton, læten;
    ond-ræde (timeo) ondrêd, ondrêdon, ondræden.
  • V. blâve (ſpiro) blëôv, blëôvon, blâven; cnâve (noſco)
    cnëôv, cnëôvon, cnâven; crâve (crocito) crëôv, crëô-
    von, crâven; ſâve (ſero) ſëôv, ſëôvon, ſâven; þrâve
    (torqueo) þrëôv, þrëôvon, þrâven; vermuthlich auch
    mâve (meto) mëôv, mëôven, mâven.
  • VII. gale (cano) gôl, gôlon, galen; ſpane (allicio) ſpôn,
    ſpônon, ſpanen; ſtande (ſto) ſtôd, ſtôdon, ſtanden;
    fare (eo) fôr, fôron, faren; ſverige (juro) ſvôr, ſvôron,
    ſvoren (ſt. ſvaren); ſcape oder ſteppe (creo) ſcôp, ſcô-
    pon, ſcapen; ſtape oder ſceppe (incedo) ſtôp, ſtôpon,
    ſtapen; hebbe (elevo) hôf, hôfon, hafen; grafe (fodio)
    grôf, grôfon, grafen; ſcafe (rado) ſcôf, ſcôfon, ſca-
    fen; hlade (onero) hlôd, hlôdon, hläden; vade (tran-
    ſeo) vôd, vôdon, väden; vaſce (lavo) vôſc, vôſcon,
    väſcen; bace (pinſo) bôc, bôcon, bacen; ſace (conten-
    do) ſcace (quatio) ſcôc, ſcôcon, ſcacen; tace (prehen-
    do) tôc, tôcon, tacen; vace (excitor, naſcor) vôc, vô-
    con, vacen; drage (porto) drôh, drôgon, drägen; lëahe
    (vitupero) lôh, lôgon, lägen (?); ſlëahe (caedo) ſlôh,
    ſlôgon, ſlägen: þvëahe (lavo) þvôh, þvôgon, þvägen;
    hlëahhe oder hlihhe (rideo) hlôh, hlôgon, part. un-
    gewis hlägen?; vëaxe (creſco) vôx, vôxon, vëaxen
    (ſ. conj. I.). Verſchiedene haben im praet. ëo oder ëô
    ſtatt ô (ſ. anm. 1.)
  • VIII. dvîne (tabeſco) dvân, dvinon, dvinen; ebenſo hrîne
    (tango) ſcîne (fulgeo); grîpe (arripio) grâp, gripon,
    gripen; drîfe (pello) drâf, drifon, drifen; ebenſo ſcrîfe
    (confeſſionem accipio) on ſvîfe (retrorſum vertor,
    Beov. 191.); ſpîve (ſpuo) ſpâv, ſpivon, ſpiven; flîte (cer-
    to) flât, fliton, fliten; ebenſo: ſlîte (rumpo) ſmîte (per-
    cutio) vlîte (intueor) vrîte (exaro) gevîte (abeo) bîde
    (exſpecto) bâd, bidon, biden; ebenſo: cîde (altercor)
    glîde (labor) gnîde (comminuo) hlîde (operio) rîde
    (equito); lîdhe (navigo, proficiſcor) lâdh, lidon, liden;
    ebenſo ſcrîdhe (gradior) vrîdhe (ligo) arîſe (ſurgo)
    arâs, ariſun, ariſen; blîce (fulgeo) blâc, blicon, bli-
    cen; ebenſo ſvîce (fallo); hnîge (inclino) hnâh,
    hnigon, hnigen; ſîge (decido) ſâh, ſigon, ſigen; ſtîge
    [897]II. angelſächſiſche ſtarke conjugation.
    (ſcando) ſtâh; mîge (mingo) mâh etc.; on-lîhe (con-
    cedo) onlâh, onligon, onligen, ebenſo: ſìhe (colo); tîhe
    (arguo) tâh, tigon, tigen; þîhe (proficio) þâh, þigon,
    þigen; vrîhe (operio) [die vier letzten treten allmählig
    in IX. über].
  • IX. crëópe (repo) creáp, crupon, cropen; dëófe (mergo)
    deáf, dnfon, dofen; ſcëófe (trudo) ebenſo, rëófe (rumpo)
    brëóve (coqno cereviſiam) breáv, bruvon, broven;
    ebenſo: cëóve (manduco) hrëóve (poenitet me) brëóte
    (frango) breát, bruton, broten; ebenſo: gëóte (fundo)
    hlëóte (ſortior) nëóte (fruor) ſcëóte (jaculor); bëóde
    (offero) beád, budon, boden; ſëódhe (coquo) ſeádh.
    ſudon, ſoden; cëóſe (eligo) ceás, curon, coren; ebenſo:
    frëóſe (gelo) hrëóſe (ruo) for-lëóſe (amitto); lûce (claudo)
    leác, lucon, locen; ſûce (ſugo) ſeác, ſucon, ſocen;
    rëóce (exhalo) rëóc, rucon, rocen ebenſo: ſmëóce (fu-
    mo; bëóge (flecto) beáh, bugon, hogeu; drëóge (ago)
    dreáh, drugon, drogen; flëóge (volo) fleáh, flugon, flo-
    gen; lëóge (mentior) leáh, lugon, logen; flëóhe (fugio)
    fleáh, flugon, flogen; tëóhe (traho) teáh, tugon, to-
    gen; unorganiſch fallen hierher: ſëó (colo) tëó (arguo)
    þëó (proficio) vrëó (tego) praet. ſeáh, teáh, þeáh,
    vreah, plur. ſugon, tugon, þgon, vrugon.
  • X. drëpe (ferio) dräp, dræpon, drëpen; gife (dono) gëaf.
    gëafon, gifen; ſvëfe (ſopior) ſväf, ſvæfon, ſvëfen; vëfe
    (texo) väf, væfon, vëfen; ëte (edo) ät, æton, ëten;
    ebenſo frëte (voro) mëte (metior) on-gite (intelligo)
    ongëat, ongëaton, ongëten; ſitte (ſedeo) ſät, ſæton,
    ſëten; brëde (plecto) bräd, brædon, brëden (oder
    nach XI. broden?) cnëde (depſo) cnäd, cnædon, cnë-
    den; trëde (calco) träd, trædon, trëden; bidde (peto)
    bäd, bædon, bëden; cvëdhe (dico) cvädh, cvædon,
    cvëden; lëſe (colligo) läs, læſon, lëſen; genëſe (ſanor)
    vëſe (exiſto) väs, væron, vëſen; vrëce (ulciſcor) vräc,
    vræcon, vrëcen; brëce und ſprëce übergegangen in XI.;
    licge (jaceo) läg, lægon (zuweilen lâgon) lëgen; þicge
    (obtineo) þah, þægon, þëgen; geſëo (video ſt. geſëohe)
    praet. geſëah, pl. geſâvon part. geſëven, zuweilen ge-
    ſëgen, pl. geſêne (ſt. geſëvene) gefëo (laetor) gefëah.
  • XI. cvële (necor) cväl, cvælon, cvëlen; ebenſo hële (celo)
    ſtële (aufero); nime (ſumo) nam (ſeltner nom) nâmon,
    numen; cume (venio) com (cvom) comon, cumen; bëre
    (fero) bär, bæron, boren; ebenſo ſcëre (tondeo) tëre
    (ſcindo); brëce (frango) bräc, bræcon, brocen; ebenſo
    ſprëce (loquor) doch im part. zuweilen geſprëcen (nach X).
  • XII. ſvëlle (tumeo) ſvëall, ſvullon, ſvollen; gëlpe (glo-
    rior) gëalp, gulpon, golpen; hëlpe (juvo) hëalp, hul-
    pon, holpen; dëlfe (fodio) dëalf, dulfon, dolfen;
    mëlte (liqueſio) mëalt, multon, molten; ſvëlte (pereo)
    ſvëalt, ſvulton, ſvolten; gilde (rependo) gëald, gul-
    don, golden; mëlce (mulgeo) mëalc, mulcon, mol-
    cen; bëlge (iraſcor) bëalh, bulgon, bolgen; ſvëlge
    (glutio) ſvëalh, ſvulgon, ſvolgen; gelimpe (contingo)
    gelamp, gelumpon, gelumpen; gerimpe (corrugor)
    geramp, gerumpon, gerumpen; onginne (incipio)
    ongan, ongunnon, ongunnen; ebenſo: linne (ceſſo)
    ſpinne (fila duco) vinne (acquiro); für brinne, rinne
    ſtehen birne (ardeo) barn (nicht bëarn) burnon, bur-
    nen; irne (curro) arn (nicht ëarn) urnon, urnen;
    ſtinte (hebeto) ſtant, ſtunten, ſtunten; binde (necto)
    band, bundon, bunden; ebenſo: grinde (molo) ſvinde
    (tabeſco) vinde (plecto); a-cvince (evaneſco) acvanc,
    acvuncen, acvuncon; ebenſo: drince (bibo) for-ſcrince
    (areſco) ſvince (laboro) ſtince (oleo); bringe (affero)
    brang, brungon, brungen; gecringe (occumbo) ſinge
    (cano); ſpringe (ſalio) ſtinge (irruo) ſvinge (flagello)
    þinge (graveſco) ich finde nur geþungon, geþungen;
    þringe (urgeo) vringe (ſtringo); mëorne (curo, angor)
    mëarn (Beov. 109. 116. 232.) murnon, mornen; ſpë-
    orne (calcitro) ſpëarn, ſpurnon, ſpornen; vëorpe
    (jacio) vëarp, vurpon, vorpen; cëorfe (findo) cëarf,
    curfon, corfen; ebenſo: hvëorfe (revertor) ſtëorfe
    (morior); vëordhe (fio) vëardh, vurdon, vorden;
    bërſte (rumpor, f. brëſte) bärſt (? bëarſt) burſton,
    borſten; þërſce (trituro) þärſc (? þëarſc) þurſcon, þor-
    ſcen; ſvëorce (obnubilor) ſvëarc, ſvurcon, ſvorcen;
    bëorge (abſcondo) bëarh, burgon, borgen; gefrëgne
    (fando accipio) gefrägn, gefrugnon, gefrugnen; brëgde
    (ſubigo, verto, necto) brägd (Beov. 117.) brugdon
    (Cädm. 44, 4. Beov. 41.) brogden *) (Beov. 205.) fëohte
    (pugno) fëaht, fuhton, fohten.

Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.


  • 1) ſpur der reduplication entdecke ich im praet. hêht
    (juſſit) der älteſten quellen, von hâtan, augenſchein-
    [899]II. angelſächſiſche ſtarke conjugation.
    lich aus hêhêt entſprungen; ſpäter gilt hêt, wie im
    altſ. Die langen ô im ablaut der dritten und fünſten
    gleichen den ſ. 863. bemerkten alth. u. nur ſind ſie
    weit häufiger; die o in fëollon, vëoldon der erſten
    ziehe ich jetzt lieber aufs bloße lautverhältnis und
    nehme an, daß ſie für fëllon, vëldon (ſt. fêllon, vêl-
    don) ſtehen, wie ſcëold f. ſcëld, obſchon gewöhnlich
    vor ll, ld das ë bleibt (ſ. 239. *). Schwierigkeit machen
    die dem ô ſiebenter conj. zuweilen vorgeſetzten ë in
    ſpëôn, tëôc, ſcëôp, vëox (oben ſ. 231. 241.) da ſie
    keine allg. lautregel begründet; wieſen ſie auf eine
    uralte redupl. auch in dieſer conj.? oder beruhen ſie
    auf bloßem ſchwanken zwiſchen ihr und erſter?
    Analog, aber verwerflich ſcheint ſcëân f. ſcân; aus
    þëâh, vrëâh f. þâh, vrâh entwickelte ſich allmählig þeáh,
    vreáh, daraus der pl. þugon, vrugon, part. þogen,
    vrogen ſt. þigon, vrigon, þigen, vrigen und das praeſ.
    trat aus conj. VIII. in IX: þëón, vrëón ſtattþîhan, vrîhan.
    Vermuthlich gilt daſſelbe von ſëón (colare) ſt. ſìhan
    (verſchieden von ſëon, videre ſt. ſëhan).
  • 2) nachſtehende verwandlungen der vocale a, i und u
    greifen nicht in das weſen der ablaute ein: α) das
    kurze a wird zu ëa im praeſ. erſter vor ll, ld; im
    praet. ſg. zwölfter vor lp, lf, lt, ld, lc, lh, rn, rp,
    rf, rdh, rc, rh, (ſ. 236.); im praet. ſg. zehnter vor
    f und h (gëaf, ſëah); ſchwankend in eilfter vor r
    (bëar, ſcëar, tëar neben bär etc. vgl. ſ. 237.) — β) a
    wird zu ä im praet. ſg. zehnter und eilfter vor den
    einfachen conſonanzen (ſ. 232.). — γ) a wird biswei-
    len zu o vor m und mm, nn etc. (ſ. 226.) in eilfter,
    zwölfter; doch ſind die formen nam, van, vand etc.
    bräuchlicher als nom, von, vond, crong, ſprong
    (Beov. 120.) — δ) das urſprüngliche i bleibt im praeſ.
    zwölfter vor mm, nn etc.; im zehnter, eilfter nur
    vor den gem. ſittan. biddan, licgan, ſodann in niman,
    gifan, gitan; außerdem wird es zu ë oder ëo (ſtëlan,
    ſprëcan, gëldan, ſtëorfan. Im praet. pl. und part.
    praet. achter erhält ſich kurzes i unverletzt. — ε) kur-
    zes u bleibt im praet. pl. neunter und zwölſter, wird
    aber im part. praet. neunter und eilfter zu o (mit aus-
    nahme von numen); in zwölfter hat das part. u oder
    o, je nachdem das praeſ. i oder ë und ëo hat. Die
    unterſcheidung zwiſchen dem u praet. pl. und o part.
    neunter iſt dem i pl. praet. und part. unparallel; will
    man guton aus der flexion-on, goten aus der flexion
    L l l 2
    [900]II. angelſächſiſche ſtarke conjugation.
    -en deuten, müſte auch ſmiton und ſmëten gelten
    [vgl. ſ. 864. γ.].
  • 3) unter der verwandlung des a in ä und ëa würde ein
    allgemeines ablautsgeſetz der kurzlangen verba (ſ. 838.
    5.) leiden, wenn man nicht dem ſg. ä, dem pl. æ
    zuerkennte (ät, æton; ſtäl, ſtælon); doch gëafon, ſcëa-
    ron läßt ſich kaum in geáfon, ſceáron beſtimmen,
    glaublicher wäre gâfon, ſcâron (wie ſëah, ſâvon) oder
    hat ſich in gëafon, ſcëaron die form verhärtet?
  • 4) auch im angelſ. praeſ. ſg. ind. zehnter, eilfter, zwölf-
    ter haftet das urſprüngliche i, ähnlich der alth. und
    altſ. weiſe (ſ. 863. 864. 890.), weſentlich verſchieden
    aber von beiden darin, daß hier weder I. praeſ. ſg.
    noch ſg. imp. den geſchwächten vocal ablegen, es
    heißt z. b. ic ëte, ſtële, bëre, bëlge, ſtëorfe; imp.
    ët, ſtël, bër, belh, ſtëorf (nicht: ite, ſtile etc. nicht
    it, ſtil etc.); muthmaßlich wirkte die analogie der um-
    lautenden (ſ. folgende anm.) fälſchlich ein. Bloß in
    II. III. praeſ. ind. ſg. tritt alſo das i hervor, z. b.
    itſt, it; ſtilſt, ſtildh; birſt, birdh; bilhſt, bilhdh;
    ſtirfſt, ſtirfdh. Fehlerhaft ſcheint mir die gewöhn-
    liche ſchreibung y (ſ. 228.) und nur bei cuman (f.
    evëman) iſt y zu billigen: cymſt, cymdh. Die anm.
    z. δ genannten ſechs verba ſittan etc. haben das i in
    allen formen.
  • 5) (umlaut von II. III. praeſ. ind. ſg.) α) des a in e
    (nicht ä) conj. VII. als: male, melſt, meldh; bace,
    becſt, becdh. — β) des â in æ, conj. II. V. als: hâte,
    hætſt, hæt; ſâve, ſævſt, ſævdh. — γ) des ô in ê,
    conj. III. als: grôve, grêvſt, grêvdh. — δ) des ëó in
    ŷ, conj. IX. als: gëóte, gŷtſt, gŷt. — ε) des ëa in
    y, conj. I. und VII? als: fëalle, fylſt, fyldh? ſlëa,
    ſlyhſt. ſlyhdh? dieſes von Raſk angenommene und
    freilich vorkommende y hat bedenken, da im allge-
    meinen kein ëa in y umlautet; annehmlicher ſchiene:
    fëalle, felſt, feldh? ſlëa, ſlehſt, ſlehdh? (vgl. bei der
    erſten ſchw. conj. ſyllan f. ſellan). — Bedingung ſol-
    cher umlaute kann die auswerfung des flexionsvocals,
    der ihn eben verurſachte, nicht wohl ſeyn, ich finde
    aber kaum meleſt, meledh (= alth. melis, melit)
    hæteſt, hætedh, ſæveſt. ſævedh, gŷteſt, gŷtedh etc.,
    doch Beov. 183. gäledh (beßer geledh) ſonat, nicht
    galedh.
  • 6) kein umlaut im praet. conj. und in II. ſg. praet. ind.;
    es heißt demnach: bôce, ſcute. ſunge etc., nicht:
    bêce, ſcyte, ſynge (wichtiger unterſchied des angelſ.
    vom altn. und mittelh.).
  • 7) in II. III. praeſ. ind. ſg. wird der flexionsvocal e
    (= ë), wie ſchon anm. 5. ergibt, häufig (keineswegs
    nothwendig) ſyncopiert, nicht das -e erſter perſon
    apocopiert, außer zugleich mit dem h (anm. 11.).
    Dieſes -e iſt weder -ë, weil es keinen umlaut weckt,
    noch war es früher -e, weil ſonſt bace, male (conj.
    VII.) nach ſ. 224. bäce, mäle lauten müſten; vermuth-
    lich hieß es früher bacu, malu (vgl. ſ. 733. anm. 1.).
  • 8) ſtoßen wegen ſolcher ſyncope linguales der wurzel
    an das -ſt, -dh der flexion, ſo wird folgendergeſtalt
    zugeſchnitten: α) nach t bleibt ſt (hætſt, lætſt, itſt)
    aber dh fällt ab (hæt, læt, it ſtatt hætdh, lætdh, itdh). —
    β) d fällt vor ſt aus (rîſt ſtatt rîdſt) ddh werden zu
    t (rît ſtatt rîddh). — γ) dh fällt vor ſt aus (cvîſt f.
    cvidhſt, virſt f. virdhſt) dhdh vereinfachen ſich in dh
    (cvîdh f. cvidhdh, virdh f. virdhdh). — δ) ſ fällt vor
    ſt aus (cŷſt f. cŷſſt) ſdh wird zu ſt (cŷſt f. cŷſdh). —
    ε) ſt fällt vor ſt aus (birſt f. byrſtſt) dh nach ſt ab
    (birſt f. birſtdh). In δ. ε. ſind folglich II. III. ununter-
    ſchieden. — θ) nd wird vor ſt zu nt und für nddh
    gilt nt (ſtentſt f. ſtandeſt, ſtent f. ſtandedh).
  • 9) gem. liq. wird auslautend einfach, desgl. inlautend in
    II. III. praeſ. ſg. beim anſtoß an flexionsconſonanzen,
    z. b. ſpinne, ſpinſt, ſpindh; praet. ſpan, ſpunne, ſpan;
    imp. ſpin pl. ſpinnadh.
  • 10) in gleicher lage wandelt ſich die einfache med. g
    in die ſpirans h, als: ſtîge, ſtîhſt, ſtîhdh; praet. ſtâh,
    ſtige, ſtâh; imp. ſtîh, pl. ſtîgadh; bûge, bŷhſt; beáh,
    buge; imp. bûh, bûgadh; fleáh (volavit) fluge, part.
    flogen; ebenſo lg, rg, bëlge, bilhſt, bilhdh; bëalh,
    bulge; imp. bëlh, bëlgadh; bëorge, birhſt, birhdh;
    bëarh, burge etc.; nicht ng, welches unverändert
    bleibt: ſinge, ſingſt, ſingdh; ſang, ſunge; imp. ſing;
    auch nicht cg in licge; läg, læge; doch bekommt II.
    III. praeſ. in der zuſ. ziehung lîſt, lîdh; von þicge
    (ſumo) finde ich aber þah (nicht þäg) pl. þægon
    (Beov. 78.).
  • 11) umgekehrt wandelt ſich die org. ſpirans h inlautend
    in med. als: þvôh (lavit) þvôge, imp. þvëah part.
    þvägen; ſlôh (percuſſit) ſlôge; imp. ſlëah; part. ſlägen;
    [902]II. angelſächſiſche ſtarke conjugation.
    fleáh (fugit) fluge, imp. flëóh, part. flogen *); ſëah
    (vidit) macht ſàve (vidiſti) ſâvon (viderunt) part. ge-
    ſëven und geſëgen; gefëah (laetabatur) aber gefæge, pl.
    gefægon (Beov. 78. 123.). Überdem ſyncopieren die
    praeſensformen dies org. h und mit ihm den vocal
    der flexion namentlich die inf. ſlëan, þvëan, lëan,
    flëón (ſugere) tëón (trahere) ſëon (videre) gefëon ſtatt
    ſlëahan, þvëahan, lëahan, flëóhan, tëóhan, ſëohan
    und I. ſg. praeſ. ſlëa, þvëa, lëa, flëó, tëó ſëo, gefëo;
    in welchen fällen ſaſk vocalverlängerung annimmt:
    ſleán, ſleá; ſëón, ſëó etc. ich glaube ohne zureichen-
    den grund. Die verſchlingung des h ſammt dem
    flexionsvocal in den wurzelvocal vergleicht ſich dem
    freá, tvëo f. freáha, tvëoha (ſ. 645.).
  • 12) das goth. hahan, fahan gehörte erſter, das alth. hâ-
    han, vâhan vierter conj., das angelſ. hôn, fôn fallen
    in die dritte und lauten II. III. ſg. hêhſt, hêdh, fêhſt,
    fêdh, pl. hôhdh, fôhdh, behalten aber die praet. hêng,
    fêng von hangan, fangan; — ſtandan nach erſter be-
    kommt: ſtande, ſtenſt, ſtent (neben ſtandeſt, ſtandedh)
    praet. ſtôd, ſtôde, pl. ſtôdon, part. geſtanden.
  • 13) jedes wurzelhafte dh wird im praet. (nicht praeſ.)
    inlautend zu d. als: lâdh (ivit) lide (iviſti) lidon (ive-
    runt) ebenſo vrâdh, ſnâdh; cvädh (dixit) cvæde (dixiſti)
    cvædon (dixerunt); vëardh, vurde, vurdon; im praeſ.
    bleibt auch inlautend dh, als: cvëdhadh (dicimus)
    ſnìdhadh (amputamus) vëordhadh. Die gleichen fälle
    wandeln ſ in r: ceas, cure, curon; ebenſo freás,
    hreás, forleás; väs, være, væron; hingegen arâs, ariſe,
    ariſon; genäs, genæſe, genæſon.
  • 14) ſchwaches praeſ. bilden ſverjan (jurare) hebban (tol-
    lere) biddan (orare) ſittan (ſedere) licgan (jacere) þic-
    gan
    (ſumere, obtinere); praeſ. ſverige, ſveraſt, ſveradh
    (ſverëſt, ſverëdh?) ſverjadh; hebbe, hefſt, hefdh, heb-
    badh; bidde, bitſt, bitt, biddadh; ſitte, ſitſt, ſitt, ſittadh;
    licge, lîſt, lîdh, licgadh; unſyncopiert darf aber auch
    II. III. ſg. bideſt, bidedh, ſiteſt, ſitedh, ligeſt, ligedh
    lauten; praet. ſvôr, hôf, bäd, ſät, läg, þah; part. praet.
    geſvoren, hafen (Beov. 98.) bëden, ſëten, lëgen; imp.
    ſg. ſvera (ſverë?) hefe, bide, ſite, lige, þige.

[903]II. angelſ. erſte ſchwache conjugation.
Angelſächſiſche ſchwache conjugation.

ind. praeſ. -e -ſt -dhconj. praeſ. -e -e -e
-adh -adh -adh-en -en -en
praet. -de -deſt -depraet. -de -de -de
-don-don-don-den-den-den

imp. ſg. …, pl. -dh; inf. -an; part. -ende, praet. -d.
die plur. conj. ſchwanken zwiſchen -en und -on, -den
und -don.


Erſte ſchwache conjugation.

ner-je ner-ëſt ner-ëdhſêc-e ſêc-ſt ſêc-dh
ner-jadh ner-jadh ner-jadhſêc-adh ſêc-adh ſêc-adh
ner-ëde ner-ëdeſt ner-ëdeſôh-te ſôh-teſt ſôh-te
ner-ëdon ner-ëdon ner-ëdonſôh-ton ſôh-ton ſôh-ton
ner-je ner-je ner-jeſêc-e ſêc-e ſêc-e
ner-jen ner-jen ner-jenſêc-en ſêc-en ſêc-en
ner-ëde ner-ëde ner-ëdeſôh-te ſôh-te ſôh-te
ner-ëden ner-ëden ner-ëdenſôh-ten ſôh-ten ſôh-ten
ner-ë ner-jadhſêc ſêc-adh

ner-jan; ner-jende; ner-ëd ſêc-an; ſêc-ende; ſôht.


Auch hier verbleibt kurzſilbigen das i der ableitung
und zwar als j vor vocaliſch anhebenden flexionen, d. h.
im praeſ. (mit ausnahme von II. III. praeſ. ind. und ſg.
imp., wo es im ë der flexion abſorbiert wird); als ge-
ſchwächtes ë hingegen vor dem -d des praet.; 1) cvel-
jan (necare) dveljan (ſeducere) heljan (operire) ſeljan
(tradere) ſpeljan (vices obire) teljan (narrare) 2) fremjan
(efficere) gremjan (laceſſere) temjan (domare) 3) þenjan
(extendere) dynjan (ſtrepere Beov. 60. 190.) þunjan (cre-
pitare Beov. 143.) 4) derjan (nocere) erjan (arare) fer-
jan (vehere) nerjan (ſervare) ſcerjan (ordinare) verjan
(prohibere) gebyrjan (decere) ſmyrjan (ungere) ſpyrjan
(inveſtigare) 5) onſvefjan (ſopire) 6) cnyſjan (pulſare)
fyſjan (feſtinare) hryſjan (quatere) 7) hegjan (ſepire).


Anmerkungen: α) das j geht nach r häufig in g über
oder erweitert ſich (vor der flexion e) zu ig, als: ferge,
nerge oder ferige, nerige, ſeltner mit eingeſchaltetem e
ferigëadh (Beov. 27.) ſt. ferjadh [vgl. unten zweite conj.]
β) für lj, mj, fj, ſj tritt gerne gemination ll, mm, bb, ſſ
ein (nicht nn, rr für nj, rj) als: cvellan, dvellan, ſellan,
tellan, fremman, onſvebban, cnyſſan; von dieſer gem.
bleiben alle formen frei, welche das j abſorbiert haben,
folglich II. III. ſg. praeſ., ſg. imp. und part. praet. Man
[904]II. angelſ. erſte ſchwache conjugation.
conjugiere: fremme, fremëſt, fremëdh; pl. fremmadh;
imp. fremë, pl. fremmadh; part. fremmende, fremëd;
ebenſo: ſelle, ſelëſt, ſelëdh (Beov. 104.); ſelladh; ſelë,
ſelladh, ſellende, ſelëd; cnyſſe, cnyſëſt, cnyſëdh; cnyſ-
ſadh; cnyſë, cnyſſadh; cnyſſende, cnyſëd etc. — δ) einige
verba mit ll ſtatt lj erſtarren allmählig zur langſilbigkeit,
d. h. ſtoßen das ë auch im praet. aus und rückumlau-
ten, namentlich: cvellan, ſellan, tellan, praet. cvëalde,
ſëalde, tëalde, part. cvëald, ſëald, tëald; die formen
cvelëde, ſelëde, telëde mangeln ſchon in den älteſten
denkmählern, welchen fremede, dynede, nerede etc.
noch geläufig ſind; nur der ſg. imp. behält einfaches 1:
ſelë, telë, cvelë. Aus dem ëa in cvëalde, ſëalde ſcheint
ſich ein y des praeſ. ſtatt e entwickelt zu haben, neben
ſellan, cvellan finde ich ſyllan, cvyllan (doch nicht:
tyllan) dem fëalle, fylſt, fyldh (ſ. 900.) analog. —
ε) gleiche langſilbigkeit hat ſich durch die gem. dd, cg,
cc
ſtatt eines urſprünglichen dj, gj, cj feſtgeſetzt in a-
hreddan, lecgan, ſecgan, þicgan, hycgan, recean, vec-
can, þeccan etc. deren praeterita ſtets den ableitungs-
vocal ſyncopieren. doch auch hier bleibt ſg. imp. kurz-
ſilbig: z. b. ahredë (libera) ſegë (dic) etc. — θ) die,
welche ë im praet. behalten, ſchwanken ſpäterhin un-
organiſch in die zweite conj. indem ſie ſtatt deſſelben o
zulaßen, z. b. ferode f. ferëde etc.


Langſilbige werfen das i der ableitung im praet.
aus, wodurch 1) rückumlaut des e in ëa, des ê in ô
möglich wird; 2) geminata ſich vereinfacht; 3) conſo-
nanzveränderungen entſpringen, nämlich α) mn wird vor
dem d zu m. β) nach p, t, ſ, h wandelt ſich -de in
-te. γ) für c-d ſtehet immer h-t. δ) nach liq. und
einfachen mediis, auch nach f und dh, bleibt das -de
unbeeinträchtigt, nach ld, nd, rd fällt das d weg und
bloßes -e wird zur wurzel gefügt; ebenſo bleibt nach
lt, nt, rt, ft, ſt, ht das t vom -te weg. — 4) der
flexionsvocal in II. III. ſg. praeſ. braucht nicht, pflegt
aber wegzufallen, und dann gelten die ſ. 901. n° 8. vor-
getragenen conſ. beſtimmungen. — 5) gewöhnlich unter-
bleibt auch das -ë ſg. imp., welcher dadurch ſcheinbar
ſtark lautet (vgl. anm. β.) z. b. bärn (ure) læd (dnc) etc.
Aus dieſer claſſe folgende beiſpiele: 1) evellan (interi-
mere) cvëalde; fellan (proſternere) fëalde; ſtellan (ſalire)
ſtëalde; tëllan (referre) tëalde; gevemman (violare) ge-
vemde; nemnan (nominare) nemde; cennan (gignere)
cende; ſendan (mittere) ſende; vendan (vertere) vende;
[905]II. angelſ. erſte ſchwache conjugation.
drencan (potare) drencte; ſencan (mergere) ſencte; ſcren-
can (ſupplantare) ſcrencte; ſprengan (ſpargere) ſprengde;
bärnan (urere) bärnde; hvettan (acuere) hvette; lettan
(impedire) lette; ſettan (ſtatuere) ſette; ahreddan (eri-
pere) ahredde; reſtan (quieſcere) reſte; dreccan (vexare)
drëahte; ſtreccan (extendere) ſtrëahte; reccan (exponere)
rëahte; veccan (excitare) vëahte; þeccan (tegere) þëahte;
lecgan (ponere) legde ſpäter læde; ſecgan (dicere) ſegde,
ſpäter ſæde; ehtan (perſequi) ehte. — 2) ſpillan (per-
dere) ſpilde; on-cirran (divertere) oncirde; mirran (im-
pedire) mirde; lixan (fulgere) lixte; plihtan (ſpondere)
plihte; rihtan (dirigere) rihte; ontihtan (inſtigare) on-
tihte. — 3) fyllan (implere) fylde; myntan (ſtatuere)
mynte; ſtyrman (ſaevire) ſtyrmde; gyrdan (cingere)
gyrde; dyppan (immergere) dypte; cyſſan (oſculari) cyſte;
lyſtan (cupere) lyſte; hycgan (ſtudere) hygde. — 4) dælan
(dividere) dælde; hælan (ſanare) hælde; mælan (loqui)
mælde; ſælan (illaqueare) ſælde; mænan (opinari) mænde;
ſtænan (lapidare) ſtænde; afæran (terrere) afærde; ræpan
(vincire) ræpte; adræfan (pellere) adræfde; belævan (tra-
dere) belævde; bætan (frenare) bætte; ſpætan (ſpuere)
ſpætte; bædan (compellere) bædde; brædan (distendere)
brædde; lædan (ducere) lædde; vædhan (venari) vædhde;
ræſan (irruere) ræſde; ëdlæcan (renovare) ëdlæhte; nëalæcan
(propinquare) nëalæhte; tæcan (docere) tænte; gevæcan
(affligere) gevæhte. — 5) dêman (judicare) dêmde; ſtê-
pan (erigere) ſtêpte; bêtan (emendare) bêtte; grêtan (ſa-
lutare) grêtte; mêtan (obviare) mêtte; fêdan (nutrire)
fêdde; hêdan (cuſtodire) hêdde; ſpêdan (progredi) ſpêdde;
vêdan (inſanire) vêdde; ſêcan (quaerere) ſôhte; rêcan
(curare) rôhte; ſvêgan (ſtrepere) ſvêgde; vrêgan (accu-
ſare) vrêgde. — 6) cîgan (vocare) cîgde. — 7) gŷman
(obſervare) gŷmde; gerŷman (dilatare) gerŷmde; ſtrŷnan
(acquirere) ſtrŷnde; gehŷnan (humiliare) gehŷnde; hŷran
(audire) hŷrde; ſtŷran (imperare) ſtŷrde; ſcrŷdan (ornare)
ſcrŷdde; nŷdhan (cogere) nŷdhde; cŷdhan (nuntiare)
cŷdhde; lŷſan (ſolvere) lŷſte; ŷcan (augere) ŷhte.


Anmerkungen: α) einige dieſer verba bewahren das
ableitungs-ë zuweilen im inf. als: ſêcëan, veccëan,
drencëan etc. ſtatt welches ë ſich kaum i (j) findet. —
β) die durch gemination langgewordenen haben in II.
III. ſg. (bei unſyncopiertem flexionsvocal) und dann auch
im ſg. imp. einfachen conſ., als: ſeleſt, legeſt, ſegeſt;
ſele, lege, ſege; zum unterſchied von organiſcher ge-
mination, welche durchweg bleibt, z. b. fylleſt (imples)
[906]II. angelſ. zweite ſchwache conjugation.
fylle (imple). — γ) rückumlaut zeigt das praet. lediglich
vor ld und ht (ſëalde, cvëalde, þëahte, ſôhte, rôhte);
warum aber kein ſande, hradde, ſatte, drancte, lagde,
fulde, ſturmde, dômde, môtte, fôdde, ſcrûdde, geámde,
leaſte? [vgl. den altnord. rückuml.].


Zweite ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. ſëalf-igeſëalf-aſtſëalft-adh
pl. ſëalf-jadhſëalf-jadhſëalft-jadh
praet. ſg. ſëalf-odeſëalf-odeſtſëalft-ode
pl. ſëalf-edonſëalf-edonſëalf-edon
conj. praeſ. ſg. ſëalf-igeſëalf-igeſëalf-ige
pl. ſëalf-jonſëalf-jonſëalf-jon
praet. ſg. ſëalf-odeſëalf-odeſëalf-oden
pl. ſëalf-edenſëalf-edenſëalf-eden

imp. ſëalf-a, pl. ſëalf-jadh; inf. ſëalf-jan; part. ſëalf-
igende, praet. geſëalf-od.


Zweite und dritte goth. conj. fallen auch hier zuſ.,
man bemerke 1) der ableitungsvocal o (? ô) erſcheint
nur im praet. 2) ſchwankend an ſeiner ſtelle zuweilen
a (? â) im ſg. (nie pl.) praet. und part. praet. vgl. Beov.
18. 30. 135. vîſade, 130 þrôvade, 178 brytnade, 14 ſëó-
made, 157 lëóſade etc. 60 gerëgnad, 171 genivad, 200 ge-
blôdegad; neben 26 vîſode, 193 þrôvode etc. Nicht un-
wahrſcheinlich iſt dieſes â aus der alten dritten conj.
übrig und dem goth. ái, alth. ê parallel; doch laßen
ſich im angelſ. nicht mehr die zweite und dritte conj.
nach dem ô und â ſondern; jenes einzelne a wurde
auch wörtern der zweiten beigelegt und verlor ſich
endlich ganz in dem überwiegenden o. — 3) der pl.
(nicht ſg.) praet. zeigt in den älteſten denkmählern e
ſtatt o; vgl. Beov. 12. 75. 109 ſceávedon, 19 þancedon,
93 reáfeden, 84 folgedon, 121 ſtaredon, 128 ſvîgedon etc.
mit 106 þancode, 215 ſvîgode, 65 ſceávode etc. welches
e von dem ë kurzſilbiger verba erſter conj. ganz unter-
ſchieden, als bloße ſchwächung des o anzuſehen iſt,
auch im ſg. (wie jenes ë) nicht vorkommt. Cädm. und
die proſaiſchen quellen gewähren neben dem e häufig o
im pl. — 4) im ſg. imp. -a und II. III. praeſ. ind. ſg.
-aſt, -adh ſcheinen ableitungs- und flexionsvocal ver-
ſchmolzen oder vielmehr letzterer iſt in erſterem aufge-
gangen, vgl. ſëalfa, ſëalfaſt, ſëalfadh mit dem goth. ſal-
bô, ſalbôs, ſalbôþ; alth ſalpô, ſalpôs, ſalpôt. Der voc.
a (vermuthlich â) ſtimmt zu dem unter 2. bemerkten
[907]II. angelſ. zweite ſchwache conjugation.
a (â) des praet., und zuweilen bekennen ſich auch II.
III. praeſ. ſg. zu ſolchem o z. b. taloſt f. talaſt. — 5)
deſto auffallender iſt die einſchiebung des i im inf. und
in allen übrigen praeſensformen, welche dadurch mit
den kurzſilbigen erſter conj. zuſ. fallen, vgl. ſëalfjan,
ſëalfige, ſëalfjadh mit nerjan, nerige, nerjadh. Den
unterſchied gründet bloß jener ſg. imp. und II. III. praeſ.:
ſëalfa, ſëalfaſt, ſëalfadh, abſtehend von nerë, nerëſt, ne-
rëdh. Die goth. alth. und altſ. zweite conj. zeigt ein i
vor dem ô nur in wenigen einzelnen wörtern (z. b.
herjôn, minnjôn) und läßt es dem praet. (z. b. minnëôda);
hier gebührt es allen und jeden im praeſ., ſchwindet
aber im praet. — 6) erweiterung des j in ig findet ge-
wöhnlich nur vor e der flexion ſtatt, als: taljan (aeſti-
mare) talige (aeſtimo Beov. 53.) lûfjan (amare) lûfige
(amo); ſtarjan (oculos figere) ſtarige (Beov. 134.) biswei-
len wird aber auch der flexion a ein e vorgeſchoben
und dann gleichfalls ig geſetzt, z. b. ſceávigëan (con-
ſpicere) ſceávigëadh (conſpicimus) gleichviel mit ſceávjan,
ſceávjadh; ferner: varigëadh (cultodiunt Beov. 103.) f.
varjadh. Im praet. gilt kein ſolches -igë-, ſondern nur
-ode, als ſceávode, ſtarode, talode etc. Übrigens vergl,
man das altſ. -ôjan (ſ. 895.) —


Beiſpiele 1) einfache ableitungen: taljan (loqui) til-
jan (colere) þoljan (tolerare) fûljan (putreſcere) ſpëlljan
(nuntiare) fulljan (baptizare) ſëalfjan (ungere) hëalſjan
(amplecti) ëalgjan (tueri) folgjan (ſequi); ſëómjan (one-
rare); monjan (monere) vunjan (habitare) leánjan (remu-
nerare) fandjan (tentare) endjan (finire) plantian (plan-
tare) þancjan (agere gratias) þingjan (convenire); and-
ſvarjan (reſpondere) ſtarjan (intueri) cëorjan (queri) her-
jan, hergjan (vaſtare) borjan (forare) ârjan (honorare)
hêrjan (laudare) gnornjan (moerere) lëornjan (diſcere)
ëardjan (habitare) vëardjan (cavere) rëordjan (ſermoci-
nari) mëarcjan (notare) bëorhtjan (lucere); clŷpjan (vo-
care) grâpjan (rapere) reáfjan (ſpoliare) lëófjan, lûfjan
(amare) ebbjan (recedere) gehivjan (formare) nivjan (re-
novare) trivjan (fidere) ſcëávjan (conſpicere) þëóvjan
(ſervire) þrôvjan (pati); hatjan (odiſſe) vlâtjan (intueri)
bodjan (nuntiare) giddjan (canere) trëddjan (incedere)
ſidhjan (proficiſci) vîſjan (viſitare) nëóſjan (inveſtigare)
coſtjan (tentare); vacjan (vigilare) lìcjan (placere) plucc-
jan (vellere) plëgjan (ludere) hogjan (cogitare) ſvîgjan
(tacere) tëohhjan (ſtatuere) âhſjan (exigere) ëahtjan (ob-
ſervare). — 2) bildungen mit -el, -en, -er oder -l,
[908]II. angelſ. zweite ſchwache conjugation.
-n, -r: madheljan (loqui) ſvëóteljan, ſvûteljan (mani-
feſtare) micljan (magnificare) ſëgljan (navigare); brytn-
jan (diſpenſare) ſamnjan (congregare) tâcnjan (ſignare)
geeâcnjan (concipere) þëgnjan, þênjan (miniſtrare) ge-
rëgnjan, gerênjan (ornare); geniderjan (humiliare)
ſvidhrjan (praevalere) hlëódhrjan (perſonare) vuldrjan
(glorificare) — 3) mit -v, -ſ, -g (ſtatt -av, -iſ, -ig):
nëarvjan (arctari) frätvjan (ornare) læſvjan (paſcere);
ſcadvjan (umbrare); fælſjan (expiare) ſvinſjan (modulari)
irſjan (iraſci) blëtſjan, blëdſjan, blëſſjan (benedicere)
blîdſjan (laetari) gîtſjan (cupere) rîcſjan (regnare) egſjan
(terreri); fâmgjan (ſpumare) myngjan (reminiſci) ſyngjan
(peccare) vêrgjan, vêrigëan (laſſeſcere) blôdgjan (ſangui-
nare) etc. — 4) ableitungen von adj. mit -ſum: geſib-
ſumjan (reconciliari) gehŷrſumjan (obedire) etc.


Anmerkungen: α) die einſtimmung den 1. ſg. und
des ganzen þl. praeſ. mit den kurzſilbigen erſter conj.
macht übergänge begreiflich. Einzelne verba, urſprüng-
lich zweiter conj. geminieren den conſ. nach weiſe der
erſten, behalten aber vor -a, -aſt, -adh, ſo wie im
praet., formen der dritten bei: einige laßen die erſte
conj. weiter eingreifen, und zuweilen gelten doppelfor-
men nach beiden. Statt lëofjan (vivere) I. lëofige II.
lëofaſt III. lëofadh; pl. lëofjadh findet ſich libban, I.
libbe II. lëofaſt III. lëofadh; pl. libbadh; praet. lëofode
(nicht lifde, noch weniger libbode) imp. lëofa, pl. lib-
badh. Ungefähr ſo verhalten ſich hycgan, fyligëan,
ſecgan, tellan
zu hogjan, folgjan, ſagjan, taljan, nur
iſt bald erſte, bald zweite conj. überwiegend, z. b. es
ſtehet gern I. hyege II. hogaſt, im praet. gleich üblich
hygde oder hogode; ſecgan behält aber aus zweiter bloß
den imp. ſg. ſaga (Cädm. 21, Beov. 31.); tellan hat im
praeſ. lieber talige, talaſt, taladh als telle, telëſt, telëdh,
im praet. lieber tëalde als talode. habban (habere) macht
nach zweiter: II. hafaſt III. hafadh (neben häfſt, häfdh)
ſg. imp. hafa Beov. 51. (ſchwerlich habe) alles andere
nach erſter: habbe (habeo) pl. habbadh; praet. häſde;
part. häbbende, praet. häfd. — β) es kann im einzel-
nen zweifelhaft ſeyn, ob das dem -an vorhergehende g,
ig
erweiterung des -i (ſ. 907.) oder die bildungsendung
-ig war; z. b. fàmgjan, vêrigëan ſtammt zwar vom adj.
fâmig, vêrig, aber ſyngjan könnte von ſynnig (culpabi-
lis) oder ſyn (culpa) geleitet werden, wie das alth. ſun-
tëôn von ſuntëa (neuh. ſündigen von ſündig?). Viel-
leicht haben die ableitungen vom adj. jene erweiterun-
[909]II. anomalien der angelſ. conjugation.
gen des i in ig veranlaßt? monigëan für monjan z. b.
läßt ſich von keinem adj. monig herführen.


Anomalien der angelſ. conjugation.

  • 1) eſſe hat vier ſtämme α) praeſ. ind. ſg. I. ëom (für im)
    II. ëart III. is. — β) pl. praeſ. ind. ſind oder ſindon;
    praeſ. conj. ſî, ſî, ſî (auch ſig und ſëó geſchrieben);
    pl. ſîn, ſîn, ſîn. — γ) praet. ind. väs, være, väs; pl.
    væron; inf. vëſan, imp. vës pl. vëſadh; part. vëſende,
    gevëſen. — δ) fut. oder praeſ. ſg. bëo (zuweilen bëóm)
    II. biſt III. bidh; pl. bëodh, bëodh, bëodh; conj. bëo,
    pl. bëon; inf. bëon, imp. bëo, pl. bëodh. Vielleicht
    bëón, bëóm, bëó, bëódh (mit Raſk) zu ſchreiben? für
    bëom ſpricht das alth. pim und ſelbſt ëom; für bëóm
    das altſ. biun, bium.
  • 2) α) môt, môſt, môt; pl. môton; praet. môſte. β) vât,
    vâſt, vât; pl. viton; praet. viſte (zuweilen viſſe); und
    nât (neſcio) nâſt, nât, pl. nyton, praet. nyſte. γ) âh
    (poſſideo) âge (?) âh; pl. âgon; praet. âhte. δ) deáh
    (proſum) duge, deáh; pl. dugon; praet. dûhte. ε) mäg,
    mëaht, mäg; pl. mâgon; praet. mëahte. ζ) ſcëal,
    ſcëalt. ſcëal; pl. ſculon; praet. ſcëolde. η) gemon
    (memini) Beov. 90. pl. gemunon; praet. gemunde.
    θ) dëar, dëarſt (Beov. 42.) und durre (?) dëar; pl.
    durron; praet. dorſte. ι) þëarf, þurfe oder þëarft?,
    þëarf; pl. þurfon; praet. þorfte. κ) can, canſt (conſt
    Beov. 105.) und cunne, can; pl. cunnon; praet. cudhe-
    λ) an, unne, an; pl. unnon; praet. udhe. — Merk-
    würdig âge, duge, durre, unne f. âht, deaht, dëarſt,
    anſt, ſo wie þurfe, cunne neben þëarft, canſt; das
    praet. ſcëolde ſtimmt zu volde.
  • 3) ville, vilt, ville (vile Beov. 80.) pl. villadh; praet.
    volde; und nylle (nolo) nylt, nylle; nylladh; praet.
    nolde.
  • 4) I. II. dêſt III. dêdh; pl. dôdh; praet. dide, dideſt,
    dide; pl. didon; inf. dôn, part. praet. gedôn.
  • 5) gangan praeſ. ſg. I, gange oder gâ, II. gæſt III. gædh;
    praet. ëode, ëodeſt, ëode; pl. ëodon; ſeltner: gengde,
    gengdeſt; pl. gengdon (Cädm. 19. 21. Beov. 107.) part,
    praet. gegân (Beov. 196.) oder gegangen (gegongen
    Beov. 209.).
  • 6) die meiſten verba alth. fünfter anomalie ſtehen in der
    angelſ. ſtarken conj. V.; doch bûan (habitare) Beov.
    [910]II. altfrieſiſche ſtarke conjugation.
    227. (169. bŷvan?) macht das praet. bûde, pl. bûdon;
    part. praet. ſtark: gebûen oder gebûn (Beov. 11.).
  • 7) gyrvan (parare) ſyrvan (moliri) Beov. 17. 55. = gëar-
    van, ſëarvan, haben im praet. gyrede, ſyrede (Beov.
    14. 109. 164.) im part. praet. gegyrved, geſyrved.
  • 8) bycgan (emere) vyrcëan (operari) bringan (afferre)
    þencëan (cogitare) þyncëan (videri) haben bohte, vorhte,
    brohte, þohte, þûhte
    .
  • 9) außer frignan, frägn (Beov. 185.) frugnon [und ſelbſt
    fräng, frungon Beov. 52.] ſcheint frinan, fran, fru-
    non, gefrunen (Beov. 54 und 101. der imp. frin)
    bräuchlich, fürs praeſ. aber auch die ſchwache form
    fricgëan (149. 158.) gefricge (137.); das part. praet.
    lautet bald gefrägen (Beov. 91.) bald gefrigen
    (Cädm. 63.).
  • 10) dem alth. ni-churi vergleicht ſich ne-cëara þu
    (noli) und ſelbſt ne-cëara incit (nolite) Cädm. 49, 23-
    59, 1., womit jedesmahl ein inf. conſtruiert wird.
    In dem uton, vuton (agamus) Beov. 197. 230., worauf
    gleichfalls der inf. folgt, mag nicht weniger ein ver-
    lorenes verbum ſtecken.

Altfrieſiſches verbum.


Der inf. apocopiert das n und lautet auf bloßes -a,
womit der dat. pl. blinde, thâ (ſ. 736. 792.) zu verglei-
chen; im pl. praet. und ſtarken part. praet. haftet da-
gegen das -n (-on, -en); pl. praeſ. ind. ſetzt -th für
alle drei perſonen, gleich den ſächſiſchen ſprachen.


Starke conjugationen. I. halde (teneo) hîld, hîldon,
halden; ebenſo valde (impero) II. hête (vocor) hît, hî-
ton, hêten; ebenſo ſkêthe (divido) III. hlêpe (curro)
hlîp, hlîpon, hlêpen; ebenſo hrêpe (clamo) ſtête (pulſo)
IV. ſlêpe (dormio) ſlîp, ſlîpon, ſlîpen; ebenſo wêpe
(ploro) lête (ſino) rêde. VII. fare (veho) fôr, foron, fa-
ren; ebenſo ſkapa (creare) hlada (onerare) vada (per-
meare) vaxa (creſcere) draga (ferre, praet. drôch) ſlaga
(ferire, pr. ſlôch) VIII. grîpe (prehendo) grêp, gripon,
gripen; ſo: drîfa (pellere) ſnîtha (ſecare) hnîga (flectere)
ſtîga (ſcandere praet. ſtêch). IX. driupe (ſtillo) drâp,
drëpon, drëpen; ebenſo: kriapa (repere) niata (uti)
ſkiata (jaculari) ſlûta (claudere) biada (offerre) kiaſa (eli-
gere) kiuſe, kâs, këron, këren; liaſa (perdere) liaka
[911]II. altfrieſiſche ſchwache conjugation.
(claudere). X. XI. bire (fero) ber, bêron, bëren; ebenſo:
ſtëla (furari) nima (capere) jëfa (dare) wëſa (eſſe) brëka
(frangere) ſprëka (loqui). XII. hilpe (adjuvo) halp, hul-
pon, hulpen, ebenſo: jëlda (rependere) bëlga (iraſci)
binda (ligare) finda (inv.) winna (laborare) kwinka (ex-
ſtinguere, part. ût-e-kwnken Aſegab. 178.) twinga
(cogere) bërna (ardere) wërpa (jacere) kërva (findere)
vërtha (fieri). — Anmerkungen: α) wechſel zwiſchen
ia und iu in IX, ë und i in X. XI. XII. wie im alth.
und altſ. d. h. iu und i gelten im ganzen ſg. praeſ.
β) vermuthliche conſ. veränderungen bei ſyncope des
flexionvocals in II. III. praeſ. ſg. — γ) ſchwaches praeſ.
haben ſitta (ſedere) lidza (jacere); das praet. ſtark ſet,
pl. ſêton; lei, pl. lêgon.


Zwei ſchwache conjugationen: die erſle ſyncopiert
den ableitungsvocal, als: rêma (evacuare) rêmde; bêta
(reparare) bêtte; ſella (vendere) ſelde; ſedza (dicere)
ſêde; ſetta (collocare) ſette; reſza (porrigere) rekte (?)
drenſza (aquae immergere) drenkte etc. Die zweite hat
im praeſ. i, im praet. a, als: câpja (emere) câpjath (emi-
mus) câpade (emebam) part. praet. câpad; ebenſo: makja
(facere) halja (arceſſere) nomja (nominare) râvja (ſpo-
liare) endgja (finire) folgja (ſequi) etc. —


Anomalien: 1) wëſan; praet. was, wêre, was; pl.
wêron; praeſ. III. ſg. is, pl. ſënd. — 2) α) môt, môton.
β) wêt, witon. γ) âch, âgon; praet. âchte. δ) ſkël,
ſkëlon (auch ſkil, ſkil, ſkilon) praet. ſkolde. ε) mei, mêgon;
praet. machte. — 3) wil, pl. willath; praet. wëlde. —
4) dûa (facere) dûe (facio) dûath (faeiunt); praet. dëde,
part. praet. dên. — 5) brënſza (afferre) thenſza (cogi-
tare) praet. brochte, thochte. — 6) (capere) praet.
fêng hat im part. praet. bald fên bald fênſzen. —


Altnordiſches verbum.


Starke conjugation.

ind. praeſ. … -r -rconj. -i -ir -i
pl. -um -idh -a-im -idh -i
praet. ſg. … -t …-i -ir -i
pl. -um -udh -u-im -idh -i

imp. ſg. …, pl. -idh; inf. -a; part. praeſ. -andi, praet. -inn.


Anmerkungen: frühere beſchaffenheit der aufgeſtell-
ten flexionen lehrt die vergleichung der übrigen ſpra-
[912]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
chen, theilweiſe der gebliebene oder fehlende umlaut.
α) conſonanten: 1) apocope des n [ſ. 305. 820.] zeigt der
inf. -a, die III. pl. praet. ind. -u und III. pl. praeſ.
praet. conj. -i, welche ſämmtlich für -an, -un, -in
ſtehen; III. pl. praeſ. ind. büßt ſogar -nd ein. — 2) I.
pl. hat dagegen (gleich dem dat. pl.) -m bewahrt, nicht
in -n geſchwächt; bei anlehnendem pron. fällt es
fort, z. b. ſkulu-vër, ſkulu-vidh (Raſk §. 273.). Eben-
ſo ſchwindet das -dh der II. pl. durch inclination. —
3) II. ſg. praeſ. ind. und praeſ. praet. conj. hat das ur-
ſprüngliche -s in -r verwandelt [ſ. 305. 804. 805.]; wo-
her rührt aber das -r der III. ſg. praeſ. ind.? in den
übrigen ſprachen hat es kein vorbild, außer in der III.
ſg. praeſ. des angelſ. und frieſ. hülfsworts eſſe, welche
is (goth. alth. altſ. iſt) lautet und offenbar dem altn. ër
gleichſteht [mehr hiervon am ſchluße des cap.]. — 4) die-
ſes -r der II. III. ſg. praeſ. erfährt apocope oder aſſimi-
lation nach den regeln ſ. 650. 651. 736. 737; apocope,
wenn die wurzel ſelbſt mit ſ, r und rr ſchließt, und
alsdann fallen II. III. mit I. zuſammen, z. b. lës, frŷs,
eys, ſlær, bër, þvërr ſtatt lëſr, frŷſr, eyſr, ſlærr, bërr,
þvërr (obwohl zuweilen lëſſ, frŷſſ, ſlærr, bërr geſchrie-
ben wird); aſſimilation nach wurzelhaftem n, ſchwan-
kender nach l, als: ſcinn (lucet) f. ſcînr; kell (alget,
Völ. 9. 29.) f. kelr, doch begegnet auch elr (alit). Nach
ll, nn bleibt das flexions -r, als: fellr, brennr. —
5) II. ſg. praet. ind. hat einſtimmig mit dem goth. den
conſ. -t und den voc. des ſg., abweichend vom alth.
alt- und angelſ., wo die flexion -i, -ë den ablaut des
pl. oder conj. mit ſich führt. Von veränderung des
wurzelconſ. vor dieſem t hernach unten. — β) flexions-
vocale
1) der l. ſg. praeſ. iſt die flexion -i abgefallen,
wie der haftende umlaut fer, fell, ſlæ, eyk, gŷt
darthut, früher alſo: feri, felli, ſlæi, eyki, gŷti; dieſes
-i ſcheint ſich in dem einzigen heiti (vocor) und nicht
heit, zu bewahren. — 2) aus gleichem grunde muß vor
dem -r II. III. praeſ. ſg. ein organiſches i ſyncopiert
worden ſeyn. — 3) unorg. -i. weil kein umlaut daraus
folgt, beſitzen II. pl. praeſ. ind. und imp., alle flexio-
nen des praeſ. conj. und das part. praet.; vermuthlich
herrſchten hier chmahls -a und -ei (wie ſ. 805. blin-
deir f. blindir); in I. praeſ. conj. ſg. zeigen die älteſten
quellen häufig -a (Raſk §. 270.). — 4) das praet. conj.
hat organiſches -i und -î. — 5) heutzutage gilt in l.
pl. praeſ. conj. -um ſtatt -im und tadelnawerther im
[913]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
ganzen pl. praet. conj. -um, -udh, -u ſtatt -im, -idh,
-i. — 6) für -u, -um haben die alten hſſ. gern -o -om.
Unter ſolchen voransſetzungen ließe ſich etwa folgendes
ältere paradigma erwarten:

ind. praeſ. ſg. -i -ir -irconj. -a -eir -ei(ê)
pl. -um-adh-and-eim-eidh -ein
praet. ſg. … -t …-i -îr -i
pl. -um-udh-un-îm -îdh -în

imp. ſg.…, pl. -adh; inf. -an, part. andi, praet. ann.


Einzelne conjugationen:


  • I. fell (cado) fêll. fêllum, fallinn; held (teneo) hêlt, hêl-
    dum, haldinn; veld (impero) geht anomaliſch; blend
    (miſceo) blêtt. blêndum, blandinn; geng (eo) gêck,
    gêngum. genginn; hângi (pendeo) hêck. hêngum, hân-
    ginn; fæ fällt jetzt in die vierte; er (aro) êr (?)
    êrum (? arinn (vgl. conj. XI.)
  • II. ſveip involvo) ſveipr (involvit) Brynh. qv. 8; ſvêp,
    ſvêpum. ſveipinn (Fâfn. 42.) heiti (vocor) heitir (vo-
    caris, vocatur), praet. hêt, hêtum; leik (ludo) lêk,
    lêkum, leikinn.
  • III. hleyp (curro) hliôp, hliôpum, hlaupinn; auf eydh,
    iôdh deutet das part. praet. audhinn (fatis conceſſum,
    genitum): eys (haurio) iôs, iôſum, auſinn; eyk (angeo)
    iôk, iôkum, aukinn; bŷ (habito) biô. biôggum. bûinn;
    ebenſo ſp (ſpuo) ſpiô, ſpiôggum, ſpûinn; högg (caedo)
    hiô (zuweilen hiôg) hiôggum, höggvinn; blœt (ſacrifico)
    blêt, blêtum, blôtinn [nŷ, ſnŷ etc. ſ. 5te anom.]
  • IV. græt (ploro) grêt, grêtum, grâtinn; læt (ſino) lêt,
    lêtum, lâtinn; rædh (ſuadeo) rêdh, rêdhum, râdhinn;
    blæs (ſpiro) blês, blêſum, blâſinn; fæ (capio) fêck,
    fêngum. fenginn inf. fâ.
  • VII. el (alo) ôl, ôlum, alinn; ebenſo: gel (cano); kel
    (frigeo); mel (molo); ſtend (ſto) ſtôdh, ſtôdhum, ſtadh-
    inn; fer (proficiſcor) fôr, fôrum, farinn; ſver (juro)
    ſôr, ſôrum, ſvarinn; ſkep (creo) ſkôp, ſkôpum, ſka-
    pinn; gref (fodio) grôf, grôfum, grafinn; ebenſo ſkef
    (rado) hef (tollo) hnef (adunca manu torqueo) praet.
    hnôf (gudr. hv. 12.) kef (ſupprimo); hledh (onero)
    hlôdh, hlôdhum, hladhinn; vedh (eo) ôdh, ôdhum,
    vadhinn; vex (creſco) ôx, ôxum, vaxinn; die mit
    wurzelhaftem kehllaut ſetzen im part. praet. e ſtatt a,
    als: ek (veho) ôk, ôkum, ekinn; ebenſo: ſkek (con-
    cutio) tek (capio); dreg (fero) drô, drôgum, dreginn;
    dey (morior) dô, dôum, dâinn; gey (latro) gô, gôum,
    M m m
    [914]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
    gâinn; die, welche den inf. -aha in â oder œj zuſ.
    ziehen, haben das praeſ. nach vierter, das praet. nach
    dieſer conj., als: flæ (excorio) flô, flôgum, fleginn;
    ebenſo: hlæ (rideo) klæ (frico) ſlæ (percutio).
  • VIII. gîn (hio) gein, ginum, gininn; ebenſo: hrîn (cla-
    mo) hvîn (fremo) ſkîn (luceo); grîp (prehendo) greip,
    gripum, gripinn; ſvîp (caelo) ſveip (völ. qv. 23.) etc.;
    drîf (pello) dreif, drifum, drifinn; ebenſo: rîf (lacero)
    ſvîf (moveor) þrîf (apprehendo); bît (mordeo) beit,
    bitum, bitinn; ebenſo: lît (video) rît (exaro) ſlît
    (rumpo); lîdh (proficiſcor) leidh, lidhum, lidhinn; desgl.
    qvîdh (metuo) rîdh (equito) ſnîdh (ſeco) ſvîdh (doleo,
    aduro?); rîs (ſurgo) reis, riſum, riſinn; rîſt (incido)
    reiſt, riſtum, riſtinn; blîk (ſplendeo) bleik, blikum,
    blikinn; ebenſo: ſvîk (fallo) vîk (cedo); hnîg (inclino)
    hneig, hnigum, hniginn, ebenſo: mîg (mingo) ſîg
    (cado) ſtîg (ſcando); [die mit g haben im praet. zu-
    weilen hnê, hnêum; ebenſo: ſtê und ſê].
  • IX. drŷp (ſtillo) draup, drupum, dropinn; ebenſo krŷp
    (repo) ſŷp (ſorbeo); klŷf (findo) klauf, klufum, klo-
    finn; ebenſo: rŷf (ſolvo); brŷt (frango) braut, brutum,
    brotinn; ebenſo: flŷt (fluo) gŷt (pario) hlŷt (obtineo)
    hnŷt (labo) hrŷt (cado, ſterto) lŷt (vergo) nŷt (fruor)
    ſkŷt (jaculor) þŷt (ululo) þrŷt (deficio); bŷdh (offero)
    baudh, budhum, bodhinn; ebenſo: hnŷdh (retundo)
    rŷdh (illino, cruento) ſŷdh (coquo); frŷs (frigeo)
    fraus, fruſum, froſinn; ebenſo: gŷs (eructo) hnŷs
    (labo, ſternuto) kŷs (eligo) [doch gewährt ſchon
    Edda ſæm. 263b kurom (ſt. kuſum) 146b kërinn (ſt.
    koſinn) 55b frörinn (ſt. froſinn) und Snorraedda p. 111.
    frërinn]. — lŷſt (percutio) lauſt, luſtum, loſtinn; fŷk
    (vento feror) fauk, fukum, fokinn; ebenſo: lŷk
    (claudo) rŷk (fumo) ſtrŷk (aufugio); flŷg (volo) flaug,
    flugum, floginn; ebenſo: lŷg (mentior) ſmŷg (penetro)
    ſŷg (ſugo) tygg (mando) [die mit g wiederum neben
    flaug, taug etc. flô, lô, ſmô, tô pl. flôum etc.] Über
    ſŷng (cano) hernach conj. XII.
  • X. drëp (percutio) drap, drâpum, drëpinn; gëf (dono)
    gaf, gâfum, gëfinn; ët (edo) at [Biörn und Raſk: ât,
    zum unterſchied von der praep. at?] âtum, ëtinn;
    gët (acquiro) gat, gâtum, gëtinn; mët (pondero) mat,
    mâtum, mëtinn; ſit (ſedeo) ſat, ſâtum, ſëtinn; bidh
    (peto) badh, bâdhum, bëdhinn; qvëdh (cano) qvadh,
    qvâdhum, qvëdhinn; lës (lego) las, lâſum, lëſinn; von
    vëra (ſtatt vëſa) iſt kein praeſ., ſondern nur das praet.
    [915]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
    var (ſtatt vas) pl. vârum (ſpäter vorum) vorhanden;
    lëk (ſtillo) lak, lâkum, lëkinn; rëk (pello) rak, râkum,
    rëkinn; wurzeln mit g apocopieren es auslautend im
    praet. und verlängern den vocal als: frëg (interrogo)
    frâ (ſtatt frag) frâgum, frëginn [vgl. 12te anom ]; vëg
    (interficio) vâ (ſt. vag) vâgum, vëginn; ligg (jaceo) lâ
    (f. lag) lâgum, lëginn; þigg (obtineo) þâ (f. þag) þâgum,
    þeginn; zuweilen gelten auch die pl. praet. frâum,
    vâum, lâum, þàum. Der inf. ſîâ (videre, ſt. ſiha, ſih-
    va) hat im praeſ. ſê (ſt. ſë, vgl. ſ. 288.) ſêr, ſêr; pl.
    ſêum praet. ſâ, pl. ſàum, part. praet. ſchwach: ſêdhr;
    trodha (calcare) entſpricht dem goth. trudan, macht
    aber das praeſ. trëdh (nicht trodh = truda) praet.
    tradh, pl. tràdhum, part. trodhinn (= trudans); ihm
    gleichen ſofa (dormire ſt. ſvëfa) praeſ. ſëf (ſt. ſvëf)
    praet. ſvaf, ſvàfum, part. ſofinn (ſt. ſvëfinn); vëfa
    (texere, nicht ofa) vëf, praet. vaf, vâfum (daneben
    ôfum) part. ofinn (ſt. vefinn) wobei man das unter-
    drückte v und die analogie von koma (ſt. qvëma)
    conj. XI. anſchlagen mag.
  • XI. fël (abſcondo) fal, fàlum, folginn (zuweilen falinn);
    ſtël (furor) ſtal, ſtâlum, ſtolinn; nëm (diſco) nam, nâ-
    mum, numinn; këm (f. qvëm) qvam (zuweilen kom)
    qvâmum, kominn (f. qvominn); bër (fero) bar, bàrum,
    borinn, ebenſo ſkër (tondeo); ob ſvëma (natare) ërja
    (arare) organiſch hierher fallt? Biörn gibt das praet.
    ſvam, ar, aber das part. ſvaminn (ſt. ſvominn?) arinn
    (ſt. orinn? vgl. yrja ſ. 921.)
  • XII. gëll (reſono) gall, gullum, gollinn; hvëll (tinnio) hvall,
    hullum, hollinn; ſkëll (quatior) ſkall, ſkullum, ſkollinn;
    ſmëll (crepo) ſmall, ſmullum, ſmollinn; ſvëll (turgeo)
    ſvall, ſullum, ſollinn; vëll (ferveo) vall, ullum, ollinn
    [ſt. vell, vêll, vêllum, vallinn]; ſkëlf (tremo) ſkâlf (f. ſkalf)
    ſkulfum, ſkolfinn; ſvëlt (eſurio) ſvalt, ſultum, ſoltinn;
    vëlt (volvo) valt, ultum, oltinn; gëld (expendo) galt,
    guldum, goldinn; ſvëlg (glutio) ſvâlg (f. ſvalg) ſulgum,
    ſolginn; brënn (ardeo) brann, brunnum, brunninn; rënn
    (fluo) rann, runnum, runninn; ſpinn (neo) ſpann,
    ſpunnum, ſpunninn; vinn (laboro) vann, unnum, un-
    ninn; finn (invenio) fann, funnum, funninn, gewöhn-
    lich fundum, fundinn (beßer fundhum, fundhinn,
    ſ. 307.); bind (ligo) batt, bundum, bundinn; hrind
    (trudo) hratt, hrundum, hrundinn; vind (torqueo)
    vatt, undum, undinn; drëck (bibo) drack, druckum,
    druckinn; ſprîng (ſalio) ſprack, ſprûngum, ſprûnginn;
    M m m 2
    [916]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
    ſtîng (pungo) ſtack, ſtûngum, ſtûnginn; aus ſîng (cano)
    ſâng, ſûngum, ſûnginn, ſîngja; ſlìng (jacto) ſlâng,
    ſlûngum, ſlûnginn, ſlîngva hat ſich ſcheinbar nach
    conj. IX. ſŷng, ſaung, ſûngum, ſûnginn; ſlŷng,
    ſlaung (edd. ſæm. 153b) ſlûngum, ſlûnginn entwickelt,
    gleicherweiſe aus ſëck (mergor, cado) praet. ſöck
    [vgl. anm. 2. δ.) ſuckum, part. ſuckinn und ſtëck (ſa-
    lio, ruo) ſtöck, ſtuckum, vermuthlich auch aus hrëck
    moveor, torqueor) hröck, hruckum ein unorg. ſöck,
    ſauck, ſuckum, ſockinn; ſtöck, ſtauck, ſtuckum,
    ſtockinn; hröck, hrauck, hruckum, hrockinn *); þvërr
    (decreſco) þvarr, þurrum, þorrinn; ſpirn (ſpërn, cal-
    citro (ſparn, ſpurnum, ſporninn; vërp (ova pondo)
    varp, urpum, orpinn; hvërf (abeo, pereo) hvarf, hur-
    fum, horfinn; ſvërf (minutim pereo) ſvarf, ſurfum,
    ſorfinn; ſnërt (tango) ſnart, ſnurtum, ſnortinn; vërdh
    (fio) vardh, urdhum, ordhinn; ſvërdh (coeo cum fe-
    mina) ſvardh [oder ſërdh, ſardh?] ſurdhum, ſordhinn
    Nials ſ. cap. 8.) bërg (tueor) barg, burgum, borginn; —
    ſlëpp (elabor) ſlapp, ſluppum, ſloppinn; dëtt (cado)
    datt, duttum, dottinn; ſprëtt (erumpo) ſpratt, ſprnt-
    tun, ſprottinn; brëſt (frangor) braſt, bruſtum, broſtinn;
    gnëſt (ſtrideo) gnaſt, gnuſtum, gnoſtinn; brëgd (verto,
    moveo) brâ (f. bragd) brugdum, brugdinn. —

Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.


  • 1) reduplication; wichtige ſpur wäre das gëngêngo der
    Völuſpâ 6. 9. 27. 29. ſtatt des einfachen gêngo (ibant)
    da dem ſinn und buchſtaben nach hier kein gen für
    gëgn (contra, rurſus) annehmlich ſcheint, auch die
    alte ſprache kein gëgn-gânga gebraucht; erheblich
    ſind aber die zweifel, theils daß ſonſt nur der anlau-
    tende conſonant, kein inlautender vorgeſchoben wird,
    alſo für gën- eher oder , theils in der wurzel
    das unveränderte a zu erwarten ſtünde, weil ja das
    ê ſelbſt erſt aus der redupl. ſpäter entſprang? Eine
    [917]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
    wahre redupl. würde demnach: gëgângo fordern, wo-
    fern keine aſſimilation ein ê ſtatt â gewirkt hat? Al-
    lerdings läßt ſich hêt aus heiheit leichter faßen, als
    fêll aus feifall, fêfall und möglich wäre ein fêfêll, fë-
    fëll dem fêll vorausgegangen. Beſäßen wir denkmäh-
    ler aus noch älterer zeit, ſo würde ſich unſere ein-
    ſicht in das weſen dentſcher redupl. vervollkommnen
    und über jenes gëngêngo entſcheiden laßen, welches
    gerade in dem älteſten gedicht und nicht in allen hſſ.
    auftritt; [ob die praet. reri, ſeri mit der redupl. zuſ.
    hängen? ſ. unten fünfte anomalie]. — Während conj.
    I. II. IV. bloßes ê gewähren, hat die dritte noch
    (îô, êô?) ſtatt eiau, hingegen ê ſtatt eiô (in blêt).
    Für den pl. hliôpum, iôkum, biôggum, hiôggum
    wird allmählig hliopum, iokum etc. endlich hlupum,
    iukum, biuggum etc. gebraucht, ſo wie man anlau-
    tend jôk, jukum und Raſk ſelbſt inlautend hjô, bjô etc.
    zu ſchreiben pflegt (ſ. 298. 322.).
  • 2) vocale. α) es tritt kein dem alth. gleicher vocalwech-
    ſel
    im ſg. praeſ. ind. ein, namentlich wo das ë ſtatt
    i einmahl gültig iſt, verbleibt es auch dann. Daher
    heißt es z. b. lës, lës, lës; nëm, nëmr, nëmr; vërp,
    vërpr, vërpr im gegenſatz zu liſu, liſis, liſit; nimu,
    nimis, nimit; wirphu, wirphis, wirphit; desgl. ſg.
    imp. lës, nëm, vërp (alth. lis, nim, wirph). — β) da-
    für gilt aber umlaut in I. II. III. praeſ. ind. ſg.
    überall wo empfängliche vocale vorhauden ſind, alſo
    nicht in conj. II. VIII. X. XI. XII., wohl aber durch
    gehends in I. III. IV. VII. IX; z. b. falla, fell; auſa,
    eys; blôta, blœt; blâſa, blæs; ala, el; nióta, nŷt.
    Daß die formen fell, fellr, fellr etc. ein früheres felli,
    fellir, fellir anzeigen, iſt ſ. 912. bemerkt. — γ) umlaut
    des praet. conj. ſg. und μl.
    ereignet ſich in conj. VII.
    IX. X. XI. XII, z. b. ôlum, œli; nutum, nyti; lâſum,
    læſi; nâmum, næmi; unnum, ynni; bedenklicher in
    conj. III, da erſt aus dem ſpätern hlupum, biuggum;
    hlypi, biyggi zu werden vermag. In I. II. IV. VIII.
    iſt von keinem uml. des praet. conj. rede. — δ) um-
    laut der I. ſg. praet ind.
    nur in ſöck (demerſus ſum)
    und ſtöck (irrui) aus nachwirkung des apocopierten v
    (goth. ſagqv, ſtagqv) [vgl. anm. 3, δ.]. — ε) umlaut
    der I. pl. praeſ.
    wirkt die flexion -um lediglich in
    erſter und ſiebenter conj. z. b. falla, föllum; ala, ölum;
    ausnahmsweiſe in zwölfter da, wo ſich ia ſtatt ë er-
    hielt, alſo in giöllum, biörgum, giöldum, nicht aber
    [918]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
    in ſkiâlfum. — ζ) wechſel zwiſchen ió, iú und û (conj.
    IX.); letzteres gilt nur in lûta und ſûga: gilt vor
    lippen- und kehl, vor zungenlauten (ſ. 299.). Man
    ſchreibe demnach: driupa, kliufa, riuka, fliuga; aber
    nióta, biódha, kióſa; auf den umlaut hat dieſe ver-
    ſchiedenheit keinen einfluſe, d. h. im ſg. praeſ. ind.
    werden ió, iú, û auf gleiche weiſe zu ŷ — η) wech-
    ſel zwiſchen i und ë
    (conj. X. XII.) nie in denſelben
    wörtern, ſondern wo einer dieſer vocale herrſcht,
    dauert er durch alle formen des praeſens; conj. XII.
    bewahrt i vor nn, nd, ng, doch gilt brênna, rënna
    (ſt. brinna, rinna) inconſequent neben vinna (nicht
    vënna); conj. X. bewahrt i in ſìa und in der ſchwa-
    chen form ſitja, bidja, liggja, þiggja. — θ) wechſel
    zwiſchen ë und ia
    (conj. XII.) nur in den verbis gialla
    (reſonare) ſkiâlfa (tremere) gialda (rependere) biarga
    (tueri) nicht in den analogen vëlla, ſvëlla, vëlta, ſvëlta,
    vërpa etc. (vgl. oben ſ. 296.). Jene viere behalten ia
    in allen praeſ. formen, außer dem ſg. ind., wo ſie
    gleichfalls ë annehmen, z. b. inf. gialla, praeſ. ind.
    ſg. gëll gëllr, gëllr; pl. giöllum; praeſ. conj. gialli,
    pl. giallim. Dieſer wechſel ſcheint mir unorganiſch
    der analogie des umlauts (unter β) nachzufolgen, da
    ia nicht in ë, vielmehr in i umlautet (ſ. 303.); es
    ſollte alſo gialla, gill; biarga, birg (wie kili, birni ſt.
    kiali, biarni) heißen und wirklich ſcheint ſich ſpirn
    (calcitro) vorzufinden, falls der inf. ſpiarna nachweis-
    lich iſt. Neben gialla gilt allmählig ſchon gëlla. —
    ι) wechſel zwiſchen u und o im pl. praet. und part.
    praet. neunter und zwölfter (nutum, notinn; urpum,
    orpinn) doch haftet in letzterer u vor dem n (wie
    das i im praeſ. meiſtentheils) als: bundinn, Junninn.
    Die eilfte conj. behauptet u nur im part. numinn,
    während kominn, nicht kuminn gilt. — κ) o ſtatt ë
    in trodha, trodhinn, koma, ſofa, ſofinn, ofinn; ë ſtatt
    o
    in kërinn, frërinn. —
  • 3) conſonanten, α) geminata bleibt auslautend und nach
    langem vocal: fall, fêll; ſpinn, ſpann; þvërr, þvarr;
    ſlëpp, ſlapp; dëtt, datt. — β) übergang des ſ in r:
    durchgreifend in vëra, var, vârum, vërinn; ſchwan-
    kend in frurum, kurum, frërinn, kërinn; gar nicht
    in blâſa, blës, blëſum, blâſinn; rîſa, reis, riſum, ri-
    ſinn; lëſa, las, lâſum, lëſinn. — γ) g, h, ſelbſt gd,
    ggv fallen auslautend weg im praet. hiô, drô, hlô,
    ſlô, hnê, ſê, ſtê, flô, ſmô, frâ, lâ, vâ, þâ, brâ ſtatt
    [919]II. altnordiſche ſtarke conjugation.
    hiôgg, drôg, hlôh, ſlôh, hneig, ſeig, ſteig, flaug,
    ſmaug, frag, lag, vag, þag, bragd; doch gelten hneig,
    ſeig, ſteig, flaug, ſmaug, lag, vag, þag daneben, nicht
    die übrigen. Inlautend: hiôggum, drôgum, hlôgum,
    ſlôgum, hnigum, ſtigum (daneben hnêum, ſtêum)
    flugum, ſmugum, frâgum, lâgum, vâgum, þâgum,
    (neben: frâum, lâum, vâum, þâum) brugdum. Aus-
    getilgt iſt der kehllaut in fâ, fæ und ſîa, ſê, ſâ,
    ſâum. — δ) das v in höggva (conj. III.) ſëckva, ſtëckva
    (conj. XII.) dauert nur, wenn die flexion ein a oder
    i anſtößt, alſo: högg, höggr, höggr; pl. höggum, högg-
    vidh, höggva; praeſ. conj. höggvi; praet. conj. hiôggvi;
    ebenſo ſöck, pl. ſuckum; praet. conj. ſyckvi; allein
    auch apocopiert wirkt es den umlaut des a in ö, näm-
    lich högg ſtehet für hagg und ſöck, ſtöck für ſack,
    ſtack (alth. ſanh, ſtanh) [anm. 2, δ.] — ε) liq. n fällt
    vor k durchgängig weg, wobei ſich k doppelt: drëcka,
    drack, druckum, druckinn ſt. drînka, drânk, drûn-
    kum, drûnkinn, ſëckva, ſtëckva wurden ſo eben er-
    läntert; — vor g nur im praet. ſg. und imp. ſg., wie-
    der mit verwandlung in ck: fêck; gêck, hêck, pl. fên-
    gum, gêngum, hêngum; imp. fack, gack, hack;
    ſprîng, ſtîng, praet. ſprack, ſtack, pl. ſprûngum, ſtûn-
    gum; imp. ſprick, ſtick; — endlich vor d gleichfalls
    nur im praet. ind. und imp. und zwar mit verwand.
    lung in tt oder dh als: blanda, blend, blêtt (edd. ſæm.
    p. 261b) blêndum (ibid. 61a) blandinn; ſtanda, ſtend,
    ſtôdh, ſtôdhum, ſtadhinn, imp. blatt (?) ſtatt; binda,
    bind, batt, bundum, imp. bitt; ebenſo hrinda, vinda. —
    ζ) ld wird im praet. auslautend zu lt: falda, fêlt;
    halda, hêlt; gialda, galt; inlautend aber: fèldum, hêl-
    dum, guldum. — η) wie im goth. (ſ. 844. 3. α.) wan-
    delt II. praet. ſg. ind. die wurzelhaften t und dh
    vor dem t der flexion in z (= ſ), als: hêzt (voviſti)
    lèzt (ſiviſti) beizt (momordiſti) flauzt (fluxiſti) mazt
    (ponderaviſti) fèlzt (plicuiſti) galzt (rependiſti) bauzt
    (obtuliſti) qvazt (ceciniſti) bazt (petiiſti) ſtatt: hêtt, lêtt,
    flautt, matt, fêltt, galtt (oder fêldt, galdt) baudht,
    qvadht, badht; — ſtôdh bekommt ſtôtt (ſtetiſti); batt,
    vatt vermuthlich batt (ligaviſti) vatt (torſiſti) ſt. battt,
    vattt? oder etwa banzt, vanzt? unwahrſcheinlich batzt,
    vatzt. Die vorhin unter γ. genannten auf langen vo-
    cal endigenden praet. pflegen in der zweiten perſ. tt
    zu haben, als: ſlôtt (percuſſiſti) hnêtt (inclinaviſti) flôtt
    (volaſti) ſâtt (vidiſti) lâtt (jacuiſti) worin ich tt für ht
    [920]II. altnordiſche ſchwache conjugation.
    erblicke (ſ. 318, 2.). Ob auch hiô, brâ ein hiôtt,
    brâtt? neben lâtt, tôtt (mandiſti) etc. ſcheint auch
    die volle form lagt, taugt (edd. ſæm. p. 26 [...]b) gerecht.
    Den übrigen conſ. verbindet ſich die flexion -t unge-
    hindert, als: ſtalt, brannt, bart, greipt, gaft, lêkt,
    bargt. laſt (legiſti) frauſt (alſiſti); lauſt colliſiſti) ſteht
    für lauſtt, in [...] lióſta (unterſch. von lauzt, verſiſti, inf.
    lûta). Doch im neuiſländ. iſt hier unorganiſch ſ einge-
    drungen: brannſt, gafſt etc. (RAſk §. 276.)
  • 4) (einmiſchung ſchwacher form); praeſ. ſchwach, praet,
    ſtark bilden folgende: ans conj. I. oder XI. erja (arare);
    ans VII. ſverja (jurare) hefja (tollere) kefja (ſupprimere)
    vermuthlich [auch]hnefja (pugno detorquere) ferner deyja
    (mori) geyja (latrare) hlæja (rider[e]); aus VIII. blîkja
    (lucere ſvîkja (decipere) vîkja (cedere) vielleicht
    blikja, ſvikja, vikja? wie aus IX. tyggja (mandere)
    f. tŷgja oder tinga aus X. ſitja (ſedere) bidja (rogare)
    liggja (jacere) þiggja (accipere); aus XII. ſŷugja (ca-
    nere) ſvelgja (de[v]orare); der unterſchied zeigt ſich
    nur im inf., part praeſ. und der I. III. praeſ. pl.,
    welche das ſchwache j einſchieben, als: ſverja, ſver.
    jandi, ſverjum, ſverja etc.

Altnordiſche ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg.… -r -rconj. -i -ir -i
pl. -um -idh -a-im -idh -i
praet ſg. -dha -dhir -dhi-dhi -dhir -dhi
pl. -dhum-dhudh dhu-dhim -dhidh -dhi

imp. …; inf. -a; part. -andi, -dhr.
wegen des -r und der conj. flexionen gelten ganz die
ſ. 912. gemachten bemerkungen; daß die i im ſg. praet,
ind. unorganiſch ſind, folgt aus dem mangel des um-
lauts. wahrſcheinlich ſtehet -dhir, -dhi für -dhar, -dha,
weil auch in die erſte perſ. allmählig -dhi ſtatt -dha
eindringt.


Erſte ſchwache conjugation.

tel tel-r tel-rbrenn-i brenn-ir brenn-ir
tel jum tel-idh tel-jabrenn-um brenn-idh brenn-a
tal-da tal-dir tal-dibren -da bren -dir bren -di
töl-dum töl-dudh töl-dubren -dum bren -dudh bren -du
tel-i tel-ir tel-ibrenn-i brenn-ir brenn-i
tel-im tel-idh tel-ibrenn-im brenn-idh brenn-i
tel-di tel-dir tel-dibren -di bren -dir bren -di
tel-dim tel didh tel dibren -dim bren -didh bren -di

imp. tel. brenn; inf. tel-ja, brenn-a; part. tel-jandi,
brenn-andi; taldr, brendr.


[921]II altnord. erſte ſchwache conjugation.

Man merke 1) das ableitungs i mangelt im praet. und part.
praet. durchaus, die wurzel ſey langſilbig oder nicht. —
2) im praeſ. behalten kurzſilbige das i (verwandelt in j)
überall, wo die flexion mit a oder u beginnt, folglich
telja, teljum; vor dem unorg i in tel idh, tel-i, tel-
ir etc. verzehrt ſich jenes i der ableitung, doch ſtehen
die formen offenbar für tel-jidh, tel-ji, tel jir (d. h.
nach ſ. 912. für das frühere tel-jadh, tel-ja, tel-jeir);
praeſ. ind. ſg. ſtößt nicht nur das i der ableitung aus,
ſondern auch (wie die ſtarke conj.) das der flexion: tel,
telr ſetzt ein älteres tel-i, tel-ir und dieſes ein tel-ji,
tel-jir voraus. Ausnahme machen ſegja und þegja,
welche im praeſ. ſg. das i der flexion laßen: ſegi, ſegir;
þegi, þegir. — 3) langſilbige tilgen umgekehrt das ab-
leitungs-i vor a, u (brennum, brenna) und bewahren
das flexions-i im ſg. praeſ. (brenni, brennir, brennir);
alle langſilbigen, deren wurzel mit k und g ſchließt,
laßen gleichwohl das ableitende i ſtehen, und behalten
das flexiviſche im ſg. daneben (veikja, veiki, veikir,
veikjnm; vîgja, vîgi, vîgir, vîgjum). — 4) beim anſtoß
des wurzelconſ. an das -dh praet. folgende veränderun-
gen α) dh bleibt nach r, f, b und g. — β) nach l, m,
n wird es in kurzſilbigen zu d, langſilbige geſtatten
ſchwankend d und t. — γ) nach p, t, k, ſ zu t. —
δ) nach lt, nt, pt, ſt fällt es ganz weg. — ε) ſtatt dh-
dh ſtehet dd.


Beiſpiele der kurzſilbigen: dvelja (morari) dvaldi;
qvelja (cruciare) qvaldi; melja (molere) maldi; ſelja (tra-
dere) ſeldi; telja (numerare) taldi; velja (eligere) valdi;
ſkilia (diſcernere) ſkildi; þilja (coaſſare) þildi; hylja (te-
gere) huldi; dylja (celare) duldi; mylja (conterere) muldi;
fremja (patrare) framdi; gremja (offendere) gramdi;
kremja (infringere) kramdi; lemja (verberare) lamdi;
ſemja (reconciliare) ſamdi; temja (domare) tamdi; glymja
(ſtrepere) glumdi; rymja (mugire) rumdi; venja (aſſue-
facere) vandi; enja (extendere) þandi; dynja (tonare)
dundi; drynja (mugire) drundi; hrynja (ruere) hrundi;
ſtynja (ingemiſcere) ſtundi; berja (percutere) bardhi;
merja (contundere) mardhi; verja (tueri) vardhi; yrja
(arare) urdhi; byrja (ordiri) burdhi; ſmyrja (linere)
ſmurdhi; ſpyrja (quaerere) ſpurdhi; — glepja (offuſcare)
glapti; krefja (exigere) krafdhi; ſvefja (ſopire) ſvafdhi; tefja
(morari) tafdhi; vefja (intricare) vafdhi; fletja (planare)
flatti; hvetja (acuere) hvatti; ſetja (collocare) ſetti;
flytja (vehere) flutti; gledhja (laetificare) gladdi; qvedhja
[922]II. altnord erſte ſchwache conjugation.
(ſalutare) qvaddi; ſkedhja (laedere) ſkaddi; ſtedhja (ſtatuere)
ſtaddi; tedhja (ſtercorare) taddi; rydhja (ſternere) ruddi;
ſtydhja (fulcire) ſtuddi; þyſja (proruere) þuſti; rekja
(retexere) rakti; hrekja (pellere) hrakti; vekja (excitare)
vakti; þekja (tegere) þakti; lykja (claudere) lukti; ſegja
(dicere) ſagdhi; þegja (tacere) þagdhi [über ſegja, þegja
vgl. indeſſen anm. δ. zur zweiten conj.]; leggja (ponere)
lagdhi; hyggja (cogitare) hugdhi; tyggja (mandere) tugdhi.


Langſilbige: 1) mæla (loqui) mælti; hœla (laudare)
hœldi; fella (ſternere) feldi; ſtilla (temperare) ſtilti; fylla
(implere) fyldi; dœma (judicare) dœmdi; — 2) dreyma
(ſomniare) dreymdi; geyma (cuſtodire) geymdi; rŷma
(vacuare) rŷmdi; rœma (celebrare) rœmdi; ſkemma (cor-
rumpere) ſkemdi; ſtemma (cohibere) ſtemdi; kemba
(pectere) kembdhi; remba (niti) rembdhi; — 3) ræna
(ſpoliare) rænti; rŷna (occulta ſcrutari) rŷndi; ſŷna
(oſtendere) ſŷndi; beina (expedire) beindi; ſteina (pin-
gere) ſteindi; brenna (comburere) brendi; kenna (do-
cere) kendi; nenna (conari) nenti; renna (fundere)
rendi; — 4) læra (docere) lærdhi; mæra (laudare) mærdhi;
ſkîra (polire) ſkîrdhi; ſtŷra (gubernare) ſtŷrdhi; ſŷra
(fermentare) ſŷrdhi; ſperra (repagulis munire) ſperti;
verma (tepefacere) vermdi; firra (privare) firdhi; —
5) dreypa (inſtillare) dreypti; hleypa (concitare) hleypti;
ſteypa (fundere) ſteypti; ſleppa (amittere) ſlepti; kippa
(raptare) kipti; dìſa (ſubigere) dîfdhi; leifa (relinquere)
leifdhi; deyfa (hebetare) deyfdhi; leyfa (laudare) leyfdhi;
ſvæfa (ſopire) ſvæfdhi; œfa (exercere alth. uopan)
œfdhi; erfa (heredit. obtinere) erfdhi; — 6) beita (inci-
tare) beitti; feita (ſaginare) feitti; hreita (diſpergere)
hreitti; breidha (dilatare) breiddi; leidha (ducere) leiddi;
reidha (ferri) reiddi; ſnædha (cibum capere) ſnæddi;
fœdha (nutrire) fœddi; flœdha (inundare) flœddi; hitta
(invenire) hitti; mœdha (fatigare) mœddi; ſkœdha (cal-
ceare) ſkœddi; reiſa (excitare) reiſti; lŷſa (lucere) lŷſti;
melta (ſolvere) melti; girdha (cingere) girdhi; lypta
(levare) lypti; feſta (firmare) feſti; — 7) ſteikja (aſſare)
ſteikti; veikja (debilitare) veikti; dreckja (morgere)
dreckti; þeckja (noſcere) þeckti; fylkja (aciem inſtruere)
ſylkti; þenkja (cogitare) þenkti; merkja (notare) merkti;
hröckva (torquere) hröckti; ſtöckva (aſpergere) ſtöckti;
ſlöckva (extinguere) ſlöckti; teigja (allicere) teigdhi;
vîgja (conſecrare) vîgdhi; læghja (deprimere) lægdhi;
vægja (parcere) vægdhi; reigja (ſuperbire) rcigdhi; ſveigja
(flectere) ſveigdhi; hneggja (hinnire) hnegdhi; byggja
[923]II. altnord. erſte ſchwache conjugation.
(aedificare) bygdhi; hryggja (triſtitia afficere) hrygdhi;
fylgja (ſequi) fylgdhi; hengja (ſuſpendere) hengdhi;
lengja (differre) lengdhi; ſprengja (rumpere) ſprengdhi;
ſyrgja (plangere) ſyrgdhi. — 8) einige bildungen mit
-l, -n: ſigla (navigare) ſigldi; hefna (ulciſci) hefndi;
nefna (nominare) nefndi; egna (irritare) egndi etc.


Anmerkungen: α) dieſe conj. begreift nur umgelau-
tete oder unumlautbare vocale im praeſens, mithin nie-
mahls a, u, â, ô, û, au. — β) kurzſilbige wurzeln wan-
deln lj, mj, nj, rj niemahls in die gemination, daher
kein dem alth. ähnliches tella, hylla, fremma etc. nur
für gj findet ſich mit beibehaltnem j: ggj in leggja,
hyggja, tyggja, — γ) langſilbige durch. org. gemin. ver-
einfachen ſie vor dem d, dh, praet. als: brenna, brendi;
fylla, fyldi, hryggja, hrygdhi. — δ) die verhältniſſe des
rückumlauts ſtehn den alth. bemerkenswerth entgegen:
dort lauteten kurzſilbige im praet. nicht zurück um
(tueljan, tuelita; zemjan, zemita; denjan, denita; wer-
jan, werita), außer wo ſie durch gem, lang geworden
waren; langſilbige rückumlauteten (vellan, valta; chen-
nan, chanta; ſperran, ſparta; werman, warmta) — hier
haben kurzſilbige rückumlaut (dvelja, dvaldi; temja,
tamdi; þenja, þandi; verja, vardhi) langſilbige keinen
(fella, feldi; kenna, kendi; ſperra, ſperti; verma,
vermdi). Ausnahmsweiſe gilt von ſelja, ſetja, ſeldi,
ſetti, nicht ſaldi, ſatti (analog dem valdi, hvatti). —
ε) da wo praet. ind. rückumlautet, hat praet. conj. alle-
mabl umgelauteten vocal, vgl. taldi, flutti mit dem conj.
teldi, flytti. — ζ) beim rückumlaut a lautet pl. praet.
durch die flexion u in ö um: taldi, pl. töldu. — η)
kurzſilbige auf r und ſ ausgehende wurzeln behandeln
II. III ſg. praeſ. ind. wie die ſtarken verba (ſ. 912.)
z. b. byr (orditur) þyſ (ruit) ſt. byrr, þyſr; bei langſil-
bigen bleibt r durch i geſchützt, z. b. mærir (laudat)
lŷſir (lucet).


Zweite ſchwache conjugation.

ind. praeſ. ſg. kall-akall-arkall-ar
pl. köll-umkall-idhkall-a
praet. ſg. kall-adhakall-adhirkall-adhi
pl. köll-udhumköll-udhudhköll-udhu
conj. praeſ. ſg. kall-ikall-irkall-i
pl. kall-imkall-idhkall-i
praet. ſg. kall-adhikall-adhirkall-adhi
pl. kall-adhimkall-adhidhkall-adhi

imp. kall-a, inf. kall-a, part. kall-andi, kall-adhr.
[924]II. altnord zweite ſchwache conjugation.
Der ableitungsvocal a (â ?) gleicht dem ſächſ. â und er-
ſcheint rein im praet. vor deni dh, ſodann in I. praeſ.
ind. und im imp.; unrein, d h. mit flexionsvocalen ver-
ſchmolzen in II. III. praeſ. (kallar für kall-a-ir) etc. —
Beiſpiele aus dieſer zahlreichen conjugation 1) einfache
ableitungen: fala (licitari) ſvala (refrigerari) tala (loqui)
kalla (vocare) ſtama (balbutire) mana (provocare) ſpana
(tendere) banna (interdicere) kanna (ſcrutari) ſanna
(comprobare) ſnara (torquere) ſvara (reſpondere) vara
(cavere) marka (ſignare) ſkapa (creare) tapa (perdere)
hata (odiſſe) rata (ruere) baſa (interimere) faſta (jeju-
nare) haſta (feſtinare) baka (coquere panem) ſaka (nocere)
þacka (gr. agere) daga (luceſcere) laga (aptare) klaga
(accuſare) ſaga (ſerrare); lina (lenire) rita (ſcribere) midha
(movere) ſkicka (ordinare); bora (forare) ſkodha (aſpi-
cere); muna (appetere) blunda (dormire); mâla (pingere)
kâma (maculare) þâma (egelidari); lîka (placere) fôrna
(immolare) hrôpa (clamare) blôta (immolare) hôta (mi-
nari) hrôſa (laudare); gaula (boare) ſauma (ſarcire) launa
(remunerare) raufa (perforare) bauta (transfigere); leita
(quaerere) geiga (tremere); þióna (ſervire) hliódha (ſo-
nare). — 2) bildungen mit 1, n, r: [...]mla (impedire)
fipla (contrectare) ſagla (ſerrare) gutla (glocire); batna
(reconvaleſcere) ſafna (congerere) ſofna (indormire)
blotna (molleſcere); lakra (lente fluere) klifra (ſcandere)
dud[r]a (immorari) giàlfra (ſtrepere) etc. — 3) mit t, d,
ſ: blakta (palpitare) neita (negare) jâta (affirmare) vërnda
(tueri) hreinſa (mundare) bifſa (motitare) hugſa (cogi-
tare) etc. — 4) mit k, g: elſka (amare) blîdhka (miti-
gare) idhka (frequentare) mînka (minuere) ſyndga (pec-
care) blôdhga (cruentare) audhga (locupletare) etc. —
5) mit j vor a: emja (ululare) ſynja (negare) herja (de-
bellare) ſkepja (ordinare) ſtedhja (curſitare) lifja (ſanare)
eggja (acuere) etc. ſie behalten das j durchgängig auch
im praet. emjadha, pl. emjudhum; herjadha, herjudhum. —


Anmerkungen: α) als gegenſatz zur vorigen conj.
herrſcht in dieſer der reine, unumgelautete vocal a, u,
â, ô, û, au oder der unumlautende i, î, ei; ausnahme
machen alle unter 5. genannten ableitungen, einzelne
unter 2. 3. 4. vor deren ableitungsconſ. ein i ſyncopiert
iſt, z. b. ſyndga entſpringt aus ſyndiga. — β) das u der
flexion zeugt umlaut des a in ö in I. pl. praeſ. und im
ganzen pl. praet. — γ) das u pl. praet. aſſimiliert ſich
überall den ableitungsvocal a, als: töpudhu, blôtudhu,
[925]II. altn. zweite (u. dritte?) ſchwache conjugat.
launudhu, mînkudhu, ſynjudhu. — δ) offenbar mengen
ſich in dieſer conj. die zweite und dritte goth. und
alth.; vgl. mana, þacka, þióna dem alth. manôn. dan-
chôn, dienôn und faſta, lîka dem faſtên, lîhhên oder
die bildungen -ſa, -ga dem alth. -iſôn, -akên. Gleich-
wohl verräth ſich eine frühere ſonderung dritter conj.
noch darin, daß ihr zugehörige verba ſcheinbar in die
erſte zu ſpielen pflegen, welcher ſie an ſich fremd ſind,
wie kürze oder unumlaut ihres wurzelvocals hinläng-
lich anzeigt. Beiſpiele ſolcher verba: ſpara (parcere)
vara (cavere) þola (pati) vaka (vigilare) lifa (vivere)
trûa (confidere) meina (autumare) und ihnen analoge;
ſie machen das praeſ. ind. ſpari, lifi, ſparir, liſir, kön-
nen aber nicht nach erſter gehen, weil ihnen umlaut
mangelt, weil ſie kurzſilbig ſperja, ſper haben müßen.
Folglich iſt ihr i praeſ. ind. unorganiſch, wahrſchein-
lich aus altem ei, ê entſprungen, welches ſparê, ſpareir,
lifê, lifeir dem alth. ſparên, ſparês, lëpên, lëpês ant-
wortet. Ihr praet. ſpardhi, vardhi, þoldi, vakti, lifdhi,
trûdhi ſyncopiert den ableitungsvocal und behält gleich
dem praeſ. ungetrübten wurzellaut; das praet. conj. lau-
tet um: ſperdhi. þyldi, vekti, trŷdhi. Einigemahl tre-
ten formen erſter conj. wirklich (d. h. mit umlaut) ein;
z. b. im praeſ. hefi (habeo) hefir (habes), doch im pl.
höfum, hafidh, hafa (nicht hefjum, hefidh, hefja, wo-
gegen ſegja (dicere) þegja (tacere) im ganzen praeſ.
ſegi, ſegir; pl. ſegjum, þegjum (nicht mehr ſögum, þö-
gum) bekommen; praet. ſagdhi. þagdhi. Neben ſol-
chen anſcheinenden, ſeltner wirklichen, übergängen in
die erſte, ſchwanken ſie in die zweite über, z. b. man
findet auch ſpara, ſparar, ſparadhi; vara, varar, varadhi
ſt. ſpari, ſparir, ſpardhi, zumahl gelten die part. praet.
ſparadhr, varadhr, þoladhr, trûadhr, ſogar þagadhr
(nicht vardhr, þoldr, trûdhr, þagdhr) dagegen hafdhr,
ſagdhr (nicht hafadhr, ſagadhr). Dergleichen a mögen
ſich dann wieder auf ein altes ei, ê gründen und vielleicht
lautete die dritte conj. folgendermaßen: lifa, lifeir, li-
feir; pl. lifum, lifeidh, lifa; praet. lifeidha etc. part.
praet. lifeidhr.


