Alle Rechte, namentlich dasjenige der Übersetzung in fremde Sprachen,
vorbehalten.
Die vierte Abteilung der Geschichte des Eisens könnte
wie die dritte eines Vorworts entbehren, da in dem zum
zweiten Bande bereits alles enthalten ist, was zum Ver-
ständnis der Gliederung und Einteilung gehört. Dennoch
erscheinen einige kurze Vorbemerkungen angezeigt.
Das neunzehnte Jahrhundert bietet der technisch-
geschichtlichen Bearbeitung eine überwältigende Fülle des
Stoffes, sowohl durch die mit jedem Jahrzehnt mehr und
mehr anschwellende Litteratur, als durch die groſse Zahl
der Fortschritte auf allen einschlägigen Gebieten. Es war
deshalb auch nicht möglich, die Geschichte des Eisens im
neunzehnten Jahrhundert in einem Bande zu erledigen, sie
muſste auf zwei verteilt werden. Der vorliegende vierte
Band behandelt die Zeit bis 1860, während der folgende
Schluſsband die neueste Zeit seit dem Jahre 1860 schildern
wird. Der besseren Übersicht wegen wurde die Zeit bis
1860 wieder in kleinere Zeitabschnitte zerlegt. Der erste
von 1801 bis 1815 umfaſst die Zeit der Beunruhigung
Europas durch Napoleon, der zweite von 1816 bis 1830
die Zeit des Aufschwunges der Eisenindustrie, an deren Aus-
gang zwei wichtige Neuerungen, die Winderhitzung beim
Schmelzbetrieb und die erfolgreiche Einführung der Eisen-
bahnen stehen. Beide haben die Erzeugung und den Bedarf
des Eisens in ungeahntem Maſse gesteigert. Dies kommt
in der folgenden Periode, die wieder der besseren Übersicht
[VI]Vorwort.
wegen in die Zeit von 1831 bis 1850 und die von 1851
bis 1860 geteilt ist, zum Ausdruck. Innerhalb der einzelnen
Zeitabschnitte herrscht die in den beiden vorhergehenden
Bänden schon festgehaltene Zweiteilung in einen allgemeinen
Teil, der die Fortschritte und Erfindungen behandelt, und
in einen besonderen, der die Lokalgeschichte schildert.
Die ganze Zeit des neunzehnten Jahrhunderts bis zum
Jahre 1860 stellt sich in ihrem Hauptinhalte als die des
siegreichen Kampfes des Steinkohlenbetriebes gegen den Holz-
kohlenbetrieb dar; bei der Schmiedeeisenbereitung ins-
besondere als des Sieges des Flammofenbetriebes über den
Herdbetrieb, des Puddeleisens über das Frischeisen. Diese
Fortschritte erscheinen als glänzende Errungenschaften in
der Geschichte der Eisenindustrie. Am Schluſs der Periode
taucht aber ein neues Licht auf, noch klein und flackernd,
das bestimmt war, nicht nur die alten, sondern auch die
siegreichen neuen Verfahrungsweisen zu überstrahlen und in
den Schatten zu stellen: die Erfindung des Windfrischens
durch Henry Bessemer. Der folgende Band wird sich
hauptsächlich mit dem Siegeslaufe dieses Verfahrens zu
beschäftigen haben.
Die Zeit bis 1860 war die wichtige Vorbereitungszeit
für die jetzige groſsartige Entwickelung der Eisenindustrie,
ohne welche diese nicht möglich gewesen und ohne deren
Kenntnis sie nicht verständlich wäre. Der vorliegende
Band bildet deshalb einen sehr wichtigen Abschnitt der
Geschichte des Eisens. Möge seine Darstellung den Beifall
der geehrten Leser finden.
Rheinhütte-Biebrich, im Jahre 1899.
Dr. L. Beck.
Die Geschichte des Eisens im 19. Jahrhundert.
Die Zeit von 1801 bis 1815.
DIE
GESCHICHTE DES EISENS
IM
NEUNZEHNTEN JAHRHUNDERT.
Mit dem Jahre 1801 treten wir in das 19. Jahrhundert ein,
an dessen Schluſs wir jetzt stehen und das man mit Recht oft das
eiserne genannt hat.
In ihm hat die Kunst der Eisengewinnung und -Verarbeitung eine
ungeahnte Höhe, der Eisenverbrauch bei den fortgeschrittenen Kultur-
völkern einen Umfang erreicht, den man zu Anfang des Jahrhunderts
nicht vermuten konnte. Und doch sprach schon damals der berühmte
französische Chemiker und Unterrichtsminister Fourcroy die Worte
aus, die für das ganze Jahrhundert charakteristisch geblieben sind:
„l’art de fer, dans ses divers degrés de perfectionnement,
marque exactement le progrès de toute civilisation.“ In der
That, die Fortschritte der Eisenbereitung sind mit den Fortschritten
der modernen Kultur so innig verknüpft, daſs der Eisenverbrauch, im
Jahre auf den Kopf der Bevölkerung angeschlagen, den besten Maſs-
stab für die Industrie, den Wohlstand und die Macht der Völker giebt.
Überblicken wir nun das eiserne Jahrhundert, so zerfällt es in
zwei Abschnitte: der erste ist charakterisiert durch den Kampf und den
Sieg des Steinkohlenbetriebes gegenüber dem Holzkohlen-
betrieb, der zweite durch den Kampf und Sieg des Fluſseisens
gegenüber dem Schweiſseisen; im ersten herrscht das Eisen, im
zweiten der Stahl. Den Ausgangspunkt des zweiten Abschnittes bildet
die glorreiche Erfindung des Windfrischens durch Henry Bessemer,
des nach ihm benannten Bessemerprozesses, im Jahre 1856. Von
1*
[4]Einleitung.
da an beginnt die neueste Zeit, das Zeitalter des Stahls, in
dem wir heute stehen und in dem sich die Eisenindustrie zu staunen-
erregender Groſsartigkeit entwickelt hat.
Wenn die geschichtliche Darstellung der Entwickelung der Eisen-
industrie im 19. Jahrhundert nur einigermaſsen an Gründlichkeit der
der früheren Jahrhunderte entsprechen sollte, so erwies es sich bei der
Fülle der Thatsachen und der reichen Litteratur als unmöglich, dies
in einem Bande zu bewältigen. Es war unumgänglich, den Stoff in
zwei Teile zu zerlegen, und da wir der Übersichtlichkeit wegen die
Einteilung in gewisse kurze Zeitabschnitte zu Grunde gelegt haben,
so haben wir auch die Teilung des Jahrhunderts nach demselben
chronistischen Grundsatz vorgenommen, und für den ersten Teil die
erste Hälfte von 1801 bis 1850, für den zweiten Teil die Zeit von
1851 bis zur Gegenwart gewählt. Ist doch auch die schon vorher zum
Einteilungsprincip genommene Scheidung nach Jahrhunderten keine
sachliche, sondern eine willkürlich zeitliche, die aber ebenfalls den
Vorzug der Übersichtlichkeit hat. Der Schluſs des Jahres 1800, mit
dem das 19. Jahrhundert seinen Anfang nahm, zeigt uns weder in
der politischen noch in der technischen Entwickelung einen natur-
gemäſsen Abschnitt, vielmehr den innigsten Zusammenhang der Ereig-
nisse vor- und nachher. Die Geschichte des Eisens des 19. Jahrhunderts
steht ganz auf den Schultern des 18. Jahrhunderts. In diesem war nach
drei Richtungen hin die Grundlage für die weitere Entwickelung gelegt,
erstens durch die Verwendung der Steinkohlen sowohl zum Schmelzen
des Eisens aus den Erzen, wie zum Frischen des Roheisens, zweitens
durch die Erfindung der Dampfmaschine von James Watt und
drittens durch die Begründung der metallurgischen Wissenschaft,
besonders durch die groſsen Fortschritte der Chemie. Auf diesem drei-
fachen Wege ist die moderne Eisenhüttenkunde vorangeschritten. Der
Kampf zwischen Steinkohle und Holz zieht sich durch das ganze Jahr-
hundert durch, obgleich der Sieg der ersteren auch auf dem Kontinent
von Europa und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika schon
um die Mitte des Jahrhunderts entschieden war. Die Benutzung der
Dampfkraft, die Verwendung der Dampfmaschine zu den mannigfaltig-
sten Arbeiten war für die Fortschritte auf mechanischem Gebiete maſs-
gebend, sie wurde fast der einzige Motor für gröſsere Kraftleistungen,
und in dieser Beziehung läſst sich das 19. Jahrhundert auch als das
Jahrhundert der Dampfmaschine bezeichnen. Ob diese Be-
zeichnung für das nächste Jahrhundert noch Geltung behalten wird,
erscheint bei den grossen Fortschritten der Elektromotoren zweifelhaft.
Das allergröſste Verdienst um die Entwickelung der Eisenindustrie
haben sich aber die Naturwissenschaften, insbesondere Physik und
Chemie, erworben. Namentlich hat die Chemie durch die wissen-
schaftliche Erklärung und Begründung der metallurgischen Prozesse
die Eisenindustrie in wunderbarer Weise auf der Bahn des Fort-
schrittes gefördert.
Wenden wir uns nun zu der Geschichte des Eisens in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche in dem vorliegenden Bande be-
handelt werden soll, so tritt uns auch hier die Entwickelung der
Eisenindustrie in der dreifachen, oben bezeichneten Richtung als maſs-
gebend entgegen.
In England war der Sieg der Steinkohle über die Holzkohle zu
Anfang des Jahrhunderts bereits endgültig entschieden, und England
eroberte sich durch seine Steinkohlenindustrie den Weltmarkt. In
allen anderen Ländern herrschte noch die Holzkohlenindustrie und
nur in der Provinz Ober-Schlesien in Preuſsen war es durch die
Intelligenz hervorragender Männer, ganz besonders des Ministers Graf
von Reden, gelungen, der Roheisenerzeugung mit Koks zu dauerndem
Sieg zu verhelfen. Die mannigfaltigen sonstigen Versuche, namentlich
auch die zu Creusot (le Creuzot) in Frankreich, hatten einen durch-
schlagenden Erfolg nicht gehabt. Die Kriegsunruhen, in welche Europa
durch den Ehrgeiz Napoleons I. gestürzt wurde, hinderten den natür-
lichen Fortschritt und erst mehrere Jahre nach dem Wiener Frieden
fing man in Frankreich und Belgien an, Versuche zur Eisenbereitung mit
Steinkohlen nach englischem Muster zu machen. Erfolgreich erwiesen
diese sich zuerst bei dem Steinkohlenfrischen, dem Puddelprozeſs,
der dann auch allmählich in Belgien, Frankreich und in Deutschland am
Rhein und in Saarbrücken Boden faſste und sich ausbreitete. Hand in
Hand damit ging die Einführung des Walzwerkbetriebes mit Dampf-
maschinen. Den groſsartigsten Anstoſs gab der durch Kenntnisse, That-
kraft und kühnen Unternehmungsgeist ausgezeichnete John Cockerill,
ein Schotte von Geburt, der mit Unterstützung des Königs von Holland
und später von Belgien das berühmte Eisenwerk Seraing gründete,
den englischen Puddel- und Walzprozeſs und dann den Hochofen-
betrieb mit Koks einführte und dadurch der belgischen Industrie
eine Bedeutung und ein Übergewicht verschaffte, welches bis zu Ende
der Periode, ja bis 1860 für Westdeutschland und Nordfrankreich
fühlbar war. Nach dem Muster von Seraing und der belgischen
Eisenhüttenwerke entwickelte sich die Eisenindustrie mit Steinkohlen-
betrieb in diesen Gebieten vielfach noch in einer gewissen Abhängig-
[6]Einleitung.
keit von ihren Lehrmeistern. Im ganzen breitete sich das Steinkohlen-
frischen, der Puddelprozeſs, rascher aus als das Steinkohlenschmelzen
oder der Koksbetrieb, weil die Hütten, meist im Erzgebiet gelegen, zu
groſse Schwierigkeiten mit dem Bezug von Steinkohlen oder Koks
hatten. Aber selbst in den Kohlengebieten, wie z. B. an der Ruhr, hielt
man an dem gewohnten Betrieb mit Holzkohlen fest unter dem Vor-
wand, daſs deutscher Koks ein schlechtes Roheisen gebe, und so
wurde an der Ruhr erst im Jahre 1849 der erste Kokshochofen ange-
blasen. Rascher verbeitete sich die Verwendung der mit Dampf-
maschinen bewegten englischen Cylindergebläse und eine der wichtig-
sten Entdeckungen dieser Periode, die von dem Engländer Neilson
1829 erfundene Wind-Erhitzung beim Hochofenbetrieb.
Die folgenreichste Erfindung für die Eisenindustrie, die ebenfalls in
England gemacht wurde, die den Eisenbedarf auſserordentlich steigerte
und zum Massenbetrieb und zur Gründung groſser Eisenwalzwerke
Veranlassung gab, war die der Eisenbahnen und der Dampfloko-
motive von Stevenson im Jahre 1830. Die Eisenbahnen breiteten
sich erst in England, dann in Amerika und hierauf auch auf dem
Kontinent aus. Anfangs bezog man den Bedarf für Lokomotiven und
Eisenbahnschienen ausschlieſslich aus England. Das Streben, die
ungeheuren Geldsummen, welche dafür dorthin flossen, dem eigenen
Lande zu erhalten, veranlaſste in allen hervorragenden eisenerzeugenden
Ländern die Anlage von Schienenwalzwerken und von Maschinen-
fabriken zum Bau von Lokomotiven. Dadurch wurde die Anlage
viel gröſserer Eisenwerke, die Einführung des Massenbetriebes, der
immer gröſseren Umfang gewann, vorgeschrieben. Eine hervorragende
Erfindung für die Verarbeitung des Eisens war die des Dampf-
[hammers] von James Napier 1845.
Nicht minder wichtig als diese technischen Erfindungen waren
die Fortschritte der Chemie, welche von Männern wie Gay-
Lussac, Davy, Faraday, Berthier, Berzelius, Liebig und Wöhler
ausgingen und die von hervorragenden Metallurgen, besonders von
Dr. C. J. B. Karsten, für die Metallurgie des Eisens nutzbar gemacht
wurden. Hierdurch wurde diesem Zweig der Technik eine Grund-
lage gegeben, auf welcher dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts die segensreichsten Wirkungen und die glänzendsten Erfolge
erwuchsen.
Das Jahrhundert begann unter dem siegreichen Stern Napoleon
Bonapartes, damals erster Konsul, nachmals Kaiser der Franzosen.
„Geld und Eisen sind notwendig, um den Frieden zu befehlen.“ Diese
Worte rief er in seiner Proklamation vom 8. März 1800 den Franzosen
zu. Sie sind in gewisser Hinsicht die Devise des Jahrhunderts
geworden.
Napoleon und andere nach ihm wollten mit dem Eisen in der
Hand den Frieden befehlen; Ströme von Blut sind geflossen, aber der
Völkerfriede ist noch nicht gekommen. Wird ihn das folgende Jahr-
hundert bringen?
Napoleon war der echte Sohn der Revolution. Er hatte es selbst
mit erlebt, daſs es das Eisen war, das die glorreiche Republik Frank-
reich gegen die Koalition der europäischen Fürsten verteidigt hatte,
das Eisen, welches in Frankreich gegraben, in Frankreich geschmolzen,
in Frankreich zu Waffen verarbeitet worden war. Gelehrte waren es
gewesen, Mathematiker, Naturforscher, welche dieses ermöglicht und
dadurch den Erfolg herbeigeführt hatten. Besonders hatte sich die
junge Wissenschaft der Chemie glänzend bewährt. Sie hatte sich
als nützlich und als patriotisch erwiesen; dadurch war sie populär
geworden. Napoleon erkannte dies, wie alle einsichtigen Franzosen
jener Zeit; selbst ein Freund der Mathematik, fühlte er sich zu den
Gelehrten dieser Wissenschaft, wie zu den Männern der praktischen
Naturwissenschaften hingezogen und räumte ihnen einfluſsreiche
Ehrenstellen ein. Die Mathematiker La Place, Monge, Carnot,
die Chemiker Berthollet, Chaptal, Guyton de Morveau wirkten
als Minister oder in anderen wichtigen Vertrauensstellungen. Die
Mathematik sollte das wichtigste Erziehungsmittel, chemische und
physikalische Kenntnisse Gemeingut aller Gebildeten werden. Deshalb
berief Napoleon 1801 den Chemiker Fourcroy an die Spitze des
öffentlichen Unterrichtswesens, der das Schulwesen in diesem Sinne
umgestaltete und organisierte. Auch die Metallurgie sollte populär
werden, besonders die Metallurgie des Eisens, deshalb beauftragte
der Kaiser Hassenfratz, eine Siderotechnik, ein Lehrbuch der Eisen-
hüttenkunde zu schreiben.
Daſs Napoleon es sich angelegen sein lieſs, die Eisenindustrie
[8]Einleitung. — Die napoleonische Zeit 1801 bis 1815.
Frankreichs selbst zu fördern, bedarf kaum besonderer Erwähnung,
waren doch das Eisen und die eisernen Waffen für seinen Ruhm und
seinen Ehrgeiz unentbehrlich. Deshalb suchte er auch in den eroberten
Ländern die bestehende Eisenindustrie zu schützen und zu fördern.
Nachdem durch den Frieden von Luneville 1801 das linke deutsche
Rheinufer mit Frankreich vereinigt worden war, wendete er den
Eisenwerken der Eifel und des Saargebietes groſse Aufmerksamkeit
zu und bemühte sich, die Solinger und Remscheider Industrie in das
Saargebiet zu verpflanzen. Was Napoleons Klugheit aber gründete,
das zerstörte wieder sein Ehrgeiz. So nützlich für die Eisenindustrie
seine thatkräftige Hülfe war, so schädlich waren für dieselbe seine
fortwährenden Kriege. Darunter litten besonders die Grenzländer,
namentlich die deutschen, die unmittelbar durch den Krieg getroffen
wurden, dann aber auch die französische Industrie selbst, welcher
durch die unaufhörlichen Truppenaushebungen die Arbeitskräfte in
einer Weise entzogen wurden, daſs sie gar nicht mehr im stande war,
die übernommenen Lieferungen auszuführen. Am verderblichsten
wirkte sein Cäsarenwahn durch eine Maſsregel, welche die ganze
civilisierte Welt in Mitleidenschaft zog, die Kontinentalsperre.
Den Zweck dieses thörichten Einfuhrverbots, Englands Handel und
Industrie zu Grunde zu richten, erreichte er nicht; wohl aber bereitete
er sich dadurch das eigene Verderben, denn das Vexatorische dieses
widersinnigen Zwanges veranlaſste schlieſslich 1810 Ruſsland, dieselbe
zu brechen und sich mit England zu verbünden, was Napoleons Feld-
zug nach Ruſsland veranlaſste, welcher der Anfang seines Endes wurde.
Durch diese Handelssperre wurden auſserdem die Länder des euro-
päischen Kontinents weit mehr geschädigt als England, denn dieses
hatte bereits einen so gewaltigen Vorsprung in seiner industriellen
Entwickelung und eine so gesicherte Macht zur See, daſs es viel eher
wie der Kontinent die Folgen derselben überwinden konnte. Auf sich
selbst angewiesen, entwickelte England seine reichen Hülfsquellen und
sein groſsartiges Maschinenwesen mit doppelter Energie und es machte
sich nicht nur unabhängig, sondern gewann noch einen viel gröſseren
Vorsprung auf technischem Gebiet. Die Staaten des Kontinents hatten
nicht nur den materiellen Schaden, welchen die Kontinentalsperre
mit sich brachte, sondern auch den noch viel gröſseren Nachteil, daſs
sie, von England abgesperrt, an den groſsen technischen Fortschritten
dieses Landes nicht teilnahmen und infolgedessen zurückblieben. Am
Ende des 18. Jahrhunderts hatte die kontinentale Industrie, namentlich
in Deutschland, einen hoffnungsvollen Aufschwung dadurch genommen,
[9]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
daſs man die englische Betriebsweise einzuführen begann. Durch die
unnatürliche Blockade wurden diese Bestrebungen unterbrochen. Am
meisten hatte die französische Industrie selbst darunter zu leiden,
die grundsätzlich die englischen Errungenschaften auf technischem
Gebiet in verblendeter Selbsttäuschung verachtete. So kam es, daſs,
obgleich der erste Kokshochofen nach englischem Muster zu Creusot
bereits vor 1788 erbaut worden war, dieser Betrieb in der napoleonischen
Zeit aufhörte und man erst im Jahre 1818 mit der Einführung des
Steinkohlenbetriebes wieder anfing. In dem kurzen Zeitraume, in
dem Frankreich nach dem Frieden von Amiens (1802) einmal nicht
mit England im Krieg begriffen war, hatte die französische Regierung
den jungen, talentvollen Ingenieur Bonnard nach England geschickt,
um besonders den Puddelprozeſs zu studieren, aber er muſste auf
halbem Wege umkehren, weil neue Feindseligkeiten zwischen England
und Frankreich ausgebrochen waren. Bonnards trefflicher Bericht
hatte für die französische Eisenindustrie keine praktischen Folgen.
Die Feindschaft gegen England und die Selbstüberschätzung bewirkten,
daſs man sich in Frankreich keine Mühe gab, die wichtigen neueren
Erfindungen der Engländer einzuführen, zum groſsen Nachteil der
französischen Industrie. Daſs auch in Deutschland in dieser Beziehung
damals nur wenig geschah, lag an den auſserordentlich traurigen
politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Europa war in zwei
getrennte Teile zerrissen, auf der einen Seite England, das mit
Energie die Bahn des Fortschrittes seiner Industrie verfolgte, auf
der anderen Seite die von Frankreich in Abhängigkeit oder Schrecken
gehaltenen Kontinentalstaaten, welche kaum im stande waren, ihre
Industrie aufrecht zu erhalten. England hatte beides, Geld und
Eisen, und damit errang es auch den Sieg und erzwang den Frieden,
sehr gegen die Erwartungen Napoleons.
Die französische Revolution hatte, wie wir wissen, den Bestrebungen
auf dem Gebiete der praktischen Naturwissenschaften, besonders auch
auf dem Gebiet der Metallurgie, einen kräftigen Impuls gegeben,
dessen Wirkung eine dauernde war und der auch in der napoleonischen
Periode trotz des unaufhörlichen Kriegsgetümmels fortwirkte.
Mathematik, Physik und besonders die Chemie machten groſs-
artige Fortschritte; die der letzteren, soweit sie sich auf die Eisen-
hüttenkunde beziehen, werden wir in der Folge noch näher betrachten.
Ihren Ausdruck fanden dieselben in der naturwissenschaftlichen und
metallurgischen Litteratur, welche einen auſserordentlichen Umfang
annahm. Seit der französischen Revolution hatte die periodische
Litteratur besonders an Inhalt und Bedeutung zugenommen. Wir
können nur die wichtigsten Zeitschriften aufzählen.
In Frankreich erschienen: Annales de chimie, 96 Bände, von
1795 bis 1815; Journal de physique, de chimie et d’histoire naturelle
par J. O. de Lamettrie, 53 Bände, von 1799 bis 1823; Annales
des arts et manufactures pures et appliqués par R. O’Reilly; vor
allem aber die vorzügliche Fachzeitschrift über Berg- und Hütten-
wesen, Journal des mines, 38 Bände, von an III (1795) bis 1815.
In Deutschland enthalten Crells Annalen der Chemie, welche
bis 1804 erschienen, viele wertvolle Beiträge zur Hüttenkunde; ferner
Gilberts Annalen der Physik, 76 Bände, von 1798 bis 1824;
Allgemeines Journal der Chemie, herausgegeben von A. N. Scherer,
10 Bände, 1798 bis 1803; Neues allgemeines Journal der Chemie von
A. F. Gehlen, 6 Bände, 1803 bis 1805 und Journal für Chemie und
Physik von Gehlen, 9 Bände, 1801 bis 1810; ferner Journal für
Chemie und Physik von Schweigger etc., 69 Bände, 1811 bis 1833.
Mancherlei findet sich in dem Journal für Fabriken, Manufacturen,
Handlung, Kunst und Mode, 1796 bis 1812; am wichtigsten sind aber
die Fachzeitschriften von C. E. Freiherr von Moll, Jahrbücher der
Berg- und Hüttenkunde, 6 Bände, 1797 bis 1801; Annalen der Berg-
und Hüttenkunde, 3 Bände, 1802 bis 1805; Ephemeriden der Berg-
und Hüttenkunde, 5 Bände, 1805 bis 1809 und endlich Neue Jahr-
bücher der Berg- und Hüttenkunde, 6 Bände, 1809 bis 1825; ferner
A. W. Köhler und C. A. S. Hoffmann, Neues bergmännisches
Journal, 4 Bände, 1795 bis 1816. Von dem Magazin für Eisen-, Berg-
und Hüttenkunde ist leider nur ein Band, 1808, erschienen.
In England sind in dem Philosophical Magazine, 42 Bände, von
1798 bis 1813, viele wichtige Beiträge zur Eisenhüttenkunde, nament-
lich von Mushet, enthalten, ferner sind die englischen Patent-
beschreibungen (Specifications) wichtige Quellen für die Industrie-
geschichte.
Ebenso erschienen in dieser Periode eine ganze Anzahl Hand-
und Lehrbücher, sowie specielle Fachschriften über einzelne Teile
der Eisenhüttenkunde: so in Deutschland 1801 Tiemanns Eisen-
[11]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
hüttenkunde, welche wir bereits früher besprochen haben; in dem-
selben Jahre T. L. Hasse, Grundlinien der Eisenhüttenkunde, und
1806 J. J. F. Waehler’s Grundriſs der Eisenhüttenkunde. Im
Jahre 1810 erschien das ausführliche Handbuch der allgemeinen
Hüttenkunde von Lampadius, ein umfassendes Werk von reichem
Inhalt. Es zerfällt in einen ersten präparativen Teil und in einen
zweiten applikativen Teil, welcher in 4 Bände zerlegt ist. Der letzte
derselben behandelt die Eisenhüttenkunde und liefert mancherlei
interessante Beiträge zu derselben. Von groſsem geschichtlichem
Werte ist die 1812 in Paris erschienene Siderotechnik, 4 Bände, von
Jean Henri Hassenfratz. Der Verfasser, der unter dem Kaiser-
reich als erste Autorität im Eisenhüttenwesen galt, hatte ein wechsel-
volles Leben hinter sich. 1755 in Paris geboren, wurde er schon in
frühester Jugend Schiffsjunge auf einem nach Martinique segelnden
französischen Kriegsschiffe. Seine Vorliebe für mechanische Künste
veranlaſsten ihn, nach seiner Rückkehr das Zimmerhandwerk zu er-
lernen, und er bewies solche Geschicklichkeit, daſs er schon im
22. Jahre Meister wurde. Dies genügte aber seinem Ehrgeiz nicht;
er studierte Bauwissenschaft, dann unter Monge Mathematik und
wurde Ingenieur-Geograph. Hierauf wendete er sich dem Bergfach zu,
wurde Bergwerkseleve, als welcher er 1782 eine Reise nach Österreich
unternahm. Von da zurückgekehrt, wurde er Chemiker und sehr bald
Amanuensis von Lavoisier. 1789 stürzte er sich in den Strudel
der Revolution und spielte bald eine hervorragende Rolle. Er erhielt
vielerlei politische Stellungen. Als Mitglied der Nationalverteidigung
hatte er die Fabrikation der Gewehre und Kanonen zu beaufsichtigen.
1795 floh er, um einem Verhaftsbefehl zu entgehen, nach Sedan, kehrte
aber bald wieder zurück und wurde Professor der Mineralogie an
der neu gegründeten Bergakademie (École des Mines) in Paris, ferner
wurde ihm die Professur der Technologie an dem Lycée des Arts und
1797 die der Physik an der École polytechnique übertragen, die er
bis 1814 bekleidete. Er war Mitglied der Kommission der Künste
und Gewerbe und reorganisierte als solcher und als Inspecteur
supérieur des Mines das Bergwerkswesen und dann 1804 auch die
Militärschule, an der er gleichfalls Lehrer war. Ferner war er auch
eine Zeitlang Professor und Direktor der neu gegründeten Bergschule
von Moustiers (École-pratique, dép. du Mont-Blanc). Unter seinen
Aufsätzen nennen wir die auf das Eisenhüttenwesen Bezug habenden
über die Spateisensteine (1807, Journal de physique LXIII) und über
die Eisenoxyde (ebenda LXVII, LXIX und LXXIX). Er erhielt von
[12]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
der napoleonischen Regierung den Auftrag, ein Handbuch der Eisen-
hüttenkunde zu verfassen, welches, wie erwähnt, 1812 erschien. 1814
wurde Hassenfratz als eifriger Anhänger Napoleons pensioniert und
1815 wurden ihm sämtliche Pensionen entzogen. Er starb am
26. Februar 1827 zu Paris.
Seine Siderotechnik ist eine umfassende Eisenhüttenkunde (4 Bände
in Quart mit zahlreichen Figurentafeln), die zwar ganz besonderen
Wert für Frankreich hat, aber in ihrem wissenschaftlichen Teil von
allgemeiner Bedeutung ist. Jedenfalls hätte sie eine bessere Über-
setzung als die höchst mangelhafte von T. L. Hasse, der den Text
zum Teil durch zahlreiche eigene Bemerkungen ersetzt und ver-
schlechtert hat, verdient. Diese deutsche Übersetzung erschien unter
dem Titel: „Das Wichtigste aus der Eisenhüttenkunde“, 1820 und 1821
in 2 Bänden.
Übertroffen wurde das Werk von Hassenfratz an Gründlichkeit
noch durch das Handbuch der Eisenhüttenkunde von Dr. C. J. B.
Karsten, ein Werk, welches an Bedeutung Rinmans Geschichte
des Eisens zur Seite gestellt werden kann und das in seiner zweiten —
und namentlich in seiner dritten Auflage in immer umfassenderer
Weise das ganze Gebiet der Eisenhüttenkunde behandelt. Karl
Johann Bernhard Karsten wurde am 26. November 1782 zu Bützow
als zweiter Sohn des Professors Franz Ch. L. Karsten geboren. Er
entstammte einer Familie, welche in kurzer Aufeinanderfolge Preuſsen
und der wissenschaftlichen Welt eine Reihe hervorragender Männer
geschenkt hatte. Unseres Karstens Groſsvater war der berühmte
Mathematiker Wenzeslaus Johann Gustav Karsten, Professor
erst auf der damals neu gegründeten mecklenburgischen Universität
zu Bützow und dann zu Halle, wo er 1787 starb. Sein Neffe war der
ausgezeichnete Mineralog Dietrich Ludwig Gustav Karsten,
geboren 1768 zu Bützow, welcher in Freiberg Bergwissenschaften
studierte, 1783 von dem Staatsminister von Heinitz unter die Zahl
der preuſsischen Bergeleven aufgenommen und dann von diesem in
den preuſsischen Staatsdienst berufen wurde. Er wurde 1789 Assessor
am Oberbergamt zu Berlin, 1792, erst 24 Jahre alt, Bergrat, 1797
Oberbergrat und 1803 Geheimer Oberbergrat und Mitglied des
Ministeriums für Bergwerksangelegenheiten. Im Jahre 1810 wurde
er Staatsrat und General-Bergbau-Direktor, wodurch ihm die Leitung
des ganzen preuſsischen Bergwesens übertragen wurde. Wenige
Wochen, nachdem er dieses Amt angetreten hatte, raffte ihn der
Tod hinweg.
Dieser hochbegabte, vortreffliche Mann wirkte bestimmend auf die
Laufbahn unseres Karl Johann Bernhard Karsten, dessen Vater,
Franz Christian Lorenz, Universitätsprofessor erst zu Bützow, dann
zu Rostock war und zu den Begründern einer wissenschaftlichen Land-
wirtschaft gehörte, und der auch das erste landwirtschaftliche Institut
zu Neuenwerder bei Rostock geschaffen hatte. Da ihm 15 Kinder geboren
wurden, von denen 11 heranwuchsen, und er in keinen glänzenden
Verhältnissen lebte, waren die Söhne früh darauf angewiesen, für sich
selbst zu sorgen. Karl Johann Bernhard bezog, 17 Jahre alt,
die Universität Rostock, wo er Naturwissenschaften studierte, mit der
Absicht, Mediziner zu werden. Bereits in seinem 18. Jahre begann
er litterarisch thätig zu sein, indem er ein „Vollständiges Register
über Grens neues Journal der Physik“ herausgab. Durch diese Arbeit
wurde Scherer in Berlin veranlaſst, Karsten die Stelle eines
Assistenten mit einem Gehalt von 250 Thlrn. zu übertragen, um ihm
bei der Herausgabe seines Journals der Chemie behülflich zu sein.
Die Stellung, die er zu Johannis 1801 übernahm, brachte Karsten zwar
viele Unannehmlichkeiten, trug aber dazu bei, seine hervorragenden
chemischen Kenntnisse noch mehr auszubreiten und in zahlreichen
litterarischen Beiträgen zu verwerten. In Berlin schloſs er sich eng
an seinen ausgezeichneten Vetter, Dr. L. G. Karsten, an, der ihm
lebhaftes Interesse für Mineralogie und Bergwesen einflöſste. Nachdem
er durch seine Dissertation de affinitate chemica, welche er im
folgenden Jahre 1803 unter dem Titel: „Revision der Lehre von der
chemischen Affinität“ veröffentlichte, in Rostock den Doktorgrad er-
worben hatte, trennte er sich im Herbste 1802 von Scherer und
machte sich nun mit dem Eisenhüttenwesen auf den brandenburgischen
Hüttenwerken praktisch bekannt. Die Resultate seiner Beobachtungen
legte er in einer Abhandlung über den Unterschied des Stabeisens,
des Roheisens und des Stahls, und über die Erzeugung des Roheisens
in den Hochöfen nieder. Diese Arbeit nebst einem curriculum vitae
und der Bitte, die schlesischen Eisenhütten besuchen zu dürfen, über-
reichte der Oberbergrat Dr. L. G. Karsten dem Minister von Reden,
dessen scharfes Auge bereits die hervorragenden Fähigkeiten des jungen
Dr. Karsten erkannt hatte. Die Erlaubnis wurde in entgegen-
kommendster Weise erteilt, wobei der Minister die Erwartung aus-
sprach, dann und wann Ausarbeitungen über die beobachteten Gegen-
stände von ihm zu erhalten.
Ohne eine bestimmte Anstellung erhielt Karsten die Erlaubnis,
sich auf allen königlichen Hütten nach eigenem Ermessen zu
[14]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
beschäftigen und selbst Verbesserungsvorschläge und Versuche zu
machen. Es wurde ihm vom 1. Juli 1803 ab ein Tagegeld von
20 Silbergroschen bewilligt. Der vortreffliche Reden hatte seinen
Mann richtig beurteilt, indem er ihn in eine so freie Schule der
Praxis sandte. Karsten arbeitete sich mit dem Eifer jugendlicher
Begeisterung in die Technik des Eisenhüttenwesens ein und keine
Arbeit war ihm zu gering und zu beschwerlich. Seine Berichte
fanden den Beifall des Ministers und am 26. Dezember 1804 wurde
er zum Referendarius bei dem schlesischen Oberbergamte ernannt.
Damit beginnt die segensreiche Amtsthätigkeit Karstens in Schlesien.
In der That hat ihm diese Provinz viel zu danken, zunächst als
dem Begründer der schlesischen Zinkindustrie, welche eine reiche
Quelle des Wohlstandes für die Bevölkerung wurde; sodann war
es die Eisenindustrie, der er allezeit das gröſste Interesse zuwendete
und die er in den schweren Kriegszeiten ruhmvoll leitete. Schon
1805 war er zum Assessor vorgerückt und im Jahre 1808 räumte man
ihm weit über seine Stellung gehende Befugnisse ein. Die Notlage
des Staates gestattete aber der Regierung noch nicht, ihn zum Berg-
rat zu machen. Als der schlesische Oberberghauptmann Steinbeck
endlich im Februar 1810 diese Beförderung bei dem König beantragte,
schrieb er: „Karsten hat den Hüttenbetrieb, wie Ew. Königl. Majestät
zur Genüge bekannt ist, selbst in der drückenden Periode des Krieges
mit der gröſsten Umsicht geleitet. Er hat, nach dem Kriege, besonders
bei dem Geschützguſs und der Gewehrfabrikation, groſse Dienste
geleistet. Denn ohne seine thätige Mitwirkung möchten wir wohl
darin nicht so weit vorgerückt sein, als wirklich geschehen ist. Er
hat endlich sehr wesentlich zur Realisierung der Zinkfabrikation mit-
gewirkt, und besonders diese Mitwirkung an Ort und Stelle ausgeübt,
ohne hierbei seine geschwächte Gesundheit im geringsten zu berück-
sichtigen.“ Am 17. März wurde Karsten vom Könige zum Bergrat
ernannt. Die Freude über diese Beförderung wurde aber gedämpft
durch den am 17. April erfolgten Tod seines edlen Vetters, den der
König fast gleichzeitig an die Spitze des preuſsischen Berg- und
Hüttenwesens berufen hatte. Am 9. Dezember 1811 avancierte er
zum Ober-Hüttenrat und Ober-Hüttenverwalter für Ober- und
Nieder-Schlesien. Seiner persönlichen Thätigkeit war hauptsächlich
das für die Befreiung des Vaterlandes so wichtige Werk zu danken,
die Ausrüstung der Armee mit Gewehren, Waffen und Geschützen
aus schlesischem Eisen. Im Jahre 1809 begann man auf der Hütte
zu Malapane, ohne die nötigen Einrichtungen und geübte Arbeiter,
[15]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
die ersten Gewehre für die Armee zu machen, und wenige Jahre
danach lieferten Malapane und Gleiwitz die ganze Ausrüstung für
das schlesische Heer. Am 17. Januar 1816 verlieh ihm der König das
Eiserne Kreuz am weiſsen Bande „Zur Anerkenntnis Ihrer Verdienst-
lichkeit“, eine Auszeichnung, welche den sonst für Ehrenbezeugungen
wenig empfänglichen Mann hoch erfreute. Bei dieser anstrengenden
praktischen Thätigkeit hatte das litterarische Schaffen Karstens lange
Zeit geruht. Aber bereits 1814 erschien seine vortreffliche Bearbeitung
von Rinmans Geschichte des Eisens, welche er mit sachgemäſsen
Anmerkungen versah, in deren einer er bereits klar seine geniale
Begründung der Unterschiede der verschiedenen Eisenarten zum Aus-
druck brachte. 1816 erschien dann sein berühmtes Handbuch der
Eisenhüttenkunde. Bevor wir auf dieses Werk näher eingehen, wollen
wir kurz die weiteren Lebensschicksale Karstens schildern. Im
Jahre 1815 wurde Karsten zur Abfassung eines Gutachtens über die
künftigen Landesgrenzen zwischen Preuſsen und Nassau, wobei der
Bergwerksbesitz ganz besonders in Betracht kam, nach den westlichen
Provinzen geschickt. Seine begeisterten Schilderungen über den Erz-
reichtum Nassau-Oraniens waren ausschlaggebend für das Festhalten
Preuſsens an der Erwerbung des Siegerlandes. Karsten beklagte
es sehr, daſs nicht auch das eisenreiche dillenburgische Land schon
damals mit Preuſsen vereinigt wurde; er, der noch wenig auſser
Schlesien und Brandenburg gesehen hatte, kam aus dem Entzücken
über den Erzreichtum und die landschaftlichen Schönheiten des ora-
nischen und saynischen Landes nicht heraus. „Von solchem Reich-
tum habe ich keinen Begriff gehabt“, schreibt Karsten, nachdem er
den Stahlberg bei Müsen gesehen. Und als er die Gruben bei Dillen-
burg befahren hatte, sagte er: „Von diesen Schätzen hat der an
Armut gewöhnte Schlesier gar keinen Begriff. Was man hier als
Zuschlag verwendet und nicht achtet, würden wir in Schlesien als die
reichsten Erzschätze verehren. Ein Hüttenmann kann daher hier
wenig lernen, sondern nur über die verschwenderische Natur staunen
und sich mit der Überzeugung schmeicheln, daſs er diese Schätze,
wenn er sie zu verwalten hätte, besser benutzen würde.“ Nach
Beendigung der Grenzregulierung ging er in glücklichster Stimmung
erst nach Hamm, dann nach Neuwied und der Sayner Hütte. Hier
traf ihn die Trauernachricht von Redens Tod. „Die Nachricht vom
Tode des Grafen Reden“, schreibt er, „hat meine Freude sehr
getrübt. Du wirst es nicht unmännlich finden, wenn ich Dir sage,
daſs ich mich nicht der Thränen erwehren konnte und daſs ich noch
[16]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
jetzt, indem ich schreibe, mit Gewalt Empfindungen unterdrücken
muſs, welche mir die Augen füllen wollen. Ich schreibe Dir kein
Wort weiter, Du weiſst, daſs ich alle Ursache hatte, diesen wahrhaft
verehrungswürdigen Mann aufs höchste zu verehren. Noch heute reise
ich zum Minister vom Stein und werde dort Anlaſs genug haben,
eine Saite zu berühren, die mich mit inniger Wehmut erfüllt.“
Diese schönen Worte gewähren uns Einblick in das edle Herz
Karstens.
Nachdem er von seiner Reise, die er durch die Eifel, Rheinland
und Westfalen bis nach Lüttich ausgedehnt hatte, nach Breslau zurück-
gekehrt war, wurde er bald darauf zu wichtigen Konferenzen nach
Berlin berufen und 1819 wurde er als Geheimer Bergrat dauernd
dorthin versetzt, 1821 wurde er zum Geheimen Ober-Bergrat und vor-
tragendem Rat im Ministerium ernannt. Es wurde ihm das ganze
Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen Staate übertragen. In
diesem erweiterten Berufskreise wirkte er segensreich und mit Aus-
zeichnung bis zum Jahre 1850. In diesem traurigen Jahre der herein-
brechenden Reaktion begann der liberal gesinnte, aufgeklärte Mann,
der so treu seinem Lande gedient hatte, sich unbehaglich in seiner
Stellung zu fühlen und erbat seinen Abschied, der ihm ohne ein
Wort der Anerkennung seines Königs bewilligt wurde. Er blieb
litterarisch thätig bis zu seinem Tode, der ihn am 22. August 1853
abrief.
Es würde zu weit führen, Karstens Thätigkeit im einzelnen zu
schildern. Er hat in Theorie und Praxis der Hüttenkunde eine
wirklich wissenschaftliche Grundlage gegeben. In der Einführung der
Wissenschaft in die Praxis besteht sein ganz besonderes Verdienst. Er
ist ein bedeutender Erzieher gewesen nicht nur durch seine Schriften,
sondern auch durch seine mündliche Belehrung und sein Beispiel.
Dadurch hat er besonders in seiner schlesischen Zeit eine Schule vor-
trefflicher Hüttenmänner herangebildet, die namentlich für die Ent-
wickelung der schlesischen Privat-Eisenwerke Groſses geleistet haben.
Unsterblich aber ist er durch seine klassischen hüttenmännischen
Schriften geworden, durch die er noch heute fortwirkt und die seinen
Namen auch im Auslande berühmt gemacht haben.
Bei Karsten war Gelehrsamkeit und technisches Geschick,
Theorie und Praxis in der schönsten und glücklichsten Weise ver-
einigt. Dabei war er der erste hervorragende Schriftsteller der
modernen Eisenindustrie. Er hatte alle Schlacken der alten Phlogiston-
lehre, die den übrigen metallurgischen Schriftstellern zu Anfang des
[17]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
19. Jahrhunderts noch anhaftete, von sich abgestreift. Die anti-
phlogistische Chemie war bei ihm in Fleisch und Blut übergegangen
und er stieſs auf keinen hüttenmännischen Vorgang, ohne ihn chemisch
zu erfassen und zu begründen. Dabei hatte er eine groſse praktische
Erfahrung. Seine metallurgischen Lehrbücher behandeln deshalb
vielfach Selbsterlebtes. Es geschieht dies in klarer, anschaulicher
Weise, und die nüchterne Wirklichkeit wird fesselnd durch die Dar-
stellung und noch mehr durch die naturwissenschaftliche Behandlung,
welche die einzelne Erscheinung im Zusammenhang mit den Natur-
gesetzen interessant erscheinen läſst.
Karsten war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller und müssen wir
uns begnügen, die für die Eisenhüttenkunde wichtigsten Schriften auf-
zuzählen. Bereits im Jahre 1803 veröffentlichte er „Einige Bemerkungen
über die Gewinnung des Eisens im groſsen aus seinen Erzen, be-
sonders in chemischer Hinsicht“. Die deutsche Bearbeitung von
Rinmans Geschichte des Eisens erschien in 2 Bänden in den
Jahren 1814 und 1815. 1816 folgte sein Handbuch der Eisenhütten-
kunde, ebenfalls in 2 Bänden. Von diesem grundlegenden Werk
erschien bald danach eine französische Übersetzung von Culman.
1818 wurde zu Breslau der Grundriſs der Metallurgie und der
metallurgischen Hüttenkunde herausgegeben. In demselben Jahre
begann Karsten das „Archiv für Bergbau und Hüttenwesen“, welches
von 1818 bis 1829 in Breslau und Berlin erschien, und wirklich das
war, was sein Titel versprach, das Archiv der wichtigsten hütten-
männischen Erscheinungen jener Zeit. 1829 wurde es erweitert zum
„Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde“,
welches nach Karstens Tode mit dem Jahre 1854 aufhörte. Vom
XI. Bande an nahm von Dechen an der Redaktion mit teil. In
diesem Archiv wurde eine groſse Reihe vortrefflicher Abhandlungen
Karstens veröffentlicht.
1821 gab er die Beschreibung einer metallurgischen Reise durch
einen Teil von Bayern und durch die süddeutschen Provinzen Öster-
reichs, worin namentlich die in Steiermark und Kärnten betriebenen
Frischmethoden eingehend geschildert sind, heraus.
1827 erschien die zweite Auflage des Handbuches der Eisenhütten-
kunde in 4 Bänden, wie schon aus der doppelten Bändezahl hervor-
geht, sehr erweitert und geradezu als ein neues Werk. Auch diese
Auflage wurde wenige Jahre nach ihrem Erscheinen, 1830, von Cul-
man ins Französische übersetzt. 1828 folgte Karstens Grundriſs
der deutschen Bergrechtslehre mit Rücksicht auf die französische
Beck, Geschichte des Eisens. 2
[18]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
Bergwerksverfassung. 1831 erschien das groſse Werk „System der
Metallurgie“, geschichtlich, statistisch, theoretisch und technisch, in
5 Bänden mit einem Atlas von 51 Kupfertafeln.
Im Jahre 1841 gab Karsten die dritte Auflage seines Hand-
buches der Eisenhüttenkunde in 5 Bänden mit einem Atlas von
63 Kupfertafeln heraus. Auch diese Ausgabe ist, trotzdem die alte
Einteilung beibehalten ist, ein neues Werk und das für den Techniker
der Jetztzeit wichtigste.
Nicht unerwähnt wollen wir noch Karstens vorzügliches Lehr-
buch der Salinenkunde lassen, welches 1841 in 2 Bänden erschien.
Die zahlreichen Abhandlungen, welche Karsten besonders im
Archiv und in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissen-
schaften veröffentlicht hat, können wir nicht alle aufzählen. Von
historischer Bedeutung sind die Aufsätze über die verschiedenen Zu-
stände des Eisens und eine neue Theorie derselben in Gilberts
Annalen LII, 428; über die Verbindung des Eisens mit Kohle in den
Abhandlungen der Akademie von 1822 und „über die Karburete des
Eisens“, ebendaselbst 1846. Sehr beachtenswert sind die Abhand-
lungen „über die Bereitung und Behandlung des Guſsstahls“, im Archiv
von 1825 (IX, 397); „über den Damaststahl“ (ebenda. 451) und seine
letzte Arbeit, „über die Bereitung des Guſsstahls“, in den Monats-
berichten der Berliner Akademie von 1853.
Bei weitem das wichtigste Werk für uns ist Karstens Hand-
buch der Eisenhüttenkunde. Ganz abgesehen davon, daſs es in der
Einleitung eine recht gute, wenn auch knappe Übersicht über die
Geschichte der Eisenindustrie giebt, ist es für sich selbst, durch seine
drei Auflagen, eine wichtige Quelle für die Geschichte des Eisens.
Den Fortschritt der Eisenindustrie in den Perioden von 1816 bis 1827
und von 1827 bis 1841 kann man nicht besser kennen lernen, als
durch eine Vergleichung der drei Auflagen des Handbuches der Eisen-
hüttenkunde von 1816, 1827 und 1841. Wir werden deshalb so häufig
Veranlassung haben, dieses Werk als Geschichtsquelle anzuführen,
daſs wir davon absehen können, hier auf seinen Inhalt näher einzu-
gehen. Auch darf dieses grundlegende Werk über das Eisen in Fach-
kreisen wohl als bekannt vorausgesetzt werden.
Von Schriften über einzelne Teile der Eisenindustrie sind aus
der Periode 1800 bis 1815 noch hervorzuheben:
Friedr. Aug. Alex. Eversmann, Übersicht der Eisen- und
Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und
Lippe; Dortmund 1804. Dieses vortreffliche Werk, welches wir schon
[19]Einleitung. — Litteratur 1801 bis 1815.
mehrfach anzuführen Gelegenheit hatten, ist von Bergrat Eversmann,
der damals Fabrikenkommissarius der Mark war, dem Reichsfreiherrn
Carl vom Stein zugeeignet, von dessen klarem Geist das fleiſsige,
gründliche Buch durchweht ist.
Zur Eisenhüttenkunde im allgemeinen und der Eisenindustrie
Österreichs insbesondere hat F. A. von Marcher zahlreiche Beiträge
geliefert, welche den Titel führen: „Beiträge zur Eisenhüttenkunde,
1805 bis 1812“. Es sind zwei Teile in 15 Bänden. Über die öster-
reichische Eisenindustrie handeln ferner seine Notizen und Bemerkungen
über den Betrieb der Hochöfen und Rennwerke, 5 Hefte, 1808 bis
1811. Die Schriften von Marchers bekunden einen auſserordent-
lichen Fleiſs und enthalten einen groſsen Reichtum von Thatsachen;
sehr wertvoll sind die ausführlichen Tabellen, unter denen wir die Zu-
sammenstellung von 117 Hochöfen nach ihren Maſsen, Schmelzbetrieb,
Ausbringen, Kohlenverbrauch u. s. w. hervorheben. Zu bedauern
ist nur, daſs von Marchers Schriften durch ihre Weitschweifigkeit
und ihr schlechtes Deutsch sehr beschwerlich zu lesen sind.
Eine gründliche Schrift ist ferner J. von Panz und A. J. Atzl,
Beschreibung der vorzüglichsten Berg- und Hüttenwerke des Herzog-
tums Steiermark, 1814.
Ein Werk von hervorragendem geschichtlichem Wert ist Héron
de Villefosse, De la richesse minérale. Tome I bis III nebst Atlas,
1810 bis 1819. Antoine Maria Héron de Villefosse wurde am
21. Juni 1774 zu Paris geboren. Er studierte Bergbaukunde und
wurde 1801 Ingenieur des Mines. 1803 wurde er als technischer
Kommissär nach dem Harz geschickt, zum Schutze des dortigen Berg-
und Hüttenwesens. 1807 ernannte ihn Napoleon zum General-
inspektor aller Bergwerke zwischen dem Rhein und der Weichsel.
Als solcher nahm er 1809 in Clausthal Wohnung, und in dieser
Stellung sammelte er das Material für sein umfangreiches Werk.
1808 hatte er bereits eine Bergwerks- und Hüttenkarte des Harzes
herausgegeben. Ähnliche Karten des Gebietes zwischen Rhein und
Elbe und des Erzgebirges veröffentlichte er 1815. Nach Napoleons
Sturz wurde Héron de Villefosse Kabinetssekretär Ludwigs XVIII.;
er wurde Baron, Staatsrat, Generalinspektor I. Klasse und Vice-
präsident des Conseil des Mines. 1834 nahm er seinen Abschied und
zog sich in die Normandie zurück, wo er am 6. Juni 1852 starb.
1826 schrieb er Mémoire sur l’état actual des mines de fer en France;
auſserdem veröffentlichte er viele Aufsätze im Journal und den Annales
des Mines. Sein Hauptwerk, über den Mineralreichtum, entstand aus
2*
[20]Chemie 1801 bis 1815.
Studien über den Harz aus dem Jahre 1807 und einem officiellen
Bericht über das Bergwerks- und Hüttenwesen des neu gegründeten
Königreichs Westfalen, welcher 1808 gedruckt worden war. Diesen
beiden Teilen schlossen sich zwei weitere Teile, welche im Jahre 1809
verfaſst wurden, an. Der Hauptwert des Werkes beruht in der
officiellen Statistik, welche in demselben verarbeitet ist. Héron de
Villefosses Mineralreichtum ist das erste gröſsere Werk auf diesem
Gebiete und enthält in dem dritten Teile die erste vergleichende
Industriestatistik. Der Bruttoertrag bildet die Grundlage der Ver-
gleichung. Im vierten Teile sind die Grundsätze des Bergwerks-
eigentums, der Bergverwaltung und des Bergrechtes auseinander-
gesetzt. Diese vier Abschnitte bilden den ersten Band des Werkes,
welcher den ökonomischen Teil enthält und 1810 veröffentlicht wurde;
der zweite [und] dritte Band bildet den technischen Teil und erschien
erst 1819, hiervon behandelt der zweite Band die Bergbaukunde, der
dritte Band die Aufbereitung und die Hüttenkunde. Dem Werk ist
ein Band Tafeln beigegeben in so vortrefflicher Ausstattung, wie man
sie vordem nicht kannte. Obgleich das Werk erst 1819 veröffentlicht
wurde, gehört es doch seinem ganzen Inhalt nach in die napoleonische
Zeit. 1822 bis 1840 veröffentlichte Carl Hartmann eine sehr ober-
flächliche deutsche Bearbeitung des Werkes in 7 Bänden.
Es erübrigt, noch einige Reisewerke namhaft zu machen. Als
solche nennen wir zuerst die schon wiederholt citierte Reise Erich
Th. Svedenstjernas durch einen Teil von England und Schottland
in den Jahren 1802 und 1803, welche 1804 in Stockholm erschien
und 1811 in deutscher Übersetzung von Joh. G. L. Blumhof; sodann
J. F. L. Hausmanns Reise durch Skandinavien in den Jahren 1806
und 1807, 5 Bde. mit Kupfer, Göttingen 1811 bis 1818.
Von Fachschriften erwähnen wir W. F. Tiemann, Abhandlungen
von der Formerei und Gieſserei auf Eisenhütten, 1803, und Traité du
fer et de l’acier, Paris 1804; sowie endlich J. G. L. Blumhof, Voll-
ständige systematische Litteratur vom Eisen, Braunschweig 1803.
Lavoisiers antiphlogistische Lehre brachte Licht in das Dunkel
der metallurgischen Prozesse. Nachdem man die Vorgänge bei der
Oxydation und Reduktion richtig erkannt und die Chemie der Ver-
[21]Chemie 1801 bis 1815.
brennung begriffen hatte, war es nicht mehr schwer, die meisten
hüttenmännischen Operationen zu erklären. Über die geheimnisvolle
Natur des Eisens in seinen verschiedenen Zuständen hatte die klas-
sische Untersuchung von Vandermonde, Berthollet und Monge
Aufschluſs verschafft, und es war nun die Aufgabe der Praxis, diese
theoretischen Entdeckungen zu verwerten. Dies schien vielen eine
leichte Aufgabe zu sein, besonders den Theoretikern, welche dem
praktischen Leben fern standen und nichts ahnten von der Mannig-
faltigkeit der Erscheinungen, mit welchen der Hüttenmann zu thun
hatte, dem Labyrinth, durch welches bis dahin nur der Ariadnefaden
der Erfahrung hindurchgeführt hatte. Unter diesen war es zunächst
Clouet, welcher ganz logisch schloſs: wenn Schmiedeeisen, Stahl und
Stabeisen nur Verbindungen von Eisen mit mehr oder weniger Kohlen-
stoff sind, so muſs man sie leicht bereiten können, wenn man nur
reines Eisen mit mehr oder weniger Kohle im Tiegel zusammen-
schmilzt 1). Da seine Versuche im kleinen seinen theoretischen Vor-
aussetzungen entsprachen, so war er schnell damit fertig, darauf ein
neues Fabrikationsverfahren aufzubauen, welches namentlich für die
Bereitung des Guſsstahles — das behütete Geheimnis der Engländer —
höchst einfach und höchst lohnend zu sein schien. Man brauchte nur
das entsprechende Quantum Kohlen abzuwiegen und mit dem Eisen
im Tiegel bei genügender Hitze einzuschmelzen, um Guſsstahl zu
erhalten. Hierdurch sparte man die langwierige Cementation und
hatte es weit mehr in der Hand, einen härteren oder weicheren Stahl
zu erzeugen. Dies bewährte sich aber bei der Ausführung im groſsen
durchaus nicht. Falsche Beobachtungen führten Clouet noch zu
weiteren Irrtümern. Er fand, daſs die Verwandtschaft des Eisens
zum Kohlenstoff mit der Hitze zunahm, und da er beim Zusammen-
schmelzen von Eisen mit Kalk und Thon ohne Zusatz von Kohle ein
stahlartiges Produkt erhielt, so behauptete er, daſs bei hochgesteigerter
Temperatur die Verwandtschaft des Eisens zum Kohlenstoff so groſs
sei, daſs sie sogar die Verwandtschaft des Sauerstoffes zum Kohlen-
stoff überträfe und deshalb die Kohlensäure zersetze, indem das
Eisen derselben den Kohlenstoff entziehe. Hierauf begründete er ein
weiteres, noch einfacheres Verfahren der Guſsstahlbereitung, welches
wohl hauptsächlich durch seine Absonderlichkeit das gröſste Aufsehen
erregte. Eine weitere irrige Angabe Clouets war die, daſs sich
Eisen mit Glas zu einem Stoffe verbinde, den er fonte particulière
[22]Chemie 1801 bis 1815.
nannte und der besondere Eigenschaften haben sollte. Er sei ein
Guſseisen, das kalt und warm etwas dehnbar, sehr weich und leicht
mit der Feile zu bearbeiten sei.
Clouets Lehre über die verschiedenen Verbindungen des Eisens
läſst sich in folgendem Schema ausdrücken:
1/32 Kohlenstoff genügt, um Stahl zu machen; bei ⅙ Kohlenstoff
ist das Produkt noch schmiedbar, bei mehr Kohlenstoff wird es Guſs-
eisen.
Clouet machte seine Versuche in hessischen Tiegeln in einem
gewöhnlichen Schmiedefeuer. Zur Fabrikation im groſsen empfiehlt er
einen Flammofen, ähnlich den Guſsflammöfen der Kanonengieſsereien.
Derselbe sollte eine hohe Esse haben und im Inneren ungefähr so
lang wie breit, und groſs genug sein, um vier Tiegel von je 25 Pfd.
Einsatz aufnehmen zu können. Als Feuerungsmaterial schreibt er
Steinkohle vor, um die erforderliche Hitze zu erzeugen. Clouets
Theorie, mit solcher Bestimmtheit vorgetragen, erregte die gröſste
Aufmerksamkeit und veranlaſste viele Versuche, die aber den er-
weckten Hoffnungen nicht entsprachen. In Deutschland war es
besonders Tiemann, welcher Clouets Versuche teilweise wieder-
[23]Chemie 1801 bis 1815.
holte 1). Dieser fand, daſs die Ergebnisse den Erwartungen durchaus
nicht immer entsprachen, indem noch viele andere Faktoren das
Resultat beeinfluſsten.
Wichtiger waren die Versuche David Mushets. Mushet war
der erste englische Fachschriftsteller auf dem Gebiete des Eisen-
hüttenwesens. Dieser Umstand, wie die Bedeutung seiner zahlreichen
Versuche, rechtfertigen eine kurze Beschreibung seines Lebensganges 2).
David Mushet wurde 1772 zu Dalkeith bei Edinburg geboren.
Er wuchs im Hüttengewerbe als Metallgieſser auf. Im 19. Lebens-
jahre trat er als Beamter bei dem Clyde-Eisenwerke, das damals nur
zwei Hochöfen hatte, ein und zwar als Buchhalter. Sein Interesse
an dem technischen Betriebe war aber so groſs, daſs er alle freie
Zeit zu Experimenten verwendete, hauptsächlich zu Schmelzversuchen
in Tiegeln. Dadurch wurde er nach einigen Jahren der geübteste
Probierer auf dem Werke, so daſs, wenn irgend eine Frage bezüg-
lich der Möllerung oder neuer Erze auftauchte, man den Buchhalter
holte. Dafür erhielt er die Erlaubnis, die Probieröfen des Direktors
für seine Versuche benutzen zu dürfen. Dies that er, indem er
gleichzeitig den Sohn des Direktors im Probieren unterrichtete. Da
er den Tag über beschäftigt war, arbeitete er nachts meist bis 2 oder
3 Uhr, schlief dann rasch, indem er sich um ½6 Uhr von dem Maschi-
nisten wecken lieſs, um um 6 Uhr wieder pünktlich auf seinem
Bureau zu sein. Dieser eiserne Fleiſs war charakteristisch für
Mushet. Er baute sich 2 engl. Meilen von den Clyde-works einen
eigenen Ofen für seine Experimente, wo er nachts arbeitete. Sein
Treiben miſsfiel aber seinen Vorgesetzten, die ihn für einen anmaſsen-
den Besserwisser ansahen, und eines schönen Tages lieſs der Betriebs-
leiter des Werkes Mushets sämtliche Versuchsöfen zerstören mit
dem Befehl, daſs sie nicht wieder aufgebaut werden dürften. Dieses
verleidete ihm seine Stellung auf der Clydehütte, nicht aber seine
wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnisse er jetzt anfing, in einer
Reihe von Aufsätzen in dem Philosophical Magazine zu veröffentlichen.
Von groſser Wichtigkeit wurde auch in der Folge seine Entdeckung des
black-band, jenes schwarzen Kohleneisensteins, auf dem sich die groſs-
artige Hochofenindustrie Schottlands später entwickelte, im Jahre 1801.
Mushet war der erste Engländer, welcher versuchte, der für Eng-
land so wichtigen Eisenindustrie eine wissenschaftliche Grundlage zu
[24]Chemie 1801 bis 1815.
geben. Seine Schriften sind zahlreich und vielseitig. Hier wollen wir
uns aber nur mit Mushets Untersuchungen über den Guſsstahl, zu
welchen er teilweise durch Clouets Arbeiten veranlaſst worden war,
kurz beschäftigen. Obgleich Mushet durchaus Autodidakt war und
der wissenschaftlichen Vorbildung ermangelte, so sind doch seine
Schriften von groſser Klarheit und stechen durch Bestimmtheit und
Einfachheit des Ausdrucks vorteilhaft ab gegen viele fachmännische
Schriften jener Zeit. Svedenstjerna (Reise nach England 1803/4,
S. 163) rühmt seine groſse Klarheit und scharfe Beobachtung, ander-
seits aber sei er geneigt, aus einzelnen Thatsachen oft zu kühne
Schlüsse zu ziehen. Für manche Dinge schuf er sich erst den tech-
nischen Ausdruck, der aber meistens so richtig gewählt war, daſs
seine Nomenklatur in England allgemein angenommen wurde. In der
Praxis hatte er aber kein Glück, woran seine Sucht zu experimen-
tieren zumeist schuld war. Nachdem er die Clyde-works verlassen
hatte, verband er sich mit mehreren Kaufleuten zu Glasgow und
erbaute das Calder Eisenwerk. Er übernahm die Direktion, die aber
so unglücklich ausfiel, daſs er über 10000 £ Schaden machte. Das
Werk wurde eingestellt, kam zum Zwangsverkauf, und Mushet ver-
lor sein Vermögen.
Seine theoretische Anschauung der Konstitution des Eisens hatte
er von den Franzosen entnommen und mit diesen nahm er einen
Sauerstoffgehalt im Roheisen an. Er unterschied folgende Roheisen-
sorten 1):
Stahl bezeichnet er als Eisen gemengt mit Kohle in gasför-
migem Zustande (a mixture of iron with carbon in an aëriform
state).
Seine Tiegelschmelzversuche hatten zunächst das negative Resul-
tat, daſs er nachweisen konnte, daſs Clouets Guſsstahlbereitung
durch Schmelzen von Stabeisen mit kohlensaurem Kalk auf einem
[25]Chemie 1801 bis 1815.
Irrtum beruhe, indem ein stahlartiges Produkt hierbei nur dann er-
halten würde, wenn die kohlenden Gase des Brennmaterials in den
Tiegel eindringen könnten. Dagegen gelang es ihm allerdings, Guſs-
stahl durch Zusammenschmelzen von Stabeisen mit Kohlen bei sehr
hoher Temperatur zu erzeugen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen
ist kurz zusammengestellt in dem Patent, welches er am 13. No-
vember 1800 nahm (Nr. 2447) 1).
„Gemenge von Schmiedeeisen mit Holzkohle, Koks, Graphit oder
anderen kohlenden Substanzen werden in Tiegeln in Öfen, welche
eine groſse Hitze erzeugen, geschmolzen, wodurch Guſsstahl erzeugt
wird, welcher in Ingots oder Formen ausgegossen werden kann.
Durch Abänderung des Kohlenzusatzes von 1/200 bis zu 1/40 des Ge-
wichtes des Eisens lassen sich verschiedene Stahlsorten darstellen
und wird das Eisen um so weicher und leichter zu schweiſsen, je
geringer der Kohlenzusatz ist. Stabeisen kann auch für sich ge-
schmolzen werden, wobei es aber etwas Kohle aus den Feuergasen
aufnimmt, wodurch ein ganz weicher Stahl entsteht. Wenn etwa 1/40
Kohle zugesetzt wird, läſst sich der Stahl in Formen gieſsen und
lassen sich diese Stahlguſsstücke feilen und polieren. Dieser Prozeſs
macht die Cementation des Eisens vor dem Einschmelzen zu Guſs-
stahl überflüssig. Auch das Ausschmelzen der Erze im Hochofen und
die Umwandlung des erhaltenen Roheisens in Stabeisen läſst sich
vermeiden, wenn man reiche, reine Erze, nachdem man sie geröstet
hat, mit soviel Kohle zusammenschmilzt, daſs daraus Guſsstahl (Erz-
stahl) entsteht.“ In das Patent hat Mushet auch die übrigen von
Clouet angegebenen Methoden, insbesondere das Schmelzen mit
Kalk, Kreide oder anderen Karbonaten und mit Thon, Glas oder
anderen Flüssen mit aufgenommen.
Der Erfinder giebt ferner an, daſs durch mehrtägiges Glühen
seines Guſsstahls in Kohle oder Erde derselbe so schweiſsbar werde
wie deutscher Stahl. Die Koks bereitete er in geschlossenen Gefäſsen
oder Kammern, welche von auſsen geheizt wurden. Einen besonderen
Erfolg hatte Mushet mit seinem Patent nicht, doch führten seine
Untersuchungen später zu dem wichtigen Verfahren von Heath.
Die Ansicht, daſs der Sauerstoff ein wesentlicher Bestandteil des
Roheisens sei, war noch im Anfange des 19. Jahrhunderts ziemlich
allgemein angenommen; in Deutschland war es namentlich Lam-
[26]Chemie 1801 bis 1815.
padius, welcher daran festhielt und dieselbe durch sein Ansehen als
Chemiker und Professor der Hüttenkunde in Freiberg deckte. Dieser
Irrtum, wie mancher andere, erhielt sich hauptsächlich deshalb, weil
die quantitative chemische Analyse immer noch nicht in ausreichender
Weise als Kontrolle angewendet wurde. Auch waren die Unter-
suchungsmethoden noch nicht genau genug. Mehr und mehr aber
fing die chemische Analyse an, das herrschende Dunkel aufzuhellen,
und es ist ein anziehendes, bewunderungswürdiges Schauspiel, wie
eine Frage nach der anderen durch die sorgfältige Gewichtsermitte-
lung der chemischen Bestandteile mittels der Wage gelöst wurde.
Zu diesen für die Geschichte des Eisens wichtigen Fragen, welchen
um diese Zeit besondere Aufmerksamkeit zugewendet wurde, gehörten
die über die Sauerstoffverbindungen des Eisens und die Zusammen-
setzung der Erze.
Die Sauerstoffverbindungen des Eisens, wie sie dem
Hüttenmanne vorkommen, sind höchst mannigfaltiger Art. Glüht
man das Eisen an der Luft, so nimmt es Sauerstoff auf; das gebil-
dete Produkt zeigt aber einen wechselnden Sauerstoffgehalt. Ebenso
haben viele Erze, z. B. die magnetischen Eisenerze Schwedens, einen
verschiedenen Sauerstoffgehalt. Es war deshalb nicht zu verwundern,
daſs viele Chemiker geneigt waren, anzunehmen, daſs sich das Eisen
in unendlichem, fortschreitendem Verhältnis mit dem Sauerstoff ver-
bände. Diese Lehre vertrat besonders Berthollet, der es als ein
allgemeines Gesetz aufstellte, daſs die Körper sich in unendlich vielen
progressiven Verhältnissen miteinander verbinden und sich dabei be-
sonders auch auf die wechselnden Oxydationsstufen des Eisens stützte.
Dem trat zuerst Proust entgegen, der nachwies, daſs es keine solche
unendliche Progression in der Natur gäbe, sondern daſs alle bestimmt
charakterisierten Körper auch nach bestimmten Verhältnissen ihrer
Elemente gemischt sind. Dies lieſs sich für viele Körper nach-
weisen, für viele aber auch nicht, und es gelang erst Berzelius
1810 durch gründlichere methodische Untersuchungen, diesem wich-
tigen Gesetze der chemischen Proportionen eine feste Grundlage zu
geben 1). Durch die Ermittelung der Äquivalentgewichte und der
Proportionen erhielt die Chemie eine mathematische Sicherheit.
[27]Chemie 1801 bis 1815.
Thenard, Darso und Buchholz hatten bereits 1806 versucht, die
verschiedenen Oxydationsstufen des Eisens chemisch festzustellen 1).
Buchholz war der Wahrheit am nächsten gekommen; da er
aber gewöhnliches Stabeisen zu seinen Versuchen wählte, welches
noch Kohlenstoff und sonstige fremde Substanzen enthielt, so fielen
seine Resultate fehlerhaft aus. Berzelius nahm dieselbe Unter-
suchung mit gröſserer Vorsicht vor.
Damals herrschte die Ansicht, welche Proust vertrat, daſs, so-
weit man überhaupt bestimmte Sauerstoffverbindungen des Eisens
annahm, es zwei Oxyde des Eisens gäbe, das schwarze und das rote.
Allerdings hatte bereits Thenard den weiſsen Niederschlag, welchen
Ammoniak aus der Lösung einer frisch bereiteten Auflösung von Eisen
in Salzsäure oder Schwefelsäure fällte, für Eisenoxydul, die niedrigste
Sauerstoffverbindung des Eisens, erklärt; er nahm aber dabei nicht
weniger als sechs verschiedene Eisensalze mit Schwefelsäure an. Buch-
holz hatte das Oxydul mit groſser Mühe und Sorgfalt untersucht
und seinen Sauerstoffgehalt nahezu richtig bestimmt, nämlich zu 23.
Berzelius bestimmte das Eisenoxydul auf 77,22 Tle. Eisen und 22,78 Tle.
Sauerstoff und das Eisenoxyd auf 60,34 und 30,66 Tle. in 100 Tln.,
das letztere also Sesquioxyd. Das schwarze magnetische Oxyd
erwies sich, ebenso wie der Hammerschlag, als Gemenge von Oxyd
und Oxydul, wobei allerdings reines Magneteisenerz sich als kon-
stante Verbindung von 1 Äquivalent Eisenoxydul mit 1 Äquivalent
Eisenoxyd darstellte, welche auch als proportionale Verbindung von
3 Äquivalenten Eisen auf 4 Äquivalente Sauerstoff aufgefaſst werden
konnte. Berzelius fand, daſs schon eine ganz geringe Beimengung
von Oxydul zu dem Oxyd hinreiche, dasselbe magnetisch zu machen 2).
Die französischen Chemiker Thenard und Gay-Lussac nahmen
hierauf drei Oxydationsstufen des Eisens an, die sie als weiſses (FeO),
schwarzes (Fe3O4) und rotes Oxyd (Fe2O3) bezeichneten. Berzelius
aber widersprach der Behauptung der französischen Chemiker, daſs
das schwarze Oxyd selbständige Salze bilde. Dieselben seien viel-
mehr Gemenge von Oxyd- und Oxydulsalzen. Da sich auch in der
Natur, namentlich in den magnetischen Eisenerzen Schwedens, der
Sauerstoffgehalt, welchen die Franzosen zu 37,8 Proz. angegeben
hatten, nicht finde, sondern sehr verschiedene Gemische von Oxyd
[28]Chemie 1801 bis 1815.
und Oxydul, so hält er das angebliche schwarze Dreivierteloxyd
ebenfalls nur als ein Gemenge von Oxyd und Oxydul 1).
An diese Untersuchungen über die Oxyde des Eisens reihte sich
die wichtige Untersuchung Hausmanns2) über die Oxydhydrate, oder,
nach der Ausdrucksweise jener Zeit, über die gelben Oxyde. Daſs
Brauneisensteine, Thoneisensteine, Raseneisensteine, Bohnerze u. s. w.
Wasser enthielten, war bereits von verschiedenen Chemikern, wie
Lampadius, Vauquelin, Klaproth, Proust u. s. w., nachgewiesen
worden. Proust hatte bereits aus seiner Analyse des gelben Ockers
von Artana geschlossen, daſs derselbe Eisenoxyd in dem Zustande des
Hydrates sei 3). Um die genaue quantitative Zusammensetzung zu er-
mitteln, untersuchte Hausmann den gelben Ocker, der sich aus den
Wassern des Rammelsberges bei Goslar absetzte. Er fand darin Eisen-
oxydhydrat, vermischt mit etwas Kieselerde, Thonerde, Eisenoxydul
und Schwefelsäure. Das Verhältnis des Eisenoxyds zum Wasser betrug
80,975 zu 19,025 in 100 Tln. Hausmann stellte nun reines Eisen-
oxydhydrat künstlich dar, und da dies dieselbe Zusammensetzung
zeigte, so kam er zu dem Schlusse, daſs es „ein Eisenoxydhydrat —
eine chemische Verbindung von vollkommenem Eisenoxyd und Wasser
in einem konstanten quantitativen Verhältnis der beiden Bestand-
teile“ gäbe, in welchen 1 Äquivalent Eisenoxyd mit 3 Äquivalenten
Wasser, entsprechend der Formel Fe2O3 . 3 H O, verbunden wäre, oder
81,142 Proz. Eisenoxyd und 18,858 Proz. Wasser in 100 Tln. 4). —
In reinem Zustande findet sich das Eisenoxydhydrat nur selten. In
den Erzen, welche Eisenoxydhydrat enthalten, ist es immer mit
anderen Stoffen vermischt, so in den roten Thoneisensteinen auſser
mit Thon und Kieselerde mit Eisenoxyd; in den Seeerzen in ähn-
licher Weise mit Eisenoxydul; in vielen Thoneisensteinen mit kohlen-
saurem Eisenoxydul, im Brauneisenstein mit Manganoxyd, im Kupfer-
ziegelerz mit Kupferoxyd, im Limonit (muscheligem Raseneisenstein)
mit phosphorsaurem Eisenoxydul, im Eisenpecherz mit schwefelsaurem
Eisenoxydul.
In Frankreich machte um dieselbe Zeit d’Aubuisson eine Reihe
chemischer Untersuchungen, um zu beweisen, daſs die Brauneisen-
[29]Chemie 1801 bis 1815.
steine und die verwandten Rasenerze, Bohnerze u. s. w. Eisenoxyd-
hydrate (Fer hydraté) seien. In dem faserigen Brauneisenstein (Glas-
kopf) fand er 14½ Proz. Wassergehalt. Er veröffentlichte 16 Erzanalysen.
Danach enthalten alle diese Erze Eisenoxyd und Wasser und zwar
in dem Verhältnis von 85 : 15.
Durch diese Untersuchungen der Eisenoxyde und Oxydhydrate
war Licht über die Natur der meisten Eisenerze verbreitet worden.
Weitere Aufklärung verschafften die Untersuchungen von Berzelius
und Strohmeyer über die Kieselsäure. Man hatte früher die
Kieselsäure schlechthin als eine Erdart angenommen. Nachdem es
aber Davy gelungen war, verschiedene andere Erdarten zu zerlegen
und als Sauerstoffverbindungen mit metallähnlichen Elementen nach-
zuweisen, begann man auch die Natur der Kieselsäure näher zu
erforschen. Berzelius unterwarf 1810 in dieser Absicht ein Ge-
menge von Eisenfeile, Kohlenpulver und Kieselerde in verschlossenen
Tiegeln einem sehr heftigen Gebläsefeuer und erhielt dadurch einen
Regulus, der in Säuren gelöst eine groſse Menge Kieselsäure zurück-
lieſs, und mit Schwefelsäure behandelt mehr Wasserstoff entwickelte, als
einer gleichen Gewichtsmenge reinen Eisens entsprach 1). Berzelius
schloſs, daſs die Kieselsäure durch diese Behandlung mit Kohle und
Eisen reduziert worden sei und sich mit dem Eisen verbunden habe.
Dies veranlaſste Strohmeyer zu eingehenderer Untersuchung, um
so mehr, weil er dadurch hoffte, auch bessere Aufklärung über die
Natur des Stahls und Guſseisens zu erlangen und vielleicht dadurch
zur Verbesserung des Eisenhüttenprozesses beizutragen. Er verfuhr
in derselben Weise wie Berzelius und erhielt vier verschiedene
Sorten von Ferrosilicium, welche nach der Analyse 4,8 bis 20 Proz.
Kieselerde ergaben. Die an Silicium reichsten Varietäten waren
blätterig-körnig und glichen grauem Guſseisen, während die an Sili-
cium ärmeren dem weiſsen Eisen und dem Stahl glichen. Aus diesen
Versuchen ergab sich, daſs die Kieselsäure durch diese Behandlung
wirklich zu einem metallischen Körper reduziert wurde, welcher sich
mit dem kohlenstoffhaltigen Eisen verband. Die Zusammensetzung
der Kieselerde fand er annähernd zu 46 Tln. Sauerstoff und 54 Tln.
Silicium. Der Siliciumgehalt der vier dargestellten Reguli betrug
demnach 2,21 bis 9,27 Proz.
Diese Untersuchungen bewiesen, daſs das Silicium im Roheisen
nicht als Kieselsäure, sondern als Metall enthalten sein muſste.
[30]Chemie 1801 bis 1815.
Dadurch wurde Clouets Theorie von dem Glasgehalt des Eisens
völlig hinfällig, und man wurde zu richtigeren Eisenanalysen geführt,
indem man bis dahin das Silicium immer als Kieselerde im Eisen
berechnet hatte.
Die Wichtigkeit des Mangans oder Braunsteinmetalles nament-
lich für die Stahlbereitung hatte man schon im 18. Jahrhundert
erkannt. Um die Wende des Jahrhunderts legten Theoretiker und
Praktiker dem Mangan sogar eine übertriebene Bedeutung bei und
einzelne gingen so weit, zu behaupten, daſs es ohne Mangan keinen
Stahl gäbe und daſs die Stahlbildung durch die Anwesenheit von
Mangan erst bedingt werde.
Bergman hatte bereits die Anwesenheit von Mangan im Eisen-
spat nachgewiesen. Berthollet fand, daſs der deutsche Stahl immer
eine kleine Menge Braunsteinmetall enthalte und machte auf die
Wichtigkeit desselben aufmerksam. Gazeran untersuchte (1800) die
Erze Frankreichs speciell auf ihren Mangangehalt und behauptete, die
französische Stahlfabrikation sei deshalb so zurückgeblieben, weil sie
die Bedeutung des Mangans nicht beachtet habe. Nach seiner Ansicht
ist der Stahl nichts anderes als reines Eisen mit Braunstein und
Kohle verbunden, deshalb könnten nur braunsteinhaltige Erze Stahl
geben. Ein Rohstahleisen müsse 3 bis 4⅓ Proz. Mangan enthalten und
der daraus bereitete Stahl noch 2 bis 2½ Proz. Die deutschen Rohstahl-
eisen, welche aus Spateisenstein geschmolzen wurden, enthielten 4 bis
4½ Proz. Mangan, und die besseren deutschen Stahlsorten alle wenig-
stens 2 Proz. Es sei etwa doppelt so viel Mangan als wie Kohlen-
stoff im Stahl enthalten. Das Braunsteinmetall bestimme deshalb
wesentlich die Qualität des Stahls. Er teilt folgende chemische
Zusammensetzung eines deutschen Stahls mit:
Der Spateisenstein sei wegen seines Mangangehaltes das beste
Erz für Rohstahleisen. Die Abwesenheit von Mangan in den Erzen
sei der Grund, warum manche Eisensorten zur Stahlfabrikation un-
tauglich seien. Auf den Hütten, wo man in der Nähe Braunsteinerze
habe, könne man diese mit gutem Erfolge mit den Eisenerzen ver-
mischen, um die Güsse, welche zum Stahlmachen bestimmt seien,
denen ähnlich zu machen, die man aus Spaterzen erhalte. In Frank-
[31]Chemie 1801 bis 1815.
reich gäbe es nur in fünf Departements Spaterze, welche sehr hoch
geschätzt würden; in diesen sollte man die Stahlbereitung vervoll-
kommnen, um Frankreich von dem schweren Tribut von 4 Millionen
Franken, den es jährlich für Stahl an das Ausland zahle, zu be-
freien.
Zu diesem Aufsatze bemerkt der Übersetzer Crell, daſs der
Braunstein zur Stahlbildung nicht absolut nötig sei, er bewirke nur
einen besseren Fluſs und dadurch die reinere Abscheidung des Metall-
königs 1).
In dem folgenden Jahre 1802 veröffentlichte J. G. Stünckel jun.
eine Abhandlung über den Einfluſs des Braunsteines auf die Erzeugung
des Eisens im groſsen 2). Diese tüchtige Arbeit basiert allerdings
etwas einseitig auf den Erfahrungen des Verfassers auf der Eisen-
hütte zu Mägdesprung am Harz, wo man, um weiſses strahliges Eisen
für das Stahlfeuer zu erhalten, Flinz (Eisenspat) zusetzte, enthält
aber viel Richtiges. Etwas zu weitgehend ist Stünckels allgemeine
Behauptung: „Alle Eisensteine, welche Braunstein enthalten, geben
bei jeder Schmelzmethode weiſses strahliges Roheisen.“ Ohne braun-
steinhaltige Erze sei es nicht möglich, solches Roheisen zu erzeugen.
Die betreffenden Erze seien Spateisensteine und manganhaltige Braun-
eisensteine. Um weiſses strahliges Eisen zu erhalten, schmelze man
dieselben besser im Blauofen. Im Hochofen könne man bei einem
Zusatz von der Hälfte dieser Erze noch graues Roheisen erhalten,
während es im Blauofen immer weiſs falle. Eine merkwürdige und
vortreffliche Eigenschaft des Braunsteines sei die, daſs er die übeln
Einwirkungen vernichte, welche der häufig anwesende Schwerspat zu
äuſsern pflege. Als Beispiele hierfür führt er Schmalkalden und
Gittelde an. Quantz habe dies daraus erklärt, daſs der Sauerstoff
des Braunsteines die Reduktion der Schwefelsäure verhindere. Ähn-
lich sei aber auch die Wirkung bei Gegenwart von Schwefelkies. Die
braunsteinhaltigen Erze seien leichtflüssig, deshalb könne man zu
ihrer Schmelzung Blau- und Floſsöfen anwenden, während andere
Erze für diese Öfen zu strengflüssig seien. Stahl lieſse sich nur aus
braunsteinhaltigem Eisen frischen. Diese Behauptung erläutert
Stünckel in folgender Weise. Das weiſse Eisen erfordert mehr Zeit
und Arbeit zum Frischen als das graue, weil es ganz flüssig ein-
schmilzt. Dadurch entzieht es sich unter der schützenden Schlacken-
[32]Chemie 1801 bis 1815.
decke der Wirkung des Windes und muſs oft aufgebrochen werden,
um zu frischen. Hierbei läſst sich aber auch der Zeitpunkt der
Stahlbildung nicht so leicht verfehlen, als bei dem grauen, welches
langsam einschmilzt und gleich gart. Den chemischen Vorgang
erklärt Stünckel nach der herrschenden Anschauung seiner Zeit in
der Weise, daſs sich der in dem Roheisen vorhandene Sauerstoff mit
dem Mangan verbunden ausschmelze und reines Eisen mit Kohlen-
stoff zurückbleibe. Sei ein Überschuſs an Mangan vorhanden, so
bleibe dieser im Stahl und bewirke, daſs dieser besser im Feuer
stehe, wie dies ein besonderer Vorzug des deutschen Stahls sei. Die
Chemiker suchten seit jener Zeit den Mangangehalt im Roheisen
quantitativ zu bestimmen, wie aus den von Hassenfratz mitgeteilten
Roheisenanalysen hervorgeht 1).
Diese theoretischen Untersuchungen waren von groſser Bedeutung;
daſs sie aber in Deutschland und Frankreich damals einen besonderen
Einfluſs auf die Praxis geübt hätten, läſst sich nicht nachweisen. Die
Praxis war der Theorie vorausgeeilt und letztere diente nur zur Auf-
klärung der gebräuchlichen Verfahren. In England nahm dagegen
der unermüdliche John Wilkinson auf den künstlichen Zusatz von
Mangan ein Patent und gründete darauf eine neue Darstellungsweise.
Sein Patent (Nr. 3097) vom 23. Januar 1808 ist erteilt für die Be-
reitung von Roh- und Guſseisen, um daraus Stabeisen von gleicher
Güte, wie das russische, darzustellen. Die Erfindung besteht in der
Anwendung von Mangan oder manganhaltigen Erzen als Zusatz zu
den Eisenerzen.
Im zweiten Decennium des 19. Jahrhunderts hat sich Karsten
in seiner Eisenhüttenkunde 1816 am deutlichsten über die wichtige
Rolle des Mangans ausgesprochen. Er steht dabei ziemlich auf dem
Standpunkt Stünckels. Nach ihm teilt das Mangan dem Eisen mehr
Härte mit, ohne seiner Geschmeidigkeit und Zähigkeit Abbruch zu
thun. Es mache ferner das Roheisen leichtflüssiger, weiſs und strahlig.
Das natürliche weiſse Roheisen ist nach Karsten Eisen, welches mit
Mangan und Kohle verbunden ist. Das Mangan besitze die Eigen-
schaft, Roheisen weiſs zu färben, im höchsten Grade und bei einem
hohen Mangangehalt der Eisenerze sei es, auch bei dem garsten
Gange des Hochofens, ganz unmöglich, graues Eisen zu produzieren.
Er vermutet, daſs sich das Mangan in jedem Verhältnis mit dem
Eisen mischen lasse. Das weiſse Roheisen, welches kein Mangan
[33]Chemie 1801 bis 1815.
enthalte, hält Karsten nur für ein unfertiges graues Eisen, ein
unvollkommenes Produkt, dessen Erzeugung nur durch besondere
lokale Umstände gerechtfertigt werden könne. Dagegen giebt Karsten
zu, daſs es Stahl geben könne, der keine Spur von Mangan enthalte,
während auch Stabeisen beträchtliche Mengen davon enthalten könnte.
Für die Natur des Eisens sei der Kohlengehalt allein maſsgebend, der
Mangangehalt werde nur stets eine gröſsere Härte bedingen, die aber
mit der Stahlhärte keine Verwandtschaft habe. Er erklärt die
Meinung derjenigen für irrig, welche behaupteten, daſs der Stahl
immer Mangan enthalten müsse, noch mehr die Ansicht, daſs es nur
von der gröſseren oder geringeren Zerstörung des Mangangehaltes
abhänge, ob das Produkt des Frischens Stabeisen oder Stahl sei.
Dagegen komme die Härte, die das Mangan verleiht, der Stahlhärte
noch zu gut.
Einen Kupfergehalt im Eisen hielt man früher für sehr schäd-
lich. Dieser Auffassung war zuerst Rinman entgegengetreten, indem
er behauptete, daſs ein mäſsiger Kupfergehalt das Roheisen sogar
fester, härter und zäher mache, weshalb er einen Zusatz davon für
besonders festen Guſs, z. B. für Anker, Geschütze u. s. w., empfahl.
Allgemein nahm man an, daſs schon ein geringer Kupfergehalt das
Schmiedeeisen rotbrüchig mache. Karsten aber fand durch Ver-
suche, die er deshalb in Oberschlesien anstellen lieſs, daſs ein geringer
Zusatz von Kupfer dem Schmiedeeisen durchaus nicht nachteilig sei,
sondern dasselbe eher härter und fester mache.
Über die wichtigste Verbindung des Eisens, diejenige mit Kohlen-
stoff, wurden im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts neue That-
sachen nicht veröffentlicht. Die Ansichten der französischen Che-
miker blieben maſsgebend und auch Lampadius, der in dieser Zeit
als erste Autorität auf dem Gebiete der metallurgischen Chemie galt,
hielt an der Lehre der Franzosen, daſs das Roheisen neben seinem
höheren Kohlenstoffgehalt durch einen Gehalt von Sauerstoff charak-
terisiert sei, fest. Er dachte sich diesen Sauerstoff als Eisenoxydul,
welches in dem metallischen Eisen aufgelöst sei, vorhanden. In
seinem Handbuch der allgemeinen Hüttenkunde von 1810 schreibt
er, beim Frischen wird das in dem Roheisen enthaltene Eisenoxydul
abgesondert und in die Schlacke gesaigert; ein Teil des Gewichts-
verlustes beim Frischen rührt von dieser Absonderung des mit Sauer-
stoff verbundenen Eisens her.
Neues Licht wurde dagegen im Anfang des Jahrhunderts über
das natürliche Eisen, das Meteoreisen, verbreitet (Bd. I, S. 20).
Beck, Geschichte des Eisens. 3
[34]Chemie 1801 bis 1815.
Durch zahlreiche Analysen wurde nachgewiesen, daſs das siderische
Eisen stets Nickel, aber keinen Kohlenstoff enthielt.
Die ersten richtigen Analysen veröffentlichte Klaproth. 1798
hatte er das Meteoreisen von Agram untersucht und darin 96,50 Tle.
Eisen und 3,50 Tle. Nickel gefunden 1); ferner in dem von Durango
96,75 Tle. Eisen und 3,25 Tle. Nickel. Proust hatte 1799 das
gediegene Eisen von Tucuman zerlegt und darin ebenfalls einen
Nickelgehalt nachgewiesen.
Eine interessante systematische Untersuchung stellte Vauquelin
1806 an, indem er Raseneisensteine aus Burgund und der Freigraf-
schaft, die dazu verwendeten Zuschläge und das daraus geschmolzene
Roheisen, Gareisen und die Schlacken analysierte 2). Er wollte dadurch
zu einer richtigen Erkenntnis der chemischen Vorgänge bei den
Hüttenprozessen kommen und sprach die Ansicht aus, daſs, wenn
gleichartige Versuche auf allen Hütten gemacht würden, dies eine
groſse Förderung für die Hüttenkunde sein würde.
Er untersuchte die Kalksteine von Drambon (vier Stunden von
Dijon) und von Pesme, die als Zuschlag verwendet wurden, und fand, daſs
beide, namentlich aber letzterer, fast ganz aus kohlensaurem Kalk
beständen, mit einer geringen Beimengung von phosphorsaurem Kalk,
welche aber nicht ⅕ Proz. betrug. — Sodann analysierte er zuerst
die Frischschlacke der Hütte von Drambon, weil in dieser alle Ver-
unreinigungen des Roheisens enthalten sein muſsten. Die qualitative
Analyse ergab die Anwesenheit von Eisenoxydul, Manganoxyd, Kalk,
Thonerde, Kieselsäure, Phosphorsäure und Chrom. Hiernach unter-
suchte Vauquelin den Raseneisenstein von Drambon und fand darin
dieselben Stoffe. Nun untersuchte er das Roheisen von Drambon.
Beim Auflösen ging mit dem Wasserstoff ein öliges Gas fort, dessen
stinkenden Geruch er einer Beimischung von Phosphor zuschrieb.
Auch der Rückstand der Lösung in Schwefelsäure enthielt von dieser
öligen Substanz, welche er mit Alkohol auszog und durch Verdunsten
derselben isolierte. In dem Roheisen fand er auſserdem Kohlen-
eisen, Phosphoreisen, Mangan, Chrom, Kieselerde und Thonerde, und
zwar in weiſsem Eisen mehr als in grauem. Der Rückstand der
Auflösung in verdünnter Schwefelsäure betrug etwas über 5 Proz.
Das hieraus gefrischte Schmiedeeisen gab nur 3 Proz. Rückstand
[35]Chemie 1801 bis 1815.
und das Schmiedeeisen von Pesme sogar nur 1½ Proz. In dem
Niederschlage war noch ein merklicher Anteil Phosphorsäure ent-
halten. Vauquelin glaubte, daſs Phosphor, Mangan und Chrom die
Ursachen des Kalt- und des Rotbruchs seien.
Vauquelins Untersuchung war nur ein interessanter Versuch,
dessen Wert beeinträchtigt wurde durch falsche Voraussetzungen über
die Konstitution des Roheisens. Auch Prousts gleichzeitige Unter-
suchungen über das Roheisen 1) haben keinen gröſseren Wert; die
analytische Chemie war noch nicht so weit vorgeschritten, um der
schwierigen Aufgabe einer Roheisenanalyse gewachsen zu sein.
Ähnliche Untersuchungen stellten in den folgenden Jahren
Guenyveau und namentlich Berthier in Frankreich an. Ersterer
untersuchte die Erze und Schlacken von dem Koksofenbetrieb zu
Creusot 2).
Die Meilerkokes, welche man verwendete, waren gut und ent-
hielten 96,7 Kohlenstoff, 0,3 Schwefel und 3,0 Asche. Die Kokes aus
Staubkohlen hatten folgende Zusammensetzung:
Die Eisenerze von Creusot waren sehr unrein; wir haben die-
selben schon früher beschrieben. Die Erze von Chalancey enthielten
29 Proz. Eisenoxyd und 30 Proz. Wasser und Kohlensäure, die Erze
von Rinsivry 22,6 Eisenoxyd und 68,6 Kieselsäure. Die Hochofen-
schlacke bestand aus:
Das graue Roheisen, welches leicht zu zerschlagen, sogar zu
pulvern war, hatte angeblich folgende Zusammensetzung:
Der hohe Phosphorgehalt machte das Eisen besonders brüchig
und für den Geschützguſs ungeeignet.
Die noch gründlicheren Untersuchungen von Berthier (1808) über
Schlacken und Eisen der Hochöfen von Mont Blanc und Allevard
und die Stahlfrischhütten von Rives können wir hier nur erwähnen 1).
Die Eisenanalysen waren damals durchweg noch sehr unvollkommen.
Dasselbe läſst sich von den älteren Eisenerzanalysen sagen. So-
lange man keine richtigen Kenntnisse der Oxydationsstufen des Eisens,
der Oxyde und der Oxydhydrate hatte, konnten auch die Analysen
nicht richtig berechnet werden; weit mehr noch waren aber die un-
vollkommenen analytischen Methoden an der Mangelhaftigkeit der
Resultate schuld. Der Eisengehalt wurde meistens durch die trockene
oder Schmelzprobe bestimmt. Da hierbei ein Roheisenkorn fiel, wel-
ches Kohlenstoff und auch noch sonstige Beimengungen enthielt, so
fiel der Eisengehalt stets zu hoch aus. Die übrigen Bestandteile
wurden für sich ermittelt und die sich ergebende Differenz als Sauer-
stoff aufgeführt. Die Fällung als Berlinerblau nach Bergmans Ver-
fahren gab ebenfalls einen zu hohen Eisengehalt. Da auch die
übrigen Bestandteile, wegen mangelhaften Auswaschens u. s. w., in der
Regel zu hoch ausfielen, so ergab die Summe der Bestandteile eine
höhere Zahl als 100. Die Chemiker hatten nun die schlechte
Gewohnheit, nach Willkür oder vorgefaſsten Meinungen die Zahlen
auf die Summe von 100 zu reduzieren; dadurch verringerten sie noch
den Wert ihrer unvollkommenen Arbeiten. Klaproth war der erste,
der den Mut und die Gewissenhaftigkeit hatte, seine analytischen
Untersuchungen nach ihrem wirklichen Ausfall zu veröffentlichen.
Dadurch haben seine Analysen, abgesehen von ihrer gröſseren Genauig-
keit, einen bleibenden Wert und sein Verfahren fand allgemeine Nach-
ahmung.
Die trockene Probe für die Eisenbestimmung blieb indes noch
[37]Chemie 1801 bis 1815.
lange Zeit allein maſsgebend; man schrieb ihr eine gröſsere Genauigkeit
als der nassen zu. Sie wurde noch in derselben Weise ausgeführt,
wie früher, nur wählte man schwerer schmelzbaren Fluſs. Derartige
Flüsse haben Guyton de Morveau, Kirwan und Chaptal angegeben;
Glas und Borax bildeten deren Hauptbestandteile 1). Über die Wir-
kung der Flüsse beim Probieren der Eisenerze durch Schmelzung
hatte der schwedische Professor Gadolin schon 1794 eine gründliche
Untersuchung veröffentlicht 2). Welche falsche Vorstellungen von dem
Eisengehalt der Erze man aber durch die trockene Probe bekam,
ersieht man aus Lampadius’ Hüttenkunde von 1810. Kirwan hatte
den Eisengehalt des Magneteisensteins auf 80 Proz. bestimmt. Lam-
padius bezweifelt die Richtigkeit dieser Angabe und hält sie für zu
niedrig, da seine Proben auf trockenem Wege 87 bis 89 Proz. Roh-
eisen ergeben hätten 3). Ebenso hält er Kirwans Angabe über den
Eisengehalt des Eisenglanzes von 70 bis 76 Proz. für zu niedrig, da
die trockene Probe 80 Proz. ergäbe. In Wahrheit waren aber auch
Kirwans Angaben noch zu hoch, indem reines Magneteisen nur
72,4 Proz. und Eisenglanz 70 Proz. Eisen enthalten.
Die chemische Zusammensetzung des Spateisensteins war zuerst
und fast gleichzeitig von Bayen in Frankreich 4) und von Berg-
man in Schweden 5) untersucht worden. Bayen wies 1777 zuerst
mit Bestimmtheit nach, daſs das Eisen darin mit Kohlensäure (fixer
Luft) verbunden sei; Bergman machte den hohen Gehalt an kohlen-
saurem Mangan bekannt. Klaproth untersuchte Spateisenstein von
Dankerode im Halberstädtischen (I) und aus dem Bayreuthischen (II).
Er fand darin:
und schloſs daraus, daſs Spateisenstein aus kohlensaurem Eisen und
kohlensaurem Mangan in oxydiertem Zustande bestehe. (Bei dieser
[38]Chemie 1801 bis 1815.
Gelegenheit erwähnen wir, daſs Klaproth (1802) zuerst bernstein-
saures Natron zur Trennung von Mangan und Eisen angewendet hatte.)
In den folgenden Jahren wurden noch mehrere Spateisensteinanalysen
veröffentlicht, namentlich von Proust1) und Hassenfratz, der 1812
23 veröffentlichte.
Über die Brauneisensteine, Thon- und Raseneisensteine
herrschte Unklarheit, ehe Proust, Buchholz, Berzelius und Haus-
mann die Oxyd- und Oxydhydratverbindungen genau untersucht
hatten. Man hatte vordem häufig den Gewichtsverlust nur als Kohlen-
säure berechnet. Klaproth und Vauquelin hatten die meisten
und besten Analysen dieser Erze geliefert. Klaproth fand in einem
Raseneisenstein (Wiesenerz) von Klempnow in Vorpommern, welches
in Torgelow verschmolzen wurde: 66 Eisenoxyd, 1,5 Manganoxyd,
8 Phosphorsäure und 23 Wasser (Summe 98,50). Ebenso wies er den
hohen Phosphorsäuregehalt von 32 Proz. der Blaueisenerde von Eckarts-
berg bei Weiſsenfels in Sachsen nach. Das Bohnerz aus dem Höhgau
fand er zusammengesetzt aus 53 Eisenoxyd, 23 Kieselsäure, 6,5 Alaun-
erde, 1 Manganoxyd, 14,5 Wasser, in Summa 98.
Vauquelins Analyse des körnigen Thoneisensteins von Pesme
ergab:
Weitere Eisenerzanalysen veröffentlichte Descotils (Journal des
mines, T. 18 et 21), der namentlich auf den wechselnden Gehalt
an Talkerde aufmerksam machte. Nach Collet-Descotils’ Unter-
suchungen nimmt der Mangangehalt ab, wenn der Magnesiagehalt
zunimmt. Hassenfratz teilte die Analysen von 27 Thoneisen-
steinen mit.
D’Aubuisson untersuchte endlich 1810 eine ganze Reihe von
Brauneisensteinen, Bohnerzen, Rasenerzen u. s. w., um den Nachweis
zu liefern, daſs das Eisenoxydhydrat (fer hydraté) als mineralogische
Species zu betrachten sei 2). 1810 begann auch Berthier, dessen
verdienstliche Arbeiten soviel zur Aufklärung über die Natur der
[39]Chemie 1801 bis 1815.
Erze und über die Vorgänge bei den Hüttenprozessen beigetragen
haben, eine Reihe von Eisenerzanalysen zu veröffentlichen 1).
Über die Konstitution der Schlacken hatte man noch keine
richtige Vorstellung. Man suchte, wie schon früher, empirisch die
Schmelzbarkeit der Metalloxyde, Erden und ihrer Mischungen zu
ermitteln. In dieser Beziehung verdienen besonders die ausführ-
lichen Tabellen von Lampadius Erwähnung, welche er im ersten
Bande seiner Hüttenkunde 1801 veröffentlicht hat.
Die wichtigsten Fortschritte geschahen aber in jener Zeit auf
dem Gebiete der Theorie. Die Chemie erhielt damals erst ihre
wissenschaftliche Begründung. Lavoisiers Entdeckungen hatten
eine groſse Revolution in den chemischen Anschauungen hervor-
gebracht. Zunächst bildete sich eine ganz andere Ansicht über die
chemischen Elemente. Der Begriff der chemischen Verwandtschaft
klärte sich. Durch die bessere Kenntnis bekam die Lehre von der
doppelten Wahlverwandtschaft erhöhte Bedeutung. Man suchte die
Ursachen der chemischen Affinität zu ergründen. Die Wichtigkeit
der quantitativen Analyse wurde erkannt; sie führte zu dem
Begriff des chemischen Äquivalents und dadurch wurde die Grund-
lage der Stöchiometrie gelegt. Man erkannte, daſs die chemischen
Verbindungen durch die quantitative Zusammensetzung bedingt sind
und suchte die Gesetze dieser Mischungsverhältnisse nach Gewichts-
mengen zu ermitteln. So führte eine Entdeckung zur anderen. Es ist
ein erhebendes Schauspiel, dieses Ringen nach Erkenntnis auf che-
mischem Gebiet im Anfang des 19. Jahrhunderts.
Bergman hatte die Grundlage zur Stöchiometrie gelegt. Nach
dem Sieg der antiphlogistischen Chemie waren es besonders Richter
in Deutschland und Berthollet in Frankreich, welche die stöchio-
metrischen Gesetze auf Grund der neuen Lehre zu erforschen suchten.
Richters Arbeiten fanden nur wenig Beachtung, Berthollets
Ansichten setzte die Geister um so mehr in Bewegung, da sie den
herrschenden Ideen widersprachen. Berthollet lehrte, daſs sich die
chemischen Elemente in allen Verhältnissen oder doch in gewissen
Grenzen in jedem Verhältnis zu wahren chemischen Verbindungen
vereinigen könnten. Diese Lehre widerlegte Proust, der daran fest-
hielt, daſs chemische Verbindungen nur sprungweise in wenigen und
bestimmten Verhältnissen der Bestandteile stattfänden. An diesem
[40]Chemie 1801 bis 1815.
in echt wissenschaftlichem Geist geführten Streit, welcher im ersten
Jahre des 19. Jahrhunderts seinen Anfang genommen hatte, nahmen
alle Chemiker den lebhaftesten Anteil. Er währte von 1801 bis 1808,
endigte mit dem Sieg der Ansicht Prousts und mit der Anerkennung
des Gesetzes der festen Proportionen. Prousts Beweis-
material waren empirisch gefundene Thatsachen. Andere Gelehrte
suchten dafür eine tiefere Begründung. Der Engländer John Dalton
hatte bei seiner Untersuchung des leichten und schweren Kohlen-
wasserstoffgases gefunden, daſs auf die gleiche Menge Kohlenstoff
genau die doppelte Menge Wasserstoff im ersteren als wie in dem
zweiten enthalten sei. Dies führte ihn zu dem Gesetz der mul-
tiplen Proportionen. Indem Dalton nach einer Erklärung für
diese Erscheinungen suchte, kam er zur atomistischen Theorie.
Er nahm an, jeder chemisch einfache Stoff bestände aus unendlich
vielen kleinsten Teilchen von gleicher, besonderer Art, chemische
Verbindungen entständen durch Aneinanderlagerung der Atome der
verwandten Stoffe in einfachen Verhältnissen. Die Atome der Ele-
mente seien verschieden durch Gröſse oder Gewicht. Dalton ver-
suchte die Atomgewichte verschiedener Körper zu bestimmen, was
ihm allerdings nur unvollkommen gelang. 1804 hatte Dalton seine
Theorie erdacht, 1808 machte er sie in seinem New System of Che-
mical Philosophy bekannt. Hierin teilte er bereits eine Tafel der
Atomgewichte von 37 einfachen Stoffen mit. Auch begründete er
den Satz, daſs das Atomgewicht einer Verbindung gleich der Summe
der Atomgewichte ihrer Bestandteile ist. Die hervorragenden Ver-
treter von Daltons atomistischer Lehre waren Thomson, Wollaston
und Humphrey Davy.
In demselben Jahre fand Gay Lussac das Gesetz, daſs, wenn
zwei Gase sich zu einer chemischen Verbindung vereinigen, dies
immer in der Art geschieht, daſs die Volume der Bestandteile,
welche in der Verbindung enthalten sind, in einem einfachen Ver-
hältnis zu einander stehen. Berzelius war es, der alle diese ein-
zelnen Resultate zusammenfaſste und die Stöchiometrie auf der
gesetzmäſsigen Grundlage in ihrem ganzen Umfang aufbaute. Seine
genauen analytischen Untersuchungen hatten ihn zu denselben Resul-
taten geführt; sie gaben ihm die Mittel an die Hand, richtigere
Atomgewichtstafeln aufzustellen. Diese Tafeln, deren erste 1815
veröffentlicht wurde, sind mit solcher Gewissenhaftigkeit aufgestellt,
daſs die von Berzelius ermittelten und darin aufgeführten Zahlen
der Atomgewichte groſsenteils noch heute anerkannt sind. Dadurch
[41]Chemie 1801 bis 1815.
war das feste Fundament gelegt, auf welchem die moderne, che-
mische Wissenschaft aufgebaut ist.
Wichtige Entdeckungen waren noch das 1809 von Dulong und
Petit aufgefundene Gesetz, daſs für die einfachen Körper die speci-
fische Wärme dem Atomgewicht umgekehrt proportional ist, und die
Entdeckung des Isomorphismus durch Mitscherlich im Jahre 1820.
Diese Reihe glänzender theoretischer Entdeckungen war auch für
die Geschichte des Eisens insofern von Wichtigkeit, als dadurch erst
das richtige Verständnis der metallurgischen Prozesse erschlossen
wurde und die chemisch-analytischen Untersuchungen die Sicherheit
und Wichtigkeit bekamen, die sie auszeichnen.
Von groſser praktischer Wichtigkeit war es noch, daſs Berzelius
eine allgemein anerkannte lateinische Benennung der Elemente ein-
führte und auf Grund dieser eine chemische Zeichensprache
gründete, welche wegen ihrer klaren und ausdrucksvollen Bezeich-
nungen von der ganzen gebildeten Welt angenommen wurde und sich
bis heute erhalten hat.
In dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurde noch eine
andere für das Eisen besonders wichtige Frage gelöst oder der Lösung
nahe gebracht, die Frage der Konstitution des Roheisens.
Wir wissen, daſs man seit der berühmten Untersuchung von
Vandermonde, Berthollet und Monge allgemein einen Sauer-
stoffgehalt im Roheisen annahm und daſs man die auffallenden
Verschiedenheiten der Roheisensorten dem gröſseren oder geringeren
Gehalt an Sauerstoff zuschrieb. Man hielt an dieser falschen Theorie
fest, weil man kein anderes Mittel der Erklärung dieser Verschieden-
heiten hatte.
Gegen diesen Irrtum trat C. J. B. Karsten auf und es gelang
ihm sowohl nachzuweisen, daſs im Roheisen kein Sauerstoff als not-
wendiger Bestandteil enthalten sei, als auch daſs die Verschiedenheit
der Roheisensorten nur von der verschiedenen Art der Verbindung des
Kohlenstoffs bedingt sei. Er veröffentlichte diese neue Ansicht zuerst
in einer ausführlichen Anmerkung in seiner Übersetzung von Rin-
mans Geschichte des Eisens im Jahre 1814, aus der ein Auszug im
22. Bande von Gilberts Annalen der Physik abgedruckt wurde, und
führte dann seine Theorie ausführlich in seinem Handbuch der
Eisenhüttenkunde 1816 aus. Nach der Ansicht der obengenannten
französischen Chemiker ist Stabeisen reines, von Sauerstoff und Kohlen-
stoff freies Eisen, Stahl ist reines, völlig reduziertes Eisen, welches noch
Kohlenstoff, aber in geringerer Menge und gleichförmigerer Verbindung
[42]Chemie 1801 bis 1815.
als das Roheisen enthält; Roheisen endlich ist ein noch nicht völlig
reduziertes Eisen, das zugleich mit Kohlenstoff verbunden ist. Das
harte, weiſse Roheisen enthält weniger Kohlenstoff und mehr Sauer-
stoff als das weiche, graue.
Karsten erklärte es dagegen für gewiſs, daſs das reine Roheisen
keinen Sauerstoff enthalte. Durch die chemische Analyse lasse sich
kein Sauerstoff nachweisen und ebenso sprächen die hüttenmännischen
Prozesse für die Abwesenheit desselben. Der Unterschied zwischen
dem grauen und weiſsen Roheisen ist einzig und allein bedingt durch
die Art der Verbindung desselben mit dem Kohlenstoff. Es giebt
zwei chemische Verbindungen von Kohlenstoff und Eisen, eine, welche
viel Kohlenstoff und wenig Eisen enthält, der Graphit, welcher sich
in dem weichen kohlenstoffarmen Eisen ausscheidet und das graue
Roheisen bildet, und ein Kohlenstoffeisen, in dem wenig Kohlenstoff
mit viel Eisen verbunden ist und das sich in dem Eisen auflöst und
dadurch weiſses, hartes Roheisen bildet. Der Graphit bildet sich nur
bei hoher Temperatur und kann sich nur ausscheiden bei langsamem
Erstarren. Deshalb bildet sich bei niederer Schmelztemperatur im
Hochofen weiſses Eisen und ebenso wird geschmolzenes graues Eisen
durch plötzliches Erstarren weiſs. Letztere längst bekannte That-
sache spricht laut gegen die Annahme eines höheren Sauerstoffgehalts
im weiſsen Eisen und für Karstens Theorie.
Zur Bestätigung derselben hat Karsten graues Roheisen und das
durch rasches Erkalten desselben weiſs gewordene Roheisen auf den
Kohlenstoffgehalt untersucht und denselben gleich gefunden (Eisen-
hüttenkunde von 1816, §. 144).
Genaue Methoden der Kohlenstoffbestimmung gab es damals aller-
dings noch nicht. Karsten verglich die Gesamtmengen des aus den
Lösungen gefällten Eisenoxydes und die Mengen des durch Zusammen-
schmelzen mit Bleiglätte reduzierten Bleies. Beide gaben annähernd
gleiche Resultate bei grauem und weiſsem Eisen.
Der höchste Kohlenstoffgehalt, den Karsten bei weiſsem Roh-
eisen ermittelte, betrug gegen 5 Proz. Sank der Kohlenstoffgehalt
des weiſsen Eisens unter 2 Proz., so verschwand das blätterige Gefüge
des Roheisens und das körnige Gefüge des Stahls begann. Den
Graphitgehalt des Roheisens ermittelte er zu 2,75 bis 4,75 Proz., so
daſs also das graue Roheisen keinen höheren Kohlenstoffgehalt als
das weiſse zeigte. Nimmt man den Kohlengehalt des Graphits zu
90 Proz. an, so berechnet sich die Kohlenstoffmenge des grauen Eisens
zu 2,475 bis 4,275 Proz.
Daſs die Mengen des Kohlenstoffs, welche mit dem Eisen verbunden
sind, die Unterschiede zwischen Roheisen, Stahl und Stabeisen be-
dingen, hatten die französischen Chemiker schon nachgewiesen. Die
von ihnen ermittelten Zahlen waren aber nicht genau, denn während sie
das Schmiedeeisen für reines Eisen ohne jeden Kohlenstoffgehalt
erklärten, gaben sie die Menge des Kohlenstoffs im grauen Eisen zu
hoch an.
Mushet hatte um die Wende des Jahrhunderts den Kohlenstoff
der Stahl- und Roheisensorten genauer zu ermitteln gesucht. Ob-
gleich er hierbei öfter von einem Sauerstoffgehalt des Roheisens
spricht, so läſst er denselben bei der Unterscheidung der Eisensorten
doch ganz auſser acht und sucht den Unterschied der Eisensorten
nur in dem Kohlenstoffgehalt. Diesen ermittelte er zu
Er leitete also den Unterschied zwischen weiſsem und grauem
Roheisen nur aus der Menge des Kohlenstoffs her, was ein Irrtum
war — die Zahlen sind ebenfalls unrichtig.
Karsten ermittelte die Kohlenstoffmengen in den verschiedenen
Eisensorten genauer. Er fand, daſs auch das Schmiedeeisen Kohlen-
stoff enthält, wenn auch in geringer Menge. Im weichsten Stabeisen
fand er noch 0,05 Proz. Kohle, während hartes, gutes Stabeisen nicht
unter 0,1 Proz. davon enthielt. Nur im verbrannten Eisen hatte er
nie eine Spur Kohlenstoff entdeckt. Von den Stahlsorten enthielt
der Cementstahl am wenigsten. Karsten fand im oberschlesischen
Cementstahl nur 0,3 Proz. Bergman hatte den Kohlenstoffgehalt der
von ihm untersuchten Stahlsorten zu 0,2 bis 0,8 angegeben und ver-
mutet Karsten, daſs dies ebenfalls Cementstahlsorten waren. Er fand
darin nie mehr als 0,9 Proz. — Stahl, sagt er 1), ist reines Eisen mit
1/10 bis 1 Proz. Kohlenstoff. Enthält er des Kohlenstoffs mehr, so dürfte
er schon zu spröde und zu leichtflüssig sein, auch seine Dehnbarkeit
völlig verloren haben. Der wilde Rohstahl (Willerstahl), den man wegen
[44]Chemie 1801 bis 1815.
seiner Härte gern zu den Zieheisen bei den Drahtzügen nimmt, steht
zwischen schmiedbarem Stahl und unschmiedbarem Roheisen in der
Mitte. Roheisen ist eine Verbindung des reinen Eisens entweder
mit 1½ bis 5 Proz., vielleicht auch mehr, gelöstem Kohlenstoff (weiſses
Roheisen) oder mit Graphit (graues Roheisen). Die näheren Angaben
hierüber aus seiner Eisenhüttenkunde haben wir bereits mitgeteilt.
Karstens Lehre vom gebundenen und ungebundenen Kohlen-
stoff war ein groſser Fortschritt in der Erkenntnis. Sie bildet noch
heute die Grundlage unserer Anschauung über die Konstitution der
Eisensorten und auch seine Grenzbestimmungen können heute noch
als im ganzen maſsgebend bezeichnet werden.
Karsten hat noch durch andere Versuche und Beobachtungen
in dieser frühen Periode die Chemie des Eisens bereichert und wollen
wir das Wichtigste davon hier kurz erwähnen. Er fand, daſs ein
Schwefelgehalt im Eisen von 1/20 bis ¼ Proz. dasselbe schon rot-
brüchig macht. Noch empfindlicher fand er das Eisen gegen Phos-
phor, welcher dasselbe bekanntlich kaltbrüchig macht. Eisen mit
0,05 Proz. Phosphorgehalt war schon sehr kaltbrüchig. Karsten
setzte bei einem Frischversuch auf der Creutzburger Hütte in Ober-
schlesien etwas Wiesenerz zu, was sofort einen rohen Gang im Frisch-
feuer und kaltbrüchiges Eisen zur Folge hatte, obgleich das Eisen
höchstens 1/40 Proz. Phosphor aufgenommen haben konnte. Der Graphit-
bildung im Roheisen wirkt der Schwefel und in geringerem Grade
auch der Phosphor entgegen. Bei der Auflösung des Roheisens in
Säuren, selbst in Königswasser, dem gewöhnlichen Lösungsmittel, ent-
weicht ein Teil des Schwefels als Schwefelwasserstoff und des Kohlen-
stoffes als Kohlenwasserstoff. Die bisherigen Angaben über den
Kohlengehalt, wobei man sämtliche Kohle des so gelösten Eisens im
Rückstande zu finden glaubte, waren deshalb unrichtig.
Aus demselben Grunde entwickelt das weiſse Roheisen weniger
Wasserstoffgas als das graue, weil das entwickelte Kohlenwasser-
stoffgas weniger Raum einnimmt als das Wasserstoffgas. Ersteres
hatte man bis dahin nicht bestimmt, sondern einfach als Wasserstoff
mitgemessen; ebenso das Schwefelwasserstoffgas. Ein Silicium-
gehalt des Eisens bewirkt, daſs sich mehr Wasserstoff entwickelt als
von der gleichen Menge reinen Eisens. — Um die Bestimmung des
Eisens aus einer Lösung in Säure genau zu ermöglichen, muſs das
Eisen immer zur höchsten Oxydationsstufe gebracht und dann erst
niedergeschlagen werden.
Über das Verhalten des Siliciums zum Eisen, sagt Karsten,
[45]Chemie 1801 bis 1815.
lieſse sich eigentlich nicht urteilen, weil mit dem Siliciumgehalte
auch der Kohlengehalt zunehme, wodurch die Beurteilung des reinen
siliciumhaltigen Eisens unmöglich werde. Es scheine, daſs das Sili-
cium dem Eisen keine nachteiligen Eigenschaften mitteile, wenigstens
seine Festigkeit und Dehnbarkeit nicht beeinträchtige. Dies hätten
Versuche im groſsen, welche in Oberschlesien angestellt worden seien,
bestätigt. Das Kieselmetall werde beim Frischen abgeschieden und
von dem Stabeisen nicht aufgenommen. In Bezug auf das Roheisen
stellt Karsten die sonderbare Behauptung auf: je grauer das Roh-
eisen ist, desto weniger Silicium enthält es. Karstens damalige
Ansichten über das Silicium waren noch sehr mangelhaft.
Vom Aluminium weiſs er noch weniger, er sagt nur, es scheine
in derselben Weise wie Silicium bei Gegenwart von Eisen durch
Kohle reduziert zu werden, und er behauptet, weiſses Eisen enthalte
mehr Aluminium als graues.
Silber teilt dem Eisen keine nachteiligen Eigenschaften mit;
Karsten glaubt nach einem in Oberschlesien angestellten Frisch-
versuche mit Silberzusatz im groſsen, daſs es das Eisen härter und
zäher mache. Nach Colomb nimmt Eisen nur 1/150, nach Guyton
de Morveau nur 1/80 Silber auf.
Ein Zinngehalt von 1 Proz. mache das Eisen schon in hohem
Grade kaltbrüchig, wie Versuche auf der Creutzburger Hütte im
groſsen erwiesen hätten. Der Frischer muſs sich deshalb vor dem
Zusatz zinnhaltiger Blechschnitzel hüten.
Hassenfratz und Karsten stellten Versuche über die Ein-
wirkung des Zinks an, die aber nicht wichtig sind. Hassenfratz
machte ferner Versuche über die Wirkung des Wismuts und fand,
daſs dasselbe das Eisen etwas rotbrüchig macht. Derselbe beobachtete,
daſs mit Spieſsglanz behandeltes Eisen sich nur sehr schwer schneiden
läſst und Antimon das Eisen rot- und kaltbrüchig macht, und
Karsten fand dies bei Versuchen im groſsen, welche auf der Creutz-
burger Hütte angestellt wurden, bestätigt. Die nachteilige Wirkung
des Arseniks auf das Eisen war längst bekannt. Hassenfratz
theilte mit, daſs es die Schweiſsbarkeit noch mehr beeinträchtigt als
die Schmiedbarkeit und daſs das Eisen, welches in der Hitze einen
Knoblauchgeruch verbreitet, mehr rot- als kaltbrüchig wird. Karsten
fand bei seinen Versuchen im groſsen im Gegenteil, daſs das Eisen
durch Arsenik zwar bedeutend härter wird, aber nicht den geringsten
Rotbruch zeigt. Dagegen war es wegen der groſsen Härte in der
Kälte brüchiger. Hassenfratz stellte fest, daſs Kobalt ent-
[46]Chemie 1801 bis 1815.
haltendes Eisen sich sehr gut schweiſsen und schmieden läſst. — Titan
macht nach Lampadius das Eisen sehr strengflüssig, dagegen ist ein
Titangehalt dem Frischeisen günstig, indem es dasselbe härter und
fester macht, wodurch es der Abnutzung mehr widersteht. Auch
Hassenfratz fand, daſs sich mit Titan bereitetes Eisen sehr gut
schmieden lieſs, ähnlich verhielt sich Wolfram, welches das Eisen
nur härter machte. Auch das chromhaltige Eisen soll sich nach
Hassenfratz gut schmieden, keinen Kaltbruch, dagegen etwas Rot-
bruch zeigen und das Eisen härter machen.
Karsten stellte ausführliche Untersuchungen darüber an, ob
das weiſse oder das graue Roheisen reiner sei, und kam zu dem
Schlusse, daſs sich dies nicht ohne weiteres sagen lieſse, indem dies
von den Umständen der Erzeugung abhänge. Er verwarf also damit
die herrschende Annahme, daſs das weiſse Roheisen an und für sich
unreiner sei als das graue. Jedenfalls habe aber das weiſse Roheisen
den Vorzug, daſs es schon durch bloſses Glühen einen Teil seines
Kohlenstoffes verliere und dadurch leichter in den Zustand der Ge-
schmeidigkeit versetzt werde als das graue. Deshalb sei das Abkühlen,
Scheibenreiſsen und Glühen des weiſsgewordenen Eisens eine so vor-
teilhafte Vorarbeit für das Verfrischen des grauen Roheisens. Graues
Roheisen pflege lieber Stabeisen als Stahl zu geben, doch hänge dies
von der Manipulation und der Geschicklichkeit des Arbeiters ab. Aus
einem und demselben Roheisen lasse sich Stahl und Stabeisen, wenn
auch nicht von gleicher Güte und gleich vorteilhaft, produzieren.
Karstens Handbuch der Eisenhüttenkunde von 1816 fand all-
gemeine Anerkennung im Inlande wie im Auslande. Auch seine neue
Theorie von den Kohlenstoffverbindungen des Eisens erwarb sich groſsen
Beifall, doch fehlte es ihr auch nicht an Opposition. Die Praktiker
hatten sich einmal an die Lehre vom Sauerstoffgehalt des Roheisens
gewöhnt und hielten daran fest. Sie konnten sich dabei auf die
Autorität und das groſse Ansehen des Lampadius stützen, der auch
nach dem Erscheinen von Karstens klassischem Werke noch an
dem Sauerstoffgehalt des Roheisens festhielt, wobei ihn allerdings
mehr Eigensinn als Gründe leiteten. In den von ihm im Jahre 1826
herausgegebenen Supplementen zur allgemeinen Hüttenkunde modi-
fiziert er zwar seine früheren Erklärungen über die Konstitution des
Roheisens in einigen nebensächlichen Punkten, in der Hauptsache
hält er aber an seiner irrigen Lehre fest, indem er sagt: „Die bei der
Reduktion der Eisensteine im Hochofen mit erzeugten zusammen-
gesetzten Bestandteile, welche des mechanischen Eintrittes in das
[47]1801 bis 1815. — Schlackenbildung.
reduzierte Eisen fähig sind, sind immer Eisenkohle und Eisenoxydul,
welche die Hauptverschiedenheiten des weiſsen und grauen Roheisens
hervorbringen.“ Und ein Hauptvorgang beim Frischprozeſs war ihm
die Abscheidung des in dem Roheisen enthaltenen Eisenoxyduls.
Neue Gründe brachte Lampadius nicht vor. Sein hartnäckiges
Festhalten an einem überwundenen Standpunkt hat nicht dazu bei-
getragen, seinen Ruhm als Eisenhüttenmann zu vermehren.
Über die fortschreitende Erkenntnis der physikalischen Eigen-
schaften in diesem Zeitraume können wir uns kürzer fassen. Die
Schmelztemperatur des Eisens wurde zwischen 120 bis 150° Wedg-
wood je nach seiner Reinheit angenommen. Georg Mackenzie
fand angeblich, daſs Schmiedeeisen bei 158° Wedgwood zum Gieſsen
flüssig wird (que le fer pur pouvait être fondue) 1). Hassenfratz
schmolz ebenfalls ein Stück Schmiedeeisen, welches er in einem Schmelz-
tiegel auf das sorgfältigste von der Einwirkung kohlender und an-
derer Gase abgeschlossen hatte, bei etwa 150°; der erhaltene König
war gut schmiedbar. Die Wärmekapazität bestimmte Crawford zu
107 (die des Wassers = 1000). Die Ausdehnung des Eisens in der
Wärme zwischen 0 und 100° bestimmte Deluc zu 0,001258. Sehr
genaue Untersuchungen über die Ausdehnung des Eisens zwischen
— 40° C. und + 100° hat Hallström angestellt 2). Den niedrigsten
Grad der Weiſsglut schätzte man damals zu 90° Wedgw., angeblich
= 12800° F., den Schmelzpunkt des Stahles auf 150 bis 155° Wedgw.
= 19000 bis 20000° F., den des Roheisens auf 125 bis 130° Wedgw.
= 17500 bis 18000° F.(!)
Über die technischen Fortschritte des Eisenhüttenwesens im
Anfang des Jahrhunderts bis zum Wiener Frieden giebt uns Karstens
Handbuch der Eisenhüttenkunde von 1816 den besten Überblick.
Wir erfahren daraus, welch groſsen Einfluſs die chemische Analyse,
die doch erst anfing, annähernd sichere Resultate zu geben, auf die
[48]1801 bis 1815. — Schlackenbildung.
Auffassung und Beurteilung der hüttenmännischen Prozesse bereits
erlangt hatte, und Karsten gebührt kein geringer Anteil an dem
Ruhme, die Hüttenkunde auf feste chemische Grundlage gestellt zu
haben, nicht nur durch eigene Untersuchungen, sondern noch mehr
durch die richtige Deutung und Auslegung eigener und fremder
chemischer Arbeiten. Trotzdem blieb Vieles noch in Dunkel gehüllt.
Die Erfahrung lehrte zwar im einzelnen Falle, was zu thun und was
zu lassen war; aber daraus lieſs sich weder eine Regel ableiten, noch
dafür die Begründung finden. Vielmehr zeigte es sich, daſs das, was in
einem Falle erfahrungsmäſsig richtig, im anderen Falle unrichtig war.
Die Kenntnis des Hüttenmannes bestand aus einer groſsen
Menge lokaler Erfahrungen, die sich oft zu widersprechen
schienen, für die das einheitliche Band fehlte. So verhielt es sich
mit der Lehre von der Schlackenbildung, mit der Lehre von
der Beschickung und den Zuschlägen, die eng damit zusammen-
hing. Die Erfahrung hatte auf jeder Hütte die beste Beschickungs-
art wohl ermittelt, mit jeder neuen Erzsorte fing aber das Pro-
bieren, das Tasten im Dunkeln von neuem an, denn es fehlte noch
die richtige chemische Erklärung der Schlacken. Man betrachtete
damals noch Kieselsäure, Thon, Kalk und Magnesia als verschiedene
Arten von Erden; hat sich doch die Bezeichnung Kieselerde, Thon-
erde, Kalkerde, Talkerde bis heute dafür erhalten. Man sah im
Quarz ebenso eine Erde wie im Kalk und betrachtete die Thonerde
als diesen gleichartig. Das war noch das alte Erbteil der Unwissen-
heit aus einer früheren Periode. Man hatte keine Ahnung, daſs die
Kieselerde die Rolle einer Säure spielt, während dem Kalk die Rolle
einer Base zukommt. Man fragte nicht danach, ob der Thon ein
zusammengesetzter Körper, ein Silikat sei. Der Begriff Erde genügte.
Zwar wuſste man, daſs ein Zuschlag von Kalk die Schmelzung der
meisten Erze erleichtert; auch hatte man Versuche gemacht, die Erden
nach Gewichtsteilen gemischt zu schmelzen und hatte gefunden, daſs
gewisse Mischungen leichter schmelzbar sind, sowie daſs namentlich oft
der Zusatz von zwei Erden, an Stelle von einer, die Schmelzung befördert.
Aber allen diesen Erfahrungen fehlte die chemische Begründung, weil
man weder die verschmolzenen Erze noch die gebildeten Schlacken
analysiert hatte. Die von Achard, Bergman, Chaptal, Cramer,
Ehrmann, Gellert, Gerhard, Gilbert, Guyton de Morveau, Hom-
berg, Kirwan, Klaproth, Lampadius, Lavoisier, Lelièvre,
Marggraf, Poerner, Tiemann, Wiegleb u. a. angestellten Schmelz-
versuche im kleinen waren immerhin schätzbar und deuteten wenigstens
[49]Schlackenbildung 1801 bis 1815.
den Weg an, welcher bei der Auswahl der Zuschläge betreten werden
muſste. „Im allgemeinen“, sagte Karsten, „geht indes aus allen
diesen Versuchen nur hervor, daſs die Kalkerde, Kieselerde, Talkerde
und Thonerde, für sich allein genommen, unschmelzbar sind; daſs
auch alle zweifachen Verbindungen der Erden untereinander (Kalk-
und Kieselerde in gleichen Teilen ausgenommen) nicht zur Ver-
schlackung gebracht werden können; daſs auch das oxydierte Eisen
mit einer Erde nur schwer verglast, daſs die dreifachen Verbindungen
der Erden untereinander verschlackt werden, und zwar um so voll-
kommener, je mehr eine von ihnen (Talkerde ausgenommen) überwie-
gend ist; daſs sich alle vierfachen Verbindungen der Erden sehr leicht
verschlacken, und daſs das Manganoxyd alle Erden sehr schnell zum
Verschlacken bringt, sogar wenn es nur mit einer einfachen Erde
behandelt wird. Die Kieselerde geht hierin allen anderen Erden vor;
dann folgen Kalk-, Thon- und Talkerde, von denen die letzte sich
mit dem Manganoxyd am schwersten verschlackt. — Ob die Resultate
der Schmelzversuche im kleinen den Erfahrungen im groſsen immer
entsprechen möchten, ist sehr zu bezweifeln. Es ist überhaupt
nicht möglich, die Wirkung der Flüsse gründlich zu
beurteilen, ehe nicht die Theorie der Verschlackung
bekannt ist1).“
Allerdings hatte Berthier schon 1810 eine wichtige Zusammen-
stellung von Analysen zur Erklärung der chemischen Vorgänge im
Hochofen veröffentlicht. Zu diesem Zweck hatte er die im Hochofen
von Bruniquel verschmolzenen Erze, die Zuschläge und die gefallenen
Schlacken quantitativ untersucht. Die Erze waren oolithische Thon-
eisensteine (Bohnerze u. s. w.) der Languedoc, der Zuschlag ein ziem-
lich unreiner Kalkstein. Es ergaben sich folgende durchschnittliche
Zusammensetzungen
Es fielen dabei 36 Proz. vortreffliches graues Roheisen. Zu einer
Theorie der Verschlackung hatte aber diese Untersuchung noch nicht
geführt.
Über den chemischen Vorgang beim Rösten der Eisenerze war
man ebenfalls im unklaren, solange man noch keine richtige Kennt-
nis der Oxydationsstufen des Eisens und der Zusammensetzung des
Eisenoxydhydrats hatte. Man röstete die Erze nach örtlicher Gewohn-
heit, ohne sich des chemischen Grundes bewuſst zu sein. In den
meisten Fällen bezweckte die Röstung mehr nur eine mechanische
Vorbereitung. Dies schien auch in Frankreich da der Fall, wo man,
wie z. B. im Thale des Arques im Departement du Lot, die Thon-
eisensteine röstete. Als Zweck gab man an, daſs man die in Thon
eingebetteten Erzknollen nach dem Rösten besser ausklauben könne,
weil sie durch das Brennen rot würden. Berthier hat diese Erze
vor dem Rösten und nach dem Rösten genau untersucht und da-
durch einige Aufklärung über den Röstprozeſs verbreitet 1). Die
Eisenerze erwiesen sich als Eisenoxydhydrate mit 12 bis 15 Proz.
Wassergehalt. Sie verloren durch das Brennen den gröſsten Teil
ihres Wassergehaltes. Durch das Calcinieren, sagt Berthier, wird
das Wasser verflüchtigt, die Natur der Verbindung zerstört, die sich
in Eisenoxyd im Maximum umwandelt, welches durch seine rote Farbe
charakterisiert ist. — Karsten machte darauf aufmerksam, daſs
namentlich die Thoneisensteine beim Rösten leicht verschlacken,
weshalb man sie vorsichtig bei geringer Hitze rösten müsse. Das
Rösten der Erze war um so notwendiger, je niedriger die Schmelz-
öfen waren, weil zur Röstung wie zur Reduktion eine gewisse Zeit
erforderlich ist, wodurch bei niedrigen Öfen die Erze leicht roh,
d. h. ungenügend reduziert, vor die Form treten und dadurch einen
schlechten Ofengang erzeugen. Wie vorteilhaft schon das lange Lagern
an der Luft für den Spateisenstein war, ging aus einem von v. Pantz
und Atzl angegebenen Versuch hervor. Man schmolz Braunerze, d. h.
durch das Lagern an der Luft braun gewordene Spaterze, und un-
veränderte Spateisensteine unter gleichen Bedingungen, wobei sich
ergab, daſs der Centner Roheisen aus ersterem 15,09 Kbf., aus letzterem
aber 21½ Kbf. Erz erforderte, obgleich die unveränderten Spateisen-
steine angeblich einen gröſseren Eisengehalt hatten als die Braunerze.
Wir haben schon erwähnt, daſs der Eisengehalt der Erze aus-
schlieſslich durch die trockene Probe bestimmt wurde. Da die Flüsse
hierbei anders zusammengesetzt waren als die Beschickung für den
Hochofen, so machte man daneben sogenannte Beschickungsproben,
wobei man dieselben Zuschläge mit dem Erz zusammenschmolz, wie
im groſsen. Diese Proben waren aber ganz unzuverlässig, da man im
Probierofen nicht dieselben Bedingungen, namentlich nicht dieselbe
hohe Schmelztemperatur hervorbringen konnte, wie im Hochofen.
Infolgedessen war die Reduktion unvollständig und das Eisen ging
gröſstenteils in die Schlacke. Auch die Unvollkommenheit der Eisen-
bestimmung durch die trockene Probe erkennt Karsten vollständig
an. Nur durch die Analyse auf nassem Wege lieſse sich der wirkliche
Eisengehalt ermitteln, aber dieser Weg sei viel zu schwierig. Es ist
von historischem Interesse, wie Karsten sich hierüber ausdrückt.
„Die Analyse auf dem nassen Wege als eine gewöhnliche kon-
trollierende Probe eingeführt zu sehen, wäre ein vergeblicher und
unbelohnender Wunsch. So wichtig und vorteilhaft für den Betrieb
es auch sein muſs, wenn man die Bestandteile des zu verarbeitenden
Erzes genau kennt, und so empfehlenswert es daher ist, diese Analysen
in Rücksicht der Behandlung der Erze vor dem Verschmelzen, der
Wahl der Zuschläge und der Beurteilung der wahrscheinlichen Be-
schaffenheit des daraus zu erzeugenden Eisens anstellen zu lassen:
so wenig kann man fordern, daſs diese Analysen als gewöhnliche
Eisenproben eingeführt werden, weil es bekannt genug ist, wieviel
Zeit und Mühe eine solche Analyse erfordert. — Wer mit solchen
Analysen bekannt ist, wird die Hoffnung, sie einmal als kontrollierende
Probe auf den Eisenhütten allgemein angewendet zu sehen, gern auf-
geben.“
Karsten unterscheidet beim Rösten der Eisenerze in Öfen zwei
Arten von Röstöfen: solche, bei denen die Erze mit den Kohlen oder
Koks geschichtet sind, und solche, bei denen die Röstung durch ein
Flammenfeuer erfolgt. Erstere waren ganz den Kalköfen entsprechend.
Die auf den königlichen Hütten in Oberschlesien hatten eine Höhe
von 15 Fuſs im Schacht und oben 6½, an der weitesten Stelle 7½
und unten beim Roste 2 Fuſs im Durchmesser. Auf zwei entgegen-
gesetzten Seiten waren sie mit je einem Schürloch, zum Ausziehen
des gerösteten Eisensteines, versehen 1). Der Ofen wurde alle 12 Stun-
den etwa zur Hälfte gezogen und dann wieder gefüllt.
Bei der anderen Art von Röstöfen, welche mit Flammenfeuer
betrieben wurden, befanden sich die Erze ohne Brennmaterial im
Schachte des Ofens und erhielten die nötige Hitze aus einem oder
mehreren Feuerräumen, die seitlich angebracht waren. Die Feuerung
geschah hierbei mit Holz. Diese Art Öfen hatten groſse Ähnlichkeit
mit Porzellan- oder Töpferöfen.
Das Verschmelzen der Erze geschah zwar zu jener Zeit meistens
in Hochöfen, doch waren auch in manchen Gegenden noch Blauöfen
in Gebrauch. Es ist von Interesse, daſs Karsten damals diesen
unter Umständen den Vorzug gab. Erze, die wenig Schlacke geben,
sagte er, die folglich sehr reich sind und sich dabei nicht schwer
reduzieren lassen, müssen, wenn sie vorteilhaft verarbeitet werden
sollen, in Blauöfen mit zusammengezogenem Schmelzraum verschmolzen
werden. Überhaupt ist der Betrieb des Blauofens dem der Hochöfen
in allen den Fällen vorzuziehen, wo man leichtflüssige und gutartige
Erze, die auch bei einiger Übersetzung des Hochofens noch immer
gutartiges Eisen geben, verarbeitet. Alle schwer reduzierbaren Erze
werden am besten in Hochöfen verschmolzen und nicht in hohen
Blauöfen, namentlich wenn man auf graues Roheisen arbeitet. — „Ob
eine zu groſse Höhe des Hochofens überhaupt nachteilig werden kann,
ist noch nicht entschieden.“
Die Lehre von den Brennmaterialien, deren groſse
Bedeutung für den Eisenhüttenmann Karsten mit Recht hervorhebt,
hat in diesem Zeitabschnitte groſse Fortschritte gemacht. Mushet
untersuchte im Anfang des Jahrhunderts viele Holzarten auf ihre
Zusammensetzung 1). Graf Rumford hat durch seine vortreffliche
Untersuchung der Holzarten und Holzkohlen vom Jahre 1811 und
1812 groſses Licht über diesen Gegenstand verbreitet 2). Schon Birin-
guccio hatte auf den ungleichen Brennwert verschiedener Holzarten
und der daraus dargestellten Holzkohlen hingewiesen (Bd. II, S. 95);
in der Praxis unterschied man längst zwischen harten und weichen
[53]Das Brennmaterial 1801 bis 1815.
Holzarten und Holzkohlen; eine wissenschaftliche Grundlage erhielt
aber die Lehre von den Brennmaterialien erst, nachdem Lavoisier
das Wesen der Verbrennung richtig erkannt hatte und die chemische
Analyse es möglich machte, den Vorgang der Verkohlung und der
Verbrennung zu erforschen. Rumfords wichtige Untersuchung
bezog sich auf den inneren Bau der Hölzer, das specifische Gewicht
ihrer festen Teile und die Menge der flüssigen und gasförmigen Be-
standteile, die sie unter verschiedenen Umständen enthalten, über
die daraus zu erhaltenden Mengen von Kohle und die bei der Ver-
brennung entwickelte Wärme. Er fand das specifische Gewicht des
bei 245° F. (ca. 18° C. über dem Siedepunkte) getrockneten, voll-
kommen luftleeren Holzes von
also etwa um die Hälfte gröſser als das des Wassers.
Der Gewichtsverlust der bei dieser Temperatur vollständig aus-
getrockneten Hölzer betrug bei
Auſser dem Wasser, welches zur Konstitution des Holzes gehört, ent-
hält es noch Saft und zufällige Feuchtigkeit, deren Menge wechselt
nach Jahreszeit, Standort u. s. w.; annähernd beträgt der Gewichts-
verlust beim Trocknen 18 Proz. Rumford erhielt aus 100 Tln. voll-
kommen ausgetrockneten (gedörrten) Holzes durch eine zwei- bis
dreitägige nicht zu starke Erhitzung in gläsernen Cylindern in einem
Darrofen, von
und schloſs daraus, daſs alle Holzarten eine gleiche Menge Kohlen
enthalten. Hiervon wichen die Angaben anderer Forscher, welche
die erhaltenen Kohlenmengen mit grünem oder lufttrockenem Holze
verglichen, natürlich sehr ab. Das specifische Gewicht der Kohlen
sollte sich ganz nach dem specifischen Gewicht des Holzes richten,
aus welchem die Kohle entstanden war, und sollten das gedörrte Holz
und die Kohle fast einerlei specifisches Gewicht haben.
Guyton de Morveau hatte die Entzündungstemperatur frisch
gebrannter Holzkohle bei 150° R. gefunden. Hassenfratz fand sie
bei 180° C., während Holzkohlen, welche drei Monate gelagert hatten,
sich erst bei 300 und 332° entzündeten. Verschiedene Kohlen ver-
halten sich verschieden und wächst die Entzündungstemperatur mit dem
specifischen Gewicht, doch richtet sich die Entzündbarkeit einer Kohle
ganz nach dem Brennmaterial, aus dem es hergestellt ist (Karsten).
In der Praxis bestimmte man das Ausbringen an Kohlen nicht
nach Gewicht, sondern nach Volumen und hielt einen Ertrag von
50 Raumteilen Kohlen aus 100 Raumteilen Holz für sehr günstig.
Über die forstwirtschaftlichen Grundsätze in Bezug auf Auswahl,
Schlagen, Aufsetzen des Holzes verweisen wir auf Karstens Eisen-
hüttenkunde.
Die Verkohlung fand fast ausschlieſslich in Meilern statt.
In den Theer- und Pechöfen geschah sie allerdings in geschlossenen
Gefäſsen durch äuſsere Hitze, hierbei war aber auch die Kohlen-
gewinnung Nebensache. Die manigfachen Versuche, Holz in Öfen
zu verkohlen, hatten nach Karsten keine ökonomischen Vorteile
gebracht. Nur wo man zugleich Holzessig gewinnen wollte, wendete
man die Ofenverkohlung an.
Die Gruben verkohlung (Bd. II, S. 98) fand nur noch in Spanien
statt. Die Verkohlung in Haufen, die man da anwendete, wo man
ganze Holzstämme verkohlte, hatte man ebenfalls in den meisten
Ländern als unökonomisch abgeschafft.
Bei der Meilerverkohlung waren bemerkenswerte Neuerungen
nicht vorgekommen. Wo man immer dieselbe Meilerstätte wieder
[55]Das Brennmaterial 1801 bis 1815.
verwendete, mauerte man sie am besten nach dem Mittelpunkte zu
etwas abschüssig, um ohne besondere Unkosten einen Teil des Holz-
essigs und des Theers in ein darunter befindliches Reservoir ableiten
zu können. Man machte auch zuweilen einen hohlen Boden mit einer
eisernen Platte in der Mitte, von der aus man den Meiler entzün-
dete 1). In Ruſsland setzte man in mehreren Hochöfen mit Vorteil
bis zu ¼ rohes Holz zu.
Über den Kohlengehalt des Torfes und seine Zusammensetzung
hatten Mushet, Thomson, Buchholz, von Marcher u. a.
in dieser Zeit Untersuchungen angestellt. Mushet fand 15,1 bis
25,2 Proz. Kohle, 72,6 bis 72,8 Proz. flüchtige Teile und 2,2 bis
12,1 Proz. Asche; die von Buchholz untersuchten Torfarten ent-
hielten 21,5 23, 30 und 30,5 Proz. Asche 2). Die Verkohlung des
Torfes geschah ebenfalls in Gruben, Meilern oder Öfen. Karsten
giebt der Verkohlung des Torfes in Meilern den Vorzug 3).
Wie man annahm, daſs die Holzkohle in dem Holz schon vor-
handen sei, so nahm man auch nach Proust die Kohle in der Mineral-
substanz der Steinkohle vorgebildet an. Man wuſste aber ander-
seits, daſs bei der trockenen Destillation ein Teil des Kohlenstoffes
in den Destillationsprodukten enthalten ist. Hieraus, wie aus dem
analogen Verhalten der Harzarten, schlieſst Karsten mit Hatchett,
Gay-Lussac und Thenard, daſs vom Vorhandensein vorgebildeter
Kohle weder in der Steinkohle noch in dem Holze die Rede sein
kann 4). Je weniger Kohle eine Steinkohle bei der trockenen
Destillation zurückläſst, je brennbarer ist sie. Die Mineralogen unter-
schieden damals die kohligen Mineralien in Braunkohle, Steinkohle
oder Schwarzkohle, und Glanzkohle oder Anthracit, denen Werner
noch die mineralische Holzkohle als vierte Gattung hinzugefügt hatte.
Auſserdem teilte man wieder jede Gattung in eine Anzahl von Arten,
welche nach dem äuſseren Ansehen unterschieden wurden. Ein
anderes für den Hüttenmann praktischeres Einteilungsprincip bestand
in dem Vermögen, in der Hitze zusammenzusintern, wonach man
die Steinkohlen in fette oder backende, oder in magere oder nicht
backende einteilte; zu ersteren gehörten die Cannelkohle, Pechkohle
und Grobkohle, zu letzteren die Schieferkohle und Blätterkohle. Je
[56]Das Brennmaterial 1801 bis 1815.
weniger Bitumen eine Steinkohle bei der trockenen Destillation
ergab, je magerer, schwerer und dichter pflegte sie zu sein. —
Nicht weniger wichtig war der Aschengehalt für die Verwendbarkeit
der Steinkohlen. Kirwan, Richter, Proust, Lampadius,
Branthome und Hecht hatten sich mit Steinkohlenanalysen be-
schäftigt und einen Aschengehalt von 1,5 bis 20 Proz. nachgewiesen.
Als Bestandteile der Asche wurden Kiesel- und Thonerde mit etwas
oxydiertem Eisen, seltener etwas Kalkerde, Magnesia und Mangan
nachgewiesen. Daſs die Gase und Öle, welche bei der trocknen
Destillation der Steinkohle übergehen, wirkliche Produkte des Prozesses
und keine Edukte sind, hebt Karsten ausdrücklich hervor. Die
chemische Analyse erklärt aber Karsten für den Hüttenmann als
nicht ausreichend, die physikalischen Merkmale seien ebenso wichtig.
Am wichtigsten sei das Verhalten der Steinkohlen in der Hitze, ihre
Verkokungsfähigkeit. Karsten giebt die Kennzeichen von gut
und schlecht kokenden Kohlen an, ohne indessen schon die scharfe
Unterscheidung zu machen, die er später einführte; er hält sich viel-
mehr noch an die mineralogische Einteilung. Hassenfratz da-
gegen teilt die Steinkohlen in drei Gruppen, in trockene, magere und
fette, von denen er die nachstehenden, in der Schule zu Moutiers
unter seiner Leitung gemachten Analysen mitteilt.
Analysen von Steinkohlen hatte auch Proust schon 1806 veröffent-
licht 1).
Das Verkoken der Steinkohle geschah in Öfen oder in Meilern.
Beim Verkoken in Öfen hatte man nach Karsten in der Regel die
Absicht, die sich entwickelnden Gase aufzufangen. Dies ist indes
nicht richtig, vielmehr wendete man in England überall Öfen an, wo
man Kleinkohle, Grus oder Abfall verkokte, Meiler und Haufen da,
wo man Stückkohle verkokte. Karstens Ansicht gründete sich auf
den Zustand, wie er in Schlesien war, wo man nur die Dundonald-
schen Öfen kannte, in welchen auch zugleich Theer gewonnen wurde.
Das Verkoken der Stückkohlen im Freien geschah meistens nicht
mehr in Meilern, sondern in langen Haufen. Diese wurden auf
einer gestampften Lehmsohle in der Art errichtet, daſs in der Mitte
mit groſsen Stücken ein Luftkanal der Länge nach gesetzt wurde.
Hiergegen setzte man die übrigen Steinkohlen in abnehmender Gröſse.
Die kleineren Stücke wurden nicht mehr gesetzt, sondern dienten zur
Ausfüllung der Zwischenräume und zur Bedeckung; so führte man den
Haufen in 3,14 bis 3,77 m Breite und von beliebiger Länge, etwa 31,4
bis 37,4 Fuſs, auf. Die Höhe des Haufens betrug in der Mitte 0,42
bis 0,58 m, an den Seiten 0,10 bis 0,16 m.
Das Löschen geschah einfach durch Be-
werfen mit Lösche an den Stellen, wo
das Flammen aufhörte und sich eine
weiſse Schlacke ansetzte. Das Brennen
verlief rasch und war bei bituminösen
Steinkohlen in 36 bis 48 Stunden, bei
weniger bituminösen schon in 12 bis
16 Stunden beendet. Der Haufen blieb dann 3 bis 4 Tage mit seiner
Decke stehen, ehe er gezogen wurde. — Dieses Verfahren war sehr
einfach, aber auch mit groſsem Abbrand verknüpft, namentlich bei
fetten Kohlen. Solche verkokte man deshalb zweckmäſsiger in
bedeckten Meilern oder in Öfen.
In England baute man damals den Meiler, Fig. 1, um einen aus
feuerfesten Steinen hergestellten trichterförmigen Turm, Fig. 2, mit
zwei oder drei übereinanderliegenden Reihen von je sechs oder mehr
Zuglöchern. Nachdem der Meiler aufgeführt und mit einer Decke
von feuchter Kokslösche gedeckt war, wurde er durch den trichter-
förmigen Ofenschacht entzündet. Diese verbesserten Meiler waren
eine Erfindung von John Wilkinson in Bradley 1). Zerkleinerte
Steinkohlen lieſsen sich nicht in Meilern oder Haufen verkoken, weil
sie den Zug hemmten. Überhaupt lieſs sich nur fettes Kohlenklein
[58]Das Brennmaterial 1801 bis 1815.
verkoken und dies muſste auf Herden, oder in offenen oder ge-
schlossenen Öfen geschehen. Offene cylindrische Öfen waren wenig
vorteilhaft, weil zu viel darin verbrannte, besser waren die mit einem
Gewölbe überbauten Herde, die sogenannten Bienenkorböfen (s. Bd. III,
S. 307). Diese wurden etwa 16 cm hoch beschickt und die Steinkohle
entzündet. Sobald Rauch und Flamme aufhörten, war der Koks gar.
Man dämpfte die Hitze mit Wasser und zog die Masse mit eisernen
Kratzen heraus. Zu Waldenburg in Schlesien hatte man 1804 eine
Doppelreihe solcher Öfen, welche mit der Rückseite gegeneinander
standen, zusammengebaut. Das äuſsere Mauerwerk war 7,85 m lang,
4,30 m breit und 2,20 m
hoch. Die Sohle der
Öfen war 0,63 m über
dem Boden. Jeder der
elliptischen Öfen war
2,51 m tief, 2,20 m breit
und 0,78 m hoch, mit
flachem Gewölbe über-
spannt. Die Brennzeit
dauerte 10 Stunden.
Die Steinkohlen bläh-
ten sich auf, so daſs
man aus 8 Maſs Stein-
kohlen 9 bis 10 Maſs
Koks erhielt.
Doppelöfen dieser
Konstruktion scheinen
zuerst in Frankreich
aufgekommen zu sein.
Nach einem Bericht
eines gewissen Jeason
an die Société d’en-
couragement pour l’industrie nationale von 1808 1) sollten diese Art
Öfen schon seit langer Zeit in einigen französischen Werken in An-
wendung sein. Diese Öfen (Fig. 3) hatten eine elliptische Gestalt und
Feuerthüren auf den beiden Schmalseiten. Mitten über dem Herd
befand sich eine Esse. Nachdem der Ofen vorgewärmt war, wurde
erst von der einen, dann von der anderen Seite Kleinkohle eingetragen.
[59]Das Brennmaterial 1801 bis 1815.
War die eine Hälfte gar gebrannt, so wurden die Koks von der Mitte
an mit eisernen Haken ausgezogen, was eine äuſserst mühselige Arbeit
war. Alsdann wurde diese Seite frisch besetzt. Inzwischen garte auch
die andere Hälfte und wurde, nachdem die erste wieder besetzt
war, in gleicher Weise ausgezogen. Die Füllthüren wurden mittels
Hebel aufgezogen, der Luftzutritt in den Ofen durch Öffnungen in
den Thüren reguliert.
In verschlossenen Gefäſsen mit äuſserer Hitze verkokte man
die Steinkohle nur dann, wenn man die Gewinnung der Destillations-
produkte im Auge hatte.
Eine Kombination beider Verfahren waren die Dundonald-
Öfen, in denen die Steinkohlen mit der eigenen Hitze verkokt, zu-
gleich aber die Destillationsprodukte aufgefangen wurden. Man wählte
hierzu fette, aber nicht zu backende Steinkohlen. Fig. 4 zeigt einen
solchen Ofen, wie er zu Gleiwitz betrieben wurde 1). Der cylindrische
Schacht A hatte 1,53 bis 2,14 m im Durchmesser und war 2,44 bis 2,75 m
hoch; oben verengte er sich und behielt nur eine Öffnung b von 0,915 m
im Durchmesser, welche mit einer eisernen Platte d bedeckt wurde.
In der Mitte des Bodens befand sich meist ein eiserner oder gemauerter
[60]Das Brennmaterial 1801 bis 1815.
Rost von 0,915 m im Durchmesser, welcher mit dem Aschenfall und
dem Luftkanal in Verbindung stand. Die Einsatzöffnung a war 1,525 m
hoch, 0,762 m breit und wurde nach dem Eintragen der Steinkohlen
vermauert. In der Peripherie der Ofenmauer befanden sich vier
horizontale Reihen von Zuglöchern oo. In der Nähe der Mündung des
Schachtes war ein eisernes Rohr r von 20 bis 25 cm Durchmesser zur
Abführung der Gase, welche einem Kondensator zugeführt wurden,
eingemauert. Der Ofen wurde bis zum unteren Rande dieses Rohres
gefüllt, während die Schachtmündung durch eine eiserne Platte ver-
schlossen wurde. Die Verkokung erfolgte dann von unten nach oben
und wurde durch die Zuglöcher reguliert. War der Ofen gar, so er-
folgte nach 12 Stunden das Ziehen, wozu die Thür aufgerissen und
die glühenden Koks mit langen Haken ausgezogen und gleich mit
Wasser gelöscht wurden. Die in diesen Öfen erzeugten Koks waren
dichter und fester als die in Meilern bereiteten; sie nahmen ein
kleineres Volum ein, das Ausbringen an Gewicht war aber gröſser.
Die Ofenkoks waren 10 bis 15 Proz. schwerer als die Meilerkoks. Das
Hauptprodukt der Destillation war roher Steinkohlentheer. Das Aus-
bringen an Koks richtete sich nach der Natur der Steinkohlen und
betrug 60 bis 70 Proz. Man gewann aber damals die Koks durchaus
nicht in so schönen groſsen Stücken wie jetzt. Karsten sagt,
die zum Eisenschmelzen anzuwendenden Koks müssen Stücke von
wenigstens 36 ccm Inhalt sein; in kleineren Stücken sind sie nur
dann zu gebrauchen, wenn sie mit gröſseren, von 2 bis 20 Kubikzoll
Inhalt, zugleich verarbeitet werden. Die gröſsten Stücke hatten also
noch nicht 5 Zoll Seitenlänge. Zu Gleiwitz in Oberschlesien wurden
vergleichende Versuche über die Wirkung verschiedener Koksarten
im Kupolofen angestellt. Mit Einschluſs des zum Füllen der Öfen
nötigen Bedarfs erforderten
woraus hervorzugehen scheint, daſs die schwereren Koks dem Volumen
nach, die leichteren aber dem Gewicht nach wirksamer sind.
Vergleichende Versuche zwischen Holz- und Steinkohle, welche
bei der Heizung eines Weiſsblechglühofens mit Kiefernholz und eines
[61]Das Brennmaterial 1801 bis 1815.
anderen mit Steinkohlen zu Jedlitze in Ober-Schlesien angestellt
wurden, ergaben, daſs 100 Kubikfuſs Holz die Wirkung von 16 Kubik-
fuſs Steinkohlen, oder 100 Kubikfuſs Steinkohlen die Wirkung von
635 Kubikfuſs Holz hervorbrachten 1).
Die Vergleichung der Wirkung von Holzkohlen und Koks ergab im
allgemeinen, daſs sich die Wirkung des Koks zu der der Holzkohlen
beim Verschmelzen der Eisenerze in Schachtöfen dem Volum nach wie
2 zu 1 verhielt, oder daſs 1 Kubikfuſs Koks dieselben Dienste leistete wie
2 Kubikfuſs Holzkohlen. Dem Gewicht nach fällt das Verhältnis für
die Holzkohlen günstiger aus und verhält sich im allgemeinen wie 2
zu 3, so daſs 2 Pfd. Holzkohlen dieselbe Wirkung hervorbringen wie
3 Pfd. Koks. Die Ursache liegt in der strengflüssigen Koksasche.
Die verschiedenen Brennmaterialien erforderten bei ihrer Ver-
brennung im Hochofen eine sehr ungleiche Pressung des Windes,
welche nach der Wassersäule gemessen
betragen muſste, um die gröſste Wirkung auszuüben 2).
Die der Gicht des Hochofens entströmende Flamme hatte man
schon früher hier und da zu Heizzwecken verwendet. In rationellerer
Weise geschah dies aber erst in dieser Periode durch Aubertot auf
seiner Eisenhütte im Cher-Departement. Er erhielt im Jahre 1811
ein Patent für Frankreich auf sein Verfahren, doch begnügte er sich,
dasselbe für seinen eigenen Gebrauch auszunutzen, indem er die
Gichtgase zur Gementstahlbereitung verwendete. Er machte kein
Geheimnis aus seiner Methode, sondern gab jedem, der sich dafür
interessierte, Belehrung. Hierdurch lernte auch Berthier diese Er-
findung Aubertots kennen, auf deren groſse Bedeutung er nach-
drücklich hinwies. Er veröffentlichte eine wichtige Abhandlung über
die glückliche Verwendung der Gichtgase in Frankreich zur Stahl-
cementation, zum Kalk- und Ziegelbrennen u. s. w. 3).
Die Öfen, sowohl zum Kalk- und Ziegel-, als auch zum Stahl-
brennen, stellte Aubertot auf die Gicht unmittelbar neben die Gicht-
öffnung. Die Flamme trat durch eine quadratische Öffnung, welche
durch einen Schieber abgestellt werden konnte, in den Ofen, der oben
mit einer Esse versehen war, ein, wodurch derselbe bald in helle Glut
geriet. Doch kam es dabei sehr auf die richtige Regulierung der
Öffnung an, damit nicht zu viel kalte Luft mit eintrat. Berthier
erkannte deutlich, daſs die groſse Wärmeentwickelung der Hochofen-
gase gröſstenteils auf der Verbrennung derselben beruhte und nur
zum kleineren Teil auf ihrer gebundenen Wärme. Zum Beweis hier-
für führte er einen Versuch Gurandous an, der einen Flammofen
mit Hochofengasen erhitzt hatte. Trotzdem fand diese wichtige Ent-
deckung damals nur wenig Beachtung.
Die Bedeutung der Windzuführung, die Wichtigkeit der Gebläse-
maschinen begann man zu Anfang des 19. Jahrhunderts in vollem
Umfange zu würdigen. Das theoretische Verständnis des Verbren-
nungsvorganges im Hochofen machte gerade in diesen ersten 15 Jahren
des Jahrhunderts groſse Fortschritte. Lavoisiers Entdeckung des
Sauerstoffes, der Oxydation und Reduktion hatten den Schlüssel
dafür gegeben. Es ist erstaunlich, wie rasch man damit in das
innerste Wesen der Schmelzvorgänge eindrang. Hassenfratz warf
die Frage auf, wieviel Wind ist nötig, um 100 Pfd. Eisen zu schmel-
zen, und löste sie in der folgenden geistvollen Weise 1):
Nach der gemeinschaftlichen Untersuchung von Lavoisier und
Laplace verbinden sich 100 Tle. Kohlenstoff bei 0° mit 261 Tln.
Sauerstoff zu 361 Tln. Kohlensäure, wobei sie eine Wärmemenge er-
zeugen, um 9937 Tle. Eis von 0° zu schmelzen, oder das gleiche
Quantum Wasser von 0 auf 60° zu erwärmen. Um die Windmenge
zu bestimmen, welche der Brennstoff erfordert, um 100 Tle. Roheisen
im Hochofen zu schmelzen, ist zunächst zu erwägen, daſs die atmo-
sphärische Luft aus Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure besteht und
zwar nach der Untersuchung von Humboldt und Gay-Lussac im
Verhältnis von 78:21:1, ohne Berücksichtigung der Feuchtigkeit.
Arago und Biot1) haben gefunden, daſs sich die Dichtigkeiten
dieser Luftarten verhalten wie folgt:
Es wiegen 100 Kubikdecimeter:
Hieraus läſst sich die Windmenge für einen Hochofen, dessen
Kohlenverbrauch gegeben ist, berechnen, wenn man annimmt, daſs
der gesamte Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt.
100 Gewichtstle. Kohle verbinden sich nach der genaueren An-
gabe von Saussure mit 284,6 Tln. Sauerstoff zu 384,6 Tln. Kohlen-
säure. Die 284,6 Gewichtstle. Sauerstoff haben ein Volumen von
2994 Kbfſs. bei 0° und 28 Zoll Barometerstand, entsprechend 14258 Kbfſs.
atmosphärischer Luft unter denselben Voraussetzungen. Um also
100 Pfd. Kohlen vollständig zu verbrennen, braucht man 14258 Kbfſs.
atmosph. Luft (1 kg = 8,85 m3).
Nimmt man nun einen mittleren Kohlenverbrauch von 162 Pfd.
Kohlen für 100 Pfd. Roheisen im Hochofen an, so wäre der Wind-
bedarf hierfür 23098 Kbfſs., ohne Berücksichtigung des Aschengehaltes
der Kohle.
Angenommen, der Hochofen produzierte 35 Ctr. Roheisen den
Tag, so wären 808428 Kbfſs. Wind erforderlich, also 561 Kbfſs. in
der Minute.
Nun kann man aber in der Regel nicht mehr als 400 Kbfſs.
Wind pro Minute für einen Ofen von 35 bis 36 Ctr. Tagesproduktion
rechnen, woraus zu folgern wäre, daſs nur 70 Proz. des Kohlen-
stoffes zu Kohlensäure verbrenne, der Rest anderweitig, zur Reduktion
der Erze, zur Kohlung des Eisens u. s. w. verwendet würde. Wäre
aber auch alles Eisen im Erze im Zustande des Oxyds, so brauchte
dasselbe für die 35 Ctr. Eisen doch nur 553 Pfd. Kohlenstoff zur Re-
duktion, und nähme das Eisen 4 Proz. Kohlenstoff bei der Kohlung
auf, so wären dies nur 140 Pfd., zusammen also 693 Pfd. Nimmt man
[64]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
selbst 1000 Pfd. an, so bleiben immer noch 4670 Pfd. Kohlenstoff
übrig. Hierzu wären 13291 Pfd. Wind erforderlich, und es sind nur
10166 gebraucht worden. Diese Menge reicht nicht hin, allen Kohlen-
stoff in Kohlensäure zu verwandeln. Einigen Einfluſs hat der nie
fehlende Wassergehalt der Luft. Sodann fragt es sich aber, ob denn
wirklich aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt und ob nicht ein
Teil desselben in der niedrigeren Oxydationsstufe als Kohlenoxydgas
entweicht. Dieses erfordert viel weniger Sauerstoff, indem hierbei
nur 48 Tle. Sauerstoff auf 52 Tle. Kohlenstoff kommen. Sieht man
genauer zu, wie sich die Verbrennung im Hochofen vollzieht, so kann
dies gar nicht anders sein. Denn wenn auch unmittelbar vor der
Form aller Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrennt, so trifft die gebil-
dete Kohlensäure bei ihrem Aufsteigen im Hochofen auf glühende
Kohlen, welche die Kohlensäure zu Kohlenoxydgas reduzieren. An
der Ofengicht strömt nicht bloſs Kohlensäure, sondern auch Kohlen-
oxydgas aus, wodurch die bläuliche Gichtflamme erst entsteht. Der
Wasserdampf der feuchten Luft wird, indem er auf die glühenden
Kohlen trifft, ebenfalls zersetzt und zwar so, daſs sich sein Sauerstoff
mit der Kohle zu Kohlenoxydgas, sein Wasserstoff zu Kohlenwasser-
stoffgas verbindet. Würde bei der Verbrennung nur Kohlenoxydgas
gebildet, so bedürften die 4670 Tle. Kohlenstoff nur 4311 Tle. Sauer-
stoff, also nur die Hälfte der Menge, die wirklich gebraucht worden
ist. Es muſs also bei der Verbrennung im Hochofen ein Gasgemenge
entstehen, welches hauptsächlich aus Kohlensäure und Kohlenoxydgas
besteht. Die Windmenge läſst sich also in der angegebenen Weise
nur ungefähr berechnen, und muſs man die erhaltene Zahl durch
einen Erfahrungskoeffizienten reduzieren.
Diese klare Auseinandersetzung von Hassenfratz beweist nicht
nur, wie richtig man bereits den Zusammenhang zwischen Windmenge
und Produktion beim Hochofenbetriebe erkannt, sondern auch, welch
zutreffendes Urteil man über den Verbrennungsvorgang im Hochofen
erlangt hatte, obgleich derselbe erst durch die Analysen der Hoch-
ofengase ca. 30 Jahre später bewiesen wurde.
Übrigens hatten sich auch andere Metallurgen schon vor Hassen-
fratz mit ähnlichen Berechnungen beschäftigt, unter diesen nament-
lich Schindler1) und af Uhr2). Ersterer stellte schon 1799 fol-
[65]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
gende Berechnung auf: Wenn zwei Gebläse, jedes von 40 (Wiener)
Kbfſs. Inhalt, in einer Minute 14 mal wechseln, so bringen sie in
dieser Zeit 560 Kbfſs. oder in 24 Stunden 806400 Kbfſs. atmosphärische
Luft in den Hochofen. Diese wiegen 53637 (Wiener) Pfd. und ent-
halten 36982 Pfd. Stickstoff, 15853 Pfd. Sauerstoff und 802 Pfd.
Kohlensäure. Auſserdem kann man in dieser Menge von Gas 219 Pfd.
Wassergehalt annehmen. An Eisenstein sollen in 24 Stunden
6963 Pfd. mit einem Roheisengehalt von 2607 Pfd., mit 6787 Pfd.
Kohlen durchgesetzt werden. Schindler nimmt in den 6963 Pfd.
Eisenstein 2607 Pfd. Eisen, 1095 Pf. Sauerstoff und 3261 Pfd. Erden
an. Danach würden in 24 Stunden in den Hochofen gebracht:
Diese wären nach der Schmelzung umgewandelt in:
Diese Berechnung ist keineswegs genau, indem für die Zusammen-
setzung der atmosphärischen Luft die älteren unrichtigen Zahlen zu
Grunde gelegt, der Gehalt der Erze an Wasser und Kohlensäure nicht
berücksichtigt ist, die vollständige Verbrennung der Kohle zu Kohlen-
säure angenommen ist, u. s. w., dennoch verdient auch diese Berech-
nung historische Beachtung.
Es war um jene Zeit bereits ein praktisches Bedürfnis geworden,
das Windquantum, welches dem Hochofen zugeführt wurde, zu be-
rechnen und zu kontrollieren. Deshalb beschäftigten sich bereits
viele Metallurgen mit diesem Gegenstande und stellten mathematische
Formeln dafür auf. Man bestimmte die Windmenge hierbei auf
zweierlei Art: einmal, indem man das Volum, welches die Maschine
lieferte, aus dem Kubikinhalt des Gebläses und der Tourenzahl in
der Minute ermittelte, das andere Mal, indem man den Querschnitt
der Ausströmungsöffnung, welche den Wind dem Hochofen zuführte,
mit der Ausströmungsgeschwindigkeit multiplizierte. Erstere Art der
Beck, Geschichte des Eisens. 5
[66]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
Berechnung war ungenau, wenn man nicht die Kompression der Luft
im Gebläse und den schädlichen Raum berücksichtigte, was die Rech-
nung sehr erschwerte. Die zweite Art der Berechnung war genauer
und fand deshalb allgemeine Anwendung. Die Ausströmungsgeschwin-
digkeit war abhängig von dem Drucke, der sich durch einfache
Messung mit dem Windmesser oder Manometer ermitteln lieſs. Ver-
besserte Windmesser erfanden um jene Zeit Lampadius in Deutsch-
land und Banks in England 1) (Fig. 5).
Wir müssen uns darauf beschränken, die bemerkenswertesten
Arbeiten über Windberechnung aus jener Zeit anzuführen. Baaders
Schrift wurde schon früher erwähnt. Über die Leistung der Gebläse-
maschinen erschienen folgende Abhandlungen: O’Reilly, Sur les
machines soufflantes, avec la description des machines soufflantes
hydrauliques (Annales des arts et manufactures, T. XV, p. 225); Gil-
bert, Berechnung der Luftmenge, welche ein Gebläse hergiebt (Gil-
berts Annalen der Physik, XXVIII, 388) und die hervorragende
Arbeit von G. G. Schmidt über die Ausdehnung
der trockenen und feuchten Luft durch die
Wärme. Berechnungen der Windmenge auf
Grund der Druckmessung veröffentlichten Roe-
buck: Über Windmesser und über das Ver-
hältnis der Geschwindigkeit zur Menge des
Windes (Gilberts Annalen IX, 53), Banks
über Windmesser und Versuche über das Aus-
strömen der Luft aus den Gefäſsen (Ebendas.
XXII, 286) und Stünkel: Beobachtungen über
die Schätzung der treibenden Kraft und der
Geschwindigkeit des aus den Gebläsen strömen-
den Windes (Jordan und Hasse, Magazin für
Eisenberg- und Hüttenkunde, S. 240). O’Reilly
hatte auch bereits eine Tabelle für die Geschwin-
digkeit der Luft nach dem abgelesenen Wind-
druck verfaſst, welche aber ungenau war, weil er dabei den Barometer-
stand nicht berücksichtigt hatte.
Ehe wir uns zu den Fortschritten im Bau der Gebläse selbst wen-
den, müssen wir noch einige allgemeine, den Gebläsewind betreffende
Fragen erwähnen, welche in jener Zeit Gegenstand lebhafter Erörte-
rung waren. Unter diesen wurde diejenige über den Nutzen oder
[67]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
Nachteil des in der Gebläseluft enthaltenen Wasserstoffes am leb-
haftesten diskutiert. O’Reilly berichtet 1), daſs ein reicher englischer
Hüttenbesitzer glaubte, die Verbrennung in einem Schmelzofen dadurch
fördern zu können, daſs er Wasserdämpfe unter der Form in den
Ofen leitete. Er nahm an, daſs diese, indem sie auf die glühende
Masse träfen, zersetzt würden und der dadurch frei gewordene Sauer-
stoff die Verbrennung beschleunigen und die Hitze steigern müsse.
Er machte in diesem Sinne Versuche in einem 18 Fuſs hohen Ofen,
wobei aber die verderbliche Wirkung des eingeblasenen Dampfes voll-
ständig erwiesen wurde. Der Hochofen wurde, da wo der Dampf
hin kam, völlig kalt. Die durch die Zersetzung des Wassers gebundene
Wärme war so groſs, daſs eine Abkühlung des ganzen Ofens eintrat;
das Eisen wurde matt und weiſs, und nach und nach erstarrte der
ganze Ofen. Die Theorie war rasch bei der Hand, dieses Resultat zu
erklären. Lavoisier und Laplace hatten nachgewiesen, daſs Wasser-
stoff beim Verbrennen zu Wasser eine gröſsere Menge Wärme ent-
wickele, als Kohlenstoff bei der Verbrennung zu Kohlensäure. Bei
der Zersetzung des Wassers muſste also mehr Wärme gebunden
werden, als durch die Verbrennung der Kohle mit dem frei gewor-
denen Sauerstoff erzeugt wird. Das oben erwähnte Experiment und
diese Theorie wurden nun von vielen verallgemeinert, und alle Ge-
bläse, bei denen die Luft mit Wasser in Berührung kam, für durch-
aus verwerflich erklärt, ja die Eiferer, namentlich in Frankreich,
erklärten auch die Wasserregulatoren für höchst nachteilig, obgleich
dieselben sich doch überall, wo sie in Anwendung waren, gut bewährt
hatten. Es wurde eben stark übertrieben und womöglich alle Stö-
rungen des Ofenganges mit Wasserdämpfen in Verbindung gebracht.
Auch die bekannte Erfahrung, daſs die Hochöfen im Winter besser
gingen als im Sommer, wurde nicht so sehr der dichteren als vielmehr
der trockeneren Luft im Winter zugeschrieben. Die Sucht zu über-
treiben erzeugte aber gerade eine hartnäckige Opposition bei denjenigen
Hüttenleuten, welche bereits eine dunkle Vorstellung von Wassergas
und seiner Wirkung hatten. Zu diesen letzteren gehörte auch Karsten,
der lebhaft für die Wasserregulatoren eintrat. Da überall noch die
quantitative Analyse fehlte, war die Begründung auf beiden Seiten
schwach, der Meinungsstreit deshalb aber um so lebhafter.
Die Heiſssporne der oben erwähnten Richtung verwarfen alle
Wassergebläse. Deshalb sind auch die Urteile über die Wasser-
5*
[68]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
trommelgebläse in jener Zeit so sehr auseinandergehend. Diejenigen,
welche von der Schädlichkeit der feuchten Gebläseluft überzeugt waren,
verwarfen dieselben von vornherein — es waren dies namentlich die
Pariser Metallurgen, — während man auf der anderen Seite die
Vorzüge dieses Gebläses, mit dem man in den österreichischen Alpen-
ländern befriedigende Resultate erzielt hatte, übertrieb. Für das
Wassertrommelgebläse traten besonders Baron von Zois, Herr
von Stahlberg, von Eschwege und von Marcher ein, gegen
dieselben O’Reilly und Hassenfratz. Wir haben schon früher er-
wähnt, daſs der Vorteil der Wassertrommeln in ihrer Billigkeit, der
Nachteil derselben in dem hohen Wasserverbrauch liegt. Hassen-
fratz teilte mit, daſs, während ein Cylindergebläse nach Rambourg
für 100 Kbfſs. Luft 20 Kbfſs. Wasser erforderte, der Wasserverbrauch
für 100 Kbfſs. Luft bei einer Wassertrommel zu Poulaouen 157 und
bei einer anderen im Fürstentum Piombino sogar 200 Kbfſs. Wasser,
also das zehnfache betrug. Die beiden letzteren Angaben beruhten
auf Messungen des Ingenieurs Gallois.
Das Baadersche Wassergebläse hatte zwar auf einigen Eisen-
hüttenwerken Eingang gefunden, doch entsprach seine Leistung den
Hoffnungen nicht. Ein groſses hydrostatisches Gebläse eigen-
tümlicher Konstruktion wurde um diese Zeit zu Sterkrade (Gute
Hoffnungshütte) zum Betriebe eines Hochofens erbaut. Es bestand
aus vier viereckigen eisernen Kasten mit Wasserliderung (Fig. 6),
welche in eine gemeinschaftliche Leitung bliesen.
Beim Aufzug des Kastens öffnete sich die Saugklappe n und lieſs
die Luft eintreten, welche dann beim Niedergang durch die Druck-
[69]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
klappe p in die Windleitung gepreſst wurde. Leider fehlen zu den
Zeichnungen von Héron de Villefosse alle näheren Angaben über
Konstruktion und Leistung dieses Gebläses, welches das stärkste der
nach diesem, auch dem Baaderschen Gebläse zu Grunde liegenden
Principe erbauten gewesen zu sein scheint.
Allgemein anerkannt und unbestritten war die groſse Überlegen-
heit gut gearbeiteter eiserner Cylindergebläse. Aber für die
meisten Werke auf dem Kontinent war die Anschaffung derselben
noch zu kostspielig. Man war nur an ganz wenig Plätzen im stande,
die groſsen Gebläsecylinder zu gieſsen und auszubohren, die meisten
Werke waren also noch auf den Bezug von England angewiesen und
der war sehr teuer. Das Bestreben der kontinentalen Werke ging
dahin, für die eisernen Cylindergebläse einen weniger kostspieligen
Ersatz zu schaffen. Dies suchte man zunächst durch Verbesserungen
der gebräuchlichen Gebläse zu erreichen.
Die am meisten angewendete Blasemaschine war der hölzerne
Balg. Dieser erfuhr eine wesentliche Verbesserung in Schweden in
dem Windholmgebläse.
Der Erfinder Windholm
soll die Idee dazu seinem
Lehrer, dem berühmten
Mechaniker Nordwall, ver-
dankt haben 1). Diese Idee,
die in der Hauptsache darin
bestand, daſs sich ein be-
weglicher Boden in einem
feststehenden Kasten von unten bewegt, war keineswegs neu;
Genssane hatte ein solches Gebläse schon angegeben, und waren
solche auch eine Zeit lang in Frankreich verwendet worden. Wind-
holms Blasebalg war diesem allerdings durch seine Konstruktion über-
legen; Fig. 8 zeigt denselben. Das Gegengewicht zum Heben des Ober-
kastens fiel fort, weil der Unterkasten durch sein eigenes Gewicht
zurückfiel. Der Hauptvorteil der Windholmgebläse bestand darin,
daſs der bewegliche Boden beim höchsten Stande fast ganz den Deckel
des Oberkastens berührte, so daſs kein schädlicher Raum blieb. Dies
war dadurch ermöglicht, daſs der Wind nicht an der Spitze, sondern
aus einer Öffnung im Deckel austrat, von wo er durch den Kanal e in
das Rohr f trat. Ferner konnten bei dieser Konstruktion eine Anzahl
[70]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
Bälge, oft vier bis fünf, derart nebeneinandergelegt werden, daſs ihre
Seitenwände gemeinschaftlich waren, was die Anlagekosten wesentlich
verringerte. Das vor den Bälgen liegende Sammelrohr oder die Wind-
lade in der Verlängerung des Kastens war gemeinschaftlich. Von ihr
aus wurde die Luft in den Ofen geführt. Diese Einrichtung, welche
Hausmann in Deutschland bekannt gemacht hat 1), war von dem
Brukspatron Tham auf seinem Eisenhüttenwerke bei Österby zuerst
angewendet worden. Sie fand in Schweden groſse Verbreitung und
wurde auch in Deutschland auf der Rotenhütte und zu Tanne im
Harz eingeführt. Sie sollte die Anlage der teuren Cylindergebläse
unnötig machen. Wo man die alten Bälge beibehielt, verstärkte man
sie zuweilen dadurch, daſs man drei und mehr Bälge miteinander ver-
band. Man gab den alten Aberglauben, daſs das übliche über das
Kreuz blasen von zwei Düsen in einer Form eine wichtige und wesent-
liche Sache sei, auf und „kuppelte“ die Bälge, indem man die Düsen
erst in einen gemeinschaftlichen Windbehälter oder Sammelkasten
blasen lieſs, aus dem man dann den Wind durch eine Leitung und
eine einzige Düse der Feuerstätte zuführte.
Als Ersatz für die Cylindergebläse sollten auch die Kasten-
gebläse, namentlich die doppeltwirkenden, die zu Anfang des Jahr-
hunderts aufkamen, dienen. Man verband oft zwei oder mehr Kasten
zu einem stärkeren Gebläse. Die gewöhnliche Form derselben war
viereckig, doch machte man die Kasten besserer Gebläse auch öfter
rund, wodurch sie zu Cylindergebläsen wurden. 1809 wurde z. B. auf
der Eisenhütte in der Radmär in Steiermark ein neues Gebläse von
sechs hölzernen Cylindern errichtet 2); je drei standen auf einer Seite
des Ofens und waren durch einen Regulator verbunden. Die Cylinder
waren wie Tonnen aus starken Holzdauben verfertigt, welche durch
vier Schlieſsreife zusammengehalten wurden. Sie waren einfachwirkend
und wurde der Wind aus einem auf den Deckel aufgesetzten Kästchen
abgeleitet und durch ein Rohr dem Regulator zugeführt. Dieser
bestand aus einem länglichen Holzkasten, auf welchem ein sogenannter
Kondensator von Leder angebracht war. Letzterer bestand aus einem
cylindrischen Lederbalge mit einem hölzernen Deckel, welcher durch
Gewichte beschwert war und in der Mitte eine eiserne Führungs-
stange hatte, um den Kondensator beim Auf- und Niedergehen in
[71]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
gleicher Richtung zu halten. Der Kolbenhub eines Cylinders betrug
3 Fuſs 2 Zoll (Wiener Maſs), jeder Hub lieferte 89,49 Kbfſs. Luft,
bei sechs Huben in der Minute lieferten also die sechs Cylinder
3221,64 Kbfſs.
Fig. 9 zeigt ein Kastengebläse mit drei einfachwirkenden Kasten
von der Altenauer Hütte im Harz aus dem Anfange dieses Jahr-
hunderts 1). Der Wind aus den drei abwechselnd blasenden Kasten
wird in einen Windsammelkasten geleitet, von wo er dem Ofen zu-
geführt wird. Hierbei ist auch die Übertragung der Bewegung mittels
groſser epicykloidischer Kämme bemerkenswert.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die doppeltwirkenden
Kastengebläse auf den Harzer Eisenhütten eingeführt und zwar wurde
zuerst bei dem Hochofen zu Elend das alte mangelhafte Kastengebläse
durch ein solches ersetzt, welches Fig. 10 u. 11 (a. f. S.) abgebildet ist 2).
Es bestand aus drei doppeltwirkenden Kasten, deren Wind in derselben
Weise vereinigt wurde, wie bei dem Altenauer Gebläse. Die Grad-
führung der Kolbenstange war durch drei Ketten bewirkt, von denen
die beiden äuſseren oben am Bogen des Balanciers und unten an der
Kolbenstange befestigt waren, während die mittlere oben mit der
Kolbenstange und unten mit dem Bogen des Balanciers verbunden
war. Das Spiel des Gebläses ist aus der Zeichnung ersichtlich. Die
[72]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
Kästen waren oben und unten durch Deckel verschlossen, in welchen
sich die Saugklappen befanden, während der Wind durch Röhren,
welche durch Druckklappen verschlossen waren, abgeführt wurde.
Aus Villefosses Statistik des Harzes erfahren wir, daſs im
Jahre 1806 auf den 20 braunschweigischen und hannöverischen Eisen-
hütten des Harzes 18 Hochöfen auf 16 Hütten betrieben wurden.
Kastengebläse gab es nur auf den Hütten zu Elend (das alte noch mit
zwei einfachwirkenden Kasten), zu Altenau und zu Lerbach, die auf
[73]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
den beiden letztgenannten Hütten hatten je drei Kasten. Alle übrigen
Hochöfen wurden noch mit Holzbälgen betrieben und zwar acht mit
Doppelbälgen, sechs mit dreifachen Bälgen, welche gekuppelt waren.
Von diesen letzteren waren zwei auf Rotehütte, je einer auf Elend,
Königshütte, Steinrenne und Gittelde. Eins der beiden Balgengebläse
der Rotehütte wurde dann 1807 durch ein dreifaches Kastengebläse er-
setzt. Ähnlich war das Verhältnis im übrigen Deutschland und in
Frankreich, die Holzbälge herrschten noch bei weitem vor, und man fing
erst hier und da an, sie durch Kasten- oder Cylindergebläse zu ersetzen.
Anstatt der kostspieligen eisernen Cylindergebläse versuchte man
es an vielen Plätzen mit hölzernen Cylindern, die sich nicht nur
billiger, sondern auch leichter überall herrichten lieſsen. Das Bei-
spiel von Radmär wurde oben schon angeführt, ebenso wendete man
am Ural und in Sibirien vielfach Holzcylindergebläse an.
O’Reilly konstruierte ein solches Gebläse mit zwei Cylindern
für die Hütte von Epine im Jahre 1802. Jeder Kolben machte
9 Touren in der Minute, wobei das Gebläse 800 Kbfſs. Wind lieferte 1).
Ein sehr sorgfältig konstruiertes Cylindergebläse dieser Art erbaute der
Maschinendirektor Henschel auf der Eisenhütte bei Homberg unweit
Kassel um 1816. Es bestand aus zwei Cylindern von 3½ Fuſs Weite
und 4 Fuſs Höhe. Die starken, keilförmigen, abgepaſsten Dauben
waren in guſseiserne Ringe eingetrieben und mit einer besonderen
Bohrmaschine glatt ausgebohrt. Die Kolben waren von Guſseisen,
mit einer federnden Liderung, die mit gut graphitierten Leinwand-
streifen überzogen war, gedichtet. Die eiserne Kolbenstange ging
durch eine gut geliderte Stopfbüchse. Die Geradführung der Stange
war durch eine Art Parallelogrammkrümmung bewirkt. Das ganze
Blasegerüst war aus Eisen. Die beiden Doppelbläser waren mit einem
über ihnen angebrachten, etwa 1000 Kbfſs. fassenden Windsammelkasten
verbunden. Das Gebläse lieferte bis zu 840 Kbfſs. in der Minute 2).
Alle diese Gebläse konnten trotz Verbesserungen und sorgfältigster
Ausführung nicht mit den englischen eisernen Cylindergebläsen
konkurrieren, sowohl hinsichtlich der Leistung als der Haltbarkeit.
Die Überlegenheit der Engländer im Hochofenbetrieb beruhte nicht
zum kleinsten Teile auf ihren besseren Blasemaschinen. In England
wuſste man bereits aus Erfahrung zu sehr den Wert eines guten Ge-
bläses zu schätzen, um vor den höheren Anlagekosten zurückzuscheuen,
[74]Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
wie dies auf dem Kontinent noch geschah. Auf allen Eisenhüttenwerken
bediente man sich der eisernen Cylindergebläse und baute dieselben
von gewaltigen Dimensionen. Die älteren waren alle einfachwirkend,
und sie verleugneten darin ihren Ursprung von der alten Feuer-
maschine nicht. Um einen gleichmäſsigen Gang zu erzielen, muſste
man sie mit Regulatoren verbinden. Als Betriebskraft wendete man
immer mehr die Wattsche Dampf-
maschine an und zwar Balancier-
maschinen mit aufrechtstehendem
Dampf- und Gebläsecylinder. Fig. 12
zeigt einen Theil der älteren engli-
schen Gebläsemaschine von Le Creu-
sot nach der Abbildung von Héron
de Villefosse. Wie aus der Zeich-
nung ersichtlich, war hierbei der
Gebläsecylinder unten noch offen;
oben war er eigentümlicherweise mit
zwei cylindrischen Trockenregula-
toren verbunden. Die Maschine
machte 15 Touren in der Minute,
und obgleich die Regulatoren mit
80 bis 90 Ctr. Eisen beschwert waren,
wurde der schwebende Kolben doch
oft über seinen höchsten Stand ge-
preſst, worauf dann ein Teil der
Luft durch ein Ventil entwich.
Mit dem neuen Jahrhundert begann man auch doppeltwirkende
Cylindergebläse zu bauen und zwar von den gröſsten Dimensionen.
Man hatte in England, wo man in der Gieſserei und der Bearbeitung
der Cylinder viel weiter vorgeschritten war, eine Vorliebe für groſse
Maschinen mit einem mächtigen Gebläsecylinder, während man auf dem
Kontinent auch noch nach dieser Zeit mit Vorliebe Gebläse mit mehreren,
drei bis sechs kleineren Cylindern baute. Man machte die Maschinen
in England so groſs, daſs sie nicht einen Ofen, sondern mehrere bedienen
konnten. Auf den Level Iron-works in Staffordshire erhielten im Jahre
1814 drei nebeneinander stehende Hochöfen von 42 Fuſs Schachthöhe,
deren jeder wöchentlich 70 bis 100 Tonnen und mehr Eisen produzierte,
ihren Wind durch einen einzigen Gebläsecylinder von 9 Fuſs Durch-
messer und 9 Fuſs Kolbenhub, welcher von einer 50pferdigen Dampf-
maschine bewegt wurde. Weil der Cylinder, welcher seinen Wind in
[75]Hochöfen 1801 bis 1815.
einen groſsen eisernen Wasserregulator abgab, oben und unten ge-
schlossen war und folglich doppelt arbeitete, so war die ausgepreſste
Luftmenge für die Minute zu 14 Kolbenzügen gleich 15866 Kbfſs.
Diese Luftmenge versorgte nicht nur die drei Hochöfen, sondern auch
noch drei Feineisenfeuer (refining-furnaces), jedes zu drei Düsen 1).
Die Verbesserungen der Gebläsemaschinen führt uns zu den Ver-
besserungen des Hochofenbetriebes, die mit jenen im innigsten Zu-
sammenhange standen. Die Fortschritte in der Konstruktion und dem
sorgfältigeren Aufbau der Hochöfen werden am besten durch einige
[76]Hochöfen 1801 bis 1815.
Abbildungen von Héron de Villefosse aus dem Anfange des Jahr-
hunderts illustriert. Fig. 13 und 14 (a. v. S.) stellen einen Harzer Holz-
kohlenofen zu Elend von
1806 in den Vertikalschnitten
durch das Formgewölbe und
das Arbeitsgewölbe dar. Fig. 15
zeigt den Vertikalschnitt durch
die beiden Formen, Fig. 16 den
Vertikalschnitt durch das Ar-
beitsgewölbe, Fig. 17 den Hori-
zontalschnitt durch die Formen
eines Kokshochofens der
Königshütte in Oberschlesien,
Fig. 18 zeigt die Frontansicht
und Fig. 19 den Grundriſs
dieser berühmten, nach eng-
lischem Muster 1802 vollende-
ten Hochofenanlage mit zwei
Hochöfen, dem Reden- und
dem Heinitzofen. Es war dies
damals die schönste, beste und
modernste Koksofenanlage des
Kontinentes.
Die Produktion eines Hochofens ist in erster Linie von der ent-
wickelten Wärmemenge, also von dem Verbrauch an Kohle und Luft
[77]Hochöfen 1801 bis 1815.
abhängig. Unter den gleichen Bedingungen wird ein Mehrverbrauch der
letzteren eine Erhöhung der Produktion herbeiführen. Dies setzt aber
voraus, daſs das Schmelzgefäſs die entsprechende Gröſse hat. Die
Vergröſserung der Hochöfen muſste also mit der Anwendung stär-
kerer Gebläse Hand in Hand gehen. Nach beiden Richtungen hin er-
strebte man Verbesserungen. Allerdings geschah dies öfters in einseitiger
Weise; doch hatte man in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahr-
hunderts durch zahlreiche Erfahrungen gelernt, daſs die Vergröſserung
[78]Hochöfen 1801 bis 1815.
der Öfen nur soweit vorteilhaft sei, als sie dem Windquantum, also dem
Gebläse, entsprechend war, während umgekehrt eine einseitige Ver-
stärkung des Gebläses die Wände eines zu kleinen Ofens rasch zerstörte.
Wir haben schon wiederholt Gelegenheit gehabt, darauf hinzu-
weisen, wie mannigfaltig und abweichend die Hochöfen in ihrer
inneren Form sich entwickelt hatten. Die Mannigfaltigkeit der Form,
die sich hauptsächlich aus der verschiedenen Natur der Erze herleitete,
war im Anfang des Jahrhunderts nicht geringer, sondern durch das
Hinzutreten der Kokshochöfen eher noch gröſser geworden. Aber
indem man die Formen der Öfen studierte, ihre Dimensionen und
das Verhältnis ihrer Teile miteinander vergleich, kam man von selbst
dazu, für bestimmte Bedingungen bestimmte Typen zu suchen, welche
mittlere Durchschnitte bewährter Formen bildeten, und man vermied
es bei der Aufführung neuer Öfen, in Einseitigkeiten zu verfallen.
Bezüglich der Gröſse und Höhe der Öfen läſst sich dies zwar kaum
sagen, denn hierin lieſs man sich nur von der Gröſse der erstrebten
Produktion leiten, die von vorhandenen Bedingungen abhängig war.
Infolgedessen sehen wir die Höhe der sogenannten Hochöfen zu
Anfang des Jahrhunderts zwischen 16 und 70 Fuſs (5 bis 22 m)
schwanken. Aber auch hier kam man auf gewisse Durchschnitts-
werte, Mittelgröſsen. Die Holzkohlenöfen baute man nicht so hoch
als die Kokshochöfen. Erstere schwankten zwischen 5 und 13,18 m.
5 m war die Höhe eines kleinen Floſsofens in Neuberg in Steiermark,
während 13,18 m die Höhe des groſsen sibirischen Hochofens zu
Newiansk war. Als mittlere Höhe eines Holzkohlenhochofens galt in
Deutschland und Frankreich 30 Fuſs (9,39 m), und daran hielt man
sich mehr oder weniger bei Neubauten. Die älteren Koksöfen in
England, sowie die zu Creusot und Gleiwitz hatten nur 37 und
38 Fuſs, dagegen hatten die neueren englischen Öfen Höhen von
40 bis 70 Fuſs. 42 Fuſs galt für die mittlere Höhe eines Koksofens
auch auf dem Kontinente, und unter 40 Fuſs baute man damals
nicht leicht einen neuen Ofen. Diese Maſse entsprachen am besten
den damaligen Verhältnissen.
Produktion und Kohlenverbrauch hingen aber durchaus nicht allein
von der Gröſse des Ofens und des Gebläses, sondern sehr wesentlich
auch von der Natur der Erze ab. Es nutzte nichts, dieselben Appa-
rate, welche sich an einem Platze bewährt hatten, an einem anderen
in Anwendung zu bringen, wenn die Natur des Erzes dies nicht
gestattete. Gewiſs war es belehrend, möglichst viele Hochöfen nach
ihren Maſsen und nach ihren Produktionen zu vergleichen; wenn man
[79]Hochöfen 1801 bis 1815.
aber die Natur und Zusammensetzung der Erze, der Zuschläge und
des Brennmaterials nicht berücksichtigte, hatten diese Vergleichungen
keinen groſsen Nutzen. Indessen war es natürlich, daſs sie angestellt
wurden, und gerade im Anfange dieses Jahrhunderts beschäftigten sich
die Metallurgen mit Vorliebe mit solchen vergleichenden Zusammen-
stellungen. Besonders war es von Marcher, welcher mit groſsem
Fleiſse Material hierfür sammelte und 117 Hochöfen nach ihren
Hauptmaſsen, ihrer Produktion u. s. w. beschrieb und in vergleichenden
Tabellen zusammenstellte. Diese Tabellen haben mehr einen histo-
rischen als einen praktischen Wert, immerhin waren es wichtige
Bausteine für den Ausbau der Hüttenkunde. von Marcher führt
viele Beispiele auf, daſs die Erhöhung eines Ofens auch die Erhöhung
der Produktion zur Folge hatte 1). Ebenso sollte die Erhöhung mit
einer Ersparnis an Kohlen Hand in Hand gehen. von Marcher
stellte sogar eine Tabelle auf, wonach die Erhöhung eines Hochofens
um je 2 Fuſs in den Grenzen zwischen 12 und 26 Fuſs eine Erspar-
nis von je 1/16 an Kohle zur Folge hätte 2).
Keineswegs geht aus von Marchers Tabellen hervor, daſs die
Gröſse der Produktion und der Kohlenverbrauch in unmittelbarer
Abhängigkeit von der Höhe der Öfen stehen. Vergleicht man die
groſse Zahl Floſsöfen von Steiermark und Kärnten, welche v. Marcher
zusammengestellt hat, so sieht man, daſs der Kohlenverbrauch für
100 Gewichtstle. erzeugtes Roheisen durchaus nicht immer mit der
Höhe abnimmt. Die Höhe von 34 dieser Öfen schwankt zwischen
16½ und 35 Fuſs. Der höchste derselben, der von Treybach in
Kärnten, mit zwei Blaseformen und 112 Ctr. Produktion, verbrauchte
125 Tle. Holzkohlen auf 100 Tle. Eisen, während ein Ofen von Rettel-
stein in Steiermark von 20 Fuſs (6,52 m) Höhe nur 66 Tle. Kohlen
verbrannte. Wie verschieden aber der Kohlenverbrauch bei gleicher
Ofenhöhe war, beweist folgendes: Sechs Hochöfen von 20 Fuſs Höhe,
nämlich zwei der Familie Rauscher, einer zu St. Leonhard, einer
zu St. Gertrud in Kärnten, einer von Vordernberg und einer von
Rettelstein in Steiermark, verbrauchten 117, 110, 260, 299, 117 und
66 Tle. Kohlen auf 100 Tle. Eisen. War die Verschiedenheit des
Kohlenverbrauchs schon groſs bei der Verschmelzung ähnlicher Erze
und ähnlicher Kohlen, wie dies in Kärnten und Steiermark der Fall
war, so war sie noch gröſser bei der Verschmelzung verschiedener
Erze in verschiedenen Ländern. Dies zeigen nachstehende Tabellen.
[80]Hochöfen 1801 bis 1815.
[81]Hochöfen 1801 bis 1815.
Die erste von Héron de Villefosse giebt die Schmelzresultate von
Spat- und Brauneisenstein in verschiedenen Arten von Öfen, die zweite
von Hassenfratz giebt eine Zusammenstellung bekannter Holzkohlen-
hochöfen verschiedener Länder nach von Marchers Angaben.
von Marcher hat sich die gröſste Mühe gegeben, das gegen-
seitige Abhängigkeitsverhältnis der Hauptmaſse der Hochöfen fest-
zustellen, um aus gegebenen Bedingungen die beste Form eines Hoch-
ofens berechnen zu können. Die Grundlage seiner Untersuchung
bildeten die kärntnischen Floſsöfen. Da diese sich aus ganz eigen-
artigen Verhältnissen entwickelt haben, so können sie als allgemein
gültig nicht angesehen werden. Schon aus diesem Grunde bleibt
von Marchers Arbeit nur ein interessanter Versuch. Immerhin sind
von Marchers Tabellen, von denen die erste und vierte die zweck-
mäſsigsten Dimensionen eines Hochofens mit einer Form, Tabelle II
Beck, Geschichte des Eisens. 6
[82]Hochöfen 1801 bis 1815.
und III dieselben von Hochöfen mit zwei Formen enthält, von Werth.
Viel wichtiger sind aber die groſsen Tabellen VI, VII, VIII, IX, welche
vergleichende Zusammenstellungen der Maſse, der Beschickung, des
Ausbringens, Kohlenverbrauches und der Gebläse nebst Bemerkungen
über die Natur der Erze und des Eisens einer groſsen Zahl von
Hüttenwerken enthalten. Aus diesen sind auch unsere beiden abge-
kürzten Tabellen ausgezogen. Auf einige der Resultate Marchers
werden wir später noch zurückkommen.
Es wurde bis jetzt hauptsächlich nur von der ganzen Ofenhöhe
gesprochen, während doch die übrigen Maſse des Hochofens, die Höhe
von Gestell und Rast und die Weite von Gestell, Kohlensack und
Gicht ebenso wichtig sind. Im allgemeinen nehmen diese ja bei den-
selben Erzen im Verhältnis zur Gesamthöhe zu, aber die Verhältnisse
dieser Maſse unter sich sind bei den verschiedenen Erzarten ver-
schieden, und die Kenntnis dieser Abweichungen ist für den Hütten-
mann von groſser Wichtigkeit. Karsten hat diese Maſsverhältnisse
in seiner Eisenhüttenkunde von 1816 bereits gründlich erörtert, und
teilen wir das Wichtigste daraus kurz mit, indem wir zur Vergleichung
die Ansichten von Marchers beifügen. Es ist dabei zu beachten,
daſs Karstens Erfahrungen hauptsächlich auf dem Betriebe von
Holzkohlenöfen in Preuſsen und im Harz und von Kokshochöfen zu
Gleiwitz und Königshütte in Schlesien, von Marchers Erfahrungen
besonders auf dem Flossenofenbetrieb in Österreich-Ungarn begründet
waren.
Die Höhe des Hochofens muſs, nach Karsten, bei streng-
flüssigen Erzen gröſser sein als bei leichtflüssigen; ebenso muſs sie
bei der Darstellung von grauem Eisen gröſser sein als bei weiſsem.
Öfen, die mit starkem Gebläse, d. h. mit hohem Winddruck arbeiten,
müssen höher sein als solche mit schwachem Gebläse, und dem
entsprechend müssen die Öfen bei schwerem und festem Brennmaterial
höher sein als bei leichtem und lockerem.
Die Weite des Schachtes steht bei sonst gleichen Bedingungen
meist im umgekehrten Verhältnis zu der Hitze im Schmelzraume:
man macht den Schacht enger, um die Hitze mehr zu konzentrieren.
Je schwächer das Gebläse und je strengflüssiger die Erze sind, je
enger macht man den Ofen, während leichtflüssige Erze und starkes
Gebläse eine weite Zustellung verlangen. Der Ofenschacht ist der
Vorbereitungsraum für die Schmelzung. Die Vorbereitung der Erze
wird um so vollkommener sein, je länger die Erze in demselben ver-
weilen, je gröſser also der Inhalt des Schachtes im Verhältnis zum
[83]Hochöfen 1801 bis 1815.
ganzen Ofen ist. Ist der Schacht zu eng, so gelangt das Erz zu
rasch in den unteren Ofenraum, den Schmelzraum, wobei leichtflüssige
Erze zu rasch reduziert und geschmolzen werden und weiſses Eisen
geben, während strengflüssige Erze noch teilweise ungeschmolzen vor
die Form gelangen, wodurch Rohgang und ebenfalls weiſses Eisen
entstehen. Graues Eisen erfordert also höheren und weiteren Schacht-
raum als weiſses. Auſserdem richtet sich die Weite der Schächte
nach der Festigkeit des Brennmaterials, deshalb macht man die
Schächte der Koksöfen immer weiter als die der Holzkohlenöfen
und die der letzteren um so enger, je leichter die Kohlen sind,
indem man hierbei lieber, wenn ein gröſserer Schachtraum erforder-
lich ist, an der Höhe zusetzt. Es kommt aber nicht nur die durch-
schnittliche Weite des Schachtes, sondern auch die Erweiterung
desselben von der Gicht bis zur Rast in Betracht. Man kann den
Kohlensack im Verhältnis zur Gicht um so weiter machen, je leicht-
flüssiger die Erze sind. Durch eine enge Gicht hält man die Hitze
im Ofen zusammen, bewirkt aber auch ein stärkeres Zusammen-
drücken der Erz- und Kohlengichten, und wenn der Schacht sich
nach dem Kohlensack zu rasch erweitert, eine ungleiche Ausbreitung
der Erze beim Niedersinken. Diese Nachteile sind um so gröſser, je
dichter und mulmiger die Erze und je schwerer entzündlich die
Kohlen sind. Sehr locker liegende Erze können nach Karsten bei
einer Höhe des Ofens von 40 Fuſs (12,55 m) und bei einer Weite im
Kohlensack von 11 bis 13 Fuſs (3,45 bis 4,08 m) oft höchst enge
Gichten von 18 Zoll (0,47 m) im Durchmesser ohne Nachteil des
Ganges ertragen. Bei dichtliegenden Erzen, welche die Hitze sticken
oder dem Winde den Durchgang erschweren, macht man die Gicht
3 bis 4½ Fuſs (0,94 bis 1,41 m) weit, je nachdem der Kohlensack
6 bis 12 Fuſs (1,88 bis 3,77 m) im Durchmesser hat.
Die scharfen Winkel zwischen Rast und Schacht müssen ver-
mieden werden, damit sich die Gichten nicht steifen und plötzlich
zu sehr gepreſst werden; ein cylindrisches Übergangsstück, ein wirk-
licher Kohlensack, ist deshalb oft gut, zum mindesten muſs der Winkel
gebrochen werden. Bei plötzlichen Erweiterungen und Verengungen
ist immer zu befürchten, daſs das leichte Brennmaterial von den
Erzen auf die Seite gedrückt wird und unwirksam verglimmt. Bei
strengflüssigen Erzen und leicht zerstörbaren Kohlen legt man den
Kohlensack möglichst nahe an den Schmelzraum, wodurch die flachen
Rasten entstehen, welche das Einrücken der Erze in den Schmelz-
raum verlangsamen sollen. Diesen Zweck erreicht man aber besser
6*
[84]Hochöfen 1801 bis 1815.
durch Erhöhung des Schmelzraumes selbst, weil die flachen Rasten
ein Festhängen der Masse und unregelmäſsigen Gichtengang bewirken.
Zu steile Rasten haben den Nachteil, daſs die Masse zu sehr zusammen-
gepreſst und der Wind aufgehalten wird. Nach den in Schlesien ge-
machten Erfahrungen ist eine Rast, welche das Gestell mit dem Kohlen-
sack in einem Winkel von 66 bis 70° verbindet, am besten. Bei
stärkerem Winde kann man die Rast flacher halten als bei schwächerem,
dennoch empfiehlt es sich nicht, sie bei Holzkohlen flacher als 60°
und bei Koksöfen flacher als 66° zu halten.
von Marcher verwirft die Rast überhaupt. Er teilt den Hoch-
ofen nur in zwei Teile, den Calcinationsraum (Schacht) und den
Schmelzraum. Die Wände des letzteren sollen nicht über 70° geneigt
sein. Am besten sei für den Schmelzraum eine Neigung von 75°
und für den Calcinationsraum von 82° 13′. Das beste Verhältnis
des Inhalts des ersten zum zweiten sei wie 1 zu 3. In der Praxis
gebe man dem Hochofen einen möglichst weiten Schmelzraum und
erhöhe den Calcinationsraum, so lange sich noch ein Vorteil ergiebt.
Die Höhe des Gestells richtet sich, nach Karsten, hauptsächlich
nach der Gröſse des Ofens. Gestelle von 4 bis 5 Fuſs (1,13 bis 1,57 m)
Höhe sind zu niedrig, doch giebt es ebenso auch eine obere Grenze.
Strengflüssige Erze und schwache Gebläse erfordern höhere und engere
Zustellung, auch macht man das Gestell um so höher, je leichter die
Kohlen sind. Hohe und enge Gestelle geben immer graues Eisen.
Strengflüssige Erze sollen in Gestellen von nicht unter 6 Fuſs (1,88 m)
Höhe und 18 Zoll (0,47 m) Weite vor der Form verschmolzen werden.
Bei den Koksöfen ist man schon durch die stärkere Hitze, welche
die Wände angreift, auf eine gröſsere Weite von 22 Zoll (0,58 m) und
mehr angewiesen, und diese gröſsere Weite sucht man durch die
gröſsere Höhe des Gestelles von 6½ bis 7 Fuſs (2 bis 2,20 m) wieder
unschädlich zu machen. Die Entfernung des Bodensteines von der
Form, die Formhöhe, ist bedingt durch die Höhe des Gestelles.
12 bis 14 Zoll (0,314 bis 0,336 m) haben die niedrigen Holzkohlen-
öfen, während die mit hohem Gestell 18 Zoll (0,47 m) haben. Bei
Koksöfen liegt die Form immer 4 bis 5 Zoll höher, also 22 bis
23 Zoll (0,60 m) vom Bodenstein.
von Marcher hat folgende Regeln aufgestellt: Das vorteil-
hafteste Gestell ist dasjenige, welches den gröſsten Kubikinhalt bei
ausreichender Wirkung des Windes hat (§. 220).
Ein längliches Viereck im Verhältnis von 5 zu 7 ist die beste
Querschnittsform eines Gestelles (§. 221).
Die Luftströme verhalten sich wie die Kubikzahlen der Durch-
messer ihrer Kugeln, von denen die Luftströme Ausschnitte sind.
Eine Luftmenge von 672 Kbfſs. in der Minute entspricht dem Radius
eines Luftstromes von 24 Zoll (§. 222).
Die Form soll nach Karsten möglichst in der Mitte liegen.
Eine Form genügt bei ganz enger Zustellung von etwa 12 Zoll
(0,314 m), weil dann der Wind sich bis zu den entfernten Punkten
des Gestelles ausbreiten kann, da aber bei stärkerem Gebläse eine
so enge Zustellung wegen der Haltbarkeit der Gestellwände nicht
möglich ist, so wendet man bei weiterem Gestell zwei einander gegen-
überliegende Formen an. von Marcher stellt die Regel auf: Besser
zwei Formen gegenüber als die gleiche Windmenge durch eine Form.
Bei den Holzkohlenhochöfen war es noch Gebrauch, den Formen,
welche halbkreisförmigen Querschnitt hatten, eine kleine Neigung in
dem Ofen zu geben, doch sollte dieselbe nach von Marcher 1 bis
2° nicht übersteigen.
Karsten erklärt sich entschieden gegen jede Abweichung von
der regelmäſsigen Gestalt des Ofengestelles, er verwirft die soge-
nannte lange Ecke, die ungleiche Neigung der Rastwände, das Ver-
rücken des Gestelles aus der Mittellinie.
Karstens Entwicklung der Ofenformen im Höhenschnitt von
dem einfachen rechtwinkeligen Viereck ist geometrisch wohl einleuch-
tend, aber nicht historisch. Wir haben Gelegenheit gehabt zu zeigen,
daſs die ältesten bekannten Öfen (Siegerland, Eifel) nicht immer die
einfachsten Querschnittsformen zeigen. Ebenso ist die Annahme, daſs
die Blauöfen ohne Gestell überall den Hochöfen mit Gestell voraus-
gegangen seien, eine unerwiesene Behauptung.
Der Lebensatem des Hochofens ist der Wind. Von der Stärke
des Gebläses sind der Betrieb und die Dimensionen des Ofens ab-
hängig, und das war früher um so mehr der Fall, als man meist von
einem gegebenen Wassergefälle abhängig war. Da dieses oft nur den
Betrieb eines kleinen Gebläses zulieſs, so kam es, daſs man die
kleinen Hochöfen beibehielt, obgleich man die Vorzüge der gröſseren
Öfen wohl kannte. von Marcher stellt den Satz auf: Bei ange-
messenem Winde verhält sich das Ausbringen wie die Querschnitte
der Formen, der Kohlenverbrauch aber wie die Menge des Windes.
Weiterhin lehrt er: Von allen Hochöfen ist unter gleichen Verhält-
nissen der, welcher zur Bezwingung der Erze das kleinste Gebläse
bedarf, der beste (§. 226).
Zu einem guten Schmelzbetriebe gehörte auſser den richtigen
[86]Hochöfen 1801 bis 1815.
Maſsverhältnissen des Hochofens auch, daſs die Dichtigkeit des Win-
des oder die Pressung zu der Beschaffenheit der Kohle in richtigem
Verhältnis stand. Diese war sehr ungleich für leichte Holzkohle und
festen Koks. Karsten giebt die nachfolgenden Windpressungen,
gemessen durch die Höhen der Wassersäule, welchen sie das Gleich-
gewicht halten, an. Diese sollen, um die Kohlen mit gröſster Wirkung
zu verbrennen, betragen 1):
Die Menge des Windes und die Gröſse des Hochofens müssen in
einem gewissen Verhältnis stehen; doch lassen sich bestimmte Zahlen
dafür nicht angeben. Karsten sagt, ein Gebläse, welches in jeder
Minute 1200 Kbfſs. (37,1 cbm) Luft hergiebt, scheint einen 40 Fuſs
(12,55 m) hohen, mit Holzkohlen betriebenen Ofen bis zur Gicht hin-
länglich erhitzen zu können, wenn der Wind mit der, der Beschaffen-
heit der Kohlen angemessenen Windgeschwindigkeit ausströmt. Ein
Gebläse, welches nur 200 bis 300 Kbfſs. (6,18 bis 9,23 cbm) Luft
liefert, würde einem 20 Fuſs (6,28 m) hohen Ofen, dessen gröſste Weite
5 Fuſs (1,57 m) beträgt, kaum gehörige Hitze mitteilen.
Obgleich zu Anfang des 19. Jahrhunderts die meisten Hochöfen,
selbst in England, nach alter Weise nur eine Form hatten, so war
doch praktisch und theoretisch die Zweckmäſsigkeit, ja die Notwendig-
keit von zwei auf den beiden Seiten, rechts und links der Vorder-
seite, sich gegenüberliegender Formen anerkannt. Die Bedenken, daſs
die beiden entgegengesetzten Windströme sich stören könnten, war
durch die Erfahrung widerlegt.
Indessen ging man auf dem Kontinente doch nicht ohne Ängst-
lichkeit an diese Neuerung. Als man im Jahre 1807 den Hochofen
zu Elend mit zwei Formen zustellte, legte man dieselben 10 Zoll, vom
Mittel jeder Form an gerechnet, aneinander vorbei. Das Ausbringen,
das vordem 300 bis 320 Ctr. wöchentlich betragen hatte, stieg auf
[87]Hochöfen 1801 bis 1815.
390 bis 401 Ctr. Man hatte bei diesem Abstande der Formen von
10 Zoll bessere Resultate erhalten als bei dem Abstande von 3 bis
5 Zoll. Kokshochöfen baute man bereits stets mit zwei Formen.
Drei Formen waren ebenfalls in England schon in Anwendung ge-
bracht worden. Karsten sagt (1816): Hochofenzustellungen mit drei
Formen im Formstein, Windstein und Rückstein sind in neuester Zeit
in England angewendet worden; bei langen und groſsen Gestellen und
bei hinlänglicher Windmasse muſs diese Zustellung unbezweifelt den
gröſsten Nutzen gewähren.
Der frühere Versuch auf dem Eisenwerke Leven, mit zwei Formen
auf einer Seite und einer auf der entgegengesetzten zu blasen, hatte
keine Nachahmung gefunden. Zu Lerbach, Altenau und Steinrenne im
Harz legte man allerdings um diese Zeit die zwei Formen neben-
einander und zwar so, daſs die Mittellinie jeder Form 6 Zoll von dem
Mittelpunkte des Gestelles und 8 bis 9 Zoll vom Rücken- und Wall-
steine ablagen. Hierdurch brachte man die Produktion zu Altenau von
250 auf 310 Ctr. und zu Lerbach von 160 auf 200 Ctr. in der Woche.
Dagegen hatte O’Reilly schon im Jahre 1802 die Anlage von drei
Formen bei dem Umbau eines Hochofens zu Prenilly im Departement
de l’Indre empfohlen 1); über die Ausführung liegen bestimmte Nach-
richten nicht vor.
1805 wurde der 35 Fuſs hohe Hochofen von Treybach mit drei
Formen zugestellt. Die Produktion stieg dadurch von 128 Ctr. auf
160 Ctr. Sie sank sofort wieder auf die frühere Höhe, als man sich
gezwungen sah, die dritte Form während des Ganges wieder heraus-
zureiſsen.
Einen eigentümlichen Ofen (Fig. 20) erbaute James Birch zu
Abernaut in der Gegend von Merthyr-Tydwill, den er sich am 6. April
[88]Hochöfen 1801 bis 1815.
1802 auch patentieren lieſs. Dieser Ofen hatte zwei Formen auf einer
Seite und zwei Abstichseiten. Es war gewissermaſsen ein Doppel-
ofen, mit der Rückseite verbunden 1). Jede Seite hatte ihren Tümpel
und Wallstein und dem entsprechend ihren Abstich und ihre Gieſs-
halle 2). Der Ofen sollte angeblich Brennmaterial ersparen und besseres
Eisen liefern als die Öfen der Umgegend. Da aber diese eigentümliche
Gattung mit diesem einzigen Exemplar ausstarb, so müssen die Vor-
züge jedenfalls nicht so weit her gewesen sein. Die zwei Vorherde
muſsten jedenfalls das Gestell sehr abkühlen.
Ein praktischer Fortschritt von groſser Wichtigkeit waren die
Wasserformen. Nach O’Reilly waren solche doppelte oder hohle
Düsen, durch welche ein starker Wasserfaden lief, um die Düsen vor
der Glut zu schützen, im Anfange des Jahrhunderts zu Bradley im
Gebrauch. Man blies bei den Kokshochöfen mit sehr starker Pressung.
Nach O’Reilly betrug dieselbe 1801 bei dem Hochofen von Devon
in Schottland 7 Zoll (21 mm) Quecksilber. Karsten giebt kupfernen
Formen den Vorzug vor Thon- und Eisenformen.
Karsten hält sich gegenüber der Frage, ob die runde oder die
viereckige Zustellung besser sei, völlig neutral. Er erklärt (§. 558)
die Gestalt der Querschnitte der Hochofenschächte für gleichgültig,
weil ein runder und ein viereckiger Schacht bei gleichem Flächeninhalt
in jeder Höhe des Querschnittes „unbezweifelt ganz gleiche Dienste
thun würden“. Wie bekannt, hat die Praxis Karstens Ansicht nicht
recht gegeben, wir erwähnen sie aber als charakteristisch für
jene Zeit.
Karsten empfiehlt das Abdecken der Gicht um die Gichtöffnung
mit eisernen Platten.
Bei dem Anwärmen und Anblasen der Kokshochöfen verfuhr
man mit noch gröſserer Vorsicht als bei den Holzkohlenöfen. Das
vor dem Gestell angefachte Steinkohlenfeuer näherte man nur sehr
langsam dem Vorherd und brachte oft erst nach acht Tagen Feuer
ins Gestell. Beim Abwärmen muſste man sehr oft, gewöhnlich alle
sechs Stunden, Rost schlagen, um den Herd zu reinigen. Dies geschah
in der Weise, daſs man ein Paar Brechstangen dicht unter dem Tümpel
bis zum Rückstein vortrieb, sie auf einer vor dem Tümpel auf den
beiden Vorderbacken lagernden Querstange ruhen lieſs und durch
angehängte Gewichte in dieser Lage erhielt, dann eine eiserne Platte
[89]Hochöfen 1801 bis 1815.
über die Brechstangen vortrieb, welche das Untergestell vom Ober-
gestell trennte und dadurch gestattete, daſs man das ganze Untergestell
reinigte, ohne daſs die über der Platte liegenden Koks nachfielen. So
oft das Reinigen des Gestelles geschehen sollte, wurde diese Vor-
richtung angebracht und dann wieder weggenommen, worauf sich
das Untergestell mit glühenden Koks anfüllte. Auch während des
Betriebes war die Arbeit bei den Kokshochöfen wegen der schwer
verbrennlichen Lösche und der steifen Schlacke viel beschwerlicher
als bei den Holzkohlenöfen. Das Reinigen des Gestelles, in Schlesien
das Ausarbeiten genannt, muſste viel öfter, in der Regel alle sechs
Stunden, und viel gründlicher vorgenommen werden.
Das Aufgeben geschah bei den Koksöfen damals bereits in der
Weise, daſs man Brennmaterial und Beschickung in eisernen Karren
mit beweglicher Bodenklappe auf eisernen Schienen über die Gicht
fuhr und entleerte. Karsten empfiehlt sehr, auch das Brennmaterial
zu wiegen, statt zu messen, was bis dahin noch nirgend geschah.
Gichtaufzüge mit Maschineneinrichtung waren bereits auf einzelnen
Hütten in Anwendung.
Auf mehreren russischen Hochöfen, besonders auf den uralischen
Eisenhütten, bediente man sich der Gichtflamme zum Rösten der
Eisensteine, indem die Kappe über der Gicht mit einem oder mit
mehreren horizontalen, oder etwas schräg liegenden Zügen in Ver-
bindung gesetzt wurde, welche an dem anderen Ende mit einer
senkrechten Esse versehen waren, so daſs die Flamme durch den
Zug nach der Esse streichen muſste und ungeachtet ihres langen
Weges oft noch aus der Esse herausflammte 1). Berthier hatte
ähnliche Vorschläge zur Benutzung der Flamme aus den Hochöfen
und Frischfeuern gemacht 2) (vergl. S. 61).
Man gab den Kohlengichten eine gewisse gleichbleibende Gröſse
und setzte bei dem Erzsatz nach Bedürfnis ab und zu. Die Gröſse
der Kohlengichten richtete sich nach der Weite des Ofens. Dieselbe
muſste so groſs sein, daſs sie im Kohlensack noch eine zusammen-
hängende Schicht bildete, welche im stande war, die Beschickung zu
tragen.
In Schlesien wendete man bei 30 bis 40 Fuſs hohen, 5 bis 8 Fuſs
im Kohlensack weiten Hochöfen Kohlengichten von 28 bis 30 rhein.
Kbfſs. an. In Schweden und Norwegen wurden gewöhnlich 50 Kbfſs.
[90]Hochöfen 1801 bis 1815.
(1,55 m3) bei 30 füſsigen (9,42 m) Öfen genommen und in Ruſsland
waren Kohlengichten von 80 Kbfſs. (2,09 m3) bei einer Höhe von 40 Fuſs
(12,55 m) und einer Weite im Kohlensack von 8 Fuſs (2,51 m) nicht
ungewöhnlich. Auf der gräflich Rothenhanschen Hütte zu Delzsch
in Böhmen wendete man mit Erfolg ein Gemenge von Holzkohlen
und kurzgeschnittenem Tannen- und Fichten-Scheitholz an, im Ver-
hältnis von 1 zu 3 1). Viele Metallurgen hatten in der Verkleinerung
der Gichten eine groſse Kohlenersparung finden wollen, eine solche
ist aber nach Karsten nur bei kleinen Öfen vorteilhaft. Koksgichten
konnte man wegen der gröſseren Dichtigkeit des Brennmaterials kleiner
machen. In Schlesien wendete man bei 40 Fuſs hohen und 11 bis
12 Fuſs im Kohlensack weiten Schächten Koksgichten von nur 12 Kbfſs.
an, so daſs die Koks kaum 2 Zoll hoch im Kohlensack lagen. Doch
bewirkten diese kleinen Gichten auch oft Störungen, weshalb man
gröſsere Gichten von 24 bis 36 Kbfs. vorzog. Ein Unterschied im
Koksverbrauch war dabei nicht wahrzunehmen. Über den Koks-
verbrauch in England hat Mushet Angaben gemacht. Er teilt die
englischen Steinkohlen in drei Sorten ein:
Auf 1000 Tle. Roheisen werden verbraucht von 1. 2056 Tle., von
2. 2442 Tle. und von 3. 2953 Tle. Der mittlere Koksverbrauch in
England betrug demnach etwa 250 Proz., entsprechend 533 Tln. Stein-
kohlen und einem Gehalt von Kohlenstoff von 231 Tln.
Zu Creusot verbrauchte man auf 100 Tle. Roheisen 300 Tle. Koks,
entsprechend 600 Tln. Steinkohlen; zu Gleiwitz 243 Tle. Koks, ent-
sprechend 500 Tln. Steinkohlen.
Die nebenstehende Tabelle giebt eine Zusammenstellung der
Gröſse und Erzeugung bekannter Kokshochöfen im Anfang des 19. Jahr-
hunderts.
Bei Kokshochöfen für Gieſsereien konnte man wegen des starken
Druckes auf den Vorherd das Eisen nicht mit Kellen ausschöpfen,
wie bei den kleinen Holzkohlenöfen; man muſste es abstechen. Auch
durfte man das Eisen nicht höher halten, als bis der Herd etwa ¾
voll war.
Für die richtige Kontrolle des Hochofenbetriebes muſste eine
Schmelztabelle aus den Hüttentafeln zusammengestellt und regelmäſsig
[91]Hochöfen 1801 bis 1815.
Kokshochöfen.
geführt werden, welche nach Karsten folgende Kolumnen enthalten
sollte:
Die Eisengieſserei machte groſse Fortschritte in dieser napo-
leonischen Zeit. Der Bedarf an Guſsartikeln steigerte sich von Jahr
zu Jahr und er wuchs auſserordentlich durch die groſsen Bedürfnisse
des Krieges. England war auch hierin Führer und Vorbild. Dort war
der Bedarf durch die Entwickelung des Maschinenwesens, die Be-
nutzung des Eisens für Bauzwecke, für Brückenbau, Eisenbahnen u. s. w.
weit mehr gestiegen, wie auf dem Kontinent, und die gesteigerten An-
forderungen, die namentlich der Maschinenbau stellte, führten zu neuen
Verbesserungen. Karsten schreibt 1816, den Engländern verdanke
man alle bedeutenden Fortschritte, welche in den letzten 50 Jahren
gemacht worden seien. In Deutschland erkannte man dies rückhalts-
los an, und Preuſsen hatte in Gleiwitz auf Graf Redens Veranlassung
eine Eisengieſserei ganz nach englischem Muster mit Koksbetrieb
gegründet. Ebenso wurden zu Malapane und Creuzburg die neuen
[93]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Verbesserungen eingeführt. Die wichtigste derselben war die Ein-
führung der kleineren Schacht- oder Kupolöfen, die in England so
bescheiden an das Licht getreten waren,
sich aber in kurzer Zeit überall hin verbrei-
teten. Sie vereinigten in sich die gröſsten
Vorzüge, sie waren billig in der Anlage, billig
im Betrieb und machten die Gieſserei von
dem Hochofen unabhängig. Vor den Flamm-
öfen hatten sie nicht nur die beiden erst-
genannten Vorzüge voraus, sondern auch
den, daſs man kleine Mengen und zu jeder
Tageszeit schmelzen konnte. Ein Flamm-
ofen war immer ein unbehülfliches Werk-
zeug. Er verlangte groſsen Einsatz auf ein-
mal und war für kleine Guſsstücke wenig
geeignet. So wurde es durch die Kupolöfen
erst praktisch durchführbar, groſse Gieſse-
reien selbständig und unabhängig von den
Hochofenhütten an den Plätzen des Absatzes,
in groſsen Städten, anzulegen. Das erste groſse Unternehmen dieser
Art in Deutschland wurde ebenfalls durch den verdienstvollen Grafen
von Reden ins Leben gerufen. Es war die königliche Gieſserei
in Berlin, welche 1804 gegründet wurde. Eine alte Mühle an der
Panke, welche schon 1702 zur Zeit Friedrichs I. als Schleif- und
Poliermühle eingerichtet, dann aber in eine Tabaksmühle mit Streck-
[94]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
werk für Tabaksblei umgewandelt worden war, wurde 1803 vom
Staate angekauft und schon 1804 eine Eisengieſserei darin eröffnet.
Im Jahre 1806 hatte dieselbe schon 2 Kupolöfen, 2 Flammöfen und
4 Tiegelöfen. Erstere wurden durch ein englisches eisernes Doppel-
Cylindergebläse, Fig. 21
(S. 92) und Fig. 22 (a. v. S.)
betrieben, welches durch
das Wasser des Panke-
flusses bewegt wurde. Man
verschmolz schlesisches
Roheisen und machte alle
möglichen Arten von Guſs-
waren. 1806 bestand das
Personal aus zwei Offi-
zianten und 24 Arbeitern.
Fig. 23 (a. v. S.) giebt ein
Bild von der alten könig-
lichen Gieſserei, welche
wegen ihrer malerischen
Lage vor der Stadt mit
Vorliebe von Malern als
Gegenstand ihrer Studien
gewählt wurde.
Gleiwitz in Schlesien
war die hohe Schule ge-
wesen, aus der die Berliner Gieſserei hervorgegangen war. Über jenes,
für die Geschichte der deutschen Eisenindustrie so wichtige Werk
haben wir eine ausführliche Schilderung aus dem Jahre 1802 von
dem französischen Metallurgen D’Aubuisson1). Die Hütte umfaſste
damals 1 Kokshochofen von 12,2 m Höhe, 2 Kupolöfen und 6 Flamm-
öfen nebst einer Bohrwerkstätte mit 4 englischen Bohrbänken und
lieferte 12000 bis 15000 Ctr. Guſswaren im Jahr, welche an Güte
die aller anderen deutschen Werke übertrafen.
Die Kupolöfen (Figg. 24 bis 27) waren 5 Fuſs (1,53 m) hoch und
von einem guſseisernen Mantel von 3½ Fuſs (1,10 m) Durchmesser
umgeben, welcher mit feuerfesten Ziegeln ausgekleidet war. Der
innere Ofenraum bildete einen fast senkrechten Cylinder von 15 Zoll
(0,38 m) Durchmesser bis zur Form, von da verengerte sich der Schacht
[95]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
bis zur Gicht auf 12 Zoll (0,32 m) Durchmesser. Ein Ofen brauchte
400 Kbfſs. (12,37 cbm) Wind in der Minute. Nachdem der Ofen gefüllt
und durchgewärmt war, gab man Gichten von ½ Ctr. Koks auf 1 Ctr.
Guſseisen. Dieses bestand aus Trichter- und Brucheisen von dem
eigenen Werk und aus dünn gegossenen Platten vom Hochofen. Das
geschmolzene Metall war sehr dünnflüssig und lieſs sich zu den feinsten
Sachen ausgieſsen, z. B. zu sehr schönen Medaillen. Die Arbeit am
Ofen begann um 9 Uhr, um 10 Uhr wurde er gefüllt und gewärmt,
um 12 Uhr begann man mit Blasen, welches um 6 Uhr beendet war.
In sechs bis sieben Stunden goſs man 30 Ctr.
Die Flammöfen (Figg. 28 u. 29) dienten für groſse Stücke. Vier
davon standen in einem Raume und zwar so, daſs sie alle in eine
Dammgrube abgestochen werden konnten. Jeder konnte 50 Ctr. Guſs-
eisen fassen. Sie waren 14 Fuſs (4,39 m) lang, 4 Fuſs (1,26 m) breit
und 2 Fuſs (0,63 m) hoch. In drei Stunden schmolzen sie an 40 Ctr.
Das Werk hatte seine eigenen Modelltischler, welche die Holz-
modelle anfertigten. Man konnte die feinsten Sachen gieſsen. Haupt-
[96]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
sächlich machte man Öfen, Kessel, Gartenthore, Geländer und Ketten,
welche man zum Schmuck an den Häusern anbrachte u. s. w. Auch
war man damals gerade beschäftigt, mehrere Dampfmaschinen für
Hüttenwerke der Umgegend zu gieſsen. Ebenso sollen schwere
Festungsgeschütze angefertigt worden sein. Neben dem feinsten
Zierguſs goſs man schwere Kessel und Blasen für Destillateure u. s. w.
Namentlich zeichnete sich aber die königl. Gieſserei in Berlin durch
ihren Guſs von Statuen und Monumenten aus. Berühmt war das in
Eisen gegossene Monument der Königin Luise zu Gransen (1811)
und das Denkmal des Feldmarschalls von Curbière zu Graudenz.
Allbekannt ist das Denkmal Theodor Körners zu Wöbbelin.
Aber nicht der Kunstguſs, sondern der Guſs von Geschützen und
Munition wurde die Hauptsache, als das Jahr des Befreiungskrieges,
1813, für Preuſsen heranbrach. Hätte der Staat damals nicht die
groſsen vortrefflichen Gieſsereien in Oberschlesien und in Berlin
besessen, er wäre schwerlich imstande gewesen, seine kriegerische Aus-
rüstung so schnell zu vollenden. So aber hat Oberschlesien haupt-
sächlich das Eisen geliefert, welches Deutschland von der französischen
Herrschaft befreit hat.
Noch ein anderes Denkmal des Befreiungskrieges wurde damals
in der königl. Gieſserei zu Berlin gegossen, nämlich die eisernen
Kreuze, welche die Brust der tapferen Vaterlandskämpfer schmückten.
Auſser den genannten preuſsischen Gieſsereien zeichnete sich
besonders Lauchhammer bei Mückenberg in Sachsen, Horzowitz
in Böhmen, die Königshütte und Mägdesprung im Harz, Wasser-
alfingen in Württemberg, die nassauischen Hütten und die Fried-
richshütte bei Laubach durch ihre schönen Guſswaren aus.
Betrachten wir den technischen Zustand und die Fortschritte des
Gieſsereiwesens jener Zeit im allgemeinen, so ist zu konstatieren, daſs,
wo man Holzkohlenbetrieb hatte, die meisten Guſswaren noch aus
dem Hochofen gegossen wurden. Der Hochofenguſs hatte den Vorzug
der Billigkeit; doch waren durchaus nicht alle Eisensorten dazu
geeignet. Für feinere Guſswaren nahm man nur das graue gare
Roheisen. Waren demnach viele Eisenhütten überhaupt nicht in der
Lage, feinere Guſswaren zu erzeugen, wie z. B. alle diejenigen, welche
Spateisensteine verschmolzen, so war man auch da, wo die Erze für
Gieſsereieisen geeignet waren, immer von dem Ofengang abhängig.
Dieser war aber bei den kleinen Öfen und den schlechten Gebläsen
häufigen Störungen unterworfen, infolgedessen Eisen erzeugt wurde,
welches sich für gute Guſswaren nicht eignete. Dann muſsten die
[97]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Formen stehen bleiben und die Former und Kunden warten. Das
Ausschöpfen des Eisens mit Kellen aus dem Vorherd, welches für
kleine Guſsstücke sehr bequem war, lieſs sich überhaupt nur bei
kleinen Holzkohlenöfen mit schwachen Gebläsen ermöglichen. Bei
gröſseren Öfen und starkem Gebläse war das Schöpfen nicht mehr
gut ausführbar, bei Koksöfen gar nicht.
Verschiedene Guſswaren erfordern auch verschiedenes Eisen. Der
Hochofen, der auf bestimmte Erze angewiesen, lieferte auch bei gutem
Gang meist nur eine bestimmte Eisensorte, die für eine gewisse Klasse
von Guſswaren geeignet war, für andere nicht. Anders verhielt es
sich, wenn man das Eisen zum Vergieſsen umschmolz. Hierbei konnte
man sich das Roheisen nach Bedürfnis aussuchen. Das war aber für
einen fabrikmäſsigen Betrieb so wichtig, daſs Karsten bereits 1816
bestimmt sagte, einer gut eingerichteten Gieſserei muſs in jedem
Augenblicke jede Art von Roheisen, die zu der verlangten Guſsware
erforderlich ist, zu Gebote stehen und dies kann nur durch das Um-
schmelzen des Roheisens geschehen, weil der Gang des Hochofens
niemals gestört, sondern immer der Beschaffenheit des Erzes und des
Brennmaterials gemäſs fortgesetzt werden muſs. Es hatte sich also
bereits ein völliger Umschwung in der Auffassung des Gieſsereibetriebes
vollzogen, wenn auch die Praxis erst langsam diesem Ziele nachfolgte.
Das Streben nach Verbesserung der Hochöfen ging nach Erhöhung
derselben, dies stand aber im Widerspruch mit den Anforderungen
der Hochofengieſserei. Namentlich war das Eisen der Kokshochöfen,
welche man damals immer in völligem Gargang erhielt, zu gar oder
„schaumig“, d. h. durch starke Graphitausscheidung zu porös und zum
Guſs dünner Gegenstände, wie leichte Platten, Geschirr und Luxus-
artikel, ungeeignet, während es umgeschmolzen einen dichten, grauen
Guſs lieferte.
Das Umschmelzen des Roheisens zum Vergieſsen empfahl
sich also 1., weil man dadurch jederzeit flüssiges Roheisen haben
konnte, 2. weil man die Roheisensorten den Guſswaren entsprechend
mischen konnte, 3. um groſse und schwere Guſsstücke, welche mehr
Eisen erfordern als der Hochofen zu fassen imstande war, gieſsen
zu können und 4. um Gieſsereien an jedem beliebigen Orte betreiben
zu können. Am besten war es, einen Hochofen und eine Anlage zum
Umschmelzen des Roheisens zu verbinden, wie dies in Gleiwitz geschehen
war, indem die Frachtkosten den Guſs schwerer Stücke in entfernten
Gieſsereien doch zu sehr verteuerten.
Zum Umschmelzen hatte man drei Arten von Öfen: Tiegelöfen,
Beck, Geschichte des Eisens. 7
[98]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Schachtöfen und Flammöfen. Die Tiegelschmelzöfen waren ein-
fache Windöfen, welche mit einer Esse verbunden waren und meistens
einen, seltener mehrere Tiegel faſsten. Die Tiegel waren in der
Berliner und anderen deutschen Gieſsereien entweder sogenannte
hessische aus Groſsalmeroder Thon, oder Graphittiegel, sogenannte
Ipser Tiegel, und faſsten 20 bis 30 Pfd. Eisen. Das beste Brenn-
material zur Schmelzung war Koks, doch brauchte man 10 bis 15 Kbfſs.
(317 bis 476 Pfd.) für 100 Pfd. Roheisen. Schmolz man mit Holz-
kohlen, so betrug der Verbrauch sogar 80 bis 100 Kbfſs., oder sechs-
bis siebenmal soviel als beim Ausschmelzen von 100 Pfd. Roheisen
aus den Erzen.
Wegen diesem groſsen Kohlenverbrauch wendete man den
Tiegelguſs nur für ganz feine Waren, wie kleine Maschinenteile
und Quincailleriewaren (gegossene Knöpfe, Schnallen, Verzierungen,
Medaillons u. s. w.) an.
Das Umschmelzen in Schachtöfen, den sogenannten Kupolöfen,
hatten die Engländer vervollkommnet. Obgleich man Öfen bis zu
5 m erbaut hatte, so waren die gebräuch-
lichen Kupolöfen doch meistens kleiner und
niedriger, wie heutzutage. Fig. 30 zeigt
einen Kupolofen von Gleiwitz. Der Ofen
stand auf einem gemauerten Fundament,
auf welchem eine eiserne Bodenplatte mit
aufsteigenden Rändern lag, welche die
Seitenplatten oder den Cylinder festhielt.
Diese wurden ebenso oben durch eine
eiserne Deck- oder Kranzplatte zusammen-
gehalten, s. Fig. 24 bis 27, S. 94. Die Glei-
witzer Öfen waren cylindrisch, an anderen
Orten, z. B. zu Paris und Berlin, waren sie
sechs- oder achteckig. Der Boden des
Ofens wurde aus Thon und Quarzsand gestampft, mit Gefälle nach
dem Abstich, der am tiefsten Punkte angebracht war. Man blies mit
einer Form von Guſseisen, welche 0,39 bis 0,52 m, je nach der Stärke
des Gebläses, über dem Boden lag. Die Brustöffnung des Gleiwitzer
Kupolofens war 0,31 m breit und 0,39 m hoch und während des
Schmelzens zugemauert. Höhe und Weite der Schächte richteten sich
nach der Stärke des Gebläses und der Beschaffenheit des Brennmaterials.
Ihre Gestalt war cylindrisch oder schwach zulaufend nach der Gicht.
Holzkohlenöfen muſsten höher sein als Koksöfen, wegen der gröſseren
[99]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Leichtigkeit des Brennmaterials. Die Gleiwitzer, mit Koks betriebenen
Kupolöfen waren 1,57 m und 1,88 m hoch. Bei den höheren Öfen
konnte man das Eisen in gröberen Stücken aufgeben. Der Hauptgrund
für die geringe Höhe war der, daſs
man den Ofen von der Hüttensohle aus
beschickte, indem höchstens ein Trep-
pentritt zu dem Ofen führte. Das
war aber bei Öfen, die höher als
2,04 m waren, nicht mehr thunlich.
Für Holzkohlen muſsten die Kupol-
öfen mindestens 2,04 bis 2,20 m hoch
sein, sonst gaben sie kein gut ge-
schmolzenes Roheisen. Gewöhnlich
machte man sie noch höher. Fig. 31
zeigt einen 4,08 m hohen Kupolofen
für Holzkohlen von der Gieſserei in
St. Petersburg nach Karsten. Die
Weite des Schachtes vor der Form
pflegte 0,52 bis 0,57 m zu betragen.
Karsten schlägt dagegen vor, den
Ofen in der Formhöhe möglichst zu-
sammenzuziehen, ihn zwischen Form
und Gicht bauchförmig zu erweitern,
so daſs er an der Gicht wieder nur
0,314 m Durchmesser hätte. Je leich-
ter das Brennmaterial, je geringer
muſs die Höhe bis zur Form sein, da-
durch konnte der Ofen aber nur wenig Eisen fassen. Um recht viel
Eisen unter der Form fassen zu können, ohne durch zu hohe Lage
der Form eine zu starke Abkühlung befürchten zu müssen, hatte
man bei einigen mit Holzkohlen betriebenen Kupolöfen die Ein-
richtung getroffen, zwei Formen in einer vertikalen Entfernung von
0,262 bis 0,314 m übereinander zu legen, wodurch man eine Form-
höhe von 0,68 bis 0,73 m bei Holzkohlen erhielt und eine groſse Menge
(bis zu 1 Tonne) von flüssigem Eisen zum Abguſs schwerer Sachen im
Herde halten konnte. Die obere Form wurde erst geöffnet, wenn das
flüssige Roheisen die Höhe der unteren Form erreicht hatte. Letztere
wurde dann mit Thon verschlossen. Fig. 32 (a. f. S.) zeigt die Kon-
struktion eines solchen, mit übereinanderliegenden Formen versehenen
Kupolofens, wie er auf der Bairdschen Eisengieſserei in Petersburg
7*
[100]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
angewendet wurde. In England hatte man damals (1815) fünf und
mehr Formen auf diese Art übereinandergelegt und goſs aus den
Kupolöfen die gröſsten und schwersten Guſsstücke ab. Auch hatte
man bereits Öfen mit zwei einander
gegenüberliegenden Formen. Für Öfen
von der oben angegebenen Gröſse be-
durfte man 12,37 bis 15,46 m3 Wind in
der Minute.
Auf einem Eisenhüttenwerke zu
Wondollek in Preuſsen, welches
schlechte Wiesenerze verschmolz und
Potterie und Munitionsguſs erzeugte,
benutzte man im Jahre 1806 den
Hochofen zum Umschmelzen des Roh-
eisens. Es hatten sich dort solche
Vorräte an Brucheisen angesammelt,
daſs man sich hierzu veranlaſst sah.
Der 10,36 m hohe Hochofenschacht
wurde bis auf 1,26 m im Kohlensack
und 0,55 m in der Gicht verengt, es
wurde ein 1,10 m hohes cylindrisches
Gestell von 0,32 bis 0,37 m eingesetzt
und eine flache Rast von 45 Grad
angewendet. Bei dieser Zustellung
wurden in 21 Wochen 4733 Ctr. Roh-
eisen mit 533,22 m3 Holzkohlen umgeschmolzen. Der Kohlenaufwand
für 100 Pfd. betrug 0,108 m3, der Eisenabgang 8 Proz.
Bei den Kupolöfen muſste man bei Holzkohlen mit der Füllung
0,248 m3 auf 100 kg umzuschmelzendes Roheisen rechnen. Dies ent-
spricht 36 bis 40 kg Fichtenkohlen. — Bei Koks verbrauchte man auf
100 kg 0,099 m3 oder 50 kg. Nach angestellten Versuchen betrug
der Unterschied im Verbrauch von Haufen- und Ofenkoks 1/7 zu
Gunsten letzterer.
Bei den beschriebenen kleinen Kupolöfen besorgte ein Schmelzer
das Aufgeben der Gichten, das Reinigen der Form und das Abstechen.
Kohlen und Koks wurden dem Maſs nach, Eisen dem Gewicht nach
aufgegeben.
Wir haben schon oben gesehen, wie langsam damals das Ein-
schmelzen vor sich ging. Ein Kupolofen schmolz in sechs bis sieben
Stunden nur 30 Ctr. In groſsen Gieſsereien muſste deshalb den ganzen
[101]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Tag geschmolzen werden. Da aber ein Kupolofen, der acht bis neun
Stunden geschmolzen hatte, sich zu sehr mit zäher Schlacke ver-
schmierte, so hatte man immer zwei Öfen im Betrieb, von denen der
eine den Vormittag, der andere den Nachmittag ging. Ein Schacht-
futter hielt 20 bis 25 Schmelzungen aus, konnte also drei bis vier
Wochen gebraucht werden.
Auch bei den Gieſsereiflammöfen verstärkte man das Mauer-
werk durch eine Einfassung von gegossenen eisernen Platten, welche
mit geschmiedeten Bolzen verankert wurden. Die Dimensionen des
Rostes, des Schmelzherdes und der Esse muſsten in einem gewissen
Verhältnis zu einander stehen; doch kam auch die Gröſse des Einsatzes
hierbei in Betracht. Nach Karstens Angabe hatte man aber noch
keine genügende Erfahrung, um dieses in Zahlen ausdrücken zu können.
Den Rost legte man der freien Luft zu. Auch empfiehlt Karsten
einen Wasserbehälter unter dem Rost zum Ablöschen der glühenden
Cinders (Asche) und zur Verstärkung des Zuges. Die Roststäbe waren
in der Regel gegossen und lagen ¼ bis ⅞ Zoll voneinander. Dem
Schmelzherd hatte man sehr verschiedene Gestalt gegeben. Jedenfalls
muſste er eine Neigung nach dem Stichloch zu haben. Die englische
Konstruktion (Fig. 33) mit stark geneigtem Herdboden und tiefem
Sumpf bei der Fuchsbrücke war 1) in
allgemeiner Anwendung. Karsten
empfiehlt, den Herd an der Feuer-
brücke so weit zu machen wie den
Rost (s. Fig. 29, S. 95), und ihn von
da nach der Esse zu verengen, ihn
ferner von der Brücke auf ¼ seiner
Länge horizontal zu lassen, von da ab
ihm eine Neigung von 20 bis 24 Grad
nach dem Stich zu geben (s. Fig. 28,
S. 95). Reiner Quarzsand hatte sich
als die beste Masse für den Herdboden
bewährt. Die Thüre zum Einsetzen oder Laden war von Eisen,
inwendig mit Thon ausgeklebt, bewegte sich in eisernen Falzen und
wurde durch einen Balancier mit Gegengewicht aufgezogen. Der Quer-
schnitt des Ofens am höchsten Punkte des Gewölbes betrug höchstens
¾ der Fläche des Rostes. Gute Gewölbe hielten 50 bis 100 Schmel-
zungen aus. Das Verhältnis der Länge des Herdes zu seiner gröſsten
[102]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Breite sollte bei Steinkohlenfeuerung höchstens 3 zu 1 betragen; bei
den meisten Flammöfen in Oberschlesien war das Verhältnis 11 zu 4.
— In England stellte man oft zwei Flammöfen in ein gemeinschaft-
liches Mauerwerk, wie Fig. 34 zeigt.
Das Flammofenschmelzen hatte den Nachteil, daſs das Roheisen
dabei eine Veränderung seiner chemischen Verhältnisse erfuhr. Es
wurde durch den Sauerstoff der Luft teilweise entkohlt. Erst erfolgte
ein Braten der glühenden Eisenstücke und dann ein Frischen des
flüssigen Metalls. Es bildeten sich mehr oder weniger groſse Mengen
von Schaleneisen, und das Eisen wurde dickflüssiger. Diese Einwirkung
der Luft wurde vermindert durch rasches Einschmelzen. Trotzdem
war das Flammofeneisen nicht für alle Guſswaren geeignet, am besten
war es für groſse Stücke, wie für
Kanonen und für Walzen, wozu es in
England verwendet wurde. Je nach
der Gröſse des Ofens und der Güte
der Steinkohlen wurden in zwei bis
vier Stunden 15 bis 16 Ctr. Roheisen
geschmolzen. Der Schmelzverlust be-
trug 10 bis 15 Proz. Der Steinkohlen-
verbrauch war dem Roheisengewicht
annähernd gleich. Wie für die Kupol-
öfen die Koks, so waren für die
Flammöfen die Steinkohlen das vor-
teilhafteste Brennmaterial. Es bedurfte groſser Holzmengen, um die
erforderliche Hitze zu erzielen. In Ruſsland betrug der Holzaufwand
160 kg trockenes Kiefernholz auf 100 kg Roheisen.
Die Schmelzkosten stellten sich entschieden bei den Kupolöfen am
geringsten. Dagegen bedurften diese einen Motor für die Winderzeugung.
Von sonstigen Verbesserungen bei der Eisengieſserei in dieser
Zeit ist die Einführung von Trockenkammern, welche ebenfalls
zuerst in England in Anwendung kamen, zu nennen. Früher hatte
man die Lehmformen und Lehmkerne im Freien getrocknet, was aber
einen groſsen Kohlenaufwand erforderte. Auch waren Koks hierfür
wenig geeignet, während sie in den Trockenkammern sehr gut brannten.
Diese Trocken- oder Darrkammern wurden mit groſsen eisernen
Thüren verschlossen. Das Hinein- und Herausbringen geschah auf
eisernen Wagen, welche sich auf eisernen Schienen bewegten.
Zum Heben der schweren Lasten in der Gieſserei dienten hölzerne
oder eiserne Krane mit Flaschenzügen, von denen häufig mehrere
[103]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
so aufgestellt wurden, daſs sie auf einen Punkt wirkten, was nament-
lich zum Einsenken der Formen in die Dammgruben und zum Heraus-
ziehen der gegossenen Stücke aus denselben nötig war.
Die Formerei teilt Karsten folgendermaſsen ein:
Bei der Sandformerei bediente man sich in ausgedehntem
Maſse der Kernkasten zum Pressen der Sandkerne.
Beim Guſs hohler Munition wendete man in Ruſsland Sandkerne
an, besser waren aber Lehmkerne, welche genau über einer Spindel
abgedreht, dann gebrannt und in die hohle Kugelform von Sand ver-
mittelst der eisernen Spindel, über welche sie abgedreht waren,
hineingehängt wurden. Der Oberkasten war mit Bügeln versehen, in
welche die aus dem Mundloch der hohlen Munition hervorragenden
Spindeln genau hineinpaſsten und mit Splinten befestigt waren, so
daſs die Kerne ganz frei in der Form hingen.
Karsten empfiehlt das Anfeuchten des Formsandes mit einer
Auflösung von Kochsalz, namentlich für Kerne, die dann bei einer die
Siedehitze wenig übersteigenden Temperatur getrocknet, eine völlig
harte Masse geben.
Die Massenformerei, d. h. die Herstellung der Formen in fettem
Sand oder Lehm in Kasten mit nachherigem Trocknen in Trocken-
kammern wurde damals in ziemlichem Umfang angewendet, nament-
lich für eiserne Kanonen, für Stücke mit vielen Kernen, und für
kleine Kunstguſswaren (Medaillen und Luxusartikel). Lehmformerei
wendete man da an, wo man die Anschaffung eines Modells vermeiden
wollte.
Beim Guſs von Bildwerken in Eisen 1) verfuhr man wie beim
Erzguſs, indem man das Modell in Gips und diese Gipsformen in
[104]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Wachs goſs. Diese Wachsabgüsse wurden auf einem Kern zusammen-
gesetzt, die äuſsere Form darüber geformt und das Wachs dann aus-
geschmolzen. 1813 versuchte zuerst der Modellmeister Stilarsky
in der königl. Gieſserei zu Berlin, ein kleines freistehendes Bild in
fettem Sande mit Kernstücken zu formen. Da dieser Versuch gelang,
bildete er die Methode weiter aus und goſs bereits 1814 den 5½ Fuſs
groſsen Körper des Erlösers zu einem groſsen Kruzifix in dieser Weise.
Eine weitere Verbesserung bei dem Bildguſs in Eisen führte der
Formermeister Röhl im Jahre 1816 dadurch ein, daſs er nicht mehr
den Hauptkern aus freier Hand formte, was groſse Ungleichheiten der
Eisenstärke zur Folge hatte, sondern daſs er weiche Lehmblätter von
bestimmter Dicke in den fertigen Mantel einlegte und in dieser Eisen-
stärke den Hauptkern formte. Dann nahm man diese eingelegten
Lehmblätter heraus und hatte alsdann eine bestimmte, gleichmäſsige
Eisenstärke. Im Jahre 1816 nahm die Büstenformerei in Sand in der
Berliner Gieſserei ihren Anfang. 1820 goſs man bereits ganze Figuren
in dieser Weise.
Über die groſse Mannigfaltigkeit der Guſswaren, welche die
schlesischen Gieſsereien Gleiwitz und Malapane um 1815 lieferten,
verweisen wir auf das von Karsten (§ 857) mitgeteilte offizielle
Verzeichnis. Unter den Artikeln, die anfingen in gröſseren Mengen
verbraucht zu werden, nennen wir Dampf- und Wasserleitungsröhren,
ferner Öfen. Von letzeren führt das Verzeichnis folgende Sorten
auf: Kanonenöfen von ¾, 1, 1¼ und 1½ Ctr. Gewicht; Kapellen-
Öfen; runde Kochöfen; Pyramidenöfen mit dünnen verzierten Platten;
Plattenöfen mit auf den Herd gegossenen Platten und mit in Kasten
gegossenen feinen Verzierungen; Quadratöfen von allerlei Art mit
Verzierungen zum inwendigen und auswendigen Heizen; ebensolche
runde Öfen und Säulenöfen, glatt und kanneliert. Der Ofenguſs spielte
damals schon eine groſse Rolle.
Besonderen Ruhm erwarb sich um diese Zeit die gräflich
Wrbnasche Gieſserei zu Horzowitz durch ihren Kunstguſs. Sie
lieferte namentlich schöne Rundöfen mit äuſserst geschmackvollen
Verzierungen. Dieselben wurden in dreiteiligen Kasten geformt über
zerschnittene eiserne Modelle. Das Roheisen wurde von dem Hoch-
ofen nach den Formen in Rinnen geleitet und nicht mit Kellen
geschöpft. 1819 erbaute man einen Kupolofen von 2,05 m Höhe
und 0,418 m Durchmesser. 0,50 m über dem Boden lag die untere
Form. Es lagen drei Formöffnungen übereinander. Die äuſsere Gestalt
des Ofens war sechseckig; er war mit eisernen Platten bekleidet,
[105]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
welche durch drei Bänder von Schmiedeeisen zusammengehalten wurden.
Der Schacht wurde um ein hölzernes Modell in Masse gestampft.
Eine Gicht bestand aus 40 kg Roheisen, 10 bis 12 kg Koks und brauchte
14 Minuten zum Niedergang. Ein zweiter Kupolofen war rund, 2,10 m
hoch, unten 0,523, oben 0,366 m im Durchmesser, mit offener Brust oder
Vorherd, so daſs die Schlacke von selbst ablief. Dieser Ofen wurde
mit Kiefernkohlen betrieben. Zu 0,037 m3 Holzkohlen wurden 10 bis
12½ kg Eisen aufgegeben. Die Kupolöfen wurden anfänglich nur
benutzt, wenn der Hochofen kalt stand. Man ging aber mit der
Absicht um, später alles Eisen im Kupolofen umzuschmelzen 1). 1818
entstand die fürstlich von Fürstenbergische Eisengieſserei zu Joachim-
thal, welche sehr gut ausgestattet wurde und nur eiserne Kasten hatte.
Damals galt Böhmen als die hohe Schule für Sandguſs. Sehr segens-
reich für die Verbesserung der Eisengieſserei wirkte auch das neu-
gegründete polytechnische Institut in Prag unter Gerstners Leitung.
In Bayern suchte die Regierung die Eisengieſserei zu fördern. Hierzu
trugen auch die jährlichen Kunstausstellungen in München bei. Der
Staat hatte sich den Hochofenbetrieb mit Gieſserei vorbehalten. Berg-
rat Fuchs erwarb sich auf dem Hüttenwerk Obereichstädt durch
Herstellung vortrefflicher emaillierter Guſswaren besonderes Verdienst.
Die gräflich Einsiedelsche Gieſserei zu Lauchhammer bewahrte
ihren alten Ruhm. 1804 lieferte sie 10729 Ctr. Guſswaren. 1805
starb Minister von Einsiedel und übernahm sein zweiter Sohn, der
Finanzrat Graf Detlev von Einsiedel, das Werk, das er mit groſser
Umsicht fortführte. 1807 wurde daselbst ein Temperofen erbaut. In
der Sandformerei machte man immer neue Fortschritte und wurde
im genannten Jahre das Inventar an eisernen und metallenen Modellen
sehr vermehrt, um danach Abgüsse in Sand zu formen und Lehmformen
zu ersparen. 1810 gelang es den Gieſsermeistern Güthling und
Waldau, Branntweinblasen bis zu 1600 Liter Inhalt in Sand zu gieſsen.
1811 wurde das Formhaus mit neuen Kranen und Hebezeug versehen,
eine überwölbte Trockenkammer gebaut und die eisernen Formkasten
beträchtlich vermehrt. 1812 goſs man Schlackenziegel von 0,093 cbm
Gröſse, auch Keil- und Gewölbsteine. 1813 wurde eine groſse Damm-
grube mit eisernen Bodenstücken gebaut; in demselben Jahre wurde
ein Flammofen errichtet. 1814 wurde eine Formlehm-Schlagmaschine
nach den Angaben des Maschinendirektors Brendel gebaut.
Um den Maschinenbau hatte sich Lauchhammer ebenfalls groſse Ver-
dienste erworben. 1801 hatte es die ersten Schrotmühlen nach eng-
lischem Muster zum Verkauf gemacht. 1802 hatte Herr Ober-Bergrat
Bückling eine groſse Dampfmaschine nach Watts System in Auftrag
gegeben. Dieselbe sollte täglich 237600 Kbfſs. Wasser 57 Fuſs hoch
heben, wozu täglich 6000 Stück Torfziegel gebraucht wurden. 1805 wurde
die Maschine in Betrieb gesetzt und entsprach allen Anforderungen.
Um 1815 konstruierte ein Engländer Whitefield für die gräflich
Einsiedelsche Wollenfabrik zu Wolkenberg ein eisernes Wasserrad,
welches zu Lauchhammer gegossen wurde. Es war 10,04 m hoch und
1,57 m breit und wog 525 Ctr. 1816 wurden Versuche mit einem
2,51 m hohen Kupolofen für Holzkohlenbetrieb gemacht, die sofort
gelangen. Daraufhin wurde 1817 noch ein zweiter Kupolofen und ein
eisernes Cylindergebläse erbaut. 1818 wurde durch den Mechanikus
Rohrbeck, der zuvor schon eine groſse Drehbank angelegt hatte,
eine Schraubenschneidemaschine konstruiert, um mittels einer und der-
selben Leitspindel Schrauben von 0,05 bis 0,31 m Stärke bis zu 4,08 m
Länge mit ein- und mehrfachen breiten und scharfen Gewinden samt
den Muttern dazu darauf schneiden und damit Pressen von jeder Gröſse
herstellen zu können. 1818 stand Lauchhammer auf der Höhe seines
Ruhmes. Seine Leistungsfähigkeit und die vorzügliche Sorgfalt in der
Ausführung auch der schwierigsten Aufgaben sowohl seiner Guſswaren,
mechanischer und Kunstgegenstände war allgemein anerkannt. Durch
den Wiener Frieden 1815 war die Grenze mitten durch die Besitzungen
des Hüttenwerkes gezogen worden. Lauchhammer fiel an Preuſsen,
während Gröditz bei Sachsen verblieb. Infolgedessen sah man sich
gezwungen, an letzterem Orte eine zweite Gieſserei mit zwei Kupol-
öfen und doppeltwirkendem Cylindergebläse zu bauen. Am 1. Mai 1819
wurde das Gröditzer Werk fertig und am 14. Mai erfolgte der erste
Guſs. Da Preuſsen durch seinen Zolltarif einen hohen Ausgangszoll
auf Roheisen gelegt hatte, so muſste auch zu dem Gröditzer Werk
eine besondere Hochofenanlage erbaut werden und zwar wegen Wasser-
mangels mit einer Dampfmaschine zur Betreibung des Gebläses. Diese,
sowie ein neues Eisenwalz- und Schmiedewerk wurden 1821 vollendet.
In Frankreich wurde der Eisenguſs in der napoleonischen Zeit
vielfach zu Bauzwecken verwendet. In Paris entstanden die durch
guſseiserne Säulen unterstützten Tragwerke, die sogenannten Pariser
Roste, Kaufläden und Schaufenster mit guſseiserner Umrahmung, —
guſseiserne Dächer, wie die der Halle aux Blés von 1811. Zur Förderung
des Feingusses hatte die Gesellschaft zur Aufmunterung der Künste
[107]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
und Handwerke zu Paris einen Preis von 6000 Franken ausgesetzt
für denjenigen, welcher solche kleine Guſswaren, die man bisher nur
aus geschmiedetem Eisen hergestellt hatte, anfertigte und davon für
10000 Franken zum Verkauf liefern würde 1). Diese letzte unpraktische
Klausel bewirkte, daſs der Preis überhaupt nicht zur Verteilung kam.
Die berühmtesten Gieſsereien waren damals die von Dubois zu Paris
und die von Frèrejean und Abraham Müller zu Lyon.
Am groſsartigsten wurde die Eisengieſserei in England betrieben,
doch sind leider die Nachrichten über die technischen Einrichtungen
der dortigen Gieſsereien aus jener Zeit sehr spärlich. Von Sveden-
stjerna erfahren wir nur, daſs auf den Hochofengieſsereien auch immer
mehrere Flammöfen betrieben wurden. Die sehr kleinen Kupolöfen
dienten meist nur zum Umschmelzen von Guſsbruch. Die bedeutenden
Leistungen im Maschinenguſs waren veranlaſst durch die groſsen Fort-
schritte des Maschinenbaues in England. Zu Anfang des Jahrhunderts
waren schon englische Dreschmaschinen auf dem Kontinent, z. B. in
Schweden im Gebrauch. Fischer von Schaffhausen spricht mit Bewunde-
rung von Watt und Boultons Eisengieſserei zu Soho, welche er 1814
besuchte. Vier Flammöfen verschafften flüssiges Eisen genug, um
Güsse bis zur Schwere von 200 Centnern in einem Stück auszuführen.
Diesen gegenüber waren die Trockenkammern und der Boden zwischen
beiden ganz hohl, um die gröſsten Cylinder aufrecht zu formen und
zu gieſsen; der etwas eisenschüssige und viel Glimmer (mica) ent-
haltende Formsand wurde an Ort und Stelle gegraben; ganz Birming-
ham stand auf dem gleichen Sande. In der groſsen Gieſserei zu
Rotherham bei Sheffield waren 2 Hochöfen, 6 Reverberieröfen und
1 Handschmelzofen. Einer der Reverberieröfen war an der Seite des
Ofens in so tiefer Lage angebaut, daſs er das flüssige Eisen des Hoch-
ofens direkt aufnahm und es im flüssigen Zustande erhielt. Es wurde
mittels Kellen zu gröſserem oder kleinerem Bedarf daraus geschöpft.
Die Kanonen wurden nach englischer Art in Sand in zusammen-
geschraubten Kasten (Flaschen) gegossen, wodurch an einem Tage
soviel geleistet werden konnte, als durch die Lehmformerei in einem
Monat. Die zusammengeschraubten Kasten bedurften keines Ein-
dämmens noch des kostbaren Bindens mit eisernen Schienen, sondern
wurden nur aufrecht in die ausgemauerte Dammgrube gestellt und
von drei Seiten verspreizt, damit sie nicht umfielen. Eine eiserne, mit
Sand ausgefüllte Rinne, die von dem Zusammenfluſs der Kanäle beider
[108]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
Öfen bis zur Kanonenform hinging, führte derselben das flüssige Eisen
zu; die von anhaftendem Sand geputzten Kanonen kamen direkt in
die Bohrwerkstätte, wo ein einziger Arbeiter das Ausbohren von sechs
Kanonen zugleich besorgte. Derselbe Arbeiter hob mittels der starken
Krane die schwersten Stücke in und aus dem Lager und in und aus
der Bohrwerkstätte. Durch diese verschiedenen Vorrichtungen ist es
dahin gekommen, schreibt Fischer, daſs eine Arbeit, deren gutes
Gelingen ehemals die besten Köpfe und die geschicktesten Hände
erforderte, zu einem gemeinen Handlanger-Tagewerk herunter gebracht
ist und die vorbereitenden Anstalten den Erfolg unzweifelhaft machen.
Robert Ransome von Jpswich erhielt 1803 ein Patent, guſs-
eiserne Pflugscharen zu machen, welche nachträglich getempert wurden.
Den richtigen Weg zur Herstellung von schmiedbarem Guſs hat
Samuel Lucas in seinem Patent vom 30. Mai 1804 (Nr. 2767) gezeigt.
Als Zweck des Verfahrens war darin angegeben „die Abscheidung der
Unreinigkeiten aus dem Guſseisen ohne Schmelzung, wobei es hämmer-
bar würde wie Schmiede- oder Walzeisen. Guſswaren können auf
gleiche Weise verbessert werden. Das Verfahren ist folgendes: Die
Guſseisenstücke werden in einem Cementierofen oder einem ähnlichen
Ofen zusammen mit Eisenerz, gewissen metallischen Oxyden, Kalk
oder anderen Substanzen, welche dem Guſseisen den Kohlenstoff ent-
ziehen, geglüht. Hierdurch wird das Guſseisen ganz oder teilweise
schmiedbar, je nach dem Grad und der Länge der Erhitzung. Man
schichtet Erz und Eisen in abwechselnd Lagen mit dünnen Lagen
von Sand dazwischen, um das Anhängen zu vermeiden. Gegossene
Gegenstände lassen sich ebenso behandeln“. Das Glühen sollte in
cylindrischen Guſstöpfen geschehen und fünf bis sechs Tage dauern.
Da sich der Ausführung mancherlei praktische Schwierigkeiten in den
Weg stellten, blieb das Patent lange Zeit unbenutzt, bis ein Bruder
des Patentnehmers, Thomas Lucas von Chesterfield, die Sache auf-
griff und mit gutem Erfolg Schneidwaren anfertigte, welche eine so
schöne Politur und gute Schneiden annahmen, wie der beste Guſs-
stahl 1). Für diesen Zweck, für die Herstellung billiger Messerwaren,
wurde die Fabrikation des schmiedbaren Gusses zuerst ausgebeutet
und, um die Fälschung vollkommen zu machen, bezeichnete man das
Material im Handel als Fluſsstahl (run steel). Man verwendete dazu
ein aus Cumberländer Roteisenstein mit Holzkohlen erblasenes Roh-
[109]Eisengieſserei 1801 bis 1815.
eisen. Direkt aus dem Hochofen geschöpft sollte es am besten sein.
Die Guſswaren wurden aufrecht in kleine guſseiserne Kästen oder
Cylinder gestellt und mit Roteisenstein oder öfter noch mit Hammer-
schlag und Hammerschlacke umgeben. Die Gefäſse kamen dann in
backofenartige Kammern, in denen sie bei geschlossener Thüre durch
Verbrennen von Kohle oder Koks eine bis zwei Wochen hindurch
gelinde erhitzt wurden 1). J. E. Fischer besuchte 1814 eine solche
Fabrik in Birmingham, wo namentlich Lichtputzen, Steigbügel, alle
Art von Kutschengeschirr u. s. w. angefertigt wurden. Das Guſseisen
war so biegsam wie Kupfer und lieſs sich dennoch schmieden und
härten wie Stahl, weshalb man dasselbe, wiewohl unrichtig, auch
Cast steel nannte. Von dem Verfahren bekam Fischer weiter nichts
zu sehen, als das Schmelzen, welches in Tiegeln und in Öfen wie
beim Guſsstahl geschah.
Kastner teilte 1823 zuerst eine wissenschaftliche Untersuchung
des Prozesses mit 2). Er fand, daſs
Auf dem Kontinent soll das Verfahren zuerst 1829 in Traisen
bei Lilienfeld in Österreich angewendet worden sein.
G. A. Eckhard nahm 1809 ein Patent (Nr. 3197) auf Erzeugung
dichteren Gusses, dadurch, daſs man die Formen während dem Gieſsen
in eine rasche Drehbewegung versetzte, wodurch der flüssige Guſs durch
die Centrifugalkraft gegen die Wände der hohlen Formen gepreſst
wurde. Er will nach diesem Verfahren Stäbe in der Weise erzeugen,
daſs er das flüssige Metall in eine cylindrische Form mit vertieften
[110]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
Längsrippen gieſst, welche sich rasch um eine horizontale Achse dreht.
Dieses Patent ist von geschichtlicher Bedeutung.
Lecour in Paris wendete 1812 beim Kunstguſs statt des Wachses
eine leichtflüssige Metalllegierung, D’Arcets Metall, zur Herstellung
von Modellen an.
