Ich kam von meiner Herrin Haus,
Und wandelt' in Wahnſinn und Mitternachtgraus.
Und wie ich am Kirchhof vorüber gehn will,
Da winken die Gräber ernſt und ſtill.
Da winkt's von des Spielmanns Leichenſtein;
Das war der flimmernde Mondesſchein.
Da lispelt's: Lieb Bruder, ich komme gleich!
Da ſteigt's aus dem Grabe nebelbleich.
Der Spielmann war's, der entſtiegen jetzt,
Und hoch auf den Leichenſtein ſich ſetzt.
In die Saiten der Zither greift er ſchnell,
Und ſingt dabei recht hohl und grell:
Ei! kennt Ihr noch das alte Lied,
Das einſt ſo wild die Bruſt durchglüht,
Ihr Saiten dumpf und trübe?
Die Engel, die nennen es Himmelsfreud,
2 *
[26]Die Teufel, die nennen es Höllenleid,
Die Menſchen, die nennen es: Liebe!
Kaum tönte des letzten Wortes Schall,
Da thaten ſich auf die Gräber all';
Viel Luftgeſtalten dringen hervor,
Und umſchweben den Spielmann und ſchrillen im Chor:
Liebe! Liebe! deine Macht
Hat uns hier zu Bett gebracht,
Und die Augen zugemacht, —
Ei, was rufſt du in der Nacht?
So heult es verworren, und ächzet und girrt,
Und brauſet und ſauſet, und krächzet und klirrt;
Und der tolle Schwarm den Spielmann umſchweift,
Und der Spielmann wild in die Saiten greift:
Bravo! bravo! immer toll!
Seyd willkommen!
Habt vernommen
Daß mein Zauberwort erſcholl,
[27]Liegt man doch jahraus, jahrein,
Mäuschenſtill im Kämmerlein;
Laßt uns heute luſtig ſeyn!
Mit Vergunſt, —
Seht erſt zu, ſind wir allein? —
Narren waren wir im Leben,
Und mit toller Wuth ergeben
Einer tollen Liebesbrunſt.
Kurzweil ſoll uns heut nicht fehlen,
Jeder ſoll hier treu erzählen,
Was ihn weiland hergebracht,
Wie gehetzt,
Wie zerfetzt
Ihn die tolle Liebesjagd.
Da hüpft aus dem Kreiſe, ſo leicht, wie der Wind,
Ein mageres Weſen, das ſummend beginnt:
Ich war ein Schneidergeſelle,
Mit Nadel und mit Scheer';
Ich war ſo flink und ſchnelle
Mit Nadel und mit Scheer'.
Da kam die Meiſterstochter
Mit Nadel und mit Scheer';
Und hat mir in's Herz geſtochen
Mit Nadel und mit Scheer'.
[28]Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor;
Ein Zweiter trat ſtill und ernſt hervor:
Den Rinaldo Rinaldini,
Schinderhanno, Orlandini,
Und beſonders Carlo Moor
Nahm ich mir als Muſter vor.
Auch verliebt — mit Ehr' zu melden —
Hab' ich mich, wie jene Helden,
Und das ſchönſte Frauenbild
Spukte mir im Kopfe wild.
Und ich ſeufzte auch und girrte;
Und wenn Liebe mich verwirrte,
Steckt' ich meine Finger raſch
In des Herren Nachbars Taſch'.
Doch der Gaſſenvogt mir grollte,
Daß ich Sehnſuchtsthränen wollte
Trocknen mit dem Taſchentuch,
Das mein Nachbar bei ſich trug.
Und nach frommer Häſcherſitte
Nahm man ſtill mich in die Mitte,
Und das Zuchthaus, heilig groß,
Schloß mir auf den Mutterſchooß.
[29]Schwelgend ſüß in Liebesſinnen,
Saß ich dort beim Wolleſpinnen,
Bis Rinaldos Schatten kam,
Und die Seele mit ſich nahm.
Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor;
Geſchminkt und geputzt trat ein Dritter hervor:
Ich war ein König der Bretter,
Und ſpielte das Liebhaberfach,
Ich brüllte manch wildes: Ihr Götter!
Ich ſeufzte manch zärtliches: Ach!