Anomalien altnordiſcher conjugation.

  • 1) eſſe dreiſtämmig: α) praeſ. ind. ſg. I. ëm II. ërt III.
    ër; pl. ërum, ërudh, ëru. — β) praeſ. conj. ſê, ſêr, ſê;
    pl. ſêim, ſêidh, ſêi (ſpäter ſêum, ſêudh, ſèu). — γ) alles
    [926]II. anomalien der altnord. conjugation.
    übrige von vëra: praet. var, vart, var; pl. vârum,
    vârudh, vâru (ſpäter vorum etc.) conj. vœri etc; auch
    gilt ein praeſ. conj. vëri, vërir, veri; pl. vërim etc.;
    imp. vër; inf. vëra, part. vërandi, vërinn.
  • 2) α) veit, veizt, veit; pl. vitum; praet. viſſi. β) â,
    âtt, â (für ei, eitt, ei? ſ. 286.); pl. eigum; praet. âtti.
    γ) knâ (poſſum) knâtt, knâ (für knag, wie lâ, vâ. f.
    lag. vag); pl. knegum; praet. knâtti. δ) mâ (valeo)
    mâtt, mâ (für mag); pl. megum; praet. mâtti.
    ε) ſkal, ſkalt, ſkal; pl. ſkulum; praet. ſkuldi. ζ) man
    (μέλλω) mant, man; pl. munum; praet. mundi; doch
    hat ſchon die edda häufig mun, munt, mun f. man.
    η) for-man (invideo) formant, forman; pl. formu-
    num; praet formundi; ſpäterhin nach zweiter ſchwa-
    cher fyrimuna. θ) kann (ſcio) kannt, kann; kun-
    num; praet. kunni. ι) ann (faveo) annt, ann; un-
    num; unni. κ) man (recordor) mant, man; munnum;
    munni oder mundi? ſcheint ſich mit dem unter ζ.
    anfgeführten zu mengen. λ) þarf, þarft, þarf; þur-
    fum; þurfti. — anmerkungen: a) der inf. von ε. und ζ.
    lautet alterthümlich ſculu, munu; von den übrigen:
    vita, eiga, knega, mega, formnna, kunna, unna,
    muna, þurfa. — b) Raſk nimmt zwar in I. pl. über-
    all -um, in II. III. aber nur eigudb, eigu; knegudh,
    knegu; megudh, megu; ſkuludh, ſkulu; munudh,
    munu; þurfudh, þurfu an, hingegen: kunnidh, kun-
    na; unnidh, unna; vitidh. vita; offenbar ſpätere ver-
    derbnis. — c) das e in knegum, megum iſt ſonder-
    bar; wenn hſſ. unterſtützten. würde ich unbedenklich
    knögum, mögum leſen (= goth. magum, alth. ma-
    kumês). — d) môta gebricht ganz; þora (audere)
    duga (valere) gehen wie ſpara, vaka (ſ. 925.) praeſ.
    þori, dugi, praet. þordhi, dugdhi; ôga (metnere) aber
    nach kalla, praeſ. ôga, praet. ôgadhi; ein früheres ô,
    ôtt, ô; pl. ônm oder ôgum; praet. ôtti, läßt ſich aus
    dem abgeleiteten ôtta (terrere) ottadhi ſchließen. —
  • 3) I. vil II. III. vill (für vilr); ſpäter in II. vilt; pl.
    viljum; praet. vildi; inf. vilja.
  • 4) das dem hochd. tuon und ſächſ. dôn entſprechende
    verbum iſt ausgeſtorben, allein aus dem ſubſt. dâdh
    zu entnehmen.
  • 5) fünf verba, deren wurzel vocaliſch endigt, nûa (fricare,
    conterere) ſnûa (torquere) grôa (virere) rôa (remigare)
    ſôa (ſerere) gehen ſtark, im praeſ. alſo umlautend:
    [927]II. anomalien der altnord. conjugation.
    I. nŷ, ſnŷ, grœ, rœ, ſœ; II. III. nŷr, ſnŷr, grœr, rœr,
    ſœr; pl. nûum, ſnûum, grôum etc., gebrauchen aber
    kein praet. ind. ſg., vielmehr an deſſen ſtatt den
    conj. neri, nerir, neri, ebenſo: ſneri, greri, reri, ſeri;
    der pl. beſitzt aber indicative flexion: nerum, nerudh,
    neru etc. (beleg: ſnero, rero, edd. ſæm. 149a 1; 3a);
    part. praet. lautet nûinn, grôinn etc. Hier iſt dunkel
    α) das eingeſchobne r; an redupl. würde ich denken
    und ſero (ſtatt ſeſo) dem goth. ſáiſôun, rero einem
    ráirôun (?) gleichſtellen, ließe ſich auf dieſem wege
    das r in nero begreifen. Wahrſcheinlicher verhält
    ſich das r, wie im alth. plur. pirun, ſcrirun, grirun
    (ſ. 867. δ.) oder wie das altn. ëro (vorhin erſte anom.),
    weiſt alſo auf einen alten ſg. ind. praet. ohne r, nach
    maßgabe der dritten ſtarken conj. auf ein niô, ſniô,
    griô, riô, ſiô
    , wofür die analogie theils von bûa,
    bŷ, bŷr, praet. biô, theils des angelſ. ſëôv, grëôv,
    rëôv
    ſpricht. — β) die natur des e vor dem r; Biörn.
    und Raſk geben ihm keinen accent, hſſ. ſetzen mit-
    unter ö, æ (edd. ſæm. 153b ſnöri, 249b ſeri, wo aber
    ed. hafn. 404. ſæri); ich möchte, weil dem vocal re-
    dupl. zu grunde liegt, ê ſchreiben: nêri, grêri etc.
  • 6) andere vocaliſch auslautende wurzeln (fünfter alth.
    anomalie ähnlich) gehen ſchwach, doch auf mehrfache
    weiſe: α) einige lauten im praeſ. um (wie in vori-
    ger anomalie), z. b. (conſequi) þvâ (lavare) gnûa
    (fricare) knûa (cogere) liâ (commodare) ſkê (fieri);
    praeſ. nŷ, þvŷ, gnŷ, knŷ, liæ, ſkê; pl. nâum etc.
    praet. nâdhi; þvâdhi, gnûdhi, knûdhi, lêdhi, ſkêdhi.
    β) andere haben im praeſ. unorg. i der flexion: ſâ
    (ſerere, neben jenem ſôa, ſeri) knâ (poſſe) (obſer-
    vare) (terere) ſpâ (vaticinari) ſtrâ (ſpargere) trûa
    (fidem habere) etc. praeſ. ſâi, gâi, mâi, trûi etc. praet.
    ſâdhi, knâdhi, (neben knega, knâ, knâtti zweiter
    anomalie) gâdhi, trûdhi etc. — γ) noch andere folgen
    der zweiten ſchwachen: ſôa (diſpergere, neben jenem
    ſôa, ſeri) lôa (alluere); praeſ. ſôa, lôa; praet. ſôadhi,
    lôadhi.
  • 7) valda (imperare, in cauſa eſſe) praeſ. ſtark (wie
    halda): veld, veldr; praet. nicht vêlt, ſondern (gleich
    fünfter anom.) im ſg. conjunctivform olli, ollir, olli
    (edd. ſæm. 157b 261b); pl. ollum, olludh, ollu. Die
    regel geſtattet ll aus ldh (ſ. 306.) nicht aus ld; ande-
    ren auftand macht o, welches vor dem -i des conj.
    [928]II. anomalien der altnord. conjugation.
    umlauten ſollte, wie denn auch Raſk (dän. ausg.
    p. 131.) einen conj. ylli ſetzt, hernach aber (ſchwed.
    ausg. p. 183.) ein valda, praet. vald behauptet, das
    praeſ. veld für ein vëld zwölfter conj. haltend. Wahr-
    ſcheinlich entſprang aus vêldi. vêldum, vêlli, vêlli
    und allmählig olli (wie ſofa, kona aus ſvëfa, qvëna;
    ſ. 311.) darum iſt dies o unumlautig; ylli bezweiflo
    ich nämlich, es mag eher zu vëlla (ſcatere) vëll, vall,
    ullum gehören, obgleich auch dieſes entſtellung aus
    valla, vell, vêll, vêllum iſt.
  • 8) gânga wie im hochd. regelmäßig, praet. gêck, gên-
    gum; weder ein gengdhi noch idja zu ſpüren.
  • 9) das goth. briggan fehlt; þenkja (cogitare) hat þenkti
    (nicht þâtti); þykja (videri) hingegen þôtti, conj.
    þœtti; yrkja (concinnare) orti, conj. yrti. ſpäterhin
    yrkti im ind. und conj.; ſœkja (quaerere) ſôtti, conj.
    ſœtti.
  • 10) gera (parare, facere) häufig geſchrieben göra, giöra,
    welchen umlaut das nach dem r ſyncopierte v erregt;
    praeſ. geri, praet. gerdhi; part. gerdhr (nicht gerr,
    giörr, die adj. form, wovon der inf. gera ſelbſt erſt
    gebildet iſt).
  • 11) hafa (habere) vorhin ſ. 925. angegeben.
  • 12) frëgna (interrogare) praeſ. frëgn, pl. frëgnum;
    praet. frâ; pl. frâgum; part. praet. frëginn; die al-
    ten quellen erkennen kein praeſ. frëg, pl. frëgum,
    kein praeſ. frëgna, noch weniger ein praet. frëgnadhi.
  • 13) ſtarke verba mit ſchwachem praeſ. oben ſ. 920.; an-
    dere gebrauchen neben ſtarkem praet. zugleich ſchwa-
    ches, z. b. neben dô (moriebatur) qveidh (verebatur)
    deydhi, qvîddi; auf dieſem wege ſind analoge wörter
    ganz in die ſchwache form getreten, z. b. nîdha (vi-
    tiare) praet. nîddi, ſt. nîdha, neidh — *).

Mittelhochdeutſches verbum.


Vorbemerkungen: 1) alle flexionsvocale ſind in ein-
förmiges unbetontes e verwandelt (abgerechnet die ſpu-
ren des ô in der zweiten ſchw. conj.), doch folgt dem
[929]II. mittelhochd. conjugation.
das alte i und î vertretenden umlaut [vgl. auch bundè ſ. 370.]
Nach allg. grundſätzen wird tonloſes e ſiumm, ſobald kur-
zer voc. und einfacher conſ. vorſteht, ſtummes e aber ganz
unterdrückt α) nothwendig nach l, r; apocope tritt ein
a) in I. ſg. praeſ. ind. ſiebenter und eilfter ſtarker conj-
z. b. ich mal. var, hil, bir, welche dadurch mit dem
ſg. imp. zuſ. fällt; b in I, II. ſg. praeſ. conj. derſelben
conjugg. als: mal (molam, molat) var, hël, bër; c in
II. ſg. praet. ind. achter und neunter (unbeſchadet dem
umlaut) als: rir (cecidiſti) kür (elegiſti); d) in I. III.
ſg. praet. conj. derſelben conj. als: rir (caderem cade-
ret) kür; e) in I. ſg. praeſ. ind. ſchwacher conj. z. b.
zel (numero) ſpar parco), f) in I. III. ſg. praeſ. conj.
derſelben, als: zel (numerem, -et); g) im ſg. imp.
derſelben, als: zel (numera) ſpar (parce). — Syncope
vor dem -ſt, -t, -n, -nt aller temporum, welche apo-
copieren, ſodann im inf und part. praet. beider formen,
endlich vor dem -te ſchw. praet. z. b. melſt (molis)
melt (molit) hilſt, hilt; maln (molimus) malt (molitis)
hëln (celamus) hëlt (celatis) maln (molamus) hëln (ce-
lemus) etc. rirn (ceciderunt) kurn (elegerunt) kurt (ele-
giſtis) kürn (eligerent) kürt (eligeretis) zelſt (numeras)
nerſt (ſuſtines) etc.; ebenſo die inf. maln, varn, hëln,
bërn, zeln, bern (ferire) bewarn (curare) etc. die part.
praet. gemaln, gevarn, geholn, geborn, erkorn, gezelt,
gebert, bewart und die praet. nerte, bewarte etc. —
β) weniger durchgreifend nach m und n in denſelben
fällen; in der regel ſteht freilich: nim (ſnmo) man (mo-
neo) zem (domo) ſchin (luxiſti, lucerem) im reim auf
im, an, man (virum) hin, bin etc. desgleichen nimſt,
nimt, manſt, mant (: vant, lant reimend) etc. Bei ein-
zelnen älteren dichtern iſt jedoch nime, mane, ſchine
zuläßig, vorzugsweiſe in gewiſſen wörtern und formen,
namentlich im praeſ. conj. (nëme, nëmeſt, nëmet) viel-
leicht mit nachwirkung des alten -ê. Beſtimmtere aus-
nahme macht die flexion -n, nt, welche unmittelbaren
anſtoß des m, n der wurzel meidet, z. b. nëmen, në-
ment, genomen; lemen, lement; ſchamen, ſchament;
ſchinen (luxerunt, lucerent) manen (monere, monemus)
denen (tendere, tendimus) etc. Statt -nen erlauben ſich
wohl einzelne -n [wie im dat. pl. man f. manen ſ. 668,
van f. vanen ſ. 683;] z. b. man (monere) M. S. 2, 53b
auf an gereimt, welches n allenfalls auslautende verein-
fachung des n-n (ſ. 383.) wäre? Schwache verba mit
der bildung -en müßen das -en der flexion opfern, ſo-
N n n
[930]II. mittelhochd. conjugation.
bald die wurzelſilbe lang iſt (ſ. 374. vergl. den dat. pl.
meiden f. meidenen ſ. 669.) z. b. offen (aperire) wâfen
(armare) alth. ofanôn, wâfanôn; nicht bei kurzer wur-
zel, z. b. ſëgenen (benedicere) rëgenen (pluere). — γ) nach
ſ und h
fällt ſtummes e weg vor den flexionen -ſt, -t,
nicht aber auslautend, auch nicht vor -n, -nt; z. b.
liſt (legis) liſt (legit) lëſt (legitis) ſihſt (vides) ſiht (videt)
ſëht (videtis) ſlehſt (caedis) ſleht (caedit) ſlaht (caedi-
tis) etc. hingegen: liſe (lego) lëſen; ſihe, ſëhen, ſlahe,
ſlahen (vgl. oben ſ. 373.); doch ſcheint dem conj. lëſet
(legatis) ſëhet (videatis) ſlahet (caedatis) einzuräumen. —
δ) nach den med. b, d, g keine apocope, alſo kein mit
dem imp. ſg. mengendes praeſ. gip, grap, lat, pflic,
ſondern: gibe, grabe, lade, pflige. Auch keine ſyncope
nach d; es heißt: ladet, badet, laden, baden, badete,
gebadet (außer wenn zugleich verwandlungen des wur-
zelconſ. erfolgen, wovon unten, z. b. batte f. badete);
nach b und g gleichfalls nicht vor -n, nt, als: laben,
biben, loben, ſchriben, ſchuben, ſagen, tragen, ligen,
gelëgen, nigen, genigen etc. Zuweilen aber vor -ſt,
-t
der II. III. praeſ. ind. ſg., namentlich nach e und i
der wurzel, als: grebt, ſchebt, hebt, enſebt, tregt, legt,
gibt, wibt (texit) pfligt, wigt, ligt, wo kein grebet, ſche-
bet etc. zuläßig wäre. In II. praeſ. pl. ſcheint aber le-
get, hebet, reget, weget, pflëget, wëget vorzuziehen,
im conj. nothwendig. Unverkürzte flexion nehme ich
an bei den wurzelvocalen a, o, ë, wo immer eine II.
praeſ. pl. vorliegen wird, oder der ſg. zweiter ſchwacher
conj. z. b. grabet (foditis) ſchabet, habet, labet, trabet,
ſnabet, traget, jaget, klaget, behaget, ſaget, zaget; obet,
lobet, tobet, broget, zoget; klëbet, ſtrëbet, lëbet, wë-
get, pflëget. Auch die praet. pl. behalten e: ſchribet,
blibet, niget, ſiget (cecidiſtis) klubet, ſchubet; am
ſchwankendſten iſt der vocal i, das e bleibt im praet.
pl. (blibet, ſiget), im ſing. praeſ. zweiter ſchwacher
conj. (bibet) und im pl. praeſ. ſtarker oder ſchw. (ſiget,
vincitis, liget jacetis) ſchwindet aber im ſg. praeſ. ſtar-
ker oder erſter ſchwacher (pfligt, ligt, ſigt, vincit). —
ε) die tenues anlangend, ſo kann hier, weil p und k
nicht inlauten, nur nach dem t frage ſeyn; es findet
weder ſyncope noch apocope des ſtummen e ſtatt, z. b.
ſaten (ſatiare) ſate, ſateſt, ſatet; miten (vitavimus) mi-
tet, gemiten; buten (obtulimus) butet, geboten, büte,
büten, bütet; nur geſtatten ſich einzelne t für tet (ähn-
lich dem n für nen ſ. 929.) z. b. git (evellit) bit, trit
[931]II. mittelhochd. conjugation.
für gitet, bitet, tritet (ſ. 410.), welches ich wiederum
auf die III. ſg. praeſ. ſtarker und erſter ſchwacher be-
ſchränke, mithin weder ſat für ſatet ſatiat) noch jët
(evellitis) f. jëtet, noch ſtrit (pugnaſtis) f ſtritet zugebe. —
Bei ausſtoßung des ſtummen e in der conjug. ſehen wir
drei triebfedern wirken, bald die natur der wurzel [...], bald
die der flexionsconſonanz. bald ein nachgefühl urſprüng-
licher verſchiedenheit des flexionsvocals. Während
nach I, r, ohne rückſicht auf letzteren grund alle e aus-
fallen, nach d alle haften, erfährt nach andern conſ.
das e ſyncope, in ſo weit es auf einem alth. i, keine,
wenn es auf a, u, ê, î beruhte. Manches ſchwankende
werden künftige forſchungen näher beſtimmen. —


2) das unſtumme, tonloſe e darf nicht wegfallen,
gleichviel welche wurzelconſonanten vorhergehen, oder
welche flexionsconſ. folgen, z. b. mâlen pingere) mâ-
leſt, mâlet; gebâren, gebâreſt, gebâret; mêren, mêreſt,
mêret; vallen, velleſt, vellet; vuoren, vuoret; muolen,
muolet; hâlen, hâlet etc.; wichtige ausnahmen ergibt
das praet. ſchw. conj. —


3) flexionsconſonanten. α) nicht die reinmittelh.
ſprache, wohl aber die thüringiſche mundart (ſ. 387.)
ſchneidet häufig dem infinitiv ſein n ab (niemahls der
I. pl. praeſ. oder praet., noch der III. pl. praet.) ſo daß
er bald auf tonloſes, bald auf ſtummes e, zuweilen,
wenn auch letzteres abfällt, auf bloße wurzel ausgeht.
Das thüringiſche volk mag ſchon damahls, wie noch
heute [Reinwald idiot. vorr. p. X. Schmeller §. 586.916.],
alle inf. ohne n geſprocnen haben; dichter brauchen ſie
nur im reim und neben der gewöhnlichen form auf
-en; außerhalb des reims letztere. Der wartb. krieg
und Heinr. v. mîſen vaterunſer hat viel ſolcher ge-
ſtumpften inf. vgl. M. S. 2, 13b bevil, 14a ſpil; miſc.
1, 116. meine, 119. var, 121. beite, ſtê, 122. ſtê, be-
richte, ſî, 124. ſëhe, 125. ſchalle, 126. gê, valle, 127.
brëche, kieſe, 128. ſchicke, 129. gewinne, erſpar, man
(monere, welches alſo für mane ſteht, nicht wie die
ſ. 929. bemerkte gleiche form für manen) 135. ſî, wîche,
136. wende und in vaterunſer verſchiedentlich: verſtê,
geſì, muo (vexare ſt. muon) geſchî (evenire) zî (tra-
here) blîche, bediute, triute, ſteine, lërne etc. immer
in beweiſenden reimen. Unter den minneſängern: Kr. v.
hamle 1, 46b ſì, gê; Kriſtan v. lupin 2, 16b meine, 17a ſî,
17b tuo, wende, gelinge, meine; Hetzbolt v. wîƷen ſê
2, 18a kaffe, geſchaffe, bevël, gebueƷe, 18b twinge,
N n n 2
[932]II. mittelhochd. conjugation.
pfende, 19a geſî, 19b twinge, bringe, getrîbe; der dü-
rinc 20b ſtê. Dem ſächſ. und weſtphäl. dialect iſt dieſe
apocope fremd, Veldeck oder Herb. zeigen keine ſpur. —
β) ausgebreiteter und ſchon mit einer alth. mundart
ſtimmend (ſ. 857. n° 4.) iſt das vor dem t der 11. pl.
praeſ. und praet. ind. conj. und imp. eingefügte n, ſo
daß im praeſ. ind. II. III. pl. zuſ. fallend beide auf ent
flectieren, im praet. und conj. aber die II. ent von der
Ill. en abſteht. Es ſcheint ſchweizeriſch und tiefſchwä-
biſch
, wie noch heutzutage (vgl. Schmeller §. 910. α.),
daher es entſchieden bei Boner herrſcht (ſint, lânt,
went, tuont, râtent etc. im reim 68, 29. ſint: blint)
im Amur, bei Hadloub (194b lânt, went, ſëhent) bei
Fleke (im reim Flore 28b âbent: gâbent; 55b verzigent:
ligent; lânt: beſtânt); ausgebildetere dichter jener ge-
genden meiden das -nt und fügen ſich reinmittelhoch-
deutſchem -t, namentlich Rudolf und Hartm., doch
letztern beſchleicht einmahl ſein volksdialect in dem
reim vernëment (percipiunt): nëment (accipiatis) Iw. 16c,
wogegen ſonſt richtiger ſît: zît, tuot: gemuot Iw. 9b etc.
Schwäbiſche abſchreiber trugen ihr -nt häufig ein,
z. b. M. S. 1, 4b rûment, lânt, welches der markg. v.
brandenburg ſicher nicht geſprochen hat; in Walters
liedern müßen eine menge von ſint, hânt, ſprëchent,
tragent etc. in ſìt, habt, ſprëchet gebeßert werden, da
die reime für letztere beweiſen (103a geruochet: ver-
fluochet; 115a 118a 120b ſît: ſtrît, zît, nît; 125a maget:
traget), der copiſt ſetzte oft beiderlei form nebeneinan-
der, z. b. 118a ſît und ſint. Manche hſſ. zeigen -n für
nt, vgl. Triſt. 14a. b. hôren, kieſen, ſëhen (nirgends im
reim) Nib. 6420. 6608. leſen einige binden, rîten, an-
dere bindet, rîtet; dieſes -en ſcheint mehr der rhei-
niſchen volksſprache eigen (Schmeller l. c.) vielleicht
war es Gotfr. geläufig, der es doch in keinen reim auf-
nimmt. — γ) etwas anderes iſt, daß bei anlehnung des
pron
. wir das -n der I. pl. wegfällt, z. b. heiƷe-wir,
nëme-wir etc. ſeltner bei angelehntem ir das -t der
II. pl. [mehr in der abhandlung der inclinationen]. —
δ) II. ſg. praeſ. und praet. conj. behält zuweilen das
ältere -s ſtatt -ſt, vgl. rîtes: ſtrîtes Parc. 37b, zelles, velles
miſc. 1, 128; ſeltner das praeſ. ind. und praet. ſchwa-
cher form, vgl. gans, guns in der zweiten anomalie;
lides (paſſus es): vrides meiſterg. 31a; bei Winli 2, 23a
nehme ich lieber den ungenauen reim leides: ſchei-
deſt an, als ſcheides. Herb. reimt mehrmahls hâs, lâs
[933]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
(ſt. hâſt, lâſt): âs; lîs (jaces): prîs; Ulrich bîs (ſt. biſt):
markîs (Wilh. 3, 463b) Heinr. v. mîſ. hâs: las (vaterunſ.
mihi 243.) etc.


4) der ſg. imp. ſtarker und ſchwacher form erhält
öfters den anhang -â (ſ. 341.) welcher in der ſchwachen
das -e der flexion abſorbiert; z. b. râtâ, lâƷâ, klingâ,
kêrâ, loſâ, hœrâ, ſt. rât, lâƷ, klinc, kêre, loſe, hœre.
Man kann ihn durchaus nicht zur eigentlichen flexion
rechnen, als flexionsvocal würde er längſt e geworden
ſeyn; es iſt eine im fluß der rede anfliegende partikel,
deren vollſtändigerer geſtalt wir auch im alth begegnen
würden, hätten ſich aus jener zeit mehr lebendige dich-
tungen erhalten. Sie tritt auch zu ſubſt. z. b. ſpërâ Parc. 19b.


Starke conjugation.

ind. praeſ. ſg. -e -eſt -etconj. -e -eſt -e
pl. -en -et -ent-en -et -en
praet. ſg. … -e …-e -eſt -e
pl. -en -et -en-en -et -en

imp. ſg. …, pl. -et; inf. -en; part. -ende, -en.


  • I. valle, velleſt, vellet; pl. vallen; praet. viel, vielen,
    vallen; walle, wiel, wielen, wallen; halte, hielt, hiel-
    ten, halten; ebenſo: ſchalte, ſpalte, valte, walte;
    halſe (amplector) hiels, hielſen, halſen; ſalze, ſielz,
    ſielzen, ſalzen; walze, wielz, wielzen, walzen; walke
    (ſtipo, contundo) wielc, wielken, walken; banne (in-
    terdico) bien, bienen, bannen; ſpanne, ſpien, ſpie-
    nen, ſpannen; enblande, enblient (Wigal. z. 143. Bit.
    2954.) enblienden (Flore 7729. Bit. 9120.) enblanden;
    vlanze (detorqueo) vlienz (nur Parc. 123a, wo flenz)
    vlienzen, vlanzen?; die praet. gienc, hienc, vienc,
    giengen, hiengen, viengen, gegangen, gehangen, ge-
    vangen weiſen auf alte praeſ. gange, hange, vange,
    beide letztere gelten nicht mehr (vgl. conj. IV.) gange
    nur im conj. und imp. ganc (unten ſ. 944.). Bedenklich
    wegen des einfachen r iſt arn (arare) ar (aro) ier (Wilh.
    2, 147b Ulr. Triſt. 3267. wohl auch Parc. 4171. ſt. ir)
    ieren (Ottoc. 537b) gearn (Rud. weltchron. p. 77. Schütze;
    Herb. 12d) [arren, wozu ſich ier, ieren ſchicken wür-
    den, verbietet das part. praet. gearn, welches nie gear-
    ren lautet; das in der ſtarken form arn, ar nicht zu
    belegende praeſ. liebt ſchwache (ern, Parc. 30b z. 3705.)]
    M. S. 2, 156a erblappen (demerſus) beweiſt noch kein
    praet. bliep, ſondern ſteht für erblappet, da blappen
    [934]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    (Stalder v. plappen) nach aller analogie ſchwach con-
    jugiert.
  • II. ſweife (vibro) ſwief (Nib. 1971. Wilh. 1, 78a Georg
    39a M. S. 2, 194b) ſwiefen, ſweifen; ſcheide, ſchiet,
    ſchieden, ſcheiden; zeiſe, zies, zieſen, zeiſen (livl.
    chron. 35a); eiſche (exigo) ieſch (Parc. 6559. 6770.)
    ieſchen, zuweilen heiſchen, hieſch (Barl. 58, 24.);
    vreiſche (fando percipio) vrieſch (Nib. 6880. Parc. 6554.
    16610.); heiƷe, hieƷ, hieƷen, heiƷen [imp. ſchwach
    heiƷe M. S. 2, 105b]; meiƷe, mieƷ, mieƷen, meiƷen
    (Mar. 82. 224.); leiche (ludo) liech, liechen, leichen
    (geleichen in einer rubrik der weltchron. cod. caſſ. 19d).
    Die praet. zies, mies, liech ſind ungebräuchlich und
    nur die part. praet. zu belegen, wogegen heiſchen und
    vreiſchen kein ſtarkes part. beſitzen, sondern es ſchwach
    bilden: vreiſchet (nicht gevreiſchet; mehrmahls im
    Parc.) vermuthlich auch eiſchet. Die ſtarke form ieſch,
    vrieſch ſcheint nicht organiſch (alth. eiſcôn, eiſcôta)
    daher auch im mittelh. vreiſchen, vreiſchete (M. S.
    2, 224. und Veldek).
  • III. houwe, hiu (Nib. 9247. altd. w. 2, 93: driu) hiu-
    wen (Nib. 9221. Wilh. 3. mehrmahls: riuwen; hie-
    wen Herb. 34c) houwen; von bouwe oder bûwe (ae-
    difico) iſt anßer dem praeſ. bloß das ſtarke part. bou-
    wen, bûwen (Flore 38a) gültig, praet. ſchw. bûte;
    von einem muthmaßlichen zer-nûwe (contundo) nur
    zernûwen (contuſus: blûwen ſt. bliuwen, liederſaal
    612; vgl. das alth. ſtamfe farnûwanaƷ, pilo tunſum,
    gl. jun. 2 9.); loufe, lief (ſeltner liuf Nib. 3751.) liefen,
    loufen (troj. 75b: roufen: nicht loffen, denn troj. 170a
    verloffen: offen in verſloffen zu ändern); ruofe, rief,
    riefen, ruofen (a. Tit. 98.); ſchrôte, ſchriet, ſchrieten,
    ſchrôten; ſtôƷe, ſtieƷ, ſtieƷen, ſtôƷen.
  • IV. ſlâfe, ſlæfeſt, ſlæfet; pl. ſlâfen; praet. ſlief, ſliefen,
    part. ſlâfen; brâte, briet, brieten, brâten; râte, riet,
    rieten, râten; entrâte (metuo) entriet, entrieten, ent-
    râten (ich finde dies verbum allein bey Herb. 95c 98b)
    lâƷe, lieƷ, lieƷen, lâƷen [neben lâƷen, ſinere, ſini-
    mus zuſ. goz. lân; neben lâƷet, ſinitis, ſinite, lât; ne-
    ben lâƷent, ſinunt, lânt; neben læƷet, ſinit, lât, nicht
    læt; neben læƷeſt, ſinis, lâſt, nicht læſt; neben lieƷ,
    ſivi, ſivit, lie; neben lâƷ, ſine, lâ; keine kürzung
    leiden: lâƷe, ſino (denn lân Flore 37b: getân, wie ſt.
    gegân zu leſen, ſupponiert ein unorg. lâƷen f. lâƷe)
    [935]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    lieƷe, ſiviſti, lieƷen, ſiverunt, überhaupt aber nicht
    der conj.] verwâƷe, verwieƷ, verwieƷen (praet. unbe-
    legt) verwâƷen (leidet nie kürzung); blâſe, blies,
    blieſen, blâſen; bâge (altercor) biec, biegen (cod. pal.
    361. 93c M. S. 2, 84b) bâgen (meiſtens ſchwachformig:
    bâgete, gebâget); hâhe, vâhe und empfâhe leiden
    ſchwankende kürzungen, neben hæheſt, hæhet, væheſt,
    væhet gilt theils ohne umlaut hâheſt — vâhet, theils
    die kürzung vâſt, vât (nicht væſt, væt); auch hâſt,
    hât? oder wegen verwirrung mit hâſt, hât (habes,
    habet) hæſt, hæt? (hæt, außer reim, Parc. 13265); plur.
    praeſ. ind., imp. und inf. geſtatten kürzung hân, hâ,
    vân, vâ; praet. I. III. bald hie, vie, empfie, bald
    (vom alten hangen, vangen conjug. I.) hienc, vienc,
    empfienc; II. ſg. und der ganze pl. rein mittelh. nur
    hienge, vienge, hiengen, viengen etc. part. praet. han-
    gen, vangen; enphiegen: giegen Triſt. 38b wohl in
    enphiengen: giengen zu beßern, obſchon miſc. 2, 90.
    viengen (? viegen): vliegen reimt, vgl. ſ. 867. Dem
    praeſ. conj. gebührt unverkürztes vâhe, hâhe, dem
    praet. vienge, hienge. — Das ſtarke part. praet. ge-
    blân (ſt. geblâhen, altd. w. 3, 177.) berechtigt längſt
    zu keinem praet. blie oder bliu.
  • VII. mal, melſt, melt; maln; muol, muolen; part. maln;
    ſpan, ſpuon, ſpuonen, ſpanen; das praet. ſtuont, ſtuon-
    den, part. ſtanden weiſen aufs verlorene praeſ. ſtanden,
    deſſen imp. ſtant (Parc. 22262.) noch gilt [vgl. unten
    anm. 4. β.]; var, vuor, vuoren, varn; ſwer, ſwuor,
    ſwuoren, ſwarn (nur Nib. 1794. Bit. 35b; gewöhnlich un-
    organiſch nach conj. XI. ſworn); grabe, gruop, gruo-
    ben, graben; ſchabe, ſchuop, ſchuoben, ſchaben;
    hebe, huop, huoben, haben; entſebe, entſuop, ent-
    ſuoben, entſaben; ſchaffe, ſchuof, ſchuofen, ſchaffen;
    wate, wuot (Nib. 9218.) wuoten (wuoden Georg 1176.
    außer reim) part. praet. zweifelhaft [gewaten nir-
    gends; geweten Triſt. 124a Georg 33a bedenklich und
    wohl in gewet, wie Parc. 32b 168b für gewetet ſteht,
    zu berichtigen; vgl. Georg 8b und die erſte ſchwache
    conj.; ganz etwas anders iſt gewëten, junctum,
    conj. X.]; lade, luot, luoden, laden; das part. geba-
    den (Wittich mihi 3048: waden, ſuras) unorg. für
    gebadet; waſche, wuoſch, wuoſchen, waſchen; nage,
    nuoc, nuogen, nagen; trage, truoc, truogen, tragen;
    das part. praet. behagen (Georg 15a 39a M. S. 2, 222a
    expeditus, laetus) deutet auf ein verlorenes hage,
    [936]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    huoc, huogen; bache (coquo panem) buoch (cod.
    pal. 361. 64c) buochen. bachen (M. S. 1, 129a; ſlahe,
    ſluoc, ſluogen. ſlagen; twahe, twuoc, twuogen,
    twagen; gewahe, gewuoc, gewuogen. gewagen [der
    inf. ſlahen, twahen kürzt ſich in ſlân, twân; [auch]
    gewahen in gewân?] wahſe, wuohs, wuobſen, wahſen.
  • VIII. glîe (gannio) glei; ſchrîe (clamo) ſchrei; ſpîe (ſpuo)
    ſpei [ſtatt glei, ſchrei, ſpei verſchiedentlich glê, ſchrê,
    ſpê, oben ſ. 350; pl. praet. und part gleichfalls ſchwan-
    kend, ſchrei macht ſowohl ſchrirn, part. geſchrirn
    Lohengr. 80., als ſchriuwen, geſchriuwen ſt. ſchri-
    wen, Reinfr. 193b 194b 172a Boner 2, 39; Parc 20563.
    außer reim: ſchrihen; von ſpei finde ich nur ſpinwen,
    kein ſpirn, von glei weder gliuwen noch glirn vgl. das
    neuh, ſchw. klirren?] grîne, grein, grinen, grinen; kîne
    (erumpo?) kein (zerkein altd. w. 2, 92.) kinen kinen;
    quîne (mareeo ſymbolae 102.); berîne (tango) berein
    (bloß bei Herb 29b 65a 89a) berinen, berinen; ſchîne,
    ſchein etc.; ſwîne, ſwein etc.; blîbe, bleip, bliben, bliben;
    klîbe, kleip, kliben, kliben (nur bei gewiſſen dich-
    tern, andere brauchen das ſchwache klëben, klëbete);
    rîbe, reip, riben, riben; beſchîbe (affero, admoveo,
    verwandt mit ſchîbe, rota) beſcheip, beſchiben, be-
    ſchiben (belegbar nur praeſ. und part. praet. Ben. 254.
    Herb. [...]b entſchîben Ulr. Triſt. 706.); ſchrîbe, ſchreip,
    ſchriben, ſchriben; trîbe. treip, triben, triben; grîte,
    greif, griffen, griffen; pfîfe, pfeif (ûƷpfeif, ebullivit
    Herb. 35d 95d; pfiffen, pfiffen; ſlîfe, ſleif, ſliffen,
    ſliffen; bîte, beit, biten, biten; brîte (fabrefacio) breit,
    briten, briten; glîte, gleit, gliten, gliten; rîte (equito)
    reit, riten, riten; ſchîte (findo) ſcheit, ſchiten, ſchi-
    ten; ſchrîte, ſchreit, ſchriten, ſchriten; ſprîte (ſterno)
    ſpreit, ſpriten, ſpriten; lîde (patior) leit liten, liten;
    mîde, meit, miten, miten; nîde (invideo) neit, niten,
    niten; rîde (torqueo, roto, flecto) reit, riten, riten
    [das angelſ. vrîdhe? aus dem alth. ſtarken part. karidan
    (? karitan) tenſus, cervicatus, gl. doc. 231b, jun. 185.
    und dem ſchwachen rîden Georg 12b, im Tit. mehr-
    mahls auf mîden, ſnîden etc. reimend zu folgern?
    das praet. reit, riten nicht zu belegen, das part.
    vielleicht in erriten, underriten Wigal. 397. 429.
    Parc. 103b] ſnîde, ſneit, ſniten, ſniten; bîƷen, beiƷ,
    biƷƷen, biƷƷen; glîƷe, gleiƷ, gliƷƷen, gliƷƷen; rîƷe,
    reiƷ, riƷƷen, riƷƷen; ſchîƷe, ſcheiƷ (Morolf 442.)
    ſchiƷƷen, ſchiƷƷen; vlîƷe, vleiƷ, vliƷƷen, vliƷƷen; wîƷe,
    [937]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    weiƷ, wiƷƷen, wiƷƷen; brîſe (connodo) breis, briſen
    (Orlenz mihi 10869.) briſen; rîſe, reis, rirn (Parc. 19b)
    rirn (Lohengr. 80) neben riſen (troj. 30a) riſen (troj.
    78a 81a); krîge (obtineo) kreic, krigen, krigen (nicht
    rein-mittelh., das part. erkrigen: ſwigen livl. chr. 50b);
    nîge, neic, nigen, nigen; ſîge, ſeic, ſigen, ſigen; ſtìge, ſteic,
    ſtigen, ſtigen; ſwîge, ſweic, ſwigen, ſwigen; gelîche (pla-
    ceo, comprobor) geleich, gelichen, gelichen, (beleg-
    lich nur praeſ. Flore 8b Triſt. 101c und part. Maria 79.)
    ſlîche, ſleich, ſlichen, ſlichen; ſtrîche, ſtreich, ſtrichen,
    ſtrichen; ſwîche, ſweich, ſwichen, ſwichen; tîche (? poe-
    nas do, M. S. 2, 15b) teich, tichen (Herb. 51c) tichen;
    wîche (cedo) weich, wichen, wichen; gedîhe, gedêch,
    gedigen, gedigen [für gedîhe ſelten gedîe M. S. 1, 109a]
    lîhe, lêch, lihen, lihen (nicht ligen, ligen); rîhe
    (trudo) rêch, rigen (Maria 4897. altd. w. 3. 25.) rigen
    (Wigal. 759. Wigam. 2573. Wilh. 1, 37b) zîhe, zêch
    (verzeich nur Wilh. 1, 51a) zigen, zigen; von einem
    muthmaßlichen erſîhe (exhaurio) erwîhe (conficio)
    [Lachm. ausw. p. 274.] laßen ſich nur die part. praet.
    erſigen, erwigen (Wilh. 3, 312b) nachweiſen.
  • IX. kliube, kloup, kluben, kloben; ſchiube, ſchoup,
    ſchuben, ſchoben; ſtiube (pulv. moveo) ſtoup, ſtuben,
    ſtoben; ſliufe, ſlouf, ſluffen, ſloffen; triufe, trouf,
    truffen, troffen; bliuwe, blou, bliuwen, bliuwen;
    ebenſo: briuwe, kiuwe, riuwe; biute, bôt, bu-
    ten, boten; ſiude, ſôt, ſuten. ſoten; diuƷe, dôƷ,
    duƷƷen, doƷƷen; ebenſo: verdriuƷe, giuƷe, niuƷe,
    riuƷe (ſelten; cod. pal. 361, 70b), ſchiuƷe (jaculor)
    ſliuƷe, ſpriuƷe (germino) vliuƷe; kiuſe, kôs, kurn,
    korn; verliuſe, verlôs, verlurn, verlorn [Conr. ſetzt
    auch im praeſ. verliure M. S. 2, 207a verliuret troj. 16a;
    auch der Chanzler 2, 239a] niuſe (ſternuto) nôs, nurn (?)
    norn (?); vriuſe, vrôs, vrurn, vrorn; biuge, bouc,
    bugen, bogen; ebenſo: liuge, ſmiuge (applico) triuge,
    vliuge; ſûge, ſouc, ſugen, ſogen; kriuche, krouch,
    kruchen, krochen; liuche, louch, luchen, lochen;
    riuche, rouch, ruchen, rochen; vliuhe, vlôh, vluhen
    (Herb. 102c flohen: lohen, auch Parc. 12518. flöhe ſt.
    flühe, fugerem?) vlohen; ziuhe, zôch, zugen, zogen.
  • X. gibe, gap, gâben, gëben; wibe, wap, wâben, wë-
    ben; bite (rogo) bat, bâten, bëten; gite, jat, jâten,
    jëten; knite, knat, knâten, knëten; ſtrite (? ſtride,
    cum impetu ruo) ſtrat, ſtrâten (amur 7a) ſtrëten; trite,
    [938]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    trat, trâten, trëten; wite (jungo) wat, wâten, wëten
    (Parc. 18a Wigal. 340. M. S. 2, 105a Triſt. 110b Ulr. Triſt.
    1006); von kide (dico) iſt nur noch III. ſg. kît (ait) f.
    kidet übrig; iƷƷe, aƷ, âƷen, ëƷƷen; ebenſo: vergiƷƷe,
    miƷƷe, vriƷƷe; liſe, las, lâſen, lëſen (ſt. lâſen ſelten
    lâren, Maria 61. lære, legeret: altære); geniſe, genas,
    genâſen (zuweilen genâren, cod. pal. 361, 42a Iw. 2527.
    wo cod. giſſ. “komen wâren, und daƷ ſî genâren”;
    klage 854; vaterunſer 2787.) genëſen; wiſe (exiſto, dies
    praeſ. ſelten, doch mehrmahls in Ulrichs Wilh. 3.) was,
    wâren, nie wâſen) wëſen; kriſe (repo) kras etc. nirgends
    ſtark, vielmehr Maria 28. 53. krëſet (repit) und nicht
    kriſet; lige. lac, lâgen, lëgen; pflige, pflac, pflâgen,
    pflëgen [neben gepflëgen 16b 17b 28b 36c gebraucht
    Vriberg nach conj. XI. gepflogen 1c 11b 40c 44a; noch
    andere ſchwache form: pflëgte Wigam. 9a gepflëgt.
    Ottoc. 482a, neben gepflëgen 497b]; wige, wac, wâ-
    gen [über wuoc, wuogen vgl. unten ſ. 941.] wëgen
    (im part. nicht wigen; man unterſcheide erwëgen,
    comprobatus, exercitus, Ernſt 19a 31b, von erwigen con-
    fectus, conj. VIII.); gihe, jach, jâhen, jëhen; geſchihe,
    geſchach, geſchahen, geſchëhen (Herb. neben geſchên 81d
    das ſchw. part. geſchiet 40b 42a 81d 100a); ſihe, ſach,
    ſâhen (ins niederd. ſpielt ſâgen, oben ſ. 427. 449; M.
    S. 2, 186a reimt ſæhe: bræche) ſëhen (contr. ſẻn); brë-
    hen (lucere, nicht brëhenen) iſt ein dunkeles wort,
    davon ich, außer dem häufigen inf. (Nib. 6493. Parc.
    17a Wilh. 1, 93a M. S. 1, 90b etc.) und part. praeſ.,
    weder eine ſtarke noch ſchw. form des ind. oder conj.
    je geleſen; denn brach M. S. 2, 52a Bon. 48, 68. kann
    füglich von brëchen ſtammen; [dem goth. baírhts, lu-
    cidus, antwortet alth. përaht, wie përac dem baírgs,
    folglich wäre baírhtjan = përahtjan, folglich, da pë-
    raht, përht mittelh. zu brëht (M. S. 1, 3b) geworden,
    = brëhten, was ſich nicht findet, woraus ſich aber
    ſchwerlich brëhen entwickelt hat].
  • XI. hil, hal, hâlen, holn; kil, kal (qual) kâlen, quoln;
    ſtil, ſtal, ſtâlen, ſtoln; twil, twal, twâlen (cod. pal.
    361.) twoln; nim, nam, nâmen, nomen; klim (pre-
    hendo, manibus premo) klam, klâmen (wofür klomen
    Nib. 51. ed. Müller) klomen (klage 1860) kome (ſt.
    quime) praet. in III. ſg. komet, zuweilen kümet
    (Barl. 33.) kam, quam und kom (dies nie im reim);
    pl. kâmen und komen, conj. kæme und köme; part.
    komen; ſtim (cohibeo) ſtam, ſtâmen, ſtomen (beleg-
    [939]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    lich nur inf. und praeſ. Ben. 139. Flore 8a muſ. 1. 70);
    zim, (deceo) *) zam, zâmen, zomen (dies part. im
    reim Wilh. 3. cod. caſſ. 81b 218a 225a 229a 334a);
    auf ein verlornes ſchim (erubeſco) ſcham, ſchâmen,
    ſchomen weiſt der allein übrige inf. ſchëmen [wozu
    nie ein praeſ. oder praet. vorkommt; man gebraucht
    das abgeleitete ſchamen, ſchamete] bir, bar, bâren
    (unorg. verburn: kurn Ernſt 32a) born; gir (fermen-
    teſco; girt M. S. 2, 202a Loh. 93.) gar, gâren, gorn;
    ſchir, ſchar, ſchâren, ſchorn; ſwir, ſwar, ſwâren,
    ſworn; triffe, traf, trâfen, troffen; briſte, braſt, brâ-
    ſten, broſten; driſche, draſch, drâſchen, droſchen;
    liſche, laſch, lâſchen, loſchen; briche, brach, brâchen,
    brochen: ebenſo: riche, ſpriche, ſtiche, triche (traho;
    praeſ. unbelegt) trach (Ben. 130.) trâchen, trochen
    (Ben. 218. M. S. 2, 200b) inf. trëchen (Iw. 2b wo nicht
    zerbrëchen zu leſen?); kein erſchriche (exſilio, ter-
    reor) erſchrach, erſchrâchen, erſchrochen, ſondern:
    erſchricke (unbelegt) erſchrac (amur 8c M. S. 1, 94a 105b)
    erſchrâken (Parc. 4879. außer reim, in einem hſ. paſſio-
    nal 7b: hâken, uncum) erſchrocken (im Tit.: tocken);
    vihte, vaht, vâhten, vohten; vlihte, vlaht, vlâhten,
    vlohten; dihſe (frango linum) dahs, dâhſen, dohſen
    (beleglich nur inf. und praet. ſg. Iw. 45c Ben. 12. 13. 50.).
  • XII. bille, bal, bullen, bollen; ebenſo: drille (roto,
    volvo; das part. gedrollen Wilh. 1, 137b M. S. 2, 62b
    67a) gille, hille, erknille (reſono; inf. erknëllen M. S.
    2, 57a praet erknal Wolfdiet. mihi 1731.) quille (ſca-
    teo; praet. qual troj. 6906) ſchille, ſwille, wille (volvo;
    wëllet M. S. 2, 57a widerwollen Wilh. 1, 137b) bewille
    (voluto, inquino); tilbe (fodio) talp, tulben, tolben
    (bloß der inf. im Reinfr.); hilfe, half, hulfen, hol-
    fen; gilte, galt, gulten, golten; ſchilte, ſchalt, ſchul-
    ten, ſcholten; ſmilze, ſmalz, ſmulzen, ſmolzen; milke
    (mulgeo) malc (M. S. 2, 190b) mulken, molken; ſilke
    (ſtillo, cado) ſalc, ſulken, ſolken [dies unerhörte wort
    hat nur Herb. 11 [...]a im deutlichen ſinn und reim auf
    wolken]; bilge, balc, bulgen, bolgen; ſwilge (glutio)
    ſwalc, ſwulgen, ſwolgen (ſchwerlich ſwilhe etc. gleich
    [940]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    den folgenden, obſehon das ſubſt. ſwëlch, vorax, lautet,
    wonach oben ſ. 429. und der zweifel ſ. 862. zu berich-
    tigen); bedilhe (deliquium patior, profligor?) bedalch,
    bedulhen, bedolhen (nur das part. Lohengr. 62. und
    zweimahl im Tit. bed. in der molten, ërden) bevilhe,
    bevalch, bevulhen, bevolhen; brimme (rugio) bram,
    brummen, brummen; ebenſo: krimme (arripio, un-
    gulis premo) klimme (ſcando) limme (rugio); dimpfe
    (evaporo) dampf, dumpfen, dumpfen; ebenſo: klimpfe
    (conſtringo) krimpfe (comprimo) rimpfe (corrugo);
    brinne, bran, brunnen, brunnen; ebenſo: beginne
    (incipio) gelinne (ceſſo) rinne, ſinne (Maria 196.) ſpinne;
    näher zu prüfen ſind: enginne (ſeco) engan, engun-
    nen, engunnen (En. 10a 22a 44a; ſt. enkinnen der
    ausg. leſen cod. caſſ. und pal. enginnen und das k
    ſteht für g wie in enkëlten); trinne (jungo, concurro,
    gregem conſtituo?) tran, trunnen [aus dem ſchwachen
    zetrennen (ſejungere) und den ſubſt. trunne (agmen,
    grex) abetrunne (transfuga, quaſi exgrex) zu fol-
    gern?]; binde, bant, bunden, bunden; ebenſo: ſchinde
    (excorio) ſchrinde, ſlinde, vinde, winde, vermuthlich
    auch drinde (pulſo?) deſſen praet. drant Herb. 59a 57c
    reimt; dinſe (porto, traho) dans, dunſen, dunſen;
    hinke (claudico) hanc, hunken, hunken; ebenſo:
    ſinke, ſtinke (ſeltner beſtinke, odorem percipio En.
    4635.) trinke, winke (? nuto) praet. wanc (Wigam.
    19b); dringe, dranc, drungen, drungen; ebenſo: klinge,
    gelinge, ringe, ſinge, ſpringe, twinge, twinge; kirre
    (ſonum edo) kar, kurren (Parc. 16c und in nachge-
    ahmter ſtelle kërrent Georg 50a) korren; wirre, war,
    wurren, worren (Wilh. 2, 175b; ein unorg. part. ver-
    warren bilden Walter M. S. 1, 132b und Ottoc. 315a
    478b); verdirbe, verdarp, verdurben, verdorben; eben-
    ſo: ſwirbe (revolvor? Loh. 54. verſchieden vom alth.
    tergeo?) ſtirbe, wirbe; wirfe, warf, wurfen, wur-
    fen; wirde, wart, wurden, worden; virze, varz,
    vurzen, vorzen; birge, barc, burgen, borgen; viel-
    leicht twirhe, twarch, twurhen, tworhen, wovon
    ich nur twirhet Parc. 128c finde.

Anmerkungen zu den zwölf conjugationen.


  • 1) redupl. durchgehends in den ablaut ie, iu zuſ. ge-
    drängt [das von Schmeller ſ. 348. angegebne vevielen,
    labebantur, in vervielen, von vervallen, zu berichti-
    gen; auch müſte ein vêvallen nachgewieſen werden;
    [941]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    vgl. ſ. 916. über gëngêngo]; iu nur ſelten in hiv,
    hiuwen, liuf.
  • 2) vocale. α) i und ë verhalten ſich wie im alth. (ſ. 863.
    864.); im niederd. iſt das ë weiter eingeſchritten
    (ſ. 456.) daher M. S. 1, 91b engëlde: mëlde ſt. engilde
    nicht reinmittelh. — β) auch u und o wie im alth.
    (ſ. 864.) — γ) in conj. IX. ſteht dem alth. iu : 10
    (ſ. 865.) parallel ein wechſel zwiſchen iu und ie, als:
    giuƷe, giuƷeſt, giuƷet; gieƷen, gieƷet, gieƷent;
    conj. gieƷe; imp. giuƷ; inf. gieƷen; ſûfe und ſûge
    behalten durchgängig û; fehlerhaft der inf. biuten
    f. bieten M. S. 2, 185a, zuweilen liugen f. liegen. —
    δ) die auslautenden u in hiu, zerniu (?), rou,
    brou, blou, kou werden inlautende iuw (ſ. 403.)
    als: hiuwen, zerniuwen, riuwen etc. und da auch
    für iw : iuw eintritt in ſchriuwen, ſpiuwen, ſo be-
    gegnen ſich pl. praet. und part. praet. ſolcher wör-
    ter in dritter, achter und neunter conj. z. b. hiu-
    wen, bliuwen, ſchriuwen ſt. der urſprünglich ver-
    ſchiedenen hîûwun, bluwun, piwun. — ε) in VIII.
    IX. verhalten ſich ê zu ei, ô zu ou wie im alth. —
    ζ) aus X. in XI. ſchwankt nun auch pflëgen und die
    ſtämme ëff, ëſch, ëſt, ëht gehören beſtimmt in XI. —
    η) einige andere verwechſelungen des ablauts kommen
    faſt nur mundartiſch oder ſpäterhin vor; doch ver-
    breitet iſt das conj. VII. angezeigte part. geſworn
    für geſwarn, indem man ſwern (jurare) mit ſwërn
    (ulcerare) mengte; umgekehrt bilden einige das praet.
    von wëgen (nach falſcher analogie von heben, huop)
    wuoc, wuogen ſt. wac, wâgen, vgl. Singof 56. Hen-
    nenberger 65. und M. S. 2, 152b 215a, oder wäre in er-
    ſterer ſtelle das einfache wahen (effingere), praet. wuoc
    (conj. VII.) zu ſuchen? Anomaliſch iſt conj. XII. das part.
    verwarren ſt. verworren; einen übergang aus I. in VII.
    zeigt bluonden (ſt. blienden): ſtuonden (Wilh. 3, 412b) —
    θ) umlaut gilt: a) in II. III. ſg. praeſ. ind. des a in e
    erſter und ſiebenter nach beweiſenden reimen, als:
    valle, velleſt, vellet (M. S. 2, 135b) walle, wellet
    (M. S. 1, 134b) banne, bennet (M. S. 2, 143b); zumahl
    vor einf. conſonanz, als: var, vert; mal, melt; grabe,
    grebt; lade, ledet (troj. 93b 160a); trage, tregt; ſlahe,
    ſleht; widerſtrebende reime beruhen auf falſcher le-
    ſung, z. b. troj. 139b ladet: ſchadet, 120c gevallet:
    ſchallet [l. lade: ſchade; gevellet: ſchellet, wie 2d etc.]
    und M. S. 2, 243. brachte reimnoth zu malt ſt. melt.
    [942]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    Vor wurzelhaftem -lt, lk ſcheint aber das a zu blei-
    ben, vgl. waltet: altet troj. 154c und die beſten hſſ.
    ſchreiben waltet, haltet, valtet, walket, kein weltet,
    welket. Zweifelhaft bin ich über -ls, lz, hs, doch
    ſcheint helſet (M. S. 2, 233b) welzet, wehſet (a. Tit.
    105. waheſſet!) ſprachgemäßer als halſet, walzet, wah-
    ſet. — b) ebendaſelbſt des â in æ vierter conj. als:
    ſlâfe, ſlæfet; râte, rætet; blâſe, blæſet; lâƷe, læƷet;
    ſchwankend vor h, vgl. M. S. 2, 204a enpfâhet: gâ-
    het; Wilh. 3, 405a: ſâhet (vidiſtis) hingegen enpfæhet:
    dræhet Parc. 114a [bei vielen ſolchen reimen wird es
    auf ſcheidung von ſmâhen (vileſcere) und ſmæhen
    (convitiari) nâhen und næhen ankommen]. — c) die
    diphth. ou, uo lauten in II. III. ſg. dritter nicht um,
    alſo houwe, houwet; ruofe, ruofet, nicht höuwet,
    ruefet; unſicher ô in œ, als ſtôƷe, ſtœƷet (troj. 19a:
    gevlœƷet) hingegen M. S. 2, 35a. b. ſtôƷet: grôƷet, bô-
    Ʒet. — d) in II. ſg. praet. ind. und im ganzen praet.
    conj. gilt umlaut des uo in ue, u in ü, â in æ, als:
    vuoren, vuere; gruoben, gruebe; kurn, kür; guƷƷen,
    güƷƷe; lâſen, læſe; wâren, wære; namen, næme;
    hullen, hülle; wurren, würre etc.; ausnahmsweiſe
    bleibt zuweilen u (ſ. 337). —
  • 3) conſonanten. α) geminata wird auslautend einfach,
    z. b. bram, ſpan, hal, war; imp. brim, ſpin, hil, wir;
    ebenſo: traf, aƷ, trif, iƷ; ch muß bleiben: brach,
    brich. — β) geminata vereinfacht ſich inlautend nach
    langem vocal, z. b. valle, viel, vielen; ſpanne, ſpien,
    ſpienen; iƷƷe, aƷ, âƷen; triffe, traf, trâfen, woge-
    gen umgekehrt bei gekürztem vocal ff und ƷƷ ent-
    ſpringen: grîfe, greif, griffen; ſliufe, ſlouf, ſluffen;
    ſlîƷe, ſleiƷ, ſliƷƷen; giuƷe, gôƷ, guƷƷen. — γ) nach
    allg. regel wird med. auslautend zu ten., als: trîbe,
    treip; nîde, neit; ſîge, ſeic; h zu ch: ſihe, ſach;
    zîhe, zêch; bevilhe, bevalch. Inlautendes p (ſtatt b)
    vor t bei ſyncopiertem e der flexion z. b. gipt, wipt
    f. gibt, wibt (ſ. 379. 380.) iſt nicht gemeinmittelh.
    vielmehr zeichen härterer mundart; noch weniger zu
    dulden wäre ein analoges wict, trect, f. wigt, tregt
    [vor dem t des ſchw. praet. gilt aber verwandlung
    des ng in nc, wovon hernach] auch kein ſt für
    Ʒt, als: iſt f. iƷƷet oder giuſt f. giuƷet [ausnahms-
    weiſe ſpriuſt, vliuſt M. S. 2, 21a ſtumpf gereimt, und
    vielleicht ſpriuƷt, vliuƷt zu ſchreiben; vgl. ſ. 415.] —
    δ) daß die ſprache dem härterwerden der med. vor
    [943]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    ſt, t der II. III. ſg. praeſ. ind. abgeneigt ſey, folgt
    aus umgedreht möglicher erweichung der med. in den
    vocal i oder gänzlicher ausſtoßung im fall ſolcher
    ſyncopen. Nämlich neben tregſt, tregt gilt treiſt, treit;
    neben gibſt, gibt: gîſt, git; neben ligſt, ligt, pfligſt,
    pfligt: lîſt, lît, pflîſt, pflît und für quidet: kît
    (ſ. 867. θ.); analoge kürzungen unhäufigerer wörter
    ſind jedoch nicht zu folgern, z. b. kein neit f. negt,
    kein leit f. ledet, kein wît f. wibt oder wigt. Ge-
    rade ſo darf in den gangbaren verbis lâƷen und vâ-
    hen
    (nicht in verwâƷen, ſelten in ſëhen, ziehen, vlie-
    hen) Ʒ und h ausfallen (vgl. ſ. 934.); nur niederdeutſche
    und thüringer geſtatten ſich zien: knien (En. 57b (ge-
    ſiet (videtis): niet (En. 5a 65a Herb. 115b); im vater-
    unſer reimt zî (traho) gî (fateor): ſî etc. Gebrauch
    oder nichtgebrauch dieſer kürzungen kann die ſprache
    einzelner dichter characteriſieren helfen. — ε) die ent-
    wickelung des r aus ſ begreift jetzt folgende fälle:
    in conj. VIII. rirn; in IX. kurn, verlurn, vrurn, zwei-
    felhaft nurn oder nuſen; in X. wâren, ſchwankend
    nâren, lâren; in XI. hat gir, gar, gâren, gorn wahr-
    ſcheinlich (denn fürs praet. keine belege) vollſtändig
    ſ mit r vertauſcht. Völlige auswerfung des r in wân
    f. wâren gewährt nur Boners dialect (7, 19. 38,
    19. etc.). — ζ) ein pl. praet. glirn, ſchrirn von ſchrîen,
    glîen iſt mir nicht begegnet, aber wohl möglich als
    nebenform von ſchriuwen, gliuwen (?), über birn,
    birt ſ. erſte anom. — η) auch g im verhältnis zu h
    hat ſich erweitert; zwar gilt noch ſlahe, twahe, gi-
    wahe (nicht ſlage etc.), allein im ſg. praet. ſluoc, twuoc,
    gewuoc reimend auf truoc, pfuoc etc. kein dem alth.
    ſluoh paralleles ſluoch, welches auf buoch, ſchuoch,
    vluoch reimen müſte; jenes ſluoc ſteht folglich = ſluog
    und entſpricht der otfried. form (ſ. 867.); der imp. lau-
    tet ſlach (verſch. vom ſubſt. ſlac) twach, gewach. In
    conj. VIII. IX. X. beſtehet lîhe, lêch; zîhe, zêch;
    rîhe, rêch etc. vliuhe, vlôch; ziuhe, zôch; ſihe, ſach;
    geſchihe, geſchach, desgl. in allen imp. lîch, zîch,
    vliuch, ziuch, ſich; dagegen ſchwankt der kehllaut
    im pl. praet. (alſo auch in II. ſg.) und part.: ſâhen,
    ſæhe, geſëhen behält die ſpirans (ſâgen iſt unrein)
    ebenſo lihen, vluhen; zu g bekennen ſich, außer je-
    nem ſluogen, twuogen, gewuogen: zigen, rigen, ſigen
    (?), erwigen (?) zugen [kein w ſtatt h, namentlich
    kein liuwen, ſiuwen, ſâwen]. — θ) mîde, meit, mi-
    [944]II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
    ten (nicht mitten) ſiude, ſôt, ſuten (nicht ſutten, nach
    ſ. 408. 867.); hingegen ſcheide, ſchiet ſchieden; lade,
    luot, luoden; binde, bant, bunden; wirde, wart, wur-
    den
    . — ι) keine eliſion des n in ſtuont. ſtuonden. —
  • 4) eingreifende ſchwache form. α) ſchw. praeſ. und ſt.
    praet. haben: ſwern, heben, entſeben, biten, ſitzen,
    praet. ſwuor, huop, entſuop, bat, ſaƷ; part. geſworn
    (ſt. geſwarn) gehaben, entſaben, gebëten, geſëƷƷen.
    Die ſchwache form erkenntlich an dem e und i, an
    dem imp. ſg. ſwer, hebe (?, M. S. 2, 253b habe, viel-
    leicht von haben, tenere?) entſebe (?) bite, ſitze; ver-
    doppelung erhielt ſich nur in ſitzen, nicht in den
    übrigen, daher die alth. ſcheidung der II. III ſg. ver-
    wiſcht iſt, es heißt: hebe, hebeſt, hebt; bite, biteſt,
    bit (ſt. bitet) etc. nicht mehr heffe, bitte (wie zwar
    genug geſchrieben ſteht, allein in reimen auf rite, ſite,
    vgl. ſ. 384. 417.) ſwerre; auf ſchmitte, dritte gereimt
    könnte man bitte zugeben. — β) gân und ſtân be-
    ſitzen anſcheinend ſchwache I. ſg. praeſ. ind., d. h.
    ſie machen (ſeit auflöſung des m in n) dieſe perſ.
    ſtets dem inf. gleich [vgl. tuon, bin], rückſichtlich
    des wurzelvocals herrſcht abweichung: a) gòn, gâſt,
    gât, ſtân, ſtâſt, ſtât; pl. gân, gât, gânt, ſtân, ſtât,
    ſtânt; inf. gân ſtân ſind häufig in und außer reim und
    wohl oberdeutſcher (Stald. dial. 159. 160. Schm. §. 952.)
    als gên, gêſt, gêt, ſtên, ſtêſt, ſtêt; pl. gên, gêt, gênt,
    ſtên, ſtêt, ſtênt; inf. gên, ſtên, welches ſich mehr
    bei thüringern (vgl. oben ſ. 931.) und gegen nieder-
    deutſchland (M. S. 1, 51a Lohengr. 37. 38. Wilh. 1,
    129b Herbort etc.) einfindet, vgl. das altſ. ſ. 890. In-
    zwiſchen verwenden auch letztere die â form (z. b.
    Veldek ſtân, gân: getân), ſchwäbiſche die ê-form (z. b.
    Hartm. Iw. 16a ûriên: ſtên vgl. ſ. 868. ſtêm aus gl.
    monſ.); auffallend ziehen, ſobald beide verba mit ein-
    ander reimen. die hſſ. ê vor, vgl. Nib. 1017. 2981.
    3961. 7233. Wigal. 58, 60., troj. 65b etc.; Wolframs
    eigenthümlichkeit, niemahls gân oder ſtân, niemahls
    ſtât (ſo geläufig ihm reime auf -ân, ât ſind) ſondern
    bloß gên, ſtên, ſtêt zu gebrauchen, hat Lachmann
    wahrgenommen. Eine dritte form geit, ſteit läßt
    ſich nicht recht beweiſen, denn Morolf 44a 45b 47b 49a
    ſtammt ei aus niederd. ê merkwurdiger, daß ſelbſt
    Gotfr. M. S. 2, 183a ſteit: wërdicheit reimte. —
    b) nirgends erſcheint die alte form gange, gengeſt,
    genget, ſtande, ſtendeſt, ſtendet, weder im praeſ.
    [945]II. mittelhochd. ſchwache conjugation.
    ind. noch inf.; doch ſind von ihr übrig: das praet. gienc,
    giengen (neben gie, giengen) ſiuont, ſtuonden — das
    part. praet. gegangen (neben ſeltnerem gegân Nib. 6661.
    8077. 8357.; gegên bat Herb. 81a: geſchên) geſianden,
    ſeltner geſtân Nib. 7444. Mar. 21. Otnit 1065. — der ſg.
    imp. ganc (M. S. 1, 48a 2, 45b 84b 253a Flore 47a; die form
    genc Parc. 13493. Iw. 7992. kolocz 133. oder gar ginc
    Parc. 1380. kolocz 136. nicht im reim, daher unbe-
    ſtätigt; niemahls gâ) und ſiant (Parc. 22262. Bon.
    33, 17; zuweilen ſtâ M. S. 1, 6b) — endlich zuwei-
    len das praeſ. conj. gange etc. (Ben. 200. Flore 47b. c.)
    und ſiande obgleich die formen gâ, ſtâ oder gê, ſtê
    üblicher ſcheinen. — γ) der l. ſg. ſtân. gân gleichen
    einzelne, ſeltne fälle, wo auch bei andern ſtarken verbis
    (zumahl ſëhen, jehen) dieſe perſ. wie der inf. lautet,
    vgl lw. 6b ich ſëhen (ſt. ſihe): geſchëhen; Herb. 91c
    ich ſëhen: jëhen; Freiged. 765. ich ſëhen; Georg 3649.
    ich ſprëchen; troj. 49c ich ſprëchen (ſo iſt zu leſan)
    unde jëhen: geſëhen; oder fehlen auxiliaria? wie Otnit
    191. ſol varn, 472. hân erſlagen (vgl. unten ſ. 958.)
    M. S. 1, 66b kann trage: tagen ungenauer reim und
    Flore 14a linte zu leſen ſeyn. — δ) ſchwache praet ſtar-
    ker verba. wofern [d]ie nicht aus durchgeführten neben-
    formen (z. b. Herborts geſchiede, part. geſchiet neben ge-
    ſchach, geſchên; Conrads erte, geert ſt. des ier, gearn
    anderer) fließen. ſind äußerſt ſelten und entw. mundartiſch
    oder jünger. So reimt im Tit. mehrmahls gëbete (ſt.
    gap): lëbete (wie ſchon in Veld. ſprache, En. 101a
    gëvete: lëvete) und hebte ſteht für huop (Wittich 1604.
    erhebt ſt. erhaben: betebt) etc.

Mittelhochdeutſche ſchwache conjugation.

ind. praeſ. -e -eſt -etconj. -e -eſt -e
-en -et -ent-en -et -en
praet. -te -teſt -te-te -teſt -te
-ten -tet -ten-ten -tet -ten

imp. ſg. -e, pl. -et; inf. -en; part. -ende, -et.
weil die vocale der ableitung in e zuſ. fallen, die der
flexion häufig ſyncopiert werden, ſo iſt zwiſchen zweiter
und dritter conj. gar nicht mehr zu unterſcheiden; verba
erſter begegnen wiederum denen der zweiten. Zu dem
-s für -ſt (oben ſ. 932.) füge ich hier die beßern be-
lege: gewanctes, hanctes: ſanctes; wens: orlens Wilh.
2, 42b 188a 56b.


O o o
[946]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
Erſte ſchwache conjugation.

kurzſilbige ſyncopieren das e der ableitung ohne aus-
nahme (namentlich vor dem t des praet. und part. praet).
das der flexion nothwendig nach l, r, gewöhnlich
nach m, n, t, b, g; ihr wurzellaut iſt weſentlich
e oder ü, welches im praet. nicht rückumlautet, alles
gefühl der urſprünglichen a und u war hier abgeſtorben
(ſ. 362.); es ſind nur wenige wörter, wofür ich zwei
paradigmen gebe (praet. conj. iſt dem des ind. gleich):

ind. ner ner-ſt ner-tleg-e leg-ſt leg-t
ner-n ner-t ner-ntleg-en leg-et leg-ent
ner-te ner-teſt ner-teleg-te leg-teſt leg-te
ner-ten ner-tet ner-tenleg-ten leg-tet leg-ten
conj. ner ner-ſt nerleg-e leg-eſt leg-e
ner-n ner-t ner-nleg-en leg-et leg-en
ner, pl. ne-t.leg-e pl. leg-et

imp. inf. ner-n, part. nern-de, ner-t; leg-en, leg-ende, leg-t.


1) queln. ver-ſeln (Triſt. 6034. part. verſelt Wilh. 1, 48a
Ulr. Triſt. 104.) ſcheln. ſmeln (Georg 4b) tweln. weln. zeln;
gremen. lemen. zemen; denen. menen (impellere) ent-
ſpenen (ablactare) wenen (aſſuefacere troj. 35a 94b) ent-
wenen (deſuefacere weltchr. Schütze 115. kolocz 146.);
bern (verberare ſubigere) ern (arare, erte, geert troj. 60c 62b)
kern (ſcopare) nern. beſchern (ordinare Wigal. 277.) wern.
zern (conſumere); ent-ſweben (Nib. 7376.) be-teben (op-
primere Reinfr. 27a Wittich 1603.); legen. regen (excitare)
bewegen (commovere) treten (terere) trette (unbelegt)
getret (Parc. 32b 168b Georg 8b) weten (tranſire, wette?
gewet, dieſelben belege); zeten (ſpargere) zette, gezet
(troj. 30a) — 2) vrümen. drümen (confringere Barl. 33.)
bürn (elevare) ſpürn. ſchüten (quatere, movere) gehügen
(recordari); im praet. vrümte, bürte, ſchütte (nicht mit u). —
3) ſmirn (ungere) ſmirte En. 22b ſcheint unhochd. f. ſtrîchen.


Anmerkungen: α) als ſeltne ausnahme erſcheint das
urſprüngliche ableitungs-i zu j, beinahe g verhärtet, in
werjen ſt. wern (Tit.: verjen, nautam, ſcherjen, praeconem;
Mar. 160. wergen: ſchergen) vgl. ſ. 435. β) das alte ll,
mm, nn, tt (ſ. 870.) findet keine ſtatt, wo es einträte,
würde das verbum langſilbig und rückumlautig, z. b. wenn
berren, gremmen, vrümmen, ſchütten gälte, hieße das
praet, barte, gramte, vrumte, ſchutte. — γ) Gewiſſe wörter
ſind dieſen weg gegangen, vorzüglich ſolche mit ll und
tt, als: zellen, zalte; twellen, twalte; hüllen, hulte;
[947]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
retten (eripere) ratte, part. rat (häufig bei Herb.); tret-
ten (conculcare) tratte (Loh. 143. und Herb.) part. trat
(Herb. und Wilh. 1, 110: gebat f. gebadet; wetten
(pignus dare) watte (?); wetten? (aquam tranſire) watte
(Herb. 57c); enpfetten (exuere) M. S. 2, 76b im kling-
reim) vielleicht auch zetten (ſpargere) vielleicht dennen,
wennen f. denen. wenen (M. S. 1, 9b 203b); mante (livl.
chr. 62a) ſtatt mente (Parc. 22a) verlangt den inf. mennen;
zuweilen gelten daneben, wenigſtens in anderer mund-
art, die urſprünglichen zeln, zelte; tweln, twelte;
treten, zeten; zuweilen mangeln dieſe, ich finde z. b.
kein hüln, hülte. — δ) für legt, legte, gelegt gilt ver-
ſchiedentlich leit, leite, geleit; das ähnliche ſeite (dixit)
deutet aufs alte ſegita (ſ. 880.). obwohl kein ſegte vor-
kommt (unten 959.); ſeſtner iſt die weitere verengung
lête, ſête (Wilh. 3, 115b 435a: hête); weite, geweit (Wizlau
meiſterg. 27c? gemeit) für wegte, gewegt weiß ich nicht
beſtimmt nachzuweiſen, noch weniger reite f. regte. —
ε) der unterſchied von den kurzſilbigen zweiter conj. be-
ruht auf dem hier nothwendigen, dort abgehenden um-
laut [vgl. tweln, twelte, zern, zerte mit twaln, twalte,
ſparn, ſparte; ausnahmsweiſe erſcheint er auch dort,
namentlich in hern, herte] weniger auf der I praeſ. ind.,
welche hier mit dem wurzelconſ. ſchließt, dort nur
mundartiſch oder alterthümlich dem infin. gleich ſeyn
kann (vgl. erläut. α. zur zweiten conj.).


Langſilbige dulden kein ableitungs-i im praet.,
d. h. die ſchon im alth. ſtattgefundne auswerfung deſſel-
ben dauert fort, folglich α) rückumlaut für alle umlaute
im praet. ind., namentlich für die im alth. noch nicht
vorkommenden fälle, ſelbſt das organiſche (nicht aus û
umgelautete) iu folgt dem ſtrom und wird zu û; ein-
zelne ausnahmen wo der umlaut haftet, ſ. anm. α. b —
β) vereinfachung der gemination vor anſtoßendem -te,
teſt, ten, tet; analog wird aus tz, ck bloßes z. c. —
γ) für ltte, ndte, ntte, ftte, rtte, ſtte, htte gilt mit aus-
ſtoßung des einen t (ſchwer zu ſagen, welches?) lte,
nte, nte, rte, fte, ſte, hte; hierbei ſchwanken lt und
nt (nicht rt) in ld, nd (ſ. 393. 409.), ich werde bei den
folgenden beiſpielen erſteres behalten. — δ) ebenſo wird
-tte meiſt zu -te; merkliche abweichung vom alth., wo
-tta bleibt (z. b. pruotta, leitta, mittelh. bruote, leite auf
guote, arbeite reimig) vgl. unten ſ. 953. — ε) vor dem -te
wandeln ſich meiſtentheils g, lg, ng in c, lc, nc; unſicherer
iſt die an ſich parallele änderung des b, rb in p, rp. —
O o o 2
[948]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
ζ) c (nämlich vereinfachte geminata) und ch ſchwanken,
bald bleiben ſie vor dem t, als: decken, dacte; blicken,
blicte; ſuochen, ſuochte; bald wandeln ſie ſich in h,
als: decken, dahte; ſuochen, ſuohte (beiſpiele ſ. 432. 433.
439. 440.). In beiden fällen iſt h ſehr erklärlich, das
für die ten. ſtehende entſpricht dem alth. h (in dahta,
ſtrahta ſ. 871.) und der ſelbſt im mittelh. nicht ganz ge-
tilgten neigung zu ch für k (ſ. 428. 440.); das für ch
ſtehende h iſt inlautende vereinfachung des alten hh
(= ch); theoretiſch ſchreibe ich jedoch mittelh. in er-
ſterm falle ct, in letzterm ht. — paradigma:

brenn-e brenn-eſt brenn-etbrenn-e brenn-eſt brenn-e
brenn-en brenn-et brenn-entbrenn-en brenn-et brenn-en
bran-te bran-teſt bran-tebran-te bran-teſt bran-te
bran-ten bran-tet bran-tenbran-ten bran-tet bran-ten

brenn-e, brenn-et; brenn-en, brenn-ende, gebrant


1) gellen (bilem admiſcere) galte. erſchellen (intonare)
ſnellen. ſtellen. verſwellen (coercere aquam Wilh. 2, 181b)
twellen. vellen. zellen; kelten (refrigerare) kelte. elten
(conſumere fragm. 19b) helſen, halſte; velſchen, valſchte;
welzen, walzte; verſchelken (ſervum facere) verſchalkte;
kemmen (pectere) kamte. klemmen (premere) temmen (ag-
gere cingere); dempfen, dampfte. kempfen; brennen,
brante. kennen. nennen. rennen. trennen (ſolvere) blen-
den (coecare, obfuſcare) blante. (Parc. 52b) enden (finire)
lenden (navem appellere) ernenden (audere) pfenden.
ſchenden, ſchante (Maria 54.). ſenden. ſwenden. wenden.
ſwenzen, ſwanzte. engen (arctare) ancte. enphengen (accen-
dere) ergengen (ad eundum excitare) hengen (concedere)
klengen (facere ut tinniat) mengen (miſcere) pfrengen M. S.
2, 166a beſengen (adurere) ſpengen (fibulare Parc. 36c)
ſprengen. twengen; krenken (debilitare) krancte. lenken.
ſenken. ſchenken. ſchrenken. ſwenken (troj. 22c) trenken
(potare) wenken; ſperren, ſparte, zerren, zarte; wermen,
warmte; enterben (exheredare) enterbte (Triſt. 15a) verder-
ben (perdere) ſterben (interimere); beherten (confirmare)
beherte. verſcherten (denticulare) verſcherte (Parc. 34a);
ſwerzen (nigrare) ſwarzte; beſerken (loculo condere) be-
ſarcte. ſterken. merken (ſignare) heften, hafte. ſeften (implere
ſucco) refſen, rafſte; betten (lectum ſternere) bette. retten,
ratte. enpfetten. tretten. zetten; ergetzen, ergazte. bletzen
(plantare Wigal. 172.) hetzen (Parc. 72a) letzen (laedere) net-
zen (rigare) ſchetzen (taxare) ſetzen. wetzen. bleſten (cum
ſtrepitu immergi) blaſte oder bleſte (Parc. 145b) gebeſten
[949]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
(? aequiparari Georg 19a) eſten (ramos pandere) geſten (hoſpi-
tio excipere) gleſten (lucere) glaſte (Wigal. 268.) oder gleſte,
leſten (onerare) meſten (ſaginare) reſten (quieſcere) leſchen,
laſchte. enblecken. enblacte. decken. klecken. gelecken
(? Bit. 107a Georg 51a) recken. ſecken (in ſaccum recipere)
ſmecken (ſentire) erſchrecken (terrere) ſtecken. ſtrecken.
trecken (trahere) wecken. — 2) billen (pulſare) bilte. ſtillen
(pacare) villen (caſtigare) ſchimpfen. zinnen (ſtanare) zinte.
zinſen (trib. ſolvere) zinſte. irren (impedire) irte. ervir-
ren (alienare) ſchirmen. erkirnen (enucleare) ſchiffen (na-
vigare) ſchifte (Parc. 24c) vergiften, vergifte. ſchiften (ha-
ſtile fabricare Parc. 19b) ſtiften. ſwiften (ſedare) miſſen,
miſte. hiſpen, hiſpte. miſchen, miſchte. wiſchen. ritzen
(incidere) rizte. ſnitzen (ſculpere e ligno) ſpitzen (acuere)
blicken, blicte. bicken (roſtro tundere) nicken (deprimere)
erquicken (vivificare) ſchicken (diſponere) erſchricken
(terreri) ſpicken (lardo carnem trajicere) ſtricken (laque-
are) zwicken (vellicare) pflihten (obligare) pflihte. ent-
nihten (deſtruere Parc. 76a) entnihte. rihten. ſlihten
(laevigare). — 3) hüllen (operire) hulte. nüllen (? fallere)
ümbe-tüllen (ſepire troj. 119b 150c) betrüllen (infatuare)
vüllen (implere) dulden (tolerare) dulde. vergulden (de-
aurare) vergulde. krümmen (incurvare) krumte. dünnen
(tenuare) dunte. ergründen (ſcrutari) ergrunte. künden
(nuntiare) kunte. ſchünden (incitare) ſchunte. zünden
(incendere) zunte. verjungen (recreare) verjuncte. tun-
gen (ſtercorare) tuncte. bedürnen (ſepire) bedurnte. üm-
betürnen (turri cingere) zürnen (iraſci) zurnte. ſchür-
fen (incendere Iw. 3895.) ſchurfte. gürten (cingere) gürte
Parc. 59b 147a hürten (pungere) vürten (vadum tentare
Loh. 189; dunkel iſt mir Wolframs vürte und gevurt
Parc. 107c 144c Wilh. 2, 13b) antwürten (reſpondere)
mürden (occidere) mürde oder murte? part. ermurt (troj.
106a) dürſten, durſte. kürzen (breviare) kurzte. ſchürzen
(cingere) ſtürzen. würzen (condire) würgen (ſtrangulare
wurgte. lüppen (venenare) lupte knüpfen (nectere) knupfte.
krüpfen. ſchüpfen (trudere) güften (ſuperbire) gufte.
ſchüften (citius currere) küſſen, kuſte. lüſten. rüſten (pa-
rare) hütten (cubile parare) hutte Maria 177. nützen. nuzte.
beſchlützen (? M. S. 1, 92b) ſtützen (fulcire) bücken (incli-
nare) bucte. brücken (fricare) drücken. lücken (perforare)
nücken (nutare) Friberg 55a M. S. 2, 155b pflücken. rücken
(dimovere) ſmücken. tücken (deprimere) zücken (vibrare)
vrühten (fructum ferre) vruhte. — 4) ræmen (Parc. 139c
ſordes eluere) râmte. ænen (privare) ânte. wænen (opinari)
[950]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
wânte. læren (vacuare) lârte. vermæren (divulgare) ſchæ-
ren (? Parc. 102c vgl ſchâren ſ. 9[5]6.) beſwæren (gravare)
offenbæren (manifeſtare) væren (dolum ſtruere) bewæren
(probare); die auf -æhen. -æjen ſ. anom. — 5) kêren,
kêrte. lêren, lêrte. rêren (fundere). — 6) ilen, îlte. lîmen,
lîmte. wîhen, wîhte. — 7) dœnen (modulari) dônte.
hœnen (deſpicere) krœnen (garrire, ridere M. S. 2, 23b
wo man leſe: krœnet) krœnen (coronare troj. 122b)
krônte (troj. 5c) ſchœnen (ornare) vrœnen (publice in
poſſeſſionem immittere, beare M. S. 1, 31b 2, 50a vgl.
Friſch 299c) erbœren (elevare, tollere Wilh. 2, 142b vgl.
oben ſ. 346) erbôrte. hœren (audire) ſtœren (turbare) be-
tœren (infatuare) lœten (ferruminare) lôte. nœten (co-
gere) rœten (rubefacere) lœten (interficere) lœſen (ſol-
vere) lôſte. œſen, erœſen (exhaurire, vaſtare) rœſen (or-
nare) verbœſen (corrumpere Wilh. 2, 128b) rœſten (tor-
rere) rôſte. trœſten (conſolari) vlœƷen (fluidum reddere
troj. 19a 71b) vlôƷte. erſchœƷen (troj. 71a adaugere, pro-
creare, erſchieœen machen). — 8) ergeilen (recreare troj.
81b) ergeilte. heilen (ſanare) meilen (inquinare M. S. 1,
88a) ſeilen (laqueare) teilen (dividere) veilen (licitari,
mercari, feil machen Parc. 77c Wilh. 1, 108b) vereinen
(adunare) vereinte. leinen (acclinare) meinen (cupere)
reinen (purgare) erſcheinen (oſtendere) verſteinen (in
lap. vertere) ſweinen (diſſipare conſumere, ſwînen ma-
chen, ſchmiede 301. Ben. 189.) umbeſweifen (complecti
Flore 22a) beiten (cunctari) beite (kl. 3772.) breiten (di-
latare) eiten (adurere) leiten (ducere) bereiten. ſpreiten
(ſpargere) beiƷen (venari) beiƷte. reiƷen (impellere) be-
ſweiƷen (ſudore adſpergere Wilh. 2, 122a) leiſten, leiſte.
neigen (deprimere) neigte. ſeigen (inclinare) ſweigen (taci-
tum reddere) veigen (morti tradere). — 9) verwieren (obry-
zare) verwierte. zieren (ornare) verdieben (clam auferre)
verdiebte. lieben (placere) M. S. 2, 192b. — 10) briunen
(fuſcare) brûnte. ſlinnen (celerare) ſlûnte. ziunen (ſepire)
zûnte, gehiuren (beare, beſeligen M. S. 2, 233b Wilh. 1, 142b)
gehûrte. miuren (murum ſtruere) Parc. 55b gemiuret zu
leſen; ſiuren (acidum reddere) ſtiuren (gubernare) ſtûrte
(Reinfr. 183a: trûrte) tiuren (magnificare) tûrte (: mûrte
En. 71a 100c) betiuren (multi conſtare; aus betûrte hat
ſich das neuh. bedauern, beßer: betauern, entwickelt)
iufen (elevare Barl. 115. Reinfr. 138a 162a 194b) ûfte
hiufen (acervare) hûfte. briuten (matr. inire) brûte. diu-
ten (explanare) dûte. kinten (garrire? troj. 112b verkiu-
ten, verſprechen? M. S. 1, 153a) verkûte (Ulr. Triſt.
[951]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
257.: trûte) liuten (ſonare) riuten (facere novalia) rûte.
ertiuten (reſonare troj. 169b, vielleicht erliuten?) riuhen
(? rûhte) ſciuhen (vereri)? ſchûhte. tiuhen (immergere
M. S. 2, 200b) tûhte. liuhten (lucere) lûhte. viuhten
(rigare) vûhte. — 11) der umlaut öu ſcheint bei verbis
dieſer conj. noch nicht durchgedrungen. wenigſtens
finde ich: gelouben (credere) geloubte. ſich eines gelou-
ben (deficere) louben (folia capeſſere) loubte. betouben
(debilitare) ſtouben (pulv. excitare) roufen (evellere)
roufte. ſtroufen. toufen. (baptizare) ougen (oſtendere)
ſougen (lactare) ervlougen (fugare); nirgends gelöuben,
röufen, öugen in beweiſender form, vielmehr die reime
betoubet: houbet Parc. 10a; geloubet (frondoſus): houbet
troj. 119b; roufen, toufen: geloufen, koufen, troj. 73b
M. S. 2, 225b erzougen: ougen Ben. 147 etc. — 12) kue-
len (refrigerare) kuolte. wuelen (roſtro fodere) bluemen
(ornare) bluomte. ruemen (laudare) vertuemen (maledicere)
gruenen (viridare) gruonte. erkuenen (animum excitare)
ſuenen (pacificare) rueren, ruorte. vueren, vuorte. ueben
(uti) uobte. trueben, truobte. ruefen (vociferare) ruofte.
wuefen (ejulare) brueten (fovere) bruote. blueten (ſang.
emittere) bluote (Iw. 29b 36c) oder nach zweiter conj. bluo-
ten? vgl. Georg 45a: ruoten. übergueten (ſuperare) hueten,
huote. vrueten (? M. S. 2, 45a) wueten (inſanire) wuote.
bueƷen (ſatisfacere) buoƷte. grueƷen, gruoƷte. ſueƷen
(dulce reddere) ſuoƷte. wueſten (vaſtare) wuoſte. genue-
gen (ſufficere) genuogte. ruegen (reprehendere) vuegen
(diſponere) wuegen (conſiderare M. S. 2, 22a); keinen
umlaut leiden ruochen (curare) ſuochen (quaerere) rei-
mend auf buochen, tuochen (M. S. 2, 224a) praet. ruohte,
ſuohte. — 13) das auf bildungen mit l, n, r folgende
tonloſe oder ſtumme e richtet ſich nach bekannter re-
gel, alſo: regelen, begegenen, hemeren; praeſ. negele,
negeleſt etc. hingegen vuetern, liutern, praeſ. vueter,
vueterſt, liuter, liuterſt (liuter, depuret: kriuter, ſchmie-
de 69.) praet. negelte (f. negelete, mit letztem ſtum-
men e, weil in dieſer conj. das e vor dem te wegfällt,
wie in teilte f. teilete) liuterte (f. liuterete, mit vor-
letztem ſtummen e, deſſen ausfall zwei urſachen for-
dern). — 14) romaniſche wörter auf -ieren, als: tur-
nieren, ſchantieren, parlieren, zimieren, fiſchieren,
vernoigieren etc. praet. turnierte. —


Anmerkungen: α) umlaut mangelt folgenden um-
lautbaren: denen auf -uld, -ung, allen auf -ou, eini-
gen auf -uo. — β) rückumlaut mangelt denen auf
[952]II. mittelhochd. erſte ſchwache conjugation.
-elt, -ert, -ürt; denen auf -end, -erb, -ett, -eſt
(wohl auch -ünd, -ütt, -üſt?) ſteht es nach verſchie-
denheit der mundarten frei ihrem praet. uml. zu laßen,
oder es rückumzulant n. z. b. Wolfr. ſagt gleſte, Wirnt
glaſte; Gotfr. ande (Triſt. 26b Wirnt ende (Wig. 66. 112.),
die meiſten ſante, ſande (miſit) H. Damen 64c ſende etc.
Vielleicht haftet zuweilen org. iu, z. b. tiurte, gehinrte
neben tûrte? Bildungen mit l, n, r führen ihren um-
laut der nicht eigentlich vom i vor dem -ta ausgieng,
durch, alſo nicht: nagelte, vuoterte. — γ) praet. conj.
iſt dem ind. gleich. wie ſich bei unumlautbaren von
ſelbſt verſteht, erquicte (refocillavit, refocillaret) meinte
(cupivit, cuperet); zweifeln möchte man bei den im
ind. rückumlautenden. Allein es heißt brante (com-
buſſit, combureret) wie im alth. pranta, pranti, vgl.
blante, erwante, ſazte Parc. 52b 55b erkanden M. S. 1,
67b etc. um ſo vielmehr hòrte (audirem) lûhte (lucerem)
huote (cuſtodirem). Ausnahmsweiſe und ſelten e ſtatt
des rückuml. a, M. S. 1, 134a erkenten: elementen,
livl. chr. 43b brenten: ſenten (mitterent), welcher um-
lant weniger der conjunctivflexion zuzuſchreiben, als
aus der contraction f. kenneten, brenneten zu erklären
iſt (vgl. die folg anm.). Nur anomale ſchwache praet.,
deren ind. keinen rückuml. zeigen kann, lauten im
conj. um. — δ) ſyncope des ableitungsvocals vor dem
-te iſt regel, alſo brante, hôrte, lôſte, blicte, neigte etc.
nicht: brennete, hœrete, lœſete, blickete, neigete. Von
dieſem gekürzten praet. gilt aber kein ſchloß aufs part.
praet., welches häufig den ableitungs-voc. behält und
dem oft beiderlei form, erkant und erkennet, gerecht iſt
(näheres beim part.). Der grund dieſer verſchiedenheit
liegt in dem -te des praet. und -t des part. Bei kurzſilbi-
gen durfte der ſtumme voc. wegfallen (welte, gewelt f.
welete, gewelet) ohne praet. und part. zu vermengen; bei
langlilbigen wog der tonloſe mehr, er blieb im part.
(geteilet), hätte aber mit dieſem das praet. vermiſcht, weil
das e in te nach vorausgehender tonloſer ſilbe ver-
ſtummte, folglich teilete ganz wie teilet lautete. Der
ſprachgeiſt opferte alſo das lautgeſetz dem der flexion,
indem er ein tonloſes e vor dem te ausſtieß, um das e
der flexion te zu ſichern *). Höchſt ſelten bricht um-
[953]II. mittelhochd erſte ſchwache conjugation.
gekehrt jenes lautgeſetz durch, das praet. läßt ſein e
der flexion fahren und bewahrt das tonloſe e der ablei-
tung; ſo lieſt man Georg 41a b. kündct (uuntiavit): en-
zündet mit apocopiertem ſtummem e ſt. kündete f. kunte.
Fehlerhaft wäre die apocope des e von der gewöhnlichen
ſyncopierten form des praet., außer im vers bei folgen-
dem vocal. Ich wüſte auch kein beiſpiel; denn gehaft
Parc. 93a: ſchaft ſtammt nicht von heften (figere) ſon-
dern haften (figi) zweiter conj., ſteht aber für hafte
(ſt. haftete) wie gert, erwachet f. gërte, erwachete
(unten ſ. 958. 959.). — ε) wiewohl in der regel leite,
huete, nôte ſt. der alth. leitta, huotta, nôtta ſtehen,
d. h. auf arbeite (labore) muote (animo) tôte (mor-
te) reimen, bleibt doch näher zu forſchen, ob nicht
einige, zumahl ältere dichter ein mittelh. leitte, huotte,
nôtte beobachten? Zwar geſchrieben finde ich es nir-
gends und bereits reimen Maria 61. huote: guote, 90 ge-
muote: huote, 201 leite: gereite etc. doch könnte man
huotte: guote, gemuotte: huote, leitte: gereite für den
freieren reim des 12. jahrh. nehmen. Wolfr. Reinb. und
Conr. ſcheinen jene praet. -eitte, -uotte, -ôtte nur
aufeinander zu reimen, vgl. Parc. 57a 194b beitte, ar-
beitte: bereitte, Wilh. 2, 165b leitte: bereitte, 50a tôtte:
nôtte, troj. 72a Georg 38b wuotte: huotte; desgl. andere
-eite, -uote, -ôte nur aufeinander, als Parc. 61c ge-
reite: breite, 75b gereite: arbeite, Wilh. 2, 187b bereite
(parati): geleite 157b arbeiten: leiten etc. Für die mei-
ſten dichter läßt ſich -eite, -uote, -ôte, -ûte bewei-
ſen, Klage 3771. gereite: beite, Iw. 36c bluoten: ruo-
ten, Triſt. 44a Flore 41a Wigal. 313. guote: behuote,
M. S. 1, 45a muote: wuote Triſt. 21a leiten: bereiten,
Kolocz 140. lûte: trûte etc. — ζ) ſpuren der ſ. 874. 4. an-
gemerkten gemination, wie es ſcheint mit vocalkürzung,
in wenne, wennet, wennen ſt. wæne, wænet, wænen M. S.
1, 47a Bon 35, 49. 42. 56. 69, 55. vermuthlich im praet.
wante, wande ſt. wànte? — η) den unterſchied von lang-
ſilbigen verbis zweiter conj. begründen folgende kenn-
zeichen, deren keines an und für ſich betrachtet völlig
ſicher iſt: a) tranſitive bedeutung der wörter erſter, in-
tranſitive derjenigen zweiter conj., mit ausnahmen auf
beiden ſeiten. b) umlaut und rückumlaut umlautbarer
verba der erſten alſo im praeſ. nur e, ü, æ, œ, iu, ue
(kein a, u, â, ô, û, uo) im praet. aber a, u, â, ô, û, uo
(nicht e, ü. æ, œ, in, ue) mit den ausnahmen α. β.
Verba zweiter haben ſelten uml., nie rückumlaut.
[954]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
c) ſyncopierter vocal im praet. erſter, unſyncopierter im
praet. zweiter (doch mit vielen ausnahmen). d) ver-
gleichung der alth. formen. e) die erſte hat häufig den
wurzelvocal e und ü, kaum ë und o (weil die ablei-
tung urſprüngliches i, u ſchützte, ſ. 81. 84.); die zweite
kaum e und ü, wohl aber ë und o. Ausnahmsweiſe,
neben ermürden (troj. 184a) ermurt, ermorden (meiſterg.
19b) ermort (klage 65.) alth. farmurdran gl. monſ. 404;
von würgen ſcheint das intr. worgen M. S. 1, 84b 2, 107b
unterſchieden. Die meiſte unſicherheit beſteht alſo für
wörter mit den vocaleu i, î, ê, ei, ie und einzelne,
wenige ſtehen zweifelhaft hier oder dort, z. b. billen. —
θ) im praet. können ſich verſchiedene verba begegnen
z. b. leite von leiten mit leite von legen; bereite von
bereiten mit reite von reden; vilte von villen mit bevilte
von beviln, miſte von miſſen mit miſte von miſten;
ſchifte von ſchiffen mit ſchifte von ſchiften u. a. m.