Die Fortschritte der Stabeisenfabrikation vollzogen sich in dieser
Periode fast ausschlieſslich in England und von diesen haben wir nur
spärliche Nachrichten. Während man bei dem Hochofenbetrieb und der
Eisengieſserei die neuen, auf der Verwendung der Steinkohlen beruhenden
Verfahrungsweisen wenigstens an einigen Orten des Kontinents ein-
geführt hatte, fand das neueste und
wichtigste Verfahren der Engländer,
das Steinkohlenfrischen oder der Pud-
delprozeſs, keine Nachahmung. Die
beiden Versuche zu Lauchhammer und
zu Treybach, in Flammöfen mit Holz-
feuer zu frischen, hatten keinen gün-
stigen Erfolg gehabt. Das Herd-
frischen war also das auf dem ganzen
Kontinent allein gebräuchliche Ver-
fahren. Groſse technische Verbesse-
rungen lieſsen sich an den erprobten
Frischmethoden nicht einführen und
so bewegten sich die fortschrittlichen
Bestrebungen mehr in der Richtung
planmäſsiger Ökonomie. Der Herdbau
läſst keine wesentlichen Veränderungen gegen früher erkennen. Fig. 35
zeigt den Vertikalschnitt durch ein Frischfeuer der Mandelholzer Hütte
im Harz aus jener Zeit (Villefosse). Allerdings verbesserte man infolge
der Fortschritte des Maschinenwesens die Gebläsemaschinen. Man lieſs
die Bälge oder Kasten in Windsammler oder Regulatoren blasen und
führte sie von da durch eine Form dem Frischherd zu. Das Blasen
mit zwei Formen behielt man nur da bei, wo man sich noch der
alten Lederbälge bediente. Auch suchte man einzelne Vorteile einer
[111]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
Methode mit denen einer anderen zu verbinden oder durch Teilung
zu verbessern. So ging z. B. in Deutschland hier und da das Streben
dahin, das Frischen und das Ausschmieden in der Weise, wie bei den
Wallonschmieden, zu trennen. J. E. Kohl hatte auf der Wilhelms-
hütte im Braunschweigischen den Versuch gemacht, die deutsche
Frischmethode durch Anlegung eines besonderen Reckherdes zu ver-
vollkommnen. Er will dabei ein entschieden günstiges Resultat erzielt
haben, sowohl in Bezug auf Zeit-, wie auf Kohlenersparung. Die Ver-
suche wurden auf der Karlshütte bei Delligsen wiederholt, fanden
aber sonst keine Nachahmung. Karsten spricht sich für die Tren-
nung nur unter der Voraussetzung, daſs das graue Roheisen durch
eine vorbereitende Behandlung (Hartzerennen) erst in weiſses Eisen
verwandelt würde, aus. Das eigentliche Frischen würde dadurch sehr
beschleunigt werden, allerdings so sehr, daſs ein einziger Heizherd
nicht imstande wäre, einen Frischherd zu bedienen. Da auſserdem
der Abbrand der Kolben im trockenen Herd zu groſs sein würde, so
schlägt Karsten statt dessen einen gut konstruierten Glühofen und
ein Walzwerk vor. Von dem deutschen Herdfrischen wäre dann
freilich nicht mehr viel übrig geblieben.
Die Anwendung eines besonderen Reckherdes hätte auſser dem
Vorteil der Beschleunigung des Prozesses auch den der Möglichkeit
der Verwendung von Steinkohlen zum Ausheizen gehabt; hierauf legte
man aber damals noch kein besonderes Gewicht. Daſs das Frischen
selbst sich nicht mit Steinkohlen bewerkstelligen lieſs, war eine That-
sache, die man in England längst gründlich ausprobiert hatte. In
Frankreich machten Rozière und Houry im Jahre 1802 eingehende
Versuche über das Verfrischen von Roheisen mit Steinkohlen im
Herd 1).
Die im ganzen negativen Ergebnisse dieser Versuche faſst
Hassenfratz darin zusammen, daſs 1. alles mit Steinkohlen allein
geschmolzene und gefrischte Eisen rotbrüchig sei; 2. daſs man nur
bei einem Zusatz von ¼ bis ⅕ reiner Steinkohle, wie die von Rive-
de-Gier, noch ein ziemlich reines Eisen erhalte; daſs aber 3., wenn
man schlechte Steinkohlen den Holzkohlen beimengte, das Eisen stets
rotbrüchig würde, so gering auch das Verhältnis der angewendeten
Steinkohlen wäre. Graf v. Reden lieſs 1804 zu Malapane Versuche
mit Steinkohlen anstellen, wobei er diese zum Vorwärmen des Roh-
eisens, welches er glühend in den Frischherd einsetzte, benutzte.
[112]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
Eine Ersparnis wurde dabei aber nicht erzielt. Frischversuche mit
Steinkohlen miſslangen gänzlich. Vorteilhafter erwies es sich, die
Steinkohlen zum Ausheizen der Schirbel zu verwenden. Als 1810 die
Rybniker Hütte umgebaut wurde, machte man von neuem Versuche.
Hierbei stellte sich ein groſser Vorteil durch das Vorwärmen des
Roheisens bis zur Rotglut heraus, indem sowohl Kohlen erspart als
die Produktion erhöht wurde. Ferner erwies sich die Anwendung
von granuliertem und dadurch weiſs gewordenem Roheisen, welches
vorher in einem Flammofen umgeschmolzen war, als lohnend.
Karsten empfiehlt das Braten des Scheibeneisens mit Stein-
kohlen, da wo solche billig zu erhalten seien, auszuführen, was in
einem Flammofen mit weiter Fuchsöffnung geschehen müsse. Eine
unmittelbare praktische Folge hatten diese Vorschläge nicht.
Während man in den Staaten des Kontinents an dem Herd-
frischen mit Holzkohlen unverändert festhielt, breitete sich in England
das Flammofenfrischen mit Steinkohlen immer mehr aus. Es ent-
stand dadurch eine Massenfabrikation von Schmiedeeisen, von der man
früher keine Ahnung hatte. Hierdurch erlangte England einen groſsen
Vorsprung vor allen übrigen eisenerzeugenden Ländern. Zur Zeit, als
Svedenstjerna und Bonnard die Eisenwerke von Südwales besuchten
(1802), wurde von den vier groſsen Eisenwerken bei Merthyr Tydvil
Cyfartha, Pennydarran, Dowlais und Plymouth jährlich 20000 Tonnen
Stab-, Band-, Bolzeneisen und Blech bereitet. Die Werke, nament-
lich die von Pennydarran und Cyfartha, waren so angelegt, daſs Eisen-
stein und Kohle aus den Gruben direkt auf die Gicht des Hochofens
gefahren werden konnte. Pennydarran besaſs allein 3 Hochöfen,
3 Feineisenfeuer, 25 Puddel- und 8 Schweiſsöfen, sowie 9 oder 10
Dampfmaschinen, von denen einige 70 bis 80 Pferdekräfte hatten.
Das Werk hatte mit den Grubenarbeitern 900 Arbeiter und galt
damals für eine erstaunliche Anlage. Die Eisenbahn, welche der
Besitzer Homphray zum Transport dem Cardiffkanal entlang angelegt
hatte, war 7 engl. Meilen lang. Der Kanal selbst war über 23 engl.
Meilen lang und hatte auf dieser Strecke 52 Schleusen. Ein Stab-
hammer wog an 10 Tonnen. Das riesige eiserne Wasserrad zu Cy-
fartha wog über 100 Tonnen.
John Wilkinsons groſses Eisenwerk zu Bradley bei Wednesbury
war gleichfalls sehr ausgedehnt. Dort wurden zeitweise an 200 Tonnen
Bleche, Bandeisen, Stabeisen und Nageleisen in einer Woche gemacht.
1814 beschäftigte es 5000 männliche Arbeiter. Fig. 36 u. 37 zeigen
einen englischen Puddelofen zu Anfang des Jahrhunderts (nach
[113]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
Villefosse) in senkrechtem und ebenem Schnitt. Den trefflichen
Bericht von Bonnard über den englischen Puddelprozeſs zu jener
Zeit haben wir im Auszug früher schon mitgeteilt. Karsten hatte
zwar, als er die erste Auflage seines Werkes veröffentlichte (1816),
noch keine praktische Erfahrung im Puddelbetrieb, trotzdem ist seine
Schilderung desselben mit groſser Umsicht abgefaſst, weshalb wir das
Wichtigste daraus kurz mitteilen wollen.
Das Reinigen des grauen Roheisens durch Umschmelzen in
Feineisenfeuern als Vorbereitung für den Puddelprozeſs war bereits
allgemein in Anwendung. Das Einschmelzen geschah in tiefen und
weiten Herden mit viel Wind, welcher meist von zwei Formen geliefert
wurde; dieselben hatten nur etwa 5 Grad Stechen. Damit die eisernen
Formen bei dem schwachen Winde nicht
wegschmolzen, wurden sie mit einem hohlen
gegossenen Mantel umgeben, durch welchen
beständig Wasser floſs. Es war dies die
erste regelmäſsige Verwendung von Wasser-
formen (Fig. 38). O’Reilly sah solche 1802
zu Bradley 1). Man gab den Feinherden,
welche im allgemeinen gröſser und tiefer
waren als die gewöhnlichen Frischherde, verschiedene Form. Die von
Vanderbroeck, Hütteninspektor zu Kaiserslautern, abgebildeten (Fig. 38
bis 44, a. f. S.) hatte man aus feuerbeständigen Thonmassen zusammen-
gesetzt und denselben die Gestalt eines kleinen Ofens gegeben, indem
man das Feuer über der Form zusammenzog und eine Art von Gicht-
öffnung bildete, durch welche Koks und Eisen aufgegeben wurden. Hier
2)
Beck, Geschichte des Eisens. 8
[114]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
näherte sich also der Herd schon einem Schachtofen. Ob dies aber
die allgemein gebräuchliche Konstruktion war, ist zweifelhaft. Vander-
broek erwähnt nichts von den Wasserformen, welche O’Reilly zu
Bradley gesehen hatte, auch stimmt die Gestalt des Herdes durchaus
nicht mit der bekannten Form der englischen Feineisenfeuer überein.
S. B. Rogers, der die Erfindung der Feinfeuer Homphrey von
Tredegar zuschreibt, bemerkt, daſs sie vor 1808 schon in allge-
[115]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
meinem Gebrauch auf den Eisenhütten von Südwales gewesen seien;
sie wurden mit Koks geheizt.
Ein Feineisenfeuer schmolz wöchentlich 250 bis 300 Ctr. Roh-
eisen mit einem Abgang von 5 bis 10 Proz. und mit einem Kohlen-
aufwand von 4 bis 5 Kbfſs. auf den Centner Roheisen. Man goſs
das gefeinte Eisen meist in eiserne Formen von 4 bis 5 Zoll Breite
und 1 bis 3 Zoll Höhe, die, um es vollständig weiſs zu bekommen,
noch mit kaltem Wasser übergossen wurden. Gewöhnlich war schon
eine Röhrenleitung mit Hähnen vorhanden, welche sich unmittelbar
über den Formen öffnete.
Man hielt damals das graue Eisen zu dem Verfrischen in Flamm-
öfen für nicht anwendbar, weil es zu lange Zeit zum Frischen erfor-
derte, wodurch es zu viel Abgang erlitt. Daſs das gefeinte weiſse
Eisen so leicht frischte, geschah nach Karstens Ansicht weniger,
weil bei dem Vorbereitungsprozeſs schon ein groſser Teil Kohlenstoff
verbrannt war, als weil der Kohlenstoff jetzt in dem gebundenen
Zustande darin enthalten war.
Mushet schlug 1815 vor, das graue Roheisen in Schachtöfen mit
Frisch-, Puddel- und Garschlacken zu schmelzen und es dadurch zu
feinen. Er nannte seinen Ofen, für den er ein Patent (Nr. 3944)
nahm, „smelting refinery“.
Der Frischflammofen (Puddelofen) hatte meist eine 24 Fuſs
hohe Esse, welche mit einer Klappe (damper) an der Ausströmungs-
öffnung versehen war; sein Herd war horizontal, nur am Ende nach
der Esse zu gab man ihm eine Neigung zum Abflieſsen der Schlacken.
Die Feuerbrücke war etwa 4 Zoll hoch. Das Verhältnis der Rostfläche
zur Herdfläche war etwas geringer wie bei den Guſsflammöfen, weil
viel weniger Eisen auf einmal eingeschmolzen wurde, auch war der
Herd etwas kürzer. Die Arbeitsthüre befand sich an der langen Seite
in der Mitte des Herdes; eine Thüre an der Schmalseite, dem Fuchs
gegenüber, diente bei den Puddelöfen zu Südwales zur Abkühlung des
Ofens.
Nach O’Reilly waren die englischen Puddelöfen 7 Fuſs (2,13 m)
lang, in der Mitte des Herdes 3 Fuſs (0,91 m), am Fuchs 2 Fuſs
(0,61 m) breit 1).
Der Herd des Ofens bestand zu jener Zeit noch ausschlieſslich
aus fettem feuerbeständigem Sand, der in der stärksten Schmelzhitze
nur zu einer breiigen Masse zusammensinterte. Seit 1816 gab man
8*
[116]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
dem Herd schon eine Unterlage von eisernen Platten, die man jederzeit
auswechseln konnte, was um so bequemer war, weil man den Herd
alle Woche erneuern muſste. Bei jedem Puddelofen waren zwei
Arbeiter. Gut gefeintes Roheisen schmolz schon dickflüssig ein; war
das Eisen zu dünn, so schüttete man Wasser auf. Nach dem Ein-
schmelzen fing der Arbeiter bei geschlossenen Kamindämpfer an,
die dickbreiige Masse umzurühren, wobei das Eisen, um es abzu-
kühlen, öfter mit Wasser begossen wurde. Nach diesem ersten
Rühren bekam das Eisen eine neue Hitze, wobei der Dämpfer sechs
bis acht Minuten geöffnet blieb; dann begann das Rühren von neuem
und wurde oft zehn bis zwölf Minuten fortgesetzt, wobei die dicke
Masse unter Bildung von Schlacken kochte. Da sich das Eisen hier-
bei abkühlte, so muſste es eine neue Hitze bekommen. Bei dem
dritten Rühren erfolgte die Gare und das Luppenmachen, worauf
nochmals scharfes Feuer gegeben wurde. Nach sechs bis acht Minuten
schloſs man die Esse, öffnete die Einsatzthüre und nahm eine Luppe
nach der anderen heraus. Es geschah dies nicht mit Zangen, sondern
mit einem Stab, dessen glühendes Ende man in die Luppe drückte
und festschweiſste. Gewöhnlich machte man vier bis sieben Luppen
von 30 bis 40 Pfd. Gewicht. Das Feineisen bildete nur wenig Schlacken,
man nannte diesen Prozeſs deshalb Trockenpuddeln. Der ganze
Vorgang pflegte zwei Stunden zu dauern. Die unter Hämmern oder
Walzen ausgestreckten Luppen kamen in die Schweiſsöfen.
Die Stirnhämmer waren damals bereits an vielen Orten abgeschafft,
weil die Arbeit damit zu langsam ging. Man brachte die Luppen direkt
unter groſse Walzen. Hierbei wurden sie nach Fischers Beschreibung
nur zu halbzolldicken Platten ausgewalzt, welche man sogleich in
Wasser abkühlte und in Stücke zerschlug, die in einem Schweiſs-
ofen zusammengeschweiſst und ausgewalzt wurden. Die Schweiſsöfen
hatten einen viel längeren Herd als die Puddelöfen und das Ver-
hältnis des Fuchses zu der Rostfläche war weit geringer als bei diesen,
um die Flamme durch die enge Schlotöffnung mehr zusammenzuhalten.
Das Gewölbe war möglichst flach und die Einsatzthür niedrig. Die
Kolben erhielten nur eine Schweiſshitze, bei der sie fertig ausgewalzt
wurden. Da sie aber oft verzogen aus den Walzen kamen, so erhielten
sie noch in einem langen niedrigen Ofen eine Glühhitze und wurden
unter einem Stirnhammer gerichtet und die rohen Enden abgeschnitten.
Zu Cyfartha hatte man einen 14 Fuſs langen Wärmeofen mit
flachem Gewölbe, unmittelbar neben dem Hammer. In diesem Ofen
wurden die ausgewalzten Stäbe, die meist etwas verdreht aus den
[117]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
Walzen kamen, zur Kirschrotglut erwärmt und unter dem Hammer
gestreckt und ausgeschmiedet. Die Arbeit wurde durch eine Führung,
mittels der die Arbeiter die Stäbe zu dem Hammer brachten, unter-
stützt. Hierdurch ging die Arbeit sehr rasch. Das Überschmieden
sollte die Qualität verbessern und das Walzeisen dem ausländischen
Schmiedeeisen im Äuſseren ähnlich machen.
Gutes Feineisen erlitt 25 Proz. Abgang, oder das Roheisen ein-
schlieſslich des Feinens 33 bis 36 Proz. Auf einen Centner Stabeisen
kam ein Koksverbrauch von 6 Kbfſs. beim Feinen, von 16 Kbfſs. Stein-
kohlen beim Puddeln und von 1 Kbfſs. beim Ausheizen. Dieser groſse
Kohlenverbrauch muſste allerdings vor der Einführung des Puddel-
prozesses in Gegenden, wo Steinkohlen nicht sehr billig zu haben
waren, abschrecken, ganz abgesehen von den sehr hohen Anlage-
kosten.
Der Feinprozeſs verteuerte das Flammofenfrischen wesentlich.
Es tauchten deshalb verschiedene Erfindungen auf, die den Zweck
hatten, denselben entweder überflüssig zu machen oder zu verbilligen.
In ersterer Richtung bewegten sich die Vorschläge, durch chemische
Zusätze das Roheisen im Puddelofen zu reinigen. Ein solcher wurde
1802 Joseph Hartley patentiert, der Eisenerze und Roheisen bei
der Behandlung in Feineisenfeuern, Rennfeuern oder Puddelöfen
reinigen wollte durch Zusatz von Salz, Rückständen der Salzpfannen,
Salmiak, Alaun, Glasgalle, Salpeter, Weinstein, vegetabilischen,
mineralischen und animalischen Salzen mit oder ohne Zusatz von ab-
sorbierenden Stoffen, wie Kalk, Gips und Kreide, sowie verbrenn-
lichen und phlogistischen Substanzen mineralischer und vegetabilischer
Natur. Wie man sieht, eine recht reiche Auswahl von Reinigungs-
mitteln.
Mushets Patent vom 27. Juli 1815 ging dagegen darauf hinaus,
das Roheisen in Öfen mit geschlossener Brust, ähnlich den steierischen
Floſsöfen, unter Zusatz von Frisch-, Puddel-, Schweiſs- und Hammer-
schlacke zu schmelzen. Der Ofen sollte 20 bis 30 Fuſs Höhe, 6 bis
8 Fuſs weiten Kohlensack und 2 bis 3 Fuſs weite Gicht erhalten,
der Herd sollte 5 bis 6 Fuſs hoch und 2½ bis 4 Fuſs weit sein. Die
Kohle sollte nicht, wie bei dem Feineisenfeuer, durch Wind verbrannt
werden, sondern das Eisen in der Schlacke reduzieren, wobei doch
Feinmetall erzeugt würde. Hierdurch würden die Kosten und Ver-
luste der gewöhnlichen Feineisenfeuer vermieden. Der Ofen sollte
am besten mit 300 bis 400 Pfd. Koks, Holzkohlen oder sonstigen Brenn-
materialien, 600 Pfd. Guſseisen, 180 bis 240 Pfd. Schlacken und 40 bis
[118]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
120 Pfd. gebranntem Kalk beschickt werden. Die Schlacken sollten im
Ofen bleiben und mit dem Eisen abgestochen werden, dies bildet ein
wichtiges Moment der „Erfindung“. Wäre das Eisen noch nicht ge-
nügend entkohlt, so sollte man den Kohlensatz vermindern und den
Schlackensatz erhöhen. Die Schlacke könnte zum Teil auch durch
Eisenerz ersetzt werden; ebenso könnte man das gefeinte Eisen aus
Eisenerz statt aus Roheisen in gleicher Weise schmelzen. Alle
Materialien sollen in kleinen Stücken aufgegeben werden. Es würde ein
schwächeres Gebläse als beim Hochofen genügen. Eine praktische
Bedeutung erlangte diese Methode nicht.
Von groſser Tragweite war dagegen die Erfindung von Samuel
Baldwin Rogers (1816), welcher den Sandherd im Puddelofen, wie
ihn Cort angegeben hatte, durch einen eisernen Herd, den er mit
Eisenoxyden schützte, ersetzte. Auf diese Erfindung werden wir
später zurückkommen.
Ebenso war man in England darauf bedacht, die Maschinen und
Werkzeuge zur Bearbeitung des Eisens zu verbessern. In dieser
Beziehung erwähnen wir ein Patent von John Hartop für eine
Luppenquetsche ([squeezing] machine) vom Jahre 1805, John
Bennochs Nagelwalzen (E. Pat. v. 17. Febr. 1801), William Bells
Messer- und Scherenwalzen, Billingsleys Cylinderbohrmaschine.
In Frankreich waren in dieser Periode mehrere Versuche gemacht
worden, das Flammofenfrischen einzuführen, aber ohne Erfolg.
Der Hammermeister Sabathier aus dem Depart. Nièvre, welcher
von dem englischen Puddelprozeſs Kenntnis erlangt hatte, machte der
französischen Regierung im Jahre 1802 den Vorschlag zur Einführung
des Flammofenfrischens mit Holzkohlen. Er wollte dies in drei ver-
schiedenen Öfen ausführen. Zuerst sollte das Roheisen in einem Ofen
gereinigt und in Platten gegossen werden, ähnlich dem in Nivernais
bereits üblichen Hartzerennen (mazéage), dann sollte dieses gereinigte
Eisen in einem zweiten Ofen gefrischt und zu Luppen gemacht werden,
der dritte Ofen sollte als Glüh- oder Schweiſsofen zum Ausschmieden
der Luppen dienen.
Nach wiederholten Gesuchen bewilligte die Regierung Sabathier
8000 Frcs., um vier Flammöfen auf der Hütte von Pont-Saint-Ours
zu bauen und einen Versuch mit seinem Verfahren anzustellen.
Währenddem Sabathier noch hiermit beschäftigt war, erteilte 1808
die Regierung einem Herrn Dufaud fils, ebenfalls Hammermeister im
Depart. Nièvre, ein Erfindungspatent für das von Sabathier vor-
geschlagene Verfahren, aber mit Steinkohle. Nach einem Regierungs-
[119]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
bericht machten dann Sabathier und Dufaud ein Versuchsschmelzen,
welches aber der Beschreibung nach in viel mangelhafterer Weise als
der englische Puddelprozeſs ausgeführt wurde 1).
Dufaud setzte später noch seine Versuche mit einem Herrn
Petit fort, wobei das Hartzerennen, welches bei dem guten Holz-
kohleneisen nicht nötig war, unterblieb. Dies vereinfachte Verfahren
soll, wie Dufaud in einer von ihm verfaſsten Broschüre mitteilt 2),
sehr guten Erfolg gehabt haben.
Die drei verwendeten Öfen waren Flammöfen 3), von denen der
erste der gröſste war. Schon in diesem wurde zur Reinigung des
Eisens in der geschmolzenen Masse gerührt. Man nahm von Zeit zu
Zeit Proben und sah, ob das Eisen weiſs war und sich Krystalle von
weichem Eisen darin zeigten. Alsdann stach man es in feuchten
Sand ab. Es blieb viel Schaleneisen zurück, das man durch die
Einsatzthüre ausbrach und beim Herdfrischen mit aufgab. Von dem
geläuterten Eisen (fer mazé) wurden ungefähr 1550 kg in zwei
Hälften in den Frischflammofen, in dessen Herd ein Tiegel aus-
gespart war, eingesetzt und langsam erhitzt. Sobald das Metall
in Weiſsglut war, bestieg ein Arbeiter das Gewölbe des Ofens, in
welchem eine Öffnung angebracht war. Durch diese führte er einen
Rengel ein, mit welchem er die beiden Stücke leicht beklopfte, damit
die Teile zu einer Luppe zusammenschweiſsten, hierauf wälzte sie ein
zweiter Arbeiter in der flüssigen Schlacke. Von den zwei Stücken
schmolzen ungefähr 50 kg ab, welche man, während die Luppe mit
dem Rengel bearbeitet wurde, durchrührte, bis sie auch eine teigige
Konsistenz bekamen. Hierauf vereinigte man alle Teile, gab Hitze
und zängte hierauf das Stück. Zum Ausschmieden bediente man sich
des dritten kleineren Flammofens.
Man verbrauchte bei diesem Verfahren für 100 Tle. Stabeisen,
140 Tle. Roheisen und 283 Tle. Steinkohlen. Da man bei dem eng-
lischen Verfahren einschlieſslich des Feinens 320 Tle. Steinkohlen
verbrannte, so scheint dagegen das Verfahren von Dufaud günstig.
Wenn man aber bedenkt, daſs das englische Kokseisen viel unreiner
war, so daſs man das Holzkohleneisen von Nivernais eher dem eng-
lischen Feineisen gleich stellen muſs, so stellt sich das Verhältnis
ganz anders.
Obgleich Dufaud nur eine geringe Abgabe für sein patentiertes
Verfahren verlangte und obgleich Hassenfratz die französischen
Fabrikanten ermahnte, entweder dieses oder das englische Verfahren
einzuführen, so fand doch damals das Flammofenfrischen in Frank-
reich noch keinen Eingang.
Auch ein anderer Vorschlag von Hassenfratz, den er, wie er
sagt, deshalb machte, weil er einsah, daſs die Selbstsucht, Gewohnheit
und Routine der Fabrikanten der Einführung dieser Methoden so
hartnäckigen Widerstand entgegensetzen würde, daſs erst in entfernter
Zeit auf deren Einführung zu rechnen wäre, fand wenig Anklang.
Er bestand darin, das Frischen wie seither beizubehalten, aber das
Ausheizen in Flammöfen mit Steinkohlenfeuerung auszuführen. Wenn
hierbei auch nur ein Teil der Holzkohlen erspart würde, so verdiente
dies doch nach Hassenfratz’ Meinung die ernste Beachtung der
französischen Regierung.
Die Herren Frèrejean in Lyon machten um jene Zeit (vor 1812)
Versuche, oxydische Erze mit Kohlenpulver gemengt im Flammofen
mit Steinkohlen zu gut zu machen, ein Verfahren, das in England
früher wiederholt versucht worden war. Die Reduktion verlief aber
zu rasch und das Eisen verschlackte, ehe das Erz genügend reduziert war.
Dagegen gelang es den Genannten, sowie einem Herrn Blumen-
stein, Eisenoxyd in dieser Weise zu Metall zu reduzieren, indem sie
das Gemenge von Erz und Kohlen zu Backsteinen formten, welchen
sie einen Überzug von Thon gaben. Diese Backsteine wurden im
Flammofen einer langsam steigenden Hitze ausgesetzt und so gelang
es, Eisen in Form von Körnern zu erhalten, welche man in Tiegeln,
Frischfeuern oder Flammöfen einschmelzen konnte. — Vergeblich
hatte der Oberingenieur Blavier versucht, im Depart. Aveyron Eisen-
erze mit Steinkohlen in Katalanschmieden zu schmelzen. Muthuon
wollte dasselbe erreichen, indem er den Prozeſs in drei verschiedenen
Öfen und Herden durchführte. Hassenfratz ermahnt die französischen
Fabrikanten, sich durch die vergeblichen Versuche, Eisenerze in
einer Operation mit Steinkohlenfeuer auszuschmelzen und zu frischen,
nicht irre machen zu lassen.
Wir führen diese Thathsachen nur an, um den damaligen Stand
der französischen Eisenindustrie zu beleuchten.
Wie unbekannt das englische Verfahren der Stabeisenbereitung
damals noch in Frankreich war, geht auch daraus hervor, daſs Colon
in Paris 1806 ein Patent auf das in England allgemein gebräuchliche
Walzwerk erhielt.
Die Verarbeitung der Schmiedeeisenabfälle und des
alten Eisens (Schrott) war eine nicht unwichtige Arbeit geworden. Es
entstanden Fabriken, welche sich ausschlieſslich damit beschäftigten,
namentlich in der Nähe groſser Städte, wo das Material reichlich
vorhanden war. So soll damals eine einzige Anlage dieser Art in
London fünf Walzwerke beschäftigt haben. Wenn man das alte
Eisen für sich verschmolz und es nicht, wie vordem, beim Frischen
zusetzte, so geschah dies entweder in Herden oder in Flammöfen.
Svedenstjerna hat das Eisenwerk Crammond bei Edinburg
beschrieben, welches aus altem Eisen, Nägeln, Reifen u. s. w., die
zum Teil aus Holland bezogen wurden, Stabeisen in Flammöfen und
Herden machte, das dann zu Blechen, Spaten, Schaufeln u. dergl.
ausgeschmiedet wurde. Das alte Eisen wurde mit Blechabschnitzeln
und Schrot zu kubischen Haufen (piles) von 11 bis 12 Zoll Seiten-
länge geformt. Dies besorgten Kinder und alte Leute, welche die
Eisenabfälle möglichst ineinander verstrickten, so daſs der Haufen
fest angefaſst werden konnte, ohne auseinander zu fallen. Das
Schweiſsen geschah entweder in einem Flammschweiſsofen (bloom
furnace) oder in einem überwölbten Herd mit Gebläse. Der Hammer,
die Hammerwelle und das Wasserrad waren meist von Eisen; auſser-
dem gehörte ein kleines Walzwerk, ein Glühofen und eine groſse
Schere von Guſseisen, um das Material für die Bleche und Spaten
zu schneiden, zu der Anlage. Zu Bradley setzte man die Abschnitzel
der Blechfabrik im Puddelofen zu, und zwar in dem Augenblick,
sobald das Feineisen zu schmelzen begann, worauf man starke Hitze
gab. Das Frischen wurde dadurch sehr beschleunigt. Wollte man
altes Stabeisen allein verarbeiten, so bediente man sich am vorteil-
haftesten eines Flammofens mit horizontalem Herd und so konstruiert,
daſs man darin eine rasche und starke Schweiſshitze erzielen konnte.
Dabei trug man das Eisen entweder in acht bis zehn Töpfen von
4 Zoll Höhe und 10 bis 12 Zoll Durchmesser ein, oder man machte
Haufen oder Pakete daraus, die man auf den Herd setzte. Ersteres
Verfahren war kostspieliger durch die Töpfe, die dabei zu Grunde
gingen, aber das Eisen erlitt weniger Abbrand; letzteres Verfahren
war vorteilhafter, erforderte aber rasche Schweiſshitze. Hiernach
muſste das Verhältnis von Rost, Herd und Fuchs eingerichtet sein
und die Feuerbrücke mindestens 6 Zoll hoch liegen 1).
Fischer sah 1814 das Einschmelzen von altem Eisen in Schweiſs-
[122]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
öfen (ball-furnaces), welche Puddelöfen ähnlich waren, in Birmingham
und war überrascht über die Kürze der Zeit, in welcher die Schmelze
fertig wurde. Die unter einem schweren Hammer zusammengepreſste
Luppe wurde sofort durch Walz- und Schneidwerke zu Rundeisen
und Stäben verarbeitet. Er empfahl den Prozeſs der Beachtung der
Eisenwerksbesitzer des Kontinents. 1805 wurden die ersten Luppen-
quetschen in England eingeführt.
Eine andere Aufgabe, welche die Eisenhüttenleute damals viel
beschäftigte, war die Zugutemachung der Frisch- und Puddel-
schlacken. Dieses geschah zuerst im Rennherd, wie zu Uslar, wobei
groſser Abgang stattfand. In Schweden erhöhte man den Rennherd
zu einem niedrigen Schachtofen (Stückofen) von 6 Fuſs Höhe, ohne
bessere Resultate zu erzielen. Auch hier war die Zeit für die Reduk-
tion zu kurz. Zu Jedlitze in Oberschlesien hatte man ein ganzes
Jahr hindurch in einem solchen nach schwedischer Art erhöhten
Rennherd Frischschlacken verschmolzen, doch waren die Resultate
unbefriedigend. Vorteilhafter erwies sich das Verschmelzen der Frisch-
schlacken in Blauöfen oder noch besser in Hochöfen. In Schlesien
erzielte man aus denselben Schlacken bei dem Schmelzen im Hoch-
ofen und darauffolgendem Frischen beinahe 16 Proz. mehr Ausbringen
als in dem erhöhten Rennherd. Karsten berechnet den Kohlen-
verbrauch für 100 Pfd. Roheisen auf 62 Kbfſs, was 44 Kbfſs. weniger
war als im Rennherd. Immerhin wurde nur ein Teil des Eisens der
Frischschlacken, höchstens 36 Proz., ausgebracht. v. Marchers Ver-
suche in einem 18 Fuſs hohen Blauofen beweisen ebenfalls, daſs das
Verschmelzen der Frischschlacken im Schachtofen weit vorteilhafter
ist als im Herd. Auf dieses Verfahren nahm Anthony Hill 1814 in
England ein Patent.
Die Bemühungen, rotbrüchiges und kaltbrüchiges Eisen zu
verbessern, wurden in dieser Zeit mit Eifer fortgesetzt. Levasseur1)
empfahl 1. Cementation mit Kalk und 2. Verwendung von Kalk beim
Ausschmieden. Er tauchte die Stangen in dicke Kalkmilch, benetzte
das Feuer mit Kalkmilch und erhitzte stark. Die heiſsen Stangen
bestreute man mit gelöschtem, gepulvertem Kalk.
Auf den Hammerwerken von Marche bei Namur warf man, nach
Baillet2), ½ Schaufel gepulverten reinen Kalkstein auf die Luppe
und hielt sie dann noch einen Augenblick vor den Wind. Hierdurch
[123]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
sollte das Eisen vom Phosphor gereinigt werden. Rinman jun. hatte
vorgeschlagen, das flüssige Eisen durch ein Gemisch von Kalk und
Schlacke zu reinigen.
Zu Zinsweiler bei Reichshofen wendete man 1801 folgende Mittel
an 1): war das Eisen im Frischherd geschmolzen, so warf man einige
Hände eines Gemisches von Kalk und Pottasche auf; nachher trug
man beim Aufbrechen der Luppe einige Handvoll eines Gemenges
von gebranntem Kalk, Pottasche, Salz, Alaun und Schlacke nach und
wiederholte dies bei jedem Aufbrechen, im ganzen viermal.
Die Gesellschaft zur Aufmunterung des Gewerbfleiſses in Frankreich
(Soc. d’encouragement pour l’industrie nationale) setzte 1803 einen Preis
von 3000 Frcs. für diesen Zweck aus, den sie 1809 auf 8000 Frcs.
erhöhte, nämlich 4000 Frcs. für die Verbesserung des rotbrüchigen
und 4000 Frcs. für die Verbesserung des kaltbrüchigen Eisens. Es
wurden zwei Lösungen der Aufgabe eingereicht. Die eine vom Pro-
fessor Ohny, welcher vorschlug, kaltbrüchiges Roheisen mit einem
Zusatz von 2 Tln. Kohlenpulver und 1 Tl. Seesalz zu 12 Tln. Roh-
eisen zu verfrischen und kalt- und rotbrüchiges Eisen zusammen-
zuschweiſsen, wodurch der eine Fehler den anderen aufheben sollte;
die andere von dem oben genannten Dufaud, welcher vorschlug, auf
das flüssige Eisen, sobald es im Frischherd eingeschmolzen ist, 1/30
kohlensauren Kalk zu werfen. Obgleich dieses Mittel durchaus nicht
neu war, wurde Dufaud doch der Preis von 4000 Frcs. für Ver-
besserung des Kaltbruchs zuerkannt.
Rationellere Versuche, welche auch von gutem Erfolg begleitet
waren, hat der schwedische Oberhochofenmeister Af Uhr im Jahre
1809 auf der Björnhütte in Gestrickland angestellt, indem er den
Kaltbruch schon bei der Roheisendarstellung im Hochofen durch
entsprechende Gattierung verschiedener Erzsorten zu verbessern suchte.
Karsten sagt hierüber, bei der Verbesserung des Rot- und Kalt-
bruchs müsse man von den Erzen ausgehen und dieselben gar und
heiſs verblasen. Das Roheisen müsse mit Vorsicht und nötigenfalls
mit einem Zusatz von 3 bis 5 Proz. ganz reinen Kalkes nach dem
ersten Rohaufbrechen verfrischt werden. — In England geschah dies
nach Anthony Hills Patent (Nr. 3825) von 1814 in der Weise, daſs
er beim Puddeln seines aus Schlacken erblasenen kaltbrüchigen Eisens,
zu welchem er ¾ gutes Roheisen zugesetzt hatte, gebrannte Schlacke
einrührte, ehe die Gare eintrat.
Als zuverlässigstes Mittel zur Verbesserung des Rotbruchs erkannte
man reinen Spateisenstein.
Die Fortschritte in der Verarbeitung des Eisens bestanden
hauptsächlich in der häufigeren Anwendung der Walzwerke. In
England waren dieselben bereits ganz allgemein in Gebrauch, während
auf dem Kontinent ihre Anwendung noch selten war. Dagegen waren
Walz- und Schneidwerke für die Herstellung schwacher Eisensorten
sehr verbreitet. Man wendete dabei fast allgemein gemauerte Glüh-
öfen zur Erwärmung des Eisens an. Es waren dies meist Flammöfen,
doch bediente man sich bei den rheinischen und belgischen Schneid-
werken einfacher gewölbter Räume, welche einen Rost zur Verbren-
nung der Steinkohlen hatten und unter einer Esse standen. Das
Materialeisen lag unmittelbar auf den brennenden Kohlen und eine
Öffnung in der vorderen Wand des Gewölbeofens diente sowohl zum
Ein- und Austragen des Materialeisens, als zum Einfüllen der Kohlen
und zum Abzug der Verbrennungsgase. Man sparte bei diesem Ver-
fahren im Vergleich mit den Flammöfen an Brennmaterial, das Eisen
war aber viel mehr dem Verbrennen ausgesetzt. Bei gutem Betriebe
sollte der ganze Eisenabgang bei den Walz- und Schneidwerken
1 Proz. nicht übersteigen.
Bei der Drahtfabrikation wendete man statt des Zaineisens
vielfach das Schneideisen an. Dieses gab aber viel Ausschuſs, der
zwar durch vorausgehendes Hämmern verringert wurde, wodurch sich
aber die Kosten erhöhten. Es war viel vorteilhafter, das Eisen nur
der Länge nach auszuwalzen und es nicht zu spalten, wodurch auch
immer das Gefüge gestört wurde. Die groben Drahtsorten stellte
man aus Schneideisen oder direkt aus den Drahtknüppeln durch Aus-
walzen her; die feinen Drahtsorten zog man dagegen aus gewalztem
groben Draht.
Die Drahtsorten und deren Bezeichnung waren in jeder Gegend
anders. Hassenfratz teilt in einer Tabelle die Nummern und
Stärken der französischen Drahtsorten, nebst den Gewichten von je
100 m und den Längen von einem Kilogramm mit 1).
Die Drahtfabrikation machte damals in Frankreich bedeutende
Fortschritte. Für ihre Verbesserung hatte die Societé d’encourage-
ment ebenfalls Preise ausgesetzt. 1807 erhielten die Herren Mouchel,
welche in Aigle eine der gröſsten Drahtfabriken besaſsen, die silberne
Medaille 2). Sie machten damals allein 50000 kg Kratzendraht im
[125]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
Jahre, welcher, auſser ins Inland, nach Portugal, Spanien, Italien und
der Levante ging. Sie bezogen ihr Stabeisen von den Departements
de l’Orne und la Haute-Saône und lieſsen es in einem Zainhammer
zu Krauseisen in 1 cm Stärke umschmieden. Dieses kam auf den
Drahtzug und wurde das erste Mal nach drei Nummern, die darauf-
folgenden Male nach je fünf Nummern wieder ausgeglüht. Stahldraht,
der viel härter war, muſste nach je zwei Nummern geglüht werden.
Man zog ihn zu 44 Nummern aus. Zum Ausglühen konstruierten die
Herren Mouchel einen ganz besonderen Glühofen, der in Fig. 45
abgebildet ist. Zwischen zwei guſseisernen Cylindern, welche inein-
andergestellt sind und einen Hohlraum lassen, wurden die Drahtrollen,
etwa 500 kg schwer, eingelegt. Der Ofen hatte einen Durchmesser von
1,60 m, der äuſsere Cylinder von 1,40 m, der innere Cylinder von 1 m;
die Höhe betrug 0,5 m. Die Cylinder standen auf einer Eisenplatte auf.
An dieser war ein Haken befestigt, an dem sie mit Kette und Haspel
aus dem Ofen gezogen wurden, sobald das Ausglühen beendet war,
worauf sogleich ein frisch gefüllter Cylinder, von denen immer mehrere
zum Wechseln bereit standen, eingeschoben wurde. Oben waren die
Cylinder mit einer kreisförmigen Platte bedeckt, die nur in der Mitte
ein rundes Loch als Öffnung für die Feuergase, welche durch den
inneren Cylinder strichen, hatten. Da der äuſsere Cylinder ebenfalls
von dem Feuer umspült wurde, so fand eine ausgiebige und gleich-
mäſsige Erhitzung des Drahtes statt. Die Glühcylinder wurden stünd-
[126]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
lich gewechselt. Die Herren Mouchel lieſsen den Draht meistens
von Arbeitern im Hausbetrieb ziehen, ganz ähnlich, wie dies in Altena
und Iserlohn üblich war. Daneben hatten sie aber eine Drahtzieherei
mit 24 Rollen in einem Raume. Auch zum Richten des Drahtes hatten
die Herren Mouchel einen verbesserten Apparat erfunden 1). Sie
machten sehr guten Stahldraht, wozu sie den Stahl von La Hutte
bei Darney in den Vogesen bezogen. Der Stahldrahtzug war von
dem Eisendrahtzug getrennt.
In England nahm William Bell 1815 ein Patent (Nr. 3907)
für ein eigentümliches Drahtwalzwerk, welches nach seiner Beschreibung
so eingerichtet war, daſs aus einem Flachstab gleichzeitig eine Anzahl
Drähte gewalzt wurden, welche noch zusammenhingen und nachträg-
lich erst durch Schneidwalzen, Scheren oder sonstige Vorrichtungen
voneinander getrennt wurden.
Auch bei der Blechfabrikation kamen mehr und mehr die
Walzwerke zur Anwendung und, wo dies der Fall war, bediente man
sich ebenfalls geschlossener Glühöfen, welche geringeren Kohlen-
verbrauch hatten und die Arbeit rascher förderten, da sie viel mehr
leisteten als die alte Methode des Glühens der Bleche auf eisernen
Stangen über einem offenen Herdfeuer. Meistens hatte man sogar zwei
Glühöfen bei einem Walzwerk. In ihrer Konstruktion entsprachen sie den
Glühöfen der Schneidwerke, nur daſs sie breiter waren. Hohe Feuer-
brücke, niedriges Gewölbe, tiefliegender Fuchs waren für einen Blech-
glühofen erforderlich. Der Fuchs war zur Regulierung der Hitze mit
einem Schieber versehen. In der Regel lag die Arbeitsthür dem Rost
gegenüber, so daſs beim Öffnen der Thüre die Flamme herausschlug
und den Eintritt der äuſseren Luft in den Glühraum verhinderte.
Auf den groſsen belgischen Blechhütten wendete man keine
Flammöfen, sondern Gewölbe mit einem Rost, wie auch bei den
Schneidwerken, welche unter einer Esse standen, an. Auch hier sparte
man Brennmaterial, hatte aber mehr Verderb an Eisen.
Bei den Schwarzblechwalzen hatte man in der Regel ein
Sturzwalzwerk und daneben ein Schlichtwalzwerk. Der Feuermann
reichte die gehörig erhitzten Stürze dem Walzarbeiter, der sie durch
die Walzen gehen lieſs; ein zweiter nahm sie auf der anderen Seite
in Empfang und gab sie dem ersten zurück, der sie ein zweites, drittes
und viertes Mal durchsteckte, wobei jedesmal die Walzen enger
geschraubt wurden Hatten die Stürze die gewünschte Länge, so
[127]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
faſste sie nach dem letzten Durchgange ein dritter Arbeiter und bog
und schlug sie zusammen. Die Stürze wurden in Hahnebrei getaucht,
oft zwei- und dreifach ineinandergesteckt, worauf die Bearbeitung
unter den Schichtwalzen folgte. Groſse Bleche walzte man ohne
Zusammenschlagen durch. Nach jedem Durchgange wurde der Glüh-
span abgeschlagen.
Bei guter Arbeit gaben 100 Ctr. Blechstäbe 72 Ctr. Blech bei
22 Ctr. Abschnitzel. Auf 1 Ctr. Blech rechnete man 4 bis 5 Kbfſs.
Steinkohlen.
In der Weiſsblechfabrikation hatte die englische Industrie
die deutsche weit überflügelt, namentlich in der Verzinnung. Die
englischen verzinnten Bleche zeigten einen hohen spiegelartigen Glanz,
während der deutsche Zinnspiegel wolkig und ungleich war. Versuche,
die gleichförmigen glänzenden Flächen dadurch zu erreichen, daſs
man die Bleche nach dem Verzinnen durch glatte Walzen gehen
lieſs, hatten nicht den gewünschten Erfolg.
Zum Beizen verwendete man seit 1806 statt der früher gebräuch-
lichen sauren Hefe oder Essigsäure verdünnte Schwefelsäure, welche
besser wirkte. Um den Glühspan recht mürbe zu machen, erhitzte man
bis zur beginnenden Rotglühhitze, was die Schwefelsäure ertrug,
während die Pflanzensäuren zersetzt wurden. Nach dem Glühen, das in
ansteigenden Flammöfen geschah, wurden die gebeizten Bleche kalt
gewalzt, wodurch der meiste Glühspan absprang. Da die Bleche
durch das Walzen spröde geworden waren, wurden sie nochmals in
einem verschlossenen Muffelofen geglüht und noch einmal naſs gebeizt.
Eine reine Beize war das erste Erfordernis für einen guten Zinn-
spiegel. Das zweite Erfordernis war eine zweckmäſsige Art der Ver-
zinnung. Dazu gehörte namentlich, daſs das letzte Verzinnen in der Durch-
führpfanne mit reinstem Zinn, unter einer Decke von abgeschäumtem
Talg, dem man 1/25 Salmiak zuzusetzen pflegte, geschah. Die durch-
geführten Bleche lieſs man in der Talgpfanne erkalten.
J. C. Fischer giebt eine kurze, aber gute Beschreibung der
englischen Weiſsblechfabrikation, wie er sie 1814 zu Rotherham
bei Sheffield gesehen hatte 1). Das bis ¾ Zoll dick geschmiedete
Eisen wurde in derselben Länge, als wie die Bleche breit werden
sollten, abgeschnitten, im Glühofen gewärmt und unter 10 Zoll dicken
gegossenen Hartwalzen 2) ausgewalzt. Fingen die Bleche an dünn zu
[128]Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
werden, so wurden sie doppelt und dann vierfach zusammengelegt,
wodurch sie die doppelte Länge eines einfachen Sturzblechs erhielten
und somit beim Zerschneiden acht Stücke lieferten. Diese Bleche,
von allen vier Seiten nach dem Riſs eines eisernen Modells beschnitten,
wurden in Salzsäure (muriatic acid 1) getaucht, dachförmig zusammen-
gebogen, daſs sie auf den Kanten aufstanden, und dann ganz gelinde,
wenn die Salzsäure vorher darauf trocken geworden, in einem Glüh-
ofen geglüht. Wenn sie kaum braun waren, nahm man sie heraus,
worauf der Glühspan durch einen leichten Schlag in starken Schuppen
abfiel; was hängen blieb, wurde mit einer Bürste abgenommen. Diese
gereinigten Bleche gingen dann unter einem wohlpolierten und wohl-
gehärteten Walzwerk durch, um federhart und glatt zu werden, und
von da in Kleie und verdünnte Vitriolbeize. Sobald sie aus dieser
herausgenommen waren, kamen sie zum ersten Zinnherd, wo die mit
englischem Zinn gefüllte Pfanne beständig mit Öl bedeckt war. Bei
ziemlich starker Zinnerhitzung, welche an der gelben Farbe der
herauskommenden Bleche zu erkennen war, erhielten sie die erste
Verzinnung. Von da kamen sie zum zweiten Zinnherd, der ebenfalls
stark mit Öl bedeckt, aber nicht so heiſs war. Nach geschehener
Eintauchung wurde das Blech mit einer Bürste auf beiden Seiten
gerieben, noch einmal eingetaucht und dann auf ein Gestell, mit einer
der Ecken zuunterst, damit das Zinn sich sammeln konnte, gestellt.
Während das Zinn daran bereits noch flüssig war, nahm eine andere
Person das Blech und spülte es in einer mit kochendem Öl gefüllten
Pfanne ab, wodurch alles überflüssige Zinn abfloſs und worin die
rätselhafte Ursache lag, daſs die englischen Bleche keinen Brand
hatten. Aus dieser Pfanne wurde das Blech in einen Haufen Kleie
geworfen, mit welcher es auf beiden Seiten abgerieben wurde, und
zwar durch drei verschiedene Personen; auch wurde die Kleie oft
gewechselt.
Der Stahlbereitung wendete man in dieser Periode hervor-
ragendes Interesse zu. Auf dem Kontinent wurde der Stahl fast aus-
schlieſslich noch in Frischherden dargestellt. Fig. 46 zeigt einen
Stahlherd der Königshütte im Harz von 1806 nach Villefosse.
Wir haben schon erwähnt, welche Wichtigkeit man dem Mangan
für die Stahlbildung zuerkannte. Gazeran ging darin so weit, den
Stahl für eine Legierung von Eisen und Mangan, letzteres also für
[129]Stahlbereitung 1801 bis 1815.
einen wesentlichen Bestandteil des Stahls zu erklären. Stünkel jr.
stellte die Behauptung auf, man könne nur aus manganhaltigem Roh-
eisen Stahl machen, da aber nach seiner Annahme das Roheisen
manganhaltiger Erze immer weiſs fallen muſste, so folgte weiter
hieraus, daſs sich nur aus weiſsen Eisensorten Stahl herstellen lieſse.
Das waren Übertreibungen, denen die Thatsachen widersprachen.
Sowohl in Schweden wie in Frankreich machte man ganz guten
Schmelzstahl aus grauem Roheisen. Die Roheisensorten, welche man
in den Stahlwerken von Rives verwendete, von St. Vincent und von
Allvard im Departement von Isère, von St. Hugon, Argentine, St.
Hélène im Departement Montblanc, von St. Laurent im Departement
Drôme waren alle grau, ebenso die, welche man auf dem Stahlwerk
la Hutte im Elsaſs zu dem Stahl verarbeitete, aus welchem man die
vorzüglichen Klingenthaler blanken Waffen machte. Allerdings war
es nach Karsten immer besser, graues Eisen durch Scheibenreiſsen
oder ein oxydierendes Schmelzen (mazéage) erst in weiſses zu ver-
wandeln.
Die Cementstahlfabrikation blühte hauptsächlich in England,
wo sie die Grundlage aller Stahlbereitung bildete. Als Rohstoff
diente schwedisches Stangeneisen. Das
Brennen geschah meist in Öfen mit zwei
Kisten mit übermauerter Esse. Fig. 47
stellt einen Cementierofen zu Sheffield
nach Colliers Zeichnung vom Jahre 1796
dar (Bd. III, S. 769). Der rohe Brenn-
stahl (Blister steel) war noch keine
Handelsware. Er wurde es aber durch
einfaches Ausschmieden zu 7 bis 8 Linien
dicken Stäben unter einem Wasser-
hammer. In dieser Form hieſs er ge-
meiner Stahl (common steel) oder Stangenstahl (bar steel) und wurde
in groſsen Mengen nach den beiden Indien und den englischen Kolo-
Beck, Geschichte des Eisens. 9
[130]Stahlbereitung 1801 bis 1815.
nieen ausgeführt. Aus dem Stangenstahl wurde durch Gärben der
sogenannte deutsche Stahl (German steel, shear steel), den man früher
aus Frischstahl gemacht hatte, hergestellt. Der Cementstahl, der aus
dem besten schwedischen Danemoraeisen bereitet war, bildete den
Grundstoff für die Fabrikation des englischen Guſsstahls.
Auch auf dem Kontinente fand die Cementstahlfabrikation all-
mählich Eingang. In Deutschland waren z. B. Brennstahlfabriken zu
Rastadt an der Murg und zu Schedewitz bei Zwickau. In den Ver-
einigten Staaten machte D. Little einen vorzüglichen Brennstahl
durch Glühen von Stabeisen in gepulvertem Seetang.
Die gröſste Aufmerksamkeit wendete man aber der Guſsstahl-
fabrikation, für welche noch immer die Engländer das Monopol
hatten, zu. Clouets Versuche hatten zu praktischen Erfolgen nicht
geführt, auch das von Mushet patentierte Verfahren nicht. Beide
wollten Guſsstahl durch Schmelzen von reinem Schmiedeeisen mit pro-
zentalen Mengen von Kohle herstellen. Das Schmelzen des Schmiede-
eisens im Tiegel erforderte aber eine weit höhere Temperatur als das
Umschmelzen des Cementstahls, war also teurer, anderseits war man
durchaus nicht sicher, daſs sich das Schmiedeeisen auch mit der
ganzen Menge des zugesetzten Kohlenstoffs verband. Dies war in
den meisten Fällen nicht der Fall, vielmehr fiel das Produkt sehr
ungleich aus. Dieser Weg wurde also verlassen.
Bessere Resultate erhielt man durch Zusammenschmelzen von
reinem Roheisen mit Stabeisen im Tiegel. Karsten bezweifelt nicht,
daſs man auf diesem Wege mit möglichst reinem weiſsen, mangan-
haltigen Roheisen guten Guſsstahl erhalten kann; Thatsachen weiſs
er aber hierfür nicht anzuführen, und daſs die Erfolge nicht den
Erwartungen entsprachen, ersieht man aus seinen eigenen Einschrän-
kungen, denn er schreibt: Weil indes bei diesem Verfahren auſser-
ordentlich reines Roheisen vorausgesetzt wird, welches wohl nur selten
zu erhalten ist, weil ferner der Erfolg der Schmelzung des Roheisens
mit dem sehr strengflüssigen Stabeisen immer ungewiſs bleibt, wenig-
stens einen auſserordentlichen Hitzgrad voraussetzt; so wird die
Guſsstahlfabrik immer mit dem gröſsten ökonomischen Vorteil be-
trieben werden, welche Cementstahl als Material anwendet. In dieser
Richtung entwickelte sich dann auch nach und nach die Guſsstahl-
fabrikation auf dem Kontinente. Das Schmelzen geschah in Tiegeln,
in Windöfen oder in Flammöfen. Die Windöfen waren mit einer
hohen Esse verbunden und hatten öfter noch einen besonderen Luft-
zuführungskanal unter dem Rost, um den Zug zu verstärken. Als
[131]Stahlbereitung 1801 bis 1815.
Brennmaterial bewährte sich nur Koks. Holzkohlen gaben nicht die
genügende Hitze. Die Öfen waren in der Regel nur so groſs, daſs
sie einen Tiegel faſsten. Die Flammöfen, die man selten zum Stahl-
schmelzen anwendete, waren klein und so gebaut, daſs der Rost in
der Mitte lag und auf jeder Seite zwei Tiegel standen. Sie hatten
Ähnlichkeit mit den Glasöfen. Die Feuerung geschah mit Steinkohlen.
Das Einsetzen und Herausnehmen der Tiegel erfolgte durch Öffnungen
in den Seitenwänden des Ofens, welche während des Schmelzens mit
Ziegeln zugemauert wurden. Ebenso waren seitlich Züge angebracht,
damit die Tiegel von allen Seiten von der Flamme umspült wurden.
Alle Züge vereinigten sich unter einer Kuppel, die mit einer hohen
Esse verbunden war 1). Das wichtigste Hülfsmittel der Guſsstahl-
fabrikation waren die Tiegel. Am besten bewährten sich die Ipser
Graphittiegel, welche nicht nur sehr feuerbeständig waren, sondern
auch die groſsen Temperaturveränderungen am besten aushielten. Wo
dieselben aber nicht billig zu beschaffen waren, muſste man Thon-
tiegel nehmen. Von diesen erwiesen sich die gepreſsten besser als
die aus freier Hand gearbeiteten. Die Stahlschmelztiegel pflegten
21 cm hoch und 13 cm weit zu sein und 15 bis 20 kg zu fassen.
In früherer Zeit hatte man dem Flusse, den man zusetzte, die
gröſste Wichtigkeit beigelegt und denselben geheim gehalten. Die Er-
fahrung hatte aber gelehrt, daſs dies eine Täuschung war und daſs jeder
indifferente Fluſs anwendbar war. Reines Glas gab die beste Schutz-
decke; bei gutverschlossenen Tiegeln bedurfte man aber überhaupt
keiner Fluſsdecke. Im kleinen hatte Lampadius guten Guſsstahl
aus feinstem Cementstahl mit etwas Kreide und Borax in hessischen
Tiegeln geschmolzen. Die Beschickung betrug auf 1 Pfd. Cementstahl
1 Unze Borax und ½ Unze Kreidepulver.
Tiemann auf der Karlshütte bei Einbeck hatte 1804 eine
Methode der Guſsstahlbereitung erfunden, welche angeblich die eng-
lische übertreffen sollte. Das Verfahren wurde 1810 in dem damaligen
Königreich Westfalen bekannt gemacht und auch in Anwendung
gebracht 2). Doch hatte man groſse Schwierigkeiten mit der Her-
stellung haltbarer Tiegel, und verlautet von Erfolgen nichts.
Die ersten geschäftlichen Erfolge hatte ein Ratsherr Johann
9*
[132]Stahlbereitung 1801 bis 1815.
Konrad Fischer1) von Schaffhausen, dessen Verdienste um die
Guſsstahlfabrikation schon 1804 bei der Berner Kunstausstellung an-
erkannt wurden. 1809 schickte er Guſsstahlproben an die Gesell-
schaft der Aufmunterung der Nationalindustrie in Paris, welche 1807
einen Preis von 4000 Franken für das beste Verfahren der Guſsstahl-
bereitung ausgesetzt hatte. Die beste Sorte soll nach Angaben von
Zeitgenossen den englischen Guſsstahl übertroffen haben. Fischers
Verfahren soll darin bestanden haben, daſs er Stabeisen mit gewissen
Zusätzen in einem cylindrischen Gebläseofen, in welchem mehrere
Tiegel eingesetzt wurden, mit Holzkohlen schmolz. Später soll
Fischer auch einen guten schweiſsbaren Stahl, der im Feuer seine
Stahlnatur nicht verlor, bereitet haben 2).
In Bern entstand um 1810 die Grubersche Stahlfabrik, welche
einen vortrefflichen Stahl bereitete, der in Bruch, äuſserer Form,
Klang und Eigenschaften allen Anforderungen entsprochen haben
soll 3).
Den gröſsten Ruf und Absatz erwarben sich aber in der napo-
leonischen Zeit die Gebrüder Poncelet in Lüttich. Sie hatten eine
bedeutende Fabrik errichtet, welche Frankreich in der Zeit der Kon-
tinentalsperre einen groſsen Teil seines Bedarfes an Guſsstahl lieferte.
Schon seit Ende 1807 erzeugten sie ein vortreffliches Produkt.
Als sie damit an die Öffentlichkeit traten, wurden sie beschuldigt,
denselben nicht selbst fabriziert, sondern englischen Stahl als ihr
Fabrikat ausgegeben zu haben. Sie wandten sich nach Paris und
baten um Prüfung der Sache. Der damalige Minister des Inneren
legte derselben so groſse Wichtigkeit bei, daſs er den Chefingenieur
Mathieu mit der Untersuchung beauftragte. Dieser überzeugte sich
an Ort und Stelle, daſs die Gebrüder Poncelet4) aus inländischem
Eisen Cementstahl machten und diesen in Tiegeln zu Guſsstahl
schmolzen. Die Eisenstäbe, welche der Cementation unterworfen
wurden, kamen teils von Gincla im Aude-Departement, teils von
[133]Stahlbereitung 1801 bis 1815.
Düren im damaligen Departement der Roër 1). Der zweimal cemen-
tierte Stahl sollte den englischen übertreffen 2). Auch machten die
Gebrüder Poncelet einen feinen doppelt geschmolzenen Stahl und
einen schweiſsbaren Guſsstahl.
Über alle die Stahlarten, welche um den damals ausgesetzten
Preis konkurrierten, hat Gillet-Laumont einen eingehenden Bericht
erstattet 3).
1809 hatten die Gebrüder Poncelet von der Société d’encourage-
ment zu Paris eine goldene Medaille von 400 Franken Wert zur An-
erkennung und Aufmunterung erhalten. 1811 sandten sie Muster
ihres Guſsstahls an genannte Gesellschaft. Sie schmolzen Stahl mit
Fluſs in Tiegeln von 13 Zoll Höhe, 6 Zoll Weite und 25 Pfd. Ein-
satz in einem Windofen 4).
Bei kalter, trockener Luft ging die Schmelzung am besten von
statten, während es bei heiſsem, feuchtem Wetter manchmal nicht
gelang, die nötige Temperatur zu erreichen. Die Gebrüder Poncelet
bereiteten sich ihre Tiegel selbst aus einer reinen Thonerde der
Ardennen.
In jener Zeit entstanden auch die ersten Guſsstahlfabriken in
Westfalen und am Niederrhein.
Der Direktor Schmolder der Friedrich-Wilhelms-Hütte in der
Grafschaft Lingen hatte der Gesellschaft zur Aufmunterung in Paris
Scheren von Guſsstahl und dazu einen kurzen Bericht seines Ver-
fahrens eingeschickt.
Er nahm 288 Tle. altes Brucheisen, 16 Tle. Eisenfeile, 32 Tle.
altes geschmiedetes Eisen, 48 Tle. oxydiertes, gut geröstetes und ge-
pochtes Eisenerz, 32 Tle. pulverisierten Kalkstein, 2 Tle. Horn oder
zerkleinerte Tierklauen, 7 Tle. Holzkohlenpulver. Die Substanzen
wurden schichtweise in einen Schmelztiegel gethan, mit Tiegel-
scherben bedeckt und alsdann in einen mit Steinkohlen geheizten
Windofen eingesetzt. Nach 2 bis 2½ Stunden war die Schmelzung
vor sich gegangen, man warf Kohlenstübbe darauf und goſs die ge-
schmolzene Masse in Formen. Die 425 Tle. des Gemenges gaben
320 Tle. Stahl, wovon das Pfund auf beinahe 13 Centimes zu stehen
kam.
Andreas Köller \& Ko. zu Wald im Bergischen hatten einen
Guſsstahl erfunden, der nach dem Urteil der Kenner dem englischen
vollkommen gleich war und worüber die Erfinder von der Landes-
regierung ein Patent erhielten. Sie verkauften das Pfund für 50 Stüber
bergisch Courant und verschickten nicht unter 25 Pfd. 1). Ihr Ver-
fahren hielten sie geheim. Ebenso hatten die Gebrüder Karl und
Josua Busch in Remscheid im Jahre 1811 einen Guſsstahl für
Werkzeuge, der angeblich die Härte, Feinheit und Tüchtigkeit des
englischen mit der Zähigkeit des steierischen verband, erfunden.
Im Jahre 1811 legte Friedrich Krupp auf der Walkmühle bei
Altenessen auſser einem Reckhammer eine Stahl-Schmelz- und Cemen-
tierhütte an, aus welchem kleinen Anfang das berühmteste Stahlwerk
des Jahrhunderts sich entwickelt hat. Im Herbst 1812 konnte Krupp
bereits durch Geschäftscirkular mitteilen, daſs er „alle Sorten feinen
Stahl, auch Guſs-, Rund- und Triebstahl, sowie auch feine Uhr-
macherfeilen und alle anderen Sorten gröberer Sackfeilen, Baster-
und Schlichtfeilen und Raspeln“ liefere. Einige Jahre später verband
sich Krupp mit dem Mechaniker Nicolai, welcher am 5. Mai 1815
von Preuſsen ein Patent auf Guſsstahl erhalten hatte, „der dem besten
bis jetzt bekannten englischen Guſsstahl in Rücksicht der Güte gleich
gefunden“ war. Diese Geschäftsverbindung hatte aber den gewünschten
Erfolg nicht, sondern für Krupp nur Nachteile und Prozesse zur
Folge 2).
In Schweden war es dem Bergmeister Broling im Anfang des
Jahrhunderts gelungen, einen Guſsstahl zu verfertigen, welcher dem
englischen an Güte nicht nachstehen sollte 3).
Unter den Proben von Guſsstahl, welche 1811 an die Société
d’encouragement zu Paris eingeschickt wurden, um für den von dieser
Gesellschaft ausgesetzten Preis von 4000 Franken zu konkurrieren,
befand sich ein von Ettler im Departement der Aude fabrizierter
Stahl, „wie teigiges Roheisen“, welcher den Vorzug besaſs, vollkommen
schweiſsbar zu sein. Dies wurde angeblich durch Zusatz von weichem,
faserigem Eisen zu der Guſsstahlmasse bewirkt. Vermutlich geschah
dieser „Zusatz“ durch Zusammenschweiſsen.
Im ganzen befand sich die Guſsstahlfabrikation des Kontinents
noch in den Kinderschuhen, während sie in England einen groſsen
Umfang erlangt hatte. Da man das Verfahren daselbst mit Ängst-
[135]Stahlbereitung 1801 bis 1815.
lichkeit geheim hielt, können wir nur wenig darüber berichten 1); das
Wichtigste haben wir bereits mitgeteilt. Die Engländer bedienten sich
der Graphittiegel; das Schmelzen geschah in Windöfen. Vander-
broecks2) Bericht über englischen Guſsstahl kann sich nur auf einen
ganz geringen Guſsstahl beziehen, welcher durch Zusammenschmelzen
von weiſsem und grauem Roheisen mit Blechabschnitzeln, altem Eisen,
Hammerschlag und Stahlabfällen in groſsen Tiegeln, welche 100 kg
Einsatz faſsten, erzeugt wurde. Vier dieser Tiegel wurden in einen
Flammofen, ähnlich einem Glasofen, eingesetzt.
Von hohem geschichtlichen Interesse ist dagegen Vandenbroecks
weiterer Bericht, wonach man in England um 1812 Stahl in Flamm-
öfen mit tiegelförmig vertieften Herden durch Zusammenschmelzen
von Roheisen, Schmiedeeisenschrot und Hammerschlag herstellte.
Die Mischung wurde auf die Feuerbrücke gelegt, schmolz und sam-
melte sich das flüssige Metall unter einer Schlackendecke im Herde.
Es trat ein Aufwallen und Kochen ein, wobei Kohlenoxydgas mit
violetter Flamme entwich. Sobald das Kochen aufgehört hatte, brachte
man ein Stück grünes Holz in die Masse und rührte das flüssige Metall
um, um die Absonderung zur Schlacke zu befördern. Wenn das
Roheisen anfing zu frischen, schöpfte der Arbeiter eine Probe, die er
in eine Probeform ausgoſs und unter dem Hammer untersuchte. Zeigte
sich der Stahl in seinem Korn als zu weich, so wurden Brocken von
hochcementiertem Brennstahl eingeworfen, um Kohlenstoff zuzuführen;
war er zu hart, so setzte man Blechabschnitzel oder altes Eisen zu.
Alsdann wurde die Schlacke abgezogen, der Guſsstahl in die Formen
laufen lassen und dann geschmiedet 3).
Der unter dem Namen Marshall — auf dem Kontinent oft fälsch-
lich Martial — bezeichnete vorzügliche englische Guſsstahl zeigte noch
deutlich die Nähte der cylindrischen Form, in welcher er gegossen
war; er war demnach nicht überschmiedet.
Das am 13. November 1800 von David Mushet erworbene
umfangreiche Patent (Nr. 2447) für Guſsstahlbereitung enthält in
seinem ersten Teil nichts anderes als die Beschreibung des Verfahrens,
Schmiedeeisen mit Zusatz von abgewogenen Mengen von Kohle, Graphit
oder sonstigen Kohlensubstanzen in Tiegeln zu schmelzen, wie es Clouet
[136]Stahlbereitung 1801 bis 1815.
in Frankreich bereits ausgeführt hatte. Mushet wollte auf diese
Weise verschiedene Stahlsorten erhalten, je nach dem Kohlenzusatz
von 1/200 bis 1/40 des Eisengewichtes. Je weniger Kohlen man zusetze,
je weicher und schmiedbarer würde der Stahl. Man könne selbst
weiches Eisen ohne Kohlenzusatz im Tiegel schmelzen (!), wobei in-
dessen immer etwas Kohlenstoff aus den Feuergasen aufgenommen
würde. Betrug der Kohlenzusatz 1/40, so lieſs sich der Guſsstahl in
Formen gieſsen, und nahmen die Stahlguſsstücke vorzügliche Poli-
turen an.
Ein zweites Verfahren Mushets bestand darin, reine Eisenerze
mit soviel Kohle zu schmelzen, als für die Reduktion und die Koh-
lung zu Stahl erforderlich war. Dadurch würde das Verschmelzen
der Erze im Hochofen und die Cementation erspart.
Endlich nahm auch Mushet das Verfahren Clouets, Eisen
durch Karbonate ohne Kohlenzusatz in Guſsstahl zu verwandeln, in
sein Patent auf, indem er das Verfahren noch auf Eisenerze er-
weiterte.
Sodann enthält das Patent ein Verfahren, durch mehrtägiges Er-
hitzen (Tempern) von Guſsstahl in Cementier- oder Stahlöfen denselben
so schweiſsbar wie Cement- oder Schmelzstahl zu machen, ohne die
Blasen oder Flecken jener zu bekommen. Groſsen praktischen Erfolg
hatte aber Mushet mit seinen Erfindungen nicht, auſser insofern,
als er sein Patent für 3000 £ an eine Sheffielder Firma verkaufte 1).
William Proctor erhielt 1808 ein Patent, Stahl durch Um-
schmelzen mit oder ohne Zusatz chemischer Mittel zu reinigen. Er
wollte sich dabei eigentümlicher Tiegel bedienen, bei denen die
Flamme diese nicht nur umspülte, sondern durch mit dem Tiegel
verbundene Röhren auch durch die Schmelzmasse geleitet würde.
Mehrere Tiegel sollten dann je nach Bedürfnis zugleich in eine Form
ausgegossen werden. Als eine Art der Verwendung führt der Patent-
nehmer das Platieren von Eisen und gemeinem Stahl an.
Die Verwendung des Stahls im Anfange des Jahrhunderts
bietet ebenfalls manches Neue.
Der englische Guſsstahl wurde hauptsächlich zu Messerwaren und
besseren Werkzeugen verarbeitet, welche sich wegen ihrer Güte den
Weltmarkt erobert hatten. — Die Messerschmiedwaren (Cutlery) wur-
den besonders in Sheffield fabriziert, wo z. B. in einer groſsen Werk-
stätte über 500 verschiedene Muster, von 2½ Pence bis 8 und mehr
Guineen das Stück, hergestellt wurden. Ebenso berühmt wie die eng-
lischen Messer waren die englischen Scheren. Seit 1806 hatte man
vergoldete Taschenscheren auf den Markt gebracht. Von Werkzeugen
erfreuten sich Sägen, Feilen, Schneidwerkzeuge (edge-tools), Lanzetten
allgemeinen Rufes. Eine Einbuſse hatte das Renommee der englischen
Messerwaren allerdings dadurch erlitten, daſs man seit 1798 gegossene
Messer, Gabeln und Rasiermesser, die dann getempert und poliert
wurden, in den Handel brachte.
Bei der Feilenfabrikation bediente man sich nicht, wie man auf
dem Kontinent glaubte, der Feilenhaumaschinen, sondern das Feilen-
hauen war Handarbeit, welche nur durch sehr geschickte Arbeiter
und weitgehende Arbeitsteilung, wobei ein Arbeiter womöglich immer
nur denselben Hieb zu schlagen hatte, zu groſser Vollkommenheit ge-
bracht war. Fischer, der 1814 eine groſse Feilenfabrik bei Sheffield
besuchte, erwähnt, daſs man zu Sheffield abweichend wie in Birming-
ham beim Härten, welches auch immer durch die gleichen Personen
geschehe, die Feilen erst in die Hefe eintauche und sie dann in dem
Härtepulver herumwälze. Die Gesenke für dreikantige und halbrunde
Feilen hatten keine Zapfen, sondern wurden in schwalbenschwanz-
förmige Einschnitte der Ambosse eingeschoben, so daſs sie festhielten
und doch leicht herausgenommen werden konnten. Die Gesenke
waren so geformt, daſs man die Feilen in demselben Gesenk
fertig schmieden konnte, während man auf dem Kontinent zu jeder
Feile zwei bis drei verschiedene Einschnitte oder Gesenke brauchte.
Ein ganz neuer Artikel englischer Erfindung waren Kreissägen, die
man von 15 bis 18 Zoll im Durchmesser anfertigte.
Auch geschliffene Stahl- und Galanteriewaren, als Degengefäſse,
Schnallen, Knöpfe und Stahlschmuck für stählerne Ohrgehenke und
Halsbänder waren damals sehr beliebt. Diese Mode war von England,
wo die Fabrikation in Birmingham ihren Sitz hatte, ausgegangen.
Besonders beliebt waren Halsbänder aus geschliffenen Rädchen, welche
ineinandergriffen und vier Speichen hatten; zwischen jedem Rade
befand sich eine rote Koralle. Man zahlte 3½ Guineen für ein solches
Halsband. Im Januar 1803 erschien die berühmte Sängerin Billington
mit einem Haarschmuck aus poliertem Stahl aus der Fabrik von
[138]Die Verwendung von Stahl und Eisen.
Smith \& Son in Birmingham auf der Bühne, welcher seines auſser-
ordentlichen Glanzes wegen groſse Bewunderung erregte. Man be-
hauptete, Diamanten könnten nicht die gleiche Wirkung hervorbringen.
Diese Stahlschmuckwaren wurden vielfach auch in Paris hergestellt.
In Wien trug man 1814 nach dem Zusammentritt des Friedenskon-
gresses blauangelaufene stählerne Ringe mit einem länglichen gol-
denen Schildchen und der Inschrift „Friede sei mit uns“, welche
Kongreſsringe genannt wurden.
Die Stahlbrillanten und Perlen (steel pearls) aus Guſsstahl wurden
ebenfalls in England erfunden und hergestellt, doch gab es schon vor
1795 eine solche Fabrik des Grafen Thun zu Klösterle an der Eger
in Böhmen.
Der Hauptsitz der Stahlwarenfabriken in England war Birming-
ham, wo namentlich die Fabrik von Boulton, Watt und Fothergil
durch ihre vorzüglichen maschinellen Einrichtungen, wie durch ihre
Waren Weltruf genoſs. Fischer sah 1814 in Birmingham ein stäh-
lernes Schreibzeug, welches 50 Guineen kostete.
Stahlschreibfedern verfertigte zuerst ein Däne, Jans Hammer,
aus alten abgenutzten Uhrfedern.
Für die Bearbeitung des Schmiedeeisens und des Stahles war
der Hammer das wichtigste Werkzeug. Noch wendete man ausschlieſs-
lich Wasserhämmer an.
In England bediente man
sich zur Bearbeitung der
Luppen der Stirnhäm-
mer, während man auf
dem Kontinent dafür
meist Aufwerfhämmer
verwendete. Zum Ausschmieden, Zainen und Recken dienten Schwanz-
hämmer. Fig. 48 stellt einen Stabhammer der Sollingerhütte, Fig. 49
[139]Die Verwendung von Stahl und Eisen.
einen ebensolchen aus Schweden (nach Nordwall) aus jener Zeit
dar; beides sind Aufwerfhämmer, während der Zainhammer der Rothe-
hütte im Harz (Fig. 50) (nach Villefosse) ein Schwanzhammer war.
Der groſse Aufschwung der Eisenindustrie war hauptsächlich
bedingt durch den wachsenden Verbrauch von Eisen, der nirgends
gröſser war als in England. Der
Schiffsbau, das Maschinenwesen,
die Waffenfabrikation und das
Bauwesen erforderten dort enorme
Mengen von Eisen. Die Anwen-
dung des Eisens in der Bau-
kunst wurde ebenfalls immer
mannigfaltiger. Massen von Ei-
sen beanspruchten besonders die eisernen Brücken und die Eisen-
bahnen.
Die meisten eisernen Brücken in dieser Periode wurden noch
von Guſseisen erbaut. In Paris wurde um 1805 die Pont des arts
mit neun Bögen von je 19 m Weite, 9,75 m Breite und 3 m Höhe erbaut.
Jeder Bogen stand auf fünf Rippen von Guſseisen. 1805 bis 1807
wurde die Pont d’Austerlitz bei dem Jardin des plantes über die
Seine erbaut. Sie war von dem Oberingenieur Lamandé entworfen
und ausgeführt und bestand aus fünf Bögen, wovon jeder 32,39 m
weit und 3,18 m hoch war.
In Deutschland wurden guſseiserne Brücken über den Kupfer-
graben in Berlin und bei Charlottenburg, die beide in Schlesien ge-
gossen waren, errichtet, während die Brücke bei Potsdam aus der
königl. Gieſserei in Berlin stammte.
1815 wurde zu Baden bei Wien eine eiserne Brücke über die
Schwechat gebaut, welche aber am 15. Juni bei der Eröffnungsfeier
einstürzte.
Viel gröſsere Eisenbrücken wurden in England in dieser Periode
ausgeführt. 1802 erbaute Wilson eine eiserne Brücke bei Stains
über die Themse. Sie hatte einen groſsen Bogen von 180 Fuſs
(54,85 m) Spannweite 1).
Der berühmte Ingenieur Rennie erbaute 1803 eine guſseiserne
Brücke über den Witham bei der Stadt Boston in Lincolnshire, deren
Bogen aus eisernen Rippen ein Kreissegment von 80 Fuſs Sehne
bildeten.
1814 lieſsen die Magistrate der Städte Monmouth und Glocester
eine groſse eiserne Brücke über den Fluſs Wye bei Chepstow in
Monmouthshire erbauen.
Die schönste und groſsartigste guſseiserne Brücke war aber die
Southwarkbrücke über die Themse bei London, deren Bau 1815 be-
gonnen wurde. Ihr mittlerer Hauptbogen hatte die gröſste bis dahin
erreichte Spannweite von 240 Fuſs (73,15 m), die beiden Seitenbogen je
210 Fuſs (64 m). Das gesamte Eisenwerk wog 4585 Tonnen 1) und war
zu Rotherham gegossen. Am 25. März 1819 wurde dieses Meister-
werk Rennies dem Verkehr übergeben.
Um jene Zeit hatte man aber auch schon angefangen, den
schmiedeeisernen Brücken gröſsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. 1796
war von Finley die erste Kettenbrücke in Nordamerika erbaut wor-
den. 1797 hatte John Nash in England ein Patent auf eiserne
Brücken genommen, deren Bogen er aus Rippen, welche er aus Blech-
platten oder Guſsplatten durch Vernietung oder Verschraubung zu-
sammensetzen wollte, konstruierte. Ferner wollte er die Brücken aus
lauter Kastenstücken erbauen und diese Kasten mit Erde, Lehm oder
Ziegelbrocken ausfüllen und sie dann wie Quadersteine behandeln.
Nach der ersten Art lieſs der Kaiser von Ruſsland auf Antrag
des Grafen Romanzoff zwei Brücken von geschmiedetem Eisen über
einen Kanal in Petersburg erbauen, welche aber trotz ihrer geringen
Spannweite von nur 30 Fuſs (9,14 m) eine groſse Summe kosteten.
Ein anderes System brachten Wiebeking und von Reichen-
bach fast gleichzeitig in Vorschlag, welches hauptsächlich dahin
ging, die starren Guſsbalken durch Röhren zu ersetzen, wodurch viel
Gewicht erspart wurde. Ebenso machte Wiebeking die Versteifung
der Rippen aus schwächeren Röhren, die Unterstützung der Fahrbahn
dagegen aus Schmiedeeisen.
Eine groſse Verbreitung hatten die eisernen Schienenwege oder
Eisenbahnen in England gefunden, die in Hunderten von Meilen das
[141]Die Verwendung von Stahl und Eisen.
Land bedeckten. Man unterschied Rail-ways und Tram-ways. Erstere
bestanden aus 2 bis 3 Zoll breiten eisernen Stegen, welche auf
der inwendigen und oberen Kante glatt waren, auf der unteren und
äuſseren Seite jede beliebige Form haben konnten. Die darauf lau-
fenden Wagenräder hatten inwendig einen Falz, wodurch die Wagen
in der Bahn gehalten wurden.
Bei den Tram-ways hatte die Bahn, auf der die Räder liefen,
auf der äuſseren Seite eine rechtwinkelig aufgeschlagene Kante. Die
Spuren oder Geleise, welche entsprechend der englischen Wagenspur
5 Fuſs breit waren, bestanden aus Guſseisen und lagen auf Lang-
hölzern. Um 1793 hatte Ch. Outram eine Reform des Eisenbahn-
baues dadurch herbeigeführt, daſs er die 1 m lang gegossenen
Schienenstücke auch unten mit einer Rippe versah, mittels welcher
er sie an den Enden auf einzelnen Steinen auflagerte und sie darauf
mit eisernen Nägeln in Holzdübeln befestigte. Diese verbesserten
Outram-Bahnen fanden groſse Verbreitung, und soll aus der Be-
zeichnung Outram-Bahn die landläufige Bezeichnung Trambahn
(Outram-way = Tram-ways entstanden sein (??) 1).
Wilkinson goſs auf seinem Eisenwerk bei Bilston Schwellen
und Geleise aus einem Stück. Woodhouse verbesserte die Coal-
brookdale-Schiene dadurch, daſs er ihr Kastenform gab, wodurch sie
direkt auf den Boden in die Straſsenoberfläche gelegt werden konnte.
Dies waren die Anfänge des eisernen Oberbaues.
John Outram gab ferner den Schienen unten Fischbauchform
nach der Linie der gröſsten Tragfähigkeit, welche Form allgemeine
Verbreitung fand. Um 1803 machte Nixon bei Newcastle die
ersten Versuche mit schmiedeeisernen Schienen. Die guſseisernen
Räder der viereckigen, trichterförmigen Kastenwagen waren sehr
klein. Ein Pferd konnte mit Leichtigkeit groſse Lasten auf diesen
Eisenbahnen fortbewegen. Zu Croyden zog ein Pferd bei einer Wette
12 mit Steinen beladene Karren, 85568 engl. Pfd. schwer, nebst
vier mit 50 Arbeitern beladenen auf einem eisernen Wagengeleise mit
Leichtigkeit 6 engl. Meilen weit 2).
Eine engl. Meile Eisenbahn kostete bei Manchester 300 £. Wyatt
hatte 1802 die Bahnen dadurch verbessert, daſs er die Stegschienen
oval machte und sie in Stein einlieſs 3). Ein Pferd leistete auf seiner
[142]Die Verwendung von Stahl und Eisen.
Eisenbahn soviel wie 40 auf der Landstraſse. Eine Bahn mit Wyatt-
Schienen befand sich um 1811 auf der Grube Dorothea bei Klausthal.
Kein Geringerer als Watt hatte das Beispiel eines ganz aus Eisen
erbauten Hauses gegeben. Eines der groſsen Fabrikgebäude zu Soho
war ganz aus Eisen konstruiert. Fuſsboden, Treppen und Dach waren
aus Guſseisen hergestellt und zwar waren die Fuſsböden und Treppen,
wie Fischer versichert, durchaus nicht glatt, sondern fein gewürfelt
wie Teppiche, mit schwarzer Farbe angestrichen und äuſserst reinlich
gehalten 1).
Die Verwendung des Eisens beim Schiffsbau war in fort-
währender Zunahme begriffen, und man hatte bereits begonnen,
Schiffe ganz aus Eisen zu bauen. Der erste, der dies ausgeführt
hatte, war der berühmte John Wilkinson von Broseley im Jahre
1787. Dieses Schiff wurde zu Willey in Shropshire erbaut und fuhr
als Frachtschiff auf dem Severn.
Im Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ein zweites eisernes Schiff,
der Vulkan, zu Falkine am Monkland-Kanal bei Glasgow gebaut.
1822 erbaute die Horseley-Gesellschaft ein gröſseres Eisenschiff,
„Aaron Manby“, dasselbe wurde in Teilen nach London gefahren,
dort zusammengesetzt und fuhr von dort unter des späteren Admiral
Napiers Leitung nach Havre und Paris.
Von auſserordentlichem Einfluſs auf den Eisenverbrauch und auf
die Eisenindustrie war ferner der groſse Aufschwung im Maschinen-
bau, namentlich die Verbesserungen der Dampfmaschine und die
Erfindung der Dampfschiffahrt.
Mit Eifer bemühten sich Mechaniker um die Verbesserung der
Dampfmaschine, was sie jetzt um so mehr konnten, als seit dem
Jahre 1800 Watts Patent erloschen war. Besonders waren höhere
Dampfspannung und die Ausnutzung der Expansion Forderungen der
Zeit. Watt hatte zwar schon 1769 die Hochdruckmaschine ohne Kon-
densation in seinem Patent mit einbegriffen. Er war aber nie dazu ge-
kommen, dieses Prinzip auszubeuten; seine Niederdruckmaschinen mit
Kondensation erfreuten sich allgemeinen Beifalls, und so war er nur
auf Verbesserung dieser bedacht. Die ersten brauchbaren Hochdruck-
maschinen hatte Evans in Nordamerika gebaut; 1801 setzte er mit
einer solchen eine Getreidemühle in Bewegung, wobei er eine Span-
nung von über 6 Atmosphären anwendete und den Dampf bei ⅓ bis
nur ⅙ des Kolbenweges absperrte.
In England nahmen zuerst Trevithiek und Vivian 1802 ein
Patent auf eine Hochdruckmaschine und führten ihre doppeltwirken-
den, eincylindrischen Maschinen auch wirklich aus.
Arthur Woolf griff die Idee Hornblowers vom Jahre 1781,
zwei miteinander verbundene Cylinder von ungleicher Weite anzu-
wenden, wobei der stark gepreſste Dampf erst auf den Kolben des
kleinen Cylinders, der expandierte auf den Kolben des groſsen
Cylinders wirkte, wieder auf und lieſs sich 1804 dieses Prinzip paten-
tieren; 1805 und 1810 erhielt er zwei weitere Patente. Er wendete
hohe Dampfspannung an und legte gröſsere Sorgfalt auf vollständige
Dichtung der Kolben. 1815 baute er eine groſse Maschine nach
seinem Prinzip auf einem Bergwerk in Cornwall. Der groſse Cylinder
hatte 53 Zoll Weite und einen fünfmal so groſsen Inhalt als der
kleine. Sie bewährte sich ausgezeichnet und übertraf in Bezug auf
Kohlenersparnis und Leistung die gleich starken Wattschen Maschinen.
Dadurch kamen die Woolfschen Hochdruckmaschinen mit zwei Cylin-
dern (Woolfs double cylinder expansion engines) rasch in Auf-
nahme. Ihr Nutzeffekt im Vergleich zu den Wattschen Kondensations-
maschinen betrug 3 zu 2.
In Frankreich wurden diese Maschinen unter dem Namen Edwards-
Maschinen bekannt, weil ein Mechaniker Edwards 1815 darauf ein
Patent in Frankreich genommen und dieselben eingeführt hatte.
Ein weiteres Bestreben der englischen Mechaniker ging dahin,
den Balancier los zu werden und die Maschine direkt wirkend zu
machen. Cartwright hatte das schon 1797 versucht, 1802 konstruierte
Murray eine Maschine nach diesem Prinzip. Beide Maschinen hatten
keinen Erfolg. Die praktische Durchführung des Prinzips gelang erst
dem berühmten Maschinenbauer Henry Maudslay in London (Patent
vom 23. Juni 1807), dessen vortreffliche und elegante Maschinen groſsen
Beifall und allgemeine Verbreitung fanden.
Murdock hatte bereits 1785 eine kleine Maschine mit schwingen-
dem oder oscillierendem Cylinder konstruiert, durch deren hohle Dreh-
achsen der Dampf ein- und ausströmte. Durch diese Anordnung kamen
die Lenkstangen ganz in Fortfall. Trevithick versuchte dieselbe
Anordnung bei seiner Hochdruckmaschine, und 1808 konstruierte der
Amerikaner French eine oscillierende Maschine zur Bewegung eines
Dampfschiffes. Aber erst Anfang der 20 er Jahre fanden diese
Maschinen durch die Verbesserungen von Cavé in Frankreich (1820)
und Manby in England (1821) erfolgreiche Anwendung. Saulnier
in Paris konstruierte direktwirkende Maschinen nach Maudslays
[144]Dampfmaschinen und Dampfschiffe.
Prinzip mit Hochdruck, deren vertikaler Dampfcylinder auf einer
horizontalen Fundamentalplatte aufgeschraubt war. Diese Anord-
nung bewährte sich namentlich für kleinere Betriebe und wurde
zuerst von Dawes in England (1816) und später von verschiedenen
Mechanikern weiter ausgebildet.
Dampfmaschinen mit horizontalem Cylinder baute zuerst Syming-
ton 1801; 1823 wendete Perkins dieselben bei seinen Hochdruck-
maschinen an, doch bestand noch ein allgemeines Vorurteil gegen
die horizontalen Dampfmaschinen, weil man behauptete, dieselben
seien nicht dicht zu halten, und der Kolben arbeite den Cylinder
aus. Erst seitdem Stephenson horizontale Cylinder bei seinen
Lokomotiven angewendet hatte, schwand dieses Vorurteil und führte
zu den verbesserten Konstruktionen, welche die Horizontalmaschine
zu der beliebtesten Anordnung der Dampfmaschine gemacht haben.
Das Bestreben, die Dampfmaschine zur Fortbewegung der
Schiffe zu benutzen, ist so alt wie die Dampfmaschine selbst 1). In
der von der Royal Society in London veröffentlichten Schrift Papins
von 1681 ist bereits der Vorschlag, Schiffe mittels Dampfkraft zu
bewegen, enthalten. Es war dies ein Lieblingsproblem Papins,
welches ihn viel beschäftigte, und der tragische Zusammenbruch
seines Glückes hängt ja mit der Zerstörung des ersten von ihm ge-
bauten Dampfschiffes durch eifersüchtige Schiffer auf der Weser bei
Minden zusammen. Auf dieses Schiff mit Ruderrädern, welche durch
seine Dampfmaschine bewegt wurden, hatte er seine ganze Hoffnung
gesetzt, die in so brutaler Weise vernichtet wurde. Auch Savery
hatte in seiner Schrift: Navigation improved or the art of rowing
ships of all rates in calms etc., in welcher ein Räderschiff beschrieben
und abgebildet ist, auf die Möglichkeit, seine Dampfmaschine zur
Fortbewegung zu benutzen, hingewiesen, ohne daſs er sich indessen
um die Ausführung je bemüht zu haben scheint.
1736 hatte Jonathan Hull ein Patent auf die Anwendung
der atmosphärischen Dampfmaschine zur Fortbewegung von Schiffen
durch Ruderräder genommen, doch wissen wir nicht, daſs sein Pro-
jekt im groſsen ausgeführt oder angewendet worden ist. Die ersten
Versuche mit Dampfschiffen im groſsen wurden in Frankreich aus-
geführt, und zwar 1775 von Auxiron und von Konstantin
Perrier, doch liefen ihre Schiffe viel zu langsam. Mehr Erfolg hatte
[145]Dampfmaschinen und Dampfschiffe.
der Marquis Claude Jouffroy, der 1783 mit seinem Dampfboot auf
der Saône bei Lyon sogar einige Zeit gegen den Strom anfahren
konnte. Allein die Regierung gewährte ihm nicht die erbetene Unter-
stützung, und so blieb Jouffroys Erfindung ohne weitere Folgen.
Das erste fahrbare Dampfschiff in Groſsbritannien erbauten
Patrick Miller und Wil. Symington. Miller, ein reicher Privat-
mann in Edinburg, hatte sich aus Liebhaberei mit Verbesserungen
des Schiffsbaues beschäftigt. 1787 hatte er ein Doppelboot mit Ruder-
rädern, welche durch Handhaspel bewegt wurden, erbauen lassen.
Mit diesem blieb er bei einer Wettfahrt mit einem schnellsegelnden
Boot Sieger. Dieser Erfolg spornte ihn zu weiteren Verbesserungen
an. Er trat mit dem Bergwerksmechaniker W. Symington in Ver-
bindung, welcher ihm eine kleine Dampfmaschine zur Bewegung der
Räder seines Bootes anfertigen sollte. Symington baute ein kleines
Maschinchen von 4 Zoll Cylinderdurchmesser und von einer Pferde-
kraft und betrieb damit Millers Doppelboot am 14. Oktober 1788
auf einem kleinen See bei Millers Landhaus zu Dalswinton in Dum-
frieshire. Dieses war die erste Dampfschiffahrt in Groſsbritannien.
Beide verbanden sich nun zur Erbauung eines gröſseren Dampfbootes.
Symington baute eine zweicylindrige Dampfmaschine mit 18zölligen
Kolben, welche 12 Pferdekräfte leisten sollte. Das Dampfschiff wurde
1789 fertig und auf dem Clydekanal in Betrieb gesetzt. Leider
brachen aber die Schaufeln der Räder, was Miller, der dies voraus-
gesagt hatte, so verdroſs, daſs er nichts weiter mit der Sache zu thun
haben wollte.
Auch Josef Bramah hatte sich mit der Idee der Erbauung
eines Dampfschiffes, und zwar statt mit Schaufelrädern mit einer
Schraube, wofür er 1785 ein Patent nahm, beschäftigt. Er be-
schreibt dieselbe folgendermaſsen: „Statt des Schaufelrades kann man
ein geneigtes Fächer- oder Flügelrad, ähnlich dem Windrad an einem
Schornstein oder den Segeln einer Windmühle nehmen, welches, an
einer Welle befestigt, sich ganz unter Wasser dreht und je nach der
Stellung und Neigung seiner Schaufeln das Schiff vorwärts- oder
rückwärts treibt. Die Kraft wird proportional der Gröſse und Dreh-
geschwindigkeit des Rades sein … Der Apparat wird im oder über
dem Sterne und dem Platze, wo das Steuerruder gewöhnlich ist, an-
gebracht und seine Bewegung wird durch eine horizontale Spindel
oder Welle, welche von der Maschine aus durch oder über das Hinter-
teil des Schiffes durchgeht, bewirkt.“
Von der praktischen Ausführung der Erfindung ist aber nichts
Beck, Geschichte des Eisens. 10
[146]Dampfmaschinen und Dampfschiffe.
bekannt. Dagegen hatten sich in Nordamerika zwei Männer mit
diesem Problem beschäftigt, Fitch und Rumsey, welche beide 1788
Patente auf Dampfschiffe nahmen. J. Fitch hatte bereits 1783 ein
kleines Boot mit Schaufelrädern durch eine Dampfmaschine auf dem
Delaware zu bewegen versucht. 1787 brachte er sein erstes, mit
einer Schraube als Propeller hergerichtetes Boot zu stande. Am
28. Mai bewilligte die Legislatur von Pennsylvanien dem J. Fitch
„das alleinige Recht und die Vorteile, das Dampfboot, welches er
kürzlich erfunden, eine bestimmte Zeit lang zu machen und zu be-
nutzen“. Mit diesem Dampfboot „Perseverance“ machte er am 1. Mai
1787 die Probefahrt auf dem Delaware. Rumseys Boot wurde erst
Ende 1788 fertig. Er benutzte das von Daniel Bernouilli vor-
geschlagene Mittel, die Reaktion des aus Röhren ausströmenden
Wassers zur Fortbewegung zu verwenden. Rumsey hatte eine groſse
Gesellschaft zur Ausbeutung der Erfindung zusammengebracht, an
deren Spitze kein Geringerer als Benjamin Franklin stand. Leider
gerieten aber Rumsey und Fitch in einen Patentstreit, welcher die
Unternehmungen beider lähmte. Rumsey begab sich nach England,
um dort seine Erfindung auszubeuten, als aber 1793 sein Schiff eben
fertig war, starb er. Es soll gegen Wind und Flut mit einer
Geschwindigkeit von fünf Knoten in der Stunde gelaufen sein.
Im Jahre 1800 beschloſs in England die Forth- und Clyde-Kanal-
Gesellschaft, ein Dampfschleppschiff zu erbauen. Ihr Vorsitzender,
Lord Dundas, bewilligte beträchtliche eigene Mittel zur Durch-
führung der Versuche und berief Symington, der seit seinem Kon-
flikt mit Miller unthätig in der Sache geblieben war. Er erbaute
ein Dampfboot, welches den Namen „Charlotte Dundas“ erhielt. Es
war mit einer doppeltwirkenden Wattschen Dampfmaschine ausge-
rüstet, welche ein Ruderrad am Hinterteil des Schiffes nach Millers
Plan bewegte. Mit diesem Dampfschiffe schleppte Symington im
März 1802 zwei Kanalboote und zwar zu einer Zeit, wo andere Schiffe
wegen widrigen Windes nicht fahren konnten, mit einer Geschwindig-
keit von 3¼ engl. Meilen in der Stunde. Symington gebührt das
Verdienst, die praktische Verwendbarkeit der Dampfmaschine zuerst
erwiesen zu haben. Aber auch sein Erfolg war kein durchschlagender,
denn, obgleich auf Lord Dundas’ Empfehlung der Herzog von
Bridgewater acht Schleppdampfschiffe für seinen Kanal bestellte,
so kam durch den 1803 erfolgten Tod des Herzogs die Sache wieder
ins Stocken, und selbst die „Charlotte Dundas“ blieb unbenutzt.
Inzwischen verfolgte man das Problem der Dampfschiffahrt in den
[147]Dampfmaschinen und Dampfschiffe.
Vereinigten Staaten von Amerika unausgesetzt. Bei der Unwegsam-
keit des Landes und der Stärke der Ströme war eine Schiffahrt gegen
den Strom von viel gröſserer Wichtigkeit, als in England oder Frank-
reich.
1804 erbaute J. Stevens ein Dampfschiff, dessen Propeller eine
Schraube war, und Oliver Evans konstruierte ein Dampfschiff zur
Reinigung der Docks in Philadelphia.
Beide Versuche blieben erfolglos. Endlich gelang es Robert
Fulton, die Aufgabe zu lösen. Das Interesse an der Sache hatte
Rumsey in ihm erweckt, der den talentvollen Mann in seiner Jugend
unterstützt hatte. Von groſsem Nutzen für Fulton war ein längerer
Aufenthalt in Paris auf Veranlassung seines Landsmannes Barlow.
Der Gedanke, das Meer zum freien Handelswege aller Nationen zu
machen, erfüllte ihn so sehr, daſs er ihn (1796) zu seinem Wahl-
spruch erkor in der Sentenz: the liberty of the Sea will be the hap-
piness of the Earth. Er beschäftigte sich damals hauptsächlich damit,
ein Taucherschiff (Nautilus) und unter Wasser explodierende Bomben
(Torpedos) zur Zerstörung feindlicher Kriegsschiffe zu konstruieren;
doch fand diese wichtige Frage der Küstenverteidigung und des See-
krieges nur geringe Beachtung, und Fultons Vorschläge wurden
wiederholt, sowohl von der französischen, wie der holländischen Re-
gierung abgewiesen.
Um diese Zeit war Robert Livingstone als amerikanischer
Gesandter nach Paris gekommen. Dieser hatte sich seit 1797 be-
müht, eine Dampfschiffahrt auf dem Hudson einzurichten. Er trat
mit Fulton in Verbindung und gab ihm die Mittel zur Erbauung
eines Dampfschiffes. 1803 hatte Fulton sein erstes Boot vollendet
und auf der Seine laufen lassen. Es fuhr aber zu langsam. Da der
Krieg von neuem ausbrach und die Kommission, welcher Napoleon
die Vorschläge Fultons unterbreitet hatte, dieselben für unausführ-
bar erklärte, so verlieſs Fulton Frankreich und begab sich im Mai
1804 nach England, wo er den Minister Pitt für seine Erfindungen
zu gewinnen suchte. Pitts früher Tod (1806) durchkreuzte seine Pläne
und veranlaſste ihn, im Dezember 1806 nach Amerika zurückzukehren.
Hier gelang es ihm mit Livingstones eifriger Unterstützung bald,
ein vollständig brauchbares Dampfboot zu stande zu bringen, zu
dem er vor seiner Abreise von England die Dampfmaschine bei
Boulton und Watt in Soho bestellt hatte. Schon am 7. Oktober
1807 machte Fultons Dampfschiff seine erste Fahrt auf dem Hudson-
flusse von New-York nach Albany und legte den 120 engl. Meilen
10*
[148]Dampfmaschinen und Dampfschiffe.
langen Weg stromaufwärts in 32, stromabwärts in 30 Stunden zurück,
entsprechend einer Geschwindigkeit von vier Knoten die Stunde.
Der „Clermont“, wie das Schiff nach Livingstones Wohnsitz benannt
wurde, hatte 42,67 m Länge und 4,57 m Breite, 2,25 m Höhe und
0,61 m Tiefgang.
Nach der Versuchsfahrt wurde der „Clermont“ sofort als Passa-
gierboot zwischen New-York und Albany eingestellt. Es bewährte
sich vortrefflich, und hiermit war die Dampfschiffahrt praktisch ge-
worden.
Fünf Jahre später, also 1812, gab es bereits über 50 in Nord-
amerika erbaute Dampfschiffe. 1812 wurde die wichtige Dampfschiff-
fahrt auf dem Mississippi durch das Boot „New-Orleans“ eröffnet.
1813 ging man von der flachen Bauart ab und baute den „Fulton“
von 40,54 m Länge und 8,84 m Breite nach der Form der besten
Segelschiffe. Die Geschwindigkeit dieses Schiffes erreichte dadurch
6,4 Knoten. Das erste Schiff, welches über den Atlantischen Ocean
fuhr, war die in New-York für die Linie New-York, Liverpool, St.
Petersburg erbaute „Savannah“, im April 1818. Sie war mit Segeln
ausgerüstet und vollendete die Fahrt bis Liverpool in 26 Tagen,
indem sie nur während 18 Tagen unter Dampf fuhr. Die Amerikaner
erreichten es aber bald, die Fahrzeit zu verringern. 1823 besaſs Nord-
amerika bereits über 300 Dampfer.
In England baute Bell zu Helensburg am Clyde 1812 das erste
regelmäſsige Passagierschiff, den „Komet“, mit dem er anfangs im
Clydekanal, später auch auf dem Ozean fuhr; diesem folgte Thomson
mit seinem Dampfboot „Elisabeth“, welches am 9. Mai 1813 seine
erste Fahrt machte, und am 8. Juni schon begann ein drittes Dampf-
schiff, Robertsons „Clyde“, seine Fahrten in dem Kanal. 1814 lieſs
Robertson bei James Smart in Dundee das Dampfschiff „Cale-
donia“ erbauen und mit einer Dampfmaschine eigener Konstruktion
ausrüsten. Dieses Schiff machte zwischen Hull und Gainsborough
die ersten regelmäſsigen Fahrten zur See in Europa. Über das offene
Meer fuhr zuerst das 1814 in Betrieb gesetzte Dampfboot „Margary“
von Anderson und Cobbin. Es war dies auch das erste Boot,
welches regelmäſsige Fahrten auf der Themse bei London machte.
1818 wurde die erste regelmäſsige Dampferlinie von Greenock nach
Belfast mit dem von David Napier in Glasgow erbauten Rob Roy
eröffnet.
Ende 1815 gab es in England und Schottland bereits 20 Dampf-
schiffe, 1823 über 160.
Die ersten Dampfschiffahrten auf dem Rheine wurden 1816 von
englischen Schiffen ausgeführt, und zwar ging zuerst das Boot „Defi-
ance“ von Margate aus nach Rotterdam und später von da nach
Köln, wo es am 12. Juni 1816 eintraf. Auf der Elbe begann das
schottische Schiff „Lady of the Lake“ am 17. Juni 1816 regelmäſsige
Fahrten von Hamburg nach Cuxhafen. Die Donau wurde erst von
1830 an mit Dampfbooten befahren.
1817 erlebte der greise Watt noch die Freude, mit einem Dampf-
schiff der Caledonia über das Meer den Rhein herauf bis Koblenz zu
fahren. Die erste konzessionierte Dampfschiffahrtsgesellschaft am
Rhein war die 1823 gegründete Nederlandsche Stromboot Maatschappy
in Rotterdam, welcher 1826 die Kölnische oder Preuſsisch-Rheinische
Dampfschiffahrtsgesellschaft folgte. Die ersten Dampfschiffe waren
von Holz, in Holland und an der Ruhr gebaut, bis 1838 mit dem
Bau eiserner Schiffe begonnen wurde. Die für die Düsseldorfer
Gesellschaft von Ditchham in London erbaute Victoria war das erste
bleibende Muster eines Glattdeckschiffs auf dem Rhein. Es war
56,4 m lang, 7,05 m breit, 2,90 m hoch und hatte 1 m Tiefgang. Welche
Fortschritte hat der Bau der Dampfschiffe seit jener Zeit gemacht!
Groſse Fortschritte machten in dieser Zeit auch die Metall-
bearbeitungsmaschinen oder Werkzeugmaschinen. Daſs diese
hauptsächlich, ja fast ausschlieſslich in England gemacht wurden, ist
natürlich, weil dort die Maschinenfabrikation, welche höhere Anforde-
rungen an exakte Arbeit stellte, zu Hause war. Das gröſste Verdienst
gebührt Henry Maudslay, der, als Sohn eines Arbeiters in dem Ar-
senal von Woolwich am 22. August 1771 geboren, früh groſses mecha-
nisches Geschick verriet und in den groſsen Werkstätten die beste
Gelegenheit hatte, dasselbe auszubilden. Er kam erst als Lehrling in
die Schreinerei, da er aber eine entschiedene Vorliebe für das Eisen
hatte, bald darauf in die Schmiede, wo er sich zu einem vortrefflichen
Feuerarbeiter ausbildete. Später kam er zu Josef Bramah, dem
Erfinder des nach ihm benannten Sicherheitsschlosses und der hydrau-
lischen Presse, welcher damals eine Musterwerkstätte in Picadilly
hatte. In kurzer Zeit schwang sich der junge Harry zum Vorarbeiter
auf, denn keiner verstand die sorgfältige, skrupulöse Bearbeitung der
feinen Schloſsteile des künstlichen Bramahschlosses, wie er. An dieser
Arbeit entwickelte sich sein Genie. Er sah ein, daſs Menschenhände
[150]Werkzeugmaschinen 1801 bis 1815.
allein nie die absolute Genauigkeit und Gleichmäſsigkeit, welche
Haupterfordernis für die feinen Teile war, erreichen würde, daſs dafür
mechanische Vorrichtungen notwendig seien. Dies führte ihn zur
Erfindung des Drehbanksupports. Nachdem er 1797 seine eigene
kleine Werkstatt in Wells Street, Oxford Street, wo er mit einem
Gehilfen arbeitete, eingerichtet hatte, arbeitete er an der Vervoll-
kommnung der Drehbank. Selbstthätige, sich selbst regu-
lierende Werkzeugmaschinen, das war das groſse Ziel, das er
erstrebte, und daſs er in der Paralleldrehbank mit Support und Selbst-
gang, welche man 50 Jahre und mehr als „englische Drehbank“
bezeichnete, erreichte.
Diese Drehbank mit genauer Parallelbewegung des Drehstahls
mit der Drehachse wurde das wichtigste Werkzeug der Eisen-
bearbeitung, das erste Werkzeug jeder Maschinenfabrik. Allerdings
hatten französische Mechaniker 1) schon früher bei der Holzdrehbank
die Parallelbewegung angebracht, aber ihre Vorrichtung, von der
sich eine Beschreibung in der Encyklopädie von 1772 findet, war so
kompliziert und so wenig für schwere Eisendrehbänke anwendbar,
daſs Maudslays einfacher Support (slide-rest) unbedingt als eine
neue Erfindung anzusehen ist. Maudslays praktischer Support
fand überall raschen Eingang, obgleich man ihn anfangs spottweise
„Maudslays Go-cart“ nannte. Er fand Eingang in allen Maschinen-
fabriken und erwies sich ebenso geeignet für feine, wie für grobe
Arbeit. Eine groſse Steigerung der Leistungsfähigkeit der Maschinen-
fabriken und billigere Arbeit waren die unmittelbaren Folgen der
Erfindung. Man kann sagen, die moderne Maschinenfabrikation
begann mit der englischen Drehbank. Die Dampfmaschine verdankte
ihre Vervollkommnung den verbesserten Werkzeugmaschinen.
Maudslays Ruf verbreitete sich rasch, namentlich auch durch
die vortrefflichen Holzbearbeitungsmaschinen, welche er für Marc
Isambard Brunel zur Herstellung von Schiffsrollen gefertigt hatte.
Seine Werkstätte, die er schon zuvor vergröſsert hatte, wurde viel
zu klein, und so baute er die groſse Maschinenfabrik am West-
minster Road, Lambeth, welche bald Weltruhm erlangte. 1810
wurde dieselbe bezogen. Maudslay erwarb sich auch groſse Ver-
dienste um die Verbesserung der Dampfmaschine, wofür er 1807 ein
Patent erhielt. Seine Dampfmaschinen, welche wegen ihrer Bauart
[151]Werkzeugmaschinen 1801 bis 1815.
Pyramidenmaschinen genannt wurden, bildeten den Anfang der direkt
wirkenden Maschinen.
Ebenso wendete er seine Thätigkeit den Schiffsmaschinen zu,
und der „Regent“, das erste Dampfschiff, welches 1816 den regel-
mäſsigen Verkehr zwischen London und Margate eröffnete, war mit
Maudslays Maschinen ausgerüstet. Eine weitere Erfindung war
eine Lochmaschine für Kesselbleche, welche den Dampfkessel- und
Schiffsbau auſserordentlich förderte. Der Preis des Lochens sank
dadurch von 7 Shilling auf 9 Pence.
Unablässig arbeitete Maudslay an der Verbesserung der Dreh-
bank, welche nach seiner Ansicht das Hauptwerkzeug und die Seele
der Maschinenbearbeitung war. Er baute Bänke mit 9 Zoll dicken
Spindeln, welchen er durch Vorgelege verschiedene Umdrehungs-
geschwindigkeit geben konnte. Er konstruierte ferner Prismadreh-
bänke, mit denen er sehr groſse Stücke bearbeiten konnte. Er ver-
besserte das Schraubenschneiden, welches bis dahin fast ausschlieſslich
und sehr mangelhaft mit der Hand ausgeführt worden war, während
er seine Drehbank dazu benutzte. Er führte zuerst Normalgewinde
ein und steuerte dadurch der planlosen Unordnung, welche bis dahin
auf diesem Gebiete herrschte. Eine seiner ersten Schraubenschneid-
bänke war mit Leitspindel und Vorgelege versehen, wie sie Whit-
worth später anwendete; sie schnitt Schrauben von groſsem Durch-
messer und jeder beliebigen Gangart. Er schnitt damit eine Schraube
von 5 Fuſs Länge und 30 Windungen auf den Zoll; die Mutter war
12 Zoll lang und enthielt 600 Windungen. Diese Schraube diente
für eine Teilmaschine für astronomische Zwecke, deren Teilstriche
so fein waren, daſs sie nur mit Hilfe von Vergröſserungsgläsern ge-
sehen werden konnten.
Es ist natürlich, daſs Maudslay, der mit demselben Eifer wie
in seiner Jugend bis an sein Ende fortfuhr zu arbeiten, durch sein
Beispiel und seine vortrefflich eingerichtete Werkstätte ein vorzüg-
licher Lehrer für praktische Ingenieure geworden ist. Die berühm-
testen Maschineningenieure, darunter Whitworth und Nasmyth,
gingen aus dieser Schule hervor.
Nach der Erfindung der Eisendrehbank lag die der Eisen-
hobelbank sozusagen in der Luft. 1802 hatte Josef Bramah
bereits ein Patent genommen für eine Hobelmaschine zur Holz-
bearbeitung, um, wie es in der Patentbeschreibung heiſst, gerade,
glatte und parallele Flächen auf Holz und anderem Material,
wobei Genauigkeit verlangt wird, zu erzeugen, und zwar in viel
[152]Werkzeugmaschinen 1801 bis 1815.
vollkommener Weise, als es mit Axt, Säge, Hobel und anderen
Schneidwerkzeugen, welche von der Hand bedient werden, geschehen
kann.
Auf Grund dieses Patentes wurde eine Holzhobelmaschine im
Arsenal zu Woolwich angefertigt, welche 50 Jahre später noch im
Betriebe war.
Die erste Eisenhobelmaschine soll James Fox, der Gründer
einer berühmten Maschinenfabrik in Derby, 1814 gebaut haben. Sie
war nach demselben Prinzip, aber komplizierter als die jetzt ge-
bräuchlichen Eisenhobelbänke konstruiert 1). Öfter wird Matthew
Murray zu Leeds als der eigentliche Erfinder der modernen Dreh-
bank bezeichnet, dessen erste Hobelmaschine ebenfalls bereits 1814
arbeitete. Ferner erwarb sich Richard Roberts von Manchester
um die Verbesserung der Hobelmaschine (1817) Verdienste. Ihre
eigentliche Vollendung erhielt die englische Hobelbank, bei welcher
der Meiſsel feststeht und das Arbeitsstück unter ihm durchgeht,
durch Josef Clement in London in den Jahren 1820 bis 1825.
Noch viele andere Erfindungen und Verbesserungen von Werk-
zeugen zur Eisenbearbeitung fallen in diese Zeit, die wir nicht alle
anführen können. Eine Feilmaschine, welche durch einen hin- und
hergehenden Meiſsel wirkte, erfand von Reichenbach zwischen 1804
und 1818. Die erste Blechbiegmaschine, ein Walzwerk mit drei
Cylindern, erfand John Ford 1815. Verbesserte Cylinderbohr-
maschinen erfand Billingsley 1803, dessen Vertikalmaschine im
Journal für Fabrik, Manufaktur etc., 1803, S. 134, beschrieben und
Tab. II. abgebildet ist. John Dixon verbesserte die horizontalen
Cylinderbohrmaschinen, ebenso Breithaupt in Kassel 1807. Eine
Kreisschere brachte der Engländer James White unter einem
Satz Maschinen zur Nägelfabrikation bereits 1811 nach Paris. Um
diese Zeit bediente man sich auch schon in Creusot der Kreisschere
zum Blechschneiden, und 1814 machte Mollard eine verbesserte
Konstruktion bekannt.
Maschinennägel machte Perkins in Amerika 1795 und Road
ebendaselbst 1811. 1809 bestanden schon Maschinennägelfabriken
in Birmingham. 1790 bis 1852 wurden in England 50 Patente für
Maschinennägelfabrikation genommen. In Österreich legte 1815 Schaf-
zahl in Gratz eine Nagelfabrik an. Seine Maschinen hatte er nach
den Angaben eines Uhrmachers Schmidt gebaut.
Um diese Zeit kam auch die Drahtstiftenfabrikation auf,
welche lange Zeit hindurch ihren Sitz in Paris hatte. 1811 erhielt
James White zu Paris das erste französische Patent darauf; ihm
folgte 1816 Deguet ebendaselbst.
Eine wichtige Neuerung für den Eisenverbrauch in England war
die Einführung von Schiffsketten an Stelle der allgemein ange-
wendeten Hanfseile. Dieselbe war bereits 1634 von Philipp White
vorgeschlagen worden, später wieder 1791 von Collin Mackenzie
und 1804 von John Slater. Die praktische Anwendung davon
machte aber erst 1811 der Kapitän Samuel Brown auf dem Schiffe
„Penelope“. Seit dieser Zeit kamen sie zu allgemeiner Anwendung.
Geschweiſste Rohre wurden ebenfalls fabrikmäſsig zuerst in Eng-
land hergestellt, wo lange Zeit hindurch diese Fabrikation ausschlieſs-
lich betrieben wurde. 1808 erhielt Cook in Birmingham ein Patent
dafür. Später (1811) machten James und Jones und 1812 Henry
Osborne zu Birmingham Versuche, auf welche wir später noch
zurückkommen werden.
Von der Geschichte des Eisens der einzelnen Länder im 19. Jahr-
hundert können wir nur das Wichtigste kurz hervorheben.
England marschierte an der Spitze der Industrie. Wie sehr
es hierin den übrigen Ländern der Erde vorausgeeilt war, wird
durch die einfache Thatsache gekennzeichnet, daſs im Jahre 1810 in
England 5000 Dampfmaschinen betrieben wurden, während man in
Frankreich, trotz seiner erweiterten Grenzen, nur 200 zählte.
In England hatte die Steinkohle den vollständigen Sieg über die
Holzkohle davongetragen. 1806 waren unter 161 im Betrieb befind-
lichen Hochöfen1) nur noch zwei Holzkohlenöfen. 97 Proz. des Roh-
eisens wurde mit Koks erblasen. Die Produktion an Roheisen betrug
damals 5088450 Ctr., was ungefähr dem dritten Teil der Gesamt-
produktion aller civilisierten Staaten entsprach.
Wir haben wiederholt Gelegenheit gehabt, auf die Groſsartigkeit
der englischen Eisenhütten hinzuweisen. Besonders waren es die
gewaltigen Eisenwerke um Merthyr Tydvil in Südwales, welche seit
Einführung des Puddelprozesses alle anderen überholt hatten.
„Crawshays Eisenwerke von Cyfartha,“ schreibt Malkin in seinen
Altertümern von Südwales 1803, „sind jetzt bei weitem die gröſsten
des Königreichs. Er beschäftigt regelmäſsig über 2000 Arbeiter und
macht im Durchschnitt jede Woche zwischen 60 und 70 Tonnen Stab-
eisen. Homfray macht ebenfalls nach mäſsiger Schätzung wöchentlich
[155]England 1801 bis 1815.
mindestens 50 Tonnen Stabeisen, und wenn die im Bau begriffenen
Vergröſserungen von Pennydarran beendet sein werden, wird er zum
mindesten 80 Tonnen die Woche machen. Die Eisenwerke von
Dowlais, welche Lewis und Tate gehören, sind in demselben groſsen
Stil wie Pennydarran angelegt und werden eben in gleicher Weise
vergröſsert. Hill macht 30 Tonnen Stabeisen in der Woche, und da
er sein Werk ebenfalls vergröſsert, wird er bald wenigstens 40 machen.
Mehr als 200 Tonnen gehen jetzt jede Woche den Kanal herunter
nach dem Hafen von Cardiff, wo sie nach Bristol, London, Plymouth,
Portsmouth und anderen Häfen verschifft werden, eine beträchtliche
Menge geht auch nach Amerika. Man nimmt an, daſs sie nach Ver-
lauf eines Jahres 300 Tonnen wöchentlich verschiffen können. Die
Zahl der Hochöfen zu Merthyr Tydvil beträgt etwa 16, wovon 6 zu
Cyfartha gehören 1).“ Crawshay hatte in dem englisch-französischen
Kriege, der durch den Frieden von Amiens 1802 beendet wurde, in
einem Jahre etwa 10000 Tonnen Stabeisen geliefert und dabei
50000 £ Reingewinn erzielt. 1812 gab Crawshay im Parlament
seine Produktion auf jährlich 10000 Tonnen an. Eine solche Er-
zeugung war nur durch den Puddelproceſs möglich, den Crawshay
eingeführt und verbessert hatte. Fünf bis sechs englische Meilen von
Merthyr wohnten auf dem Eisenwerke Sirhowy die beiden Hütten-
besitzer Fothergill und Monkhouse, welche 1802 ein neues groſses
Eisenwerk Tredegar bauten. Es sollte einen doppelten Hochofen,
d. h. zwei Hochöfen in einem Rauhgemäuer und etliche 20 Puddelöfen
bekommen. Das Werk hatte 2000 engl. Morgen Kohlenflötze von
5 Fuſs und Eisensteinflötze von 6 bis 7 Zoll Mächtigkeit. Der Stollen
mündete auf der Höhe der Ofengicht. Eine zwölf Meilen lange Eisen-
bahn führte zu dem Kanal von Monmouthshire, welcher elf Meilen
lang war und bei Newport am Severn mündete. Man hatte eine
Dampfmaschine von 72 Pferden und beabsichtigte eine Jahresproduk-
tion von 7000 bis 8000 Tonnen Stabeisen.
Wie sehr der Bau von Kanälen die englische Eisenindustrie
förderte, sieht man an dem Beispiel der genannten Werke in Süd-
wales und noch mehr von denen in Monmouthshire. Dort war die
uralte Eisenindustrie durch die Ausrottung der Wälder fast gänzlich
zum Erliegen gekommen. Seitdem man aber gelernt hatte, die Erze
mit Steinkohlen zu verhütten, fing man auch an, den reichen Erz-
[156]England 1801 bis 1815.
schätzen von Monmouthshire wieder Beachtung zuzuwenden. Wie
wenig diese vordem geschätzt wurden, geht daraus hervor, daſs das
ganze Erzrevier für 100 £ jährlich an eine Familie Hanbury in
Pontypool verpachtet war. Damals wurden die Erze, die gefördert
wurden, alle nach Pontypool gefahren. Nachdem die Pachtzeit ab-
gelaufen war, wurden sie von neuem an Hill \& Komp. verpachtet,
welche 1788 den Bau einer Eisenhütte zu Bleanavon begannen.
Später pachtete sie Graf Abergavenny. Der groſse Aufschwung
begann aber auch hier erst nach der Einführung des Puddelprozesses
und der Errichtung von Walzwerken. Während um 1785 nicht mehr
wie 60 Tonnen Eisen die Woche in Monmouthshire und dem benach-
barten Gebiet von Glammorganshire gemacht wurde, überstieg die
Produktion im Jahre 1800 600 Tonnen, und während damals kein
Schmiedeeisen fabriziert worden war, machte man jetzt über 300 Ton-
nen die Woche. Durch die Anlage des Monmouthshirekanals, welcher
das Eisenerzrevier mit dem Severn verband, nahm die Eisenindustrie
daselbst einen immer gröſseren Umfang an. 1802 wurden auf dem
Kanal nur 1091 Tonnen Eisen verschifft, 1803 bereits 8680 Tonnen
und 1804 20475 Tonnen. Von da ab stieg die Verschiffung ziemlich
gleichmäſsig auf 34071 Tonnen im Jahre 1810 und auf 46207 Ton-
nen im Jahre 1815 1). In Schropshire lagen die berühmten Eisen-
werke Coalbrookdale und Brosley.
In Staffordshire war ebenfalls durch die Steinkohle eine groſs-
artige Eisenindustrie erblüht. Von Birmingham bis Wolverhampton
erstreckte sich eine Reihe von Eisenhütten, darunter das berühmte
Eisenwerk von John Wilkinson zu Bradley.
John Wilkinson, welcher die Dampfmaschine in die Eisen-
industrie eingeführt und für alle Zweige der Eisentechnik dienstbar
gemacht hat, der diese durch zahlreiche und wichtige Erfindungen
gefördert und wie kein anderer an der Reform des Eisenhüttenwesens
der Begründung der modernen Eisenindustrie gearbeitet hat, war
kurz vor 1814 gestorben. Auf seinen Wunsch war er in einem auf
seinem eigenen Werke gegossenen eisernen Sarg beigesetzt worden
und über seiner Gruft erhob sich eine 400 Ctr. schwere eiserne
Pyramide 2). Da er keine männlichen Erben hatte, ging das riesige
Werk, welches zur Zeit seines Todes 5000 Arbeiter beschäftigte, und
[157]England 1801 bis 1815.
alle Zweige der Eisenindustrie, einschlieſslich des Maschinenbaues,
umfaſste, an einen gewissen Ferryday über, der in seiner frühen
Jugend ein gewöhnlicher Kohlenträger gewesen war.
Joh. C. Fischer beschreibt in seinem Reisebericht ferner die
einem Herrn Gibbon gehörigen Level Ironworks als ein typisches
Muster einer Staffordshirer Hütte im Jahre 1814.
„Drei nebeneinanderstehende Hochöfen von 42 Fuſs Schachttiefe,
deren jeder wöchentlich 70 bis 100 Tonnen Eisen lieferte, wurden
durch einen einzigen Windcylinder von 9 Fuſs Durchmesser und
9 Fuſs Kolbenzug, der von einer 50 Pferde starken Dampfmaschine
in Bewegung gesetzt wurde, betrieben. Der Wind, der erst in einen
groſsen Wasserregulator geleitet wurde, reichte nicht nur für die
drei Hochöfen hin, sondern versorgte noch drei Feineisenfeuer
(refining furnaces), jeder zu drei Düsen, welche sehr stark, fast wie
bei den catalonischen Feuern, geneigt waren und über die ein dünner
Wasserstrahl in das Feuer geleitet wurde, um durch das sich bildende
Wasserstoffgas dem Eisen den Schwefel zu entziehen und es zum
Frischen geschickter zu machen. Auf das jedesmal in Mengen von
20 Ctr. zu 2 Zoll dicken Platten abgezapfte Eisen wurde ebenfalls
bis zu gänzlicher Erkaltung Wasser gelassen und es dann in Stücke
zu 30 bis 40 Pfund, die im Bruch weiſs waren und das Ansehen des
Mockstahls hatten, zerschlagen. 200 Pfund dieses Eisens kamen dann
in den „Puddling Furnace“, den Frischflammofen. Dieser war mit
einem 30 Fuſs hohen Kamin verbunden, welcher durch einen Deckel
oben geöffnet und geschlossen werden konnte, wie es die Arbeit
erheischte. Das durch die Intensität des Feuers in kurzer Zeit in
Fluſs gebrachte Eisen wurde, unter Zutritt der äuſseren Luft, durch
die geöffnete Thür des Ofens umgerührt, bis es sich zerteilt hatte, dann
wieder zusammengebracht, neue Hitze gegeben, wieder gewendet, etwas
mit Wasser bespritzt, endlich im Ofen selbst während seines teigigen
Zustandes in sechs Luppen geballt. Nachdem diese der Hitze und
dem Zug der äuſseren Luft noch einige Zeit ausgesetzt worden,
wurden sie, eine um die andere, herausgenommen und unter den
groſsen Hammer gebracht. Dieser Hammer, mit Stiel und Hülse aus
einem Stück gegossen und etwa 12 bis 15 Ctr. schwer, hatte weder
Wiederschlag (Reitel) noch Hammerstuhl; seine zwei ellipsoidischen
Arme, die statt der Warzen angegossen waren, ruhten nur auf zwei
eisernen Böcken. Er wurde durch eine Dampfmaschine vorn an der
Stirn gehoben. Seine Form glich einem T, mit einer an dem Quer-
stück fortlaufenden Fläche, die aber niedriger oder tiefer abgesetzt
[158]England 1801 bis 1815.
war, als der übrige Teil der Bahn, so daſs, wenn sie auch auf den
Amboſs gut aufging, doch immer ein hohler Zwischenraum von unge-
fähr 4 Zoll blieb, in welchem die Luppe, die, wenn der Streich ganz
aufginge, zerplatzen würde, zuerst gebildet und zu einer kurzen Stange
zusammengedrückt wurde. Auch war noch ein anderer Grund für
die Vertiefung im Hammer der, daſs die Luppe, da der Hammer
bloſs 5 Zoll Hub hatte, und dieselbe oft bis 8 Zoll dick war, sonst
im Anfang nicht darunter gebracht werden konnte. War die Luppe
hier zu einem länglich-breiten Stück von 3½ auf 1½ Zoll zusammen-
gedrückt, so wurde es bloom genannt und kam in die bloomery, den
Streck- und Schweiſsherd, ebenfalls im Flammofen. Hier wurden
entweder mehrere Stücke zusammengeschweiſst, wenn groſse, schwere
Stücke erforderlich waren, oder die einzelnen Stücke abgeschweiſst,
daſs sie schön ganz wurden und dann unter die Walz- und Schneid-
werke gebracht, wo in den allmählich abnehmenden Rinnen viereckige,
runde und flache Stäbe gebildet wurden, sowie das Schneidwerk in
einem Augenblick jedesmal einen Bund Stäbe von 9 Linien im Qua-
drat bis auf 2 Linien lieferte, je nachdem man es verlangte. Nur
durch diese Vorrichtungen, die so ineinander greifen, daſs durchaus
kein Zeitverlust statt hatte, war es möglich, das fertige kleine Eisen
bei dem hohen Arbeitslohn in England, der wöchentlich für den
allergeringsten Handlanger 15 Schillinge, für die meisten aber das
Doppelte und mehr betrug, um 12 Schillinge den Centner zu ver-
kaufen. Das englische Eisen war aber nicht allein wohlfeil, sondern
es war durch angestrengte Bemühungen auch von vorzüglicher Güte
geworden und zwar von dem Zeitpunkt an, wo der vor einigen Jahren,
obschon nur kurz dauernde Krieg mit Schweden und Ruſsland das
Eisen von Dannemora und Sibirien von den englischen Märkten aus-
geschlossen hatte.“
In Yorkshire waren Walkers Eisenwerk bei Sheffield und
Dawsons Eisenwerk zu Wisbey, Low-Moor am bedeutendsten. Wir
verdanken W. A. Lampadius1) eine Beschreibung derselben. Danach
hatte Walkers Eisenwerk, wo die gröſsten Kanonen gegossen wurden,
drei Hochöfen, jeder 47 Fuſs hoch und 4 Fuſs in der Gicht weit.
Man schmolz roten Glaskopf von Cumberland und grauen Eisenstein
von Yorkshire. Der Satz bestand aus 1/10 rotem Glaskopf, 1/20 gerö-
stetem Yorkshire-Eisenstein, 1/20 Kalk und ⅕ Koks, der in Meilern
bereitet war. Wurden Öfen und gewöhnliche Guſswaren gegossen, so
[159]England 1801 bis 1815.
erzeugte man in 24 Stunden 6 Tonnen Guſseisen in einem Ofen; beim
Kanonenguſs, wozu besseres Eisen erforderlich war, das längere Zeit
im Ofen verblieb, nur 3 bis 4 Tonnen. Dawsons Eisenwerk hatte
4 Hochöfen von 38 bis 50 Fuſs Höhe, 4 Stabeisenhämmer, 2 groſse
Glühöfen, 4 Kupolflammöfen und 4 Schachtöfen von 9 Fuſs Höhe
zum Guſs von Kanonen und feinen Waren, 1 Schneidwerk, 1 Schleif-
mühle u. s. w. Eine Dampfmaschine trieb zwei groſse Hämmer, eine
andere das Schneidwerk. Vier Wassergöpel besorgten das Aufziehen
der Gichten. Ein oberschlächtiges Wasserrad trieb die Kanonenbohr-
maschinen. Eine dritte Dampfmaschine pumpte das Wasser wieder
zurück in das Flutgerinne. Zwei weitere Dampfmaschinen trieben
das groſse Cylindergebläse und eine sechste Dampfmaschine bewegte
eine Mörser-, Dreh- und Bohrmaschine. Man schmolz Kohleneisen-
stein, der in Röstöfen mit Steinkohlen geröstet wurde. Die Gicht
bestand aus 460 Pfd. Koks, 960 Pfd. Eisenstein und 320 Pfd. Kalk-
stein. In 24 Stunden gab man 45 bis 50 Gichten auf und erzeugte
5 Tonnen Roheisen. Die Hochöfen wurden einfach geblasen, nur der
von 50 Fuſs Höhe hatte von zwei Seiten Wind. Die Öfen waren
rund, das Gestell 6 Fuſs hoch und 2 Fuſs weit, ohne Rast, im Kohlen-
sack 11 Fuſs, in der Gicht 4 Fuſs weit. Das bessere Eisen wurde
zu Kanonen vergossen, das geringere im Feinfeuer umgeschmolzen
und in zwei Puddelöfen gefrischt.
Wenn man groſse Geschütze oder sonstige schwere Stücke zu
gieſsen hatte, stach man die vier Hochöfen, vier „Kupolos“ (Flamm-
öfen) und die vier kleinen Schachtöfen, die alle in einer Linie unter
einem Dache standen, gleichzeitig ab und konnte dann Stücke von
720 Ctr. und mehr gieſsen.
Von schottischen Hüttenwerken erwähnen wir das damals einem
Herrn Edington gehörige Clyde-Eisenwerk mit drei Hochöfen von
31 Fuſs Höhe. Diese Öfen waren im Gestell wie im Schacht viereckig.
Das Gestell war 6 Fuſs hoch und 2⅙ Fuſs weit. Der Ofen wurde
von zwei Seiten durch horizontale Düsen geblasen und erhielt 350 Kubik-
fuſs Luft in der Minute, welche ihm durch ein starkes Cylinder-
gebläse von 66 Zoll Durchmesser und 6 Fuſs Hub zugeführt wurden.
Der Gebläsekolben wurde durch eine doppeltwirkende Dampfmaschine
von Boulton und Watt bewegt. Der Wind trat in einen Wasser-
regulator, dessen Wasserbehälter von Stein gemauert war, während
der darinstehende Cylinder von Guſseisen war. Die drückende Wasser-
säule hatte 8 Fuſs Höhe.
Ein Ofen schmolz 2 bis 2½ Tonnen in 24 Stunden. Für eine
[160]England 1801 bis 1815.
Tonne Eisen waren 6 Tonnen Koks, 3 Tonnen Eisenstein und 18 Ctr.
Kalkstein erforderlich.
Die schottische Hochofenindustrie entwickelte sich in ähnlicher
Weise, wenn auch weniger rasch als die englische. 1806 produ-
zierten 18 Hochöfen 22840 Tonnen Roheisen, welches damals mit
7 £ pro Tonne bezahlt wurde. Seit Anfang des Jahrhunderts begann
ein groſser Aufschwung. 1800 erbaute William Dixon das groſs-
artige Calder-Werk mit sechs Hochöfen und 1810 errichtete der Guts-
pächter Alexander Baird den ersten Hochofen zu Gartsherrie. Ein
wichtiges Ereignis, das allerdings erst in einer späteren Periode zur
vollen Wirkung kam, war die Entdeckung des als „Blackband“
bekannten Kohleneisensteins von Mushet im Jahre 1800. Dieses
schwarze Gestein, das die gröſste Ähnlichkeit mit der Steinkohle hat und
mit dieser wechsellagert, war bis dahin als unnütze Verunreinigung
auf die Halde gestürzt worden. Mushet erkannte es als ein wert-
volles Eisenerz und veröffentlichte seine chemische Zusammensetzung.
Diese unscheinbare Substanz hat viel zu Schottlands Wohlstand bei-
getragen.
Die Eisenproduktion Groſsbritanniens hatte sich in den 10 Jahren
von 1796 bis 1810 verdoppelt. Sie betrug im Jahre
Der Aufwand an Roheisen für den Guſs von Geschützen betrug im
Jahre 1801 564918 Ctr.
In dieser Zeit schützte England die inländische Produktion durch
die höchsten Schutzzölle, wozu allerdings die feindselige Zollpolitik
Napoleons die Veranlassung war. Der Zoll auf die Tonne aus-
ländisches Schmiedeeisen betrug:
Welche Summen der Eisenzoll der englischen Regierung damals
einbrachte, geht aus folgenden Zahlen hervor:
Einen anderen Schutz verschafften sich die englischen Fabri-
kanten selbst, indem sie seit dem Beginn des Jahrhunderts den
Zutritt fremder Reisender, deren Zahl von Jahr zu Jahr gröſser wurde,
zu ihren Werken sehr erschwerten. Derselbe William Reynolds,
der dem Amerikaner Smith, nachdem er sein Werk zu Ketteley
eingehend besichtigt hatte, auf dessen Frage, ob er eines seiner Ver-
fahren lieber geheim gehalten haben wollte, antwortete: Ich habe
keine Geheimnisse und hoffe, daſs niemand ein Geheimnis aus etwas
mache, was zum Wohl der Menschheit dienen kann, verwehrte einige
Jahre später den Reisenden Svedenstjerna und Bonnard den Ein-
tritt. Ebenso verbot Boulton, der früher so liberal gewesen war,
seit Anfang des Jahrhunderts Fremden den Zutritt in seinen Fabriken.
Teilweise waren die politischen Zustände daran Schuld, hauptsächlich
war es aber doch die Furcht vor Ausbeutung und Konkurrenz.
Wir haben erwähnt, wie groſsartig sich die Eisengieſserei in
England entwickelt hatte. Dabei hatte der Guſs aus dem Hochofen
infolge des Koksbetriebes ganz aufgehört, man stellte nur Guſswaren
zweiter Schmelzung dar, und zwar meistens mit Flammöfen, nur in
den zahlreichen Gieſsereien in der Stadt London herrschten die kleinen
Schachtöfen (jetzt Kupolöfen genannt) von 5 bis 6 Fuſs Höhe vor 1).
Die Stabeisenbereitung geschah, wie schon erwähnt, meistens
in Puddelöfen, nur für besondere Qualitäten, für Drähte und feine
Bleche, namentlich für die Weiſsblechfabrikation, verfrischte man
das Eisen mit Holzkohle in Herden.
Man suchte aber den Verbrauch an Holzkohlen möglichst zu
vermindern. Dies erreichte man dadurch, daſs man das Roheisen vor
dem eigentlichen Frischen einem oxydierenden Frischen mit Koks,
dem Feinprozeſs, unterzog.
Zweierlei Frischmethoden bildeten sich in England aus, welche
sich bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts erhalten haben,
die südwalessche und die Lancashire-Schmiede.
Die südwalessche Frischschmiede1) hatte ihre ursprüngliche,
seit 1721 bekannte Form wenig verändert. Das graue Koksroheisen,
welches man seit dem Verschwinden der Holzkohlenhochöfen ausschlieſs-
lich verwendete, wurde erst in einem kleinen Herd, der 20 bis 22 Zoll
lang und breit und 7 Zoll tief war, mit Koks raffiniert. In diesem kleinen
Herd, der nur eine Form hatte, wurden etwa 75 kg auf einmal ein-
geschmolzen und dann durch die Hinterwand in den tiefer gelegenen
Frischherd abgestochen. Es waren also in einer Hütte stets ein Paar
Herde, die nur 5 Fuſs in horizontaler Richtung voneinander lagen,
vorhanden. Das Arbeiten in beiden Herden, das Raffinieren und
Frischen, muſste richtig ineinander greifen. Beim Abstechen des
raffinierten, weiſsstrahligen Eisens war sorgfältig darauf zu achten,
daſs keine Schlacke, die sehr roh war, mit in den Frischherd gelangte.
Man lieſs deshalb nur das erste Eisen direkt in den Frischherd laufen,
den Rest dagegen mit der Schlacke in einen besonderen Sumpf, wo
man dann die Schlacke abhob und das angesammelte Eisen mit einer
Schaufel in den Frischherd eintrug.
Der Frischherd war wie der Raffinierherd mit Zacken ausgesetzt,
auch von ziemlich denselben Massen. Man verwendete Kohlen von
Laubhölzern, meist von Astholz. Nachdem die letzte Luppe aus-
gehoben war, wurde der Frischherd zur Aufnahme des abzustechenden
Roheisens dadurch vorbereitet, daſs alle Ansätze abgestoſsen und
mit noch etwas Stockschlacke vermengt in der Mitte nach der Hinter-
wand zu angesammelt wurden. Auf dieses kleine Brockenwerk lieſs
man nun das Eisen aus dem Raffinierherd laufen und arbeitete alles
mit Hülfe der Brechstange gut durcheinander. Das Roheisen wurde
hierbei gleichsam granuliert, und die aufgebrochene Masse zu einem
Haufen vor der Form auf der Windseite aufgerichtet. Mit Hülfe der
Brechstange wurde es nach und nach vor der Form niedergeschmolzen,
wiederholt aufgebrochen, der Herd im nächsten Bereich vor der Form
gereinigt und die aufgebrochene Masse sofort zu einer Luppe nieder-
geschmolzen und diese zum Hammer gebracht. Aus dem im Herd
noch rückständigen Eisen wurde dann in gleicher Weise eine zweite
Luppe erzeugt [und] ausgeschmiedet. Die erste Luppe war in der
Regel gröſser, mehr gar und gleichförmiger als die zweite. Die Zeit
von Beginn der Charge bis zur Vollendung der ersten Luppe betrug
etwa eine Stunde, von da bis zur zweiten Luppe ¼ Stunde. In zwölf
Stunden machte man 10 Chargen und 20 Luppen. — Die Luppen
[163]England 1801 bis 1815.
wurden nun unter dem Hammer erst von allen Seiten gedrückt, hierauf
aber nach einer Richtung unter beständigem Drehen zu einem flachen
Kuchen von 1 bis 1½ Zoll Dicke ausgeschlagen und in flieſsendes
Wasser geworfen. Der Kuchen wurde dann kalt in Stücke von 5 bis
10 Pfund, stamps genannt, zerteilt. Diese stamps wurden über einer
Eisenplatte zu einem Paket formiert und in einem besonderen Aus-
heizfeuer (chafery) mit Holzkohlen ausgeschweiſst und unter dem
Hammer zu einem Flachstab von etwa 6 Zoll Breite ausgeschmiedet.
Dann wurden Stücke von etwa 12 Zoll Länge abgehauen, die dann
gleich in derselben Hitze zwischen Walzen zu Blechplattinen aus-
gewalzt wurden.
Der letzte Teil des Prozesses erlitt in der Folge wichtige Ver-
änderungen, welche wir später beschreiben werden.
Dasselbe gilt von der Lancashireschmiede, welche ihre
Bedeutung und Ausbildung erst im 19. Jahrhundert in Schweden
erlangte. Sie wurde dorthin von Südwales aus gebracht. Den Namen
Lancashireschmiede hatte sie also wohl schon in England geführt. Sie
ist eine Fortentwickelung der südwalesschen Frischmethode und wird
später geschildert werden.
Die englischen Puddelöfen, welche in der Regel 7 Fuſs lang
und 3 Fuſs breit waren, hatten keinen eigentlichen Herd, sondern der
Boden muſste jede Woche frisch bereitet werden. Man riſs dann die
Pfeiler, welche die Guſsplatten, die dem Herd zur Unterlage dienten,
trugen, weg und mauerte sie neu auf, legte dann die Guſsplatten
wieder an ihren Platz, warf 6 Zoll dick Asche darüber, stampfte
diese fest und trug dann 3 Zoll feuchten Sand auf. Da man nach jeder
Heize Sand aufwarf, so wuchs der Herd bis Ende der Woche so hoch,
daſs er hinderlich wurde. Nach dem Eintragen erhitzte man den
Sand, bis er anfing zu schmelzen, und gab dann fine-metal auf.
Die Stabeiseneinfuhr aus Schweden und Ruſsland nach England
ging in diesem Zeitraum zurück, doch betrug sie 1803 immer noch
20000 Tonnen aus Schweden und 20000 Tonnen aus Ruſsland.
Der Eisenverbrauch nahm dagegen von Jahr zu Jahr zu. Man
machte in England viel mehr Dinge aus Eisen als auf dem Kontinent.
Auf die wichtigsten wurde schon hingewiesen. Wyat nahm im Jahre
1800 ein Patent, Fuſsböden und Dächer ohne Riegel aus Guſseisen zu
machen. In diesem Jahre genehmigte das Parlament zwei eiserne
Brücken über den Conway und bei Bangor, welche 500000 £ kosten
sollten.
Die groſse Handelssperre, welche Napoleon durch Dekret vom
11*
[164]England 1801 bis 1815.
21. Novbr. 1806 von Berlin aus über England verhängte, die sogenannte
Kontinentalsperre, war zwar für den englischen Absatz ein groſses
Hemmnis, gereichte aber trotzdem Englands Handel und Industrie
mehr zum Nutzen als zum Schaden. Es gab die Veranlassung, daſs
Groſsbritannien, durch keine Rücksicht mehr gebunden, seine Herr-
schaft über alle Meere ausdehnte und daſs es die technischen Fort-
schritte, welche besonders die Erfindung der Dampfmaschine ge-
währte, mit Eifer ausnützte, so daſs es am Schluſs dieser Periode
den Staaten des Kontinents um ein Menschenalter voraus war.
Hervorragendes leistete auch damals die englische Maschinen-
fabrikation. Wir nennen die Dampf- und Gebläsemaschinen von
Boulton und Watt, die Cylinderbohrmaschinen von Dixon und
Billingsley 1802, die Hobelmaschinen von Murray in Leeds und
von James Fox zu Derby 1814, den Dampfhammer von W. Deverell
1806, das Nagelwalzwerk von John Bennoch 1801, das Drahtwalz-
werk von William Bell und das Blechbiegewalzwerk von John
Ford 1815.
Die bedeutende Zunahme der Ausfuhr von britischem Eisen
ergiebt sich aus folgender Tabelle von Scrivenor:
Englische Eisenausfuhr 1796 bis 1814,
Die Preise des Roheisens waren in der Zeit von 1800 bis 1815
steigend; 1800 betrugen sie 5 bis 8 £, 1815 7 bis 9 £ für die Tonne.
Der Preis des Stabeisens sank dagegen infolge der Verminderung der
Fabrikationskosten.
Der Preis des gewöhnlichen Stabeisens hatte im Jahre 1806
20 £ 6 ₰ pro Tonne betragen. 1809 war er auf 14 £, 1810 auf 13 £,
1815 auf 11 £ pro Tonne herabgegangen.
Héron de Villefosse gebührt das Verdienst, zum erstenmal
eine vergleichende Statistik der Eisenproduktion der sämtlichen
Industriestaaten aufgestellt zu haben. Seine Zusammenstellung bezieht
sich auf die Eisenproduktion des Jahres 1807 und giebt er dafür
folgende Zahlen:
Bei dieser Tabelle fällt zunächst die auſserordentlich hohe Pro-
duktion Frankreichs auf, es ist aber zu bedenken, daſs darin die
Produktion von Belgien, Holland und einem groſsen Teil von Deutsch-
land, nämlich dem ganzen linksrheinischen Gebiet, dem Herzogtum
Berg und den Rheinbundstaaten einbegriffen ist. Preuſsen war
dagegen durch den Tilsiter Frieden auf seine östlichen Provinzen
reduziert. — Frankreichs Produktion war allerdings bedeutend. Man
zählte damals im Kaiserreich 1300 Eisenhütten in 69 Departements
mit etwa 600 Hochöfen und 1600 Frischfeuern, einschlieſslich der
Katalanschmieden. Man schätzte die jährliche Produktion eines Hoch-
ofens durchschnittlich auf 9000 Ctr. Héron de Villefosse giebt
eine tabellarische Zusammenstellung der Hochöfen und der wichtig-
sten Eisenhüttenwerke der sämtlichen Departements Frankreichs, dessen
Grenze seit dem Frieden von Luneville der Rhein bildete. Danach
betrug die Zahl der Hochöfen um 1805 in den Departements: Ardennes
11, Charente 4, Cher 12, Côte d’Or 30, Côtes-du-Nord 3, Dordogne 29,
Doubs 6, Eure 8, Eure-et-Loire 2, Forêts (Elsaſs) 34, Jemappes 4,
Indre 8, Indre-et-Loire 2, Isère 12, Jura 6, Loire-inférieure 2, Marne
(haute) 43, Mayenne 3, Meuse 21, Mont-Blanc 12, Moselle 14,
[166]Frankreich 1801 bis 1815.
Nièvre 30, Nord 3, Orne 21, Ourthe 14, Rhin (haute) 6, Rhin et
Moselle (Hundsrück etc.) 4, Roër (Eifel) 19, Sambre-et-Meuse 27,
Saône (haute) 38, Saône-et-Loire 9, Sarre (Saarbrücken) 8, Sarthe 3,
Vosges 4, zusammen 446.
Frischfeuer gab es allein im Departement Nièvre 103, Haute-
Marne 80, Mont-Blanc 39, Mosel 32, Roër 22 u. s. w. Die Zahl der
Feuerarbeiter in den Eisenwerken schätzt Villefosse auf 20000 und
die Zahl der überhaupt von der Eisenindustrie beschäftigten Per-
sonen auf 150000. Dagegen erklärt er die französischen Eisenhütten
für noch sehr verbesserungsbedürftig. Creusot sei das einzige Werk in
Frankreich, welches den Steinkohlenbetrieb eingeführt habe. Man
hoffe in dieser Beziehung auf den günstigen Einfluſs der neuen prak-
tischen Bergschule, welcher der Kaiser (um 1810) ihren Sitz auf der
Eisenhütte von Geislautern im Saargebiet angewiesen habe. Diese
Hoffnung blieb infolge der politischen Umwälzung, welche mit dem
Sturz Napoleons endete, unerfüllt.
Die kaiserliche Regierung bemühte sich mit Eifer, die Eisen-
industrie Frankreichs zu heben und Schwierigkeiten zu beseitigen.
Dadurch gelangten emigrierte Familien wieder in den Besitz ihrer
Werke. So wurde es François de Wendel am 8. Messidor IX
(27. Juni 1803) gestattet, die Eisenwerke zu Hayange für 220000 Frcs.
zurückzukaufen. François de Wendel hatte groſsen Erfolg und
konnte am 6. Oktbr. 1811 auch das wichtige Hüttenwerk Moyeuvre,
das am 20. Juli 1797 von der republikanischen Regierung als National-
gut an Pierre Villeroy verkauft worden war, erwerben. 1812/13
errichtete er das neue Walzwerk du Moulin-Neuf.
Die Eisenhütten in Frankreich wurden energisch betrieben, das
beweist die hohe Produktion; wesentliche technische Fortschritte
wurden aber in Frankreich in diesem Zeitabschnitt nicht gemacht.
Dies verhinderte sowohl die Feindschaft gegen England, als der fast
ununterbrochene Kriegszustand. Die fortschrittlichen Bestrebungen
kamen mehr in der Theorie als in der Praxis zum Ausdruck. Hervor-
ragendes für die Eisenhüttenkunde leisteten die französischen Che-
miker, wie Proust, Vauquelin, Berthier und andere, durch ihre
Untersuchungen der Erze, Schlacken und Eisensorten. Auch lieſs es
die Regierung und die neu gegründete gemeinnützige Gesellschaft
Société d’encouragement de l’industrie nationale an Unterstützung und
Aufmunterung nicht fehlen. Erstere that dies nicht nur direkt, son-
dern auch durch Gründung und Förderung von Berg- und Hütten-
schulen, wie die zu Moustier und Geislautern, als auch durch hohe
[167]Frankreich 1801 bis 1815.
Schutzzölle. Diese betrugen beispielsweise im Jahre 1806 für den
Centner Schweiſs- und Cementstahl 9,90 Frcs., für verarbeiteten Stahl
22,44 bis 84,15 Frcs.
Die Gesellschaft zur Aufmunterung der nationalen Industrie setzte
hohe Preise für Verbesserungen der Eisenindustrie aus, so z. B. 1806
unter anderen 3000 Frcs. für Herstellung des besten Drahtes zur
Kratzen- und Nagelfabrikation; 3000 Frcs. für die Herstellung von
Guſsstahl, welcher dem besten englischen gleich käme; dieser Preis
wurde später auf 4000 Frcs. erhöht; ferner 3000 Frcs. für ein vor-
teilhaftes Verfahren, rot- und kaltbrüchiges Eisen zu verbessern, wel-
cher Preis 1809 geteilt und auf 8000 Frcs. erhöht wurde; sodann
1807 6000 Frcs. für das beste bis zum Jahre 1809 einzuliefernde
Modell einer Dampfmaschine, deren Wirkung gleich der Kraft sein
sollte, welche erfordert würde, um in einer Zeit von zwölf Stunden
eine Last von einer Million Kilogramm auf die Höhe eines Meters zu
heben, dabei sollten sich die täglichen Betriebskosten der Maschine
nicht über 7½ Frcs. einschlieſslich der Verzinsung belaufen.
Die französische Regierung suchte auch dadurch die Eisenindustrie
des Landes zu heben, daſs sie die Eisen- und Stahlarbeiter der be-
nachbarten abhängigen Grenzländer durch Prämien und sonstige
Vorteile zur Einwanderung veranlaſste, wie sie dies gegenüber den
Stahlarbeitern von Remscheid und Solingen that, welche sie im
Saargebiet ansiedelte.
Die wichtigsten Fabriken für Schwarz- und Weiſsblech waren zu
Bains, Geislautern und Dillingen; für blanke Waffen zu Klingenthal;
für Feuerwaffen zu Versailles, Charleville, Lüttich, Maubruge und
St. Etienne; für Messerschmiede zu St. Etienne, Thiers, Moulins,
Châtellerault, Paris und Langres; für Nadeln zu Aachen; für Draht
in den Departements du Doubs und de l’Orne u. s. w.
Die Sensenfabrikation wurde direkt von Kärnten nach Frankreich
verpflanzt. Im Jahre 1805 schickte Marschall Marmont, welcher die
Occupationstruppen in Österreich befehligte, auf Ersuchen der fran-
zösischen Regierung Sensenarbeiter aus den österreichischen Alpen-
ländern nach Frankreich. Bald fand man auch den kärntnerischen
ähnliche Erze im Departement Arriège. Die Sensenfabrikation hatte
sich, von der Regierung ermuntert, in den Departements Vogesen,
Jura, Oberrhein, Mosel, Doubs und Hochalpen ausgebreitet; die gröſste
Produktion hatte allerdings das annektierte Departement Sesia in
Piemont, welches (1806) 30000 Dutzend im Jahre lieferte. — In Blüte
standen damals die Gewehrfabriken zu St. Etienne, Roanne, Tulle,
[168]Frankreich 1801 bis 1815.
Tarbes, Maubeuge, Charleville, Mutzig und Versailles. — Die Halberger
Hütte bei Saarbrücken führte im Jahre 1801 einen groſsen Auftrag
der französischen Regierung auf Wagenachsen für das Arsenal zu
Metz aus 1).
Ein anderes Mittel zur Aufmunterung der französischen Industrie
waren die Kunst- und Gewerbeausstellungen in Paris. Auf der Aus-
stellung von 1806 wurde konstatiert, daſs 7 Departements vorzüg-
lichen Stahl und 16 Departements vorzügliches Eisen lieferten, wovon
manches dem schwedischen gleich käme, besonders das der Hammer-
werke von Clavières (Indre), de Fraisant, Rans, Dampierre und Bruyère
(Jura), Bêze (Côte d’Or), Rambervilliers (Vogesen).
Im Jahre 1801 hatte die Produktion der 108 Departements der
Republik schon 140000 Tonnen Guſseisen betragen, welche in 530
Hochöfen erzeugt wurden; von diesen wurden 111000 bis 112000 Ton-
nen in 450 Hochöfen innerhalb des Gebietes von Frankreich nach
1815 dargestellt. Die Produktion von Stabeisen betrug 94000 Tonnen
in dem damaligen Gebiet und 79000 Tonnen in den 86 Departements
von 1815. 1814 wurde die Eisenproduktion Frankreichs auf 80000
bis 90000 Tonnen (800000 bis 900000 quintaux metriques) geschätzt.
Sie war demnach in diesem Zeitabschnitt zurückgegangen.
Le Creuzot war in dieser ganzen Zeit das einzige Werk, welches
Erze mit Koks verschmolz, und dieser Betrieb war keineswegs günstig.
Im Jahre 1803 produzierte man 2500 kg Guſseisen in 24 Stunden.
Man brauchte zu 1000 Erz 595 Koks; da man aber aus 1000 Erz
nur 198 Guſseisen erhielt, so verbrauchte man 3020 Koks für 1000
Guſseisen. Zu diesem hohen Koksverbrauch kam noch der groſse
Steinkohlenverbrauch für die Dampfmaschinen, welcher 1⅖ kg auf
1 kg Eisen betrug. Die Versuche von Rozière und Houry (von 1795
bis 1805), Steinkohlen im Frischfeuer zu verwenden, haben wir schon
erwähnt, ebenso die von Sabathier und Dufaud, eine Art Puddel-
prozeſs einzuführen. Die Erfolge waren teils negativ, teils minimal.
Walzwerke waren so wenig bekannt, daſs Colon 1806 ein Patent
auf ein Walzwerk, wie es Bonnard in dem Bericht über seine englische
Reise 1802 veröffentlicht hatte, nehmen konnte. La Place hatte
angeblich ein Mittel erfunden, die Zähigkeit des Eisens zu erhöhen.
Dasselbe wurde von der Regierung geprüft und belobt, weiter hat
man aber nichts mehr davon gehört. Wie zur Zeit der Republik, so
wendete man zur Zeit des Kaiserreichs das gröſste Interesse der
[169]Frankreich 1801 bis 1815.
Stahlfabrikation zu. Die Bemühungen, die Guſsstahlfabrikation
einzuführen, über welche wir bereits berichtet haben, hatten nur
geringen Erfolg. Dagegen stand die Fabrikation von Rohstahl (acier
naturel) im Departement von Isère in Blüte 1). Sie war begründet
auf den Spateisensteinen, welche in den Departements de l’Isère, du
Mont-Blanc und de la Drome im Gneisgebirge vorkamen. Im Departe-
ment de l’Isère waren es besonders die berühmten Eisenerzgänge von
Allevard, welche schon seit langer Zeit ausgebeutet wurden. Die
Erze wurden in italienischen Hochöfen, einer Art Blauöfen, ver-
schmolzen. Das Roheisen, welches man zu Rives am liebsten zur
Stahlfabrikation nahm, war das aus dem Departement Mont-Blanc
und das von St. Vincent und Allevard im Departement de l’Isère.
Zu St. Vincent wurden die Erze am sorgfältigsten vorbereitet; das
vortreffliche Eisen war von grauer Farbe, glänzend, von mittlerem
Korn und gleichförmiger Textur. Es konnte allein verschmolzen
werden und lieferte guten Stahl. Das Roheisen von Allevard war
dunkelgrau und von mittlerem Korn, man pflegte es mit dem vorher-
gehenden zu mischen. Das Eisen von Epierre im Departement Mont-
Blanc war weiſsstrahlig. Es lieſs sich nicht für sich allein zu Stahl
verfrischen, war aber ausgezeichnet als Mischeisen mit den vorher-
gehenden. Gewöhnlich nahm man 2/7 von dem letzteren, 2/7 von
Allevard und 3/7 von St. Vincent.
Die Essen der Stahlfeuer waren geräumiger als die der Frisch-
herde, so daſs der Arbeiter sich bequem um diese herumbewegen konnte.
Die Form lag fast horizontal und das Gebläse gab höchstens 200 Kubik-
fuſs Wind in der Minute, während es bei einem Frischfeuer, das nur
½ oder ⅓ so groſs war, 380 Kubikfuſs in der Minute liefern muſste.
Der innere Raum des Stahlherdes hatte 3 Fuſs im Quadrat und
4½ Fuſs Tiefe. Seine vier senkrechten Seiten waren aus Backsteinen
aufgemauert und der Boden bestand aus einem dicken Stein. Diesen
Backsteinherd stampfte man mit Lösche aus, so daſs nur eine Grube
von 14 bis 15 Zoll im Durchmesser und 18 Zoll Tiefe blieb. Die
Arbeit geschah in der Weise, daſs man zuerst die Luppen vom vorher-
gehenden Schmelzen ausheizte und in Stangen ausschmiedete. Dies
dauerte zehn bis zwölf Stunden und am Schlusse derselben brach
man die Eisenluppe, die sich von dem abschmelzenden Stahl gebildet
hatte und die etwa den fünften Teil des Gewichtes der Stangen
betrug, aus, entfernte die Schlacken, gab frische Kohlen auf und legte
[170]Frankreich 1801 bis 1815.
die Stücke Roheisen im Gewicht von 12 bis 13 Ctr. übereinander auf
den Herd. Um dieselben machte man einen Kranz von feuchter Lösche
und häufte Kohlen auf. Nach vier Stunden war das Roheisen ein-
geschmolzen. Man wärmte alsdann die ausgeschmiedeten Stangen
über dem Feuer, zerschrotete sie in 4 Zoll lange Stücke, die man
sogleich in kaltem Wasser ablöschte. Während dieser Arbeit, die
acht bis neun Stunden dauerte, blieb das mit einer 5 bis 6 Zoll
dicken Lage Schlacken bedeckte Roheisen vom Winde unberührt. Die
Schlacken muſsten dünnflüssig bleiben; fingen sie an dickflüssig zu
werden, so gab der Schmelzer etwas Quarz auf. Das allmähliche
Dickerwerden des flüssigen Eisens regulierte er durch den Wind.
War die Masse muſsig geworden, so brach er einen Klumpen auf
und brachte ihn kurze Zeit vor den Wind, um roh gebliebene Teile
zu garen. Nun faſste ihn der Hammerschmied mit der Zange, be-
klopfte ihn von allen Seiten und schmiedete ihn zu länglichen Pris-
men aus. So machte er einen Klumpen nach dem anderen, im ganzen
etwa 20, fertig, wozu sechs bis sieben Stunden erforderlich waren.
War alles Eisen aus dem Herde gewonnen, so wurde die Schlacke in
Scheiben abgehoben und der Herd mit Lösche gekühlt. Die ganze
Operation dauerte 30 Stunden. Es waren etwa 20 Stahlhütten mit
27 Feuern in der Umgebung von Rives. Da die Arbeit nicht regel-
mäſsig ging, so lieferte jedes Feuer nur 504 Ctr. Stahl, und alle im
Betrieb befindlichen 24 Feuer gaben nicht mehr als 12092 Ctr. Stahl
und 2419 Ctr. Eisen, wozu 18600 Ctr. Roheisen und 48384 Ctr. Kohlen
erforderlich waren.
Nach einem späteren Bericht 1) waren 29 Stahlhütten im Departe-
ment de l’Isère in den Gebieten von Grenoble, Vienne, Saint-Marcellin
und Tour-du-Pin. Sie bezogen ihr Roheisen von den Hochöfen von
Allevard (Isère) und von St. Georges und St. Alban d’Heurtrières
(Mont-Blanc). Man mischte die Sorten, wobei man 2/9 von Allevard
nahm. Jede Schmiede brauchte durchschnittlich 75 Tonnen Guſs-
eisen im Jahre, woraus 40 Tonnen Stahl oder 35 Tonnen Eisen
erzeugt wurden. Die 29 Fabriken lieferten 1080 Tonnen Stahl oder
945 Tonnen Eisen. Jede Hütte brauchte etwa 275 Tonnen Holz-
kohlen, im ganzen 7425 Tonnen.
Seit der Revolution waren die Preise von Guſs, Kohlen und Arbeit
etwa um ⅓ gestiegen. Das Guſseisen kostete auf den Hütten zu
Mont-Blanc und Allevard 19 bis 20 Frcs. der Centner, Kohle 3 bis
[171]Frankreich 1801 bis 1815.
4 Frcs. der Centner. Ein Schmied hatte 36 Frcs. Lohn die Woche.
Er arbeitete drei Tage, je zwölf Stunden, während er 500 kg Stahl
machte. Der Preis des Stahls betrug 44 Frcs. für den Centner, für
Mock 38 Frcs. und für eisenschüssigen (ferreux) 33 Frcs. Die erste
Sorte, acier fin, diente für Waffen und Messerwaren und wurde nach
St. Etienne, Thiers und die mittleren Departements verkauft. Die
zweite Sorte, acier fendue ou double (Mock), mit Flecken, diente für
Schneidwaren im Departement Isère. Die dritte Sorte, acier ferreux,
diente für Ackergeräte. Durch das Verbot der Einfuhr englischen
Stahls hatte die Stahlindustrie dieser Provinz groſsen Aufschwung ge-
nommen.
Auch im Departement de la Nièvre machte man Rohstahl, doch
war das Verfahren von dem beschriebenen abweichend. Man schmolz
hier erst das Roheisen in einem besonderen Herde ein und stach es
in dünne Scheiben ab (mazer la fonte = Hartzerennen). Man schmolz
dann Sätze von 50 Pfund von diesem Hartzerenneisen (fonte mazée)
auf einem Löschherd ein, während man die Kolben oder Schrote der
vorhergehenden Schmelzung ausschmiedete und ablöschte, was etwa
1¼ Stunden in Anspruch nahm. Das Garen geschah mit viel
Schlacken in ähnlicher Weise; war aber das Eisen teigig geworden,
so brach man den ganzen Klumpen auf einmal aus, streckte ihn unter
dem Hammer und teilte ihn in mehrere Schrote.
Bei dieser Methode konnte ein Hammermeister mit einem Gesellen
in zwölf Stunden 3 bis 3½ Ctr. Stahl verfertigen. Zu 1000 Pfd. Stahl
brauchte man 1600 Pfd. Roheisen und 37 Karren Kohlen. Der Ab-
brand war also bei diesem Verfahren gröſser.
Die Guſsstahlfabrikation hatte nur in Belgien wirklichen Erfolg.
Hier stellten die Gebrüder Poncelet in Lüttich seit 1807 einen guten
Guſsstahl dar. Dieselben bewarben sich 1809 um den von der societé
d’encouragement ausgeschriebenen Preis von 4000 Frcs. Sie kon-
kurrierten damals nur mit einer schweizer Firma. Keinen von beiden
wurde der Preis zuerkannt, aber die Gebrüder Poncelet erhielten
eine goldene Medaille im Werte von 400 Frcs. Die Gebrüder Poncelet
brachten ihren Stahl auf den Markt und wetteiferten erfolgreich mit
englischem Guſsstahl.
1807 gründete der Schotte John Cockerill mit seinem Vater
eine Maschinenbauanstalt zu Lüttich, welche 1816 nach Seraing ver-
legt wurde, woraus sich später die moderne Eisenindustrie Belgiens
entwickelte.
Die Zahl der Eisenhütten (Katalanschmieden) in Spanien betrug
nach Laborde in Asturien 11, in Guipuzcoa 15, in dem eigentlichen
Biscaya 16, welche jährlich etwa 100000 Ctr. erzeugten, in dem
Distrikt von S. Andero allein 25 mit einer Produktion von 24000 Ctr.
Die wichtigsten Eisenwerke von Aragonien waren die von S. Pedro
in dem Gebiete von Albarrazin, Origuela, Xea, Torres und Tormon.
In jedem derselben wurden jährlich an 2500 Ctr. gemacht.
Das gröſste Hüttenwerk in Guipuzcoa war das von Aspeitoa.
Dieses Land war vordem bedeckt mit Schmieden, welche es aber gänz-
lich entwaldet haben. Keine der besten Eisenwerke in Biscaya, Alava
und Guipuzcoa warf über 300 bis 500 Dukaten (700 bis 1150 Mark)
im Jahre ab, während die von Aragonien etwa das Doppelte ein-
brachten. Von ersteren erzeugte jedes etwa 1000 Ctr., von letzteren
2500 Ctr. Spanien hatte auch viele Eisenwalz- und Schneidwerke,
z. B. waren viele bei Tolosa, 12 in Biscaya, 48 in Asturien und eins
in Neu-Castilien. Von den 48 in Asturien arbeiteten 9 auf Stabeisen,
37 auf Nageleisen und 2 verarbeiteten Kupfer. Gieſsereien gab es zu
Equi in Navarra, zu Renteria in Guipuzcoa und in der Nachbarschaft
von Oviedo und St. Jago de Sargadelos in Asturien. Eiserne Kanonen
wurden zu Lierganez und Cavada gegossen. Stahl wurde in Utrillos
in Aragonien hergestellt, aber nur in geringer Menge. Schlösser und
Eisengerät wurden besonders zu Vega de Ribadeo in Galizien, zu
Helgoivar in Biscaya und zu Vergena, Solsona und Cardona in Cata-
lonien angefertigt. In diesen Städten, namentlich in Solsona, wurden
auch Messerwaren gemacht; für Tuchscheren waren Monistrol und
Aulot in Castilien berühmt.
Durch die napoleonischen Kriege litt die spanische Eisenindustrie
und nach dem Jahre 1815 fehlte jeder Aufschwung, so daſs dieselbe
in den 20 er Jahren sehr daniederlag.
In Portugal bemühte sich der 1801 ernannte Oberberghauptmann
Androda, die alte Eisenhütte von Foz d’Alge wiederherzustellen und
eine groſsartige Eisenfabrik daraus zu machen. Zu diesem Zwecke
berief er deutsche Techniker, besonders einen Bergingenieur W. v.
Eschwege1). Die Invasion der Franzosen 1807 machten dem Unter-
nehmen ein Ende.
In Österreich beschränkten sich die Fortschritte der Eisenindustrie
in diesem Zeitabschnitt auf Erhöhung der Hochöfen, Zustellung mit
zwei Formen, Verbesserung und Verstärkung der Gebläse. In den
Schriften von v. Marcher, v. Pantz und Atzl und anderen findet
man ausführliche Nachrichten über das österreichische Eisenhütten-
wesen, besonders in Steiermark, Kärnten und Niederungarn. Zu
Eisenärz in Steiermark wurde 1802 der Rupprechtofen und 1806 der
Wrbnaofen umgebaut und erhöht. 1812 wurde zu Neuberg ein Hoch-
ofen errichtet. Die Hochöfen in den österreichischen Alpenländern
waren alle mit geschlossener Brust zugestellt, aber auch in Böhmen
und Mähren war diese Zustellung zu Beginn des Jahrhunderts noch
vielfach angewendet.
In Kärnten hatte man fast auf allen Hochofenhütten Kasten-
gebläse eingeführt; die kleineren derselben hatten zwei Kasten von
4 Fuſs Quadrat und 3½ Fuſs Hub. Bei dem Hochofen zu Hürt hatte
man ein horizontal liegendes Doppelgebläse, zwei Kasten bliesen in
einen Wasserregulator, der aus Kupferblech hergestellt war. Bei
siebenmaligem Wechsel sollten die beiden Bälge zusammen 1400 Kubik-
fuſs Wind in der Minute liefern, doch wurde diese Leistung nicht
erreicht. Auf den fürstlich von Rosenbergschen Hochöfen zu Deutsch-
Pontafel betrieben drei Wassertrommeln, jede 30 bis 32 Kubikfuſs
Luft fassend und 18 Fuſs Gefäll, das Hochofengebläse.
Man schmolz damals in Kärnten die Frischschlacken in soge-
nannten Sinteröfen um. Es waren dies Stücköfen von 9 bis 12 Fuſs
Höhe. Alle sechs Stunden erhielt man eine Luppe.
Der gräflich von Eggersche Hochofen zu Treybach bietet aus
verschiedenen Gründen besonderes Interesse dar. Erstens war er der
gröſste in Kärnten, seine Höhe betrug etwas über 35 Fuſs, zweitens
wurde er mit zwei und eine Zeit lang sogar mit drei Formen be-
trieben, drittens wurden bei diesem Ofen eine Reihe interessanter
Versuche über die Ofenzustellung gemacht. Bei einer Gestellweite
von 24 Zoll im Quadrat und zwei Formen hatte die tägliche Pro-
duktion 112 Ctr., durch Erweiterung des Gestelles auf 28 Zoll
war sie auf 115 Ctr. gestiegen. Als man die dritte Form auf der
Rückseite einlegte, erweiterte man das Gestell auf 30 Zoll im
Geviert und erhielt 12766 Pfund Roheisen in 24 Stunden bei einem
[174]Österreich-Ungarn 1801 bis 1815.
Kohlenverbrauch von 12,4 Kubikfuſs und 215,6 Pfd. Erz auf 100 Pfd.
Roheisen.
Diese Gestellweite von 30 Zoll im Quadrat hatte sich bei dem
starken, aus vier Kasten von je 6 Fuſs Quadrat in Kolbenfläche,
welche in der Minute 2000 bis 3000 Kubikfuſs Wind lieferten, als
zu eng erwiesen. Der Verwalter Hauser lieſs deshalb im Jahre 1805
das Gestell achteckig zustellen mit einer Weite von 36 Zoll zwischen
Vorder- und Rückseite und 40 Zoll zwischen den Seitenformen. In-
folgedessen erzielte er eine Produktion von über 16000 Pfund bei
einem Kohlenaufwand von nur 10 Kubikfuſs auf einen Centner Roh-
eisen. Obgleich dadurch die gute Wirkung der Zustellung mit drei
Formen klar erwiesen war, kehrte man später doch wieder zu zwei
Formen zurück. Unter den mancherlei guten Einrichtungen der Trey-
bacher Hütte ist auch ein Maschinengichtaufzug zu erwähnen.
Es war ein Paternosterwerk, dessen Eisenblechkästchen die Erze auf
die Gicht hoben.
Es ist unmöglich, das reiche Material, welches von Marcher in
seinen umfangreichen Schriften mitgeteilt hat, auch nur auszugsweise
mitzuteilen und müssen wir die, welche sich über die österreichischen
Eisenwerke jener Zeit näher unterrichten wollen, auf diese verweisen.
Einen wesentlichen Aufschwung hatte die Eisenindustrie Ungarns
zu Anfang des Jahrhunderts genommen. Den Hochofen zu Rhonitz
hatte man von 23 Fuſs auf 28 Fuſs erhöht. Zu Reschitza im Banat
waren wichtige kaiserliche Eisenwerke angelegt worden. Der Franzisci-
Hochofen oder Guſsofen war 1804 30 Fuſs hoch, 7 Fuſs im Kohlen-
sack, 2 Fuſs 8 Zoll bei der Form und 2 Fuſs an der Gichtöffnung
weit. Er hatte keine Rast, sondern ging konisch vom Kohlensack bis
zum Boden. Das doppelte Kastengebläse lieferte 464 Kubikfuſs Wind
in der Minute. — Der Josephi-Floſsofen war ebenfalls 30 Fuſs hoch
und 7 Fuſs im Kohlensack weit. Er hatte vier Kastenbälge, welche
640 Kubikfuſs Wind in der Minute lieferten, wobei 5000 Pfd. Flossen
in 24 Stunden geschmolzen wurden.
Die ersten Versuche, die in Domán bei Reschitza gewonnenen
Steinkohlen zu verkoken, machte man 1819 und 1820, jedoch ohne
befriedigende Resultate zu erzielen.
In Siebenbürgen hatte das k. k. Eisenwerk zu Strimbul einen
Hochofen von 36 Fuſs Höhe bei 6 Fuſs Weite im Kohlensack. Er
hatte zwei Formen und produzierte in vier Abstichen täglich 2800
weiſses, grobspieſsiges Roheisen. Der königl. Hochofen zu Olahlapos
war nur 17 Fuſs hoch und produzierte in 24 Stunden 1100 Pfd.
[175]Preuſsen 1801 bis 1815.
weiſses Roheisen. Der königl. Floſsofen zu Töplitza bei Veida-Hunyad
war 22 Fuſs hoch, hatte zwei Formen und lieferte 8848 Pfd. in
24 Stunden.
Es gab aber zu jener Zeit noch viele Stücköfen oder Blaufeuer-
öfen in Ungarn und Siebenbürgen und in Galizien Luppenfeuer.
Nach der Statistik von Heron de Villefosse betrug die Eisen-
produktion Österreich-Ungarns im Jahre 1806 nach den damaligen
Grenzen ohne Tirol 1045400 Ctr., davon entfielen auf
Preuſsen war durch den unglücklichen Ausgang der Feldzüge
von 1806 und 1807 zwar schwer betroffen und in seinem Besitzstand
sehr eingeschränkt, dennoch machte die Eisenindustrie der östlichen
Provinzen, insbesondere Schlesien, ununterbrochene Fortschritte. —
In Oberschlesien zählte man zu Anfang des Jahrhunderts 45 Hoch-
öfen, von denen bereits 6 mit Koks betrieben wurden, und über
150 Frischfeuer, von denen jene 200000 bis 300000 Ctr. Roheisen,
diese 160000 bis 180000 Ctr. diverses Schmiedeeisen lieferten. Die
Produktion eines Holzkohlenofens betrug 150 bis 250, die eines Koks-
hochofens 400 bis 500 Ctr. Roheisen wöchentlich. Leider wurde die
stetige Entwickelung durch die Katastrophe des Jahres 1806 unter-
brochen, jedoch bot die nun folgende Kriegsperiode der jungen ober-
schlesischen Eisenindustrie alsbald Gelegenheit, dem Staat für ihre
Begründung den besten Dank zu zollen.
Die Notwendigkeit, die groſsen Verluste an Munition und Kriegs-
gerät zu ersetzen und die Armee mit neuen Waffen zu versehen,
führten zu Neubauten und Einrichtungen. Die Bohr- und Drehhütte
zu Malapane wurde 1808 zu einer Bohr- und Schleifhütte für Gewehr-
läufe und zu einer Ladestockschmiede eingerichtet. Die auf der
[176]Preuſsen 1801 bis 1815.
Malapaner Eisenhütte angefertigten Gewehrteile (Läufe, Bajonette und
Ladestöcke) wurden in der Gewehrfabrik zu Neiſse zusammengesetzt
und equipiert 1). Das oberhalb Malapane gelegene Hammerwerk
Krascheow, welches aus vier Frischfeuern in zwei Hütten bestand,
wurde ebenfalls in einen Platinen- oder Plattinenhammer zu Lauf-
hämmern und zu einem Bohr- und Drehwerk für Gewehrläufe ein-
gerichtet.
In Jedlitze, unterhalb Malapane, wurden die vier Frischfeuer
durch ein gemeinschaftliches eisernes doppeltwirkendes Cylindergebläse
mit Wind versehen und die beiden Stabhämmer hatten eiserne
Hammergerüste erhalten. Auſserdem befand sich in jeder der beiden
Hüttengebäude ein Blechwalzwerk, welches die Bleche für das Zinn-
haus auf demselben Werke lieferte. Das mit einem Walzendrehwerk
versehene Walzwerk bestand aus zwei Ständergerüsten und war das
älteste in Schlesien. Alle diese Werke mit dem Dembihammer gehörten
zu dem Hüttenamt Malapane, einem der fünf schlesischen Hütten-
ämter.
Die besseren, weiſsen Spaterze, welche man für die Erzeugung
von Roheisen für Rohstahl, Platinen- und Artillerieeisen gebrauchte,
wurden aus der Gegend von Kreuzburg bezogen. Doch war die Menge
unzureichend, weshalb Malapane das benötigte Eisen teilweise kaufen
muſste. Zur Erzeugung dieses besseren Roheisens aus den benach-
barten Erzen wurde auf der Kreuzburger Hütte selbst ein neuer
Hochofen gebaut, welcher mit einem Kastengebläse betrieben wurde.
Derselbe lieferte auch das Roheisen für das auf derselben Hütte
befindliche Rohstahlfeuer. — Die beiden Frischfeuer der Budkowitzer
Eisenhütte hatten ein gemeinschaftliches eisernes Doppelcylinder-
gebläse und ebenfalls zwei Hämmer mit eisernem Aufwerfhammer-
gerüst.
Auf der Rybniker Hütte, welche 1810 in die Administration des
Oberbergamts übergegangen war, wurde der Rybnikerhammer in ein
Schwarzblechwalzwerk umgebaut. Die Walzhütte wurde mit zwei
Pilarengerüsten, zwei Glühöfen und den erforderlichen Blechscheren
und Drehbänken versehen.
Über den Betrieb der Gleiwitzer Hütte im Jahre 1802 liegen
ausführliche Berichte von dem französischen Ingenieur Daubuisson
vor 2). In 48 Wochen wurden 14489 Ctr. Guſseisen erzeugt. — In
[177]Preuſsen 1801 bis 1815.
24 Stunden schmolz man 35 Chargen von 3,90 Ctr. Erz, 1,10 Ctr.
Kalk und 3,60 Ctr. Koks und erhielt von der Charge 1,23 Ctr. Guſs-
eisen oder 43 Ctr. in 24 Stunden. Der Aufgang für 100 Tle. Guſs-
eisen betrug 316 Erz, 89 Kalkstein und 243 Koks.
Zu Malapane, wo mit Holzkohle geschmolzen wurde, betrug damals
der Aufwand auf 100 Tle. Eisen 400 Erz, 68 Kalkzuschlag und 223
Holzkohlen. 1804 wurden hier mit Erfolg Steinkohlen im Schweiſs-
feuer angewendet.
1807 stellte man in Gleiwitz eine doppeltwirkende Boultonsche
Gebläsemaschine mit 0,392 m Dampfcylinder auf, um die Störungen
und Unregelmäſsigkeiten des Wasserbetriebes zu beseitigen. Dieselbe
erwies sich aber als zu schwach und reichte kaum zum Betrieb der
beiden Kupolöfen aus. 1809 wurde der Hochofen gröſser gebaut und
mit zwei Windformen versehen. Die Versuche im Jahre 1812, den
Hochofen mit Backkoks statt mit Stückkoks zu betreiben, miſslangen.
Die Gleiwitzer Hütte wurde für Preuſsen in den Jahren der
Vorbereitung zum Befreiungskampf besonders wichtig, weil sie seit 1809
groſse Mengen eiserner und metallener Geschütze und Munition lieferte.
Über diese für die Geschichte Preuſsens so wichtige Thätigkeit
der schlesischen Eisenhütten tragen wir noch das Folgende 1) nach.
Der Gedanke, die schlesische Eisenindustrie für die vaterländische Be-
waffnung heranzuziehen, ging wohl von Graf Reden aus, Karsten
wurde vornehmlich mit der Ausführung betraut. Graf v. Götz, welcher
1808 Gouverneur von Schlesien war, gab die Veranlassung zur Grün-
dung der „Armaturfabrik“ zu Malapane, indem er die Forderung
stellte, daſs wenigstens die Reparaturen an den Gewehren im Lande
selbst ausgeführt wurden. In diesem Sinne wurde zu Malapane Anfang
1809 eine Werkstätte eingerichtet. Der erste Auftrag ging nur auf
die Anfertigung fehlender Bajonette und Ladestöcke zu vorhandenen
Gewehren. Man begann diese Arbeit mit Hüttenschmieden, da die
Anstellung gelernter Gewehrarbeiter nicht vorgesehen war. Die
Arbeit war aber noch nicht ausgeführt, als auch schon die Militär-
verwaltung Gewehrläufe und zwar gleich einige tausend Stück zur
Komplettierung verlangte. Hierzu waren geschulte Arbeiter unent-
behrlich und schickte dann auch auf Karstens Ansuchen der Staatsrat
Karsten einen Rohr- und einen Bajonettschmied von Spandau. Diese
richteten im März 1809 die erste Rohrschmiede und die erste Bajonett-
schmiede zu Malapane ein. Die Forderungen des Gouvernements
Beck, Geschichte des Eisens. 12
[178]Preuſsen 1801 bis 1815.
steigerten sich rasch, so daſs die Anlagen fortwährend vergröſsert
werden muſsten. Ende Mai waren bereits 24 Mann bei der Waffen-
fabrikation beschäftigt. Im Juli war man soweit, daſs man wöchent-
lich 30 Stück sämtlicher geforderter Armaturteile liefern konnte. Die
Fabrikation war sehr erschwert, weil man sich mit vorhandenen, für
den Zweck nicht eingerichteten und provisorischen Bauten behelfen
muſste, indem die ganze Arbeit nur als eine vorübergehende ange-
sehen wurde. Auch riefen die Gebrüder Schickler von Spandau
ihre gelernten Arbeiter schon im Juli wieder zurück. Trotzdem machte
die Fabrikation, welche Karsten unablässig zu verbessern suchte,
von Monat zu Monat Fortschritte. Ende 1810 hatte die Armatur-
fabrik 35 Arbeiter und die Rohre wurden nicht mehr mit der Hand,
sondern mit Wasserhämmern geschmiedet. Während aber die Militär-
behörde bis Ende 1810 zufrieden gewesen war, wenn die Läufe nur
die Schuſsproben aushielten, steigerte sie auf einmal ihre Ansprüche
bedeutend. Es wurde ein neues Modell eingeführt, die Läufe leichter
und dünner vorgeschrieben und groſse Strenge bei der Abnahme
angeordnet. Vorübergehend war dies zum Nachteil der Fabrik; bei
dem eifrigen Streben und dem guten Willen der Arbeiter und der
Beamten wurden aber auch diese Schwierigkeiten überwunden und
in den Jahren 1811 und 1812 Waffen von vorzüglicher Güte geliefert.
So waren die schlesischen Werkstätten wohl vorbereitet, als im Jahre
1813 die Anforderungen durch die allgemeine Landesbewaffnung sich auf
einmal auſserordentlich steigerten. Jetzt muſsten Waffen aller Art: ver-
schiedene Sorten Büchsen-, Karabiner-, Pistolenläufe, Pionier-, Husaren-
und Kürassiersäbelklingen geliefert werden. Aber die Geschicklichkeit
der Arbeiter war dieser schweren Aufgabe gewachsen. Die Armatur-
fabrikation beschäftigte 78 Mann als regelmäſsige Arbeiter, nämlich:
3 Plattinenschmiede, 10 Rohrschmiede, 27 Bohr- und Dreharbeiter,
8 Schleifer, 6 Bajonettschmiede, 2 Ladestockschmiede, 13 Garniseur-
arbeiter, 1 Kolber, 3 Bajonettausfeiler, 2 Härter, 1 Feilenhauer, 1 Be-
schauer, 1 Rohrschrauber. Mit diesen und den übrigen Hülfsmitteln
konnten etwa 5000 Musketengarnituren jährlich geliefert werden. Bis
zum August 1814 hatte die Armaturfabrik zu Malapane ungefähr
18000 vollständige Schieſswaffen der Armee geliefert. Am 8. Septbr.
1814 wurde die Malapaner Gewehrfabrik der Militär-Armaturverwaltung
übergeben und von dieser nach Neiſse verlegt, nachdem Karsten die
Notwendigkeit der Gründung einer selbständigen Gewehrfabrik unter
Hinweis auf den Schaden, welche der Hüttenbetrieb von Malapane
durch diesen interimistischen Zustand erleide, dargelegt hatte.
Die Leistungen von Malapane bildeten nur einen Teil dessen,
was von der schlesischen Eisenindustrie für die Ausrüstung der
preuſsischen Armee damals geschah. Auf allen königlichen Hoch-
ofenhütten wurden Kanonen und Kugeln gegossen; auf mehreren
Frischfeuern zu Malapane und Creutzburger Hütte wurden Hämmer
zur Anfertigung geschmiedeter Kartätschenkugeln eingerichtet. Alle
diese Einrichtungen und Arbeiten wurden von Karsten geleitet, der
überall selbst anwesend war und die Arbeiter zur Thätigkeit antrieb.
— Munition hatte man zu Malapane und Gleiwitz schon seit lange
gegossen. Bald nach dem unglücklichen Jahre 1806, in dem Preuſsen
groſse Verluste an Metallgeschützen gehabt hatte, faſste man den
Plan, dieselben durch eiserne zu ersetzen. Doch wurde diese Arbeit
nur langsam [und] nebenher versuchsweise betrieben. Erst im Oktober
1809 wurde in Gleiwitz ein Sechspfünder gegossen, der den Anfor-
derungen der Militärbehörde genügte. Auch hiernach ging es in
derselben gemächlichen Weise fort, bis im Anfang des Jahres 1813
plötzlich die Ausführung des Geschützgusses in groſsem Maſsstabe
verlangt wurde. Scharnhorst war es, der Karsten zuerst hiervon
benachrichtigte. Vom April 1813 an folgten die Bestellungen in rascher
Aufeinanderfolge. Bis Ende Juli waren schon mindestens 59 Stück
eiserne Geschütze gegossen, gebohrt und abgeliefert. Die Herstellung
der massenhaften Munition, die verlangt wurde, machte weit weniger
Schwierigkeiten, weil die Hütten darauf eingerichtet und die Arbeiter
darin geübt waren. Malapane allein erhielt in einem Monat folgende
Bestellungen:
Trotz aller Anstrengungen war es nicht immer möglich, alle
Bestellungen rechtzeitig abzuliefern und Karsten hatte bei seiner
angestrengten Thätigkeit auch noch mit der Ungeduld der Militär-
verwaltung zu kämpfen. Gleiwitz lieferte in den zehn Wochen vom
10. Juni bis 20. Juli 1813:
Malapane und Gleiwitz zusammen gossen wöchentlich etwa 600 Ctr.
Munition.
Nachdem der Kriegssturm sich gelegt hatte, konnte die könig-
liche Hüttenverwaltung wieder mehr für Verbesserungen des laufenden
Betriebes thun.
1815 wurde zu Gleiwitz ein stärkeres eisernes Cylindergebläse
und eine Dampfmaschine aufgestellt, wodurch dem Ofen pr. Minute
2600 rhein. Kubikfuſs Wind von 1½ bis 2 Pfund Pressung auf den
Quadratzoll zugeführt wurde. In der Hochofenhütte befand sich der
sehr geräumige Formraum für die Herd- und Kastengieſserei im Sand
und für den Massenguſs. Es befanden sich ferner 2 Kupolöfen,
2 Flammöfen, 3 Darrkammern, 1 Dammgrube und 4 Krahnen darin.
Das Lehmformhaus war ein besonderes Gebäude für sich mit vier
gröſseren Flammöfen, so daſs Guſsstücke bis zu 150 Ctr. bequem ge-
gossen werden konnten. Ein drittes Gebäude, die sogenannte Kupol-
ofenhütte, enthielt zwei Kupolöfen mit besonderem Cylindergebläse.
Hier wurden die kleineren und feineren Sachen gegossen. Die Bohr-,
Dreh- und Schleifhütte war ein viertes Gebäude. In diesem hatte
man die 90 zölligen Cylinder für die Trockenregulatoren der Königs-
hütte ausgebohrt. Unter den vielen Nebengebäuden befand sich auch
eine besondere Emaillierhütte für emailliertes Kochgeschirr.
Die groſsartigste Hochofenanlage nicht nur Schlesiens, sondern des
Kontinents war damals die Königshütte. Die erste Anlage war auf
zwei Hochöfen (von je 43 Fuſs Höhe) berechnet, welche beide im
Jahre 1802 in Betrieb kamen, doch war die Erweiterung um zwei
weitere Öfen vorgesehen. 1806 wurde denn auch bereits der dritte
Hochofen erbaut, dem man aber nur eine Höhe von 38 Fuſs bei
9 Fuſs Weite im Kohlensack geben konnte. 1818 folgte dann der
vierte Hochofen. Zwei 40 zöllige Dampfmaschinen setzten zwei
Cylindergebläse von 75 Zoll Durchmesser und 7 Fuſs Hub in Gang,
wodurch jedem der beiden Öfen 2400 Kubikfuſs Wind von 2¾ bis
3 Pfd. Pressung in der Minute zugeführt wurden. Jedes Gebläse
hatte seinen besonderen Trockenregulator von 90 Zoll Durchmesser,
welche beide zusammen mit einem gemeinschaftlichen Wasserregulator
verbunden waren. Doch muſste man die beiden Trockenregulatoren ab-
werfen, weil die Kolben, obgleich mit 16000 Pfd. Gewicht beschwert,
doch öfter vom Wind über den Rand geworfen wurden. Die einfach
wirkenden Gebläsemaschinen wurden 1818 in doppeltwirkende umgebaut.
Im Jahre 1809 waren in Oberschlesien folgende Eisenwerke mit
den beigefügten Produktionen in Betrieb:
Erzeugung:
Von dem erzeugten Roh- und Wascheisen wurden 295577 Ctr. zu
Stabeisen verfrischt, wovon etwa 90000 Ctr. auſser Land gingen 1).
Der Wert der auf den königlichen Werken erzeugten Eisen- und
Stahlsorten betrug 1143440 Thlr.
Auf den zahlreichen Privathütten Oberschlesiens zählte man
1816 40 Hochöfen, 127 Frischfeuer, 26 Zainhämmer, 1 Schwarzblech-
walzwerk, 1 Weiſsblechwalzwerk und 2 Drahtzüge. Unter den 40 Hoch-
öfen befand sich nur einer, welcher mit Koks betrieben wurde, auf
der Hohenlohhütte, der von dem Engländer Baildon erbaut und
1805 in Betrieb gesetzt wurde. Der im Jahre 1808 auf der Antonien-
hütte bei Neudorf, die dem Grafen von Henkel gehörte, errichtete
Hochofen wurde erst von 1820 an regelmäſsig mit Koks betrieben.
Um die Holzkohlenhochöfen hat sich der Oberhütteninspektor Voſs
groſse Verdienste erworben; ebenso um Verbesserung der Frischhütten
auf vielen Privatwerken. Zwei Holzkohlenhochöfen hatten eiserne
Cylindergebläse. Alle neuen von Voſs gebauten Frischhütten hatten
hölzerne Kastengebläse. Die Privatwerke produzierten 1816 nach
ihren (wahrscheinlich zu niedrigen) Angaben:
Sie beschäftigten dabei 1222 Arbeiter. Wird der Preis des Roh-
eisens mit 1½ Thlr., des Stabeisens mit 4 Thlr., des Zaineisens mit
5 Thlr. für den Centner in Ansatz gebracht, so betrug der Produktions-
[182]Preuſsen 1801 bis 1815.
wert der Privathütten 868141 Thlr. 12 Gr. Die gesamte Eisenproduktion
Oberschlesiens belief sich im Jahre 1816 auf 1162620 Thlr. an Wert
und beschäftigte 1815 Hüttenarbeiter.
Die preuſsische Regierung war in den schweren Zeiten der Fremd-
herrschaft von 1806 bis 1813 mit redlichem Eifer bemüht, die Industrie
in ihrem verkleinerten Gebiete in jeder Weise auch durch eine ver-
nünftige Handelspolitik zu befördern. Die im Dezember 1808 erlassene
„Geschäftsinstruktion“ sprach bereits freiheitliche Grundsätze, wie
Unbeschränktheit der Erzeugung und Veredlung der Produkte, Er-
leichterung des Verkehrs und Freiheit des Handels nach innen und
auſsen aus. Am 2. November 1810 wurde die Gewerbefreiheit ein-
geführt.
Die Gründung der königlichen Eisengieſserei in Berlin im
Jahre 1803 war auch ein Werk des Grafen v. Reden. Bereits im
Jahre 1789 war die Gründung einer Eisengieſserei in Berlin von dem
Minister v. Heinitz und der Bergwerks- und Hüttenadministration ins
Auge gefaſst worden und war deshalb der Faktor Brauns von Zehdenik
nebst einem tüchtigen Former dem Grafen Reden auf seiner Reise
nach England beigegeben worden. Vielerlei Hindernisse hemmten
aber die Ausführung, die erst 1803 durch Ankauf der alten Schleif-
mühle an der Panke, in welcher der Besitzer Voigt schon früher
eine kleine Privatgieſserei betrieben hatte, zu stande kam. 1804
wurden die ersten wohlgelungenen Versuche gemacht, aus Steinkohlen-
roheisen in Tiegeln mit Koksfeuer Guſswaren zu gieſsen. 1805 wurde
nach den Bauanschlägen des Bauinspektors Wedding zu Königshütte
die Kupolofen- und Tiegelgieſserei erbaut 1). Durch vorzügliche
Leistungen, sowie durch mustergültige Einrichtungen erwarb sich bald
die königliche Eisengieſserei einen europäischen Ruf.
Die westlichen Provinzen Preuſsens waren durch die Niederlage
von 1806 verloren gegangen. Obgleich diese Landesteile, wie über-
haupt das ganze westliche Deutschland schwer unter den politischen
Verhältnissen zu leiden hatte, so war doch die Eisenindustrie für die
kriegerischen Bedürfnisse zu wichtig, um nicht auch von dem Sieger
geschont und gepflegt zu werden und wichtige Keime für die Zukunft
wurden in jener Zeit gepflanzt. Am besten ging es verhältnismäſsig
den linksrheinischen Gebieten, welche schon von Anfang des Jahr-
hunderts an mit Frankreich verbunden waren.
Diese nahmen unter französischer Herrschaft groſsen Aufschwung,
besonders die Werke in der Eifel, im Mosel- und Saargebiet, die
groſsenteils durch Verkauf seitens der französischen Regierung in
Privathände übergingen. Von der Eifel wurden groſse Mengen von
Eisen über Malmedy nach Lüttich gebracht, um in den dortigen
Waffenfabriken zu Gewehrläufen verarbeitet oder bei den groſsartigen
Hafenbauten zu Boulogne und anderen Seeplätzen verwendet zu
werden. Als bekannte Eisenfabrikanten der Eifel wurden damals
schon genannt: Cramer, Pönsgen, Schöller, Virmond, Bastian,
Paschen, Axmacher und später Zöller.
Zu Anfang des laufenden Jahrhunderts hatten im Saargebiet,
dem französischen Saardepartement, die Eisenhütten zu Neunkirchen,
welche im Jahre 1806 in den Besitz der Gewerkenfamilie Stumm
überging, 2 Hochöfen und 4 Frischfeuer nebst Gieſserei; Geislautern
2 Hochöfen, 3 Frischfeuer, 1 Schwarzblech- und Weiſsblechfabrik;
Fischbach 1 Hochofen; Halberg 4 Frischfeuer und Gieſserei; St. Ing-
bert 1 Hochofen und 2 Frischfeuer; Drahtzug 1 Blechhammer, und
das Stahlwerk zu Gaffontaine 4 Rohstahl- und 5 Raffinierfeuer als
im Betrieb befindlich aufzuweisen. Im Moseldepartement hatte die
Dillinger Hütte 2 Frischfeuer und 15 kleine Feuer, die Bettinger
Schmelze 1 Hochofen, die Hütten zu Creutzwald 2 Hochöfen, Falk
1 Frischfeuer, Homburg und St. Fontaine je 2 Frischfeuer. Die
sämtlichen Hütten beschäftigten einschlieſslich der Erzgräber und
Köhler gegen 1000 Arbeiter. Die dargestellten Eisenwaren gingen
gröſstenteils nach den benachbarten rheinischen Departements und
nach Holland; die Stahlfabrikate und Bleche dagegen fast ausnahmslos
nach Metz und Paris, wo gröſsere Magazine für dieselben bestanden.
Die Gebrüder Friedrich Philipp, Christian und Ferdinand
Stumm erwarben 1809 auch die Hälfte der Halberger und Fisch-
bacher Hütte.
Martin de Wendel hatte auf den lothringischen Hütten zu
Hayange viele Verbesserungen eingeführt, so 1802 ein Walzwerk,
1810 den ersten Puddelofen und namentlich die englischen Kolben-
gebläse 1). Sein Beispiel fand bei den Saarbrücker Hütten Nach-
ahmung. Für Geislautern wurden zwei neue Hochöfen mit Koks-
betrieb projektiert. Die Formerei und Gieſserei erfuhren durch-
greifende Verbesserungen, namentlich infolge des Kanonen- und
[184]Preuſsen 1801 bis 1815.
Munitionsgusses, welcher auſser auf dem Neunkirchener Werke auch
auf den benachbarten alten Hochwaldhütten der Gebr. Stumm zu
Asbach, Abentheuer und Weilersbach im Schwung war; die Kanonen
wurden aus dem Vollen gebohrt, die Kugeln zum Teil gehärtet und
poliert.
Für die Stabeisenfabrikation war die Harzer Kleinfrischerei ein-
geführt; Steinkohle wurde nur zum Heizen und Wärmen gebraucht.
Das Halberger Werk, auf welchem wöchentlich 70 bis 80 Ctr. gutes
Stab- und Rundeisen geschmiedet wurden, lieferte Wagenachsen für
die französische Artillerie.
1802 begann man zu Dillingen die ersten englischen Blechwalz-
werke zu bauen; das erste gewalzte Schwarzblech wurde gegen Ende
des Jahres 1804 fabriziert. Von Anfang 1805 an wurde auch Weiſs-
blech fabriziert, welches auf der Pariser Ausstellung von 1808 bereits
die groſse goldene Medaille erhielt.
Die Gaffontainer Stahlhütte verarbeitete fast ausschlieſslich Roh-
stahleisen von Bendorf. Der produzierte Cementstahl (gegen 1800 Ctr.
jährlich) wurde hauptsächlich zu Werkzeugen, Feilen, Wagenfedern
und Sensen benutzt. Man schlug deutsche Zeichen auf denselben und
verkaufte ihn als „preuſsischen“ Stahl. Bei der ungeheuren Höhe
des französischen Eingangszolles für Stahl (49 Fr. 50 Cent. auf 100 kg)
blieb der echte preuſsische (bergische) Stahl vom französischen Markte
vollständig ausgeschlossen.
Die rechtsrheinischen westlichen Provinzen Preuſsens gelangten
in dieser Zeit ebenfalls teils unmittelbar, teils mittelbar unter die
Napoleonische Herrschaft. Die geschichtlichen Überlieferungen über
die Eisenindustrie jener Gebiete sind lückenhaft. Bis 1804 reichen
die klassischen Berichte von Eversmann in seiner Übersicht der
Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern
zwischen Lahn und Lippe, auf die wir verweisen.
Als ein wichtiges Ereignis für die zukünftige Entwickelung der
deutschen Stahlindustrie müssen wir die Gründung der Firma Fried-
rich Krupp in Essen im Jahre 1810 bezeichnen.
Am 12. April 1800 hatte die „ältere“ Witwe Krupp, geb.
Ascherfeld, die von dem königlich preuſsischen Fiskus zur Subhasta-
tion ausgesetzte Gutehoffnungshütte bei Sterkrade für 12000 Reichs-
thaler Berl. Kour. mit allen Pertinenzien und Gerechtigkeiten und
dem dazu gehörigen Wohnhause käuflich erworben. Sie war hierzu
veranlaſst worden, weil sie eine Obligation auf das Werk hatte für
eine Forderung von dem falliten Besitzer Eberhard Pfandhöfer.
[185]Preuſsen 1801 bis 1815.
Die energische Frau setzte alsbald das Hüttenwerk wieder in Betrieb;
aber die kriegerischen Zeiten lieſsen es zu keiner gedeihlichen
Entwickelung kommen. Am 27. Juni 1807 schenkte sie das Werk
ihrem am 17. Juni 1787 geborenen Enkel Peter Friedrich Krupp,
der dadurch mit dem Eisenhüttenwesen in unmittelbare Verbindung
kam. Am 15. Mai 1807 machte aber die Groſsmutter Krupp die
Schenkung wieder rückgängig, vermutlich weil das Werk in den
schweren Zeiten ohne Nutzen arbeitete und sich eine Gelegenheit
zum Verkauf gefunden hatte. Am 14. September 1808 verkaufte
Frau Krupp die Gutehoffnungshütte an Heinrich Huyssen in Essen.
Der Kaufvertrag wurde am 16. November 1808 unterschrieben, und
zwar einerseits von der Witwe Krupp, geb. Ascherfeld, unter
Assistenz des Justizkommissars Tutmann und ihres Enkels Fried-
rich Krupp, andererseits von Heinrich Huyssen, Gerhard und
Franz Haniel und Gottlob Jakobi. So finden sich unter diesem
bedeutungsvollen Aktenstück die Namen der Begründer der modernen
Eisenindustrie des Ruhrgebietes vereinigt 1).
Die Käufer Huyssen, Haniel und Jakobi, von denen Gottlob
Jakobi, den wir wiederholt erwähnt haben, mit den beiden Brüdern
Haniel die Eisenhütten Neu-Essen und St. Antony besaſs, vereinigten
durch Gesellschaftsvertrag vom 5. April 1810 alle drei Hütten zu der
berühmten Gewerkschaft Jakobi, Haniel \& Huyssen.
Nachdem im Jahre 1802 das Stift Essen aufgelöst worden war,
hatte sich die Fürstin von den industriellen Unternehmungen zurück-
gezogen und ihren ¾ Anteil der St. Antonyhütte durch Vertrag vom
10. Mai 1805 und ihren gleichen Anteil an Neu-Essen an die Gebrüder
Gerhard und Franz Haniel zu Ruhrort verkauft, welche am
7. August desselben Jahres bei dem Oberbergamt in Essen die An-
zeige machten, daſs sie gewillt seien, in Gemeinschaft mit dem In-
spektor Gottlob Jakobi diese Hütten in Betrieb zu setzen. Nach Ver-
einigung mit der Gutehoffnungshütte wurde Jakobi 1810 die Direktion
der vereinigten Werke übertragen.
Im Oktober desselben Jahres 1810 übernahm Friedrich Krupp
das von seiner Mutter geführte Spezereigeschäft in Essen und gründete
damit die berühmte Firma Friedrich Krupp. Damals erfüllte das
Streben, Guſsstahl wie die Engländer zu machen, viele Eisenindustrielle
in Deutschland. Gottlob Jakobi beschäftigte sich damit und ein
Bericht aus dem Jahre 1811 sagt von ihm, er habe das Geheimnis
[186]Preuſsen 1801 bis 1815.
der Guſsstahlfabrikation schon seit einigen Jahren ergründet. Auch
Friedrich Krupp, dessen Neigungen ihn mehr zur Eisenindustrie
als zum Kaffeehandel hinzogen, erblickte in der Fabrikation des
Guſsstahls die wichtige Aufgabe der Zukunft. Dies veranlaſste ihn
am 7. Dezember 1811, ein kleines Gut, die Walkmühle bei Essen, mit
5 Morgen Land und Wasserkraft zu kaufen und auſser einem Reck-
hammer auch ein Schmelz- und Cementiergebäude zu errichten 1).
Friedrich Krupp ging von dem Grundsatz aus: ohne gutes Eisen
kein guter Stahl. Das beste Eisen im westlichen Deutschland war da-
mals das märkische Osemundeisen. Dieses benutzte er zur Herstellung
seines Cementstahls. Im Herbst 1812 waren die Einrichtungen seines
Werkes soweit gediehen, daſs er anzeigen konnte, daſs er von Ende
des Jahres an alle Sorten feinen Stahl, auch Guſsstahl, liefere. Kurz
vorher hatte Krupp sein Spezereigeschäft aufgelöst, dagegen auf dem
linken Rheinufer in dem damals französischen Städtchen Mörs eine
Feilenfabrik errichtet. Hier sollte ein Teil des in Essen fabrizierten
Stahls zum Vertrieb nach Frankreich verarbeitet werden, um dadurch
den hohen Zoll zu sparen. Doch hat dieses Werk nicht lange be-
standen. 1815 verband sich Friedrich Krupp mit Nicolai, welcher
in Preuſsen ein Patent auf Guſsstahl erhalten hatte. Diese Verbindung
war aber keine glückliche. Krupp löste sie bald wieder auf, muſste
aber Nicolai nicht nur eine bedeutende Entschädigung zahlen, son-
dern wurde auch in einen langen Prozeſs wegen des Patentes verwickelt.
In demselben Jahre, in welchem die Firma Friedrich Krupp
in Essen entstand, gründete John Cockerill, welcher der Begründer
der belgischen Eisenindustrie wurde, eine Maschinenfabrik in Lüttich.
Um diese Zeit wurden auch an anderen Orten in Deutschland
Versuche mit der Guſsstahlbereitung gemacht (s. S. 31). 1811 kamen
die ersten Stahlbrennöfen bei Remscheid in Betrieb.
Die Waffenfabriken in Solingen und Suhl waren infolge der
groſsen Rüstungen gut beschäftigt. Remscheid zählte 1803 3200 bis
3500 Eisen- und Stahlarbeiter.
Von der Eisenindustrie der übrigen deutschen Staaten ist
aus diesen unruhigen Zeiten nicht viel zu berichten. Durch den Lune-
viller Frieden und die Säkularisierung der geistlichen Herrschaften,
dann durch die Mediatisierung vieler kleiner Fürstentümer trat eine
groſse Änderung in den Besitzverhältnissen ein. Dadurch kam auch
[187]Schweden 1801 bis 1815.
die Ellwangensche Eisenhütte Wasseralfingen 1802 an Württem-
berg, wo dann 1812 bis 1815 neben Ofenguſs viel Kriegsmunition ge-
gossen wurde.
Im Jahre 1809 waren in Württemberg im Betriebe 1): das Eisen-,
Stahl- und Sensenwerk Friedrichsthal, Eisenwerk und Gewehrfabrik
Christofsthal, die Eisen-, Schmelz- und Hammerwerke Ludwigsthal,
Bärenthal, Zitzenhausen, Königsbronn mit Itzelberg und Heidenheim,
die früher Ellwangenschen Hämmer Unterkochem und Abtsgemünd
und das Hüttenwerk Wasseralfingen. Hier war 1804 der alte Schönborn-
sche Ofen abgebrochen und an seiner Stelle der Friedrichsofen mit
einem Kostenaufwand von 4487 Gulden (7630 Mark) errichtet worden.
Derselbe wurde am 23. September 1805 von Pfarrer Müller in Hofen
eingesegnet. Die Produktion stieg unter der württembergischen Herr-
schaft rasch; 1804/5 betrug sie 16192 Ctr., 1808/9 31034 Ctr. Guſs-
waren wurden 1804/5 3590 Ctr., 1810/11 7099 Ctr. gemacht.
Über das Fürstentum Bayreuth liegen folgende statistische
Nachrichten 2) aus dem Jahre 1804 vor: Es wurden betrieben 14 Hoch-
öfen, 8 Zainhämmer, 3 Waffenhämmer, 2 Blechhämmer, 63 Drahtzüge,
1 Rollenhammer; dabei waren 399 Arbeiter beschäftigt. Erzeugt
wurden 2067 Tonnen Roheisen, 30 Tonnen Guſswaren, 959 Tonnen
Stabeisen, zu 39,10 Mark, 177 Tonnen Zaineisen zu 42,50 Mark, 84 Ton-
nen Bleche zu 64,60 Mark und 55 Tonnen Draht zu 142,80 Mark die
100 kg, mit einem Holzaufwand von 29544 Klafter. Der gröſste Teil
der Produktion ging auſser Land, besonders nach Nürnberg, Bamberg
und Würzburg.
In Schweden setzten die Regierung und die Hüttengesellschaft
ihre Bemühungen fort, auf dem Wege der Belehrung die Eisenindustrie
des Landes zu heben. Auf Kosten der Gesellschaft machten Sveden-
stjerna und Broling ihre Informationsreisen nach England, deren
Ergebnisse veröffentlicht wurden. 1806 bis 1811 erschien mit Unter-
stützung des Eisenkontors die Zeitschrift Samlingar i Bergvetenskapen
von Svedenstjerna und Lidbeck. 1814 gab Lidbeck im Auftrag
der Bruckssocietät eine neue verbesserte Auflage von Garneys Hoch-
ofenbuch heraus. 1811 und 1813 machte David af Uhr Versuche
[188]Schweden 1801 bis 1815.
über die vorteilhafteste Art der Holzverkohlung, deren Ergebnisse
1814 ebenfalls im Druck erschienen.
Schweden besaſs damals eine ganze Reihe vorzüglicher Eisen-
techniker, wie Garney, af Uhr, Svedenstjerna, Norberg, Stocken-
ström, Broling, Lidbeck und andere.
Das Eisenhüttenwesen Schwedens litt aber schwer durch die
kriegerischen Verwickelungen und die Kontinentalsperre. 1803 hatte
endlich die Regierung die langersehnte Erlaubnis, neue Frischhütten
anlegen zu dürfen, gegeben, aber die guten Zeiten waren vorüber.
Trotzdem erfolgte ein allgemeiner Ansturm auf Erlangung von Kon-
zessionen weit über den Bedarf und die Roheisenerzeugung hinaus.
Viele konnten deshalb gar nicht ausgeführt werden. Die 1803 ent-
standenen neuen Frischereien waren auf 148288 Ctr. Stabeisen gegen
doppelte Abgabe (2 Proz.) in Eisen zu zahlen und auf 61089 Ctr.
gegen bare Abgabe privilegiert worden. Die Preise stiegen von 1800
bis 1806 von 7 auf 10 Thlr. für das Schiffspfund. Der Export
schwankte in dieser Periode sehr, während der heimische Verbrauch
140000 bis 150000 Ctr. betrug. 1803 war der Eisenpreis von 7 auf
9 Thlr. Banko pro Schiffspfund gestiegen und wurden 1123600 Ctr.
verschickt. 1804 dagegen nur 934200 Ctr., 1805 1065311 Ctr., 1806
888241 Ctr. bei einem Preise von 10 Thlrn.
Es wurden 1802 exportiert nach der Ostseeküste 248592 Ctr., nach
England 597755 Ctr., nach Holland 30305 Ctr., nach Frankreich,
Spanien und dem Mittelländischen Meer 266534 Ctr., nach Westindien
28051 Ctr., nach Ostindien 473 Ctr., zusammen 1171710 Ctr.
1805 war in der Organisation des Eisenkontors eine wichtige
Änderung eingetreten durch die Anstellung eines Direktors mit dem
Sitz in Stockholm, welcher das Verbindungsglied zwischen dem Eisen-
kontor und den Oberhochofenmeistern bilden sollte. Derselbe wurde
aus den Meistern auf drei Jahre gewählt.
Die Ausfuhr von Schweden litt nicht nur durch die politischen
Wirren, sondern auch durch die Fortschritte der Eisenindustrie in
England, infolge dessen dieses Land immer selbständiger wurde und
das ausländische Eisen nur noch für einzelne Zwecke verwendete.
Die Eisenausfuhr Schwedens, welche Ende des 18. Jahrhunderts
340000 Schiffspfund betragen hatte, sank 1808 auf 186128 Schiffs-
pfund. Dagegen stieg sie nach Napoleons Sturz 1815 auf die bis
dahin unerreichte Menge von 441340 Schiffspfund.
Die Produktion betrug (nach Karsten):
Nach einer anderen Angabe 1), die aber zu hoch gegriffen sein
dürfte, betrug die Produktion 1802 450000 Schiffspfund; hiervon
wurden 350000 bis 360000 Schiffspfund exportiert, und zwar wurden
verschifft von
und etwa 10000 Schiffspfund in den übrigen Häfen, welche zusammen
2½ bis 3 Millionen Gulden in das Land brachten. Jeder Hütte war
ein Hafen für die Ausfuhr bestimmt. Nach England ging mehr als
ein Drittel der Produktion. Etwa 90000 Schiffspfund wurden im Lande
verbraucht. Man rechnete 4 Reichsthaler oder 8 Gulden Gewinn auf
jedes Schiffspfund.
Nach Hausmanns Angabe erzeugte Schweden um 1806 jährlich
etwa 1800000 Ctr. Roheisen, woraus 1500000 Ctr. Stabeisen, Guſs-
waren, Stahl, Bleche u. s. w. gemacht wurden. Die Stabeisenerzeugung
betrug 1250000 Ctr.
Der Versand betrug:
Die Ausfuhr verteilte sich 1801 auf
Unter den zahlreichen Hütten hebt Bourgoing die von Skabo
und Osterby, nicht weit von Danemora, und die von Gimo und Ronaes
hervor.
Die Eisengewinnung ging bis nach Gellivara, 67 Grad nördlicher
Breite und 260 Stunden nördlich von Stockholm. Bei den Hütten
kamen die verbesserten Balgengebläse von Windholm damals zu
allgemeiner Anwendung. Auch in Schweden bemühte man sich um
die Einführung der Guſsstahlfabrikation und die Bruckssocietät
setzte 1806 einen Preis von 2000 Thaler aus für den, welcher zuerst
5 Schiffspfund selbstgegossenen Stahl, der dem englischen an Güte
gleich käme, herstellte. Um die Guſsstahlfabrikation bemühte sich
besonders Broling. David af Uhr verbesserte die Holzverkohlung
und machte 1811 bis 1813 eingehende Versuche.
Svedenstjerna und Lidbeck gaben 1806 bis 1811 eine Zeit-
schrift über das Eisenhüttenwesen heraus, welche vom Eisenkontor
unterstützt wurde. Sie war der Vorläufer für die im Jahre 1816
gegründete, für das gesamte Eisenhüttenwesen hochwichtige Zeitschrift
Jern-Contorets-Annaler.
Ruſslands Eisenproduktion betrug 1810 nach den Angaben von
Storch und Hermann 9756791 Pud (159816 Tonnen) Roheisen und
5889500 Pud (96470 Tonnen) Schmiedeeisen. Hiervon lieferte das
Gouvernement Perm allein über zwei Drittel 1). Die Ausfuhr an Eisen
hatte in Ruſsland in diesem Zeitabschnitt sich noch mehr vermindert
als in Schweden; hieran waren teils die oben angeführten Gründe
schuld, teils der wachsende Bedarf im eigenen Lande. Trotz der
Groſsartigkeit der russischen Eisenindustrie war dieselbe doch be-
schränkt durch die verfügbare Holzmenge und konnte deshalb nicht
in dem gleichen Verhältnis wachsen wie die übrigen Industrieen.
Namentlich trugen aber auch die Gründung der groſsen Blechfabriken
im Ural und der hohen Kama zur Verminderung der Ausfuhr von
Stabeisen bei. Die Herstellung feiner und mittlerer Bleche wurde
eine wichtige Industrie Ruſslands.
In dem ersten Jahre des Jahrhunderts war der Eisenhandel mit
England noch besonders beeinträchtigt durch die feindselige und
verderbliche Politik Kaiser Pauls. Diese erfuhr zwar einen Um-
[191]Ruſsland 1801 bis 1815.
schwung nach der Thronbesteigung Kaiser Alexanders, aber die
übertriebenen Preise der russischen Eisenwerksbesitzer gaben Ver-
anlassung, daſs die Engländer immer mehr ihren Eisenbezug aus
Ruſsland auf das notwendigste beschränkten, so daſs zuletzt eigent-
lich nur noch die Marke C. C. N. D. „alter Zobel“ für die Cementstahl-
fabrikation gekauft wurde.
In Sibirien wurden im Jahre 1801 die vier Berghauptmann-
schaften Katharinenburg, Goroblagodask, Perm und Bogolowsk wieder
hergestellt und der verdienstvolle Hermann als Oberberghauptmann
nach Katharinenburg berufen. Damals wurde, wie er angiebt,
eine Bevölkerung von 450000 Seelen durch die Berg- und Hütten-
werke unterhalten, worunter die zugeschriebenen Bauern, Beamten, Sol-
daten u. s. w. mitgerechnet waren. 131 Hüttenwerke standen im Betrieb.
Einen ganz besonderen Aufschwung nahmen die Eisengieſsereien
in St. Petersburg1), wozu die groſsen Kriege und Kriegsrüstungen
am meisten beitrugen. Wie dieselben ursprünglich von Engländern
angelegt worden waren, so erhielt sich auch später der englische
Einfluſs auf sie. Eine der gröſsten der fünf Eisengieſsereien gehörte
einem Engländer Namens Baird. Sie war mit einer groſsen Maschinen-
fabrik verbunden und lieferte hauptsächlich Maschinenguſs und Bauguſs.
Die vier anderen waren kaiserliche Gieſsereien. Von diesen war
die bedeutendste die am Peterhofer Weg, 4 Werst von St. Petersburg,
gelegene. Sie lieferte auſser Munition auch andere Guſswaren. Die
kaiserliche Eisengieſserei in Kronstadt lieferte dagegen nur Munition
und zwar 24000 bis 30000 Ctr. im Jahre.
Die vierte bildete einen Teil der kaiserlichen Kolpinaer Fabrik
für das See- und Münzwesen. Sie lag 30 Werst von der Hauptstadt
an der Ischora und lieferte Munition, Maschinen, Schiffskamine u. s. w.
Die fünfte gehörte zu der groſsen Systerbecker Gewehrfabrik.
In den ersten beiden Gieſsereien wurden die Gebläse der Kupol-
öfen mit Dampf getrieben, zu Kolpina mit Wasser, in Kronstadt gab
es nur Flammöfen. Man verwendete in diesen Gieſsereien ausschlieſs-
lich englische Steinkohlen und glaubte, ohne dieselben sei der Betrieb
unmöglich. Als aber 1809 die groſse Handelssperre den Bezug der
Steinkohlen verhinderte, fing man an, mit Holzkohlen und Holz zu
feuern, wovon man nach Wiederherstellung des freien Verkehrs nur
teilweise wieder abging. Man hatte anfangs groſse Schwierigkeiten,
mit Holzfeuer die genügende Hitze in den Guſsflammöfen zu erzeugen.
[192]Ruſsland 1801 bis 1815.
Man legte erst zwei Roste hintereinander, von denen man den von der
Feuerbrücke entfernteren tiefer legte, dann legte man den hinteren
Rost schief; zuletzt gelang es mit einem groſsen Rost, dessen Stäbe in
der Mitte noch einmal unterstützt waren, die Schmelzhitze zu erhalten.
Das angewendete Kiefern- und Fichtenholz wurde zuvor gedörrt.
Auch die Kupolöfen muſste man für den Holzkohlenbetrieb um-
bauen. Man machte sie 10 bis 13 Fuſs hoch, 20 bis 30 Zoll weit und
gab ihnen zwei oder vier Formen auf zwei Seiten. Die Düsen waren
1¼ Zoll weit. Ein solcher Kupolofen erhielt 700 bis 800 Kubikfuſs
Wind in der Minute. Man schmolz 30 Pud (490 kg) in der Stunde.
Sollte ungewöhnlich viel Eisen gehalten werden, so wurden bei Öfen
mit vier Formen die untersten zwei Formen während des Ganges
verstopft und nur durch die oberen geblasen. In dem Bairdschen
20 Zoll weiten Ofen, dessen untere Formen 16 Zoll vom Boden und
die oberen 10 Zoll von den unteren abstanden, konnten auf diese Art
20 bis 24 Ctr. Eisen gehalten werden. Die Feuergase der Kupolöfen
strichen erst durch einen horizontalen Kanal, in welchem ein groſses
Gefäſs mit Wasser stand, in die vertikale Esse. Dadurch wurden die
gröſseren Funken aufgefangen und man bedurfte keines so hohen Schlotes.
Das Material, welches verschmolzen wurde, war alte Munition und
Roheisen von Gonschoreresk, einer bei Petrosadowsk am Ladogasee
gelegenen Hütte. Munition und groſse Stücke goſs man aus den
Flammöfen, Platten, Geländer und feinere Ware aus den Kupolöfen.
Auf der dem Engländer Charles Baird gehörigen Gieſserei,
welche 500 Arbeiter beschäftigte, wurden immer 50 sibirische Berg-
und Hüttenleute unterhalten, um dieselben auszubilden.
Wir haben oben erwähnt, daſs die russische Eisenausfuhr nach
England im Anfang des Jahrhunderts sehr zurückging. Sie betrug:
1804 führte England 14000 Tonnen Eisen aus Ruſsland ein,
1805 nur 5824. Die gesamte Ausfuhr von St. Petersburg betrug:
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika traten in einem
Zustande fortschreitender gedeihlicher Entwickelung in das 19. Jahr-
hundert ein. Die Bevölkerung war bereits bis auf 5300000 Seelen
gewachsen. 1802 wurde Ohio als 17. Staat in die Union aufgenommen.
Die napoleonischen Kriege in Europa übten aber einen groſsen und
nachteiligen Einfluſs auf die Entwickelung der Industrie in den Ver-
einigten Staaten aus. Die Kontinentalsperre traf den amerikanischen
Handel auf das empfindlichste, um so mehr, da die Freistaaten sowohl
von Frankreich als auch von England als Feind behandelt wurden.
Die Gewaltthätigkeiten Englands, welche zum groſsen Teil in der Eifer-
sucht auf den wachsenden Handel der Union begründet waren, begannen
schon im Frühjahr 1806 und wurden von den Vereinigten Staaten mit
einer Beschränkung der britischen Einfuhr beantwortet. Hierauf lieſs
England eine Reihe feindseliger Handlungen folgen, bis endlich am
18. Juni 1812 der Krieg gegen England erklärt wurde, der erst am
24. Dezbr. 1814 durch den Frieden von Gent beendet wurde. In
dieser ganzen Zeit waren die Vereinigten Staaten mehr wie je auf
sich selbst angewiesen. Sie waren gezwungen, alle ihre Bedürfnisse
selbst herzustellen, wodurch die heimische Industrie, die von der
Regierung kräftig unterstützt wurde, einen auſserordentlichen Auf-
schwung nahm. Ganz besonders gilt dies von der Eisenindustrie.
Hierzu kam der erfinderische Geist der Amerikaner, der um jene Zeit
Neuerungen von weltgeschichtlicher Bedeutung ins Leben rief. Am
bekanntesten ist die Erfindung der Dampfschiffahrt. Fultons erstes
Dampfschiff wurde am 3. Oktober 1807 im Hafen von New York vom
Stapel gelassen. Ferner fanden die Kettenbrücken in Amerika zuerst
ausgedehntere Anwendung. Nach Pope (treatise on bridges) gab es
1811 bereits acht solcher Brücken in verschiedenen Teilen Nord-
amerikas, darunter hatte die 1809 über den Merrimack im Staate
Massachusetts errichtete 244 Fuſs Spannweite. Sie hatte 10 Ketten
von 516 Fuſs Länge.
Die erste genaue Statistik der Eisenindustrie der Vereinigten
Staaten wurde 1814 veröffentlicht 1). Sie bezieht sich auf das Jahr
Beck, Geschichte des Eisens. 13
[194]Die Vereinigten Staaten 1801 bis 1815.
1810 und wurde auf Veranlassung des Schatzsekretärs Albert Gallatin
bearbeitet. Swank1) teilt daraus folgende Zusammenstellung mit:
Selbstverständlich wurde alles Eisen damals noch ausschlieſslich
mit Holzkohlen bereitet.
Betrachten wir kurz die Fortschritte in den einzelnen Staaten.
Ein wichtiges Ereignis war die Eröffnung des Eisengebietes am
Champlainsee im Staate New York im Jahre 1800. Das erste
Eisenwerk daselbst war eine 1801 errichtete Ankerschmiede zu
Willsborough Falls in der Grafschaft Essex. Die reichen Magnet-
und Glanzeisenerze des Bezirkes, welcher die Grafschaften Essex,
Clinton und Franklin umfaſste, wurden ausschlieſslich in Luppen-
schmieden, welche in rascher Aufeinanderfolge entstanden, verhüttet.
Die Hammerwerke Neu-Ruſsland, Elba und Jay und das Adler-
Walzwerk bei Keeseville gehören zu den ältesten Anlagen. Auch
zu West Fort Ann in Washington county wurde 1802 ein Renn-
werk errichtet. Diese alten, einfachen Rennwerke haben sich in ver-
besserter Form bis in unsere Tage im Champlaindistrikt erhalten.
In den westlich davon gelegenen Grafschaften wurden mehrere Hoch-
öfen zu Anfang des Jahrhunderts erbaut, wie der Rossie-Ofen in
St. Lawrence county, der Taberg-Ofen in Oneida county und der
Constantin-Ofen in Oswego county. Der 1806 in der Nähe der Ster-
linggrube erbaute Southfield-Ofen steht noch und der 1811 erbaute
[195]Die Vereinigten Staaten 1801 bis 1815.
Greenwood-Ofen war bis 1871 in Betrieb. Auch die Nagelfabrikation
nahm im Staate New York um diese Zeit einen groſsen Aufschwung.
1807 setzte John Brinkerhoff von Albany ein Walzwerk bei
Wynantskill in Betrieb, welches aus russischem und schwedischem
Stangeneisen Bleche walzte, die erst in Streifen und diese dann zu
Nägeln zerschnitten wurden. Dieses Werk bildet jetzt einen Teil der
groſsen Eisen- und Stahlwerke von Troy. Bei der Nagelfabrikation
ersetzte man die Handarbeit durch Maschinen und wurden bis zum
Jahre 1825 120 Patente für Maschinen zur Fabrikation geschnittener
Nägel erteilt.
Im Staate Connecticut wurde in der Grafschaft Litchfield der
Bau des Mount Riga-Hochofens 1806 begonnen, aber erst 1810
vollendet. Das vortreffliche Litchfield-Roheisen wird jetzt ausschlieſs-
lich zur Herstellung von Hartguſsrädern verwendet. Der Franconia-
Hochofen, welcher 1811 bei Franconia in New Hampshire erbaut
wurde, stand bis 1865 in Betrieb. Es war für die damalige Zeit eine
groſsartige Anlage, in welcher 100000 Dollars angelegt wurden. Die
Vergennes Iron Works war eine andere bedeutende Anlage, die um
dieselbe Zeit in Vermont errichtet wurde. Der Stabeisenpreis auf
diesem Werke betrug 140 Dollars die Tonne.
In New Jersey gab es im Jahre 1802 150 Hammerwerke, die durch-
schnittlich mindestens je 20 Tonnen, zusammen also über 3000 Tonnen
produzierten; ferner standen von 13 Hochöfen 7 in Betrieb. Vier
Schneid- und Walzwerke lieferten ca. 200 Tonnen Schneideisen,
wovon die Hälfte zu Nägeln verarbeitet wurde. 1814 oder 1815
errichteten B. und R. Reeves die groſsen Cumberland-Nagel- und
Eisenwerke bei Bridgeton, Cumberland county, welche noch bestehen.
In dem 1812 zu Patterson errichteten Walz- und Schneidewerk
wurden groſse Mengen von Schaufeln, Spaten, Lagergeräten, Back-
pfannen u. s. w. für die Armee gemacht.
Am bedeutendsten war der Aufschwung der Eisenindustrie in
Pennsylvanien. Hier wurden weniger Rennwerke als Hochöfen und
Frischfeuer erbaut. Von ersteren erwähnen wir das 1805 eröffnete
Luppenfeuer bei Jakobsberg in Northhampton county, welches bis
1849 betrieben wurde, und das 1808 bei Bushkill in North County
erbaute. In Lehigh county errichtete David Heimbach mit zwei
Genossen im Jahre 1809 den Hampton-Hochofen bei Shimersville.
Ein anderer Deutscher, Klemens Rentgen aus der Pfalz, der sich
schon früher mit Stahlfabrikation und mit der Herstellung von
Bolzen beschäftigt hatte, erhielt am 27. Juni 1810 ein Patent, „Eisen
13*
[196]Die Vereinigten Staaten 1801 bis 1815.
rund zu walzen für Schiffsbolzen u. s. w.“. Er baute 1812/13 ein
kleines Walzwerk zu Chester in Pennsylvanien und war der erste,
der in Amerika Rundeisen walzte.
In der Grafschaft Berks zählte man 1806 8 Hochöfen und 20
Eisenhämmer. Auch in der Grafschaft Schuylkill gab es viele
Hämmer, von denen der erste 1801 bei Port Clinton erbaut worden
war. Schon vor 1806 wurde auch ein kleiner Hochofen bei Schuylkill
Gap in der Nähe von Pottsville errichtet. John Pott, der Gründer
von Pottsville, kaufte denselben, lieſs ihn niederreiſsen und an seiner
Stelle einen gröſseren Hochofen mit Hammerwerk, Greenwood furnace
and forge, erbauen. In der Grafschaft Delaware gab es 1805 7 Eisen-
hämmer und eine Eisenschneidemühle. Das Franklin-Walz- und
Schneidewerk wurde 1808 und das Brandywine-Walzwerk bei Coats-
ville 1810 erbaut. In der Nähe von Lancaster gründete Henry
Bates Grubb 1808 den Mount Vernon-Hochofen am Conewago und
1809 entstand in derselben Gegend der Conowingo-Ofen. In der Graf-
schaft York kamen 1805 zwei Eisenhämmer, Spring forge und Codorus
forge, in Betrieb und 1810 Fin forge am Muddycreek. In der Graf-
schaft Franklin wurde im Jahre 1800 der Carrick-Eisenhammer ge-
gründet, der bis 1856 betrieben wurde, ferner der Valley-Hammer bei
London 1804. Der Mont Alto-Hochofen entstand 1807 und zwei
Eisenhämmer dabei 1809 und 1810. Diese waren bis 1866 in Betrieb.
1815 wurde auch eine Gieſserei hinzugefügt. In und um Chambers-
bury blühte die Nägel- und Schneidwarenfabrikation. 1814 wurde
hier die Conococheage-Nagelfabrik errichtet. J. M. Haldeman, der
Sohn eines eingewanderten Schweizers aus Neuchatel, verzog 1806 von
Lancaster nach New Cumberland, kaufte hier einen Hammer und baute
ein Schneid- und Walzwerk dazu. In der Grafschaft Dauphin zählte
man 1805 2 Hochöfen und 2 Eisenhämmer. In Columbia county wurde
1802 der Esther-Hochofen bei Catawissa zur Erzeugung von Guſs-
waren gegründet. 1811 errichtete Francis Mc. Shane eine kleine
Schneidnägelfabrik und verwendete angeblich „Anthracit, um Eisen zu
schmelzen“. Der Catawissa-Hochofen bei Mainville wurde 1815 er-
baut. In der Grafschaft Clinton entstand 1810 der Washington-Ofen
und 1812 ein Eisenhammer dabei. In Clearfield county erbauten im
Jahre 1814 die Deutschen Peter Karthaus aus Hamburg und der
Geistliche Friedrich W. Geissenhainer aus Mühlberg in Sachsen
einen Hochofen am Mosquito Creek. Im Juniatathal errichtete 1802
John Dunlop den Logan-Hochofen, drei engl. Meilen von Bellefonte,
und 1810 entstand der Tussey-Ofen bei Fergusson. 1808 erwarben
[197]Die Vereinigten Staaten 1801 bis 1815.
Georg Anschütz und Georg Schönberger den vierten Teil der
Huntingdon-Hütte und errichteten ein bedeutendes Eisenschneidwerk
dabei. Der Juniata-Hammer bei Petersburg wurde 1804 von Samuel
Fahnestock und Georg Schönberger, der ihn 1805 allein über-
nahm, erbaut. Dieser Georg Schönberger war als ein Sohn
deutscher Eltern in der Grafschaft Lancaster geboren, von wo er mit
seinem Bruder Peter in die Grafschaft Huntingdon ausgewandert
war und sich am Shavers Creek angesiedelt hatte. Er gründete ver-
schiedene Eisenwerke, die er nach seinem Tode 1814(?) seinem Sohn
Dr. Peter Schönberger vererbte. Am Spruce Creek entstanden in
dieser Zeit eine Reihe von Hammerwerken. 1810 wurden der Union-
Ofen und der Pennsylvania-Ofen, der bis 1888 in Betrieb stand, er-
baut. — In der Grafschaft Blair entstand 1805 der Etna-Ofen am
Juniatafluſs. Der zweite Ofen dieser Grafschaft war der 1811 erbaute
Alleghany furnace. 1815 wurde Springfield furnace von den Brüdern
Georg und Daniel Royer erbaut. In der Grafschaft Bedford ent-
stand 1800 der Hopewell-Hochofen, 1806 der Lemnos-Eisenhammer
mit einer Eisenschneidmühle. Beide Werke waren von William
Lane von Lancaster gegründet. In der Grafschaft Mifflin standen
Hochofen und Eisenhammer der Freedom-Hütte 1812 da, wo 1867
der bekannte Emma-Hochofen errichtet wurde. Der Eisenhammer
ging bis 1878. Dieses Hüttenwerk besaſs 40000 Acker Land und
gehörte damals der Freedom-, jetzt der Logan-Eisenwerks-Gesellschaft.
In der Grafschaft Perry baute General Lewis 1804 den Mount Vernon-
Eisenhammer. Der Juniata-Hochofen, 3 engl. Meilen von New Port,
wurde 1808 erbaut. Obgleich der Transport des Juniata-Eisens be-
schwerlich und kostspielig war, so war es doch auf den östlichen
Märkten seiner Güte wegen sehr geschätzt.
In West-Pennsylvanien, westlich von den Alleghanies, baute
Jeremias Pears das erste Walz- und Schneidwerk vor 1804 in
Menallen. John Hayden errichtete 1804 den Fairchance-Hochofen
in der Nähe von Unionstown, der bis 1887 betrieben wurde. 1805
gab es in der Grafschaft Fayette 5 Hochöfen und 6 Eisenhämmer.
In demselben Jahre wurde ein Walz- und Schneidwerk bei Connels-
ville von John Gibson erbaut. 1811 zählte man schon 10 Hochöfen,
1 Flammofen, 8 Hammerwerke, 3 Eisenschneidmühlen, 1 Stahlofen
und 5 Zainhämmer. 1804 wurden auf dem Union-Ofen viele Zucker-
kessel für die Plantagen in Louisiana gegossen. Die Zahl der Holz-
kohlenhochöfen in der Grafschaft Fayette wuchs bis auf 20. Im
Jahre 1850 waren aber bereits die meisten erloschen. Der oben
[198]Die Vereinigten Staaten 1801 bis 1815.
angeführte Stahlofen stand bei Bridgeport, nicht weit von Brownsville;
er gehörte der Firma Truman \& Co. und war bekannt als das
Brownsville-Stahlwerk. In der Grafschaft Westmoreland entwickelte
sich ebenfalls rasch eine bedeutende Eisenindustrie. 1802 wurde
2 Meilen von Ligonier der Hermitage-Hochofen am Mill creek, der bis
1817 besonders Ofenguſs lieferte, erbaut. 1810 wurden die Hochöfen
Mount hope in Donegal und Mount Pleasant errichtet. Washington
furnace bei Laughinstown war schon 1809 entstanden. In den
folgenden Jahren wurden noch mehrere Hochöfen und Hämmer erbaut.
Erstere lieferten meistens Guſswaren für Pittsburg. In Somerset
county war Shade furnace, der 1807 oder 1808 entstand, der erste
Hochofen. Er verschmolz Sumpferze. In der Grafschaft Beaver wurde
an den Bieberfällen 1802 ein Hochofen und 1809 ein Eisenhammer
errichtet, die bis 1826 in Betrieb blieben. 1814 erbaute D. B. Müller
den Bassenheimofen.
Die erste Eisengieſserei in der Stadt Pittsburg in Alleghany
county „the Pittsburgh foundry“ wurde 1805 von Josef Mc Clurg
an der Stelle der heutigen Post in der City erbaut. Im Kriege 1812
wurde dieselbe in eine Kanonengieſserei umgewandelt, die Geschütze
und Munition für die Regierung goſs. Rasch entwickelte sich hier auch
eine groſsartige Nagelfabrikation. 1807 zählte man drei Nagelfabriken,
die ca. 40 Tonnen Nägel erzeugten; 1810 war die Produktion schon
auf 200 Tonnen gestiegen. Anthony Beelen legte 1810 die zweite
Gieſserei in der Stadt an; hierzu kamen 1814 noch zwei weitere.
Einen groſsen Umfang hatte 1811 schon die Fabrikation von Werk-
zeugen und Feilen in Pittsburg erreicht. Christoph Cowan, ein
Schotte, errichtete 1811 und 1812 eine groſse Fabrik mit Blechwalz-
und Schneidwerk, in der Bleche, Nageleisen, Schaufeln, Sensen,
Hacken, Achsen, Bratpfannen und Messer gefertigt wurden. Welchen
Umfang die Eisenindustrie Pennsylvaniens im Jahre 1810 bereits
erreicht hatte, zeigt die oben mitgeteilte Tabelle. Von den fünf
Stahlöfen befand sich einer in der Stadt Philadelphia, je einer in den
Grafschaften Philadelphia, Lancaster, Dauphin und Fayette. In der
Stadt Philadelphia gab es mehrere Gieſsereien, Maschinenfabriken
und Dampfschiffsbauanstalten. 1811 erhielt Edward W. Carr daselbst
eine Schraubenschneidmaschine patentiert.
Von den übrigen Staaten der Union ist kurz folgendes zu be-
richten. In Delaware gab es in Sussex county im Jahre 1810
fünf Eisenhämmer, wahrscheinlich Rennwerke. Der Collins-Hammer,
der 1808 vom Gouverneur John Collins am Gravelly-branch errichtet
[199]Die Vereinigten Staaten 1801 bis 1815.
worden war, ging bis 1850. 1810 gab es drei Eisenschneidmühlen in
New Castle county.
In Columbia gab es 1812 eine Ankerschmiede bei Washington
und eine Kanonengieſserei zu Georgetown am Potomac. Das erste
Walzwerk westlich des Alleghanygebirges war das Eisenwerk am
Cheatriver, das 1812 einen Hochofen, Eisenhammer, Walz- und
Schneidwerk und eine Nagelfabrik umfaſste.
In Nord-Carolina entwickelte sich die Eisenindustrie weiter,
doch entstanden nur Rennwerke, für welche die reichen Magnet- und
Hämatiterze des Landes sehr geeignet waren. 1810 zählte man
18 Rennwerke und nur 2 Hochöfen, den Madison und den Rehoboth
furnace, beide in der Grafschaft Lincoln. Die Rennwerke wurden
mit Wassertrommeln (trompes), die Hochöfen mit Holzcylindergebläsen
(tubs) betrieben.
In Süd-Carolina gab es 1810 9 Rennwerke, ferner einen 1802
erbauten Flammofen in der Gieſserei zwischen den Flüssen Cooper
und Ashley, welche gute Waren lieferten.
Die Eisenindustrie von Georgia nahm erst im 19. Jahrhundert
ihren Anfang. 1810 war 1 Rennwerk, 1 Frischhammer und 1 Nagel-
fabrik im Betrieb.
In Kentucky zählte man 1810 4 Hochöfen, 3 Frischschmieden
und 4 Nagelfabriken in Lexington. 1815 verschmolz Richard
Deering zum erstenmal Erze vom Hanging Rock. Der Versuch
gelang und daraufhin baute er einen Hochofen „Argillite“ in Greenup
county, 25 Fuſs hoch und 6 Fuſs weit, ganz in einem Felsen von
schwarzem Schiefer ausgehauen. Die Produktion dieses Ofens war
aber gering und blieb er nur einige Jahre in Betrieb.
Der Anfang der Eisenindustrie des Staates Ohio fällt zusammen
mit der Zeit seiner Aufnahme in die Union. Diese erfolgte 1802, und
1803 blies Daniel Eaton den ersten Hochofen „Hopewell“ an. 1806
erbauten R. Montgomery und John Struthers den Montgomery
furnace, der täglich 2½ bis 3 Tonnen Eisen hauptsächlich als Guſs-
waren lieferte. Was von Roheisen fiel, wurde nach Pittsburg ver-
kauft. 1807/8 wurden der Dall-Ofen bei Neu-Lissabon in Columbia
county, 1808 Dillons-Ofen und -Hammer, die bis 1850 in Betrieb
standen, 1812 der Mosquito Creek-Ofen bei Nilstown von James
Heaton erbaut. Diesen folgten 1811 bis 1816 drei weitere Hochöfen in
Adams county, welche die Raseneisensteine von Brush Creek valley
verschmolzen. Der Old Steam furnace entstand 1814.
Die Stahlfabrikation in den Vereinigten Staaten blieb auch
[200]Die Vereinigten Staaten 1801 bis 1815.
in dieser Periode in sehr bescheidenen Grenzen. 1805 gab es erst
zwei Stahlöfen in Pennsylvanien mit einer Jahresproduktion von 150
Tonnen. Die ganze Stahlproduktion der Union im Jahre 1810 betrug
917 Tonnen, wovon 531 auf Pennsylvanien entfielen. Auf den Ster-
ling Works bei New York machte Peter Townsend jun. aus ame-
rikanischem Stabeisen Cementstahl, angeblich so gut wie aus schwe-
dischem. 1813 wurde der erste Stahlofen in Pittsburg von Tuper
und McCowan gebaut. Die Produktion der Eisenwerke im Staate
New York betrug 1811 für 300000 Doll., in Connecticut für 250000 Doll.,
in Pennsylvanien für 5869487 Doll.
Während die gesamte inländische Eisenerzeugung 1810 auf 12
bis 15 Millionen Dollars geschätzt wurde, betrug der Wert des ein-
geführten Eisens 4 Millionen.
In den beiden staatlichen Waffenfabriken zu Springfield und
Harpers Ferry wurden um 1810 jährlich 19000 Musketen gemacht
Die Waffenfabrik zu Richmond lieferte 4000 Gewehre im Jahre und
während des Krieges wurden hier 300 Geschütze gegossen.
Auf die gewaltigen Kriegsstürme der napoleonischen Zeit folgte
eine Ära des Friedens und der Ruhe. Zunächst war es eine Er-
schlaffung, welche sich als Gegenwirkung der Aufregungen der vorauf-
gegangenen Periode geltend machte. Dieser folgte aber ein eifriges
Streben, durch friedliche Thätigkeit auf den Gebieten des Handels
und der Industrie die schweren Opfer, welche der allgemeine Kriegs-
zustand allen europäischen Staaten, wenn auch in verschiedenem
Maſse, auferlegt hatte, wieder zu ersetzen.
England hatte den gröſsten Vorteil an Napoleons Sturz, ihm fiel
die Beute des Sieges von selbst in den Schoſs. Durch seine Insel-
lage war es von den Verwüstungen des Krieges verschont geblieben
und wenn es sich auch eine ungeheure Schuldenlast aufgeladen hatte,
so ging es doch ungeschwächt aus dem groſsen Wettkampf hervor.
Ihm fiel mit dem Siege auch die Suprematie in Europa zu. Sein
immer mehr anwachsender Reichtum, welcher sich auf seinen Welt-
handel und seine groſsartige Industrie stützte, bildete hierfür die
Grundlage. Der Vorsprung, welchen die englische Industrie bereits
vor der französischen Revolution erlangt hatte, war noch bedeutend
vermehrt worden durch die groſsen Fortschritte auf technischem
Gebiete während der Herrschaft der Republik und des Kaiserreiches
in Frankreich. Nach der Rückkehr des allgemeinen Völkerfriedens
konnte England die Früchte seiner Erfindungen und Verbesserungen
ungehindert einernten. Die Eisenindustrie, das Rückgrat der eng-
lischen Industrie, nahm einen ungeahnten Aufschwung. Die Über-
legenheit Englands auf diesem Gebiete trat so deutlich zu Tage, daſs
sie trotz allen nationalen Selbstgefühls bedingungslos anerkannt werden
muſste und die Staaten des Kontinents ihre einzige Aufgabe zur
Hebung ihrer Eisenindustrie darin suchten, England nachzuahmen.
Frankreich, obgleich es ungeheure Opfer an Geld und Menschen-
leben dem nationalen und dem napoleonischen Ehrgeiz geopfert hatte,
war nicht sehr verarmt. Anderseits war es aber verhältnismäſsig
am allermeisten in seiner Eisenindustrie zurückgeblieben. Jetzt, da
durch den Frieden die feindliche Scheidewand gegen England ge-
fallen war, suchten der Staat und die Industriellen von der englischen
Nachbarschaft durch Verpflanzung der besseren englischen Einrich-
tungen nach Frankreich Vorteil zu ziehen. In Belgien und Frank-
reich entwickelte sich eine neue groſsartige Eisenindustrie auf dieser
Grundlage. Bezeichnend ist, daſs dieser mächtige Umschwung und
Aufschwung durch englische Unternehmer herbeigeführt wurde. In
Belgien war es der geniale John Cockerill, welcher das Eisenwerk
zu Seraing und die moderne Eisenindustrie dieses Landes schuf,
in Frankreich waren es die Engländer Manby, Wilson \& Co.,
welche das groſse Eisenwerk zu Charenton bei Paris gründeten, das
Muster und Ausgangspunkt für die moderne französische Eisen-
industrie geworden ist. Wir werden später auf diese für den ganzen
europäischen Kontinent so wichtigen Gründungen noch näher zu
sprechen kommen.
Nicht in gleichem Maſse nahmen die übrigen Staaten Europas
an diesen Fortschritten teil. Schweden und Ruſsland waren durch
die Natur auf den Holzkohlenbetrieb angewiesen, konnten also an
den Verbesserungen der Steinkohlen-Eisenindustrie nur wenig teil-
nehmen. Deutschland aber war durch seine materielle und politische
Ohnmacht auſser Stande, mit England, Frankreich und Belgien gleichen
Schritt zu halten. Deutschland war, wie bei allen groſsen euro-
päischen Kriegen, auch diesmal wieder das Schlachtfeld gewesen.
Das ohnehin verarmte Land war dadurch schwer heimgesucht worden
und konnte sich nur sehr langsam von seiner Zerrüttung erholen.
Es fehlte das Kapital, der Unternehmungsgeist und der Mut für
industrielle Gründungen. Dazu kam die unselige politische Zerrissen-
heit, welche durch den traurigen Wiener Frieden noch verschärft und
legalisiert worden war. Jeder der etwa 40 Einzelstaaten, welche den
neugeschaffenen sogenannten deutschen Bund bildeten, beeilte sich,
sein Gebiet mit Zollgrenzen und Schlagbäumen abzusperren. Zwar
erkannte jeder einzelne Staat die Verkehrtheit und Schädlichkeit
dieses Absperrungssystems an und theoretisch hatte schon die Bundes-
akte die wirtschaftliche Vereinigung der deutschen Staaten als eine
Notwendigkeit anerkannt. Aber kein Staat wollte ein Opfer bringen,
jeder sah auf seinen Nachbar mit kurzsichtiger Eifersucht hin und
[203]Einleitung 1816 bis 1830.
je kleiner das Ländchen, je versessener war es auf seine Zollgrenzen
und seine Schlagbäume, durch welche die Souveränität des Landes-
fürsten einen sichtbaren Ausdruck erhielt. Handel und Wandel litten
schwer unter diesem System und die Eisenindustrie konnte sich unter
diesen Verhältnissen aus den ererbten kleinlichen Zuständen nicht
herausarbeiten. Obgleich von Jahr zu Jahr das Bedürfnis nach einer
Zollvereinigung mehr hervortrat, geschah doch nichts; die ganze
Periode verstrich, ohne daſs an diesem erbärmlichen, viel verspotteten,
verderblichen Zustande etwas gebessert worden wäre. Unter diesen
Umständen konnten auch die technischen Fortschritte nur gering sein.
An der Erkenntnis des Besseren fehlte es nicht. Es ist ja schon
vordem charakteristisch für die Deutschen gewesen, daſs sie in der
Theorie immer auf der höchsten Höhe wandelten, wenn ihre Praxis
die armseligste war.
Zwei Ereignisse von ungeheurer Tragweite für die Geschichte der
Eisenindustrie fallen in diesen Zeitabschnitt, die Erfindung der Eisen-
bahnen mit Lokomotivbetrieb und die Einführung des erhitzten Windes
bei den Schmelzprozessen, insbesondere bei den Eisenhochöfen. Diese
beiden Erfindungen gehören zu den wichtigsten Kulturfortschritten
der Menschheit.
Welche Umwälzungen die Einführung der Lokomotivbahnen,
schlechthin Eisenbahnen genannt, zur Folge hatten, wissen wir alle.
Es wird uns fast schwer, sich Handel und Industrie ohne dieses
wichtigste Verkehrsmittel zu denken. Die Eisenbahnen haben die
Entfernungen verkürzt, die Menschen näher zusammengebracht, eiserne
Bande der Völkervereinigung und hoffentlich auch des Völkerfriedens
um die Erde geschlungen. Durch die modernen Verkehrsmittel, unter
denen die Eisenbahnen die wichtigste Stelle einnehmen, sind wir dem
Kosmopolitismus, der Familiengemeinschaft des Menschengeschlechtes,
näher gerückt worden. Der Austausch der materiellen Güter, welche
die Eisenbahnen und Dampfschiffe vermitteln, bedingt einen Austausch
der geistigen Güter, welche die charakteristischste Erscheinung des
19. Jahrhunderts geworden ist.
Die Eisenbahnen sind Kinder der Eisenindustrie, dies bezeugt
schon ihr Name. Ohne daſs die Eisenindustrie vorher die hohe Aus-
bildung erlangt hätte, welche den Bau der eisernen Schienenbahnen,
der eisernen Dampfkessel, der eisernen Lokomotiven ermöglicht hätten,
wäre die Erfindung nicht ins Leben getreten. Umgekehrt aber haben
die Eisenbahnen die Eisenindustrie in einer Weise gefördert, daſs
damit vielleicht nur die Erfindung der Dampfmaschine, von der die
[204]Litteratur 1816 bis 1830.
Lokomotive selbst ja nur eine Anwendung ist, verglichen werden
kann. Der ganze Materialientransport hat dadurch eine Umwälzung
erfahren und die Frage des Transportes ist die wichtigste Frage für
die moderne Eisenindustrie. Welch’ ungeheure Steigerung des Eisen-
bedarfes haben aber die Eisenbahnen hervorgebracht! Die Herstellung
der Eisenbahnschienen, der eisernen Schwellen, der Radbandagen sind
ganz neue und selbständige Fabrikationszweige geworden, die Eisen-
mengen verschlingen, von denen man vordem keine Vorstellung hatte.
Und wie ein Ereignis das andere bedingt, wie die ganze Entwickelung
der Eisenindustrie nur eine Kette ist, bei der sich Glied an Glied
reiht, das zeigt sich wieder daran, daſs der gesteigerte Bedarf an
Eisen, der durch die Eisenbahnen hervorgerufen wurde, indem er
eine Steigerung der Produktion namentlich der Hochöfen nötig
machte, zur Erfindung der Winderhitzung geführt hat. Durch diese
Erfindung sind die Hochöfen erst zu der Leistung befähigt worden,
welche die gesteigerten Anforderungen verlangten.
Die Litteratur dieser Periode ist im ganzen nicht so reich,
wie die der vorhergehenden. Deutschland lieferte auch in diesem
Zeitabschnitte die wichtigsten Beiträge. 1816 bis 1821 erschien (zu
Gieſsen) das mit groſsem Fleiſs zusammengetragene Werk: Versuch
einer Encyklopädie der Eisenhüttenkunde von J. G. L. Blumhof.
Die wichtigste Arbeit aus dieser Zeit ist aber die zweite sehr ver-
mehrte Ausgabe von Karstens Handbuch der Eisenindustrie in vier
Bänden von 1827/28. War schon die erste Auflage von 1816 eine
vortreffliche Leistung, so ist die zweite noch wesentlich erweitert
und vervollständigt, wie schon aus der doppelten Zahl der Bände zu
ersehen ist. Sie giebt uns das richtigste Bild der Fortentwickelung
der Eisenindustrie von 1816 bis 1827.
Ferner sind zu nennen: Karstens Metallurgische Reise durch
Bayern und Österreich 1821; Hollunder, Metallurgisch-technologische
Reise durch Mähren, Böhmen u. s. w.; Vollhan, Beiträge zur neueren
Geschichte des Eisenhüttenwesens 1825, welchem schon 1823 eine
Schrift: Nachrichten über die eisernen Brücken, welche 1821 auf der
Eisengieſserei bei Gleiwitz gegossen wurden, vorausgegangen war.
Eine wichtige Monographie sind Kochs Beiträge zur Kenntnis der
krystallinischen Hüttenprodukte 1822, und von besonderem Interesse
[205]Lehranstalten 1816 bis 1830.
für die Geschichte der Eisenindustrie M. Meyers Kenntnis des Eisen-
hüttenwesens in Schweden 1829.
In Schweden veröffentlichte Broling die erste genaue und aus-
führliche Beschreibung der Guſsstahlfabrikation in England in An-
tecknigar under en Resa i England åren 1797, 1798 und 1799 mit
snedare Tillägnigar; Stockholm 1817 1). Ferner erschien von C. D. af
Uhr 1818 Bericht von einem Probeschmelzen auf der Björnhütte,
und 1825 Puddlings försök.
Wichtiger ist die französische Litteratur. Auſser zahlreichen
Abhandlungen, welche in den Annales des Mines, die seit 1816 an
die Stelle des Journal des Mines getreten waren, enthalten sind,
auſser verschiedenen Bulletins de la Société d’Encouragement pour
l’industrie nationale, sind besonders hervorzuheben die Reiseberichte
über eine im Jahre 1823 ausgeführte wissenschaftliche und metal-
lurgische Reise nach England, welche von den Bergingenieuren Du-
frénoy und Élie de Beaumont im Auftrage des Ministeriums unter-
nommen worden war, die 1827 gesammelt erschienen unter dem Titel
Voyage métallurgique en Angleterre, mit 17 Tafeln Zeichnungen. Als
eine Fortsetzung und Ergänzung dieses Werkes erschienen 1830 die
Memoires métallurgiques sur le traitement des minerais de fer,
d’étain et de plomb en Angleterre par L. Coste et A. Perdonnet,
welche ebenfalls England zum Zweck metallurgischer Studien bereist
hatten. Ein weniger gründliches, aber doch beachtenswertes Buch ist
Pelouze, l’art du maitre des forges 1827/28; obgleich in der Haupt-
sache nur ein populär gehaltener Auszug aus der Siderotechnik von
Hassenfratz, enthält es mancherlei Zusätze, welche besonders für
die Geschichte des Eisens in Frankreich von Wichtigkeit sind. Ein vor-
zügliches Specialwerk über Eisengieſserei ist Launay d’Avranches,
Manuel du fondeur, 2 Bde., Paris 1827. Die in diesem Zeitabschnitt
veröffentlichten Schriften von Héron de Villefosse haben wir bereits
früher (S. 19) erwähnt.
Das technische Schulwesen machte in dieser Zeit ebenfalls
gröſsere Fortschritte. Realschulen entstanden in Deutschland 1810
in Reutlingen, 1811 in Brünn, 1813 in Frankfurt a. d. Oder, 1817 in
Triest und in Nassau, 1819 in Krefeld und Magdeburg, 1822 in Halber-
[206]Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
stadt und Darmstadt, 1823 in Barmen, 1828 in Köln, 1829 in Krems
und Rakonitz und 1830 in Elberfeld. — Polytechnische Institute
wurden 1806 in Prag und 1815 in Wien gegründet. Das von Beuth
gegründete Gewerbeinstitut in Berlin wurde 1820 eröffnet und von
1821 an trat eine Anzahl Provinzialgewerbeschulen in Preuſsen ins
Leben. In Bayern wurde die Baugewerbschule 1823 in München er-
öffnet, polytechnische Schulen in München 1827 und in Nürnberg 1829;
ebenso in Dresden 1828, in Karlsruhe 1825, in Braunschweig das
Realgymnasium 1828 und die Baugewerkschule in Holzminden 1830.
In Berlin wurde 1820 ebenfalls durch Beuth der Verein zur Be-
förderung des Gewerbfleiſses in Preuſsen 1) nach dem Muster der
Société d’Encouragement de l’industrie nationale in Paris gegründet.
Derselbe hat seitdem viel Gutes gewirkt. Eine Bergschule war bereits
1810 unter französischer Herrschaft durch Héron de Villefosse
zu Klausthal gegründet worden.
Auſserhalb Deutschlands entstanden 1815 in Brody und 1817 in
Lemberg Realschulen, eine Uhrmacherschule 1824 in Genf. In Frank-
reich hat das Fachschulwesen eine alte Geschichte; dort wurden
Écoles des arts et métiers gegründet: 1803 zu Compiègne, die 1806 nach
Chalons sur Marne verlegt wurde, 1811 zu Beaurepeau, 1815 nach
Angres verlegt. 1816 wurde in St. Étienne eine Bergschule 2) er-
richtet. 1829 trat zu Paris die kaiserliche Centralgewerbeschule
(École centrale des arts et manufactures) ins Leben.
In England wurden Kings College in London im Jahre 1828 ge-
gründet, und Mechanics institutions zu Glasgow 1821 und zu London
1823, welche eine groſse Bedeutung erlangten und segensreich wirkten.
In Dänemark trat 1829 eine polytechnische Schule und ein poly-
technisches Institut mit Fachschule für Metallarbeiter ins Leben. In
Schweden wurden das technologische Institut zu Stockholm 1826 und
die Chalmerssche Gewerbschule zu Gothenburg 1829 eröffnet. In
Ruſsland wurde 1825 ein technologisches Institut in Moskau ge-
gründet.
Die Festigkeit des Eisens wurde bei der immer zunehmenden
Verwendung desselben eine der wichtigsten Fragen für die Praxis.
Maschinenbauer und Ingenieure nahmen das gleiche Interesse daran.
[207]Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
Durch die Benutzung des Eisens als Baumaterial, besonders zum
Brückenbau, wurde die Frage, welche Anforderungen man an die
Tragkraft des Eisens stellen konnte, eine um so dringendere, als die
Frage, ob guſseiserne oder schmiedeeiserne Brücken den Vorzug ver-
dienten, aufs engste damit zusammenhing. Deshalb beschäftigten sich
schon seit längerer Zeit Theoretiker und Praktiker mit Versuchen
über die Festigkeit des Eisens, die besonders in den zwanziger Jahren
dieses Jahrhunderts in umfassender, systematischer Weise angestellt
wurden und deren Resultate die Grundlage der praktischen Grund-
sätze über die Festigkeit der Eisensorten wurden.
Namentlich waren es die Engländer, welche die erste Veranlassung
hatten, sich mit dieser Sache zu beschäftigen. Maschinenfabrikanten,
wie Bramah und Banks, und Brückenbauer, wie Rennie und Tel-
ford, stellten Versuche über die Festigkeit des Eisens an. In syste-
matischer wissenschaftlicher Weise geschah dies aber erst durch
Duleaus Untersuchungen über die Festigkeit des Schmiedeeisens 1)
und durch Tredgolds Versuche über die Festigkeit des Guſseisens 2)
um das Jahr 1820. Viele Andere beschäftigten sich noch mit dieser
Frage, die nur durch zahlreiche Versuche der Lösung nahe gebracht
werden konnte. John Banks hatte seine Untersuchungen bereits
1803 bekannt gemacht 3). Rondelet veröffentlichte 4) 1817 zahlreiche
ältere Versuche von Soufflot († 1781), welche dieser unter Anleitung
Buffons angestellt hatte. Der Schwede von Sickingen hatte eben-
falls bereits 1782 Resultate mitgeteilt 5). William Reynolds und
Josef Bramahs Experimente waren zum Teil ebenfalls schon gegen
Ende des 18. Jahrhunderts angestellt. Eytelwein hatte 1808 Festig-
keitsversuche herausgegeben; danach Tredgold zuerst 1810 und
Rondelet 1814. Th. Telfords Resultate wurden 1817 von Barlow
veröffentlicht, ebenso die von S. Brown6). G. Rennies Versuche
wurden 1818 bekannt 7). Seguins Arbeit über Drahtbrücken erschien
1824; Lagerhjelms gründliche Versuche über Dichtigkeit, Gleichartig-
[208]Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
keit, Elasticität, Schmiedbarkeit und Stärke des gewalzten und ge-
schmiedeten Stabeisens 1828. Andere Untersuchungen aus dieser Zeit
werden noch betreffenden Orts erwähnt werden. Wir können hier
nur die allgemeinen Ergebnisse dieser Arbeiten mitteilen.
Man unterschied die absolute Festigkeit, worunter man den
Widerstand gegen das Zerreiſsen verstand, die relative Festig-
keit, d. h. den Widerstand gegen das Zerbrechen und die respek-
tive Festigkeit oder den Widerstand gegen das Zerdrücken. Bei
dem Zerreiſsen, Zerbrechen und Zerdrücken findet eine vollständige
Aufhebung der Kohäsion statt. Ehe diese aber eintritt, findet bei
den meisten Körpern und namentlich auch bei den Metallen eine
Formveränderung durch Ausdehnung oder Zusammendrückung statt.
Eine solche tritt bei jeder Belastung ein; wenn diese aber nicht ein
gewisses Maſs übersteigt, so nimmt der Körper nach Entfernung
der Zug- oder Druckkraft seine ursprüngliche Form wieder an,
man bezeichnet dies als Elasticität. Wird das angegebene Maſs der
Belastung oder die Elasticität aber überschritten, so kehrt der Körper
nicht in seine ursprüngliche Form zurück, sondern es tritt eine
bleibende Verschiebung der Teile ein, welche sich beim Zerreiſsen in
einer Verlängerung bei gleichzeitiger Verminderung des Querschnittes
äuſsert. Diese Formveränderung geht dem Zerreiſsen voraus. Für
die Praxis ist die Ermittelung dieser Elasticitätsgrenze fast noch
wichtiger als die der absoluten Festigkeit oder der Kraft, die zum
Zerreiſsen nötig ist, indem für die Sicherheit der Verwendung nicht
die letztere, sondern die erstere maſsgebend ist. Die Versuche über
die Festigkeit der Eisensorten erstreckten sich also nicht nur auf die
oben angegebenen Grenzen der Kohäsion, sondern auch auf die Grenzen
der Elasticität.
Um einen einfachen Ausdruck für die Gröſse der Elasticität
einzuführen, schlug Thomas Young 1807 die Einführung eines
Koeffizienten oder eines Modulus der Elasticität vor 1), welcher
allgemeine Annahme fand. Als Elasticitätsmodul wird die Kraft an-
genommen, welche dazu nötig ist, einen Körper von einem Einheits-
querschnitt und einer Einheitslänge um seine Einheitslänge auszu-
dehnen. Eine solche Kraft existiert nur theoretisch, indem die meisten
Körper schon bei viel geringerer Ausdehnung zerreiſsen. Für die
Berechnung aber ist dieser Elasticitätsmodul zweckmäſsig und deshalb
allgemein gebräuchlich geworden.
Überblickt man die Ergebnisse der zahlreichen Festigkeitsver-
suche, so fallen zunächst die groſsen Abweichungen auf. Diese sind
gröſstenteils darin begründet, daſs die untersuchten Eisensorten wirk-
lich von sehr verschiedener Qualität waren, zum Teil war aber auch
die Verschiedenheit der Untersuchungsmethoden und der Umstände
daran schuld.
Es war ja auch schon vorher bekannt, daſs die gebräuchlichen
Namen Schmiedeeisen, Stahl und Guſseisen Metallgruppen von sehr
verschiedener Güte umfaſsten. Der zahlenmäſsige Nachweis, welchen
die Festigkeitsversuche hierfür erbrachten, hat die Aufmerksamkeit
sowohl der Metallurgen als der Ingenieure darauf gelenkt, wie wichtig
die Herstellung und die Verwendung eines gleichmäſsigen Materials
ist. Diese Erfahrung ist zu einem Grundsatz geworden, welcher die
moderne Eisenindustrie beherrscht.
Über die absolute Elasticität des Stabeisens haben Tredgold
und Duleau Versuche mit Stäben angestellt. Tredgold fand, daſs
gutes englisches Stabeisen von 1 Quadratzoll rheinisch Querschnitt
mit 18233 Pfund belastet werden konnte, ohne daſs eine bleibende
Formveränderung eintrat. Es hatte dabei eine Ausdehnung von 1/1400
seiner Länge erfahren, war aber nach Entfernung der Zugkraft wieder
zu seiner ursprünglichen Länge zurückgekehrt. Das Ausdehnungs-
verhältnis bei dieser Belastung war also 1:1000714. Dulong fand
dasselbe unter den gleichen Bedingungen zu 1:1000620. Wurde die
angegebene Belastung erhöht, so begann eine bleibende Längenausdeh-
nung einzutreten.
Viel stärker als die gröberen Eisensorten lassen sich dünnere Drähte
im Verhältnis belasten, ehe die Elasticitätsgrenze erreicht wird. Hier-
über hatten Dufour1) und Seguin2) Versuche angestellt. Dufour
hatte Draht von Laferrière und St. Gingolf genommen und gefunden,
daſs die Verlängerung des Drahtes eintrat, wenn derselbe mit ⅔ des
Gewichtes belastet wurde, bei welcher er zerriſs. Sehr verschieden
war das Verhalten von ausgeglühtem und nicht ausgeglühtem Draht.
Der nicht ausgeglühte Draht zeigte eine viel höhere absolute Festig-
keit; dabei war aber die Ausdehnung von nicht ausgeglühtem Draht
nur sehr unbedeutend, während der ausgeglühte Draht sich 1/9 bis ⅛
seiner ursprünglichen Länge ausdehnte.
Aus Duleaus Versuchen ergiebt sich der Elasticitätsmodul (M)
für französisches Stabeisen für den Quadratmillimeter im Mittel zu
20000 kg, welches für den preuſsischen Quadratzoll 29252000 Pfd.
ergiebt. Tredgolds Elasticitätsmodul für englische Eisensorten be-
rechnet sich im Mittel auf 27398000 preuſsische Pfund. Lagerhjelms
sorgfältige Versuche ergaben 1) für
Weit zahlreicher waren die Versuche über die absolute Festig-
keit, die Ermittelung der Belastung, bei welcher ein Eisenstab zer-
reiſst. Musschenbroeks ältere Versuche haben wir früher schon
erwähnt (Bd. III, S. 83). Aus Soufflots Versuchen zog Rondelet
folgende Schlüsse 2):
Rondelet fügt hinzu, daſs die Italiener die Vorzüge des dünnen
Eisens wohl kannten und sich auſserordentlich dünn geschmiedeten
Eisens bedienten, um ihre ungemein schwachen hölzernen Gerüste,
welche ebenso sehr durch die Kühnheit als durch die Solidität in
der Ausführung in Erstaunen setzten, zu verbinden und zu befestigen.
Rennie fand die absolute Festigkeit an englischem Stabeisen zu
3492 engl. Pfund bei ¼ zölligem Quadrateisen, entsprechend 57232 Pfd.
bei 1 Quadratzoll rheinisch, von schwedischem Eisen 4504 Pfd. oder
73441 Pfd. auf den Quadratzoll. Telfords Zerreiſsproben wurden
mit einer von Fuller konstruierten hydrostatischen oder Bramah-
presse angestellt. Barlow, der dieselben mitteilte, sprach die Ver-
mutung aus, daſs die Zahlen etwas zu hoch sein dürften, weil die
Kolbenreibung nicht berücksichtigt worden sei. Die mittlere Belastung
bis zum Zerreiſsen aus sechs Versuchen stellt sich auf 66557 Pfd.
für den rheinischen Quadratzoll, wobei der Druck auf die ursprüng-
liche Querschnittsfläche der Stäbe bezogen ist. Telford hat aber
auch die vor der Zerreiſsung eingetretene Verlängerung und Quer-
schnittsverminderung gemessen. Diese war so groſs, daſs, wenn man
den Druck hierauf reduziert, eine Belastung von 101866 Pfd. auf den
rheinischen Quadratzoll sich ergiebt.
Ähnliche Versuche, angestellt von C. Brown in der Drahtseilfabrik
(Patent Iron Cable Manufactury) zu Mill Wall, Poplar, mit einer
Maschine, die nach dem Princip der Brückenwagen konstruiert war,
ergaben im Mittel von acht Versuchen 57128 Pfd. auf die ursprüng-
lichen Querschnitte und 88260 Pfd. auf die Querschnitte vor dem
Zerreiſsen reduziert.