Den Mortimer ſpielt' ich am beſten,
Maria war immer ſo ſchön!
Doch trotz der natürlichſten Geſten
Sie wollte mich nimmer verſteh'n. —
Einſt als ich verzweifelnd am Ende
„Maria, du Heilige!“ rief,
Da nahm ich den Dolch behende —
Und ſtach mich ein bischen zu tief.
Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor;
Im weißen Flauſch trat ein Vierter hervor:
[30]Vom Katheder ſchwatzte herab der Profeſſor,
Er ſchwatzt', und ich ſchlief oft gut dabei ein;
Doch hätt' mir's behagt noch tauſendmal beſſer
Bei ſeinem holdſeligen Töchterlein.
Sie hatt' mir oft zärtlich am Fenſter genicket,
Die Blume der Blumen, mein Lebenslicht!
Doch die Blume der Blumen ward endlich gepflücket
Vom dürren Philiſter, dem reichen Wicht.
Da flucht ich den Weibern und reichen Halunken,
Und miſchte mir Teufelskraut in den Wein, —
Und hab' mit dem Tode Smollis getrunken,
Der ſprach: Fiduzit, ich heiße Freund Hein!
Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor,
Einen Strick um den Hals trat ein Fünfter hervor:
Es prunkte und prahlte der Graf beim Wein
Mit dem Töchterchen ſein und dem Edelgeſtein.
Was ſcheert mich, du Gräflein, dein Edelgeſtein,
Mir mundet weit beſſer dein Töchterlein.
Sie lagen wohl beid' unter Riegel und Schloß,
Und der Graf beſold'te viel Dienergetroß.
[31]Was ſcheeren mich Diener und Riegel und Schloß, —
Ich ſtieg getroſt auf die Leiterſproß.
An Liebchens Fenſterlein klettr' ich getroſt,
Da hör' ich es unten fluchen erboſt:
„Fein ſachte, mein Bübchen, muß auch dabei ſeyn,
Ich liebe ja auch die Edelgeſtein.“
So ſpöttelt der Graf und erfaßt mich gar,
Und jauchzend umringt mich die Dienerſchaar.
„Zum Teufel, Geſindel! Ich bin ja kein Dieb;
Ich wollte nur ſtehlen mein trautes Lieb!“
Da half kein Gerede, da half kein Rath,
Da machte man hurtig die Stricke parat;
Wie die Sonne kam, da wundert ſie ſich,
Am hellen Galgen fand ſie mich.
Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor;
Den Kopf in der Hand trat ein Sechster hervor.
Zum Waidwerk trieb mich Liebesharm;
Ich ſchlich umher, die Büchſ' im Arm.
Da ſchnarret's hohl vom Baum herab,
Der Rabe rief: Kopf — ab! Kopf — ab!
[32]O, ſpürt' ich doch ein Täubchen aus,
Ich brächt' es meinem Lieb nach Haus!
So dacht' ich, und in Buſch und Strauch
Späh't rings umher mein Jägeraug'.
Was koſet dort? was ſchnäbelt fein?
Zwei Turteltäubchen mögen's ſeyn.
Ich ſchleich herbei, — den Hahn geſpannt, —
Sieh' da! mein eignes Lieb ich fand.
Das war mein Täubchen, meine Braut,
Ein fremder Mann umarmt ſie traut, —
Nun, alter Schütze, treffe gut!
Da lag der fremde Mann im Blut'.
Bald drauf ein Zug mit Henkersfrohn —
Ich ſelbſt dabei als Hauptperſon —
Den Wald durchzog. Vom Baum herab
Der Rabe rief: Kopf — ab! Kopf — ab!
Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor;
Da trat der Spielmann ſelber hervor:
Ich hab' mal ein Liedchen geſungen,
Das ſchöne Lied iſt aus;
[33]Wenn das Herz im Leibe zerſprungen,
Dann gehen die Lieder nach Haus!
Und das tolle Gelächter ſich doppelt erhebt,
Und die bleiche Schaar im Kreiſe ſchwebt.
Da ſcholl vom Kirchthurm' „Eins“ herab,
Da ſtürzten die Geiſter ſich heulend in's Grab.