Zweite ſchwache conjugation.

in welcher die zweite und dritte alth. zuſ. fallen:

ſalb-e(-en?) ſalb-eſt ſalb-etſalb-e ſalb-eſt ſalb-e
ſalb-en ſalb-et ſalb-entſalb-en ſalb-et ſalb-en
ſalb-ete ſalb-eteſt ſalb-eteſalb-ete ſalb-eteft ſalb-ete
ſalb-eten ſalb-etet ſalb-etenſalb-eten ſalb-etet ſalb-eten
ſalb-e, ſalb-et; ſalb-en, ſalb-ende, geſalb-et.
  • 1) kurzſilbige: α) ſmaln (vileſcere M. S. 2, 243b) twaln
    morari Flore 52a Karl 16a) zaln (loqui Triſt. 34c Wilh.
    2, 102a Flore 2a) er-lamen. namen (Mar. 158) ſchamen.
    zamen (domare troj. 62b Georg 26a) banen (viam ſternere
    meiſterg. 10b) manen. enbarn (detegere) harn (clamare
    Maria 215.) ſcharn (aciem ordinare) ſparn. bewarn. draben.
    haben (ſ. anomala) laben. ſnaben (vacillare) ſtaben (ful-
    cire) begaten (contingere) ſaten. geſtaten. laden (invitare)
    baden (ablui) maden (vermibus abundare) gepfaden (cal-
    lem ſternere) ſchaden. dagen (tacere) behagen. jagen. kla-
    gen. ragen (prominere) ſagen. verſchragen (M. S. 1, 126b)
    tagen (luceſcere) wagen (moveri) zagen. — β) hern (va-
    ſtare) ſenen (dolere) reden (loqui). — γ) ſpiln (ludere)
    beviln (nimis eſſe) ziln. brëmen (veſtem fimbria or-
    nare) ſchrëmen (ordinare) [beide troj. 22c 147c im
    reim, zweifelhaft ob nicht bremen, ſchremen nach
    erſter?] lënen (inclinare) gërn (cupere) mërn (miſcere
    Wilh. 2, 61a) wërn (concedere, durare) bilben (tremere)
    lëben, kleben. rëben (delirare, ſomniare) ſwëben. ſtrë-
    [955]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation
    ben. un-ſiten (male ſe gerere) bevriden. ſmiden. biſen
    (mugire, laſcivire troj. 78a Alexand. 144b) pflëgen
    (pflëgete Mar. 55.) geſigen (vincere) ſtëgen (Ernſt 36a). —
    δ) boln (jacĕre) doln (pati) holn (arceſſere) wonen
    (habitare) born (forare) loben (laudare) geloben (ſpon-
    dere) überoben (antecellere) toben. loſen (auſcultare)
    brogen (ſuperbire) zogen (trahere) nôtzogen (violare).
  • 2) langſilbige: α) kallen. prallen. ſchallen. wallen (am-
    bulare) ſalben. alten (ſeneſcere) kalten (frigeſcere)
    pflanzen. tanzen. ſwanzen. danken. kranken (infir-
    mari) wanken. angen (angere Triſt. 129a) bangen
    (vereri) hangen (pendere) langen (deſiderare) gerangen
    (M. S. 2, 75a immodeſte ſe gerere) ſprangen (ſalire?) harren.
    ernarren. ſnarren. ſtarren. erbarmen. arnen (mereri) war-
    nen. darben. arten. warten (attendere) zarten (blandiri)
    affen (illudere Wilh. 2, 179a M. S. 2, 124a) kaffen (circum-
    ſpicere, Wolfr, kapfen) klaffen (blaterare) ſaffen (ſuccum
    capere Wilh. 2, 136b) ſchaffen. ſtapfen. haften. haƷƷen.
    laƷƷen (retardare) naƷƷen (madere) vaƷƷen (capere)
    kratzen. beſchatzen (tributarium reddere) raſten. taſten.
    vaſten. krachen. lachen. machen. ſwachen (debilitari)
    wachen. ahten. ſlahten. trahten. — β) lellen (linguam
    movere; lellete Herb. 49b) geſellen (ſociare). — γ) bil-
    len (tundere) ſtillen (ſedari) mëlden. vëlden (?troj. 180b)
    minnen. unſinnen (deſipere) dingen (convenire) ver-
    zinſen (cenſum ſolvere) irren (irrete, errare, verſch.
    vom häufigen irren, irte, impedire ſcheint ſelten, es
    heißt dafür irre gên, irre varn) gehirmen (quieſcere
    Wilh. 2. 82b) gërnen (f. ge-ërnen, metere? Parc. 61a,
    vgl. ërne, meſſis M. S. 2, 192a. b. 196a) lërnen. vërgen
    (poſtulare Herb. 29a) miſten. niſten. vriſten (parcere,
    differre) hiſchen (ſingultire) viſchen. erhitzen (tepefieri)
    ſwitzen (ſudare) lëcken (lambere) troj. 45a) ſtëcken
    (figi) zëcken (troj. 115a) tihten. — δ) ſtollen (fulcire)
    ervollen (adimplere) troj. 176c) verzollen. vergolden (in-
    aurare, Tit.) tolden (cacuminare) verdolken (interpretari)
    M. S. 2, 215b) ſpulgen (ſolere troj. 17b 160c) volgen. erwol-
    gen (nauſeare) erkrummen (meiſterg. 48a) verſtummen.
    kunden (manifeſtari M. S. 1, 30b) geſunden (ſanari)
    wunden (vulnerare) tunken (tingere) dorren. borgen
    (mutuari) ſorgen. worgen (ſtrangulari) gloſten (rigere
    M. S. 2, 192b) koſten (tentare) locken (allicere). —
    ε) mâlen (pingere) twâlen (morari Wilh. 2, 177a M.
    S. 2. 140a) râmen (tendere) ent-ânen (privari) jânen
    (acquírere M. S. 2, 166a verjânen, conſumere Oberl.
    [956]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
    h. v.) bâren (Nib. 891.) gebâren (geſtire) ſchâren (Wilh.
    3, 57b de capillis dr. ſe criſpantibus) vâren (inſidiari)
    ſtrâfen. zâſen (? M. S. 1, 48a kol. 98.) râſen (inſanire
    Mor. 64a) grâƷen (Wilh. 2, 27b 180b Georg 19b troj.
    29b Herb. 32d 95d, M. S. 2, 124a 137b, auch im Tit.;
    ein urſprünglich vom ſpringen und bäumen der pferde
    geltendes? wort) mâƷen (temperare) ſâƷen (? collo-
    care) ſwâƷen (? M. S. 2, 218a) bâgen (rixari) gâgen
    (gingrire Parc. 68a) lâgen (dolum ſtruere) betrâgen (tae-
    dere) vrâgen (interr.) wâgen (audere) brâchen (agro
    quietem dare). — ζ) heien (fovere, tueri Wilh. 2, 147a
    Georg 35a) weien (hinnire Karl 125b) zweien (ſejungere)
    ergeilen (laetari) ſweimen (volare) erbeinen (? M. S. 2,
    206b) einen (jungere) leinen (acclinare) reinen (mun-
    dare) erſteinen (in lap. verti) weinen. blêren (balare)
    êren (honorare) hêren (laudare) mêren (augere) ſêren
    (vulnerare) êwen (ſemper durare) ſêwen (ſtagnum fieri)
    kleiden. verleiden (exoſum eſſe) vreiden (? M. S. 2, 132b)
    weiden (paſcere) erbeiƷen (deſcendere) zeigen. erblei-
    chen. reichen. ſmeichen. vêhen (odiſſe) vlêhen (rogare). —
    η) hîen (nubere) ſnîen (ningere) vrîen (liberare) zwîen
    (frondeſcere) wîlen (morari) pînen. ſich geſînen (? ſo-
    ciare, mehrmahls im Tit.) lîren (lyra canere) vîren
    (otiari) rîfen (maturare) grîſen (ſeneſcere) prîſen. ſpî-
    ſen. wîſen (ducere) gelîchen (aequiparari) gerîchen
    (praevalere. diteſcere troj. 60a 91b oder iſt noch ſtarke
    form [oben ſ. 860.] von ſchwacher M. S. 2, 205b zu
    trennen?) wîhen (dedicare). — θ) lônen. ſchônen
    (parcere) ertôren (inſanire) rouben. koufen. ſchouwen.
    touwen (roreſcere) rôten (rubere Wilh. 2, 193a) grôƷen
    (augeri) klôƷen (Wilh. 2, 16a) genôƷen (comparare
    M. S. 2, 140a troj. 108a) verbôſen. kôſen. lôſen (adu-
    lari, fallere) — ι) rûmen (loco cedere) ſûmen. ſchû-
    men (ſpumare) brûnen (nigreſcere) rûnen (ſuſurrare)
    mûren (exſtruere troj. 124c) erſûren. tûren (durare)
    trûren. klûben (carpere) nûben (titubare, nutare? Tit.)
    ſtrûben (hortere M. S. 2, 75b) hûfen (cumulare, oder
    hiufen?) lûƷen (latere) mûƷen (mutare) tûƷen (? moe-
    rere Ben. 120. troj. 121b) grûſen (horrere) hûſen (ha-
    bitare) mûſen (mures capere) ſûſen (tinnire) lûſchen
    (auſcultare) rûſchen (ſuſurrare) brûchen (uti; ?brin-
    chen, ſchmiede 1471: entliuchet, oder vielmehr ent-
    lûchet?) hûchen (halare altd. w. 3, 226. kûchen M. S.
    2, 148a) ſtrûchen (vacillare). — κ) dienen. vienen (fal-
    lere M. S. 2, 145b Ottoc. und Tit.) ſmieren (ſubridere)
    [957]II. mittelhochd zweite ſchwache conjugation.
    zwieren (Ben. 177. M. S. 1, 83b 86a 2, 94a). — λ) gruo-
    nen (virere) erkuonen (audere) kuolen (frigeſcere).
    luogen (videre troj. 144b). —
  • 3) wo bildungen mit -l, -n, -r, -t, -d, -ſ, -g im
    ſpiel ſind, iſt auf kürze oder länge der wurzelſilbe
    zu achten α) beiſpiele mit kurzer: zabelen (Parc. 25b)
    rigelen. ſigelen. ëbenen. bibenen. rëgenen. ſëgenen. ſcha-
    tenen (Gudr. 22.) trehenen (Gudr. 3739.) erkoberen. kë-
    beſen (Nib. 3427.) honigen (Triſt. 130a) ſchadegen (lae-
    dere Bon. 55, 67.) erledigen; in bilden ſt. bileden iſt das
    d zur wurzel gewachſen, bild-en. β) ungleich häufi-
    ger langſilbige, z. b. dunkeln. tengeln. zwîveln. wâfen
    (armare) offen (aperire) veſten (firmare) laſtern. ſichern.
    ringern. zimbern. wundern. vordern. ermordern
    (Georg 42a) ent-houpten (f. enthoubeten) impfeten
    (inſerere) entnacten (nudare) [ſo wenig impfen, ent-
    nacken, als enthouben] gelîcheſen (ſimulare Barl. 102.
    121.) rîcheſen (dominari M. S. 2, 198b rîchſen = rîch-
    ſenen Mar. 29. 130.) vermeilegen (contaminare).

Anmerkungen: α) die alte länge der ableitungsvo-
cale ô und ê erſcheint ſpurweiſe theils in tieftonigem
u und e des part. praeſ. (ſ. 367. und unten) oder i (lô-
niſt ſ. 370.) theils in wirklichem ô ſowohl für verba der
alth. zweiten als dritten conj. Denkmähler des 12ten
jahrh. bieten es genug, doch meiſt im part. praet.,
ſeltner im praet. ind., noch ſeltner im inf., nie im
praeſ. und überhaupt nur in der letzten ſilbe; Kaiſerchr.
cod. pal. 361. reimt 72b dienôn: lôn, ſie ſetzt 69b kë-
beſôt, 72a volgôt, 75b wandelôt, 77b manôt, 89b vorde-
rôt, 90c houbetôt etc. Maria reimt 3. zwîvelôt, 6. ſcha-
tewôt, 9. gebrâchôt, 12. ſëgenôt: dorrôt, 13. wunderôt,
16. liuterôt, 24. trûwôt, 32. erwachôt, 34. gedienôt,
39. gemeiligôt, 44. begegenôt, 53. erledigôt etc. lm
13ten jahrh. veraltet ſolches ô; nur im volksſtil. wenn
es den reim trägt, bleibt es zuweilen haften: Nib. 4063.
ermorderôt, 7011. gewarnôt; klage (Müll.) 774. verwan-
delôt; Bit. 90b entwâpnôt, 97a verſêrôt. 125b geſenſtôt;
Morolf 7b 8a verwandelôt, Wigam. 18b geſatelôt; Friged.
28a zwîvelôt, 29b gemartelôt; fragm. 21a gejagôt (oder
gejagôt?: got) Nith. 2, 71a verwandelôt; Reinm. 1, 78b
82a verwandelôt. Am auffallendſten bei letzterm; die
höfiſchen dichter meiden es durchaus und wo es außer
reim oder in unbeweiſendem vorkommt, tragen ab-
ſchreiber die ſchuld (troj. 174c 178b ſicher zu leſen: ge-
[958]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
ſamnet, verdamnet). — β) I. praeſ. ſg. hat das en, n
verloren, man ſagt: ich beher (ſpolio) dol (Wigal. 3:
wol) lëbe (: gëbe troj. 2b) diene (: wiene M. S. 2. 73a)
verſûme (: kûme Ben. 177.) ſage (: klage, zage Parc. 46c
Wilh. 2, 84a) ſchouwe (: vrouwe Parc. 53c) etc nicht
mehr: ich behern, doln, lëben, dienen etc. Ausnahms-
weiſe und ſelten iſt dieſe perſ. dem inf. gleich, zumahl
bei niederdeutſchen, als En. 24abewarn: varn; 49clë-
ven
: gëven; Herb. 5drëven: gegëven; Wilh. 3. 23aſchô-
nen
: bônen; Wigam. 36bſagen: lëbtagen, wo nicht
ein auxiliare zu ergänzen und der inf. herzuſtellen iſt
(ſicher troj. 64cſol bewachen). Abſchreiber haben der-
gleichen en oft eingeſchwärzt z. b. Georg 3b ich getriu-
wen, 30b ich loben, troj. 6b ich ſorgen; ſelbſt bei nach-
geſetztem ich ſind ſie (vielleicht im 12ten jahrh. ?) nicht
mehr zu dulden, z. b. loben ich, ſagen ich troj. 62c
130c ſt. lobich. ſagich; noch weniger, wo ſie ſich in
die erſte ſchwache (ueben ich troj. 2b, ich nennen Georg
60a, gelouben ich Friged. 15b, ich lêren: kêren Herb.
23c) oder gar ſtarke (vorhin ſ. 945.) drängen. — γ) (be-
handlung des ſtummen e bei kurzſilbigen
) nach l und r
fällt es nothwendig aus: ich zal, zil, hol, ſpar, gër,
bor; praet. zalte, zilte, holte, ſparte, gërte, borte;
ſie gehen wie kurzſilbige erſter conj. und zeichnen ſich
nur durch verſchiednen wurzelvoc. aus; wo auch dieſer
ſtimmt, wird die gleichheit vollkommen, z. b. hern,
her, herte vgl. mit nern, ner, nerte [tadelhafte apocope
des tonloſen e von gërte im ſtumpfen reim gërt: wërt,
ſwërt M. S. 2, 14b Georg 17a. b. 57a]. Nach m und n
bleibt e vor n und nt (manen, manent: wonen, wonent)
nicht vor t (mante, wonte) ſchwankend im auslaut
(man. won oder mane, wone). Nach b, d, g darf es
überall bleiben: lobe, bade, jage; lobete, badete, jagete,
weniger gut lobte, batte, jagte, indem abete, ëbete,
ibete, obete etc. ebenſo klingend reimen, als abte, ëbte,
ibte, obte. Nur bisweilen zwingt der reim zu -tte
ſtatt -dete, vgl. troj. 37a 38c rette (loquebatur): bette für
redete, ſo läßt ſich auch batte f. badete (Nib. 3622. 6148.)
ſmitte l. ſmidete (Barl.) vertheidigen. Nach t wird im-
mer ſyncopiert, z. b. geſtatte (conceſſit) Karl 64b ſatte (ſatia-
vit) nicht geſtatete, ſatete, Herb. 57c begatte (attigit):
watte, im auslautenden part. vereinfacht ſich t, vgl geſtat
Karl 71a Ernſt 32b geſat klage 3735. vgl. gebat oben ſ. 947.
δ) (conſouantausfall bei kurzſilbigen) med. b fällt nie
aus, d zuweilen im praeſ. und part. (M. S. 1, 106a 2,
[959]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
197a ſchat f. ſchadet, doch nicht im reim) das merk-
würdigere reiſt (a. Tit. 116.) reit (Parc. 140b) reite, reiten
(Nib. 210. 2919.) gereit (Parc. 52b) für redeſt etc. iſt kaum
durch reime zu beweiſen nur Ulr. Triſt. 433. 1575. gereit:
geſeit. Häufigere auflöſungen des g in i müßen nach ſ. 426.
beurtheilt werden, Wolfr. Hartm. haben nur verdaget, beha-
get, geklaget, verzaget; andere auch verdeit, beheit, bejeit,
gekleit, verzeit (im reim M. S. 1, 49a 2, 244a Wilh. 3, 327a
Wigal. 289. Ottoc. 479b 485a 588a) ſeltner im praeſ. (Nib.
3985. klage 3721. Müll.) niemahls beteit f. betaget.
Alter ſcheint ſeit (dicit, dicitis, Maria 77. Wigal. 8.
troj. 1a) ſeite (dixit Triſt. 30c 31a troj. 34c 37a) geſeit
(dictum Nib. 1. Wigal. 7. Iw. 1c etc.) nämlich abzulei-
ten nicht aus ſaget, ſagete, geſaget (alth. ſakêt, ſakêta,
kiſakêt) ſondern aus ſegt, ſegte, geſegt nach erſter conj.
(alth. ſekit. ſekita, kiſekit ſ. 880.) obſchon ich kein
mittelh. ſegen, ſegte nachweiſen kann, aber verzegt:
gewegt, legt aus troj. 91c 97c; bedenklicher klegte (oben
ſ. 426.). Wolfr. gebraucht allenthalben ſaget. ſagete, ge-
ſaget, nie ſeit, ſeite, geſeit. — ε) (behandlung des ton-
loſen e bei langſilbigen
) nach der regel (ſ. 931.) bleibt
das tonloſe e und ſie leidet im praeſ. keine ausnahme,
durchgehends: mâle, mâleſt, mâlet; ſêre, ſêret; diene,
dienet; minne, minnet; danke, danket etc. kein mâl,
mâlt etc. Dem praet. tritt die ſilbe -te, -teſt, -ten,
-tet zu, deren e, nach ſ. 373. ſtumm iſt. Nun könnte,
theoretiſch angeſehn, dieſes ſtumme e dritter das ton-
loſe e zweiter ſilbe wieder tieftonig machen und ſêrête,
minnète, dankête hervorbringen; nirgends aber erſchei-
nen ſolche formen, namentlich nie im ſtumpfen reim
auf tete, tëte (fecit) inſofern aus dem alten. ê, ô ein
tieftoniges e, ë hätte werden mögen (ungefähr wie in
heilìgen i aus î). Vielmehr reimen dergl. praet. auf
dreierlei weiſe 1) überklingend in voller geſtalt z. b.
dankete: krankete, wâgete: bâgete. 2) klingend, mit
[nach t zuläßiger] apocope des ſtummen auslauts, z. b.
minnet (dilexit): rinnet (currit), folglich nur in I. III.
ſg., welche alsdann der III. praeſ. oder dem part. praet.
gleichlauten. 3) klingend, mit ſyncope des tonloſen e,
z. b. êrte ſt. êrete. Unter dieſen drein iſt der zweite fall
am ſeltenſten, ich wüſte ihn nur mit Reinbots erwachet
(ſtatt erwachete): gemachet (Georg 19a) zu belegen, wel-
ches beßer als ſein ſ. 958. angeführtes gërt, ihm aber
offenbar analog iſt. Außer reim, bei anſtoßendem vocalan-
laut ereiguen ſich dergl. auslaßungen des e häufig. Ich
[960]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
weiß nicht, ob ihnen diejenigen zur ſeite ſtehn, welche
ſich bei dem ältern Wernher [genug], ſelbſt im reime fin-
den? aber ein betonteres ô voraushaben, und vielleicht
in die form -ôte zu verbeßern ſind, vgl. Mar. 12. dor-
rôt: geſëgenôt; 53 erledigôt, 66 redôt: ſcadôt, 86 wun-
derôt (vgl. 77. 181.); unangreifbar ſcheint 32 erwachôt:
nôt. Der erſ[t]e fall iſt ohne zweifel zuläßig und häu-
figer, als der zweite, greift aber in die mittelh. reim-
kunſt. Reinklingend wie jagete: klagete ſind reime wie
bâgete: vrâgete nicht. Es wird darauf ankommen und
wohl nach einzelnen dichtern verſchieden beurtheilt
werden müßen, ob dem überklang eine eigne ſilbe oder
nicht gebührt, d. h. ob ſie für dreiſilbige (gleitende) oder
zweiſilbige reime gelten. Manche (Wolfr. Hartm. etc.)
enthalten, manche (Gotfr. Rud. etc.) bedienen ſich der
gleitenden. Triſt. 57b dürfte alſo minnete: verſinnete ſo
gut, als minnende: verſinnende gleiten. Den dritten fall
thun unleugbare reime dar, z. b. êrte: kêrte Wilh. 2, 21a
Iw. 29a 36a 49c; mêrte: kêrte Iw. 23a weinte: meinte,
beſcheinte Parc. 99a Wilh. 2, 14a Iw. 13c Wigal. 193.
Triſt. 30c, ſtarte: warte troj. 57b, dancten: wancten
Wilh 2, 191b etc. wo êrete, mêrete, weinete, ſtarrete,
danketen gekürzt ſind. Andere beiſpiele ſind nur ſchein-
bar, wie erhancte: wancte Parc. 108b; wirte: irte Wilh.
2, 80a, da gewancte von wenken (Parc. 112a) herrührt,
irte vom alth. irran, irta (impedire) nicht von irrôn,
irrôta (errare). Iene mêrte, êrte, weinte etc. laßen ſich
freilich wie die kürzungen langſilbiger praet. erſter conj.
(ſ. 952.) nehmen, als einen ſieg des -te über den ablei-
tungsvocal, ja man kann erwarten, daß die praet. bei-
der conjugg. ſich auf gleichen fuß zu ſetzen ſtrebten,
da ſchon früher einzelne wörter zwiſchen beiden
ſchwankten. Gewis aber, wenn ſie ſich auch in der
mittelh. zeit entwickelten und allmählig ſtärkten, iſt an
kein vorwalten dieſer richtungen zu denken. Die erſte
conj. ſyncopiert nothwendig, die zweite ausnahmsweiſe;
noch hält das gefühl des alth. ô und ê wider in dem
tonloſen e und noch ſondert der regere rückumlaut die
meiſten verba erſter conj. vernehmlich ab, geſellen würde
kein praet. geſalte (wie vellen valte) geſtatten, höch-
ſtens geſelte für geſellete. Wahrſcheinlich zeigte ſich
die kürzung zuerſt nach liq. (êrte, weinte), oder nach
vereinfachtem ll, nn, rr (ſtarte, minte, ſtilte f. ſtarrete,
minnete, ſtillete) parallel dem geſtumpften dat. ſg bâr,
ſchal, vël ſt. hâre, ſchalle, vëlle (ſ. 669. 680.). Nach
[961]II. mittelhochd. zweite ſchwache conjugation.
ng, nk, rg durfte das e nicht fehlen, ſonſt würden ir-
gendwo bancte, lancte, dincte (ſt. bangete, langete, din-
gete) auf hancte (von hengen) wincte reimen; nach
nd bin ich zweifelhaft, kein wunte im reim auf kunte
und Nib. 8299. beßer zu leſen wundet. Nach -t, -lt,
-rt
iſt die ſyncope des e (und mit ihm des einen t)
nothwendig, z. b. rôten, rôte (Wolfr. rôtte?) arten, arte,
warten, warte (:enkarte Wigal. 164.) alten, alte, ſtatt
rôtete, artete, wartete, altete, woneben nach zweitem
fall rôtet’, wartet’ möglich wäre. Nach b, g, f, h, ſ
mögen einzelne dichter mehr das bleibende oder aus-
fallende e begünſtigen, nach ll, mm, nn, rr ältere über-
haupt die beibehaltung des e und der gem. vorziehen,
lieber geſellete, minnete als geſelte, minte ſetzen. —
ζ) (conſonantausfall bei langſilbigen) hier kommt ledig-
lich vor kleit f. kleidet (fragm. 28b M. S. 2, 48a), öfter
gekleit f. gekleidet (ſchon Maria 77, im 13. jahrh. bei
den meiſten, doch bei Wolfr. und Hartm. nicht.) —
η) (behandlung der bildungen -l, -n, -r etc.) kurzſil-
bige gehen wie langſilbige einfache, hingegen langſilbige
wie kurzſilbige einfache. Erſtere behalten im praeſ.
das e nach der bildcnden liq. z. b. rigele, rigelet; ſë-
gene, ſëgenet; kobere, koberet; dem praet. ſcheint ri-
gelet’ oder rigelte angemeßen; part. gerigelet, gekobe-
ret. Langſilbige werfen das e in praeſ. und praet. fort,
z. b. klingel, klingelt; wunder, wundert; praet. klin-
gelte, wunderte (nicht klingelt’, wundert’), part. geklin-
gelt, geitert (ulceratus Parc. 116c), gîſert (ferro circum-
datus Parc. 108b); nach denen mit n fällt auch das n
der flexion weg z. b. wâpen (armare Parc. 52c) hier lau-
tet I. ſg. und pl. praeſ. dem inf. gleich: wâpen (armo)
wâpen (armamus) III. praeſ. wâpent, praet. wâpente, oder
wâpende (Parc. 139c 149b 168b) part. praet. gewâpent
[ebenſo: geoffent, geveſtent; unzuläßig ſind gewâpnet,
geofnet, geveſtnet etc.]. Aus gleichem grunde opfern
die (ſeltnen) bildungen mit -t das t der flexion, wodurch
I. praeſ. und praet. zuſ. fallen, z. b. enthoubeten (de-
collare) enthoubete (decollo) enthoubet (decollat, decol-
latis ſt. enthoubetet) enthoubete (decollavi ſt. enthoube-
tete) enthoubetet (decollaviſtis ſt. enthoubetetet) enthou-
beten (decollaverunt) ebenſo impfete (inſeruit Triſt. 4618.
f. impſetete) entnackete (nudavit f. entnacketete). Aus-
laßung des e vor dem bildungs-t ſcheint nicht gerade
zu tadeln, vgl. Karl 46b enthoubten (decollarent): ge-
P p p
[962]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
loubten; Maria 196. houpten (decollare): geloupten und
Wigal. 198. 199. 201. entnacten (denudabant).


Anomalien mittelhochdeutſche conjugation.

  • 1) eſſe noch vierſtämmig α) III. praeſ. ſg. ind. iſt. —
    β) inf. ſin; pl. praeſ. ind. I. ſîn [Maria 124: dîn; ſin
    reimt Karl 11a: drin (und Stricker ſetzt nicht drîn,
    vgl. ſ. 762, wie der reim drin: ſin, animum,: in, Karl
    10b 77b lehrt); niemahls ſint] II. ſît [ſelten ſint, vgl.
    ſ. 932.] III. ſint; das ganze praeſ. conj. ſî, ſîſt (ſîs
    Wilh. 2, 39b Triſt. 36b) ſî pl. ſìn, ſìt, ſîn [ſelten ſîe
    Flore 31a 54a: amîe, Wigam. 42a 55b: lendrîe; oder ſige,
    ſîge
    , Reinfr. 16cſîgen (ſint): wîgen (milvi) 20d ſîgen
    (ſitis): vrîgen; Am. 12c ſìgeſt; öfter im Bon., überall
    außer reim; troj. 110b gewis ſìſt zu leſen]; part. praet.
    geſìn. — γ) I. ſg. praeſ. ind. bin, II. biſt [ans niederd.
    ſtreift bis: gewis En 74c vgl. oben ſ. 933., wo bîs auch
    bis ſey kann; Herb. hat biſt: iſt und briſt (rumpe) 56b
    91c] I. pl. birn nur noch Maria 213. II. birt Mar. 84.
    außer reim, auf wirt gereimt Parc. 101b Nib. 6566. Wi-
    gam. 56a; der imp. bis (eſto) En. 9607. M. S. 1, 15b 19a
    2, 233a 252b etc. iſt verdächtig, da man in allen ſolchen
    ſtellen das richtigere wis leſen kann. — δ) inf. wëſen;
    imp. wis; praet. was, wære, was, pl. wâren, wâret,
    wâren
    [wân ſ. 943.]; das praeſ. wiſe (exiſto) ſelten,
    bloß in Ulrichs Wilh. 3.: riſe, geniſe, c. caſſ. 14b
    20b etc. Über die concurrenz von wëſen und ſîn,
    gewëſen und geſîn in der ſyntax; für die unterſchei-
    dung der mundarten dient z. b., daß Wolfr. zwar
    die inf. ſîn, geſîn und wëſen, nie aber das part. ge-
    ſìn, ſondern nur gewëſen braucht. Rudolf zieht das
    part. geſîn vor neben gewëſen etc.
  • 2) α) muoƷ, muoſt, muoƷ; pl. mueƷen (: grueƷen Ben.
    204.) mueƷet, mueƷen; praet. muoſte, muoſteſt, muo-
    ſte; pl. muoſten; conj. praeſ. mueƷe, praet. mueſte
    pl. mueſten (troj. 172a) [neben muoſte, mueſte in gu-
    ten, alten hſſ. häufig muoſe, mueſe, doch nicht im
    reim, wohl aber muoſten: buoſten Parc. 33b mueſte:
    wueſte troj. 4a 13a etc.]. — β) weiƷ, weiſt, weiƷ; pl.
    wiƷƷen; das praet. ſchwankt zwiſchen ſechſerlei for-
    men: wëſſe, wiſſe, weſſe, wëſte, wiſte, weſte. In
    den Nib. lieſt G. meiſtens wëſſe, wo EM. weſte, EL.
    wiſte ſchreiben, der reim kann in dieſem gedicht
    nieht vorkommen, aber auch ſonſt reimt das wort ziem-
    [963]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
    lich ſelten z. b. im ganzen Parc. niemahls. Ich finde
    wëſſe, wëſſen Maria 210. Wilh. 2, 175b Wigal. 135;
    wiſſen nur Flore 42b; wëſten troj. 152c; wiſte, wiſten
    Wilh. 2, 49a klage 97. 2032. Triſt. 14c 26a 56a 62b
    Flore 49b troj. 55a; weſſe, weſſen (: heſſe, heſſen)
    Orl. mihi 2256. miſc. 2, 155. und im Tit.; weſte, weſten
    Maria 89. Herb. 51c Iw. 13a. b. 25a Karl 64a Triſt. 36a
    55c 132a Bit. 60b; die formen mit e, welches hier nicht
    organiſch ſeyn kann, ſind die ſchlechteſten, woſte ha-
    ben nur ungenaue hſſ. außer reim (z. b. Herb. 54d).
    Ohne die mundarten rein zu ſcheiden, ſcheint wëſle
    Wolfr. und Wirnt, wiſte Gotfr., waſte Hartm. zumeiſt
    gerecht. Praeſ. conj. wiƷƷe, pl. wiƷƷen; praet. ganz
    wie der ind. und es läßt ſich nicht etwa wëſſe dem
    conj., wëſte dem ind. zulegen. Das part. praet. iſt
    theils ſtark: gewiƷƷen Barl. 191, 11. Nib. 5724. 6936.
    gewëƷƷen Bit. 66a; theils ſchwach: gewiſt Triſt. 32a
    M. S. 2, 67bgewëſt Nib. 6977. M. S. 1, 103a; gewuſt
    Nib. 6977 EL. verdächtig. — γ) touc, tôht (?) touc; pl.
    tügen; praet. tohte (nicht tôhte); conj. praeſ. tüge;
    praet. töhte.δ) mac, maht (bei Wolfr. und Hartm.
    nicht im reim) mac; pl. mügen troj. 14a tadelhaft III.
    pl. mugent (Flore 1b meiſterg. 21a 37a 42a); praet. mohte
    bei den meiſten, bei einigen (nicht Wolfr.) zuweilen
    mahte (Mar. 60. 61. 63. 64 etc. Wigal. 77. Triſt. 6b 115a);
    conj. praeſ. müge (troj. 15a etc.) pl. mügen, ſeltner mege,
    megen (Parc. 161b 187b 176b Wilh. 2, 111b Ulr. Triſt. 764.)
    praet. möhte und bei denen, welche im ind. mahte
    ſetzen, zuweilen mehte (Triſt. 11a Flore 6a 13c 29b);
    die kürzung mun (? mûn) f. mügen M. S. 1, 28b iſt
    nicht reinmittelh. — ε) ſol, ſolt, ſol; pl. ſüln, ſült,
    ſüln; praet. ſolte; conj. ſül, ſült, ſül; pl. ſüln; praet.
    ſolte (kein ſölte erweiſlich); für ſol, ſolt haben nie-
    derd. noch ſal (:al En. 78b 79c,: fal, ſmal Herb.
    36c 43d) ſalt (: gewalt Herb. 25a) und für ſüln, ſült,
    ſüln ſchweizer ſun, ſunt, ſun (? ſûn) vgl. M. S. 1,
    83b und Boner. — ζ) gan, ganſt (Parc. 155b, gans
    127c) gan; pl. günnen; praet. gunde, mit o ſchrei-
    ben alte hſſ. z. b. Nib. G. (5610. 6799. 8470), da in-
    zwiſchen die formen gonde, erbonde, konde nur
    aufeinander reimen würden, das häufige kunde aber
    oft auf munde, ſtunde, runde etc. reimen muß, ſo
    haben dieſe praet. reinmittelh. lieber u; gonſte f. gon-
    de habe ich nie gefunden; — conj. praeſ. günne,
    günneſt etc. praet. gunde (Parc. 17a) oder umlautend
    P p p 2
    [964]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
    günde. — η) erban (invideo) geht wie das vorige. —
    θ) kan (poſſum) desgleichen. — ι) beginnen (incipere)
    geht regelmäßig ſtark, praet. began (Nib. 216.) be-
    günne (nicht beganſt) began; von der anomalie iſt
    nur das praet. begunde, begonde vorhanden, conj. be-
    gunde oder begünde (M. S. 1, 30a). — κ) tar, tarſt
    (Flore 29a) tar; pl. türren (Wilh. 2, 175b torren); praet.
    torſte; conj. praeſ. türre, praet. törſte (türſte, vgl.
    oben ſ. 338. note). — λ) darf, darft (a. Tit. 61. troj.
    2303.) darf; pl. dürfen; praet. dorfte; conj. praeſ.
    dürfe, praet. dörfte. — Anmerkungen zur zweiten
    anomalie:
    a) infinitive dieſer anomala ſind aus ſyn-
    tactiſchen gründen ſelten, lauten aber: mueƷen, wiƷ-
    Ʒen (M. S. 2, 218b) tügen, mügen (oder megen) ſüln,
    günnen, erbünnen, künnen (M. S. 2, 218b) türren,
    dürfen. b) misbräuchlichen umlaut zeigen inf. und
    pl. praeſ. ind. wodurch letzterer mit dem pl. conj.
    zuſ. trifft; oder läßt ſich ein ind. muoƷen, tugen, mu-
    gen, ſuln, gunnen, kunnen, turren, durfen verſchie-
    den vom conj. mueƷen etc. darthun? für turren ſprä-
    che etwa das beigebrachte torren, weniger für muo-
    Ʒen der reim auf muoƷen (meiſterg. 43b) in einem
    gedicht, das ſich rat: rât erlaubt. Zwar gunnen und
    kunnen, ſeltner mugen, tugen ſind unleugbar, aber
    darum vorhanden, weil ſie oft den umlaut nicht an-
    nehmen (ſ. 337.) d. h. alsdann gebührt auch dem conj.
    unumlautendes u. — c) praet. conj., ſonſt in ſchwa-
    cher form keines umlauts fähig (ſ. 952.) beſitzt ihn
    hier gerade, [weil ihn hier gar kein ableitungsvoc.
    und kein nachgefühl deſſelben ſtört? es heißt ſchamte
    (erubeſceret) brante (combureret) nicht ſchemte, brente,
    wie es goth. ſkamáidêdi, brannidêdi hieß; hingegen
    mueſte ſchon goth. mûſtêdi f. mûtidêdi] doch ſchwankt
    er bei den o -formen, nämlich weder von gonde, konde
    läßt ſich ein conj. gönde, könde, noch von ſolte ein
    ſölte nachweiſen, ja neben den nachweiſlichen conj.
    möhte, töhte, törſte, dörfte ſcheint bisweilen mohte etc.
    richtig. —
  • 3) wellen (Triſt. 943. 9826.) I. wil (Nib. 3795. 8053. troj.
    15c) II. wil (Nib. 2801. 4622. Wigal. 375. M. S. 1, 107c)
    wilt (Parc. 73b Wilh. 2, 88a) III. wil (Nib. 9182. Triſt.
    71c troj. 11c 75c); daneben I. welle, II. welleſt, III.
    welle; pl. I. wellen, II. wellet (troj. 25b) III. wellent
    (Parc. 1970. troj. 51c) wellen (Parc. 171c) ſeltner I. weln
    II. welt (Nib. 5082. 9035. Wilh. 2, 24b fragm. 17b)
    [965]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
    III. weln (Barl. 166, 36.); imp. welle (Triſt. 9826.)
    Das unorg. e ſtatt ë beweiſen die reime geſelle Parc.
    174a Wilh. 2, 153b velleſt Parc. 64a gevellet Parc. 92b
    155c geſellen 171c helt, verſelt; nur Ernſt 24a richti-
    ger wëllen:ſnëllen. Nirgends wollen, wollet, wol-
    lent im reim, noch in reinmittelh. quellen außer
    reim. Dagegen das praet. überall wolte (nie wëlte,
    welte) conj. wolte (nicht wölte, warum nicht?) lautet. —
    Indicative formen ſind lediglich II. ſg. wilt (vielleicht
    auch II. wil, alth. wili) und III. pl. wellent; alle übri-
    gen conjunctiviſch, namentlich I. wil III. wil aus
    dem alth. wili, wili zu leiten. —
  • 4) tuon; praeſ. ind. I. tuon II. tuoſt III. tuot (auffallend
    deit: ſteit, leit Morolf 52b 55b vgl, geit, ſteit oben
    ſ. 944.); pl. I. tuon II. tuot III. tuont; conj. tuo, tuoſt,
    tuo;
    pl. tuon, tuot, tuon, nicht tue, tueſt etc., umlaut
    wird in der erweiterten form tuege, tuegeſt oder tueje,
    tuejeſt möglich, (Amur 1061. 1424. 2293. 2495. M. S.
    2, 107b 197a) im reim Flore 15b Ulr. Triſt. 469. 1644. —
    Im praet. ſg. iſt I, zumahl III. höchſt ſchwankend
    und vor allem merkwürdig, daß Wolfr. (im Parc. und
    Wilh. 2.) die Nibel., Walter und Reinmar d. a. ſich
    beider ſo nahe liegender perſonen gänzlich für den
    reim enthalten. Auch I. ſtehet ſelten gereimt, lautet
    aber tëte, Iw. 23c 35b Triſt. 35b Barl. 333. desgl. M. S.
    1, 162a 2, 21a Wigal. 14. 179. 200.; nirgends tët, tete,
    auch bei ſolchen nicht, die ſich letztere formen in
    III. erlauben. Häufiger reimt III. und lautet 1) tëte
    bei Hartm. Flore, dëde bei Veld. 2) bald tëte, bald
    tët bei Rud. Wirnt, Stricker. 3) tete bei Reinb. und
    Conr. v. W. 4) meiſtens tete, ſeltner tëte bei Gotfr.,
    auch Wirnt läßt 200 tete : ſtete (doch 67. bëte:ſtete)
    zu. Ächte, dem alth. tëta gemäße form war unſtrei-
    tig tëte für I. und III, welche [analog dem weſſe,
    weſte ſt. wëſſe, wëſte] die ausſprache in tete ver-
    derbte. Das nach dem t bleibende oder wegfallende
    ſtumme e in tëte, tët iſt nach einzelnen dichtern zu
    beſtimmen, tet für tete niemahls anzunehmen. Wie
    muß außer dem reim bei Wolfr., in den Nib. etc. ge-
    ſchrieben werden? wahrſcheinlich tët, apocope des e
    ſcheint dieſen dichtern geläufig, ſie wagten ſie aber
    noch nicht gegen Veld. und Hartm. autorität in den
    reim aufzunehmen; auffallend meidet auch Conr. in
    der ſchmiede ſein tete zu reimen, das er im troj. kr.
    und dem ſchwanr. mehrmahls anbringt; war er frü-
    [966]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
    her unſchlüßig? und achtete er das tëte der älteren
    meiſter, welches doch ſeiner mundart widerſtand? —
    Die übrigen formen des praet. lauten ohne zu ſchwan-
    ken II. ſg. tœte (nicht tâteſt, ſchon alth. tâti); pl.
    I. tâten, II. tâtet, III. tâten; praet. conj. tœte, tœteſt,
    tœte;
    pl. tœten, tœtet, tœten; Veld. gibt (nach ſ. 458)
    dem conj. keinen umlaut dâde (En. 6a 21a) ſt. tæte.
    Tadeluswerth tët für tæte Ernſt 15a 37a, 56b altd. w. 2,
    140. Part. praet. getân (tân nur Boner).
  • 5) haben behält unverkürzte formen in der bedeutung te-
    nere, nach zweiter ſchwacher, praeſ. habe, habeſt, habet;
    praet. habete (Parc. 59b Mar. 62.) oder habte. Das anxi-
    liare hingegen wird gewöhnlich ſyncopiert, im praet.
    durchgängig. Praeſ. ind. bei den ältern duldet noch
    den pl. haben, habet oder habt, habent neben hân, hât,
    hânt
    (Hartm. und Wolfr. meiden noch hânt im reim,
    nicht aber hân und hât); der ſg. lautet überall: hân,
    hâſt, hât
    [nicht mehr habe oder haben, habeſt, ha-
    bet, auch kein hebet, hebt analog dem alth. hebit
    ſ. 880; heſt für hâſt a. Heinr. 497. Bon. 83, 45. het f.
    hât Wigal. 850. 10574. gebühren den copiſten; heit f.
    hât reimt nur Ulr. Triſt. 35. 127: breit, ſtreit]. Praeſ.
    conj. unverkürzt: habe, habeſt, habe; haben, habet,
    haben; Herborts (habeam): dâ, ja (23d 36c) iſt nn-
    rein und Bon. 15, 11. hein (habeamus f. heigen? oder
    habemus f. hân?): klein gehört noch weniger hier-
    her. — Die zuſ. ziehung des praet. zeigt ſich ſehr ver-
    ſchieden; α) beſte und älteſte form ind. I. hâte (ent-
    ſprungen aus alth. hapta ſ. 880. oder contrahiertem
    habete) II. hâteſt [hâtôſt Barl. 9. 46. rührt vom abſchrei-
    ber; merkwürdiger hœte Karl 116a nach irriger analo-
    gie von tæte] III. hâte; pl. hâten; conj. umlautend (nach
    analogie zweiter anom.) hœte, hæteſt etc. bei Hartm.
    (a. Heinr. 207b) Walter 101a Flecke, Stricker (Karl 3b).
    β) für ind. und conj. brauchen hœte, pl. hœten etc.
    Wolfr. (a. Tit. 19.) vf. der klage, Gotfr. und Conr.
    (ſchmiede 252. 262. ſchwanr. 55. 80. 93.) γ) hête, hêten
    gleichfalls für ind. und conj. Reinb.; hête bloß für den
    conj. Wolfr. (Parc. 126a); heite: entſeite bei Ulr. (Triſt.
    2321.) bezweifle und ändere ich in hête: ſête (vgl. oben
    ſ. 947.). δ) hiete, hieten für den conj. Gudr. 53a Bit. 77a.
    Alle von α-δ angegebnen formen ſind klingend, tadel-
    hafter die folgenden ſtumpfen: ε) hëte für ind. und conj.
    Conr. (troj. und ſchwanr. 68. 74.) Frib. Lohengr. Ernſt;
    ohne ſtummes e hët nur in dritter perſ. (troj. 75c 95b
    [967]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
    149a) in erſter ſtets hëte; der pl. hëten ſelten (Ernſt
    32b Lohengr. 75). ζ) hêt für III. ſg. Wirnt häufig,
    Lohengr. Turl. η) hiet für III. ſg. Lohengr. 19. Ottoc.
    472a 559b 613a 616a etc; außer dem reim Wigal. 2453.
    3411. θ) hat für den ind. Flore 2930. Ernſt 27a 28a Kolocz
    168. 319. — Nähere angaben liefert Lachm. ausw.
    IX. X; man ſieht, daß die beſten dichter ſchwanken,
    z. b. Wolfr. bald hæte, bald hête, Conr. neben hæte
    auch hëte und hët gebraucht; einzelne, wie Hartm.
    Gotfr. Stricker bleiben ſich gleich. Wirkte das praet.
    von tuon auf die behandlung des von haben ein (wie
    ſich denn tâten und hâten, tæten und hæten begeg-
    nen) ſo wird es verwundern, daß fecit und habuit
    nie auf einander reimen. Ein beweis, wie lange die
    ſprache urſprüngliche formverſchiedenheit nachfühlte
    und beide wörter auseinander hielt, tët und hët zei-
    gen ſich, aber nicht bei denſelben dichtern; Conrad
    konnte ſein tete nicht mit hëte, Hartm. tëte nicht
    mit hâte binden! Wirnt hätte etwa tëte: hëte wa-
    gen dürfen, wenn man ihm ausnahmsweiſe hëte (Wi-
    gal. 7715: machmëte?) nachgeben will. — Bei einem
    der rede ſo geläufigen worte iſt es aber einleuchtend
    nothwendig, den gebrauch im reim (und einſchnitt)
    von dem freiern außer dem reim zu unterſcheiden.
    Schon die früheren dichter, welche noch nicht wa-
    gen, hët, hëte, hëten ſtumpf zu reimen, verſchmä-
    hen dieſe formen mitten im verſe durchaus nicht, ja
    ſie waren ihnen bereits die üblichſten, daß gerade
    darum die klingenden hâte, hæte, hête ſo ſelten ge-
    reimt werden. Hartm. reimt im ganzen Iw. kein hâte
    und nur einmahl 30b hæte, Rudolf im ganzen Barl.
    kein hâte; ohne zweifel kommen in dieſen gedichten
    unzählige hët und hëte, untermiſcht mit einzelnen
    hâte, hæte vor, welche nach guten hſſ., mehr nach
    dem metrum zu beſtimmen ſind. Auch in den Nib.
    wird dem ſtumpfen reime hët, hëte ausgewichen,
    der einſchnitt gewährt hête (171. 391 etc.), wenigſtens
    nach den hſſ., denn an ſich wäre hæte gleich zuläßig.
    Außer dem einſchnitt kommen genug hët, hëte vor,
    hëten (Lachm. rec. 195.) deutlich 40. 8178. Wirnt
    verſuchte zuerſt ein ſtumpfreimiges hêt durch abſchnei-
    dung des tonloſen e zu gewinnen, Conrad, indem er
    die kurzen formen reimte, griff beßer durch. Man
    wird jedoch in der mitte des verſes jedem dichter
    außer den kurzen nur ſolche lange formen zugeben
    [968]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
    dürfen, die er durch den reim bewährt, z. b. Hartm.
    kein hête und Wolfr. kein hâte.
  • 6) gân und ſtân ſ. 944. 945.
  • 7) ſchwache verba mit langem voc. vor w, j und h laßen
    [ſ]ich reinlicher ſondern, als im alth., müßen aber ob-
    gleich nicht eigentlich anomal, ihrer kürzungen und
    umlaute wegen hier erörtert werden. α) mit w; neu-
    tra oder intranſ. zweiter conj. leiden weder ſyncope
    noch umlaut: grâwen, grâwete; êwen, êwete; ſêwen,
    ſêwete; ſchouwen, ſchouwete; touwen (roreſcere);
    trouwen, trouwete neben trûwen, trûwete; zouwen
    (procedere, feſtinare klage 3031. En. 11a; vgl. alth.
    zawên oben ſ. 879.); ruowen, ruowete (Wigal. 153,
    Nib. 182.), zuweilen der inf. ruon (oben ſ. 405.) nicht
    das praet. ruote; ein neutr. bûwen, bûwete oder bou-
    wen, bouwete muß näher geprüft werden, gewöhn-
    licher ſcheint biuwen, wie ſich auch triuwen für trû-
    wen findet; ſnîwen (ningere) ſnîwete wäre denkbar
    (Gudr. 4876. ſneibte f. ſnîte?) die mittelh. ſprache
    zieht ſnîen, ſnîte (Wilh. 2, 94b) geſnît (Parc. 108a) vor
    (M. S. 1, 28b klingend beſnîget). Tranſitiva erſter
    conj. lauten um und ſyncopieren: bediewen, bediete,
    bediet (ſ. 405.); kein hîwen noch hîen, hîte aufzu-
    weiſen, aber gehît (oben ſ. 345. Maria 76.); ſchrîte
    (clamavit livl. chr. 69a) geſchrît (Parc. 55c); dröuwen
    (minari) dröute, gedröut, zuweilen drôn, drôt (mina-
    tur Frig. 8b) kaum drôte, aber gedrôt (a. Heinr. 205 a);
    ſtöuwen, ſtöute (Wilh. 2, 100b) ſtröuwen (ſpargere)
    ſtröute; töuwen (mori) töute; vröuwen (laetificare)
    vröute; bezöuwen (parare im Tit.; vgl. goth. taujan)
    bezöute (?); biuwen (colere, aedificare) biute; erniu-
    wen (renovare) erniute (Ernſt 21b). Näher auszumit-
    teln, ob neben dem umlaut zuweilen das praet. rück-
    umlaute, droute, ſtroute, bûte (vgl. a. Heinr. 199a)?
    Syncope des praeſ. kommt vor, z. b. vröun:töun
    (Parc. 61a) ſchwerlich biun f. biuwen. — β) mit j:
    blæjen, dræjen, kræjen, mæjen, ſæjen, ſchræjen, wæ-
    jen; bluejen, bruejen, gluejen, luejen, muejen, nue-
    jen, ruejen (vgl. oben ſ. 435. 436.) lauter neutra, doch
    alle nach zweiter conj. mit gekürztem praet. bald mit
    umlaut [wæte Parc. 37b Wilh. 2, 100b kræte Parc. 46c
    ſchræte Triſt. 50b Herb. 57a 44b 60d næte Triſt. 21a
    ſæte:ſtæte Wilh. 3, 405b; bluete troj. 24b Wigal. 424.
    gluete Barl. 297.] bald rückumlaut [drâte M. S. 1, 28b
    [969]II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
    wâte Flore 16b 25b troj. 175b 180b am. 7a ſprâte Reinfr.
    166a nâten Wilh. 2, 88b muoten:luoten Barl. 375. ruo-
    ten:muoten Reinfr. 211a]. Der conj. iſt in beiden
    fällen dem ind. gleich und lautet entw. blæte oder
    blâte; inf. und praeſ. können auch gekürzt werden,
    gewöhnlich mit umlaut blæn, dræn, mæn, ſæn; blæt,
    wæt; blænt, wænt (Parc. 53b 39a Wilh. 2, 13a 68b
    Wilh. 1, 98a Triſt. 58c 88c) bluen, muen (M. S. 2, 109a
    Georg 57a) ſeltner rückumlautend (wât:gât Georg 38a
    muon:tuon Wilh. 3, 163b); das part. praet. lautet
    meiſtens um (genæt, gedræt, gewæt Parc. 4b 39a 54b
    erbluet Wilh. 2, 160a). Verwerflich iſt die ſchreibung
    bleien, weien oder ſeigen, meigen, neigen (M. S. 2,
    13a troj. 10b 19b 116a) d. h. nie auf ächte ei in
    zweien, heien, zeigen, veigen reimend. — γ) ſchwache
    verba mit h nach langem wurzelvoc. (beiſpiele ſ. 438.)
    ſtoßen das h nicht im praet. aus, vgl. ſmæhete:wæ-
    hete Wilh. 2, 3a, dræhete (fragravit) bæhete (torruit)
    ſchiuhete etc. inf. und praeſ. laßen manchmahl die
    kürzung zu, z. b. verſmân M. S. 1, 49b bæn:dræn
    (torquere Parc. 101c). — δ) miſchungen: ſchiuwen f.
    ſchiuhen oben ſ. 404; Heinr. r. mîſen reimt 1228. 1457.
    ziuhet:muehet f. muejet; ſprêwete, wêwete f. ſprête,
    wête = ſpræte, wæte bei Herb. 15a 107a; dieſer dich-
    ter ſetzt 110d ruejeten (remigabant) 105a das part. ge-
    ruoret (ſ. 435. note) M. S. 2, 150b ſteht ruodern. —
  • 8) ſchwache verba mit der bildung -ew ſtoßen das e
    nach l, r und kurzem voc. nothwendig aus, als: ſel-
    wen. velwen, gerwen, verwen; nach t darf es blei-
    ben oder ausfallen, z. b. verwitewen, verwitwen Nib.
    8860. Praet. ſalte, valte, garte, varte; für garte häu-
    fige belege, die andern ſind mir nicht vorgekommen,
    aber kaum zu bezweifeln; verwitwen macht verwit-
    wete, ſchwerlich verwitte [ſchatte f. ſchatete iſt hin-
    kende vergleichung, ſeit es nicht mehr ſchatewen
    ſondern ſchaten heißt].
  • 9) bringen, brâhte, brâhten; conj. bræhte, bræhten;
    part. brâht (nicht gebrâht); denken, dâhte, dâhten;
    dæhte; gedâht; dunken (:trunken troj. 74b) dûhte,
    dûhten; diuhte; gedûht; würken (beßer als wirken,
    im reim nur auf lürken in der ſchmiede) worhte,
    worhten; wörhte; geworht; vürhten, vorhte (goth.
    faúrhta, alth. vorahta) vorhten; vörhte; gevorht. Der
    conj. umlaut entſpricht der zweiten anom.
  • 10) vrâgen geht regelmäßig ſchwach nach zweiter, praet.
    vrâgete, vrâgte; ſpur anderer formen iſt im ſubſt.
    vrëge (nicht vrâge): wëge Flore 27a [vgl. 17a 22c vrâge]
    in Herb. frëget (rogatis) gefrëget (rogatum) 52d 114d
    aber außer reim, endlich in dem bei Ottoc. häufigen
    freit (rogat. rogatis) im reim z. b. 479b 485a 501b 511b
    548b etc. was nach der analogie treit an das neuh.
    fragen, frûg gemahnt; aber nirgend ein mittelh. vruoc.

Mittelniederländiſches verbum.


praeſ. ind. -e -es -etpl. -en -et -en
conj. -e -es -e-en -et -en

1) praeſ. ſtarker und ſchwacher conj. fließen in dieſem
paradigma zuſammen und nur das praet. ſcheidet beide.
2) ind. und conj. gleichen ſich. bis auf die abweichung
der III. ſg., völlig. 3) die mittelh. regeln vom tonlo-
ſen und ſtummen e ſind hier unanwendbar; apocope
gilt (anlehnungen abgerechnet) niemahls, der wurzelvoc.
ſey lang oder kurz, es heißt nëme (ſumo) tëre (conſu-
mo) wie vrieſe (gelo); eben ſo wenig ſyncope vor dem
-n, es heißt tëren, nicht tërn, ſelten vor dem -s.
Nur vor dem -t darf das e wegfallen, aber auch blei-
ben, man findet têrt neben tëret, ſpaert neben ſparet,
ghêft neben ghëvet. 4) durch inclination wird das -t
zuweilen in d gewandelt, als hêfdi ſtatt hevet hie, drîfdi
ſt. drîvet ghi.


Mittelniederländiſche ſtarke conjugation.

praet. ind. I. III. ſg. gibt die bloße abgelautete wurzel,
ohne flexion; pl. praet. ind. und das ganze praet. conj.
flectieren wie das praeſ. -en, -et, -en; -e, -es, -e;
-en, -et, -en; merkwürdig aber geht II. ſg. ind.
nicht auf -e, ſondern zuſ. fallend mit dem conj., auf
-es aus, belege: ſaghes (vidiſti) ſcrëves (ſcripſiſti)
Maerl. 2, 130. groeves (fodiſti) Rein. 351. — Einzelne
conjugationen:


  • I. valle (cado) vël (:wël Maerl. 3, 229.) vëllen (:gheſëllen
    1, 52. 2, 78.) vallen [viel 3, 223. 225, vielen 1, 285.
    viele:ſiele Rein. 338.]; houde (teneo) hëlt (:tëlt,
    ghewëlt 1, 141, 149, znweilen hilt: ghewilt 3, 43.)
    hilden, houden; andere wie ſoute (ſale condio) ſëlt
    oder ſilt, ſilten, ſouten kann ich nicht belegen;
    part. ghevouden Huyd. op St. 2, 576.; banne (in-
    [971]II. mittelniederl. ſtarke conjugation.
    terdico) bën (?) binnen (?) bannen (1, 203. 222. 255.);
    ganghe (3, 347.) ghinc, ghinghen, ganghen; hanghe,
    hinc, hinghen, hanghen (1, 54.); vanghe, vinc,
    vinghen, vanghen [für ganghen, vanghen gewöhnli-
    cher: gaen, vaen, vgl. Stoke 3, 35.] — Unorganiſche
    übergänge aus ſiebenter conj. hierher ſind: ſtape (gra-
    dior) ſtiep (Stoke 2, 82.) hëffe (tollo) hief (Maerl. 1,
    81. 83. 360.) hieven, hëven; beſëffe (intelligo) befief
    (3, 247.) beſieven, beſëven (1, 217.) waſſe (creſco) wies
    (1, 16, 66. 2, 124.) wake (vigilo) wiec (2, 210. 226.
    3, 134.) vermuthlich bake, part. baken (3, 344.). —
  • II. hête, hiet, hieten, hêten; ſcêde, ſciet, ſcieden, ſcê-
    den; vrêſche, vrieſch, vrieſchen, vrêſchen (Stoke 1,
    265). —
  • III. lôpe, liep, liepen, lôpen; roepe, riep, rìepen, roe-
    pen; houwe, hieu, hiewen, houwen; ſtôte, ſtiet, ſtie-
    ten, ſtôten. —
  • IV. ſlape, ſliep, ſliepen, ſlapen; late, liet, lieten, laten
    [keine kürzung des laten in laen]; verwate (maledico)
    verwiet (1, 13.) verwieten, verwaten (1, 61.); rade,
    riet, rieden, raden; blaſe, blies, blieſen, blaſen. —
  • VII. male, moel (3, 195.) moelen, malen; vare, voer,
    voeren, varen; ſcape, ſcoep, ſcoepen, (Stoke 2, 459.
    mit der var. ſciepen, vgl. ſtape conj. I.) ſcepen (Maerl.
    1, 204.); grave, groef, groeven, graven; ebenſo ſcave;
    lade, loet (3, 23.) loeden, laden; wade (tranſeo) woet,
    woeden (Stoke 3, 126. 127.) waten; draghe, droech,
    droeghen, dreghen (1, 453. Rein. 301.) dwaghe (abluo)
    dwoech, dwoeghen, dweghen (2, 184.) ſlaghe, ſloech,
    ſloeghen, ſleghen (1, 452.) ghewaghe (memoro) ghe-
    woech, ghewoeghen (3, 247.); lache, loech (1, 80, 106.)
    l[o]echen, lachen (?); ſtanden (üblicher ſtaen Stoke 3,
    35.) macht bald ſtoct (1, 207. 2, 388. Rein. 302.) bald
    ſtont (2, 297.) pl. ſtonden, ſtanden (oder ſtaen) ſwëre
    (juro) hat im praet. ſwoer (Rein. 312.) im part. nach
    XI. gheſworen (Rein. 328. 346.).
  • VIII. dwîne (pereo 1, 74.) dwên, dwënen, dwënen;
    ſcîne, ſcên, ſcënen, ſcënen; grîpe, grêp, grëpen, grë-
    pen; nîpe (vellico) nêp, nëpen, nëpen (Rein. 281.)
    blîve, blêf, blëven, blëven; drîve, drêf, drëven, drë-
    ven; clîve (ſcando 1, 461.) ſcrîve, ſcrêf, ſcrëven, ſcrë-
    ven; wrîwe (frico) wrêf (1, 435.) wrëven (2, 214.)
    wrëven; rîte (disrumpo) rêt, rëten, rëten; ſmîte,
    ſmêt, ſmëten, ſmëten (3, 33.); ſplîte (findo) ſplêt,
    fplëten, ſplëten; ontbîde (exſpecto Stoke 1, 488.) ont-
    [972]II. mittelniederl. ſtarke conjugation.
    bêt (2, 112.); lîde (tranſeo) lêt (2, 223. 3, 233.) lëden,
    lëden (3, 162.); mîde; rîde (equito) rêt, rëden,
    rëden; ſnîde; ſtrîde (pugno) ſtrêt (1, 9. 358.) ſtrëden,
    ſtrëden; verrîſe (ſurgo) verrês (2, 7.) verrëſen, verrëſen
    (2, 162.) crîſche (vocifero) crêſch (1, 334.) crëſchen,
    crëſchen; ſtrîke, ſtrêc, ſtrëken, ſtrëken (1, 181.); ſwîke,
    ſwêc, (Stoke 3, 45.) ſwëken, ſwëken; wîke (recedo);
    ghelîke (ſimilis ſum); nîghe, nêch, nëghen (1, 73.)
    nëghen (1, 290.); ſwîghe (taceo) ſwêch, ſwëghen,
    ſwëghen; tîghe (? tîe, arguo) têch (1, 308, 435.) tëghen
    (Rein. 348. 370.) —
  • IX. drûpe (ſtillo) drôp, dropen, dropen; crûpe (repo)
    crôp (2, 106.) cropen (1, 424.) cropen; ſlûpe, ſlôp
    (1, 276. 452.) ſlopen, ſlopen (1, 210.) ſûpe, ſôp, ſo-
    pen, ſopen; ſcûve. ſcôf, ſcoven (1, 285.) ſcoven;
    ſcrûve (torqueo) ſcrôf, ſcroven, ſcroven (3, 40.); ſtûve
    (Stoke 2, 419.) ſtôf (1, 444. Rein. 286.) ſtoven, ſtoven;
    giete, gôt, goten, goten; verdriete, verdrôt, verdro-
    ten, verdroten; vercriete (expello?) vercrôt (1, 426,);
    ſciete, ſcôt (1, 264.) ſcoten, ſcoten; vliete (fluo) vlôt;
    biede, bôt, boden, boden; verlieſe, verlôs, verloren,
    verloren; kieſe, cos, coren, coren; vrieſe (gelo) vrôs,
    vroren, vroren (1, 419. wofür aber 1, 394. vorſen);
    lûke (claudo) lôc (2, 214.) loken (2, 187.) loken
    (1, 5.); rûke (exhalo) rôc; bûghe (flector) bôch, bog-
    hen, boghen; bedrieghe (decipio); lieghe (mentior) lôch
    (2, 78.) loghen, loghen; ſûghe (ſugo) ſôch (3, 78.) ſoghen,
    ſoghen; vlieghe (volo 2, 468.) vlôch, vloghen, vloghen;
    vlie (fugio) vlô, vloen, vloen (3, 339.) und aus X. hierher
    übergehend plien (ſolere) pliet (ſolet) part. gheploghen
    (1, 265. ploen (Maerl. 3, 339.) blûwe, brûwe (1, 160.)
    rûwe werden lieber geſchrieben blouwe, rouwe und
    machen das praet. blau (1, 174.) brau, rau (3, 28.)
    part. blouwen (Rein. 321.) brouwen (Rein. 338.) rou-
    wen. —
  • X. ghëve, gaf, gaven, ghëven; clëve (haereo) claf (2, 219.
    außer reim) claven, clëven; wëve, waf (2, 52.) waven,
    wëven; ëte, at, aten, ëten; verghëte; mëte, mat, ma-
    ten, mëten; ſitte, ſat [3, 73, aber 3, 39. ſët:mët
    vielleicht ſat:mat zu beßern?] ſaten. ſëten; bidde,
    bat, baden, bëden; tërde (calco f. trëde) tart (Rein. 291.
    Maerl. 1, 242. 392. 2, 244.) [pl. tarden. part. ghetër-
    den finde ich auch nicht; wohl aber inf. tërden Rein.
    358., nicht tarden, wie Huyd. z. St. 1, 525. ſchreibt];
    lëſe, las, laſen, lëſen; ghenëſe, ghenas, ghenaſen, ghe-
    [973]II. mittlniederl. ſtarke conjugation.
    nëſen; wëſe, was, waren, wëſen; brëken, ſprëken,
    trëken, wrëken gehen in XI. über, merkwürdig bleibt
    aber ſtëken in X, ſowohl das einf. ſteke (trudo) ſtak
    (1, 11, 266.) ſtaken (1, 143. 3, 4.) part. ſtëken (1, 323. 466.
    2, 176. Rein. 370. 372.) als das comp. ontſtëke (incendo)
    ontſtak (1, 222. 322.) ontſtaken, ontſtëken (1, 286. 2, 160.);
    ligghe (jaceo) [III. ſg. häufig lëghet 2, 365. 428. Stoke
    1, 38. Rein. 348.] lach, laghen, lëghen; plëghe (ſoleo)
    III. plëghet (1, 243. 2, 428. 475.) plach, plaghen (Stoke
    3, 297.) plëghen [daneben häufig den inf. plien 2,
    285. 398. III. pliet 1, 243. 2, 90. 399. 475, part. ghe-
    ploen, nach verführender analogie von vlien, vliet,
    ghevloen; doch nie das praet. ploen, vielmehr immer
    plach, plaghen]; wëghe, wach (Stoke 2, 21.) waghen,
    wëghen; ſien (videre 2, 355.) ſie (video) ſiet (videt 1,
    332.) ſach (vidi, Rein. 312.) pl. ſaghen, part. gheſien
    (1, 99. Rein. 362.); gheſcien (accidere) geht ſchwach,
    praet. gheſciede). —
  • XI. hële, hal, halen, holen; ebenſo bevële; ſtële; nëme,
    nam, namen, nomen, zuweilen im inf. nomen f. në-
    men (1, 110.) analog dem comen, come, quam, qua-
    men, comen; ſtëne (gemo) ich finde nur zweimahl
    das praet. ſtan (2, 242. Rein. 301.) nicht ſtanen, noch
    part. ſtonen; bëre, bar, baren, boren; beghëre (appeto)
    begar, begaren (2, 80. 3, 76.) begoren [nur der pl. praet.
    belegbar]; ſcëre, ſcar, ſcaren, ſcoren; tëre, tar, taren,
    toren; brëke, brac, braken, broken (2, 19. Rein. 347.);
    ſprëke, ſprac, ſpraken, ſproken (1, 133.); trëke, trac,
    traken (1, 310. Rein. 300.) troken (1, 453.); wrëke,
    wrak (Stoke 1, 370.) wraken (maerl. 1, 19.) wroken
    (2, 27. 36.); ſtëke bleibt in X, doch ſtehet auch der
    pl. praet. ſtoken ι, 174b. —
  • XII. ſwëlle, ſwal (2, 219.) ſwollen, ſwollen; hëlpe, halp,
    holpen, holpen; dëlve, dalv, dolven, dolven (1, 301);
    ſmëlte, ſmout, ſmouten; ſwëlte (eſurio 3, 388.);
    ontgëlde (rependo) ontgout, ontgouden (1, 277.) ont-
    gouden; ſcëlde (increpo) ſcout. ſcouden, ſcouden
    (3, 72. Stoke 1, 16. 3, 151.); belghe, balch, bolghen,
    bolghen; ſwëlghe, ſwalch, ſwolghen, ſwolghen (1, 321.
    3, 248.); climme (aſcendo) clam (2, 133. 181.) clom-
    men, clommen (2, 62); crimpe, cramp (Rein. 319.)
    crompen; beghinne, began, begonnen, begonnen;
    ebenſo rinne, ſpinne und winne; binde, bant, bon-
    den, bonden; prinde (prehendo) prant (1, 202. 307.
    [974]II. mittelniederl. ſtarke conjugation.
    2, 287. 3, 38.) pronden (Rein. 287.); ſlinde; vinde;
    drinke, dranc, dronken, dronken; ſinke (3, 188.);
    dwinghe, dwanc, dwonghen, dwonghen; wringhe
    (torqueo) wranc (Stoke 3, 127.) wronghen, wronghen;
    clinghe; ſinghe; ſpringhe; wërpe, waerp, worpen,
    worpen; verdërve, verdaerf, verdorven, verdorven;
    ſtërve, ſtaerf, ſtorven, ſtorven; wërde, waert, wor-
    den, worden; [dërſche (trituro) darſch (3, 195.); vëchte,
    vacht; vlëchte, vlacht (3, 202.) ſind mir im pl. praet.
    ungewis].

Anmerkungen zu den ſtarken conjugationen.


  • 1) vocale: α) der hochd. wechſel zwiſchen ë und i
    conj. X. XI. XII. gebricht, es heißt ghëven, ghëve,
    ghëves, ghëvet, hëlpen, hëlpe, hëlpes, hëlpet etc.
    Durchgängiges i haben bidden, ſitten, nur im part.
    bëden, ſëten; neben ligghen (jacere) ſcheint lëgghen
    gültig; plëghen und plien ſchwanken (bemerkens-
    werth plëghen te pliene 3, 197.); ſien, ſie, ſies
    (3, 181.) ſiet leidet kein ë und macht ſelbſt das part.
    gheſien, ie entwickelte ſich aus dem alten ëh (vgl.
    geſcien und vlien) iſt alſo in plien f. plëghen unorga-
    niſch. — β) im pl. praet. und part. conj. VIII. IX.
    ſind i und u durch ë, o gleichmäßig verdrängt; auch
    im praet. XII. beſteht kein u mehr, wohl aber im
    praeſ. i vor m und n; dieſes binden, bonden iſt in-
    conſequent, da es entw. binden, bunden oder bën-
    den, bonden heißen ſollte. — γ) im praeſ. conj. IX.
    haftet ie nur vor ling., dagegen gilt û vor lab. und
    gutt. (ausg. drieghen, vlieghen und vlien). — δ) um-
    laut
    fehlt durchaus, weshalb praet. ind. und conj.
    in II. ſg. und im ganzen pl. zuſ. fallen; auch im
    praeſ. VII. conj. heißt es vares, varet, nicht vëres,
    vëret; bemerkenswerth iſt das ë im part. dieſer conj.
    vor gh in drëghen, dwëghen, ſlëghen ſt. draghen etc.
    dem angelſ. drägen, þvägen, ſlägen (ſ. 896.) altn. dre-
    ginn, þveginn, ſleginn (ſ. 913.) vergleichbar. — ε) die
    vertauſchung des ablauts oe mit ie (ſtiep, ſciep?, hief,
    beſief, wies) gemahnt ans mittelh. ier (? für uor) und
    bluonden f. blienden (ſ. 941.) vgl. neuh. mieder, mit-
    telh. muoder. — ζ) die verwandlung des a in ae vor
    rp, rf, rt (waerp, ſtaerf, waert), des old in oud (hou-
    den, ghehouden; gouden, ghehouden) gründet ſich
    auf erörterte lautgeſetze dieſer mundart, ſtört aber den
    ablaut. Wer ſollte denken, daß vonden, gouden (mit-
    [975]II. mittelniederl. ſtarke conjugation.
    telh. vunden, gulten), wiederum vallen, houden
    (mittelh. vallen, halten) der nämlichen conj. folgen? —
    η) noch größere ſtörung in den ablaut bringt die vom
    ausfall oder zutritt eines flexionsvocals abhängige ver-
    längerung oder kürzung des wurzelvocals. Jene hat
    ſtatt in der III. ſg. oder II. pl. vor dem t. ſetzt aber
    voraus, daß die wurzel mit einfachem conſ. ſchließe,
    z. b. aus varet. wëvet wird vaert. wêft. Gleiche wir-
    kung kann in I. III. praet. ſg. ein angelehntes pron.
    haben, z. b. waeft ſt. waf hët. Wurzeln mit doppel-
    conſ. behalten aber den kurzen voc. auch bei ſolchen
    ſyncopen und anlehnungen, z. b. dëlft (nicht dêlft)
    f. dëlvet und ſwalt (nicht ſwaelt) f. ſwal hët, weil
    ſwal von ſwëllen ſtammt. Die kürzungen urſpr. langer
    wurzelvocale bei nachfolgendem flexions-e ſind bedenk-
    licher, ausgemacht nur im hauptfall, d. h. des ae in a; ſo
    ſteht im pl. praet. X. XI. gaven, namen (nicht gaeven,
    naemen) und im praeſ. IV. (im grund fällt ſie dadurch
    ganz zur erſten) ſlape, late (nicht ſlaepe, laete). Ana-
    loge kürzungen des î, ô, û habe ich nicht angenom-
    men; noch unannehmbarer wären ſie bei oe, ie, wie-
    wohl vël, hinc, ſtont f. viel, hienc, ſtoet angeſchla-
    gen werden dürfte und daß ghelopen (alſo nicht ghe-
    lôpen) auf ontſlopen reimt (Maerl. 2, 301). Wie ſehr
    ſich das niederl. verhältnis des a, ae vom hochd. des
    a, â entfernt, iſt augenſcheinlich, vgl. waf, waeft,
    waven, mhd. wap, wabeƷ, wâben.
  • 2) conſonanten: α) gem. vereinfacht ſich auslautend, clam
    f. clamm, vël f. vëll von vallen. β) vëllen weicht vom
    mhd. vielen ab, ſtimmt aber zum altn. fêllo (? fëllo)
    angelſ. fëollon (ſ. 899.); doch gilt vielen daneben. γ) aus-
    lautend nur p. t. c. f, ch, kein d. gh. v, welche auch
    inlautend bei ſyncopiertem e in jene übertreten, z. b.
    bôt, lach, gaf, wranc, ſtaerf, balch (mhd. bôt, lac, gap,
    ranc, ſtarp, balc) lêcht, gêft f. lëghet, gëvet; unwan-
    delbar bleiben die tenues, z. b. grêp, rêt, brac (mhd.
    greif, reiƷ, brach). — δ) inlautend fallen wurzelhafte
    t und d vor dem t der flexion bei ſyncopiertem e
    weg, z. b. hêt (vocatur) rît (equitat) ſchiet (jaculatur)
    laet (ſinit) ſit (ſedet) bit (rogat) biet (offert) waet
    (tranſit) vint (invenit) ſtatt hêtet, rîtet, ſchietet, la-
    tet, ſittet, biddet, biedet, wadet, vindet; in der II.
    pl. praet. finde ich volle form ſatet, atet Rein. 310. —
    ε) wechſel des ſ und r: verlieſen, verlôs, verloren;
    [976]II. mittelniederl. ſchwache conjugation.
    ebenſo kieſen, vrieſen; wëſen, was, waren. — ζ) das
    inlautende h mangelt in ſlaen, dwaen, ſien, vlien,
    aber die praet. ſloech, dwoech, ſach pl. ſloeghen,
    dwoeghen, ſaghen entwickeln den kehllaut, nicht vlô,
    vloen. — η) eliſion des n in ſtoet neben ſtont, pl.
    nur ſtonden, nicht ſtoeden.
  • 3) ſchwache praeſentia haben: ſwëren, hëffen, beſëffen,
    bidden, ſitten.
  • 4) gaen und ſtaen beſitzen auch hier doppelte form.
    α) gewöhnlich lautet der inf. gaen, ſtaen (:ſaen, ſlaen
    Maerl. 3, 171.); III. praeſ. gaet, ſtaet (:daet, raet 3,
    171. 182. Rein. 280. 353.); part. begaen (3, 172.) ghe-
    ſtaen (Rein. 296.); imp. ganc (2, 140. 157.) ſlant. —
    β) ſeltner III. praeſ. ſtêt (: wêt, hêt, ſwêt 1, 126. 2,
    241. Rein. 352.) ghêt (: hêt Stoke 1, 48.); doch den
    inf. ghên, ſtên finde ich nicht. Im reim aufeinan-
    der ſteht immer die ae-form. Die I. praeſ. lautet
    gae, ſtae (Rein. 316. 351.) die praet. ghinc, ſtont,
    ſtoet ſind vorhin angegeben [bisweilen auch ſlêt, dwêt
    f. ſlaet, dwaet; Huyd. op St. 3, 178. 179.].

Mittelniederländiſche ſchwache conjugation.

praeſensflexionen, wie die ſtarken, außer daß ſg. imp.
nicht auf die bloße wurzel ausgeht, ſondern -e be-
kommt; die flexionen des praet. ind. und conj. ſind:
-ede, -edes, -ede; pl. -eden, -edet, -eden. Da aber
das ableitungs-e vor dem d in der erſten conj. immer,
in der zweiten gewöhnlich wegfällt, ſo entſpringen dar-
aus theils für den wurzelvocal, theils für die wurzelcon-
ſonanz, theils für das d der flexion folgende verände-
rungen: 1) von einf. conſ. der wurzel gefolgt wird a
zu langem ae, vgl. wanen, waende; maken, maecte;
ſaden, ſaedde, vermuthlich auch ë zu ê: deren, dêrde.
2) v und gh der wurzel werden zu f und ch, gleich als
lauteten ſie aus: ſcraven, ſcraefde; vraghen, vraechde;
auch lgh, rgh zu lch, rch, doch ngh zu nc: volghen,
volchde; ſorghen, ſorchde; minghen, mincte. 3) das
flexiviſche d wird nach wurzelhafter ten. p. t. c. jedes-
mahl zu t, desgl. ſobald ſich ngh zu nc gewandelt hatte:
drôpen, drôpte; haten, haette; vaken, vaecte; linghen,
lincte; ebenſo nach vereinfachtem ſſ: cuſſen, cuſte.
4) nach I. m. n. r und vereinfachtem nn bleibt d un-
geſtört; voelen, voelde; noemen, noemde; ſoenen,
ſoende; voeren, voerde; kennen, kende; ebenſo nach
[977]II. mittelniederl. erſte ſchwache conjug.
d. ſ. f (aus v) ch (aus gh): dieden, diedde; ſënden,
ſëndde; wîſen, wîſde; peinſen, peinſde; mêrſen, mêrſde;
laven, laefde; jaghen, jaechde; nur das aus p entſprin-
gende ch hat kein d nach ſich, weil eben dieſe verwand-
lung ans t bedingt war, alſo eôpen (emere) côchte,
nicht côchde. 5) nach ſt. cht ſchwindet das flexiviſche
t: vaſten, vaſte; wachten, wachte f. vaſtte, wachtte;
nach tt. dd iſt es gleichviel, vereinfachung der gem.
oder ſchwinden des t, d der flexion anzunehmen: ſët-
ten, ſëtte; quëdden, quëdde. 6) man prüfe genauer, ob
nicht ſtatt der unter 4. angenommenen diedde, ſëndde
zuweilen diede, ſënde vorkomme? wenigſtens Maerl.
1, 200. 332. 3, 283. reimt blënde (ſt. blëndde): ſcënde,
ſënde (ſt. ſëndde): ënde; voede (ſt. voedde): hoede.
7) aus dd kann bei nochmahliger contraction wieder-
um ten. werden, nämlich in II. pl. Rein. 282 meslêt-
tene (ſeduxiſtis eum) ſt. meslêddet hem, verſchieden von
meslêtene (ſeducitis eum) ſt. meslêdet hëm. — Für die
contraction des praeſ. gilt das bei der ſtarken conj. ge-
ſagte, z. b. ſcaet (nocet) tìt (proficiſcitnr) ſtehet für ſca-
det, tìdet.


Erſte ſchwache conjugation.

Die ſcheidung von der zweiten läßt ſich beinahe nur
hiſtoriſch ermitteln, da α) ſyncope des praet. auch mei-
ſtens in zweiter β) kein lebendiger um- noch rück-
umlaut in erſter gilt; nur die alten umlaute e, nunmehr
zu ë geworden, beſtehen fort, vermögen aber nicht im
praet. das reine a zurückzunehmen, gleichviel ob die
wurzelſilbe kurz oder lang iſt, z. b. ëren (arare) êrde;
wënden, wëndde. γ) practiſch fallen die meiſten ë in
die erſte, die meiſten a in die zweite; doch können
auch die zu a verkürzten ae in der erſten ſtehen, z. b.
wanen (opinari). — Beiſpiele von verbis erſter conj.:
ſpëlen (ludere) ſpêlde. hêlen (ſanare) hêlde. voelen (ſen-
tire) voelde. noemen (nominare) noemde. roemen (jac-
tare, paraſitari Rein. 351.) gômen (obſervare) gômde.
wanen (putare) waende. mênen (idem) mênde. hônen
(deridere) hônde. dëren (nocere) dêrde. ëren (arare)
êrde. nëren (ſervare) nêrde. këren (vertere) kêrde. lêren
(docere) lêrde. ſcoren (rumpere) ſcôrde. hôren (audire)
hôrde. vuren (evirare) vurde *). ſtieren (gubernare) ſtierde.
Q q q
[978]II. mittelniederl. zweite ſchwache conjugation.
voeren (ducere) voerde. drôpen (inſtillare) drôpte. groe-
ten (ſalutare) groette. lêden (ducere) lêdde. gherêden
(praeparare) dieden (ſignificare) dôden (interficere) dôdde.
hoeden (cuſtodire) hoedde. voeden (alere) voedde. lûden
(ſonum excitare) lûdde. tôghen (oſtendere) tôchde. tëllen
(narrare) tëlde. kënnen (noſcere) kënde. blënden (coe-
care) blëndde. ënden (finire) ëndde. ſcënden (contume.
lia aff.) ſcëndde. ſënden (mittere) wënden (vertere)
linghen (elongare) lincte. minghen (miſcere) mincte. ghe-
hinghen (permittere) ſchërmen (tueri) ſcërmde. bërnen
(cremare) bërnde f. brënnen, brënde [das daneben vor-
kommende brande 1, 157. 3, 226. hat den inf. branden]
ſëtten (ponere) ſëtte. lëtten (impedire) lëtte. nutten (uti)
nutte. quëdden (ſalutare) quëdde. ſcudden (quatere)
ſcudde. cuſſen (oſculari) cuſte. trôſten (conſolari) trôſte.
dëcken (tegere) dëcte. mëcken (attendere) mëcte. wëcken
(excitare) wëcte. lëgghen (ponere) und ſëgghen (dicere)
machen leide, ſeide ſt. lëchde, ſëchde. ſtichten (fundare)
ſtichte. — Einigemahl erſcheint das alte ableitungs-i
verſteinert, ërjen (arare) Maerl. 2, 28. hërghen (vaſtare)
Stoke 1, 362.


Zweite ſchwache conjugation.

ſyncopiert wird immer nach einfachem l. m. n. r. t. d.
ſ.; niemahls nach ll. rr.; ſchwankend ſyncopiert oder
nicht [doch überwiegend letzteres] nach p. v. w. k.
gh. mm und nn. Beiſpiele: dalen (occidere, labi) daelde.
halen (accire) haelde. talen (loqui) taelde. verſamen (con-
gregare) verſaemde. ſcamen (vereri) ſcaemde. tamen (de-
cere) taemde. rûmen (cedere) rûmde. tûmen (ſaltare)
manen (hortari) maende. ſpanen (lactare) wênen (plo-
rare) dienen (ſervire) wonen (habitare) rûnen (ſuſurrare)
ſtûnen (niti) ghebaren (geſtire) ghebaerde. ſparen (par-
cere) ſpaerde. vervaren (timere) vervaerde. êren (hono-
rare) êrde. lâven (recreare) lavede und laefde; ebenſo:
ſcaven (diſcedere) ſcraven (ſcalpere) bëven (tremere) lë-
ven (vivere) ſnëven (titubare) loven (laudare) rôven
(ſpoliare); côpen (emere) côchte, ſchwerlich côpede;
hopen (ſperare) hopede oder hôpte, nicht hochte; haten
(odiſſe) haette. bêten (deſcendere) bêtte. paden (ſemitare)
paedde. ſaden (ſatiare) ſaedde. ſcaden (nocere) gheſtaden
(concedere) gheſtaedde; tîden (proficiſci) tîdde. jaghen (ve-
nari) jaghede und jaechde; ebenſo: behaghen (delectari) va-
ghen (mundare) vraghen (interr.) doghen (tolerare) poghen
[979]II. anomalien der mittelniederl. conjugation.
(ſtudere); craken (ſtrepere) crakede und craecte; ebenſo:
graken (diluceſcere Stoke 2, 497.) maken (facere) naken
(appropinquare) gheraken (pertingere) ſmaken (guſtare)
vaken (dormitare) waken (vigilare) beſêken (commín-
gere Rein. 278.) ſmêken (adulari) vlouken (maledicere);
callen (blaterare) callede. gheſëllen (ſociare) gheſëllede.
dammen (aggerare) dammede. minnen (diligere) minnede,
ſeltner minde. ërren (errare) ërrede. mërren (morari)
mërrede. porren, porrede; danken. dancte. volghen (ſe-
qui) volchde. cranken (infirmari) crancte. peinſen (co-
gitare) peinſde. veinſen (ſimulare) veinſde. ſorghen (cu-
rare) ſorchde. baſſen (latrare) baſſede. vaſten (jejunare)
vaſte. taſten (palpare) taſte. hêſchen (exigere) hêſchede
und hêſte (3, 210.) ebenſo vrêſchen (fando percipere)
achten (attendere) achte. wachten (exſpectare) wachte. —
Bildungen mit -el, -em, -en, -er kürzen ihr praet.
beſtändig, als: wimpelen (velare) wimpelde; wandelen
(mutare) wandelde; nëſtelen (nidum aedificare) Rein.
350. ſtivelen (interficere) Maerl. 1. 105. 307. knielen (ge-
nuflectere) knielde; ſeilen (navigare) ſeilde; ontfaremen
(miſereri) ontfaremde oder ontfaermde; reinen (pluere)
reinde; lachteren (increpare) lachterde; ſëkeren (firmare)
ſëkerde; ſeltner ſind andere bildungen, z. b. mëtſen (la-
pidem caedere) mëtſte; hêlſen (ſalutare) 1, 275; mêrſen
(augeri) mêrſde (1, 157. 200.) minken (minuere) minkede
(2, 225.)


Anomalien der mittelniederländiſchen conjugation.

  • 1) eſſe vierſtämmig: α) III. praeſ. ind. ſg. ës (: ghewës
    Rein. 293.) ſelten is (Maerl. 1, 136. 315.) nie ëſt, iſt. —
    β) inf. ſin (Rein. 302.); pl. praeſ. ind. I. ſîn II. ſît
    III. ſîn; praeſ. conj. ſî, ſîs (1, 319.) ſî; ſîn, ſît, ſîn;
    part. praet. gheſîn (Maerl. 3, 244.). — γ) I. prael. ſg.
    bëm (: hëm Rein. 305. und auch außer reim: ic bëm,
    ic bëmt [mhd. ich binƷ] bëm ic) II. bëſt (: liſt. Rein.
    351.). — δ) inf. wëſen; praet. was, wares, was; wa-
    ren, waret, waren; part. praet. ghewëſen (Maerl. 3,
    245.) wofür ghewêſt nur außer reim vorkommt (3, 334.);
    ſîn und wëſen, gheſîn und gewëſen ſtehen in denſel-
    ben quellen nebeneinander, doch überwiegen wëſen
    und ghewëſen; vgl. Huyd. op. St. 1, 449.
  • 2) α) moet, moetes, moet; pl. moeten; praet. moeſte.
    β) wêt, wëtes (2, 183.), wêt; pl. wëten, wêt, wëten;
    praet. wiſte (Rein. 344. Maerl. 2, 222. γ) dôch, doghe [...],
    Q q q 2
    [980]II. anomalien der mittelniederl. conjugation.
    dôch; doghen; dochte. δ) mach, moghes (2, 128.)
    mach; moghen; praet. mochte II. pl. mocht (f. moch-
    tet Rein. 282.); part. praet. ghemoghen Rein. 325.
    ε) ſal, ſules (?) ſal, pl. ſulen, ſult (neben ſout) ſulen;
    praet. ſulde neben ſoude. ζ) an oder jan (Huyd. op
    St. 3, 309. 310.) onnes, an, pl. onnen; praet. onſte;
    ebenſo veronnen und wanconnen (beide invidere).
    can, connes, can; connen; praet. conſte inf. connen
    (1, 440.). θ) dar, dorres, dar; pl. dorren, dorret
    (Rein. 348.) dorren; praet. dorſte (Huyd. op. St. 3,
    429.). ι) daerf (auch dërf geſchr.) dorves, daerf; pl.
    dorven; das praet. finde ich nicht.
  • 3) wille, willes (?) wille, pl. willen; praet. wilde und
    daneben in denſelben quellen woude, doch erſteres
    öfter, zumahl außer reim; im reim beide auf hilde,
    milde, ſoude, goude etc.; wouts, ſouts (velles, debe-
    res 1, 340.) ſteht f. woudes, ſoudes.
  • 4) doen macht das praeſ. doe, does, doet; pl. doen;
    praet. dëde (: mëde, ſëde, ſtëde Rein. 283. 353. Maerl.
    3, 230. 247.) dades, dëde; pl. daden; praet. conj. dade
    (3, 210); part. praet. daen.
  • 5) hëbben macht das praeſ. I. hëbbe II. hëves oder hêfs
    III. hëvet oder hêft; pl. I. hëbben II. hëbt (nicht hêbt)
    f. hëbbet, III. hëbben; man merke die verſchiedenheit
    der III. ſg. von II. pl. (welche perſonen in der regel-
    mäßigen conj. immer gleichlauten) ſie rührt daher,
    daß II. III. ſg. ungeminierte, alle übrigen perſ. gem.
    form beſitzen, in genauer einſtimmung mit dem
    angelſ. (ſ. 908.). Das praet. heißt hadde (f. habde). —
  • 6) bildungen mit w, j. h: α) das w bleibt im praet.
    ſtehen: dauwen (roreſcere) dauwede; bonwen (colere)
    bouwede; ſcouwen (videre) verduwen (opprimere) ver-
    duwede (1, 331. 2, 230.); vernuwen (renovare) ſcu-
    wen (vereri) ſpuwen (ſpuere). — β) das j wird zu i
    (vgl. oben ſ. 483.): blaejen, blaeide; maejen; ſaejen;
    waejen; bloejen, bloeide; gloejen (candeſcere) moejen
    (fatigare) roejen (remigare) ſcoejen (calceare) ſcoeide
    Rein. 359.) vloejen (fluere) etc. die quellen ſchreiben
    im praet. lieber blaîde. vloîde. — γ) h iſt allenthal-
    ben unterdrückt: verſmaen (contemnere) verſmade
    (3, 210.) vlaen (excoriare) vlade [merkwürdig das ſtarke
    part. praet. ghevlaen oder ghevlëghen nach conj. VII.
    Huyd. op St. 2, 359. 583.] gheſcien (contingere)
    gheſciede; lîen (fateri, nie auf gheſcien reimend, ſon-
    [981]II. neuhochdeutſches verbum.
    dern auf abîen, occoſîen, philoſophîen, toverîen 1,
    136. 139. 200. 347.) praet. lîede (1, 162. 255.); wîen
    (conſecrare) wîede; nîen (hinnire) nîede (1, 195.);
    gheroen (quieſcere,: doen 2, 209.) roede.
  • 7) bringhen, brochte; dënken, diuken (cogitare) dachte
    und dochte; dunken (videri) dochte; wërken, wrochte,
    part. ghewracht (1, 124.); ſoeken (quaerere) ſochte; roe-
    ken (curare) rochte; vruchten (timere) vrochte (2, 421.)
    duchten (timere) dochte; dochte kann viererlei bedeu-
    ten: cogitavit, videbatur, timuit und profuit (von
    doghen) vgl. Huyd. op St. 1, 361. 2, 364. 3, 98.
    168. 379.

Das mittelengliſche verbum übergehe ich diesmahl,
bemerke nur die fortdauer des angelſ. hêht (ſ. 898.) und
ëode (909.), jenes lautet hiht (oder hight, ungut hihte,
highte) z. b. Triſtr. 99. 100. ſowohl für nominabar als
promiſi (Triſtr. 105. wo fälſchlich bihigh ſt. bihight) zu-
weilen fürs part. promiſſus (Triſtr. 117.) vgl. Tyrwhit
zu 1016. C. T. Für ivit ſteht bald yôde (: ſtôde, gôde
Triſtr. 98. 106.) bald yêde, gêde (: manhêde, dêde etc.
ibid. 100. 110.). —


Neuhochdeutſches verbum.


Vorbemerkungen: 1) da die kurzſilbigkeit der wur-
zeln verſcherzt iſt, kann von wegfallendem ſtummem e
in einfachen wörtern keine rede ſeyn. 2) das tonloſe e
wird (anlehnungen und metriſche eliſionen abgerechnet)
niemahls apocopiert: ìch nême, fâre, mâle (molo) mâle
(pingo) etc. auch nicht ſyncopiert vor -n: nêmen, fâ-
ren, mâlen; wohl aber vor -ſt und -t, nämlich α) ohne
ausnahme in II. III. praeſ. ſg. ſtarker form, ſobald vo-
calwechſel eintritt, z. b. hältſt, hält; færſt, fært; wirfſt,
wirft; trittſt, tritt; ræthſt, ræth; nicht: færeſt, wirfeſt,
hälteſt etc. β) gewöhnlich in denſelben perſonen ſtar-
ker form ohne ſolchen vocalwechſel: heißt, gießt,
ſcheint; ausg. nach wurzelhaftem t, d: bieteſt, bietet;
reiteſt, reitet; meideſt, meidet; und nicht bietſt, biet.
γ) gleichgültiger darf es in II. III. praeſ. ſchwacher form,
ſo wie II. pl. praeſ. und praet. ſtarker bald bleiben, bald
wegfallen: lôbeſt, lôbet neben lôbſt, lôbt. Fühlbar
wirft man in der III. ſg. lieber aus, in II. pl. lieber
nicht, es heißt eher ihr lôbet, als er lôbet; auch die
[982]II. neuhochd. verbum. ſtarke conjugation.
II. ſg. und pl. conj. hegt das e: du gêbeſt, dieneſt; ihr gê-
bet, dienet. — 3) von ſyncope des e im praet. ſchwacher
conj. näheres dort. — 4) in mehrſilbigen bildungen -el
-em, -en, -er, -ig
hat die flexion noch ſtummes e,
welches bei -el, -er richtig ſyn-, nicht aber apoco-
piert wird, z. b. ſicheln, klingeln, ändern, wundern;
ſichelſt, änderſt; ſichelt, ändert; hingegen: ſichele, än-
dere (wie oben ſ. 753. dunkele, mâgere) ſtatt: ſichel,
änder. Tadelhaft wäre ſichlen, wundren; ſichlet, wun-
dret; erlaubt iſt: ſichle, wundre. Bei den bildungen
- em, -en bleibt das e der flexion, man verſtößt das
der ableitung: âthmen, wîdmen, zeichnen, rêgnen
(nicht rêgen, analog dem dat. pl. rêgen, pluviis, ſt. rê-
genen); die mit -ig behalten beides den vocal der flex.
und abl. z. b. ſchædigen (nicht ſchædgen). — 5) die
flexionsconſonanten beider formen ſind im praeſ. dieſel-
ben, wie im mittelh., außer daß in III. pl. nunmehr
-en ſtatt des mhd. -ent eintritt, folglich I. und III. pl.
ganz zuſ. fallen. Hiervon macht ſelbſt das anomale ſind
(ſunt) nicht eigentlich ausnahme. —


Starke conjugationen.

im praet. die bedeutende abweichung vom mittelh., daß
II. ſg. nicht mehr auf -e mit umlaut, ſondern auf -eſt
ohne umlaut, ausgeht; einzelne conjugationen: I. falle,
fiel, fielen, fallen; halte, hielt, hielten, halten; hange,
hieng, hiengen, hangen; fange, fieng, fiengen, fangen;
das praet. gieng, part. gangen hat ein unorg. praeſ.
gêhe, gêhſt, gêht, inf. gêhen (ohne zweifel aus mhd.
gên, gêſt, gêt entſprungen); — II. da ſcheide nach ir-
riger analogie in VIII. übergeht, ſo bleibt das einzige:
heiße, hieß, hießen, heißen. — III. haue, hieb, hie-
ben, hauen; laufe, lief, liefen, laufen; rûfe, rief. rie-
fen, rûfen; ſchrôte, ſchriet; ſtôße, ſtieß — IV. ſchlâfe,
ſchlief, ſchliefen, ſchlâfen; ebenſo: brâte; râthe; laße
(ohne contraction); blâſe; — VII. mâle, mælſt, mælt;
praet. veraltet, part. noch mâlen; die praet. ſtund, ſtun-
den, part. ſtanden bildeten (analog dem gieng, gangen)
nach der mhd. kürzung ſtên, ſtêſt, ſtêt ein falſches
praeſ. ſtêhe, ſtêhſt, ſtêht, welches allmählig mit neuem
irrthum den ablaut a der zehnten conj. (ſêhen, geſchê-
hen) herbeiführend die nebenform ſtand, ſtanden zeugte,
wo nicht die verderbnis von bunden, ſturben (conj. XII.)
in banden, ſtarben ein ſtanden f. ſtunden, folglich ſtand
[983]II. neuhochd. verbum. ſtarke conjugation.
f. ſtund nach band, ſtarb veranlaßte; fâre, fûr, fûren,
faren; ſchwœre geht in XI. über; grâbe, grûb, grûben,
grâben; hêbe, hûb, hûben, hâben in XI. ſchwankend;
ſchaffe, ſchûf, ſchûfen, ſchaffen; lâde, lûd, lûden, lâden;
waſche, wuſch, wuſchen, waſchen; backe, bûk, bûken,
backen; ſchlâge, ſchlûg, ſchlûgen, ſchlagen; wachſe,
wuchs, wuchſen, wachſen. — VIII. kann in zwei claſ-
ſen getheilt werden 1) vor ten. und aſp. haben praet.
und part. kurzes i und geminierte conſonanz: greife,
griff, griffen, griffen; keife; kneife; pfeife; ſchleife; gleite,
glitt, glitten, glitten; reite; ſchreite; ſtreite; [inconſe-
quent auch ſchneide, ſchnitt, ſchnitten und leide, litt,
litten]; beiße, biß, bißen, bißen; befleiße; reiße;
ſcheiße; ſchleiße; ſchmeiße; bleiche, blich, blichen,
blichen; gleiche; ſchleiche; ſtreiche; weiche. 2) bei
vocaliſch ſchließender wurzel, ſodann vor liq. med. und
ſpir. langes î (geſchrieben ie): ſchreie, ſchrî, ſchrîen,
ſchrîen; ſpeie, fpî, fpîen, fpîen; ſcheine, ſchîn, ſchî-
nen, ſchînen; bleibe, blîb, blîben, blîben; reibe; ſchrei-
be; treibe; meide, mîd, mîden, mîden; ſcheide, ſchîd,
ſchîden, ſchîden [dieſes unorg. aus II. hierhergerückt,
durch vermengung des ie mit î]; preiſe (celebro) prîs,
prîſen, prîſen [ein fremdes wort, das ſich aus der ihm
gebührenden ſchwachen form: praet. preiſete, part. ge-
preiſet hierher eindrängte] weife (monſtro) wîs, wîſen,
wîſen [gleichfalls org. ſchwach, praet. weiſete]; ſchweige,
ſchwîg, ſchwîgen, ſchwîgen; ſteige; gedeihe, gedîh,
gedîhen, gedîhen; leihe; zeihe. — IX. wiederum zwei
claſſen: 1) vor aſp. kurzes o und gem. [das einzige bei-
ſpiel von ten. folgt unorganiſch der zweiten claſſe biete,
bôt, bôten ſtatt bott, botten, wogegen umgekehrt ſiede,
ſott, ſotten f. ſôt, fôten gilt]: ſchliefe, ſchloff, ſchlof-
fen, ſchloffen; triefe, troff, troffen, troffen; ſaufe,
ſoff, ſoffen, ſoffen; dieße, doß, doßen, doßen; ver-
drieße; fließe; gieße; ſchieße; ſchließe; krieche, kroch,
krochen, krochen; rieche. 2) vor med. und ſpir. langes
ô: ſchiebe, ſchôb, ſchôben, ſchôben; ſchniebe neben
ſchnaube (anhelo) ſchnôb, ſchnôben; ſtiebe neben ſtau-
be; ſchraube (nicht ſchriebe) ſchrôb, ſchrôben, ſchrô-
ben; erkieſe, erkôr, erkôren, erkôren; verliere, verlôr,
verlôren, verlôren; friere, frôr, frôren, frôren; biege, bôg,
bôgen, bôgen; fliege; ſchmiege; lûge, lôg, lôgen, lôgen;
truͤge oder triege, trôg, trôgen, trôgen; ſauge, ſôg,
ſôgen, ſôgen; fliehe, flôh, flôhen, flôhen; ziehe, zôg,
zôgen, zôgen. — X. gêbe, gâb, gâben, gêben; [wêbe
[984]II. neuhochd ſtarke conjugation.
in XI. überg.]; bitte, bât, bâten, bâten; trâte,
trât, trâten, trâten; eße, âß, âßen, eßen; freße; ver-
geße; meße; ſitze, ſâß, ſâßen, ſeßen; lêſe, lâs, lâſen,
lêſen; genêſe; von wêſen nur wâr, wâren, wêſen übrig,
kein praeſ.; lîge, lâg, lâgen, lêgen; [pflêge und wîge
in XI. überg.]; geſchêhe, geſchâh, geſchâhen, geſchê-
hen; ſêhe, ſâh, ſâhen, ſêhen; — XI. 1) mit bleibendem a
im praet.: hêle praet. ſchwach, part. noch ſtark hôlen;
ſtêle, ſtâl, ſtâlen, ſtôlen; befêhle, befâhl, befâhlen, be-
fôhlen (ſt. befelche, befalch etc.); nême, nâm, nâmen,
nommen; komme, kâm, kâmen, kommen; gehære, gebâr,
gebâren, gebôren; berſte, barſt, barſten, borſten; treffe,
trâf, trâfen, troffen; dreſche, draſch, drâſchen, droſchen;
breche, brach, brâchen, brochen; ſpreche und ſteche eben-
ſo; räche, praet. ſchw., part. rochen; erſchrecke, erſchrâk,
erſchrâken, erſchrocken. 2) nachſtehende aus X. und
VII. her gedrungene ſchieben o auch in den ſg. praet.:
wêbe, wôb, wôben, wôben; ptlêge, pflôg (neben pflâg
und pflêgte) pflôgen, pflôgen; wige, wôg, wôgen, wô-
gen; erwæge, erwôg etc.; fechte, focht, fochten, foch-
ten; flechte, flocht, flochten, flochten; ſchwœre (juro)
ſchwôr, ſchwôren (neben ſchwûr, ſchwûren) ſchwôren;
hêbe, hôb, hôben (neben hûb, hûben) hôben; gære
(fermenteſco) ſchwære (ulcero) praet. ſchw., part. ſtark:
gôren, ſchwôren; erlöſche, loſch, loſchen. — XII. 1) mit
bleibendem a im praet. ſg., welches zugleich, mit
ausnahme von wurden, den pl. einnimmt: helfe, half,
halfen, holfen; gelte, galt, galten, golten; ſchelte,
ſchalt, ſchalten, ſcholten; ſchwimme, ſchwamm,
ſchwammen, ſchwommen; beginne, begann, begannen,
begonnen; rinne; ſpinne; ſinne (cogito); binde, band,
banden, bunden; finde; ſchwinde; winde; ſinke, ſank,
ſanken, ſunken; ſtinke; trinke; dringe, drang, dran-
gen, drungen; klinge; gelinge; ringe; ſinge; ſpringe;
ſchlinge; ſchwinge; zwinge; wirre hat mit ſchwachem
praet. nur das part. worren; verderbe, darb, darben,
dorben; ſterbe; werbe; werfe, warf, warfen, worfen;
werde, ward, wurden (nicht warden) worden; berge,
barg, bargen, borgen; — 2) mit u oder o auch im ſg.
praet. quelle, quoll, quollen, quollen; belle; ſchwelle;
ſchalle (ſt. ſchelle) ſcholl, ſchollen, ſchollen; ſchmelze,
ſchmolz, ſchmolzen, ſchmolzen; melke, molk, molken,
molken; dinge, dung, dungen, dungen.