Der berühmte Marc Isambert Brunel machte eine Reihe Zer-
reiſsungsproben mit verschiedenen Eisenstäben von Yorkshireeisen,
welche er erst unter einem Hammer genau auf das gleiche Maſs von
⅜ Zoll auf 4/8 Zoll ausschmieden lieſs. Die 25 Proben zeigten viel
geringere Abweichungen, als die der vorerwähnten Versuche und gaben
ein mittleres Zerreiſsungsgewicht von 71760 Pfd. auf den Quadratzoll
des ursprünglichen Querschnittes.
Seguins Resultate schwankten dagegen in weiten Grenzen, zeigten
aber deutlich, wie sehr die Bearbeitung die Festigkeit des Eisens ver-
mehrt. Stellt man die Zahlen sämtlicher Versuche zusammen, so
ergiebt sich, daſs man bestimmte Zahlen für die absolute Festigkeit
des Stabeisens nicht angeben kann, indem dieselben je nach der Natur
des Eisens, seiner Behandlung im Feuer und seiner Bearbeitung weit
auseinandergehen.
Karsten ermittelte 1826 aus den vorliegenden Versuchen fol-
gende Annäherungswerte 1): „Gutes Stabeisen muſs in Quadratstäben
und auf die ursprüngliche Querschnittsfläche bezogen:
auf eine Fläche des Querschnittes von 1 rhein. Zoll berechnet, tragen
können, ehe es zerreiſst.“ Höher noch sind die Zerreiſsungsgewichte
der Drähte. Guyton de Morveau fand bei seiner Untersuchung
der Zähigkeit der dehnbaren Metalle dasselbe zu 116085 Pfd. pro
Quadratzoll. Dufours Angaben schwankten bei ausgeglühtem Draht
zwischen 47560 und 54743, bei nicht geglühtem zwischen 72124 und
123225 Pfd. Seguin fand die absolute Festigkeit desselben Drahtes
ausgeglüht zu 52692 Pfd., nicht ausgeglüht zu 107631 Pfd. Die Be-
stimmung der absoluten Festigkeit der fortlaufenden Drahtnummern
der Fabrik der Witwe Fleur zu Besançon ergab zwischen Nr. 14
bis 1 fortschreitend 72008 bis 125721 Pfd. bei der feinsten Sorte.
Von Wichtigkeit ist das Verhältnis der Elasticitätsgrenze zur
absoluten Festigkeit; nach Tredgold beträgt dasselbe 17,8 zu 60
oder annähernd 0,3; nach Duleau schwankt dasselbe zwischen ⅓
und ⅔, nach Lagerhjelm zwischen 0,360 und 0,438, nach Telford
stellt sich das Verhältnis allerdings auf 0,711, nach Brown auf 0,600.
Die absolute Festigkeit des Stahles hatte Musschenbroek
ebenfalls bereits untersucht; die von ihm gefundenen Gewichte
schwankten zwischen 108000 und 150000 Pfd. auf den rhein. Quadrat-
zoll. Rennie bestimmte das Zerreiſsungsgewicht
Der Stahl hat also eine gröſsere absolute Festigkeit als das Stabeisen.
Viel zahlreicher sind die Versuche über die absolute Festigkeit
des Roheisens. Die verschiedenen Roheisensorten weichen aber in
ihrem chemischen und physikalischen Verhalten so sehr voneinander
ab, daſs sie auch in Bezug auf ihre Festigkeit sich sehr verschieden
verhalten. Die Zahlen für die Festigkeit des Roheisens werden auch
dadurch unsicher, daſs das Guſseisen an der Oberfläche rascher
erstarrt und dichter wird als in der Mitte, ferner dadurch, daſs im
Guſseisen leicht Blasen entstehen. Nach Tredgolds Versuchen
würde bei grauem Guſseisen bei einem Gewichte von 15300 engl. Pfd.
auf den engl. Quadratzoll, oder von 15664 preuſs. Pfd. auf den rhein.
Quadratzoll dauernde Veränderung des Gefüges eintreten bei einer
Ausdehnung von 1/1264 seiner Länge oder im Verhältnis von 1 zu
1,0008306.
Brown zerriſs einen Stab von dunkelgrauem Roheisen bei einer
Belastung entsprechend 16536 Pfd. auf 1 rhein. Quadratzoll.
Rennie ermittelte das Zerreiſsungsgewicht
Eine Reihe von Versuchen mit gutem grauen Holzkohlen-Roh-
eisen von der Sayner Hütte ergaben aus elf Versuchen einen Durch-
schnitt von 19227 Pfd. 1). Die mittlere absolute Festigkeit des Guſs-
eisens kann für die Praxis zu 18000 Pfd. angenommen werden; sie
ist also beträchtlich geringer als die des Stabeisens.
Anders verhält es sich mit der relativen Festigkeit, dem
Widerstande gegen das Zerdrücken. Dieser ist bei dem Roheisen
gröſser als bei dem Stabeisen.
Die relative Festigkeit äuſsert sich auf verschiedene Weise; ein
spröder Körper erleidet keine Formveränderung bis zum Augenblicke
des Zerdrückens, in dem die Kohäsion seiner Teile vollständig auf-
gehoben wird und er in Pulver zerfällt; ein geschmeidiger Körper
giebt dem Drucke nach, indem seine Teile seitlich ausweichen; lange
vor dem Zerdrücken beginnt eine Verschiebung der Teilchen. Bei
dem Zusammendrücken spielt die Elasticität eine ähnliche Rolle wie
bei dem Zuge. Hierüber hat Pictet genaue Versuche angestellt und
gefunden, daſs schon bei verhältnismäſsig geringem Drucke eine Ver-
kürzung eintrat. Dieselbe betrug 0,000076 bei einer Belastung von
einem Kilogramm auf den Quadratmillimeter. Nach Wegnahme der
drückenden Kraft hört bis zu einer gewissen Grenze die Verkürzung
auf. Pictet fand aber, daſs hierbei doch eine geringe Verkürzung
bleibt. Ein Stab, welcher durch ein Gewicht von 260 Pfd. zu 0,000022
seiner ursprünglichen Länge zusammengedrückt war, behielt nach
Wegnahme des Gewichtes eine Verkürzung von 0,0000023 seiner ur-
sprünglichen Länge.
Navier, Duleau und Rondelet haben Versuche über die
relative Festigkeit des Stabeisens gemacht. Aber nur Rondelet
hat bestimmte Zahlen für das Zerdrücken des Stabeisens veröffent-
licht, wobei er nur angiebt, daſs der Würfel, den er anwendete,
anfing sich zusammenzudrücken, ohne ein Maſs dafür mitzuteilen.
In sieben Versuchen schwankte dieses Gewicht für den rhein. Quadrat-
zoll von 71215 bis 73041 Pfd. Die relative Festigkeit ist also bei
dem Stabeisen annähernd ebenso groſs wie die absolute.
Über das Zerdrücken des Roheisens und seine relative Festig-
keit wurden mehr Untersuchungen angestellt. Reynolds Resultate
teilte Tredgold mit. Er zerdrückte zwei Würfel von ¼ Zoll Seiten-
länge von zwei verschiedenen Eisensorten. Eine brauchte 80, die
andere 200 Ctr. zum Zerdrücken, oder auf den rhein. Quadratzoll
berechnet 146850 Pfd. und 358930 Pfd. Rennie hat eine gröſsere
Zahl von Versuchen über das Zerdrücken des Roheisens angestellt.
Er lieſs seine Versuchsstücke aus der Mitte der Guſseisenbarren aus-
schneiden und auf bestimmte Dimensionen zurichten. Er fand
Sehr interessante Versuche wurden nach Karsten 1804 in
Gleiwitz angestellt.
Obgleich die Zahlen der verschiedenen Versuche weit ausein-
andergehen, so ergiebt sich doch mit Bestimmtheit aus denselben, daſs
die relative Festigkeit des Guſseisens gröſser ist, als die des Stab-
[215]Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
eisens, daſs also überall da, wo es sich um Unterstützung von Lasten
handelt, das Guſseisen den Vorzug verdient.
Die Bestimmung des Widerstandes gegen das Zerbrechen oder die
respektive Festigkeit würde eine leichte Aufgabe sein, wenn das
Eisen absolut starr wäre, denn dann wäre dieser ein durch das statische
Moment zu berechnender Teil der absoluten Festigkeit. Diese von
Galiläi angegebene Berechnung wurde aber schon von Mariotte und
Leibnitz als unrichtig erwiesen, weil dabei die Biegung, welche vor
dem Zerbrechen eintritt, nicht berücksichtigt war. Die Genannten
führten den Begriff der neutralen Achse ein, kamen aber dabei eben-
falls zu unrichtigen Resultaten. Es erwies sich für die Praxis als not-
wendig, von der Herleitung der respektiven Festigkeit von der absoluten
abzusehen und für jede Eisensorte den Brechungskoeffizienten
durch Versuche zu ermitteln. Aber auch hierbei gelang es nicht, zu
absoluten Zahlen zu gelangen. Man muſste sich damit begnügen,
ähnlich wie bei der Ermittelung der Elasticitätsgrenze, die Grenze
der Belastung zu ermitteln, bei welcher eine bleibende Biegung ein-
trat. Über die Gröſse der Biegung des Stabeisens hat besonders
Duleau Versuche und Berechnungen angestellt. Ferner haben Tred-
gold, Rondelet, Millar, Telford und Seguin Mitteilungen hier-
über veröffentlicht. Über das Zerbrechen des Stabeisens hat Tessier
de Norbeck1) Versuche angestellt, aus denen hervorgeht, daſs das
Stabeisen eine sehr hohe respektive Festigkeit besitzt.
Zahlreiche Versuche sind über die respektive Festigkeit des Roh-
eisens angestellt worden. Die verschiedenen Verfahren, welche hierbei
angewendet wurden, führten zu sehr verschiedenen Ergebnissen, die
kaum eine Vergleichung untereinander gestatten. Versuche über
die Biegung des Roheisens haben besonders Rondelet, Rennie und
Tredgold angestellt. Tredgold giebt an, daſs Roheisen, ohne seine
Elasticität einzubüſsen, nicht stärker belastet werden dürfe, als um
sich bei 1 Fuſs Länge des Stabes um 1/40 Zoll zu biegen. Die gröſste
Biegung wäre also 1/480 der Länge des Stabes. Über das Zerbrechen
des Roheisens haben Banks, Rondelet, Gazeran, Tessier de Nor-
beck, Rennie, Tredgold und Dufour Angaben veröffentlicht.
Tredgold befestigte seine Stäbe am einen Ende und belastete
sie an dem anderen. Sämtliche Stäbe waren 1,3 Zoll lang, 0,65 Zoll
dick und von dem festen bis zum belasteten Punkte 24 Zoll lang.
Das Belastungsgewicht bis zum Bruch schwankte bei fünf verschiedenen
[216]Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
englischen Roheisensorten von 153 bis zu 184 Pfd. — Es geht aus
den Versuchen hervor, daſs graues Roheisen eine gröſsere respektive
Festigkeit hat als weiſses.
Über den Widerstand, welchen das Eisen einer drehenden Kraft
entgegensetzt, haben Rennie, Banks, Dunlop und Bramah Ver-
suche angestellt.
Daſs die Wärme einen groſsen Einfluſs auf die Festigkeit der
Metalle hat, ist bekannt. Tredgold will gefunden haben, daſs sich
die absolute Festigkeit des Stabeisens für jeden Grad Fahrenheit
um 0,0003289 vermindern soll. Dagegen war noch nichts darüber
ermittelt, bei welcher Temperatur das Maximum der Festigkeit eintrat.
Den für die Naturwissenschaft so wichtigen Zusammenhang
zwischen Elektricität und Magnetismus, des Elektromagnetismus,
welcher in der Ablenkung der Magnetnadel durch einen elektrischen
Strom zur Erscheinung kommt, hat der dänische Naturforscher
Oerstedt im Jahre 1820 entdeckt. Er fand, daſs ein elektrischer
Strom, der durch einen Schlieſsungsdraht an einer aufgehängten
Magnetnadel vorbeigeführt wird, den Nordpol der Nadel immer nach
links ablenkt, wobei man sich mit dem Strome schwimmend denken
muſs. Dieses merkwürdige Gesetz wurde die Quelle vieler anderer
Entdeckungen. Arago zeigte, daſs in allen Metallen und auch in
manchen anderen Körpern durch Verteilung Magnetismus erregt
wird, welcher auf die Schwingungen einer über denselben befindlichen
Magnetnadel eine hemmende Wirkung ausübt.
Seebeck untersuchte daraufhin die verschiedenen Metalle und
stellte eine Reihe derselben auf, in welcher Eisen an der Spitze,
Quecksilber am Ende steht, indem ersteres die gröſste, letzteres die
kleinste verzögernde Kraft auf die Schwingungen der Magnetnadel
ausübt 1). Seebeck machte ferner die wichtige Entdeckung, daſs alle
Metalle, wenn sie zu zweien miteinander verbunden werden, bei ein-
tretender Temperaturdifferenz der Berührungspunkte zu Magneten
werden und stellte hierfür ebenfalls eine Reihe auf 2).
Über die specifischen Gewichte verschiedener Eisensorten
machten Pearson, Stodart und Faraday, Stengel und Karsten
zahlreiche Versuche. Aus den sehr abweichenden Ergebnissen giebt
[217]Die Chemie des Eisens 1816 bis 1830.
Karsten als Mittelwerte für Stahl 7,700, für Stabeisen 7,600, für
weiſses Roheisen 7,500 und für graues Roheisen 7,000.
Zur Wärmemessung hatte man das Platin in Vorschlag
gebracht, doch war es lange nicht gelungen, sichere Resultate damit zu
erzielen. 1825 erfand der Engländer Daniell ein Pyrometer, das er
1829 verbesserte und unter dem Namen Registerpyrometer beschrieb.
Es besteht aus einem Graphitcylinder, in dessen Achse eine runde
Öffnung gebohrt ist. In diese wird ein Platindraht eingelegt, welcher
auf dem Boden der Öffnung aufsteht. Am oberen Ende wird der
Graphitcylinder auf die halbe Dicke weggeschnitten und in die halb-
runde Öffnung vor den Platindraht ein cylindrisches Stückchen Por-
zellan eingelegt, welches den Platindraht berührt. Diesen Porzellan-
pfropf nennt Daniell den Index, während er den Graphitcylinder das
Register nennt. Der Index wird durch einen dünnen Platinring ge-
halten, daſs er nicht herausfallen kann. Wird nun der Apparat
in schwach geneigter Lage der Hitze ausgesetzt, so schiebt der Platin-
draht, der sich mehr ausdehnt als der Graphitcylinder, den Index
um eine gewisse Länge vor. Diese Länge wird nach dem Abkühlen
genau gemessen und hieraus die Temperatur berechnet. Obgleich dieses
Instrument durchaus nicht vollkommen ist, so war es doch dem in
hohen Temperaturen ganz unzuverlässigen Wedgwood-Pyrometer sehr
überlegen. Daniell bestimmte damit den Schmelzpunkt des grauen
Roheisens auf 2786° F. = 1530° C. = 1224° R.
Für die Schwindung des flüssigen grauen Roheisens beim Er-
starren gab Karsten (§. 143) die Grenzen von 1/95 bis 1/98 an, für
gutes graues Roheisen könne man 1/96 annehmen.
Daſs Guſseisen durch Erhitzen eine dauernde Volumvermehrung
erfährt, hat zuerst Prinsep 1829 nachgewiesen.
Weiſses Roheisen bei möglichst hoher Temperatur eingeschmolzen
und langsam erkalten gelassen, wird grau 1).
Die Chemie des Eisens machte auch in diesem Zeitabschnitte
wichtige Fortschritte. Die Mineralanalyse war so weit vorgeschritten,
daſs man mit Sicherheit jedes Erz nach seiner quantitativen Zusammen-
setzung bestimmen konnte. Zahlreiche Eisensteinanalysen wurden
veröffentlicht, namentlich waren es Berthier in Frankreich und
[218]Die Chemie des Eisens 1816 bis 1830.
Karsten in Deutschland, welche hierin Hervorragendes leisteten.
Hierdurch wurde immer gröſsere Klarheit über die Konstitution der
Erze verbreitet. Die Entdeckung des Isomorphismus durch Mitscher-
lich trug hierzu ebenfalls bei.
Einige Unklarheit herrschte noch über die Oxydationsstufen
des Eisens, indem viele Chemiker den Magneteisenstein für eine
besondere Oxydationsstufe, Fe3O4, erklärten; Berthier behauptete
auch, der Glühspan sei eine eigentümliche Sauerstoffverbindung von
der Zusammensetzung Fe3O7. Eine genauere Untersuchung von
Mosander ergab indes, daſs die verschiedenen Lagen des Glühspans
nicht gleich zusammengesetzt sind, indem die auf dem metallischen
Eisen aufliegende weniger Sauerstoff enthält, während die oberen
Lagen reicher an Sauerstoff sind. Nachdem man erkannt hatte, daſs
die Thonerde und die der Thonerde analog zusammengesetzten Basen
den Oxydulen gegenüber öfter die Rolle einer Säure spielten, schien
es auch richtiger, den Magneteisenstein nicht für eine besondere
Oxydationsstufe, sondern für eine Verbindung von Eisenoxydul mit
Eisenoxyd zu erklären. Das Eisenoxydul stellte Stromeyer durch
Reduktion von Eisenoxyd in Wasserstoffgas in Rotglühhitze rein dar.
Die Konstitution der Eisensorten suchte Karsten immer
gründlicher zu erforschen. Er hatte richtig erkannt, daſs nicht die
Menge des Kohlenstoffes, sondern die Art der Verbindung desselben
mit dem Eisen den Unterschied zwischen weiſsem und grauem Roh-
eisen bedinge. Nur das graue Roheisen enthielt den Kohlenstoff in
der Form von Graphit, reines weiſses Roheisen niemals. Löste man
Roheisen in Säuren auf, so blieb Graphit, wenn solcher vorhanden war,
im Rückstande zurück, ein anderer Teil des Kohlenstoffes schied sich
in einem zersetzten, moderartigen Zustande aus. Durch Glühen von
weiſsem, hartem, strahligem Roheisen erhielt man ein graues, weiches,
körniges Eisen, welches dem grauen Roheisen in der Bruchfläche
überraschend ähnlich sah. In Säure gelöst blieb aber keine Spur
von Graphit in dem Rückstande zurück, sondern nur die erwähnte
zersetzte Kohle. Um diese Erscheinung zu erklären, welche sich
ähnlich bei dem gefärbten und ungefärbten Stahl zeigt, glaubt
Karsten noch einen dritten Verbindungszustand des Kohlenstoffes mit
dem Eisen annehmen zu müssen. Nach Karsten giebt es einen
höchsten Sättigungspunkt des Eisens mit Kohlenstoff, welcher etwa
bei 5,25 Proz. liegt. Diese Verbindung entspräche zwei Mischungs-
gewichten Eisen mit einem Mischungsgewicht Kohle. Sie wurde an-
geblich bei dem vollkommensten Spiegeleisen angetroffen.
Der Graphitgehalt des grauen Roheisens wechselt nach Karstens
Untersuchungen von 2,57 bis 3,75 Proz. Das graue Eisen enthält
aber auſser der Kohle, die als Graphit gefunden wird, noch Kohle,
die sich nur in zersetztem Zustande darstellen läſst. Den gesamten
Kohlengehalt des grauen Roheisens fand Karsten von 3,15 bis
4,65 Proz., also geringer als den von Spiegeleisen, wie auch von
manchen weiſsen Roheisensorten. Die Graphitbildung findet nur in
den höchsten Temperaturen statt, deswegen entsteht bei den Tiegel-
proben nur selten graues, sondern fast immer weiſses Eisen, und
läſst sich weiſses Eisen nur durch Schmelzung in hoher Hitze in
richtiges graues Eisen überführen, wobei noch langsames Erkalten
Bedingung ist. Durch Glühen des weiſsen Eisens scheidet sich der
Kohlenstoff nicht als Graphit, sondern in dem erwähnten Zwischen-
zustande aus.
Das graue Roheisen enthält eine stahlartige Grundmasse von
Eisen mit gebundenem Kohlenstoff und ausgeschiedenem Graphit. Das
geglühte und dadurch grau gewordene weiſse Eisen ist als ein Gemisch
der stahlartigen Grundmasse mit einer eigentümlichen Kohlenverbin-
dung des Eisens anzusehen. Ähnlich verhält es sich mit dem ge-
härteten Stahl, während harter Stahl und weiſses Roheisen den
Kohlenstoff in gleichmäſsiger Verbindung enthalten.
Durch Auflösung des Eisens läſst sich der Kohlenstoff nicht voll-
ständig trennen, indem die Säuren bei der Lösung Wasserstoff ent-
wickeln, welcher mit einem Teile des Kohlenstoffes flüchtige und
flüssige Verbindungen eingeht, es bilden sich sogenannte schwere
Kohlenwasserstoffe. Die Wirkung der verschiedenen Säuren ist ver-
schieden, weshalb der kohlige Rückstand ungleich groſs ausfällt.
Immerhin enthält er nur einen Teil des gesamten Kohlenstoffes. Voll-
ständiger ist die Abscheidung mit Hornsilber, welche Karsten deshalb
zur Bestimmung des gesamten Kohlenstoffes angewendet hat.
Das graue Roheisen wird von verdünnter Salz- und Schwefel-
säure nur sehr langsam angegriffen und hinterläſst nach Verlauf von
mehreren Monaten einen Rückstand, welcher die Kohle in einem sehr
verschiedenen Zustande enthält. Ein Teil besteht aus metallglänzenden
Blättchen von Graphit, dieselben werden vom Magnet nicht ange-
zogen, sind in Säuren und Alkalien unlöslich und werden nur sehr
langsam in der Glühhitze verzehrt. Ein anderer Teil hat zwar auch ein
graphitisches Ansehen, wird aber vom Magnet angezogen, wird durch
Säuren verändert und namentlich durch Salpetersäure in ein braun-
rotes Pulver verwandelt und hinterläſst beim Verbrennen in der
[220]Die Chemie des Eisens 1816 bis 1830.
Luft rotes Eisenoxyd. Von derselben Natur ist der kohlige Rück-
stand, den weicher Stahl und Stabeisen hinterlassen. Noch ein anderer
Teil der aus dem grauen Roheisen abgeschiedenen Kohle hat eine
schwarzbraune Farbe, ist nicht magnetisch, färbt Kalilauge schwarz und
verbrennt schon, ehe der Tiegel glühend wird. Von diesen drei Formen
des Kohlenstoffes fehlt der Graphit niemals, während gewöhnlich nur
die eine oder die andere der letzteren Verbindungen in den Rück-
ständen erscheint. Konzentrierte Säuren zersetzen den Graphit nicht,
dagegen die anderen Kohlenverbindungen groſsenteils. Aus diesen
Erscheinungen folgert Karsten, daſs reines Kohlenmetall oder Graphit
nur im grauen Roheisen und zwar in ungebundenem Zustande in dem
Eisen enthalten ist.
Die zweite graphitartige Masse ist nicht reines Kohlenstoffmetall,
noch auch oxydierte Kohle, wie der schwarzbraune Rückstand, der
zuweilen bei grauem Eisen, immer aber bei weiſsem Roheisen und
hartem Stahl zurückbleibt, sondern eine besondere Verbindung von
Eisen mit Kohle von schwer bestimmbarer Zusammensetzung, die
aber Karsten als Polycarburet des Eisens bezeichnete. Das Poly-
carburet hinterlieſs 82 bis 94 Proz. Eisen beim Verbrennen. Ein
Sechstel-Kohleneisen, Fe6C, welches beim Verbrennen 86,5 Proz. Eisen
hinterlassen müſste, käme dem am nächsten. Doch läſst es Karsten un-
entschieden, ob dies die richtige Zusammensetzung des Polycarburets sei.
Da es ihm nicht gelang, auch nicht mit Chlorsilber, das Polycarburet
rein abzuscheiden, und da die abgeschiedene kohlige Masse sich rasch
zersetzte, so blieb Karstens Polycarburet eine theoretische Annahme.
Um den Kohlenstoffgehalt des weiſsen Roheisens mittels Horn-
silber zu bestimmen, was direkt nicht gut ausführbar war, schlug
Karsten vor, dasselbe durch Umschmelzen erst in graues Roheisen
überzuführen. Da die durch das Hornsilber abgeschiedene Kohle noch
Eisen und Kieselerde enthielt, so muſste sie nach dem Wiegen ver-
brannt und das zurückbleibende Eisenoxyd und die Kieselerde bestimmt
werden. Um in dem grauen Roheisen den gebundenen und den un-
gebundenen Kohlenstoff zu bestimmen, nahm Karsten zwei Proben,
von denen die eine mit Hornsilber, die andere mit Salpetersäure be-
handelt wurde, von letzterer blieb nur der Graphit im Rückstande
zurück, der von dem durch die erstere Probe ermittelten gesamten
Kohlenstoff in Abzug gebracht wurde. Auf diese Weise fand Karsten
beispielsweise 1)
Eine Grenze zwischen hartem Guſsstahl und weiſsem Roheisen
hinsichtlich des Kohlenstoffgehaltes giebt es nicht. Harter Guſsstahl
von 2,8 bis 3 Proz. Kohlenstoff verhielt sich beim plötzlichen Erstarren
nach dem Guſs ganz wie weiſses Roheisen.
Sefström wies nach, daſs der Eisengehalt in den Graphit-
schuppen des Eisens nur mechanisch eingemengt sei, daſs also Graphit
nicht, wie früher namentlich französische Chemiker angenommen
hatten, eine Kohlen-Eisenverbindung sei.
Die Untersuchungen über andere chemische Gemengteile des
Eisens in diesem Zeitraume haben noch zu einigen Ergebnissen
geführt, welche Erwähnung verdienen.
Um zu erfahren, bei welchem Schwefelgehalte das Stabeisen
zur Verarbeitung unter dem Hammer ganz untauglich wird, hat
Karsten in Oberschlesien Versuche im groſsen angestellt. Das mit
einem geringen Zusatze von Gips gefrischte Stabeisen war durch Rot-
bruch unbrauchbar bei einem Schwefelgehalt von nur 0,03375 Proz.
In einem anderen rotbrüchigen Stabeisen fand Karsten sogar nur
0,01 Proz. Schwefel.
Evain in Metz machte zuerst darauf aufmerksam, daſs sich
glühendes Eisen, selbst wenn es 1 Zoll dick ist, in wenigen Sekunden
vermittelst einer Schwefelstange, welche auf das glühende Eisen senk-
recht gehalten wird, durchbohren lasse 1).
Geringe Beimischungen von Phosphor sind in jedem Stabeisen
anzutreffen; so lange dieselben unter 0,5 Proz. bleiben, ist für die
Beschaffenheit des Eisens nichts zu fürchten. Nach Karsten scheint
ein geringer Phosphorgehalt bis zu 0,3 Proz. das Eisen nur härter
zu machen, ohne seine Festigkeit zu vermindern. Boussingault
machte darauf aufmerksam, daſs schon bei der Temperatur, in welcher
das Stabeisen zu Stahl cementiert wird, eine Reduktion der Kiesel-
säure zu Silicium stattfindet, und daſs das Silicium sich ebenso wie
die Kohle mit dem Eisen verbindet. Aber es bedarf hierzu nicht ein-
[222]Die Chemie des Eisens 1816 bis 1830.
mal der Gegenwart der Kohle, indem in hessischen Tiegeln geschmol-
zenes Stabeisen so viel Silicium aus den Wänden des Tiegels auf-
genommen hatte, daſs Boussingault über 1 Proz. Kieselsäure fand 1).
Mushet hatte schon früher die Erfahrung gemacht, daſs Stabeisen,
mit reinem Quarzsand geschmolzen, härter und brüchiger wurde und
eine stahlartige Beschaffenheit bekam 2). Silicium macht das Eisen
härter, vermindert aber seine Festigkeit bedeutend. Dies fand Karsten
schon bei einem Gehalt von 0,37 Proz.
Stodart und Faraday wiesen im echten Wootzstahl einen
Gehalt an Aluminium nach. Sie legten demselben eine groſse Wich-
tigkeit bei und wollten gefunden haben, daſs ein von ihnen künstlich
bereiteter aluminiumhaltiger Stahl dieselben guten Eigenschaften wie
der ostindische zeige 3). Karsten gelang es nicht, eine Aluminium-
Eisenverbindung zu erhalten, und er konnte nur in Eisensorten von
geringer Qualität Aluminium auffinden. In echtem Wootz lieſs sich
dagegen Aluminium nicht nachweisen.
Wichtig sind auch die Beobachtungen, die Berthier über die Re-
duktion des Eisens durch Kohle mitteilte. Diese findet schon
in schwacher Rotglühhitze statt. Das Eisenoxyd wird zuerst in ein
magnetisches Oxyduloxyd, dann in metallisches Eisen umgewandelt.
Die auf der Oberfläche eines Stückes Eisenoxyd eingeleitete Reduktion
pflanzt sich bis zum Mittelpunkte desselben fort. Daher wird ein
Stück Eisenerz im Schmelzofen viel früher, als die Schmelzung ein-
tritt, in regulinisches Metall umgewandelt, ohne seine äuſsere Gestalt
zu verändern. So lange der innere Kern noch Oxyd ist, bestehen die
äuſseren Schichten noch aus Oxyduloxyd. Pflanzt sich aber der Ein-
fluſs der Kohle bis zum Mittelpunkte fort, so haben die äuſseren
Schichten schon allen Sauerstoff verloren und stellen ein reines,
kohlenfreies Eisen dar; ist auch der Kern zu Eisen reduziert, so
haben die äuſseren Schichten schon Kohle aufgenommen. Dabei kann
die äuſsere Gestalt noch unverändert sein. Diese verändert sich erst
mit der beginnenden Schmelzung 4). Berthier untersuchte 1821 die
Eigenschaften, welche ein Zusatz von Chrom dem Stahl und Guſs-
eisen erteilt 5), nachdem Stodart und Faraday bereits 1820 ver-
sucht hatten, Eisen mit Chrom zu legieren.
Despretz wies 1829 nach, daſs sich Eisen mit Stickstoff
chemisch verbinde und stellte angeblich ein Stickstoff-Eisen mit
11,5 Proz. Stickstoffgehalt dar.
Als das wichtigste Ergebnis der chemischen Analyse in dieser
Periode kann das richtige Verständnis und die Lehre von der
Schlackenbildung angesehen werden. Berzelius gebührt hierfür
das gröſste Verdienst. Er untersuchte die Konstitution und das Ver-
halten der Kieselsäure und wies nach, daſs dieselbe in den Gläsern
und Schlacken die Rolle einer Säure spielt, daſs diese Körper kiesel-
saure Salze oder Silikate sind. Die Kieselsäure ist es, welche die
Verschlackung und Abscheidung der Erden bewirkt. Die Flüssigkeit
der Schlacken in der Hitze gewährt die Möglichkeit, daſs sich das
reduzierte Eisen abscheidet und vereinigt. Die Schlacken sind daher
ein wichtiges Erfordernis des Eisenschmelzprozesses. Nur wenige
Metalloxyde und keine Erden fand er für sich allein schmelzbar; ebenso
wenig Gemische von Oxyden oder Erden, erst die Kieselsäure bewirkt
die Verflüssigung derselben. Die entstandenen Verbindungen sind als
wirkliche Vereinigungen von Säuren und Basen anzusehen, welche hin-
sichtlich ihrer Schmelzbarkeit groſse Verschiedenheit zeigen, je nach der
Natur der Basis und dem Sättigungszustande derselben mit Kieselsäure.
Die Silikate der Metalloxyde sind leichtflüssig, die der Thonerde sind
schwerflüssig, die der Kalk- und Bittererde stehen dazwischen. Mehr-
basische Silikate sind leichtflüssiger als einbasische. Alle diese Er-
fahrungen hatte man schon früher gemacht. Aber nicht nur auf die
Art und die Verbindung der Basen kommt es an, ebenso wichtig ist
der Sättigungszustand für die Schmelzbarkeit der Schlacken. Die
Subsilikate sind viel strengflüssiger als die Silikate. Diese schienen
in den meisten Fällen leichtflüssiger als die Bi- und Trisilikate. Bei
der Verschmelzung der Erze ist es die Aufgabe, Silikate zu bilden,
welche bei der Temperatur, in welcher die Operation stattfinden muſs,
flüssig werden, ohne daſs dies durch Aufnahme von Eisenoxydulsilikat
bewirkt wird. Nach diesen Grundsätzen müssen die Zuschläge gewählt
werden. Eine gewisse Schlackenmenge ist für ein vorteilhaftes
Schmelzen notwendig, deshalb muſs man sehr reichen Erzen Schlacken
oder schlackenbildende Stoffe zusetzen. Bei sehr armen Erzen, bei denen
die Schlackenmenge im Verhältnis zum Metall sehr groſs ist, muſs man
eine möglichst dünnflüssige Schlacke erzeugen. Der Hauptzweck der Be-
schickung ist eine richtige Schlackenbildung. Dazu gehört aber vor allem
eine genaue Kenntnis der Erze. Wir haben schon erwähnt, daſs diese
in diesem Zeitabschnitte ebenfalls groſse Fortschritte gemacht hat.
Karsten hat eine Anzahl Magneteisensteine analysiert, welche in
ihrer Zusammensetzung gleich waren und die normale Verbindung
von Eisenoxyd und Eisenoxydul im Verhältnis von 70 zu 30 zeigten.
Viele Magneteisensteine zeigten aber abweichende Mischung; so fand
Berthier in einem Magneteisenstein von la Plata 81,6 Oxyd und
17 Oxydul, und Karsten bezeichnete als Blau-Magneterz oder Vignit
einen Magneteisenstein, der vier Mischungsgewichte Magneteisenstein
mit vier Mischungsgewichten kohlensaurem Eisenoxydul und einem
Mischungsgewichte basisch phosphorsaurem Eisenoxyd enthielt.
Drappiez fand in dem Roteisenstein von Bihain im Luxembur-
gischen 87,0 Eisenoxyd, 5,0 Kieselerde, 2,0 Thonerde, 2,5 Manganoxyd
und 3,5 Verlust. Berthier untersuchte verschiedene Glanzeisensteine 1).
Karsten analysierte eine groſse Anzahl Raseneisensteine (Sumpf- und
Wiesenerze 2). Titaneisen untersuchten die französischen Chemiker
Berthier, Collet-Descostils und Cordier. Wolfram- und Chrom-
eisenstein analysierten Berzelius und Vauquelin u. a., Spateisen-
steine (Pflinz, Stahlstein oder Weiſserz) Stromeyer, Karsten und
Berthier. Letzterer analysierte die französischen Braunerze (mines
douces), d. h. die verwitterten Spateisensteine 3). Ferner untersuchte
er die französischen Kohleneisensteine 4), die oolithischen Erze 5).
Sphärosiderite nannte Berthier diejenigen Thoneisensteine, in
welchen das Eisen hauptsächlich als kohlensaures Eisenoxydul ent-
halten ist. Er veröffentlichte davon eine groſse Zahl Analysen 6). Das
phosphorsaure Eisenoxyd, die blaue Eisenerde, untersuchten Berzelius,
Berthier u. a., Stromeyer insbesondere den Vivianit, sowie auch
das Eisenpecherz (arseniksaures Eisenoxyd).
Nachdem man eine genaue Kenntnis der chemischen Konstitution
der Eisenerze und eine richtige Theorie der Schlackenbildung hatte,
war die wissenschaftliche Unterlage für einen rationellen Hochofen-
betrieb nach chemischen Grundsätzen gegeben. Es muſs dies als ein
groſser Triumph der theoretischen Forschung bezeichnet werden. Seit-
dem man den wahren Grund der Wirkung der Kieselerde bei der
Schlackenbildung erkannt hatte, war es leicht geworden, sich über
die Auswahl und über die Menge der Zuschläge beim Verschmelzen
[225]Die Brennmaterialien 1816 bis 1830.
der Erze Rechenschaft zu geben. Hiernach sind diese so zu wählen,
daſs bei thonerdereichen Erzen eine Singulosilikat-Schlacke, bei Erzen,
die mehr Kalk und Magnesia als Thonerde in der Gangart enthalten,
ein Bisilikat, und bei manganreichen Erzen ein Trisilikat entsteht,
um den richtigen Grad der Flüssigkeit der Schmelzmasse zu erreichen.
Herrscht dagegen die Kieselsäure in dem Erz vor, so ist Kalk zuzu-
schlagen und zwar, wenn Thonerde bereits vorhanden, reiner Kalk,
wenn Thonerde fehlt, thonhaltiger Kalk. Diesen Zusatz der not-
wendigen Zuschläge zu den Erzen zum Zwecke der Schlackenbildung
nennt man die Beschickung, während die Gattierung die Mischung
verschiedener Erze zur Erzielung eines bestimmten Ausbringens und
der richtigen Schlackenmischung bedeutet. Von der richtigen Gat-
tierung und Beschickung hängt der gute Gang der Schmelzarbeit ab.
Unter den vielen Versuchen, die Schmelzbarkeit künstlich zu-
sammengesetzter Schlacken zu bestimmen, verdient besonders die
Arbeit von Starbäck Erwähnung 1), während Karsten namentlich
wichtige systematische Analysen der Erze, Zuschläge, Schlacken und
des erblasenen Roheisens lieferte 2).
Die quantitative chemische Analyse war ein wichtiges Hülfsmittel
für den Hüttenmann geworden. Karsten gebührt das Verdienst, den
vollständigen Gang der Eisenerzanalyse zuerst ausführlich dargelegt
zu haben (2. Aufl., §. 434 bis 440), ebenso den von ihm eingeschlagenen
Weg der Analyse der verschiedenen Eisenarten (§. 331 bis 336).
Die genaue Kenntnis der Brennmaterialien wurde ebenfalls in
dieser Periode durch zahlreiche chemische Untersuchungen gefördert.
Die Stoffe, die bei der trockenen Destillation des Holzes von
Stoltze, Macaire und Marcet, Mollerat u. a. 3) nachgewiesen wurden,
waren Wasser, Öl, brenzlige Essigsäure (Holzessig), sehr wenig alko-
holische Substanz und ein Gemenge von Gasarten, zusammengesetzt
aus kohlensaurem Gas, Kohlenoxydgas, Kohlenwasserstoffgas und
ölerzeugendem Gas; als Rückstand blieb Holzkohle. Die Menge der
Beck, Geschichte des Eisens. 15
[226]Die Brennmaterialien 1816 bis 1830.
Holzkohle sowohl, wie das Verhältnis der Destillationsprodukte unter-
einander war sehr verschieden, je nach der Temperatur. War die
Darstellung der Holzkohlen die Hauptsache, so muſste der Ver-
kohlungsprozeſs unter Luftabschluſs und bei möglichst niedriger Tem-
peratur geführt werden. Durch den gewöhnlichen Verkohlungsprozeſs
in Haufen und Meilern erhält man nur 15 bis 18 Proz. Holzkohlen,
durch Destillation in verschlossenen Gefäſsen dagegen 27 Proz. Der
Unterschied des Kohlenausbringens bei rascher und langsamer Ver-
kohlung ist so groſs, daſs er bei Fichtenholz 14 und 25 Proz. beträgt 1).
Sämtliche Destillationsprodukte des Holzes waren aus der Holz-
faser abgeleitete Verbindungen. Die chemische Zusammensetzung der
Holzfaser hatten Gay-Lussac und Thenard ermittelt, welche fanden,
daſs dieselbe bei allen Holzarten nahezu gleich aus 52 Tln. Kohlen-
stoff und 48 Tln. Wasserstoff und Sauerstoff, in dem Verhältnis wie
im Wasser zusammengesetzt ist 2).
Das mittlere Kohlenausbringen betrug 20 Proz. aus lufttrockenem
Holze bei Versuchen im kleinen. Den Aschengehalt des Holzes und
der Holzkohlen ermittelte Berthier für eine groſse Zahl Holzarten 3).
Was die Verkohlung im groſsen anlangte, bei der das Ausbringen be-
trächtlich hinter dem der Versuche im kleinen zurückblieb, so kam
die Verkohlung in geschlossenen Öfen nur selten in Anwendung.
In der Regel geschah dies nur, um die Destillationsprodukte des
Holzes zu gewinnen in den Teer- und Pechöfen, welche von auſsen
geheizt wurden. Indessen hatte man auch bereits Öfen, bei welchen
die Holzkohlengewinnung die Hauptsache war. Dies waren groſse
Kammern, durch welche entweder Feuerzüge geführt waren, welche
erhitzt wurden, oder die glühenden Feuergase einer Heizvorrichtung
von auſserhalb unmittelbar an das zu verkohlende Holz traten. Letztere
Methode war von Direktor Schwartz in Schweden angegeben worden.
Auch den Torf verkokte man in einigen Gegenden in Öfen. So ge-
schah es bei Rothau in den Vogesen. Die Torfverkohlungsöfen von
Crouy sur Ourcq waren Schachtöfen, welche oben zusammengezogen
und mit einem Deckel geschlossen waren. Sie hatten groſse Ähnlich-
keit mit Gasgeneratoren. Die Destillationsprodukte wurden durch ein
Rohr abgeleitet 4).
In Süddeutschland, Ruſsland und Schweden hatte die Haufen-
[227]Die Brennmaterialien 1816 bis 1830.
verkohlung vielfach Anwendung gefunden 1). Bei dieser kam das
Holz in runden Stämmen und nicht gespalten zur Verkohlung. Die
länglich viereckigen Haufen stiegen von vorn nach hinten 5 bis 15 Grad
an. Die langen Wände wurden von aufrechtstehenden Pfählen ge-
bildet, die Stämme wurden dazwischen horizontal aufgeschichtet. Der
aufgesetzte Haufen wurde mit Lösche gedeckt, wie ein Meiler. Die
Kohlen, die sehr gut ausfielen, lieſsen sich leichter ziehen als bei den
Meilern.
Ebenso verbreitete die chemische und mikroskopische Unter-
suchung der Steinkohlen genaueres Licht über Entstehung und
Wesen derselben. Man erkannte sie ebenfalls als ein Produkt der
Pflanzenfaser.
Nach dem Verhalten bei dem Verkoken teilte Karsten die
Steinkohlen in drei Arten: Sandkohlen, Sinterkohlen und Backkohlen,
ein, je nachdem die pulverisierte Steinkohle nach dem Glühen pulver-
förmig, gefrittet, aber ohne Volumvermehrung, oder gebacken und
aufgebläht erscheint. Dieses Verhalten hängt mit der chemischen
Zusammensetzung eng zusammen.
Auch bei den Steinkohlen schwankt das Koksausbringen mit der
Temperatur bei der Verkokung. Diese Differenz steigt bei Backkohlen
von mittlerem Kohlengehalt bis 6 Proz., bei den übrigen Kohlenarten
ist sie geringer. Die Steinkohlen verkoken aber bei rascher Glühhitze
besser. Die Produkte der trockenen Destillation der Steinkohlen sind
auſser den Gasarten, Wasser, Öle, zuweilen etwas Säure und immer
etwas Ammoniak. Je backender die Kohle ist, desto mehr nimmt das
Verhältnis des ölbildenden Gases in dem Gasgemenge zu. Ölartige
Substanzen entwickeln sich erst bei beginnender Rotglut. Die Stein-
kohlen absorbieren beim Lagern im Freien Wasser aus der Luft.
Das specifische Gewicht der Steinkohlen schwankt bei gleichem
mäſsigen Aschengehalt von 1,19 bis 1,32. Die Sandkohlen sind am
schwersten, die Backkohlen am leichtesten, die Sinterkohlen stehen
in der Mitte 2).
Der Aschengehalt der Steinkohlen ist sehr verschieden. Die Asche
enthält hauptsächlich Kieselsäure und Thonerde, ferner Eisenoxyd,
Manganoxyd, kohlensauren Kalk und Magnesia. Das Ausbringen an
Koks ist ebenfalls sehr schwankend. Karsten teilt eine lange Tabelle
15*
[228]Die Brennmaterialien 1816 bis 1830.
über den darstellbaren Kohlengehalt aus verschiedenen Steinkohlen-
sorten mit, wobei Aschengehalt und specifisches Gewicht mit berück-
sichtigt sind 1). Eine andere Tabelle enthält die Zusammenstellung
des Kohlenausbringens aus Holz, verschiedenen Braun- und Steinkohlen-
sorten nebst ihren chemischen Zusammensetzungen (§. 561).
Je reicher an Kohlenstoff die Steinkohle ist, je mehr Wärme
entwickelt sie, je schwerer aber läſst sie sich entzünden, weshalb sie
zum Verbrennen stärkeren Luftzug erfordert. Auf dem Rost ver-
brennt Sinterkohle am besten, während stark backende Kohlen sich
aufblähen und den Rost verstopfen. Sie müssen deshalb mit mageren
Kohlen gemischt werden. Zum Ausschweiſsen des Eisens und des
Stahles liebt man die Backkohle, weil sie natürliche Gewölbe bildet,
welche das Eisen vor dem Wind schützen, ohne es durch unmittelbare
Berührung zu verunreinigen.
Zur Verkokung eignen sich die Backkohlen immer, wenn sie
nicht über 5 Proz. Asche enthalten, Sinter- und Sandkohlen nur
unter besonders günstigen Umständen. Die Backkohlen gehen beim
Erhitzen in einen erweichten, teigartigen Zustand über, und wird die
halbgeschmolzene Masse durch die sich entwickelnden Dämpfe und
Gase blasig und aufgetrieben. Der Koks von zu stark backenden
Kohlen ist für den Hochofenbetrieb unbrauchbar, weil er zu leicht
ist und zerdrückt wird. Eine Backkohle, die den Übergang zur
Sinterkohle bildet und sich nur schwach aufbläht, ist für Koks
zum Schachtofenbetrieb am geeignetsten. Dies gilt für die Verkokung
von Stückkohlen. Kleinkohle muſs immer mehr backend sein, wenn
sie zur Verkokung verwendet werden soll. Koks aus Kleinkohle ist
meist sehr aschenhaltig.
Die Verkokung der Stückkohlen geschah in Meilern und Haufen,
die von Kleinkohle oder Kohlenklein in der Regel in Öfen. Groſse
Fortschritte hatte man bei den Verkokungsöfen in dieser Periode
nicht gemacht. Die einfachen Bienenkorböfen der Engländer waren
noch am meisten in Gebrauch, doch hatten auch die S. 58 be-
schriebenen Doppelöfen gröſsere Verbreitung gefunden.
Ein sehr eigentümliches Verfahren der Verkokung von Kohlen-
klein hatte man auf dem Hüttenwerke Janon bei St. Etienne ein-
geführt 2). Die Kleinkohlen, wie sie aus der Grube kamen, wurden
durchgehortet und das Durchgeworfene mit Wasser so angefeuchtet,
[229]Die Brennmaterialien 1816 bis 1830.
daſs man eine plastische Masse erhielt. Aus dieser wurde ein Haufen
im Freien aufgeführt und zwar, indem man sie in eine hohle hölzerne
Form von der Gestalt einer abgestutzten Pyramide von 3½ Fuſs Höhe
einstampfte. Die Haufen erhielten eine Länge von 50 bis 60 Fuſs
und mehr. Um der Luft Zutritt in das Innere des Haufens zu ge-
statten, wurde über hölzerne Cylinder von 3 bis 4 Zoll Durchmesser
in der Weise geformt, wie
es Fig. 53 zeigt. Die Ent-
zündung des Haufens ge-
schah mit kleinen Stück-
kohlen, welche man oben
aufwarf und ansteckte.
War der Haufen fast ver-
kokt, so goſs man etwas
Wasser in das Innere nahe der Mitte. Das Feuer gewann dadurch
neue Kraft und verbreitete einen übelriechenden Dampf. Alsdann
wurde der Haufen in der gewöhnlichen Weise gelöscht. Man erhielt
den Koks hierbei in sehr groſsen Stücken. Die Verkokung eines
solchen Haufens dauerte sechs bis acht Tage.
Die in Öfen erzeugten Koks fallen in der Regel dichter aus als
die im Meiler erhaltenen und sind deshalb wirkungsvoller.
Am 28. Februar 1824 nahm Moritz de Jongh zu Worrington
in Lancastershire ein Patent auf die Benutzung der aus Koksöfen
entweichenden Wärme zur Heizung von Dampfkesseln. Er leitete
die Flamme aus der Esse im Scheitelgewölbe des Koksofens unter
den darüberliegenden Dampfkessel. Durch einen Schieber konnte er
die Flamme abstellen. de Jongh nimmt diese Verbindung von Koks-
ofen und Dampfkessel als seine Erfindung in Anspruch, welche fol-
gende Vorteile habe: 1. werden die Auslagen für das Feuermaterial
durch die Koks ersetzt, 2. wird der Dampfkessel besser erhalten,
3. wird der Rauch vollkommen verbrannt. Der Erfinder hatte im
[230]Die Brennmaterialien 1816 bis 1830.
vorhergehenden Winter einen Kessel von 26 Pferdekräften mit Erfolg
auf diese Weise betrieben 1).
Oft schon hatte man versucht, die Steinkohle in rohem Zustande
im Hochofen zu verwenden, stets aber mit schlechtem Erfolge.
Die genauere Kenntnis der Kohlenarten führte aber auch hier zu
besseren Resultaten. Die kohlenstoffreiche, nicht backende Anthracit-
kohle erwies sich allein für die direkte Anwendung geeignet, und dies
geschah zuerst mit Erfolg auf dem groſsartigen Hüttenwerke Dowlais
in Süd-Wales, dessen neun Hochöfen von 18 Fuſs Kohlensackweite
hauptsächlich auf die Ausnutzung dieses Verfahrens hin erbaut worden
waren. Die Provinz Glamorganshire, in welcher dieses Werk lag, war
auch ganz besonders für diesen Betrieb geeignet, denn während die
Steinkohle in der Mitte der Grafschaft sehr bituminös war und sich
gut verkoken lieſs, ging die Fettkohle in der weiteren Erstreckung
der Flötze in Anthracit über, den man vordem nicht verwenden
konnte. Man chargierte jetzt mit Erfolg auf 127 kg Koks und 76 kg
rohe Steinkohle 203 bis 254 kg geröstetes Erz und 51 bis 68 kg Kalk-
stein. Zu 1000 kg Roheisen brauchte man 2800 kg Koks und 1700 kg
Steinkohle, zusammen 4500 kg Brennmaterial.
In Frankreich hatte Robin, Direktor der Eisenhütte von Vizille,
ebenfalls versucht, mit Anthracit von Lamure Eisenerze im Hochofen
zu schmelzen 2), und es gelang ihm, wenigstens den Nachweis zu
führen, daſs man mit diesem Anthracit allein, wenn auch sehr schwer,
Eisenerze verschmelzen kann, wobei 7 Tle. Anthracit 3 Tle. Koks
ersetzten. Dieses Resultat war in ökonomischer Beziehung freilich
sehr ungünstig. Das erhaltene Roheisen, namentlich das graue Gieſserei-
roheisen, war angeblich von guter Qualität. Die Versuche Robins,
Anthracitkohlen im Puddelofen zu verwenden, welche er 1828 eben-
falls zu Vizille anstellte, hatten keine günstige Erfolge, namentlich
war das erhaltene Eisen schlechter 3).
Über den Brennwert der Brennmaterialien, d. h. über die relativen
Wärmemengen, welche bei der Verbrennung derselben entwickelt
werden, hatten schon Lavoisier, Crawford, Rumford und Dalton
Untersuchungen angestellt, deren Ergebnisse aber sehr abwichen. Sehr
sorgfältige Versuche hat hierüber der Amerikaner Marcus Bull 1826
im Franklin Journal veröffentlicht 4).
Die absolute Wärmemenge bei der Verbrennung reiner Holzkohle
fanden Laplace und Lavoisier für 1 kg zu 7226 Einheiten, Hassen-
fratz zwischen 5550 und 7200, Clément und Desormes zu 7050,
Despretz zu 7815. Welter1) stellte zuerst die Hypothese auf, daſs
die durch die verschiedenen einfachen und zusammengesetzten Brenn-
materialien entwickelten Wärmemengen den bei der Verbrennung
absorbierten Sauerstoffmengen proportional seien. Man bezeichnete
diese Annahme deshalb in der Folge als das Weltersche Gesetz.
Bei den Windgebläsen sind in diesem Zeitraume einige neue
Erfindungen zu verzeichnen. Henschel in Kassel konstruierte 1820
ein Kettengebläse, welches seine Analogie in den alten Kettenpumpen
hat, die schon zu Agricolas Zeit bei den Bergwerken angewendet
wurden. Es kann auch als ein verbessertes Wassertrommelgebläse in-
sofern betrachtet werden, als das Wasser den Abschluſs bildet und die
atmosphärische Luft mit nach unten reiſst. Fig. 54 (a. f. S.) ist die Ab-
bildung eines Henschelschen Kettengebläses. An einer aufgehängten
Kette, welche sich oben über ein Leitrad bewegt, sind in kurzen Abständen
runde Ringe angebracht, auf denen zwei Deckel z von Eisenblech
mittels Charnieren beweglich befestigt sind. Die Kette bewegt sich durch
die geschlossene Röhre c, wobei die Deckel z auf die Stege g sich auf-
schlagen und eine geschlossene Scheibe bilden, welche durch das bei e
einströmende Wasser gelidert wird. Dieses Wasser setzt durch seinen
Druck die Kette in Bewegung; da es aber die durch die Deckel und
die Rohrwand gebildeten Zellen nicht ausfüllt, so wird mit demselben
in jeder Zelle eine gewisse Menge gepreſster Luft mit nach abwärts
geführt. Diese ergieſst sich in einen Kasten c, aus dem es durch das
Ableitungsrohr d dem Ofen zugeführt wird. Ein solches Henschel-
sches Kettengebläse erzeugte auf der Sollinger Hütte am Harz den
Wind für den Hochofen 2). Obgleich diese Konstruktion auf einigen
Hüttenwerken zur Anwendung kam, hat sie doch keine besondere Be-
deutung erlangt. Noch weniger war dies der Fall mit dem kompli-
zierten hydraulischen Gebläse von Althans, welches er mit dem
[232]Gebläse 1816 bis 1830.
Namen Rotations-Wassersäulengebläse bezeichnete 1). Le Petit Lema-
sure erhielt 1824 in Frankreich ein Patent für ein Gebläse mit zwei
wagerechten Cylindern. Die Cylinder waren klein und von Holz; die
Maschine machte 90 Touren in der Minute (Brevets XIX, 159).
Dieses sehr einfache Tonnengebläse, das aber nur für kleine Feuer
verwendbar war und von Lemasure für ein kleines katalonisches
Luppenfeuer zu Ratis (Depart. de
Lot et Garonne) erbaut war, ist
von d’Aubuisson beschrieben
worden 2). Es besteht aus zwei
cylindrischen Tonnen (Fig. 55), in
welchen eine vertikale Scheide-
wand a s von oben her eingebracht
ist, welche mit ihrem unteren
Teile in das Wasser, welches das
Faſs bis zur Hälfte füllt, ein-
taucht. Indem nun die Tonnen
etwas über einen rechten Winkel
hin und her geschwenkt werden,
wird der Luftraum einmal ver-
gröſsert, das andere Mal ver-
kleinert, hierdurch wird die Luft
durch die Öffnungen einmal ein-
gesogen, das andere Mal ausge-
preſst. Die Ausströmungsöffnun-
gen befinden sich auf der dem
Feuer zugekehrten Seite und bla-
sen in eine gemeinschaftliche
Rohrleitung. Die beiden Tonnen
waren so gegeneinandergestellt,
daſs die eine mit Blasen begann,
wenn die andere in der Mitte
ihrer Oscillation angelangt war.
Nach den Messungen und Berechnungen von d’Aubuisson ergab
das Gebläse zu Ratis nur 16 Proz. Nutzeffekt. Immerhin leistete es
noch mehr als ein Wassertrommelgebläse unter den gleichen Be-
dingungen.
Die Vorteile des sonst sehr unvollkommenen Gebläses bestanden
in seiner Einfachheit, Billigkeit und in seinem geringen Kraftbedarf.
Eine Bedeutung hat es indessen nicht erlangt.
Das damit verwandte Schraubengebläse, die „blasende Schraube“,
nach ihrem Erfinder, Cagniard-Latour (1812), auch Cagniardelle
genannt, hat im Eisenhüttenwesen keine groſse Verwendung gefunden.
André Köchlin \& Komp. in Mülhausen betrieben seit 1827 mit
einer solchen Schraube von 8½ Fuſs Länge und 8½ Fuſs Durchmesser
eine groſse Werkstätte mit 20 Schmiedefeuern und 2 Wilkinson-
oder Kupolöfen.
Die künstliche Windzuführung unter den Rost der Flammöfen,
sogenannten Unterwind, hatte man schon früher hier und da versucht.
Baader schlug dieselbe 1818 von neuem vor und behauptete, dadurch
die kostspieligen Essen entbehrlich machen zu können 1).
D’Aubuisson2) hat in einer sehr gediegenen Arbeit über die
Kastengebläse bei den Eisenhütten im südwestlichen Frankreich den
Satz entwickelt, daſs der Widerstand, den die Leitungsröhren der Be-
wegung der Gebläseluft entgegensetzen, proportional dem Quadrat
der Geschwindigkeit und der ersten Potenz der Länge der Röhre sei
und im umgekehrten Verhältnis zu ihrem Durchmesser stehe.
Bei den Windregulatoren kam man mehr und mehr von den
Wasser- und Kolbenregulatoren ab und gab namentlich bei den
groſsen Gebläsemaschinen in England Trockenregulatoren mit gleich-
bleibendem Inhalt den Vorzug. Diese wurden aus Eisenblech her-
gestellt und erhielten meist eine cylindrische oder kugelförmige Gestalt.
Zur Ermittelung der Windmengen, welche ein Gebläse lieferte,
bediente man sich seit Ende des 18. Jahrhunderts der Wind- oder
Gebläsemesser. Mit diesen wurde der Druck des Windes durch eine
Wasser- oder Quecksilbersäule, welcher er das Gleichgewicht hielt,
gemessen; aus Druck und Querschnitt der Ausströmungsöffnung wurde
dann die Windmenge berechnet.
Verbesserte Röstöfen wurden vor 1820 zu Creusot von einem
sächsischen Ingenieur nach deutschem Muster erbaut. Sie hatten
drei Feuerroste; die Erze wurden durch Flammfeuer geröstet, welches
die in dem Ofenschacht befindliche Erzsäule durchdrang. Fig. 58
ist die Abbildung des Röstofens zu Creusot. Ähnliche Öfen wurden
1820 zu Vienne von den Herren Frère-Jean erbaut, um die Erze
von la Voulte zu rösten 1). Sie sind nach dem System der Rumford-
schen Kalköfen gebaut mit drei Feuerungen von auſsen.
Die Röstung der Erze wurde in England fast überall beibehalten,
doch ging man in den zwanziger Jahren vielfach von der Röstung im
Freien zur Röstung in Öfen über. Figg. 59 und 60 stellen die in
dieser Zeit auf dem neuen groſsartigen Hüttenwerk Dowlais er-
bauten Röstöfen dar, welche einen länglich rechtwinkeligen Querschnitt
von 3,91 m auf 0,55 am Boden und 2,028 m an der Gicht hatten. Ihre
Höhe betrug 3,755 m.
Im Betriebe der
Hochöfen war durch
die bessere theoretische
Erkenntnis des Pro-
zesses, namentlich aber
durch die chemische
Untersuchung der
Schmelzmaterialien,
ein Fortschritt einge-
treten. Man war nicht
mehr abhängig von all-
gemeinen oder lokalen
empirischen Regeln,
die den Meister im
Dunkeln lieſsen, so-
bald sie versagten, son-
dern man war im
stande, den Hochofen-
betrieb nach wissen-
schaftlichen Grundsätzen zu führen. Diese kamen namentlich bei der
Beschickung der Erze zur Anwendung. Bessere Gebläse erlaubten
mehr wie vordem den Gang des Ofens durch die Windführung, durch stär-
keres und schwächeres Blasen, engere und weitere Düsen zu beherrschen.
Die Anwendung von Zuschlägen und die Auswahl derselben war
besonders für den Kokshochofenbetrieb von gröſster Bedeutung. Die
Koks enthalten weit mehr Asche als die Holzkohlen, und diese ist ihrer
Natur nach so schwer schmelzbar, daſs sie nur durch Auflösungs-
mittel verflüssigt werden können. Da die Koksasche hauptsächlich
Kieselsäure und Thonerde enthält, so ist ein verstärkter Kalkzuschlag
zur Schlackenbildung erforderlich. Man hatte also bei der Beschickung
der Kokshochöfen nicht nur die Verunreinigungen der Erze, sondern
auch die Asche der Koks zu berücksichtigen und danach die Be-
schickung einzurichten.
Die strengflüssige Asche der Koks bedingte eine strengflüssigere
Schlacke, also eine höhere Temperatur in dem Teile des Ofens, wo die
Schlackenbildung vor sich ging. Dies setzte aber eine stärkere Er-
hitzung der ganzen Schmelzmasse vor ihrem Einrücken in das Ofen-
gestell voraus, und das konnte nur erreicht werden durch ein längeres
Verweilen in dem Vorbereitungsraum, dem Ofenschacht. Hierfür
muſste man diesen gröſser, namentlich weiter machen. Die Erhöhung
und Erweiterung des Hochofenschachtes beeinfluſste deshalb haupt-
sächlich die Entwickelung der inneren Ofenform.
Im allgemeinen nahm die Mannigfaltigkeit derselben eher zu wie
ab. Eine Frage, die vielfach erörtert wurde, war die, ob ein Ober-
gestell notwendig oder zweckmäſsig sei? Die hohen Blauöfen, Floſs-
öfen und die schwedischen Hochöfen hatten in der Regel keins,
während es sonst ziemlich allgemein gebräuchlich war. Bei den Koks-
öfen wurde ein Obergestell fast allgemein für nötig gehalten. Auch
Karsten hält ein solches im allgemeinen für besser, namentlich wenn
graues Eisen erblasen werden soll.
Die Verankerung des Rauhgemäuers geschah bei runden Öfen
mit eisernen Reifen, bei viereckigen Öfen mit durch das Mauerwerk
gelegten Ankern, die durch eiserne Riegel befestigt wurden. Je stärker
die Verankerung, je mehr konnte man an der Stärke des Rauh-
mauerwerks sparen.
Durch das Streben, die Produktion zu vergröſsern, kam man in
England zu immer gröſseren und weiteren Öfen. Bei dem 1824
neuerbauten Hochofen zu Plymouth Ironwork hielt man sich noch
einigermaſsen an die früheren Verhältnisse, doch machte man die
Gicht 10 Fuſs weit, bei einer Gestellweite von 3½ Fuſs. Die einige
Jahre danach zu Dowlais erbauten Hochöfen hatten dagegen schon
die auſserordentliche Gichtweite von 16½ Fuſs. Figg. 61 bis 64 stellen
einen dieser Öfen, die in ihrer ganzen Konstruktion abweichend waren,
dar. Der weite Schacht ging 48 Fuſs cylindrisch bis zur Rast nieder.
Um die weite Gicht beschicken zu können, waren in dem Gichtmantel,
der eine Fortsetzung des Schachtes bildete, vier Aufgebeöffnungen ge-
lassen, zu welchen man auf einer vorgebauten eisernen Galerie
gelangte. Natürlich konnte bei so weiten Gichten das Aufgeben nicht
so gleichmäſsig geschehen wie bei engen. Der obere Ofen war
ohne jedes Rauhmauerwerk erbaut und bestand nur aus der Schacht-
mauer, welche aus 18 Zoll langen feuerfesten Thonsteinen sorgfältig
aufgeführt war. Diese Mauer war mit ¼ Zoll starken und 4 Zoll
hohen gewalzten eisernen Schienen umgeben, welche allein jede Lage
[237]Die Roheisendarstellung 1816 bis 1830.
Steine zusammenhielten. Die Rasthöhe war mit zwei guſseisernen
Kränzen eingefaſst. Ein solcher Ofen produzierte das für die damalige
Zeit auſserordentliche Quantum von 105 Tonnen in der Woche. Trotz
der groſsen Windmenge, welche durch zwei Formen in den Ofen ge-
führt wurde, fand ein Springen oder Nachgeben der eisernen Ringe
nicht statt. Fig. 65 und 66 (a. f. S.) (nach Karsten) zeigen in dem
[238]Die Roheisendarstellung 1816 bis 1830.
Hochofen von Swansea eine andere Konstruktion eines Schachtbaues,
bei welcher ebenfalls das ganze Rauhmauerwerk gespart wurde. Der
ganze Kernschacht ruhte auf eisernen Kränzen, welche durch starke
guſseiserne Ständer getragen wurden. Der Schacht war mit eisernen
Ringen gebunden. Der Wind wurde durch drei Formen dem Ofen
zugeführt. Diese Kon-
struktion wurde viel-
fach nachgeahmt.
Von diesen engli-
schen Erfahrungen aus-
gehend, konstruierte
Maschinenmeister Alt-
hans auf der Sayner
Hütte einen Hochofen,
Fig. 67, der ganz in
einen eisernen, von
Guſsplatten zusam-
mengefügten Mantel
eingebaut wurde. Für
Holzkohlen sollte in
dem obersten Teil des
Schachtes das Stein-
futter ganz wegfallen 1).
Öfen mit eisernen
Mänteln erbaute zu-
erst in Deutschland
Friedrich Harkort
zu Wetter 1826 und
zu Rüblinghausen 1829.
Diese neu eingeführte Bauart der Engländer ohne Rauhgemäuer hatte
den Vorzug, daſs dadurch die Öfen viel rascher aufgeführt werden
konnten. In England, wo damals schon der Grundsatz herrschte: time
is money, konnte man durch sie eine günstige Konjunktur besser
ausnutzen. Diesem Vorteil stand freilich ein gröſserer Kohlenverbrauch
infolge der starken Abkühlung der dünnen Schachtwände gegenüber.
Deshalb fand auch der Vorschlag von Althans in Deutschland nur
wenig Anklang.
Als eine allgemeine Erfahrung bezeichnete es Karsten, daſs bei
[239]Die Roheisendarstellung 1816 bis 1830.
hoher Schmelztemperatur mehr Unreinigkeiten in das Eisen über-
gehen als bei niederer, weshalb die Holzkohlenöfen reineres Roheisen
lieferten als die Kokshochöfen.
Bei einerlei Eisenerzen, welche in den oberschlesischen Hoch-
öfen verschmolzen wurden, waren zu 100 Pfd. Roheisen 15,22 rheinische
Kubikfuſs, oder 157,527 Pfd. Kiefern-Holzkohlen, oder 8,54 Kbfſs. oder
270,72 Pfd. Koks aus Sinterkohlen
erforderlich, so daſs sich die Wir-
kung der Holzkohle zu der der
Koks, dem Maſse nach wie 100 zu
56 und dem Gewicht nach wie 100
zu 171 verhält.
Philipp Taylor nahm 1825
in England ein Patent, Kohlen-
wasserstoffgas in die Hochöfen zu
blasen, um dadurch das Eisen zu
kohlen. Statt des Gases könnte
man auch Öle oder Kohlenpulver
verwenden. Derselbe hatte auch
1820 bereits ein Patent darauf ge-
nommen, Erze in Schachtöfen mit
in verschiedener Höhenlage ange-
brachten Windformen zu schmelzen.
Bei dem Abwärmen der Hoch-
öfen vor dem Anblasen führte der
Hütteninspektor Schäfer auf der
Sayner Hütte die Verbesserung ein,
daſs man die innere Wandung des
Gestelles mit einer Mischung von
gepulvertem Kalk und Schlacke, welche zu einem Brei angemacht
wurden, überzog, welche die Gestellsteine mit einer Glasur überzogen,
die sie schützte, oder daſs man das ganze Gestell mit einer Über-
kleidung von einem Zoll dicken Ziegelsteinen versah, welche ebenfalls
die Gestellmasse vor der direkten Glut der Kohlen schützte. Im
übrigen verfuhr man mit dem Abwärmen ähnlich wie sonst. — Ein
anderes damals empfohlenes Verfahren, die Kohlen zum Abwärmen
von oben zu entzünden, bewährte sich nicht.
Die Beschickung und das Gebläse waren die beiden Mittel,
um den Gang des Ofens zu regulieren. Graues Eisen erforderte zu
seiner Bildung höhere Temperatur. Der Grad der Temperatur wird
[240]Die Roheisendarstellung 1816 bis 1830.
bei gleichbleibender Windzuführung durch das Verhältnis des Erzsatzes
zum Kohlensatz bestimmt; doch kommt dabei auch die Beschickung
in Betracht. Diejenige Beschickung ist die angemessenste, bei welcher
das Verhältnis des Erzsatzes zum Kohlensatz das gröſste sein kann,
um den Ofen in gleicher Temperatur zu erhalten, d. h. um Roheisen
von gleichbleibender Beschaffenheit zu erzeugen (Karsten). Da
sich bei höheren Öfen die Temperatur erhöht, so folgte von selbst,
daſs man in solchen Öfen den Erzsatz erhöhte, um dasselbe Eisen zu
erhalten. Die höhere Temperatur und das längere Verweilen der
Erze im Vorbereitungsraume bewirkte eine stärkere Reduktion der
Kieselsäure, was einen gröſseren Siliciumgehalt des in hohen Öfen
erblasenen Roheisens zur Folge hatte.
Der Hüttenmann hat es bei guten durch die Beschickung, den
Erzsatz und die Windmenge in der Hand, ein oder die andere Eisen-
sorte zu erzeugen, wobei aber wohl zu bedenken ist, daſs die als
weiſs oder grau bezeichneten Roheisensorten unter sich wieder von
gröſster Verschiedenheit sein können. Es giebt ein weiſses Eisen bei
garem Gang, bei übersetztem Gang und bei übergarem Gang. Letzteres
ist das Spiegeleisen, welches zu seiner Bildung vollständige Reduktion
und gesättigte Kohlung, aber nur kurzes Verweilen des geschmolzenen
Eisens in konzentrierter Hitze, und rasches Hinabsinken in der flüssigen
Schlacke voraussetzt. Sobald ein längeres Verweilen in hoher Hitze
stattfindet, tritt Graphitbildung ein und das kohlenstoffreiche Spiegel-
eisen geht in grobkörniges graues Eisen über. Der Schmelzprozeſs
muſs immer dicht an dieser Grenze geführt werden.
Bei dem bei Rohgang erzeugten weiſsen Roheisen sind unvoll-
ständig reduzierte Erzteile bis in und unter den Fokus der Hitze
gelangt, wodurch eine Entkohlung und Abkühlung, ein teilweises
Frischen eintritt. Zugleich lösen sich alle Verunreinigungen der un-
genügend vorbereiteten Schmelzmasse, wodurch das Roheisen sehr
unrein, namentlich schwefelhaltig, wird. Zwischen diesen Extremen,
dem weiſsen, teilweise entkohlten Eisen vom Rohgang und dem mit
Kohlenstoff völlig gesättigten Spiegeleisen, befindet sich die ganze
Reihe weiſser Eisensorten.
Ähnlich verhält es sich mit dem grauen Roheisen. Ganz ab-
gesehen davon, daſs die Graphitausscheidung in groſsen Blättern bis
zu den feinsten Schüppchen stattfinden kann, verhält sich das dem
Ansehen nach gleiche Roheisen von strengflüssiger Beschickung ganz
anders als das von leichtflüssiger Beschickung. Zum Teil wird dieser
Unterschied durch den höheren Siliciumgehalt, des bei strengflüssiger
[241]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
Beschickung erblasenen Roheisens bedingt, wobei das Silicium den
Kohlenstoff teilweise ersetzt. Letzteres tritt namentlich beim Koks-
ofenbetrieb ein. Diese Unterschiede sind für die Gieſserei von groſser
Wichtigkeit.
Unter leichtschmelziger Beschickung ist aber nicht zu verstehen,
daſs die Erze für sich leicht schmelzen, sondern daſs die Reduktion,
Schlackenbildung und Scheidung von Eisen und Schlacke leicht vor
sich geht und keine lange und hohe Hitze erfordert. Diese Verhält-
nisse sind so mannigfaltig, daſs es nicht möglich ist, sie im einzelnen
zu erörtern, und genügt es, zu konstatieren, daſs das Verständnis der
Bedingungen in dieser Periode wesentliche Fortschritte gemacht hatte
und gebührt auch hierfür Karsten groſses Verdienst 1).
Der Weg zur Ermittelung der richtigen Beschickung war aller-
dings damals noch ausschlieſslich der empirische. Um aber diesen
zu vereinfachen und zu verbilligen, machte man, ehe man Versuche
im groſsen vornahm, sogenannte Beschickungsproben, wobei man die
Beschickung und Schmelzung in einem Tiegel vornahm. Wohl aber
erkannte man bereits, daſs die richtige Konstitution der Schlacken,
nach chemischen Mischungsverhältnissen unter Berücksichtigung der
Temperatur, die Grundlage der Beschickung bilden muſste. Mitscher-
lich, Bredberg und Karsten hatten wichtige hierauf bezügliche
Untersuchungen angestellt 2); doch fehlte es noch an ausreichender
Erfahrung. Karsten glaubte schlieſsen zu dürfen, daſs die Bisili-
kate leichtschmelziger sind, als die Singulo- und Trisilikate, wobei
aber ein groſser Unterschied der Schmelzbarkeit erscheint, je nachdem
viel Mangan und Kalk, oder viel Bittererde und Thonerde in der
Beschickung enthalten sind.
Die einfachste Verwendung fand das Roheisen bei der Gieſserei.
Geschah diese, wie fast allgemein bei dem Holzkohlenbetrieb, direkt
aus dem Hochofen, so muſste man für einen garen, hitzigen Ofen-
Beck, Geschichte des Eisens. 16
[242]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
gang sorgen, bei dem ein flüssiges graues Roheisen erzeugt wurde.
Nur bei sehr dicken Stücken, oder wo groſse Härte verlangt wurde,
konnte man gares, weiſses Eisen vergieſsen. Wir haben aber schon
oben darauf hingewiesen, daſs ein groſser Unterschied zwischen dem
grauen Eisen von strengflüssiger und von leichtflüssiger Beschickung
besteht. Ersteres ist viel hitziger, dünnflüssiger und schreckt weniger
leicht ab, dagegen bilden sich leichter krystallinische Bildungen im
Innern; das letztere flieſst langsamer, erstarrt schneller, stöſst Graphit
aus und schreckt an den Rändern ab. Ersteres bleibt grau und weich,
bildet aber selten eine schöne, glatte Oberfläche, letzteres wird leicht
hart. Für strengflüssige Beschickung empfahl sich ein hohes Obergestell;
ein zu hitziger Gang vermindert aber die Festigkeit des Guſseisens.
Ebenso vermindert der hohe Graphitgehalt des grauen Roheisens von
leichtschmelziger Beschickung die Festigkeit. Wo es also auf Festigkeit
besonders ankam, wie bei Kanonen, wählte man besser ein halbiertes
Roheisen. Würde man bei leichtflüssiger Beschickung die Graphit-
bildung durch stärkeren Erzsatz vermeiden wollen, so würde man leicht
einen übersetzten Gang und weiſses Eisen bekommen. In Schweden half
man sich deshalb dadurch, daſs man die Erze teils geröstet, teils un-
geröstet aufgab. Infolgedessen kamen sie in ungleichem Zustande der
Vorbereitung in den Schmelzraum und bewirkte das ungeröstete Erz
eine Verminderung des Graphits in dem aus dem gerösteten Erz ge-
schmolzenen grauen Eisen. Dasselbe erreichte man dadurch, daſs man
in das geschmolzene graue Roheisen im Herd eine Quantität reines
Erz in kleinen Stücken durch die Form eintrug. Dabei trat ein
starkes Aufwallen des Eisens ein. Nachdem man in einem Zeitraum
von etwa 15 Minuten 30 bis 35 Pfd. Erz auf diese Art in das Gestell
eingetragen hatte, folgte ein heftiger Schlackenerguſs über den Wall-
stein. Stellte sich der gewöhnliche, ruhige Schlackenlauf wieder ein,
so rührte man mit einer Brechstange das Eisen im Herd um und
wiederholte dieses sogenannte Füttern, welches oft noch ein drittes
Mal vorgenommen wurde. Dadurch wurde der Graphitgehalt des
Roheisens vermindert und seine Festigkeit erhöht. Karsten lobt und
empfiehlt dieses Verfahren. Das durch den Fütterungsprozeſs er-
haltene Roheisen ist nach ihm ein Gemenge von grauem und stahl-
artigem Roheisen, ein Produkt, das sich direkt gar nicht im Hoch-
ofen darstellen läſst.
1819 hatte John Thompson ein Patent genommen, Eisenerze
im Flammofen auszuschmelzen. Zu diesem Zweck sollten die Erze
gepulvert und mit Kohle und Zuschlägen innig vermischt, zu Kugeln
[243]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
geballt, eingesetzt werden. Das flüssige Eisen sollte direkt in Formen
gegossen werden. Dieser Vorschlag hat nur als ein Vorläufer des
Erzstahlprozesses ein Interesse.
Je mehr der Koksofenbetrieb sich ausbreitete, je mehr ging man
dazu über, das Roheisen zum Vergieſsen umzuschmelzen. Auch
beim Umschmelzen verhalten sich die verschiedenen grauen Roheisen-
sorten sehr verschieden. Zum Tiegelguſs ist ein reines halbiertes Eisen
am besten. Zum Umschmelzen in Schachtöfen eignete sich am meisten
ein gares, graues Roheisen, welches aus nicht zu leichtflüssiger Be-
schickung und in hohen und engen Obergestellen erzeugt worden war.
Ebenso muſste man zum Umschmelzen im Flammofen ein graues Roh-
eisen von strengflüssiger Beschickung, in hohen Obergestellen erblasen,
wählen. Wo es besonders auf Festigkeit ankam, wie beim Geschütz-
guſs, schmolz man das graue Roheisen zweckmäſsig erst einmal im
Flammofen um.
Beim Kupolofenbetrieb war es nützlich, zuweilen einige Stücke
Kalk als Fluſsmittel besonders für den an den Masseln haften ge-
bliebenen Sand einzuwerfen. Zu Birmingham wurde ein Dampfkessel
durch die Flamme eines Kupolofens geheizt. Die Kupol- oder
Wilkinsonöfen im mittleren England waren meist 7 engl. Fuſs
hoch. Man blies mit 1½ bis 2 Pfd. Windpressung, hatte 5 bis 7 Proz.
Abbrand und 23 bis 30 Proz. Koksverbrauch.
Die Herde der Flammöfen waren entweder auf einem massiven
Mauerwerk oder auf einem starken Gewölbe oder auch auf eisernen
Platten, welche man auswechseln konnte, errichtet. Als Herdmasse
eignete sich reiner Fluſssand, in dessen Ermangelung man am besten
gebrannten Quarz verwendete. Die englischen Guſsflammöfen waren
aus den Bleischmelzöfen entstanden und hatten von diesen den
tiefen Sumpf und stark geneigten Herd überkommen (vergl. Fig. 33).
An dieser vererbten Form hielt man lange Zeit fest. Erst in
dieser Periode ging man zu ebenen Herden und flachen Gewölben
(Fig. 68, a. f. S.) über, welche für das Umschmelzen des Eisens
aus verschiedenen Gründen zweckmäſsiger waren. Das Einsetzen und
Einschmelzen des Roheisens am höchsten Punkt des Herdes nahe der
Feuerbrücke hatte immer einen stärkeren Eisenabbrand zur Folge.
Allerdings gestattete der flache, fast horizontale Herd das Aus-
schöpfen mit Gieſskellen nicht. Wollte man das Eisen mit Gieſs-
kellen entnehmen, so muſste dem Herd unmittelbar vor der Einsatz-
thür eine Vertiefung gegeben werden. Doch kam man von dem
Schöpfen des Eisens mehr und mehr ab. Statt dessen brachte man
16*
[244]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
eine Abstichöffnung an der langen Seite des Herdes unter der Ein-
satzthür an, aus der man jeder Zeit, ähnlich wie beim Kupolofen,
beliebige Mengen von geschmolzenem Eisen entnehmen konnte. In
Staffordshire waren Öfen mit Doppelgewölben in Gebrauch. Die zwei
aneinanderstoſsenden Gewölbe sollten die Flamme mehr auf den Herd
niederdrücken. Derartige Flammöfen befanden sich zu Horseley bei
Dudley und zu Stourbridge 1).
Von gröſster Wichtigkeit war bei den Guſsflammöfen das Ver-
hältnis zwischen Rostfläche, Herd und Fuchs. Auch die Gestalt des
letzteren war von Einfluſs. Man machte denselben am besten trichter-
förmig, mit dem gröſseren Querschnitt gegen die Esse zu. Die Esse
muſste vor dem Ofen stehen und durfte der Fuchs nicht seitlich in
dieselbe geleitet werden. Um die Fuchsöffnung nach Bedürfnis z. B.
bei einer anderen Kohlensorte verengern zu können, brachte man gern
einen gemauerten Fuchsdamm an, der für die gröſste Weite gerichtet
war und den man durch Aufschütten von Sand erhöhen und dadurch
[245]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
die Fuchsöffnung verkleinern konnte. Das richtige Verhältnis zwischen
Fuchs- und Rostfläche muſste für jede Steinkohlenart durch Versuche
ermittelt werden. Die Essen der Guſsflammöfen machte man etwa
60 Fuſs hoch und versah sie zweckmäſsig mit einer Klappe an der
Ausmündung.
Bei den Flammöfen mit horizontalen Herden bedurfte das Ein-
setzen des Roheisens keiner besonderen Vorsicht, wie bei den stark
geschweiften Herden, und es bildete sich weniger Schaleneisen. Karsten
stellte die wichtigsten Gesichtspunkte, auf welche bei Erbauung eines
Guſsflammofens Rücksicht zu nehmen ist, wie folgt, zusammen 1):
Der Schmelzverlust war sehr viel von der zweckmäſsigen Kon-
struktion der Öfen abhängig und schwankte von 6 bis 7 Proz. bis zu
15 Proz. Bei stark geneigten Herden war er immer um mehrere
Prozent höher. Der Brennmaterialaufwand stellte sich beim Flamm-
ofenschmelzen damals ungefähr ebenso hoch als beim Kupolofen.
Was das Gieſsen selbst betrifft, so wendete man bei groſsen
Stücken den aufsteigenden Guſs mit kommunizierenden Einguſsröhren
da an, wo man befürchtete, daſs das einfallende oder rasch flieſsende
[246]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
Eisen ein Auswaschen der Form veranlassen könnte. Die Sand-
formerei fand in jener Periode immer mehr Verbreitung. Bei dem
Munitionsguſs hatte man sogar angefangen, die Kerne der Hohl-
kugeln aus Sand herzustellen 1). Dies geschah in sehr genau ge-
arbeiteten messingenen Kernbüchsen. Die
Kernspindel, Fig. 70, in welche man, um
den Sand festzuhalten, noch drei Quer-
hölzchen steckte, wurde von der messinge-
nen Kernbüchse, welche aus zwei Hälften und einem Deckel be-
stand, umschlossen. Die Kernbüchse wurde mit einem Schlieſshaken
geschlossen, mit der Spindel in einen eisernen Untersatz gesteckt
(Fig. 71), mit Sand angefüllt und dieser mit einem Stampfholz nicht
zu fest eingestampft. Dann legte man den Deckel
auf die Öffnung der Kernbüchse und drückte den
Sand fest, der dadurch eine völlig kugelförmige
Gestalt erhielt. Hiernach öffnete man die
Schlieſse, welche die beiden Teile des Kern-
kastens zusammenhielt, nahm den Kern heraus,
schwärzte ihn mit Kohlenstaub und trocknete ihn
über Kohlenfeuer, worauf er zum Guſs fertig war.
Bei dem Kunstguſs z. B. von Statuen wen-
dete man häufig ebenfalls eine Art von Kasten-
formerei an, indem man ein vorher fertig
gestelltes Modell in Kasten abformte, wozu man
eine sehr feine Formmasse, welche alle Eindrücke
des Modells annahm, wählte. Das Modell war in einzelne Teile
geteilt und ebenso teilte man den Mantel nach dem Einformen in so
viele Teile, als nötig war, um jeden unbeschädigt abheben zu können.
Emaillierte Guſsgeschirre kamen gleichfalls in immer all-
gemeinere Aufnahme und zwar ging Deutschland hierin voraus. Das
Hüttenwerk Lauchhammer führte diese Fabrikation 1815 bis 1820 mit
gutem Erfolg ein; ihm folgte Gleiwitz und dann 1822 bis 1824
Horzowitz, Blansko und Troppau. Dagegen war diese Fabrikation
in Frankreich und England 1828 noch nicht gelungen. Zu der Email-
oder Grundmasse bediente man sich gewöhnlich der Kieselerde (ge-
brannter und gemahlener Quarz), welche, mit Borax geschmolzen und
dann mit etwas gebranntem und geschlämmtem Thon versetzt, naſs
vermahlen wurde. — Zur Glasur wendete man in der Regel Feld-
[247]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
spat mit einem Zusatz von Natron und Borax an und setzte, um der
Glasur die Eigenschaft des besseren Deckens mitzuteilen, etwas Zinn-
oxyd zu 1). In England machte man damals sehr leichtes verzinntes
Guſsgeschirr. Der Formsand, den man dabei anwendete, war mit
etwas Steinkohlenpulver vermischt. Die gegossenen Gefäſse wurden
in einem Ofen, der einem Glasofen ähnlich war, getempert. Die-
jenigen, welche unrund aus der Form kamen, wurden in einem Flamm-
ofen stärker erhitzt und hierauf eine ringförmige Schablone, welche
genau die verlangte Form hatte, mit einigen Hammerschlägen in die-
selben getrieben. Die Töpfe wurden dann auſsen mit einer Feile,
innen mit Meiſseln poliert, indem man sie mittels einer Holzbüchse
auf eine Drehscheibe spannte. Dann brachte man das Zinn in den
Topf, rieb die Wände mit Salmiak, schwenkte um und goſs das
überflüssige Zinn in einen anderen Topf 2).
Die Herstellung von schmiedbarem Guſs war schon in der
vorhergehenden Periode ein selbständiger und wichtiger Industrie-
zweig geworden. In Frankreich gelang es 1818 Baradelle und
Déodor, die Fabrikation des schmiedbaren Gusses einzuführen, wofür
sie am 23. Septbr. 1818 den von der Gesellschaft zur Beförderung
der nationalen Industrie ausgesetzten Preis von 3000 Franken er-
hielten 3). Sie waren die ersten, denen es seit Reaumur gelungen
war, diesen Industriezweig im groſsen zu betreiben.
In Deutschland hatte dieses Verfahren noch keinen Eingang ge-
funden und was man davon wuſste, beruhte auf der berühmten Schrift
Reaumurs. Karsten behauptete noch, ein Gemenge von Knochen-
asche mit Kohlenpulver sei das beste Aduzierungsmittel, dagegen
seien Blutsteinpulver oder rotes Eisenoxyd und Kreide zu stark
wirkende Mittel. Das beste Guſseisen zum Adouzieren sei das aus
alten Stahl- und Stabeisenabgängen mit Kohlen im Tiegel ge-
schmolzene weiſse Roheisen 4).
Kastner unterzog 1823 den Prozeſs der Darstellung schmied-
baren Gusses einer wissenschaftlichen Untersuchung 5), wobei er zu
folgenden Resultaten kam: 1. Schwefel oder schwefelsaure Salze ent-
haltendes Eisenoxyd ist als Glühmittel unbrauchbar. 2. Der benutzte
[248]Die Eisengieſserei 1816 bis 1830.
Roteisenstein kann wieder benutzt werden, nachdem er einige Zeit
unter Besprengung mit Wasser und häufigem Umrühren an der Luft
gelegen hat und durch Erhitzen wieder vom Wasser befreit worden
ist. 3. Dichter Roteisenstein und faseriger Brauneisenstein lassen
sich ebensogut wie der gewöhnliche rote Glaskopf
verwenden, wogegen Braunstein kein vollkommen
weiches Eisen ergab.
Auch Kastner ist der Ansicht, daſs das Glühen
zwischen Kalk oder Sand denselben Erfolg haben
könne.
Die erste praktische Anwendung des Prozesses
in Deutschland scheint 1829 in Traisen bei Lilien-
feld in Österreich gemacht worden zu sein.
Hartguſs, d. h. Coquillenguſs mit abgeschreckter Oberfläche,
wendete man bei Herstellung der Eisenbahnräder an 1). Diese hatten
einen hartgegossenen (case hardened) Radkranz, indem man durch
Erfahrung gefunden hatte, daſs so hergestellte Räder weniger Reibung
erzeugten und länger hielten. Um die ungleiche Spannung in der
Nabe, die durch das Abschrecken des Kranzes entstand, unschäd-
lich zu machen, gab man dem Rad die Form Fig. 72 und spaltete
die Nabe, indem man
beim Formen ein dün-
nes Eisenblech ein-
setzte. Um die ge-
spaltene Nabe wurde
ein schmiedeeiserner
Ring heiſs aufgezogen.
Man machte auch Rä-
der mit schmiedeeiser-
nen Speichen, welche
eingegossen wurden,
doch waren diese nicht so dauerhaft. Die Räder hatten etwa 30 Zoll
Durchmesser und wogen 140 kg das Stück.
Zum Hartmachen des Radkranzes bediente man sich der Coquille
(Fig. 73 a), deren innere Fläche genau der Fläche des Radkranzes
entsprach und welche mit eingeformt wurde. Man vergoſs graues,
weiches Roheisen, welches aber an der Berührungsstelle mit der
[249]Das Eisenfrischen 1816 bis 1830.
Coquille weiſs und hart wurde und bediente sich dazu des Form-
kastens, Fig. 73 b. Im Bruch zeigte das Rad von auſsen einen weiſsen
Ring von eigentümlichem, strahligem Gefüge, welcher etwa ½ Zoll
tief eindrang, während das Innere grau war. Der Kranz war so glatt,
daſs er nicht weiter abgedreht zu werden brauchte.
Hartguſswalzen kannte man schon lange. Sie werden erwähnt
in einem Patent (Nr. 3601) von John Burn von 1812. Die Herstellung
derselben geschah in der Weise, daſs die Walzenkörper in starken
eisernen Coquillen gegossen wurden, während man die beiden Zapfen
in Lehm formte 1). William Church nahm 1815 ein Patent (Nr. 5084)
Hartguſsstücke in Coquillen unter Druck herzustellen.
Jakob Hollingrake zu Manchester erhielt 1819 ein Patent auf
ein Verfahren, beim Guſs von Metallen ein dichteres Gefüge zu er-
zielen. Zu diesem Zweck will er in die Formen, nachdem das flüssige
Metall eingegossen ist, eiserne oder andere Stempel einpressen, um
das Metall unter hohem Druck erstarren zu lassen, wodurch ein
dichteres, gleichförmiges Gefüge entstehen soll. Es war nur die Idee,
die sich Hollingrake patentieren lieſs, zur praktischen Ausführung
scheint sie damals nicht gekommen zu sein.
Wie die richtige Erkenntnis der Schlackenbildung und die
chemische Untersuchung der Schlacken in dieser Periode wesentlich
zur Aufklärung des Hochofenprozesses beitrug, so läſst sich dasselbe
von dem Frischprozeſs sagen. Man hatte empirisch längst
zwischen Garschlacken und Rohschlacken unterschieden, aber erst die
chemische Analyse stellte diesen Unterschied klar und die genauere
Untersuchung der Frischschlacken in den verschiedenen Stadien des
Frischprozesses führte erst zu einer richtigen Theorie desselben.
Man erkannte namentlich die hohe Bedeutung der Schlacken und
daſs diese eigentlich die Einwirkung des Sauerstoffs der Luft auf das
Eisen vermittelten. Karsten gebührt auch hier das Verdienst, den
Vorgang mit gröſster Klarheit erkannt und erklärt zu haben. Alles
Roheisen, welches viel Silicium enthält, giebt eine rohere Frisch-
schlacke als Roheisen mit geringem Siliciumgehalt. Die von silicium-
reichem Eisen beim Beginn des Frischens fallende Schlacke enthält
[250]Das Eisenfrischen 1816 bis 1830.
mehr Kieselsäure als ein einfaches Silikat; es nähert sich einem
Bisilikat. Erst nach einiger Zeit tritt die Bildung einer normalen
Rohschlacke ein, welche in ihrer Zusammensetzung im allgemeinen
einem Singulosilikat entspricht. Im weiteren Verlauf nimmt die
Schlacke immer mehr Eisenoxydul auf und geht nach und nach in
Garschlacke über, deren Kieselsäuregehalt zuletzt so gering wird, daſs
die Masse nicht mehr verglast, sondern als gesinterte Masse, Schwahl,
erscheint. Eine bestimmte Grenze zwischen Roh- und Garschlacke
giebt es nicht.
Folgende Analysen 1) geben über die Zusammensetzung von Roh-
und Garschlacke Aufschluſs:
I. ist eine sehr gare und II. eine sehr rohe Schlacke von Skebo;
beide Analysen rühren von Sefström her, III. ist eine Rohschlacke
von Rybnik vom Anfang des Verfrischens von grauem Roheisen,
IV. eine Garschlacke aus einer späteren Periode desselben Frischver-
suches; beide Analysen sind von Karsten. Daſs reine Rohschlacke
ein Singulosilikat sei, ging auch daraus hervor, daſs dieselbe bei
dieser Zusammensetzung krystallisierte. Mitscherlich untersuchte
krystallisierte Frischschlacke und fand dieselbe zusammengesetzt aus
67,24 Eisenoxydul und 31,16 Kieselsäure, mit einer geringen Bei-
mischung von 0,65 Bittererde. Berthier, der die Puddelschlacken
chemisch untersuchte, hat keine bestimmten Verbindungen von Eisen-
oxydul und Kieselsäure nachweisen können, sondern fand nur in jedem
Stadium des Prozesses wechselnde Gemenge 2).
Die Frischschlacke und zwar die Garschlacke ist es, welche
die Oxydation des Kohlenstoffs im Roheisen, also das Frischen, bewirkt.
Nach Karsten’s Erklärung (2. Aufl., §. 1145) geschieht dies durch das
überschüssige Eisenoxydul derselben, welches die Oxydation des
[251]Das Eisenfrischen 1816 bis 1830.
Kohlenstoffs unter Reduktion zu Eisen bewirkt. Diese Reaktion
dauert nach Karsten so lange fort, bis die Schlacke wieder zu Roh-
schlacke geworden ist, vorausgesetzt, daſs ein Überschuſs an Roheisen
vorhanden ist. Obgleich diese Theorie nicht ganz richtig ist und
durch spätere Beobachtungen modifiziert wurde, kam sie doch der
Wahrheit nahe und war ein groſser theoretischer Fortschritt. Karsten
prüfte an der Hand derselben die Vorgänge bei den Frischprozessen
auf das genaueste.
Die Schlacken, welche beim Hartzerennen fielen, haben sich
nach den Analysen Berthiers als Garschlacken, welche sich in ihrer
Zusammensetzung einem reinen Subsilikat nähern, erwiesen. Auch
hierbei war der Gehalt an Kieselsäure und Manganoxydul am Anfang
des Prozesses am gröſsten, am Ende desselben am geringsten.
Alles Frischroheisen erblies man damals noch, wenn die Erze
nicht von besonderer Güte waren, grau, weil man nur aus grauem
Roheisen die Verunreinigungen genügend abscheiden konnte. Durch
den zu raschen Verlauf des Frischprozesses mit weiſsem Roheisen
blieb diese Abscheidung ungenügend. Anders verhielt sich dies bei
dem weiſsen Eisen, welches man durch einen besonderen Reinigungs-
prozeſs aus dem grauen Eisen erhalten hatte. Ein solches Reinigen,
wie es bei dem Hartzerennen und in den Feineisenfeuern geschah,
wendete man mit Vorliebe besonders bei Koksroheisen an. Es hatte
nicht nur den Zweck, die Unreinigkeiten zum Teil schon vorher zu
entfernen, sondern auch das Roheisen in einen Zustand überzuführen,
in welchem es leichter frischte. Dieses war bei dem weiſsen Eisen
der Fall, welches dick und breiartig einschmolz, während graues
Eisen zwar schwer, aber dünnflüssig einschmolz und dadurch sich
der frischenden Wirkung der Luft weit mehr entzog.
Man versuchte dieses Weiſsmachen des grauen Eisens in manchen
Gegenden schon im Gestell des Hochofens zu bewirken. Dies konnte
geschehen durch das erwähnte Füttern mit reinen Eisenerzen durch
die Windform oder durch ein Umlegen der Form, so daſs der Wind-
strom abwärts auf das flüssige Eisen geleitet wurde, wie dies bei der
Schleidenthaler Arbeit (vgl. Bd. II, S. 204) der Fall war. Ein dem
letzteren ähnliches Verfahren war auf mehreren Hochöfen von Berry
in Gebrauch. Hier hatte man zwei Formen, von denen die eine in
gewöhnlicher Stellung festlag, während man die andere von Zeit zu
Zeit richtete, so daſs sie auf das Eisen blies und dies entkohlte.
Es war dies ein verbessertes Verfahren der Schleidenthaler Arbeit,
weil hierbei der Schmelzprozeſs nicht unterbrochen wurde. Alle diese
[252]Das Eisenfrischen 1816 bis 1830.
Verfahren waren nur bei sehr gutartigen Erzen und leichtflüssiger
Beschickung anwendbar.
Anthony Hill nahm 1817 ein Patent darauf, das Eisen dadurch
zu feinen, daſs er das flüssige Eisen durch ein siebartiges Gefäſs laufen
lieſs; die dünnen Metallstrahlen fielen durch ein geschlossenes Rohr,
wo sie mit einem Windstrom in Berührung kamen, in Wasser. Hier-
durch sollte das Roheisen gefeint und granuliert werden.
Eine andere Methode bestand darin, das graue Roheisen durch
Umschmelzen im Flammofen weiſs zu machen. Der Ofen muſste
hierbei einen flachen Herd haben, um dem Metall viel Oberfläche
zu geben, auch schmolz man keine groſsen Sätze auf einmal ein.
Dieses Verfahren war von Vanderbrock 1826 auf dem Hüttenwerk
zu Geislautern versucht worden 1). Um das Weiſsen zu beschleunigen,
setzte man dem Roheisen Garschlacken zu, entweder vor oder nach
dem Einschmelzen, und rührte die flüssige Masse um. Gewöhnlich
bestand der Einsatz aus 15 bis 18 Ctr. Roheisen und 3 bis 4 Ctr. Frisch-
schlacken. Durch Schöpfproben überzeugte man sich von dem Fort-
gang des Prozesses. Man stach das weiſs gemachte Eisen mit den
Schlacken ab und übergoſs es mit einer reichlichen Menge Wasser.
Der Abbrand betrug 1 bis 3 Proz., der Kohlenverbrauch 1 Kbfſs. auf
den Zentner Weiſseisen.
Bei dem Verfahren, das Weiſsen durch Einrühren von Schlacken
zu bewirken, wurden die Unreinigkeiten des Eisens nur sehr wenig
abgeschieden. Aus diesem Grunde wendete man häufiger das Weiſsen
im Feineisenherd vor dem Gebläse an; besonders bei Steinkohlen-
betrieb, weil man Koks dabei verwenden konnte. Dieses Feinen
hatte die gröſste Ähnlichkeit mit dem Hartzerennen, doch wurde bei
ersterem eine weitgehendere Abscheidung des Kohlenstoffs und der
Verunreinigungen des Eisens erreicht. Berthier fand eine bedeutende
Menge Phosphorsäure in der Schlacke eines Feineisenfeuers.
Die Schlacke des Feineisenfeuers entsprach der Rohschlacke beim
Einschmelzen im deutschen Frischherd und in der That hatte das
erste Einschmelzen des Roheisens bei dem deutschen Frischverfahren
auch keinen anderen Zweck, als das graue Roheisen in den Zustand
des Weiſseisens überzuführen, was bei so niedriger Temperatur
geschah, daſs die teigige Masse sich aufbrechen lieſs. Die englischen
Feineisenfeuer selbst bekamen in dieser Periode die Form länglicher
[253]Das Eisenfrischen 1816 bis 1830.
Herde, welche statt von eisernen Platten von hohlen eisernen Kasten
umgeben waren, in welchen fortwährend Wasser zirkulierte. Fig. 74
stellt ein solches Feineisenfeuer von Dudley in Staffordshire dar 1).
Nach Parry wäre der Erfinder dieser Konstruktion ein unbekannter
Mann gewesen. Während die Fein-
eisenfeuer, welche Dufrénoy und
Élie de Beaumont 1823 in Staf-
fordshire gesehen hatten, läng-
liche Herde ohne gekühlte Wände
mit drei Wasserformen auf einer
der langen Seiten gewesen waren,
so erblicken wir in unserer
Zeichnung bereits die verbesserte
Konstruktion mit Wasserkühlung
der Herdwände und wassergekühl-
ten Formen, welche zu je zwei
auf den beiden langen Seiten
verteilt sind. Vor dem Abstich
befindet sich eine 3 m lange und 0,457 m breite eiserne Rinne, in
welcher man das „fine metal“ laufen lieſs. Die Formen hatten eine
Neigung von 30, manchmal bis zu 45°. Der Herd war 1,06 m lang,
0,96 m breit und 0,35 m tief. Ein Feineisenfeuer brauchte viel Wind,
nach Dufrénoy und Beaumont ⅛ der Windmenge eines Hoch-
ofens, also ca. 3 bis 4 Pferdekräfte. Die fünf Feineisenfeuer der
[254]Das Eisenpuddeln 1816 bis 1830.
Hochofenanlage von Dowlais, welche etwas geräumiger waren als
die beschriebenen, wurden von einer Maschine von 60 Pferdekräften
bedient, so daſs auf jedes 12 Pferdekräfte kamen. Der Betrieb war
kontinuierlich. Man stach jedesmal 20 bis 25 Ctr. Roheisen ab und
füllte dann den Herd gleich wieder. Alle drei Stunden konnte ein
Abstich erfolgen. Der Abgang betrug 12, höchstens 15 Proz., der
Koksverbrauch etwa einen Kubikfuſs auf den Zentner Feineisen. Zu
Ebbw-Vale wendete man in den zwanziger Jahren, um bestes Ketten-
eisen (cable-iron) zu machen, gesalzene Koks an, indem man diese
in Salzsoole tauchte und dann trocknete. Das Feineisen war um so
vollkommnener, je mehr es sich dem Zustand des luckigen Flosses
näherte.
Das englische Flammofenfrischen oder der Puddelprozeſs
gewann in dieser Periode immer mehr an Bedeutung. Er fand Ein-
gang in Frankreich, Belgien und in Deutschland. In den erstgenannten
Ländern wurden bereits groſsartige Puddelwerke angelegt.
Bei dem Puddelprozeſs ist es von besonderer Wichtigkeit, daſs
das eingeschmolzene Roheisen durch eine Schlackendecke geschützt
wird, indem das Eisen, wenn es bei der hohen Temperatur unmittelbar
der Einwirkung des Sauerstoffes der Luft ausgesetzt wäre, zum
groſsen Teil verbrennen würde. Auch hier muſsten die Schlacken
die Übertragung des Sauerstoffs vermitteln, den Kohlenstoff oxydieren,
ohne das Eisen zu verbrennen.
Schwer schmelzbares graues Roheisen galt als zum Verpuddeln
weniger geeignet als das leicht schmelzbare weiſse Eisen, weil es eine
zu hohe Schmelztemperatur besass und zu dünnflüssig war. Hierdurch
wurde das Verbrennen des Eisens gefördert, die Entkohlung aber ver-
zögert. Das beste Material war der luckige Floſs oder gefeintes Eisen,
und zwar um so mehr, weil es auch reiner, namentlich von Schwefel
und Phosphor und Silicium, als das graue Roheisen war. Auf der
anderen Seite erforderte das Puddeln von luckigem Floſs oder fine
metal wegen des raschen Verlaufes gröſsere Geschicklichkeit und Auf-
merksamkeit der Arbeiter.
Da man sich beim Verpuddeln des grauen Roheisens reichlichen
Schlackenzusatzes bediente, so bezeichnete man es auch als Schlacken-
puddeln. Über die wichtige Erfindung des direkten Verpuddelns
von grauem Roheisen wissen wir Näheres nicht. Schafhäutl schreibt
[255]Das Eisenpuddeln 1816 bis 1830.
sie einem englischen Hüttenmanne, namens Brown, zu 1). Die groſse
Schlackenmenge, welche sich beim Puddeln des grauen Eisens bildete,
zwang zur Anlage einer Fuchsbrücke, welche bei dem Trockenpuddeln
nicht nötig war.
1828 erhielt William Jones in England ein Patent auf das
Vorwärmen des Roheisens. Er setzte das Roheisen in erhitztem Zu-
stande in den Puddelofen ein und beschleunigte dadurch den Prozeſs.
Der Vorwärmofen war mit dem Puddelofen verbunden und wurde
durch ihn geheizt.
Ein groſser Fortschritt bestand in der Einführung eiserner
Herde an Stelle der alten Sandherde in den Puddelöfen. Es ge-
schah dies um 1818 durch Samuel Baldwyn Rogers von Nant-y-Glo,
Glamorganshire 2), und zwar mit groſsem Erfolg, doch nahm er kein
Patent darauf. Er bot seine Erfindung den groſsen Hüttenbesitzern
A. Hill zu Plymouth-Ironworks, Forman zu Pendarren, Hall zu
Rhymney-Ironworks, Homfray zu Tredegar und Crawshay zu
Cyfartha zum Kauf an, aber diese spotteten darüber und schenkten
der Sache keinen Glauben. Die wöchentliche Produktion eines Puddel-
ofens betrug damals nur 8 Tonnen, Rogers erzielte mit seinem ver-
besserten Puddelofen 20 bis 24 Tonnen. Es war nicht der eiserne
Boden allein, der dies bewirkte, sondern der eiserne Boden in Ver-
bindung mit einer garenden Herdmasse oder einem Fluſsmittel. Durch
diesen Fluſs sollte nach Rogers Angabe der Puddler im stande sein,
jede Qualität von Eisen zu erzeugen. Dieser Teil seiner Erfindung
wurde durch Mr. Harford auf den Ebbw-Vale-Ironworks zuerst prak-
tisch in Anwendung gebracht.
Rogers Fluſs hatte folgende Zusammensetzung:
Weder die Anwendung von Fluſsmitteln noch von eisernen Böden
war neu. Erstere hatte Mushet schon angewendet und lange zuvor
war sie schon von John Payne 1728, John Wood 1761 und James
[256]Das Eisenpuddeln 1816 bis 1830.
Goodyer 1771 vorgeschlagen worden. Eiserne Böden hatten schon
Robert Gardner 1788 und William Taylor 1793 in Vorschlag
gebracht. Die Verbindung des eisernen Bodens und eines garen Zu-
schlages, die erfolgreiche Anwendung derselben auf den Puddelprozeſs ist
das Verdienst Rogers, und wenn die Erfindung als solche nicht sehr
bedeutsam zu sein scheint, so war doch ihr Erfolg ein so bedeutender’
daſs der eiserne Boden nach wenigen Jahren überall in Anwendung
kam. Die Produktion der Puddelöfen erfuhr dadurch eine groſse
Steigerung. Rogers hatte nur wenig Dank und keinen Lohn davon;
er starb anfangs der 60er Jahre als ein armer Mann im 85. Lebens-
jahre. Den Herdboden über dem eisernen Boden machte man aus
Eisenschlacke, Sand oder Garschlacke (ironslag, sand or scoria). R. S.
Harford wendete statt dieser Holzkohlenpulver an (Pat. 4634 vom
9. Januar 1822), wodurch er den eisernen Boden besser zu schützen
hoffte. In Frankreich bedeckte man den eisernen Boden der Puddel-
öfen in der Regel, namentlich nach den Ecken hin, mit strengflüssigen
Frischschlacken. Doch wendete man auch zuweilen Kalk an. Ver-
suche, welche zu Couvin in Frankreich 1828 mit Kalk gemacht wurden,
lieferten ein günstiges Ergebnis 1).
Die Puddelöfen hatten früher aus einem massiven Mauerwerk be-
[257]Das Eisenpuddeln 1816 bis 1830.
standen. Man vereinfachte die Konstruktion, indem man den Ofen
in einen Mantel von guſseisernen Platten stellte, welchen man nur
mit feuerfesten Ziegeln ausmauerte. Die Ziegel waren 9 Zoll lang.
Auf ihre Feuerbeständigkeit kam das meiste an. Die eisernen Platten,
welche den Herd bildeten, waren 3 bis 3½ Zoll dick. Anfänglich
bediente man sich einer einzigen Platte, später teilte man sie in drei
Platten von 7 bis 8 Fuſs Länge und 1¼ bis 1½ Fuſs Breite. Sie
ruhten auf vier bis fünf guſseisernen Trägern oder auf zwei an den
Mantel geschraubten eisernen Platten. Fig. 75 zeigt den Bau und
die Einrichtung eines Puddelofens mit eisernem Boden, wie Dufrénoy
und Élie de Beaumont solche zu Staffordshire im Jahre 1823 ge-
sehen hatten. — Die Puddelöfen in Süd-Wales hatten eine längliche
Gestalt; Fig. 76 giebt die Abbildung derselben nach der Zeichnung
von Coste und Perdonnet von 1830.
Der Herd des englischen Puddelofens war in der Regel 6 Fuſs
lang und 4 Fuſs breit, der Rost war 3½ bis 4½ Fuſs lang und
2 Fuſs 8 Zoll bis 3 Fuſs 4 Zoll breit, je nach der Beschaffenheit der
Steinkohlen. Der Rost bestand meist aus zehn geschmiedeten eisernen
Roststäben und lag 18 Zoll unter der Feuerbrücke. Der Aschenfall
Beck, Geschichte des Eisens. 17
[258]Das Eisenpuddeln 1816 bis 1830.
unter dem Roste hatte eine Höhe von 41 Zoll, wovon sich 24 Zoll
unter der Hüttensohle befanden. Die Höhe der Feuerbrücke bis zum
Gewölbe betrug 10 Zoll. Das Gewölbe senkte sich nach der Fuchs-
öffnung. Der Herd des Puddelofens lag bei der Feuerbrücke 10 Zoll
unter dieser. Der Sandherd war muldenförmig, an seiner schwächsten
Stelle 9 Zoll dick. Die Fuchsöffnung war 12 Zoll breit und 12 Zoll
hoch, die wirkliche Höhe betrug durch die Sandaufschüttung aber nur
8 bis 9 Zoll. Die Arbeitsthür war von Guſseisen und inwendig mit
feuerfesten Ziegeln ausgemauert. In der Mitte derselben unten befand
sich ein kleineres Thürchen, die eigentliche Arbeitsöffnung. Die Thür
bewegte sich in guſseisernen Schienen von 14 Zoll Abstand und wurde
durch einen Hebel aufgezogen. — Die Esse, welche 30 bis 45 Fuſs
hoch war, konstruierte man mit gröſserer Sorgfalt wie früher und
stellte sie, um Mauerwerk zu sparen und um den groſsen Temperatur-
schwankungen widerstehen zu können, in eine starke eiserne Ver-
ankerung 1). Der Querschnitt der Esse war rechtwinkelig. Gewöhnlich
leitete man zwei Puddelöfen in eine Esse, welcher man dann einen
länglichen Querschnitt gab. Legte man die beiden Puddelöfen neben-
einander, so erhielten sie eine gemeinschaftliche Seitenmauer. Man
ging aber in dieser Zeit bereits zu Doppelöfen über, bei welchen zwei
Puddelöfen ohne Scheidewand vereinigt waren. Bei diesen muſste die
Arbeit des Einsetzens, Rührens und Luppenmachens gleichzeitig ge-
schehen, aber sie erfolgte von zwei Seiten aus durch die beiden gegen-
überliegenden Arbeitsthüren. Der Zweck war Kohlenersparung.
Eine andere Konstruktion, welche man in England an einigen
Orten eingeführt hatte, bestand darin, daſs man zwei Herde über-
einander anlegte und die Flamme von dem unteren über den oberen
hinführte. Auf dem oberen Herde wurde das Roheisen vorgewärmt
und zwar bis zu einem breiartig erweichten Zustande. Die Anord-
nung der übereinandergebauten Herde hatte sich indeſs nicht be-
währt. Doch bemerkt Karsten mit Recht: es ist indeſs zu er-
warten, daſs dies vorteilhafte Verfahren nicht wieder in Vergessenheit
kommen wird, wenn man auch die Vorrichtung nur so trifft, daſs
man das zu verfrischende Roheisen durch die jetzt unbenutzte Flamme
in eine anhaltende und starke Glühhitze versetzt, durch welche das
Feineisen schon bedeutend vorbereitet (gebraten) werden würde, wenn
es demnächst auch in einem fast erkalteten Zustande auf den Herd
des Frischofens gebracht würde.
Die Sandherde erhielten sich noch einige Zeit neben den eisernen
Herden. Man konnte auf den letzteren das Eisen nicht unmittelbar
einsetzen, sondern man beschüttete die eiserne Herdplatte vorher
einige Zoll hoch mit gepochter schwer schmelzender Frischschlacke,
welche durch scharfes Feuer in einen breiartigen Fluſs gebracht
wurde und dann die eigentliche Grundlage für das zu puddelnde
Roheisen bildete.
Es ist leicht einzusehen, daſs bei dem Sandherde ein gröſserer
Eisenabbrand statthatte, indem jedes Teilchen oxydierten Eisens gleich
Gelegenheit fand, sich mit der Kieselsäure des Herdes zu verbinden,
was bei dem basischen Schlackenherde nicht der Fall war.
Man bediente sich zweier verschiedener Frischmethoden. Das
trockene Puddeln ohne Schlackenzusatz wurde bei dem Feineisen
oder dem luckigen Floſs angewendet, während man das graue und
halbierte Eisen mit Schlackenzusatz verschmolz, welches Verfahren
man Schlackenpuddeln nannte. Der Roheiseneinsatz betrug 2½
bis 4 Ctr., bei Doppelöfen 7 Ctr. Das Frischen trat erst ein, wenn
das Eisen in einen breiartigen Zustand übergegangen war. Man
schmolz deshalb bei scharfer Hitze, also bei offener Klappe ein und
fing dann erst an zu dämpfen. Bei dem Feineisen trat der brei-
artige Zustand bald, etwa nach 20 Minuten, ein, bei dem grauen
Eisen muſste die Schlacke diesen erst herbeiführen, was längere Zeit
dauerte und durch Rühren beschleunigt wurde. Hierauf begann dann
das eigentliche Puddeln oder Durchrühren bei geschlossener Essen-
klappe. Erst nach der Frischperiode durfte man, wenn die Masse
zu kalt geworden war, wieder eine starke Hitze geben. Die Frisch-
periode dauerte 40 bis 45 Minuten. Hierauf begann die Schweiſs-
periode und das Luppenmachen. Die Luppen (balls) brachte man
unter den Hammer oder das Walzwerk.
Mit der Verbesserung der Puddelöfen ging die Verbesserung der
Hämmer und Walzwerke Hand in Hand.
Wie schon früher erwähnt, bediente man sich in England allge-
mein der schweren eisernen Stirnhämmer in eisernen Gerüsten, um die
Luppen aus dem Puddelofen zusammenzuschlagen und dicht zu machen,
ehe man sie unter die Vorwalzen brachte. Fig. 77 (a. f. S.) zeigt
einen englischen Stirnhammer nach der Abbildung von Dufrénoy
17*
[260]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
und Élie de Beaumont. Man hatte diese Konstruktion in der Weise
verbessert, daſs man die 80 bis 100 Ctr. schweren Stirnhämmer nicht
mehr unmittelbar am Kopfe, sondern an einer unten angebrachten Ver-
längerung des Hammerhelmes hob. Dadurch wurde der Amboſs frei und
von allen Seiten zugänglich. Die hebende Kraft muſste aber stets
möglichst nahe am Kopfe des Hammers, dessen Hub nur 9 bis 10 Zoll
betrug, angreifen. Bei diesen schweren Hämmern war die Hammer-
bahn im Kopfe des guſseisernen Hammers eingelassen und festgekeilt,
um dieselbe, wenn sie schadhaft geworden war, herausnehmen und
auswechseln zu können. Man stellte die Hammerbahn zur Bahn des
Ambosses in Kreuzform, um nach Umständen auch ausrecken zu
können. — Der Amboſs bestand aus zwei Teilen, dem eigentlichen
Amboſs, der etwa 400, und der Chabotte, welche 4000 kg wog.
Die Walzwerke konstruierte man sorgfältiger und stärker; die
mit Pilarengerüsten (laminoirs à colonnes), welche meist aus ge-
schmiedeten eisernen Pilaren, seltener aus gegossenen Säulen be-
standen, wurden mehr und mehr verdrängt durch die mit Ständer-
gerüsten (laminoirs à cage).
Nur bei den Blechwalz-
werken erhielten sich die
ersteren. Hierbei wurden
die zwei zusammengehöri-
gen Pilaren durch starke
guſseiserne Kappen oder
Sättel zusammengehalten.
Fig. 78 stellt das Pilaren-
gerüst eines Blechwalz-
werks der Rybniker Hütte
aus den 20er Jahren dar. Bei den Ständergerüsten goſs man die
Ständer mit der Sohlplatte und gewöhnlich auch mit dem Sattel
aus einem Stück, so daſs ein solches Gerüst aus zwei gegossenen
Ständern bestand. Nur bei den kleineren Ständergerüsten für
Schmiedeeisen wendete man ebenfalls bewegliche Sättel an, um
schneller ein Auswechseln der Walzen vornehmen zu können. Die
feste Verbindung der Ständer oder Pilaren mit dem Fundament war
bei den Walzwerken von gröſster Wichtigkeit. Man muſste für viele
Walzengerüste schon bei der Fundamentierung auf eine oft notwendig
werdende Verschiebung oder Verstellung der Ständer, um längere
Walzen einlegen zu können, Rücksicht nehmen. Bei den Vorwalzen
und den Stabwalzen war dies nicht nötig, indem man hier alle
[261]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
erforderlichen Einschnitte in den Walzen anbringen konnte, anders
verhielt es sich bei Flacheisen-, Blech- und Façoneisenwalzen.
In der Regel lagen in jedem Walzengerüst nur zwei Walzen und
man reichte die Stäbe oder Bleche nach jedem Durchgang über die
obere Walze zurück. Bei dünnen Eisensorten ging aber dadurch zu
viel Zeit verloren, und die Stäbe kühlten sich zu sehr ab, wenn man
auch den kleinen Walzen eine Umlaufsgeschwindigkeit von 180
[262]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
Drehungen in der Minute gab. Bei diesen pflegte man deshalb drei
Walzen übereinander zu legen und das Eisen auch auf dem Rückgang
durchzuwalzen. Fig. 79 und 80 stellen ein englisches Feineisenwalzwerk
mit drei Cylindern nach Dufrénoy und Élie de Beaumont dar. Die
Kuppelung bestand aus einem angegossenen Kreuz, über welche eine
Muffe geschoben wurde (Fig. 81). Die mittlere
Walze, welche mit der bewegenden Kraft
in Verbindung stand, wurde mit den anderen
Walzen durch Kuppelungsräder verbunden
(s. Fig. 79).
Bei den Vorwalzen, den Stab- und
Bandeisenwalzwerken wurde die Oberwalze
durch die Stellschraube so fest gegen die
untere Walze gedrückt, daſs ein Heben
nicht statthatte. Beide Walzen blieben in
unveränderter Stellung zu einander. Bei
den Blechwalzen dagegen lag die Oberwalze
lose auf und wurde die Stellschraube nach
jedem Umgang angezogen, um den Spiel-
raum für das zu walzende Blech zu be-
stimmen. Damit die Oberwalze nach dem
Durchgang des Bleches nicht mit ihrem
vollen Gewichte auf die untere Walze herab-
fiel, waren Gegengewichte in dem unteren
Zapfenlager angebracht, welche diesen Fall
unschädlich machten (s. Fig. 78). Die guſseisernen Zapfen der Walzen
lieſs man auf kupfernen oder messingenen Pfannen oder Lagerschalen
laufen. Statt der Pfannen bediente man sich auch wohl dreier ein-
gelegter Metallstäbe. Obgleich die Stellschraube bei den Stabwalzen
nur zum Feststellen diente, was ebenso gut durch Keile geschehen
[263]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
konnte, so zog man doch die Schraube als die vollkommenere und
bequemere Vorrichtung vor.
Die Stellschrauben der Blechwalzwerke (Fig. 82) erforderten eine
viel gröſsere Genauigkeit. Während man die Schrauben bei den
Stabwalzen aus Guſseisen anfertigen konnte, stellte man die Stell-
schrauben der Blechwalzen aus Schmiedeeisen und die Muttern aus
Kupfer oder Messing her. Diese Schrauben erhielten flachere, sorgfältig
geschnittene Gewinde. Jedes Ständergerüst erhielt nur zwei Stell-
schrauben (Fig. 82), wogegen die Pilarengerüste (Fig. 78) in der Regel
vier Schrauben erhielten.
Ein Paar Blechwalzen erforderten 30 Pferdekräfte Betriebskraft.
Die Walzen selbst wurden abgedreht. Die Blechwalzen muſsten glatt
und sauber sein; ihre Länge betrug von 18 Zoll bis 6 Fuſs, ihre
Dicke von 10 bis 20 Zoll. Dicke Walzen breiten besser, dünne
strecken besser.
Die Stabwalzen erhielten mindestens 14 Zoll, meist aber 15 bis
18 Zoll Durchmesser bei einer Länge von 3¾ bis 4½ Fuſs. Die Vor-
oder Präparierwalzen (französ. cylindres dégrossisseurs ou ébaucheurs;
engl. roughing-rolls), welche das meist vorgeschmiedete Luppeneisen
zusammendrückten und erst zu Kolben, dann zu flachen Stäben, soge-
nannten Luppenstäben, auswalzten, bedurften keines so sauberen Ab-
drehens als die eigentlichen Stabeisenwalzen. Die Präparierwalzen
bestanden aus zwei Gerüsten; in dem ersten Walzenpaar wurde das
[264]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
Eisen gezängt und zu groben Quadratstäben ausgewalzt, welche dann in
dem zweiten Gerüst zu Flachstäben oder Platinen ausgereckt wurden.
Bei den Präparierwalzen versah man zuweilen den ersten Ein-
schnitt mit einer Warze, um die Luppe besser ergreifen und festhalten
zu können. Dufrénoy und Élie de Beaumont gaben die Länge
der englischen Vorwalzen mit den Zapfen auf 7 Fuſs, ohne diese auf
5 Fuſs an, bei 18 Zoll Dicke. Die ersten fünf bis sieben Öffnungen
waren elliptisch, derart, daſs immer die kleine Achse der einen der
groſsen Achse der folgenden entsprach. Zuweilen waren die ellipti-
schen Einschnitte mit den rechtwinkeligen auf derselben Walze. Dies
geschah da, wo die Luppe erst unter dem Hammer gezängt wurde.
Die Flächen der Einschnitte waren oft durch Hiebe rauh gemacht,
ähnlich einer Feile, um das Eisen besser zu packen.
Die Einschnitte der Ober- und Unterwalzen korrespondierten
genau. Beide Walzen waren also ganz gleich. Man pflegte sie nicht
zu drehen, sondern die Rinnen schon einzugieſsen, da es hierbei auf
glatte Oberfläche nicht ankam. Dagegen erhielten die Walzen in dem
zweiten Gerüst eingedrehte Einschnitte in der unteren Walze, in
welche die Rippen der oberen Walze genau paſsten. Unter dem ersten
Walzenpaar erhielt man in der Regel dreizöllige Quadratstäbe. Die
Querschnitte der aufeinanderfolgenden Kaliber nahmen im Verhältnis
von 5 zu 4 ab. Bei dem zweiten Walzenpaar behielt man bei den Ein-
schnitten dieselbe Breite bei und machte nur jeden folgenden Querschnitt
entsprechend niedriger. Wollte man den dreizölligen Quadratstab zu
Schienen von 3 Zoll Breite und ½ Zoll Höhe auswalzen, so muſste
er sieben bis neun Einschnitte von 3 Zoll Breite passieren. In Eng-
land schmiedete man die Luppen an manchen Plätzen unter dem
Stirnhammer zu breiten Stücken aus, die man dann durch ein Paar
Walzen mit scharfen, 1 Zoll hohen Rippen passieren lieſs. Dadurch
erhielten sie tiefe Einschnitte und konnten leicht mit dem Handhammer
zerschlagen werden.
Auch das eigentliche Stabeisenwalzwerk (Fig. 83 und 84) bestand
aus zwei Gerüsten. In dem ersten wurden die Kolben zu Quadratstäben
ausgezogen, die man unter den Walzen des zweiten Gerüstes zu Flach-
stäben auswalzte. Bei den Walzen der Quadratstäbe befanden sich
die Einschnitte in beiden Walzen gleich verteilt, während bei den
Walzen für die Flachstäbe die Vertiefungen nur in die unteren Walzen
eingedreht waren Das Abdrehen der Stabeisenwalzen muſste mit der
gröſsten Sorgfalt geschehen. Die Abnahme der Querschnitte erfolgte
auch hier im Verhältnis von 5 zu 4. Jede Flacheisensorte muſste
[265]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
mehrere Kaliber passieren. Infolgedessen waren für verschiedene
Flacheisen eine gröſsere Zahl von Walzengarnituren erforderlich.
Auf der Seite, wo das Eisen in die Walzen gesteckt wurde, war
eine Einlaſsplatte (tablier) angebracht, welche die Kaliber zeigte und
zugleich als Führung diente, während auf der anderen Seite, wo das
Eisen austrat, Abstreifmeiſsel befestigt waren (s. Fig. 85).
Das Eisen muſste immer den höchsten Grad der Schweiſshitze
haben, damit der fertige Stab noch mehr weiſs- als rotglühend die
Walze verlieſs. — Stabwalzen machten in England 85 bis 140 Touren
in der Minute, die Vorwalzen gingen etwa ⅓ so schnell. Obige Zeich-
nungen, Fig. 83 und 84, stellen das Stabeisenwalzwerk der Rybniker-
hütte in Schlesien dar, welches vom Oberhütteninspektor Abt 1818
erbaut worden war und sich vorzüglich bewährt hatte. 1828 war das-
selbe neun Jahre ununterbrochen im Betrieb gewesen.
Die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen richtete sich nach der
Stärke des Walzeisens und war um so gröſser, je dünner dieses
werden sollte. So machte z. B. ein englisches Walzwerk für Eisen
von 8 auf 36 Linien Querschnitt 65 Touren, eines für Eisen von 4
auf 8 Linien 140 Touren in der Minute.
Façonwalzen waren noch wenig in Gebrauch. Dufrénoy und
[266]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
Élie de Beaumont erwähnen nur ganz vorübergehend Walzen für
Winkeleisen, welche sie auf ihrer Reise gesehen hatten, und teilen
eine mangelhafte Zeichnung davon mit 1). Von groſser Wichtigkeit
wurde in dieser Periode das Walzen von Eisenbahnschienen.
Das Walzen der Eisenbahnschienen in Fischbauchform aus Schmiede-
eisen, Fig. 86, war eine Erfindung von John Birkinshaw, welcher
1820 ein Patent darauf nahm. Allerdings hatte man schon früher
Schmiedeeisen hier und da für die Eisenbahnen verwendet, aber in
der Form gewöhnlicher Flachstäbe. So hatte es Georg Stephenson
schon früher mit Erfolg zum Ausflicken verwendet. John Hawks hatte
am 5. August 1817 ein Patent genommen, Eisenbahnschienen aus Guſs-
und Schmiedeeisen herzustellen. Um das Zerbrechen der Guſsschienen
und das Durchbiegen schmiedeeiserner Schienen zu vermeiden, wollte
er für den Fuſs der Schiene Schmiedeeisen nehmen, dieses in eine Guſs-
form einlegen und den Kopf aus Guſseisen darauf gieſsen. Birkinshaw
war durch Stephensons Bericht über die Edinburger Eisenbahn 1818
darauf aufmerksam geworden; darin war hervorgehoben, daſs sich aus
der Anwendung von Schmiedeeisen statt Guſseisen der höchste Vorteil
für die Eisenbahnen erwarten lieſse, und dies war an Erfahrungen
erläutert. Die schmiedeeisernen Schienen waren haltbarer und nament-
lich nicht so leicht dem Bruche durch Stoſs ausgesetzt wie die guſs-
eisernen, auch hatten sie, da sie länger waren, weniger Verbindungs-
stellen. Infolgedessen kamen Birkinshaws Schienen rasch in Auf-
nahme, namentlich bei den Lokomotivbahnen. George Stephenson,
obgleich er ein Patent für verbesserte Guſsschienen hatte, schlug
selbst für die Stockton-Darlington-Bahn schmiedeeiserne Schienen vor,
und hier fanden sie zuerst eine umfangreiche Verwendung. Dieselben
wurden auf dem Eisenwerke Bedlington bei Morpeth, acht Meilen
von Newcastle, gefertigt.
Ursprünglich hatten Birkinshaws Schienen einfach Keilform im
Querschnitt, Fig. 87 oben, später erhielten sie konkave Seiten und
einen Steg (siehe Fig. 87 unten 2).
Fig. 88 giebt die Abbildung der Schienen der Darlington-Bahn 1).
Die Form dieser Schienen wich wesentlich von der jetzt gebräuch-
lichen ab, ihr Kopf war flacher ge-
halten, der breite Fuſs fehlte, der
Querschnitt entsprach mehr einem
T, oder, wie man damals sagte,
der Pilzform. Der Steg lief nicht
in gerader Linie fort, sondern
bildete zwischen jeder Befesti-
gungsstelle eine Ausbauchung
(Fig. 86), weshalb man diese Art Schienen auch Fischbauchschienen
nannte. Sie waren je 5 Yards oder 15 engl. Fuſs lang; alle 3 Fuſs ruh-
ten sie in einem La-
ger oder Stuhl (chair)
(Fig. 89) von Guſseisen.
Die gröſste Breite des
Kopfes betrug 2¼ Zoll;
der Steg war unten
½ Zoll breit.
Eine solche Schiene wog 28 Pfd. der Yard, während eine guſs-
eiserne von gleicher Tragkraft 56 Pfd. gewogen hätte. Eine Tonne
kostete 1826 280 Mk., 1828 250 Mk.; 1 Yard 3 Mk., 1 lau-
fender Fuſs Doppelschienen 2 Mk. Damals kostete bereits
eine Tonne schmiedeeiserner Schienen nicht mehr als
eine Tonne guſseiserner.
Die Konstruktion der Stühle ist aus der Zeichnung
(Fig. 89) ersichtlich, die Befestigung der Schienen in den-
selben geschah mit eisernen Stiften, während die Stühle
auf der steinernen Unterlage durch zwei hölzerne Pflöcke
befestigt wurden. Statt der Befestigung mit Stiften wendete man
später die Befestigung mit Keilen an. Die Weichen wurden aus Guſs-
eisen hergestellt. Um die Verbindungsstellen ganz zu vermeiden,
schlug Birkinshaw vor, die Köpfe zusammenzuschweiſsen.
Das Auswalzen der Schienen mit innenseitigem Fuſsrand geschah
in den Fig. 90 (a. f. S.) abgebildeten Walzen. Der starke Eisenstab
gelangte erst in den Einschnitt I, wo er einen trapezoidischen Quer-
schnitt von 3 Zoll Höhe, 1 5/8 und ¾ Zoll Breite erhielt. Alsdann kam
[268]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
er in den Einschnitt II, wo er schon einen Kopf bekam; dieser wurde
im Einschnitt III zugerundet und unten eine Verstärkung angewalzt; der
Kopf erhielt dann in IV seine fertige Gestalt, während er unten auch
auf der anderen Seite einen Vorsprung erhielt; die Höhe blieb un-
verändert 3 Zoll. Nun gelangte die Schiene durch das eigentümliche
Kaliber V, in dem
die Fischbauchform
hergestellt wurde.
Der Kreis der unte-
ren Walze war etwas
excentrisch gestellt
und zwar soviel, daſs
sein Mittelpunkt
½ Zoll von dem
der Walzenachse ab-
wich (Fig. 90), da-
durch wurde bei
der Umdrehung eine
Schwellung der
Schiene um 1 Zoll am höchsten Punkte erzeugt, indem die Leere
von V bald 3½, bald nur 2½ Zoll betrug. Der Durchmesser des
Kreises war so eingerichtet, daſs sich dies stets in einem Abstande
von 1 Yard wiederholte. Um die Form der fertigen Schiene scharf
zu erhalten, muſste sie
noch den Einschnitt VI
passieren, dessen Höhe
von 3½ Zoll mit der
gröſsten Höhe des Fisch-
bauches übereinstimmte.
Das Durchwalzen durch
diese sechs Kaliber ge-
schah in einer Hitze. Bei schwunghaftem Betriebe kamen die Schienen
nicht teurer zu stehen als wie Stabeisen.
Eine weitere Erfindung, welche ebenfalls durch die Eisenbahnen
veranlaſst wurde, war das Walzen der Radreifen (tyres) der Eisenbahn-
wagen. Räder mit schmiedeeisernen Reifen waren zuerst von Wood
auf der Killingworthbahn eingeführt worden und 1827 wurde das
erste Radreifen- oder Bandagenwalzwerk auf der Bedlingtonhütte in
Betrieb gesetzt.
L-Eisen und T-Eisen waren die Formeisensorten, die in England
[269]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
zuerst gewalzt wurden und zu Brücken-, Schiffs- und sonstigen Bauten
Verwendung fanden.
Wichtige Hülfsmaschinen für den Walzbetrieb waren die Scheren
und die Lochmaschinen. Die Scheren dienten bei den Puddlings-
hütten, um die Rohschienen zu zerschneiden. Sie waren einfach und
sehr stark, ganz von Guſseisen
und wurden durch eine excen-
trische oder eine elliptische
Scheibe bewegt (s. Fig. 91). Sie
zerschnitten mit Leichtigkeit
Stäbe von 6 bis 8 Linien Dicke.
Die Lochmaschinen kamen
in dieser Periode in allge-
meinere Anwendung und er-
leichterten die Arbeit sehr.
Fig. 92 ist die Abbildung nach
Dufrénoy und Élie de Beaumont. Maschinenscheren mit Durch-
stoſs kamen 1820 in England auf. Eine Bohrmaschine von
Robert Stephenson in Newcastle zum Bohren dicker Platten haben
Coste und Perdonnet
abgebildet, ebenso eine
Lochmaschine für Kessel-
bleche von demselben
(Fig. 93).
Zum Richten der ge-
walzten Stäbe bediente
man sich einer länglichen
Richtplatte (Fig. 94).
Alle die genannten
Maschinen wurden in England mit Dampf getrieben, während sie
auf dem Kontinent meistens noch durch Wasserräder bewegt wurden.
Mit den Puddelluppen wurde in verschiedenen Gegenden ver-
schieden verfahren. Auf einigen Hütten wurden sie unter dem Stirn-
hammer gezängt und dann nochmals in den Puddelofen zurückgebracht,
wo sie dicht an der Feuerbrücke eine zweite Hitze erhielten, worauf
[270]Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830.
sie unter dem Stirnhammer erst zu regelmäſsigen parallelepipedischen
Blöcken (lumbs) geschmiedet wurden. Diese kamen alsdann in den
Schweiſsofen, wo sie eine starke Hitze erhielten und so ausgewalzt
wurden. Auf anderen Hütten brachte man die gezängten Luppen
direkt unter die Walzen und walzte sie zu Rohschienen (millbars) aus,
die unter der Schere in Stäbe von 1½ bis 2 Fuſs Länge zerschnitten
wurden. Diese wurden zu Paketen geformt, welche im Schweiſsofen
zusammengeschweiſst und schweiſswarm unter Streckwalzen zu fertigen
Stäben ausgewalzt wurden. Auf einigen Hütten brachte man die
fertigen Stäbe nochmals in einen langen Glühofen, wo sie eine rasche
Glühhitze erhielten und dann unter einem Stirnhammer gerichtet
und überschmiedet wurden, wodurch sie eine schöne bläuliche Farbe
erhielten.
Aus 100 Feineisen erhielt man 84, beziehungsweise aus 100 Roh-
eisen 76 Stabeisen. Beim Schlackenfrischen betrug dagegen der Ab-
brand 30 bis 40 Proz. Der Kohlenaufwand im Puddel- und Schweiſs-
ofen betrug 3 bis 3½ Kbfſs. Steinkohlen für 100 Pfd. Stabeisen.
Die Schweiſsöfen waren den Puddelöfen sehr ähnlich, meist
waren sie etwas breiter. Coste und Perdonnet gaben die Länge zu
1,83 m bis 2,13 m, die Breite zu 1,22 m an. Der Herdboden hatte
etwas Fall nach dem Fuchs hin. Das Gewölbe war flach und etwa
0,61 über dem mittleren Herd.
Man wendete die abgehende Flamme der Puddelöfen bereits öfter
zur Heizung von Dampfkesseln an, wobei drei bis vier Öfen zu-
sammengeleitet wurden. Fig. 95 zeigt eine solche Anordnung, welche
Coste und Perdonnet in Staffordshire gesehen hatten.
In Deutschland wurde der englische Puddelprozeſs 1825 auf
der Hütte Rasselstein bei Neuwied mit Erfolg eingeführt.
Das Puddeln mit Holz statt mit Steinkohlen wurde in dieser
Periode in verschiedenen Gegenden des Kontinents versucht. Sehr
interessante Proben hierüber wurden von af Uhr in Schweden ge-
macht. Ebenso versuchte man 1826 auf den gräflich Einsiedelschen
Werken zu Lauchhammer mit Torf zu puddeln. Man gab dem Rost
des Flammofens eine entsprechend gröſsere Fläche. Das Eisen, welches
man verarbeitete, war aus Raseneisensteinen mit Holzkohlen erblasen.
Die Einsätze von 200 Pfd. Roheisen gaben 170 Pfd. gutes Puddeleisen.
Man verbrauchte 30 Kbfſs. Torf auf 100 Pfd. Eisen.
Die ersten Versuche mit dem Flammofenfrischen in Schweden
hatte Herr Rosenberg auf seinem Hüttenwerk Closter durch seinen
Direktor Stenfeld 1816 anstellen lassen. So unvollkommen dieselben
waren, so veranlaſsten sie doch die Hütten-Societät im Jahre 1817,
den Beschluſs zu fassen, gründliche und umfassende Versuche über
das Puddlingsfrischen zum Vergleiche mit dem Herdfrischen anstellen
zu lassen. Die Eisenhütte von Skebo wurde dafür bestimmt und
af Uhr damit beauftragt. 1818 wurden die ersten Versuche ange-
stellt, die aber wenig befriedigend ausfielen, weil die Ziegel, aus denen
der Ofen erbaut war, die Hitze nicht aushielten. Zur weiteren In-
formation reiste af Uhr 1820 mit Broling nach England. Nach
ihrer Rückkehr wurden die Versuche von af Uhr ganz nach eng-
lischer Weise wieder aufgenommen, nur verwendete man statt Stein-
kohlen gedörrtes Holz.
Der Zeitaufwand für die drei Stadien des Puddelprozesses war
folgender:
Das Brennmaterial bestand aus Tannenholz, welches gespalten, in
einem Ofen getrocknet und gedörrt wurde. Der Holzverbrauch war
sehr abhängig von dem Verhältnis der Rostfläche zum Querschnitte des
[272]Der Puddelprozeſs 1816 bis 1830.
Fuchses. Der Rost hatte 6,344 Quadratfuſs, die freie Rostfläche betrug
zwischen 2,0775 bis 2,4966 Quadratfuſs. Der Holzverbrauch wechselte
von 200 bis 275 Klftr. (zu 168 Kbfſs.) in 24 Stunden. Das beste Ver-
hältnis war 2,0775 Quadratfuſs freie Rostfläche zu 0,69 Quadratfuſs
Fuchsöffnung. Die Höhe der Esse war 36 Fuſs, ihr Querschnitt 2,25
Quadratfuſs. Der durchschnittliche Abbrand betrug 19,33 Proz. Als
bestes Puddelrohreisen erwies sich das bei übersetztem Gang erblasene
weiſse Roheisen. Man konnte keinen so feuerbeständigen Sand für den
Herd auftreiben, wie in England, infolgedessen viel Eisen verschlackte
und der Herd rasch wegschmolz. Aus 100 Pfd. Roheisen erhielt man
70 Pfd. Stabeisen. Das Ausstrecken des paketierten Luppeneisens
geschah im Frischfeuer. Die Versuche, englische Steinkohlen statt
Holz zu verwenden, erwiesen sich als zu kostspielig. Übrigens hatte
sich auch das Holz als Brennmaterial als vollkommen geeignet erwiesen.
Was af Uhr veranlaſste, den Prozeſs für Schweden für unvorteilhaft
und verwerflich zu erklären, war allein die Qualität des erhaltenen
Puddeleisens. Er behauptete, die beim Puddelprozeſs erhaltene Luppe
sei eine lose mit Schlacke durchtränkte Masse. Aus dieser werde die
Schlacke durch das Walzen nur ungenügend ausgepreſst. Der Druck
der Walzen erstrecke sich nur auf die Oberfläche, welche dadurch
fest werde und verhindere, daſs die Schlacke aus dem Innern aus-
treten könne, diese werde vielmehr bei der groſsen Hitze mit ein-
gewalzt, wodurch ein unreines Eisen von geringerer Güte entstehe.
Würde Schweden sein Eisen auf diesem Wege darstellen, so würde
dieses alsbald seinen Weltruhm, der nur auf seiner vortrefflichen Qualität
beruhe, verlieren. Af Uhrs Behauptung war eine Verurteilung des
Puddelprozesses oder richtiger des Walzverfahrens überhaupt, wie er
denn auch behauptete, alles englische Eisen tauge nichts. Wie über-
trieben diese Behauptung war, hat bald danach sein Landsmann
Lagerhjelm durch seine sorgfältigen Versuche nachgewiesen. Dieser
kam sogar zu dem umgekehrten Resultate, daſs das gewalzte Eisen
durchgehends höhere Zerreiſsungsgewichte zeige als das nur unter
dem Hammer bereitete, was sich daraus erklären lasse, daſs letzteres
nie so gleichmäſsig wie das erstere sei, bei der Festigkeitsprobe wie
in der Praxis eine schwache Stelle aber maſsgebend für die Brauch-
barkeit des ganzen Stabes sein könne. Af Uhrs absprechendes Ur-
teil über den Puddelprozeſs und das Walzverfahren wurde aber da-
mals als maſsgebend angenommen und zwar nicht nur in Schweden,
sondern in allen Ländern, in denen der Holzkohlenbetrieb noch
herrschend war und gegen den Steinkohlenbetrieb und die englischen
[273]Die Drahtfabrikation 1816 bis 1830.
Neuerungen zu kämpfen hatte. Es hat die Einführung des weit
vorteilhafteren Flammofenfrischens in Schweden und auch in anderen
Ländern verzögern helfen.
Erwähnenswert sind die Versuche, welche der Hütteninspektor
Graf Vandenbrock zu Geislautern auf Karstens Veranlassung an-
stellte, um Eisenfrischschlacke und geröstetes Eisenerz sowohl für sich
als gemengt im Flammofen zu verschmelzen. Es geschah dies unter
Zuschlag von rohem oder gebranntem Kalk und Holzkohlenpulver.
Das Produkt war schmiedbares Eisen. Weit besser verlief aber dieser
Schmelzprozeſs, wenn man Brucheisen vorgab und mit diesem den
Herdboden bedeckte. Eine Beschickung der Art bestand z. B. aus
300 Pfd. geröstetem Eisenerz, 100 Pfd. rohem Kalkstein, 4 Kbfſs.
Holzkohlenstaub und 600 Pfd. Brucheisen von halbiertem Eisen (Ver-
such Nr. 12), oder von 300 Pfd. Eisenerz, 100 Pfd. Frischschlacken,
140 Pfd. Kalkstein, 1½ Kbfſs. Holzkohlenstaub und 800 Pfd. Bruch-
eisen. Man erhielt hierbei Feinmetall. Vandenbrock teilt die Re-
sultate von 17 verschiedenen Versuchsschmelzen, jedes mit anderer
Gattierung, mit.
Als ökonomisch vorteilhaft erwies sich das Verfahren nicht, da es
zu lange dauerte und der Kohlenverbrauch zu groſs war. Vanden-
brock ist der Meinung, daſs sehr geräumige Flammöfen, in welchen
man täglich etwa 6000 Pfd. Roheisen schmelzen könnte, bessere Re-
sultate geben würden.
Die Verbesserung der Feinwalzwerke hatte eine völlige Umwäl-
zung in der Drahtfabrikation herbeigeführt, indem es jetzt mög-
lich wurde, den Draht bis zu 4½ Linien (ca. 10 mm) Dicke zu walzen
und diesen Walzdraht direkt auf Rollen oder Bobinen zu ziehen. Hier-
durch kam das unvollkommene Ziehen des groben Drahtes mit Zangen
gänzlich in Wegfall. Man bediente sich der kleinen Walzengerüste
mit drei Walzen, Fig. 96 (a. f. S.). Diese erhielten eine Umdrehungs-
geschwindigkeit von 225 bis 250 Umdrehungen in der Minute, wodurch
man einen Stab von 1 Quadratzoll Stärke in etwa ¾ Minuten zu Draht
von 4½ Linien Dicke ausstrecken konnte.
Die 1 Zoll (26 mm) starken Eisenstäbe, welche zu Draht gezogen
werden sollten, wurden erst zu 2 Fuſs langen Stücken unter der
Schere zerschnitten. Hierauf kamen sie in einen Glühofen, welcher ein
Flammofen mit 4 Fuſs langem und bei der Feuerbrücke 3½ Fuſs breitem
Beck, Geschichte des Eisens. 18
[274]Die Drahtfabrikation 1816 bis 1830.
Herd war. Der Rost war 3½ Fuſs lang und 3 Fuſs breit. Die
Feuerbrücke war 6 Zoll hoch; das Gewölbe hier 16 Zoll, am Fuchs
etwa 12 Zoll hoch. Der Herd verschmälerte sich nach dem Fuchs zu.
Das Drahtwalzwerk bestand aus drei übereinanderliegenden kanne-
lierten Walzen A B C und ferner zwei Walzenpaaren M N und P P in
besonderen Gerüsten. Die Kuppelungsräder für die drei Walzen im
ersten Gerüst D E F erhielten eine bedeutende Länge, so daſs sie die
Form von kannelierten Walzen hatten. Die Walzen im ersten Gerüst,
18 Zoll lang und 8 Zoll dick, waren mit je 12 korrespondierenden
Einschnitten versehen, wovon der erste oval, die anderen viereckig von
abnehmender Gröſse waren. Die Walzen M N waren 8 Zoll lang und
8 Zoll dick und hatten zwei ovale Einschnitte, von denen aber immer
nur der eine gebraucht wurde, der andere als Reserve diente. Die
Walzen P P, welche dieselben Maſse haben, waren in gleicher Weise
mit zwei runden Öffnungen zum Fertigmachen des Drahtes versehen.
Der glühende Eisenstab passierte zuerst das ovale Loch und hierauf
die aufeinanderfolgenden viereckigen Löcher in dem dreifachen oder
Trio-Walzwerk, wobei immer mit den oberen und unteren Öffnungen
abgewechselt wurde. War das Eisen sehr weich, so konnte man zu-
weilen ein Loch überspringen, so daſs der Draht nur acht Öffnungen
im ersten Gerüst passierte, sodann führte man ihn durch eine der
ovalen Öffnungen der Walzen M N, worauf er in der runden Öffnung
der Walzen P P fertig gemacht wurde. Diese Anordnung hatte
nur den Zweck, die Arbeit zu beschleunigen, indem die Länge des
Drahtes gegen das Ende der Operation immer rascher zunahm.
Der Draht durchlief dann immer zwei oder drei Öffnungen gleich-
zeitig. Wenn der 2 Fuſs lange Stab auf diese Art etwa 12mal durch
die Walzen gegangen war, hatte er bei einem Durchmesser von
4½ Zoll eine Länge von 36 Fuſs erhalten, wozu nur 36 bis 40 Sekun-
den Zeit erforderlich war. Der fertige Draht kam dann noch glühend
aus der Walze und wurde sogleich um eine 2 Fuſs dicke Trommel
gewickelt und nach erfolgtem Glühen in den Drahtzug gegeben. Das
[275]Die Drahtfabrikation 1816 bis 1830.
weitere Ausziehen geschah durch stehende Rollen, welche vermittelst
konischer Zahnräder bewegt wurden. Die Rollen für den gröberen
Draht hatten 15 Zoll, die für den feineren Draht 8 Zoll Durchmesser.
Zwischendurch muſste der Draht von Zeit zu Zeit wieder ausgeglüht
werden.
In der Herstellung von feinem Draht hatte Frankreich bedeutende
Fortschritte gemacht. In Preuſsen führte die Eschweiler Draht-
kompanie zuerst mit Erfolg die englische Art, den Draht frei von
Zangenbissen zu ziehen, ein. Der Verein zur Beförderung des Ge-
werbefleiſses in Preuſsen setzte 1823 einen Preis von 1000 Thaler
nebst einer goldenen Denkmünze aus, für die Darstellung von Eisen-
draht für Wollkratzen und Streichen in einem Werke des preuſsischen
Staates von gleicher Güte und zu gleichen Preisen, wie der Draht von
l’Aigle in Frankreich in den Nummern von 10 bis 28. Hiervon
muſsten wenigstens 300 Ctr. dargestellt werden.
Auf den Nutzen eines schwachen Kupferüberzuges beim Ziehen des
Drahtes war man in England anfangs der 20 er Jahre durch Zufall
gekommen. In einer groſsen Drahtzieherei löschte man in dem
Sauerwasser, in welchem man den Draht während des Zuges beizte,
rotglühende Stücke Messing, wodurch etwas von dem im Messing
enthaltenen Kupfer gelöst und auf den Eisendraht niedergeschlagen
wurde. Man fand, daſs dieser Draht sich leichter ziehen lieſs und
nicht so oft angelassen werden muſste, weil der Kupferniederschlag
die Reibung verminderte und den Draht schlüpferig machte. Seit
dieser Zeit bediente man sich in jener Drahtzieherei immer einer
Kupfervitriollösung beim Drahtziehen. Bei dem letzten Anlassen geht
der Kupferüberzug weg 1).
Die Weiſsblechfabrikation in England hat zwar keine be-
sonderen Fortschritte in dieser Periode erfahren, aber es wurde eine
sehr gründliche Beschreibung derselben von Parkes 1819 veröffent-
licht, auf welche wir aber hier nur verweisen können 2).
Das älteste Biegwalzwerk für Blech wurde 1815 von John Ford
in England erfunden. 1829 führte Thomas Morjan guſseiserne
Glühöfen an Stelle der Flammöfen ein.
Für die Herstellung von Maschinennägeln wurde seit Anfang
des Jahrhunderts eine Anzahl Patente genommen. Die ältere Erfin-
dung von Clifford 1790 haben wir schon erwähnt. Seine Idee, die
Nägel unter Walzen herzustellen, wurde 1818 von Todd, Church
und 1827 von Tyndall weiter ausgebildet, doch waren die Nagel-
walzwerke nur für groſse Nägel anwendbar. Die Maschinennägel-
fabrikation hatte besonders in Amerika Verbreitung gefunden. Hier
hatten Perkins schon 1795 und Read 1811 Patente darauf erhalten.
In Europa war die Handnagelschmiederei ein historisch zu fest be-
gründetes Gewerbe, um so rasch zu verschwinden. Am raschesten
fand noch die Herstellung der geschnittenen Nägel Eingang, wofür
in England Guppy 1796 und 1804, Spencer 1801, Dyer 1810, 1812
und 1814, Todd 1818, W. Church 1818, Wilks und Ecroyd 1825
und Ledsam und Jones 1827 Patente nahmen. In Frankreich hatte
zuerst Learenwerth zu Paris die Maschinennägelfabrikation einzu-
führen gesucht und kunstreiche Maschinen dafür erdacht, aber weder
er noch White 1811 erzielten damit Erfolge. Die erste erfolgreiche
Nagelfabrik errichtete Lemire zu Clairvaux 1817. In Österreich
wurde die Fabrikation geschnittener Nägel 1815 von Schafzahl in
Graz eingeführt, der seine Maschinen nach den Angaben des Uhr-
machers Fidelis Schmidt hergestellt hatte.
Die Fabrikation der Drahtstifte1) hat in Frankreich zuerst
ihre Ausbildung erhalten. Das erste Patent erhielt James White
zu Paris, doch erzielte er nur geringen Erfolg. 1816 erfand Daguet
in Paris eine Drahtstiftmaschine. Malliot in Lyon gab 1821
seinen Stiften noch eine breite Zuschärfung statt der Spitze. Die
gepreſsten vierkantigen Spitzen hat wahrscheinlich Saint Amand
zu Paris zuerst gemacht. Die Drahtstifte gingen im Handel allgemein
unter der Bezeichnung Pariser Stifte.
Die fabrikmäſsige Herstellung der Holzschrauben stammt aus
dem ersten Viertel unseres Jahrhunderts und wurden zahlreiche
Maschinen hierfür erfunden. Die erste, welche bekannt ist, rührte von
Japy zu Colmar im Elsaſs aus dem Jahre 1806 her. Es folgten die
Maschinen von Phillix zu Marseille, 1812, von Tourasse zu Paris
und Colbert in England 1817, Bostock in London und L. W. Wright
[277]Eisenwarenfabrikation 1816 bis 1830.
1827. In Österreich wurde die erste Holzschraubenfabrik 1823 von
Brevillier zu Neunkirchen unweit Wien angelegt.
Bei der Stecknadelfabrikation erwähnen wir kurz folgende Ver-
besserungen: 1806 erfand Mouchel einen Apparat zum Geraderichten
des Drahtes an Stelle des Richtholzes. 1809 ersann Bundy in London
einen Apparat, um durch den Stoſs einer Schraubenpresse 25 Nadeln
auf einmal anzuköpfen. 1812 führten Bradbury und Weaver in
Glocester eine selbstthätige Maschine ein, welche die Drahtköpfe
steckte und fertig machte. Dieser folgten die Stecknadelmaschinen,
welche die ganze Herstellung der Nadel in unmittelbarer Aufeinander-
folge ausführten. Die erste Maschine dieser Art erfand der Amerikaner
Seth Hunter 1817, diesem folgte L. W. Wright in London 1824.
Bei der Nähnadelfabrikation ist die Anwendung eines Stoſs-
werkes zur Herstellung der Öhre, welche 1822 zu L’Aigle in Frank-
reich nach der Erfindung eines Holländers van Houtens eingeführt
wurde, bemerkenswert.
Die Fabrikation von Schiffsketten spielte in England eine
hervorragende Rolle. Ihre Einführung verdankte man dem Schiffs-
kapitän Samuel Brown, welcher dieselben 1811 zuerst auf der
Penelope in Anwendung brachte. Dies führte zur allgemeinen Ver-
wendung derselben und zur fabrikmäſsigen Herstellung. Für letztere
nahm zuerst Thomas Burton 1813 ein Patent, diesem folgte 1816
der vorgenannte Brown, der sich ganz auf diese Fabrikation ver-
legte. Nach Frankreich wurde sie 1818 durch den Engländer John
Grierson gebracht und schon 1821 errichtete die französische
Regierung Staatsfabriken hierfür zu Nantes und Bordeaux. Die erste
private Fabrik wurde von Fourmand in Nantes gegen 1823 errichtet.
Patente auf die Herstellung von Kettentauen erhielten 1820 W. und
D. W. Acraman, und 1822 Thomas Sowerby in England.
Geschweiſste, schmiedeeiserne Röhren für Gasleitungen,
Gewehrläufe und andere Zwecke wurden zuerst in England fabrik-
mäſsig dargestellt. Benjamin Cook in Birmingham bog 1808 eiserne
Flachschienen und schweiſste sie unter dem Handhammer, um sie
dann durch Ziehen durch Zieheisen oder durch Walzen unter einem
Stabwalzwerk zu strecken, doch hatte er damit keinen Erfolg. 1811
brachten James und Jones ein ähnliches Verfahren, wobei sie aber
auch schon das Schweiſsen der Fuge zwischen Walzen beabsichtig-
ten, in Vorschlag. Henry Osborne hatte 1812 die Schweiſsung unter
dem Wasserhammer ausgeführt, gab aber damals bereits eine Vor-
richtung an, vermittelst welcher das Rohr durch Darüberrollen eines
[278]Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
Scheibensegmentes gepreſst werden sollte. 1817 ging er aber zum
Schweiſsen mittels Walzen über, wobei er nicht einen Dorn von der
ganzen Länge des Rohres, sondern einen kurzen Dorn gebrauchte,
der unbeweglich in der Öffnung des Walzenkalibers stehen blieb,
während die Walzen das Rohr über denselben fortschoben 1). Mittels
dieses Verfahrens wurden später die meisten der in Birmingham
fabrizierten Gewehrläufe hergestellt. Durchschlagenden Erfolg erzielte
aber mit der Fabrikation geschweiſster Röhren zuerst Whitehouse
von Wednesbury 1825, und fanden geschweiſste Rohre von da an
die mannigfaltigste Anwendung.
Ein wichtiger Fortschritt bei der Gewehrfabrikation war die
Erfindung des Perkussionsschlosses von John Forsyth zu Belhelvie
in Schottland 1807, welcher auch schon das Knallquecksilber an
Stelle des chlorsauren Kalis als Zündstoff in Vorschlag brachte. Die
Bedeutung des Perkussionsschlosses wurde aber damals noch nicht
erkannt, selbst von Napoleon nicht. Das Einführungspatent, welches
Prelat dafür 1810 in Frankreich nahm, hatte keinen Erfolg. Dagegen
fand in demselben Jahre Lepage mit seinem Perkussionsschloſs mit
äuſserlich angebrachter Pfanne und Zündkrautbedeckung Anklang.
Zu groſser Bedeutung gelangten aber die Perkussionsgewehre erst
durch die Erfindung des Zündhütchens durch Joseph Egg in London
1818. 1820 wurden sie von Debourbet und von Prelat in Frank-
reich eingeführt und fanden von da an rasche Verbreitung.
Zu den Fortschritten der Gewehrfabrikation gehörten verbesserte
Vorrichtungen zum Abdrehen und Ziehen der Läufe. Das Abdrehen
der Läufe soll zuerst in Frankreich von Javelle zu St. Etienne im
Jahre 1792 angewendet worden sein. 1811 nahmen H. James und
J. Jones in England ein Patent darauf. Die alte Ziehbank wurde
zuerst von Jacquet in Versailles 1817 verbessert.
Jeremias Chubb lieſs sich 1818 ein Patent auf das bekannte,
von ihm erfundene Sicherheitsschloſs (Chubbs detector lock) erteilen.
Über die Fortschritte der Stahlfabrikation in dieser Periode
können wir uns kurz fassen.
Bei der Cementstahlfabrikation machte man die Brennkisten
aus möglichst groſsen feuerfesten Ziegeln oder gebrannten Thon-
[279]Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
platten, die man mit übereinandergreifenden Falzen versah, um den
Luftzutritt möglichst zu verhindern. Auf die Breite der zu cemen-
tierenden Eisenstäbe kam es wenig an, dagegen nahm man sie in
der Regel nicht dicker als ⅜ Zoll. Da sich die Stäbe beim Brennen
um 1/120 ausdehnten, so muſsten sie entsprechenden Spielraum in der
Länge behalten. Man pflegte die Stäbe auf die hohe Kante zu stellen.
Eine wichtige Erfahrung, welche man auch praktisch auszubeuten
suchte, war die, daſs man ölbildendes Gas statt des Holzkohlen-
pulvers zum Cementieren des Stabeisens verwenden konnte und mit
diesem einen sehr guten Cementstahl erhielt. Professor Vismara zu
Padua war der erste, der dies nachwies 1) und aus dem so bereiteten
Cementstahl guten Guſsstahl schmolz. Charles Macintosh nahm
am 14. Mai 1825 auf dasselbe Verfahren ein Patent in England.
Doch scheiterte die Ausführung an der Schwierigkeit des vollkommenen
Luftabschlusses.
Bei der Guſsstahlfabrikation wurden vielerlei Versuche gemacht,
ohne indes zu bemerkenswerten Änderungen des Verfahrens zu
kommen. 1819 nahm Stephan Bedford in England ein Patent
(Nr. 4382) darauf, englisches Eisen dadurch in Stahl zu verwandeln,
daſs man es lagenweise in einem Ofen (air furnace or stove), mit ver-
schlacktem Eisen, Eisenschlacke und Eisenabfällen gut bedeckt, 4 bis
8 Tage glühte. John Thomson schlug 1824 vor, Guſsstahl im
Flammofen, in welchen die Tiegel eingesetzt würden, zu schmelzen.
Needham nahm 1824 ein Patent darauf, die Tiegel so einzurichten,
daſs man sie abzapfen konnte, statt sie auszugieſsen. Hierdurch
wollte er gröſsere Stahlgüsse erzielen, als seither. Über die An-
fertigung der feuerfesten Tiegel nach dem englischen Verfahren
machte J. C. Leuchs in Nürnberg 1827 Mitteilungen. Die Fortschritte
auf diesem Gebiete lagen aber mehr in der Ausbreitung der Guſs-
stahlfabrikation auf dem Kontinent. Namentlich muſs die Erbauung
der Guſsstahlfabrik von Friedrich Krupp in Essen im Jahre 1819
als ein Ereignis von historischer Wichtigkeit erwähnt werden. In
Frankreich war es Milleret zu La Bérardière um dieselbe Zeit ge-
lungen, einen guten Guſsstahl zu fabrizieren.
Eine wichtige Erfahrung war die, daſs die Schweiſsbarkeit des
Guſsstahls durch längeres Glühen und langsames Erkalten sehr er-
höht wird. Durch das fortgesetzte Glühen trat eine andere Verteilung
des Kohlenstoffs im Guſsstahl ein, wodurch derselbe weicher wurde.
Hinsichtlich der Härtung des Stahls hatte Th. Gill die Er-
fahrung gemacht 1), daſs man den richtigen Härtegrad ohne Anlassen
erreicht, wenn man den bis zum Härten erforderlichen Grad der
Temperatur erhitzten Stahl in ein geschmolzenes, bis zur entsprechen-
den Temperatur erhitztes Metallbad einer leichtflüssigen Mischung
von Blei und Zinn eintaucht. Er gab für verschiedene Gegenstände
und Härtegrade verschiedene Mischungsverhältnisse an 2). Mit dem
Stahlguſs beschäftigte sich zuerst Needham in London 1824. John
Thompson in London erfand 1822 ein Walzwerk zur Herstellung
keilförmiger Wagenfedern. Wichtig waren die theoretischen Unter-
suchungen, welche von der Untersuchung des Damascenerstahls ihren
Ausgang nahmen.
Der indische Wootzstahl hatte unausgesetzt die Aufmerksam-
keit der Engländer auf sich gezogen. Durch die Reisebeschreibungen
und Beobachtungen von Buchanan3) und Heyne4) hatte die von
Pearson 1795 ausgesprochene Ansicht, daſs der Wootz eine Art
von Guſsstahl sei, welcher mit den primitivsten Vorrichtungen von
den eingeborenen Indiern bereitet und verarbeitet würde (siehe Bd. I,
S. 241), ihre Bestätigung gefunden. Über die chemische Zusammen-
setzung des Wootzstahls blieb man aber im Dunkeln, bis Faraday
und Stodart im Jahre 1819 dieser Frage näher traten. Der ge-
schickte Messerschmied Stodart hatte schon auf Pearsons Veran-
lassung aus dem von Dr. Scott in Bombay übersandten Wootzstahl
ein Federmesser von vorzüglicher Schneide geschmiedet. Faraday
untersuchte ein von Stodart erhaltenes Stück Wootzstahl, um aus-
zumitteln, ob auſser dem Kohlenstoff noch andere Substanzen mit
dem Eisen verbunden seien 5). Er fand eine geringe Menge (etwa
1 Proz.) Thonerde und Kieselerde darin, und schloſs daraus auf
eine Legierung von Aluminium mit Eisen. Dies gab Faraday Ver-
[281]Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
anlassung, in Gemeinschaft mit Stodart eine Reihe von Versuchen
über Stahllegierungen, welche sie auf künstlichem Wege bereiteten,
anzustellen 1). Sie machten ihre Versuche erst in kleinem, dann in
groſsem Maſsstabe in einer Guſsstahlhütte 2). Faraday will hierbei
künstlichen Wootzstahl erhalten haben. Das praktische Ziel, das sie
leitete, war, zu ermitteln, ob sich eine künstliche Legierung darstellen
lasse, welche sich besser für schneidende Werkzeuge als bester Stahl
eigne, und ferner eine solche, welche weniger der Oxydation unter-
worfen und deshalb für Reflexionsspiegel brauchbarer sei als Stahl.
Faraday will eine Legierung erhalten haben, welche nach seiner
Analyse 6,4 Proz. Thonerde enthielt und die Eigenschaften sowie die
Damastzeichnung des Wootz zeigte und vermutet, daſs die Damascener-
klingen aus einem solchen Material und nicht aus einem mecha-
nischen Gemenge von Eisen und Stahl hergestellt seien. „Daſs eine
damascierte Oberfläche durch Zusammenschweiſsen von Eisen und
Stahl hervorgebracht werden könne, leidet keinen Zweifel; wenn man
aber solchen Stahl umschmilzt, so läſst sich der Damast nicht mehr
hervorbringen. Ist aber die damascierte Oberfläche von der Ent-
wickelung einer krystallinischen Struktur abhängig, so muſs die
Eigenschaft des Wootz, eine solche Oberfläche in einem ausgezeich-
neten Grade anzunehmen, als eine Wirkung der Krystallbildung an-
gesehen werden, welche beim Erkalten des Wootzstahls sich auf eine
weit ausgezeichnetere und entschiedenere Weise, als bei dem gewöhn-
lichen Stahl äuſsert. Eine solche Wirkung kann aber nur durch die
Verschiedenheit in der Zusammensetzung zweier Körper hervorgebracht
werden. Weil sich jedoch in dem Wootz nur ein kleiner Gehalt an
Erdbasen auffinden läſst, so ist die Vermutung sehr wahrscheinlich,
daſs die Verbindung des Eisens mit Kohle durch die Vereinigung
mit den Erdbasen eine gröſsere Neigung zur Krystallbildung erhält
und daſs die Krystalle, indem sie durch die Wirkung des Hammers
ausgezogen werden, die Damastzeichnung hervorbringen.“
In ähnlicher Weise stellten Stodart und Faraday angeblich
künstliches Meteoreisen dar, indem sie Eisen mit den entsprechenden
Mengen Nickel zusammenschmolzen. Sie übersahen dabei, daſs
Meteoreisen keinen Kohlenstoff enthält.
Ferner legierten sie das Eisen mit verschiedenen anderen Metallen,
[282]Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
als mit Platin, Rhodium, Gold, Silber, Kupfer und Zinn. Von diesen
zeichnete sich eine Legierung mit ⅕ Proz. Silber durch besondere
Güte aus, wodurch sie den besten Stahl übertraf. Stodart und
Faraday glaubten, daſs man sich dieser Legierung mit Vorteil werde
bedienen können.
Platin und Stahl wie künstlicher Damast zusammengefügt und
geschweiſst, zeigte vorzügliche Damastzeichnung. Platin und Stahl
zusammengeschmolzen, gaben dagegen eine vollkommen gleichförmige
Legierung, welche durch Farbe und Glanz zu Metallspiegeln geeignet
erschien. Rhodium verhielt sich ähnlich. Die Legierung mit Gold
zeigte dagegen keine so guten Eigenschaften wie die vorgenannten.
Noch weniger die Legierungen mit Kupfer und Zinn. Gute Legie-
rungen wurden dagegen mit Iridium, Osmium und besonders mit
Palladium erzielt.
Berthier hatte zuerst eine Legierung des Stahls mit Chrom
dargestellt, der er ebenfalls besondere Güte nachrühmte. Auch diese
Versuche wurden von Stodart und Faraday wiederholt und dabei
ein guter Stahl mit schöner Damastzeichnung hergestellt.
Boussingault wollte gefunden haben, daſs Silicium den Kohlen-
stoff im Stahl ersetzen könne, indem eine von ihm dargestellte Ver-
bindung von 99,2 Eisen und 0,8 Silicium sich als vortrefflicher
Stahl erwiesen habe. Dieser Ansicht traten die vorgenannten aber
nicht bei.
Stodarts und Faradays ausführliche Untersuchungen erregten
groſses Aufsehen und gaben mancherlei Anregungen; namentlich
spielte der von ihnen gepriesene Silberstahl noch längere Zeit eine
Rolle. Die Annahme, daſs der indische Wootz eine Legierung von
Eisen mit Aluminium sei, fand durch spätere chemische Unter-
suchungen keine Bestätigung. Dagegen regte die Arbeit die Frage
der Konstitution und Natur des Stahls von neuem an und führte
zu praktischen und theoretischen Untersuchungen, welche wesentlich
zur Aufklärung beitrugen.
In Frankreich war Bréant1) durch die Untersuchung des per-
sischen Damastes ebenfalls zu dem Resultat gekommen, daſs derselbe
keine mechanische Verbindung, sondern daſs er aus einem besonderen
Guſsstahl hergestellt sei. Dieser Guſsstahl sei, wie aller Stahl, eine
Legierung, aber von viel einfacherer Zusammensetzung, als man ge-
[283]Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
wöhnlich glaube. Es handle sich dabei nicht um Legierungen ver-
schiedener Metalle, wie Faraday und Stodart annahmen, sondern
verschiedener Kohlenstoffverbindungen des Eisens. Eisen und Kohlen-
stoff müsse sich nach der Lehre von Berzelius in bestimmten Ver-
hältnissen nach ihren Äquivalentgewichten verbinden, da aber der
Stahl mehr oder weniger Kohlenstoff enthalte, als einem bestimmten
Verhältnis entspräche, so müsse man annehmen, daſs Eisen-Kohlen-
stoffverbindungen von bestimmten Mischungsverhältnissen in einer
Grundmasse von unbestimmtem Mischungsverhältnis gelöst seien.
Diese suchten sich beim langsamen Erstarren zu trennen und hieraus
entstehe die Damastzeichnung, welche bei jedem Stahl, wenn auch
bei vielen nur in geringem Grade, beobachtet werden könne.
Héricart de Thury untersuchte gleichfalls verschiedene, ihm
von Degrand in Marseille übergebene Proben von orientalischem
Damaststahl und kam zu dem Schluſs, daſs zwei Arten derselben,
von denen die eine durch Kunst hervorgebracht, die andere natürlich
sei, unterschieden werden müssten, die er als harten und moirierten
Damast bezeichnete. Der erstere sei weit seltener und würde höher
geschätzt als der andere; aus jenem seien die dunklen Klingen der
alten Fabrikation zu rechnen, während die hellen Klingen von Konstan-
tinopel dort gemacht und dabei gar keine Stahlkuchen verwendet
würden.
Die Gesellschaft der Aufmunterung der nationalen Industrie in
Paris hatte nicht aufgehört, der Frage der Guſsstahlbereitung groſses
Interesse zuzuwenden. Nachdem die Arbeit von Stodart und Fara-
day bekannt geworden war, hatte sie eine besondere Kommission
erwählt, um die Versuche der beiden Engländer nachzumachen.
Dieser Kommission wurde 1820/21 ein neuer Damaststahl von einem
Fabrikanten Sir Henry vorgelegt, welcher daraus damascierte Klingen
angefertigt hatte. Dieser Stahl war in der Weise bereitet, daſs
andere Stahlsorten und zwar sowohl Schweiſsstahl wie Guſsstahl
einer längeren oder kürzeren Cementation unterworfen wurden. Der
Zweck dieser Operation war, eine Verbesserung des Stahls zu erzielen,
und dieser Zweck wurde erreicht. Es ergab sich aber auch, daſs so
behandelter Stahl Damastfiguren zeigte, weshalb Sir Henry seinen
Stahl Damaststahl nannte. Er unterschied vier Grade der Cementation
(Aciers préparés de legére, de moyenne, de forte et de haute combi-
naison) und jede entwickelte verschiedene Damastmuster; ebenso
waren die Figuren des aus Rohstahl bereiteten ganz anders als bei
den aus Guſsstahl hergestellten. Dieser Stahl behielt angeblich seinen
[284]Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
krystallinischen Damast nach dem Umschmelzen im Tiegel wie der
indische. Die Klingen aus cementiertem Rohstahl zeigten schöne
moirierte, gebänderte, gewundene und gewirbelte Muster, während die
biegsamen und elastischen Klingen aus Guſsstahl vom zweiten und
dritten Umschmelzen, welche der hohen Cementation unterworfen
worden waren, einen hübschen faserigen, punktierten und krystalli-
nischen Damast zeigten. Durch das Verfahren von Sir Henry wurde
dem Rohstahl eine ungleich gröſsere Härte und Gleichartigkeit, dem
Guſsstahl mehr Festigkeit und Elasticität mitgeteilt.
Bréant hatte seine Untersuchungen gleichfalls fortgesetzt 1) und
hatte gefunden, daſs die Grundlage des orientalischen Damastes Guſs-
stahl ist, der mehr Kohle als unsere europäischen Stahlarten enthält,
so daſs sich bei Vermeidung einer zu schnellen Erstarrung durch
eine Art von Krystallisation bestimmte Verbindungen von Eisen und
Kohle ausbilden können. Die Trennung dieser Verbindungen ist
eine wesentliche Bedingung der Damastbildung. Bréant nahm minde-
stens drei Kohlenstoffverbindungen des Eisens im Stahl an, von denen
Stahl und Graphit die äuſsersten Glieder, Roheisen das Mittelglied
bildeten. Sei weniger Kohlenstoff in dem Stahl vorhanden, als seiner
normalen Mischung entspricht, so entstehe Stahl verbunden mit Eisen,
sei mehr Kohlenstoff vorhanden, so entstehe Stahl gemischt mit Roh-
eisen; bei langsamer Erstarrung müsse Trennung derselben und
Damast zu stande kommen. Bréant erklärt die hierbei auftretenden
Erscheinungen allein durch den Kohlenstoff bedingt und verwirft die
Ansicht Stodarts und Faradays von Metalllegierungen im indischen
Stahl. Dagegen wollte er gefunden haben, daſs sich Stahl sehr wohl
nach Clouets Verfahren durch Zusammenschmelzen von Stabeisen
und 2 Proz. Kienruſs herstellen lasse und empfahl dieses Verfahren
für die Fabrikation. Ebenso erhielt er guten Stahl durch Zusammen-
schmelzen von 100 Tln. Feilspänen von grauem Roheisen mit 100 Tln.
oxydierten Feilspänen von demselben Roheisen. Je dunkler und
schwärzer das Roheisen, desto günstiger sei der Erfolg. Bréant ist
der Ansicht, daſs sich auf diesem Wege Guſsstahl in Flammöfen im
groſsen herstellen lieſse. Das oxydierte Eisen lieſse sich durch natür-
liches Eisenoxyd ersetzen. Bréant fand ferner, daſs sich kohlenstoff-
reiche Stahlsorten nur in Hitzegraden ausschmieden lassen, deren
Grenzen sehr beschränkt sind.
Über die Darstellung des künstlichen Damaststahles durch Zu-
[285]Die Eisenbahnen bis 1830.
sammenschweiſsen von Stahl und Eisen stellte der Italiener Crivelli
eingehende Versuche an 1). Er umwickelte Stahlblech von Brescia
mit Eisendraht und schlug dies in der Hitze platt; von diesen um-
wickelten, flachgehämmerten Stahlblechen legte er dann 18 bis 20
zu einem Paket zusammen, das geschmiedet, geschweiſst und in einem
Gesenk zu einem flachen Stab ausgereckt wurde. Dieser Stab lieferte
zwei gewöhnliche Damastklingen. Will man feineren Damast haben,
so schmiedet man die Stange auf 2 Linien Dicke aus, schneidet
sie in sieben Stücke und bildet daraus wieder ein Paket. Dies kann
man beliebig oft wiederholen. Wegen weiterer Belehrung verweisen
wir auf die erwähnte Schrift 2). Crivellis Klingen hatten sich bei
den von dem K. K. österreichischen General-Kommando angestellten
Proben sehr gut bewährt.
Daſs auch in Ostindien sehr schöne damascierte Gewehrläufe
und Klingen auf ähnliche Weise durch Zusammenschweiſsen von alten
englischen Faſsreifen hergestellt wurden, hat Kapitän Bagnold zugleich
mit dem Verfahren mitgeteilt 3).
Berzelius machte 1829 Mitteilungen über die Darstellung von
„Meteorstahl“, bei welchem der Stahl mit Zink, Nickel, Zinn und
Chromeisen legiert wurde.
Keine Erfindung ist auf den Eisenverbrauch von so groſsem Ein-
fluſs gewesen, als die der Eisenbahnen, welche in diesem Zeit-
abschnitt zum Abschluſs gebracht wurde. Wie alle groſsen mecha-
nischen Erfindungen ist sie allmählich entstanden und erst nach und
nach zu der Vollkommenheit gediehen, daſs sie ihren Zweck mit
Nutzen erfüllte. Nachdem dies einmal erreicht war, war ihre Ver-
breitung und Vervollkommnung eine sehr rasche.
Die Idee des Dampfwagens ist fast ebenso alt, wie die Idee der
Dampfmaschine. Savary trug sich schon mit derselben, ohne jedoch
über den allgemeinen Vorschlag, seine Dampfmaschine zur Bewegung
von Fuhrwerken zu benutzen, hinauszukommen. Die Freundschaft,
welche Dr. Robinson 1759 als Student in Glasgow mit James Watt
schloſs, hatte ihren Ausgangspunkt in Robinsons Idee eines Dampf-
[286]Die Eisenbahnen bis 1830.
wagens, für welche er Watts Interesse zu erregen suchte. Nicht
lange danach wurde auch schon der erste Dampfwagen gebaut, aber
nicht in England, sondern in Frankreich. Der Ingenieur Cugnot,
damals Lehrer der Kriegswissenschaft zu Paris, wollte Geschütze statt
mit Pferden mittels eines Dampffuhrwerkes im Felde bewegen und
fertigte hierfür im Jahre 1763 ein Modell an. Die Idee fand solchen
Beifall, daſs er durch königliche Unterstützung in den Stand gesetzt
wurde, eine Maschine im groſsen zu bauen, mit welcher im Jahre
1769 Versuche vor dem Kriegsminister Herzog von Choiseul, General
Gribeauval und anderen Offizieren angestellt wurden. Bei einem
dieser Versuche rannte das Dampffuhrwerk eine Mauer um. Auch
war der Dampfkessel zu klein, infolgedessen die Maschine nur etwa
¼ Stunde in Bewegung blieb. Cugnot baute deshalb 1770 eine
neue Maschine, die sich besser bewährte. Fig. 97 giebt eine Ab-
bildung derselben, aus welcher die Konstruktion ohne weitere Be-
schreibung verständlich ist. Dieser erste Dampfwagen wurde in den
Straſsen von Paris laufen gelassen, als er aber in der Nähe des jetzigen
Madeleineplatzes um die Ecke biegen sollte, fiel er mit groſsem
Krach um. Die Polizei verbot weitere Versuche und Cugnots Dampf-
wagen wanderte in das Arsenal, von wo er in die Sammlung des
Conservatoire des Arts et Métiers kam, woselbst er noch zu sehen ist.
James Watt hatte zwar in seinem Patent von 1769 die Be-
nutzung seiner Dampfmaschine zum Betrieb von Fuhrwerken mit
einbegriffen, war aber der Frage praktisch nie nahe getreten.
Dagegen erfand Oliver Evans in Amerika im Jahre 1772 einen
Dampfwagen, um auf gewöhnlichen Straſsen zu fahren. Er erhielt
auch 1787 von dem Staate Maryland ein Monopol für die Aus-
nutzung seiner Erfindung, doch kam dieselbe nicht zu praktischer
Anwendung. In Schottland beschäftigte sich William Symington
1784 mit demselben Problem und brachte auch ein Modell zu stande,
welches er 1786 im Edingburgh-College vorzeigte. Von der prak-
tischen Ausführung hielt ihn jedoch der jammervolle Zustand der
[287]Die Eisenbahnen bis 1830.
schottischen Landstraſsen ab. In demselben Jahre konstruierte aber
der erfindungsreiche William Murdock, Watts Gehülfe und Freund,
zu Redruth in Cornwall das Modell eines Dampfwagens. Das kleine
Ding lief ganz gut und erschreckte den Pfarrer des benachbarten
Kirchspiels eines Nachts, als es zischend mit feurigen Augen bei
seinem Gang nach der Stadt auf ihn zu kam, fast zu Tode, denn, wie
er selbst eingestand, hatte er es für den leibhaftigen Gottseibeiuns
gehalten. Murdocks Dampfwagen blieb ein interessantes Spielzeug.
Bis dahin waren alle Erfinder von der Voraussetzung ausgegangen,
daſs der Dampfwagen auf der Landstraſse laufen müsse, was nament-
lich in damaliger Zeit praktisch unmöglich war. Gegen Ende des
Jahrhunderts waren aber die Eisenbahnen — Tram- und Schienen-
wege — an vielen Orten in Anwendung gekommen und dienten nament-
lich in den Eisen- und Kohlenbezirken dem Massentransport. Mur-
docks Schüler, Richard Trevithick, trug sich mit der Erfindung
eines Dampfwagens und dessen praktischer Verwendung sowohl auf
gewöhnlichen Landstraſsen als auf Schienenwegen. Er verband
sich mit seinem Vetter Andreas Vivian, welcher Mittel besaſs, und
nahm 1802 ein Patent auf seine Erfindung. Er baute einen Dampf-
wagen zunächst für Straſsenbetrieb mit Hochdruck und horizontalem
Cylinder. Die Kolbenstange bewegte eine Kurbelachse, von der aus
durch eine Zahnradübersetzung das Triebrad, mit dem ein Schwung-
rad verbunden war, in Bewegung gesetzt wurde. Der Dampfwagen
lief in den Straſsen von Camborne, und wenn er ordentlich Dampf
hatte, ging die Sache ganz gut. Dann rief Trevithick den Neu-
gierigen zu, aufzuspringen, was viele mit Vergnügen thaten, und fort
ging es, bis der Maschine der Atem ausging, was freilich meistens
schon nach sehr kurzer Zeit geschah. Diese Lokomotive war schon
dadurch interessant, daſs es eine der ersten Hochdruckdampfmaschinen
war, bei welcher der Dampf auf beiden Seiten des Kolbens wirkte.
Die Erfinder brachten ihren Dampfwagen nach London, um ihn
dort auszustellen. Das neue Fuhrwerk erregte groſses Interesse, nicht
nur bei der neugierigen Menge, sondern auch bei den Männern der
Wissenschaft. Humphrey Davy sprach sich sehr hoffnungsvoll
darüber aus. An einem Tage wurde der Dampfwagen auf einem
freien Felde in der Nähe von Euston Square öffentlich ausgestellt.
An den Dampfwagen war ein Personenfuhrwerk angehängt, in dem
das Publikum herumgefahren wurde. Trevithick bekam diese
öffentliche Ausstellung aber schon am ersten Tage satt und als das
Publikum den zweiten Tag wiederkam, fand es den Platz abgesperrt.
[288]Die Eisenbahnen bis 1830.
Es läſst sich annehmen, daſs der Erfinder die Sache deshalb so rasch
abbrach, weil er zur Überzeugung kam, daſs der Dampfwagen auf
den gewöhnlichen Wegen doch nicht anwendbar sei. Zufällig wurde
in den Tagen dieser Schaustellung des Dampfwagens eine Wette zum
Austrag gebracht, die ebenfalls die öffentliche Aufmerksamkeit auf
sich zog. Es handelte sich um die Frage, welche Last ein einziges
Pferd auf der Eisenbahn von Wandsworth nach Croydon ziehen
könne. Zahl und Gewicht der Wagen war über Erwarten groſs. Bei
Trevithick mag dies zu der wichtigen Erkenntnis geführt haben,
daſs Eisenbahn und Dampfwagen zusammengehören, daſs der Dampf-
wagen nur auf einem eisernen Schienenwege mit Vorteil verwendet
werden könne. Der Gedanke war bei ihm nicht neu, denn er hatte
ihn schon in seinem Patent mit einbegriffen. Da er zufällig damals
einen Hammer für das Eisenwerk zu Pen-y-darran in Auftrag hatte,
so bot sich ihm eine günstige Gelegenheit, seinen Plan, eine Maschine
für den Gütertransport auf der dortigen Eisenbahn zu bauen, auszu-
führen. Vor Ablauf des Jahres 1803 hatte er die Maschine, Fig. 98,
in der Schmiede des Hüttenwerkes vollendet. Sie war ähnlich der
früheren, nur mit verschiedenen Verbesserungen konstruiert und zog
gleich beim ersten Versuch mehrere Wagen, welche mit 10 Tonnen
Eisen geladen waren, mit einer Geschwindigkeit von fünf Meilen in
der Stunde. Ein Zeitgenosse hat folgenden Lebenslauf dieser ersten
Lokomotive, welche wirklich betriebsmäſsig zum Transport verwendet
wurde, veröffentlicht 1). Sie hatte das Roheisen von den Hochöfen
[289]Die Eisenbahnen bis 1830.
nach der alten Schmiede zu ziehen und arbeitete ganz gut, nur
brachen infolge ihres Gewichtes häufig die Guſsschienen und die
Verbindungshaken. Nachdem sie einige Zeit so gearbeitet hatte, fuhr
sie mit einer Fracht Eisen auf der Hafenbahn, wo sie stationiert
werden sollte, herab. Bei dieser Fahrt zerbrach sie eine Menge Guſs-
platten und ehe sie den Hafen erreicht hatte, entgleiste sie und
muſste mit Pferden nach Pen-y-darran zurückgebracht werden. Von
da ab wurde sie nie mehr als Lokomotive verwendet. Trevithick
lieſs sein Dampfwagenprojekt fallen.
In jener Zeit herrschte noch das festgewurzelte Vorurteil, die
Räder und die Schienenbahn müſsten möglichst rauh sein, damit die
Räder sich nicht tot liefen. Trevithick hatte deshalb in seinem
Patent vorgesehen, daſs das Treibrad durch Knöpfe oder Querfurchen
rauh gemacht werden sollte. Von dieser Ansicht ausgehend nahm
Blenkinsop in Leeds 1811 ein Patent für eine Eisenbahn mit Zahn-
stangenführung auf einer Seite. In diese sollte ein gezahntes Rad
der Lokomotive eingreifen und die Vorwärtsbewegung bewirken.
Blenkinsops Dampfwagen hatte zwei Cylinder, nach einer Erfindung
von Thomas Murray in Leeds. Die Eisenbahn war 3½ englische
Meilen lang und verband die Kohlenwerke von Middelton mit der
Stadt. Diese Bahn war Jahre hindurch eine der gröſsten Sehens-
würdigkeiten von Leeds. J. E. Fischer, der sie 1814 sah, lieferte
folgende anschauliche Schilderung: „Von dem Orte, wo die Kohlen
gegraben werden, bis zu dem bei der Stadt Leeds liegenden Magazin
geht ein eiserner Railweg, der sich von den gewöhnlichen darin unter-
scheidet, daſs an der einen Seite desselben vorstehende Kämme
(cogs) angegossen sind, etwa 2½ Zoll lang, 2 Zoll dick, oben ab-
gerundet und ungefähr 2 Zoll voneinander abstehend.
Der Wagen, auf dem die Dampfmaschine ist und der in Gröſse
und Form einem kleinen Weinwagen mit einem einzelnen Fuhrfaſs
gleichkommt, hat auch vier niedere ganz eiserne Räder, wie die hinten
angehängten Kohlenwagen; aber er hat noch ein fünftes, in der Mitte
zwischen dem linken Hinter- und Vorderrad umlaufendes Stirn-Zahn-
rad, welches in die Kämme greift und durch zwei kleinere Stirnräder,
die an zwei mit Kurbeln versehenen Wendelbäumen angebracht sind,
herumgetrieben wird. Diese zwei Kurbeln erhalten ihre Bewegung
unmittelbar von den auf- und niedergehenden Kolbenstangen in den
zwei zehnzölligen Cylindern, die sich in dem Dampfkessel selbst be-
finden und nur so weit herausragen, als es die Disposition der Ventile
oder vielmehr Hahnen, die durch die Kolbenstangen selbst vermittelst
Beck, Geschichte des Eisens. 19
[290]Die Eisenbahnen bis 1830.
eines einfachen Mechanismus zur Zulassung des Dampfes geöffnet und
geschlossen werden, notwendig macht. In dem Dampfkessel selbst
befindet sich auch der Ofen, um mit wenigem Feuer die gröſste
Menge Dampf hervorzubringen.
Das Ganze ist von hölzernen Dauben, mit eisernen Reifen ge-
bunden, eingefaſst, wodurch es ziemlich das Ansehen eines Fasses
erhält, und wovon der Grund bald angegeben werden soll. Der hintere
und vordere Boden sind frei und auch von sehr starkem Eisenblech.
An dem hinteren ist das Loch zur Feuerung angebracht und an dem
vorderen das gekröpfte, 16 Fuſs in die Luft ragende Kamin. Oben
auf dem Faſs befinden sich noch die zwei Sicherheitsklappen. Da
wegen Mangel an Raum zur Mitführung des Wassers und zur Verein-
fachung der Maschine kein Kondensator angebracht ist, so wird die-
selbe nur durch die Ausdehnung des Dampfes getrieben, die so stark
ist, daſs sie auf jeden Quadratzoll mit einer Kraft von 60 Pfd. drückt,
weshalb die oben erwähnte hölzerne Einfassung wegen Gefahr des
Zerspringens der Maschine angebracht ist.
Bei genauer Beobachtung ihres Ganges vermittelst der Sekunden-
uhr fand ich die mittlere Geschwindigkeit der Kolben von 60 Zügen
in der Minute von jedem Cylinder und den Kolbenhub 2 Fuſs. Das
Fortschreiten der Maschine ist so, daſs ein Mann mit starkem Schritt
kaum folgen kann. Da ich diesem Fuhrwerke noch fast zwei englische
Meilen entgegengegangen war, ehe ich ihm begegnete, so hieſs mich
der Mann, der es leitete, auf den Wagen der Maschine, der an den
Seiten mit Bänken versehen ist, aufsteigen und schlug mir zu Ge-
fallen einen Trott an, indem er durch stärkere Dampfproduktion die
Geschwindigkeit der Kolben bis auf 80 Hube die Minute vermehrte.
Ich war aber froh, als er wieder nachlieſs, wegen der augenschein-
lichen Gefahr einer Explosion, denn der Dampf pfiff, als wenn ein
halbes Dutzend asthmatischer Rosse, auſser Atem getrieben, vor-
gespannt gewesen wären. Übrigens machte es mir Freude, auf diesem
Triumphwagen des menschlichen Geistes (so möchte ich dies Fuhr-
werk nennen) meinen Einzug in Leeds zu halten; denn zu einem
solchen Behuf sind die Elemente wohl noch nicht oft und mit so
konzentrierter Kraft in einen so kleinen Raum gebannt worden, da
dieselbe im Augenblick 23 Wagen, jeder mit 60 Ctr. Steinkohlen be-
laden, dann die ganz eisernen Wagen selbst, deren jeder 10 Ctr.
schwer ist, auf zuweilen etwas ansteigender Bahn und zwar mit
gleicher Geschwindigkeit fortschafft.“
Die Herren Chapman von Newcastle, von derselben irrigen Vor-
[291]Die Eisenbahnen bis 1830.
aussetzung der ungenügenden Reibung ausgehend, nahmen Patent
auf eine Kettenbahn, welche in ihrem Betriebe groſse Ähnlichkeit mit
der heutigen Kettenschleppschiffahrt hatte. Dieselbe bewährte sich aber
gar nicht. Eine wichtigere Anlage war die Wylambahn des Herrn
Blackett; sie verband die Kohlenwerke von Wylam mit dem Tyne-
fluſs, wo die Kohlen nach Newcastle verladen wurden, und war vier
Meilen lang. Blackett war ein unternehmender Kohlengruben-
besitzer und ein Bekannter von Trevithick, von dem er sich bereits
1804 einen Plan für einen Dampfwagen zum Kohlentransport ver-
fertigen lieſs; indessen kam derselbe nicht zur Ausführung. Bis 1808
war die Bahn ein gewöhnlicher Holz-Tramway gewesen. In diesem
Jahre wurde statt dessen ein einfacher guſseiserner Plattenweg (plate
way) mit Weichen angelegt. Während früher ein Pferd einen Wagen
zog, konnte dasselbe jetzt leicht zwei oder drei beladene Wagen
ziehen. Durch Blenkinsops Erfolge ermuntert, legte Blackett
1812 eine ähnliche Zahnradbahn mit Dampfbetrieb an; aber seine
plumpe Lokomotive mit guſseisernem Kessel flog beim ersten Versuch
in Stücke. Unbeirrt durch diesen Miſserfolg lieſs er eine neue
Maschine bauen, welche denn auch wirklich 8 bis 9 beladene Wagen,
aber nicht schneller als etwa eine englische Meile in der Stunde,
fortbewegte. Alle Augenblicke brach aber eine Guſsschiene oder
sprang das Triebrad aus der Führung. Die Maschine wurde dadurch
zum Gespötte der Nachbarschaft. Aber Blacketts Maschinist Foster
und sein Grubensteiger Hedley lieſsen sich nicht irre machen.
Letzterer kam auf den Gedanken, ob die Sache nicht ohne das Zahn-
getriebe gehen könne, ob die Reibung der Laufräder auf den Schienen
nicht ausreichend sei? Er stellte Versuche an bei verschiedener Be-
lastung der Maschine, welche den besten Erfolg hatten und ermittelte
durch Gewichte die Zugkraft, welche nötig sei, um die verlangte
Anzahl Wagen bei jeder Witterung auf glatter Bahn zu ziehen.
Durch diese einfachen Versuche eines Steigers war die allgemein fest-
gehaltene Ansicht der Maschineningenieure, daſs es unmöglich sei,
mit einer Maschine mit glatten Rädern Lasten auf einer Eisenbahn
bei geringer Steigung fortzubewegen, ein für allemal beseitigt. Der
Dampfwagen der Wylambahn arbeitete seitdem viel besser.
Diese unvollkommene Eisenbahn führte dicht an einer kleinen
Hütte vorbei, wo ein armer, aber braver Kohlenhauer mit seiner
Familie wohnte, Robert Stephenson, dem am 9. Juni 1781 ein
Sohn Georg geboren wurde, welcher bestimmt war, einer der gröſsten
Wohlthäter der Menschheit zu werden. In den ärmlichsten Verhält-
19*
[292]Die Eisenbahnen bis 1830.
nissen und ohne jede Schulbildung wuchs der Junge heran und
muſste schon in frühen Jahren helfen, durch seiner Hände Arbeit zu
seinem Unterhalt beizutragen. Als ein groſses Glück erschien es ihm
und seinen Eltern, als der starke Junge im 15. Lebensjahre Heizer
bei der Dampfmaschine eines Kohlenbergwerkes bei Newburn on the
Tyne wurde. Im 17. Jahre wurde er Maschinenwärter (plugman),
während sein Vater sein Heizer wurde. In dieser Stellung konnte
sich sein auſserordentliches mechanisches Talent entfalten. Die Ver-
pflichtung, seine Maschine in Ordnung zu halten, zwang ihn, dieselbe
genau zu studieren, selbständig zu denken und zu handeln. Er erlangte
rasch volles Verständnis ihrer Construction und sein mechanisches
Geschick machte es ihm leicht, sich zu helfen und alle laufenden
Reparaturen selbst zu machen. Er lernte aber nicht bloſs von seiner
Maschine. Da er jetzt den Mangel jeglicher Schulbildung tief
empfand, entschloſs er sich, in seinen alten Tagen noch einmal
Schulknabe zu werden, um Lesen und Schreiben zu lernen. Der
groſse starke Mann setzte sich in die Abendschule zu den Kindern
und lernte bei Robin Cowens für 3 Pence die Woche diese wichtigen
Künste. In gleicher Weise lernte er Rechnen. Georg wurde, nun
20 Jahre alt, Maschinist bei der Fördermaschine (brakesman), was für
das schwierigste Amt bei den Kohlenbergwerksmaschinen galt. In
dieser Stellung kam er später nach Killingworth, von wo sein Ruhm
ausging. Er hatte sich durch scharfe Beobachtung der Maschinen
und unablässigen Fleiſs so groſse mechanische Kenntnisse und Ge-
schicklichkeiten erworben, daſs er imstande war, auch andere Maschinen,
die in Unordnung geraten waren, zu reparieren und in Ordnung zu
bringen. Durch verschiedene glückliche Kuren an kranken Maschinen
erlangte er einen Namen als Maschinenarzt in seinem Revier. George
Stephenson hatte inzwischen geheiratet und am 16. Oktober 1803
wurde ihm ein Sohn geboren, den er nach dem Groſsvater Robert
nannte und der den Ruhm des Namens Stephenson fortzusetzen
bestimmt war. Diesem Sohn eine gute Erziehung, besser als sie ihm
geworden, zu geben, wurde nun eine Lebensaufgabe des glücklichen
Vaters. Auch weckte er früh in dem Knaben das Interesse für
Mechanik und schärfte spielend seine Erfindungsgabe. Manches kind-
liche Kunstwerk fertigten Vater und Sohn gemeinschaftlich, um später
zu ernsteren Arbeiten überzugehen.
Die Frage des billigen Kohlentransportes nach den Verladeplätzen
an dem Tynefluſs beschäftigte George Stephenson, seitdem er
Maschinist bei der Fördermaschine zu Killingworth geworden war.
[293]Die Eisenbahnen bis 1830.
Wo es anging, legte er schiefe Ebenen, sogenannte Bremsberge, an,
bei denen das Gewicht der abwärts gehenden beladenen Wagen die
aufwärts gehenden leeren Wagen mittels eines Seiles über einer
Scheibe in die Höhe zog. Dies war aber nur an einzelnen Punkten
anwendbar. Der Transport in der Ebene geschah langsam mit
Pferden auf Tramwegen. Daſs hierfür der Dampf das richtige Aus-
kunftsmittel werden müsse, war seine Überzeugung von früh an. Er
hatte alle die Versuche mit Blacketts Eisenbahn, welche an seinem
Geburtshause vorbeilief, beobachtet und mit erlebt. Auch eine Maschine
von Blenkinsop hatte er bei den Kohlenwerken von Kenton und
Coxlodge laufen sehen. Sein scharfes, prüfendes Auge erkannte die
Mängel beider. Abgesehen von allen sonstigen Unvollkommenheiten,
arbeiteten die Lokomotiven noch mit viel höheren Kosten als Pferde.
George Stephenson faſste den Plan, eine bessere Lokomotive, deren
Betrieb auch ökonomisch vorteilhaft sei, zu konstruieren. 1813 machte
er den Besitzern der Killingworth-Kohlenbergwerke den Vorschlag,
eine „Reisemaschine“ (travelling engine), wie er sie nannte, zu bauen.
Lord Ravensworth, der Hauptbesitzer, der bereits eine sehr gute
Meinung von dem jungen Maschinisten gewonnen hatte, gab seine
Zustimmung und mit seinem Gelde begann Stephenson seine erste
Lokomotive zu bauen. — Man erklärte Lord Ravensworth in der
ganzen Gegend für verrückt. Stephenson hatte groſse Schwierig-
keiten bei der Ausführung, denn es gab weit und breit keine ge-
schickte Mechaniker. Der Bergschmied von West Moor muſste in
der Bergschmiede daselbst die Arbeit nach Stephensons Angaben
und mit seiner Hülfe ausführen. Die Maschine hatte zwei Cylinder
und wurde die Kraft durch die Kolbenstange auf ein Zahngetriebe,
welches die Radachsen bewegte, übertragen. Maschine, Kessel und
Tender waren auf einem Plattwagen ohne Federn befestigt. Die
Räder waren glatt. Stephenson hatte sich durch Versuche über-
zeugt, daſs die Reibung derselben, bei entsprechender Belastung, aus-
reichte. Am 25. Juli 1814 konnte die Lokomotive probiert werden
und es zeigte sich, daſs sie 8 beladene Wagen von 30 Tonnen Last
mit einer Geschwindigkeit von 4 englischen Meilen in der Stunde
fortbewegen konnte. Die Maschine erhielt den Namen „Blücher“ und
wurde in regelmäſsigen Dienst genommen. Sie war noch sehr unvoll-
kommen. Alle Teile der Maschine und die Radachsenlager waren an
den Dampfkessel angeschraubt; da sie keine Federn hatte, stieſs und
klapperte die Lokomotive furchtbar. Es wurde eine sorgfältige Ver-
gleichung der Kosten des Betriebes der Maschine mit der von Pferden
[294]Die Eisenbahnen bis 1830.
vorgenommen, und nach Jahresschluſs ergab sich, daſs sie ziemlich
gleich hoch waren, so daſs der Transport mit der Maschine nicht
vorteilhafter war. In diesem kritischen Augenblicke gelang es aber
Stephenson, eine Verbesserung an seiner Lokomotive anzubringen,
welche ihre Leistung bedeutend erhöhte. Es war dies die Einführung
des verbrauchten Dampfes in den Schornstein durch ein enges Aus-
strömungsrohr. Aus diesem muſste er mit groſser Geschwindigkeit
ausströmen, riſs die Luft mit fort und bewirkte dadurch eine be-
deutende Verstärkung des Zuges in dem Sinne eines Dampfstrahl-
gebläses. Diese scheinbar unbedeutende Änderung vermehrte die
Arbeit der Maschine um mehr als das doppelte und verminderte
dabei zugleich die Belästigungen, welche der Dampf bei seinem
direkten Entweichen aus den Dampfcylindern veranlaſst hatte. Diese
Entdeckung kam zur rechten Zeit und erwies sich so wichtig, daſs
sie für die Verwendung der Lokomotive entscheidend wurde. Nach
dieser und noch manchen anderen Erfahrungen konstruierte Stephen-
son eine zweite Maschine und nahm am 28. Februar 1815 ein Patent
darauf. Die wichtigste Abänderung bestand darin, daſs er zwei
vertikale Dampfcylinder direkt mit den beiden Räderpaaren verband.
Um den notwendigen Parallelismus der Bewegungsebenen der Rad-
scheiben und des Krummzapfens der Kolbenstange zu erreichen,
wurde der Kreuzkopf durch ein bewegliches Kugelgelenk mit der
Kolbenstange verbunden und bewegte sich in einer parallelen Führung.
Die Räder selbst wollte er, wie aus der Patentbeschreibung hervor-
geht, durch Kurbelstangen miteinander verbinden, da er aber niemand
fand, der ihm so starke, geköpfte Achsen schmieden konnte, muſste er
sich damit begnügen, die Räderpaare durch Ketten, welche über Zahn-
räder liefen, miteinander zu kuppeln. Da die Ketten sich aber nach
wenigen Jahren längten und unbrauchbar wurden, so ersetzte er sie
durch Führungsstangen an der äuſseren Seite der Räder. So waren
in dieser Maschine vom Jahre 1815 schon die wichtigsten Erfindungen
Stephensons in Anwendung gebracht, und kann sie als der erste
Typus der modernen Lokomotive angesehen werden.
Obgleich seine Maschine noch viele Mängel hatte und von den
meisten nur als ein interessantes Spielzeug angesehen wurde, so war
Stephenson bereits ganz von der zukünftigen Bedeutung der Loko-
motive durchdrungen, von der er bereits bestimmt behauptete, daſs
sie einstmals alle anderen Transportmittel für den Massentransport
zu Land verdrängen werde.
Bisher hatten sich Stephensons Verbesserungen nur auf die
[295]Die Eisenbahnen bis 1830.
Maschine bezogen, ebenso wichtig war aber die Verbesserung der
Schienenbahnen selbst. Diese waren bis dahin ohne Sorgfalt und
ohne genaues Nivellement gelegt worden. Die eine lag höher, die
andere tiefer, infolgedessen gab es an den Verbindungsstellen die
ärgsten Stöſse, unter denen die Verbindungen und die Maschinen
litten. Damals, 1816, kannte man nur guſseiserne Schienen. Jede
Schiene bildete ein Stück von etwa 3 Fuſs Länge, dasselbe lag auf
flachen, guſseisernen Stühlchen, welche auf Steinblöcken aufsaſsen.
Wichen diese, so paſsten die Schienenenden nicht mehr aufeinander;
heftige Stöſse und Schienenbrüche waren die Folge. Um dies mög-
lichst zu vermeiden, ersetzte
Stephenson die Stoſsfugen der
Schienen durch übereinander grei-
fende Fugen, welche in der neben-
gezeichneten Weise, Fig. 99, ver-
bunden wurden. Diese Schienen
für welche er in Gemeinschaft
mit einem Gieſsereibesitzer W. Losh von Newcastle am 30. Sep-
tember 1816 ein Patent nahm, erwiesen sich als eine groſse Ver-
besserung, welche die Leistung der Lokomotive erheblich vermehrte.
In demselben Patent waren verschiedene Verbesserungen an der
Lokomotive mit einbegriffen, wie die Anwendung schmiedeeiserner
Räder an Stelle der Guſsräder (eine Erfindung Loshs), namentlich
aber eine Federung, welche durch den Dampf bewirkt wurde. Er
lagerte den Dampfkessel auf vier kleine Dampfcylinder, welche mit
dem Kessel kommunizierten. Die schwebenden Kolben dieser Cylinder
nahmen je ein Viertel der Last auf, welche dadurch immer ziemlich
gleich verteilt blieb. Diese geistreiche Dampffederung blieb in An-
wendung, bis man genügend starke Metallfedern zu machen lernte.
Die nach dem neuen Patent verbesserten Maschinen arbeiteten mit
groſser Ersparnis und bewährten sich so gut, daſs dieselbe Art
Maschinen noch vor wenigen Jahrzehnten auf der Killingworthbahn
in Anwendung war, wo sie schwere Kohlenzüge mit einer Geschwindig-
keit von 5 bis 6 Meilen in der Stunde beförderten.
Stephensons Erfolg erweckte bei vielen die Hoffnung, daſs er
auch im stande sein würde, eine Straſsenlokomotive zu bauen; er selbst
aber lehnte dies bestimmt ab, da ihm klar war, wie unverhältnis-
mäſsig groſs die Reibung auf gewöhnlichen Straſsen ist. Dagegen
machte er wichtige Versuche, die Gröſse der Reibung auf Eisenbahnen
zu bestimmen, wobei er sich eines selbsterfundenen Dynamometers
[296]Die Eisenbahnen bis 1830.
bediente. Er stellte durch Experiment fest, was theoretisch schon
lange bekannt war, daſs das Maſs der Reibung bei jeder Geschwindig-
keit dasselbe bleibt. Er unterschied genau die drei Widerstände, die
Achsenreibung, die Reibung an der Gleitfläche der Schienen und das
Gewicht. Achsenreibung und Gewicht waren leicht zu ermitteln, die
gleitende Reibung nicht, doch fand er, daſs dieselbe bei rauhen
Flächen so rasch zunahm, daſs der Versuch auf gewöhnlichen Straſsen
ihm ganz unausführbar erschien. Er fand, daſs eine Steigung von
1/100 schon mehr als 50 Proz. Kraft erforderte. Diese wichtigen That-
sachen dienten ihm zur Richtschnur bei seinen späteren Bahnbauten.
Er erkannte, wie notwendig eine ebene Bahn für den Lokomotivbetrieb
sei. Diese Erkenntnis war sehr wichtig, denn bis dahin hatte man
meist geneigte Bahnen von den Kohlengruben nach dem Fluſsufer
gebaut und man betrachtete die schiefe Ebene als einen Vorteil, weil
sie Gelegenheit bot, durch die abwärts laufenden beladenen Wagen
die leeren in die Höhe zu ziehen. Wo aber die Lasten in derselben
Richtung auf und ab befördert werden muſsten, war dies nicht
anwendbar; in diesem Falle war eine möglichst ebene Bahn die
beste.
Obgleich Stephensons Lokomotive Jahr ein Jahr aus mit dem
besten Erfolge ununterbrochen ihre Lasten auf der Killingworth-Eisen-
bahn beförderte, erregte sie doch merkwürdigerweise nur wenig Inter-
esse, und es dauerte 8 Jahre, ehe eine zweite Dampfbahn für den
Kohlentransport gebaut wurde. Killingworth lag zu sehr auſser der
Welt, George Stephenson blieb der bescheidene Maschinist, und es
kam ihm nicht in den Sinn, für seine Erfindungen Reklame zu machen.
Dagegen dachte er damals zuweilen daran, nach Amerika auszuwandern,
um sich dort auf den Bau von Dampfschiffsmaschinen zu verlegen.
Glücklicherweise wurde hieraus nichts, und sein Verdienst fand seinen
Lohn im eigenen Vaterlande. 1819 beschlossen die Gewerke der
Hetton-Kohlengruben die Anlage einer 8 Meilen langen Eisenbahn
mit Maschinenbetrieb von ihren Bergwerken bei Houghton-le-
Spring in Durham nach dem Verladungsplatz am Flusse Wear. Das
Terrain war hügelig und die Anlage schwierig. George Stephen-
son wurde mit ihrer Ausführung betraut und führte sie mit der
gröſsten Sorgfalt aus. Er legte fünf schiefe Ebenen mit stehenden
Maschinen an, den übrigen Betrieb sollten Lokomotiven besorgen.
Am 18. November 1822 wurde die Hetton-Eisenbahn eröffnet und
zwar mit fünf von Stephensons Lokomotiven oder „eisernen
Pferden“, wie sie vom Volke genannt wurden. Jede zog einen Zug
[297]Die Eisenbahnen bis 1830.
von 17 Wagen mit etwa 64 Tonnen Gewicht und einer Geschwindig-
keit von 4 Meilen in der Stunde.
Von viel gröſserer Bedeutung wurde die Stockton-Darlington-
Eisenbahn, welche 1817 von Edward Pease zuerst als einfacher
Eisenweg projektiert worden war. Aber erst am 19. April 1821 konnte
er die königliche Bestätigung für sein Projekt erlangen, dem die adligen
Groſsgrundbesitzer heftigen Widerstand bereiteten und das weder von
den übrigen Gewerken, noch von den Kohlenhändlern unterstützt
wurde. Pease war aber ein Mann, der einen weiteren Blick hatte,
als die meisten seiner Zeitgenossen, und an dem, was er für richtig
erkannt hatte, mit unbeugsamer Energie festhielt. Lokomotivbetrieb
war ursprünglich nicht beabsichtigt, in der Konzessionsurkunde hieſs
es „mit Menschen, Pferden oder sonstwie“ und dem Publikum sollte
es gestattet sein, die Bahn mit Pferden, Rindvieh und Fuhrwerk zu
benutzen an den Tagesstunden und gegen eine Taxe.
Stephenson hörte von dem Unternehmen, suchte Pease auf,
erbot sich zur Übernahme der Ausführung und brachte den Loko-
motivbetrieb in Vorschlag. Pease hatte nur Pferdebetrieb vor-
gesehen, und Stephensons Behauptung, daſs eine Lokomotive 50 Pferde
ersetze, überraschte ihn in hohem Grade. Pease und seine Teil-
haber beschlossen, die Eisenbahn zu bauen und übertrugen George
Stephenson die Ausführung der Stockton-Darlington-Linie. Am
23. Mai 1822 wurde der Bau feierlich begonnen. In seinem Vor-
anschlag setzte Stephenson eine ziemlich hohe Summe für stationäre
Maschinen ein, für Lokomotiven nichts, denn die Direktoren und die
öffentliche Meinung betrachteten Lokomotiven immer noch als eine
mechanische Spielerei.
Stephenson verfehlte aber nicht, bei jeder Gelegenheit auf die
Überlegenheit der Lokomotive im Vergleich mit dem Pferdebetrieb
hinzuweisen, obgleich er meist tauben oder ungläubigen Ohren pre-
digte. Häufig besprach er den Gegenstand mit Pease und schloſs
immer die Diskussion mit den Worten: „Kommen Sie nach Killing-
worth und sehen Sie selbst, was eine Lokomotive leistet.“ Endlich
entschloſs sich Pease hierzu, und das, was er sah, überzeugte ihn so voll-
ständig von der Wahrheit alles dessen, was Stephenson gesagt hatte,
daſs Pease von diesem Moment an ein eifriger Befürworter des
Lokomotivbetriebes wurde.
Die Tracierung und Vermessung der neuen Eisenbahnlinie muſste
George Stephenson ganz allein vornehmen. Gleichzeitig gründete
er in Verbindung mit Pease und Richardson eine Maschinenfabrik
[298]Die Eisenbahnen bis 1830.
in Newcastle, welche nur für den Bau von Lokomotiven bestimmt
sein sollte. 1823 wurde das Unternehmen begonnen und 1824 kam
die Fabrik in Betrieb.
Bei dem Bau der neuen Bahn war es eine wichtige Frage, ob
guſseiserne oder schmiedeeiserne Schienen in Anwendung kommen
sollten. Früher kannte man nur Guſsschienen, und wir wissen, daſs
Stephenson ein Patent auf solche erlangt hatte. Trotz dieses
Patentes brachte er selbst schmiedeeiserne Schienen, wegen ihrer
gröſseren Haltbarkeit, trotz ihres doppelten Preises in Vorschlag. Guſs-
schienen kosteten damals 5 £ 10 sh., schmiedeeiserne Schienen 12 £
die Tonne. Gewalzte profilierte schmiedeeiserne Schienen waren eine
Erfindung John Birkinshaws, Besitzer des Bedlington-Eisenwerkes
in der Grafschaft Durham, welcher am 23. Oktober 1820 ein Patent
darauf genommen hatte 1). Die Patentbeschreibung besagt, die Schienen
sollen aus Schmiedeeisen angefertigt werden, entweder in prismatischer
oder Keilform, oder mit konkaven Seiten in einer Art T-Form, wobei
die Oberfläche flach gewölbt sein sollte. Sie wurden durch Walzen von
glühendem Eisen durch Öffnungen von entsprechender Gestalt herge-
stellt. Solche gewalzte Schienen konnte man länger machen als guſs-
eiserne und brauchte sie dabei wegen ihrer gröſseren Bruchfestigkeit
nicht so stark zu machen. Die Form, welche Stephenson wählte,
war die sogenannte Fischbauch-Schiene (s. oben S. 266, Fig. 86).
Die Spurweite machte man, entsprechend dem üblichen Radabstand
der Fuhrwerke, 4 Fuſs 8½ Zoll. Nach dieser Spur wurden Lokomo-
tiven und Eisenbahnwagen gebaut. Man benutzte die Erdwagen von
der Hettonbahn auf der Stockton-Darlington-Linie.
Obgleich anfänglich Pferdebetrieb in Aussicht genommen war,
setzte Pease es durch, daſs auch mit Lokomotiven ein Versuch ge-
macht wurde. Drei Maschinen wurden von der Firma Stephenson
\& Komp. in Newcastle bestellt. Die erste Maschine, welche ab-
geliefert wurde, führte den Namen „Lokomotion“ und wog 8 Tonnen.
Sie war mit allen neuen Verbesserungen von Stephenson versehen.
Durch den cylindrischen Kessel führte ein Feuerrohr, durch welches
die Verbrennungsgase in den Schornstein geführt wurden. Die Ma-
schinen waren als Lastmaschinen für langsamen Gang konstruiert.
An eine Beförderung von Personen dachte man damals noch gar
nicht. Am 27. September 1825 wurde die Stockton-Darlington-Eisen-
bahn unter groſsem Zudrange von Neugierigen eröffnet, und der Erfolg
[299]Die Eisenbahnen bis 1830.
übertraf alle Erwartungen. Der Zug war erst aus 4 mit Kohlen und
Mehl beladenen Güterwagen, dann aus einer Passagierkutsche für die
Direktoren und ihre Freunde zusammengesetzt, dann folgten 21 Wagen,
welche provisorisch mit Sitzen versehen worden waren für das Publi-
kum, und hierauf kamen wieder 6 beladene Kohlenwagen, so daſs der
Zug im ganzen aus 38 Wagen bestand. Das Zeichen ertönte, der
Zug setzte sich in Bewegung und dampfte stolz dahin, zeitweise mit
der damals unglaublichen Geschwindigkeit von 12 englischen Meilen
in der Stunde. In Stockton traf der Zug mit 600 Passagieren ein.
Der Erfolg des Unternehmens übertraf alle Erwartungen. Man hatte
gar nicht vermutet, daſs der Verkehr mit den Seehäfen eine Bedeutung
haben würde. In kurzer Zeit übertraf er den Lokalverkehr auf der
Strecke, auf den man allein gerechnet hatte, und wurde der wichtigste
Teil des Transportes; in wenigen Jahren stieg er auf 500000 Tonnen,
während man ihn vorher nicht auf 10000 Tonnen veranschlagt hatte.
Ebenso hatte man nichts vom Personenverkehr erwartet, da die Gegend
sehr dünn bevölkert und der Passagierverkehr zwischen Darlington
und Stockton äuſserst gering war. Ein einziger Passagierwagen, der
einem gewöhnlichen Meſswagen ähnlich sah, wurde anfänglich als
Pferdebahnwagen eingestellt. Er erhielt den Namen „das Experiment“
und die Aufschrift „Periculum privatum utilitas publica“. Aber schon
nach wenigen Jahren muſsten ganze Züge von Personenwagen durch
Lokomotiven befördert werden. Als ein höchst merkwürdiges Ereignis
galt es, als die Lokomotive bei einer Wettfahrt mit dem Postwagen
die Wette gewann. Die Maschine Nr. 1, Lokomotion, blieb bis zum
Jahre 1846 in regelmäſsigem Betriebe, später wurde sie als ein histo-
risches Denkmal auf einer Rampe vor dem Bahnhofe zu Darlington
aufgestellt, wie es Fig. 100 (a. f. S.) zeigt.
Die Stockton- und Darlingtonbahn ist für die Geschichte des
Eisenhüttenwesens auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie
die Veranlassung wurde für die Entstehung der weltbekannten Eisen-
stadt Middlesborough-on-Tees. Als die Bahn eröffnet wurde, war
der Grund der Stadt Wiese und Sumpf, ein einziges Farmhaus befand
sich daselbst. 1829 kaufte einer der Hauptbeteiligten der Eisenbahn-
gesellschaft 500 bis 600 Morgen Land unterhalb Stockton, da, wo jetzt
Middlesborough liegt, und legte einen neuen Seehafen für die Kohlen-
verfrachtung an. Die Bahn wurde bis zu dem Punkte verlängert, und
es entstand auſser den Lagerhäusern, Zollgebäuden und Schiffswerften
rasch eine Stadt, welche nach 10 Jahren bereits 6000 Einwohner
zählte, heute hat Middlesborough ca. 80000 Einwohner.
Das entscheidende Schlachtfeld für die Zukunft der Eisenbahnen
und des ganzen Verkehrswesens ist aber die Bahn von Liverpool nach
Manchester geworden. Hier hat Stephenson seinen gröſsten Sieg
erfochten, der seinen Namen über die ganze civilisierte Erde trug.
Der Bridgewaterkanal, welcher in den 70 er Jahren des 18. Jahr-
hunderts erbaut worden war, um dem groſsen Verkehr von Manchester
und Liverpool zu dienen, war seiner Zeit ein bewunderungswürdiges
Bauwerk und die gröſste Wohlthat für dieses wichtige Industriegebiet
gewesen. Handel und Verkehr hatten aber anfangs der 20 er Jahre
solchen Umfang angenommen, daſs er ganz ungenügend wurde, den
gewaltigen Güterverkehr zu bewältigen. Dabei war der Transport ein
sehr teurer, denn die Kanalgesellschaft hatte das Monopol und konnte
Preise machen, wie sie wollte.
Um 1821 tauchte zuerst der Plan auf, Manchester mit Liverpool
durch eine Trambahn zu verbinden. Ein Kaufmann Sandars von
Liverpool war der erste, welcher für das Projekt warb. Im Jahre
1820 hatte Thomas Gray eine Broschüre „Bemerkungen über eine
allgemeine Eisenbahn“ geschrieben, welche groſses Aufsehen erregte.
In ihr war zum erstenmal die Überlegenheit von Lokomotivbahnen
im Vergleich mit Landstraſsen und Kanälen für den Güter- und Per-
sonentransport nachgewiesen. In dieser Broschüre wies Gray auf den
groſsen Nutzen einer Eisenbahn von Manchester nach Liverpool hin.
Damit begann die Idee der Eisenbahn allmählich in das Publikum
zu dringen. William James, ein Unternehmer, der unter anderen
[301]Die Eisenbahnen bis 1830.
Dingen auch schon verschiedene Trambahnen gebaut hatte, war der
dritte, der denselben Plan faſste und Sandars seine Dienste anbot.
Er übernahm es, eine vorläufige Vermessung vorzunehmen, stieſs aber
auf hartnäckigen und erbitterten Widerstand seitens der Grundbesitzer.
Trotz dieser Schwierigkeiten brachte James eine oberflächliche Ver-
messung zu stande. Auch begab er sich nach Killingworth, sah
Stephensons Lokomotive arbeiten und war überrascht von ihrer
Leistung. Er wurde mit Stephenson bekannt, versprach diesem,
seine Lokomotiven einzuführen, und das Verhältnis führte zu einer
Beteiligung an der Lokomotivfabrik, woraus aber Stephenson kein
direkter Nutzen erwuchs. Dagegen wurde dies wieder die Veran-
lassung, daſs Stephenson seinen Sohn Robert Herrn James als
Gehülfen bei der Ausführung einer zweiten Vermessung, da die erste
ungenügend war, mitgab. James kam aber mit diesem zweiten Pro-
jekt nicht zu Ende, Krankheit und der Zusammenbruch seines Ver-
mögens verhinderten ihn daran. Das Eisenbahnkomitee war durch
diese neue Verzögerung in groſser Verlegenheit. Inzwischen hatte
Sandars selbst die persönliche Bekanntschaft von George Stephen-
son gemacht und in ihm den einzig richtigen Mann erkannt, das
groſse und schwierige Unternehmen zu einem guten Ende zu führen.
Einstimmig wurde Stephenson zum leitenden Ingenieur erwählt.
Sandars hatte inzwischen mit Eifer und Energie für das Unter-
nehmen gewirkt und eine Gesellschaft von reichen Kapitalisten zur
Ausführung desselben zusammengebracht. Eine zweispurige Eisenbahn-
linie wurde beschlossen. Der erste Prospekt wurde am 29. Oktober
1824 verschickt; die Anlagekosten wurden darin zu 400000 £ veran-
schlagt, eine Summe, die viel zu niedrig gegriffen war.
Stephenson führte inzwischen unter groſsen Schwierigkeiten
seine Vermessungsarbeiten fort, denn die Grundbesitzer agitierten
gegen das Unternehmen und hetzten ihre Arbeiter und das ungebil-
dete Volk gegen die Ingenieure auf. In Broschüren und Zeitungs-
artikeln wurde gegen das Projekt losgezogen. Man streute aus, die
Lokomotiven würden das Land unglücklich machen; wo sie führen,
da hörten die Kühe auf zu weiden und die Hühner Eier zu legen.
Durch den giftigen Hauch der Lokomotiven würden die Vögel in der
Luft getötet; Fasanen- und Fuchsjagden wären nicht mehr möglich.
Die Luft würde verpestet durch den Rauch und alle Häuser in der
Nähe der Bahnlinien würden in Brand geraten. Das Fuhrwerk würde
überflüssig, Pferde wertlos, Hafer fände keine Käufer mehr, Fuhrleute
und Kutscher müſsten verhungern. Reisen würde lebensgefährlich,
[302]Die Eisenbahnen bis 1830.
Dampfkessel würden platzen und die Menschen in Atome zerschmet-
tern u. s. w.
Und es war nicht nur die ungebildete Menge, die von so falschen
Vorstellungen befangen war. Als Stephenson dem Anwalt des
Unternehmens, welcher das Konzessionsgesuch vor dem Parlament
vertrat, vertraulich mitteilte, man werde mit der Lokomotive 20 eng-
lische Meilen in der Stunde fahren können, erklärte ihm dieser, der
Antrag würde rettungslos durchfallen, wenn er so etwas öffentlich
sage und die Geschwindigkeit nicht auf ein „vernünftiges“ Maſs be-
schränke. Selbst jeder Ingenieur hätte damals den Gedanken, mit
solcher Geschwindigkeit zu fahren, für eine Absurdität erklärt.
Stephenson stand allein und verlassen mit seinen Ansichten.
Sandars war der einzige, dem er sie vertrauen durfte. Die Presse,
die Leute von Fach, alle waren gegen Stephenson und gegen den
Gedanken, schneller als 8 bis 9 engl. Meilen in der Stunde fahren
zu wollen. Im März 1825 kam das Projekt der Liverpool-Manchester-
Eisenbahn vor dem Komitee des Parlamentes zur Verhandlung. Die
Opposition war eine groſse und vorzüglich vertreten. George
Stephenson muſste seine Sache verfechten, dem Sturm von Be-
schuldigungen, Übertreibungen, Verdrehungen, Hohn und Spott stand-
halten. Er that es — drei Tage lang — männlich und fest, getragen
von seiner unerschütterlichen Überzeugung. Aber das Interesse der
Reichen und die öffentliche Meinung, namentlich die der Fachgenossen,
war gegen ihn, und so erlebte er den bitteren Schmerz, daſs der An-
trag durchfiel. Es dauerte aber nur kurze Zeit, bis ein Umschwung
in der öffentlichen Meinung eintrat. Die Eisenbahngesellschaft lieſs
eine neue Linie vermessen, welche die Besitzungen der einfluſsreichsten
Gegner umging und mehrere andere Einwände der Opposition gegen
die frühere Linie berücksichtigte und reichte von neuem ein Kon-
zessionsgesuch ein. Diesmal ging es sowohl im Komitee als im Plenum
mit groſser Majorität durch. Erwähnenswert ist nur noch ein neuer
Einwand der Gegner des Projektes. Lord Stanley, der das Elend,
welches über das unglückliche Land, durch welches die Eisenbahn
ihren Lauf nehmen würde, hereinbrechen müſste, in den schwärzesten
Farben schilderte, behauptete auch, die Eisenbahn würde soviel Eisen
nötig haben, daſs der Preis um mehr als 100 Proz. steigen müſste,
daſs die Eisenindustrie gar nicht im stande sein würde, soviel Eisen zu
erzeugen, und eine vollständige Erschöpfung an Eisen eintreten müſste!
George Stephenson übernahm den Bau. Die Ausführung des-
selben ist eine der wichtigsten und glänzendsten Seiten in der Ge-
[303]Die Eisenbahnen bis 1830.
schichte der Ingenieurwissenschaft. Wir können nur kurz einige That-
sachen erwähnen. Die gröſste Schwierigkeit, die von den Gegnern bei
den Verhandlungen im Parlament stets als unüberwindlich bezeichnet
worden war, bestand in der Überschreitung eines groſsen, zum Teil
sumpfigen Torfmoors, Chat Moss genannt. Stephensons Geduld und
Energie überwand dieselbe glänzend. Die zweite Riesenarbeit war
ein langer Tunnel unter der Stadt Liverpool in Länge von 2200 Ellen
(Yards), wobei alle Arten von Schwierigkeiten, welche sich dem Tunnel-
bau entgegenstellten, zu überwinden waren. Alle diese schwierigen Ar-
beiten waren neu und kamen zum erstenmal zur Ausführung. Ferner
waren tiefe Einschnitte zu machen, wie der am Olivenberg, der 2 engl.
Meilen lang und an mehreren Stellen 80 Fuſs tief war. Es muſsten
nicht weniger als 63 Brücken von verschiedener Gröſse gebaut werden.
Die meisten wurden von Eisen, das sich am besten den verschiedenen
Maſsen der Durchlässe anpassen lieſs, hergestellt. Das groſsartigste
Steinbauwerk war der Sankey-Viadukt, welcher aus neun Bogen von
50 Fuſs Spannweite hergestellt wurde. Alle diese Arbeiten ersann
und entwarf George Stephenson und leitete deren Ausführung.
Die Schienenlieferung übertrug er in Abteilungen folgenden Werken:
Bradley-Eisenwerk, Forster \& Co. bei Stourbridge in Staffordshire,
Pen-y-darran in Süd-Wales und Bedlington-Works bei Morpeth in Dur-
ham. Gleichzeitig kämpfte Stephenson unablässig für den Loko-
motivbetrieb, von dem die meisten Direktoren und Teilhaber nichts
wissen wollten. Manche waren für Pferde, viele für stationäre Dampf-
maschinen, die wenigsten für Lokomotiven.
Das Vorurteil gegen letztere hatte durch die Verhandlungen im
Parlament eher noch zugenommen. Aber Stephenson bestand so
entschieden darauf, daſs wenigstens ein Versuch mit der Lokomotive
gemacht werden möge, daſs er endlich den Auftrag erhielt, eine zu
bauen für die eigenen Zwecke der Gesellschaft und unter der Be-
dingung, daſs sie keinerlei Belästigungen für das Publikum herbei-
führen dürfe. Die Maschine wurde fertiggestellt und bewährte sich
trefflich für den Materialientransport auf der Strecke während des
Baues. Die Frage wegen des Betriebes blieb aber noch ganz unent-
schieden. Die Direktoren wurden mit Projekten überlaufen. Unter
anderem schlug Thomas Gray eine geölte Zahnradbahn vor, Vig-
nolles und Ericson empfahlen eine erhöhte Friktionsschiene, gegen
welche horizontale Rollen laufen sollten u. s. w. Stephenson blieb
nach wie vor bei glatten Schienen und Lokomotiven. Sachverständige
Gutachten wurden eingezogen, welche sich für stationäre Maschinen
[304]Die Eisenbahnen bis 1830.
aussprachen. Die Uneinigkeit der Direktoren war gröſser wie je und
ein Ende des Streites nicht abzusehen. Da kam einer derselben,
namens Harrison, auf den Gedanken, ein Preisausschreiben für
500 £ zu erlassen für die beste Lokomotive, welche gewisse fest-
gesetzte Bedingungen erfüllte. Dieser Vorschlag wurde angenommen,
und nun kam die Sache in Fluſs. An diesem Wettbewerb, der so
recht nach dem Geschmack der Engländer war, nahm auch sofort
das Publikum das lebhafteste Interesse. George Stephenson hatte
die Leitung der Lokomotivbauanstalt in Newcastle seinem Sohn
Robert übertragen. Jetzt galt es, eine Maschine zu bauen, die nicht
nur den hochgestellten Anforderungen genügte, sondern das Bestmög-
liche leistete. Vater und Sohn arbeiteten mit gleichem Eifer an dieser
Aufgabe, der Vater mit seinem erfahrenen Rat, der Sohn mit der
gröſsten Sorgfalt, beide mit erfinderischem Blick. Die wichtigste Ver-
besserung, welche sie an der weltbekannten Maschine, welche „the
Rocket“ getauft wurde, vornahmen, war die Anwendung eines Röhren-
kessels. Ein System dünner Kupferröhren, welche mit der Feuer-
büchse verbunden und in die beiden Kesselböden eingeschraubt waren,
wurde in Anwendung gebracht und damit der eigentliche Lokomotiv-
kessel erfunden. Die Feuergase strichen durch die Röhren, welche
eine auſserordentlich groſse Heizfläche darboten. Den Plan für einen
solchen Kessel hatten Seguin, ein Ingenieur der Gesellschaft, und
Henry Booth, der Sekretär derselben, gleichzeitig gefaſst; die Aus-
führung mit allen den zahlreichen schwierigen Einzelheiten, worunter
wir nur die Verdichtung der 25 Kupferröhren in den Kesselböden
nennen wollen, war das Verdienst Robert Stephensons. Zur Er-
zeugung des nötigen starken Luftzuges wurde Stephensons Dampf-
zug in Anwendung gebracht in der Weise, daſs die Ausströmungs-
öffnungen der Dampfröhren in den Schornstein verengt wurden, wodurch
eine stärkere Ausströmungsgeschwindigkeit und ein stärkerer Zug
entstand, der vollständig ausreichte, eine genügende Menge Dampf im
Kessel zu erzeugen. Die beiden Dampfcylinder waren in schiefer
Stellung an den Seiten des Dampfkessels, wie es die Abbildung der
Lokomotive „Rocket“, Fig. 101, zeigt. Die Maschine mit ihrer Wasser-
füllung wog nur 4½ Tonnen und lief auf vier nicht gekuppelten Rädern.
Der Tag der öffentlichen Prüfung nahte heran, es war der 6. Ok-
tober 1829. Vier Lokomotiven erschienen auf dem Plan bei Rainhill:
1. Braithwaites und Ericsons „Novelty“, 2. Timothy Hackworths
„Sanspareil“, 3. R. Stephenson \& Co.s „Rocket“, und 4. Burstalls
„Perseverance“. Tausende von Neugierigen hatten sich versammelt,
[305]Die Eisenbahnen bis 1830.
wie bei einem groſsen Rennen. Die Bahn bildete eine horizontale
Strecke von etwa zwei englischen Meilen Länge; dieselbe sollte so oft
durchlaufen werden, als einer Reise von 70 englischen Meilen ent-
sprach und zwar mit einer Geschwindigkeit nicht unter 10 englischen
Meilen in der Stunde. „Rocket“ erschien zuerst auf dem Plan, und
obgleich nicht die erste auf der Liste, machte sie die erste Probe-
fahrt. „Rocket“ war durchaus nicht der Liebling. Die meisten Wetten
wurden auf „Novelty“ gemacht, und 9/10 aller Wetten waren gegen
„Rocket“. Aber als die anderen Maschinen zur Wettfahrt erschienen,
zeigte sich erst die auſserordentliche Überlegenheit der „Rocket“.
Während keine der anderen im stande war, nur die vorgeschriebenen
Bedingungen zu erfüllen, that dies „Rocket“ spielend und übertraf
durch ihre Leistungen die kühnsten Erwartungen. Zum Schluſs
machte sie ohne Anhang eine Fahrt mit einer Geschwindigkeit von
35 Meilen in der Stunde. „Rockets“ Sieg war nicht bloſs ein Triumph
über ihre Mitbewerber, es war der glänzende Sieg der Lokomotive
überhaupt. Mit diesem Siege war das Schicksal des modernen Trans-
portwesens entschieden; davon war ein jeder durchdrungen, der die
Leistungen der „Rocket“ gesehen hatte. Es herrschte eine gehobene
Stimmung unter den Anwesenden, das Gefühl, einen überraschenden
Blick in die Zukunft gethan zu haben. Die Aktien der Gesellschaft
stiegen sofort um 10 Proz. Die Direktoren waren entzückt, alle ihre
Zweifel waren geschwunden; die, welche vorher die hartnäckigsten
Gegner Stephensons und seiner Lokomotive gewesen waren, wurden
jetzt seine gröſsten Bewunderer und Verehrer.
Die Liverpool-Manchester-Eisenbahn wurde nun rasch fertig-
gestellt. Am 14. Juni 1830 konnte zum erstenmal die ganze Strecke
befahren werden. Bei der Rückfahrt fuhr der Zug mit der neuen
Maschine „Arrow“ mit 27 engl. Meilen in der Stunde und durchfuhr
die Linie in 1½ Stunden. Die feierliche Eröffnung fand unter un-
geheurem Menschenandrang und in Gegenwart des Herzogs von Wel-
lington, der damals Premierminister war, Sir Robert Peels und
anderer hervorragender Persönlichkeiten statt. Acht Lokomotiven
aus Stephensons Werkstatt standen in Dampf und beförderten in
verschiedenen Zügen etwa 600 Festgäste. Es herrschte allgemeiner
Jubel, der aber leider sehr gedämpft wurde durch den traurigen Un-
fall, daſs Huskisson, Parlamentsmitglied für Liverpool, vor den
Augen des Herzogs von Wellington und der übrigen hohen Gäste
überfahren wurde.
Ein neuer Abschnitt der Kulturgeschichte begann mit
der Eröffnung der Manchester-Liverpooler-Bahn. Wie sehr
diese neue Erfindung der Eisenbahnen mit Dampflokomotiven alle
Verhältnisse umgestaltet hat, wie sie die Lebensgewohnheiten verändert,
die Menschen sich näher gebracht, einen internationalen Verkehr, von
dem man vordem keine Ahnung hatte, hervorgerufen hat, das ist zu
bekannt, um weiterer Ausführung zu bedürfen. Am unmittelbarsten
waren ihre Wirkungen auf Handel und Industrie, vor allem aber auf
die Eisenindustrie.
Aus Eisen war sie erzeugt! Von Eisen waren die Schienen, auf
denen sie lief, von Eisen die Maschine, welche die Züge bewegte, von
Eisen Kessel und Feuerung, welche den Dampf erzeugten. Nur da-
durch, daſs die Eisenindustrie bereits alle erforderlichen Eisensorten
in ausreichenden Mengen zu liefern vermochte, daſs das Eisen so
massenhaft und so billig produziert wurde, war es möglich geworden,
Eisenbahnen zu bauen. Nicht die Erfindung allein konnte die Eisen-
bahnen schaffen, die Eisenindustrie muſste so weit vorgeschritten sein,
wie es der Fall war, um die Verwertung einer solchen Erfindung zu
ermöglichen. Hätte Stephenson dieselben Erfindungen 100 Jahre
früher gemacht, so wären sie ohne alle Folgen geblieben, weil die
Eisenindustrie nicht im stande war, Eisen genug zu liefern, um Eisen-
bahnen zu bauen.
Eine neue Zeit des Eisenhüttenwesens begann mit der Einführung
der Eisenbahnen. Der Absatz, den die Eisenindustrie durch die
Eisenbahnen, die jetzt in rascher Aufeinanderfolge entstanden, nicht
nur in England, sondern ebenso auf dem Kontinent und in Amerika
[307]Eiserne Brücken bis 1830.
fand, führte zu einer enormen Steigerung der Produktion, welche
Massenbetriebe erzeugte, von denen man früher keine Ahnung gehabt
hatte. So ist das beschriebene Ereignis und das Jahr 1830 zu-
gleich ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte der
Eisenindustrie.
Wir haben oben mitgeteilt, daſs man die früheren guſseisernen
Schienen durch gewalzte schmiedeeiserne Schienen ersetzte. Dies war
durchaus nicht das einzige Gebiet, auf dem das Guſseisen durch das
Schmiedeeisen verdrängt wurde. Dasselbe vollzog sich in dieser
Periode bei dem Brückenbau. Auch bei diesem hatte man bis dahin
fast ausschlieſslich Guſseisen angewendet, teils seiner gröſseren Billig-
keit wegen, teils weil es sich leicht in jede Form bringen lieſs. Als
Grundform hatte man den Bogen festgehalten, wie bei den steinernen
Brücken. Durch die Puddel- und Walzwerke wurde aber das
Schmiedeeisen billiger und in viel gröſseren Mengen geliefert, und
die Brückenbauer, an deren Spitze Rennie und Telford standen,
fingen an, ernstlich die Frage zu prüfen, welche von den beiden
Eisensorten für Bauzwecke, namentlich für den Brückenbau, den
Vorzug verdiene. Wir haben von den gründlichen Versuchen über
die Festigkeit des Eisens bereits berichtet. Diese trugen wesentlich
dazu bei, die Überlegenheit des Schmiedeeisens für alle Zwecke, bei
denen die absolute Festigkeit vorzugsweise in Betracht kam, zu be-
weisen. Dennoch vollzog sich dieser Umschwung nicht so rasch. Man
kannte das Schmiedeeisen kaum in anderer Gestalt als von vier-
eckigem und rundem Querschnitt. Dieses eignete sich wenig zu
Brückenkonstruktionen, wie sie seither angewendet worden waren.
Unzweifelhaft lieſs sich auch mit Guſseisen leichter eine ästhetische
Wirkung hervorbringen. Dies war ein wichtiger Grund der Vorliebe
der Brückenbauer für dieses Material.
Thomas Telford hatte in den früheren Jahren ebenfalls alle
seine Brücken in Guſseisen konstruiert. So hatte er 1795 die Build-
washbrücke über den Severn zwischen Shrewsbury und Bridgenorth
erbaut und zwar nach dem Muster der Coalbrookdalebrücke. Sie
hatte einen einzigen Bogen von 130 Fuſs Spannung. Um dieselbe Zeit
wendete er Guſseisen bei seinen groſsen Aquädukten an, und die zahl-
reichen Straſsenbrücken, welche Telford baute, machte er damals
stets aus diesem Material.
Telford behandelte dabei das Guſseisen gerade wie unsere
Ingenieure das Schmiedeeisen und scheute vor den kühnsten Kon-
struktionen nicht zurück. Als es sich 1801 als Notwendigkeit heraus-
stellte, die alte London-bridge abzureiſsen und eine neue Brücke an
ihrer Stelle zu errichten, arbeitete Telford den Entwurf einer guſs-
eisernen Brücke aus, welche in einem Bogen von 600 Fuſs Spannweite
die ganze Breite der Themse überspannen sollte: ein Entwurf, der an
Schönheit alle anderen Brücken Londons übertroffen haben würde.
Seiner Berechnung nach würde die Brücke 6500 Tonnen Eisen und
einen Kostenaufwand von 262289 £ erfordert haben. Das Projekt
wurde abgelehnt, nicht der Konstruktion wegen, sondern wegen der
hohen Lage des Fahrdammes, der sehr kostspielige Zufuhrstraſsen
nötig gemacht hätte. 1809 baute Telford die schöne, elegante
Brücke, Fig. 102, über den Spey bei Craig-Ellachie in den schottischen
Hochlanden von Guſseisen. Der berühmte Ingenieur hatte in Schottland
innerhalb 18 Jahren 926 englische Meilen Straſsen und 1200 Brücken
ausgeführt. Auch für den wichtigen Übergang über den Menai, den
Meeresarm, der die Insel Anglesea von Wales scheidet, schlug Rennie
1810 zuerst eine guſseiserne Brücke von drei Bogen von je 260 Fuſs
Spannung, oder an der engsten Stelle bei Yns-y-moch eine Brücke mit
einem einzigen guſseisernen Bogen von 500 Fuſs Spannweite vor.
Immer gröſsere Ansprüche wurden an die Brückenbauer gestellt.
Als Telford den Auftrag erhielt, eine Brücke über den Mersey, ober-
[309]Eiserne Brücken bis 1830.
halb Liverpool, wo die Strombreite 1200 Fuſs betrug, zu entwerfen,
sah er sich nach anderen Hülfsmitteln um und adoptierte das in
Amerika bereits eingebürgerte System der Hängebrücken. In Ver-
bindung hiermit begann er 1814 seine ausführlichen Versuche über
die Festigkeit des Schmiedeeisens. Er konstruierte eine groſsartige
Hängebrücke, welche aber, weil die Geldmittel zur Ausführung fehlten,
nicht zu stande kam. Dagegen entwarf er 1818 das Projekt für die
Hängebrücke über den Menai, an derselben Stelle, wo er früher eine
guſseiserne Brücke projektiert hatte. Der Fahrdamm derselben lag
100 Fuſs über der höchsten Springflut. Der Abstand zwischen den
Hängetürmen war 550 Fuſs, die Höhe derselben 53 Fuſs über der
Fahrbahn. 16 Ketten mit 37 Fuſs Einschlag sollten die Brücke
tragen. Jede Kette war aus 36 Stangen von ½zölligem Quadrateisen
zusammengesetzt. Auf jeder Seite befanden sich sechs solcher Ketten
von 4 Zoll Dicke. 1819 wurde vom Parlament die Konzession erteilt.
Das gesamte Eisenwerk wurde auf dem Upton-Eisenwerk in Shrop-
shire gewalzt und geschmiedet. Die Enden der Ketten wurden so fest
und sicher im Boden verankert, daſs sie sich unmöglich lösen konnten;
hier kam also ausschlieſslich die absolute Festigkeit des Eisens der
Ketten in Betracht. Im April 1825 konnte die erste Tragkette in
die Höhe gezogen werden und am 30. Januar des folgenden Jahres
wurde das kühne Bauwerk, welches in Fig. 103 dargestellt ist, dem
Verkehr übergeben. Das Eisengewicht der Brücke betrug 2187 Tonnen
in 33265 Stücken. Die ganze Länge der Brücke betrug 1710 Fuſs;
die gesamten Kosten beliefen sich auf 120000 £. Telfords schmiede-
eiserne Brücke über den Menai ist eins der groſsen Denkzeichen in
der Geschichte der Baukunst.
Auch im Hochbau fand das Schmiedeeisen mehr und mehr Ver-
[310]Erfindung der Winderhitzung 1829.
wendung. Als ein glänzendes Beispiel hierfür aus Deutschland darf
die Erbauung der schmiedeeisernen Kuppel über dem östlichen Turm
des Mainzer Domes im Jahre 1828 angeführt werden. Für die Ver-
wendung des Stahles im Bauwesen war es ein geschichtliches Ereig-
nis, daſs Mitis bei dem Bau des Karlssteges über die Donau im
Jahre 1828 Stahl anstatt Schmiedeeisen verwendete.
Durch solche Unternehmungen steigerte sich der Eisenverbrauch
in einer fast Besorgnis erregenden Weise. Um so zeitgemäſser und
willkommener war eine Erfindung, die, ohne neue Schmelzöfen zu er-
fordern, die Roheisenproduktion verdoppelte. Es war dies die An-
wendung der erhitzten Gebläseluft.
Die Einführung des heiſsen Windes war die wichtigste Verbesse-
rung des Hochofenbetriebes seit seinem Bestehen, eine Erfindung, die
auf das ganze Eisenhüttenwesen einen groſsen Einfluſs geübt hat.
Das Verdienst dieser Erfindung gebührt James Beaumont Neilson1).
Dieser war am 22. Juni 1792 als der Sohn eines Arbeiters in
der Nähe von Glasgow geboren. Sein Vater war Maschinist bei einem
Kohlenbergwerk, und Beaumont, der früh mechanisches Geschick
zeigte, trat, nachdem er im 14. Jahre die Schule verlassen, bei seinem
älteren Bruder John, der Maschinist zu Oakbank bei Glasgow war,
in die Lehre. Nach dreijähriger Lehrzeit arbeitete er noch einige
Zeit im Tagelohn bei seinem Bruder, bis er 1814 selbst Maschinist
bei einem William Taylor wurde. Dieser fallierte aber im Jahre
1816, Neilson verlor seine Stelle und würde in bittere Not geraten
sein, wenn seine junge Frau, die er ein Jahr zuvor geheiratet
hatte, nicht eine kleine Mitgift mit in das Haus gebracht hätte. So
konnte er zuwarten, bis er im Jahre 1817 eine Aufseherstelle in der
neu errichteten ersten Gasfabrik in Glasgow erhielt. Neilson hatte
zwar nie zuvor Gaslicht gesehen, aber er war ein offener Kopf und
[311]Erfindung der Winderhitzung 1829.
voller Lernbegierde, mit einer ausgesprochenen Liebhaberei für Chemie,
so daſs er gerade in dieser Stellung am richtigen Platze war. Er war
auf fünf Jahre mit einem Jahresgehalt von 90 £ angestellt, aber ehe
die Frist um war, beförderte ihn die Gesellschaft zum leitenden
Ingenieur mit 200 £ jährlichem Gehalt, der nach und nach auf 400 £
erhöht wurde. In dieser Stellung verblieb Neilson bis 1847.
Diese Stelle gab ihm Gelegenheit, seine mangelhafte Schulbildung
zu ergänzen. Er hörte Vorlesungen auf der Universität zu Glasgow und
warf sich besonders auf das Studium der praktischen Chemie, Natur-
geschichte und Mathematik. Neilson trug viel zur Verbesserung der
Gasfabrikation bei; er wendete zuerst Thonretorten an, führte die
Selbstreinigung des Gases mit Eisenvitriol und die Abscheidung von
Teer und Öl durch Hindurchleiten durch Holzkohle ein; endlich er-
fand er den Schwalbenschwanzbrenner.
Durchdrungen von dem Wert des Wissens und aus eigener Er-
fahrung mit der Mangelhaftigkeit des Elementarunterrichtes in Eng-
land bekannt, gründete er 1821 in Glasgow eine Arbeiterbildungs-
anstalt (Workmens Institution) zu gegenseitiger Belehrung. Anfangs
stieſs er auf groſsen Widerstand seitens der Arbeiter. Nachdem aber
erst einmal der Gedanke, daſs das Lernen etwas Nützliches sei,
Boden gewonnen hatte, fand sich zunächst eine Schar von 14 Arbeitern,
welche sich dem Unternehmen anschlossen. Neilson, d. h. die Gas-
gesellschaft, stellte ein behagliches Zimmer zur Verfügung, welches als
Lehr- und Versammlungszimmer diente. Die Arbeiter durften Bücher
mit nach Hause nehmen, und bei den Zusammenkünften wurde das
Gelesene besprochen und gelegentlich gemeinverständliche Vorträge
über Gegenstände der Naturwissenschaft, Mechanik u. s. w. gehalten.
Bald wuchs die Zahl der Teilnehmer so sehr, daſs der alte Raum
nicht mehr ausreichte. Wieder war es die Gasgesellschaft, welche
1825 gröſsere Räumlichkeiten mit chemischem Laboratorium und
mechanischer Werkstätte zur Verfügung stellte. Durch Neilsons
unablässige Bemühungen gelangte das Institut zu immer gröſserer
Blüte. Es wurde eine groſse Wohlthat für die Arbeiterbevölkerung
Glasgows und das Vorbild für andere ähnliche Einrichtungen. 1824
wurde nach seinem Muster das zweite Workmen Institution in Eng-
land in der Stadt London errichtet.
Neilson machte viele Versuche über die Verbrennung, und diese
führten ihn zu der Erfindung der Winderhitzung. Schon vor dem
Jahre 1825 war seine Aufmerksamkeit auf das Schmelzen des Eisens
gelenkt worden. Ein Hüttenbesitzer hatte ihm die Frage vorgelegt,
[312]Erfindung der Winderhitzung 1829.
ob man die Schmelzung des Eisens nicht verbessern könne, wenn
man die Luft vor ihrer Einführung in den Hochofen reinige, ähnlich
wie man Gas reinige. Es war damals noch ein verbreiteter Aberglaube
unter den Eisenhüttenleuten, daſs Schwefel in der Luft die Schmelzung
des Eisens im Sommer ungünstig beeinflusse. Neilson wuſste zwar,
daſs dies nicht der Fall war, aber da er annahm, daſs die geringere
Wirkung der Gebläseluft im Sommer von ihrem höheren Feuchtigkeits-
gehalt abhing, so schlug er vor, den Gebläsewind vor der Einführung
in den Hochofen dadurch zu trocknen, daſs er ihn durch zwei lange
Kammern, welche gebrannten Kalk enthielten, leitete. 1825 hielt er
in der Philosophischen Gesellschaft zu Glasgow einen Vortrag über
seine Ansichten vom Eisenschmelzprozeſs. Bald darauf wurde er
darum angegangen, Vorschläge zu machen, um den schlechten Gang
eines Hochofens zu Muikirk zu verbessern. Der Grund des schlechten
Ofenganges war der, daſs die Gebläsemaschine etwa eine halbe engl.
Meile von dem Hochofen entfernt lag; infolgedessen gelangte der
Wind mit sehr verminderter Geschwindigkeit zu dem Ofen. Damals
kam Neilson der Gedanke, die Luft vor ihrem Eintritt in den Hoch-
ofen durch Erhitzen zu expandieren und dadurch ihre Wirkung zu
verstärken. Er machte Versuche im kleinen und fand, daſs die Ver-
brennung von Gas wesentlich verstärkt würde, wenn man die Ver-
brennungsluft in erwärmtem Zustande zuführte. Als er dasselbe Ex-
periment bei einem Schmiedefeuer wiederholte, trat diese Wirkung
noch viel auffallender zu Tage.
Neilsons Vorschlag, die Gebläseluft beim Hochofen zu erwärmen,
begegnete dem gröſsten Unglauben seitens der Hüttenleute, die kaum
zu bewegen waren, auch nur einen Versuch zu gestatten. Stand doch
dieser Vorschlag in direktem Widerspruch mit der Erfahrung und
der Praxis. Es war eine altbekannte Sache, daſs der Hochofen um
so besser ging, je kälter die Witterung war; das zeigte sich jahraus,
jahrein bei dem Wechsel der Jahreszeiten, indem die Hochöfen im
Winter stets besser gingen als im Sommer. Hieraus hatte sich die
Praxis ausgebildet, den Wind so kalt wie möglich dem Ofen zuzu-
führen. Man strich den Windregulator weiſs an, weil die weiſse
Farbe kühler halten sollte, man leitete die Luft, welche die Gebläse-
maschine saugte, erst über kaltes Wasser, um sie zu kühlen, ja man
umgab zuweilen die Windleitungsrohre mit Eis, und nun kam ein
Gasdirektor, der nach der Meinung der Fachleute keine Ahnung vom
Hochofenbetrieb hatte, und schlug gerade das Gegenteil vor! Es
schien offenbarer Unsinn. — Mit vieler Mühe gelang es Neilson, die
[313]Erfindung der Winderhitzung 1829.
Herren Charles Macintosh von Croſsbasket und Colin Dunlop von
den Clyde-Eisenwerken zu bewegen, ihm einen Versuch zu gestatten.
Bei seinem ersten Experimente erhitzte er die Gebläseluft nur auf
etwa 30° Celsius, dennoch wurden die Schlacken merklich flüssiger
und reiner. Seinem Wunsche, entscheidendere Versuche bei höheren
Windtemperaturen vorzunehmen, legten die Hüttenbesitzer groſse
Schwierigkeiten in den Weg. Da sie an den Erfolg nicht glaubten,
so wollten sie weder an ihren Öfen noch an ihren Windleitungen
etwas geändert haben. Nicht einmal das Einlegen eines Krümmers
in die Windleitung wurde ihm zugestanden. So vergingen mehrere
Jahre, bis er nur im stande war, einen entscheidenden Versuch auf
den Clyde-Eisenwerken auszuführen, dessen günstiger Erfolg augen-
fällig war. 1828 erhielt Neilson ein Patent (Nr. 5701) für die ver-
besserte Anwendung der Luft zur Erzeugung von Hitze in Feuern,
Schmieden und Öfen, bei denen Bälge und Blasemaschinen angewendet
wurden. Die Patentbeschreibung 1) besagt:
„Der Wind oder Luftstrom muſs durch Bälge oder andere Ge-
bläse auf gewöhnliche Weise erzeugt werden, und darauf soll sich
das Patent nicht beziehen. Der Windstrom wird in einem Behälter
(air vessel oder receptacle), welcher hinreichend stark ist, um die
Pressung zu ertragen, und von dort mit Hülfe einer Röhre, Düse oder
Öffnung in das Feuer, den Herd oder Ofen geleitet. Der Behälter
muſs bis auf die Öffnungen für Ein- und Auslaſs des Windes ganz
oder doch beinahe luftdicht sein und wird während der Wirkung des
Gebläses künstlich zu einer beträchtlichen Temperatur erhitzt. Es
ist besser, daſs die Temperatur beinahe oder ganz Rotglut erreiche,
indessen ist eine so hohe Temperatur nicht absolut notwendig für
einen guten Effekt. Der Behälter kann zweckmäſsig aus Eisen an-
gefertigt werden, indessen hängt nichts von der Art des Materials
ab, man kann auch andere Metalle oder sonstige Stoffe benutzen. Die
Gröſse des Reservoirs hängt ab von der Menge des erforderlichen Windes
und der Temperatur, welche erreicht werden soll. Während für ein
gewöhnliches Schmiedefeuer ein Behälter von 1200 Kubikzoll genügt,
sind 10000 Kubikzoll eine passende Gröſse für einen Kupolofen ge-
wöhnlichen Umfangs zur Eisengieſserei. Für Feuer, Herde und Öfen
gröſserer Art, wie Hochöfen zur Eisenerzeugung, groſse Eisenschmelz-
Kupolöfen, müssen verhältnismäſsig gröſsere und zahlreichere Behälter
angewendet werden. Die Form des Behälters ist gleichgültig für
[314]Erfindung der Winderhitzung 1829.
die Wirksamkeit und kann sich nach lokalen Umständen richten. Im
allgemeinen muſs der Windbehälter von einer Feuerung erhitzt werden,
welche unabhängig von der durch den Luftstrom gespeisten Feuerung
ist; auch ist es im allgemeinen besser, daſs der Behälter mit seiner
Feuerung in Mauerwerk eingeschlossen sei, durch welches die Wind-
leitungsröhren gehen. Übrigens aber ist die Art der Erhitzung des
Windbehälters unwesentlich für den Effekt, wenn nur die richtige
Temperatur erreicht wird.“
Neilsons Patent beschränkte sich nicht auf einen besonderen
Apparat, sondern umfaſste das Princip der Erhitzung des Windes
zwischen Gebläsemaschine und Ofen. Diese allgemeine Fassung kam
Neilson später sehr zu statten. Da Neilson nicht die Mittel besaſs,
sein Patent auszubeuten, so verband er sich mit den oben genannten
Herren Macintosh und Dunlop, sowie mit John Wilson von Dun-
dyvan, indem er für sich selbst nur 3/10 des Gewinns beanspruchte.
Um die Einführung der Erfindung nicht zu erschweren, verlangten die
Patentinhaber nur 1 sh für die Tonne von allem Roheisen, welches
nach ihrem Patent dargestellt werden würde.
Die erste Anwendung von Neilsons Erfindung wurde auf den
Clyde-Eisenwerken gemacht, und diese bewies sofort den groſsen und
in der That unerwarteten Nutzen des Verfahrens. Von der ungeheuren
Tragweite der Erfindung hatte aber der Erfinder damals selbst noch
keine Ahnung. Aus der Fassung der Patentschrift geht hervor, daſs er
zunächst nur an die Anwendung bei Schmiedefeuern und Kupolöfen
glaubte, während sich sehr bald der gröſste Nutzen bei den Hoch-
öfen herausstellte.
Der Hochofen der Clydehütte, welcher in der ersten Hälfte des
Jahres 1829 noch mit kaltem Winde betrieben wurde, verbrauchte auf
1 Tonne Roheisen 8 Tonnen 1¼ Ctr. Koks. Dagegen brauchte der-
selbe Hochofen in den ersten 6 Monaten des Jahres 1830 mit auf
300° F. = 149° C. erhitztem Wind nur 5 Tonnen 3¼ Ctr. Koks.
Bringt man die 8 Ctr. Kohlen, welche zur Erhitzung des Windes ver-
braucht wurden, in Abzug, so stellte sich die Ersparnis auf die
Tonne auf 2½ Tonnen Koks oder 50 Ctr. auf 20 Ctr. Eisen.
Der Nutzen war also beträchtlich, obgleich er noch gering war
gegen den, der später mit besseren Vorrichtungen unter günstigeren
Bedingungen erzielt wurde. Daſs nicht gleich ein noch gröſserer
Nutzen erzielt wurde, hatte seinen Grund in den unvollkommenen
Winderhitzungsapparaten. Wir haben oben erwähnt, daſs die Hütten-
besitzer nichts an ihrer Windleitung geändert haben wollten und
[315]Erfindung der Winderhitzung 1829.
nur mit Mühe sich dazu herbeilieſsen, einen Krümmer oder einen
Kasten einzuschalten. Neilson war also gezwungen, den Rohrstrang
selbst zu erhitzen. Da dieser ein starrer Kör-
per war, der nur wenig nachgeben konnte, und
die Rohrverbindungen unmittelbar im Feuer
lagen, so gab es an diesen häufig Undichtig-
keiten, die groſse Windverluste zur Folge
hatten. Aus dieser Zwangslage sind die ersten Winderwärmungs-
anlagen Neilsons entstanden 1).
Den ersten Winderhitzer fertigte Neilson aus starkem Blech in
Gestalt eines Kofferkessels, 4 Fuſs lang, 3 Fuſs hoch und 2 Fuſs breit.
[316]Erfindung der Winderhitzung 1829.
Unter demselben lag die Feuerung, oben lag der Kasten frei. Der
Wind trat an der einen Seite dicht über der Feuerung ein und an
der entgegengesetzten aus und wurde von hier direkt der Form zu-
geführt. Jede Form hatte also ihren eigenen Heizkasten, von denen
jeder eine Rostfläche von 4 engl. Quadratfuſs hatte. Mit diesem
Apparate erzielte Neilson nur eine Hitze von 200° F. (= 93° C.). Da
die Blechwände des Heizkastens rasch zerstört wurden, ersetzte er
dieselben durch cylindrische Gefäſse von Guſseisen von 6 Fuſs Länge
und 2¾ Fuſs Durchmesser. Die Rostfläche betrug 11 engl. Quadrat-
fuſs, die Heizfläche 55 Quadratfuſs. Mit diesem Apparate wurde eine
Temperatur von 280° F. (138° C.) erzielt.
Ein dritter, bedeutend gröſserer Apparat wurde bei dem Hoch-
ofen der Clydehütte in Anwendung gebracht. Mit diesem erreichte
Neilson eine Temperatur von 600° F. (315½° C.). Fig. 104 (a. v. S.)
zeigt diese Anlage 1). Hierbei war fast der ganze Rohrstrang in
Heizkammern gelegt, welche von fünf Rosten geheizt wurden. Die
Konstruktion geht aus der Zeichnung klar hervor. Der erhitzte Rohr-
strang war 100 engl. Fuſs lang, die Rohre 18 Zoll weit, die Heizfläche
betrug 240 Quadratfuſs, die Rostflächen 28 Quadratfuſs. Obgleich
diese Apparate noch groſse Mängel hatten, so wurden sie doch mit
nur ganz geringen Abänderungen auch auf den Eisenwerken zu la
Voulte und zu Vienne in Frankreich eingeführt 2).
Die groſsartigen Folgen der Einführung des erhitzten Gebläse-
windes traten erst in der folgenden Periode in ihrer ganzen Bedeutung
hervor. Es genügt, hier zu erwähnen, daſs diese überraschende Er-
findung sich alsbald mit auſserordentlicher Geschwindigkeit ver-
breitet hat.
Die Industrie Englands stand in dieser friedlichen Periode in
vollster Blüte. Reichtum und Wohlstand des vereinigten Königreiches
wuchsen in überraschender Weise. Die Eisenindustrie trug dazu wesent-
lich bei. England nutzte den Vorsprung, den es durch seine Fort-
schritte auf diesem Gebiete vor allen anderen Ländern gewonnen
hatte, in vollem Maſse aus. Aber es begnügte sich nicht hiermit,
sondern suchte unablässig seine Betriebsmittel zu verbessern. Was
es hierin im Hochofenbau, in der Verbesserung der Puddelöfen durch
Einführung der eisernen Böden und Schlackenherde, im Walzbetrieb
durch die Erfindung von Façoneisenwalzen, insbesondere von Schienen-
walzen, endlich aber durch die wichtige Erfindung der Winderhitzung
geleistet hat, ist im allgemeinen Teil bereits erwähnt worden. Durch
die Erfindung der Eisenbahnen wurde der Eisenverbrauch auſser-
ordentlich gesteigert.
Die Statistik giebt das anschaulichste Bild von der groſsartigen
Entwickelung der englischen Eisenindustrie.
In Südwales nahm die Verschiffung von Eisen auf dem Glamor-
ganshire-Kanal, auf welchem das Eisen des Distrikts von Merthyr-
Tydwill verschifft wurde, in folgender Weise zu:
Noch erstaunlicher war die Zunahme der Eisenindustrie in Mon-
mouthshire. 1802 war das Eisenwerk Bleanavon noch das einzige der
[318]England 1816 bis 1830.
Provinz und die Produktion betrug nur 1091,5 Tonnen. 1803 kamen
hinzu die Werke von Beaufort, Clytag, Ebbw-Vale und Varteg, und die
Produktion stieg auf 8679,18 Tonnen, die aber bereits im folgenden
Jahre auf 20474,15 Tonnen anwuchs. 1805 kam das Eisenwerk
Tredegar in Betrieb. Von diesem Jahre an betrug die Produktion von
fünf zu fünf Jahren:
1811 war das Eisenwerk Nant-y-glo, 1821 Coalbrook-Dale, 1824
Blaina, 1825 Pentwyn, 1827 Abersychan und 1828 Bute in Betrieb
gesetzt worden.
In den verschiedenen eisenerzeugenden Provinzen Groſsbritanniens
hatte von 1823 bis 1830 folgende Zunahme der Eisenproduktion statt-
gefunden 1):
Hierzu kam noch Nordwales mit 25000 Tonnen, so daſs die
ganze Roheisenproduktion von England und Schottland im Jahre 1830
sich auf 678417 Tonnen bezifferte. Dieses Eisen war fast nur mit
Steinkohlen erzeugt. 1829 wurde der letzte Holzkohlenhochofen in
Sussex zu Ashburnham ausgeblasen, damit endete die einst so groſse
Eisenindustrie von Sussex, Kent und Surrey. — Die Eisenindustrie
war ganz in die Steinkohlengebiete ausgewandert.
Dufrénoy und Élie de Beaumont gaben für das Jahr 1820
folgende Produktionen an:
Nach Coste und Perdonnet waren 1825 von 374 Hochöfen
241 in Betrieb und produzierten 581367 Tonnen Roheisen. Stafford-
shire hatte 108, Derbyshire 19, Yorkshire 34, Schottland 25, Süd-
wales 109, Shropshire 49, Nordwales 14, Cumberland 4, Glocester-
shire 3, Durham 2, Lancaster 4, Leicestershire 2 und Irland
2 Hochöfen. Staffordshire produzierte 171735, Südwales 223520 und
Shropshire 86320 Tonnen, der Rest verteilte sich auf die übrigen Pro-
vinzen. Es wurden von 113 Hochöfen 298168 Tonnen Puddelroh-
eisen, entsprechend einer Wochenproduktion von 52 Tonnen, von
79 Hochöfen 150031 Gieſsereiroheisen, entsprechend einer Wochen-
produktion von 39 Tonnen und von 40 Hochöfen 78801 Tonnen Guſs-
waren erster Schmelzung, entsprechend einer Wochenproduktion von
39 Tonnen, produziert. Auf die rund zu 600000 Tonnen angenommene
Gesamtproduktion entfielen
Der Koksaufwand betrug in Staffordshire, Shropshire und Wales
das 4fache, in Yorkshire das 4½fache, in Schottland das 7fache des
Gewichtes des Roheisens. Die gröſste Roheisenproduktion in diesem
Zeitabschnitte weist das Jahr 1828 mit 703138 Tonnen aus 277 Hoch-
öfen auf.
Die Verkokung geschah in Südwales in langen Haufen, in Staf-
fordshire in Meilern, in den übrigen Provinzen meistens in Öfen, den
sogenannten Bienenkörben. Im Laufe der 20er Jahre baute man
auch auf den neu angelegten Werken in Südwales Verkokungsöfen,
so zu Abergavenny, Neath-Abbey und Swansea. Ähnlich verhielt es
sich mit dem Rösten der Erze. Die neu erbauten Röstöfen von
Dowlais sind oben beschrieben worden.
Die Höhe der Hochöfen war ziemlich verschieden. Im allge-
meinen waren die Hochöfen von Südwales höher wie die in Stafford-
shire; erstere hatten 45 bis 50 Fuſs (13,775 bis 15,750 m) Höhe bei
[320]England 1816 bis 1830.
15 bis 20 Fuſs (4,575 bis 6,100 m) Kohlensackweite, letztere 40 bis
45 Fuſs (12,200 bis 13,725 m) Höhe bei 11 bis 13 Fuſs (3,355 bis
3,915 m) Kohlensackweite.
Die neu erbauten Öfen in Südwales hielten sich an der oberen
Grenze und waren meist noch etwas höher. Der Hochofen von Neath-
Abbey hatte sogar 62 Fuſs (18,910 m) Höhe, aber
nur 11 Fuſs (3,355 m) Kohlensackweite. Die Hoch-
öfen in Yorkshire waren 45 Fuſs (13,725 m), die bei
Newcastle 52 Fuſs (15,860 m) hoch.
Die groſsartigste Hochofenanlage der Welt war
das neu erbaute Hüttenwerk zu Dowlais mit 12 Hoch-
öfen von 52 Fuſs (15,860 m) Höhe und 18 Fuſs
(5,490 m) Kohlensackweite. Fig. 105 zeigt das Profil
dieser für die damalige Zeit riesigen Öfen; den
gröſsten mit dem cylindrischen Schacht haben wir
bereits oben Fig. 61 bis 64 abgebildet. Jeder der-
selben produzierte wöchentlich 90 bis 100 Tonnen
Puddelroheisen und erforderte 50 bis 60 Pferde-
kräfte für sein Gebläse. Bei Gieſsereieisen war die
Produktion um ¼ niedriger. Man stach zweimal in
24 Stunden ab und lieſs das Roheisen in Masseln
von 1 bis 2 Ctr, Gewicht laufen. Auf diesem Werke
begann man gegen Ende der 20er Jahre zuerst
rohe Steinkohle mit Koks gemischt beim Hoch-
ofenprozeſs zu verwenden, wobei man für eine
Tonne Roheisen 2,80 Tonnen Koks und 1,70 Tonnen Steinkohle ver-
brauchte.
Die gröſsten Hüttenwerke Groſsbritaniens waren damals (1830)
Die Herstellungskosten von 1 Ctr. Roheisen stellten sich in Dow-
lais auf 6 Mk., in Pontypool, wo bloſs mit Koks geschmolzen wurde,
auf 7 Mk. Allerdings waren auch die Erze von Dowlais so reich,
daſs 2 Tonnen 5 bis 10 Ctr. Erz 1 Tonne Roheisen gaben, während
in Pontypool 3 Tonnen 3 Ctr. dazu nötig waren.