Anmerkungen: 1) (vocale) α) im verhältnis des e
zu i praeſ. ind. ſg. die wichtige änderung, daß perſ. I.
[985]II. neuhochd. ſtarke conjugation.
e und kein i bekommt, folglich mit I. praeſ. conj. zuſ.
fällt: gêbe, nême, werde; II. und III. behalten i:gibſt,
nimmſt, wirſt, gibt, nimmt, wird; [desgl. ſg. imp. gib,
nimm; ausg. werde ſt. wird]; offenbar miſchte ſich die
analogie des uml. a ein. bitten, lìgen. ſitzen bewahren
das i überall, ebenſo plur. praet. conj. VIII. und praeſen-
tia conj. XII. vor m und n. — β) das o iſt vorgerückt und
gilt nicht bloß im part. praet. ſondern auch pl. praet.
conj. IX.; ferner im part. praet. XII. vor mm, nn; u
bleibt, nur vor nd, ng, nk. — γ) ie und eu verhalten
ſich zwar im ſg. praeſ. ind. conj. IX. wie e und i in X.
XI. XII, d. h. auch hier darf nicht I. z. b. kreuche
ſondern nur II. III. kreuchſt, ſteußt, kreucht lauten.
Allein dieſe eu-form ſtirbt aus und wird mehr von
dichtern gebraucht, als in proſa, wo man kriechſt,
kriecht vorzieht. Einige haben im praeſ. au für ie, an-
dere ſchwanken zwiſchen au und ie, andere fehlerhaf-
ter zwiſchen ie und uͤ (luͤgen, truͤgen) — δ) umlaut
gilt a) in II. III. praeſ. ſg. ind. I. IV. VII. des a in ä,
â in æ, als: falle, fällt; ſchlâfe, ſchlæft; fâre, fært;
auch vor lt, halte, hält (ſt. hältet) natürlich aber nicht
in den ſchwachgewordenen falte, faltet; ſalze, ſalzet;
dem ſtarken ſchaffſt, ſchafft mangelt er gleichfalls.
b) au und û in conj. III. meiden den umlaut, haue,
haut; rûfe, rûft, nicht heut, ruͤft; ô hingegen hat
ihn: ſtôße, ſtœßt. c) das praet. conj. lautet a in ä,
â in æ, u in uͤ, o in ö, ô in œ um: banden,
bände; gâben, gæbe; wurden, würde; ſtunden,
ſtünde; fûren, fuͤre; troffen, tröffe; bôten, bœte. —
ε) aus vernichtung der alten kürzen erwächſt dem ab-
laut großer ſchade; conj. I. und IV. fallen zuſam-
men; augenſcheinlich leiden die verhältniſſe der ach-
ten und neunten. Welch ein abſtand der formen ſtrei-
ten, ſtritt, ſtritten; triefen, troff, troffen von den mhd.
ſtrìten, ſtreit, ſtriten; triefen, trouf, truffen! Die praet.
ſg. mîd, ſtîg, troff laßen ſich nach der buchſtabenlehre
den mittelh. meit, ſteic, trouf gar nicht vergleichen, aus
meit hätte ein neuh. meid (wie aus leit, dolor, leid)
aus trouf aber trauf (wie aus louf lauf) werden müßen.
Sollte durch mîd ſtatt meid zuſ. treffen mit dem praeſ.
meide verhütet werden? dieſer grund paſt nicht zu troff,
kroch, weil trauf, krauch wohl unterſchieden geweſen
wären von triefe, krieche. Ich erkläre die ſache ſo:
die nunmehrige gleichheit der langgewordenen plurale
bôten mit dem ſg. bôt und der ſg. gâb, nâm mit dem
[986]II. neuhochd. ſtarke conjugation.
pl. gâben, nâmen (wobei wieder die analogie von hieng,
hiengen; fûr, fûren anſchlug) verleitete, nicht nur den
pl. mîden, bôgen auf den ſg. mîd (ſt. meid) bôg (ſt.
baug) anzuwenden, ſondern noch fehlerhafter nach ſtrit-
ten, troffen, krochen ſogar den ſg. in ſtritt, troff, kroch
zu kürzen. Überhaupt iſt gleichheit der ablaute im ſg.
und pl.
allmählig durchgedrungenes princip der neuh.
conjugation, woraus theils die pl. nach den ſg. (band,
banden; bôt, bôten) theils die ſg. nach den pl. (mîd,
mîden; ritt, ritten; troff, troffen; gâb, gâben; wôg, wô-
gen; quoll, quollen; ſchmolz, ſchmolzen und ſelbſt dung,
dungen) herfließen. Eintönigere, ungeſchmeidigere ge-
ſtaltungen gegenüber dem früheren organiſmus; ſchwan-
kende oder doppelte formen (band, banden; dung, dungen;
pflâg, pflâgen neben pflôg, pflôgen etc.) in natürlich gleichem
verhältnis. Von jenem zuſ. treffen des ſg. und pl. macht in
der regelmäßigen conj. ward, wurden einzige ausnahme,
obſchon neben ward die fehlerhafte form wurde (beßer
wäre wurd, wie dung) angenommen iſt; mehrere zei-
gen ſich bei den anomalien: mag, mœgen; kann, kön-
nen; weiß (nicht wiß, wie riß, biß) wißen; darf, dür-
fen, wo man die analogie nicht mehr fühlte; [vgl.
noch brach, brâchen; draſch, drâſchen?]. — 2) (con-
ſonanten
) alle conſonanzverhältniſſe ſind weit ein-
facher, als im mittelh., d. h. in- und auslaute vollkom-
men gleich. Inlautende geminata und med. bleibt
auch auslautend; t iſt die einzige vorkommende tenuis,
auslautend faſt bloß im ſg. imp. (reit, ſtreit, biet) da
der ſg. praet. geminiert (ritt, ſtritt) ausgenommen bôt,
bât, trât. Vor dem -t der III. ſg. praeſ. wird das wur-
zelhafte t ausgeſtoßen in hält, ræth (= ræt, oben ſ. 525.)
ſt. hältet, ræthet (II. pl. aber haltet, râthet, nicht halt,
râth); in tritt, bietet, reitet (nicht trit, biet, reit) muß
es bleiben. In einigen fällen hat inlautende gem. die
alte vocalkürze gerettet: nimmſt, nimmt; kommen,
komme, kommſt, kommt; genommen, gekommen; rit-
ten, geritten; ſotten, geſotten; wie man ſieht unſicher,
da kein nemme, nemmen (= komme, kommen) ſon-
dern nême, nêmen beſteht, noch weniger im praet.
kamm, namm (f. kâm, nâm). Bei andern ſyncopen der
II. III. ſg. ſchwankt die ausſprache zwiſchen gibt und
gîbt (giebt auf liebt reimend); gîbt iſt dem hêbt, græbt etc.
analoger. Die mittelh. ff und ƷƷ (trëffen, ſchaffen, ëƷ-
Ʒen, biƷƷen) entſprachen dem neuh. ſſ und ß (wofür
in eßen, bißen eigentlich eßßen, bißßen ſtehen müſte,
[987]II. neuhochd. ſchwache conjugation.
was auch die unorg. ſchreibung eſſen, biſſen zu errei-
chen ſucht), der vocal bleibt bald kurz (ſchaffe, ſchafft,
eße, ißeſt, ißt; biß, bißen) bald wird er lang (trâf,
âß) auch vor ch ſchwanken länge und kürze: brach oder
brâch etc. — r ſtatt ſ dringt aus den pl. wâren, frôren,
kôren, verlôren in die ſg. wâr, frôr, kôr, verlôr (be-
greiflich nach gleichheit der ablaute), von da in die
praeſentia:friere, verliere (doch noch kieſe, nicht kiere). —
h, welches in ſchlâgen völlig verdrängt iſt, dauert in
leihen, zeihen, fliehen, ſêhen, geſchêhen ohne einmen-
gung des g; ziehen aber bekommt im praet. letzteres:
zôg, zôgen. — 3) (einmiſchung ſchwacher form): ſchwœ-
ren
(f. ſchwêren oder ſchwæren; wie mundartiſch öpfel,
mönſch f. äpfel, epfel, menſch) hêben, bitten, ſitzen:
ſg. imp. ſchwœre, hêbe, bitte, ſitze. Viele verba, die
im mittelh. noch ſtark conjugierten, gehen nunmehr
ſchwach; einige haben neben ſtarkem part. praet. ihr
praet. geſchwächt oder ſchwanken zwiſchen ſchwach
und ſtark, z. b. mâlte, backte, pflêgte, wirrte, bellte.


Neuhochdeutſche ſchwache conjugation.

Die flexionen der praet. ſind den mittelh. völlig gleich
und es bliebe wenig anzumerken, wenn nicht theils
das ſystem der kürzungen des ableitungsvocals noch
mehr entſtellt worden wäre, theils der rückumlaut auf-
hörte. Die einzelnen ausnahmen: kannte, nannte,
brannte, ſandte, wandte kommen kaum in betracht,
ſchon gelten (nicht kennte, aber) nennte, brennte, ſen-
dete, wendete daneben und die analogen rannte, trannte,
pfandte, ſchwaudte, ſchandte ſind unzuläßig, man ſagt:
rennte, trennte, pfändete, ſchwendete, ſchändete. Um
ſo viel mehr in allen übrigen: gällen, gällte; kämmen,
kämmte; engen, engte; ſenken, ſenkte; decken, deckte etc.;
Ein unterſchied erſter und zweiter conj. läßt ſich nicht
mehr durchführen; alle vormahls kurzſilbigen beider conj.
ſind jetzt langſilbig. Das praet. aller ſchwachen verba
wird in der regel ſyncopiert: næren, nærte; lêgen, lêgte;
drâben, drâbte; ſalben, ſalbte; minnen, minnte etc. die
volle form: nærete, lêgete, ſalbete etc. klingt gezwun-
gen feierlich. Eine zahlreiche auanahme machen aber die
verba, deren wurzel mit t, d, tt, it, nt, rt, ft, ſt, cht, dt, ld,
nd, rd ſchließt, ſie ſtellen, ſtatt der wohllautenden mit-
telh. ſyncope, gerade den ableitungsvocal wieder her,
gleichviel ob ſie früher der erſten oder zweiten conj.
zugehörten, als: wâten, wâtete; huͤten, huͤtete; leiten,
[988]II. anomalien der neuhochd. conjugation.
leitete; lâden, lâdete; rêden, rêdete; retten, rettete;
ſchütten, ſchüttete; falten, faltete; renten, rentete; här-
ten, härtete; heften, heftete; leiſten, leiſtete; lichten, lich-
tete; tödten, tödtete; melden, meldete; wunden, wun-
dete; morden, mordete. Die ſprache hat das bewußtſeyn
ihrer alten, großen mittel eingebüßt; ſie ſtrebt nach
deutlichkeit und wohllaut, erreicht aber nur eine ängſt-
liche, nur einen beſchränkten; ladte, redte, rettte, endte
ſchien ihr zu hart, latte, rette, ente zu gewagt, lâdete,
rêdete, rettete, endete blieb einzig ausweg. Selbſt dem
ſante, wante fügte ſchreibung ein d hinzu; bemer-
kenswerth iſt auch, daß diese ausnahmsweiſen rückum-
laute auf den ind. eingeſchränkt ſind, ihr praet. conj.
heißt kennte, brennte, nennte, ſendete, wendete, nicht
kännte, nännte, ſändte, wändte. Das praet. conj.
ſchwacher form lautet niemahls um, außer in den ano-
malien. Bildungen mit el, er, ig ſtoßen e vor dem
-te regelmäßig aus: ſchmeicheln, ſchmeichelte; ſìgeln,
ſîgelte; wundern, wunderte; ſchædigen, ſchædigte; die
mit em, en lieber das bildungs-e und behalten jenes:
âthmen, âthmete; rêgnen, rêgnete (nicht âthemte, rê-
gente).


Neuhochdeutſche anomalien.

  • 1) eſſe vierſtämmig α) III. praeſ. ſg. ind. iſt. β) inf.
    ſeyn (= ſein); ind. pl. ſind, ſeyd (ſeid, f. ſeit) ſind;
    conj. ſey, ſeyſt, ſey; ſeyen, ſeyet, ſeyen; imp. ſey,
    ſeyet;
    kein part. praet. geſeyn. γ) I. ſg. ind. bin II.
    biſt. δ) kein inf. wèſen, kein imp. wis, nur die for-
    men des praet. wâr, wârſt, wâr; pl. wâren: conj.
    wœre; part. gewêfen.
  • 2) muß, muſt, muß; pl. müßen; praet. muſte; conj.
    müße; praet. müſte. β) weiß, weiſt, weiß; wißen;
    praet. wuſie; conj. wiße; praet. wüſte. γ) mâg, mâgſt,
    mâg; mœgen; praet. mochte; conj. mœge; praet.
    möchte. — δ) ſoll, ſollſt, ſoll; ſollen; praet. ſollte;
    conj. ſolle; ſollte (nicht ſöllte). — ε) kann, kannſt,
    kann; können; praet. konnte; conj. könne; praet.
    könnte. — ζ) darf, darfſt, darf; dürfen; praet. durfte;
    conj. dürfe; dürfte. — anm. a) die inf. und plur. ind. lau-
    ten um: müßen, mœgen, können, dürfen; ſollen bleibt
    (nicht ſöllen). b) alle part. praet. ſchwach: gemuſt, ge-
    wuſt. gemocht, geſollt, gekonnt, gedurft. c) das mittelh.
    tar iſt ausgeſtorben; taugen und gönnen gehen regel-
    [989]II. anomalien der neuhochd. conjugation.
    mäßig ſchwach: tauge, taugſt, taugt; taugen; taugte;
    gönne, gönnſt, gönnt; gönnen; gönnte.
  • 3) wollen; will, willſt, will; wollen; praet. wollte; conj.
    wolle; praet. wollte (nicht wöllte); part. gewollt.
  • 4) thûn; thûe, thûſt, thût; thûn, thût, thûn; praet.
    thât, thâteſt, thât; thâten; conj. thûe wie der ind.;
    praet. thæte; part. gethân. Dichter brauchen in ge-
    wiſſen fâllen thœt, für I. und III. praet. ind. (das
    mhd. tët).
  • 5) hâben; hâbe, haſt, hat; hâben, habt, hâben; praet.
    hatte; conj. hâbe, hâbeſt, hâbe; hâben, hâbet, hâben;
    praet. hätte; lauter feſte formen, keiner kürzungen
    mehr fähig. Fürs concrete tenere gilt: halten.
  • 6) gêhen, ſtêhen vorhin ſ. 982.
  • 7) von den mhd. verbis mit w. j. h ſind manche ausge-
    ſtorben; die gebliebenen haben entw. h (niemahls j
    und w) oder den bloßen vocal; verſchiedene ehdem
    ſtarke ſind letztern beigetreten: α) blæhen. kræhen.
    mæhen. næhen. ſchmæhen. drêhen. wêhen. flêhen. bluͤ-
    hen. bruͤhen. gluͤhen. muͤhen. ſpruͤhen. drôhen. β) bauen.
    brauen. kauen. bläuen. dräuen. freuen. reuen. ſcheuen.
    ſtreuen ſæen. — Die bildungsſilbe -ew dauert nur in
    verwitwen, in beſchatten iſt ſie untergegangen, in
    värben, gerben, fälben zu b geworden der wurzel
    eingewachſen.
  • 8) bringen, brachte, gebracht; denken, dachte, gedacht;
    dünken, dauchte (däuchte), fehlerhaft ſetzen einige
    däucht im praeſ.; wirken und fürchten gehen regel-
    mäßig ſchwach: wirkte, fürchtete.
  • 9) frâgen; frâge, frâgſt, frâgt; frâgte, gefrâgt; einige
    bilden ein mundartiſches frâge, frægſt, frægt; praet.
    frûg; frûgen, doch kein part. gefrâgen.

Neuniederländiſches verbum.


Die flexion geſchieht, wie in der vorigen periode, nur
daß a) das -e der I. ſg. praeſ. wegfällt, im conj. aber
erhalten wird; b) II. ſg. praeſ. und praet. (aus gründen
der ſyntax, nicht der form an ſich) abgeſchafft worden
iſt; doch bleibt ſg. imp. Die wiederum abweichende
behandlung der wurzelvocale richtet ſich nach der buch-
ſtabenlehre.


[990]II. neuniederländiſche ſtarke conjugationen.
Starke conjugationen.

I. val, viel, vielen, vallen; houd, hield, hielden, hou-
den; zout, ſpouw (findo) vouw (plico) machen das
praet. ſchwach: zoutte, ſpouwde, vouwde, behalten aber
das part. zouten, ſpouden, vouden; hang, hing, han-
gen; vang, gewöhnlicher vâ. ving, vangen; gâ (nicht
mehr gange) ging, gangen; hef, hief, hêven; was, wies,
waſſen; waſſch, wieſch, waſſchen; bas (latro) bekommt
zuweilen unorg bies ſt. baſte, inf. baſſen. — II. hêt,
ſcheid, praet. ſchwach hêtte (zuweilen noch hiet)
ſcheide, part. ſtark hêten, ſcheiden; eiſch, êſch, ei-
ſchen. — III. lôp, liep, lôpen; roep, riep, roepen;
houw, hieuw, houwen; brouw (braxo) praet. ſchwach
brouwde, part. brouwen; ſtôt, ſtiet, ſtôten; unorg. hier-
her rückend: word (fio) wierd, worden und mundar-
tiſch noch andere aus XII. (ſ. unten). — IV. ſlâp, ſliep,
ſlâpen; lât, liet, lâten; râd, brâd; blâs; blies, blâzen. —
VII. vâr, voer, vâren; zwêr (juro) zwoer, zworen; grâf,
groef, grâven; drâg, droeg, drâgen; ſlâ (f. ſlâg) ſloeg,
ſlâgen; unorganiſch jâg und vrâg, praet. joeg, vroeg,
neben dem richtigern jâgde, vrâgde, part. praet. gejâgt,
gevrâgt (nicht gejâgen, gevrâgen); umgekehrt ſind von
mâl, lâd, bak, lach die ſtarken praet. moel, loed, boek
(biek) loech den ſchwachen mâlde lâdde, bakte, lachte
gewichen, die part. aber ſtark geblieben; ſtâ (f. ſtand)
hat ſtond, part. geſtân; von wâjen (flare) behauptet T.
Kate noch ein ſtarkes praet. woei, wofür meiſtens wâide
gilt. — VIII. bezwîm (animo deficio); grîn, grên, grê-
nen, grênen; quîn (langueo); ſchîn; grîp, grêp, grêpen,
grêpen; nîp; ſlîp; blîf, blêf, blêven, blêven; drîf, kîf,
(rixor); rîf (raſtro colligo); ſchrîf; ſtîf (amylo ſubigo);
wrîf; bît, bêt, bêten, bêten; drît (merdo); krît (ploro);
rît; ſchît; ſlît; ſmît; ſplîte; wît (imputo); glîd, glêd,
glêden, glêden; lîd (patior); belîd (confiteor); mîd; be-
nîd (invideo); rîd; ſchrîd; ſnîd; ſtrîd; prîs (laudo) prês,
prêzen, prêzen; rîs (ſurgo); wîs (monſtro); hîſch oder
hîs (trochlea ſuſtollo); blîk, blêk, blêken, blêken; ſtrîk;
wîk; bezwîk; hîg (anhelo) hêg, hêgen, hêgen; krîg;
mîg; nîg; rîg (ligo); ſtîg; zwîg (taceo); ſchwankend
dîg, dîd, dîe (proficio); ſpîg und ſpîe (ſpuo) [auch nach
IX. ſpuig, ſpûw]. — IX. druip, drôp, drôpen, drôpen;
kruip; ſluip; zuip; kluif, klôf, klôven, klôven; ſchuif;
ſnuif; ſtuif; giet, gôt, gôten, gôten; verdriet; niet;
ſchiet; vliet (fluo); fluit (fiſtulo); ſluit (claudo); ſnuit
[991]II. neuniederländiſche ſtarke conjugationen.
(mungo); ſpruit; bied, bôd, bôden, bôden; vlied (fu-
gio); zied (bullio); kies, kôs und kôr, kôzen und kô-
ren; verlies, verlôr (nicht verlôs) verlôren; vries, vrôs
und vrôr, vrôzen und vrôren; duik, dôk, dôken, dô-
ken; luik; riek und ruik, rôk, rôken, rôken; bedrieg,
bedrôg, bedrôgen, bedrôgen; lieg; vlieg; zuig; tôg
(traxi) part. getôgen hat kein praeſ.; krui (trudo) krôi,
krôjen, krôjen. — X. gêf, gâf, gâven, gêven; wêf hat
nur noch das ſtarke part. wêven; êt, ât, âten, gêten;
vergêt; mêt; vrêt; ſit, ſât, ſâten, ſêten; trêd, trâd, trâ-
den, trêden; bid, bâd, bâden, bêden; lês, lâs, làzen,
lêzen; genês; wês, wâs (ſeltner wâr), wâren, wêzen;
ſtêk macht jetzt auch ſein part. mit o nach XI. (Kilian
und Hoofd geben noch geſteken, vgl. T. Kate p. 565.)
lig, lâg, lâgen, lêgen; zie (video) zâg oder zach, zâ-
gen, zien. — XI. ſtêl, ſtâl, ſtâlen, ſtôlen; bevêl; nêm,
nâm, nâmen, nômen; kom, quâm, quâmen, kômen;
von bêr, bâr iſt nur das part. bôren übrig; brêk, brâk;
brâken, brôken; ſprêk; ſtêk; wrêk hat nur das part-
wrôken ſtark; plêg, plâg, plâgen, das part. plôgen ver-
altet; folgende haben das o aus dem part. ins praet.
dringen laßen, gehen alſo in XII. über: verhêl, verhôl,
verhôlen; ſchêr, ſchôr (nicht ſchoer) ſchôren, ſchôren;
zwêr (ulcero) zwôr (nicht zwoer, was juravi heißt)
zwôren, zwôren; wêg (libro) wôg, wôgen, wôgen. —
XII. zwel, zwol, zwollen, zwollen; help, holp, holpen
holpen; delf, dolf, dolven; ſmelt, ſmolt, ſmolten; geld,
gold, golden; ſcheld, ſchold, ſcholden; melk, molk,
molken; von belg nur das part. verbolgen übrig; zwelg,
zwolg, zwolgen; glim (candeo) glom, glommen; klim,
(ſcando); zwem (nato); krimp (contrahor); begin, be-
gon, begonnen; rin oder ren; win; bezin, bind, bond,
bonden; ſlind; vind; wind; zend, zond, zonden; blink,
blonk, blonken; drink; klink (corroboror); ſchenk (in-
fundo); ſchrink (marceo); ſlink (diminuo); ſtink; zink;
zwenk (labo); ding, dong, dongen; dring; dwing;
ſpring; wring; zing; werp, worp, worpen; bederf (cor-
rumpor) bedorf, bedorven; kerf; ſterf; werf (verto);
zwerf (vagor); berſt, borſt, borſten; berg, borg, borgen;
und aus XI. hierher eingetreten: tref, trof, troffen;
trek, trok, trokken; vecht, vocht, vochten; vlecht,
vlocht, vlochten; die auf lp, lv, rp, rv, bilden zumahl
flamländiſch das praet. (nicht aber part. praet.) mit dem
ablant ie: hielp, hielpen; dielf, dielven; wierp, wier-
pen; ſtierf, ſtierfen; par[t]. holpen, dolven, worpen, ſtor-
[992]II. neuniederländiſche ſchwache conjugation.
ven, unterſcheiden ſich alſo nur durch das e im inf. von
conj. III., welcher worden (fieri) gänzlich zufällt, ob-
gleich zuweilen noch werd, word f. word, wierd vor-
kommt. —


Anmerkungen: 1) wie im neuh gilt gleichheit des
ablauts für ſg. und pl. praet
. nur daß hier in XII. das
[o] pl. den ſg., im neuh. meiſtentheils das a ſg. den pl.
eingenommen hat (neuh. ſinge, ſang, ſangen; neunie-
derl. zing, zong, zongen). 2) im praeſ. verdrängt e
das i hin und wieder auch vor m und n (zwem, ren,
zend, ſchenk). 3) die unorg. übergänge aus VII. in I.
haben nun andere aus XII. in III. zur ſeite, obgleich die
urſache beider verſchieden war; in hief, wies verwech-
ſelte ſich ie mit oe, in wierp, kierf waltete einfluß
des rp, rf auf das a (mnl waerp, caerf; altfrieſ. werp,
cerf, angelſ. vëarp, cëarf). 4) bemerkenswerth in XII.
ſmolt, ſmolten; gold, golden; ſchold, ſcholden ſt. der
mnl. ſmout, ſmouten; gout, gouden; ſchout, ſchouden;
man ſetzte flexionsdeutlichkeit über das feinere lautver-
hältnis, ließ aber doch houden neben dem praet. hield
beſtehen. 5) geminierter conſ. wird auslautend einfach,
v, z zu f, s, hingegen verauslauten d und g; bei ſyn-
copen des flexionsvoc. inlautend daſſelbe zu beobachten:
valt, ſchrîft ſt. vallet, ſchrîvet. 6) t und d fallen vor
dem t der flexion weg, z. b. ſluit (claudit) f. ſluitet.


Neuniederländiſche ſchwache conjugation.

die vertrauliche rede ſchneidet bei gangbaren wörtern
zuweilen das ganze -de praet. ab, z. b. zei, zou, wou,
kon
f. zeide, zoude, woude, konde; in der regel aber
bleibt -de; einige ſetzen alle perſ. des plur. praet.
gleich, nämlich auf -den, andere endigen I. III. auf
-den, II. auf -det, welches ſowohl der II. pl. praeſ.
als der II. pl. praet. ſtarker form auf -et (nicht -en)
angemeßner ſcheint; vgl. T. Kate p. 551. Das ablei-
tungs-e fällt überall weg, alſo auch da, wo noch ein
mittelniederl. -ede galt. Dagegen beſteht die der hochd.
mundart mangelnde vortheilhafte abwechſelung zwiſchen
-de und -te immer fort. Nach l. m. n. r. b (aus bb)
d. g. f (aus v) w und s (aus z) bleibt -de; nach p. t.
k. f (aus ff) ch und s (aus ſſ) folgt -te. Jede gem. wird
einfach; entſpringendes dd, tt und ſelbſt ſtt, chtt bleibt.
Beiſpiele: ſpêlen, ſpêlde; ſtellen, ſtelde; râmen, râmde;
kammen, kamde; wênen, wênde; minnen, minde; êren,
[993]II. neuniederländiſche anomalien.
êrde; warren, warde; krabben, krabde; lâden, lâdde; red-
den, redde (fehlerhaft reddede): zâgen, zâgde; eggen, egde;
lâven, lâfde; bouwen, bouwde; râzen, râſde; — hôpen,
hôpte; ſtoppen, ſtopte; groeten, groette; zetten, zette
(fehlerhaft zettede); râken, râkte; drukken, drukte;
blaffen, blafte; pochen, pochte; kraſſen, kraſte; verqui-
ſten, verquiſtte; wachten, wachtte. Für legt (ponit) zegt
(dicit) pflegt leit, zeit; für legde (poſui) zegde (dixi) leide,
zeide (gekürzt zei) zu ſtehen; kôpen macht kôcht f.
kôpte. Bildungen mit -el, -em, -en, -er, -ig, als:
ſneuvelen, âdemen, rêgenen, wonderen, mâtigen haben
im praet. ſneuvelde, âdemde, rêgende, wonderde, mâtigde.


Neuniederländiſche anomalien.

1) eſſe vierſtämmig α) III. praeſ. ſg. ind. is. β) inf.
zîn; ind. pl. praet. zîn, zît, zîn; praeſ. conj. zî, zî;
pl. zîn, zît, zîn; pl. imp. zît; kein part. gezîn. γ)
I. praeſ. ſg. ind. ben; die vertrauliche ſprache erlaubt
ſich auch den unorg. pl. I. bennen II. bent III. bennen
(etwa nach analogie von ren, men pl. rennen, men-
nen). δ) inf. wêzen; praet. wâs, pl. wâren; imp. wês,
pl. wêſt; part. gewêſt neben gewêzen. — 2) α) moet, pl.
moeten; praet. moeſt part. gemoeten. β) wêt; wêten;
wiſt; gewêten. γ) mâg; môgen; mocht; gemocht.
δ) zal; zullen; zoude, gekürzt zou. ε) kan; konnen;
konde, gekürzt kon, zuweilen noch koſt; gekonnen,
gekoſt. ζ) durf, pl. durven nimmt das urſprünglich zu
derren gehörige praet. dorſt an; — deugen geht im praeſ.
regelmäßig I. deug III. deugt, pl. deugen; praet. docht. —
3) willen (velle) wil, pl. willen; praet. wilde und in
gemeiner ſprache woude, gekürzt wou; part. gewilt. —
4) doen; I. doe, III. doet; pl. doen; praet. dêd, pl. dê-
den; part. gedân. — 6) hebben; I. heb III. hêft; pl.
hebben, hebt, hebben; praet. hadde; part. gehad. —
7) drâjen, drâide; ebenſo: krâjen, nâjen, mâjen, blâ-
jen, wâjen, zâjen; vlêjen (blandiri); bloejen, groejen,
moejen, roejen (remigare), vloejen; lôjen (corium pa-
rare) gôjen (projicere) rôjen (metiri); h kann nicht in-
lauten, wohl aber w: bouwen, ſchouwen etc. und als
bildungs-w in verwen. — 8) brengen, brocht; den-
ken, docht; dunken, docht; werken, wrocht; zoeken,
zôcht. — 9) vrâgen, praet. vroeg neben vrâgde, part.
gevrâgt.


R r r
[994]II. neuengliſches verbum.

Neuengliſches verbum.


große beſchränkungen der flexion: 1) conj. fällt mit ind.
zuſ. 2) die drei perſ. des pl. ſowohl praeſ. als praet.
ſind der erſten perſ. ſg. immer gleich, dieſe aber iſt es
dem inf., d. h. letzterer hat ſein -n gänzlich verloren;
ſcheinbare ausnahme machen chriſten, ſoften, lighten,
threaten etc., deren -en bildung, nicht flexion iſt (an-
gelſ. criſtnian, altn. kriſtna). 3) ſelbſt das -e der
flexion entbehren inf., imp., I. ſg. und I. II. III. pl.; es
heißt bind (nectere, necte, necto, nectimus etc.) fall
(cadere, cado, cadimus etc.) hear (audire, audi, audio,
audimus etc.) und nach doppelter conſ. oder auslautend
einfacher gem. gilt das ohne ausnahme; nach urſpr.
einfacher conſ. bleibt zuweilen e α) durchgängig nach
v, s, z: grave, ſhave, give, drîve, move, love, weave,
reave, leave, rîſe, raiſe, chôſe, ſnêze, vrêze etc. β)
nach ap, îp, op: ape (nachäffen) ſtrîpe, grîpe, hope,
nicht nach êp, eap, ip: crêp, ſlêp, leap, ſtrip. γ) nach
at, ît, ot: hate, bîte, wrîte, note; nicht nach êt, ôt,
it, ut: mêt, tôt, ſlit, ſhut. δ) nach ak, îk, ok: make,
ſhake, take, ſtrîke, ſtroke; nicht êk, eak: ſêk, ſpeak.
ε) nach ad, îd, od: lade, chîde, bîde, nicht nach êd,
ead, oad: brêd, knead, load. ζ) ebenſo nach liq. de-
nen a, î, o vorhergehen: fìle, lame, come, wane, ſhîne,
ſpare, ſnore etc. nicht aber in: fêl, ſêm, dream, moan,
hear u. dgl. η) nach th bleibt faſt immer e: bathe,
wrîthe, clôthe, wreathe, doch ſtehet ſêth. Man ſieht
leicht, daß alle dieſe bleibenden -e keine überreſte der
alten flexion ſind, vielmehr unorganiſch angenommene
ſchreibweiſe, da ſie auch dem flexionsloſen ſtarken ſg. imp.
(come, ſhîne) und ſogar dem ablautenden ſtarken praet.
beigelegt werden, deſſen I. III. ſg. eben ſo wenig flexion
gebührt, vgl. ſhîne, ſhône; come, came; rîve, rôve etc.
ſtatt der offenbar richtigeren formen: ſhôn, cam, rôf,
folglich ſtehn auch die praeſentia für ſhîn, com, rîf
und die flexion mangelt ſo gut als in fall, bind, hear. —
4) II. ſg. praeſ. und praet. hat -ſt oder -eſt, alſo gab
das ſtarke praet. (wie im neuh.) den alten vocalausgang
auf: ſhôneſt (fulſiſti) ſangſt (ceciniſti) angelſ. ſcine,
ſunge. — 5) III. praeſ. hat -s, -es ſtatt des frühern
-th angenommen: ſhînes, ſings, hopes, hears etc.
doch ſchreibt man noch hath (habet) neben has, raineth
f. raines etc.


[995]II. neuengliſche ſtarke conjugation.
Einzelne ſtarke conjugationen.

I. fall, fell, fallen; hold, held, holden. — II. ausge-
gangen. — III. draw, drew, drawn; blow, blew, blown;
ebenſo crow; grow; know; throw; ſnow; ſchwaches
praet. haben hew (f. how) mow, ſow : hewed, mowed,
ſowed, doch noch ſtarkes part. hewn. mown, ſown;
bèat, béat, bèaten kann als übergehend in X. angeſehn
werden, wogegen ſlay, ſlew, ſlain aus VII., fly, flew,
flown aus IX. hierher gerückt iſt. — IV. let, let, let;
dread (angelſ. ondrædan) geht ſchwach. — VII. ſtand,
ſtôd, ſtôd; ſhake, ſhôk, ſhaken, ebenſo forſake, awake,
und take; wax, wôx, waxn; ſhave, grave, lade praet.
ſchwach ſhaved, graved, laded, part. ſtark ſhaven, gra-
ven, laden. — VIII. ſhîne, ſhône, ſhône; drìve, drôve, dri-
ven; ebenſo: ſcrîve; ſtrîve; thrîve; ſmîte, ſmôt, ſmit-
ten; ebenſo: ſhîte; wrîte; chîde, chôd, chidden; eben-
ſo: abîde; rîde; ſtrîde; wrîthe, wrôthe, writhen; rîſe,
rôſe, riſen; merkwürdig, daß einige auf îte, îde ihr
praet. nicht ablauten, ſondern nur das i kürzen: ſhîte,
ſhit ſt. ſhôt, ebenſo: bîte, bit ſtatt bôt, zuweilen chid
ſt. chôd; ſind bit, ſhit, chid ſchwache formen f. bit’t,
chid’d? oder iſt, wie im neuh. biß, ritt die kürzung
aus dem part. eingedrungen? — IX. crêp, crôp oder
crope? crept (ſt. cropen); ſhôt (ſt. ſhêt) ſhot, ſhotten;
ſêth, ſod, ſodden; chôſe, choſe, choſen; frêze, froze, frozen,
die kürzungen ſhot, ſod wie bit, chid in VIII. und wie
das neuh. ſchoß, ſott zu erklären? — X. give, gave,
given; èat, éat und ate, èaten; ſit, ſate, ſate; bid,
bad, bidden; lie, lay, lain; ſê, ſaw, ſên. — XI. ſtèal,
ſtale und ſtole, ſtolen; come, came, come; forbeàr,
forbare und forbore, forbore; ſhèar, ſhare und ſhore,
ſhore; teàr, tare und tore, tore; ſweàr, ſware und
ſwore, ſwore; weàr, wore, wore; clèave, clove, cloven;
hèave, hove, hoven; wèave, wove, woven; get, got,
gotten; forget, forgat und forgot, forgotten; treàd, trode,
trodden; breàk, brake und broke, broke; ſpèak, ſpake
und ſpoke, ſpoke. — XII. ſwell, ſwelled (f. ſwoll)
ſwoln (f. ſwollen); help, holp, holpen; melt, melted
(f. molt) molten; ſwim, ſwam, ſwum; ſpin, ſpan, ſpun;
begin, began, begun; win, wan, won; run (ſt. rin)
ran, run; cling, clang, clung; ebenfo: fling, ring, ſing,
ſpring, ſting, ſtring, ſwing, wring; drink, drank, drunken;
ebenſo: ſhrink, ſink, ſlink, ſtink; bìnd, bound, bound;
fînd, grînd, wînd desgleichen; burſt (ſt. berſt) burſt, bur-
ſten; ſtick, ſtack, ſtuck; dig, dug, dug (neben digged);
R r r 2
[996]II. neuengliſche ſchwache conjugation.
fight, fought, foughten; — wie bei bound, burſt, fought
der u-laut aus dem pl. in den ſg. drang, ſo ſchwan-
ken auch ſpan, clang, ſang, ſank etc. in ſpun, clung,
ſunk etc.; bei run und burſt verbreitet er ſich ſelbſt ins
praeſ.; hang behält ſein a im praeſ. (nach conj. I.)
macht aber praet. und part. nach XII. hung, hung. —
Anmerkungen: 1) die verwirrung der ablaute zeigt und
erläutert ſich von ſelbſt. 2) alle verba in VIII. IX. mit
kehllaut nach dem wurzelvocal ſind untergegangen.
3) ſchwach geworden nachſtehende mit p nach dem
wurzelvocal: crêp, crept; wêp, wept; ſwêp, ſwept;
ſlêp, ſlept; lèap, léapt. 4) das praet. quoth (dixit) f. quath
dient auch als praeſens, hîght (promiſſus) nur als part.
praet. (vgl. ſ. 981.)


Schwache conjugation.

das praet. bildet die ſilbe -ed, welches aber bei ſyn-
copiertem e meiſtens in -t verwandelt wird; -ede oder
-te finden keine ſtatt, das einzige made abgerechnet,
ſofern man es aus makede erklären darf. Die vocal
und conſ. verhältniſſe im fall der ſyncope ſind zwar den
angelſ. (ſ. 904. 905.) analog, doch mit beträchtlichen ab-
weichungen: 1) nicht alle verba können das e aus-
ſtoßen; in der regel gehören die ſyncopierenden in die
alte erſte, die nicht ſyncopierenden in die alte zweite
conj. z. b. es darf nur ſpare, ſpared; thank, thanked;
beg, begged; live, lived etc. heißen. Im fall der ſyn-
cope bleibt 2) d nur in den vocaliſch ſchließenden
lay, laid; ſay, ſaid; ſhoe, ſhod; ſodann in hèar, héard;
ſell, ſold; tell, told. 3) zu t wird es α) nach l, m, n:
dèal, déalt; fèl, felt; dwell, dwelt; ſpell, ſpelt; ſpill,
ſpilt; ſmell, ſmelt; drèam, dréamt; lèan, léant; mèau,
méant; lèarn, léarnt; burn, burnt. β) nach p und k:
crêp, crept; kêp, kept; ſlêp, ſlept; ſwêp, ſwept; wêp,
wept; lèap, léapt; rèap, réapt; dip, dipt; ſlip, ſlipt;
tip, tipt; whip, whipt; crack, crackt; knock, knockt.
γ) nach f (aus v) gh (aus k, ch) und ſ: lèave, left;
rèave, reft; ſêk, ſought (etc. ſ. anomalien); loſe, loſt;
kiſſ, kiſt; miſſ, miſt; bleſſ, bleſt. 4) für -ded ent-
ſpringt bloßes d: blêd, bled; brêd, bred; fêd, fed;
ſpêd, ſped; lèad, led; rèad, réad; ſprèad, ſpréad; ſhed,
ſhed; hîde, hid. 5) für -ted bloßes t: mêt, met; ſet,
ſet; hit, hit; knit, knit; ſhut, ſhut; cut, cut; für
-rted, fted, ſted bloßes -rt, -ft, -ſt: ſmart, ſmart;
hurt, hurt; girt, girt; lift, lift; coſt, coſt; caſt, caſt.
[997]II. neuengliſche anomalien.
6) für -lded, -nded nicht ld, nd, ſondern wiederum
lt, nt: geld, gelt; gild, gilt; build, built; bend, bent,
ebenſo: lend, rend, ſend, ſpend, ſhend, wend. —
7) die unter 4. und 5. genannten, wofern ſie kurzen
vocal haben, vermögen praet. und praeſ. nicht zu un-
terſcheiden, welches auf einige ſtarke verba wie let,
let eingewirkt haben mag. — 8) lange vocale des praeſ.
kürzt das praet.: ê in e; èa in éa (oder eá) und e; î
in i; gegenſatz zu der mittelniederl. verlängerung bei
ſolchen ſyncopen; mit rückumlaut hat dieſer wechſel
nicht zu ſchaffen. — 9) wohl aber ſind ſold, told die
fortgeführten angelſ. rückumlaute ſëalde, tëalde von
ſellan, tellan; quell hat quelled, nicht quold. — 10) bil-
dungen mit -l, -n, -en, -er, -ſ kürzen das -ed im
praet. nicht: ramble, rambled; wittle, wittled; rain,
rained; threáten, threátened; ſlumber, ſlumbered; thun-
der, thundered; cléanſe, cléanſed etc.


Anomalien der neuengliſchen conjugation.

1) eſſe hat nur drei ſtämme: α) praeſ. I. am II. art III. is
pl. are. β) praet. was, waſt, was; pl. were und zu-
weilen praet. conj. were, wert, were; pl. were. γ) inf.
und imp. be; part. praeſ. being, praet. bên. — 2) α) kein
praeſ. môt, das praet. muſt gilt zugleich fürs praeſ.
β) wot (f. wôte) pl. wot zuweilen wit für ſg. und pl.
praet. wiſt; kein not, niſt. γ) das praet. ought bedeu-
tet zugleich das verlorene praeſ. δ) may, mayſt, may;
pl. may; praet. mîght. ε) ſhall, ſhalt, ſhall; pl. ſhall;
praet. ſhould. ζ) dare, praet. durſt. η) can, canſt,
can; praet. could. — 3) will, wilt, will; praet. would;
zn nill kein nould. — 4) dô; praeſ. dô, doeſt, does;
pl. dô; praet. did; part. done. — 5) have; have, haſt,
has (hath); pl. have; praet. had. — 6) gô; gô, goeſt,
goes; pl. gô; praet. went (vom ſchwachen verb. wend ent-
lehnt) part. praet. gone. — 7) buy, bought; work, wrought;
ſêk, ſought; think, thought; bring, brought; catch,
caught; rèach, raught; tèach, taught; fraight, fraught.


Schwediſches verbum.


allgemeine regeln 1) im ſg. praeſ. und praet. fallen alle
drei perſ. ſtets zuſammen. 2) praeſ. ſg. endigt auf -r,
welches altn. nur für II. III. geltend (ſ. 912.) jetzt auch
I. ergriffen hat. 3) I. pl. praeſ. und praet. endigen
[998]II. ſchwediſche ſtarke conjugation.
auf -e. 4) II. pl. praeſ. und praet. auf -en. 5) III.
pl. praeſ. und inf. gehen beſtändig auf -a aus. 6) die
altſchwed. ſprache gab II. praet. ſg. -ſt und I. pl. praeſ.
praet. -om, welches -om noch heute imperativiſch ge-
braucht wird. 7) vom conj. dauert nur in ſtarker con-
jug. das praet., außerdem ſcheint die III. ſg. imp. -[ſ]
aus dem conj. übrig.


Starke conjugation.

praeſ. ind. ſg. -er -er -erpl. -e -en -a
praet. ind. ſg. … … …pl. -e -en -o
praet. conj. ſg. -e -e -epl. -e -en -e
imp. ſg. — … -epl. -om -en -e

I. faller, föll, fölle, fallen; håller, höll, hölle, hållen;
får, fick, finge, fången, inf. få; går, gick, ginge, gån-
gen, inf. gå, imp. gack. — II. hêter, hêt (neben hette)
hête, hêten. — III. lœper, lopp, lupe, lœpen; hugger,
högg, högge, huggen. — IV. gråter, græt, græte, grå-
ten; låter, læt, læte, låten. — VII. gâler, gôl, gôle,
gâlen; fàr (f. fàrer), fôr, fôre, fâren; ſvær (f. ſværer)
ſvôr, pl. ſvûre, part. ſvûren (nach XI.); ſtår, ſtôd, ſtôde,
ſtåden, inf. ſtå, imp. ſtatt; ſkâper, ſkôp, ſkôpe (neben
ſkâpade) ſkàpen; græſver, grôf, grôfve, græfven; hæfver,
hôf, hôfve, hæſven; drâger, drôg, drôge, dràgen;
gnâger, gnôg, gnôge, gnâgen; tvâger oder tvår, tvådde
f. tvôg, tvâgen; ſlår, ſlôg, ſlôge, ſlàgen; dœr, dôg
neben dödde, dôge; lêr, lôg neben ledde, lôge; väx
hat växte, im part. vuxen; unorg. fallen aus X. hierher:
væfver, vôf, vôfve, væfven: vræker, vrôk, vrôke, vræ-
ken; væger, vôg, vôge, vægen. — VIII. ſkìner, ſkên,
ſkêne, ſkînen; grìper, grêp, grêpe, grîpen; knîper;
pîper; blîfver, blêf, blêſve, blîfven; drîfver; klîfver;
rîfver; ſkrîfver; bîter, bêt, bête, bîten; ſlîter; lìder,
lêd, lêde, lîden; glìder; gnîder; rîder; ſvîder; vrîder;
ſkrîker (clamo) ſkrêk, ſkrêke, ſkrîken; ſvîker; vîker;
nîger, nêg, nêge, nîgen; ſtîger; unorganiſch: tîger
(ſileo) têg, têge, têgen oder tîgen (vgl. anm. 4. zur dän.
ſtarken conj.) — IX. drŷper, drœp, drûpe, drûpen;
krŷper; niuper; ſûper; klŷfver, klœf, klûfve, klufven;
brŷter, brœt, brûte, brûten; flŷter; giuter; knŷter;
niuter; rŷter; ſlûter; ſkiuter; ſkrŷter; ſnŷter; tiuter;
trŷter; biuder, bœd, bûde, bûden; ſiuder; ſtrŷker, ſtrœk,
ſtrùke, ſtrûken; rŷker; flŷger, flœg, flûge, flûgen; ſmŷ-
ger; liuger, lœg, lûge, lûgen; ſûger; aus XII. ſchwan-
[999]II. ſchwediſche ſtarke conjugation.
ken hierher die praeſ. ſiunker und ſiunger; bisweilen wird
praet. pl. dem ſg. gleichgeſetzt: flœte, rœte, flœge etc. —
X. dræper, drâp, dråpe, dræpen; gîfver, gâf, gåfve, gîf-
ven; ſôfver, ſôf, ſôfve, ſôfven (ſo für ſve, ſva, ſvå);
æter, åt, åte, æten; fræter, fråt, fråte, fræten; förgæter,
förgât, förgåte, förgæten; mæter, mât, måte, mæten; ſit-
ter, ſatt, ſåte (zuweilen ſûte) ſêten und ſutten; bêder,
bâd, både, bêden; qvæder, qvâd, qvâde, qvæden; læſer,
làs, låſe, læſen; ligger, låg, låge, lêgen; ſêr, ſåg, ſåge,
part. ſchw. ſedt. — XI. ſtiæler, ſtâl, ſtåle, ſtûlen; bær
(f. bærer) bâr, båre, bûren; ſkær (f. ſkærer) ſkâr, ſkåre,
ſkûren; in kommer, kom, komme, kommen entſpringt
ko aus qve, qva, qvå, wie bei ſofva in voriger conj.;
für ſtûlen, bûren etc. zuweilen ſtôlen, bôren; nêma
(diſcere) iſt veraltet, vgl. förnimma in XII. — XII. gäl-
ler, gall, gulle, gullen; ſmäller; hiälper, halp, hulpe,
hulpen; ſtiälper; ſvälter, ſvalt, ſvulte, ſvulten; välter; gäl-
der, gald, gulde, gulden; ſimmer, ſam, ſumme, ſummen;
und unorg. förnimmer (percipio) nam, numme, num-
men; dimper (cado) damp, dumpe, dumpen; brinner,
bran, brunne, brunnen; finner; hinner (arripio, per-
tingo); ſvinner; vinner; ſlinter (vacillo) ſlant, ſlunte,
ſlunten; binder, band, bunde, bunden; ſiunker, ſank,
ſunke, ſunken; ſlinker (negligenter ambulo); klinger,
klang, klunge, klungen; ſpringer; ſtinger; tvinger;
ſiunger, ſång (zuweilen ſöng nach IX.) ſunge, ſungen;
unorg. hänger (pendeo) hang, hunge, hungen; ſpiärner,
ſparn, ſpurne, ſpurnen; värper, varp, vorpe, vorpen;
värfver, varf, vorfve, vorfven; varder, vard, vorde, vor-
den; ſlipper, ſlapp, ſluppe, ſluppen; ſpritter, ſpratt,
ſprutte, ſprutten; dricker, drack, drucke, drucken;
ſpricker; ſticker; räcker, rack, rucke, rucken; briſter,
braſt, bruſte, bruſten. — anmerkungen: 1) der altnord.
umlaut (ſ. 917.) hört völlig auf, namentlich auch im
praet. conj., es heißt fôr (ivit) fôre (iret) bundo (liga-
bant) bunde (ligaret) etc. 2) der wechſel zwiſchen ŷ,
iu (geſchr. ju) und û in conj. IX. entſpricht nicht dem
altn. (ſ. 918.) ſondern erſcheint willkürlicher feſtgeſetzt.
3) gem. bleibt auslautend, doch mm, nn werden ein-
fach; fehlerhaft ſchreiben einige ſtatt des aus ld, nd ent-
ſpringenden ll, nn auslautend lt, nt, als: höllt, hant
f. höll, hann (vgl. anm. 2. zur dän. ſtarken conj.).
4) ſchwaches praeſ. verrathen umlaut, haftendes i der
wurzel, geminierte conſonanz und eingerücktes j: hæfja,
ſværja, bedja, ſittja, ligga, lê (f. leja) dœ (f. dœja).
[1000]II. ſchwediſche erſte ſchwache conjugation.
5) der ablaut neigt ſich zur gleichheit des ſg. mit dem
pl. und namentlich gilt ſkên, ſkêne in VIII. durchgän-
gig; flœt, flœte in IX. zuweilen; doch unterſcheiden ſich
drœp, drûpe in VIII. drâp, dråpe in X; bâr, båre in XI;
gall, gulle in XII. Seit der unorg. verlängerung drûpe,
drâp, bâr liegen nur dieſe û, â, dem œ, å in drœp,
dråpe, båre ungleich näher, als die kurzen und langen
vocale des altn. draup, drupum; bar, bârum; daher
auch das vordringende å in den ſg. åt, fråt nicht be-
fremdet vgl. das altn. ât ſ. 914. 6) im ſg. praeſ. wer-
den zuweilen inlautende conſ. ſyncopiert, als: bær f.
bærer; blîr f. blîfver etc.


Schwache conjugation.

das praet. wird durch -de oder -ade gebildet, wonach
ſich noch beide conjugationen ſcheiden; keine derſel-
ben vermag, wie die ſtarke form, das praet. conj. aus-
zudrücken.


Erſte ſchwache conjugation.

tæl-jer tæl-jer tæl-jerbränn-er bränn-er bränn-er
tæl-je tæl-jen tæl-jabränn-e bränn-en bränn-a
tâl-de tâl-de tâl-debrän -de brän -de brän -de
tâl-de tâl-den tâl-debrän -de brän -den brän -de

1) der ableitungsvocal wird im praet. ſtets gekürzt; etwas.
anders iſt das aus g entſtandene j in följa, följde; ſörja,
ſörjde; rœja, rœjde etc. welches viele tadelnswerth auf
verba ausdehnen, deren j aus i ſtammt, z. b. ſkîljde,
hœljde, tæljde ſt. des richtigen ſkîlde, hôlde, tâlde. —
2) bei der kürzung bleibt -de nach l, m, n, r, f, d,
g, wird aber zu -te nach p, t, k; für ndde, ltte, ntte,
ftte, ſtte, ſteht nde, lte, nte, fte, ſte; ſchwierigkeit
machen l und n, wonach der gebrauch zuweilen -te
duldet, z. b. mæla, mælte; rœna, rœnte; mêna, mênte,
nach vereinfachter gem. immer de: fälla, fälde, bränna,
brände. — 3) ehmals kurzſilbige wurzeln haben theils
ableitungsvocal im praeſ. theils rückuml. im praet. be-
halten. Jenes nur nach liq. t, d (ſælja, vælja, qvælja,
tælja, dœlja, hœlja, ſkilja, ſæmja, tæmja, vænja, ærja,
ſuærja, værja, ſmœrja, ſpœrja, hvättja, ſättja, glædja,
ſtædja, rœdja, ſtœdja) nicht nach p, f, k, g, ſ (kræfva,
qvæfva, täcka, ſæga, lägga) früher ſchrieb man kræfja,
dafja, jetzt allmählig auch ſätta, hvätta. Rückumlau-
tende praet. ſind: qvâlde, vâlde, tâlde, dôlde, tâmde,
[1001]II. ſchwediſche zweite ſchwache conjugation.
vânde, ſnârde, vârde, ſmôrde, ſpôrde, ſatte, hvatte,
gladde, ſtadde, rodde, ſtodde, krafde, qvafde, ſælja hat
ſålde (nicht ſàlde, vgl. ſ. 923. altn. ſeldi, nicht ſaldi)
ſæga und lägga:ſâde, lâde, ærja (arare) ærde. Des â, ô in qvâl-
de, tâmde, dôlde etc. bin ich unſicher, vielleicht hat ſich
in verhärteter ſyncope die kürze qvalde, tamde, dolde etc.
fortgepflanzt? — 4) urſprünglich langſilbige haben weder
j im praeſ. noch rückumlautendes praet., beiſpiele aus
der großen menge ſolcher verba : mæla, mælte; drœma,
drœmde; rœna, rœnte; læra, lærde; hœra, hœrde; fylla,
fylde; bränna, brände; välta, välte; ſölja, följde (ſt.
fölga, fölgde); ſända, ſände; blänka, blänkte; hänga,
hängde; ſörja, ſörjde (f. ſörga, ſörgde); dœpa, dœpte;
œfva, œfde; lêfva, lêfde; dœfva, dœfde; blœta, blœtte;
ſtœta, ſtœtte; ſprîda, ſprîdde; fœda, fœdde; blœda, blœdde;
lœſa, lœſte; kyſſa, kyſte; ſœka, ſœkte; åka, åkte; lêka,
lêkte; æga, ægde; wîga, wîgde; bygga, bygde etc.


Zweite ſchwache conjugation.

kall-ar kall-ar kall-arkall-ade kall-ade kall-ade
kall-e kall-en kall-akall-ade kall-aden kall-ade

beiſpiele: 1) einfache: tâla; kalla; ſtamma; mâna; banna;
ſvâra; dåra; rôpa; bæfva; båta; bâda, vîſa; krûſa; nêka;
tacka; fråga; faſta; kaſta; ſkrifta; vackta etc. 2) bildun-
gen mit -l, -n, -r: ſamla; chriſtna; hvîtna; drunkna;
ſvimna; hamra; bullra; undra. 3) mit k, g, ſ: blîdka;
ſnîdka; ällſka; ſtâdga; rênſa etc. — anmerkungen: α) die
neuere ſprache ſchwankt immer häufiger zwiſchen bei-
den conj., d. h. ſie ſtrebt die vollere form des praet. -ade
zu kürzen und erlaubt ſich z. b. nêkte f. nèkade, brûkte
f. brûkade, tâlte f. tâlade (von tâla, verſch. iſt tæljde für
tâlde oder talde von tælja) tiente f. tienade etc. woraus
allmählig auch im praeſ. nêker — tiener ſt. des richti-
geren nêkar — tienar hervorgeht. Bemerkenswerth
ſteht in ſolchen kürzungen t (und nicht d) nach l und
n (nicht alſo tâlde, tiende). β) ſeltner find verba aus
erſter in zweite getreten, vgl. dêla, dêlade; bœrja, bœr-
jade; tænja (tendere) tænjade etc. — γ) imp. ſg. zweiter
conj. lautet -a, dem inf. gleich: kalla, ällſka!


Anomalien ſchwediſcher conjugation.

1) eſſe zweiſtämmig: α) praeſ. œr, œr, œr; pl. œre, œren,
œro;
altſchwed. äſt f. ær in ll. ſg; œrom f. ære in I.
[1002]II. däniſches verbum.
pl. — β) inf. vâra; praet. vâr, vâr (altſchw. vaſt) vâr;
pl. vôre (altſchw. vårom) vôren, vôro; praet. conj.
vôre. — 2) α) vêt, vête; viſte. β) må; måge; måtte.
γ) ſkal; ſkôle; ſkulle. δ) kan; kunne; kunde. anm.
œger (habeo) geht regelmäßig nach zweiter ſchw. praet.
œgde (nicht åtte); törs (audeo) hat im praeſ. beſtändig
paſſiviſches -s, praet. torde; måſte gilt wie im engl. f.
debui und debeo und im altſchw. ein jetzt ausgeſtorbe-
nes månde für das altn. man und mundi. — 3) vill, pl.
vîlja; praet. ville. — 4) hâfva; praeſ. hâr, pl. hâfve;
praet. hâde. — 5) giœra, praet. giorde. — 6) bringa,
bragte; tänka und tycka haben regelmäßig tänkte,
tyckte. — 7) vocaliſch endende wurzeln, ſofern ſie
nicht ſtark conjugieren (wie ſlå, gå, få, två, ſtå, dœ, lê,
ſê) folgen α) meiſtens der erſten ſchwachen, werfen aber
alle flexionsvocale des praeſ. weg, als: ſå (ſerere) ſår
(ſero) ſå (ſerimus) ſån (ſeritis) ſå (ſerunt) ſt. ſåa, ſåer,
ſåe, ſåen, ſåa; praet. ſådde; ebenſo: nå (appropinquare)
når, nådde; ſpå (vaticinari); ſkê (fieri) ſkêr, ſkêdde; dî
(lactare) dîr, dîdde; bô (habitare) bôr, bôdde; grô (vi-
rere); rô (remigare); ſkô (calceare); ſnô (torquere) ſpô
(feſtinare); trô (credere); dœ (mori) dœr, dœdde (ne-
ben dôg); ſtrœ (ſpargere); brŷ (vexare) brŷr, brŷdde;
flŷ (fugere) flŷr, flŷdde. β) wenige nach der zweiten
und ganz regelrecht, ohne kürzung der flexion: ſpêa
(irridere) ſpêar, ſpêade; tœa (roreſcere) tœar, tœade.
γ) mehrere ſchwanken zwiſchen j und g: bœja (flectere)
bœjer, bœjde oder bœga, bœger, bœgde; ebenſo plœja
(arare) rœja (reprehendere); fæja (mundare) fæjar, fæjade
oder fæga, fægar, fægade; ſnœja (ningere) ſnœjar, ſnœ-
jade oder ſnœga etc.


Däniſches verbum.


Die däniſche ſprache unterſcheidet den ſg. vom pl.,
(ſtrenge nur im praeſ.; wogegen im praet. ſchwacher
form überall, im praet. ſtarker oftmahls beide numeri
gleichlauten) das praeſ. vom praet., nicht mehr conj.
vom ind., nicht mehr die drei perſonen untereinander
(vgl. anm. 8. zur ſtarken conj.); praeſ. ſg. endigt ſtark
und ſchwach auf -er, -er, -er; pl. auf -e, -e, -e
(alſo mit dem inf. zuſ. fallend). Das ſtarke praet. hat
im ſg. unflectierten ablaut, im pl. -e; das ſchwache
im ſg. und pl. -de, oder -te, oder -ede.


[1003]II. däniſche ſtarke conjugation.
Starke conjugationen.

I. falder, faldt, faldt, falden; holder, holdt, holdt, hol-
den; faaer, fik, fik, fangen; gaaer, gik, gik, gangen,
inf. gaae, imp. gak, neben dem neueren gaae. — II. hed-
der, hêd, hêd, ohne part. praet. — III. lœber, lœb, lœb,
lœben; hugger, hugg, hugg, huggen. — IV. græder,
græd, græd, ohne part. praet.; lâder (ſino) iſt durch
verwechſlung des organ. aa mit â in VII. eingetreten. —
VII. gâler, goel, goele, gâlen; fârer, foer, foere, fâren;
ſvärger, ſvoer (und ſoer) ſvoere, ſvôren; ſtaaer, ſlôd,
ſtôde, ſtanden, inf. ſtaae, imp. ſtât, neuer ſtaae; grâver,
grôv, grôve, grâven; lâder (ſino) lôd, lôde, lâ-
den; drâge, drôg, drôge, drâgen; ebenſo tâger und un-
org. jâger; lêr (rideo) loe, loe, part. lêt; ſlaaer, ſlôg,
ſlôge, ſlaaen. — VIII. grîner, grên, grêne, part. ſchw.;
trîner (gradior) ebenſo; ſkinner geht ganz ſchw.; grî-
ber, grêb, grêbe, grêben; knîber; pîber; ſlîber; blîver,
blêv, blêve, blêven; drîver; rîver; ſkrîver; glîder, glêd,
glêde, glêden, ebenſo: gnîder; rîder; ſkrîder; ſtrîder;
ſvîder; vrîder; bîder; ſlìder [doch machen beide letz-
tere, deren d dem ſchwed. t, deutſchen Ʒ entſpricht,
kein ſtarkes part., ſondern ſchwaches: bidt, ſlidt]; ſkrî-
ger, ſkrêg, ſkrêge, ſkrêgen; ſnîger (repo); kìger (inſpi-
cio); ſtîger; ſvîger; vîger. — IX. krŷber, krœb, krœbe,
krœben; klŷver, klœv, klœve, klœven; bŷder, bœd,
bœde, bûden; brŷder; flŷder; gŷder; lŷder; nŷder;
ſkrŷder; ſkŷder; ſnŷder; ſŷder; ſortrŷder; gŷſer, giœs,
giœs ohne ſtarkes part. praet. gleich den beiden folgen-
den fnŷſer; nŷſer; kŷſer, kiœs, kiœs, kŷſen; frŷſer,
frœs, frœs, fruſſen oder froſſen; fŷger, fœg, fœge,
fœgen oder fŷgen; ebenſo rŷger; ſtrŷger; flŷger und lŷ-
ger ſchwanken in flŷver, lŷver; praet. flœi, lœi, flœi,
lœi, part. flœjen, lœjen; ſŷnger und ſŷnker ſtreifen aus
XII. hierher. — X. dræber geht ſchwach; gîve, gàv,
gâve, gîven; ſôver, ſôv, ſôve, ſôven; æder, aad, aade,
part ſchwach; træder, traad (neben traadte) part. ſchwach;
bêder, bâd, bâde, bêden; kvæder, kvâd, kvâde, kvæ-
den; gîder, gâd, gâd, gîden; ſidder, ſâd, ſadde, ſid-
den; ligger, laae, laae, liggen; ſêr, ſaae, ſaae, ſên;
være (eſſe) hat nur das praet. vâr, vâre, part. væren;
læſer (lego) geht ſchwach, praet. læſte. — XI. ſtiæler,
ſtiâl, ſtiâle, ſtiaalen; bær (f. bærer) bâr, bâre, baaren;
ſkiær (f. ſkiærer) ſkâr, ſkâre, ſkaaren; ſtatt kôme, for-
nême gilt komme, fornemme nach XII. — XII. hiälper,
[1004]II. däniſche ſtarke conjugation.
hialp, hialp, hiulpen; ſkiälver, ſkialv, ſkialv, ſkiul-
ven; giälder, giald, giald, ſmälder, ſmald, ſmald,
beide ohne ſtarkes part.; fornemmer, fornam, fornam,
fornummen; binder, bandt, bandt, bunden; finder;
rinder; ſpinder; ſvinder; tvinder; ſtinker, ſtank, ſtank,
ſtunken; ſŷnker, ſank, ſank, ſunken; hänger, hang,
hang, ohne ſtarkes part.; ſpringer, ſprang, ſprang, ſprun-
gen; tvinger; klinger; ſŷnger, ſang, ſang, ſungen; ſlip-
per, ſlap, ſlap, ſluppen; träffer, traf, traf, truffen;
drikker (nicht drinker) drak, drak, drukken; ſtikker;
knäkker, knak, knak, knukken; bräkker; ſmäkker;
ſpräkker; träkker; briſter, braſt, braſt, bruſten; tärſker,
tarſk, tarſk, torſken. — anmerkungen: 1) folgenden
praet. der vier erſten conj. mangelt aller ablaut: faldt,
holdt, lœb, hugg, græd. 2) die wurzeln ld, nd in I
und XII werden im praet. auslautend und unorganiſch
zu ldt, ndt: faldt, holdt, bandt, fandt etc; nur halb
analog iſt das ſchwed. höllt, hant f. höll, han. — 3) der
ablaut des ſg. bleibt überall im pl. [altdäniſch noch im
XII. der pl. ſprunge etc. in I. ginge. finge Bloch §. 519.
530.] ja, der pl. praet. gibt ſogar ſein flexions-e auf
und lautet dem ſg. gleich, nothwendig nach den conſ.
verbindungen in conj. I. XII., willkürlich nach einfa-
chen conſ. d. h. man darf grêbe oder grêb; ſkâre oder
ſkâr; grôve oder grôv als pluralform brauchen; in laae,
ſaae hat ſich umgedreht das flexions-e des pl. verhärtet
in den ſg. eingeführt, daß letzterer eigentlich laa, ſaa
lautet folgt aus dem anomalen maa, pl. maae. — 4) oe
vor l und r ſtatt ô (ſ. 560.) erinnert ans mittelh. uo, ue,
mittelniederl. oe; aad, laae, ſaae, entſpricht dem altn.
ât, là, ſâ und ſchw. åt, låg, ſåg; das in ſtial, ſtiaalen;
hialp, hiulpen unorganiſch eingeſchobne i hat mit dem
ablaut nichts zu thun; gar kein ablaut iſt das au in
taug (tacuit) von tîe, es ſtammt mit apocopiertem -de
aus dem org. ſchwachen praet. þagdi von þegja [alt-
ſchwed. tagde, neuſchw. têg von tîga] wie das part.
taugt beſtätigt, vgl. oben ſ. 561. über tavs, taus f. tagſe.
Die beßere form tîede gilt daneben. — 5) ſchwache
praeſentia an umlaut, i für e, gemination und ablei-
tungs-j (g) erkennbar: hedder (altn. heitir), ſvärger, lêr,
dœr, ſidder, ligger. 6) ſchwache praet. neben ſtarken:
gâlede, fârede, jâgede, grînte, trînte, klingede etc. ne-
ben goel, foer, jôg, grên, trên, klang. 7) noch häufi-
geres ſchwanken zwiſchen ſtarkem und ſchwachem part.
praet, zumahl in VIII und IX. — 8) das altdän. ver-
[1005]II. däniſche ſchwache conjugation.
leiht der II. praet. ſg. hin und wieder die flexion -ſt.
als: fikſt, tôgſt, lêdſt, blêvſt, lœiſt, gâvſt, hialpſt (Bloch
§. 548.)


Däniſche ſchwache conjugation.

praeſ. täll-erpl. täll-epraet. tâl-tepl. tâl-te
bränd-erbrän-debränd-tebränd-te

1) der vocal vor dem -de, -te praet. wird ſtets ſynco-
piert, unorganiſch das aus dieſem voc. im praeſ. ent-
ſprungene g beibehalten in vâlgte, ſôlgte, dûlgte, ſpurgte
ſt. vâlte, ſôlte, dûlte, ſpûrte, ähnlich dem ſchwed. mis-
brauche: ſkîljde, hœljde, tæljde. — 2) bei der ſyncope
bleibt -de nur nach vocal und einfachem b, v, g der
wurzel (ſtræbde, krævde, hâvde, lâgde, ſâgde) wird aber
in allen übrigen fällen zu -te, namentlich nach liq. ten.,
d und ſ; valgde, ſtrakde, tänkde, vîſde (Bloch 493. 497.)
ſt. des allein richtigen valgte, ſtrakte, tänkte, vîſte iſt
unzuläßige neuerung; vielleicht darf auch nach b -te
folgen: raabte, ſtræbte ſt. raabde, ſtræbde. Das harte
ndte (ſendte, brändte) wird nicht in nde oder nte ge-
mildert; für ltte, ſtte aber, ſtatt der milderung lte, ſte,
unorg. übertritt in die zweite conj. vorgezogen, z. b.
välte, vältede, fäſte, fäſtede (ſchwed. välta, välte; fäſta,
fäſte) ähnlich dem neuh. kältete, dürſtete (mittelh. kelte.
durſte). — 3) urſprüngl. kurzſilbige wurzeln geben auch
hier ſpur des ableit. vocals im praeſ. α) durch gemi-
nation des conſ. (wie im alt- und mittelh.) als: tälle
ſkille, hylle, tämme, vänne, ſmörre, ſätte, räkke, väkke;
altn. telja, hylja, ſkilja, temja, venja, ſmyrja, ſetja, rekja,
vekja; welche gem. im praet. vereinfacht wird: tâlte,
ſkîlte, tâmte etc. β) durch verhärtung in g (nur nach
l und r) als: välge, ſälge, dölge, värge, ſpörge; altn.
velja, ſelja, dylja, verja, ſpyrja. γ) manche ganz pa-
rallele wörter zeigen keines von beiden, z. b. qvæle,
altn. qvelja, woraus eben ſo gut hätte qvälle oder
qvälge werden dürfen; glæde, altn. gledja etc. — 4) rück-
umlaut im praet. bewahren folgende urſpr. kurzſilbige:
tâlte, tâmte (?), vânte, ſatte, râkte, ſtrâkte, vâkte,
ſmûrte, lâgde, ſâgde [oder mit kurzem a: talte, rakte,
ſmurte?]; auffallend ſelbſt jene mit in g verhärtetem j
(d. h. dem urſprünglichen, rückuml. hindernden i):
valgte, ſolgte (ſchwed. ſålde) dulgte, ſpurgte, doch nicht
vargte, ſondern värgte, welches (wie das ſchwed. tæljde,
hœljde, nicht tâljde, hôljde) allerdings richtiger ſcheint. —
[1006]II. däniſche anomalien.
5) urſpr. langſilbigen gebührt weder gem. noch verhär-
tetes g, noch rückuml.; doch findet ſich ausnahmsweiſe
tadelhafte gem. (römme, altn rŷma) ſchwerlich jenes g.
denn in fölge, ſörge iſt g organiſch (altn. fylgja, ſyrgja);
tadelhafter rückuml. in fulgte (nach der analogie von
dulgte eingeführt) nicht ſurgte, ſondern ſörgte; beßer
wäre fölgte (ſchwed. följde, ſörjde). — 6) beiſpiele:
mæle, mælte; fœre, fœrte; vende, vendte; brände,
brändte; fœde, fœdte; ſœge, ſœgte; ſpîſe, ſpîſte etc.


Zweite ſchwache conjugation.

Das praet. behält -ede; beiſpiele: 1) einfache: tâle, for-
mâne, tiene, ſvâre, bande, knurre, bâde, kaſte, knâge,
takke etc. — 2) bildungen l, m, n, r etc. ſamle, tumle,
rœdme, aabne, undre, elſke etc. — anm. α) die neuere
ſprache, beſonders der dichter, kürzt viele -ede in -te
(nach erſter conj.) z. b. tiente, elſkte f. tienede, elſkede;
allgemein kaldte f. kaldede (ſchwed. kallade). — β) die
grammatiker nehmen auch den imp. ſg. zweiter conj.
ohne flexions -e an, z. b. tâl, kaſt etc. wofür altdän.
tâle, kaſte; doch den bildungen mit -l, -m, n, r muß
das -e bleiben: handle, aabne, vandre; ohne grund er-
klärt Bloch §. 544. ſolche formen für undäniſch.


Anomalien däniſcher conjugationen.

1) eſſe: α) êr, êr (altd. eſt) êr; pl. êre. β) inf. være;
praet. vâr, vâr (altd. varſt) vâr; pl. vâre. — 2) α) vêd;
pl. vîde; praet. vidſte. β) maa pl. maae; praet. maatte.
γ) ſkal pl. ſkulle; praet. ſkulde. δ) kan, kunne; kunde
(nicht kunte, oder kundte, weil hier nd dem altn. nn
entſpricht; vgl. ſ. 883. alth. konda, nicht konta). anm.
ejer oder eier hat ejede, nicht mehr das alte aatte; tœr,
pl. tœr, praet. turde; ebenſo bœr, pl. bœr; burde beide
regelmäßig nach erſter ſchw., nur daß der pl. nicht
tœre, bœre lautet; im altdän. noch häufig mon, monne
(altn. man, mundi). — 3) vil, ville; vilde. — hâve;
praeſ. hâr; pl. hâve; praet. hâvde. — 5) giœre; praeſ.
giœr, praet. giôrde. — 6) bringe, bragte; tänke regel-
mäßig tänkte, tykkes, tykkedes. — 7) α) nach erſter
ſchwacher: ſkê, ſkêde; ſnê (ningere) ſnêde; dœ, dœde.
β) die meiſten nach zweiter: naae, naaede; ſaae, ſaaede;
bôe, bôede; rôe (remig.) rôede; ſnôe, ſnôede; grôe, grôe-
de; tôe (lavare) tôede; ſtrœe, ſtrœede; tœe (roreſc.) tœede;
flŷe, flyede u. a. m. γ) bœje, bœjede; feje; plœje etc.


[1007]II. bildung des particip. praeſ.

Von den participien.


Das gegenwärtige buch behandelt die bildung und de-
clination, das vierte die bedeutung und conſtruction der
participien. Auch ihre bildung könnte, wie die der
geſteigerten adjective, ins dritte buch zu gehören ſchei-
nen; doch als flexionen des verbums angeſehen fallen ſie
der conjugation anheim. Sämmtliche deutſche ſprachen
erkennen zwei participia, eins der gegenwart und eins
der vergangenheit.


I. bildung des participium praeſens.

ſie geſchieht durch die ſilbe -and, wozu geſchlechts-
kennzeichen und flexionen der decl. treten; 1) in der
goth. ſtarken conj. bleibt dieſes and ungetrübt, in der
ſchwachen miſcht es ſich mit dem ableitungsvoc. näm-
lich in der erſten gilt j-and, in der zweiten -ônd (für
ô -and), in der dritten and (f. ái-and); beiſpiele: bínd-
ands, naſjands, ſalbônds, habands. — 2) alth. ſtark-ant,
ſchwach j-ant und -ant (f. j -ant), ônt (ô -ant) ênt
(ê -ant); beiſp. pintantêr, nerjantêr, ſalpôntêr, hapên-
têr; ſeit dem 9. jahrh. ſchwanken die ant in ent. —
3) altſ. -and oder end, ſchwach j-and, j-end, ônd;
z. b. bindand, nerjend, manônd. — 4) angelſ. -end:
bindende, nerjende, ſëalfigende. — 5) altnord. -and:
bindandi, teljandi, kallandi. — 6) mittelh. -end ge-
wöhnlich mit tonloſem oder ſtummem e, welches letz-
tere nach der regel ausfällt (hëlnde, bërnde, klingelnde;
nicht aber videlnde, kobernde); ausnahmsweiſe noch
tieftoniges -ànt, ànde, ènde, ùnde (beiſpiele ſ. 367. 957.);
vielleicht entſprach ùnt, ùnde dem alth. ônt (alſo ſchon
alth. vriunt f. vrîônt, goth. frijônds, wie vîant goth.
fijands?) doch wird es auch wörtern der erſten conj. ge-
geben, vgl. Ernſt 16a wueſtùnde: unde. Höfiſche dich-
ter vermeiden den tiefton, ſtatt: videlènde Nib. 7982.
lieſt E. L: vil videlende. Zu merken die (mögliche,
nicht nothwendige) abſorption des participialen -en α)
wenn lange wurzelſilbe mit n ſchließt, als: weinde (f.
weinende) Parc. 28c; diende (f. dienende) Nib. 2176.;
arnde (f. arnende) Tit. X. 190; β) wenn die bildungs-
ſilbe -en kurze wurzelſilbe vor ſich hat, z. b. rëgende,
ſëgende, neben rëgenende, ſëgenende; geht lange wur-
zel vorher, ſo iſt die auslaßung nothwendig. z. b. of-
fende, wâpende (ſt. offennde). γ) nach kurzer wurzel
auf -n kommt ſie vor z. b. mande f. manende, ſendeƷ
[1008]II. bildung des particip. praeteriti.
M. S. 1, 5a 2, 184a ſenender 1, 74a, doch nicht im reim.
δ) bedenklicher ſcheint ſie nach kurzer wurzel auf l
und r, wo das ſtumme e nothwendig wegfiel, z. b. hëlde
ſpilde, wërde
f. hëlnde, ſpilnde, wërnde? und ließe
ſich brëhtiu (ſt. brëhtiu aus përahtju, oben ſ. 938.) aus
brëhendiu, brëhdiu deuten, indem hd zu ht geworden
wäre? ε) unleugbar iſt töude (moribundus) f. töunde,
töuwende Parc. 18c 55b 70a: vröude gereimt. — 7) mit-
tel- und nenniederl. -end. — 8) im mittelengl. beginnt
-end in die adjectiviſche bildung -ing zu ſchwanken,
welche letztere bald vorwiegt und im neuengl. jenes
-end völlig verdrängt hat. — 9) neuh. end, aber nie
mehr tieftonig; -nd nur in den fällen, wo noch ſtum-
mes e dauert, nämlich bei bildungen mit l und r: klin-
gelnd, wundernd; die mit m, n ſyncopieren ihr bil-
dungs -e: âthmend, rêgnend. Keine verkürzung leiden:
weinend, dienend, warnend etc.


II. bildung des participium praeteriti.

doppelt nach dem unterſchiede ſtarker und ſchwacher
form. Die ſtarke conjugation wirkt es durch die flexion
-an, -in, -en, womit jedoch häufig ablaut verbunden
iſt; ich habe bei aufzählung der einzelnen ſtarken verba
jedesmahl zuletzt die geſtalt des part. praet. angegeben.
Aus dieſen angaben ſieht man, daß die reduplicieren-
den conjug. ihrem part. praet. reduplication entziehen,
folglich beſtändig den vocal des praeſ. laßen; glaublich
reduplicierte es aber in älterer zeit, ſo daß für fahans,
háitans, áukans, ſlêpans ein fáifahans, háiháitans, áiáu-
kans, ſáiſlêpans beſtand. Wie aber für ſáians und lê-
tans? ſáiſôans, láilôtans oder ſáiſáians, láilêtans? Ulphi-
las ohne redupl. hat erweiſlich ſáians Marc. 4, 16. und
lêtans Luc. 16, 18. (wo leitans, nach dem wechſel zwi-
ſchen ei, ê; ſ. 36.) nicht ſôans, lôtans, weshalb mir ſái-
ſáians, lailêtans wahrſcheinlicher vorkommt. Alle ſpäte-
ren ſprachen, wo ein ſcheinbarer ablaut îa, ie, iu, ê
das praet. der ſechs erſten goth. conj. formt, geben dem
part. praet. den vocal des praeſ.; ihn beſitzt auch das
part. praet. der ſiebenten und zehnten durchgängig: fa-
rans, liſans, woraus vielleicht ein älteres reduplicieren-
des princip dieſer conjugg. gefolgert werden darf, ein
fáifarans, láiliſans und daraus ein praet. ind. fáifôr, lái-
las? Das e ſtatt a im part. ſiebenter vor kehllauten,
welches die angelſ. altn. und niederl. mundart ent-
wickelt, muß als unorg. abweichung betrachtet werden.
[1009]II. bildung des particip. praeteriti.
Die vier übrigen conjugg. drücken die vergangenheit
auch am part. durch ablaut der wurzel aus und zwar
die eilfte verleiht ihm eigenthümlichen, vom ablaut des
ind. verſchiedenen (numans, nomanêr); die achte, neunte,
zwôlfte laßen ihm den des plur. praet. (gripans, gutans,
bundans, vaúrpans). Man merke, daß das part. praet.
überall kurzvocaliſch iſt. außer wo es in reduplicieren-
der conj. das áu, ai, ê des praeſ. beſitzt. Soviel vom
ab -oder nichtablaut des part. praet.; was die hinzutre-
tende flexion betrifft, ſo lautet ſie 1) goth. -an [abwei-
chend ſcheint nur fulgin κρυπτὸν Matth. 10, 26. Marc.
4, 22. Luc. 8, 17. gafulgin κεκρυμμένον Luc. 18, 34. 19,
42. von einem oben ſ. 842. nicht angeführten filgan, falg,
fulgun, davon nur II. praet. ſg. affalht ἀπέκρυψας (für
falgt, wie aiht f. áigt) aus Luc. 10, 21. nachzuweiſen
ſteht; von der adj. bildung -ein iſt dieſes -in verſchie-
den, ſo wie der ſtamm filgan von filhan, commendare,
part. fulhans; vgl. das altn. fëla in conj. XI.]. 2) alth.
an [giwagon O. I. 3, 72: wiƷagôn ſteht dem reime zu
lieb f. giwagan; verſchiedenemahl ſetzt O. -inu f. -anu,
als: gihaltinu IV. 29, 32. giwëbinu IV. 29, 28; doch 28,
16. ſteht giwëbanu] welches allmählig zu -en wird, N.
braucht entſchieden -en [bei T. ſcheinen viele -en aſſi-
milation, z. b. 244. erhabênen, während unflectiert er-
haban, nicht erhaben gilt. wiewohl der text ſchwankt,
z. b. 185, 12. worphanemo, nicht worphenemo] —
3) das mittelh. -en ſyncopiert ſein e nach den bekann-
ten grundſätzen (varn, korn, holn, born); neuh. unter-
bleiben dieſe ſyncopen mit der ſtummheit (vâren, kô-
ren, hôlen, bôren). — 4) altn. -inn (f. inr) niemahls
-ann; weil kein umlaut folgt (alinn, fallinn, lâtinn,
runninn etc. nicht elinn, fellinn, lætinn, rynninn; denn
ekinn, dreginn, fenginn haben andern grund) unorga-
niſch und dem -idh f. adh (ſ. 912.) analog. — 5) angelſ.
-en, ob zunächſt aus -an oder -in entſpringend? läßt
ſich nicht beſtimmen, doch erſteres als wahrſcheinlicher
annehmen. — 6) niederl. engl. ſchwed. dän. -en.


Das part. praet. ſchwacher conj. wird, analog dem
praet. ind. durch ein hinzugefügtes d oder t gebildet:
1) goth. d, das aber auslautend und vor s zu þ wird,
der vorausſtehende ableitungsvocal leidet keine weg-
laßung: naſiþs, branniþs, ſalbôþs, habáiþs; fem. naſida,
brannida, ſalbôda, habáida; neutr. naſi[þ] oder naſidata,
branniþ oder brannidata etc. — 2) alth. t, aus -und in
inlautend, neritèr, ſalpôtêr, hapêtêr. Der ableitungs-
S s s
[1010]II. bildung des particip. praeteriti.
voc. iſt in den beiden letzten conj. unauswerflich, desglei-
chen bei kurzſilbigen wurzeln der erſten: nerit, neritêr,
nerites, neritaƷ, ſelit, ſelitêr etc. Schwierigkeit machen
langſilbige: α) J. duldet auch hier keine auswerfung des i,
es mag flexion hinzutreten oder nicht: 342. 395. chi-
dhechidju, dhechiderô; 347. chihneigidju; 354. 361. 365.
chiſendidan; 358. chideiliden; 363. chinômidju; 378.
chichundidju; chibrêvidô; 388. arflaugidêm; 391. chiwî-
hidô; 404. chimengidê; 406. chiſaugida. β) ſtrengalth.
bei K. und N. folgende regel: der abl. vocal bleibt, wenn
das participiale -t auslautet, fällt aber weg, ſobald decl.
flexion hinzutritt, ſeine ſyncope zieht dann, was rück-
umlaut und conſonanten betrifft, dieſelben folgen nach
ſich, die oben beim ſyncopierten praet. ind. angegeben ſind.
Es heißt demnach piwemmit, kiprennit, kiderrit, kiſezit
(K. 45b) kimeſtit, (N. p. 263b, 15.) kirefſit, kiſtrecchit, kirih-
tit, kivillit, kivullit, kiwîhit, kitrôſtit, kiteilit, kiſuohhit,
kituomit (nicht piwamt, kiprant, kidart, kiſazt, kiſtraht,
kiriht, kivilt, kivult, kiwîht, kitrôſt, kiteilt, kiſuoht);
hingegen piwamtêr, kiprantêr, kidartêr, kimaſtêr, kiraf-
ſtêr, kiſaztêr (K. 27b N. 44, 17.) kiſtrahtêr, kirihtêr etc.
nicht kiprennitêr, kideritêr, kiſtrecchitêr, kirihtitêr etc.)
und ſo bei allen andern flexionen: kiprantes, kiprante-
mu etc. Ein kiſazt, kizalt, kivalt, kiſcant, kiwant, ki-
dact wäre ſo unzuläßig als ein kiſezitaƷ, kivellitaƷ, ki-
wenditaƷ, kikidecchitaƷ [kizelitaƷ etc. möglich, ſogar
üblich K. 27b 49a, wegen org. kurzſilbigkeit, zellan =
zeljan analog weljan, unanalog vellan; part. kiwelit, ki-
welitaƷ; kivellit, kivaltaƷ.]; doch als ſeltne ausnahme
farſalt miſc. 1, 4. γ) T. folgt zwar im ganzen der-
ſelben regel, d. h. es ſtehet gifullit, ziteilit, ziſprei-
tit, giſentit, bitheckit, arwelzit etc. und gifultên, zi-
ſpreittê, giſantê (13, 21.) bithactes (44, 18.) arwalz-
tan etc.; allein da in dieſem denkmahl noch manche
praet. ind. unſyncopiert vorkommen (oben ſ. 873.) z. b.
wâtita, ſougita, heldita, miſgita, bruogita, antlingita,
gihengita etc. pflegen auch die flectierten part. ſolcher
verba das i zu behalten; girôſtites 231, 2. erbruogite 217, 4.
gihelditemo 208, 6. gimiſgitan 202, 3. giwâtitan 196. 7. 244,
1. giſezitu 25, 1. 45, 4. gewentite 39, 8. giweigitê 44, 1.
girîmitu 44, 21. etc. giſelit 158, 6. giſelitu 67, 8. (neben
dem praet. ſalta) erklärt ſich aus der alten kurzſilbig-
keit; formen wie gizalt, giſalt, giwant gelten im T.
ſo wenig, als ſtrengalth. — δ) auch O. beobachtet mei-
ſtens den ſtrengalth, grundſatz, z. b. irfullit, gifuagit, gi-
[1011]II. bildung des particip. praeteriti.
zelit (II. 21, 87.) gimeinit, bicleibit, irougit und irful-
taƷ, gifuagtê, gizaltêr (I. 11, 18.) gimeintan, bicleiptaƷ,
irougtaƷ etc. geſtattet ſich aber einigemahl ginant III. 22,
101. gizalt III. 22, 38. für ginennit, gizelit; daß er V.
25, 172. bithekitaƷ und nicht bithactaƷ ſchreibt, iſt keine
abweichung, ſondern er behält in dieſem worte das org.
einfache k theken (nicht thecken, ſtrengalth. decchan,
dacta) weshalb das praet. thekita lautet. — ε) den ano-
malen praet. prâhta, dûhta, worhta entſpricht ein ſtets
(d. h. auch ohne flexion) ſyncopiertes part. prâht, kidùht
(K. 22b 26a) kiworht; auffallend gilt neben dâhta das
part. kidenchit (bithenkit O. I. 1, 45. II. 11, 103; geden-
chet N. 57, 10.) nicht kidâht (mittelh. gedâht); wie wohl
davon die mir nicht gegenwärtige flectierte form lautet?
kidanhtes (wie kiwanhtes von wenchan), kidàhtes oder
kidenchites? — ζ) bildungen mit l, m, n, r haben
ſtrengalth. nach der regel verkürztes part. mit, unver-
kürztes ohne flexion, z. b. kinekilit (clavatus) kinidirit
(humiliatus) kinakaltes (clavati) kinidartes (humiliati)
kizeihhanit (ſignatus) kizeihhantju (ſignata) etc.; bei T.
kommt wie das praet. nidarita, ſûbarita, ſo das part. for-
nidaritê 39, 2. giſûbiritê 64, 3. vor. — 3) die mir zu-
gänglichen bruchſtücke der altſ. E. H. liefern das ſchwache
part. praet. beinahe nur unflectiert; daß in zweiter conj.
das ô, in erſter bei kurzſilb. das i nicht ausfalle, ver-
ſteht ſich. Langſilbige haben es unflectiert meiſtentheils:
giwendid, ginâhid, gihrôrid, gifuogid, giwêgid, giwlen-
kid, gimengid, gifullid. giſendid, ginôdid etc.; bemer-
kenswerthe ausnahmen ſind giſald (nicht giſelid) gitald
(nicht gitelid) giſôht (nicht giſôkid) und giwarht (nicht
giwirkid); flectiert: fartaldâ etc. — 4) angelſ. bleibt das
ô zweiter conj. und bei kurzſilb. das ë erſter durchaus;
langſilbige behalten es in der regel, wenn keine flexion,
werfen es aus, wenn flexion zutritt, z. b. gecenned, ge-
læded, geſeted, gemenged, geſended, gebärned etc. gen.
gecendes, geſettes, gelæddes etc. dat. gecendum, gebärn-
dum. Ausnahmsweiſe ſyncopieren es auch außer der
flexion α) die ëa rückumlautenden: geſëald, getëald,
gecvëald, gevëaht, geþëaht;
desgl. geſœd (dictum) Beov.
128. β) die anomalen part. broht, boht, vorht, þoht,
þûht, geſôht, gerôht
. γ) ſchwankend ſind wurzeln mit
t und d; ältere quellen haben: geſeted (Beov. 128.
Cädm. 3. geſended (Beov. 70.) gelæded; ſpätere geſett,
geſent, gelæd etc. — 5) altn. bleibt wiederum das a zwei-
ter conj. nothwendig (kalladhr); das i erſter fällt bei
S s s 2
[1012]II. bildung des particip. praeteriti.
kurz- und langſilbigen weg, vgl. taldr, tamdr, brendr,
deildr. Man merke α) kurzſilbigen läßt die Edda im
nom. maſc. und neutr. noch häufig i: talidhr, hulidhr, du-
lidhr, tamidhr, baridhr, varidhr, þakidhr, lagidhr, ta-
lit, varit etc. wobei nur der unumlaut auffällt; ſind es
überbleibſel aus einer früheren zeit, die (gleich dem
goth.) noch keinen umlaut kannte? denn organiſch iſt
hier i und dasſelbe, welches im inf. telja, berja aus
talja, barja zeugt; um ſo vielmehr ſollte es telidhr, be-
ridhr, dylidhr zeugen. β) im nom. neutr. kurzſilbiger
hat ſich das i auch noch heute bewahrt: talit, hulit,
ſtunit, tamit, barit, varit etc. die ſich zum maſc., wie
kallat zu kalladhr verhalten, d. h. f. talidht, kalladht
ſtehen (ſ. 737.); da nun das part. praet. ſtarker conj. im
neutr. gleichfalls auf -it (f. -int) ausgeht, begreift ſich,
warum viele ſchwache verba erſter conj. aus ſolchem
neutr. unorganiſche formen -in, umgekehrt part. ſtarker
conj. formen -d entwickelten (oben ſ. 307.). Raſk ſtellt
für ſolche zweiformige part. eine miſchdeclination auf
(§. 194. 248.); ich zweifle, daß ſich aus alten denkmäh-
lern ein galda (incantatam) göldum (incantato) oder ein
talinn (numeratus) talins (numerati) ergebe ſt. der orga-
niſchen formen galna, gölnum und talidhrr, talidhs. All-
mählig aber reißt die doppelform ein. γ) langſilbigen, de-
ren neutrum bloßes -t, kein -it beſitzt, fehlt alle ver-
ſuchung zu dieſer doppelform, vgl. brendr, brent; rûmdr,
rûmt; hvattr, hvatt; gladdr, gladt. — 6) mittelh. tragen
ſich folgende abänderungen der früheren einrichtung zu:
α) kurzſilbige ſyncopieren das ableitungs -e nicht nur
in erſter, ſondern auch zweiter conj. nothwendig nach
l und r: gewelt, geſchelt, gebert, geſpürt; geſpilt, ge-
zilt, gewërt, geſpart; nach andern conſ. meiſtentheils,
das part. geht hier ganz analog dem praet. ind., nament-
lich auch in den formen geleit, geſeit (ſ. 947.) gereit,
gekleit f. geklaget (ſ. 959.) gekleit f. gekleidet (ſ. 961.).
β) langſilbige zweiter conj. behalten in der regel ihr e,
als: gehêret, gewâget, gemachet, geminnet, geſeller etc.
inzwiſchen ſteht ausnahmsweiſe gemaht f. gemachet
Flore 9c troj. 60a 116a 169a altd. w. 2, 89; gewaht f. ge-
wachet Ben. 144; anderwärts gemêrt f. gemêret etc. Bei
zutretender flexion wird die ſyncope zuläßiger, z. b. ge-
hêrte Parc. 52a 78c. γ) bei langſilb. erſter conj. iſt zwar
immer noch der unflectierte fall von dem flectierten zu
unterſcheiden und a) für letzteren kürzung zu behaup-
ten, folglich mit rückuml. und conſ. beſtimmung des
[1013]II. bildung des particip. praeteriti.
praet. ind. z. b. gebranter, geſazter, geracter, gerihter,
gevulter, geteilter etc. nicht: gebrenneter, geſetzeter etc.
belege: verſcharter (? verſcherter), getoufter a. Tit. 64.
76; bewandem. gerihtiu, geſagtem, geluptem, gewîhtin,
verkêrtem, gerihtem Parc. 46c 54a 67c 70a 116b 122a 126b
143a; geteilter, gedruckten Kl. 1785. 1956. 3178; gerac-
ten, gezartem, zevuortem Wigal. 158. 182 etc. Über-
haupt lind ſolche declinierte part. unhäufig und im Triſt.
wo ihrer gerade mehr vorkommen, als in andern ge-
dichten, findet ſich auffallend die unverkürzte form,
vgl. 49c geſenketem 51a zeſtücketen 56a erwünſchete 67a
gehertete 86a gelìmeten (doch 6b 85b gelìmten) 88c ge-
gelletem 114a gelüppeter etc. geſtattete dieſe Gotfr. mund-
art? oder iſt geſanctem, zeſtuctem, erwunſchte etc. zu
emendieren? [betouweten 4b, verweiſete 13b, getageten
28b, gewarneten 39c etc. gehören der zweiten conj.]
wie ich a. Heinr. 199b erbeiteten in arbeiten (exerci-
tum) ändere. Alle belege ſtehen anßerhalb des reims.
b) der weit häufigere unflectierte fall duldet volle und
gekürzte form, ſo oft bei der kürzung ein conſ. ver-
ſchwindet, namentlich in wurzeln mit ll. mm. nn. rr.
pp. tt. nd. rt. ht. ſt. ft. und einfachem t, es kann heißen:
gevellet, geſtellet, geſtillet, gevüllet, gekemmet, gebren-
net, zetrennet, genennet, erkennet, überzinnet, geſperret,
gelüppet, gerettet, gewendet, geſchendet, enzündet, gegür-
tet, entnihtet, erliuhtet, geheftet, gemeſtet, getrœſtet, behue-
tet etc. aber auch: gevalt, geſtalt, geſtilt, gevult, ge-
kamt, gebrant, zetrant, genant, erkant, überzint, geſpart,
gelupt, gerat oder geret, gewant, geſchant, enzunt, erlûht,
gegurt, entniht. gehaſt, gemaſt, getrôſt, behuot; auf
dialectiſcher verſchiedenheit beruht dieſe doppelgeſtalt
nicht. beiderlei part. ſtehen hintereinander in denſelben
gedichten und beide im reim [merklich ſo, daß gekürzte
form mehr durch den reim herbeigeführt wird, volle
aber waltet, wenn kein reim dazu zwingt, d. h. genant
reimt auf lant, hant, nicht leicht auf erkant, wohl aber
genennet auf erkennet;] gezellet iſt dem gezalt gänzlich ge-
wichen. Bei wurzeln ck und tz ſcheint gedecket, geſetzet,
gezücket, ergetzet, etc. üblicher als gedact, geſazt etc. die faſt
kein reim enthält, doch Nib. 1537. geſtraht: naht und außer
reim (Priſt. 2, 560. bedact Groote 664. bedecket); under-
ſazt lw. 5a (ſo auch cod cod. giſſ. und pal.) [über geſat f. ge-
ſetzet oben ſ. 415.]; wo rückuml. im praet. ind. ſchwankt,
darf er es auch im part. z b. von gerettet iſt beides geret
und gerat (Herb. 46a 51a) richtige kürzung. c) wenn durch
[1014]II. bildung des particip. praeteriti.
die ſyncope kein conſ. ſchwindet, hat das unflectierte
part. unverkürzte form, obgleich das praet. ind. und
ſelbſt das flectierte part. kürzt; hierher wurzeln mit ein-
fachem conſ. (t abgerechnet) und den conſ. verbindun-
gen mpf, rb, nz, rz, eng, enk, rk, als: geteilet, ge-
ruemet, geſuenet, geneiget, erœſet, gedempfet, gewer-
bet, geſtürzet, geſenket, gehenget, gemerket (nicht ge-
teilt, geruomt, geſuont, geneigt, erôſt, gedampft, ge-
warpt, geſturzt, geſanct, gehanct). Ausnahme machen
die part. gehôrt, gelêrt, gekêrt, gelôſt ſtatt und neben
gehœret, gelêret, gekêret, gelœſet. δ) die part. neunter
anomalie lauten beſtändig, flectiert oder unflectiert, ver-
kürzt: brâht, gedâht (nie gedenket) gedûht, geworht,
ervorht. — ε) daſſelbe gilt von langſilbigen bildungen
mit l, n, r, als: geklingelt, gezeichent, gewundert, ge-
klingelter, gezeichenter, gewunderter und da die mit
en das en des part. praeſ. ſyncopieren, fallen hier
beide part. faſt zuſammen, vgl. bezeichentiu (ſignata f.
zeichenetiu) bezeichendiu (ſignans f. zeichenendiu) zu-
mahl auch erſteres bezeichendiu geſchrieben werden
darf. — 7) mittel- und neuniederl. richtet ſich das part.
praet. nach dem praet. ind. — 8) ebenſo neuhochd. vgl.
genært, gelêgt, gedrâbt, geſalbt, verzinnt etc. aber: ge-
wâtet, gehuͤtet, geleitet, gelâdet, gerêder, geretter etc.
gekannt, genannt, geſandt, gewandt neben geſendet,
gewendet. — 9) neuengl. lauten part. praet. ſchwacher
form und praet. ind. gänzlich gleich. — 10) im ſchwed.
iſt das ſogenannte ſupinum, unterſchieden von dem part.
praet., unorganiſche entwiekelung und Botin §. 86. ſieht
ſehr unklar. Offenbar ſollte zu den praet. vâlde, ſände,
blänkte, lêkte, kallade das part. vâld, ſänd, blänkt, lêkt,
kallad, im neutr. vâldt, ſändt, blänkt, lêkt (ſt. blänktt,
lêktt) kalladt lauten. Allein man ſondert den fall ab,
wo das unſlectierte part. praet. mit dem auxil. ha[f]va
conſtruiert wird, nennt es alsdann ſupinum und gibt
ihm durchgängig bloßes t, nämlich a) in ſchwacher
form vâlt, ſänt, blänkt, lêkt, kallat unterſchieden vom
adjectiviſchen part. maſc. vâld, kallad, neutr. vâldt, kal-
ladt und nur in blänkt, lêkt damit zuſ. fallend. b) legt
man auch ſtarken verbis ein ſolches ſupinum mit der
endung -it zu, welches wiederum von der adj. flexion
-et abweicht. Dem maſc. fallen, lœpen, tâgen, grîpen,
brûten, hunnen entſpricht das neutr. fallet, lœpet, tâ-
get, grîpet, brûtet, hunnet, wie dem maſc. lìten das
neutr. lìtet (ſ. 755.) ſtatt fallent, lìtent. Das ſupinum
[1015]II. bildung des particip. praeteriti.
hingegen lantet: fallit, lœpit, tâgit, grîpit, brûtit, hun-
nit und wird, von ſeinem unorg. urſprung abgeſehn,
zumahl wegen üblicher auslaßung des hülfsworts hâr,
überaus bequem (mehreres in der ſyntax). Überhaupt
iſt das ſchwed. ſupinum nichts als die neutrale form des
part. praet. ſchwacher und ſtarker verba, die gar nicht
auffallen würde, hätte ſich nicht das alte i ſtatt e darin
verhärtet, und gälte nicht neben dem -it zugleich ein
adjectiviſches -et. — 11) däniſch gilt kein ſolches [-]it,
vielmehr überall -et oder -t, folglich iſt a) das urſprüng-
liche d der ſchwachen form verloren, es heißt z. b.
elſket (amatus) f. elſked, im neutr. elſket (amatum) f.
elſkedt b) das neutr. part. ſtarker verba lautet -et f.
ent, als: tvunget, tâget, hat aber unorg. zuweilen das
maſc. und fem. -en verdrängt, namentlich in VIII. grînt,
trînt, bidt, ſlidt; in IX. gydt, lydt, nydt, brudt, ſkudt;
in X. ædt, ſêt etc. wo man nicht, wie ich ſ. 1003. ange-
nommen, dieſe formen für übergänge in die ſchwache
conj. halten will. — Die bedeutende abweichung ſchwed.
und dän. participialform von der hochd. zeigen folgende
beiſpiele: ſchwed. han är vunnen, detta är vunnet, han
har vunnit; dän. han er vunden, dette er vundet, han
har vundet; er iſt gewonnen (alth. iſt kiwunnanêr)
dies iſt gewonnen (alth. kiwunnanaƷ) er hat gewonnen;
ſchwed. han är ällſkad, detta är ällſkat, han har ällſkat;
dän. han er elſket, dette er elſket. han har elſket; hochd.
er iſt geliebt, dies iſt geliebt, er hat geliebt. Die hochd.
einrichtung iſt zwar einförmiger, aber gehaltener, das
männliche und neutr. kennzeichen ſind gleichmäßig ab-
gelegt, im nord. nur erſteres, nicht letzteres.


Zum ſchluße der lehre von bildung des part. praet.
die frage: iſt ihm die vorgeſetzte partikel ge- (goth.
ga-; alth. ka-, ki-; altſ. gi-; angelſ. ge-) weſentlich?
An ſich nicht (weshalb ſie auch bei darſtellung der ſtar-
ken conj. weggelaßen worden iſt) theils weil ſie einigen
mundarten, der nordiſchen namentlich, völlig fehlt,
theils in den übrigen vor gewiſſen participien, theils
endlich meiſtens unzuläßig iſt, wenn bereits andere
partikeln das verbum binden, z. b. ir-runnan, pi-ſcol-
tan, vir-loran etc. Gleich den übrigen partikeln modi-
ficiert daher jenes ga-, gi- die eigentliche bedeutung
des zeitworts und gleich ihnen kommt es nicht bloß
dem part. praet., vielmehr der geſammten erſcheinung
deſſelben zu. Auf welche weiſe ſolche modification ein-
trete, iſt im folgenden buch abzuhandeln; hierher ge-
[1016]II. bildung des particip. praeteriti.
hört der ſatz: daß allmählig da, wo der ſinn des ver-
bums unverändert beſtehen ſoll, wo folglich die übri-
gen tempora dieſer vorſilbe ermangeln, ſie ſich an das
part. praet. drängte und ihm ſeit abſchleifung der flexio-
nen gewiſſermaßen unentbehrlich wurde. In der regel
ſind die meiſten verba ihrer ſäbig, zuweilen ſelbſt, wenn
ſchon andere partikeln vorſtehen (ûƷ-ki-varan. in-ki-
puntan etc.; näheres anderswo); hauptaugenmerk verdie-
nen diejenigen verba. welche das gi- von ihrer unzuſ.
geſetzten form immer oder zuweilen abweiſen. 1) im
goth. finde ich folgende part. praet. ohne ga-: haldane,
ſáians, haitans, fráiſans, þraìhans, taúhans, quiþans,
vaúrþans und die ſchwachen: vagiþs, aliþs, valiþs, rô-
diþs, dáupiþs, manviþs. 2) alth. heiƷan (vocatus T. 13, 1.)
quëman, vuntan, wortan; die ſchwachen: prâht, ſcan-
têr. 3) angelſ. weit mehrere: hâten (vocatus, aber ge-
hâten promiſſus) hladen, hafen, ſcëacen, ſcepen, ſcofen;
dropen, boren (portatus, aber geboren natus) comen, fun-
den etc. und die ſchwachen: cenned, vëaht, þëaht.
4) mittelh. lâƷen oder lân, gëben (Wigal. 275. 405.)
vrëƷƷen (Karl 28b) komen, troffen, vunden, worden
[aber geheiƷen]; die ſchw. brâht, vreiſchet (Maria 87.
Parc. 69c) krônet (Parc. 4a) tân f. getân oben ſ. 966.; an-
dere wie niuwe-ſliffen (Nib. 1617.) niuwe-born, vol-
mëƷƷen (M. S. 1, 103a) alt-ſprochen) Karl 28b etc. müßen
ſchon als zuſ. ſetzungen betrachtet werden. 5) neuhochd.
leidet die ſchriftſprache keine weglaßung des ge-, außer
in worden (abſtract genommen; concret: geworden); es
heißt: gelaßen, gegêben, geſunden, gebracht etc. 6) um-
gekehrt iſt die vorpartikel im neuengl. verſchwunden;
mittelengl. ſteht zuweilen noch ye- oder bloßes y-, i-.


III. declination des participium praeſens.

ſie iſt entw. adjectiviſch oder ſubſtantiviſch. I. (adjecti-
viſche decl.
) 1) goth. nach der regel des comparativs
(ſ. 756.) nur ſchwach, nicht ſtark: gibanda, gibandei,
gibandô; der einzige nom. ſg. maſc. ſtehet auch ſtark:
gibands (oder iſt er dann als ein ſubſt. anzuſehen?) —
2) alth. gilt beides ſtarke und ſchwache form, jene aber
nach zweiter decl. d. h. unflectiert endigt der nom. auf
-i: këpanti, këpanti, këpanti; flectiert këpantêr, kë-
pantju, këpantaƷ (ſt. këpantjêr, këpantjaƷ) etc. Schwach:
këpanto, këpanta, këpanta (ſt. këpantjo, këpantja, kê-
pantja). — 3) altſ. gëbandi, wie im alth., nur tritt in
der flexion das j häufiger vor, z. b. ſlâpandjes oder ſlà-
[1017]II. declination des particip. praeſens.
pandeas (dormientis) gnornondjê (moerentes) buandjun
(habitantibus). — 4) angelſ. ſtark: gifende, gen. gifen-
des; fem. gifende, gen. gifendre etc. ſchwach: gifenda,
fem. gifende etc. — 5) altn. nur ſchwach, wie im goth.,
und gleich dem comp. (ſ. 758.): gifandi, gifandi, gifanda;
auch der ſtarke nom. maſc. unzuläßig. — 6) mittelh.
nach alth. regel, mit den durch die zeit herbeigeführ-
ten veränderungen der adj. decl.: gëbende und gëben-
der etc. — 7) neuh. gêbend (wie reich für rîche etc.)
und gêbender. — 8) in den übrigen ſprachen nach maß-
gabe der frühern regel und der adj. flexion. — II. (ſub-
ſtantiviſche decl.
) gilt nur fürs maſc. 1) goth. nach der
anomalie mênôþs (ſ. 610.): frijônds (amicus) fijands (ini-
micus) garda-valdands (paterfam.) naſjands (ſalvator); gen.
frijôndis oder frijonds? dat. frijônd, naſjand Luc. 1, 48. acc.
fijand Matth. 5, 43. valdand Matth. 10, 2[6]; nom. und acc. pl.
frijônds Matth. 5, 47. fijands Matth. 5, 44. 2) alth. gehen
die ſubſt. vriunt, vîant, wîkant, hëlfant, heilant (wie mà-
nôt ſelbſt (regelmäßig nach decl. 1. (ſ. 613.) vgl. die pl.
friuntà O. II. 8, 94. fîanta I. 12, 4. fîendâ N. 5, 9. fîendô
gen. pl. N. 88, 43. dat. ſg. -e: heilante O. I. 7, 12. hël-
phante O. V. 25. 13 etc. Zu wundern wäre nicht, wenn
andere alth. quellen auch den anomalen nom. pl. vriunt.
vîant darböten. — 3) altſ. finde ich beides, anomale und
regelmäßige decl., bald den pl. wâpen-bërand (armi-
geri) bald wîgandôs (bellatores). — 4) angelſ. lautet der
nom. ſg. -nd (verſch. vom adjectiviſchen-nde): frëónd,
fëond, vëaldend, hælend, nergend, vîgend etc.; der pl.
theils anomal dem nom. ſg. gleich (wie häledh ſ. 647.)
zumahl in zuſ. ſetzungen: fold-bûend (terricolae) ymb-
ſittend (accolae) hëlm-bërend (galeati) ſæ-lîdhend (na-
vigatores; Hild. ſêolidantê, adjectiviſch) gar-vîgend
(bellatores) vgl. Beov. 136. 137. 170. 187. 196. 208. und
mit umlaut frŷnd, fŷnd (Raſk p. 30.); theils regelrecht
mit dem pl. -as, als: vëaldend, vëaldendas. — 5) altn.
geht der ſg. beſtändig ſchwach, fällt alſo mit dem ad-
jectiviſchen zuſammen, z. b. frændi (amicus) fìandi,
bûandi (ruſticus) zuſ. gezogen bôndi, dômandi (judex) etc.
Der pl. hingegen decliniert ſubſtantiviſch anomal: nom.
acc. -ndr (zu dem goth. -nds ſtimmend) gen. -nda, dat.
-ndum; als: frændr, fìendr, bœndr, vegendr, dômendr, lë-
ſendr etc. (Raſk §. 122.); fìandi pflegt gleich andi (ſpiri-
tus) den pl. auch regelmäßig zu bilden: fìandar, andar.
Der umlaut [b]œndr, dômendr vergl. ſich dem in fedhr,
brœdhr, menn. ſœtr ſ. 663. — 6) mittelh. iſt (wie ſchon
[1018]II. declination des paricip. praeteriti.
alth.) der gebrauch ſubſt. part. praeſ. eingeſchränkt; ich
finde nur vriunt, vîent, wîgant, vâlant, welche regel-
mäßig flectieren, heilant (Maria 9.) pl. vriunde, vîende,
wîgande; doch erſteres macht zuweilen den anomalen
pl. vriunt Parc. 45b Nib. 639. 2118. 5607. 7727. — 7) neu-
hochd. freund, feind, heiland regelmäßig, pl. freunde,
feinde; andere dauern nur in eigennamen, als: weigand,
vôland, wieland.


IV. declination des participium praeteriti.

dieſe geſchieht in allen deutſchen ſprachen adjectiviſch,
beides nach ſtarker und ſchwacher form, z. b. goth. hal-
dans, haldana, haldanata; haldana, haldanô, haldanô;
aliþs, alida, alidata; alida, alidô, alidô etc. und ſo in
den übrigen, ganz nach der erſten adj. decl. Zu bemer-
ken iſt bloß 1) die im altnord. bisweilen unorganiſch
entwickelte doppelgeſtalt des part. praet. auf -n und -d
(ſ. 1012.) verurſacht eine aus beiden gemiſchte decl.,
indem man vor conſonantiſch beginnenden flexionen der
n-form, vor vocaliſchen der d-form den vorzug gibt,
z. b. taminn, tamin, tamit; gen. tamins, taminnar, ta-
mins; dat. tömdum, taminni, tömdu; acc. taminn,
tamda, tamit; pl. tamdir, tamdar, tamin; gen. taminna,
taminna, taminna; dat. tömdum, tömdum, tömdum;
acc. tamda, tamdar, tamin; die ſchwache decl. hat folg-
lich lauter d-formen: tamdi, tamda, tamda etc. Dieſe
einrichtung iſt dem wohllaut günſtig, aber wider die
natur des unterſchieds ſtarker und ſchw. conj., daher
auch den älteſten quellen nur tamdr, tömd, tamt, gen.
tamds, tamdrar, tamds; dat. tömdum, tamdri, tömdu;
acc. tamdan, tamda, tamt etc. hingegen: galinn, galin,
galit; gen. galins, galinnar, galins; dat. gölnum, ga-
linni, gölnu; acc. galinn, galna, galit etc. gemäß ſcheint,
vgl. edd. ſæm. 256a lamdan, mutilatum (nicht laminn). —
2) im alth. ſcheint aſſimilation des vocals der partici-
pialen endung ſehr ſelten, und etwa in kipuntan, ki-
puntenêr, kipuntenes zuläßig, aber kein kipuntonô f.
kipuntanô; noch weniger kimanetêr f. kimanôtêr, ſon-
dern die ê und ô ſchw. conj. ſtehn unverletzlich. Daß
bei langſilbigen erſter ſchw. mit der decl. kürzung des
ableitungs -i eintrete (kiteilit, kiteiltêr, kiteiltes; kiſe-
zit, kiſaztêr, kiſaztes etc.) verſteht ſich nach ſ. 1010. —
3) mittelh. iſt auf das ſtumme oder tonloſe e in der
flexion ſtarker part. praet. bedacht zu nehmen, wobei
die regel der adj eigen und ëben (ſ. 747. 749.) eintritt;
[1019]II. bildung des participialen adverb.
es heißt demnach: gevangen, gen. gevangens, dat. ge-
vangenme und ſchwach: der gevangen, des gevangen,
dem gevangen, den gevangen etc. ſchwach decliniert
lauten alle langſilbigen unveränderlich, vgl. gevangen
Parc. 50b Wigal. 24, 410. gevallen Parc. 68a beſcheiden
Parc. 69a verborgen Iw. 11a 15b beſcholten: molten Wilh.
2, 189b geworfen Parc. 44a; kurzſilbige müßen das e der
flexion behalten z. b. gelëgen, gen. gelëgenes, dat. ge-
lëgenem und ſchw. der gelëgene, der gezogene. der
verlorne (: zorne Parc. 47c) etc. Nach dieſen grundſätzen
wäre: diu gevangene Parc. 50b der betwungene Parc. 53b
die gevangenen Triſt. 137a in gevangen, betwungen;
geladen (onuſtum) Parc. 82b geriten Parc. 130c in gela-
denen, geritene zu beßern. — 4) neuh. bleibt das ſtum-
me e überall, z. b. der gefallene, geworfene, gelàdene,
berittene, gen. gefallenen; eher darf das bildungs-e
ſyncopiert werden: gefallne, gefallnen.


V. bildung des participialen adverbiums.

Im alt- und mittelh. (allen übrigen mundarten man-
gelt die form) bildet ſich aus beiden participien mittelſt
der endung -o ein eigenthümliches participiales adverbium.
Man darf dieſes -o weder für den adjectiviſchen dativ
noch inſtr. neutr. halten, welche auf -emu und -û en-
digen, vielmehr iſt es genau das nämliche o, wodurch
auch andere adverbia aus ſubſt. und adj. geleitet wer-
den. Da nun dieſes alth. -o im goth. -a lautet (ana-
log dem ſchwachen nom. maſc. alth. -o, goth. -a),
müſte ein paralleles goth. adverbium gleichfalls auf -a
endigen. I. das adverbium des part. pracſ. findet ſich
bei J. K. und hauptſächlich N., ſeltner bei O und T.;
vgl. folgendo, predigôndo, bauhnendo, lëogando J. 355.
372. 393. 394; hôrendo, ſtôƷonto, farmanênto, farſû-
mando K. 17a 25a 40a; anaſtantando gl. jun. 191. erquic-
cento gl. wirceb. 981b; huhôndo, irrefſendo, rîcheſondo,
chëdendo, tonerôndo unde blëcchezendo, biegendo, tuon-
do, bëtôndo unde jëhendo, nendendo, wunderôndo etc.
N. 12, 5. 13, 1. 28, 10. 70, 11. 76, 19. 78, 5. 79, 12. 80,
11. 88, 25. 101, 9. 106, 26. 118, 162, 170, 171. 125, 4.
135, 1. und anderwärts mehr; bei O. nur mammònto
(placide) III. 19, 40. 26, 59. IV. 23, 66. aſſimiliert ſt.
mammênto von mammên (miteſcere); bei T. nur bi-
bento 60, 8. Im mittelh. iſt es ſeltner und ſchwerer zu
erkennen, weil -ende mit andern flexionen des part.
praeſ. zuſ. trifft; in folgenden beiſpielen liegt es klar
[1020]II. vom inſinitiv.
vor: blâſende Nib. 3796. ſlâfende M. S. 2, 183b unwiƷ-
Ʒende Parc. 60b 184a al-weinende Parc. 188c (alſo auch
185c 185a). — Il. das adverbium part. praet. iſt noch
ſeltner, wird auch nur vom part. ſtarker und nicht
ſchw. conj. gebildet: chiholono (aſſ. ſt. chiholano) J.
365; offono, offano (inſofern offan für das übrige part.
eines verlorenen verb. gelten kann); vergëbeno N. 36,
21. 43, 18; mittelh. verholne a. Tit. 152. vergëbene
Parc. 107b Flore 74a troj. 70a 89b Friged. 50. — Bemer-
kenswerth ſetzt die neuh. ſprache beiderlei adverbien
in den genitiv um und ſagt: eilends, zuſêhends. ſchwei-
gends, und vergêbens [das iſländ. forgëfins, ſchwed.
forgäfves, dän. forgiäves ſind aus dem hochd. geborgt].


Vom infinitiv und ſeiner declination.


Daß die gewöhnliche flexion des inf. -an laute, im
frieſ. nordiſchen, engliſchen (im hochd. nur mundar-
tiſch) das n abfalle, wurde ſ. 910. 912. 931. 994. 998. gelehrt
Liegt in dieſer flexion ein urſprünglicher accuſativ, ſo
hält ſie wenigſtens mit den übrigen formen des acc.
nicht durchgängig ſchritt; zwar der alth. acc. maſe.
ſtimmt zu dem -an, doch der goth. und augelſ. acc.
-ana, -ne fügt einen weitern voc. zu und der altn. ca-
ſus behauptet das im inf. apocopierte -n.


Der deutſche inf. hat die bedeutung der gegenwart,
nicht der vergangenheit, er kommt daher auch mit der
form des praeſ. überein: α) in ſtarker form zeigt er we-
der redupl. noch ablaut, ausnahmsweiſe haben ablaut
die inf. zweiter anomalie. β) in ſchwacher conj. ſchiebt
er nie d oder t ein. γ) bei dem unterſchied, welchen
einige ſtarke conj. zwiſchen voc. des ſg. und pl. praeſ.
ind. machen, gebührt dem inf. ſtets der abgeſchwächte
voc. des plur. (oder des praeſ. conj. überhaupt), nicht
der voc. des ſg. praeſ. und namentlich der II. III. ſg;
alſo alth. chioſan, këpan, hëlan, [ſt]rpan, nicht chiuſan,
kipan, hilan, ſtirpan etc. Ganz irrig ſetzen einige neuh.
quillen (ſcatere) erliſchen (extingui) ſt. quellen, erlöſchen;
bloß II. III. praeſ. ind. kann hier den intranſ. begriff
quillt, liſcht vom tranſ. löſcht (extinguit) ſondern; und
wer möchte ein ſchmilzen (liquefieri) von ſchmelzen
(liquefacere) zu ſcheiden wagen, da ſelbſt kein brinnen
(ardere), vielmehr nur brennen (für ardere und combu-
rere) zuläßig iſt.


[1021]II declination des infinitivs.

Gleichwohl gibt es bemerkenswerthe ſpuren eines
ausgeſtorbenen inf. praeteriti. Die verba zweiter ano-
malie haben nicht nur überall im inf. abgelauteten wur-
zelvocal, ſondern auch im altn. ſculu, munu die flexion
-u, ſtatt -a (ſ. 926.) welchem ſculu, munu ein goth.
ſculun, munun entſprechen würde. Allein es heißt ga-
munan Luc. 1, 72. vitan Marc. 7, 24. kunnan Marc. 4,
11. Luc. 8, 10. Joh. 14, 5. nach deren analogie (und nach
den part. praeſ. áigands, ôgands etc.) ich ſ. 851. die
übrigen unbelegbaren inf. môtan, ſkulan etc. aufgeſtellt
habe. Altnord. werden ſogar den ſchwachen praet. ſkyldi,
mundi parallele inf. ſkyldu, mundu gefunden (Raſk §. 251.)
z. b. edd. ſæm. 242. 243.; vielleicht ſtehen zuweilen re-
gelmäßige ſtarke praeterita infinitiviſch, wie fòru (iviſſe)
ſiôdhu (ſtetiſſe) vgl. Egilsſaga p. 104. —


Geſetzt der inf. wäre ein eigentlicher acc., der ſich
dann auch nominativiſch als ſubſtantiv brauchen ließe
(wovon näher in der ſyntax), ſo fragt es ſich nach dem
entſprechenden gen. und dativ? Dieſe beiden caſus ſind
in der alt- und mittelh., der dativ in der altſ., angelſ.
und mittelniederl. ſprache häufig anzutreffen, zweifel-
haft im goth., den nordiſchen mangeln ſie gänzlich.
1) die alth. form lautet für den gen. -annes, für den
dat. -anne, welches ſich in den ſchw. conj. zu -jannes
(-jennes, -ennes) -ônnes, ênnes; -janne (-jenne, -enne)
-ônne-ênne geſtaltet [keine vocalkürzung -onnes, -onne;
ennes, enne, da noch N. ausdrücklich hier ô und ê
ſchreibt] z. b. plâſannes, choufennes, topônnes, vrâkên-
nes; varanne, teilenne, machônne, fiſcônne, ſca-
mênne etc. — 2) altſ. dativ: faranne, blîdzeanne, adôm-
jenne, tholônne etc. — 3) angelſ. faranne, rêcenne, ge-
fremmanne etc. — 4) mittelh. gilt zwar noch -ennes,
-enne (mit tonloſem e, ſonſt reimte wohl -ènne klin-
gend und würde auf denne, tenne, henne zu reimen
gewagt) wenn lange wurzelſilbe vorhergeht, z. b. mî-
dennes, vindennes, ſchëltennes, weinennes; waltenne,
bietenne, machenne, tuonne etc. Bei kurzer wurzel-
ſilbe wird e ſtumm (alſo auswerflich) und n für nn ge-
ſetzt, alſo -enes, -ene z. b. lëſene, ligene, ſagene, gë-
bene, dolne (a. Tit. 152.) wërne etc. Freilich ſcheint
nn nach tonloſem e ſchwer auszuſprechen (vrâgenne,
wie vrâgende, ſtärker als ſagene, ſagende, ſchwächer als
vrâgènne, vrâgènde) iſt aber unentbehrlich, da auf bloß
einfaches n folgendes e wegfallen müſte, d. h. für mî-
denes, waltene würde nothwendig mîdens, walten ſte-
[1022]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
hen. Nach dieſen grundſätzen iſt die ungenaue ſchrei-
bung der hſſ. öfters zu berichtigen, z. b. M. S. 1, 108b
lies gëbene, 62b 65a lëbene, Parc. 135a lîdenne; 189b
dienennes (ſt. diens); M. S. 1, 62a ſprëchennes etc. —
5) mittelniederl. durchgehends -ene oder -ne, ohne
rückſicht auf länge und kürze der wurzelſilbe, z. b. lë-
vene (Rein. 285. 291.) ſinghene (Rein. 280.) doene (Rein.
287.) varene oder vaerne, errene oder êrne etc. vgl.
Huyd. op St. 3, 219. — 6) neuh, hört die form nn auf,
der gen. bekommt bloßes -s, meidens, frâgens, lâdens;
der dat. iſt ohne flexion: meiden, frâgen (wie zeichen,
ſigno; rêgen, pluviâ). Allein aus dem alten nn und der
vorgeſetzten praep. ze hat ſich durch verwechſelung mit
nd (wie niemannes zu niemandes wurde) ein unorga-
niſches, adjectiviſch declinierbares participium auf -nd
mit paſſiver bedeutung allmählich entwickelt: ein zu
lêſender (legendus) zu gêbender (dandus). Vielleicht
iſt es noch zeit, dieſe unnatürliche, ſteife bildung ganz
aus der ſprache zu verweiſen. —


Ulphilas hat keinen gen. -annis, ônnis; meidet
einen dat. -anna, ônna mit der praep. du zu verbin-
den und ſetzt den baaren inf. z. b. du ſaihvan, du aih-
trôn etc. (wie alth. und mittelh. zi lônôn, ze ſëhen etc.
doch umgekehrt ſeltner, conſtruiert wird); nur Luc. 14,
31. ſcheint du viganna (ad pugnandum) zu ſtehen.


Allgemeine vergleichung der conjugationen.


I. erwägung der ſtarken conjugation.

Sämmtliche ſtarke verba der zwölf hauptabtheilungen
ſtellt folgendes verzeichnis zuſammen [α goth. β alth.
γ altſ. δ angelſ. ε altn. ζ mittelh. η mitteln. θ neuh. ι
neuniederl. κ engl. λ ſchwed. μ dän.]: 1) β vallu, γ
fallu, δ fealle, ε fell, ζ valle, η valle, θ falle, ι val, κ
fall, λ faller, μ falder. 2) β wallu, γ wallu, δ vëalle,
ε vell, ζ walle. 3) α ſalta, β ſalzu, ζ ſalze. 4) β walzu,
ε velt, ζ walze, λ välter. 5) α halda, β haltu, γ hal-
du, δ hëalde, ε held, ζ halte, η houde, θ halte, ι houd,
κ hold, λ håller, μ holder. 6) α valda, β waltu, γ
waldu, δ vëalde, ε veld, ζ walte. 7) α gaſtalda. 8) β
ſpaltu, ζ ſpalte. 9) β ſcaltu, ζ ſchalte. 10) α falþa, β
valtu, ζ valte. 11) ζ halſe. 12) δ vëalce, ζ walke.
13) ζ banne, η banne? 14) β ſpannu, δ ſpanne, ζ
[1023]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
ſpanne. 15) γ anſcanne? 16) β plantu, γ blandu, ε
blend, ζ enblande. 17) ζ vlanze? 18) α faha, β vâhu,
γ fàhu, δ fô, ε fæ, ζ vâhe, η vanghe, θ fange, ι vâ, λ
fa͗r, μ faaer. 19) α haha, β hâhu, γ hâhu, δ hô, ε
hângi, ζ hâhe, η hanghe, θ hange, ι hang. 20) β kanku,
γ gangu, δ gange, ε geng, ζ gân, η ganghe, θ gèhe,
ι gô, λ går, μ gaaer. 21) β) aru? ζ ar? 22) γ ſvêpu,
δ ſvâpe, ε ſveip, ζ ſweife. 23) α háita, β heiƷu, γ
hêtu, δ hâte, ε heiti, ζ heiƷe, η hête, θ heiße, ι hêt,
λ hêter, μ hedder. 24) α máita, β meiƷu, ζ meiƷe.
25) α ſkáida β ſceitu, γ ſkêdu, δ ſkâde, ζ ſcheide, η
ſcêde, θ ſcheide, ι ſcheid. 26) α fráiſa. 27) β zeiſu,
ζ zeiſe. 28) ζ eiſche, vreiſche, η vrêſche, ι eiſch. 29) α
áika, β gihu, ζ gihe. 30) α láika, δ lâke, ε leik, ζ
leiche. 31) α hláupa, β hloufu, γ hlôpu, δ hleápe, ε
hleyp, ζ loufe, η lôpe, θ laufe, ι lôp, λ lœper, μ lœ-
ber. 32) β hruofu, γ hrêpe, δ hrêpe, ζ ruofe, η roepe,
θ rûfe, ι roep. 33) β houwu, δ heáve, ε högg, ζ hou-
we, η houwe, θ haue, ι houw, λ hugger, μ hugger.
34) δ grôve, κ grow. 35) δ hlôve. 36) δ rôve. 37) δ ſpôve.
38) ε bŷ. 39) β nûwu ζ zernûwe; vgl. nûa ſ. 926. 40) α
ſtáuta? β ſtôƷu. ζ ſtôƷe, η ſtôte, θ ſtôße. 41) δ beáte, κ bèat.
42) β pluoƷu? δ onblôte, ε blœt. 43) γ ôdu? δ eáde?
ε eydh? 44) β ſcrôtu, ζ ſchrôte, θ ſchrôte. 45) ε eys.
46) α áuka, γ ôku? δ eáce? ε eyk. 47) β vluohhu, γ
flôku. 48) α ſlêpa, β ſlâfu, γ ſlâpu, δ ſlæpe, ζ ſlâfe,
η ſlape, θ ſchlâfe, ι ſlâp. 49) α láia. 50) α ſáia, δ ſàve.
51) α váia. 52) δ blâve, κ blow. 53) δ cnâve, κ know.
54) δ crâve, κ crow. 55) δ þrâve, κ draw. 56) α lêta,
β lâƷu, γ lâte, δ læte, ε læt, ζ lâƷe, η late, θ laße,
ι lât, κ let, λ la͗ter, μ lâder. 57) α grêta, δ græte, ε græt,
λ gråter, μ græder. 58) β varwâƷu, ζ verwâƷe, η ver-
wate. 59) β râtu, γ râdu, ε rædh, ζ râte, η rade, θ râthe, ι
râd. 60) γ andrâdu, δ ondræde, ζ entrâte. 61) β prâtu,
ζ brâte, θ brâte, ι brâd. 62) β plâſu, ε blæs, ζ blâſe,
η blaſe, θ blâſe, ι blâs. 63) α flêka. 64) α têka, δ tæce,
ε tek, λ tâger, μ tâger. 65) ζ bâge. 66) ε el. 67) δ
gale, ε gel, λ gâler, μ gâler. 68) ε kel. 69) β malu,
ε mel, ζ mal, η male, θ mâle. 70) α us-ana. 71) β
ſpanu, γ ſpanu, δ ſpane, ζ ſpan. 72) α ſtanda, β ſtantu,
γ ſtandu, δ ſtande, ε ſtend, ζ ſtân, η ſtae, θ ſtêhe, ι
ſtâ, κ ſtand, λ ſtår, μ ſtaaer. 73) α fara, β varu, γ faru,
δ fare, ε fer, ζ var, η vare, θ fâre, ι vâr, λ fâr, μ fà-
rer. 74) α ſvara, β ſuerju, δ ſverige, ε ſver, ζ ſwer,
η ſwere, θ ſchwœre, ι zwêr, κ ſwear, λ ſvær, μ ſværger.
[1024]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
75) α ſkapa, β ſcafu, γ ſkapu, δ ſcape, ε ſkep. ζ ſchaffe,
η ſcape, θ ſchaffe, λ ſkâper. 76) γ ſtapu, δ ſtape, η ſtape.
77) α graba, β krapu, γ grabu, δ grafe, ε gref, ζ grabe,
η grave, θ grâbe, ι gràf, κ grave, λ græfver, μ grâver.
78) β ſcapu, δ ſcafe, ε ſkef, ζ ſchabe, η ſcave, κ ſhave.
79) ε hnef. 80) ε kef. 81) α hafja, β heffu, γ hebbju,
δ hebbe, ε hef, ζ hebe, η heffe, θ hêbe, ι hêf, λ hæfver.
82) β inſeffu, γ anſebbjn, ζ enſebe, η beſeffe. 83) β
hlatu, δ hlade, ε hledh ζ lade, η lade, θ lâde, κ lade,
μ lâder. 84) β watu, δ vade, ε vedh, ζ wate, η wade.
85) α fraþja. 86) α raþja. 87) α ſkaþja. 88) β waſcu,
ζ waſche, θ waſche. 89) α ſaka, β ſahhu, γ ſaku, δ
ſace, κ ſake. 90) δ bace, ζ bache, η bake, θ backe.
91) ε ek. 92) γ ſkaku, δ ſcace, ε ſkek, κ ſhake. 93) δ
vace, η wake, κ wake. 94) β traku, γ dragu, δ drage,
ε dreg, ζ trage, η draghe, θ trâge, ι drâg, λ drâger, μ
drâger. 95) β naku, ζ nage, λ gnâger. 96) ζ behage?
97) θ vrâge, ι vrâg. 98) ι jâg, μ jâger. 99) α ſlaha, β
ſlahu, γ ſlahu, δ ſlëahe, ε ſlæ, ζ ſlahe, η ſlaghe, θ
ſchlâge, ι ſlâ, λ ſlår, μ ſlaaer. 100) α tvaha, β duahu,
γ thuahu, δ þvëahe, ζ twahe, η dwaghe, λ twâger.
101) β lahu? γ lahu? δ lëahe. 102) β kiwahu, ζ ge-
wahe, η ghewaghe. 103) α hlahja, β hlahhju, γ hlahu,
δ hlëahhe, ε hlæ, η lache, λ lêr, μ lêr. 104) ε dey. λ
dœr. 105) ε gey. 106) ε ſlæ. 107) ε klæ. 108) α vahſja,
β wahſu, γ wahſu, δ vëaxe, ε vex, ζ wahſe, η waſſe,
θ wachſe, ι was, κ wax, λ väx. 109) β rîmu. 110) ι
bezwîm. 111) α keina, β, chînu, γ kînu, ζ kîne.
112) α ſkeina, β ſcînu, γ ſkînu, δ ſcîne, ε ſkîn, ζ
ſchîne, η ſcîne, θ ſcheine, ι ſchîn, κ ſhîne, λ ſkîner.
113) β hrînu, γ hrînu, δ hrîne, ζ berîne. 114) δ dvîne,
η dwîne. 115) β ſuîne, ζ ſwîne. 116) ε hvîn. 117) ε
gîn. 118) ζ grîne, ι grîn, μ grîner, vgl. ε hrîn. 119) ζ
quîne, ι quîn. 120) μ trîner. 121) α greipa, β krîfu,
γ grîpu, δ grîpe, ε grîp, ζ grîfe, η grîpe, θ greife, ι
grîp, κ grîpe, λ grîper, μ grîber. 122) β ſlîfu, ζ ſlîfe,
θ ſchleife, ι ſlîp, μ ſlîber. 123) β piwîfu. 124) ε ſvîp.
125) ζ pfîfe, θ pfeife, λ pîper, μ pîber. 126) η nîpe,
ι nîp, θ kneife, λ knîper, μ gnîber. 127) θ keife. ι
kîf. 128) α dreiba, β drîpu, γ drîbu, δ drîfe, ε drîf,
ζ trîbe, η drîve, θ treibe, ι drif, κ drîve, λ drîfver,
μ drîver. 129) β chlîpu, γ clìbu, ζ klîbe, η clîve, λ
klîfver. 130) β pilîpu, ζ blìbe, η blîve, θ bleibe, ι blîf,
λ blîfver, μ blîver. 131) β ſcrîpu, γ ſkrîbu, δ ſcrìfe, ζ
ſchrîbe, η ſcrîve, θ ſchreibe, ι ſcrîf, κ ſhrîve, λ ſkrìfver,
[1025]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
μ ſkrîver. 132) β rîpu, ε rîf, ζ rîbe, η wrîve, θ reibe,
ι wrîf, λ rîfver, μ rîver. 133) α ſveifa, δ onſvîfe, ε
ſvîf. 134) ε þrîf, κ thrîve. 135) κ ſtrîve. 136) ζ be-
ſchîbe. 137) α ſpeiva, β ſpîwu, γ ſpîvu, δ ſpîve, ζ
ſpîe. 138) β ſcrîu, ζ ſchrîe, λ ſkrîker, μ ſkrîger. 139) β
grîu, ζ glîe. 140) α beita, β pîƷu, γ bîtu, ε bît, ζ bîƷe,
θ beiße, ι bît, κ bîte, λ bîter, μ bîder. 141) α ſmeita,
β ſmîƷu, δ ſmîte, η ſmîte, θ ſchmeiße, ι ſmît, κ ſmîte.
142) α veita, β wîƷu, ζ wîƷe, ι wît. 143) β vlîƷu, δ
flîte, ζ vlîƷe, θ fleiße. 144) β rîƷu, γ wrîtu, δ vrîte, ε
rît, ζ rîƷe, η rîte, θ reiße, ι rît, κ wrîte. 145) β ſlîƷu, δ ſlîte,
ε ſlît, ζ ſlîƷe, θ ſchleiße, ι ſlît, λ ſlîter, μ ſlîder. 146) γ
giwîtu, δ gevîte. 147) δ vlîte, ε lît. 148) ζ glîƷe (ver-
muthlich eins mit 147). 149) ζ ſchîƷe, θ ſcheiße, ι
ſchît, κ ſhîte. 150) η ſplîte, ι ſplît. 151) ε drît, ι drît. 152) ι
krît. 153) α beidu, β pîtu, γ bîdu, δ bîde, ζ bîte, η
bîde, κ bîde. 154) β rîtu, δ rîde, ε rîdh, ζ rîte, η rîde,
θ reite, κ rîde, λ rîder, μ rîder. 155) β ſcrîtu, γ ſkrîdu,
δ ſcrîde, ζ ſchrîte, θ ſchreite, ι ſchrîd, μ ſkrîder. 156) β
ſtrîtu, ζ ſtrîte, θ ſtreite, η ſtrîde, ι ſtrîd, κ ſtrîde (?) μ
ſtrîder. 157) γ glîdu, δ glîde, ζ glîte, θ gleite, ι glîd,
λ glîder, μ glîder. 158) γ hlîdu, δ hlîde. 159) δ cîde,
κ chîde. 160) δ gnîde, λ gnîder, μ gnîder. 161) ζ ſprîte.
162) ζ brîte. 163) ζ ſchîte. 164) α leiþa, β lîdu, γ lî-
thu, δ lîdhe, ε lîdh, ζ lîde, θ leide, ι lîd, λ lîder.
165) α ſneiþa, β ſnîdu, γ ſnîthu, ε ſnîdh, ζ ſnîde, θ
ſchneide, ι ſnîd. 166) β mîdu, γ mîthu, ζ mîde, η
mîde, θ meide, ι mîd. 167) δ vrîdhe, ζ rîde? κ wrîthe,
λ vrîder, μ vrîder. 168) ε ſvîdh, λ ſvîder, μ ſvîder.
169) ε qvîdh. 170) ζ nîde. 171) α reiſa, β rîſu, γ rîſu,
δ rîſe, ε rîs, ζ rîſe, η rîſe, ι rîs, κ rîſe. 172) ζ brîſe.
173) θ preiſe, ι prîs. 174) θ weiſe, ι wîs. 175) ε rîſt,
176) η crîſche, θ kreiſche. 177) ι hîſch. 178) β ſuîhhu,
γ ſuîku, δ ſvîce, ε ſvîk, ζ ſwîche, η ſwîke, ι bezwîk,
λ ſvîker, μ ſvîger. 179) β ſlîhhu, ζ ſlîche, θ ſchleiche.
180) β kirîhhu. 181) δ blîce, ε blîk, θ bleiche, ι blîk.
182) ε vîk, ζ wîche, η wîke, θ weiche, ι wîk, λ vîker,
μ vîger. 183) ζ gelîche, η gelîke, θ gleiche. 184) ζ
ſtrîche, η ſtrîke, θ ſtreiche, ι ſtrîk. 185) ζ tîche. 186) ι
kîk, μ kîger. 187) α hneiva, β hnîku, γ hnîgu, δ hnîge,
ε hnîg, ζ nîge, η nîghe, ι nîg, λ nîger. 188) α ſteiga,
β ſtîku, γ ſtîgu, δ ſtîge, ε ſtîg, ζ ſtîge, θ ſteige, ι ſtîg,
λ ſtîger, μ ſtîger. 189) β ſîku, γ ſîgu, δ ſîge, ε ſîg,
ζ ſîge. 190) δ mîge, ε mîg, ι mîg. 191) ζ krîge, ι
krîg. 192) ζ ſwîge, η ſwîghe, θ ſchweige, ι zwîg.
T t t
[1026]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
193) λ tîger, μ tîer. 194) ι hîg. 195) α leihva, β lîhu,
γ lîhu, δ lîhe, ζ lîhe, θ leihe. 196) α teiha, β zîhu,
δ tîhe und tëó, ζ zîhe, η tîghe, θ zeihe. 197) α þeiha,
β dîhu, γ thîhu, δ þëó, ζ dîhe, θ deihe. 198) α þreiha.
199) β intrîhu, δ vrîhe und vrëó, ζ rîhe (?). 200) δ
ſîhe und ſëó, ζ erſîhe (?). 201) ζ erwîhe (?). 202) α
hninpa. λ niuper. 203) β ſliufu, ζ ſliufe, η ſlûpe, θ
ſchliefe, ι ſluip. 204) β ſûfu, ε ſŷp, ζ ſûfe, η ſûpe,
θ ſaufe, ι zuip, λ ſûper. 205) β triuſu, ε drŷp, ζ
triuſe, η drûpe, θ triefe, ι druip, λ drŷper. 206) δ
crëópe, ε krŷp, η crûpe, ι kruip, κ crêp, λ krŷper, μ
krŷber (vgl. 261.). 207) α hiufa, γ hiufu. 208) β chliupu,
γ kliufu, ε klyf, ζ kliube, ι kluif, λ klŷfver, μ klŷver.
209) β ſciupu, δ ſcëófe, ζ ſchiube, η ſcûve, θ ſchiebe,
ι ſchuif. 210) δ dëófe (vgl. 26[2].). 211) δ rëófe, ε rŷf.
212) ζ ſtiube, η ſtûve, θ ſtiebe, ι ſtuif. 213) θ ſchniebe,
ι ſnuif. 214) θ ſchraube. 215) α ſniva, μ ſniger. 216)
β chinwu, δ cëóve, ζ kiuwe. 217) β hriuwu, δ hrëóve,
ζ riuwe, η rouwe. 218) β pliuwu, ζ blinwe, η blouwe
(vgl. 410.). 219) β priuwu, δ brëóve, ζ briuwe. 220)
α giuta, β kiuƷu, γ giutu, δ gëóte, ε gŷt, ζ giuƷe, η
giete, θ gieße, ι giet, λ giuter, μ gŷder. 221) α niuta,
β niuƷu, γ niutu, δ nëóte, ε nŷt; ζ niuƷe, θ nieße,
ι niet, λ niuter, μ nŷder. 222) α þriuta, β driuƷu, ζ
driuƷe, η driet, θ drieße, μ trŷder. 223) β diuƷu, ζ
diuƷe, θ dieße. 224) β hliuƷu, ε hlŷt. 225) β riuƷu,
ζ riuƷe. 226) β ſliuƷu, ζ ſliuƷe, θ ſchließe, ι ſluit,
λ ſlûter. 227) β vliuƷu, ε flŷt, ζ vliuƷe, η vliete. θ
fließe, ι vliet, λ flŷter, μ flŷder. 228) γ grintu? 229)
δ brëóte, ε brŷt, λ brŷter, μ brŷder. 230) δ ſcëóte, ζ
ſchiuƷe, η ſciete, θ ſchieße, ι ſchiet, κ ſhot, λ ſkiuter,
μ ſkŷder. 231) ε hnŷt, μ knŷter. 232) ε hrŷt, λ rŷter.
233) ε lŷt, μ lŷder. 234) ζ ſpriuƷe, θ ſprieße. 235) η
criete? 236) ι fluit. 237) ι ſnuit, λ ſnŷter, μ ſnŷder.
238) λ tiuter. 239) λ ſkrŷter, μ ſkrŷder. 240) biuda,
β piutu, γ biudu, δ bëóde, ε bŷdh, ζ biete, η biede,
θ biete, ι bied, λ biuder, μ bŷder. 241) β hliutu, γ
hliudu. 242) ε rŷdh. 243) ε hnŷdh. 244) β ſiudu, δ
ſëódhe, ε ſŷdh, ζ ſiude, θ ſiede, ι zied, κ ſêth, λ ſiu-
der, μ ſŷder. 245) α driuſa, β triuſu, γ driuſu. 246)
α kiuſa, β chiuſu, γ kiuſu, δ cëóſe, ε kŷs, ζ kiuſe, η
cieſe, θ kieſe, ι kies, κ choſe, μ kŷſer. 247) α liuſa,
β liuſu, γ liuſu, δ lëóſe, ζ liuſe, η lieſe, θ liere, ι lies.
248) δ frëóſe, ε frŷs, ζ vrieſe, η vrieſe, θ friere. ι
vries, κ frêze, λ frŷſer, μ frŷſer. 249) δ hrëóſe. 250)
[1027]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
ε gŷs, μ gŷſer. 251) ζ niuſe. 252) λ fnŷſer, μ fnŷſer.
253) α kriuſta. 254) ε lŷſt. 255) α lûka, β liuhhu, γ
lûku, δ lûce, ε lŷk, ζ liuche, η lûke, ι luik. 256) β
riuhhu, γ rinku, δ rëóce, ε rŷk, ζ riuche, η rûke, θ
rieche, ι ruik, λ rŷker, μ rŷger. 257) δ ſmëóce. 258)
ε ſtrŷk, λ ſtrŷker, μ ſtrŷger. 259) ε fŷk, λ fiuker, μ
fŷger. 260) ζ kriuche, θ krieche (vgl. 207.). 261) ι
duik (vgl. 211.). 262) α biuga, β piuku, δ bëóge, ζ
biuge, η bûghe, θ biege. 263) α liuga, β liuku, δ lëóge,
ε lŷg, ζ liuge, η lieghe, θ luͤge, ι lieg, λ liuger, μ lŷ-
ver. 264) β ſûku, δ ſûce (ſt. ſûge), ε ſ g, ζ ſûge, η
ſûghe, θ ſauge, ι zuig, λ ſiuger. 265) β triuku, δ
drëóge? ζ triuge, η drieghe, θ truͤge, ι drieg. 266) β
vliuku, δ flëóge, ε flŷg, ζ vliuge, η vlieghe, θ fliege,
ι vlieg, κ fly, λ flŷger, μ flŷver. 267) ε ſmŷg, ζ ſmiuge,
θ ſchmiege, λ ſmŷger. 268) ε tygg. 269) α tiuha, β
ziuhu, γ tiuhu, δ tëóhe, ζ ziuhe, θ ziehe. 270) α
þliuha, β vliuhu, δ flëóhe, ζ vliuhe, η vlie, θ fliehe,
ι vlied. 271) ι krui? 272) β trifu, δ drëpe, ε drëp, ζ
triffe, θ treffe, λ dræper, μ dræber (und daneben unorg.
träffer). 273) α giba, β kipu, γ gibu, δ gife, ε gëf, ζ
gibe, η ghëve, θ gêbe, ι gêf, κ give, λ gîfver, μ gîver.
274) β wipu, δ vëfe, ε vëf, ζ wibe, η wëve, θ wêbe,
ι wêf, κ weave. 275) δ ſvëfe, ε ſëf, λ ſôfver, μ ſôver.
276) η clëve, κ cleave. 277) α ïta, β iƷu, γ itu, δ ëte,
ε ët, ζ iƷƷe, η ëte, θ eße, ι êt, κ eat, λ æter, μ æder.
278) α frita, β vriƷu, δ frëte, ζ vriƷƷe, θ freße. 279)
α gita, β kiƷu, γ gitu, δ gite, ε gët, ζ giƷƷe, η ghëte,
θ geße, ι gêt, κ get, λ gæter, μ gider. 280) α mita,
β miƷu, δ mëte, ε mët, ζ miƷƷe, η mëte, θ meße, ι
mêt, λ mæter. 281) α ſita, β ſizu, γ ſittu, δ ſitte, ε ſit,
ζ ſitze, η ſitte, θ ſitze, ι zit, κ ſit, λ ſitter, μ ſidder.
282) α bidja, β pittu, γ biddu, δ bidde, ε bidh, ζ bite,
η bidde, θ bitte, ι bid, κ bid, λ bêder, μ bêder. 283)
α truda, β tritu, δ trëde, ε trëdh, ζ trite, η tërde, θ
trête, ι trêd, κ tread, μ træder. 284) α ïn-vida? 285)
β chnitu, δ cnëde, ζ knite. 286) δ brëde? 287) α
qviþa, β quidu, γ quithu, δ cvëdhe, λ qvæder, μ kvæ-
der. 288) α viþa, β witu, ζ wite. 289) β ſtridu, ζ
ſtrite. 290) α liſa, β liſu, γ liſu, δ lëſe, ε lës, ζ liſe,
η lëſe, θ lëſe, ι lês, λ læſer. 291) α niſa, β niſu, δ
nëſe, ζ niſe, η nëſe, θ nêſe, ι nês. 292) α viſa, β
wiſu, γ wiſu, δ vëſe, ζ wiſe. 293) β chriſu. 294) α
brika, β prihhu, γ briku, δ brëce, ζ briche, η brëche,
θ breche, ι brêk, κ break, μ bräkker. 295) α rika? ε
T t t 2
[1028]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
rëk? μ räkker? 296) α vrika, β rihhu, γ wriku, δ vrëce,
ζ riche, η wrëke, θ räche, ι wrêk. 297) β ſprihhu,
γ ſpriku, δ ſprëce, ζ ſpriche, η ſprëke, θ ſpreche, ι
ſprêk, κ ſpeak. 298) β ſtihhu, γ ſtiku, ζ ſtiche, η ſtëke,
θ ſteche, ι ſtêk (vgl. 417.) 299) β ſuihhu? 300) ε lëk.
301) ζ triche? η trëke, ι trêk, μ träkker. 302) ζ ſchricke?
θ ſchrecke. 303) α liga, β liku, γ liggu, δ licge, ε
ligg, ζ lige, η ligghe, θ lîge, ι lig, κ lie, λ ligger, μ
ligger. 304) α viga, β wiku, ε vëg, ζ wige, η wëghe,
θ wîge. 305) β phliku, γ pligu, ζ pflige, η plëghe, θ
pflêge, ι plie. 306) δ þicge, ε þigg. 307) α fraíha, ε
frëg. 308) α ſaíhva, β ſihu, γ ſihu, δ ſëo, ε ſê, ζ ſihe,
η ſie, θ ſêhe, ι zie, κ ſê, λ ſêr, μ ſêr. 309) β vihu,
δ fëo. 310) β ſcihu, ζ ſchihe, θ ſchêhe. 311) β vnihu
(vgl. 253.). 312) ζ bribe? 313) α ſtila, β ſtilu, γ ſtilu,
δ ſtële, ε ſtil, ζ ſtil, η ſtële. θ ſtële, ι ſtêl, κ ſteal, λ
ſtiæler, μ ſtiæler. 314) β hilu, γ hilu, δ hële, ζ hil,
η hële, θ hêle. 315) β quilu, γ quilu, δ cvële, ζ kil.
316) β tuilu, ζ twil. 317) β ſuilu. 318) α nima, β
nimu, γ nimu, δ nime, ε nëm, ζ nim, η nëme, θ nême,
ι nêm, λ nimmer, μ nemmer. 319) α qvima, β quimu,
γ cumu, δ cume, ε këm, ζ kom, η come, θ komme,
ι kom, κ come, λ kommer, μ kommer. 320) α tima,
β zimu, ζ zim. 321) ε ſvëm? 322) ζ ſtim. 323) ζ
ſchim? 324) η ſtëne. 325) α baira, β piru, γ biru, δ
bëre, ε bër, ζ bir, η bëre, θ bære, ι bêr, κ bear, λ
bær, μ bær. 326) α taíra, β ziru, γ tiru, δ tëre, η tëre,
κ tear. 327) β ſciru, δ ſcëre, ε ſkër, ζ ſchir, η ſcëre,
θ ſchêre, κ ſhear, λ ſkær, μ ſkiær. 328) β ſuiru, ζ ſwir,
θ ſchwære. 329) β duiru (v. 430.). 330) ζ gir, η ghëre (?)
θ gære. 331) κ wear? 332) β hillu, ζ hille. 333) β
pillu, ζ bille, θ belle. 334) β ſcillu, ε ſkell, ζ ſchille,
θ ſchalle. 335) β ſuillu, δ ſvëlle, ε ſvëll, ζ ſwille, η
ſwelle, θ ſchwelle, ι zwel, κ ſwell. 336) β willu, ζ
wille. 337) ε gëll, ζ gille, λ gäller. 338) ε hvëll. 339)
ε ſmëll, λ ſmäller, μ ſmälder. 340) ζ drille. 341) ζ
knille. 342) ζ quille, θ quelle. 343) α hilpa, β hilfu,
γ hilpu, δ hëlpe, ζ hilfe, η hëlpe, θ helfe, ι help, κ
help, λ hiälper, μ hiälper. 344) β tilfu, γ dilbu, δ
dëlfe, ζ tilbe, η dëlve, ι delf. 345) δ gëlpe. 346) ε
ſkëlf, μ ſkiälver. 347) λ ſtiälper. 348) α vilva. 349)
α ſvilta, γ ſuiltu, δ ſvëlte, ε ſvëlt, η ſwëlte, λ ſwälter.
350) β ſmilzu, δ mëlte, ζ ſmilze, η ſmëlte. θ ſchmelze,
ι ſmelt, κ melt. 351) α gilda, β kiltu, γ gildu, δ gilde,
ε gëld, ζ gilte, η gëlde, θ gelte, ι geld, λ gälder, μ
[1029]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
giälder. 352) β ſciltu, ζ ſchilte, η ſcëlde, θ ſchelte, ι ſcheld.
353) δ mëlce, ζ milke, θ melke, ι melk. 354) ζ ſilke? 355)
β pilku, γ bilgu, δ bëlge, ζ bilge, η bëlghe. 356) β ſuilku, δ
ſvëlge, ε ſvëlg, ζ ſwilge, η ſwëlghe, ι zwelg. 357) α ſilha
(vgl. oben ſ. 1009. über ein davon verſchiedenes filga?)
β vilhu, γ filhu, ε fël, ζ vilhe, η vël, θ fehle, ι vêl.
358) ζ dilhe? 359) β) primmu, ζ brimme. 360) β
ſuimmu, ζ ſwimme, θ ſchwimme, ι zwem, κ ſwim, λ
ſimmer (vgl. 322.). 361) ζ grimme. 362) ζ klimme,
η climme, ι klim. 363) ζ limme. 364) ι glim. 365) α
trimpa. 366) β limfu, δ limpe. 367) δ rimpe, ζ rimpfe.
368) ζ dimpfe, λ dimper. 369) ζ klimpfe. 370) ζ
krimpfe, η crimpe, ι krimp. 371) α brinna, β prinnu,
γ brinnu, δ birne, ε brënn, ζ brinne, λ brinner. 372)
α ginna, β kinnu, γ ginnu, δ ginne, ζ ginne, η ghinne,
θ ginne, κ gin. 373) α linna, β linnu, δ linne, ζ linne.
374) α rinna, β rinnu, γ rinnu, δ irne, ε rënn, ζ rinne,
η rinne, θ rinne, ι rin, κ run, λ rinner, μ rinder. 375)
α ſpinna, β ſpinnu, δ ſpinne, ε ſpinn, ζ ſpinne, η
ſpinne, θ ſpinne, ι ſpin, κ ſpin, λ ſpinner, μ ſpinder.
376) α vinna, β winnu, γ winnu, δ vinne, ε vinn, ζ
winne, η winne, θ winne, ι win, κ win, λ vinner,
μ vinder. 377) β chlinnu. 378) β ſinnu, ζ ſinne, θ
ſinne, ι zin. 379) ζ trinne? 380) δ ſtinte, κ ſtint, ſtunt.
381) λ ſlinter. 382) α binda, β pintu, γ bindu, δ binde,
ε bind, ζ binde, η binde, θ binde, ι bind, κ bînd, λ
binder, μ binder. 383) α vinda, β wintu, δ windu, δ
vinde, ε vind, ζ winde, θ winde, ι wind, κ wînd, μ
vinder. 384) β ſcrintu, ζ ſchrinde. 385) β ſlintu, ζ
ſlinde, η ſlinde, θ ſchlinge, ι ſlind. 386) β ſuintu, δ
ſvinde, ζ ſwinde, θ ſchwinde, λ ſvinner, μ ſvinder. 387)
ε hrind. 388) ζ drinde? 389) ζ ſchinde. 390) δ grinde,
κ grînd. 391) η prinde. 392) ι zend. 393) μ tvinder.
394) α finþa, β vindu, γ finde, δ finde, ε finn, ζ vinde,
η vinde, θ finde, ι vind, κ fînd, λ finner, μ finder. 395) α
hinþa, λ hinner. 396) α þinſa, β dinſu, ζ dinſe. 397) α
drigka, β trinhu, γ drinku, δ drince, ε drëck, ζ trinke,
η drinke, θ trinke, ι drink, κ drink, λ dricker, μ drikker.
398) α ſigqva, β ſinhu, ε ſöck, ζ ſinke, η ſinke, θ ſinke,
ι zink, κ ſink, λ ſiunker, μ ſŷuker. 399) α ſtigqva, β
ſtinhu, δ ſtince, ε ſtöck, ζ ſtinke, θ ſtinke, ι ſtink, κ
ſtink. 400) ε hröck. 401) δ cvince. 402) δ ſcrince, ι
ſchrink. κ ſhrink. 403) δ ſvince, ι zwenk. 404) ζ hinke.
405) ζ winke. 406) ι blink. 407) ι klink. 408) ι ſlink,
κ ſlink, λ ſlinker. 409) ι ſchenk. 410) α bliggva (ſ. 219.)
[1030]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
411) α ſiggva, β ſinku, γ ſingu, δ ſinge, ε ſŷng, ζ ſinge,
η ſinghe, θ ſinge, ι zing, κ ſing, λ ſiunger, μ ſ[i]nger.
412) β drinku, γ thringu, δ þringe, ζ dringe, θ dringe,
ι dring. 413) β duinku, γ thuingu, ζ twinge, η dwinghe,
θ zwinge, ι dwing. λ tvinger, μ tvinger. 414) β prinku,
δ bringe. 415) γ ſpringu, δ ſpringe, ε ſprîng, ζ ſpringe,
η ſpringhe, θ ſpringe, ι ſpring, κ ſpring, λ ſpringer, μ
ſpringer und daneben ſpräkker. 416) γ ſuingu, δ ſvinge,
ζ ſwinge, θ ſchwinge, κ ſwing. 417) δ cringe. 418)
δ ſtiuge. ε ſtîng, κ ſting, λ ſtinger, μ ſtinger und dane-
ben ſtikker (vgl. [...]99.). 419) δ vringe, ζ ringe, η wringhe,
θ ringe, ι wring, κ wring. 420) δ þinge. θ dinge, ι
ding. 421) ε ſlŷng. 422) ζ klinge. η clinghe, θ klinge,
κ cling, λ klinger, μ klinger, 423) ζ linge, θ linge.
424) κ fling. 425) κ ſtring. 426) κ ring. 427) β chirru,
ζ kirre. 428) β ſcirru. 429) β wirru. γ wirru. ζ wirre,
θ wirre. 430) ε þvërr (vgl. 330). 431) δ mëorne. 432)
δ ſpëorne, ε ſpirn, λ ſpiärner. 433) α vaírpa, β wirfu,
γ wirpu, δ vëorpe, ε vërp, ζ wirfe, η wërpe, θ wërfe,
ι werp, λ värper. 434) β ſnirfu. 435) α hvaírba, β
huirpu, γ huirbu, δ hvëorfe, ε hvërf, ζ wirbe, θ werbe,
ι werf, λ värfver. 436) α ſvaírba, β ſuirpu, γ ſuirbu,
ε ſvërf, ζ ſwirbe, ι zwërf. 437) β ſtirpu, δ ſtëorſe, ζ
ſtirbe, η ſtërve. θ ſterbe, ι ſterf. 438) δ cëorfe, ι kerf.
439) ζ dirbe, η dërve, θ derbe, ι derf. 440) ε ſnërt.
441) α gaírda. 442) α vaírþa, β wirdu, γ wirthu, δ
vëordhe, ε vërdh, ζ wirde, η wërde, θ werde, ι word,
λ varder. 443) ε ſvërdh? 444) α þaírſa. 445) γ ſuirku,
δ ſvëorce. 446) α baírga, β pirku, δ bëorge, ε bërg, ζ
birge, θ berge, ι berg. 447) ζ twirhe? 448) ε ſlëpp,
λ ſlipper, μ ſlipper. 449) ε dëtt. 450) ε ſprëtt, λ ſprit-
ter. 451) β prittu, ε brëgd. 452) β priſtu, γ briſtu,
δ bërſte, ε brëſt, ζ briſte, θ berſte, ι berſt, κ burſt, λ
briſter, μ briſter. 453) ε gnëſt. 454) β driſku, δ þërſce,
ζ driſche. η dërſche, θ dreſche, ι derſch, μ tärſker.
455) β liſku, ζ liſche, θ löſche. 456) κ dig. 457) μ
knäkker. 458) μ ſmäkker. 459) λ ſpricker (vgl. 415.).
460) β vihtu, δ fëohte, ζ vihte, η vëchte, θ fechte, ι
vecht, κ fight. 461) β vlihtu, ζ vlihte, η vlechte, θ
flechte, ι vlecht. 462) ζ dihſe. —


Bemerkungen:


  • 1) hierunter befinden ſich nach ungefährem überſchlag
    gegen 130 gothiſche verba, 225 alth., 120 altſ., 200
    angelſ., 180 altn., 265 mittelh., 150 mitteln., 160
    [1031]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    neuh., 170 neuniederl., 80 engl., 120 ſchwed., 110
    däniſche; manches wird ſich aber ergänzen und berich-
    tigen laßen. Vollſtändig und ſicher überſchauen wir
    bloß das feld der heutigen ſprachen, von den älteren
    am genauſten die. welche den meiſten quellenvorrath
    darbieten, folglich die mittelhochd., altn. und angelſ.,
    ungenauer iſt unſere kenntnis des alth., noch weit
    beſchränkter die des goth. Bei vergleichung des goth.
    mit dem neuh. zähle ich etwa 74 ſtarke verba, welche
    jenes mit dieſem gemein hat; folglich läßt der heutige
    beſtand von 160 auf ungefähr 280 als damahliges ei-
    genthum der goth. mundart ſchließen. Kämen die
    goth. denkmähler den mittelh. gleich, ſo zweifle ich
    nicht, würde die zahl der goth. ſtarken verba über
    300 gehen, davon wir alſo noch nicht die hälfte ken-
    nen. Daß alle mundarten ſämmtliche wurzeln oder
    von ſämmtlichen ſtarke form beſeßen hätten, iſt gar
    nicht anzunehmen, wohl aber progreſſiviſcher unter-
    gang theils der wurzeln, theils der ſtarken form. Un-
    ſere hochd. ſprache hat jetzt über die hälſte der ſtar-
    ken verba, die ſie im 9ten jahrh., weit über ein drit-
    tel derer, die ſie noch im 13ten handhabte, verloren.
  • 2) für erkenntnis und ſcheidung der dialecte wird das
    verzeichnis lehrreich, ſein vortheil aber ſpränge mehr
    in die augen, wenn ich auf dreifachem raume hätte
    tabellariſch ordnen können. Man würde dann über-
    blicken, welche verba durch alle mundarten ziehen
    (z. b. 274. 278. 282 etc.) welche durch die meiſten und
    bei welchen ſich goth. hochd. ſächſ. und nord. dia-
    lect ſcheidet (auffallend beſchränkt iſt z. b. im nord.
    die reihe ik, 295-303, im engl. die reihe iuk, iug
    256-268 etc.). Dieſes auszuführen gehört nicht in
    die flexionslehre, einige beiſpiele: der goth. hochd.
    und ſächſ. ſtamm braucht für den begriff frangere 295,
    der nord. 230; jene für dormire 48., der nord. 276,
    obgleich der angelſ. auch brëótan und ſvëfan, der
    hochd. die verwandten brößeln (ein alth. priuƷu, prôƷ
    vorausſetzend) und enſweben kennt. Unnordiſch ſind
    z. b. 248. 263. 306. 315. 345. 353. 437 etc.; eigenthüm-
    lich nordiſch z. b. 259. 260. 340. 448 etc. Manchmahl
    folgt daſſelbe verbum verſchiedner conjugation und
    hier möchten noch einige getrennt aufgeſtellte zuſ.
    fallen, z. b. 330 mit 430. vornämlich wenn gewiſſe
    conſ. dabei unweſentlich ſcheinen, 148 mit 149 (vlîte,
    glîƷe), 312 mit 253 (fnŷſer, vnihu vgl. oben ſ. 318.
    [1032]II. allgemeine vergleichang der conjugation.
    416.); beachtenswerth iſt die aphäreſe des ſ im angelſ.
    und engl. mëlte 351; prittu und brëgd 451 habe ich
    nebeneinander geſetzt, vielleicht berühren ſich brëde
    (287) und brite (163) von welchem bloß das part. ge-
    briten üblich ſcheint (Triſt. 5a 18b Vrib. 7b troj. 92a
    129b 184c); ohne zweifel entſpringt das hochd. krieche
    (261) aus kriefe (207) und beleuchtet den übergang
    zwiſchen ch und f (ſ. 589, vgl. ſ. 466. 493. 504.), glei-
    cherweiſe gehört duik (262) neuh. tauche zu dëófe
    (211) neuh. taufe. Einigemahl ſind bei ganz gleicher
    form die bedeutungen abgewichen, z. b. 436. das goth.
    ſvaírba heißt detergo, das mittelh. ſwirbe volvor, das
    altn. ſvërf diminuor, das niederl. zwerf vagor; 399
    das goth. ſtigqva und nord. ſtöck ruo, das hochd. und
    ſächſ. ſtinhu, ſtince exhalo (ganz verſch. iſt 418 ſtinge,
    pungo); 131. das hochd. ſcrîpu exaro, das angelſ.
    ſcrîfe confitentem abſolvo (altn. ſkrifta); 266 das hochd.
    triuku fallo, decipio, das angelſ. drëóge ago, patro,
    patior (altn. drŷgi, exerceo) etc. Der verba, welche
    in ſpäteren mundarten ſtark gehen, iu früheren ſchwach
    giengen, gibt es wenige, vgl. 98. jâge, 175. weiſe,
    392 zend, 409 ſchenk etc. ihnen liegt misverſtändnis
    zum grunde (ſo mag das neuh. weiſe, wîs aus ver-
    weiße, verwiß, mittelh. verwîƷe, verweiƷ entſtehen)
    oder ſie ſind gar fremden urſprungs z. b. 174. preiſe,
    391 prinde.
  • 3) unſichere, mit andern zuſ. fallende und unorganiſche
    abgerechnet, dagegen die wörter zweiter anomalie hin-
    zugefügt, bleibt die zahl von fünfthalbhundert ſtarken
    verbis d. h. eben ſo viel wurzeln, welche durch tiefe
    verbreitung und leitung in alle theile der ſprache, noch
    immer die eigentliche kraft derſelben ausmachen.
    Nimmt man an, daß mehrere hunderte verloren wor-
    den ſind, ſeyen nun die wurzeln ausgeſtorben oder
    ableitungen übrig, ſo wird nicht befremden. wenn
    ich hiermit behaupte: jedes verbum unſerer ſprache
    ſteht mit einer ſtarken conjugationsform in urſprüng-
    licher beziehung. Eine menge von ſubſt. adj. und
    ſchwachen zeitwörtern erkennen das verhältnis der
    ablaute und beſtätigen das frühere vorhandenſeyn der
    ſtarken form. Weiſen die ſubſt. grap (tumulus) gruobe
    (fovea) auf das verbliebene graben, gruop; das adj.
    zam (manſuetus, decens) zemen (domare) auf zëmen,
    die ſubſt. tranc (n. potio Nib. 8004) trunc (m. potus,
    hauſtus a. w. 3, 15) trenken (potum praebere) auf
    [1033]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    trinken, tranc etc. ſo ſind ſchlüße von ähnlichen for-
    men auf verlorene ſchon durch die analogie des ver-
    fahrens, oft durch die ausdauer der formen in ver-
    wandten mundarten gerechtfertigt. Ich begnüge mich
    mit einigen beiſpielen untergegangener goth. und alth.
    verba nach ordnung der conjugationen. Gothiſche:
    I. ſpalda (findo) ſpáiſpald; III. háua (caedo) háiháu;
    báua, báibáu (altn. biô); ſtáuta, ſtáiſtáut hätte ich erſt
    hier und nicht ſ. 841 anführen ſollen, da ſich das
    praet, aus Ulph. nicht beweiſen läßt; báuta (tundo,
    verbero) báibáut, vgl. angelſ. beate. IV. rêda (ſuadeo) rái-
    rêd oder nach VI. ráirôd? V. blôa (vireo) báiblô? rôa
    (remigo) ráirô? VII. ga-daba (evenio Marc. 10, 32)
    gadôf, denn das adj. heißt gadôfs (conveniens); daga
    (luceo) dôg, nach dem ſubſt. dags (dies, lux) und den
    adj. ahtáudôgs, fidnrdôgs, desgl. dem altn. dœgr (ſe-
    miſſis diei naturalis) VIII. vleita (video) vláit; leiſa
    (ſequor) láis, liſun (vgl. oben ſ. 91) IX. das ſ. 842
    aufgeſtellte liuga nicht aus Ulph. belegbar, auch mag
    der eigentliche begriff nicht mentior ſeyn, ſondern
    celo, tego, wie das abgeleitete ſchwache liuga, liu-
    gáida (nubo d. h. tegor, vgl. nubes tegumentum) ver-
    räth; hriva (poenitet me) hráu, hrivum (wie ſnivum);
    liuda (creſco) láuþ, vgl. jugga-lauþs (adoleſcens) und
    das alth. liut (populus; liuha (luceo) láuh, laúhum,
    laúhans folgt aus liuhaþ (lux, vgl. dux mit taúho) und
    laúhmuni (fulgur, altn. liomi) aus liuhtja (λάμπω
    Matth. 5, 16 alth. liuhtu und laúhatja ἀστράπτω Luc.
    17, 24. alth. lohizu). XII. tilga (vigeo) talg, tulgum
    nach dem adv. tulga (valde) und dem ſchw. tulgjan
    (firmare). — Alth. beiſpiele: I halzu, hîalz gehört
    aus ſ. 858 hierher und heißt nicht claudum reddo,
    ſondern etwa debilis ſum, die quellen liefern bloß
    halz (claudus) und arhelzu, arhalzta (debilito). III. pôƷu,
    pîaƷ (collido, tundo) angelſ. beáte, vgl. ana-pôƷ (in-
    cus); die anomalen wâhan, ſâhan, pluohan (ſ. 885. 886)
    hatten früher ſtarke praet. wîô, ſîô, plîô, desgl. var-
    nûwan (oben 934) varnîô. VII. chalu (frigeo) chuol
    nach den adj. chuoli und chalt (chal-t) vgl. altn. kel;
    ſtalu (ſedeo?) ſtuol, nach ſtuol (ſedes, thronus) und
    ſtal, ſtales (? locus); die ſubſt. ruom (fama) tuom
    (judicium) das adj. zuomi (vacuus) weiſen auf die
    drei ſtarke verba ramu, tamu, zamu, aus deren praeſ.
    keine ableitung übrig ſcheint; das ſchwache hruoran
    auf hraran, hruor (wie vuoran auf varan, vuor); die
    [1034]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    ſubſt. vatar (genitor) und vuotar (alimentum) auf vatu
    (? gigno) vuot, vgl. das angelſ. fêdan (nutrire, alth.
    vuotan) [zu muotar, pruodar kein paralleles wort mit
    a, denn die lat. mater, frater haben langes a, das
    eben dem uo entſpricht; vgl. ſ. 592.]; paƷ (melius)
    und puoƷa (emendatio, melioratio) gehören zuſam-
    men. VIII. pîlu, peil, pilumês? vgl. ſ. 389. note;
    ſîlu, ſeil, ſilumês? vgl. ſeil ſ. 621. ſilo ſ. 625., lìmu,
    leim, limumêa? vgl. lîm, das kittende und leim, das
    klebende; hîƷu (caleo) heiƷ, hiƷumes; ſuîƷu, ſueiƷ,
    ſuiƷumês; plîhhu, pleih, plihhumès. IX. iufu (? pateo)
    ouf, ufumês, ofanêr, nach oſan, apertus, detectus;
    tiufu, touf, tufumês, tofanêr nach tiuf (profundus)
    und toufì (immerſio); niutu (vincio) nôt, nutumes,
    notanêr, wovon nôt neceſſitas, eigentl. vinculum. X. ſpi-
    hu, ſpah, ſpâhumês nach dem adj. ſpâhi, ebenſo zihu,
    wihu nach zâhi, wâhi. XI. zilu, zal. zâlumês nach zil (ſco-
    pus vgl. goth. tils aptus bonus) und zala ordo, (numerns);
    ſcimu, ſcam, ſcamumês, ſcomaner (ſchon ſ. 939. vermu-
    thet); krimu, kram, krâmumês, kromanêr; dinu, winu ſ.
    oben ſ. 85. XII. ſtillu (quieſco) ſtal, ſtullumes, ſtollanêr
    nach ſtulla (hora, modus, momentum, pauſe) und
    ſtilli (quietus); ſtimpfu, ſtampf, ſtumpfumês, ſtum.
    pfanêr nach ſtampf (tudes) und ſtumpf (contuſus,
    hebes); eben ſo ſcimpfu; ſtinku (pungo) ſtanc, wo-
    von noch ſtuncniſſi (compunctio); dirru (torreo) dar,
    durrumês, dorranêr, wovon derran, darta und durri
    (aridus) vgl. goth. þaírſa, þars etc. — Im altn. laße
    man ſich nicht durch ſcheinbar ſtarke participialfor-
    men, wie aldinn (annoſus) barinn (contuſus) beininn
    (officioſus) nakinn (nudus) vaninn (aſſuetus) etc. derglei-
    chen Biörn in menge anführt, zu voreiligem ſchluß auf
    ſtarke conj. verleiten, da ſie unorganiſch für aldr, beindr,
    bardhr, naktr vandr. ſtehen (vgl. ſ. 1012. 1018). Deutlich
    erhellt dies z. b. aus œfinn (verſatus) ſt. œf-dr, kein org.
    ſtarkes part. praet. kann œ haben. Selbſt das ſ. 915.
    beigebrachte arinn (aratus) mag eher = ardhr von erja,
    ardhi ſeyn, als zu einer ſtarken form gehören.
  • 4) meine abtheilung in zwölf conjugationen iſt vielleicht
    tadelhaft. Vorerſt könuten die ſechs vorderen, d. h.
    alle reduplicierenden unter eine claſſe gebracht wer-
    den, zumahl die fünfte und ſechſte faſt nur im goth.
    auftreten, in der dritten aber doch außer dem herr-
    ſchenden vocal áu (alth. ô) ein ô (alth. no) zugelaßen
    werden muſte. Auch die zahl ſämmtlicher reduplic.
    [1035]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    wörter würde der zahl einer der folgenden conj. ziemlich
    gleich ſtehen. Ich wollte durch genaue trennung der
    vocallaute, da auch unter den ſechs letzten claſſen
    keiner verſchiedene zukommen, die ſchärfe der noch
    nicht abgeſchloßenen unterſuchung fördern und er-
    wog zugleich den in V. VI. mit der redupl. verbunde-
    nen ablaut. Wider die ſonderung von VII. VIII. IX.
    XII. wird ſich wenig erinnern laßen; bedeutender iſt
    der anſchein, daß X und XI. zu einander fallen, de-
    ren einziger unterſchied [auf] dem i und u (ë und o)
    des part. praet. beruht, indem theils in VII. VIII. IX.
    liq. und mutae gleichen ſchritt halten, theils aus X.
    allmählige übergänge in XI. ſtatt finden. Hieß es
    mittelh. gewëben ſt. des neuh. gewôben, angelſ. vrëcen
    ſt. des alth. kirohhan; ſo könnte es auch früher goth.
    nimans, ſtilans ſt. numans. ſtulans geheißen haben.
    Da inzwiſchen die buchſtabenlehre kein u (o) ſtatt i
    ë vor liq. zur regel macht, es nur ausnahmsweiſe
    zuläßt (vgl. ſ. 82. 85); da ferner, wenn in XI. wie in
    X. der vocal des part. dem des praeſ. gleich ſtünde,
    auch für das praeſ. dieſclben übergänge in u (o) ent-
    ſpringen müſten, dergleichen ſcheinbar in kommen,
    ſofa eintreten, wo ich lieber ko, ſo aus dem u, v in
    quë, ſvë herleite (wichtiger wäre das analoge gaúrda
    f. gaírda aus goth. XII. conj.); da endlich in unſerer
    älteſten mundart, der goth., die ſcheidung der part.
    ſtulans, numans von den praeſ. ſtila, nima klar vor-
    liegt; ſo habe ich die durchführung der trennung
    vorgezogen. Die zahl der verba in X. und XI. zu-
    ſammen würde übrigens der in den einzelnen VIII.
    IX. XII. ziemlich gleichen, wiewohl auch VII. eine
    viel geringere zuſteht. Will man ſich die fragliche
    vereinfachung der abtheilung gefallen laßen, ſo er-
    wachſen ſtatt zwölfe ſechs conj. nämlich I. wäre I-VI;
    II:VII; III:VIII; IV:IX: V:X und XI; VI:XII. —
  • 5) es iſt beachtungswerth und für die geſchichte aus-
    ſterbender ſtarker form wichtig, daß, während in conj.
    VII. bis XI. einfache muta jeder art die wurzel ſchließen
    kann, nicht jede liquida vorzukommen pflegt. Ich will
    nunmehr die bereits ſ. 839. gemachte bemerkung näher
    ausführen. In IX. findet gar keine liq. ſtatt, wenn man von
    ſpäteren übertritten des ſin r wegſieht; in XI. faſt nur l,
    m, r, höchſt ſelten n (n° 325; vgl. man, munum ſ. 852.)
    in VII. nur l, n, r, kein m; in VIII. faſt nur n, ſel-
    ten m (n° 110. 111.) kein l und r; vorzeiten mögen
    [1036]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    jedoch in VII wurzeln -am (vgl. ramu, tamu, zamu
    ſ. 1033. und ſubſt. wie pluomo, muoma) in VIII. wur-
    zeln -îl (vgl. pîlu, ſîlu ſ. 1034. und ſubſt. wie heil,
    meil, teil, île, vîle etc.) geſtanden haben, in VIII. häu-
    figere -îm (vgl. heim, ſeim etc.) in XI häufigere-in
    (vgl. dinu, winu etc. ſ. 1034). Schwieriger iſt -îr
    für VIII, weil die ſprache nur wenige wurzeln wie
    vîra (celebratio) gîro (vultur) beſitzt. Für IX ließen
    ſich -ium und -iun aus poum, troum, ſoum, kouma
    etc. lôn, ſcôni, vrôno etc. folgern, bedenklicher ſind
    wiederum -iul und -iur (abgeſehn von dem ſpätern
    -ier aus -ies). Da aber wurzeln, wie ſûl, vûl, mûl,
    gûl etc. ſûr, ſcûr, mûra etc. unerklärlich, d.h. auf
    keinen ablaut zurückführbar wären (vgl. oben ſ. 838,
    8.), wenn es nicht ein noch zur zeit dunkles verhält-
    nis zwiſchen iu und û gäbe, (aus dem auch das
    ſchwanken des lauts vor mutis in neunter conj. her-
    zuleiten iſt, vgl. ſûſu, lûka, ſûce n° 205. 256. 265,
    zumahl im ſchwed. ſ. 999.); ſo ſcheint ſich auch jene
    lücke zu füllen. Dann würden gleichfalls rûm, chûmo,
    rûna, zûn etc. auf verba dieſer conj. weiſen.
  • 6) laute und ablaute der conj. IX. und XII. haben einige
    analogie, vgl das goth. iu, áu, u, u mit i, a, u, u
    (ſ. 837) nämlich inſofern man iu, áu aus iv, av deu-
    ten, im pl. praet. und part. aber u für uv nehmen
    wollte. Wie alſo (n° 216,) ſniva, ſnáu, ſnivum (f.
    ſnuvum) müſte giuta, gáut aus givta, gavt gedeutet
    werden? Dieſer anſicht ſteht allerdings viel entgegen,
    günſtig wäre ihr etwa das goth. bliggva, blaggv
    (nach XII.) gegenüber dem alth. pliwu, pliuwu, plou
    nach IX) und das goth. bagms (oben ſ, 73.) ſt. des
    alth. poum, paum, da doch die goth. mundart ander-
    wärts áu vor m verträgt (vgl. gáumjan, alth. kou-
    man); vielleicht ſind dann die altn. ſŷng, ſaung; ſöck,
    ſauck etc. (alth. ſinku, ſanc; ſinhu, ſanh) anders als
    ſ. 616 zu betrachten?
  • 7) verba eilfter conj. mit m geneigen zur gemination
    der liq. und treten damit in die zwölfte; ſo wird aus
    mittelh. komen, gekomen neuh. kommen, gekommen,
    wiewohl das praet. kâm, kâmen (nicht kamm, kam-
    men) in XI verbleibt, die ſchwed. und dän. fornemma;
    fornemme (ſt. nema) gehen ganz über, praet. for-
    numme (ſt. nåme). Nicht unwahrſcheinlich gehörten
    n° 360—364 früher einmahl zu conj. XI, vgl. 322 und
    [1037]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    das ſchwache gremen, gremte (freilich neben grem-
    men, gramte, oben ſ. 874) weiſt doch auf grëmen,
    gram zurück.
  • 8) es iſt ſ. 839 geſagt worden, daß die ſtarke form
    nicht nothwendig wurzeln befaße, ſondern auch ab-
    leitungen befaßen könne. Dieſe unterſuchung greift
    in das innerſte der wortbildungslehre und darf hier
    nur angerührt werden. Geſetzt, daß jede wahre d. h.
    einfache wurzel, mit einfacher conſonanz ſchließe, ſo
    erſcheinen die verba erſter und zwölfter conj. ſämmt-
    lich als ableitungen. Practiſch mag man jedoch auch
    zuſammengeſetzte wurzeln annehmen, d. h. deren
    ableitungsmittel ſich mit der wurzel ſelbſt verwachſen
    hat und nicht weiter klar zu löſen iſt. In wilde
    (ferus) hund (canis) vermögen wir die fortbildung der
    wurzel nicht nachzuweiſen, wohl theoretiſch wil -d -e,
    hun -d (vgl. can -is) zu ahnen; die verhärtung bilde
    (imago) erklärt ſich uns aber hiſtoriſch aus pil -ad -i.
    Nun ſcheint es zwar, als wenn in ſolchen zuſ. ge-
    ſetzten wurzeln möglichkeit des ablauts eben durch
    die verhärtung der bildung erſt bedingt werde; allein
    dieſer anſicht ſtehen alth. formen entgegen. Die alth.
    mundart (auch die altſ. vgl. ſ. 209.) hegt den bildungs-
    vocal überhaupt getreuer, als die gothiſche, ſie ge-
    währt z. b. noch wâſan, mordar, wo letztere vêpn,
    maúrþr ſagt; ſie ſetzt aber auch ſt. des goth. filha.
    falh, fulhun; baírga, barg, baúrgun; hvaírba, hvarb,
    hvaúrbans hinundwieder und aſſimilierend: vilihu,
    valah, vuluhun; piriku, parac, purukun; huiripu,
    huarap, huorpanêr, in entſprechenden ſubſt. miluh
    (lac) përac (mons) puruc (urbs) vëheta (pugna) etc. Alſo
    nach l, r und h pflegt der bildungsvocal zu haften, kaum
    nach m und n, ein vinidu, vanad ſt. vindu, vand
    wäre ſo unerhört, als hunad f. hund (doch vgl. hanaf,
    ſënef, neuh. hanf, ſenf). Die formen përac, parac,
    puruc ſtehen aber gleich den goth. baírgs, barg,
    baúrgs im ablautsverhältnis und es érwachſen zweier-
    lei annahmen: α). entw. die individualität des ab-
    lauts in conj. XII. wird durch den haftenden bil-
    dungsvoc. nicht gehindert oder β). der alth. dialect
    ſchiebt nach falſcher analogie einen ungehörigen bil-
    dungsvoc. zwiſchen. Für letzteres ſpräche theils die
    unerweiſlichkeit des bild. vocals nach m und n (kein
    limifu, lamaf, ſiniku, ſanac, da doch limfu, ſinku
    [1038]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    mit vilhu, pirku gleich ſtehen; allein ſpäter herrſchen
    auch vilhe, birge und das erlöſchen des vocals ſcheint
    nur nach m und n eher begonnen zu haben, als nach
    l und r.) theils das unſtatthafte eines vocals zwiſchen
    den gem. ll, mm, nn, rr in derſelben conj. (allein
    vielleicht entſpringen mm und nn aus m und n?
    nach bemerkung 7.; rr aus rs, wirru, dirru aus goth.
    vaírſa, þaírſa und für wirſu, dirſu wäre wiriſu, diriſu
    denkbar; ll kann ſich auf mancherlei wegen ent-
    wickeln, vgl. ſ. 123. und von den n° 333 — 343 genann-
    ten ll iſt kein einziges gothiſch). Hält man ſich an
    die annahme α [...] ſo wäre als grundſatz aufzuſtellen:
    der ablaut erzeigt ſich auch an wurzeln, denen bil-
    dungstriebe zugetreten ſind und erfährt dann gewiſſe
    modification, gleichviel ob der bildungsvoc. bleibe
    oder wegfalle. Die modification bezieht ſich auf den
    pl. praet., ſtatt des ê der wurzeln -il, -im, -in,
    -aír (ſtêlun, nêmun, bêrun) geben die bildungen
    -ilp, -imp, -ins, -aírp, -aírg etc. dem pl. den ab-
    laut des part. (hulpun, baúrgun; alth. hulufun, hul-
    fun, purukun, purkun und nicht hêlpun, bêrgun,
    alth. hâlufun, pârukun). hêlpun, bêrgun, hâlſun,
    pârkun widerſtritte dem ſ. 54. aufgeſtellten ſprachge-
    ſetz; hâlufun, pârukun zwar nicht, ſind jedoch nir-
    gends nachzuweiſen. Noch fragt es ſich nach den
    einfachen ſtämmen ſolcher ableitungen: hört baír-
    g -an zu baír -an? fordert krim -p -an ein krim -an?
    ſin -g -an ein ſin -an (vgl. can -ere)? ſetzt jedwedes
    abgeleitete verbum ſtarker conj. eine ſtarkformige wurzel
    voraus? ohne zweifel, wiewohl die einfache wurzel
    ausgeſtorben ſeyn kann. Merkwürdig, wenn vairþan
    (alth. wëridan, wëradan?) genau zuſ. hienge mit vi-
    ſan, wëſan und aus viſþan, wëſadan entſpränge? die
    goth. paſſive -ad wage ich, weil d von þ abſteht,
    nicht zu vergleichen, inzwiſchen iſt das lat. fieri
    offenbares paſſivum zu fuo, fui. Das alth. ſêr (vul-
    nus, dolor) ſcheint mit ſoraka (cura, dolor) verwandt,
    lautete nun ſêr goth. ſáis (oben ſ. 91.), ſo würde
    ſáizgan durch die verwandlung in ſaírgan und den ab-
    laut ſaúrg das ſubſt. ſaúrga (alth. ſoraka) erklären. Weiſt
    das alth. ſporo (calcar) die einfache wurzel zu n° 432,
    ſo beſtätigt ſich das ſchwache n (gen. ſporin) als bil-
    dungs- (nicht flexions-) mittel (ſ. 817).
  • 9) wenn mit allmähliger unterdrückung der conſo-
    nanzen in den ſechs erſten conjug. unorganiſche diph-
    [1039]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    thongen îa, ëa, îu, ia, iu, ie, ê aus der alten redu-
    plication entſtanden ſind (ſ. 103. 104. 108. 230. 837.
    863. 917.); könnte man verſucht werden, für das uo,
    ô
    ſiebenter conj. eine gleiche erklärung zu geſtatten.
    Was die ſpätern ſprachen in I — IV. entwickelten,
    zeigt es auch die goth. in VII.? Für eine parallele
    zwiſchen ie und uo ſcheinen allerdings die übergänge
    zu ſprechen, vgl. iar, ier (aravit) neben vuor (ivit);
    bluonden f. blienden (ſ. 941.); ſtiep. hief, wies f.
    ſtoep, hoef, woes (ſ. 971.) und gerade in VII. iſt, wie
    in den reduplicierenden, dem pl. praet. der vocal des
    ſg. praet. zuſtändig (ſ. 838.). Bedenklich bleibt in-
    zwiſchen die erklärung des uo, ô an ſich ſelbſt
    aus einer redupl., da es nicht wie ia aus îa, eia
    deutlich wird und noch größeres gewicht hat der
    einwand, daß die wortbildung kein ſubſt. oder adj.
    mit dem aus redupl. erwachſenen ie zulaße (denn das
    erſt neuhochd. wort hieb iſt unorganiſch) während eine
    menge ſubſt. und adj. den ablaut ô uo (ſchon im goth.)
    führen. Oder wieſe dies nur auf eine viel früher erfolgte
    verhärtung? ſollte man nicht weiter gehen, allen und
    jeden ablaut ſelbſt der übrigen ſtarken conj. aus an-
    fänglicher reduplication leiten? Die wahrſcheinliche
    unurſprünglichkeit langer vocale iſt oben ſ. 331. be-
    rührt worden und wenn das part. praet. ïtans, liſans
    gleich haldans den voc. des praeſ. führt (ſ. 1008), ſo
    darf auch êtum, lêſum mit haihaldum verglichen wer-
    den. Welche urſache ſcheidet aber den pl. êtum, lê-
    ſum vom ſg. at, las, während zu jenem pl. der ſg.
    háihald ſtimmt? vielleicht dieſelbe, welche auch in
    ſchwacher form den pl. naſidêdum, ſalbôdêdum län-
    ger ſchützt, den ſg. naſida, ſalbôda früher kürzt;
    wie naſida f. naſidida (?) ſtünde folglich at, las f. êt,
    lês? ließe ſich ein ſ. 844. und ſ. 914 vorſchnell ver-
    worfenes goth. frêt (= êt) altn. ât (ſchwed. åt, dän.
    aad) nicht berückſichtigen? erſchiene, wozu die
    ſpätere ſprache auf ganz anderm wege wiedergelangt,
    die gleichheit des ablauts im ſg. und pl. (ſ. 986.) als
    das urſprüngliche? Ich häufe hier mehr fragen und
    zweifel, als ich jetzt ſchon beantworten und löſen
    kann; doch ſcheint mir im voraus gewis, daß das
    weſen des deutſchen ablauts nicht in dem hohlen klang
    zu ſuchen iſt; dieſe verſchiedenheit der vocale muß aus
    einer anfänglichen, ſinnlich-bedeutſameren wortflexion
    entſpringen, ſey ſie nun der redupl. ähnlich oder nicht.

[1040]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
II. erwägung der ſchwachen conjugation.

Die ſchwache form iſt ohne zweifel jünger, als die ſtarke*)
α) weil letztere mannigfaltig, erſtere einförmig iſt; β) nur
die ſtarke reine wurzeln enthält, die ſchwache ableitung
vorausſetzt; γ) weil fremde wörter der ſchwachen,
nicht der ſtarken form fähig werden; ausnahmen höchſt
ſelten und an ſich tadelhaft (preiſen von preis, franz.
prix) δ) die ſtarke allmählig ab-. die ſchwache zu-
nimmt; wenn ſich das edlere getriebe jener vernützt,
wirrt und räthſelhaft erſcheint, dient die feſtere, äußere
handhabe dieſer leicht zur erhaltung und herſtellung der
verlorenen ordnung.


Jedes ſchwache verbum beruht weſentlich auf zwei
ſtücken 1) auf einer durch die vocale i, ô und ái ge-
wirkten ableitung, von welcher im folgenden buch
nähere rede ſeyn wird. Man merke α) dieſe ablei-
tungsvocale verwachſen mehrfältig mit den flexionsvoca-
len, woraus ei ſtatt ji (ſ. 847.) ô ſtatt ôa, ôi (ſ. 849.) a
ſtatt áia, ái ſt. aji (ſ. 850) entſpringt. β) ſpäter ſchwin-
det das ableitende i und ein tonloſes e vertritt ô und ê.
γ) daher gewinnen manche ſchwache verba den fal-
ſchen ſchein unabgeleiteter, z. b. das mittelh. baden, hant-
ſlagen, minnen wird den ſtarken verbis laden, tragen,
winnen ähnlich (alth. padôn, hantſlakôn, minnôn) und
neuh. fällt ſogar der inf. rathſchlâgen mit ſchlâgen (mit-
telh. râtſlagen und ſlahen, ſlân) zuſammen, ſo daß
unhiſtoriſche ſprachlehrer nicht begreifen, warum jenes
im praet. rathſchlâgte, dieſes ſchlûg bekommt. δ) zu
einer vergleichung der ableitungstriebe i (ei), ô, ái bei
dem verbum mit den in der flexion des nomens wal-
tenden i, ei, ô, ái (vgl. ſ. 811. 812.) iſt der jetzige
ſtand unſerer ſprachforſchung noch nicht gerüſtet. —
[1041]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
2) beruht der begriff des ſchwachen verbums auf der
durch äußerliche und erſt nach dem ableitungsvocal ein-
tretende zuthat ausgedrückten vergangenheit. Da die-
ſes praet. als eigentliche flexion betrachtet werden muß,
verlangt es hier nähere unterſuchung: α) im goth. lau-
tet der ſg. -da, der pl. -dêdum, das part. -þs, gen.
-dis (ſ. 845. 1009) in allen übrigen mundarten ſtimmen
ſg. pl. und part. überein, alth. -ta, -tumês, -têr; altſ.
-da, -dun, -d; angelſ. -de, -don, -d; altn. -dha,
-dhum, -dhr
(nach Raſks anſicht; beßer wohl -da,
-dum, -dhr). Abänderungen, welche durch ſyncope
des ableitungsvocals in dieſer flexion entſtehen können,
gehen uns hier nichts an. β) der goth. ſg. -da ent-
ſpricht dem alth. -ta, ſächſ. -da, angelſ. -de etc. aber
der goth. pl. (ſammt dem davon geleiteten ſg. und
pl. praet. conj.) beſitzt eine ganze ſilbe mehr. -dêdum
würde ein alth. -tâtumês, ein altſ. dâdum etc. fordern.
Nur in einer einzigen ſtelle K. 18b erloſôtâtun (impege-
runt) ſt. erloſôtun, wofern richtig geleſen und ein erlo-
ſôn (impingere) glaublich iſt [wie wenn erloſô oder das
dafür zu ſetzende wort acc. pl. fem. wäre und der über-
ſetzer impegerunt in ictus dederunt aufgelöſt hätte?
vielleicht ërdſtôƷô oder erdſtôƷâ tâtun?] gleich dane-
ben ſteht auch plâton. frâhêtomês etc. γ) hat ſich tâ-
tun in -tun, -dâdun in -dun abgeſchliffen, könnte uns
auch der goth. pl. -dêdun einen älteren vollſtändigeren
ſg. weißagen; wie aber lautete dieſer? Die form dèdun
an und für ſich gemahnt an bêdun, trêdun alth. pâ-
t[a]n, trâtun und dieſe antworten genau dem vermuthe-
ten -tâtun, welches gerade praet. pl. des anomalen tuon
iſt (ſ. 885). δ) keine unter allen anomalien des verbums
iſt dunkler, als tuon, dôn, dem goth. und nord. dialect
mangelt es merkwürdigerweiſe. Der Gothe überſetzt
ποιεῖν mit táujan (alth. zawjan, mittelh. zöuwen) wel-
ches dem alth. tuon gar nicht verwandt iſt; der altn.
ausdruck für denſelben begriff lautet gera (alth. kara-
wan). Allein im goth. hat ſich das ſubſt. dêds und dêdja
(alth. tât und tâto) im altn. dâd erhalten, zum zeichen,
daß das verbum dieſen ſprachen nicht fremd ſey. Die
vollſtändigen formen der hochd. ſächſ. und frieſ. anoma-
lie ſind nicht wohl mit einander zu vereinbaren: der
alth. inf. tuon entſpricht dem angelſ. dôn, doch das
alth. part. kitân nicht dem angelſ. gedôn; altſ. lauten
zwar, wie im angelſ., praeſ. und part. mit demſelben
vocal duan und giduan, nur dieſes ua paralleliſiert ſich
U u u
[1042]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
weder dem alth. uo, noch angelſ. ô, weil es alsdann
uo oder ô heißen müſte. Die altſ. mundart beſitzt auch
gar kein diphthongiſches ua; wahrſcheinlich iſt dû-an,
gidû-an zu leſen, d. h. das a zur flexion zu nehmen, wo-
zu das altfrieſ. dûa ſtimmt, wo aber das part. dên lau-
tet. Das alth. praet. tâtun, ſg. tëta, altſ. dâdun, dëda
vergleichen ſich; zu tëta, dëda paſt der angelſ. ſg. dide,
nicht der pl. didon (gewöhnl. geſchrieben dyde, dydon);
welcher pl. iſt nun organiſcher? die augelſ. ſprache hat
in achter conj. den pl. ablaut i (bidon, glidon) die alth.
in zehnter â (pâtun, trâtun), doch zu keinem von bei-
den ſchickt ſich der ſg. dide, tëta (ſt. des erforderlichen
dâd und tat!) geſchweige der inf. dôn, tuon (ſt. dîdan,
titan oder tëtan!). Ebenſowenig darf man dôn, tuon
ſchwachformig annehmen, theils weil die analogie von
bûan, bûde, gebûn (ſ. 910.) dôn, dôde, gedôn oder von
ſpuon, ſpuota (ſ. 886.) tuon, tuota, kituon fordert, theils
ein wort, das zur erklärung der ſchwachen form die-
nen ſoll, nicht ſchon ſelbſt das ſchwache kennzeichen
des praet. an ſich tragen kann. Dazu tritt, daß die II.
ſg. wenigſtens im alth. völlig der ſtarken conj. gemäß
tâti lautet, nicht tâtôs, wogegen wiederum das altſ. dë-
dôs, angelſ. dideſt abſticht. Um den inf. dieſer anoma-
lie mit dem praet. und das praet. mit der ſtarken conj.
in einklang zu bringen, möchte man reduplication, etwa
nach dritter conj. annehmen, aus einem goth. dôan, praet.
dáidô, pl. dáidôun, part. dôans müſte ſich allmählich
dáida, dida, pl. dêdun; alth. tëta, tâtun entfaltet haben?
aber dann wäre, das bedenkliche ſolcher veränderun-
abgerechnet, ein ſubſt. dêds (alth. tât) aus reduplicati-
ver form erwachſen, was ſ. 1039. geleugnet wurde! und
warum entfernt ſich das ſchwache part. praet. ſo ent-
ſchieden von jenem part. kitân, gedôn? ſtatt kiſalpôtêr,
geſëalfod wäre kiſalpôtânêr, geſëalfodon zu erwarten? —
ε) bemerkenswerth und bis jetzt unerklärt ſcheint mir
das abweichende verhältnis der goth. formen ïddja, ïdd-
jèdun (ſ. 854.) wo der plur. des zweifachen d ermangelt;
die ſtellung des ableitungs -j weiſt das vorausgehende dd
nothwendig der wurzel zu und ïddjêdun ſtünde wohl-
lautshalber für ïddidêdun? — ζ) wie es ſich immer ver-
halte [weiteres unten, fremde ſpr. n° 7.], ein zuſ. hang
des hülfsworts thun mit dem praet. ſchwacher conj.
ſcheint mir ziemlich ausgemacht und wird durch den
auxiliariſchen gebrauch des engl, did (we did ſalve =
ſalbôdêdum) beſtärkt.


[1043]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
III. erwägung der flexion.

Die flexion iſt ſchon ſ. 835. 836. im allgemeinen charac-
teriſiert worden; nähere erläuterungen ſind erſt jetzt
möglich. Redupl. und ablaut waren, wie wir geſehn
haben, unterſcheidendes merkmahl der ſtarken, ablei-
tungsvoc. und eingeſchaltetes d, t der ſchwachen con-
jugation, in der eigentlichen flexion dienen conſonanten,
um das verhältnis der perſonen, vocale, um das der
zeit und modalität auszudrücken.