Die Regulatoren mit beweglichem Kolben und die Wasserregula-
toren kamen mehr und mehr auſser Gebrauch und wurden durch
Trockenregulatoren, welche aus groſsen Blechkesseln bestanden, ersetzt.
Dieselben waren meist cylindrisch, an beiden Enden kugelförmig
gerundet.
Als Dufrénoy und Élie de Beaumont 1823 England bereisten,
wurde in der Regel nur mit zwei Windformen geblasen, selbst bei
denjenigen Öfen, die mit drei Formen versehen waren, so daſs sie zu
der Annahme kamen, die dritte Form werde überhaupt nur benutzt,
wenn der Ofen in Unordnung sei, um ihn wieder in guten Gang zu
bringen. Wenige Jahre später, als Coste und Perdonnet England
besuchten, gingen dagegen viele Öfen ständig mit drei Formen, und die
neuen Öfen, namentlich auch die zu Dowlais, wurden alle mit drei
Formen betrieben. Um 1823 beliefen sich die Kosten für den Bau
eines Hochofens in Staffordshire auf 1000 £.
Über die Verbesserungen, welche in diesem Zeitraume bei den
Feineisenfeuern und den Puddelöfen vorgenommen worden sind, haben
wir bereits berichtet.
Über Kohlenverbrauch und Abbrand bei dem Puddelprozeſs in
Südwales haben Coste und Perdonnet folgende Angaben gemacht:
1000 kg Stabeisen erforderten einschlieſslich des Verbrauchs beim Erz-
schmelzen 7956 kg Steinkohlen, also nahezu das achtfache.
Man machte in Staffordshire folgende fünf Sorten nach der Güte:
1. Common iron, 2. Common best, 3. Best iron, 4. Best-best und
5. Horse-nail. In Südwales unterschied man Stabeisen von 1, 2 und
3 Heizen.
Die Selbstkosten einer Tonne Stabeisen zu Dudley beliefen sich
auf 6 £ 10 sh. 10½ ₰. Das beste englische Schmiedeeisen wurde in
Yorkshire auf den Werken Low-Moor und Bowling, aber meist aus
schwedischem Roheisen gemacht.
Die besseren Eisensorten wurden durch sorgfältiges Paketieren,
Schweiſsen und Auswalzen, entsprechend dem früheren Gärben, unter
dem Hammer hergestellt. Der Steinkohlenaufwand für Handelseisen
betrug das 10fache seines Gewichtes.
Aus diesem Verhältnis ersieht man, wie natürlich es war, daſs
die Eisenindustrie sich in den Steinkohlengebieten niederlieſs. Die
Kosten des Erz- und Eisentransportes waren viel geringer als die
des Kohlentransportes. Dazu kam noch in England der besondere
Vorteil, daſs die Steinkohlenflötze überall von reichen und ausgedehn-
ten Eisenerzflötzen begleitet waren. Die Kohleneisensteine lieferten die
gröſste Menge des englischen Eisens. Von besonderem Interesse war
der black-band, ein mit Kohle so reichlich gemengter Eisenstein, daſs er
für sich allein brannte, und der mit den Steinkohlenflötzen wechsel-
lagerte. Deshalb war er früher gar nicht als Eisenerz erkannt, son-
dern als schlechte Steinkohle auf die Halde gestürzt worden.
Mushet hatte ihn zuerst entdeckt und im Hochofen der Clydehütte
verschmolzen. Es dauerte lange, bis man seinen Wert richtig zu
würdigen lernte. In den 20er Jahren fing man an, demselben gröſsere
Aufmerksamkeit zu schenken. Aber erst die Erfindung des heiſsen
Windes beim Hochofenbetrieb wurde entscheidend für seine Verwertung.
Auf einen interessanten Kostenanschlag sämtlicher Maschinen
eines Puddel- und Walzwerkes von 120 Tonnen Wochenproduktion,
welchen der technische Direktor des Neath-Abbey-Eisenwerkes auf-
gestellt hat und den Coste und Perdonnet in ihrem Reisebericht
mitgeteilt haben, können wir hier nur verweisen.
Dieses Wachstum der englischen Eisenindustrie vollzog sich aber
unter heftigen handelspolitischen Stürmen. Zwei schwere Handels-
krisen hatte England in der Zeit von 1815 bis 1830 durchzumachen.
Die erste brach 1815 nach dem Wiener Frieden infolge der Über-
produktion der englischen Fabriken, welche die Kaufkraft des Kon-
tinents bedeutend überschätzt hatten, aus; die zweite von 1825 war
hauptsächlich durch Aktienschwindel veranlaſst. Auch übte die Zoll-
politik einen groſsen Einfluſs auf den Eisenhandel aus.
England war bis zu dem Jahre 1825 streng schutzzöllnerisch.
Die Einfuhrzölle auf Eisen waren vom Beginn des 19. Jahrhunderts an
fortwährend gestiegen und betrugen nahezu 100 Proz. des inländischen
Eisenpreises. 1819 erreichten sie die Höhe von 6 £ 10 sh. pro Tonne
für Stabeisen, welches auf englischen Schiffen, und 7 £ 18 sh. 6 ₰ für
Eisen, welches auf fremden Schiffen eingeführt wurde. Die Einfuhr
von fremdem Roheisen war bis 1823 gänzlich verboten. 1822 kostete
englisches Roheisen in London 6 bis 7 £, und Shropshire-Stabeisen
in Bristol 7 £ 10 sh. die Tonne. Der Bedarf an Eisen nahm von Jahr
zu Jahr zu, und trat infolgedessen von 1824 an eine auſserordentliche
Preissteigerung ein, die namentlich die Maschinenfabriken, welche
einen groſsen Absatz im Auslande hatten, empfindlich traf. Infolgedessen
beantragte der Sekretär des Schatzamts Herries, auf Veranlassung
des Ministers Huskisson, bei der Vorlage des Budgets im Jahre 1825
eine bedeutende Reduktion der Eisenzölle. Er wollte den Zoll von
6 £ 10 sh. auf 1 £ 10 sh. pro Tonne herabgesetzt haben. Seinen
Antrag begründete er in überzeugender Weise aus der Lage des eng-
lischen Handels. Die ungeheure Preissteigerung des Eisens bedrücke
viele englische Industrieen schwer. Dieselbe sei nicht hervorgerufen
durch Spekulation, sondern durch den wachsenden Bedarf. Er werde
also von der englischen Industrie bezahlt. Die hohen Eisenpreise,
welche diese zu zahlen hätten, kämen nur der ausländischen Kon-
kurrenz zu gut. Es sei ihm bekannt, daſs groſse ausländische Ordres,
welche in Sheffield und Birmingham vorgelegen hätten, nicht hätten
ausgeführt werden können, weil sie wegen des hohen Eisenzolles nicht
zu den Preisen, welche von der ausländischen Konkurrenz gestellt
wurden, arbeiten konnten. Es sei keine gesunde Politik, Schutzzölle
aufrecht zu erhalten, welche wichtige inländische Industriezweige
lahm legten. Selbst die einsichtsvollen Produzenten hielten die
jetzigen Zölle für ungesund und dem Lande schädlich. Der Ausfall
der Zolleinnahmen für den Staat sei gar nicht in Betracht zu ziehen.
Er sei überzeugt, daſs die Herabsetzung der Zölle nach Ablauf eines
21*
[324]England 1816 bis 1830.
Jahres sogar eine Erhöhung der Zolleinkünfte bewirken würde. Die
Zollermäſsigung sollte aber zugleich gegenüber den fremden Staaten
die Handhabe bilden, günstigere Einfuhrzölle für englische Waren
zu erlangen. Alle aufgeklärten Staaten würden sich hierzu bereit
finden, auf solche aber, welche England keine entsprechende Ver-
günstigungen einräumen wollten, sollte auch die Zollermäſsigung
sich nicht erstrecken. Er sei aber überzeugt, daſs, wo dieser Fall
einträte, er nur von kurzer Dauer sein wurde, indem diese Staaten
von ihren eigenen Unterthanen zum Anschluſs an die englische Zoll-
politik gedrängt werden würden. Alle Staaten müſsten einem Bei-
spiel folgen, das zu ihrem eigenen Vorteil gereiche. Englands Bei-
spiel würde allgemein Nachahmung finden, wenn es selbst nur fest
bliebe.
Diese radikale Zollreform, welche teilweise durch die freisinnige
Zollreform Preuſsens im Jahre 1818 veranlaſst war, fand den Beifall
des englischen Parlaments, und selbst die Hüttenwerksbesitzer erhoben
nur geringen Widerstand dagegen. Der Antrag ging durch und
wurde dem allgemeinen Zollgesetz vom 5. Januar 1826 (The General
Customs Act of the 6th Geo. IVc. 3) einverleibt. Dieses war von groſser
politischer Wichtigkeit, denn es bezeichnete das erste entschiedene Ein-
schwenken Englands zu der freisinnigen Zollpolitik, welche zum Frei-
handel führte. Dieselben Gründe, welche Herries 1825 für die
Herabsetzung des Eisenzolles anführte, wurden späterhin von den
Freihändlern vorgebracht.
Nachstehende Zusammenstellung enthält die Zollsätze für die
verschiedenen Eisensorten vor und nach Einführung des neuen Ge-
setzes, dessen Tarif nach dem Vorschlage Huskissons, des Präsi-
denten des Handlungshofes (Board of Trade), festgesetzt wurde.
Von groſsem Interesse ist die Thatsache, daſs die Eisenpreise
in England durch die allgemeine Einführung des Steinkohlenbetriebes
und die technischen Verbesserungen auf weniger als die Hälfte her-
untergegangen waren. 1788 kostete die Tonne Stabeisen 22 £, 1826
dagegen 10 £ 10 sh.
Wieviel billiger England sein Eisen herzustellen verstand als die
übrigen europäischen Staaten, geht aus folgender Zusammenstellung
der Preise von Stabeisen im Jahre 1825 hervor:
Der Preis von gewöhnlichem Stabeisen betrug 1815 11 £ pro
Tonne; er sank ziemlich regelmäſsig bis auf 8 £ im Jahre 1822,
stieg dann wieder erst bis 1824 auf 9 £ 2 sh, hierauf in raschen
Sprüngen im Jahre 1825 auf die auſserordentliche Höhe von 13 £
15 sh und fiel von da an 1826 auf 10 £ 6 sh, 1828 auf 8 £ und
1830 auf 6 £ die Tonne.
Über die Zunahme der Eisenausfuhr in dieser Periode, bezw.
bis 1839 giebt umstehende Zusammenstellung nach Scrivenor einen
Überblick.
Zum Schluſs weisen wir noch kurz auf die zahlreichen Verbesse-
rungen in der Eisenindustrie, besonders bei der mechanischen Bear-
beitung in England hin.
1818 wendete Samuel Baldwin Rogers die ersten eisernen
Bodenplatten in den Puddelöfen an. Am 26. Mai 1812 nahm Jere-
miah Dimmack ein Patent auf die Anwendung von Unterwind in
Puddelöfen. 1828 erfand J. B. Neilson die Winderhitzung bei Ge-
bläseöfen. 1824 stellte F. H. W. Needham gröſsere Guſsstücke aus
Tiegelguſsstahl dar und nahm ein Patent auf sein Verfahren. In
[326]England 1816 bis 1830.
der Walzkunst wurden groſse
Fortschritte gemacht. Drahtwal-
zen erfanden William Bell 1815,
Thomas Todd und W. Church
1818; Nagelwalzwerke wurden
konstruiert von John Bennoch
1801, von Th. Todd 1818, von
Tyndall 1827. 1820 erfand
Birkinshaw sein berühmtes
Schienenwalzwerk; 1822 baute
John Thompson in London ein
Walzwerk zur Herstellung keil-
förmiger Wagenfedern. Ende
der 20er Jahre stellte man in
England bereits Gewehrläufe
unter Walzen dar.
Murray in Leeds arbeitete
zuerst mit einer Eisenhobelbank,
die er sich 1814 angefertigt
hatte; in demselben Jahre kon-
struierte, unabhängig von ihm,
James Fox eine Hobelmaschine,
welcher 1817 eine dritte von
Roberts in Manchester folgte.
Sie alle wurden aber übertroffen
von Jos. Clements Eisenhobel-
bank von 1825. Das Charakte-
ristische dieser sogenannten eng-
lischen Hobelbank war, daſs der
Meiſsel fest stand, während das
Arbeitsstück sich darunterher be-
wegte. H. Maudslay erfand fer-
ner um 1816 eine Lochmaschine
zum Lochen von Kesselblechen.
Eine Anzahl von Maschinen zur
Fabrikation von geschnittenen
Nägeln und für die Nadelfabri-
kation wurden in jener Periode
patentiert. Das wichtigste Ereig-
nis war aber G. Stevensons
[327]Frankreich 1816 bis 1830.
Lokomotive und die Erbauung der ersten Eisenbahn mit Dampfbetrieb
für den Personenverkehr.
Kalorische Maschinen erfanden Montgolfier und Dayme 1816
und Stirling 1827, ohne jedoch damit einen Erfolg zu erzielen.
Brunel trug sich bereits 1825 mit der Idee, Maschinen mit ver-
dichteter Kohlensäure zu betreiben.
Frankreichs Eisenindustrie hatte zwar durch die Republik und
das Kaiserreich einen groſsen Impuls erhalten und war durch die-
selben nach Möglichkeit gefördert worden, trotzdem war sie in ihrer
technischen Entwickelung zurückgeblieben. Der Grund hiervon lag
zum groſsen Teil in der feindseligen Stellung Frankreichs gegen Eng-
land und den andauernden Kriegen zwischen beiden, wodurch verhindert
wurde, daſs Frankreich von den groſsen technischen Fortschritten Eng-
lands Nutzen ziehen konnte. Auch nachdem der Friede in Europa
hergestellt war, beeilte sich Frankreich nicht, seine zurückgebliebenen
Betriebe zu verbessern. Eine allgemeine Abspannung war auf die
übertriebene Anspannung der Kräfte unter der kriegerischen Herr-
schaft des ersten Kaiserreiches gefolgt. Dazu kam, daſs die fran-
zösische Eisenindustrie durch die freihändlerische Richtung, welche
1815 plötzlich eingeschlagen worden war, und die Herabsetzung des
Schutzzolles von 1816 bis 1819 sehr gedrückt wurde. Frankreichs
Eisenindustrie stand auf so schwachen Füſsen, daſs sie nur bei den
höchsten Schutzzöllen gedeihen konnte. Deshalb setzte man auch
durch Gesetz vom 23. April 1822 den Zoll von in französischen Schiffen
eingeführtem Roheisen wieder auf 9 Franken, von Schmiedeeisen auf
25 bis 50 Franken pro 100 kg; unter fremder Flagge eingeführtes
Eisen muſste noch höhere Abgaben bezahlen.
Es verging eine Reihe von Jahren, ehe die Eisenindustrie Frank-
reichs sich zu einer gründlichen Reform aufschwingen konnte. Man
behielt die alten Holzkohlenöfen bei, die man höchstens nach und
nach hier und da bis auf 30 Fuſs erhöhte; als Gebläse dienten fast aus-
schlieſslich die alten hölzernen Spitzbälge. Creusot blieb noch immer
die einzige Kokshochofenanlage und hatte schwer genug um seine Er-
haltung zu kämpfen. Erst im Jahre 1818 wurde eine zweite Kokshoch-
ofenhütte bei St. Etienne in Betrieb gesetzt. Das Frischen geschah
aber noch ausschlieſslich in Herden mit Holzkohlen. Der Puddel-
prozeſs war fast unbekannt. Allerdings hatte François de Wendel,
[328]Frankreich 1816 bis 1830.
der bereits 1803 das erste Walzwerk in Frankreich errichtet hatte,
auch schon 1810 zu Hayange einen Puddelofen erbaut und Frisch-
versuche darin gemacht, aber erst 1818 kam zu Creusot der erste Puddel-
ofen mit Steinkohlenfeuerung in regelmäſsigen Betrieb; hierauf folgte
die Hütte von Vienne, Depart. d’Isère, welche die einzige war, die 1819
in Paris mit Steinkohle gepuddeltes Eisen ausstellte. Ein Umschwung
erfolgte erst nach der Industrieausstellung von 1819, in den 20er Jahren,
dann aber auch mit Ungestüm. „Nie“, schreibt Pelouze1), „ist eine
industrielle Umwälzung so plötzlich gekommen und hat sich so rasch
ausgebreitet; es war wie ein elektrischer Schlag, und er hat die ganze
Energie der gespannten französischen Industrie entladen. Diese Um-
wälzung datiert nicht einmal von dem Frieden mit England. Es ist
wahr, schon in den Jahren der Friedensschlüsse, 1814 und 1815,
haben einzelne Fabrikanten, unter denen namentlich M. de Wendel
ehrenvoll genannt werden muſs, sich nach England begeben und von
da die Verfahrungsweisen mitgebracht, die sie mit mehr oder weniger
Glück und mit mehr oder weniger Langsamkeit eingeführt haben.
Es bedurfte, um diesen Methoden Verbreitung zu verschaffen, etwas
vollkommeneres, etwas die Einbildungskraft packendes, es bedurfte
Männer, welche die Überzeugung von dem Erfolge in sich trugen
und ohne Bedenken vor dem Erfolg und vor der Höhe des Kapitals
diese Neuerungen einführten.“ Diese Männer fanden sich in zwei
englischen Ingenieuren, Manby und Wilson, welche 1822, mit
Kapital ausgerüstet, sich in Charenton bei Paris etablierten. In einem
alten verfallenen Kloster, welches in den Augen eines französischen
Unternehmers kaum für ein kleines Hüttenwerk auszureichen schien,
sah man plötzlich, wie durch einen Zauber, eine vortreffliche Anlage
mit Walzwerk, groſsartiger Gieſserei und Maschinen von unglaub-
lichen Kräften entstehen. In diesem neuen Werke wurden die Muster
und die Ausführung der neuen Betriebsweisen den französischen
Fabrikanten zur Ansicht und Prüfung vorgeführt. Manby und
Wilson machten kein Geheimnis aus ihrer Fabrikation, sondern er-
klärten sich bereit, allen Eisenfabrikanten Frankreichs nicht nur alle
Maschinen und Betriebsmethoden zu zeigen, sondern ihnen auch
Modelle, Zeichnungen und Anleitungen zur Verfügung zu stellen. Kein
Wunder, daſs sich die französische Industrie beeilte, davon Nutzen
zu ziehen. Pelouze schreibt: „Von nun an ist man befreit von allen
Schwierigkeiten; man braucht nicht mehr Jahre lang zu warten, bis
[329]Frankreich 1816 bis 1830.
das Werk in Gang kommt, das Kapital braucht nicht fruchtlos zu
feiern: wenige Monate genügen, man weiſs im Voraus, wie hoch sich
die Anlagekosten belaufen werden. Die Leistung der Maschinen wird
für einen gewissen Zeitraum garantiert; der Kraftaufwand wird genau
berechnet, die Produktion gewissenhaft abgeschätzt, selbst die Un-
kenntnis des Unternehmers ist kein Hindernis mehr, denn die Auf-
stellung, Inbetriebsetzung und Wartung der Maschinen übernehmen
nach Vereinbarung auf kürzere oder längere Zeit der englische Ma-
schinenbauer oder seine angestellten Arbeiter.“ Diese Erleichterungen
und die rasche Ausführung erklären den auſserordentlichen Einfluſs
der Fabrik von Charenton auf die Entschlieſsung der französischen
Industriellen, welche bereit waren, den Betrieb nach englischer Weise
einzuführen.
Unter Manby und Wilsons Leitung entstanden die Eisenwerke
des Herzogs von Ragusa zu Chatillon, die zu Ablainville an der
Maas, zu Roine, zu Imphy (Nièvre), zu Audaincourt (Doubs), Debu-
yère à la Chaudeau (Haut-Saône). In der Fabrik zu Charenton
wurden bereits zahlreiche Dampfschiffe gebaut. Die Eisengieſserei
hatte für ihre Gebläse eine Dampfmaschine von 20 Pferdekräften und
lieferte wöchentlich 80000 kg Guſswaren; das Walzwerk 70000 kg
Stabeisen und 10000 kg Blech.
Übrigens hatte auch die Industrieausstellung, die 1819 im Louvre
zu Paris abgehalten wurde, bereits Zeugnis von der fortschreitenden
Entwickelung der französischen Industrie abgelegt. Dies geht besonders
aus dem interessanten Ausstellungsberichte von Héron de Ville-
fosse1) hervor, in welchem ein Vergleich mit der Ausstellung vom
Jahre 1806 gezogen wird.
Der Steinkohlenbetrieb hatte damals allerdings noch sehr geringe
Ausdehnung erlangt. Creusot war das einzige Werk, welches Koks-
roheisen ausstellen konnte. Das von Vienne ausgestellte Roheisen war
mit ⅘ Holzkohlen und ⅕ Koks erblasen. Die oberste Bergbehörde
in Frankreich vertrat damals bereits die Anschauung, daſs für Frank-
reich Hochofenbetrieb mit Holzkohlen in Verbindung mit dem eng-
lischen Flammofenfrischbetriebe mit Steinkohlen die vorteilhafteste
Kombination sei, indem auf diese Weise Holz und Kohlen am besten
ausgenutzt und eine bessere Qualität Eisen erzeugt werden würde. An
mehreren Orten wurden aber bereits Versuche gemacht, die Erze im
Hochofen mit Koks zu schmelzen. Ein wichtiger Versuch derart war
[330]Frankreich 1816 bis 1830.
derjenige, welchen der königliche Bergingenieur Clerc und Tour-
nelle, Ingenieur der Steinkohlenbergwerke von Anzin im Nord-
Departement, machten, um den dortigen Kohleneisenstein mit Koks
zu verschmelzen 1). Noch wichtiger waren die Versuche, welche de
Gallois, der zuvor England bereist hatte, zu St. Etienne anstellte 2).
Ferner gründeten die Herren Frère-Jean im Departement Isère ein
groſses Eisenwerk für Steinkohlenbetrieb. Aubertot, Eigentümer
der Hütte zu Vierzon (Departement Cher), gebührt das Verdienst, die
Gichtgase der Hochöfen zuerst in gröſserem Maſsstabe als Brenn-
material verwendet zu haben. Er stellte nicht nur Kalkbrennöfen
auf der Hochofengicht auf, sondern benutzte die Gichtflamme der
Hochöfen auch für Frischfeuer und Glühflammöfen. Die Herren
Blumenstein und Frère-Jean führten zuerst zu Vienne im De-
partement Isère das englische Flammofenfrischen ein. Das erste Stab-
eisenwalzwerk wurde auf dem altberühmten Hüttenwerke zu Grossouvre
[331]Frankreich 1816 bis 1830.
von Dufaud 1817 errichtet. Die neue Gründung zu St. Etienne
hatte ebenfalls die Einführung des Puddelprozesses vorgesehen.
Unter den sonstigen Ausstellungsobjekten von 1819 sind hervor-
zuheben die Artikel aus schmiedbarem Guſs (fonte malleable) von
Baradelle, ferner Guſsstahl und Stahlwaren. Für schmiedbaren
Guſs hatten Baradelle und Déodor 1818 den Preis der Societé
d’encouragement von 3000 Franken, der schon seit 18 Jahren für neue
verkäufliche Kleineisenwaren aus diesem Material ausgesetzt war,
erhalten.
Guſsstahl, der erste, der fabrikmäſsig in Frankreich bereitet
wurde, hatten die Stahlwerke von Bérardière bei St. Etienne, welche
einem Herrn Milleret gehörten, ausgestellt. Das Werk beschäftigte
damals bereits 120 Arbeiter und lieferte 2400 m-Ctr. Schweiſsstahl und
300 m-Ctr. Guſsstahl im Jahre. Der Guſsstahl wurde mit 260 bis
280 Franken pro Meter-Centner bezahlt und war angeblich dem eng-
lischen an Güte gleich. Das gröſste Stahlwerk war damals das von
Garrigon, Sans \& Co. in Toulouse, welches 1818 20000 m-Ctr. Stahl,
50000 Sensen und eine groſse Menge Feilen fabrizierte. Die Stahlpro-
duktion Frankreichs, welche 1818 118309 m-Ctr. Rohstahl und 2230 m-Ctr.
Cementstahl betragen hatte, nahm damals rasch zu. 1819 fabrizierten
die beiden genannten Werke von Garrigon in Toulouse und Milleret
in Bérardière allein ein Dritteil dieses Quantums. Der Import von
Stahl, der immer noch 6030 m-Ctr. Schweiſsstahl und 3278 m-Ctr.
Guſsstahl betragen hatte, ging infolgedessen zurück. Ebenso war die
Sensenfabrikation im Aufschwung begriffen. 1816 und 1817 hatte
Frankreich noch 300000 kg gleich 1200000 Stück Sensen eingeführt.
Blechwalzwerke waren entstanden zu Audencourt, Departement
Doubs, Villemonstauson, Departement Aude, Boutancourt, Ardennen,
Pont-Saint-Ours und besonders Imphy im Departement von Nièvre.
Imphy nennt Villefosse das Dillingen Frankreichs. Es fabrizierte
damals 1000 m-Ctr. Schwarzblech und 1500 m-Ctr. Weiſsblech. 1816
hatte der Import von Weiſsblech 3000 m-Ctr. betragen, 1817 ging er
auf 868 m-Ctr. zurück und 1818 deckte bereits die französische Fabri-
kation den Bedarf. Im ganzen betrug die Jahresproduktion von
Schwarz- und Weiſsblech damals 43000 m-Ctr.
Im Departement Jura machte Lemyre Nägel aus Blech, kalt
geschnitten, wofür er 1817 ein Patent erhalten hatte. Ferner hatten
Mouchel in Aigle Draht, verschiedene Pariser Firmen schön polierte
Stahlwaren, Reignier Sicherheitsschlösser, die Waffenfabrik zu Thiers
(Puy de Dôme) gewöhnliche Messer, die Pariser Messerschmiede feine
[332]Frankreich 1816 bis 1830.
Messerwaren und chirurgische Instrumente und die königlichen Ge-
wehrfabriken, besonders die zu Tulle (Corrèze), Gewehre ausgestellt.
Héron de Villefosse teilt noch folgende statistische Angaben
für 1818 mit. In mehr als 50 Departements Frankreichs gab es
Hochöfen: in den Departements Haute-Marne 43, Haute-Saône 38,
Nièvre 30, Côte d’Or 30, Mosel 40, Isère nahezu ebensoviel, desgleichen
in Cher und Allier zusammen, u. s. w. Im ganzen zählte man 350
Hochöfen in Frankreich. Diese lieferten 145000 m-Ctr. Guſswaren
erster Schmelzung und 960000 m-Ctr. Roheisen gröſstenteils zum Ver-
frischen. Aus Roheisen wurden an 640000 m-Ctr. Schmiedeeisen
hergestellt, auſserdem lieferten 90 Katalanschmieden 150000 m-Ctr.
Luppeneisen, so daſs sich die ganze Schmiedeeisenproduktion auf
790000 m-Ctr. bezifferte.
Frankreich führte in den Jahren 1816 und 1817 noch 250839 m-Ctr.
Roheisen und 188703 m-Ctr. Schmiedeeisen ein, wogegen es nur
1788 m-Ctr. und 17002 m-Ctr. exportierte.
1823 stellte auch die Hütte zu Janon Koksroheisen aus 1). Die
Hütte zu Saint-Hugon hatte ihre Hochöfen nach steirischer Art mit
geschlossener Brust zugestellt. Zahlreiche Puddelwerke waren seit
1819 erstanden zu St. Julien bei St. Chamond, Departement de la
Loire, zu Moyoeuvre und zu Hayange, Mosel, an der unteren Indre
bei Nantes, Loire-inférieure, zu Chateau-la-Vallière, bei Tours, Indre-
et-Loire, zu Bigny-sur-Cher, zu Bruniquel bei Montauban, auf der
Hütte von Maizières zwischen Vesoul und Besançon, zu Fourcham-
bault, Nièvre, zu Raismes bei Valenciennes, zu Janon bei St. Etienne,
zu Charenton bei Paris. Die Hütte von Chatillon, Côte d’Or, war
auf der Ausstellung von 1823 mit Stabeisen vertreten, welches mit
Holz im Flammofen gefrischt war. Im ganzen zählte man damals
bereits 20 nach englischer Art eingerichtete Frischhütten.
Die Herren Labbé et Boigues frères verpflanzten Anfang der
20er Jahre ihre Eisenwerke nach Fourchambault an der Loire, wo
sie mit englischen Arbeitern Puddel- und Walzwerke errichteten.
Anfang 1824 beschäftigten sie bereits 4000 Arbeiter 2).
Bei Alais in der Provinz Languedoc, wo Eisenerze und Steinkohlen
vorkamen, wurde 1825 ein groſses Eisenwerk nach englischer Weise
angelegt, an welchem der berühmte Marschall Soult hervorragend
beteiligt war.
1825 gründete E. Martin unter Mitwirkung der Familie Boigues
eine Eisengieſserei zu Fourchambault, welche sich später zu einem
berühmten Eisenwerke erweiterte.
Wie groſs der Fortschritt in den 20er Jahren, namentlich hin-
sichtlich des Steinkohlenbetriebes, war, zeigt umstehende, von dem
Staatsrat Héron de Villefosse für das Jahr 1826 aufgestellte
Statistik derjenigen französischen Eisenwerke, welche den englischen
Betrieb mit Steinkohlen in Puddelöfen und Walzwerken eingeführt
hatten.
Ganz Frankreich war damals in fünf Berg- und Hütteninspektionen
eingeteilt, über welche Pelouze aus einem offiziellen Bericht an
Héron de Villefosse über das Jahr 1825 folgende statistische
Zahlen mitteilt:
Hierbei sind 8 Rohstahlöfen und die Katalanschmieden nicht ein-
begriffen; ferner lagen 40 Öfen still und weitere 60 waren im Bau
begriffen; von diesen waren 40 für Koks und 20 für Holzkohlen be-
stimmt. Die durchschnittliche Produktion eines Holzkohlenofens in
Frankreich betrug 1826 4163 m-Ctr., die eines Kokshochofens 13250 m-Ctr.
im Jahre. Man erwartete aber von den neu erbauten Kokshochöfen
eine jährliche Erzeugung von 24000 m-Ctr. Auch war man bei einigen
Holzkohlenöfen bereits zu teilweisem Koksbetriebe übergegangen; so
hatte man im Hochofen von Guerche, Departement du Cher, 3/7 Holz-
kohle durch ebensoviel Koks ersetzt, ohne eine Benachteiligung der
Qualität des Guſseisens, und die Gesellschaft Boigues, welcher dieser
Ofen gehörte, beabsichtigte dasselbe gemischte Brennmaterial bei
weiteren ihr zugehörigen 8 Hochöfen der Eisenwerke von Fourcham-
bault einzuführen, wie auch noch andere Holzkohlenhütten dieses
Verfahren nachahmen wollten. Ausschlieſslich mit Koks gingen 1825
4 Hochöfen, und 1826 wurden 35000 m-Ctr. Koksroheisen erzeugt.
Puddel- und Walzwerke in Frankreich Anfang 1826:
Bei den neuen Werken hatte man meistens Dampfbetrieb eingeführt,
und warfen auch verschiedene Holzkohlenhütten ihre alten Wasserräder
ab und ersetzten dieselben durch Dampfmaschinen, wie z. B. Isaac
Blum auf seiner Hütte zu Baigne, Departement Haute-Saône. Creu-
sot hatte 1825 bereits 5 Hochöfen, von denen einer 15 m hoch war.
An Schmiedeeisen war im Jahre 1825 fabriziert worden:
Man rechnete beim Steinkohlenbetriebe 135 Roheisen auf 100 Stab-
eisen, beim Holzkohlenbetriebe 150 Roheisen. — Zu der angegebenen
Menge Schmiedeeisen kommen weitere 93740 m-Ctr. hinzu, welche in
den 130 Katalanschmieden der fünften Inspektion erzeugt wurden. Der
Verbrauch an Schmiedeeisen hatte in diesem Jahre 1156850 m-Ctr.
betragen. Der Wert der ganzen Eisenproduktion Frankreichs für
1825 berechnet sich:
Villefosse fügt noch hinzu, daſs zu dem Betrage von 30 bis
35 Millionen Franken, welcher bereits in der Eisenindustrie mit Stein-
kohlen angelegt sei, ein ebensogroſses Kapital im Begriffe stehe,
darin angelegt zu werden und daſs für den Erfolg dieser Anlagen
vor allen Dingen die Freigebung der Schiffahrt notwendig sei.
Zu dem groſsen Aufschwung, der von 1820 bis 1825 ⅓ der Pro-
duktion betrug, hatte besonders das Schutzzollgesetz vom 27. Juli
1822 beigetragen, durch welches gleichzeitig die fremde Einfuhr, die
im Jahre 1821 noch 138437 m-Ctr. betragen hatte, um ⅓ vermindert
wurde.
Die Eisenhütten verbrauchten damals noch den vierten Teil des
sämtlichen Holzes, welches in Frankreich geschlagen wurde, ent-
[336]Belgien bis 1830.
sprechend dem vierten Teile der verfügbaren Waldfläche von
5610833 Hektaren.
Durch die hohen Holzpreise waren die Gestehungskosten des fran-
zösischen Frischeisens sehr teuer; sie betrugen nach Villefosse 1826
im Minimum 54 Franken, im Maximum 76 Franken, im Durchschnitt
65 Franken pro Meter-Centner, während das Eisen in Belgien und
Deutschland 45 bis 47 Franken, das in Schweden und Ruſsland 32
bis 43 Franken auf den Hütten und das englische nur 24 Franken
75 Ctms. frei Hafen von Cardiff, kostete. Ohne den Zollschutz konnten
die französischen Hütten nicht bestehen.
Bei der Eisenbereitung mit Holzkohlen verhielten sich die Preise
des Stabeisens zum Roheisen wie 65 Franken pro m-Ctr. zu 21 Franken,
während dieses Verhältnis bei dem Steinkohlenbetriebe in England
26 Franken zu 12 Franken 65 Ctms. betrug. Der Vorteil der Anwendung
der Steinkohle bei dem Frischereibetriebe war also besonders groſs.
Seit 1825 nahm der Steinkohlenbetrieb in Frankreich rascher zu.
1827 waren 15 Kokshochöfen im Bau und 25 weitere im Projekt.
1829 entstand die Eisenhütte von La Pigne zunächst nur als Gieſserei.
Die Hüttenbesitzer der Niederlande, insbesondere Belgiens, hielten
mit erstaunlicher Hartnäckigkeit an dem überlieferten Holzkohlen-
betriebe fest. Obgleich das Gebiet mit Steinkohlen reich gesegnet
war, so benutzte man dieselben doch nur in den Reckhämmern,
welche das Grobeisen von Namur, also von dem Gebiete zwischen Maas
und Sambre und von Luxemburg zu Handelseisen verschmiedeten.
Die zahlreichen Hochöfen Belgiens wurden mit Holzkohlen betrieben
und gestatteten keine Vermehrung, weil sie schon mehr Holz ver-
schlangen, als das Land hervorbrachte. Als der Hüttenbesitzer J. B.
Dupont von dem Eisenwerke zu Dieupart 1809 bei der französischen
Regierung um die Erlaubnis der Errichtung eines weiteren Hochofens
einkam, wurde ihm dies abgeschlagen, weil die Holzverkäufe aus den
kaiserlichen Waldungen in diesem Jahre den Etat bereits um ⅓
überschritten hätten. Es bestanden damals in dem Departement der
Ourthe 18 Holzkohlenöfen und in dem benachbarten Departement
des Forêts und der Sambre und Maas ebenfalls eine groſse Zahl.
Die französische Regierung drängte auf die Einführung des Stein-
kohlenbetriebes und erteilte keine neue Konzession, ohne wenigstens
[337]Belgien bis 1830.
den Versuch desselben zu verlangen. Trotzdem erreichte sie ihre
Absicht nicht.
Allerdings hatte man zu Glabeck, nahe bei Tubize, einen Hoch-
ofen mit einer Mischung von Holzkohle und Koks mit Erfolg betrieben.
Ebenso hatte Amand, Hüttenherr zu Bouvigne, einen sehr festen Guſs
mit Koks erhalten, der nur etwas hart ausgefallen war. Aber diese
Versuche fanden keine Nachahmung, vielmehr legten namentlich
die Hüttenbesitzer im Lütticher Lande eine groſse Ängstlichkeit
gegen den Steinkohlenbetrieb an den Tag. Sie begründeten dieselbe
mit der Behauptung, die Steinkohle von Lüttich sei dem Eisen
schädlich.
Die Société d’Émulation zu Lüttich setzte dagegen schon 1811
einen Preis aus für den, der zuerst den englischen Betrieb im Depar-
tement der Ourthe einführte. Sie bekämpfte mit Eifer das Vorurteil,
daſs die Lütticher Kohle für den Hochofenbetrieb ungeeignet sei
und befürwortete die Verkokung in geschlossenen Öfen. Aber erst
sehr spät wurden die Bemühungen dieser Gesellschaft, die sich groſses
Verdienst in dieser Sache um Belgien erworben hat, von Erfolg ge-
krönt.
Erst zu Anfang des Jahrhunderts ging man von der viereckigen
zur runden Form des inneren Querschnitts der Hochöfen über.
Die Blechfabrikation machte unter dem Kaiserreich wesentliche
Fortschritte. Man zählte damals im Lütticher Lande bereits 14 Blech-
walzwerke, welche 100 Arbeiter beschäftigten und jährlich etwa
280000 Ctr. erzeugten. Bei der Pariser Ausstellung von 1806 wurden
die Bleche der Herren Dautrebande und Bastin von Huy für die
besten erklärt.
In der Weiſsblechfabrikation nahm das Werk von Delloye zu
Huy die erste Stelle ein. 1804 hatte die Gesellschaft zur Aufmunte-
rung etc. in Paris einen Preis von 3000 Franken für das beste Weiſs-
blech, das dem besten im Handel vorkommenden gleichkäme, aus-
gesetzt. Erst 1808 kam derselbe zur Verteilung und wurde Herrn
Delloye zugesprochen, der schon bei der Ausstellung 1806 eine sil-
berne Medaille erhalten hatte. Seine Fabrik verarbeitete damals
25000 kg Blech. Sie produzierte 1808 1969, 1809 4674 und 1810
6782 Kisten Weiſsblech. Herr Delloye erhielt von der französischen
Regierung als Anerkennung und zur Aufmunterung 90000 Franken.
Dagegen gingen die Schneidwerke durch die wachsende aus-
wärtige Konkurrenz zurück. Von groſser Wichtigkeit war die Grün-
dung der groſsen Kanonengieſserei in Lüttich.
Im Jahre 1803 hatte der Mechaniker Perier1) in Paris eine Lie-
ferung von 3000 Stück 36-Pfünder-Kanonen für die französische Flotte
übernommen, worauf er in Raten 1700000 Franken an Vorschüssen er-
hielt. Er wählte Lüttich zum Platze für seine Gieſserei und baute
innerhalb zweier Jahre eine groſse Anlage mit sechs Flammöfen, aus
denen er 20 Stück Rohre auf einmal gieſsen konnte. Er stellte sechs
Dampfmaschinen von 96 Pferdekräften mit einem Kostenaufwande
von 160000 Franken auf. Dem Betriebe stellten sich aber durch un-
geübte Arbeiter, Mangel an gutem Formsand u. s. w. solche Schwie-
rigkeiten in den Weg, daſs er seinen Vertrag nicht erfüllen konnte,
in Konkurs geriet und die Regierung gezwungen wurde, das Werk
selbst zu übernehmen. Während des Kaiserreiches wurden etwa 7000 Ge-
schützrohre hier gegossen. Man benutzte nur Holzkohlenroheisen,
welches meistens von Doulong bei Longwy, St. Roche bei Couvin, Vaux,
Moniat, Bouvignes, Dieupart und Bouillon geliefert wurde.
Der Zusammenbruch der napoleonischen Macht befreite die Nieder-
lande von der Herrschaft Frankreichs. Für die belgische Eisenindustrie
war dies unmittelbar kein Vorteil. Sie verlor damit ihr wichtigstes
Absatzgebiet. Die Aussichten im Jahre 1815 schienen für die bel-
gische Eisenindustrie in der That trostlos. Hierzu kam, daſs die
holländische Zollpolitik einseitig den Handel auf Kosten der inländi-
schen Industrie begünstigte. Da trat John Cockerill auf und brachte
einen Umschwung und Aufschwung der Eisenindustrie Belgiens zu-
stande, der erstaunlich war.
John Cockerill war als der jüngste Sohn des Mechanikers
William Cockerill 1790 zu Haslington in Lancastershire geboren.
Bald nach seiner Geburt verlieſs der Vater, ein geschickter und unter-
nehmender Mann, mit seinen älteren Söhnen, William und James,
sein Vaterland, um in Schweden und Belgien seine verbesserten Spinn-
maschinen zu bauen und zu vertreiben. 1802 folgte der 12jährige
John seinem Vater nach Verviers. Sein ältester Bruder William
gründete in Frankreich eine Fabrik, und als diese abbrannte, wandte
er sich 1816 nach Guben in Preuſsen, errichtete dort eine groſse
Spinnerei mit Dampfbetrieb und erhob Guben zu einer der ansehn-
lichsten und gewerbreichsten Fabrikstädte des preuſsischen Staates.
Der alte Cockerill legte 1807 mit seinen Söhnen James und John eine
Maschinenbauanstalt in Lüttich an. Schon 1805 hatte der 15jährige
[339]Belgien bis 1830.
John Cockerill auſserordentliche geschäftliche und mechanische Be-
gabung gezeigt, welche die Verwunderung der Geschäftsfreunde des
alten Cockerill in Verviers erweckte. 1810 stand er bereits an der
Spitze des fortwährend wachsenden Geschäftes, in dem er namentlich
den technischen Betrieb leitete. Die Fabrik lieferte anfangs wöchent-
lich zwei bis drei, später aber sieben vollständige Sortimente Woll-
spinnmaschinen, jede zum Preise von 500 Louisd’or. In 7 Jahren
wurden für mehr als 3 Millionen Franken Maschinen verkauft. Der
junge John leitete das Geschäft mit solcher Umsicht, daſs sein Vater
sich 1814 zurückziehen konnte und die Fabrik ganz seinen beiden
Söhnen überlieſs, die sie unter der Firma Charles James \& John
Cockerill führten.
Das Genie der Cockerills hatte um diese Zeit bereits die Auf-
merksamkeit des Auslandes auf sich gezogen, und gebührt Preuſsen
das Verdienst, dasselbe zuerst erkannt zu haben. 1814 lud die
preuſsische Regierung dieselben nach Berlin ein, um in ihrem Lande
in den Wollspinnereien und Tuchfabriken ihre neuen Maschinen-
einrichtungen einzuführen. James und John Cockerill legten meh-
rere Wollspinnanstalten in den östlichen Provinzen an, ohne aber
ihren Sitz in Lüttich aufzugeben, während ihr älterer Bruder Wil-
liam ganz nach Preuſsen übersiedelte. Die von den Erstgenannten
angelegten Fabriken, welche später in den alleinigen Besitz von
John Cockerill übergingen, befanden sich in Berlin, Kottbus und
Grüneberg. Auch stand John Cockerill 1814 wegen Erwerbung des
preuſsischen Staatshüttenwerkes Peitz in Unterhandlung, wo er ein
groſsartiges Eisenwerk nach englischer Weise anzulegen gedachte.
Immer mehr erweiterte sich das Geschäft und mit ihm der Ge-
sichtskreis John Cockerills. Immer deutlicher erkannte er die
groſsen ungehobenen Schätze, welche Belgien bot, und das Bild einer
Groſsindustrie, welche sich mit England und Frankreich messen sollte,
trat ihm immer deutlicher vor Augen. Mitten in dem reichen Kohlen-
bassin, an den Ufern der Maas, lag das verlassene erzbischöfliche
Lustschloſs Seraing. Mit scharfem Blicke erkannten die Cockerills
die bevorzugte Lage dieses Platzes für eine groſse Fabrikanlage. Sie
wendeten sich an die Regierung und den König und erhielten das
Schloſs 1817 zur Anlage einer Fabrik eingeräumt. Diese weise Groſs-
mut wurde nicht nur für Cockerill, sondern für ganz Belgien, ja
für die ganze Eisenindustrie eine Wohlthat.
Anfangs richtete James Cockerill eine Flachsspinnerei in den
Räumen des erzbischöflichen Schlosses ein, dann aber verlegte er
22*
[340]Belgien bis 1830.
diese und überlieſs das ganze ausgedehnte Besitztum seinem Bruder
John zur Anlage einer Eisenhütte mit Maschinen-Bauanstalt, welche
so groſsartig geplant war, daſs sie den gröſsten Werken in England
und Frankreich gleichkommen sollte. Wohl war es ein Unternehmen,
welches über die Kräfte eines Einzelnen hinauszugehen schien; die
Geldmittel dafür konnte Cockerill allein unmöglich beschaffen,
aber es war die Eigenart des Mannes, daſs seine erfinderische und
organisatorische Kraft wuchs mit der Gröſse und Schwierigkeit der
Aufgabe. Durch kein Bedenken lieſs er sich beirren und führte das
begonnene Werk glänzend zu Ende. Auch hier war es wieder die
Regierung und König Wilhelm, welche ihm forthalfen. Um die Un-
gerechtigkeiten des freihändlerischen Zollsystems, welches die ein-
heimische Eisenindustrie bedrückte, auszugleichen und die Unzufrieden-
heit der belgischen Fabrikanten zu beschwichtigen und um die
heimische Industrie durch direkte Unterstützung zu heben, wurde am
12. Juli 1821 ein staatlicher Industriefonds gegründet. Es sollten aus
den Einkünften der Zölle jährlich 1300000 Gulden Subventionsgelder
zur Aufmunterung der Industrie vorweg genommen werden. So be-
denklich diese Maſsregel war, da sie der Gunst und der Willkür Thür
und Thor öffnete, so hat sie doch für Belgien groſsen Nutzen ge-
stiftet, ganz besonders durch die Unterstützung John Cockerills,
der mit Hülfe der Zuschüsse aus diesem Fonds sein groſses Unter-
nehmen zu Seraing ausführen konnte. Daſs dabei König Wilhelm
die Absicht hatte, durch diese reichlichen Zuwendungen sich zugleich
die Liebe und Anhänglichkeit der ihm abgeneigten Belgier zu er-
werben, schmälert nicht die geschichtliche Bedeutung dieser Unter-
stützung der belgischen Industrie. Eine sehr anerkennenswerte Be-
dingung, welche der König an das groſse Darlehen geknüpft hatte
war die, daſs die Eisenindustriellen des Landes, besonders die von
Lüttich und Namur, berechtigt sein sollten, das Werk zu besuchen,
um daselbst zu lernen.
1820 hatte John Cockerill bereits die ersten Puddelöfen in
Belgien in Betrieb gesetzt. Zur Förderung dieses Unternehmens und
zur Unterstützung für die weitere Einführung des englischen Flamm-
ofenbetriebes erhielt er von der Regierung 1 Million Franken vor-
gestreckt.
1823 wurde der erste Hochofen zu Seraing angeblasen. Derselbe
war 48 Fuſs hoch, 12 Fuſs im Kohlensack, aber nur 3 Fuſs in der
Gicht weit. Letzteres war ein groſser Fehler. Die starke Verengung
des nicht hohen Schachtes hatte einen sehr unregelmäſsigen Ofengang
[341]Belgien bis 1830.
zur Folge, der erst besser wurde, nachdem man den Schacht umgebaut
und mit einer Gicht von 6 Fuſs Weite versehen hatte. Dieses war
der erste für Koksbetrieb gebaute Hochofen in Belgien, der dauernd
nur mit Koks betrieben wurde. Er schmolz täglich 10 Tonnen Roh-
eisen, was damals als eine erstaunliche Produktion galt.
Es war für John Cockerill eine Existenzfrage, sich den Absatz
für die Bedürfnisse der niederländischen Regierung, namentlich für
deren bedeutende Marine zu sichern, und er wuſste den König so sehr
für sein Unternehmen zu interessieren, daſs dieser nicht nur namhafte
Summen vorschoſs, sondern in eine solche Geschäftsverbindung ein-
trat, daſs er an dem Gewinn und Verlust des Geschäftes teilnahm.
John Cockerill führte dabei den Betrieb ganz selbständig, und der
Kommissar des Königs hatte nur den Gang des Geschäftes, Umschlag
und Gewinn zu überwachen. Durch diese Verbindung wurde Cockerill
in den Stand gesetzt, das Werk immer mehr zu erweitern und es zu
der Musterwerkstatt zu machen, die es geworden ist. Schwerlich hat
irgend eine andere Maschinenfabrik des Kontinents eine gleich groſse
geschichtliche Bedeutung erlangt. Seraing wurde nicht nur für Bel-
gien, sondern auch für die Nachbarländer die hohe Schule des Ma-
schinenbaues und der Maschinenarbeit. Charakteristisch war die
strenge Trennung der Betriebe. Obgleich das ganze riesige Werk
von einer gemeinschaftlichen Mauer umgeben war, so waren doch im
Innern die verschiedenen Betriebe technisch und kaufmännisch scharf
getrennt und verkehrten miteinander, wie wenn es verschiedene
Unternehmen wären. Dadurch wurde eine musterhafte Ordnung und
Übersichtlichkeit erreicht.
Die erste Abteilung bildeten die Kohlenbergwerke, deren
Schächte in dem Werke mündeten, so daſs die Steinkohle direkt aus
der Grube zu den Verbrauchsstellen geführt wurde. Der neue Kohlen-
schacht hatte eine Pumpmaschine von 120 Pferdekräften und eine
Fördermaschine von 30 Pferdekräften. Alle Grubenarbeiter hatten
die von Humphrey Davy erfundenen Sicherheitslampen, die sie
nach dem Ausfahren ablieferten und die vor dem Einfahren untersucht
wurden 1). Die gröſste Verbrauchsstelle für die Steinkohlen war
zunächst die ausgedehnte Koksofenanlage; dieselbe stand mit einem
Schornsteine von 200 Fuſs Höhe in Verbindung.
Die Eisenfabrik oder die Eisenhütte bestand 1829 aus einer
[342]Belgien bis 1830.
Erzwäsche, aus einer Brennerei für feuerfeste Ziegel, aus den Röst-
öfen, aus 1 Hochofen mit einer groſsen Cylinder-Gebläsemaschine von
80 Pferdekräften, welche zugleich die Feineisenfeuer betrieb und den
Aufzug bediente. Ferner gehörte hierzu eine groſse Eisengieſserei mit
5 Kupolöfen und 6 Krahnen, 1 besonderen Formerei für feine Stücke,
1 chemisches Laboratorium u. s. w. Das groſse Maschinengebäude
der Eisenfabrik war ungemein fest, zweckmäſsig und doch scheinbar
sehr leicht gebaut; besonders schön war das mittlere Dach, welches
ganz aus Guſseisen hergestellt war und den Maschinenraum bedeckte.
In diesem Raume befand sich 1. eine groſse Dampfmaschine von
100 Pferdekräften zum Betriebe der groſsen Walzwerke und Scheren;
2. eine groſse Dampfmaschine von 80 Pferdekräften zum Betriebe des
groſsen Cylindergebläses und des Aufzuges für den Hochofen, 3. zwei
kleinere Dampfmaschinen von je 20 Pferdekräften zum Betriebe der
groſsen Schwanzhämmer. Nahe beim Hochofen befanden sich die
beiden groſsen Hämmer zum Bearbeiten des Eisens aus den Puddel-
öfen, die groſsen Walzwerke für Luppen, Stäbe, Flacheisen und
Bleche, drei gewaltige Scheren, welche armdicke Eisenstangen wie
dünne Wachsstöcke zerschnitten, eine Walzendrehbank, Reparaturwerk-
stätte, Schmiede, Messinggieſserei und das groſse Eisenmagazin. Ferner
befand sich in dieser Abteilung die Gasfabrik des Werkes.
Die dritte Hauptabteilung bildete die Maschinenfabrik, welche
viele Unterabteilungen umfaſste, Eisen- und Kupferschmieden,
3 Schweiſsöfen und 2 Schmiedeöfen für die Ankerschmiede, die mit
einem riesigen Krahnen ausgerüstet war. Die eigentliche Eisenschmiede
war eine lange Werkstatt, welche an beiden Seiten 24 Schmieden, die
meisten davon mit zwei Feuern, hatte. Dieselbe gewährte einen über-
raschenden Anblick. Dann folgten die Montierungswerkstätte, die
Kesselschmiede, die Kettenfabrik, zwei Stahlfabriken zur Herstellung
von „Meteorstahl“. Dann kam der groſse Arbeitsraum für die Werk-
zeugmaschinen, darunter befand sich eine Hobelmaschine mit einer
Bahn von 50 Fuſs Länge, auf welcher man Stücke von 40 Fuſs Länge
hobeln konnte.
In den oberen Räumen des groſsen Gebäudes befanden sich die
Werkstätten für die feinere Eisenbearbeitung durch Drehen, Bohren,
Richten, Feilen, Schlichten, Polieren u. s. w. Es ist nicht möglich,
diese Abteilungen und die dazu gehörigen Magazine u. s. w. alle zu
beschreiben.
Was die Gieſserei von Seraing leisten konnte, hat sie unter an-
derem an dem kolossalen guſseisernen Löwen, welcher auf dem
[343]Belgien bis 1830.
Schlachtfelde von Waterloo aufgestellt wurde, bewiesen. Derselbe ist
13 Fuſs 11 Zoll hoch und wog 27470 kg. Im ganzen waren 1829 zu
Seraing 15 Dampfmaschinen mit 450 Pferdekräften, entsprechend
etwa 3150 Menschenkräften; es waren 2000 Arbeiter daselbst be-
schäftigt, und lieferte die Fabrik für 1½ Millionen Gulden Ware.
Hauptartikel waren Dampfmaschinen, hiervon lieferte das Werk 1825
bis 1829 22 Dampfschiffsmaschinen, 36 Bergwerks- und Pumpmaschinen
und 50 Maschinen für Fabriken. Der Hochofen produzierte über
2000000 kg Roheisen im Jahre. Dieses Quantum reichte aber bei
weitem nicht aus für den Bedarf der Eisenfabrik, wofür noch jähr-
lich 2170000 kg deutsches und 2400000 kg belgisches Roheisen an-
gekauft werden muſsten.
Wir sehen aus dieser kurzen Beschreibung, daſs das groſse Eisen-
werk zu Seraing ganz im modernen Geiste mit allen Verbesserungen
der englischen Eisenwerke errichtet war. Die meisten Arbeiter waren
wenigstens anfänglich Engländer. Bei dem Hochofen waren englische
Arbeiter bis zum Jahre 1830. Erst die Revolution in diesem Jahre hat mit
den Holländern auch die Engländer aus Seraing vertrieben. Belgische
Arbeiter traten an ihre Stelle, die aber ihre Schule bei den Eng-
ländern gemacht hatten. Ein englischer Unternehmer und englische
Arbeiter sind die Begründer und Lehrmeister der modernen belgischen
Eisenindustrie gewesen.
Cockerill war zwar der bedeutendste, aber nicht der einzige
englische Unternehmer, der in Belgien gewirkt hat. Nicht lange,
nachdem der erste Kokshochofen in Seraing angeblasen war, erbaute
Bonehill 1825 auf der alten Eisenhütte zu Hourpes an der Sambre
einen kleinen Kokshochofen nebst zwei Flamm- und mehreren Kupol-
öfen zum Umschmelzen des Roheisens, ferner eine Kanonenbohrwerk-
stätte, denn damals hatte die Gesellschaft zu Hourpes, die ebenfalls
den König Wilhelm der Niederlande zu ihren Aktionären zählte,
die Absicht, guſseiserne Geschütze zu fabrizieren. Der Engländer
Bonehill, der sich in Marchienne niederlieſs, hat einen groſsen Ein-
fluſs auf die Entwickelung der belgischen Hochofenindustrie nament-
lich in der folgenden Periode ausgeübt.
Schon vor dieser Zeit waren an einigen Orten Holzkohlenhoch-
öfen mit Koks betrieben worden, so zu Haudires bei Couillet 1822
und zu St. Roch bei Couvin 1823 oder 1824. Der Ofen zu Haudires
war der erste Hochofen mit Koksbetrieb in Belgien. Doch haben
sich diese kleinen Öfen nicht bewährt. Sie muſsten umgebaut werden,
so auch 1830 der zu Hourpes, wobei man sie wesentlich vergröſserte.
[344]Deutschland bis 1830.
Die Gestelle der belgischen Hochöfen wurden aus dem Kieselkonglo-
merat von Marchin erbaut. Zu Couillet, wo schon zuvor bei Haudires
kleine Hochöfen mit 10 bis 12 Tonnen Tagesproduktion betrieben
worden waren, wurde 1828 ein groſses Hüttenwerk mit sechs nach
englischem Muster erbauten Hochöfen errichtet. Bald darauf entstanden
auch die ersten Kokshochöfen zu Châtelineau.
Die ganze Roheisenproduktion Belgiens wurde in dieser Periode
im eigenen Lande weiter verarbeitet.
Die ersten Puddelöfen nach denen zu Seraing waren von Henrard
und Huart auf einem kleinen Werke bei Couillet in der Provinz
Charleroi im Jahre 1821 erbaut worden. Diesem folgte 1823 das
Blechwalzwerk von Orban zu Grivegnée bei Lüttich, sodann die
Walzhütte von Dupont zu Fayt bei Charleroi, die 1824 erbaut und
1836 vergröſsert wurde; nach dieser die Walzwerke zu St. Roc und
Pernelle in der Provinz Namur 1829.
1822 gab es in Belgien 93 Hochöfen, 206 Frischfeuer, 68 Hämmer,
19 Gieſsereien und 17 Walzwerke, welche ungefähr 500000 Ctr. Stab-
eisen und 100000 Ctr. Guſswaren lieferten.
Deutschland hat keine so groſse Fortschritte in dieser Periode
aufzuweisen; seine Industrie litt zu sehr unter den bereits angeführten
Nachteilen. Zwar hatte die preuſsische Regierung schon 1814 die
Bergräte Eckardt und Krüger nach England geschickt, um die
Fortschritte der Industrie dort kennen zu lernen. Eine Frucht dieser
Reise war die Einführung des Gusses von Hartguſswalzen in der
königlichen Eisengieſserei in Berlin 1822; auf die Ausbreitung des
Steinkohlenbetriebes hatte sie keinen Einfluſs. Langsamer als in
Frankreich und Belgien vollzog sich der Übergang zur modernen
Betriebsweise in Deutschland, und nur ganz allmählich fand der
Steinkohlenbetrieb in den reichen Kohlenbecken Westdeutschlands
Eingang. Von einem nennenswerten Drucke des Steinkohlenbetriebes
auf den Holzkohlenbetrieb war, soweit die inländische Industrie in
Betracht kam, noch kaum etwas zu bemerken. Doch auch die wenig
bedeutenden Anfänge sind von historischem Interesse.
In erster Linie gilt dies für Rheinland und Westfalen.
In Westfalen war die erste Dampfmaschine auf der Saline
Königsbronn im Jahre 1798/99 errichtet worden. Der Cylinder war
[345]Deutschland bis 1830.
aus England bezogen, die Aufstellung erfolgte unter Leitung des be-
kannten Oberbergrats Bückling. Im folgenden Jahre lieſs Freiherr
von Romberg zu Brüninghausen eine Dampfmaschine auf seiner
Grube Vollmond aufstellen, die in Schlesien gebaut war. Bei Auf-
stellung dieser Maschine half ein Zimmermann, Franz Dienenthal
von Horst im Kirchspiel Steele. Er war in seiner Jugend Schweine-
hirt gewesen, besaſs aber mechanisches Genie, so daſs er, ohne Vor-
bildung und ohne Mittel, mit den mangelhaftesten Werkzeugen in den
folgenden Jahren eine ganze Anzahl Dampfmaschinen für Bergwerke
im Essener Bezirke baute und aufstellte. Die dafür erforderlichen
Guſsstücke bezog er von der Gutenhoffnungshütte und zwar zuerst
1808 für eine Aachener Maschine, dann 1809 für die Zechen Rosen-
delle, Sälzer-Neuakt und Saline Königsbronn, 1810 für Zeche Dreck
und Herrenbank, 1811 für die Zeche Gewalt in Überruhr, 1812 für
die Zechen Wiesche, Karoline u. s. w. Dienenthal betrieb seinen
Maschinenbau empirisch und handwerksmäſsig. Alles dieses vollzog
sich noch unter der französischen Herrschaft.
Der erste, der in Westfalen nach dessen Wiedervereinigung mit
Preuſsen eine eigentliche Maschinenfabrik mit Dampfbetrieb und eng-
lischen Arbeitsmaschinen anlegte, war Friedrich Harkort im Jahre
1818. Dieser, der als der eigentliche Begründer der modernen Eisen-
und Maschinenfabrikation in Westfalen angesehen werden muſs, war
am 22. Februar 1793 auf Harkorten, dem alten Stammsitze seiner
schon in der früheren Zeit um das märkische Eisenwesen verdienten
Familie, geboren. Von seinem Vater, Johann Kaspar Harkort, für
die Handlung bestimmt, besuchte er die Handelsschule in Hagen und
trat dann in die Lehre. Hierauf machte er als Soldat den Befreiungs-
krieg mit und wurde 1815 bei Jumet verwundet. Nachdem sein
Vater am 10. Mai 1818 gestorben war, legte er eine Gerberei an und
betrieb einen Kupferhammer. In demselben Jahre lernte er Hein-
rich Kamp zu Elberfeld kennen und verband sich mit ihm zur Er-
richtung einer Maschinenfabrik nach englischer Weise. Sie erwarben
für diesen Zweck die alte Burg zu Wetter und gründeten das Ge-
schäft unter der Firma Harkort \& Komp. Harkort reiste nach
England, teils zu seiner Belehrung, teils um englische Arbeiter an-
zuwerben. Es gelang ihm, zwei englische Mechaniker, Godwin und
Thomas, mit nach Wetter zu nehmen. Thomas hielt nicht lange
stand, aber Godwin blieb nicht nur treu, sondern lieſs auch nach
einigen Jahren seinen sehr geschickten Sohn George, der nach
Amerika ausgewandert war, von dort nachkommen. Auch der erste
[346]Deutschland bis 1830.
Gieſsmeister Obrey, welcher bei Maudslay in London gearbeitet
hatte, war ein Engländer. Derselbe blieb nicht lange und wurde
nacheinander durch die Engländer Richmond, Roose und Potter
ersetzt.
Die englischen Arbeiter waren teuer und anmaſsend, aber sie
konnten damals bei den neuen Werkzeugmaschinen und dem Betriebe
nicht entbehrt werden. Sie waren die Lehrer für das neue Geschlecht
der märkischen Maschinenarbeiter. Harkort fand aber für sein Be-
streben, englische Maschinen in Deutschland zu bauen, weder Ver-
ständnis noch Anerkennung; im Gegenteil hielt man sein Unternehmen
für überflüssig, wenn nicht gar für schädlich, denn viele in dem
Ruhr- und Wuppergebiete standen damals noch auf dem beschränkten
Standpunkte, Maschinen und Maschinenarbeit für etwas Schädliches
anzusehen. Harkort lieſs sich dadurch nicht beirren, und seine
Dampfmaschinen fanden allmählich Absatz bei den Kohlenbergwerks-
besitzern. Elberfeld und Barmen erhielten ihre ersten Dampfmaschinen
aus der Fabrik zu Wetter. Man beschränkte sich nicht auf die Her-
stellung von Dampfmaschinen, sondern machte mechanische Webstühle,
Heizapparate, hydraulische Pressen u. s. w. Harkort gründete eine
Filiale in Berlin. 1822 wurde seine Maschinenfabrik in der Staats-
zeitung als „eine der merkwürdigsten und bewundernswertesten An-
stalten in Deutschland“ besprochen.
Das nächste groſse Verdienst Friedrich Harkorts war die Ein-
führung des englischen Puddelprozesses in Westfalen. Ehe wir diesen
Vorgang schildern, dürfen wir nicht unterlassen hervorzuheben, daſs
die preuſsische Regierung alle Bestrebungen zur Verbesserung der
Eisenindustrie unterstützte und auf das liberalste förderte. Nach der
groſsen Niederlage im Jahre 1806 hatte Preuſsen sich unter dem
Einflusse des groſsen Ministers Stein zu einer Reorganisation im
freiheitlichen Sinne aufgerafft. Auch auf dem Gebiete des Handels
und der Industrie brach es mit dem überlieferten beschränkten Pro-
vinzialismus und bekannte sich bereits in der „Geschäftsinstruktion“
vom 26. Dezember 1808 zu freiheitlichen Grundsätzen für Handel
und Gewerbe. Am 2. November erfolgte die Einführung der Gewerbe-
freiheit, und nachdem der Friede zurückgekehrt und Preuſsen eine
neue Gestalt und neue Grenzen bekommen hatte, erfolgte am 26. Mai
1818 das wichtige freisinnige Zollgesetz, welches alle Zwischenzölle
aufhob, die Landesgrenze zur Zollgrenze machte, Rohstoffen (Roheisen)
freien Eingang gestattete und verarbeitete Stoffe (Schmiedeeisen und
Stahl) mit einem mäſsigen Zoll von etwa 10 Prozent des damaligen
[347]Deutschland bis 1830.
Wertes belegte. Dies Gesetz wirkte sehr segensreich und arbeitete
der späteren Zolleinigung Deutschlands vor.
Kehren wir nach dieser zollpolitischen Abschweifung zur tech-
nischen Entwickelung der Eisenindustrie zurück.
Das Flammofenfrischen fand erst sehr spät Eingang in Deutsch-
land. Einige erfolglose Bemühungen aus früherer Zeit haben wir be-
reits beschrieben. 1819 machte auch die fiskalische Verwaltung zu
Geislautern an der Saar Versuche, im Flammofen zu frischen. Die-
selben erwiesen sich aber als unökonomisch und wurden deshalb nicht
fortgesetzt.
Erst im Jahre 1824 gelang es auf der Remyschen Eisenhütte
zu Rasselstein bei Neuwied, den Puddelprozeſs mit Erfolg durch-
zuführen. Es geschah dies mit Hülfe englischer Arbeiter, welche
John Cockerill zu Seraing der befreundeten Firma für diesen Zweck
vorübergehend überlassen hatte. Der preuſsische Staat unterstützte
die Besitzer Christian und Ferdinand Remy durch eine Prämie
von 5000 Thlrn. und dadurch, daſs er die erforderlichen Steinkohlen
aus den Saarbrücker Gruben für mehrere Jahre zum Gestehungs-
preise überlieſs. Im darauffolgenden Jahre kam dort auch ein Stab-
eisenwalzwerk in Betrieb.
In demselben Jahre, 1825, wurde der Puddelbetrieb in Lenders-
dorf bei Düren eingeführt. Es geschah dies durch Wilhelm und
Eberhard Hösch mit Hülfe des englischen Ingenieurs Dobbs auf
dem Lendersdorfer Werke, das bis 1817 der Firma Deutgen an-
gehört hatte. Dasselbe hatte sich schon im vorigen Jahrhundert in
der Schneideisenfabrikation hervorgethan.
Ferdinand Remy begann dann 1825 mit dem Bau eines gröſseren
Puddel- und Walzwerkes zu Alf an der Mosel, das am 5. Juni 1827
mit drei Puddelöfen, deren Betrieb drei englische Puddelmeister leiteten,
einem Stirnhammer und einer Walzenstraſse eröffnet wurde.
Friedrich Harkort hatte erkannt, daſs es auch für Westfalen
höchste Zeit sei, zu dem neuen Verfahren überzugehen. Er erlieſs
1824 einen Aufruf, um eine Aktiengesellschaft für diesen Zweck zu
gründen. In diesem 1) sagte er: „Einst gab es eine Zeit, wo unser
Eisengewerbe über alle hervorragte — das hat sich gewendet. Unsere
Eisenhütten werden im Durchschnitt jämmerlich betrieben, kleine
Öfen, schlechtes Gebläse, verschiedenes Material und geringe Erzeu-
[348]Deutschland bis 1830.
gung sind die Folgen des geteilten Besitzes. Die Selbstkosten kommen
30 Prozent höher als in England. Die Band- und Reckeisenhämmer
sind nicht im stande, in einer Woche soviel Schmiedeeisen zu liefern,
wie ein Walzwerk mit gleicher Anzahl Arbeiter in einem Tage. Fügen
wir nun die vergeblichen Frachten von einem Werke zum andern
hinzu, dann ist leicht erklärlich, daſs die Ausländer das Eisen 40 bis
60 Prozent billiger erzeugen und wir von dem ausländischen Markte
verdrängt werden muſsten; wie nicht minder, warum Schweden und
England ihr Eisen bis nach dem Oberrhein versenden.“ Er weist
dann auf die Bedeutung des Puddelprozesses in England, auf die
neuen Werke am Rasselstein und in Eschweiler hin, hebt die Vor-
züge der westfälischen Steinkohle hervor und fordert zum Beitritt zu
einer Aktiengesellschaft auf.
Aber die ängstlichen märkischen Gewerken konnten sich zu einer
solchen That nicht aufschwingen. Harkorts Aufruf hatte keinen
Erfolg. Erfüllt von der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Sache
beschloſs er, dieselbe selbst in die Hand zu nehmen, reiste 1826
abermals nach England, warb erfahrene Puddel- und Walzarbeiter
an und errichtete das erste Puddelwerk in Westfalen im nörd-
lichen Burggraben der Burg zu Wetter. Der erste Puddelmeister
hieſs Mac Mullen, der Hammerschmied Lewis, der Walzer Swift.
Sie wurden die ersten Lehrmeister der westfälischen Eisenarbeiter,
die sich rasch die neue Arbeitsmethode zu eigen machten.
Nachdem Harkort die Bahn gebrochen, den Weg gezeigt und
geebnet, folgten bald auch andere Fabrikanten nach, zuerst 1828
Eduard Schmidt zu Nachrodt bei Iserlohn, Lohmann und Brand
in Witten und andere mehr. Harkort selbst schrieb darüber: „Das
Verfahren verbreitete sich rasch in der Grafschaft Mark und kam
von Wetter aus durch Ingenieure, Arbeiter und gelieferte Maschinen
auch nach Schlesien. Die Revolution in der Eisenfrischerei und Stab-
eisenstreckung war in wenigen Jahren eine vollendete Thatsache.“
Harkort legte ferner ein Blechwalzwerk an, das ihm die
Bleche für seine neu errichtete Kesselschmiede lieferte.
Harkort gebührt dafür das gröſste Verdienst, hauptsächlich auch
dafür, daſs er sein Werk nicht verschloſs, sondern es gern jedem, der
es sehen wollte, zeigte, und die, welche ähnliche Anlagen machen
wollten, mit Rat und That unterstützte.
So hatte das Werk zu Wetter die Bahn gebrochen für die ge-
waltige Steinkohlen-Eisenindustrie Westfalens.
Friedrich Harkort hat auſserdem noch folgende Neuerungen
[349]Deutschland bis 1830.
in der Mark eingeführt: Die Kupolöfen mit Stichherd in der Gieſserei;
das Formen schwieriger Maschinenstücke in Sand und den Guſs von
Hartwalzen; die Anfertigung und Verwendung eiserner Getriebe,
namentlich der konischen Räder und deren genaue Modellierung nach
richtigen Grundsätzen; verbesserte Konstruktionen der Cylindergebläse
und Wasserräder; die Herstellung der ersten doppeltwirkenden Dampf-
maschine bis zu 100 Pferdekräften; die Einrichtung einer Kesselschmiede
nach englischer Methode und die dazu erforderlichen Maschinen und
Gerätschaften; die Anfertigung der ersten Heizapparate mit warmer
Luft; die feinere Schleiferei von Stahlwaren (mit Hülfe des Mechanikers
Prinz aus Aachen), sowie die englische Kreissäge.
1828 wurde mehr durch Zufall auch der erste Puddlingstahl
zu Wetter gemacht und durch Messerschmiede zu Schneidwerkzeugen
verarbeitet. Man verfolgte aber damals diese Entdeckung nicht.
Bereits 1826 war zu Wetter unter Beistand des verdienten Siegen-
schen Oberhütteninspektors Zintgraff ein kleiner Hochofen mit eiser-
nem Mantel angelegt worden. Auch stellte der weitsichtige Har-
kort damals bereits einen Hüttenchemiker namens Goldtammer
an, obgleich man darüber spottete, weil niemand begreifen konnte,
was ein Chemiker in einem Eisenwerke nützen sollte. Goldtammer
war aber ein sehr fähiger Mann. Er wies den Black-band im Ruhr-
gebiete auf der ganzen Erstreckung der Kohlenflötze von Aplerbeck
bis Essen nach und lieferte die erste Analyse des Kohleneisensteins
im westfälischen Steinkohlengebirge. Harkort versuchte eine Be-
lehnung auf denselben zu erlangen, aber das Bergamt erkannte das
Mineral nicht als ein Eisenerz an und verweigerte die Mutung. Um
dieselbe Zeit legte aber Goldtammer bedeutende Mutungen auf
Roteisenstein in der Nähe von Wetzlar für Harkort ein; ebenfalls
ein Beweis von dem scharfen, weitausschauenden Blicke Harkorts,
denn um jene Zeit war noch nicht daran zu denken, die Erze von
Wetzlar nach Wetter zu schaffen.
1829 erwarb Harkort auch die Berechtigung einer verfallenen
Hütte von Elben bei Olpe und erbaute auf einem angekauften Ge-
fälle bei Rüblinghausen ein neues Hochofenwerk, die Henriettenhütte,
um hier unter Anwendung von Koks als Brennmaterial die vortreff-
lichen Erze der benachbarten Gruben Vahlberg, Löh, Molitor u. a. zu
Roheisen zu verschmelzen. Die Koksbereitung war vor 1830 in West-
falen eine fast unbekannte Sache. Nur auf einigen kleinen Gruben
bei Witten wurde damals in offenen Meilern aus Stückkohlen Koks
dargestellt. Die Hüttenwerke, die mitten im Steinkohlengebiete
[350]Deutschland bis 1830.
der Ruhr lagen, wurden damals alle noch mit Holzkohlen be-
trieben.
Am 28. April 1820 war zu Sterkrade die erste doppeltwirkende
Gebläsemaschine in Betrieb gesetzt worden und am 22. Juli desselben
Jahres errichtete die Gutehoffnungshütte eine eigene Werkstätte für
den Bau von Dampf- und Gebläsemaschinen. Es war dies die letzte
Schöpfung Gottlob Jakobis, der so viel für die Eisenindustrie ge-
wirkt hat und zu den Hauptförderern des Dampfmaschinenbetriebes
in der deutschen Eisenindustrie gezählt werden muſs. Die Eisen-
hütten bei Sterkrade, die Gutehoffnungshütte und die Antonienhütte
gingen damals noch ausschlieſslich auf Guſswaren. Erstere hatte auſser
dem Hochofen noch drei Kupolöfen (6 Fuſs 5 Zoll, 6 Fuſs 6 Zoll und
6 Fuſs 9 Zoll hoch) und einen Flammofen, machte besonders Maschinen-
guſs und feineren Guſs, während die Antonienhütte mehr die groben
Guſsstücke lieferte. Die Hochöfen wurden ausschlieſslich mit Holz-
kohlen betrieben.
Im Kreise Hamm erwarben sich Kaspar und Wilhelm Hob-
recker Verdienste um Verbesserungen in der Eisenindustrie. Ersterer,
1819 von Amerika zurückgekehrt, legte mit seinem Bruder, der Schlosser
war, an der Lippe ein Blechwalzwerk an. 1828 erweiterten sie die
Anlage zu einem Eisenhammer mit Puddelofen und fügten später
eine Drahtwalze und Drahtzieherei hinzu.
Freiherr Theodor von Dücker legte 1826 zu Rödinghausen
ebenfalls ein Blechwalzwerk an. Durch diese Anlagen ging der Betrieb
der Breithämmer im Kreise Olpe zurück.
Besonders wichtig waren aber die Gründungen von Piepen-
stock, Vater und Sohn, zu Neu-Öye 1) und Hörde. Der alte Kaspar
Diedrich Piepenstock war gewöhnlicher Arbeiter gewesen, hatte
sich aber durch einen erstaunlichen Unternehmungs- und Geschäfts-
geist zu einem bedeutenden Fabrikanten emporgearbeitet. Er machte
anfänglich allein mit seiner Frau Haarnadeln und Haken und Augen,
die er selbst auf dem Rücken nach Holland trug und dort ver-
kaufte. Als sein Sohn Hermann Diedrich (geboren am 6. August
1782) heranwuchs, nahm er ihn mit auf den Hausierhandel, und bald
konnten sie sich ein einspänniges Gefährt anschaffen. Von Jahr zu
Jahr nahm der Absatz und der Verdienst zu, und der Gewinn war
in den Kriegsjahren eher gröſser als geringer. Als die napoleonische
Herrschaft in Deutschland ein Ende hatte und der Friede zurück-
[351]Deutschland bis 1830.
gekehrt war, legte der alte Piepenstock sein sauer verdientes Ver-
mögen in Fabrikanlagen an. Er stand, obgleich er nicht einmal
seinen Namen schreiben konnte, an der Spitze vieler Unternehmungen
und starb als ein reicher und hochangesehener Mann. Sein Sohn
vermehrte den Ruhm der Firma K. D. Piepenstock, legte 1828 bis
1831 die erste Weiſsblechfabrik in Westfalen zu Neu-Öye an und
gründete 1839 das Puddel- und Walzwerk zu Hörde.
Das erste Plattenwalzwerk in Deutschland, welches der Landrichter
Göcke 1789 zu Elverlingsen errichtet hatte, nachdem er bereits 1780
eines für Kupferbleche auf dem Gefälle des aufgelassenen Kupferberg-
werkes Karoline in der Rhamede angelegt hatte, war eingegangen, weil
es damals an dem zum Walzeisen gehörig vorgeschmiedeten Stabeisen
fehlte. Doch wurde dieses Walzwerk 1817 von F. Göcke und
U. Aldehoff mit Unterstützung des Staates in eine Drahtwalze ver-
wandelt, kam aber erst von 1822 an, nachdem es in den Besitz von
Joh. Heinr. Schmidt, des Gründers des Nachrodter Puddel- und
Walzwerkes, übergegangen war, in Blüte. Dieses erste Drahtwalzwerk
beschränkte sich anfangs darauf, den gespaltenen Osemund bloſs zu
runden und wurde erst später, nachdem fast gleichzeitig in Eschweiler
die erste vollständige Drahtwalze nach englischem Muster entstanden
war, in derselben Weise eingerichtet.
1827 legte Fr. Thomée die wichtige Drahtfabrik zu Ütter-
lingsen an.
1830 entstand im Siegerlande die erste Gieſserei zweiter Schmel-
zung, indem der Gewerke Achenbach aus Fickenhütten bei Tiefen-
bach einen Flammofen errichtete und daraus Walzen für sein Blech-
walzwerk goſs.
Über die Bedeutung des Frischstahlgewerbes giebt folgende Über-
sicht ein Bild. 1824 zählte man
Friedrich Krupp zu Essen erwarb sich durch die Güte seines
Guſsstahles Anerkennung, besonders bewährte sich sein Stahl für
Münzstempel, und bereits im Jahre 1818 waren seine Münzstempel
nicht nur in Berlin und mehreren deutschen Münzen, sondern auch
in Wien und namentlich in St. Petersburg in Gebrauch. Auſserdem
waren die Kruppschen Stahlwalzen für Münzen und seine Loh-
[352]Deutschland bis 1830.
gerberwerkzeuge renommiert. Ende des Jahres 1818 begann Fried-
rich Krupp mit dem Bau einer neuen, gröſseren Fabrik im Westen
der Stadt Essen, etwa ¼ Stunde von dem Weichbilde der Stadt.
Das neue, 183½ Fuſs lange Fabrikgebäude, dessen Bau trotz der zu-
nehmenden Geldverlegenheit, in die Krupp geriet, und trotzdem die
Regierung seine Bitte um Gewährung eines Darlehns hartnäckig un-
berücksichtigt lieſs, rüstig gefördert worden war, konnte am 18. Ok-
tober 1819 eingeweiht werden. Fig. 106 zeigt die Abbildung dieser
alten Kruppschen Fabrik 1). An diesem Tage wurde zum erstenmal
darin geschmolzen. Diese Hütte, welche im Mittelpunkte des jetzigen
Riesenwerkes von Krupp gelegen war, und aus der dieses nach und
nach herausgewachsen ist, enthielt einen Schmelzbau für 60 Tiegel-
Schmelzöfen, von denen aber nur 8 fertig gestellt waren. In jeden
Schmelzofen wurde ein Tiegel eingesetzt, in dem 25 Pfund Guſsstahl
geschmolzen wurden, die Schmelzung dauerte je nach der Beschickung
3 bis 5 Stunden; in 24 Stunden konnte zweimal geschmolzen werden,
was also im ganzen 16 Güsse ergab. Die Schwere der Güsse konnte
bis zum Tode Friedrich Krupps 1826 auf 40 Pfund gesteigert
werden. Cementstahl wurde, wenn solcher abgegeben wurde, nur in
[353]Deutschland bis 1830.
rohem Zustande verkauft. Die Feilenfabrik hatte aufgehört. In der
neuen Fabrik war weder eine Dampfmaschine, noch ein Hammer.
Alle Güsse muſsten zum Verschmieden nach der alten Fabrik gebracht
werden. Der dortige neue Hammer (von 1818) war aber so schwach,
daſs er nur Guſsstahl von 3 Zoll Dicke schmieden konnte. Das
Walzen von Guſsstahl zu Platten muſste durchgängig anderen Werken,
namentlich dem Walzwerke des „Mechanikus“ Franz Dienenthal
in Spillenberg bei Essen, des Erbauers der ersten Blechwalzen
sowie der ersten Dampfmaschinenfabrik am Niederrhein, übergeben
werden. Obgleich sich das Werk von Jahr zu Jahr hob und Krupp
mehr Aufträge bekam, als er ausführen konnte, befand er sich doch
damals in andauernder Geldklemme, aus der ihn weder seine Familie
noch seine Freunde, die immer noch nicht an die Zukunft seines
Unternehmens glauben wollten, befreiten. Dies drückte oft schwer
auf ihn, so daſs er 1820 ernstlich daran dachte, nach Ruſsland aus-
zuwandern.
Um den Ruf seines Geschäftes zu heben, legte er 1821 Proben
seines Guſsstahls dem Verein zur Beförderung des Gewerbefleiſses in
den königl. preuſsischen Staaten in Berlin vor. Nach gründlicher Prü-
fung bekundete dieser 1822 öffentlich, „daſs Herr Friedrich Krupp
in Essen an der Ruhr durch langjährige Versuche und groſse Aufopfe-
rungen es so weit gebracht hat, daſs sein Guſsstahl im allgemeinen
den Vorzug vor dem englischen hat. . . . Sein Fabrikat ist von der
Abteilung für Manufakturen und Handel in Berlin sorgfältig unter-
sucht und dahin beurteilt worden, daſs es an Brauchbarkeit und
innerer Güte dem besten englischen Stahl gleichzuachten, ja in mehr-
facher Hinsicht ihm vorzuziehen ist“ 1).
So ehrenvoll diese Anerkennung war, so konnte sie doch Fried-
rich Krupp, dessen Gesundheit so erschüttert war, daſs er oft viele
Monate lang, von heftigen Schmerzen gepeinigt, arbeitsunfähig war,
nur wenig nützen. Da ihn niemand im Geschäfte ersetzen konnte,
so muſste dieses zurückgehen. Die traurige Lage, in die die Familie ge-
riet, zwang dieselbe, ihre Wohnung in der Stadt aufzugeben und ein
kleines Arbeiterhäuschen bei dem Werke, welches für einen der
Meister errichtet worden war, zu beziehen. Am 8. Oktober 1826
raffte die Brustwassersucht den thätigen Mann hinweg. In dieser
schwierigen Lage muſste der erst 14 Jahre alte Alfred Krupp, der
älteste Sohn von Friedrich Krupp, das väterliche Geschäft antreten.
In den Zeitungen erschien folgende Bekanntmachung der Witwe
des Verstorbenen:
Den geschätzten Handlungsfreunden meines verstorbenen
Gatten beehre ich mich die Anzeige zu machen, daſs durch sein
frühes Hinscheiden das Geheimnis der Bereitung des Guſs-
stahles nicht verloren gegangen, sondern durch seine Vor-
sorge auf unseren ältesten Sohn, der unter seiner Leitung schon
einige Zeit der Fabrik vorgestanden, übergegangen ist, und daſs
ich mit demselben das Geschäft unter der früheren Firma von
„Friedrich Krupp“ fortsetzen und in Hinsicht der Güte des
Guſsstahles, sowie auch der in meiner Fabrik daraus verfertigten
Waren, nichts zu wünschen übrig lassen werde.
Die Gegenstände, welche in meiner Fabrik verfertigt werden,
sind folgende: Guſsstahl in Stangen von beliebiger Dicke, desgl. in
gewalzten Platten, auch in Stücken, genau nach Abzeichnungen
der Modelle geschmiedet, z. B. Münzstempel, Stangen, Spindeln,
Tuchscherblätter, Walzen u. dergl., wie solche nur verlangt und
aufgegeben werden, sowie auch fertige Lohgerberwerkzeuge.
Guſsstahlfabrik bei Essen, im Oktober 1826.
Witwe Therese Krupp geb. Wilhelmi.
Alfred oder richtiger Alfried Krupp war am 26. April 1812
zu Essen geboren. Ungewöhnlich früh entwickelte er sich zur Selbst-
ständigkeit und Reife. Schon am 4. Oktober 1825, als er erst 13½ Jahre
alt war, hatte der Vater, nach Entlassung eines ungetreuen Buch-
halters und eines unzuverlässigen Faktors, bekannt gemacht, daſs er
von nun an mit Hülfe seines ältesten Sohnes das ganze Geschäft
allein besorgen werde. Doch arbeitete Alfred, der das Gymnasium
in Essen besuchte, nur in seinen Freistunden bei dem Vater. Ostern
1826 aber nahm ihn dieser ganz in sein Geschäft. Der Knabe muſste
schon oft den leidenden Vater vertreten. Dieser erreichte aber trotz seiner
Schmerzen und seiner schweren Krankheit das eine, daſs er den begabten
Sohn zum Hüttenmann ausbildete und ihm alle Kenntnisse und Erfah-
rungen mitteilte, die er selbst im Leben erworben hatte. Er bestimmte
vor seinem Tode, daſs seine Witwe das Geschäft weiterführen sollte,
da er seinen Sohn für fähig erachtete, die Fabrik zu leiten. So
wurde der 14jährige verantwortlicher Chef, allerdings an der Seite
seiner treuen Mutter, die an Klugheit und Energie keinem Manne
nachstand. Früh aber lernte Alfred Krupp die sorgenvolle Last
der Verantwortlichkeit kennen. Es war keine leichte Aufgabe für
[355]Deutschland bis 1830.
eine Witwe und einen 14jährigen Knaben, ein verschuldetes Geschäft
aufrecht zu erhalten.
Die Fabrik hatte damals nur vier ständige Arbeiter. „Ich stand“,
so sagte Alfred Krupp später in seinem bekannten Aufruf an seine
Arbeiter, „an den ursprünglichen Trümmern dieser Fabrik, dem väter-
lichen Erbe, mit wenigen Arbeitern in einer Reihe. Der Tagelohn
für Schmiede und Schmelzer war damals von 18 Stüber auf 7½ Sgr.
erhöht, der ganze Wochenlohn betrug 1 Thlr. 15 Sgr. Fünfzehn Jahre
lang habe ich gerade so viel erworben, um den Arbeitern den Lohn
ausbezahlen zu können; für meine eigene Arbeit und Sorgen hatte ich
nichts weiter als das Bewuſstsein der Pflichterfüllung.“ Die ganzen
Sorgen eines bedrängten Familienvaters lasteten auf dem Jüngling.
Aus so schwerer Lebensschule ging der weltberühmte Krupp hervor.
Die Rheinprovinz war durch den Wiener Frieden 1815 dauernd
mit Preuſsen vereinigt worden, mit ihr die alten Eisenindustriegebiete
der Eifel und der Saar. — Die zahlreichen Holzkohlenhütten der
Eifel wurden weiter betrieben, doch litten sie unter dem Druck hoher
Holzkohlenpreise, infolge der fortschreitenden Entwaldung der Eifel.
Diese wurde nicht mehr gehemmt durch die Waldschutzgesetze der
kleinen Territorialherren, wie in den früheren Jahrhunderten, und so
fand eine für die einheimische Eisenindustrie höchst verderbliche
Ausfuhr von Holzkohlen nach anderen Gebieten des preuſsischen
Staates statt. Dazu begann seit der Mitte der 20er Jahre die Kon-
kurrenz der Steinkohle sich in nachteiliger Weise für die Eifelwerke
fühlbar zu machen. Dagegen begann sich die moderne Eisenindustrie
mit Steinkohlenbetrieb in Eschweiler und Düren zu entwickeln. 1822
fing man in Eschweiler an, Draht zu walzen. 1825 hatte Hösch den
ersten Puddelofen zu Lendersdorf bei Düren in Betrieb gesetzt.
Die Nadelfabrikation in Aachen verarbeitete um 1820 150000 kg
Draht im Jahre und lieferte daraus für 1 Million Franken Ware 1).
Der Pariser Friede von 1815 belieſs von den Eisenhütten des
Saargebietes2) nur diejenigen in der Nähe von Creutzwald und
Homburg bei Frankreich, während die Werke zu Neunkirchen, Geis-
lautern, Fischbach, Halberg, Scheid, Rentrisch, Dillingen und Bet-
tingen, sowie das Stahlwerk Gaffontaine an Preuſsen, die St. Ingberter
Hütte an Bayern fiel. In landesherrlichem Besitz befand sich von
diesen sämtlichen Eisenwerken nur noch die Hütte von Geislautern,
23*
[356]Deutschland bis 1830.
welche indes 1827 ebenfalls in Privatbesitz an die Gebrüder Stumm,
bezw. an die Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke, in welche die
Gebrüder Friedrich Philipp, Christian und Ferdinand Stumm
im Jahre 1818 als Hauptbeteiligte eingetreten waren, überging. Die
Verhältnisse für die Saarhütten gestalteten sich nach 1815 wenig
günstig. In den 20er Jahren nahm man auf der Geislauterner Hütte
die Versuche mit Koksbetrieb wieder auf. Es führte dies zur Er-
bauung höherer Öfen, einen anderen Erfolg hatten diese Versuche
aber nicht. Erst nach 1848 wurde dieser Betrieb, der zu Hayange
in Lothringen schon seit 1825 eingeführt worden war, allgemein.
Auch die 1825 und 1826 zu Geislautern ausgeführten gröſseren
Versuche der Reduktion von Eisenfrischschlacken und Eisenerzen im
Flammofen (s. S. 252) blieben ohne wesentliche Resultate. Erst die
Einführung des englischen Puddelbetriebes brachte einen durchschlagen-
den Erfolg bei der Stabeisenfabrikation. Nachdem auf der Rasselsteiner
Hütte zu Neuwied 1824 der erste Steinkohlen-Puddelofen Deutschlands
und 1825 die erste Kaliber-Walzenstraſse erbaut worden war, wurde
das erste Puddlings- und Walzwerk des Saargebietes erst 1831 auf
der Hütte zu Neunkirchen errichtet. Bald darauf folgten auch die
Hütten zu St. Ingbert und Geislautern mit dem Puddelbetriebe nach.
In Schlesien machte der Steinkohlenbetrieb nur langsame Fort-
schritte. 1816 zählte man auf den Privatwerken 1) 40 Hochöfen,
127 Frischfeuer, 26 Schneidwerke, 2 Walzwerke und 2 Drahtzüge,
welche zusammen 1222 Arbeiter beschäftigten und für 868650 Thlr.
verschiedene Eisensorten lieferten, nämlich 181863 Ctr. Roheisen,
122890 Ctr. Stabeisen, 13334 Ctr. Guſswaren, 2089 Ctr. Schwarzblech,
251 Ctr. Weiſsblech und 110 Ctr. Eisendraht. Unter den 40 Hoch-
öfen waren nur 2, die mit Koks betrieben wurden, die Antonienhütte
bei Neudorf und die Hohenlohehütte bei Bittkow. 1822 befanden sich
auf dem letztgenannten Werke 2 Hochöfen, welche durch einen Gicht-
turm getrennt waren und durch Cylindergebläse betrieben wurden.
Die königlichen Werke zählten 1816 7 Hochöfen, welche meistens
mit Koks betrieben wurden, 16 Frischfeuer und 2 Blechhütten; sie
beschäftigten 595 Arbeiter und erzeugten für 294480 Thlr. Eisen,
nämlich 20665 Ctr. Guſswaren, 39928 Ctr. Masseleisen, 18517 Ctr.
Schmiedeeisen, 510 Ctr. Rohstahl, 829 Ctr. Schwarzblech und 689 Ctr.
Weiſsblech. Die Königshütte besaſs 4 Hochöfen. Die Rybnikerhütte
[357]Deutschland bis 1830.
war 1810 erbaut worden und bestand aus einer Frischhütte für Holz-
und Steinkohlenbetrieb und einem Walzwerke.
Man hatte auf dieser Hütte, um Holzkohle zu sparen, oder viel-
mehr, um mit dem der Hütte zugewiesenen Holzquantum eine gröſsere
Produktion zu erzielen, bei der Stabeisenfabrikation eine eigentüm-
liche Kombination von Steinkohlen- und Holzkohlenbetrieb eingeführt.
Das Roheisen wurde in Flammöfen mit Steinkohlen eingeschmolzen
und dann in Herden mit Holzkohlen wie sonst gefrischt. Dieses Ver-
fahren erwies sich aber als unökonomisch. Man änderte es deshalb
dahin ab, daſs man die Eisenmasseln in den Flammöfen nur vor-
wärmte und sie glühend in den Frischherd brachte. Hierdurch wurde
ebenfalls eine merkliche Ersparnis an Holzkohlen erzielt. Der Herd
des Flammofens war 11 Fuſs lang, 32 Zoll breit und das Gewölbe
22 Zoll hoch.
Die Öfen hatten drei Thüren. Ein eiserner Wagen diente zum
Transport der glühenden Roheisenstücke. Das gefrischte Eisen wurde
nicht unter dem Hammer, sondern unter Walzen ausgereckt. Man
konnte bei diesem Verfahren mit derselben Menge Holzkohlen die
doppelte Menge Eisen frischen.
In Sachsen machte Alex 1826 im Auftrage des Grafen Ein-
siedel zu Lauchhammer interessante Versuche, mit Torf zu puddeln.
Werfen wir nun einen Blick auf die allgemeinen Eisen-, Zoll-
und Handelsverhältnisse Preuſsens in den Jahren 1816 bis 1830, so
war anfänglich die einheimische Industrie der englischen Konkurrenz
schutzlos preisgegeben und durch die billige englische Einfuhr lahm-
gelegt. Die Notschreie der Industriellen veranlaſsten die Einsetzung
einer Specialkommission, was zur Einführung eines 10 prozentigen
Wertzolles führte. Dagegen wurden durch das Zollgesetz vom 26. Mai
1818 Accise und Binnenzölle, sowie die meisten Handelsverbote ab-
geschafft. Für Roheisen blieb der Eingang frei, während der Ausgang
mit 1,50 Mark pro Centner belegt wurde. Für Schmiedeeisen wurden
zwei Tarife eingeführt, ein höherer für die östlichen, ein niedrigerer
für die westlichen Provinzen; dort wurde die Einfuhr mit 3 Mark,
hier mit 1½ Mark Zoll pro Centner belastet. 1821 wurde ein ein-
heitlicher Tarif für ganz Preuſsen erlassen. Hohe Durchfuhrabgaben
zwangen die kleineren deutschen Nachbarstaaten zum Zollanschluſs.
Am 14. Februar 1828 wurde der erste Zollverein zwischen Preuſsen
und dem Groſsherzogtum Hessen geschlossen, aus dem sich in den
folgenden Jahren der deutsche Zollverein entwickelte.
Seit dem Jahre 1823 wurden in Preuſsen regelmäſsige statistische
[358]Deutschland bis 1830.
Erhebungen der Bergwerks- und Hüttenproduktion durch die Berg-
behörde angestellt. Aus diesen sind die nachfolgenden Übersichten
der Eisenerzeugung Preuſsens bis 1830 zusammengestellt.
Die Eisen- und Stahlerzeugung in Preuſsen.
Nach den Hauptbergdistrikten verteilte sich die Roheisenproduktion
Preuſsens von 1823 bis 1830 wie folgt:
Produktion von Guſswaren (erster und zweiter Schmelzung)
in Preuſsen, 1823 bis 1830.
Produktion von Schmiedeeisen in Preuſsen von 1823 bis 1830.
Roheisen-Produktion, Einfuhr, Ausfuhr und Verbrauch
in Preuſsen (1825 bis 1831) und dem preuſsisch-hessischen Zollverein
(1832 bis 1833).
Die in diesen Perioden betriebenen Eisenhütten des Hannöver-
schen Oberharzes1) waren die Elbingeroder Hütten Rothehütte,
Elend und Mandelholz, sodann die Königs- und Steinrenner-
hütte, die Clausthaler Hütten bei Altenau und Silbernaal und
die in der Weserebene liegende Sollingerhütte mit dem Stahlwerk
bei Uslar. Sie enthielten 6 Hochöfen nebst den dazu gehörigen
Gieſsereien, 16 Frischfeuer, 3 Zain- und Reckfeuer, 1 Walz- und
Schneidewerk, 1 Blechhammerwerk, 1 Drahtzug, 1 Roh- und Raffinier-
stahlwerk, 1 Guſsstahlhütte, 1 Bohr- und Drehwerk und 1 Emaillir-
werk. Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen seit Anfang des Jahr-
[360]Deutschland bis 1830.
hunderts bestanden in der Anlage zweckmäſsiger und geschmackvoller
Gebäude, besserer Maschinen, vorteilhafteren Betriebes und in einer
sorgfältigen Ordnung und Verwaltung, die mustergültig war. Im
übrigen hielt man an dem Hergebrachten mit Zähigkeit fest. Die
Eisensteine wurden noch meistens von Eigenlöhnern 1) gewonnen. Ihr
Eisengehalt wurde durch die trockene oder Schmelzprobe ermittelt
und hat sich um Einführung und Ausbildung dieses Probierverfahrens
im Harz der Bergkommissar Ilsemann sen. besonderes Verdienst
erworben. Die Röstung der Erze geschah in Haufen. Als Brenn-
material dienten Holzkohlen, nur der Schweiſs- und Glühofen des
neuen Uslarer Walz- und Schneidewerkes wurde mit Steinkohlen ge-
feuert. Die Preise der Erze stellten sich im Durchschnitt auf circa
2½ Rthlr. für das Fuder von 16 Ctr., die der Holzkohlen ebenfalls
circa 2½ Rthlr. für die Karre zu 10 Maſs oder 100 Kubikfuſs. Die
gerösteten Erze wurden gepocht und im Möller unter sich und mit
dem Fluſsmittel sorgfältig gattiert. Der Eisengehalt der Erze schwankte
zwischen 26 und 38 Proz. Die neueren Hochöfen waren 30 bis 35 Fuſs
hoch und im Kohlensack 7 bis 8 Fuſs weit. Nur einige neuere Öfen
hatten zwei Formen, alle anderen wie früher eine. Der wichtigste
Fortschritt war aber die Einführung eiserner Cylindergebläse an Stelle
der Holzkasten- und Balgengebläse. Die Sollinger Hütte hatte ein
Henschelsches Kettengebläse. Vornehmlich durch die besseren Ge-
bläse erhöhte sich die Wochenproduktion eines Ofens über 300 Ctr.
und erreichte bei der Elender Hütte eine Zeitlang 500 bis 600 Ctr.
die Woche, gegen früher nur um 200 Ctr. Für die Stabeisendarstellung
wurde ein gares Graueisen, für Gieſsereizwecke ein halbiertes und für
die Granalien der Silberhütten ein weiſses (dünngrelles) Roheisen er-
blasen. Das zum Guſswerk bestimmte Roheisen wurde aus dem Hoch-
ofen geschöpft, nur zu Rothehütte hatte man des groſsen Bedarfs wegen
Ende der zwanziger Jahre auch noch einen Kupolofen erbaut. Der Sand-
guſs hatte den Lehmguſs vielfach verdrängt; auf der Altenauer Hütte
war Poteriegieſserei, zu Zellerfeld ein Emaillierwerk eingerichtet worden.
Das Verfrischen des Roheisens geschah durch Warmfrischen und
zwar betrieb man auf der Königs- und Silbernaaler Hütte zur Dar-
stellung von fadigem (sehnigem) Eisen das Klumpfrischen, im übrigen
zur Darstellung von körnigem Stabeisen das Durchbrechfrischen 2). Bei
[361]Deutschland bis 1830.
letzterer galt das Princip von 2/7 Abgang und 30 Kbfſs. Kohlenverbrauch
auf 1 Ctr. (110 Pfd.). Die Ersparnisse darüber hinaus kamen dem
Frischer zugute. In den Jahren 1825 bis 1830 ergab sich ein durch-
schnittliches Ausbringen von 76½ Proz. und 23,33 Kbfſs. Kohlen-
verbrauch auf 100 Pfd. Stabeisen. Die Qualität des Stabeisens war
dabei besser wie früher. Jeder in die Faktorei gelieferte Stab wurde
der Wurfprobe unterzogen, das sehnige Eisen auch noch der Biege-
und anderen Proben. Das Rohstahlfeuer der Königshütte verarbeitete
Gittelder Roheisen.
Die Produktion der Kgl. Hannoverschen Eisenhütten betrug in
Centner:
I. Guſseisen.
II. Schmiedeeisen und Stahl.
Die 1827 vollendete neue Rothehütte hatte einen Gichtturm mit
Gichtaufzug in Form eines Paternosterwerkes. Die zwei doppelt-
wirkenden Gebläsecylinder hatten 5 Fuſs Durchmesser und fast
80 Kbfſs. Inhalt und drückten den Wind in einen eisernen Sammel-
behälter. Die neue, im gotischen Stil erbaute Königshütte wurde
erst 1830 vollendet. Sie hatte den gröſsten Hochofen des Harzes
von 35 Fuſs Höhe und 8 Fuſs Weite im Kohlensack. Das Gebläse
bestand aus vier doppeltwirkenden Cylindern von 5 Fuſs Weite und
5 Fuſs Hub. Eine Specialität der Königshütte war Seildraht für die
Harzer Bergwerke, der nicht gezogen, sondern mit dem Zainhammer
rund geschmiedet wurde. Das Henschel-Gebläse der Sollinger
Hütte hatte drei Ketten zu 36 Kolben, von denen immer zwei
Ketten betrieben wurden.
Die Kommunion-Eisenhütte zu Gittelde, die Hannover und
Braunschweig gemeinschaftlich gehörte, führte ihren Betrieb zwar in
demselben beschränkten Rahmen weiter, wie früher (s. Bd. II u. III),
erlebte aber doch auch nach und nach mancherlei Wandlungen und
Neuerungen. Zunächst kam sie in den Kriegszeiten im Anfange des
Jahrhunderts unter wechselnde Herrschaft, bis die Franzosen nach der
Schlacht bei Jena den Harz dauernd in Besitz nahmen und französische
Verwaltung einrichteten. An die Spitze der französischen Bergverwal-
tung trat kein Geringerer als der berühmte Héron de Villefosse, der
seinen Amtssitz in Clausthal erhielt. 1810 wurde der Harz dem neuen
Königreich Westfalen einverleibt. Ende 1813 kam dann Gittelde und
der Harz unter englische Verwaltung. Dieser Wechsel der Herrschaft
findet auch seinen Ausdruck in den Faktoreirechnungen, die von 1807
ab bis Ende 1813 in Franken geführt oder wenigstens abgeschlossen
werden. Die französische Regierung muſste die Gittelder Hütte mit
einem „Verlagsgeld“, d. h. mit einer Betriebsschuld von 20796,60 Frcs.
übernehmen.
Wir besitzen nähere Nachrichten über die Gittelder Hütte aus
den ersten Jahren des Jahrhunderts von Stünkel, der selbst dort
Beamter war, und von Héron de Villefosse aus der Zeit der fran-
zösischen Herrschaft.
Nach Stünkel war der Hochofen zu seiner Zeit 24 Fuſs hoch,
im Kohlensack 7 Fuſs, in der Gicht 3½ Fuſs weit. Man blies mit
drei Blasebälgen, deren jeder 64 Kbfs. Luft faſste. Die Bälge bliesen
gemeinschaftlich in einen kleinen Windsammler, aus dem der Wind
durch eine „Deupe“ in den Ofen gelangte. Obgleich die Erze leicht
schmelzbar waren, so erforderten sie doch, weil sie sehr zum Grell-
werden neigten, verhältnismäſsig viel Kohlen. Das Roheisen war
weiſs. Stünkel giebt die jährliche Produktion auf etwa 7000 Ctr.
an, doch wurde diese bei den kurzen Hüttenreisen nach Ausweis der
Rechnungen fast nie erreicht. Von diesen 7000 Ctr. wurden etwa
1800 Ctr. am Platze verfrischt, während die übrigen 5200 Ctr. zu 4/7
an Hannover und zu 3/7 an Braunschweig verteilt und in natura an
die betreffenden fürstlichen Hüttenwerke geliefert wurden. Von dem
hannöverschen Anteil gingen circa 1100 Ctr. nach der Königshütte,
das übrige nach der Sollinger Hütte bei Uslar an der Weser. Das
braunschweigische Eisen ging zum Teil nach Holzminden, wo es zu
Stahl verfrischt wurde, das übrige wurde auf der Wilhelmshütte zu
Eisen verfrischt. Damit Gittelde bestehen konnte, wurde ihm das Roh-
eisen zu einem festgesetzten Preise bezahlt. Das Frischen geschah in
[363]Deutschland bis 1830.
gewöhnlichen deutschen Warmfrischfeuern. Das Gittelder Stabeisen
zeichnete sich durch hervorragende Güte aus, es war hart und doch zähe
und sehr fest. Es hatte etwas Stahlartiges und war dem schwedischen
Eisen ähnlich. Es schmiedete sich wegen seiner Härte schwer. Mit Vor-
liebe wurde es in Braunschweig zu Wagenteilen verarbeitet. Héron
de Villefosse giebt das Ausbringen aus den Erzen zu etwa 25 Proz.
an. Bei dieser armen Gattierung brauchte man für 100 Pfd. Eisen
344 Pfd. Holzkohlen. Die
Wochenproduktion betrug
höchstens 144 Ctr. Das Gittel-
der Roheisen verlor beim Fri-
schen 28 Proz. und erforderte
für 100 Pfd. Stabeisen 220 Pfd.
Holzkohlen, so daſs für 100 Pfd.
Schmiedeeisen etwa 555 Pfd.
Erz und 700 Pfd. Kohlen auf-
gingen.
Fig. 107 zeigt die Zustel-
lung des Hochofens nach einer
Zeichnung aus dem Jahre
1828 1). Charakteristisch ist
die flache Rast. Während
das äuſsere Mauerwerk vier-
eckig war, war der Ofen im
Inneren rund. Bemerkenswert sind auch die Zugkanäle und die Ver-
ankerung.
Der Gittelder Hochofen wurde nach der französischen Zeit erhöht
und erweitert und mit einem Cylindergebläse versehen. Es liegt keine
Nachricht vor, wann dies geschah, doch läſst sich aus den Rechnungen
schlieſsen, daſs es im Jahre 1820 gewesen sein muſs, indem von da
an der Gittelder Hochofen eine erheblich gröſsere Produktion aufweist.
Während vor dieser Zeit das an die Hütten verteilte Roheisenquantum
3000 bis 4000 Ctr. im Jahre betragen hatte, stieg es von da ab auf
6000 bis 8000 Ctr. Über den Betrieb in der zweiten Hälfte der
zwanziger Jahre bis 1830 hat Hausmann genaue Angaben mitgeteilt.
Danach war auf dem Gitteldeschen Kommunion-Eisenwerk der
Hochofen der Teichhütte, welcher den manganhaltigen Spat- und
Brauneisenstein des Ibergs verschmolz, Ende der zwanziger Jahre,
[364]Deutschland bis 1830.
mit groſser Sorgfalt umgebaut worden. Man machte ihn jetzt 30 Fuſs
hoch, 4 Fuſs in der Gicht und 4 Fuſs im Kohlensack weit, im Gestell
oben 32 Zoll, unten 16 Zoll weit. Der Rast hatte man 45° Neigung
gegeben, hatte sie also beträchtlich steiler gemacht wie früher. Man
blies mit zwei Formen, die 15 Zoll über dem Boden lagen und 10 Zoll
aneinander vorbeibliesen. Das auf der braunschweiger Hütte zu Zorge
verfertigte 1819 aufgestellte Gebläse bestand aus zwei guſseisernen,
doppeltwirkenden Cylindern und war mit Wattscher Parallelogramm-
führung versehen. Um 1830 wurde ein eiserner Windsammelkasten
damit verbunden. 1830 wurden in 51 Betriebswochen aus 46635¼ Ctr
Beschickung 16590 Ctr. Roheisen, also wöchentlich im Durchschnitt
355 Ctr. 15 Pfd. geschmolzen. Das stahlartige Roheisen wurde teils in
der Badenhäuser Hammerhütte verfrischt, teils auf die hannoverschen
Hütten: Königshütte, Sollinger und Silbernaaler Hütte, teils auf die
braunschweigischen Werke Wilhelmshütte, Karlshütte und Holzmin-
dener Hütte geliefert.
Die Neue Hütte bei Badenhausen hatte ihren Betrieb so verbessert,
daſs sie jetzt ein Ausbringen von 76,53 Proz. bei einem Kohlen-
verbrauch von 25 Kbfs. auf 100 Pfd. Stabeisen erzielte. Das Gittelder
Stabeisen war dabei von besonderer Güte und für Radbeschläge
und Hufeisen besonders geeignet. 1830 verdiente der Hochofenmeister
2 Rthlr. 22 Ggr., der Aufgeber 2 Rthlr. 8 Ggr., der Frischmeister
3 Rthlr. 18 Ggr., der Frischknecht 2 Rthlr. 16 Ggr. die Woche; ein
Tagelöhner 5 bis 6 Ggr. den Tag.
Die Erzeugung der Gittelder Eisenwerke von 1826 bis 1830 be-
trug in Centnern:
Auſser den genannten herrschaftlichen Werken erzeugte die gräf-
lich Brabecksche Eisenhütte bei Dassel in der Nähe des Sollings
jährlich etwa 6200 Ctr. Guſswerk und 1300 Ctr. Stabeisen. Im Osnabrück-
schen war bei Sandfort eine Eisengieſserei, die hauptsächlich mit
altem Eisen betrieben wurde.
Der auswärtige Absatz, besonders nach Preuſsen, hatte sich in
dieser Periode vermindert. Von den Ende der zwanziger Jahre durch-
schnittlich erzeugten 14925 Ctr. waren 13225 Ctr. im Inlande verkauft
und nur etwa 1700 Ctr. ausgeführt und von 25325 Ctr. Stabeisen
22675 Ctr. im Inlande und nur 2650 Ctr. in das Ausland verkauft
worden.
Das schwedische und mehr noch das engliche Eisen bereitete dem
harzer Eisen eine nachteilige Konkurrenz. 1820 hatte englisches
Eisen in Bremen 5½ Rthlr. die 120 Pfd. gegolten, 1830 nur noch
3 Rthlr.; in Hannover kostete 1 Ctr. (112 Pfd.) englisches Stabeisen
4 Rthlr. 2 Ggr., 1 Ctr. harzer Eisen dagegen 5 Rthlr. 20 Ggr. Der
Ausfuhr nach Preuſsen und Hessen stand der von diesen Staaten
eingeführte Schutzzoll im Wege.
In dem Kurfürstentum Hessen zeichnete sich die herrschaft-
liche Eisenhütte zu Veckenhagen durch schöne Guſswaren aus.
In Süddeutschland bemühte sich besonders die württem-
bergische Regierung, die Eisenindustrie des Landes zu heben. 1803
hatte Herzog Friedrich eine Sensenfabrik bei Friedrichsthal im
Schwarzwalde angelegt, erst nur in kleinem Umfange, 1810 wurde
sie aber sehr erweitert, und 1815 bis 1822 lieferte sie bereits jähr-
lich 30000 blaue (steirische) Sensen, 10000 Schnabelsensen (tiroler),
25000 Sicheln, 10000 Strohmesserblätter, 4000 ganze Strohmesser,
1000 Schippen und 100 Stück halbmondförmige Zimmerer- und Wald-
sägen. Es war dadurch ein wichtiger Nahrungszweig für die arme
Gegend geschaffen. Auf der Eisenhütte zu Oberndorf wurden während
der Kriegszeiten jährlich 3000 bis 4000 Stück Gewehre gemacht.
Die Drahtzieherei zu Unterkochen wurde 1811 umgebaut und
neu eingerichtet. 1821 wurde hier ein Walzwerk für Blech, Band-
eisen und andere Eisensorten angelegt. 1818 wurde zu Wasseralfingen
ein neuer Hochofen mit Kastengebläse anstatt der alten Spitzbälge
erbaut. 1822 wurden die königlichen Hüttenwerke zu Wasseralfingen
und Königsbronn vergröſsert. Zu Wasseralfingen war eine groſse
Lehm- und Massenformerei eingerichtet und 1820/21 der erste Kupol-
ofen gebaut worden; zu Königsbronn wurde 1822 der erste Flammofen
gebaut, der zum Kanonen- und Munitionsguſs diente. Auf dem nahe-
gelegenen Hammerwerke Izelberg wurde ebenfalls im Jahre 1822 ein
Blechwalzwerk erbaut.
1824 wurde der berühmte Bildhauer Konrad Weitbrecht (geb.
1796, gest. 1836) nach Wasseralfingen berufen und daselbst angestellt.
Er hob und begründete die künstlerische Bedeutung der Erzeugnisse
[366]Österreich 1816 bis 1830.
der Eisengieſserei, welche mustergültig wurden und den Ruhm des
Werkes ausbreiteten. Wasseralfingen hatte schon seit 1816 Muster-
bücher ausgegeben. Um 1830 werden schon Kastenöfen, verzierte
Rundöfen, Kanonenöfen, Schiffsöfen, Postament- und Eremitageöfen,
Ovalöfen, Cirkulieröfen und Sayner Kochöfen aufgeführt.
In Österreich errichtete Andreas Töpper 1808 und 1810 die
ersten Streck- und Blechwalzwerke mit geschlossenen Ständern in
Steiermark. Derselbe verwendete auch zuerst Steinkohlen zum
Glühen des Eisens bei der Streckarbeit in Flammöfen. 1816 wurde
in Steiermark die Eisenhütte zu Hiflau gegründet und der erste Hoch-
ofen daselbst erbaut.
Um dieselbe Zeit wurde zu Neumarktl in Krain von einem Eng-
länder Dutton eine Cementstahlfabrik errichtet. Dieselbe blieb
lange Zeit (bis 1852) die einzige Fabrik ihrer Art in den österreichi-
schen Alpenländern, welche im übrigen den gröſsten Teil der Welt
mit ihrem natürlichen Stahl (Frisch- oder Schmelzstahl) versorgte.
In Böhmen machte Graf Rudolf v. Wrbna die Eisengieſserei
zu Horzowitz zu einer Musteranstalt. Komorau war das Hauptwerk
des Horzowitzer Eisenhüttenkomplexes im Berauner Kreise; dort be-
fanden sich vier Hochöfen, während einer in Ginetz war. Die Öfen
waren 36 Fuſs hoch und wurden mit Kastengebläsen betrieben. Graf
Wrbna war selbst ein begeisterter Hüttenmann, der nicht nur sein
Werk selbst leitete, Verbesserungen selbst entwarf und einführte,
sondern es machte ihm Freude, selbst mit Hand anzulegen, und oft
arbeitete er als Hammergeselle auf seinen Werken. Er baute die
Hochöfen um und erhöhte sie, suchte überall Kohlenersparung zu
erzielen, führte die Sandformerei und viele verbesserte Einrichtungen
in der Gieſserei ein. Die Gieſserei zu Komorau wurde die hohe
Schule der Eisengieſserei in Österreich. 1824 wurden Kastengebläse,
1830 die ersten Blechwalzen eingeführt. In der Blechfabrikation
ging man 1825 bei den Glühöfen zu Steinkohlenbetrieb über. Mit
der Blechfabrik war eine Löffelschmiede verbunden.
1818 baute der Fürst von Fürstenberg eine neue Eisengieſserei
zu Joachimsthal bei Nischberg in Böhmen.
Einen sehr günstigen Einfluſs auf das Eisenhüttenwesen Böhmens
übte auch damals das polytechnische Institut zu Prag unter Direktor
Gerstner aus.
Zu Anfang der 20er Jahre fand ein Bergmann, Johann Wania
aus Kladno, durch Zufall, indem er ermüdet sich auf einen Grashügel
setzte und zum Zeitvertreib mit seinem Stocke in der Erde bohrte,
das Ausgehende eines Steinkohlenflötzes. Zu arm, um selbst schürfen
zu können, verkaufte er seinen Fund dem Prager Bürger und Besitzer
der Sophieninsel, Wenzel Novotny. Dieser gründete eine Gewerk-
schaft, welche die Steinkohlenlager aufschloſs und später das berühmte
Kladnoer Eisenwerk anlegte.
Das Verdienst, den ersten Kokshochofen in Österreich betrieben
zu haben, gebührt dem vortrefflichen Grafen Kaspar Sternberg
und seinem Schichtmeister, Alois Obersteiner, einem Steiermärker,
der den Betrieb leitete 1). Es geschah dies im Herbste 1821 auf der
Sternbergschen Hütte zu Darowa in Böhmen. Ähnliche Versuche auf
anderen böhmischen Werken waren so erfolglos verlaufen, daſs die An-
sicht verbreitet war, es sei unmöglich, mit böhmischer Steinkohle Roh-
eisen im Hochofen zu schmelzen. Obersteiner gelang dies indes durch
ein sehr vorsichtiges und sorgfältiges Verfahren. Die mageren böhmi-
schen Schieferkohlen waren zum Verkoken sehr wenig geeignet, indem
sie nicht backten, und der erhaltene Koks leicht zerfiel. Es bedurfte
deshalb schon der vorsichtigsten Auswahl der zu verwendenden Stein-
kohlen, und erschien nur die sehr reine Kohle der Mittelbank der
Florentinzeche, welche nur 2½ Proz. Rückstand beim Verbrennen gab,
geeignet. Man verkokte Stückkohlen in liegenden Meilern, wie in
Schlesien. Das Aufbrechen des Meilers, der Transport der zerbrechlichen
Koks auf die Gicht und das Aufgeben in den Hochofen muſste mit der
gröſsten Vorsicht geschehen. Der leichten Zerdrückbarkeit der Koks
wegen baute man einen besonderen Versuchsofen von nur 21 Fuſs Höhe,
während damals die älteren böhmischen Öfen 27 Fuſs, die neueren 30 Fuſs
hoch waren. Derselbe war 2 1/10 Fuſs in der Gicht, 5 Fuſs 3 Zoll im
Kohlensack und im Gestell 12 Zoll am Boden, 16 Zoll am Rastansatz weit.
Er war mit zwei gegenüberliegenden Formen, von denen die eine 12 Zoll,
die andere 13 Zoll über dem Bodenstein lag, versehen. Den Wind
erzeugte ein altes Dreikastengebläse, dessen Kolben durch Excenter
gehoben wurden. Die armen Erze, die meistens nur 18 Proz. Eisen
enthielten, wurden geröstet und gepocht; ebenso wurde der Kalk fein
[368]Schweden 1816 bis 1830.
gepocht aufgegeben. Nachdem der Ofen erst 14 Tage durch ein
Flammfeuer, dann 14 Tage lang mit Holzkohlen vorsichtig abgewärmt
und mit 210 Kbfſs. Holzkohlen gefüllt war, wurde die erste Gicht
mit 50 Pfd. Erz und 10 Pfd. Kalk gesetzt; hierauf folgte der erste
Kokssatz, von 10 Kbfſs. aufgegeben. Den Erzsatz behielt man bei, bis
die ersten Erzspuren im Gestell sich zeigten. Alsdann lieſs man den
Wind mit ¾ zölligen Formen an. Nach und nach steigerte man den
Erzsatz und auch die Weite der Windformen, und zwar betrug der
volle Satz 325 W.-Pfd. Erz und die schlieſsliche Formweite 1¾ Zoll.
Die Produktion war bei dem kleinen Ofen und dem schwachen Ge-
bläse nur 90 Ctr. in der Woche. Das Eisen war bis zur zehnten
Woche feinkörnig und weiſslich grau, später wurde es etwas dunkler.
Es war für alle Guſswaren geeignet, fest und doch weich. Zum
Frischen taugte es wenig und gab jedenfalls infolge Schwefelgehaltes
rotbrüchiges Eisen. Nach etwa einem Vierteljahre wurde das Ver-
suchsschmelzen eingestellt. Der Beweis der Möglichkeit des Hoch-
ofenbetriebes mit Koks aus böhmischen Kohlen war genügend erbracht.
Es sollte nun ein höherer Ofen von 30 Fuſs dafür vorgerichtet wer-
den. Doch liegen hierüber weitere Nachrichten nicht vor.
Um diese Zeit erlangte auch das fürstlich Diedrichsteinsche
Eisenwerk zu Blansko in Mähren gröſsere Bedeutung. 1824 waren
dort drei hölzerne Cylindergebläse in Thätigkeit.
Die Einführung des englischen Puddlingsfrischens mit Stein-
kohlen in Österreich geschah durch Professor Franz Riepl, welcher
dasselbe 1828 auf dem Eisenwerke zu Wittkowitz in Mähren ein-
führte. Bald folgten andere Werke diesem Beispiele. 1830 wurde
auch die erste Kokshochofenanlage in Wittkowitz gemacht und damit
auch dieser Betrieb dauernd in Österreich eingeführt. Die Roheisen-
produktion Österreichs betrug 1807 66000 Tonnen (geschätzt); 1823
bis 1825 im Jahresdurchschnitt 86500 Tonnen.
Der Export Schwedens war von 1817 an, von welcher Zeit
an wieder statistische Angaben vorliegen, im Durchschnitt etwas ge-
ringer als vor 1805 und überschritt selten 1 Million Centner. 1817
betrug er 862277 Ctr., 1818 1049534 Ctr., 1820 942112 Ctr., 1824
986700 Ctr., darunter 75242 Ctr. gröbere Manufakturwaren. Die
Ausfuhr nach England war bedeutend zurückgegangen und betrug
1824 nur 127303 Ctr., wobei noch die Ausfuhr nach Holland mit
[369]Schweden 1816 bis 1830.
einbegriffen ist. Unter dem nach England verschifften Stabeisen
waren etwa 62000 Ctr. sogenanntes Öregrundeisen, das auf den
Roslager Werken aus Dannemoraerz bereitet und in Öregrund verschifft
wurde. Im ganzen hatte die schwedische Eisentechnik trotz der Be-
mühungen der Hüttengesellschaft (Bruks-Societät) keine nennens-
werten Fortschritte gemacht, Ure behauptet sogar, daſs der Frischerei-
betrieb eher zurückgegangen sei. Wichtige Ereigniſse waren die
Versuche mit dem Flammofenfrischen von af Ure und die Festigkeits-
versuche Lagerhjelms. Dadurch wurden die schwedischen Eisen-
hüttenleute in zwei Lager gespalten, von denen die einen sich für
den Hammer-, die anderen für den Walzwerksbetrieb erklärten.
Bothoff hatte 1823 der Bruks-Societät vorgeschlagen, Versuche
mit Walzwerken anzustellen. Die Gesellschaft bewilligte auch 15000
bis 20000 Thlr. dafür; da die ersten Versuche aber ungünstig aus-
fielen, setzte man dieselben nicht fort. Hierauf reiste Lagerhjelm
selbst nach England und nahm einen Posten schwedisches Eisen mit.
Die damit angestellten Proben gaben sehr befriedigende Resultate.
Er kehrte so überzeugt von der Wichtigkeit des Walzwerksbetriebes
für Schweden zurück, daſs er beim König um ein Privilegium ein-
kam, am Mälar- und Wettersee ein groſses Walzwerk für 25000 bis
40000 Schiffspfund Jahresproduction anlegen zu dürfen. Der König
forderte das Bergkollegium und die Bruks-Societät zum Gutachten
auf. Ersteres äuſserte sich günstig, letztere sprach sich auf af Ures
Vorstellungen, daſs die Walzwerke schlechtes Eisen liefern und den
Kredit des schwedischen Eisenhandels schädigen würden, dagegen aus.
Der berühmte Chemiker Berzelius, der auch dabei zu Worte kam,
sprach sich entschieden für das Walzen aus. Trotz der Ablehnung
der Hüttengesellschaft erteilte 1827 der König die Erlaubnis zur
Anlage des Werkes am Mälarsee. Es hielt aber schwer, das Kapital
von 300000 Thlrn. aufzubringen.
Über den technischen Betrieb des schwedischen Eisenhüttenwesens
ist sonst nur wenig aus dieser Zeit zu bemerken.
Schweden war in vier Oberhochofenmeister-Distrikte eingeteilt 1).
Im ersten, Süd-Distrikt, betrug die Zahl der Hochöfen im Jahre 1828
in den Landschaften Orebro 34, Scaraborg 2, Jönköping 15, Krono-
berg 10, Calmar 11, Linköping 5, Nyköping 7. Von diesen 83 Hoch-
öfen waren nur 14 aus Steinmauerwerk, 69 mit Erdzimmerung gebaut.
Im zweiten, Wermelands-Distrikt, waren in Carlstadt 33, in
Orebro 37 Hochöfen, hiervon waren nur 10 in Philippstadt-Bergslag,
Carlstadt Län, aus Steinen erbaut.
Im dritten, Ost- und West-Bergslags-Distrikt, befanden sich in
Westerås 29, in Fahlun 40, in Öster-Bergslag 33 Hochöfen, wovon
8 gemauert waren.
Im vierten, Nord-Distrikt, waren in Stockholm 6, in Upsala 11, in
Gefleborg 29, in Jemtland 1, Vester Norrland 5 und Westerbotten 5, von
welchen 20 gemauert waren. In den beiden Landschaften Stockholm
und Upsala war überhaupt nur 1 Ofen und zwar mit Erdzimmerung.
Im ganzen waren von den 312 aufgeführten Hochöfen 260 in Erd-
zimmerung und 52 in Stein aufgeführt. Die meisten schwedischen
Öfen hatten noch Lehmformen.
Besonderen Rufes erfreuten sich nach wie vor die schwedischen
Kanonen. Dieselben wurden meist aus Hochöfen gegossen, welche
sich durch besonders hohe und geräumige Gestelle auszeichneten. In
Finspång betrug 1828 die Höhe des Dammsteines 17,2 pr. Zoll, in
Åker 15,3 Zoll, in Stafsjö 16,5 Zoll. Die Gestelle wurden jährlich
erneuert.
In dieser Periode entstanden zwei groſse Gieſsereien mit ver-
besserten Einrichtungen, die von Owen in Stockholm mit Flamm-
ofenbetrieb und die in Motala mit Kupolofenbetrieb. Das groſse Werk
in Motala am Wettersee war ein Staatswerk, welches dem Bau des
Goethekanals seine Entstehung verdankte. Es war 1822 von dem
Engländer Fraser angelegt worden. Beide Werke verschmolzen See-
erze und schmolzen das erblasene Roheisen dann um. Beide Werke
haben einen vorteilhaften Einfluſs auf die schwedische Gieſsereitechnik
geübt, welche vordem noch in der Kindheit war. Owen goſs nament-
lich auch gute Walzen für die Blechwalzwerke. Letztere befanden
sich zu Skebo in Upland und zu Closter in Dalarne. Jedes dieser
Werke hatte drei Walzenpaare, von denen immer zwei im Betriebe
waren. Die Platten, die man in sehr verschiedener Stärke und Gröſse
herstellte, wurden mit groſsen, von Epicykloidenrädern bewegten
Scheren beschnitten. Man bediente sich eines groſsen Glühofens von
eigentümlicher Konstruktion, derselbe hatte auſser der Feuerung vier
Räume, jeder mit besonderer Einsatzthür. Der Ofen war 21¾ Fuſs
lang und am Rost 3 Fuſs 11 Zoll, am Fuchs 3 Fuſs 7 Zoll breit. Die
der Feuerung zunächst liegende Abteilung hieſs der Materialofen,
dieser folgte der Plattenofen Nr. 1, dann Plattenofen Nr. 2 und hier-
auf der Glühofen. In den Materialofen wurden 120 bis 130 Ctr. zu-
[371]Ruſsland 1816 bis 1830.
geschnittenes Materialeisen etwa 2 Stunden lang gewärmt und in ein
bis drei Hitzen ausgewalzt. Die Blechtafeln kamen dann nacheinander
in die Plattenöfen Nr. 1 und 2, um jedesmal von neuem erwärmt und
durchgewalzt zu werden; die fertigen Platten wurden in dem Glüh-
ofen ausgeglüht. Ankerketten wurden auf dem Werke Furudahl in
Dalarne angefertigt. Mit Unterstützung des Eisenkontors wurde daselbst
ein Walzwerk zur Bereitung der stärkeren und stärksten Ketten für
Kriegsschiffe angelegt und eine Fullersche hydraulische Presse zur
Prüfung der Ketten angeschafft. 1824 setzte die Akademie der Kriegs-
wissenschaften einen Preis für die beste Arbeit über die Anfertigung
der Ankerketten aus 1).
Die Stahlbereitung blieb dagegen sehr vernachlässigt, obgleich die
schwedische Ausfuhr hauptsächlich der englischen Cementstahlfabrikation
diente. Die besten Eisensorten für die Guſsstahlbereitung, welche nach
England gingen und fast ausschlieſslich durch das groſse Geschäftshaus
Syks \& Komp. in Hull vertrieben wurden, waren die Marken L (hoop),
 (P-L-Eisen); diesen kamen die Marken ⁑ (Doppelstern) und 
(Doppelkugel — double bullet) am nächsten.
Ein bemerkenswertes Ereignis war noch die Gründung der Berg-
schule in Stockholm. 1819 hatte der Staat die Mittel dazu bewilligt.
1821 wurde sie gegründet und Professor Seftström als Lehrer be-
rufen; 1822 begannen die Vorlesungen. 1822 gestattete auch der
König, daſs das Eisenkontor an vorzügliche Berg- und Hüttenarbeiter
ein Ehrenzeichen verleihen durfte in Gestalt einer an der Brust zu
tragenden Medaille mit der Aufschrift: för flit och skicklighet i bergs-
mans yrken (für Fleiſs und Geschicklichkeit in Bergmannsarbeit).
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entwickelten
schwedische Hüttenleute und Unternehmer im hohen Norden eine
groſse Thätigkeit, um die reichen Schätze des Erzberges von Gelli-
vara auszubeuten. Unter diesen verdient besonders Baron Hermelin
genannt zu werden, der sein Vermögen und sein Leben bei diesen
Unternehmungen zusetzte. 1825 wurden die Bergwerke von Gellivara
von einer englischen Gesellschaft ausgebeutet.
Ruſsland besaſs im Jahre 1828 nach Angaben Granvilles
19 Kronwerke, welche 1301000 Pud Eisenerze lieferten und auſser
24*
[372]Ruſsland 1816 bis 1830.
groſsen Mengen von Geschützrohren 500000 Pud Stabeisen, 12000 Pud
Anker, 9000 Pud Stahl und 32000 Stück Gewehre (small arms)
herstellten.
Die Zahl der Privatwerke betrug 148, welche jährlich 7453999
bis 8622396 Pud Erze, 5142921 bis 6120997 Pud Stabeisen, 23379
bis 70244 Pud Stahl und 234873 Stück Sensen fabrizierten.
Die Roheisenproduktion Ruſslands betrug im Jahresdurchschnitt
Die Ausfuhr von Stabeisen betrug
Die groſse Gewehrfabrik in Tula lieferte um 1822 jährlich für
15000 Mann Gewehre aller Art und beschäftigte gegen 4500 Arbeiter,
darunter 3000 Meisterleute. Im Durchschnitt von 10 zu 10 Jahren lieferte
die Fabrik 112800 Flinten für die Infanterie, 4500 für Jäger, 18333
für Dragoner, 2347 für Musketiere, 42552 Karabiner, 324 Stutzen,
63073 Paar Pistolen, 11170 Pallasche, 51630 Säbel, 1000 Hirsch-
fänger und 95500 Seitengewehre. Auſser diesen Militärwaffen machte
man viele und schöne Luxuswaffen aller Art, Galanteriedegen, bril-
lantierte Arbeit und sonst allerlei feine Eisen-, Stahl- und Galanterie-
waren, sowie eiserne Bettgestelle, Tabourets, Stühle, Turmuhren,
Kaffeemühlen, Walzen, Springfedern, Brecheisen, Druck- und Preſs-
werke, Stempel für Münzen, Tuchscheren, Messer, Sensen, Schnallen,
Uhrketten, Feilen, Degengefäſse, Knöpfe und hunderterlei andere feine
Stahlarbeiten. Ein Infanteriegewehr kostete 4 Rubel, eine Jägerflinte
5 Rubel, ein Dragonersäbel 2½ bis 3 Rubel, ein Seitengewehr 1 Rubel.
Das Pud Eisen wurde den Meistern für 40 Pfg. überlassen. Tula
lieferte den besten und meisten Stahl und die schönsten Stahlarbeiten
in Ruſsland.
Sestrabeck (Sisterbeck) machte auch Waffen für die Armee, auſser-
dem Grobschmiedwaren und Schlösser, darunter solche von Erbsen-
gröſse. Es hatte 400 Meister und Arbeitsleute und 1800 finnische
Bauern, die statt des Kopfgeldes bloſs Kohlen lieferten. Es wurden hier
[373]Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830.
jährlich 4000 bis 5000 Pud Eisen veredelt 1). Die russische Regierung
schützte die inländische Eisenindustrie durch hohe Eingangszölle. Der
Tarif von 1821 verbot die Einfuhr von Roh- und Stabeisen zur See
gänzlich und belegte die von Eisenfabrikaten zu Land und zur See
mit so hohen Zöllen, daſs sie Prohibitivzöllen glichen.
1825 wurde das technische Institut zu Moskau gegründet.
In den Vereinigten Staaten von Nordamerika war seit dem
Jahre 1815 angeblich zur Deckung der Kriegskosten ein strengeres
Zollsystem eingeführt worden. Auf fremdes Eisen wurden hohe Zölle
gelegt. Dieselben betrugen nach dem Tarif vom 15. April 1815 1 Dollar
auf die Tonne Roheisen und 1½ Dollar auf Guſswaren. Stab-, Walz-
und Schmiedeeisen zahlten 1 Dollar für die Tonne, Nägel u. s. w.
10 Proz. des Wertes. Hierbei blieb man aber nicht stehen. 1818
wurde ein neuer Tarif eingeführt mit erhöhten Sätzen, wobei im all-
gemeinen ein Wertzoll von 20 Proz. zu Grunde gelegt war. 1824
und 1828 wurden weitere Tariferhöhungen beschlossen mit einem
Wertzoll von 25 Proz. 2). Infolgedessen betrug 1830 der Zoll auf Roh-
eisen 12,50 Dollar für die Tonne, während er sich in England auf
2,22 Dollar stellte, für Schmiedeeisen auf 22,40 Dollar und für Walz-
eisen sogar auf 37 Dollar, während der englische Zoll auf Stabeisen
nur 6,66 Dollar pro Tonne betrug.
Dieser hohe Schutzzoll kam den heimischen Eisenfabriken zu gut
und unterstützte in hohem Grade die Entwickelung der amerikanischen
Eisenindustrie. Auf der anderen Seite aber belastete er die ackerbau-
treibenden Staaten schwer zu gunsten der industriellen, namentlich der
eisenerzeugenden Staaten. Infolgedessen entstand Opposition gegen die
Regierung und groſse Unzufriedenheit mit dem Schutzzollsystem bei
den Südstaaten, deren Wortführer Südkarolina war. Dieser Staat
sprach sich schon damals wegen der hohen Eisenzölle für Austritt
aus der Union und Trennung der Südstaaten von den Nordstaaten
aus und ging in seinem Widerstande so weit, in Südkarolina den
Tarif für null und nichtig zu erklären.
Die amerikanische Eisenindustrie machte unter diesem Schutzzoll-
system groſse Fortschritte.
Unter den technischen Fortschritten heben wir besonders die
Einführung des Puddelbetriebes und der Stabeisenwalzwerke hervor.
Mit demselben wurde zuerst 1816 zu Plumsock am Red Creek in Fayette
county, Pennsylvanien, begonnen. Dieses Puddel- und Walzwerk
war von Isaak Meason an der Stelle eines im Jahre 1804 von
Jeremias Pear errichteten Schneid- und Walzwerkes erbaut worden.
In Neu-England entstand das erste Walzwerk 1825. 1828 versuchte
Howel, Schmiedeeisen in einem Stück- oder Wolfsofen mit Anthra-
cit zu erzeugen, aber ohne Erfolg. Die Stahlerzeugung war noch sehr
unbedeutend. 1810 hatte sie nicht über 900 Tonnen betragen. 1829
wurde in Pittsburg, der heutigen Stahlmetropole, von einem Eng-
länder, Broadmeadow, der erste Versuch gemacht, Cement- und
Guſsstahl herzustellen. 1830 zählte man in den Vereinigten Staaten
14 Stahlöfen mit einer Produktion von 1600 Tonnen. Die Walz-
werke wurden vielfach noch mit Wasserrädern betrieben. Ein gutes
Walzwerk zu Pittsburg erzeugte im Jahre 1826 650 Tonnen.
Was die Menge und den Wert der Erzeugung betrifft, so liegen
statistische Zahlen vor, die aber nur einen relativen Wert haben. Aus
den Gewichtsangaben geht hervor, daſs die Produktion im Jahre 1820
einen bedeutenden Rückgang infolge der Handelspanik erfahren hatte.
Die Produktion der Hochöfen, die im Jahre 1810 53908 Groſstonnen
betragen hatte, sank 1820 auf 20000 Tonnen. Diese Angabe ist aber
keineswegs mit den Wertangaben in Übereinstimmung. Danach hätte
der Wert der Hochofenprodukte 1810 2981277 Dollar und 1820
2230275 betragen; da der Roheisenpreis 1810 38 Dollar, 1820 35 Dollar
für die Tonne war, so kann die Gewichtsdifferenz der Erzeugung nicht
so groſs, wie oben angegeben, gewesen sein. Jedenfalls war aber die
Produktion der Eisenwerke der Union im Jahre 1820 geringer, als
sie im Jahre 1810 gewesen war. In den folgenden 10 Jahren bis 1830
fand dagegen eine beträchtliche Steigerung statt. Die Gewichtsangaben
der Roheisenproduktion einschlieſslich des Hochofengusses für das
Jahr 1830 schwanken beträchtlich. Nach einer Angabe wären
155000 Tonnen, nach einer anderen 165000 Tonnen, nach einer
dritten 175000 Tonnen, nach einer vierten sogar 191536 Tonnen in
239 Hochöfen, von denen jeder durchschnittlich 15½ Tonnen die Woche
geschmolzen hätte, erzeugt worden. Der Wert der Hochofenproduktion
wurde zu 4757403 Dollar angegeben; dem Gewicht nach sollen auf
Pennsylvanien ⅖, dem Werte nach 1643702 Dollar entfallen sein.
Der Wert des erzeugten Stabeisens betrug 1830 16737251 Dollar,
wovon 3762847 Dollar auf Pennsylvanien kamen. Das rasche An-
[375]Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830.
wachsen der Produktion in den letzten 3 Jahren des Jahrzehnts
erhellt aus folgenden Zahlen:
Die Einfuhr hatte von 1821 bis 1830 26200 Tonnen Stabeisen
und 5600 Tonnen Walzeisen, zusammen 31800 Tonnen Schmiedeeisen
im Werte von 1762000 Dollar betragen. Hierzu kam die Einfuhr
von Eisenfabrikaten in demselben Zeitraume von 4 Millionen Dollar,
so daſs der Gesamtwert der Einfuhr von Eisen und Eisenfabrikaten
sich auf 5762000 Dollar belaufen hatte. Der Verbrauch an Eisen
wurde 1830 auf 144666 Tonnen geschätzt. Die Preise zeigten zwi-
schen 1800 bis 1830 folgende Bewegung:
Betrachten wir die Entwickelung der Eisenindustrie in den ein-
zelnen Staaten, so ist es wieder Pennsylvanien, das unser Interesse
am meisten erregt.
Von den Neu-Englandstaaten ist nur wenig zu berichten. In
New-Jersey hatten Colonel Jos. Jackson und sein Bruder Wil-
liam 1820 die Nagelfabrik zu Paterson gepachtet und hier Rund-
und Stabeisen gewalzt. 1822 bauten sie ein neues Walzwerk zu
Rockaway, wahrscheinlich das erste, das nicht mit einem Schneidwerk
verbunden war und nur Kalibereisen walzte. — Im Staate New-
York gründete H. Burden 1819 das bekannte Eisenwerk bei Troy.
In Connecticut wurde die erste Gieſserei, welche das vortreffliche
Roheisen des Salisbury-Distrikts vergoſs, im Jahre 1830 bei Lime Rock
in der Grafschaft Litchfield errichtet.
In Pennsylvanien wurde, wie erwähnt, 1816 und 1817 das erste
Puddel- und Walzwerk zu Plumsock am Redstone Creek zwischen
Connelsville und Brownsville in der Grafschaft Fayette von Isaak
[376]Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830.
Meason erbaut. Thomas C. Lewis war der Ingenieur, der die
Pläne für das Werk entwarf, und Georg Lewis war der erste
Walzer und Eisendreher daselbst. Beide stammten aus Wales. Das
Roheisen wurde erst in einem Feineisenfeuer mit Wind gefrischt,
dann in zwei Puddelöfen gepuddelt. Auſserdem umfaſste die Anlage
einen Schweiſsofen, eine Walzenstraſse und einen Reckhammer. Die
Walzen waren auf dem Dubar-Hochofen gegossen. In den Puddel-
und Schweiſsöfen wurde rohe Steinkohle, in dem Feinfeuer Koks ver-
wendet. Es ist dies mit die erste Verwendung von mineralischem
Brennstoff in der amerikanischen Eisenindustrie. Am 15. September
1817 kam das Werk in Betrieb. Der Unternehmer, J. Meason, der
aus Virginia stammte, starb schon 1819. 1835 wurde das Werk
durch eine Überschwemmung zerstört.
Dr. Peter Schönberger, der 1771 in Mannheim, Lancaster
county, geboren war, später einer der hervorragendsten Eisenindu-
striellen Amerikas wurde und am 18. Juni 1854 zu Mariette in der
Grafschaft Lancaster starb, hatte 1817 seinen ersten Hochofen,
Rebecca furnace, in Blair county erbaut.
1818 errichtete Rob. Curtin, ein Irländer, im Juniatathal den
Eagle-Hochofen zu der schon 1810 gegründeten Eagle forge. Diesem
fügte er 1830 ein kleines Walzwerk hinzu und erbaute in demselben
Jahre den Marthaofen am Bald Eagle Creek. Curtin starb 1856,
86 Jahre alt. — 1818 baute Reuben Trexler, ebenfalls im Juniata-
thal, das Rennwerk Mary Ann im Trough Creekthal, dem er 1821 den
Paradies-Hochofen hinzufügte. In den folgenden Jahren wurden
noch verschiedene Eisenhütten im Juniatathal gegründet, doch war die
Eisenindustrie gehemmt durch die Schwierigkeit des Transportes nach
Pittsburg, der nur in Karren (waggons) auf beschwerlichen Wegen
bewerkstelligt werden konnte. Dies änderte sich, als 1828 der Penn-
sylvaniakanal eröffnet wurde. Von da an nahm die Verschiffung von
Eisen nach Pittsburg sehr zu und neue Eisenwerke erstanden.
Auch im östlichen Pennsylvanien nahm die Eisenindustrie von
Jahr zu Jahr zu. In Lehighthal erbaute M. S. Henry 1824 den
Katharinenofen bei Bushkill. David Heimbach jun. gründete 1820
den Clarissaofen bei dem Clarissahammer am Aquashicola Creek in
Carbon county und David Heimbach sen. baute 1827 einen Hoch-
ofen am Pocopoco Creek. Dieser wurde später, 1836, von William
Miller gekauft und in Mary-Ann-furnace umgetauft. Er blieb bis
1859 im Betriebe. 1826 wurde der Lehigh-Hochofen am Trout Creek
bei Heidelberg (jetzt Washington) errichtet, der bis 1854 betrieben
[377]Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830.
wurde. Auch verschiedene Rennwerke entstanden um diese Zeit in
Carbon- und Monroe-County, die ihre Erze aus dem nördlichen New-
Jersey bezogen.
In Berks County gab es 1830 11 Hochöfen und 24 Hammerwerke.
In Delaware County zählte man 1828 5 Walz- und Schneidwerke.
Dr. Charles Lukens, der 1816 das Brandywine-Walzwerk erworben
hatte, walzte hier die ersten Kesselbleche. Dr. Luckens starb 1825,
seine Witwe, Rebekka W. Luckens, führte aber das Geschäft
20 Jahre lang mit groſsem Erfolge fort. Nach ihrem Tode hieſs das
Werk nur Luckens’ rolling mill. 1826 wurde der Mariaofen bei
Hamilton ban in Adams County erbaut und bis 1838 betrieben. In
derselben Grafschaft entstand 1830 der Chesnut-Groveofen zu Idaville,
der noch im Betriebe steht. Carrick furnace in Franklin County
wurde 1828 angeblasen und ging bis 1884 und Franklin furnace bei
St. Thomas von 1828 bis 1882. Zu Shippensburg wurde 1824 der
Augustaofen, 1826 der Mary-Ann-Ofen und 1830 die zwei Southampton-
Öfen erbaut. Während die Zahl der Hochöfen in dieser Gegend
zunahm, kamen die Rennwerke im Susquehannathal, nördlich von
Harrisburg, 1828 zum Erliegen.
In Lycoming county wurde 1824 der Pine Creek-Hochofen errichtet
und um 1828 mehrere Eisenhämmer am Lycoming Creek.
Im nordwestlichen Pennsylvanien entstand 1818 in der Grafschaft
Armstrong eine Hochofenanlage am Bear Creek, welche deshalb von
besonderem Interesse ist, weil sie für Koksbetrieb eingerichtet und
mit einem Gebläse mit Dampfmaschinenbetrieb ausgerüstet war. Der
Versuch, mit Koks zu schmelzen, miſslang aber gänzlich. Der Ofen
fror sofort ein, wahrscheinlich infolge des viel zu schwachen Gebläses.
Infolgedessen wurde der Betrieb mit Holzkohlen fortgesetzt. 1832
erzeugte der Bear Creek-Hochofen 40 Tonnen Roheisen in der Woche
und war bekannt als der gröſste Ofen der Vereinigten Staaten. 1828
wurde der Slipery Rock-Ofen in Butler county, der Clarion-Ofen in
Clarion county und noch mehrere andere Hochöfen in dieser Gegend
erbaut.
In Pittsburg wurde 1818 ein Walzwerk errichtet für Walzeisen
und Bleche. 1819 entstand das erste Puddel- und Walzwerk, die
Union rolling mill, mit vier Puddelöfen, welches nach Swanks Ansicht
überhaupt das erste Walzwerk der Union war, das regelmäſsig Stab-
eisen walzte. Hier soll Samuel Leonhard auch das erste Winkel-
eisen und auch L-Eisen für Salzpfannen gewalzt haben. 1820 wurde
eine Sensenschmiede und 1821 ein zweites Walzwerk hinzugefügt.
[378]Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830.
1824 erbaute Dr. Peter Schönberger die Juniata-Eisenwerke. 1825
entstanden Sligo mill und Dowlais works. 1826 zählte man bereits
fünf Walzwerke im Betriebe und eins im Bau. Vier davon verar-
beiteten Roheisen, walzten das gefrischte oder gepuddelte Eisen zu
Blech und Bandeisen, spalteten es und schnitten Nägel; eins walzte
Stabeisen und Kesselbleche. Die Jahresproduktion der Eisenindustrie der
Stadt wurde damals schon auf 3 Millionen Dollar geschätzt. An dem Auf-
schwung der Walzwerksindustrie in Pittsburg hatte die Firma Baldwin,
Robinson, Mc. Nickle \& Beltzhoover groſse Verdienste. Pittsburg
besaſs auch bedeutende Fabriken für Ambosse, Schraubstöcke u. s. w.
Groſsartig war seine Nägelfabrikation, wie denn überhaupt kein Ort
der Union gleich groſse Vorteile für Eisen- und Eisenwarenfabriken
bot. Pittsburg war hierin der Lieferant für den ganzen Westen.
Das erste Walzwerk in Alleghany City war das 1827 erbaute
Juniata-Walzwerk. 1829 zählte man in der Grafschaft Alleghany sechs
Walzwerke in der Stadt, die 6000 Tonnen Luppen- und 1500 Tonnen
Roheisen verarbeiteten und neun Gieſsereien, die 3500 Tonnen ver-
schmolzen. Die Walzeisenproduktion betrug 1828 3291 Tonnen, 1829
6217 Tonnen und 1830 9282 Tonnen, woran man die rasche Ent-
wickelung dieser Industrie erkennt. Die meisten Luppen erhielten die
Walzwerke aus dem Juniatathal.
Im Staate Delaware wurde 1826 zu Millsborough ein Hochofen
mit Gieſserei errichtet. Der Hochofen ging bis 1836, die Gieſserei
bestand noch 1879. 1828 machte die Millsborough foundry 450 Tonnen
Roheisen und 350 Tonnen Guſswaren.
Die Entwickelung des Eisenerz- und Kohlengebietes im westlichen
Maryland beginnt erst Ende der 20er Jahre. 1828/29 wurden die
Yohogany-Eisenwerke, die einen Hochofen und zwei Eisenhämmer für
Holzkohlen umfaſsten, gegründet.
In Kentucky wurden in der Zeit von 1817 bis 1834 13 Hoch-
öfen erbaut, darunter Pactolus in Carter county 1818, Steam four-
nace 1817, Enterprise furnace 1826 in Greenup county und Bellefonte
furnace in Boyd county 1826. Letzterer war 1890 noch in Betrieb.
1830 zählte man ferner 1 Dutzend Eisenhämmer in Kentucky.
In Tennessee wurde 1829 das erste Walzwerk Cumberland rol-
ling mill in Stewart county erbaut, welches auch bis 1856 das ein-
zige des Staates blieb.
In Alabama entwickelte sich erst in diesem Zeitabschnitte eine
Eisenindustrie. Der älteste Hochofen wurde 1818 bei Russelsville,
Franklin county, erbaut, 1827 aber wieder verlassen, worauf bis 1843
[379]Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830.
kein neuer errichtet wurde. Dagegen war 1815 bei Montevallo in
Shelby county ein Rennwerk entstanden.
Bedeutender waren die Fortschritte in Ohio. Es wurden in der
westlichen Reservation neu erbaut bei Middleburg ein Hochofen 1816
und ein Hammer 1819, ein Hochofen bei Tallmadge um dieselbe Zeit,
der Arcole-Ofen bei Madison 1825, der Concord-Ofen, ebenfalls im Lake
Erie-Bezirk, 1828, desgleichen in demselben Jahre der Geouga furnace
bei Painesville. Am Beaver Creek, nicht weit von New-Lisbon, wurde
1822 ein Walzwerk errichtet. Mehr im Süden entstanden 1816 Mary
Ann furnace bei Newark und Marble furnace am Brush Creek. Der
Unionofen am Hanging Rock wurde 1826/27 erbaut als erster Hoch-
ofen diesseits des Ohio, ihm folgte 1827 der Franklinofen in Scioto
county und 1828 der Pine Grove- und der Scioto-Ofen.
Zwischen 1826 und 1830 wurden etwa 30 Hochöfen in Ohio er-
richtet.
Missouri, welches die groſsartigen Eisenerzberge Iron Mountain
und Pilot Knob besitzt, hatte schon vor seinem Eintritt in die Union
im Jahre 1821 eine Eisenindustrie. Doch war der erste Ofen (? Renn-
herd) in diesem Erzgebiete erst 1815 oder 1816 von einem gewissen
Ashebran bei Straits Creek erbaut worden. Mit demselben war jeden-
falls ein Hammerwerk verbunden, denn das Werk lieferte Stabeisen.
Das zweite bekannte Unternehmen war eine Art Stückofen, dessen
Steingestell in den Hügel in roher Weise eingebaut war, so daſs es
bequem von oben beschickt werden konnte. Es wurde sowohl Harrisons
furnace als auch Harrisons bloomary genannt und war 1819 oder 1820
von W. Harrison und J. Reever erbaut. Die Erze wurden in Ochsen-
karren von den benachbarten Bergen angefahren, gebrannt und dann
zerklopft. Den Wind lieferte ein Wassergebläse (water blast), die
Luppen wurden mit einem Schwanzhammer (spring-pole-hammer)
auf einem Amboſs, der nur aus einem 4 Fuſs dicken in den Boden
eingelassenen Baumstamm bestand, zu groben Stangen ausgeschmiedet.
Der erste richtige Hochofen war Springfield furnace in Washington
county, der 1823 oder 1824 erbaut wurde. Hier wurde das erste Roh-
eisen in Missouri und überhaupt westlich vom Ohio geschmolzen. Er
hieſs später Perrys alter Eisenofen. Mit dem Hochofen waren zwei
Eisenhämmer verbunden. Zu Cedar Creek wurde im Jahre 1825 das
erste Roheisen in Missouri zu Schmiedeeisen verfrischt. In Phelps
county wurde 1829 der Maramec-Hochofen und -Hammer erbaut. Das
Werk war später als Masseys Eisenwerk bekannt.
Zu diesen Nachrichten fügen wir noch einiges bemerkenswerte
[380]Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830.
aus dieser Zeit hinzu. 1818 wurde der erste ernsthafte Versuch in
Amerika gemacht, Guſsstahl zu fabrizieren. James Wood erbaute
1818 auf Valley Forge in Pennsylvanien einen Guſsstahlofen, um Guſs-
stahl für Sägeblätter zu machen. Zwei Engländer, John Parkins,
Vater und Sohn, leiteten den Betrieb. Sie sollen auch guten Stahl
erhalten haben, doch wurde das Unternehmen nach kurzer Zeit
wieder aufgegeben.
Das erste Stabeisen, welches in den Neu-Englandstaaten gewalzt
wurde, erhielt man 1825 auf dem Bostoner Eisenwerk.
Die Nagelfabrikation, namentlich die Fabrikation mit Maschinen
geschnittener Nägel, nahm auch in dieser Periode sehr zu. Man ver-
wendete die von Reed, Pierson, Odiorne und Perkins erfundenen
Nagelmaschinen. Die Maschine von Reed war von Mellville Otis
verbessert worden.
White und Hayard in Philadelphia bauten 1816 die erste
Drahtbrücke über den Schnylkill. Dieselben machten auch zuerst
Drahtzäune, wodurch der Drahtverbrauch in Amerika auſserordentlich
gesteigert wurde.
Da die Stahlfabrikation in Nordamerika noch sehr unbedeutend
war, so wurden die Werkzeuge meistens noch von England bezogen.
1826 gründete Collins eine Fabrik für Hacken, die zuerst mit den
englischen Fabriken in Wettbewerb trat.
Da die teuren Arbeitslöhne in den Vereinigten Staaten den
Ersatz durch Maschinenarbeit nahelegten, so entwickelte sich früh eine
selbständige, eigenartige Maschinenfabrikation. 1822 erfand Henry
Ogle, ein Schullehrer in Remington, eine Mähmaschine mit hin- und
hergehenden Messern, wie sie heute noch in Anwendung sind. Sie fand
aber damals infolge des Widerstandes der ländlichen Arbeiter keine
Verbreitung. Doch konstruierte der schottische Pfarrer Patrick
Bell auf diesem Princip seine bekannte Mähmaschine.
In diese Periode fällt auch der Bau der ersten Eisenbahnen in
Amerika, bei denen allerdings der Unterbau in der Hauptsache noch
aus Holz bestand. Die eigentlichen Schienen waren Holzbalken, die
nur mit Flacheisen 3 Zoll breit und ¼ Zoll dick belegt waren. So war
die 1826 eröffnete, 4 engl. Meilen lange Quincy-Eisenbahn in Massa-
chusetts konstruiert und ähnlich die 1827 eröffnete Mauch-Chunk-
Eisenbahn. Am 24. Mai 1830 wurde die erste Passagierbahn von
Baltimore nach Ohio eröffnet, und am 6. Dezember 1830 folgte die
Bahn von Charleston nach Hamburg in Südkarolina.
Dieser Zeitabschnitt, der die Jahre von der Julirevolution und der
Gründung Belgiens bis zu der ersten Weltausstellung umfaſst, ist
reich an Fortschritten des Eisenhüttenwesens sowohl auf theoretischem,
wie auf praktischem Gebiet. Er ist am meisten charakterisiert durch
den Einfluſs, den die fortschreitende Entwickelung der Eisenbahnen
ausgeübt hat, welcher die Eisenhütten und Walzwerke immer mehr
zur Massenproduktion zwang und alle Zweige der Eisenfabrikation in
dieser Richtung beeinfluſste und der durch den Lokomotivenbau der
Maschinenfabrikation eine neue, groſsartige Anregung gab.
Hinter den praktischen Fortschritten blieben aber die theoretischen
keineswegs zurück. Dies kommt schon in dem umfangreichen tech-
nischen Schrifttum jener Periode zum Ausdruck.
Die Litteratur des Eisens nahm einen immer gröſseren Umfang
an und wurde durch vortreffliche Werke bereichert. Frankreich und
Deutschland wetteiferten auf diesem Gebiete, und erschienen gleich
im Beginn dieses Zeitabschnittes, ganz besonders in Frankreich und
Belgien, Werke von hervorragender Bedeutung für den praktischen
Eisenhüttenmann.
Im Jahre 1832 wurde eine Monographie über das in englischer
Weise neu erbaute Eisenwerk von Decazeville veröffentlicht, welche
die gröſste Beachtung verdient. Sie heiſst: Examen analytique de
l’usine de Decazeville par M. Pillet-Will, Paris 1832. Obgleich
dieses Buch in Folio eigentlich nur ein ausführlicher Bericht an die
Aktionäre der Gesellschaft ist, so hat es doch einen weitgehenden
Einfluſs ausgeübt und ist für die französische Fachlitteratur zum Teil
[382]Litteratur 1831 bis 1850.
bestimmend geworden. Denn hier war zum erstenmale an einem ein-
zelnen praktischen Beispiel die ganze Entstehung und der ganze
Betrieb eines Hüttenwerkes neuester Art dem Publikum vorgeführt
und durch Konstruktionszeichnungen und Abbildungen, welche den
Originalentwürfen des Hüttenwerkes entnommen waren, illustriert.
Diese Richtung, die Eisenhüttenkunde an Beispielen aus der Praxis
zu erläutern und Zeichnungen zu liefern, welche so genau und zuver-
lässig waren, daſs sie als Werkzeichnungen dienen konnten, ist von
da an in Frankreich herrschend geworden, wobei man allerdings an
die vorbereitenden Arbeiten von Héron de Villefosse erinnern muſs,
der sein vortreffliches Werk „De la richesse minerale“ auch schon
mit genauen Zeichnungen, wenn auch in kleineren Umrissen, ausge-
stattet hatte. Durch diese neue Art der Wiedergabe von Konstruktions-
zeichnungen in groſsem Maſsstabe erlangten die Tafeln mindestens
die gleiche Bedeutung wie der Text. Muster dieser Richtung waren
die Werke über Eisenhüttenkunde von Walter und Le Blanc, von
Flachat, Barrault und Petiet und von Valerius, auf die wir
gleich zurückkommen werden.
Auf theoretischem Gebiete war die bedeutendste Leistung der
30 er Jahre Berthiers Traité des essais par la voie sèche, Paris 1834.
Das Buch erschien noch in demselben Jahre in deutscher Übersetzung
von Karl Hartmann unter dem Titel „Handbuch der Probierkunst
von P. Berthier“, Nürnberg 1834. 1847 wurde eine zweite fran-
zösische Ausgabe davon veröffentlicht. Dieses vortreffliche Werk ent-
hält einen Schatz metallurgischer Beobachtungen, von denen sich
viele auf das Eisen beziehen.
1834 veröffentlichte Dufrénoy seinen vortrefflichen Rapport sur
l’emploi de l’air chaud dans les usines à fer de l’Ecosse et de l’Angle-
terre. In den Jahren 1837 und 1839 gaben Dufrénoy, Élie de
Beaumont, Coste und Perdonnet eine zweite Auflage ihrer Voyage
métallurgique en Angleterre heraus.
1835 bis 1838 erschien in Paris die vortreffliche Eisenhüttenkunde
von Walter de St. Ange: Métallurgie pratique du fer etc., avec
atlas de machines, appareils et outils actuellement employès, dessiné
et gravé par Le Blanc. Von demselben erschien 1839 zu Weimar
die deutsche Übersetzung von Dr. Karl Hartmann unter dem allge-
meinen Titel: Le Blanc und Walters praktische Eisenhüttenkunde.
Der ausgesprochene Zweck dieses bekannten Werkes war nicht ein
Lehrbuch zu schreiben, sondern in systematischer Aufeinanderfolge in
die praktische Eisenhüttenkunde einzuführen und dem Ingenieur und
[383]Litteratur 1831 bis 1850.
Hüttenmann durch Beschreibungen und genaue Zeichnungen wirklich
ausgeführter Anlagen, Apparate und Maschinen die Mittel zur selb-
ständigen Ausführung derselben an die Hand zu geben. Der aus
66 groſsen Tafeln bestehende Atlas enthält nicht nur die im Text
erwähnten Maschinen und Apparate, sondern auch die einzelnen Teile
derselben nach einem so groſsen Maſsstabe, daſs die Tafeln als Werk-
zeichnungen bei Anlagen benutzt werden konnten.
Das Werk erfüllte seinen Zweck, die bedeutende bestehende
Lücke zwischen Theorie und Praxis auszufüllen. In demselben war
auch bereits die Benutzung des heiſsen Windes in eingehender Weise
berücksichtigt.
Walter de St. Ange war selbst ein praktischer Eisenhütten-
mann von groſser Erfahrung. Er hatte verschiedene Werke, nament-
lich die Eisenhütte von La-Voulte, gebaut und geleitet. Deshalb war
er zur Abfassung eines solchen Buches besonders geeignet. Das nütz-
liche Werk fand denn auch die allgemeinste Anerkennung. Es zer-
fällt in zwei Teile, von denen der erste die Roheisenerzeugung, der
zweite die Stabeisenbereitung behandelt. Über Stahlbereitung enthält
es nichts. Mehr noch als die ersterwähnte Arbeit von Pillet-Will
hat dieses Buch den nachfolgenden französischen Veröffentlichungen
zur Richtschnur gedient.
Entsprechend der groſsen Bedeutung, welche das Puddelverfahren
und der Walzwerksbetrieb erlangten, beschäftigten sich die später
erschienenen groſsen Werke vorzugsweise mit diesem Zweig der Eisen-
industrie. Fast gleichzeitig erschienen zwei umfangreiche Handbücher
in französischer Sprache. Das erste derselben hatte die französischen
Ingenieure E. Flachat, A. Barrault und J. Petiet zu Verfassern.
Es erschien in drei Teilen, von denen der erste, Fabrication de la
Fonte, 1842, der zweite, Fabrication du Fer, 1844, und der dritte,
Examen statistique et commercial, 1846 erschienen sind; denselben
war ein Atlas von 92 Tafeln beigegeben. Auch von diesem Werke
erschien alsbald eine deutsche Bearbeitung von Dr. Karl Hartmann
unter dem Titel „Praktische Eisenhüttenkunde“ in vier Bänden, die
aber vielfach von dem Original abwich.
Flachat war ein hervorragender französischer Ingenieur, der
schon früher seinen Namen durch Veröffentlichungen in den Annales
des mines in weiteren Kreisen bekannt gemacht hatte. Barrault und
Petiet waren ebenfalls Ingenieure. Durch das Zusammenwirken
dieser erfahrenen Praktiker kam ein Werk zustande, das eine Fülle
von Material enthielt und sich durch vortreffliche Ausstattung aus-
[384]Litteratur 1831 bis 1850.
zeichnete. Namentlich ist der Atlas von 86 Kupfertafeln Zeichnungen
und 6 Tafeln Karten eine vortreffliche und schätzenswerte Leistung.
Der erste allgemeine Teil beginnt mit einer geschichtlichen Einleitung,
welche wohl der schwächste Abschnitt des Werkes ist. Es folgt sodann
die Lehre von den Brennmaterialien, Erzen und Zuschlägen und die
Schilderung des Hochofenbetriebes. Der zweite Teil enthält die
Stabeisenbereitung, und ist namentlich der Puddel- und Walzbetrieb
sehr ausführlich und gründlich behandelt. Auf diesem Gebiete hatte
namentlich Flachat groſse praktische Erfahrungen und Verdienste.
Der dritte Teil enthält die Industrie- und Handelsstatistik, worin die
französischen Verhältnisse besonders ausführlich behandelt sind.
Das andere mit dem eben erwähnten fast gleichzeitig erschienene
wichtige Werk war das des Belgiers Valerius: Traité theorétique
et pratique de la Fabrication du Fer, avec un Exposé des Amélio-
rations dont elle est susceptible, principalement en Belgique, Paris
1843. Während das erstgenannte Buch hauptsächlich französische Ver-
hältnisse berücksichtigt, liegen letzterem die belgischen Zustände und
Einrichtungen zu Grunde, die sich durch ihre Neuheit, Vortrefflichkeit
und Groſsartigkeit auszeichneten. Auch diese Schrift ist durchaus
praktisch und ganz in dem Sinne Walters de St. Anges gehalten.
Die zahlreichen Beispiele und Abbildungen gaben den Eisentechnikern
jener Zeit ein reiches Material zu praktischer Verwertung in die
Hände.
Auch dieses Werk wurde alsbald nach seinem Erscheinen von
Karl Hartmann ins Deutsche übersetzt und „bearbeitet“ unter
dem Titel: Theoretisch-praktisches Handbuch der Stabeisenfabri-
kation u. s. w., Freiberg 1845. 1875 erschien eine zweite Auflage des
französischen Originals.
Dieser Arbeit, welche sich ausschlieſslich mit der Stabeisen-
bereitung beschäftigte, folgte 1850 von demselben Verfasser: Valerius,
Traité theoretique et pratique de la Fabrication de la Fonte, accom-
pagné d’un Exposé des Améliorations dont elle est susceptible, prin-
cipalement en Belgique, mit einem Atlas von 31 Tafeln. Die deutsche
Übersetzung von Karl Hartmann erschien 1851 zu Freiberg unter
dem Titel: Theoretisch-praktisches Handbuch der Roheisenfabrikation.
Das Werk enthält, wie das zuvor genannte, einen reichen Schatz
praktischer Erfahrungen.
Wichtige französische Specialschriften waren Damemme, Essai
pratique sur la manière de travailler l’acier, welches 1839 von
Dr. J. H. Hartmann unter dem Titel: Praktisches Handbuch der
[385]Litteratur 1831 bis 1850.
Fabrikation und Bearbeitung des Stahles, in deutscher Übersetzung
herausgegeben wurde, und das vortreffliche Werk über Eisengieſserei
von A. Guettier, De la Fonderie, telle qu’elle existe aujourdh’ui en
France et de ses nombreuses Applications à l’Industrie; avec 11 grandes
Planches, Paris 1844; ferner Delvaux de Fenffe, De la situation de
l’industrie de fer en Prusse etc., Liège 1844, und von demselben Du
travail du fer au moyen des gaz produits par des combustibles de
peu de valeur, Brüssel 1845.
Eine groſse Anzahl vortrefflicher französischer Abhandlungen über
einzelne Gegenstände aus dem Gebiete der Eisenindustrie finden sich in
den Annales des mines, der umfangreichsten und reichhaltigsten unter
den berg- und hüttenmännischen Fachzeitschriften jener Zeit. Wir
nennen die bemerkenswerten Arbeiten von Berthier, Dufrénoy,
Ebelmen, François, Rolin, Guenyveau, Sauvage, Bineau, Reg-
nault, Le Play, Gruner, welche wir nicht alle einzeln aufführen
können.
Von den in deutscher Sprache in dieser Periode erschienenen
Werken ist bei weitem das wichtigste die dritte Auflage von Kar-
stens Handbuch der Eisenhüttenkunde von 1841. Dasselbe
war wieder gegenüber der zweiten Auflage ein ganz neues Werk ge-
worden, in welchem alle Fortschritte seit dem Jahre 1828 gründlich
berücksichtigt sind, so namentlich die Anwendung des erhitzten Ge-
bläsewindes, die Benutzung der Hochofengase, die Fortschritte des
Walzwerksbetriebes u. s. w. Äuſserlich hatte die neue Auflage dadurch
eine Veränderung erfahren, daſs der Text 5 Bände umfaſst und dem
Werke ein groſser Atlas von 63 Kupfertafeln beigegeben ist. Dieses
ausgezeichnete Tafelwerk kann als die charakteristischste und bedeu-
tendste Verbesserung der neuen Auflage angesehen werden. Karsten
hat damit den gesteigerten Anforderungen Rechnung getragen und
eine Sammlung von Illustrationen zu seinem vortrefflichen Werke
geliefert, welche wie dieses von bleibendem Werte ist.
1831 war auch Karstens System der Metallurgie in 5 Bänden
erschienen, welches in seinem allgemeinen Teile ebenfalls für die
Eisenhüttenkunde von groſser Bedeutung ist.
Der fruchtbarste Schriftsteller dieser und der nächstfolgenden
Periode war der bereits genannte Dr. Karl Hartmann. Er be-
schäftigte sich hauptsächlich damit, fremde Werke ins Deutsche zu
übersetzen, und haben wir ihn bereits von dieser Seite als Übersetzer
der Werke von Walther de St. Ange und Le Blanc, von Flachat,
Barrault und Petiet, von Valerius und Anderer kennen gelernt.
Beck, Geschichte des Eisens. 25
[386]Litteratur 1831 bis 1850.
Dieses war auch der verdienstvollste Teil seiner Thätigkeit, die er nur
dadurch verkümmerte, daſs er die Werke nicht übersetzte, sondern
„bearbeitete“. Darunter verstand er, daſs er Kapitel, die ihm in
einem anderen Werke besser zu sein schienen, fortlieſs und den be-
treffenden Text aus dem fremden Werke an deren Stelle setzte.
Hierfür muſste ihm am meisten Karstens Metallurgie herhalten.
Anfangs wies er noch meist auf die Herkunft dieser willkürlichen
Einschaltungen hin, später aber schien ihm das gar nicht mehr nötig.
Dadurch wurde der Wert der Übersetzungen wesentlich verringert,
besonders vom historischen Standpunkte aus betrachtet, weil ganze
Abschnitte, die unter dem Titel des Werkes und dem Namen des
Verfassers mitgeteilt wurden, diesem gar nicht zugehörten.
Dieses Verfahren bildete er bis zur Virtuosität aus bei den zahl-
reichen Werken, die er als eigene Werke unter seinem Namen heraus-
gab und die durchweg Zusammentragungen aus anderen Werken sind,
und zwar nicht satz- oder seitenweise, sondern kapitel- und abschnitt-
weise. Diese Konglomerate bildeten dann wieder den Rohstoff für
seine „populären“ Werke über Metallurgie, die schlieſslich nur noch
Scherenarbeit waren. Auſser den oben genannten französischen Wer-
ken bearbeitete er Guettiers Werk De la Fonderie, gab es aber
als sein eigenes Werk unter dem Titel „Vollständiges Handbuch der
Eisengieſserei u. s. w.“ 1847 heraus. In dasselbe hineinverarbeitet
sind die betreffenden Kapitel aus Karstens Eisenhüttenkunde und
Karmarschs mechanischer Technologie.
Wir können von Hartmanns unzähligen Schriften, die immer-
hin einen vorübergehenden buchhändlerischen Erfolg hatten, nur die
wichtigsten aufzählen.
1825 gab er ein Handwörterbuch der Mineralogie, Berg-, Hütten- und Salz-
werkskunde, nebst der französischen Synonyme und einem französischen Register
in 2 Bdn. heraus, welches 1859/60 in einer zweiten Auflage in 3 Bdn. erschien.
1833 veröffentlichte er ein Lehrbuch der Eisenhüttenkunde in 2 Bdn. nebst
2 Atlanten mit 20 Tafeln. Die in demselben Jahre erschienene Schrift: Über die Erzeu-
gung des Roh- und Stabeisens in England ist die Übersetzung eines anonym erschie-
nenen englischen Werkchens von kaum historischem Interesse.
Als ein Sammelwerk in Heften kam das umfangreiche Werk: Über den
Betrieb der Hochöfen, Kupolöfen etc. mit erhitzter Gebläseluft in 6 Bdn. mit
23 Tafeln in den Jahren 1834 bis 1841 heraus. Da die Anwendung des heiſsen
Windes damals die wichtigste Tagesfrage bildete, so hatte dies Werk, in dem die
hervorragendsten Publikationen über den Gegenstand zusammengetragen sind,
eine gewisse Bedeutung für jene Zeit. Litterarisch ist es von geringem Wert.
1837 veröffentlichte K. Hartmann ein Handbuch der praktischen Metal-
lurgie, nebst einem Anhang über die Anfertigung der Eisenbahnschienen in 2 Bdn.
mit 15 Tafeln.
Die 1838 erschienene „Probierkunst“ war eine Bearbeitung von Chaudet,
l’art de l’essayeur.
1838 bis 1841 gab Hartmann sein „Encyklopädisches Wörterbuch der
Technologie, der technischen Chemie, Physik und des Maschinenwesens“ in
4 Bdn. mit 73 Tafeln heraus. Diesem folgte
1840 „Praktisches Handbuch über die Anlagen von Eisenbahnen“ mit
16 Tafeln.
1841 „Vollständige Brennmaterialienkunde“.
1843 „Grundriſs der Eisenhüttenkunde“, von dem 1852 eine zweite Auflage
erschien.
1844 „Über den Eisenhüttenbetrieb mit den aus den Hochöfen etc. ent-
weichenden und aus festen Brennmaterialien erzeugten Gasen“. 3 Bände mit
16 Tafeln.
1851 „Die Fortschritte der Eisenhüttenkunde als Ergänzung zur dritten Auf-
lage von Karstens Eisenhüttenkunde“.
1853 „Die Bereitung und Verarbeitung des Stahls“ nach dem englischen
Werke von Overman. In zweiter Auflage 1856.
1854 Steinkohlen und Eisen in Beziehung zu den neuesten Handels- und
Zollverhältnissen.
1855 Vademecum für den praktischen Eisenhüttenmann, welches ver-
schiedene Auflagen erlebte.
1856 Vollständiges Handbuch der neuesten englischen Werkzeuglehre.
1858 Der praktische Puddel- und Walzmeister.
1858 Handbuch der Bergbau- und Hüttenkunde mit Atlas von 45 Tafeln.
1858 bis 1863 Die Fortschritte des Eisenhüttengewerbes in der neueren
Zeit. 6 Bde. mit 40 Tafeln.
1860 Handbuch der Eisenhüttengewerbskunde etc. mit 18 Tafeln.
1861 Praktisches Handbuch der Blechfabrikation etc. mit 5 Tafeln.
Wir haben hier nur diejenigen Werke Hartmanns aufgeführt, die sich
auf die Eisenindustrie beziehen, auſserdem hat er zahlreiche Bücher mineralogi-
schen, bergwissenschaftlichen und sonstigen Inhalts veröffentlicht neben einer
groſsen Zahl von Übersetzungen.
Eine verdienstvolle Schöpfung war die Berg- und Hütten-
männische Zeitung, deren erster Band 1842 erschien und welche
sich als eine der angesehensten Fachzeitschriften bis heute er-
halten hat.
Aus dieser kurzen Übersicht ersieht man schon die fleiſsige litte-
rarische Thätigkeit und die groſse Arbeitskraft Hartmanns, und da
seine Werke billig waren, seine Übersetzungen z. B. viel billiger als
die Originalwerke, so fanden sie Käufer und waren für die Verleger
gewinnbringend. Hartmann hat hierdurch zur Popularisierung der
Eisenhüttenkunde nicht wenig beigetragen.
Ein ebenso gediegenes als originelles Werk war „Die Stabeisen-
und Stahlbereitung in Frischherden oder der wohlunterrichtete
Hammermeister“ von Peter Tunner 1846, von dem 1858 eine
zweite Auflage erschien. Durch dieses Buch, welches einen Reichtum
25*
[388]Litteratur 1831 bis 1850.
praktischer Mitteilungen enthält und ganz auf eigenen Erfahrungen
aufgebaut ist, führte sich der berühmte Direktor und Schöpfer der
kaiserlich österreichischen Montananstalt zu Leoben in weiteren Krei-
sen der Fachgenossen ein. Er verdunkelte die früher erschienenen
Schriften von August Wigand, Frischereibetrieb, 1837, und von
F. Overman, Über das Frischen des Roheisens etc., Brünn 1838.
Overman war damals Betriebsingenieur zu Blansko in Mähren.
Später wanderte er nach Nordamerika aus und erwarb sich dort einen
groſsen Ruf als Fachschriftsteller in englischer Sprache.
Lampadius veröffentlichte 1839 noch einen Nachtrag zu seiner
Hüttenkunde unter dem Titel „Die neuen Fortschritte auf dem Ge-
biete der gesamten Hüttenkunde“.
1848 erschien der erste Band von Theodor Scheerers Lehr-
buch der Metallurgie, welches durch seine Gediegenheit und geist-
volle Behandlung zu den gröſsten Erwartungen berechtigte. Leider
ist das Werk unvollendet geblieben, und kam von dem eigentlich
praktischen Teile nur eine Lieferung im Jahre 1853 heraus.
Wichtige Einzeldarstellungen waren:
F. Th. Merbach, Die Anwendung der erhitzten Gebläseluft im
Gebiete der Metallurgie und 35 Tafeln Abbildungen der vorzüglichsten
Apparate zur Erwärmung der Gebläseluft, beide aus dem Nachlasse
des Oberberghauptmanns Freiherrn von Herder; erschienen 1840 zu
Freiberg.
G. Göth, Vordernberg in der neuesten Zeit. 1839.
L. Wachler, Die Eisenerzeugung Oberschlesiens (1847 bis 1851)
und Niederschlesiens (1848).
C. J. N. Balling, Die Eisenerzeugung in Böhmen. 1849.
Statistische Werke über die Eisenindustrie dieser Zeit sind
T. L. Hasse, Die Eisenerzeugung Deutschlands, aus dem Stand-
punkte der Staatswirtschaft betrachtet, 1836, und Das europäische
Eisenhütten-Gewerbe, von einem erfahrenen Hüttenmanne. Leipzig 1848.
Von Hüttenmännischen Zeitschriften sind zu nennen
Karstens Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hütten-
kunde, 1829 bis 1855.
Kalender für den sächsischen Berg- und Hüttenmann auf die
Jahre 1827 bis 1851, der sich aber nur wenig mit Eisenhüttenkunde
befaſst.
Zahlreiche Aufsätze hierüber enthielt dagegen die bereits oben
erwähnte Berg- und Hüttenmännische Zeitung von Karl Hartmann,
welche seit 1842 in Leipzig erschien.
Von hervorragender Bedeutung für die Eisenhüttenkunde wurde das
von P. Tunner herausgegebene Jahrbuch für den innerösterreichi-
schen Berg- und Hüttenmann, die steiermärkische ständige monta-
nistische Lehranstalt Vordernberg betreffend. 1. bis 4. Jahrgang, 1841
bis 1846.
1848 erschien in Wien das Jahrbuch für den Berg- und Hütten-
mann des österreichischen Kaiserstaates.
Die litterarische Produktion Englands stand zwar in keinem
Verhältnisse zu der Gröſse und Bedeutung seiner Industrie, doch hat
sie in dieser Periode einige sehr beachtenswerte Veröffentlichungen
zu verzeichnen. Es sind dies: A comprehensive History of the Iron
Trade throughout the world from the earliest records to the present
period by Harry Scrivenor, London 1842; sodann: Papers on Iron
and Steel, practical and experimental, with copious illustrative notes
by David Mushet, London 1842.
1850 erschien E. Ronalds und Th. Richardsons Treatise on
Metallurgy and the Chemistry of the metals, 3 Vol.
Als amerikanischer Schriftsteller erscheint der oben erwähnte
Overman mit seinem Werke The Manufacture of Iron in all its va-
rious branches, London 1850. Diesem folgte
1851 The Manufacture of Steel, containing the practise and prin-
ciples of working and making steel, Philadelphia 1851.
Von den sonstigen Förderungsmitteln der Eisenindustrie sind die
Fortschritte des gewerblichen und Fachschulwesens zu erwähnen.
Als die für die Eisenindustrie wichtigste Schöpfung jener Zeit
muſs die Gründung der montanistischen Lehranstalt zu Vordernberg
in Steiermark im Jahre 1840, aus welcher 1849 die für das Eisen-
hüttenwesen so hochwichtige Akademie zu Leoben hervorgegangen
ist, angesehen werden. Sie war eine Schöpfung des um Steiermark
und die steierische Eisenindustrie hochverdienten Erzherzogs Johann.
Dieser groſse Fürst war, wie viele Glieder des Hauses Habsburg, ein
warmer Freund der Natur und der Naturwissenschaften. Er hatte
diese mit Eifer studiert und schöne Sammlungen angelegt. Mit der
Liebe zur Naturwissenschaft verband er einen gemeinnützigen und
praktischen Geist. Dieser veranlaſste ihn, ihm Jahre 1811 ein natur-
wissenschaftliches Lehrinstitut, das Johanneum, in Graz zu gründen,
dem er seine reichen Sammlungen schenkte.
Das Institut entsprach einem Polytechnikum. Da aber Bergbau
und Eisenhüttenkunde für den Steiermärker die wichtigsten Industrieen
waren, so strebte Erzherzog Johann danach, einen besonderen Lehr-
stuhl für Berg- und Hüttenwesen an dem Johanneum zu errichten.
Nach langen Verhandlungen 1) wurde endlich von den steierischen
Ständen im Jahre 1836 beschlossen, einen solchen Lehrstuhl zu grün-
den, aber nicht in Graz, sondern in Vordernberg, in dem Centrum
der steierischen Eisenindustrie. Er sollte vorzugsweise dieser ge-
widmet sein, mit dem Johanneum aber organisch verbunden bleiben.
Diejenigen, welche sich dem Studium des Hüttenwesens widmen
wollten, sollten erst den dreijährigen Kurs des Johanneums durch-
machen und dann ein Jahr in Vordernberg in den Fachwissenschaften
ausgebildet werden. Bereits im Jahre 1835 war der rechte Mann für
diesen neuen und schwierigen Lehrstuhl gefunden: der erst 26jährige
Peter Tunner wurde auf direkten Vorschlag des Erzherzogs
hierfür ernannt 2). Er war ein Kenner des steierischen Eisenhütten-
wesens wie wohl kaum ein anderer; um aber seine Kenntnisse und
seinen Blick zu erweitern und ihn für seinen Lehrberuf vorzubereiten,
wurden auf Wunsch und unter Beihülfe des edlen Erzherzogs die
Mittel bewilligt, um Tunner die wichtigsten Eisenindustriebezirke
Europas besuchen zu lassen. Drei Jahre hindurch bereiste Tunner
Österreich-Ungarn, Deutschland, Schweden, England und Schottland,
Frankreich und Belgien und hatte dadurch Gelegenheit, einen Schatz
von hüttenmännischen Kenntnissen zu sammeln, wie es nur wenigen
damals vergönnt war.
Selten ist wohl ein Geldbetrag so gut angewendet worden und
hat so reiche Früchte getragen, denn dadurch wurde Tunner der
vortreffliche Lehrer und Förderer der Eisenhüttenkunde, als der er
[391]Fachschulen und Vereine 1831 bis 1850.
bald weithin bekannt wurde. Nur wer zu seinen Füſsen gesessen,
weiſs seine hohe Bedeutung als Lehrer ganz zu würdigen. Schwerlich
hat es je einen gegeben, der die verwickeltsten und trockensten tech-
nischen Vorgänge in so klarer und fesselnder Weise vorzutragen ver-
stand. Seine Bedeutung geht aber weit über seine Lehrthätigkeit hinaus:
er lebte in und mit der Eisenindustrie, griff anregend, fördernd und hel-
fend ein, wo sich Gelegenheit bot, war selbst erfinderisch thätig und hat
an dem Aufschwung des Eisengewerbes in Österreich-Ungarn und auch
in Deutschland durch seine eigenen Ideen und durch seine zahlreichen
Schüler mitgewirkt. Sein Fleiſs und seine Bescheidenheit waren gleich
groſs. Sein Name ist überall bekannt, wo Eisen bereitet wird, und noch bis
vor kurzem lauschte man dem Rate des hochgeehrten, erfahrenen
Greises. Theorie und Praxis der Eisenhüttenkunde harmonisch zu
pflegen, war der Grundsatz, der ihn leitete und den er mit gröſstem Er-
folge verwirklicht hat. Am 4. November 1840 wurde die neue monta-
nistische Lehranstalt zu Vordernberg eröffnet und Tunner feierlich
in sein neues Amt eingeführt. Die Vordernberger Anstalt entwickelte
sich rasch zu gedeihlicher Blüte. Aber die Verhältnisse waren be-
schränkt, und das Bedürfnis, die Anstalt selbständig und unabhängig
zu machen und zu einer selbständigen Akademie für Bergbau und
Hüttenwesen zu erweitern, wurde immer fühlbarer. Der Sturm vom
Jahre 1848 und die Revolution in Ungarn, welche die Thore der
Bergakademie zu Schemnitz für längere Zeit den Ausländern ver-
schloſs, gab die unmittelbare Veranlassung hierzu. Der österreichische
Kaiserstaat übernahm die Lehranstalt und verlegte sie 1849 nach
Leoben. Peter Tunner verblieb an der Spitze der neugegründeten
kaiserl. königl. Montanlehranstalt zu Leoben, die 1861 zur Berg-
akademie erhoben wurde.
In Belgien wurde auf Anregung des Königs Leopold durch Be-
schluſs vom 27. September 1836 eine besondere Bergschule zu
Lüttich gegründet. Am 1. Oktober 1838 erhielt dieselbe ihre voll-
ständige Organisation.
In Spanien wurde 1836 die Bergschule zu Madrid gegründet,
welche die Ausbildung der Staatsingenieure bezweckte, während die
ältere, bereits 1777 gegründete Bergschule zu Almaden für die Aus-
bildung von Unterbeamten bestimmt war.
Nicht unerwähnt darf die Gründung zahlreicher Gewerbe-
vereine in Deutschland innerhalb dieses Zeitraumes bleiben, da die-
selben sich groſse Verdienste um die Ausbreitung technischer Kenntnisse
erworben und zur geistigen Hebung des deutschen Gewerbestandes
[392]Ausstellungen 1831 bis 1850.
viel beigetragen haben. 1830 wurde der Industrieverein für das
Königreich Sachsen und in demselben Jahre der Landesgewerbeverein
für Württemberg gegründet, es folgten die Gewerbevereine von Böh-
men 1833, von Hannover 1834, von Hessen-Darmstadt 1836, von
Braunschweig und von Graz 1838, von Niederösterreich zu Wien 1839,
von Oldenburg 1840 und von Nassau zu Wiesbaden 1845.
Die Industrieausstellungen waren gleichfalls ein wichtiges
Förderungsmittel für die gewerbliche Thätigkeit geworden. Diese
Bedeutung hatten sie zuerst in Frankreich erlangt. Seit Anfang des
Jahrhunderts hatten sich hier diese öffentlichen Schaustellungen der
Arbeitserzeugnisse, die dem französischen Charakter besonders ent-
sprachen, in kürzeren und längeren Zwischenräumen wiederholt. Seit
1830 hatten sie alle 5 Jahre stattgefunden. Ihre wachsende Bedeutung
erkennt man am besten aus der Zunahme der Aussteller. An den
Industrieausstellungen zu Paris waren beteiligt:
In Deutschland begannen die einzelnen Staaten oder die Pro-
vinzen nach 1815 Provinzial- und Landesausstellungen zu veranstalten.
Die erste Industrieausstellung für den preuſsischen Staat wurde 1822
zu Berlin abgehalten, doch war dieselbe nur von 208 Ausstellern
beschickt. Die erste gemeinsame Ausstellung für Deutschland fand
1842 zu Mainz statt mit 715 Ausstellern, dieser folgte 1844 die
deutsche Industrieausstellung zu Berlin mit 3040 Ausstellern. In
Österreich fand die erste Ausstellung für die ganze Monarchie 1835
in Wien mit 594 Ausstellern statt. Bemerkenswert ist ferner die
Ausstellung des österreichischen Gewerbevereins von 1845. In allen
europäischen Industriestaaten kamen in der Periode von 1831 bis
1850 ähnliche Ausstellungen zu Stande. Für die Eisenindustrie waren
die Ausstellungen in Belgien 1835 zu Brüssel mit 631 Ausstellern,
1841 mit 1015 Ausstellern und 1847 mit 1070 Ausstellern von be-
sonderer Wichtigkeit.
Am Schlusse unseres Zeitabschnittes faſste man in England, be-
[393]Physik des Eisens 1831 bis 1850.
sonders auf Anregung des Prinz-Regenten Albert, den Plan zu einer
groſsen Weltausstellung in London.
Verbesserte Patentgesetze trugen ebenfalls zur Entwickelung
der Eisenindustrie bei. In Frankreich wurde am 5. Juli 1844 ein
Patentgesetz erlassen; in den Vereinigten Staaten von Nordamerika
1836, 1837, 1839 und 1842; am 23. September 1842 kam eine Eini-
gung der deutschen Zollvereinsstaaten über die allgemeinen Grund-
sätze des Patentrechtes zu Stande.
Indem wir zu den wissenschaftlichen Fortschritten auf dem Ge-
biete der Eisenhüttenkunde in dem Zeitraume von 1831 bis 1850 über-
gehen, wenden wir uns zuerst zu der Physik des Eisens.
Untersuchungen über das specifische Gewicht hatten folgendes
ergeben. Stahl erleidet bei der Härtung eine Ausdehnung, so daſs
der gehärtete Stahl leichter ist, als derselbe Stahl in weichem Zu-
stande. Hierüber stellten Karsten und Hausmann Ermittelungen
an. Karsten fand
Hierbei war der Stahl Nr. 2 am stärksten, bis zur Weiſsglut,
erhitzt worden.
Hausmann untersuchte Solinger Stahl und fand das specifische
Gewicht von
Durch die mechanische Bearbeitung nimmt das specifische
Gewicht des Eisens zu, und hatte Karsten dafür folgende Zahlen
ermittelt:
Bei Draht war die Zunahme des specifischen Gewichtes von Ma-
terialeisen bis zum dünnsten Draht von 7,7938 bis 7,8425.
Es war bereits früher nachgewiesen worden, daſs bei der Inan-
spruchnahme des Eisens auf seine Festigkeit bleibende und nicht
bleibende Formveränderungen eintreten.
Der berühmte Physiker Weber in Göttingen fand 1), daſs, so-
lange hierbei nicht bleibende Formveränderungen eintreten, die
Wärmeerscheinungen den allgemeinen Gesetzen folgen, so daſs
bei Ausdehnung eine Wärmeverminderung, bei Zusammendrückung
eine Wärmevermehrung eintritt. Bei bleibenden Formveränderungen
treten dagegen immer bedeutende Temperaturerhöhungen ein. Die
Temperatur des Eisens steigt um 100° C., wenn es um ⅛ ausgezogen
oder zusammengedrückt wird. Die Gröſse der Formveränderung steht,
solange die Grenze der vollkommenen Elasticität noch nicht über-
schritten ist, im geraden Verhältnisse zu der Gröſse der Kraft, welche
die Formveränderung hervorgebracht hat.
Die Grenze der Elasticität des Eisens zu kennen ist von
gröſster Wichtigkeit für die Verwendung des Eisens zu Bauzwecken,
für Maschinen, kurz für jede Verwendung, wobei das Eisen haupt-
sächlich auf seine Festigkeit in Anspruch genommen wird. Auch in
dieser Periode wurden eine groſse Anzahl wichtiger Untersuchungen
hierüber angestellt, von denen wir diejenigen von Karmarsch, Hodg-
kinson und Brix2) hervorheben. Die mit Drähten angestellten Ver-
suche von Brix zeichnen sich durch groſse Genauigkeit aus.
Brix fand, daſs der Eisendraht durch Ausglühen ca. 38 Proz.
von seiner Festigkeit verliert. Die Festigkeit des geglühten Drahtes
war nicht gröſser als die des groben Stabeisens, dessen Festigkeit im
Mittel 60000 Pfd. auf den Quadratzoll beträgt.
Die im groſsen angestellten Versuche von Eaton Hodgkinson,
welche er mit Unterstützung der Eisenhüttenbesitzer Fairbairn und
Lillie unternahm, um den für den Bau von Hängebrücken geeignet-
sten Eisenbalken zu prüfen, sind von groſser praktischer Bedeutung 3).
P. Barlow machte im Auftrage der London-Birmingham-Eisen-
bahngesellschaft wichtige Festigkeitsversuche zur Ermittelung der
besten Form der Eisenbahnschienen, deren Befestigung, Unter-
lagen u. s. w. Er veröffentlichte seinen Bericht 1835. Damals waren
die Schienen mit Doppelköpfen in -Form sehr beliebt, weil man
sie umdrehen konnte, wenn die eine Seite abgelaufen war. Barlow
verwarf diese Form und dieses Princip gänzlich und meinte, man
solle sich lieber Mühe geben, den Schienenkopf so gut zu machen,
daſs kein Umlegen nötig sei.
William Fairbairn führte seine Festigkeitsversuche im Auf-
trage von Robert Stephenson aus, als dieser sich mit der Kon-
struktion der Menai-Brücke beschäftigte. Danach widerstand graues
englisches Roheisen einem Drucke von 35 bis 40 Tonnen und einer
Zugkraft von 3 bis 7 Tonnen auf den Quadratzoll und Puddel-
Schmiedeeisen einem Drucke von 12 bis 13 Tonnen und einer Zug-
kraft von 16 bis 18 Tonnen auf den Quadratzoll. Für das Roh-
eisen hat Fairbairn, ebenso wie in Österreich von Mietis1), den
Elasticitätsmodulus zwischen 1100000 und 1700000 schwankend ge-
funden.
Robert Stephenson stellte 1850 selbst eine Reihe von ver-
gleichenden Versuchen über die Festigkeit des mit heiſsem und mit
kaltem Winde erzeugten Roheisens an, zur Prüfung der geeignetsten
Roheisenarten für die High-Level-Brücke zu Edingburgh 2).
Aus diesen und anderen Versuchen ging hervor, daſs der Elasti-
citätsmodulus des Roheisens etwa ½ bis ⅔ der Gröſse des Elasti-
citätsmodulus des Stabeisens beträgt und die absolute Festigkeit der
stärkeren Roheisensorten zu der des Stabeisens etwa im Verhältnis
von 1 : 2¾ steht.
Von groſser Wichtigkeit für die Eisenhüttenkunde waren mehrere
bedeutende Arbeiten über die Wärme. Hohe Wärmegrade zu messen
ist eine schwierige Aufgabe, die bis heute noch nicht ganz gelöst
ist. Daniells3) verbessertes Register-Pyrometer (s. S. 217) war das
beste Meſsinstrument für hohe Temperaturen. Er bestimmte damit
die Schmelzpunkte
Karsten hielt die Angabe bezüglich des grauen Roheisens für
zu niedrig, doch hatte auch Dumas den Schmelzpunkt des Roheisens
zu ca. 1500° C. angegeben.
Statt der direkten Messung wendete man zur Bestimmung hoher
Temperaturen, namentlich des Schmelzpunktes der Metalle, vielfach
ein indirektes Verfahren an. Man brachte das glühende oder ge-
schmolzene Metall in ein Gefäſs mit Wasser von bestimmtem Gewicht
und bestimmter Temperatur. Die Menge des Wassers muſste minde-
stens die vier- bis fünffache des Metalles sein. Der heiſse Körper
gab seinen Überschuſs an Wärme an das Wasser ab. Diese Wärme-
abgabe wurde gemessen und aus den specifischen Wärmen des Wassers
und des betreffenden Metalles die Temperatur des letzteren vor dem
Eintauchen berechnet. Karsten entwickelt für diese Berechnung die
Formel wobei
Nach dieser Formel berechnet sich die Schmelztemperatur des
Roheisens zu 1400 bis 1450° R. = 1750 bis 1812° C., wenn die spe-
cifische Wärme des Roheisens zu 0,1260 angenommen wird.
Der französische Physiker Pouillet1) machte sorgfältige pyro-
metrische Messungen, wobei er sich eines magnetischen Pyrometers
bediente, dessen Angaben er durch eine Messung der Wärmekapacität
des Platins für verschiedene Temperaturen kontrollierte. Das magne-
tische Pyrometer bestand aus einem thermo-elektrischen Paar,
welches eine Magnetnadel in Bewegung setzte, deren Ablenkungen
[397]Physik des Eisens 1831 bis 1850.
gemessen wurden 1). Das Paar bestand aus einem Flintenlauf, in
dessen Schwanzschraubengänge das Ende eines langen und festen
Platindrahtes gelegt war, über welchem die Schraubenmutter dann
zugenietet wurde, so daſs der Draht vollständig bedeckt war. Das
freie Ende des Drahtes ragte aus der Mündung der Seele des Laufes
hervor. An dem anderen Ende des Laufes, dem Schwanzschrauben-
ende, wurde ein Platindraht fest angelötet. Sollte das Instrument
angewendet werden, so setzte man die freien Enden beider Drähte
durch Quecksilber in leitende Verbindung mit einem elektro-magne-
tischen Multiplikator, und der Grad der Abweichung der Nadel
zeigte den Temperaturgrad des erhitzten unteren Endes des Laufes
an, nach den Vergleichungen, welche man für die Grade der Ab-
weichung der Nadel mit gemessenen bekannten Temperaturgraden
gemacht hatte. Pouillet ermittelte auf diese Weise folgende Tem-
peraturen:
Diese Zahlen waren niedriger als alle entsprechenden früher er-
mittelten. Karsten war der Ansicht, daſs sie die Schmelztempera-
turen ohne allen Zweifel viel zu niedrig angeben. Indessen haben
spätere Untersuchungen die gröſsere Richtigkeit und Zuverlässigkeit
[398]Physik des Eisens 1831 bis 1850.
der Pouilletschen Zahlen erwiesen. Die von Karsten und Anderen
angenommenen Hitzegrade waren alle zu hoch.
Zu genauen Wärmemessungen, wie die angegebenen, war eine
sorgfältige Kontrolle der Werte für die specifische Wärme der
verschiedenen Körper ein Bedürfnis. Dieser Arbeit unterzog sich
H. V. Regnault in den Jahren 1840 bis 1843 1). Wir stellen die
von ihm gefundenen Zahlen mit den älteren von Dulong und Petit
in nachstehender Tabelle zusammen:
Tafel der specifischen Wärme folgender Metalle:
Dulong und Petit fanden, daſs die Ausdehnung der Körper bei
höheren Temperaturen eine andere ist als bei niederen Temperaturen.
Sie fanden bei dem Eisen die Ausdehnung für jeden Grad
Rinman hatte schon nachgewiesen, daſs die Ausdehnung von
Rotglut bis zur Weiſsglut bei Stabeisen 3/560, bei Stahl 4/560 und bei
Roheisen 5/560 beträgt, von der gewöhnlichen Temperatur im Sommer
bis zur Weiſsglut bei Stabeisen 7/560, bei Stahl 10/560 und beim Roh-
eisen 12/560. Prinsep ermittelte 1), daſs Guſseisen, wenn es mehrmals
nacheinander erhitzt wird, bei jeder Erhitzung sein Volum bleibend
vergröſsert. Die Schwindung desselben ist abhängig von der Erhitzung
des Eisens über den Schmelzpunkt. Deshalb schwindet das bei heiſsem
Winde erblasene Eisen stärker als das bei kaltem Winde erblasene.
Nach Versuchen auf oberschlesischen Hüttenwerken betrug die Schwin-
dung bei letzterem 1¼, bei ersterem 1½ Proz. (Karsten).
Karsten erwähnt bereits (§. 104) die Thatsache, daſs sich Eisen-
drähte mittels des galvanischen Stromes zusammenschweiſsen lassen.
Oechsle in Pforzheim konstruierte 1836 ein Metallthermometer
aus einer Feder von Silber und Stahl zur Wärmebestimmung des
stark erhitzten Windes. Man konnte mit demselben bequem Tempe-
raturen von 300 bis 400° R. messen 2).
Auf dem Gebiete der Chemie des Eisens sind in dieser Periode
folgende Ergebnisse zu verzeichnen. Berzelius schrieb die ver-
schiedenen Eigenschaften des Eisens zwei verschiedenen allotropischen
Zuständen desselben zu, die er als Ferrosum und Ferricum unter-
schied.
Despretz3) und Dulong zeigten, daſs das Eisenoxyd durch
Kohlenoxydgas in der Hitze zu regulinischem Eisen, unter Bildung
von Kohlensäure, reduziert wird, daſs aber auch die Kohlensäure
durch regulinisches Eisen in starker Hitze zerlegt wird, wobei Kohlen-
[400]Chemie des Eisens 1831 bis 1850.
oxydgas und magnetisches Eisenoxyd gebildet werden. Le Play hat
die desoxydierende Wirkung von Kohlenoxyd auf Eisen-Sauerstoff-
verbindungen noch genauer nachgewiesen 1).
Durch Wasserdampf läſst sich Eisen in der Glühhitze nicht höher
oxydieren als bis zu einem Eisenoxyduloxyd (nach Gay-Lussac-
Regnault).
Despretz fand, daſs Eisen, welches lange Zeit in einem Ammo-
niakstrome erhitzt wurde, 5 bis 11 Proz. an Gewicht zunahm, und er
erklärte dies aus einer Stickstoffaufnahme des Eisens.
Was die Kohlenstoffverbindungen des Eisens betrifft, so
nahm Karsten damals verschiedene Polycarburete des Eisens an und
wies nach, daſs beim Erstarren gröſserer Roheisenmassen eine un-
gleiche Verteilung des gebundenen Kohlenstoffs eintritt. Das Be-
streben der Abscheidung des Kohlenstoffs als Graphit geht scheinbar
von innen nach auſsen, d. h. das innere Eisen, das länger heiſs bleibt,
scheidet mehr Graphit aus als das äuſsere, das rascher erstarrt. Beim
Hartguſs tritt diese Verschiedenheit am deutlichsten hervor. Bei
langsamem Erstarren können die äuſseren Schichten oft 1,75 Proz.
gebundenen Kohlenstoff mehr enthalten als die Schichten in der Mitte.
Berthier hatte Karstens Lehre von der Existenz eines Poly-
carburets angenommen und wollte ein reines Polycarburet von
der Zusammensetzung 81,7 Eisen und 18,3 Kohle gefunden haben 2).
Die Existenz des Polycarburets gab aber Karsten selbst 1846 wieder
auf. Nur das reine Spiegeleisen sah er als Viertelcarburet, Fe 4 C,
und als die einzige bestimmte chemische Verbindung von Eisen mit
Kohlen an (§. 316). Schafhäutl hielt den Stahl für ein Gemenge
verschiedener Eisencarburete von verschiedenen Schmelzpunkten.
Berzelius wies nach, daſs sich Siliciumeisen durch bloſses
Glühen oder Cementieren von Eisenfeilspänen mit feingepulverter
Kieselerde und Kohlenstaub herstellen lasse. Nach Karsten beträgt
der Siliciumgehalt des Roheisens selten weniger als 0,4 Proz., steigt
aber bis 3 Proz. und darüber. Unter fast gleichen Umständen ent-
hält das bei heiſsem Winde erblasene Roheisen wenigstens 0,3 Proz.
Silicium mehr als das bei kaltem Winde erzeugte. Wenn aber auch
die Temperatur im Hochofen Einfluſs auf den Siliciumgehalt hat, so
ist der Einfluſs der Beschickung doch viel bedeutender. Silicium teilt
im allgemeinen dem Eisen keine dem Gebrauche desselben nachteilige
[401]Chemie des Eisens 1831 bis 1850.
Eigenschaften mit. Stromeyer hat besonders genaue und ausführ-
liche Versuche über die Verbindung des Eisens mit Silicium ange-
stellt und Siliciumeisen mit 2¼ bis 9,3 Proz. Silicium dargestellt 1).
Graues Roheisen mit höherem Kohlengehalt ist im allgemeinen ärmer
an Silicium als das mit niederem Kohlengehalt. Kohle und Silicium
ersetzen einander also gewissermaſsen, die Summe beider Stoffe pflegt
im grauen Roheisen 4 bis 8 Proz. zu betragen (Scheerer). Das von
dem flüssigen Kohleneisen aufgenommene Silicium wirkt mit zur
Ausscheidung des Graphits. Der ausgeschiedene Graphit enthält oft
selbst mehrere Prozent Silicium (Schafhäutl). Beim Frischen ist
der Siliciumgehalt nicht nachteilig, vermehrt aber den Eisenverlust
durch Verschlackung. — Schafhäutl schreibt dem Silicium eine
wichtige Rolle bei der Bildung und der Zusammensetzung des
Stahles zu 2).
Schafhäutl fand in einem französischen grauen Roheisen den
ungewöhnlich hohen Aluminiumgehalt von 1,01 Proz.
In Bezug auf den Phosphorgehalt bezeichnete Karsten (§. 190)
0,4 Proz. als die Grenze, bis zu welcher die Abnahme der Festigkeit
des Roheisens noch nicht in einem auffallenden Grade bemerklich
wird. Er behauptet, bei dem Verschmelzen phosphorhaltiger Eisen-
erze werde nicht eine Spur von Phosphor oder von Phosphorsäure in
die Schlacke gebracht, sondern der ganze Gehalt der Phosphor-
säure in der Beschickung sammle sich als Phosphor in dem Roheisen
an und werde von dem Eisen aufgenommen. Dagegen werde bei dem
Umschmelzen des Roheisens in offenen Herden unter Zuführung eines
starken Windstromes ein groſser Teil des Phosphors verschlackt, was
sich namentlich bei der Bereitung von gefeintem Eisen aus grauem
Roheisen nachweisen lasse. Die Abscheidung des Phosphors durch
Verschlackung bedingt aber immer einen beträchtlichen Eisenverlust.
Berthier fand in einem weiſsen französischen Roheisen 2,3 Proz.
und Karsten in einem aus Wiesenerzen erblasenen weiſsen Eisen
5,6 Proz. Phosphor.
Vazie empfahl eine Legierung von 99 Tln. Roheisen und 1 Tl.
Messing wegen ihrer Härte zum Guſs von Pumpenkolben und Ma-
schinenteilen, welche einer starken Reibung unterworfen wären 3).
Wöhler4) wies zuerst einen Gehalt von Arsenik in Roheisen
Beck, Geschichte des Eisens. 26
[402]Chemie des Eisens 1831 bis 1850.
von vier verschiedenen Hütten nach. Schafhäutl fand selbst bei
Dannemora-Eisen einen wenn auch sehr geringen Arsenikgehalt, wäh-
rend Berthier in einem französischen weiſsen Eisen von Alais
4,08 Proz. Arsenik entdeckte; hierbei dürfte aber wohl ein Irrtum
unterlaufen sein.
Dawes entdeckte 1835 zuerst Cyanverbindungen in mit heiſser
Luft und rohen Steinkohlen betriebenen Hochöfen.
Es wurden in dieser Periode eine groſse Zahl von Eisenana-
lysen veröffentlicht, welche infolge der genaueren Untersuchungs-
methoden im allgemeinen zuverlässiger sind als ältere Analysen. Es
ist nicht möglich, dieselben hier wiederzugeben, wir können nur auf
einige derselben verweisen. Karsten hat in seiner dritten Auflage
der Eisenhüttenkunde §. 322 eine Zusammenstellung einer gröſseren
Anzahl solcher Analysen mitgeteilt. Hiervon rührt eine groſse Zahl
von Untersuchungen deutscher Roheisensorten von ihm selbst her.
Schottische und französische Sorten sind von Berthier analysiert,
auſserdem sind Analysen von Daubrée und Wilson aufgeführt. Die
mitgeteilten Stahl- und Stabeisenanalysen sind hauptsächlich von
Wilson und Gay-Lussac, von Thompson und von Karsten.
L. Svanberg analysierte eine Anzahl amerikanischer Roheisensorten 1).
W. A. Miller teilte interessante Eisenanalysen mit 2), welche die
chemische Veränderung des weiſsen Roheisens bei Adduzieren zu
schmiedbarem Guſs nachweisen. Danach hatten das spröde (I) und
das hämmerbare (II) Eisen
Eine Anzahl Stahlanalysen hat Schafhäutl in seiner oben an-
geführten Abhandlung veröffentlicht.
Die chemische Analyse des Eisens hat in dieser Periode groſse
Fortschritte zu verzeichnen. Justus Liebig machte seinen berühm-
ten Verbrennungsapparat für die Analyse organischer Substanzen im
Jahre 1831 bekannt 1). Derselbe erwies sich als vorzüglich geeignet,
um mit demselben den gesamten Kohlenstoff im Eisen zu bestimmen.
Man behandelte dabei das Eisen wie eine organische Substanz, ver-
brannte es durch Überleiten von Sauerstoff in einer Glas- oder Por-
zellanröhre und fing die gebildete Kohlensäure auf. Aus dem Gewicht
der Kohlensäure berechnete man den Kohlenstoff. Da hierbei ein
Verlust nicht stattfinden konnte, so war die Bestimmung des ge-
samten Kohlenstoffes viel sicherer wie früher. Die quantitative Be-
stimmung des Graphits für sich war nicht schwer, da sich dieser
durch Kochen mit Säuren rein abscheiden lieſs. Den genauen Kohlen-
stoffgehalt dieses Rückstandes konnte man ebenfalls durch die Ver-
brennungsanalyse kontrollieren. Dieses neue Verfahren gab demnach
den besten und zuverlässigsten Weg zu der so schwierigen Bestimmung
des Kohlenstoffes im Eisen. Dieser Weg war aber ein beschwerlicher
und langwieriger, der die Kenntnis der Verbrennungsanalyse und
groſse Sorgfalt erforderte.
Es war deshalb natürlich, daſs man für praktische Zwecke nach
einfacheren Verfahrungsarten suchte.
Berthier hat eine vollständige Zusammenstellung aller damals
bekannten Verfahren zur Bestimmung des Kohlenstoffes im Eisen
veröffentlicht 2). Wir erwähnen von diesen nur das Glühen mit Blei-
oxyd und Bestimmung der gebildeten Kohlensäure, ferner die Be-
handlung des Eisens mit Chlor, Brom oder Jod zur Abscheidung der
Kohle, von denen namentlich die Behandlung mit Brom oder Jod
bei Eisensorten, die keinen hohen Siliciumgehalt haben, zu empfehlen
sind. Dieses Verfahren erforderte auch keinen groſsen Zeitaufwand.
Langwierig und umständlich war dagegen das von Berthier als sehr
genau empfohlene Verfahren, das mit destilliertem Wasser über-
gossene fein zerteilte Eisenpulver durch die atmosphärische Luft oxy-
dieren zu lassen. Berthier war der Erste, der das Brom bei der
Eisenanalyse verwendete.
Für eine vollständigere und raschere Verbrennung des Eisens bei
der Bestimmung in Liebigs Verbrennungsapparat brachte Regnault
26*
[404]Chemie des Eisens 1831 bis 1850.
die Mischung mit chlorsaurem Kali und chromsaurem Bleioxyd in
Vorschlag.
Zur Bestimmung des Kohlenstoffes im Eisen auf nassem Wege
hat Berzelius noch die Behandlung mit Kupferchlorid bei niedriger
Temperatur in Vorschlag gebracht.
Alle diese Methoden haben zu der genaueren Bestimmung des
Kohlenstoffes im Eisen beigetragen, doch kann nach Karstens An-
sicht (§. 169) keine derselben Anspruch auf volle Genauigkeit machen
und keine von allen Verfahrungsarten sei im stande, einen Aufschluſs
über den Verbindungszustand des Kohlenstoffs im Eisen zu geben.
1847 machte auch der damalige Lieutenant Franz Uchatius
auf Veranlassung des Feldmarschall-Lieutenants Franz v. Augustin
bei der kaiserl. königl. Geschützgieſserei Versuche über ein für tech-
nische Zwecke brauchbares Verfahren der Kohlenstoffbestimmung im
Eisen. Er schlug hierfür die Verbrennung des Eisens in trockenem
Chlorgas vor.
Die Analyse der Eisenerze bot keine so groſse Schwierig-
keiten, und waren die angewendeten Verfahren hinlänglich genau;
dagegen waren sie für die Praxis zu umständlich und zu langwierig.
Deshalb gab der Hüttenmann der Schmelzprobe immer noch den
Vorzug. Das Bestreben ging aber bereits dahin, die ungenaue Schmelz-
probe durch ein genaues, aber kurzes Verfahren auf nassem Wege zu
ersetzen. Zwei wichtige Methoden, die diesen Zweck erfüllten, wurden
in diesem Zeitabschnitt gefunden, die Fuchssche Eisenprobe und das
Titrierverfahren mit übermangansaurem Kali, die bekannte Mar-
gueritesche Probe.
Die Methode von Fuchs1) gründet sich darauf, daſs die Salz-
säure bei Luftabschluſs kein Kupfer löst, daſs sie dies aber thut,
wenn Eisenoxyd hinzukommt und zwar in dem Verhältnis, als das
Eisenoxyd bei seiner Reduktion in Oxydul Sauerstoff abgiebt. Eisen-
chlorür und Kupferchlorür gehen in Lösung. Kocht man demnach
eine Eisenchloridlösung mit Kupfer, so läſst sich aus der Gewichts-
abnahme des Kupfers die Menge des in der Lösung befindlichen
Eisens berechnen. Diese Methode ist auch anwendbar, um den
Kohlenstoff im Roheisen zu bestimmen, indem man denselben aus
der Gewichtsdifferenz zwischen der Probe und dem ermittelten Eisen
und dessen sonstigen Beimengungen findet. Hauptsächlich eignete
sich das Verfahren aber als Erzprobe und war als solche auch in
[405]Chemie des Eisens 1831 bis 1850.
Anwendung, bis es zu Ende der Periode, um 1846 1), durch die Mar-
gueritesche Probe verdrängt wurde.
Die maſsanalytische Bestimmung des Eisengehaltes von Mar-
guerite beruht auf dem Princip, daſs übermangansaures Kali gelöstes
Eisenoxydulsalz zu Oxydsalz oxydiert. Da das übermangansaure Kali
eine intensiv violette Färbung besitzt, so ist der Augenblick, in
welchem diese Oxydation beendet ist, durch die violette Färbung,
welche die Lösung annimmt, sobald kein übermangansaures Kali mehr
zersetzt wird, leicht zu erkennen. Die Reduction der gelösten Eisen-
oxyd- in Oxydulsalze sollte durch Kochen mit schwefligsaurem Natron
erfolgen; später wendete man dafür metallisches Zink an. Indem
man sich nun eine Normallösung von übermangansaurem Kali, von
der jeder Kubikcentimeter einer bestimmten Menge Eisen entspricht,
bereitet, kann man aus der Zahl der mit Hülfe eines Meſsglases (gra-
duierte Pipette oder Gay-Lussacsche Bürette) zugesetzten Kubik-
centimeter der Normalflüssigkeit die in der Lösung enthaltene Menge
Eisen ermitteln. Das Verfahren ist so auſserordentlich bequem und
für den praktischen Gebrauch so ausreichend sicher, daſs es rasch
überall Eingang fand und sich dauernd erhalten hat. Es muſs als
ein groſser und wichtiger Fortschritt in der Hüttenchemie bezeichnet
werden, der wesentlich zu ihrer allgemeinen Anwendung in der
Praxis beigetragen hat.
Die Zahl der Eisenerzanalysen, welche in diesem Zeitabschnitt
gemacht wurden, ist so groſs, daſs es nicht möglich ist, dieselben
einzeln anzuführen. Eine ausführliche Zusammenstellung aus dem
Anfang der Periode findet sich in dem vortrefflichen Werk von
Berthier, Traité des essais par la voi sèche, im 14. Kapitel. In
Karstens dritter Auflage der Eisenhüttenkunde von 1841 ist eine
groſse Anzahl von Eisenerzanalysen mitgeteilt, von denen wir hier
nur Svanbergs zahlreiche und sorgfältige Analysen schwedischer
Seeerze anführen wollen. Hauptsächlich durch Berthiers und
Karstens Verdienst war die Kenntnis der chemischen Analyse eine
wichtige und unentbehrliche Wissenschaft für den gebildeten Hütten-
mann geworden, sie gehörte bereits sozusagen zu seinem notwendigen
Handwerkszeug.
Kaum minder zahlreich als die Erz- und Eisenanalysen sind die
Schlackenuntersuchungen jener Zeit. Auch diese hat Berthier,
der sich besonderes Verdienst um sie erworben hat, in dem oben
[406]Chemie des Eisens 1831 bis 1850.
angeführten Werke ausführlich zusammengestellt. In drei Tabellen
sind die Analysen von Hochofenschlacken vorgeführt und zwar in
der ersten die von Schlacken, welche beim Verschmelzen oxydischer
Erze in Holzkohlenöfen, in der zweiten die von Schlacken, welche
beim Verschmelzen kohlensaurer Erze mit Holzkohlen, und in der
dritten, die aus Kokshochöfen gefallen sind. Eine weitere Tabelle
zeigt die Zusammensetzung von Schlacken aus catalonischen Herden.
Hierauf folgt eine Tabelle von Frischschlacken von manganhaltigem
Roheisen, eine andere von Frischschlacken von gewöhnlichem Roh-
eisen. Hierauf folgt eine Tabelle von Schlacken und Abfällen von
Puddel- und Schweiſsofenbetrieben mit Steinkohlen.
Berthier beschreibt in demselben Werk, in dem Abschnitt von
den Flüssen, die Ergebnisse seiner zahlreichen Schmelzversuche über
die Schlackenbildung, welche mancherlei Aufschluſs über das Ver-
halten der Eisenerze im Hochofen geben.
Aus diesen Versuchen ergiebt sich, daſs unter den Verbindungen
der Kieselerde mit Kalk- und Thonerde die schmelzbarsten zwischen
den Grenzen (C, A) S2 und (C, A) S½ 1) liegen und daſs die Gemenge
dabei um so schmelzbarer sind, je mehr sich die Basis der Zusammen-
setzung C2A nähert. Die Bittererde verhält sich zu den Silikaten der
Thonerde wie der Kalk, nur sind ihre Schlacken viel strengflüssiger.
Sefström zu Fahlun hat ebenfalls sehr verdienstliche Versuche
über die Schmelzbarkeit der Silikate der Kalkerde, Bittererde und
Thonerde gemacht.
1848 hat Professor Rammelsberg in Berlin eine vortreffliche
Arbeit: Beiträge zur Kenntnis der Eisenhochofenschlacke, veröffent-
licht 2).
Sefström hat auch wesentlich dazu beigetragen, die Eisenprobe
auf trockenem Wege zu verbessern. Sein Verfahren, welches als
„schwedische Eisenprobe“ Verbreitung fand 3), war zunächst auf einen
zweckmäſsigeren Probierofen, einen Gebläseschmelzofen, der als Sef-
strömofen, oder auch kurzweg „Sefström“ in allen Laboratorien und
Probieranstalten Eingang fand, begründet. Sein Vorzug beruhte auf
der besseren Windverteilung. Die Schmelzung der Probe erfolgte da-
bei in Kohlentiegeln, welche in Thontiegeln saſsen.
Da man in dem „Sefström“ Temperaturen erzeugen konnte, welche
den im Hochofen erzeugten nahe kamen, so konnte man richtige
Beschickungsproben anstellen, und darin bestand ein Hauptvorzug
der schwedischen Eisenprobe. Man setzte dabei gewöhnlich das Erz
zuerst ohne allen Zuschlag ein. Es zeigte sich dann nach der Ope-
ration entweder ganz ungeschmolzen oder geschmolzen und zu einer
schaumigen Masse aufgebläht, oder geschmolzen und auf der inneren
Wand des Tiegels herumgespritzt, oder endlich gut geflossen. In
allen diesen Fällen konnte man aus der Erscheinung beurteilen,
welche Art der Beschickung man wählen muſs. Es kam dann
weiter darauf an, deren Mengen zu bestimmen. Dies lieſs sich durch
ein neues Probeschmelzen ermitteln, wobei man mehrere Proben mit
ungleicher Beschickung gleichzeitig einsetzte. Das Aussehen der ge-
bildeten Schlacke nach der Schmelzung zeigte die beste Mischung an,
wobei allerdings auch das Aussehen des Eisenregulus mit zu berück-
sichtigen war.
Neilsons Erfindung der Winderhitzung im Jahre 1829 hat nicht
nur den gröſsten praktischen Einfluſs auf den Hochofenbetrieb und
die Entwickelung der Hochöfen ausgeübt, sondern ist auch die Ver-
anlassung geworden zu einer richtigeren Erkenntnis der Vorgänge
im Hochofen, der Wärmeerzeugung und Wärmeverteilung und damit
zugleich der Theorie der Verbrennung. Diese Fragen sind eng mit-
einander verknüpft, und wenn die Winderhitzung zunächst auch für
den Hochofenbetrieb vorzüglich Verwendung fand, so ist sie doch
von allgemeinerer Bedeutung, und sind praktische und theoretische
Fragen, letztere sowohl physikalischer wie chemischer Natur, hierbei
so ineinander verwebt, daſs es zweckmäſsig erscheint, die Geschichte
der Winderhitzung und der durch sie veranlaſsten Untersuchungen
der Hochofengase und deren Verwendung als Brennmaterial in zu-
sammenhängender Darstellung vorweg zu behandeln, ehe wir zu den
Fortschritten des Hochofenbetriebes und Hochofenbaues in dieser
Periode übergehen.
Neilsons Erfindung der Winderhitzung und ihr groſser Nutzen
für den Hochofenbetrieb zog anfangs der 30er Jahre die Aufmerk-
samkeit aller Eisenhüttenleute auf sich.
Die Ergebnisse, welche Neilson in Verbindung mit Macintosh
und dem Hüttenbesitzer Wilson bei den ersten Versuchen im
groſsen mit den Hochöfen der Clyde-Eisenwerke erzielt hatte, waren
überraschend. Sie fielen noch weit günstiger aus, als man anstatt
der Koks rohe Steinkohle anwendete. Nachfolgende Zusammenstellung
läſst dies mit einem Blick erkennen:
Die vorteilhafte Verwendung der rohen Steinkohle in den
schottischen Hochöfen war die unmittelbare Folge der Anwen-
dung des erhitzten Windes. Erst durch diese wurde auch jenes
Problem erfolgreich gelöst.
Es geschah dies zuerst auf der Calder Eisenhütte im Jahre
1831. Der Erfolg war ein so augenfälliger, daſs in kurzer Zeit fast
alle schottischen Hochofenwerke zum Betriebe mit roher Steinkohle
und heiſsem Winde übergingen. Ende 1835 hatten bereits alle schot-
tischen Eisenhütten auſser der zu Carron Warmwindapparate. Die
Ergebnisse auf der Clydehütte waren, wie aus obiger Tabelle ersicht-
lich, so günstig, daſs nach Einführung des Steinkohlenbetriebes im
Jahre 1833 durch den heiſsen Wind mit derselben Menge Brenn-
material dreimal soviel Eisen geschmolzen wurde und dieselbe Wind-
menge das Doppelte leistete als vordem bei kaltem Winde. Solche
Erfolge machten alle theoretischen Bedenken verstummen und trugen
den Ruf von Neilsons Erfindung im Fluge nach allen eisenerzeugen-
den Ländern.
Wesentliche Fortschritte machte aber auch die Konstruktion
der Winderhitzungsapparate. Nachdem einmal die anfänglichen
Bedenken der Hüttenbesitzer beseitigt und der Nutzen des stärker
erhitzten Windes erwiesen war, zögerte man nicht mehr, selbständige,
zweckmäſsig konstruierte Heizöfen dafür zu bauen. Die unvollkomme-
nen Apparate, wie sie anfänglich auf der Clydehütte von Neilson
angewendet worden waren und die darin bestanden hatten, daſs man
einen Teil der Rohrleitung in einen Kanal legte und sie in diesem
erhitzte, wurden anfangs einfach kopiert und fast unverändert in den
französischen Hütten zu La Voulte und Vienne eingeführt. Zu La
Voulte standen vier Hochöfen in einer Reihe so dicht nebeneinander,
daſs gerade noch die Windleitung dazwischen Platz hatte. Jeder
Hochofen hatte drei Formen. Auf die vier Hochöfen kamen aber nur
neun Feuerungen für die Windleitung, indem der zwischen den Öfen
liegende Rohrstrang für je zwei Windzuführungen zu den beiden be-
nachbarten Öfen dienen muſste. Für die zwölf Windzuführungen
waren also sechs einfache und drei Doppelroste vorhanden. Die beiden
Hochöfen zu Vienne hatten nur je zwei Formen, und kamen auf die
ganze Windleitung drei Roste. Um das Verschieben der Rohre in-
folge der Ausdehnung durch die Hitze zu erleichtern, lieſs man sie
auf eisernen Cylindern ruhen. In die Hauptverbindungsmuffen legte
man Ringe von Asbest ein. Überall, wo man mit heiſsem Winde blies,
bediente man sich der Wasserformen.
Der Hochofen zu Brefven in Schweden hatte nur eine Form und
nur einen Rost; man verlängerte hier die Heizfläche künstlich dadurch,
daſs man dem Rohrstrang mehrere Krümmungen gab. Alle diese
Apparate litten, abgesehen von der geringen Heizfläche, an dem Fehler,
daſs ihre Verbindungsstellen im Feuer lagen und Verengungen und
Erweiterungen der Leitung nicht vermittelt waren. Das Undicht-
werden der Flanschen war der Hauptnachteil dieser Konstruktion.
Neilson konstruierte, um diese Fehler abzuhelfen, seinen Heiſs-
windofen (hot-blast-stove) oder Zwillings-Röhrenapparat, welcher
das Vorbild der englischen Winderhitzungsapparate wurde 1). Der-
selbe bestand in der Hauptsache aus zwei in Mauerwerk eingeschlosse-
nen horizontalen, parallel liegenden Hauptröhren (mains), zwischen
denen sich der tiefer gelegene Rost befand. Beide waren mit einer
Anzahl angegossener Muffen versehen, welche oben aus dem Mauer-
werk herausragten und in welche die Enden der halbkreisförmig ge-
bogenen Verbindungs- oder Bogenröhren (arch pipes) paſsten. Das
Ganze war überdeckt durch ein Tonnengewölbe von Ziegelsteinen,
auf dessen Scheitel sich eine kurze Esse befand. Der Wind gelangte
kalt in das eine Hauptrohr, verteilte sich in die Verbindungsröhren,
in denen er bei seinem Durchgange von der Flamme erhitzt wurde
und trat am entgegengesetzten Ende aus dem zweiten Hauptrohre
heiſs aus. Die Hauptröhren waren 12 Zoll, die Zwillingsröhren 4 Zoll
im Lichten. Man erreichte hierdurch bei noch nicht ⅔ der Heiz-
fläche und etwas über ½ der Rostfläche dieselbe Temperatur, wie
bei dem groſsen Röhrenapparat der Clydewerke, hatte nur wenig
Windverlust an den Verbindungsstellen und eine regelmäſsigere Er-
hitzung.
Dieser Apparat wurde wesentlich verbessert durch den von Neil-
son2) auf dem Calder Eisenwerk angelegten Heber- oder Hosen-
röhrenapparat (syphon pipe oven). Bei diesem waren die Verbin-
dungsröhren ein groſses Stück gerade, im Winkel zu einander gestellt
und oben durch einen Krümmer verbunden, wie dies aus den Ab-
bildungen (Fig. 108 und 109) zu ersehen ist. Durch die langen
Schenkel (legs) der Verbindungsrohre war eine viel gröſsere Heizfläche
gegeben, und man brauchte die Rohre nicht so stark zu erhitzen,
um genügend heiſsen Wind zu erhalten. Zu gleicher Zeit wurden
solche Apparate von Firmstone auf Lays-Eisenhütte bei Dudley in
[411]Winderhitzung 1831 bis 1850.
Staffordshire und von Neilson auf der Calderhütte in Schottland
errichtet. Letzterer wurde am bekanntesten, weshalb man diese
Winderhitzungsöfen später Calder-Apparate nannte.
Der Winderhitzer der Calder-
hütte hatte runde Röhren, während
Firmstones Apparat Röhren von
ovalem Querschnitt, welche eine
noch gröſsere Heizfläche bei gleicher
Fläche darboten, hatte. Diese
Flachrohröfen bezeichnete man in
der Folge häufig als Stafford-
shire-Apparate. Firmstones
Winderhitzungsofen hatte neun Ver-
bindungsrohre, und betrug die
gesamte Heizfläche für jede der drei
Formen des Hochofens 80 Quadrat-
fuſs (7,43 qm) und die Rostfläche
3 Quadratfuſs (0,279 qm).
Neilsons Erfindung gelangte nicht nur in Frankreich, Belgien
und Schweden, sondern auch in Deutschland schon bald nach ihrem
Bekanntwerden zur Einführung. Hier machte bereits 1833 der ver-
dienstvolle Oberberghauptmann von Herder auf den sächsischen
Metallhütten Versuche mit erhitzter Gebläseluft und konstruierte sehr
wirkungsvolle Kastenapparate auf der Muldener und Halsbrücker
Silberhütte bei Freiberg.
Noch früher, nämlich schon im Jahre 1830, hatte bereits der ge-
niale Hüttenmann Faber du Faur1) auf dem königlich württem-
bergischen Eisenhüttenwerk Wasseralfingen seine Versuche mit
erhitzter Gebläseluft begonnen. Die ersten derselben machte er in
der Zeit vom 27. Oktober bis 13. November 1830. Er mauerte kurz
hinter den Düsen eines Hochofens die eisernen Windröhren auf eine
Länge von ca. 4 Fuſs ein, so daſs das Rohr direkt durch die Mitte
des Ofens weg über dem Rost, auf dem ein gleichmäſsiges Feuer
unterhalten wurde, herlief; also ganz ähnlich wie auf den Clyde-
Iron-Works. Er konnte aber bei diesen Versuchen keine Vorteile
finden.
Ein Jahr später, den 23. Oktober 1831, begann Faber du Faur
seine ersten Versuche mit Einführung des erwärmten Windes bei den
Kupolöfen zu Wasseralfingen. An den beiden Frontseiten des Kupol-
ofens errichtete er zwei gut ziehende Windöfen von 9½ Fuſs Höhe
im Lichten, durch welche das Ende der beiden Windleitungen doppelt
[413]Winderhitzung 1831 bis 1850.
geführt wurde, so daſs auf beiden Formseiten die Windröhren je auf
eine Länge von 19 Fuſs stark erhitzt werden konnten. Der Erfolg
war ein sehr guter, der Brennmaterialaufwand verminderte sich be-
deutend. Störend war dabei nur das rasche Verbrennen der Form,
weshalb auch Faber Bedenken trug, die Einrichtung sofort bei den
Hochöfen anzuwenden und beschloſs, den nächsten Einbau eines
Hochofens abzuwarten, bei dem er ein besseres feuerfestes Material
und durch Aufstellung eines Röhrenapparates auf der Plattform
des Hochofens die Gicht-
flamme zur Erwärmung
des Windes zu verwenden
gedachte.
Der erste Versuch hier-
mit wurde bei dem Friedrichs-
ofen am 9. November 1832
gemacht. Der Wind zeigte
sich auſserordentlich heiſs,
und war eine sehr vorteil-
hafte Einwirkung des warmen
Windes auf den Hochofengang nicht zu verkennen. Obgleich nur
ein kleiner Teil der Gichtflamme in den Glühofen eingelassen wurde,
so stieg die Hitze in demselben dennoch bald so sehr, daſs der
unterste Röhrenring weich wurde und sich senkte, was die Fort-
setzung des Versuches unmöglich machte. Dies führte ihn zu der ver-
besserten Konstruktion, Fig. 110, 111 u. 112, deren Hauptvorteil darin
bestand, daſs die Krümmer und ihre Verbindungen mit den Heiz-
rohren auſserhalb der Flamme zu liegen kamen und daſs man ein
[414]Winderhitzung 1831 bis 1850.
etwa schadhaft gewordenes Rohr ohne bedeutende Unterbrechung des
Betriebes durch ein neues ersetzen konnte. Der Wind trat bei der
obersten Rohrlage ein und bewegte sich von oben nach unten dem
heiſsen Teile des Ofens zu. Diese Konstruktion hat sich ausgezeichnet
bewährt und fand in der Folge überall unter dem Namen „Wasseral-
finger Apparat“ Eingang.
Am 3. Dezember 1832 war dieser neue Winderhitzer fertiggestellt.
Vom 1. bis 3. Dezember erhielt sich der Erzsatz auf 7¼ Ctr., und
nach dem Gange des Friedrichsofens, der bereits ein ziemlich flüssiges
graues Eisen lieferte, war eine bedeutende Erhöhung der Erzgichten
nicht mehr zu erwarten. Faber glaubte deswegen, daſs der richtige
Moment zur Anwendung des warmen Windes nunmehr eingetreten
sei und lieſs am 3. Dezember abends die Gichtflamme und den Wind
in den neuen Apparat eintreten. Mit der Erwärmung des Windes
änderte sich sofort der Gang des Ofens in einen starken Gargang,
der eine schnell aufeinanderfolgende Erhöhung des Erzsatzes zulieſs.
Bis zum 7. Dezember war letzterer bereits auf 8½ Ctr. gestiegen,
und der Gang des Ofens immer noch in so hohem Grade gar, wie
Faber ihn noch nie zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte, so
daſs er noch eine sehr bedeutende Erhöhung des Erzsatzes und mit-
hin eine sehr groſse Ersparnis an Brennmaterial zu erreichen er-
wartete. Die neue Vorrichtung zum Wärmen des Windes zeigte sich
zu dem Zwecke vollkommen entsprechend, und eine Störung in ihrem
ferneren Betriebe, meinte Faber, sei durchaus nicht zu befürchten.
Ebenso bewährten sich auch die eingerichteten Wasserformen auf
das vollkommenste, indem sie bei dem auſserordentlich hitzigen Gange
nicht im mindesten angegriffen wurden.
Am 22. April 1833 erfolgte die Einführung des warmen Windes
auch bei dem zweiten Hochofen, dem Wilhelmsofen.
Über die Veränderungen des Ofenbetriebes durch den warmen
Wind am Wilhelmsofen in Wasseralfingen geben die nachstehenden
Zahlen näheren Aufschluſs:
Es betrug der Brennmaterialaufwand bei kaltem Winde in den
6 Wochen, der 76. bis 81. Betriebswoche, vom 31. März 1833 an
für 100 Pfd. Roheisen 148 Pfd. Holzkohlen, das Erzausbringen
30,76 Proz., die durchschnittliche Wochenproduktion 53968 Pfd. Roh-
eisen. Bei warmem Winde in den 4 Wochen, der 128. bis 131. Be-
triebswoche, vom 30. März 1834 an pro 100 Pfd. Roheisen 110,5 Pfd.
Holzkohlen, das Erzausbringen 32,22 Proz., die durchschnittliche
Wochenproduktion 79638 Pfd. Roheisen.
Durch die Einführung des warmen Windes ergab sich also eine
Ersparnis an Brennmaterial von 25 Proz., während das Ausbringen
aus dem Erz um 4,5 Proz. und die Wochenproduktion um 32,2 Proz.
erhöht wurde.
Ofenbau, Düsenweite und Windpressung waren für beide Kam-
pagnen dieses Ofens dieselben 1).
Der Apparat Faber du Faurs hatte 16 Röhren. Die Dichtung
der Röhren und der Krümmer geschah durch Kupferdraht und Rost-
kitt, die Verbindung durch Schrauben.
Die Winderhitzung wurde aber nicht nur bei den Hochöfen, son-
dern ebenso bei Kupolöfen, Frischfeuern, den Metallschmelzöfen, kurz
bei fast allen Schmelzprozessen angewendet, und erhielten die Appa-
rate die verschiedenste Gestalt, wie es gerade dem Zweck entsprach.
Es würde zu weit führen, auf die Entstehungsgeschichte dieser un-
zähligen Modifikationen hier einzugehen; wir können nur einiges All-
gemeine darüber sagen und Beispiele dafür anführen.
Die älteren Winderwärmungsapparate 2) teilt man am besten in
Kastenapparate und Röhrenapparate ein. I. Die Kasten-
apparate zerfallen in solche mit einem Kasten ohne Züge im
Innern, wie sie bei kleinen Feuern, z. B. für ein Zainfeuer der Creutz-
burger Hütte in Schlesien und bei dem Grosseschen Apparat für
Schmiedefeuer angewendet wurden, und in solche mit inneren Zügen,
wie bei einem Schmiedefeuerapparat zu Kleinboden in Tirol, einem
in Frankreich und einem englischen Frischfeuer. Apparate mit
mehreren plattenförmigen Kästen waren die oben erwähnten von
Herder auf der Muldener Hütte.
II. Die Röhrenapparate waren
1. solche mit einer gerade fortlaufenden Röhre, wie zu Clyde, la
Voulte, Vienne und Brefven;
2. solche mit einem System mehrerer einfacher, gerader Röhren,
welche entweder (a) aufrecht standen, wie in dem Calderschen
[416]Winderhitzung 1831 bis 1850.
Apparate, oder (b) horizontal lagen, wie in dem Wasseralfinger. Von
diesen gab es wieder so viele Unterarten, daſs wir dieselben nachher
besonders betrachten wollen;
3. solche mit ineinandersteckenden Röhren, wie sie auf der gräfl.
Einsiedelschen Hütte zu Gröditz und dem englischen Hochofen zu
Codnor-Park ausgeführt waren;
4. solche mit aufrechtstehenden, gekrümmten Röhren, wie sie bei
Kupolöfen, z. B. in der königl. Eisengieſserei zu Berlin, angewendet
wurden;
5. solche mit ring- und spiralförmig gewundenen Röhren, wie sie
bei den Hochöfen zu Malapane, Königshütte, Creutzburg und bei
vielen Frischfeuern eingeführt wurden.
Der Unterschied der Winderhitzungsapparate lag aber nicht allein
in der Konstruktion der Heizgefäſse, sondern auch in der Art der
Feuerung. In dieser Beziehung zerfielen die Winderhitzer in solche,
die durch eigene Feuerungsanlagen, und solche, die durch eine abge-
leitete Wärmequelle erhitzt wurden. Hierfür bot sich am natürlichsten
die dem Hochofen entweichende Gichtflamme dar, wie es Faber
du Faur gezeigt hatte, und die man dann auch sehr bald an vielen
Orten zu diesem Zwecke verwendete.
Schon früher hatte man es versucht, die Wärme der Gichtflamme
auszunutzen, indem man sie zum Kalkbrennen, Erzrösten und auch
bei den Hochöfen mit Gieſsereibetrieb zum Trocknen der Lehm- und
Wasserformen verwendete. Aubertot hatte schon 1811 ein Patent
auf die Benutzung der Gichtgase zu Heizzwecken erhalten, und
Berthier hatte bereits 1814 auf die Tragweite dieser Erfindung auf-
merksam gemacht.
Eine allgemeine und erfolgreiche Benutzung der Gichtflamme
fand aber erst in Folge der Einführung der Winderhitzung statt;
diese führte sehr bald zum Auffangen und Ableiten der Hochofengase
und zwar zuerst in Deutschland. Es war dies ein weiterer wichtiger
Fortschritt, zu der die Anwendung des erhitzten Gebläsewindes Ver-
anlassung gegeben hat.
In England, wo die Hochöfen bei den Steinkohlengruben lagen
und der Wert des Brennmaterials fast keine Rolle spielte, war das
Bedürfnis der Ausnutzung der Gichtflamme weniger groſs. Auch
waren die Hochöfen in England durchschnittlich viel höher, die Lei-
tung von dem Apparat bis zur Form muſste deshalb länger und kost-
spieliger und die Abkühlung der Gase infolgedessen gröſser sein.
In England hielt man deshalb an Neilsons Auffassung fest, der
[417]Winderhitzung 1831 bis 1850.
von Anfang an groſsen Wert darauf gelegt hatte, daſs die Feuerung
für die Winderhitzung eine selbständige sei und nahe an der Form
liege. Er hatte diese Forderung sogar in seine Patentbeschreibung
aufgenommen und ging so weit, bei allen seinen Anlagen für jede
Form eine besondere Feuerung zu konstruieren.
Wesentlich anders lagen die Dinge dagegen in Deutschland und
überall da, wo der Wert des Brennmaterials sehr in Betracht ge-
zogen werden muſste. Da bedeutete die Benutzung der Gichtflamme
für die Winderhitzung eine beträchtliche Ersparnis. Als deshalb
Faber du Faur in Wasseralfingen seinen Röhrenapparat auf die
Gicht des Hochofens stellte und ihn durch die Gichtflamme heizte, so
fand diese Anordnung ebenso wie der Apparat selbst sofort Nach-
ahmung, und man suchte überall auf dem Kontinent die Wind-
erhitzungsapparate durch die entweichende Hitze der Öfen, für welche
jene bestimmt waren, so-
wohl der Hochöfen, als der
Kupolöfen, Frischfeuer u. s. w.
zu bewerkstelligen. Dies
beeinfluſste vielfach wieder
die Konstruktion der
Apparate.
Folgende Beispiele sol-
len die im Anfang dieser
Periode angewendeten Wind-
erhitzer etwas näher erläu-
tern. In Deutschland waren
die horizontalen Röhren-
apparate (II, 2 b) am ver-
breitetsten. In Fig. 113 haben wir bereits den von Faber du Faur
in Wasseralfingen erbauten Röhrenapparat mit Gichtflammenheizung
vorgeführt.
In der Zeichnung stellt A die Gicht des Hochofens vor, von
welcher die Gichtflamme durch den Kanal oder Fuchs K in den
Winderhitzungsapparat gelangt. Die vier Lagen der Heizröhren sind
durch entsprechende Lagen guſseiserner Platten voneinander geschieden,
durch diese wird die Flamme gezwungen, in dem Ofen über die
Röhren hin- und herzustreichen. Der Zug wird reguliert und verstärkt
durch die Esse e.
Bei dem Hochofen des königl. bayerischen Eisenwerkes zu Sont-
hofen, der auch nur mit einer Form blies, war der Röhrenapparat
Beck, Geschichte des Eisens. 27
[418]Winderhitzung 1831 bis 1850.
ganz ähnlich in Konstruktion und Aufstellung; die Gichtflamme trat
aber hier über der obersten Röhrenlage ein und strich nach unten,
von wo sie durch zwei Züge abgeführt wurde. Die Windleitung von
der Gicht zur Form war in einen an den Hochofen angebauten Kanal
gelegt, um die Abkühlung zu vermindern.
Es war ein schon von Neilson festgehaltener Grundsatz, den
Wind der Heizstelle entgegenströmen zu lassen, so daſs der heiſsere
Wind auch dem heiſseren Teile der Feuerung begegnete.
Der Winderhitzungsapparat auf dem königl. bayerischen Hütten-
werk zu Weyerhammer war dem von Sonthofen ähnlich, doch hatte er
weniger, aber weitere Heizröhren. Dagegen hatte der Winderhitzer
für den Hochofen zu Lendersdorf bei Düren 24 Röhren in sechs
Lagen, durch welche sich der Wind in zwei geteilten Strängen von
oben nach unten bewegte, während die Gichtflamme ungehindert von
unten nach oben den Apparat durchstrich und durch die aufgesetzte
Esse entwich. Der heiſse Wind wurde in einem Rohrstrang, welcher
in einen weiteren eingeschlossen und wobei der Zwischenraum mit
Sand ausgefüttert war, nach unten geführt, wo er sich wieder teilte
und durch zwei Formen in den Ofen trat.
Der Winderhitzungsapparat auf der Hütte zu Lauchhammer be-
stand aus drei Lagen von je sechs Röhren, wurde aber nicht durch
die Gichtflamme, sondern durch eine Rostfeuerung geheizt. Auch hier
trat der Wind oben ein und bewegte sich durch die Rohre nach
unten der Feuerstelle zu.
Auf dem königl. bayerischen Eisenwerk Maximilianshütte lag ein
System von sieben Rohren in zwei Lagen horizontal über den Gicht-
öffnungen von zwei Kupolöfen, deren Wind durch dieselben erhitzt
wurde.
Bei den schwedischen Hochöfen zu Osterby und Ankarsrum mün-
dete immer eine Anzahl horizontaler Röhren (fünf oder sechs) in
einen gemeinschaftlichen Kasten, durch den der Wind dem darüber-
oder darunterliegenden Rohrsystem zugeführt wurde. Zu Osterby
lagen diese Rohrsysteme übereinander, zu Ankarsrum nebeneinander.
Jeder Apparat hatte seine selbständige Rostfeuerung.
Auf der Löhnberger Hütte zu Weilburg hatte man in ähnlicher
Weise ein System von 19 vertikalen Röhren durch Kappen (Kasten)
oben und unten verbunden. Dieser Apparat stand unmittelbar über
der Gicht und wurde von der Flamme umspült.
Von denjenigen Winderhitzern, bei welchen, wie bei dem Calder-
schen (s. Fig. 108), eine Anzahl aufrecht stehender Röhren von einer
[419]Winderhitzung 1831 bis 1850.
gemeinschaftlichen Hauptröhre ausgingen (II, 2 a), erwähnen wir den
auf dem fürstl. Auerspergischen Eisenwerk zu Hof in Illyrien er-
bauten, welcher direkt über der Gicht stand. Die Gichtflamme um-
spülte die Hosenröhren und entwich durch eine darüber gebaute
Esse. Ähnliche kleinere Apparate wendete man bei Kupolöfen, z. B.
zu Rübeland im Harz und in England, an. von Herder teilt die
Abbildung eines anderen englischen Apparates mit, bei dem, ähnlich
wie bei dem Winderhitzer der Löhnberger Hütte, ein Ring von ver-
tikalen Röhren die Gichtöffnung umgab, welche oben und unten
durch Ringkasten verbunden waren. Bei dem Kupolofen zu Gleiwitz
bildete das horizontale Hauptrohr ebenfalls einen Ring, welcher die
Gichtöffnung umgab; von diesem gingen drei senkrechte Heber-
rohre aus.
Ein eigenartiger Winderhitzer mit Gichtflammenheizung war auf
einem Hochofen in Staffordshire in Anwendung. Unmittelbar über
der Gicht stand ein doppelwandiger Cylinder, der unten und oben
geschlossen war. Die Innenwand dieses Cylinders war durch neun
übereinander liegende Reihen von je drei Röhren, von der immer die
folgenden mit den vorhergehenden in gekreuzter Stellung standen,
verbunden. Die Gichtflamme muſste durch dieses sich kreuzende Netz
von Röhren durchstreichen und erhitzte den durch die Röhren strö-
menden Wind. Dieser Apparat stand ganz frei, ohne jede Ein-
mauerung.
Bei dem Eisenwerk zu Monkland hatten die beiden parallelen
Hauptröhren die Gestalt von aufrecht gestellten Hufeisen (Fig. 114
und 115). Diese waren durch eine Anzahl horizontaler Röhren mit-
einander verbunden, welche ein Gewölbe bildeten, in das die Flamme
einer Steinkohlenfeuerung strömte.
Bei dem schon erwähnten Apparat zu Gröditz mit ineinander-
27*
[420]Winderhitzung 1831 bis 1850.
gesteckten Röhren (II, 3) strömten die Feuergase einer selbständigen
Feuerung durch das enge Rohr in der Mitte und umspülten gleich-
zeitig das weite Rohr, so daſs der Wind, der durch das Rohr von
ringförmigem Querschnitt strömte, von allen Seiten erhitzt wurde.
Die Rohre lagen horizontal in drei Reihen von je drei Rohren und
waren die Windrohre durch Stutzen miteinander verbunden.
Anders war die Konstruktion der ineinander gesteckten Rohre zu
Cadnor Park (Fig. 116). Hier trat der kalte Wind durch das innere
Rohr, das nicht bis auf den Boden ging, ein, strömte dann um dieses
innere Rohr zurück, um wieder in das innere Rohr der zweiten
unteren Lage einzutreten und so in das umgebende weitere untere
Rohr, welches der Hitze am meisten ausgesetzt war, zu gelangen.
Von den Apparaten mit ring- und spiralförmig gewundenen
Wärmeröhren (II, 5) bildete der auf dem badischen Eisenwerk Hau-
sen ein System von zwei Lagen konzentrischer Ringe, welches un-
mittelbar über der Gichtöffnung stand und nur mit einer gewölbten
Esse überbaut war.
Sehr bemerkenswert war der Winderhitzungsapparat des Hoch-
ofens zu Malapane in Schlesien. Derselbe war in die Gicht einge-
baut, aber so, daſs diese in keiner Weise verengert oder das Aufgeben
verhindert wurde. Dieses war dadurch erreicht, daſs man zwei ring-
förmige, 16 Zoll hohe und 4 Zoll weite Kasten so in die obere
Schachtwand einlieſs, daſs ihre inneren Flächen mit dem lichten Um-
fang des Schachtes zusammenfielen. Fig. 117 zeigt diese Anordnung.
So zweckmäſsig dieselbe erscheinen mag, so hat sie sich doch nicht
bewährt. Die Erwärmung des Windes war eine ungenügende, während
[421]Winderhitzung 1831 bis 1850.
umgekehrt die Abkühlung des Ofens in der Nähe der Gicht so groſs
war, daſs die stets zinkführenden Hochofengase weit rascher wie sonst
Versetzungen durch zinkischen Gichtschwamm herbeiführten.
Auf der Königshütte hatte man einen Apparat mit sechs hori-
zontalen Heizröhren, welche kreisförmig um ein mittleres Rohr ge-
lagert waren. Die Verbindungsmuffen lagen auſserhalb des Mauer-
werks des Ofens. Derselbe hatte eine selbständige Steinkohlenfeuerung.
Ganz eigentümlich war der Winderhitzungsapparat der Creutz-
burger Hütte. Derselbe bestand aus einem Rohrstrang, der in drei-
facher Windung um den inneren Ofen-
schacht in der halben Höhe zwischen
Gicht und Rast eingemauert war.
Spiralförmiger Rohrsysteme bediente
man sich öfter bei den Frischfeuern,
wo diese Apparate dann in der Esse an-
gebracht wurden. Beispiele dafür liefern
die Hütten zu Hausen, Weiherhammer,
Gröditz und Lauffen. Lueg auf der
Gutehoffnungshütte hatte ebenfalls einen
solchen Apparat konstruiert 1).
Aus dieser kurzen Übersicht ist
zu ersehen, welche groſse Mannigfaltig-
keit der Formen sich bei den Warmwind-
apparaten bereits im ersten Jahrzehnt
ihres Bestehens — alle die angeführten
Apparate sind vor dem Jahre 1839 ent-
standen — herausgebildet hatte. Auch
ist daraus zu erkennen, wie rasch die Winderhitzung in allen eisen-
erzeugenden Ländern Verbreitung fand. In England und Wales führte
in wenigen Jahren die Hälfte aller Eisenhütten das neue Verfahren
ein und in Schottland wurden alle Hochöfen, auſser zu Carron,
mit heiſsem Wind betrieben. Der Gewinn der Hüttenbesitzer war ein
auſserordentlicher; aber wie so manchmal miſsgönnten gerade die, die
den gröſsten Vorteil davon hatten, dem armen Erfinder seinen berech-
tigten Anteil aus der Patentgebühr 2). Es waren die Herren Baird,
die Besitzer der Gartsherriehütte, der gröſsten Hochofenanlage
Schottlands, die 1839 den unrühmlichen Schritt thaten, Neilson die
[422]Winderhitzung 1831 bis 1850.
bedungene Gebühr zu verweigern, sein Patent anzufechten und ihn in
einen langen kostspieligen Prozeſs zu verwickeln, obgleich sie zugeben
muſsten, daſs sie in 10 Jahren einen reinen Nutzen von 260000 £
und im Jahre 1840 allein 54000 £ durch die Erfindung erzielt hatten.
Die Bairds hatten ihre Hintermänner besonders an den Hüttenherren
in Wales, die ebenfalls gern ohne Kosten die Erfindung ausgenutzt
hätten. Der Besitzer der Eisenwerke von Ystalifera, James Palmer
Budd, verstieg sich sogar zu der kühnen Behauptung: „Kalter Wind
sei ökonomischer, er erzeuge mehr Eisen bei geringeren Kosten für
Löhne und Materialien.“ Die Richter aber entschieden zu Gunsten
des Erfinders. Sehr bald danach führte der genannte Budd die
Winderhitzung auf seiner Hütte ein. Mushet und andere sach-
verständige und gerechte Gutachter erklärten dagegen öffentlich:
Neilsons Erfindung verdiene hinsichtlich der Entwickelung des
Nationalwohlstandes mit Recht, Arkwrights Spinnmaschine an die
Seite gestellt zu werden.
Neilson gewann denn auch seinen Prozeſs, und das Ein-
kommen aus seiner Erfindung bereitete ihm einen behaglichen Lebens-
abend. In der That hat die Anwendung des heiſsen Windes einen
vollständigen Umschwung der Roheisenfabrikation herbeigeführt. War
auch der Erfolg nicht überall so in die Augen springend wie in
Schottland, so war er doch allerwärts sehr bedeutend. Die Anwen-
dung des heiſsen Windes erhöhte die Produktion und verringerte
die Kosten.
Es entwickelte sich über die Anwendung des heiſsen Windes eine
umfangreiche, vielseitige Litteratur, aus der wir im Anschluſs an
das Obige das Wichtigste hier kurz hervorheben wollen.
1833 veröffentlichte in Frankreich Emil Gueymard einen amt-
lichen Bericht über die ersten Versuche der Anwendung des heiſsen
Windes beim Hochofenbetriebe zu Vienne 1). Aus demselben geht
hervor, daſs die Herren Taylor de Lunont und Beugon ein Aus-
landspatent (Brevet d’importation) für das englische Verfahren in
Frankreich erhalten hatten und daſs die Hütte zu Vienne die erste
war, welche dasselbe einführte. Während man bei kaltem Winde
für 100 kg Roheisen 254,87 kg Koks verbraucht hatte, erforderten
100 kg bei heiſsem Winde nur 131,82 kg, wozu noch 14,42 kg Koks
als Äquivalent für die zur Winderhitzung verbrauchten Steinkohlen
[423]Winderhitzung 1831 bis 1850.
hinzuzurechnen waren. Die Brennmaterialersparnis übertraf also noch
⅜, was dem in Schottland und England durchschnittlich erreichten
Verhältnisse entsprach. Dazu kam eine Ersparnis an Kalkstein von
25 Proz. Bei den Kupolöfen hatte man in England, nach den Mitteilun-
gen von Taylor, Brennmaterialersparnisse von 50 Proz. erzielt. Man
bediente sich zu Vienne eines Apparates ähnlich dem der Clydehütte.
Später wurde derselbe durch einen verbesserten Taylorschen ersetzt.
1833 erschien ferner ein umfassender amtlicher Bericht von Du-
frénoy über die Anwendung des heiſsen Windes in den schottischen
und englischen Eisenhüttenwerken 1). „Dieses Verfahren“, schreibt er,
„welches seit vier Jahren in den Hüttenwerken in der Nähe von
Glasgow Eingang gefunden und dieselben vor sicherem Untergang
errettet hat, hatte Mühe, die Grenzen Schottlands zu überschreiten;
indessen beginnen die fast wunderbaren Erfolge die Vorurteile zu
besiegen, so daſs es sich mehr und mehr auch in England aus-
breitet … Ich kenne 21 Hütten mit 67 Hochöfen, welche mit heiſsem
Winde gehen, davon sind in Schottland 6, in Flintshire 1, in Derby-
shire 3, in Staffordshire 7, in Wales 2. Auf den meisten derselben
wird Gieſsereiroheisen erzeugt, aber man erbläst auch Frischereiroh-
eisen mit heiſsem Winde, und die Puddel- und Walzwerke der Tyne-
Iron-Works bei Newcastle und Cadnor Park bei Derby verarbeiten
nur mit heiſsem Winde erblasenes Roheisen.“ Auf den Clydewerken
war es auch, wo man zuerst die Wasserformen von den Feineisen-
feuern auf die Hochöfen übertrug und die Koks durch rohe Stein-
kohlen ersetzte. Eine Änderung des Hochofens wurde durch die Ein-
führung des heiſsen Windes zunächst nicht nötig. Man blies mit
einer Pressung von 2½ Pfd. auf den Quadratzoll oder von 5 Zoll des
Quecksilbermanometers.
Das Calder Eisenwerk war die zweite groſse Hütte in Schottland,
die heiſsen Wind beim Hochofenbetriebe angewendet hatte. Der neue
Erhitzungsapparat daselbst kostete nach Dufrénoys Berechnung für
einen Hochofen mit drei Formen 3280 Franken. Man gab zu Calder
die Kosten des Winderhitzungsapparates für eine Form zu 35 £ an.
Monkland-Iron-Works war die dritte Hütte, welche den Betrieb
mit heiſsem Winde einführte und sich dabei des Seite 419 darge-
stellten Röhrenapparates bediente.
Auf allen diesen Werken hatte man die Koks durch rohe Stein-
kohlen ersetzt und dieselben glänzenden Ergebnisse erzielt.
Die Erfolge auf der Birtlyhütte bei Newcastle in England, wo
man mit Koks schmolz, waren nicht so bedeutend, kamen aber der
Ersparnis, wie man sie auch auf den schottischen Werken mit Koks-
betrieb erzielt hatte, gleich.
Auf dem Tyne-Eisenwerk erblies man in demselben Ofen Gieſse-
rei- und Frischereiroheisen mit heiſsem Winde, wobei man nur den
Erzsatz änderte. Auf diesem Werke wendete man zuerst den heiſsen
Wind auch bei den Kupolöfen an und verbrauchte dabei nur 130 kg
gegen 200 kg bei kaltem Winde auf die Tonne Roheisen. Die Pro-
duktion stieg in der gleichen Zeit auf das Doppelte. Die Wind-
erhitzungsapparate waren über der Gicht der Kupolöfen angebracht.
Butterley-Iron-Works und die Werke von Cadnor Park in Derby-
shire gehörten Herrn Jessop, einem der tüchtigsten Eisenindustriellen
Englands. Derselbe führte 1833 den Betrieb mit heiſsem Winde ein
und bediente sich dabei der ineinander gesteckten Röhren oder der
Ringröhren-Apparate (pipe within pipe ovens). Aus dem so erblasenen
Roheisen wurden Kesselbleche und bessere Stabeisensorten erzeugt.
Auf der Eisenhütte zu Wednesbury hatte Herr Forster von der
Firma Lloyd, Forster \& Co. den Winderhitzungsapparat direkt
über die Gicht gestellt. Es war dies damals der einzige Apparat in
England, der mit Gichtgasen geheizt wurde. Obgleich der Apparat
sehr kompliziert war, so erzielte man mit der Gichtflamme allein
doch nur eine Temperatur von 360° F. (= 182° C.). Um heiſseren
Wind zu erhalten, muſste man sich noch einer besonderen Stein-
kohlenfeuerung bedienen.
In Wales wendeten anfangs nur zwei Hütten, die zu Warteg und
Bleanavon, heiſsen Wind an. Die groſsen Werke bei Merthyr-Tydvill
verhielten sich ablehnend gegen die neue Erfindung. Hierzu wirkten
verschiedene Gründe mit. Zunächst war der Brennmaterialverbrauch
auf den südwalesischen Hütten bereits ein so geringer, daſs die Ersparnis,
namentlich bei dem billigen Preise der Kohlen, nicht so sehr ins Ge-
wicht fiel, wogegen bei den niedrigen Gestehungskosten die Patentgebühr
von 1 sh für die Tonne mehr wie anderswo in Betracht kam. Die Groſs-
industriellen von Wales schlossen sich deshalb von vornherein der Oppo-
sition gegen Neilson, welche hauptsächlich gegen diese Gebühren
ankämpfte, an. Auſserdem waren die Apparate, in welchen auf den
groſsen Hüttenwerken Dowlais und Cyfartha die ersten Versuche mit
heiſsem Winde gemacht worden waren, sehr unvollkommen und des-
[425]Winderhitzung 1831 bis 1850.
halb das Ergebnis wenig befriedigend gewesen. Es scheint aber auch
eine groſse Voreingenommenheit auf Seiten der reichen und selbst-
bewuſsten Groſsindustriellen von Süd-Wales, welche bis dahin mit
Geringschätzung auf die schottische Hochofenindustrie, die von ihnen
so bedeutend überflügelt worden war, herabgeblickt hatten, bestanden
zu haben, sonst läſst es sich nur schwer erklären, daſs die Anwen-
dung des heiſsen Windes in Wales so spät erfolgte.
In Frankreich fielen die ersten Versuche des Hochofenbetriebes
mit heiſsem Winde, welche zu Vienne im Departement Isère gemacht
wurden, wie bereits erwähnt, in das Jahr 1832. In demselben und
in dem folgenden Jahre wurde der Betrieb mit heiſsem Winde ein-
geführt auf den Hütten zu Torteron (Nièvre), La Voulte (Ardêche)
und Rieuperoux bei Grenoble.
Der Winderhitzungsapparat, welchen M. Brigues, der verdienst-
volle Erbauer des schönen Puddel- und Walzwerkes von Fourcham-
bault, zu Torteron errichten lieſs, war wie der von Vienne nach dem
Muster des Apparates von Neilson auf dem Clydewerke konstruiert.
In dem Hochofen von Torteron wurde mit einem Gemenge von Holz-
kohlen und Koks geschmolzen. Ebendaselbst wurde auch ein Kupol-
ofen mit heiſsem Winde betrieben, und war der Winderhitzungsappa-
rat dafür von Jeffries in London bezogen. Als Hauptvorteil erschien
dabei die gröſsere Produktion.
Auf der Hütte von La Voulte wurde der Betrieb mit heiſsem
Winde im September 1833 begonnen. Der Apparat war nach dem
von Clyde von dem Civilingenieur Philipp Taylor konstruiert.
Später wurde derselbe mit einem Calder-Apparat vertauscht. Die
Resultate waren sehr günstig. Der Kohlenverbrauch sank von 2057 kg
auf 1210 kg für die Tonne Roheisen, einschlieſslich der für die Wind-
erhitzung verbrauchten Kohlen. Die Tagesproduktion war von 7000 kg
auf 11000 kg, später sogar auf 14000 kg gestiegen.
Zu Rieuperoux erzielte Gueymard ähnliche Resultate bei einem
Holzkohlenhochofen 1). Auſser in diesen Werken wurde bis 1835 die
Winderhitzung auf den Eisenhütten von Terrenoire und Janon bei
St. Etienne, zu Alais, Firminy, Decazeville und zu Ancy le France
eingeführt. Zu Janon hatte man einen Taylor-Apparat.
In Belgien fand die Anwendung des erhitzten Gebläsewindes
erst sehr spät statt. Es scheint, daſs die abfälligen Urteile der eng-
lischen Groſsindustriellen von Süd-Wales hierzu beigetragen haben.
In Deutschland schenkte man dagegen der wichtigen Erfin-
dung von vornherein die Beachtung, die sie verdiente, und das theo-
retische Verständnis der Wirkung der heiſsen Luft wurde hauptsäch-
lich in Deutschland gefördert. Die Verdienste Faber du Faurs zu
Wasseralfingen haben wir bereits erwähnt. Die Nachbarhütten folgten
rasch seinem Beispiel. Zu Königsbronn in Württemberg stellte man
alsbald nach dem Erfolge in Wasseralfingen einen Röhrenapparat auf.
Auf den badischen Hütten zu Hausen und Albruck wurde schon seit
dem Frühjahr 1832 warmer Wind verwendet.
Faber du Faurs vortrefflicher Winderhitzungsapparat hat zur
Ausbreitung des Schmelzverfahrens mit heiſsem Winde in Deutsch-
land wesentlich beigetragen. Den ersten Bericht darüber verdanken
wir dem französischen Bergingenieur Voltz, der denselben in den
Annales des mines 1833 veröffentlichte 1). Die Kohlenersparnis durch
den erhitzten Wind betrug ¼ bis ⅓, die Jahresproduktion stieg von
60000 auf 80000 Ctr. Zu Königsbronn wendete man den heiſsen
Wind mit Erfolg auch beim Frischbetriebe an und ersparte dabei ⅙
an Brennmaterial.
In Sachsen wurde der erhitzte Wind zuerst auf dem Latter-
mannschen Hochofen zu Morgenröte bei Eibenstock im Jahre 1833
angewendet.
Um dieselbe Zeit begann man mit den Versuchen in Ober-
schlesien. Hierbei erwarb sich der Hütteninspektor Wachler zu
Malapane besonderes Verdienst. Er hatte als Winderhitzungsapparat
den oben beschriebenen ringförmigen Kasten in der Gicht des Hoch-
ofens zu Malapane konstruiert. Obgleich er damit keine hohen
Temperaturen erreichte und seinen Wind erst nach vierwöchent-
lichem Betriebe auf 140° R. brachte, so erzielte er doch sehr günstige
Resultate, die er 1834 veröffentlichte 2). Während man zur Erzeu-
gung von 1 Ctr. Roheisen bei kaltem Winde 26,6 Kubikfuſs Holz-
kohle gebraucht hatte, waren bei heiſsem Winde nur 18,1 Kubik-
fuſs nötig. „Vergleicht man den elfwöchentlichen Betrieb mit
heiſser gegen den früheren mit kalter Luft, so ergiebt sich eine Er-
sparung von reichlich ¼ Holzkohlen und von mehr als ¼ des Fluſs-
kalkes. Auſserdem war das Eisen für den Gieſsereibetrieb viel
flüssiger …“
1836 wurde die Winderhitzung auf der königl. Hütte zu Gleiwitz
[427]Winderhitzung 1831 bis 1850.
eingeführt. Ein Calderscher Apparat erwärmte den Wind auf 150 bis
200° C. Die Koksersparnis betrug 25 Proz., die Mehrerzeugung
14,4 Proz.
1834 war mit der Winderhitzung auch auf den gräfl. Einsiedel-
schen Werken zu Lauchhammer, Gröditz und Burghammer begonnen
worden.
Im folgenden Jahre veröffentlichte Oberhütteninspektor Schäffer
die Ergebnisse, welche auf der Sayner Hütte mit heiſsem Winde er-
zielt worden waren 1). Auch hier hatte die Windtemperatur nur 190
bis 200° betragen. Im ganzen ergab sich eine Ersparnis von 16¾ Proz.
Brennmaterial, 5⅓ Proz. Eisenerz und 34 Proz. Kalkstein; dabei hatte
die Produktion eine Zunahme von 64 Proz. erfahren.
Wachler in Malapane setzte seine Untersuchungen über die Vor-
teile des heiſsen Windes ununterbrochen fort, indem er denselben nicht
nur beim Hochofen-, sondern auch bei dem Kupolofen-, Frischfeuer-
und Schmiedebetrieb einführte. Es würde zu weit führen, Einzelheiten
aufzuführen, wir müssen uns mit einem kurzen Auszuge aus dem
Gesamtergebnis, welches Wachler in einer Abhandlung 1838 ver-
öffentlicht hat, begnügen 2). Hiernach verläuft der Hochofenprozeſs
bei der Anwendung erhitzter Gebläseluft von Anfang an günstiger,
die chemischen Reactionen sind stärker, die Schlacken flüssiger, lichter
von Farbe und enthalten weniger Eisen, sowohl als chemisch gebun-
denes Eisenoxydul, als auch als mechanisch eingemengtes Wascheisen.
Die Formen sind leuchtender, nasen wenig, und es bilden sich keine
Ansätze von Frischeisen. Der ganze Betrieb ist ein regelmäſsigerer,
und kann durch die höhere oder geringere Temperatur des Windes
der Rohgang und Gargang vermindert werden, ohne den Erz- und
Kohlensatz zu ändern, also ohne Schaden für den Ofen, und rascher
als durch andere Mittel. Beim Kippen der Gichten und sonstigen
Störungen wirkt eine Steigerung der Windtemperatur günstig. Das
Ausbringen und die Produktion sind gröſser. Das Gieſsereieisen wird
verbessert, indem es sehr flüssig, hitzig, grau, feinkörnig und dicht
[428]Winderhitzung 1831 bis 1850.
wird. Das Frischereiroheisen wird nicht verschlechtert; die relative
Haltbarkeit des Eisens nicht verringert. Bei zinkischen Erzen ist
der heiſse Wind nicht schlechter wie der kalte, der Betrieb wird aber
verbessert, wenn man mit kaltem und heiſsem Winde periodisch
wechselt. Das An- und Ausblasen geht rascher von statten. Der
Kernschacht leidet weniger, die Rast nicht mehr so wie sonst. Die
Kohlenersparnis beträgt 15 bis 30 Proz., die Ersparnis an Zuschlag-
kalk 8 bis 14 Proz., die Produktion ist 20 bis 30 Proz. höher als früher
unter gleichen Umständen.