  • 1) (conſonanten) die erſte perſon ſg. endigt in der re-
    gel ohne conſonanz, ausgenommen α) im alth. praeſ.
    ind. zweiter und dritter ſchwacher conj. auf -ôm,
    -êm
    (ſpäterhin -ôn, -ên, gegen das 13. jahrh. all-
    mählich ausſterbend). β) gleichfalls auf -m im alth.
    gâm oder gêm, ſtâm oder ſtêm, tuom oder tôm und
    pim (ſ. 868. 885. 881.) woraus wiederum ſpäter gân,
    ſtân, tuon, pin erwächſt; mittelh. beharren gân, ſtân
    (gên, ſtên) tuon, hân, bin (ſ. 944. 965. 966. 962.) ob
    noch andere? vgl. ſ. 945. 958.; neuh. nur bin, volks-
    mundarten ſetzen -en auch anderwärts (Schm. §. 906.).
    γ) im goth. findet ſich das einzige ïm (ſ. 851.); angelſ.
    das einzige ëom, bëom (ſ. 909.) altn. das einzige ëm
    (ſ. 925.) altſ. außer bium, biun auch noch ſtên und dôn
    neben dôm (ſ. 890. 894.). δ) ſchwed. und dän. durch-
    gehends auf -r. Letztere ausnahme iſt offenbar un-
    organiſch, nämlich das -r aus der zweiten perſ. vor-
    gedrungen; das -m (-n) der übrigen ausnahmen
    ſcheint hingegen die uralte allgemeine flexion der
    erſten perſ. anzuzeigen und nicht bloß ein goth. ſal-
    bôm, habáim oder habam, ſondern auch ein háifam
    (voco) haitáum (vocem) háiháitam (vocavi) zu verra-
    then. Vergleichbar iſt das dem dat. ſg. abgefallene
    -m, neben dem dat. pl. -ms ſt. des ſpätern -m (oben
    ſ. 808). — Die zweite perſ. ſg. flectiert in der regel
    conſonantiſch, ausgenommen im alth. mittelh. altſ,
    und angelſ. (nicht aber niederl. und neuh.) ſtarken praet.
    ind., wo ſie bloßen vocal beſitzt. Die conſonanz
    ſchwankt zwiſchen -s (nord. -r) -ſt und -t, näm-
    lich α) -s herrſcht im goth. alth. altſ. und niederl.
    praeſ. ſtarker und ſchwacher, ſodann im praet. ind.
    ſchwacher (nicht ſtarker, außer im niederl.) endlich
    im praet. conj. ſtarker und ſchwacher form, ihm ent-
    ſpricht das nord. -r. β) ſt findet ſich angelſ. ſtatt
    des goth. -s, alth. nur zuweilen (entſchieden bei N.)
    U u u 2
    [1044]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    mittelh. in der regel (und -s ausnahmsweiſe) neuh.
    überall, ſelbſt im ſtarken praet. ind. γ) -t im goth.
    und altn. ſtarken praet. ind., mit übergängen in -ſt,
    zt nach lingualen der wurzel (ſ. 844. 919. 920.) alſo
    auch in môſt, váiſt, nicht in ſkalt, mant, kant (ſ. 852.)
    altn. veizt, ſkalt, mant, kannt (ſ. 926.) alth. nur in
    den anomalen tôht, maht, ſcalt, darft, weiſt, muoſt,
    anſt, chanſt, tarſt, wohin man auch piſt (ſ. 881.) rech-
    nen kann; ebenſo altſ wêſt, magt (? maht) ſkalt, kanſt,
    biſt; angelſ. môſt, vâſt, mëaht, ſcëalt, dëarſt, canſt
    (neben duge, durfe, cunne, unne); mittelh. muoſt,
    weiſt, maht, ſolt, ganſt, kanſt, tarſt, darft (zuweilen
    wilt neben wil) biſt; neuh. überall -ſt, namentlich
    auch: mâgſt, ſollſt, darfſt, willſt. Da dem goth. t.
    alth. z parallel iſt, wäre für das goth. ſkalt, kant ein
    alth. ſcalz, chanz zu erwarten (vgl. tváimtigum mit
    zueinzuc, ſalt mit ſalz) die verhärtete form ſcalt darf
    daher den überbleibſeln eines früheren t ſtatt z (ſ. 154.
    155.) beigezählt werden; in maht, darft blieb das t,
    weil es die verbindung ht, ft überall bewahrt (ſ. 154.);
    für chant, tart erſcheint chanſt, tarſt, wie ſchon im
    goth. praet. daúrſta, alth. torſta und chonſta neben
    chonda, altſ. kunſta oder konſta (vgl. das goth. ſubſt.
    anſts, alth. anſt und chunſt). — Es iſt ſchwer zu ſagen,
    welche von beiden conſonanzen, das -s oder -t hier
    urſprünglicher ſey? ob ſie unter einer ältern zuſ. fal-
    len (etwa dem -þ)? altn. ſtehen -r und -t noch wei-
    ter ab; das -ſt für -s ſcheint ſpätere, vielleicht aus
    inclination des pronom. erklärliche verderbuis, aber
    verſchieden von der entwickelung des -ſt ſtatt -t im
    ſtarken praet. Die goth. ſprache kennt keine berüh-
    rung der auslaute -s und -t (z. b. die part. us, alth.
    ur, ſcheidet ſich rein ab von ut, alth. ûƷ) und nur
    inlautend wird viſſa aus vitda, andavleizns aus anda-
    vleitns (?); auf die vermuthung eines älteren -þ führt
    theils das -þ in II. pl., theils das pronomen þu. Nach
    dem unbetonteren flexionsvocal könnte die ausſprache
    -þ dem -s genähert haben (vgl. engl. raineth, rai-
    nes) während nach betontem wurzelconſ. -þ zur te-
    nui[ſ] -t wurde (gráipt ſt. gráipþ) oder begegnete þ
    dem þ dritter perſon? — Die dritte perſ. ſg. behaup-
    tet conſonantiſchen ausgang nur im praeſ. ind., hat
    ihn aber aufgegeben im praeſ. conj. ſowohl als im
    praet. ind. und conj. Jener conſ. iſt ein goth. -þ
    alth. -t, altſ. -d, angelſ. dh; abweichend ein altn
    [1045]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    -r, welches ſich auf doppelte weiſe deuten läßt, ent-
    weder als vorgedrungen aus der zweiten perſon, oder
    wie dort aus dem þ ſelbſt entſprungen. Für letzteres
    ſpricht das dem altn. ër parallele angelſ. und frieſ. is,
    mittelnl. ës, neunl. is, engl. is (goth. alth. und altſ.
    iſt) verſchieden von der zweiten perſ. angelſ. ëart,
    engl. art, mnl. bëſt (goth. ïs, altſ. is neben biſt, alth.
    piſt). In dieſem anomalon bezeichnet alſo -s bald die
    zweite, bald die dritte perſon und wiederum -ſt beide
    (vgl. das altſchw. äſt ſ. 1001.) — Die erſte perſ. plur.
    lautet in praeſ. und praet. ind. und conj. einſtimmig
    goth. -m, alth. -mês und -m, ſpäter -n, mittel- und
    neuh. -n, altn. -m, alt- und angelſ. -n, doch in
    dieſen beiden dialecten mit merkwürdiger ausnahme
    des praeſ. ind., deſſen erſte perſ. hier der zweiten
    und dritten gleich -d und -dh bekommt. Das goth.
    -m ſcheint ſich zu -mês, wie der goth. dat. pl. -m
    zu einem älteren -ms zu verhalten (ſ. 808 und 856.);
    der ſ. gall. T. ſchreibt verſchiedentlich im praet ind.
    -unmês ſt. -umês (95 ſâhunmês. 152 gâbunmês, quâmun-
    mês, halôtunmês, vermuthlich fehlerhaft, neben dem rich-
    tigen weritumês 95, thionôtumês 131 etc.; 145 ſteht
    durch ähnlichen fehler frâgêntun ſt. frâgêtun). — Kenn-
    zeichen der zweiten perſ. pl. iſt, gleich der III. ſg.,
    goth. -þ, alth. -t etc., nur daß es hier überall, auch
    in praet. und conj. herrſcht, dort auf praeſ. ind. ein-
    geſchränkt war. Einige alt- und mittelh. mundarten
    haben -nt ſtatt -t (ſ. 857. 932.) wodurch II. und III.
    zuſ. fallen. — Nähere prüfung bedarf, ob in einigen
    [Stalder’s dial. p. 128. nach der hſ. berichtigten?] ſtel-
    len bei K. 172a. b hôrêtir (audiatis) eigîtir (habeatis)
    tuêtir (feceritis)-ir bloße inclination des pron. zwei-
    ter perſ. oder -tir wirkliche alte, dem -mês des I. pl. pa-
    rallele flexion ſey? Letzternfalls hätte ſie nur im conj.
    ausgedauert, -r wäre aus -s entſprungen und bezeich-
    nete den pl.? Wie in I. pl. ein älteres goth. -ms wäre in
    II. pl. ein älteres goth. -þs zu folgern? — Die dritte perſ.
    pl. hat, analog der III. ſg., im praeſ. conj., praet. ind.
    und conj. bloßes -n, im praeſ. ind. hingegen goth. -nd,
    alth. -nt, altſ. -d, angelſ. -dh (für ndh. vgl. ſ. 244.);
    altn. bloßen vocal und dem inf. gleichlautend. — Anmer-
    kungen zu den ſechs perſonen: α) flexionsconſonan-
    ten entſtellen und verlieren ſich leichter, wenn der
    modus oder das tempus andere unterſcheidungezei-
    chen beſitzt. Darum wirft der conjunct. und das
    [1046]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    praet. ind. conſonanten weg, die dem praeſ. ind. un-
    entbehrlich ſind. β) die ſtarke form beſitzt weſent-
    lich dieſelben conſonanten, welche die ſchwache; aus-
    nahme machen a) II. ſg. des goth. und altn. ſtarken
    praet. ind. auf -t, neben dem ſchwachen auf -s und
    -r; im alth. alt- und angelſ. ſtellt ſich analog der
    bloße vocal des ſtarken dem -s und -ſt des ſchwachen
    entgegen. b) I. ſg. des alth. ſchwachen praeſ. auf -m
    und einiger anomalen verba. Vermuthlich waren in
    früherer zeit dieſe verſchiedenheiten nicht da, ſon-
    dern alle II. ſg. endigten gleichförmig, alle I. ſg. auf
    -m. Die längere dauer des -m in zweiter und drit-
    ter ſchwacher alth. erkläre ich daher, daß die ind.
    ſalpô, hapê gefahr gelaufen hätten, fich mit dem conj.
    ſalpô, hapê zu verwirren, während prennu und prenne,
    ſo wie im goth. überall háita, naſja, ſalbô, haba von
    háitáu, naſjáu, ſalbáu (?) habáu getrennt waren; dar-
    um blieb dort ſalpôm, hapêm. — γ) auch dem praet.
    mögen urſprünglich dieſelben conſ. in allen perſonen
    eigen geweſen ſeyn, welche das praeſ. beſitzt; abge-
    wichen ſind allmählich a) III. pl. praet. hat -n ſtatt
    -nd, allein gleiches -n zeigt ſich in III. pl. praeſ.
    conj. b) I und III. praet. ind. ſtarker und ſchw. form
    geben den conſ. auf, weil ſie eintretende redupl. ab-
    laut und eingeſchaltetes d kenntlich genug macht;
    von den pl. háiháitum, fôrum, naſidêdum; háihaitun,
    fôrun, naſidêdun darf man aber auf einen älteren ſg. hái-
    háita, fôra = naſida (und noch früher háiháitam, fôram,
    naſidam?) háiháitiþ, fôriþ, naſidiþ ſchließen [vgl. fremde
    ſpr. n° 6. anm. a.] c) III. ſg. praet. conj. apocopiert den
    conſ., daſſelbe thut aber auch praeſ. conj. — δ) der ur-
    ſprüngl. conj. wird ſich von dem ind. in den perſonen-
    conſ. eben ſo wenig unterſchieden haben; die ſpäteren
    abweichungen ſind γ, a, c angeführt. — ε) zur beſtätigung
    meiner anſicht gereicht die progreſſion des verderbniſſes
    in einzelnen, zumahl jüngeren mundarten. Im altſ.
    angelſ. altfr. und engl. fallen alle drei perſ. des pl.
    praeſ. und praet. ſtets zuſammen, d. h. die flexion
    -d, dh der dritten dringt in II. und I. vor; im alt-
    und mittelh. zeigt nur ausnahmsweiſe II. das nt von
    III, niemahls I. [ſ. 932. nachzutragen, daß mittelh. II.
    pl. praet. einigemahl -en ſtatt -et erhält, welches aus
    III. praet. wie -ent aus III. praeſ. vordringt; beleg
    troj. 380 ſeiten (dixiſtis): leiten (poſuerunt) oder wäre
    ein leitent f. leiten annehmbar?]. Die drei perſ. des
    [1047]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    ſg. bleiben im heutigen engl. und niederl. getrennt,
    wogegen ſchwed. und dän. die ſing. perſonen zuſ. fal-
    len, die pluralen im ſchwed- noch geſchieden werden.
    Neuh. verfließt weder fg. noch pl. in ſeinen perſ.,
    wohl aber lautet das -nt des mittelh. III. pl. praeſ.
    nun gleichfalls -n.
  • 2) (vocale) die in der flexion vorkommenden vocale
    ſtehen theils vor dem weſentlichen conſ. der perſon.
    flexion, theils nach demſelben. Letzteres im goth.
    -áima, -áina, -eima, -eima, -eina (dual. -áiva,
    -eiva ſo wie allen paſſivflexionen) und alth. -mês;
    vergleichbar den nominalflexionen -ana, -áizê. Der
    erſte und gewöhnliche fall iſt uns hier wichtiger, auf
    ihm beruhte urſprünglich das verhältnis der zeit und
    des modus. α) ( indicativus, kurzer vocal) im praeſ.
    herrſchen a und i, im praet. a und u; 1) praeſens;
    i der II. III. ſg. bewährt der eintretende, a der drei
    pl. perſonen der mangelnde alth. umlaut, altn. iſt das
    i von II. III. ſg. ausgefallen, doch der umlaut geblie-
    ben, das goth. und altn. i der II. pl. ſcheint unorga-
    niſch, angelſ. gilt e (= ë) für i, das a beſteht. Altn.
    hat auch die I. pl. praeſ. u nebſt umlaut, fällt alſo mit
    dem praet. zuſammen; daß hier a richtiger und älter
    ſey, läßt ſich nicht zweifeln und wird durch den
    analogen vordrang des u im alth. und altn. dat. pl.
    -um ſtatt des goth. -am (ſ. 810. 812.) beſtätigt. Schwie-
    riger noch iſt es, den vocal der I. ſg. zu beurthei-
    len: goth. -a, parallel dem -a des weibl. nom. ſg.
    erſter ſtarker deel.; alth. und altſ. -u, parallel dem
    nämlichen caſus bei adj., vermuthlich früher bei
    ſubſt.; angelſ. -e, während gerade jene caſus des
    nomens -u behaupten; altn. apocopiertes -i, aber
    mit nachwirkendem umlaut, unparallel dem apocopier-
    ten -u, welches der umlaut des nom. ſg. fem. ver-
    räth. Reſultat: für III. ſtimmen alle ſprachen, ſg. -i,
    pl. -a, für II. die meiſten ſg. -i, pl. -a; I. ſchwankt,
    organiſch ſcheint ſg. -a, pl. -a. In der ſchwachen
    conj. verdunkelt ſich dieſe einrichtung durch zwi-
    ſchentritt des ableitungavocals, und zwar auf ver-
    ſchiedene weiſe. Das ableitende i ſchadet dem a und
    u der flexion nicht, ſondern wandelt ſich vor ihnen
    in j (naſja, naſjam, naſjand, nerju, nerjum, nerjant);
    auch dem i der flexion ſchadet es nicht bei kurzer
    wurzelſilbe (naſjis, naſjiþ) und verſchwindet lieber
    ſelbſt (alth. neris, nerit, ſt. nerjis, nerjit); bei lang-
    [1048]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    ſilbigen verſchmelzen beide i zu ei oder î (branneis,
    branneiþ; alth. prennîs, prennît). Das ableitende ô
    zehrt alle flexionsvocale auf (ſ. 849.) ebenſo das ab-
    leitende ê im alth. (ſ. 879.) nicht ái im goth., welches
    zwar -i in ſich aufnimmt, von -a hingegen ſelbſt
    verſchlungen wird (ſ. 850). — 2) praeteritum; die
    drei perſ. des pl. haben durchgreifend u (angelſ. o) in
    ſtarker wie in ſchwacher form, weil hier keine be-
    rührung des durch das eingeſchaltete d, t getrennten
    ableitungsvocals möglich iſt; dieſes beſtärkt daher den
    ſchluß auf die einerleiheit der vocale des ſtarken und
    ſchwachen praeſ. Der ſg. gewährt nirgends u, viel-
    mehr in I. III. ſchwacher form a, welches in ſtarker
    abgeworfen erſcheint; naſida leitet auf háiháita, fôra
    ſt. háiháit, fôr; für unorganiſch halte ich die altn.
    unterſcheidung zwiſchen -a erſter und -i dritter
    perſ., umſomehr, als letzteres keinen umlaut wirkt.
    II. ſg. beſitzt in ſchwacher conj. goth. ê, alth. und
    altſ. ô, angelſ. ein ungewiſſes e, altn. unorganiſches
    i (ohne umlaut); II. ſg. ſtarker conj. goth. und altn.
    zwiſchen dem conſ. der wurzel und dem t der
    flexion gar keinen vocal, ebenſowenig in den ano-
    malien ſcalt, ſcëalt etc. der übrigen ſprachen. Die
    gewöhnliche alth. altſ. angelſ. flexion dieſer perſon iſt
    hingegen bloß vocaliſch -i, -e (= ë) mit umlaut. —
    β) (conjunctivus) herrſchende vocale ſind; ái (ê) im
    praeſ., ei (î) im praet. 1) praeſens; goth. haben alle
    perſ. ái, ausg. I. ſg. áu, in ſchwacher form bleibt
    ái nach dem abl. vocal i unverletzt, wird aber von
    ô verſchlungen, in dritter conj. verſchlingt es den
    ableitungsvocal (-áu, -áis etc. f. ajau, ajáis); alth.
    gilt ê in allen perſ. des pl. und II. ſg., unſicher ſind
    die e für I. III. ſg; auch in der ſchwachen form beſteht
    das flexiviſche ê neben dem ableitenden i, ô und ê,
    wiewohl nicht in allen denkmählern (ſ. 875. 879.).
    Die wahre beſchaffenheit der angelſ. -e des conj.
    praeſ. bleibt ungewis; im altn. erſcheint kurzes i, das
    aber auf eine frühere länge deutet (ſ. 913), im gegenſatz
    zur ſyncope des i in II. III. ſg. ind., d.h. gëfir (des)
    verhält ſich zu gëfr (das) wie in älterer zeit gëfeir
    (des) zu gëfir (das). — 2) praeteritum; goth. II. ſg.
    I. II. III. pl. ei, I. ſg. jáu, III. ſg. i; alth. II. ſg. I. II.
    III. pl. î, I. III. ſg. i. Die ſchwache conj. ſtimmt, wie
    im ind., völlig zur ſtarken, weil keine colliſion zwi-
    ſchen vocal der abl. und flexion möglich iſt. — γ)
    [1049]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    ſpätere mundarten verdünnen a, i, u, ê, î, ſelbſt die
    bei miſchung der ableitung und flexion beſtandenen
    ô, ê in ein bloßes e, auffallend zumahl iſt das mittelh.
    -e der I ſg. praeſ. ind., während im analogen nom.
    ſg. adj. fem. -iu haftete; man merke 1) die ſchwe-
    diſche ſprache allein wahrt noch einzelne a und o,
    geſchieden von e. 2) umlaut gilt im mittel- und
    neuh., nicht im ſchwed. und dän. 3) das mittelh.
    ſtumme e haftet in conjunctivflexionen feſter (ſ. 929.
    930) gleichergeſtalt das neuh. tonloſe (ſ. 982); unver-
    kennbares nachgefühl der alten länge. Auch das neuh.
    ſcheint (lucet) ſcheinet (lucetis) (ſ. 981) hängt ſicher
    zuſammen mit dem alth. ſcînit und ſcînat; vgl. das
    vorhin angeführte altn. gëfr und gëfir. 4) neueren
    ſprachen fällt die einbuße der vocalunterſchiede in den
    flexionen deſto ſchwerer, da ſich zugleich conſonanz-
    unterſchiede verwiſcht haben, vgl. das mittelh. leitet
    (ducit, ducitis, duxiſtis) alth. leitît, leitat, leittut. —
  • 3) die flexion des imperativus infinitivus, und der parti-
    cipien bedarf keiner beſonderen erläuterung.
  • 4) ein dualis zeigt ſich bloß im goth. (ſ. 840) und bloß
    für die erſte und zweite perſon, dieſer iſt die con-
    ſonanz -ts characteriſtiſch, jener im conj. -v, im
    ind. ſcheint die ſpirans v mit dem vocal gemiſcht,
    -ôs, -u etwan aus -vas, -vu entſpringend? obſchon
    die ſprache ſonſt -va, vu leidet (ahva, manvu alth.
    aha) vgl. inzwiſchen fidur und fidvôr (ſ. 60.). Die
    vocale ſtimmen zu der characteriſtik der pluralflexion,
    praeſ. conj. ái, praet. conj. ei, praet. ind. u, praeſ.
    ind. I, ôs aus vas? II. ats (nicht its, alſo ein früheres
    aþ II. ind. ſtatt iþ beſtätigend). Die dualflexionen ſind
    in allen übrigen ſprachen ausgeſtorben, ſelbſt in ſol-
    chen, denen die zweizahl im perſönl. pron. geläufig
    bleibt (ſ. 780. 814.), namentlich auch bei Ottocar. Nur
    ſüddeutſche gemeine volksmundarten (dieſelben, welche
    ez, tiz gebrauchen, ja andere, welchen das duale pron.
    bereits mangelt) erhalten noch formen wie: gêbts,
    hâbts, thûts, bringts etc. beides für duale und plurale
    bedeutung, ſo daß wie beim pron. die eigentliche plu-
    ralflexion häufig verdrängt worden iſt. Man muß übri-
    gens das -ts in gêbts etc. nicht dem goth. -ts, ſon-
    dern dem goth. -t gleichſetzen, denn das goth. -s iſt
    völlig davon geſchwunden (hláuts, vlits = lôß, ant-
    litz) oder entſpräche hochdeutſchem -r (ſvarts = ſchwar-
    zer); alt- oder mittelh. würde dieſer dualis këpaz (oder
    [1050]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    këpazêr?) gëbez gelautet haben. Die ſchreibung -ts
    in gêbts, hâbts drückt folglich den zet-laut aus, kein
    tß und ich trete Schmellers anſicht, welcher §. 910.
    ſtatt der dualflexion ein der pluralendung -t ſuffigier-
    tes pronomen annimmt, nicht bei. Ein ſuffixum -s
    für II. pl. iſt aus keiner deutſchen mundart zu bewei-
    ſen und daß einige volksdialecte bei vorſtehendem ,
    ös die pluralform -t ſetzen (z. b. eß lêbt; andere
    aber: eß lêbts) verſchlägt nichts.
  • 5) die goth. paſſivflexion (ſ. 855.) beruht wie es ſcheint
    weſentlich auf der activflexion angehängten vocalen
    (ind. -a, conj. -áu) keine perſon geht conſonantiſch
    aus, jede hat aber zwei vocale, einen vor, einen nach
    dem conſ. Der vorſtehende vocal lautet durchgängig
    im ind. a, im conj. ái, zu welchen ſich der ablei-
    tungavoc. ſchwacher form wie im activum verhält.
    Den verfall der paſſivflexion bezeugt α) ein gänzlicher
    mangel des praet. β) die einförmigkeit der vorſtehen-
    den vocale, a und ái, da im praeſ. act. a und i, áu
    und ái gelten. γ) die einförmigkeit der conſonanzen:
    I und III. fallen überall zuſammen, im pl. ſogar I. II.
    III.; das -aza, áizáu der II. ſg. ſcheint aus II. ſg. act.
    -is, -áis zu erwachſen; -ada, -áidáu aus III. ſg. act.
    -iþ, -áiþ (welches frühere -áiþ als III. ſg. conj. durch
    -áidáu offenbar bewieſen wird); -anda, -áindáu aus
    III. pl. act. -and. Die form der dritten perſon hat
    ſich auch in die erſte ſg., in die beiden erſten pl. ge-
    drängt; galt wohl fur I. ſg. ein älteres -ama (hái-
    tama, vocor) pl. -amſa (háitamſa, vocamur) für II.
    pl. -ada (háitada, vocamini und dann in III. ſg. hái-
    tida vocatur)? Parallelen zur unorg. gleichheit der
    drei plur. perſ. geben der alt- und angelſ. pl. praeſ.
    und praet. activi ab, zu der von I. III. ſg. der ein-
    förmige ſg. des ſchwed. oder dän. act. — In keiner
    andern mundart vermag ich das goth. paſſ. ſicher
    nachzuweiſen; villada gl. doc. 210b (flagellatur?) ſteht
    zu einzeln, ſollte auch alth. eigentlich villata heißen;
    auffallend iſt naƷara (pluitur) gl. zwetl. 128b von na-
    Ʒên (madere)? vielleicht naƷata? denn -ara könnte
    nur der zweiten perſ. (goth. -aza) zukommen; beide
    leſarten ſind verdächtig und die älteſten überſetzungen
    (J. K.) löſen jedes lat. paſſ. in umſchreibung auf.
  • 6) unſere ſprache entbehrt einer flexion für das futurum
    (ſ. 835.); Ulphilas trägt das griech. fut. durch das
    [1051]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    goth. praeſens über, gleicherweiſe gibt in J. K. T. das
    lat. ſut. ein alth. praeſens; lange hernach wird erſt
    die früher ſeltene umſchreibung durch auxiliaria (wo-
    von buch IV. weiteres) allgemein. Bemerkenswerthe
    unterſcheidung eines eigenthümlichen futurums bietet
    das angelſ. bëo, biſt, bidh (ſ. 909.) da fürs praeſ. be-
    reits ëom, ëart, is vorhanden iſt und über allen zwei-
    fel gehoben wird das hohe alter dieſes verhältniſſes
    durch die vergleichung der zunächſt liegenden litth.
    und ſlav. ſprache [litth. eſmi, ſum; búſu, ero; lett.
    eſmu, ſum; buhſchu, ero; ſlav. jeſm’, ſum; budu,
    ero; böhm. gſem, ſum; budu, ero]. Dem goth. und
    nord. dialect gebricht in der erſten anomalie der ſtamm
    dieſes fut. gänzlich, der alth. und altſ. beſitzt und
    mengt ihn mit dem praeſensſtamm: pim, piſt, iſt;
    biun, biſt und is, iſt; nur der angelſ. beſitzt und
    ſondert beide vollſtändig, man darf z. b. Beov. 105.
    106. nicht is für bidh, noch weniger 228. bidh f. is
    ſetzen [einigermaßen analog ſcheint dieſer angelſ. un-
    terſcheidung zwiſchen ëom und bëo freilich die alth.
    zwiſchen pim und wiſu; vgl. fremde ſpr. n° 8.]. — Da
    verſchiedene fremde ſprachen ihr futurum mittelſt ſ bil-
    den, ſo bin ich wohl auf den gedanken gerathen, daß die
    alth. bildung -iſôn mit einer alten futuralflexion zuſ.
    hängen möge, vgl. luſtiſôt luxuriabitur gl. monſ. 355.
    hërreſôt, dominabitur N. 71, 8; ſie müſte dann allmählich
    zur vollſtändigen verbalform geworden ſeyn, als welche
    ſie in unſern frühſten quellen, daher auch des praet,
    fähig, erſcheint (kimeitiſôtun, increverunt, gl. monſ.
    326. rîhhiſôta, regnavit T. 11, 3. etc.)

IV. bedeutung der verbalflexion.

Bei dem nomen mislang die erklärung der caſus aus
ſuffixion der ſpäterhin äußerlich waltenden praepoſitio-
nen und pronomina (ſ. 834). An dem verbum läßt ſich
ebenſowenig das weſen der redupl. und des ablauts aus
ſpäterer umſchreibung des praet. deuten; mehr anſchein
gewann die ableitung des d ſchwacher form von einem
eingewachſenen oder ſuſſigierten auxiliare, welches neuere
mundarten wirklich und mit ähnlicher wirkung außen-
her zu dem ſtamm conſtruieren (ſ. 1042.); denkbar wäre
auch der verwuchs anderer hülfsverba, zumahl des ver-
bums ſeyn, etwan um ſtufen der vergangenheit oder
den begriff der zukunft auszudrücken; allein die deutſche
[1052]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
ſprache gewährt keinen ſolcher fälle. Eine bedeutung
der vocale, welche die differenz des conjunctivs vom
ind., des praeſ. vom praet., des goth. paſſ. vom act.
ausdrücken, getraue ich mir nicht nachzuweiſen, ſie
birgt ſich in tiefes dunkel gleich derjenigen, welche
vocale beim genus und numerus des nomens haben mö-
gen. Aber die perſonenkennzeichen, d. h. conſonanten
der verbalflexion ſcheinen bündige vergleichung mit
dem perſönlichen pronomen, deſſen verhältniſſe ja gerade
dem begriff des zeitworts einverleibt werden ſollen,
zuzulaßen. Es wird dadurch wirklich etwas erklärt
und einzelne züge des ungeſchlechtigen pron. bieten
ſich überraſchend her; untreffendes müſſen wir aus dem
verderbnis der ächten geſtalt theils der pronomens, theils
der verbalflexion, welche undenkliche zeit lang jedes
auf eignem weg, ohne nachgefühl anfänglicher einigung
fortgeſchritten ſind, zu verſtändigen ſuchen. Bald läßt
ſich das pron. (deſſen ſchwierige anomalie ſ. 813. bemerkt
worden) aus dem verbum, bald das verbum aus dem
pron. ahnen; ſehr begreiflich bleibt die dritte perſon
am dunkelſten, deren geſchlechtsloſes pronomen ſich
zumeiſt änderte, einzelner caſus verluſtig ward, biswei-
len völlig ausgieng; das geſchlechtige pron. dritter perſ.
leidet aber gar keine beziehung auf verbalflexionen. Die
kennzeichen der beiden dritten perſonen -d und -nd
bleiben mir durch das deutſche pron. unaufgehellt. Füg-
ſamer iſt das -m der I ſg; führen hapêm, ſalpôm, gâm,
tuom, pim, auf ein älteres pintam ſt. pintu (goth. binda)
ſo mag ïk, ih, altn. ëk (parallel dem gekürzten bind,
ek, veho) die ſtufungen ihhu, ihham, ïkam nachweiſen;
aus dem pintamês I. pl. folgere ich ein früheres meis ſt.
veis, alth. die ſtufen meis, mîs, wîs, wîr. Das þ zweiter
perſ. ſtimmt unverkennbar zu þu und läßt ein älteres þjus
ſtatt jus (altn. þër neben ër) muthmaßen. Endlich berühren
ſich die dualconſ. v. und ts mit den pron. formen vit und
jut (früher juts?) Die betrachtung urverwandter frem-
der ſprachen wird dieſe wahrnehmungen unterſtützen
helfen.


Anlehnung lebender pronominalformen an lebende
verbalflexionen iſt etwas anders, hat aber zufällige ähn-
lichkeit dadurch, daß die ſyntax das pron., welches
ſchon abgeſondert ausgedrückt iſt, zu inclinieren geſtat-
tet, gerade wie das ſuffigierte daneben noch leiblich ge-
ſetzt werden darf, z. b. J. 346 ih antlûhuh (wo nicht
[1053]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
antlûhhu zu leſen?) für ih antlûhu oder antluhuh
allein (auffallend Hild. wilihuh f. wiljuh?) Ebenſo
durfte es heißen ſowohl pintamês, als wir pintamês;
ſowohl binden, als wir binden. Die anlehnungen ab-
zuhandeln, iſt hier nicht ort und ſtelle, ihre verſchie-
denheit von jenen ſuffixen folgt daraus, daß mehrerlei pro-
nomina inclinieren können, ſuffigiertſeyn nur die unge-
ſchlechtigen. Weder in bandich (ligavi) noch bander
(ligavit) ſteckt ein ſuffix, d. h. uralte perſonenflexion,
ja es kann das lebendige pronomen zu dem todten d. h.
ſuffigierten, obendrein angelehnt werden, z. b. biſtu,
hâſtu, mahtu f. biſt dû etc. Ungenau ſtellt folglich Raſk
§. 276. die II. praet. lêzt (ſiviſti) d. h. wirkliche flexion
mit der incl. lêtk (ſivi) zuſammen und man kann nicht
conjugieren I. lêtk, II. lêzt, III. lêt, ſondern nur: I. lêt,
II. lêzt, III. lêt; lêtk aber iſt der II. lêztu parallel, wel-
ches freilich ſoviel bedeutet als das bloße lêzt. Bei-
ſpiele mannigfalter anlehnungen aus volksmundarten ſind
bei Schmeller §. 717-726. und Stalder p. 125. 126; ein
alth., unentſchieden, ob ſuffigiertes oder incliniertes
pron. enthaltender fall wurde vorhin berührt.


V. erwägung einiger anomalien.

Die urſache der meiſten anomalien iſt ſ. 851. angezeigt;
häufiger verbrauch nützt die formen gewiſſer verba
ab und zugleich ihre bedeutſamkeit, indem er die ſinn-
lichen eindrücke des begriffs zu leerer allgemeinheit
verflüchtigt. Die conjugation kommt aus dem gleiſe
und gleichſam bewußtſeyn ihrer vollen entfaltung und
da allgemeine begriffe näher liegen, als beſondere, ſo
gewöhnen fich verſchiedene wortſtämme zueinander und
bilden miſchformen, deren unregelmäßigkeit in der
ſicheren übung gar nicht empfunden wird. Dieſelben
urſachen bewahren aber auch vor dem allmähligen ver-
derben, welchem die regelmäßige conjugation ausge-
ſetzt iſt und in der anomalen flexion ſind, wenn ſchon
einzelne und ſtückhafte, ſpuren des höhern alterthums
zu finden. Ein klares beiſpiel liefert die erſte anomalie,
in deren vermengung überreſte einer ſonſt ganz verlore-
nen früheren ſcheidung des futurum vom praeſ. zu ent-
decken waren (ſ. 1051).


Die wichtigſte aller anomalien iſt die zweite; hier
hat die bedeutung des praet. die eigentliche form des
[1054]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
praeſ. weggedrängt, hernach mit zuziehung des he-
bels ſchwacher conj. ein neues praet. aufgebracht. Ich
weiß will urſprünglich ſagen: ich habe erfahren, ich kann
urſprünglich: ich habe gelernt, ich mag urſprünglich:
ich habe die kraft erworben und ebenſo laßen ſich die
übrigen deuten. Zuweilen noch im mittelh. ſteht z. b.
kan der bedeutung und conſtruction zufolge als ein wah-
res praet. und nicht als praeſ., hänfiger gilt began völ-
lig ſoviel als begonde und von ihm währt auch das
wirkliche praeſ. beginne fort. — Für die geſchichte des
ablauts darf nicht überſehen werden, daß ſich in dieſen
anomalien einige pluralvocale wider die regel ſträuben,
namentlich das goth. magum, munum, ſkulum, daúrum
(ſ. 852.) worüber ich nichts befriedigendes zu ſagen wüſte.
Hat aber der buchſtabe der anomalie die vermuthung des
alterthums eher für, als gegen ſich, ſo gewinnt die ſ. 1035.
vorgetragene anſicht durch ſkulum keine beſtätigung,
vielmehr ließe das part. ſtulans, numans auf einen pl.
praet. ſtulun, numun ſchließen, baurans auf baúrum
(= daúrum) und meine trennung der XIten conj. würde
gerechtfertigt. Zu dem pl. u ſcheint ſelbſt das von hi-
lan (celare) abgeleitete huljan (occulere) zu ſtimmen.


VI. vergleichung fremder ſprachen.

Die bei der declination verglichenen ſprachen bieten
auch hier lehrreiche beziehungen zu der deutſchen, mei-
ſtentheils iſt ihre conjugation vollſtändiger und feiner
gebildet; ich gehe nicht darauf aus, ſie im ganzen
zu ſchildern, vielmehr nur herauszuheben, was ſich mit
der deutſchen einrichtung berührt.


  • 1) reduplication herrſcht im ſanſkrit und griech. regel-
    mäßig durch beinah alle verba, im latein ſehr be-
    ſchränkt (es mögen nur einige zwanzig reduplicieren);
    in den ſlav. und lett. ſprachen treffe ich keine ſpur
    davon. I. (conſonanz); im ſanſkr. wird die anlautende
    liq. ten. und med. der wurzel wiederhohlt, aſp. aber
    in med. geſetzt: liliſha (minui) mamarda (conſregi)
    nanarda, tutôpa (percuſſi) tatâpa (luxi oder arſi) dud-
    hûſha (interfeci); lautet die wurzel mit doppeltem
    conſ. an, ſo wiederhohlt ſich bloß der erſte: ſuſvâpa
    (dormivi) tatrâſa (timui) von den wurzeln: liſh, mard,
    nard, tup, tap, dhûſh, ſvap, tras. Im griech. eben
    ſo: λέλεχα, μέμιχα, νένηκα, πέπωκα, τέτευχα, κέκαυκα,
    βέβηκα, δέδηχα, γέγονα
    ; nur wird umgeſetzt: ἔῤῥωκα
    [1055]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    (ſt. ῥεῥωκα) und aſp. zur ten. als: πέφυκα, τέθηπα, κέ-
    χυκα
    , von doppelconſ. aber entw. bloß die erſte wie-
    derhohlt: μέμνημαι, πέπνευκα, πέπτηκα, τέθλακα, κέκ-
    ληκα, γέγραφα
    , oder gar keine und nichts als ε vor-
    geſetzt: ἔψαλκα, ἔζωκα, ἔφθορα, ἔσβηκα, ἔσκληκα,
    ἔστρωκα
    (ſtatt πέψαλκα, δέζωκα, πέφθορα, σέσπακα, σέ-
    σβηκα, σέσκληκα, σέστρωκα
    ?) Beiſp lat. reduplication:
    memini, momordi, peperi, pupugi, tetigi, totondi,
    cucurri, cecini, didici, merkwürdig aber darf (wie im
    goth.) aſp. und doppelconſ. wiederholt werden: fe-
    felli, ſpoſpondi (nicht pefelli, oder ſoſpondi) altlat.
    ſciſcidi von ſcindo. II. (vocal); α) das ſanſkr. und griech.
    haben in der reduplicationsſilbe ſtets kurzen vocal,
    der wurzel mag kurzer oder langer eigen ſeyn, vgl.
    die angeführten dudhûſha, τέτευχα, πέπωκα etc. im
    latein richtet ſich die quantität nach dem vocal der
    wurzel, mithin: cecidi, pepuli etc. aber: caecîdi. b)
    das ſanſkr. läßt die qualität des wurzelvocals beſtehn:
    mamarda, liliſha, tutôpa (von mard, liſh, tup) und
    ebenſo das latein: pepedi, fefelli, didici, momordi,
    totondi, popoſci, cucurri, tutudi; denn cecini, ce-
    cidi, memini, pepigi, entſpringen aus ceceni, cecedi
    memeni d. h. dieſe e ſind umgelautete a (cano, cano,
    pango) und pepuli ſteht f. pupuli oder pepeli (vgl.
    pello mit πάλλω). Im griech. hat die redupl. ſilbe
    beſtändig einförmiges ε, τέτυπα, μέμιχα, nicht τύτυπα,
    μίμιχα
    , wozu das einförmige goth. ai ſtimmt (fáifah,
    táitôk, ſáizlêp nicht fafah, tôtôk, ſêzlêp) nur daß es
    allerwärts lang, das griech. ε kurz iſt; oder ſollte
    man faífah, faífalþ, hingegen halháit (wie caecîdi)
    láilôt ſchreiben? oder auch haíháit, laílôt (wie πέ-
    πνευκα
    )? III. die ind. und griech. redupl. ergreift auch
    das part.; die lat. mangelt dem part. (vgl. momordi,
    morſus; peperi, partus; pupugi, punctus etc.) wie ſie
    dem goth. fahans. háitans etc. gebricht. —
  • 2) ablaut. α) ſanſkr. verba mit wurzelhaftem kurzem
    vocal und einfachauslautender conſonanz erhalten im
    ſg. praet. neben der reduplication einen ablaut (welche
    veränderung indiſche grammatiker guna benennen,
    Bopp annals p. 35), nämlich a wird zu â, i zu ê, u
    zu ô; dual. und pl. behalten den wurzelvocal; z. b.
    tatrâſa (timui) tutôpa (percuſſi) tutôpitha (percuſſiſti)
    tutôpa (percuſſit) pl. tutupima (percuſſimus) tutupa
    (percuſſiſtis) tutupus (percuſſerunt). und wurzeln mit
    kurzem a und einf. conſ. nach demſelben beſitzen
    [1056]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    weiter die eigenheit, daß ſie nur in I. III. ſg. redupli-
    cieren, in II. ſg., im ganzen dual. und pl. hingegen
    ſtatt der redupl. den ablaut ê nehmen, beiſpiele: ta-
    tâpa (arſi) têpitha (arſiſti) tatâpa (arſit) têpima (arſi-
    mus) têpa (arſiſtis) têpus (arſerunt) [ſtatt tatâpa, tatâ-
    pitha, tatâpa; pl. tatapima, tatapa, tatapus] von der
    wurzel tap; ebenſo von ſvap, tras: I. ſuſvâpa, tatâpa;
    II. ſvêpitha, trêſitha; III. ſuſvâpa, tatâpa; pl. I. ſvê-
    pima, trêſima etc. Jener vocalwechſel im ſg. und pl.
    erinnert deutlich an die verſchiedenheit des ablauts
    im ſg. und pl. deutſcher conj. und noch merkwürdi-
    ger die gleichſetzung des pl. mit der II. ſg. gegen-
    über der I. III. ſg. an die alth. und angelſ. weiſe I. las
    II. lâſi III. las; pl. I. lâſumês, II. lâſut, III. lâſun,
    wozu ſelbſt die in dentſcher und ind. ſprache ein-
    tretende abſtumpfung der flexion von I. III. ſg. ſtimmt.
    Neuer grund für die zuſ. ziehung des ablauts aus
    früherer redupl. form. — β) einige lat. verba haben
    im praet. langes ê, welches offenbar ablaut, kein
    umlaut iſt (umlaut ändert nie die quantität des vo-
    cals, nur die qualität, z. b. annus, perennis; hâlo,
    anhêlo) namentlich: capio. cêpi; ago, êgi; frango,
    frêgi (nicht ſtatt frengi, vielmehr frango ſt. frago, vgl.
    das ſubſt. fragor); facio, fêci; jacio, jêci; lego, lêgi;
    emo, êmi; venio, vêni (pl. praeſ. venîmus, praet.
    vênimus); edo, êdi; ſedeo, ſêdi; daß ê aus zuſam-
    menziehung früherer redupl. entſprang, beſtätigt pango
    (wie frango f. pago) pepigi, worans ebenwohl hätte pêgi
    werden können (vgl. compingo, compêgi) und die-
    ſelben wurzeln haben redupl. oder ablaut in verwand-
    ten ſprachen, vgl. cêpi mit hôf, frêgi mit brak, êdi
    mit at (oder êt?), vêni mit qvam, lêgi mit λέλογα,
    fûgi mit πέφευγα etc. Dem ê analog beurtheile man
    die â, î, ô, û der praet. fâvi, ſcâbi, vîci, vôvi, môvi,
    fôdi, fûgi, rûpi von faveo, ſcabo, vinco, voveo, fo-
    dio: fugio, rumpo. γ) griechiſchen ablaut gewähren
    vorzüglich der zweite aoriſt und das zweite praet.
    (das ſogen. praet. med.) welche beide tempora gerade
    zu den älteſten ſprachformen gehören, meiſtens nur
    primitiven zuſtehen (Buttm: p. 377.). Der aor. 2. wan-
    delt das ε, αι, η, ει, ευ des praeſ. in kurzes α, ι und
    υ, als: τρέπω, ἔτραπον; πταίρω, ἔπταρον; λήθω, ἔλα-
    θον
    ; λείπω, ἔλιπον; φεύγω. ἔφυγον; das praet. 2. liebt
    hingegen langen vocal: φεύγω, πέφευγα; λήθω (ἔλα-
    θον
    ) λέληθα; θάλλω, τέθηλα; λείπω (ἔλιπον) λέλοιπα;
    [1057]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    πείθω, πέποιθα; εἴκω, ἔοικα; φρίσσω, πεφρικα; τύπτω,
    τέτυπα
    (wie das ind. tutôpa); ausnahme macht ο ſtatt
    des ο und ε praeſ.: κόπτω, κέκοπα; δέρκω, δέδορκα;
    λέγω, λέλογα; τέμνω, τέτομα, vielleicht galt ein frühe-
    res ω, wie noch in πέπτωκα von πίπτω (vgl. mit τέ-
    τοκα
    von τίκτω). Zuweilen lautet auch das erſte praet.
    ab, als: κλέπτω, κέκλοφα; πέμπω, πέπομφα. Völligen
    paralleliſmus dieſer ablaute mit den deutſchen be-
    währt ſogar die einſtimmung der wurzeln, z. b. in
    λείπω, λέλοιπα, ἔλιπον; φεύγω, πέφευγα (oder πεφῦγα)
    ἔφυγον, goth. leiba, láif, libum; þliuha, þláuh, þlaú-
    hum, denn daß ich den deutſchen pl. mit dem gr.
    aor. 2. vergleiche, thut nichts, indem die verſchie-
    denheit unſerer ablaute im ſg. und pl. möglicherweiſe
    aus urſprünglich feinerer, allmählig verfloßener tem-
    puseintheilung herrühren kann. Ebenſo verhält ſich νέμω,
    ἔναμον
    (ungebräuchlich, aber zu ſchließen aus ἔκτανον)
    νένομα (früher νένωμα?) zu nima, nam, nêmum, nur daß
    hier umgekehrt der ſg. dem aor. 2, der pl. dem praet.
    zur ſeite tritt. Übrigens laufen im griech. redupl. und
    ablaut nebeneinander, wie im ind. tutôpa, tatrâſa und
    goth. láilôt, táitôk. — δ) ſlav. ſprachen erkennen kei-
    nen ablaut, ſie bilden in dieſem ſtücke einen gegen-
    ſatz zu der ind. griech. lat. und deutſchen. Auch die
    litth. nicht; doch im lett. finde ich von den praeſ.
    welku, telpu, ſteegu, zehrtu etc. die praet. wilku,
    tilpu, ſtiggu, zirtu angegeben. —
  • 3) andere bildungsmittel zeigen ſich in anfügung der
    drei ſpiranten ſ, v, h zwiſchen wurzel und flexion.
    α) die lat. ſprache bildet ihre wenigſten praet. mit
    red. und abl., über hundert dagegen entſpringen durch
    eingeſchaltetes -s: vulſi, fulſi (ſt. fulgſi) ſumſi, demſi,
    manſi, hauſi, geſſi (ſt. haurſi, gerſi?) ſculpſi, glupſi,
    nupſi (ſt. glubſi, nubſi) miſi, quaſſi, riſi, luſi (ſt. mitſi,
    quatſi, ridſi, ludſi) arſi, torſi (f. ardſi, torcſi) ceſſi (ſt.
    cedſi) luxi, duxi (ſt. lucſi, ducſi) auxi, texi, linxi (ſt.
    augſi, tegſi, lingſi) vexi (ſt. vehſi) etc. Alle ſolche
    bildungen ſtehen dem griech. fut. 1 und aor. 1. paral-
    lel, vgl. intellexi mit λέξω, plexi mit πλέξω, ſcripſi mit
    γράψω, confiſus mit πείσω und der form, nicht der
    wurzel nach repo, repſi, nubo, nupſi, laedo, laeſi
    mit λείπω, λείψω, θλίβω, θλίψω, σπεύδω, σπεύσω, etc.;
    in abgeleiteten mit ε, α, ο bleibt der verlängerte vo-
    cal zwiſchen dem σ und der wurzel: φιλήσω, τιμήσω,
    χρνσώσω
    , welches im lat. praet. nie geſchieht. Der
    X x x
    [1058]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    begriff des futurums geht leicht in den des aoriſts über,
    beide drücken das bewegliche der zukünftigen oder
    erfolgten handlung im gegenſatze zu der ſtändigkeit
    des praeſ. und praet., wo die handlung ſicher ge-
    ſchieht oder geſchehen iſt, aus. Vergröberter ſprach-
    gebrauch mengt aber praeſ. und futurum ſo wie praet.
    und aoriſt, die früher geſchiedene form wendet ſich
    bald dahin, bald dorthin. Es kann daher nicht be-
    fremden, wenn wir die bildung s im lat. aufs praet.,
    im lett. aufs futurum eingeſchränkt ſehen, vgl. die
    litth. praeſ. ſukù, penù, laikau, jeſzkau, fut. ſukſu,
    peneſu, laikiſu, jeſzkóſu; lettiſch ſteht -ſchu ſt. des
    litth. -ſu, z. b. eeſchu (ibo) gaſchu (ſervabo). Im
    ſanſkr. erſcheint das bildende -s bei dem dritten praet.,
    z. b. aſrauſham (audivi) alêkſham (ſimilis fui) auâpſam
    (luxi) avakſham (vexi) von den wurzeln ſru, lih, tap,
    vah; alſo mit augment und ablaut verbunden, biswei-
    len durch einen vocal von der wurzel geſchieden, als:
    avâdiſham (loquutus ſum) atôpiſham (percuſſi) von
    vad, tup. Zugleich aber gewährt das ſanſkrit auf-
    ſchluß über den urſprung der eingefügten -s (Bopp
    l. c. p. 54-56.) es iſt das eingewachſene hülfsverbum
    âſam und kommt ſelbſt inwendig reduplicierend vor,
    z. b. ajâſiſham (ivi); nicht anders wird das ind. futu-
    rum durch anfügung des hülfsworts erzeugt (Bopp.
    p. 49.) z. b. dâſjâmi (δώσω) taniſhjâmi (extendam). Die
    deutſche ſprache bedient ſich dieſes -s in der conj.
    nirgends, beſitzt es aber vielleicht noch in wortbil-
    dungen [vorhin ſ. 1051.) und inſofern wäre rexi mit
    dem altb. rîhhiſô nicht außer dem vergleich? ſollte
    auch wahſu (creſco) hierher gehören, um ſo mehr
    als es auxiliariſch für werde gebraucht wird, das fut.
    auszudrücken? — β) das gewöhnliche bildungsmittel
    des latein. praet. iſt -v, (mit häufigem übergang in
    -u) beiſpiele: amâvi, delêvi, docui (ſt. docêvi) au-
    dîvi, colui, tremui, flêvi, nêvi etc. Verſchiedene
    praeſentia verſetzen die wurzel mit unorg. conſonan-
    ten, z. b. paſco, noſco, ſueſco, creſco (ſt. pâo, nôo,
    ſuêo, crêo?) cerno, ſperno, ſterno (ſt. cero, ſpero,
    ſtro? vgl. tero, trivi; ſero, ſevi) ſino, lino (ſt. ſîo,
    lîo?) was der regelmäßigkeit der praet. pavi, novi,
    ſuevi, crevi. crevi, ſprevi, ſtravi, ſivi, levi nichts
    benimmt. Ob dieſes -v mit dem kennzeichen -b
    des lat. fut. und imperf. gemeinſchaft habe? ob es
    auch aus eingefügtem hülfsverbum ſtamme? bleibt hier
    [1059]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    ununterſucht, da ſich weder im deutſchen, noch in
    den übrigen verglichenen ſprachen ein analoges bil-
    dungsmittel offenbart. — γ) die altſlav. ſprache zeugt
    ihr praet. durch angefügtes ch (Dobrowſky inſtitt. p. 383.)
    als: pich (bibi, πέπωκα) vedoch (duxi) pletoch (plexi)
    paſoch (pavi) mogoch (potui) pekoch (pinſui), in den
    heutigen mundarten iſt aber dieſe form ausgeſtorben,
    nur in der ſerbiſchen nicht, wo ſich doch die aſpirata
    mehr dem h nähert. Im einſtimmenden griech. erſten
    praet. wird die reine ſpirans noch deutlicher, nach
    Buttm. §. 97. p. 421. iſt nämlich als eigentliches
    kennzeichen dieſes tempus anzunehmen, das ſich mit
    lab. und gutt. muta der wurzel vereinigt in die aſp.
    wandelt, nach liq. aber, und zwiſchen zwei vocalen
    zu k wird, als: λέπω, τύπτω (ſt. τύπω) τρίβω, γράφω:
    λέλεφα, τέτυφα, τέτριφα, γέγραφα; πλέκω, λέγω, τεύχω:
    πέπλεχα, λέλεχα, τετευχα; σφάλλω, ἔσφαλκα; φαίνω,
    πέφαγκα
    ; πείρω, πέπαρκα; τίω, τέτικα; πνέω, πέπνευκα;
    die ling. muta ſollte zu θ werden, allein hier drängte
    ſich das vorherrſchende k ein: πείθω, πέπεικα; κομίζω,
    κεκόμικα
    . Ich glaube auch das litth. kennzeichen des
    praet. j hierher rechnen zu müßen, weil dieſe
    mundart weder h noch ch beſitzt, vgl. penejau (alui)
    jeſzkójau (quaeſivi); im deutſchen weiß ich nichts
    ähnliches. —
  • 4) die vergleichung fremder ſprachen beſtätigt ferner,
    daß ſich manche conjugations-oder andere bildungs-
    mittel verhärten und den einfachen wortſtamm durch
    zwiſchengeſchobene conſonanzen entſtellen. So er-
    greift die redupl. des lat. bibi (von der wurzel bio,
    griech. πίω, ſlav. piju) das praeſ. bibo und das praeſ.
    gigno entſpricht dem gr. praet. γέγονα; auf ähnliche art
    verhält ſich das praeſ. depſo zu dem -pſi des praet. vgl.
    das gr. δέψω von δέπτω; διψάω erwächſt aus dem fut.
    δίψω eines verlorenen δίπτω etc. folglich könnte das
    goth. vahſja aus vah-ſja oder vah-iſa gedeutet wer-
    den (vorhin ſ. 1058.). Nicht ſelten enthält bloß das
    praeſ. den eingemiſchten conſ., während das praet.
    die ächte wurzel bewahrt, z. b. im lat. creſco, noſco,
    vergleichbar dem goth. ſtanda, ſtôþ. Daß die deutſche
    erſte und zwölfte conj. lauter unreine wurzeln be-
    greife, wurde ſ. 1037. behauptet; in vlihtu gehört das
    t ſo wenig zum ſtamm, als im entſprechenden plecto,
    das praet. plexi (plecſi) zeigt ihn rein, gleich dem gr.
    praeſ, πλέκω, das deutſche verbum führt -t im praet.
    X x x 2
    [1060]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    fort (vlaht, vluhtun), viele andere griechiſche haben
    es aber im praeſ. als: τύπτω, πίττω, ῥάπτω etc. Die
    ſiebente und neunte ind. conj, fügt der wurzel n und
    ein, z. b. runadhmi (circumſcribo) rundhmas (cir-
    cumſcribimus) ſternâti etc. von den wurzeln rudh, ſter,
    womit ſterno, ſtravi und unſer ſtreuen zu vergleichen iſt;
    gerade ſo verhalten ſich ſpirn und ſporo (ſ. 1038.);
    τέμνω, ταμῶ (temno, temſi) σπένδω, σπείσω; findo,
    fidi; fundo, fudi; tango, tetigi (goth. têka, táitôk);
    frango, frêgi (brika, brak) etc. und vermuthlich iſt
    im deutſchen binda, ſtanda, gagga etc. der naſallaut
    unwurzelhaft, folglich in den altn. praet. batt, ſtôd,
    gêck etc. weniger ausgeſtoßen, als unvorhanden; finþa,
    vindu wäre buchſtäblich das lat. peto (auch der ſinn trifft
    ſich in der bedeutung convenire, ſuchen; die wörter
    peto und bidja, alth pittu berühren ſich nicht). Selbſt
    das -d muß der wurzel ſtandu abgeſprochen werden,
    wie das alth. praeſ. ſtâm, das lat. ſto, ſlav. ſtoju leh-
    ren; die erweiterte form ſtanu drückt ein altſlav. fu-
    turum aus (Dobrowſk. p. 375.). —
  • 5) fragt es ſich nach der anwendung des unterſchieds
    ſtarker und ſchwacher form auf die fremden ſprachen,
    ſo muß er etwas anders als im deutſchen geſaßt wer-
    den. Goth. redupl. gebührt nur der ſtarken conj.,
    nie der ſchwachen; die lat. redupl. iſt meiſtens zei-
    chen ſtarker conj. (und momordi, totondi ließe ſich
    auf ein früheres mordo, tondo ſt. mordeo, tondeo be-
    ziehen); die griech. hingegen reicht durchs ganze ver-
    bum und ſteht auch allen ableitungen mit ε, α, ο zu,
    welche den deutſchen ſchwachformigen ableitungen
    mit i, ô, ái antworten. Auf analoge weiſe durch-
    dringt das bildungsmittel -s, das ſich im lat. auf ſtarke,
    unabgeleitete verba einſchränkt, wiederum die ganze
    griech. conj., ein ποιήσω, τιμήσω, μισθώσω wäre un-
    lateiniſch, ein πεποίηκα, τετίμηκα, μεμίσθωκα unlatei-
    niſch und undeutſch. Doch der ablaut, folglich das
    zweite praet. und der zweite aoriſt ſcheint nur griech.
    ſtarker form eigen, ſchwacher entzogen (Buttm. p. 412.
    426.) d. h. die formen ἔτιμον, ἔφιλον, τέτιμα, πέφιλα,
    wiewohl in vielen ſprachlehren aufgeſtellt. ſind un-
    griechiſch. Hieraus ergibt ſich. daß der begriff ſchwa-
    cher conj. in die beſchränkung, welche abgeleitete
    verba erfahren, zu ſetzen. die beſonderheit dieſer be-
    ſchränkung aber für jede ſprache eigens auszumitteln
    ſey. Nach hiſtoriſcher abſtufung ſcheinen ſich die
    [1061]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    mittel ſchwacher conjug. immer mehr verringert zu
    haben. Übrigens liegt die große ähnlichkeit der deut-
    ſchen ableitungsvocale i, ô (altn. â) ái (alth. ê) mit den
    lat. i, a, e, den griech. ε, ο, α, ſodann ihrer ver-
    fließung in die flexionsvocale am tage und erſtere ſoll
    im folgenden buche näher abgehandelt werden. Die
    mannigfalte verfließung vergleiche man in ferio, fe-
    ris, ferit, ferimus, feritis, feriunt mit alth. perju, pe-
    ris, perit, perjamês, perjat, perjant; foro, foras, fo-
    rat, foramus, foratis, forant mit altn. bora, borar, bo-
    rar, borum, boridh, bora; piſco (wofür piſcor gebräuch-
    lich) mit alth. viſcôm; ſileo, ſiles, ſilet, ſilemus, ſile-
    tis, ſilent mit goth. ſila, ſiláis, ſiláiþ, ſilam, ſiláiþ, ſi-
    land; taceo mit goth. þaha; habeo, habes, habet, ha-
    bemus, habetis, habent mit alth. hapêm, hapês, ha-
    pêt, hapêmês, hapêt, hapênt; δοκέω, δοκεῖς, δοκεῖ, δο-
    κοῦμεν, δοκεῖτε, δοκοῦσι
    mit goth. þugkja, þugkeis,
    þugkeiþ, þugkjam, þugkeiþ, þugkjand; σιγάω, σιγᾷς,
    σιγᾷ, σιγῶμεν, σιγᾶτε, σιγῶσι
    mit alth. ſuîkêm, ſuîkês,
    ſuîkêt, ſuîkêmês, ſuîkêt, ſuîkênt.
  • 6) perſonenkennzeichen. α) conſonanten; ſichtliche ein-
    ſtimmung mit den deutſchen ſprachen [I. ſg. -m.]
    ſanſkr. praeſ. adai (edo) pâmi (impero); adjâm (edam)
    pâjâm (imperem); erſtes praet. apâm (imperabam); das
    zweite praet. hat -m verloren, tutôpa (percuſſi); drit-
    tes praet. adâm (êdi) aſrauſham (audivi); fut. dâſjami
    (dabo) — griech. praeſ. nur bei den verbis auf -μι:
    δίδωμι, τίθημι, bei den übrigen : τύπτω, φιλέω; opt.
    διδοίην, τιθείην (ſt. μ, welches in dieſer ſprache auslau-
    tend beſtändig zu ν wird) τύπτοιμι; imp. ἔτυπτον; aor. 2.
    ἔτυπον (beidemahl -ον für-ομ) die übrigen tempora apo-
    copieren: τέτυφα, τέτυπα, ἔτυφα, τύφω. — lat. apoco-
    piert in lego, legi, amabo; beibehalten in legebam,
    legeram, legam, legerem, legiſſem, ausnahmsweiſe
    auch im praeſ. ind. ſum, inquam. — litth. und lett.
    apocopiert im praeſ. praet. und fut. der gewöhnlichen
    verba: ſukù, ſukau, ſukſu etc. behalten aber im praeſ.
    derer auf -mi: eſmi (ſum) eimi (eo) důmi (do) demi
    (colloco) etc. lett. eſmu (ſum) eemu (eo) dohmu (do) —
    ſlav. weggeworfen, das praeſ. hat -u: vedu (duco)
    volju (eligo), das praet. -ch: vedoch (duxi) volich
    (elegi) mazach (unxi); ausg. auch hier jeſm’ (ſum)
    dam’ (do) vjem’ (ſcio) imam’ (habeo) Dobr. p. 537; die
    krain. mundart hat aber das -m im praeſ. noch durch.
    gängig, die böhm. und poln. zuweilen behalten, die
    [1062]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    ruß. nicht. — [II. ſg. -s] ſanſkr. pâſi (imperas) pâjâs
    (imperes) apâs (imperabas) aſrauſhis (audiviſti); nur
    das zweite praet. hat -th: tutôpitha, mamarditha.
    têpitha, trêſitha. — griech. τύπτεις, δίδως; ἔτυπτες; τέ-
    τυφας
    ; ἐτύφας; τύφεις etc. — lat. legis, legebas, lege-
    ras, leges, legas, legeres etc. nur das praet. ind. hat
    -ſt: legiſti, ſumſiſti, amaviſti — litth. und lett. apo-
    copiert: ſuki, ſukai, ſukſi; důdi (das) etc. nur eſſi
    (es) behauptet den conſ. — ſlav. praeſ. -ſch: vedeſchi
    (ducis); praet. ohne conſ. und mit abwerfung des ch:
    vede (duxiſti) voli (elegiſti) pi (bibiſti) — [III. ſg. -t]
    ſanſkr. pâti (imperat) atti (ſt. adti, edit) pâjât (impe-
    ret) adjât (edat) apât (imperabat) adât (edebat) tutôpa
    (percuſſit) — griech. ſtets abgeworfen τύπτει, δίδωσι,
    ἔτυπτε, τέτυφε, ἔτυψε, τύψει
    — lat. legit, legebat, lêgit,
    legerat, leget, legat, legeret etc. — litth. weggeworfen:
    ſuka, ſuko, ſuks etc. nur eſti behält das -t. — ſlav. praeſ.
    vedet (duxit) gonit (pellit); praet. der II. ſg. gleich. —
    [I. pl. -m] ſanſkr. admas (edimus) pâmas (imperamus)
    adjâma (edamus) pâjâma (imperemus) apâma (impera-
    bamus) tutupima — griech. τύπτομεν, ἐτύπτομεν, τέτυ-
    φαμεν, ἐτύψαμεν, τύψομεν
    — lat. legimus, legebâmus,
    lêgimus, legêmus, legâmus, legerêmus — litth. ſu-
    kamè, ſukomè, ſukſimè — ſlav. praeſ. vedem, gonim;
    praet. mazachom (unximus) vedochom (duximus) —
    [II. pl. -t, -th] ſanſkr. attha (ſt. adtha, editis) pâtha (im-
    peratis) adjâta (edatis) pâjâta (imperetis) apâta (impe-
    rabatis) tutupa (percuſſiſtis) gr. τύπτετε, ἐτύπτετε, τε-
    τύφατε, ἐτύψατε, τύψετε
    — lat. legitis, legebâtis, lê-
    giſtis, legêtis, legâtis, legerêtis — litth. ſukatê, ſukote,
    ſukſitè. — ſlav. maſheti (ungitis) mazaſta (unxiſtis) ve-
    dete (ducitis) vedoſta (duxiſtis) — [III. pl. -nt, -s]
    ſanſkr. adanti (edunt) pânti (imperant) adjus (edant)
    pâjus (imperent) apân (imperabant) tutupus. — gr.
    τύπτουσι, δίδωσι, ἔτυπτον, τετύφασι, ἐτύψαν, τύψουσι
    lat. legunt, legebant, lêgêrunt, legent, legant, lege-
    rent. — litth. ſuka, ſuko, ſuks. — ſlav. maſjut (un-
    gunt) mazachu (unxerunt) vedut (ducunt) vedochu
    (duxerunt). — β) die fiexionsvocale liegen außer aller
    vergleichung. — anmerkungen: α) wichtig iſt die ein-
    ſtimmung der ind. I und III. ſg. praet, mit der deut-
    ſchen, theils darin, daß beide perſ. zuſ. fallen: tu-
    tôpa, tutôpa, wie táitôk, taitôk, naſida, naſida, theils
    daß die flexionsconſ. mangeln, weshalb ein vermu-
    thetes I. táitokam, naſidam III. táitôkiþ, naſidiþ (ſ. 1046)
    [1063]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    weil ſchon im ſanſkr. I. tutôpam, III. tutôpat bloße
    muthmaßung iſt, in eine uralte zeit zurückfällt. Auch
    τέτυφα, τέτυφε ſind ohne conſ., ſcheiden ſich aber vo-
    caliſch; lêgi hat den conſ. nicht, hingegen lêgit; ſlav.
    fällt III. nicht mit I, ſondern mit II. zuſammen: vede,
    vede. — b) gleichmerkwürdig erſcheint der abſtand
    des conſ. der II. ſg. praet. von dem der II. ſg. praeſ.
    Wie im goth. greipis und gráipt, alth. krîfis und
    krifi, entfernt ſich pâſi von tutôpitha, legis von le-
    giſti; vedeſchi von vede; doch τύπτεις ſtimmt zu τέ-
    τυφας
    . Die verſchiedenheit beider iſt alſo auch im
    deutſchen (ſ. 1043. 1044.) uralt, und der verſuch ſie
    zu vereinigen ſehr gewagt. — c) wie im deutſchen III.
    pl. praeſ. -nd, praet. aber -n zeigt, zeigt auch das
    ind. praeſ. -nt, das praet. -s, das ſlav. praeſ. -ut,
    das praet. -u; wogegen griech, beide -s, lat. beide
    -nt beſitzen; das verhältnis des -s zu dem -nt, ſo
    wie des -nt zu dem deutſchen -nd, nt wird unten
    anm. 10. beſprochen werden. — d) der längere haft
    des -m I. praeſ. ſg. im krainiſchen und ſerb., wäh-
    rend es im altſlav. und ruß. faſt verſchwindet, ver-
    gleicht ſich dem alth. -êm, -ôm, welches im goth.
    und nord. fehlt. Daß aber auch in mundarten, wo
    es regelmäßig apocopiert wird, die anomalen aſmi,
    dadâmi etc. εἰμί, εἶμι, ἵστημι, φημί, δίδωμι etc.; ſum,
    inquam; eſmi, eimi, důmi; jeſm’, dam’, imam’ etc.
    fortdauern, entſpricht genau dem goth. ïm, altn. ëm,
    alth. pim, gêm, ſtêm, tuom, welche verba ſich da-
    durch den griech. auf μι paralleliſieren. Dieſer ähn-
    lichkeit wegen ſind denn auch die wurzeln εἰμί (dor.
    ἐμμί f. ἐσμί) ſanſk. aſmi, litth. eſmi, ſlav. jeſm’, lat.
    ſum, goth. ïm für identiſch zu halten; weiter εἶμι,
    lat. eo (conj. eam) litth. eimi, lett. eemu, alth. gêm,
    gâm [vgl. das goth. gagga dem lett. praet. gahju und
    ïddja dem ſlav. idu, böhm. gdu, krain. idem]; end-
    lich δίδωμι, lat. do (conj. dem, praet. dedi) litth. důmi,
    alth. tuom (praet. tëta, welches wie dedi, dadâmi,
    und δίδωμι reduplicativiſch; das goth. d in dêdun und
    alth. t in tâtun gehört unter die ausnahmen der laut-
    verſchiebung ſ. 590.) ſelbſt das verfließen der bedeu-
    tungen geben und thun läßt ſich nachweiſen. Nicht
    unwahrſcheinlich entſpringt aber das ſlav. futurum
    ſtanu (ſtabo) aus ſtam’ (ſto) wie noch das ruß. dam’
    nicht do, ſondern dabo bedeutet, das griech. εἶμι nicht
    eo, vielmehr ibo (Buttm. p. 555.), das angelſ. bëo
    [1064]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    nicht ſum, vielmehr ero (oben ſ. 1051). Die gemiſchte
    und alterthümliche form ſolcher anomalien eignete
    ſich zu feineren tempusbeziehungen, man vgl. ſ. 854.
    den unterſchied zwiſchen ïddja und gaggida. —
  • 7) der dualis, welcher allen deutſchen ſchriftſprachen
    mit ausnahme der goth. gebricht, blüht im ſanſkr. und
    griech., hat im lat. keine ſpur gelaßen, beſteht im
    altſlav. und krain., iſt aber im ruß. böhm. poln. ſerb.
    ausgeſtorben, endlich mangelt er im lett. und lebt im
    litth. fort. Wo er beſteht, ſtimmen ſeine kennzei-
    chen zu den ſ. 1049. aufgeſtellten; I. bat ſanſkr. v, II.
    th, III. t; praeſ. pâvas, pâthas, pâtas; praeſ. conj. pâ-
    jâva, pâjâtam, pâjâtam; praet. apâva, apâtam, apâ-
    tâm; tutupiva, tutupathus, tutupatus. Im griech.
    mangelt I. durchgeheude, II und III. haben beide -τον,
    την und trennen ſich nur zuweilen durch den ton der
    penult., praeſ. τύπτετον, τύπτετον; imp. ἐτύπτετον, ἐτυπ-
    τέτην
    praet. τετύφατον, τετύφατον; aor. 1. ἐτύψατον,
    ἐτυψάτην
    etc. Litth. praeſ. I. ſukawà, II. ſukata, III.
    ſuka; praet. ſukowa, ſukota, ſuko; fut. ſukſiwa, ſuk-
    ſità, ſuks. Slav. praeſ. I. jeſva, II. jeſta, III. jeſta;
    praet. bjechova, bjeſta, bjeſta; beiſpiele altpoln. duale
    gibt Bandtke §. 278. —
  • 8) die bei der erſten anomalie hiſtoriſch nothwendige
    ſcheidung dreier und vierer ſtämme vereinfacht ſich
    durch betrachtung der fremden ſprachen, welche ins-
    geſammt hier nur zwei ſtämme verbinden. Im ſanſkr.
    lautet die abſtracte wurzel as, die concrete bhû; von
    erſterer rührt das praeſ. aſmi, aſi, aſti; pl. ſmas, ſtha,
    ſanti, offenbar f. aſmas, aſtha, aſanti; praeſ. conj.
    ſjâm, ſjâs, ſjât; pl. ſjâma, ſjâta, ſjus, wiederum f.
    aſjâm; fut. ſjâmi, pl. ſjâmas (f. aſjâmi, aſjâmas).
    Griech. εἰμί, εἶς, ἐστί; ἐσμέν, ἐστέ, εἰσί; lat. ſum, es,
    est; ſumus, eſtis, ſunt; conj. ſim etc. alſo die mit ſ
    anlautenden perſ. für eſum, eſumus, eſunt, eſim etc.
    fut. ero (für eſo) erimus (f. eſimus) etc.; litth. eſmi,
    eſſi, eſti; pl. eſme, eſte, eſti; ſlav. jeſm’, jeſi, jeſt’;
    pl. jeſmi, jeſte, ſut’ (f. jeſut); den übergang des ſ in
    r bewährt das lat. ero, eram und das litth. yr neben
    eſti (altn. ër ſtatt des goth. ïſt). Hiernach wird man
    die goth. formen ïm, ïs, ïſt; ſijum, ſijuþ, ſind leicht
    in die urſprünglicheren herſtellen: ïſum, ïſuþ, ïſind
    oder ïſam, ïſiþ, ïſand? und im goth. (ſ. 851.) im alth.
    (ſ. 881.) etc. fällt der ſtamm α zu β. Die zweite wur-
    [1065]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    zel zeugt im ſanſkr. das nebenpraeſens bhavâmi (ma-
    neo) bhavaſi, bhavati etc. im griech. φύω, lat. fui;
    litth. praet. buwaù; fut. bûſu; ſlav. praet. bjech; fut.
    budu, pl. budem etc. und ihr entſprechen das alth.
    pim, angelſ. bëo etc. Ohne zweifel iſt aber auch der
    vierte dentſche ſtamm viſan der wurzel bhû zuzufüh-
    ren, der abweichung des v, w von dem b, p in bëo,
    pim unerachtet, da auch das ind. bh, ſlav. litth. b
    hier ins gr. φ, lat. f. übergieng, und nach Bopps
    ſcharfſinniger muthmaßung (annals p. 59.) ſelbſt das
    -b, -v der lat. flexionen dabo, dabam, amavi aus
    dem eingewachſenen hülfswort zu erklären iſt. Die-
    ſes vorausgeſetzt läßt ſich in unſerm deutſchen praeſ.
    viſa, wiſu ein urſprüngliches futurum erkennen, das
    dem litth. búſu entſpricht, ſich aber frühe zum praeſ.
    verhärtete und den ablaut vas, vëſun zeugte; vaírþa
    iſt ſchon ſ. 1038. aus viſþa geleilet und mit fio ver-
    glichen worden. —
  • 9) auffallende parallelen zu der zweiten deutſchen ano-
    malie gewähren folgende beiſpiele: ſanſkr. vêda, vettha,
    vêda; pl. vidmas, vittha, vidanti vergleicht ſich dem
    deutſchen ablaut in váit, váiſt, váit; vitum, vituþ,
    vitun, hat auch im ſg. völlig praeteritiviſche flexion
    (tutôpa, tutôpitha, tutôpa) im pl. aber praeſentiſche;
    das gr. οἶδα, οἶσθα, οἶδε; ἴσμεν, ἴστε, ἴσασι (dor. ἴδμεν)
    rechtfertigt meine anſicht (ſ. 1057.) der identiſchen ab-
    laute ει: οι: ι = goth. ei: ϡi: i, denn οἶδα iſt praet. z.
    von εἴδω, wie λέλοιπα von λείπω und ἴδμεν hat hier
    ſogar den regelmäßigen pl. οἴδαμεν verdrängt (Buttm.
    p. 568.). Slav. gilt neben dem praeſ. vjem’ (ſcio) pract.
    vjedjech (ſcivi) vjedje (ſcit) zugleich vjedje für die
    bedeutung des praeſ. ſcio (Dobr. p. 539.). Lat. haben
    novi, odi, coepi, memini form des praet., bedeutung
    des praeſ., ebenſo die gr. ἄνωγα (jubeo) κέκτημαι (poſ-
    ſideo, goth. áih) ἀμφιβέβηκα (tueor) u. a. m.
  • 10) zu dem deutſchen part. praeſ. ſtimmt das indiſche
    auf -an (gen. -antas) -anti, -at; griech. auf -ων
    (gen. -οντος) -ουσα, -ον; lat. auf -ens (gen. -entis);
    litth. auf -as (mit geſtrichnem a, im acc. -anti) fem.
    -anti; das griech. fem. -ουσα verhält ſich gerade wie
    die III. pl. -ουσι zu einem früheren -οντα, -οντι, wie
    das ſanſkr. -us der III. pl. einiger temp. und wie das
    litth. -as ſt. -ans, -ants, lat. -ens ſt. ents. Dem
    lat. griech. -t hätte freilich in ,wurzeln ein goth. -þ
    [1066]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    und hochd. z zu entſprechen, das leichtere verhält-
    nis der flexionsſilben begründet wieder eine ausnahme
    von der lautverſchiebung. Im goth. hat ſieh zwar -þ
    in der III. ſg. und II. pl. parallel dem lat. -t gehal-
    ten, hingegen gilt -nd ſt. -nþ für das lat. -nt; im
    hochd. richtig -nt = goth. nd, aber auch -t und
    nicht -d (= goth. þ). Alles dieſes findet ebenſo bei
    dem linguallaut des lat. part. praet. paſſ. ſtatt, das dem
    deutſchen part. praet. ſchwacher form identiſch iſt;
    man halte auditus, amatus, deletus zu háuſiþs, min-
    nôþs, habáiþs, gen. háuſidis, minnôdis, habáidis und
    hiernach alth. hôritêr, minnôtêr, hapêtêr. — Wichti-
    ger als eine geſtörte oder abnorme ſucceſſion des zun-
    genlauts bleibt die abweichung beider ſprachen darin,
    daß das lat. part. auf - t von allen verbis, das deutſche
    nur von den ſchwachen gebildet werden kann, woge-
    gen der ſtarken form ein anders part. praet. auf -an
    eigen iſt. welches im lat. mangelt. Dieſe form -ans,
    anêr
    berührt ſich mit der ſanſkr. und griech. media-
    len und paſſiven auf -anas und μένος. — Der deutſche
    infinitiv auf -an läßt ſich nur dem griech. -ειν und
    -ειναι, -έναι vergleichen, der ind. inf. endigt auf -tum,
    der perſ. auf -ten, -den, der ſlav. und litth. auf -ti,
    eigenthümlich der lat. auf -re; hier ſchwebt noch
    manche dunkelheit.
  • 11) in keiner der verglichenen ſprachen, ſo wenig als
    im goth. und altn. (ſ. 917.) findet ein dem alth. (ſ. 864.)
    ähnlicher vocalwechſel des ſg. und pl. praeſ. ſtatt.
    Zwar ändern ſich im lat. die wurzelvocale a in e und
    i, e in i bei compoſitis, z. b. gradior, ingredior, ca-
    pio, accipio; emo, redimo; teneo, retineo etc., allein
    dieſe, wiewohl ſchwankend durchgeführte, änderung
    beharrt nunmehr in allen praeſensformen, es heißt ſo
    gut redigo, redigimus, als ago, agimus, teneo, tene-
    mus, tenere; contineo, continent, continere etc. In
    den romaniſchen ſprachen entwickelt ſich hingegen
    eine auffallende analogie zu der alth. einrichtung, in-
    dem gewiſſe verba im ganzen ſg. und in der III. pl.
    praeſ. das in I. II. pl. und im inf. bleibende e zu i
    und ie, das o zu ue (uo) werden laßen, vornämlich
    im ſpaniſchen, z. b. medir; mido, mides, mide; me-
    dimos, medis, miden; negar, niego, niegas, niega;
    negamos, negais, niegan; dormir; duermo, duermes,
    duerme; dormimos, dormid, duermen etc. ſeltner im
    ital. (Fernow §. 286.) und franz. (tenir; tiens, tiens,
    [1067]II. allgemeine vergleichung der conjugation.
    tient; tenons, tenez, tiennent und ebenſo contenir,
    contiens, contenons. Über das provenzal. ſ. Raynou-
    ard p. 308. 310. Schwerlich iſt hierbei weder einfluß
    des hochd. auf das romaniſche, noch des rom. auf
    das hochd. anzunehmen, da nicht nur die III. pl. ab-
    weicht, ſondern auch die wirkſame analogie des um-
    lauts a in e allen rom. mundarten mangelt; immer
    bleibt aber die zuſ. treffende richtung beider ſpra-
    chen merkwürdig. Sie greift nur im roman. weiter
    um ſich und zeigt ſich auch außerhalb der conjuga-
    tion, z. b. im ſpan. fuente, bueno, ital. buono, cuore,
    altfranz. cuens (ſt. comte) franz bien etc. ſtatt der lat.
    formen fons, bonus, cor, bene [unrichtig iſt zum
    theil die beziehung dieſes uo auf ô (oben ſ. 112.) cor,
    corpus haben kurzes o, langes nur ôvum, ital. uovo;
    auffallend nuoto fürs lat. nato]. Endlich ſtreifen ge-
    wiſſe conſonantwechſel zumahl der franz. conj. im ſg.
    und pl. praeſ. an jene vocalunterſchiede, z. b. mouds,
    mouds, moud, pl. moulons, moulez, moulent; bois,
    bois, bois, boit; buvons, buvez, boivent etc. wobei
    ſich jedoch manches auf anderm wege geſtaltet hat,
    deſſen erörterung nicht hierher gehört.

Nachtrag.