Beim Kupolofenbetriebe mit heiſsem Winde ist ebenfalls der
Gang des Ofens ein besserer. Man bedarf nur des halben Kalkzu-
schlages, um flüssige Schlacke zu erhalten; die Produktion wird um
⅔ vergröſsert, das Eisen flüssiger, hitziger, dünner und grau. Die
heiſse Luft gestattet das sonst nie erreichte Umschmelzen mit Holz-
kohlen in 5 Fuſs hohen Kupolöfen mit viel geringerem Kohlen-
verbrauch. Die Kohlenersparnis beträgt bis 40 Proz., der Eisenabgang
wird um 4 bis 5 Proz. vermindert.
Beim Frischfeuerbetriebe fällt bei heiſsem Winde infolge des
hitzigen Ganges mehr Rohschlacke und fast keine Garschlacke; da-
durch wird der Abbrand vermindert. Die Produktion wird dagegen
nicht vergröſsert, indem durch den rohen Gang der Prozeſs eher ver-
langsamt wird. Man muſs deshalb auch Form und Düsen weiter
nehmen. Die Qualität des Eisens ist gut. Die Kohlenersparnis be-
trägt 25 Proz., das Mehrausbringen 6 bis 7 Proz.
Diese günstigen Erfahrungen Wachlers wurden in Deutschland
an vielen Plätzen bestätigt, wenn auch nicht überall. Im Harz
hatte man den heiſsen Wind 1834 auf der Rothehütte, 1835 zu Tanne,
1837 auf der Altenauer Hütte eingeführt. Zu Rothehütte verminderte
sich der Kohlenverbrauch von 124 Pfd. auf 99 Pfd. für 100 Pfd. Roh-
eisen, die Temperatur des Windes hatte 140° R. betragen; auf der
braunschweigischen Hütte zu Tanne sank der Kohlenverbrauch von
151½ Pfd. auf 108 Pfd. bei 220° R. Windtemperatur. Dabei war der
Ofengang ein regelmäſsigerer und das Gieſsereieisen kam sehr warm
aus dem Ofen.
Wir erwähnen noch folgende deutsche Hochofenwerke, auf welchen
die Winderhitzung in den 30er Jahren zur Einführung gelangte: Erla
bei Schwarzenberg in Sachsen 1834; Sonthofen, Maximilianshütte bei
Traunstein, Bodenwöhr und Weyerhammer in Bayern; Rommershausen
1836 und Veckerhagen in Kurhessen; Lendersdorf bei Düren, Sayner-
hütte bei Coblenz u. a. m. in Preuſsen; ferner in Österreich bei zwei
[429]Winderhitzung 1831 bis 1850.
Hochöfen zu Jenbach und Kiefer in Tirol (1836), zu Flachau und
Dienten in Salzburg, auf dem gräfl. Christallniggschen Eisenwerke zu
Eberstein im Klagenfurter Kreise. In Steiermark und Kärnten fürchtete
man dagegen, daſs der heiſse Wind ungünstig auf die Qualität des
Eisens einwirken würde. In Böhmen wurde 1836 zu Franzensthal,
Herrschaft Zbirow, und in Niederungarn zu Rhonitz 1837 der Betrieb
mit erhitztem Winde bei den Hochöfen eingeführt.
Bei Kupolöfen wurde die Winderhitzung in vielen Gieſsereien
versucht.
Von Frischhütten, welche mit heiſsem Winde betrieben wurden,
erwähnen wir Kleinboden, Kastengstall, Kiefer, Kessen, Pillersee und
Jenbach in Tirol, das gräfl. Eggersche Eisenwerk zu Feistritz, Silberne
Aal bei Clausthal, Rothehütte, Rübeland, Tanne und Königshütte im
Harz, Lauffen am Rhein und Königsbronn in Württemberg.
In Schweden wurden die ersten Versuche mit heiſsem Winde
beim Hochofenbetriebe im Sommer 1833 auf der Hütte zu Brefven
vorgenommen. Besitzer derselben war Oberst von Arkarswärd; die
Versuche wurden unter der Leitung des Direktors der schwedischen
Hochöfen, af Uhr, vorgenommen. Der Gichtenwechsel erfolgte etwas
langsamer als bei kaltem Winde, und zwar im Verhältnis von 20.51
zu 20.10 Gichten in 24 Stunden, da man aber einen stärkeren Erz-
satz geben konnte, erhöhte sich dennoch die Produktion von 13,19
auf 15,02 Schiffspfund in derselben Zeit; dabei sank der Kohlenver-
brauch von 13,21 Tonnen auf 10,92 Tonnen auf 1 Schiffspfund.
Im folgenden Jahre, 1834, wurde der Betrieb mit heiſser Luft
auf dem Eisenhüttenwerke Ankarsrum eingeführt. Man hatte hier
einen besseren Winderhitzungsapparat als zu Brefven. Die Resultate
sind aus folgender Tabelle ersichtlich.
Auf 100 L.-Pfd. erzeugtes Roheisen betrug der Aufwand an
Der Holzverbrauch zur Winderhitzung berechnet sich auſserdem
auf 0,17 Tonnen Holzkohlen auf 100 L.-Pfd., so daſs der ganze
Kohlenverbrauch sich auf 36,17 Tonnen und die Kohlenersparnis auf
40 Proz. stellt.
Ferner wurde in demselben Jahre der Betrieb mit erhitzter Ge-
bläseluft auf dem Eisenhüttenwerke Åker, wo Kanonen und schwere
Maschinenteile gegossen wurden, eingeführt. Auf der Eisenhütte
Dromsgö führte man den Betrieb des Hochofens mit heiſsem Winde
abwechselnd auf graues Gieſsereieisen und auf weiſses Frischereiroh-
eisen. Die Resultate waren auch auf diesen Hütten sehr günstig.
Nachdem der groſse Nutzen der Winderhitzung bekannt geworden
war, lag der Gedanke nahe, die Erhitzung des Windes einfach dadurch
zu erreichen, daſs man ihn durch oder über glühende Kohlen leitete.
Diese Idee hatte sich Thomas Botfield bereits am 2. Januar 1828,
also ehe Neilson mit seiner Erfindung hervorgetreten war, in Eng-
land patentieren lassen, doch wollte er sich dabei des natürlichen
Luftzuges bedienen und wendete auch keine geschlossenen Heizkammern
an. Der Vorschlag fand keine Beachtung und blieb Projekt. Nach-
dem aber Neilsons Verfahren bekannt geworden war und sich
bewährt hatte, erfaſste der Franzose Cabrol, früher Direktor der
Eisenwerke zu Decazeville, diese Idee und konstruierte einen Appa-
rat, in welchem die Gebläseluft, ehe sie in den Hochofen eintrat,
direkt mit einem Steinkohlenfeuer in Berührung kam. Der Apparat
bestand in einem geschlossenen guſseisernen Kasten, welcher eine
Rostfeuerung umschloſs, und in den der Wind aus dem Regulator
unten einströmte und oben mit den heiſsen Verbrennungsgasen ge-
mengt abströmte. Diesen Apparat, welchen Cabrol „Apparat mit
gekohlten oder reduzierenden Gasen“ (Appareil à gaz carbonés ou à
gaz réducteurs) nannte, lieſs er sich in Frankreich patentieren. Im
Oktober 1834 wurde derselbe bei einem Hochofen zu Alais in Ge-
brauch genommen. Er soll eine sehr hohe Windtemperatur erzeugt
und die Produktion sich dadurch verdoppelt haben. Der Ingenieur
Thibaud hat hierüber einen Bericht veröffentlicht 1), auf welchen wir
verweisen. Im folgenden Jahre ergaben Versuche zu la Forézie
(Aveyron) noch günstigere Resultate.
Nachdem Cabrols Apparat und die Versuche zu Alais öffentlich be-
schrieben und bekannt geworden waren, nahm C. P. Devaux, Kauf-
mann in London, am 8. Oktober 1835 ein Patent auf einen ähnlichen
Apparat. Fig. 118 stellt Devaux’ Winderhitzungsapparat dar 2). Durch
K strömt die kalte Luft in den Kasten, gelangt in den Aschenfall M,
durchdringt den Rost F und die darauf verbrennenden Kohlen und tritt
[431]Die Wirkung des heiſsen Windes.
aus dem Feuerungsraum C erhitzt und mit den Verbrennungsgasen
gemengt in das Ausguſsrohr D. Wenn nun auch die durch die Ver-
brennung der Kohlen erzeugte Wärmemenge vollständig von dem durch-
streichenden Windquantum aufgenommen wird und ein Wärmeverlust
nicht stattfindet, so wird doch der Sauerstoff der atmosphärischen Luft,
welcher sich schon durch den beigemengten Stickstoff in einem ver-
dünnten Zustande befindet, durch die indifferenten Verbrennungsgase
noch mehr verdünnt und in seiner Wirkung herabgesetzt. Es scheint, daſs
die Erfolge, welche die ersten Versuche gehabt haben sollen, sich in der
Praxis nicht bestätigt haben. 1834 wurde dieses System auch bei
dem mit Holzkohlen betriebenen Hochofen zu Chèvres (Nièvre) ein-
geführt, wurde aber hier wie auch noch auf einigen anderen Werken
bald wieder verworfen.
Spätere Berichte über die Anwendung dieser Winderhitzungs-
apparate liegen nicht vor, so daſs dieselben sich nur als ein inter-
essantes Experiment darstellen. Jedenfalls erwies sich die Verwendung
der Gichtgase zur Winderhitzung, welche jeden Aufwand von Kohlen
unnötig machte, als vorteilhafter.
Es dauerte ziemlich lange, bis die Theorie den richtigen Auf-
schluſs über die erstaunliche Wirkung des heiſsen Windes im
Hochofen zu geben vermochte. Anfangs erschien diese Wirkung
rätselhaft, denn sie war viel gröſser, als der Wärmemenge, die mit
dem erhitzten Winde dem Ofen zugeführt wurde, entsprach. Diese
Wärmemenge fand ihr praktisches Maſs in der zur Erwärmung ver-
wendeten Brennmaterialmenge. Die Ersparnis, die durch die Wind-
erhitzung beim Hochofenbetriebe erzielt wurde, war aber viel beträcht-
licher als diese Brennstoffmenge, die fast gegen jene verschwand. Die
Wirkung muſste also noch auf etwas ganz anderem beruhen. Auf was
[432]Die Wirkung des heiſsen Windes.
aber, blieb unbegreiflich, solange noch keine Klarheit über das Wesen
der Verbrennung und das Wesen des Hochofenprozesses bestand. Indem
man die Wirkung des heiſsen Windes zu erklären suchte, wurde man
zum Verständnis der Bedeutung der Verbrennungstemperatur, des
pyrometrischen Wärmeeffektes und damit zu dem des Hoch-
ofenprozesses hingeführt.
Berthier hatte bereits angenommen, daſs die Wirkung der er-
hitzten Gebläseluft weder in der gröſseren Ausfluſsgeschwindigkeit des
Windes, wie manche behaupteten, noch in der Temperaturerhöhung
der Luft an und für sich zu suchen sei, sondern in dem Verbrennungs-
prozeſs. Er nahm an, daſs der Sauerstoff durch die Erwärmung in
einen Zustand versetzt werde, in dem er sich rascher verbinde, so
daſs die Verbrennung eine intensivere werde. Diese Annahme Ber-
thiers war wohl richtig, da sie aber nicht erwiesen war, blieb sie
mehr eine Ahnung als eine Erklärung.
Dufrénoy versuchte die Wirkung des erhitzten Windes aus
einer höheren Temperatur im Hochofen herzuleiten. Das Vorhanden-
sein dieser höheren Temperatur erweise sich aus den Erscheinungen.
Woher sie komme, lasse sich bis jetzt nicht erklären. Teilweise
rühre sie daher, daſs die kalte Luft, welche durch den Ofen gejagt
werde, eine groſse Abkühlung bewirke, welche durch die vorherige
Erwärmung der Luft sehr vermindert werde. Die Luftmenge, welche
mittels des Gebläses durch einen Hochofen getrieben wird, ist aller-
dings eine sehr groſse, nicht nur dem Volum, sondern auch dem Ge-
wicht nach. Sie betrug bei einem schottischen Hochofen damals
2800 Kbfſs. in der Minute, oder nahezu 125 kg. Die Luftmenge, die in
24 Stunden den Ofen durchströmte, berechnete sich danach auf etwa
180 Tonnen. Verglich man diese Luftmenge mit den festen Substanzen,
welche durch die Gicht in den Ofen gelangten und welche nur
44 Tonnen betrugen, so erkannte man, welche Wärmemenge dem
Hochofen dadurch entführt wurde, daſs diese groſse Luftmenge von
einer mittleren Temperatur von 10° beim Eintritt auf die Temperatur
von 332° beim Austritt erhitzt werden muſste.
Diese Wärmeentziehung ist bei dem erhitzten Winde um so
geringer, je mehr sich der Grad der Erhitzung beim Eintritt schon
der letztgenannten Gröſse nähert. Dazu kam noch, daſs das wirkliche
Luftquantum bei heiſsem Winde unter gleichen Umständen kleiner
war, und zwar sollte dieses Verhältnis bei den schottischen Öfen sich
wie 2100 zu 2800 Kbfſs. verhalten und dem entsprechend weniger
Luft zu erhitzen sein. Daſs diese Erklärung aber nicht genügte, die
[433]Die Wirkung des heiſsen Windes.
Wirkung des heiſsen Windes im Hochofen zu erklären, da die Menge
Brennmaterial, welche die in Frage kommende Erwärmung bewirkte,
viel zu klein war, sah Dufrénoy wohl ein. Er nahm deshalb zur
weiteren Erklärung seine Zuflucht zu unbekannten chemischen Vor-
gängen, welche durch den erhitzten Wind bewirkt würden. Er nahm
an, daſs gewisse bituminöse und gekohlte Gase vorhanden seien, deren
Verbrennung durch die heiſse Luft bewerkstelligt würden, während
sie sich gegen die kalte Luft indifferent verhielten. Er giebt aber
zu, daſs uns jeder Maſsstab für diese Wärmebildung fehle. Mit dieser
unklaren Phrase war nichts erklärt.
Einen viel besseren Weg zu der richtigen Erkenntnis schlugen
die Deutschen E. Pfort und H. Buff im Jahre 1835 ein, nämlich
den des Experimentes. Pfort war hessischer Hütteninspektor, und
Buff, der spätere berühmte Physiker, damals ein junger Lehrer an
der höheren Gewerbeschule in Kassel. Veranlassung zu der Unter-
suchung gab die Betrachtung des Betriebes eines Kupolofens zu
Veckerhagen mit erhitzter Luft, welcher sehr günstige Resultate ge-
geben hatte. Daſs das zugeführte Wärmequantum diese nicht allein
bewirkt haben konnte, ergab die einfache Betrachtung, daſs 1 Tl.
Kohle hinreicht, um 70 Tle. Wasser von 0 auf 100° zu erwärmen.
Da sich aber die specifische Wärme der Luft zu der des Wassers wie
0,267 zu 1 verhält, so erwärmt 1 Tl. Kohle 70/0,267 = 262 Tle. Luft
von 0 auf 100°. 100 Tle. Luft enthalten gerade genug Sauerstoff,
um 8,24 Tle. Kohle in Kohlenstoff zu verwandeln. Die 262 Tle. Luft
genügen demnach zur vollständigen Verbrennung von 22 Tln. Kohle,
und 1 Tl. Kohle genügt, um 23 Tle. andere Luft von 0 auf 100° zu
erwärmen. 1/23 würde demnach die Ersparnis an Brennmaterial sein
müssen, wenn diese allein von der mitgebrachten Wärme des 100°
heiſsen Windes herrührte. Da diese Ersparnis aber in Veckerhagen
und an vielen anderen Plätzen viel gröſser war, so müssen hierbei
noch andere Ursachen mitwirken.
Um nachzuweisen, ob ein chemischer Einfluſs mit im Spiele sei,
ahmten die Genannten den Vorgang nach, indem sie eine Glasröhre
mit kleinen Kohlenstückchen füllten, die Röhre glühend machten und
mit einem Blasebalge das eine Mal kalte, das andere Mal heiſse Luft
durchbliesen und die Verbrennungsgase über Quecksilber auffingen.
Eine bemerkenswerte Verschiedenheit der Verbrennungsprodukte lieſs
sich nicht nachweisen, wohl aber war der Verlauf der Verbrennung
ein ganz verschiedener. Die Verbrennung mit kalter Luft verbreitete
Beck, Geschichte des Eisens. 28
[434]Die Gichtgase als Brennmaterial.
sich über einen groſsen Teil der Kohlenstücke, während die Ver-
brennung mit heiſser Luft nur an dem vordersten Ende, aber mit
auffallend gröſserer Lichtentwickelung, vor sich ging. Die kalte Luft
konnte bei dem Zutritt zu den Kohlen nicht unmittelbar verbrennen,
sondern muſste erst zu ihrer Entzündungstemperatur erwärmt werden.
Hierzu ist eine gewisse Zeit erforderlich, während welcher die be-
wegte Luft ihren Weg fortsetzt. Dadurch verbreitet sich die Ver-
brennung über einen viel gröſseren Raum und ist an keinem Punkte
so intensiv, wie bei der Verbrennung mit heiſser Luft, welche in einem
engbegrenzten Raume sich vollzieht, in welchem der Kohlenstoff voll-
ständig zu Kohlensäure verbrennt. Wo man hohe Temperatur im
Schmelzraume braucht, wie im Hochofen, eignet sich deshalb heiſse
Luft mehr wie kalte.
Diese interessanten Versuche waren die Vorläufer zu Bunsens
bahnbrechender Arbeit über die Hochofengase, zu welcher sie um so
mehr Veranlassung geben konnten, als Bunsen ebenfalls Lehrer an
der Gewerbeschule in Kassel und mit dem oben Genannten befreun-
det war.
Wachler stellt sich bei seiner Erklärung der Wirkung des
heiſsen Windes vollständig auf die Grundlage, welche Pfort und
Buff gegeben hatten. Er erklärt die Wirkung der heiſsen Luft
durch ihre vollständige Verbrennung mit Kohle zu Kohlensäure in
einem engen Raume vor den Formen, während bei dem kalten Winde
die Verbrennung zum Teil noch im Schacht des Hochofens sich voll-
ziehe. Doch legte er auch besonderen Wert auf die höhere Spannung
der Luft, welche durch die Erhitzung bewirkt werde.
Nach Wachlers Beobachtungen soll eine Temperatur von 180
bis 200° R. am geeignetsten für Holzkohlenöfen sein. Eine Tempe-
ratur von 300° wirke zwar günstig auf das Ausbringen, mache aber
das Eisen weniger haltbar. In England galt es dagegen als Regel,
daſs bei Koks- und Steinkohlenbetrieb die Temperatur des Windes
die Bleischmelzhitze (322° C.) erreichen müsse.
Daſs die Einführung des erhitzten Windes die Verwendung
der Gichtgase als Brennmaterial zur Folge hatte, haben wir
bereits erwähnt. Faber du Faur war es, der mit seinem zweck-
mäſsig konstruierten Winderhitzungsapparat auch die Benutzung der
[435]Die Gichtgase als Brennmaterial.
Hochofengase zur Feuerung in Deutschland verbreitete. Es war eine
allgemein bekannte Thatsache, daſs die Gichtflamme um so gröſser,
heiſser und leuchtender ist, je mehr die Beschickung im Schachte
sinkt. Diese Erfahrung lieſs vermuten, daſs die Hochofengase um so
heizkräftiger sind, je tiefer im Schachte sie aufgefangen werden.
Faber du Faur fand dies bestätigt und machte Gebrauch davon,
indem er die Gase nicht von der Oberfläche der Beschickung, der
Gichtöffnung, ableitete, wie es Aubertot gethan hatte, sondern in
einiger Tiefe unter der Gicht, wo noch kein Zutritt der äuſseren Luft
stattfinden konnte, durch einen oder mehrere Abzugskanäle, welche
mittels eiserner Röhren hergestellt wurden, ableitete und sie durch
eine Rohrleitung dem Apparat zuführte. Obgleich die Gase dadurch
soviel abgekühlt wurden, daſs sie bei ihrem Austritt nicht mehr von
selbst brannten, so war doch ihre Wirkung eine stärkere, wenn man
Luft zuführte und das Gemisch dann entzündete.
In England hatte ein gewisser Moses Teagne am 17. Januar 1831
ein Patent auf die Benutzung der Gichtflamme der Hoch- und Kupol-
öfen zur Vorbereitung der Erze und Mineralien für das Ausschmelzen
genommen 1). Dieses Patent geht aber in keiner Weise über das-
jenige Aubertots von 1811 hinaus und spricht nur von „der Flamme
und Hitze, welche aus der Gicht der Gebläse- oder Kupolöfen ent-
weicht“. Diese will er durch einen oder mehrere Öfen, Apparate u. s. w.,
welche in der Nähe der Ofengicht sich befinden, leiten. Die Art der
Aufstellung dieser Apparate war allerdings ähnlich der, welche Faber
du Faur anfänglich anwendete. Dieser leitete aber schon Ende 1832
die Gase aus dem mit Holzkohlen betriebenen Hochofen durch einen
unter der Gicht angebrachten, aufsteigenden und mit eisernen Platten
ausgekleideten Kanal ab und führte sie dem Winderhitzungsapparat
zu, welcher unmittelbar neben der Gicht stand (vergl. Fig. 110). Da
sich die Gase beim Niedersinken der Gichten meist schon in dem
Kanal entzündeten, so war es auch bei diesem Apparat mehr auf die
Ausnutzung der Gichtflamme, als der selbständigen Verwendung der
Gichtgase als Brennmaterial abgesehen. Die Art der Abführung der
Gase durch einen unter der Gicht angebrachten Abzugskanal führte
aber zu letzterer.
Faber du Faur machte Versuche, die abgeleiteten Hochofen-
gase auch zu anderen Heizzwecken zu verwenden, indem er sie in
Herden und Flammöfen zu benutzen suchte. Leider fehlen über diese
28*
[436]Die Gichtgase als Brennmaterial.
Versuche vor dem Jahre 1837 alle Nachrichten, und die aus der Zeit
nach 1837 sind auch nur höchst spärlich und ungenügend. Faber
du Faur hat nichts durch den Druck veröffentlicht. Er hielt seine
Erfindungen geheim, weil er sie finanziell ausbeuten wollte.
Um dieselbe Zeit begann man in Frankreich, die Gichtgase auſser
zur Winderhitzung auch zum Darren und teilweisen Verkohlen des
Holzes in guſseisernen Kästen, welche auf der Gicht standen und von
den Gasen umspült wurden, zu verwenden. Dieses Verfahren wurde
zuerst auf der Hütte zu Bièvres eingeführt, und die Erfinder Houzeau-
Moiron und Feauveau-Déliars erhielten
dafür am 17. Februar 1835 ein Patent auf
15 Jahre. Sie erhoben eine Prämie von
1200 Franken jährlich von jedem Ofen,
bei dem ihr Verfahren eingerichtet wurde.
Fig. 119 ist ein Querschnitt eines solchen
Apparates. Die Hochofengase erhitzten erst
einen Taylorschen Winderhitzungsapparat,
umspülten darauf die eiser-
nen Holzdarrkästen B B
und traten dann in die Esse.
Die Darrkästen wurden, so-
bald die Verkohlung ge-
nügend vorgeschritten war,
durch Ziehen der Thür D in
eisernen, mit einem Deckel
verschlieſsbaren Kästen C
entfernt, wo man die Rot-
kohle sich abkühlen lieſs.
Der Ingenieur Th. Virlet
hat sich eingehend mit
diesem Gegenstande be-
schäftigt und in den Annales des Mines von 1836 eine Abhandlung
darüber veröffentlicht.
Im Jahre 1836 erhielt Victor Sire, Hüttenbesitzer zu Clerval,
ein Patent auf ein Verfahren, Stabeisen mittels der Hochofengase zu
fabrizieren. Er führte aber sein Verfahren nicht aus und überlieſs
es 1841 Ebelman.
1837 waren Faber du Faurs Versuche zu Wasseralfingen zu
einem Abschlusse gelangt. Es war ihm gelungen, Eisen mit abgelei-
teten Hochofengasen zu frischen, und er bot sein Verfahren mit den
[437]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
dafür erforderlichen Einrichtungen und der Inbetriebsetzung gegen
eine Vergütung von 4000 Thlrn. den Eisenhüttenbesitzern an 1).
Faber du Faur gebührt unbedingt die Priorität der Erfindung und
der praktischen Ausführung der Ableitung und Verbrennung der Gicht-
gase, was allseitig, namentlich auch von den Franzosen selbst anerkannt
wurde. Delesse schreibt 2) 1842 ausdrücklich Faber du Faur das
Verdienst zu, die Hochofengase zuerst nicht nur zu Heizzwecken, sondern
auch zur weiteren Eisenverarbeitung, insbesondere zum Betriebe der
Weiſs- oder Feinfeuer und der Puddlingsöfen mit vollständigem Erfolge
verwendet zu haben, nachdem man schon früher einen Teil der ent-
weichenden Brennkraft zur Heizung von Dampfkesseln, Röstöfen, Holz-
verkohlungs- und Lufterhitzungsapparaten hier und da benutzt hatte.
Delesse schrieb, wie viele seiner Zeitgenossen, dieser Erfindung
eine so groſse Wichtigkeit zu, daſs er den Namen Fabers neben den
eines Jacquard und Watt stellt. „Das Geheimnis des Herrn Faber
ist bis jetzt noch nicht mit hinlänglicher Genauigkeit bekannt ge-
worden“, schreibt Delesse 1843, „wohl aber haben es mehrere
Hüttenwerke der Schweiz, Deutschlands und Frankreichs an sich
gebracht, und durch Vermittelung des Fürsten Lobkowitz ist es
einer Anzahl österreichischer Hütten zugänglich geworden.“ Die Er-
wartungen hinsichtlich der Verwendung der Hochofengase zum Pud-
delbetriebe haben sich nicht erfüllt, dennoch haben diese Versuche
sehr wichtige Folgen für die Eisenindustrie gehabt.
1838 hatten auch die Herren von Dietrich \& Ko. auf ihrem
Hüttenwerke Jägerthal (Depart. Niederrhein) das Frischen mit Hoch-
ofengasen angeblich nach dem System Sire eingeführt.
Trotz dieser Erfolge fehlte aber dem Verfahren noch die richtige
Grundlage. Diese verschaffte erst die chemische Analyse.
Einer der gröſsten Fortschritte auf dem Gebiete der gesamten
Hüttenkunde, insbesondere aber des Hochofenprozesses, wurde erreicht
durch Bunsens Untersuchung der Hochofengase von Vecker-
hagen im Jahre 1838. Durch die Anwendung des heiſsen Windes
beim Hochofenbetriebe und die Verwendung der Gichtgase als Brenn-
material war die Aufmerksamkeit auf die Verbrennungsvorgänge im
Hochofen gelenkt worden. Die groſse Wirkung der erhitzten Gebläse-
[438]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
luft war augenscheinlich durch eine intensivere Verbrennung im Gestelle
des Hochofens bedingt. Wie die Verbrennung im Hochofen aber vor
sich ging? woher es kam, daſs bei der Anwendung von heiſsem Winde
die Temperatur im Schachte niedriger war und die Gase weniger heiſs
aus der Gicht ausströmten, als bei der Anwendung kalter Luft? das
waren Fragen, deren Beantwortung unsicher blieb, so lange man nicht
die Vorgänge im Ofen genau feststellen konnte. Dies schien aber un-
möglich, denn wer konnte dieselben in dem glühenden Schachte eines
im Betriebe befindlichen Ofens ergründen? Der Gedanke lag so fern,
daſs er noch gar nicht ernstlich diskutiert worden war.
Und doch war die Lösung dieser Aufgabe leicht und einfach. Es
gehört zu den Triumphen, welche die moderne Chemie gefeiert hat,
daſs sie durch die genaue Analyse der Gase in den verschiedenen
Höhen des Hochofens den ganzen Vorgang des Schmelzprozesses in
seinen verschiedenen Stadien klargelegt hat. Hoher Ruhm gebührt
aber auch dem Manne, der den Mut hatte, diese Arbeit zu über-
nehmen und sie glänzend durchzuführen. Es war Robert Bunsen,
der berühmte Chemiker, der Erfinder der Spektralanalyse, der, damals
noch Lehrer an der polytechnischen Schule zu Kassel, durch seine
Untersuchung der Hochofengase die Augen der Welt auf sich zog.
Hätte Bunsen kein anderes Verdienst als das dieser Arbeit, so würde
sein Name doch unsterblich sein. Die Veranlassung zu dieser Unter-
suchung war nicht das Studium des Schmelzprozesses, sondern die
praktisch näherliegende Frage des Brennwertes der Hochofengase. Zu
diesem Zwecke gewährte auch die kurfürstl. hessische Regierung die
Mittel für diese Untersuchung und beauftragte den Hütteninspektor
Pfort zu Veckerhagen, gemeinschaftlich mit Dr. Bunsen diese auf
der kurfürstl. Hütte zu Veckerhagen auszuführen. Pforts Namen
haben wir bereits bei der interessanten Arbeit, welche er mit Dr. Buff
über die Wirkung des erhitzten Windes ausgeführt hatte, kennen
gelernt. Es gebührt ihm nicht nur ein Anteil des Ruhmes an diesen
Untersuchungen, sondern auch die Anerkenung für die Verbesserungen,
welche er als Hüttenmann auf dem Eisenwerke zu Veckerhagen ein-
geführt hatte. Es waren dies besonders ein sehr originelles Gebläse,
welches Henschel in Kassel konstruiert hatte, ein eigenartiger Wind-
erhitzungsapparat mit Doppelröhren und ein von ihm erfundener Gicht-
gasfang.
Den ersten Bericht über die Gasuntersuchung zu Veckerhagen,
wozu die Gase im Herbst 1838 gesammelt worden waren, veröffent-
lichte Bunsen in Poggendorfs Annalen 1839 unter der Aufschrift:
[439]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
„Über die gasförmigen Produkte des Hochofens und ihre Benutzung
als Brennmaterial.“ Das Auffangen der Gase geschah in der Weise,
daſs er sich ein mehr oder weniger langes, aus Flintenläufen zusammen-
geschweiſstes Rohr anfertigte, welches in verschiedenen Tiefen des Ofen-
schachtes von der Gicht aus niedergelassen werden konnte. An das
obere Ende des Flintenlaufes war ein gebogenes Bleirohr angelötet,
durch welches die Gase erst einem langen, mit Chlorcalcium gefüllten
Glasrohre zur Absorption der Feuchtigkeit und dann einer Reihe
kürzerer Röhren, deren Enden ausgezogen waren, zugeführt wurden.
Das vordere Ende des Apparates wurde mit einer Luftpumpe verbunden
und die Gase so lange hindurchgesogen, bis man versichert sein konnte,
das Gas aus der beabsichtigten Tiefe unvermischt erhalten zu haben.
Die einzelnen Röhrchen wurden alsdann hermetisch mit dem Lötrohr
verschlossen. Die Analyse der aufgefangenen Gase erfolgte in einem
von Bunsen selbst erfundenen kalibrierten Quecksilbereudiometer.
In der folgenden Tabelle sind die Resultate der chemischen Unter-
suchung zusammengestellt 1):
Zusammensetzung der Gase des Holzkohlenhochofens zu Veckerhagen
nach Bunsen 18392).
1. giebt die prozentuale Zusammensetzung der trockenen Hochofen-
gase in den darüber angegebenen verschiedenen Tiefen des Hochofens.
Da aber diese Zahlen für die Vergleichung nicht ausreichen, so sind die
wichtigsten Bestandteile Kohlensäure und Kohlenoxydgas in 2. auf
100 Vol. Stickstoff, welcher allein unverändert den Ofen durchläuft, be-
zogen; in 3. sind die erstgenannten Gase auf Kohle und Sauerstoff um-
gerechnet, und 4. ergiebt dann das Mehr oder Weniger an Sauerstoff im
Vergleich mit dem Verhältnis in der Atmosphäre von 100 Vol. Stickstoff
zu 5 Vol. Sauerstoff.
Fig. 120 zeigt das Profil und die Maſse des Hochofens von Vecker-
hagen. Die Gase wurden am 28. September 1838 zwischen 2 Uhr
morgens und 11 Uhr abends ge-
sammelt. Während des Aufsam-
melns schwankte die Pressung
des Windes zwischen 16,1 und
17,2 Zoll und betrug im Durch-
schnitt 16,8 Zoll (0,439 m) Wasser-
säule; die Temperatur des Win-
des lag zwischen 243 und 313° C.
und im Mittel bei 275° C. Die
Düse hatte 27,4 Linien (0,60 m)
Durchmesser. Das Gewicht der
pro Minute eingeblasenen Luft
war auf 10,432 kg, der nach
einer monatlichen Durchschnitts-
zahl berechnete Kohlenverbrauch
pro Minute zu 1,705 kg gefunden.
Die Roheisenproduktion betrug
1,0218 kg pro Minute, bei deren
Reduktion 0,3938 kg Sauerstoff in Verbindung mit Kohle in Gasform
verwandelt wurde. Von der Möllerung wurden pro Minute 4,0314 kg
durchgeschmolzen. Dieselbe bestand aus:
Es entweichen daher pro Minute 0,1411 kg Kohlensäure aus der-
selben.
Hiernach betrug das Gewicht der aus der Gicht in einer Minute
ausströmenden Gase an
was im groſsen und ganzen mit der Analyse der Gichtgase überein-
stimmt, deren Kohlenstoffgehalt sich auf 0,1632 kg berechnet.
Werfen wir einen Blick auf die Zusammensetzung der Gase in
verschiedener Höhe, so fällt zunächst die bedeutende Zunahme des
Kohlensäuregehaltes in den oberen Schichten auf. Dieselbe erklärt
sich aus der Kohlensäureentwickelung aus der Möllerung in dieser
Zone. Ebenso auffallend ist dann die gleichbleibende Menge von
Kohlenoxydgas bis zu einer Tiefe von 14 Fuſs. Den Wasserstoff fand
Bunsen als freien Wasserstoff und nicht als Kohlenwasserstoff.
Es stellten sich demnach nach Bunsen gewissermaſsen drei
verschiedene Ofenzonen dar: der obere Raum, der sich bei dem
Ofen von Veckerhagen etwa 4 Fuſs unter die oberste Kohlengicht
erstreckte, versieht die Stelle eines Röst- und Brennofens; das freie
und chemisch gebundene Wasser der Möllerung und des Brenn-
materials entweicht, die thonigen Erze werden gebrannt und die Ab-
scheidung der Kohlensäure der Möllerung durch die Gegenwart des
Wasserdampfes begünstigt.
Der zweite Raum ist durch den über 30 Proz. sich belaufenden
Kohlenoxydgehalt der hier herrschenden Gase charakterisiert und er-
streckt sich bis in den untersten Teil der Rast. Man könnte ihn den
Reduktionsraum nennen. Kohlenoxydgas, Grubengas und Wasserstoff
dringen in die durch die Röstung geöffneten Poren des Erzes ein;
die Reduktion zu Eisenoxyduloxyd beginnt und schreitet beim Nieder-
gang teilweise bis zur völligen Reduktion fort, indem sich bei der
hier herrschenden Temperatur noch nicht schmelzbare Kalksilikate
bilden.
Der dritte Raum umfaſst das Gestell und entspricht dem Schmelz-
ofen. Die Bildung der Schlacke, der geschmolzenen sauren Silikate
beginnt, das Eisen wird vollständig reduziert und gekohlt, bis endlich
Schlacke und Metall sich scheiden.
Auf Grund des Ergebnisses seiner Gasanalysen empfiehlt Bunsen,
die Gase zu ihrer Verwendung als Brennmaterial in einer Tiefe von
5 bis 7 Fuſs, wo sie das Maximum von verbrennlichem Gas besitzen,
durch einen im Ofenschacht angebrachten ringförmigen Spalt mit
[442]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
nach unten gekehrter, etwas über die Mauerung hervorragender trichter-
förmiger Überdachung, welche in den Ableitungskanal ausliefe, ab-
zuleiten. Die Einsenkung eines von oben herab in die Gicht einge-
senkten Rohres empfiehlt er dagegen nicht.
Bunsen wirft dann noch die Frage auf: „Der wievielste Teil der
im Hochofen erzeugten Wärme ist bei der bisherigen Nichtbenutzung
der Gichtgase verloren gegangen?“ Die Rechnung ergiebt 49,55 Proz.
Also ungefähr die Hälfte des Brennstoffes entweicht mit den Hoch-
ofengasen unbenutzt, abgesehen von der Wärme, welche zu ihrer Er-
hitzung erforderlich war. Diese letztere beträgt nach Bunsens Be-
rechnung nochmals 25 Proz., so daſs im ganzen 75 Proz. des
ursprünglichen Brennstoffes mit den Gasen aus der Gicht entweichen.
Die ganze entwickelte Wärme verteilt sich folgendermaſsen:
Bunsen untersuchte nun, ob und wie sich die Gichtgase zum
Schmelzen des Roheisens verwenden lieſsen. Die Quantität der Wärme,
welche in den Hochofengasen enthalten ist, wäre reichlich ausreichend,
um Roheisen im Flammofen zu schmelzen, nicht aber die Intensität,
wenn die Verbrennung der abgekühlten Gase mit kalter Luft geschieht,
denn diese würde nur 1180° C. betragen, während Roheisen nach
Pouillet erst bei 1200° C. flüssig wird. Auch mit erhitzter Luft von
200° C. würde dieser Zweck noch nicht erreicht, da hierbei nur eine
Verbrennungswärme von 1280° C. entstünde, welcher Überschuſs für
den Zweck nicht hinreicht; dagegen würde genügende Hitze erzeugt,
wenn man die heiſsen Gase (deren Temperatur Bunsen allerdings
zu hoch auf 1000° annimmt) mit erhitztem Winde verbrennen würde.
Viel günstiger aber würden sich die Gase zur Dampferzeugung
verwenden lassen, indem nach Bunsens Berechnung schon 1/12 des
entweichenden Brennstoffes ausreichen würde, eine für den Betrieb
des Hochofengebläses ausreichende Dampfkraft zu erzeugen.
„Die Vorteile, welche im Eisenhüttenwesen aus dieser letzteren
Anwendung der Gichtgase erwachsen werden, dürften sehr erheblich
sein, indem dadurch die Anlagen nicht mehr an das Vorkommen von
Gefällen gebunden bleiben.“ Man sieht, Bunsens Untersuchung gab
Aufschluſs und Anregung für die wichtigsten theoretischen und prak-
tischen Fragen des Hochofenbetriebes.
Wir behalten zunächst die theoretische Frage, die Erklärung
des Hochofenprozesses, im Auge.
Hierüber hatte Bunsens erste Arbeit
noch keinen vollständigen Aufschluſs gegeben,
weil die von ihm untersuchten Gase nur aus
dem Schacht und der Rast abgeleitet waren,
während er wegen der groſsen Hitze im Gestell
keine Gase aus diesem Teile des Hochofens
entnommen hatte.
Bunsens Aufsehen erregende Veröffent-
lichung spornte zur Nacheiferung an, und
zwei Jahre später beschäftigte sich der fran-
zösische Chemiker Ebelman1) mit ähnlichen
Untersuchungen. Die erste Arbeit, welche er
veröffentlichte, war die Analyse der Gase des
Hochofens zu Clerval im Jahre 1841 2). Dieser
Ofen, der ebenfalls mit Holzkohlen betrieben
wurde, hatte das in Fig. 121 dargestellte
Profil. Die mittlere Windpressung betrug
0,018 m Quecksilber, die mittlere Temperatur
180° C., der Durchmesser der Düse 0,065 m.
Die Luftmenge pro Minute auf 0° C. und 0,76 m
Barometerstand reduziert betrug 8,76 cbm.
Die Kohlengicht wog 115 kg, die Erzgicht
[444]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
296 kg, der Kalkzuschlag 29 kg. Eine Gicht enthielt 78,10 kg Eisen;
nach je 20 Gichten wurde abgestochen; die Produktion in 24 Stunden
betrug 2030 kg.
Ebelman bediente sich nicht der eudiometrischen Methode, sondern
er suchte die Gase durch Überleiten über bis zur Rotglut erhitztes
Kupferoxyd zu verbrennen, die gebildete Kohlensäure zu bestimmen
und aus deren Gewicht die brennbaren Gase zu berechnen. Das Auf-
fangen der Gase im Schachte geschah durch ein 10 cm weites Guſs-
rohr, aus dem Kohlensack wurden die Gase durch ein durch die Ofen-
wand geführtes Kupferrohr abgeleitet. Obgleich die von Ebelman
gefundenen Zusammensetzungen der Hochofengase in verschiedener
Tiefe im allgemeinen mit den von Bunsen gefundenen überein-
stimmen, so zeigen sie doch im einzelnen nicht geringe Abweichungen.
Die auffallendste ist das gänzliche Fehlen von Kohlenwasserstoff.
Dieses rührt aber, wie Bunsen nachgewiesen hat, nur von der Un-
vollkommenheit der angewandten analytischen Methode her, und hat
Ebelman bei einer im Jahre 1848 wiederholten Analyse der Gase
des Hochofens von Clerval auch Kohlenwasserstoff (Sumpfgas) nach-
gewiesen, wenn auch nur in den geringen Mengen von 0,10 bis
1,33 Tln.
Ebelman berücksichtigte bei seinen Analysen auch den Wasser-
gehalt, und hat er die Gase des Hochofens von Clerval in noch
gröſseren Tiefen abgefangen als Bunsen, und zwar (I) in 7,79 m Tiefe,
d. h. 0,44 m über der Form, und (II) direkt am Tümpel. Ihre Zu-
sammensetzung war:
Hier erscheint also fast aller Kohlenstoff in Form von Kohlen-
oxydgas gebunden; auch 2,56 m über der Form konnte Ebelman
nur Kohlenoxydgas, aber keine Kohlensäure nachweisen. Wenn da-
her in dem Fokus der Verbrennung in kurzer Entfernung vor den
Formen, wo die glühende Kohle mit einem Überschuſs von Sauer-
stoff zusammentrifft, die vollständige Verbrennung zu Kohlensäure
wirklich stattfindet, so wird doch alsbald auſserhalb des Fokus die
Kohlensäure durch die glühenden Kohlen wieder zu Kohlenoxydgas
reduziert.
Ebelman analysierte in demselben Jahre und in gleicher Weise
die Gase des Hochofens zu Audincourt 1). Dieser Ofen wurde mit
einem Gemenge von Holzkohle und rohem Holz und mit kaltem Wind
betrieben. Der Ofen, der auch nur eine Form hatte, war 11 m hoch,
also höher als der von Clerval. Der Wind war auf 250° C. erhitzt,
die Pressung betrug 0,070 bis 0,074 m Quecksilber. Die Düse hatte
einen Querschnitt von 32 qcm. Es wurden Bohnerze, kalkige Erze
und Frischschlacken mit Kalkzuschlag auf weiſses Frischereiroheisen
verschmolzen. Die Temperatur in dem oberen Teile des Schachtes
war sehr niedrig, so daſs Holzstücke bei 1¾ stündigem Verweilen in
einer Tiefe von 3 m beim Herausnehmen unverändert erschienen, wo-
gegen sie bei 3¼ stündigem Verweilen in einer Tiefe von 4 m voll-
ständig verkohlt waren. Natürlich waren in diesen Höhen dem Gas
die Destillationsprodukte des Holzes beigemengt. Im ganzen aber
zeigte die Zusammensetzung der Gase in den entsprechenden Tiefen
eine groſse Übereinstimmung mit denen des Ofens von Clerval.
In der Höhe der Form wurden mehrere Gasproben aus ver-
schiedenen Teilen des Ofens entnommen, 1. von der der Form gegen-
überliegenden Seite, 2. von der Rückwand, 3. 0,10 m vor der Form,
4. 0,15 m vor der Form, und 5. neben der Form. Ihre Zusammen-
setzung war folgende:
Bei den Analysen im oder nahe dem Fokus vor der Form zeigt
sich noch freier Sauerstoff und aller Kohlenstoff zu Kohlensäure
verbrannt.
Über das Wesen des Vorganges bei der Reduktion der Erze im
Hochofen hat Le Play um diese Zeit eine interessante Arbeit ver-
öffentlicht, worin er nachzuweisen sucht, daſs der Kohlenstoff im gas-
förmigen Zustande zur Wirkung komme 2).
1842 untersuchte Hütteninspektor Heine die Gase des Holz-
[446]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
kohlenhochofens zu Mägdesprung 1). Er entzog die Gase aus der-
selben Höhe von 10 Fuſs oder 3,138 m, aber bei verschiedenem Gang
des Ofens: einmal beim Gargang, dann bei der Darstellung von hal-
biertem Eisen und zuletzt bei Rohgang. Der Mägdesprunger Hoch-
ofen war 31 Fuſs (9,73 m) hoch, hatte eine 3½ Fuſs (1,10 m) weite
Gicht und wurde mit heiſsem Winde betrieben. Es wurden Spateisen-
steine mit Rot- und Brauneisensteinen
unter Zuschlag von Frischschlacken ver-
schmolzen. Die Gase wurden in einer
gewissen Tiefe unter der Gicht nach
Art der Wasseralfinger Gasfänge abge-
leitet und sollten zum Puddeln ver-
wendet werden.
Vergleicht man die Zusammensetzung
der Gase des Mägdesprunger Ofens, so
ergiebt sich der relative Kohlenoxyd-
gehalt am geringsten bei dem Rohgang,
am höchsten bei der Darstellung des
halbierten Eisens. Bei ersterem ist der
Kohlensäuregehalt höher. Das Brenn-
material wurde also beim Rohgang am
besten im Ofen ausgenutzt.
1843 untersuchten der deutsche
Chemiker und Hüttenmann Theodor
Scheerer und der Norweger Lang-
berg die Gase des Hochofens zu Bärum
in Norwegen 2). Der Ofen hatte die
nebengezeichneten Maſse (Fig. 122). Der
Wind trat mit 0,030 m Quecksilberdruck
und 200 bis 230° C. warm durch die
eine Düse von 0,072 m ein. Die Be-
schickung bestand aus Eisenglanz und Magneteisenstein ohne Zu-
schlag. Die Zusammensetzung der Gase des Ofens zu Bärum wich
namentlich im oberen Schacht nicht unwesentlich von dem zu Vecker-
hagen und Clerval ab, indem der Kohlensäuregehalt beträchtlich
gröſser, der Kohlenoxydgasgehalt viel geringer war. Bei ca. 7½ Fuſs
unter der Gicht enthielten die Gase von
Aus dem Verhältnis des Stickstoffs zum Sauerstoff in den Gasen
des Ofens von Bärum schloſs Scheerer, daſs die Erze vor ihrem
Eintritt in den weitesten Teil des Hochofens sich schon in fast völlig
reduziertem Zustande befanden.
Alle bis dahin untersuchten Gase stammten von Holzkohlenhoch-
öfen. Im Jahre 1843 veröffentlichte Ebelman auch Gasanalysen von
zwei Kokshochöfen zu Vienne und Pont l’Evêque. Beide hatten je
zwei Formen, der eine 10,125 m, der andere 11 m Höhe, beide wurden
mit heiſsem Winde betrieben. Ein nennenswerter Unterschied lieſs
sich nur hinsichtlich des geringen Kohlensäuregehaltes wahrnehmen.
In den Kokshochöfen wird die Kohlensäure, welche im Fokus ge-
bildet wird, in gröſserer Tiefe und vollständiger in Kohlenoxydgas
reduziert. Ebelman leitet den Unterschied, der nur in der oberen
Hälfte des Hochofens bemerkbar sei, von der ungleichen Tiefe, in
welcher die Reduktion der Erze stattfindet, her, indem er annimmt,
daſs dieselbe infolge der gröſseren Hitze der Kokshochöfen in einem
höheren Teile derselben vor sich gehe.
1848 untersuchte Ebelman die Gase des beträchtlich gröſseren
Kokshochofens von Seraing und wiederholte die Analyse der Gase
des Holzkohlenofens zu Clerval. Bei diesen Analysen führte er den
Kohlenwasserstoff getrennt auf. Im ganzen fand er aber seine frühere
Untersuchung bestätigt. Danach schreitet die Reduktion von der
Gicht bis zur Tiefe von 6 m progressiv voran. In derselben Zone
wächst der Kohlenstoffgehalt der Gase infolge der Entbindung von
Kohlensäure aus Erz und Zuschlagkalkstein, sowie wegen der fort-
schreitenden Destillation der Holzkohle. Im umgekehrten Verhältnis
zu der Zunahme des Kohlenoxydgases stehe das Verhältnis von Wasser-
stoff und Kohlenwasserstoff, von denen ersteres keine reduzierende
Kraft zu besitzen scheine.
Von hohem Interesse ist die sorgfältige Untersuchung der Gase
des mit Steinkohlen betriebenen Hochofens der Oakeshütte zu Al-
[448]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
freton in England, welche Bunsen in Gemeinschaft mit Playfair
im Jahre 1845 ausführte 1). Der Ofen hatte die in nebenstehender
Abbildung, Fig. 123, verzeichneten Maſse; zwei Düsen von 0,063 m
Durchmesser. Der Wind hatte 0,171 m Quecksilberpressung und 330°
Wärme. Das Brennmaterial bestand aus roher Kohle, die nach der
Verkokung etwa 67¼ Proz. Koks gab. Das Erz war gerösteter Sphäro-
siderit, der Zuschlag Kalkstein. In 24 Stunden wurden 16315 kg Erz
und 15149,5 kg Kohle durchgesetzt. Die Analyse ergab:
Das Auffangen der Gase geschah in ähnlicher Weise wie zu
Veckerhagen. Auch hier wendete Bunsen die eudiometrische Methode
an, nachdem er und Playfair durch eine genaue Vergleichung nach-
gewiesen hatten, daſs dieselbe zuverlässiger sei als die Bestimmung
nach Gewicht.
Betrachtet man die vorstehenden Analysen, so scheinen dieselben
von denen von Veckerhagen sehr abzuweichen. Dies ist aber nur
dadurch der Fall, daſs hier die Destillationsprodukte der Steinkohlen
mit ins Spiel kommen. Die Destillation der Steinkohlen geht bis
über die Tiefe von 7,31 m herab, ist aber am stärksten in einer Tiefe
von 4,27 m, weil das Gasgemenge hier das Maximum von ölbildendem
[449]Die chemische Untersuchung der Hochofengase.
und Sumpfgas, sowie Wasserstoffgas zeigt. Die Teerdämpfe, die noch
bis zu einer Tiefe von 5,18 m wahrnehmbar waren, zersetzten sich
beim Durchgang durch die darüber-
liegenden rotglühenden Kohlen. Ähn-
lich verhalten sich die Wasserdämpfe.
Bunsen und Playfair ziehen aus
ihren Analysen den Schluſs, daſs bei den
mit Steinkohlen und heiſsem Winde be-
triebenen Hochöfen die Reduktion des
Erzes und die Abscheidung der Kohlen-
säure aus dem Kalkstein erst in der
Rast des Ofens vor sich gehe. Be-
merkenswert ist ferner, daſs die nur
0,64 m über der Form entnommenen
Gase schon keine Spur von Kohlensäure
mehr zeigen.
Sehr wichtig war der Nachweis von
Cyan in dem Gestell des Hochofens.
Schon 1826 hatte Desfosses nachge-
wiesen, daſs Cyankalium sich bildet,
wenn Stickstoff durch rotglühende Holz-
kohle geleitet wird. John Dawes
hatte 1835 ein Patent genommen, in
welchem die Gewinnung von Cyan-
kalium aus Eisenhochöfen enthalten
war. Besonders auffallend war diese
Cyankaliumbildung im Gestell der Hoch-
öfen seit der Einführung des heiſsen
Windes und des Steinkohlenbetriebes
bemerkbar geworden.
1842 fanden Zinken und Brom-
eis Cyankalium im Gestell des aus-
geblasenen Hochofens zu Mägdesprung.
Redtenbacher sammelte 1843 Cyan-
kalium in einem Lichtloch in der Brust des Hochofens von Mariazell.
Bunsen und Playfair wiesen nach, daſs die Cyankaliumbildung im
Gestell des Hochofens von Alfreton ganz bedeutend war. Nach ihrer
Ansicht ist das Cyankalium ein nicht unwichtiges Reduktionsmittel
beim Hochofenprozeſs. Doch scheint seine Menge zu gering zu sein,
um groſse Wirkung auszuüben.
Die oben angeführten Untersuchungen der Hochofengase führten
zu einem genaueren und richtigeren Verständnis des Hochofen-
prozesses. Die Analysen der Gase vor der Form und im Gestell be-
wiesen, daſs zwar in dem Verbrennungsfokus vor der Form die Kohle zu
Kohlensäure verbrennt, auſserhalb desselben aber zu Kohlenoxydgas,
und daſs auch die vor der Form gebildete Kohlensäure beim Auf-
steigen in sehr kurzer Entfernung durch die Berührung mit glühenden
Kohlen wieder zu Kohlenoxyd reduziert wird, so daſs in einer Ent-
fernung von 0,30 bis 0,40 m nur Kohlenoxyd in den Verbrennungs-
gasen enthalten ist. In diesem verhältnismäſsig kleinen Raume vor
der Form vollzieht sich die Verbrennung und die Wärmeentwickelung, und
die hier konzentrierte Hitze bewirkt die Schmelzung. Schon Bunsen
hatte die Ansicht ausgesprochen, daſs der durch das Gebläse in den
Ofen eingeführte Sauerstoff fast unmittelbar über der Form schon nur
als im Kohlenoxydgas gebunden erscheint. Ebelman hatte aber durch
seine Untersuchungen der Gase vor und über der Form den Beweis
dafür erbracht. Im Fokus, wo die Kohle zu Kohlensäure verbrennt,
herrscht das Maximum der Hitze. Ebelman wies nach, daſs dieser
Raum der höchsten Hitze sehr klein ist, weil sich sofort die gebildete
Kohlensäure in Berührung mit Kohle zu Kohlenoxyd reduziert, wo-
durch eine groſse Abkühlung eintritt. Nach Dulongs Versuchen
entwickelten 2 Liter atmosphärischen Sauerstoffs, indem sie 2 Liter
Kohlensäure erzeugten, eine Temperatur von 2232°, während sie bei
der Erzeugung von 4 Liter Kohlenoxyd nur 780° C. hervorbrachten.
Dem entsprechend fände mit der Reduktion eine gleichzeitige Tem-
peraturerniedrigung von 2232° C. auf 780° C. statt.
Die zweite Quelle der Abkühlung im Hochofen ist die Reduktion
der Erze, d. h. der Übergang des Sauerstoffs vom Eisenoxyd an
die Kohle und das Kohlenoxyd, weil 1 Liter Sauerstoff mit 1 Liter
Kohlenstoff nur 1598 Wärmeeinheiten erzeugt, während 6216 Wärme-
einheiten erforderlich sind, die gleiche Menge Sauerstoff vom Eisen
zu trennen.
Von der Hülle des Fokus an bis zu dem Anfang der Rast er-
leidet der Gasstrom, nach Ebelman, keine bemerkbare Veränderung
und ist durch die Abwesenheit der Kohlensäure charakterisiert. Von
hier an beginnt die Kohlensäure wieder zu erscheinen und nimmt zu
[451]Der Hochofenprozeſs.
bis etwa zur Mitte der Rast, von wo ab sie bis zur Gicht konstant
bleibt. Gleichzeitig mit ihrer Zunahme findet eine Verminderung des
Kohlenoxydes statt.
In diesem Teile des Ofens findet nämlich die Reduktion des Eisen-
oxydes der Erze statt, doch wird dieselbe nur zu ⅚ in dem unteren
Teile des Schachtes bewirkt, das letzte Sechstel reduziert sich erst in
der Rast, im Obergestell und selbst im Untergestell. Im Schachte
soll diese Reduktion nach Ebelmans Ansicht nur durch das Kohlen-
oxydgas bewirkt werden, während es in den tieferen Regionen auch
durch unmittelbare Berührung mit Kohlen geschehen soll. Für die
Reduktion in den unteren Teilen des Ofens spricht der Umstand,
daſs der Sauerstoffgehalt der dort entnommenen Gase gröſser ist, als
dem Verhältnis zum Stickstoff in der atmosphärischen Luft entspricht.
Indessen haben die Gasanalysen ergeben, daſs die an einem Punkte
abgezogenen Gase nicht der mittleren Zusammensetzung der Gase der
gleichen Höhenschicht entsprechen, indem der chemische Prozeſs an
den Wänden anders verläuft als in der Mitte, überhaupt aber die
Zusammensetzung der von einem im Verhältnis zum Querschnitt so
kleinen Raume abgefangenen Gase von vielen lokalen Prozessen beein-
fluſst sein kann.
Die Kohlung des Eisens erfolgt nach Beendigung der Reduktion
in dem unteren Teile des Ofens, hauptsächlich in der Rast. Der
Schmelzpunkt befindet sich in kurzer Entfernung, 3 bis 4 cm, vor
der Form. Das Brennen des Kalksteins erfolgt im unteren Teile des
Schachtes. Der Wasserstoff in dem unteren Teile des Hochofens ist
aus der Zersetzung des mit dem Winde eingeblasenen Wasserdampfes
entstanden; in den höheren Regionen kann er aus den Erzen stammen,
wie der Kohlenwasserstoff aus dem Brennmaterial stammt. Der Wasser-
stoff übt im Hochofen keine Wirkung aus und findet sich unverändert
in den Gichtgasen. Der Kohlenwasserstoff kann, wie Bunsen nach-
gewiesen hat, nicht durch die Zersetzung von Wasser durch glühende
Kohlen gebildet worden sein.
Der Vorgang in den Kokshochöfen war ganz derselbe wie in den
Holzkohlenhochöfen, nur vollzogen sich bei jenen nach Ebelmans
Ansicht die verschiedenen chemischen Vorgänge wegen der stärkeren
Hitze schneller und in höheren Regionen. Nach seiner Ansicht gehen
bei den Kokshochöfen die Reduktion der Erze und das Brennen des
Kalksteins zum Teil schon in dem oberen Teile des Schachtes vor sich.
Die Kohlung beginnt da, wo die Reduktion beendet ist, bei den Holz-
kohlenöfen also erst in dem unteren Teile der Rast. In dem ganzen
29*
[452]Der Hochofenprozeſs.
Raume vom Kohlensack bis zur Schmelzzone, welche höchstens bis
0,50 m über der Form liege, solle sich nur Cementstahl bilden, weil die
Temperatur in diesem Teile nicht über 900° C. betrage. Die Schlacken-
bildung beginne gleichzeitig mit der Bildung des Kohleneisens, und
zwar bilde sich erst ein Eisenoxydulsilikat, welches aber durch die
Kohle und den reduzierenden Gasstrom reduziert und durch den Kalk
zerlegt werde. Zwischen der fortschreitenden Bildung des Kohlen-
eisens und der Reduktion der Schlacke bestehe ein konstantes Ver-
hältnis; denn in demselben Verhältnis, in dem die Kohlung und
Ausscheidung des metallischen Eisens vorwärts schreite, nähme der
Eisengehalt der Schlacke ab. Wenn der vollkommenen Ausscheidung
des metallischen Eisens kein Hindernis entgegentritt und die Tem-
peratur im Schmelzraum hoch ist, so bildet sich graues Eisen. Der
kleine Teil, der beim Niedergange vor der Form in Weiſseisen über-
geführt wird, verschwindet in der groſsen Masse von grauem Eisen
im Gestell. Daſs aber dieser Feinprozeſs vor der Form eintritt, zeigte
ein Versuch, indem man vor der Form niederfallende Eisentropfen
mit einem unter dem Tümpel eingeführten Löffel auffing. Das so
aufgefangene Eisen war weiſs oder halbiert, während das abgestochene
Eisen grau war.
Von gröſster Wichtigkeit für das Verständnis des Hochofen-
prozesses ist die Kenntnis der Temperaturen in den verschiede-
nen Höhen. Ebelman gebührt das Verdienst, die ersten hierauf be-
züglichen Messungen vorgenommen zu haben, und zwar that er dies
in denselben Hochöfen von Audincourt und Pont l’Evêque, deren
Gase er auch analysierte.
Er fand bei dem Hochofen von Audincourt, der 11 m hoch war,
die Temperatur an der Gicht bei gefülltem Ofen geringer als den
Schmelzpunkt des Schwefels, also geringer als 112°. Bei niedergehender
Beschickung schmolz Schwefel, Zinn aber noch nicht, also lag die
Temperatur zwischen 112 und 200°. Im Schacht, 8,04 m unter der
Gicht und 0,63 m über dem Kohlensack, schmolz Silber, Kupfer aber
nicht, die Hitze war demnach zwischen 1023 und 1173° C.
0,90 m über der Form schmolz Kupfer nach 20 Minuten, während
Eisen beinahe weiſsglühend geworden war. Vor der Form schmolz
Schmiedeeisen fast sofort, eine Stange von 2 cm Durchmesser auf
0,25 m Länge innerhalb ½ Minute. Ebenso schmolz Porzellan fast
augenblicklich, hier betrug die Hitze also 1900 bis 2100° C. (nach
Pouillet nur 1600°).
Der Kokshochofen von Pont l’Evêque, der ebenfalls 11 m hoch
[453]Der Hochofenprozeſs.
war, zeigte an der Gicht zwischen Zinn- und Bleischmelzhitze, also
zwischen 230 bis 334° bei gefülltem Ofen. Bei gesunkener Gicht
schmolz Blei und Zink, Antimon aber noch nicht, die Temperatur lag
also zwischen 411 und 512°. Im Kohlensack, der 7,15 m unter der
Gicht lag, schmolz Kupfer in 15 Minuten; die Hitze betrug über 1173°.
0,67 m über der Form schmolz Gold und Kupfer leicht, dagegen
Schmiedeeisen und Porzellan nicht. 0,29 m über der Form schmolz
ein runder Eisenstab von 9 mm Durchmesser schon vor Ablauf von
1½ Minuten auf eine Länge von 0,20 m vollständig. Vor der Form
schmolz der gleiche Stab in weniger als ½ Minute auf 0,31 m Länge
und Porzellan fast sogleich.
Der Hochofen von Pont l’Evêque war also viel heiſser, was Ebel-
man der gröſseren Menge Brennstoff, welche auf die gleiche Menge
Beschickung verbrannt wurde, zuschreibt. Es verbrannten nämlich
auf 100 Tle. Eisen 90 bis 135 Tle. Kohlenstoff bei Holzkohlenbetrieb,
dagegen 170 bis 242 Tle. Kohlenstoff bei Koksbetrieb. Es ist aber
auch zu berücksichtigen, daſs der Ofen von Audincourt mit kaltem,
der von Pont l’Evêque dagegen mit heiſsem Winde betrieben wurde.
Daſs die Hochofengase an der Gicht des Ofens von Pont l’Evêque
so heiſs waren, ist nicht normal und deutet auf einen schlechten
Ofengang.
Ebelman hat ferner den Wärmeeffekt berechnet, welcher bei der
Reduktion des Eisenoxyds zu metallischem Eisen in Betracht kommt 1).
Nach Dulong entwickelt 1 Liter Sauerstoff, indem es mit Eisen ver-
brennt, 6216 Wärmeeinheiten. Diese Wärmemenge muſs bei der Re-
duktion des Eisens wieder verschwinden. Findet die Reduktion durch
Kohlenoxyd statt, so findet eine Wärmeverminderung nicht statt,
weil 1 Liter Sauerstoff mit 2 Liter Kohlenoxydgas 6260 Wärmeein-
heiten erzeugt, welches den Wärmeverlust ausgleicht. In der eigent-
lichen Reduktionszone vollzieht sich die Reduktion der Erze in dieser
Weise, was auch dadurch bestätigt wird, daſs die Wärmeabnahme
vom Gestell bis zur Gicht eine gleichmäſsige und im Reduktionsraum
keine stärkere ist.
Anders verhält es sich in dem unteren Teile des Hochofens, wo
die Reduktion wenigstens zum Teil durch Kohle unter Bildung von
Kohlenoxydgas bewirkt wird. Da hierbei durch die Verbindung von
1 Liter Sauerstoff mit 1 Liter Kohlenstoffdampf zu 2 Liter Kohlen-
oxydgas nur 1598 Wärmeeinheiten entwickelt werden, so findet hier
[454]Der Hochofenprozeſs.
ein Verlust von 4618 Wärmeeinheiten statt. Der Kohlenstoffverbrauch
ist hierbei der doppelte als in dem anderen Falle. Vollzöge sich die
Reduktion des Eisenoxyds im Reduktionsraum in derselben Weise, so
müſste der Kohlenverbrauch bei dem Ofen von Clerval nach Ebel-
mans Berechnung um 95 Proz. höher sein, als er ist. Also ist auch
hierdurch bewiesen, daſs im Reduktionsraume Kohlenoxydgas das
Reduktionsmittel ist.
Wenn die Reduktion der in dem Oxydationsraume vor der
Form gebildeten Kohlensäure durch metallisches Eisen stattfindet,
so gleichen sich nach Ebelmans Berechnung Wärmeverlust und
Wärmeerzeugung aus; wenn sie dagegen durch Kohle stattfindet,
tritt eine Temperaturerniedrigung von 2300 auf 900° ein. Es ist
einleuchtend, daſs, je mehr Eisen verbrennt, je weniger Kohlen-
oxydgas gebildet werden kann, da ein Teil des Sauerstoffs ja ge-
bunden wird. Tritt der Fall ein, daſs viel Eisen vor der Form ver-
brennt, so werden die aufsteigenden Gase durch die entwickelte Hitze
heiſser, die Schachttemperatur erhöht sich, die Reduktion wird mehr
nach oben gerückt, im Gestell aber tritt eine Abkühlung ein, indem
der Kohlenstoff des Eisens auf das gebildete Eisenoxyd oder Silikat
reduzierend einwirkt, wodurch Wärme gebunden wird. Infolgedessen
wird das Roheisen weiſs und matt. Es treten die Zustände ein, die
man beim Rohgang und dem sogenannten Oberfeuer beobachtet.
Durch die Gasanalysen ist noch deutlicher nachgewiesen worden,
daſs der Wasserdampf, der mit dem Winde in den Ofen gelangt, nur
nachteilig für den Ofengang ist, indem das Wasser durch seine Zer-
setzung eine groſse Menge Wärme bindet, während der frei gewordene
Sauerstoff, der sich mit Kohlenstoff verbindet, eine viel geringere
Wärmemenge erzeugt. Bunsen hat auf dieses Verhältnis nach-
drücklich hingewiesen, und sind denn auch seit der Zeit die Wasser-
regulatoren gänzlich auſser Gebrauch gekommen. Wie groſs diese
Wärmeentziehung ist, hat Scheerer an einem Beispiel durch Rech-
nung nachgewiesen. Während aschenfreie Holzkohle in trockener
Luft mit 2458° C. verbrennt, könnte dieselbe Holzkohle mit einer
Luft, welche 21 Gewichtsprozente Wasserdampf enthielte, nur 824° C.
Wärme entwickeln.
Das augenfälligste Resultat der vielseitigen Untersuchungen über
die Hochofengase war der Nachweis, daſs nur der kleinere Teil des
Brennstoffes im Hochofen zur Wirkung kommt, der gröſsere Teil in
den entweichenden Gasen noch enthalten ist. Nach Bunsens Be-
rechnung beträgt der bei dem Steinkohlenhochofen von Alfreton im
[455]Die Gasfeuerung 1831 bis 1850.
Ofen zur Verwendung kommende Anteil nur etwa 14 Proz.; nach der
niedrigsten Schätzung entwichen 81,54 Proz. des Brennmaterials aus
der Gicht des Hochofens. Die Gichtgase des Alfretonofens erzeugten
bei der Verbrennung eine Temperatur von 1695° C., welche durch
erhitzten Wind leicht bis zu 2000° C. gesteigert werden konnte.
Diese Ergebnisse vergröſserten die Erwartungen, welche man sich
schon vorher von der Bedeutung der Hochofengase als Brennmaterial
gemacht hatte. Man glaubte sie zu allen Prozessen verwenden zu
können, namentlich auch in Flammöfen für den Puddelprozeſs. Die
sämtlichen Untersuchungen von Bunsen, Ebelman, Heyne und
Scheerer waren von der praktischen Forderung, den Brennwert der
Hochofengase zu untersuchen, ausgegangen. Bunsen hatte zwar
schon darauf hingewiesen, daſs die Hochofengase, mit kalter Luft
verbrannt, nur eine niedrige Temperatur entwickeln und daſs die
Hitze, um Roheisen zu schmelzen, nur erreicht werde, wenn man die
heiſsen Gase mit erhitzter Luft verbrenne. Indessen war der Glaube
an die Verwendbarkeit der Hochofengase auch zu solchen Prozessen,
die hohe Temperaturen erforderten, gegen Ende der 30er Jahre ein
allgemein verbreiteter geworden. Faber du Faur war es nach jahre-
lang fortgesetzten Versuchen gelungen, die Gichtgase so abzuleiten
und so zu verbrennen, daſs er sie zum Schmelzen und zum Frischen des
Eisens, sowie zum Ausschweiſsen des gefrischten Eisens in Flammöfen
benutzen konnte. Er veröffentlichte sein Verfahren nicht, sondern
bot es gegen eine Vergütung von 4000 Thlr. den Eisenwerksbesitzern
an. Soviel darüber bekannt geworden ist, leitete er die Gase an
einem tieferen Punkte im Schachte ab, wo sie noch unvermischt und
am reichsten an Kohlenoxydgas waren, und verbrannte sie mit er-
hitzter Gebläseluft; es geschah dies in 0,31, also fast in ⅓ der Höhe.
Leider sind auch über diese wichtigen Versuche Faber du Faurs
nur sehr spärliche Nachrichten vorhanden. Das Meiste darüber findet
sich in einem Aufsatze von Delesse1). Die Versuche begannen 1837,
wie aus einer von Faber du Faur verfaſsten Zusammenstellung von
1837 bis 1840 hervorgeht. Aus amtlichen Berichten an die oberste
Bergbehörde ist folgendes zu entnehmen:
Am 5. Juli 1839 verlangt Faber Arbeiter für einen in 14 Tagen
in Betrieb kommenden Puddelofen mit Hochofengasen.
Am 23. November 1839 berichtet er: „Der in Wasseralfingen auf
die Hüttensohle gestellte und mit Hochofengas betriebene Puddelofen
ist nun seit dem 18. d. Mts. in unausgesetztem Gange und gab in
Beziehung auf den erreichten Hitzegrad die befriedigendsten Resul-
tate. Es hat sich namentlich die mit der langen Leitung verbundene
groſse Abkühlung der Gase nicht nur nicht nachteilig, sondern sogar
vorteilhafter gezeigt, als bei Verwendung der Gase auf dem Gichtboden
(wo der zuerst aufgestellte Gasofen zum Weiſsmachen des Roheisens
stand). Die Fassung des Gases geschieht bei dem auf der Hütten-
sohle stehenden Puddelofen mittels einer horizontal in der Tiefe von
10 Fuſs unter der Gicht an den Kernschacht durch den Ofenmantel
und auſserhalb des Hochofens senkrecht auf die Hüttensohle geführten
guſseisernen Röhre von 13 Zoll und 10 Zoll Lichtweite. Um zu ver-
hindern, daſs sich bei dem Niedergange der Gichten die Ofenfüllung
nicht in die Mündung der Röhre drückt, ist sie hier mit einer nur
nach unten offenen Grube versehen, die am zweckmäſsigsten aus sehr
starkem Eisenblech gefertigt und durch dicke Eisenstäbe verstärkt wird.“
Der wichtigste Teil der Erfindung Fabers bei seinen Gasöfen
bestand in der rationellen Art der Luftzuführung und der Verbren-
nung. Hierauf wie auf die Ableitung der Gase werden wir später
noch zurückkommen.
Es wurde bereits früher erwähnt, daſs der Franzose Viktor Sire
bereits am 31. Oktober 1836 ein französisches Patent auf 15 Jahre
für ein vollständiges Fabrikationssystem zur Darstellung des Eisens
mittels der Hochofengase erhalten hatte. Er lieſs aber dieses Patent
verfallen. Ebelman bemühte sich später, auf Grund dieses Patentes
Sire die Priorität der Erfindung zu vindizieren 1). Dies gelang ihm
aber nicht, indem selbst der Franzose Delesse sehr energisch für
das Verdienst Faber du Faurs als ersten Erfinder eintrat.
Bunsen, der kein groſses Vertrauen zu der Verwendung der
Hochofengase zum Umschmelzen des Roheisens hatte, riet, die ab-
gefangenen Gase in die Guſsflammöfen zu leiten und sie darin zugleich
mit dem üblichen Brennmaterial zu verbrennen. „Eine geringe Menge
des letzteren“, sagt er, „wird in diesem Falle hinreichen, um den
Gasen die zum Einschmelzen nötige Temperatur wieder zu erteilen,
wenn sie solche bei ihrer Fortleitung verloren.“
Ein anderer Vorschlag, der damals wiederholt gemacht und auch
ausgeführt wurde, war der, die Gase wieder in den Hochofen zurück-
zuleiten, um sie im Gestell zu verbrennen. Die Verkehrtheit dieses
circulus vitiosus hat Karsten1) klar auseinandergesetzt. Die in das
Gestell geleiteten Gichtgase müssen dasselbe dort mehr abkühlen als
erhitzen, trotz teilweiser Verbrennung.
Dagegen wies 1841 Karsten ebenso wie Bunsen schon 1839
auf die groſsen Vorteile hin, welche die Gichtgase da gewähren, wo
es sich nicht um hohe Hitzegrade, sondern um freie Flammenentfal-
tung, wie dies namentlich bei der Dampfkesselfeuerung der Fall ist,
handelt, wobei er noch mit Recht darauf hindeutete, daſs die bis jetzt
in Anwendung gekommenen Vorrichtungen hierfür, ebenso wie für
die Winderhitzung, nur als unvollkommene Versuche anzusehen seien,
weil dabei die unmittelbar aus der Gicht strömenden Gase mit einem
nur geringen Effekt verbrannt und benutzt würden, im Vergleich mit
dem, den sie bei richtiger Ableitung und Verbrennung mit heiſser
Luft zu gewähren im stande seien. — Das Verhältnis der brennbaren
Ofengase zu der erhitzten atmosphärischen Luft werde dabei not-
wendig in jedem einzelnen Falle genau bestimmt werden müssen.
„Übrigens liegt die Betrachtung sehr nahe“, sagt Karsten zum
Schluſs, „daſs nicht allein die Ofengase in der Folge zu den Schmelz-
und Heizoperationen allgemeiner werden in Anwendung gebracht
werden müssen, sondern, daſs es auch vorteilhaft sein wird,
Kohlenoxydgas aus dem Brennmaterial, wenigstens aus
solchem, welches seiner chemischen Konstitution, oder
seines Aggregatzustandes wegen zur Flammenfeuerung
wenig geeignet ist, absichtlich deshalb darzustellen, um
es als Brennmaterial zu benutzen.“
Diese treffenden 1841 veröffentlichten Worte sind das Programm
des nächsten Jahrzehnts geworden. Man hatte durch die mannig-
faltige Verwendung der Hochofengase die groſsen Vorzüge des gas-
artigen Brennmaterials kennen gelernt und wollte nicht von dem-
selben lassen, obgleich sich die Hitze der Hochofengase zum Schmelzen,
Frischen und Schweiſsen als ungenügend erwies. Um so mehr bewährte
sich hierfür das heizkräftigere künstlich erzeugte Gas. Dazu kam der
groſse Vorteil, daſs sich zur Gaserzeugung für hüttenmännische Zwecke,
zur Herstellung der „Generatorgase“, Brennmaterialien verwenden
lieſsen, welche sonst zu metallurgischen Prozessen kaum geeignet waren.
Die künstliche Erzeugung von Heizgas (Generatorgas) für metal-
lurgische Zwecke wurde veranlaſst durch die Verwendung der Hoch-
ofengase von Faber du Faur. Wenn er auch vielleicht nicht der
erste war, der Generatorgase anwendete, was zwar wahrscheinlich,
aber nicht erwiesen ist, da darüber sichere Nachrichten nicht vor-
liegen, so gab doch seine Verwendung der Hochofengase zum Weiſsen
und Puddeln des Eisens in Flammöfen hierzu den Anstoſs. Faber
du Faurs Gasöfen mit Hochofengasfeuerung hatten groſses Aufsehen
in ganz Europa erregt. Man überschätzte ihre Bedeutung und ihren
Wert; aber gerade ihre Mängel führten zur Benutzung künstlich er-
zeugter Gase.
Karsten hatte dies in seiner Eisenhüttenkunde 1841, wie oben an-
geführt, bestimmt vorausgesagt. An einer anderen Stelle, wo er von
Faber du Faurs Verwendung der Hochofengase zum Weiſsen, sowie
zum Raffinieren und Schweiſsen des Luppeneisens in den Schweiſs-
öfen spricht 1), wiederholt er seine Ansicht über die Zweckmäſsigkeit
der Heizgaserzeugung aus minderwertigem Brennmaterial und fügt
hinzu: „Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daſs dies Gas bessere Dienste
leisten wird, als die Hochofengase, die nicht allein mehr Wasser-
dämpfe, sondern auch mehr Kohlensäure enthalten … Überhaupt
gewährt die Anwendung des Kohlenoxydgases zur Flammofenfrisch-
arbeit so groſse Vorteile und trägt zur Verminderung des Eisen-
verlustes, sowie zur Verbesserung der Beschaffenheit des Eisens so
wesentlich bei, daſs man sich bald nicht mehr auf die immer nur zu-
fällige Benutzung des aus den Hochöfen zu entnehmenden Kohlen-
oxydgases beschränken, sondern ganz allgemein den Frischprozeſs
durch absichtlich erzeugtes Kohlenoxydgas einführen wird.“
Ebenso wie Karsten durch Faber du Faurs Versuche und Er-
folge zu diesen Schlüssen geführt wurde, ebenso, nur noch unmittel-
barer, wurde der Kaiserl. österreichische dirigierende Bergrat und
Oberbergamtsdirektor, Karl von Scheuchenstuel, dadurch zu
der erfolgreichen Verwendung von Generatorgasen für metallurgische
Zwecke geführt. P. Tunner sagt hierüber in einem wichtigen Auf-
satz „Über die unter Scheuchenstuels Leitung zu St. Stephan
in Steiermark vorgenommenen Eisenfrischversuche mit alleiniger Be-
[459]Generatorgas 1831 bis 1850.
nutzung des rohen Braunkohlenkleins“ 1): „Wie von Scheuchen-
stuel in betreff des geschichtlichen Teiles dieser Versuche geäuſsert
hat, daſs ihn die glänzenden Erfolge in der Benutzung der Hoch-
ofengase, womit der königl. württemb. Bergrat Faber du Faur das
montanistische Publikum überraschte, bald nach deren Bekanntwerdung
auf die Idee geleitet habe, in ähnlicher Weise auch jenen reinen Brenn-
stoff zur Anwendung zu bringen, der bisher unter dem Namen Holz-
kohlenlösche auf den meisten Eisenhütten in beträchtlicher Menge der
wilden Flut oder anderer nicht viel besserer Verwendung preisgegeben
wird.“ Dieses Bestreben erhielt neues Leben, als von Scheuchen-
stuel im Frühjahr 1841 von seinem Besuche zu Wasseralfingen zu-
rückkehrte; unmittelbar darauf begann er seine praktischen Versuche.
In demselben Jahre fing man auch auf der Königshütte in Schlesien
an, ähnliche Versuche anzustellen, es geschah dies vermutlich auf
Karstens Anregung hin.
Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daſs sich schon am
10. Juli 1838 William Barnett in England ein Patent erwirkt
hatte für die Anwendung von Kohlenwasserstoffgas oder Kohlenteer,
oder beides, um mit Luft gemischt in Hochöfen oder Flammöfen, wo
Erze und Metalle geschmolzen oder verarbeitet und ausgeschmiedet
werden, Hitze zu erzeugen und Brennmaterial zu ersparen. Er wollte
das Gas entweder schon in den Windregulator einleiten oder durch
die Form den Öfen zuführen, wobei getrennte Gas- und Winddüsen
in dieselbe münden sollen. Ob das Patent irgend welche Anwendung
gefunden hat, ist unbekannt. Es bezieht sich auch nicht auf die
Erzeugung von Generatorgas. Näher kommt dieser Frage eine Mit-
teilung von Moses Poole an das Patentamt vom 26. Juni 1841, wo-
nach Kohlenoxydgas an Stelle von festem Brennmaterial bei der Eisen-
bereitung und an deren metallurgischen Operationen in Gebläseöfen
verwendet werden könnte. Das Kohlenoxydgas sollte von den Hoch-
öfen abgefangen und genau in der Weise Faber du Faurs benutzt
werden. Zum Schluſs wird gesagt: Ebenso kann Kohlenoxydgas, welches
auf andere Weise erzeugt worden ist, in Schmelz-, Raffinier-, Puddel-
oder Schweiſsöfen geführt werden.
Trotz dieser englischen Patente ist die Darstellung und Ver-
wendung der Generatorgase zuerst in Deutschland in die Praxis
eingeführt worden und kann deshalb mit vollem Recht als eine
deutsche Erfindung bezeichnet werden. Die Männer, die sich in
[460]Generatorgas 1831 bis 1850.
Deutschland besondere Verdienste um deren praktische Ausführung
erworben haben, waren Faber du Faur, von Scheuchensteul,
Eck zu Königshütte und Bischof zu Mägdesprung. Letzterer soll
schon 1839 einen Gasentwickelungsofen entworfen und denselben
Karsten, Mitscherlich, Rammelsberg u. A. vorgelegt haben. In
den folgenden Jahren machte er Versuche damit zu Lauchhammer,
auf die wir später zurückkommen, und sandte darüber an Page zu
Audincourt eine Mitteilung, welche zu den Experimenten Ebelmans
1842 Veranlassung gegeben haben soll 1).
Auf von Scheuchenstuels Veranlassung wurde 1841 zu Jen-
bach in Tirol und zu Werfen in Salzburg versucht, Holzkohlenlösche
zur Generatorgaserzeugung zu verwenden. Vor Vollendung dieser
Versuche wurde von Scheuchenstuel nach Steiermark versetzt.
Er erhielt aber von der obersten Bergbehörde den ausdrücklichen
Auftrag, seine wichtige Arbeit fortzusetzen, nur verwendete er hier
statt Kohlenklein die rohe Braunkohle von Fohnsdorf, Leoben, Wart-
berg u. a. O. Die Versuche führte von Scheuchenstuel in Gemein-
schaft mit dem Hüttenverweser Wagner auf dem Kaiserl. Königl.
Eisenguſswerk zu St. Stephan aus. Der Gaserzeugungsofen war ein
gewöhnlicher Schachtofen, dessen Profil einem Flossenofen ähnlich
war. Künstlicher Wind strömte durch 380 ¾ Zoll weite Öffnungen,
welche in einem Ring um den unteren Teil des Ofens verteilt waren,
ein. Die Verbrennung geschah mit erhitzter Luft, welche durch eine
Anzahl paralleler, dünner Röhren oder Düsen eingeblasen wurde.
Nach einigen miſslungenen Versuchen erreichte man eine gleichmäſsige
und reichliche Entwickelung von Gas, mit dem das Verpuddeln des
Roheisens im Flammofen nach Wunsch verlief. Damit war der Be-
weis erbracht, daſs man die rohe Braunkohlenlösche vom Fohndorfer
Flötz, welche bisher als eine unnütze Last bei dem Kohlenabbau an-
gesehen worden war, sehr gut zur Gaserzeugung und zum Gaspuddeln
verwenden könne.
Auf der Königshütte in Schlesien, wo man sich wegen der
zinkischen Erze scheute, die Hochofengase zu verwenden, erbaute man
unter der Leitung des Hütteninspektors L. Eck einen Flamm-
ofen in Verbindung mit einem Gaserzeugungsofen 2). Dieser war
seiner Konstruktion nach eine Art Sefströmofen ohne Rast; derselbe
bewährte sich sehr gut. Als Material zur Gaserzeugung dienten
[461]Generatorgas 1831 bis 1850.
Steinkohlen. Man führte nur soviel Wind von niedriger Pressung
in den Gaserzeuger ein, daſs der Sauerstoff sich schon im unteren
Teile des Ofens vollständig zersetzte, die oberen Schichten der Stein-
kohlen nur durch die entwickelte Glühhitze ihr Gas abgaben und
dann als Koks niederrücken muſsten, um sodann durch den Wind in
Kohlenoxydgas umgewandelt zu werden.
Die Verbrennung im Flammofen geschah unter Zuführung von
heiſsem Winde und ohne Rost. Statt einzelner Düsen diente ein breiter
Schlitz in dem Windkasten von Eisenblech. Durch die stechend ein-
tretende Gebläseluft wurde die Flamme stark niedergedrückt. Man
verbrauchte zur Gaserzeugung 263 Kbfſs. und zur Verbrennung der Gase
327 Kbfſs. atmosphärische Luft. Der Flammofen wurde zum Feinen
(Weiſsen) des Roheisens verwendet. Die neue Heizmethode bewährte
sich so gut, daſs Eck im Frühjahr 1844 zwei weitere Raffiniergas-
flammöfen auf der Königshütte in Betrieb setzte.
In diesem Jahre verwendete Faber du Faur zu Wasseralfingen
ebenfalls Generatoröfen, und scheint dies die erste von ihm unter-
nommene Verwendung im groſsen gewesen zu sein. Am 23. März 1844
wurden die ersten Versuche mit einem Gene-
rator für Holzkohlenklein (später für Torf)
unternommen. Die Gase wurden den Hoch-
ofengasen zugeführt, wenn sich letztere in-
folge von Betriebsstörungen beim Hochofen
für den Gasofenbetrieb als unzureichend er-
wiesen. Sie dienten also nur als Reserve.
Hervorragendes Verdienst hat sich auch
L. Bischof auf diesem Gebiete erworben.
Als Hüttenverwalter in Lauchhammer hatte
er bereits 1839 Versuche angestellt, Torfgas
zu erzeugen und dies zu hüttenmännischen
Zwecken zu verwenden. Er bediente sich
eines Entwickelungsofens und erhielt beim
Verbrennen des Gases im Flammofen durch Zutritt erhitzter Gebläse-
luft klare Flammen und höchste Weiſshitze 1). Puddeln und Schweiſsen
des Eisens gelangen ganz gut. Der Entwickelungsofen ist in Fig. 124
dargestellt. Die Verbrennung geschah darin durch natürlichen Zug,
und war die Anwendung eines Gebläses nicht erforderlich, wenn der
[462]Generatorgas 1831 bis 1850.
Gasentwickelungsofen tiefer als der Puddlingsofen lag. Die gewonnenen
Gase enthielten ungefähr 48 Proz. brennbare Bestandteile. Ein Raum-
teil Torfgas bedurfte zweier Raumteile heiſser Luft zur vollständigen
Verbrennung. Trotz des guten Erfolges wurden diese Versuche zu
Lauchhammer damals nicht weiter verfolgt, indem man sich der
Benutzung der Hochofengase nach Faber du Faurs Methode
zuwendete.
Im Winter und Frühling 1843/44 machte L. Bischof, der in-
zwischen als Herzogl. anhalt. Hüttenmeister nach Mägdesprung versetzt
worden war, weitere Versuche auf der Königl. preuſs. Eisenspalterei
zu Neustadt-Eberswalde und auf der Königl. Gieſserei zu Berlin, die
von dem glücklichsten Erfolge gekrönt waren 1).
Nach Bischof unterscheidet sich die Flamme des aus rohen
Brennmaterialien erzeugten Gases von der Hochofengasflamme darin,
daſs dieselbe eine ungleich höhere Hitze entwickelt und frei von
Kieselsäure etc. ist. Es befindet sich in den erzeugten Gasen ein
viel gröſserer Brenngasgehalt, auſser dem Kohlenoxydgas noch ca.
15 Proz. Kohlenwasserstoffgas, wovon die Hochofengase kaum 2 bis
3 Proz. enthalten.
Dieses Kohlenwasserstoffgehaltes wegen verlangt das erzeugte Gas
bei der Verbrennung mehr Luft, und damit die chemische Verbindung
mit dem Sauerstoff derselben vollendet sei, ehe die Flamme in den
Herd des Puddlingsofens gelangt, eine stärkere Erhitzung der Luft
und eine längere Feuerbrücke. Auf die hüttenmännische Verwendung
der Gase kommen wir später zurück.
Ebelman verdankte den Deutschen, speciell Bunsen, Karsten
und Bischof, die Anregung zu seinen Untersuchungen über Generator-
gase. Bereits im Jahre 1841 hatte er einige Versuche in der Hütte
zu Audincourt mit Kohlenlösche unter Anwendung eines Gebläse-
luft- und Wasserdampfstromes gemacht 2). Diese ersten Versuche er-
gaben nach Ebelmans Bericht, daſs man mit schlechten Brennstoffen,
wie Sandkohlen, erdigen Kohlen und Anthracit, Gase erzeugen kann,
die im stande sind, durch geeignete Verbrennung die höchsten Tem-
peraturen zu entwickeln, welche man bei den Eisenhüttenprozessen
nötig hat. Er nahm Victor Sires Patent wieder auf und machte
Heizversuche mit Holzkohlengasen in einem Flammofen der Hütte zu
Traverary.
Die französische Generaldirektion der Berg- und Hüttenwerke
setzte einen Geldbetrag zur Fortsetzung der Versuche durch Ebelman
aus. Dieser prüfte nun systematisch die verschiedenen Brennmaterialien
durch; zunächst Kohlenlösche und Quandelkohle. Als Gasgenerator
bediente er sich des in Fig. 125 dargestellten Schachtofens von ca.
10 Fuſs Höhe. Er heizte damit einen Flamm-Schweiſsofen. Ebelman
untersuchte die Zusammensetzung sowohl der Generatorgase als deren
Verbrennungsprodukte und stellte dadurch
fest, in welcher Weise die Verbrennung der-
selben vor sich geht. Der Sauerstoff der Luft
war in dem Heizgase vollständig im Kohlen-
oxydgas gebunden, die Temperatur der Gase
beim Austritt aus dem Generator betrug etwa
430° C.
Eine weitere Versuchsreihe betraf die unter
Zuleitung von Luft und Wasserdampf erzeug-
ten Gase. Hierbei trat eine groſse Abküh-
lung der Gase, welche allerdings mehr Heiz-
kraft hatten, ein. Ebelman ermittelte das
günstigste Verhältnis zwischen Luft und Wasser
zu 1:0,215.
Sodann untersuchte er die aus Holz erzeugten Gase, wobei
er auch durch die Analyse der Gase in verschiedener Höhe des
Generators die Umstände feststellte, unter welchen die Destillation
stattfand.
Ebelman wendete hierauf Torf zur Gaserzeugung an und wies
die wesentlich von den Holzgasen abweichende Zusammensetzung des
Torfgases, worauf aber auch die ungenügende Höhe des Entwickelungs-
ofens von Einfluſs war, nach. Ferner untersuchte er Gas, welches aus
Holz durch Verbrennung mit abwärts gehendem Luftzug erzeugt wurde.
Er beschränkte seine Untersuchungen nicht auf die Hochofen- und
Generatorgase, sondern analysierte auch die Gase der Kupolöfen
und der Frischfeuer. Seine verdienstvollen Arbeiten haben das Ver-
ständnis der Heizgase und der metallurgischen Prozesse wesentlich
gefördert.
Ebelman veröffentlichte 1) folgende mittlere Zusammensetzungen
der Generatorgase nach Gewichtsprozenten:
Weiteres über die Heizgase folgt im nächsten Kapitel.
Die Fortschritte der Physik und Chemie, insbesondere die theo-
retischen und praktischen Untersuchungen über die Wärme einerseits,
und die Analyse der verschiedenen Brennmaterialien der Hochofen-
und Generatorgase anderseits hatten der Lehre von den Brenn-
materialien eine wissenschaftliche Grundlage gegeben und gröſsere
Klarheit auf diesem Gebiete geschaffen, was für den Eisenhüttenmann
von allergröſster Bedeutung war.
Man war in dieser Periode zu der Einsicht gekommen, daſs der
Wert eines Brennmaterials nicht nur durch seinen absoluten, sondern
auch durch seinen pyrometrischen Wärmeeffekt bedingt sei. Die
groſse Wirkung der erhitzten Gebläseluft hatte besonders die Auf-
merksamkeit auf die praktische Bedeutung der Intensität der Wärme
gelenkt. Den absoluten Wärmeeffekt, d. h. die Wärmemenge, welche
ein bestimmtes Gewicht eines Brennmaterials giebt, wurde mit dem
von Rumford angegebenen Apparat, welcher in der Hauptsache aus
einem Verbrennungsapparat und einem Schlangenrohr, durch das die
Verbrennungsgase durch Wasser geleitet werden, besteht, gemessen.
Man maſs die Wärmezunahme der abgemessenen Wassermenge und
berechnete daraus die Zahl der Wärmeeinheiten. Als Wärmeeinheit
galt nach Despretz’ Vorschlag die Wärmemenge, welche das Einheits-
gewicht Wasser um 1° C. erwärmte. Die angestellten Versuche er-
gaben bei der Verbrennnung von:
Der absolute Wärmeeffekt des Wasserstoffes beträgt demnach das
Dreifache von dem des Kohlenstoffes. Da aber der Wasserstoff bei
seiner Verbrennung auch die dreifache Menge Sauerstoff im Vergleich
mit dem Kohlenstoff verbraucht, so stehen die absoluten Wärmeeffekte
des Kohlenstoffes und Wasserstoffes im geraden Verhältnis zu den bei
der Verbrennung derselben verbrauchten Sauerstoffmengen. Dieses
Gesetz hatte Welter auf alle Brennmaterialien ausgedehnt.
Um den Sauerstoff, der zur Verbrennung nötig ist, auf einfache
Art zu bestimmen, hat Berthier ein sehr praktisches Verfahren er-
funden 1). Er vermischt das betreffende Brennmaterial mit Bleiglätte
derart, daſs dasselbe vollständig verbrennt auf Kosten des in der
Glätte enthaltenen Sauerstoffes. Aus dem Gewicht des sich dabei
bildenden Bleikorns berechnet man den verbrauchten Sauerstoff und
aus diesem die Brennkraft. Selbstverständlich muſs das Brennmaterial
in möglichst fein verteiltem Zustande mit der gepulverten Glätte ver-
mischt werden, auch nimmt man einen Ueberschuſs der letzteren,
etwa das 20- bis 40 fache. 1 Gewichtsteil reiner Kohlenstoff ergiebt
einen Bleikönig von 34 Gewichtsteilen. Hiernach ist die Berechnung
leicht anzustellen. Sowohl das Weltersche Gesetz als Berthiers
Verfahren sind nicht absolut richtig, dennoch ist letzteres zur Ver-
gleichung der Brennwerte ähnlicher Brennmaterialien ein ganz zweck-
mäſsiges Mittel.
Gäbe es ein gutes, zuverlässiges Pyrometer, so wäre es leicht, den
Wärmegrad, welcher bei der Verbrennung eines Brennmaterials ent-
wickelt wird, durch Messung zu bestimmen; da dies aber nicht der
Fall, so war man auf den Weg der Rechnung angewiesen. Um diese
Rechnung hat Scheerer2) sich besonderes Verdienst erworben, indem
er geeignete Formeln zur Ermittelung des pyrometrischen Wärme-
effektes entwickelt hat. Er ging dabei von der Thatsache aus, daſs
das Verbrennungsprodukt der Träger der sämtlichen durch den Ver-
brennungsprozeſs entwickelten Wärmemenge ist. Der pyrometrische
Wärmeeffekt läſst sich berechnen, wenn man den absoluten Wärme-
effekt durch das Produkt des Verbrennungsproduktes und dessen
specifischen Wärme dividiert. Da die in Frage kommenden Brenn-
Beck, Geschichte des Eisens. 30
[466]Brennmaterialienlehre 1831 bis 1850.
materialien meist zusammengesetzte Körper sind, so werden die
Formeln dafür verwickelter.
Die Verbrennungswärme fällt natürlich sehr verschieden aus, je
nachdem die Verbrennung in reinem Sauerstoff oder, wie in der
Praxis, in atmosphärischer Luft vor sich geht. In letzterem Falle ver-
mindert der indifferente Stickstoff, der einen groſsen Teil der ent-
wickelten Wärme aufnimmt, den Hitzegrad. Scheerer teilt hierfür
folgende Zahlen mit.
Berechneter pyrometrischer Wärmeeffekt in Grad Celsius bei der
Verbrennung von:
Wenn diese Zahlen auch nur annähernd richtig sind, so geht
doch aus denselben hervor, daſs die Verbrennungstemperatur des
Kohlenstoffes mehr wie dreimal so groſs ist, als die des Wasserstoffes.
Daraus folgt schon, daſs alle flammbaren Brennmaterialien einen
niedrigeren pyrometrischen Wärmeeffekt geben, als die nicht flamm-
baren. Ferner ist der pyrometrische Wärmeeffekt eines aus Kohlen-
stoff und Wasserstoff zusammengesetzten Brennmaterials um so gröſser,
je gröſser der Kohlenstoffgehalt ist. Zur Erhöhung dieser Wirkung
tragen deshalb wesentlich die Konzentrirung des Brennstoffes, wie sie
beim Verkohlen, Verkoken, Darren und Trocknen erzielt wird, und
die Anwendung des heiſsen Windes bei.
Nach den oben angeführten Grundsätzen lassen sich die Heiz-
werte der Brennmaterialien, deren chemische Zusammensetzung be-
kannt ist, berechnen.
Was nun die einzelnen Brennmaterialien anbetrifft, so sind über die-
selben in dieser Periode eine groſse Zahl von Untersuchungen angestellt
worden, von denen wir nur die wichtigsten kurz erwähnen können.
Die Holzfaser hatten bekanntlich Gay-Lussac und Thenard
zuerst in ihre chemischen Bestandteile zerlegt. Payen hat die Zu-
sammensetzung der Holzsubstanz zu 52,53 Kohlenstoff, 41,78 Sauer-
stoff und 5,69 Wasserstoff angegeben; das Zellgewebe, welches von
der Holzsubstanz angefüllt ist, soll dagegen aus 44 Kohlenstoff und
56 Wasser bestehen 1). Petersen und Schödler haben 24 ver-
[467]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
schiedene Holzarten analysiert 1). Über die specifischen Gewichte ver-
schiedener Holzgattungen in lufttrockenem Zustande hat Karmarsch
Untersuchungen veröffentlicht; ebenso der Amerikaner Bull, Winkler
u. A. Schübler und Neuffer haben verschiedene Holzarten im
frischgefällten und im lufttrockenen Zustande auf ihre specifischen
Gewichte untersucht. Berthiers Ermittelung der Brennkraft ver-
schiedener Hölzer nach seinem Verfahren ergab für lufttrockenes
Karsten giebt als einen Erfahrungssatz an, daſs 1 Gewichtsteil
Holz bei zweckmäſsiger Feuerungseinrichtung 3 bis 3½ Gewichtsteile
Wasser unter gewöhnlichen Umständen verdampft. Scheerer teilt
als Resultat zahlreicher Ermittelungen mit, daſs der absolute Wärme-
effekt verschiedener, sich aber im gleichen Trockenheitszustande be-
findender Holzarten annähernd gleich groſs sei und zwar nimmt er
den absoluten Wärmeeffekt des lufttrockenen Holzes mit ungefähr
40 Proz. Kohle zu 0,40, den des gedarrten Holzes mit etwa 50 Proz.
Kohle zu 0,50 an, wenn man den des Kohlenstoffes = 1 setzt. Aus
diesem Satz folgt unmittelbar, daſs der specifische Wärmeeffekt von
Holzarten mit gleichem Wassergehalt sich wie das specifische Gewicht
derselben verhält.
Den pyrometrischen Wärmeeffekt des lufttrockenen Holzes berechnet
Scheerer zu 1770° C. und auf einer anderen Grundlage zu 1500° C.
Er nimmt als die richtigste Zahl für lufttrockenes Holz 1750° C., für
halbgedarrtes 1850° C., für gedarrtes 1950° C. an.
Seit Anfang der 30er Jahre stand die Verwendung des rohen, luft-
trockenen Holzes im Hochofen wieder auf der Tagesordnung. Neu
war die Idee bekanntlich nicht; 100 Jahre zuvor hatte schon
Swedenborg darüber geschrieben. Sie wurde aber von neuem an-
geregt durch die Erfolge, welche man in Schottland mit roher Stein-
kohle erzielte. Man schmeichelte sich namentlich in Frankreich eine
Zeit lang mit der Hoffnung, durch die Anwendung des rohen Holzes
30*
[468]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
im Hochofen die Produktionskosten des Roheisens derart herunter-
drücken zu können, daſs man nahezu mit den Engländern konkurrenz-
fähig würde.
In Frankreich begann man 1831 mit diesen Versuchen, nachdem
es bekannt geworden war, daſs man in Finnland und Nordamerika
mit Erfolg rohes Holz im Hochofen verwendet hatte. In Finnland
wurden Sumpferze damit verschmolzen 1). Über die Erfolge auf den
Eisenhütten bei Westpoint und Stockbridge in Nordamerika hatte
Chevalier 1831 in den Annales des mines Angaben veröffentlicht.
1833 erschien in derselben Zeitschrift ein Bericht über die von
dem Russen Butenieff auf der Hütte von Sambul im Gouvernement
Wyborg, 80 Werst von Petersburg, ausgeführten Versuche mit rohem
Holz zum Schmelzen der Eisenerze im Hochofen.
Diese verschiedenen Nachrichten erregten groſses Interesse in
Frankreich und veranlaſsten die Metallurgen Berthier und Combes,
die Frage zu studieren.
Der Besitzer des Lauffener Eisenwerkes, Herr Näher, machte
1834 Versuche, einen Teil der Holzkohlen durch rohes Holz zu er-
setzen in seinem Hochofen bei Plons, ½ Stunde von Sargans im
Kanton St. Gallen. Derselbe wurde mit heiſsem Winde, der in einem
Wasseralfinger Apparat erhitzt wurde, betrieben, doch lieſs man die
Gichtflamme erst über die Erze streichen, die auf diese Art vor-
gewärmt wurden, ehe sie in den Ofen kamen. Man erzielte trotzdem
noch eine Windtemperatur von 150 bis 200° C.
Der Ofen hatte 6,99 m Höhe und eine Form. Der Wind wurde
durch ein Wassertrommelgebläse erzeugt. Das Holz wurde in Stücke
von 13 Zoll Länge mit einer Kreissäge geschnitten. Die Stücke Holz
wurden vor dem Gebrauch in ein viereckiges Gestell von Eisen an
einem Galgen ½ Stunde lang in der Gichtflamme aufgehängt. Das
Ergebnis war ein sehr günstiges. 1/12 Klafter Holz, welches bei der
Verkohlung nur 6,83 Kbfſs. Holzkohle lieferte, ersetzte 10,40 Kbfſs.
im Ofen; auſserdem konnte man den Erzsatz um 10 Proz. erhöhen.
Die gesamte Ersparnis kam an 25 Proz. Das Eisen war ebensogut
wie bei Holzkohlen allein, es war weiſsstrahlig und wurde zu Lauffen
verfrischt.
Berthier hat sowohl die Erze als auch das Eisen und die
Schlacken des Hochofens von Plons analysiert 2). Nach seinen An-
[469]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
gaben ersetzten 100 Gewichtsteile Holz 37 Gewichtsteile Holzkohle,
was eine sehr vollkommene Ausnutzung des in dem Holze vorhande-
nen Brennstoffes beweist. Dasselbe Holz würde bei rascher Verkohlung
in Meilern nur etwa 19 Proz. Holzkohle ergeben. Berthier hebt die
Wichtigkeit dieser Thatsache für den Hüttenbetrieb hervor.
Infolgedessen wendete man dem Darren des Holzes eine groſse
Aufmerksamkeit zu, nicht nur in Frankreich, sondern auch in Belgien,
Süddeutschland und Österreich, In Frankreich erlangte das Verfahren
namentlich in den Ardennen Verbreitung, und benutzte man dabei
die Gichtgase als Heizstoff.
Über das Darren mit Hochofengasen haben wir schon gesprochen.
Es geschah dies meist in eisernen Kästen. In Steiermark wendete
man dagegen gemauerte Darröfen an. Fig. 126 ist die Abbildung
eines von Bergrat Hampe auf dem Hüttenwerke Neuberg errichteten
Darrofens. Andere Arten von
Holztrockenöfen finden sich in
Karstens Eisenhüttenkunde be-
schrieben und abgebildet.
Da die Versuche, stark ge-
trocknetes Holz im Hochofen
zu verwenden, viele Übelstände
mit sich führten, so kam man
nach und nach dazu, das Dar-
ren bis fast zur Verkohlung zu steigern. Je nach dem Grade dieser
Erhitzung erhielt man gelb- und braungedarrtes Holz und Rotkohle
(charbon rouge).
Ein 1835 von Houzeau und Faveau patentiertes Verfahren
setzte die Benutzung der Gichtflamme voraus. Das rohe Holz muſste
hierbei alle erst auf die Hütte gebracht und dann auf die Ofengicht
befördert werden. Dies veranlaſste so groſse Transportkosten, daſs
das Verfahren unrentabel wurde, namentlich wenn die Rotkohlen an
einem anderen Orte verwendet werden sollten. Deshalb schlug Guey-
mard1) vor, die Bereitung der Rotkohlen ganz ähnlich wie die der
Schwarzkohlen in Kohlenmeilern im Walde selbst vorzunehmen. Seine
Versuche hatten aber keinen guten Erfolg. Gruner empfahl statt
der Meilerverkohlung Haufenverkohlung. Sauvage2) wendete liegende
Meiler an, durch welche er der ganzen Länge nach einen Luftkanal
[470]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
führte. Vor dem Kanal war eine geschlossene Feuerung angebracht,
durch welche ein Luftstrom mit einem Ventilator getrieben wurde,
der dann in den Luftkanal im Meiler führte. Sauvage erhielt mit
seinen acht Versuchsmeilern nur gedarrtes Holz und keine Rotkohle,
weil er die Temperatur niedrig halten muſste, damit sich nicht die
brennbaren Gase im Innern entzündeten und ein Anbrennen des Holzes
verursachten.
Lagoutte de la Croix hatte 1839 in Belgien und 1843 in
Österreich ein Patent auf die Verkohlung von Holz, Torf und Stein-
kohlen mit erhitztem Wasserdampf erhalten, und Scheerer hielt dies
für den besten Weg zur Herstellung der Rotkohle.
Die Holzkohle war auf dem europäischen Kontinente immer
noch das wichtigste Brennmaterial für die Eisenindustrie. Über den
chemischen Vorgang bei der Meilerverkohlung haben Ebelmans1)
Untersuchungen der während des Prozesses entweichenden Gase Auf-
klärung verschafft. Scheerer hat den pyrometrischen Wärmeeffekt
verschiedener Holzkohlensorten folgendermaſsen berechnet:
Die verbreitetste Art der Holzkohlenbereitung war die Meiler-
verkohlung. Man hat in dieser Periode zahlreiche Versuche gemacht,
die Meilerverkohlung zu verbessern, ohne indes eine wesentliche
Anderung durchzuführen. Zu Hiflau in Steiermark 2) erbaute man
mit Vorteil sehr groſse Meiler von 15000 bis 16000 Kbfſs. Inhalt auf
einer gemauerten Sohle. Der Hauptunterschied im Betriebe bestand
darin, daſs man das Decken des Meilers von unten begann. Man bewarf
denselben, ohne den gewöhnlichen ringförmigen Fuſsraum offen zu
lassen, mit einer 2 Fuſs dicken, möglichst festgeschlagenen Löscheschicht.
Nach oben zu machte man die Decke schwächer und bedeckte die
Haube nur mit einer 9 Zoll dicken, möglichst lockeren Löschelage.
Die Entzündung geschah durch den Quandelschacht von der Mitte
aus. Ein Meiler von 46 Fuſs Durchmesser brauchte 4 bis 6 Wochen
bis zur Gare. Die Haupteigentümlichkeit des Prozesses bestand in
der vollständigen und möglichst dichten Bedeckung des Meilerfuſses
während der Schwitzperiode. Man erzielte zu Hiflau ein sehr hohes
[471]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
Kohlenausbringen von 26 Proz. Ein ganz ähnliches Verfahren hatte
man zu Neusohl in Ungarn.
Auch Pfort zu Veckerhagen 1) suchte die Meilerverkohlung im
Reinhardswalde dadurch zu verbessern, daſs er den Meiler am Fuſse
möglichst schloſs, die Haube mehr offen lieſs und die Entzündung
von oben durch den Quandel bewirkte. Die Ergebnisse waren günstig.
Der Amerikaner Bull hat das Ausbringen wesentlich dadurch
vergröſsert, daſs er beim Aufsetzen des Meilers die Zwischenräume
mit Kohlenstaub ausfüllte und sie dadurch unschädlich machte.
Die Holzverkohlungsöfen, welche man hauptsächlich da an-
wendete, wo man die Destillationsprodukte des Holzes mitgewinnen
wollte, hatten teils die Form der Meiler, teils die der Haufen. Wo
die Teergewinnung den Hauptzweck bildete, wendete man Retorten-
öfen an, die hierbei erzielten leichten Kohlen waren aber für den
Hüttenbetrieb wenig geeignet. Statt der kostspieligen Retorten wen-
dete man zuerst bei Blansko in Mähren bereits Ende der 20er Jahre
Röhrenöfen an, d. h. Kammern, durch welche guſseiserne Heizröhren
geführt wurden. Dieselben waren von Reichenbach konstruiert und
bewährten sich gut, doch hat auch diese Art Öfen mehr ein Interesse
für den Holzessigfabrikanten, als für den Hüttenmann.
Bei dem lebhaften Bestreben, die Produktionskosten des Eisens
namentlich durch Brennmaterialersparung zu verringern, wendete man
natürlich in dieser Zeit auch dem Torf und seiner Verwendung in
der Eisenindustrie wieder gröſsere Aufmerksamkeit zu.
Über die chemische Zusammensetzung und die Bildung desselben
hat namentlich Mulder durch eingehende Versuche Aufschluſs ge-
geben 2). Regnaults Analysen 3) stimmen mit denselben überein.
Die mittlere Zusammensetzung von sechs holländischen und drei fran-
zösischen Torfarten betrug 60,63 Tle. Kohlenstoff, 6,04 Tle. Wasserstoff
und 33,32 Tle. Sauerstoff. Dies entspricht nach Scheerer einer Zu-
sammensetzung von 60 Tln. Kohlenstoff, 2 Tln. Wasserstoff und 38 Tln.
Wasser, während die entsprechende Holzmasse 50 Tle. Kohlenstoff und
50 Tle. Wasser enthält. Regnault fand auch Stickstoff, bei dem Torf
von Vulcaire bei Abbeville sogar 2,21 Proz.
Scheerers Angabe gilt für die Zusammensetzung der reinen
Torfsubstanz. Danach wäre reiner Torf ein besseres Brennmaterial
[472]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
als Holz. Sein Wert wird aber sehr beeinträchtigt durch seinen
Aschengehalt und seine Struktur, ganz abgesehen von seinem Wasser-
gehalt. Der Gehalt an hygroskopischem Wasser beträgt etwa 25 Proz.
Im günstigsten Falle kann, nach Scheerer, der absolute Wärme-
effekt des lufttrockenen Torfes den des gedarrten Holzes erreichen.
Gedarrter Torf von gröſster Reinheit übertrifft in seinem absoluten
Wärmeeffekt den des gedarrten Holzes nicht unbedeutend.
Berthier, der sehr eingehende Versuche über die französischen
Torfarten angestellt hat, fand, daſs ein Gewichtsteil Torf
Der pyrometrische Wärmeeffekt des Torfes ist sehr verschieden;
während er bei schlechtem Torf hinter dem des lufttrockenen Holzes
zurückbleibt, übertrifft der gedarrte Torf hierin das gedarrte Holz.
Für die Verwendung des Torfes in der Eisenindustrie ist eine
über das einfache Trocknen hinausgehende Vorbereitung fast immer
unerläſslich.
Das Pressen des getrockneten Torfes ist zwar eine naheliegende
und anscheinend einfache Verbesserung, aber die damals angewendeten
Methoden und Maschinen, von denen die von Willougby konstruierte
sich auszeichnete, waren alle zu kostspielig.
Das Darren, welches in ganz ähnlicher Weise ausgeführt wurde
wie bei dem Holze, bewährte sich besser. Wohl der älteste bekannte
Torfdarrofen wurde auf der Königl. württembergischen Eisenhütte zu
Königsbronn erbaut. Es war eine Darrkammer mit guſseiserner Sohle,
unter welcher die Gase einer Feuerung herstrichen, um dann durch
ein heberartiges Rohr zu entweichen. Die Temperatur sollte nur
wenig über die Siedehitze steigen, konnte aber erhöht werden. Reg-
nault und Sauvage haben diesen Apparat 1836 zuerst beschrieben
und abgebildet 1).
Das Verkohlen des Torfes hatte man schon früher ange-
wendet. Die Torfkohle hat verschiedene groſse Nachteile, den hohen
Aschengehalt, der nach Berthiers Analysen stets über 10 Proz.
betrug, den Mangel an Festigkeit und den nie fehlenden Phosphor-
gehalt. Diese Eigenschaften machten ihre Verwendung im Hochofen
fast unmöglich.
Von den damals in Anwendung gekommenen Torfverkohlungs-
öfen ist besonders ein cylindrischer Ofen mit Registeröffnungen zu
Rothau im Departement der Vogesen zu erwähnen 1). Zu Crouy bei
Meaux hatte man gemauerte Öfen, welche nach dem Princip der
Teeröfen eingerichtet waren 2). An anderen Orten bediente man sich
dazu Öfen mit Rost, zu denen atmosphärische Luft Zutritt hatte. Zu
Oberndorf befanden sich zehn Torfmeileröfen, welche Knapp in seiner
Technologie beschrieben hat.
W. Williams rühmt die vorzügliche Torfkohle, die man erhält,
wenn man gepressten, aschenarmen Torf verkohlt.
Wie dem Torf, so wendete man auch der Braunkohle eine
gröſsere Beachtung seitens der Eisenindustrie zu. Dieselbe kann als
ein Übergangsgebilde zwischen Torf und Steinkohle angesehen werden,
was auch durch die gründlichen chemischen Untersuchungen von
Regnault3) bestätigt wurde. Auſser Regnault lieferten Kühnert,
Varrentrapp, Karsten, von Liebig, Reinsch und Balling Ana-
lysen von Braunkohle.
Die organische feste Masse der drei Hauptbraunkohlenarten zeigte
nach diesen folgende mittlere Zusammensetzung:
Die lufttrockene reine Braunkohle enthält aber auſserdem noch
20 Proz. hygroskopische Flüssigkeit, wonach sich folgende Zusammen-
setzung ergiebt:
Durch die Verunreinigungen, erdigen Beimengungen, Wassergehalt
und Struktur ist aber die Braunkohle ebenso verschieden unter sich
wie der Torf. Der absolute Wärmeeffekt der oben angeführten Braun-
kohlenarten berechnet sich für die
Berthier untersuchte eine Anzahl französischer Braunkohlen mit
Bleiglätte. 1 Gewichtsteil derselben von
wobei der absolute Wärmeeffekt des Kohlenstoffes = 1 gesetzt ist.
Danach übertrafen fast alle lufttrockenen Braunkohlen in ihrem ab-
soluten Wärmeeffekt den des gedarrten Holzes (= 0,50); die gedarrten
in noch höherem Grade.
Den pyrometrischen Wärmeeffekt berechnete Scheerer für
Er übertraf also im ganzen den des gedarrten Holzes (= 1950° C.).
Zum Darren eignet sich die Braunkohle nicht, weil sie zerbröckelt,
ebensowenig zum Verkohlen. Versuche, Braunkohlen zu verkoken,
wurden 1839 zu Fohnsdorf und 1841 zu Voitsberg in Steiermark
gemacht.
Von Steinkohlen hat in jener Zeit Regnault1) zahlreiche Ana-
lysen veröffentlicht, ebenso Karsten, Richardson und Jacquelin2).
Scheerer berechnet daraus, unter Annahme von 5 Proz. hygro-
skopischer Feuchtigkeit und 5 Proz. Aschegehalt, die Zusammensetzung
der vier Kohlenarten folgendermaſsen:
Den absoluten Wärmeeffekt hat Dulong durch Versuche er-
mittelt und Scheerer berechnet. Er beträgt für
Berthier und Karsten haben eine groſse Anzahl Steinkohlen-
sorten auf ihren absoluten Wärmeeffekt untersucht 1).
Lampadius, Karsten, Richardson, Jacquelin und Reg-
nault stellten Untersuchungen über das specifische Gewicht der
Steinkohlen an. Dasselbe beträgt nach Scheerer im Mittel für
Den pyrometrischen Wärmeeffekt fand Scheerer für
wobei der Aschengehalt unberücksichtigt blieb.
Magere Steinkohlen wurden seit der Einführung der Winderhitzung
in manchen Gegenden auch im Hochofen roh angewendet; in der Regel
verwendete man aber beim Schmelzen in Schachtöfen Koks.
Gute Koks hatten eine Zusammensetzung von 85 bis 92 Proz.
Kohlenstoff, 3 bis 5 Proz. Asche und 5 bis 10 Proz. hygroskopisches
Wasser. Ihr absoluter Wärmeeffekt betrug 0,85 bis 0,92. Der Asche-
gehalt kann jedoch den Wärmeeffekt sehr beeinträchtigen. Berthier
fand, daſs ein Koks mit 11½ Proz. Asche nur 28,5 Blei gab, ent-
sprechend 6555 Wärmeeinheiten.
Nach Scheerer beträgt das mittlere specifische Gewicht von
Das Koksausbringen verschiedener Steinkohlensorten ist sehr ver-
schieden und schwankt zwischen 50 und 90 Proz. Karsten hat das-
selbe für viele Kohlensorten ermittelt (§. 543).
Der pyrometrische Wärmeeffekt reiner aschenarmer Koks kommt
dem der Holzkohlen nahe. Durch den Aschengehalt vermindert er
sich aber nicht unbeträchtlich.
Bei der Verkokung der Steinkohlen wurden in diesem Zeit-
abschnitte mancherlei Verbesserungen eingeführt. Man kam mehr und
mehr davon ab, die wertvollen Stückkohlen zu verkoken, dagegen
wendete man der Verkokung der Staubkohlen und Kleinkohlen gröſsere
Aufmerksamkeit zu.
Aus dem Verfahren der Staubverkokung zu Janon und Terre noire
bei St. Etienne, welches wir S. 228 beschrieben haben, entwickelte
sich die Verkokung
„zwischen Mauern“.
Sie verhielt sich zur
Meiler- und Ofen-
verkokung wie das
Rösten in Stadeln
zum Rösten in Hau-
fen und in Öfen.
Statt daſs man die
Staubkohle in For-
men einstampfte, die
man nachher wegnahm, stampfte man
sie in derselben Weise zwischen zwei
langen parallelen Mauern ein, die an
den Schmalseiten offene Thüren hatten,
Fig. 127. Unten sparte man quer durch-
gehende Kanäle aus und stieſs in den feucht eingestampften Haufen
mit einer Eisenstange senkrechte Luftlöcher durch die Decke. Der
Haufen wurde durch die unteren Kanäle mittels Reisigholz in Brand
gesteckt. Sobald die durch die Decke schlagenden Flammen eine
bläuliche Farbe annahmen, deckte man den Haufen mit Lösche. War
die Verkokung beendet, so wurden die mit Ziegelsteinen vermauerten
Thüren aufgerissen. Die Zeit der Verkokung betrug 36 bis 48 Stunden,
das Ausbringen soll 50 bis 55 Proz. betragen haben, doch war es
meist geringer.
Dieses Verfahren hatte man zuerst im Jahre 1834 zu Creusot
eingeführt, indes einige Jahre danach als zu kostspielig wieder ver-
[477]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
lassen, während es zu Torteron im Nièvredepartement länger in An-
wendung blieb. Doch war auch hier das Ausbringen ein ungünstiges 1).
Nailly führte zu Creusot 1835 eine Verbesserung dadurch ein, daſs
er noch Vertikalkanäle anbrachte, die ganz wie zu Janon durch ein-
gestampfte Pfähle gebildet wurden.
Aus dieser Konstruktion entsprangen die Öfen, welche der Berg-
inspektor Hauser Anfang der 40er Jahre im Fürstentum Schaum-
burg eingeführt hat. Der wichtige Unterschied dieser Schaumburger
Öfen bestand darin, daſs man die Gase nicht durch die Kohlen durch-
strömen lieſs, sondern daſs man in den Seitenmauern vertikale Ab-
zugskanäle anbrachte, die wie kleine Essen wirkten und durch welche
die Gase entweichen muſsten. Die Decke des Meilers verschloſs man
deshalb mit einer starken, festgestampften Lehmschicht möglichst luft-
dicht. Fig. 128 bis 131 zeigen die einfache Konstruktion eines solchen
Schaumburger Ofens, wie er 1850 zu Gleiwitz errichtet worden war und
[478]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
wie er in den 50er Jahren auf vielen Hütten und Steinkohlengruben
betrieben wurde. Die älteren eigentlichen Schaumburger Öfen zu
Obernkirchen in Lippe-Schaumburg hatten drei Reihen horizontale
Züge in den Seitenwänden übereinander, und waren diese Kanäle
nach auſsen geneigt, um den Teer abflieſsen zu lassen.
Auch in Wales hatte man offene Öfen oder Stadeln, welche aber
15 Fuſs hohe Seiten hatten. Rogers empfahl solche von 14 Fuſs
Weite, 90 Fuſs Länge und 7 Fuſs 6 Zoll Höhe, die 150 Tonnen Stein-
kohlen faſsten.
Das Ausbringen dieser offenen Öfen war aber stets ungünstiger
als das der geschlossenen; bei ersteren betrug der Abbrand mindestens
½, bei letzteren ⅖.
Man unterschied in Frankreich in dem Gebiete von St. Etienne
und Rive de Gier zwei Arten von geschlossenen Verkokungsöfen, solche
mit einer Thür und solche mit zwei Thüren. Erstere bezeichnete man
sonderbarerweise als die französischen, letztere als die englischen
Öfen 1). Diese Bezeichnung war eine wenig begründete, da sowohl die
einthürigen wie die zweithürigen Öfen von England ausgegangen
waren; eher dürften noch die zweithürigen Öfen als die französischen
bezeichnet werden (s. S. 58). Es läſst sich nur
vermuten, daſs die einthürigen Öfen sich in
Frankreich bereits eingebürgert hatten, als die
zweithürigen eingeführt wurden. In Deutsch-
land, namentlich in Schlesien, bezeichnete man
gerade umgekehrt die einthürigen Koksback-
öfen, die sogen. Bienenkörbe, als englische Öfen.
Diese letzteren fanden zugleich mit den Eisen-
bahnen auf dem Kontinente, namentlich auch
in Deutschland, Verbreitung. Denn zu jener
Zeit bediente man sich noch der Koks zur
Lokomotivheizung, und da die Kohlenzechen
noch keine Koksanstalten hatten, so waren die
Eisenbahnverwaltungen gezwungen, eigene Koke-
reien auf ihren Hauptbahnöfen anzulegen.
Fig. 132 zeigt die Einrichtung dieser Koks-
backöfen, wie sie damals (1837) von der Leipzig-Dresdener Eisenbahn
zu Riesa erbaut wurden, die in ihrer Einfachheit an die ältesten eng-
lischen Koksöfen (Bd. III, S. 307) erinnern. Der Verkokungsraum war
[479]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
3½ m breit und 3½ m
hoch, und wurden darin
50 Dresdener Scheffel
Staubkohlen in 72 Stun-
den verkokt.
Die älteren französi-
schen Backöfen, wie sie
1836 zu Rive de Gier
und St. Etienne in Ge-
brauch standen, waren
kleiner und hatten ein
viel niedrigeres Gewölbe
von nur 80 cm Höhe bei
2 m Durchmesser. Man
legte immer eine groſse
Zahl dieser Öfen neben-
einander in ein gemein-
schaftliches Mauerwerk.
Eine wesentliche Ver-
besserung der Koksback-
öfen, welche zuerst in
Frankreich eingeführt wurde, be-
stand darin, daſs man die Luft
nicht direkt durch die Fugen
oder ein Loch in der Thür ein-
strömen lieſs, sondern durch einen
um den Ofen geführten Kanal,
Fig. 133, in dem die Luft vorge-
wärmt und dann erst durch meh-
rere kleine Züge in den Ver-
kokungsraum geleitet wurde. Diese
Öfen hatte man nach Gervoys
Beschreibung bereits 1836 in Rive
de Gier. Von da verbreiteten sie
sich im westlichen Frankreich
und auf den Kohlengruben in
Saarbrücken.
Bei anderen Verkokungsöfen,
und zwar bei einthürigen wie
bei zweithürigen, legte man diese
[480]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
Kanäle unter die Ofensohle. Koksbacköfen dieser Art, wie sie auf
der Prinz-Karls-Hütte zu Rothenburg an der Saale im Gebrauch
waren, zeigt Fig. 134 (a. v. S.). Hierbei drang die erwärmte Luft
durch die undichte Ofensohle von unten ein. Diese Methode war
unvollkommen und gab zu groſsen Abbrand. Die Verkokungsöfen von
Cox, Fig. 135 und 136, welche 1840 in England patentiert wurden,
hatten keine Sohlkanäle, wohl aber Erhitzung von oben durch ein
doppeltes Gewölbe.
Das Entleeren der Koksöfen war eine sehr mühselige Arbeit, be-
sonders das der einthürigen Öfen. Besser ging das Entleeren bei
den englischen oder zweithürigen Öfen von statten. Doch war dies
auch noch beschwerlich genug, so lange es mit der Hand mit Hülfe
langer Haken geschah und so lange die Thüren so schmal waren,
wie dies bei den älteren englischen Öfen (s. S. 58), sowie auch noch
bei den um 1836 von Walther de St. Ange erbauten zu Rive de
Gier 1) der Fall war. Die ältere Form des Herdes war elliptisch,
später machte man die langen Seitenwände im mittleren Teil parallel
und legte eine Anzahl dieser Öfen in ein Mauerwerk nebeneinander.
Von besonderem Interesse waren die Fortschritte der Verkokung
auf dem Hüttenwerke zu Creusot (Departem. Saône et Loire). Hier
hatte man zuerst die Steinkohlen in Haufen bei den Förderschächten
verkokt. Dann ging man zu der oben beschriebenen Verkokung
zwischen Mauern über, welche man aber bald wieder als unökonomisch
verlieſs. Man wendete hierauf elliptische Öfen mit einer und mit zwei
Thüren an und kam endlich nach vielen vergleichenden Versuchen
um 1837 auf Öfen mit länglich viereckigem Herde und zwei einander
gegenüberstehenden Thüren auf den Schmalseiten. Der Herd dieser
Öfen bildete ein Rechteck von 4,62 m Länge und 2,21 m Breite; der
Boden bestand aus Ziegelsteinen, welche flach gelegt waren und hatte
von dem einen Ende zum andern einen Abfall von ungefähr 1/14 seiner
Länge. Die niedrigste Seite lag nur 0,10 m über der Hüttensohle. In
der Mitte des Gewölbes befand sich die 0,50 m hohe Esse.
Die Thüröffnungen waren gleich dem Querdurchschnitt des Ofens
und von gleicher Gestalt. 20 solcher Öfen standen in einem Mauer-
werk nebeneinander. Die Ladung des Ofens, welche 25 Hektoliter
Steinkohlen betrug, wurde durch eine und zwar durch die höher ge-
legene Thür eingetragen. Der Hauptvorteil, den diese Ofenform bot, war
die bequemere Entleerung, welche aus der niedriger gelegenen Thür-
öffnung erfolgte. Es geschah dies in folgender Weise. Nachdem die
Thüren weggenommen waren, brachte man durch die obere Öffnung senk-
recht auf den Herd ganz dicht an die Koks einen eisernen Rahmen von
gleicher Gestalt, wie der Querdurchschnitt des Ofens, aber von etwas
geringeren Dimensionen, ein, damit er leicht durch die ganze Länge
gehen konnte. In der Nähe seiner Basis hatte der Rahmen vier Löcher,
durch welche man unter den Koks hindurch vier Brechstangen führte,
Beck, Geschichte des Eisens. 31
[482]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
die etwas länger als der Herd waren und an den beiden Enden Öff-
nungen zur Aufnahme von Schlieſskeilen hatten. Die Stangen gingen
auf der entgegengesetzten Seite aus der Thüröffnung heraus und dort
durch die in einem zweiten gleichen Rahmen vorhandenen Löcher,
und es wurden dort ebenfalls Schlieſskeile vorgesteckt. Auf diese Weise
lagen die Koks auf den Stangen und zwischen den beiden Rahmen.
An den Schlieſskeilen an der unteren Thüröffnung befestigte man vier
doppelte Haken, welche mit einer Kette verbunden waren, und so
wurden die Koks durch einen Haspel, der von einem Pferde bewegt
wurde, in einer Masse aus dem Ofen gezogen. Diese einfache Operation
ersparte viele Mühe, Arbeit und Kosten. Die ausgezogenen Koks
wurden sofort mit Wasser abgelöscht 1).
Ganz ähnliche Öfen führte man in den folgenden Jahren auf
der Eisenhütte zu Maubeuge ein 2).
Indem eine Anzahl englischer Koksöfen zu einer Batterie ver-
einigt wurden, bot sich günstige Gelegenheit, lange Cylinderkessel,
welche senkrecht auf die Längsachsen der Öfen über dieselbe gelegt
wurden, mit der abgehenden Hitze und den brennbaren Gasen der-
selben zu heizen. Solche Verkokungsöfen mit Dampfkessel kamen in
den 40er Jahren in Belgien auf.
Die Anwendung der aus den Koksöfen entweichenden Hitze zur
Dampferzeugung war eine Erfindung von Moritz de Jongh zu War-
rington in Lancastershire, welcher am 28. Februar 1824 ein Patent
darauf genommen hatte.
Die älteste Anlage dieser Art in Belgien hatte das groſse Eisen-
werk Couillet. Sie wurde bereits 1835 von Direktor Henrard pro-
jektiert, kam aber erst 1843 zur Ausführung 3). Brunfaut hatte
nämlich inzwischen ein Patent genommen, die Sohle der Koksöfen
mit der verloren gehenden Wärme zu erhitzen, und man hatte diese
Öfen in Couillet eingeführt. Es gelang aber später doch, die Über-
hitze auch noch zur Dampferzeugung zu verwenden 4).
Um das Jahr 1840 war zu Bordeaux von dem französischen
Mühlenbaumeister Clavière zum Betriebe einer Mühle ein Dampf-
[483]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
kessel angelegt worden, welcher von den aus vier Verkokungsöfen
entweichenden Flammen gespeist wurde. Die Einrichtung war sehr
sinnreich, aber für Eisenhütten zu kompliziert.
Die Konstruktion der Koksofenanlage mit Kesselheizung zu Couil-
let erwies sich ebenfalls als zu verwickelt. Ein Teil der Gase sollte
von oben nach unten unter die Sohle der Öfen geleitet werden und
hier in einer Anzahl enger Kanäle cirkulieren, während ein anderer
Teil unter die Dampfkessel geführt wurde. Die Kanäle unter der
Ofensohle verstopften sich aber rasch, und die groſsen Querschnitte
der Essen, welche die Gase ins Freie führten, wenn man die verloren
gehende Hitze nicht benutzte, machten den Betrieb unvorteilhaft.
Viel vollkommener war die Anlage von Koksöfen mit Dampfkessel-
heizung, welche einige Jahre später zu Seraing angelegt wurde und
die in Fig. 137 (a. f. S.) dargestellt ist. Die Anordnung, welche aus
der Zeichnung leicht verständlich ist, war lange das Vorbild für ähn-
liche Anlagen 1).
Ein wichtiger Fortschritt der Koksfabrikation war das Ver-
waschen der Steinkohlen. Dieses fand zuerst seit 1840 in St. Etienne
in Frankreich statt.
Im Jahre 1840 reinigte Herr Bactmadour die Steinkohlen zu
Bert (Allier) durch Waschen in Schlämmgräben. Dyèvre führte das
Waschen in dem Bassin von St. Etienne ein. Im Plauenschen Grunde
wendete man, wie es scheint, noch früher, zu Ende der 30er Jahre,
die Setzwäsche hierfür an. Es geschah dies durch den Bergfaktor
Kneisel zu Burgk. Lechatelier wirkte seit 1846 eifrig, das Ver-
waschen der Kohlen zur Verbesserung der Koksfabrikation auch im
Becken von Valenciennes, in Nordfrankreich, einzuführen. 1848 lieſs
die Kommission der Nordbahn groſse Kohlenwäschen mit mechanisch
betriebenen Setzsieben anlegen. Über diese Anlagen und die dabei
gewonnenen Erfahrungen veröffentlichte der Bergingenieur von Mar-
silly eine sehr gründliche und wichtige Arbeit 2).
In Belgien wendete man zu derselben Zeit der Aufbereitung der
Kokskohlen gröſsere Aufmerksamkeit zu und legte Kohlenwäschen an.
Dies geschah zuerst bei den Koksanstalten der belgischen Staats-
eisenbahnen. 1849 wurde auf dem Eisenhüttenwerke zu Sclessin eine
groſse Kohlenwäsche gebaut. Drei von den sieben Hochöfen gingen
in den folgenden Jahren nur mit Koks aus gewaschenen Kohlen,
31*
[484]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
[485]Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850.
wobei sich deren Vorzüge für gleichmäſsigen, ungestörten Betrieb
herausstellten. Die Setzmaschinen hatte man schon vorher im Becken
zu Mons eingeführt, zu Sclessin wendete man auch noch Schlämm-
herde an. Eine Kohlenwäsche mit Dampfmaschinenbetrieb erbaute
Berhard.
Als ein Fortschritt von groſsartiger Tragweite erwies sich die An-
wendung der rohen Steinkohle beim Hochofenbetriebe. Die-
selbe wurde erst praktisch möglich durch die Winderhitzung. Schott-
lands Hochofenindustrie verdankt ihr den groſsen Aufschwung. Die
englische Steinkohle eignete
sich weniger zur unmittel-
baren Verwendung im Hoch-
ofen, weil sie zu backend
war. Dagegen gelang George
Crane1) auf der Hütte zu
Yniscedwyn die erfolgreiche
Anwendung des Anthracits im
Hochofen. Auch dieser Er-
folg wurde nur durch sehr
heiſsen Wind von 310° C. (Blei-
schmelzhitze) erreicht. Crane
schmolz 1 Tl. Guſseisen mit
1,35 Tln. Anthracit.
Eine besondere Wichtig-
keit erlangte der Anthracit-
kohlenbetrieb für die Ver-
einigten Staaten von Nord-
amerika, die in Pennsylvanien
Anthracitkohlen von hervor-
ragender Güte besaſsen. Man gab den Anthracithochöfen eine sehr
weite Zustellung, wie es der Ofen von Reading, Pa., Fig. 138, zeigt.
Die Versuche der Verwendung roher Steinkohlen in Hochöfen auf
dem Kontinent, von denen die in Gleiwitz 2) 1833 angestellten wohl
die ersten waren, hatten dagegen keinen oder nur geringen Erfolg.
Über die Anwendung der Gicht- und Generatorgase als Brenn-
material haben wir bereits gesprochen.
Zur Heizgaserzeugung hatten Faber du Faur Holzkohlen-
klein, v. Scheuchenstuel sowohl Holzkohlenklein als Braunkohle,
v. Eck in Oberschlesien magere Steinkohle, Bischof in Mägdesprung
Torf verwendet. Ferner bediente sich Ritter v. Fridau zu Walchen
bei Mautern 1843 der aus Braunkohlenlösche erzeugten Generatorgase
zum Betriebe eines Schweiſsofens 1). Zu Bodenwöhr und Hammerau
in Bayern verwendete man Holzkohlenlösche, zu Wasseralfingen Holz-
kohle und Holz, zu Thiergarten und anderen württembergischen Hütten
Torf zur Gaserzeugung.
Für die Kenntnis und die Benutzung der Generatorgase hat sich
Ebelman besonderes Verdienst erworben, der zuerst die Gase aus
Kohle, Kohlenlösche, Holz und Torf chemisch untersuchte 2) und Gas-
öfen auf der Hütte zu Audincourt einrichtete 3).
Die Gichtgase der Hochöfen und die Generatorgase waren
wichtige Brennmaterialien geworden. Unter Zugrundelegung der nach-
folgenden mittleren Zusammensetzung hat Scheerer die in der neben-
stehenden Tabelle angeführten absoluten, specifischen und pyro-
metrischen Wärmeeinheiten berechnet:
Gichtgase aus:
Generatorgase aus:
Diese Zahlen sind nach dem Welterschen Gesetz aus dem Sauer-
stoffverbrauch zur Verbrennung berechnet. Nach Dulongs Beobach-
tungen fielen sie wesentlich höher aus, der pyrometrische Wärme-
effekt um 400 bis 500° C.
Das wichtigste mechanische Hülfsmittel der Verbrennung, die
Gebläsemaschine, erfuhr ebenfalls in dieser Periode mancherlei
Verbesserungen.
Bei den Kastengebläsen war man mehr und mehr bestrebt,
sie doppeltwirkend zu machen. Munscheid führte in Ober-
schlesien und den benachbarten österreichischen Provinzen Ende der
30er Jahre ein doppeltwirkendes hölzernes Kastengebläse ein, welches
Karsten (§. 585) beschrieben und abgebildet hat.
Ein liegendes doppeltwirkendes Kastengebläse hat Scheerer
(I, 415) beschrieben.
Die Kastengebläse verschwanden aber mehr und mehr vor den
eisernen Cylindergebläsen, die namentlich bei gröſseren An-
lagen und wo es sich um stärkere Pressung handelte, weit überlegen
waren.
Wo man noch Wasserräder benutzte, konstruierte man gewöhnlich
zwei- oder dreicylindrige Gebläsemaschinen, bei denen der Hub so
gegeneinander verstellt war, daſs ein unausgesetztes Ausblasen statt-
hatte, wodurch man den Windregulator sparen konnte.
Gebläse dieser Art, und zwar ein zweicylindriges bei dem Hoch-
ofen von Torteron und ein dreicylindriges zu Joinville in Frankreich,
[488]Winderzeugung und Windführung 1831 bis 1850.
finden sich beschrieben und abgebildet im Atlas du Mineur et du
Metallurgiste de 1839 1).
Die Engländer dagegen, welche mit Vorliebe sehr groſse Gebläse
bauten, mit denen sie eine Anzahl von Hochöfen gleichzeitig be-
dienten, zogen die Wattschen Gebläsemaschinen mit Balancier und
aufrechtstehendem Cylinder, Kondensation, aber ohne Schwungrad,
ähnlich den Cornwall-Wasserhaltungsmaschinen, vor. Hierbei befand
sich die Triebkraft an der dem Gebläsecylinder entgegengesetzten
Seite des Balanciers.
Man baute Maschinen der Art von riesigen Dimensionen in Eng-
land. Wohl die gröſste zu jener Zeit befand sich auf dem englischen
Eisenwerke Newmains; sie bediente zehn Hochöfen. Der Gebläse-
cylinder hatte 3,05 m Durchmesser und wog 36 Tonnen. Die Kurbel-
stange hatte 3,6 m Hubhöhe, das Schwungrad 9 m Durchmesser. Der
Balancier wog 31 Tonnen, das Schwungrad 75 Tonnen. Die Maschine
war von Murdock, Aitkens \& Komp. in Glasgow gebaut. Statt
der alten Wattschen Niederdruckdampfmaschinen bediente man sich
mehr und mehr der sogenannten Cornwallschen Maschinen mit
hoher Expansion und Kataraktsteuerung. Ein sehr gutes Beispiel eines
englischen Balanciergebläses ist das in den 40er Jahren in England
erbaute Hochofengebläse der Laurahütte, Fig. 139 2), welches von dem
Mechaniker Grosse zu Gwineas bei Camborne in Cornwall geliefert
worden war. Der Gebläsecylinder hatte 85 engl. Zoll Durchmesser und
9 Fuſs Hub. Die Dampfmaschine von 3 Fuſs 9 Zoll Durchmesser und
9 Fuſs Hub leistete bei ⅓ Cylinderfüllung 100 Pferdekräfte. Diese
groſsen Gebläsemaschinen bezog man auch in Frankreich meist aus
England, wie z. B. um 1830 das Gebläse für Decazeville der Gesell-
schaft von Aveyron mit 7 Fuſs Cylinderdurchmesser und 8 Fuſs Hub,
ferner die 1837 zu Creusot, Lavoult und Terrenoire befindlichen.
In den 40er Jahren kamen die Evansschen Gebläse auf, bei welchen
Dampfcylinder und Gebläsecylinder übereinander standen, so daſs deren
Kolbenstangen in eine Linie fielen und miteinander verbunden waren.
Die Wirkung war also eine direkte. Dennoch arbeitete die Maschine
mit einem Balancier, der mit den Kolbenstangen verbunden war und
zur Geradeführung diente. Der Balancier bewegte sich nämlich auf
einem Support, der als Hebel wirkte und dessen unteres Ende sich
[489]Winderzeugung und Windführung 1831 bis 1850.
in zwei Zapfenlagern schwang. Da die Drehungsachse des Balanciers
auſser dem Mittelpunkte lag, so machte der Support zwei Schwin-
gungen, während der Balancier nur eine machte. Mit Hülfe dieses
Supports verrichteten zwei Stangen mit Scharnieren, die mit dem
Balancier verbunden waren und die einen Bogen beschrieben, welcher
gleich dem von diesem beschriebenen war, aber eine umgekehrte Rich-
tung hatte, die Leistung des Parallelogramms und erhielten die Kolben-
stange in der Senkrechten. Eine Maschine dieser Art, welche Ende
der 40er Jahre in Seraing die Hochöfen Nr. 5 und 6 bediente, ist bei
Valerius beschrie-
ben und abgebildet 1).
Da diese Maschine
eine direkte Wirkung
hatte, war sie der Ab-
nutzung durch Rei-
bung nur wenig unter-
worfen. Auch war
nur ein Fundament
für Dampf- und Ge-
bläsecylinder erfor-
derlich. Da auch der
Balancier und alles,
was damit zusammen-
hing, viel leichter war,
so kostete diese Ma-
schine bei gleicher
Kraft viel weniger als
eine Wattsche. Da-
gegen war der ganze Mechanismus komplizierter und schwächer, wes-
halb er eher zu Betriebsunterbrechungen der Hochöfen durch Bruch
Veranlassung geben konnte.
Zu Seraing baute man darauf Ende der 40er Jahre eine direkt-
wirkende Dampfgebläsemaschine ohne Schwungrad. Hier waren die
Vereinfachungen der Evansschen Maschine bis zum Extrem ge-
trieben 2). Die Führung war durch einen Kreuzkopf, der in senkrechter
Schlittenführung lief, hergestellt. Diese Maschine war natürlich noch
billiger, veranlaſste wenig Aufstellungskosten und nahm wenig Raum
[490]Winderzeugung und Windführung 1831 bis 1850.
in Anspruch. Da sie aber kein Schwungrad hatte und mit Hochdruck
ohne Kondensation arbeitete, verbrauchte sie viel Brennmaterial. Dabei
machte sie groſsen Lärm.
Diese Maschine war nur ein Versuch. Valerius bemerkt dazu:
„Eine horizontale Maschine würde nicht allein der beschriebenen,
sondern auch allen Maschinen vorzuziehen sein, die man gewöhnlich
in den Hochofenhütten anwendet. Sie würde nicht mehr als die ver-
tikale Maschine zu Seraing kosten, und man könnte sie leicht mit
einem Schwungrad versehen. Bei Anlage horizontaler Gebläse, die
gewiſs sehr bald allen anderen Systemen den Rang ablaufen werden,
muſs man dahin sehen, ihnen den möglichst gröſsten Hub zu geben,
um die Einflüsse der schädlichen Räume, der toten Punkte und der
Reibung zu vermindern.“
Über die Gebläsemaschinen in Belgien zu Ende der 50er Jahre
hat Hütteninspektor Eck einen sehr guten Aufsatz im 23. Bande von
Karstens Archiv (1880) veröffentlicht. Das Streben nach Raum-
ersparung führte auch zur Konstruktion von Gebläsen mit schwin-
genden Cylindern, den sogenannten „Wacklern“, welche in Österreich
Eingang fanden und die Tunner in seinem „wohlunterrichteten
Hammermeister“ 1846 beschrieben und abgebildet hat. Der Mechaniker
Baumgärtl in Brückl fertigte dieselben zuerst an.
In diesem Zeitabschnitte kamen die Ventilatoren als Gebläse-
maschinen für die Kupolöfen in den Gieſsereien in ziemlich allgemeine
Aufnahme. Die Kenntnis derselben läſst sich bis auf Agrikola
zurückführen (Bd. II, S. 525). 1728 brachte Teral das Windrad als
Gebläse für Schmiedefeuer in Vorschlag 1). 1830 oder kurz nachher
bedienten sich die Herren J. und C. Carmichael zu Dundee in ihrer
Gieſserei eines solchen Gebläses 2). Es war, wie die Beschreibung
sagt, nach dem Princip der Kornschwingmaschinen konstruiert und
hatte die oben skizzierte Konstruktion, Fig. 140. Das Gebläse hatte
[491]Winderzeugung und Windführung 1831 bis 1850.
über 3 Fuſs im Durchmesser. Die Achse machte 600 Umdrehungen in
der Minute und wurde von einer Dampfmaschine in Bewegung gesetzt.
Mittels dieses Gebläses schmolzen die Herren Carmichael 23 Ctr.
Roheisen, indem sie zu 210 Pfd. desselben 23 Pfd. Koks gebrauchten,
ohne die Füllkoks. Die Leistung war also eine sehr günstige.
Am 17. Januar 1833 erhielt Alexander Clark von Holywell
ein Patent auf einen Ventilator derselben Konstruktion 1), der zum
Hausgebrauche, zum Anblasen der Öfen und zu anderen Zwecken
dienen sollte.
Nach Guenyveau waren 1835 Ventilatorgebläse bereits in vielen
Gieſsereien in Frankreich eingeführt, so zu Paris, Rouen, Lyon u. s. w.
In Rouen wurde z. B. in der Gieſserei von James Martin et fils
ein Ventilatorgebläse 2) zum Betriebe eines Kupolofens benutzt, welches
durch ein Göpelwerk mit drei Pferden bewegt wurde. Dasselbe schmolz
1200 bis 1500 kg in der Stunde.
Guenyveau rühmt an den Ventilatoren die geringe Kraft, die
erfordert werde, um den nötigen Wind zu erzeugen, die leichte Kon-
struktion und dabei keine Reparaturen. Die Pressung sei allerdings
schwach, sie betrage 30 bis 54 Linien Wasserdruck.
Von einem Ventilator zu La Voulte bemerkt Varin, daſs er nur
mit 11 mm Quecksilber blase, weshalb diese Gebläse für Winderhitzung
ungeeignet seien.
Walther de St. Ange empfiehlt die Windradgebläse für
Schmiedefeuer und Kupolöfen, dagegen wende man sie, obgleich sie
die genügende Wärmemenge zu erzeugen vermöchten, bei Hochöfen
der schwachen Pressung wegen nicht an.
Karsten bildet in seinem Handbuch der Eisenhüttenkunde 1841,
Tab. XIV, zwei verschiedene Systeme von Ventilatoren ab, das eine,
Fig. 141 (a. f. S.), mit geraden, das andere, Fig. 142 (a. f. S.), mit
gebogenen Schaufeln. Hiervon ist als ein drittes System das mit
geknickten Windflügeln, wie sie der Ventilator von Carmichael zeigt,
zu unterscheiden. Als den günstigsten Knickungswinkel hat Létoret
43° angegeben 3). Der Ingenieur Cadiat zu Paris hat in einem Auf-
satz 4) über Ventilatoren mit geraden Flügeln folgende allgemeine
Sätze aufgestellt:
1. Die Wirkung hängt nicht wesentlich von der Oberfläche
der Flügel, sondern von der Umdrehungsgeschwindigkeit und der
Gröſse der Ausströmungs-
öffnung ab.
2. Die Wirkungen ver-
halten sich wie die Kubikzah-
len der Geschwindigkeiten.
3. Wenn die Oberfläche
eines Flügels die 1½ fache
von der der Ausströmungs-
öffnung ist, so wird die Wir-
kung des Ventilators durch
die Verminderung der Ober-
fläche der Flügel, sowie
durch den zwischen dem
Ende der Flügel und der
Trommelwand bleibenden
Raum nicht vermindert. Es
vermehrt im Gegenteil diese
Einrichtung den Nutzeffekt
wesentlich und vermindert
die anzuwendende Betriebs-
kraft.
4. Die Wirkung nimmt
bei gleichbleibenden Flügeln
in dem Maſse zu, als
die Ausströmungsöff-
nung kleiner wird, bis
daſs ihr Durchschnitt
0,40 bis 0,60 von der
Oberfläche eines Flü-
gels gleich ist. Wird
die Öffnung noch klei-
ner, so vermindert sich
der Nutzeffekt. Die
zweckmäſsigste Öff-
nung ist die, welche
der ausströmenden Luft die gleiche Geschwindigkeit wie der Mitte der
Flügel giebt. Die Geschwindigkeit der Flügel läſst sich hiernach und
mit Hülfe eines Erfahrungskoëffizienten berechnen.
Nach v. Sabloukoff1) genügen vier Windflügel, um das Maxi-
mum der Wirkung zu erreichen. Um das Zittern des Apparates mög-
lichst zu vermeiden, müssen die Flügel in genau gleichen Abständen
voneinander stehen. — Verbesserungen an den Ventilatoren wurden
1843 von Daelen in Düren und 1848 von Lloyd in England an-
gegeben. Der Engländer Buckle stellte zahlreiche Versuche über die
zweckmäſsigsten Verhältnisse der Windradgebläse an, welche er am
28. April 1847 der Institution of mechanical Engineers vortrug 2).
Ein eigenartiges Gebläse war das von Debreczeny erfundene
und zuerst zu Vayda Hunyad in Siebenbürgen ausgeführte Schnecken-
gebläse 3).
Um namentlich bei Kolbengebläsen einen möglichst gleichmäſsigen
Luftstrom zu erhalten, wendete man Regulatoren an. Für die
starken englischen Cylindergebläse
kamen immer mehr die Regulatoren
mit unveränderlichem Inhalt auf,
und zwar waren dies meist groſse
und starke Blechkessel.
Der Regulator der Gebläsean-
lage von Decazes war z. B. ein
Kugelkessel (Fig. 143) von 800 Kbfſs.
Inhalt. Sein Rauminhalt verhielt
sich zum Inhalt des Gebläsecylin-
ders wie 27 zu 1. Bei anderen An-
lagen wählte man da, wo Maschine
und Regulator nahe zusammen-
gerückt waren, das 20fache Volum,
während, wenn eine längere Leitung
dazwischen lag, der 10- bis 15fache Inhalt genügte. Auf den belgischen
Hütten hatte man meist cylindrische Regulatoren. Auf der Hütte zu
Sclessin war für sechs Hochöfen nur ein Regulator von 300 Fuſs
Länge und 5 Fuſs Durchmesser. Weite Windleitungen empfahlen
sich wegen der geringeren Reibung. Bei heiſsem Winde muſste man
die Leitungen weiter nehmen als bei kaltem. Zur Dichtung nahm man
bei heiſsem Winde Kupferdraht statt Blei, wenn man nicht Rostkitt
anwendete.
Die Anwendung des heiſsen Windes hatte mancherlei Verände-
[494]Winderzeugung und Windführung 1831 bis 1850.
rungen bei der Zuleitung des Windes zum Ofen zur Folge. Die alten
Lederschläuche, welche früher die Düsen mit der Rohrleitung ver-
banden, waren nicht mehr verwendbar, die Verbindung muſste durch ein
metallenes Rohr hergestellt werden. Dieses Verbindungsstück machte
man anfangs von Eisen- oder Kupferblech, später von Guſseisen. Um
der Düse aber ihre Beweglichkeit, die sie durch das starre Rohr ver-
loren hatte, wiederzugeben, brachte man am Ende des Rohres ein
Kugelgelenk an, mit welchem die Düse verbunden wurde.
Um das Vor- und Zurückfahren der Düse zu ermöglichen, war
ein verschiebbares Rohr, wie bei einem Perspektiv, in ein anderes Rohr
gesteckt und konnte durch eine Schraube vor- und rückwärts geschoben
werden. Karsten hat in seinem Handbuch der Eisenhüttenkunde,
Tab. XIV, verschiedene derartige Düsenvorrichtungen abgebildet, dar-
unter auch die in Fig. 144 dargestellte für Kokshochöfen. C ist
das in E verschiebbare
Rohr mit dem Kugel-
gelenk K. Noch zweck-
mäſsiger war nament-
lich für groſse und
schwere Düsenstöcke
die Vor- und Rück-
wärtsbewegung mittels
Zahnstange und Zahn-
getriebe, wie es Va-
lerius (Fig. 145) ab-
gebildet hat, doch giebt er dabei an, daſs der Apparat aus Deutschland
stamme. Einen solchen Düsenstock mit Zahngetriebe und geschlossener
Form hatte Faber du Faur schon anfangs der 40er Jahre zu
Wasseralfingen in Benutzung, Fig. 146 1).
Daſs man nach Einführung des heiſsen Windes auch zur all-
gemeinen Anwendung der Wasserformen überging, ist schon mehrfach
erwähnt worden. Bei Temperaturen unter 200° C. genügten noch die ge-
wöhnlichen kupfernen Formen, wie Karsten und Eck angeben, bei
höherer Windtemperatur waren aber Wasserformen unbedingt erforder-
lich. Als Erfinder derselben gilt John Condie, der in Dixons
Diensten stand, als dieser seine Ver-
suche über die Anwendung des heiſsen
Windes machte.
Condie soll nach einer Mit-
teilung ungerecht behandelt worden
sein und nie eine Belohnung für seine wichtige Erfindung erhalten
haben 1). Condies Wasserform bestand aus einem spiralförmig ge-
wundenen, schmiedeeisernen Rohr, Fig. 147, welches in die Wände
einer kurzen guſseisernen Form eingegossen war. Die in Belgien ge-
bräuchlichen bestanden nach Valerius aus Eisenblech. In Schlesien
wendete man nach Karstens Beschreibung (§. 605) gegossene Formen
aus Kupfer an (Fig. 148). Die Metallstärke an den Seiten war ¼ Zoll,
am Rüssel 1¼ Zoll und hinten an der weiten Seite ¾ Zoll. Sie wurden
aus einem Stück gegossen. Die ersten bronzenen Wasserformen wurden
von Engels auf der Sayner Hütte kurz nach Einführung des heiſsen
Windes angewendet und nicht lange darauf durch gegossene kupferne
Formen derselben Konstruktion ersetzt. Die Anregung hierzu war
von Wasseralfingen ausgegangen.
Eine sehr wichtige Verbesserung war ein an der Düse angebrachter,
in die Form genau eingedrehter Wulst zum Verschlieſsen der Form,
[496]Winderzeugung und Windführung 1831 bis 1850.
wodurch der Rücktritt des Windes verhindert und auſser dem Wind-
verlust auch das betäubende Geräusch der offenen Formen vermieden
wurde. Diese Vorrichtung, von der Karsten bemerkt, daſs sie zuerst
in Deutschland angewendet, zu Seraing aber verbessert worden sei, ist
in Fig. 145, a a, n n, dargestellt.
Die Pressung des Windes fortwährend zu kontrollieren, war als
eine Notwendigkeit für die Betriebsleitung anerkannt, und kamen in-
folgedessen Windmesser oder Manometer in allgemeine Anwendung.
Das in Fig. 149 abgebildete einfache Heber-
manometer hat Tunner in seinem „wohlunter-
richteten Hammermeister“ 1846 beschrieben.
Transportable Windmesser (Reisewindmesser)
haben Gahn und Kalstenius angegeben. Die
Wassermanometer wurden mehr und mehr
durch die handlicheren Quecksilbermanometer
verdrängt. 1 Zoll Quecksilber entsprach
dem specifischen Gewicht entsprechend 13,596
(Regnault) Zoll Wasser. Auſserdem drückte
man die Stärke der Pressung durch Angabe
des Druckes auf den Quadratzoll in Pfunden aus, wobei 1 Zoll Queck-
silber 0,5193 Pfd. Druck auf den Quadratzoll entsprach. In der Praxis
galt die Regel: 1 Pfd. Druck entspricht 2 Zoll oder 5,4 cm des Queck-
silbermanometers.
Karsten hat (§. 473) folgende Pressungen des Windes für die
verschiedenen Brennmaterialien bei ihrer Verwendung im Hochofen
angegeben:
Die durch das Manometer angegebenen Zahlen für den Wind-
druck bilden mit dem Querschnitt der Düse die Grundlage der Be-
rechnung der aus der Düse ausströmenden Windmenge. Windmenge
und Pressung sind aber die wichtigsten Faktoren des Hochofenbetriebes.
Beide stehen in engster Relation und können sich teilweise ersetzen.
Durch eine geringere Menge stark gepreſsten Windes kann in einem
Hochofen dieselbe Temperatur erzeugt werden, wie durch eine gröſsere
Menge schwächer gepreſsten Windes (Scheerer).
Die Geschwindigkeit des ausströmenden Windes wird nach der
allgemeinen Formel G = berechnet, wobei man h aus dem
Quecksilbermanometerstand mal dem specifischen Gewicht 13,596 mal
772, um wieviel das Volumen der Luft gröſser ist als das Wasser,
ermittelt. Die Zahl 772 ist aber nur richtig bei 0° C. und normalem
Barometerstande; bei jedem Grade zunehmender Temperatur vermehrt
sich das Volumen um das 0,003665 fache. Die Zahl 772 erhöht sich
also bei wechselnder Temperatur um (1 + 0,003665 t) und im Verhält-
nis des normalen zu dem wirklichen Barometerstande.
Aber auch die so ermittelte Geschwindigkeit bedarf noch einer
Korrektur wegen der Kontraktion der Düse. Diese haben d’Au-
buisson, Schmidt und Koch durch sorgfältige Versuche zu er-
mitteln gesucht. d’Aubuisson fand die Zahl 0,94, die aber nach
den Ermittelungen von Schmidt und namentlich denen von Koch
etwas zu hoch erscheint. Buff hat aus den Versuchen von Koch
diesen Koeffizienten genauer = 0,92 (4 — 0,084 ) ermittelt, wobei
M den Manometerstand in rhein. Zoll Quecksilber bedeutet.
Auf dieser Grundlage läſst sich die Geschwindigkeit des Windes,
sowohl des warmen wie des kalten, berechnen. Die Windmenge ist
aber gleich der Ausströmungsgeschwindigkeit mal dem Querschnitt 1).
Über den Einfluſs, welchen der Feuchtigkeitszustand der Luft
auf das Luftvolumen ausübt, hat G. G. Schmidt genaue Versuche
angestellt und nach den Angaben des hundertteiligen Hygrometers
eine Tabelle berechnet 2).
Da aber die Berechnung der Windmenge in jedem einzelnen Falle
für den Praktiker zu umständlich und zeitraubend sein würde, hat
man auf Grund der aufgestellten Formeln Tabellen berechnet, welche
es dem Techniker sofort ermöglichen, für jede Pressung und Düsen-
weite die richtige Windmenge zu ermitteln.
Eine umfangreiche Tabelle dieser Art hat von Huene in der
Berg- und hüttenmännischen Zeitung vom 28. August 1844 veröffent-
licht. Dieselbe giebt nach der von Oberbergrat Althaus in Sayn
korrigierten Formel die Windmenge in Kubikfuſs für Pressungen von
0,229 bis 1,375 Pfd. auf den Quadratzoll bei Düsendurchmessern von
1,354 bis 3,025 Zoll. — Tunner hat in seinem „wohlunterrichteten
Hammermeister“ eine tabellarische Zusammenstellung der Windmengen
Beck, Geschichte des Eisens. 32
[498]Die Wirkung des heiſsen Windes im Hochofen.
bei einem Düsendurchmesser von 9 bis 38 Linien und einer Pressung
von 1 bis 36 Zoll Wassersäule berechnet.
Von groſsem Interesse sind auch die Erfahrungsresultate über
Hochofengebläse, welche Professor Redtenbacher in seinen Resul-
taten für den Maschinenbau 1848 mitgeteilt hat.
Den Windeffekt, d. h. das Verhältnis der ausgeblasenen zur ein-
gesogenen Luft giebt Scheerer für Cylindergebläse zu etwa 0,9, für
Kastengebläse zu etwa 0,8 an.
Über den Krafteffekt der Gebläse sind von vielen Maschinen-
ingenieuren Ermittelungen angestellt worden. Derselbe beträgt bei
Cylindergebläsen 0,60 bis 0,65, bei hölzernen Kastengebläsen 0,50 bis
0,55, bei Holzbälgen und Lederbälgen 0,40, bei Wassertrommelgebläsen
0,10 bis 0,15. Bei Cagniardellen ermittelte Schwamkrug in Freiberg
den hohen Krafteffekt von 0,75 bis 0,85; bei dem Henschelschen
Kettengebläse auf der Sollinger Hütte fand Koch denselben zu 0,48.
Über den Krafteffekt der Gebläse und deren Theorie hat Weis-
bach im dritten Bande seiner Ingenieur- und Maschinenmechanik
ausführliche Mitteilungen gemacht.
Die chemische Analyse der Hochofengase hatte zwar den Schleier
gelüftet, welcher zuvor über die Vorgänge im Innern des Hochofens
gebreitet war, aber sie führte doch nicht sofort zur richtigen Erklärung
aller Erscheinungen. Dies gilt namentlich hinsichtlich der Wirkung
des heiſsen Windes im Hochofen. Es ist von Interesse, die
Fortschritte des theoretischen Verständnisses desselben, wie es sich
in den 40er Jahren vollzog, näher ins Auge zu fassen.
Karsten1) erkannte richtig, daſs die Wirkung des heiſsen Win-
des in der lebhafteren Verbrennung im Schmelzraume, welche nur
zum Teil auf die gröſsere Pressung zurückgeführt werden kann, liegt.
In dieser Zeit hatte sich nämlich eine Gegnerschaft gegen die Wind-
erhitzung gebildet, welche deren Nutzen leugnete und behauptete,
daſs die vermeintlichen guten Wirkungen und Ersparnisse nur von
der höheren Spannung des heiſsen Windes herrühren, daſs man die-
selben Wirkungen sogar noch in erhöhtem Maſse erziele, wenn man
dem kalten Winde eine stärkere Pressung gebe. Diese Theorie wurde
[499]Die Wirkung des heiſsen Windes im Hochofen.
hauptsächlich von den Hüttenbesitzern in Süd-Wales aufgestellt und
verbreitet. Da deren Betrieb aber damals als mustergültig galt und
sich durch geringen Kohlenverbrauch auszeichnete, so fand diese Be-
hauptung groſse Beachtung. Daſs dabei in England auch Geldinter-
essen mit ins Spiel kamen, haben wir früher bereits erwähnt.
Dieselben Ansichten wurden aber auch 1835 von den russischen
Ingenieuren Sobolewski und Teploff ausgesprochen und an von
ihnen im Ural gemachten Erfahrungen erläutert 1). Karsten führt
dagegen treffend aus, daſs diese Erklärung nur insofern richtig sei,
als allerdings bis dahin die meisten Hochöfen mit zu schwacher
Pressung betrieben worden seien, stärkere Pressung aber zweifellos
eine intensivere Verbrennung hervorrufe, daſs sie aber nicht richtig sei,
insofern sie die Wirkung der Winderhitzung leugne. „Es ist keines-
wegs zu behaupten“, sagt er, „daſs durch eine verstärkte Pressung
des kalten Windes beim Betriebe der Öfen derselbe Erfolg hinsicht-
lich des Kohlenverbrauches hervorzubringen sein würde, den die An-
wendung des heiſsen Windes ergeben hat. Die erhöhte Temperatur
hat vielmehr an dem lebhafteren Verbrennen einen wesentlichen An-
teil, wie sich aus den Resultaten solcher Öfen ergiebt, bei welchen
die Geschwindigkeit des erhitzten Windes nicht gröſser ist, als die-
jenige, mit welcher der kalte Wind früher in den Schmelzraum
strömte.“
Als die auffallendste Erscheinung bei der Anwendung des heiſsen
Windes hebt Karsten hervor, daſs, obgleich durch denselben die
Hitze im Schmelzraum sehr gesteigert werde, im Schacht des Ofens
keine Erhöhung der Temperatur, sondern sogar eine Abkühlung
eintrete, während bei der Anwendung von kaltem Winde eine Erhöhung
der Temperatur des Schmelzraumes auch eine Erhöhung der Tem-
peratur des Schachtes zur Folge habe. Daſs diese Abkühlung des
Schachtes bei der Anwendung von heiſsem Winde eintrete, zeige sich
nirgends deutlicher als da, wo man, wie in Schlesien, viel mit zinki-
schen Ofenbrüchen zu kämpfen habe. Diese Ofenbrüche bilden sich
bei heiſsem Winde ungleich stärker und schneller als bei kaltem, weil
die Temperatur im oberen Teile des Schachtes und in der Gichtöffnung
bei heiſsem Winde viel niedriger ist als bei kaltem. Es folgt daraus,
daſs die Verbrennung bei der Anwendung des heiſsen Windes über
einen geringeren Raum verbreitet und auf den Schmelzraum beschränkt
bleibt, während sie sich bei kaltem Winde weiter ausdehnt und eine
32*
[500]Die Wirkung des heiſsen Windes im Hochofen.
Verbrennung der Kohlen in der Rasthöhe des Schachtes stattfindet,
welche keinen Nutzen hat. In den aufsteigenden Gasen der mit
kaltem Winde betriebenen Hochöfen ist noch freier Sauerstoff enthalten,
welcher in dem oberen Raume des Ofens mit Kohle verbrennt und
dadurch die Reduktion der Erze durch die Kohle beeinträchtigt.
Karstens Darstellung der Wirkung des heiſsen Windes stimmt
also genau mit dem Ergebnis des Experimentes von Buff und Pfort
überein, ohne daſs er die Erscheinung selbst näher begründet. Ebel-
man hat dagegen die Wirkung des heiſsen Windes theoretisch zu
erklären versucht, wenn auch nicht mit besonderem Glück. Er nimmt
an, daſs die Gebläseluft auf 300° C. erwärmt sei. Zur Verbrennung
von 1 Liter Kohlendampf zu 2 Liter Kohlensäure seien 12,490 g Luft
erforderlich. Die Wärmemenge, welche nötig ist, diese Luftmenge
auf 300° zu erwärmen, beträgt 12,49 . 0,267 1). 300 = 1000 Wärme-
einheiten, welche ⅛ der durch die Verbrennung zu Kohlensäure
erzeugten Wärme ausmachen. Durch die Zuführung der auf 300°
erhitzten Luft müſste also ⅛ an Brennmaterial gespart werden. Die
gröſsere Abkühlung des Schachtes bei der Anwendung von heiſsem
Winde erklärt Ebelman aus dem Umstande, daſs bei gleicher Pressung
die absolute Gasmenge, welche im Schachte aufsteige, geringer sei als
bei kaltem Winde, da sie aber der gleichen Masse Beschickung begegne,
so müsse sie eine gröſsere Abkühlung erfahren. Die oben berechnete
Ersparnis von ⅛ entspreche in vielen Fällen dem wirklich erzielten
Erfolge; wo sie eine gröſsere sei, will er dies aus den günstigeren Ver-
hältnissen, unter welchen die Reduktion im Schacht stattfinde, erklären.
Die niedrigere Temperatur sei nämlich hierfür günstiger, weil sie die
zu frühe Schlackenbildung verhindere. Demnach beruht nach Ebel-
man die Brennmaterialersparung im Hochofen bei der Anwendung
von heiſsem Winde auf zwei Faktoren, auf der Wärmezufuhr und auf
der vorteilhafteren Reduktion der Erze.
In geistvoller und wissenschaftlicher Weise hat Th. Scheerer
die Wirkung des erhitzten Windes erklärt. Scheerer, der zuerst in
Zahlen und Formeln die Wichtigkeit des pyrometrischen Wärmeeffektes,
d. h. des wirksamen Wärmegrades bei der Verbrennung der verschie-
denen Brennstoffe nachgewiesen hat, geht auch bei dieser Untersuchung
auf die mathematische Berechnung des pyrometrischen Wärme-
effektes aus. Er weist mit Recht darauf hin, daſs die absolute
Wärmezufuhr, welche mit dem auf 200 bis 300° C. erhitzten Winde
[501]Die Wirkung des heiſsen Windes im Hochofen.
in den Ofen gelange, durchaus unzureichend sei, um eine Vermehrung
der Produktion von 30 bis 50 Proz. und eine Brennmaterialersparung
von 20 bis 30 Proz. zu erklären. Leicht aber erklärten sich diese
Thatsachen aus dem pyrometrischen Effekt. Derselbe ist gleich dem
absoluten, d. h. gleich der durch die Verbrennung einer Gewichts-
einheit Brennstoff erzeugten
Wärmemenge, dividiert durch
die von den Verbrennungs-
produkten entführte Wärme-
menge, welche sich als ein
Produkt aus deren Menge und
deren specifischen Wärme dar-
stellt. Dieser Temperaturgrad
wird aber bedeutend erhöht
durch die Erhitzung, welche
das Brennmaterial im Hoch-
ofen erfährt, bevor es in den
Verbrennungsraum gelangt.
Scheerer hat die so erzeugte
Wärme im heiſsesten Punkte
eines Hochofens, welcher mit
Holzkohlen von 3 Proz. Aschen-
gehalt und kalter Luft von 0°
betrieben wird, auf 2656° C.
berechnet 1). Wird dagegen
Gebläseluft von 300° C. an-
gewendet, so erhöht sich die
Verbrennungstemperatur nach
der von Scheerer entwickel-
ten Formel auf 2962° C. Es
ist dies allerdings nur ein
Temperaturzuwachs von 306°,
also nur von 6° mehr, als die
Windtemperatur beträgt, den-
noch übt sie nach Scheerers Erklärung eine groſse Wirkung dadurch
aus, daſs sie den Schmelzraum vergröſsert. Dies erläutert Scheerer
durch vorstehende Abbildung (Fig. 150). Der Schmelzraum ist als
ein kubischer Raum zu betrachten, dessen Kern die höchste Ver-
[502]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
brennungswärme hat, während seine Temperatur nach allen Seiten hin
abnimmt. Nach auſsen hin ist der Schmelzraum, der sich als eine Kugel
darstellt, umschlossen durch die Temperaturgrenze von 1600° C., welche
nach seiner Annahme dem Schmelzpunkte des Eisens entspricht. Wird
nun die Verbrennungshitze um n gesteigert, so wird der Radius der Kugel
entsprechend vergröſsert. Die räumliche Erweiterung der Schmelzzone
erfolgt aber im kubischen Verhältnis, indem die Schmelzräume sich ver-
halten wie (a b)3:(a c)3. Auſserdem erhöht sich aber auch die mittlere
Temperatur des Schmelzraumes durch die Steigerung der Verbrennungs-
wärme, wodurch ebenfalls eine beträchtliche Vermehrung der Wirkung
innerhalb derselben hervorgebracht wird. Die Erhöhung des durch
den heiſsen Wind herbeigeführten Effektes lieſse sich daraus berechnen
und mit der Wirklichkeit vergleichen. Man benutzt aber, wie Scheerer
mit Recht hervorhebt, die effektvermehrende Wirkung der erhitzten
Gebläseluft niemals auf die Weise, daſs man dieselbe Brennmaterial-
menge unverändert beibehält, sondern man bricht am Brennmateriale
entsprechend der gröſseren Wirkung des heiſsen Windes ab. Man
ist also nicht in der Lage, die Schmelzeffekte unmittelbar vergleichen
zu können, sondern man muſs mit der vermehrten Produktion zugleich
die Brennmaterialersparnis (b) mit in Rechnung ziehen. Wäre die
letztere ¼ und betrüge die Vermehrung der Produktion (c) = 1½,
so ist der Effekt des heiſsen Windes = = 2. Scheerer
drückt diesen Effekt durch die allgemeine Formel E = aus,
welche der Wirklichkeit nahe kommt, wenn der erfahrungsmäſsige
Effekt auch meist hinter dem berechneten zurückbleibt. Dies erklärt
sich hauptsächlich aus dem Wärmeverluste, welcher durch die Aus-
dehnung der Luft beim Eintritt in den Hochofen stattfindet, und
führte Scheerer zur Korrektur einen Koeffizienten, der von dem Baro-
meter- und Manometerstande abhängig ist, ein.
Zum Verwaschen der Erze, das besonders für die thonhaltigen
zweckmäſsig war, verwendete man in dieser Zeit bereits Läutertrommeln,
wie dies auf der Eisensteingrube zu Horhausen im Saynischen geschah.
Hier hatte man lange Siebtrommeln, deren Peripherie aus einem Gitter
[503]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
von eisernen Stäben gebildet war und in deren Innern eine Schnecken-
windung angebracht war, um die Fortbewegung des Erzes zu er-
leichtern 1).
Von verbesserten Konstruktionen der Röstöfen sind besonders
die schwedischen Flammröstöfen, Fig. 151, zu erwähnen, bei welchen
die Feuerung im Ofen lag. Das Feuer brannte auf einem in der Mitte
eingebauten Rost und war durch einen dachförmigen, aus massiven,
zusammengelegten Guſsstücken
bestehenden Überbau c, den
„Schweinerücken“ („Griseryg“),
geschützt. Als Brennmaterial ver-
wendete man in Schweden und
Norwegen Kloben- und Scheit-
holz.
Seit der Mitte der 40er Jahre
kamen Gasröstöfen in Schweden
auf, welche mit Hochofengasen
geheizt wurden. Fig. 152 (a. f. S.)
zeigt die Einrichtung eines 1848
zu Tenninge in Stora Koppar-
bergs Lån erbauten Gasröst-
ofens 2).
Die Gase traten durch G ein,
verteilten sich in dem Ring-
kanale e und traten durch die
Öffnungen m m in den Ofen ein.
Die Luft trat durch die drei
Ziehöffnungen M M zu.
Einen eigentümlichen kegel-
förmigen Rost, Fig. 153 (a. f. S.),
hatten die Schachtröstöfen auf
dem Eisenhüttenwerke zu Neu-
deck in Böhmen 3).
In Ruſsland gewann die Röstung schwefelkieshaltiger Erze mit
Wasserdämpfen ziemliche Verbreitung. Sie war zuerst 1843 in
[504]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
Russisch-Finnland auf dem Eisenwerke Dals-Bruck auf Vorschlag des
Oberintendanten des finnländischen Bergwesens von Nordenskjöld
eingerichtet worden und hatte sich sehr bewährt. Seit der Zeit
bediente man sich des Dampfröstens sowohl in Finnland, als auch
im Ural. Man verwendete dabei Flammröstöfen, und zwar anfangs
die Rumfordschen
(1843 zu Dals-Bruck
in Finnland), welche
den in Creusot einge-
führten, Fig. 58, ähn-
lich waren, später
die Nordenskjöld-
schen, welche den Öfen
Fig. 151 glichen, die
Nordenskjöld 1845
dem Zweck ent-
sprechend eingerichtet
hatte. Über dem
Schweinerücken lief ein
Dampfrohr mit zahlrei-
chen seitlichen Löchern
her, welches oben durch
ein zweites eisernes
Dach geschützt war 1).
Als Feuerungsmate-
rial wendete man sowohl Holz als Hochofengase an. 1848 wurde auch
zu Moravitza in Österreich das Rösten mit Wasserdampf eingeführt.
Die Hochofengichtgase hatte man bekanntlich schon früher in
sehr primitiver Weise zum Rösten
der Erze verwendet. In verbesser-
ter Form geschah dies in überwölb-
ten, von allen Seiten geschlossenen
Herden, auf welchen die Erze aus-
gebreitet erhitzt wurden. Die Gicht-
flamme trat auf der einen schmalen
Seite des Ofens ein, strich über den Herd hin und wurde auf der ent-
gegengesetzten schmalen Seite abgeleitet. Karsten empfahl (§. 452)
dieses Verfahren als besonders zweckmäſsig und ökonomisch, während
[505]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
Scheerer die Flammröstöfen mit Dampfzuleitung, wie oben beschrie-
ben, vorzog 1).
Als Fluſs oder Zuschlag empfahl Karsten (§. 457) sehr den
Fluſsspat, der aber seiner Seltenheit wegen nur eine beschränkte
Anwendung gestattete. Auch ist nach Karsten für Erze, welchen
keine Bittererde beigemengt ist, Dolomit anstatt Kalkstein vorzuziehen,
um eine polybasische Schlacke zu bilden.
Für die Roheisendarstellung und den Hochofenbetrieb
war die Anwendung der erhitzten Gebläseluft das wichtigste Ereignis
dieser Periode. Auf den Bau und die Konstruktion der Hochöfen
hat dieselbe einen unmittelbaren Einfluſs kaum ausgeübt. Es war
gerade ein besonderer Vorzug dieser neuen Erfindung, daſs sie sich
ohne bauliche Veränderungen an jedem bestehenden Hochofen an-
wenden lieſs, und eben dieser Umstand hat zu ihrer raschen Aus-
breitung wesentlich beigetragen.
Der heiſse Wind erzeugte eine gröſsere Hitze im Schmelzraume
und konzentrierte die Wärme unmittelbar vor den Formen. Hierdurch
wurde allerdings, wie Karsten erwähnt, eine weitere Zustellung des
Gestelles statthaft, vorausgesetzt, daſs die Pressung stärker war, als
das für das angewendete Brennmaterial erforderliche Minimum. Mehr
noch wie früher wurden die hohen Obergestelle überflüssig, denn der
heiſse Wind war, wie Karsten sich ausdrückt, der Stellvertreter der
hohen Obergestelle. Dieselben waren sogar nachteilig, insofern sie
durch die gesteigerte Hitze rasch zerstört wurden. Aber nur ganz
allmählich übte die Anwendung des heiſsen Windes auf die Zustellung
der Hochöfen einen Einfluſs aus.
Dagegen war die Wirkung desselben auf den Betrieb eine sehr
bedeutende. Sie äuſserte sich in der Zunahme der Produktion, in der
Erhöhung des Erzsatzes, in der flüssigeren Schlacke und in der Er-
leichterung der Arbeiten im Gestell. Der heiſse Wind machte die An-
wendung von Wasserformen nötig. Auch eine bessere Windverteilung
durch die Zustellung der Hochöfen mit drei Formen kam in dieser
Zeit mehr und mehr zur Einführung. Die Zugänge zu den Formen
bildeten entweder gewölbte Aussparungen im Rauhmauerwerk oder
namentlich bei gröſseren Hochöfen ein treppenförmig aufsteigendes
System von guſseisernen Balken, sogenannten Trageisen (marâtres),
[506]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
auf denen das obere Rauhmauerwerk ruhte. Seit der Einführung des
heiſsen Windes und einer gröſseren Zahl von Windformen ging man
auch dazu über, das Gestell freistehend zu machen, so daſs es von
allen Seiten zugänglich war und
den Schacht auf einem Kranze von
guſseisernen Platten, die auf Trag-
säulen ruhten, aufzubauen. Zu
Hayange (Moseldepartement) baute
de Wendel den ersten Ofen dieser
Art auf dem Kontinente, Fig. 154,
derselbe stand seit 1838 im Be-
triebe 1). Das Gestell war von einem
Panzer von Guſsplatten umkleidet.
Der Ofenschacht hatte nur ein verhältnismäſsig schwaches Rauh-
gemäuer, das durch eiserne Ringe zusammengehalten war. Das Gestell
dieses Ofens war aus Masse gestampft 2).
Die Höhe des Gestelles richtete sich nach Karsten nach der
Höhe des Ofens, sie war zwischen 1,25 und 2,04 m abweichend. Niedrige,
5,0 bis 6,27 m hohe Öfen erhielten wohl ein 1,25 m hohes Gestell; bei
7,53 und 9,42 m hohen Öfen pflegte man es 1,57 bis 1,73 m hoch zu
machen. Noch höheren Öfen gab man 1,88 m hohe Gestelle und bei
Koksöfen pflegten sie oft 2,04 m hoch zu sein. Höhere Gestelle be-
wirkten im allgemeinen immer ein reineres Schmelzen, eine gröſsere
Hitze, lieferten ein graueres Eisen und gewährten eine gröſsere Kohlen-
ersparung. Die Schmelzbarkeit der Erze war dabei aber wesentlich
mitbestimmend.
Um das Einrücken der Gichten in das Gestell zu erleichtern,
machte man es oben weiter und zwar für gewöhnlich oben ein Dritteil
weiter als unten. Für die Weite des Gestelles war auſser der Schmelz-
barkeit der Erze, die Art des Eisens, welche man darstellen wollte, die
Beschaffenheit des Brennmaterials, Menge und Pressung des Windes
und Anzahl der Formen maſsgebend.
Die Reduktion der Erze muſs vollständig erfolgt sein, wenn die
Schichten in den Schmelzraum treten, indem in diesem bei der hohen
Temperatur nicht mehr Reduktion, sondern Verschlackung eintreten
würde. Tritt die Beschickung richtig vorbereitet in den Schmelzraum
ein, so zwingt ein höheres Obergestell zu längerem Verweilen in
demselben, wodurch die Umwandlung des weiſsen Roheisens in graues
unter Aufnahme von Silicium befördert wird. Die Vorbereitung der
Schmelzmasse findet in dem Ofenschachte statt. Je höher der Schacht
ist, je besser muſs die Vorbereitung sein und je günstiger müſste der
Prozeſs verlaufen, wenn nicht die zunehmende Höhe des Schachtes
gleichzeitig das Ausströmen der Gase aus der Gicht erschwerte. Die
vorteilhafteste Höhe des Schachtes wird daher diejenige sein, bei
welcher die Beschickung in gleichmäſsig zunehmendem Grade von
der Gicht bis zur Form erhitzt wird und bei welcher die durch den
Verbrennungsprozeſs erzeugten Gasarten noch leicht den Ausweg aus
der Gicht finden. Die Verminderung der Höhe des Schachtes ist von der
Menge und der Pressung des Windes einerseits, von seiner Verteilung,
von der Natur des Brennmaterials und dem Aggregatzustande der Be-
schickung andererseits abhängig. Die Weite des Schachtes, insbesondere
des Kohlensackes, steht in enger Beziehung zu seiner Höhe. Die Weite
des Kohlensackes kann nach Karsten bei niedrigen Schächten ohne
Nachteil ⅖ und bei hohen Schächten ¼ bis ⅓ der Höhe des Schachtes
[508]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
betragen. Die gröſsere Weite des Schachtes kann bis zu einem gewissen
Grade die gröſsere Höhe desselben ersetzen.
Die Beschickung bedarf zu ihrer Vorbereitung einer gewissen
Zeit. Das Verweilen in den einzelnen Teilen des Schachtes muſs ein
der Natur der Beschickung und dem zu erzielenden Produkte ent-
sprechendes sein. Von groſsem Einfluſs ist der Rastwinkel. Weniger
giebt in seinem praktischen Schmelzmeister an, daſs nach seiner Er-
fahrung der Kohlenverbrauch bei Rastwinkeln von 65°, 55°, 45°, 25°
sich verhalte wie 3¼, 2¼, 1½, 1⅛. Doch kamen hierbei jeden-
falls noch andere Umstände mit in Betracht.
Die Analysen der Hochofengase haben über die Vorgänge in den
verschiedenen Ofenhöhen Licht verbreitet. Es hat sich bestätigt, daſs
die Trocknung, Röstung, d. h. die Austreibung des chemisch gebundenen
Wassers und der Kohlensäure, sodann die Reduktion, hierauf die
Kohlung und endlich die Schlackenbildung und Schmelzung in ver-
schiedenen aufeinanderfolgenden Tiefen des Hochofens von der Gicht
aus vor sich gingen. Scheerer hat deshalb den Inhalt des Hoch-
ofens der Höhe nach in fünf Zonen (s. Fig. 155, S. 511) eingeteilt: 1. die
Vorwärmezone a b, 2. die Reduktionszone b c, 3. die Kohlungszone cd,
4. die Schmelzzone d e, und 5. die Oxydations- oder Verbrennungs-
zone ef.
In der Vorwärmezone findet die Trocknung der Beschickung
und die Austreibung des hygroskopischen Wassers statt. Hier herrscht
eine niedrige Temperatur, deren untere Grenze etwa 400° beträgt.
Bei dieser Temperatur beginnt die Reduktionszone, welche den
gröſsten Raum des Hochofens einnimmt. Die Reduktion zerfällt
wieder in zwei Vorgänge: 1. in die Reduktion des Oxyds zu Oxydul,
oder zu einer dem Hammerschlag analogen Sauerstoffverbindung des
Eisens (Fe6. Fe); 2. in die Reduktion dieses Oxyduls zu metallischem
Eisen. So lange noch unreduziertes Oxydul vorhanden ist, kann die
Kohlung des Eisens kaum beginnen und findet jedenfalls nur sehr
langsam statt.
Ebelman1) untersuchte Erzstücke, welche er mittels einer be-
sonderen Vorrichtung dem Kohlensacke zweier Hochöfen entnahm.
Diese Erze hatten die folgende Zusammensetzung: A ist das Erz im
rohen Zustande, B in dem Zustande, wie es dem Kohlensacke ent-
nommen worden war.
Das an der Oberfläche der Erzstücke befindliche metallische
Eisen zeigte sich vollkommen geschmeidig; beim Erze von Laissey
schien es durchaus frei von Kohle zu sein, während es beim Erze
von La Chapelle einen geringen Kohlengehalt (etwa wie Stabeisen)
besaſs. Die beiden Erzstücke waren, obgleich derselben Ofenhöhe
entnommen, in einem verschiedenen Stadium der Reduktion. Das Erz
von Laissey, welches sich weniger weit vorgeschritten zeigte, war in
gröſseren Stücken aufgegeben worden. Es hatte seine Kohlensäure
vollständig verloren, doch hatte die Entwickelung desselben nach
Ebelmans Ermittelung nur wenige Fuſs über dem Kohlensacke erst
begonnen. Die im Kohlensack herrschende Temperatur betrug un-
gefähr 1000 bis 1200° C.
Auf die Reduktionszone folgt die Kohlungszone, welche nach
Scheerers Annahme sich vom Kohlensack bis in die Nähe des
untersten Rastendes erstreckt. Er definiert diese Zone genauer als
den Raum, in welchem kein oxydiertes Eisen mehr vorhanden ist,
und die Kohlung ohne Schmelzung vor sich geht. In demselben soll
nicht bloſs Kohlenoxydgas, sondern auch Cyankalium und — wenigstens
in manchen Fällen — auch freies Cyan als kohlendes Gas vorhanden
sein. Diese Zone findet ihre Grenze bei der Schmelztemperatur des
gekohlten Eisens bei etwa 1600° C. Das gekohlte, aber noch nicht
geschmolzene Eisen ist von stahlartiger Beschaffenheit, ähnlich dem
Cementstahl. Dem entsprechend fand Lossen in dem Hochofen der
Michelbacher Hütte in Nassau, daſs dichte Roteisensteinstücke, mit
gänzlicher Beibehaltung ihrer äuſseren Gestalt, zu einer stahlartigen
Masse umgewandelt worden waren 1). Die reduzierte und teilweise
[510]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
gekohlte Masse tritt nun in die Schmelzzone, in welcher eine Tempe-
ratur von 1600 bis 1700° C. und darüber herrscht. Hier findet das
Schmelzen der Schlacke und des Eisens fast gleichzeitig statt. Hat das
Eisen Gelegenheit, bei hoher Temperatur längere Zeit in diesem Raume
zu verweilen, so tritt eine Übersättigung mit Kohlenstoff ein, welche
eine Ausscheidung von Graphit beim Erstarren zur Folge hat. In
dieser Zone ist die Temperatur so hoch, daſs vorhandenes Kaliumoxyd
reduziert wird, was zur Bildung von Cyan aus der weiſsglühenden
Kohle und dem Stickstoff der Luft Veranlassung giebt.
Die Oxydations- oder Verbrennungszone ist im Vergleich
zu den übrigen Zonen nur von sehr geringem Umfange. Die Gründe
hierfür haben wir oben schon angeführt. Kurz vor der Form findet
die Verbrennung der Kohle zu Kohlensäure mit sehr hoher Wärme-
entwickelung (über 2500° C.) statt. Auſserhalb dieses Fokus findet
aber die Reduktion der gebildeten Kohlensäure durch glühende Kohle
zu Kohlenoxydgas statt, was mit einer bedeutenden Temperaturernie-
drigung verbunden ist. Während sich nach Scheerers Berechnung
das Temperaturmaximum auf 2650° C. beläuft, beträgt der Hitzgrad
an der nicht weit davon entfernten Grenze gegen die Schmelzzone
nur noch 1670° C.
Welchen groſsen Einfluſs der heiſse Wind gerade auf die Ver-
brennungszone ausübt, ist S. 501 auseinandergesetzt.
Fig. 155 giebt die schematische Darstellung Scheerers mit den
eingeschriebenen Temperaturgrenzen. Daſs die Vorgänge im Hochofen
nicht mit der Regelmäſsigkeit vor sich gehen, wie sie Scheerers
Zonentheorie darstellt, ist leicht einzusehen. Schon die Gasanalysen
haben bewiesen, daſs die Gase, welche man von verschiedenen Punkten
der gleichen Tiefe entnahm, nicht gleich zusammengesetzt waren. Die
von Ebelman in gleicher Tiefe entnommenen Erzstücke, deren ver-
schieden vorgeschrittene Reduktion die Analyse ergab, beweisen
dasselbe. Die Beschickung sinkt durchaus nicht gleichmäſsig von der
Gicht abwärts. Die Form des Hochofens bedingt schon, daſs die
mittlere Schmelzsäule, entsprechend dem Querschnitt vor den Formen,
rascher nach unten sinkt. Infolgedessen sinkt das Schmelzen in der
Mitte rascher; statt der geraden Fläche rücken die Gichten in einer
nach unten ausgebauchten Fläche vor. Dies bewirkt, daſs die grö-
beren, schwereren Erzstücke nach der Mitte rollen und sich durch
das leichtere Brennmaterial, das sie nach den Seiten schieben, durch-
drücken. Hierdurch entsteht das sogenannte Vorrollen der Erze.
Die Gase dagegen, welche an den Seiten des sich erweiternden
[511]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
Schachtes weniger Widerstand finden, weil hier die Schmelzmasse
lockerer liegt, nehmen ihren Weg mehr den Ofenwänden entlang,
während sie in der Mitte, wo die Masse dichter und der Druck stärker
ist, mit geringerer Geschwindigkeit aufsteigen. Dies alles bewirkt schon
bei regelmäſsigem Gang, daſs die Vorbereitung der Erze in gleichen
Horizontalschnitten eine ganz ungleiche sein muſs, indem sie in der
Mitte viel weniger vorge-
schritten ist als an den
Seiten. Dazu kommt noch,
daſs jedes Erzstück ein In-
dividuum ist, welches auch
bei gleichen Bedingungen
seine besondere Zeit bis
zur Vollendung der Vor-
bereitung beansprucht.
Trotz alledem hat
Scheerers Zonentheorie
ihren pädagogischen Wert
gehabt, indem es ein be-
quemes Mittel für Gedächt-
nis und Anschauung war,
einen im ganzen richtigen
Überblick der verschieden-
artigen Vorgänge im Hoch-
ofen zu bekommen. Aus
diesem Grunde wurde diese
Theorie von den Zeitgenos-
sen auch mit Beifall auf-
genommen.
Das relative Verhältnis
der Gröſse der Zonen unter-
einander ist selbstverständ-
lich von groſsem Einflusse
auf den Gang des Hochofens und Scheerer hat dies näher aus-
geführt, doch lassen sich daraus noch keine genügenden Anhalts-
punkte gewinnen zur Konstruktion eines Hochofens in einem bestimm-
ten Falle.
Man war hinsichtlich der zweckmäſsigsten Ofenform auf die
Erfahrung hingewiesen. In England bewährte sich die Tonnenform
sehr, welche zuerst in Dundyvan in Schottland eingeführt worden
[512]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
war und sich von da nach Staffordshire verbreitete. John Gibbons1)
trat schon 1839 eifrig für diese Ofenform ein. Für die zweck-
mäſsigsten Ofendimensionen lieſsen sich nur gewisse Grenzwerte fest-
setzen. Danach soll der Durchmesser des Kohlensackes 0,20
bis 0,33 der inneren Ofenhöhe betragen; die Höhe des Kohlensackes
über dem Bodenstein 0,25 bis 0,33 bis 0,40 der Schacht- resp. Ofen-
höhe, je nachdem man leichte Beschickung mit schwächerem Winde,
oder schwere Beschickung mit stärkerem Winde zu verschmelzen hatte.
Für den Rastwinkel machte Walther de St. Ange folgende An-
gaben: für Koks bei starkem Winde und strengflüssiger Beschickung
60 bis 65°, bei leichten Koks und mittlerer Schmelzbarkeit 55°, bei
Holzkohlen und leicht flüssiger Beschickung 35 bis 40°.
Der Durchmesser der Gicht wurde zu 0,08 bis 0,15 der Schacht-
höhe angenommen, er blieb also unter der Hälfte des Kohlensack-
durchmessers. Kokshochöfen bedurften weiterer Gichten als Holz-
kohlenöfen und es war ein Fehler, in den man bei der Einführung
des Koksbetriebes in Frankreich verfiel, daſs man die Gichten oft zu
eng machte. Blackwell gab seinem Hochofen zu Russels Hall 1843
schon eine Gichtweite von 2,8 m.
Die Maſse des Gestelles waren am meisten verschieden nach Art
der Erze und des zu erblasenden Eisens.
Theoretisch gab es wohl für jeden praktischen Fall eine voll-
kommenste Ofenform, aber die Bedingungen und Kombinationen waren
zu mannigfaltig, um dafür sichere Regeln oder gar mathematische
Formeln aufstellen zu können. Es war deswegen immer noch der
zweckmäſsigste Weg, möglichst viele praktische Beispiele zu sammeln
und vergleichend zusammenzustellen, wie dies namentlich Karsten
(§§. 651 und 652), sowie Walther de St. Ange und Leblanc, Fla-
chat, Barrault, Petiet (Pl. V bis VII) und Valerius in ihren an-
geführten Werken gethan haben. John Gibbons, der vortreffliche
Hochofeningenieur von Süd-Staffordshire, hat es versucht, aus den Pro-
filen ausgeblasener Hochöfen einen Normalofen zusammenzustellen.
Nebenstehende Zeichnung (Fig. 156) stellt dieses Normalprofil mit eng-
lischen Maſsen dar, welches für die Hütten in Staffordshire allerdings
seine Berechtigung hatte.
Eine Neuerung bei den Hochöfen, die Eisen für Guſswaren erster
Schmelzung lieferten, waren die Stich- und Schöpfherde. Beide
hatten den Zweck, das Schöpfen des Guſseisens aus dem Vorherde,
[513]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
was immer mit groſser Abkühlung für das Ofengestell verbunden war,
unnötig zu machen.
Der Stichherd bestand in einer abgeänderten Konstruktion des
Walles oder Dammes. Statt des Wallsteines führte man eine senk-
rechte gemauerte Wand auf, welcher man durch
eiserne Verankerungen und dadurch, daſs man
die Abstichöffnung mit einer gegossenen eisernen
Platte verband, eine gröſsere Stabilität erteilte.
In dieser Platte waren mehrere Stichöffnungen
in verschiedener Höhe angebracht, aus welchen
man das Eisen laufen lassen konnte. Einen solchen
Stichherd hatten Lossen 1840 auf der Michel-
bacher Hütte und Pfort 1843 zu Veckerhagen
eingerichtet.
Der Schöpfherd war ein mit dem Vorherde
kommunizierender Tiegel auſserhalb des Ofens,
Fig. 157, wodurch die starke Abkühlung des Her-
des bei dem Ausschöpfen aus demselben vermie-
den werden sollte.
Der Verbindungskanal war am Boden des
Vorherdes angebracht und führte in den seit-
lich gelegenen Schöpfherd. In diesem stieg das
flüssige Roheisen in dieselbe Höhe wie im Vor-
herd, und konnte man hieraus schöpfen, ohne
den Vorherd zu öffnen.
Zu Malapane in Schlesien wurde ein solcher Schöpfherd 1828
eingerichtet und 1832 in Karstens Archiv von dem Hüttenmeister
Wachler beschrieben. Schon seit Jahren hatte man auf der gräflich
Renardschen Eisenhütte zu Collonowska einen Schöpfherd, welcher
Beck, Geschichte des Eisens. 33
[514]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
auf der Rückseite des Hochofens lag und bei dem die Kommunikation
durch den Rückstein hergestellt war; es war hier also gewissermaſsen
ein doppelter Vorherd angebracht. Zweckmässiger war aber die An-
ordnung, wie oben angegeben, und kamen diese Schöpfherde in den
30er Jahren vielfach in Aufnahme, so z. B. zu Wartenberg, Rübeland,
Sayn und zu Niederbronn.
Payen berichtet 1) über sein auf der Hütte zu Brazey (Côte
d’Or) angewendetes Verfahren, auch das Schachtfutter zwischen
Schablonen aus Masse zu stampfen. Zur Haltbarkeit sei dabei eine
sorgfältige Verankerung und Ventilierung des Rauhmauerwerkes durch
Abzugskanäle notwendig.
Gegen Ende der 30er Jahre kam in Schottland und in den öst-
lichen Distrikten Englands eine neue Konstruktion der Hochöfen in
Aufnahme, welche darin bestand, daſs guſseiserne Säulen oder Ständer
an Stelle der gemauerten Pfeiler des Ofenstockes traten. Auf diesen
Säulen lagen guſseiserne Tragkränze, welche das schwache Rauhmauer-
werk, welches aber durch einen Blechmantel oder eiserne Reifen gehalten
wurde, trugen. Diese Öfen wurden unter dem
Namen schottische Hochöfen bekannt. Einen
Ofen dieser Art, welcher zu Hayange im Mosel-
departement schon im Jahre 1838 im Betriebe
stand, haben wir bereits, Fig. 154, abgebildet.
Daſs die Anwendung des erhitzten Windes
die Einführung der Wasserformen zur Folge
hatte, wurde schon wiederholt erwähnt.
Die Benutzung der Gichtgase zur Feuerung
führte zu neuen Einrichtungen. Faber du
Faur leitete zuerst die Gase nur durch einen
einfachen Kanal, der dicht unter der Gicht
angebracht war, ab (Fig. 110). Nachdem er
gefunden hatte, daſs die Gase aus gröſserer
Tiefe mehr Brennstoff enthielten, legte er sei-
nen Abzugskanal tiefer an (Fig. 159). Dies war
noch mehr der Fall, als er die Gase auf die Hüttensohle leitete
und sie hier in Flammöfen verbrannte. Bei dem Hochofen zu Neu-
Joachimsthal traf er die nebenskizzierte Anordnung (Fig. 158). Durch
sechs rechtwinklige Abzugskanäle, welche steil nach oben geführt
waren, so daſs sie nicht leicht von der niedergehenden Beschickung
[515]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
verstopft werden konnten, wurden die Gase in einen ringförmigen
Sammelkanal, welcher im Rauhgemäuer des Hochofens eingebaut war,
zusammengeleitet, um von hier durch das Abzugsrohr nach unten
geführt zu werden. Bei dieser Art der Ableitung der Hochofengase
blieb die Gicht frei, und der Betrieb des Ofens wurde nicht gestört.
Dagegen wurde aber auch
nur der kleinere Teil der
im Ofen entwickelten Gase
aufgefangen.
Man ging mit der tiefen
Ableitung der Gase nicht
selten zu weit. Faber
du Faur gab eine Tiefe
von 3/10 der Ofenhöhe als
die beste an. Er leitete
die Gase bei den Hoch-
öfen zu Wasseralfingen
und zu Neu-Joachimsthal,
die etwa 32 Fuſs hoch
waren, 10 Fuſs unter der
Gicht ab. In der letz-
ten Periode des Gasofen-
betriebes zu Wasseralfin-
gen wurden die Gase bei
dem Wilhelmsofen 19 Fuſs
unter der Gicht abgefan-
gen, was zur Folge hatte,
daſs die Gase bei ihrer
Verbrennung zwar eine
gröſsere Hitze entwickel-
ten, der Kohlenverbrauch
im Hochofen sich aber nam-
haft erhöhte und Störun-
gen im Gange des Ofens
häufiger vorkamen.
Solche Störungen gaben
Veranlassung, die Gas-
ableitung bei den Hoch-
öfen überhaupt für nachteilig zu halten, und Scheerer sagt 1848,
man sei durch vielfache Erfahrung zu der Überzeugung gelangt, daſs
33*
[516]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
die Ableitung der Gichtgase aus einem Eisenhochofen nicht geschehen
könne, ohne den guten Gang des Hochofens mehr oder weniger zu
beeinträchtigen.
Auf der Hütte zu Niederbronn bediente man sich seit 1837
der Hochofengase zur Feue-
rung einer Dampfkesselanlage
(Fig. 159, 160, a. v. S., und 161).
Die Gasabführung geschah in
derselben Weise wie zu Wasser-
alfingen. Über der Gicht be-
fand sich aber ein gemauerter
Gichtmantel, den man so ein-
richtete, daſs man ihn durch
einen Deckel verschlieſsen
konnte, wodurch man die sämt-
lichen Gase unter die Kessel
führen konnte. Dies geschah
wenigstens bei dem von Eu-
gène Flachat beschriebenen
Versuche, durch welchen fest-
gestellt wurde, daſs die Gase
bei ihrer Verbrennung 0,242
der Wärmemenge der im Hoch-
ofen verbrennenden Kohle ent-
wickelten. Hier begegnen wir
bereits dem Gedanken, die
ganze entwickelte Gas-
menge aufzufangen.
Thomas und Lau-
rent bedienten sich
bei ihrem Verfahren,
die Gichtgase zur
Dampfkesselfeuerung
zu verwenden, eines
anderen Mittels, um
die Gase des Hoch-
ofens abzufangen. Statt
der gemauerten Kanäle
hingen sie einen eiser-
nen Cylinder, der etwas
[517]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
enger war als die Gicht und oben an einem breiten Ringe befestigt
war, der auf der Ofenmauer auflag, in den Schacht des Hochofens
(Fig. 162). Die Gase, die
an den Wänden empor-
stiegen, wurden dadurch
aufgefangen, indem sie
durch eine Öffnung hinter
dem eisernen Cylinder ab-
geführt wurden. Es war
dies bereits dasselbe
System, welches Ebelman
später bei seinen Gasge-
neratoren in Anwendung
brachte, Fig. 125 (vergl.
S. 463). Fig. 163 zeigt
eine ähnliche Einrichtung
von Ebbw-Vale 1). Auf
demselben Principe beruht
der Portsche Gasfang,
Fig. 164, der nur dadurch
verschieden war, daſs er
aus zwei Cylindern von verschiedener Weite bestand. Der äuſsere
schloſs sich dicht an die Schachtwand an und schützte dieselbe.
Pfort führte diesen Gasfang 1842 auf der
Kurfürstlich hessischen Eisenhütte zu Vecker-
hagen ein 2). Die beiden Cylinder waren aus
Guſseisen und 1,438 m hoch. Der ringförmige
Raum a war 0,143 m weit.
Später wendete man aber auch in Deutsch-
land mehr die Apparate mit einem Cylinder
an, die man irrtümlich belgische nannte. Ihre
ersten Erfinder waren die Franzosen Thomas
und Laurent.
In den 40er Jahren ging man auch an
einigen Orten dazu über, die Gicht des Ofens
durch einen Deckel zu verschlieſsen, der nur
beim Aufgeben der Gichten geöffnet wurde.
[518]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
De Meckenheim erwähnt dies in seinem Patent von 1842. Dem
entsprechend unterscheidet Montefiore Levi zu Ougrée bei Lüttich 1)
gegen Ende dieser Periode vier verschiedene Systeme der Gasableitung
bei den Hochöfen: 1. Öffnungen in der Schachtwand bei offener Gicht;
2. Öffnungen in der Schachtwand bei verschlossener Gicht; 3. einge-
hängter, 6 bis 7 Fuſs hoher Cylinder von Guſseisen oder Eisenblech und
offener oder geschlossener Gicht; 4. Ableitung der Gase aus der Esse
über der Gicht, deren sämtliche Öffnungen zwischen dem Aufgeben
verschlossen gehalten werden.
Bei dem ersten Verfahren wird nur ein Teil der Gase abgefangen.
Eine viel gröſsere Menge derselben wird bei dem zweiten Verfahren
erhalten. Bei einem
Ofen zu La Voulte an
der Rhone sah M. Levi
diesen Verschluſs mit
Deckel, Fig. 165, der
gute Resultate gab.
Die Hochöfen zu Le
Pouzin bei La Voulte
waren 57 engl. Fuſs
hoch und hatten 6 Fuſs
4 Zoll Gichtweite. Die
Gase wurden durch
sechs Öffnungen in den
Wänden abgefangen und in einem Ringkanal, welcher den oberen Teil
des Schachtes umgab, gesammelt. Rings um die Gichtöffnung befand
sich aber ein guſseiserner Kranz mit doppeltem Rande, der mit Wasser
gefüllt war. In dieses trat der cylinderförmige Rand des Deckels von
starkem Eisenblech, der mittels eines Hebels gehoben und seitwärts
geschoben wurde. Über der Gicht lagen Schienen, die Fortsetzung
einer Förderbahn, auf welcher die Gichtwagen gefahren und durch den
beweglichen Boden entleert wurden. Dies geschah bei abgehobenem
Deckel so rasch wie möglich, damit die Zeit der Unterbrechung der
Gasabführung nur kurz war.
Man zog die Einrichtung in Verbindung mit einem eisernen Cylinder
oder Trichter noch vor. Guſseiserne Trichter waren dauerhafter und
hielten 2 bis 3 Jahre, während blecherne nach 9 Monaten verbrannt
[519]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
waren. Dieselben konnten leicht mit einem Deckel mit Wasserver-
schluſs verbunden werden, wie dies bei den sieben Hochöfen der
groſsen Hütte Le Creusot der Fall war und in Fig. 166 abgebildet ist.
Bei einem Hochofen zu Givors, der 4 Fuſs Gichtöffnung hatte,
wendete man statt eines Deckels, der durch einen Hebel gehoben
wurde, einen Schieber an. Die Einrichtung funktionierte gut, und ging
das Aufgeben sehr rasch von statten. Obgleich der Ofen nur 20 Tonnen
Gieſsereiroheisen täglich produzierte, heizten die Gase zwei Luft-
erhitzungsapparate und die Dampfkessel für eine 40 pferdige Maschine.
Auf den groſsen Eisenwerken zu La Voulte und Terrenoire be-
diente man sich der oben beschriebenen Einrichtung von Thomas
und Laurent; die
Gase wurden aber
über der Gicht von
der Esse aus abge-
leitet. Die Aufgebe-
öffnungen waren mit
Schiebern, die obere
Öffnung mit einem
eisernen Deckel, der
durch Hebel und Ge-
gengewicht leicht ge-
öffnet werden konnte,
verschlossen. Das
Gegengewicht bildete zugleich ein Schieberventil, welches die Gas-
leitung schloſs, sobald der Essendeckel geöffnet wurde; dadurch
wurden Unglücksfälle durch Gasexplosionen verhindert. Auch hier
war rasches Aufgeben wichtig. Die Gase eines Ofens genügten zur
Dampferzeugung für 40 Pferdekräfte. Dieses System hatte aber den
Nachteil, daſs das Aufgeben der Gichten erschwert war, und während
desselben, solange die Aufgebethüren geöffnet waren, das Gasableitungs-
rohr geschlossen bleiben muſste, um Knallgasbildung durch ein-
strömende Luft in der Leitung zu vermeiden.
Viel zweckmäſsiger war ein englisches System von Parry, von dem
das Modell auf der Londoner Ausstellung 1851 zu sehen war 1), wobei
sich ein bewegliches Cylinderstück auf einen im Schacht befestigten
Trichter aufsetzte. Das Aufgeben erfolgte durch den Cylinder; das
Cylinderstück wurde alsdann nur für einige Sekunden in die Höhe
[520]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
gezogen, um die Beschickung in den Schacht rutschen zu lassen.
Ebenso wurde die in Fig. 167 abgebildete ältere Form des Parryschen
Trichters, wobei ein beweglicher Kegel A schlieſsend in einen abge-
stumpften unten offenen Kegel, der die Beschickung aufnimmt, paſst,
durch die Londoner Ausstellung in weiteren Kreisen bekannt.
Die Benutzung der Hochofengase war damals schon sehr ver-
breitet, besonders auch in Frankreich und Belgien, und gab sehr
befriedigende Resultate. Da die Hochofengase unter Druck ausströmten,
war die Gefahr von Explosionen in den Leitungen gering, wenn man
die Röhren weit nahm. Um den vielen Staub, der von den Gichtgasen
mitgerissen wurde, niederzuschlagen, schlugen Matthey und Richard
gegen Ende der 50er Jahre vor, dieselben durch Einspritzen von
Wasser, in der Weise, wie es bei der
Wattschen Kondensation geschah, zu
waschen. Schon 1842 hatte de Mecken-
heim das Waschen der Gase in sein
englisches Patent (Nr. 9373) mit auf-
genommen. Er erwähnt dabei auch Klap-
pen, Staubfänger und Ausputzthüren.
Schon früher hatten sich Thomas und
Laurent der Gaswaschkasten bedient,
wie sie in Fig. 168 abgebildet sind. Der
Kasten hatte die nahezu trichterförmige Gestalt, um den Staub, der
sich im Wasser niedersetzte, leichter entfernen zu können.
Zur Dampfkesselfeuerung benutzte man damals auch in England
die Gichtgase bereits vielfach. Eine groſsartige Anlage war zu
Ebbw-Vale, wo die Gase von 11 Hochöfen, die wöchentlich 1400 bis
[521]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
1500 Tonnen Roheisen erzeugten, 25 Dampfkessel feuerten, welche
den Dampf für fünf groſse Gebläsemaschinen lieferten.
Die Disposition einer Hochofenhütte war durch die veränderten
Bedürfnisse gegen früher nicht unwesentlich verändert worden. Zwischen
der Gebläsemaschine und dem Hochofen muſste der Windregulator und
der Winderhitzungsapparat eingeschaltet werden. Wo mehrere Hoch-
öfen erforderlich waren, legte man dieselben am besten in eine Reihe,
aber doch so, daſs jeder Ofen nach allen Seiten frei stand. Selbst da,
wo man die Öfen an einen Hügel anlehnte, trug man Sorge, zwischen
Böschung und Ofen einen genügend breiten freien Gang zu behalten.
Vor den Hochöfen errichtete man eine gemeinschaftliche Gieſs-
halle, die auch da, wo man keine Guſswaren machte, geräumig sein
muſste, weil die Abstiche groſs waren und man das flüssige Roheisen
in Masselgräben oder Coquillen laufen lieſs.
Das Maschinenhaus wurde von der Gieſshalle und den Hochöfen
getrennt aufgeführt. Dasselbe lag am besten auf der der Gieſshalle
entgegengesetzten Seite, also im Rücken der Ofenreihe. Erzeugte man
den Dampf mit Steinkohlen bezw. mit Rostfeuerungen, so legte man
die Kesselanlage dicht hinter oder neben das Maschinenhaus. Bei
Verwendung der Hochofengase zur Dampferzeugung legte man die
Dampfkessel häufig auf das Gichtniveau und muſste dann den Dampf
durch eine lange Leitung auf die Maschinensohle führen. Den Regu-
lator legte man zwischen die Maschinen- und Hochofenanlage. Aus
dem Regulator gelangte der Wind in die Winderhitzungsapparate,
welche, wenn dieselben mit Rostfeuerungen betrieben wurden, auf der
Hüttensohle möglichst dicht bei den Formen standen, wie dies in
England gebräuchlich war. Wo man aber die Warmwindapparate
mit den Gichtgasen heizte, stellte man dieselben meist auf die Gicht,
wobei man den Wind, wenn die Gebläsemaschinen auf der Hüttensohle
standen, erst in die Höhe und dann wieder herunterführen muſste.
Ferner gehörte zu jeder Hochofenhütte ein Erzplatz, sodann zu vielen
Hütten eine Röstofenanlage, die man gern auf eine höhere Sohle legte.
Das Möllerhaus, in dem die Beschickung gattiert wurde, legte man
womöglich auf die Gichtsohle. Kokshochofenhütten hatten auſserdem
meistens ihre eigenen Koksofenanlagen, weil man dadurch den groſsen
Verlust durch Einrieb, den die Koks beim Transport von der Zeche
nach der Hütte erlitten, vermied. Lagen die Koksöfen und Erzplätze auf
einem tieferen Niveau, so wurden sie durch Aufzüge mit Maschinen-
kraft auf das Gichtniveau gehoben. An Stelle der geneigten Auf-
züge, die in England seit Anfang des Jahrhunderts in Gebrauch waren,
[522]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
wendete man mehr und mehr senkrechte Aufzüge an, welche in so-
genannten Gichttürmen auf und nieder gingen.
Die Gichtaufzüge, ob geneigt oder senkrecht, waren entweder
Paternosterwerke, bei denen die Erz- und Kohlentröge oder Wagen
auf an Ketten schwebenden Aufziehschalen in die Höhe gezogen
wurden, oder es waren einfache oder doppelte Zugwerke mit Ketten
oder Seilen, oder es waren pneumatische Aufzüge. Fig. 169 ist die
Abbildung eines Teiles des Gichtaufzuges mit geneigter Ebene und
sich selbst ausstürzenden Gichtwagen auf der englischen Eisenhütte
Lowmoor nach Art eines Paternosterwerkes. Fig. 170 stellt den pneu-
matischen Aufzug, welcher 1839 zu Chatelineau in Belgien zur Bedie-
nung von drei Hochöfen erbaut wurde, dar. Derselbe wurde durch
einen Kolben, welcher in einem Windcylinder durch komprimierte Luft
auf- und niedergedrückt wurde, bewegt 1). Ein ähnlicher Aufzug war
auch seit Anfang der 40er Jahre bei Dudley in England im Betriebe 2).
Im Laufe der 40er Jahre kamen dann auf den belgischen Hütten
die von England eingeführten hydraulischen oder Wasseraufzüge in Ge-
brauch, bei welchen die Materialien durch das Gewicht des Wassers
in die Höhe gezogen wurden. Der Apparat bestand aus zwei hohlen,
eisernen Blechkasten, welche zugleich die Plattform für die Erz- und
[523]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
Kokswagen bildeten. Das Gewicht der Wasserfüllung eines Kastens
war gröſser als die aufzuziehende Last. Indem nun der Wasserkasten
auf der Gicht gefüllt wurde, senkte er sich nach unten und hob
gleichzeitig den andern leeren Kasten mit seiner Last in die Höhe.
Der unten angekommene Kasten entleerte sein Wasser, während
gleichzeitig der oben befindliche gefüllt wurde. Diese hydraulischen
Aufzüge waren sehr einfach, leicht zu bedienen und wenig kostspielig
im Betriebe. Bei groſser Kälte im Winter traten allerdings Störungen
und Unannehmlichkeiten ein. In England waren sie sehr verbreitet.
Situationszeichnungen von Hüttenanlagen fin-
det man namentlich in französischen Werken. Den
Situationsplan der Hochofenanlage von Decaze-
ville hat Pillet-Will 1832 veröffentlicht 1). Die
Hütte von Sclessin an der Maas ist in dem „Hand-
buch der Roheisenfabrikation“ von Valerius,
Tab. XV, im Grundplan dargestellt. Flachat,
Barrault und Petiet haben die schönen
Hochofenanlagen von Alais (Taf. 84), Decazeville
(Taf. 85) und Creusot (Taf. 86) abgebildet.
Wenden wir uns zum Betriebe der Hoch-
öfen selbst. Beim Anwärmen der Kokshochöfen hatte man einige
Verbesserungen angebracht, die Le Blanc und Walter beschrieben
haben. Die wichtigste Arbeit bei dem Anwärmen war das Rostschlagen,
[524]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
welches die ersten 14 bis 20 Tage alle 48 Stunden, später alle 24 Stunden
geschah. Der Rost wurde mit eisernen Brechstangen in der Weise, wie
es in Fig. 171 (a. v. S.) und Fig. 172 dargestellt ist, gebildet. Man
steckte eine starke Stange durch die beiden Seitenformen und hing
einen Hakenträger an die Herdpfeiler an. Auf diesen beiden Stützen
lieſs man die Brechstangen aufruhen, die man bis zur Hinterwand
durchtrieb und die
einen Rost bildeten,
der die Kokssäule
im Schachte abfing.
Man konnte nun
den Herd unter dem
geschlagenen Rost
reinigen. — Statt
dieser Methode des
Abwärmens bediente
man sich ebenfalls
schon in den 30er
Jahren eines Flamm-
ofens, den man vor
der Ofenbrust erbaute und dem der Hochofenschacht als Esse diente
Fig. 173 zeigt diese Anordnung.
Das Abwärmen eines neuen Hochofens dauerte vier bis sechs Wochen,
das eines neuen Gestelles nur vier bis zehn Tage. Bei dem Hochofen
eines groſsen Koksofens zu La Voulte verbrauchte man 30 bis 35 Tonnen
Koks; beim Anwärmen mit einem Flammofen 500 hl Steinkohlen.
Die Gröſse der Kohlengichten ist eine wichtige Sache. Sie
richtet sich hauptsächlich nach der Gröſse der Öfen und der Art des
Brennmaterials. Bei 30 bis 40 Fuſs hohen Hochöfen mit 6 bis 8 Fuſs
weitem Kohlensack wendete man nach Karsten Sätze von 28 bis
30 Kbfſs. Holzkohlen an, bei guten, festen Holzkohlen und lockerer
[525]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
Beschickung machte man mit Vorteil die Kohlengichten nur 15 bis
20 Kbfſs. groſs. In Schweden und Norwegen machte man aber Sätze
von 50 Kbfſs. bei 30 füſsigen Öfen und im Ural sogar von 80 Kbfſs.
Holzkohlen.
Bei Koks genügten bei 40 Fuſs hohen Öfen mit 10 bis 12 Fuſs
weitem Kohlensack Gichten von 12 Kbfſs. Inhalt.
Walther de St. Ange giebt folgende Brennmaterialiengichten an:
Bei Holzkohlenöfen:
Zum Aufgeben bei den groſsen Koksöfen wendete man auf vielen
Hütten eiserne Gichtwagen mit beweglichem Boden an. Da diese
ihren ganzen Inhalt auf einmal entleerten, wurde das Aufgeben sehr
beschleunigt.
In Frankreich stürzte man die Beschickung oft über Roste, die
vor den Öffnungen im Gichtturme angebracht waren; diese wirkten
wie Rätter und separierten das Erz, so daſs die groben Stücke in die
Mitte fielen, das Feine aber mehr an der Ofenwand blieb. Dies muſste
das Vorrollen der Erze nur vermehren. Über das Vorrollen hat
H. von Bünau am Turracher Hoch-
ofen in Steiermark 1842 Beobachtungen
gemacht.
Statt die Schlacke auf den Hütten-
boden laufen zu lassen, lieſs man die-
selbe seit den 40er Jahren in England
in Schlackenwagen laufen, die auf
einer Schienenbahn standen und weg-
gefahren wurden, sobald sie gefüllt
waren. Diese Schlackenwagen (Fig. 174) bestanden aus einem niedrigen
Plattwagen, dessen Boden von einer starken Eisenplatte gebildet war.
Auf diesen war ein viereckiger, nach oben sich verengender Kasten
von Eisenplatten gestellt, in welchen die Schlacke hineinlief. Bis er
[526]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
voll gelaufen war, hatten sich die Auſsenseiten des Schlackenblockes
soweit abgekühlt, daſs sie fest geworden waren. Man hob mittels
eines Krahnes den pyramidalen Kasten oder Rahmen ab und fuhr den
Schlackenklotz fort. Derselbe Rahmen wurde dann auf einen folgen-
den Plattwagen aufgesetzt.
Die Anwendung des heiſsen Windes führte zur Anwendung roher
Brennmaterialien in den Hochöfen. Die vorzüglichen Erfolge,
die man damit in Schottland erreicht hatte, veranlaſsten ähnliche
Versuche in anderen Ländern, besonders in Frankreich. Schon 1827
hatte man in dem Hochofen von Vizille (Isère) Versuche mit Anthra-
citkohle gemacht 1), und zwar zuerst unter Leitung des Direktors
Lebrun vom 13. April 1827 ab. Hierbei wurde noch ein Gemenge
von Anthracit und Koks angewendet. Vom 19. Januar 1828 an begann
Robin neue Versuche. Günstige Resultate erhielt er auch nur bei
einer Mischung von höchstens ½ Anthracit mit Koks. Bei gröſserem
Anthracitsatz verstopfte sich der Ofen. Es ergab sich insoweit ein
ökonomischer Vorteil, als die Herstellungskosten mit ½ Anthracit
zu nur Koks sich zu 22,87 gegen 24,83 Franken pro 100 kg stellten.
Dagegen trat eine so groſse Verlangsamung des Betriebes durch die
Anthracitkohlen ein, daſs die Produktion von 10250 kg auf 6250 kg
zurückging.
Ähnliche Versuche, die man Anfang der 30er Jahre zu Alais
anstellte, hatten ebenfalls schlechten Erfolg; dagegen fielen die, welche
man 1833 zu Decazeville mit reiner Steinkohle anstellte, so günstig
aus, daſs man hier alsbald ganz zu diesem Betriebe überging. In
Swansea schmolz man mit halb Anthracitkohle und halb Koks sehr
vorteilhaft. Aber erst 1837 gelang es Crane auf der Hütte von
Yniscedwyn, durch Anwendung von sehr heiſsem Winde nur mit
Anthracit zu schmelzen. Dieses Verfahren wurde alsbald in Penn-
sylvanien in den Vereinigten Staaten eingeführt und fand hier groſse
Verbreitung.
In Frankreich wendete man auch auf vielen Hütten Gemenge von
Koks und Holzkohlen an, z. B. zu Torteron und Hayange im Verhält-
nis von 14 zu 15, zu la Guarche ⅓ : ⅔. Ebenso bedienten sich damals
die Saarhütten dieses Gemenges.
Groſse Anstrengungen machte man in dieser ganzen Periode, um
trockenes und gedarrtes Holz in Hochöfen zu verwenden. Man er-
zielte auch bei Verwendung eines angemessenen Prozentsatzes ge-
[527]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
dörrten oder halb verkohlten Holzes Nutzen; so sollten nach Sauvage
zu Haraucourt 33, zu Bièvre 26 Proz. erspart worden sein, aber der
Betrieb hatte viele Störungen zur Folge. Bei ½ Holz und ½ Holz-
kohle giebt Binneau die Ersparnis zu Masseveau, Dep. Oberrhein, zu
14,8 Proz. an; zu Betancourt (Haute-Saône) zu 6,6 Proz. bei ⅕ Holz; zu
St. Loup zu 7,3 Proz. bei 27,5 Proz. dem Volumen nach. Ferner nennt
Binneau noch folgende französische Hütten, wo gedörrtes Holz ver-
wendet wurde: Trécourt, Breurey, Etravaux, Vellexon, Montagney,
Boigne, Fallon, Loulans und Clerval. Das halb fertige Produkt des
Darrprozesses, war es nun Darrholz oder Rotkohle, war nie gleich-
mäſsig und zuverlässig. War das Brennmaterial nicht genügend vor-
bereitet, was oft vorkam und schwer zu erkennen war, so entstanden
im Hochofen störende Gasentwickelungen, zuweilen Explosionen und
oft groſse Abkühlung im Schachte.
Über den Nutzen des Wasserdampfes im Hochofen war man auch
in dieser Periode sehr geteilter Ansicht. Freytag hatte bei Ver-
suchen, Wasserdampf mit der Gebläseluft in den Hochofen zu leiten,
zu Schierke angeblich günstige Resultate erzielt 1). Guennyveau hat
sich 1835 dagegen ausgesprochen 2). Versuche, welche Zinken in
dem Hochofen zu Mägdesprung anstellte, hatten keinen Erfolg.
Scheerer glaubt, daſs eine geringe Menge Wasserdampf vorteilhaft
wirke, namentlich durch Entschwefelung. Thatsache war aber, daſs
die Engländer die Wasserregulatoren abwarfen, hauptsächlich deshalb,
weil die feuchte Luft nachteilig auf die Produktion wirkte.
Eine Verbesserung des Schmelzprozesses im Hochofen wollte J.
S. Dawes 1831 dadurch erreichen, daſs er gewisse Substanzen, die
als Fluſs- und Reinigungsmittel dienen sollten und aus Alkalien, al-
kalischen Erden, Kalk, metallischen oder anderen Oxyden bestanden,
in das Gestell des Ofens brachte und zwar durch Einblasen mit dem
Winde durch die Form. Dieses Verfahren sollte es ermöglichen, den
Ofen mit Steinkohlen und ungerösteten Erzen zu beschicken. Hier-
für nahm Dawes ein Patent (Nr. 6207).
Derselbe Erfinder erhielt 1835 ein weiteres Patent auf Erzeugung
gröſserer Hitze und Beschleunigung des Hochofenprozesses durch Ein-
leitung von Wasserstoffgas, entweder mit dem Winde gemischt, oder
durch besondere Düsen, in den Hochofen. Das Cyankalium, welches
sich im unteren Teile des Hochofens bildete, sollte dabei durch eine
[528]Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850.
Röhre abgeleitet werden, „um so den Ofen vom Schädlichen zu befreien
und ihm einen nützlichen Stoff zuzuführen“ (Nr. 6948).
Ebenfalls durch Einblasen von Kohlenwasserstoffgas, Teer oder
beiden, wollte William Barnett (Patent Nr. 7727) 1838 die Hitze
im Gestell steigern und dadurch den Ofengang verbessern, und S. M.
Banks blies gepulverte Kohle, Holzkohle, Koks, Anthracit, Kalk,
Eisenerz, oder sonstige feste Substanzen mit dem kalten oder erhitzten
Winde in den Hochofen ein, um den Prozeſs zu beschleunigen und
die Güte des Eisens zu verbessern (1840, Nr. 8479). Dieselbe Idee
tauchte bald darauf in Frankreich auf; dort erfand ein gewisser Cor-
bin d’Arboissières, ehemaliger Hüttenmeister zu Cheminon im Maas-
departement, einen Apparat, Fig. 175, den er Kohlenbringer — car-
bonofère — nannte. Es war ein Trichter mit einem Hahn, durch
welchen Kohlenpulver in das Windrohr des
Düsenstockes eingeführt wurde. Statt des
Handbetriebes brachte der Erfinder später
ein durch ein Zahngetriebe bewegtes Rühr-
werk in dem Trichter an, dessen vertikale
Welle unten ausgekehlte Schraubenwin-
dungen hatte, die das Kohlenpulver in das
Windrohr führten. Natürlich verstopften
sich diese Öffnungen leicht. Aber der Appa-
rat war auf der Hütte von Boulogne-le-Haut
von Ende 1840 bis 1845 im Betriebe, und
man war mit dem Erfolge sehr zufrieden.
Man hatte dort den Carbonofère gleichzeitig
mit der Winderhitzung eingeführt. Die
Kohlenersparnis, die man aber durch den Carbonofère allein, abgesehen
von dem heiſsen Winde, erzielte, soll 10 Proz. betragen haben; das
Eisen war mehr gekohlt, die Schlacken flüssiger. Duhamel1) lenkte
die Aufmerksamkeit auf Corbins Apparat, der auch in Frankreich
und Belgien ziemlich viel Anwendung fand.
Sehr beachtenswert ist, daſs J. P. Budd in einem Patent vom
20. Oktober 1842 (Nr. 9495) schon der Wassertümpel und der Wasser-
brust zur Abkühlung des gemauerten Tümpels und der Ofenbrust
Erwähnung thut und zwar in einer Art, die beweist, daſs diese damals
in England schon bekannt waren.
In der Eisengieſserei wurden ebenfalls viele Verbesserungen in
dieser Periode eingeführt. Bei dem Gieſsen aus dem Hochofen kamen
die Stich- und Schöpfherde in Gebrauch. Dieselben gestatteten das
Gieſsen zu beliebigen Zeiten. Zur Verminderung des Graphits im
Guſseisen wendete man häufig das S. 242 beschriebene „Füttern“ mit
reinen Erzstücken an.
Die Emancipation der Eisengieſserei von dem Hochofenbetriebe
nahm aber von Jahr zu Jahr um so mehr zu, je bequemer und vor-
teilhafter sich das Umschmelzen des Roheisens in Kupolöfen erwies.
Bei den Kupolöfen ging man, wie bei den Hoch-
öfen, zum Betriebe mit heiſsem Winde über, der
überall da von Vorteil war, wo man seither mit zu
starker Pressung geblasen hatte. Dies war aber an-
fangs der 30er Jahre in fast allen Gieſsereien der
Fall, weil man sich allgemein der Cylinder- oder
Kastengebläse, wie bei den Hochöfen, bediente. Die
Winderhitzung spielte deshalb bei dem Gieſserei-
betriebe damals eine ebensogroſse Rolle als beim
Hochofenbetriebe. Da die Flamme der Kupolöfen
eine sehr starke war, so hatte es keine Schwierig-
keit, die Erwärmung des Windes dadurch zu er-
reichen, daſs man die Winderhitzungsapparate un-
mittelbar über die Gicht stellte. Man mauerte
dabei in der Regel die Röhren nicht besonders ein,
sondern brachte entweder einen Kranz von senkrecht
stehenden Röhren, welche oben und unten durch ringförmige Rohre
oder Kasten, Fig. 176, verbunden waren, direkt um die Gicht an, oder
konstruierte ein System gewundener Röhren in solcher Entfernung über
der Gichtöffnung, daſs das Einwerfen der Chargen nicht behindert war.
So war die in Fig. 177 (a. f. S.) dargestellte Winderhitzung der Kupol-
öfen zu Gleiwitz eingerichtet 1).
Ebelman hat die Gase eines Kupolofens, die er 1 m unter der
Gicht abfing, untersucht. Sie enthielten
Danach wird in den Kupolöfen die aufsteigende Kohlensäure nur
zum Teil reduciert.
Nach Karstens Angabe hatten sich die Resultate des Kupol-
ofenbetriebes seit der Einführung des erhitzten Windes sehr vorteil-
haft geändert. Indem die Kohlen bei heiſsem Winde beträchtlich
mehr Eisen trugen, als früher bei kaltem Winde,
war auch die Leistung der Öfen hinsichtlich der
in einer bestimmten Zeit durchzuschmelzenden
Roheisenmenge um mehr als den dritten Teil,
fast um die Hälfte, gestiegen. Eine stärkere
Erhitzung als auf 180°, höchstens 250° C., war
aber nicht vorteilhaft.
Die Brennmaterialersparnis durch die Wind-
erhitzung betrug beim Betriebe mit Holzkohlen
[531]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
ein Drittel. Für den Betrieb mit Koks macht Karsten folgende
Angaben.
Die Kupolöfen der Eisengieſserei zu Gleiwitz wurden 1832 und
1833 mit kaltem Winde betrieben, und wurden in diesen beiden Jahren
75662 Ctr. Roheisen mit 14970 Tonnen Koks umgeschmolzen. 1834
und 1835 fand der Betrieb teils bei kaltem, teils bei warmem Winde
statt. Aber in den Jahren 1836, 1837 und 1838 wurde nur heiſser
Wind angewendet. In diesen drei Jahren waren 142082 Ctr. Roh-
eisen mit 13112 Tonnen Koks geschmolzen worden. Im ersten Falle
wurden auf 100 Pfd. Roheisen 46 Pfd. Koks, im zweiten Falle dagegen
nur 22⅔ Pfd., also nur die Hälfte verbraucht.
Diesem Vorteile standen aber auch Nachteile gegenüber. Zum
Durchpressen der expandierten Luft durch das lange und enge Rohr-
netz des Winderhitzers war ein beträchtlicher Kraftaufwand erforder-
lich oder ein gröſseres Luftvolumen. Dadurch kam es, daſs die Venti-
latoren, die ebenfalls anfangs der 30er Jahre in Anwendung zu
kommen begannen und die durch ihre Windmenge die Schmelzung
günstig beeinfluſsten, nach und nach den Sieg davontrugen und die
teuren Kolbengebläse und Winderhitzungsapparate bei dem Kupolofen-
betriebe aus dem Felde schlugen. Die Ventilatoren 1) lieferten zwar
nur eine geringe Pressung, aber sie erforderten wenig Kraft und
erzeugten so viel und so gleichmäſsigen Wind, daſs hierdurch die
Schmelzung im Kupolofen viel besser von statten ging.
Versuche und Mitteilungen über Ventilatoren machten in Frank-
reich St. Léger 1835, M. Cadiat 1842 2) und E. Dollfuſs 1843 3);
in Deutschland Redtenbacher und Tunner 1846, in England
Buckle 1847. Der von Saint-Léger 1835 beschriebene Ventilator
der Herren James Martin \& Söhne zu Rouen (Seine-Inférieure)
hatte vier schwach gekrümmte Flügel, die gewöhnlich 600 Umdrehungen
in der Minute machten. Sie wurden durch einen Göpel mit drei Pferden
bewegt und schmolzen in einem Kupolofen von 2,60 m Höhe 1200 bis
1500 kg gegen 600 bis 800 kg in der Stunde mit etwa 290 kg Koks
bei dem alten Gebläse, was einer Ersparnis von 20 Proz. gegen früher
entsprach.
Schon vordem hatte man bei den Kupolöfen verschiedene Wind-
formen übereinander angebracht, um je nach Bedarf kleinere oder
34*
[532]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
gröſsere Mengen von geschmolzenem Eisen im Ofen halten zu können.
Karsten hat hierfür mehrere Beispiele angeführt. In der Eisengieſserei
von Maudslay in London befand sich ein 7 Fuſs (2,185 m) hoher und
3 Fuſs (0,915 m) im Schacht weiter Kupolofen, welcher mit vier über-
einanderliegenden Formen versehen war, so daſs man in diesem Ofen,
wenn das flüssige Eisen die Höhe der vierten Form erreicht hatte,
3½ Tonnen Eisen halten und entsprechend groſse Guſsstücke gieſsen
konnte.
Zu Rouen waren Kupolöfen mit sechs vertikalen Formenreihen im
Gebrauch, bei denen die Formöffnungen nicht nur mit Thon, sondern
auch noch mit eisernen Schiebern geschlossen werden konnten.
Man hatte auch Kupolöfen auf Schienen fahrbar hergestellt, so
daſs man den Ofen selbst an die Form heranbringen konnte.
Noch zweckmäſsiger war die Einrichtung in der groſsen Eisen-
gieſserei von Fairbairn und Hodgkinson in Manchester. Hier be-
fanden sich vier Kupolöfen mit 3 bis 6 Fuſs weiten Schächten und meh-
reren vertikal übereinanderliegenden Formenreihen. Wenn alle vier Öfen
bis zur obersten Formenreihe mit flüssigem Roheisen angefüllt waren,
so enthielten sie nicht weniger als 37 Tonnen. Von den Kupolöfen
lief eine Eisenbahn, die zu den Dammgruben und der Formerei
führte, wodurch das flüssige Roheisen leicht zu den Formen gebracht
und so vergossen werden konnte. Dies geschah mit Hülfe von Gieſs-
pfannen, die auf Wagen standen. Waren diese an der Dammgrube
angelangt, so wurden die Pfannen mit Krahnen vom Wagen gehoben,
über den Eingüssen der Formen schwebend erhalten und mit Leich-
tigkeit in diese entleert.
Wo man mehrere Blaseformen übereinander benutzte, muſste der
Windstock zum Verstellen eingerichtet sein.
Gewöhnlich waren die Kupolöfen mit zwei Formen versehen,
welche zu beiden Seiten einander gegenüber lagen. Zu Berlin und
Gleiwitz hatte man die Kupolöfen in der Weise der Seftström-Öfen
mit einem Kranze von sechs oder 12 Formen in gleichen horizontalen
Abständen eingerichtet.
Zu Seraing hatte man mehrere Sorten von Kupolöfen, die kleine-
ren waren 1,890 m hoch und innen 0,457 m weit, die gröſseren
waren 2,135 m hoch und 0,610 m weit, die gröſsten hatten bei der-
selben Höhe 1 m Weite im Lichten. Diese letzteren Kupolöfen
konnten bequem 5000 kg Eisen fassen. Ein sehr groſser Kupolofen von
Townsend \& Co. zu Albany war 0,914 m zwischen den Düsen weit
und 3,353 m hoch, faſste 3000 kg Guſseisen und konnte 12000 kg ohne
[533]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
Unterbrechung gieſsen. Der auf 204° C. erhitzte Wind trat aus einer
ringförmigen Windkammer durch sechs Öffnungen, 0,381 m über dem
Herde, ein 1).
Bei Anwendung von Kolbengebläsen war 0,03 m Quecksilber eine
mittlere Pressung; bei den groſsen Öfen in Seraing blies man mit
4 bis 5 Zoll (ca. 0,12 m) Quecksilber. Bei starkem Druck wurde das
Roheisen im Kupolofen immer etwas gefrischt, namentlich bei engen
Düsen. Wendete man Ventilatoren an, so nahm man weitere Düsen,
meist von 0,08 bis 0,15 m Durchmesser. Eine andere Neuerung bei
den Kupolöfen bestand darin, daſs man sie, wie die Hochöfen, mit
einem Vorherde versah, aus dem man das Eisen mit Kellen schöpfen
konnte. Beim Anblasen wurde der Vorherd mit Holzkohlen gefüllt
und mit einer Platte bedeckt.
In Belgien bediente man sich in kleinen Gieſsereien eines eigen-
tümlichen Schmelzofens. Es war dies der Pfannenofen oder Cale-
basse2), der mit den entsprechenden von Reaumur und noch
früher von Biringuccio beschriebenen Schmelzvorrichtungen groſse
Ähnlichkeit hatte. Derselbe war entweder transportabel oder fest-
stehend. Die transportabeln Calebassen wur-
den von hausierenden Schmelzern benutzt,
die von Ort zu Ort wanderten, um kleine
Gegenstände, wie Gewichte, Roststäbe, Schrot
zum Schieſsen u. s. w. herzustellen. Auch
zum Guſs kleiner Gegenstände, wie Licht-
putzen, Scheren, Messer, welche adouciert
wurden, wendete man häufig diese Pfannen-
öfen an. Sie waren sehr ungleich in der
Gröſse. Es gab solche, in denen man nur
einige Kilogramm, andere, in denen man bis
zu 500 kg schmelzen konnte. Als Brenn-
material dienten Koks oder rohe Steinkohlen.
Fig. 178 ist die Abbildung eines solchen
feststehenden Pfannenofens, wie er noch 1850
in Brüssel betrieben wurde. Er bestand aus
dem Tiegel (calebasse) und dem Feuerturm
(tour de feu), beide waren aus starkem Eisen-
blech verfertigt und so an eine Mauer an-
[534]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
gelehnt, daſs diese den Abschluſs nach hinten bildete. Die Windleitung
ging durch diese Mauer. Als Gebläse diente ein blecherner Ventilator,
der von Menschenhänden bewegt wurde. Die reisenden Tiegelschmelzer
bedienten sich meist der Handblasebälge. Das Ausgieſsen erfolgte un-
mittelbar aus der Schmelzpfanne, nachdem man den Wind abgestellt
und den Aufsatz abgehoben hatte. Bei den in der Gegend von Charleroi
betriebenen Pfannenöfen betrug der Koksverbrauch 37 bis 40 Proz. Die
ganzen Anlagekosten einer Pfannenschmelzerei berechnet Valerius
auf 360 Franken.
Die Guſsflammöfen wurden in ihrer Konstruktion immer mehr
den Puddel- und Schweiſsöfen ähnlich. Man nannte diejenigen mit
flachem Herde deutsche, die mit ausgebauchtem Herde englische Guſs-
flammöfen. Oft wurden zwei Guſsflammöfen nebeneinander gelegt
und in eine gemeinschaftliche Esse geführt, wie z. B. auf der Sayner
Hütte 1). In Staffordshire wendete man mit gutem Erfolge Flamm-
öfen mit einem doppelten Gewölbe an, doch erforderten dieselben ein
auſserordentlich feuerfestes Material, wodurch ihre Einführung in
anderen Gegenden erschwert wurde.
Das beste Brennmaterial für die Guſsflammöfen war die Stein-
kohle, wo dieselbe aber zu teuer war, wendete man auch Holz oder
Torf an; endlich machte man auch bereits Versuche mit Gasfeuerung.
Die mit Torf und Holz gefeuerten Flammöfen muſsten eine groſse
Rostoberfläche und einen weiten Rost haben, auch muſste derselbe
tiefer unter der Feuerbrücke liegen. Dieselben bedurften zweier
Schürlöcher, da sie fast ununterbrochen geschürt werden muſsten.
Über das Verhältnis von Rostfläche zu Herdfläche, von der Konstruk-
tion der Feuerbrücke, vom Gewölbe, Herd, Fuchs und Esse hat
Karsten in seiner Eisenhüttenkunde ausführliche Mitteilungen ge-
macht (§. 738 bis 752).
Versuche, Flammöfen ohne Esse mit einem Gebläse zu betreiben,
waren ungünstig ausgefallen 2). Auf manchen Hüttenwerken wurde
absichtlich ein Reinigen oder Weiſsen des Roheisens im Flammofen
vor dem Vergieſsen eingeführt.
Zu Königsbronn in Württemberg trug man das bei heiſser Luft
und mit Holzkohlen erblasene Roheisen noch flüssig in einen mit
Torf gefeuerten Flammofen und machte es dort unter Einwirkung
eines Windstromes mehr oder weniger weiſs. Es wurde zum Guſs
[535]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
kleiner Walzen in Massenformen oder Schalen benutzt, während gröſsere
Walzen aus einem mit einem Gebläse versehenen Flammofen abge-
gossen wurden. Bischof zu Mägdesprung stellte gelungene Versuche
über das Umschmelzen des Roheisens mittels Torfgas 1) in der Königl.
Eisengieſserei zu Berlin an.
Der Hütteninspektor Eck zu Königshütte dehnte seine Versuche
über Gasheizung auch auf Guſsflammöfen aus. Das Roheisen wurde
dabei zugleich gereinigt und teilweise gefeint. Das auf der Königs-
hütte in Gasflammöfen dargestellte gereinigte Gieſsereieisen bewirkte
für sich oder als Zusatz zu dichtem grauen Roheisen in entsprechen-
dem Verhältnis einen ungemein festen Guſs 2). Vergleichende Festig-
keitsversuche, welche auf der Königl. Hütte zu Gleiwitz angestellt
wurden, ergaben, daſs das im Gasflammofen dargestellte Reineisen
in liegend gegossenen Stäben eine absolute Festigkeit von 30000 Pfd.
auf den Quadratzoll zeigte, während die unmittelbar aus dem Hoch-
ofen gegossenen Stäbe nur 20000 Pfd. auf den Quadratzoll trugen.
Für die Darstellung besonders fester Guſsstäbe erwies sich dieses
Verfahren deshalb als sehr geeignet. Wo man nicht in der Lage
war, sich dieses Reineisens zu bedienen, half man sich zur Her-
stellung eines besonders festen Gusses namentlich für Walzen durch
Gattierung geeigneter Eisensorten. Bischof zu Mägdesprung fand 3),
daſs zu allen Guſsstücken, welche eine besondere Zähigkeit erforderten,
ein Gemisch von etwa gleichen Teilen von weiſsem Holzkohleneisen
und schottischem Koksroheisen besonders geeignet sei. Stäbe aus
diesem Eisen zeigten eine weit gröſsere Festigkeit als solche aus
reinem schottischen Eisen.
Englisches und namentlich schottisches aus Blackband mit roher
Steinkohle und heiſsem Winde erblasenes Gieſsereieisen hatte damals
bereits eine sehr allgemeine Verwendung auf dem Kontinent gefunden.
Das Gieſsereiroheisen (foundry-pig, franz. moulage) wurde sorgfältig
nach seinem Bruchansehen sortiert und nach drei Nummern verkauft:
Die Maschinen und Apparate für den Gieſsereibetrieb wurden
verbessert, und man ging dazu über, manche Arbeit mit Maschinen
[536]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
auszuführen, die man früher mit Menschenhänden gethan hatte. Die
Verbesserungen der Krahnen gehören mehr in das Gebiet des Maschinen-
baues. Man erteilte der Gieſspfanne die Vor- und Rückwärtsbewegung
meist mit Zahnstangen, seltener mit Schrauben. Guſseiserne Krahne
waren in Anwendung, doch konnte man den hölzernen Krahnen
gröſsere Ausladung geben. Schmiedeeiserne Arme waren noch nicht
im Gebrauch.
Die Darrkammern oder Trockenöfen, Fig. 179, versah man mit
einem Feuerungsroste und Aschenfall und mit eisernen Schienenwegen,
auf welchen die schweren Formen gefahren wurden. An den Wänden
brachte man eiserne Gestelle an, auf welche die leichten Gichtladen,
Kernkasten u. s. w. zum Trocknen gestellt wurden.
In England, wo manche Gieſsereien schon ihre Specialitäten
hatten, waren die betreffenden Apparate diesen angepaſst. So wen-
dete man in der Röhrengieſserei zu Chapel-Town bei Sheffield, wo
20 Stück Gasröhren auf einmal und unmittelbar vom Hochofen,
stehend und uneingedämmt, gegossen wurden, besondere Darrkammern
nur zum Trocknen der fetten Sandkerne an, und zwar wurde immer
die ganze Anzahl der zu einem Guſs erforderlichen Kerne auf einmal
getrocknet. Der Feuerungsrost befand sich in der Mitte.
Zur Vorbereitung des Formsandes kamen verschiedene Arten von
Maschinen in Anwendung. Zum Zerreiben und Mahlen des Sandes
bediente man sich horizontal liegender cylindrischer Walzen. Meist
[537]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
war die eine der Walzen um ⅓ oder ¼ kleiner. Die Zapfenlager
derselben konnten durch die Druckschrauben genähert werden. Diese
Zerkleinerungscylinder waren dann öfter gleich mit Trockencylindern
verbunden.
In der Geschützgieſserei zu Lüttich trocknete man den Formsand
erst in einem Ofen, worauf er unter stehenden Mühlsteinen zermahlen,
dann durch ein Rätter geschlagen, mit ⅙ feinem Kohlenstaub ver-
mengt und mit Thonwasser befeuchtet wurde. Hierauf folgte das
Durcharbeiten, Sieben u. s. w.
In Seraing setzte man dem Formsand 1/16 Steinkohlenpulver zu
und mischte zum Gebrauch 1 Tl. frischen Sand mit 1 Tl. schwarzem,
d. h. schon einmal gebrauchtem Sand.
Über die chemische Zusammensetzung guter Formsande hat Kamp-
mann im Laboratorium des Gewerbeinstituts zu Berlin 1845 Unter-
suchungen angestellt 1). Danach bestand ein guter Formsand aus
93 Quarzsand, 2 Eisenoxyd und 5 möglichst kalkfreier Thonerde.
Zur Vorbereitung des Formlehms und der Masse wendete man
eine Knetmaschine an; es war dies ein cylindrisches Gefäſs, in welchem
sich zwei mit Messern versehene Arme an einer senkrechten Welle
mit einer Geschwindigkeit von vier oder fünf Umgängen in der Minute
herumdrehten.
Zweckmäſsiger noch waren die Kollergänge mit guſseiserner Sohl-
platte und zwei guſseisernen Läufern, welche an einer senkrechten
Welle befestigt waren und von dieser umgedreht wurden 2).
Zum Pulverisieren von Holz- und Steinkohlen wendete man
bereits Kugelmühlen an, horizontale guſseiserne Cylinder, in welchen
sich eine Anzahl Kugeln zum Zerreiben der Kohlen befanden. Der
Cylinder machte 25 bis 30 Umdrehungen in der Minute.
Zum Zerschlagen dicker Guſsstücke bediente man sich des Fall-
werkes oder des Roheisenbrechers. Ebenso wendete man bereits hy-
draulische Pressen an, um Röhren unter einem Wasserdruck von
5 bis 12 Atmosphären zu prüfen 3).
Für schwere Güsse bediente man sich so groſser Gieſspfannen,
daſs es nicht mehr möglich war, dieselben mit der Hand zu regieren;
man brachte deshalb an denselben einen Mechanismus an, um sie
mittels einer Schraube ohne Ende, welche wie ein Zahnrad eingriff,
[538]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
zu wenden. Diese Sicherheitsgieſspfanne, Fig. 180, hatte James Nas-
myth 1838 erfunden und auf seiner Gieſserei zu Patricroft bei Man-
chester eingeführt 1).
Man machte die Pfannen von starkem Eisenblech und schmierte
sie mit Lehm aus. Nach Guettier gehörten auſser den Handpfannen
zu einer gut eingerichteten Gieſserei zwei Pfannen von 50 kg, eine
von 100 kg, eine von 150 kg oder von 200 kg, eine von 250 kg, eine
von 350 bis 400 kg, eine von 750 bis 800 kg und eine von 1500 bis
2000 kg.
Groſse Gieſsereien bedurften noch Gieſspfannen bis zu 12000 kg
und mehr Inhalt.
Um ein zu groſses Inventar von Gieſsladen oder Formkasten zu
vermeiden, bediente man sich der „französischen Laden oder der
Laden aus 1000 Stücken“, welche deshalb so genannt wurden, weil
man mittels guſseiserner Platten und Winkel die Kastenteile zu
gröſseren Kasten zusammensetzen konnte. Über die viereckigen und
achteckigen Kasten, welche in den französischen Gieſsereien gebräuch-
lich waren, hat Guettier nähere Angaben gemacht.
Zu dem Gieſsereibetriebe gehörten auch hohle Kernspindeln mit
Löchern oder sogenannte Laternen, ferner Kernkasten, Kernbüchsen
oder Kerndrücker zur Herstellung von Kernen in festem Sande.
Infolge des groſsen Aufschwunges der Walzindustrie erlangte die
[539]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
Herstellung von Hartguſswalzen eine immer gröſsere Wichtigkeit 1).
Dieselben wurden in sehr starken Koquillen mit aufsteigendem Strom
gegossen. Die Königliche Eisenhütte zu Malapane zeichnete sich
darin aus.
In dieser Periode kam auch die Plattenformerei auf. Bei
dieser wendete man statt der Modelle zwei Platten an, auf deren
einer die obere und auf der andern die untere Hälfte des Modelles
angebracht waren. Das Abformen ging bei diesen Modellplatten viel
rascher und erforderte keine geschulten Arbeiter. Ofenmodellplatten
dieser Art hatte man auf Rothehütte im Harz schon im Jahre 1827.
In England nahmen Holmes 1838, Douglas 1846 und Fairbairn
und Hetherington 1850 Patente auf solche Modellplatten.
Besondere Vorrichtungen zum Einformen von Zahnrädern lieſsen
sich die Franzosen Sonolet 1826, Chapelle 1844 und Ferrouilh
1850 patentieren.
Apparate zur Verfertigung von Sandformen für eiserne Röhren
wurden von den Engländern Stewart 1846, Henderson 1849 und
Dixon 1850 erfunden. — Henderson zu Renfrew in Schottland gab
ein Verfahren an, Formen mittels Teilmodellen herzustellen 2).
Die Röhrengieſserei hatte in dieser Periode einen bedeutenden
Aufschwung genommen. Man goſs die gröſseren Röhren senkrecht in
Formen, deren innere Höhlung man dadurch herstellte, daſs man sie
um eine centrale Röhre, das „Seelenrohr“, herumgoſs. Dieses Rohr
war auf die gewünschte Länge mit Strohseil umwickelt, dann mit
Lehm bestrichen und geglättet. Der geschwärzte Kern (das Seelen-
rohr) wurde dann in die äuſsere Form, welche in einer eisernen
„Gieſsflasche“ hergestellt war, eingestellt.
Das Aduzieren des Guſseisens oder die Fabrikation von schmied-
barem Guſs breitete sich in dieser Periode nur langsam auf dem Kon-
tinent aus. Mehrere Fabriken entstanden in Frankreich, einige bei
Wien (Brevillier \& Co. zu Neunkirchen und B. Fischer in Traisen).
In Deutschland fand die Fabrikation in den 40er Jahren in Solingen
Eingang. Fischer in Schaffhausen hatte schon seit 1828 schmied-
[540]Die Eisengieſserei 1831 bis 1850.
baren Guſs gemacht, wobei er feingemahlenen Hammerschlag als
Aduzierpulver verwendete. Er hatte dafür ein Patent für 15 Jahre
erhalten.
Über das Emaillieren guſseiserner Geschirre verweisen wir auf
die Litteratur 1).
Ein verbessertes Guſsmaterial erfand J. D. M. Stirling. Er
nannte es zähgemachtes Guſseisen (toughened cast iron) 2); es wurde
allgemeiner bekannt unter dem Namen Stirlingmetall. Heutzutage
pflegt man diese Art Guſs als Stahlguſs zu bezeichnen. Stirlings
englisches Patent (Nr. 11262) wurde am 29. Juni 1846 erteilt. Die Er-
findung beruhte auf einem Zusatz von ⅕ bis ⅓ oder mehr Schmiede-
eisen zu dem Guſseisen. Dies konnte in der Weise geschehen, daſs
man das flüssige Guſseisen in eine Form laufen lieſs, in welcher das
Schmiedeeisen enthalten war, und das so erhaltene unvollkommene
Gemenge dann im Kupol- oder Flammofen oder im Tiegel umschmolz;
besser war es aber, das geschmolzene Guſseisen über das schweiſswarm
gemachte Schmiedeeisen zu gieſsen und es so lange in der Hitze zu
lassen, bis das Eisen gelöst und gemischt war. — Das so erhaltene
Material lieſs sich auch sehr gut in dem Flammofen, in dem es
gemischt wurde, zu einem sehr festen Schweiſseisen verpuddeln.
Um das Guſseisen noch fester und zäher zu bekommen, empfahl
Stirling einen Zusatz von 1/500 Silber, während man harten Guſs durch
Zusatz von 2 bis 10 Proz. Mangan erhielt. Daſs Stirlingmetall be-
deutend fester war als Guſseisen, haben Rennie und Fairbairn an-
erkannt; letzterer bezeichnete seine Festigkeit mit 51,5, die des ge-
wöhnlichen Guſseisens mit 33,25.
M. Poole schlug 1848 eine Reinigung des Guſseisens durch ge-
wisse sauerstoffreiche Körper, wie Eisenoxyd, Chromeisenstein, Braun-
stein, salpetersaure oder chlorsaure Salze vor, welche in den Hoch-
ofen durch die Form eingeblasen oder in den Guſspfannen in das
flüssige Eisen eingerührt werden sollten.
Die Verwendung des Guſseisens fand in dieser Periode eine wich-
tige Ausdehnung durch den in den Vereinigten Staaten von Amerika
aufgekommenen Bau guſseiserner Häuser. Allerdings hatte man auch
schon früher Guſseisen zu Bauzwecken verwendet. Boulton und
[541]Schweiſseisen 1831 bis 1850.
Watt hatten 1801 ein groſses feuerfestes Gebäude für die Baum-
wollenspinnerei von Philipps \& Lee in Manchester erbaut, wozu
guſseiserne Balken verwendet wurden, wobei Watt schon sehr rich-
tige Profile und Maſsverhältnisse anwendete. Hodgkinson behandelte
diese Frage 1827 theoretisch. In New-York begann man anfangs der
40er Jahre die ersten Häuser aus Guſseisen zu erbauen, die dann
infolge des Goldfiebers in Kalifornien zu ausgedehnter Anwendung
kamen. Man konnte die amerikanischen guſseisernen Häuser in einigen
Tagen zusammensetzen, während man für die aus England bezogenen
schmiedeeisernen Häuser einen ganzen Monat brauchte.
Schmiedbares Eisen unmittelbar aus den Erzen zu ge-
winnen, statt auf dem Umwege der Roheisenerzeugung, war ein
Problem, das niemals ganz verschwand, sondern von Zeit zu Zeit
immer wieder auftauchte. Die Zahl der dafür gelösten Patente ist
eine sehr groſse. Über das Ausschmelzen der Erze im Flammofen
und direktes Verpuddeln des so erhaltenen Eisens hatte Maison-
Desroches einen langen Aufsatz in den Annales des mines von 1829
veröffentlicht 1).
1836 nahm J. J. Hawkins auf eine Mitteilung von P. Boydon
hin in England ein Patent, geröstete oder gebrannte Erze mit Holz-
kohle gemischt in geschlossenen Gefäſsen oder Öfen, am besten in
einem Stahlcementierofen, zu glühen oder zu cementieren. Je nach
dem Zusatze der Holzkohle wollte er auf diese Weise Eisen von ver-
schiedenem Kohlengehalt erhalten, das als Guſseisen oder als Guſs-
stahl in Tiegeln geschmolzen oder als Schmiedeeisen in Puddel- oder
Schweiſsöfen weiter verarbeitet werden sollte.
1837 erhielt William Neale Clay ein Patent auf sein Ver-
fahren, reiche Eisenerze — Karbonate oder Oxyde — in nuſsgroſsen
Stücken mit 20 Proz. Koks, Holzkohlen, Torfkohlen, Anthracit oder
ähnlichen Kohlensubstanzen in D-förmigen Retorten in einem Ofen,
der mit einem Puddelofen verbunden war und von der entweichenden
Flamme desselben erhitzt wurde, 12 Stunden lang der Rotglut aus-
[542]Schweiſseisen 1831 bis 1850.
zusetzen. Hierauf sollte das reducierte Metall unmittelbar in den
Puddel- oder Schweiſsofen gebracht und hier, wenn nötig, unter Zu-
satz von Kohlen ausgeschweiſst, geschmiedet und gewalzt werden. Die
Reduktion der Erze konnte auch in konischen Schachtöfen (Kilns)
vorgenommen werden. Um Gieſsereieisen zu erhalten, vermehrte man
nur den Kohlenzusatz und erhitzte länger.
Clays Methode wurde auf den Shiwa-Works bei Kirkintilloc in
Schottland und zu Workington in England 1) ausgeführt. 1846 wur-
den ausgedehnte Versuche in Walkers Eisenwerken vorgenommen,
doch erwiesen sich die Kosten von Clays Prozeſs beträchtlich höher
als bei dem indirekten Verfahren. Fig. 181
zeigt Clays Ofen. Man verarbeitete rei-
nen Hämatit, den man mit 40 Proz. Stein-
kohlen vermischte und so fein mahlte, daſs
er durch ein Sieb von ⅛ Zoll Maschen
geschlagen werden konnte.
Charles Sanderson nahm 1838 ein
ähnliches Patent (Nr. 7828), welches da-
hin ging, daſs Thoneisenstein, mit Kohle
gemengt, geröstet und reduciert werden
solle und zwar in einem Doppelflamm-
ofen in zwei getrennten Herden. Durch
eine entsprechende Beschickung wurde
die Bildung einer sehr leichtflüssigen
Schlacke vorbereitet. Das reducierte Ge-
misch brachte man alsdann in einen
andern schachtförmigen Ofen, wo es bis
zur Schmelztemperatur der Schlacken
erhitzt wurde, die dann aussaigerten,
während das Metall ungeschmolzen zu-
rückblieb.
Das bekannteste Patent, welches denselben Zweck verfolgte, war
das von Josiah Marshall Heath vom 5. April 1839. Er wollte
reines oxydisches oder kohlensaures Eisenerz ohne jeglichen Zuschlag
bei einem Überschuſs von Kohle schmelzen. Zu dem Zweck füllte
er seinen Schachtofen erst mit Brennmaterial allein und begann dann,
wenn der Ofen genügend heiſs war, Erz zu setzen. Er chargierte
dann 65 bis 70 Pfd. Erz auf 100 Pfd. reinen Koks oder Holzkohlen.
[543]Schweiſseisen 1831 bis 1850.
Das geschmolzene Metall lieſs er in eiserne Formen laufen, damit es
nicht durch Sand verunreinigt wurde. Dieses reine Guſseisen schmolz
er dann in einem Kupolofen mit Eisenfeilspänen oder reinem Eisen-,
Mangan- oder Chromoxyd ein und erhielt auf diese Weise harten
Guſsstahl. Um diesen weicher zu machen, glühte er die Güsse (ingots)
von Guſsstahl in einem Cementierofen mit Eisen- oder Manganoxyd
ohne Holzkohle. Heath stellte aus indischem Roheisen mit Eisenerz
von Dartmouth in Devonshire wirklich einen guten Guſsstahl dar.
Weiches Eisen wollte er durch Puddeln des zuerst geschmolzenen
Metalles mit 1 bis 5 Proz. Manganoxyd erhalten.
Auch in den 40er Jahren wurde eine Anzahl Patente für den-
selben Zweck erteilt, so eins an W. N. Clay für Reduktion der Erze
und Schweiſsen im Flammofen am 31. März 1840 (Nr. 8459). Auch
in Deutschland machte man eine Reihe von Versuchen in dieser Rich-
tung. Man verarbeitete auf dem Eisenwerk des Herrn v. Winkler
in Schlesien im Jahre 1842 ein Gemenge von Eisenerz und Holzkohle
im Puddelofen. Das erhaltene Eisen war aber von sehr mittelmäſsiger
Güte. Bessere Resultate will Thomä mit demselben Verfahren in
Mähren erlangt haben. Er setzte diese Versuche später am Ural
und dann bei Suhl fort, angeblich mit Erfolg. von Gersdorff re-
ducierte Spateisenstein mit Holzkohlenpulver gemischt in Tiegeln,
ohne die Masse zum Fluſs kommen zu lassen, und schweiſste das
reducierte Eisen in einem Frischherde zusammen. Diese Versuche
wurden 1843 zu Neuberg in Steiermark ausgeführt.
In Neuberg machte man auch den Versuch, die Erze in einem
groſsen Zugschachtofen ohne Gebläse zu schmelzen und das Eisen in
einem mit den Gasen des Ofens auf der Gicht befindlichen Puddel-
ofen zu verarbeiten. Man erzielte aber nicht die nötige Hitze in dem
unteren Teile des Schachtofens.
Josef von Rosthorn lieſs sich 1847 ein dem obigen ähnliches
Verfahren in Österreich patentieren.
Ein bemerkenswertes Patent (Nr. 11515) erhielt am 31. Dezember
1846 der Franzose Adrien Chenot. Sein Princip war dasselbe, er
wollte durch Reduktion und stärkere oder schwächere Kohlung ein
gekohltes Eisen erzeugen, welches entweder Guſseisen oder Stahl oder
Stabeisen entsprach und bei entsprechender Behandlung als solches
verarbeitet werden konnte. Er bediente sich dazu eines Schweiſs-
oder Schmelzofens, in dem er die höchste Hitze erzeugen konnte, und
eines Reduktionsofens, der von der entweichenden Hitze des ersteren
geheizt wurde. Der Reduktionsofen bestand aus einer Retorte oder
[544]Die Eisenbahnen 1831 bis 1850.
einem ähnlichen geschlossenen Gefäſs, über deren Gestalt er Vor-
schläge machte. Man konnte auch reducierende Gase durch den
Reduktionsapparat leiten. Er erhielt nach seiner Angabe eine
schwammartige Metallmasse von Stahl oder Eisen, die er pulverte und
je nach Bedürfnis, um eine beliebige Sorte von Eisen oder Stahl zu
erhalten, mit Kohlenstaub mischte und in dem Schweiſs- oder Schmelz-
ofen zusammenschweiſste oder schmolz.
Dies war das erste einer Reihe von Patenten über den „Chenot-
Prozeſs“, der während der 50er Jahre die Eisenhüttenleute aller
Länder in hochgradige Spannung versetzte und auf den wir in dem
nächsten Abschnitte zurückkommen werden.
Ein Patent von de Meckenheim vom 31. Mai 1842 (Nr. 9373)
bezieht sich unter anderem auch auf einen Frischofen zur direkten
Eisendarstellung mit geteilten Formen, durch deren eine Abteilung
Gas, durch deren andere Wind eingeblasen werden sollte. Die ent-
weichende Hitze sollte noch einen Erzröstofen und einen Trocken-
ofen heizen.
Sir Fr. Ch. Kowles reducierte reine Eisenerze in Retorten mit ge-
reinigtem Kohlengas, Kohlenoxydgas etc. (E. P. 12687 vom 4. Juli 1849).
Um Schmiedeeisen zu erhalten, wurde das nur wenig gekohlte Eisen
im Puddelofen weiter behandelt. Wollte man Stahl oder Guſseisen
erhalten, so muſste das reducierte Eisen höher gekohlt werden, was
zweckmäſsig durch einen Zusatz von Kohlenpulver in der Retorte
geschah; das etwa 1 Proz. Kohlenstoff enthaltende Metall wurde im
Tiegel zu Stahl, die bis zu 3 bis 4 Proz. gekohlte Masse im Kupol-
ofen zu Guſseisen geschmolzen.
Die alte deutsche Rennarbeit wurde in dieser Periode in Deutsch-
land nur noch in Schmalkalden betrieben und erlosch erst im
Jahre 1845. Rennfeuer und Stückofenbetrieb waren im östlichen
Europa noch sehr verbreitet. Ebenso waren in den Vereinigten
Staaten noch Rennfeuer im Gebrauch.
Die Stabeisenbereitung nahm in dieser Periode einen groſs-
artigen Aufschwung. Die wichtigste Veranlassung dazu gab die Ein-
führung von Eisenbahnen in allen Kulturländern. Diese übte auf
die Eisenbereitung und Verarbeitung, besonders auf die Puddel- und
Walzindustrie, einen so groſsen Einfluſs, daſs es zweckmäſsig erscheint,
das Bemerkenswerteste darüber schon hier mitzuteilen.
Stephensons Triumph bei Rainhill erregte das Interesse der
Gebildeten aller Länder, und die Ahnung einer neuen Zeit ging durch
alle Gemüter. Das Verlangen nach Eisenbahnen wurde nach den
glänzenden Erfolgen der Liverpool-Manchester-Bahn ein allgemeines.
Die beiden Stephensons blieben nicht stehen, sondern suchten un-
ablässig die Lokomotiven, das Fahrmaterial, die Schienengleise, das
Signalwesen u. s. w. zu verbessern. An diesen Bestrebungen beteiligten
sich die hervorragendsten Ingenieure.
Bald nach der Eröffnung der ersten Vollbahn bildeten sich, so-
wohl in England, wie auf dem Kontinente, Gesellschaften zum Bau
von Eisenbahnen. Bei der Neuheit der Sache schritt aber die Aus-
führung nur langsam voran. In Bezug auf die technische Ausführung
war man noch ganz und ausschlieſslich auf England angewiesen.
Die ersten Bahnen auf dem Kontinente wurden mit englischem
Material gebaut und mit englischen Maschinen betrieben.
Aber auch in England selbst ging der Eisenbahnbau in den
ersten Jahren nach der Eröffnung der Liverpool-Manchesterbahn am
15. September 1830, welche den Beginn des Zeitalters der Eisenbahnen
bildet, nur langsam von statten, weil eine leidenschaftliche Opposition
der Kanalinteressenten, der Transportgesellschaften und der Grund-
besitzer, welche sich in ihrem Erwerb gefährdet glaubten, dagegen
erregt wurde. Die wichtigen Eisenbahnlien Liverpool-Birmingham,
Birmingham-London, London-Southhampton, London-Bristol und Lon-
don-Norwich kamen erst nach Jahren zu stande. Folgende Zusammen-
stellung giebt ein übersichtliches Bild des Wachstums der Eisenbahnen
in England bis Ende 1838:
Von 1839 bis 1850 wurden folgende Längen eröffnet: 1839 49 km,
1840 242 km, darunter die Linie London-Southhampton, 1841 173 km,
1842 78 km, 1843 180 km, 1844 658 km, darunter London-Dover, 1845
476 km, 1846 674 km, 1847 671 km, 1848 833 km, 1849 457 km, 1850
Beck, Geschichte des Eisens. 35
[546]Die Eisenbahnen 1831 bis 1850.
866 km. Von dem Jahre 1844 an ist eine groſsartige Zunahme im
Bahnbau Englands zu bemerken. Während Ende 1840 nur 1349 km
Eisenbahnen im Betriebe standen, betrug Ende 1850 deren Länge
bereits 10659 km.
Von allen Staaten des Kontinents hat der jüngste, das erst durch
die Revolution von 1830 entstandene Belgien, die Bedeutung der
Eisenbahnen am schnellsten erfaſst und sich dieselben nutzbar ge-
macht. Belgien hat zuerst von allen Ländern den Plan eines ein-
heitlichen Eisenbahnnetzes für das ganze Land entworfen und durch-
geführt. Der Erbauer war der Staat selbst. Der Techniker, der
aber den Entwurf dazu machte, war kein geringerer als Georg
Stephenson, dem die Regierung die Bearbeitung dieser wichtigen
Aufgabe im Jahre 1834 übertragen hatte. Das kühne Unternehmen
hatte glänzenden Erfolg. Nachdem die ersten Hauptlinien erbaut
waren, nahm die belgische Industrie einen Aufschwung, der be-
wunderungswürdig war, vor allem die Eisenindustrie, welche den Mut
hatte, selbst und selbständig sowohl die Schienenfabrikation, als den
Lokomotivbau in die Hand zu nehmen. Das kleine Belgien wurde
ein Konkurrent Englands und kein zu verachtender, denn durch die
Intelligenz trefflicher Ingenieure führte es Verbesserungen in dem
Eisenhüttenwesen ein, die mustergültig wurden.