3, 29. vgl. die angelſ. rune ſtân für ſt. — 9, 6. über
das verhältnis der halbvocale zu den ſpiranten ſ. den
nachtr. zu ſ. 580. — 9, 32. folglich kann kein umlaut
auslauten, wohl aber in der letzten ſilbe ſtehn, welches
immer den ausfall des umlautzeugenden vocals voraus-
ſetzt. — 12. anlaut, inlaut, auslaut brauche ich von vo-
calen, wie von conſ. — 13, 41. peto iſt nicht bidja
(vgl. ſ. 1060.) — 14. hier wird dem heutigen Nieder-
ſachſen mehr als billig iſt zugetraut; er ſpricht auch grê-
pen (rapuerunt) und gâten; vgl. die note ſ. 545. — 16.
ſind zweiſilbige auf zweiſilbige mit bloßer rückſicht auf
den auslaut nicht ſtumpfreimend? — 21. ſeitdem hat
Hofmann accentuierte bruchſtücke Otfrieds ſorgfältig her-
ausgegeben. — 22, 18. der hier und weiter verſchiedent-
lich (z. b. 40, 41.) angenommene ſatz von der tonloſig-
keit langer ſilben und vocale ſcheint höchſtbedenklich;
mehr darüber im dritten buche bei den vocalen der bil-
dungsſilben. — 29, 28. quaþit iſt unerweiſliche hypo-
theſe, vgl. ſ. 844. 1048. — 29, 30. das beiſpiel ap iſt
[1068]nachtrag.
ſchlecht gewählt, und dieſe form nie mittelh. auslaut,
in der compoſition aptrunnic, apkot mag es vorkom-
men. — 30, [...], die hier und ſ. 374. zu allgemein geſtellte
regel habe ich im zweiten buch allmählig beſchränkt,
vgl. ſ. 745. 929. — 31. von verunſtaltung zuſ. geſetzter
wörter wären viele beiſpiele anzuführen, die interj. ar-
man entſpringt aus arm-man. Das neuh. bietet manche
wörter dar, wo der erſte theil den ſchein der wurzel,
der zweite ſchein tonloſer bildungsendung annimmt, vgl.
nachbar, nachber, aus nâchbûre; wimper aus wint-brâ;
eimer, zûber, aus alth. einpar (eimpar) zuipar, d. h.
ein oder zweiträgiges gefäß; bieder aus biderbe; albern
aus alwære; begreiflich ſind eigen- und ortsnamen zumeiſt
ſolchen änderungen unterworfen und werden der über-
tragung ſelbſt in verwandte mundarten unfähig; wer
ahnt in der ausſprache des engl. ſouthampton ein hochd.
ſüd -heim -zaun (angelſ. ſudh -hàm -tûn)? — über den
hiatus herrſchen in der neuhochd. dichtkunſt verworrene
anſichten, welche ſich auch als undeutſche zeigen wer-
den, ſobald man die geſchichte unſerer poeſie ſtudieren
will. — 32, 29. zuns nicht häufigſt, vielmehr ſelten (Nib.
1575. E. L. 2494. E. L. 3511. G). — 34, 12. ſo wie 38, 7
eine müßige, wo nicht ſchiefe bemerkung, da ſich die
griech. ſchreibung ἀβραὰμ, χριστός und ἀβραὰμ, χριστὸς
danach richtet, ob das wort am ſchluße oder in der
mitte eines ſatzes ſteht. — 43, 13 in πορφύρα iſt υ kurz. —
44, 45. 1. vorkommt und das goth. a = lat. o iſt (nach
ſ. 35). — 45, 14. gatáih, pl. gataíhun (ſ. 841). — 46, 8.
doch ſteht zuweilen goth. u (oder û) für gr. o, neben
aú, als: Neh. 16, 17, 19. aípiſtulans, Phil. 2, 25. apaú-
ſtulu und ſo wechſeln diabaúlus und diabulus. — 52, 11.
merkwürdig Luc. 7, 37. alabalſtráun (ἀλάβαστρον) da ſonſt
nirgends alabalſter f. alabaſter ſteht, doch hat D. Cange
alabauſtrum; ferner n für m in balſan (μύρον) balſanie,
balſana, Luc. 7, 37, 38. Joh. 11, 2. 12, 3. — 53, 10. talz-
jan aus tal -ſ -jan? — 53, 17. munda heißt munþa, doch
ſcheint nd urſprünglicher (vgl. ſ. 853). — 55, 16. über
páida aufſchluß ſ. 397.; plinſjan ſcheint das ſlav. plaſati ſo
wie plats das ſlav. plat (Dobr. inſt. p. 117.) — 57, 11. die
vergleichende conſ. tabelle blieb aus mangel an raum her-
nach weg. — 59, 11. fehlt ugkis, uggkis. — 63, 34. aſneis,
aſilus. — 64, 2. us -aſſimiliert ſich mit r in der compo-
ſition, als: urrinnan, urreiſan, bleibt aber vor hr, als:
ushriſjan, ushramjan; jenes rr auch ſ. 74. nachzutra-
gen, — 67, 19. im verhältnis von azgô zum angelſ. aſce
[1069]nachtrag.
altn. aſka, alth. aſca, (O. aſga) mittelh. aſche liegt
etwas unregelmäßiges. — 67, 24. zd: rt erläutert den
bairiſchen volksdialect (Schm. §. 631.) der jedoch auch
goth. rd in ſcht wandelt, z. b. hard, vaúrd in haſcht,
wouſcht. Die urſache, warum die alth. rt im goth.
bald zd, bald rd haben, bleibt zu ergründen, ſie ſcheint
in verwandten griech. und lat. wörtern bald rt
(vgl. hortus mit gards) bald σθ zu fordern (μισθὸς, goth.
mizdô) vgl. nachtr. zu ſ. 126. — 68 note, vgl. nachtr.
zu 177. — 73, 40. wäre das alth. floum (colluvies O. V.
1, 42.) das griech. φλέγμα f. pituita, lat. flemen, plemen,
ſo ſtände ein goth. þlagms nach bagms zu erwarten;
wenn nun die alth. formen -oum, -aum (vgl. ſ. 1036) auf
ein früheres -agam deuten, poum auf pagam, worin
pag wurzel, -am bildung, ſo ſcheint es minder verwe-
gen, das lat. fagus mit bagms, poum zu vergleichen, nur
blieb in bagms unverſchobner kehllaut, während in bôka,
puocha regelmäßige lautverſchiebung waltet. — 79, 3. nach
dieſer regel ſoll auch 83, 39. në, pë nur den urſprung
aus i erläutern, nicht die wirkliche ausſprache anzeigen;
im angelſächſ. habe ich mir in unbetonten flexionen das
ë zur verdeutlichung der umlaute häufig erlaubt, hätte
aber lieber e ſetzen ſollen. — 81, 36. ferner: gërſta (hor-
deum) girſtîn (hordeaceus); reht, girihti; ſlëht (laevis)
ſlihtan (laevigare); vërah (vita) virihi (viventium genus)
u. a. m. — 88, 3. N. âſôn (niti) führt Fügliſt. dial. p. 265.
an, wenn es aber zu aſneis gehört, muß aſôn geſchrie-
ben werden. — 88, 8. 1. ſcrato, vgl. ſ. 341. — 89, 7. bei
K. 23b aahtunga. — 91, 10. vgl. ſ. 121. — 94, 41. das ô
in biſcôf wird durch piſcouf noch nicht bewieſen; mit-
telh. entſchieden biſchof; vgl. ſ. 444. — 95, 43. auch
weſſobr. hat ô (in côt, côtlîh) für das gemeinalth. uo. —
97. zuzufügen: farſûman (negligere) chûſc (caſtus). —
103. 105. dem aus alter redupl. entſpringenden ia, ie
wäre z. b. das verſchrumpfte franz. jeune aus dem lat.
jejunus vergleichbar. — 108. vgl. das angelſ. geþëóde
convenientia, conjunctio, idioma; bei O. kann daher gi-
thiuti ebenfalls idioma, ſermo vulgaris ſ. plebejus ſeyn,
wie ἴδιος das gemeine, private im gegenſatze zum edeln,
öffentlichen ausdrückt. — 115. ἄτονα ſind nicht tonloſe,
ſondern ganze wörter, in denen nur tiefton iſt. Von
den goth. ſyncopierten bíldungsvocalen ausführlicher im
dritten buch. — 116. hochd. volksmundarten, denen be-
reg, ſcharef, hanef etc. gemäß iſt, ſ. bei Schm. §. 564.
637. und vgl. ſ. 1037. — 122. 3. ſonderbar das vor-
[1070]nachtrag.
brechende r in T. fuortren (paſci) f. fuotren. — 122, 4.
vgl. ſt und fr im fluobara bei T. mit dem altſ. fruobra,
angelſ. frôfor. — 122, 6. fillorinju O. I. 20, 11. ſt. firlo-
ranju — 123. in galla (bilis) ſcheint ll. alt, in kiulla
(pera T. 44, 6.) unorganiſch, vgl. das angelſ. cavel, cavl
(corbis, ſporta). — 123, 7. von rr ſind zu wenig bei-
ſpiele gegeben, vgl. harra (ſaccus) ſurro gl. jun. 184. —
125. beizuſügen zu ns: hanſa (cohors) T; zu rs zërs
(penis); zu rz chërziſtal (candelabrum) churz (brevis). —
126, 34. die goth. asdingi erſcheinen bei Lydus (de ma-
giſtratibus, ed. Fuß, Lugd. bat. 1812. p. 248.) als ἄστιγ-
γοι
, die ſtelle lautet: σὺν τοῖς ἐνδόξοις τοῦ ἔθνους, οὓς ἐκά-
λουν ἀστίγγους οἱ βάρβαροι
; auch Jornandes ſchreibt aſtingi
(ed. lindenbr. p. 97. 102) und Dio Caſſius lib. 71. (Reimar.
1185, 96. 1186, 8.) ἄστιγγοι; da ſie unter Gothen, Vandalen
und Marcomannen vorkommen, bezeichnet der name kei-
nen volksſtamm, ſondern wie auch Lydus ſagt, die claſſe der
edeln, kann alſo leicht mit art (genus, nobilitas) zuſ. hän-
gen. Das ſd des Dracontius iſt dem ſt der übrigen vorzuzie-
hen, nicht uneben vergleicht ſich das gr. ἐσθλὸς. — 126, 37.
über pfërt vgl. ſ. 334. — 131, 5. dies wird ſ. 381. 398 etc.
zurückgenommen. — 148, 16. wohl kein übergang, viel-
mehr zwei verſchiedne wörter, da die gl. ker. beides
arowingon und erdhincum liefern; übrigens ſchreibt
N. árdingûn (Fügliſt); mehr davon bei den adv. —
149, 21. fn ſ. 407. nachgeholt; inlautendes vs in klipſì
(rixae) gl. doc; ft in ſüftôn (gemere) vgl. ſ. 414. — 154,
42. mehr belege zu kurz und kurt ſ. 413. note; beizufü-
gen ſind wintar (ſ. 394.) und ſcalt (ſ. 1044.). — 155, 5.
auch eitar (venenum) gehört hierher, angelſ. âtor, altn.
eitr. — 157, 40. organiſcher hätte O. dôt (mortuus) und
dôd (mors) geſchieden, parallel dem angelſ. deád und
deádh, engl. dead und death, neuh. tôdt (f. tôt) und
tôd. — 159, 2. merkenswerth die med. in kaſtudit K.
18b vgl. altn. ſtodh (fulcrum). — 166. hier waren die
inlautenden ſ genau zu ſammeln; merkwürdig haſinôn
(ſubnervare) und das zu 88, 3. berührte âſôn (niti; ge-
braucht N. âs, trabs für ans?) — 167, 2. das nie geht
zu weit, ausnahmsweiſe ſtehen -s und -Ʒ gereimt, vgl.
ſ. 414. — 171, 10. vitida und môtida ſind unſtatthaft,
vgl. ſ. 853. — 175, 19. unbegreiflich iſt mir die form
ſuorga (cura, triſtitia) bei O. und T.; weil aber O kei-
nen diphth. uo hat, ſondern ua, ſo muß es für ſworga
ſtehen; vgl. ſ. 1038. über dieſes wort. — 177. das merk-
würdige adv. umbi-kirg (circumcirca) O. IV. 27, 42.
[1071]nachtrag.
V. 3, 30, wenn es dem lat. circa verwandt iſt, muß den
ſ. 68. beigebrachten goth. wörtern zugefügt werden; ſpä-
terhin herrſcht in bezirk, zirkel der lingual -ſtatt des
gutt. lauts — 180, 43. ob auch anomalien der formen-
lehre mit der heiligkeit des namens zuſ. hängen? z. b.
der lat. voc. deus ſt. dee (Schn. form. p. 65.). — 182,
28. 4.) wechſel zwiſchen g und h, ſowohl in ſtarker
conj. (vgl. ſ. 427. 867.) als in andern wörtern, z. b. flêga
(aſſentatio) gl. monſ. 376. ſt. flêha (ſ. 90.); ſuëhur
(ſocer) ſuigar (ſocrus) goth. ſvaíhra und ſvaíhrô; ſlac
(ictus) ſtatt ſlah, goth. ſlahs Joh. 18, 22. — 185, 17.
3) ch. für goth. media, namentlich bei J. in der vor-
ſilbe chi-; im weſſobr. fr. (mit runenſchrift) chafregin,
chaworahtos, forchàpi, chawurchanne neben forgip und
galaupa; gl. m nſ. 404. chartôm îſarnînên, cardis (? vir-
gis) ferreis. Haben hier unkundige ſchreiber das ſtreng-
alth. k (= goth. g) mít dem k (= goth. k) weicherer
mundarten verwechſelt und in die aſp. geſteigert? —
187, 32. berichtigt ſ. 434. — 201. O und T. haben beide
ſtërro (ſ. 390.), beide wonên, firmonên (ſtrengalth. wa-
nên, varmanên), beide wollemês (ſ. 884, ſtrengalth. wël-
lemês) etc. weichen aber in manchem ab, z. b. O. hat
wëſſa, T. wëſta (ſ. 882.); O. megi, T. mugi (ſ. 882.); O.
biſmëron, T. biſmarôn; O. dougno, T. tougolo; O. fru-
men, T. fremen, O. quâtun, T. quâdun (ſ. 867.) u. a. m. —
211, 25. ſpunſja, vgl. ſ. 259. 280. — 226, 20. fëld (campus)
ſcëld, ſëldan, hëlpan (ſ. 239.). — 228, 32. miſchung des
e mit y in fyllan etc. (ſ. 904.) vergleichbar dem alth.
wechſel zwiſchen e und u in vreman und vruman
(ſ. 869.). — 258, 25. ich errathe nicht, warum für die
med. g außer der einfachen rune gifu noch eine zuſ.
geſetzte gâr vorkommt, da auch das altn. geir wie giöf
(alth. kêr wie kipu) anlautet; oder ſtützt ſie Raſks wei-
cheres g vor e, i, y; härteres vor a, o, u, â etc.? —
259, 19. ausfall des inlautenden g vor d ferner in læde,
ſæde (ſ. 905.) broden (ſ. 898.) vgl. das mittelh. leite, ſeite. —
277. noch nenfrieſ. ſk ſtatt des niederl. ſch. — 307, 3.
grunnr (fundus). — 316, 26. auch in II, ſg. praet.
(ſ. 919.) — 318, 15. vgl. 1031, 45. — 326, 37. vgl. ſ. 916.
1036. — 331, 27. nicht bei zuſ. ſetzungen ohne con-
traction, es heißt z. b. zwi -valt, dri -valt (nicht zwî-
drî-). — 332, 3. doch wohl marîa, nach uralter aus-
ſprache des von jeher bekannten namens. — 336, 17. l.
honec. — 336, 32. ſchon Karl 35a amis 304. opfer:
kopfer. — 339, 1. dies ö iſt im neuhochd. ergötzen,
[1072]nachtrag.
ſchwœren, lœwe, löſchen; und im 17. 18. jahrh. findet
man nachöhmen, ſchröcklich, wölſch etc. — 340, 11.
M. S. 2, 146a dür (adv.): vür. — 341, 24. âmen M. S.
2, 137a Maria 112. Flore 59c; jedoch amen Ernſt 33a. —
344, 34. her: mêr ſteht Karl 1a (nicht b) nur in der in-
haltsanzeige, die nicht vom Stricker iſt. — 344, 44. Dobr. in-
ſtitt. p. 233. — 345, 22. Lachm. ausw. VIII. râvît. — 346, 40.
itroj. 37a verſchuldet ſchwerlich Conr. den reim. — 347. hû-
chen (ſpirare) hû lieber interj. irridentis, fragm. 25c liederſal
155. — 349, 24. das geleugnete au kann ſich in fremden
wörtern durch auflöſung des v in u zuweilen ergeben, vgl.
laurîn M. S. 2. 15a wizlau, niclauſes a. Heinr. 203c darf
aber dem deutſchen ou nicht gleichgeſetzt werden, denn
lourîn wäre nach ſ. 353. unerlaubt; laurîn iſt aus lâvrîn
(wie tâvriân im Parc.) zu leiten. — 351, 3. ier: ſchier
M. S. 2, 41b. — 351, 21. vielleicht George 32b und Flore
44b hie: bie zu ſetzen? — 352, 5. nicht ſtets, zuwei-
len wird es -je (ſ. 779). — 353, 12. bemiuſeln (illinere):
iuſeln (favillâ, Friſch 411b) fragm. 40a; oder müſelen:
üſelen? — 353, 45. urlogen (certare) a. w. 3, 66. — 354, 2.
dieſelbe ſtelle fragm. 45c gamâhiu: piu (wahrſcheinlich
apulien, altfranz. la puille, pouille (vgl. ſ. 779). — 355, 6.
man lieſt beßer vröun, dröun, gevröut; vroun im reim
nur kolocz 146. — 357. 6. kürzungen des ou in o ſind
überhaupt häufiger, vgl. das zu ſ. 353. nachgetragne ur-
logen und ebenſo urloben Karl 30b 31b. — 357, 4 im
Tit. herƷelöude: beſchöude, verwechſelung des öu mit
oi. — 359, 10. George 13b vlugen ſt. ſluogen zu beßern. —
361, 27. die ausnahme bezieht ſich auf den haftenden
laut i, nicht auf den ton, denn -ic und -iſch ſind mit-
telh. unbetont, -ìgen und -ìſche kommen zuweilen
vor (beiſpiele ſ. 24. und 368). — 365 * ob dieſe anſicht
grund hat, oder keinen? gehört ins dritte buch. —
366, 9. in ſtumpfem reim vor auslautendem conſ. kann
niemahls æ, œ, ue, iu (uml. des û) ſtehen, wohl aber
e, ö, ü vor liquiden, hinter denen ſtummes e der flexion
apocopiert iſt, z. b. her, tür; ö wird doch kaum ſo
vorkommen. — 368, 40. in iſt praep. (goth. ïn, neuh.
in) în aber adv. (goth. inn, neuh. ein). — 368. 369.
die fälle e und f ſind wichtig genug, um zu vollſtän-
digeren beobachtungen zu reizen; einiges wird ſich
dann anders beſtimmen. — 373, 20. wörter wie manic,
namen (nomine) im reim ſtets einſilbig, können außer
dem reim allerdings zwei ſilben zählen, vgl. anm. zu
ſ. 507. — 379. hier hätte auch liepſte f. liebeſte M. S. z,
[1073]nachtrag.
16b und ähnliches bemerkt werden können, was zu
dulden, nicht aber einzuführen iſt. — 382, 2. andere bei-
ſpiele ſind ſ. 487. nachgeholt, vgl. enkëgen Parc. 52a und
anderwärts enpran (exarſit). — 386, 7. in verſchiedenen
fremden wörtern wird l bald gelaßen, bald unterdrückt,
welches nicht immer aus der ſchwankenden original-
form zu erklären (ſ. 444. note), zuweilen als dichterfrei-
heit zu betrachten iſt. Gotfr. reimt iſôt: tôt, iſôte:
rôte etc. aber auch iſolt: golt, iſolde: morolde (Triſt.
90a. b. 62a). Die meiſten dichter ſagen pliât, bliât (Wi-
gal. h. v.) Wolfr. ſagt plîalt Parc 56b 75c, Herbort 69a
blîalt M. S. 2, 63a ſteht coucaſals ſt des üblichen couke-
ſâs (kaukaſus) wo nicht coukelſas zu leſen, wie im Ot-
nit göikelſas, was die vorr. zum heldenbuch ſogar in
glockenſachſen entſtellt hat. vgl. den nachtr. zu 52, 11.
über alabalſtráun und das niederl. out ſtait olt. — 392,
16. vgl. neuniederl. keurig, ausbündig; ſtatt frîmurc lieſt
cod. pal. fêmurc. — 395, 33. noch im 13. jahrh. hanef. —
400, 6. ſûver M. S. 2, 19a b. (alth. ſûpar, ſûbar). — 403,
18. pl. praet. ſchrîen iſt unerweiſlich und nur ſchrien
oder ſchriuwen oder ſchrirn zuläßig (ſ. 936). — 410, 7.
merkwürdig reit, reite f. redet, redete (l. 959). — 416,
1. wohl krueſelîn. — 417, 10. nach ſ. 679. zu berichti-
gen. — 418, 3. der nom. iſt roten, gen. rotenes (nach
ſëgen ſ. 669.) alth. rotan, gl. blaſ. 79a. — 420, 39. ſo
wenig als in willehalm, irmenſchart das deutſche wili-
hëlm, irmengart. — 422, 31. Türheim erlaubt ſich guns
(f. gunſt): uns Wilh. 3, 236a 362b Triſt. z. 185; vgl.
den wechſel zwiſchen -s und -ſt in der zweiten perſ.
(ſ. 932. 933). — 429, 31. allerdings ſwëlch, ſwëlhes
(ſ. 940). — 430, 2. auch das buchſtabenſpiel in der ſtro-
phiſchen einleitung zu Gotfr. Triſt. (Grootes ausg. p. 3.
vgl. 403.) um den namen dieterich zu verewigen, denn
in der fünften ſtrophe iſt: tiure und in der neunten:
chunſt zu leſen; cunſt oder kh für ch verwerfe ich;
[wenn das g der erſten ſtr. auf gotfrit deutet, könnte
das t der eilften, wo trîbe zu leſen, ganz einfach: tih-
tære ausdrücken, mit dieſen zwein ſtrophen ſchloß er
den namen deſſen, für den er das werk unternommen,
ein]. 432, 4. vielmehr ine, mine ohne verlängerung?
doch vgl. das engl. î. — 433, 22. dachte f. dâhte kommt
auf Bodmers rechnung. — 434, 19. 1. jâcop:lop M. S.
2, 123a jàcobe: lobe amis 321. nicht jûde, ſondern jüde
(alth. judeo ſ. 777.) jüden: rŭden g. ſchmiede ſ. 238. —
Y y y
[1074]nachtrag.
435, 10. die ſtelle 1785 ſteht bei Köpke 81, 10, aber mit
anderer lesart. — 438, 7. rihe, gedihe, zihe ſind falſch,
es heißt rige, dige, zige (ſ. 943). — 443. über maſtrieht
und ûƷtrieht vgl. ſ. 779, note. — 444. auch decliniert:
vërn f. vrouwen. — 448, 11. vancnus auch bei Ulr. v.
Thürh. — 448, 18. dieſes draft mehrmabls in Laßbergs
liederſ.: ſchaft, haft, kraft, z. b. ſ. 459. 464. 465. vgl.
Schm. §. 398. — 449, 6. die ſtelle 207b lautet im cod.
pal. ûƷ der heiden ê ein prieſter grâ. was darunder mei-
ſter dà; der copiſt wollte das unhochdeutſche tilgen. —
449, 29. wahrſcheinlich nicht von Stricker, auch nicht
das 450, 37. angeführte gedicht. — 452, 5. Schmeller
drückt dies bair oa mit ae aus (§. 146. 147.) — 464, 43.
wie im mittelniederl. (ſ. 500.) für den auslaut nach vo-
calen ch ſtatt g anzunehmen, mithin ſach (vidit): dach
(dies) etc. zu ſchreiben, dann aber auch noch weiter
die im mittelniederl. auslaut bleibende tenuis in ch zu
wandeln fordern beinahe reime wie: vlouch: rouch,
ouch: louch, bëch: wëch En. 25a 28a 40b? wollte man
vlouk: rouk, ouk:louk, bëk:wëk, ſo bleibt ſak (f. ſag,
vidit): dak bedenklich. — 497, 43. mittelh. veiƷ (M. S.
2, 192a); lw. 3892. ſcheint der ſuperl. veiſte (contr. aus
veiƷſte, wie grœſte, leſte ſ. 415.) herzuſtellen. — 518,
30. ferner: bin (ſum) un -(partic. privativa) und nach
der ausſprache vieler gebildeten: von, an, hin, es, das etc.
unſern gegenden iſt vôn, ân, hîn geläufiger und Göthe
reimt an: wahn, hin: ihn. — 522, 7. einige ſprechen:
gebûrt, fûrt. 524, 39. widder (vervex) mittelh. wider,
hingegen geſieder, nieder, wieder, fêder, lêder u. a. m. —
525, 2. kein r nach au, eu, ei (ſ. 697). — 526, 28. bemer-
kenswerth das unorg. z in hageſtolz (coelebs) ſt. hageſtalt
(wie: alt, kalt) alth. hagiſtalt, angelſ. hägſtëald; im mittelh.
finde ich den ausdruck nicht. — 525, 19. falb. gerben. —
555, 30. mit dieſer berührung des kehl- und zungenorgans
ſind die tl, tn, dl bairiſcher volksſprache ſt. kl, kn, gl
zu vergleichen (Schm. §. 475. 518.) — 565, 6. field, altn.
fiall. — 568, 13. auch ſlaviſch ſkv. ſchkv. Dobr. p. 164.
170. — 572. hier war der gegenſatz der liq. und ſpiranten
zu den mutis mehr hervorzuheben. Letztere wirken auf
den ihnen vorſtehenden vocal ſelten, die einflüße des l,
m, n, r, unter den ſpiranten zumahl des h. kann man
recht aus den volksmundarten kennen lernen. — 575, 9.
doch nicht dem gemein -weſtphäl. dialect, welcher iek,
iäk für ik, ies f, is (eſt), iatt f. et (id), iamm f. im
[1075]nachtrag.
(ei) diamm f. dem (illi) diarr f. der, hiärt f. hert, härt
(cor) u. a. m. zu hören gibt. Fallen nicht auch die
mittelh. ie vor r und h (ſ. 351.) hierher? (vgl. ie vor r
bei Schm. §. 275.). Vor r und h beginnt die verwand-
lung des i und u in ë und o, und reißt hernach allge-
meiner ein; ſo mag ia, ie ſtatt i vor r und h anheben,
dann um ſich greifen. — 580. 581. das verhältnis der
halbvocale v und j (ſ. 9.) zu den ſpiranten v, ſ, h (ſ. 10.)
liegt noch im dunkel, erſtens hat die lingualordnung
gar keinen halbvocal, dann die gutturale einen von der
ſpirans h verſchiednen halbvoc. j, endlich fragt es ſich:
ob der halbvocal v mit der ſpirans v zuſ. fällt? Ich
habe dieſes räthſel ſchon ſ. 187. berührt. Zu beachten
iſt, daß ſich halbvocale (d. h. vocale mit conſonantiſcher
geltung) nur aus i und u entwickeln, nicht aus a, be-
greiflich nicht aus den unurſprünglichen e und o. Und
da wiederum l und r zu u und i werden können, ſind
ſie halbvocaliſch in umgedrehtem ſinn, d. h. conſonan-
ten mit vocaliſcher geltung. Hängt mit jener reicheren
ausſtattung der kehllautsreihe zuſammen, daß ihr zu-
weilen die aſp. entzogen wird? — 583, 33. madidus,
mador, goth. natjan, alth. naƷ — 584, 15. nähme man
eine vierte ſtufe an, ſo würde der laut zur erſten ſtufe
zurückkehren; dahin ließe ſich etwa einzelnes rechnen,
wie das zu ſ. 185. und 526. nachgetragene ch und z in
châpi, hageſtolz, welches aber unorg. ausnahmen ſind;
nie zeigt ſich dergleichen in feſter, geregelter reihe. —
585 bis 588. zu den neun gleichungen folgen hier noch
einige beiſpiele. I, 1. pallidus, litth. palwas, altn. fölr,
alth. valêr; ſlav. poſt (jejunium) alth. vaſta; litth.
paukſztis (avis) goth. fugls; ſlav. plſt (coactile) alth.
vilz; ſlav. pjaſt (pugnus) alth. vûſt; πέρας, goth.
fêra. — I, 2. nepos, alth. nëvo; κῆπος, alth. hof, hoves;
copia, hûfo; ὁπλὴ, altn. hôfr, alth. huof, huoves. —
II, 2. litth. obolys, ruß. jabloko, altn. epli, alth. epfili;
ruß. obezjana (ſimia) böhm. opice, altn. api, alth. affo. —
IV, 1. trituro, angelſ. þërſce, alth. driſcu; tonitru, an-
gelſ. þunor, alth. donar; ſlav. trn, tern (ſpina) goth.
þaúrnus, alth. dorn. — V. 2. καρδία, cor, cordis, haírtô,
hërza; radix, altn. rôt; hoedus, altn. geit, alth. keiƷ;
madidus, alth. naƷ; κόνις, κόνιδος, altn. nit, alth. niƷ (ſt.
hnit, hniƷ); nidus, ſlav. gniezdo, angelſ. nëſt, alth. nëſt;
vielleicht nodus, goth. nati (aus knoten beſtehend) alth.
nezi. — VII, 1. κῆπος, hof; copia, hûfo; crinis, hâr; cere-
Y y y 2
[1076]nachtrag.
brum, hirni. — VII, 2. pulex (pulec-s) ſlav. blocha, alth.
vlôh. — VIII, 1. ſlav. gnjetn (premere, depſere) alth.
chnëtan. — VIII, 2. litth. nogas (nudus) altn. naktr, alth.
nacchot. — IX, 1. hoedus (= hoidus) altn. geit. — 591,
24. im ſlav. anlaut herrſcht zuweilen die med. der zwei-
ten oder dritten ſtufe, zumahl in den verbindungen bl,
br, gn, gr, als: blocha (pulex) brat (frater) bronja (lo-
rica, Dobr. p. 115.) alth. prunja; gnida (κόνις, κόνιδος
Dobr. 195.); graditi (cingere, goth. gaúrdan) etc.; dem
deutſchen hl, hu begegnet chl, chv z. b. chvila (mora)
hvîla; chljev, hleip u. a. m. — 591, 25. pilnas, ple-
nus, ſlav. pln, poln. — 593, 19. dies beiſpiel iſt ver-
ſehen, δάκρυ und lacrima haben beide kurzes a, das
lang werden daif. — 593, 29. der participialendung we-
gen iſt prûdens doch lieber aus providens zu leiten. —
594. bei einer vergleichung der vocale und der farben
fällt a mit weiß, i mit roth, u mit ſchwarz zuſammen. —
603, 3. friaþva (amor). — 604, 12. vgl das altn. fem. eyſa
(cinis ignitus) 604, 25. friſahts (ὑπόδειγυα) Ioh. 13, 15 ein
bedenkliches wort. — 605, 20. hei daúhts entſcheidet das
adj. mikila Luc. 5, 29. fürs fem. — 608, 6. hlija (taberna-
culum). — 608, 24. ſtaírô (στεῖρα). — 610, 10. guþ(Deus) hat
im nom. kein -s, vgl. nachtr. zu 180, 43. — 612, 8. O. aſſi-
miliert daher wolkonon IV. 19, 108. ſt. wolkanun. —
612, 24. ſpër gehört unter die neutra. (ſ. 621.) — 614, 1.
ſcatu (umbra) ritu (tremor). — 614, 30. vridoo (vridô)
K. 17b gen. pl.? da im text pacis ſteht? — 615, 36. wîs,
wîſì (dux)? O. IV. 31, 51. wîſî, duces? nach dem altn.
vîſir ſollte man wîſi, pl. wîſà nach decl. 2. ſchließen. —
617, 30. bei N. 34, 16 naſa, gen. naſô. — 618, 5. nicht
zu überſehen iſt. daß bei K. ſtatt -unka, -unga,
der nom. -unc ſtehet: ſcauwunc 51b (mit dem adj. diſu)
arnunc 57a ſamanunc 57b alle übrigen caſus aber nach
dem ſchema gehen, gen. arnungâ, arnungu, acc. ar-
nunga etc.; auch J. 363, 366. ſetzt den nom. bauhnunc,
der aber, nach dem dat. dhëmu bauhnunge 370 zu
ſchließen männlich zu ſeyn ſcheint, wogegen 357. 351 der
acc. ſg. bauhnunga wieder weiblich iſt. Angelſ. bildun-
gen -ung folgen der vierten decl. (ſ. 643.), haben folglich
im nom. auch keinen vocal. — 618, 13. auch bildungen
mit -ar, wenigſtens T. 7, 4 fluobra (conſolationem). —
620, 2. lîh (corpus, figura) O. IV. 35, 62 — 621, 23. var (tra-
jectus) O. III. 8, 16. — 622, 24. auf dieſe dativkürzung hûs
war mehr gewicht zu legen, vgl. ze apkutjô hûs gl. monſ.
[1077]nachtrag.
405. zi thëmo druhtînes hûs O. II. 4, 104. 11, 8. in dem
hûs N. 54, 14. ze dînemo hûs N. 5, 8. dagegen: in pluo-
ſtar -hûſe gl. monſ. 402. (vgl. nachtr. zu ſ. 680.) — 622.
623. 681 oli, nicht ôli. — 623, 17. meri-minni (ſyrena) —
624, 28. vielleicht hàcho ſt. haccho? — 625, 1. varmano
(contemptor) — 626, 34. vgl. auch chëlnun, ſunnuun K.
20a 24b ſuarzún miſc. 1, 19. — 626, 36. vielleicht im
nom. ſg. zunkâ? vgl. ſ. 820. — 626, 38. chëla (guttur). —
627, 13. trâta (conculcatio) gl. monſ. 333. varmana (con-
temptus) gl. jun. 197. — 629, 38. auch wanka (gena). —
630, 7. auch der pl. maſc. gibruader (fratres) O. II. 24, 18.
IV. 26. 29. und pl. fem. giſuëſter (ſorores, mit vorſtehen-
dem thiô) O. III. 24, 109. — 630, 16. ohne zweifel lautet
auch der nom. pl. naht, beleg iſt mir nicht zur hand,
dat. pl. nahton O. IV. 7, 182. — 630, 44. analog ſchwankt
lint, maſc. O. III. 6, 62 IV. 3, 1. pl. thiê liutì III. 10,
48. dagegen fem. thiô zua liutî III. 10, 48. W. 4, 4. daƷ
liut neutr. aber 6, 11. ſînen liut. — 631. über einſchie-
bung des -n in bairiſchen mundarten Schm. §. 856-
858. — 641, 28. cëaru (ſollicitudo) — 64 [...], 12. bëorma (fer-
mentum). — 653, 20. dörr, darrar (haſta). — 655, 34. öſp,
aſpar (populus tremula). — 662, 1. fura (abies). — 665,
39. der pl. gîre M. S. 2, 207a (vgl. ſ. 461. das citat aus
Veld.), gewöhnlich geht es ſchwach, vgl. nachtr. zu
681. — 666, 5. oder kamp, kambes Wig. 188. Karl 54b
M. S. 2, 171a (vgl. ſ. 389.) — 666, 12. über liut vgl.
nachtr. zu 686. — 666, 15. mattes oder mates? keines im
reim, aber außer reim mates M. S. 1, 137a. — 666, 21. roch
iſt neutr. — 666, 30. ſmuc nicht das neuh. ſchmuck, or-
natus, ſondern anſchmiegen Ben. 223. 243. — 667, 3. twërc
und getwërc iſt neutr. (liederſ. 385. liebeƷ zu leſen) —
667, 6. ein-vir (coelebs) liederſal 452. — 667, 5. vent zu
ſtreichen, vgl. nachtr. zu 682. — 667, 26. mânôt Georg 37a
Wigam. 13a — 667, 31. l. ſchuoch; ſchuo nur Mor. 52a 55b
667, 36. der pl. die ſal ſtehet doch Ernſt 23a — 668, 1.
dieſe zeitbeſtimmung hat ihr bedenken, zumahl ich
ſchon ſ. 672. die älteſten Nib. hſſ. ausnehmen muß; al-
lerdings meiden die beſten dichter ſolche pl. im reim. —
668, 10 ſtaben: haben Parc. 126c — 668, 13. beſtändig
nicht, an ſac, ſecke iſt kein zweifel (vgl. zu 671.); auch
ſtebe als ausnahme erweiſlich, M. S. 2, 134b ſteben: gë-
ben. — 671, 18. koch, koche? in Wilh. 3. reimt kochen
(coquis): geſprochen, köche außer reim Wigal. 8859. —
671, 21. hanen-krât fem. En. 11c 20c. — 671, 26. ſac,
[1078]nachtrag.
ſecke a. w. 3, 191. M. S. 2, 108b gudr. 77b. — 672, 26.
wegen Parc. 30b halte ich für keinen ſyncopierten dat.
pl. curribus, ſondern den inf. wegen (agere, movere). —
673, 8. bâre (feretrum). — 673, 24. ſchære (forfex). —
673, 30. ſtroufe auch Georg 11b. — 674, 6. malhe geht
ſchwach. — 674, 16. kël geht ſchwach und fällt nach
ſ. 684, von dort aber mül hierher (dat. mül M. S. 1,
112a). — 674, 33. nicht ſo ſelten und genauer zu unter-
ſuchen, goum ſt. goume Parc. 85b M. S. 2, 83b Ernſt 29a
32a 49b Wigam. 11a; vurch (ſt. vurche) troj. 60b Parc. 34a
Wilh. 2, 38b Georg 37b liederſ. 377. buoƷ, koſt, tioſt ſchei-
nen häufiger, als die volle form, vermuthlich iſt auch wîs
(Parc. 119a daſſelbe mit wîſe; vgl. zu ſ. 618. über -unc
ſt. -unka. — 676, 28. brüſte gewis ſeltner als bruſt,
ſchon der goth. anomalie halben. — 677, 4. ræte in die-
ſen belegen iſt bald dat. ſg. bald. gen. pl. — 677, 9. ge-
ſpenſt Bon. — 677, 19. vlô Bon. 48, 1. — 677. anm. 3.
einige, wenigſtens Hartm. brauchen das e im gen. und
dat, nie (Lachm. answ. XXIII, 2, 13.), der Stricker hat
nie den gen. und dat. krefte. — 679, 16. ſchapèl tiefto-
nig. — 679, 24. mark Wigal. 189. 246. — 679, 39. var
(trajectus). — 680, 9. hûs nimmt faſt niemahls -e an
(vgl. zu 622.) nur zuweilen Parc. 176c troj. 6b 152b gudr.
22b, vielleicht nach umſtänden der ſyntax. — 680, 14.
empter? liederſ. 224. — 680, 15. l. eier (ſ. 436). — 681, 2.
l. öle oder öl; aber œre (foramen) — 681, 12. kleinœte
Parc. 90b kleinôt Wigam. 22a. — 681, 39. brëm (b. Wolfr.
brëme, oeſtrus). — 681, 41. gîre (vultur) Karl 66b Parc.
93c. — 682, 3. krage (gula) mâge (propinquus), nur im
ſchwachen pl. mâgen Maria 164. Bit. 39b gudr. 27a 31b
37a 41b; weit üblicher iſt mâc, pl. mâge. — 682, 9.
ſchaffe (orca) liederſal 514. — 682, 17. vende M. S. 2,
146b 222a 228a kolocz 182. — 682, 19. wabe (favus). —
683, 36. ver (nauta) ſt. verje. — 683, 21. das alth. chri-
ſtano iſt irrthum, nämlich das wort adjectiviſch chriſtâni
(ſ. 727.; exh. hat außer dieſem nom. den acc. chriſtânan,
dat. pl. chriſtânêm; die ſchw. form hätte chriſtâno) mit-
telh. chriſtæne (nachtr. zu 748.) offenbar nach dem lat.
gebildet; hingegen heidanêr ein alth. adj. gl. monſ.
336. gen. pl. heidanêrô gl. monſ. 340. und deutſche bil-
dung (goth. háiþns) alſo weder heidâni noch heidæne
möglich. Die ſchwache form des adj. wurde aber ſub-
ſtantiviſch geſetzt, J. 348. dher heidheno (ethnicus) und
daraus ſcheint im mittelh, ein doppeltes ſubſt. entwickelt,
[1079]nachtrag.
theils heiden, gen. heidens (Parc. 22128.) ſtark, theils
heide (Parc. 177b. c.) gen. heiden ſchwach, außer welchen
die adjectiviſche verwendung fortgilt. Neben chriſten,
das ſich ſt. chriſtæne eindrängte, weiß ich kein chriſte. —
684, 9. eſſe (uſtrina) gelte (vas ligneum). — 684, 14. l.
kræje (ſ. 968). — 684, 15. krîde (creta) krote (bufo). —
684, 16. malhe (pera) M. S. 2, 68b. — 684, 17. zuzufügen
molte (pulvis) Wilh. 2, 189b; mül ſelten ſchwach (M. S.
2, 150b) nunne (monialis) ruebe (rapa). — 684, 42. kël (gut-
tur) troj. 146a. — 686, 3. veter, ſchmiede 275. bruoder
(fratres) Wilh. 2, 201a troj. 169c ſwëſter (ſororum) Wilh. 2,
127b; gebruoder (fratres) Parc. 34a weniger gut gebrue-
der 78b; geſwëſter (ſorores) meiſt. alex. 143b. — 686, 28.
hier war auch burc gen. dat. burc, pl. burge (nicht
bürge), vgl. ſ. 610. 630; dann die anomalie von liut zu
bemerken, welches im ſg. neutr., im pl. maſc. iſt, ein
nom. ſg. der liut unerweiſlich. — 724, 13. dërp, dërap
(azymus). — 724, 22. krim nach der analogie des alt-
ſächſ. erweiſlichen grim angeſetzt und danach ſ. 744. ein
mittelh. grim; doch die mittelh. beſtimmt vorhandene
form grimme macht auch ein alth. krimmi wahrſchein-
licher. — 744, 26. ran (macilentus) liederſal 161. (382. ron)
vgl. Friſch h. v. — 726, 37. miti wird hier unaufgegeben
genannt, 727, 31. geleugnet? letzteres iſt ganz richtig, mit
erſterer behauptung wollte ich nur das allgemeine para-
digma erläutern, zu dem ich hier ein anderes wort
hätte ausleſen ſollen. Setzt man hreinjêr, hreini und
zeile 37. hreini, ſo gilt alles dort geſagte. — 727, 39.
ſpizi (acutus) gl. jun. 227. — 733, 22. þëorf (azymus). —
744, 19. über grim vgl. nachtr. zu 744. — 744, 31. l.
ſtump, ſtumbes, denn nirgend reimt es auf drum, vrum;
tenc (ſiniſter). — 748, 12. z. b. dic f. dicke : blic
a. Heinr. 198a ſpiz f. ſpitze fragm. 26b : gliz. — 848,
23. chriſtæne Flore 3a 5a 12a 14b 20a doch vorwie-
gend ſubſtantiviſch gebraucht. — 748, 24. geile M. S.
2, 101b 185a. — 749, 31. im reim daƷ zam Wilh. 2, 80a
ſonſt ſetzen die alten dichter lieber diu lame, der lobe-
ſame etc. — 760, 28. der acc fem. ein ſcheint nicht gut,
iſt in guten hſſ. ſelten, im reim nur Parc. 91a Maria
123; auch der nom. fem. reimt wenig, Wigal 201. M. S.
2, 226; häufig der nom. maſc. und neutr.; eine f. einiu
M. S. 2, 182a fragm. 40c. — 761, 23. altſ. gen. pl. tueio. —
762, 18. auch der mittelh ſg. wird vünf haben, nicht vunf,
weil hier das ü durch verwechſlung mit dem organ. i ent-
[1080]nachtrag.
ſpringt; vünfte reimt auf künfte Wilh. 2, 178b. Das
einzige beiſpiel von miſchung des i und ü im mittelh,
während im angelſ. i und y leicht verſchwimmen, im neuh.
zuweilen ie aus mittelh. uo entſpringt, (mieder, lieder-
lich). — 763, 32. das ë in-zëc deutet den urſprung aus i an,
hat aber keinen ton mehr; hier oder ſ. 414 wäre der über-
gang des z in Ʒ zu erwähnen geweſen, welcher bei der
zahl driƷec (: vlîƷec, ſlîƷec reimend) eintritt, alle übri-
gen decaden behalten z. Die ſache begreift ſich nach
ſ. 412. 413. leicht. — 776, 22. wohl beßer wormez (b.
Leichtlen wormetz). — 781, 40. M. S. 2, 22bmîner ſelbes,
doch verdächtig. — 787, 12. Wolfr. hat noch meiſtens
ime (: nime), im jedoch Wilh. 2, 64a; Conr. Rud. haben
im. — 787, 17. vgl. inne (iis) M. S. 2, 203b altmeiſterg.
44b. — 792, 40. dëm : genëm Parc. 142a. — 792, 41.
dën : ſen reimt Wilh. 1, 39b 66a 133a; den läßt ſich, we-
gen undenkbarkeit des umlauts, nicht wohl annehmen,
obgleich auch dën (goth. þana, altn. þann) unorg.
ſcheint. — 796, 37. in einem hſ. paſſionale reimt dis
(hujus): is (eſt). — 808, 15. beßer erklärt ſich wohl dings,
zeugs etc. ſyntactiſch als der von beigefügten interrog.
abhängige genitiv; aus waƷ dinges wurde: was für
ein dinges, endlich: das dinges. Entſcheidend iſt auch,
daß niederdeutſche mundarten niemahls : dinget ſagen,
wohl aber : wat vör en dinges, alſo offenbare genitiv-
form. — 816, 9. man kann auch das heutige : mit alle
dem, mit nichten für überreſte des alten inſtr (mit allû,
mit nihtû?) anſehen. — 842, 23. rika beruht bloß auf ri-
kis Rom. 12, 20. — 844, 12. frêt (dann auch êt?) iſt
leicht richtig vgl. ſ. 1039. — 844, 33. hier auch hneivan,
ſpeivan, bliggvan, ſiggvan anzuführen. — 844, 42. auch
raþjan und hlahjan. — 854, 12. faúrhtjan, faúrhta ſt.
faúrhtida kommt zwar nicht vor, folgt aber aus aller
analogie und dem ſubſt. faúrbtei (timor). — 858, 15 über
halzu vgl. 1033. — 859, 23. pahhu, puoh, part. chipah-
han (gl. monſ. 383.). — rîdu (torqueo) reit, ritumês,
ritanêr? vgl. ſ. 936. — 860, 6. die bedeutung des hochd.
rîſan (cadere, defluere) ſcheint dem ſächſ. und nord.
rîſan, riſa (ſurgere) ſchroff entgegengeſetzt; im goth.
iſt die letztere bedeutung mit dem compoſ. ur-reiſan
(ſt. us-reiſan) verbunden, der C. A. gewährt nirgends
das einfache reiſan und ſo ſteht auch angelſ. ſtets a-rìſan
(ſurgere) welches dem alth. ur-rîſan parallel wäre, wo-
von jedoch nur das ſubſt. urriſt (reſurrectio) [T. 7, 8
[1081]nachtrag.
209, 5. ſcheint urreiſtî zu ſtehen?] übrig iſt. Beide wör-
ter könnten daher eins ſeyn und wie rinnan das nieder-
fließen, ur-rinnan das aufſteigen (oriri) ausdrückt,
ebenſo rîſan und urrîſan ſich verhalten, nur daß der
hochd, dialect jene, der ſächſ. und nord. (mit wegge-
worfener partikel) dieſe bedeutung feſthielt. — 864, 22.
oder gehört das hier im ſinn gehabte irwigan (confec-
tus) der gl. monſ. zu irwîhan (conficere) nach VIII? —
867, 36. N. auch ſchon lît (jacet). — 868. N. gân (eo)
gânge (eam) vgl. Fügliſt. bei Stalder p. 161; der alth.
imp. lautet : kanc. — 869, 33. ſpenjan, ſpenita (ſollici-
tare) gl. monſ. 327. — 869, 34. perjan, perita (terere,
verberare, percutere) gl. monſ. 337. — 870, 32. hier iſt
das praet. conj. prenti, prentîs etc.; (oder pranti, pran-
tîs) ausgelaßen. — 87, 13. helzan (debilitare) halzta O.
V. 23, 281. gl. jun. 201. — 871, 16. ka-huemman (ma-
culare) ſchreiben gl. hrab. 966b — 871, 22. lenkan, lancta
(protrahere). — 871, 33. hecchan, hahta (pungere) vgl.
gl. monſ. gihactêr (percuſſus). — 871, 40. irran, irta
(impedire). — 876, 3. ridôn (tremere) N. 2, 11. — 876,
21. ſcarpôn (concidere) gl. monſ. 329. — 877, 3. prâhhôn
(proſcindere) gl. monſ. 334. — 886, 29. vorahtan, vorahta. —
920, 11. die I. ſg. praeſ. heiti (vocor) iſt ſchwach, doch
hat der inf. heita, nicht heitja. — 932, 2. gê, bringe
liederſal 488. — 932; 40. rîtes : ſtrîtes Parc, 37b ſlindes:
geſindes Wilh. 2, 28a vgl. ſ. 945. — 933, 13. wahrſchein-
lich iſt es gar kein imp., da auch bei ſchwachen ver-
bis z. b. leſchâ-leſch, kêrâ-kêr gebildet wird, nicht
leſchâ-leſche, kêrâ-kêre. — 934, 26. neuwen bei H.
Sachs f. molere, tundere. — 934, 31. geloffen : offen
liederſ. 244. — 936. 24. inf. ſchîben liederſal 157. —
937, 18. Wilh. 2. (nicht 1), 5a lieſt cod pal. geſweich —
938, 34. für brëhtiu M. S. 1, 3b ſteht in der hſ. (nach
Raßmann) und bremer abſchr. liehtiu. — 940, 31.
Lachm. ausw. 303, unterſcheidet zwei formen: wirren,
war, gewurren und wërren, war, geworren. — 944, 42.
ſteit : gemeit meiſterg. 23a (in der näml. ſtrophe ſtât:
rât). — 946, 23. dern (laedere). — 947, 18. reit außer reim
Triſt. ed. Groote 2566. f. reget (ſt. regte). — 953, 7.
unleugbar iſt ſuont (f. ſuonte): ſtuont Wilh. 1. 129a. —
955, 5. korn (guſtare). — 956, 28. krônen (coronare). —
958, 18. auch M. S. 1, 9a ich gedenken : krenken. —
963, 4. wiſte fragm. 23c liederſ. 242. — 963, 17. gewiſt
liederſ. 239. — 966, 9. tân, liederſ. 113. 310. 379. —
Z z z
[1082]nachtrag.
969, 37. unorganiſch in II. ſg. ſtatt brâhteſt zuweilen
die ſtarke form bræhte M. S. 2, 148b (wo breht). —
967, 3. hiet, liederſal 463. — 987, 40. mit dieſem ein-
fluß des t vergl. die ſ. 873 angeführten praet. aus T. —
1016, 21. mittelwahſen (ſtatura humilis) ſprochen, alt-
ſprochen liederſ. 161. 302. — 1016, 23. krônet auch lie-
derſ. 367. 378. 522. vgl. gekrônet Nib. 2830. 2839. Barl.
335. (301. gekrœnet nach erſter conj.) — 1021, 24. T.
einigemahl -enna ſt. enne. z. b. 85. 87. zi nëmenna,
ëƷƷenna, der alte dat.-a ſt. des ſpätern -e (ſ. 612).


[]

Appendix A Wahrgenommene druckfehler, lies:


3,1. überlaßen. 4,20. verhältniſſe. 16,40. ſtyfðr. 20,7.
litthauiſchen. 34,39. falþan. 36,33. ein ïuis zu tilgen.
37,17. têhund ausgefallen. 38,39. ſiggvan (canere). 38,
14. φίλιππος. 40,39. pronomen, 41,36. gaguds. 46,
34. lytrum. 48,34. ὀρυχὴ. 49,22. ïdreiga. 49,32. rei-
ſan (ſurgere). 51,3. ἀσώτως. 52,25. ſtamms ausgefallen.
53,7. gaſtaldan (ſt. faldan). 53,9. falþan ausgefallen.
53,12. fimf. 53,23. runs ausgef. 53,29. gards. baúrds
ausgef. 61,26. t,. 62,31. þata fôdidô. 66,31. SKR
ausgef. 73,6. Luc. 8,6. 83,21. ëƷ. 86,18. puzzi. 86,
19. K. O. T. 88,11. truhſâƷo. 88,28. gl. jun. 206. 89,
26. ſcâra (forfex). 108,37. famae, benedictus; 110,15.
verhältnis. 113,33. triphthongen. 118,1. bëſamen.
123. bewamtêr ſt. biwemmitêr. 148,26. 974b. 155,5.
baitrs. 160,9. calculus,. 175,24. lingualverb. 193,25.
pyra. 213,23. wîpes. 221,30. hrêo. 229,12. bâd (ex-
ſpectavit). 231,40. öi (ſt. œi). 252,26. ſnîdhan. 255,
31. þvëorh. 267,18. hnägan. 267,22. hräd. 271,19.
o (ſt. e). 298,18. lehren (ohne comma). 313,12 dög-
urdhr. 317,30. hrîs. 338,40. ö für e. 343,17. nach-
ſteht. 343,38. bër (feram). 345,23. ſiebente. 345,29.
abgeholfen,. 350,18. Barl. 352,20. 2,72b. 353,32. ca-
mâhiu. 355,20. volis manuum. 361,21. Reinmar.
386,28. misgriff. 387,39, 139c. 388,29. al, alles. 389,
2. trol, trolles. 391,12. liquide verb. 391,30. erkirnen.
393,22. liquide verb. 394,19. gebürte. 429,8. ridere.
433,44. gihe (fateor) gich (fatere). 443,15. dûhte. 446,
32. ſlegt zu tilgen. 455,37. baſtharde. 465,40. ſibylla.
487,41. enkerwen. 499,29. (ſomno). 518,8. fehler-
haftem. 519,12. ſehnen, 527,40. ſchr. 585,10. viur.
585,13. vlôh. 592,11. ſzirdis. 604,28. qvêns, qveins.
608,4. fiſkja. 608,21. unhulþô. 608,22. qvinô. 610,
33. acc. pl. 612, 10, 11. a (ſt. â) o (ſt. ô). 613,1. ëtar. 618,
2. zâla (inſidiae.) 619,12. minnaſamî. 619,25. enſtjô. 619,
41. êht. 620,19. vlôh. 623,9. nezzin. 623,17. nezzi.
623,22. vlezzi. 628,41. côtlîhhê. 629,3. kinuhtſamîn. 631,
15. liebſamî. 632,11. fingirî. 637,26. Maſculinum.
638,29. beám. 642,33. mëarc. 644,16. leáf. 659,9.
hâls collum zu tilgen. 662.39. nŷra. 677,7. ſchaft,
ſchiht. 679,23. obeƷ. 684,26. ſtuobe. 695,27. ſitz.
700,27. bittre. 744,18. glates und 28. ſates, vgl. ſ. 417.
745,40. höchſt. 745,41. vilre. 800,12. wëlher. 803,
37. ſuâſaƷ. 808,20. palkimu. 815,34. -aƷ. 824,41.
[] pitarah. 841,10. lêta, ſino ausgefallen. 855,42. at andbaht-
jam. 858,8. -iſt. 858,36. ſtôƷu. 858,44. plâſu ausgef.
864,12-14. in I und III. pl. -e ſtatt -ê. 868,36. conj.
872,12. laetificare. 877,15. piſôn. 877,23. roupôn.
879,26. râmên. 879,32. inſakên. 896,16. ſceppe. 896,
17. ſteppe. 904,44. tellan. 929,7. I. III. ſg. 940,28.
ein twinge zu tilgen. 940,42. ê; 946,16. imp. ner,
pl. nert. 949,36. lupte. 962,17. ſeyn. 969,22. v.
mîſen. 990,33. ſplît. 991,32. bezin. 1013,42. ein
cod. zu ſtreichen. 1024,8. anſebbju. 1033.28. liuhtu).
1034,36. naktr, vandr. 1036,36. 916. IV, 4. maſſen.
VIII, 14. X, 45. XI, 17. XVI, 13. maſſe. — In dem ver-
zeichn. 1022-1030. hat der ſetzer, ohne daß ich es
gleich merkte, einige fehler meiner bezifferung berich-
tigt, ſo daß nun verſchiedene nach der hſ. gemachte
citate auf den folgenden blättern nicht mehr genau tref-
fen; man ſchlage dio vorher oder nachſtehende nummer
auf und wird ſich zurecht finden.