Das belgische Staatsbahnnetz hatte Mecheln zum Ausgangspunkt.
Von hier aus gingen die vier Hauptlinien, eine östlich nach der preuſsi-
schen Grenze, eine nördlich nach Antwerpen, eine westlich nach Ost-
ende und dem Meere und eine südlich nach Frankreich. 1843 hatte
der Staat das 560 km lange Netz vollendet. Von da an verzichtete
er auch auf weitere eigene Unternehmungen.
Am 5. Mai 1835 wurde die erste Strecke Mecheln-Brüssel von
20 km eröffnet, am 3. Mai 1836 folgte die Strecke Mecheln-Antwerpen
von 22 km Länge. Ende 1837 betrug das belgische Bahnnetz 142 km,
Ende 1838 258 km, Ende 1840 334 km, Ende 1843 558 km, Ende
1850 854 km.
In Deutschland gebührt dem Königreich Baiern der Ruhm, die
erste Eisenbahn mit Lokomotivbetrieb erbaut zu haben. Es war die
Nürnberg-Fürther Linie, welche am 7. Dezember 1835 eröffnet wurde.
von Baader hatte schon in den 20er Jahren auf die Wichtigkeit
des englischen Eisenbahnwesens hingewiesen und eifrig dafür gewirkt,
und die Nürnberg-Fürther Bahn darf als das Ergebnis dieser Be-
mühungen bezeichnet werden.
Baiern folgte zuerst das Königreich Sachsen, wo die Leipzig-
[547]Die Eisenbahnen 1831 bis 1850.
Dresdener Bahn in den Jahren 1837 und 1838 fertiggestellt wurde.
Die erste Teilstrecke Leipzig-Althen war am 24. April 1837 eröffnet
worden. 1838 wurde die erste Eisenbahnstrecke in Preuſsen er-
öffnet. Es war dies die Berlin-Potsdamer Bahn, welche am 29. Ok-
tober dem Verkehr übergeben wurde. In demselben Jahre wurden am
1. Dezember die Linie Braunschweig-Wolfenbüttel, und am 20. De-
zember die erste Teilstrecke der Bergisch-Märkischen Bahn, Düssel-
dorf-Erkrath, dem Betrieb übergeben. Am 29. Juni 1839 folgte die
Strecke Magdeburg-Schönebeck der Magdeburg-Leipziger Bahn und am
2. August Köln-Müngersdorf der Rheinischen Bahn. Am 1. September
1839 wurde München-Lochhausen, das erste Stück der baierischen
Staatsbahn, und am 26. September die erste Strecke der nassauischen
Taunusbahn, Frankfurt-Höchst, eröffnet.
Die Bahnlängen der deutschen Eisenbahnen ohne Österreich be-
trugen am Jahresschluſs 1835 6 km, 1837 21 km, 1838 139,5 km, 1839
239,6 km, 1840 468,9 km, 1841 683,4 km, 1842 931 km, 1843 1311,3 km,
1844 1751,9 km, 1845 2142,8 km, 1846 3280,9 km, 1847 4306,3 km, 1848
4989,4 km, 1849 5443 km, 1850 6142,8 km.
Österreich kann sich von allen Staaten des Kontinents der
ersten Eisenbahnen rühmen, allerdings nicht mit Dampf-, sondern
mit Pferdebetrieb. Der thätige Ritter Franz von Gerstner war es,
der die Anregung zur Erbauung der Bahn Linz-Budweis im Jahre
1825 gab; hiervon wurde die Strecke Budweis-Kerschbaum (64,5 km)
im September 1828 und die Strecke Kerschbaum-Linz (66,4 km) am
1. August 1832 eröffnet. Sie gehörte der Elisabethbahn-Gesellschaft.
1830 wurde die Pferdebahn Prag-Lana fertiggestellt und die Linie
Linz-Gmunden in den Jahren 1834 bis 1836 erbaut. Die erste Lo-
komotivbahn baute die Kaiser-Ferdinand-Nordbahngesellschaft von
Wien nach Brünn 1836 bis 1839; hiervon wurde die erste Teilstrecke
Floridsdorf-Wagram am 23. November 1837 eröffnet. Mit den genannten
Pferdebahnlinien, die nach und nach in Lokomotivbahnen umge-
wandelt wurden, betrug Ende 1840 die Länge der österreichischen
Eisenbahnen 426,4 km. Von dieser Zeit an ging der Eisenbahnbau
etwas rascher voran, namentlich auf der groſsen Linie Wien-Triest.
Ende 1845 betrug die Länge der österreichischen Bahnlinien
1058 km, Ende 1846 1354,4 km, 1847 1632 km, 1848 1674,3 km, 1849
1929,6 km, 1850 2214,2 km. — Im Vergleich mit Deutschland blieb
Österreich in dieser Zeit beträchtlich zurück.
In Frankreich hatten sich die Verhältnisse in ganz ähnlicher
Weise entwickelt. Auch hier hatte man schon in den 20er Jahren
35*
[548]Die Eisenbahnen 1831 bis 1850.
mit dem Bau von Pferdebahnlinien begonnen und ging dann erst spät
zu Lokomotivbahnen über. Die Paris-Lyoner Eisenbahngesellschaft
hatte in den Jahren 1828 bis 1834 im Loiredepartement ein ganzes
Netz von Pferdebahnen, welches hauptsächlich dem Steinkohlenverkehr
diente, erbaut. Die erste Strecke St. Etienne-Andrégieux wurde am
1. Oktober 1828, die zweite, Rive de Giers-Givors, am 1. Oktober 1830
eröffnet. Das ganze Netz umfaſste Ende 1834 141 km.
Erst am 26. August 1837 wurde die erste Lokomotivbahn Frank-
reichs von Paris nach St. Germain dem Verkehr übergeben.
Der Eisenbahnbau schritt in Frankreich nur langsam voran, da
die Kammern das Staatsbahnprojekt im Jahre 1835 verwarfen und
man nur beschränkte Konzessionen erteilte. Erst nach mehreren
Jahren brachte ein Engländer, Locke, den Bahnbau wieder etwas
in Fluſs, doch dauerte es bis 1842, ehe die Regierung dem Druck
der öffentlichen Meinung nachgab und die Hauptlinien von Paris nach
Belgien, nach Straſsburg, nach Lyon und Marseille, nach Bordeaux
und nach Nantes feststellte. Ende 1839 hatte Frankreich 240 km Eisen-
bahnen, Ende 1840 427 km, Ende 1842 586 km, Ende 1845 870 km,
Ende 1846 1309 km, 1847 1817 km, 1848 2207 km, 1849 2845 km, Ende
1850 2996 km. Das reiche Frankreich war also bis zu dieser Zeit
nur langsam mit Bahnbauten vorangegangen.
Noch viel mehr waren die übrigen Länder Europas zurück-
geblieben.
Dagegen hatten die Vereinigten Staaten von Nordamerika
von dem neuen Kulturmittel mit Energie Gebrauch gemacht und ihr
Eisenbahnwesen, zum Teil schon unabhängig von England, in eigen-
artiger, groſsartiger Weise ausgebildet. Zu dem raschen Aufschwung
des amerikanischen Eisenbahnwesens trug besonders die Leichtigkeit
der Konzessionserwerbung bei. Die Freibriefe, welche die Anlage einer
Eisenbahn erlaubten, wurden in den Vereinigten Staaten von den
Einzelstaaten erteilt, und eine beliebige Anzahl Bürger konnte zum
Bau einer Eisenbahn zu einer Gesellschaft zusammentreten, sobald
für jede englische Meile 1000 Dollar gezeichnet und 100 Dollar
eingezahlt waren.
Die erste Eisenbahn in den Vereinigten Staaten wurde von
Quincy bei Boston nach dem Flusse Neponset im Jahre 1825 gebaut,
um Steine von den Brüchen nach dem Verladeplatze zu schaffen.
Diese Strecke wurde auch, wie die in den darauffolgenden Jahren
erbauten von Mauch Chunk nach dem Lehigh-River (Pa.) und die
Baltimore-Ohio-Bahn, noch mit Pferden betrieben. Aber schon am
[549]Die Eisenbahnen 1831 bis 1850.
28. Dezember 1829 wurde die erste Lokomotivbahn von Baltimore
nach Elicotts Mills, 15 engl. Meilen lang, dem Betriebe übergeben,
und rasch bedeckten sich nun die östlichen Staaten der Union mit
einem Netz von Eisenbahnen. Man baute nicht mit der ängstlichen
Sorgfalt wie in Europa, dafür aber auch viel rascher und billiger.
Auch im Lokomotivbau ging Nordamerika seine eigenen Wege. 1833
bauten Balduin und Norris in Philadelphia eine eigentümliche Gattung
von Lokomotiven mit beweglichem Vordergestell, die sich ganz be-
sonders zum Befahren scharfer Bahnkurven eignete und die noch
heute im Gebrauch ist. Die Vereinigten Staaten überflügelten Groſs-
britannien im Eisenbahnbau hinsichtlich der Länge der betriebenen
Strecken in kurzer Zeit. Ende 1830 betrug die Länge der englischen
Linien 86 engl. Meilen, der nordamerikanischen 54.
Diese letzteren Zahlen entsprechen 10649 und 13820 km. Eine eng-
lische Meile Doppelgleise erforderte 280 Tonnen Eisen für Schienen.
Unter der Annahme, daſs die aufgeführten Linien doppelgleisig waren,
hätte England Ende 1850 1853880 Tonnen
Eisen allein für Eisenbahnschienen ver-
braucht.
Hieraus läſst sich erkennen, in welch’
hohem Maſse die neuen Bedürfnisse der
Eisenbahnen die Thätigkeit der Eisenindu-
strie in Anspruch nahmen. Einen ganz
besonderen Aufschwung nahmen durch den
Bedarf der Eisenbahnen die Walzwerke, und
die groſsen Verbesserungen in der Walz-
werksindustrie, mit welcher die in diesen
Zeitabschnitt fallende Erfindung des Dampf-
hammers eng verknüpft ist, sind besonders
charakteristisch für diese Periode.
Für die Schienenprofile hielt man in
England an der Pilzschiene mit Steg und
einfacher oder doppelter Stegnute (Fig. 182 a,
a. v. S.) zur Befestigung auf den Stühlen
(Fig. 89, S. 267) fest. Auſserdem wurden
dieselben meist in Fischbauchform (Fig. 86,
S. 266) ausgewalzt, was aber in der Regel
auf einem besonderen, in Fig. 183 abge-
bildeten Walzwerk 1), dessen eine Walze
im Verhältnis der Ausbauchung excentrisch
gestellt war und in aufrechter Stellung des
Profils geschah. 1838 führte Robert
Stephenson auf der London-Birmingham
Bahn die Doppelkopfschiene (Fig. 182 b)
ein. In Amerika ging man zuerst zu den Breit-
fuſsschienen, deren erste Form (Fig. 182 d)
von R. Stevens herrührt. Die Breitfuſs-
schiene der Linie Camden-Amoy von 1832
(Fig. 182 d 1)) hatte schon groſse Ahnlichkeit mit der 1836 erfundenen
und später in Europa meist verbreiteten Vignolschiene. Die Breit-
fuſsschienen kamen seit Ende der 30 er Jahre in Europa zu allgemeiner
[551]Das Frischen 1831 bis 1850.
Annahme. Isambert Brunel gab dagegen den sogenannten Brücken-
schienen (Fig. 182 c) den Vorzug.
Ehe wir aber zu diesen Verbesserungen übergehen, müssen wir
die Fortschritte betrachten, welche die Herstellung des Schweiſs-
eisens — ein anderes Schmiedeeisen kannte man damals noch nicht —
in dieser Zeit erfahren hat.
Das Frischen des Roheisens in Herden mit Holzkohlen wurde
zwar durch das Flammofenfrischen mit Steinkohlen mehr und mehr
eingeschränkt, dennoch behauptete es sich auf dem Kontinent noch
als das verbreitetste und wichtigste Verfahren der Stabeisenbereitung.
Indessen war es den Hammerwerksbesitzern zum Bewuſstsein ge-
kommen, daſs sie nur durch gröſste Sparsamkeit und durch technische
Verbesserungen den Kampf mit dem Steinkohlenbetriebe fortführen
konnten, und die sonst so konservativen Hammerherren sahen sich
zu mancherlei Verbesserungen gezwungen.
Als eine der wichtigsten erschien die Anwendung erhitzter Ge-
bläseluft bei dem Frischfeuerbetriebe. Es war nicht schwierig, die
Winderhitzung mit dem Frischfeuerbetriebe zu verbinden. Einige
gekrümmte Rohre in der Esse über dem Feuer angebracht genügten,
um die erforderliche Erwärmung des Windes auf 100 bis 200º C. her-
beizuführen. Das Verfahren wurde denn auch auf vielen Hütten ein-
geführt 1), so 1834 zu Königsbronn, Unterkochen und Abtsgemünd und
zu Michelbach im Nassauischen, 1835 zu Creuzburger Hütte und Mala-
pane in Schlesien und Sollinger Hütte am Harz.
Sehr günstige Resultate erzielte man auf dem Malapaner Hütten-
werke in Oberschlesien, und hat Wachler die dort in den Jahren
von 1836 bis 1839 gemachten Erfahrungen veröffentlicht 2). Daraus er-
giebt sich, daſs man aus 100 Pfd. Roheisen bei kaltem Winde 74,77 Pfd.,
bei heiſsem Winde 78,14 Pfd. Stabeisen erhielt. Der Brennmaterial-
aufwand betrug bei kaltem Winde 17,8, bei heiſsem Winde 16,6 Kbfſs.
Holzkohlen. Karsten redete hauptsächlich auf Grund dieser Er-
fahrungen der Anwendung erhitzter Gebläseluft beim Frischprozesse
eifrig das Wort. Der ungünstigen Erscheinung, daſs das Roheisen bei
heiſsem Winde zu roh einschmilzt und das Garen dadurch sehr er-
[552]Das Frischen 1831 bis 1850.
schwert und verzögert wird, legte er nicht die Bedeutung bei, die sie
verdiente 1).
Die Art, wie die Winderhitzung und die Windführung stattfand,
ist aus der Abbildung, Fig. 184, eines Frischfeuers auf der Karsten-
hütte bei Rybnik in Oberschlesien zu ersehen. Das Verfahren zu
Malapane und überhaupt auf den oberschlesischen Holzkohlenhütten
war die Dreimalschmelzerei, also das deutsche Frischen mit Roh- und
Garaufbrechen, welches man in dieser Form auch als schlesische
Frischmethode beschrieben hat 2).
Eine andere Verbesserung, welche man bei den Frischfeuern in
manchen Gegenden einführte, war die Überwölbung des Frischherdes,
was ein Zusammenhalten der Wärme und dadurch eine Brennmaterial-
ersparnis bezweckte. Das Ausheizen muſste dann allerdings in einem
besonderen Feuer erfolgen. Dieses Verfahren hatte seinen Ausgang
von England, wo die Frischfeuer in Südwales schon in früherer Zeit
überwölbt waren. Von da gelangte es nach Schweden, wo diese Herde
und diese Frischmethode unter dem Namen Lancashire-Prozeſs
Verbreitung fanden. Percy hat hierüber interessante geschichtliche
Notizen mitgeteilt 3), die er von einem Herrn F. C. Waern von Gothen-
burg, dessen Vater bei der Sache beteiligt war, erhalten hatte. Danach
führten die Sheffielder Stahlfabrikanten fortwährend Klage über das
[553]Das Frischen 1831 bis 1850.
schwedische Eisen, welches in Wallonschmieden dargestellt war. Dies
veranlaſste C. F. Waern von Baldenås in Schweden und Brändström
von Hull im Jahre 1829, Frischschmiede von Südwales, welche dort das
gute Eisen für die feinen Holzkohlenbleche zu machen verstanden,
mit nach Schweden zu nehmen.
Es waren im ganzen drei Familien, darunter namentlich die Fa-
milie Houlder mit drei Söhnen und einem Schwiegersohn, namens
Whittington, alles treffliche Arbeiter. Mit Hülfe dieser Männer
wurde das Verfahren zu Båkefors in Schweden eingeführt.
Als die Hüttensocietät von dem Erfolge des neuen Verfahrens
Kenntnis erhielt, entsandte sie mit Waerns Zustimmung den ge-
schickten Hüttenmeister G. Eckman, um das Verfahren in seinen
Einzelheiten zu studieren. Anfangs waren die englischen Arbeiter
miſstrauisch, weil sie ihr Geheimnis nicht verraten wollten, aber bald
gelang es Eckman, ihr Vertrauen zu gewinnen und alles zu erfahren.
Eckman berichtete, daſs dieses gerade das richtige Verfahren sei,
nach dem die schwedischen Hammerherren durch mancherlei Ab-
änderungen bei den Wallonschmieden längst gestrebt hätten. Er
selbst führte das Verfahren auf seinem eigenen Werke bei Losjöfors
und auf anderen Werken bei Lennartsfors und bei Lilgendahl ein.
Auſserdem kam es damals noch in den Hammerwerken Christinen-
dahl zur Anwendung. — Norwegische Hüttenbesitzer verführten später
durch höhere Löhne die englischen Arbeiter, Waern zu verlassen,
aber der alte Houlder und einer seiner Söhne blieben ihrem Herrn
treu, und der Sohn war um 1864 noch im Dienste von Waerns Sohn.
17 Jahre lang waren die oben genannten Werke die einzigen,
welche diese Lancashire-Methode betrieben, weil man befürchtete, daſs,
wenn zu viel von diesem Eisen gemacht würde, sein Preis sänke. Dann
aber verbreitete sie sich mit einemmal und verdrängte die alten Wallon-
schmieden fast gänzlich. Tunner hat in seinem „wohlunterrichteten
Hammermeister“ 1846 dieses Frischverfahren zuerst beschrieben.
Auffallend ist es, daſs dieser Prozeſs, der doch der in Südwales
gebräuchliche war und von Arbeitern von da nach Schweden gebracht
wurde, hier als Lancashire-Schmiede bezeichnet wurde. Percy weiſs
keine rechte Erklärung dafür. Es dürfte aber anzunehmen sein, daſs
die südwalesschen Frischer ihn selbst so bezeichneten, was uns nicht
auffallen kann, da wir wissen, daſs die Eisenindustrie von Südwales
von Lancashire aus gegründet wurde.
Fig. 185 (a. f. S.) stellt den Bau eines schwedischen Lancashire-
Frischherdes aus dem Anfang der 60 er Jahre nach Zeichnung und
[554]Das Frischen 1831 bis 1850.
Beschreibung des schwedischen Eisenhüttenmannes Andras Grill in
Percys Iron and Steel dar. Der Boden des Herdes, a b c, wird durch eine
Wasserkühlung f kalt ge-
halten. Der Herd ist
überwölbt und mit einem
Verglühherd, der mit
einer eisernen Platte m
belegt ist, verbunden.
Aus dem Verglühherd
tritt die Flamme durch
den Fuchs l in einen
Raum, in dem die Wind-
erhitzungsröhren k' k'' lie-
gen, von da erst gelangt
sie in die Esse O.
Das im Verglühherd
erhitzte Roheisen im Ge-
wicht von etwa 100 kg
wird über der Form
mit Holzkohlen bedeckt
niedergeschmolzen, was
[555]Das Frischen 1831 bis 1850.
etwa ½ Stunde dauert. Auf dem Boden beginnt nun schon die ent-
kohlende Wirkung der Garschlacke, die durch fortwährendes Auf-
brechen sehr unterstützt und beschleunigt wird. Hat sich dann alles
Eisen zu einer stahlartigen Masse vereinigt, so wird dieselbe noch
einmal als ein Klumpen aufgebrochen, über die Form gebracht und
niedergeschmolzen. Dieses Garfrischen erfolgt bei starker Hitze und
dauert nur ¼ bis ½ Stunde. Alsdann wird der Deul herausgehoben
und gezängt.
Der Wind hatte eine Temperatur von 100° C. und eine Pressung
von 6 cm Quecksilbersäule. Ein Frischfeuer lieferte wöchentlich
6,6 Tonnen Deuleisen. Das Ausbringen betrug 86,70 Proz. vom Roh-
eisen, der Holzkohlenverbrauch 90 Proz.
In Frankreich hatte man ebenfalls, und zwar in Nivernais, schon
zu Anfang des Jahrhunderts den Versuch gemacht, die Frischherde
zu überwölben, doch scheiterte derselbe damals an dem Widerstande
der Arbeiter. Anfang der 30er Jahre kehrten die Herren Riondel
und Poirier zu dieser Einrichtung zurück und bauten zu Prémery
in Nivernais einen geschlossenen Frischherd. Diese Einrichtung fand
bald darauf Nachahmung in Franche-Comté und Champagne.
Zu Lauffen am Rheinfall hatte man 1834 diese überbauten Frisch-
herde dahin verbessert, daſs man sie ganz freistehend aus eisernen
Platten zusammensetzte und mit Warmwindapparat und Verglühherd
verband. Diese Konstruktion wurde vielfach in Deutschland nach-
geahmt und teils als Comtéfeuer, teils als schwäbische Frischfeuer
bezeichnet.
Die Überwölbung der Frischfeuer wurde namentlich da eingeführt,
wo man die entweichende Flamme der Frischfeuer zum Wärmen ver-
wenden wollte. Ein Beispiel bietet das in Fig. 186 (a. f. S.) abgebildete
Hartzerennfeuer von Niederwölz in Steiermark, wo man in dem über-
wölbten Herde das „Bodenrennen“ ununterbrochen betreiben konnte.
Das Feuer war mit zwei Formen versehen 1).
Eine eigenartige Verbesserung hatte man zu Rhonitz in Ungarn
dadurch eingeführt, daſs man zwei gegenüberliegende Formen an-
brachte, also einen doppelten Frischherd baute.
Über die chemischen Vorgänge bei dem Frischprozeſs hat
Ebelmans Untersuchung der beim Frischen entwickelten Gase 2)
neues Licht verbreitet.
Die Benutzung der von den Frischfeuern entweichenden glühen-
den Gase war schon lange zuvor von Berthier angeraten worden 1),
aber ohne Erfolg. 1828 verband man auf der Eisenhütte zu Lauffen
am Rhein zuerst ein Frischfeuer mit einem Flammofen, der als Reck-
feuer diente und durch die abgehende Hitze des Frischfeuers geheizt
wurde 2). Um dieselbe Zeit verband man zu Audincourt in Frank-
reich Frischfeuer mit einem Blechglühofen.
Erst die Benutzung der Hochofengase veranlaſste auch die all-
gemeinere Verwendung der Frischfeuerflamme. Die Gase wurden zur
Winderhitzung und zum Vorwärmen des Eisens benutzt. Letztere
Art der Verwendung veranlaſste Änderungen in der Konstruktion der
Frischfeuer. Es muſste ein Raum hinter dem Frischherd hergestellt
werden, durch den die Flamme strich, ehe sie in die Esse trat. Dieser
Wärmeraum wurde auf vielen Frischhütten, in der Franche-Comté
sogar, zum Ausheizen der Schirbel zum Zweck des Ausschweiſsens
und Ausstreckens benutzt. Nur das erste Ausschweiſsen geschah im
Frischherd. Dies war, wie leicht einzusehen, ein groſser Vorteil, man
sparte dadurch unter Umständen die Wärmefeuer der Reckhämmer.
Das Gewölbe des überbauten Frischherdes gab zwar durch die
Rückstrahlung der Wärme eine Brennmaterialersparnis von ⅕ bis 1/7,
sie erwies sich auf die Dauer aber doch nicht als zweckmäſsig, haupt-
sächlich weil die Arbeiter zu sehr von der Hitze litten. Zu Audin-
court waren Mitte der 30er Jahre zwei überbaute Frischfeuer mit
einem Flammofen verbunden, wie es Fig. 187 zeigt. Der Flammofen
war mit drei Thüren versehen. Das darin erhitzte Eisen wurde aus-
gewalzt. Da die beiden Frischfeuer mehr Hitze gaben, als erforder-
lich war, so hatte man noch einen zweiten Flammofen angelegt, den-
selben aber, da er für den Betrieb unbequem war, wieder abgeworfen.
Die Anlage in Audincourt gab sehr befriedigende Resultate.
Mit den Frischfeuern in der Champagne wurden Vorwärmöfen
zum Erhitzen des Roheisens verbunden, wie in Fig. 186. Diese Ein-
richtung hatte sich von Lauffen aus in der Schweiz und in Süd-
deutschland, namentlich in Württemberg, verbreitet. Le Blanc und
Walter de St. Ange haben in ihrem Handbuch der Stabeisen-
bereitung einen verbesserten Ofen dieser Art beschrieben und abge-
bildet (Tab. 31, Fig. 1 bis 5), worauf wir hier verweisen. Die Ersparnis
an Brennmaterial durch die Anwendung erhitzter Luft wurde zu min-
[558]Das Frischen 1831 bis 1850.
destens 25 Proz., durch die Anwendung von erhitzter Luft und Ver-
glühherd auf fast 50 Proz. angegeben.
Um einen Verglühherd oder Flammofen zwischen Frischherd und
Esse anbringen zu können, muſste man die Frischherde auſserhalb
der Essen anbringen, wie dies zu Mariazell schon in den 20er Jahren
üblich war.
Tunner erklärte (1846) die Anlage der Verglühherde bei jedem
Frisch- und Ausheizfeuer von solcher Wichtigkeit, daſs dieselbe bei
keinem gut eingerichteten Werk unterlassen werden dürfe. In Öster-
reich hatten denn auch die Verglühherde auf allen besser eingerich-
teten Frischhütten Eingang gefunden. Zu den vorzüglichsten Anlagen
und Benutzungen der Verglühherde gehörten die auf den Werken in
Hammerau bei Salzburg, zu Neubruck bei Scheibbs, zu St. Egydi,
Mariazell u. a. m.
Bei der Anlage eines Verglühherdes war besonders zu beachten,
daſs die Arbeitsöffnung nicht gröſser als durchaus nötig gemacht
wurde, damit der Zutritt der Luft möglichst abgehalten wurde. Am
zweckmäſsigsten war es, der Arbeitsöffnung zwar die gröſste Höhe zu
geben, sie aber mit einer verstellbaren Schubplatte oder einem Vor-
hangblech zu versehen, so daſs sie nur soweit offen war, als es die
Arbeit erforderte. Ebenso wurde ein Schieber an der Eintrittsöffnung
der Flamme in die Esse angebracht.
Man hatte an verschiedenen Orten auch versucht, mit der Über-
hitze der Frischfeuer Roheisen im Flammofen zu verpuddeln, so 1842
zu Montblainville im Maasdepartement 1) und zu Javorina in Ungarn
und 1845 zu Buchscheiden in Kärnten. Maresch zu Neuhütten in
Böhmen hat darüber gründliche Versuche angestellt, und erreichte
den Zweck vollständig dadurch, daſs er zwei Frischfeuer mit einem
Puddelofen verband. Er erhielt für dieses Verfahren 1845 ein öster-
reichisches Patent 2).
Ahnliche Versuche zu Reichenau in Niederösterreich in den
40er Jahren hatten ebenfalls den besten Erfolg. Man betrieb dort
lange Jahre hindurch einen Puddlingsofen mit der Überhitze von
zwei Schwallfeuern. Die gleiche Einrichtung verbreitete sich von hier
nach Furthof und Rottemann.
Man suchte den Betrieb der Frischfeuer ferner dadurch zu ver-
wohlfeilen, daſs man billigeres Brennmaterial zu verwenden
strebte. Wo Steinkohlen leicht zu haben waren, benutzte man diese
[559]Das Puddeln 1831 bis 1850.
zum Feinen, Vorwärmen und zum Ausheizen und verwendete die Holz-
kohle nur beim eigentlichen Frischen. Auf der Rybniker Hütte in
Schlesien, wo man den Frischprozeſs mit dem Walzprozeſs verbunden
hatte, war dies nur dadurch möglich, daſs eine groſse Zahl Frisch-
feuer nur abgerichtete Schirbel oder Kolben lieferten, welche in dem
Walzwerk in Glühöfen mit Steinkohlen ausgeheizt und gewalzt
wurden.
Bei der südwalesschen Frischschmiede war dieses Verfahren, wie
früher erwähnt, schon längst eingeführt.
Man versuchte ferner, Torfkohle im Frischherd zu verwenden,
ohne aber damit den gewünschten Erfolg zu erzielen. Allerdings
sollen Versuche auf der Hütte zu Rothau im Elsaſs angeblich günstig
ausgefallen sein, doch wurden sie nicht verfolgt. Nachdem man in
Frankreich gedarrtes Holz mit Erfolg im Hochofen verwendet hatte,
lag es nahe, dasselbe Brennmaterial auch im Frischherde zu benutzen.
Diese Versuche wurden in der Hütte zu Senuc in den Ardennen von
Lorcet angeblich mit gutem Erfolge angestellt. Der Darrapparat
wurde von der entweichenden Flamme des Frischfeuers geheizt.
Bineau hat die Resultate zu Senuc mitgeteilt 1).
Danach wäre das Frischen leichter und schneller gegangen als
sonst. Gedarrtes Holz ersetzte Holzkohle zu gleichen Mengen dem
Volumen nach. Der Eisenabgang war etwas geringer.
Man hat aber später nichts mehr von den französischen Erfolgen
gehört, und die Versuche, welche man in Deutschland anstellte, fielen
durchaus nicht günstig aus. Das gedarrte Holz gab keine genügende
Hitze, um die Einschmelzung und die damit verbundene Schweiſs-
und Streckarbeit ausführen zu können.
Leclerc wollte die Windführung bei den Frischfeuern durch
Einführung beweglicher und verstellbarer Formen verbessern. Nach
seiner Vorschrift sollte der Frischmeister den Luftstrom nach dem
Punkte richten, wo es ihm notwendig schiene und der Form dabei eine
Neigung von 2 bis 3 Grad geben; beim Anfang des Frischens sollte
die Neigung auf 5 Grad, beim Garaufbrechen bis auf 6 Grad erhöht
werden.
Viel wichtiger waren die Fortschritte, welche bei dem Flamm-
ofenfrischen in dieser Periode gemacht wurden. Dieses Verfahren
entsprach, da es eine viel gröſsere Produktion als das Herdfrischen
[560]Das Puddeln 1831 bis 1850.
ergab, weit mehr den Anforderungen der Zeit. Das Flammofenfrischen
mit Steinkohlen erlangte insbesondere immer gröſsere Verbreitung,
neben demselben vervollkommnete sich aber auch das Puddeln mit
Holz, Torf und Braunkohlen, und als ein ganz neues Verfahren kam
das Gaspuddeln hinzu.
Dem Puddeln ging noch allgemein das Feinen oder Weiſsen
des grauen Roheisens voraus. Dasselbe war in England und den
nach englischem Muster eingerichteten Hütten meist mit dem Hoch-
ofenbetriebe verbunden, weil die Feineisenfeuer viel Wind erforderten,
welchen die groſsen Hüttengebläse leichter liefern konnten. Die Ver-
suche, welche man zu Terrenoire bei St. Etienne, zu Königshütte und
auf mehreren englischen Hütten anstellte, die Feineisenfeuer mit er-
hitzter Luft zu betreiben, hatten keinen besonderen Erfolg. Wenn
auch der Prozeſs etwas rascher verlief, so verbrannten auch die Wände
des Herdes um so schneller. Bemerkenswert ist aber, daſs man sich
mehr und mehr von dem Feineisenprozeſs zu emancipieren suchte
und ein zur direkten Verarbeitung im Puddelofen geeignetes Roheisen
schon im Hochofen zu erblasen strebte.
Das Weiſsmachen des Roheisens in Flammöfen mit flachen
Herden unter Zuschlag garer Frischschlacke hatte namentlich in süd-
deutschen Hüttenwerken Eingang gefunden.
Auf einigen württembergischen Eisenhütten, wo man sich des
Torfes als Brennmaterial bediente, hatte man mit groſsem Erfolge
auſser den garenden Zuschlägen auch einen gröſseren Windstrom
auf die Oberfläche des flüssigen Roheisens geleitet, ähnlich wie es
bei den Treiböfen ge-
schah. Man wendete
dabei heiſsen Wind an.
Fig. 188 stellt einen
solchen Weiſsofen der
Hütte zu Königsbronn
bei Aalen im König-
reich Württemberg dar.
Gerade bei dieser
Art von Öfen hat man
auch zuerst den Gas-
betrieb mit Erfolg ein-
geführt.
Setzte man die garen
Frischschlacken gleich-
[561]Das Puddeln 1831 bis 1850.
zeitig mit dem Roheisen ein, so war ein Umrühren nicht nötig, weil
die Zuschläge früher schmolzen als das Roheisen und dann von dem
schwereren Roheisen in die Höhe gedrängt wurden, wobei sie vollständig
mit dem Eisen in Berührung kamen. Setzte man aber die Frisch-
schlacken nachträglich zu, so muſste das nach und nach geschehen
und dann die Schmelzmasse mit hölzernen Rührstäben durchgerührt
werden. Gewöhnlich betrug der Einsatz 15 bis 18 Ctr. graues Roh-
eisen, wozu 3 bis 4 Ctr. Frischschlacken erforderlich waren. Den Fort-
gang des Prozesses beurteilte man nach den genommenen Schöpfproben.
Der Eisenabgang betrug 5 bis 6 Proz., der Steinkohlenverbrauch etwa
1 Kbfſs. auf 1 Ctr. Weiſseisen. Bei Anwendung des Windstromes er-
höhte sich der Abbrand, aber das Weiſseisen wurde auch reiner, und
diese Reinigung kam dem nachfolgenden Frischprozesse zu gut.
Karsten bezeichnet die Weiſsarbeit im Flammofen mit Anwendung
von Gebläseluft als das vollkommenste und vorteilhafteste Verfahren.
Der Feinprozeſs in Flammöfen erfuhr eine weitere Verbesserung
durch den Gasbetrieb. Faber du Faur wendete zuerst die Hoch-
ofengase hierfür an, und Karsten machte darüber bereits 1841 in
seiner Eisenhüttenkunde Mitteilung (§. 977). Faber bediente sich da-
bei eines ähnlichen Ofens wie des zu Königsbronn, indem er zur Be-
schleunigung des Verfahrens einen Windstrom auf das geschmolzene
Roheisen leitete. Die Gase selbst verbrannte er mit erhitzter Gebläseluft.
Die von Faber du Faur mitgeteilten Resultate ergaben, daſs 100 Tle.
graues, mit Holzkohlen erblasenes Roheisen beim Weiſsmachen im
Gasflammofen durch Behandlung mit garenden Zuschlägen und Zu-
leitung eines heiſsen Windstromes auf das eingeschmolzene Eisen
einen Abgang von 2,3 bis 2,5 Proz. erlitten. In den Puddlingsöfen
war dann der Abgang von Weiſseisen bei der Umwandlung in Luppen-
eisen angeblich nicht gröſser als 0,8 Proz.
Wenn Hochofengase nicht benutzt werden konnten, so würden
nach Faber die Vorteile der Anwendung des absichtlich erzeugten
Kohlenoxydgases selbst dann noch sehr bedeutend sein, wenn auch
zur Erzeugung desselben ebensoviel Brennmaterial erforderlich sein
sollte, als bei dem unmittelbaren Verbrennen desselben auf dem Rost des
Flammofens, der gröſseren Reinheit und Heizkraft dieses Gases wegen.
Einen ausführlichen Bericht über den Weiſsofenbetrieb mit Gas,
wie ihn Faber du Faur zu Wasseralfingen und zu Neu-Joachimsthal
eingerichtet hatte, verdanken wir Delesse1). Fig. 189 (a. f. S.) zeigt
Beck, Geschichte des Eisens. 36
[562]Das Puddeln 1831 bis 1850.
die Anordnung, das Abfangen der Gase, die Zuleitung zu dem Weiſs-
ofen, Fig. 190 a, der bei den ursprünglichen Anlagen auf der Gicht
stand. Fig. 190 b stellt die bei dem Weiſsofen von Neu-Joachimsthal
angewendete Winderhitzung dar, wobei die Gasverbrennung mit
heiſsem Winde geschah. Die gepreſste heiſse Luft strömte durch
sieben Düsen aus. Die Verbrennung fand über der 0,80 m langen
Feuerbrücke in dem 13 cm hohen Kanal statt. Durch zwei Düsen
a.
b.
wurde die erhitzte Ge-
bläseluft auf das flüs-
sige Eisenbad geleitet
(vergl. Fig. 191).
Fig. 191 soll den
Weiſsofen von Wasser-
alfingen darstellen. Der
in der Esse stehende
Heizkasten für die Er-
hitzung des Windes
diente hier nur für
den Ofen selbst. Er
erwärmte den Wind
auf 300 bis 400°. Der
Raum unter dem Kasten
diente als Vorwärme-
raum, worin das Roh-
eisen zuvor erhitzt
wurde, ehe es in den
Schmelzofen kam.
Der Weiſsofen ver-
brauchte pro Minute
8 cbm Gas von 2 bis
4 cm Wasserdruck und
4,7 cbm heiſsen Wind. Das war weniger, als die vollständige Ver-
brennung der Hochofengase erforderte und dies muſste so sein, weil
sonst die Flamme oxydierend gewirkt hätte.
Über die Einzelheiten des Betriebes verweisen wir auf die Ab-
handlung von Delesse. Im Mittel gaben 103 Roheisen 100 Weiſs-
eisen. Der Verlust war also viel geringer als bei den englischen
Feinfeuern, wo er 8 bis 10 Proz. betrug. Dabei war das Wasser-
alfinger Roheisen sehr unrein. Das Produkt war von vorzüglicher
Güte. Ganz nach demselben Princip baute Pfort zu Veckerhagen
[563]Das Puddeln 1831 bis 1850.
einen Flammofen zum Feinen des Roheisens mittels Hochofengasen,
Fig. 192 1). Eck führte auf der Königshütte in Schlesien Gasraffinier-
öfen, Fig. 193 a u. b, für
graues Roheisen ein, wel-
che er mit Generator-
gasen betrieb 2).
Die chemische Ver-
änderung, welche das
Roheisen durch den Fein-
prozeſs erfährt, erklärt
Karsten dahin, daſs eine wesentliche Verminderung des Kohlen-
stoffes nicht eintrete, daſs derselbe nur in den gebundenen Zustand
übergeführt werde. Eine Verminderung des Schwefelgehaltes finde
ebenfalls nicht statt, sondern dieser erhöhe sich sogar bei dem eng-
a u. b.
lischen Feinprozeſs durch die Berührung des flüssigen Eisens mit den
Koks. Dagegen finde eine Verminderung des Silicium- und Phosphor-
gehaltes statt, das Mangan werde fast ganz im Feineisenfeuer abge-
schieden.
Thomas hat hierüber 1833 einen beachtenswerten Aufsatz ver-
36*
[564]Das Puddeln 1831 bis 1850.
öffentlicht 1). Auf Grund seiner zu Anfang der 30er Jahre in Decaze-
ville angestellten Untersuchungen über den englischen Feinprozeſs
schlug er einen Zuschlag von Eisenoxyd oder Braunstein mit Kalk vor.
Dadurch wollte er den Abbrand vermindern und eine bessere Ab-
scheidung des Schwefels bewirken.
Bei den Verbesserungen des Puddelofenbetriebes in diesem
Zeitabschnitte spielte die Anwendung neuer und billigerer Brennstoffe
die gröſste Rolle. Zwar waren die Steinkohlen entschieden das ge-
eignetste Brennmaterial für den Betrieb der Puddel- und Schweiſs-
öfen; wo diese aber fehlten, versuchte man es mit anderen Brenn-
materialien, mit Holz, Torf, Braunkohlen oder Gas.
Die Puddelöfen mit Holzfeuerung unterschieden sich von
denen mit Steinkohlenfeuerung nur durch das gröſsere Verhältnis des
Rostes zur Herdfläche und ein flacheres Gewölbe.
Das Puddeln mit Holz fand besonders in den holzreichen
Ländern Österreichs, namentlich in den österreichischen Alpenländern,
Eingang und zwar zuerst 1829 zu Frantschach in Kärnten. Später
machte sich Fürst Lobkowitz um die Einführung des Verfahrens
verdient. Er lieſs als Präsident der Kaiserl. Königl. Hofkammer für
Münz- und Bergwesen 1838 die Kaiserl. Hütte zu Neuberg als eine
Muster- und Versuchsanstalt bauen. Dieses Werk wurde dadurch die
praktische Schule für die Eisenindustriellen Österreichs. Die groſse
Stabeisenhütte wurde zwar ganz nach englischem Muster gebaut
und eingerichtet, aber von Anfang an war man auf eine möglichst
ausgedehnte Verwendung des Holzes bedacht. Die vom Hütten-
direktor Hampe errichteten gemauerten Holztrockenöfen haben wir
schon oben erwähnt und abgebildet (S. 469). Sie erfüllten voll-
ständig ihren Zweck, das Holz von seinem hygroskopischen Wasser
zu befreien, ohne es bis zur Zersetzung seiner flüssigen Bestandteile
zu erhitzen 2). Das Holz erhielt eine etwas rötliche Farbe, und
schwand ca. 10 Proz.
Die Puddelöfen für Holzfeuerung waren ganz wie die Steinkohlen-
öfen, nur waren die Herde kürzer und schmäler. Die drei zuerst er-
bauten Öfen hatten nur eine Herdsohle, der vierte aber eine doppelte,
wie Fig. 194 a u. b zeigt. Während ein einfacher Ofen sechs Mann zur
Bedienung erforderte, bedurfte der Doppelofen zehn Mann. Man hielt
[565]Das Puddeln 1831 bis 1850.
beim Betriebe den Rost 0,35 m hoch mit Holz bedeckt, und man
muſste fast ununterbrochen Holz nachwerfen. Der Einsatz betrug
200 kg Roheisen, welches in einem Heizraum am Fuſse der Esse etwas
vorgewärmt wurde. Die Arbeit verlief sonst wie beim Steinkohlen-
betrieb. Bei luckigem Floſs machte man in der 12stündigen Schicht
sechs bis acht, bei spiegeligem Floſs fünf bis sechs Operationen. Bei
den Doppelöfen wurde dasselbe Quantum in jeden Herd eingesetzt.
Die Produktionskosten für 100 kg betrugen bei dem einfachen Ofen
Mk. 15,85, bei dem Doppelofen Mk. 15,60. Auf der Hütte zu Unter-
lind im bayerischen Fichtelgebirge, wo man auch mit Holz puddelte,
war das Ergebnis weit weniger günstig, was zumeist an der minder
sorgfältigen Vorbereitung des Holzes lag. Auſser zu Unterlind, wo das
Holzpuddeln 1830 eingeführt worden war, wurde dieser Betrieb im
bayerischen Fichtelgebirge 1832 zu Bodenwöhr und Königshütte und
1835 zu Fichtelberg und
Weiherhammer eingeführt.
In Frankreich stellte
man auf den Hütten zu
Chatillon sur Seine und zu
Grans mit diesem Betriebe
Versuche an. Zu Chatillon
brauchte man für 1000 kg
Eisen 7,5 cbm lufttrockenes
Holz und hatte 15 Proz.
Abgang.
a u. b.
Der Schweiſsofenbetrieb geschah auf allen diesen Werken eben-
falls mit Holz.
Das Puddeln mit Torf gelang zuerst mit durchschlagendem Er-
folg zu Ichoux in dem Landes-Departement. Hiervon war zumeist
die vortreffliche Qualität des Torfes die Ursache; derselbe enthielt
27,60 Proz. Kohlenstoff und nur 3,8 Proz. Asche. Schon in den
Jahren 1824 bis 1829 war mit Erfolg dort gepuddelt worden, und
hatte Herr Alex von Lauchhammer darüber einen kurzen Bericht
geliefert. Einen ausführlichen Bericht verdanken wir Binneau1).
Man setzte 175 kg Roheisen von Pisos und Brocas auf eine Charge
ein, die in 2½ Stunden beendet war. In Bezug auf die Ofenkonstruk-
tion ist nur zu bemerken, daſs der Feuerraum selbstverständlich sehr
hoch war.
In Deutschland erzielte man besonders auf der königl. württem-
bergischen Hütte zu Königsbronn günstige Resultate mit Torfbetrieb 1).
Man verwendete dort unter der Direktion von Weberling den Torf
zum Umschmelzen des Roheisens im Gieſsereibetrieb, zum Weiſsmachen
desselben, zum Puddeln u. s. w. Der Torf wurde ähnlich wie das
Holz in gemauerten Trockenapparaten scharf getrocknet.
Der lufttrockene Torf mittlerer Güte hatte nach Berthiers Ana-
lyse folgende Zusammensetzung:
Das Profil des Puddelofens, der dem von Ichoux ähnlich war, ist
Fig. 195 dargestellt. Man verpuddelte darin 200 kg Weiſseisen in
2 Stunden. Aus 111 kg Roh-
eisen erhielt man 100 kg Lup-
peneisen mit einem Aufwand
von 518 Stück oder 151 kg
dichtem, getrocknetem Torf.
Das Torfpuddeln wurde
1841 zu Rottemann in Steier-
mark und 1844 zu Wasser-
alfingen eingeführt.
Mit Braunkohle erzielte
man nur in den österreichi-
schen Alpenländern und zwar zuerst auf der Eisenhütte zu Prevali in
Unterkärnten gute Erfolge beim Puddelbetrieb. Allerdings kommen die
dortigen Braunkohlen, wie auch die in Steiermark, an Güte fast den
Steinkohlen gleich. Trotzdem fing man erst 1823 an, die Kohlen bei
Prevali zu technischen Zwecken zu verwenden 2). Die Gebrüder von
Rosthorn waren es, die zuerst ihren Wert erkannten und die Schöpfer
einer neuen, groſsartigen Montanindustrie wurden. 1834 gründeten
sie eine Aktiengesellschaft zur Erbauung eines groſsen Puddelwerkes
mit neun Puddel- und acht Schweiſsöfen und zwei Walzenstraſsen.
1837 kam das ganze Werk wieder in den alleinigen Besitz der Gebrüder
von Rosthorn, die es vergröſserten und namentlich die Fabrikation
von Eisenbahnschienen aufnahmen. Nach mancherlei Versuchen und
[567]Das Puddeln 1831 bis 1850.
Erfahrungen führte man Ende der 30er Jahre Doppelöfen ein, bei
welchen mit doppeltem Einsatz (360 kg) und zwei Arbeitsthüren gear-
beitet wurde. Man verarbeitete das Löllinger mit heiſser Luft er-
blasene Roheisen mit einem Abbrand von 5 bis 6 Proz. und einem
Braunkohlenaufwand von 180 bis 200 Pfd. auf 100 Pfd. Luppen-
eisen.
Ebenso wurde in den mit Braunkohlen gefeuerten Schweiſsöfen
vollkommene Schweiſshitze erreicht, und das erzeugte Stab- und
Feineisen war von groſser Güte.
Die Erfolge zu Prevali gaben die Veranlassung zur Gründung
neuer Eisenwerke mit Braunkohlenbetrieb, worüber wir in der Ge-
schichte Österreichs weitere Mitteilungen machen werden.
Auſser in Österreich hatte man sich in Bayern um die Einführung
des Puddelns mit Braunkohlen bemüht und zwar bereits 1832 zu
Bodenwöhr und bald darauf zu Maximilianshütte bei Regensburg.
Wie bei den Weiſsöfen, so wendete man auch bei den Puddel-
öfen zuweilen künstliche Windzuführung (Oberwind) an. In Frank-
reich geschah dies zuerst zu Hayange 1840.
Faber du Faur gelang es zuerst, auch Puddel- und
Schweiſsöfen mit Hochofengasen zu betreiben. Diese Erfin-
dung erregte das gröſste Aufsehen, und man versprach sich davon
den gröſsten Erfolg, ja eine Umgestaltung der ganzen Stabeisenfabri-
kation, welche in der Folge in unmittelbarer Verbindung mit den
Hochöfen zu betreiben gewesen wäre.
Nur durch lange fortgesetzte Versuche konnte Faber zu der
glänzenden Lösung dieser für die damalige Zeit schwierigen Aufgabe
kommen. Sie gelang durch die glückliche Kombination der Wind-
erhitzung und einer sehr zweckmäſsigen Verbrennung. Die Art der
Luftzuführung war das neue und geistreiche dieser Erfindung. Wir
haben sie bereits bei den Weiſsöfen kennen gelernt.
Die Puddelöfen wichen nur wenig von diesen ab. Der zu Maria-
zell nach Faber du Faurs Entwurf erbaute stimmte mit dem in
Fig. 191 dargestellten Weiſsofen fast überein, er stand neben der
Gicht. Er hatte dieselben Dimensionen, wie die Holzpuddelöfen zu
Neuberg. Die Verbrennungseinrichtung war weniger gut wie zu
Wasseralfingen. Die Gase strömten aus einem cylindrischen Rohr,
welches von dem weiteren Windrohr centrisch umgeben war. Der
Wasseralfinger Puddelofen (Fig. 196 c) hatte dagegen die oben be-
schriebene Einrichtung mit den sieben Winddüsen. Nach demselben
Princip, aber in der Konstruktion der Gasverbrennung abweichend
[568]Das Puddeln 1831 bis 1850.
waren die Gaspuddelöfen, die Thomas und Laurens zu Treveray 1)
erbauten.
Der Betrieb der Gaspuddelöfen bot nichts besonderes. Man
wärmte die Roheisenstücke ½ bis 1 Stunde in dem unteren Raum der
Esse vor, setzte dann 150 kg auf einmal mit 13 bis 18 kg Hammerschlag
und gepochten Weiſseisenschlacken, zuweilen auch ½ bis ⅓ Proz.
Braunstein in den Ofen. Diese Quantität wurde bei der Verarbeitung
von grauem Roheisen in 2 bis 2½ Stunden, bei Weiſseisen in 1¾ bis
2 Stunden bis zur Gare durchgearbeitet. Im ersteren Falle hatte
das Gewölbe 43 cm, im zweiten nur 34 cm Höhe. Im Mittel gaben
104 Roheisen 100 Schmiedeeisen.
In Wasseralfingen wurden die Luppen in einem ganz nach dem-
selben Princip konstruierten Schweiſsofen (Fig. 196 a) angeheizt, dabei
ebenfalls erst in der Esse vorgewärmt, dann auf die Herdsohle
selbst gebracht und, wenn sie gehörig erweicht waren, mit Zangen
herausgenommen und unter einem gewöhnlichen 120 kg schweren
Hammer ausgeschmiedet. Wegen des kleinen Hammers betrug
hierbei der Verlust 13 Proz. Im allgemeinen gaben 121 Puddeleisen
100 fertiges Stabeisen.
Faber du Faurs Erfindung verbreitete sich rasch in Deutsch-
land, Frankreich und der Schweiz. Auf der Ludwigshütte in Hessen-
Darmstadt betrieb man mit den Gasen von zwei Holzkohlenhochöfen
drei Puddel- und Glühöfen. Auf der Hütte zu Albbruck betrieb man
mit den Gasen eines Hochofens einen Puddel- und einen Glühofen;
ebenso zu Belle-fontaine in der Schweiz, zu Treveray, Nouée, Crans
bei Annecy, Pont l’Evèque bei Vienne u. s. w. 2).
In England nahm Moses Poole am 26. Juni 1841 ein Patent
auf dieses Verfahren „nach eines Ausländers Mitteilung“ 3).
Die Anwendung der Hochofengase führte zur Erzeugung und Ver-
wendung der Generatorgase. Die Hochofengase hatten mancherlei
Nachteile. Traten Störungen im Hochofenbetriebe ein, so hatte man
entweder kein Gas oder zu wenig. Schon die regelmäſsigen Arbeiten
im Gestell und das Abstechen brachten Unterbrechungen im Betrieb
der Gasöfen hervor, die namentlich für den Puddelbetrieb sehr nach-
teilig sein konnten. Muſste der Hochofen auſser Betrieb gesetzt und
neu zugestellt werden, so lagen auch die Gaspuddelöfen kalt. Dieser
Umstand hatte schon Faber du Faur veranlaſst, besondere Gas-
erzeugungsöfen als Reserven zu errichten.
Auf der neu erbauten Mariahütte bei Zwickau setzte man 1843,
als der Hochofen ausgeblasen werden muſste, das Gaspuddeln mit
Generatorgasen fort. Dieses Verfahren bewährte sich so sehr, daſs
man bald dazu überging, Gaspuddelöfen unabhängig von den Hochöfen
zu bauen, welche ihr Gas nur aus besonderen Gaserzeugungsöfen er-
hielten. Die Generatorgase, welche eine gröſsere Heizkraft entwickelten,
erwiesen sich als viel wirkungsvoller zum Puddeln und Schweiſsen, als
die Hochofengase, und deshalb dauerte es gar nicht lange, daſs sie die
Verwendung letzterer zu diesem Zwecke ganz verdrängten. So geschah
es selbst zu Wasseralfingen. Dort war nach dem Wiederaufbau
des Wilhelmsofens und nach Herstellung eines Luppenwalzwerkes am
19. März 1843 wieder angefangen worden, mit Hochofengasen zu puddeln.
Den 23. März 1844 wurden die ersten Versuche mit einem Generator
für Holzkohlenklein (später für Torf) unternommen, dessen Gase
den Hochofengasen zugeführt wurden, wenn sich letztere infolge von
Betriebsstörungen beim Hochofen für den Gasbetrieb als unzureichend
erwiesen, nochmals aber auch allein verwendet wurden.
Das Ergebnis an Puddelluppen betrug
dagegen wurden vom 1. Juli 1844 bis 1. Januar 1845
an Puddelluppen erzeugt.
Fig. 197 (a. f. S.) zeigt den mit Hochofengasen betriebenen Puddel-
ofen der Ludwigshütte in Hessen-Darmstadt 1).
Zur Aufnahme des Gasofenbetriebes trugen die gründlichen Ver-
suche des Hütteninspektors Eck zu Königshütte 1843 wesentlich
bei 1). Sie bezogen sich allerdings nur auf das Raffinieren oder
Weiſsen des Eisens im Flammofen, nicht aber auf das Puddeln. Er
empfahl seine Öfen, die in Weddings Eisenhüttenkunde III, Fig. 5 bis 7
abgebildet sind, auch als Schweiſsöfen.
Das gröſste Verdienst um die Einführung des Puddel- und
Schweiſsbetriebes mit Generatorgasen hat sich aber C. v. Scheuchen-
stuel in Österreich erworben, der diesen Betrieb 1842 zu St. Stephan
in Steiermark einführte 2). Fig. 198 stellt den vollständigen Apparat,
[571]Das Puddeln 1831 bis 1850.
bestehend aus dem Gasgenerator a, dem Gasreiniger b, dem Puddel-
ofen c und dem Winderhitzungsapparat d, dar. Fig. 199 giebt den
Horizontalschnitt des Puddelofens, woraus die Windzuführung und
Winderhitzung deutlicher zu ersehen ist.
Die Versuche mit diesem Apparate, der noch ganz nach Faber
du Faurs Grundsätzen gebaut war, gelangen vollständig. Es wurde
dadurch der Beweis erbracht, daſs man mit dem aus roher Braun-
kohlenlösche vom Frohnsdorfer Flötz gewonnenen Gas genügende Hitze
für den Puddelbetrieb erzeugen konnte. Später änderte man die
Gaserzeugung in der Weise ab, daſs man drei kleinere Generatoren
zusammen arbeiten lieſs. — Die Versuche, einen Puddelofen in einen
Gasschweiſsofen umzugestalten und als solchen zu verwenden, fielen
gelegentlich eines Besuches des Grafen von Thurn mit einer Anzahl
Eisengewerken und Beamten am 7. April 1843 so vorzüglich aus, daſs
mehrere der Gewerken sofort beschlossen, solche Gasschweiſsöfen ein-
zurichten.
In Preuſsen beschäftigte sich der Hüttenmeister Bischof zu
Mägdesprung am Harz mit groſsem Erfolge mit dem Gasofenbetrieb.
Er legte 1843 auf dem Gräfl. Einsiedelschen Werke Lauchhammer
und auf der Königl. Eisenspalterei zu Neustadt-Eberswalde unweit
Berlin Gaspuddelöfen, welche mit Torfgas geheizt wurden, an. Das
Gas brauchte im Verhältnis zum Hochofengas mehr Luft zu seiner
Verbrennung, weil es weit mehr (bis 15 Proz.) Kohlenwasserstoffgas
enthielt.
Bischof giebt an, daſs die weiſsglühende Kohlensäure die un-
schätzbare Eigenschaft habe, unter Bildung von Kohlenoxydgas die
Beimengungen des Roheisens zu oxydieren. Es geschehe dies nicht
so energisch als durch den freien Sauerstoff, aber unter Vermeidung
des Verlustes. Natürlich dürften die Verbrennungsgase keinen freien
Sauerstoff enthalten. Ein Überschuſs von Gas sei aber auch nach-
teilig, weil er die Gare verzögere und sogar reduzierend auf die
garenden Zuschläge wirke.
Bischof giebt an, daſs man mit seiner Gaspuddelmethode selbst
aus fehlerhaftem Eisen bestes Produkt bei günstigstem Ausbringen er-
halte. Fig. 200 (a. f. S.) zeigt die von Bischof angewendete Konstruktion,
wobei a der Gasgenerator, c der Puddelofen und b der Winderhitzungs-
apparat ist.
Das Einsetzen von 3½ Ctr. von Sand befreitem, im Wärmofen
vorgewärmtem Roheisen auf einem Garschlackenherd auf eisernem
Boden dauerte ¼ Stunde. Das Einschmelzen nahm ½ Stunde in
[572]Das Puddeln 1831 bis 1850.
Anspruch; die Rohschlackenabsonderung unter fleiſsigem Umrühren
mit Rührhaken ½ Stunde und das Garen, wobei nur die Brechstange
angewendet wurde, ebenfalls ½ Stunde; hierauf folgte das Luppen-
machen ½ Stunde, so daſs der ganze Prozeſs mit dem Zängen
2¼ Stunden in Anspruch nahm. Der Torfverbrauch betrug zu Lauch-
hammer bei richtigem Betriebe 150 Stück in der Stunde.
Die guten Erfolge der Ver-
suche zu St. Stephan hatten
die Einführung des Gaspuddel-
und Schweiſsofenbetriebes zu
Mautern in Steiermark und zu Lipitzbach in Kärnten zur Folge. Die
Hütte zu Mautern gehörte dem Ritter von Friedau. Hier kam der
erste Gasschweiſsofen 1843 durch Cajetan Fohn in ständigen Betrieb.
Zwei Gasgeneratoren von länglich-viereckigem Querschnitt im gemein-
schaftlichen Mauerwerk lieferten die Gase. Der Winderhitzungsapparat
entsprach mehr dem Heizkasten zu Wasseralfingen; sonst war die
Anordnung ziemlich ähnlich wie zu St. Stephan. Der Ofen diente zum
Ausheizen der Blechflammen (Platinen), welche unter dem Hammer
ausgereckt wurden. Auf 100 fertige Flammen wurden 120 bis 121
Puddlingsmasseln und 130 bis 150 Kohlenklein verbraucht.
Den Gaspuddelofen zu Mautern 1), Fig. 201, 202, 203, hatte man
später wieder eingehen lassen, angeblich deshalb, weil es an Kohlenklein
mangelte und man dasselbe vorteilhafter am Schweiſsofen verwendete,
doch hatte sich auch der Flugstaub des Kohlenkleins für den Betrieb
des Puddelofens als nachteilig gezeigt. Die Konstruktion des Ofens
ist beachtenswert, weil hier der Gasgenerator mit dem Puddelofen in
einem gemeinschaftlichen Mauerwerk stand und die Winderhitzung
mit der Luftkühlung des eisernen Herdes verbunden war.
1845 wurden zu Lippitzbach durch den Verweser W. Baildon ein
Gaspuddelofen und ein Gasschweiſsofen erbaut und in Betrieb gesetzt.
[573]Das Puddeln 1831 bis 1850.
Der Puddelofen war ein Doppelofen und der Gasgenerator von dem
Herde nur durch eine 2 Fuſs breite Feuerbrücke getrennt, unter
demselben befand sich ein Rost. Der Aschenfall wurde mit einer
Thür geschlossen, welche mit Öff-
nungen zur Regulierung des Zuges
versehen war. Der Wind zur Ver-
brennung der Gase wurde mittels
eines Wassertrommelgebläses er-
zeugt und ähnlich wie zu Mautern
um die Wände des Puddelofens
geführt. Der Wind wurde nur auf
etwa 150° R. erhitzt und strömte
am Ende der Feuerbrücke durch
einen Schlitz in den Verbrennungs-
raum. Hinter dem Fuchs war ein Herd zum Vorwärmen der Flossen
angebracht. Das Brennmaterial für den Gasgenerator war gedörrtes
Scheitholz. Der Holzverbrauch betrug 3,73 Kbfſs. auf den Centner
[574]Das Puddeln 1831 bis 1850.
Puddel-Wallas (Kolben von 1½ Zoll im Quadrat); der Abgang
4 Proz., die Jahresproduktion 18000 bis 20000 Ctr.
Der Gasschweiſsofen, der ganz ähnlich konstruiert war, verarbeitete
jährlich 10000 Ctr. Puddel-Wallas und verbrauchte 7,68 Kbfſs. Holz
auf den Centner fertiges Walzeisen. Im Vergleich mit dem gewöhn-
lichen Flammenfrischen und Schweiſsen betrug der Holzverbrauch
beim Gasfrischen 11,41 gegen 21 Kbfſs. Noch viel gröſser war die
Ersparnis im Vergleich mit dem früheren Frischverfahren. Der Gas-
betrieb ergab eine Holzersparnis von 50 bis 60 Proz., einen etwas
geringeren Eisenabgang und eine um 25 Proz. höhere Produktion.
Der Grund hierfür lag in der vollkommeneren Verbrennung des Heiz-
materials und daran, daſs man die Flamme mehr nach dem Herd zu
lenken und besser regulieren konnte.
Seit 1843 etwa beschäftigte sich auch der Hüttendirektor Thoma
auf den Hüttenwerken zu Liwenskoi Sawod im Ural, die der Fürstin
von Butera-Radali gehörten, mit dem Gasofenbetrieb, und gelang
es ihm bis Ende der 40er Jahre, die Fabrikation auf 50000 Ctr. Eisen
zu bringen, wobei er den früheren Bedarf an Holz von 46000 Klftr.
auf 18000 Klftr. herabgemindert hatte 1). Er wendete Generatoren
mit Rosten und mit Düsen und künstlichem Wind und Holz, für
die Vergasung Torf, Braunkohle und Steinkohle an. Im übrigen
müssen wir auf die ausführliche Abhandlung verweisen.
Torfgase benutzte man auch im Württembergischen mit Erfolg,
ebenso Holzkohlenklein zu Wasseralfingen und Tiergarten. Ferner
versuchte man in Bodenwöhr und Hammerau den Gasbetrieb mit
Kohlenlösche. Zu Bergen bediente man sich eines solchen Ofens zum
Ausglühen des Materialeisens. Ebenso wurden zu Audincourt und
Bourguignon mit derartigem Gas Schweiſs- und Blechglühöfen mit
Nutzen geheizt.
In Frankreich erwarb sich auſser Thomas und Laurens be-
sonders B. Frèrejean auf der Hütte zu Crans bei Annecy in Sa-
voyen Verdienste um den Gaspuddelbetrieb. 1842 hatte er bereits
einen Puddelofen mit Hochofengasen geheizt, daneben betrieb er einen
anderen Gas-Puddelofen mit einem Gemenge von Torf und Stein-
kohlenklein, in welches er 0,20 bis 0,25 m über dem Rost Wind durch
zwei Wasserformen einblies. Zur Vermeidung von Gasverlust durch
den Aschenkasten lieſs man die Roststäbe durch Asche und Cinders sich
ganz verstopfen. Man hatte also den Feuerungsraum in einen Gas-
[575]Das Puddeln 1831 bis 1850.
generator umgewandelt. Dieser Ofen arbeitete vorteilhaft und blieb
drei Jahre in Betrieb. Sein Hauptnachteil war, daſs der Puddler das
Feuer nicht so nach Belieben regulieren konnte, wie er es bei der
Rostfeuerung gewöhnt war. Man änderte deshalb später den Betrieb
dahin ab, daſs man die Puddelöfen mit Hochofengasen, den Schweiſs-
ofen mit Torfgasen aus einem besonderen Generator heizte.
Im Aostathal in Piemont wendete man 1848 Anthracit, der bis
25 Proz. Asche enthielt, zur Gaserzeugung in einem Generator an
und benutzte die Gase sowohl zum Puddeln als zum Schweiſsen.
Es war natür-
lich, daſs man da-
nach strebte, bei dem
Gasbetrieb mög-
lichst geringwerti-
ges Brennmaterial
zu verwenden und
zu verwerten. Bis
zu einem gewissen
Grade erreichte man
auch diesen Zweck.
Es war aber ein Irr-
tum zu glauben, daſs
man aus schlech-
tem Material ebenso
gute Gase erzeu-
gen könne, wie aus
gutem.
Oberwind wendete man nicht bloſs bei Gasflammöfen, sondern
auch bei Rostfeuerungen an, wie z. B. bei den Doublierschweiſsöfen
von Frantschach, Fig. 204, wo man 1845 Unterwind A und Ober-
wind B anwendete.
Auf den Bau der Puddelöfen hatte die Anwendung verschieden-
artiger Brennmaterialien, namentlich aber der Gasbetrieb groſsen Ein-
fluſs, wie wir bereits an Beispielen gesehen haben. Soweit dies die
Feuerung betrifft, begnügen wir uns mit dem Vorgetragenen und
erwähnen nur noch den sogenannten Pultrost, welcher zuerst auf
der bayerischen Eisenhütte zu Hammerau in Anwendung gebracht
wurde 1). Es war dies im Grunde genommen eine vereinfachte Gas-
[576]Das Puddeln 1831 bis 1850.
feuerung ohne Rost und ohne künstlichen Wind. Dagegen befand
sich an Stelle der Rostfeuerung ein schachtförmiger Raum A, Fig. 205,
der unten bis zur Höhe von 6 bis 12 Zoll unter der Feuerbrücke mit
Kohlenlösche gefüllt, nach oben aber offen war. Oben, etwa
1 Fuſs unter dem Rande, hatte dieser Schacht an den beiden kürzeren
Seiten einen Absatz, so daſs der obere Teil um je einen Zoll breiter
war als der untere. Dieser Aufsatz diente zur Auflagerung der Holz-
scheite, welche dadurch einen Rost bildeten, der sich aber oberhalb
der Feuerbrücke befand. Die Verbrennung erfolgte von oben nach
unten. Die halbverbrannten Scheite fielen auf den Löscheboden, wo
sie vollständig verbrannten. Das Aufgeben neuer Scheite geschah
bequem von oben mit der Hand, da der starke Zug der Esse Flamme
und Luft nach unten drückte. Diese Pultfeuerung war natürlich nur
für Holzscheite anwendbar, hierfür bot sie aber vor der gewöhn-
lichen Rostfeuerung entschiedene Vorzüge dar.
Eine andere Neuerung, welche den Bau der Puddelöfen beein-
fluſste, waren die Vorglühherde, die man namentlich gern bei
Holzfeuerung und Gasöfen anbrachte und überhaupt da, wo Brenn-
materialersparnis eine wichtige Rolle spielte. Wir haben gesehen,
daſs man sich namentlich in Österreich vielfach damit begnügte, den
unteren Raum der Esse selbst als Vorwärmeraum zu benutzen. Besser
war es aber, besondere Vorglühherde zwischen Esse und Puddelofen
anzubringen; dadurch entstanden die Öfen mit doppelten Her-
den1). Bei diesen diente der Herd an der Feuerbrücke zum Pud-
deln, der an der Esse zum Glühen des Roheisens.
Diese Öfen sind also zu unterscheiden von dem oben erwähnten
doppelten Ofen zu Neuberg, bei dem zwei Puddelherde hinterein-
ander lagen. Schon um 1830 hatte man zu Chatillon bei Paris
Puddelöfen mit zwei Herden; auf dem einen wurde das Roheisen
[577]Das Puddeln 1831 bis 1850.
gefeint, auf dem anderen wurde das Feineisen gefrischt. Man machte
damals ein Geheimnis aus ihrer Konstruktion.
Eng verwandt damit waren die französischen Doppelöfen mit
zwei Einsatzthüren auf derselben Seite. Bei diesen war das Gewölbe
in der Mitte zwischen den beiden Arbeitsthüren niedergezogen, der
Herd bildete aber eine lange, nur durch eine niedrige Brücke ge-
trennte Fläche. Dagegen wurden beide Hälften des Herdes selbst-
ständig, wenn auch gleichzeitig besetzt und in beiden gleichzeitig
gepuddelt. Der Nachteil dieser Öfen war der, daſs der vordere Ofen
an der Feuerbrücke in der Regel früher fertig war und dann auf den
zweiten warten muſste, was den Abbrand unnütz vermehrte, ohne eine
entsprechende Brennmaterialersparnis zu gewähren. Deshalb gab man
diese Öfen schon in den 30er Jahren wieder auf. Auch die Doppel-
öfen mit zwei gegenüberliegenden Arbeitsthüren hatten sich nicht
bewährt (Karsten, §. 974).
Das dritte wichtige Moment bei dem Bau der Puddelöfen war
die Verbindung mit der Esse. Ursprünglich gab man jedem Puddel-
ofen seine eigene Esse. Später aber zog man es vor, zwei mit der
Rückwand zusammengebaute Öfen in eine entsprechend gröſsere Esse
einmünden zu lassen. Auſserdem wendete man in groſsen Walzwerken
gemeinschaftliche Essen für eine gröſsere Anzahl Öfen an. Nach
Valerius kann eine Esse von 4 engl. Fuſs Weite und 120 Fuſs Höhe
höchstens für 12 Puddel- oder 8 Schweiſsöfen dienen.
Statt der Esse brachte man die Anwendung von Gebläsen in
Vorschlag, indem man entweder gepreſste Luft unter den ganz ge-
schlossenen Aschenfall leitete, also, wie man sagte, mit Unterwind
arbeitete, oder Ventilatoren als Exhaustoren verwendete und damit
die glühenden Gase, nachdem sie im Ofen ihre Dienste gethan hatten,
absaugte. Beide Vorschläge waren bis 1840 nicht über das Versuchs-
stadium hinausgekommen. Versuche, die man zu Veckerhagen damit
anstellte, wurden wieder aufgegeben.
Eine andere sehr wichtige Neuerung, die in dieser Periode gröſsere
Verbreitung fand, war die Benutzung der von den Schweiſs- und
Puddelöfen entweichenden Flamme zur Dampferzeugung. Das Ver-
fahren war (s. S. 270) schon früher in England angewendet worden,
aber es fand auf dem Kontinent, wo man weit mehr jede mögliche
Brennmaterialersparnis benutzen muſste, viel allgemeinere Verbreitung.
Dies war zuerst in Frankreich und Belgien der Fall. Man hoffte, die
Kraft, welche für den Betrieb der Walzwerke bei den Flammfrisch-
hütten nötig war, durch die Dampferzeugung mit der Überhitze der
Beck, Geschichte des Eisens. 37
[578]Das Puddeln 1831 bis 1850.
Puddelöfen zu erhalten. Flachat hat sich um diese Frage bemüht
und die Einrichtung auf der Hütte zu Abbainville beschrieben 1).
Die angewendeten Dampfkessel waren liegende Cylinderkessel
mit je zwei Siederöhren. Nach Flachats Aufstellung verbrannte
man in einem Puddelofen in der Stunde 80 kg, in einem Schweiſsofen
106 kg Steinkohlen. Unter der Annahme, daſs eine Maschine von
mittlerem Druck mit Kondensation und ohne Expansion in der Stunde
und für die Pferdekraft 4 kg Steinkohlen erfordert, erzeugte also ein
Puddelofen theoretisch 20 und ein Schweiſsofen 27 Pferdekräfte. Diese
Kraft konnte noch beträchtlich gesteigert werden durch Benutzung
der Expansion des Dampfes bei den Maschinen. Hierüber stellte
Flachat Versuche an, welche in der angeführten Abhandlung be-
schrieben sind. Es ergab sich daraus, daſs mit Expansion die Kraft
des Dampfes vollständig hinreiche, das Walzwerk zu betreiben.
Seit der Mitte der 30er Jahre bediente man sich denn auch in
Belgien zu Couillet und zu Marchienne-au-Pont bei Charleroi bereits
dieser „Kesselöfen“. Die Dampfkesselanlage zu Couillet entsprach
genau der oben erwähnten, schon in den 20er Jahren in Staffordshire
üblichen. Vier Flammöfen waren mit einem stehenden Kessel mit
innerem Feuerraum verbunden. Die Verbrennungsgase wurden von
groſsen Sammelessen abgeführt.
Die Öfen mit Kessel und Esse wurden hauptsächlich in Frank-
reich angewendet, und haben auſser Flachat, Thomas und Laurent,
Grouvelle u. A. Einrichtungen derselben bekannt gemacht 2).
Fig. 206 stellt das System von Grouvelle dar, wie es in der
Hütte zu Sionne im Vogesendepartement ausgeführt worden war.
Jeder Flammofen hatte seinen eigenen einfachen Cylinderkessel mit
[579]Das Puddeln 1831 bis 1850.
zwei Siederöhren und der Kesselofen lag in derselben Höhe. Je zwei
Kesselöfen hatten eine gemeinschaftliche Esse. Grouvelle schlug
für den Fall, daſs es an Platz mangele, vor, die Dampfkessel über
die Flammöfen zu legen 1).
Bei der Anlage des neuen Puddelwerkes zu Seraing Ende der
40er Jahre verband man immer je zwei Puddelöfen mit einem ein-
fachen Walzenkessel ohne Siederöhren, legte aber
die Dampfkessel (Fig. 207 u. 208) unter die Hütten-
sohle. Die Resultate waren sehr günstig. Während
es bei Schweiſsöfen als Regel galt, daſs 100 kg
Brennmaterial, sowohl Steinkohlen als Holzkohlen,
290 kg Eisen schweiſswarm machten, machten die
neuen Schienenschweiſsöfen mit Dampfkessel 303 kg Eisen schweiſs-
warm und 100 kg Brennmaterial verdampften 311 kg Wasser. Auf
1 qm Heizoberfläche wurden in der Stunde 36,4 kg Wasser verdampft.
In 12 Stunden schweiſste man 654 kg mehr als in gewöhnlichen
Schweiſsöfen 2).
Von Verbesserungen am Puddelofen selbst erwähnen wir die
37*
[580]Das Puddeln 1831 bis 1850.
schon mehrfach berührte Kühlung durch Luft oder Wasser. Schon
in früherer Zeit hatte man die Feuerbrücke und den Fuchs öfter
dadurch zu schützen gesucht, daſs man ihn hohl machte, indem man
ein viereckiges hohles Eisen einmauerte, durch welches die Luft
durchstreichen konnte, Fig. 209. In der Folge führte man diesen Luft-
kanal um den ganzen Herd
des Puddelofens herum.
Am 7. Dezember 1832 nah-
men Daniel und Georg
Horton ein Patent (6299)
hierauf und zwar sowohl für Luft- als für Wasserkühlung. Diese
Puddelöfen nannte man „Luftöfen“ im Gegensatz zu den älteren mas-
siven Öfen. Öfen dieser Art waren auch die „Kochöfen“ (bouilleurs)
zu Creusot und Alais, welche in Fig. 210 u. 211 dargestellt sind 1). Die
Luftöfen fanden namentlich in Belgien Eingang und verdrängten nach
u. 211.
und nach die massiven Öfen. So hatte man 1843 in der Gegend
von Charleroi nur Luftöfen, auch im Bezirk von Lüttich, z. B. zu
Ougré und zu Lüttich hatten sie die massiven Öfen bereits verdrängt,
doch hielt man zu Seraing noch an letzteren fest. Man sparte bei
den Luftöfen Ziegelsteine und hatte weniger Reparatur. Allerdings
[581]Das Puddeln 1831 bis 1850.
brauchten sie auch durch die stärkere Abkühlung mehr Brenn-
material.
In Deutschland hatte man, anstatt Luft um den Herd cirkulieren
zu lassen, versucht, die Ofenwände mit Wasser, welches durch den
hohlen Herdkranz cirkulierte, zu kühlen. Die Öfen wurden auf dieselbe
Weise wie die Luftöfen konstruiert, nur daſs die Luftplatten auf der
nach dem Luftstrom zugekehrten Seite eine Röhre angegossen hatten,
durch welche ein Wasserstrahl flieſsen konnte. Dieses Rohr war \frac{5}{4} engl.
Zoll weit. Auſserdem setzte man den Kanal nicht, wie bei den Luft-
öfen, aus sechs Platten zusammen, sondern man nahm einen im ganzen
gegossenen Kranz als Umgebung des Herdes, weil Dichtigkeit des
Wasserkanals ein Haupterfordernis war.
Im Jahre 1836 waren solche Puddelöfen zu Nachrodt und zu
Oberhausen im Betrieb. Man machte ihnen den Vorwurf, daſs der
Kanal leicht zerspringen und das Wasser dann in den Herd dringen
könne. Allein das Wasser lieſs sich leicht abstellen, und funktionierte
dann der Ofen immer noch als Luftofen.
Die wichtigste Verbesserung im Arbeitsraume des Puddelofens war
die Ersetzung der alten Sandherde durch Schlackenherde, welche
Joseph Hall auf dem Eisenwerk von Bloomfield bei Tipton in
Staffordshire um 1840 zuerst einführte und die sich rasch sowohl in
England als auch auf dem Kontinent ausbreitete und eine vollständige
Umwälzung im Puddelbetrieb herbeiführte.
Um durch Zuführung von kalter Luft unter den Rost den Zug
zu verstärken, führte man unter den Feuerungen der Puddel- und
Schweiſsöfen einen geräumigen Kanal durch, der mit der äuſseren
Luft kommunizierte.
Daſs man den Schweiſsöfen für verschiedene Eisensorten ver-
schiedene entsprechende Formen und Gröſsen gab, bedarf hier nur
der Erwähnung. Hinsichtlich des Ausschweiſsens der Draht- und
Blechflammen haben wir dies schon früher kennen gelernt.
In einigen Gegenden Belgiens, hauptsächlich in der Provinz
Lüttich, und in Frankreich wendete man zum Wärmen des Eisens,
besonders der Bleche, eigentümliche, als fours dormants bekannte
Öfen an. Sie hatten groſse Ähnlichkeit mit Backöfen, nur daſs die
Herdsohle durch einen Rost ersetzt war, der sehr groſs und mit
einem niedrigen Gewölbe bedeckt war. Die auſserhalb des Ofens
über der Arbeitsthür liegende Esse gestattete das Ausströmen der
Flammen und des Rauches, ohne einen Zug zu veranlassen. Sie hatten
nur eine Thür, welche zu gleicher Zeit zum Feuern oder Schüren,
[582]Das Puddeln 1831 bis 1850.
sowie zum Einsetzen und Herausnehmen des Eisens und zum Ab-
ziehen der Flammen und des Rauches diente. Das Eisen wurde auf
die Steinkohlen gelegt, welche den Rost bedeckten. Es waren dies
ziemlich dieselben Öfen, die schon Swedenborg 1734 bei dem
Schneid- und Walzwerk abgebildet hat. Fig. 212 stellt einen solchen
four dormant dar.
Der Betrieb der Puddelöfen gestaltete sich verschiedenartig,
je nachdem man Feineisen oder Roheisen schmolz, oder je nachdem
man weiches oder hartes Eisen erzeugen wollte, sowie nach der Natur
des Roheisens und des Brennmaterials überhaupt.
Bei der alten Methode des Wasserpuddelns setzte man das
Roheisen ohne Schlacke ein, steigerte die Hitze nur langsam und wen-
dete und zerbrach
das Eisen, sobald
es anfing, rotglü-
hend zu werden.
Durch Brechen
und Schlagen zer-
kleinerte man es in
nuſsgroſse Stücke.
Sobald die Hitze
sich so steigerte,
daſs das Eisen zu
schmelzen begann,
lieſs man das Re-
gister nieder und
goſs Wasser auf die
heiſsen Stücke. Dann fuhr man mit dem Aufbrechen und Durcharbeiten
fort, indem man zur Beschleunigung der Gare Feilspäne und Hammer-
schlag einwarf. War die ganze Masse in Stückchen zerbrochen, so
öffnete man das Register ein wenig und rührte bei stärkerer Hitze
um, indem man immer darauf achtete, daſs das Eisen nicht in Fluſs
kam. Das Eisen garte unter steigender Hitze. Die Entkohlung wurde
hierbei groſsenteils durch Glühfrischen bewirkt. Bei diesem Verfahren
wendete man stets die alten massiven Öfen an. Meist wurde gefeintes
Eisen verarbeitet.
Ein abgeändertes Verfahren des Wasserpuddelns bestand darin,
daſs man gleich anfangs starke Hitze gab und die ganze Charge
rasch zum Schmelzen brachte. Sobald das Eisen aber flüssig war,
lieſs man das Register nieder und goſs viel Wasser nach und nach
[583]Das Puddeln 1831 bis 1850.
auf den Herd. Das erkaltende Eisen zerkleinerte man dann, wie oben
beschrieben, und brachte es zur Gare. Die Wassermenge, die man
eingoſs, betrug 20 Liter für ein Frischen. Von weiſsem Eisen machte
man fünf, von grauem vier Frischen in 12 Stunden.
Ganz anders verlief das Puddeln auf den Schlackenherden. J. Hall
ersetzte, wie erwähnt, um 1840 zuerst den Sand auf der eisernen Boden-
platte durch Schlacke. Er verbesserte auſserdem den eisernen Herd-
boden selbst und setzte die Ränder des Herdes mit gerösteter Schweiſs-
schlacke (roasted tap-cinder — „ausgesaigerter Dörnerschlacke“ nach
Wedding), welche die vulgäre Bezeichnung bull-dog erhielt, aus. Das
Puddeln auf diesen Herden hieſs Schlackenpuddeln, in England
pigboiling, oder auch nasses oder fettes Puddeln (wet puddling) im
Gegensatz zu dem trockenen (dry) Puddeln auf dem Sandherd. Als
Kochpuddeln bezeichnete man dieses Verfahren, weil bei der Be-
rührung des flüssigen Eisens mit der eisenoxydhaltigen Schlacke des
Bodens sich Kohlenoxydgas entwickelte, welches ein Aufkochen er-
zeugte.
Das Schlackenpuddeln oder Kochfrischen (affinage par bouille-
ment) verlief durchaus verschieden von dem Trockenpuddeln. Man
unterschied zwei Methoden. Bei der einen setzte man mit der Charge
von ca. 200 kg sogleich 50 Proz. garende Zuschläge ein und schmolz
bei starker Hitze und offenem Register, aber gut verschlossener Thür,
ein. Sobald das Eisen flüssig und von Schlacke bedeckt war, begann
man es kräftig mit Krücken durch die Öffnung in der Thür durch-
zurühren. Es fing an sich aufzublähen, und das Kochen wurde so leb-
haft, daſs der Herd, der vorher leer zu sein schien, bis zum Rande
gefüllt wurde und ein Überlaufen durch die Thür zuweilen nicht zu
verhindern war. Das Eisen wurde dicker, erst breiartig, dann teigig,
die Schlacken sonderten sich ab und sanken nieder, die Gare trat ein.
Der Arbeiter brach nun mit der Brechstange die Masse vom Boden
her radial durch, teilte sie in vier bis sechs Teile, von denen jeder
eine Luppe gab, welcher er durch Drücken, Aufheben und Umwenden
eine kugelige Gestalt gab. Ein anderes Verfahren bestand beim
Luppenmachen darin, anstatt die Masse zu teilen, gleich eine kleine
Luppe zu formen und dieser durch Umrollen in der Eisenmasse,
ähnlich wie einen groſsen Schneeball im Winter, die gewünschte
Gröſse zu geben. Erst wenn die Luppen fertig waren und heraus-
genommen werden sollten, wurde die Arbeitsthür geöffnet.
Während man bei der eben beschriebenen Methode das Register
stets offen lieſs und fortwährend bei groſser Hitze arbeitete, verfuhr
[584]Das Puddeln 1831 bis 1850.
man bei der zweiten Methode in anderer Weise. Statt 50 Proz. wur-
den nur 25 Proz. Garschlacke und Hammerschlag eingesetzt. Das
Einschmelzen begann bei offenem Register, sobald das Eisen aber
anfing, flüssig zu werden, lieſs man das Register nieder und rührte
um, bis das Eisen von Schlacken bedeckt war. Alsdann öffnete man
das Register und rührte bei steigender Hitze kräftiger. Die Koch-
periode begann und der Prozeſs wurde in derselben Weise, wie oben
beschrieben, zu Ende geführt. Auf das richtige Einschüren des Brenn-
materials kam natürlich viel an; während des Luppenmachens durfte
nicht geschürt werden.
Man machte auf diese Art in 12 Stunden mit weiſsem Roheisen
sechs, mit grauem fünf und mit Feineisen acht Chargen; bei dem
zuvor beschriebenen Verfahren mit fortwährend geöffnetem Register
machte man in 24 Stunden eine Charge mehr. Bei dem letztbeschriebe-
nen Verfahren erhielt man aber besseres Eisen. Zu 100 Tln. Roh-
schienen brauchte man 100 Tle. Steinkohle, der Eisenabgang betrug
8 Proz.
Bei dem Schlackenpuddeln wendete man mit Vorliebe den mit
Luft oder Wasser gekühlten Ofen an. Diese Öfen hatten eine be-
sondere Fuchsbrücke, welche verhinderte, daſs das flüssige Metall in
die Esse lief.
Das Kochfrischen verbreitete sich rasch von England nach Bel-
gien (Seraing), Frankreich und Deutschland (Königshütte 1843).
Man hat öfter versucht, Brennmaterialersparnis dadurch zu er-
zielen, daſs man das Roheisen in flüssiger Form direkt aus dem Hoch-
ofen in die Puddelöfen leitete oder schöpfte. Für dieses Verfahren
nahmen G. und J. Jones, J. Foster und J. Baker 1832 ein
Patent (Nr. 6300). Denselben Zweck verfolgte das Patent von J. J.
Guest vom 31. Januar 1833 (Nr. 6379). Th. W. Baker wollte das
Eisen aus einem Feineisenfeuer flüssig in den Puddelofen leiten (1841,
Nr. 8855). L. Powell und R. Ellis nahmen in demselben Jahre
ein Patent, das Roheisen aus dem Hochofen direkt in den Kochofen
zu leiten, zugleich aber auch zur Beförderung des Puddelprozesses
während der Kochperiode Gebläsewind durch eine Düse nahe der
Arbeitsthür auf das Metallbad zu leiten. Ebenso schlug Thorny-
croft 1843 vor, Wind durch die hohle Feuerbrücke in die Puddel-
und Schweiſsöfen zu leiten.
Um die Verbesserung des Puddelns hat sich Professor Schafhäutl
besonders bemüht und dasselbe durch mechanische und chemische
Hülfsmittel zu erleichtern gesucht. Es ist eine bekannte Sache, daſs die
[585]Das Puddeln 1831 bis 1850.
Arbeit des Puddelns eine der anstrengendsten und angreifendsten ist,
die in der Eisenindustrie vorkommen. Da nun gerade der mühevollste
Teil derselben, das Rühren mit der Krücke, eine ziemlich einfache und
gleichmäſsige Bewegung ist, so kam Schafhäutl auf den Gedanken,
dasselbe durch Maschinenkraft ausführen zu lassen. Er konstruierte
deshalb einen mechanischen Puddler, bei welchem die Rührkrücke
durch einen von einer Kraftmaschine getriebenen Hebelmechanismus
hin und her bewegt wurde. Schafhäutl nahm dafür am 13. Dezem-
ber 1836 in England ein Patent, und in England auf dem Tividale-
Eisenwerk bei Dudley wurde dieser erste mechanische Puddler auch
zuerst in Betrieb genommen. Er sollte nicht nur das Rühren, son-
dern auch das Aufbrechen vor dem Luppenmachen besorgen. Des-
halb war er so eingerichtet, daſs man ihn durch einen Tritt mit dem
Fuſse aufheben konnte, so daſs er nur beim Hingang, nicht aber
beim Rückgang in das Eisenbad eintauchte. So konnte er selbst beim
Luppenmachen mitwirken, dadurch, daſs er das Eisen in cylindrische
Stücke zusammenrollte, denen dann ein Arbeiter mit der Brechstange
die Kugelgestalt gab. Schafhäutls Puddler fand aber keine Ver-
breitung, weil er zu kostspielig war. Jeder Puddler verlangte seine
eigene Maschine, und als man, um die Kosten der mechanischen
Arbeit zu dem Ausbringen in ein günstigeres Verhältnis zu setzen,
die Puddelöfen so vergröſserte, daſs sie den vierfachen Roheisen-
einsatz, nämlich 800 kg, faſsten, wurde wieder der Abbrand zu groſs.
So kam diese Erfindung in Vergessenheit, um erst nach 30 Jahren
wieder aufzutauchen.
Für ein chemisches Beförderungsmittel des Puddelns, wel-
ches Schafhäutl ebenfalls erfand, erhielt er am 13. Mai 1835 in
England ein Patent. Dasselbe bezog sich auf den Zusatz gewisser
Ingredienzien zu der geschmolzenen Eisen- und Schlackenmasse im
Puddelofen, um weiches Eisen zu erzeugen. Sie bestanden aus 1¾ Pfd.
Braunstein, 3¾ Pfd. Salz, 10 Unzen Töpferthon, alles gut getrocknet,
gepulvert und gemischt 1). Dieses Pulver sollte in 12 Dosen in
Zwischenräumen von etwa 2 Minuten einer Charge von 3½ Ctr. Roh-
eisen mit der üblichen Garschlacke zugesetzt und eingerührt werden.
Um hartes Eisen zu erzeugen, sollte nur die Hälfte Braunstein ge-
nommen, dafür drei Schaufeln Walz- oder Hammerschlacke zugefügt
werden.
Dieses Pulver, das unter dem Namen Schafhäutlsches Pulver
[586]Das Puddeln 1831 bis 1850.
bekannt wurde, fand bald eine verbreitete Anwendung und erhielt
sich längere Zeit im Gebrauch. Es sollte hauptsächlich das Eisen
reinigen und verbessern 1). Bis zu einem gewissen Grade erfüllte es auch
seinen Zweck, hauptsächlich wohl durch eine bessere Verflüssigung
der Schlacken. Doch schrieb man damals die Wirkung allgemein
dem Chlor zu. Karsten wies aber schon nach, daſs dies ein Irrtum
sei und daſs sich kein Chlor, sondern Chlorwasserstoff entwickele 2).
In Deutschland wurde das Mittel angewendet in Süddeutschland,
in Oberschlesien u. s. w. Man wendete es nur beim Schlackenpuddeln
an, und es galt dabei als Vorschrift, daſs das Schlackenbad nicht
dünner als 2 Zoll sein durfte. Ein Nachteil des Mittels, der z. B.
auf der Hütte von Orban zu Grivegnée in Belgien beobachtet wurde,
bestand darin, daſs es die Wände des Puddelofens sehr angriff.
Es wurden um jene Zeit noch viele ähnliche Verbesserungsmittel
erfunden und auch angewendet. Schon früher waren solche in England
patentiert worden. 1824 hatte Joseph Lubock ein Patent (Nr. 4956)
auf die Verbesserung des Eisens durch Zusatz von Salz beim Puddeln
erhalten. Er schrieb vor, 7 Pfd. Salz zu einer Charge von 3½ Ctr. zuzu-
setzen. Josias Lambert nahm zwei Patente; nach dem ersten von
1829 schlug er 2 Tle. Kochsalz und 1 Tl. Pottasche, nach dem zweiten
ein Gemisch von Salz, Kalk und Pottasche zu. Dieses Gemisch konnte
ebensowohl im Puddel- wie im Schweiſsofen angewendet werden.
Seine dritte Mischung bestand aus 2 Tln. Salz und Kalk und 1½ Tln.
Salpeter, welches in das geschmolzene Eisen im Puddelofen einge-
rührt werden sollte.
Mushet schlug 1835 feingepulvertes Eisenerz mit Kohlenpulver
gemischt als ein Mittel vor, das Kohlen des Eisens zu befördern und
den Puddelprozeſs zu beschleunigen (Patent Nr. 6908).
Duclos lieſs sich 1837 in England ein Verfahren patentieren
(Nr. 7448), welches darin bestand, das Eisen durch Manganchlorid
und Chlorkalk zu reinigen. Hierbei sollte angeblich das Chlor das
Reinigungsmittel sein, dadurch, daſs es sich mit dem Schwefel
und anderen Verunreinigungen des Eisens zu flüchtigen, mit den
erdigen Verunreinigungen zu flüssigen Verbindungen vereinige. Bei
dem Reinigungsprozeſs, der in einem Flammofen mit geneigtem Herd-
boden und einer tiegelförmigen Vertiefung am Ende, auf deren Boden
die Chemikalien gebracht wurden, vorgenommen wurde, sollte auf die
Charge von 30 Ctr. Roheisen 336 Pfd. Manganchlorid und 6¾ Pfd.
[587]Die Formgebung 1831 bis 1850.
Chlorkalk zugesetzt werden. Während des darauffolgenden Puddelns
sollte von Zeit zu Zeit noch etwas von dem Gemenge eingetragen
werden. Nach dem Kohlen sollte das Eisenbad in dem Flammofen
entweder mit einer Decke von kleinen Holzkohlen bedeckt, oder das
Eisen, sobald es in den krystallinischen Zustand der Absonderung
gekommen sei, herausgenommen und in einem Holzkohlenfeuer zu
Luppen geformt werden.
William Gossage nahm 1838 ein Patent (Nr. 7693) für das
Puddeln mit einem Zusatz von gepulvertem Thoneisenstein und Kalk
anstatt Hammerschlacke.
Sir Josiah John Guest und Thomas Evans nahmen 1840 ein
solches, um mit Wasserdampf zu puddeln. Sie leiteten gespannte
Dampfstrahlen in Röhren durch das Gewölbe auf das flüssige Eisenbad.
Ein sehr sonderbarer Zusatz beim Puddeln war ein Gemisch von
Schwefel, Salpeter, Borax und Alaun, mit der gleichen Menge Soda
in Patronen einzutragen, wofür Southall und Crudgington 1844 ein
Patent (10038) erhielten. Charles Lows Rezept (Patent Nr. 10204)
bestand aus 42 Pfd. Braunstein, 8 Pfd. Graphit, 14 Pfd. Holzkohle
und 2 Pfd. Salpeter für eine Charge von 480 Pfd. Roheisen.
In Deutschland empfahl Engelhard ebenfalls den Salpeter als
das beste Mittel, um Schwefel, Phosphor und Arsenik beim Puddeln
durch Oxydation aus dem Roheisen zu entfernen.
Guiniveau schlug 1834 vor, Luft und Wasserdampf gleichzeitig
beim Puddeln auf das geschmolzene Eisen zu blasen, um eine gröſsere
Reinigung desselben zu erzielen. Auf dasselbe Verfahren nahm Reu-
ben Plant am 18. Juli 1849 ein Patent in England.
Die wichtigsten Fortschritte in dieser Periode liegen aber auf dem
Gebiete der mechanischen Bearbeitung des Eisens, auf dem der Form-
gebung. Gerade auf diese hat die Erfindung der Lokomotivbahnen
und der gewaltige Bedarf, besonders an Eisenbahnschienen, den gröſsten
Einfluſs geübt. Da die Eisenbahnen durchaus ein Kind der Eisen-
industrie waren, so machte deren Wachstum fortwährend steigende
Anforderungen an das Eisenhüttenwesen und zwang durch neue Auf-
gaben zu neuen Erfindungen und Verbesserungen. Das hat sich auf
keinem Gebiete mehr bethätigt, als auf dem der Formgebung des
Eisens. Die moderne Walzindustrie und der Dampfhammer
sind durch die Eisenbahnen ins Leben gerufen worden; ohne jene
[588]Die Formgebung 1831 bis 1850.
hätte sich aber auch das Eisenbahnwesen nie so rasch entwickeln
können. Den Walzwerken wurden Aufgaben gestellt, wie nie zuvor.
Ohne daſs Birkinshaws Erfindung des Walzens der Eisenbahn-
schienen vorausgegangen wäre, hätte Stephenson keinen solchen
Erfolg haben können. Nachdem er ihn aber hatte, steigerten sich
die Forderungen an die Walzwerke mit Riesenschritten. Dabei bot
weniger die Menge als die Beschaffenheit der Schienen Schwierig-
keiten. Die ersten Schienen, die man walzte, wogen ca. 15 kg der lau-
fende Meter, dies war z. B. noch das Gewicht der Schienen auf der
Bahn von St. Etienne nach Lyon, die Schienen, die Stephenson auf
der Bahn Liverpool-Manchester anwendete, wogen 17½ kg pro Meter.
Je stärkere Lokomotiven man aber baute, je gröſsere Lasten man
fuhr, um so schwerere Schienen muſste man nehmen, und so dauerte
es nicht lange, daſs sich das Schienengewicht von 15 kg auf 33 kg pro
Meter steigerte. Dies machte aber bei der Normallänge von 15 Fuſs
englisch eine Steigerung des Gewichtes jeder Schiene von etwa 75 kg
auf 165 kg. Die Ansprüche an die Maschinenkraft und an die Walz-
werke hatten sich also in kurzer Zeit mehr wie verdoppelt. Die
Walzwerke für die Herstellung der Eisenbahnschienen muſsten viel
stärker gebaut und viel gewaltigere Dampfmaschinen zu ihrem Betrieb
errichtet werden, als dies je zuvor der Fall war. Der Schiene aber
unter den Walzen die richtige Form zu geben, war eine neue schwie-
rige Aufgabe für den Hüttenmann. Nachdem man diese erfolgreich
gelöst, bot es keine groſse Schwierigkeit mehr, dem Eisen auch noch
andere neue Formen zu geben, wie sie namentlich die Benutzung des
Eisens für Bauzwecke verlangte. Es ist deshalb kein Zufall, daſs die
Erfindung des gewalzten T-Eisens ziemlich mit der Eröffnung der
Eisenbahn von Manchester nach Liverpool zusammenfällt.
Ehe wir aber auf das Walzen des Façon- oder Formeisens und der
Eisenbahnschienen näher eingehen, müssen wir die Verbesserungen ins
Auge fassen, welche bei der ersten Behandlung der Luppen, nachdem
sie den Puddelofen verlassen hatten, gemacht wurden.
Der einfache Stirnhammer war noch das gebräuchlichste Werk-
zeug zum Zängen der Luppen. Um den Amboſs von allen Seiten
zugänglich zu machen, hatte man bei den Hämmern in England und
zu Seraing um 1840 die Verbesserung angebracht, daſs die Bewegung
durch einen Ansatz am Hammerhelm von unten mittels Excenter-
scheiben geschah (Marteau à soulèvement â cames en dessous) 1).
Statt des plumpen Stirnhammers, unter dem man die weiche,
glühende Luppe nur mühselig bearbeiten konnte, hatte man in Eng-
land Quetschwerke oder Zängepressen erfunden. Dieselben wurden
in den 30er Jahren von dem Ingenieur Flachat auch in Frank-
reich eingeführt und auf den groſsen Hütten zu Vierzon, Abainville
und anderen mit Erfolg angewendet. Sie waren leicht, bequem zu
bedienen, verbrauchten in einem gegebenen Moment nur die unum-
gänglich notwendige Kraft, bewegten sich ohne Stoſs, ohne Geräusch
und ohne Gefahr für die Arbeiter, kosteten wenig und erforderten
keine kostspielige Reparaturen. Die Konstruktion war von der
Hebelschere, die schon früher in England allgemein bei den Walz-
werken gebräuchlich war, entnommen. Fig. 213 giebt die Abbildung
einer Luppenquetsche, die man wegen ihres gerippten oder gezahnten
Maules, in dem sie die Luppen zusammendrückte, Alligatorquetsche
nannte. Das Maul schloſs sich natürlich nicht ganz, sondern nur
bis zu einem gewissen Punkte. Je nachdem man die Luppe mehr oder
weniger tief hineinsteckte, wurde sie mehr oder weniger gedrückt.
Die Luppen kamen in der Form länglicher Kolben aus dem Apparat
und wurden zum Schluſs vorn an dem vertieften Absatz gestaucht.
Die englischen Quetschwerke machten wenigstens 90 Schwingungen
in der Minute. Eine Luppenquetsche, welche 10 bis 16 Luppenöfen
bedient, erfordert 8 bis 12 Pferdekräfte.
Zängepressen mit direkter Dampfwirkung oder Dampfzängepressen
nannte man diejenigen Quetschwerke, bei denen der lange Hebel
direkt mit dem Kolben eines Dampfcylinders in Verbindung gebracht
[590]Die Formgebung 1831 bis 1850.
war. Derartige Pressen, von Caré und Guillemin (la cingleur
d’Anzin) konstruiert, sind abgebildet im ersten Ergänzungsheft zu
Le Blanc und Walter, Stabeisenfabrikation.
Die erste Luppenquetsche wurde schon 1805 von John Har-
top (Patent Nr. 2888) erfunden, doch kam sie erst in den 30er Jahren
in England zu allgemeinerer Verwendung. 1841 wurde sie von Allar-
ton verbessert. Auf dem Kontinent verbreitete sie sich nur lang-
sam. In Belgien sollen nach Valerius um 1844 nur zwei zu Couillet
und zu Grivegnée in Anwendung gewesen sein.
Ein anderer Apparat, der den einzigen Vorteil hat, noch weniger
Handarbeit zu erfordern, waren die amerikanischen Luppenmühlen,
welche 1840 in den
Vereinigten Staa-
ten von Gerhard
Ralston erfun-
den wurden und
in Amerika groſse
Verbreitung fan-
den. Die Luppen-
mühle, Fig. 214, be-
steht aus einer ge-
rippten Trommel,
welche sich excen-
trisch in einem
ebenfalls innen
gerippten cylindri-
schen Gehäuse be-
wegt. Die Bewegung
des inneren Cylin-
ders wird durch
ein konisches Zahngetriebe bewirkt. Die Luppe, welche schon im
Puddelofen etwas vorgeformt war, wurde in die weite Öffnung ein-
gesteckt und kam als länglicher Cylinder aus der engen Öffnung
heraus. Ein Stauchen fand nicht statt, und das Auspressen der
Schlacke war sehr unvollkommen.
Am 22. Februar 1840 erhielt Ralston dafür auch in England
ein Patent (Nr. 8389). In der Beschreibung ist gesagt, daſs man die
Maschine auch in horizontaler Stellung betreiben könne.
Dennoch wurde 1843 an G. B. Thorneycroft ein besonderes
Patent für eine horizontale Maschine fast derselben Konstruktion
[591]Die Formgebung 1831 bis 1850.
erteilt, welche nur noch Seitenplatten hatte, die verhinderten, daſs
die Luppe sich zu sehr in die Länge ausdehnte, und Löcher, durch
welche die ausgepreſsten Schlacken herausfielen.
1849 erhielt Laurence Hill jun. ein Patent auf eine ver-
besserte Luppenmühle auf Grund einer Mitteilung des Amerikaners
Henry Burden. Diese rotierende Zängemaschine ist im ersten
Supplementheft zu Le Blanc und Walter, a. a. O., beschrieben und
abgebildet.
1847 war eine amerikanische Luppenmühle auf dem Walzwerk
von Jacobi, Haniel und Huyssen bei Oberhausen in Betrieb. In
einem Bericht darüber heiſst es: „Diese Luppenmühle wird von den
Eigentümern sehr gerühmt, teils weil die Arbeit geräuschlos und regel-
mäſsig vor sich geht, teils weil sie die Puddler besser kontrollieren
soll als die Hämmer. Die Luppenpressen (squeezers) finden auf den
rheinischen Walzwerken wegen ähnlicher Vorteile, besonders zur
Schienenfabrikation, immer mehr Eingang.“
Die Verbreitung beider Apparate wurde aber eingeschränkt durch
ein weit vorzüglicheres, neu erfundenes Werkzeug, den Dampf-
hammer. Obgleich derselbe noch weit mehr beim Ausschmieden
der Schweiſspakete zur Geltung kam, so war er doch auch für das
Zängen der Luppen das vortrefflichste Mittel.
Der Erfinder des Dampfhammers war James Nasmyth. Die
Erfindung selbst war, wie das Ei des Kolumbus, die Ausführung eines
sehr einfachen, naheliegenden Gedankens, den Hammer direkt mit
dem Dampfkolben zu verbinden und ihn frei fallend zu machen wie
einen Rammbär. James Watt hatte sich bereits mit der Idee eines
Dampfhammers getragen und derselben in seinem Patent vom 28. April
1784 Ausdruck gegeben. Daſs Watts Dampfmaschine Hämmer be-
wegte, haben wir früher schon mitgeteilt, es waren dies aber Stiel-
oder Helmhämmer. Die Frage eines Stempelhammers (stamp-hammer)
wurde aber ebenfalls bereits 1777 von Watt erwogen. Am 3. Mai 1777
schrieb er an Boulton: „Wilkinson will groſse Schmiedestücke
machen und braucht dazu eine Maschine, um einen Stempel von 15 Ctr.
30- bis 40 mal in der Minute zu heben. Phöbe Webb ist beauftragt,
es mit einer kleinen Maschine und einem Stempelhammer von 60 Pfd.
Gewicht zu versuchen. Viele solche Schmiederammen (battering-rams)
werden gebraucht werden, wenn sie sich bewähren.“
William Deverell nahm am 6. Juni 1806 ein Patent auf einen
Stempelhammer, der direkt mit dem Dampfkolben verbunden sein
sollte, doch ist nichts darüber bekannt, daſs solche Hämmer aus-
[592]Die Formgebung 1831 bis 1850.
geführt wurden. Der verdienstvolle Maschinenfabrikant Caré zu
Paris kam der Sache in den Jahren 1833 und 1834 schon näher,
indem er direkt wirkende Lochmaschinen und Durchschnitte kon-
struierte. Auch trug er sich damals bereits mit dem Gedanken, einen
Gesenkhammer zum Ausschmieden der Dampfkesselböden in ähnlicher
Weise herzustellen. James Nasmyth faſste die Idee zu seinem
Dampfhammer im Jahre 1839. Veranlassung dazu gab eine Anfrage
von Francis Humphries, dem Oberingenieur der Great Western
Steamship Company, welche ein Dampfschiff von auſserordentlicher
Gröſse, „Great Britain“, bauen wollte. Für die projektierten Schaufel-
räder war eine Welle von ungewöhnlicher Dicke nötig, und kein eng-
lisches Schmiedewerk wollte die
Arbeit übernehmen, weil ihre
Hämmer dazu nicht ausreichten.
Humphries klagte Nasmyth
sein Leid und fragte um seinen
Rat. Bis dahin hatte man die
alten Hämmer beibehalten und
sie auch bei Dampfbetrieb gerade
so mit Hebedaumen bewegt, wie
bei den alten Wasserrädern. Die
Helmhämmer hatten die groſse
Unvollkommenheit, daſs sie für
dicke Schmiedestücke nicht zu ge-
brauchen waren. Je dicker das
Stück, je geringer war die Wir-
kung des Helmhammers, dessen
Fallhöhe eine engbegrenzte war, während doch gerade für dicke Stäbe
mehr Kraft notwendig war. James Nasmyth war ein Ingenieur, der
praktische Kenntnisse mit lebhafter Phantasie und groſsem Zeichen-
talent verband. Nachdenken und Zeichnen war bei ihm fast eins, und
darin erinnert er an den groſsen Leonardo da Vinci. Eine halbe
Stunde, nachdem er Humphries Brief erhalten und darüber nach-
gedacht hatte, war obige verkleinerte Skizze, Fig. 215, in seinem
Notizbuch fertig 1). Es war dies am 24. November 1839.
James Nasmyth war der Sohn des hervorragenden schottischen
Malers Alexander Nasmyth und war am 19. August 1808 zu Edin-
burg geboren. Schon früh entwickelte sich bei ihm ein hervorragendes
[593]Die Formgebung 1831 bis 1850.
mechanisches Talent, welches durch des Vaters vortreffliche An-
leitung im Zeichnen sehr gefördert wurde. Er fertigte vorzügliche
Modelle, die weit über das Maſs des Gewöhnlichen hinausgingen. Im
Alter von 19 Jahren trat er in die berühmte Maschinenfabrik von
Henry Maudslay in London ein, dessen bester Schüler und Freund
er bald wurde. In Gemeinschaft mit Maudslay erfand er zahlreiche
Verbesserungen an Werkzeugen und Werkzeugmaschinen. Nachdem
Maudslay am 14. Februar 1831 gestorben war, machte er sich selbst-
ständig, gründete die Bridgewater-Gieſserei bei Patricroft und asso-
ciierte sich mit Holbrook Gaskell. Er suchte unablässig seine
Werkzeuge zu verbessern; so erfand er 1838 seine Sicherheitsgieſs-
pfanne (Safety Foundry Ladle), deren bekannte Konstruktion und Be-
dienung aus seiner eigenen Skizze (Fig. 180, S. 538) ersichtlich ist.
Wie man aus derselben erkennt, war der Krammer zum Zurückhalten
der Schlacke beim Ausgieſsen gleich mit der Pfanne verbunden.
Von noch viel gröſserer Bedeutung war die Erfindung des Dampf-
hammers, obgleich er mit derselben anfänglich wenig Glück hatte.
Die oben mitgeteilte Skizze enthält bereits den vollständigen Entwurf
des Dampfhammers, den Amboſs mit starker selbständiger Funda-
mentierung, den Hammer, verbunden mit dem schweren Hammerbär,
der sich in Gleitbacken senkrecht bewegt, die zwei starken Ständer,
welche den Dampfcylinder tragen, mit dessen Kolben der Hammer
durch die Kolbenstange direkt verbunden ist. Der Dampf hebt den
schweren Hammer dadurch, daſs er unter den Kolben tritt, der
Schlag erfolgt durch den freien Fall des schweren Hammers. Die
Bewegung wird durch den Dampfzutritt mittels eines Hebelwerks, das
mit dem Dampfschieber verbunden ist und von einem Arbeiter ge-
steuert wird, reguliert. Alle diese Einzelheiten sind bereits in der
Skizze deutlich gezeichnet, und wunderbar ist auch das richtige
Gröſsenverhältnis der einzelnen Teile. Ganz in dieser Weise haben
sich die Dampfhämmer entwickelt und noch heute trifft die Skizze
zu. Nasmyth teilte damals sofort sein Projekt mit Zeichnung und
Beschreibung Humphries mit, der es Brunel und dem Direktor
Guppy unterbreitete. Alle begrüſsten die Erfindung mit Freuden.
Nasmyth überlieſs der Gesellschaft seinen Entwurf, um denselben
nach Belieben von einer Fabrik ausführen zu lassen. Dies geschah
aber nicht, weil die Gesellschaft sich entschloſs, eine gegossene
Schraube statt der Schaufelräder anzuwenden.
Nasmyth bot seinen Hammer nach Zeichnung und Beschreibung,
worin er die hohe Bedeutung desselben hervorhob, an, aber er erhielt
Beck, Geschichte des Eisens. 38
[594]Die Formgebung 1831 bis 1850.
nicht eine einzige Bestellung. Die Zeiten waren für die englische
Eisenindustrie sehr schlecht geworden, und so lauteten alle Antworten
sehr anerkennend, aber ablehnend, weil die Werke für ihre vor-
handenen Hämmer nicht einmal genügende Beschäftigung hatten.
Nasmyth hatte kein Patent für seine Erfindung erwirkt, weil ihm
dazu die Mittel fehlten, er hatte aber auch kein Geheimnis daraus
gemacht, und so kam es, daſs Fremde seine Idee ausbeuteten. Nas-
myth und Gaskell hatten bereits einen so groſsen Ruf für ihre
selbstthätigen Werkzeugmaschinen, daſs sie vielfach für das Ausland
arbeiteten. Fremde Ingenieure kamen, um Bestellungen zu machen,
und gewöhnlich auch mit der Absicht, neue Fortschritte und Ver-
besserungen kennen zu lernen. Dazu wurde ihnen von den Besitzern
stets auf das bereitwilligste Gelegenheit geboten. Nasmyth machte
aus seinen Entwürfen kein Geheimnis, und sein Skizzenbuch lag
im Bureau offen, auch wenn er selbst abwesend war. Dies war
der Fall bei einem Besuch des Herrn Schneider von Creusot, der
von seinem Ingenieur Bourdon begleitet war. Es waren alte
Geschäftsfreunde, die seit Jahren Bestellungen machten, deshalb war
es nichts besonderes, daſs sie das Skizzenbuch durchsahen und den
Entwurf des Dampfhammers fanden. Gaskell, der anwesend war,
erklärte die Skizze, die den Franzosen so gefiel, daſs sie sich dieselbe
abzeichneten und genaue Notizen darüber machten. Nasmyth
erfuhr wohl nach seiner Rückkunft, daſs die Herren Schneider
und Bourdon dagewesen seien, daſs sie sich aber Skizzen aus
dem Skizzenbuche über den Dampfhammer gemacht hatten, wurde
nicht erwähnt, weil dies nicht als etwas besonderes erschien. Nas-
myth war deshalb im höchsten Grade überrascht, als er im April
1842 nach Creusot kam und hier, als er sehr schön geschmiedete
groſse Teile einer Schiffsmaschine sah, auf seine Frage, wie sie ge-
schmiedet seien, von Herrn Bourdon, der allein anwesend war, die
Antwort erhielt, sie seien mit seinem Dampfhammer geschmiedet, und
wirklich sah er gleich darauf das Kind seines Geistes in voller Thätig-
keit vor sich. Nun erst erfuhr er von Bourdon von dem Besuch in
Bridgewater-Foundry und von den dort genommenen Kopieen und
Notizen, welche die Herren sofort nach ihrer Rückkehr zur Erbauung
des ersten Dampfhammers benutzt hatten. So ist zwar Nasmyth
unbestritten der Erfinder des Dampfhammers, der Ruhm, den ersten
arbeitsfähigen Dampfhammer aber ausgeführt zu haben, gebührt den
Herren Schneider und Bourdon von Creusot in Frankreich. Die
Gebrüder Schneider hatten bereits 1841 ein französisches Patent für
[595]Die Formgebung 1831 bis 1850.
ihren Dampfhammer erworben. Dieses Erlebnis versetzte doch Nas-
myth in begreifliche Unruhe und er sah ein, daſs es durchaus nötig
sei, sich seine Erfindung in England durch ein Patent zu sichern.
Das kostete aber damals etwa 500 £, und da er diese nicht zu seiner
Verfügung hatte, sie auch nicht aus dem Geschäfte entnehmen konnte,
so war er gezwungen, sie von seinem Schwager, William Bennett,
zu leihen, dem er dafür einen Anteil an dem Nutzen einräumte.
Am 9. Juni 1842 nahm er sein erstes und schon am 4. Ja-
nuar 1843 sein zweites Patent. Er baute alsbald einen 30 Ctr.-
Hammer für das eigene Werk, der sich vorzüglich bewährte und
dessen Ruhm sich in der ganzen Gegend verbreitete, so daſs aus
allen Gegenden Neugierige kamen, ihn zu sehen und anzustaunen.
Staunen ist auch gewiſs der Eindruck, den ein Dampfhammer auf
jeden, der einen solchen zum erstenmal arbeiten sieht, macht. Die
spielende Leichtigkeit, mit der der Dampf den mächtigen Hammer-
bären aufhebt, der erschütternde Schlag, wenn der Hammer mit voller
Gewalt niederfährt, das leichte Tanzen des Hammers, wenn der
Wärter mit einer leichten Hebeldrehung den Dampf ab- und anläſst,
die Sicherheit, mit welcher der Wärter die Kraft des Schlages und
die Fallhöhe beherrscht, so daſs er die Spitze eines in ein Weinglas
gestellten Eies aufschlagen kann, ohne Ei oder Glas weiter zu ver-
letzen, das alles erweckt Staunen und Bewunderung. Nie erscheint
uns der Dampf so mächtig in seiner Wirkung, als bei einem groſsen
Dampfhammer, und nie erscheint uns die Herrschaft des Menschen
über die Dampfkraft und die Kräfte der Natur überhaupt bewunde-
rungswürdiger, als bei der Arbeit des Dampfhammers. Nasmyth
bezeichnete von Anfang an seinen Hammer als ein denkendes Wesen,
„er denkt in Schlägen“ (he thinks in blows), war ein beliebter Aus-
spruch von ihm. Und doch ist dieses Denken nur die Wiederholung
des einen Gedankens des Erfinders.
Der Dampfhammer gehört zu denjenigen mechanischen Erfindun-
gen, die gleich von Anfang an mit einem hohen Maſs von Vollkommen-
heit in das Dasein traten, was zu seiner raschen Verbreitung auſser-
ordentlich viel beitrug. Wohl erkannte Nasmyth sofort an dem
Hammer von Creusot verschiedene Unvollkommenheiten, die er schon
vorher im Geiste abgestellt hatte, ehe er noch an die Ausführung
dachte. So war namentlich die Verbindung von Kolbenstange und
Hammerbär einfach durch einen Schlieſskeil hergestellt, was zu häu-
figen Brüchen Veranlassung gab, während Nasmyth hierfür, wie er
Bourton sogleich durch Zeichnung erklärte, eine elastische Packung
38*
[596]Die Formgebung 1831 bis 1850.
vorgesehen hatte. Schneiders Dampfhammer und ebenso die ersten
Hämmer von Nasmyth waren oben offen. Sehr bald aber machte er
sie oben geschlossen, wobei Luft oder Dampf als Prellkissen wirkten,
die Gefahr für den Cylinder aber durch ein Sicherheitsventil im
oberen Raum vermieden war.
Die Dampfzu- und abfuhr, welche bei den Nasmythhämmern
unter dem Kolben geschah, wurde anfänglich durch Verteilungsschieber
bewirkt, später wendete man dafür Ventile an. Die einfache, leicht
verständliche Konstruktion eines solchen Dampfhammers zeigt Fig. 216 1).
Der den Hammer B tragende Kopf D ist durch Keilverbindung fest mit
der Kolbenstange D K vereinigt. Er geht zwischen Führungen E F,
welche an den Ständern G festsitzen. Die Kopfplatte H H trägt den
Cylinder C. Der letztere hat einen besonderen, mit dem Sicherheits-
ventil X Y (Fig. 216, IV) verbundenen Aufsatz, um das Überheben
zu verhindern. Die dünne Kolbenstange K geht durch eine lange
Stopfbüchse. Die Dampfkanäle sind durch den Cylindersockel W ge-
führt. Der Dampf tritt aus dem Rohr U aus.
Fig. 216, III zeigt den Durchschnitt der Dampfkammer mit dem
Zulaſsventil V V1 und den nach dem Cylinder führenden Dampf-
kanal W. Wird das Doppelventil mittels des Stieles L gehoben, so
strömt der Dampf von U nach V und V1 und tritt unter den Dampf-
kolben K. Wird das Auslaſsventil geöffnet, so entweicht derselbe
Dampf. Die Ventilstäbe L und L1 lassen sich von dem Handhebel P O
aus abwechselnd bewegen. Um den Hammer plötzlich während des
Hubes festzustellen, dient hier ein durch den Winkelhebel Z beweg-
licher Keil T, welcher vorgeschoben wird.
Die Arbeit des Hammers geschieht in der Weise, daſs der ge-
spannte Dampf unter den Kolben tritt und diesen zugleich mit dem
Hammer in die Höhe hebt, worauf dann in dem Moment, wo der
Dampfzufluſs abgestellt und der Ausfluſs geöffnet wird, der Hammer
mit seinem vollen Gewicht niederfällt.
Nasmyth verbesserte seinen Hammer dadurch, daſs er selbst-
thätige Steuerung anbrachte. Diese war zweckmäſsig für diejenigen
Wechsel, die sich regelmäſsig wiederholten, also namentlich für den
Anfang des Falles. Dagegen behielt man zur Regelung der Geschwindig-
keit und Stärke des Schlages die Handsteuerung nebenher bei.
Die Dampfhämmer bedürfen guter Fundamentierung und empfiehlt
es sich, Amboſs- und Gerüstfundament getrennt anzulegen. Um die
[597]Die Formgebung 1831 bis 1850.
Erschütterung des Schlages möglichst abzuschwächen, macht man den
Amboſs und namentlich die Amboſsunterlage (Schabotte) möglichst
schwer, aus einem oder wenigen Stücken. Auſserdem giebt man eine
elastische Unterlage von Holz. Das Gewicht der Schabotte muſs
immer ein vielfaches des Hammergewichtes sein. Bei Steinboden, der
[598]Die Formgebung 1831 bis 1850.
die Erschütterungen gut fortpflanzt, pflegt man ihr das 20- bis
25 fache, bei Sandboden das 10 fache Gewicht zu geben.
Die Hubhöhe der Zängehämmer machte man 2 bis 2,5 m, die
groſser Hämmer bis 3,2 m, während kleine Schnellhämmer oft nur
wenige Centimeter Hub hatten. Das Hammergewicht der Zänge-
hämmer betrug 1000 bis 2500 kg, gröſsere Dichthämmer gingen von
5000 bis 15000, ja selbst bis 50000 kg hinauf, Schmiedehämmer bis
150, Schnellhämmer bis zu 50 kg hinab.
Durch den Dampfhammer war ein neues, höchst wirkungsvolles
Werkzeug in die Eisenindustrie eingeführt worden, dessen allgemeine
Anwendung einen groſsartigen Einfluſs auf diese ausgeübt hat. Zu-
nächst erstreckte sich dieser Einfluſs auf die Formgebung, für welche
es ja erfunden war. Der hohe Hub und das groſse Gewicht des
Hammers gestatten die Bearbeitung viel dickerer Schmiedestücke, als
dies früher der Fall war. Vorstehende Zeichnung, Fig. 217, die von
einem Gemälde von James Nasmyth entnommen ist, zeigt in an-
schaulicher Weise die Bearbeitung einer riesigen Welle unter dem
Dampfhammer.
Ganz besonders ist das Gesenkschmieden durch den Dampfhammer
[599]Die Formgebung 1831 bis 1850.
in Aufnahme gekommen, welches bei den Helmhämmern nur in sehr
beschränktem Umfange möglich war. Während früher ein Anker
Stück für Stück geschweiſst und geschmiedet werden muſste, lieſsen
sich unter dem Dampfhammer die Anker mit Leichtigkeit ganz in
Gesenken schmieden.
Ein anderer groſser Erfolg der Dampfhämmer ist die viel bessere
Reinigung und Schweiſsung des Eisens bei seiner Herstellung. Der
Dampfhammer gestattet, wie kein anderes Werkzeug, die geeignetste
Behandlung des Eisens beim Zängen der Luppen. Man kann dabei
mit leichten Schlägen anfangen und dieselben immer mehr verstärken.
Hierdurch geht die Reinigung von Schlacken viel vollkommener von
statten, als bei den Luppenquetschen und -mühlen, und die Be-
arbeitung ist eine viel durchgreifendere. Durch den Schlag des
Hammers werden auch die im Innern der Luppe befindlichen Hohl-
räume zusammengedrückt und die flüssige Schlacke ausgepreſst.
Für die Arbeit des Luppenzängens kam denn auch der Dampf-
hammer bald in allgemeinen Gebrauch. John Guest in Dowlais
lieſs sich 1845 einen Hammer von 6 Tonnen Hammergewicht und
7 Fuſs Hub bauen. Derselbe diente nicht sowohl zum Luppenzängen,
als vielmehr zum Schweiſsen und Hämmern der groſsen Eisenpakete,
welche zu Schienen ausgewalzt werden sollten. Dieselben waren
3 Fuſs 9 Zoll bis 4 Fuſs lang und 10 Zoll im Quadrat. Da die
Hammerbahn 3 Fuſs 9 Zoll lang und 2 Fuſs breit war, so bedeckte
sie bei jedem Schlag die ganze Oberfläche des Eisenblockes. Sechs
bis acht mächtige Schläge genügten, um die schweiſswarmen Stäbe
in eine dichte Eisenmasse zu verwandeln. Dieses gründliche Ver-
schmieden erhöhte die Güte der gewalzten Eisenbahnschienen be-
trächtlich. Der Amboſs dieses „Riesenhammers“, wie er damals genannt
wurde, wog 36 Tonnen. Die Schabotte war aus einem Stück gegossen.
Sie wurde zu jener Zeit als das gröſste Guſsstück der Welt angestaunt.
1843 wurde Nasmyths Dampfhammer auch allgemein in den
Werkstätten der englischen Marine von der Admiralität eingeführt,
nachdem der Erfinder denselben schon 1840 vergeblich angeboten
hatte. Dadurch kam das Dampfhammergeschäft sehr in Flor und
nahm noch viel gröſsere Dimensionen an, nachdem Nasmyth auch
seine auf demselben Princip beruhende Dampframme erfunden hatte.
Nasmyth hatte bald nach Erlangung seines englischen Patents
in Gemeinschaft mit S. M. Merrick von Philadelphia ein Patent in
den Vereinigten Staaten genommen, das ihm ebenfalls groſse Erträg-
nisse abwarf.
Der geniale Mann hörte nicht auf, die Technik durch neue Er-
findungen zu bereichern. Unter denen, welche die Eisenindustrie
unmittelbar betreffen, nennen wir seinen V-Amboſs zum Schmieden
runder Wellen, 1845 (Fig. 218), seine hydraulischen Preſsstanzen
zum Ausstanzen groſser Löcher in Träger und Bleche (1848) und
seine Erfindung des Dampfpuddelns 1854, welches ein Vorläufer des
Bessemerprozesses war.
Aber nicht allein in der Mechanik leistete Nasmyth neues und
groſses. Sein vielseitiger, dem Schönen und Erhabenen zugewendeter
Geist bekundete sich auch auf anderen Gebieten, wie auf dem der
Malerei und Astronomie. Er führte namentlich die siderische Photo-
graphie ein und brachte hierin Hervorragendes zuwege. So genoſs
er, nachdem er sich 1856 vom Geschäft zurückgezogen hatte, noch
eine lange Reihe glücklicher und segens-
reicher Jahre, bis er am 7. Mai 1890 in
seinem 90. Lebensjahre starb.
Nachdem die Idee des Dampfhammers ein-
mal angeregt war, beschäftigten sich viele
Mechaniker damit; am frühesten nach Nas-
myth selbst W. Dorning auf der Marien-
hütte bei Zwickau. Er hatte schon in einem
Lieferungsvertrage, den er am 10. Dezember
1841 mit der sächsischen Eisenkompanie
abgeschlossen hatte, die Zeichnungen zu
einem Dampfhammer eingereicht. Am 13. Januar 1843 kam dieser
erste Dampfhammer in Deutschland in Betrieb, dem dann bald der
zweite folgte; der eine diente als Puddlingshammer, also zum Zängen
der Luppen, der andere als Schweiſshammer, zum Schmieden der
Schweiſspakete. Die Hämmer arbeiteten gut. Dorning kannte ver-
mutlich Nasmyths Entwurf, die Ausführung war aber sein alleiniges
Verdienst.
Als eine wesentlich neue Konstruktion ist John Condies
Dampfhammer von 1846 anzusehen (Patent Nr. 11411 vom 15. Ok-
tober). Bei dem Condie-Hammer, Fig. 219, steht der Dampfkolben
fest und der Cylinder ist beweglich. Derselbe ist mit dem Hammer
direkt verbunden und wirkt mit seinem Metallgewicht als Hammer-
klotz. Der Dampf tritt hierbei über dem Kolben ein und hebt den
Cylinder und Hammer in die Höhe. Der Dampf tritt durch die hohle
Kolbenstange in den Cylinder. Die Kolbenstange besteht nämlich
aus zwei konzentrischen Röhren, deren äuſsere die Dampfleitung
[601]Die Formgebung 1831 bis 1850.
bildet, während die innere den Kolben trägt. An dem mittleren Teil
des bogenförmigen Gerüstes sind die Dampfventile und die Kolben-
stange befestigt. Die Einlaſs- und Ausblaseventile H K sind an einem
gleicharmigen Hebel befestigt, welcher von der Vertikalwelle M aus
bewegt wird, was entweder mechanisch durch den Arm O, oder mit
der Hand durch den Hebel P geschieht.
Die dicken Kolbenstangen der Condie-Hämmer, welche durch
Kugelgelenk mit dem Gewölbstück verbunden sind, haben den Vor-
teil der gröſseren Stabilität, dagegen ist die Liderung schwieriger
zu erhalten. Auch haben die Condie-Hämmer den Nachteil, daſs
Reparaturen daran schwieriger auszuführen sind. Dies hat dieser
sonst in vieler Hinsicht für schwere Schmiedearbeit zweckmäſsigen
Konstruktion nicht die Verbreitung gegeben, wie den Nasmyth-
Hämmern.
Wirkliche oder angebliche Verbesserungen an den Dampfhämmern
wurden in dieser Periode erfunden von Cavé in Paris, der zuerst
den Dampfcylinder oben schloſs und mit einem Sicherheitsventil ver-
sah, von Petin und Gaudet in Rive de Gier 1), ferner von Wilson
(Patent vom 26. Juni 1847) und von Nasmyth und Gaskell (Patent
vom 23. Februar 1848).
Borsig in Berlin baute 1845 bereits seinen ersten Dampfhammer.
[602]Die Formgebung 1831 bis 1850.
Einen verbesserten Stempelhammer führte Schmerber 1849 auf der
Hütte zu Tagolsheim im Elsaſs aus.
Die Hauptarbeit der Formgebung des Schweiſseisens geschah aber
durch die Walzwerke. Seitdem Henry Cort in seinem Patent von 1782
bereits die Verarbeitung des Luppeneisens unter gefurchten Walzen
(Bd. III, S. 687) bekannt gemacht hatte, entwickelte sich die Walzkunst
mehr und mehr. Es geschah dies in Verbindung mit dem Puddel-
betrieb vornehmlich in England. Einen weiteren Aufschwung erfuhr die
Walzkunst durch die Einführung gewalzter Eisenbahnschienen, welche
1820 von John Birkinshaw eingeführt wurden. Mit der Einführung
des englischen Puddelbetriebes in die Industrieländer des Kontinents
kamen auch in diesen die Walzwerke zu allgemeinerer Anwendung.
Mit dem Betriebe übernahm man von England eine Summe praktischer
Erfahrungen, welche von den theoretisch gebildeten Eisenhütten-
leuten Deutschlands, Frankreichs und Belgiens auf ihre wissenschaft-
liche Begründung untersucht und in Grundsätze und Formeln gefaſst
wurden; es geschah dies besonders von Karsten1) in Deutschland,
von Le Blanc2) und Flachat3) in Frankreich und von Valerius4)
in Belgien. Die wichtigsten dieser Grundsätze wollen wir nach den
angeführten Schriftstellern kurz zusammenstellen. Der Puddelprozeſs
lieferte keine fertige Ware, sondern nur den Rohstoff für den Schweiſs-
ofen, in dem die Pakete geschweiſst wurden, um dann zu Zwischen-
oder Fertigprodukten ausgewalzt zu werden. Danach zerfiel der Walz-
prozeſs in das Luppen- oder Puddlingswalzen und in das Auswalzen
auf Grobeisen, Stabeisen und Formeisen. Auf den Feineisen-, Band-
eisen- und Blechwalzwerken wurden besondere Eisensorten meist aus
vorgewalztem Grobeisen hergestellt.
Sowohl die Luppen- als die Grobeisenwalzenstraſsen bestanden
aus zwei Walzengerüsten mit je zwei Walzen. Das erste Walzenpaar
oder Gerüst diente zur Vorbereitung, das zweite zur Vollendung, man
unterschied hiernach Vorwalzen und Fertigwalzen, oder, da erstere
das Ausrecken oder Strecken, das letztere das Fertigmachen oder
Schlichten zu besorgen hatte, Streckwalzen und Schlichtwalzen. Die
Walzen lagerten in Walzengerüsten, die aus zwei starken, guſseisernen
Ständern bestanden — Pilarengerüste (S. 260) galten als veraltet.
[603]Die Formgebung 1831 bis 1850.
Die Ständer ruhten auf guſseisernen Sohlplatten, die meist noch auf
einem hölzernen Unterbau, dem „Sohlwerk“, befestigt waren. Dieses
Sohlwerk bestand aus zwei unter der Hüttensohle aufgeführten par-
allelen und senkrechten Holzwänden von starkem Eichenholz, welche
auf fester Unterlage aufstanden und von gemauerten Wänden um-
geben waren (vgl. Karsten, Taf. 53, Fig. 13 bis 15). Dieser Holz-
unterbau sollte vor dem massiven Fundament den Vorzug haben, daſs
durch seine Elasticität Brüche vermieden würden, ausreichende Sta-
bilität vorausgesetzt. Der Antrieb der Walzen erfolgte in England
bereits allgemein durch Dampfmaschinen. Auf dem Kontinent behalf
man sich bei den älteren Werken, wo man den Puddelbetrieb ein-
führte, noch mit den alten Wasserrädern, auf den neu erbauten Puddel-
und Walzwerken ging man dagegen ebenfalls nach englischem Vor-
bilde zu Dampfmaschinenbetrieb über. Die alten Wasserkraftanlagen
waren durchgehends unzulänglich für einen Massenbetrieb, wie er
mehr und mehr, besonders seit der Einführung der Schienenfabrikation,
von den Walzwerken verlangt wurde. Der Wasserradbetrieb gestattete,
weil er bis dahin nur auf verhältnismäſsig geringe Kraftleistung ein-
gerichtet war, nur eine beschränkte Produktion, und um nur diese zu
erzielen, muſsten schon mancherlei Notbehelfe herhalten. Dazu kam
noch, daſs die alten Hammerhütten mit Walzbetrieb eng gebaut und
meistens so angelegt waren, daſs sie auch räumlich einen sachgemäſsen
Groſsbetrieb gar nicht gestatteten. Um trotzdem die Wasserkraft für
den Walzbetrieb auszunutzen, kam man dann zu Auskunftsmitteln,
die nur als solche ein geschichtliches Interesse beanspruchen. Dahin
gehört das Auswalzen der Luppen in einem Gerüst, wobei man die
Vor- und Fertigkaliber auf ein Walzenpaar vereinigte. Dadurch
sparte man Raum und Kraft, aber auf Kosten der Leistung und
Sicherheit. Deshalb wurde diese Anordnung in den 40 er Jahren im
Princip auch durchaus verworfen. Ein anderer, bei den Walzwerken
mit Wasserbetrieb häufiger Notbehelf bestand darin, daſs man Luppen-
walzen, Stab- und Blechwalzen nicht gleichzeitig, sondern wegen
Mangel an Kraft oder Raum nacheinander betrieb, indem man zu
diesem Zweck in dasselbe Gerüst einmal Luppenwalzen, dann Stab-
eisenwalzen, dann Blechwalzen einlegte. Wo man Dampfmaschinen-
betrieb einführte, geschah dies nicht, vielmehr sah man eine genügende
Kraftleistung vor, um diese Betriebe zweckentsprechend gleichzeitig
führen zu können, was aber meist mehr als 100 Pferdekräfte erforderte.
Hatte eine Wasserkraftanlage eine nutzbare Betriebsleistung von 10
bis 12 Pferdekräften, so konnte sie mit Not ein Luppeneisenwalzwerk
[604]Die Formgebung 1831 bis 1850.
betreiben, dagegen eine Stabeisenwalze nur im Wechselbetriebe, nicht
gleichzeitig. Ein gewöhnliches Blechwalzwerk verlangte 15 bis
[605]Die Formgebung 1831 bis 1850.
16 Pferdekräfte. Waren diese vorhanden, so konnte man ein Blech-
walzwerk, aber auch nur im Wechselbetriebe, mit der Luppenstraſse
betreiben.
Über diese Kraftleistungen gingen aber die Einrichtungen der
alten Hammerhütten meist nicht hinaus, und danach muſsten sich
die Anlagen der Walzhütten richten. Von einem Wasserrad aus alles
betreiben zu wollen, war sehr unvorteilhaft, namentlich muſste der
Stirnhammer sein besonderes Rad haben.
Die Stellung der Walzenstraſsen war vornehmlich durch die
Kraftmaschine bedingt. Bei Wasserradbetrieb stellte man in der
Regel die Walzwerksgerüste nebeneinander, bei Dampfmaschinenbetrieb
hintereinander, wobei man den Abstand der Straſsen groſs genug
machte, um den gleichzeitigen Betrieb der benachbarten Straſsen zu
gestatten. Als Muster für die Anordnung der Öfen, Walzen und
Hülfswerkzeuge eines Puddel- und Walzwerkes mit Dampfmaschinen-
betrieb zu Ende der 30 er Jahre zeigt Fig. 220 den Grundriſs der
Alvenslebenhütte in Oberschlesien 1) nach Karsten. Fig. 221 (S. 607)
giebt den Aufriſs der Walzhütte zu Couillet nach Valerius, aus
der besonders auch die Fundamentierung zu ersehen ist; Grund-
risse von Walzhütten finden sich ferner in Valerius’ Stabeisen:
Taf. II, Montigny sur Sambre und in dem 2. Ergänzungsheft, Taf. I,
der Plan der Ende der 40 er Jahre neu erbauten Puddel- und Walz-
hütte zu Seraing. Flachat, Barrault et Petiet haben eine Reihe
von Walzwerksplänen veröffentlicht, nämlich die der französischen
Werke Alais, Decazeville, Creusot, Vierzon, Abainville, sodann Jamaille
und Moyeuvre, die zu Hayange gehörten, und Meire, die drei letz-
teren mit Wasserbetrieb; ferner die belgischen Werke Zône, Namur
(laminoir du Baron d’Yve), Monceau sur Sambre, Couillet, Seraing
und Acoz.
Wir entnehmen Karstens Beschreibung der Alvenslebenhütte,
Fig. 220, die umstehenden Angaben, welche über den Kraftverbrauch
und die Leistung der Arbeitsmaschinen eines Walzwerkes Auskunft
geben.
Die ganze erforderliche Betriebskraft würde hiernach 107½ bis
111½ Pferdekräfte betragen. In der Alvenslebenhütte wurde die Be-
triebskraft von zwei Dampfmaschinen, eine von 60 und eine von
80 Pferdekräften, geliefert.
Für die richtige Ausnutzung der gegebenen Kraft, ob Wasser-
oder Dampfkraft, gehörte, da die momentane Kraftleistung oft eine
groſse war, ein Kraftspeicher, der als Schwungrad zwischen Kraft-
und Arbeitsmaschine eingeschaltet wurde. Bei dem Wasserradbetrieb
wirkte das Wasserrad selbst im Sinne eines Kraftsammlers mit, des-
halb brauchte hier das Schwungrad nicht so groſs zu sein, wie bei
dem Dampfmaschinenbetrieb. Über Gröſse und Schwere der Schwung-
räder gab es noch keine klaren Grundsätze. Die Schwungradwelle
wurde mit den Walzen durch Kuppelungen verbunden. Die unmittel-
bare Verbindung der Antriebwelle mit den Walzenzapfen war ge-
fährlich, weil eine kleine Abweichung von der Mittellinie beider leicht
einen Bruch veranlaſste, und weil ein Bruch sowohl des Walzen-
zapfens als der Antriebwelle eine sehr nachteilige Betriebsstörung
zur Folge haben müſste. Deshalb schaltete man zwischen Kraft- und
Arbeitswelle noch eine Kupplungswelle ein, die man mit beiden ver-
band. Indem man diese Kupplungswelle etwas schwächer machte
als die zu verbindenden Teile, konnte man im Falle übermäſsiger
Inanspruchnahme darauf rechnen, daſs dieses Verbindungsstück, wel-
ches ohne groſse Mühe und Kosten ausgewechselt werden konnte,
zuerst brach. Die Konstruktion der Verbindungen selbst, die eigent-
liche Kupplung, war aber eine sehr wichtige Sache, und bediente
man sich je nach dem Falle sehr verschiedener Konstruktionen. Von
den gewöhnlichen, aus einem Stück gegossenen Kupplungsmuffen
hatten sich die auſsen cylindrischen, innen mit einem kreuzförmigen,
[607]Die Formgebung 1831 bis 1850.
[608]Die Formgebung 1831 bis 1850.
aber mit abgerundeten Ecken versehenen Hohlräume schon früher
(Fig. 81, S. 262) als besonders zweckmäſsig bewährt. Die seitliche
Verschiebung dieser Muffen wurde dadurch vermieden, daſs man den
Hohlraum in der Mitte absetzte, so daſs die nach innen, d. h.
nach der Kupplungswelle zu gelegene Hälfte weiter war. Die Ver-
schiebung nach innen verhinderte man durch Keile oder Vorstecker
oder in der in Fig. 222 gezeichneten Weise. Hier sind die zwei
Wellen f und g durch die zwei Muffen c und die Kupplungswelle a
verbunden. Die Kupplungswelle a hat den rosettenförmigen Quer-
schnitt Fig. 223, der mit dem Hohlraum der Muffe übereinstimmt.
Eine Verschiebung der Muffe nach innen wird durch die in die Ver-
tiefungen der Kupplungswellen eingelegten runden Eisenstäbe C, welche
gerade zwischen die Muffen passen und mit Riemen oder Seilen b
festgebunden sind, verhindert.
Zur Verbindung der Schwungradwelle mit der Zwischenwelle
wendete man häufig Scheibenkupplungen an, die meist aus zwei starken
eisernen Scheiben, die durch Schrauben verbunden waren, bestanden.
Auf der Rybnicker Hütte war die Scheibenkupplung zwischen Schwung-
radwelle und der Zwischenwelle des Stabeisenwalzwerkes aus drei
Scheiben zusammengesetzt, wie es Fig. 224 zeigt.
Die Schraubenverbindung der Scheibenkupplung lieſs sich leichter
lösen, als die der massiven Kupplungsmuffen. Noch leichter lieſs sich
die ebenfalls in Rybnick angewendete Kupplung mit Klauenmuffen,
wie sie in Fig. 225 dargestellt ist, mittels eines Hebels bewerkstelligen.
Von der früher häufig angewendeten Konstruktion, die Zwischenwelle
mit dem Kupplungsgetriebe und der Muffe, mit der der Zapfenkopf
der Walze verbunden war, in einem Stück zu gieſsen, war man
[609]Die Formgebung 1831 bis 1850.
abgekommen, weil dadurch häufig Brüche entstanden waren; man
lagerte vielmehr die Kupplungsgetriebe zwischen zwei besonderen
Kupplungsständern (Fig. 226).
Die Walzenzapfen liefen in Lagern, die in den Ständern ruhten.
Die Ständer goſs man mit der Sohlplatte und dem Sattel aus einem
Stück, nur bei den Ständern der Feineisenwalzwerke wendete man
bewegliche Kappen als Sättel an, um die Walzen schneller auswechseln
zu können. Die Ständer muſsten mit dem Sohlwerk fest verbunden
sein, doch legte man Wert darauf, sie seitlich verschiebbar zu machen,
um je nach Bedarf kürzere oder längere Walzen einlegen zu können.
Bei der Luppenstraſse war dies zwar nicht nötig, wohl aber bei den
Stabeisenwalzen, weil man die verschiedensten Sorten auf derselben
Straſse walzen wollte und dafür längere oder kürzere Walzen ein-
legen muſste; ebenso bei der Anfertigung von Feineisen und bei den
Feineisenwalzwerken, ganz besonders aber bei den Blechwalzwerken,
wo man für jede Dimension die entsprechend langen Walzen ein-
legte. Auf die Verschiebung der Ständer muſste deshalb bei der Fun-
damentierung Rücksicht genommen werden. Das Lager der unteren
Walze ruhte auf der Sohlplatte. Die obere Walze lag in zwei Zapfen-
lagern, von denen das untere die Oberwalze trug, während das obere
durch Schrauben oder Keile auf den Walzenzapfen drückte. Das
untere Lager der Oberwalze muſste selbst wieder getragen werden,
Beck, Geschichte des Eisens. 39
[610]Die Formgebung 1831 bis 1850.
um die obere Walze in der richtigen Lage zu erhalten, wenn sie
beim Durchgang des Eisens etwas gehoben wurde.
Bei den Blechwalzen, die meist Schleppwalzen waren, trat dieses
Heben und Zurückfallen immer und in viel stärkerem Maſse ein. Es
konnte durch die Stellschrauben reguliert werden; um aber die Stärke
des Stoſses beim Niederfallen abzuschwächen und dadurch Brüche zu
vermeiden, wurden Gegengewichte angebracht, welche die unteren
Zapfenlager der Oberwalze trugen. Die Walzenzapfen liefen in kupfer-
nen Lagerpfannen; ebenso bewegten sich die Stellschrauben der Blech-
walzwerke in Messingmuttern.
Die Konstruktion der Walzen war von groſser Wichtigkeit, be-
sonders war bei den gefurchten Walzen die Gestalt und das Abnahme-
verhältnis der Furchen oder Kaliber von gröſster Bedeutung. Über
diese, die sogenannte Kalibrierung der Walzen, lagen langjährige
Erfahrungen und daraus abgeleitete Grundsätze vor. Sie richtete sich
nach der Aufgabe und Leistung der verschiedenen Walzensysteme.
Die Luppenwalzen sollen die Luppen drücken und zu flachen
Luppenstäben ausrecken. In dem ersten Gerüst, welches die Vor-
und Streckwalzen enthält, erfolgt das Drücken oder Auspressen der
Schlacke und das Strecken in viereckige Kolben oder grobe Quadrat-
stäbe, in dem zweiten Gerüst werden diese Kolben oder Quadratstäbe
von den Schlicht- oder Flachwalzen zu Luppenstäben (mill-bars) aus-
gereckt. Diese Luppenstäbe sind kein Endprodukt, sondern ein
Zwischenprodukt. Sie werden in Stücke geschnitten, aus denen die
Schweiſspakete für die Weiterverarbeitung in der Grobeisenstraſse
hergestellt werden. Nur in seltenen Fällen bei vorzüglichem Eisen
können die Luppenstäbe als Endprodukt, als Stangeneisen, verwendet
werden.
Die Versuche, sämtliche Kaliber auf einem Walzenpaar zu ver-
einigen und dadurch das Vorwalzen und Strecken auf einem Gerüst
zu vollenden, hatten sich nicht bewährt, weil diese langen Walzen sehr
leicht brachen. Man konnte zwar die Luppe direkt in das gröſste
Kaliber der Walze einführen und dadurch das Zängen allein zwischen
den Walzen ausführen; in England hatte sich aber die bessere Praxis
ausgebildet, die erste Behandlung der Luppe, das Drücken und Zängen,
wobei schon der gröſste Teil der Schlacke ausgepreſst wurde, unter
einem etwa 80 Ctr. schweren Stirnhammer vorzunehmen und die vor-
geschmiedeten Klötze bereits in das vierte Kaliber der Vorwalzen
einzuführen.
Die Vorwalzen, die gewöhnlich 1050 mm lang und 470 mm
[611]Die Formgebung 1831 bis 1850.
stark waren, je 1400 kg wogen und ca. 30 Umgänge in der Minute
machten, hatten sieben Einschnitte. Die korrespondierenden Ein-
schnitte der zwei symmetrischen Walzen, Fig. 227, bildeten viereckige,
offene Kaliber, deren Diagonalen senkrecht standen. Die Seiten dieser
Vierkantkaliber waren nicht gerade Linien, sondern Kreisbogen. Der
Konstruktion der Kaliber lagen Kreise zu Grunde, nach deren Durch-
messer man die Gröſse der Furchung und die Abnahme derselben an-
gab. Die damals bei den Luppenstreckwalzen gebräuchlichen Maſse
der sieben aufeinander folgenden Kaliber waren nach Karsten die
folgenden: 190, 157, 131, 111, 99, 86 und 75 mm Durchmesser. In
der Regel wählte man bei den Luppenwalzen ein Abnahmeverhältnis
von 10 zu 14; nahm man es 10 zu
16, so lieſs man das Eisen zweimal
durch dasselbe Kaliber gehen, indem
man es beim zweiten Durchwalzen um
90° drehte. Die Grundform bildete
ein verschobenes Viereck, dessen senk-
rechte Diagonale gröſser war. Die
Konstruktion geschah nach Fig. 228
in der folgenden Weise. Von dem
Mittelpunkt a aus zieht man mit der
halben Länge des oben angegebenen
Durchmessers für das betreffende Ka-
liber einen Kreis, wodurch man auf
der horizontalen Diagonale die beiden
Schnittpunkte b c erhält. Diese Länge
wird in vier gleiche Teile geteilt,
beziehungsweise der Radius in d und
e halbiert. Man beschreibt nun mit
¾ des Durchmessers, oder mit den Längen b e = c d von d und
e aus die Bogen g und h, welche in f die senkrechte Diagonale
schneiden. Man teilt dann a f in vier gleiche Teile, schneidet von
b und c aus mit ¼ a f die Bogenstücke b n, c m ab, verlängert von
b und c aus die horizontale Diagonale um die Hälfte dieser Länge,
also um ⅛ a f, wodurch man die Punkte o und p erhält, diese ver-
bindet man mit m und n durch Kreisbogen von dem halben Kaliber-
durchmesser (a b, a c). So erhält man das gewünschte Spitzbogen-
kaliber (ogives). Die verdrückte Gestalt derselben trug zum Quetschen
und Reinigen, sowie zur Beschleunigung der Walzarbeit wesentlich
bei. Die Vorwalzen wurden nicht abgedreht, sondern roh gelassen,
39*
[612]Die Formgebung 1831 bis 1850.
um mit ihrer rauhen Oberfläche das Eisen besser zu fassen. Man
beförderte dies bei den drei ersten gröſsten Kalibern noch dadurch,
daſs man mit einem Meiſsel Einschnitte einhieb.
Die Luppenflachwalzen, Fig. 229, waren so konstruiert, daſs
die Flachkaliber ganz in die Unterwalze eingesenkt waren und durch
entsprechende Ringe der Oberwalze geschlossen waren. Die Walzen
waren ab- und eingedreht. Die Länge des Walzenkörpers betrug
680 mm, der gröſste Durchmesser der oberen Walze 418 mm, der der
unteren 523 mm. Die Durchmesser der Rippen der Oberwalzen ent-
sprachen denen der Furchen der Unterwalzen, nur machte man die
der Oberwalze um eine Kleinigkeit (1½ mm) stärker, wodurch verhindert
wurde, daſs die Stäbe sich beim Durchgang aufwärts krümmten und
sich um die Walzen
wickelten.
Der dicke Qua-
dratstab von 75 mm
Kaliberdurchmesser,
wie er aus der Vor-
walze kommt, wird
dann auf der Flach-
walze zu Luppen-
stäben von 78 mm
Breite und 20 mm
Höhe geformt. Die
Kaliber nehmen also
hauptsächlich in der Höhe ab, in der Breite aber um ein geringes zu.
Dadurch wird die Walzarbeit rascher gefördert, als wenn man die
Kaliber nur in der Höhe abnehmen lassen würde. Über das Ab-
nahmeverhältnis der sechs Kaliber der Luppenflachwalzen verweisen
wir auf Karstens Angaben (Eisenhüttenkunde, Bd. V, S. 347). Im
allgemeinen galt es als Regel, daſs die Abnahme höchstens das
0,09 fache der vorigen Stärke betragen sollte.
Flachat teilt die nachfolgenden Maſse eines französischen
Luppenwalzwerkes, dessen Streckwalzen neun und dessen Flachwalzen
acht Furchen hatten, mit. Es war zur unmittelbaren Aufnahme der
Luppen eingerichtet, weshalb das erste Kaliber aus zwei gleichen Kreis-
bögen bestand, ferner war unter den Spitzbogenkalibern ein elliptisches
eingeschaltet, um das Eisen für breite Stäbe abplatten zu können.
Die Ringe der Oberwalzen griffen 20 mm in die Furchen der
Unterwalzen ein. War das Eisen von besonderer Güte, oder sehr
warm, so konnte man zuweilen ein Kaliber überspringen, wie ja die
Kalibrierung selbst durch diese Vorbedingungen beeinfluſst war.
Zum Überheben des Eisens über die Oberwalze diente ein Haken
mit Hebel (aviot), der an einer Kette hing. Diese war oben an
einer Rolle befestigt, welche auf einer
am Dachstuhl angebrachten horizontalen
Schiene lief.
Nachdem die mittels einer Schere
zerschnittenen Luppenstäbe zu Paketen
zusammengebunden in einem Schweiſs-
ofen geschweiſst worden waren, gelang-
ten sie unter die Grobeisenwalzen-
straſse (trains marchands), die ebenfalls
aus zwei Gerüsten mit je zwei Walzen bestand (s. Fig. 83, 84, S. 265).
Da auf dieser Straſse fertiges Stabeisen gewalzt wurde, so waren die
Walzen sorgfältig abgedreht. Die Kaliber der Vor- und Streck-
walzen hatten die Form aufrecht stehender Quadrate mit gekrümmten
Seitenflächen und spitzbogenförmigen Ecken,
Fig. 230. Für diese hatten Coste und Per-
donnet schon 1829 eine in England gebräuch-
liche einfache Konstruktion (Fig. 231) an-
gegeben. Wenn a b den Durchmesser des
Kalibers darstellt, so errichtet man aus der
Mitte die Senkrechte , beschreibt aus
a und b mit a b als Halbmesser die Bogen a o
und b o, aus dem Punkte d mit demselben die
Schnittbogen s und r und aus diesen Schnitt-
punkten mit demselben Radius die Bogen a d und b d, welche dann das
Profil der oberen Kaliberhälfte bilden. In gleicher Weise reiſst man
dann die untere Hälfte auf, stumpft die Spitzen oben und unten etwas
ab, während man sie bei b und d etwas zuspitzt. Karsten teilt eine
andere Konstruktion mit, auf die wir verweisen 1).
In der Regel machte man den senkrechten Durchmesser kürzer
[614]Die Formgebung 1831 bis 1850.
als den wagerechten. Zwischen den Kalibern lieſs man einen Zwischen-
raum von 8 bis 12 mm. Die Streckwalzen waren 1,255 bis 1,360 m
lang und 471 mm dick, und wog jede Walze etwa 1600 kg, und
machten 75 bis 85 Umdrehungen in der Minute. Die Anzahl der
Kaliber war unbestimmt und richtete sich nach den Dimensionen des
zu fertigenden Stabeisens. Das Abnahmeverhältnis der Kaliber war
von groſser Wichtigkeit für die Walzarbeit. Karsten teilt eine
Skala von 13 Kalibern, die von 172 bis 33 mm Kreisdurchmesser
hatten, mit, die durchschnittliche Abnahme betrug demnach 11,6 mm.
Es war zweckmäſsig, nach dem dritten oder vierten quadratischen
Kaliber ein elliptisches Kaliber einzuschalten, wodurch das Aus-
pressen der Schlacke befördert wurde. Auch hier waren die gröſsten
Einschnitte durch Meiſselhiebe künstlich
rauh gemacht.
Die Vollend- oder Schlichtwalzen
des Grobeisenwalzwerkes waren entweder
mit Kalibern für Quadrateisen, Flacheisen
oder Rundeisen versehen. Bei den Walzen
für Quadrateisen, Fig. 232, und Rundeisen
befanden sich die Einschnitte in beiden
symmetrischen Walzen, die genau korre-
spondieren, deshalb sorgfältig abgedreht
sein muſsten, gleichmäſsig verteilt. Bei
den Walzen für Flacheisen waren die Ka-
liber immer in die Unterwalzen einge-
schnitten (Matrizen), in welche die Rippen
(Patrizen) der Oberwalzen genau paſsten.
Man gab diesen Kalibern die gleiche Breite, aber abnehmende Höhe.
Die Walzen für gröbere Sorten Quadrateisen waren 680 mm lang und
418 mm dick, wobei man bei der Oberwalze 1½ mm zugab. Das Gewicht
einer Walze betrug ca. 950 kg. Bei Schlichtwalzen für Quadrateisen,
das von 46 mm auf 26 mm in elf Kalibern gewalzt wurde, betrug die
Abnahme der Diagonalen, wonach man die Kaliber bestimmte, von
65 mm auf 36 mm, also 2,9 mm im Durchschnitt; dieselbe war aber
selbstverständlich nicht gleich verteilt, sondern betrug bei den ersten
Kalibern 6,5 mm, bei den letzten 1,6 mm 1). Ganz ähnlich waren die
Walzen und deren Kalibrierung für grobes Rundeisen 2).
Ein Walzenpaar erhielt gewöhnlich die Kaliber für zwei oder
drei Eisensorten. Zur Abkühlung der Walzen und Walzenzapfen war
ein Wasserzufluſs erforderlich. Das Wasser gab den Stäben zugleich
eine schöne blaue Farbe.
Bei den Feineisenwalzwerken lagen drei Walzen übereinander
(Fig. 79, S. 262), um vorwärts und rückwärts walzen zu können und
dadurch das zeitraubende Überheben zu vermeiden und das Eisen in
einer Hitze fertig zu machen. Diese Walzen waren dünn und drehten
sich rasch, was nötig war, um das dünne Eisen, das schnell erkaltete,
in einer Hitze auszurecken. Man versah die Ständer der Fein-
walzengerüste gern mit beweglichen Sätteln, um die Walzen rascher
auswechseln zu können. In der Regel hatte auch die Feineisenstraſse
zwei Walzengerüste zum Vor- und Fertigwalzen. Feinere, flache Stab-
eisensorten erhielten ihre Vollendung in polierten Glattwalzen. Als
Feineisen bezeichnete man:
Quadrateisen von weniger als 6,5 qmm wurde nicht mehr gewalzt,
sondern aus Bandeisen in Schneidwalzen geschnitten; desgleichen
wurde Rundeisen unter 6,5 mm Durchmesser durch Zieheisen gezogen.
Wegen der kleinen Dimensionen bedürfen die Feineisenwalzwerke
guter Leitungen zur Führung der Stäbe und Abstreifvorrichtungen
zum Reinhalten der Walzen, Fig. 233. Die Walzen der Feineisen-
straſsen machten 130 bis 250 Umdrehungen in der Minute. Bei Band-
eisen lieſs man sie noch langsamer laufen, bei Rund- und Quadrateisen
um so schneller, je dünner die Sorten waren.
Die Feineisenstreckwalzen waren 940 bis 1046 mm lang, ihr Durch-
[616]Die Formgebung 1831 bis 1850.
messer war verschieden. Wenn die Mittelwalze die übliche Dicke von
340 mm hatte, so betrug der Durchmesser der oberen Walze 340,8 mm,
der der unteren Walze 339,2 mm, damit das Walzeisen sich mehr
nach dem Boden zu als nach oben krümmte. Auf manchen Werken
gab man aber der Mittelwalze einen etwas gröſseren Durchmesser als
den beiden anderen. Jede der Walzen wog annähernd 750 kg.
Zur Anfertigung von Vierkanteisen verfolgte man bei der Kali-
brierung der Streckwalzen dieselben Grundsätze wie bei den Grob-
eisenwalzen, ebenso hatten die Vorwalzen für Rundeisen oft quadra-
tische Furchung, häufig wendete man ovale Kaliber an, welche die
Schlacke besser auspreſsten und die Arbeit beschleunigten. Die Zahl
der Kaliber war von der Länge der Walzen abhängig. In einer Streck-
walze von 1020 mm Bundlänge lieſsen sich leicht 18 Kaliber anbringen,
die von 111 bis zu 13 mm Kreisdurchmesser abnahmen, wobei die Ab-
nahme bei den beiden ersten Kalibern 13 mm, bei den beiden letzten
1,6 mm betrug. Flachat hat für die ovalen Kaliber die Formel
H = 2 R — L angegeben, wobei H die Höhe, L die Breite des Kalibers
und R den Radius des Kreises, dessen Bogen das Kaliber bildet, bedeutet.
Die entsprechenden Feineisen-, Schlicht- oder Vollendwalzen waren
680 mm lang, 340 und 340,8 mm dick und enthielten 25 Kaliber von
34 mm bis 8,8 mm 1). Jede Walze wog etwa 625 kg.
Feines Rundeisen walzte man am besten auf Quadratkalibern,
bis die Diagonale des Quadratstabes die Länge des Durchmessers des
fertigen Rundstabes erlangt hatte, vor, dann lieſs man es erst durch ein
Ovalkaliber und hierauf durch ein Rundkaliber von dem verlangten
Durchmesser gehen 2). Nach einer zweiten, aber weniger guten Me-
thode walzte man die vorbereiteten Quadratstäbe durch Rundkaliber
von abnehmender Stärke. Bei gröſserem Zeitaufwande erhielt man
ein weniger sauberes Produkt. Fig. 234 zeigt ein Feineisenwalzwerk
mit Quadrat-, Oval- und Rundkalibern mit den dazugehörigen Füh-
rungen.
In Belgien wendete man zu Quadrat- und Rundeisen von we-
nigstens 0,040 m Seite oder Durchmesser keine ovalen Kaliber an,
wohl aber bei schwächeren Sorten.
Bei Rund- und Quadrateisen von 0,006 bis 0,012 m Stärke nahm
man in Belgien zwischen den 10zölligen Streckgarnituren abwechselnd
Rund- und Quadratkaliber an. Alsdann gingen die Stäbe durch ein
[617]Die Formgebung 1831 bis 1850.
ovales Kaliber des 8zölligen Streckgerüstes und dann durch das runde
oder quadratische Kaliber des gleich starken Schlichtwalzwerkes.
Für feinere Sorten waren die Walzwerke noch viel komplizierter.
Flachat, Barrault und Petiet beschrieben ein Walzwerk für
Rundeisen von 0,004 bis 0,009 m mit fünf Gerüsten. Die Walzen,
die 0,60 m Körperlänge hatten, machten 200 bis 260 Umdrehungen
in der Minute. Das erste Gerüst hatte vier spitzbogige, fünf qua-
dratische und drei ovale Kaliber. Das zweite hatte 17 ovale Kaliber,
das dritte 15 quadratische, das vierte, von 0,40 m Körperlänge, 14 ovale,
das fünfte 18 runde Schichtkaliber 1).
Um Draht von 9 mm Durchmesser aus Quadratstäben von 26 mm
in etwa ¾ Minuten auszuwalzen, muſsten die Walzen 225 bis 250 Um-
drehungen in der Minute machen. Der 2 Fuſs lange Stab wurde dabei
in zehn Durchgängen auf 10 bis 11,30 m gestreckt.
Bandeisen wurde unter einer Feineisenstreckwalze für Flacheisen
vorgewalzt und dann unter glatten Hartwalzen, Fig. 235 (a. f. S.), aus-
gewalzt. Es waren dazu Führungen p und Vorrichtungen zum Abschaben
des Glühspans a', wie solche aus der Zeichnung ersichtlich sind, er-
forderlich. Die Walzen waren 314 bis 330 mm dick und machten 40 bis
80 Umgänge in der Minute, je nach der Güte des Eisens. Die Ent-
fernung der Walzen erfolgte durch Stellung der Schrauben n, wie bei
den Blechwalzen.
Auch bei den Blechwalzwerken, der ältesten Art der Walz-
werke, waren im Laufe der Zeit und besonders seit 1830 mancherlei
Verbesserungen eingeführt worden. Veranlassung dazu hatten die
stärkeren Betriebskräfte seit der Verwendung der Dampfmaschinen,
die gröſsere Erzeugung und die Herstellung gröſserer und stärkerer
Bleche für Dampfkessel gegeben. Die alten, kleinen Walzwerke, auf
denen „Dünneisen“ für die Weiſsblechfabrikation und Schwarzblech
in beschränkten Dimensionen gewalzt wurden, waren Schleppwalzen
mit Pilarengerüsten oder mit Ständern mit beweglichem Sattel. Die
Oberwalze ruhte auf der Unterwalze und wurde nur durch die Reibung
gedreht „geschleppt“. Die Unterwalze, die durch eine Kupplungs-
welle unmittelbar mit der Wasserradwelle verbunden war, lag mit
ihren Zapfen in offenen Lagern ohne Deckel, die Oberwalze hatte
kein Unterlager, sondern nur ein Oberlager, welches durch die Druck-
schraube in seiner Lage gehalten wurde. Durch die Druckschraube
wurde die Stellung der Oberwalze, d. h. die Höhe, bis zu der dieselbe
beim Walzen sich nach oben heben konnte, bestimmt.
Diese alte Konstruktion hatte vielerlei Mängel, die besonders bei
stärkerem Betriebe fühlbar wurden. Man verbesserte sie durch bessere
Lagerung der Walzen und stärkere Ständer. Für letztere nahm man
geschlossene Ständer, wie bei den Stabeisenwalzwerken, die man aber
stärker machte, entsprechend der gröſseren Kraft, der sie zu wider-
stehen hatten. Auſserdem wurden die Ständer durch starke eiserne
Anker oder Bolzen miteinander verbunden. Entsprechend führte man
[619]Die Formgebung 1831 bis 1850.
die Fundamentierung und die Verbindung der Sohlplatten mit der-
selben durch eiserne Bolzen und Grundanker stärker und sorgfältiger
aus. Man sah sich dabei vor, daſs die Ständer enger oder weiter
gerückt werden konnten, um kürzere oder längere Walzen einlegen
zu können.
In der Regel bestand ein Blechwalzwerk aus zwei Gerüsten, das
erste zum Vorwalzen des Materialeisens, das zweite zum Fertigwalzen
der Bleche. Man machte die Fertigwalzen stärker, wodurch sie bei
gleicher Umdrehung doch eine gröſsere peripherische Geschwindigkeit
erhielten. 25 bis 35 Umdrehungen galten als eine zweckmäſsige Ge-
schwindigkeit. Die Vor- oder Streckwalzen hatten 366 bis 418 mm,
die Vollendwalzen 471 bis 523 mm Durchmesser. Die Länge der
Walzen richtete sich nach der Breite der Bleche, doch machte man
sie 78 bis 105 mm (110 bis 115 mm nach Le Blanc und Walter)
länger als diese. Die Vollendwalzen waren stets Hartguſswalzen.
Da das Herabfallen der Oberwalze auf die Unterwalze bei gröſseren
Walzen sehr leicht Brüche herbeiführte, verlieſs man die Einrichtung
der Schleppwalzen und verband die Walzenzapfen mit Kupplungs-
rädern, wodurch auch ein viel gleichmäſsigerer Umlauf erzielt wurde.
Da aber auch hierbei die Oberwalze beim Durchgang der Bleche ge-
hoben wurde und beim Austritt niederfiel, so begegnete man dem
Stoſs dadurch, daſs man die Oberwalze durch Gegengewichte balan-
cierte. Dies geschah in der Weise, daſs man die Walzenzapfen in
beweglichen Unterlagen ruhen lieſs, die durch Zugstangen, Hebel und
Gewichte, die dem Gewicht der Walze nahezu entsprachen, gegen
diese angedrückt wurden. Wir haben diese Konstruktion schon bei
einem älteren Walzwerk mit Pilarengerüsten in Fig. 78, S. 241, zur
Darstellung gebracht. Die verbesserte Einrichtung mit Ständergerüst
ist in Fig. 236 a u. b 1) (a. f. S.) abgebildet. Die Zeichnung ist leicht
verständlich. Durch die Klauenkupplung z z' ist die Unterwalze mit der
Triebwelle verbunden. Die Kraftbewegung wird der Oberwalze durch
das Zahngetriebe u1u mitgeteilt, das durch die Kupplungen v v und die
Kupplungen t t' mit den Walzen e f verbunden ist. Die Stellung der
Oberwalze geschieht durch die Schraubenc c, die mittels des Zahn-
kranzes i i und der Hebel k k bewegt werden. Das Unterlager der
Oberwalze ist durch das Hebelwerk x z und das Gegengewicht y ab-
balanciert. Eine verbesserte Einstellung der Oberwalzen durch Keile
statt durch Schrauben hatte John Cockerill zuerst in Seraing
[620]Die Formgebung 1831 bis 1850.
eingeführt. Bei seiner Konstruktion wurden die Keile durch hori-
zontale Schrauben eingestellt.
Karsten hat die in Fig. 237,
238 u. 239 gezeichnete Anord-
nung bekannt gemacht, bei der
die Stellung der Keile durch ein
Zahngetriebe erfolgte. Die Keile
a b waren mit einer Zahnstange
verbunden, in die ein kleines
Zahnrad eingriff, welches durch
ein gröſseres horizontales Trieb-
rad m mit Handhebeln p p be-
wegt wurde. Die Ausbalancie-
rung der Oberwalze fand hier
von oben durch Gegengewichte,
Fig. 239, welche über am
Dach befestigte Rollen liefen,
statt. Bemerkenswert ist, daſs
die Kupplungswalze a direkt
mit der Triebwelle verbunden
war.
Der Vorzug der Einstellung der Oberwalze durch Keile lag in
der gröſseren Raschheit und Gleichmäſsigkeit.
Keinem Teil der Walzwerksindustrie wurde aber in dieser Periode
soviel Aufmerksamkeit zugewendet, als wie dem Walzen der
Eisenbahnschienen. Betrachten wir die Entwickelung derselben
zunächst hinsichtlich der Gestalt der Schienen.
In den ersten 20 Jahren des Eisenbahnwesens herrschte darin
eine groſse Verschiedenheit. Indem man nach einer vollkommenen
Form suchte, kam man auf sehr abweichende Profile.
Die alten Fischbauchschienen erhielten sich noch längere Zeit.
Als aber die Schienen wegen der stärkeren Belastung schwerer ge-
macht werden muſsten, warf man den Fischbauch, der ein ganz un-
nützes Anhängsel war,
ab und suchte Schienen
zu konstruieren, die
nicht mehr in einzelnen
Punkten, sondern mög-
lichst auf ihrer ganzen Länge Auflagerung hatten. Es entwickelten
sich vier Hauptschienenformen, Fig. 240:
Von diesen Formen hat die letztere in Europa den Sieg davon
getragen.
Die Flachschienen und Brückenschienen wurden auf Längsschienen,
die Doppelkopfschienen und Vignoles-Schienen mittels Stühlchen
auf Querschienen befestigt.
Die Stuhlschienen hatten ihre Auflager, ähnlich den alten Fisch-
bauchschienen, ausschlieſslich auf den oft komplizierten guſseisernen
Lagern oder Stühlen. Die hier dargestellte Form waren die sogen.
Doppelkopfschienen, welche symmetrisch waren und den Vorteil haben
sollten, umgedreht werden zu können, so daſs man die untere Seite,
wenn die obere Seite ausgefahren war, in Benutzung nehmen konnte.
Anfänglich waren in England die Stuhlschienen noch am meisten im
Gebrauch, aber nicht in der Form der Doppelschienen, sondern in
der S. 549, Fig. 182 a gezeichneten älteren Form.
Die Flachschienen waren die billigsten, doch wurden sie nur in
Amerika für Eisenbahnen mit Lokomotivbetrieb verwendet und sind
auch dort schon seit langer Zeit nicht mehr im Gebrauch.
Die Brückenschienen waren in dieser Periode in Deutschland
beliebt und wurden bei der Magdeburg-Leipziger, Leipzig-Dresdener,
Niederschlesisch-Märkischen u. s. w. Eisenbahn angewendet. Sie haben
sich bis in die letzten Jahrzehnte noch auf einigen englischen und
schweizer Bahnen erhalten.
Die ältesten Stuhlschienen waren die Fischbauchschienen. Als
man den Fischbauch weglieſs, ersetzte man ihn nur durch eine stär-
kere seitliche Rippe, Fig. 241 a,
welche zur Befestigung im Stuhl
diente. Statt dieser brachte man
dann einen kleinen runden Kopf,
Fig. 241 b, an. Aus dieser Form ist
dann erst die vorerwähnte Doppel-
kopfschiene, Fig. 241 c, entstanden.
Fig. 242 zeigt den Schienenstuhl einer Doppelkopfschiene und ihre
Befestigung in demselben. Obgleich die Doppelkopfschiene auf den
ersten Blick sehr praktisch erscheint, hat sie sich doch nicht bewährt,
weil man verhältnismäſsig nur selten zum Umlegen kam, da, wenn
die obere Seite so durchgefahren war, daſs sie unbrauchbar war, sie
[623]Die Formgebung 1831 bis 1850.
meist auch nach dem Umdrehen keinen festen Halt mehr fand. Der
zweite Kopf erhöhte aber das Gewicht der Schiene beträchtlich und
war, wenn sie nicht umgelegt werden konnte, ohne entsprechenden
Nutzen. Deshalb fanden die breitbasigen Schienen, Fig. 243, die eine viel
bessere Auflagerung gewähr-
ten, rasche Verbreitung. Doch
entwickelte sie sich nur all-
mählich zu dem schlan-
ken Profil der Vignoles-
Schiene.
Die älteste Form, wie
sie auf der Leipzig-Dres-
dener Bahn zur Anwendung
kam, Fig. 243 a, war eine
ganz gedrückte, sie war nur 65 mm hoch. Die älteren Profile der
österreichischen Staatsbahnen, Fig. 243 b, waren schon etwas höher,
nämlich 92 mm hoch, dann folgten die Schienen der niederländisch-
rheinischen Bahn, Fig. 243 c, mit 130 mm Höhe.
Mason Patrick wendete zuerst die breitbasige Schiene, die
er auf Querschwellen
von Lärchenholz auf-
nagelte, in Nord-
amerika an. Charles
Vignoles verpflanzte
sie 1836 nach England.
Da sich der Kopf
der Schiene viel rascher abnutzte als der Fuſs, so kam man in den
Vereinigten Staaten dazu, zusammengesetzte Schienen, Fig. 244, welche
in der nebengezeichneten Weise verbunden waren, herzustellen.
Die Verbesserungen an den Eisenbahn-
schienen gaben in diesem Zeitabschnitt
Veranlassung zu zahlreichen Patenten, von
denen wir nur einige der wichtigeren kurz
erwähnen wollen.
Robert Smith und John Walkin-
shaw nahmen 1833 ein Patent (Nr. 6457) für Schienen, Fig. 245 (a. f. S.),
mit angewalzten Fuſslappen zur Befestigung 1).
John Ruthom schlug hohle Schienen vor, sowohl von Guſseisen
[624]Die Formgebung 1831 bis 1850.
als auch von Schmiedeeisen, und nahm 1836 ein Patent hierfür
(Nr. 7209).
James Hardy erfand 1838 zuerst Schienen mit Stahlköpfen.
Seine Art der Paketierung, auf welche wir später noch zurückkommen
werden, war zwar für den Zweck etwas umständlich, aber es war doch
schon das ähnliche Princip, wel-
ches später allgemein angewen-
det wurde. Die Lauffläche der
fertigen Schiene sollte aus Stahl
bestehen (Patent Nr. 7666).
Sydney Jessop wollte 1842 denselben Zweck dadurch erreichen,
daſs er den Kopf der ausgewalzten schmiedeeisernen Schiene einer
nachträglichen Cementation unterwarf (Patent Nr. 9298).
Charles Sanderson schlug 1845 ein Verfahren vor, Guſsstahl
und Schmiedeeisen zusammenzuschweiſsen und aus diesem Material
Schienen zu walzen.
Wichtiger war das Patent von G. B. Thorneycroft vom 27. Mai
1847, den Kopf der Schienen aus krystallinischem Eisen (Feinkorn),
den übrigen Teil der Schiene aus sehnigem Eisen zu walzen. Roh-
oder Feineisen sollen dafür in der vollkommensten Weise mit oder
ohne Hinzufügung von Schrotteisen zu einer Luppe gepuddelt werden,
groſs genug, um die Deckschienen für eine ganze Eisenbahnschiene
zu bilden. Bei Doppelkopfschienen brauchte man je oben und unten
eine solche Schiene.
Diese Vorschläge führen uns bereits ein in die Art und Weise,
wie die Schienen zusammengesetzt und welches Material dafür ge-
nommen wurde. Anfangs setzte man die Pakete einfach aus Eisen
derselben Sorte zusammen, wobei man nur, um eine saubere Oberfläche
zu erhalten, auſsen gegärbtes Eisen, innen
aber Rohschienen (mill-bars) nahm. Ge-
wöhnlich begnügte man sich sogar damit, nur
oben und unten eine Fuſs- und Deckplatte
von doppelt geschweiſstem Eisen zu nehmen,
Fig. 246 a. So bestanden beispielsweise die
Pakete der Hamburger und badischen Eisen-
bahnschienen, welche anfangs der 40er
Jahre in Belgien gewalzt wurden, nach Valerius, aus drei Rohschienen
von 6 engl. Zoll Breite und vier von 3 Zoll Breite und nur zwei Deck-
schienen von gegärbtem Eisen von 6 Zoll Breite; alle waren 1 Zoll dick.
Fig. 246 b zeigt die Zusammensetzung eines Paketes zu Doppel-
[625]Die Formgebung 1831 bis 1850.
kopfschienen der Hütte von Decazeville; a a sind die zweimal ge-
schweiſsten Decken, b b sind einmal geschweiſste und c c sind Roh-
schienen. Diese Pakete waren 0,974 m lang und wogen 165 kg. Fig. 246 a
zeigt den Durchschnitt eines Paketes für Doppelkopfschienen von Creusot
in Frankreich. Dieses Paket wog 210 kg, war 1,21 m lang, und die daraus
gewalzte Schiene hatte eine Länge von 4,8 m und wog 178 kg. Fig. 246 c
ist ein Paket, in dem alte oder Ausschuſsschienen mit verarbeitet werden.
Zu Couillet wurden für die belgische Regierung Schienen mit har-
tem Kopf gewalzt. Die obere Decke der Pakete hierfür war aus kör-
nigem Eisen. Die Anwendung des körnigen oder
krystallinischen Eisens zu diesem Zweck war also
schon lange vor dem oben erwähnten englischen
Patent Thorneycrofts in Belgien bekannt und
eingeführt.
Das Ausschweiſsen dieser Pakete erforderte
besondere Vorsicht, weil das körnige Eisen viel
früher Schweiſshitze annahm, als das sehnige.
Ebenso war aber auch beim Auswalzen besondere
Vorsicht nötig, weil das harte Eisen schneller
erkaltete. Unter keinen Umständen durfte das
harte Eisen mürbe sein. Selbst das aus Koks-
roheisen gepuddelte körnige Eisen war brauchbar.
Man bediente sich aber in Couillet nur des aus Feineisen gepuddelten
körnigen Stabeisens. Selbstverständlich durfte beim Schweiſsen der
Pakete kein Teil derselben überhitzt werden, weil solche Pakete zwi-
schen den Walzen aufrissen.
Die Kalibrierung der Schienenwalzen war ebenso wichtig
wie schwierig. Die älteren, leichteren Schienenwalzen hatten nur 0,35 m
Durchmesser und 1 m Körperlänge. Für schwere Schienen machte
man die Walzen 0,40 bis 0,50 m dick und 1,20 bis 1,40 m lang.
Die Kalibrierung selbst war wesentlich Erfahrungssache. Charakte-
ristisch ist folgende Mitteilung von Valerius. Wenn auf dem Eisen-
werk zu Monceau-sur-Sambre Walzen für ein bis dahin in der Hütte
noch nicht angefertigtes Façoneisen konstruiert werden sollten, so
wurden die für die verschiedenen Kaliber vorzunehmenden Abnahme-
verhältnisse von einer aus allen Hüttenmeistern, dem Walzendreher
und dem Direktor des Werkes bestehenden Kommission untersucht
und festgestellt. Ebenso war es zu Seraing der Walzmeister, der
Drehmeister, der den Puddel- und Schweiſsbetrieb leitende Hütten-
meister, welche ihre Meinungen zu diesem Zweck vereinigten.
In mehreren Hütten bewahrte man die Profile aller Schienen-
kaliber, gute und schlechte, auf und bemerkte die an jedem Kaliber
erfolgten Resultate. — Um sich diese Profile zu verschaffen, walzte
man Stäbe in den Kalibern aus, schnitt ihre Enden scharf ab und
verzeichnete die Profile auf dem Papier, oder was noch besser war,
schnitt sie in einem Stück dünnen Bleches aus. Diese Profile konnten
später, wenn man andere Walzen kalibrieren oder alte reparieren
wollte, gute Dienste leisten und zwar um so wertvollere, als sich die
Kaliber fortwährend veränderten, durch den Gebrauch ihre Form
verloren und unaufhörlich auf der Drehbank nachgeholfen bekommen
muſsten.
Allmählich hatten sich aus den einzelnen Erfahrungen gewisse
allgemeine Regeln herausgebildet:
1. Der Druck in den aufeinander folgenden Kalibern und folglich
auch die Verlängerung, welche das Eisen annimmt, müssen sich in
dem Maſse vermindern, als man sich dem letzten Kaliber nähert,
welches gewissermaſsen nur zum Schlichten des Eisens dient.
2. Man muſs auf die dickeren Teile der Schiene, wo das meiste
Eisen vorhanden ist, und auf die schwächeren, wo weniger ist und
das Metall am schnellsten erkaltet, einen ungleichen Druck ausüben.
3. Die Schienenkaliber müssen sich in Übereinstimmung mit der
erlangten Breite und mit dem Druck, den man anwendet, erweitern.
Das Maſs der Erweiterung ist Erfahrungssache. Zu Couillet betrug
die Erweiterung in den Schienenschlichtwalzen gewöhnlich 3 mm von
einem Kaliber zum andern.
Um die Kalibrierung verschiedener Arten von Schienen anschaulich
zu machen, teilen wir die Abbildungen verschiedener älterer Profile mit.
Fig. 247 zeigt Schienenwalzen der Hütte von Terre noire nach
Le Blanc und Walter, welche zur Anfertigung der Schienen von
Andrezieux nach Roanne im Loire-Departement angewendet wurden.
Die aufeinanderfolgenden Furchen, welche teils mehr in der oberen,
teils in der unteren Walze liegen, sind so angeordnet, daſs das Eisen
bei jedem Durchgang in der umgekehrten Richtung durchgeht. Die
beiden letzten Profile sind fast ganz in die untere Walze gelegt.
Damit die Walzen ihre Stellung nicht verändern können, hat die
untere an ihren Enden Scheiben, welche in die obere Walze eingreifen.
Fig. 248 zeigt die Kalibrierung der Walzen für die Doppelkopf-
schienen der bayerischen Staatsbahn, welche in der belgischen Hütte
zu Monceau-sur-Sambre angewendet wurden. Die eingeschriebenen
Zahlen bedeuten den für zweckmäſsig erachteten Druck. Die Streck-
und Schlichtkaliber waren hier sämtlich in einer Garnitur angebracht,
was sonst nicht üblich war.
Fig. 249 zeigt die ineinander gezeichneten Kaliberprofile der
Brückenschienen für die
badische Eisenbahn und
Fig. 250 dieselben für
die breitbasigen Schie-
nen der Hamburger
Bahn, welche beide zu
Couillet in Belgien ge-
walzt wurden, in ¼ der
natürlichen Gröſse. Das
Eindrehen der Kaliber
geschah nach einer höl-
zernen Schablone. Alle Schienengerüste waren mit Einlaſs- und Ab-
streifplatten versehen.
Zu einem Schienenwalzwerk gehörten damals sechs Schweiſsöfen,
von denen fünf im Betriebe standen, während der sechste als Reserve
diente. In diesen Schweiſsöfen
erhielten die Pakete eine saftige
Schweiſshitze und wurden dann
in einer Hitze zwischen den Wal-
zen geschweiſst und gestreckt.
Sobald die Schiene aus dem letz-
ten Kaliber der Schlichtwalzen
herausgekommen war, schnitt
man die beiden Enden mit der
Säge ab, richtete sie und machte
40*
[628]Die Formgebung 1831 bis 1850.
die Enden genau rechtwinklig. Nachdem man mit der Feile und dem
Meiſsel noch die Nähte fortgeschafft hatte, lieſs man sie erkalten. Die
kalte Schiene wurde dann nochmals gerichtet und von allen Fehlern
befreit, wobei man sich eines Schmiedefeuers und der Handhämmer
bediente. Dieses Fertigmachen nannte man das Adjustieren (Ajustage).
Ein wichtiges Zubehör der Schienenwalzwerke waren die Kreis-
sägen, Fig. 251 und 252, welche das Abschneiden der Schienenenden
in noch rotglühendem Zustande bewirkten. Nachdem die durchgewalzte
Schiene auf der Bank vor dem Sägewerk gerichtet war, wurde sie
auf die bewegliche Bank gebracht, welche durch einen einfachen
Hebel so vorwärts geschoben wurde, daſs die beiden Kreissägen,
welche genau im Abstande der Schienenlänge voneinander standen,
die Schienenenden faſsten und mit überraschender Geschwindigkeit
abschnitten. Die Sägeblätter, welche 1,25 m Durchmesser hatten und
aus dem besten körnigen Eisen gefertigt waren, wurden mit einem
Wasserstrahl gekühlt. Von da kam die Schiene auf die groſse Richt-
platte, wo sie vor dem Erkalten fertig gerichtet wurde. Das Richten
der kalten Schiene geschah früher mit Handhämmern, seit etwa der
Mitte der 40er Jahre aber mit einer Schraubenpresse. Diese wurde
zuerst in Seraing und auf der Eisenbahnstation zu Mecheln eingeführt.
Zum Schienenflicken (raccomodage) verwendete man zu Couillet
fünf Schmiedefeuer, jedes mit einem Meister und einem Gesellen.
Das Probieren der Schienen geschah durch die Schlagprobe unter
einer Ramme. Zu Couillet muſste eine Schiene 14 Schläge eines
200 kg schweren, von 4,50 m Höhe herabfallenden Rammklotzes aus-
halten, ohne Borsten oder Brüche zu bekommen. Dann folgte die
Probe auf das Bruchansehen 1). Die mittlere Dauer einer Schiene,
die keine besondere Beschädigung erlitt, wurde damals zu 10 bis
12 Jahren gerechnet.
Fast allgemein wendete man zum Betriebe der Walzwerke Balan-
ciermaschinen an, für welche die Engländer eine ererbte Vorliebe
hatten. Die erste horizontale Dampfmaschine für den Betrieb eines
Walzwerkes wurde zu Seraing gebaut und aufgestellt. Dieses System
war angeblich zuerst von dem Ingenieur Nikolaus Flamm zu Köln
für den Betrieb der Walzwerke angewendet worden. Die horizon-
talen Maschinen nahmen weniger Platz ein, erforderten weniger Funda-
ment und kosteten deshalb nur etwa die Hälfte.
Man rechnete damals 22 bis 25 Pferdekräfte für den Betrieb
eines Schienenwalzwerkes.
Um einen Begriff von der maschinellen Einrichtung und der
Maschinenarbeit eines Walzwerkes jener Zeit zu bekommen, führen
wir das folgende Beispiel an.
Die Walzhütte zu Couillet (vgl. Fig. 221) hatte zwei groſse
Dampfmaschinen von je 80 Pferdekräften.
Die Maschine Nr. 1 bewegte den 7000 kg schweren Stirnhammer,
welcher 60 bis 72 Schläge in der Minute machte; das Quetschwerk,
welches 64, und die Scheren, welche 15 bis 18 Schwingungen in der-
selben Zeit machten. Das Schwungrad von 18 engl. Fuſs Durchmesser
und 9000 kg Gewicht machte 72 bis 85, das Schienenwalzwerk im
Durchschnitt 40 Umgänge in der Minute. Die Walzen dieser Ge-
rüste hatten 14 bis 16 engl. Zoll im Durchmesser.
Die Maschine Nr. 2 hatte ein Schwungrad von 20 engl. Fuſs
Durchmesser und 10000 kg Kranzgewicht. Es machte 80, das Blech-
walzwerk 25, das Schneidewerk 80 und das Grob- und Feinwalzwerk
140 bis 150 Umgänge in der Minute. Die Scheren des Blechwalz-
[630]Die Formgebung 1831 bis 1850.
werkes machten 25, die des Schienenwalzwerkes und des Schneide-
werkes 16 Schnitte in der Minute. Die Blechwalzen waren 18, die
Schienenwalzen 14, die Grobeisenwalzen 10 und die Feineisenwalzen
8 engl. Zoll stark. Der vollständige Grundplan der Walzhütte ist in
dem Werk von Valerius auf Taf. I im Grundriſs und einzelne
Teile auf den folgenden Tafeln im Aufriſs dargestellt.
Die richtige Disposition eines Walzwerkes war eine sehr wich-
tige Sache, denn jede unnötige Entfernung, jeder überflüssige Weg
zwischen den zusammengehörigen Apparaten kostete Zeit und Geld
und verringerte die Produktion, dabei war aber freie Bewegung,
freier Zugang zu und in den Arbeitsräumen ebenfalls notwendiges
Erfordernis. Deshalb machte man die Hallen möglichst offen und
unterstützte das Dach durch eiserne Säulen. Die Öfen legte man
so an, daſs die Essen oder die Sammelesse auſserhalb des Gebäudes
zu liegen kamen. Die Öfen gruppierte man um die Apparate,
welche sie bedienten: die Puddelöfen in der Nähe der Hämmer,
Quetschwerke und Puddelwalzwerke; die Schweiſsöfen in der Nähe
der Stabeisen-, Blech- und Schienenwalzwerke. Die Scheren wurden
so angebracht, daſs sie den Dienst bei den übrigen Apparaten nicht
hinderten, teils in der Hütte, teils im Freien. Es erwies sich als
zweckmäſsig, den Betrieb der Arbeitsmaschinen auf zwei Kraft-
maschinen zu verteilen. Den Boden der Halle belegte man mit eiser-
nen Platten.
Die abgeschnittenen Schienenenden walzte man meist zu 6 Zoll
breiten Schienen, welche man zu Deckplatten der Pakete benutzte.
Die Eisenbahnen stellten den Walzwerken noch andere neue Auf-
gaben. Die Hartguſsräder muſsten wenigstens in Europa allmählich
den Rädern mit schmiedeeisernen Radkränzen weichen. Diese Spur-
kranzeisen für Eisenbahnen, die Radbandagen (tyres) wurden
ebenfalls gewalzt. Sie erforderten schwere Pakete, die erst unter dem
Hammer geschmiedet und dann erst nach einer neuen Hitze ausgewalzt
wurden. Fig. 253 zeigt die Kalibrierung der Tyres-Walzen zu Couillet
aus dem Anfang der 40er Jahre mittels flacher Kaliber, neben diesen
[631]Die Formgebung 1831 bis 1850.
hatte man aber schon damals tiefe Kaliber. Die Radbandagen wurden
ebenso wie die Schienen nach dem Auswalzen mit der Kreissäge auf die
richtige Länge geschnitten, sodann gebogen, an den Enden zusammen-
geschweiſst und warm auf das Speichengerippe aufgezogen. Dann
wurden die Laufflächen auf der Drehbank abgedreht. Der berühmte
Maschinenfabrikant Cavé in Paris hatte Dampfscheren konstruiert,
welche Bandagen für Lokomotivräder kalt glatt durchschnitten.
Zunächst für Radachsen, dann aber auch für Bandagen und
Schienen hatte James Hardy 1835 ein eigentümliches Herstellungs-
verfahren erfunden und patentieren lassen. Er machte runde Pakete,
indem er Stäbe, deren Querschnitte radialen Ringstücken entsprachen,
walzte und diese um einen Rundstab zusammenfügte und das Ganze
zusammenschweiſste. Indem er nun diese Segmentstäbe (segmental
bars) mit einer Deckplatte von Stahl herstellte, konnte er die Lauf-
flächen der daraus gewalzten Schienen verstählen.
Ein anderes Verfahren von Bodmer (1839) und von Bramwell
(1843) hatte den Zweck, die gefährlichen Schweiſsstellen vom Umfang
des Rades in das Innere zu verlegen. Zu diesem Zwecke wickelten
sie einen glühenden Stab spiralförmig auf einen Dorn auf und bildeten
dadurch einen Ring (coil), der geschweiſst und ausgearbeitet wurde.
Der Aufschwung der Schienenfabrikation und die Fortschritte in
der Kunst des Schienenwalzens übten unmittelbaren Einfluſs auf die
Fabrikation des Form- oder Façoneisens. Vor dem Jahre 1830
hatte man von diesem nur Fenstereisen und Winkeleisen gewalzt.
Letzteres bildete das einzige Konstruktionseisen und diente haupt-
sächlich zur Verbindung der Platten und Stäbe, aus denen nament-
lich die schmiedeeisernen Brücken hergestellt wurden. Vor den 30er
Jahren war das Walzen von Winkeleisen in Deutschland noch gänz-
lich unbekannt, 1831 wurde das erste Winkeleisen auf dem Eisenwerk
Rasselstein bei Neuwied von der Firma Christian und Friedrich
Remy gewalzt. In Frankreich fing man um dieselbe Zeit damit an.
Bei dem Walzen der Winkelschienen dürfen die Schenkel keinen starken
Druck erfahren, und die Schenkel des inneren und äuſseren Winkels
der Schiene müssen genau in eine Senkrechte fallen. Geschieht dies
nicht, so verdreht sich die Schiene beim Austritt aus der Walze.
In welcher Weise das Winkeleisen bei der Konstruktion der
Gitterträger in England damals, besonders von Telford, angewendet
wurde, ist aus umstehender Zeichnung, Fig. 254 (a. f. S.), zu ersehen.
Aber auch bei den Röhrenbrücken, welche Robert Stephenson baute,
wie namentlich bei der berühmten Britanniabrücke, welche er 1846
[632]Die Formgebung 1831 bis 1850.
bis 1850 mit William Fairbairn errichtete, diente nur Winkel-
eisen zum Verbinden und Versteifen der Bleche (Fig. 255). Winkel-
eisen brauchte man ferner zum Bau der Dampfkessel.
Die Form der ersten gewalzten Eisenbahn-
schienen muſste eigentlich schon zu dem T-Ei-
senT führen. Dennoch taucht dasselbe erst
um das Jahr 1830 auf, als in England der Bau
schmiedeeiserner Dächer allgemeiner wurde. Bei
dieser Gelegenheit sei erwähnt, daſs die erste
ganz aus Schmiedeeisen hergestellte Kuppel, von
Moller konstruiert, am Nordchor des Mainzer
Domes 1828 errichtet wurde.
Fig. 256 zeigt die Furchung einer einfachen
T-Eisenwalze. Die Kaliber sind abwechselnd
um 90° gedreht. Auf diese Weise wird ab-
wechselnd Kopf und Fuſs gestreckt, und die Kaliber werden sämt-
lich versenkt in die Unterwalze gelegt. In Deutschland begann man
mit dem Walzen des T-Eisens um das Jahr 1839 bis 1840.
Das Doppel-T-Eisen, I, welches
von Jahr zu Jahr gröſsere Anwendung
zu Bauzwecken fand, wurde erst gegen
Ende unseres Zeitabschnittes erfunden,
und zwar in Frankreich. Die ersten
Versuche, I-Eisen zu walzen, fallen in
die letzte Hälfte der 40er Jahre. Vor
der Zeit wendete man in Paris zu
Deckenträgern statt der Holzbalken
Eisenbahnschienen an, und wo es sich
um das Tragen sehr groſser Lasten
handelte, nietete man zwei aufeinander-
gestellte Schienen mit den Fuſsenden
zusammen. Die Anregung zum Walzen
der I-Träger gab der um die Eisen-
industrie hochverdiente Ingenieur Ferd.
Zorès. Dieser setzte sich 1847 mit den
ersten Konstrukteuren und Bauunternehmern zu Paris in Verbindung,
um mit diesen die zweckmäſsigsten Trägerformen zu studieren und
die Walzwerke zu deren Anfertigung zu veranlassen 1).
Dies gab zunächst Veranlassung, daſs M. Bleuze beim Bau
des neuen Schlachthauses in Paris zur Deckenkonstruktion anstatt
der Flachschienenträger Kreuzeisen + anwendete, in der Absicht,
durch die Verstärkung des Steges durch eine Querrippe in der Mitte
eine gröſsere Tragkraft und Ver-
mehrung der Seitensteifigkeit zu
erzielen. Die damit angestellten
Belastungsversuche ergaben aber
nicht das erwartete Resultat. Zorès
brachte nun ein umgekehrtes T-Ei-
sen in Vorschlag, dessen Herstel-
lung aber auf groſse Schwierig-
keiten stieſs. Da kam Chibon im
Oktober 1848 auf die Idee der
doppelten T-Form. Aber erst im
Februar 1849 gelang es den Be-
mühungen Zorès’, daſs dasselbe in
Frankreich hergestellt und in Paris
verwendet wurde. Zorès, von der
Wichtigkeit dieser Trägerform über-
zeugt, machte nun auf eigene Kosten
eine Reihe von Versuchen, die
besten Querschnittsformen zu er-
mitteln, welche von Erfolg gekrönt
waren und deren Ergebnisse er in
einer vortrefflichen Profilsammlung
mit umfangreichen Tabellen über
Belastung und Tragfähigkeit ver-
öffentlichte. Seiner Ausdauer und
seinem groſsen Fleiſs ist es zumeist
zu danken, daſs sich das Doppel-
T-Eisen so rasch eingeführt hat.
Hohlkardeneisen walzte Remy
zu Rasselstein ebenfalls schon 1831.
Auf dem Lendersdorfer Werke walzte
Hösch in der ersten Hälfte der 30er Jahre auſser Winkeleisen auch
bereits Fenstereisen, Roststabeisen und Gittereisen.
Wie man bei den Schienen weiches und hartes Eisen zusammen-
schweiſste, so verfuhr man bei den Achsen mit Eisen und Stahl.
R. Daelen hatte auf der Hermannshütte zu Hörde ein Verfahren,
[634]Die Formgebung 1831 bis 1850.
das dem James Hardy 1835 patentirten ähnlich war, eingeführt, um
Eisenbahnachsen mit Stahloberflächen zu erzeugen. Zu diesem Zwecke
bildete er runde Pakete, Fig. 257, mit einem Eisenkern a in der Mitte,
diesen umgab eine ringförmige Lage von Stahl b und hierauf folgte
wieder Eisen. Nach dem Auswalzen wurde die äuſsere Schicht von
weichem Eisen abgedreht, und der Stahl bildete alsdann die Oberfläche.
Ein wichtiger Fortschritt der Walzkunst war eine Maschine zum
Walzen ganzer Eisenbahnräder von Thomas Forsyth, worauf dieser
am 15. April 1848 ein Patent erhielt 1).
Von nicht minder groſser Bedeutung war die Erfindung des so-
genannten Universalwalzwerkes von R. Daelen im Jahre 1848, um
Flacheisen von verschiedener Breite und Dicke zu walzen. Beide
Erfindungen gelangten erst im folgenden Jahrzehnt zu praktischer
Bedeutung, und werden wir deshalb später
auf sie zurückkommen.
Daelen hat auch 1847 zu Lendersdorf
ein Walzwerk gebaut, auf dem man ganze
Kettenglieder für Hängebrücken herstellen
konnte.
Ein kompliziertes Walzwerk zur Fabri-
kation von Hufeisen lieſs sich David A. J.
Adams von Massachusetts 1831 in den Ver-
einigten Staaten patentieren.
Die Maschine zur Anfertigung von Spaten und Schaufeln 2), die
sich C. Richmond und L. Cassork in Massachusetts in demselben
Jahre durch Patent schützen lieſsen, war dagegen eine Kombination
von Stanze und Presse.
Von weittragender Bedeutung war die Herstellung von Gasleitungs-
röhren unter Walzen. Ehe wir diese betrachten, wollen wir zu dem
oben angeführten kurz das nachtragen, was über die Fortschritte der
Blech- und Drahtfabrikation noch zu erwähnen ist.
Die Herstellung von Hammerblechen, d. h. von unter dem
Hammer gebreiteten Blechen, war bereits fast ganz verdrängt durch
die Walzblechfabrikation. Mit dem steigenden Bedürfnis, besonders
für Dampfkessel und eiserne Brücken, machte man die Blechwalzen
schwerer und länger, so daſs man 1840 schon 2,55 m lange Walzen
hatte.
Wo der Puddelbetrieb zur Einführung gelangt war, bildete gutes,
doppelt geschweiſstes Puddeleisen das Material für die Bleche. Die
daraus in der Grobeisenstraſse gewalzten Flachstäbe wurden in
„Stürze“ geschnitten, deren Länge der Breite der daraus zu walzen-
den Bleche entsprach. Diese Stürze wurden auf den Vorwalzen, dem
Sturzwalzwerk, vorgewalzt, um dann
auf dem Blechwalzwerk fertig gewalzt
zu werden. Fig. 258 veranschaulicht
schematisch (nach Wedding1) die Ent-
stehung der Blechtafel aus dem Sturz,
wobei die Pfeile die Walzrichtung an-
geben.
Das Glühen der Bleche geschah in
Frankreich und namentlich in Belgien
meist in den schon früher beschriebe-
nen fours dormants. Anderwärts wen-
dete man meist Flammöfen als Blech-
glühöfen an, deren Sohle rechteckig war und bei denen die Arbeits-
thür an der dem Rost entgegengesetzten Seite lag.
Das Beschneiden geschah mit Hebelscheren, Fig. 259 2), wobei
man die Maſse mittels daraufgelegter rechtwinkliger Rahmen aufriſs.
Die Einführung eiserner Dächer in England, um welche sich be-
sonders Walker zu Rotherhithe verdient gemacht hatte, führte auch
zur Herstellung des gewellten Bleches. Walker stellte anfangs der
30er Jahre zuerst gerieftes und gewelltes Blech (corragulated, furro-
wed and fluted iron) dadurch her, daſs er rotglühendes Eisenblech
zwischen gerieften und gefurchten Walzen durchwalzte. Das Blech
[636]Die Formgebung 1831 bis 1850.
erhielt dadurch eine viel gröſsere Stärke und Tragfähigkeit, und wur-
den schon ganze Hallen und sonstige Gebäude damit gedeckt 1).
1849 wurde in England das Schwarzbrennen des Bleches mit
Schwefelsäure eingeführt. Das Verzinken des Eisenbleches, die Fabri-
kation des sogenannten galvanisierten Bleches, erfand Sorelle in Paris
1835.
Auch bei der Drahtfabrikation waren die Walzwerke nicht
mehr zu entbehren. Man walzte das Rundeisen bis zur Stärke von 6,
in den 40er Jahren bereits bis zu 4 mm aus. Das vorzüglich ein-
gerichtete Drahtwerk von Couvin in Belgien lieferte Walzdraht von
4, sogar von 3 mm Stärke. Die Streckung geschah durch abwech-
selnde Quadrat- und Ovalkaliber. Bei den Ovalkalibern war die Breite
gleich 1,414 r und die Höhe gleich 0,5858 r, wobei r die Seite des
umschriebenen Quadrats bedeutet. Aus dem letzten Ovalkaliber ging
dann das Eisen noch in ein Rundkaliber von der Höhe des letzten
Ovals 2). Fig. 260 3) zeigt eine solche Kaliberreihe. Beim Austreten
des ca. 60 m langen Drahtes aus den Walzen wurde derselbe auf eine
sich drehende Trommel von Eisenstäben aufgewickelt. Von diesen ge-
langte es in Glühkessel, in denen er schwach geglüht und langsam
erkalten gelassen wurde.
Der Walzdraht lieferte das Material für den Drahtzug, der
aus dem Haspel, dem Zieheisen und der Leier bestand, wie sie schon
Bd. III, S. 461 dargestellt sind, und von denen nichts neues zu er-
wähnen ist.
Man unterschied im Handel jetzt hauptsächlich drei Draht-
klinken, die englische (Jauge anglaise), die französische (Filière
française) und die deutsche. Die englische Klinke enthielt 27 Num-
mern, deren 0 einer Stärke von 8 mm, Nr. 1 7,5 mm, Nr. 2 7 mm, Nr. 3
6,5 mm, Nr. 26 0,5 mm entsprach. Die französische Drahtklinke hatte
als 0 eine mittlere Stärke, Passe-perle genannt, von 0,62 mm. Die
stärkeren Nummern zählten bis Nr. 24, welche der englischen Nr. 2
gleich war; Nr. 1 über Passe-perle glich der englischen Nr. 22, Nr. 30
[637]Die Formgebung 1831 bis 1850.
unter Passeperle entsprach dem feinsten Draht, den man aus Eisen
ziehen konnte und der zu Klaviersaiten und feinen Metallgeweben an-
gewendet wurde.
Die deutsche Klinke umfaſste zwei Reihen, Band und Holl ge-
nannt. Die Reihe „Band“ umfaſste 10 Nummern, die mit Buchstaben
bezeichnet wurden. In der Reihe „Holl“ entsprachen die von 1 bis
6 zunehmenden Nummern abnehmenden Stärken. Das 6. Band war
Nr. 21 und der 2. Holl Nr. 25 der englischen Klinke gleich.
Eine einfachere, richtigere, auf mathematischen Grundsätzen be-
ruhende Klinke hatte der Engländer Aitkin in Vorschlag gebracht 1);
dieselbe hat aber keinen Eingang in die Praxis gefunden.
Die Zieheisen, Fig. 261 2), wurden durch
Zusammenschweiſsen von Eisen und Guſsstahl
hergestellt und die konische Ziehöffnung von
der weichen Seite aus vermittelst geschlosse-
ner, harter Guſsstahlfedern eingeschlagen.
Das Maſs des Zulaufes der Öffnung war von
Wichtigkeit.
Die früheren Grobziehbänke oder Schlepp-
zangenbänke waren durch das Walzen des Drahtes ganz überflüssig
geworden. Der gewalzte Draht kam jetzt gleich auf den Mittelzug
und von da auf den Feinzug.
Auf den vermehrten Drahtverbrauch war die Erfindung und An-
wendung der Drahtseile von Einfluſs. Diese sind als eine Erfindung
des Oberbergrats Albert in Clausthal anzusehen, der 1834 auf den
Gedanken kam, Seile aus Draht in derselben Weise wie aus Hanf-
strängen zusammenzudrehen. Er wendete dazu den Eisendraht Nr. 12
der Königshütte im Harz an und erzielte den besten Erfolg 3). Die
Handseilerei wurde bald durch Maschinenarbeit verdrängt, und rasch
fanden die eisernen Treibseile aus Draht Eingang. 1835 wurden
[638]Maschinenfabrikation 1831 bis 1850.
schon die ersten Drahtseile in den ungarischen Bergwerken verwendet,
und Wurm erfand seine Seilmaschine.
Eine andere verwandte Erfindung aus dem Jahre 1832 verdient
hier Erwähnung, es waren dies die gegliederten, sogenannten Sicher-
heitsketten von Galle1). Diese Ketten bildeten gewissermaſsen eine
gegliederte Zahnstange, in welche ein Zahnrad eingreifen konnte. Man
konnte sie zum Heben beträchtlicher Lasten benutzen.
Die Fabrikation zwischen Walzen geschweiſster Rohre
war zuerst in England, wo die Gasbeleuchtung immer mehr Anwen-
dung fand, zu einem wichtigen Industriezweige geworden. Cornelius
Whitehouse zu Wednesbury war 1825 die Fabrikation geschweiſster
Rohre, welche namentlich als Gasrohre sehr begehrt waren, gelungen.
Er hatte seine Rohre schweiſswarm durch Zieheisen gezogen. Th. H.
Russel zu Birmingham verbesserte das Verfahren 1836, indem er die
Eisenschienen unter Walzen in die annähernd richtige Rohrgestalt
bog und sie dann weiſsglühend durch Zieheisen zog. Gandillot in
Paris führte 1840 das Biegen mit einer Hebelpresse aus. Auf der
Hütte zu Abainville (Depart. Maas) lieſs Rigaud 1846 das Band-
eisen noch in einer Rinne mit Hämmern biegen und dann in zwei
Schweiſshitzen durch zwei Zieheisen ziehen. Das Schweiſsen geschah
aber auch statt in Zieheisen zwischen Walzen. J. J. Russel und Th.
H. Russel bedienten sich dazu 1844 und 1845 einer Walze, nachdem
sie schon früher die Röhren mit einer Schleppzange durch die Wal-
zen, die in diesem Falle als Zieheisen dienten, gezogen hatten. Ein
eigenartiges Walzwerk aus drei oder vier nach Art einer Seilrolle
auf der Randfläche ausgehöhlten Scheiben, durch deren Zusammen-
stellung sich die runde Öffnung zur Durchführung des Rohres bil-
dete, hatte Richard Prossen von Birmingham 1840 eingeführt.
Charles Fox nahm am 24. Febr. 1847 ein Patent auf das Schweiſsen
von Eisen unter hydraulischen Pressen (Nr. 11598).
Eine bedeutende Zunahme erfuhr der Eisenverbrauch durch den
Aufschwung der Maschinenfabrikation in dieser Periode. Der Bau
von Dampfschiffen und Eisenbahnen gab hierzu den mächtigen An-
stoſs. In allen Zweigen der Industrie suchte man bereits die Menschen-
[639]Maschinenfabrikation 1831 bis 1850.
arbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen. Zur besseren Bearbeitung
des Eisens wurden die Werkzeugmaschinen verbessert, und er-
warben sich besonders Whitworth und Nasmyth in England hierin
unsterbliche Verdienste; in Frankreich war es Cavé zu Paris, der
viele Neuerungen einführte.
An der Verbesserung der Drehbänke, des wichtigsten Werk-
zeuges bei der Maschinenfabrikation, arbeiteten auſser den oben Ge-
nannten noch Sharp \& Comp. in Manchester, Saulnier in Paris,
Hartmann und Zimmermann in Chemnitz und Heusinger von
Waldegg. Man baute Parallel- oder Cylinderdrehbänke bis zu 10 m
Länge und Plan- oder Scheibendrehbänke bis zu 6 m Durchmesser.
An den Hobelmaschinen brachten besonders Whitworth und
Haley in Manchester Verbesserungen an.
Stoſs- oder Stanzmaschinen kamen zu Anfang dieser Periode
in England auf, 1839 lernte man dieselben in Deutschland kennen
und seit 1840 verlegten sich die Franzosen mit Eifer auf den Bau
derselben. In England machten sich Sharp, Whitworth und Bod-
mer, in Frankreich Cavé, Decoster und Cartier, Mariotte und
Pihet um dieselben verdient.
Für die Herstellung von Feilmaschinen zum Bearbeiten von
Guſs- und Schmiedeeisen hat sich Nasmyth besonderes Verdienst
erworben. Bereits 1829 erfand er eine Maschine, um viereckige
oder sechseckige Schraubenmuttern mit einer rotierenden Feile zu be-
arbeiten. Um 1840 erbaute Nasmyth Feilmaschinen.
Nahe verwandt damit sind die Fraismaschinen, welche eben-
falls in dieser Periode in Aufnahme kamen und besonders zwischen
1830 und 1835 von Nasmyth, Sharp und Haley angefertigt wur-
den. In Frankreich wurden sie 1840 von Sandford und Warral,
1842 von Decoster in Paris und 1847 von Paul in Havre nach-
gebaut. 1849 konstruierte Kilner zu Sheffield eine Fraismaschine,
um Eisenbahnräder äuſserlich abzufraisen, statt abzudrehen. Die
Fraismaschinen erlangten besonders in den Vereinigten Staaten von
Amerika eine sehr mannigfaltige Verwendung.
Schrauben- und Bolzenschneidmaschinen verfertigten be-
sonders Fox, Whitworth, Sharp und Roberts in England und
Decoster in Paris. Whitworth in Manchester, der das groſse Ver-
dienst hat, (1841) ein einheitliches, auf bestimmten Grundsätzen be-
ruhendes Gewindesystem eingeführt zu haben, erfand auch (1834) die
beste Schraubenschneidkluppe mit drei Backen.
Die Bohrmaschinen fanden groſse Verbreitung in dieser Periode
[640]Maschinenfabrikation 1831 bis 1850.
und wurden verbessert von Maudslay, Sharp und Roberts, Whit-
worth, Lewes u. a. in England, von Raymond (1841) und Cavé
(1842) in Paris, von Borsig in Berlin und Pfaff in Chemnitz (1843),
von Mannhard in München (1848).
Verbesserte horizontale Kanonenbohrmaschinen konstruierten Ge-
neral Huguenin und Major Fréderic in Lüttich, Reichenbach zu
Augsburg und Freund in Berlin.
Den Durchschnitt oder die Lochmaschine verbesserten Cavé
(1836) und Thonnelier (1840) zu Paris, Mannhard in München und
Gegembre und Hosking in England (1836). — William Fairbairn
erfand 1839 eine Maschine zum Nieten der Schiffsbleche mit Dampf.
Im Jahre 1833 trat der geniale schwedische Mechaniker Ericson
mit seiner Kalorischen Maschine auf, hatte aber damit damals
in Europa keinen Erfolg, weshalb er 1839 nach Amerika ging. Dem-
selben Ericson verdankt man auch zumeist die Einführung der
Schiffsschrauben an Stelle der Schaufelräder, was eine Revolution
im Schiffsbau hervorrief, welche auch auf die Eisenindustrie einwirkte.
Ericsons erstes gröſseres Schraubenboot (serew-propellor) war der
Ogden von 45 Fuſs Länge, mit dem er im Frühjahr 1837 das ameri-
kanische Paketschiff Toronto von 630 Tonnen Tragkraft die Themse
hinauf bugsierte. 1836 hatte F. P. Smith bereits ein Patent auf eine
Schiffsschraube erhalten. Dieses wurde 1839 von der Ship Propellor
Company angekauft und ausgebeutet.
Die Maschinenscheren wurden in dieser Periode ebenfalls sehr
vervollkommnet und fanden namentlich in den Walzwerken und bei
der Blechfabrikation allgemeine Anwendung. Die Stockscheren ver-
besserte Liebherr in München 1835. Maschinenscheren lieferten
Gladstone (1843) in England und Cavé (1846) und Karr (1848) 1)
in Frankreich. In England konstruierte man auch verschiedenerlei
Doppelscheren. Parallel- oder Guillotinenscheren konstruierten Ge-
neste (1844) und Lemaitre (1848) in Paris. Robert in England
verband 1848 die Parallelschere mit dem Durchstoſs.
Für viele einzelne Industriezweige wurden Arbeitsmaschinen kon-
struiert, von denen wir hier nur die Maschinen zur Herstellung von
Nägeln, Stiften, Holzschrauben, Steck- und Nähnadeln erwähnen
wollen.
Die Nägel wurden teils in glühendem Zustande durch Walzen,
Pressen oder Schmieden hergestellt, oder sie wurden kalt geschnitten,
[641]Maschinenfabrikation 1831 bis 1850.
gespitzt und geköpft. Das Nagelwalzwerk wurde weiter ausgebildet
von Tyndall (1827) und Tyrrel (1840). Ryder zu Bolton erfand
eine Schmiedemaschine, die von Verschiedenen zum Nägelschmieden
eingerichtet wurde. Besondere Maschinen zur Anfertigung von Nägeln
aus glühendem Draht erfanden Fuller (1834), Stocker (1836) und
Lamert (1848) in England.
Für die Herstellung geschnittener Nägel ersannen Maschinen
W. Church zu Birmingham (1831), Ledsam und Jones (1831), B.
P. Walker in Wolverhampton, Stolle in Straſsburg (1830), Mas-
sion zu Mahon (1845), Bacaresse zu Paris (1849) und Brezol zu
Romery (1850); Franz Wurm in Wien (1835) und Dostal zu Her-
zogenbusch in Unterösterreich (1839).
Eigentümliche Nagelmaschinen, die den Nagel in einer Folge
fertig machten, kamen 1830 in England auf und wurden verbessert
von Lolot zu Charleville (1835), Mallet und Stocker zu Paris (1844).
Maschinen für einfache Zwecke fertigten Sirot (1834) und Magh-
Leville (1844) in Valenciennes.
In Amerika stand bekanntlich die Blechnägelfabrikation, die
schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts mit Maschinen betrieben
wurde, in hoher Blüte, so daſs die Vereinigten Staaten sogar einen
beträchtlichen Export von geschnittenen Nägeln hatten, z. B. im
Jahre 1840 1100 Tonnen. Eine gute Maschine lieferte 30000 bis
60000 Stück Blechnägel pro Tag. Die Maschinennägel verdrängten
in den Vereinigten Staaten die Handnägel, während sich die Hand-
nagelschmiederei in England neben der Maschinenfabrikation noch in
ausgedehntem Maſse erhielt.
Die Drahtstiftenfabrikation hatte namentlich zu Paris eine
groſse Ausdehnung gewonnen und wurde ausschlieſslich mit Maschinen
betrieben. In den Jahren 1822 bis 1855 wurden in Frankreich über
40 Erfindungspatente für Drahtstifte erteilt. Eine vortreffliche Maschine
für Stifte mit gepreſsten vierkantigen Spitzen erfand Fiants in Paris
1836. Groſsen Ruf genossen die von Stoltz 1838 erfundenen Stifte-
maschinen. Die Nürnberger Fabrikanten Werder und Zeller und
Greiſs erhielten in Bayern Patente auf Drahtstiftenmaschinen.
Das Herstellen von Nieten mit Maschinen kam in England in
den Jahren 1835 bis 1840 auf. Fairbairn in Manchester erfand die
erste Nietmaschine 1838. Die von W. Fairbairn \& Sons in Manchester
gebauten Nietpressen, welche 360 bis 480 Niete in der Stunde ver-
nieteten, beruhten auf dem Princip des Kniehebels.
Zur Herstellung von Holzschrauben durch Druck erfand Mac-
Beck, Geschichte des Eisens. 41
[642]Maschinenfabrikation 1831 bis 1850.
Cornick 1849 eine Maschine. Die von Broman 1851 eingeführte
soll aus Amerika stammen.
In der Nadelfabrikation wurden zahlreiche neue Maschinen
eingeführt, von denen wir von Stecknadelmaschinen die englischen
von Slocum (1835) und Coats (1840) und die französischen von
Renaud in Paris (1844) nennen. Pastor in Aachen führte in den
30er Jahren viele Verbesserungen bei der Nähnadelfabrikation ein.
Seit 1830 datiert auch der Aufschwung der Stahlschreibfedern,
woran James Perry hervorragendes Verdienst hat.
Die Fortschritte der Feuerwaffen übten ebenfalls ihren Einfluſs
auf die Eisenindustrie, von der sie zum Teil ausgegangen waren, aus.
Man fing an, bei den Handfeuerwaffen den Hinterladern gröſsere
Beachtung zu schenken. 1831 und 1832 konstruierten Robert und
Lefaucheux in Paris ihre Hinterlader, welche groſses Aufsehen er-
regten. Die wichtigste Erfindung war aber die des Zündnadel-
gewehres von Nikolaus Dreyse in Sömmerda, welche eine Revo-
lution in der Feuerbewaffnung herbeiführte. Schon 1828 hatte der
geniale Schlosser Dreyse sein Gewehr als Vorderlader konstruiert,
welches er dann 1835 als Hinterlader ausführte. Preuſsen erwarb
dasselbe und begann es allmählich in seiner Armee einzuführen.
1849 bestand es in Baden seine erste Feuerprobe im Ernstkampfe.
Ebenso fällt die Erfindung des Revolvers von Samuel Colt in
Hartford in Connecticut im Jahre 1835 in diese Periode.
Bei der Herstellung der besseren Flintenläufe zu Birmingham
in England war man wenigstens teilweise zur Anwendung des Stahls
übergegangen. Früher hatte man die besseren Läufe aus alten Huf-
nägeln verfertigt. Ende der 20er Jahre führte Adam in Wednes-
bury die sogen. Damascenerläufe ein, welche aus abwechselnden Lagen
von Stahl- und Eisenstäben, welche erst zusammengedreht waren,
geschweiſst wurden. Dann verband man Stahl mit Hufeisennägeln
im Verhältnis von 1 zu 2. Hierauf folgte die Herstellung der Läufe
nur aus altem Stahl, wozu meist alte Kutschenfedern ausgesucht
wurden. Greener nahm den reinen Guſsstahl Nr. 3, schnitt die
flachen Stäbe davon in Stücke, die er wiederholt in Gebläseöfen zu-
sammenschweiſste und auswalzte. Diese Läufe übertrafen alle frühe-
ren an Festigkeit und Zähigkeit.
Krupp schmiedete die ersten Gewehrläufe aus reinem Guſsstahl
in Deutschland. Die ersten Versuche, Büchsenläufe aus Guſsstahlstangen
zu bohren, gehen bis 1845 zurück 1).
Durch Dreyses Zündnadelgewehr kamen auch die gezogenen
Gewehrläufe zur Einführung bei der Armee.
1849 wurde das erste von Friedrich Krupp gelieferte Guſs-
stahlgeschütz von der preuſsischen Armeeverwaltung probiert und
bewährte sich glänzend.
Die Stahlfabrikation machte in dieser Periode einen wichtigen
Fortschritt durch die Erfindung des Stahlpuddelns. Dieses Ereig-
nis fällt in die letzteren Jahre derselben. Sonst sind kaum Neue-
rungen auf diesem Gebiete anzuführen. Anfangs der 30er Jahre
machte Macintosh zu Glasgow Versuche, die Cementation des Stab-
eisens mit Kohlenwasserstoffgas (Leuchtgas) zu bewerkstelligen, worüber
Dufrénoy 1834 einen Bericht veröffentlicht hat 1).
Macintosh benutzte dazu Röhren von feuerfestem Thon. Jedes
Rohr wurde mit 100 bis 150 engl. Pfd. Stabeisen chargiert. Das Gas
wurde durch Destillation von Steinkohlen erzeugt. Die Röhren lagen
in einem Feuer und wurden zur Rotglut erhitzt. Die angewendeten
Stäbe waren 2 Zoll breit und 6 Linien dick. Die Operation dauerte
18 bis 20 Stunden. Die Cementation gelang vollständig. Man muſste
vorsichtig sein, damit keine Unterkohlung eintrat. Das Produkt zeigte
kleine Blasen. Macintosh war der Ansicht, daſs dieser Prozeſs wohl
mit dem üblichen Brennstahlverfahren konkurrieren könne.
Die Litteratur über den Stahl in diesem Zeitabschnitt ist eine
ziemlich reichhaltige. Wir erwähnen davon die Abhandlung eines
Praktikers Damemme in Paris 2), welche sich hauptsächlich mit der
Behandlung des Stahles befaſst.
Über das Stahlfrischen im Siegerlande hat der Oberhütteninspek-
tor Stengel in Lohe 3) und über das Stahlfrischen in Steiermark und
Kärnten P. Tunner4) sehr gute Arbeiten geliefert.
Zwei sehr wichtige und lesenswerte Abhandlungen über die eng-
lische Stahlfabrikation hat Le Play in den Annales des mines ver-
öffentlicht. Die eine handelt über die Cement- und Guſsstahlfabri-
41*
[644]Die Stahlfabrikation 1831 bis 1850.
kation in der englischen Provinz York und Vergleichung der
europäischen Hauptgruppen von Stahlwerken 1843 (l. c., 4. Serie, III,
583); die andere über die Darstellung des zur Stahlfabrikation an-
gewendeten Stabeisens im nördlichen Europa und über den Handel
mit demselben und seine weitere Benutzung 1846 (l. c. IX, 113).
Le Plays Ausführungen beweisen, daſs das schwedische Stab-
eisen für die Cementstahlfabrikation das beste Material lieferte, daſs
Frankreich ein ähnliches Material nicht hervorbrachte, daſs es des-
halb ein Irrtum war, darauf zu beharren, aus französischem Eisen
Cementstahl machen zu wollen, der mit dem englischen an Güte
konkurrieren sollte. Le Plays Abhandlung ist wohl die gediegenste
Arbeit über Cement- und Guſsstahlfabrikation, die bis zu dieser Zeit
erschienen war.
Mehr von theoretischem Interesse ist Schafhäutls beachtens-
werter Artikel „Stahl“ in der technischen Encyklopädie von Prechtl
(Bd. 15, 1847). Er stellt darin den Satz auf, daſs der Kohlenstoff
zwar der wichtigste chemische Bestandteil des Eisens zur Stahlbildung
sei, daſs Kohlenstoff allein aber das Eisen nicht in Stahl verwandle,
sondern daſs gleichzeitig auch eine gewisse Menge Silicium zur Stahl-
bildung nötig sei. Ähnlich dem Kiesel wirkten auch kleine Quanti-
täten von Phosphor, Arsenik, Chrom, Nickel, Silber u. s. w. Auch dem
Aluminium schrieb er eine dem Silicium ähnliche Rolle im Stahl zu.
Der Stahl sei als ein Gemenge verschiedener Carburete anzusehen.
Hieraus erkläre sich der Damast, der durch Umschmelzen nicht zer-
stört werde. Schafhäutl gab bei mehreren Stahlanalysen auch einen
nicht unbeträchtlichen Stickstoffgehalt an, doch waren seine Angaben
zu hoch, wie Marchand nachwies 1).
Daſs das schwedische Dannemora-Eisen das vortrefflichste Mate-
rial für den Cement- und Guſsstahl ist, liegt nach Schafhäutl daran,
daſs es von Haus aus schon mehr Kohlenstoff (0,8 Proz.) enthält, als
andere Stabeisensorten. Dies läge nicht sowohl an dem Roheisen,
aus dem es erblasen werde, als an der Art der Bereitung. Nur die
Wallonfrischerei, an der man dort noch festhielt, bewirke, daſs die
zum Stahl wesentlich erforderliche Kohlenkieselbildung nicht zerstört
werde. Dannemora-Eisen in anderer Weise gefrischt, liefere kein
besseres Material als jedes andere Eisen. Sind auch viele Angaben
Schafhäutls übertrieben und manche paradox, so ist die Abhandlung
doch reich an treffenden Beobachtungen.
Über Stahlfabrikation wurden zahlreiche englische Patentbeschrei-
bungen in dieser Periode veröffentlicht.
1819 nahm Stephan Bedford ein Patent, verschlacktes Eisen
(vitrified iron) und Eisenabfälle mit Eisenerz lagenweise geschichtet
in einem Windofen (air furnace) zu Stahl einzuschmelzen.
1824 schlug John Thomson zum Schmelzen von Stahl anstatt
der Tiegelöfen einen Flammofen ähnlich einem Puddelofen, in wel-
chen Schmelztöpfe eingesetzt wurden, vor.
Charles Macintoshs Patent (Nr. 5173), das oben angeführt
wurde, ist vom 14. Mai 1825.
Ein Patent von J. J. Hawkins von 1836 (Nr. 7142) schlägt vor,
geröstetes Eisenerz in Kohle einzusetzen und zu glühen, ähnlich wie
man das Schmiedeeisen cementiert. Auch hält er die Cementieröfen
für besonders dazu geeignet. Er will auf diese Art reduziertes und
gekohltes Eisen von verschiedenem Kohlengehalt erzielen, das dann
entweder zu Guſseisen oder Guſsstahl geschmolzen, oder in Puddelöfen
durch Puddeln, Aufbrechen und Luppenmachen in schmiedbaren
Stahl (malleable steel) oder Eisen verwandelt werden kann. Das
Patent ist von Interesse, weil darin das Stahlpuddeln erwähnt wird.
J. M. Heath nahm 1839 ein Patent (Nr. 8021) auf das Ausschmelzen
von reinem Eisenoxyd oder Eisencarbonat mit reinem Brennmaterial
ohne alle erdigen Zuschläge. Dieses reine Guſseisen schmilzt er dann
in einem Kupolofen mit reinem Kalk, Anthracit oder Holzkohle und
setzt eine entsprechende Menge Eisenspäne, reines Eisen- oder Mangan-
oxyd oder Chrom zu und läſst den erhaltenen Guſsstahl in Ingots
laufen. Um weicheren Stahl zu bekommen, glühte er die Blöcke in
Cementieröfen mit Eisen- oder Manganoxyd. Um Guſsstahl zu er-
halten, empfahl er noch einen Zusatz von Mangancarburet. Am
4. August 1845 nahm er ein weiteres Patent für die Fabrikation von
Guſsstahl. Guſseisen sollte in einem Behälter bei höchster Hitze auf
glühendes, reines Eisen geleitet werden, so daſs es dieses auflöste. Der
Behälter könne ein Feineisenfeuer oder ein Herd sein. Um die Hitze
zu steigern, solle man Ströme von Kohlenoxydgas mit Sauerstoff oder
erhitzter Luft verbrennen. Von Zeit zu Zeit sollten Proben genommen
und dann der Stahl, wenn er gut ist, in Formen gegossen werden. Es
ist dies annähernd dasſelbe Verfahren, welches später als Siemens-
Martinprozeſs zu groſser Bedeutung gelangte.
Die Erfindungen von Josiah Marshall Heath, namentlich die
Verbesserung der Guſsstahlfabrikation durch den Zusatz von Mangan-
carburet, waren von groſser praktischer Bedeutung, leider gehörte auch
[646]Die Stahlfabrikation 1831 bis 1850.
Heath zu den Erfindern, welche den Lohn ihres Verdienstes nicht
fanden. Heath hatte zuerst Eisenwerke zu Porto novo in Ostindien
gegründet, um die Erze, aus welchen die Indier den Wootzstahl dar-
stellten, auszubeuten. Dies gelang ihm, und er bereitete nach dem
in seinem ersten Patent beschriebenen Verfahren einen sehr guten
Stahl. Er nahm aber erst ein Patent, als illoyale Konkurrenten, welche
ihm seine Erfindung stehlen wollten, ihn dazu zwangen. Indem er
seine Versuche fortsetzte, kam er zu der Fabrikation von Guſsstahl
durch Zusammenschmelzen von Roheisen und Stabeisen und der
Kohlung und Reinigung durch Mangancarburet. Hierfür nahm er
sein zweites Patent erst 1845. Als er nun im Verfolg seiner Unter-
suchungen fand, daſs der Prozeſs ebensogut verlief, wenn er die
Mischung von Manganerz und Teer direkt im Tiegel statt des vor-
her geschmolzenen Mangancarburets zusetzte, was bedeutend billiger
war, teilte er dies seinem Agenten Unwin in Sheffield vertrauens-
voll mit, ehe er diese neue Erfindung durch ein Patent geschützt
hatte. Dieser benutzte in treuloser Weise Heaths Mitteilung in
seinem eigenen Interesse. Der Erfinder wurde dadurch des Vorteils
seiner Erfindung beraubt und in kostspielige und aufregende Prozesse
verwickelt, die seinen Tod beschleunigten.
Die Patente von Josiah Marshall Heath waren von groſser
Wichtigkeit und fanden in England gerechte Beachtung. Die letzt-
erwähnte Erfindung von Heath wurde namentlich von den Sheffielder
Stahlfabrikanten ausgenutzt. Der Prozeſs gegen Unwin endete erst
mehrere Jahre nach Heaths Tode im Jahre 1855 zum Nachteil seiner
Erben. Mushet hat berechnet, daſs bis zu diesem Zeitpunkte die
Erfindung, welche den Preis des Guſsstahls in Sheffield von 40 £ auf
30 £ erniedrigte, England eine Ersparnis von 2000000 £ erbracht
hätte, während es gleichzeitig die englische Guſsstahlfabrikation un-
abhängiger von der Einfuhr schwedischen und russischen Stabeisens
gemacht hatte.
Das nachfolgende Patent von W. Vickers aus dem Jahre 1839
beruht auf ähnlicher Grundlage. W. Vickers will statt Cementstahl
Schmiedeeisenspäne mit Manganoxyd und Kohle in Schmelztiegeln
schmelzen und zwar im Verhältnis von 100 Pfd. Schmiedeeisen zu
2 Pfd. schwarzem Manganoxyd und 3 Pfd. Kohlen; statt der Holzkohle
könne man auch 28 Pfd. Guſseisen und weitere 3 Unzen Manganoxyd
nehmen (1839, Patent Nr. 8129).
R. Roberts will (1840) die Einsatzhärtung dadurch ersetzen, daſs
er das Schmiedeeisen rotglühend in flüssiges Guſseisen eintaucht.
Henry Brown will (1841) Stahl in der Weise darstellen, daſs
er Feineisen wie gewöhnlich puddelt, den Prozeſs aber, sobald der
körnige Zustand (granulated state) des Roheisens erreicht ist, unter-
bricht, die Masse herausnimmt, nach dem Erkalten mahlt und siebt
und das Pulver mit Holzkohle gemengt in Töpfen cementiert. Das
zu einem Kuchen zusammengebackene Produkt wird dann zerschlagen,
sortiert und in Tiegeln wie gewöhnlich geschmolzen (1841, Nr. 8930).
Ein weiteres Patent für Stahlbereitung nahmen Gregory und Green
(Nr. 8959) am 14. Mai 1841.
J. Boydell jun. will dadurch guten Werkzeugstahl (metal for
edge-tools) darstellen, daſs er Schmiedeeisen mit Koks in einem
Kupolofen schmilzt und dieses Produkt puddelt, in Stäbe walzt und
diese dann cementiert und schmilzt (1843, Nr. 9607). In einem zweiten
Patent vom 7. April 1843 (Nr. 9690) beschreibt er die Fabrikation
von Verbundmetall, bestehend aus Stahl und Eisen, namentlich von
Stahlachsen mit Eisenkern durch Schweiſsen. Ein ähnliches Patent
für Randbandagen nahm der bedeutende Stahlfabrikant Charles
Sanderson am 4. November 1845.
Charles Low machte eine Mischung von 42 Tln. Manganoxyd,
8 Tln. Graphit, 14 Tln. Holzkohle und 2 Tln. Salpeter. Von diesem
Gemenge setzte er 66 Tle. zu 480 Tln. Eisen und schmolz es im
Schachtofen, oder er fügte die Mischung nach und nach im Puddel-
ofen zu. Dadurch erhielt er ein festeres, sehnigeres Stabeisen, welches
sich in guten Stahl durch Cementation verwandeln lieſs. Dieses Eisen
konnte man im Schmelztiegel unter Zusatz von obiger Mischung zu
Guſsstahl schmelzen (25. Mai 1844, Nr. 10204) 1).
Der Franzose Chenot nahm am 31. Dezember 1846 ein Patent
in England auf sein Verfahren, Eisenerze zu einer schwammartigen
Masse von ungekohltem Eisen zu reduzieren, diesen Eisenschwamm
dann mehr oder weniger zu kohlen, um so Schmiedeeisen, Schweiſs-
stahl, Guſsstahl und schlieſslich Guſseisen zu erhalten. Die Reduktion
geschah in Retorten bei niedriger Temperatur, das Schweiſsen oder
Schmelzen in entsprechenden Öfen bei sehr hoher Temperatur. Wir
werden später noch Veranlassung haben, auf diesen Prozeſs von
Chenot zurückzukommen.
Ein ähnliches Verfahren (Patent vom 4. Juli 1849, Nr. 12687)
wurde von Sir Francis Charles Knowles erfunden.
Auch in Deutschland fehlte es nicht an Versuchen, Verbesserungen
[648]Die Stahlfabrikation 1831 bis 1850.
in der Stahlfabrikation einzuführen. Auf das Verfahren, Stahl durch
Zusammenschmelzen von Stabeisen mit Spiegelroheisen zu erzeugen,
nahm Alois Obersteiner Anfang der 30er Jahre ein Patent. In-
dessen fehlte es dem so erzeugten Stahl an Festigkeit. Besser wurde
dasselbe, als Obersteiner statt des Spiegeleisens die bei der echten
Brescianarbeit in der Paal aus „Refudie“ dargestellte Blatteln nahm.
Mancher Stahl fiel nun ganz vorzüglich aus, manche Stangen zeigten
aber auch wieder groſse Ungleichheiten. Nach mehrjährigem Pro-
bieren wurde das Verfahren aufgegeben.
Dieselben Versuche nahm später Stengel auf Veranlassung Kar-
stens wieder auf.
Die Erfindung des Stahlpuddelns lag scheinbar so nahe, und
doch wurde sie erst Ende der 40er Jahre zu einem erfolgreichen
Ziele geführt. Schon Cort war der Ansicht gewesen, daſs man im
Puddelofen auch Stahl erhalten könne. Aber dies geschah nicht
man erhielt beim Puddeln nur weiches Eisen. 1824 sprach Bréant
die Ansicht aus, man müsse aus dem dunkelsten Roheisen durch Zu-
satz von Eisenoxyd im Flammofen Stahl erzeugen können.
Vandenbroek erhielt im folgenden Jahre bei seinen Versuchen,
Frischschlacken im Flammofen zu verschmelzen 1), aus folgenden beiden
Mischungen:
ein stahlartiges Feinmetall, welches sich durch den Puddlingsfrisch-
prozeſs in ebenso guten Rohstahl, als dies durch die gewöhnliche
Methode in den Rohstahlfeuern geschehen kann, verwandeln lieſs.
1834 wurden zu Limburg an der Lenne und zu Weyerhammer
in Bayern Versuche gemacht, Stahl im Puddelofen zu erzeugen.
Joseph Schlegl, Müller und Mayr erzeugten nach Tunner
1835 zu Frantschach in Kärnten Puddelstahl, und der Direktor Anton
Schlegl zu Prevali nahm am 4. November 1836 ein Patent 2) auf
den Prozeſs, ohne aber damit einen Erfolg zu erzielen. 1841 wurde
das Patent für erloschen erklärt.
1839 stellte der Hütteninspektor Stengel zu Wetter a. d. Ruhr
[649]Die Stahlfabrikation 1831 bis 1850.
Versuche an, Stahl aus Siegenschem Rohstahleisen zu puddeln 1). Er
erhielt auch Stahl, der aber eisenstreifig war. 1844 wurden diese
Versuche auf dem Puddelwerke von Ebbinghaus \& Co. zu Wickede
a. d. Ruhr bei Hagen durch den Faktor Kolbe und 1845 von Stengel
auf dem Puddelwerke von Huth an der Geitebrücke bei Hagen fort-
gesetzt; um dieselbe Zeit wurden ähnliche zu Mägdesprung am Harz
gemacht.
1846 erhielt Hütteninspektor Zintgraff von Siegen zu Wickede
und dann zu Geisweide bei Siegen befriedigende Resultate. In dem-
selben Jahre erhielt Bischof in seinem Gasofen zu Mägdesprung
Puddelstahl. Auch zu Weyerhammer waren schon vor dieser Zeit
mehrere Jahre hindurch die Versuche mit Stahlpuddeln fortgesetzt
worden, und gelang es Franz Xaver Schmidt, Stahl im Puddelofen
zu erzeugen 2). Um dieselbe Zeit machten auch die Franzosen Morel,
Petin und Gaudet Versuche, ohne damit ans Ziel zu kommen,
ebenso Schneider in Creusot. Seit 1847 beschäftigte sich der Che-
miker Anton Lohage zu Unna mit demselben Gegenstande. Dieser
verband sich 1849 mit Gustav Bremme, welcher 1847 bis 1848
Versuche über Adduzieren von Guſseisen zu Stahl gemacht hatte, um
die von diesem erlangten Erfahrungen über das Stahlpuddeln auszu-
nutzen.
Gustav Bremme, vordem Graveur in Unna, hatte bei seinen
Versuchen gefunden, daſs, wenn man Guſsstücke aus grauem Roh-
eisen bei Rotglut behandelte, dieselben in Stahl übergingen und sich
erst bei fortgesetzter Behandlung in Weiſsglut in Schmiedeeisen ver-
wandelten. Lohage wollte diese Erfahrung zur Fabrikation von Stahl
in der Weise ausnutzen, daſs er das Adduzieren bei Rotglut in
groſsem Maſsstabe einrichtete, Bremme bestand aber darauf, die
Umwandlung im Puddelofen vorzunehmen, was nach seiner Ansicht
bei richtiger Führung des Prozesses keine Schwierigkeiten darbot. Er
drang mit dieser Ansicht durch und ist deshalb in erster Linie
als der Erfinder des Stahlpuddelns, wie es nachher in Westfalen
ausgeführt wurde, anzusehen 3).
Bremme und Lohage gründeten zum Zwecke der Ausbeutung
ihrer Erfindung 1849 die Firma Lohage, Bremme \& Comp. in
[650]Die Stahlfabrikation 1831 bis 1850.
Unna und nahmen Gustav Lehrkind, damals Geschäftsführer und
Teilhaber des Puddlingswerkes Lehrkind, Falkenroth \& Co. zu
Haspe, als Teilhaber auf, um auf dem genannten Walzwerke ihr neues
Verfahren der Stahlbereitung zur Ausführung zu bringen. Ihre noch
im Jahre 1849 angestellten Versuche waren von gutem Erfolge be-
gleitet. Dasſelbe war auf den Werken von Röhr, Böing \& Comp.
zu Limburg a. d. Lenne und zu Hörde der Fall. Dagegen gelang es
Lohage und Bremme nicht, in Preuſsen für ihr Verfahren Patent-
schutz zu erlangen. Bremme erwarb im folgenden Jahre für sich
ein Patent für Österreich. Ferner erwarben die Erfinder Patente in
Hannover, Belgien und anderen Staaten, und Ingenieur Fehland,
welcher im Frühjahr 1850 in Haspe die Leitung des Stahlpuddel-
betriebes übernommen hatte, führte das Verfahren im Interesse der
Erfinder auf den Werken von Jul. Meyer in Bockenrode (später
Georg-Marienhütte bei Osnabrück), von J. Dupont zu Fay in Bel-
gien und von J. Sesslers Erben zu Krieglach in Steiermark ein.
Lohage und Bremme führten anfangs den Stahlpuddelprozeſs
bei möglichst niedriger Temperatur und empfahlen einen Zusatz von
Spiegeleisen nach einiger Zeit, um dann die wieder flüssig gewordene
Masse zu Ende zu puddeln.
Im Herbst 1849 besuchte Ewald Riepe, Chemiker zu London,
Herrn Lohage, der denselben mit Bremme und mit den Stahl-
puddelversuchen, die damals auf dem Werke der Herren Lehrkind,
Falkenroth \& Comp. zu Haspe bei Hagen von den Herren Bremme
und Lohage vorgenommen wurden, bekannt machte. E. Riepe
wurde von der Gesellschaft Lohage, Bremme \& Comp. beauftragt,
ein Patent in England auf seinen Namen zu nehmen. Dies that er
am 29. Januar 1850. Man hat deshalb irrtümlich, namentlich in
England, Riepe oft für den eigentlichen Erfinder des Stahlpuddelns
gehalten. In seiner Patentbeschreibung ist das Puddeln unter der
Schlacke bei Kirschrotglut und der nachherige Zusatz von Roheisen
am Schlusse des Prozesses besonders erwähnt.
Bremme wies aber im weiteren Verfolg seiner Versuche nach,
daſs es nicht nötig sei, an Rotglühhitze festzuhalten, sondern daſs
sich der Stahlpuddelprozeſs am besten bei recht hoher Temperatur
führen lieſse.
In der Folge adoptierte man denn auch allgemein in Westfalen
ein rasches Einschmelzen bei hoher Temperatur. Auf dieses folgte
das Garen unter der Schlacke und dann das Luppenmachen oder
Aussaigern der Luppe bei rauchender, d. h. reduzierender Flamme.
[651]Die Stahlfabrikation 1831 bis 1850.
Dies ist der von dem Puddeln des weichen Eisens abweichende Ver-
lauf des Stahlpuddelns.
Das Einschmelzen und Puddeln verläuft wie bei dem Stabeisen-
prozesse bis zu dem Zeitpunkte, wo das ursprünglich ganz dünn ein-
geschmolzene Eisen stark einzugehen beginnt und sich schon einzelne
gare Klümpchen bilden. Sobald dies eintritt, wird durch Schlieſsen
der Essenklappe und der Arbeitsöffnung der Luftzutritt abgesperrt
und die Temperatur herabgesetzt. Das Eisen begiebt sich zu Boden
und hat nach 5, höchstens 10 Minuten eine solche Konsistenz erlangt,
daſs es nun bei nur wenig geöffneter Klappe rasch einmal umgesetzt
und dann zum Luppenmachen geschritten werden kann. Jede Luppe
wird sogleich zum sorgfältigen Drücken aus dem Ofen unter den
Hammer gebracht. Die Charge dauert kürzer, aber der Einsatz ist
auch geringer als beim Eisenpuddeln.
Der Puddelstahl hat gegenüber dem Schweiſsstahl den Nachteil,
daſs er beim öfteren Erhitzen, namentlich beim Gärben, sehr von
seiner Härte verliert.
In dieser Periode breitete sich die Guſsstahlfabrikation auch
auf dem Kontinente aus. Über die Entwickelung der Kruppschen
Fabrik werden wir später berichten. 1831 wurde mit der Guſsstahl-
fabrikation auf der Sollinger Hütte bei Uslar begonnen. In Österreich
entstand die Guſsstahlfabrik von Georg Fischer in Hainfeld.
Ein wichtiger Fortschritt in der Guſsstahlfabrikation waren
die erfolgreichen Versuche, statt des Brennstahles Rohstahl zu ver-
wenden. 1844 schmolz zuerst Friedrich Huth auf der Geitebrücke
Frischrohstahl von Lohe, aus Müsener Rohstahleisen erzeugt, zu
Guſsstahl. Im Jahre 1847 wurde auch bereits der von Hütteninspektor
Zintgraff auf dem Ronnewinkler und auf dem Geisweider Puddel-
werke dargestellte Puddelstahl in der Guſsstahlfabrik von Meyer und
Kühne zu gutem Guſsstahl verschmolzen.
Von groſsem Interesse sind auch die auf Veranlassung von Kar-
sten 1846 durch Stengel auf dem Werke von Friedrich Huth an-
gestellten Versuche, durch Zusammenschmelzen von Spiegeleisen und
Stabeisen Guſsstahl zu erzeugen.
Die Eisenindustrie Englands hatte schon zuvor die aller anderen
Länder weit überflügelt und eine staunenerregende Entwickelung
gewonnen, aber noch viel groſsartiger wurde dieser Aufschwung in den
dreiſsiger Jahren durch den Bau der Eisenbahnen und die Anwendung
der erhitzten Gebläseluft. Während die Anlage von Eisenbahnen den
Eisenbedarf ausserordentlich steigerte, gewährte die Anwendung des
heiſsen Windes beim Hochofenbetrieb das Mittel zu einer ent-
sprechenden Steigerung der Produktion.
Die Erfindung Neilsons hat die groſse Eisenindustrie Schott-
lands erst geschaffen. Die natürlichen Verhältnisse am Clyde waren
für die Eisenerzeugung ungemein günstig; Erz und Kohlen konnten
aus denselben Schächten gefördert werden. Aber die Kohlen hatten
einen groſsen Nachtheil, sie eigneten sich wenig zum Verkoken und
erlitten dabei einen Gewichtsverlust von 55 Proz. Um auf den Clyde
iron works eine Tonne Eisen im Hochofen aus den Erzen zu schmelzen,
hatte man 1829 8 Tonnen 1¼ Ctr. Steinkohlen in Form von Koks
verbraucht. Nach Einführung der Winderhitzung im folgenden Jahre
sank der Kohlenverbrauch bei nur 300° F. auf 5 Tonnen 3¼ Ctr.
Dunlop steigerte die Windtemperatur auf den Clyde-Werken und er-
zielte ein noch besseres Ergebnis. Im Anfang des Jahres 1831 machte
W. Dixon auf den Calder iron works, die im Jahre 1800 erbaut
waren, den Versuch, rohe Steinkohle statt Koks aufzugeben. Der Er-
folg war ein vollkommener. Die Anwendung roher Steinkohle im
Hochofen und eine Windtemperatur von 600° F. fand infolgedessen
allgemeine Annahme auf den schottischen Eisenwerken. Auf den
Clyde-Werken verbrauchte man damit 1833 nur noch 2 Tonnen 5¼ Ctr.
roher Steinkohle auf die Tonne Roheisen. Dabei stieg das Ausbringen
auſserordentlich.
Diese Erfolge waren enorm und die schottische Roheisenerzeugung
nahm auch infolgedessen einen wunderbaren Aufschwung.
1830 waren 8 Hütten im Betriebe, welche 24 Hochöfen besaſsen.
Die Produktion derselben betrug 37500 Tonnen. In diesem Jahre
gründete Alex. Baird das berühmte Gartsherrie-Eisenwerk.
1838 waren 11 Hütten mit 41 Hochöfen im Betriebe und erzeugten
147500 Tonnen Roheisen. Die Summerlie-Werke wurden 1836 von
Neilson und Wilson gegründet; die Govanhütte um dieselbe Zeit
von William Dixon, die Coltneſshütte 1837 von Houldsworth,
der Carnbroe-Ofen 1838 von Allison \& Comp.
1839 waren (nach Mushet) 54 Hochöfen im Betriebe und schmolzen
196000 Tonnen Roheisen. Zu dieser Produktionssteigerung trug auch
noch wesentlich der 1801 von David Mushet entdeckte Blackband, der
deshalb auch Mushet-stone genannt wurde, bei. Erst jetzt wurde derselbe
in vollem Maſse ausgebeutet. 1825 hatte man auf der Monklandhütte zum
ersten Male den Versuch gemacht, Blackband allein zu verschmelzen.
Der Versuch gelang und dies gab hauptsächlich die Veranlassung zur
Gründung der groſsen Hüttenwerke von Gartsherrie und Dundyvan.
Die Einführung des heiſsen Windes und die Benutzung der rohen
Kohle erwiesen sich ganz besonders für die Verschmelzung der Black-
bands als geeignet. Während man vorher nur 60 Tonnen Roheisen
die Woche aus Blackband schmelzen konnte, stieg jetzt die Produktion
auf 90 Tonnen. Während man früher 20 bis 30 Ctr. Kalksteine auf
die Tonne Eisen zuschlagen muſste, genügten jetzt 6 bis 8 Ctr. Der
geröstete Blackband war ein sehr reiches Eisenerz von über 60 Proz.
Eisengehalt, das so leicht schmolz, daſs zu einer Tonne Roheisen kaum
mehr als 1½ Tonnen Steinkohlen nötig waren. Die Produktionskosten
wurden dadurch so vermindert, daſs 1 Tonne nur 2 £ kostete. Dies
hatte selbstverständlich eine groſse Wirkung auf den ganzen eng-
lischen Eisenhandel. Die englischen Eisenhüttenbesitzer sahen mit
Besorgnis auf den Aufschwung in Schottland.
In den 40er Jahren stieg die schottische Roheisenproduktion noch
weit höher. Nach G. R. Porter1) betrug sie 1846 fast 500000 Tonnen
[654]Groſsbritannien 1831 bis 1850.
und diese Steigerung schreibt er der Winderhitzung zu. 1847 waren
von 139 Hochöfen 103 im Betriebe.
Während Schottland früher arm an Eisen war, hatte es jetzt
eine enorme Ausfuhr. 1848 betrug dieselbe 95690 Tonnen, während
England nur 63578 Tonnen exportierte. Das mit heiſsem Wind und
roher Steinkohle aus Blackland erzeugte Eisen war vorzüglich für
Gieſsereizwecke geeignet und hierfür sehr geschätzt. Zum Verfrischen
eignete sich das graphitreiche, dunkle Roheisen dagegen nur wenig,
deshalb wurde es groſsenteils als Gieſsereiroheisen verkauft.
Die wichtigsten Hütten am Clyde lagen um Coalbridge nahe
bei Glasgow, mit dem es durch eine Eisenbahn verbunden ist. 1848
gab es 70 Hochöfen daselbst, von denen 42 in einer Kette lagen.
Ihre Höhe schwankte von 38 bis 45 engl. Fuſs. Man blies meistens
mit mehr als mit 3 Formen, mit 4, 5, 6, 7, 8 und selbst mit 9. Am
häufigsten waren 6, 2 hinten und je 2 an den Seiten; dieselben
waren 2¼ bis 2¾ Zoll weit. Durch diese Anwendung zahlreicher
Formen kam man dazu, das Gestell ganz frei zu stellen. Dasſelbe
wurde aus feuerfesten Ziegelsteinen von verhältnismäſsig geringer
Stärke gebaut. Überall blies man mit hocherhitztem Wind, dessen
Hitzegrad man durch das Schmelzen eines Stückchens Blei bestimmte.
Durch die hohe Windtemperatur und die ungeheure Windmenge
hatte man die Produktion auſserordentlich gesteigert, ein Ofen schmolz
20000 bis 30000 kg in 24 Stunden.
Das gröſste Hüttenwerk gegen Ende dieser Periode war Gart-
sherrie. Es lag an einer Terrasse und bestand aus zwei Reihen, die eine
zu acht, die andere zu neun Öfen. Die eine Reihe stand an einem Ab-
hange zur Erleichterung des Betriebes, die andere lag etwa 300 Fuſs
davon entfernt, ganz in der Ebene. Eine schöne starke Hängebrücke ver-
band die Gieſserei der in der Ebene liegenden Ofenreihe mit der
Terrasse. Zwischen beiden Ofenreihen befand sich ein 50 Fuſs breiter
Kanal, der zum Clyde führte und eiserne Kähne von 200 Tonnen
Last trug, welche zum Transport des Roheisens dienten. Zu beiden
Seiten des Kanals und parallel mit seinen Ufern liefen Eisenbahnen.
Kohle und Erze wurden von den Schächten direkt auf die Terrasse
gefahren und ohne alle Vorbereitung in groſsen Stücken in die Öfen
aufgegeben.
Die Hochöfen waren 45 Fuss hoch, 19 Fuſs im Kohlensack,
9 Fuſs in der Gicht und 5 Fuſs im Gestell im Mittel weit; die Steigung
der Rast betrug 60°. Die Schachtsteine aus feuerfestem Thon waren
2 Fuſs lang und 5 bis 6 Zoll dick. Auſsen liefen die Öfen konisch
[655]Groſsbritannien 1831 bis 1850.
zu; der Rauchschacht war kaum stärker als der Ofenschacht und
mit 4 Zoll breiten Reifen, die mit Schrauben und Muttern angezogen
wurden, gebunden. Bereits in den 40er Jahren begann man in
Schottland die Verreifung der Hochöfen durch Blechmäntel zu er-
setzen.
Die älteren Öfen zu Gartsherrie waren seit 15 Jahren im Betriebe
und keiner hatte eine Reparatur des Mantels nötig gehabt. — Die
Formen der Hochöfen waren geschlossen. In 24 Stunden wurden
etwa 100 Gichten gesetzt, wobei auf 1 Ctr. Roheisen 2½ Ctr. Erz,
1 Ctr. Zuschlag und 3½ Ctr. Steinkohlen aufgegeben wurden. Eine
Gieſshütte war nicht vorhanden, vielmehr standen die Hochöfen ganz
frei. Vor jedem Ofen wurden im Sande 7 bis 8 Reihen Formen jede
für 30 Masseln eingeformt. Man stach zweimal täglich, 6 Uhr früh
und 6 Uhr abends ab und erhielt jedesmal etwa 150 bis 200 Ctr.
Roheisen. Ein gröſserer Ofen von ungewöhnlichen Dimensionen, den
man in den 30er Jahren erbaut hatte, gab zwar wöchentlich 200 bis
220 Tonnen Roheisen, doch war sein Betrieb nicht so vorteilhaft
wie bei den oben erwähnten Öfen, man lieſs ihn deshalb gegen 1848
eingehen. Die zweite Reihe der Hochöfen war 1840 erbaut worden und
erhielt ihren Wind durch eine Gebläsemaschine von 280 Pferdekräften,
deren Cylinder 10 Fuſs im Durchmesser hatte und deren Balancier
45 Tonnen wog.
1848 erzeugten die 16 Hochöfen zu Gartsherrie 96000 Tonnen
Roheisen. Das Roheisen wurde meistens nach Deutschland verkauft.
Dundyvan und Monkland hatten jeder 9, Calder 8, Clyde und
Glengarnock je 7 und die übrigen Hütten weniger Hochöfen. 1849
gab es 23 Eisenwerke mit 130 Hochöfen, davon waren 1848 89 im
Betriebe, die 539962 Tonnen Roheisen lieferten.
Wenn die englischen Eisenhütten in dieser Periode auch nicht
mit den schottischen gleichen Schritt in der Steigerung ihrer Pro-
duktion halten konnten, so ist doch auch ihre Entwickelung in dieser
Zeit eine groſsartige gewesen.
Die gröſste Eisenerzeugung hatte Süd-Wales. Hier waren die
Versuche mit erhitztem Gebläsewind beim Hochofenbetriebe zwar
anfangs nicht günstig ausgefallen und es hatte sich ein allgemeines
Vorurteil gegen Neilsons Erfindung gebildet. Dennoch führte diese
auch für Süd-Wales eine neue Ära herbei, denn durch sie gelang es,
die Anthracitkohlen, die bis dahin nur in sehr geringem Maſse im
Hochofen verwendet werden konnten und deshalb einen niedrigen Wert
hatten, für sich im Hochofen zu verwenden. Die Versuche, die man
[656]Groſsbritannien 1831 bis 1850.
früher in den 20er Jahren gemacht hatte, mit Anthracit im Hochofen
zu schmelzen, hatten sehr wenig Erfolg gehabt. Auch der Hochofen-
besitzer George Crane, dessen Hütte Yniscedwyn auf der Anthracit-
kohlenformation lag, hatte bereits verschiedene vergebliche Versuche
damit gemacht, bis er es endlich 1837 mit erhitzter Gebläseluft ver-
suchte. Nun gelang es und nach kaum drei Monaten schmolz er die
Tonne Roheisen mit weniger als 27 Ctr. Anthracit. Der Kohlenver-
brauch verminderte sich im Verhältnis von 5 zu 18. Das erblasene
Eisen war vorzüglich und fester als das mit Koks erblasene. Da die
Anthracitformation ungefähr den dritten Teil der ganzen Stein-
kohlenformation von Wales umfaſst, so war dieser Erfolg Cranes
von der gröſsten Tragweite. Später gelang Palmer Budd in der
Hütte von Ystalifera bei Swansea die Anwendung von Anthracit mit
kalter Luft bei sehr hoher Pressung und Verteilung durch mehr For-
men. Die 4, 5 oder 6 Formen waren eng und nur 25 bis 37 mm weit.
Durch diese Erfolge wurden die Produktionskosten des englischen
Eisens verringert und seine Export- und Konkurrenzfähigkeit ge-
steigert. Wie bedeutend diese aber war, hatte Héron de Villefosse
schon zuvor durch folgende einfache Zusammenstellung gezeigt.
Schmiedeeisen kostete im Jahre 1825 in
England hatte dabei durch seine zahlreichen Kanäle die billigsten
Frachten. Scrivenor berechnet, daſs die Länge der Kanäle in Frank-
reich, auf die Fläche von England und Wales reducirt; im Jahre
1831 nur 247,4 engl. Meilen betrug, während England 2174 Meilen
Kanäle besaſs.
Den gröſsten Einfluſs auf die Eisenproduktion Englands hatte der
Bau der Eisenbahnen. Wie bedeutend dieser war, läſst sich schätzen
aus den Summen, die für Eisenbahnbauten aufgebracht wurden. Durch
Parlamentsbeschluſs wurden concessioniert:
Von diesen Summen floſs ein groſser Teil der Eisenindustrie zu.
Besonders auffallend war die Steigerung in den Jahren 1836 und 1837,
worauf dann 1838 ein Rückschlag erfolgte, der einer Krisis gleich
kam und der auf die Eisenindustrie Englands von einschneidender
Wirkung war. Nach Porter betrug damals der Eisenbedarf für eine
engl. Meile Eisenbahn:
Eine officielle Produktionsstatistik hatte England nicht; die vor-
genommenen Erhebungen wurden meistens von Privaten veranstaltet.
Nach den genauesten englischen Ermittelungen betrug die Eisen-
produktion Englands und Schottlands:
Alle Angaben, die sich in den Lehrbüchern finden, beruhen nur
auf Schätzung. Nach Le Plays Ermittelungen hatte die englische
Produktion 1836 die Höhe von 1 Million Tonnen überschritten, eine
nach damaliger Ansicht unglaubliche Leistung.
Die Produktion hatte sich von 1830 bis 1839 verdoppelt, während
die Zahl der Hochöfen nur von 357 auf 420 gestiegen war. Daraus
folgt eine bedeutend erhöhte Leistung der einzelnen Öfen infolge der
Anwendung des heiſsen Windes.
Die Stabeisenerzeugung betrug in runden Zahlen:
1830 500000 Tonnen, 1835 600000 Tonnen, 1839 670000 Tonnen.
Zur Herstellung der 1396400 Tonnen Roheisen im Jahre 1840
wurden nach Jessop 4877000 Tonnen Steinkohlen verbraucht, und
zwar im Verhältnis von 3 Tonnen in Schottland und 3 Tonnen 12 Ctr.
in England und Wales für eine Tonne Roheisen. Auſserdem wurden
2000000 Tonnen Steinkohlen für die Umwandlung des Roheisens in
Stabeisen verwendet. Von 420 Hochöfen in England und Wales lagen
82 und von 70 Hochöfen in Schottland 6 kalt. Groſsbritannien litt
damals unter einer wirtschaftlichen Krisis, welche sich in den fol-
genden Jahren noch empfindlicher fühlbar machte und welche erst
nach der reichen Ernte von 1844 wich, wozu auch noch die segens-
reiche Wirkung der freisinnigen Reformen auf dem Gebiete der Handels-
politik half.
Die Eisenpreise sind ein deutliches Zeichen der auf- und ab-
steigenden Bewegung der Eisenindustrie in diesen Jahren. Die Tonne
Schmiedeeisen kostete in England 1834 6 £ 10 sh, 1835 7 £ 10 sh,
1836 11 £, in den folgenden Jahren sank der Preis des Eisens auf die
Hälfte.
Seit den Ermittelungen von Jessop, dem Direktor der Butterley-
Eisenhütte, im Jahre 1840 sind keine umfassende Erhebungen über
den Umfang der englischen Produktion in den 40er Jahren mehr an-
gestellt worden. Aus den genaueren Angaben über die Eisenerzeugung
Schottlands läſst sich ein Rückschluſs auf die Verhältnisse in England
machen. Ende 1844 waren in Schottland nur 69 Hochöfen im Betriebe,
während deren Zahl Ende 1845 87 betrug, und hatte die Produktion
in der Zeit um 60000 Tonnen zugenommen. Die Preise schwankten
sehr. Sie betrugen im Januar 1844 40 sh, im April 65 sh und im
September 50 sh für die Tonne. Im Jahre 1845 hoben sich die Preise
von 60 sh auf 100 sh im März und auf 110 sh im Mai. Diese Preis-
steigerung rief rasch neue Anlagen ins Leben. Zu den Ende 1845
im Betriebe befindlichen 87 Hochöfen traten bis zum 30. Juni 1846
10 weitere hinzu, so daſs damals 97 im Feuer standen. In den ersten
6 Monaten des Jahres 1847 wurden in Schottland 260000 Tonnen
Roheisen erzeugt, was eine Jahresproduktion von 520000 Tonnen,
also mehr als das Doppelte des Jahres 1840, ergeben würde.
1848 waren von 139 Hochöfen 103 im Betriebe, deren Wochen-
produktion 11540 Tonnen betrug, was einer Jahresproduktion von
600000 Tonnen entsprechen würde. Im Januar 1846 wurde die Tonne
Roheisen mit 80 sh., im Dezember 1848 mit 42½ sh. bezahlt.
Nach einer Zusammenstellung von Buckley betrug die Produktion
von Groſsbritannien 1843 1215350 Tonnen, so daſs sie gegen 1840
[659]Groſsbritannien 1831 bis 1850.
um 181050 Tonnen zurückgegangen war. 1845 stieg sie auf 1330000
Tonnen und betrug 1848 fast 2 Millionen Tonnen 1).
Die Produktion von 1840 verteilte sich auf die Landschaften in
folgender Weise:
In Derbyshire wandte man heiſsen Wind und rohe Steinkohle in
den Hochöfen an.
In Staffordshire, wo man bis 1840 die Winderhitzung nur auf
einzelnen Werken eingeführt hatte, gingen die Eisenhochöfen 1845
langsam wegen Mangel an Eisenerz.
In Yorkshire und Shropshire blies man noch mit kaltem Wind,
weil man für die Qualität des Eisens fürchtete. Um diese Zeit wurde
eine groſse Zahl neuer Eisenwerke in Durham, Cumberland, Northumber-
land und Schottland errichtet, so daſs man in England die Besorgnis
hegte, der Schwerpunkt der Eisenproduktion werde sich nach Nord-
England verlegen. Es entstanden namentlich damals die ersten Hoch-
ofenanlagen in der Nachbarschaft von Middlesborough, so 1845 die
Hochöfen von Tau-haw (Tudhoe-Works) und 1846 die von Bolckow
und Vaughan 48 engl. Meilen im Inland im Kohlenrevier zu Witton-
Park erbauten Hochöfen.
Um diese Zeit wurde in Süd-Wales ein sehr ausgedehntes Lager
von Blackband entdeckt. Nach Mushets Bericht erstreckte es sich von
jenseits Cwm-Avon durch Mastaeg nach dem Taffethal hin. Es bestand
aus zwei Flözen von je 15 Zoll Mächtigkeit; das Erz des unteren hatte
40 Proz. Eisen und wurde roh verschmolzen, das Erz des oberen enthielt
mehr Schiefer und wurde geröstet. 14 Hochöfen bedienten sich bereits
dieses Eisensteines und Mushet prophezeite ihm eine groſse Zukunft.
Die billigen Eisenpreise in den Jahren 1839 bis 1845 gaben
Veranlassung zu vielen neuen Arten der Verwendung des Eisens. So
wuchs namentlich der Bedarf für eiserne Dächer und selbst eiserne
Häuser, für welche Zwecke allein in der Stadt Liverpool 1844 mehr
als 20000 Tonnen verbraucht worden waren. Ebenso nahm die Ver-
wendung des Eisens für den Schiffsbau zu und wurde der Bedarf
hierfür für den Hafen von Liverpool im Jahre 1845 auf 25000 Tonnen
geschätzt. Porter hebt mit Recht die Wichtigkeit des Eisens für
den Schiffsbau und die Wichtigkeit des Baues eiserner Schiffe für die
englische Eisenindustrie ganz besonders hervor. Fairbairn hatte
sich bereits 1840 in dem gleichen Sinne ausgesprochen. In Glasgow
wurde der Bau eiserner Schiffe in den 40er Jahren bereits in um-
fangreichem Maſse betrieben. 1845 waren in Clyde 24 eiserne Dampf-
schiffe im Bau. Die Zahl der Dampfschiffe in England hatte von
1830 bis 1850 von 315 bis 1200 zugenommen, wozu noch 190 Dampf-
Kriegsschiffe kamen.
Die Eisenausfuhr Englands wuchs von Jahr zu Jahr. Auch hierzu
hatte die Erfindung der Dampfbahnen wesentlich beigetragen. Die
meisten Staaten, welche Eisenbahnen bauten, bezogen das Eisenmaterial
dafür, die Schienen sowohl wie die Lokomotiven, von England. Nament-
lich hatte Amerika einen groſsen Bedarf.
Nachstehende Tabelle zeigt die Zunahme der englischen Ausfuhr
von 1830 bis 1845:
Hiervon betrug die Ausfuhr
Auf die wichtigsten Länder verteilte sich die Eisenausfuhr in
Tonnen in den Jahren 1830, 1835 und 1839 folgendermaſsen:
Die Hochöfen in England haben in den 30er Jahren wesentliche
Änderungen nicht erfahren. Die Einführung der weiteren Gichten,
ja sogar cylindrischer Ofenschächte fiel schon in die vorhergehende
Periode. Doch wurde diese Form auch bei den schottischen Hoch-
öfen, welche mit heiſsem Winde betrieben wurden, auf verschiedenen
Hütten eingeführt. William Dixon hatte damit Versuche auf dem
Calder-Eisenwerk gemacht, gute Resultate erzielt und sie eingeführt.
Ebenso wurden die Hochöfen auf der Govan-Hütte 1840 mit cylin-
drischen Schächten versehen. Sie waren durchgehends 45 Fuſs hoch.
Der gröſste hatte 15 Fuſs 8 Zoll im Kohlensack und wurde mit
fünf Formen geblasen. Auch hier bewirkte die cylindrische Form, be-
ziehungsweise die weite Gicht, eine gröſsere Produktion.
John Gibbons von Corbyn-Hall in Staffordshire führte bei
seinem Hochofen eine wesentlich abweichende Gestalt ein, die Auf-
sehen erregte. Er machte das Gestell weiter, lieſs das Obergestell
fort und lieſs die Ofenwände über der Form sich ganz langsam er-
weitern, so daſs der gröſste Querschnitt oder der Kohlensack von
14 Fuſs Durchmesser 30 Fuſs über den Boden zu liegen kam, also
über der halben Ofenhöhe. Dabei erweiterte er die Gicht auf 8 Fuſs.
Dieser Ofen bewährte sich gut und hielten Herd und Rast vorzüglich.
Gibbons war auf diese eigentümliche Form durch seine Be-
obachtungen der Gestalten ausgeblasener Hochöfen gekommen. Er
fand, daſs in den meisten Hochöfen Obergestell und Rast schon nach
sechs Monaten gröſstenteils weggeschmolzen waren. Dadurch, daſs er
dem Ofen von vornherein diese Gestalt gab, wollte er ihn vor Zerstörung
bewahren. Dies gelang ihm auch angeblich und der Ofen erreichte
in viel kürzerer Zeit das Maximum seiner Leistung. Er erzielte eine
durchschnittliche Produktion von 100 Tonnen die Woche, welche in
der besten Schmelzwoche bis auf 115 Tonnen gestiegen war. Dies
galt damals als eine ungewöhnlich hohe Produktion. Er erhielt da-
bei ein gleichmäſsiges, gutes, graues Roheisen. Die Ofenhöhe betrug
50 Fuſs, die Herdweite 4 Fuſs, der Inhalt 4850 Kubikfuſs, während
die gewöhnlichen Staffordshirer Hochöfen 45 Fuſs Höhe, 12 Fuſs Weite
im Kohlensack, 4 Fuſs in der Gicht und 3 Fuſs im Herd hatten und
2660 Kubikfuſs faſsten.
Die gröſsten Hochöfen in Süd-Wales waren 1839 die der Plymouth-
Eisenwerke, weniger hoch als weit, nämlich 18 Fuſs im Kohlensack
und 9 oder 10 Fuſs in der Gicht bei 40 Fuſs Höhe. Ihr Fassungs-
raum war 7000 Kubikfuſs. In diese Öfen wurden mindestens 20000
Kubikfuſs Wind von 1½ Pfund Pressung in der Minute geblasen.