[][][]
Notes
*)
Ich weiſe auf eine in kurzem erſcheinende abhandlung mei-
nes bruders Wilhelm über die runen.
*)
Ich gebe auch den lat. langen vocalen das dehnzeichen, die
andern ungedehnten ſind dann kurze.
*)
Zu ſolchen ſpäteren dehnungen gehören alle fälle, wo die
poſition an ſich ſchon vorhanden war, mithin ſcharfer
ton, z. b. vart, woraus man fahrt machte, da es früher
ganz wie hart lautete; aber man ſchrieb einmahl fahren
ſt. varn.
**)
Nordiſch gripa, gripu; giuta, gotinn. Ich erwähne bloß
hier, weil man dem verfaßer der ſkâlda eine nur ge-
lehrte, ſteife anwendung priſcianiſcher regel zutrauen
könnte, daß auch er die latein längen und kürzen in ſei-
ner ſprache findet und nachweiſt (Skâlda p. 278. 279. vergl.
305.) in beiſpielen wie dura, dûra; runar, rûnar eto.
Sollte er nicht die kurzen a in ari (aquila) api (fimia)
noch lebendig gefühlt haben?
*)
Selbſt Notkers mit freier abſicht verſuchte nachbildungen
antiker versmaße (im Boethius).
**)
Beßere namen als männliche oder weibliche und nach
dem vorgang der meiſterſänger; mit dem ausdrucke ſtumpſ
(hneptr. ſtŷfƀr) ſtimmt ſchon die nordiſche ſkâlda. Bei-
derlei reime ſind in den mittelh. ſtrophen ſtrenge geſon-
dert und können ſich nicht vertreten, in den minnelie-
dern verſchränken ſich beide oft und ſtets regelmäßig.
Das ganze lied von den Nibelungen hat keinen klingen-
den reim, der ganze Titurel keinen ſtumpfen.
*)
Inſofern mir bei der durchſicht nicht einzelne ausuahmen
entgangen ſeyn ſollten, welche der durchgreifenden regel
doch nicht viel benehmen würden. Scheinbare ausnah-
men ſind: inan IV. 24, 29. (man verbinde: niminau),
ſuerit: werit II. 19, 13, (man 1. ſuerje: werje) und ſo
laßen ſich ähnliche andere rechtſertigen; einigemahl
ſcheint der dichter wiewohl ſelten ein ſolches wort, doch
ſtets im reim auf ein anderes regelrecht ſtumpf oder klin-
gendes zuzulaßen; daß ihrer zwei auf einander reimen,
glaube ich nicht.
**)
Lachmanns auswahl XVII. not. 8. ſolche reime ſind volks-
mäßig und ſelten, Otfrieds ſämmtliche klingende für
ſtumpſe dieſer art zu erklären ſcheint mir ſehr gewagt.
*)
Adelungs begriff von dehnung iſt zu weit und begreife
nicht allein die eigentlichen gedehnten (d. h. doppelten)
laute, ſondern auch die ſchwebenden.
*)
Das vielbeſprochene lebendig läßt ſich ſchon erklären:
der tiefton, den urſprünglich die endung -andi im partic.
hatte, hat gehaftet und ſich in den hochton, den hohen
ton der wurzel aber in einen tiefen verwandelt. Folge-
rechter nach dem allgemeinen ſprachgang hätte die wur-
zel den acutus behalten und die zweite ſilbe wenigſtens
tonlos werden müßen. So iſt es auch im mittelh. und
bei Gryphius.
*)
Wie nach dem wegwerfen könnte man hier nach dem
einſchalten fragen; doch es gibt nur ein ſcheinbares ein-
ſchalten, darum weil man der ſprache nichts zu geben ver-
mag, ſondern bloß zu nehmen. Ausbildungen der wur-
zel ſind entfaltungen ihrer keime und entſproßenen bil-
dungen läßt ſich wiederum ſo wenig einſchieben, als der
wurzel ſelbſt. An vocaleinſchaltung wird niemand den-
ken. Unter den conſonanten möchte man j. g. v. und h.
für ſolche halten, die zuweilen eingefügt würden, wie
in ſpiwan (ſpuere) eigir (ova) aha (aqua); aber es ſteht
zu zeigen, daß ſie ſich aus vorhergehenden vocalen ent-
wickeln oder wegfallende erſetzen, und nirgends müßig,
dem wohllaut zu gefallen da ſind, der anſcheinende zuſtand
der uneinſchaltung alſo oft eine zuſammenziehung verräth.
Mit gleichem rechte dürfte man ſonſt das n anführen, das
ſich in biene, birne (früher bìa, bira) entfaltet; dieſes
ſelbe n waltet aber auch in ein, mîn, dìu, ſìn, zwêne,
ſwìn etc. (lat. unus, [εἴς] meus, tuus, bini, ſues nicht
auf gleicher reihe). In dem franzöſ. mon, ton, ſon (ital.
u. ſpan. mio etc.) finde ich germaniſchen einfluß; doch
alles dies gehört in die wortbildungslehre. Ebenſo kann
erſt bei erörterung der zuſammenſetzung unterſucht wer-
den, ob der ſpirant ſ. eingeſchaltet werde. Was man für
wirklichen zuſatz anerkennen muß, wird ſich als unor-
ganiſch ausweiſen, z. b. das t. in -ſchaft ſtatt -ſcaf.
*)
Alles zeugniß für das geſetz der alliteration. u alliteriert
mit dem halbvocal v. und hl. hu etc. gelten für einen
buchſtab.
*)
Im mittelh, fällt das [e] nach kurzem vocal und liq. regel-
mäßig aus, als hëln (celare) dent (tendit) hern (vaſtare) etc.
**)
Adelung führt ſie §. 87. auf, aber mit andern vermengt,
deren dehnung gerade umgekehrt auf dem urſprünglich
langen laut beruht (wie mond, wuchs). Die wichtigſten
beiſpiele ſind: art, arzt, bart, erde, harz, herde, obſt,
pſerd, ſchwarte, ſchwert, vogt, warze, werden, werth,
zart. Hierunter arzt, pſerd, vogt, vielleicht auch bart
undeutſchen urſprungs und in fremden wörtern begreifc
ſich der abweichende gang der ausſprache.
*)
Schon nach dem vorgang der Römer und Griechen bei der
muta vor liq. und ſelbſt bei μν, πτ, στ, κτρ. vgl. Butt-
mann p. 38.
**)
Beſtärkt durch die ausſprache des nordiſchen hagl, þëgn etc.
nach Raſk §. 55. haggl, þëggn.
*)
Daher im mittelh. dieſe drei mediae häufig untereinander
reimen.
**)
Da in einigen obiger beiſpiele die gedrängten vocale in
einen doppellaut verwachſen, ſo fragt ſichs: ob überhaupt
die doppellaute (gedehnte und diphthongiſche) aus frü-
heren contractionen zu erklären ſind? Ich möchte es
nicht geradezu einräumen und auf jeden fall wären die
beweiſe aus den tiefen der wortbildung und ſprachver-
gleichung zu ſchöpfen. Die antwort gehört alſo am we-
nigſten hierher. Einzelne fälle von diphthongen, die aus
dem hiatus und der eliſion entſpringen, wird die buch-
ſtabenlehre genug liefern.
*)
Man unterſcheide zuſammenſetzung von der endung und
namentlich von der bildungsendung, wo eine fremde
wurzel der eigentlichen wurzel (meiſtentheils hinten)
angefügt wird und mit ihr verwächſt. Zuſammenſetzung
aber tritt ein, wenn ſich vornen eine andere wurzel au-
ſchließt. Hier ſind in der regel beide wurzeln klar, bei
der bildung verdunkelt ſich die verwachſene zweite. Nur
ausnahmsweiſe gehen zuſammenſetzungen in ſcheinbare
bildungen über.
*)
Bei Junius fälſchlich ïaiſus; die hſſ. ſchreiben abgekürzt
ïs̅. ïua̅. ïuis̅ ïuis f. ïêſus, ïêſuis, ïêſua.
**)
fehlerhaft ſchiene die vertauſchung des ê mit dem kurzen
i, wenn ſie nicht faſt zu häufig wäre, vgl. endungen wie
ſpilli ſt. ſpillê (Tit. 1, 14.); filêgri und filigri; und wur-
zeln wie: bêruſjôs u. biruſjôs; ſvêgniþa u. ſvigniþa (Luc.
1, 44.) ja im ablaut qvimi, nimeina ſt. qvêmi, nêmeina etc.
Sollte hier ausnahmsweiſe ein langes ì aus dem ei ent-
ſprungen ſeyn, deſſen berührung mit ê oben angegeben
iſt? So ſteht auch gabigs neben gabeigs, umgekehrt aber
drêbi (Marc. 5, 10.) ſt. dribi. Selbſt die im text ange-
führten goth. eigennamen gibimêrus, ricimêrus zeigen den
wechſel mit i, ariamirus, hildemirus, ricimirus.
*)
Wenn Raſk (preisſchrift p. 164.) ȣ = û und υ = u ſetzt
und p. 197. σȣναυ ſchreibt, ſo iſt das nicht zu billigen;
theils hat Ulph. hier ſtets dasſelbe zeichen (n), theils ge-
bührt jenem worte: ſun, nicht ſûn.
*)
Eine andere anomalie iſt die alth. gemination pittar in
dieſem worte. (vgl. unten beim alth. t.) Merkwürdig,
daß die Byzantiner γήπαιδες und γήπεδες, lateiniſche ſchrift-
ſteller wie Jornandes u. a. gêpidae, gêpidi ſchreiben.
*)
Den hebr. eigennamen naúêl (νοὴλ, denn ſo und nicht
νῶε muß der Gothe geleſen haben, wiewohl ich bei Wet-
ſten, Woide, Birch keine ſolche variante finde) wird man
nicht einwenden.
*)
Fälſchlich ſchreiben Zahn und Reinwald jup, jumjô ſt.
ïup, ïumjô
*)
Nämlich für die buchſtabenlehre; die andern hier über-
gangenen formen: lg. lk. lm. rb. rp. rg. rk. rm. etc. wer-
den nebſt den hier berührten in der wortbildungslehre
näher beſprochen werden.
*)
Vgl. das att. ῤῥ mit dem jon. ρσ. Buttmann p. 84.
**)
Ich ſehe hier davon ab, daß ſelbſt wenn man einen frü-
heren, ungeſchärſten goth doppellaut ái, áu vor dieſem r
annimmt, die obige regel immer damit zu ſchützen ſeyn
wird, daß in den zur frage kommenden ſcheinbaren wur-
zeln die zuſammenziehung deutlicher als ſonſt liervorgeht,
d. h. das zweiſilb. vaírp-an auf ein älteres dreiſilbiges
vair-ap-an weiſt, und ſo mit allen übrigen.
*)
Θορισιν bei Procop. 2, 34. vgl. mit Αὐδουΐν ſteht für Θορισουΐν,
d. h. þariſvins.
*)
Um das ital. pitocco können das goth. bidagva und gr.
πτωχὸς ſtreiten.
**)
Man unterſcheide die fälle áiv, áivis; heiv, heivis; vaúrſtv,
vaúrſtvis genau von den umlauten triu, trivis; hauan, havi.
So ungothiſch triu, triuvis; hauan, hauvi wären, eben ſo
ungothiſch würde es ſeyn, von áivis, heivis etwa den
**)
nom. ái, hei oder gar áiu, heiu zu bilden. In letztern
iſt das v veſentlicher und conſonantiſcher. Desgl. in
ſlavan verglichen mit báuan.
*)
Daher Attila (Ἀττίλας, Ἀττήλας), bei den Byzantinern auch
Οὐίττιγις.
*)
Dieſe wurzel uzd ſichtbar in goth. namen, Οὐσδρίλας (al.
rectius οὐσδίλας) Ο᾽σθας (? οὐσθας) Procop. 4, 28. 3, 19; Οὐσδη-
βαδος
bei Menander (exc. de legatt. p.76. 77. 104. 105.)
Oſdulfus (conc. tolet. VIII.). Das goth. Οὐσθουίν wäre
ganz genau das alth. Ortwin, das nord. Oddrûn würde
dem Gothen nicht anders lauten können, als Uzdrûns.
**)
Mit der zweizahl und unſerm zweifeln, wie Reinwald
meint, hat dies goth, wort nichts zu ſchaffen.
*)
Zu den beweiſen, daß das lat, c vor e, i etc. den k laut
urſprünglich und lange gehabt hat, (Schneider p. 244. 246.)
kann aúrki (urceus) faſkja (faſcia) lukarn (lucerna) und
auch dieſes akeit gezählt werden, das die Gothen nebſt
andern wörtern aus dem Latein und ſchon vor Ulphilas
zeiten angenommen haben muſten. Dem richtig ausge-
ſprochenen acetum fügt fich auch die alt- und angelſ.
form ekid, eced, während andere mundarten die
gutt. mit der ling. vertauſchen: dän. edike, ſchwed. ät-
tikja, lett, ettikis, alth. eƷih. Letzteres wurde aufge-
nommen, als bereits die ſpätere, ziſchende ausſprache
des lat. c galt und erſt aus dem hochd. Ʒ erklärt ſich
nun das niederd. t und gar dän. d in dem wort, deſſen
wurzel- und endungsconſonanten auf den erſten blick
bloß gewechſelt zu haben ſcheinen könnten. — Der Gothe
gibt auch Πόντιος durch Puntius.
*)
Ausnahme ſcheint vái (vae!) und vajamêrjan; bái und
bajôþs.
*)
Alt- und mittelh. auch Iſrahêl, Rafahêl, Gabrihêl, Danihêl.
Die lat. übertragung hat gehenna, Abraham, Johannes,
aber nicht behelzebul etc.
*)
Sie war ſchon altlateiniſch, ſ. Schn. p. 316. 317.
*)
z. b. ſagm (ſella, olitellae) alth. ſaum, gr. [...]άγμα, wo die
ähnlichen δράγμα, νάγμα, τάγμα, πρᾶγμα, φράγμα, χαράγμα etc.
auf das thema -άττω, -άσσω zurückweiſen.
*)
Dieſes allein weiß ich kaum genügend zu zerlegen; zwar
der hintere theil, die partikeln þáu, iſt klar, was aber
áiþ oder aíh bedeute? nicht. Vgl. das alth. ëddô, odô
angelſ. oððe.
*)
Die runenalphabete drücken unter den vocalen eigentlich
Die gedehnten aus und benennen auch ſie vorzugsweiſe.
**)
In deutſchen mundarten ſelbſt iſt der übergang des a in
o höchſt ſelten, doch gehört dahin halôn (arceſſere) J. T.
und gl. jun. 196. — aber holôn. O; vgl. den wechſel der
adj. endung -aht und -oht; auch unten die bemerkung
beim diphth ou.
***)
Gleſum, Tac. Germ. 45 Plin. hiſt. nat. 4, 30. 37, 11. werfe
man nicht ein; es wird einem nördl. volksſtamm zuge-
ſchrieben und ſtimmt mehr zum nord. gler, als zum
hochd. glas.
*)
Scheinbare ausnahmen ſcamil (ſcabellum) 98, 5. ſcadil (no-
civus) 100, 2. gagen (contra) etc. die alte endung war a,
ſcamal, ſcadal, gagan und das i ſteht fehlerhaft für ton-
loſes e.
**)
Von dieſer nichtſchreibung eines vorhandenen umlauts,
die allerdings für ſich hat, daß die ſchrift der veränder-
lichkeit der laute nicht auf dem fuße folgt und oft ganz
zurückbleibt (wie im engliſchen), fällt mir ein hierher
gehöriges beiſpiel ein. Die Franzoſen ſchreiben païs, ayant
und ſprechen peïs, eyant.
*)
Erſt hatte ich das litth. einpunctige e gewählt, zog aber
hernach das zweipunctige vor, das ſich in den meiſten
druckereien befindet. Lachmann ſetzt ę für mein e und
e für mein ë. Das ę iſt hiſtoriſch und aus lat. hſſ die es
für ae ſchreiben, in alth. und nord. übergegangen, die es
denn gleich dem æ für ê, zuweilen für ë und e gebrauchen
(ſ. unten beim ê, aus dieſem ſchwanken und dieſen aus-
nahmen wollte ich keine regel machen. Das ë ſchien mir
beßer den dem i näheren laut zu bezeichnen und beßer
dem goth. aí, nord. ia (woneben auch ë gilt) etc. zu ent-
ſprechen. Nimmt man es an, ſo bleibt das gewohnte e
fürs umlautende a und kein ę wird nöthig. — Umgekehrt
möchte manchen das ë für den umlaut, das e für den
aus i oder entſpringenden laut gefallen, wodurch theils
die ſich ſo [analogen]e und o (aus u und aú entſpringend) —
theils die umlautszeichen ë, ö, ü auf eine reihe kämen.
Allein dann hätte man offenbar nicht ë, ſondern ä für den
umlaut ſchreiben müßen, was doch einſprache leidet. —
Nicht unbedeutend für die anſicht des e-lauts überhaupt
ſcheint, daß die alten runen ihu durchaus nicht bezeichnen,
weder e noch ë, ſondern beide mit a oder i ausdrücken.
Zwar die ſächſiſchen geben ſpäter ein e-zeichen, wel-
ches ſie ehu (equus) benennen; man kann es aus dem nord.
*)
Mehr unten, bem. [...]. zu den alth. voc.
*)
jôr, gen. jôs oder aus eikr erklären. Sicher aber bedeutet
dieſe rune nicht den umlaut des a, ſondern entw. ë oder
das gedehnte ê. Das lat. equus hat ein kurzes [e].
*)
Die einzigen auf i auslautenden einſilb. wörter ſind die
negation ni und partikeln bi-gi-, die aber bei N ſchon
ne und pe, ke lauten (d. h. në, pë, kë).
**)
vgl. den eigennamen Sido, Tac. ann. 12, 29. hiſt. 3, 5.
Vibilius, ann. 2, 63. 12, 29. idiſtaviſo, ann. 2, 16. oder wäre
Sîdo, Vîbilius etc. zu ſetzen?
***)
Ungeachtet dieſer ähnlichkeit mit dem ë, um derentwillen
auch das o kein urſprünglicher und einfacher deutſcher
*)
In beiden ſlußnamen moſa (die maas, franz. meuſe) und
moſella (die moſel) wird das o corripiert. Die heutigen
Niederländer dehnen: maaze, alth. maſa und moſa; für
moſel aber muſelaha, moſelaha, unzweiſlich alſo kurzes
o und älteres u.
**)
Sie folgt auch aus dem verhältniß der ablaute i, a, u,
das dieſen wörtern zum grund liegt. Hält man fram zu
frum, ſcal zu ſculun etc. ſo wird es klar, daß o in der
ſpätern form fromm, ſollen, unorganiſch iſt.
***)
laut ſcheinen möchte, ſtehen ſich beide doch nicht ganz
gleich. Namentlich erſcheint o im alth. ablaut (giboran,
gibotan) und im mittelh. lautet es um in ö. Das ë lautet
nie um noch erſcheint es als ablaut.
*)
Analoge übergänge der lat. ſprache bei Schneider p. 26-32.
*)
Die gewöhnliche leitung von harz iſt ſehr unſtatthaft,
nicht allein des verſchiedenen vocals wegen, ſondern harz
würde auch harziſc, vielmehr hart, hartiſk, ergeben, was
völlig abweicht. Das dunkele ſwâb (ſvêvus) hängt ſicher
nicht mit ſchweif, oder ſchweifen zuſammen; vielleicht
mit einer verlorenen ſtarken form ſwëban, ſwab, ſwâbun.
**)
Notker ſchwankt zwiſchen mânôt und manôt. (Stalder
p. 215.)
***)
Weil ſie O. klingend reimen, was thara nach ſ. 17. nicht
könnte, auch ſcheint ſâr, ſâre analog. N. hat entſchieden
dâr (Stalder dial. p. 268, woneben p. 28. dara. fure?)
*)
Phapho (cleriens) ſtammt auch aus papa, wurde aber der
deutſchen ſprache mehr bequemt. In einer ravennet urk.
von 557. (Marini no. 79.): roſemud, qui faffo connomina-
tur. Oder wäre das ganz was anders?
**)
Sollte die untrenubare vorſilbe a- in abuh, abulgî, aſcafa,
ariup, alang. und vielen ähulichen lang ſeyn? zumahl
K. 23 b aabulkii geſchrieben ſieht; doch gleich daneben
abulkii, ſo wie 26 a akëƷƷalii, 29 a awëraf; es ſcheint
eher verwechſelt mit dem acutus, der allerdings ſolchem
a gebührt (oben ſ. 23) — N. ſoll âbent ſchreiben (Stalder
p. 11.) wogegen das nord. aptan und die verwandtſchaft
mit aber (retro), goth. aftan etc. ſpricht, doch die volks-
ausſprache obent, obet dafür. Nach der ſchweizerſprache
wäre auch blâtara, nâtara, âdara zu ſchreiben.
*)
O. zweiſilbige reime entſcheiden mir, wie für fâhan, hâ-
han, ſo für krâhen, knâhen. vgl. IV. 7, 33. 13, 70. 15, 64,
24, 35. etc.
*)
êo (unquam) und huêo (quomodo) ſollte man dem goth.
áiv, áiva und hváiva gemäß annehmen, wofür inzwiſchen
nirgend die ſchreibung eeo oder ęo, huęo ſpricht; wahr-
ſcheinlich lauten ſie ëo, huëo, wie auch der baldige über-
gang in -io, wio vermuthen läßt. vgl. hernach die be-
merkung darüber beim ia und io.
*)
Lêran, láiſjan hängt mit liſan (legere) durchaus nicht zu-
ſammen, welches die ſchwache form laſjan zeugen würde,
wie niſan, naſjan, alth. neren (nicht nêren). Vielmehr
ſtammt es von einem verlorenen ſtarken goth. leiſan, láis;
alth. liſan, leis, pl. lirun, welches ſequi bedeutete.
**)
Einige nähere beweiſe: die ableitungen áiſtan (aeſtimare)
und láiſtjan (ſequi) alth. leiſtan, vgl. máiſts und máis;
gáis ließe ſich etwa mit gáiſiþs (perculſus, betroffen)
Marc. 3, 21. vergleichen, empfängt aber entſchiedenere
beſtätigung durch gaeſum, γαισὸν das ſchon den Griechen
und Römern als ein barbariſches wort für jaculum be-
kannt war und das wahrſcheinlich, wie noch andere wör-
ter, die galliſche ſprache mit der deutſchen gemein hatte.
(ſ. Du Cange v. geſſum; Forcellini v. gaeſum). Krieger
mit ſolchen ſpießen bewaffnet hießen: geſati, γαισάται. —
Gewagter wäre es, in den eigennamen σεσίθακος (Strabo
7, 1.) und der goth. ſiſenandus, ſiſigis, ſiſifridus, ſiſebu-
tus jenes ſáis zu muthmaßen.
*)
Spuren hiervon in den gl. hrab. wo 952a mêƷ (ampu-
tavi) f. meiƷ; 954a frêdîg (apoſtata) f. freidîg.
**)
Aber ęrena 340. ęrnuſt 351. aerdha 361. ęrdha 364. aedhil 396.
hęrzin 403. ſind falſch, darum vielleicht auch das mehr-
mahlige ęr oder aer (ante) — die gl. ker. haben neben
ëpan (aequalis) aepan.
*)
Auch im latein. das ei älter, das î ſpäter (Schneider
p. 62-67. 70. 71.) vgl. des Ptolemaeus ἀλεισον neben Tacitus
alîſo. — Ob einige mundarten, etwa die altbairiſche, noch
ei ſtatt î zeigen? unten beim ei. Aus dem î erklärt ſich
der zuweilen eintretende übergang in i leichter, z. b. win-
zuril (vinitor) aus wîn.
*)
Fremde wörter ausgenommen, z. b. biſcôf (goth. aípiſkau-
pus), wiewohl N. nach deutſcher weiſe piſcouf annimmt.
*)
Das gewöhnl. alth. au wird hingegen auch durch au gege-
ben, z. b. raub, gauma etc. Die vergleichung der drei
hier in frage ſtehenden doppellaute iſt alſo folgende; dem
gemeinalthochd. au, ô, ua entſpricht in den hrab. gl. au,
ao, ô
; (niederd, überall ô, ô, ô).
*)
Eine ſeltne ausnahme gewährt auch hier J, 361, 12. âdh-
muot (flat) neben 361, 13. âdhmôt.
*)
Dieſe beiden einſilbigen könnten zweifelhaft ſeyn und wie
einſilbige â und ì ein älteres kurzes u vermuthen laßen.
Wenn ich im goth. þu, nu; im alth. dû, nû ſetze, ſo hat
jenes die analogie von ja und bi (neben nê und ô) dieſes
das ſchwanken bì und bi und N. beſtimmte ſchreibung dû,
nû für ſich. Das lat. tu iſt zwar lang, doch das gr. σὺ
kurz. Ferner ſpricht für der übergang in nuo (wovon
gleich nachher).
*)
Unorganiſch ſteht gl. ker. (Stalder dial. p. 36.) tauba f.
tûba. columba; vgl. O. houf (acervus) verſch. von hûſo.
*)
Den alemann. könig frao-mârius bei Amm. Marc. lib. 29.
bringe ich nicht in anſchlag.
**)
Zur Römerzeit mag wie im goth. noch das unverküm-
merte au gegolten haben, da ſie nicht bloß chauci ſon-
dern auch aurinia ſchreiben; doch iſt letzteres zweifelhafte
lesart. In gothones iſt ein kurzes o (d. h. ein urſpr. deut-
ſches u) weshalb die Byzantiner γ[ό]τθοι ſchreiben, nicht γωτθοι.
**)
Daher auch im calend. goth. (Maji ſpec. p. 26.) gu[t]þiuda.
Claudian braucht go richtig kurz, eine inſchrift (Gruter
161,2.) lang.
*)
N. accentuiert dieſen diphth. ganz richtig ei, weil indeſ-
ſen kein anderes ei im alth. davon zu unterſcheiden iſt,
ſo kann der accent geſpart werden. Auch O. wenn der
acutus dieſen deppellaut trifft, ſchreibt ſtets éi.
*)
Ift es aus der verwandtſchaft des einf. i und u zu erklä-
ren, daß K. einigemahl ia ſtatt ua ſetzt? 40b triabit
17b 30a priadra, doch ſteht 44b truabe und ſonſt pruadra;
28a trihtin f. truhtîn.
*)
Zu O. zeit war aber die natur des eigentlichen diphthon-
gen ſchon entſohieden, wie aus ſeiner acceutuation ia
folgt ( [...]íat, híalt, ría[f], níaƷan), während ia = ja umge-
kehrt den ton auf dem a hat, z. b. jágôn (venari).
**)
Unorganiſch iſt O ia in iamer (ſemper) ia-man (aliquis)
nia-man (nemo) ſtatt iomer, io-man, nio-man, indem
das o aus einem alten v entſprang, vgl. oben ſ. 90. note*,
und um ſo offenbarer, als O. ſelbſt das einfacho io (un-
quam) nio (nunquam) richtig und nicht ia, nia ſchreibt.
*)
Ein
zweiſilb. alſo undiphthongiſches ìa allerdings, etwa
in wörtern wie ohlìa (furfur) etc. (pìa, apis, heißt ihm
bina). Daſſelbe gilt von îo (ſemper) nìo (nunquam),
die wenigſtens urſprünglich zweiſilbig waren und wenn
ſie jetzt einſilbig ſind, doch aus dem grunde ſich nicht
ſchon in ie, ni[e] abſchwächten; vgl. joh (et), nicht jeh.
**)
Aber auch N. unterſcheidet iemer, niemer, ieman, nie-
man vom einfachen io, nio.
*)
Oder unterſcheidet er ie von îe? die ſehilterſche ausg.
der pſalmen weiſt bekanntlich weder accent noch circumflex
außer den pſ. ſcheint aber jenes incorrecte ie bei N. gar
nicht vorzukommen. — Man könnte ſich zur erklärung
der ſchreibung îe und ûo, abweichend von éi, óu, íu den-
ken, N. habe nicht ie, úo geſetzt, um den größeren nach-
druck auf dem i und u auszudrücken. Doch wäre erſt
der geringere auf dem e, o, i in éi, óu, íu zu beweiſen.
Meinestheils glaube ich. in allen fünf diphth. hat der vor-
ſtehende vocal gleichen nachdruck.
**)
Vornämlich den partikeln io (unquam) nio (nunquam)
worüber in vorausgehenden noten ſchon einiges bemerkt
worden iſt. Vielleicht waren ſie ihm noch zweiſilbig,
wie die häufige accentuierung íó, níó darthut? Auch joh
(et) lautet ihm niemahls jah und iſt ohnehin undiphthongiſch.
*)
Will man diutiſc (germanicus) von diot (gens) leiten, ſo
läßt ſich freilich die analogie des wechſels zwiſchen irdiſo
und ërda anführen, ſo wie zugeben, daß zumahl auslän-
der zwiſchen thendiſcus u. theodiſcus ſchwanken. Nähere
erwägung der conſonanten lehrt aber anderes. Der Gothe
unterſcheidet þiuda (gens) völlig von þiuþs (bonus, ἀγα-
θός
) und die ableitungen beider miſchen ſich nicht, na-
mentlich heißt das von letzterm ſtammende þiuþjan: prei-
ſen, ſegnen, berühmen. Im alth. iſt zwar das einfache
thiut (aptus, bonus, clarus) verloreu, doch ableitungen
haben ſich erhalten: githiutî O. V. 8, 17. (erklärung) gi-
thiuti (benedictus) O. III. 10, 47; githiuto (bene, feliciter)
und noch bekannter iſt das verbum thiuten, diuten (aptare,
explicare, interpretari). thiutiſo heißt folglich: bonae in-
dolis, ſamae; benedictus, wogegen thiotiſk (popularis,
gentilis) ganz etwas anderes, weniger ſchickliches ausſagt.
Zu meiner erläuterung ſtimmt das nord. þŷda (aptare,
explanare) und þŷdſkr (germanus), þiodverſkr iſt falſch
gebildet. Dem Gothen würde þiuþiſks (germanicus)
þiudáiviſks (gentilis) bedeuten. Verwandtſchaft zwiſchen
diot und diut mögen andere darthun, ich wollte gerade
ihre verſchiedenheit zeigen. Zugleich geht hervor, daß
die heutige ſchreibung deutſch auf einem richtigern ge-
fühle beruht, als teutſch.
*)
Warum nicht îu? da er ſonſt îe, îo, ûo ſchreibt? ſind
ihm îe, îo, ûo undiphthongiſcher als éi, óu, íu?
**)
Einzelne ſpuren des früheien iu ſt. û in giriuno (clam,
ſuſurrando) O. I. 19, 18. I. 27, 70.
***)
To[i]f (baptiſma) oiga (oculus) hoibet (caput) toigen (my-
ſterium) erloibet, ſämmtlich bei W. halte ich für falſche
***)
lesarten und das richtige ouga, erloubet kommt ſogar da-
neben vor.
*)
Bedeutend hierfür ſpricht, daß in den unbetonten endun-
gen das ô im alth. geblieben iſt, vgl. das goth. ſalbôn
mit dem alth. ſalbôn (und nicht ſalbuan, ſalbuon). Dies
iſt ſchon oben ſ. 96. bemerkt, wo noch andere beſtärkende
beiſpiele.
**)
Ich verhehle nicht, daß in einem hymn. des Junius ein-
mahl kruuaƷe ſt. kruaƷe (provocet) ſteht. Das könnte
wirklicher ſchreibfehler ſeyn. — Man vgl. übrigens die
f. 105. vorhergehende note über das analoge îe.
*)
Aus der ſchwächung folgt die änderung des lauts als mög-
lich, nicht als nothwendig; ohne zweifel hat die goth.
ſprache tonloſe laute gehabt, zu welcher annahme ſchon
ihre hänſigen ſyncopen (tonloſe und geſchwächte ſind vor-
zeichen reiſender ſyncopen) bringen. Allein ſie läßt in
unſyncopierten flexionen und wortbildungen den abge-
ſchwächten laut an ſich unverändert, d. h. háubiþ, liuhaþ,
manag behalten in háubidis, liuhadeins, managei den lant
bei, obgleich ſchwerlich den ton. Früher könnte auch
ein betonteres háubaþ, háubuþ etc. ſtattgefunden haben.
Wirklich zeigen ſich doch einige ſpuren eſoteriſches vo-
calwechſels, namentlich die ſ. 36. 40. angeführten verwand-
lungen gabeigs in gabigs; ſilêgri, ſpillê iu ſiligri, ſpilli;
krotôda, krotuda; viduvô, vidôvô; áinaha, áinô[h]ô; áinô-
mêhun, áinummêhun ſt. ainammahun (vgl. unten beim
unbeſt. pron.). Einige dieſer fälle weiſen ſogar die alth.
lautaſſimilation. — Gibt es auch in den alten ſprachen
ſolchen vocalwechſel? Man pflegt in ihnen nur zweier-
*)
Dieſer unterſchied zeigt ſich deutlicher im mittelhoch-
deutſch, wo die umlaute e, ö, ü æ, œ, iu cintreten, welche
laute der vocalwechſel niemahls erzeugt, ſondern nur ein
vages e und i.
**)
Das allerälteſte beiſpiel wäre aus der Römerzeit: cannine-
fates (Tac.) cannenuſates (Plin. h. nat. 4, 29.) cananivati
(Gruter 1003. 3) cananeſatum (id. 385, 1.), wiewohl dem
röm. ohr in unbetonten ſilben das geringſte zu trauen iſt.
*)
lei den acutus und gravis anzunehmen, da aber jener den
gipfel, dieſer das ſteigen und ſinken des tons ausdrückt,
ſo muß letzterer in der lebendigen ausſprache ſtufen ha-
ben, folglich auf ſeiner unterſten ſtufe tonloſigkeit und
verſtummen, woraus ſyncopen erwuchſen, gelten. Die
gr. atona ſind auch anerkannt (Buttm. p. 58-60.) und lat.
ließen ſich angeben. Mit der tonſchwächung tritt merk-
würdig auch hier vocalwechſel ein, vgl. caput, capitis etc.
und eine hiſt. entwickelung der romaniſchen mundarten,
würde viele dabei waltenden regeln und ausnahmen an-
ſchaulich machen.
*)
Es iſt ſchwer zu ſagen, wie und wann thurnîn, ſalìg in
thurnin, ſâlig übergieng; ſchwankte doch der Gothe be-
reits zwiſchen gabeigs und gabigs.
*)
Die ähnlichkeit und unähnlichkeit dieſer aſſimilation mit
dem umlaut ſpringt in die augen.
*)
Gewiß hängt ſie mit dem auch bei O. ſichtbaren wechſel
des wurzelhaften i[a], io, iu (oben ſ. 107.) und dem unten
beim w zu berührenden zwiſchen aw, ew und ow zu-
ſammen. — Ob nicht umgekehrt auch der wurzellaut auf
den der endung gewirkt hat? ich denke an worolt, du-
ruh, fëlehen, filihit, falah, fuluhun ſt. wëralt, durah,
fëlahan, filehit, fulahan? In letzterm könnte ebenſowohl
das u der flexion wirken.
*)
Doch auch in den endungen einiger partikeln, z. b. das
alte ânu (ſine) heißt bei N. noch âno und erſt ſpäter
âue; desgl. ſilu, ſilo, vile (multum).
**)
Die runen und ihre namen ſind hier klar und unveränderlich.
*)
Der vocalveränderung wäre etwan analog, daß der franz.
naſale auslaut n und der nichtnalale inlaut n in denſelben
wörtern den vocallaut verſchieden haben, vgl. ſiu, un
mit ſine, une.
*)
Goth. háis, wovon noch háiza (λαμπὰς) über iſt. Auf dem
wege wäre vielleicht Lucans neben teutates genannter
hêſus (dominus, illuſtris) der deutſohen ſprache und mythe
zu vindicieren.
**)
Z. b. zior (decus, decor) deutet auf ein zios, goth. tius.
***)
Das einfache wort muß gës geweſen ſeyn, wie das nord.
gær (? gër) und lat. heri zeigen; in heſternus blieb das ſ.
*)
Aus gleichem grunde ſchrieb und ſprach der Gothe vulf
und láuf. qvaþ und bsþ, obſchon die inlaute vulſis und
láubis, qvêþun und bêdun ergeben.
**)
Verwechſelungen einzelner wörter hatte hierbei die alte
ſprache kaum zu fürchten; ſcheinbare beiſpiele aus der
neuh. u. ſelbſt mittelh. treſſen ſie nicht. Wenn es uns
ſchwer fiele, lam (claudus) von lam (agnus), war (fuit)
von war (confudit) zu unterſcheiden, wenn wir daher
billig lahm, lamm, war und warr ſchreiben; ſo lauteten
die alth. formen: lam, lamp; was, war und das kurze a
fühlte man deutlich.
*)
Sollten ſich mit rückſicht auf den wechſel rs und rr die
deutſchen völkernamen marſi, marſigni nicht befriedigen-
der auslegen laßen?
**)
Wenn bei den geminationen ll. nn. rr. die ſ. 54. geſtellte
regel, daß ihnen nur ein kurzer vocal vorhergehen dürfe,
einigemahl ins gedränge geräth; ſo wird man am beſten
den geminierten conſon. aus li. ni. ri erklären, z. b. ſteinna
*)
Was ſcheinbar widerſpricht, ſind ſpätere zuſammenziehun-
gen, z. b. amſel, hamſter, alth. amiſala, hamiſtro.
**)
Dieſer form gehören ſchon die tencteri (Tac.) τέγκτερο[ι]
(Dio 54, 20.)
**)
(olla) gl. jun. 211. 216. bûrro (incola) aus ſteinja, bûrjo.
Jenes muß einen irdenen, zu ſtein gebrannten topſ be-
deutet haben; angelſ. ſtæne (gillo, poculum). Vielleicht
hat die gemination auf die vereinfachung des vocals ge-
wirkt und es iſt burro ſt. burrô, ſtënna ſt. ſteinna ge-
ſprochen worden. Hierfür ſcheint endlich zu ſprechen,
daß in der zuſammenziehung des comp. hêriro (ſplendi-
dior) in hërro (princeps, illuſtris, dominus) das ê (alſo
frühere ei) deutlich in ë verkürzt wird.
*)
Die jedoch im auslaut und vor t ſich zu m vereinfacht,
alſo ſuam, ſuammes ſt. ſuamp, ſuambes. Ganz folgerecht
pflegt auch umgekehrt mpt ſt. mt in wörtern einzutreten,
die eigentlich einfaches m haben, z. b. goumen (cuſto-
dire) goumpta O. I. 13, 28. kûmen (lugere) kûmpta O. III.
4, 43. 10, 10. wo jedoch die wiener hſ. kûmta lieſt; das
ſtehet überhaupt auch I. 22, 51. III. 24, 14.
**)
Vielleicht hieß bart und furt auf gotb. bazd, fuzd; (vgl.
für erſteres des litth. barzda, lett. bahrſda) und wenn
art goth. azd war, müſte das goth. asding (Dracontii
carmina, ed. Arevalus, Romae 1791. 4. p. 371.) alth. ar-
ting lauten.
***)
Pfërt nie ſtreitroß noch zelter, ſondern ein im ſchritt ge-
hendes, für reiſe und frauen tauglich, daher paßgänger,
dän. ganger, lett. gengeris, gleich dem fußboten (verna,
diener) geheißen. Nur erkläre ich damit freilich nicht,
warum das wort im alth. weder für verna noch für
equus vorkommt. Das nord. pëd bedeutet nicht equus,
ſondern neben verna noch ſonſt nanus, pumilio.
*)
Nicht einmahl in allen wörtern; die alten ſprachen zeigen
in manchen die tenuis, wo ſämmtliche dentſche aſpirieren,
nicht allein die hochd. z. b. ποὺς, pes, ſanſkr. padah; aeol.
πέμπε, lith. penki; πέρδειν, pedere, litth. pérſti (alth. ſër-
zan). Dieſe in allen deutſchen mundarten organiſche aſp-
darf mit der unorganiſchen, bloß im hochd. vorhandenen,
nicht verwechſelt werden.
*)
Vgl. den frauennamen pipara, den Trebellius Pollio, in
Salonino cap. 3. aus Gallienus zeit aufbewahrt hat.
**)
Namentlich framea (miſſile) welches man unpaſſend mit
pfrieme (acus, ſilum ferreum) nord. prion, niederd.
preem zuſammenſtellt.
*)
Er hat auch einigemahl die reine goth. tenuis behalten,
389 lantſcap. 404 ſcâp. 372 hilpit.
*)
N. hat im verbum ftephen (gradi) und ſcephen (creare),
daneben aber die ſubſt. êoſcefel (legislator) hôiſtaſel (lo-
cuſta) und offenbar ſchwankt in manchen wurzeln und
ableitungen die ausſprache zwiſchen f und pf.
*)
Wâffan auch O. I. 15, 90. und N. 21, 21; aber wâfan
O. I. 19, 30. oder beſteht neben wâfan ein waffan, wie
es der ſpätern ſprache gemäß iſt?
*)
Wohlverſtanden materiell (in den wörtern) nicht formell
(in der ausſprache), denn da ſich der laut einmahl ver-
rückt hat und dem goth. p das alth. f antwortet, ſo ant-
wortet dem goth f das alth. v. Formell ſind ſich das
goth. und alth. f natürlich gleich, jede mundart gebraucht
lie nur zu andern wörtern. Das goth. ſilu (multum) iſt
folglich ſchärfer, das alth. vilu (auch filu geſchrieben)
milder zu aſpirieren.
*)
Wegen verſchiebung der laute (ſ. vorausgehende note)
könnte man fragen, ob das alth. v nicht gerade wie der
goth. ſpirant v, hingegen der alth. ſpirant w, ob er gleich
materiell dem goth v entſpricht, anders ausgeſprochen
worden ſey? Hierüber hernach beim w.
*)
Nach der vorigen note vielleicht auch materiell; in frem-
den wörtern könnte die alte ſchreibung und ausſprache
gedauert haben. Die neuh, ausſprache dafid, efangelium
beweiſt nicht dagegen.
*)
Ausg. wenn O. das uu in einem großen buchſtab ſchreibt,
dann ſteht Vu nicht Uu.
**)
Wenn Otfried in der lat. vorr. ſagt “nam interdum tria
uuu, ut puto, (lingua theotiſca) quaerit in ſono, priores
*)
Beim ſchreiben iſt faſt unvermeidlich, daß zuweilen der
acutus das unrechte u trifft. O. IV. 28, 18. hat die pſälzer
hſ. uúurfin, die wiener richtig uuúrſin.
**)
Vgl. 8, 7. 51, 7. 51, 3 95, 6. etc. doch daneben auch uuúnſ[o].
31, 7. uuúnt 37, 6. uuúrim 103, 26. Wie ſteht der accent, wenn
er uurm, uurzella ſchreibt? vermuthlich uúrm, uúrzella.
**)
duo conſonantes, ut mihi videtur, tertium vocali ſono ma-
nente;” ſo kann er damit nur den fall meinen, wo die
drei u in einer ſilbe ſtehen, z. b. uuúntar, uuúahs, und
nicht den ebenfalls eintretenden, wo ſie aus zwei ſilben
aneinander rühren, z. b. thíuuni (virginis) d. i. thiu-wi;
hierauf paſt das umgekehrte ſeiner erläuterung.
*)
Ueberall find und bleiben es zwei conſonanten, wie auch
O. in jener ſtelle richtig ſagt, die ſich nur der vocalaus-
ſprache nähern. Auf keine weiſe darf das uu oder w mit
der verbindung hw oder hu verwechſelt werden. Erläute-
rung hingegen kann gewahren, daß in romaniſchen ſpra-
chen aufgenommene deutſche wörter mit anlautendem w
in gu übergiengen, z. b. guillaume, guido, guarnir, guar-
da etc. Hiermit ſtimmt das qu einiger alemann. urkunden
ſtatt w, als: quanzo, qualdoald, quolfwinus; (Neugart
no. 14. 15. von 744.) vgl. das goth. qváinôn mit weinon.
*)
Vgl. ôwiſtwîlâre Neugart no. 456.
*)
Freuuuidha J. 345. freuuui 355. iſt an ſich nicht zu ver-
theidigen, aber dem ouw und iuw vergleichbar, und di-
plome (bei Neugart etc.) zeigen wirklich die ſchreibung
auw, euw in manchen wörtern.
**)
Vorſpiel mag das goth. ô vor j ſeyn in tôja, ſtôja ſt. táuja,
ſtauja (ſ. 47.)
***)
O. ouu kann auch kein ouw ſeyn, da er die drei uuu nicht
vermeidet und ouuu geſchrieben hätte; eben ſo wenig ou-v
(der einf. ſpirant ſt. des breiten w), weil daneben die
ſchreibung ouuu (d. h. ouw) unbegreiflich ſeyn würde.
Wohl aber ſcheint er bisweilen im inlaute zu dem reinen
diphth. ou rückzukehren, wenn es mit den lesarten ſcouô-
ton IV. 35, 46. ſcouôn V. 17, 76. 20, 126. 23, 76, 575. 24, 121.
ſcouô 23, 453. richtig ſteht. Die wien. hſ. lieſt an einigen
dieſer ſtellen ausd rücklich ſcouuôn (alſo ſcôwôn). Das ou
wäre dem inlautenden iu ſt. iw analog. — Freilieh würde
nach dieſer letzten analogie das iw auf ein ow (und nicht
ôw) ſchließen laßen, allein die verſchiedenheit beider
fälle liegt darin, daß au oder ou in ô übergeht, nie aber
iu in î, folglich ôw, nicht aber îw (aus iu entſprungen)
begreiflich wird. Dem iw ſtehet aw, ew parallel, dem
unorganiſchen ouw, ôw aber iuw.
*)
Vgl. ſeine unterſcheidung zwiſchen iu, ia, io ſ. 107. und
die anm. ſ. 118.
**)
Das ſchwanken zwiſchen aw. auw. ow. ouw. ew. euw
und ſelbſt den übergang in aug. og. zeigt Neugarts index
in den mit gawi zuſ. geſetzten vielen ortsnamen überall.
*)
K. 42b knëum ſt. knëwum; der nom. lautet vermuthlich
kniu, knëu, ſo wie trëo, trëwes, arbor; oder ließe ſich
ein knêo, knê, knêwes annehmen? ich zweifle.
**)
In den urkunden Ichwankt ein häufiger weibl. eigenname
zwiſchen -niu und -niwi, auch -niwa, z. b. helidniu,
wulfniu, hruadniu, adalniu, wuldarniu, zeiƷiniu etc.
und helidniwi, wuldarniwi etc. Jenes ſcheint nom., die-
ſes gen. oder dat. Marini no 76, hat baudenivia, theo-
donivia.
*)
Da bei ihm der umlaut des û in iu beginnt, ſo zeigt er
zuweilen auch ein aus ûw durch umlaut entſtandenes iuw,
z. b. gebiuweda (aedificium) iuwela (noctua); formen
die in früheren alth. quellen unerhört wären.
**)
Dieſes part. ferliuwen (conceſſum) beſtätigt meine ganze
anſicht, denn die conj. fordert organiſch; ferliwen, ſo
wie im praet. pl. liw [...]n (commodabant); da man aber
einmahl die aus iu entſpringenden iw in iuw umwandelte,
muſten ſich auch jene iw (die aus der form îw ſtammen)
fälſchlich zum iuw bequemen; und ſo ſagte man ſpiuwen
(ſpuebant) giſpiuwen (ſputum).
*)
So muthmaße ich ein goth. ſeihva (cola) alth. ſiha aus
dem verb. ſìhan, ſeih, ſiwan, welches part. ſich neben
ſihan findet. — Man vgl. uralte eigennamen: naſua (ein
ſueve, J. Caeſ. 1, 37.) maroboduus (Tac. μαροβουδος, Strabo)
ateboduus (Gruter 758, 11.) catualda, inguiomerus.
*)
Tadelnswerth ſteht T.231,2. leibbâ (reliquias) erlauppe
K. 57b.
**)
Bei Neugart zubbo, zuppo etc., bekannt iſt das fränk.
pippîu, wofür nie pibbîn ſteht.
***)
Bedeutete köſtlich gewebten und gefärbten ſtoff und ſtehet
für purpur und ſeidengewand; nord. gudvëfr, angelſ. go-
dewëbbe; die erſte hälfte der zuſammenſetzung darf nicht
aus gut (bonus) erklärt werden, weil es ſonſt guataweppi,
gôdvëfr heißen müſte; aber gottgeweb, wozu die worte
ſtimmen, bedarf doch näherer beſtätigung.
*)
Vgl. ſigel-hvearf (ſonnenwirbel, ſonnenwende, heliotrop)
ſigelvare (aethiopes, die im heißen ſonnenland wohnen) etc.
*)
Der ſtrengalth. mundart, welche den laut th völlig auf-
gibt, alſo dorn ſchreibt, iſt auch das verſchwinden des
zeichens þ, und dafür das erſetzende zeichen der angelſ.
media am gerechteſten.
**)
Das alth. ziu fällt mit dem nord. tŷr zuſammen, der gen.
würde ziwis lauten und ziwistac oder zistac dies martis
heißen, welche letztere form ſich in der oberd. volks-
ſprache bis auf heute erhalten hat. Zugleich bemerke ich,
daß im nord. und ſächſ. neben dem namen des gottes
tŷr, tŷs; tî, tîves ein davon zu ſcheidendes ſubſt. tŷr,
tŷrar; tîr, tîres (fama, gloria bellica) beſteht, wiewohl
beide zuweilen in form und bedeutung vermiſcht worden
ſind. Dieſes ſubſt. dauert in der hochd. ſprache fort: zier,
zieres, früher ziur, und nach ſ. 121. vermuthlich zius;
fama, gloria, decus.
*)
Nicht die tenuis; merkwürdige abweichung ſchon des älte-
ſten deutſchen buchſtabenſyſtems vom lateiniſchen, daß die
ten. der lat. med., die aſp. der lat. ten. (vgl. þu mit tu)
entſpricht, während in der labialreihe die lat. und goth.
ten. übereinzuſtimmen ſcheinen. Sollte in der lingualord-
nung ſchon eine erſte lautverſchiebung jener zweiten vor-
ausgegangen ſeyn? Manche etymologiſche erſcheinungen
erklären ſich durch eine ſolche annahme, z. b. die ver-
wandtſchaft zwiſchen lingua und tuggô nur durch ein äl-
teres duggô, (da zwar die anlaute d und l wechſeln, nicht
aber t und l), wofür ein altlat. dingua ſpricht (Schn.
p. 255.). Noch andere ſpuren einer älteren media finde
ich im goth. du (zu) und dis- (zer) verglichen mit dem
lat. dis- und dem ſächſ. . Vielleicht gehört auch daddjan
hierher, was ein ſubſt. dadda oder daddô (θηλὴ) voraus-
ſetzt, womit das angelſ. tit zu vergleichen.
**)
Ein beleg aus noch älterer zeit iſt der gr. und lat. name
der perle: μαργαρίτης, margarita, nach Plin. 9, 35. vox
barbara und wo nicht aus der uralten deutſchen, doch
aus einer ihr nah verwandten ſprache geſloßen; angelſ.
meregrôt, alth. merigrioƷ (d. i. meerſtein, meergries),
früher alſo marigriot.
***)
Zwei angelſ. wörter bieten vergleichung für tencteri
dar: getenge, gravis, incumbeus (alth. gizengi) und ge-
tinge, lepidus, ſacundus. — tungri macht den ſing. tun-
ger (Gruter 334, 3) wie cimbri, cimber (ib. 410, 7.),
alſo ein deutſches adj. tungar (alth. zuugar) vielleicht
mit tunga (lingua) oder tungal (ſidus) verwandt.
*)
Daher die häufigen ſtädtenamen: lugdunum, caeſarodunum
etc.; in Deutſchland nur bei ſolchen, die von Römern
angelegt waren, als; loboduna, campiduna, zarduna, lan.
gatuua, nagaltuna, welches duna in deutſcher ſprache bald
zu tonloſer endung wurde, als: liutuna, liutana ſpäter
leiden und ſo: lobeden, kempten, zarten, langeten etc.
*)
Dieſes tr alſo nicht mit dem tr in trinkan, triban, tragan
etc. identiſch, welches dem goth. dr parallel.
*)
Aus dieſer deutſehen wurzel ſtammt das franz. tomber,
altfranz. tumer, welches altfranz. dichtern niemahls das
edlere cheoir (cadere), ſondern nur ſtürzen, purzeln, aus-
drückt; ital. tombolare; provenz. tumbador, tänzer,
ſpringer.
*)
Und wie, wenn hier noch z in der goth. bedeutung von
ſ ſtünde, = naſo, igelſo? das wird durch den lombard.
namen zaban bei Greg. tur. 4,39. wahrſcheinlicher. Bei
Lupi p.386. in einer urk. von 740. ſtehet anzelmus.
**)
In buciovaldus (Greg. tur. 4, 23.) hat ci noch den laut ki
(vgl. oben ſ 68. note) woran die erklärung durch buccus
validus nicht zweifeln läßt.
***)
Sie vertritt alſo nach den umſtänden dreierlei 1) in der
regel die med. 2) zuweilen die aſp. 3) in den verbliebe-
neu ſpuren die ten. des Gothen; was bezeugt mehr die
zerſtörung der alten lautvertheilung?
*)
Fehlerhaft ſcheint mir der auslaut hd in rëhd 379. wihd
389. für ht und in der regel hat er auch lëohte, druhtîn etc.
**)
Bemerkenswerthe ausnahme macht tôd (mors) I. 21, 2, 3.
IV, 5, 93. III, 7, 39. V. 4, 97.; fein aber unorganiſch ver-
ſchieden von dôt (mortuus) I. 21, 14. III. 24, 120, 134, 194.
V. 4, 69. Die übrigen formen haben nur d dôwen (mori)
dôtî (occiſio) etc. Strengalth. überall t: tôt (mors) tôt
(mortuus) tôwan (mori).
*)
Oder ſollte ſich bei näherer bekanntſchaft mit N. voll-
ſtändigen werken ergeben, daß er für die goth. med. im
anlaut immer t, ohne wechſel, ſetze, für die goth. aſp.
hingegen nach obiger regel bald d, bald t? daß er zwar
ſchreibe: den dorn, des tornes, aber nicht den deil, des
teiles ſondern unverrückt: den teil, des teiles? Ich
zweifle, weil ſein unterſchied zwiſchen aulaut. b und p
ſich gerade auf die goth. med. bezieht.
*)
Da wo hier, freilich nicht ſelten, ein t für die goth. aſp.
ſteht z. b. bei K. cot, cotan, mit, keqhuëtan und gl.
monſ. pluot, pluotes etc. muß vielleicht ein früherer
übergang in die med. zwiſchenliegen.
*)
Einzelnes ſchwankt; ſo ſchreibt O. ſintan, fant, funtan;
faltan, fialt und -ſalt (-plex) ſt. des richtigeren und auch
bei älteren vorhandenen ſindan, faldan (goth. ſinþan, fal-
þan). Auch wurti, wurtun, wortan neben wërdan, wir-
du, ward.
*)
Schwerlich wird man annehmen, daß ſich in dieſem ta-
delhaften inlaute nd der organ. inlaut nd forterhalte, da
gerade die aualogen ld und rd fehlen, auch früher ſelbſt
ſolche, die wie T., zumahl O. der alten med. treu an-
hängen, nt und nicht nd zeigen. Ferner müſte dann dem
nd (wie bei J.) ein nth zur ſeite ſtehn, was nicht der
fall iſt. Im ſpäteren nd miſchen ſich alſo zwei organiſch
verſchiedene formen, ſie mögen nun wie im goth. und
bei J. nd. nþ, oder wie im gemeinalth. nt. nd gelautet
haben. Aus unkenntniß ſolches unterſchiedes hat man
freilich z. b. den begriff munt aus mund hergeleitet etc.
obſchon die bloße vergleichung des ſächſ. hier eines
beßeren belehren konnte.
*)
Vermuthl. edulium hier = ednlitas, das im mittellat. auch
hunger, ſôd (arſura ſtomachi)?
**)
Bei N. ſoll ſich einmahl albiſze ſt. albiƷe (cygno) finden
(Fügliſtaller). Schilter mon. catech, 81a zh (? zſ) für
z und Ʒ.
*)
Ein cu für zu (Benecke Wig. 628.) iſt tadelnswerth und
ſehr ſelten (gl. aug. 126b cuge, ductu.)
*)
Bemerkenswerthe ſchreibung tz für z in goth. nrkunden
von 557 und 591 (Marini no 140. 122) wo tzitane neben
zitane und gar tazittane; desgl. tzaliconi — auch für zeno
hat Fumagalli no. 10 und 15. (von 769 777) tzeno. Alſo
in der ausſprache verhärtet ſich ſowohl der aus ſ als der
aus t entſprungene ziſchlaut.
**)
Eine hiſt. unterſuchung der roman. ziſchlaute würde man-
che analogie darbieten; leider hat Raynouard die laute
überhaupt nicht abgehandelt. Die orthographie der heu-
tigen franzöſ. ital. ſpan. mundart iſt in den ziſchlauten
ſchwankend und oft fehlerhaft, begreiflich auch die aus-
ſprache vielfach vom alten organiſmus abgewichen.
*)
Das neuh. weitzen etc. iſt unorganiſch; alth. hueiƷi, nicht
hueizi. Man merke, daß auch kein alth. z auf ë folgt;
über crûƷi vorhin (ſ. 163.).
**)
Conſonant und namentlich liq. kann dem alth. Ʒ nicht
vorausſtehen, da zuſammenziehungen wie hirƷ, thirƷ
ſtatt hiruƷ, hireƷ, thir iƷ noch unzuläßig ſind.
*)
Die aſp. þ, th, welche anlautet, iſt kein eigentlicher
ziſchlaut, obwohl ſich ihm nähernd. Von dem niederl.
z ſtatt ſ unten.
**)
Vielleicht hilft auch in andern fällen die wahrnehmung
manches erklären, daß, wo eine mundart in der lautver-
theilung eine lücke hat, verwandte laute in die lücke ein-
zudringen pflegen. Sind alle laute vollſtändig beſetzt,
ſo wahrt jeder ſeine grenze.
*)
Bôſôn (aſſuere) O. IV. 28. 13. ſtände nach dem nord. bôt
(aſſumentum) f. bôƷon und die gl. ſlor. 900a haben wirk-
lich bôƷô, ſarcio vgl. bôƷo, lini ſtipula, gl. aug. 120a.
**)
Andere ſprachen bewähren den übergang zwiſchen ſ und
t (vgl. συ, tu, πράττω, πράσσω etc.); aber im deutſchen ſin-
det vielleicht gerade deshalb keiner zwiſchen ſ und z
ſtatt, weil ſie ſich in der ausſprache näher liegen, als ſ
und t.
***)
Anthlutti (facies) J. 346. ſcheint das goth ludi, wiewohl
erſteres neutr. letzteres fem., auch das hl unrichtig wäre
(richtiger ſteht 368. antlutti und gl. jun, 173. ant[l]uttes).
lm alth. mögen ſich die gleichbedeutigen, aber verſchie-
denen formen: ludi, vlits und audavleizus vermengen.
*)
Die praet. ſcutta, brutta, ratta ſind von der ſorm ſcut-
tan etc., die daneben gültigen ſcutita, retita etc. vos ſcu-
tan etc. zu leiten. O. ſchreibt bitten, bittu, bittemes
aber bitit (rogat), nicht bittit (hiervon bei der conj.).
**)
Für fëttach (ala) N. 35, 8. 67, 14. würde ich lieber ſëtach
ſchreiben, obgleich in fëdara, fëdera (penna) gl. monſ.
349. N. 53. 7. 67, 14. kein t erſcheint und ſo heute: fittich
neben feder. J. 368. hat fëthdhahhâ (alae) T. 142. ſëder-
achâ; gl. auguſt. 118b ſëddah.
***)
Daher auch td in bitdan J. 407. 408. dem dortigen pb ge-
nau ähnlich (ſ. 149.).
*)
Und aus den erſten jahrh. die namen chatti, mattium, ca-
rietto (Amm. Marc.) cariatto (conc. matiſcon. II. vom
jahr 585).
**)
Bei dem inlaut z muſte natürlich dies gefühl ſtärker wir-
ken, als bei dem Ʒ, da jenem, nicht aber dieſem das
ſächſ. tt entſpricht. Das ſächſ. ſitten entſprang aus einem
frühern ſitau, ebenſo das alth. ſizen aus einem früheren
fiƷan; ſitan lautete ſchwebend, ſitten geſchärft, im alth.
aber beide ſiƷan und ſizan geſchärſt, ohne daß man nöthig
hätte ſie äußerlich zu geminieren.
*)
Sogar im auslaut ſeatz, wofür alth. jedenfalls ſcaz geſchrie-
ben werden muß, da jede inlautende gemin. auslautend
wegfällt. Inzwiſchen könnte man tz für eine compoſition
und nicht gemin. auſehen.
**)
Wenn man das tz dem pph (pf) und cch vergleicht, es
folglich in ttſ auflöſt, ſo wäre es freilich etwas ſtärker,
als das bloße z auszuſprechen. Unähnlich ſcheinen ſich
die drei fälle darin, daß pf im an- in- und ausl., cch
nur im inlaut, tz bei J. auch nur im inlaut vorkommt.
Man könnte ſich tz für gewiſſe inlaute (wo entſchieden ein
altes tt war) gefallen laßen, obgleich es N. auch in ſolchen
nicht ſchreibt.
***)
Wie im goth, attiuhan (at-tiuhan) iſt natürlich keine ge-
mination da, wenn in der zuſ. ſetzung ein auslautendes
Ʒ, an ein anlautendes z rührt, alth. aƷziohan (attrahere),
aƷ-zaſi (utenſile): vermothlich aſſimilieren ſich hier beide
ziſchlaute, es fragt ſich ob in aƷƷiohan, aƷƷaſi oder in
azziohan, azzaſi? ich muthmaße letzteres, Hier wäre nun
aziohan, azaſi falſche ſchreibung.
*)
Sô waſſô O. II. 8. 51, wäre, wenn die lesart richtig, nicht
gemination, ſondern aſtimilation ſt. ſôwaƷ ſô (welches II.
14, 204. aus beiden hſſ. hergeſtellt iſt.) Aehnliche aſſimi-
lation II. 7, 16. III. 2, 2. ſô ſizzam (nicht: tam decenter,
ſondern) entw. für: ſô ſih zam, oder für: ſôſô iƷ zam;
vgl. IV. 11, 17. ſô iƷ zam. — Bei K. 19b ſô husƷƷô f.
huaƷ ſô.
*)
Mattiacum iſt nach Ptol. μακτιαδυμ angenommen, oder le-
ſen hſſ. ματτιακόν? bei Tac. heißt der ort mattium, aber
ein chattiſches volk mattiaci kennt er. Dieſe namen lei-
den keine ſichere anwendung auf hentige Mit den eigen-
namen catumer, catualda braucht chatti, catti nicht ver-
wandt zu ſeyn. Der übergang des ct in tt iſt leicht und
hſſ. leſen ſelbſt chacti f. chatti.
**)
Ann. petav. tilian. fontanell. metenſ. fuldenſ. alle ad ann.
715. (Bouquet II. 641. 642. 659. 673. 682.)
***)
Entſcheidend dagegen ſpricht, daß in den annal, fuldenſ,
auf demſelben blatt die haƷƷoarii (ad a. 715.) und heſſii
(ad ann. 719) vorkommen.
†)
Die ſtellen hat Wenk 2, 181. 182. 183. 201. 223. 225. 231.
241 etc. heſſi iſt ein alth. gangbarer mannsname: trad. ſuld.
p. 541. 542, Ried n° 29. haſſo, Neug. n° 24. etc. ohne zwei-
fel von dem ebenfalls häufigen heiti, hetto, hatto, hatzo,
hetzi verſchieden.
*)
Zwiebel iſt noch nicht alth. ſondern ſpäter aus dem ital.
cepola eingeführt; das deutſche wort iſt lauch; ſurro
(cepe) gl. juu. 184. ſcheint ſonſt unbekannt.
**)
Zwei ausnahmen: 373 ſchamên und 391 himiliſchun, wo-
neben das beßere himiliſcun auf derſelben ſeite und ſcama
394; höchſtens könnte man ein ſchwanken zugeben.
*)
Dieſer hat einigemahl ſhëf 19, 4, 5, 6. anderemahl ſcëf
70, 2. 38, 2. ſhiura.
**)
Der wurzelvocal noch ungewiß; vielleicht ſcêrôn?
*)
Srdce (hërza) ſrebro (ſilubar) ſrb (ſërbe) etc.
*)
Die auslegung durch ulcus, eiter ſcheint bedenklich, wie-
wohl der dunkele angelſ. ſpruch von cên des ſeuers und
brandes erwähnt. Die gewöhnliche bedeutung von cêne
(acer, audax) paſt nicht hierher und überhaupt kein adj.
*)
Eine weit ältere lautverſchiebung erweiſt ſich aus wör-
tern, wo dem lat. c. ein organiſches h. (in allen deut-
ſchen ſprachen) antwortet, vgl. cannabis, calamus, canis,
centum, caput etc. mit hanuf, halam, hunt, hundert,
houbit, (in der mitte läge hier das altfränk. ch.) und ſo
ſcheint auf der zweiten ſtufe dem lat. g. das deutſche or-
gan. k zu begegnen, vgl. ego, augere mit dem goth. ïk,
áukan.
**)
Berg- und waldname; bei Ariſtoteles meteor. 1, 13 ἀρκύ-
νιος
, bei Ptolem, ὀρκύνιος. Mit harz (zu der Römer zeit
*)
Auch Lucan und Claudian cauci mit der ſcanſion ca-uci
(Mannert 3, 306) vgl angelſ. ceác (gena, maxilla) engl.
cheek; wäre alth. chauh. chouh, das aber ganz etwas an-
deres, nämlich das heutige kauz (ſtrix) bedeutet, vgl.
M. S. 2, 144a chouh: ouh.
**)
gewiß hart) kann hercynius unmöglich verwandt ſeyn.
Vgl. das nord. harka (durare) harka (aſperitas, durities)
herkja (id.) herkinn (durans).
*)
Dies veranlaßte mich oben ſ. 87. chêruſci mit hâr zu ver-
gleichen; ich hohle hier nach, daß Dio nicht wie Strabo
χηρουσκοι, ſondern χερομσκοι (Reim. 770. χερουσκία, al. χειρουσκία)
ſchreibt (auch in Morellis fragment) welches meine cou-
jectur nicht, vielmehr Claudianſ correption des che- be-
günſtigt.
*)
K. ſchreibt nie kot, ſtets cot. woraus ich keinen ſchluß
für die verſchiedene ausſprache des k und c mache, aber
folgere, daß die ſchreibung c älter ſey, weil man in
dem heiligen namen die neuerung des k nicht ſobald
wagte.
*)
O. ſchreibt ſo, T. wërc, um dieſe zeit iſt die ſyncope
der älteren form wërah entſchieden; N. hat ſtrengalth.
wërch. Wie würden O. und T. unſer milch ſchreiben?
N. gewiß milch, jene entw. milch, oder milk; doch
letzteres wahrſcheinlich nicht, weil im mittelh. milch
und nicht milk ſtatt findet. Der Gothe hätte ſo gut milks
oder milkus (?) zu ſchreiben, als er ſkalks ſetzt; allein
im alth. war ſcalk uralte conſonantverbindung, nicht milk,
für welches miluh (entſprungen aus miluk) lange galt.
In mëlken, molke muß die zuſammenziehung früher er-
folgt geweſen ſeyn. Aus gleicher urſache ſagen wir noch
heutigestages welcher (aus wëlicher, huëlìhhêr) nicht
welker, das dem goth. hvêleiks angemeßen wäre.
*)
Ausnahmsweiſe anlautend in heriſgaf ſtatt heri-ſeaf O. I.
12, 42. wo nicht die zuſammenſetzung einen inlaut be-
wirkt.
**)
Sonderbar J. 341. daucgal f. daugal (ſecretus).
***)
Vgl. gl. jun. 173 ghiſlihtem, levigatis, 176 ghiwarida,
induſtria; bei J. nur 347 ghilaubìu, wofür 348. chilau-
bìn und ſonſt überall chi- ſtatt ghi-, welches chi- oſſen-
bar fehlerhaft iſt, weil der anlaut ch bei J. dem goth.
k entſpricht und nicht zugleich das goth. g ſeyn kann.
Critiſche herausgeber hätten alſo durchgehends in ghi- zu
berichtigen.
*)
Dieſer unähnlichkeit ungeachtet ſcheint mir das iſidoriſche
gh merkwürdige ſpur einer lautabſtufung, von der die
übrigen alth. qaellen nichts wißen und ſelbſt der Gothe
nicht, deſſen mangelnde gutturalaſp. es wäre.
**)
Die ſchreibung kh wäre buchſtäblich von gleicher bedeu-
tung, iſt aber ungebräuchlich. Ein beweis für das hö-
here alterthum des zeichens c; als k aufkam, änderte man
ch nicht.
*)
Ein hart auszuſprechender laut bleibt das ſtrengalth. ch in
jedem ſall, daher auch die einſchaltung eines vocals in
die verbindungen chl. chn. chr. z. b. chenëht gl. monſ.
326. 406. 410. ſt. chnëht und ſchon Ammians chonôdomâr
ſt. chnôdomâr. und in den concil. ganôtigërn. vgl. oben
ſ. 141. 173. über ähnliche einſchaltungen zwiſchen zw. thw.
ſw. thr.
**)
Und chrêo tit. 74. hrêo (cadaver); chrênecrûda tit. 61.
ſicher nicht: grünes kraut. — tit. 64. 67. wechſeln die
hſſ. ſelbſt zwiſchen charoena, harowena; chervioburgum
und herburgum.
*)
Ja, er ſchwankt in eine dritte ſchreibung hch, z. b. ahchuſt,
lihchamo, wëhcha, ſuahchan etc. ſtatt achuſt, ſuachan oder
ſuahhan, lîhhamo, welche miteinander alle wechſeln. Von
dem unten zu erörternden cch muß man dieſes hch wohl
unterſcheiden. T. 229, 3. gleichfalls brëhchan f. brëohan
und N. 45, 2. ſihchur f. ſicher.
*)
Hat N. lh? vgl. ſealhên Stalder dial. p. 268.
*)
Der ſpirant h ſcheint allerdings allgemeiner als ſ und v
und jede lautreihe zu durchdringen. Ankommen wird es
auf eine tiefere ergründung des verhältniſſes zwiſchen th
und z; ph und bh (v); ch, gh und hh.
**)
Doch nicht das nord, jata (praeſepe)?
*)
Vgl. oben ſ. 108. 109; ob thiu, ſiu, driu (tria)? thju, ſju,
drju? oder thiju, ſiju, driju zu ſchreiben ſey? ſ. beim
pronomen.
**)
Die neigung, einen ungehörigen anlaut h hervorzubringen,
oder ein inlautendes h herauszuſchieben, wie wir ſie an
Franzoſen, wenn ſie deutſche wörter ausſprechen, wahr-
nehmen, findet ſich zuweilen in alth. hſſ; z. b. K. 30a
ſteht hachuſtim f. ahchuſtim; gl. jun. 174. hahrôntêr f.
ahtôntêr: gahôtagôtêr f. gaôtagôtêr; 181. 189. habuì f.
abuhì; habuêr f. abuhêr; 184. hëlahun f. ëlahun; 189.
hêaltigêr, hêaltida f. êhaltigêr, êhaltida etc.; bloße ſchreib-
fehler ſind das nicht, ſondern unwillkürlich durch die
ausſprache entſpringende umſetzungen.
*)
Eingeſchoben wird h in fremden eigennamen (oben ſ. 71.),
auch finde ich K. 43a duruſtigôhê (indigeat) ſt. durufti-
gôê, wie auch ſonſt caumôên etc. Auch hymn. noct. 13.
kafrehtôhêm (mereamur).
**)
Sollte man nach kurzen vocalen hh, nach langen h ſchrei-
ben, wie ƷƷ nach jenen, Ʒ nach dieſen? alſo zeihan, aber
mihhil? Sollte man überall den inlaut hh im ſtrengalth.
durchführen? vgl. oben ſ. 164. über die analogie des
ziſchlauts.
*)
Wenn das franz. trou nicht aus dem deutſchen ſtammt, ſo
muß die celtiſche wurzel der deutſchen verſchwiſtert ge-
weſen ſeyn.
**)
Vgl. wërah und wërk; miloh, milch und melken (ſ. 181.).
*)
Das alter der ſchreibung erhellt aus Greg. tur. 9, 28. bac-
chinon (pateras). — Tadel verdient aber hch f. cch, wie
gl. monſ. 413. tohcha (mima); kch wäre richtig, iſt je-
doch höchſt ſelten, allein in den gl. ker. habe ich nakchut
(nudus) gefunden; ſchlechter ſcheint ckh, gl. doc. 208.
dickhi.
**)
Fehlerhaft gl. jun. 221. râcchin (punirent) ſt. râhhin und
noch fehlerhafter 222. rincchâ (proceres) ſt. rinchâ oder
rinkâ.
*)
K. liefert faſt überall ungeminierte aſp., doch 47b decchan.
*)
Bis auf heute haben einzelne oberdeutſche mundarten:
acher, bache, beche (piſtor) in der ausſprache behalten,
vgl. Stalder dial. p. 63; an ſich ſo gültig, wie unſer neuh.
ſache, machen; die gemination erhielt oder zeugte in
denſelben wörtern den ok laut.
**)
Fehlerhaft iſt auckan (oſtendere) K. 20b 21b ſtatt aukan,
womit man nicht auhhôn (augere) miſche.
***)
Z. b. gl. blaſ, 10b dicchet (inter [...]edite) f. dicket (ſtrengalth.)
*)
Zur überſicht ſetze ich die guttural-inlaute 1) nach
ſtrengalth. 2) nach otfriediſchem ſyſtem her: 1) aha. take.
mihhil. lukki. dicchi. 2) aha. dage. michil. luggi. thicki.
*)
Wer dies beſtreitet, müſte aufſtellen, daß das ſogenannt
einfache f. Ʒ. (ſcif, daƷ) in der ausſprache beinahe zu w
und ſ geworden ſeyen, wovon der beweis für die alte
ſprache ſchwer werden würde. Freilich im neuh. ſpre-
chen und ſchreiben wir fälſchlich das für daƷ, dagegen
ſprechen wir richtig ſchiff, ſchreiben nur das unnöthige.
*)
Verkürzungen des langen vocals bei eintretender gem. find
ſ. 124. bei ſteina und hêriro vermuthet worden. Das
neuh. lauter (purus) ſcheint im alth. ſeltner hlûtar als
hluttar zu lauten; doch gl. jun. 192. lûtar.
*)
Mehr zeitlich als örtlich erfolgt z. b. die verwandlung
des ſ in r; die aphäreſe des b; das eindringen der um-
laute; die änderung des ai, au in ei, ou; des awi in
ewi, owi, ôwi etc.
*)
Vgl. oben ſ. 160.
*)
Einzelne ſpuren ſcheint cod. monac. zu haben, vgl. Do-
cen miſc. 2, 19, 23. ér, gódes, gàbun, d. i. êr, gôdes, gâ-
bun.
**)
Die durchführung der vocalzeichen war unumgänglich,
wie hätte ſonſt klar gemacht werden können, daß z. b.
das e der hſſ. fünſerlei alth. lauten entſpricht (dem e, ë,
ê, ei, ie)?
***)
Mit ausnahme der auf -aht, z. b. ahtjan (perſequi) mah-
tìg (potens); nicht ehtjan, mehtig. Oder wäre deswegen
ein âhtjan, mâht, nâht etc. anzunehmen?
*)
Auch der oben ſ. 85. bemerkte wechſel des o und u tritt
ein, z. b. corn (granum) curni (frumentum).
**)
Dies wort bedeutet: dank (grates) und kann mit dem
goth. aviliudôn unmöglich verwandt ſeyn, wie Reinwald
gl. z Ulf. p.84. wähnte; âlâtan (ar-lâƷan) iſt das gr.
χαρίζεσθαι im ſiun von donare, condonare, remittere, erlaßen.
*)
Wenn ich dies wort aus mût-ſpëlli (aotus mutationis)
richtig ſchließe; mit muth (os) kann es nichts gemein
haben (Docen miſc. 2, 18.). Der paralleliſmus hat auch
giwand thëſaro wëroldes (nova facies mundi) vom jüng-
ſten tag.
**)
Der teufel wird blâu-wîſo (dux lividus) genannt.
*)
Goth. und alth. bruſts, bruſt; nicht briuſts, brioſt, wel-
ches zu der ableitung von briſtan, braſt, bruſtun (erum-
pere, germinare) weniger ſtimmt. Aber auch angelſ.
breóſt, nord, brióſt.
*)
Ich bediene mich der auflöſung bh, weil der typus ƀ mis-
rathen iſt.
*)
Ausnahmsweiſe oder fehlerhaft zeigen die hſſ. auch einige
uuu d. h. wu z. b. wurt (radix).
**)
Einmahl ſogar të-ſungan (zerſchwungen) f. teſuungan.
*)
Vielleicht weil ſich dieſem quat ſtets pron. oder part. an-
lehnt, quat-hie, -ſiu, -that? denn für loquebatur, ìm
eingang eines ſatzes, ſteht nicht quat, ſondern ſprak, z. b.
thuo ſprak etc.
*)
Auch ecid (acetum) ſollte ſeinem urſprunge nach ecit lauten.
**)
Das zwiſchen hoch- und niederd. einſtehende hild. lied
gebraucht zwar ð (neben d) im anlaut, aber ebenſo wie
J. das dh (oben ſ. 162.) nämlich ganz für das daneben
nicht vorkommende th.
*)
Warum mehrmahls wîhrôg (thus) ſt. wîhrôk, neben dem
richtigen rôkfat (thuribulum) ſtehet, begreife ich nicht;
alth. wîhrouh, wîrouh T. 2, 3, 4. 8, 7. O. I. 17, 129. gl.
monſ. 322. 331, 338.
*)
Die vergleichung des goth. lehrt, daß beide h und w in
dieſen verbis organiſch, mithin nicht untereinander wech-
ſelnd, ſondern bald eins, bald das andere geblieben find.
Daher hat thîhan etc. im part. nicht githiwan ſondern
githigan, weil auch im goth. kein w mitunterlauft.
*)
Da arn (cucurri) für ran (d. h. rann) ſteht, ſo wird auch
das a nicht befremden, während ſonſt die verbindung rn
ein ëa vor ſich fordert.
*)
Contr. engl. lôrd; die volle form ins goth. und nord.
übertragen würde ſeyn: hláifuzds, hleiſoddr; alth. hleib-
ort, leibort.
**)
Aus dem eigennamen tâtvin (alth. zeiƷwin) zu ſchließen.
***)
Ganz verſchieden von recan, reccan (exponere).
*)
Immer bleibt die gemeine ſchrift hinter den ſeinhei-
ten der laute zurück; zwar niemand leugnet, daß all-
mählig manche zuſ. fallen, ſobald ſich aber für mehr-
ſache ausſprache eines zeichens hinreichende gründe ange-
ben (ſie ſind aus der analogie der mundarten zu gewinnen)
wird der grammatiker wohlthun, unterſcheidende be-
zeichnungen einzuführen. Er kann hierin eher weniger,
als zuviel thun, bei dem zuviel gewinnt die ſchärſe der
unterſuchung, wenn auch im verfolg das neue zeichen
wieder aufgegeben werden müſte.
*)
Es duldet gemination hinter ſich.
*)
Hlæfdige (domina, engl. lady) ſcheint wiederum das um-
gelautete hlâf (ſ. 229. note). wiewohl mir die bedeutung
von dige, die, noch unklar iſt.
*)
Neben crëcas, nord. grickir, alth. kriachi, mittelh. krieche;
einzige ſpur eines hochd. ia, ie, das mit dem angelſ. ëa
ſtimmt.
**)
Schwerlich gibt es ſubſt. auf är (wohl aber praet.) ſondern
nur auf ëar und ſo unterſcheidet ſich tëar (lacrima) von
tär (laceravit). Hauptſächlich ſchwanken zweiſilb. ablei-
tungen zwiſchen a und ëa, als varod und vëarod (littus).
***)
Wovon wiederum ſteáp (poculum) völlig verſchieden.
*)
Warum heißt es nicht meávle (puella) goth. mavilô, ſon-
dern mëovle?
*)
Nicht vor ll und ſelten vor verbindungen mit l. vgl. ſcë-
old (clypeus) ſëolf (ipſe) ſëolfer (argentum) mëolc (lac)
hëolſter (latebrae). Letzteres vielleicht hëolfter, die bei-
den vorausgehenden find contractionen aus ſëolofer, mëo-
loo und für die beiden erſten ſteht gewöhnlicher ſoëld,
ſëlf, ſo wie überall ſëldan (raro) hëlpan (juvare), nicht
ſëoldan, hëolpan; vgl. das goth. i (nicht aí) vor l.
**)
So überall, richtiger ſcheint rëard (alth. rarta), neben
brëord (cuſpis) finde ich brëard; auch dëorc mag nach
dem alth. tarch, dem nord. döckr, u. ſelbſt dem engl.
dark beßer dëarc geſchrieben werden.
*)
Auch der wechſel zwiſchen ë und o pflegt ſich zumahl
vor h. r (oder ſ) zu ereignen. vgl. das hoohd. trëhtîn,
trohtîn; wërolt, worolt; wëhha, wehha.
*)
Vocalberührungen wie z. b. a-urnen (emenſus) a-idljan
(exinanire) etc. ſind begreiflich von den diphth, au, ai
ganz verſchieden.
*)
Nicht vor t und d, mit einziger ausnahme des praet.
ſtôd von ſtandan.
*)
In gärs (anders als in beiden folgenden wörtern) war das
ſ einfach; vielieicht darum findet ſich auch das unver-
rückte gräs, wiewohl ſeltner, als jenes.
**)
Gl. aug. 120a haben ebenfalls dirſgucfili (ſic) vielleicht
dirſguofili? nord. þrëſkuldr.
***)
Anderemahl bleibt auch das r in ſeiner natürlichen ſtel-
lung, z. b. reſt (quies) brëoſt (pectus) etc. nicht: erſt, bëórſt.
†)
Eigentlich wohl: genimen, proles, brut, junges zumahl
vom vogel; allmählig im engl. allgemein für: vogel.
*)
Hingegen heißt es merran (impedire) þyrrë (aridus)
nicht mehr merſjan, þyrſë.
*)
Man halte zu allen nur ſcheinbaren verbindungen die
alth. ſormen; heiliſôn, geiliſôn, tiuriſôn, vermuthlich
auch kleiniſôn etc.
**)
Beſondere ausnahmen tiber (ſacriſicium) färbu (color)
Boet. 197b abal (robur) Par. 12. (dem alth. farava, aval
entſprechend) beſtärken die regel; ſogar aus dem älteren
vigbed, vibed (altare) wurde nach u. nach vëobed, vëo-
fed, vëofod, und neben dem gewöhnlichen tiber hat die
Par. auch ſchon ìm dat. tiſre.
***)
Das im Bëovulſ dreizehnmahl aber ſonſt nirgends vor-
kommende haſela (ein theil der rüſtung, welchen der
helm deckt; das mittelh, hærſenier, vgl. Ben. z. Wigal.)
*)
So im hild. lied einmahl vuas f. vas, nämlich das v.
runiſch.
***)
wird verſchiedentlich havela und hëavela, hëavola geſchrie-
ben. Dieſes v mag ein altſ. bh. ſeyn (alth. habalo? ha-
palo? wofür die analogie von napalo, umbilicus ſpricht,
angelſ. nafela und nach Lye auch navela.)
*)
Die neuh. mundart vermengt uneben: es thaut (roreſcit)
mit: es thaut (regelatur); engl. dew und thaw noch un-
terſchieden, ebenſo nord. dögg und þâ; ſchwed. dagg und
tö, dän, dug und tö; holländ. dauw und dooi.
*)
Alth. anazta, von auazen, anizen (ſiimulare, incitare).
*)
Par. 15. 24. 37. 39. Bëov, 10. 23. 93. 96.
*)
Sein grund, daß die ausſprache kj aus dem angelſ. cëalf,
cielf folge, paſt nicht, da ſich ëa aus dem a ohne rück-
ſicht auf vorſtehendes c entwickelt, alſo ebenſo gut in
ëald etc. Daß das gr. und lat. κέντρον, centrum nicht
kentron, kentrum, ſondern kjentrum zu ſprechen ſey, be-
zweiſle ich, finde auch bei gr. und lat. grammatikern
nichts davon.
**)
In der alliteration fügen ſich alle g, ſelbſt die aus j ent-
ſpringenden zu einander, ohne rückſicht auf den ihnen
folgenden vocal.
*)
Bei nachfolgender endung -el, er, finde ich kein beiſpiel,
es heißt nicht fär, täl. ſël etc. ſondern nur fäger, tägl,
ſëgl etc.; engl. fair, tail, ſail wie rain, fain, vain, main.
*)
Herjan (vaſtare) unterſchieden von hêrjan, hêrgjan (beßer
wohl hærgjan? laudare) mittelh. jenes hern, dieſes h[è]-
ren; — verjan (defendere) unterſchieden von vêrjan, vêrg-
jan (laſſeſcere) alth. jenes werjan, dieſes wuoragên.
**)
Nicht æg, æges, denn das goth. ái (ovum) gab angelſ. [...]
as, ai, aj, a[g], woraus (wie aus dag, däg) äg wurde. Zu-
*)
Die ähnlichkeit des ital. chiave iſt zufällig, da im angelſ.
die liq. aus clavis nicht fallen würde.
**)
Welches ſ. 146. unter γ. anzuführen war.
**)
gleich folgt aus dieſem worte, daß das angelſ. â aus ſrü-
herem ai entſpringt.
*)
Während alſo dieſe mundarten das goth. k und g aſſibi-
lieven, aſſibiliert die hochd. das goth. t und aſpiriert das
goth. p und k und ſchwächt die aſpiration th, deren aus-
ſprache in den übrigen ſprachen ſich zu dem ſibilus neigt.
*)
Man unterſcheide mecg, mecgas (vir); mäg, magas (ſilius)
[früher mago, magas] mæg, mægas (affinis).
**)
Dieſes und das vorhergehende wort ſcheinen in ſchrei-
bung und ausſprache eins, ſind aber ſo verſchiedner be-
deutung, daß man verſchiedene wurzeln annehmen muß.
Beide haben im gen. ſecges.
*)
Hier die überſicht der beiden reihen 1) altſ. kk, alth. cch.
angelſ. cc. altengl. cch. neuengl. tch. 2) altſ. gg. alth.
kk. angelſ. cg. altengl. gg. neuengl. dg.
**)
Analog die ausſtoßung des v in ſv (vgl. ſvëoſtor, ſviſter,
ſiſter und oben ſ. 175.) und bei vorſtehender negation
( [...]unten ſchlußbem. 2.)
*)
Man hat in jenem die nord. nornen finden wollen, gleich
untreffend und ungrammatiſch iſt die deutung bei Lye
aus ne-vëorc, indem das paradies ein ort der unthätig-
keit geweſen ſey. Neben der gewöhnlichen ſchreibung
kommt auch nërxena-, neirxena- nërcſna- nëorcſna-
vang vor, außer der zuſ. ſetzung aber das wort nirgends.
Der gen. pl. weiſt auf einen ſchwachen nom. ſg. nëorxa,
dieſer nach der ſchreibung nëorcſa auf die volle form
nëoreëſa, der ich in den verwandten ſprachen nichts ana-
loges weiß; den buchſtaben nach lautete ſie alth. nërchiſo
(wie lingiſo, egiſo). Ich möchte wißen, wodurch Ulphilas
Luc. 23, 43. oder II. Cor. 12, 4. παράδεισ[ο]ς übertrug, wenn
er nicht paradeiſus beibehielt, wie die altſ. E. H. und
alth. quellen paradiſi; bekanntlich wird das hebr. סֵדרְפַ
wonnegarten gedeutet und ſo ſteht auch im alth. wunni-
garto, zart-karto (N. 95, 10.) wunniſamaƷ ſëld (O. 11,
6, 22.). Da fëld und garto offenbar dem vang entſpre-
chen, mag nëorxa ſo viel als gaudium, amoenitas aus-
drücken. — ëolx könnte gen. von ëolh, ëolug (alce?)
ſeyn.
*)
In den quellen hat, wenn man die langen ê dazu nimmt,
das unbezeichnete e zehnerlei laute auszudrücken, was
bei den dunkeln wörtern die beſtimmung erſchwert, z. b.
welches e ſteht dem ausdruck ſket (pecus) pl. ſketar zu?
von ſkat, ſkattes (pecunia) angelſ. ſcëat [verſchieden iſt
ſceát, ſinus, frieſ. ſkât] weicht es ab, ſo ſehr auch die
analogie von vieh (pecus, pecunia) dazu riethe.
**)
Ausnahmsweiſe ſteht was (fuit) und nicht wes; viel-
leicht auch glas f. gles?
***)
Umſoweniger, als die ausſprache ſelbſt ë, ja i mit e ver-
mengt haben mag, denn wie könnte ſonſt hiri (exercitus)
hinſzja (concedere) etc. für heri, henſzja geſchrieben ſtehn!
*)
Bëra (ferre) conjugiert im frieſ. ſo: bëra, ber, bêron, bë-
ren, welches ohne vocalzeichen noch mehr auffällt; zu-
gleich ein triftiger grund für die nothwendigkeit dieſer,
da nicht zu glauben iſt, daß ſolche ſormen ohne verſchie-
dene ausſprache beſtanden haben ſollten.
*)
Siama, Br. §. 211, verſtehe ich nicht und zweifle an der
lesart; ſtiata §. 171. wird in ſtêta (§. 29. 30. 31. 45. 148.)
zu ändern ſeyn.
*)
Br. §. 3. 89 203. haben ſogen, welches für ſugen und
dies f. ſiugen ſtehn mag.
**)
Offenbar nicht das alth. ei (= goth. ai, angelſ. â, frieſ. ê)
ſondern in dei, mei = angelſ. äg, in wëi = angelſ. ëg.
vgl. unten beim g und j.
*)
Auffallend wäre mog (inter) Aſ. p. 187. ſt. mong (engl.
among) bedarf aber erſt der beſtätigung, denn in andern
fällen ſteht ng immer.
*)
Richtige ſchreibung unterſcheidet hawa (csedere) hovath
(in domum recipiunt) heva (opes) hâved (caput); tawa
(ſtruere) dâvja (ſurdeſcere) etc.
**)
Flexionen, nicht wurzeln zeigen wohl zuweilen ein fal-
ſches t ſtatt th im auslaut. Die frühere ſprache unter-
**)
ſchied ohne zweifel ficher, was ſo ſpäte und unverläßige
hſſ. mengen, daher die aufſtellung der altfrieſ. ſich dar-
um nicht bekümmern darf.
*)
Wenn bei doppelter conſonanz ê verkürzt wird, ſo ent-
ſpringt ë, nicht e; als: fëll, gëck ſt. fêll, gêck; merk-
würdig heilagr, verkürzt hëlgr.
**)
Die alten runen haben bekanntlich gar kein e, ſondern
erſetzen es, zur beſtätigung meiner unterſcheidung, bald
**)
durch a, bald durch i, als: aftir (eftir) vir (vër, maritus)
obſchon häufig beide miteinander verwechſelt, zumahl i
für a ſteht. Auf ſpäteren urſprung des umlauts e iſt hier-
aus nicht ſo gerade wie beim alth. zu ſchließen (vgl.
oben ſ. 10.), doch iſt er ohne zweifel in einer früheren
zeit noch unvorhanden geweſen.
*)
Ueber dieſes o hernaoh bei dem 5ten fall des nord. â; aber
auch ſonſt haben alte hſſ. o für â und umgekehrt â für o
(ſtatt ö) z. b. hânom (illi) f. hönum (ſ. unten beim ö).
*)
Vor tt, die nicht aus ht, vor s, die nicht aus ns ſtammen,
verlängert fich a keineswegs und ſo unterſcheide man atti
(concitavit) hattr (pileus) brattr (acclivis) von obigem
âtti, hâttr, brâtt; desgl. baſa (interimere) von bâſa
(ſtabulare).
*)
Für die verbindung âng gibt auch Raſk §. 73. ein älteres
und noch heute provincielles ang zu.
*)
Sollte nicht auch vêttr (alth. wiht, goth. vaíhts) ſtehen?
Biörn hat vettugi und vættr.
*)
Doch hat Biörn kei, nicht kéi, wie er géi und ſkéi ſetzt.
*)
Womit ich doch keinen unterſchied zwiſchen dem goth.
ia in biuda (nord. bŷd) und diups (nord. diúpr und erſt
umlautend dŷpi) machen will; im alth. unterſcheiden ſich
freilich piutu und tiof, umlautend tiufì; aber eben die
alth. und nord. zerſpaltung des goth. biudan, biuda in
piotan, piutu und bioda, bŷd iſt das unorganiſche.
**)
Hſl. und drucke, z. b. der der Niâlsſaga, bezeichnen æ
durch das geſchwänzte ę (vgl. oben ſ. 78. 92.)
*)
Im gloſſ. edd. ſæm. I (aber nicht II und ſonſt nirgends)
finde ich zuweilen accentuiert, vgl. aúga, aúka; das
ſcheint mir verwerflich. Raſk §. 68. weiſt zwar die aus-
ſprache eines neuhochd. au ab, welche freilich ſelbſt bald
áu, bald aú iſt; jene, d. h. die des goth. áu möchte doch
dem altnord. au näher kommen, als Raſks vorgeſchlagenes
öv, nach §. 28. öj oder breites ö, Die ſpäteren nord.
mundarten näherten freilich das alte au allmählig dem
ö-laut.
*)
Der grund der verſchiedenheit beider fälle liegt vielleicht
darin, daß bei ſær, ſnær etc. ein goth. aivs; in meir,
geir (eigentlich meirr, geirr) ein goth. ais gegenüber
ſteht, wiewohl das v auch in den nord. flexionem ſævar,
æva etc. vortritt.
**)
Raſks erklärung des au aus av, des ey aus aj (wenn ich
ihn §. 68. 69. recht verſtehe) ſcheint darum unrichtig,
**)
weil ſich beide diphth. nicht- co- ſondern ſuberdiniert
ſind, nämlich ey aus au hervorgeht. Die ſchreibung öi,
öy würde ein altn. ou ſt, au vorausſetzen, das ſich nicht
findet.
*)
Nähere unterſuchung wird beſtätigen, daß die ſtarken
ſtämme gern das ë (im ſing. praeſ. überall ohne ausnahme)
behalten, ableitungen aber gern das ia annehmen. Man
vgl. die im text angeführten inf. vërpa, vëlla, fëla etc.
(woneben nur ausnahmsweiſe gialda, ſkiâlfa, biarga, im
praeſ. aber gëld, ſkëlf, bërg und hiâlpa, weil dieſes
ſchwach conjugiert) und andrerſeits die daher ſtammen-
den oder ähnſiche verba vorausſctzenden ſubſt. giof, biörg,
tiara, tiarga etc. Hieraus ſchließe ich, daß ë älter, ia
ſpäter entſprnngen ſey. Wie im ſtarken ſing. praeſ. im-
mer ë (nie ia) herrſcht, ebenſo zeigt die alth. mundart
dort das ältere i, im infin, gewöhulich das jüngere ë
und bërgan, birgu; gëltan, giltu iſt dem biarga, bërg;
giâlda, gëld ſehr ähnlich. Auch im angelſ. ſteht gëof
(donum) neben gifan (donare) doch iſt das ëo hier in
die ſtarken verba und ſelbſt das praeſ. ſg. gedrungen,
vgl. ëom (ſt. ëm, im).
**)
Nicht aber, was zu verwundern iſt, bei folgendem i in
ie (wie a beides, ſowohl in ö als e) ſondern alsdann tritt
das nrſprüngliche i hervor, z. b. ſkiöldr, gen. ſkialdar,
dat. ſkildi (nicht ſkieldi) hiörtr, hiartar, pl. hirtir (nicht
hiertir).
***)
ia iſt das umgeſetzte goth. (oben ſ. 44.) wie das angelſ.
eá gewiſſermaßen das umgeſetzte áu.
†)
Iö, ia, ió alliterieren mit vocalanlauten z. b. iötunn:
andfâng; iór: auſtan; nie mit g wie das angelſ. j. (Olaf-
ſen p. 29. 30.)
*)
Sniór (nix) ſiór (mare) gelten neben den oben beim æ
angeführten ſnær, ſær, und erklären ſich wie das alth. io
(unquam) aus dem goth. aiv; ſchlechter ſcheint die ſchrei-
bung ſniár, ſiár.
*)
Ausg. das vorhin angeführte þiófr und friófr (nicht þiúfr,
friúfr) da doch ſonſt lieb und dieb auf einer reihe ſtehn,
goth, liubs. þiubs; ſchwed. liuf. [...]iuf.
*)
In der ſpäteren ausſprache müßen ſich beide wohl genä-
hert haben, weil ihr zuſ. fallen im zeichen unbegreif-
lich wäre. Sonſt widerlegen ſelbſt die ſchwed, und dän.
ſchreibung ſöka, ſöge und ätt den Isländer, der ſækja wie
ætt ſchreibt.
*)
Warum aber chiel (celox) ſt. chël? weil es ein fremdes
wort? vgl. ſ. 237. die note über krieche.
*)
Oben ſ. 121; das æ wird durch das ſchwed. u. dān. går,
gaar beſtätigt.
**)
Raſk §. 42. lehrt harte susſprache des ll = dl, ddl alſo
falla = fadla, nur nicht bei darauf folgendem d. t.
ſ. als: felldi, allt, alls (nicht fedldi etc.). Schwerlich
war jene ausſprache dl. ll. alt und allgemein, da umge-
kehrt organiſche dl in die ſchreibung (ſolglich ausſprache)
ll. übergehn.
*)
So bringt das naſale franz. ng in linge, ſinge die aus-
ſprache ei ſtatt i hervor.
**)
Das hochd. ank iſt ſonach im altn. bald ânk, bald ack
(ſelbſt in wörtern eines ſtamms, z. b. þinki neben þacka)
ank bald enk, bald eck, vgl. krenkja (aebilitare) und eckja
*)
Die angelſ. verſetzung rs (ſ. 245.) zeigt ſich ſelten in ras
ſt. ars und ſërſkr ſt. frëſkr (recens); vgl. ſtîrdr f. ſtrîdr
(aſper) Olaſſen p. 126; girkir ſ. grickir.
**)
(vidus, dän. euke); das hochd, ck wird dafür altn. meiſtens
einf. k. ſeyn, als þekja (tegere).
*)
Dieſes v. (verſchieden vom gewöhnl. altn. v = w) er-
ſcheint zwar ſelten doch in alten hſſ. einigemahl ſtatt f.
geſchrieben, vgl. völuſpâ 36 tivor (ſacrificium, angelf.
tiber, tiſer, alth. zëpar). Hierher gehört auch der eigen-
name ivarr und ſvava neben ſvafa (vgl. unten v = f).
**)
Y[r]kja (operari) ſteht nicht für virkja, wie Raſk §. 521.
annimmt, ſondern für vyrkja (alth. wurchan).
*)
Zum überfluß bemerke ich aus der E. H. die altſ. allite
ration wrìtan: wìſlico: word.
**)
Oben ſ. 269. das angelſ. nytan ſt, nëvitan.
*)
Nach p. t. k. ſtehet wiederum die ten. t. (unten ſchluß-
b merkungen).
**)
Mit einzelnen ausuahmen, z. b. hamþir ſt. hamdir; lam-
þan 256a ſt. lamdan; weil nach §. 34. (am ende) ldh. mdh.
alterthümlich ſind.
*)
Das alth. beſt für beƷiſt iſt zufällig in ſchreibung und
ausſprache ähnlich und beweiſt eben die ausſtoßung des
vordern t (Ʒ); im alth. dürſte ſo wenig beƷt geſchrieben
werden, als im nord. betz.
*)
Verſchieden gardhr (domus) goth. gards.
*)
Beiläufig ein grund für die ſchreibung des diphth, iö, ia,
(nicht jö, ja); ſchriebe man mjöll, kjöll, ſo würde das
unausſprechliche kjjöll hervorgehen.
*)
Zweifel macht gicel (glacies) nord. iökull (und zwar
ſæm. edda 217a ìſa: iökla: aptan); ich vermuthe aber gë-
icel, wozu das engl. icle und alth. ihſil ſtimmt; gälte ein
nord. jökull, ſo würde angelſ. gëocel ſtehn, wie gëoc f.
ok; hiernach gehört ſ. 259. gicel nicht unter II, 1.
*)
Denn hnîſr f. knîfr, hnöttr f. knöttr, hnörr f. knörr, hnê
f. knê etc. ſind als unorg. ſpätere entſtellung zu misbilligen.
*)
Bloß die künſtliche ſkaldenpoëſie geſtattet ſich weglaßung
oder auch zufügung des h. um dadurch alliterationen auf
l. n. r oder auf h. zu erzwingen und ſo ſteht z. b. lif für
hlìf (ſcutum) oder hlîf f. lìf (vita) etc.
**)
Vgl. das alth. hirmin, hërmin neben irmin, ërman nord.
iörmun, angelſ. ëormen.
*)
Vielleicht ſo: v und g berühren ſich (vgl. ſ. 261.), aus
blivan könnte bligan und daraus mit gem. bliggan, bligg-
van werden; oder drang das naſale n wie in mîn, unus
ein? (oben ſ. 25.); vgl. ningo, ninguo mit dem alth.
ſniwan und nix, nivis.
*)
Das neutr. egg (ovum) und fem. egg (acies) fallen im
nom. zuſammen; jenes alth. ei, dieſes alth. ecka oder egga.
**)
Merkwürdiger wechſel des hv und hu; beides aber richtig,
wie das ſpätere mittelh. weigen, wejen, wiehern einer-.
das ſchwed. gneggja, dän. gnegge andrerſeits beweiſen.
***)
Verſchieden von freyja (alth. frouwa) wozu das maſc.
freyr (alth. frô).
*)
Notkers regel (ſ. 158.) erbringt: ſtildu, nimdu, prindu,
fardu; gibtu, louftu, rî [...]tu, lâƷtu, rìſtu, ſìgtu.
*)
Bemerkenswerth iſt die ſchreibung der conſ. gemination
durch einen großen buchſtab, als: kraPa = krappa (latînu-
ſtafr. p.287. 288.)
**)
Hierzu halte man das franz. naſale maſc. (fin, un, brun,
ſpr. beinahe ſeing, bröing) und das reine fem. (fine, une,
brune); jener naſenlaut rührt aus dem alten unterdrückten
kennzeichen s (fins; uns, bruns) her.
***)
Ausnahmsweiſe wird ei zu ë in hëlgr (oben ſ. 283.) und
ëcki (ſt. eitki).
*)
Freilich hat ſie ſtufen; volksmäßige dichter überhaupt,
aber auch andere offenbaren eigenthümliche abweichungen
von der reimkunſt eines Hartmann, Gotfried, Rudolf etc.
die früheren, weil dieſe kunſt noch nicht ſo verſeinert,
die ſpätern, weil die ſprache ſchon etwas vergröbert war.
Conrat muß noch für einen der licherſten, reinſten reimer
gehalten werden. Wolframs anomalien verrathen oft
ſprachgeheimniſſe, wenigſtens ſeiner mundart.
*)
Der jetzt noch kühn ſcheinende ſatz, daß alle gedehnten und
doppelten vocale ſich auf einfache vocale und unterdrückte
oder einwirkende conſonanten gründen, wird ſich wohl bei
fortgeſetzten unterſuchungen mehr beſtätigen, vgl. oben
ſ. 88. und unten bei der conj. die bem. über den ablaut.
**)
Die umgedrehte regel vom lat. hiatus: voc. ante voc.
brevis.
*)
Hoffentlich wird Lachmann vorläufig mir mitgetheilte be-
lehrungen hierüber in einer mittelh, metrik einmahl ge-
meinnützig machen.
*)
Hiernach wäre verdërben: erben (a. Tit. 4. Wilh. 2, 82b)
falſch, hingegen verderben (Wilh. 2, 100a) recht gereimt.
**)
In den Nib. wo lauter ſtumpfe reime gelten (oben ſ. 16.)
kommen natürlich wenige mit dem umlautenden wurzel-
vocal ü und e vor (viele auf ë und ê) z. b. wern: hern
9609. her: wer 7813; fehlerhaft ſteht bei Hagen 6403.
her: mêr (denn der falſche reim mêr: hër 1697. iſt erträg-
licher) man leſe für her mit den hſſ. ſêr, was auch der
ſinn fordert.
***)
Maldras ein aus Idatius bekannter ſueviſoher eigenname.
*)
Gute mittelh. hſſ. haben phærit, iſt es das umgelautete phâ-
rit, ſo verliert die ſ. 126. vorgetragene meinung; aus phært
wäre dann phërt (: wërt) geworden, denn: mæret, ſwæret etc.
reimt es nirgends mehr.
*)
Beftätigend ein nord. troll ſt. tröll (oben ſ. 300.)
*)
Karl 16a 19a 93a 116b türſte, türſten: fürſte, fürſten, einen
ind. turſte vorausſetzend; das ſubſt. getürſte: fürſte Wilh.
1, 58a.
*)
v. 4170 71, eine ſonſt dunkele ſtelle.
**)
Könnte das angelſ. Þæſlic (dignus, aptus) unÞæſlic (incon-
gruus) aufſchluß geben? ſtünde undâre für undâſe? (wie
genâren, genâſen) vgl. gl. monſ. 386. 387. un-dâra-lîhi
(ex latere, ex obliquo).
*)
Nicht ſchrâte (faunus) ſondern ſchrate: ſtate (occaſio alth.
ſtata N. 62, 2.) reimend; weshalb auch das alth. â in die.
ſem worte ſ. 88. zu ſtreichen; altuord. ſkratti.
*)
Man lernt durch rechte bezeichnung unterſcheiden: ber
(pulſo) bër (fero) bêr (naſſa) ber (bacca) bër (urſus);
mêr (magis) mer (mare) mër (miſceo); hêr (clarus) her
(exercitus) hër (huc) etc.
**)
Von riſen, reis, rirn (cadere, ſtillare) ſt. reiſen, reiren
(? alth. hriſan, hreis, hrirun und hreiſjan, hreiran, hrêran).
***)
Io alth. diplomen fehlen ſie; Goldaſt und Schannat haben
maganes, katanes; agnés vielleicht aganês, eginês?
*)
Voltiggi p. 172. Vuk Steph. col. 310.
*)
Mittelſt des ô und o unterſcheiden ſich z. b. rôſt (incen-
dium) roſt (aerugo) lôch (nemus) loch (foramen) lôſen
(liberum) loſen (auſcultare) tôre (ſtultus) tor (porta) tôt
(mors) tote (ſuſeeptor baptizati) ſôt (puteus) ſote (fa-
tuus M. S. 1, 25a Triſt. 62c).
*)
Lûte (inorepuit) von liuten, aber luote (rugivit) von
luejen; brûte von briuten (matr. inire) aber bruote von
brueten (ovis incubare).
*)
Zeigen, erzeigen, monſtrare (alth. zeigôn): eigen, neigen
reimend; verſchieden von zöugen, erzöugen, teſtiſieari
(altſ. tôgjan): öugen, ſöugen (Ben. 147. erzougen: ougen)
desgl. von erziugen (teſtibus probare); beide letztere wohl
von ziehen herzuleiten?
*)
Abgeſehn von dieſen ausnahmen hüte man ſich in der re-
gel vor der neuh. ausſprache des ie, welche ſtatt des
diphth. ein gedehntes i gibt, ſo daß z. b. kiel (mittelh.
kiel) wie kiel (mittelh, kil) lautet und thier beinahe den
vocallaut von dir hat. Im mittelh. tönt das e dem i noch
vernehmlich nach (obſchon in einer ſilbe, nicht î-e).
**)
M. S. 2, 78b auf lieder (? liedel) gereimt; fordert ein alth.
friadal, friodil, goth. friaþvils? wozu das nord. fridhil
nicht ſtimmt.
***)
Hingegen kil (caulis) kîl (cuneus).
*)
Einige reime lehren auch ein inlautendes fremdes î-e, na-
mentlich das bei Wolfram häufige vrî-ende: hende, ellende
etc. oder gringuliëten: gebëten (Parc. 131b 133a 149a).
*)
In einzelnen fällen iſt auch hier û oder iu zweifelhaft, z. b.
in bûwen, getrûwen, ſûgen, erblûgen oder biuwen, ge-
triuwen, ſiugen, erbliugen? ſelbſt im altnord. ſchwan-
ken ſûga, ſiúga und das mittelh. blûc (verecundus) lau-
tet bliugr (oben ſ. 299).
**)
Unorganiſch und weder aus û durch umlaut, noch aus
einem alth. iu zu rechtſertigen iſt urliuge (bellum) Maria 161.
M. S. 2, 72b, da die alth. form urlac (gl. jun. 182.) lautet,
angelſ. orläg, altn. orlög; alle dieſe ſind nom. pl. neutr.
Als die alte bedeutung (ſatum) verdunkelte, verdarb all-
mählig die form und urliuge läßt ſich nur begreifen, wenn
man mittelglieder wie urleuge, urlöige, urlaug, urlau,
urlaw, urlag vorausſetzt.
*)
Lachmann ausw. 257. nimmt boi-je, troi-je an; vgl.
unten beim j.
*)
Rûm gëben in dieſen beiden ſtellen Wolframs: ſtatt ge-
ben, eintreten laßen? oder wäre roum hier gar nicht rûm?
Die alth. ſprache kennt kein raum, roum und das angelſ.
hreám (clamor) ſchickt ſich nicht.
**)
Zwiſchen ſtieben, ſtoup und dem goth. ſtûbjus kein ſol-
cher wechſel, denn ohne zweifel muß oben ſ. 41. ſtubjus
mit kurzem u geleſen werden, alth. ſtuppi, mittelh.
ſtüppe verſchieden von ſtoup.
***)
Gemeinalth. hûfo und im verb. hûfôn N; bei O. organi-
ſcher houf.
†)
Nicht hierher gehört der wechſel zwiſchen û und ou
(oder iu und öu?) in ſûgen (lactere) und ſougen (lactare)
ſ. oben ſ. 98, wo unterſchiedue begriffe vorliegen. Eher
zähle man zu obigen beiſpielen blûc (timidus, Barl. 327:
ſêrûc) blûcheit (timiditas troj. 63a) bliuclich (troj. 64a)
erblûgen (miteſcere, timere: ſûgen, troj. 45a) neben blou-
wec, blouweclich, blouclîch (lw. 17a, wo aber cod. giſſ.
bliuclîchen, klage 146b Parc. 8c 39c 110a) und blougen
(Parc. 99c wo fälſchlich bluogen). Schon im alth. ſcheints
zwiſchen blûg und bloug zu ſchwanken. O. II. 4, 75. lieſt
die wiener hſ. blûgo, die pſälzer ſoll bluogo leſen
(? blougo, denn uo für ua iſt unotfriediſch) in jedem ſall
ftreiche man oben ſ. 112. bluàg und vgl. vorhin f. 353.
über blûg, bliug.
*)
Gewöhnlicher das gleichbedeutende neutr. tougen; am um-
laut erkennt man mehrere fem. z. b. töuſe (alth. toufì)
neben dem maſc. touf.
**)
Ob ſich in einzelnen wörtern der alte organiſche inlaut
ewe (oben ſ. 142.) erhielt, könnte die beachtung ſtumpfer
und klingender reime lehren. Iw. 40c 44a 46a 49a. b 50b,
klage 134c, wären die klingenden formen löuwe, dröuwe,
löuwen, gedröuwen, vröuwen etc. verwerflich. Der
ſtumpſe reim fordert alſo entw. lewe, lewen (ftumpf wie
ſëhe, ſëhen) und nicht leuwe, leuwen, lêwe, lêwen) oder
die contraction leu, leun, dreu, dreun (ſo in jenen ſtel-
len Iw. giſſ. und Barl. 100.) und gleichgut reimend löu,
löun, dröun. Für dröu, fröu unbedenklich, (vgl. Wilh.
2, 27a) aber löu findet ſich in alten hſſ. ſtets leu, lewe
und ich ziehe dieſe form vor, dasſelbe gilt von kewe
(faux) welches M. S. 2, 166b offenbar ſtumpf reimt, ob-
wohì fehlerhaft auf ewen (ſt. êwen).
*)
Ulph. würde aílaíêmsÚſyna ſchreiben, hätte er nicht das
deutſche armáiô (wofür alth. armêa denkbar wäre).
*)
Ob die flexion -iu zuweilen umlaut verurſache? unten bei
der declin.
**)
Hierher auch der fall, wo ein wirklich vorhandnes i kei-
nen umlaut zeugt, weil es unorganiſch für e (früheres a)
ſtehet, bluotic, manigem Nib. 4582. trûrigen Nib. 768. ſt.
bluotec, manegem, trûregen (vgl. oben 76. 77.)
*)
Und doch eben das verfließen der endungsvoeale den um-
laut der wurzelvocale [...]äthlich machte (ſ. 339.)
*)
Ließe ſich, wofür einiges ſpricht, ausführen, daß es keine
diminutive auf -lìn, ſondern bloß auf -il-în gäbe, ſo
würde waƷarlin f. waƷ-ar-al în, waƷ-ar-il-in ſte-
hen, die aſſimilation des -al alſo doch nicht die wurzel
erreichen; ſchritte ſie aber weiter vor, waƷ-ir-il-in,
ſo wäre der umlaut weƷ-ir-il-îa möglich (noch nicht
wirklich, wegen ſyncope des i vor l kennt ihn die alth.
ſprache auch nicht). Augenſcheinlicher wären bei ſolcher
annahme aſſimilation und umlaut in dreiſilb. formen wie
ganſ-al-în, lamb-al-ìn, genſ-il-ìn, lemb-il-în.
**)
Die ſchreibung tægelìch wäre allenfalls zu vertheidigen,
wenn man ge- zu lìch zöge und wie in tâlanc contraction
aus tage annähme; tâ lautete dann in tæ um.
*)
Dieſe kürzung des î in i bei ſolchen, denen man ein bai-
riſches ei für ì zutrauen möchte, namentlich beim Stricker,
zeigt wiederum die grundloſigkeit der ſ. 349. verworfnen
anficht. Denn kürzung des ei in i wäre im hochd. bei-
ſpiellos; daß das i wirklich ſtattfand beweiſen reime wie
billich:mich; iegelich:ſich (Karl 32a 51b etc.). Das
adv. auch bei Stricker -lîche (nicht-leiche).
*)
Widerſpricht nicht der ſ. 331. b. c. vorgetragnen regel,
weil das aulehnende n. zu der vorigen ſilbe tritt (jan-e,
dun-e, wie in den, duƷ), keine neue beginnt; darum
kann auch das zuſ. geſetzte (nicht angelehnte) nie-man,
ie-man keine kürzung in i men, ni-men erfahren.
**)
Ob auch jazen (annuere) ſt. des ſ. 97. ſtehenden jâzen,
ebenſo duzen (tuiſſare) und nicht dûzen geſagt werden
müße? zweifle ich, weil ein i ſyncopiert ſcheint, vor
dem der lange voc. beſtand und nach deſſen ausſtoß er ſich
erhielt, früher alſo: jâizen, dû[i]zen (vgl. nord jâta, þûa).
***)
Lachmann (rec. d. Nib. col. 215.) nimmt ſelbſt kürzung
des inlautenden (freilich unorganiſchen -ie in hier an, ſo-
bald en, inne folgt (hirinne, hir en hove); KolocƷ. 65. 70.
*)
Alſo nie f und Ʒ. weil dieſe dopp. ſind, hier inlautend ſo-
gar äußerlich geminieren; auch nicht p und k, welche
inlautend nie zwiſchen kurzem und ſtummen voc. ſtehn,
ſonſt alle andern, namentlich t und wohl auch v und w.
***)
könnte aber auch mier, wier (nach oben ſ. 351.): hier
geleſen werden, gewöhnlich ſteht im mittelh. hie für das
frühere hier.
*)
Hiernach iſt im alth. ziagìla, gezimpàri auf vorletzter
tiefbetont, nicht aber geſidili etc. aus demſelben grunde
âtùme, zeihàne etc. nicht aber kadame.
*)
Lëbet, pfliget, maget, ſaget etc. ſteht zwar oft geſchrie-
ben; reime entſcheiden für keinerlei form; in ſolchen
wörtern treten gerade häufig auflöſungen des conſ. in vo-
cale ein: pſlit, meit, ſeit etc. nirgends durchgreifend.
*)
Syncopierte wörter reimen überhaupt unbedenklich auf
andere, z. b ſende (mitto):ſende (deſiderium); herten
(vaſtabant):herten (durum); mit andern worten: Lach-
manns ſchwebelaut findet nur bei ſtummem e ſtatt, nicht
bei weggeworfnem. Ob doch irgend ein unterſchied zwi-
ſchen einſilbigen reimen und ſolchen, denen ſtummes e
nachfolgt, fühlbar war? Ich wüfte nur das anzuführen,
daß die (von der theilung in ſtollen und abgeſang und
dem eigentlichen ausreim unabhängigen) an- und inreime,
dergleichen ſich zumahl bei Walther, Nifen, Lichtenftein,
Winli, Burkart, Brunwart, Wizlau, Singof, Lietſcou-
wer etc. zeigen, faſt immer einfilbig-ſtumpf ſind (merk-
würdig haƷ-ent:baƷ 1, 122b und wîp-lîch:îp Ben. 65.)
fehr ſelten mit ſtummen e, lobe:tobe (1, 123a) ſaget:
klaget (meiſterg. 6c leicht is ſeit:kleit zu ändern) nider
(welches zu ergänzen iſt):wider (Singof 152b) nie klin-
gend (culde:hulde, halde:alde Wizlau 29c beweiſt nichts).
Lieder wie 1, 86a 189b 2, 199. 203 etc. rechne ich nicht
zu dieſem ſyſtem.
*)
Man vgl. das goth., wenn z. b. die lab. med. in bërgen,
gëben dem bairgan giban antwortet, die gutt. med. eben-
ſo in denſelben beiſpielen; ſo erſcheint die ausl. ten. in
gap, barc (goth. gab. barg) unorganiſch. Für den zun-
genlaut verläßt natürlich dieſe vergleichung.
*)
Zweierlei arten 1) wo ein folgendes dem vorgehenden
wort anfliegt (diele ſind hier gemeint) 2) wo ein vorge-
hendes dem folgenden z. b. zemir, mitdin etc.; in zwei-
felhaften fällen lehrt der ton, welches wort incliniere.
*)
Der einfluß des auslauts auf den anlaut fleht dem des an-
lauts auf den auslaut (wovon eben Ʒ, β. die rede war) ge-
genüber; doch mögen beide grundſätze zuſ. gelten.
*)
Wo ausnahmsweiſe b ſtatt p anlautet vgl. biſchof und
bilgerîn (Barl. 18. 114.) aber M. S. 1, 23b pilgerîn, poye
und boye, da gilt med. oder ten, feſt, ohne wechſel. We-
nigſtens ſtimmt a. Tit. 9. 16. ir brîs, hërre brîs neben
anderm prìſe gerade nicht zur regel, und das gedicht folgt
ihr ſonſt nicht.
**)
Bei N. anders, der alle anlaute b. p. d t. nach dem aus-
laut ordnet, alſo ſelbſt in fremden wörtern bald bîna bald
pîna gebraucht. Ihm ſcheint ten, der wahre laut (oben
ſ. 130.) med. der umlaut; im mittelh. umgekehrt. Mein
zweifel ſ. 158 (note) war unnöthig, da wenigſtens die
pſalmen zwiſchen dag und tag etc. nach der regel wechſeln.
*)
Eigentlich ſteht bei Docen nih buven; es ſcheint ein feh-
ler in der hſ. oder im abdruck.
*)
Oben ſ. 104. 105. wo vielleicht ia-mêr, nia-mêr zu ſchrei-
ben, aus dem ſich ſpäter iemer, niemer entwickelt?
ſchreibt N. iemer oder iemêr?
*)
Scheinbarer grund wider den ſatz, daß der reim am ſicher-
ſten die ausſprache lehre. Freilich der regelfeſte, häufige
reim, nicht der ſeltene, ausnahmsweiſe, der auf ſchrei-
bung und ausſprache des worts innerhalb der zeile nicht
gerade anzuwenden iſt. Wenn ein dichter immer : zimmer
reimt. lein, hein:bein, ſo wird er außer dem reim ſehr
wohl imer und zimber gebrauchen, ja gewiß heim, leim.
Aber gap, beleip ſtändig in und außer reim, es müſte
denn ein unbetonter vocalanlaut folgen.
**)
Freilich auch nicht auf p. k. (wohl aufs parallele t) aber
zufällig, weil ſie im mittelh. nicht mehr inlauten.
***)
Dafür auch kein hinreichender erſatz, da die goth. aſpi-
ratae (welche nun von alth. mediis vertreten werden) in
der ſtark. conj. vor voc. weit ſeltner auftreten, f. gar nicht,
nur þ in quiþan, viþan, ſneiþan etc. Die wahrnehmung
kann weiter führen.
*)
Einzelne durchgreifende übergänge des m in n abgerech-
net, wie ſliune (acceleratio) ſliunic (oeler) ſt. des alth.
ſliumî.
*)
Fügliſtallers ausg. wird auch die unſicherheit über N. dara
und dâr heben, vgl. dial. p.28. dara fure und dâr-ana
(oben ſ. 87.)
*)
Selbſt fremde verwandeln ihr ë und o in ſolchem fall gern
(nicht überall oder bei allen) in i und u, vgl. gimme,
fundâmint, përmint, ſëtmunt (fiebengebürge Trift. 88b gl.
herrad. 180a ſëptimunt) roymunt (Wig. 141.) münze mo-
neta) etc.
**)
Über die nothwendige vereinfachung des l. im praet. viel,
wiel, vielen bei der conjug.
*)
Hatte wohl früher einfaches l, wie das abgeleitete bilde,
alth. piladi, pilâdi (ſculptura) zeigt; da aber im nord,
bilæti gilt, ſo wäre eine noch ältere urſorm pîlan, peil,
pilun (caedere) möglich, die zugleich bîl (actus caedendi)
erläuterte.
**)
Oben ſ. 340. zuzufügen: nâdel, zâdel (penuria) tâdel
(labes) lauter Titurelsreime.
***)
Tadelnswerth die aſſim. mm aus n-m, als ummuot, um-
muoƷe Nib. 2266, 3500 etc.
*)
Flore 27c M. S. 2, 106a vërne:gërue iſt was anders, (Flore
vërre:hërre, wërre daſ. 4a 27b 30c etc.) nämlich nuper,
anno praeterito, gegenſatz von hiure und ſteht für vër-
rene alth. ſërrana; ſonſt auch vërnent, vërnet (M. S. 1,
59b 2, 230b) und vërt (Triſt. 85c M. S. 1, 158a 166a) der
organiſmus dieſer allmählig verdunkelten formen wird in
der abhandlung von den correlativpartikeln klar werden,
wie ſich dannen zu dort (tharot) verhält, ſo vërt zu vër-
ren; vërt iſt das goth. faírraþrô, vërre aber faírra.
*)
Gampilûn (Parc. 92c 139a Roquef. v. gambaiſon) gampel
(Parc. 99a 126c) gimpel, gempel, wempel (M. S. 2, 80b)
cumpanie etc. ſind fremde wörter. Noch etwas anders iſt
das p. welches ſich zuweilen iulautend nach m und vor t.
der flexionsendung entwickelt, z. b. goumpten ſt. goum-
ten (Gudr. 2920. 5436. 6094. gaumbten geſchrieben) der
alth. mundart gemäß (oben ſ. 126. note) aber nicht gemein-
mittelh.
*)
Wohlverſtanden 1) in deutſchen wörtern, fremde können
ihr nt behalten, als prêſënte, fundâmënte. 2) in wirkli-
chen verbindungen; berührt durch ſyncope ein t das n,
ſo ſchwankts zwiſchen nt und nd (hiervon noch unten
beim ling, laut).
*)
Für eine analogie könnte man das jedoch im mittelh. nicht
mehr ſtatthafte winnan, vunnun halten (oben ſ. 139.)
*)
Unverſtändlich iſt mir ſlaven:ſchraven M. S. 2, 236b aber
der ſtumpfe reim beachtenswerth, wie 2, 72b neven: he-
ven gleichfalls ſtumpf reimt; v konnte alſo kurzen voc.
vor ſich haben und galt inlautend nicht für aſp. ſondern
zwiſchen med. und ſpirans ſchwebend. Daher der über-
gang des v in b und ſeine dem b faſt gleiche, ſchwer zu
faßende ausſprache.
*)
Fiur, tiure ſind keine contraction aus ſiuwer, tiuwer
(ſ 402.) vielmehr iſt dieſe unorg. erweiterung. Ebendas
gilt von friwent (? friuwent) ſt. des richtigern friunt.
*)
Oben ſ. 149. fn nachzutragen, nämlich fnartôn (anhelare)
fnëhan, fnah (anhelare) fneſcezen (ſingultire) fnotôn (con-
quaſſare).
*)
Daher zuweilen ſëlzæne f. ſëlt-ſæne (Morolf 44b ſogar
barz ſt. barts auf ſwarz gereimt) geſchrieben ſteht; ge-
rade als wenn, hätten wir þ, dieþêr f. diethêr ſtünde
oder wie das org. ch und c-h in lìchame ununterſchie-
den ſind. Später kommen ſchreibungen wie frizlar oder
fritzlar f. fridealar, fritſlar genug vor.
**)
Wäre auch ein f für pf. vor t in gleichem fall zu be-
haupten? ſtafte, kamfte und nicht ſtapfte kampfte? vgl.
den reim auf ſanfte M. S. 2. 192a.
***)
Wie pf und ck aus gleichem grunde. Doch ganz ſtimmt
tz nicht zu dieſen (ſ. 170.) note **) vgl. die eben voraus-
gehende note.
*)
Im 12. jahrh. noch ſameƷtac; bei T. 18, 1. O. III. 16, 68.
ſambaƷdag merkwürdig für ſabbaƷdag; goth. ſabbatôdags
oder ſabbatêdags.
**)
Neben dieſem auslaut auch kurtî (brevitas) I. 1, 43, hin-
gegen kurzero II, 21, 34. kurzit IV. 7, 65. kurzlîchaƷ II. 21,
30. kurzlìchen II, 9, 147.
*)
Statt diz (f. ditze) ſtehet fehlerhaft diƷ:gebiƷ (Flore 22b)
und dis:gewis (Reinfr. 166a) M. S. 2, 216a reimt wider-
ſaz:haƷ.
**)
Auch die goth. auflöſung des t. d und þ in die ſpirans ſ
vor dem t der II. praet. ſing. (vgl. bigaſt, quaſt, bauſt,
ſnáift von bigitan, quiþan, biudan, ſueiþan ſtatt bigatt,
quaþt, báuþt, ſnáiþt) verdient hier rückſicht.
*)
In las-ſtein (lsp. miſſilis) Eneit 53a Bit. 17a Gudr. 41b
75a; las ſcheint ſoviel als laſt (onus, vehes) alth. hlas
oder hlaſt? von hladan (onerare) angelſ. hläſte, nord, hleſt.
*)
Verſch. von ſtat, gen. ſtete (locus) und ſtat, ſtades (littus).
**)
Die nom. ſchrite, trite, ſnite vermuthet Lachm. ausw.
XIX. XX. (Sîfrite leuchtet mir wenig ein); den beweis
würde ein alth. ſcritu, tritu. ſnitu oder ſcriti, triti,
ſniti führen; gl. monſ. 327. ſieht man nicht, ob ſcriti
paſſus ſg. oder pl. ſeyn ſoll; gl. herr. 181b ſchrit (paſſus)
nicht ſchrite. Das ſtumme e ſcheint freilich in ſchrite,
trite, ſnite (wie gewöhnlich in ſite, alth. ſitu) aus dem
reim ſite, bite, mite (alth. miti) zu folgen, nur nicht mit
gewißheit, da ausnahmsweiſe ſit und mit ſtehen (oben
ſ. 374.). Bei unapocopiertem e würde die rückkehrende
media ſnide entſcheiden, nähme nicht der ſtamm ſnîden
(ſ. 408.) nach kurzem i überall ten. an.
*)
Oben ſ. 167. note ***; die vielgeſtaltigkeit dieſes worts
mehrt noch der eigne umſtand, daß O und T. nl zu nn
aſſimilieren, annuzzi (T. 7. 6. O. III. 21, 69. IV. 33. 10. V.
2, 7. woneben 1, 5. 54. auluzzes) W. 2, 14. hat antluzze.
**)
Hieraus folgt, ſo wie aus der verſchiedenheit der auslau-
tenden conſonanz, daß twërc, twërges mit dwërch, dwër-
hes unverwandt iſt.
*)
Das ſchwauken hub ſchon im 12. jahrh. an; gl herr. 181a
thwë[r]he, aber 179a unrichtig twërheme (obliquo); cod.
pal 361. 88b dewërhes. 90b betwanc. 91c twanc etc.
**)
Dieſes ſw erſcheint noch in ſwuoƷ (dulcis) in der kaiſer-
chron. des 12. jahrh. cod. pal. 361. 18c 19d etc. (vgl. oben
ſ. 112. 141); das mittelh. des 13ten kennt nur ſueƷe.
***)
In dieſem worte ahnt Wolf. das urdeutſche ſini-ſcalc
(primicerius aulae, älteſter hoſdiener) gar nicht mehr;
warum er es beſtändig auf -aut reimt, ſo daß die ſchrei-
bung ſcheneſchlant 46c 49a richtiger ſcheint, als ſchene-
ſchalt? muß ſich aus dem romaniſchen aufklären, wo et-
wan ein verb. ſeneſchaler und davon ein partic. ſeneſcha-
laut vorkam.
*)
Zuweilen auf j vgl. onwe (anjou) ſchoie (joie).
**)
Umgedreht wird, aber ſelten, ſch zu ſ, vgl. erlaſte (f. er-
laſchte): glaſte Barl. 321. Wilh. 3, 230b 410b; eiſten (f.
eiſchten): leiſten Maria 218. fris (ſt. friſch) : gewis
Wilh. 3, 83a.
*)
Dieſe ten. läßt ſich der ſtrengalth. in tak, takes, ſiku, ſi-
kes nicht gleichſtellen (vgl. ſ. 377. bem. α.) weil ſie ſich
nicht rein von der aſp. abſiuſt, ich meine, weil auch
ſchalk, ſtark (ſirengalth, ſcalh, ſtarh) daneben gelten.
*)
Zur überſicht des bisherigen: in deutſchen wörtern ent-
ſpricht k meiſtens dem goth. k (welches nur in- und
ausl. vor vocal gewiß zur mittelh. aſp. wird); dann aber
auch dem goth. g. nämlich im auslaut (bem. 1c) ſelten
im an- und inlaut (bem. 2.).
*)
Ebenſo iſt die ſpätere kürzung des oge in oi (voit f. vo-
get) zwar analog aber nicht mittelh.
*)
Ein umgekehrter fall, nämlich h für g, kommt vor Parc.
144c wo liht (f. ligt oder lit): niht und M. S. 1, 102a,
wo pſliht (f. pſligt, pſlìt): niht reimen, vgl. giht : wì[t],
ſtrît (Flore 23a Wilh. 2, 1); geſiht:pſliht troj. 15a iſt in
geſigt, pfligt zu beßern.
*)
Man merke, daß die umlaute e, ö, ü vor ch nur in den
plur. beche, löcher, ſprüche etc. vorkommen, nie in ab-
geleiteten ſchwachen verbis, wo jederzeit ck für ch ein-
tritt, als decken (tegere) wecken (excitare) etc.
*)
Stalder dial. p. 63. bemerkt einzelne meiſtens gebliebene k.
ſtatt ch. in der ſchweizervolksſprache, worunter beſon-
ders kennen und erchennen auffällt. Der dem anlaut fol-
gende voc. iſt weder hier noch im mittelh. von einfluß,
wenn man etwa die ſächſ. und frieſ. regel (oben 256.) an-
wenden und ch vor e, i etc, k vor a, o, u etc. anneh-
men möchte.
*)
Bei andern ruoren (En. 2b troj. 113a).
*)
Zu unterſcheiden fürzœhen (praeſerre) und fürzogen (pro-
trahere) ſo wie [zœhen] und zogen.
*)
Vgl. ſ. 429. Hartmanns ſmach f. ſmac.
*)
Manche hſſ. ſetzen ch. in ſechſerlei fällen: 1) für ch
(ſchîn. biëchen. dach) 2) für ch = h (ſach, vidit) 3) für
k (chan. valche. blich) 4) für ck (diche) 5) für k = g
(lach, pflach) 6) für gg (rüche. eche). Die vier letzten
fälle ſind tadelhaft oder bedenklich, die beiden erſten
richtig.
*)
Dieſe drei ſcheinen beßer ë zu haben, flëc, zwëc, ſtëcke.
**)
Mit dieſem ric, rickes nicht zu vermengen ric, riges
beßer rige, riges (Parc. 62b Wilh. 1, 105a).
***)
Das dunkele ſcheltwort mecke etwa megge, vgl. Stalder
v. mäggelea.
*)
Unſere mittelh. dichter entlehnten ribalt, ribaldes oder
ribbalt und ähnliche wörter nicht aus dem franz. ribaud,
ſondern aus einer andern rom. form ribald; freilich wie-
der ohne ahnung des deutſchen urſprungs aus reginbald,
reinbald (vir fortis, hernach, wie recke, latro, fur).
*)
Der grund waren ſie nicht, da auch ten. und aſp. weg-
fallen, wie t und 3 (ſ. 409. 415.).
*)
Wolfram oder wolveram, gen. wolframmes (wofür wolf-
rames M. S. 2, 10a, der dat. wolfram Parc. 44c ſt. wolf-
ramme läßt ſich vertheidigen) deutet auf die ſ. 389. gewie-
ſene form ram ſt. raben (analog bambërc ſt. babenbërc);
die alth. form wäre wolfhraban oder wolſhramu; vgl.
engelram, ſigeram, bërtram etc. früher engilhramnus oder
engilhraban etc.
*)
Ein wort, das Conr. und Gotfr. gleichfalls gemein haben, iſt
bëtalle (penitus) vgl. troj. 14c 45b 84b etc. Triſt. 25a 55b 71b
103a 139c und zwar neben dem gleichbedeutigen mitalle (7a 17c
128b 130c) auch Veld. braucht betalle häufig (8b 9b 38b
41a 44b 76b etc.) und almitalle (51a wo aber c. caſl. albe-
talle) ſchwerlich Wolfr. Rud. u. a.; bei Hartm, zeigt es
ſich einmahl (Iw. 52a aber c. giſſ. und pal. leſen mitalle)
bei Wirnt einmahl (408 wieder die varianten mitalle, vgl.
507. 535.) bei Heinr. v. mîſen öfter, es iſt wieder nicht ge-
rade niederd, ſondern von der auch alth. praep. bit, bët zu
leiten, die beinahe ſoviel als mit bedeutete, aber nicht damit
eins war (bloßer tauſoh zwiſchen b und m wirkt nicht hier-
bei). Im mittelniederl. wechſeln ebenwohl albedalle und
almetalle (Huyd. op St, 2, 21,) Ottoc, hat almitalle z. b. 278a.
*)
Daß in der pfälz. hſ. des Herb. häufig au ſtatt a vor g
(nicht ſtatt â) ſtehet, z. b. klauge, waugen, zauge f.
klage, wagen, zage, bürde ich dem abſchreiber auf, nicht
dem vf.
*)
Eu. 21b nennt der dichter die ſybilla andfas (cod. caſſ.
antfas, cod. pal. antvas) d. h. horrida; vermuthlich Vir-
gils: non comptae manſere comae. Nib. 2307. valvahſe,
flavicomas.
*)
Nicht begaaren (cupere) wofür Maerl. begaren (:varen 1,
301.) und begaers:vaers (d. i. begares, vares) 2, 398. wel-
ches auf dieſe weiſe aus begëren entſprungen ſeyn mag.
Rein. 344. cerde:begheerde.
*)
Huydec. proeven ſind mir leider nicht zur hand, daher
ſeine regeln über ee und oo unbewußt. Wenn aber
Clignet (vorr. z. teutoniſta p. ixvi.) beiſpiele des ee aus
einer hſ. als genaue mittheilt, ſo vermag ich einer regel,
welche ee in deeren, begeeren, ontbeeren, ſcheeren, ver-
teeren, zweeren, alſo wohl vor jedem r gutheißt, keines-
wegs beizupflichten; ſolohe ſchreibungen ſind grammatiſch
*)
Mittelniederd. altoges M. S. 1, 213; mittelh. alzuges, amur
8b, alſo aus altoghes contrahiert; ôm oder oem iſt das
angelſ. eám, mittelh. œheim, ôheim.
*)
ſo ungenau, als die welche lêren, kêren, ſêre mit bloß
einem e ausdrücken. Auf die analogie der verkürzten ae,
î, û ſcheint Clignet gar nicht zu achten.
*)
Z. b. croenghe (morticinium) Maerl. 2, 351. 418. neunie-
derl, krenge, aus dem franz. charogne, Roquef. v. caroigne.
*)
Vorausgeſetzt, daß die wurzel auf einfachen conſ. ausgeht,
z. b. ſprëken, ſprêct; nicht bei doppeltem, daher aus
mëcken, blicken, mëct, blict wird, kein mêet, blict.
*)
Eine bemerkenswerthe ausnahme macht god (Deus) wel-
ches ſtets ſo, nicht got geſchrieben, obſchon überall auf
ſpot, ſot (ſtultus) ghebot (mandatum) gereimt wird
(Maerl. 2, 326. 348. 369. Rein. 305. 308. 314.) alſo die aus-
ſprache war ebenfalls got, an der ſchreibung des heiligen
namens ſcheute man ſich zu ändern (vgl. ſ. 180.). Zugleich
folgt daraus, daß die organ. med. erft allmählig im ausl.
abkam, früher ſchrieb man ſicher ghebod (mand.) daed
(ſactum).
*)
Ich bezweifle jetzt nicht mehr, was ich ſ. 382. als einzel-
nen fall hinſtellte, daß mittelh. durchgehends enkëlten,
(vgl. den hochd. abſchreiber der En. 18c 76b 86c) enkër-
wen, enkân (Nib. 3764.) enkieƷen etc. ſo befugt geſchrie-
ben werde, als enpfliehen, enpfinden.
*)
Blêten (balare, : ghêten, capris und gheblêt balatus:bêt
momordi Rein. 235. 236.) angelſ. blætan, verlangt ein hochd.
bleiƷen, wofür aber merkwürdig blêren (früher bleiren,
goth. blaizan?) gilt; auch der cleviſche Teutoniſta gibt
blêren.
*)
Der buchſtab dieſes worts macht in allen deutſchen ſpra-
chen zu ſchaffen; ſchon im goth. untê neben und, im alth.
unzi neben unt-aƷ, im angelſ. odh (wonach man ein
goth. unÞ, alth. und erwartet) mittelh. unz, engl. until,
dän. indtil, ſchwed. intil, ändatil. Näheres bei den
partikeln.
*)
Nicht für das abſtracte totus, omnis, welches entw. mit all
oder alang, along (vgl. alink im teutoniſta) gegeben wird;
K. 35b braucht neben along ein ſchwieriges anolk. Auch
im mittelh. hat das häufige ganz die bedeutung integer,
perfectus.
*)
Angelſ. fät, fättes; altn. feitr, alth. feiƷit (= gifeiƷit, ſa-
ginatus) mittelh. feiƷt.
*)
Selten gh für g, vgl. ghone Maerl. 1, 9. 50. f. gone 1, 12,
wiewohl hier der übergang aus ghëne halb entſehuldigt;
vorhin ſ. 471. habe ich es verſchrieben.
*)
Tyrwhitt im eſſay on the verſification of Chaucer nennt
e feminine (pronounced with an obſcure evaneſcent ſound)
was ich tonloſes e; e mute, was ich ebenfalls ſtummes e
nenne, nimmt aber irrthümlich im reim ein e feminine
*)
an. Das gewöhuliche versmaß in den C. T. halte ich für
zehn- nicht für eilfſilbig und wörter wie pilgrimage,
corage, ordinance, im franz. allerdings noch klingend,
reimen ſchon bei Chaucer ſtumpf. Außer reim hingegen
kann nach umſtänden ihr ſtummes e freilich im vers für
eine ſilbe zählen, wie auch das mittelh. namen (nomine)
manic etc. welche im reim einſilbig ſind, mitten im vers
zweiſilbig ſeyn dürfen (ſ. den nachtrag zu ſ. 361. 373-376.)
*)
Den herausgebern begegnet es oft, dieſen diphth. für on
zu halten, ſo ſetzt Scott nicht nur überall Iſonde f. Iſou-
de, nephon f. nephou, ſondern Ritſ. ſogar ins gloſſar die
unwörter cronde, londe, da doch 2, 145. offenbar croude
(premi, celeriter moveri): loude (cum ſonitu) zu leſen war.
*)
Zuweilen haben ganz dieſelben wörter bald w, bald v.
nachdem ihr ſtamm ſächſ. war, irgend eine ableitung
oder nebenbedeutung aber romaniſch, ſo z. b. gilt neben
wìne (vinum) vìnolent (ebrius) vînêgre (vinaigre) und
neben wind (ventus) noch vent im ſinne von luft. Dies
iſt vortheil und nachtheil zugleich.
*)
Unpaſſend hat man es in einigen abdrücken durch y ausge-
drückt, dem þ in den hſſ. zufällig ähnlich war, wie noch
hentigestags ye, yt für the, that geſchrieben zu werden
pflegt. Die laute th und y haben nichts gemein.
*)
Hier könnte eine abhandlung der mittslnordiſchen (altdän.
altſchwed.) buchſtaben erwartet werden, wozu mir theils
quellen theils ſtudien fehlen.
*)
Die gemeine volksſprache einiger gegenden wird ſich wohl
noch darauf verſtehen, grâs (gramen) lâs (legebat) haus
(domus) in der ausſprache von wâß (quid) âß (edebat)
auß (ex) zu unterſcheiden.
*)
TenKate p. 126. behauptet auch im auslaut v. z. wenn das
nächſte wort vocaliſch anlautet; dieſe theorie iſt aber für
die heutige ſprache zu ſein und ich finde ſie bei den
ſorgfältigſten dichtern unbeachtet, (vgl. übrigens oben
ſ.379. β).
*)
Dagegen leſe ich irgendwo ſchaaûw (und nicht ſchaâuw) f.
ſchaduw (umbra); beßer ſchaa’uw, ſchâ’uw; hier bleibt
der tonloſe flexionsvocal.
*)
Ohne zweifel würden auch einem isländiſchen dichter
heutzutage mala (molere) trodha, ſkerit, ſidhir klingend
*)
reimen; alſo iſt ein neuisländ. mâla, trôdha, ſidhir und
grìpinn anzunehmen? Ich glaube allerdings, behaupte
nur nicht, daß dieſe ſpäteren â, ô, î etc. mit den alten
organiſchen â, ô, î gleichen laut haben; man wird (wie
im ſchwed. mâla molere von måla pingere) zweierlei mâla
ſcheiden müßen und vielleicht lautet î in grîpa anders als
das in grîpinn etc. Das ganze bedarf näherer unterſuchung
und würde die neuisländ. vocallehre modiſicieren, übrigens
erklären, warum ein êk, êta ſtatt des altn. ëk, ëta gilt
(oben ſ. 282.).
*)
Woraus ſich ſ. 235. note hlâfdige erklärt, es bedentet:
panis diſpenſatrix, largitrix; lady iſt brotfrau, brotausge-
berin, wie die Schweden mjölkdeja (milchausgebende
dienerin) zuſ. ſetzen, vgl. Ihre v. deja.
*)
Hat ſich allmählig und erſt im laufe des verwichenen
jahrh. der laut aus kj in tj, tſch geſchärſt? Sahlſtedt lieſt
kiſta “wie kjiſta,” Heldman “wie kjiſta, faſt tjiſta.”
Vielleicht käme die hochd. bezeichnung tchiſta näher.
*)
Rechter gegenſatz zu der mittelh. verhärtung der org. med.
in ten. (doch bloß) im auslaut. Dort hieß es luot, lip,
neic ſt. luod, lib, neig; hier im dän. ſôd (pes) tâb (per-
ditio) tâg (tectum) ft, ſôt, tâp, tâk.
*)
Altdän. gleichfalls ald, aldr, ſo wie dend, kand f. den,
kan, woher noch das neudän. kandſkê (fieri poteſt) ſohwed.
kanſkê.
*)
Das hochd. (unorg. aus ſw entſpringende) ſchw. iſt un-
vergleichbar; es müſte denn unſer ſchwappen, ſchwapps
mittel- und alth. nicht mit ſw, ſondern ſkw, ſchw anlau-
ten; anderemahl haben wir bloßes qu in quabbelich, quaxen.
*)
Oder will man in kêde, gêd, kind, gitter den kehllaut
wie im hochd. lauten laßen? die dän. ausſprache mag
wirklich provinziell hierin ſchwanken, vgl. Bloch p. 295.
*)
Auf die alth. mittelh. und mittelniederl. beſtimmung der
an- und auslaute wird hierbei keine rückſicht genommen.
*)
Das alth. mit, miti paſſt zum griech. μετὰ, hût, hûtî zu
cutis, nicht zum goth. miþ, altn. hûdh, ich zweifle ob
von andern ſ. 159. in der note angeführten oder gemeinten
alth. wörtern ebenſo geurtheilt werden kann. Bemerkens-
werth iſt der widerſpruch gegen die lingualvergleichung
in den wörtern πατὴρ, μήτηρ; pater, mater, frater; goth.
ſadrs (?) brôþar; angelſ, fäder, môder, brôdher (vgl.
ſ. 514. 544.) aſtlt, vatar, muotar, pruodar; die deutſchen
ſprachen ſtimmen unter ſich, ſo wie das lat, frater zu
ihnen; aber παθὴρ, μήθηρ ſollte es heißen? Schwerlich,
im ſanſkr. haben alle drei die nämliche org. tenuis.
*)
Unterſchieden von einzelner, undurchgreiſender verderb-
niß, z. b. der ſchwed. dän. verdrängung der anlautenden
lingualaſp. durch ten., während labialaſp. fortbeſteht; oder
der im dän. inlaut geltenden med., woneben der anlaut
die ten, beibehält etc.
*)
Ich vermag daher Bopp nicht beizutreten, wenn er (an-
nals of orient, lit. part. I. Lond. 1820. p. 7.) ſagt: there
is only one defect of which we may accuſe the ſanſkrit
alphabet, namely. that the ſhort a, the ſhort italian s
and o are not diſtinguiſhed from one another. For I can-
not believe, that in the language of the Brahmans, when
it was a vernacular tongue, the akâra had always the
power of a ſhort a, and that the ſounds of e and o never
occurred in it; I rather think that the ſign uſed for the
ſnort a was put alſo to expreß a ſhort e and o.
*)
Dieſe beiden wörter ſipôneis und bêrnſjês, in allen übri-
gen mundarten unerhört, ſind dunkeler herkunſt; die
alth. form würde ungefähr ſiphuoni, pâruſâ, pâraſâ ſeyn.
*)
Beſtimmte belege der alth. ſprache können die ſchreib-
weiſe einzelner quellen befolgen; allgemeine beiſpiele
müßen, anderer rückfichten halben, der theorie gemäß
geſohrieben werden, welches, ſo lange dieſe ſelbſt noch
nicht feſtſteht, nur mislich, hin und wieder ſchwankend
auszuführen iſt. Die bemerkung gilt für alle alth. bei-
ſpiele in meiner grammatik.
*)
Die adj. cotlîh (divinus) und cuotlîh (glorioſus) ſind
durchaus zweierlei; im weſſobr. denkmahl daher côtlîhh
geiſtâ: ſpiritus excellentes und nicht: divini.
*)
Schlüpfrig iſt die form des wortes lüge J. 395. lughin
(mendacium) luginô (mendaciorum) mit ungewiß ge-
laßenem genus; ebenſo N. 24, 5. den acc. lugin und ſonſt
den gen. pl. luginô, dat. luginen; daneben den nom. maſc.
lug (139, 9.) dat, luge (58, 12.). Den nom. pl. (neutr.)
lugju (stalder p. 213.) bezweifle. O. III. 18, 91. V. 25, 85.
und T. 131. gewähren das entſchiedne fem. lugina, dat. pl.
luginôn (alſo gen. pl. luginônô).
**)
Die länge oder kürze der flexionsvocale ſetze ich muth-
maßlich an, ſo gut ſie ſich aus der goth. und alth. analo-
gie ſchließen läßt. Einen wink gibt vielleicht die ver-
ſchiedenheit beider hſſ., nämlich die cott. gebraucht o in
ſuno (filius) dagon (diebus) wo die münchn. ſunu, degun;
dagegen im inſtr. maſc., im dat. ft. fem. und im ſchw.
fem. u, kein o, ſlâpu (ſomno) quâlu (nece) raſtun,
Folglich ſind die u der münchn hf. offenbar zweierlei,
kurz in ſunu, dagun; lang in ſlâpû, quâlû, raſtûn. Fer-
ner erſcheint in der münchn. häufiger als in der cott. e
ſtatt des kurzen a im gen, dat, ſg. maſc. neutr. und im
nom, acc. ſg. fem. nicht aber im gen. ſg. und nom. pl.
fem., zum zeichen, daß hier ein langes â eintritt.
*)
Die langen vocale der flexionen zu beſtimmen enthalte ich
mich ganz, da die analogie des goth. und alth. zu ferne
liegt und bei den verwandteren altn. flexionsvocalen die-
ſelbe unſicherheit herrſcht.
*)
Die völkernamen auf -vare haben (wie die parallelen altn-
auf -verjar) eigentlich keinen ſing., aber das weibl. col-
lectivum burh-varu (civitas) cant-varu (complexus can-
tuarienſium) ſteht ihnen zur ſeite; vër (vir) iſt damit un-
verwandt.
*)
Mit unrecht hält Raſk p. 27. dieſe beiden für neutra plur.
*)
Gewiß waren vormahls manche flexionsvocale lang, ich
wage ſie aber nicht zu bezeichnen, da weder die hſſ. noch
die in der vocalbeſtimmung genauſten neuisländ. ſchrift-
ſteller und grammatiker irgend vorangehen. Heutzutage
mögen alle vocale der caſus mit dem ton die alte länge
eingebüßt haben. Vermuthungen gibt die analogie von
ſelbſt an hand.
*)
Dän. ſehwed. värk, angelſ. vëarce; zu unterſcheiden von
vërk (opus) dän. ſchwed. verk, angelſ. vëorc.
*)
d. h. jam peractus, religio baptizatorum; verſchieden von
dem ſem. töufe (actus baptiſmi) vgl. Wilh. 2, 1b 3a.
*)
Neben bîe, pl. bîen (oder bîgen Maria 47: mârîen ge-
reimt, vgl. inzwiſchen oben ſ. 437. bige) gilt die andere
form bin pl. bin (nach vierter decl.) Parc. 71c Wilh. 2,
40b Wigal. 234. Barl. 176. M. S. 2, 3a 40a kolocz 24. (ob-
gleich ich dieſes nie auf hin, in, bin [ſum] reimen finde).
Ebenſo alth. entw. pîa, pìûn (gl. jun. 204. der gen. pl.
pîânô ſt. pìônô? vielleicht war die urſprüngliche geſtalt
pio, pëo, pia? = angelſ. bëo, altn. bŷ) oder pin, gen, pinî,
pl. pinî; oder pina, pl. pinûn? (oben ſ. 93.)
*)
Daneben kommt nach zweiter deel. der nom. ſg. ſchulde
unſchulde vor M. S. 1. 69a 2, 29b Wilh. 2, 37a Parc. 64a
74b; ſchult ſcheint mehr debitum, ſehulde mehr culpa
suszudrücken.
*)
Nicht wëtter; alſo im dat, wëtere, nicht wëtter; man
leſe amur 13b wëtere: ëtere (ſepimento, tecto), und berich-
tige hiernach oben ſ. 417.
*)
Barl. 116. 118. 119. ſchmiede 257. wogegen Bit. 110a ein-
horn und einhorne neutral.
**)
Nöthigen die ſ. 417. angeführten reime, da kein bletere an-
zunehmen iſt, zu bletter und vetter? Freîlich gilt ſchon
im alth. pletir, nicht mehr pletiru, aber letzteres galt
doch früher einmahl und ſo mochte noch im mittelh. ble-
ter : veter (pletiru: vetiro) ſtumpf reimen und veter für
vetere ſtehen dürfen.
*)
Wolſr. gebraucht kol auf obige weiſe als ſchw. maſc.
(Parc. 48b 111b Wilh. 2, 129a); andere als ſtarkes neutr.
(Wigal. 281.) oder ſt. maſc. (a. wäld. 3, 176.); der nom.
ſg. kol ſtimmt zu ellen dreien fällen.
*)
p. 629. iſt wanka durch verſehen ausgelaßen; p. 609. ein
goth. waggô zu vermuthen, obwohl Ulph, Matth. 5, 39.
kinnus braucht.
*)
Ich trage zu ſ. 524. einen wichtigen grundſatz der buch-
ſtabenlehre nach. Die neuh. ſprache leidet nicht, daß auf
ihre diphth. au, eu, ei (= mittelh. û, iu, î) unmittelbar
ein r folge, (während ſie die übrigen liquidas zuläßt z. b.
maul, beule, eile, raum, reim, zaun, lein) ſondern ſchiebt
ein unorganiſches e zwiſchen, welches ſich mit dem r in
eine neue ſilbe verbindet. So erwachſen die zweiſilbigen
(klingenden): auer-, bauer, mauer, ſauer, ſchauer, trauer,
feuer, heuer, ſcheuer, ſteuer, abenteuer, theuer, feier,
geier, leier, ſteier ſtatt aur, baur, geir etc. aus der mit-
telh. meiſtens einſilb. (ſtumpfreimigen) form. Nämlich
da, wo dergleichen wurzeln durch endung und flexion
im mittelh. zweiſilbig ſind (z. b. mûr-e, gîr-en, ſtiur-e,
ſûr -en) entſpringt ein neuh. ſtummes e, fällt aber nach
dem r aus, folglich ſteht mauer, geiern, ſteuer, ſauern
für die volle form mauere, geieren, ſteuere, ſaueren und
nioht etwa durch verſetzung für maure, geiren, ſteure,
ſauren, daher es höchſt fehlerhaft wäre, mit einigen trau-
ren für trauern zu ſetzen; (über ſäure unten ſ. 700.) —
Einigemahl zeigt ſich die einſchiebung des e doch auch
vor dem l in: greuel (horror) neben greulich (horrendus,
nicht greuelich) und hleuel (fuſtis).
*)
Ein goth. adj. ſtaírs (ſterilis) iſt aus Ulph. unerweiſlich,
ſtaírô (Luc. 1, 7.) aber ein ſchw. weibl. ſubſt. (στείρα)
nach tuggô; im adjectiven fall würde auch ſtaíra ſtehen.
*)
Auch gl. hrab. 964b faſcibus wirdikém (ſo accentuiert die
wien. hſ.), wo der gloſſator honoribus mit honoriſicis
verwechſeltc.
*)
Vielleicht geben formen wie holƷ, barƷ, lamƷ; hols, bars,
lams
anſtoß; ſie ſind meines wißens durch keinen reim
zu beweiſen, weil gegenreimende wörter beinahe man-
geln. Theils aber ziehen die beim ſubſt. ausgemachten
gen. tals, ſals, zils, ſpils, ſpërs, hers etc. folgerecht jene
adjectiviſchen nach ſich; theils ſchwindet vermeintliche
härte, ſobald man ſich des neuhochd. in ſolchen wörtern
langgewordenen vocals entwöhnt, freilich hohls, baars,
lahms wären ohne bedenken zu verwerfen. Endlich iſt
auch in ganz analogen andern fällen die mhd. ſyncope er-
weiſlich, man vgl. hirƷ, vëls, ſamƷtac mit den älteren
hireƷ, vëlis, ſameƷtac [in dieſer compoſ. erhielt ſich uhd-
die alte kürze: ſamstâg, nicht: ſâmestâg, oben ſ. 413.];
wer nun holeƷ, ſmaleƷ, bareƷ etc. grammatiſch verficht,
müſte auch hireƷ, vëles etc. herſtellen oder die häufigen
anlehnungen mirƷ, dirƷ, manƷ misbilligen. Dem grobeƷ
entſpricht obeƷ (pomum) g. ſchm. 335. auf lobeƷ gereimt,
wiewohl ſich obƷ (Parc. 58c) folglich grobƷ dulden ließe.
Gute, alte hſſ. verdienen rückſicht [Wigal. 178. holem,
258. bareƷ; Nib. 366. 1357. holn] doch das ſchwanken der
ſchreiber begreift ſich, da die älteren zu dem ahd. holeƷ,
pareƷ, die ſpäteren zu dem nhd. hôleƷ, bâreƷ neigen. In
dem nhd. dunkele, mâgere ſt. dunkel, mâger (ſ. 752.) wird
man keinen grund für ein mhd. hole, heitere finden wollen. —
Daß mir die dative ſmalme, lamme, barre nicht vorge-
kommen ſind, weder außerhalb reims, noch im reim auf
walme, halme, ſtamme, amme, harre, narre geſtehe ich
ein, halte ſie aber damit keineswegs für vernichtet; das
michelme, heiterre der mehrſilbigen iſt erweiſlich und be-
ſtätigt die form der einſilbigen.
*)
Aus dieſem nur bei Conrad vorkommenden worte, das
mit dem folgenden ſeine einer wurzel ſcheint, alſo für
lancſeine ſteht, hat ſich ganz unorganiſch das neuh. lang-
ſam
entwickelt, welches im mittelh. nirgends ſtattfindet;
lancſam im alth. und altf. bedeutete: aeternus. Gleich ta-
delnswerth iſt das neuh. ſeltſam, ſtatt des mhd. ſëltſæne.
*)
Auch hier beſtätigen bald die hſſ. bald nicht; vgl, a. Tit.
46. daƷ ſmal; Parc. 57b daƷ zam; Triſt Ʒa der êren -gir;
36b der êren -gire; 126c daƷ bare (in welcher ſtelle doch
eine andere hſ. [bei Oberlin v. bar] lieſt: daƷ bar ſwërt)
Nib. 2299. die ſmalen.
*)
Wenn Botin p. 110. durch die ſchreibung hallt einen un-
terſchied von hal-t (lubricum) erzwingen will, ſo iſt das
mittel ſchlecht gewählt; man ſchreibe: halt (claudum)
hâlt (lubr.).
*)
Bei ſtarker decl. würden in mehrſilbigen wörtern ohne
zuſ. ziehung dergleichen unleidliche formen entſprungen
ſeyn, wie der nom. maſc. pittarôrêr oder gen. fem. pitta-
rôrêra! wohlklingender angenſcheinlich die ſchwache form
pittarôro, pittarôrûn.
*)
Man hat daher in eime, eins, einr den vocal beinahe
ême, (ſt. ënme) ëns, ënr; in einem, eines, einer hingegen
wie gewöhnlich auszuſprechen.
*)
J. 348. 378. 380. ſibunzô, zëhanzô neben fimfzuc 380; ent-
ſpricht -zuc dem tigus, -zô dem têhund? wie das altn,
tigr jenem, tîu dieſem?
*)
Für ſigvërdhr? wie dögurdhr, öndurdhr f. dagvërdhr, and-
vërdhr (oben ſ. 313.); ſigvërdhr vielleicht für ſigſërdhr,
wie angelſ. ſigefërdh, hunfërdh, ädhelfërdh = ſigefrëdh,
ſigefridh; in der chronol. ſax. p. 512. ſtehen die formen
ädhelfridh und ädhelſërdh nebeneinander (vgl. oben ſ. 488.
vërde und vrëde).
*)
Merkwürdig erſtarrte auch der alte wurzelvoc. in dergl.
wörtern, denn aus biûno, hûgo hätte folgerichtig ein
neuh. braune, hauge werden müßen.
*)
Gl. trev. leſen ûƷtrëht, niederl. uittrecht, wie maſtrëht
(traj. ad moſam) mit hinficht auf ûƷtrecken, uittrecken.
*)
Wie frideslâr und viel ähnliche von dem veralteten lâr
(manſio) woher das neutr. gilâri bei O.
*)
weshalb Conrad das oben ſ. 443. angeführte ûƷtrieht von
einem fernen lande, wohin man überfährt, gebraucht,
außer jener ſtelle ebenſo in meliur (Bodm. crit. ſchr. 7.
p. 45); maſtricht: giht reimt Parc. 38b.
*)
M. S. 1, 1922 leidet das metrum ſehr wohl; ân ir dan [...]
(ſtatt des neuh. îren) wie die bald folgende zeile: hât ver-
wunt lehrt.
*)
Ebenſo hodie aus hoc die; σήμερον, τήμερον, τήμερα aus τῆ [ῆ]μέρᾳ;
σῆτες, σᾶτες, τῆτες aus τὸ ἔτος etc. (Buttm. §. 16. anm. I, g.)
*)
Vielleicht auch der alth. pl. neutr. zuei, dei; angelſ. tvâ,
þâ (ſ. 761. 791.) vgl. mit dem goth. þô, hvô.
*)
Kaum vergleichbar dem ſ. 817. n° 40, berührten ſchw. gen.
pl. ſtarker fem.
*)
Starke werden in ſchwache fortgebildet, z. b. tac (dies)
halm (culmus) in virtako (ſabbatum) johhalmo (loram) etc.
*)
Zuſ. fall des männl. und weibl. erfolgt im griech. häufiger
als im deutſchen, noch häufiger im lat,; nicht allein de-
*)
elinieren weibl. ſubſt. völlig wie maſc. zweiter decl. z. b.
φηγός und fagus; formen dritter decl. find bald maſc. bald
fem. z. b. δαίμων oder das lat. conjux etc.; ſondern alle
adj. dritter lat. decl. haben für beide geſchl. dieſelbe
form; im gr. bloß gewiſſe (Buttm. § 63.) Solche mi-
ſchungen ſcheinen mir insgemein abweichung vom frühe-
ren zustand, auf welchen auch keine unterſcheidung ei-
nes natürl. und grammatiſchen genus Buttm. §. 32.) an-
wendbar iſt. Im litth. ſondern ſich die geſchlechter
ftrenger, beim ſubſt. nicht übetall (Mielcke §. 20.) doch
beim adj. immer. Die vergleichung mit ſ. 801. n°. 2.
macht ſich von ſelbſt.
*)
Ganz ungehörig zu bûan ſcheint das dunkele biruwís (de-
gas) O. 11. 7, 36. und biruun (degebant) O. IV. 4, 118,
der form nach ein bi-riwan, bi-rou, bi-ruun der conj.
IX.) fordernd und manere, quieſcere (ruhen) bedeutend,
unterſchieden von hriwan (reuen).
*)
Frögnan und brëgdan werfen häufig die med. aus und
lauten: gefrinan, gefran, gefrunon, gefrunen; brëdan,
bräd, brudon, broden (? brædon, broden vgl, brëde conj. X.)
*)
Nach anm. 10. 11. fallen die praet. ſleáh (volavit) und
fleäh (fugit) zuſammen; einige praeſ. formen laßen fich
ſcheiden: flëógan (volare) flëóge, flŷhſt, flŷhdh; flëón
(fugere) flëó, flŷhſt. flŷdhd.
*)
Ausſprache und ſchreibung nahmen das praet. ſâng, ſlâng,
ſöck, ſtöck für ſaung, ſlaung, ſauck, ſtauck und geriethen
damit auf ein falſches praeſ. (hiernach iſt oben ſ. 326. zu
berichtigen); das richtige ſëckva, ſëck etc. finde ich nir-
gends mehr, die älteſten hſſ. ſetzen ſeicqva (etwa wie
geing für geng ſtehet) ſeycqva, ſaucqva, was zu keinem
ftarken inf. ſtimmt, eben ſo wenig Raſks ſöckva, ſtöckva,
augenſcheinlich die abgeleitete ſchwache ſorm (alth. ſen-
chan, ſtenchan).
*)
Vom altn. ſo wie vom ſchwed. und dän. paſſivum wird
buch IV. bei den anlehnungen des pronomens gehandelt
werden.
*)
Ich geſtatte mir hier (ſowie im goth. und alth.) für die
formenlehre die aufſtellung der erſten perſon (nebſt dem
unlateiniſchen deceo), ohne der unterſuchung vorzugrei-
fen, in wiefern dies verbum nur unperſönlich oder auch
perſönlich ſtehen darf.
*)
War, da teilte ſchon aus dem alth. teilta übergeführt
wurde, beßer oben ſ. 873. zu entwickeln; läßt ſich davon
auf ein alth. ſtummes a in teilita ſchließen?
*)
Maerl. 3, 324. angelſ. avyran, aviran [Lye ſchreibt aſyran]
alth. arwiran (caſtrare) T. 100. vgl. ar-wir, ur-wir (ſpado)
entmannter) gl. doc. 242a monſ. 356.
*)
Wenn ich benennungen wähle, welche ſchon bei der
haupteintheilung des nomens vorkommen, ſo behaupte
ich gar nicht, daß mit ſtark und ſchwach beidemahl ge-
nau derſelbe begriff verbunden werden müße. Von redupl.
und ablaut weiß die ſtarke decl. nichts, weil das nomen
kein verhältnis der zeit beachtet und dem eingeſchobnen
n ſchwacher decl. mangelt die beſtimmte beziehung aufs
praet., welche dem eingeſchalteten d ſchwacher conj. eigen iſt.
Ich ſtrebte nach einem namen der nicht unbehülflich wäre
und der ſache wenigſtens etwas abgewönne. Daß in decl.
wie in conj. die ſtarke form die ältere, kräſtigere, innere;
die ſchwache die ſpätere, gehemmtere und mehr äußer-
liche ſey, leuchtet ein.

Dieses Werk ist gemeinfrei.