Solche Öfen produzierten bis 120 Tonnen die Woche, was als ein
groſser Fortschritt galt. Man war aber der Ansicht, daſs man in den
weniger weiten Hochöfen besseres Eisen erhielt. Bei der Billigkeit
der Steinkohle in Süd-Wales hatte die Benutzung der Hochofengase
lange nicht die Bedeutung wie auf dem Kontinent und kam deshalb
erst ganz allmählich zur Anwendung. In Süd-Wales führte Budd
dieselbe bei seinen Hochöfen zu Ystalifera 1849 zuerst ein.
Bei dem Verfrischen des Eisens hielt man in Süd-Wales am
Feinen fest, nachdem man mit dem Rohfrischen von Roheisen in den
30er Jahren keine gute Erfahrungen gemacht hatte. In Staffordshire
und Shropshire hatte das Rohfrischen im Puddelofen dagegen Ver-
breitung gefunden. Man wärmte das Roheisen vor, entweder in dem
[663]Groſsbritannien 1831 bis 1850.
unteren Raume der Esse oder in der Verlängerung des Herdes. Mit
vorgewärmtem Roheisen konnte man leicht 9 Chargen in 12 Stunden
machen. Doch machten die Arbeiter nach alter Gewohnheit meist
nur 7 Chargen in der Schicht.
Das gröſste Eisenwerk in Süd-Wales war schon im Jahre 1830
Dowlais; dasselbe produzierte 1831 22075, 1840 45218 Tonnen. Es
gehörte der berühmten Firma Guest \& Co.; 1837 wurde Sir John
Guest einziger Besitzer. 1834 hatte das Werk 11 Hochöfen, 1835
14 und im Laufe der 40er Jahre kamen 4 hinzu. 1849 belief sich
die Produktion bereits auf 100000 Tonnen Roheisen, aus dem 75000 Ctr.
Stabeisen gemacht wurden. 1849 hatte das Werk Maschinen von zu-
sammen 4989 Pferdekräften und beschäftigte 7000 Arbeiter. Nach
Guest \& Co. waren Crawshay \& Co. zu Cyfartha und Hirwain die
gröſsten Producenten, diesen folgten Thomson \& Co. zu Penydarran
und R. \& A. Hill zu Plymouth.
1848 hatte die Zahl der Hochöfen in Süd-Wales noch bedeutend
zugenommen: Dowlais hatte 18, Cyfartha, Ynistack und Hirwain 15,
Nant-y-Glo and Beaufort 14, Ystalifera 11, Pentwyn Golynos und Var 8,
Abersychan 6, Blaina und Cwm Celyn 6, Ebbw Vale und Sir Howy 9,
Tredegar 7, Rhymney 10, Penydarran 7, Plymouth und Duffrin 8,
Aberdare und Abernant 6, Cwm Avon 7, Yniscedwyn 7. Die übrigen
Hütten hatten meist nur 2 Öfen. Im ganzen zählte man 196 Hoch-
öfen, von denen 1848 115 im Betriebe waren. Es wurden 706680 Ton-
nen Eisen produziert, also in dem kleinen Wales mehr als in ganz
Deutschland. Auf einen Ofen kamen im Durchschnitt 4680 Tonnen
Jahresproduktion. Die meisten Hütten in Süd-Wales waren mit
Puddel- und Walzwerken verbunden, Dowlais und Penydarran wen-
deten rohe Steinkohle im Hochofen an, wozu sich ein 11 Fuſs dickes
Flöz bei Dowlais gut eignete, während die Steinkohlen sonst, auſser
dem Anthracit, verkokt wurden. Dowlais war dadurch namentlich
im stande, einen viel billigeren Betrieb zu führen. Besser war sein
Roheisen deshalb allerdings nicht, da die Kohle nicht frei von Schwefel
war. Der thonige Sphärosiderit (clay-iron-ore), den man verschmolz,
kam in dem Kohlenbecken selbst vor.
Die Hochöfen von Süd-Wales gehörten zu den gröſsten in England,
doch hielt sich ihre Höhe meist in den Grenzen von 45 bis 55 Fuſs, nur
auf dem Plymouth-Werke bei Merthyr Tydoil waren 3 Hochöfen
von 62 Fuſs Höhe, 19 Fuſs im Kohlensack und 10 Fuſs in der Gicht
weit. Die Produktion dieser Öfen betrug 120 Tonnen die Woche,
während sonst 90 Tonnen die Regel war. Die Öfen hatten die äuſsere
[664]Groſsbritannien 1831 bis 1850.
Gestalt vierseitiger Pyramiden und waren aus einem feinkörnigen
Kohlensandstein gebaut.
Wir wollen nur über das gröſste Eisenwerk, das zu Dowlais, welches
dem berühmten Eisenindustriellen Sir John Guest gehörte, einige
kurze Angaben machen. Zu den 18 Hochöfen gehörten 18 Feineisen-
feuer, wovon vor jedem Hochofen eins lag. Man stach alle zwei Stunden
ab und lieſs das flüssige Eisen in die Feineisenfeuer laufen. Für die
18 Hochöfen waren 7 Gebläsemaschinen, jede von 200 Pferdekräften,
vorhanden. Die meisten Hochöfen bliesen mit 3 Formen, doch gab
es auch solche von 2 und von 6 Formen. Man blies mit sehr hoher
Pressung, nämlich 5 Zoll Quecksilber. Dadurch produzierte ein guter
Ofen mit 3 Formen 3000 Ctr. Roheisen in der Woche. Man bediente
sich bei der rohen Steinkohle der erhitzten Gebläseluft.
Das groſse, mit der Hochofenhütte verbundene Puddelwerk ent-
hielt 100 Puddel- und 60 Schweiſsöfen, und 9 Walzwerke für Schienen
und Handelseisen. 30 Dampfmaschinen waren auf dem Werke in
Thätigkeit und man verbrauchte täglich 1400 Tonnen Stückkohlen.
Dowlais war damals und lange Zeit hindurch das gröſste Eisenwerk
der Welt.
Im übrigen England betrug die Zahl der Hochöfen im Jahre 1848
in Nord-Staffordshire 19, in Süd-Staffordshire 141, in Yorkshire 28,
in Derbyshire 30, in Shropshire 34, in Northumberland 36, davon
befanden sich 14 auf der Hütte Consett und Crook-Hall, welche eine
der gröſsten Englands war. In dem Zeitraume von 1806 bis 1848
hatte sich die Eisenerzeugung Englands um mehr als das Achtfache
vermehrt. Die Gröſse der jährlichen Roheisenproduktion in einem
Hochofen betrug durchschnittlich
Aus vorstehendem ergiebt sich zur Genüge, wie groſsartig der
Aufschwung der Eisenindustrie Englands war und welche auſserordent-
lichen natürlichen Vorteile ihr zu Gebote standen. Die besten Stein-
kohlen, Eisenerze und feuerfesten Thone lagen vielfach in reichen
Lagern unmittelbar beisammen. Dabei hatte kein Land der Welt
durch Natur und Kunst gleich günstige Transportmittel, keins hatte
solche Absatzgebiete.
Im Mining Journal von 1849 findet sich folgende vergleichende
Zusammenstellung der englisch-schottischen Roheisenproduktion in
den Jahren 1806 und 1848:
Die Schmiedeeisen- und Stahlfabrikation hielt mit der Roheisen-
erzeugung gleichen Schritt. Besonders blühte die Tiegelguſsstahl-
fabrikation in Sheffield. Es gab im Jahre 1835 nach Porter1) in
Sheffield 56 Cementieröfen und 554 Stahlschmelzöfen. Es wurden
12000 Tonnen Stabeisen, wovon nur 2000 Tonnen im Inlande pro-
duziert waren, in Stahl verwandelt. In den Cementieröfen wurden
12000 Tonnen, in den übrigen Öfen 81000 Tonnen Steinkohlen ver-
brannt.
Ferner waren bedeutende Guſsstahlfabriken bei Newcastle. Im
ganzen betrug die Einfuhr von Stabeisen aus Schweden und Ruſsland
um 1840 etwa 46000 Tonnen, woran beide Länder zu fast gleichen
Teilen beteiligt waren.
Die Eisenindustrie in Irland war fast gänzlich zum Erliegen ge-
kommen. Mitte der 30er Jahre waren noch zwei Hochöfen, die etwa
1200 Tonnen Roheisen erzeugten, im Betriebe.
Frankreich nahm auch in diesem Zeitabschnitte die zweite
Stelle unter den eisenerzeugenden Ländern der Welt ein. Aber da
es nicht die günstigen Produktionsverhältnisse Englands hatte, blieb
es weit hinter diesem zurück. Auch erzeugte es nicht soviel, als das
reiche, industrielle Land gebrauchte, so daſs die Eiseneinfuhr namentlich
aus England eine steigende war. Dennoch war der Aufschwung der
französischen Eisenindustrie in dieser Zeit ein sehr bedeutender. Die
[666]Frankreich 1831 bis 1850.
Einführung der erhitzten Gebläseluft bei dem Hochofenbetriebe und
der Bau der Eisenbahnen bewirkten auch hier eine groſse Steigerung
der Produktion.
Noch wurde das meiste Roheisen mit Holzkohlen geschmolzen.
Da dieses aber weitaus den Bedarf der Frisch- und Puddelhütten
nicht deckte, so nahm die Produktion des Koksroheisens an den dafür
geeigneten Orten rasch zu.
Die neuen groſsen Eisenwerke, die in dieser Periode entstanden,
waren gröſstenteils für Steinkohlenbetrieb bestimmt. Vor allem nahm
der englische, d. h. der Puddel- und Walzwerksbetrieb, einen groſs-
artigen Umfang an und entstanden mustergültige Werke. Auf dem
Gebiete der Walzwerksindustrie haben französische Ingenieure Hervor-
ragendes geleistet und gingen von Frankreich viele Verbesserungen
hierin aus, wie z. B. die Erfindung und Einführung des Doppel-T-Eisens.
Um die Einführung des Schlackenpuddelns in Frankreich erwarb sich
der deutsche Professor Schafhäutl Verdienste, indem er dieses
Verfahren 1837 in Creusot, Terre-noire und Alais einführte.
Was den Überblick über die Fortschritte der Eisenindustrie in
Frankreich wesentlich erleichtert, ist die treffliche Statistik, die dieses
Land früher und besser wie jedes andere Land eingerichtet hatte.
Wer sich im einzelnen darüber unterrichten will, findet in jedem Jahr-
gange der Annales des Mines ausführliche statistische Tabellen über
die Leistungen der französischen Eisenindustrie. Besonders vom Jahre
1834 an ist diese Statistik eine ganz systematische. Die Bergwerks-
administration unterschied vier Klassen nach der Art der Eisen-
bereitung und 12 Gruppen nach geographischer Einteilung des Landes.
Nach ihrer Produktionsweise war die Einteilung folgende:
Zu Klasse I gehörte 1. die östliche Gruppe, welche die
Departements Haute-Sâone, Doubs, Jura, Haute-Rhin, Meurthe, Côte
d’or und Vosges umfaſste. Dieses Gebiet war noch reich an Waldungen
und lieferte selbst den Bedarf an Holzkohlen. Dasſelbe war mit den
Eisenerzen der Fall, besonders hatte Haute-Sâone sehr reiche Gruben.
Die meisten Erze gaben vortreffliches Eisen. Im Jahre 1836 zählte
[667]Frankreich 1831 bis 1850.
man in diesem Bezirke 148 Hüttenwerke und 88 Hochöfen, die mit
Holzkohlen betrieben wurden 1).
Die technischen Fortschritte, die damals hauptsächlich in Frage
standen, waren die Anwendung des erhitzten Windes, die Anwendung
von rohem, gedörrtem oder halbverkohltem Holze im Hochofen, die
Benutzung der Gichtflammen und der verloren gehenden Hitze der
Frischfeuer und Flammöfen.
In Haute-Sâone bediente man sich 1836 auf den Hütten Cendre-
court, Estravaux und Velleron eines Gemenges von Holzkohle mit
rohem und halbverkohltem Holze. Auf einigen Hütten wendete man
heiſsen Wind an, auf vier erhitzte man die Dampfkessel der Gebläse-
maschine, welche auf der Gicht lagen, mit den Gasen des Hochofens.
Bei den Hochöfen zu Brazey, Côte d’or, ersetzte man einen groſsen
Teil der Holzkohlen durch mit der Gichtflamme verkohltes Holz.
Auch bei den Frischfeuern wendete man häufig erhitzten Wind
an, und auf einigen Frischhütten hatte man die Hälfte der Holzkohlen
durch getrocknetes Holz ersetzt. Die gebräuchliche Frischmethode war
die Comté- oder die hochburgundische Frischschmiede. Im Departe-
ment Doubs benutzte man die Gichtflamme der Hochöfen und die
verloren gehende Hitze verschiedener Frischfeuer. Im Jura und den
Vogesen war die Anwendung des heiſsen Windes beim Frischen sehr
verbreitet. Auf den Frischhütten zu Oberbruck im Departement Haute-
Rhin wendete man heiſsen Wind an und ersetzte die Hälfte der Holz-
kohlen durch getrocknetes Holz.
2. Die nordwestliche Gruppe zählte 1836 59 Hüttenwerke mit
59 Hochöfen, welche in den Departements Eure, Orne, Mayenne,
Morbihan, Sarthe, Loire-Inférieure, Côtes du Nord, Eure und Loire,
Ille und Villaine, Manche, Loire und Cher, Maine und Loire lagen.
Auch dieses Gebiet verarbeitete eigene Erze mit Holzkohlen. Hier
war die Wallonschmiederei noch zu Hause. Zwei Puddlingswerke in
der Nähe des Meeres bezogen englische Steinkohlen.
3. Die Gruppe der Indre mit 21 Hütten und 20 Hochöfen
in den Departements Indre, Vienne, Indre und Loire, Deux-Sèvres
und in dem nördlichen Teile der Haute-Vienne. Hier war die als
Methode von Berri betriebene Wallonfrischerei durch die Methode
von Comté (die deutsche Frischschmiede) ersetzt worden.
4. Die Gruppe von Périgord mit 115 Hüttenwerken, 62 Hoch-
öfen und 5 katalonischen Herden in den Departements der Dordogne,
[668]Frankreich 1831 bis 1850.
Charente, Tarn und Garonne, Corrèze, Lot, sowie im südlichen Teile
der Haute-Vienne und im nordöstlichen Teile der Lot und Garonne.
Dies Gebiet ist reich an vortrefflichen Erzen, und das daraus erzeugte
Eisen war sehr gut. Vereinzelt wurden schon Steinkohlen angewendet,
die teils von England und Belgien bezogen wurden, teils aus den
kleinen Kohlenrevieren von Dordogne und Corrèze stammten.
5. Die südöstliche Gruppe zählte damals 39 Hüttenwerke
mit 9 Hochöfen und umfaſste die Departements Isère, Drôme und
Vaucluse. Dies war das Stahlrevier Frankreichs, für das die hier
vorkommenden Spateisensteine das Rohmaterial lieferten. Stabeisen
wurde in Comtéschmieden, welche die alten bergamaskischen Schmieden
verdrängt hatten, gewonnen. Das Gebiet besitzt sehr reiche Erzlager
und lieferte vortreffliches Eisen. Hier wendete man auf der Hütte zu
Vienne zuerst in Frankreich den heiſsen Wind bei den Hochofen-
schmelzen an.
Das Verfahren bei der Stahlgewinnung nannte man die Methode
von Rives, nach dem Hauptproduktionsorte. Zur Beschleunigung des
Verfahrens hatte man angefangen, das Ausheizen des Rohstahles zum
Verschmieden in besonderen Herden mit Steinkohlen vorzunehmen.
In einem groſsen Teile von Frankreich war man schon zu dem
gemischten Verfahren der Klasse II übergegangen. Hierzu gehörten:
6. Die nordöstliche Gruppe. Diese besaſs 1836 94 Hüttenwerke
mit 55 Holzkohlenöfen und 4 Hochöfen, in denen abwechselnd Holz-
kohlen und Koks angewendet wurden. Sie umfaſste die Departements
Ardennen, Mosel, Niederrhein, Aisne, den nördlichen Teil des Maas-
und den südlichen Teil des Norddepartements. Hier wendete man
zum Frischen teils die Methode von Comté, teils die der Champagne
an. Die Erze kamen im Gebiete selbst vor, die Holzkohlen bezog
man meist aus Belgien und Luxemburg. Steinkohlen und Koks kamen
von Saarbrücken und von Charleroi und Lüttich zu Wasser. An der
Grenze von Luxemburg wurde 1836 die Hütte von Gorcy gegründet.
Auf dem Hüttenwerke Biévres in den Ardennen wurden, wie
früher erwähnt, die ersten Versuche mit der Anwendung von halb-
verkohltem Holze in Frankreich gemacht, welches Verfahren sich
von hier aus rasch verbreitet hat. Es stand um 1840 in Anwendung
auf den Hütten von Haraucourt, Vendresse, Mazures, St. Nicolas,
Linchamp in den Ardennen, und zu Montblainville, Sténay und
Chauvency im Maasdepartement. Im Moseldepartement lagen die
Hütten von Hayange und Moyeuvre, welche an der Spitze der hütten-
männischen Fortschritte standen. Ahnliches gilt von den Hütten im
[669]Frankreich 1831 bis 1850.
Departement des Niederrheins Niederbronn, Jägerthal, Reichshofen
und Zinsweiler.
7. Die Gruppe der Champagne und Burgund zählte
152 Hütten mit 121 Hochöfen und begriff in sich das Departement
Haute-Marne, den südwestlichen Teil des Departements Côte d’or, das
Bassin der Seine und ihrer Zuflüsse, den südlichen Teil des Departe-
ments der Maas, den nordwestlichen der Vogesen und die Departements
Isonne und Marne. Diese Gruppe war für die Entwickelungsgeschichte
der französischen Industrie von besonderer Bedeutung dadurch, daſs
sich hier der gemischte Betrieb ausgebildet hatte, den man als
Methode der Champagne bezeichnet. Bei dieser wurde das meist
in Holzkohlenhochöfen erblasene Roheisen ohne vorheriges Feinen in
Flammöfen mit Steinkohlen gepuddelt und in Wärmfeuern mit Stein-
kohlen ausgeheizt. Statt der Wärmfeuer fing man bereits an, Flamm-
schweiſsöfen zu verwenden. Dadurch, daſs das Frischen mit Stein-
kohlen geschah, wurde viel Holz gespart, das zur Vermehrung der
Roheisenproduktion verwendet werden konnte. Die Steinkohlen wurden
nur aus französischen Gruben, in dem Seine- et Loire- und Loire-
Departement, die ziemlich weit entfernt waren, bezogen.
Bei den Hochöfen zu Éclaron und Allichamp setzte man den
Holzkohlen 5 bis 6 Proz. Koks zu, auf einigen anderen Hütten rohes
und halbverkohltes Holz. Dass die Puddelöfen Vorwärmherde hatten,
ist früher erwähnt worden. In der Hütte zu Sionne wurde der Dampf
für das Walzwerk durch die abgehenden Flammen von zwei Puddel-
öfen und einem Schweiſsofen erzeugt.
8. Die Gruppe des Centrums mit 124 Hüttenwerken, 49 Holz-
kohlenhochöfen, 4 Kokshochöfen, 4 mit Holzkohlen und Koks betriebenen
Öfen in den Departements Nièvre, Saône und Loire, Cher und Allier.
In diesem Gebiete, in dem Steinkohlen bei Creusot, Blanzy und bei
Commentry vorkommen, waren die verschiedensten Frischmethoden ver-
treten.
Die Hochöfen von Lavache, Bizy und Raveau wurden mit er-
hitzter Gebläseluft betrieben. Auf dem Puddlingswerke zu Imphy hatte
man mit einem Zusatze von Braunstein, Kochsalz und gebranntem
Kalk beim Puddlen gute Erfolge erzielt. Man heizte hier mit der
abgehenden Wärme der Frischherde auch die Dampfkessel. Hier und
zu Fourchambault erhielt man durch Auswalzen des in Comtéschmieden
gefrischten Eisens ein vortreffliches Material für die Artillerie und
zu dem Seileisen für die Marine.
In dem Departement Saône und Loire lag das berühmte Hütten-
[670]Frankreich 1831 bis 1850.
werk Le Creuzot oder Creusot 1). Hier wurde mit Koks geschmolzen
und bei dem Puddelbetrieb hatte man Kochöfen (fours bouillants) ein-
geführt und puddelte nach dem Schafhäutlschen Verfahren.
Der gröſste Teil der im Thale von Aubois im Departement Cher
gelegenen Hochöfen wurde mit einem Gemenge von Holzkohlen und
Koks betrieben. Auf der Hütte zu Tronçais im Allierdepartement hatte
man zuerst das Luppeneisen der Comtéschmiede in Schweiſsöfen mit
Steinkohlen ausgeheizt und unter Walzwerken ausgereckt. Die verlorene
Flamme der Schweiſsöfen verwendete man zur Dampfkesselheizung.
9. Die südwestliche Gruppe mit 21 Hütten, 16 Holzkohlenöfen
und einem Katalanfeuer umfaſste die Departements des Landes, Gironde,
Lot und Garonne und Nieder-Pyrenäen. Hier wurde das Eisen teils
in Comtéschmieden, teils in Puddelöfen mit Holz und Torf gefrischt.
Die wichtigsten Fortschritte vollzogen sich in der Klasse III, den
Eisenwerken, welche nur Steinkohlen und Koks verwendeten. Hierzu
gehörten:
10. Die Gruppe der nördlichen Steinkohlenreviere mit
7 Hüttenwerken, wobei 2 Koksöfen, in den Departements du Nord,
Pas-de-Calais und Oise. Sie lehnte sich geographisch und technisch
an die belgische Eisenindustrie, namentlich des Gebietes von Charleroi,
an. Der englische Puddelprozeſs war vorherrschend. Die Steinkohlen
kamen zum Teil aus Belgien, hauptsächlich aber aus dem Becken
von Valenciennes im Norddepartement. Die beiden groſsen Hütten-
anlagen von Denain und Anzin, ganz nach englischer Art eingerichtet,
wurden 1835 in Betrieb gesetzt. Weitere 10 Kokshochöfen waren
1836 im Arrondissement Avesnes zum Bau angemeldet.
Im Departement Oise hatte man doppelte Puddelöfen mit zwei
einander entgegenstehenden Arbeitsöffnungen, welche zwölfmal in
24 Stunden jedesmal mit 300 kg Roheisen besetzt wurden. Im
Schweiſsofen gab man nicht, wie in England, zwei volle Schweiſshitzen,
sondern reckte das Paket nur teilweise aus, gab es rotglühend in den
Ofen zurück, wo es kurz gewärmt und dann völlig ausgereckt wurde.
Das alte Eisen, welches man verarbeitete, wurde, vor dem Zusammen-
legen in Pakete, in Waschtrommeln gereinigt.
11. Gruppe der südlichen Steinkohlenreviere mit 15 Hütten-
anlagen und 22 Kokshochöfen in den Departements Loire, Aveyron,
Ardèche, Gard, Rhone und Isère, welche auf dem ausgedehnten zu-
sammenhängenden Kohlengebiete von Rive de Gier und St. Etienne
[671]Frankreich 1831 bis 1850.
am Fuſse der Berge der Auvergne lagen. Hier waren die groſsartigsten
und schönsten Hüttenanlagen im Anfange der 30er Jahre entstanden.
Die Hütten zu Decazeville und Firminy im Aveyron und die Hütte zu
La Voulte im Ardèche 1), zu Terre-noire im Loiredepartement und
zu Alais im Garddepartement. Die Hütte zu Decazeville, welche
1830 gegründet wurde, hatte 6 Hochöfen und ein groſses Puddel- und
Walzwerk. Sie war eine der schönsten Anlagen ihrer Zeit.
Auf der Hütte zu Decazeville hatte man 1834 den Betrieb mit
roher Steinkohle zuerst mit Erfolg eingeführt. Man nannte die
Departements Aveyron und Gard das Staffordshire und Wales von
Frankreich. Die Hütten im Loiredepartement bezogen Holzkohlen-
roheisen aus anderen Gruppen und verarbeiteten es mit ihrem eigenen
Roheisen zu besseren Stabeisensorten.
Die IV. Klasse umfaſste die Werke mit direkter Darstellung,
welche noch in den Pyrenäen und auf Korsika in Anwendung war.
Die 12. Gruppe der Pyrenäen umfaſste 99 Hüttenwerke mit
117 Katalanherden in den Departements Arriège, Ostpyrenäen, Aude,
Haute-Garonne, Tarn, Nieder- und Ober-Pyrenäen und Gard. In diesem
Gebiete gab es keinen einzigen Hochofen. Die Produktion von Korsika
war sehr zurückgegangen.
Die Eisenerzeugung von 1837 verteilte sich auf die verschiedenen
Gruppen in folgendem Verhältnis:
Nach Sorten war die Erzeugung von
Im Betriebe standen 1836: Holzkohlenöfen 419, Kokshochöfen 20,
Hochöfen mit gemischtem Brennmaterial 5, Luppenfeuer 103, Comté-
frischfeuer 763, Wallonherde zum Frischen 86, zum Strecken 46; Vor-
bereitungsherde (foyers de mazéage) nach der Methode von Nivernais
und Bergamo 22, Frischherde 35; nach der Methode der Champagne
Puddlingsöfen 126, Schweiſsöfen 117; nach der englischen Methode
Feineisenfeuer 18, Puddlingsöfen 93, Schweiſsöfen 43; ferner Rohstahl-
feuer: Vorbereitungsherde 26, Stahlfrischherde 77.
In den Gieſsereien waren 100 Flammöfen und 238 Kupolöfen im Be-
triebe, welche 315062 M.-Ctr. Guſswaren zweiter Schmelzung lieferten.
Die Einfuhr Frankreichs betrug 1836: 219598 M.-Ctr. Roheisen,
92304 M.-Ctr. Stabeisen und 16971 M.-Ctr. Stahl, davon betrug der Bezug
Nur durch hohe Schutzzölle war die französische Eisenindustrie
zu dieser Höhe gekommen und nur durch diese konnte sie sich er-
halten, da die Produktionskosten doppelt so hoch waren als in Eng-
land. Dem entsprechend war aber auch der Schutzzoll bemessen; er
betrug z. B. bei Eisenbahnschienen ebensoviel wie die Produktions-
kosten, infolgedesen englische Eisenbahnschienen in Paris 1841 45 Frcs.
22 Ctm. pro 100 kg kosteten, nämlich:
während französische Schienen zu 37 Frcs. geliefert werden konnten.
Die Preisdifferenz zwischen dem englischen und französischen Eisen
zahlte hauptsächlich die französische Landwirtschaft an die französische
Eisenindustrie. Der Eisenverbrauch der Landwirtschaft betrug aber
nach einer Aufstellung von de la Rochefoucault 75 Millionen
Kilogramm, welche sich zu dem damaligen Preise von 90 Frcs. für
100 kg Schmiedeeisen auf 67500000 Frcs. berechneten. Da dieses
Eisen zu weniger als dem halben Preise von England bezogen werden
konnte, so betrug das Opfer der Landwirtschaft über 30 Millionen
Franken in einem Jahre 1).
Unter diesem starken Schutze war das Wachstum der französischen
Eisenindustrie ein stetig zunehmendes. Die Roheisenproduktion, die
1819 112500 Tonnen, 1825 198566, 1830 266361 Tonnen betragen
hatte, stieg von 1834 bis 1846 in nachfolgendem Verhältnis:
Die Zahl der Hochöfen stieg in dieser Zeit von 409 auf 623, die
Zahl der Kokshochöfen von 30 auf 128. Die Zunahme der Roheisen-
produktion kam fast ausschlieſslich auf die Zunahme des Koks-
roheisens. 1830 hatte die Koksroheisenproduktion nur 542066 M.-Ctr.
betragen, 1840 war sie auf 1541260 M.-Ctr. und 1850 auf 3522680 M.-Ctr.
gestiegen.
Aus den Zahlen obiger Tabelle erkennt man, daſs die Krisis von
1839, die England und Belgien schwer heimsuchte, auch auf die fran-
zösische Eisenproduktion ihren Einfluſs ausübte, wenn auch nicht
in gleichem Maſse. Der Maschinenbau und der Bau von Dampf-
schiffen hob sich gerade in den Jahren 1839 bis 1844 sehr. Die
Stahlproduktion Frankreichs nahm in derselben Zeit von 6384 bis
12954 Tonnen zu. Diese Zunahme beruhte auf der Ausbreitung der
Cementstahlfabrikation. Im Moseldepartement machte man Rohstahl
aus Rohstahleisen von der Saynerhütte in Preuſsen.
Auch die Gewerbeausstellungen zu Paris von 1844 1) und 1849
erwiesen es deutlich, daſs die französische Eisenindustrie in allen
Zweigen des Eisenhüttengewerbes rasch und gleichmäſsig vorgeschritten
war. Groſsartige Werke waren in der Zeit entstanden. Die Gesell-
schaft von Vierzon besaſs 9 Hochöfen, Creusot 7 Hochöfen, 40 Puddel-
und 33 Schweiſsöfen. Im Maasdepartement war die wichtige Hütte
von Abainville entstanden, im Cherdepartement die von Fourchambault
und Imphy. Die Hütte von La Voulte im Ardèchedepartement
produzierte 1849 36000 Tonnen Roheisen und 20000 Tonnen Stab-
eisen. Der Steinkohlenbetrieb hatte sich namentlich beim Eisen-
frischen seit 1844 sehr ausgedehnt. Das Roheisen wurde 1849 noch
zu zwei Drittel mit Holzkohlen erblasen, während kaum mehr ein
Viertel des Stabeisens mit Holzkohle gefrischt wurde.
Von technischen Fortschritten im französischen Eisenhüttenwesen
erwähnen wir die nachfolgenden. Die Anwendung der erhitzten Gebläse-
luft zum Hochofenbetriebe wurde zuerst 1831 von Phil. Taylor auf
den Hütten von Vienne (Departement Isère) und La Voulte (Departe-
ment Ardèche) eingeführt. Diesen folgten die Hochöfen von Terrenoire
bei St. Etienne (Loiredepartement), Alais (Garddepartement), Firmy
und Decazeville (Aveyrondepartement). 1842 gingen 322 Hochöfen
mit kalter, 117 mit heiſser Luft.
Die Gichtgase des Hochofens wurden zuerst 1838 auf dem Eisen-
hüttenwerke Jägerthal (Niederrhein) zur Eisenfabrikation verwendet.
[675]Frankreich 1831 bis 1850.
Thomas und Laurent führten 1841 das Gaspuddeln auf der Eisen-
hütte zu Treveray im Moseldepartement ein, und zwar mit solchem
Erfolge, daſs das Werk 1844 bei der Industrieausstellung in Paris mit
der goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. Fast ebenso früh führte
von Dietrich das Gaspuddeln in Niederbronn ein. 1840 hatte man
bereits auf der Hütte zu Clerval die Hochofengase zur Dampferzeugung
verwendet. Zu Audincourt wurden zuerst Gasgeneratoren angewendet
und Generatorgasbetrieb bei den Puddel- und Schweiſsöfen ein-
geführt.
Die Anwendung des trocknen, gedörrten (bois torréfié) und halb-
verkohlten Holzes (charbon roux) zum teilweisen Ersatze der Holz-
kohle hatte in den 30er Jahren ausgedehnte Anwendung gefunden;
1839 wurden 39 Hochöfen damit betrieben, 1846 dagegen nur 25.
Groſse Verbesserungen erfuhr die Koksfabrikation in Frankreich. Zum
Verfrischen des Eisens bediente man sich mehr und mehr der eng-
lischen Methode, d. h. der Puddel- und Walzwerke. De Wendel zu
Hayange puddelte 1840 zuerst unter Anwendung erhitzter Gebläseluft.
Die Methode der Champagne hatte zwar an Ausbreitung gewonnen,
an Wichtigkeit aber gegen Ende der Periode verloren, namentlich in
der Champagne selbst.
Groſse Fortschritte hatte der Maschinenbau und die Verwendung
der Dampfmaschinen bei der Eisenbereitung gemacht. Fourcham-
bault und Torteron zeichneten sich durch vortrefflichen Hochofenguſs
aus. 1837 gründeten Petin u. Gaudet das nachmals so berühmte
Stahlwerk Saint-Chamond. Einen besonderen Aufschwung hatte das
altberühmte Eisenhüttenwerk bei Creusot gewonnen, seitdem es 1837
in den Besitz der Herren Gebrüder Schneider u. Komp. (für
2680000 Frcs.) gelangt war.
Das ausgedehnte Werk hatte während der napoleonischen Zeit nur
mit Mühe sein Dasein gefristet. 1818 muſste die alte Gesellschaft von
St. James liquidieren, nachdem ein auf 14 Millionen Franken veran-
schlagtes Kapital absorbiert war. Die Familie Chagot, welche den
gröſsten Teil der Aktien erworben hatte, übernahm das Werk, ver-
kaufte es aber 1826 an die Gesellschaft Manby, Wilson u. Komp.,
welche neue Hammerwerke errichtete. Aber auch diese Gesellschaft
muſste sich nach sieben mühevollen Jahren, nachdem sie mehr als
11 Millionen Franken für die Anlagen verwendet hatte, im Juni 1833
bankrott erklären. Um diese Zeit wurde die mit dem Werke ver-
bundene Krystallglasfabrik niedergerissen. Nach einem zweijährigen
Syndikat gelangte es 1836 durch Verkauf am 1. Januar 1837 in den
43*
[676]Frankreich 1831 bis 1850.
Besitz der Herren Gebrüder Schneider u. Komp. Diese erbauten
sofort groſse Werkstätten für Lokomotivbau und Schiffsmaschinen.
1839 waren 4 Hochöfen im Betriebe, welche an 11000 Tonnen Roh-
eisen produzierten. 1849 war die Eisenproduktion auf 36000 Tonnen
gestiegen. An Stabeisen waren im ersteren Jahre 6000, im letzteren
20000 Tonnen erzeugt worden. Die groſse Maschinenbauanstalt lieferte
1839 stationäre und Schiffs-Dampfmaschinen von ca. 2500 Pfdekr., 1849
von 5000 Pfdekr. Man nannte Creusot das Seraing Frankreichs. Es
gehörte 1841 mit Decazeville, Alais, Terre-noire und Hayange zu den
gröſsten Schienenwalzwerken Frankreichs. Von 1839 bis 1849 wurden
hier 80 Millionen Kilogramm Schienen erzeugt.
Die Hüttenwerke der zweiten Gruppe, namentlich der Champagne
und Bourgogne, wendeten sich mehr und mehr dem Steinkohlenbetrieb
zu und dieser Übergang wurde gefördert durch den Bau der Kanäle,
die dieses Gebiet mit den Steinkohlengebieten der Saar, der Maas
und der Loire verbanden.
In der Gruppe der Steinkohlengebirge des Nordens waren 1844
mehrere groſse Puddelwerke von belgischen Hochofenbesitzern zur
Verarbeitung belgischen Roheisens angelegt worden; es waren dies
die Werke Maubeuge forge, Hautmont und Crespin. Auch das groſse
Werk Anzin verarbeitete belgisches Roheisen. 1848 erbauten Dupont
und Dreyfuſs das wichtige Eisenwerk zu Ars-sur-Moselle, welches
für die Herstellung von Baueisen, namentlich von doppelt T-Eisen
bahnbrechend wurde.
Die Blechfabrikation hatte sich in den 10 Jahren von 1834 bis
1844 verdoppelt. 1841 wurden 262 Tonnen erzeugt. Das beste
Schwarz- und Weiſsblech wurde in den Vogesen, namentlich zu Fra-
mont gemacht. Die Fabrikation des verzinkten Eisenblechs (fers gal-
vanisés) hatte 1844 bereits einen groſsen Umfang gewonnen, namentlich
in Paris. Zu Audincourt fabrizierte man auch verbleites Eisenblech.
— Ebenso hatte sich die Drahtfabrikation seit 1830 sehr gehoben
und lieferte 1841 154 Tonnen.
Mit der Zunahme der Eisenerzeugung ging eine Abnahme des
Eisenpreises Hand in Hand. Während in der Champagne 1830 die
Tonne Eisen noch 425 Frcs. kostete, betrug der Preis 1835 380 Frcs.,
1840 350 Frcs., 1845 300 Frcs. Der Preis der Guſswaren war von
1837 bis 1844 von 385 auf 220 Frcs. die Tonne gesunken. Trotz
des Schutzzolles und des Aufschwunges der französischen Eisenindustrie
hatte die Einfuhr zugenommen. Die Einfuhr von Roheisen hatte
1827 7794 Tonnen, 1841 26933 Tonnen, 1843 42207 Tonnen betragen.
[677]Frankreich 1831 bis 1850.
Die Einfuhr von verarbeitetem Eisen war dagegen nicht in demselben
Verhältnisse gestiegen.
Auf die Herstellung schmiedbaren Gusses — die alte Erfindung
Reaumurs — erhielt 1836 der Engländer Elliot ein französisches
Patent (!).
Um die Cementstahlfabrikation Frankreichs erwarb sich
Le Play durch seine vortrefflichen Abhandlungen über das Stahl-
cementieren und die englische Stahlfabrikation Verdienste 1). Er wies
darin besonders auf die groſsen Vorzüge des schwedischen Eisens für
die Guſsstahlbereitung hin. Erst seit 1817 hatte man wieder an-
gefangen, der Cementstahlfabrikation einige Beachtung zu schenken.
Die Stahlfabrikation war bekanntlich die schwächste Seite der fran-
zösischen Eisenindustrie und jährlich wanderten groſse Summen
Geldes für Stahl in das Ausland. 1827 war für 697000 Frcs., 1833
für 802978 Frcs., 1837 für 1325395 Frcs. Stahl eingeführt worden.
1831 hatte die Stahleinfuhr 528320 kg betragen, wovon 311440 kg
aus Preuſsen kamen. Die französische Regierung unterstützte die
inländische Stahlfabrikation und suchte sie zu heben. Sie schützte
sie durch einen Wertzoll von 120 Proz. Um 1820 hatten die Eng-
länder Jackson frères zu Assailly im Loiredepartement eine groſse
Stahlfabrik angelegt, sie beschäftigten 1839 130 Arbeiter und machten
1350000 Ctr. Gärb-, Raffinier- und Guſsstahl.
Sir Henry in Neuilly machte seit 1839 ebenfalls eine Art von
Guſsstahl, den er acier fusible nannte; es war dies ein getempertes
Guſseisen. Cementstahl wurde hauptsächlich im Loiregebiete und in
den Pyrenäen gemacht.
Die Stahlproduktion Frankreichs betrug 1841
Seit 1840 machte sich durch das Erblühen der inländischen Stahl-
industrie eine Abnahme der englischen Einfuhr bemerkbar. Die Guſs-
stahlfabrikation der Loirewerke nahm rasch zu. 1844 betrug die
Guſsstahlerzeugung Frankreichs 18602 M.-Ctr., hiervon lieferten die
Loirewerke, besonders das groſse Werk zu Lorette, 16127 M.-Ctr. Die
Stahlhütte zu Lorette, der Firma Neyraud, Thiollière, Verdié
u. Komp. gehörig, hatte zwei groſse Cementieröfen zu je 40000 kg,
20 Guſsstahlschmelzöfen, 3 Reverberieröfen zum Vorwärmen der Barren
für das Walzen, 6 Doppelöfen zum Anwärmen der Stahlstangen, welche
unter den Hammer kamen. Sie hatte 1 Walzwerk für groſse Kaliber,
1 für kleine Kaliber und 1 Stahlblechwalzwerk, 1 Dampfhammer
von 2000 kg Hammergewicht und 1 groſsen Stahlhammer von 1800 kg
Gewicht und produzierte über 1 Million Kilogramm Stahl.
Aus folgender Tabelle ersieht man das Wachstum der Guſsstahl-
fabrikation in Frankreich. Es wurde produziert:
Le Play giebt in seiner Abhandlung von 1846 (Annales des
Mines IX, p. 113) folgende Preise für 100 kg an:
Die Sensenfabrikation war eine neue Industrie in Frankreich,
die aber gute Fortschritte machte. 1826 waren nur für 72000 Frcs.,
1833 für 300000 Frcs., 1837 von 62 Sensenschmieden für 1699003 Frcs.
Sensen fabriziert worden. Trotzdem nahm die Senseneinfuhr in dieser
Zeit noch zu, sie war in den Jahren 1833 bis 1837 von 236659 kg
auf 307610 kg Sensen und 38404 kg Sicheln gestiegen; dieselben
kamen meist aus Deutschland.
Die Fabrikation von Messerwaren war in dieser Zeit sehr zurück-
gegangen. 1817 hatte die Produktion noch 129460 kg betragen, 1837
dagegen nur 74340 kg. Die Drahtstiftenfabrikation war eine fran-
zösische Specialität und machte namentlich Stotz fils in Paris vor-
zügliche Maschinen für diesen Gewerbszweig. Sehr bedeutend war
[679]Belgien 1831 bis 1850.
die französische Waffenfabrikation. Die drei groſsen staatlichen
Kanonengieſsereien waren zu Ruelle bei Angoulème, zu Nevers und
zu St. Gervais. Dieselben lieferten (1839) guſseiserne Kanonen,
welche an Güte den schwedischen nicht nachstanden. Die Produktion
hatte 1835 1414710 kg betragen. 1847 hatte die französische Eisen-
industrie durch die politischen Unruhen schwer zu leiden und dieser
kritische Zustand dauerte bis zum Schlusse dieses Zeitabschnittes.
Von 1847 bis 1850 stockte der Hüttenbetrieb und hatten namentlich
die mit Holzkohlen betriebenen Werke einen schweren Stand.
In Belgien nahm die Eisenindustrie in dieser Periode einen ganz
auſserordentlichen Aufschwung. Eine Entwickelung, wie sie die belgische
Eisenindustrie in den wenigen Jahren von 1836 bis 1840 nahm, hat
wohl kaum ein anderes Land aufzuweisen. Wohl hatten unternehmende
Männer, an ihrer Spitze John Cockerill, schon in den 20er Jahren
den Grund gelegt und den Samen für diese Blüte ausgestreut, aber
die Revolution von 1830 schien alle die kaum begonnenen Unter-
nehmungen wieder in Frage zu stellen. Belgien riſs sich von Holland
los und vertrieb seinen König Wilhelm, der so viel für die Eisen-
industrie Belgiens gethan hatte. Er war an den groſsen Gründungen
Cockerills, namentlich an dem groſsen Eisenwerke zu Seraing
persönlich mit groſsen Summen beteiligt. Die Auflösung dieser Ver-
bindung muſste die Existenz dieser Werke in Frage stellen. Mehrere
Jahre dauerte der Zustand der Sorge und Ungewiſsheit, bis 1833 die
belgische Regierung in richtiger Erkenntnis der Bedeutung Seraings
für den belgischen Staat, den Anteil des Königs von Holland über-
nahm. Nun blühten die Werke, unterstützt von der klugen und unter-
nehmenden neuen Regierung, in überraschender Weise auf. Schon
1831 war ein neuer Zolltarif erlassen worden, der für die Eisen-
industrie des Landes sehr günstig war, der Einfuhrzoll für Roheisen
wurde von 55 Ctm. auf 2 Frcs. 42 Ctm. pro 100 kg, der des Stab-
eisens von 9 Frcs. auf 12 Frcs. 72 Ctm. erhöht. Bald danach faſste
man den Plan, Eisenbahnen zu bauen. König Leopold lud 1834
George Stephenson ein, nach Belgien zu kommen und dieser
entwarf ein einheitliches Eisenbahnnetz. Der junge Staat, ungehindert
durch Vorurteile der Vergangenheit und kühn aufstrebend, nahm die
Ausführung dieses Eisenbahnnetzes selbst in die Hand. So entstand
das erste Staatsbahnnetz und nicht nur das, sondern überhaupt das
[680]Belgien 1831 bis 1850.
erste planmäſsig durchgeführte Eisenbahnnetz. Denn bis dahin waren
immer nur Bahnen aus lokalen Interessen gebaut worden, um gewisse
wichtige Handels- und Industrieplätze miteinander zu verbinden.
Belgien aber baute ein vollständiges Netz von Bahnen von Mecheln
als Ausgangspunkt nach allen Hauptrichtungen hin. Der Bau wurde
alsbald begonnen, am 5. Mai 1835 die Strecke Brüssel-Mecheln
eröffnet und bis 1843 das ganze Netz in einer Länge von 560 km
vollendet. Die belgische Regierung hatte dafür über 62 Millionen
Franken verausgabt. Ähnliche Leistungen konnte damals kein anderes
Land aufweisen und Belgien war darin insbesondere Frankreich weit
vorausgeeilt.
Der Bau der belgischen Eisenbahnen gab der Eisenindustrie
des Landes einen mächtigen Impuls. Mit dem Bau der Bahnen
hatte die Regierung zugleich ins Auge gefaſst, die nötigen Bau-
materialien im eigenen Lande zu erzeugen, namentlich die Eisen-
bahnschienen im Inlande anfertigen zu lassen. Dadurch kamen die
bestehenden Werke in schwungvollen Betrieb und neue wurden an-
gelegt. Der belgische Patriotismus unterstützte die Maſsregeln der
Regierung und ermöglichten es, im eigenen Lande die Summen auf-
zubringen, die zu diesen groſsartigen Gründungen nötig waren. Wieder
war es John Cockerill, der der geistige Leiter dieser Bewegung
war. Er gab die Veranlassung zur Gründung der Belgischen Bank
mit einem Kapital von 20 Millionen Franken und beteiligte sich selbst
in ausgedehntem Maſse an dem Unternehmen. Durch diese Kon-
kurrenz erwachte auch die alte Société Générale pour favoriser
l’industrie nationale, welche noch unter niederländischer Herrschaft
ins Leben getreten war, zu neuem Leben und bald nach Grün-
dung der Belgischen Bank entstanden noch zwei ähnliche Institute,
die Société de Commerce mit 10 Millionen Kapital und die Société
Nationale mit 15 Millionen.
Alle diese Geldinstitute wetteiferten darin, die Industrie Belgiens
zu fördern. Am 1. Juli 1835 entstand die groſse Eisenwerksgesell-
schaft Société anonyme de Marcinelle et Couillet unter dem Protek-
torat der Société Générale. Die Belgische Bank gründete 1835 das
Kohlen- und Hochofenwerk von Ougrée mit 2400000 Frcs., 1836 die
Maschinenbaugesellschaft St. Léonard mit 1600000 Frcs., das Kohlen-
und Hochofenwerk Espérance mit 4 Millionen und 1837 das Walz-
werk von Ougrée mit 3½ Millionen Franken.
Die Société Générale rief 1836 das groſse Eisenwerk Sclessin mit
8 Millionen Franken ins Leben.
Im ganzen hatten die vier groſsen Bankinstitute Belgiens bis zum
Jahre 1837 ein Kapital von 130 Millionen Franken auf Hüttenanlagen
verwendet.
Die groſsartigen Etablissements Belgiens wurden schon damals
alle als Aktiengesellschaften gegründet. Die Unternehmungslust wuchs
mit dem Erfolge und es kam ein fieberhafter Zustand in die belgische
Eisenindustrie. Geld schien im Überfluſs vorhanden. Die einzige
Sorge bestand darin, ob man genug Eisenerze und Kohlen habe. 1836
waren bereits 15 groſse Kokshochöfen im Betriebe, deren Produktion
sich auf 135000 Tonnen Roheisen im Werte von 20740000 Frcs. belief.
1838 zählte man bei Charleroi, Lüttich und Namur 32 Hochöfen,
meist mit groſsen Stabeisenwerken verbunden, die Maschinenkräfte von
2942 Pferden erforderten; 18 von diesen Hochöfen hatte Cockerill
gebaut. Die Arbeitslöhne und die Eisenpreise stiegen von Jahr zu
Jahr. Man verkaufte die Tonne Eisen mit 500 Frcs. Die Über-
produktion und die Preistreiberei muſste zu einer Krisis führen. Dazu
kamen ernste Kriegsbefürchtungen. Ende Dezember 1838 sah sich
die Belgische Bank gezwungen, ihre Zahlungen einzustellen. Das Un-
glaubliche geschah, John Cockerills Kredit geriet ins Schwanken.
Dieser hatte seine Unternehmungen ins Maſslose ausgedehnt. Nicht
nur daſs er Millionen zur Vergröſserung von Seraing aufgewendet
hatte, gründete er an zahllosen Plätzen in Belgien, Frankreich,
Deutschland und Ruſsland, in Spanien und selbst in Surinam, wo er
groſse Plantagen erworben hatte, neue Fabriken. Als das verhängnis-
volle Jahr 1839 kam, besaſs er 60 verschiedene Etablissements,
darunter eine ganze Reihe von Kohlenbergwerken, Eisenhütten und
Maschinenfabriken, von letzteren auſser zu Seraing solche zu Lüttich,
Val-Benôit, Verviers, Aachen, Decazeville, Bezèche, Petersburg und
Surinam. Aber auch Tuch-, Glas-, Papier- und andere Fabriken ge-
hörten Cockerill in verschiedenen Ländern. In Deutschland hatte
er auſser der schon früher erwähnten Tuchfabrik zu Kottbus eine
Maschinenfabrik in Aachen und die Zinkwerke zu Stollberg bei Aachen
angelegt. Seine Unternehmen fingen an ihm über den Kopf zu
wachsen und als die Bank von Belgien, deren Hauptbeteiligter er war,
ihre Zahlungen einschränkte, drohte ihm der Sturz. Er sah sich
gezwungen, ein Liquidationsverfahren einzuleiten, und seine Aktiven
und Passiven bekannt zu machen. Der Status war günstig, denn
26 Millionen Aktiven standen nur 18 Millionen Passiven gegenüber.
Trotzdem muſste er sich fast seines ganzen Besitzes entäuſsern.
Cockerill bevollmächtigte seinen Schwager Pastor in Aachen und
[682]Belgien 1831 bis 1850.
Piercot, seine sämtliche Habe, mit Ausnahme der Werke zu Seraing
und Lüttich, zur Deckung seiner Schulden allmählich zu veräuſsern.
Dieser rasche, groſsartige Entschluſs bewahrte die belgische Industrie
vor einer furchtbaren Katastrophe. Er selbst begab sich nach Ruſs-
land, wohin ihn glänzende Anerbietungen riefen, um dort neue groſs-
artige Gründungen auszuführen, aber er erkrankte und starb erst
50 Jahre alt am 10. Juni 1840 zu Warschau. Seine Leiche wurde
nach Belgien gebracht und zu Seraing beigesetzt. Er hinterlieſs keine
Nachkommen. Sein Name aber lebt fort und wird allezeit einer der
ruhmvollsten in der Geschichte der Industrie bleiben. Für Belgien
war er ein Wohlthäter, dem die Industrie des Landes ihren Auf-
schwung verdankt.
Seraing wurde 1842 als eine anonyme Gesellschaft (Soc. anon.
John Cockerill) mit dem für jene Zeit enormen Kapital von
12500000 Frcs. gegründet. Die Hälfte der Anteile gehörten dem Staate.
Cockerills Schwager Pastor (Pasteur) wurde Generaldirektor und
leitete das Werk 37 Jahre (bis zum 30. Juni 1866) hindurch mit
groſser Umsicht. Seraing vergröſserte sich immer mehr. Ende der
50er Jahre bestand die Eisenhütte aus der Hochofenanlage mit 6 Hoch-
öfen, aus zwei groſsen Walzhütten und aus einer Maschinenfabrik,
welche jede Woche eine fertige Lokomotive zu liefern imstande war.
Was Seraing so sehr vor allen anderen groſsen Etablissements aus-
zeichnete, war, daſs hier Erz und Kohle aus Schächten innerhalb der
Umzäunung des Werkes aus der Erde gefördert, in Hochöfen ge-
schmolzen, das geschmolzene Eisen in Puddelöfen gefrischt, in Walz-
werken zu jeder Form verarbeitet wurde und die Werkstätten als
vollendete Maschine verlieſs. Der Plan der alten Walzhütte, welche
16 Puddelöfen, 8 gewöhnliche und 2 Schrottschweiſsöfen, Wärmöfen u. s. w.
umfaſste, ist in dem Handbuche der Stabeisenfabrikation von Le Blanc
und Walter (Tab. VII) abgebildet. Das Werk produzierte damals 11
bis 12 Millionen Kilogramm Eisen. Den gröſsten Ruhm hat aber das
groſse Werk von John Cockerill zu Seraing auf dem Gebiete des
Maschinenbaues, auf dem es seit seiner Gründung glänzende Leistungen
aufzuweisen hat und eine leitende Stellung behauptete, erworben.
Es war das erste Werk auf dem Kontinent, welches den Dampfmaschinen-
bau als gewerblichen Betrieb aufnahm (1818). In der Periode von
1823 bis 1830 lieferte es die ersten Hochofengebläsemaschinen und
ein Dampfboot für den Rhein. 1835 lieferte es die erste Lokomotive
und die ersten Eisenbahnschienen des Kontinents; 1848 die ersten
belgischen Passagierdampfer für die Linie Ostende-Dover.
Zu den Hütten der Maasgruppe gehörten Espérance mit 4 Koks-
hochöfen und Ougrée, dessen Walzhütte 1836 von Lamarche er-
baut wurde; sie hatte 15 Puddelöfen, 1 Feineisenwalzwerk, 1 Blech-
walzwerk, 2 Schweiſsöfen, 3 Glühöfen. Eigentümlich war, daſs alle
Walzenstraſsen von einer einzigen Welle von über 100 Fuſs Länge
bewegt wurden. Die Hütte zu Sclessin hatte 6 Kokshochöfen und eine
groſse Gieſshalle. Die Hütte zu Grivegnée, der Familie Orban ge-
hörig, hatte einen der gröſsten Hochöfen, welcher bei 62½ engl. Fuſs
Höhe 18 Fuſs Weite im Kohlensacke und 10 Fuſs in der Gicht hatte.
Kokshochöfen gab es ferner in diesem Gebiete zu Vennes-les-
Grivegnée, zu Dolhain bei Vervier, die 1847 von Th. Bonehill (Bonn-
hill) erbaut worden waren, und zu Aigneau-lez-Namîche. — Die Walz-
hütte von Renard in der Vorstadt Armercour zu Lüttich war in den
Jahren 1837 bis 1840 errichtet worden.
Die zweite Gruppe der belgischen Hütten waren die an der
Sambre. Sie umfaſste 7 Eisenwerke; eins der gröſsten derselben
war die mit 12 Millionen Franken gegründete Hütte zu Châtelineau
mit 7 Hochöfen, ferner ebendaselbst das Eisenwerk von Dupont,
Montignies sur Sambre, welches aus 3 groſsen Hochöfen und 1 Walz-
hütte bestand. Die groſsartigste Anlage war aber Couillet, welche
mehrere Steinkohlengruben, 8 Hochöfen, 1 Walzhütte und 1 schöne
Maschinenbauanstalt umfaſste. Die Hochofenanlage dieses berühm-
ten Hüttenwerkes war von Huart gebaut worden und wurde 1836
von Defontaine administriert. Das Walzwerk war von dem eng-
lischen Ingenieur Harold Smith erbaut. Ein anderes groſses
Eisenwerk war das der Providence zu Marchienne-au-Pont, mit 2
groſsen Koksöfen und einer Walzhütte, sodann Monceau-sur-Sambre
mit 4 Kokshochöfen und einer 1838 von dem Engländer Granville
(Greneville) erbauten Walzhütte, und Hourpes-sur-Sambre mit
2 Kokshochöfen. Letztgenannte war eine der ältesten Kokshütten
Belgiens. Sie war aus einer alten Holzkohlenhütte, die lange kalt
gelegen hatte, entstanden. In den Jahren 1825 und 1826 hatte dort
Bonehill zu Marchienne einen kleinen Kokshochofen nebst zwei
Flamm- und mehreren Kupolöfen zum Umschmelzen des Roheisens
und eine Kanonenbohrwerkstätte erbaut, da die Gesellschaft, zu der
auch König Wilhelm der Niederlande als Teilhaber gehörte, guſseiserne
Geschütze fabrizieren wollte.
Die dritte Gruppe umfaſste die Hochöfen zwischen Sambre und
Maas und der Borinage. Zu ihr gehörten 1. das Eisenwerk zu Acoz
mit 2 groſsen Kokshochöfen und 1 Walzwerk; 2. die Hütte von
[684]Belgien 1831 bis 1850.
Gougnies mit 1 Koks- und 2 Holzkohlenhochöfen; 3. der groſse Koks-
hochofen von Froidmont, dem Baron von Cartier d’Yve gehörig;
4. der demselben Besitzer gehörige Hochofen zu Fairoul; 5. die Hütte
von Laneffe mit einem gröſseren und einem kleineren Kokshochofen
und 6. die Hütte von Thy-le-Chateau mit 2 groſsen Kokshochöfen
und 1 Walzwerk. Die letzterwähnten Hochöfen waren ebenfalls von
dem um die belgische Eisenindustrie hochverdienten Bonehill er-
baut worden.
Die belgischen Eisenwerke, sowohl die Hochofenanlagen als die
Walzwerke, wurden die Muster und Vorbilder für einen groſsen Teil
der französischen und der deutschen Industrie. Waren die deutschen
Eisenhüttenleute in früheren Jahrzehnten nach Oberschlesien gereist,
um das Neueste und Beste von Anlagen und Einrichtungen für den
Steinkohlenbetrieb kennen zu lernen, so wurde seit Mitte der 30er
Jahre Belgien die hohe Schule und blieb es mehrere Jahrzehnte hin-
durch. Die modernen Eisenwerke Westdeutschlands, besonders in
Rheinland und Westfalen, wurden groſsenteils nach belgischem Muster
gebaut und eingerichtet, vielfach sogar mit belgischen Arbeitern
betrieben.
Man kopierte die Muster von Seraing und Couillet fast unver-
ändert. Selbst die Materialien zum Bau der Hochöfen und Puddel-
öfen glaubte man von Belgien beziehen zu müssen. Die Pudding-
steine von Marchin bei Huy lieferten das Material zu den Gestellen
in Deutschland und Frankreich, sie gingen bis zum Mittelländischen
Meere. Bis in die 60er Jahre hielt man an den Puddingstein-
gestellen fest und hielt sie für unübertrefflich. Die feuerfesten Ziegel
für Hochöfen und Schweiſsöfen bezog man lange Zeit hauptsächlich
aus Andennes. Charakteristisch war es, daſs die meisten belgischen
Hüttenwerke, namentlich die Walzwerke, ihre feuerfesten Steine auf
den Hütten selbst anfertigten.
Während viele Verbesserungen von Belgien ausgingen, fanden
andere dort nur schwer Eingang. Zu diesen gehörte besonders die An-
wendung des heiſsen Windes, gegen welchen sich in Belgien ein Vor-
urteil gebildet hatte, ähnlich wie in Südwales. Erst im Jahre 1836
machte man einen Versuch mit heiſsem Wind beim Hochofenbetrieb
zu Seraing. Da dieser nicht befriedigend ausfiel, so befestigte sich das
Vorurteil, daſs der heiſse Wind für die belgischen Kohlen nichts tauge.
Wie bereits erwähnt, hatte der Bau der Eisenbahnen den gröſsten
Einfluſs auf die Entwickelung der belgischen Eisenindustrie ausgeübt.
Zahlreiche groſse Walzwerke waren infolgedessen entstanden.
Folgende waren die bedeutendsten nach englischer Methode ein-
gerichteten Walzhütten: A. In der Provinz Hennegau 1. Couillet, neben
Seraing das berühmteste Walzwerk, namentlich für Eisenbahnschienen.
Hier wurden auch die ersten Schienen mit körnigem Kopfe für die
belgischen Staatsbahnen hergestellt. 2. Monceau-sur-Sambre, 3. Mar-
chienne-au-Pont, 4. Acoz, 5. Montignies-sur-Sambre, 6. Mont-sur-
Marchienne (Zône), 7. Fayt, 8. Loire-sur-Sambre, 9. Houdeng-Aimeries.
B. In der Provinz Lüttich 1. Seraing, 2. Ougrée, 3. Grivegnée, 4. Lüttich,
5. Marchin, 6. Huy. C. In der Provinz Namur 1. Yve, 2. Couvin.
Die gröſsten hatten ausschlieſslich Dampfbetrieb. Die Walzhütte zu
Monceau-sur-Sambre war 1838 von dem englischen Ingenieur Grenne-
ville (Granville) für die englische Bank erbaut worden. Sie hatte
eine Esse von 200 Fuſs Höhe, in welche 20 Flammöfen mündeten.
Die Walzhütte der Providence zu Marchienne-au-Pont war 1835 von
Bonehill erbaut worden und zeichnete sich durch die Mannigfaltig-
keit der Eisensorten, die hier erzeugt wurden, aus. Das Werk zu
Champeau bei Montignies-sur-Sambre war 1841 ebenfalls von Bone-
hill ausgeführt worden, während derselbe bereits 1833 das Walz-
werk Zône erbaut hatte, das mitten im gewerbreichsten Gebiete von
Charleroi lag und ein Meisterstück der Konstruktion war. Von den
Hütten des Herrn Dupont zu Fayt war die ältere 1824, die
jüngere 1836 entstanden. Die Hütte von Couvin wurde 1830 durch
Vereinigung von sechs verschiedenen Werken gebildet. Hier wurden
namentlich Blech und Draht fabriziert. Das Walzwerk der dem
Baron de Cartier gehörigen Hütte zu Yve war schon 1830 von
Bonehill erbaut worden. Auf der Hütte zu Grivegnée an der Ourthe
wurde namentlich Holzkohlenblech aus luxemburger Holzkohleneisen
gewalzt.
Die Anlage des groſsartigen Walzwerkes zu Couillet 1) geschah
nach 1835, wie oben erwähnt, unter der Leitung des englischen In-
genieurs Harold Smith. Hier waren 1841 bereits Luppenquetschen
und Kreissägen zum Abschneiden der Schienen im Betriebe. Auſser
der oben schon angeführten Drahthütte zu Couvin gab es noch Draht-
werke zu Chamelen, Florenville und Verviers. Die Drahthütte zu
Couvin galt damals als eine der schönsten in Europa. Zu Verviers
zog man den Walzdraht von Couvin von 100 Fuſs Länge und 3 bis
4 mm Durchmesser zu Kratzendraht aus.
Neben dem Steinkohlenbetriebe war der Holzkohlenbetrieb noch
[686]Belgien 1831 bis 1850.
sehr bedeutend. Es gab noch zahlreiche Frischhütten, die nach der
hochburgundischen Methode (meth. Comtoise) mit Holzkohle betrieben
wurden. In den Jahren 1836 und 1837, in denen die belgischen
Hüttenwerke 135000 Tonnen Eisen erzeugten, zählte man neben
23 Koksöfen noch 66 Holzkohlenhochöfen. Der Zusammenbruch der
Belgischen Bank in Verbindung mit der Handelskrisis in England
schädigten die belgische Eisenindustrie sehr, besonders auch dadurch,
daſs durch den Preissturz in England englisches Eisen trotz des
Tarifes das Land überschwemmte. 1840 fiel der Roheisenpreis von
15 auf 7½ Frcs. pro 100 kg und vom Januar bis März wurden
4000 Tonnen schottisches Roheisen eingeführt. Im Jahre 1841 waren
nur 20 Kokshochöfen und 50 Holzkohlenöfen in Belgien im Betrieb,
welche 90000 Tonnen erzeugten. Nach Erhöhung des Eingangzolles
von englischem Eisen auf 5,80 Frcs. pro 100 kg erholte sich die bel-
gische Eisenindustrie rasch.
Die Holzkohlenhütten lagen hauptsächlich im Süden, in den Pro-
vinzen Namur und Luxemburg. Der Steinkohlenbetrieb konzentrierte
sich um Lüttich und Charleroi. Die Eisenausfuhr, welche 1830 nur
2900 Tonnen betragen hatte, war 1836 schon auf 72000 Tonnen
gestiegen. Die Ausfuhr war also gröſser als der Verbrauch im Lande.
Auf den meisten Werken wurden die Erze ungeröstet und in groben
Stücken aufgegeben, auch fing man in den 40er Jahren an, die
Feinöfen abzuwerfen. Alle gröſseren Walzwerke walzten Eisenbahn-
schienen. 1842 waren 14 Schienenwalzwerke im Betrieb. Seraing hatte
14000 Tonnen, Couillet 12000 Tonnen, das Eisenwerk von Dorlodot
zu Acoz 6000 Tonnen Schienen für die Staatsbahnen zu liefern. Die
belgischen Hütten- und Walzwerke zeichneten sich durch zweck-
mäſsige Anlage so sehr aus, daſs sie als Vorbilder für die deutsche
und französische Industrie galten. Der Eisenpreis, der 1838 noch
34 Frcs. pro 100 kg betragen hatte, war 1842 auf 23 Frcs. ge-
sunken.
Die meisten Lokomotiven für die Staatsbahn wurden in Belgien
selbst gebaut. Anfangs hatte man allerdings noch englische Maschinen
beziehen müssen und hatte Stephenson davon 29 geliefert, 11 kamen
von verschiedenen anderen Werken, dagegen wurden bis 1842 schon
82 Lokomotiven im Inlande gemacht, hiervon in Seraing allein 68,
die anderen von der Soc. St. Leonard in Lüttich und der Soc. du
Renard in Brüssel. Eine Lokomotive mit zwölfzölligem Cylinder
kostete 35000 bis 36000 Frcs. und wog 12108 kg, davon waren 1618 kg
Guſseisen, 7929 kg Schmiedeeisen, 2143 kg Kupfer und Messing und
[687]Belgien 1831 bis 1850.
418 kg Holz. Der Maschinenbau hatte in Belgien überhaupt einen
groſsartigen Aufschwung genommen, am meisten zu Seraing, wo im
Jahre 1849 allein für 18 Millionen Franken Maschinen fertiggestellt
wurden.
Die Gewehrfabrik in Lüttich nahm an dem allgemeinen Auf-
schwunge der Industrie teil. 1836 wurden dort 350000 Läufe fabriziert,
während die Produktion 1841 auf 150000 Stück sank. Die Preise
der Lütticher Schuſswaffen waren immer niedrig, um diese Zeit aber
waren sie besonders gedrückt. Eine doppelläufige Jagdflinte erhielt
man schon für 25 Frcs. Einen enormen Umfang hatte die belgische
Nagelfabrikation gewonnen; 1850 wurden 8423859 kg Nägel von
Belgien ausgeführt.
Die Stahlfabrikation Belgiens war dagegen nicht bedeutend.
Die zwei hauptsächlichsten Stahlfabriken waren zu Couvin und zu
Lüttich.
Die Krisis in Belgien, welche Ende 1838 begonnen hatte, dauerte
bis 1843. Sie nahm ihr Ende durch den vorteilhaften Vertrag, den
Belgien mit dem Deutschen Zollverein schloſs und der ihm dieses
Absatzgebiet unter viel günstigeren Bedingungen als den Engländern
öffnete.
Die Ereignisse vom Jahre 1848 erzeugten einen neuen Rückschlag,
der Preis des Roheisens fiel von 114 Frcs. auf 85 Frcs. für die Tonne.
Die Krisis ging indes rasch vorüber.
1838 betrug die mögliche Produktion
1844 belief sich die wirkliche Produktion auf nur 106878 Tonnen,
stieg aber 1847 bereits auf 220000 Tonnen. 1845 waren 44 Koks-
hochöfen im Betrieb; 820000 Ctr. wurden exportiert.
Es gab 1844 130 Hammerwerke, 45 Walzwerke und 26 Schmiede-
werke mit einer Produktionsfähigkeit von 186000 Tonnen, die aber
in diesem Jahre nur 46913 Tonnen lieferten 1).
Die belgische Roheisenproduktion von 1843 bis 1847 betrug:
Die Abnahme der Holzkohlenhochöfen und die Zunahme der
Kokshochöfen ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung. Es standen
im Betriebe:
Während die belgische Roheiseneinfuhr nach Deutschland 1842
und 1843 16 und 18 Proz. der Gesamteinfuhr betragen hatte, belief
sie sich nach der Herabsetzung des Zolles 1845 auf 58 und 1850 auf
69 Proz. der Roheiseneinfuhr. 1850 betrug das Quantum 75857 Tonnen.
1846 betrug der Wert der Ausfuhr an Feuerwaffen für den Privat-
gebrauch 2484783 Frcs., für den Kriegsgebrauch 1335514 Frcs., 1849
für ersteren 3242802 Frcs., für letzteren 2253550 Frcs. Nach den
Berichten der Banc d’épreuves in Lüttich wurden in Lüttich im Jahre
1849 405030 und 1850 432347 Läufe von Luxus-, Jagd-, Handels-
und Militärgewehren der Probe unterworfen. Ancion \& Komp. war
das gröſste Waffengeschäft in Lüttich.
1844 schloſs die belgische Regierung einen Handelsvertrag mit dem
deutschen Zollverein, der ein Meisterstück belgischer Handelspolitik
war und der belgischen Eisenindustrie zu groſsem Segen gereichte,
denn ein Hauptpunkt dieses Vertrages war die Einfuhrvergünstigung
für belgisches Eisen, wodurch dieses erfolgreich mit dem billigeren
englischen Eisen konkurrieren konnte. Der allgemeine Zollsatz des
Zollvereins auf Eisen von 1 Mark für den Centner wurde für Belgien
um 50 Proz. ermäſsigt und diese Vereinbarung für 6 Jahre festgesetzt.
Belgien suchte seine Industrie durch vollständige Gewerbefreiheit
und durch gute Fachschulen zu fördern.
Die Gewerbeschule zu Gent hatte Fachkurse für Bau- und In-
genieurwesen und für Industrie im allgemeinen.
Die technische höhere Lehranstalt zu Lüttich war besonders für
[689]Deutschland 1831 bis 1850.
Bergbau und für die Industrie im allgemeinen mit besonderer Berück-
sichtigung des Berg- und Hüttenwesens. Mit ihr wurde anfangs der
40er Jahre eine mechanische Lehrwerkstätte verbunden. In Mons wurde
1838 eine Bergschule gegründet. Eine niedere Gewerbeschule war zu
Verviers, während zu Brüssel ein vorzügliches Institut für Handel
und Industrie (École centrale de commerce et d’industrie) war.
Wie in Frankreich veranstaltete der Staat öfter Gewerbeausstellungen.
Deutschlands Eisenindustrie war zwar in der Periode von 1830
bis 1850 eifrig bemüht, durch technische Verbesserungen sich mit den
vorwärtsstrebenden Nachbarländern auf gleicher Höhe zu erhalten,
aber die politische Zerrissenheit machte groſse Unternehmungen un-
möglich und lastete schwer auf den wirtschaftlichen Verhältnissen.
Allerdings war endlich eine Zollvereinigung der wichtigsten auſseröster-
reichischen Staaten zu Stande gekommen. Aber wie lange hatte dies
gedauert. Ein Jahrzehnt hatte der geniale Friedrich List, der 1819
zu Frankfurt einen Agitationsverein für diesen Zweck gegründet hatte,
umsonst geschrieben und geredet, erst 1828 fingen einzelne Gruppen
an sich zu vereinigen. Obgleich Preuſsen der gröſste, wirtschaftlich
bedeutendste und vorgeschrittenste Staat war, so herrschte doch und
gerade deshalb unter den übrigen Bundesstaaten eine Abneigung, in
die so notwendige Zollvereinigung mit demselben zu treten. Statt
dessen bildete sich eine süddeutsche Zolleinigung zwischen Bayern und
Württemberg, ein mitteldeutscher Handelsverein zwischen Hannover,
Kurhessen, Sachsen und den Hansastädten, und nur Hessen-Darmstadt
schloſs sich 1828 rückhaltslos an Preuſsen an und schob sich als Keil
zwischen die süddeutsche und mitteldeutsche Vereinigung. Die Folge
war, daſs der mitteldeutsche Handelsverein in sich zerfiel und ein
Staat nach dem andern sich dem preuſsisch-hessendarmstädtischen
Bündnis anschloſs. So trat dann endlich nach langen Verhandlungen
am 22. März 1833 mit Wirkung vom 1. Januar 1834 der deutsche
Zollverein zusammen. Er umfaſste bei seiner Gründung nur 18 von
den 40 deutschen Staaten, aber er bildete so sehr den natürlichen
Schwerpunkt in dem deutschen Wirtschaftsgebiet, daſs die renitenten
Staaten, einer nach dem anderen, den Anschluſs suchen muſsten.
Von gröſseren Gebieten hielt sich nur Hannover noch lange dem
Zollverein fern und schloſs mit Oldenburg, Braunschweig und Schaum-
burg-Lippe einen besonderen „Steuerverein“.
Der Zollverein hatte den groſsen unmittelbaren Nutzen, der be-
sonders auch der Industrie zu gute kam, daſs er die Zollgrenzen
zwischen den verbündeten Einzelstaaten aufhob. Der 1. Januar 1834
war der denkwürdige Tag, an dem die Schlagbäume an den Grenzen
der deutschen Zollvereinstaaten verschwanden. Dadurch wurde ein
groſses wirtschaftliches Gebiet geschaffen, welches dem Absatz der
deutschen Industrie freigegeben wurde.
Die handelspolitische Richtung des Zollvereins nach auſsen war
wesentlich eine freihändlerische. Seine Tendenz war, alle Fesseln
des Verkehrs nach Möglichkeit zu beseitigen. Wie segensreich er ge-
wirkt hat, wie die wirtschaftliche Vereinigung im Zollverein die poli-
tische Vereinigung des Deutschen Reiches vorbereitet hat, ist zu be-
kannt, um näherer Ausführung zu bedürfen. Uns berührt hier nur
die Stellung des Zollvereins zur Eisenindustrie. Für diese war
die freihändlerische Richtung nicht von Vorteil. Daſs die deutsche
Eisenindustrie, welche noch fast ganz auf den Holzkohlenbetrieb an-
gewiesen war, nicht mit England und Belgien konkurrieren konnte,
wird aus dem über diese Länder Mitgeteilten jedem klar sein. Durch
die Zollsätze des Vereins wurde die deutsche Eisenindustrie der eng-
lischen Konkurrenz schutzlos preisgegeben. Roheisen wurde als ein
Rohstoff behandelt und zollfrei eingelassen, während der Zoll auf
Schmiedeeisen ein mäſsiger war, er betrug 3 Mark für den Centner
(50 kg). In den Nachbarstaaten war diese Industrie weit mehr geschützt.
Frankreichs Eisenindustrie gedieh durch einen auſserordentlichen Zoll-
schutz. Man betrachtete es dort als eine groſse Konzession an den
Freihandel, als man 1835/36 den Zoll für Roheisen auf 5,60 bis
5,40 Mark und den für Stabeisen auf 15 bis 30 Mark pro 100 kg
herabsetzte. Belgiens Eisenindustrie gedieh auſser durch Schutzzölle
dadurch, daſs der Staat mit der Eisenindustrie des Landes solidarisch
verbunden war und ihr, indem er alles Eisen für seine Eisenbahnen und
sonstigen Unternehmungen nur aus dem Inlande bezog, einen Absatz
verschaffte, der die belgische Industrie zu groſsem Aufschwung brachte.
Die deutsche Eisenindustrie entbehrte des einen wie des anderen,
sie wurde nicht durch Zölle geschützt, noch kauften die Zollvereins-
staaten ihren Eisenbedarf im Vereinsgebiete. Englisches und belgisches
Eisen strömte in das Vaterland und die Eisenbahnen wurden fast
ausschlieſslich mit englischem und belgischem Material gebaut. Daſs
unter diesen Umständen unsere vaterländische Eisenindustrie nicht
den Aufschwung nehmen konnte, den sie gewiſs genommen haben
würde, wenn Deutschland schon damals so geeinigt gewesen wäre
[691]Deutschland 1831 bis 1850.
wie heute, daſs es vielmehr hinter der Englands und der Nachbar-
länder Belgien und Frankreich zurückblieb, ist nicht zu verwundern.
Daſs man eine groſse, unentbehrliche Industrie schutzlos der Über-
macht des Auslandes preisgab, einem Princip zulieb, war echt deutsch.
Alle praktischen Nationen schützten ihre Eisenindustrie vor der
Konkurrenz des Auslandes, weil sie das unmittelbar Nützliche ergriffen
und nicht einem theoretisch Nützlichen, wie es der Freihandel war,
Opfer brachten. Englands Eisenindustrie war erst unter Prohibitiv-
zöllen, dann unter hohen Schutzzöllen zur Entwickelung gelangt und
England schaffte die Zölle erst ab und schrieb den Freihandel auf
seine Fahne, als dies für ihn nützlich war, nachdem seine Eisen-
industrie so erstarkt war, daſs sie keine Konkurrenz mehr zu fürchten
hatte und nur möglichst unbeschränkten Absatz suchte. Anders ver-
fuhr der Deutsche, der in diesem, wie in vielen anderen Fällen damals
nur das abstrakt Gute erstrebte, und diesem zulieb seine alte vater-
ländische Industrie der Gefahr des Unterganges preisgab. Daſs es
so weit nicht kam, verdanken wir der geistigen und technischen Thätig-
keit der Eisenindustriellen in Deutschland, welche trotz langer, schwerer
Kämpfe mutig vorwärts strebten, und überall durch Verbesserungen
der Gefahr des Unterganges zu begegnen suchten. Wenn das über-
mächtige England mit Recht auf die Erfindung der Winderhitzung
und des Dampfhammers in dieser Periode stolz sein darf, so gebührt
Deutschland der Ruhm, die Benutzung der Hochofengase, den Heiz-
gasbetrieb und das Stahlpuddeln erfunden zu haben.
Nur durch die oben angedeuteten Verhältnisse erklärt es sich,
daſs sich der Steinkohlenbetrieb in Deutschland in dieser Periode so
langsam entwickelte, während doch in Belgien und Frankreich die
groſsartigsten Steinkohlenhütten entstanden. Gab es doch im Ruhr-
gebiet bis zum Jahre 1847 noch nicht einen Kokshochofen!
Das fremde Roheisen strömte zu so billigen Preisen ein, daſs es
ganz aussichtslos schien, in Deutschland mit irgend welchem Nutzen
einen Koksofenbetrieb zu begründen, wie es in Belgien und Frankreich
der Fall war. Der mangelnde Zollschutz, die Freihandelspolitik des
Zollvereins war schuld daran, daſs die Kokshochofenindustrie West-
deutschlands um 20 Jahre zurückblieb. Charakteristisch war es auch,
daſs die Saarkohle schon lange weit nach Frankreich hinein verschickt
wurde, um dort noch mit groſsem Nutzen der französischen Eisen-
industrie zu dienen, während sich im Saargebiete selbst der Steinkohlen-
betrieb nur langsam entfaltete. Hierzu kam noch ein anderer Umstand,
Deutschland war arm an Kapital und die Regierungen thaten damals
44*
[692]Deutschland 1831 bis 1850.
nichts, die Bildung von Kapitalgesellschaften zu unterstützen, wie es
in Frankreich und namentlich in Belgien geschah. Der Deutsche
hielt jede industrielle Kapitalanlage für ein Lotteriespiel, für halb
verloren von Anbeginn an, dagegen legte er sein Geld mit Behagen
in die unsolidesten ausländischen Staats- und sonstigen Papiere an, die
hohe Zinsen versprachen und im Frankfurter Kursblatt zu finden
waren. Von diesem Übel sind wir ja heute noch nicht ganz frei.
Trotzdem kamen in jener Zeit doch auch in Deutschland nach und
nach gröſsere industrielle Gesellschaften mit bedeutenden Kapitalien
zusammen, wozu die Eisenbahnen die Veranlassung gaben. Der Bau
von Eisenbahnen erweckte in Deutschland ein groſses allgemeines
Interesse, und der Eisenbahnbau entwickelte sich in Deutschland weit
rascher als in dem reichen Frankreich. Die Regierungen der Bundes-
staaten haben an dem guten Anfange, den das Eisenbahnwesen in
Deutschland nahm, nur ein geringes Verdienst, denn im allgemeinen
verhielten sie sich gegen die Idee von Staatsbahnen ablehnend. Nur
Bayern machte hierin eine rühmliche Ausnahme und das Verdienst da-
für darf wohl von Baader zugeschrieben werden, der schon lange vor
dem groſsen Triumph Stephensons für Eisenbahnen nach englischem
Muster mit Wort und Schrift in Bayern gewirkt, und dadurch die
Geister darauf vorbereitet hatte. Es ist kein Zufall, daſs in Bayern
die erste Eisenbahn, die Linie Nürnberg-Fürth, und abgesehen von
der etwas älteren kleinen Strecke Braunschweig-Wolfenbüttel (1838),
die erste Staatsbahn von München nach Augsburg (1840) gebaut wurde.
Wie Baader in Bayern, so haben noch andere treffliche weit-
blickende Männer schon früh für den Bau von Eisenbahnen gewirkt
und das Interesse dafür in weitere Kreise getragen; es waren dies be-
sonders die Brüder Friedrich und Gustav Harkort und Friedrich
List. Ersterer, der bekannte „alte Harkort“, hatte bereits am 30. März
1825 in der Zeitschrift „Hermann“ einen Aufsatz über Eisenbahnen,
und zwar über Lokomotivbahnen veröffentlicht, der mit den Worten
schloſs: „Möge auch im Vaterlande bald die Zeit kommen, wo der
Triumphwagen des Gewerbfleiſses mit rauchenden Kolossen bespannt
ist und dem Gemeinsinne den Weg bahnt!“
1827 hatte Harkort dem groſsen Minister Stein eine „Denk-
schrift über die Vorteile der Eisenbahnanlage“ überreicht, und 1828
bildete sich auf seine Veranlassung die erste Eisenbahn-Actiengesell-
schaft Deutschlands, „um mittelst einer Eisenbahn den Absatz der
Ruhrkohlen nach dem Wupperthale und ins Bergische zu vermitteln,
beziehungsweise die bergische Fabrikgegend wohlfeiler mit Kohlen zu
[693]Deutschland 1831 bis 1850.
versehen“. Die etwa 7 km lange Bahn wurde als Pferdebahn gebaut
und erhielt 1831 den Namen Prinz Wilhelmsbahn.
Gustav Harkort und Friedrich List waren es, welche die
erste groſse Lokomotivbahn, die Bahn von Leipzig nach Dresden 1837,
ins Leben gerufen haben.
Die preuſsische Regierung that anfangs wenig, den Bau von Eisen-
bahnen zu fördern; sie verhielt sich sogar vielfach ablehnend, so
namentlich gegen Friedrich Harkorts mit Eifer verfochtenes Projekt
einer Bahn von Köln nach Minden 1). Dagegen genehmigte sie die
Linie Düsseldorf-Elberfeld, wovon die Teilstrecke Düsseldorf-Erkrath
am 20. Dezember 1839 eröffnet wurde. Trotzdem besaſs Deutschland
Ende 1850 bereits 5860 km Eisenbahnen, während Frankreich nur
2996 km zählte.
Da der gröſsere Teil des für die deutschen Eisenbahnen ver-
wendeten Eisens aus dem Auslande bezogen wurde, für welches Deckung
durch eigene Ausfuhr nicht vorhanden war, so läſst sich ermessen,
welche Summen damals von Deutschland in das Ausland flossen.
Auf ein Kilometer Bahn rechnete man einschlieſslich des Fahrmaterials
445 Tonnen Eisen. Es waren also zur Herstellung der deutschen
Bahnen 2607700 Tonnen Eisen verbraucht worden, welche, zu nur
200 Mark für die Tonne gerechnet, einen Aufwand von 321540000 Mark
erforderten. Dieser enorme Geldabfluſs bewirkte eine groſse Geld-
knappheit in Deutschland.
Dennoch trug der lebhafte Eisenbahnbau in Deutschland am meisten
zur Förderung der heimischen Eisenindustrie bei, denn nicht nur wurde
ein nicht unbedeutender Bruchteil des Eisenbedarfes der Eisenbahnen
doch nach und nach im Inlande gedeckt, sondern die Eisenindustrie
Deutschlands war auch auf das eifrigste bemüht, sich für den Bedarf der
Bahnen leistungsfähig zu machen, um mit dem Auslande konkurrieren
und die Lieferungen im eigenen Lande übernehmen zu können. Infolge-
dessen entstanden groſse Walzwerke, namentlich in Rheinland und West-
falen, welche zum Teil mit ausländischem, besonders belgischem Roh-
eisen Eisenbahnschienen und sonstiges Eisenbahnmaterial fabrizierten.
Betrachten wir ganz kurz die verschiedenen Stadien der wirt-
schaftlichen Entwickelung in diesem Zeitabschnitte, so beginnt 1834
ein allgemeiner Aufschwung der deutschen Industrie infolge der Grün-
dung des Zollvereins. Seit 1837 begann eine starke Zunahme des
Eisenbedarfs infolge des Eisenbahnbaues. Dieser führte zugleich
[694]Deutschland 1831 bis 1850.
zu einer zunehmenden Eiseneinfuhr aus dem Auslande. Diese ge-
staltete sich seit 1839 durch die infolge der in England und Belgien
ausgebrochenen Krisis gesunkenen Eisenpreise zu einer Überflutung
des deutschen Marktes mit fremdem Eisen, welche das deutsche Eisen-
gewerbe um so mehr bedrückte, als dasselbe durch keinen genügenden
Eingangszoll geschützt war. England und Belgien erhielten dadurch
auf dem deutschen Eisenmarkte ein groſses Übergewicht. Im Jahre
1844 bezog das Zollvereinsgebiet 2 Millionen Centner Eisen, meistens
Schienen aus dem Auslande. Der britische Schatzkanzler äuſserte
damals im Unterhause, „unser Handel nach Deutschland entspricht
zwei Arbeitstagen unserer Wochenindustrie“. Dieser Zustand dauerte
an bis zum 1. September 1844, an welchem Termine endlich der
deutsche Zollverein, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daſs die
deutsche Eisenindustrie ohne allen Schutz dem Auslande gegenüber
zu Grunde gehen muſste, einen mäſsigen Eingangszoll von 10 Silber-
groschen auf den Zollcentner, oder 2 Mark auf die 100 kg Roheisen
einführte, während der Zoll für Stabeisen und Schienen auf 4½ Mark
erhöht wurde.
Wie sehr die Einfuhr von fremdem Eisen in dieser Zeit aber zu-
genommen hatte, beweisen folgende Zahlen:
Für verarbeitetes Eisen hatte schon der Tarif von 1837/39 Zoll-
sätze festgesetzt gehabt, und zwar 1 Gulden 40 Kreuzer für den
Centner, oder 5,70 Mk. für 100 kg Stabeisen, Schienen und Stahl,
5 Gulden 30 Kreuzer für den Centner, oder 18,86 Mk. für 100 kg Band-
und Schmiedeeisen, und 10 Gulden 12½ Kreuzer für den Centner,
oder 35 Mk. für 100 kg nicht ganz grober Guſswaren. Diesen Zoll
verstanden die englischen und belgischen Importeure aber dadurch
teilweise zu umgehen, daſs sie geschmiedetes Eisen in Form grober
Blöcke einführten und als Roheisen deklarierten, was auch Jahre
lang durchging.
Die Roheisenproducenten hatten sich in einer sehr ungünstigen
[695]Deutschland 1831 bis 1850.
Lage befunden. Durch die Einführung des Zolles von 1 Mark auf
den Centner am 1. September 1844 besserte sich dieselbe, und zwar
um so mehr, als um dieselbe Zeit die Preise des englischen und
belgischen Eisens in die Höhe gingen. Wie wenig aber selbst die
preuſsische Regierung darauf bedacht war, die Eisenindustrie ihres
Landes gegenüber dem Auslande zu schützen, geht daraus hervor,
daſs sie auf dem eigenen königlichen Werke in Gleiwitz mitten in
Oberschlesien, welches gegründet worden war, um den englischen
Hochofenbetrieb in Deutschland einzuführen, schottisches Roheisen
statt schlesischem verschmolz und dessen Vorzüge laut verkündete,
was eine ganz bedeutende Einfuhr von schottischem Roheisen in den
Hauptsitz der preuſsischen Eisenerzeugung zur Folge hatte. Zu der
Überflutung des deutschen Marktes mit englischem und besonders
schottischem Roheisen trugen auch, wie erwähnt, die Geschäftslage
des britischen Eisenmarktes und die auſserordentlich niedrigen Preise
bei. Der Bau der Eisenbahnen in England hatte eine groſsartige
Steigerung der Eisenproduktion zur Folge, welche Ende der 30er Jahre
infolge von Überproduktion zu einer Krisis und zu einem raschen Preis-
sturz führte. 1839 kosteten 100 kg schottisches Roheisen noch 8,94 Mark,
1840 7,46, 1841 5,98, 1842 4,98 und 1843 sogar nur 3,98 Mark. Mit
solchen Preisen konnten die deutschen Hochöfen unmöglich kon-
kurrieren, betrugen doch die Selbstkosten in Schlesien Ende der 40 er
Jahre für Holzkohlenroheisen 10 Mark, für Koksroheisen 7,80 Mark.
In den meisten anderen Gebieten waren sie noch höher.
Die Wohlthat des neuen Zolltarifes wurde aber für die deutschen
Hochofenwerke dadurch bedeutend eingeschränkt, daſs mit Belgien
im Jahre 1844 ein Separatvertrag geschlossen wurde, wodurch diesem
ein Nachlaſs von 50 Proz. auf den Roheisenzoll zunächst auf sechs
Jahre bewilligt wurde. Eine weitere Schädigung erfuhr besonders die
deutsche Holzkohlenroheisen-Produktion dadurch, daſs das Feineisen
(refined metal), welches als Ersatz für das Holzkohlenroheisen diente,
keinen höheren Zollsatz als das Roheisen zu zahlen hatte. Um diese
drückenden Bestimmungen, wie überhaupt über den Tarif, und die prin-
cipielle Frage: Schutzzoll oder Freihandel im Eisengewerbe, entbrannte
ein lebhafter Kampf, der während der ganzen 40er Jahre hindurch
andauerte und noch in den 50er Jahren fortgesetzt wurde.
Der mäſsige Schutzzoll hatte aber schon die Wirkung, daſs von
1845 an ein lebhafter Aufschwung sich in der deutschen Eisenindustrie
bemerkbar machte, welche aber leider durch die politischen Ereignisse
der Jahre 1848 und 1849 jäh unterbrochen wurde.
Nachstehende Tabelle giebt eine Übersicht der Eisenproduktion,
sowie der Eisenein- und -ausfuhr und des Verbrauches im
Gebiete des Zollvereins für die Zeit von 1834 bis 1850. Es ist da-
bei die Ein- und Ausfuhr von Schweiſseisen und Stahl in Roheisen
umgerechnet und der Roheisenein- und -ausfuhr zugerechnet.
Im Jahre 1843 erreichte die Einfuhr ihren höchsten Stand, über-
traf die eigene Produktion um 38295 Tonnen oder 22 Proz. und be-
trug 57,6 Proz. des Verbrauches. Der gröſste Teil der Einfuhr kam da-
mals aus Groſsbritannien. Dagegen stieg die Eiseneinfuhr aus Belgien
nach Herabsetzung des Roheisenzolles 1845 auf 58 Proz., und 1850
auf 75857 Tonnen = 69 Proz. der gesamten Einfuhr.
Das Wachstum der Eisenbahnen, und die durch diese veranlaſste
Zunahme des Eisenverbrauches auf den Kopf der Bevölkerung im
Zollvereinsgebiete von 1836 bis 1850 zeigt folgende Zusammenstellung:
Die technischen Fortschritte, welche in Deutschland in dieser
Zeit gemacht wurden, sind im allgemeinen Teil schon berührt worden,
soweit sie auf die Entwickelung der Eisenindustrie in den ein-
zelnen Staaten von Einfluſs gewesen sind, werden sie noch bei der
Geschichte der einzelnen deutschen Staaten erwähnt werden. Trotz
des Zollvereins kann man Deutschland in dieser Periode noch nicht
als eine wirtschaftliche Einheit betrachten. Es ist deshalb notwendig,
die Fortschritte der einzelnen deutschen Länder ins Auge zu fassen.
Preuſsen war der gröſste Staat des Zollvereins und seine Eisen-
industrie war die bedeutendste und die vorteilhafteste. Am meisten
war dieselbe im Osten in Oberschlesien, im Westen in Rheinland und
Westfalen entwickelt. Preuſsen besaſs auch allein in dieser Zeit eine
genaue Bergwerksstatistik. Es war in fünf Haupt-Bergwerksdistrikte ge-
teilt, den brandenburg-preuſsischen, den schlesischen, den sächsisch-
thüringischen, den westfälischen und den rheinischen 1).
In dem Brandenburg-Preuſsischen Distrikt war die Roheisen-
erzeugung unbedeutend und im Rückgange. In einigen kleinen Hoch-
öfen wurden Raseneisensteine (Wiesenerze) für Guſswaren verschmolzen,
so zu Wondolleck bei Johannisberg in Preuſsen, zu Torgelow in Vor-
pommern, zu Vietz in der Neumark, zu Mückenberg und Peitz in der
Nieder-Lausitz. Die Stabeisenerzeugung wurde hauptsächlich bei
Danzig betrieben, wo altes und auch etwas schwedisches Eisen in
Herden mit Holzkohlen verarbeitet wurde. Dieselbe Industrie hatte
sich von da nach Königsberg und nach Köslin in Hinterpommern ver-
breitet. Das Roheisen dieses Distriktes wurde fast ausschlieſslich zu
Guſswaren verwendet. Besondere Bedeutung erlangten die Kupol-
ofengieſsereien in Berlin. 1820 war die erste Privatgieſserei von
F. A. Egells, Chausseestrasse 2, entstanden; 1838 wurde die Eisen-
gieſserei von J. C. Freund \& Comp. im Thiergartenfelde in sehr be-
scheidenem Umfange errichtet, schwang sich aber in den 50er Jahren
zur ersten Gieſserei Berlins empor; 1844 trat die Eisengieſserei und
Maschinenfabrik von F. Wöhlert ins Leben.
Eine der merkwürdigsten Schöpfungen dieser Periode war die
Gründung des groſsartigen Eisenwerkes zu Moabit bei Berlin, mitten
im märkischen Sande und weit entfernt von den Ursprungsorten der
wichtigsten Rohstoffe, Steinkohlen und Eisen, durch August Borsig.
Dieser hochverdiente Mann begann seine Laufbahn als Zimmergeselle
1821 in Breslau. Auf Empfehlung der dortigen Regierung wurde er
1823 als Schüler in das von Beuth gegründete Gewerbeinstitut auf-
genommen. Da er aber nur für Mechanik Interesse an den Tag
legte und die übrigen Fächer vernachlässigte, so erhielt er von dem
gestrengen Direktor vor Ablauf der Studienzeit seine Entlassung,
worauf er 1825 in die Maschinenbauanstalt von Egells eintrat und
Schlosserei und Gieſserei erlernte. Durch Fleiſs und Tüchtigkeit
brachte er es erst zum Monteur, später zum Werkführer und zuletzt
zum Direktor der Egellsschen Fabrik. Als die Eisenbahnen dem
Maschinenbau eine neue glänzende Zukunft eröffneten, gründete er mit
seinem inzwischen ersparten kleinen Vermögen eine eigene Maschinen-
bauanstalt. Seine vortrefflichen Dampfmaschinen erwarben ihm rasch
Anerkennung. Die erste Lokomotive baute er für die Anhaltische
Bahn. Von da an wuchs seine Fabrik und sein Ansehen rasch.
1847 hatte er bereits 186 Lokomotiven gebaut und beschäftigte 1200
Arbeiter. In diesem Jahre begann er den Bau eines groſsen Puddel-
und Walzwerkes an der Spree in Moabit. 1850 kam das vortrefflich
eingerichtete Werk, das hauptsächlich auf die Verarbeitung von
schlesischem Roheisen begründet war, in Betrieb, und lieferte alle
Arten von Schmiede- und Walzeisen.
Die Eisenspalterei zu Neustadt-Eberswalde lieferte hauptsächlich
gewalztes Schwarzblech. Hier machte Bischof 1843 seine Versuche
mit einem Torfgas-Puddelofen. Nach Karsten betrug die Produktion
des brandenburg-preuſsischen Distrikts 1838 1303 Tonnen Guſswaren
erster und 2250 Tonnen zweiter Schmelzung, 3332 Tonnen Stabeisen
und 72 Tonnen Rohstahl. Von 1838 bis 1846 stieg die Stabeisen-
produktion durch Verarbeitung fremden, besonders englischen Roh-
eisens auf 5850 Tonnen.
Der schlesische Bergdistrikt zerfiel in Niederschlesien und
Oberschlesien. In Niederschlesien waren die Verhältnisse ähnlich
wie in Brandenburg, ein lebhafter Hochofenbetrieb, meist mit Wiesen-
erzen, fand im Regierungsbezirke Liegnitz statt. Die Produktion be-
trug 1836 2150 bis 2200 Tonnen Roheisen, 1600 Tonnen Guſswaren
erster Schmelzung und 2000 Tonnen Stabeisen.
In Oberschlesien gab es damals 80 Hochöfen, von denen nur
[699]Preuſsen 1831 bis 1850.
11 mit Koks betrieben wurden. 1838 zählte man nur 4 Kokshoch-
öfen auf den zahlreichen Privathüttenwerken, mit einer Produktion
von 2652 Tonnen, die Staatshütten Gleiwitz und Königshütte
lieferten 6456 Tonnen, und da die ganze schlesische Produktion in
diesem Jahre 32426 Tonnen betrug, so waren 28 Proz. mit Koks er-
zeugt worden. 1847 hatte man in Schlesien 18 Kokshochöfen, welche
19508 Tonnen Roheisen, 33 Proz. der Gesamtproduktion erzeugten.
In den Kokshochöfen wurden hauptsächlich die sogenannten Braun-
erze der Tarnowitz-Beuthener Ablagerung, die nur 20 bis 30 Proz.
Eisen enthielten, verschmolzen. Diese Erze hatten auſser ihrer Armut
noch den Fehler, daſs sie aus einer lockeren, zerreiblichen Masse be-
standen, welche sich im Ofen dicht zusammenlegte und den Durchgang
des Windes erschwerte, weshalb man die Hochöfen nicht sehr hoch
und weit machen konnte. Auf der Königshütte hatte man zwischen
1835 und 1839 vergeblich versucht, den Betrieb mit roher Steinkohle
beim Hochofen einzuführen. Die Koks stellte man gröſstenteils aus
mageren Stückkohlen in Meilern dar, und man verbrauchte von diesen
auf der Königshütte 280 Teile auf 100 Teile Roheisen. Die Pro-
duktion eines Hochofens von 43 Fuſs Höhe betrug 600 Ctr. die Woche.
Der Weddingofen hatte, als er 1846 ausgeblasen wurde, eine fast
sechsjährige Hüttenreise hinter sich. Die Anwendung des erhitzten
Windes machte bei dem Hochofenbetrieb in Oberschlesien nur lang-
same Fortschritte. Der Ausdehnung des Holzkohlenofenbetriebes stand
das eigentümliche bergrechtliche Verhältnis des Eisensteins im Wege.
Der Grundherr war der Eigentümer der Eisenerze und verhüttete
jährlich nur soviel, als bei dem Holzvorrat, den er auf andere Weise
nicht verwerten konnte, möglich war. Die Fortschritte auf den Holz-
kohlenhütten waren deshalb auch sehr gering, man blies noch vielfach
mit einer Form, mit Kasten- oder gar Balggebläsen und ohne Wind-
erhitzung. Fortschritte fanden hauptsächlich im Steinkohlenbetriebe
statt, aber auch hierbei erst etwa seit 1840.
1838 wurde ein neues groſsartiges Eisenhüttenwerk, die Laura-
hütte, nach Weddings Plänen in der Nähe der Königshütte angelegt.
Gründer waren die Gebrüder Oppenfeld in Berlin in Gemeinschaft
mit dem Grafen Hugo Henkel von Donnersmark auf Siemianowitz.
Sie hatte vier Kokshochöfen und ein groſses Puddel- und Walzwerk,
eine Dampfkraft von 445 Pferden, beschäftigte 700 Arbeiter und
erzeugte 100000 Ctr. Stabeisen. An dieses Werk reihte sich das dem
Fürsten Hohenlohe gehörige Werk Jakobswalde an mit zwei Koks-
hochöfen, einem Holzkohlenhochofen und einem Puddelwerk, Schneid-
[700]Preuſsen 1831 bis 1850.
und Blechwalzwerk. Es zeichnete sich durch gutes Eisen aus. 1831
war die Baildonhütte, 1837/39 die Eintrachthütte in Betrieb gekommen.
Im unmittelbaren Anschluſs an die Königshütte entstand 1838 das
groſsartige Puddel- und Walzwerk Alvenslebener Hütte, eine der
schönsten Anlagen des Festlandes, welche sich namentlich auch mit
der Fabrikation von Eisenbahnschienen beschäftigte; sie lieferte 1846
30000 Ctr. Schienen und besaſs 10 Puddel- und 5 Schweiſsöfen. Die
Winklerschen Hüttenwerke umfaſsten 1850: Kattowitz mit 1 Hoch-
ofen und 2 Frischfeuern, Dietrichshütte bei Myslowitz mit 1 Holz-
kohlenhochofen, Sophienhütte mit 1 Puddel- und Walzwerk und 4 Hoch-
öfen, zwischen Gleiwitz und Sorau, wovon 2 Kokshochöfen waren.
Im Jahre 1847 zählte man in Oberschlesien 18 Kokshochöfen,
welche 13050 Tonnen Roheisen produzierten, neben 45 Holzkohlenöfen
mit 24500 Tonnen Erzeugung. Erst nach dem Jahre 1848 trat eine
rasche Vermehrung der Kokshochöfen ein. Wenn die schlesische
Steinkohlen-Eisenindustrie in dieser Periode nicht die Entwickelung
genommen hat, die sie in Anbetracht der natürlichen Hülfsmittel und
des Eisenbedarfes hätte nehmen müssen, so waren daran teils die
oben angeführten allgemeinen wirtschaftlichen Gründe, teils der Mangel
guter Verkehrswege schuld.
Bemerkenswerte Verdienste um technische Verbesserungen hat
sich Hütteninspektor Eck zu Königshütte erworben, besondes durch die
Einführung seines Gasflammofens zum Raffinieren des Roheisens auf
der Königshütte, und durch den Umbau des Hochofens zu Gleiwitz
nach dem Muster der belgischen Öfen, über welche er eine vortreff-
liche Arbeit veröffentlicht hat 1). Der erste nach belgischem Muster
erbaute Kokshochofen in Schlesien war aber der 1847 und 1848 auf
der gräflich Donnersmarkschen Antonienhütte erbaute Hochofen
Nr. II. 2) Die Hochofenproduktion des ganzen schlesischen Berg-
distriktes ergiebt sich aus der weiter unten mitgeteilten Zusammen-
stellung.
1841 begannen die Notstandsjahre, die bis Ende 1844 dauerten.
Nach Einführung des Schutzzolles hob sich die Roheisenproduktion
bedeutend. Dasselbe drückte sich in den Preisen aus, die für den
Centner Koksroheisen von 6,50 Mk. pr. Ctr. im Jahre 1840 auf 4 Mk.
[701]Preuſsen 1831 bis 1850.
im Jahre 1843 fielen, um erst 1846 auf 6,50 Mk. wieder zu steigen.
Oberschlesien, d. h. der Regierungsbezirk Oppeln, zählte um 1850:
19 Kokshochöfen, 62 Holzkohlenhochöfen, 235 Frischfeuer, 9 Zain-
hämmer, 9 Puddlingswerke, 20 Blechwalzwerke, 17 Stabeisen- und
18 Feineisenwalzwerke. Die Hochofenproduktion betrug 68860 Ton-
nen, die Stabeisenproduktion 38317 Tonnen, von Feineisen und Zeug-
eisen wurden 6023,5 Tonnen, an Blech 2840 Tonnen dargestellt 1).
Zu dem sächsisch-thüringischen Kreise gehörten die
preuſsischen Harzhütten, die gräflich Stollberg-Wernigerodischen
Hütten Ilsenburg und Schierke, und die thüringischen Hütten bei Suhl,
wo Braun- und Spaterze in Blauöfen, zuweilen sogar noch in den 30er
Jahren in Stücköfen geschmolzen worden waren. Karsten giebt die
Produktion vom Jahre 1839 auf 1250 Tonnen Roheisen, 300 Tonnen
Guſswaren erster Schmelzung, 2850 Tonnen Stabeisen und 265 Tonnen
Rohstahl an. 1841 wurden 2050 Tonnen Roheisen, 1775 Tonnen Guſs-
waren aus Erzen, 2132 Tonnen Stabeisen, 530 Tonnen Blech, 83,5
Tonnen Draht und 228,2 Tonnen Stahl erzeugt. Die Ilsenburger Hütte
zeichnete sich durch ihre schönen Guſswaren aus. 1847 wurden auf
7 Werken mit 5 Hochöfen und 11 Blauöfen 4161 Tonnen Eisen er-
blasen, die Stabeisen-, Blech- und Drahtfabrikation hatte abgenommen,
die Stahlfabrikation war auf 291,3 Tonnen gestiegen.
In dem westfälischen Bergamtsdistrikte beruhte die Eisen-
industrie ebenfalls noch gröſstenteils auf dem Holzkohlenbetrieb, ob-
gleich das Steinkohlenbecken der Ruhr in diesem Bezirke lag. Es
war der Einfluſs der billigen Roheiseneinfuhr aus Belgien und Eng-
land, welcher die Anlage von Kokshochöfen nicht aufkommen lieſs
und auch auf den Betrieb der Holzkohlenhochöfen eine ganz un-
natürliche Wirkung ausübte. Es zwang diese, fast ausschlieſslich Guſs-
waren zu produzieren.
Folgende Tabelle zeigt das Verhältnis der Roheisen- zur Guſs-
warenproduktion bei den Hochöfen Westfalens:
Es war also damals für die Hochöfen kaum lohnend, für die dicht
dabeiliegenden Frischwerke Roheisen zu erzeugen; vielmehr wurde
noch ein ganz beträchtliches Quantum fremdländischen Roheisens zu
Guſswaren verschmolzen.
Die ausgedehnte Stabeisenfabrikation des westfälischen Berg-
werksbezirkes basierte fast ganz auf importirtem Eisen. Dieses wurde
auf zahlreichen Holzkohlenfrischhütten verarbeitet, daneben entstanden
aber auch gröſsere Werke mit Steinkohlenbetrieb. Dieser erwies sich
im Ruhrgebiete, dank dem Schutzzoll auf Stabeisen, vorteilhaft. 1837
zählte man im Regierungsbezirke Arnsberg bereits 29 Puddel- und
Schweiſsöfen. Die auf belgisches Roheisen begründete Stabeisen-
fabrikation wurde 1844 in 134 Hütten betrieben, von denen 126 allein
im Regierungsbezirke Arnsberg (Sauerland und Mark) lagen. Die er-
zeugte Stabeisenmenge betrug 15411 Tonnen, was eine Roheisenmenge
von 20500 Tonnen voraussetzt gegenüber einer eigenen Produktion
von 1345 Tonnen Roheisen. Diesen Werken gereichte der belgische
Zollvertrag zum Nutzen, da er ihnen das Rohmaterial 50 Pfennige
pro Centner billiger verschaffte und sie dadurch gegen das englische
Walzeisen konkurrenzfähiger machte. Zugleich kam der steigende
Preis des englischen Stabeisens von 1845 bis 1847 den westfälischen
Werken zu gute.
Im Regierungsbezirke Arnsberg waren ferner 74 Eisenzeugschmiede
und 20 Amboſsfabriken thätig. An Blechen wurden 2433 Tonnen auf
14 Hütten dargestellt. Die Weiſsblechfabrikation betrug 757 Tonnen.
Sehr bedeutend war die Eisendrahtfabrikation im Kreise Arnsberg
zu Altena, Iserlohn und Lethmate. 1843 wurden auf 70 Werken
5748 Tonnen, 1844 6200 Tonnen, darunter 10 Tonnen Stahldraht
erzeugt. Die Stahlerzeugung in diesem Regierungsbezirke betrug auf
41 Werken 1925 Tonnen. Ferner waren 14 Werkhämmer und 84 Raffinier-
hämmer in Thätigkeit. Folgende Zusammenstellung der Produktion
[703]Preuſsen 1831 bis 1850.
vom Jahre 1844 giebt einen Überblick über die Eisenerzeugnisse des
westfälischen Bezirkes:
Die bedeutendste Gründung dieser Periode war die Anlage der
Hermannshütte bei Hörde im Kreise Dortmund, ein groſsartiges
Puddel- und Walzwerk, hauptsächlich für Eisenbahnbedarf. Es wurde
von dem unternehmenden Industriellen Piepenstock aus Iserlohn
gleichzeitig mit dem Blechwalzwerk Neuöge bei Limburg im Jahre
1839/1840 angelegt. Den Bau der Hermannshütte leitete der im
Rheinlande bekannte englische Ingenieur Dobbs. 1839 wurde der
erste Puddelofen erbaut. 1849 hatte die Hermannshütte bereits
12 Dampfmaschinen von 500 Pfdekr., 2 Dampfhämmer, 42 Puddel-
öfen, 21 Schweiſsöfen, 6 Platten- und Glühöfen und 32 Schmiedefeuer.
Der Luppenhammer war 120 Ctr. schwer; ferner waren vorhanden
1 Luppenmühle, 3 Luppenquetschen, 3 Luppenwalzenpressen und
5 Paar Luppenwalzen, 4 Eisenbahnschienen- und Gärbeisenwalzen,
1 Schmiedeeisenwerk, 1 Feineisenwalzenpresse und 1 Drahteisen-
walzenpresse. Das Werk besaſs 343 Walzen für die Herstellung
verschiedener Eisengattungen und 7 groſse Maschinenscheren. Damit
verbunden war eine groſse Werkstätte zum Montieren der Eisenbahn-
räder und Achsen und eine ausgedehnte Maschinenwerkstätte. Täglich
konnten 500 Eisenbahnschienen und 12 Satz Eisenbahnräder mit
Achsen geliefert werden. Die ersten groſsen Schienenlieferungen
waren für die Prinz Wilhelmsbahn 1848 und die Königl. Ostbahn 1849.
Die Zahl der Arbeiter betrug 800 und hatte die Hütte 158 Arbeiter-
wohnungen mit 225 Gartenparzellen für dieselben hergerichtet. Aus
dem Mitgeteilten ersieht man, daſs bei diesem groſsen Werke alle
neuen Erfindungen und Verbesserungen benutzt waren.
Ein anderes sehr ausgedehntes Eisenwerk war die früher schon
öfter genannte Gutehoffnungshütte bei Sterkrade und Oberhausen,
den Herren Jacobi, Haniel und Huyssen gehörig. Der ausgedehnte
Hochofenbetrieb wurde damals noch ausschlieſslich mit Holzkohlen
[704]Preuſsen 1831 bis 1850.
bewerkstelligt und erzeugte 1844 40000 Ctr. Guſswaren und 9000 Ctr.
Masseleisen bei einem Arbeiterstande von 500 bis 600 Mann. An die
3 Hochöfen schloſs sich noch eine groſse Gieſserei mit 5 Kupol- und
2 Flammöfen an. 1835 wurde hierzu ein Puddel- und Walzwerk
gebaut und am 6. März 1836 wurde der erste Puddelofen in Betrieb
gesetzt. 1843 walzte man hier auch Eisenbahnschienen, und zwar
zuerst badische Hohlschienen (1843), dann Schienen für die Köln-
Mindener Bahn (1844). Der ausgezeichnete Leiter dieser Werke war
der verdienstvolle W. Lueg 1847 wurden 26553 Ctr. Bleche und
195276 Ctr. Schienen und Stabeisen hergestellt. Da das Ruhrgebiet
an reichhaltigen Erzen arm war, so hatte man angefangen, den eisen-
reichen Roteisenstein aus Nassau, welcher auf der Eisenbahn nach
dem Rhein und von da zur Ruhr gebracht wurde, zu verwenden.
Mit der Gieſserei zu Sterkrade waren groſse Werkstätten und eine
Maschinenbauanstalt für den Bahnbedarf verbunden, eine groſse
Kesselschmiede befand sich bei Ruhrort.
Das Walzwerk zu Nachrod, welches 160 Arbeiter beschäftigte,
walzte ebenfalls Eisenbahnschienen. Dieses, wie das 1834/35 errichtete
Walzwerk zu Warstein, waren von dem englischen Ingenieur Godwin,
den Harkort nach Westfalen gebracht hatte, erbaut.
Obgleich das Ruhrgebiet reich mit Steinkohlen gesegnet war, und
obgleich diese Steinkohlen sich vorzüglich zur Koksfabrikation eigneten,
hat es doch sehr lange gedauert bis der Koksbetrieb bei den Hoch-
öfen Westfalens zur Einführung gelangte. Der Friedrich-Wilhelms-
hütte bei Mühlheim an der Ruhr gebührt der Ruhm, darin voran-
gegangen zu sein. 1846 gab ein Steigen der Holzpreise und ein
billigeres Angebot von Steinkohlen den damaligen Besitzern Göring,
Deus \& Moll Veranlassung, der Erwägung, ob sich der Koksbetrieb
im Hochofen, wie in Belgien und England, nicht lohnen würde, näher
zu treten.
Einem Bericht des Herrn Julius Römheld1), der damals Beamter
der Friedrich-Wilhelmshütte war, entnehmen wir über den weiteren
Verlauf das Folgende:
„Bei einer näheren Vergleichung der westfälischen mit der
belgischen Kokskohle konnte ein Behinderungsgrund nicht gefunden
werden und wurde daraufhin der Beschluſs gefaſst, die nötigen Vor-
[705]Preuſsen 1831 bis 1850.
bereitungen zu treffen am Ende der Kampagne, wenn der Hochofen
zum Zwecke der Erneuerung doch ausgeblasen werden müsse, vorher
einen Versuch mit Koksbetrieb zu machen.
Die bei Essen gelegene (jetzt ganz von Krupp umschlossene)
Zeche Sälzer \& Neuak, deren Kohlen damals für die am wenigsten
schwefelhaltigen gehalten wurden, kam diesem Vorhaben sehr will-
fährig entgegen, indem sie auf ihrem Zechengelände unweit des Kohlen-
sturzes für die Errichtung der damals noch mangelnden Koksöfen
das nötige Gelände unentgeltlich zur Verfügung stellte und sich ver-
pflichtete, nur Kohlen aus ihren zwei reinsten Flözen „Rötgesbank
und Dickebank“ zu liefern, und zwar den gehäuften Bergscheffel,
garantiert zu 120 Pfund, zu 2½ Silbergroschen am Koksofen auf dem
Zechengelände. Anderseits wurde für dieses Versuchsschmelzen ein
zarter reicher Roteisenstein von der Lahn beschafft und ein Quantum
kugeliger Thoneisenstein aus der Wahner Heide von Herrn Langen
in Köln in Zahlung genommen für eine nach der Friedrich-Wilhelms-
hütte bei Troisdorf gelieferte Dampfmaschine.
Bald nach Mitte des Jahres 1847, als die Vorbereitungen für das
Kokshütten beendet und die Holzkohlenvorräte zur Neige gegangen
waren, wurde mit dem Versuche begonnen und in dem alten Holz-
kohlenofen mit den genannten Materialien ein über alles Erwarten
günstiges Resultat erzielt, derart, daſs das gewonnene Eisen aus dem
Hochofen direkt zu Poterie- und Handelsguſswaren vergossen werden
konnte. Das Eisen war dünnflüssig, grau, weich und fest.
Bei dem infolge verstärkten Winddruckes rascheren Gange des
Ofens gingen die Vorräte der genannten Eisensteinsorten rascher zu
Ende, als sie bei den damaligen mangelhaften Verkehrsmitteln neu
beschafft werden konnten, und wurde deshalb zu einem inzwischen
bei Ratingen aufgeschlossenen, feinkörnigen, ockerigen, dem belgischen
ähnlichen Eisenstein gegriffen, und zwar um so lieber, als dieser infolge
geringer Fracht sich billiger stellte. Mit Verwendung dieses neuen
Eisensteines blieb der Gang des Ofens zwar ein glatter, regelmäſsiger,
das daraus erzielte Eisen war jedoch nicht mehr zu dünnen Guſs-
waren verwendbar, ja sogar daraus gegossene 4 bis 5 cm dicke Puddel-
ofenplatten wurden hart und sprangen, einen weiſsen Bruch zeigend.“
Fortgesetzte Versuche mit diesem Erze ergaben kein besseres Resultat.
Als man aber auf den Rat des Hütteninspektors Engels von der
Saynerhütte wieder zu den früheren Eisensteinen und dem ersten
Möller zurückkehrte, besserte sich auch sofort wieder der Ofengang
und das Eisen. Dies war der Anfang des Kokshochofenbetriebes in
Beck, Geschichte des Eisens. 45
[706]Preuſsen 1831 bis 1850.
Westfalen. Seit der Zeit entstanden 1849 und später Kokshochöfen
zu Borgeborbeck, Ruhrort, Hörde u. s. w.
Die Drahtwerke von Altena bezogen viel Drahteisen von der
Osemundeisen- und Raffinierstahlfabrik zu Brüninghausen.
Die Solinger Klingen- und Messerschmiede hatten ihren alten
Ruhm bewahrt und die Remscheider Eisen- und Stahlwarenindustrie
nahm von Jahr zu Jahr zu. S. Jackson von Sheffield sagte vor einem
Komitee des Parlaments aus: „Seit 25 Jahren haben sich die Eisen-
und Stahlwaren von Frankreich und Preuſsen fortwährend gebessert.
Im Herzogtume Berg befinden sich 800 Sägefabrikanten, 1000 Feilen-
und 3000 Messerschmiede, 1000 Säbel- und 1500 Scherenfabrikanten.
Diese Fabriken machen uns in Amerika Konkurrenz.“
In dieser Periode kam als ein neu eingeführter Industriezweig die
Fabrikation von schmiedbarem Guſs auf, namentlich die billiger
gegossenen und adoucierten Scheren, Messer, Gabeln u. s. w., die
besonders von Knecht \& Söhne in Solingen und von Forster
\& Hartmann in Eilpe fabriziert wurden.
In aller Stille entwickelte sich neben der lärmenden Stabeisen-
fabrikation unter der klugen, zielbewuſsten Leitung von Alfred Krupp
die Guſsstahlfabrikation in Westfalen zu immer gröſserer Voll-
kommenheit. Mit Jahren schwerer Sorge und Entbehrung begann
diese Periode. 1832 besaſs Krupp zu Essen nur 10 Arbeiter, die sich
in den folgenden Jahren auf 9 verminderten. Aber unbeugsam ver-
folgte er seinen Weg, immer nach Verbesserungen suchend. Ende der
30er Jahre erfand er eine Löffelwalze zum Gebrauche der Löffel-
fabrikanten. Er nahm darauf Patente in Deutschland, England, Frank-
reich und Österreich. Es gelang ihm, sein englisches Patent vorteil-
haft zu verkaufen. Mit dem Erlöse konnte er einen groſsen Teil der
auf seinem Werke haftenden Schulden abtragen. Es war Krupps
erster groſser Erfolg und er nutzte ihn nach Kräften aus. Er gründete
mit Alexander Schöller in Wien zu Berndorf bei Leobersdorf in
Österreich 1844 die Metallwarenfabrik Krupp \& Schöller und über-
trug seinem jüngeren Bruder Hermann die technische Leitung des
rasch emporblühenden Werkes. Aber auch der Essener Guſsstahl-
fabrikation half der Erfolg der Löffelwalze zu gedeihlichem Auf-
schwung. 1843 beschäftigte Krupp bereits 99, 1845 122 Arbeiter.
Damals zählte die Stadt Essen 7840 Einwohner. Im Jahre 1844 er-
hielt Krupp auf der Berliner Gewerbeausstellung die goldene Medaille,
seine erste groſse öffentliche Auszeichnung. Am 24. Februar 1848 über-
nahm Alfred Krupp die Guſsstahlfabrikation allein. Durch die
[707]Preuſsen 1831 bis 1850.
politischen Unruhen sank die Zahl seiner Arbeiter wieder auf 72. Um
diesen ihren Lohn bezahlen zu können, muſste er das ganze ererbte
Silberzeug der Familie verkaufen. Damals bereits beschäftigte sich
Alfred Krupp eifrig mit der Verwendung des Guſsstahls für Kriegs-
zwecke, insbesondere für Feuerwaffen. Bereits 1843 hatte er dem
preuſsischen Kriegsministerium zwei von ihm selbst geschmiedete Guſs-
stahlgewehrläufe zur Prüfung vorgelegt. Das Kriegsministerium fertigte
ihn geringschätzig ab. Darauf schickte Krupp dieselben Läufe an Mar-
schall Soult nach Paris. Die dort angestellten Proben fielen glänzend
aus. Nun erst schenkte man der Sache auch in Berlin Beachtung.
1847 hatte Krupp auch ein Dreipfündergeschütz aus Guſsstahl kon-
struiert, das 1849 in Berlin vor einer Artillerie-Prüfungskommission
probiert wurde und sich vorzüglich bewährte. Bald sollte Krupp
gröſsere Erfolge erringen.
Die Nadelfabrikation in Iserlohn hatte besonders durch die
Bemühungen von Stephan Witte und seinem Sohne Hermann eine
hohe Blüte erlangt. 1839/40 führte letzterer, nachdem es ihm
gelungen war, Einblick in die berühmten Nadelfabriken zu Reddich
in England zu erlangen, die englische Fabrikation mit Maschinen ein.
Die Firma Stephan Witte \& Ko. beschäftigte zu Ende der Periode
über 1000 Arbeiter.
Im Siegerland, welches dem rheinischen Bergamtsbezirk zu-
geteilt war, herrschte noch ganz der alte gewerkschaftliche Betrieb
und war die alte Hütten- und Hammerordnung mit ihren vielen Be-
schränkungen noch maſsgebend.
Zwar waren am 25. Januar 1830 die alten Kurbriefe aufgehoben
und eine neue „Hütten- und Hammerordnung für die gewerbschaft-
lichen Stahl- und Eisenhütten im Lande Siegen“ eingeführt worden 1).
Dieselbe änderte aber nur wenig an den früheren Einrichtungen. Die
Betriebszeit der privilegierten 9 Eisenhütten, 4 Stahlhütten, 16 Eisen-
hämmer und 12 Stahlhämmer wurde beibehalten, dagegen wurde frei-
gegeben Eisen oder Stahl zu frischen und, was noch wichtiger war,
den Eisen- und Stahlhämmern wurde es gestattet, ihre Hammertage
im Verhältnis zu dem Kohlenverbrauche in Hüttentage zu verwandeln
und als solche zu verkaufen. Das Recht, mit Steinkohlen ohne An-
rechnung auf die wegen dem Holzverbrauch privilegierten Tage zu
hütten, wurde anerkannt. Dies führte allmählich durch die Ein-
führung des Puddelprozesses (1845), das Aufgeben des Hammer-
45*
[708]Preuſsen 1831 bis 1850.
betriebes und die Vermehrung der Hüttentage durch die Hammertage
zur Auflösung der früheren Verhältnisse. Gewohnheitsmäſsig hielt
man aber an den alten Einrichtungen noch lange fest. Die Produk-
tion nahm deshalb nur langsam zu und hielt sich in den Jahren 1840
bis 1846 in denselben Grenzen. Dagegen zeigte das für die deutsche
Eisenindustrie so günstige Jahr 1847 auch im Siegerlande eine beträcht-
liche Zunahme der Produktion, welche aber durch die Ereignisse des
Jahres 1848 unterbrochen wurde und erst von 1852 zu einem dauernden
Aufschwunge führte. In technischer Beziehung ist noch zu erwähnen,
daſs man seit 1840 anfing, den Hochöfen eine runde Zustellung statt
des rechtwinkligen Querschnittes zu geben und daſs im Jahre 1846
der erste Puddelofen zu Geisweid errichtet wurde. 1847 goſs Herm.
Irle in Deuz bei Netphen die ersten Hartwalzen im Siegerlande.
Folgende Tabelle giebt eine Statistik der Hochofenproduktion des
Bergamtsbezirkes Siegen 1) von 1840 bis 1847:
Im Siegerlande hatte man schon früh versucht, mit Koks im Hoch-
ofen zu schmelzen. So wurde bereits im Jahre 1843 auf der königl.
Stahlhütte zu Lohe bei Müsen der Versuch gemacht, Rohstahleisen
mit Koks zu erblasen. Es geschah dies durch den verdienstvollen
Oberhütteninspektor Stengel.
Die einige Jahre später begonnenen zwei Kampagnen auf der
Truppacher Hütte mit Koksbetrieb können auch nur als ein inter-
essanter Versuch betrachtet werden. So lange das Siegerland nicht
durch eine Eisenbahn mit der Ruhr verbunden wurde, war die regel-
mäſsige Verwendung von Koks zu teuer. Eine solche Bahn war die
Hoffnung der Siegerländer, doch hielt man sie damals noch für unaus-
führbar.
Nicht günstiger lagen die Verhältnisse auf der königl. Eisen-
hütte zu Sayn, wo im Jahre 1847 ebenfalls versuchsweise Koksbetrieb
eingeführt worden war. Hier wurden für 1 Ctr. Roheisen 208 Pfd.
Koks zum Preise von 1 Thlr. 4,5 Pfge. verbraucht.
Die Eisengieſserei wurde im Siegerlande noch meist direkt aus
dem Hochofen betrieben, so zu Marienborn, Sieghütte, Birlenbach und
Tiefenbach. 1830 erbaute der Gewerke Achenbach aus Fickenhütten
den ersten Flammofen, um Blechwalzen für sein eigenes Walzwerk
zu gieſsen. Seitdem wurde das Gieſsen von Walzen eine Specialität
des Siegerlandes. 1847 wurden, wie oben erwähnt, die ersten Hart-
guſswalzen gegossen. 1830 wurde die Gieſserei von G. Gontermann
gegründet, die aber damals nur Öfen und Töpfe goſs.
In enger Beziehung zu den Eisengieſsereien stand die Maschinen-
fabrikation, die sich früh im Siegerlande entwickelt hat. Schon 1829
gründete Gerlach Breitenbach zu Sieghütte eine Maschinen-
werkstätte. 1840 nahm die Dahlbrucher Eisengieſserei (Klein), welche
zuerst den Kupolofenbetrieb eingeführt hat, den Maschinenbau auf.
1847 entstand die Maschinenfabrik von H. \& A. Waldrich zu Sieg-
hütte und 1849 die von A. \& H. Öchelhäuser in Siegen.
Langsam ging es mit der Anwendung der Steinkohlen zur Stab-
eisenbereitung. 1845/46 wurde auf dem Geisweider Eisenhammer
der erste Puddelofen für Steinkohlenfeuerung errichtet. Der Puddel-
ofenbetrieb nahm dann in den 40er Jahren rasch zu. 1847 wurden
4608 Tonnen Stabeisen mit Holzkohlen und 9475 Tonnen mit Stein-
kohlen gefrischt. 1102 Tonnen Bleche wurden mit Holzkohlen,
2579 Tonnen mit Steinkohlen dargestellt.
Die neue Erfindung des Stahlpuddelns war ebenfalls frühzeitig
im Siegerlande, dessen Eisen sich dafür in hervorragender Weise
eignete, eingeführt worden und wurden am Schlusse unserer Periode
2692 Tonnen Stahl auf gewerkschaftlichen und 128 Tonnen auf landes-
und standesherrschaftlichen Werken mit Steinkohlen gefrischt.
Der rheinische Bergdistrikt war für die Eisenindustrie
Preuſsens in dieser Zeit bei weitem der wichtigste geworden und hatte
gegen Ende desselben selbst den schlesischen beträchtlich in der
Produktion überholt. Hier sind auch die gröſsten Fortschritte zu ver-
zeichnen. Diese waren im Kampfe errungen, denn gerade der rheinische
Distrikt war am meisten der belgischen Konkurrenz, der Überflutung
mit dem billigen belgischen und englischen Eisen ausgesetzt. Wie
sehr in der Zeit von 1837 bis 1842 die Einfuhr im Verhältnis zur
Produktion gewachsen war, zeigt nachstehende Zusammenstellung:
Wie an der Ruhr, so fand man sich auch im Rheinlande damit
in der Weise ab, daſs man den Hochofenbetrieb auf den Bedarf für
Gieſsereizwecke beschränkte und für die Stabeisenfabrikation das billige
belgische Roheisen bezog, das man in den Frischhütten, sowie in neu
angelegten groſsen Puddel- und Walzwerken verarbeitete. Solches war
aber nur da mit Vorteil ausführbar, wo die Transportverhältnisse
günstig und die Steinkohlen leicht zu beschaffen waren.
Die alte Hochofenindustrie der Eifel hatte diese Vorteile nicht
und ging deshalb trotz des vortrefflichen Eisens, das sie lieferte, trotz
der Einfachheit der Verhältnisse, bei denen weder die Anlage noch
der Betrieb groſse Kosten machten, zu Grunde. Seit 1839, also seit
Eintritt der Handelskrisis, welche die Wirkung hatte, daſs die Preise
des belgischen Eisens sanken, dieses also noch viel billiger wie früher
ins Land kam, hatten die alten Hütten im Schleidener Bezirk
(19 Hochöfen und 18 damit verbundene Hammerwerke, ein Walzwerk
und einige Drahtziehereien) die Grundlage ihres Wohlstandes verloren.
Von diesen Werken waren 1842 nur noch sechs im Betriebe, die
übrigen lagen wegen Mangel an Absatz kalt. Man bot das Roheisen
zu 114 Mark die Tonne an, 6 bis 12 Mark unter dem Selbstkosten-
preise, ohne Abnahme zu finden, denn das belgische wurde zu 55 bis
57 Mark frei Lüttich verkauft, dazu kam das englische Feineisen,
welches als Ersatz für Holzkohleneisen genommen wurde und ebenfalls
zollfrei eingeführt wurde. Das einzige Walzwerk der Eifel war mit
der Hütte zu Gemünd bei Schleiden verbunden; es gehörte Reinhard
Pönsgen und enthielt 7 Puddel- und Schweiſsöfen. Es produzierte um
1850 zirka 30000 Ctr. Stabeisen und 6000 Ctr. Draht, der als Kratzen-
draht hohen Ruf hatte.
Einen groſsen Aufschwung nahmen dagegen die mit Steinkohlen
betriebenen Puddel- und Walzwerke am Niederrhein. Das älteste der-
selben war das Werk der Firma Wilh. und Eberhard Hösch zu
Lendersdorf bei Düren. Es war 1813 gegründet und 1824 war hier
der erste Puddelofen erbaut worden. Die Lendersdorfer Hütte besaſs
[711]Preuſsen 1831 bis 1850.
1846 2 Hochöfen, 2 Kupolöfen und 1 Flammofen, die 8411 Ctr. Guſs-
waren und 3486 Ctr. Masseln erzeugten. 1838 richtete die Firma auf
der Lendersdorfer Walze die Schienenfabrikation ein und war darin
das Werk nach Rasselstein das erste in Deutschland. Die Anlage
wurde in groſsartiger Weise von dem belgischen Ingenieur Henvaux,
dem nachmaligen Direktor von Couillet, erbaut und mit belgischen
Arbeitern in Betrieb gesetzt; der Schweiſsmeister hieſs Delfaux, der
erste Walzendreher Brumaux aus Seraing. Durch den Bau der Köln-
Aachener Bahn 1839 bis 1841 kam es an diese zu liegen. 1847 wurden
190468 Ctr. Schienen und 2388 Ctr. Stabeisen hier erzeugt.
1830 war das Walzwerk Eschweiler Pümpchen bei Aachen erbaut
worden. 1841 wurde der erste Puddelofen in Eschweiler in Betrieb
gesetzt. 1841/1842 erbauten die Belgier Michelis und Bourdoux
das Walzwerk zu Eschweiler Aue, welches aber erst 1846 in vollen
Betrieb kam und zwar ausschlieſslich mit wallonischen Arbeitern. Es
hatte 20 Puddel- und 8 Schweiſsöfen und verarbeitete belgisches Roh-
eisen von der Esperancehütte bei Seraing, besonders für Eisenbahn-
bedarf, Schienen, Bandagen, Achsen u. s. w.
1845/46 erbaute der verdienstvolle Walzwerksingenieur R. Daelen,
der vordem auf dem Lendersdorfer Werke thätig gewesen war, das
Walzwerk „Rote Erde“ bei Aachen. Von da wurde er nach Hörde
berufen, wo er den Betrieb des Walzwerkes der Hermannshütte über-
nahm und durch zahlreiche Verbesserungen und Erfindungen wesent-
lich zu dem Ruhme dieses Werkes beitrug.
Dem Werke „Rote Erde“ bei Aachen folgte unmittelbar das
groſse Walzwerk von Hoesch an der Station Eschweiler, von dem
Belgier Dacier im Jahre 1846 erbaut und am 20. Juni 1847 in
Betrieb gesetzt mit 10 Puddel- und 3 Schweiſsöfen. Es war dies
eines der bedeutendsten Schienenwalzwerke Deutschlands und kam fast
gleichzeitig mit „Rote Erde“ in Betrieb.
Die Entwickelung der Eisenindustrie am Mittelrhein ging teil-
weise der am Niederrhein noch voraus. Wie das Werk von Remy,
Rasselstein bei Neuwied, das erste Steinkohlen-Puddelwerk in Deutsch-
land war, so war es auch das erste Schienenwalzwerk. Hier wurden
bereits im Jahre 1835 die Schienen für die Nürnberg-Fürther Eisen-
bahn gewalzt. Diese Bahn hat nicht nur den Ruhm der ersten
Lokomotivbahn in Deutschland, es war auch die erste, welche deutsche
Schienen benutzte, bei der man auf deutschem Eisen fuhr. Leider
haben die Erbauer der folgenden Eisenbahnen in Deutschland sich
dieses Vorbild nicht zum Muster genommen, sondern ihre Schienen
[712]Preuſsen 1831 bis 1850.
aus dem Auslande bezogen. Für gröſsere Lieferungen war aber auch
das Werk zu Rasselstein zu beschränkt und richtete deshalb Remy
auf dem Hüttenwerke Alf an der Mosel ein gröſseres Schienenwalz-
werk ein, wo 1839 die Schienen für die Düsseldorf-Elberfelder Bahn
hergestellt wurden. Die Lage des Werkes war aber ungünstig gewählt
und muſste später die Schienenfabrikation wieder aufgegeben werden.
Im Saarbrücker Kohlenrevier nahm um 1830 der Puddelbetrieb
einen gröſseren Aufschwung. 1831 wurde das Eisenwerk Neun-
kirchen umgebaut und das erste Puddel- und Walzwerk im Saar-
gebiete daselbst errichtet. Bald darauf folgten die Puddelwerke zu
St. Ingbert, Geislautern und die Quinthütte an der Mosel.
Einige Zeit danach kam auch der Kokshochofenbetrieb in Aufnahme.
1847 belief sich die Hochofenproduktion im Saarbrücker Bezirk von
4 Hochöfen gingen nur mit Holzkohlen, 4 nur mit Koks und 4 mit
einem Gemenge von Holzkohlen und Koks. Die Saarbrücker Werke
litten durch die billige Einfuhr des belgischen und englischen Eisens
in der kritischen Zeit von 1842 bis 1844 nicht so schwer und die
Kokshütten waren im stande, auf ihrem Markte in Süddeutschland
mit dem ausländischen Roheisen zu konkurrieren.
Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Steinkohlenförderung
im Saargebiete, sie stieg von 1830 bis 1850 von 3990248 Ctr. auf
11877114 Ctr., die Zahl der Bergarbeiter von 1245 auf 4580 Mann.
Das altberühmte Werk zu Dillingen gehörte einer Gewerkschaft,
die auch die Werke von Geislautern, Bettingen und Münchweiler
besaſs und 3 Holzkohlenhochöfen, 12 Frischfeuer, 10 Puddelöfen
und die entsprechende Anzahl von Schweiſsöfen, 10 Blechwalzdoppel-
gerüste und eine groſse Zinnerei mit allem Zubehör zur Schwarz-
und Weiſsblechfabrikation betrieb. Das Dillinger Schwarzblech, Dünn-
eisen und Weiſsblech genoſs einen europäischen Ruf. Das Dillinger
Blechwalzwerk war das gröſste in Preuſsen und lieferte jährlich 40000
bis 50000 Ctr. Schwarzblech und 20000 bis 25000 Ctr. Weiſsblech.
Die Quinthütte an der Mosel, eine Meile unterhalb Trier, war zu
einem groſsen Werke herangewachsen, das 2 Kokshochöfen, 9 Puddel-
öfen und die nötigen Schweiſs- und Glühöfen und mehrere Hammer-
und Walzwerke umfaſste. Es gehörte den Gebrüdern Krämer, die
[713]Preuſsen 1831 bis 1850.
auſserdem 4 Holzkohlenhochöfen zu Stahlhütten, Merkeshausen, Mahl-
berg und Eichelhütte besaſsen. An den ersteren drei genannten Plätzen
waren auch Frischfeuer. Diese Werke beschäftigten 2000 Menschen.
1850 waren 20 Puddelöfen im Betriebe, darunter 8 doppelte, ferner
9 Schweiſsöfen, 3 Luppenpressen, 1 Dampfhammer und 6 Walzen-
straſsen. Die oben schon erwähnte Alfhütte an der Mosel hatte
6 Puddel- und 3 Schweiſsöfen.
Das den Herren Gebrüder Stumm gehörige gröſste Eisenwerk
des Saargebietes zu Neunkirchen lieferte 1845 einen Teil der Brücken-
schienen für die badische Bahn.
Die Stabeisenproduktion des Rheinlandes stieg in den Jahren 1845
bis 1847 erstaunlich; sie betrug:
Die Stahlproduktion von Rheinland und Westfalen war sehr be-
deutend. 1847 wurde an Rohstahl gewonnen: in Westfalen 1902 Tonnen,
im Siegenschen Bezirk 2946 Tonnen, im Saarbrücker Bezirk 340 Tonnen,
in ganz Preuſsen 5193 Tonnen zu einem Durchschnittspreise von
44,66 Mark die 100 kg. An Guſsstahl wurden in denselben Bezirken
1847 218 Tonnen zum Preise von 190 Mark die 100 kg erzeugt; an
Reck- und Raffinierstahl 2710 Tonnen zu 58,80 Mark die 100 kg.
Die folgenden Tabellen geben eine Übersicht über die Eisen-
produktion der ganzen preuſsischen Monarchie für die 14 letzten
Jahre dieses Zeitraums.
Hochofenproduktion in Preuſsen von 1837 bis 1850.
Nach den Hauptbergdistrikten in Tonnen.
Nach dem Brennmaterial verteilte sich die Hochofenproduktion
wie folgt:
Vor 1845 schmolz man nur in Oberschlesien Eisenerze mit Koks;
seit 1845 gab es in dem rheinischen Bergdistrikt und seit 1849 auch im
westfälischen Bergdistrikt Kokshochöfen. 1850 erzeugte der rheinische
Hauptbergdistrikt 5095 Tonnen Roheisen mit Koks und 450 Tonnen
mit gemischtem Brennmaterial, der westfälische Hauptbergdistrikt
1075 Tonnen mit Koks und 3021 Tonnen mit gemischtem Brenn-
material.
Die durchschnittliche jährliche Produktion eines Hochofens in
Preuſsen betrug:
Produktion von Guſswaren aus Roheisen in Preuſsen
von 1837 bis 1850.
In Tonnen.
Obgleich die Erzeugung von Guſswaren zweiter Schmelzung in
dieser Zeit eine starke Zunahme erfahren hatte, so blieb sie doch
auch am Schlusse noch hinter der Guſswarenerzeugung direkt aus
dem Hochofen zurück.
Produktion von Stabeisen in Preuſsen von 1837 bis 1850.
Nach den Hauptbergdistrikten in Tonnen.
Produktion von Blech, Draht und Stahl in Preuſsen
von 1837 bis 1850.
In Tonnen.
Bei der Stabeisenerzeugung spielte die Verwendung der Stein-
kohlen schon weit früher eine Rolle, als bei der Roheisendarstellung.
1837 betrug der Anteil des mit Steinkohlen erzeugten Stabeisens in
Preuſsen 31,5 Proz., 1842 39,5 Proz., im Jahre 1847 schon 70,2 Proz.
und verteilte sich die Stab- und Walzeisenproduktion nach den
Brennstoffen wie folgt. In den Hauptbergdistrikten wurden erzeugt:
Der Anteil Preuſsens an der Gesamtproduktion des Zollvereins
betrug
Im Jahre 1847 standen in Preuſsen im Betriebe: 11 Blauöfen (in
Thüringen), 227 Hochöfen, 58 Gieſsereiflammöfen, 153 Kupolöfen,
47 Tiegelschmelzöfen, 763 Frisch- und Löschfeuer, 262 Puddelöfen
und 150 Schweiſsöfen.
Von Dampfmaschinen waren für die Industrie in Preuſsen in
Thätigkeit:
Betrachten wir nun kurz die Entwickelung und den Zustand der
Eisenindustrie von 1831 bis 1850 in den übrigen deutschen Staaten.
Braunschweig und Hannover waren im Besitze der alt-
berühmten Eisenwerke des Harzes. Die Harzer Werke galten lange
Zeit für mustergültig; die fürstlichen Beamten waren bestrebt, den
Betrieb nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu leiten und neue Ver-
besserungen einzuführen. Die Rentabilität der Eisenhütten litt aber in
dieser Periode sehr unter den ungünstigen Verhältnissen. Man erhöhte
in den 30er Jahren die Hochöfen auf 30 bis 35 Fuſs, bei 7 bis 8 Fuſs
Weite im Kohlensack und führte eiserne Cylindergebläse und erhitzten
[717]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
Wind ein. Braunschweig besaſs (1839) 9 Hochöfen nebst 6 Gieſsereien
und 6 Kupolöfen, 23 Frischfeuer mit Stabhämmern, 4 Zainhämmer,
1 Walzwerk, 3 Hammerwerke und 1 Schmelzstahlwerk.
Von den Hochöfen waren meist nur 6 im Betriebe, welche 3500 bis
3750 Tonnen Roheisen lieferten, wovon etwa die Hälfte zu Guſswaren
verwendet wurde. Die Harzer Hütten zeichneten sich durch besonders
schönen, sauberen Guſs aus. Einige Kupolofengieſsereien bedienten
sich nebenher noch schottischen Roheisens. An Stabeisen wurde an
1500 Tonnen von den Frischhütten geliefert. Die Stahlproduktion
betrug etwa 20 Tonnen. Bei Zorge war eine bedeutende Maschinen-
fabrik entstanden, die Lokomotiven baute. Der Beitritt Braunschweigs
zum Zollverein anfangs der 40er Jahre erweiterte dessen Absatzgebiet
und wirkte günstig auf die Harzer Eisenwerke ein.
Hannover besaſs 1839 8 Hochöfen, welche etwa 5000 Tonnen
Roheisen lieferten, wovon ⅓ zu Guſswaren verwendet wurde, fast ⅓
wurde granuliert und an die Oberharzer Silberhütten geliefert, das
Übrige wurde auf 16 Frischfeuern verfrischt. Zu Königshütte wurde
Draht und Rohstahl und zu Sollinger Hütte Guſsstahl aus Schmelz-
und Brennstahl fabriziert. Auſserdem gab es einige Privathütten,
unter denen die Brabecksche Hütte bei Dassel in der Nähe von
Sollingen die bedeutendste war. Sie lieferten 1839 um 8000 Ctr.
Guſswaren und 2500 Ctr. Stabeisen. 1850 war die Hochofenproduk-
tion auf 140000 Ctr. gestiegen 1).
Die alte Teichhütte zu Gittelde war gemeinschaftlich; ⅔ davon
stand Hannover, ⅓ Braunschweig zu. Bei dieser Kommunionhütte
trat vom Jahre 1836 ab eine Steigerung der Produktion ein, indem
von da ab der jährliche Roheisenverkauf 9000 Ctr. überstieg. Im
Jahre 1839 belief er sich auf 11749 Ctr., 1841 auf 14118 Ctr. Die
höchste Produktion wurde aber im Betriebsjahre 1849 erreicht, wo
die Eisenverteilung 15448 Ctr. betrug.
Aus dem Jahre 1848 liegen ausführlichere Nachrichten vor 2).
Die Maſse des Hochofens waren damals folgende:
Der Ofenschacht war aus buntem Sandstein, das Gestell aus Quader-
steinen von Blankenburg aufgeführt. Es war 1847 einförmig zugestellt
worden nach folgenden Maſsen:
Gegen Ende der 50er Jahre ging man dazu über, das Hochofen-
gestell aus Masse zu stampfen. Veranlassung hierzu gab einesteils
der Umstand, daſs die Blanken-
burger Sandsteine öfters schlecht
angeliefert worden waren, ander-
seits die günstigen Erfahrungen,
die man mit der Massenzustel-
lung auf der Königl. Hannover-
schen Hütte zu Altenau gemacht
hatte. Die Masse wurde aus
sorgfältig zubereitetem Thon und
Quarz von Altenau, welche im
Verhältnis von 1 zu 4 und 1 zu 5
gemischt wurde, künstlich herge-
stellt. Das Einstampfen geschah
mit Hilfe von Schablonen, welche
aus sechs übereinander stehen-
den Kästen bestanden.
Fig. 262 zeigt das Mas-
sengestell und Fig. 263
die zugehörigen Schab-
lonen. Auch bei diesem
Gestell hatte man nur
eine Form, rechts von
der Arbeitsseite. Der
Boden war ebenfalls
aus gestampfter Masse
gebildet.
Bei dem früheren Steingestell war die Form mit einem Ansteigen
von 7 Grad eingehauen und mit 3 Grad Neigung eingesetzt. Sie lag 5 Zoll
vom Lote ab nach dem Hintergestell zu. Die flache Rast hatte einen
Winkel von 40 Grad. Das Gebläse bestand aus zwei doppeltwirkenden
[719]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
Cylindern von 3 Fuſs 5⅝ Zoll Durchmesser und 4 Fuſs 10⅕ Zoll Hub.
Es wurde von einem Wasserrade getrieben und war von guter Leistung.
In den Ofen gelangten 455 bis 555 Kubikfuſs Luft in der Minute
von 8 bis 13 Linien Quecksilber oder 9 bis 14 Lot auf den Quadrat-
zoll Pressung. Man hatte auch zu Gittelde Versuche mit erhitztem
Wind gemacht, derselbe soll aber ungünstig auf die Güte des Roh-
eisens gewirkt haben und wurde deshalb wieder aufgegeben.
Man machte zweierlei Gattierungen, um Roheisen für Stabeisen
oder für Stahl zu blasen. Für Stabeisen nahm man 13/21 Brauneisen-
stein, 7/21 Spateisenstein und 1/21 roten Mergeleisenstein, für Stahl
dagegen 6/21 Braun- und 15/21 Spateisenstein. Die Erze muſsten, wegen
ihres Gehaltes an Schwefelmetallen, gut geröstet und aufbereitet
werden. Der Brennstoffsatz bestand aus 210 Pfd. Holzkohlen, mit dem
Erzsatze wechselte man.
Das Roheisen lieſs man in den Sand laufen zu Masseln von 1½ Fuſs
Länge, 9 Zoll Breite und 2 Zoll Dicke. Bei gutem Ofengange war
das Eisen weiſsstrahlig, von hellem Klange. Das daraus gefrischte
Stabeisen war zäh und hart. Etwa 2500 Ctr. wurden auf den Gittelder
Hütten und zwar auf der Neuhütte bei Badenhausen verfrischt, der
Rest an die hannoverschen und braunschweigischen Hütten abgegeben.
In 24 Stunden wurden 32 bis 34 Gichten gesetzt und in einer Woche
380 bis 400 Ctr. Roheisen geschmolzen. Diese höhere Produktion
hatte ihren Grund in der reichhaltigeren Gattierung, der man einen
Eisengehalt von 36 bis 37 Proz. gegen früher von 25 Proz. gab. Man
schmolz 210 Pfd. Beschickung auf 100 Pfd. Kohlen und brauchte für
100 Pfd. Roheisen 130 Pfd. Kohlen; ein bedeutend besseres Ergebnis
als zu Anfang des Jahrhunderts. In den Jahren 1846 und 1847 hatte
man versucht, einen Teil der Holzkohlen durch lufttrockenes Holz zu
ersetzen. Da diese Versuche günstig ausgefallen waren, so wieder-
holte man sie in den Jahren 1848 und 1849 in gröſserem Maſsstabe.
Man spaltete das Holz mit der Hand. Nach v. Unger ersparte man
bei Anwendung von lufttrockenem Holze im Hochofen 17 bis 26 Proz.
und konnte 6,9 Kubikfuſs statt 6,6 Kubikfuſs Beschickung setzen.
Die höheren Jahreserträgnisse, welche man in den letzten Jahr-
zehnten bei dem Hochofen zu Gittelde erlangte, waren auch dadurch
herbeigeführt, daſs man nicht mehr so kurze Hüttenreisen machte
wie früher. Die letzten Kampagnen, über welche die Hüttenrechnungen
im Archiv des Oberbergamtes zu Klausthal vorhanden sind, die von 1846/47
und 1848/49, dauerten fast je 2 Jahre. Nach dieser Zeit scheint die Hütte
längere Zeit auſser Betrieb gewesen zu sein. Das Gittelder Roheisen
[720]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
war wegen seiner Güte sehr gesucht, es war besonders geeignet zum
Frischen eines harten und festen Stabeisens und war das einzige
Roheisen des Harzes, welches für Stahlbereitung geeignet war. Die
hannoverschen und braunschweigischen Hütten, die etwa 17000 Ctr.
davon bezogen, verwendeten es mit Vorliebe als Zusatz, um die
Qualität ihres Frischeisens zu verbessern. Auf der Neuhütte bei
Badenhausen, wo 2500 Ctr. unvermischt verfrischt wurden, war das
Feuer aus vier Zacken, die einen Raum von 20 Zoll im Quadrat um-
schlossen, zusammengesetzt. Die eine offene Seite war mit Gestübbe
geschlossen, das mit einer Eisenplatte, dem Reitblech, überdeckt war.
Durch das Gestübbe legte man eine eiserne Rinne zum Ablassen der
Schlacken. Die kupferne Form ragte mit 17° Neigung 3½ Zoll in
den Herd hinein. Sie war im Lichten 1⅜ Zoll breit und 1¼ Zoll hoch
und lag 11½ Zoll über dem Boden. Eine Charge von 2¼ Ctr. Ein-
satz wurde in 4 bis 6 Stunden gefrischt bei einem Eisenausbringen
von 72 bis 74 Proz. 1).
Der hüttenmännische Betrieb hätte nach den Ergebnissen der
letzten Jahre keine Veranlassung gegeben, die Gittelder Hütte kalt
zu stellen. Wenn dies dennoch geschah, so lag der Hauptgrund darin,
daſs die Gruben des Ibergs erschöpft waren und daſs die Eisenpreise
immer mehr sanken. 1812 wurden für den Centner Roheisen noch
3 Thlr. bezahlt, 1826 nur noch 2 Thlr., 1840 1 Thlr. 19 Gr. 1822 kostete
Stabeisen 1. Gattung 7 Thlr., 2. Gattung 7 Thlr. 6 Gr., 3. Gattung
7 Thlr. 16 Gr., 4. Gattung 9 Thlr. 15 Gr.; 1844 kosteten dieselben
Sorten 5 Thlr., 5 Thlr. 12 Gr., 6 Thlr. 8 Gr. und 8 Thlr. 8 Gr.,
während die Rohmaterialien nicht billiger geworden und die Löhne
gestiegen waren. Indessen dachte man 1849, als man den Betrieb ein-
stellte, auch keineswegs daran, daſs dies für Jahre hinaus sein sollte.
Am 24. August 1853 bestand nach einem offiziellen Berichte bei
Gittelde noch die sogenannte Teichhütte nebst der Frischhütte, genannt
die Neuhütte bei Badenhausen mit 3 Wohngebäuden und 17 Ein-
wohnern. Ein Betrieb wurde damals nicht geführt. Ende der 50er Jahre
muſs derselbe aber wieder aufgenommen worden sein. In den amt-
lichen Mitteilungen über die Produktion der Hütten des Kommunion-
Unterharzes erscheint die Teichhütte wieder und zwar betrug ihre
Erzeugung 1860 19137 Ctr., 1861 12239 Ctr. und 1862 19020 Ctr.,
1863 10809 Ctr., 1864 21472 Ctr., 1865 21345 Ctr., 1867 10647 Ctr.
hauptsächlich Rohstahleisen.
Nach dem Kriege von 1866 fiel der hannoversche Anteil der
Gittelder Hütte mit den übrigen Harzhütten an Preuſsen. 1868 wurde
die Gittelder Eisenhütte verkauft und zu anderweitigen Fabrikzwecken
verwendet. Bei dieser Gelegenheit verzichtete die preuſsisch-braun-
schweigische Kommunionharz-Verwaltung sowohl auf das Vorrecht
der Verhüttung der Iberger Eisenerze, wie auch auf das von ihr aus-
geübte Regalrecht.
Dies war das Ende der berühmten Eisenhütte bei Gittelde, welche
fast drei Jahrhunderte lang mit Auszeichnung ihren Betrieb geführt
hatte. Sie verschwand infolge der veränderten Betriebsbedingungen
und ihr Untergang bietet ein Beispiel für viele hundert ähnliche Fälle.
Das Königreich Sachsen besaſs zwar die reichen, altbekannten
Steinkohlenlager bei Zwickau, aber man hatte bis Ende der 40er Jahre
nicht daran gedacht, dieselben für den Hochofenbetrieb nutzbar zu
machen. Erst um 1840 wurde die Anlage eines Hüttenwerkes für
Steinkohlenbetrieb den Fortschritten der Technik entsprechend ins
Auge gefaſst, und so entstand die Königin Marienhütte zu Kainsdorf
bei Zwickau, deren erster Hochofen am 2. Juni 1843 angeblasen
wurde. Damit war der Koksbetrieb in Sachsen eröffnet. Aber die
Gesellschaft machte schlechte Geschäfte und hätte wohl Ende 1843
fallieren müssen, wenn die Herren Gebrüder von Arnim auf Planitz
und Crossen das Werk nicht gegen eine jährliche Pacht von 16000 Thaler
bis zum 1. Januar 1847 übernommen hätten.
1839 zählte man dagegen noch 19 bis 20 Holzkohlenhochöfen im
Königreich, von denen die meisten zwischen Schneeberg und Johann-
Georgenstadt im Erzgebirge gelegen waren. Auf einigen, wie nament-
lich auf der Hütte Morgenröte, hatte man erhitzten Wind beim Hoch-
ofenbetrieb eingeführt. Das Roheisen der sächsischen Hochöfen wurde
groſsenteils zu Guſswaren verwendet. Von den 4750 Tonnen, welche
die Hochöfen lieferten, waren 1250 Tonnen Guſswaren. Die Stabeisen-
produktion betrug etwa 2250 Tonnen. 1837 bis 1839 war die Eisenbahn
von Leipzig nach Dresden, die erste gröſsere Bahnlinie Deutschlands,
erbaut worden, dieser folgte 1841 bis 1845 die sächsische Staatsbahn
von Leipzig über Altenburg und Crimmitschau nach Zwickau. Diese
Bahn trug viel zum Aufblühen der sächsischen Eisenindustrie bei.
Im Jahre 1848 produzierte das Königreich 5734 Tonnen Roh-
und Guſseisen mit Holzkohlen, 1325 Tonnen mit Koks und 1825 Ton-
nen Guſswaren erster Schmelzung, davon 55 Tonnen mit Koks; ferner
2660 Tonnen gröberes, 700 Tonnen feineres Stab- und Zeugeisen, davon
1320 Tonnen mit Steinkohlen; 400 Tonnen Blech und 9¼ Tonnen
Beck, Geschichte des Eisens. 46
[722]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
Draht. Es waren im Betriebe 15 Holzkohlenhochöfen und 2 Kokshoch-
öfen, 8 Kupolöfen, 51 Frischfeuer mit 60 Hämmern, 23 Wärm- und
Zainfeuer mit 44 Hämmern, 5 Blechwalzwerken und 1 Drahtwerk.
Auſser der Königin Marienhütte bei Zwickau war ein zweites
Hüttenwerk für Steinkohlenbetrieb, die König Friedrich-Augusthütte
im Plauenschen Grunde, zur Verwendung der Potschapeler Stein-
kohlen erbaut worden, ferner die Puddelhütte Carsdorf bei Dippoldis-
walde. Diese Werke umfaſsten 3 Hochöfen nebst Gieſsereianstalten,
8 Kupolöfen, 10 Puddel- und 5 Schweiſsöfen mit 3 Hämmern und
2 Walzwerken. Die Friedrich-Augusthütte war aber nur kurze Zeit
im Betriebe, und hatte infolge des schlechten Koks und schlechter
Betriebsleitung sehr ungünstigen Erfolg. Das Puddel- und Walzwerk
der Königin Marienhütte lieferte seit 1848 auch Eisenbahnschienen.
Hier wurde der erste Dampfhammer in Deutschland von Wilhelm
Dorning erbaut und um 1849 in Betrieb gesetzt. Um 1850 wurden
im Königreich Sachsen 17 Hochöfen, 84 Frischfeuer, 12 Puddlings-,
6 Schweiſs-, 21 Kupol- und 25 Flammöfen auf 24 Eisenwerken auf-
geführt. Die bedeutendsten Holzkohlenhüttenwerke waren zu Gröditz
in der Lausitz, im Weiſseritzer Thal bei Dresden, in der Umgebung
der Städte Schwarzenberg, Johann-Georgenstadt, Eibenstock und
Schneeberg, und zu Rautenkranz im Voigtlande. Dieselben wurden
meistens noch mit Wasserkraft betrieben. Es fehlte noch an einer
Eisenbahnverbindung zwischen Erz- und Steinkohlengebiet.
Die sächsischen Fürstentümer besaſsen im Thüringer Walde
eine alte aber wenig bedeutende Eisenindustrie. Um 1840 betrug
deren ganze jährliche Hochofenproduktion etwa 3250 Tonnen und stieg
bis 1847 auf 4000 Tonnen. Die Stabeisenproduktion belief sich auf
1500 bis 2600 Tonnen.
In der Nähe von Eisfeld befand sich ein von Thoma angelegter
Gaspuddelofen, in dem aber nicht nur Eisen gepuddelt, sondern auch
Erze direkt auf Eisen verarbeitet wurden. In einem andern einfachen
Apparate sollte mit Gasen Roheisen erzeugt werden.
Gewaltiges Aufsehen erregte die Gründung des Herrn Meyer
von Hildburghausen, des Schöpfers des Bibliographischen Institutes,
welcher bei Neuhaus im Meiningenschen eine groſsartige Eisen-
hüttenanlage mit Hochofen-, Puddel- und Walzwerk für Stein-
kohlenbetrieb errichtete. Eine Aktiengesellschaft „Deutsche Eisen-
bahnschienen-Compagnie“ kam zusammen. Sie stellte in Aussicht,
jährlich 15000 Tonnen Eisenbahnschienen zu liefern. Die Werke
wurden 1846 gebaut. Das Unternehmen war aber ein gänzlich ver-
[723]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
fehltes, denn es mangelte so ziemlich an allem, was zum Hütten-
betriebe gehört. Die Kohlen von Neuhaus, auf welche dasselbe in
erster Linie begründet war, waren für den Hochofenbetrieb unbrauch-
bar. Die Erze muſsten von kleinen, ungenügend aufgeschlossenen
Gruben bezogen, groſsenteils aber im Hennebergischen gekauft werden.
Die Kommunikationsmittel waren so schlecht wie nur möglich. Nur
gänzliche Unkenntnis der technischen Grundlagen eines groſsen Eisen-
werkes konnte eine solche Gründung ermöglichen, die pomphaft
in die Welt posaunt wurde, aber kaum erstanden, auch schon zu
Grunde ging. Den Mittelpunkt des Werkes 1) bildeten 4 Hochöfen
mit ihren Schmelzhallen, an deren Seite sich eine groſse Maschinen-
fabrik hinzog, während vor ihnen die für die Stabeisen- und Schienen-
fabrikation bestimmte Halle mit den Puddel- und Schweiſsöfen, den
Hämmern und Walzwerken sich befand. Die Koksofenanlage lag
hinter den Hochöfen. Die Einrichtungen waren groſsartig und ent-
sprachen den höchsten technischen Anforderungen. Um so trauriger
war es, daſs dieselben an einem so verkehrten Platze errichtet worden
waren. Das unzweckmäſsige, um nicht zu sagen schwindelhafte Unter-
nehmen hat den Kredit der deutschen Eisenindustrie damals sehr
geschädigt.
Die alten Eisenwerke in den Reuſsischen Ländern lieferten um
1840 gegen 600 Tonnen Stabeisen, in dem Schwarzburgischen Ge-
biete 700 bis 750 Tonnen. In den Anhaltischen Ländern lag das
bekannte Hüttenwerk Mägdesprung, welches damals 200 Tonnen Guſs-
waren, 300 Tonnen Stabeisen und 20 Tonnen Rohstahl lieferte. Hier
wirkte Bischof in den 40er Jahren, und stellte hier zum Teil seine
Versuche mit Generatorgasen an. Beträchtlicher war noch die ebenfalls
sehr alte Eisenindustrie im Fürstentum Waldeck. v. Reden giebt die
Eisenproduktion 1840 auf 1000 Tonnen Roheisen an. 1847 betrug
sie 1050 Tonnen Roheisen, wovon ein Teil auf 3 Frischfeuern zu
300 Tonnen Stabeisen verarbeitet wurde. Der Rest des Roheisens
wurde als solches verkauft.
Im Kurfürstentum Hessen war die Eisenindustrie teilweise
staatlich und ist früher schon von dem verdienstvollen Wirken des
Hütteninspektors Pfort wiederholt die Rede gewesen. Auſser zu
Veckerhagen wurden Hochöfen zu Homberg, Rommershausen und
Bieber betrieben. Diese vier Werke lieferten 1835 bis 1839 im Durch-
46*
[724]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
schnitt 2000 Tonnen Eisen, worunter 800 Tonnen Guſswaren. Auſser
an den genannten Orten wurde das Roheisen noch auf einer Anzahl
kleiner Frischhämmer in Stabeisen verwandelt, wovon 890 Tonnen
im Durchschnitt erzeugt worden waren. Alle Hochöfen wurden mit
erhitztem Wind betrieben, und hatten gute Maschinen- und Gebläse-
einrichtungen von Henschel in Kassel. Pfort hatte zu Veckerhagen
um 1840 auch den Puddelbetrieb mit Hochofengasen eingeführt.
Selbständig und getrennt hiervon war die Eisenindustrie der
Herrschaft Schmalkalden, wo aus den vortrefflichen Stahlerzen
(nach Karsten) etwa 1000 Tonnen Roheisen erzeugt wurden. Ein Teil
davon lieferte etwa 500 Tonnen Stabeisen, der Rest wurde verkauft.
1836 speiste der Stahlberg mit seinen Erzen 11 Hochöfen. Um 1850
betrug die Roheisenproduktion 1700 Tonnen.
In Hessen-Darmstadt hatte die Eisenindustrie in dieser Periode
an Umfang zugenommen. 1830 bis 1832 wurde eine Stunde südlich
von Biedenkopf ein neues Hüttenwerk, die Kilianshütte, mit 2 Hoch-
öfen, 1 Kupolofen, Cylindergebläse und Gieſserei, ferner ein Grob- und
Feindrahtzug nebst zwei Drahtstiftmaschinen, sowie eine Rollen-
schmiede mit 20 Feuern erbaut. Die früher herrschaftliche Ludwigs-
hütte bei Biedenkopf mit 2 Hochöfen war 1834 in Privathände über-
gegangen. Auſserdem befanden sich Hochöfen auf der Friedrichshütte
bei Laubach, deren Hochofen und Gieſserei 1822 neu erbaut worden
war, und zu Hirzenhain, welche von den Gebrüdern Buderus be-
trieben wurden, und auf der neuerbauten Karlshütte, zwischen Bieden-
kopf und Marburg. In der Provinz Starkenburg lagen die Steinbacher
Hütte bei Michelstadt und die Waldmichelbacher Hütte. In Ober-
hessen zählte man 6, in Starkenburg 7 Hammerwerke. Ende der
40er Jahre entstand in Darmstadt eine Maschinenfabrik und Eisen-
gieſserei mit Kupolofenbetrieb. Die hessischen Eisenwerke lieferten
1847 9300 Tonnen Roheisen und Guſswaren erster Schmelzung, und
1325 Tonnen Frischeisen, und 2250 Tonnen Puddeleisen auf dem der
metallurgischen Gesellschaft zu Stollberg gehörigen Michelstädter
Eisenwerke.
Auf der Ludwigshütte zu Biedenkopf wurde der Hochofen, wenn
ein neues Gestell eingebaut wurde, die ersten sechs Monate nur mit
einer Form betrieben, und dabei durchschnittlich 15 Tonnen Guſs-
waren in der Woche erzeugt, dann wurde eine zweite Form eingelegt
und nun auf Roheisen zum Verfrischen geblasen, wovon 20,5 Tonnen
in der Woche dargestellt wurden. Die Hochöfen wurden mit heiſsem
Winde von 240° R. betrieben. Man wendete die Winderhitzung auch
[725]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
bei den Kupolöfen und den Frischfeuern an, und verwendete die Hoch-
ofengase zum Weiſsen, Puddeln und Schweiſsen des Eisens 1).
Viel reicher an vortrefflichen Eisensteinen war das Herzogtum
Nassau. 1830 produzierte das Land aber nur etwa 5000 Tonnen Roh-
eisen. Ende der 30er Jahre waren 19 Hochöfen auf folgenden Werken
im Betriebe: Zu Hohenrhein und Nievern je 2, zu Ahlerhütte, Christians-
hütte, Maxsaynerhütte, Katzenellenbogen, Langeheck, Michelbach,
Emmershausen, Audenschmiede, Löhnberg, zu Sinner-, Burger- und
Haigerhütte, Niederschelder-, Steinbrücker- und Ebersbacher-Hütte
je einer. Dieselben erzeugten etwa 8500 Tonnen Roheisen und Guſs-
waren, namentlich Ofenguſs. Ein groſser Teil des Roheisens wurde
auſser Landes verkauft. Karsten schätzt die Stabeisenproduktion
Nassaus auf höchstens 3000 Tonnen. — In der kritischen Zeit von 1840
bis 1844 hatte die Nassauische Eisenindustrie durch die billige Einfuhr
fremden Eisens sehr zu leiden. Dennoch stieg die Roheisenerzeugung.
1844 lieferten 20 Hochöfen 14300 Tonnen Roheisen in Gänzen, 1540
Tonnen Guſseisen, 50 Tonnen Wascheisen und 200 Tonnen Brucheisen.
44 Frischfeuer mit 30 Grobhämmern lieferten 1260 Tonnen Stabeisen,
3 Kleinhämmer 280 Tonnen Kleineisen, und 4 Schneidewerke 220 Ton-
nen Schmiedeeisen. 1847 war die Produktion der Hochöfen auf
15035 Tonnen Roheisen und 2460 Tonnen Guſswaren gestiegen 2).
Auf der Michelbacher, Emmershäuser und Niesterthaler Hütte hatte
man Puddelofenbetrieb eingeführt, wozu man teils Steinkohlen aus
Saarbrücken, teils Braunkohlen aus dem Westerwald verwendete. Für
Nassau war die Eisenindustrie damals das wichtigste Gewerbe. In den
40er Jahren begann auch die Ausfuhr nassauischer Erze nach dem
Niederrhein.
Auf der linken Rheinseite wurde in der Herrschaft Birkenfeld,
welche zu Oldenburg gehörte, ein Hochofen zu Bosen betrieben, der
1839 500 bis 600 Tonnen Roheisen erzeugte. Ebenso hatte Hessen-
Homburg in seiner Enclave Meisenheim einen kleinen Hochofen.
In dem Groſsherzogtum Baden gab man sich groſse Mühe,
die Betriebseinrichtungen der Eisenhütten zu verbessern und Neue-
rungen einzuführen. Angeregt durch die Erfolge zu Wasseralfingen,
suchte man auch in Baden die verloren gehende Wärme der Hochöfen
[726]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
und Frischfeuer zu benutzen. Die Hochöfen wurden fast alle mit
Winderhitzungsapparaten versehen, die man auch bei vielen Frisch-
feuern anbrachte. Man benutzte ferner die entweichende Flamme der
Frischfeuer zum Vorwärmen des Roheisens. Die Eisenwerke in den
Südthälern des Schwarzwaldes längs der Schweizer Grenze waren
ärarisch und standen im Selbstbetrieb. Zu den älteren 7 Werken
wurden in den 30er Jahren noch zwei, Tiefenstein und St. Blasien,
hinzugekauft. Hochofenbetrieb fand statt auf den Werken Albbruck,
Hausen, Kandern, Oberweiler, Wehr und Ziezenhausen, selbstverständ-
lich mit Holzkohle. Alle diese Werke hatten auch Frisch- und Klein-
feuer, mehrere auch Drahtzüge. Eine Privathütte lag bei Pforzheim.
Neben der Landesherrschaft waren die Fürsten von Fürstenberg die
Besitzer zahlreicher Eisenwerke, deren Mittelpunkt Donaueschingen
war. Zwischen diesem und Neustadt lag die Hütte Hammereisenbach,
und an der Donau die Amalienhütte. Im Ganzen waren vorhanden
10 Hochöfen, welche etwa 7500 Tonnen Roheisen lieferten. An Guſs-
waren wurden 2000 Tonnen hergestellt, und 80 Frischfeuer produzierten
etwa 7500 Tonnen Grobeisen. Diese Hüttenwerke hatten sehr durch
die sinkenden Eisenpreise, welche von 1837 bis 1842 von 40 Fl. auf
30 Fl. für 1000 Pfund fielen, zu leiden.
Auſser dem englischen Eisen suchte auch das rheinpreuſsische
und rheinbayerische seinen Markt in Baden. Die badische Regierung
that das Möglichste für die technische Vervollkommnung ihrer Werke,
und der Fürst von Fürstenberg verausgabte 1200000 Gulden zu
diesem Zwecke. Aber die Krisis hielt an und 1844 muſste das fürst-
lich Fürstenbergische Werk Thiergarten seinen Betrieb einstellen.
Den badischen Hütten half auch der Schutzzoll vom September 1844
nicht viel. Fremdes Eisen beherrschte nach wie vor den Markt. Auch
die Folgen der Revolution von 1848/49 trafen Baden besonders hart.
Die Produktion der ärarischen Hütten war von 2718 Tonnen im
Jahre 1835 auf 714 Tonnen im Jahre 1841 gesunken, sie hob sich
dann wieder bis auf 4170 Tonnen im Jahre 1848. Hierzu kamen noch
etwa 2000 Tonnen von den Fürstenbergischen Werken und dem Hoch-
ofen zu Pforzheim. Öchelhäuser giebt die Hochofenproduktion
Badens für 1848 sogar auf 7026 Tonnen an.
In Württemberg lagen die Verhältnisse vielfach ähnlich wie in
Baden, wie man ja auch hier die ähnlichen Erze aus der Juraformation
mit Holzkohlen verschmolz. In Württemberg war aber nach der Landes-
verfassung die Roheisenerzeugung ein Reservat der Regierung und
stand den Hüttenbesitzern nur das Recht zu, das Roheisen zu ver-
[727]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
frischen und weiter zu verfeinern. Dieses Verhältnis war damals nicht
zum Nachteile der Eisenindustrie, indem die württembergische Re-
gierung mit Eifer bemüht war, Verbesserungen auf den ärarischen
Werken einzuführen. Karsten schreibt 1841 in seiner Eisenhütten-
kunde: „Man darf wohl sagen, daſs man in ganz Deutschland nirgends
so eifrig bemüht gewesen ist, Fortschritte in der Technik der Me-
tallurgie des Eisens so schnell und mit so günstigem Erfolge in An-
wendung zu bringen, als in Württemberg.“
Die königliche Eisenhütte zu Wasseralfingen war besonders durch
ihre Guſswaren bekannt. In der Zeit zwischen 1811 und 1822 hatte
man eine groſse Lehm- und Massenformerei dort eingerichtet. Der
Leiter derselben, der geniale Faber du Faur, machte in den 30er
Jahren eine Reihe wichtiger Erfindungen. Er verbesserte die Wind-
erhitzung durch seinen vortrefflichen, als „Wasseralfinger“ bekannten
Apparat, dann gelang es ihm, die Gase des Hochofens besser ab-
zufangen und zu verwerten, als dies früher geschehen war. Er führte
den Gasbetrieb ein und vermochte durch eine bessere Verbrennung
die Hochofengase sogar zum Weiſsen und zum Puddeln des Roheisens
zu verwenden. Hieran schloss sich dann 1844 der Betrieb mit Torf-
gasgeneratoren. Durch diese Verbesserungen zog das Hüttenwerk zu
Wasseralfingen die Blicke der ganzen Welt auf sich und wurde be-
kannt im In- und Auslande.
Zu Königsbronn hatte man schon 1822 einen Flammofen erbaut,
der damals für die Gieſserei diente. Hier hatte man zuerst das
Puddeln mit gedörrtem Torf eingeführt, ferner goſs man vortreffliche
Hartwalzen. Das Blechwalzwerk zu Izelberg, ½ Stunde von Königs-
bronn, war ebenfalls schon 1822 erbaut worden. Die württembergischen
Eisenhütten zerfielen in die Schwarzwald-Werke, unter denen Friedrichs-
thal und Ludwigsthal, und Harras bei Tuttlingen, die bedeutendsten
waren, und in die Kocher- und Brenzthaler Werke, zu denen Wasser-
alfingen und Königsbronn gehörten.
Württembergs Eisenindustrie litt ebenso wie die badische durch
die zollfreie Einfuhr des billigen ausländischen Eisens, und nachdem
das fremde Eisen einmal einen Markt in Württemberg erobert hatte,
half auch der Tarif von 1844 nichts mehr.
1839 waren auf den würtembergischen Hütten 6 Hochöfen mit
Gieſsereivorrichtungen, 2 Kupolöfen, 2 Flammöfen, 24 Frischfeuer,
12 Kleineisenhämmer, 2 Rohstahlfeuer, 2 Rohstahlraffinierhämmer,
3 Walzwerke und eine Sensenfabrik. Es wurden erzeugt (nach Karsten)
2450 Tonnen Roheisen, 2400 Tonnen Guſswaren, 2450 Tonnen Stab-
[728]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
und Kleineisen, und 50 Tonnen Schwarzblech. Diese Zahlen sind
indes zu niedrig. Nach anderen Angaben betrug im Jahre 1834
bereits die Produktion von Roheisen 3170 Tonnen, und an Guſswaren
erster Schmelzung 2314 Tonnen. 1836 kam hinzu die Erzeugung
von Guſswaren zweiter Schmelzung. 1839/40 betrug die Erzeugung
4266 Tonnen Roheisen und 2730 Tonnen Guſswaren erster Schmelzung,
zusammen 6996 Tonnen, und 1849/50 wurden 5325 Tonnen Roheisen,
2345 Tonnen Guſswaren erster Schmelzung und 646 Tonnen Guſs-
waren zweiter Schmelzung dargestellt.
Auch in Bayern war der Staat an der Eisenindustrie des Landes
selbst mit beteiligt. Es gab 1836 8 landesherrliche Hochofenhütten,
15 Frischfeuer mit Stabhämmern, 3 Streckhämmer, 7 Zainhämmer und
1 Blechwalzwerk, und der Staat war eifrig bemüht, auf denselben
Verbesserungen und neue Erfindungen einzuführen. Im Ganzen zählte
man in Bayern 44 Hochöfen, 28 Blaufeuer, 16 Zerrennfeuer, 141 Frisch-
feuer, 39 Zainhämmer und 4 Walzwerke. Karsten giebt die Pro-
duktion der Hoch- und Blauöfen mit 9000 Tonnen jedenfalls zu
niedrig an, denn nach offiziellen Angaben betrug diese vor 1830 schon
12560 Tonnen 1).
Damals erzeugten:
Stahl wurden 4300 Ctr. produziert. Man zählte ferner 307 Nagel-
schmieden und 137 Waffenhämmer. Die bayerischen Werke litten
unter der Konkurrenz des englischen und belgischen, des rheinischen,
des steierischen und des böhmischen Eisens. Die 1830 begründete
Maschinenfabrik zu Zell bezog englisches Roheisen. Das bayerische
Eisen war teilweise mit Rot- und Kaltbruch behaftet. Diesem half
das Frischverfahren von Schafhäutl und Böhm ab, welches des-
halb auf vielen bayerischen Hütten Eingang fand. Sehr früh, ja
wohl am ersten in Deutschland (1830), wurde Neilsons Erfindung
der Winderhitzung auf bayerischen Hütten eingeführt. Zu Bergen er-
sparte man dadurch ⅓ an Kohlen. Berühmt waren um diese Zeit
die Eisenguſswaren der königlichen Hütte zu Bergen, namentlich der
[729]Auſserpreuſsische deutsche Staaten 1831 bis 1850.
Hohlguſs. Im Kunstguſs zeichnete sich das königliche Werk zu
Bodenwöhr aus. Weyerhammer und Sonthofen reihten sich würdig
an. In München wurde die Maschinenfabrik von Maffei gegründet.
In Nürnberg und Umgebung wurden viele Kurzwaren und Nadeln ge-
macht, in Regensburg Schieſsgewehre. Die Handelskrisis im Eisen-
geschäfte von 1840 bis 1842 übte auch in Bayern ihre schädigende
Wirkung aus. Nach derselben, um 1843, stieg die Roheisenpro-
duktion auf 300000 Ctr.
Bedeutende Vergröſserungen erfuhren anfangs der 30er Jahre
die Werke der Rheinpfalz. Herr von Gienanth gab den Eisenwerken
von Eisenberg, Hochstein und Tripstadt eine groſse Ausdehnung, führte
Steinkohlenbetrieb ein, und beschäftigte durch seine Hochöfen, Puddel-,
Walz- und Schneidewerke viele Menschen. 1840 produzierte die Pfalz
nach Nebenius 75000 Ctr. Roheisen, einschlieſslich 15000 Ctr. Guſs-
waren, 5 Puddlingsöfen lieferten 20000 Ctr. Grobeisen und 30000 Ctr.
Kleineisen, auſserdem wurden 50000 Ctr. Frischeisen hergestellt. 1848
wurden von sechs landesherrlichen Werken mit 5 Hochöfen und
1 Blauofen 53252 Ctr., und von 70 gewerkschaftlichen Werken mit
55 Hochöfen 150892 Ctr. Roheisen produziert, auſserdem lieferte aber
das Bergamt St. Ingbert 2071,5 Tonnen, darunter 816,06 Tonnen
Guſswaren. Die Hütte zu St. Ingbert zählte um 1850 2 Hochöfen,
10 Puddelöfen und 4 Frischfeuer. Guſswaren zweiter Schmelzung
lieferte Bayern 650 Tonnen mit 9 Kupol- und 2 Flammöfen, St. Ingbert
mit 3 Kupol- und 2 Flammöfen 231 Tonnen. Auf 30 Werken mit
38 Puddlings- und 17 Schweiſsöfen, 174 Frisch- und Streckfeuern
wurden 8630 Tonnen Grob- und 3450 Tonnen Stab- und Walzeisen
gewonnen. In der Rheinpfalz lieferten 23 Puddlingsöfen und 9 Frisch-
feuer 1454 Tonnen Stabeisen, ferner das Blechwalzwerk zu St. Ingbert
mit 2 Hämmern 311,5 Tonnen Eisenblech. 2 landesherrliche Blechwalz-
werke zu Fichtelberg lieferten 327 Tonnen Blech. Eisendraht lieferten
vier Werke mit 4 Drahtwalzen im Bergamt Fichtelberg 167,5 Tonnen,
und ein Werk zu St. Ingbert mit 1 Drahtwalzwerk und 1 Drahtzug
118,6 Tonnen, auſserdem noch 4200 kg Ketten und 2500 kg Stifte.
In der Rheinpfalz war der Steinkohlenbetrieb Ende der 40er Jahre
vollständig zur Herrschaft gelangt. In den östlichen Provinzen
herrschte der Holz- und Holzkohlenbetrieb. Zu Bergen hatte man
3 Puddelöfen mit Holz- und Pultfeuerung. Die Gase des Hochofens
wurden abgeleitet und zur Winderhitzung, sowie zur Heizung eines
Glühofens benutzt. Zu Hammerau befand sich ein Puddelofen, bei dem
die Pultfeuerung zuerst erfunden worden war. Hier heizte man mit
[730]Deutscher Zollverein 1831 bis 1850.
der Überhitze von 2 Frischfeuern einen Glühofen. Ferner betrieb
man einen Gasschweiſsofen. Zu Achthal goſs man Hartwalzen. Zu
Bodenwöhr, Weyerhammer und Frohnberg in der Oberpfalz wurde
der Puddelprozeſs mit Torf betrieben.
Übersicht der Produktion in Bayern von 1848:
Die Hochofenproduktion von 1850 wurde auf 350000 Ctr. geschätzt.
Nachfolgende Tabelle giebt einen Überblick über den Anteil der
einzelnen Staaten an der Roh- und Stabeisenfabrikation des deutschen
Zollvereins in den Jahren 1834, 1842 und 1847 in Tonnen.
Produktion von Guſswaren, Blech, Draht und Stahl im Zollverein
1834 und 1850:
Von groſser Bedeutung ist die nachfolgende Übersicht über die
Eiseneinfuhr in den Zollverein von 1834 bis 1850, welche die auſser-
ordentliche Steigerung infolge des vermehrten Bedarfes durch den
Bau von Eisenbahnen, die 1843/44 ihren Höhepunkt erreichte, er-
kennen läſst.
Einfuhr.
Die Eisenausfuhr, die viel geringer war, schwankte in weit engeren
Grenzen. Aus nachfolgender Tabelle ersieht man die Summen der
Eisenaus- und -Einfuhr, auf Roheisen berechnet, und den Gesamt-
verbrauch in den Jahren von 1834 bis 1850.
Verbrauch des Zollvereins an Roheisen für den inneren
Bedarf 1834 bis 1850, in Tonnen:
Werfen wir zum Schluſs noch einen Blick auf Luxemburg. Dieses
war 1842 dem deutschen Zollvereine beigetreten, hauptsächlich um
für sein wichtiges Erzeugnis, Roheisen, einen Markt in Deutschland
zu finden. Frankreich war ihm durch den hohen Schutzzoll, der
40 Proz. des Wertes betrug, verschlossen. Belgien produzierte viel
billiger und war selbst auf den Export angewiesen. Luxemburg er-
zeugte 15 mal so viel Eisen, als es verbrauchte. Den erhofften Markt
im Zollvereinsgebiete konnte die schwer bedrängte Eisenindustrie
Luxemburgs aber nur dann finden, wenn ein Schutzzoll eingeführt
wurde, der ihm den Wettbewerb mit dem englischen und belgischen
Eisen ermöglichte. In diesem Sinne beantragte die Luxemburgische
Ständeversammlung im Jahre 1842 bei Preuſsen die sofortige Ein-
führung eines Schutzzolles, ohne den ihre Eisenindustrie erliegen
müsste. In dieser Eingabe ist darauf hingewiesen, daſs Luxemburg
mit Hülfe der Saarkohle zehnmal mehr Eisen produzieren könnte,
wenn ihm dieser Schutz gewährt würde.
Um 1850 erzeugte Luxemburg in 11 Hochöfen 7500 Tonnen
Roheisen.
Die alte und ausgedehnte Eisenindustrie des österreichischen
Kaiserstaates beruhte fast allein auf der Verwendung von Holz
als Brennmaterial. Die meisten Verbesserungen waren darauf gerichtet,
diesen Betrieb zu vervollkommnen. 1834 war aber zu Prevali in Kärnten
von August v. Rosthorn ein Puddel- und Walzwerk gebaut worden,
welches auf der Benutzung der dortigen Braunkohle (Liaskohle)
begründet war und sich in gedeihlichster Weise entwickelte. Einen
[733]Österreich 1831 bis 1850.
bedeutenden Aufschwung nahm die österreichische Eisenindustrie durch
die Erbauung von Eisenbahnen. Infolge derselben vermehrte sich die
Zahl der Puddelöfen und der Walzwerke. Wie rasch die Produktion
zunahm, zeigen folgende Zahlen 1):
Man teilt die österreichische Monarchie bezüglich ihrer Eisen-
industrie am besten in drei Gruppen: 1. die Gruppe der Alpenländer
(Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol, Ober- und Niederösterreich);
2. die Gruppe der Sudetenländer (Böhmen, Mähren und Schlesien);
3. die Gruppe der Karpathenländer (Ungarn, Siebenbürgen und
Galizien). Hiervon lieferten damals die Alpenländer 50 Proz., die
Sudeten und die Karpathenländer je 25 Proz. der Gesamterzeugung.
Steiermark, welches die erste Stelle unter den Eisen erzeugenden
Ländern Österreichs einnahm, erzeugte
Dies war durch die Verbesserung der Betriebseinrichtungen, Ein-
führung der Winderhitzung u. s. w. erreicht worden. Die erste An-
wendung der Hochofengase geschah 1839 in der Weise, daſs man die
in der Gegend des Kohlensackes abgefangenen Gase wieder in die Form
zurückführte. Einen Erfolg erzielte man damit nicht; wohl aber gelang
es im folgenden Jahre zu Mariazell, die Hochofengase zum Puddeln
zu benutzen; desgleichen machte man 1840 zu Neuberg, wo 1836 ein
Puddlingswerk errichtet worden war, ähnliche Versuche.
Die gröſste Eisenerzeugung hatte die Vordernberger Radmeister-
Kommunität, die sich 1829 bis 1833 hauptsächlich auf Betreiben des
um die steierische Eisenindustrie hochverdienten Erzherzogs Johann
[734]Österreich 1831 bis 1850.
gebildet hatte 1), und die 1845 mit 14 Hochöfen 283000 Ctr. Eisen schmolz;
dieser folgte die Innerberger Gewerkschaft mit 222000 Ctr., dann kam
die fürstlich Schwarzenbergische Hütte Turrach, welche mit einem Hoch-
ofen 48000 Ctr. Roheisen erzeugte. Im Ganzen zählte man 34 Hoch-
öfen. Die Vordernberger Radmeister-Kommunität hatte in den Jahren
vor 1845 mehr als 1 Million Mark für Betriebsverbesserungen auf-
gewendet. Man ging dazu über, die alten 18 bis 24 Fuſs hohen Öfen
umzubauen und zu vergröſsern. Dies geschah zuerst am Radwerke
Nr. 7. Die Winderhitzung wurde am frühesten bei den älteren haupt-
gewerkschaftlichen Öfen zu Hieflau und dann bei dem Kommunitäts-
Radwerke zu Vordernberg eingeführt. Der Hochofen zu Hieflau wurde
von 1840 bis 1845 unausgesetzt betrieben und war dies die längste bis
dahin in Österreich bekannte Hüttenreise mit heiſsem Winde 2). Es
folgte das Radwerk Nr. 9 der Katharina v. Rebenberg. Man erzielte
durch die Winderhitzung eine Kohlenersparnis von 15 bis 18 Proz.
Das Radwerk Nr. 7 führte auch zuerst die Erzröstung mit Steinkohlen
und das Radwerk Nr. 9 Rumfordsche Schachtrostöfen mit einem
Rost ein. Vortrefflich waren die Einrichtungen auf dem gröſsten der
Waldeisenwerke zu Turrach, dessen Produktion durch die eingeführten
Verbesserungen von 10000 auf 48000 Ctr. gestiegen war. Hier er-
zeugte man zuerst in Innerösterreich mit heiſsem Winde weiſses Roh-
eisen und benutzte seit 1843 die Hochofengase nach Faber du Faurs
Erfindung, für deren Benutzung Fürst Schwarzenberg eine beträcht-
liche Summe — 3000 Gulden C.-M. — bezahlt hatte. Man erhitzte
den Wind auf 200 bis 250° R., blies bei 18 bis 20 Zoll Wassersäule
und verbrauchte auf 100 Roheisen 100 bis 103 Kohlen. Die Gase
wurden 9 Fuſs 5 Zoll unter der Gichtmündung abgefangen. Auch
auf dem Hochofen zu Lietzen im Ennsthal, dem Ritter v. Fridan
gehörig, wendete man abwechselnd erhitzten Wind an. Mit heiſsem
Winde erhielt man dunkelgraues Gieſsereieisen, mit kaltem weiſses
Frischereiroheisen. Mit der Einführung des heiſsen Windes ging man
dazu über, die unverwitterten Erze vollständiger zu rösten. Auch er-
höhte man die Hochöfen allmählich von 10 bis auf 13 m. Das groſse
Hüttenwerk zu Mariazell arbeitete mit 3 Hochöfen auf graues Roh-
eisen, welches groſsenteils zu Guſswaren verwendet wurde. Dieses
waren die einzigen Hochöfen mit offener Brust in Steiermark. Seit
1840 wandelte man sie, nach Einführung der Winderhitzung, ebenfalls
[735]Österreich 1831 bis 1850.
in Öfen mit geschlossener Brust um, wodurch eine wesentliche Ver-
mehrung der Produktion bewirkt wurde. Die Jahresproduktion betrug
um 1843 20000 Ctr. Guſswaren aus den Hochöfen, 6000 Ctr. aus den
Kupol- und 4000 Ctr. aus den Flammöfen, im Ganzen also 30000 Ctr.
Zu Mariazell wurden die ersten Versuche des Flammofenfrischens
mit Hochofengasen nach Faber du Faurs Erfindung gemacht. Das
andere Guſswerk Steiermarks war St. Stephan. Hier wurden die ersten
Gaspuddelöfen mit Steinkohlenklein betrieben 1).
Für die Verbesserung der Eisenindustrie war die Gründung der
Eisenhütte zu Neuberg durch Bergrat Hampe und den Fürsten
Lobkowitz 1838, als ein kaiserliches Musterwerk und eine Schule
für die Eisenwerksbesitzer, von hoher Bedeutung. Auf dem Hochofen
daselbst wurde abwechselnd weiſses und graues Roheisen erblasen.
Die gröſsten Verdienste erwarb sich die Verwaltung von Neuberg um
die Schmiedeeisenbereitung. Hier wurde zuerst in Steiermark der
Puddelbetrieb eingeführt und zuerst Eisenbahnschienen gewalzt. Das
Puddelwerk umfaſste 1846 2 einfache und 2 doppelte Puddelöfen,
Flammschweiſsöfen und 1 Streckwalzwerk. Das Railswalzwerk lag in
Lonau und hatte 3 Schweiſsfeuer und 2 Glühöfen. Hier wurden die
ersten breitfüſsigen Schienen nach englischer Weise hergestellt. Als
Walzwerk für Kesselblecherzeugung war es ebenfalls das erste der
Monarchie. Zu Neuberg schmiedete man auch damals das Eisen zu
der Turmspitze des Stephansturmes zu Wien.
Ein groſser Fortschritt auf den steierischen Frischhütten war die seit
1844 durch v. Scheuchenstuel eingeführte Gasfeuerung. Die ersten ge-
lungenen Versuche im Groſsen waren auf dem v. Fridanschen Walzwerk
zu Walchen bei Mautern ausgeführt worden.
1845 waren in Steiermark 312 Hämmer-, 2 Grob-, 12 Streck-,
25 Blechwalzwerke, 261 Zerrennfeuer-, 158 Streck- und 18 Blechfeuer-,
15 Puddel-, 10 Schweiſs-, 29 Glüh- und 2 Guſsstahlöfen im Betriebe.
Für 1843 zeigt folgende amtliche Zusammenstellung die Art der Ver-
arbeitung des Eisens. Es wurden erzeugt:
Das meiste Puddeleisen wurde mit Holz dargestellt. In den
Schwarzenbergischen Frischhütten bei Murau hatte man die Rohstahl-
erzeugung nach Kärtner Art eingeführt, mit den Verbesserungen, daſs
das Hartzerrennen nach Art der englischen Feineisenfeuer geschah
und Vorglühherde benutzt wurden. Das Roheisen von Turrach lieferte
besonders das Material für den berühmten Tannenbaumstahl. Bedeutend
waren auch die Seſslerschen Hammerwerke zu Krieglach, wo sich
auch das zweite Schienenwalzwerk in Steiermark befand, und die
v. Thinnfeldschen Hammerhütten zu Feistritz.
Das Walzwerk des Franz Mayr zu Leoben war das erste in
Steiermark, welches ausschlieſslich mit Braunkohlen betrieben wurde.
Dieses Werk war auch das erste, in dem ein einzelner Hammer-
gewerke mit beschränkten Kräften den Flamm-, Frisch- und Schweiſs-
prozeſs in Verbindung mit Walzwerksbetrieb unternommen und erfolg-
reich durchgeführt hatte. Auſserdem hat Franz Mayr hier für
Versuche der Stahlerzeugung im Flammofen und des Guſsstahl-
schmelzens viele Opfer gebracht. Auf diesem Werke wurden jährlich
an 5000 Ctr. Gärbstahl ausgewalzt. Peter Tunners geistiger Ein-
fluſs durch seinen erfahrenen Rat hatte sich bei vielen dieser
Neuerungen und Verbesserungen bemerkbar gemacht.
Gärbstahl lieferten auch die hauptgewerkschaftlichen Hämmer.
1845 wurden 85522 Ctr. Roh- und Gärbstahl in Steiermark erzeugt.
1845 waren für Sensen-, Sicheln- und Pfannenerzeugung 146 Hämmer,
182 Feuer und 30 Glühöfen beschäftigt, die 2967 Ctr. Eisen und
31180 Ctr. Stahl verarbeiteten. Es wurden 1598305 Stück Sensen
und 280840 Stück Sicheln fabriziert.
Die Roheisenproduktion Kärntens, welche sich 1842 auf
416585 Ctr. belief, hatte sich in 5 Jahren verdoppelt, und zwar nur durch
verbesserten Betrieb. Es ist dies ein laut redendes Zeugnis für die Rührig-
keit und Intelligenz der kärntnischen Eisenwerke. Die Erweiterung und
Erhöhung der Hochofenschächte, die Einführung stärkerer Gebläse und
der Winderhitzung erhöhten die Produktion und verminderten den
Kohlenverbrauch, der zu Lölling für 100 Pfd. Roheisen auf 60 bis 65 Pfd.
Nadelholzkohle sank; der geringste bis dahin bekannte Brennstoffauf-
wand. Die gröſsten Hochofenwerke Kärntens waren die Hüttenwerke:
Der groſse Ofen der gräflich v. Eggerschen Eisenhütte zu Trei-
bach konnte schon 1841 allein an 50000 Ctr. Roheisen im Jahre
liefern. Alle diese Öfen waren, wie in den Alpenländern allgemein,
Flossenöfen. Im ganzen zählte man in Kärnten deren 17. 1843 wurden
413662 Ctr. Roheisen in Schmiedeeisen und Stahl verwandelt und dar-
aus folgende Sorten gewonnen: 1. Schwarzblech 7864 Ctr., 2. gewalztes
Eisen 90833 Ctr., 3. Streckeisen 81110 Ctr., 4. Grobeisen 64465 Ctr.,
5. Guſsstahl 662 Ctr., 6. Kistenstahl 31842 Ctr., 7. Rohstahl 16138 Ctr.
Eugen v. Dickmann zu Lölling hatte besonders dazu beigetragen, die
Eisensteinabfuhr von den Eisenwurzen, d. h. vom Erzberg bei Hüttenberg,
und die Waldwirtschaft zu verbessern. Zu Lölling wendete man (1841)
auch erhitzten Wind an, während man zu Treibach mit kalter Luft blies.
Die gröſsten Fortschritte waren in der Stabeisenbereitung gemacht
worden, namentlich hatte der Puddelprozeſs bereits gröſsere Ver-
breitung gewonnen als in Steiermark, auch hatte man mit groſsem Er-
folge den Gasbetrieb eingeführt. Gegen Ende der 40 er Jahre war schon
die Hälfte des erzeugten Stabeisens gepuddeltes Eisen. Die Anregung
hierzu hatte der hochverdiente August Edler v. Rosthorn gegeben,
welcher mit einer gröſseren Gesellschaft die beiden groſsen Puddel-
und Walzwerke zu Prevali und Frantschach gegründet hatte. Das
Besitztum dieser „Wolfsberger Eisenwerksgesellschaft“ ging 1847 an
den Grafen Hugo v. Donnersmark auf Schimienowitz über. Zu
Prevali verwendete man die Braunkohle als Brennstoff für die Puddel-
öfen, und unterstützte die Verbrennung durch Zuleitung von heiſsem
Wind über der Feuerbrücke, wodurch man ⅓ ersparte. In Kärnten
waren die Hochofenwerke und die Frischhütten meist getrennt.
Unter den 79 Hammerwerken in Kärnten nennen wir besonders
noch die Frischhütten der Wolfsberger Eisenwerksgesellschaft zu Koll-
nitz, welche ebenfalls bereits 1838 ein Schienenwalzwerk errichteten,
die gräflich Thurnschen Werke zu Schwarzenbach, Müſs und das
Stahlhammerwerk zu Streitleben, das Hammerwerk zu Oberfellbach
und das Stahlhammerwerk zu Freibach.
Auf dem Hammerwerke zu Buchscheiden benutzte man die Über-
hitze der Frischfeuer zum Puddeln, da aber die Überhitze nicht aus-
reichte, so hatte man in sinnreicher Weise noch einen Gasgenerator
mit Kohlenlöschebenutzung damit in Verbindung gebracht. Auf diesem
Werke wurde auch zuerst in Kärnten mit Torf gepuddelt.
1846 besaſs Kärnten 6 Walzwerke: Prevali, Frantschach, Lippitz-
bach, Gmünd, Gössering und Feistritz, davon waren die 3 ersten auch
Puddelwerke.
Prevali, um diese Zeit Eigentum der Gebrüder Rosthorn
und des Ritter v. Dickmann, war nach Witkowitz in Mähren das
gröſste Puddelwalzwerk der Monarchie. Es war das erste Werk in
Österreich, welches Schienen gewalzt hat (1838) und seine Bedeutung
geht daraus hervor, daſs es im Jahre 1845 für 90000 Ctr. Schienen,
Bandagen und Achsen zu liefern übernommen hatte. 1847 erzeugte
es 100000 Ctr. Schienen. Es besaſs 9 doppelte Puddelöfen und
7 Schweiſsöfen. Ende der 40 er Jahre war man mit der Einrichtung
von mit Kohlenklein gespeisten Gasschweiſsöfen beschäftigt. Für die
Gasöfen wurden vier Gebläse mit oscillierenden Cylindern (Wackler)
aufgestellt.
Frantschach, welches ebenfalls der „Wolfsberger Eisenwerks-
gesellschaft“ gehörte, war 1829 als Puddel- und Walzwerk erbaut
worden. Dieses Werk walzte ebenfalls Schienen und zuerst in Öster-
reich die schwierigen Vignolschienen für die Wien-Gloggnitzer Bahn.
Vorzüglich waren seine Platten und Bleche. In der Anwendung des
Holzes zum Puddeln und Schweiſsen war dieses Werk das erste und
besteingerichtete des Kaiserstaates; doch war es gegen Ende der
Periode zur teilweisen Verwendung mineralischen Brennstoffs über-
gegangen. Seine Produktion betrug 40000 Ctr. Zu Frantschach hatte
man zuerst den Doublierschweiſsofen mit Oberwind eingeführt.
Lippitzbach, das älteste Walzwerk Österreichs, leistete nament-
lich als Feinwalzwerk Hervorragendes. Auch hier hatte man 1843 den
Puddelbetrieb eingeführt und war zur Verwendung der Braunkohle
als Heizmaterial übergegangen, aber dann wieder zu gedörrtem Holz
zurückgekehrt.
Feistritz war das gröſste Drahtwerk Österreichs, welches seit
1839 Walzdraht lieferte. Durch Aufnahme des Flammofenfrischens und
eine vorteilhafte Verbindung derselben mit dem Hammer-, Schweiſs-
und Walzprozeſs hatte es seine Erzeugung an Frischeisen so ver-
mehrt, daſs es seinen Bedarf deckte. Die Stahlbereitung durch die
übliche Brescianarbeit war 1845 auf 50000 Ctr. gestiegen.
Die Eisenindustrie in Krain nahm in dieser Periode eine ähn-
liche Entwickelung wie die in Kärnthen. Man zählte 6 Hochöfen und
6 Stucköfen im Lande. 1842 waren 63212 Ctr. Roheisen und Guſs-
waren, 1845 80000 Ctr. erzeugt worden. 1843 wurden 71433 Ctr. Roh-
eisen verarbeitet, 3392 Ctr. mehr als die ganze heimische Produktion
betragen hatte. Es fielen daraus 31533 Ctr. Streckeisen, 20947 Kisten-
stahl und 2976 Ctr. Rohstahl. Die Hauptwerke waren die freiherrlich
v. Zoisschen Hütten und Hämmer zu Jauerburg, Feistritz und Wochein.
[739]Österreich 1831 bis 1850.
Dieselben hatten viele neue Verbesserungen eingeführt, wie Wind-
erhitzung, Schachtröstöfen, kontinuierliche Hartzerrennfeuer u. s. w. Sie
lieferten vorzüglichen Brescianstahl. Die fürstlich Auerspergsche
Hütte bei Hof mit 2 Hochöfen und einem Kupolofen war eins der
wenigen Gieſsereiwerke im südlichen Österreich.
In Tirol zählte man 4 Hochöfen, davon gehörten 3, die zu Piller-
see, Kiefer und Jennbach, dem Staate, 1, der zu Primör, war gewerk-
schaftlich. 1842 betrug die Roheisenproduktion 58750 Ctr., die Guſs-
warenproduktion 11706 Ctr. 1844 erreichte die Gesamtproduktion
75000 Ctr., darunter 17000 Ctr. Guſswaren. Die Hammerwerke waren
auch meistens herrschaftlich. Der Hochofen zu Pillersee war einer
der ersten in Österreich, bei dem die erhitzte Gebläseluft eingeführt
wurde, wodurch über ¼ an Brennmaterial erspart wurde. Die dort
gebräuchliche Rohstahlfrischerei bezeichnete man als Tiroler Frisch-
methode.
Mit dem Hochofen zu Jennbach war ein Stahlwerk verbunden,
welches 1844 1200 Ctr. Cementstahl und 100 Ctr. Guſsstahl erzeugte.
Der aus Pillerseer Rohstahl erzeugte Gärbstahl hatte guten Absatz
nach Frankreich und der Schweiz, wo er zu Uhrfedern und dergleichen
verarbeitet wurde. Der Hochofenbetrieb zu Jennbach zeichnete sich
aus; auch war hier die einzige groſse Eisengieſserei und Maschinen-
fabrik. 1844 lieferte der Hochofen 25000 Ctr. Eisen, darunter
6219 Ctr. Guſswaren. Das Hüttenwerk Kiefer bei Kufstein besaſs
einen Gaspuddelofen. Überhaupt hatte sich dieses Werk durch zeit-
gemäſse Verbesserungen, Winderhitzung, Hochofengasbenutzung, ge-
schlossene Frischherde u. s. w. sehr gehoben. Auch zu Kessen hatte
man geschlossene Frischfeuer mit Lufterhitzungapparaten und Glüh-
herden für das Materialeisen des Walzwerkes eingerichtet.
In Ober- und Niederösterreich und in Salzburg gab es 1846
6 Hochöfen, die 80000 bis 90000 Ctr. Roheisen und Guſswaren lieferten.
Auch bei diesen hatte man Winderhitzung und Gichtgasbenutzung
eingeführt. Der ärarische Hochofen von Reichenau wurde 1843 für
Guſswarenerzeugung bestimmt. — Das Hammerwesen in Ober- und
Niederösterreich kam an Bedeutung dem steierischen gleich, indem hier
ein groſser Teil des steierischen Roheisens von Eisenerz und Vordern-
berg verarbeitet wurde. Die Innerberger Hauptgewerkschaft allein
hatte in Österreich mehr als 50 Hammerwerke. Von diesen waren
die wichtigsten die Stahlhämmer zu Weyer im Traunkreise. Der jähr-
liche Verschleiſs an Roh- und Gärbstahl betrug über 20000 Ctr. Die
Stabeisenerzeugung in Österreich ob und unter der Enns betrug um
47*
[740]Österreich 1831 bis 1850.
150000 Ctr. Die gröſsten Gewerke waren Andreas Töpper und Joh.
Georg Schirhagl, dann die ärarischen Werke von Flachau und Ebenau
im Salzburgischen. Flachau war mit allen neuen Verbesserungen aus-
gestattet. Andreas Töpper, Inhaber der Eisen-, Stahl-, Walz-
blech- und Maschinennägelfabrik zu Neubruck bei Scheibs, der auf
3 Hammerwerken mit 8 Frischfeuern mittels der Schwallarbeit jährlich
über 20000 Ctr. Stabeisen darstellte, war einer der ersten, der die Über-
hitze geschlossener Frischfeuer benutzte und mit dem besten Erfolge
im groſsen schon 1839 in Anwendung brachte. Er stellte seine Ein-
richtung zu jedermanns Einsicht frei, wodurch er der österreichischen
Herdfrischerei sehr nützte. Töpper hatte auch nebst Österleins
Erben zu Lilienfeld das gröſste Walzwerk in dem Erzherzogtume.
Ein vorzügliches Feineisen- und Drahtwalzwerk war das von Anton
Fischer zu St. Ägydi. Das Werk besaſs auch Blechwalzen, Gärb-
hämmer, Feilenhauerei und Waffenschmiede. Die groſsen Fortschritte
dieses trefflichen Werkes fanden 1839 statt. In den feinsten Walz-
und Zugdrahtsorten nahm die Eisen-, Walz- und Drahtfabrik von Carl
Schedl zu Klein-Zell bei Lilienfeld den ersten Rang ein. Oberöster-
reich war der Hauptsitz der Kleineisenwarenfabrikation.
Die Lombardei bildete zwar bis 1859 noch einen Teil der öster-
reichischen Monarchie doch wollen wir ihre Eisenindustrie bei Italien
aufführen.
Von den Sudetenländern hatte Böhmen 1) die gröſste und
mannigfaltigste Eisenindustrie. Man zählte 1846 48 Hütten mit
51 Hochöfen, 12 Kupolöfen, 278 Frisch- und Streckfeuern, 252 Hammer-
schlagwerken, 4 Puddelwerken mit 14 Puddelöfen, 8 Walzenstraſsen
und 8 Schweiſsöfen, 10 Blech- und Streckwalzwerke mit 24 Walzen-
straſsen und 22 Schweiſs- und Glühöfen, sowie 17 mechanische Werk-
stätten. Ende der 30 er Jahre hatte man mit Erfolg angefangen, sich
eines Zusatzes von unverkohltem Holz zu bedienen.
Auch die böhmische Eisenindustrie nahm in den 40 er Jahren einen
groſsen Aufschwung, wie folgende Zahlen beweisen. Produktion von
Von den 495284 Ctr. von 1846 waren 181220 Ctr. Guſswaren.
Die böhmischen Eisenwerke bedienten sich noch alle der Holz-
kohlen, nur das Ranskoer Werk im Czaslauer Kreise benutzte natur-
getrockneten Torf 1). Die Staatsverwaltung hatte die Anregung zu
Schürfarbeiten auf Schwarzkohlen, namentlich im Rakonitzer Kreise,
gegeben. 1838 wurde mit der Verkokung der Steinkohle von Kladno
bei Rappitz begonnen. Versuchsweise hatte allerdings Graf Kaspar
Sternberg bereits 1828 einen Hochofen zu Darowa bei Radnitz mit
Koks betrieben (S. 367).
Die Schmiedeeisenerzeugung Böhmens betrug etwa 218400 Ctr.,
wovon kaum 40000 Ctr. der Flammofenfrischerei angehörten. Von
diesem Schmiedeeisen wurden etwa 17500 Ctr. zu Schwarz- und
Weiſsblech verarbeitet. Die Eisenindustrie Böhmens beschäftigte an
22000 Arbeiter.
Die groſsartigsten Anlagen waren die fürstlich Dietrichstein-
schen Werke zu Ransko und Pelles im Czaslauer Kreise, die sich
durch Verbesserungen auszeichneten, wodurch die Produktion des
Werkes 1845 auf 72000 Ctr. gesteigert worden war. Hier setzte man
20 bis 52 Volum-Prozente Torf den Holzkohlen im Hochofen zu, ohne
daſs die Güte des Eisens dadurch beeinträchtigt wurde. Die Werke
hatten 3 Hochöfen, 9 Frisch- und 2 Streckfeuer.
Die fürstlich Fürstenbergischen Eisenhütten zu Althütten, Neu-
hütten, Rostock und Joachimsthal auf der Herrschaft Pürglitz im
Rakonitzer Kreise, welche eine Produktion von 60000 Ctr. Roheisen
hatten, zeichneten sich ebenfalls durch technische Verbesserungen aus.
Vorzügliches leistete die Neu-Joachimsthaler Guſsgeschirrfabrik und
die Emaillieranstalt von Bernhard Bartelmus. Die Werke zählten
3 Hochöfen, 2 Kupolöfen mit Lufterwärmungsapparaten und mit
Dampfkesselfeuerung durch die Gichtflamme zum Betriebe des Cylinder-
gebläses; sodann 16 Frisch- und Streckfeuer und 1 Puddel- und
Walzwerk.
Die landesherrlichen Werke zu Zbirow lieferten 81083 Ctr. Roh-
eisen und Guſswaren. Die gräflich Wrbnaschen Werke zu Horsowitz
und Ginetz 23143 Ctr., darunter 10227 Ctr. Guſswaren. Diese 3 Werke
gossen viel Munition.
Neudeck hatte seit 1839 groſse Fortschritte, namentlich in der
Weiſsblechfabrikation, gemacht. Das Werk bestand aus 1 Hochofen,
3 Frisch- und 1 Schweiſsfeuer und 1 Walzwerk.
Die Metternichsche Eisengieſserei zu Pleſs, die 1837 umgebaut
worden war, lieferte besonders schönen Kunst-, Ornamenten- und
Galanterieguſs. Komorau bewährte seinen Ruhm im Kunstguſs und
erzeugte auch das damals beliebte Trauergeschmeide. Wir nennen ferner
Rosahütte im Königgrätzer Kreise, Frauenthal im Pilsener Kreise, Kallich,
Gabrielahütte und Schmiedeberg im Saatzer Kreise. Auch die Eleo-
noreneisenhütte zu Schlackenwerth im Elbogner Kreise hatte viele Ver-
suche über Verwendung von Torf und Torfkohle im Hochofen gemacht.
Das 1841 neuerbaute Werk Adolfsthal bei Kruman im Budweiser
und Eugenthal bei Neuhaus im Taborer Kreise war mit den neuesten
Verbesserungen versehen und produzierte 14000 Ctr. Roheisen und
7300 Ctr. Guſswaren.
Die meisten Hochöfen befanden sich im Berauner (9) und im
Pilsener Kreise (11). Koks hatte man nur versuchsweise als Zusatz
im Hochofen, namentlich im Rakonitzer Kreise, angewendet. Dagegen
hatte man gegen Ende der 40 er Jahre angefangen, Schwarzkohle zu
Flammfeuer in Puddel- und Schweiſsöfen in Antonsthal, Althütten u. s. w.
und im Glühofen auf dem Drahtwalzwerke zu Prommenhof zu ver-
wenden. Zu Sedletz verwendete man Koks im Kupolofen.
Zur Verarbeitung des Roheisens dienten 1844 278 Frisch- und
Streckfeuer, 252 Hammerschlagwerke, 4 Puddlingswerke mit 14 Puddel-
öfen, 8 Walzenpaare und 24 Walzensätze, 22 Schweiſs- und Glühöfen,
sowie 17 mechanische Werkstätten. 1843 wurden in Böhmen erzeugt:
1846 betrug die Erzeugung von Schmiedeeisen 256666 Ctr., von
Roheisen 314463 Ctr., von Guſswerk aus dem Hochofen 78096 Ctr.
Die Einführung des heiſsen Windes bei den böhmischen Anlauf-
schmieden hatte eine Kohlenersparnis von ⅙ zur Folge.
Die gröſsten Puddelwerke waren Josefshütte und Althütten.
Ersteres hatte eine groſse Menge Schienen für die Prag-Dresdener
Bahn geliefert 1).
Zu Neuhütten bei Nischburg hatte Maresch seit 1845 die ab-
gehende Hitze der Frischfeuer zum Puddeln verwendet. — Janowitz
hatte eine neu eingerichtete Gewehrlauffabrik und erzeugte aus einem
vorzüglichen Drahteisen jährlich bei 2000 Ctr.
Eine auſserordentliche Zunahme hat die Eisenindustrie in Mähren
und Schlesien in dieser Periode erfahren. Karsten giebt die Jahres-
produktion von 1839 (?) zu nur 70000 Ctr. an, dieselbe betrug aber
1842 bereits 243140 Ctr. und wuchs in zwei Jahren auf 392000 Ctr.,
1846 auf 392559 Ctr.
Die Hütten besaſsen vorzügliche Erze sowohl in den Karpathen, als
in den Sudeten. Der groſse Aufschwung erfolgte durch die Benutzung
der Steinkohle, welche ebenfalls im Lande vorhanden ist. Die ersten
Nachrichten von Steinkohlengewinnung bei Ostrau stammen von 1750.
1817 wurde die erste Grube bei Dombrau eröffnet. Zwischen 1830 und
1840 nahmen Rothschild und v. Larisch, und 1849 die Gebrüder
Klein den Steinkohlenbergbau in Mähren auf. Schon 1830 wurden zu
Rossitz zwei Versuchsöfen und 1836 auf der Rothschildschen Hütte
zu Witkowitz eine groſse Anlage von Kokshochöfen angelegt. 1838
und 1839 wurde der erste Kokshochofen in Österreich von englischen
Arbeitern, die Professor Riepel in England engagiert hatte, erbaut 1).
1843 waren in Mähren 15 Hochöfen, 1846 bereits 26 im Betriebe,
die sich auf 18 Eisenwerke verteilten. 2 Hochöfen gingen mit Koks.
Am bedeutendsten war die Zunahme der Puddel- und Walzwerke in-
folge der Schienenfabrikation und des Eisenbahnbedarfs.
Die meisten Hochöfen wurden mit heiſser Luft betrieben. Sehr
bedeutend war die Produktion von Guſswaren, dieselbe betrug etwa
¼ der ganzen Hochofenproduktion. Am wichtigsten hierfür war das
fürstlich Salmsche Eisenwerk zu Blansko, welches die Schule der
mährisch-schlesischen Gieſsereien geworden ist. Schon anfangs der
20 er Jahre hatte man dort einen Kupolofen erbaut, der mit dem
Cylindergebläse betrieben wurde. Er gab aber jedenfalls wegen der
zu starken Pressung des Windes schlechte Resultate und wurde (nach
Hollunder 1824) nur selten gebraucht. 1846 betrug die Produktion
dieses Werkes 50000 Ctr. Guſswaren und 24000 Ctr. gefrischtes und
gewalztes Eisen. Ein Teil des Eisens wurde in der mit dem Werke
verbundenen groſsen Maschinenfabrik verarbeitet. Das Blanskoer
Werk gab etwa 1000 Arbeitern ständige Beschäftigung.
Das Zöptauer Eisenwerk auf der Herrschaft Wiesenberg im
[744]Österreich 1831 bis 1850.
Olmützer Kreise, Eigentum der Gebrüder Klein, zeichnete sich be-
sonders als Walzwerk aus. Die Puddel- und Schweiſsöfen waren sehr
zweckmäſsig, namentlich auch für groſse Massen eingerichtet. Vorzüglich
war das dort gefertigte lange, starke Rundeisen, bis 36 Fuſs Länge und
3 Zoll Durchmesser, welches für die Förderung des Maschinenbaues
von groſser Wichtigkeit war. Zöptau hatte durch zweckmäſsige Ein-
richtungen und rationellen Betrieb den geringsten Kohlenaufwand, so-
wohl in den Frischherden als in den Puddelöfen. 1 Ctr. Frischeisen
erforderte nur 12 Kbfſs. weicher Holzkohle, und 100 Pfund Rohschienen
nur 95 Pfund Steinkohlen. Auch wurde hier zuerst in Mähren und
Schlesien die Kleinfrischerei eingeführt. Die Schienenfabrikation
lieferte 24000 Ctr. im Jahre.
Das fürst-erzbischöfliche Eisenwerk zu Friedland hatte 1839
durch die Einführung des heiſsen Windes bei den Hochöfen und
Frischfeuern seinen Betrieb sehr verbessert. Mit demselben war ein
Walzwerk und eine bedeutende Maschinenfabrik verbunden. Das gräf-
lich Harrachsche Eisenwerk zu Janowitz zeichnete sich durch seine
Holzkohlenbleche, namentlich auch durch sein schönes Weiſsblech aus.
Die groſsartigste Anlage war aber die des Baron Rothschild zu
Witkowitz. Es war das gröſste Schienenwalzwerk Österreichs und
lieferte damals schon über 80000 Ctr. im Jahre. Hierfür muſste das
Werk noch viel Roheisen, namentlich aus Ungarn, beziehen. Bereits
im Jahre 1832 war hier der erste Puddelofen in Betrieb gesetzt worden.
Im ganzen erzeugte Schlesien und Mähren 1846 in 116 Frisch-
feuern 164000 Ctr. Holzkohleneisen, und in den Puddelwerken
104000 Ctr. Schienen, zusammen 268000 Ctr., wofür noch etwa
70000 Ctr. Roheisen eingeführt werden muſste.
Die Karpathenländer hatten ebenfalls eine alte und wichtige
Eisenindustrie. Ungarns Produktion giebt Karsten nur zu 200000 Ctr.
an, 1846 betrug dieselbe von 33 Hochöfen und von 100 Hammer-
werken 360000 Ctr. Roheisen, 36000 Ctr. Guſseisen und 260000 Ctr.
Schmiedeeisen und Stahl.
In Niederungarn lagen die königlichen Hüttenwerke Rhonitz,
Mittelwald und Theisholz, im Banyer Distrikt die Eisenhütten zu
Strimbul und Olah-Lapos, im Bannat Bokschan und Reschitza. Im
Gömörer Komitat waren die Hradecker Hüttenwerke am bedeutendsten.
Als Musteranstalten galten besonders Rhonitz und die Prinz Koburg-
schen Werke. In dem Gebiete der Militärgrenze lieferten ferner
2 Hochöfen 18500 Ctr. Roheisen und 9100 Ctr. Guſswaren. Bei den
steigenden Holzpreisen anfangs der 40 er Jahre erregte Faber du
[745]Österreich 1831 bis 1850.
Faurs Erfindung der Feuerung mit Gichtgasen groſses Aufsehen in
Ungarn. Nicht nur die königlichen Eisenwerke, sondern auch die
herzoglich Sachsen-Koburgschen, die gräflich Andrassyschen und
die Aktiengesellschaft Qualition waren die ersten Käufer des Geheim-
nisses, und führten den Gastrieb ein.
Siebenbürgens Produktion (um 1839?) giebt Karsten zu
70000 Ctr. an. Die gröſsten Eisenwerke waren zu Vajda-Hunjad.
Galizien hatte 1843 18 Hochöfen, welche 38200 Ctr. Roheisen und
7500 Ctr. Guſswaren lieferten, davon das gröſste Hüttenwerk Jacobenia
15458 Ctr. Roheisen und 3066 Ctr. Guſswaren 1). Man zählte ferner
23 Frischfeuer mit 14 Hämmern, welche 1846 aus 54814 Ctr. Roheisen
37577 Ctr. verschiedene Schmiedeeisensorten herstellten.
Im ganzen österreichischen Kaiserstaate arbeiteten 1841 226 Hoch-
öfen, 32 Kupolöfen, 835 Eisen- und Stahlhämmer mit 1955 Feuer und
1538 Schlägen, 15 Puddelwerke mit 54 Puddelöfen, 32 Schweiſsöfen
und 38 Walzenpaare, 40 Walzwerke mit 112 Walzenpaaren und 94 Glüh-
öfen, 9 Guſsstahlöfen und 31 mit Eisenhütten verbundene mechanische
Werkstätten. Die Produktion betrug 2192640 Ctr. Roheisen, 364130 Ctr.
Guſseisen, 1375659 Ctr. Stabeisen, 11056 Ctr. Weiſsblech, 111646 Ctr
Schwarzblech, 208379 Ctr. Stahl 2).
Nach einer Zusammenstellung für 1843 waren in der ganzen
österreichischen Monarchie an verarbeitetem Eisen erzeugt worden:
Die einzelnen Länder hatten Roheisen verarbeitet:
Die Hochofenproduktion Österreichs von 1847, welche 3633239 W.-Ctr.
betrug, verteilte sich folgendermaſsen:
Erzeugung und Verbrauch von Roheisen in Österreich-
Ungarn 1831 bis 18501).
In Tonnen zu 1000 kg.
Der Normalzoll für Roheisen in Österreich vor 1848 betrug
4,50 fl. für 100 kg. Englische Schienen gingen seit 1837 vielfach
zollfrei ein.
Die Schweiz erzeugte gegen Ende der 40 er Jahre aus 12 Hoch-
öfen ca. 288000 Ctr. Roheisen und hieraus an 240000 Ctr. Schmiede-
eisen. Die Zahl der bei der Eisenindustie beschäftigten Arbeiter
betrug um 6000.
Über Italien fehlt es an genaueren Angaben aus den 40 er
Jahren und sind wir hauptsächlich auf die Mitteilungen in Karstens
Handbuch der Eisenhüttenkunde 1841 angewiesen.
Die Lombardei und Venedig gehörten damals zu dem Kaiser-
tume Österreich. In den drei Delegationen Sondrio, Bergamo und
Brescia wurde aus Spat- und Roteisenstein Roheisen geschmolzen, das
in Herden zu Stabeisen und Rohstahl verarbeitet wurde. Die Eisen-
hütten der Lombardei lagen in der Gegend zwischen Como- und
Gardasee, wo 15 Hochöfen im Betriebe waren 1). Direkt am Comer-
see lag die Hütte von Dongo. In der Delegation Sondrio lagen die
Eisenhütten zu Premadio, Cedrasso, Sondrio und Masino. Das Roh-
eisen wurde zu Stabeisen und zu Stahl verfrischt nach der sogenannten
bergamaskischen Methode. Die Eisenbereitung glich nach Audibert
in vieler Beziehung der im Siegerlande gebräuchlichen. Die ganze
Jahresproduktion der Lombardei und Venedig an Schmiedeeisen
betrug etwa 15000 Ctr.
Die Insel Elba lieferte ihre reichen vortrefflichen Erze allen
italienischen Staaten am Tyrrhenischen Meere. Die Ausfuhr betrug
gegen Ende der 30 er Jahre 380000 Ctr. Magnet- und Roheisenstein,
wovon Toskana 212000 Ctr., Genua 90000 Ctr., der Kirchenstaat
45000 Ctr. und Neapel 33000 bis 34000 Ctr. erhielten; etwa 5000 Ctr.
gingen nach Korsika. Mit Ausnahme von Toskana wurden die
Erze in Rennherden unmittelbar auf Stabeisen verschmolzen. Toskana
verschmolz die elbanischen Erze in Hochöfen auf den Hütten zu
Cecina, Fallonica, Valpiana und Pecia 2). Diese Hütten hatten sogar
die Winderhitzung eingeführt. Die jährliche Roheisenproduktion betrug
120000 Ctr., die Stabeisengewinnung 70000 Ctr.
Savoyen ist reich an gutem Spateisenstein, die in 13 oder
14 Hochöfen und in 30 Frischherden zu Stabeisen und Rohstahl ver-
arbeitet wurden. Die gesamte Produktion betrug 1834 etwa 21000 Ctr.
In Piemont wurde in den Thälern von Sesia und Aosta auf
Spateisen, zu Cogni und Traversella auf Magneteisenstein, der mehr
als 50 Rennherde beschäftigte, gebaut. Auſserdem zählte man in
Piemont über 30 Hochöfen und mehr als 30 Frischfeuer. Die jährliche
Erzeugung an Stabeisen und Stahl betrug über 129000 Ctr.
An der Riviera, von Nizza bis Genua, befanden sich Rennherde,
welche elbanische Erze verarbeiteten. Man schätzte die Produktion
dieses Küstengebietes auf 30000 Ctr. Stabeisen.
Das ganze Königreich Sardinien hatte eine Produktion von
170000 bis 175000 Ctr. Stabeisen und Rohstahl. Über die Draht-
fabrikation Sardiniens hat Le Play einen Aufsatz veröffentlicht 1).
Parma besaſs das Hüttenwerk Campiano, welches mit 1 Hoch-
ofen und 2 Frischfeuern etwa 2000 Ctr. Stabeisen lieferte, ebenso
Modena auf der Hütte Castelnuovo di Grafagnana.
Im Kirchenstaate fand nur Eisenbereitung in Luppenfeuern
an der Küste aus elbanischen Erzen statt, die etwa 16000 bis
18000 Ctr. Stabeisen lieferten.
Neapel besaſs nur 1 Hüttenwerk mit 1 Hochofen und 1 bis 2 Frisch-
herden zu Mongiana, welches Brauneisenerze von Pazzano in Kalabrien
verschmolz. Die Roheisenproduktion betrug 7000 bis 8000 Ctr., wo-
von der gröſste Teil, 5000 bis 6000 Ctr., zu Guſswaren, namentlich
zu Geschützen und Geschossen verwendet wurde. Die Luppenfeuer an
der Westküste schmolzen aus elbanischen Erzen etwa 12000 Ctr.
Die ganze Produktion Italiens würde demnach Mitte der 30 er
Jahre etwa 350000 Ctr. betragen haben. In den 40 er Jahren machte
die italienische Eisenindustrie keine nennenswerten Fortschritte.
Das erzreiche Spanien hatte ebenfalls nur wenige Verbesserungen
in seiner Eisenindustrie gemacht. In den klassischen Provinzen Biskaya,
Guipuzcoa und Navarra hielt man an dem alten Luppenfeuerbetriebe
(Ferrerieras) fest. Man unterschied drei Methoden, die katalonische,
die navarresische und die biskaysche, die sich nur durch die Formen
und Gröſsen der Herde unterschieden. Der Einsatz betrug:
Das Ausbringen:
(Landrin). Indessen betrug die gesamte Produktion der Ferrerieras
in den genannten Provinzen im Jahre 1842 nur 3200 Tonnen. Ver-
suche, modernere Betriebsarten in Spanien einzuführen, hatten geringen
Erfolg. 1828 hatte sich eine Gesellschaft gebildet, welche zu Rioverde
bei Marbella in Granada an der Südküste zwischen Gibraltar und
Malaga eine Eisenhütte mit Hochofen und Cylindergebläse anlegte,
um die reichen Magneteisenerze von Ronda zu verschmelzen.
1845 gab es 2 Eisenhütten bei Malaga 1), Constancia y Labor und
Ferreria y fundicion del Anjel. Erstere hatte 3 Hochöfen, die teils
mit Holz, teils mit Anthracit von Wales betrieben wurden. Sie waren
12,20 m hoch und wurden mit von der Gichtflamme stark erhitztem
Winde gespeist, bei einer Pressung von 3 Pfd. auf den Quadratzoll.
Man bediente sich der Wasserformen und eines Wasseraufzuges. Die
Anlage war nach englischer Art. Man hatte bei den sehr reichen
Erzen nur 35 bis 40 Proz. Schlacke auf 100 Roheisen.
1848 wurde in Biskaya der erste Hochofen auf dem Werke Santa
Ana de Bolueta in Betrieb gesetzt.
Vortreffliche Eisenerze hatte auch Galicien. Die Gruben von
Formigueiros und Roques in dem Gebirge von Courél lieferten jährlich
über 80000 Ctr. Zu Sargadelos, in der Nähe der Küste, befand sich
ein Eisenwerk mit 2 Hochöfen und einem Flammofen, wo Munition und
Töpfe gegossen wurden. Die Eisenhämmer in Galicien wie die in
Asturien waren alle ähnlich wie die in Biskaya. Hoppensack hatte
die Produktion von Spanien auf 170000 bis 180000 Ctr. angegeben
und Karsten glaubt nicht, daſs sie bis gegen 1840 gestiegen sei.
1849 wird die Produktion von Roheisen in Spanien zu 313704 Ctr.,
von Stabeisen zu 341424 Ctr. angegeben.
Portugal erzeugte in der Provinz Tras-os-Montes und Beira in
Luppenfeuern etwa 6000 Ctr. Stabeisen. Der Versuch bei Foz d’Alge,
westlich von Fuiguiero, eine Eisenhütte mit einem Hochofen nach
deutscher Weise zu betreiben, hatte ebensowenig Erfolg wie bei Mar-
bella in Spanien.
Eine erfreulichere Entwickelung nahm die Eisenindustrie in den
nordischen Ländern, wenn deren Holzkohlenindustrie auch unter der
Konkurrenz der immer groſsartiger sich entfaltenden Steinkohlen-
industrie schwer zu leiden hatte.
Schwedens Reichtum an Holz und vortrefflichen Eisenerzen ge-
stattete eine fast unbegrenzte Produktion. Dieselbe ging weit über das
Bedürfnis des Landes selbst hinaus und der Export war nur beschränkt
durch die Nachfrage anderer Länder und Handelskonjunkturen. Man
zählte gegen Ende der 30 er Jahre 340 Hochöfen, die aber nie alle
gleichzeitig im Betriebe waren, und 1400 Frischherde. Von den Hoch-
öfen lagen 76 in Orebro Län, ebensoviele in Stora Kopparbergs Län,
35 in Karlsstads Län, 31 in Gefleborgs Län und 31 in Westeräs Län,
15 in Jönköpings Län, 14 in Linköpings Län, 12 in Upsala Län,
12 in Kronaberger Län, 11 in Kalmar Län, 7 in Nyköpings Län,
6 in Stockholms Län, 4 in Wester Norrlands Län, 3 in Norbottens Län,
2 in Westerbottens Län, 2 in Skaraborgs Län, 1 in Jemtlands Län.
In den Jahren 1833 bis 1836 betrug die Produktion:
Im Jahre 1837 wurden in 1285 Frischherden unter 816 Hämmern
521084 Schiffspfund (= 83373 Tonnen) erzeugt. Die Zahlen beweisen
eine Zunahme der Produktion. Die Eisenerzeugung Schwedens war
aber ganz abhängig von dem Export und deshalb von Handels-
konjunkturen. Als geschichtliche Merkwürdigkeit ist zu erwähnen,
daſs in den 30 er Jahren in Jemtland noch ein Stückofen (Osemund-
ofen) in Thätigkeit war. Jedes Frischfeuer soll zwar nur ein bestimmtes
(privilegiertes) Quantum Stabeisen anfertigen, die Erlaubnis für Über-
produktion wurde aber leicht erteilt, wenn die Handelsverhältnisse
günstig waren.
Die Ziffern der Ausfuhr 2) sind deshalb für Schweden noch wich-
tiger wie die der Produktion. Die Ausfuhr betrug:
Groſsbritannien und Nordamerika waren die Hauptabnehmer für
schwedisches Eisen, hauptsächlich für ihre Cement- und Guſsstahl-
fabrikation. Im Durchschnitt entfielen auf Groſsbritannien 90000 Schiffs-
pfund (14400 Tonnen), auf Nordamerika 80000 (12800 Tonnen), auf
Frankreich 40000 (6400 Tonnen), auf Dänemark 30000 (4800 Tonnen),
auf die norddeutschen Länder 54000 Schiffspfund (8640 Tonnen).
Die ersten Versuche mit erhitztem Winde beim Hochofenbetriebe
wurden 1833 unter af Uhrs Leitung auf der Hütte zu Brefven, welche
dem Oberst Ankarswärd gehörte, mit bestem Erfolge vorgenommen.
Rasch folgten die Hütten zu Arkarsum, Österby, Forsarström, Högfors,
Lexjö und Höltspö in Westerburg Län, zu Dalkarlsjö und Dormsjö
in Wärmland, zu Aker in Nyköping Län, zu Skögalvlen in Orebro
Län diesem Beispiele. Zu Ankarsum betrug die Ersparnis an Erz
10,44 Proz., an Kalk 51,60, an Kohlen 40,28, an Zeit 20,10.
Die Eröffnung des Göthakanals am 26. September 1832 war auch
für die Eisenindustrie Schwedens ein groſser Fortschritt. Dieser
Kanal, der unter Benutzung der groſsen Landseen, des Wener-, Wetter-
und Mälarsees die Nordsee mit der Ostsee verbindet, war damals einer
der gröſsten Kanäle der Welt. Er war 82 deutsche Meilen lang und
für Schiffe von 22 Fuſs Breite und 9½ Fuſs Tiefgang eingerichtet.
22 Jahre wurde daran gebaut. Er kostete über 30 Millionen Mark,
wovon der Staat mehr als 18 Millionen bezahlt hatte.
In den 40 er Jahren stieg die Eisenproduktion Schwedens. 1845
lieferten 204 Hochöfen 502059 Schiffspfund (80329 Tonnen), 1847
222 Hochöfen 708123 (113300 Tonnen) und 1850 betrug die Produk-
tion der Hochöfen sogar 727597 (116416 Tonnen).
An Guſswaren wurden 1847 erzeugt
Die Stabeisenerzeugung betrug 1845 568491 Schiffspfund
(90959 Tonnen), 1847 619872 Schiffspfund (99020 Tonnen), 1850
645934 Schiffspfund (103349 Tonnen). Die Stabeisenausfuhr betrug
1849 595974 Schiffspfund (95356 Tonnen).
Es betrug die Ausfuhr
Aus den 40 er Jahren sind die Nachrichten weniger vollständig 1).
In Norwegen zählte man 13 Hochöfen im Stifte Aggerhuus, dar-
unter Bärum, Fessum, Edsvold, Mos, 4 in dem Stifte Christianssand,
4 in der Grafschaft Laurvig und einen in der Grafschaft Jarlsbey.
Das hauptsächliche Erz war Magneteisenstein von Arendal. An Guſs-
waren, meistens Öfen und Töpfe, wurden 10000 bis 12000 Ctr. (500 bis
600 Tonnen) angefertigt, während die Stabeisenfabrikation auf
29000 Schiffspfund (4640 Tonnen) angegeben wurde.
Die Frischmethode war die deutsche.
Ruſslands Reichtum an vorzüglichen Eisenerzen ist ein auſser-
ordentlicher, und da es Überfluſs an Holz besaſs, war die Produktion
eine mit dem zunehmenden Bedarf steigende. Genaue Aufstellungen
über die Eisenproduktion der verschiedenen Provinzen des Russischen
Reiches hatten Herrmann und Storch um 1825 gegeben 2). Die Roh-
eisenproduktion Ruſslands belief sich damals auf 9756791 Pud 3)
(157008 Tonnen), wovon das Gouvernement Perm allein ⅔ lieferte; das
Gouvernement Orenburg hatte die nächst groſse Produktion. Diese
beiden Gouvernements enthalten die sogenannten uralischen Hütten.
Die bedeutendsten Eisengieſsereien waren die der Krone gehörigen zu
Kronstadt, wo jährlich 75000 Pud Guſswaren, meist Munition, gemacht
wurden, zu St. Petersburg mit 100000 Pud (1640 Tonnen) Produktion,
zu Kontschosersk mit 50000 Pud (820 Tonnen) und zu Alexandrowsk
mit 170000 Pud (2788 Tonnen) Jahresproduktion. Die beiden letzteren
[753]Ruſsland 1831 bis 1850.
Werke lagen im Gouvernement Olonetz und lieferten hauptsächlich
Kriegsmaterial. Ersteres hatte 2, letzteres 4 Hochöfen. Man ver-
schmolz fast nur Seeerze (von 40 bis 50 Proz.) und Schlammerze (von
30 Proz.). Die besten Seeerze lieferte der See Tuma 1). Ein anderes
Guſswerk war zu Lugansk im jekaterinoslawskischen Gouvernement.
Dieses schmolz sibirisches Roheisen in Flammöfen um, ebenfalls für
Artilleriebedürfnisse. Hier befanden sich 2 Hochöfen, in denen man
die ersten Versuche gemacht hatte, Roheisen mit Koks aus Steinkohlen
aus der Gegend von Bachmut am Donetz zu erblasen. Doch waren
die Versuche nicht günstig ausgefallen. Auf mehreren Hütten hatte man
mit gutem Erfolge einen Teil der Holzkohlen durch rohes Holz ersetzt.
Es wurde immer noch viel Eisen in niedrigen Bauernöfen und in
Luppenfeuern dargestellt. Auf diese Art wurde viel Raseneisenstein
in den Gouvernements Olonetz, Nowgorod, Kostroma und Wologda
verschmolzen.
Unter den uralischen Hütten hatte das der Krone gehörige Hütten-
werk Wotkinsk eine groſse Ausdehnung erhalten. Hier wurden jährlich
200000 Pud Stabeisen aus dem Roheisen von den goroblagodaskischen
Hütten bereitet. Auch hatte man daselbst Ende der 30 er Jahre die
Puddelfrischmethode mit Holz eingeführt. Über Betriebsresultate bei
den uralischen Hütten hat der Ingenieur-Kapitän W. de Rachette
Mitteilungen veröffentlicht 2).
Groſse Vorteile ergaben sich durch den von Direktor Thoma
1847 eingeführten Gaspuddelofenbetrieb auf dem der Fürstin von
Butera-Radali gehörigen Hüttenwerke Liswenskoi-Sawod am Ural.
Es trat dadurch eine Holzersparnis von 46000 Klftr. auf 18000 Klftr.
und mehr ein 3). Schon 1843 hatte man auf der Wotinskischen
Hütte Gasbetrieb eingeführt 4).
Ferner erreichte man groſse Erfolge durch starke Windpressung
und genaue Kontrolle derselben. Nach Teploff waren die damit er-
zielten Vorteile gröſser als die mit heiſsem Winde erzielten.
In dem russischen Bergwerksjournal wurde die Produktion von Roh-
eisen 5) im Jahre 1832 zu 9775389 Pud (160316 Tonnen) angegeben,
Beck, Geschichte des Eisens. 48
[754]Eisenstatistik Europas 1831 bis 1850.
wovon 975957 Pud (15906 Tonnen) auf Kronwerken, 8874276 Pud
(144410 Tonnen) auf Privatwerken gewonnen worden waren.
1839 war die Produktion beträchtlich gestiegen, nämlich auf
12400000 Pud (203360 Tonnen), wovon 1700000 Pud (17880 Tonnen)
auf Kronwerke, 10700000 Pud (175480 Tonnen) auf Privatwerke ent-
fielen. Die Stabeisenerzeugung betrug in demselben Jahre 7000000 Pud
(114800 Tonnen). 1848 belief sie sich auf 8513673 Pud (139624 Tonnen).
A. Köppen teilt in dem Berichte zur Weltausstellung in Chicago
folgende Produktionsziffern in Millionen Pud für das Russische Reich
in diesem Zeitabschnitte mit:
Die Stahlproduktion spielte erst seit 1847 eine Rolle und betrug
in den Jahren 1847 bis 1850 durchschnittlich 63000 Pud (103,3 Tonnen)
im Jahre.
Polen hatte zwei Eisenindustriebezirke, einen östlichen und einen
westlichen. In dem östlichen fand nur Holz- und Holzkohlenbetrieb
statt. Die Hüttenwerke waren nicht sehr groſs. Das kaiserliche Hütten-
werk Konieczpol war das bedeutendste; hier hatte man das Holz-
puddelfrischen eingeführt. In dem westlichen Bezirke wurde auch
ein Teil der Werke mit Holz betrieben, auſserdem aber hatte die
russische Regierung zwei groſse Anlagen für Steinkohlen- und Koks-
betrieb errichtet: Nieffka hatte 2 Hochöfen und 1 groſses Puddelwerk,
Dombrowka 6 Hochöfen und 1 sehr groſses Puddelwerk mit 18 Puddel-
öfen. Die Steinkohlen kamen in unmittelbarer Nähe der Werke vor.
1839 wurden in Polen 9207,5 Tonnen Eisen von Hochöfen, dar-
unter 79700 Ctr. (3985 Tonnen) Guſswaren erzeugt. Die Stabeisen-
erzeugung betrug 80610 Ctr. (4030,5 Tonnen).
1849 wurden in Polen in 38 im Betriebe stehenden Hochöfen
375632 Ctr. (18781,6 Tonnen) Roheisen dargestellt, also mehr als das
Doppelte in 10 Jahren. Die auſserordentliche Zunahme war nur den
Steinkohlenwerken zu verdanken.
Folgende Tabelle giebt eine Zusammenstellung der Roheisen- und
Stabeisenfabrikation der europäischen Länder um 1838 (nach Karsten)
und 1848 (nach Hartmann):
In Tonnen betrug die Roheisenproduktion der wichtigsten eisen-
erzeugenden Länder wie folgt:
Groſsbritannien produzierte also mehr als das ganze übrige Europa
zusammen, nämlich 1838 58,8 Proz., 1848 57,1 Proz. der Gesamt-
produktion.
Im Verhältnis zur Einwohnerzahl war die britische Produktion
ebenfalls bei weitem am gröſsten, wie aus nachstehender Zusammen-
stellung für das Jahr 1843 hervorgeht:
Von geschichtlichem Interesse sind auch die groſsen Preisschwan-
kungen des Eisens, welche auf dem britischen Eisenmarkte im Ver-
laufe dieser Periode eintraten und damals bereits auch die Eisen-
preise der übrigen europäischen Staaten in Mitleidenschaft zogen.
Diese Schwankungen beruhten teilweise auf dem ungleichen Bedarf
infolge der Eisenbahnbauten, zum Teil war er die Folge von Handels-
spekulationen. Das Eisen war in England und Schottland bereits ein
Spekulationsartikel geworden, der besonders in Form von Lagerscheinen
(Warrants) börsenmäſsig gehandelt wurde.
Mischler hat in seinem vortrefflichen Werke über das deutsche
Eisenhüttengewerbe die Preisbewegung von 1830 bis 1852 in Eng-
land und Schottland graphisch dargestellt und dadurch sehr verzerrte
Kurven erhalten. Der Preis des englischen Stabeisens begann 1830
mit 124 Schilling die Tonne, stieg in auf- und absteigender Linie
1836 bis auf 212 Schilling, fiel dann in Zickzacklinie bis 1839 auf
195 Schilling, von da in jähem Sturze bis 1843 auf 97 Schilling, um
von da bis 1847 wieder bis zu 181 Schilling zu steigen, dann aber
bis 1850 wieder bis 100 Schilling für die Tonne zu stürzen.
Der Zeitabschnitt von 1831 bis 1850 ist für die Geschichte der
Eisenindustrie der Vereinigten Staaten von Nordamerika von
besonderer Wichtigkeit, denn in ihm vollzog sich der wichtige Um-
schwung, welchen die Verwendung des mineralischen Brennstoffes
an Stelle des vegetabilischen zur Folge hatte. Erst 100 Jahre später
als in England ging man in Nordamerika zur Verwendung der Stein-
kohle in der Eisenindustrie über. Der auſserordentliche Reichtum an
Holz hatte die Beachtung der noch groſsartigeren Vorräte an mine-
ralischem Brennstoff so lange verzögert. Jetzt aber, wo durch den
Bau der Eisenbahnen der Bedarf an Eisen sich rasch steigerte und
Massenproduktion erforderte, sah man sich in den Centren der Eisen-
industrie, für welche die Herbeischaffung so groſser Holzvorräte bereits
schwierig wurde, nach dem konzentrierteren Brennstoff, der Steinkohle,
um. Der Reichtum und die Ausdehnung der Steinkohlenablagerungen
in Nordamerika war ein ganz auſserordentlicher und die Güte der
Kohlen eine vorzügliche. In den groſsen Anthracitlagern Pennsyl-
vaniens war ein Brennstoff von gröſster Reinheit und Heizkraft
geboten. Aber auch die bituminösen Kohlen waren ebenso geeignet
als Flammkohle wie zur Koksbereitung.
Ungefähr mit dem Jahre 1840 endet die Holzkohlenperiode und
beginnt die Steinkohlenperiode in der amerikanischen Eisenindustrie.
Doch ist dies nur im allgemeinen zu verstehen. Die erfolgreiche Ein-
führung der Steinkohle in den Hochofenbetrieb hatte keineswegs eine
sofortige Verdrängung der Holzkohlenhochöfen zur Folge, vielmehr
sehen wir gerade im Gegenteil, daſs dieselbe der Holzkohlenindustrie
einen neuen Impuls gab, indem zu keiner Zeit so viele neue Holzkohlen-
öfen gebaut wurden, wie gerade in den 10 Jahren von 1840 bis 1850.
Der Holzreichtum der von den Industriecentren entfernteren Gebiete
war eben noch ein sehr groſser. Es waren hauptsächlich die tech-
nischen Fortschritte, welche die groſse Steigerung der Eisenproduktion
in diesem Zeitraume bewirkten. Von diesen nennen wir die Aus-
breitung des Puddelprozesses und der Walzwerke an Stelle der alten
Eisenhämmer, die Verwendung des Anthracits und der Steinkohle in
den Puddelöfen und den Hochöfen, in Verbindung hiermit die An-
wendung des erhitzten Windes. Der Bedarf an Eisen steigerte sich
durch den Bau zahlreicher Eisenbahnen. Anfangs bezog man das Eisen-
material dafür, namentlich die Schienen, noch fast ausschlieſslich aus
[758]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
England, und diese Einfuhr wurde begünstigt durch eine freihändlerische
Richtung der Zollgesetzgebung. Nachdem die Regierung den groſsen
Nachteil der Begünstigung fremder Einfuhr durch eine für die
heimische Industrie nachteilige Zollpolitik erkannt hatte, änderte man
diese und unterstützte das Streben, die Eisenbahnschienen im eigenen
Lande herzustellen. Dies gelang zuerst Peter Cooper im Jahre
1845 in seinem bei Trenton erbauten Schienenwalzwerke. Hand in
Hand mit diesen Fortschritten ging eine erstaunliche Entwickelung
des Maschinenbaues. Zahlreiche andere Verbesserungen werden wir
noch zu erwähnen Gelegenheit haben. Diese technischen Fortschritte
waren aber anfangs durch eine der heimischen Industrie feindliche
Handelspolitik der Regierung sehr erschwert worden. Es war den
reinen Ackerbaustaaten des Südens unter der Führung von Süd-Karo-
lina, welches sogar mit seinem Austritt aus der Union gedroht hatte,
gelungen, die Regierung einzuschüchtern und einen niedrigeren Zoll-
tarif im Jahre 1832 durchzusetzen. Dadurch nahm die Einfuhr fremden
Eisens ganz auſserordentlich zu, so daſs sie 1836 und 1837 den Wert
von 24 Millionen Dollar überschritt. Dies war nicht nur ein groſser
Nachteil für die inländische Eisenindustrie, sondern für das ganze
Land und führte 1837 zu einer ernsten Handelskrisis, fast zu einem
Zusammenbruch der heimischen Industrie. Von da ab strebten die
Verständigen nach einem besseren Schutze der Industrie durch ent-
sprechende Einfuhrzölle. Aber erst 1841 kam ein neuer Tarif zu-
stande, der wenigstens einigermaſsen das heimische Eisengewerbe
schützte.
Die Lage jener Zeit wird am besten beleuchtet in einer von
Nichola Biddle im Jahre 1840 zu Ehren des verdienstvollen Eisen-
industriellen W. Lyman gehaltenen Rede. „Die Vereinigten Staaten“,
sagte er, „enthalten nach den besten Schätzungen nicht weniger als
80000 englische Quadratmeilen Steinkohlen, was mehr als das 16 fache
der Kohlenlager Europas ausmacht. Ein einziges dieser riesenhaften
Lager geht in einer Länge von 900 Meilen von Pennsylvanien nach
Alabama und umfaſst etwa 50000 Quadratmeilen, soviel wie ganz
England. In Pennsylvanien allein haben wir 10000 Quadratmeilen
Kohlen und Eisen, während ganz Groſsbritannien und Irland nur
2000 Quadratmeilen besitzen, so daſs Pennsylvanien allein fünfmal
soviel Kohlen und Eisen enthält, als das Land, dem wir jetzt jährlich
8 bis 10 Millionen Dollar für Eisen bezahlen. … Kohlen und Eisen
haben Groſsbritannien zu dem gemacht, was es ist, und haben ihm
die Macht von 400 Millionen Menschen gegeben und die Fabriken
[759]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
hervorgerufen, welche uns wie die übrige Welt zu ihren Schuldnern
gemacht haben; warum sollen wir sie nicht unter den mindestens
ebenso günstigen Verhältnissen zu den Werkzeugen unserer Unab-
hängigkeit machen?“
Von 1843 an folgte dann auch ein groſser Aufschwung der Eisen-
industrie, der erst durch die allgemeine Handelskalamität im Jahre
1848 und den darauf folgenden Jahren einen Rückgang erfuhr.
Folgende Zahlen zeigen uns die auſserordentliche Zunahme der
Produktion in diesem Zeitraume 1):
In der folgenden Tabelle stellen wir die Produktion an Roheisen
nach R. W. Raymond2) und die Preise von Roheisen und Schmiede-
eisen pro Tonne nach J. W. Swank für den ganzen Zeitraum zu-
sammen:
Bis 1844 beziehen sich die Preise auf Holzkohlenroheisen und
Frischstabeisen, von 1845 an auf Anthracitroheisen und Walzeisen.
Die Anwendung des Anthracits und der bituminösen Kohle fand
fast gleichzeitig statt.
Einzelne Versuche, Anthracit im Hochofen mit Holzkohle
gemischt zu verwenden, waren schon früher gemacht worden. Nach
W. Firmstone wäre es bereits im Jahre 1806 Olivier Evans
gelungen, Eisen mit Anthracit im Hochofen zu schmelzen 1). Jesse
B. Quinby verwendete 1815 für kurze Zeit ½ Anthracit und
½ Holzkohle in dem Harfordhochofen in Maryland. Dasselbe Gemisch
verwendete Peter Rittner 1824 und 1828 in einem Holzkohlenofen
in Perry-County, Pennsylvanien. 1826 errichtete die Lehigh Kohlen-
und Schiffahrtsgesellschaft zu Mauch Chunk (Pa.) einen kleinen Ofen,
um Eisenerze mit Anthracit zu schmelzen, ohne Erfolge damit zu er-
zielen. Ein ähnlicher vergeblicher Versuch wurde 1827 zu Kingston
in Massachusetts angestellt. Alle diese Versuche waren mit kaltem
Winde gemacht. Als aber Neilsons Erfindung der Winderhitzung
in Amerika Eingang fand, änderte sich die Sache. Dem Deutschen
Dr. Friedrich W. Geiſsenhainer2) gelang es zuerst, 1830 und
1831 in einem kleinen Versuchsofen zu New-York Eisenerze mit
Anthracit bei heiſsem Winde zu schmelzen. Im September 1831
meldete er seine Erfindung zum Patent an, das ihm am 19. Dezember
1833 erteilt wurde „für eine neue und nützliche Verbesserung in
der Eisen- und Stahldarstellung durch die Anwendung von Anthracit-
kohle“. Nach Geiſsenhainer war eine hohe Windpressung die Haupt-
sache, Winderhitzung vorteilhaft. Er baute einen Hochofen Valley
furnace am Silver Creek in Shuylkill-County, Pa., etwa 10 engl.
Meilen nördlich von Pottsville, worin er mit gutem Erfolge im August
[761]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
und September 1836 Eisen mit Anthracit schmolz. Er wendete dabei
eine Windpressung von 3 bis 3½ Pfund auf den Quadratzoll an und
erhitzte den Wind. Ehe er noch die geplanten Verbesserungen an
seinem Ofen ausführen konnte, starb er am 27. Mai 1838 zu New-York.
Geiſsenhainer hat groſse Verdienste um die Eisenindustrie der
Vereinigten Staaten. Es verdient hier bemerkt zu werden, daſs Georg
Crane, Hochofenbesitzer zu Yniscedwin in Süd-Wales, sein bekanntes
Patent für die Verwendung der Anthracitkohle von Wales im Hoch-
ofen mit heiſsem Winde erst 3 Jahre nach Geiſsenhainers Patent
nahm. Erst am 7. Februar 1837 hatte Crane diesen Betrieb in
England begonnen, allerdings mit solchem Erfolge, daſs er alsbald
etwa 36 Tonnen Roheisen die Woche erzeugte. Er konnte aber in
Amerika kein Patent erhalten und kaufte deshalb 1838 Geiſsen-
hainers Patent von dessen Testamentsvollstreckern für 1000 Dollar,
worauf er sich nur einige Nachträge dazu patentieren lieſs. Cranes
Agenten erlieſsen einen Aufruf wegen der Ausbeutung der Erfindung und
1839/40 bildete sich auf das Betreiben von W. Roberts in Philadelphia,
der Cranes Verfahren in England kennen gelernt hatte, die Lehigh-
Crane-Eisengesellschaft, die sofort den ersten mit dauerndem Erfolge
betriebenen Anthracithochofen im Lehighthal erbaute.
Geiſsenhainer war nicht der einzige geblieben, der Anthracit
im Hochofen zu verwenden versuchte. 1836/37 hatte auch John Pott
in dem Mannheim-Hochofen zu Cressona in Shuylkill-County Ver-
suche gemacht, anfangs bei kaltem Winde mit einem Gemisch von
Holzkohle und Anthracit, dann bei heiſsem Winde und Anthracit. Der
Erfolg war aber gering wegen zu schwacher Windpressung. 1837 baute
Jarvis van Buren zu South Easton, Northhampton-County, einen
Hochofen, um mit Anthracit zu experimentieren. Im Frühjahr 1838
gelang es ihm auch, 20 Tonnen Roheisen zu schmelzen, doch wurde
der Betrieb wegen zu schwachen Windes eingestellt. 1838 wurde
zu Mauch Creek von J. Baughman, J. Guiteau und H. High
von Reading ein Hochofen gebaut, in dem kurze Zeit hindurch mit
80 Proz. Anthracit und warmem Wind geschmolzen wurde. Der
nächste Anthracitofen war der von William Lyman von Boston er-
baute Pioneer furnace bei Pottsville. Im Juli 1839 wurde darin der
erste Versuch, mit Anthracit zu schmelzen, gemacht, jedoch ohne
Erfolg. Am 19. Oktober 1839 wurde der Ofen unter der Leitung
von B. Perry von neuem angeblasen und nun wurde ein vollständiger
Erfolg erzielt. Man hatte Wind von 600° F., eine Dampfmaschine
trieb das Gebläse. Die Wochenproduktion betrug 28 Tonnen und
[762]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
konnte der Betrieb geraume Zeit fortgesetzt werden. Infolgedessen
erhielt Lyman den von N. Biddle, Patterson und anderen aus-
gesetzten Preis von 5000 £ für den amerikanischen Ofen, der in regel-
mäſsigem Betriebe länger als 3 Monate mit Anthracit schmölze (1840
wurde Lyman wegen seines Erfolges zu Pottsville
ein Festessen veranstaltet, wobei Biddle die oben
erwähnte Rede hielt). Lyman hatte an Crane
25 cents pro Tonne Roheisen Patentgebühr zu be-
zahlen. Der Pioneerofen, obgleich mehrfach umge-
baut, besteht noch. Diesem folgten 1840 im April
der Danvilleofen, im Mai der Roaring Creekofen,
beide in Montour-County, im Juni der Phönixville-
ofen, dann am 2. Juli der Columbiaofen bei Danville
und am 3. Juli der von David Thomas, einem
früheren Associer von Crane, erbaute Craneofen,
der gröſste der genannten. Sein Erfolg gab die Ver-
anlassung zur Erbauung gröſserer Öfen für den Be-
trieb mit Anthracit. Dieselben zeichneten sich weniger
durch ihre Höhe als durch die Weite des Schachtes
aus. Vorstehendes Profil des Phönixvilleofens (Fig. 264) zeigt die
Gestalt dieser Öfen. In nachfolgender Zusammenstellung teilen wir
die Hauptdaten über die ältesten Anthracithochöfen der Vereinigten
Staaten der Reihe nach mit:
Der Craneofen wurde bis 1879 betrieben.
Thomas baute noch vier weitere Öfen für die Lehigh-Crane-
Company. Der gröſste durch ihn veranlaſste Fortschritt bestand in
der Einführung starker Dampfgebläsemaschinen von England. Dadurch
hauptsächlich hat er dem Anthracitbetrieb den durchschlagenden Er-
folg bereitet. Thomas1), den man in Amerika als den eigentlichen
[763]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
Begründer der Anthracit-Eisenindustrie verehrt, gründete die Thomas-
Eisen-Gesellschaft zu Hokendauqua, die lange die Führerschaft in der
Anthracitindustrie behauptete.
Die Entdeckung, daſs man Eisenerze mit rohem Anthracit ver-
schmelzen könne, gab nicht nur der Eisenindustrie Pennsylvaniens,
sondern auch der der benachbarten Staaten New-York, New-Jersey
und Maryland neuen Aufschwung. Der erste Anthracithochofen auſser-
halb Pennsylvaniens wurde 1840/41 zu Stanhope in New-Jersey erbaut
und am 1. April 1841 angeblasen. 1846 zählte man in Pennsylvanien
und New-Jersey schon 42 Anthracithochöfen. Der Anthracit muſste
vor dem Aufgeben zerquetscht werden, weil er in groben Stücken
decrepitierte. Man bediente sich hierzu der Battinschen Quetsch-
maschinen, von denen 1848 allein in Pennsylvanien 62 im Betriebe
waren.
Die bituminöse Steinkohle, obgleich längst bekannt, fand erst
spät beim Hochofenprozeſs Anwendung. Alle Versuche vor 1840
hatten keinen durchschlagenden Erfolg gehabt. Auch hier führte erst
die Anwendung des heiſsen Windes zum Ziele. Der erste 1819 bei
Armstrong city, Pa., erbaute Kokshochofen, Bear Creek Furnace, fror
schon beim Anblasen ein. Daſs man aber guten Koks aus amerika-
nischen Kohlen herstellen konnte, galt 1834 als erwiesene Thatsache.
Es schien deshalb dem Hochofenbetriebe mit Koks, wie er in England
betrieben wurde, nichts im Wege zu stehen. Um dazu anzueifern,
setzte 1835 das Franklininstitut in Philadelphia eine groſse goldene
Medaille als Preis für denjenigen aus, der während eines Jahres die
gröſste Menge Eisen mit bituminöser Kohle oder Koks machte, aber nicht
unter 20 Tonnen. Dieses Preisausschreiben gab eine mächtige An-
regung. Schon 1835 gelang es dem tüchtigen englischen Hochofen-
ingenieur William Firmstone1), etwa einen Monat lang gutes
graues Roheisen im Mary Ann Furnace, Huntingdon-County, Pa., mit
Koks der Broad-Topkohle zu machen. Firmstone war auch einer
der ersten, die mit heiſsem Winde bliesen. Er erhob indes keinen
Anspruch auf die Medaille, ebensowenig F. H. Oliphant, der 1837
im Fairchanceofen bei Uniontown in Fayette-County weit mehr als
20 Tonnen Roheisen mit Koks erblies. Auch die Regierung des
Staates Pennsylvanien stellte Vergünstigungen für die Hütten mit
Steinkohlen- oder Koksbetrieb in Aussicht. 1837 machte ein Hoch-
[764]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
ofen zu Farrandsville, Clintor-County, an 3500 Tonnen Roheisen mit
Koks, aber es war schlecht und teuer, so daſs das Unternehmen
scheiterte. Auch auf der Karthaushütte in Clearfield-County gelang
es der Gewerkschaft, im Jahre 1839 unter William Firmstones
Leitung Roheisen mit Koks und heiſsem Winde zu erzeugen, aber die
Transportverhältnisse waren so ungünstig, daſs der Betrieb nicht fort-
gesetzt wurde.
Den ersten durchschlagenden Erfolg mit bituminöser Kohle er-
zielten drei Hochöfen im westlichen Maryland; der erste war der
Lanaconingofen am Georges Creek, der 1837 erbaut war; 1839 machte
er 70 Tonnen gutes graues Eisen die Woche mit Koks. Der Ofen
war 50 Fuſs hoch, der Wind wurde in Apparaten, die nahe den Form-
gewölben standen, auf 700° F. erhitzt. Die Gebläsedampfmaschine
hatte 60 Pferdekräfte. Den nächsten Erfolg hatten zwei im Jahre
1840 in derselben Gegend am Jennings Creek von der Mount Savage-
Eisengesellschaft erbaute Hochöfen, die mehrere Jahre hindurch mit
Erfolg mit Koks betrieben wurden. 1841 wurden die ersten Ver-
kokungsöfen, englische Bienenkörbe, zu Connelsville angelegt. Trotz-
dem machte der Hochofenbetrieb mit Koks nur sehr langsam Fort-
schritte. 1849 ging in Pennsylvanien nicht ein einziger Ofen mit
Koks, und Overman schreibt in seiner Eisenhüttenkunde 1849, es sei
ihm in den Vereinigten Staaten kein Hochofen mit Koksbetrieb
bekannt. Erst nach dem Jahre 1850 änderte sich dies.
Die erste Anwendung des heiſsen Windes in den Vereinigten Staaten
hatte William Henry bei dem Oxfordofen in New-Jersey gemacht.
Die Erhitzung geschah in Röhren über der Gicht. Für die Nutzbar-
machung der Hochofengase hat sich ein Deutscher, C. E. Detmold,
der 1844 für Faber du Faur auf dessen Verfahren ein Patent nahm,
groſse Mühe gegeben. J. Guiteau soll schon 1840 die Gichtflamme
zur Winderhitzung benutzt haben. David Himrod in Youngstone
schmolz 1846 zuerst mit roher gewöhnlicher Steinkohle.
Der Erfolg, den man beim Hochofenbetriebe mit Anthracit er-
zielte, gab Veranlassung, denselben auch in den Puddel- und Schweiſs-
öfen zu benutzen. Die Bostoner Eisengesellschaft hatte schon 1823
Versuche im Schweiſsofen damit angestellt, nachdem Cyrus Alger
von South Boston in demselben Jahre einen erfolgreichen Versuch
mit Anthracit im Kupolofen gemacht hatte. 1825 wurde zum ersten-
mal auf dem von Jonas und Georg Thompson errichteten Walz-
werke Phönixville Anthracit zur Dampfkesselheizung verwendet und
zwei Jahre später ebendaselbst auch im Puddelofen. Doch kam die
[765]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
Verwendung des Anthracits zu diesem Zwecke erst seit 1840 in
Pennsylvanien in allgemeine Anwendung, nachdem 1839 die Boston-
Eisengesellschaft mit gutem Erfolge vorangegangen war. 1846 gab es
bereits 27 Walzwerke in diesem Staate, die Anthracit bei den Puddel-
und Schweiſsöfen und den Dampfkesseln verwendeten.
Einen ungeheuren Aufschwung veranlaſste der Bau von Eisen-
bahnen in Amerika. Trambahnen mit Holzbalken als Schienen hatte
man in den Vereinigten Staaten schon seit 1807 verwendet. 1826
belegte die Quincybahn in Massachusetts ihre Holzschienen mit Eisen-
blechstreifen von 3 Zoll Breite und ¼ Zoll Dicke. Diesem Beispiele
folgten die Mauch-Chunkbahn 1827 und verschiedene andere Bahnen.
Am 24. Mai 1830 wurde eine Teilstrecke der Bahn von Baltimore
nach Ohio als erste Passagierbahn eröffnet. Vom 6. Dezember 1830
ab wurde ein Stück der Charleston- und Hanbury-Eisenbahn in Süd-
Karolina mit einer Lokomotive befahren, die ebenfalls auf Holz-
schienen mit aufgenageltem Flacheisen lief. 1833 war diese Bahn
mit 135 engl. Meilen die längste der Erde. Auf der Allegheny-Por-
tage-Eisenbahn in Pennsylvanien wendete man 1833 zum erstenmal
gewalzte Eisenbahnschienen an und zwar englische Clarenceschienen.
Auf der Boston-Lowellbahn, die 1835 eröffnet wurde, hatte man teils
englische Fischbauchschienen, teils Brückenschienen. Am meisten
blieben aber die benagelten Holzschienen in Anwendung, und zwar
bis 1850.
Bis zum neuen Zolltarif vom 11. September 1841 gingen alle
Eisenbahnschienen frei ein. Unter diesen Umständen war die in-
ländische Industrie auſser stande, Schienen zu fabrizieren, dieselben
wurden alle aus England bezogen. Erst nach Einführung des neuen
Tarifs, der die Einfuhr von Eisenbahnschienen mit einem Zoll belegte,
begannen amerikanische Kapitalisten die Fabrikation von Schienen
ins Auge zu fassen. Das Eisenbahnnetz der Vereinigten Staaten
wuchs infolge der groſsen Entfernungen, die es miteinander verbinden
muſste, sehr rasch; 1844 betrug es bereits 4185 engl. Meilen. Diese
waren noch ausschlieſslich mit fremden Schienen belegt, indem man
bis dahin noch keine Schiene in Amerika gewalzt hatte. In diesem
Jahre wurden allein 8300 Tonnen Eisenbahnschienen nach England
zur Lieferung vergeben. 1844 begann man im Mount-Savage-Walz-
werke in Maryland die ersten Eisenbahnschienen im Brückenschienen-
oder H-profil (Evans Patent) zu walzen, wofür diesem Werk im Oktober
die vom Franklininstitut ausgesetzte silberne Medaille zuerkannt wurde.
Diese Schienen wogen 42 Pfund die Elle und wurden auf hölzerne
[766]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
Längsschienen zwischen Mount-Savage und Cumberland verlegt. Das
1845 eigens für Schienenfabrikation erbaute Montour-Walzwerk zu
Danville, Pa., walzte im Oktober die ersten Vignol- oder T-Schienen.
1846 walzten die Boston-Eisenwerke die ersten Kopfschienen in
Massachusetts, und das für schwere Schienen 1845 von Cooper und
Hewitt zu Trenton erbaute Walzwerk am 6. Mai 1846 die ersten in
New-Jersey. Diesen folgte eine Reihe weiterer Werke. Jedoch erlitt
die Schienenfabrikation durch den ungünstigen Tarif von 1846 einen
Rückschlag, so daſs 1850 von den 15 Schienenwalzwerken der Union nur
noch zwei im Betriebe waren. Die Vereinigten Staaten besaſsen aber
im Jahre 1849 bereits 6440 engl. Meilen Eisenbahn, 444 Meilen mehr
als Groſsbritannien. Das Eisenbahnwesen verdankt den Vereinigten
Staaten schon in dieser Zeit viele Verbesserungen; so rührt das in
Europa als Vignolschiene 1) bekannte Profil von dem Amerikaner
Robert L. Stevens her, der es 1830 für die Camden-Amboy-Eisen-
bahn walzen lieſs. Ebenso ist das Aufnageln der Flügelschienen mit
Hakennägeln eine amerikanische Erfindung. Indessen kamen die
sogenannten T-Schienen erst nach 1845 in allgemeinere Verwendung.
Die Produktion an Schienen in den Vereinigten Staaten betrug 1849
24318 Netto-Tonnen, 1850 44083 Netto-Tonnen; die Einfuhr etwa
160000 Tonnen.
Die Nagelfabrikation blühte nach wie vor in den Vereinigten
Staaten. 1840 wurden etwa 1100 Tonnen Nägel ausgeführt. Eine
gute Maschine lieferte bis 60000 Blechnägel den Tag.
Das erste Drahtwalzwerk wurde 1839 zu Fall River (Mass.) er-
richtet. 1843 brannte es ab, wurde dann aber gröſser wieder auf-
gebaut. Das alte Werk hatte 3 Tonnen in der Schicht geliefert, das
neue leistete das Doppelte.
Die Cementstahlfabrikation hatte bis 1831 ziemliche Fortschritte
in Nord-Amerika gemacht. Es gab damals 14 Stahlcementieröfen, da-
von waren 3 in Philadelphia, 3 in New-York und 2 in Pittsburg. Die
14 Werke hatten eine Leistungsfähigkeit von 1600 Tonnen, was dem
ganzen früheren Stahlimport gleich gekommen sein würde. Da der
aus amerikanischem Eisen bereitete gegärbte Cementstahl von groſser
Güte war und dem englischen nicht nachstand, so verdrängte er
diesen gröſstenteils. Dagegen muſste Guſsstahl immer noch aus Eng-
land bezogen werden, da die Versuche, ihn in Amerika zu fabrizieren,
[767]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
fast alle fehlgeschlagen waren. Ein einziges Unternehmen hatte für
kurze Zeit Erfolg; es war dies die Guſsstahlhütte, die zwei Engländer
aus Suffolk, William und John Hill Garrard, 1831 am Miamikanal
bei Cincinnati erbauten. Diese bestand aus einem Stahlbrennofen
und 2 Stahlschmelzöfen für je 2 Tiegel. Im August 1832 begannen
sie den Betrieb und im November machten sie die ersten Sägeblätter
aus eigenem Guſsstahl; auſserdem fabrizierten sie Feilen.
Als ihr Erfolg bekannt wurde, boten die Sheffielder Fabrikanten
alles auf, diesen Stahl zu diskreditieren und zu unterbieten. Dennoch
konnten die Brüder Garrard die Fabrikation fortsetzen bis zu dem
kritischen Jahre 1837, in welchem auch sie in dem allgemeinen Sturze
der Industrie fallierten.
In Pennsylvanien machten 1841 P. und J. Dunn Guſsstahl für
die Firma G. und J. H. Schönberger aus deren Cementstahl, doch
nur ein bis zwei Jahre lang. Auch den Cementstahlfabrikanten
Coleman, Hailman \& Komp. gelang es 1846, versuchsweise ordinären
Guſsstahl aus ihrem Brennstahl zu schmelzen. Die Feilenfabrikanten
Tingle und Sugden sollen in demselben Jahre ihren eigenen Guſs-
stahl gemacht haben. Ähnliche Versuche wurden auch in anderen
Staaten gemacht. 1848 puddelte die Eisengesellschaft zu Adirondack,
New-Jersey, Eisen mit Holz, cementierte es in New-Jersey und schmolz
es 1849 im Graphittiegel zu Guſsstahl, der sich als Werkzeugstahl
bewährte. James R. Thompson war der erste Leiter dieses Werkes,
das bis 1885 betrieben wurde.
Der Brückenbau und der Bau eiserner Schiffe übten ihre günstige
Rückwirkung auf die nordamerikanische Eisenindustrie aus, noch mehr
aber der Maschinenbau, worin die Amerikaner Originelles und Her-
vorragendes in dieser Zeit leisteten. Die erste in Amerika gebaute
Lokomotive war die kleine Maschine Tom Thumb von Peter Cooper1)
in Baltimore 1830. Diese Tenderlokomotive mit aus Flintenläufen
hergestellten Siederöhren wog noch nicht eine Tonne, war also mehr
ein Modell, lieferte aber den wichtigen Beweis, daſs man, entgegen
der allgemeinen Ansicht der Ingenieure, mit Lokomotiven auch Kurven
fahren könne. Sie wurde mit Anthracit geheizt. Die erste Maschine
für den Eisenbahnbetrieb war der Best Friend of Charleston, die in
[768]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
der West-Point-Gieſserei zu New-York nach den Plänen von
E. L. Müller erbaut wurde und im Dezember 1830 auf der Charleston-
Hanbury-Bahn in Dienst trat. Sie machte viele glückliche Fahrten,
bis 1831 der Kessel platzte. Dies war die erste Explosion eines
Lokomotivkessels in Amerika, der leider später sehr viele gefolgt sind.
Mathias W. Baldwin in Philadelphia baute 1831 nach Entwürfen
von H. Allens die erste achträderige Lokomotive und brachte schon
1832 das bewegliche Radgestell (car truck) für die vorderste Rad-
achse an. Diese Einrichtung, welche beim Befahren scharfer Kurven
die besten Dienste leistete, fand allgemeine Anwendung bei den
amerikanischen Lokomotiven und wurde seitdem beibehalten.
Folgende für die Eisenindustrie Nordamerikas wichtige Erfindungen
und Verbesserungen aus jener Zeit verdienen noch erwähnt zu werden.
1832 gründete D. R. Barton seine berühmte Werkzeugfabrik und
verbesserte die gewöhnlichen Handwerkszeuge. 1835 erfand Henry
Burden1) eine Maschine zur Fabrikation von Hufeisen; in dem-
selben Jahre erfand Samuel Cold den Revolver. 1837 führte Morse
seinen berühmten Schreibtelegraphen aus. 1842 konstruierten Ben-
jamin und William Douglas die nach ihnen benannten rotierenden
Pumpen. 1846 nahm Elias Howe jun. sein erstes Patent auf die
Nähmaschine, welche aber erst 1849 Anwendung zu finden begann.
1848 erfand Henry Burden seine Luppenmühle.
Die Entwickelung der Eisenindustrie in den einzelnen Staaten
während dieser Zeit können wir nur ganz kurz schildern. In Maine
wurde 1845 der erste gröſsere Hochofen, Katahdin furnace, in Piscata-
quis-County erbaut, der noch vor kurzem in Betrieb stand. Im Staate
New-York führte man bei den Luppenfeuern im Champlaindistrikt
die Winderhitzung ein. In Troy wurde die Hufeisenfabrikation mit
der von Burden 1835 erfundenen Maschine eingeführt; 1844 konnte
eine Fabrik 50 Tonnen im Tage fertig machen.
Im Staate New-Jersey wurde 1834 die Winderhitzung bei dem
Oxfordofen zuerst angewendet und 1840 der Hochofenbetrieb mit
Anthracit eingeführt, wodurch der Holzkohlenbetrieb zum Teil ver-
drängt wurde. 1845 wurde das erste Schienenwalzwerk bei Trenton
von Peter Cooper eröffnet. Die glänzendste Entwickelung nahm
die Eisenindustrie in Pennsylvanien. Im Lehighthale wurde 1836
das erste Walzwerk bei South-Easton gebaut. 1842 wurde das Pine-
Walzwerk an Stelle des alten Pine-Hammerwerkes erbaut. Auch nach
[769]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
Einführung des Anthracitbetriebes wurden im Lehighthale noch zwei
Luppenschmieden friedlich weiter betrieben. Der 1837 bei Penn-
Forge von Balliet erbaute Hochofen war bis 1886 im Betriebe als
der letzte Holzkohlenhochofen im Lehighthale. 1840 führte James
M. Hopkins auf dem Conowingo-Hochofen zuerst den Betrieb des
Gebläses durch eine Dampfmaschine ein. Die Dampfkessel lagen auf
der Gicht und wurden durch die Gichtflamme geheizt. Der Cornwall-
Hochofen folgte alsbald diesem Beispiele. Lancaster war damals der
wichtigste Mittelpunkt der Eisenindustrie Pennsylvaniens. 1838 gab
es in einem Umkreise von 39 Meilen um die Stadt 102 Hochöfen,
Hämmer und Walzwerke. 1840 zählte man in Franklin-County 8 Hoch-
öfen und 11 Hammer- und Walzwerke und in der Grafschaft Cumber-
land 6 Hochöfen und 5 Hammer- und Schmiedewerke. Der erste
Hochofen zu Middletown wurde 1833, der Manada-Hochofen bei West-
Hannover 1837 von den Grubbs erbaut. Das erste Walzwerk bei
Harrisburg entstand 1836. Die groſsartige Eisenindustrie von Lacka-
wanna-County verdankt ihre Entstehung den Scrantons, die 1840
die Lackawanna-Eisen- und Kohlengesellschaft gründeten.
1832 wurde bei dem Paradise-Hochofen der Paradise-Hammer er-
baut, der erste nach englischer Weise, d. h. mit Stirnhammer ein-
gerichtete. Der Elisabeth-Ofen bei Antestown in der Grafschaft Blair
soll der erste Hochofen mit Gasabführung gewesen sein, die dem
Besitzer Martin Bell 1840 patentiert wurde. Im Juniatathale in den
Grafschaften Huntingdon, Centre, Mifflin und Blair zählte man 1850
48 Hochöfen, 42 Hammer- und 42 Walzwerke. Die meisten derselben
sind verschwunden. Auch in den übrigen Grafschaften wurden viele
neue Hütten gegründet und Holzkohlenöfen erbaut, die nicht mehr
bestehen; so wurden in Westmoreland-County von 1844 bis 1855 7 Holz-
kohlenöfen, in Cambria-County 1841 bis 1847 6 Holzkohlenöfen erbaut,
die jetzt alle verlassen sind. In Indiana-County entstand der erste
Eisenhammer 1837, der erste Hochofen 1840. In Lawrence-County
wurde das erste Walzwerk 1839 gegründet. Besonders groſs war die
Zahl der neuerbauten Holzkohlenhochöfen in den Grafschaften Arm-
strong (11), Butler (6), Clarion (28) und Venango (18), zusammen 63.
Die groſse Kokshochofenanlage in West-Pennsylvanien, die Great
Western Iron Works bei Bradys Bend mit 4 Hochöfen und einem
Walzwerke wurden 1840 von Philander Raymond und Anderen
gegründet. Das Walzwerk wurde 1843 als Stabeisenwalzwerk erbaut
und später in ein Schienenwalzwerk umgewandelt. Die Hochöfen
wurden bis 1873 betrieben.
In der Grafschaft Allegheny mit der Hauptstadt Pittsburg kam
seit 1830 der Puddelprozeſs in Aufnahme und verdrängte die Holz-
kohlenfrischhütten. 1836 gab es in der Grafschaft 9 Walzwerke und
18 Gieſsereien und Maschinenfabriken, auch gab es schon 1831
2 Stahlöfen in Pittsburg.
1840 zählte man im Staate Pennsylvanien 298 Holzkohlenhoch-
öfen, 121 Hammerwerke, 6 Renn- und 79 Walzwerke. 1850 wurden
alle Hochöfen mit Holzkohlen betrieben, auſser 57 Anthracit- und
11 Kokshochöfen.
Aus nachfolgender Zusammenstellung ersieht man erstens das
Verhältnis, in dem die verschiedenen Brennstoffe in den pennsyl-
vanischen Hochöfen in den Jahren 1847, 1849 und 1850 verwendet
wurden und zweitens die Wirkung des Rückschlages in der Eisen-
produktion, herbeigeführt durch die ungünstigen Geschäftsverhältnisse
in diesen Jahren:
Im Jahre 1849 lieferten die Hochöfen 253035 Tonnen, die Renn-
werke 335 Tonnen, die Hammerwerke 28495 Tonnen und die Walz-
werke 108358 Tonnen.
In Delaware wurden die Erze des Iron Hill seit 1847 ver-
schmolzen.
In Maryland wurde zuerst der Kokshochofenbetrieb eingeführt.
Nach Overman war der 1837 bei Lanaconing erbaute Hochofen von
50 Fuſs Höhe und 14½ Fuſs Kohlensackweite der erste mit Erfolg
betriebene Koksofen der Vereinigten Staaten, diesem folgten 1840 die
zwei groſsen Öfen der Mount Savage Company nordwestlich von Cumber-
land. 1843 wurde das Walzwerk daselbst erbaut, das 1844 die ersten
Eisenbahnschienen für Vollbahnen walzte. Alleghany-County in Mary-
land hat deshalb die doppelte Ehre, das erste Koksroheisen und die
ersten Eisenbahnschienen erzeugt zu haben.
In West-Virginien wurde 1832 das erste Walzwerk bei Wheeling
von Dr. Pet. Schönberger und David Agnew erbaut. 1836 wurden
die Eisenwerke der Tredegargesellschaft bei Richmond, bestehend aus
Walzwerk, Gieſserei und Maschinenfabrik, gegründet, deren Besitz im
Bürgerkriege von groſser Wichtigkeit für die Südstaaten war, indem
hier Geschütze und Munition gegossen wurden.
1840 gab es in Nord-Karolina 8 Hochöfen, die 968 Groſstonnen 1)
Guſseisen, und 43 Renn-, Frisch- und Puddelwerke, die 963 Groſs-
tonnen Schmiedeeisen lieferten.
In Georgia wurden in dieser Periode mehrere Rennwerke und
die ersten Hochöfen, darunter Etna furnace, 1837 erbaut.
In Kentucky entstanden nach 1834 etwa 15 Holzkohlenhochöfen,
die aber alle wieder eingingen. Ebenso gab es 1830 etwa ein Dutzend
Frischhütten, die aber bis 1850 alle wieder verschwunden waren.
In Alabama wurde 1834 Steinkohle von Dr. Jones in Mobile
entdeckt, aber bis nach dem Bürgerkriege nicht ausgebeutet. Die
beiden 1843 und 1848 zu Polksville und Shelley erbauten Hochöfen
waren Holzkohlenöfen. In Nord-Karolina, Ost-Tennessee und
Alabama wurden viele Luppenfeuer mit hölzernem Cylinder- und
Wassertrommelgebläse betrieben. Da die Bäche vielfach nur nach
reichlichem Gewitterregen das genügende Aufschlagswasser lieferten,
so nannte man sie scherzweise „Thundergust forges“.
Der Staat Ohio nahm in dieser Periode wichtigen Anteil an den
Fortschritten der Eisenindustrie der Vereinigten Staaten. Die Holz-
kohlenhochöfen am Eriesee gingen meist 8 Monate im Jahre und
erzeugten wöchentlich 30 Tonnen Roheisen aus Sumpferzen. John
Campbell2) verwendete 1836 im Vesuviushochofen zuerst erhitzten
Wind, der daraufhin auch auf den anderen Hochöfen des Hanging-
Rockbezirkes eingeführt wurde. John Campbell baute mit Anderen
nach und nach 11 Hochöfen in diesem Gebiete. Robert Hamilton
war der Erste, der 1844 anfing, seinen Hochofen, Pine Grove furnace,
über den Sonntag zu dämpfen, was dann allgemein im Hanging-Rock-
bezirke geschah. Der 1846 erbaute Olive furnace, der noch gehen
soll, war in seinem unteren Teile 20 Fuſs hoch, ganz in Sandstein-
felsen eingehauen, dann inwendig ausgemauert und der oberere Teil
in Mauerwerk ausgesetzt. Er hatte ein Steingewölbe und zwei Seiten-
49*
[772]Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
gewölbe für die Formen. Das erste Walzwerk in Ohio wurde 1830
zu Cincinnati erbaut. Das ebendaselbst 1845 von Sellers und Law-
rence errichtete Globewalzwerk war das erste, das Handelseisen und
Bleche lieferte. Ohio hat auch den Ruhm, die erste Guſsstahlhütte
(von Garrard) besessen zu haben. Dr. Garrard verwendete nur
amerikanisches Material für seinen Guſsstahl.
1845 ging man in Ohio zur Verwendung roher Steinkohle über.
Der erste Hochofen hierfür wurde zu Lowell in Mahoning-County
1845/46 von Wilkeson, Wilkes \& Komp. erbaut. Dieser Mahoning
furnace kam am 8. August 1846 in Betrieb. Da er guten Erfolg
hatte, folgten noch mehrere Hochöfen im Mahoningthale.
Im Staate Indiana waren 1840 bereits 7 Holzkohlenhochöfen,
die 810 Tonnen Guſseisen machten; auſserdem gab es verschiedene
Rennwerke, die Sumpferze verschmolzen.
Die erste Eisenhütte in Illinois wurde 1839 mit dem kleinen
Hochofen Illinois furnace 4 Meilen von Elizabethtown in Hardin-
County errichtet. 1840 wurden bereits vier Hochöfen angeführt, von
denen aber nur zwei im Betriebe waren. In Michigan werden 1840
15 Schmelzöfen (blast furnaces) erwähnt, worunter vermutlich auch
die Kupolöfen zum Umschmelzen mit einbegriffen sind, da die ganze
Produktion von Roheisen nur zu 601 Tonnen angegeben wird. 1845
bildete sich die Jackson Mining Company, die zuerst die reichen
Eisenerzlager am Oberensee ausbeutete. 1846 wurde versuchsweise
in einer Luppenschmiede das erste Eisen aus diesen Erzen geschmolzen.
Die Gesellschaft begann erst 1847 mit dem Bau des ersten Eisen-
hammers am Carpeflusse nahe bei den Jacksonbergen. Ariel
N. Barney machte 1848 hier das erste Eisen. Es war ein Rennwerk
mit 8 Feuern.
In Wisconsin wird 1840 ein Hochofen (?) zu Milwaukee erwähnt,
der aber nur 3 Tonnen Eisen im Jahre machte.
Im Staate Missouri wurde 1836 die Aufmerksamkeit auf die
groſsartigen Erzlager am Iron Montain und Pilot Knob gelenkt und
eine groſse Gesellschaft, die Missouri Iron Company, gegründet.
Zwischen 1846 und 1850 wurden mehrere Holzkohlenhochöfen erbaut,
von denen sich nur der Pilot Knob furnace erhalten hat. 1846 wurde
auch der Melvilleofen in Franklin-County angeblasen. 1850 begann
die Eisenindustrie von St. Louis mit dem Bau des Louis- oder Laclede-
Walzwerkes.
Folgende Tabelle zeigt die Preisbewegung des amerikanischen
Holzkohleneisens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts:
Mit dem Jahre 1851 treten wir in eine sehr wichtige, vielleicht
die wichtigste Dekade der Geschichte der Eisenindustrie ein. Sie
beginnt mit der ersten Weltausstellung, und in sie fällt die folgen-
reiche Erfindung Henry Bessemers, das Windfrischen, welches eine
vollständige Umwälzung in der Eisenindustrie hervorgerufen und der-
selben eine ungeahnte Entwickelung gegeben hat. Hierdurch leitet
das Jahrzehnt von 1851 bis 1860 zu der neuesten Geschichte des
Eisens, die charakterisiert ist durch die Internationalität, die Welt-
gemeinschaft der Eisenindustrie und durch den Sieg des Fluſseisens
über das Schweiſseisen. Die groſsartige Fülle des Stoffes, welche die
zahlreichen Verbesserungen auf allen Gebieten der Eisenindustrie
und deren gründliche und umfangreiche litterarische Verarbeitung
in diesem Jahrzehnt darbieten, zwingen uns zu möglichster Beschrän-
kung und gestatten uns nur eine knappe, kurze Schilderung des
Wichtigsten.
Die Industrieausstellung aller Völker zu London im
Jahre 1851 war eins der gröſsten und erfreulichsten Ereignisse
des 19. Jahrhunderts. Zeitlich mitten in dasselbe hineingestellt, bildet
diese Weltausstellung eine Leuchte des Friedens, welche die vielen
schwarzen Schatten der Zwietracht und der blutigen Kämpfe, die das
Bild des 19. Jahrhunderts verunzieren, überstrahlt.
In diesem erhabenen Sinne hatte der edle Prinzregent Albert
von England das groſsartige Unternehmen, an dessen Spitze er sich
stellte, und dessen Ausführung zu allermeist sein Verdienst ist, auf-
gefaſst und geplant.
Gewerbeausstellungen einzelner Länder waren ja schon viele vor-
ausgegangen, und ihre segensreiche Wirkung auf die Entwickelung
[775]Die erste Weltausstellung 1851.
der Industrie der betreffenden Länder war zum allgemeinen Bewuſst-
sein gekommen. Aber in der nationalen Beschränkung lag eine Ein-
seitigkeit, ja eine Vergewaltigung des Wesens der Industrie als Kunst
und Wissenschaft, welche ihrer Natur nach international ist und nur
in der Loslösung von nationaler Beschränkung ihre volle Kraft ent-
falten kann. Diese erhabene Auffassung der Industrie stand aller-
dings im Widerspruch mit den überlieferten Anschauungen, aber
einmal als Grundsatz erfaſst, wurde sie sofort mit Begeisterung
ergriffen, weil sie eine Wahrheit war und ein Fortschritt auf dem
Gebiete der Erkenntnis.
Daſs die erste Weltausstellung in London stattfand, war natürlich.
An keinem anderen Platze wäre sie damals möglich gewesen als in
der Hauptstadt des britischen Reiches, welches mit seinen Kolonieen
die ganze Erde umspannte und durch seinen Welthandel an der
industriellen Thätigkeit aller Länder beteiligt war. Heutzutage darf
jede groſse Stadt eines Industrielandes, wenn sie die Sicherheit für
die Durchführung des Unternehmens gewährleistet, zu einer inter-
nationalen Ausstellung einladen, ein erfreuliches Zeichen, in welchem
Maſse der Gedanke der Solidarität der Völker, des Weltbürgertums
der Industrie seitdem Wurzel geschlagen hat.
Anfänglich hatte man in England nur eine groſse Gewerbeaus-
stellung für das britische Reich ins Auge gefaſst. Der erste Vorschlag
für eine solche Ausstellung ohne Staatszuschuſs, aber unter der Auf-
sicht einer königlichen Kommission, war bereits im Jahre 1848 von
Prinz Albert gemacht und der englischen Regierung vorgelegt worden.
Eine groſse Unterstützung fand diese Bestrebung durch die Poly-
technische Gesellschaft, deren Vorsitzender ebenfalls Prinz Albert war.
Die Mitglieder derselben waren aber zunächst nur einer britischen
Reichsausstellung zugeneigt. Im Geiste des Prinzen gewann aber die
Idee einer allgemeinen Weltausstellung immer mehr Gestalt. 1849 trat
er damit zuerst an die Öffentlichkeit, indem er sich zugleich an die
Spitze des geplanten Werkes stellte. Das Jahr 1851 wurde als Jahr
der Ausstellung bestimmt. In einer Festrede, in welcher Prinz Albert
über das groſse Unternehmen sprach, sagte er unter anderem: „Es
wird niemand, welcher den Bestrebungen unseres Zeitalters einige
Aufmerksamkeit geschenkt hat, auch nur einen Augenblick zweifeln,
daſs wir in der Zeit eines wunderbaren Überganges leben, welche der
Verwirklichung des groſsen Zieles, auf das in der That die ganze
Weltgeschichte gerichtet ist, — der Darstellung der Einheit der
Menschheit — rasch zustrebt. Nicht einer Einheit, welche die
[776]Die erste Weltausstellung 1851.
Grenzen niederreiſst und die besonderen Charaktere der
verschiedenen Nationen der Erde vernichtet, sondern mehr
einer Einheit, welche das Ergebnis und Erzeugnis der
nationalen Verschiedenheiten und miteinander wett-
eifernden Volkscharaktere ist.“ Nachdem er dann ferner betont,
daſs das Princip der Gegenwart das der Arbeitsteilung sei, welches
auf alle Gebiete der Wissenschaft und des Gewerbefleiſses ausgedehnt
werde, und daſs dieses ein noch gröſseres Zusammenwirken nötig
mache, um der groſsen und heiligen Bestimmung näher zu kommen,
fährt er fort: „Die Ausstellung des Jahres 1851 soll uns ein treues
Zeugnis und lebendiges Bild von demjenigen Standpunkte der Ent-
wickelung, zu welchem die ganze Menschheit in diesem groſsen Werke
gelangt ist, und einen neuen Höhepunkt, von welchem aus alle Völker
ihre ferneren Bestrebungen in gewisse Richtungen zu bringen ver-
mögen, geben.“
Diese hohe, sittliche Auffassung des Zweckes dieser Weltausstellung
hat einen tiefen und dauernden Eindruck gemacht, welcher von den
segensreichsten Folgen begleitet war. Keine der folgenden zahl-
reichen Weltausstellungen, obgleich sie an Umfang diese erste ja weit
übertrafen, hat die ideale Bedeutung derselben so zum Ausdruck
gebracht, wie die erste Londoner, welcher deshalb stets eine besondere
Bedeutung zuerkannt werden muſs.
Am 3. Januar 1850 wurde im Namen der Königin Viktoria der
Erlaſs der Regierung veröffentlicht, welcher die königliche Kommission
für die Weltausstellung im Jahre 1851 mit dem Prinzen Albert an
der Spitze ernannte. Unter den vielen verdienstvollen Mitgliedern
der königlichen Kommission nennen wir hier nur Dr. Lyon Playfair,
welcher sich durch Fleiſs und Sachkenntnis ganz besondere Ver-
dienste um die Organisation des Ausstellungsunternehmens erworben
hat und als Specialkommissär für die Rohstoffe und Produkte,
namentlich auch die Ausstellung für die Eisenhüttenkunde zu ordnen
und zu überwachen hatte. Die ganze Ausstellung wurde in vier
Sektionen eingeteilt: I. Rohstoffe und Produkte, II. Maschinen,
III. Gewerbserzeugnisse, IV. Erzeugnisse der schönen Künste.
Für das Ausstellungsgebäude wurde das geniale Projekt des
Architekten Josef Paxton, welcher den ganzen Bau in Eisen und
Glas auszuführen vorschlug, angenommen und von den Ingenieuren
Fox und Henderson in Birmingham ausgeführt. So entstand der
berühmte Krystallpalast, welcher nach der Ausstellung vom Hyde
Park nach Sydenham verlegt wurde, wo er heute noch als gröſster
[777]Die erste Weltausstellung 1851.
Unterhaltungs- und Bildungsplatz Londons, als ein Denkmal der ersten
Weltausstellung steht. Er hat 1848 Fuſs Länge, in dem mittleren
Teile 456, in den beiden Flügeln 408 engl. Fuſs Breite. Das Gebäude
selbst bildete das groſsartigste Ausstellungsobjekt für die Eisen-
industrie und für die Verwendung des Eisens als Baumaterial.
Am 1. Mai 1851 wurde die Industrieausstellung aller Völker bei
herrlichem Frühlingswetter feierlichst eröffnet. Prinz Albert hielt eine
meisterhafte Festrede, und es war ein ergreifender historischer
Moment, als er das groſsartige Werk, welches er wohl als seine gröſste
Schöpfung betrachten durfte, der Königin Viktoria, seiner erhabenen
Gemahlin, mit einer Adresse übergab und diese dem edlen, vielgeliebten
Gemahl mit Worten der Anerkennung und des Dankes antwortete.
Für die Eisenindustrie war die Londoner Weltausstellung von
1851 ein Ereignis von allergröſster Wichtigkeit. Indem sie einen
Überblick über die neuesten Errungenschaften und Fortschritte gewährte,
gab sie deutliche Fingerzeige für die Zukunft. Durch sie wurde zum
erstenmale die Bedeutung des Stahles im groſsen und die Massen-
stahlbereitung der Welt vor Augen geführt. Die Eisenindustrie begriff
sofort den neuen Kurs, und von dieser Zeit datieren die raschen und
groſsartigen Fortschritte in der Stahlfabrikation, das Zeitalter des
Stahles. Ein Deutscher, Alfred Krupp, Inhaber des Guſsstahlwerkes
von Friedrich Krupp zu Essen, war es, der den gröſsten Erfolg
durch seine groſsen und vorzüglichen Guſsstahlstücke errang, denen
kein anderes Land, selbst England, die Heimat des Guſsstahles,
Ähnliches zur Seite stellen konnte. Das Hauptstück von Krupps
Ausstellung war ein reiner Guſsstahlblock von 2150 kg Gewicht.
Heute sind wir geneigt zu sagen, von nur 2150 kg, aber damals er-
schien dieser Block als etwas ganz Auſserordentliches, noch nicht
Dagewesenes. Der Guſsstahlblock war durchaus gleichförmig und
seine Verwendbarkeit hatte Krupp an einigen auf das feinste polierten
Walzen, an Federn und Achsen für Eisenbahnwagen, an einer sechs-
pfündigen Kanone, sowie an mehreren anderen Gegenständen gezeigt.
Diese Stücke erwiesen die Möglichkeit, Guſsstahl in vielen Gewerbs-
zweigen und für Stücke zu verwenden, wofür man sich bis jetzt mit
dem schwächeren Eisen beholfen hatte. Die Firma Friedrich
Krupp erhielt denn auch allein von allen Stahlfabrikanten, und
obgleich die berühmtesten englischen Guſsstahlfabriken ausgestellt
hatten, die höchste Auszeichnung, die groſse Verdienstmedaille (Council
Medal) „für Guſsstahl ausgezeichneter Qualität, mit Nachweisung
neuer Anwendungen“. Dadurch wurde Krupps Name allgemein
[778]Die erste Weltausstellung 1851.
bekannt und kam in aller Mund. Die berühmten Sheffielder
Stahlfabriken von Johnson, Cammel \& Komp. (Cyclops works),
S. Cocker \& Sohn, Turton \& Söhne und Naylor, Vickers \& Komp.,
die bis dahin als unerreicht und unerreichbar gegolten hatten, muſsten
sich mit zweiten Preisen begnügen. Deutschlands Eisenindustrie
durfte wohl stolz sein auf diesen Triumph.
Das Geheimnis Krupps bei seiner Fabrikation, von dem man
damals und in dem folgenden Jahrzehnt vielfach fabelte, bestand, ab-
gesehen von dem ausgezeichneten Material, in nichts anderem als der
vortrefflichen Organisation in Anlage und Betrieb seiner Schmelzöfen,
die es ermöglichte, in kurzer Zeit eine groſse Zahl Tiegel in eine
Sammelpfanne zu entleeren, aus welcher dann der Guſs erfolgte.
Unterstützt wurde derselbe durch die zweckmäſsige Anlage der
Schmelzöfen in Verbindung mit gemeinschaftlichen hohen Essen und
groſsen Schmelztiegeln, von denen jeder etwa 90 Pfd. faſste.
Es war aber nicht allein der deutsche Guſsstahl, welcher die
Aufmerksamkeit der Besucher der Londoner Weltausstellung auf sich
zog, auch in der Fabrikation des Puddelstahles hatte Deutschland
die besten Leistungen aufzuweisen. Lehrkind, Falkenroth \& Komp.
zu Haspe und Böing, Röhr \& Lefsky hatten Puddelstahl aus-
gestellt. Erstere erhielten für „E. Riepes patentiertes Verfahren, im
Puddlingsofen Stahl zu erzeugen“ 1), die Preismedaille. Es handelte
sich hierbei nicht mehr um Versuche, sondern um eine vollständig
etablierte Fabrikation, und hierin waren die Deutschen, und zwar
speciell in Westfalen, vorausgegangen. Auch das deutsche Rohstahl-
oder Spiegeleisen, welches besonders das Siegerland ausgestellt
hatte, erregte die Aufmerksamkeit der englischen Eisenindustriellen,
welche dieses Rohmaterial, das für sie in der Folge von so groſser
Wichtigkeit werden sollte, hier zuerst kennen lernten.
Betrachten wir die Ausstellung der Eisenindustrie auf der ersten
Londoner Weltausstellung im ganzen, so war dieselbe keineswegs voll-
ständig oder ihrer Wichtigkeit entsprechend. Selbst die englische
Ausstellung, obgleich dieselbe natürlich bei weitem am umfassendsten
war, lieſs in dieser Beziehung zu wünschen übrig.
Eine vortreffliche Zusammenstellung aller englischen Eisen-
erze hatte S. Blackwell in Dudley ausgestellt. Dieselbe wurde
von ihm dem neugegründeten geologischen Museum (Museum of
Pratical Geology) geschenkt. Gleichzeitig stellte Blackwell dem
[779]Die erste Weltausstellung 1851.
Professor John Percy die Summe von 500 £ zur Verfügung, um
die wichtigsten britischen Erze analysieren zu lassen. So hat diese
Sammlung auch in wissenschaftlicher Hinsicht eine historische Be-
deutung erlangt, indem sie die Grundlage der gründlichen Arbeit
über die englischen Eisenerze, welche Percy in seiner Metallurgie
von Stahl und Eisen 1864 (S. 404 ff.) veröffentlicht hat, geworden
ist. In dieser Sammlung waren namentlich die schwarzen Kohlen-
eisensteine (black band) von Schottland und Süd-Wales vollständig
vertreten, welche auch die Aufmerksamkeit der preuſsischen Sach-
verständigen auf sich lenkten, infolgedessen man bald danach in West-
falen ähnliche Erze, auf welche bereits der kurhessische Bergamtsassessor
Schreiber aufmerksam gemacht hatte, die man aber bis dahin
als taube Schiefer betrachtet und auf die Halde gestürzt hatte, als
Eisenerz erkannte, ihnen Beachtung zuwendete und eine neue wichtige
Hochofenindustrie darauf gründete 1). Ferner wurden durch diese
Ausstellung die der Liasformation angehörigen Erze des Cleveland-
distriktes, welche auch erst in den letzten Jahren als Eisenerze
erkannt worden waren, und welche die Grundlage der Roheisengewin-
nung des Middlesboroughgebietes geworden sind, zum erstenmale dem
Publikum vorgeführt. Dieses unscheinbare Gestein von grünlichgrauer
Farbe, welches in einer mächtigen Ablagerung von 15 bis 17 Fuſs ein
Glied des mittleren Lias in Nord-Yorkshire bildet und sich meilenweit
am Rande der Clevelandhügel, zu Tage anstehend, erstreckt, sieht
einem Eisenerze durchaus unähnlich. Nur durch die Verwitterung
nimmt das grünliche Gestein eine braune Farbe an, die seinen Eisen-
gehalt verrät. Aber erst 1847 wurde es von den berühmten Eisen-
hüttenbesitzern Bolkow und Vaughan als ein schmelzwürdiges Eisen-
erz erkannt, und eine groſsartige Roheisenindustrie von denselben
darauf gegründet 2). Bolkow war ein geborener Mecklenburger und
Vaughan ein ehemaliger Eisenarbeiter von Dowlais; beide zusammen
gründeten 1840/41 ein kleines Puddel- und Walzwerk bei Middles-
borough. Dies war der kleine Anfang der riesigen Industrie, die sich
in der Folge an diesem Platze entwickelt hat. 1845 oder 1846 bauten
sie zuerst auch mehrere kleine Hochöfen zu Witton Park bei Bishop
Auckland (Durham). Sie fanden aber nicht hinreichend Erz an Ort
und Stelle, wie sie gehofft hatten, und muſsten das Witbyerz von der
[780]Die erste Weltausstellung 1851.
Seeküste beziehen, bis sie 1850 ganz in der Nähe die Fortsetzung
dieses Erzlagers auffanden. Percys Analysen der charakteristischen
Stücke der Blackwellschen Sammlung wies nach, daſs es in der
Hauptsache aus einem Eisenkarbonat, gemischt mit einem löslichen
Eisensilikat, bestand. Es ist kein reiches Erz — sein Eisengehalt
beträgt etwa 33 Proz. —, aber gutartig und leichtschmelzig, mit einem
Phosphorsäuregehalt von 1½ bis 2 Proz.
Süd-Wales, der wichtigste Eisendistrikt Englands, dessen Produk-
tion damals auf 700000 Tonnen, die auf 48 Eisenwerken mit 208 Hoch-
öfen dargestellt wurden, geschätzt wurde, war durch eine vollständige
Ausstellung der Erzeugnisse der Ebbw-Vale-Werke vertreten, welche
den Hochofen-, Puddel- und Walzwerksbetrieb zur Anschauung
brachten. Ein besonderes Ausstellungsstück bildete eine 63 Fuſs lange,
1200 Pfund schwere Eisenbahnschiene der Cwm-Avon-Iron-Comp.,
welche gleichzeitig ihre renommierten Schwarz- und Weiſsbleche vor-
führte.
Von der Eisenausstellung Mittel-Englands sind geschweiſste und
emaillierte Eisenblechröhren und Wellbleche von Selby und Jones
hervorzuheben. Die aus Blech gebogenen Röhren von 1 bis 7 Zoll
Durchmesser wurden in einem eigens konstruierten Schweiſsofen er-
hitzt und über einem Dorne zwischen vier kleinen Walzen geschweiſst.
Das Glasemail, mit dem sie überzogen wurden, war eine 1849 in
England patentierte Erfindung von E. E. Paris in Paris 1).
Die Eisenindustrie von Yorkshire erregte besonderes Interesse
durch die Ausstellung von Qualitätseisen, welches Low-Moor und
Bowling zur Anschauung brachten. Die Darstellung dieses durch seine
Güte weltberühmten Schweiſseisens zog besonders die Aufmerksamkeit
der deutschen Eisentechniker auf sich, welche die Werke zu Low-Moor
besuchten und dort neue Verbesserungen und Methoden kennen zu
lernen hofften, aber sie muſsten sich überzeugen, daſs auch hier nur
die groſse Sorgfalt der Auswahl und Behandlung der Materialien die
Vorzüglichkeit des Produktes bedingten. Diese Sorgfalt wendete man
schon der Auswahl der Erze und Kokssorten zu, obgleich dieselben
alle von Natur gut sind. Alle Erze wurden geröstet und nur mit
kaltem Winde zu Roheisen verblasen. Dieses wurde zu strahligem
Feinmetall raffiniert und in kleinen Chargen von 270 Pfund Gewicht
im Puddelofen zu Luppeneisen verarbeitet. Charakteristisch für den
Betrieb war, daſs das Zängen und Schweiſsen fast nur unter Hämmern
[781]Die erste Weltausstellung 1851.
geschah, indem das Walzwerk nur zur Vollendung der Form, wo es nötig
erschien, angewendet wurde. Das Zängen der Luppe wurde unter dem
Stirnhammer vorgenommen. Zu den 32 Puddelöfen der alten und der
neuen Hütte waren 3 kleine und 1 groſser Dampfhammer, sowie
12 Hammerwellen mit je 2 Stirnhämmern zum abwechselnden Gebrauch
vorhanden. Die besseren Sorten wurden auch noch unter einem
Schwanzhammer planiert, dessen breite Amboſsfläche von einem
Gebläseluftstrome bespült wurde, um sie beständig von abfallendem
Glühspan rein zu halten und dadurch den Stäben eine ganz glatte
Oberfläche zu geben. Diese groſse Zahl von Hämmern gaben dem
Betriebe in Low-Moor ein charakteristisches Gepräge. Eigenartig war
auch die Herstellung der besten Eisensorte Nr. 3 (L. M. B. = Low-
Moor Best). Die hierfür bestimmten Luppen wurden unter dem
Hammer zu etwa 1 Zoll dicken Platten ausgeschlagen. Diese wurden
dann kalt unter einer Brechmaschine (Fallwerk) in handgroſse Stücke
zerbrochen, welche nach dem Bruchansehen sortiert, die gleichartigen
auf Holzunterlagen zu kubischen Haufenpaketen von etwa 1 Ctr.
zusammengelegt und so in den Schweiſsofen gebracht wurden. Das
schweiſswarme Paket wurde unter dem Hammer zu einem kubischen
Stück geschlagen, das eine zweite Hitze erhielt und zu einem läng-
lichen Stück ausgereckt wurde, welches das Materialeisen für die
Walzeisensorten bildete. In einem Schweiſsofen wurden gewöhnlich
12 Haufenpakete auf einmal eingesetzt. Um Radreifen (Tyres) zu
machen, wozu man das Eisen Nr. 3 verwendete, machte man die
Haufenpakete, von denen je vier einen Radreif gaben, etwas schwerer
(110 bis 115 Pfd.). Je zwei wurden nach dem Zängen aufeinandergelegt
und zusammengeschlagen, worauf sie in einen zweiten Schweiſsofen
kamen. In der zweiten Hitze wurden dann wieder je zwei dieser unter
dem Hammer geschweiſst und zu quadratischen Stäben ausgereckt, die
dann in mehreren Hitzen in Gesenken in Tyresform geschmiedet und
zum Schlusse mit nur vier Durchgängen fertig gewalzt wurden. Die
Tyres von Low-Moor, welche wegen ihrer groſsen Güte berühmt waren,
bestanden also nur aus einer Eisensorte und zwar aus weichem, aber
körnigem, dichtem und vollkommen geschweiſstem Eisen 1). — Low-
Moor lieferte auch Stabeisen für die Cementstahlfabrikation.
Eine Neuheit der englischen Ausstellung waren die verzinkten
[782]Die erste Weltausstellung 1851.
Bleche (galvanized iron) von Morewood \& Rogers in London. Um
dieselben darzustellen, wurden die Schwarzbleche erst in eine ver-
dünnte Lösung von Chlorzinn mit granuliertem Zinn eingelegt, wo-
durch sie sich mit einer dünnen Zinnhaut überzogen. Diese bewirkte
den gleichmäſsigen Überzug von Zink bei dem darauffolgenden Durch-
zuge der Bleche durch geschmolzenes Zink.
In feinen Blechen hatte die österreichische Abteilung das beste
aufzuweisen; es waren dies die feinen Senglerbleche (Papierbleche —
black taggers) des Baron von Kleistschen Hüttenwerkes zu Neudeck
in Böhmen. Sie erregten in England, das in der Blechfabrikation
unbedingt die erste Stelle einzunehmen glaubte, groſses Aufsehen.
Die Verhandlungen bei der Jury gaben Veranlassung, daſs einige
der bedeutendsten englischen Eisenhütten sich eigens bemühten,
gleich gute und gleich schöne Bleche zu fabrizieren, aber sie waren
es nicht imstande — und gestützt auf dieses Faktum, wurde dieser
ganz unbedeutend scheinende Gegenstand mit Zuerkennung der groſsen
Medaille ausgezeichnet. Tunner fügt hinzu, daſs, abgesehen von gutem
Material und vorzüglichen Walzen, die Fabrikation dieser Bleche nur
von einem kleinen Kunstgriffe im Glühen und Auswalzen, wodurch
sie nur einen feinen gleichen Glühspanüberzug und dadurch das
schöne Äuſsere erhielten, abhinge.
Morries Stirling hatte sein „zähgemachtes Guſseisen“ (toughened
cast iron) ausgestellt, dem aber, trotz der Reklame, der preuſsische
und der österreichische Ausstellungskommissär (P. Tunner) wenig
Vertrauen schenkten 1). Ebenso verhielt sich Tunner skeptisch gegen
Stirlings patentiertes Verfahren, kaltbrüchiges Stabeisen durch Zusatz
von Zink oder Galmei im Puddelofen zu reinigen und zu verbessern.
Solches Eisen, sowie auch sogenanntes gehärtetes oder entfasertes
Eisen, angeblich eine Verbindung von Eisen mit wenig Zink, ferner
ein Glockenmetall (Stirlings Union Metal), welches hauptsächlich aus
Eisen und Zinn bestehen sollte, hatte Stirling ebenfalls vorgeführt.
In Bezug auf Stahlfabrikation bot die englische Ausstellung
trotz der Beteiligung der gröſsten Sheffielder Firmen nichts Neues.
In der belgischen Abteilung hatte Seraing ordinären Guſsstahl,
aus einer Mischung von Roheisen und Stabeisen erzeugt, ausgestellt.
Obgleich das Produkt gut aussah, sprach Tunner damals dieser
Fabrikationsmethode den Erfolg ab 2). Das Verfahren selbst war nicht
[783]Die erste Weltausstellung 1851.
neu, vielmehr oft zuvor versucht und zuletzt 1845 von Josiah Mar-
chall Heath in England patentiert worden.
Seraing und Sclessin hatten auch den Stahlpuddelprozeſs bereits
eingeführt und benutzten Puddelstahl für die Laufflächen der Tyres,
wie sich Tunner auf den Werken selbst überzeugte.
J. Fischer in Mühlenthal bei Schaffhausen hatte seinen Meteor-
stahl genannten Guſsstahl und daraus gefertigte Artikel ausgestellt.
Diese verdienen Erwähnung, weil Fischer einer der ältesten und ver-
dienstvollsten Guſsstahlfabrikanten des Kontinents war und weil ferner
aus einer seiner Ausstellung beigefügten Zeichnung seines Schmelz-
verfahrens hervorging, daſs er sich des Vorwärmens der Tiegel und der
erhitzten Gebläseluft beim Schmelzen bediente, ein groſser Fortschritt
bei der Guſsstahlfabrikation, welche indes auch bereits auf anderen
Werken, wie zu Jenbach und Eisenerz, Eingang gefunden hatte. Dieses
Verfahren gestattete Fischer, seinem Werke die Bezeichnung „Stab-
eisengieſserei“ beizufügen.
In der deutschen Abteilung müssen, auſser den bereits ange-
führten Ausstellern, Huth \& Komp. in Hagen mit Roh-, Puddel-,
Cement-, Guſs- und Raffinierstahl und Peter Harkort \& Sohn
zu Wetter an der Ruhr mit Roh-, Cement- und Raffinierstahl, noch
F. Lohmann in Witten, welcher adoucierten Stahl ausstellte, genannt
werden. Es war dies in Stangen gegossenes Rohstahleisen, das ohne
Schmelzung entkohlt (adouciert) war. Natürlich enthielt das Produkt
alle Verunreinigungen des Roheisens, war aber doch als ordinärer
Stahl verwendbar. Ob dieser nach Bremmes Patent vom 22. November
1849 dargestellt wurde, war nicht angegeben. Bremme adoucierte
Roheisenstäbe, indem er sie mit Thon umkleidete, 24 bis 60 Stunden
in einem groſsen Flammofen der Rotglut aussetzte und auf diese
Weise Stahl erhielt. Schon 1846 hatte David Vorster zu Eilpe bei
Hagen durch Adoucieren von Rohstahleisen Stahl zu machen versucht.
Einen ähnlichen adoucierten Stahl hatte H. W. Schneider zu Ulver-
stone in Lancashire ausgestellt. Derselbe war durch Glühen mit
Roteisenstein im Flammofen entkohltes Roheisen. Diesem Verfahren,
welches der Fabrikation des schmiedbaren Gusses nahe verwandt war,
reihte sich das Patent von V. Onions vom 7. Februar 1851 an.
Dieser schmolz 2 Tle. gepulverten Hämatit, 4 Tle. Stahl und 94 Tle.
Guſseisen im Tiegel zusammen und goſs die Masse in beliebige Formen
aus. Die so erhaltenen Guſsstücke wurden dann in Kisten mit
Hämatit oder verwandten Stoffen eingepackt und 120 Stunden lang
der Rotglut ausgesetzt.
Versuche in Haspe, den Puddelstahl nur durch anhaltendes Glühen
zu raffinieren, hatten keinen besonderen Erfolg gehabt, und man war
wieder zu dem üblichen Gärbverfahren zurückgekehrt.
Das groſse Eisenwerk von Motala in Schweden hatte ein sehr
gleichartiges körniges Puddeleisen, welches im Bruchansehen dem
deutschen Puddelstahl ähnlich war, ausgestellt.
Chenot hatte nach seinem patentierten Verfahren (s. S. 613)
hergestellte Schwämme und daraus erzeugtes Eisen und Stahl ohne
Schmelzung 1) ausgestellt. Die Schwämme waren harte, steinartige
Massen von brauner Farbe. Groſse Beachtung fand die Ausstellung
damals nicht. Der Erfinder machte der Société d’Encouragement
einige Mitteilungen über sein Verfahren. Danach erfolgte die Reduk-
tion der Erze durch Gas, welches durch Kohle und Wasserdampf er-
zeugt wurde. Bei dem Ausschweiſsen wurde die Gangart abgeschieden.
Der Eisenschwamm lieferte durch das bloſse Schweiſsen derselben in
Flammöfen oder Frischfeuern mit mehr oder weniger Kohlenzusatz
Guſseisen, Guſsstahl oder Schmiedeeisen.
Gröſsere Beachtung fand mit Recht der in England noch fast
unbekannte Gasofenbetrieb, welcher in der deutschen Abteilung
durch das Modell eines zum Puddeln bestimmten Ofens von Bischoff,
in der österreichischen Abteilung aber durch die vorzüglichen, im Gas-
flammofen erzeugten Eisensorten der gräflich v. Eggerschen Werke
Lippitzbach, Feistritz und Treibach zur Anschauung gebracht war.
Der geringe Holzaufwand bei dem Gasbetriebe erregte Erstaunen.
Aus dieser kurzen Zusammenstellung ersieht man, wieviel Neues
die Eisenabteilung der Londoner Weltausstellung von 1851 bot, und
in der That ging auch eine mächtige Anregung von derselben aus.
Ein allgemeiner Aufschwung der Industrie folgte der groſsen
Industrieausstellung in London, der zum Teil durch diese veranlaſst, zum
Teil durch die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedingt war.
Die Revolution vom Jahre 1848 hatte eine glänzende Ent-
wickelungsperiode der Eisenindustrie, welche im Jahre 1847 ihren
Höhepunkt erreicht hatte, gewaltsam unterbrochen. Die Jahre der
Begeisterung und der Unklarheit, welche folgten, konnten den wirt-
schaftlichen Fortschritt nicht fördern; derselbe begann erst wieder,
nachdem Ordnung und Ruhe zurückgekehrt waren. Die Entwickelung
Frankreichs, von dem alle Beunruhigungen Europas im 19. Jahr-
hundert ausgegangen sind, war hierfür von besonderer Wichtigkeit.
[785]Die erste Weltausstellung 1851.
Die Macht und das Ansehen des am 10. Dezember 1848 zum Präsidenten
der französischen Republik erwählten Prinzen Louis Napoleon wuchs
von Jahr zu Jahr, so daſs die monarchische Spitze sich mehr und
mehr befestigte und die Regierung Frankreichs festen Halt gewann.
Napoleon hatte den engen Anschluſs Frankreichs an England und
die Beförderung der Arbeit und der Industrie auf seine Fahne
geschrieben, was wesentlich zu seinen politischen Erfolgen, sowie zum
Gedeihen der französischen Industrie beigetragen hat. Der Staats-
streich vom 2. Dezember 1851 und die Proklamation des Kaiser-
reiches unter Napoleon III. waren Etappen auf dieser Bahn und die
mit diesen Ereignissen verbundenen Beunruhigungen konnten den
siegreichen Fortschritt der Industrie vorläufig nicht aufhalten. Dem
Auslande gegenüber beteuerte Napoleon seine Friedensliebe. Keine
Wolke schien den Frieden Europas zu bedrohen.
Ebenso knüpfte in Deutschland die gedeihliche Entwickelung der
Eisenindustrie nach den Aufregungen der Revolution von 1848 und 1849
zu Anfang der 50er Jahre wieder an die blühende vormärzliche Zeit
an. Auf die deutsche Eisenindustrie hat die Londoner Weltausstellung
besonders günstig eingewirkt. Sie stärkte das Selbstbewuſstsein der
deutschen Eisenindustriellen durch die Anerkennung und Auszeich-
nungen, welche ihnen zu teil wurden, und durch die Erkenntnis, daſs
die bewunderte englische Industrie in technischer Beziehung keinen
unerreichbar groſsen Vorsprung hatte. Dazu kam ein handels-
politisches Moment, welches für die Entwickelung der deutschen Eisen-
industrie damals von groſser Wichtigkeit war: die Beibehaltung des
Roheisenzolles. Dieser war bekanntlich erst am 1. September 1844,
nachdem die deutsche Eisenindustrie durch die Konkurrenz der mit
hochentwickelter Steinkohlen-Eisenindustrie ausgestatteten Länder
England und Belgien dem Untergange nahe gebracht worden war,
eingeführt worden. Er betrug 1 Mark (10 Silbergroschen) für den
Zollcentner. Für Belgien war aber von vornherein ein Ausnahme-
tarif von nur 50 Pfennigen (5 Silbergroschen) für den Zollcentner
festgesetzt worden. Dieser für die deutsche Hochofenindustrie sehr
nachteilige Ausnahmesatz hatte seinen Grund darin, daſs die neu-
entstandenen Puddel- und Walzwerke mit Steinkohlenbetrieb im Rhein-
lande und Westfalen ihr Roheisen gröſstenteils aus Belgien bezogen
und es als feststehend angenommen wurde, daſs diese Gebiete auſser
stande seien, ihren Roheisenbedarf selbst zu produzieren. Es war die
Meinung verbreitet, die Steinkohlen der Ruhr seien zu schwefelhaltig
und ungeeignet für den Hochofenbetrieb und es gäbe keine schmelz-
Beck, Geschichte des Eisens. 50
[786]Die erste Weltausstellung 1851.
würdigen Eisenerze in diesem Gebiete. Wie unrichtig diese Annahmen
waren, bedarf keines Nachweises. Damals aber wurden sie von den
Freihändlern als unanfechtbare Lehrsätze behauptet. Die theoretischen
Anschauungen im deutschen Zollvereine waren aber freihändlerisch
und es herrschte infolgedessen eine groſse Geneigtheit, den Roheisen-
zoll wieder abzuschaffen oder herabzusetzen. Gegen diese Anschauung
und gegen die Begünstigung Belgiens kämpften aber nicht nur die
Eisenindustriellen selbst, sondern auch sachverständige, klar sehende
Volkswirtschaftler, unter denen besonders Wilhelm Öchelhäuser
und P. Mischler sich auszeichneten. Diese wiesen in ausführlichen
und gründlichen Schriften, indem sie die Lage der deutschen Eisen-
industrie in ihrem Verhältnisse zum Auslande zahlenmäſsig klar-
stellten, die Notwendigkeit des Schutzzolles für die deutsche Roh-
eisenindustrie nach. Diese zeit- und sachgemäſsen Ausführungen
hatten denn auch den gewünschten Erfolg, zum groſsen Segen für die
Entwickelung der deutschen Eisenindustrie. Zunächst wurde der Roh-
eisenzoll beibehalten; am 18. Februar 1852 wurde die Vergünstigung
Belgiens auf die Hälfte herabgesetzt, d. h. der Roheisenzoll auf
75 Pfennige (7½ Silbergroschen) für den Zollcentner erhöht und dann
vom 1. Januar 1854 ab die differentielle Vergünstigung des belgischen
Eisens überhaupt aufgehoben, also auch für belgisches Roheisen der
Einfuhrzoll auf 1 Mark für den Centner festgesetzt.
Diese gemäſsigte, weise Schutzzollpolitik hat in Verbindung mit
technischen Gründen die groſsartige Roheisenindustrie in Rheinland
und Westfalen geschaffen. Die Entwickelung derselben, besonders in
den Jahren 1851 bis 1857, bietet ein anziehendes Schauspiel. Die
Londoner Ausstellung war dafür von unmittelbarer Bedeutung. Diese
hatte den deutschen Eisenindustriellen die ungeheure Wichtigkeit
des Kohleneisensteines (black band) für die englische Eisenindustrie
vor Augen geführt. Nun hatte es sich gefügt, daſs der kurhessische
Hüttenmeister Schreiber um dieselbe Zeit das Vorkommen von ganz
ähnlichem Kohleneisenstein im Ruhrgebiete nachgewiesen hatte. Eine
gewaltige Aufregung entstand im Ruhrgebiete, die Unternehmungs-
lust wurde entfesselt, zahlreiche Hochofenwerke entstanden, von denen
wir die groſse Anlage zu Hörde besonders erwähnen.
Um aber diese Ereignisse in ihrer technisch-historischen Bedeutung
würdigen zu können, ist es notwendig, die Fortschritte der 50er Jahre
systematisch zu betrachten. Wir geben deshalb zunächst einen kurzen
Überblick über die schriftstellerischen Leistungen in diesem Zeit-
abschnitte.
Allgemeine Werke:
Valerius, Handbuch der Roheisenfabrikation, und Overmann,
The manufacture of steel, welche 1851 erschienen, wurden bereits S. 387
erwähnt; ebenso Flachat, Barrault et Petiet, Traité de la
fabrication de la fonte et du fer, wovon 1851 eine neue, verbesserte
Auflage herauskam. Zu Valerius, Handbuch der Stabeisenfabrikation,
erschien 1851 und zu dem Handbuch der Roheisenfabrikation 1853
ein Ergänzungsheft. 1850 gab Rammelsberg sein Lehrbuch der
chemischen Metallurgie heraus. 1853 erschienen von Th. Scherers
Lehrbuch der Metallurgie die zwei ersten Lieferungen des zweiten
Bandes, welche die Gewinnung des Roheisens behandelten und auf
welche leider weitere Lieferungen nicht mehr gefolgt sind. 1852 ver-
öffentlichte J. A. Philipps: A manual of metallurgy or practical
treatise on the chemistry of the metals, welches bereits 1854 eine
zweite Auflage erlebte. Lardners Cabinet Cyclopaedia brachte 1853
a treatise on the progressive improvement and present state of the
manufactures in metal, iron and steel; 2 vols.
1855 folgte Bruno Kerls Handbuch der metallurgischen Hütten-
kunde in vier Bänden, von denen der dritte die Eisenhüttenkunde in
umfassender Weise behandelt. In demselben Jahre erschien in Eng-
land: W. Truran, The iron manufacture of Great Britain mit
23 Tafeln, welches, obgleich es wissenschaftlich nicht auf der Höhe
der deutschen Werke stand, allgemeine Beachtung fand, weil der
Verfasser, welcher Hüttendirektor bei John Guest in Dowlais und
dann bei Crawshay zu Hirwain und Forrest gewesen war, ein her-
vorragender praktischer Hüttenmann war und die englische Litteratur
ein gröſseres Werk über Eisenhüttenkunde noch nicht hervorgebracht
hatte. Auch gab das Werk, welches viel Neues über englische hütten-
männische Verhältnisse enthielt, durch zum Teil sehr einseitige Ver-
besserungsvorschläge des Verfassers Veranlassung zu wichtigen Er-
örterungen in den Fachzeitschriften. 1857 folgte: G. Wilkie, The
manufacture of iron in Great Britain.
In Deutschland sorgte C. Hartmann reichlich für Litteratur,
indem er alle im In- und Auslande erschienenen Fachschriften zu
eigenen Werken verarbeitete. Die wichtigsten derselben sind oben
(S. 385 etc.) schon angeführt. Sein praktisches Handbuch der Roh- und
50*
[788]Litteratur 1851 bis 1860.
Stabeisenfabrikation, drei Bände mit Atlas, war eine Übersetzung und
Bearbeitung von der oben genannten zweiten Auflage des Werkes von
Flachat, Barrault et Petiet. In seiner „Bereitung und Ver-
arbeitung des Stahls“ hatte er ebenso das Buch von Overmann
benutzt. P. Tunners Stabeisen- und Stahlbereitung in Frischherden
oder der wohlunterrichtete Hammermeister erlebte 1858 eine zweite,
verbesserte Auflage. 1860 gab Weniger seinen praktischen Schmelz-
meister heraus, ein Buch für Praktiker ohne wissenschaftliche Vor-
bildung.
In Frankreich erschien 1861: Traité théorique et pratique de la
métallurgie du fer par C. E. Jullien nebst Atlas mit 52 Tafeln,
wovon bereits in demselben Jahre eine deutsche Bearbeitung von
C. Hartmann erschien.
Über einzelne Teile der Eisenhüttenkunde und der Eisenindustrie
erschienen zahlreiche, zum Teil vorzügliche Schriften. Unter diesen
nennen wir:
F. Le Play, Grundsätze, welche die Eisenhüttenwerke mit Holz-
betrieb und die Waldbesitzer befolgen müssen, um den Kampf gegen
die Hütten mit Steinkohlenbetrieb erfolgreich führen zu können;
deutsch von C. Hartmann 1854.
P. Tunner, Bericht über die auf der Pariser Welt-Industrieaus-
stellung von 1855 vorhandenen Produkte des Bergbau- und Hütten-
wesens; Wien 1855.
L. Wachler, Geschichte des ersten Jahrhunderts der königlichen
Eisenhüttenwerke zu Malapane vom Jahre 1755 bis 1854; Glogau 1856.
C. Zerenner, Einführung, Fortschritt und Jetztstand der metal-
lurgischen Gasfeuerung in Österreich, 1856.
A. Gurlt, Die Roheisenerzeugung mit Gas oder die Verhüttung
der Eisenerze mit indirekter Benutzung des Brennmaterials, 1857.
Delvaux de Fenffe, Fabrication de l’acier puddlé en Alle-
magne, 1857.
T. X. M. Zippe, Geschichte der Metalle, 1857.
In demselben Jahre Guettiers vorzügliches Werk: De la fonderie;
hiervon Paris 1858 schon die zweite Auflage.
P. Tunner, Das Eisenhüttenwesen in Schweden, 1858.
L. Wachler, Betrachtungen über die jetzige Lage des Hochofen-
betriebes und der Stabeisenerzeugung in Oberschlesien; 2 Bde.,
Oppeln 1857 und 1858.
D. Henveaux, Mémoire sur la construction des laminoirs, 1858;
deutsch bearbeitet von C. Hartmann, 1859.
The Iron Manufactures Guide to Furnaces, Forges and Rolling
Mills of the United States with discussion of Iron etc. by J. P. Lesley,
Secretary of the American Iron Association, 1859.
1860 gab Theodor Richter Plattners Vorlesungen über all-
gemeine Hüttenkunde heraus.
Verschiedene, sehr bemerkenswerte statistische Schriften er-
schienen besonders zu Anfang der 50er Jahre.
W. Öchelhäuser, Vergleichende Statistik der Eisenindustrie
aller Länder und Erörterung ihrer ökonomischen Lage im Zoll-
verein, 1852.
P. Mischler, Das deutsche Eisenhüttengewerbe vom Standpunkte
der Staatswirtschaft, 2 Bde., 1852 und 1854.
W. Öchelhäuser, Die Eisenindustrie in ihrer neuen Entwicke-
lung, 1855.
In enger Beziehung zu dem Eisenhüttenbetriebe stehen noch
folgende Werke:
Rammelsberg, Lehrbuch der chemischen Metallurgie; Plattner,
Die metallurgischen Röstprozesse, 1856; C. Schinz, Die Wärmemeſs-
kunst und deren Anwendung zur Konstruktion von Apparaten für die
Industrie, 3 Bde. mit Atlas, 1858.
Groſsartig entwickelte sich in dieser Periode die Fachzeitschriften-
litteratur. Zu den alten, bereits früher erwähnten, wie Annales des
mines, Karsten und v. Dechens Archiv, welches aber durch Kar-
stens Tod mit dem Jahrgange 1855 schloſs, C. Hartmanns Berg-
und hüttenmännischer Zeitung, Hausmanns Studien des göttin-
gischen Vereins bergmännischer Freunde, Jern-Kontorets Annaler
erschienen neu: P. Tunner, Berg- und hüttenmännisches Jahrbuch
der k. k. Montan-Lehranstalten zu Leoben und Přibram von 1851 an;
seit 1856 fortgesetzt von Grimm. J. B. Kraus, Jahrbuch für den
Berg- und Hüttenmann des österreichischen Kaiserstaates, seit 1848.
Bergmännischer Kalender, Jahrbuch für den Berg- und Hüttenmann;
Freiberg, von 1852 an. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinen-
wesen in dem preuſsischen Staate von R. v. Carnall, seit 1854. Öster-
reichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen von O. v. Hingenau,
seit 1853. Der Berggeist, Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen und
Industrie, seit 1856 in Köln.
Auſser den genannten brachten wichtige Beiträge zur Eisen-
hüttenkunde Dinglers Polytechnisches Journal, seit 1820; Polytech-
nisches Centralblatt, seit 1835; Der Bergwerksfreund, seit 1839;
Journal für praktische Chemie von Erdmann und Marchand, seit
[790]Lehranstalten 1851 bis 1860.
1834. Annalen der Physik und Chemie von Poggendorff. Försters
Allgemeine Bauzeitung, seit 1839. Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, seit 1857; Mechanics Magazine, seit 1823; The London
Journal of Arts; Le Génie industriel, seit 1851.
Mining Journal und The mining magazine, London seit 1855.
Wagners Jahresbericht über die Fortschritte der chemischen
Technologie, seit 1855.
Über den mechanischen Teil der Eisenhüttenkunde findet sich
Wichtiges in Redtenbachers Resultaten des Maschinenbaues von
1848 und in den folgenden Ausgaben und in J. Weisbachs Lehr-
buch der Ingenieur- und Maschinenmechanik, 5 Bde. (1845 bis 1860),
besonders in Bd. III.
Ein nützliches und lehrreiches Unternehmen waren die Ver-
öffentlichungen von Originalzeichnungen wichtiger Anlagen, Apparate
und Maschinen durch den Verein „Die Hütte“ in Berlin.
An diese kurze Übersicht über die Litteratur des Eisens in diesem
Jahrzehnt knüpfen wir einige Nachrichten über die Gründung neuer
Lehranstalten, insbesondere solcher für Berg- und Hüttenkunde an.
Als die wichtigste und groſsartigste nennen wir zuerst die Royal
School of Mines — die königliche Bergschule — welche in Verbindung
mit dem Museum of practical Geology 1851 in London eröffnet wurde.
Es geschah dies durch Prinz Albert, den Gründer der Anstalt, im
unmittelbaren Anschluſs an die Londoner Weltausstellung im Monat
September. Direktor wurde der berühmte Geologe de la Beche,
dem später R. Murchinson folgte; Lehrer der Bergbaukunde war
Warrington Smyth; Lehrer der Hüttenkunde wurde Playfair, dem
aber schon im folgenden Jahre der berühmte Chemiker John Percy
folgte, welcher an dieser reich ausgestatteten Anstalt Gelegenheit fand,
seine zahlreichen metallurgischen Untersuchungen anzustellen und
sein groſses Handbuch der Metallurgie zu verfassen.
In Deutschland erweiterte sich die schon 1810 gegründete Berg-
schule zu Klausthal zu einer höheren Lehranstalt für Berg- und
Hüttenwesen, welche durch vortreffliche Lehrer groſse Anziehungs-
kraft ausübte und sich einen bedeutenden Ruf erwarb. Von den
Lehrern nennen wir Bergrat Römer, Bergrat Koch, Maschinenmeister
Jordan, Dr. Streng, vor allem aber Bruno Kerl, der sich um
Probierkunst und Hüttenkunde hochverdient gemacht hat.
Ende der 50er Jahre entschloſs sich auch Preuſsen zur Grün-
dung einer Bergakademie: durch allerhöchste Ordre vom 1. September
1860 wurde die Königliche Bergakademie in Berlin ins Leben gerufen.
Die Gründung mehrerer gröſserer Fachvereine fällt ebenfalls in
dieses Jahrzehnt. 1856 wurde der Verein Deutscher Ingenieure ge-
gründet, 1860 entstand der Technische Verein für Eisenhüttenwesen,
der sich aber bald dem erstgenannten als Zweigverein anschloſs.
In den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika war am 6. März
1855 die American Iron und Steel Association in Philadelphia ins Leben
getreten.
Die Fortschritte der Naturwissenschaft übten einen belebenden
Einfluſs auf die Eisenindustrie aus. Besonders hatte sich die Chemie
als eine unentbehrliche Gehülfin der Technik zugesellt. Die chemische
Wissenschaft bildete die wichtigste Grundlage der Technologie. Sie
hatte durch Berzelius und noch mehr durch Liebig eine hervor-
ragend praktische Richtung eingeschlagen. Liebigs Laboratorium
zu Gieſsen wurde nicht nur eine Lehrwerkstätte für viele ausgezeichnete
Chemiker, das Laboratorium selbst wurde eine Musteranstalt. Alle
Universitäten, Bergakademieen und technischen Hochschulen in Deutsch-
land beeiferten sich ebenfalls, chemische Laboratorien zu bauen und
einzurichten, welche zu segensreichen Lehranstalten erblühten, die
den deutschen Chemikern eine vortreffliche hervorragende Bildung
gewährten zum Nutzen unseres Vaterlandes und zum Heil der gesamten
Industrie.
Noch waren es in den 50er Jahren die Untersuchungen der
unorganischen Verbindungen und Körper, auf welche die meiste
Arbeit und Kraft verwendet wurden. Die hervorragendsten Chemiker,
unter denen wir hier besonders Wöhler, Mitscherlich, Heinrich
Rose und Rammelsberg nennen, widmeten ihre Kräfte diesem
Gebiete. Die analytische Chemie machte von Jahr zu Jahr neue Fort-
schritte, fortwährend wurden neue, bessere und einfachere Methoden
zur Bestimmung einzelner Bestandteile aufgefunden, und vortreffliche
Lehrbücher machten es dem Chemiker leicht, den richtigen und besten
Weg für die Analyse unorganischer Verbindungen zu finden. H. Rose,
Rammelsberg, Fresenius, Will und Wöhler gaben ausgezeichnete
Lehrbücher der analytischen Chemie heraus. Die chemisch-analytischen
Arbeiten nahmen einen immer wachsenden Umfang an. Jede Uni-
versität, jedes Laboratorium trug dazu bei und veröffentlichte Resul-
[792]Chemie 1851 bis 1860.
tate. Aber auch die groſsen Eisenhütten richteten Laboratorien ein
und stellten Hüttenchemiker an, um ihre Rohmaterialien und ihre
Produkte zu untersuchen. Die Zahl der auf das Eisen und die Eisen-
industrie bezüglichen Analysen vermehrte sich dadurch von Jahr zu Jahr
und es ist ganz unmöglich, dieselben im einzelnen aufzuzählen. Nur
einige wichtigere Arbeiten wollen wir erwähnen. Roheisenanalysen
veröffentlichten Karsten, Scherer, Rammelsberg, Wöhler, Frese-
nius, Schafhäutl, Fuchs, Bromeis, Brunner, v. Mayrhofer,
Rob. Richter, Max Buchner1), Durocher, F. A. Abel2), Percy
und viele Andere. Viel zahlreicher noch sind die Analysen von
Eisenerzen und Schlacken, und werden wir Gelegenheit haben, ein-
zelne derselben noch anzuführen.
Die analytische Chemie des Eisens wurde durch neue Unter-
suchungsmethoden bereichert. Unter diesen führen wir nur einige
an, welche für die Hüttenchemie von besonderer Bedeutung waren.
Penny bestimmt den Eisengehalt maſsanalytisch durch eine Normal-
lösung von doppeltchromsaurem Kali, bis Kaliumeisencyanid keinen
blauen Niederschlag mehr giebt. Dasselbe Verfahren empfahl 1852
Schabus. Ullgren, der sich groſse Verdienste um die Roheisen-
analyse erworben hat, erfand 1850 ein Verfahren der Phosphor-
bestimmung 3). Eggertz, Professor an der Bergschule zu Fahlun,
gab 1857 eine kalorimetrische Bestimmung des Schwefels im Roheisen
an. Danach löst man 1 dcg des zu untersuchenden Eisens in einer
bestimmten Menge verdünnter Schwefelsäure in einem Glaskolben.
In den Hals des Gefäſses hängt man ein blankes Silberblech
15 Minuten lang. Enthält das Roheisen Schwefel, so färbt sich das
Silberblech und aus dem Grade der Färbung erkennt man die Menge
des Schwefelgehaltes, indem man das Blech mit einer Farbenskala
vergleicht. Bei blauer bis bläulichbrauner Färbung erhält man aus
dem Roheisen beim Frischen mit Holzkohlen nur rotbrüchiges Eisen,
bei tombakbrauner Färbung läſst sich bei sorgfältigem Puddeln noch
brauchbares, kaum rotbrüchiges Eisen erzielen. Ist die Färbung nur
strohgelb, so ist der Schwefelgehalt überhaupt nicht schädlich.
Fr. Field empfahl zur Trennung des Eisens von Mangan Kochen der
Oxydlösung mit Bleioxyd oder kohlensaurem Bleioxyd. Hierdurch
[793]Chemie 1851 bis 1860.
wird das Eisen gefällt, während das Mangan in Lösung bleibt 1).
v. Kobell empfiehlt zur Kohlenstoffbestimmung im Eisen die Auflösung
desselben in reinem Kupferchlorid. Hierbei bleibt der gesamte Kohlen-
stoff im Rückstande und läſst sich dann durch Verbrennung bestimmen.
Die Bestimmung des Phosphors in metallischem Eisen und Eisen-
erzen machte Fortschritte durch verbesserte Verfahren von Ullgren2),
besonders aber durch die epochemachende Untersuchung von Sonnen-
schein über die molybdänsauren Salze und die Anwendung der
Molybdänsäure zur Bestimmung der Phosphorsäure 3), welche die
Grundlage der späteren Phosphorbestimmung wurde.
Über die Konstitution der Eisensorten, insbesondere hin-
sichtlich ihres Kohlenstoffgehaltes, wurden in den 50er Jahren viele
neue Ansichten geäuſsert, verteidigt und angegriffen, ohne daſs da-
durch diese schwierige Frage gelöst wurde.
Man nahm ziemlich allgemein Karstens Ansicht an, daſs es eine
bestimmte Eisenkohlenstoffverbindung, das Viertelkarburet, Fe4C, gäbe,
welche als reines Spiegeleisen dargestellt werde, beziehungsweise daſs
reines Spiegeleisen Viertelkarburet des Eisens sei. Die meisten Eisen-
sorten enthalten aber weniger Kohlenstoff und zeigen andere Eigen-
schaften als das Spiegeleisen.
Le Play leitete die Eigenart des Stahles nicht von seiner
chemischen Mischung, sondern von seiner Entstehung ab, indem er
behauptete, daſs Stahl nur aus bestimmten Erzen, den Stahlerzen, dar-
gestellt werden könne.
Fuchs4) verwarf (1852) überhaupt die Ansicht, daſs die auſser-
ordentlich verschiedenen Eigenschaften der Eisensorten sich durch
verschiedene Kohlenstoffverbindungen des Eisens erklären lassen. Er
nahm vielmehr an, daſs das Eisen dimorph sei und in tesseralen und
in hexagonalen Formen krystallisiere. Die Verschiedenheit der Kry-
stallisation bedinge die verschiedenen Eigenschaften. Das tesserale
Eisen sei geschmeidig, das hexagonale sei hart und spröde wie das
Spiegeleisen. Die meisten Eisensorten, namentlich auch der Stahl,
seien Gemenge beider, wobei der eine oder der andere isomorphe
Zustand vorherrsche. Diese Erklärung wäre ganz einleuchtend
gewesen, wenn sie sich hätte begründen lassen. Eisen krystallisiert
[794]Chemie 1851 bis 1860.
im regulären oder tesseralen System, das ist eine erwiesene Thatsache,
die hexagonale oder rhomboëdrische Krystallisation desselben ist
hypothetisch.
Dr. A. Gurlt1) stellte 1855 die Theorie auf, daſs es auſser dem
Viertelkarburet, Fe4C, Spiegeleisen, welches hexagonal krystallisiere,
noch ein niedrigeres Achtelkarburet, Fe8C, gäbe, welches tesseral
krystallisiere, und daſs Stabeisen ein Gemenge oder eine Legierung
von reinem Eisen und diesem Achtelkarburet sei. Er analysierte
reguläre Eisenkrystalle des Geschützeisens von Finspong und fand
dieselben dem Achtelkarburet entsprechend zusammengesetzt. Damit
will er die Existenz des Achtelkarburets bewiesen haben. Nach seiner
Annahme bildet sich im Hochofen aus den entsprechenden Erzen bei
einer gewissen Temperatur und der Anwesenheit von hinreichendem
Kohlenstoff mit Kohlenstoff gesättigtes Eisen, Spiegeleisen, Fe4C
= 94,88 Eisen und 5,12 Kohlenstoff. Fehle es an Hitze oder an
Kohlenstoff, so bilde sich kein Spiegeleisen, sondern kohlenärmeres
Eisen, luckiger Floſs. Würde dagegen Spiegeleisen über seine Ent-
stehungstemperatur hinaus erhitzt, so verwandele es sich in eine
niedrige Kohlungsstufe, Achtelkohleneisen, unter gleichzeitiger Aus-
scheidung von Kohlenstoff in Form von Graphit; es entstehe graues
oder schwarzes Roheisen. Aus der Kombination von reinem Eisen,
Achtelkarburet, Viertelkarburet und Graphit erklärt Gurlt alle vor-
kommenden Eisensorten.
Von dieser Theorie Gurlts läſst sich dasselbe sagen wie von
der von Fuchs; sie war einleuchtend, aber durchaus unerwiesen.
Tunner, der nur das Viertelkarburet als eine bestimmte Kohlen-
eisenverbindung anerkannte, hat nachgewiesen, daſs, wenn die Eisen-
krystalle von Finspong, welche Gurlt untersuchte, die Zusammen-
setzung eines Achtelkarburets hatten, dies nur zufällig gewesen sein
könne, indem die auf seine Veranlassung von Robert Richter unter-
suchten Eisenkrystalle von Lölling ganz anders zusammengesetzt
waren. Ebenso zeigte Rammelsberg, daſs die Analysen, auf welchen
Gurlt sein Lehrgebäude errichtet hatte, keine allgemeine Gültigkeit
beanspruchen konnten.
Buchner und Schafhäutl, welche viele Versuche über Eisen-
kohlenstoffverbindungen anstellten, verwarfen sogar die Ansicht, daſs
Spiegeleisen ein Viertelkarburet des Eisens sei.
Lohage und v. Mayrhofer dagegen nahmen nicht nur die Exi-
stenz des Achtelkarburets des Eisens, sondern noch die einer ganzen
Reihe von Eisenkarbureten an. Lohage bezeichnete das Achtel-
karburet als einen mit Kohlenstoff gesättigten Stahl, den gewöhn-
lichen Stahl aber als ein Gemisch von verschiedenen Kohlungsstufen
von ungleichen Eigenschaften.
Karl v. Mayrhofer will in jeder Eisensorte ein besonderes
Karburet erkennen. Für die verschiedenen Arten des Roheisens stellte
er folgende Reihe auf 1):
1. Luckiger Floſs, Fe12 C oder Fe6 C (Zwölftelkarburet); 2. fein-
körniges, blumiges Roheisen, Fe5 C; 3. körnig-krystallinisches Roheisen,
Fe4 C; 4. strahliges Roheisen, Fe3 C; 5. Spiegeleisen, Fe2 C. Nun
folgen die graphithaltigen Roheisensorten: 6. Halbiertes, körniges
Roheisen, Fe3 C + n C; 7. halbiertes strahliges Roheisen, Fe4 C + n C;
8. körniges graues Roheisen, Fe5 C + n C; 9. schwarzgraues Roheisen,
Fe6 C + n C. In gleicher Weise bildet v. Mayrhofer eine Reihe
für den Stahl, dessen Zusammensetzung angeblich zwischen den End-
gliedern Fe7 C und Fe18 C liegt.
Diese Formeln mögen ein gewisses theoretisches Interesse dar-
bieten, nachweisen lassen sich die durch sie ausgedrückten Ver-
bindungen nicht; eine praktische Bedeutung ist ihnen nicht bei-
zumessen. Die verschiedenen Eisensorten enthalten stets neben dem
Kohlenstoff noch andere Substanzen, welche zum Teil den Kohlen-
stoff substituieren und dadurch die Konstitution des Eisens verändern.
Die Gesetze der Substitution des Kohlenstoffs im Eisen waren
aber noch ganz unbekannt. Gurlt nahm allerdings bereits folgende
allgemeine Formel der Zusammensetzung des Roheisens an: (Fe, Mn)4 C,
Fe8 C, (Fe, Mn)4 Si, (Fe, Mn)4 P, (Fe, Mn)8 S etc. Hierbei unterstellte
er also, daſs Silicium, Phosphor und Schwefel den Kohlenstoff un-
mittelbar substituieren. Daſs dem aber so ist, läſst sich weder er-
weisen, noch ist es wahrscheinlich. Beobachtungen wiesen vielmehr
darauf hin, daſs die Metalloide wenigstens zum Teil unter sich Ver-
bindungen bilden, welche in die Konstitution des Roheisens eintreten.
Die Annahme der Substitution der Metalloide und ihrer kon-
stitutionellen Bedeutung im Eisen führte aber zu einer gröſseren
Beachtung derselben. Man betrachtete sie nicht mehr schlechthin als
Verunreinigungen des Eisens, sondern suchte ihren Einfluſs auf die
[796]Chemie 1851 bis 1860.
Eigenschaften derselben genauer zu erforschen. Vor allem war es
das Silicium, von dem man erkannte, daſs es den Kohlenstoff im
Eisen bis zu einem gewissen Grade ersetzen und verdrängen konnte.
Während das weiſse Roheisen selten über ½ Proz. Silicium enthielt,
betrug der Siliciumgehalt im grauen Roheisen meist 3 Proz., steigerte
sich aber namentlich beim Schmelzen strengflüssiger, saurer Be-
schickungen mit heiſsem Winde bis zu 8 Proz. Je mehr das Silicium
im Eisen zunahm, je mehr verminderte sich der Gehalt an gebundenem
Kohlenstoff. Man hatte in einem schottischen Gieſsereiroheisen an
13 Proz. Silicium bei nur 1 Proz. Kohlenstoffgehalt nachgewiesen. Der
Kohlenstoff selbst bewirkt bei hoher Temperatur im Gestell die Re-
duktion der Kieselsäure. Während Gurlt einfache Substitution nach
den Äquivalenten annahm, sollten nach Mayrhofer sechs Atome Kohle
durch ein Atom Silicium vertreten werden, eine Annahme, die sich
in keiner Art beweisen läſst. Fest stand dagegen schon damals, daſs,
während das Eisen nur eine beschränkte Menge Kohlenstoff — nach
Karsten höchstens bis 5,92 Proz. — aufzunehmen vermag, das Eisen
sich mit viel gröſseren Mengen Silicium in nahezu unbegrenzten Ver-
hältnissen verbindet. Nach Schafhäutl sollte das Silicium als Kohlen-
stoffsilicium, als Kohlenstickstoff und Stickstoffsilicium, als Silicium-
eisen und Schwefelsilicium im Roheisen vorhanden sein, doch existiere
es auch in elementarer Gestalt, vielleicht mit etwas Kohle und Schwefel
verbunden, darin.
Wöhler1) entdeckte krystallisiertes Silicium, und daſs dieses auch
im Roheisen vorkommt, wurde durch Untersuchungen von Richter2)
wahrscheinlich gemacht. Nach Deville3) existiert das Silicium in
drei allotropischen Zuständen, amorph, graphitähnlich und krystallisiert,
und zeigt auch hierin eine groſse Analogie mit dem Kohlenstoff.
Gegen Ende der 50er Jahre kam zuerst von Lohage und
Bessemer die Ansicht zum Ausdruck, daſs ein gewisser Gehalt an
Silicium im Roheisen sowohl beim Puddel- wie beim Bessemerprozeſs
vorteilhaft und erwünscht sei. Dagegen schrieb Jannoyer dem
Silicium die Ursache aller Fehler des Eisens zu und wollte dasselbe
durch hohen Kalkzuschlag und Bildung einer basischen Schlacke von
der Zusammensetzung B20 S19 austreiben.
Wie der Siliciumgehalt bei dem mit heiſsem Winde erblasenen Roh-
eisen durchschnittlich um ⅓ bis ½ Proz. höher gefunden wurde, so nahm
[797]Chemie 1851 bis 1860.
man dasselbe auch für den Phosphor an. Namentlich behauptete der
Engländer Wrighton 1849 dies durch eine Reihe von Analysen von
Staffordshirer Roheisensorten bewiesen zu haben. David S. Price und
E. Chambers Nicholson1) untersuchten diese Frage genau, fanden
obige Annahme nicht bestätigt, sondern kamen zu folgenden Ergeb-
nissen: 1. Bei der Tiegelprobe geht aller Phosphor des Eisenerzes in
den Eisenkönig; 2. geht ebenso bei den gewöhnlichen Eisenerzen —
Thon- und Kohleneisensteinen — aller Phosphor in das grau erblasene
Roheisen, mag der Betrieb mit heiſsem oder mit kaltem Winde
geführt worden sein; 3. bei der Produktion von weiſsem Roheisen
geht dagegen nur ein Teil des Phosphors in das Eisen und enthalten
die Schlacken Phosphorsäure in nachweisbaren Mengen.
Über den Schwefelgehalt des Roheisens machte Jannoyer Unter-
suchungen 2), durch die er nachwies, daſs Schwefel den Kohlenstoff
im Roheisen verdränge, und zwar soll dies unter gleichzeitiger Ver-
flüchtigung von Schwefel durch Bildung von Schwefelkohlenstoff vor
sich gehen. Ersteres hatte Karsten schon früher durch Versuche
erwiesen, letzteres wurde von Karsten bestritten. Daſs man dem
Schwefelgehalt der Erze und Brennmaterialien durch basische Be-
schickung und Bildung sehr kalkreicher Schlacke zu begegnen suchte,
war im praktischen Hochofenbetriebe bereits allgemein gebräuchlich.
Rob. Richter bewirkte 1860 die Entschwefelung des Roheisens im
Puddelofen mit gutem Erfolge durch Zusatz von Bleiglätte oder auch
von metallischem Blei. Jannoyer wollte gefunden haben, daſs der
Schwefel die nachteiligen Wirkungen des Phosphors neutralisiere.
Daſs Stickstoff in vielen Eisensorten vorhanden ist, hatte
Schafhäutl nachgewiesen. Da die von ihm mitgeteilten Zahlen
aber auffallend hoch waren, so hatte Marchand 1850 genaue Unter-
suchungen darüber angestellt und dabei allerdings Stickstoff in ver-
schiedenen Roheisensorten gefunden, aber nie mehr als 0,015 Proz. 3).
Aus seinen Untersuchungen schlieſst er, daſs ein Stickstoffgehalt im
Roheisen und Stahl im allgemeinen nicht mit Sicherheit angenommen
werden könne, daſs er aller Wahrscheinlichkeit nach niemals 0,02 Proz.
erreiche und daſs aller Stickstoff, dessen Gegenwart sicher nach-
gewiesen worden sei, fremden eingeschlossenen Stoffen angehöre, und
daſs deshalb der Stickstoff nicht als ein wesentlicher Bestandteil von
Roheisen oder Stahl angesehen werden könne.
Das direkte Gegenteil behauptete der Franzose Fremy gegen
Ende dieses Zeitabschnittes. Er erklärte den Stickstoff für einen
wesentlichen Bestandteil des Roheisens und namentlich auch des
Stahls 1). Daſs stickstoffhaltige organische Substanzen besonders wirk-
same Cementiermittel bei der Stahlbereitung aus Stabeisen abgeben,
war eine längst bekannte Thatsache. Die unendlich vielen und oft höchst
wunderlich zusammengesetzten Stahlhärtemittel, namentlich für Ein-
satzhärtung, verdanken fast alle ihre Wirksamkeit der Anwesenheit
einer Kohlenstickstoffverbindung. Diese günstige Wirkung der Kohlen-
stickstoffverbindung bei der Cementation erklärt sich leicht aus dem
Umstande, daſs diese Verbindungen flüchtig sind und den Kohlen-
stoff in einer konzentrierten Form in das poröse Eisen eindringen
lassen. Caron und Despretz hatten vor Fremy diese Frage näher
untersucht und den groſsen Einfluſs, welchen der Stickstoff bei der
Stahlbildung ausübe, nachgewiesen. Saunderson2), ein groſser Stahl-
fabrikant Sheffields, machte ebenfalls praktische Versuche über diese
Frage und ging so weit, zu behaupten, daſs sich Stahl in den Cementier-
kisten überhaupt nur durch die doppelte Einwirkung von Kohlen-
stoff und Stickstoff bilde. Alle die Genannten schrieben aber dem
Stickstoff nur die Rolle des Vermittlers zu, der die Übertragung des
Kohlenstoffs an das Eisen bewirke. Fremy dagegen stellte eine ganz
neue Theorie auf, indem er behauptete, der Stickstoff gehe selbst in
den Stahl über und bilde einen wesentlichen Bestandteil desselben.
Diese mit viel Selbstbewuſstsein und nicht ohne Geschick vorgetragene
Ansicht erregte keine geringe Aufregung unter den Metallurgen, da
sie, wenn sie sich bewahrheitete, die seitherigen Ansichten über Stahl
und Stahlbildung und damit auch die Stahlfabrikation selbst wesent-
lich umgestalten muſste. Fremys Ansicht wurde aber von seinen
Landsleuten Caron und Gruner 1861 widerlegt. Gruner zu
St. Etienne wies im Gegensatz zu den Behauptungen Fremys und
Saundersons nach, daſs man die Umwandlung des Stabeisens in
Stahl durch von Ammoniak gereinigtes Leuchtgas und stickstofffreien
Kohlenwasserstoff bewirken könne, wie dies Macintosh schon 1839 im
groſsen ausgeführt hatte, und Caron3) wies nach, daſs der Stickstoff
nur eine Vermittlerrolle spiele, wofür er seine Gegenwart allerdings für
unerläſslich hielt, weil reine Kohle für sich allein nicht cementiere.
Cyan sei das wirksame Stahlbildungsmittel und namentlich spiele bei
[799]Physik 1851 bis 1860.
der Cementation im groſsen Cyanammonium die wichtigste Rolle. Er
selbst schlug im weiteren Verfolg seiner Untersuchungen Cyanbaryum
als ein besonders wirksames Stahlmittel vor. Er empfiehlt das
Cementierpulver aus Lederkohle, welche Cyan enthält, und gepulvertem
kohlensaurem Baryt (Witherit) herzustellen. Bei dem Glühen ent-
stehe Cyanbaryum, welches so wirksam sei, daſs es eine kontinuierliche
Cementation gestatte, indem man nach verhältnismäſsig kurzer Zeit
die cementierten Stäbe ausziehen und durch frische ersetzen könne.
Caron muſste indessen ebenfalls zugeben, daſs Leuchtgas und Sumpf-
gas bei schwacher Glühhitze für sich Eisen cementieren. Fremy
wollte dies durch die Behauptung erklären, daſs sowohl Roheisen als
Stabeisen stickstoffhaltig seien.
Caron hielt dagegen einen Stickstoffgehalt im Eisen für zufällig
und von stickstoffhaltigem Roheisen herrührend. Auch sei der Stick-
stoff nicht direkt mit dem Eisen verbunden, sondern als Stickstoff-
silicium oder Kohlenstoff-Stickstoff-Titan darin enthalten.
Über den weiteren Verlauf dieses Streites, der mehr Aufregung
als praktische Erfolge veranlaſste, werden wir im folgenden Abschnitte
berichten.
Interessante physikalische Beobachtungen über das Eisen ver-
öffentlichte Hausmann in der Abhandlung „über die durch Mole-
kularbewegungen in starren, leblosen Körpern bewirkte Form-
veränderung“ (Göttingen 1856). Er beschrieb darin namentlich die
Strukturveränderungen des Roheisens durch plötzlichen Tempe-
raturwechsel, daſs Stahl und Roheisen durch rasche Abkühlung
specifisch leichter werden; ferner die Veränderungen, welche das Eisen
durch fortgesetzte Erschütterungen erleide und wie die ursprüngliche
Festigkeit durch schwache Rotglut und langsames Erkalten wieder
hergestellt werde. Die wichtigen Versuche über die Festigkeit
der englischen Roheisensorten, welche von R. Stephenson, W. Fair-
bairn und Hodgkinson für den Bau der Conway- und der Britannia-
brücke angestellt wurden, sind von Conche zusammengestellt worden 1).
Die Zerreiſsungsversuche ergaben eine absolute Festigkeit zwischen
9 und 18 kg pro Quadratmillimeter, im Mittel 10 bis 11 kg.
W. Fairbairn machte Versuche über den Einfluſs des Umschmelzens
auf die Festigkeit des Roheisens. Er schmolz Gieſsereiroheisen von
[800]Beschickung und Schlacken.
Eglinton 17 mal um. Bis zum zwölften Umschmelzen nahm die
Festigkeit zu, dann nahm sie rasch ab. Ausführliche Versuche über
die Festigkeit englischer Roheisensorten wurden ferner 1856 bis 1859
von der Regierung im Arsenal zu Woolwich angestellt 1).
In Bezug auf die Wärmemessung erwarben sich Plattner und
John Wilson Verdienste. Plattner bestimmte die Schmelzpunkte
einer Reihe von Metalllegierungen, die dann als Wärmemesser benutzt
wurden. Für höhere Temperaturen waren dies Legierungen von Silber
und Platin, wobei der Schmelzpunkt des Silbers zu 1023°, der des
Platins zu 2534° angenommen wurde; für niedrigere Temperaturen
dienten Legierungen von Silber und Blei, wobei der Schmelzpunkt des
Bleies auf 334° festgestellt war 2).
Wilson berechnet den Hitzegrad aus der Wärmezunahme eines
bestimmten Gewichtes Wasser, in das ein Stück Platin von bekanntem
Gewicht und der fraglichen Temperatur rasch abgelöscht wird. Über
die Wärme lieferten Favre und Silbermann3), sowie Schinz vor-
treffliche Arbeiten. Erstere machten gründliche Untersuchungen über
die Verbrennungswärme des Kohlenstoffs, seiner Verbindungen und
der Brennstoffe.
Die Hüttenchemie gewann einen groſsen Einfluſs auf den Hoch-
ofenbetrieb durch die Anwendung stöchiometrischer Grundsätze auf
die Beschickung des Hochofens. Man ermittelte die chemische
Zusammensetzung aller Materialien, welche in den Schmelzofen
kommen sollten, und berechnete ihre Gattierung und Beschickung
mit Zuschlägen nach der chemischen Zusammensetzung der
Schlacken, welche fallen sollten. Diese Zusammensetzung richtete
sich nach der Schmelztemperatur, beziehungsweise der Roheisensorte,
welche man erstrebte. G. Lindauer4) und Karl v. Mayrhofer5)
haben hierüber verdienstliche Arbeiten geliefert. Lindauer stellte
den Grundsatz auf: es müssen bei der Beschickung des Hochofens
Silikate gebildet werden, welche bei der Temperatur, in welcher die
[801]Beschickung und Schlacken.
Operation stattfindet, in einen flüssigen Zustand gebracht werden,
ohne daſs dieser Flüssigkeitszustand durch Eisenoxydulsilikat ver-
anlaſst wird. Die Schlacken sollten möglichst reine Kalk-Thonerde-
silikate sein. Die Schmelztemperaturen derselben waren durch die
Untersuchungen Plattners bestimmt.
Schon Berthier hatte angegeben, daſs die schmelzbarsten Kalk-
Thonerdesilikate zwischen dem Singulo- und dem Bisilikat nach
seiner Bezeichnung zwischen C S + A S 1) und C S2 + A S2 liegen.
Plattner hatte nachfolgende Schmelztemperaturen für die Kalk-
und Thonerdesilikate ermittelt: C S2 = 2150° C., C S3 = 2100° C.,
A S2 = 2400° C., A S3 = 2400° C., C S + A S = 1918° C., C S2 + A S2
= 1950° C. Die leichtschmelzigste Schlacke liegt zwischen den beiden
letztgenannten Verbindungen. Für Holzkohlenbetrieb empfahl sich
die Schlacke C S2 + A S2, bei Koksbetrieb war eine basischere Schlacke
erforderlich und die Zusammensetzung C S + A S vorzuziehen. Hier-
bei war die Thonerde immer als Base angenommen. Doch kann die-
selbe unter Umständen auch an Stelle der Kieselsäure treten und als
Säure erscheinen. Mayrhofer stellte den Grundsatz auf: Thonerde
verhält sich in den Schlacken so lange als Base, als ihr Sauerstoff-
gehalt den der letzteren übertrifft, im anderen Falle tritt sie als
Säure neben der Kieselsäure auf und bildet Aluminate. Derselbe
gab ferner an, daſs, je heiſser der Gebläsewind sei, je niedriger
müsse die Schlacke siliciert sein, weil eine basische Schlacke die
Reduktion der Kieselsäure erschwert, während eine saure sie erleichtert.
Er giebt folgende Schmelztemperaturen der Beschickung für die ver-
schiedenen Roheisensorten an: für luckige Flossen 1650° C., blumige
Flossen 1700° C., körnig-krystallinisches Roheisen 1760° C., strahlig-
krystallinisches 1790° C., Spiegeleisen 1850° C., halbiertes 1865° C.,
strahlig graues 1880° C., körnig graues (Gieſsereieisen) 1895° C. und
schwarz-graues 1900° C.
Die stöchiometrische Berechnung der Beschickung beziehungsweise
der Zuschläge zu den Erzen und Brennmaterialien von bekannter
Zusammensetzung war demnach eine einfache Rechenaufgabe. Für
diese Berechnungsweise findet man die ausführlichste Anleitung in
Lindauers Kompendium der Hüttenchemie. Auſserdem hat Bode-
mann verdienstvolle Aufschlüsse über die Schlackenbildung und
Schlackenzusammensetzung gegeben.
Schon Mitscherlich und Hausmann hatten darauf hingewiesen,
daſs gewisse Hüttenschlacken gewissen in der Natur vorkommenden
Mineralien entsprechen. Solche sind Feldspat, Ankerit, Granat,
Humboldilit, Gehlenit, Augit, Wollastonit. Schlackenanalysen lieferten
auſser den Genannten in
jener Zeit besonders Riley,
Price und Nicholson,
Percy, Roth, Rammels-
berg, Mrazek, Bromeis
und Andere.
Zur Vorbereitung der
Erze für den Schmelz-
prozeſs, besonders von der
Röstung, ist kurz folgen-
des aus dieser Periode zu
berichten. Wo es die Natur
der Erze gestattete oder
bedingte, wendete man die
Haufenröstung an, wie z. B.
bei dem Kohleneisenstein
(blackband) in Westfalen,
welcher in 37,7 m langen, 9,4 m breiten, 1,3 m hohen Haufen, die
10000 Scheffel faſsten und 4 Wochen brannten, verwendet wurde. Im
übrigen wendete man der Schachtröstung besondere Aufmerksamkeit
zu. Man suchte überall kontinuierlichen Betrieb teils in Öfen nach
Rumfordschem Princip, teils in Gasröstöfen einzuführen. In Steiermark
wendete man mit Erfolg Kohlenlösche statt Holzkohle an und erzielte
dadurch bedeutende Ersparnis. Zu Mariazell versah man die Schweiſs-
röstöfen mit Treppenrostfeuerung 1). Diese Öfen (Fig. 265) dienten für
schwefelkiesreiche Spateisensteine und waren von Wagner erbaut 2).
Die Gasröstöfen in Schweden wurden verbessert und kamen dort in
[803]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
jener Zeit zu allgemeiner Einführung 1). Eine eigentümliche Einrichtung
(Fig. 266 2) hatten Houldsworth und Hunter auf der groſsen Eisen-
hütte Coltneſs in Schottland eingeführt, wobei sie die Hochofengase
direkt den Röstöfen zuführten, sie aber vor dem Eintritte in dieselben
entzündeten. Einfacher und besser war es, die Gase im Ofen zwischen
den Erzen zu verbrennen, wie in Schweden. Gasröstöfen wurden auf
Tunners Empfehlung hin auch in Steiermark eingeführt und zwar
zuerst auf dem v. Fridauschen Werke zu Vordernberg. Die Röstung
mit Wasserdampf kam auf mehreren oberschlesischen Hütten, be-
sonders auf der Vorwärtshütte, zur Anwendung.
Die Ökonomie des Brennmaterials, mit die wichtigste Auf-
gabe des Eisenhüttenmannes, machte in dieser Zeit groſse Fortschritte,
sowohl durch genaueres Studium der Brennstoffe, als durch bessere
Vorbereitung und Verbrennung derselben.
Der Verwendung des Torfs, obgleich bei der Eisenfabrikation
immer nur ein Notbehelf, wendete man groſse Aufmerksamkeit zu.
Man bereitete den Torf sorgfältiger auf und konstruierte Pressen
verschiedener Art zur Herstellung von Presstorf 3). Challenton hatte
51*
[804]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
bereits auf der Pariser Weltausstellung 1855 verdichteten Torf und
Torfkoks vorgeführt, die Aufsehen erregten. Er zerriſs den Torf durch
Walzen, rührte den zerkleinerten Stoff mit Wasser an und leitete das
Feine durch Siebe in Sümpfe; diese wurden dann von Zeit zu Zeit
abgelassen, der Torf gestochen und getrocknet. Das Pressen ver-
besserte Gwynne, indem er den so aufbereiteten Brennstoff durch
mehrere Trockencylinder durchgehen lieſs und ihn dann mit einer
Excenterpresse in Hohlformen, welche durch Wasserdampf erhitzt
wurden, preſste. Der so erhaltene Torf war gut, aber zu kostspielig.
Exters verbesserte Methode im Haspelmoor in Bayern bestand darin,
daſs er die Torffläche erst durch Pflügen trocken legte, dann wurde
der Torf geeggt, gewendet und nach einigen Tagen in Trockenhäusern
mittels Wasserdampf getrocknet und noch heiſs gepreſst 1). In Litauen
wurde der Torf in ganz ähnlicher Weise vorbereitet und dann nach
dem Trocknen mittels Rammen in Formen gestampft.
Über den Brennwert der preuſsischen Steinkohlen lieferte
Dr. G. Wilh. Brix im Auftrage des preuſsischen Staates 1853 eine aus-
gezeichnete Arbeit 2). Dieser folgten ähnliche Untersuchungen von Prof.
Stein über die Steinkohlen Sachsens 1857, von de Marsilly über
französische, von Playfair und de la Beche über englische und
von Johnson über amerikanische Steinkohlen.
Ein groſser Fortschritt war die sorgfältigere Aufbereitung der
Steinkohlen für die Koksfabrikation. Diese bestand zunächst im Durch-
werfen durch Rätter und Sortieren, sodann durch Mahlen. Hierfür
dienten vielfach z. B. in Belgien zwei übereinanderliegende parallele
Walzenpaare, wovon das obere kanneliert, das untere glatt war.
Durch einen trichterförmigen Kasten wurden die Steinkohlen, wie sie
gewonnen wurden, den Walzen zugeführt, und zwischen den kanne-
lierten Walzen grob, zwischen den glatten Walzen, die durch Federn
und Gewichte zusammengedrückt wurden, fein gemahlen. Eine gleiche
Korngröſse der Steinkohle gab gleichmässige, schöne Koks. Die
mineralischen Gemengteile der Koks, die Asche, wirken im Hochofen
sehr nachteilig. Es sind meist schwer schmelzbare Thonerdesilikate
und Schwefeleisen, die die Schmelzung erschweren und ungünstig auf
3)
[805]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
die Güte des Eisens einwirken, und die zu ihrer Abscheidung viel Kalk
und zu ihrer Verschlackung viel Wärme in Anspruch nehmen. Die
Asche durch Waschen vor der Verkokung zu entfernen, ist deshalb
sehr vorteilhaft. Dies hatte man in Frankreich und Belgien schon
Ausgangs der 40er Jahre erkannt; es war aber eins der wichtigen
Resultate der Londoner Weltausstellung von 1851, daſs diese That-
sache durch die öffentliche Anerkennung zur allgemeinen Kenntnis
gebracht wurde. Bérards Kohlenwäsche, deren wichtigster Apparat
eine Setzmaschine mit fünf Kästen war 1), wurde in Anerkennung
ihrer hohen wirtschaftlichen Bedeutung mit der höchsten Auszeich-
nung, der goldenen Medaille, belohnt.
Zum richtigen Verständnis der Bedeutung der Kohlenwäschen
und der Verkokung hatten zwei Aufsätze von Marsilly2), die schon
1850 erschienen waren, wesentlich beigetragen.
Bérards Kohlensatzsieb wurde 1852 verbessert durch Meynier
in Paris 3). Bérards Sieb hatte eine unterbrochene Bewegung und
die Trennung von Kohlen und Berge (eingemengte Steine) dauerte
ziemlich lange. Meynier konstruierte eine Setzmaschine mit einem
kontinuierlichen aufsteigenden Wasserstrome. Durch denselben blieb
die ganze Masse im Wasser suspendiert und die leichtere Steinkohle
floſs mit dem Wasser über, und gelangte über ein Sieb direkt in die
Wagen. Während die Separationskosten in den Setzkästen nach
de Marsilly 1,46 Francs für die Tonne betrugen, berechnete Mey-
nier den Aufwand nach seinem System auf nur 0,70 Francs. Als
eine Verbesserung bei der Aufbereitung der Steinkohlen verdienen
auch die sogenannten Bogardusmühlen, welche sich namentlich zum
Mahlen des Kohlenkleins eigneten, Erwähnung.
Groſse Kohlenwäschen waren gegen Ende der 50er Jahre in
Deutschland besonders im Saargebiete zu Forbach, Hirschbach und
auf der Heinitzgrube.
Andere Konstruktionen wurden erfunden von Lombard, Mar-
sais, Gervais, Girard und Flachon und Ract-Madoux, alle in
Frankreich 4).
Groſse Fortschritte machte die Verkokung in Öfen. Zwar
waren im Ruhr- und Saargebiete, sowie in Oberschlesien 1) die Schaum-
burger Öfen noch vielfach im Gebrauch, aber die Vorzüge der ge-
schlossenen Öfen machten sich immer mehr geltend, namentlich
nachdem man allgemeiner dazu überging, die entweichende Flamme
zur Heizung der Koksöfen selbst wieder zu verwenden.
Gröſseres Ausbringen, bessere Koks und höhere Produktion durch
möglichst kontinuierlichen Betrieb, das waren die leitenden Gesichts-
punkte bei der Verbesserung der Verkokungsöfen.
Bei den Öfen ohne Sohlen- und Seitenkanäle wurde die zum Ver-
kokungsprozeſs nötige Hitze in dem Verkokungsraum selbst erzeugt.
Man lieſs meistens durch die undichten Thüren etwas Luft einströmen,
welche eine unvollständige Verbrennung der Gase in dem freien
Raume über den Steinkohlen bewirkte. Diese Art der Wärmeerzeugung
war unvorteilhaft, weil die Verbrennung unter ungünstigen Umständen
erfolgte, wobei verhältnismäſsig wenig Hitze entwickelt wurde, da
der Luftzutritt ein mangelhafter und unregelmäſsiger war und weil
die Wärmeentwickelung und Wärmeeinwirkung einseitig nur von oben
geschah. Vorteilhafter muſste es sein, den Verkokungsofen ähnlich
einer Gasretorte zu machen und die Wände von auſsen zu erhitzen.
Zu diesem Zwecke leitete man die entweichenden heiſsen Gase in
Zügen oder Kanälen um den Ofen herum. Zunächst erhitzte man auf
diese Art nur die Sohlen der Öfen, indem man die Gase unter den-
selben her leitete, ehe man sie in die Esse einströmen lieſs. Dies lieſs
sich auch ganz gut noch mit der Heizung von über den Öfen liegen-
den Dampfkesseln, worauf man damals groſsen Wert legte, verbinden.
Hierbei änderte man zunächst an der Luftzuführung nichts, die Luft
trat wie zuvor in den inneren Ofenraum ein. Nach und nach über-
zeugte man sich aber, daſs der Betrieb besser und vorteilhafter war,
wenn man den Ofen selbst möglichst hermetisch gegen die Luft ab-
schloſs und diese in die Züge eintreten lieſs, so daſs die Verbrennung
der Koksgase in diesen, auſserhalb des Ofens, erfolgte. Hatte man
anfangs nur Züge unter der Sohle des Ofens, so brachte man später
auch solche in den Seitenwänden und sogar auch über dem Gewölbe
an. Dieses war der leitende Gesichtspunkt bei der Konstruktion der
vielen neuen Koksofensysteme in dieser Periode. Man wendete das
Princip auf alle bestehenden Ofenformen an, indem man sowohl die
einthürigen Hauben- oder Bienenkorböfen und die Gewölbeöfen (Witten-
[807]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
berger), als die zweithürigen Stirnöfen mit Sohlkanälen und später
mit Sohl- und Seitenkanälen versah. Durch die Erhitzung von auſsen
wurde der Betrieb beschleunigt, die Produktion vermehrt, ein gleich-
mäſsiges, besseres Produkt erzielt und der Abbrand vermindert. Ver-
schiedenheiten in den Konstruktionen waren auch durch die Ver-
schiedenheit der Steinkohlen bedingt, von denen manche eine kürzere,
manche eine längere Zeit zur Verkokung erforderten.
Man suchte aber auch noch auf andere Art die Leistungsfähig-
keit der Koksöfen zu erhöhen, so namentlich dadurch, daſs man den
Luftzutritt besser regulierte und die Verbrennungsluft möglichst verteilte.
Dieses Princip liegt den verbesserten Haubenöfen von J. Church
(Patent vom 20. Dezember 1845) und den Backöfen von Maurice1),
welche derselbe 1855 im Loirebecken erbaute, zu Grunde; bei diesen
wurde der Luftzutritt durch einen „Regulator“ geregelt und die Luft
trat durch eine groſse Anzahl von Schlitzen, die hoch in dem Kuppel-
gewölbe auf besondere Art angebracht waren, ein.
Ein anderer Gesichtspunkt, der bei der Konstruktion der Koks-
öfen in Betracht kam, war die leichte und rasche Füllung und
Entleerung. Hiernach konstruierte Bérard seine Öfen mit beweg-
lichen Gewölben, welche auf Schienen liefen. Die Entleerung des
Ofens geschah durch eine Auspreſsmaschine; dann wurde das Gewölbe
zurückgezogen und die ganze Ladung auf einmal mittels eines groſsen
Aufgebetrichters eingeschüttet.
Die ausgepreſsten glühenden Koks fielen in einen Erstickungs-
wagen, der einen doppelten Boden hatte. Im unteren Raume fand
sich Wasser, das durch die Hitze in Dampf verwandelt wurde, welcher
die Masse durchdrang und zugleich abkühlte und entschwefelte.
Der Gedanke, die Koksöfen als Retorten zu behandeln, kam
besonders deutlich zum Ausdruck bei den Öfen mit selbständiger
getrennter Feuerung. Von diesen erregte der sogenannte Dubo-
chetsche Ofen, der 1851 in der Londoner Ausstellung die Aufmerk-
samkeit auf sich zog, besonderes Aufsehen. Diese Öfen sollten zugleich
zur Gasfabrikation dienen. Ähnliche Öfen waren zuerst von dem Eng-
länder Powels erfunden (patentiert am 23. April 1850) und dann von
Newton verbessert (27. Mai 1851) worden, erhielten aber ihren Namen
von Dubochet, dem groſsen Gasfabrikanten in Paris, der sie zuerst
auf seiner Gasanstalt eingeführt und das Patent in Frankreich dafür
erwarb. Auch in Deutschland hatte Mad. de Wendel 1851 eine
[808]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
Batterie von 100 solcher Öfen auf ihrer groſsen Verkokungsanstalt
zwischen Duttweiler und Sulzbach anlegen lassen 1). Die Dubochet-
schen Öfen bestanden aus zwei Teilen, dem Destillierofen und dem
Kühlofen, welche eine gemeinschaftliche in einer Kreiskurve gekrümmte
Sohle hatten. Der Destillierofen wurde durch besondere Rostfeuerung
geheizt. War die Verkokung beendet, so wurde die untere Verschluſs-
thür geöffnet und der ganze glühende Inhalt rutschte in den Kühl-
raum, worauf der Destillierofen wieder mit Steinkohlen gefüllt wurde.
Ziehen und Laden dauerte nur 10 Minuten. Man konnte die Gase
nach Belieben einem Gasometer oder den Heizkanälen zuführen. Die
Konstruktion war geistreich, aber kostspielig; die Charge blieb leicht
im Ofen hängen, was dann viel Arbeit und Kosten veranlaſste.
Ältere Verkokungsöfen mit besonderer Feuerung waren der Cinder-
ofen (breeze-oven) von Davis, welcher in der Umgegend von Bir-
mingham in Anwendung war; ähnlich war der von Michaut 1847
in England patentierte Verkokungsofen. Der Ofen von Jarlot war
ein Backofen im wahren Sinne des Wortes. Claridge zu Pontypool
und Roper auf dem Ebbw-Vale-Eisenwerke konstruierten einen Ofen
mit doppeltem Boden, bei welchem die Verkokung durch abgeleitete
Hochofengase, die unter dem Ofen verbrannten, bewerkstelligt wurde.
Zum Schluſs wurde Wasserdampf eingeleitet, um dadurch die glühen-
den Koks zu entschwefeln. — Ein verbesserter rektangulärer Ofen
nach dem System Powels war der Verkokungsofen von Knab. Diese
Öfen, welche zuerst im Jahre 1856 zu Commentry, Departement Allier,
erbaut wurden, bezweckten zugleich die Gewinnung der Destillations-
produkte der Steinkohlen. Sie waren 2 m breit, 1 m hoch, 7 m lang
und mit Sohlenheizung versehen. Zur Heizung verwendete man das
bei der Verkokung gebildete Gas. Öfen dieser Konstruktion wurden
Ende der 50er Jahre in dem groſsen Gaswerke von Paris eingeführt.
Man setzte in Frankreich auf diese Knabschen Öfen groſse Hoff-
nungen.
Aber alle diese Öfen hatten keine hervorragende Bedeutung für
die Eisenindustrie. Für diese bewährten sich damals die Öfen, welche
nur der Verkokung dienten, dabei aber durch die bei der Verkokung
entweichenden Gase erhitzt wurden, am besten; diese ergaben das
günstigste Ausbringen und eigneten sich besonders zur Verkokung
magerer Steinkohlen. Man hielt sich dabei anfänglich an die alten Ofen-
formen, ja man baute dieselben vielfach nur um, indem man sie mit
[809]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
Sohlenkanälen versah. Runde und elliptische Backöfen mit erhitzter
Sohle hatte man auf den Hütten zu Pommeroeul und Monceau-sur-
Sambre, zu Commentry und Agrappe, deren Hauptunterschied darin
bestand, dass die Sohlen durch die Gase des eigenen oder durch die
des Nachbarofens erhitzt wurden. Von den rektangulären Öfen mit
erhitzter Sohle waren wohl die von Jones auf der Hütte von Russels
Hall ausgeführten die besten 1). Eine andere Art beschreibt Lavigne
als „belgische“ Öfen, welche sich von den französischen von Lebrun-
Virloy hauptsächlich dadurch unterschieden, daſs sie enger waren und
daſs kleinere Sätze verkokt wurden. Ähnliche Öfen wurden von Forey
und Lire angegeben 2). Die rektangulären „englischen“ Öfen, welche
eine geneigte Sohle hatten, wurden 1853 in Belgien ebenfalls in Öfen
mit erhitzten Sohlen und Seitenwänden umgebaut. Andere, den
„Wittenbergern“ ähnliche Öfen waren die von Dupré bei Charleroi
erbauten, bei welchen die Gase des einen Ofens in die Kohlenmasse
des anderen traten.
Demselben Bestreben der Wärmeökonomie entsprangen die
Doppelöfen, wobei zwei Reihen von Öfen übereinander lagen. Die
bekanntesten waren die belgischen Doppelöten von Frommont,
Direktor zu Chatelineau (Fig. 267), welche auch in Deutschland an
verschiedenen Orten eingeführt wurden, wie z. B. zu Borbeck. Diese
Öfen waren 3 m lang und wurden mit Krücken ausgezogen. Man
chargierte immer je zwei gekuppelte Öfen gleichzeitig. Die Cirkulation
der Gase ist aus der Zeichnung zu erkennen. Die Verkokungszeit
betrug 48 Stunden, das Ausbringen 65 bis 70 Proz.
Bei weitem die gröſste Verbreitung von allen Verkokungsöfen
fanden aber die Öfen mit rektangulärem Querschnitt und zwei Thüren,
bei welchen die Koks mit Auspreſsmaschinen aus dem Ofen gedrückt
[810]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
wurden. Die verschiedenen Konstruktionen lassen sich in zwei Gruppen
bringen, in solche mit vertikalen und solche mit horizontalen Seiten-
zügen. Bei den Öfen mit vertikalen Seitenzügen war die Erhitzung
der Seitenwände geringer als bei denen mit horizontalen Zügen. Als
Repräsentant der ersten Gruppe sind die Haldyschen Verkokungs-
öfen zu nennen, die in Deutschland, besonders in Saarbrücken und
Oberschlesien (Vorwärtshütte),
in Anwendung waren. Die Öfen
wurden ausgepreſst und die
Koks in der Regel mit Wasser
abgelöscht. Auf der groſsen
Kokerei von de Wendel bei
Sulzbach, wo man eine klei-
nere Art Haldyöfen hatte,
wurden die ausgepreſsten Koks
zwischen Mauern mit Lösche
bedeckt und so abkühlen ge-
lassen, um dadurch schönere
Koks zu bekommen.
Von den Öfen mit hori-
zontalen Seitenkanälen, welche
sich am meisten bewährt haben,
nennen wir aus dieser Zeit
die von Smet, François und
Fabry.
Die Öfen, welche Smet
in seiner groſsen Koksanstalt
bei Charleroi errichtete, hatten
nur je zwei Öffnungen im Ge-
wölbe des Ofens, welche die
Gase den Seitenkanälen zu-
führten. Diese Seitenkanäle
waren in der Mitte geteilt, so
daſs durch jeden Zug nur die eine Hälfte der Ofenwand erhitzt wurde.
Die Gase traten dann in die Sohlkanäle und aus diesen in die durch
einen Scheider geteilte Esse. Die Verkokungszeit betrug nur 24 Stun-
den, und das Ausbringen war ein sehr günstiges. Diese Öfen waren
in Belgien deshalb sehr verbreitet.
Noch gröſsere Verbreitung fanden aber namentlich in Deutsch-
land die Françoisschen Koksöfen, in Saarbrücken auch Rexrothsche
[811]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
genannt. Auch diese hatten in Folge der starken Erhitzung der
Seitenwände nur eine 24 stündige Verkokungszeit. Die auf den könig-
lichen Gruben an der Saar betriebenen waren 24 Fuſs lang, 3 Fuſs
breit und wurden jede 48 Stunden mit 60 Ctr. besetzt, so daſs einer
bei 62 Proz. Ausbringen in 24 Stunden 18½ Ctr. Koks lieferte.
Weniger als die Öfen von François und Haldy haben sich die
Öfen von Fabry bewährt, welche bei Couillet und an der Eisenbahn-
station La Louvière bei Charleroi 1854 angelegt wurden. Das Charak-
teristische und zugleich das Mangelhafte dieser Öfen lag darin, daſs
die Gase durch die Gesteinsfugen der Seitenwände entwichen, indem
die vertikalen Fugen nicht mit Mörtel ausgekleidet waren, sondern
Spalten von etwa ½ cm bildeten; nur ein kleiner Teil der Gase ent-
wich durch zwei Öffnungen oben im Gewölbe. Diese Spalten ver-
stopften sich leicht und schmolzen noch leichter zusammen. Sonst
arbeiteten diese Öfen, welche 6 m lang waren und 1 m hoch fast bis
zum Gewölbe erhitzt wurden, sehr vorteilhaft. Der Einsatz von 2000 kg
Steinkohlen war in 24 Stunden gar, und man erzielte ein Ausbringen
von 70 bis 72 Proz.
Während man die alten Öfen, bei denen die Charge nur von
oben erhitzt wurde oder auch bei vorherrschender Sohlenheizung breit
machte, wurden die Kammern der Öfen mit erhitzten Seitenwänden
schmal und hoch gemacht.
Alle diese Öfen mit horizontalen Kammern hatten den Vorteil,
daſs sie leicht mit Hülfe der Auspreſsmaschinen entleert werden
konnten. Diese Auspreſsmaschinen bestanden aus einer langen Zahn-
stange, an deren Ende der Preſskolben oder die Preſsplatte, welche
um ein Geringes schmäler war, als die Breite eines Koksofens,
befestigt war. Die Zahnstange wurde mit dem Preſskolben durch ein
Getriebe, welches ent-
weder von Menschen-
händen oder durch
eine Dampfmaschine
bewegt wurde, vor-
wärts geschoben, so
daſs der ganze Inhalt
des Ofens durch die
entgegengesetzte Thür
ausgepreſst wurde.
Zahnstange und Trieb-
werk waren auf einem
fahrbaren Gestell be-
festigt, welches auf
eisernen Schienen lief
und von einem Ofen
zum anderen der gan-
zen Reihe entlang ge-
fahren werden konnte.
Man hatte auch aus
diesen Öfen mit rektan-
gulären Kammern Doppelöfen gemacht, indem man sie in zwei Etagen
übereinander baute. Ein solcher Ofen war der von Bourg zu Bois-
de-Luc. Diese Konstruktion war indes unpraktisch und undauerhaft.
Die Öfen mit horizontalen Kammern und allseitiger Erhitzung
kamen schon liegenden geschlossenen Retorten nahe, indem nur durch
die beiden Thüren eine ganz geringe Menge Luft in den Ofen selbst
trat. Noch vollkommener suchte man dieses Princip der geschlossenen
Retorte bei folgenden Konstruktionen zu erreichen. Die Koksöfen
von Dulait hatten die Gestalt der Wittenberger Öfen und waren
[813]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
immer je zwei mit dem Rücken zusammengebaut. Die einzelnen
Kammern wurden ringsum von einem komplizierten System von Zügen,
in welchen die Gase verbrannten, umspült. Diese Öfen, die in Belgien
an mehreren Orten, z. B. zu Bois-de-Luc, in Anwendung standen,
waren gut, aber teuer, unhaltbar und beschwerlich zu bedienen.
Eine ältere ähnliche Konstruktion war die von Talabot auf der
Grube Agrappe in Belgien. Dessen Öfen glichen schon in ihrem
Äusseren Gasretorten, indem sie kreisförmigen oder elliptischen Quer-
schnitt hatten. Das Ausziehen geschah mit Ausziehplatten und Stangen,
wie es S. 481 beschrieben wurde.
Alle diese Konstruktionen wurden übertroffen durch die Koks-
öfen von Appolt1), welche alsbald nach ihrer Erfindung die gröſste
Aufmerksamkeit erregten und an vielen Orten wenigstens versuchs-
weise eingeführt wurden. Theoretisch waren die Appoltschen Öfen
(Fig. 269, S. 811, u. Fig. 270) als die vollkommenste Konstruktion
anzusehen. Es waren aufrecht stehende Retortenöfen, rings von Gas-
kanälen umspült und in gröſserer Zahl zu einer Batterie vereinigt.
Da fast keine Luft in den Ofenraum selbst eintreten konnte, erfüllten
[814]Die Brennmaterialien 1851 bis 1860.
sie am meisten die Bedingungen eines geschlossenen Tiegels. Dabei
war bei ihnen die gröſste Heizfläche gegeben. Füllen und Entleeren
war sehr vereinfacht, indem die Füllung durch Trichterwagen von
oben geschah, die Entleerung aber durch Öffnen der unteren Thür,
welche den Boden des Ofens bildete. Man lieſs die ganze Kokscharge
in einen Entladungswagen mit doppelten Wänden, die mit Wasser
gekühlt waren, rutschen. — Den ersten Versuchsofen baute Appolt
1855 zu St. Avold, hier-
auf errichtete er einen
grösseren Ofen auf
seiner eigenen Kokerei
bei Sulzbach. Diesem
folgte ein Ofen mit
sechs Abteilungen zu
Rive de Gier anfangs
1856. Der von Appolt
zu Marquise im De-
partement Pas de Calais
erbaute Ofen (Fig. 271,
a. v. S., und Fig. 272),
welcher am 1. Septem-
ber 1857 in Betrieb
gesetzt wurde, war
5,25 m lang, 3,49 m
breit und 4 m hoch.
Er hatte 12 Abteilun-
gen von rechtwinkligem
Querschnitt, 1,24 m auf
0,45 m und 4 m Höhe.
Die Bewegung der Gase
ist aus der Zeichnung
ersichtlich. Die Hitze, welche bei der Verkokung 1200 bis 1400° C.
betrug, wurde durch Register der Verbindungskanäle zur Esse
reguliert. Jede Abteilung des Ofens von Marquise faſste 1350 bis
1400 kg Steinkohlen, der ganze Ofen also 16000 bis 17000 kg.
Die Verkokungszeit dauerte 24 Stunden. Das Ausbringen war so
günstig wie bei der Tiegelprobe und betrug für englische Kohlen
72 bis 73 Proz., für nordfranzösische 76 und für belgische 80 bis
82 Proz.; das war durchschnittlich 10 bis 12 Proz. mehr als bei den
früheren Öfen.
Wenn diese Öfen trotz dieser günstigen Resultate die allgemeine
Verbreitung nicht fanden, die man erwartete, so lag dies einerseits
darin, daſs der Betrieb dadurch schwierig war, daſs backende Kohlen
sehr leicht im Schacht hängen blieben, und dann die Öfen nur mit
groſser Mühe und mit groſsem Abbrand entleert werden konnten,
andererseits, daſs die Hitze in den Zügen leicht so hoch stieg, daſs
die Öffnungen und Verbindungssteine der hohlen Seitenwände zu-
sammenschmolzen. Übrigens wurden Appoltsche Öfen nicht nur in
Frankreich, sondern auch in Deutschland, besonders in Saarbrücken
und Oberschlesien, gebaut und mit Erfolg betrieben.
Eine besondere Art der Entschwefelung der Steinkohlen hatte
Prof. Calvert 1852 erfunden. Es war eine Behandlung mit Kochsalz,
und die so erzeugten Koks kamen als „präparierte Koks“ in den
Handel 1). Dieselben sollten reineres Eisen und gröſseres Ausbringen
geben.
Die Windgebläse, die wichtigsten Maschinen für den Hoch-
ofenbetrieb, waren damals fast ausschlieſslich Cylindergebläse und
zwar teils vertikale, teils horizontale. Der Kampf zwischen diesen
beiden Systemen wurde namentlich in der ersten Hälfte der 50er Jahre
mit Lebhaftigkeit geführt. Die Engländer hielten an den stehenden
Maschinen fest und wendeten meist die Wattsche Konstruktion mit
Balancier an. Eine gewaltige Maschine dieser Art errichtete
S. Truran 1851 zu Dowlais. Der Windcylinder hatte 144 Zoll
(3658 mm) Durchmesser, der Kolbenhub betrug 12 Fuſs (3658 mm);
sie lieferte bei 20 Doppelhuben und 3¼ Pfund Pressung 44000 Kubik-
fuſs Wind in der Minute. Der Cylinder der zugehörigen Dampf-
maschine war 55 Zoll (1393 mm) weit, der Kolben hatte 13 Fuſs
(3962 mm) Hub, die Leistung betrug 650 Pfdekr. 2). In Nordengland
hatte man im Laufe dieser Periode mehrfach vertikale Cylinder-
gebläse nach amerikanischem Princip (von Evans), bei denen sich
der Dampfcylinder über dem Gebläsecylinder befand, errichtet und
zwar mit doppelten Cylindern und gemeinschaftlichem Schwung-
rade 3). John Gjers hatte diese Konstruktion im Clevelanddistrikt
eingeführt. — In Österreich kamen bei den Holzkohlenöfen kleine
[816]Gebläse und Winderhitzer 1851 bis 1860.
einfache Gebläsemaschinen dieser Art (Schmidtsche Gebläse) von
25 bis 30 Pfdekr., die 2300 bis 2500 Kubikfuſs Luft in der Minute
lieferten, in ausgedehnte Anwendung.
In den Vereinigten Staaten behaupteten die stehenden Evans-
maschinen, bei denen die Kolbenstangen des Dampf- und Gebläse-
cylinders unmittelbar verbunden waren, die Herrschaft.
Horizontale Cylindergebläse, gegen welche zu Anfang der 50er
Jahre noch ziemlich viel Vorurteil herrschte, und die Truran
gänzlich verwarf, fanden trotzdem auf dem Kontinent mehr und mehr
Eingang. In Frankreich errichtete Goguet1) auf der Hütte zu Mor-
villars 1851 ein Gebläse mit vier liegenden Cylindern, deren Kolben
durch eine Turbine bewegt wurden. Es bediente vier Frischfeuer.
Bemerkenswert dabei waren die zahlreichen kreisförmigen Gummi-
ventile statt der früheren Windklappen, die dadurch zuerst bekannt
wurden. In den folgenden Jahren kamen horizontale Cylindergebläse
in Frankreich immer mehr in Gebrauch, und man unterschied zwei
Systeme, solche mit und solche ohne Schwungrad. Erstere wurden von
Thomas und Laurens, letztere von Cadiat in Paris gebaut. Cadiats
Maschinen arbeiteten direkt und mit hochgespanntem Dampf. Vier
solche Gebläse von je 80 Pferdekräften waren zu Decazeville auf-
gestellt, wo sie sieben Hochöfen und zwei Feineisenfeuer bedienten.
Sie hatten durchgehende Kolbenstangen und lederne Klappenventile.
Thomas und Laurens hatten den Grundsatz aufgestellt, daſs ein
Ofen soviel Wind erfordert, als der Menge des zu verbrennenden
Kohlenstoffs, wenn er zu Kohlenoxydgas verbrennt, entspricht. Dies
ergab 4,4 cbm auf 1 kg Kohle. Aus Produktion und Kohlenverbrauch
lieſse sich hiernach die Windmenge berechnen. Vauthier und Libour
hatten 1855 ein horizontales Cylindergebläse ausgestellt, bei dem der
schädliche Raum dadurch vermieden war, daſs der Wind durch
Kautschukventile in den hohlen Gebläsekolben treten konnte. In
Belgien hatte man wie in den Vereinigten Staaten, im Gegensatz zu
England, für jeden Hochofen eine Gebläsemaschine. Ende der 50er
Jahre waren hierfür meistens noch vertikale Balanciermaschinen im
Gebrauch, doch hatte man in Providence bei Marchienne eine hori-
zontale Gebläsemaschine mit Windschieber.
In Deutschland fanden die horizontalen Cylindergebläse, namentlich
bei den neuen Hütten in Westfalen, Eingang. v. Hoff2), der die-
[817]Gebläse und Winderhitzer 1851 bis 1860.
selben zu Hörde eingeführt hatte, widerlegte Trurans Einwendungen
und setzte die Vorzüge derselben auseinander, die hauptsächlich in
gröſserem Nutzeffekt und gröſserer Billigkeit, die fast ein Drittel betrug,
bestanden. Hierbei war solide Konstruktion Voraussetzung, wozu
gehörte, daſs die Kolbenstange so stark war, daſs sie sich nicht
durchbog, daſs sie auſserhalb des Cylinders durch Rollen oder Gleit-
vorrichtungen unterstützt wurde, daſs die Geschwindigkeit des Kolbens
250 Fuſs in der Minute nicht überschritt und die Länge des Kolben-
hubes nicht gröſser war als der Cylinderdurchmesser. Leichte Kol-
ben 1) und gute Liederung waren wesentliche Erfordernisse. Das erste
horizontale Cylindergebläse Österreichs wurde 1853 zu Reichraming
in Betrieb gesetzt.
Der Engländer Archibald Slate2) hatte 1851 ein horizontales
Schiebergebläse von groſser Geschwindigkeit angegeben. Diese Art
Gebläse haben sich damals nicht besonders bewährt. Horizontale
Schiebergebläse haben ferner Thomas und Laurens, sowie Derosne
und Cail in Paris konstruiert und 1855 ausgestellt. In Österreich
baute Schmidt derartige Winderzeuger.
Gruner3) zu St. Etienne empfahl gemauerte Windregulatoren,
wegen ihrer gröſseren Billigkeit.
Ritter v. Schwind4) erfand ein ganz praktisches Aichmaſs zur
Messung der Windmenge in Form eines Rechenschiebers.
Die Winderhitzungsapparate wurden in Westfalen dadurch
verbessert, daſs die geraden Röhren durch Stege geteilt wurden 5).
Thomas und Laurens konstruierten Ende der 50er Jahre einen
neuen Winderhitzungsapparat mit Ringröhren, bei denen das Princip
der Heizrippen zur Anwendung kam.
Am 19. Mai 1857 nahm Ed. Alfred Cowper ein Patent auf einen
Winderhitzungsapparat, welcher auf dem neuerfundenen Princip der
„Regeneratoren“ von Siemens begründet war. Diese Erfindung
darf als eins der wichtigsten Ereignisse für den Hochofenbetrieb nicht
nur der 50er Jahre, sondern des 19. Jahrhunderts angesehen werden
und erfordert deshalb eine ausführliche Schilderung.
Drei Brüder, Werner, Karl Wilhelm und Friedrich Siemens
Beck, Geschichte des Eisens. 52
[818]Gebläse und Winderhitzer 1851 bis 1860.
haben sich als drei technische Genies erwiesen, welchen die Industrie
zahlreiche wichtige Erfindungen verdankt. Werner Siemens war
anfänglich preuſsischer Artillerieoffizier, zeichnete sich aber schon
früh als ausgezeichneter Telegraphenkonstrukteur aus und wurde der
hervorragendste Begründer der Elektrotechnik.
Karl Wilhelm Siemens ging 1851 nach England, wo er sich
niederlieſs. Er hat die hervorragendsten Verdienste um die Eisen-
und Stahlindustrie, wofür er in den englischen Adelstand erhoben
wurde. Friedrich Siemens, der seinen Wohnsitz in Dresden auf-
schlug, widmete seine Thätigkeit hauptsächlich der Glasindustrie,
zeichnete sich aber hervorragend durch Verbesserungen von Heiz-
anlagen aus. Die wichtigste derselben war die Erfindung der Regene-
ratoren. Zu derselben wurde er geführt durch die erfolgreichen Ver-
suche, welche sein Bruder Wilhelm über die Regeneration des
Dampfes gemacht hatte. Der Grundgedanke war die Wiederbenutzung
der groſsen Wärmemenge, welche mit dem von Dampfmaschinen ver-
brauchten Dampf entwich. Indem er diesen Dampf von neuem erhitzte
und ihm dadurch hohe Spannung verlieh, konnte er ihn der Maschine
wieder zuführen und benutzen. Neu war diese Idee nicht. Wilhelm
Siemens bezeichnete selbst Rob. Stirling in Dundee, der 1816 ein
Patent auf eine Luftmaschine nahm, als den Erfinder des Regenerators;
ja schon 1800 wurde dasselbe Princip beim Heiſsluftwidder angewendet;
1837 hatte James Slater einen Ofen angegeben, bei dem die Ver-
brennungsluft durch die Abgase vorgewärmt wurde; einen ähnlichen
Gasofen konstruierte R. Laminge 1847. Auf diesem Princip kon-
struierte Wilhelm Siemens zuerst 1847 eine Regeneratordampf-
maschine und baute dann in den 50er Jahren eine Maschine mit
drei Cylindern, wobei der Dampf des einen, nachdem er einen Er-
hitzungsapparat, den „Regenerator“, passiert hatte, in den anderen
trat. Diese Maschine erregte auf der Weltausstellung in Paris 1855
groſses Interesse.
Am 2. Dezember 1856 nahm Friedrich Siemens sein wichtiges
Patent auf eine Anwendung desselben Princips für Öfen, in denen
groſse Hitze erzeugt werden soll. Ebenso wie mit dem verbrauchten
Dampfe einer Dampfmaschine, so entweicht mit den Feuergasen eine
groſse Menge Wärme nutzlos. Die Arbeit, die sie meistens leistet,
um den Zug der Esse zu erzeugen, steht in keinem Verhältnis zu
der Menge der in den Feuergasen noch enthaltenen Wärme. Man
hat deshalb schon früher zwischen Ofen und Herd mancherlei Apparate,
wie Vorwärmer, Winderhitzungsöfen, Dampfkessel u. s. w. eingeschaltet.
[819]Gebläse und Winderhitzer 1851 bis 1860.
Eine weit vollkommenere Ausnutzung der Hitze, welche nach einem
allgemein anwendbaren Verfahren wieder zur Wärmeerzeugung ver-
wendet wurde, bot Siemens’ Regenerator, der im wesentlichen nach
dem Wortlaut der Patentbeschreibung darin bestand, daſs die Hitze
der Verbrennungsprodukte denselben dadurch entzogen wird, daſs man
sie durch Kammern leitet, welche mit feuerfesten Materialien derart
ausgesetzt sind, daſs sie groſse Wärme aufnehmende Oberflächen dar-
bieten; und daſs dann diese aufgespeicherte Hitze Strömen von Luft
oder Gasen, welche man abwechselnd über die erhitzten Flächen und
in umgekehrter Richtung wie die Feuergase streichen läſst, mitgeteilt
wird. Die Ströme von Luft oder Gas gelangen dadurch in immer stärker
erhitzte Räume, bis sie am Ende mit einer sehr hohen Temperatur in
den Verbrennungsraum austreten. Hierdurch kann eine fast unbegrenzte
Hitze mit verhältnismäſsig wenig Brennmaterial erzeugt werden. Von
den so konstruierten Kammern, den „Regeneratoren“, arbeiten immer je
zwei zusammen, so daſs der eine angeheizt wird, während der andere
die angesammelte Wärme an die durchströmende Luft abgiebt und um-
gekehrt, indem von Zeit zu Zeit durch geeignete Klappen oder Ventile
die Ströme durch die beiden Generatoren umgestellt werden. Fig. 273
aus der Patentbeschreibung von Fr. Siemens von 1856 zeigt diese An-
ordnung bei einem Flammofen im Horizontalschnitt. Auſserdem kann ein
damit verbundener, nach demselben Princip konstruierter Nebenapparat
der Feuerung des Apparates selbst beständig heiſse Luft zuführen.
Einen durchschlagenden Erfolg erzielten die Regeneratorfeuerungen
seit dem Jahre 1858, nachdem man zur Gasfeuerung übergegangen war.
Daſs dieses Princip besonders auch für die Erhitzung der Gebläse-
luft für den Hochofen geeignet war, liegt auf der Hand. Wilhelm
52*
[820]Gebläse und Winderhitzer 1851 bis 1860.
Siemens, der die Regeneratoren alsbald in der Eisenindustrie ver-
wendete und sie an Schmelz-, Raffinier- und Puddelöfen anbrachte, be-
nutzte sie zwar nicht dafür, wohl aber, wie oben erwähnt, Cowper.
Sein Apparat bestand anfänglich aus zwei horizontalen oder verti-
kalen Regeneratoren, welche durch eine Steinkohlenfeuerung oder auch
durch Gichtgase abwechselnd erhitzt wurden. In der sehr umfang-
reichen Patentbeschreibung sind vielerlei Bedingungen berücksichtigt
und vielerlei Vorschläge gemacht. Die Ausführung gestaltete sich aber
doch nicht so leicht und einfach, und erst 1860 gelang es Cowper,
betriebsfähige Winderhitzungsapparate mit Regeneratoren für Hochöfen
zu konstruieren. Auſser Cowper versuchten Krafft und J. Lowthian
Bell (Patent vom 24. Januar 1860) dieses Princip zur Erhitzung des
Gebläsewindes anzuwenden. Die Erfolge aller dieser Apparate ent-
sprachen aber damals noch nicht den Erwartungen.
Für die Windberechnung hatten v. Hauer 1858 und Neu-
schild 1859 Tabellen veröffentlicht und J. Weisbach in seiner
Ingenieur- und Maschinenmechanik (Bd. III, S. 425) 1860 eine verein-
fachte Formel aufgestellt.
Die Gichtaufzüge waren entweder schiefe Ebenen nach älterer
englischer Art mit doppelten Kettenzügen, in welchen die einzelnen
Wagen oder Gestelle, auf denen mehrere Wagen zugleich hochgezogen
werden konnten, eingehängt wurden, oder vertikale Aufzüge mit Seil-
scheiben und Förderschalen der Gestelle, die in vier starken Drähten,
die durch Schrauben gespannt waren, geführt wurden. Die Dampf-
maschine stand meist auf der Gicht des Hochofens. Für Gichtaufzüge
ohne Dampfbetrieb waren die Aufzüge mit selbstentleerenden Wasser-
kasten beliebt.
Einen neuen pneumatischen Gichtaufzug errichtete B. Gibbon
anfangs der 50er Jahre auf der Shut-End-House-Hütte bei Dudley 1).
Direktor Langen auf der Friedrich-Wilhelmshütte bei Siegburg
änderte den Wasseralfinger Windapparat dahin ab, daſs er statt der
runden Röhren breite flache Röhren nahm, und den Wind nicht durch
einen Strang, sondern gewöhnlich durch sechs Rohrstränge oder
Schlangen gleichzeitig führte (Fig. 274 u. 275). In Haſslinghausen
verbesserte man die Röhren dadurch, daſs man sie durch zwei Stege
in drei Abteilungen teilte und verstärkte.
Diese Apparate bewährten sich sehr gut und fanden groſse Ver-
[821]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
breitung zunächst in Westfalen, weshalb sie westfälische Apparate
hieſsen, dann auch in Oberschlesien u. s. w.
Zu Ende des Zeitraumes verbreiteten sich von Gartsherrie in
Schottland aus die Pistolenröhrenapparate. Martin Baldwin hatte
1851 zu Bilston den ersten Rundofenapparat 1) gebaut.
Für die Roheisenerzeugung waren Vermehrung der Produktion
und Verringerung des Kohlenverbrauches die leitenden Gesichtspunkte.
Man suchte diese zu erreichen durch Vergröſserung der Hochöfen und
durch stärker gepreſsten und heiſseren Wind. Die Gestalt der Hoch-
öfen wurde hierdurch beeinfluſst, doch war für diese weit mehr die
Art der Erze und besonders des Brennmaterials bestimmend. Ein-
heitliche Grundsätze wurden nicht festgehalten, eher fällt die Ver-
schiedenheit, ja die Willkür bei der inneren Gestalt der Hochöfen
[822]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
auf. Allerdings bestrebte man sich besonders in Deutschland, für die
Form des Schmelzraumes und für das Verhältnis der einzelnen Ofen-
teile unter einander eine Gesetzmäſsigkeit nachzuweisen und diese in
Formeln auszudrücken. Diese Bestrebungen erregten allgemeines
Interesse, obgleich ihr praktischer Wert nicht groſs war.
v. Mayrhofer machte 1852 (im dritten Bande von Kraus, Öster-
reich. Jahrbuch) „Regeln und Erscheinungen beim Hochofenbetriebe“
bekannt und gelangte dabei zu folgendem Ausdruck für das Verhältnis
des gröſsten Durchmessers eines Hochofens zur Windmenge:
wobei M die Windmenge in der Minute bezeichnet.
Lindauer, der diese Frage eingehender behandelte, bemerkte in
seiner Anleitung zur Berechnung der Hochöfen 1), daſs Mayrhofers
Berechnung der Ofendimensionen unzureichend sei, da er dabei nicht
alle maſsgebenden Faktoren berücksichtigt hätte. Er findet für den
Durchmesser des Kohlensackes folgende Ausdrücke:
E ist die Roheisenerzeugung in 24 Stunden, Z die Gichtenzeit,
d. h. der Aufenthalt einer Gicht im Hochofen, der für Holzkohlen
etwa 16, für Koks 40 und für Steinkohlen 48 Stunden betrug. e ist
das Gewicht des Roheisens in Pfunden, welches in einem Kubikfuſs
der gesamten Beschickung enthalten ist.
Zu dem Durchmesser des Kohlensackes D sollen die anderen
Dimensionen in der Regel in einem bestimmten Verhältnisse stehen
und zwar betrüge bei
Aus diesen Verhältniszahlen berechnen sich die Fassungsräume
der einzelnen Teile des Hochofens wie folgt:
Setzt man den räumlichen Inhalt (I) des ganzen Ofens gleich 1,
so ist bei
Im allgemeinen war in dieser Periode das Bestreben vorherrschend,
die Gicht des Ofens weiter zu machen. Truran verfiel in das Extrem,
indem er vorschlug, den Hochofenschacht trichterförmig zu erweitern
(Fig. 276), so daſs die Gicht weiter würde als der Kohlensack. Er
ging dabei von Erfahrungen aus, die er
in Süd-Wales gemacht hatte, wonach die
Erweiterung der Gicht von ¼ auf ½
des Kohlensackes eine Ersparnis an Kohle
von etwa 50 Proz. zur Folge hatte. Hier-
aus zog er den falschen Schluſs, daſs
eine noch gröſsere Erweiterung der Gicht
eine noch gröſsere Ersparnis bedingen
müsse und kam dadurch zu obigem Pro-
fil. Er behauptete, daſs die Vorbereitung
der Erze und Brennmaterialien in einem
solchen Ofen eine vollkommene sei, weil
dieselben länger in dem Vorbereitungs-
raume, dem oberen Schachte, verweilten, und die Gase mit verminderter
Geschwindigkeit dem Ofen entströmten. Der für die Röstung und
Vorbereitung notwendige Faktor Zeit sei also hier in höherem Maſse
[824]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
gegeben. Auſser Brennmaterialersparnis sollte diese Zustellung den Vor-
teil bieten, daſs man darin alle Brennmaterialien in rohem Zustande,
namentlich jede Art von roher Steinkohle, aufgeben könne. Diese
Erwartungen bestätigten sich aber keineswegs, und dabei hatte diese
Schachtform den Nachteil, daſs die Gichten sehr leicht hängen blieben.
Wenn aber Trurans Ofenprofil eine Übertreibung war, so lenkte sie
doch die Aufmerksamkeit auf den Nutzen weiter Gichten, und in den
meisten Fällen waren die Gichten der älteren Öfen, welche man nach
dem Muster der Holzkohlenbetriebe erbaut hatte, für Koks oder gar
Steinkohlenbetrieb zu eng. Zu Königshütte wurde durch Vergröſse-
rung der Öfen besonders durch Erweiterung der Gichten die Pro-
duktion um mehr als die Hälfte vermehrt.
Ein alter Ofen war 40 Fuſs hoch, mit 95 Quadratfuſs Kohlensack,
17 Quadratfuſs Gicht und hatte 569 Ctr. Wochenproduktion; ein neuer
Ofen war 50 Fuſs hoch, mit 176 Quadratfuſs Kohlensack, 28¼ Quadrat-
fuſs Gicht und hatte 840 Ctr. Wochenproduktion.
Für rohes Brennmaterial hatte die Praxis schon früher zu weiten
Gichten geführt. Ebenso hatte John Gibbons 1844 bei seinem
tonnenförmigen Normalhochofen (Fig. 156, S. 513) schon eine Gichtweite
von 8 Fuſs englisch bei 14 Fuſs Kohlensackweite angegeben 1). Daſs
aber die weiten Gichten nicht für alle Fälle taugten, daſs vielmehr für
leichtflüssige Beschickung enge Gichten bei weitem Schmelzraum den
Vorzug verdienten, hat Tunner nachgewiesen 2). Im allgemeinen
ging das Streben damals mehr noch auf Erweiterung als auf Er-
höhung der Eisenhochöfen. Die neueren englischen Kokshochöfen hatten
bereits 120 bis 150 cbm Inhalt; 1860 hatte man in Schottland und
Wales bereits Öfen von 230 cbm. Der Vergröſserung des Fassungs-
raumes entsprach die Vermehrung der Windmenge, die durch Erhöhung
der Pressung und Vermehrung oder Erweiterung der Formen erreicht
wurde. Nach Trurans Angabe hatten die in England üblichen
Pressungen vordem für dichte kohlenstoffreiche Steinkohle (Anthracit)
0,208 bis 0,260 m Quecksilber, für leicht zerreibliche Steinkohle 0,104
bis 0,130, für dichte Koks 0,13 bis 0,18 m betragen. Zu seiner Zeit
gab man aber Hochöfen von 2,40 m Gichtweite schon 0,233 m Queck-
silber Pressung und er wollte dieselbe bis 0,311 m Quecksilber
gesteigert wissen. Zu Aberdare bei Abernant wurde ein mäſsig hoher
Ofen mit enger Gicht mit 10 Formen und sehr hoch gepreſstem Winde
betrieben. Truran hielt aber nicht viel auf die groſse Anzahl Formen
[825]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
und behauptete, daſs man in Swansea mit drei Formen bessere Resul-
tate erziele als mit sechs. Dagegen schlug er Verbesserungen bei
der Windzuführung vor. Er behauptete nämlich, bei der gebräuch-
lichen Art der Windzuführung werde die Verbrennung zu sehr auf
einen Punkt konzentriert. Sei die Pressung schwach, so liege das
Temperaturmaximum zu nahe an der Ofenwand, wodurch diese rascher
zerstört werde; sei sie stark, so liege sie weit von der Ofenwand ab,
und ein Teil des Gestelles in der Nähe der Wände werde infolge der
Abkühlung durch den gepreſsten Windstrom unwirksam. Diesen
Übelständen will er begegnen durch ringförmig geteilte Düsen, welche
aus zwei konzentrischen Röhren bestehen (Fig. 277), wodurch zwei
Windströme von verschiedener Pressung gebildet werden. Je nach der
Wahl der Düsen und dem Bedürfnis kann man dem äuſseren ring-
förmigen oder dem inneren geschlossenen Windstrahle die stärkere
[826]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
Pressung geben. Die Düsen (Fig. 277) gestatten zugleich mit dem
Winde Gas oder Dampf einströmen zu lassen. — Verbreitung haben
diese beachtenswerten geteilten Düsen aber nicht gefunden.
Sehr eigentümlich war die Windführung bei den Hochöfen zu
Ystalyſera. Dort waren damals die gröſsten Anthracitöfen in Süd-
Wales. Jeder Ofen hatte 10 Formen, davon lag eine auf der Tümpel-
seite, 7 Fuſs über dem Bodensteine. Auf jeder der anderen drei
Seiten lagen je drei Formen, aber nicht in einer Ebene, sondern in
Dreiecksstellung , so daſs die untere vom Boden nur 2 Fuſs im
Mittel abstand. Die Formen waren guſseiserne Wasserformen mit
eingegossenen schmiedeeisernen Röhren. Man blies mit sehr hoher
Windtemperatur (Zinkschmelzhitze) und
4¼ Pfund Pressung auf den Quadratzoll.
Fig. 278 (a. v. S.) stellt die gewöhn-
liche Gestalt und Anordnung eines eng-
lischen Hochofens in den 50er Jahren
dar, derselbe hatte noch ein massiv um-
mauertes Gestell. Die Ummauerung
diente zugleich als Sockel für das ko-
nisch zulaufende Mauerwerk des Schach-
tes, das mit eisernen Ringen gebunden
war. Wie man aus der Zeichnung er-
sieht, hatten diese Hochöfen meist keine
Gieſshalle, vielmehr lagen die Massel-
formen, in welche man das Eisen beim
Abstich laufen lieſs, unter freiem Him-
mel. Die Schlacke floſs in einen Kasten,
der auf einem Plattwagen stand und
durch einen Kran abgehoben wurde,
sobald er vollgelaufen war. Rechts er-
blickt man einen schottischen Wind-
erhitzungsapparat, links einen weiten
Windregulator von Eisenblech. Die
Umreifung des Schachtmauerwerkes mit eisernen Bändern gestattete
bereits das Rauhmauerwerk schwächer zu halten. In noch höherem
Maſse war dies bei den schottischen Hochöfen, die ganz von einem
starken Blechmantel umkleidet waren, der Fall.
Fig. 279 giebt die äuſsere Vorderansicht eines solchen Ofens mit
Blechmantel (ohne Wallstein) nach dem Muster, wie er zuerst zu
Dundyvan in Schottland ausgeführt wurde. Hier ruht der cylindrische
[827]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
Mantel und der dünne Rauhschacht bereits auf eisernen Tragsäulen,
während die älteren schottischen Öfen eingebaute Gestelle hatten.
Der ebenfalls aus Eisenblech konstruierte Gichtboden ruht auf Kon-
solen, die mit dem Blechmantel verbunden sind, und ist weit aus-
geladen. Die Blechmäntel gestatten leichtere Konstruktion des
Mauerwerkes und wohlfeilere Fundamentierung. Durch die Anwendung
der Tragsäulen machte man das
Gestell frei stehend und leicht
zugänglich. Die Gestalt der
Öfen war teils cylindrisch, teils
schwach konisch.
In Deutschland waren da-
mals die sogenannten belgischen
Öfen (Fig. 280), mit dickem,
massivem Mauerwerke, in Gestalt
einer vierseitigen, abgestumpften
Pyramide, eingebautem Gestell
aus Puddingstein von Marchin,
starker Verankerung mit Seiten-
und Diagonalanker am meisten
verbreitet, besonders in Rheinland
und Westfalen; doch fing man
auch bereits an, Öfen nach
schottischem Muster mit frei ste-
hendem Gestell zu bauen. Einer
der ersten wurde auf der Haſs-
linghäuser Hütte in Westfalen 1)
erbaut (Fig. 281, a. f. S., und
Fig. 282, S. 829).
Sieben 3,05 m hohe Säulen
trugen den guſseisernen Kranz
von 7,32 m Durchmesser, der das
Rauhgemäuer trug. Die inneren
Maſse des Ofens waren 13,73 m
Höhe, 2,75 m Gichtweite, 4,88 m
Kohlensackweite, 1,68 m Weite
des Gestelles, welches 2,14 m hoch war. Der Ofen, der Kohleneisen-
stein (blackband) verschmelzen sollte, hatte sechs Formen.
Für frei stehendes Gestell und senkrechten Ofenschacht sprach
sich 1856 auch Steinbeis entschieden aus. Schottische Öfen mit
Blechmänteln wurden 1854 auch zu Ruhrort auf der Hütte der Ge-
sellschaft Phönix und vier dergleichen zu Stieringen an der Saar
erbaut. Die Hochöfen der neuen
Hütte zu Hörde waren dagegen
nach belgischem Muster kon-
struiert 1).
In dem Baumaterial für
die Hochöfen war Deutsch-
land damals ebenfalls noch
vielfach vom Auslande abhän-
gig. Für die Hochöfengestelle
galten als bestes Material ent-
weder belgische Puddingsteine
von Marchin bei Huy oder
schottische Chamottesteine der
Garnkirk-Gesellschaft. Von
den vier Hochöfen zu Hörde,
welche um die Mitte der 50er
Jahre erbaut wurden, waren
die Öfen Nr. II und III mit
Garnkirksteinen, Nr. I und IV
mit belgischen Puddingsteinen
zugestellt. Die Steine für den
Hochofenschacht waren von
Andennes bei Charleroi be-
zogen.
In Schweden vollzog sich
eine Umwandlung der Hoch-
ofenzustellung im Sinne der
englischen Tonnenform; dabei
führte man die Zustellung mit
Masse ein. Ein eigentümliches
Profil mit cylindrischem Schacht, elliptischem Gestell und aus dem
Mittel liegenden Formen zeigt ein 1857 zu Finspong errichteter
Hochofen (Fig. 283).
Während man in den meisten Gegenden an einer mittleren Ofen-
höhe von 48 Fuſs (15 m) festhielt, erhöhte man in dem Distrikt von
Cleveland in Nord-Yorkshire, wo
sich rasch eine groſsartige Hoch-
ofenindustrie auf Grund der neu
entdeckten mächtigen Erzablage-
rungen aus der Liasformation
entwickelte, die Hochöfen in
rascher Aufeinanderfolge.
Bolkow und Vaughan,
die gröſsten Hochofenbesitzer in
jenem Gebiete, erbauten ihre
ersten Hochöfen 1851 42 Fuſs
(13 m) hoch mit 15 Fuſs (4,7 m)
im Kohlensacke und 4566 Kubik-
fuſs (137 cbm) Inhalt; erhöhten
sie dann 1853 auf 54 Fuſs (16,9 m) mit 15 Fuſs im Kohlensacke und
7175 Kubikfuſs (215 cbm) Inhalt (sechs Hochöfen) und 1858 auf
61 Fuſs (19,9 m) mit 16⅓ Fuſs (5 m) im Kohlen-
sacke und 7960 Kubikfuſs (238 cbm) Inhalt.
In Österreich hielt man an der geschlossenen
Ofenbrust fest, und Tunner trat lebhaft für die
Vorzüge dieser Zustellung ein. Zu Mariazell war
man von der offenen Brust wieder zu der ge-
schlossenen zurückgekehrt, wobei man den
Schlackenabstich auf die Rückseite verlegte.
Ende der 50er Jahre machte sich eine Be-
wegung für eine elliptische Querschnittsform der
Hochöfen geltend. In Deutschland hatte der
Hüttenmeister Abt zu Malapane im April 1857
dieses Profil empfohlen. Bald darauf trat Alger
in Amerika für diese Ofenform auf und erwarb
Patente dafür in Amerika und England (13. Ok-
tober 1857). Die Hudson-Eisengesellschaft baute
1858 zwei Öfen danach um, und im folgenden Jahre
(1859) entstand Algers Patent Furnace Company in
London, welche solche Öfen nach Algers Vor-
schlag erbauen wollte. Die Resultate der zu Fort
Edwards in Nord-Amerika erbauten Algeröfen fielen
angeblich durch erhöhte Produktion günstig aus.
Eine völlige Umwälzung im Hochofenbau bezweckte Fabry1)
1855 mit seinem Hochofen mit umgekehrter Flamme. Bei diesem
sollte der Wind aus einer den Ofen von oben bis unten umgebenden
Röhre an vielen Punkten eintreten, und die Gase nicht durch die
Gicht austreten, sondern niederwärts bis zum Boden strömen und von
da durch einen Kanal einer Esse zugeführt werden. Fabry glaubte
hierdurch jede Art roher Steinkohle verwenden zu können. Einen
praktischen Erfolg hatte dieser eigentümliche Vorschlag nicht.
Die Abführung der Gase war in Deutschland bereits ziemlich
allgemein geworden. In England, wo das Brennmaterial viel billiger
war, die Frage der
Kohlenersparnis
deshalb nicht so
dringend war, fand
die Benutzung der
Hochofengase nur
langsam Eingang.
Doch bewirkte die
Londoner Ausstel-
lung von 1851, daſs
dieselbe auch in
England gröſsere
Beachtung fand. Die
älteren Versuche
von Budd zu Ystalyſera haben wir schon angeführt. Ebenso haben
wir den Gasfang von Ebbw-Vale von 1850 bereits erwähnt (S. 520).
Dieser von George Parry erfundene Apparat, der als Parryscher
Trichter (cup and cone) bekannt wurde, fand auch in Deutschland
groſse Verbreitung. Fig. 284 ist die Abbildung dieser Einrichtung, wie
sie Parry 1850 bei den Hochöfen zu Ebbw-Vale einführte. Sie hatte
den groſsen Vorteil, daſs dadurch die Beschickung ringförmig am
Rande des Ofens aufgegeben wurde, was bei den weiten Gichten
des Vorrollens der Erze wegen notwendig war. John James zu
Blaina in Süd-Wales erfand 1851 den Fig. 285 abgebildeten Teleskopen-
apparat, bei dem der Trichter auf eisernen Balken festsaſs, und sich
ein bewegliches Cylinderstück daraufsetzte. Dieser Apparat wurde
auch bei den Hochöfen von Cwm-Cellyn eingeführt. Doch hat er
[831]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
sich nicht so bewährt als der von Parry, weil er komplizierter
war, und die Tragbalken oft durchbrannten. H. Blackwell zu Dudley
in Staffordshire erwarb sich um die Abführung der Gase Verdienste.
In Schottland hatte man 1845 zu Dundyvan einen Versuch zur Auf-
fangung der Gase gemacht, aber erst 1852 fing man zu Coltneſs an,
dieselben zum Rösten der Erze zu verwenden.
Während bei den oben erwähnten Gasfängen die Beschickung
des Hochofens dem Auge entzogen war, konstruierte William
Oakes 1857 einen Apparat, der im wesentlichen aus einem Deckel
bestand, in dessen Mitte sich ein Rohr befand, welches die Gase ab-
führte. Um das Rohr herum waren in dem Deckel fast horizontale
Beschickungsthüren ange-
bracht, welche sich öffnen
und schlieſsen lieſsen 1).
Die sehr einfachen
Apparate von R. C. Darby
zu Brymbo bei Wreshham
1857 und von Schäffler
(1858) entzogen durch eine
in die Gicht eingehängte
Röhre dem Hochofen nur
einen Teil seiner Gase.
Vollkommener, aber auch
viel komplizierter war die
centrale Ableitung der
Gase durch eine Röhre mit gleichzeitigem dachförmigen Ringverschluſs,
welchen Coingt zu Aubin in Frankreich 1856 2) konstruirte.
Ebenso fand die Winderhitzung eine allgemeinere Anwendung,
obgleich es nicht an Gegnern derselben fehlte, besonders in Eng-
land. Truran war der bekannteste. Er behauptete, der Einfluſs
des heiſsen Windes auf die Vermehrung der Produktion werde sehr
überschätzt. In Wahrheit komme davon nur 1/10 auf die Wirkung
der Winderhitzung, während 9/10 anderen gleichzeitigen Verbesserungen
zuzuschreiben seien. Es war dies eine der einseitigen Übertreibungen
Trurans. Richtiger ist, daſs der heiſse Wind unter Umständen
ungünstiger auf die Qualität des Eisens einwirkt, und dies war denn
auch die Ursache, daſs in England kalt erblasenes Roheisen (cold blast
pig) höher im Preise stand als heiſs erblasenes.
Die Wirkung der Winderhitzung und die Ökonomie der Wärme
im Hochofen begründete Schinz1) gründlicher, indem er nicht nur
die Wirkung in Betracht zog, welche durch die Vorwärmung des
Windes und des Brennmaterials hervorgebracht wird, sondern auch
die durch die höhere Pressung und durch die Strahlung veranlaſste.
Zum Schutze gegen die zerstörende Wirkung der Hitze, ins-
besondere auf die Gestellwände begann man sich allgemeiner der
Wasserabkühlung zu bedienen. Tümpel und Wallstein schützte man
durch hohle Eisenplatten, durch welche Wasser floſs. Aber auch
das Gestell begann man durch eiserne Wasserkasten zu kühlen.
Solche Kühlgefäſse wendete der Schmelzmeister Höhn bereits 1853
zu Mühlheim a. d. Ruhr an. Es waren geschlossene guſseiserne
Kasten, ähnlich den Kühlbrücken bei den Puddelöfen. Derartige
ringförmige Kasten, meist aus drei Segmenten bestehend, waren auch
in England (Cleveland) bereits im Gebrauch. Auf der Henrichshütte
Hattingen brachte man 1857 offene Wasserbassins in den Ofen-
gewölben an, um das Gestell zu kühlen.
Wenden wir uns zum Betriebe der Hochöfen, so spielte hier-
bei die Art des Brennmaterials die wichtigste Rolle. Der Hoch-
ofenbetrieb mit Holzkohlen befand sich in sehr ungünstiger Lage
gegenüber dem Betriebe mit mineralischem Brennstoff, weil er meistens
auf einen beschränkten Bezug angewiesen war, während die unbeschränkte
Verwendung von Koks und Steinkohlen die Massenproduktion und
damit die Verbilligung des Eisens begünstigte. Hierdurch wurde die
Holzkohlenindustrie mehr und mehr zurückgedrängt und muſste unter-
liegen, wo sie nicht durch besonders günstige Verhältnisse unter-
stützt wurde. Bedeutende Metallurgen bemühten sich, durch Vor-
schläge und Verbesserungen der Holzkohlenindustrie in ihrem Kampfe
gegen die Steinkohlen aufzuhelfen. In Frankreich beschäftigte sich
Le Play eingehend mit dieser Frage und veröffentlichte darüber
eine vortreffliche Abhandlung 2). Die Vorschläge, die er für das fran-
zösische Holzkohlen-Eisenhüttenwesen machte, waren Konzentration
der Betriebe und technische Verbesserungen, namentlich Einführung
des Gasbetriebes wie in Kärnten, den er als Muster anführte. Die
Konzentration der Betriebe sollte dadurch erreicht werden, daſs
[833]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
ein groſses Eisenwerk gegründet wurde, welches nicht nur die aus-
reichenden Hütten- und Walzwerksanlagen, sondern auch über
den genügenden Waldbesitz für die regelmäſsige Produktion von
100000 Meter-Centnern im Jahre verfügte. Die technischen Ver-
besserungen sollten sich ebensowohl auf die Forstkultur, die Vor-
bereitung des Holzes durch Trocknen, Darren und Verkohlen als auf
Hochofenkonstruktion, Feuerungsanlagen, Gasbetrieb u. s. w. erstrecken,
wobei der gröſste Nutzen aus der Groſsartigkeit und dem ein-
trächtigen Zusammenwirken von Forst- und Hüttenbetrieb erwartet
wurde. Auf dieser Grundlage stellte Le Play einen vollständigen
Betriebsplan auf mit Rentabilitätsberechnungen, die sehr günstig aus-
sahen.
Auf ganz ähnlichen Voraussetzungen beruhten die Reform-
vorschläge und Berechnungen des Bergrats Schübler für Württem-
berg aus derselben Zeit. — Da die Grundlage beider eine hypothetische
und mit den wirklichen Verhältnissen nicht übereinstimmende war,
so hatten diese Vorschläge nur den Wert, daſs sie auf die Mängel
der herrschenden Zustände hinwiesen. Weder in Frankreich noch in
Württemberg war die Staatsregierung geneigt, der Forstverwaltung
so groſsen Zwang und solche groſse Kosten zu Gunsten der Eisen-
industrie aufzuerlegen, als hierbei vorausgesetzt war.
Dr. A. Gurlt1) wollte ebenfalls den Holzkohlenländern durch
Einführung des Gasbetriebes helfen. Er schlug vor, die Erze in
Schachtöfen mit Gasfeuerung zu reduzieren und zu kohlen und das
so erhaltene Produkt in Flammöfen zu Roheisen, Stahl oder Stab-
eisen zu verarbeiten. Praktischen Erfolg hatten auch diese Vorschläge
nicht, ebensowenig, wie die von Ferd. Laaſs und Hetzendorf2),
welche die Hochöfen mit Gas statt mit festem Brennmaterial be-
treiben wollten.
Dagegen führte man an verschiedenen Orten gemischte Betriebe,
wobei man einen Teil der Holzkohlen durch Holz, Torf oder Koks er-
setzte, mit ökonomischem Erfolge durch; einen solchen mit Holzkohle
und gedarrtem Holz bis zu 80 Proz. hatte man zu Rübeland im
Harze 1851 und 1852 versucht. Hierbei wurde unter gesteigertem
Gichtenwechsel und erhöhter Produktion, bei einer sehr weiten Gicht
gutes graues Gieſsereiroheisen erblasen. Auch Tunner3) empfahl
unter Umständen die teilweise Verwendung von trockenem Holz in
Beck, Geschichte des Eisens. 53
[834]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
viereckigen Klötzen von etwa 4 Fuſs Länge, und zwar bis zu ¼ bis
⅓ der ganzen Brennstoffmenge, wobei Hochöfen mit weiten Gichten
anzuwenden seien. Daſs man zu Champigneuilles bei Nancy auch
Koks durch grünes Holz mit Vorteil ersetzen konnte, war eine lokale
Ausnahme.
Wichtiger noch war die Verwendung des Torfes als Ersatz eines
Teiles der Holzkohle beim Hochofenbetriebe. Die Versuche, welche damit
zu Malapane, Kreuzburger Hütte und Winklerhütte gemacht worden
waren, hatten bei kaum ¼ lufttrockenem Torf ungünstigen Erfolg 1).
Günstiger fielen schon die Versuche auf Tangerhütte mit verkohltem
und gedarrtem Torf aus 2). Entschiedenen Erfolg hatte man dagegen
zu Pillersee in Tirol und auf dem Fürstl. Dietrichsteinschen Werke
zu Ransko in Böhmen. Zu Pillersee 3) verwendete man 10 Kubikfuſs
Torf für 40 bis 58 Kubikfuſs Fichtenkohle, und man konnte bis 40 Proz.
Holzkohlen durch Torf ersetzen. Zu Ransko, wo man einen sehr
guten Torf hatte, gab man sogar 70 Proz. Torf und 30 Proz. Holz-
kohlen auf, und den Kupolofenbetrieb betrieb man nur mit Torf. Der
Torf wurde hier mit der Gichtflamme getrocknet. Zu Weyherhammer
in Bayern ersetzte man ebenfalls ⅓ der Holzkohlen im Hochofen
durch Torf. Die gleichen Versuche wurden bei der Karolinenhütte
zu Achthal und zu Hammerau in Bayern gemacht.
Viel häufiger war die Verwendung eines Gemisches von Holz-
kohlen mit Koks im Hochofen, besonders in Frankreich und Deutsch-
land. In Frankreich wurde von der Gaskompanie in Marseille Ende
der 50er Jahre ein Hüttenwerk zu St. Louis erbaut, das mit Gaskoks
betrieben wurde.
Der Brennstoffaufwand war zumeist abhängig von der Natur der
Erze. Mayrhofer stellte Formeln zur Berechnung desselben auf
und berechnete danach Tabellen dafür. Daſs aber auch die Zweck-
mäſsigkeit der Betriebsvorrichtungen den Kohlenverbrauch erheblich
beeinfluſste, dafür lieferten die Hütten in den österreichischen Alpen-
ländern, welche ähnliche Erze verarbeiteten, Beispiele. Die Hütten
zu Vordernberg hatten 1845 noch 105 Proz. Kohlenverbrauch bei 100 Ctr.
Tagesproduktion, 1855 75 Proz. Kohlenverbrauch bei 160 Ctr. Tages-
produktion. Den günstigsten Betrieb hatte der Hochofen des Barons
[835]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
v. Dickmann zu Lölling in Kärnten. Hier wurde auf 1 W.-Ctr. Roh-
eisen nur 9,3 Kubikfuſs Fichtenkohle = 65 Pfund verbraucht. In
Schweden betrug der kleinste Holzkohlenverbrauch zu Langshyttan
10⅓ Kubikfuſs, der gröſste zu Finspong 18 Kubikfuſs für 100 Pfund
Guſseisen. — Einen Unterschied machte auch die Art des Roheisens.
In dieser Beziehung stellte Kirschweger 1859 folgende Mittelwerte
für den Kohlenverbrauch (Holzkohle oder Koks) fest: für kohlenstoff-
armes, weiſses Roheisen 0,33 Proz. der Beschickung, für halbiertes
0,36 Proz. und für graues Roheisen 0,39 Proz.
Nächst der Art des Brennmaterials war die Natur der Erze
maſsgebend für die Gestalt und den Betrieb der Hochöfen.
Neue und reiche Erzlager wurden in dieser Periode eröffnet,
welche die Grundlage neuer bedeutender Hochofenbetriebe wurden.
Die wichtigsten waren die bereits erwähnten ausgedehnten Erzlager
im Clevelanddistrikt in Nord-England, auf welche sich die groſsartige
Eisenindustrie von Middlesborough aufbaute. In Westfalen gab die
Entdeckung der Kohleneisensteine (black band) im Ruhrgebiete durch
Bergassessor Schneider in Kassel (1850 bis 1852) Veranlassung zur
Gründung groſser Hochofenhütten, wie die zu Hörde, Haſslinghausen,
Aplerbeck und Henrichshütte bei Hattingen. Letztere verschmolz
auſserdem ein ebenfalls neu entdecktes sehr merkwürdiges Erz, einen
reinen krystallinischen Eisenspat, der lagerartig in der Kohlen-
formation auftrat. In Nord-Amerika erzeugte man aus Franklinit
vorzügliches Roheisen.
Wie günstig eine gute Aufbereitung der Erze den Hochofenbetrieb
beeinfluſste, dafür bot die Schreckendorfer Hütte in der Grafschaft
Glatz, welche Magneteisenstein mit Brauneisenstein verschmolz, ein
Beispiel 1).
Zum Rösten der Erze erfand Westman in Schweden einen Gas-
röstofen. Die ersten dieser Öfen wurden 1851 zu Söderfors bei Dane-
mora erbaut.
Truran hob mit Recht die groſse Wichtigkeit eines vorsichtigen,
gründlichen Anwärmens der Hochöfen hervor. Ebenso wendete
man dem Aufgichten gröſsere Aufmerksamkeit zu, was allerdings
um so notwendiger wurde, je weiter man die Gichten machte. Zu
dem Zwecke konstruierte man Erzgichtenwagen mit beweglichem,
konischem Boden (Fig. 286, a. f. S.), welche die Erze ringförmig am
Schachtrande aufgaben. Solche Wagen beschrieb Hüttenmeister Brand
53*
[836]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
zu Gleiwitz 1853 1). Ähnliche verwendete Stahlschmidt zu Haſsling-
hausen 1858. Über die Gasfänge mit Verteilungskegel haben wir
oben schon gesprochen.
Mit gutem Erfolge verwendete man 1850 zu Ougrée in Belgien
gebrannten anstatt rohen Kalk als Zuschlag. Man ersparte dabei
nach Montefiore Levy für jede 100 kg Kalkstein, wofür man 63 kg
gebrannten Kalk aufgab, 12 kg Koks. Eck erzielte diesen guten
Erfolg bei seinen auf der Königshütte angestellten Versuchen aber
keineswegs. Dagegen zerkleinerte man in Gleiwitz mit Nutzen den
Kalk zwischen Quetschwalzen.
Calvert machte Frisch-, Puddel- und Schweiſsschlacken im Hoch-
ofen zu gute, indem er sie innig mit Kalk mengte, und zwar nahm
er für Puddelofenschlacke 15 bis 25 gebrannten, 20 bis 30 gelöschten
oder 25 bis 30 rohen Kalk. Martien
bereitete dagegen die Frischschlacken
zum Verschmelzen im Hochofen da-
durch vor, daſs er sie im Flammofen
einschmolz und Luft und Wasserdampf
durchleitete. Frey und Lang führten
zu Storé in Steiermark ein schon von
Berthier und D. Mushet (1822)
empfohlenes Verfahren ein, indem
sie die zerkleinerten Schlacken mit
Kalk und Kohlenpulver mischten, be-
ziehungsweise das Gemenge von
Schlacken und Kohlen in Kalkmilch
einbanden, in Haufen trockneten, dann in Stücke zerschlugen und
diese im Hochofen oder in einem kleinen kupolofenartigen Schacht-
ofen von 16 Fuſs Höhe aufgaben. Die Zusammensetzung ihrer Mi-
schung bestand aus 25 Tln. gebranntem Kalk, 65 Tln. Puddel- und
Schweiſsschlacke und 10 Tln. Kohlenlösche. Sie wollen bei diesem
Verfahren sogar ein manganfreies Spiegeleisen erzeugt haben. In
derselben Weise liessen sich auch mulmige Eisenerze oder Erzstaub
mit Vorteil behandeln.
Über den groſsen Nutzen der geschlossenen Formen veröffent-
lichte Hütteninspektor Brand in Gleiwitz einen Aufsatz 2).
Belgische Hochofentechniker (zu Esperance) empfahlen Ende der
[837]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
50 er Jahre ein intermittierendes Blasen als vorteilhaft. Die Ver-
suche, die man aber auf der Lendersdorfer Hütte bei Düren und zu
Oberhausen damit machte, indem man 55 Minuten blies und dann
5 Minuten lang das Gebläse abstellte, hatten nur ungünstige Ergebnisse.
Entsprechend den gröſseren Hochöfen und den stärkeren Gebläsen
steigerte sich die Tagesproduktion in dieser Periode bedeutend und
erreichte bei reichhaltiger, gutschmelziger Beschickung eine früher
ungekannte Höhe. Die gröſste Produktion, von der berichtet wird,
hatten die Hochöfen von Schneider, Hannay \& Komp. zu Barrow
bei Ulverstone, von denen Ofen Nr. II 330 Tonnen in der Woche,
also 47,25 Tonnen jeden Tag lieferte.
Ebenso erreichte man in diesem Zeitraume ungewöhnlich lange
Hüttenreisen; die längste auf dem Kontinente erzielte der Ludowika-
ofen zu Hiflau in Steiermark, welche vom 9. März 1845 bis 14. Mai
1853 (458 Wochen) dauerte. Der Kaiser Ferdinand-Ofen zu Hiflau
hatte die gröſste Produktion in Österreich bis zu 2100 W.-Ctr. in der
Woche.
Zur Theorie des Hochofenprozesses lieferten Ebelmen, Gurlt,
Jullien u. a. Beiträge, die wichtigste und vortrefflichste Arbeit dar-
über verdanken wir aber Peter Tunner.
Ebelmen1) faſste 1851 das Ergebnis seiner Untersuchungen in
folgenden Sätzen zusammen:
Gurlt stellte die Ansicht auf, daſs ein Teil des Eisens mit
Kohlenstoff gesättigt als Viertelkarburet in die Schmelzzone einträte.
Ist daselbst die Hitze nicht wesentlich höher als in der Kohlungszone,
so schmilzt das Eisen zu weiſsem Roheisen, unter Umständen zu
Spiegeleisen; ist sie aber wesentlich höher, so zerfällt das mit Kohlen-
stoff gesättigte Eisen in Achtelkarburet und Graphit, und es entsteht
graues Roheisen.
Julliens Theorie des Hochofenprozesses 1) ist wesentlich beein-
fluſst durch Chenots Verfahren der Stahlbereitung. Er nimmt drei
Perioden an; in der ersten finde die Verwandlung der Erze in Stahl-
schwamm statt, in der zweiten die Verwandlung des Stahlschwammes
in Guſsstahl, in der dritten die Verwandlung des Guſsstahles in
flüssiges Roheisen. Der erste Vorgang finde im Schachte, der zweite
in der Rast, der dritte im Gestelle statt. Im Anschluſs hieran fügt
Jullien Tabellen bei: 1. Über den relativen Kohlenstoffverbrauch
in den verschiedenen Teilen des Hochofens bei verschiedenem Material-
verbrauch; 2. über den gesamten Kohlenverbrauch in der Stunde
und auf den Quadratmeter des Kohlensackquerschnittes bei verschie-
denem Brennmaterialverbrauch (85, 180 und 280 kg Holzkohle, Koks
und Steinkohle für 100 kg Roheisen); 3. über die Roheisenproduktion
auf den Quadratmeter des Kohlensackes bei verschiedenem Kohlenstoff-
verbrauch und verschiedenen Windmengen.
Peter Tunner2) stellte 1859 in Verbindung mit dem Chemiker
Robert Richter an dem Wrbnaofen zu Eisenerz und dem Kaiser
Franz-Ofen zu St. Stephan sehr wichtige Versuche an, um die Vor-
gänge im Hochofen, namentlich auch die Wärmeverteilung unmittelbar
festzustellen. Zunächst wurde die chemische Untersuchung der
Gase bei dem 11,38 m hohen Wrbnaofen in fünf verschiedenen Höhen,
von denen die tiefste nur 0,10 m über den Formen lag, vorgenommen.
Auf Grund derselben bekämpfte Tunner die falsche Ansicht, als ob
der ganze Sauerstoff der Gebläseluft vor den Formen zu Kohlensäure
[839]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
verbrenne und dann wieder zu Kohlenoxydgas reduziert werde, auf
welcher Voraussetzung die Temperaturberechnungen von Scherer
und anderen beruhten. Er fand in der sogenannten Oxydationszone
0,10 m über der Form bereits viel mehr Kohlenoxydgas als Kohlen-
säure, nämlich auf 66,34 Stickstoff 22,06 Kohlenoxyd und 11,60 Kohlen-
säure. Er nimmt deshalb an, daſs
auch unmittelbar vor der Form nur
der kleinere Teil des Brennstoffs
vollständig zu Kohlensäure verbrenne
und daſs im Focus wahrscheinlich
Kohlensäure, Kohlenoxydgas und
freier Sauerstoff nebeneinander be-
stehen. 2 bis 3 Zoll über der Form
waren die Gase vorwaltend kohlen-
der oder reduzierender Natur, nicht
aber, wie sonst angenommen wurde,
oxydierend. Deshalb ist auch die
Temperatur vor den Formen keines-
wegs so hoch, als die Berechnungen
auf Grund der obigen irrigen Vor-
aussetzung ergaben. Dies wurde be-
stätigt durch Tunners Wärme-
messungen, welche den wichtigsten
Teil seiner historisch bedeutsamen
Arbeit bilden. Zur Messung der
Temperaturen bediente er sich be-
stimmter Legierungen von Blei,
Silber, Gold und Platin. In dem
Wrbnaofen ermittelte er die Tempe-
raturen in den verschiedenen Höhen,
wie es in dem Profil (Fig. 287) ein-
gezeichnet ist, wozu zu bemerken ist,
daſs der Hochofen mit warmem
Winde von 200°C. und schwacher
Pressung von 0,039 bis 0,048 m
Quecksilber auf weiſses Roheisen ging. Die Erze waren geröstete
Spateisensteine vom Erzberge, die so reich und leichtschmelzig waren,
daſs nur 78 Pfd. Holzkohle auf 100 Pfd. Roheisen verbraucht wurde.
Die mittlere Temperatur zwischen den Formen fand Tunner bei dem
Wrbnaofen nur zu 1450°C., während sie bei dem höheren und weiteren
[840]Die Hochöfen 1851 bis 1860.
Ofen zu St. Stephan, in dem roher Spateisenstein auf graues Roh-
eisen verschmolzen wurde, 1750°C. betrug. In dem Focus des Wrbna-
ofens schmolz Platin nicht. Tunner bestimmte den Schmelzpunkt
von weiſsstrahligem Roheisen zu 1600°C., von grauem Roheisen zu
1700°, von hartem Stahl zu 1850° und von Stabeisen zu etwa 2000°C.
Von hohem Interesse waren Tunners Versuche mit einer langen
Eisenstange, die er in verschiedenen Lagen durch die Formen ein-
führte, wodurch es ihm gelang, die Lage und Begrenzung des Tem-
peraturmaximums, des Focus, genauer zu bestimmen. Dieser Focus
lag 10 bis 15 cm vor der Mündung jeder Form und war nur 15 cm
breit, während er nach oben, infolge des Aufwärtsströmens der
Gebläseluft, eine gröſsere Ausdehnung zeigte. Fig. 288 zeigt die
durch die Form gesteckte Eisenstange, welche in den beiden Brenn-
punkten weiſsglühend wurde, während sie sich in dem mittleren Teile
von etwa 60 cm Länge kaum rotglühend zeigte.
Fig. 289 zeigt die Bewegung und Ausbreitung des Focus nach
oben, wie sie durch die in verschiedenen Winkeln eingeführte Stange
ermittelt wurde. Tunner stellte beim Ableiten der Gase, welches
er durch ein eingesenktes schmiedeeisernes Rohr bewerkstelligte, die
Spannung der Gase in den verschiedenen Höhen fest; hierbei fand
[841]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
er, daſs sich die Ungleichheiten in der Spannung des Gebläsewindes
in jeder Höhe des Ofens sogleich bemerkbar machten, woraus
folgt, wie wichtig die Gleichförmigkeit der Windpressung und das
Reinhalten der Formen ist; die Versetzungen der Formen erzeugten
sogleich groſse Unterschiede in der Spannung der Gase an der Gicht.
Tunner findet hierin einen Hauptgrund für die schlechten Resultate
bei der Verwendung der Gase zum Puddelbetrieb, sowie für den
schwankenden Gichtenwechsel bei sonst gleicher Pressung in der Wind-
leitung.
Tunner bestimmte ferner die Lage der Vorbereitungs- und
Reduktionszone im Hochofen genauer und fand, daſs letztere tiefer
liegt, als seither angenommen wurde und unter die Höhe des Kohlen-
sackes hinausgeht. Er bediente sich dazu einer durchlöcherten Kapsel,
in welche neben den Metalllegierungen zur Temperaturbestimmung
Erzstücke eingelegt wurden, und welche in verschiedene Tiefen in den
Hochofen niedergelassen wurde. Reduktionserscheinungen begannen
erst bei 650°C., nicht schon bei 400°, wie man vordem angenommen
hatte, und die Reduktion bis zum metallischen Zustande trat erst
2 Stunden nach dem Aufgeben in einer Tiefe von 6,95 bis 7,9 m nahe
dem Kohlensacke bei 850 bis 900°C. ein. Bei dem gröſseren Ofen
von St. Stephan trat letzterer Zustand erst in 9,8 m Tiefe 6 Stunden
nach dem Aufgeben bei 840°C. ein. Demnach beginnt die Reduktion
erst in der Höhe des Kohlensackes und reicht bis in den Schmelz-
und Verbrennungsraum herab. Einzelne Erzstücke kamen bei der Er-
zeugung von weiſsem Roheisen sogar unreduziert in den Eisenkasten.
Tunner ermittelte mit der Eisenstange, daſs die Kohlung des Eisens
in der Höhe von 1,58 m über der Form deutlich zu erkennen ist.
Aus den von Stockher im folgenden Jahre fortgesetzten Ver-
suchen schlieſst Tunner, daſs die Reduktion bei leichtschmelziger
Beschickung bei 900 bis höchstens 1000°C. beendet ist, und dann erst
die Kohlung eintritt. Die Cementation des Stahls wird bei Kupfer-
schmelzhitze (1170°) bis zu 1400°C. durchgeführt.
Eine Reinigung des Eisens im Hochofen bezweckte das Einblasen
von Wasserdampf mit dem Winde, worauf L. Armitage und L. Lea
im April 1856 ein Patent in England erhielten.
Von groſser Bedeutung waren die Fortschritte der Eisen-
gieſserei in den 50 er Jahren. Die Schmelzöfen erfuhren eine
[842]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
wichtige Verbesserung durch die Einführung des Kupolofens von
William Ireland. Sein Patent ist vom 25. Juli 1853 (Nr. 1745);
in der Beschreibung giebt er an, daſs sein Schmelzofen höher
sei, als seither gebräuchlich, daſs der Ofen über dem Schmelzraume
eine Rast habe und unter demselben sich gleichfalls erweitere, um
mehr Eisen fassen zu können. Er spricht nur von einer Form; es
soll mit heiſsem Winde geblasen werden; der Ofen soll 2 Fuſs über
die Form mit Koks gefüllt, und hierauf
die Eisenstücke kreuzweise derartig
gelegt werden, daſs ihre Enden der
Form zugekehrt sind; die Zwischen-
räume sollen mit Brucheisen und Koks
ausgefüllt werden. So beschickt würde
der Ofen ohne Flamme schmelzen.
Die zuerst erwähnten Vorzüge waren
die wesentlichen, die danach erwähn-
ten lieſs man später zum Teil fallen.
Zu allgemeiner Kenntnis gelangte der
Irelandofen durch einen Vortrag von
John Fernie im Ingenieurverein zu
Birmingham, welcher im September-
heft des Civil Engineer and Architects
Journal von 1856 veröffentlicht wurde 1).
Es ist darin die Einrichtung eines
Irelandkupolofens in Verbindung mit
einem pneumatischen Aufzuge von
Fernie und Lloyds Ventilator, wie
solche in der Britanniagieſserei zu
Derby mit sehr gutem Erfolge ange-
wendet wurden, beschrieben. Der
Ofen, Fig. 290, war von der Bodenplatte
bis zur Gicht 12½ Fuſs hoch, während
diese Höhe bis dahin meist nur 6 bis 8 Fuſs betragen hatte, mit der Esse
war er 27 Fuſs hoch. Der Schmelzraum war zusammengezogen und
bildete den kleinsten Querschnitt des Ofens, während dies bei den seither
gebräuchlichen ausgebauchten Öfen umgekehrt war. Durch diese Ein-
richtungen und dadurch, daſs man den Ofen bis zur Gicht gefüllt
[843]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
hielt, wurden Eisen und Koks besser vorgewärmt, und die Schmelzung
vor der Form ging rascher und wirksamer von statten. Die Folge
war ein viel rascheres Einschmelzen und beträchtliche Kohlenersparnis.
Die pneumatische Aufgebebühne ist aus der Zeichnung verständlich.
Man schmolz drei Tonnen in der Stunde. Die Form lag 2 Fuſs über
der Sohle und war 9 Zoll weit, so daſs sie eine Düse von 7½ Zoll
lichter Weite aufnehmen konnte. Die höhere Lage der Form gestattete
eine gröſsere Menge flüssiges Eisen im Ofen zu halten. Die übrigen
Maſse waren: Höhe des Gestelles 4¼ Fuſs, Höhe der Rast 1¾ Fuſs,
Höhe des Schachtes 6¼ Fuſs, Weite des Herdes am Boden 2½ Fuſs,
vor der Form 2¼ Fuſs, im Schacht 3¾ Fuſs. Man setzte, wenn der
Ofen kalt war, 7 Ctr. Füllkoks, dann 1 Tonne Roheisen, hierauf 2 Ctr.
Koks, dann wieder 1 Tonne Roheisen und 1½ Ctr. Koks, welchen
Satz man beibehielt; auſserdem gab man ½ Ctr. Derbyshire Fluſs-
spat als Zuschlag. Der mittlere Koksverbrauch auf die Tonne Roh-
eisen betrug 2⅓ Ctr. = 11,7 Proz., weniger als der halbe frühere
Kohlenverbrauch.
Maschinendirektor Krüger konstruierte einen ähnlichen für
100 Ctr. Inhalt berechneten Kupolofen auf der Gieſserei der preuſsischen
Ostbahn in der Nähe der Dirschauer Brücke, der auf Blatt Nr. 21
der Zeichnungen des Vereins Hütte von 1855 veröffentlicht wurde.
Ebenso baute Kapitän Maillard, Direktor der kaiserlichen Gieſserei
zu St. Gervais, hochofenartige Kupolöfen zu Nevers und St. Gervais,
die sehr gute Resultate gaben 1). Diese Öfen hatten drei Formreihen
übereinander. Man blies zuerst mit den unteren Formen, die oberen
blieben währenddem geschlossen. Wie sich aber das Eisen mehr und mehr
im Ofen sammelte, blies man mit der zweiten und dann mit der dritten
Formreihe, indem man die darunter befindlichen Formen zustopfte.
Maillard machte seinen Ofen, der ebenfalls einen starken Blech-
mantel hatte, auch fahrbar, indem er ihn auf einem eisernen Wagen
montierte. Jonathan Ireland nahm am 28. August 1858 ein Patent
(Nr. 1950) für Anbringung einer zweiten Düsenreihe über den gewöhn-
lichen Formen, um das Eisen schon höher im Ofen zu schmelzen, wo-
durch Kohlen erspart und das Eisen gereinigt wurde. Man lieſs also
hierbei die oberen Düsen mit den unteren zusammen blasen. In
Schlesien und in der königlichen Gieſserei zu Berlin hatte man bereits
die Einrichtung, daſs man den Wind nicht direkt in den Ofen führte,
[844]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
sondern ihn in einen ringförmigen Kasten, der die Ofenwand umgab,
leitete und aus diesem durch Formen in den Ofen treten lieſs. Auf
der Hütte zu Lehrbach im Harz hatte man einen Vorherd zum
Schöpfen, an welchen die Harzer Eisengieſser gewöhnt waren, auch
am Kupolofen angebracht. — William Clay lieſs sich im April 1857
einen Zugkupolofen patentieren, bei dem der Zug durch einen mit
dem oberen Teile des Ofens verbundenen Exhaustor bewirkt wurde.
Charles C. Alger gab 1857 auch seinen Kupolöfen einen ellip-
tischen Querschnitt (Patent Nr. 2614 und 2347).
Gegen Ende der 50 er Jahre gab man die Winderhitzung bei den
Kupolöfen, der man früher so viel Wert beigelegt hatte, allgemein
auf, besonders bei dem Betriebe mit Koks und zwar 1. wegen der
starken Abnutzung der Kernschächte, indem die feuerfesten Steine zu
rasch wegschmolzen, und 2. wegen des zu raschen Gichtenwechsels bei
gröſseren Öfen und stärkeren Gebläsen, wodurch das Eisen unge-
nügend vorbereitet vor die Formen kam, ungleich schmolz und sich
nicht mischte; 3. weil sich die Beschaffenheit des Roheisens durch die
hohe Temperatur änderte, indem dabei Frischen eintrat.
Sehr bewährten sich dagegen die Ventilatorgebläse1), die in
England und Frankreich allgemein in Anwendung kamen und auch
in Deutschland mehr und mehr Eingang fanden. Die groſse Menge
wenig gepreſsten Windes, welche dieselben den Öfen zuführten, wirkte
viel besser als die geringe Menge heiſser hochgespannter Luft, welche
die Cylindergebläse durch enge Düsen in die Kupolöfen gepreſst
hatten. Um die Konstruktion der Ventilatoren erwarben sich Nasmyth
durch sein geradschaufliges und Lloyd durch sein krummschaufliges
Windradgebläse, Fig. 291, in England, sowie Redtenbacher und
Rittinger in Deutschland besondere Verdienste.
In England benutzte man allgemein bereits die Erfahrung,
daſs man durch Gattieren verschiedener Eisensorten bessere Güsse
und festeres Eisen erzielte, als bei Verwendung von nur einer Sorte.
Auch die Beobachtung, daſs Gieſsereieisen durch bis zu einer
gewissen Grenze wiederholtes Umschmelzen fester werde, war für den
Gieſsereibetrieb von Wichtigkeit.
Price und Nicholson, die wie Jannoyer in dem Silicium den
gröſsten Feind des Guſseisens sahen, nahmen am 5. Mai 1856 ein
Patent, dasselbe durch Zusatz von siliciumfreiem Fein- oder Rein-
[845]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
eisen (fine metal) zu verbessern. Dies hatte man schon lange und
besser in Oberschlesien im Flammofen erreicht und diese bereits früher
erwähnte Darstellung von „Reineisen“ im Gasflammofen wurde zu
Gleiwitz während der 50 er Jahre fortgesetzt.
In England machte Stirling mit seinem verbesserten Guſs-
eisen, Patent-Toughened-Pig, groſse Reklame. Es wurde in Schottland
und Wales fabriziert und als ein besonderes Produkt (Stirlingsmetall)
auf den Metallmarkt gebracht. In der Pariser Weltausstellung von
1855 war es von den schottischen Eisenwerken Dundyvan, Muikirk
und Kinneil und zwar in verschiedenen Stadien seiner Darstellung
ausgestellt. Letztere bestand darin, daſs man Schmiedeeisenstücke,
Nägel, Blechschnitzel u. s. w. in den Lauf des Hochofens legte und das
abgestochene Eisen darüber flieſsen lieſs. Das so erhaltene Gemenge
von Guſseisen und Schmiedeeisen wurde dann in dem Kupolofen um-
geschmolzen und lieferte Stirlings „verstärktes Eisen“. Trotz der
Reklame und trotzdem Festigkeitsversuche, welche Hodgkinson 1853
mit demselben angestellt hatte, sehr günstig ausgefallen waren, fand
es doch nur wenig Verbreitung in England und noch weniger auf
dem Kontinent. Die übertriebene Reklame hat seiner Anwendung
mehr geschadet als genützt. Es erwies sich bald, daſs dieses Eisen,
welches jetzt als ordinärer Stahlguſs bekannt ist, für einzelne Ver-
wendungen durchaus zweckmäſsig ist, sich doch durchaus nicht für
alle Zwecke, wie der Erfinder behauptete, eignete. Auch hatte es
den Fehler groſser Ungleichmäſsigkeit.
Durch Zusätze anderer Metalle suchte man ebenfalls die Güte
des Guſseisens zu verbessern. Stirling pries hierfür das Zink an.
[846]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
In England wurde eine Legierung von Eisen mit etwa ⅕ Zinn dar-
gestellt, welche eine sehr schöne Politur annahm und für Glocken-
guſs empfohlen wurde.
Erwähnenswert ist auch die damals gemachte Beobachtung, daſs
Guſseisen sich durch wiederholtes Glühen beträchtlich, bis zu 1/24
seiner Länge, ausdehnt.
Mancherlei Neuerungen wurden bei dem Gieſsereibetriebe ein-
geführt. Die oben schon erwähnten Bogardusmühlen kamen zum
Mahlen der Steinkohlen, welche man dem Formsand beimischte, zur
Anwendung. — In den groſsen Eisengieſsereien in England, wie bei
Henderson, Fox \& Komp., 1851, bediente man sich bereits groſser
Laufkrahnen, welche sich auf Eisenbahnschienen über die ganze Gieſs-
halle hinbewegten.
J. Bernard gab 1854 ein verbessertes Gieſsverfahren an 1).
Seine Gieſspfanne, Fig. 292, wurde nicht gekippt, sondern hatte
unten eine Ausguſsöffnung, welche durch eine Hebelstange geöffnet und
geschlossen wurde. Aus
der Pfanne gelangte das
flüssige Eisen nicht un-
mittelbar in die Form,
sondern erst in einen Vor-
trichter, aus dem es über
dem tiefsten Punkte hori-
zontal abgeleitet wurde.
Dieser Vortrichter oder
Reiniger wurde dann mit
der betreffenden Form so
verbunden, daſs eine kommunizierende Röhre hergestellt wurde, und
das Gieſsen mit dem aufsteigenden Strome geschah. Bernard empfahl
auch die Formen vor dem Eingieſsen luftleer zu pumpen.
Für die Formerei waren die Ermittelungen Karmarschs2) über
das Gewichtsverhältnis der verschiedenen für die Modelle verwendeten
Holzarten im Verhältnis zum Eisen von praktischem Interesse. Er
fand, daſs z. B. Tannenholz das 14fache, Eichenholz das 9fache, Buchen-
holz das 9,7 fache, Birkenholz das 13,4fache, Erlenholz das 12,8fache
des Eisens wiegt. Aus dem Gewichte des Modells sollte sich danach
das Gewicht des Guſsstückes bestimmen lassen.
Die wichtigste Verbesserung war aber die Einführung von Form-
maschinen zur Herstellung von Guſsformen. Die Herstellung von
Formen, die sehr häufig gebraucht wurden, wie von Gas- oder Wasser-
leitungsröhren, Schienenstühlen u. s. w., oder von Formen, bei denen
die Herstellung des Modelles groſse Kosten verursachte, suchte man
dadurch zu verbilligen, daſs man die Handarbeit durch Maschinen-
arbeit ersetzte.
Harrison hatte schon 1845 ein Verfahren mitgeteilt, Röhren ohne
Modell zu formen. Es bestand darin, die Form der Röhren mit
Schablonen aus dem Formsande auszudrehen. Hierdurch wurden die
Röhren im geteilten Kasten annähernd vorgeformt. Dieses Verfahren
verbesserte Stewart in Glasgow dadurch, daſs er die Röhrenform
aus der voll in dem geschlossenen Formkasten eingestampften Sand-
masse mittels einer Bohrvorrichtung ausschnitt. Das Modell dazu
stellte Stewart auf der Londoner Weltausstellung 1851 aus. Ferner
gab er schon 1847 die erste wirkliche Maschine zur Röhrenformerei
im stehenden Kasten an, in welcher der Formsand durch spiralförmige
Flügel um das Modell festgedrückt wurde 1).
Eine andere Maschine, um Röhren im liegenden Kasten zu formen,
veröffentlichte Newton 1850 2).
Fairbairn und Hetterington erfanden 1851 ein Verfahren,
Röhren zu formen, dadurch, daſs die beiden Hälften des Röhren-
modelles auf beiden Seiten eines Modellbrettes in genauer Lage
befestigt waren und so abgeformt wurden.
Eine kompliziertere, aber auch vollkommenere Röhrenform-
maschine erfand Sheriff in Glasgow 1854 3). Weitere Maschinen für
diesen Zweck gaben Elder in Glasgow, 1856, und Waltjen in
Bremen, 1857, an.
Auf der Pariser Weltausstellung von 1855 4), wo auch Stewarts
Röhrenformmaschine zu sehen war, hatte Charles de Bergue eine
Maschine zum Ausheben der Modelle aus dem Sand ausgestellt. Die
Platte mit dem Modell wurde mit einem Rahmen verbunden, der
durch ein Zahnstangengetriebe bewegt wurde.
Ferner war auf der Pariser Ausstellung John Jobsons Apparat
zum mechanischen Ausheben der Schienenstuhlmodelle ausgestellt.
Hierbei war das Eigenartige, daſs das Modell abnehmbare Teile hatte,
[848]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
welche beim Ausheben in der Form blieben und dann seitlich ab-
gezogen wurden 1).
Die meisten Formmaschinen bezweckten aber die Herstellung von
Zahnrädern, um die kostspieligen Modelle dafür zu sparen. Von
diesen befanden sich zwei auf der Pariser Weltausstellung von 1855,
die von De Louvrié und von Jackson. Früher waren solche Ma-
schinen bereits erfunden worden von Chapelle2), Sonolet und
Ferrouilh3) (1853). Letztere war ziemlich einfach und fand deshalb
auch Verbreitung. Zuerst wurde ein Kreis schabloniert, der etwas
gröſser war als der Raddurchmesser; dann wurden die Zahnformen
mittels eines Lineals, das sich um einen Zapfen dreht, einzeln dagegen-
gesetzt. Diese Arbeit war einfach, erforderte aber groſse Aufmerksam-
keit des Arbeiters.
De Louvriés Räderformmaschine 4) ist viel komplizierter. Sie
besteht aus zwei Hauptteilen, der Teilspindel (troupeau diviseur) und
den Kernkasten (boites à noyaux). Die Teilspindel besteht aus einem
an der Wand befestigten langen Krahnenarm, der noch über den Mittel-
punkt des gröſsten vorkommenden Rades hinausreicht. Dieser trägt
an seinem Endpunkte das Lager der eigentlichen Teilspindel, welche
unten auf einer feststehenden Spitze, dem jedesmaligen Mittelpunkte
der Form, ruht. An dieser Spindel, welche durch ein Schraubenrad
gedreht wird, befindet sich ein Lineal, wie bei Ferrouilh. Die rich-
tige Teilung wird aber erleichtert und verbessert durch eine am
Krahnenarme befestigte Teilscheibe, welche sich mit der Spindel dreht
und an welcher man den Ausschlag der Spindel ablesen und den-
selben genau danach bestimmen kann. Das Einsetzen der Zahnformen
geschieht wie oben, während Arme und Nabe mittels zweier Form-
kasten besonders geformt werden.
Viel komplizierter und teurer ist die Maschine von Jackson5).
Hierbei ist der Formkasten auf einer beweglichen Scheibe drehbar,
während die Teilmaschine feststeht.
Das Princip des Centrifugalgusses kam zur Anwendung bei
Richard Peters’ Maschine für den Guſs von Hohlkugeln (Patent
[849]Eisengieſserei 1851 bis 1860.
7. Juni 1855). Dasselbe Princip wendete Shanks 1859 zu dem
gleichen Zwecke 1), sowie auch zur Herstellung von Guſsröhren an.
Erwähnung verdient der auf der Londoner Ausstellung von 1851
zuerst vorgeführte Faltenofen oder Gurney-stove, durch welchen das
wichtige Princip der Heizrippen zuerst in die Praxis eingeführt wurde.
Diese Öfen bewährten sich sehr und fanden groſse Verbreitung in
England.
Im Hartguſs zeichneten sich die Engländer aus und bezogen die
Kontinentalstaaten diesen meistens noch aus England. In Deutsch-
land lieferte Königsbronn in Württemberg die besten Hartwalzen und
Eisenbahnräder mit abgeschreckten Laufflächen. Tunner hat deshalb
eine Beschreibung des dort angewendeten Verfahrens in dem Leobener
Jahrbuch von 1854 (S. 284) veröffentlicht. Ende der 50 er Jahre trat
Gruson in Magdeburg, der sich groſse Verdienste um die Fabrikation
und die Verwendung des Hartgusses erworben hat, mit seinen Hart-
guſsherzstücken für Eisenbahnweichen, die allgemeine Anerkennung
fanden, auf.
In Frankreich machte Guettier Mitteilungen über Hartguſs 2).
Bentall in Heybridge und J. Howard in Bedford suchten die
Coquillen für den Hartguſs dadurch zu verbessern, daſs sie sie hohl
machten oder schmiedeeiserne Röhren eingossen und Luft oder Wasser
durchleiteten.
Holy und Kinnburgh zu Renfrew schlugen gebrannte Thon-
formen zu wiederholter Verwendung vor.
Über die Erzeugung von gutem Hartguſsroheisen im Hochofen
zu Malapane hat G. Rieschke 1860 bemerkenswerte Mitteilungen
gemacht 3).
Ein epochemachendes Ereignis war die Erfindung des Stahl-
formgusses von dem Direktor des Bochumer Vereins für Bergbau
und Guſsstahlfabrikation, Jakob Meyer, im Jahre 1855. Obgleich
dieser neue Industriezweig hinsichtlich der Herstellung der Formen
und des Gieſsens als ein Zweig der Eisengieſserei zu betrachten ist,
so ist er doch in so unmittelbarer Verbindung mit der Guſsstahl-
fabrikation geblieben, daſs das, was darüber zu erwähnen ist, natur-
gemäſser in dem Abschnitte über Stahl mitgeteilt wird.
Die direkte Darstellung des Schmiedeeisens aus den Erzen
trat praktisch mehr und mehr in den Hintergrund. Dagegen suchten
zahlreiche Erfinder eine erfolgreiche Lösung dieser Frage.
Auſser in den Pyrenäen hatten die Luppenfeuer in den Ver-
einigten Staaten von Amerika immer noch einige Bedeutung.
James Renton suchte hier 1851 das alte einfache Verfahren
zu reformieren, indem er das grob gepulverte Erz mit Kohle gemengt
in flachen, aufrechtstehenden Röhren durch die Überhitze der Flamm-
öfen erhitzte und das reduzierte Erz dann im Flammofen direkt zu
Luppen verarbeitete. Nach diesem Plane legte er um 1855 zu Newark
(New Jersey) zwei Öfen an, die auch mit Erfolg arbeiteten. Ein
zweites Werk entstand zu Cincinnati in Ohio. Er mischte das
gepochte Erz mit 15 bis 20 Proz. Hazleton-Anthracit, der sich besser
bewährte als Holzkohlen. Das Gemenge wurde mit Elevatoren den
3 m hohen Röhren zugeführt. Diese wurden nach mehrstündigem
Glühen durch Öffnen einer Klappe entleert. Das reduzierte Erz
fiel direkt auf die Sohle des Flammofens, wo es Schweiſshitze er-
hielt 1). In 24 Stunden wurden in einem Ofen etwa zwei Tonnen
Luppen gemacht, also ebensoviel wie in einem gewöhnlichen Puddel-
ofen. Die Erze muſsten sehr reich, leicht reduzierbar und gutartig
sein. Diese Bedingung, die sich in der Praxis nur selten dauernd er-
füllen lieſs, stand der Ausbreitung dieses und aller ähnlicher Ver-
fahren im Wege. Doch versuchte man 1856 den Prozeſs in Frank-
reich einzuführen und wurden 1856 und 1857 Probeschmelzen damit
unter Pailettes Leitung zu Villette bei Paris ausgeführt.
Chenots Verfahren, welches wir schon S. 647 kurz erwähnt haben,
war nur unter denselben Voraussetzungen möglich. Da es für die Dar-
stellung von Schmiedeeisen viel zu kostspielig war, so wurde es nur
noch zur Stahlgewinnung verwendet, weshalb wir später darauf zurück-
kommen werden. Der von Yates2) 1860 vorgeschlagene Prozeſs war
nur eine Abänderung von Chenots Verfahren, wobei die Reduktion
der Erze in Gasöfen statt mit Rostfeuerung vorgenommen werden sollte.
Das Frischverfahren trat selbst in den Ländern mit ausschlieſs-
lichem Holzbetriebe mehr und mehr zurück gegen den vorteilhafteren
Puddelbetrieb. Nur in Schweden, am Ural und in anderen Ländern,
[851]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
die Qualitätseisen mit Holzkohlen machten, behielt man diesen Prozeſs
bei und suchte ihn ökonomischer zu machen durch geschlossene Feuer,
Vorglühherde, Lufterhitzungsapparate, Wasserformen und Kühlvorrich-
tungen unter den Herden. Alle diese Verbesserungen hatte man
damals in Schweden 1) und in den österreichischen Alpenländern ein-
geführt. Tunner fand 1856 in Schweden folgende Frischmethoden
im Gebrauch: 1. Die Bergmannsschmiede, 2. die deutsche, 3. die
Franche-Comtéschmiede, 4. die Lancashireschmiede mit Schweiſs-
herden, 5. dieselbe mit Schweiſsöfen, 6. die Wallonschmiede. Die
deutsche Schmiede, zu der auch die Bergmannsschmiede gehörte,
war mehr und mehr verdrängt durch die Franche-Comté- und Lan-
cashireschmiede, welche letztere besonders für die besseren Eisen-
sorten in Anwendung stand. Diese Methode hatte man um 1853 auch
zu Feistritz in Kärnten eingeführt.
In Frankreich wendete damals Karr besondere Glühöfen zum
Vorwärmen des zu verfrischenden Roheisens an 2).
Zu Rybnik in Schlesien frischte man das Roheisen im Puddel-
ofen, zerbrach die gezängten Luppen und schmolz sie dann im Frisch-
herde mit Holzkohlen nieder, wobei 40 Proz. Holzkohlen erspart und
vorzügliches Eisen erzeugt wurde.
Ferner suchte man das Brennmaterial bei dem Frischprozeſs
dadurch besser auszunutzen, daſs man die entweichende Flamme
zum Heizen, namentlich von Schweiſs- und Puddelöfen, benutzte
(kombiniertes Herd- und Flammofenfrischen). Dies geschah zu Buch-
scheiden (1845), zu Hirschwang bei Reichenau (1850) 3), zu Neuhütte
bei Beraun in Böhmen.
Bei dem Puddelbetriebe verwendete man alle Arten von
Brennmaterial, doch war der Puddelbetrieb mit Steinkohlen der vor-
teilhafteste. Durch verbesserte Einrichtungen der Puddelöfen arbeitete
man auf Brennmaterialersparnis hin. Zu diesen Verbesserungen
gehörten die geschlossenen Feuerungen mit Unterwind, der Müllersche
Heizpult und ganz besonders der Treppenrost.
In diese Periode fällt auch die wichtige Erfindung von Siemens’
Regeneratorfeuerung, welche zuerst bei Schweiſsöfen angewendet wurde.
Überhaupt wendete man der Wärmeökonomie in jener Zeit groſse
54*
[852]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
Aufmerksamkeit zu; auch die hüttenmännische Litteratur beschäftigte
sich eingehend damit 1).
Bei dem gewöhnlichen Planrost gab man den Roststäben eine
starke Ausbauchung und erzielte mit diesem sogenannten Fischbauch-
rost durch die Vorwärmung der Zugluft eine vorteilhaftere Verbren-
nung. Für Puddel- und Schweiſsöfen waren diese Roststäbe aber
wenig geeignet.
Den Unterwind, den schon Peter Onions 1783 beim Eisen-
feinen angewendet und v. Baader 1818 empfohlen hatte, benutzte
J. A. Detmold 1843 zuerst bei dem Puddelofen und erwarb dafür
ein englisches Patent (18. Oktober 1843, Nr. 9911). Er verkaufte es
an die Ebbw-Vale-Eisenhüttengesellschaft in Südwales, welche das-
selbe zuerst in England anwendete. Um dieselbe Zeit wurde der
Unterwind auch in Deutschland eingeführt. In den 50 er Jahren
wendete man mehrfach die geschlossenen Feuerungen mit Unterwind
bei den Flammöfen an. Lan in Frankreich fand (1857) dieselben
bei den Schweiſsöfen vorteilhaft hinsichtlich des Eisenabbrandes und
des Kohlenverbrauches, nachteilig dagegen hinsichtlich der Qualität
des Eisens 2). Beim Puddelofen bewährte sich diese Einrichtung in
Frankreich nicht. In Deutschland wendete man sie dagegen zu Neu-
stadt am Rübenberge (1859) mit bestem Erfolge an 3).
Bei der Anwendung von Unterwind bewährte sich in Süddeutsch-
land und Österreich Anton Müllers patentierter Heizpult4) an
Stelle des Stabrostes. Der Heizpult, Fig. 293, welcher als Rost diente,
bestand aus einem guſseisernen pultförmigen Kasten, dessen obere
Fläche, auf der das Brennmaterial auflag, mit Löchern versehen war.
In den Kasten wurde der schwach gepreſste Wind eingeleitet, der
durch die Löcher ausströmte und die Verbrennung bewirkte. Man
gab der oberen Fläche die Gestalt eines doppelten oder eines ein-
[853]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
fachen Pultes. Schwind giebt an, daſs Franz v. Wagner ähnliche
Feuerungen schon Mitte der 20 er Jahre bei den bayerischen Salinen
angewendet habe. Die Müllersche Einrichtung sollte bei Puddelöfen
eine Brennmaterialersparnis von 22 Proz. gegen die Rostfeuerung
bewirkt haben. Ihr Hauptvorteil bestand darin, daſs man gering-
wertiges Brennmaterial, aschenreiches Kohlenklein, darauf verwenden
konnte. Sie fand Anwendung zu Buchscheiden für Torf, zu Prävali
in Kärnten, Krems in Steiermark und Maximilianshütte in Bayern für
Braunkohlen.
Eine viel gröſsere Verbreitung fand der Treppenrost (Fig. 294),
der die Verbrennung von Brennmaterialabfällen und Kohlenklein mit
natürlichem Zug ge-
stattete. Treppenroste
waren Ende der 40 er
Jahre angeblich zuerst
in Sachsen aufgekom-
men. Bei diesen liegen
die flachen Roststäbe e
treppenförmig über-
einander; meist waren
sie am unteren Ende noch mit einem Planrost f verbunden. Diese
Treppenroste waren überall leicht anzubringen und ergaben eine
wesentliche Brennstoffersparnis. Für backende Steinkohlen eigneten sie
sich aber nicht, da diese die Fugen verstopften. Die Treppenroste
fanden anfangs der 50 er Jahre bei den Puddelöfen Anwendung und
verbreiteten sich rasch, besonders in Österreich und Oberschlesien.
[854]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
Über die Einrichtung und die guten Erfolge der Treppenroste in dem
Franz Mayrschen Puddel- und Walzwerk zu Donawitz bei Leoben be-
richtet Tunners Jahrbuch von 1852 (Bd. 2, S. 246). Die erste An-
wendung hatten die Treppenroste auf dem Eisenwerke zu Prevali,
welches so viele Verbesserungen im Puddel- und Schweiſsofenbetriebe
eingeführt hat, gefunden. Ebenso bewährten sie sich auf dem v. Roth-
schildschen Eisenwerke zu Wittkowitz in Mähren; auf dem neuerbauten
groſsen Hüttenwerke zu Reschitza in Ungarn wurden sämtliche Feue-
rungen mit Treppenrosten versehen. Ebenso wurden auf der Königs-
hütte und Alvenslebenhütte in Oberschlesien die meisten Puddelöfen mit
Treppenrosten für kleine Steinkohlen versehen. Dieselben waren mit
einem kurzen Planroste an ihrem Fuſsende verbunden, wie es oben dar-
gestellt ist 1). In Frankreich fanden die Treppenroste 1854/55 Eingang.
Für den Puddel- und Schweiſsofenbetrieb mit Holz und Torf
bewährte sich am besten die Vergasung und die Gasheizung.
Hierin war Kärnten anfangs der 50 er Jahre ein mustergültiges Vor-
bild. Seine Einrichtungen fanden auf der Londoner Weltausstellung
von 1851 die höchste Anerkennung in England und Le Play empfahl
den kärntnischen Gasbetrieb als bestes Mittel für den Kampf des
Holzbetriebes gegen den Steinkohlenbetrieb.
Zur Gasfeuerung der Puddel- und Schweiſsöfen konnte man die
verschiedensten Brennmaterialien verwenden, doch beschränkte sich
die Vergasung damals noch auf Holz, Torf und Braunkohlen.
Die mit Holz und Holzkohle betriebenen Gasflammöfen waren am
meisten verbreitet. In Schweden hatte man schon 1850 Gas-
schweiſsöfen, die mit Holz- und Holzkohlengas und erhitztem Wind
gefeuert wurden 2). Das Motala-Eisenwerk in Ostgotland hatte 1851
zu London sehr schön gewalztes Eisen ausgestellt, welches in Gas-
flammöfen erzeugt war und von einem höheren Standpunkte der
Technik als dem der übrigen schwedischen Stabeisenhütten Zeugnis
ablegte. In den folgenden Jahren breitete sich der Gasbetrieb immer
mehr aus. Auf der Pariser Weltausstellung wurde G. Eckmann in
Lesjöfors für seine verbesserten Gasschweiſsöfen preisgekrönt. Eig. 295
zeigt diese Konstruktion, welche in Schweden groſse Verbreitung fand 3).
Rechts befindet sich der Gasgenerator, auf welchem der Fülltrichter,
Fig. 296, sitzt. Der Wind strömt durch zwei Reihen von Düsen e und
e' in denselben, nachdem er sich zwischen dem eisernen und dem
[855]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
Steinmantel in f auf 90 bis 150° C. erwärmt hat. Die Verbrennung
geschieht durch die aus der schlitzförmigen Öffnung l von oben ein-
tretende erwärmte Luft vor der Feuerbrücke. Das Holz wurde in
kurzgeschnittenen Scheiten aufgegeben. Eckmann verband zu
Lesjöfors seine Gasschweiſsöfen auch mit Exhaustoren; zugleich
bediente er sich eigentümlicher glockenförmiger Winderhitzungs-
apparate, die im Ofen angebracht waren (s. Tunner).
Als Brennstoff diente meistens Holzkohle, obgleich der Betrieb
mit Holz oder Torf ökonomischer war. Letztere muſsten aber erst
in Darrkammern, in denen das Brennmaterial in Wagen 30 Stunden
lang blieb, gedarrt werden. Dieser Umstand war der Grund, warum
man die bequemere Gaserzeugung aus Holzkohlen vorzog.
Über die Gasfeuerung auf den österreichischen Eisenhütten
verdanken wir Dr. Karl Zerenner ausführliche Nachrichten. Kein
Teil der Monarchie hatte sich die Vorteile der Gasfeuerung mit
solcher Ausdauer und in verhältnismäſsig so kurzer Zeit anzueignen
gewuſst als wie Kärnten. Besondere Verdienste hatte sich Direktor
Schlegel zu Prevali darum erworben. Torf, Braunkohlen und Holz
wurden auf den österreichischen Hütten zur Gasfeuerung verwendet.
Das älteste Torfgas-, Puddel- und Walzwerk war zu Buchscheiden.
Es war 1842 von Direktor Jos. Schlegel angelegt worden. Der
Torf, der aus der Nachbarschaft kam, wurde gedörrt. Zehn Dörr-
kammern wurden mit heiſsem Winde, der durch die Überhitze des
Schweiſsofens erwärmt wurde, betrieben. Die übrigen hatten direkte
[856]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
Feuerung. Das Roheisen kam von Treibach. Buchscheiden hatte 1855
vier Doppelpuddelöfen und vier Schweiſsöfen. Man verwendete auch den
Müllerschen Heizpult. Das Werk arbeitete auf Eisenbahnschienen.
Die dem Grafen Ferdinand v. Egger gehörige Nothberga-
hütte zu Freudenberg in Kärnten wurde 1854 mit Torfgasfeuerung in
Betrieb gesetzt. Der Erbauer war der Oberverweser William Baildon
in Lippitzbach, ein Sohn jenes Engländers Baildon, der unter Graf
Reden sich so groſse Verdienste um die Steinkohleneisenindustrie
in Oberschlesien erworben hatte. Weitere Torfgaspuddelwerke in
Österreich waren damals zu Kessen in Tirol und zu Ebenau im Salz-
kammergut. Hier wurde der Torf nur lufttrocken, nicht gedörrt ver-
wendet. Ferner befanden sich in jener Zeit Torfgaspuddelöfen zu
Untervilliers in der Schweiz, zu Maximilianshütte bei Traunstein in
Oberbayern (von Hailer erbaut 1). Zu Ilsenburg wendete man ein
Gemisch von Torf, Tannäpfeln und Tannenrinde zur Gaserzeugung für
den Puddelbetrieb an.
Wichtiger war der Gasbetrieb mit Braunkohlen für Österreich,
welcher namentlich zu Prevali in Kärnten in Umgang war. Dieses
Werk, welches den Gebrüdern Rosthorn und dem Freiherrn v. Dick-
mann gehörte, beschäftigte damals 600 Hüttenarbeiter und 800 Berg-
leute und verarbeitete über 200000 Ctr. Roheisen von Lölling. Man
verwendete Doppelpuddelöfen, teils mit Gasfeuerung, teils mit Treppen-
oder Planrosten, mit und ohne Verbrennungswind. Bei Anwendung
von Oberwind ersparte man Brennmaterial, hatte aber mehr Abbrand
und zwar betrug der Kohlenaufwand 152 Proz., der Calo 12,4 Proz.
mit Oberwind, dagegen ohne Oberwind 161,5 Proz. Kohlen, und
8,9 Proz. Calo.
Für Holzgasbetrieb war Lippitzbach in Kärnten der klassische
Ort, indessen gab man hier schon um die Mitte der 50er Jahre den
Gasbetrieb auf und ging zur direkten Feuerung mit Treppenrosten
über. Dagegen wurde 1853 zu Brezowa unweit Rhonitz in Ungarn
das gröſste und best eingerichtete Werk für Holzgasbetrieb in Öster-
reich erbaut. Es hatte 22 Luftdarrkammern, in welchen sich zwei
Reihen eiserner Rollkörbe bewegten, ferner vier Doppelpuddelöfen
und sieben Schweiſsöfen. — Das älteste Eisenwerk mit Holzgasbetrieb
in Ungarn war das Feinwalzwerk Nadrag bei Zsisovár im Temeser
Banat, wo schon seit 1848 Gasbetrieb eingeführt war. Auf dem
fürstlich Fürstenbergischen Eisenwerk Neuhütte in Böhmen wurde
[857]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
ein Doppelpuddelofen mit Holzgas betrieben, ebenso zu Neuberg in
Steiermark.
In Thüringen erbaute Thoma, der den Gasbetrieb in Ruſsland
eingeführt hatte, einen Puddelofen zu Heinrichs im Kreise Schleu-
singen, welcher mit Holzgas betrieben wurde. Thoma war ein eifriger
Vertreter des Gasbetriebes und schrieb 1850: „in Bezug auf die Stab-
eisen- und Stahlerzeugung muſs die ganze Hoffnung des deutschen
Hüttenwesens auf den Gasbetrieb gesetzt werden“. In Württemberg
waren Gaspuddelöfen zu Unterkochen und zu Thiergarten.
In Frankreich hatte sich nicht nur Le Play entschieden für
den Gasbetrieb ausgesprochen, sondern auch Lan und Gruner, die
ihn für den besten erklärten. Zu Villette bei Chatillon wurde mit
Holzgas gepuddelt 1).
Der Betrieb von Puddelöfen mit Gichtgasen war damals bereits
allgemein wieder verlassen.
C. Schinz in Philadelphia nahm am 4. Dezember 1855 ein Patent
auf einen Gasofen mit selbstthätiger Regulierung (self-regulating
gasfurnace). Die Zuströmung von Gas und Luft wurde durch die
Ausdehnung einer Eisenstange, welche mit einem Zahngetriebe ver-
bunden war, reguliert.
Was den Betrieb der Puddelöfen betrifft, so war der Koch-
ofen mit Schlackenfrischen allgemein in Anwendung gekommen.
Tessié du Motay und Fontaine2) bereiteten künstlichen Schwahl,
indem sie Puddelschweiſsschlacke mit Thonerdesilikat im Flammofen
einschmolzen und dem Gemische Kali oder Natron und Eisenoxydul
zusetzten. In diesem Schwahl wurde dann das Roheisen gepuddelt.
Während des Prozesses warf man noch basische Chlor- und kohlensaure
Salze zu. Das so gepuddelte Eisen sollte dem Frischeisen an Güte
gleichkommen.
James Nasmyth nahm am 4. Mai 1854 ein beachtenswertes
Patent (Nr. 1001) auf eine Verbesserung des Puddelprozesses. Das-
selbe bestand im Puddeln mit einem Dampfstrahl, der durch eine
hohle Rührkrücke in das flüssige Eisen geführt wurde.
Das Umrühren des Eisens beim Puddeln ist eine der mühseligsten
Arbeiten des Eisenhüttenmannes. Schon die Humanität muſste dafür
nach einem mechanischen Ersatz suchen. Der erste, der einen solchen
mechanischen Rührer erfand, war der durch seine hervorragenden
[858]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
Arbeiten über die Chemie des Eisens, sowie seine Untersuchungen
über den Stahl berühmte Karl Emil Schafhäutl1). Derselbe erhielt
dafür in England am 13. Dezember 1836 ein Patent (Nr. 7117).
Fig. 297 stellt den Apparat für Fuſsbetrieb dar. Derselbe tauchte
aber nur beim Hingange in das Eisenbad ein. c c ist die Rührkrücke.
Jeder Ofen bedurfte einer besonderen Maschine, weshalb Schafhäutl
zur Verringerung der Kosten seinen Öfen die vierfache Gröſse gab.
Die Vorrichtung wurde auf dem Tividale-Eisenwerk bei Durley ein-
geführt. Da aber der Abbrand in den groſsen Öfen zu bedeutend
und das Luppenmachen zu schwierig war, so gab man die Sache bald
wieder auf.
Nasmyth wurde bei seinem Verbesserungsvorschlage auch von der
Absicht geleitet, die Arbeit des Puddelns zu erleichtern. Nicht ein
mechanisches Triebwerk, sondern ein kräftiger Dampfstrahl sollte das
Eisen aufrühren und zugleich den chemischen Prozeſs beim Puddeln
befördern. Nasmyth erreichte dies, indem er eine hohle, durch ein
Universalgelenk mit einer Dampfleitung verbundene Krücke herstellte,
welche der Arbeiter, ähnlich wie seither, aber langsam und ohne An-
strengung in dem Eisenbade hin- und herführte. Der kräftige Dampf-
strahl sollte die eigentliche Arbeit des Rührens ausführen. Der Dampf,
der möglichst am tiefsten Punkte des geschmolzenen Metalles eingeführt
wurde, wirkte aber nicht nur mechanisch, sondern indem er sich
in Berührung mit dem glühenden Eisen zersetzte, wurde Sauerstoff
[859]Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
frei, der entkohlend und reinigend auf das Roheisen einwirkte. Ebenso
sollte der Wasserstoff sich mit dem Schwefel des Eisens und der
Verbrennungsgase verbinden. Nur das eigentliche Rühren geschah
durch Dampf, das Luppenmachen wurde wie sonst ausgeführt. Im
ganzen wurde aber die Arbeit dadurch erleichtert, der Prozeſs abge-
kürzt und die Reinheit, Zähigkeit und Festigkeit des Eisens verbessert.
In der That wurde auch das Verfahren auf mehreren englischen
Eisenwerken eingeführt. Es hatte aber den Nachteil, daſs die Aktion
durch die Zersetzung des Dampfes zu energisch eintrat, wodurch ein
zu groſser Eisenverlust entstand und, wenn der Arbeiter unvorsichtig
war, zuweilen die ganze Charge verbrannte. Deshalb hatte Nasmyths
Verfahren keinen dauernden Erfolg. Da es aber die allgemeine Auf-
merksamkeit der Eisentechniker schon des berühmten Erfinders wegen
erregte, so wird es auch John Bessemer nicht entgangen sein,
dessen groſsartige Erfindung eine entfernte Verwandtschaft mit diesem
Verfahren hat.
Dieselbe Idee wurde verfolgt und verbessert von G. Parry auf
dem Ebbw-Vale-Eisenwerke in Monmouthshire, welcher ein Puddel-
verfahren mit überhitztem Dampfe erfand und darauf am 26. Februar
1856 ein Patent (Nr. 495) erhielt. Er überhitzte den Dampf vorher
und leitete ihn nicht in das Eisen, sondern auf die Oberfläche des
Eisens, jedoch so unmittelbar, daſs die Dampfstrahlen Eindrücke auf das
flüssige Metallbad machen und dasselbe in Bewegung setzen sollten.
Es geschah dies durch Düsen neben der Feuerthür, welche 35 Grad
Neigung hatten und deren Mündungen 2 bis 4 Zoll von der Oberfläche
des Eisenbades abstanden. Bei dem Verpuddeln von weiſsem,
halbiertem und hellgrauem Roheisen (Nr. 3) waren zwei Düsen von
¾ Zoll Öffnung hinreichend. Der Dampf wurde in einem Spiralrohre
durch die entweichende Flamme erhitzt. Die Arbeit geschah wie
sonst, nur verlief sie viel rascher. Der überhitzte Dampf kühlte das
flüssige Eisen lange nicht so rasch ab wie der gewöhnliche.
Parry wendete sein Verfahren auch zum Feinen des Eisens an,
wobei er groſse Flammöfen mit neun geneigten Formen anwendete.
Statt dessen konnte man auch die Formen am Boden anbringen und
den überhitzten Dampf durch das 4 Fuſs lange, 2½ Fuſs breite und
1½ Fuſs hohe Eisenbad durchpressen. Ein Zusatz von Pfeifenerde
und Eisenspat beförderte die Reinigung. Lieſs man das gefeinte Eisen
in Wasser laufen und schmolz die so erhaltenen Granalien im Schmelz-
tiegel um, so erhielt man Guſsstahl. — Parrys Methode konnte sich
damals aber noch weniger Eingang verschaffen wie die von Nasmyth.
Sanderson reinigte das geschmolzene Roheisen durch Eisen-
vitriol, wobei der Sauerstoff des Sulfats auf den Kohlenstoff wirken
und eine Entkohlung herbeiführen sollte (Patent vom 24. November
1855).
Lebhafte Erörterungen erregte in dieser Periode die Frage, ob
für den Puddelprozeſs die Doppelöfen oder die einfachen Öfen
zweckmäſsiger seien 1). In den Doppelöfen fiel das Produkt sehr oft
ungleich aus und dieser Nachteil hob den Vorteil der geringen
Kohlenersparnis wieder auf. Für Qualitätseisen, z. B. Feinkorneisen,
bewährten sich nur die einfachen Öfen. Jullien empfahl Puddelöfen
mit einer Arbeitsthür für das beste Eisen, mit zwei Thüren für mittlere
Qualität, mit drei Thüren für die geringste Sorte. Letztere existierten
aber nur versuchsweise. Dagegen wendete man 1859 zu Montataire
in Frankreich Puddelöfen mit vier Thüren (four quadruple), auf jeder
Seite zwei, an, so daſs sich die vier Puddler nicht im Wege standen.
Das Puddeln auf Feinkorneisen, welches auf vielen Hütten
betrieben wurde, näherte sich dem Stahlpuddeln. Die Feuerbrücke
und das Gewölbe wurden erhöht. Man verarbeitete schwer frischendes,
weiſses, strahliges oder spiegliches Eisen, schmolz dasselbe heiſser
ein wie sonst und rührte meist mit sechs Krücken. Dabei setzte man
mehr und rohere Schlacken zu. Gegen Ende lieſs man die Temperatur
tiefer sinken als beim Frischen von weichem Eisen. Während das
Rühren länger dauerte, ging das Umsetzen und Luppenmachen rascher
von statten, wobei man die Essenklappe (Temper) halb schloſs.
Von groſser Bedeutung für das Verständnis des Puddelprozesses
waren die chemischen Untersuchungen desselben in seinen ver-
schiedenen Stadien von Prof. Grace Calvert und Dr. Richard
Johnson2) 1856.
Das Ergebnis derselben ergiebt sich aus folgender Zusammen-
stellung (nach Percy):
Das eingesetzte Roheisen war kalt erblasenes Grau Nr. 3 von
Staffordshire von folgender Zusammensetzung:
Hieraus ergiebt sich, daſs sich das Silicium zuerst und schon bald
nach dem Einschmelzen oxydiert, während der Kohlenstoff in dieser
Zeit keine Verminderung, durch die Verschlackung von Silicium und
Eisen sogar eine relative Vermehrung erfährt 1). Dabei geht der Kohlen-
stoff in den gebundenen Zustand über. Probe 1 war weiſses, sprödes
Feinmetall, 2 ebenso, doch schon etwas geschmeidiger; nach 65 Mi-
nuten begann die Masse zu steigen, die Probe 3 war ein schwammig
schwärzliches Gemenge von Schlacke und Eisen; die Eisenkügelchen
waren spröde. Nach 80 Minuten, Probe 4, hatte man das Register
teilweise gezogen und mit Rühren begonnen. Die Probe stieſs blaue
Flammen von Kohlenoxyd aus, war sehr locker, die Eisenkörnchen
weiſs und spröde. Nach 95 Minuten, Probe 5, hatte man das Register
ganz gezogen und arbeitete mit dem Luppenhaken. Die Probe 6 war
weniger feinkörnig, die schwärzlichen Körner zeigten ausgehämmert
Metallglanz. Nach 105 Minuten, Probe 7, waren die Körner gröſser,
frei von Schlacke und schmiedbar. Bei der 8. Probe, nach 110 Minuten,
hatte die Kohlenoxydgasbildung ganz aufgehört, das Eisen lieſs sich
zängen und recken. Erst mit Eintritt der Kochperiode fand eine
Oxydation und Abnahme des Kohlenstoffs statt, die während der-
selben nur langsam vorschritt, nach Beendigung derselben aber rasch
verlief.
Ähnliche Versuche mit denselben Ergebnissen stellte 1859 der
französische Ingenieur Lan an 1).
In Deutschland veröffentlichte im selben Jahre Otto Zobel
einen Aufsatz über die Zusammensetzung der Puddelschlacke und ihre
Bedeutung für den Puddelprozeſs. Danach nähert sich die Rohschlacke
einem Singulosilikat (2 FeOSiO2) und enthält in 100 Tln. 30 Tle.
Kieselsäure und 70 Tle. Eisenoxydul. Die Garschlacke ist dagegen
hauptsächlich Subsilikat, Fe2S oder 4 FeOSiO2, mit 17,4 Tln. Kiesel-
säure und 82,6 Tln. Eisenoxydul.
Zum Schlusse erwähnen wir noch einige abgeänderte Puddel-
verfahren.
Isaak Hazlehursts Methode, welche 1851 patentiert wurde,
bestand darin, daſs er das Roheisen heiſs einschmolz und wie ge-
wöhnlich puddelte, den Prozeſs aber nach beendetem Kochen vor
dem Umsetzen unterbrach, das Eisen in Stücken aus dem Ofen nahm
und in einem geschlossenen Gefäſse erkalten lieſs, diese dann
mittels Walzen oder Stampfern zerkleinerte und sortierte. Das aus-
gelesene Eisen schweiſste er dann in einem Schweiſsofen bei niedriger
Hitze zu einer Luppe zusammen, die unmittelbar zu gutem Schmiede-
eisen ausgereckt werden konnte.
Um sehr gutes Eisen, namentlich zur Cementstahlfabrikation, zu
machen, soll man sich eines Holzkohlen-Schweiſsherdes bedienen.
Ein anderes Verfahren war von Östlund in Schweden auf Ver-
anlassung des Bessemerprozesses erfunden 2). Sein Ofen war ein topf-
artiges Gefäſs a, welches um einen am Boden befestigten Stiel d rotierte,
wie aus Fig. 298 zu ersehen. Das Roheisen wurde flüssig eingeführt.
Die Erhitzung und das Frischen geschah durch das Gemisch von Luft
und Gas, welches von oben eintrat. Das Roheisen, dem Garschlacke
zugesetzt wurde, verkochte durch die Rotation des Gefäſses. Man
machte nur kleine Einsätze, z. B. in Finspong von 50 bis 70 kg
Roheisen. Das Verkochen begann nach 5 Minuten und war in
10 Minuten beendet. Natürlich war der Topf vorher stark vor-
gewärmt.
Dieser Ofen fand keine Verbreitung, lenkte aber die Aufmerksam-
keit auf die rotierenden Puddelöfen, die schon mehrere Jahre zuvor
auch in England in Vorschlag gebracht worden waren.
Am 18. Mai 1853 nahmen B. P. Walker und James Warren
ein Patent auf einen rotierenden Puddelofen von cylindrischer oder
elliptischer Gestalt, der sich um eine horizontale Achse drehte. Der
Ofen bestand aus einem eisernen Cylindermantel, der innen mit feuer-
festen Steinen ausgekleidet war. Der eiserne Mantel hatte auſsen
einen Zahnkranz, der in ein gezahntes Triebrad eingriff, wodurch der
Ofen in Umdrehung versetzt wurde. Der drehbare Herd befand sich
zwischen der feststehenden Feuerung und der Esse, so daſs die
Flamme durch denselben unbehindert durchstrich. — Die Erfinder
dehnten ihren Patentanspruch
auch auf Puddelöfen mit auf
einer senkrechten drehbaren
Achse beweglichem Herdboden
aus. Die Drehung sollte die
Arbeit des Rührens überflüssig
machen.
Am 31. Januar 1854 nahm
Isaak Hazlehurst ein Patent
auf eine andere Art des mecha-
nischen Puddelns. Dasselbe
sollte durch eine Art Rühr-
werk in dem kreisförmig ge-
stalteten Ofen geschehen. An einer vertikalen Welle, welche durch
den Scheitel (crown) des Ofens ging, waren zwei horizontale Arme
befestigt, die am Boden herstrichen und das flüssige Eisenbad um-
rührten. War die Kochperiode beendet, so wurden die Rührer aus-
gewechselt, indem das Umsetzen nur durch einen Arm, der aber
unten mit Klauen (prongs) versehen war, bewerkstelligt wurde.
Am 4. Januar 1856 nahm Bessemer ein Patent auf ein Ver-
fahren, Roheisen in einem um eine senkrechte Achse rotierenden Ofen
unter gleichzeitigem Durchpressen von Wind zu entkohlen, beziehungs-
weise in Eisen oder Stahl zu verwandeln. Obgleich H. Bessemers
verschiedene Patente sich auch auf die Darstellung von weichem
Eisen beziehen, so werden wir sie doch erst bei der Stahlfabrikation
näher betrachten. Die rotierenden Öfen müssen wir aber hier er-
wähnen, weil dieselben mit den späteren rotierenden Puddelöfen im
Zusammenhange stehen.
Am 10. November 1856 nahm Henry Bessemer ein weiteres
Patent, in welchem ein um eine horizontale Achse sich bewegender
cylindrischer Ofen, der aber nur eine Schaukelbewegung ausführen
sollte, angegeben ist.
G. Dyson schlug in demselben Jahre einen Stahlpuddelofen mit
rotierendem Herde vor. Am 3. März nahm W. Taylor ein Patent
auf einen auf einer senkrechten Achse drehbaren schüsselförmigen
Herdofen, in den das Eisen flüssig eingelassen wurde 1).
A. V. Newton konstruierte 1857 ein verbessertes rotierendes
Rührwerk zum Verpuddeln des Eisens, welches durch Maschinenkraft
bewegt wurde (Patent Nr. 1512 vom 27. Mai 1857). Die starke ver-
tikale Welle und der Querarm waren hohl, so daſs Wasser oder Luft
durchströmen konnten, wodurch sie gekühlt und vor dem Verbrennen
geschützt wurden. Auſserdem waren bewegliche Arme (vibrating rods)
mit diesem Gestelle verbunden, welche, durch ein Triebwerk bewegt,
die Arbeit des Rührens besorgten. Alle Arbeit geschah mechanisch,
bis auf das Herausnehmen der Luppen.
Kaum drei Wochen später nahm ein W. E. Newton ein zweites
Patent (Nr. 1671 vom 15. Juni 1857) auf einen ganz ähnlichen
Mechanismus, der dadurch verbessert war, daſs gleichzeitig der Boden
des Ofens drehbar war und sich beliebig mit dem Rührwerk oder
gegen dasselbe bewegen konnte. — Jeremias Browns Patent vom
19. Mai 1858 (Nr. 1111) erstreckte sich auf ein ähnliches Rührwerk.
Josef Maudslay nahm am 25. Juni 1858 ein Patent
(Nr. 1436) auf einen rotierenden Tellerofen zum Frischen des Eisens.
Der Ofen drehte sich um eine verstellbare, geneigte Achse.
Endlich nahm am 5. Oktober 1858 Anthony Bessemer ein Patent
auf einen cylindrischen, rotierenden Puddelofen, der in der Hauptsache
mit dem von Walker und Warren angegebenen übereinstimmte.
Der Cylinder, der ebenfalls zwischen Feuerung und Esse so auf-
gestellt wurde, daſs die Feuergase durchzogen, war an beiden Enden
etwas zusammengezogen. Die Bewegung geschah durch einen Zahn-
kranz am Cylindermantel und ein Schraubenrad. Luft oder Dampf
sollte auf die sich fortwährend ändernde Oberfläche des Metallbades
geleitet und hierdurch das Roheisen zu Stahl oder weichem Eisen
gefrischt werden. Nach der Patentbeschreibung nahm der Erfinder
an, daſs dieses flüssig bleibe und ausgegossen werden könne.
Einen ähnlichen rotierenden Cylinderofen meldete W. H. Tooth
am 3. August 1859 zum Patent an. Am 2. Februar 1860 erhielt er
dafür ein zweites Patent. Demselben ist eine ausführliche Beschreibung
mit Zeichnung beigegeben 1).
Bei diesen Drehöfen und Öfen mit Rührwerken ist meistens vor-
ausgesetzt, daſs das Eisen schon in flüssiger Form dem Ofen zugeführt
wird, wie dies auch für die gewöhnlichen Puddelöfen schon früher
mehrfach in Vorschlag gebracht worden war.
Von den Verbesserungen für die mechanische Bearbeitung des
gefrischten Eisens in dieser Periode erwähnen wir zuerst die Luppen-
mühle von Jeremias Brown, welche am 3. Juli 1847 patentiert
und am 19. Mai 1856 verbessert wurde 2). Es war ein Zängewalz-
werk mit drei Walzen, dessen Zusammensetzung und Bewegung aus
Fig. 299 3) (a. f. S.) zu ersehen ist. Die Zängewalzen sind hier in ihrer
Endstellung dargestellt, in der die Luppe k bis zu einem runden
Kolben zusammengepreſst ist. Diese Maschine fand auf englischen
Hüttenwerken Eingang. Gröſsere Verbreitung erlangten noch die
Luppenmühlen des Amerikaners John Flack Winslow, für welche
A. F. Newton am 14. Oktober 1847 in England ein erstes, Winslow
selbst am 31. März 1852 ein zweites Patent nahm. Wie Fig. 300 (a. f. S.)
und Fig. 301 (S. 867) zeigt, bestand sie aus einer groſsen excentrischen
Oberwalze und zwei parallelen gerippten Unterwalzen 4). Andere
Konstruktionen von Luppenmühlen und Quetschen rühren von
Heath und Thomas (1850), W. Clay (1854), John Dorrell (1855),
Abbot, Thomas, Young und Hunt (1857) her.
Um die Verbesserung der Dampfhämmer machten sich Borsig,
Wurm in Wien, Türk, Haswell, R. Daelen und andere verdient.
Türk, Direktor der Eisenbahnwerkstätten zu Chartres, baute leichte
Stempelhämmer von groſser Geschwindigkeit. Bei diesen war beständig
Getriebeingriff.
gespannter Dampf unter dem Kolben und wurde der Druckdampf ab-
wechselnd über den Kolben geführt.
Der Engländer Haswell, welcher in Wien eine Maschinenfabrik
errichtet hatte, baute Hämmer mit beweglichem Dampfcylinder nach
[867]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
Condies Princip. Der von ihm in Neuberg aufgestellte Hammer
arbeitete sehr gut 1).
Daelens Konstruktion (patentiert 1852) bestand darin, daſs der
Hebedampf beim Niedergange über den Kolben gepreſst wurde und
als Druckdampf wirkte; dies wurde durch einen Verteilungsschieber
bewirkt 2). Ein von Egells in Berlin für Hörde ausgeführter Dampf-
hammer dieser Konstruktion war 1855 in Paris ausgestellt. — Der
Dampfhammer, den Naylor in Nor-
wich 1857 konstruierte, beruhte auf
demselben Grundsatze.
Verbesserte Stempelhämmer bau-
ten Froming 1853 und Waterhouse
1857.
Putman in England erfand einen
vierfachen Schmiedehammer, der
gleichzeitig von vier Seiten wirkte.
W. Ryder in Bolton hatte 1851 in
London eine Schmiedemaschine aus-
gestellt, bei der eine Anzahl neben-
einander stehender und für das Aus-
schmieden eines Gegenstandes ent-
sprechend geformter Obergesenke (gewöhnlich fünf) durch excentrische
Scheiben an einer Welle gegen entsprechende Untergesenke nieder-
gedrückt wurden. Die Welle machte 200 Umdrehungen in der Minute.
Die Maschine diente zur Herstellung kleinerer Gegenstände.
Guillemin und Minary zu Casamène bei Besançon konstruierten
1855 einen hydraulischen Hammer mit Federung durch komprimierte
Luft.
Eine sehr wichtige Erfindung für die Formgebung des Eisens war
Haswells hydraulische Eisenpresse oder der Preſshammer,
welcher Fig. 302 3) (a. f. S.) abgebildet ist. Josef Bramah gebührt be-
kanntlich das unsterbliche Verdienst der Erfindung der hydraulischen
Presse und zwar bereits im Jahre 1795. Seit jener Zeit hatte man wohl
hier und da den Versuch gemacht, den Wasserdruck zur Eisenbearbeitung
zu verwenden. Zum Auspressen kleiner flacher Gegenstände hatte man
Bramahs Presse bereits benutzt und in der Londoner Ausstellung
von 1851 hatten B. Hick und Sohn zu Bolton eine Presse mit vier
55*
[868]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
Cylindern, welche mit 2500 Tonnen drückte, ausgestellt. Haswells
Dampfpresse von 1859 war aber die erste gelungene Lösung der Auf-
gabe, den Wasserdruck unmittelbar zur Herstellung schwerer Schmiede-
stücke zu verwenden. Sie wurde besonders zum Pressen komplizierter
Eisenstücke, wie Kurbelachsen, Achslager u. dergl., angewendet.
Groſse Fortschritte wurden in den 50er Jahren bei den Walz-
werken gemacht. — Das Überheben der Walzstücke, welches bei
dem gewöhnlichen einseitigen Gang der Walzen nach jedem Durch-
gange nötig war, wurde um so schwieriger, je schwerer die
Stücke wurden. Man suchte dieses deshalb auf verschiedene Art zu
erleichtern oder unnötig zu machen.
Zur Erleichterung dienten die Überhebevorrichtungen. Diese waren
entweder bewegliche Brücken oder fahrbare Gestelle.
Aufziehbare Gitterbrücken zum Überheben der Walzstücke hatte
man schon anfangs der 50er Jahre auf den belgischen und west-
fälischen Hütten. Auf der Guten Hoffnungshütte bei Oberhausen
geschah 1854 das Heben der Brücke durch einen Dampfcylinder. Eine
ähnliche Hebevorrichtung für schwere Kesselbleche zu Neuberg in
Steiermark hat Rittinger in seinen Erfahrungen 1855 beschrieben,
und Borsig konstruierte einen sehr vollkommenen Dampfhebeapparat
zu Moabit. Natürlich muſsten sich diese Hebebrücken auf beiden
Seiten der Walzen befinden. Noch wichtiger wurden diese Über-
hebvorrichtungen, als man anfing, schwere Stahlblöcke und Panzer-
platten zu walzen. Hierfür erfand Ende der 50er Jahre der Amerikaner
[870]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
John Fritz eine vortreffliche Vorrichtung. Er wendete für sein Block-
walzwerk drei Walzen übereinander an. Die Zufuhr- oder Speise-
tische d d1, welche Fig. 303 (a. v. S.) im Durchschnitt und Fig. 304 1) im
Grundriſs gezeichnet sind, wurden durch hydraulische oder Dampf-
cylinder mittels der Kolbenstangen e e1 gehoben und gesenkt 2).
Die fahrbaren Gestelle, welche parallel mit den Walzen auf Schienen
liefen und die besonders zum Bewegen von schwerem Façoneisen von
einem Kaliber zum anderen dienten, hatte man in ihrer einfachen Form
als Wagengestelle ebenfalls schon anfangs der 50er Jahre.
Eine verbesserte Vorrichtung dieser Art, Colamineur genannt, war
[871]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
von Cabrol zu Decazeville konstruiert und erregte auf der Pariser
Weltausstellung 1855 das Interesse der Fachmänner 1). Sie war für
die schweren Barlowschienen, deren Pakete von 6 bis 7 Ctr. Gewicht
13 Kaliber passieren muſsten, erfunden. Da sich die verschiedenen
Walzenpaare in entgegengesetzter Richtung bewegten, brauchten die
Schienen nicht darüber gehoben, sondern nur seitlich verschoben zu
werden. Der Colamineur war eine Schiebebühne auf Rädern, die auf
Schienen liefen und durch Wasser oder Dampfkraft bewegt wurden.
Die Bewegung geschah in Führungen, welche die Bewegungen ein-
schränkten.
Das Überheben der Walzstücke wurde ganz unnötig, wenn sich
die Walzen vorwärts und rückwärts bewegen konnten und nach jedem
Umgange sich umgekehrt drehten (Reversierwalzwerk). Konstruktionen
dieser Art bevorzugte man besonders in England.
Thomas Walker lieſs sich am 26. März 1850 Blechwalzen mit
vor- und rückläufiger Bewegung, welche durch ein Zahnradgetriebe
mit Ausrückvorrichtung bewirkt wurde, patentieren. Ein Zänge-
walzwerk für Luppen und Pakete mit Vor- und Rückbewegung erfand
Thomas Ellis (Patent vom 27. Februar 1851). Die Hin- und Her-
bewegung wurde ebenfalls durch ein Zahnstangengetriebe vermittelt.
Eine ähnliche Konstruktion war aber schon längere Zeit zuvor auf der
Tredegarhütte in Anwendung, wo man mit einem solchen Walzwerk
bereits 13000 Tonnen Schienen gezängt hatte, ohne daſs eine Reparatur
erforderlich wurde. Dieses System der Kehrwalzen (Reversierwalzen)
wurde später auch in Frankreich eingeführt, wo es z. B. um 1855 zu
Hautmont 2) in Anwendung stand. Die Kehrwalzen arbeiteten mit
Schwungrad.
James Nasmyth lieſs sich am 15. Juli 1853 eine andere Art
der Umsteuerung patentieren, bei der die Betriebsmaschine, eine
Zwillingsmaschine ohne Schwungrad, selbst umgesteuert wurde.
So bequem diese Systeme der Umsteuerung für die Arbeit des
Walzens waren, so nachteilig erwiesen sie sich für die Maschinen und
Triebwerke. Man verfiel deshalb auf andere Anordnungen, um das
Überheben zu vermeiden. Charles May erhielt am 4. April 1854 ein
Patent, nach welchem das gebräuchliche eine groſse Schwungrad durch
eine entsprechende Anzahl kleinerer ersetzt wurde. Vier Dampf-
cylinder waren paarweise gekuppelt. Jeder Dampfkolben wirkte auf
[872]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
eine Welle, deren Kurbeln rechtwinklig zu einander standen. Jeder
Walzenzug hatte eine Anzahl Walzenpaare mit nur je einem Kaliber
und entgegengesetzter Bewegung. Das Walzpaket wurde von Arbeitern
auf einem fahrbaren Gestelle auf Schienen parallel den Walzen
gefahren und zwar befanden sich entsprechende Gestelle auch auf der
anderen Seite, um das durchgewalzte Stück aufzunehmen. Auf diese
Weise wurden die Walzstücke von beiden Seiten ohne Überheben
durchgewalzt. Diese Anordnung war gut, aber kostspielig, und im
Betriebe umständlich und zeitraubend.
Besser haben sich die Walzwerke mit drei übereinander liegenden
Walzen, Trio- oder Dreiwalzwerke, bewährt, wobei das Walzgut in
den beiden Kaliberreihen vor- und rückwärts gewalzt wurde. Bei
den Feineisenwalzwerken war diese Anordnung schon lange im
Gebrauch (siehe S. 262), man übertrug sie aber jetzt auch auf Grob-
walzen.
Dasselbe bezweckte ein Walzwerk zum Walzen von langen Stäben,
das sich W. E. Newton am 4. Mai 1853 patentieren lieſs. Es
bestand aus drei vertikalen Walzen, von denen die beiden äuſseren
sich in entgegengesetzter Richtung drehten. Horizontale „Supplement-
walzen“, welche rechtwinklig zu den obigen standen, konnten die
durchgewalzten Stäbe aufnehmen und gleichzeitig durchwalzen. Die
durchgewalzten Stäbe wurden mit Hülfe eines Krahns mit beweg-
lichem Arme dem folgenden Kaliber zu- und durch dasselbe zurück-
geführt.
Ein eigentliches Triowalzwerk mit drei horizontalen Walzen, von
denen die mittlere fest lag und mit lief, während die Bewegung auf
die beiden äuſseren übertragen wurde, lieſs sich Richard Brown
Roden am 4. August 1853 in England patentieren (Nr. 1824). Sein
Patent erstreckte sich auch auf den durch einen Dampfcylinder be-
weglichen Walztisch (movable platform).
Gröſsere Beachtung fand das Dreiwalzensystem nach der Erfindung
der Fluſseisenbereitung von Bessemer, besonders in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika. Dort konstruierte Fritz sein Triowalzwerk
(Fig. 305), das wir bereits seiner Überhebvorrichtung wegen erwähnt
haben und das am 15. Mai 1860 von dem belgischen Ingenieur Bern-
hard Lauth (nach einer Mitteilung von John Fritz) durch ein
Patent in England (Nr. 690) geschützt wurde. Es sollte zum Walzen
von Schienen, Stäben, Stangen (rails, bars, beams) und ähnlichen
Sorten dienen. Auch bei diesem lag die mittlere Walze fest, während
die obere und untere verstellbar waren. Das Heben und Senken der
[873]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
Walzen geschah durch starke Schraubenspindeln und die Gewichte
der Ober- und Unterwalze waren durch Gegengewichte ausgeglichen.
Durch eine senkrechte, am Ständer befestigte Welle mit zwei Stirn-
rädern wurden Ober- und Unterwalzen gleichzeitig genähert oder
entfernt.
Zur Vereinfachung des Walzens und um die vielen Kaliber zu
sparen, konstruierte man für Flacheisen, bei dem es auf eine gewisse
Stärke, weniger dagegen auf bestimmte Breite ankam, die Staffel-
walzen (Fig. 306).
In weit vollkommenerer Weise wurde dieser Zweck aber erreicht
[874]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
durch das Universalwalzwerk. Es ist dies, wie Fig. 307 zeigt, eine
Kombination von einem verstellbaren Paar von horizontalen und von
vertikalen Walzen und es ist leicht einzusehen, wie durch Verstellung
der horizontalen (a bis b) und der vertikalen Walzen (c bis d) jede
Flacheisensorte gewalzt werden kann.
Robert Daelen in Hörde 1) gebührt der Ruhm, dasselbe in der
praktischen Anordnung konstruiert zu haben, welche seitdem in
allgemeinen Gebrauch gekom-
men ist. Die dem Universal-
walzwerk zu Grunde liegende
Idee findet sich bereits in einem
Patente von Thomas Todt
vom 7. Mai 1818. R. Daelen
erbaute 1848 auf dem Eisen-
werke von Piepenstock
\& Komp. zu Hörde ein Uni-
versalwalzwerk, das sich gut
bewährte und danach auf
verschiedenen Werken, z. B.
Eschweiler Aue von Phönix,
Walzwerk Oberhausen von
Jacobi, Haniel und Huyssen, Paulinenhütte bei Dortmund unver-
ändert nachgemacht wurde 2).
Groſse Verbesserungen wurden für das Walzen von Radreifen
für Eisenbahnräder (Tyres, Bandagen) erfunden. Um die Schweiſs-
stellen, welche bei dem früher gebräuchlichen Zusammenschweiſsen
der Enden häufig Veranlassung zu Brüchen gaben, in das Innere zu
verlegen, rollte man mit einem Aufwickler (Enrouleur) einen Stab von
Feinkorneisen oder Puddelstahl spiralförmig um einen Dorn und er-
hielt dadurch einen Ring, den man zusammenschweiſste und aus-
walzte. Dieses Verfahren war schon 1839 von Bodmer und 1844
von Bramwell vorgeschlagen, 1849 von Ch. Cowper patentiert
(E. P. Nr. 12861), 1856 aber von Jackson, Petin, Gaudet \& Komp.
zuerst mit Erfolg im Groſsen praktisch ausgeführt worden. Von da
verbreitete es sich in Frankreich (z. B. zu v. Dietrich in Nieder-
bronn), nach England, wo es Owen zu Rotherham zuerst anwendete,
nach Belgien, wo es 1858 zu Ougrée eingeführt wurde, und nach
[875]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
Deutschland (F. Krupp). Zum Walzen dieser nahtlosen Ringe (helical
coils, weldless hoops) erfanden Jackson, Petin, Gaudet \& Komp.
ein sehr sinnreiches Walzwerk 1). Es war dies ein sogenanntes Kopf-
walzwerk. Der Ring lag dabei auf einem horizontalen Gestelle. Zwei
vertikale Triebrollen und zwei horizontale Schlepprollen bildeten
zusammen den Querschnitt der Bandage. Diese wurde zwischen die
vier Rollen eingelegt, von diesen beim Anlassen der Maschine gepackt
und unter beständiger Rotation durch successives Andrehen der oberen
Schlepprolle und besonders der verschiebbaren Triebrolle allmählich
ausgewalzt. Der Ring bewegte sich dabei auf einer horizontalen Eisen-
platte zwischen Leitrollen.
Dieses Verfahren wurde am 27. August 1855 von William
Johnson für Jackson Brothers, Petin, Gaudet \& Komp. in
England patentiert (Nr. 1940).
Eine sehr wichtige Verbesserung, wodurch jede Schweiſsnaht ver-
mieden wurde, führte Fr. Krupp 1853 bei der Herstellung seiner
Stahltyres ein. Er bohrte in den vorgeschmiedeten Stahlblock zwei
Löcher, verband diese durch einen Sägeschnitt und erweiterte dann
den so gebildeten Schlitz bis zur Kreisform, worauf er den Ring aus-
walzte.
Wir verweisen noch auf ein von Kudernatsch in Österreich
angegebenes Verfahren zur Anfertigung der Tyres 2).
Thornycroft in Wolverhampton machte den äuſseren Teil der
Bandagen aus Holzkohlenfrischeisen, wofür dann Tunner zu Neuberg
in Steiermark mit Erfolg Puddelstahl nahm.
Die Fabrikation der Eisenbahnschienen gewann immer gröſsere
Verbreitung und Umfang. Es war ganz allgemein üblich und zu
einer Lieferungsbedingung aller Eisenbahnen geworden, daſs der Kopf
der Schiene aus hartem, krystallinischem Eisen, Steg und Fuſs aus
sehnigem Eisen hergestellt wurden 3).
Der gröſste Miſsstand bei den Eisenbahnschienen war immer,
daſs die Schweiſsung der Längsstäbe schwierig war und die Schienen
infolgedessen oft der Länge nach splitterten. Um dies zu ver-
meiden, erfand C. Harrat eine Maschine, welche ein um einige Längs-
[876]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
stäbe gewickeltes Paket herstellte. Durch die Umwickelung sollten die
Schweiſsnähte in verschiedene Richtung zu liegen kommen (Berg- und
hüttenm. Ztg. 1851, S. 678).
Gewalzte Querschwellen für einen eisernen Unterbau der Eisen-
bahnschienen anstatt der Holzschwellen hatte die Société anonyme
in Belgien auf der Londoner Weltausstellung 1851 zuerst vorgeführt.
Eine groſse Bedeutung erlangte auch die Fabrikation des schweren
Profil- oder Façoneisens zu Bauzwecken.
Eine groſsartige Verwendung des Eisens als Baumaterial hatte
bei dem Ausstellungsgebäude in London, dem Krystallpalast, 1851
stattgehabt. Die Ausstellung von 1855 legte Zeugnis ab von dem
groſsen Fortschritte des Formeisenwalzens. Nach Tunners Ausstellungs-
bericht muſsten bei derselben die Walzen nach jedem Durchgange
umgestellt werden. Um dies bewerkstelligen zu können, war das
Triebwerk überbrückt und ein auf der Brücke stehender Arbeiter
bewirkte die Umstellung nach jedem Durchgange.
Die Fabrikation von verziertem Walzeisen wurde damals vorzugs-
weise in Frankreich gepflegt. Sie bildete einen neuen Fabrikations-
zweig der Herren Montgolfier \& Bernard auf ihrer Hütte zu
St. Chomond. Die Stäbe wurden erst vorgestreckt, dann rotglühend
durch besondere Walzen, welche die Dessins vertieft enthielten,
gewalzt. Man machte alle Arten von verziertem Bandeisen, Griff-
leisten mit Arabesken u. s. w. Das Verfahren gestattete viele der
schönen geschmiedeten und geschnittenen Gitterwerke des Mittel-
alters auf billige Weise nachzuahmen, war also ein wichtiger Fort-
schritt für das Kunstgewerbe.
Zu der Einführung der Schnellwalzwerke in Belgien hatten
Flachat, Petiet \& Barrault schon in den 40er Jahren die An-
regung gegeben. Anfangs der 50er Jahre kamen dieselben in Rhein-
land und Westfalen, besonders auch im Siegerland in Aufnahme 1).
Das 1851 in Rödinghausen bei Menden für Wasserbetrieb erbaute
Schnellwalzwerk war nach belgischem Muster mit fünf Gerüsten in
einer und derselben Linie angelegt.
Man verbesserte die Einrichtung der Schnellwalzwerke in West-
falen dadurch, daſs man die Vorwalzen von den übrigen Walzen trennte
und als besondere Walzenstraſse behandelte. Dies geschah zuerst auf
dem 1852/53 neuerbauten Draht-, Puddel- und Walzwerk von Thomée
in Ütterlingsen 2). Man konnte diesem dadurch eine geringere Ge-
[877]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
schwindigkeit geben, wodurch bei langsamerer Streckung eine bessere
Schweiſsung erzielt und dadurch die Qualität des Drahtes verbessert
wurde. Ein Feinwalzwerk erforderte 50 bis 60 Pferdekräfte.
Über die bei der Stabeisenfabrikation erforderlichen Triebkräfte
hat Truran beachtenswerte Mitteilungen gemacht 1).
Henvaux bediente sich in Belgien mit Erfolg guſseiserner Räder
mit eingesetzten schmiedeeisernen Zähnen zum Betriebe der Walzen-
trains (siehe Berggeist 1860, S. 77).
Auch bei der Blechfabrikation und den Blechwalzen wurden
viele Neuerungen eingeführt, wozu schon der Umstand, daſs man
immer schwerere Platten anfertigte, Veranlassung gab.
Kesselbleche und Schiffsbleche wurden immer gröſser und
schwerer gewalzt, dazu kam die Einführung eisengepanzerter Kriegs-
schiffe, eine Neuerung, welche für den Eisenbedarf und die Eisen-
fabrikation von groſser Wichtigkeit war. Die praktische Ausführung
stammt aus Amerika. Robert Livingstone Stevens (geb. 1788 zu
Hoboken, † 1856) war der Erfinder einer Methode, Schiffe mit eisernen
Platten zu bedecken, um sie vor feindlichen Geschossen zu schützen.
Schon 1811 hatte er diesen Gedanken gefaſst. 1842 begann er seine
Versuche, eine schwimmende, eiserne Batterie zu errichten, die kugel-
fest war. 1842 begann man in Nordamerika mit Schieſsversuchen gegen
Eisenplatten. 1849 erhielt Livingstone Stevens bereits von der ame-
rikanischen Regierung den Auftrag, eine schwimmende Batterie für sie
zu bauen. Es sollte ein groſses Fahrzeug ganz aus Eisen werden.
Erst 1856 begann er den Bau, der, durch seinen Tod unterbrochen,
unvollendet blieb.
Inzwischen hatten auch England und Frankreich der Frage ihre
Aufmerksamkeit zugewendet. 1843 begann man mit Schieſsversuchen
gegen Eisenplatten zu Woolwich und zu Gavres. 1845 entwarf der
französische Ingenieur Dupuy de Lôme den Plan für ein Panzerschiff.
Der erfindungsreiche Schwede John Ericson, der in Amerika
seine zweite Heimat gefunden hatte, griff denselben Gedanken auf
und führte ihn zum ruhmvollen Ende. Bereits 1854 machte er sein
erstes Modell zu einem eisernen Thurme auf einem eisernen Schiffe.
Napoleon III. hatte nach dem Ausbruche des Orientalischen Krieges
die Wichtigkeit dieser neuen Erfindung gewürdigt und beauftragte
1853 den Ingenieur Guieysse mit dem Bau schwimmender Batterien.
Fünf Stück wurden hergestellt. Die Panzerung bestand aus 110 mm
[878]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
dicken Eisenrippen auf 200 mm dicken Eichenplanken. Bei der Be-
schieſsung von Kinburn am 17. Oktober 1854 erzielten die schwim-
menden Batterieen glänzende Erfolge. In Frankreich entstand hierauf
der Gedanke, auch gepanzerte Kriegsschiffe zu erbauen. Ende 1857
legte Dupuy de Lôme die Pläne der Panzerfregatte La Gloire vor,
deren Bau am 28. März 1858 zu Toulon begonnen wurde. Am 24. No-
vember 1859 lief sie vom Stapel.
Hiermit begann die Epoche der Panzerschiffe und der Eisen-
panzerung überhaupt. Die Gloire hatte einen 120 mm dicken Eisen-
plattenpanzer, der nach den gemachten Versuchen den 68 pfündigen
Schiffskanonen zu widerstehen vermochte. Im Mai 1859 erfolgte auch
der Stapellauf des ältesten englischen Panzerschiffes, The Warrior.
— Einen drehbaren Panzerschild erfand der englische Kapitän Coles
1854, und 1859 entwarf er ein Panzerschiff mit neun drehbaren
Panzerkuppeln.
Zu schweren Kesselblechen muſste man zwei bis drei Brammen
zusammenschweiſsen und vier Hitzen geben: erste Hitze für den Hammer,
um die Luppen in Brammen zu verwandeln; zweite Hitze für das
Walzwerk, um die Brammen zu Platten auszuwalzen; dritte Hitze für
das Walzwerk, um die Platten zusammenzuschweiſsen; vierte Hitze
für das Walzwerk, um die geschweiſsten Platten zu Blechen zu walzen.
Thomas und Laurens zu Paris machten hohle Blechwalzen
mit Wasserkühlung 1). Eine verbesserte Stellschraubenbewegung erfand
Krupp, die darin bestand, daſs er die Bewegung der Schrauben
durch Zahnräder bewirkte, in welche Schrauben ohne Ende, die an
schiefliegenden Wellen aufgekeilt waren, eingriffen. — Jacob \& Komp.
in Paris bewerkstelligten die Stellung der Blechwalzen mittels zweier
Excenter auf gemeinschaftlicher Welle. Kurtz in Paris bediente sich
eines Handrades mit Getriebe, welches durch Zahnräder die beiden
Stellschrauben bewegte.
Die Kesselblechwalzen waren alle mit Hebevorrichtungen versehen
und verweisen wir auf das, was wir oben schon über die beweglichen
Walztische gesagt haben 2). Am gebräuchlichsten waren die Gitter-
brücken, welche sich um feste Punkte mit Haspen drehten und durch
zwei Zugstangen auf und nieder gezogen wurden. Die Walzstücke
liefen auf cylindrischen Rollen. Das Heben geschah meistens mit
Menschenhand, bei schweren Platten mit Dampf. Eine einfache
[879]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
Konstruktion war die, bei welcher die rotierende Walze selbst das
Überheben besorgte 1).
Um den Blechen ein schönes Aussehen zu geben, lieſs man sie
zum Schluſs glatte Hartwalzen passieren (Seraing 1851).
Auf die Fabrikation der sogenannten russischen Bleche, welche
einen schwarzen Spiegelglanz hatten, wurden in dieser Zeit mehrere
Patente in England genommen. Bellford (29. Juli 1852) legte nach
dem Auswalzen 20 rotglühende Bleche übereinander, indem er Holz-
kohlenpulver dazwischen streute und sie unter einem kleinen Hammer
ausschlug. Dann bildete er aus diesen Blechen ein zweites ebenso
groſses Paket, indem er abwechselnd heiſse und kalte Bleche ohne
Holzkohlen übereinander legte und sie unter einem groſsen Hammer
ausschlug. J. Lackmann (14. März 1855) verfuhr ähnlich, nur
bediente er sich eines Hammers mit polierter Bahn. A. V. Newton
(18. März 1858) tauchte die ausgewalzten Bleche in Säure ein und
lieſs sie dann durch polierte Hartwalzen gehen. Um sie blau zu
machen, tauchte er sie dann noch in ein geschmolzenes Metallbad.
In England verwendete man 1858 bereits Wellbleche als Dach-
deckmaterial und zu Wänden im Freien. Dieselben wurden mittels
eines schweren Fallwerkes gestampft. Der schwere, guſseiserne Fall-
klotz hatte unten zwei runde Rippen von der Länge der Blechtafeln.
Ihm entsprach als Matrize ein mit zwei runden Furchen versehener
Unterstempel. Der Fallklotz wurde 18 Zoll hoch gehoben und man
liess ihn dann auf das Blech auffallen.
Für Weiſsblech verwendete man in England schon 1851 statt
der gefrischten Holzkohlenbleche meist aus Anthracitroheisen ge-
puddelte Bleche. Tunner sagt in seinem Berichte über die Londoner
Weltausstellung: „vor ungefähr 15 oder höchstens 20 Jahren glaubte
man allgemein, für Weiſsbleche sei nur bei Holzkohlen gefrischtes und
mit Koks im Hollowfeuer ausgeheiztes Blech zu verwenden; allein
durch besondere Sorgfalt beim Verpuddeln eines guten, dünn einge-
schmolzenen Roheisens wurde das Holzkohlenfrischeisen von Jahr zu
Jahr mehr verdrängt und dermalen wird zwar für die besten und
feineren Sorten immer noch Holzkohlenstabeisen verwendet, aber im
ganzen werden jetzt viel mehr Weiſsbleche aus gepuddeltem als aus
gefrischtem Eisen erzeugt.“
Das Walzen schmiedeeiserner Röhren war infolge der Aus-
breitung der Gasbeleuchtung ein wichtiger Industriezweig geworden.
Das gröſste Röhrenwalzwerk in England war zu West-Bromwich 1),
das schon 1851 sehr bedeutend war.
John Selby \& Komp. hatte 1851 in London gewalzte Röhren
von 7 Zoll Durchmesser und 13 Fuſs Länge ausgestellt. Das Aus-
walzen und das gleichzeitige Schweiſsen geschah mit vier gekuppelten
Walzen über einen kurzen, 4 bis 6 Zoll langen Dorn. Gasröhren
wurden meist ohne Dorn gezogen. Gezogene Röhren von 5 Zoll
Durchmesser und 10 Fuſs Länge hatten Gaudillot \& Komp. in Paris
1851 zu London ausgestellt.
Der Drahtbedarf hatte in dieser Periode eine auſserordentliche
Zunahme erfahren. Telegraphendrähte und Drahtseile waren neue
Bedürfnisse, dazu kam der wachsende Verbrauch für Stifte, Holz-
schrauben, Spiralfedern, Gitter und Siebe u. s. w. Belgien, welches
1847 kaum ½ Million Kilogramm Draht erzeugt hatte, produzierte
1854 3½ Millionen Kilogramm. Preuſsens Erzeugung betrug 1854
186000 Ctr., 1855 schon 372000 Ctr. Diese Erhöhung der Produktion
war ermöglicht durch die allgemeinere Einführung der Schnellwalzen
bei der Drahtfabrikation.
Bei der Walzdrahtfabrikation unterschied man das französische
und das englische System 2). Bei letzterem lagen alle Walzengerüste
in einer Linie und alle Walzen bewegten sich mit derselben Ge-
schwindigkeit von 230 bis 260 Umdrehungen in der Minute. Dieses
System war auch in Belgien eingeführt und wurde später vielfach als
belgisches System bezeichnet (s. S. 876). Daſs die Trennung der Vor-
walzen von den Fertigwalzen in Deutschland bereits 1852/53 einge-
führt wurde, ist bereits oben erwähnt. Bei dem sogenannten franzö-
sischen System waren die Gerüste in zwei Linien aufgestellt und
die Vorwalzen liefen mit geringerer, die Unterwalzen mit gröſserer
Geschwindigkeit als bei dem englischen System.
Ein Beispiel eines englischen Walzwerkes lieferte das Stummsche
Werk zu Neunkirchen bei Saarbrücken. Hier standen fünf Walzen-
reihen in einer Linie und liefen mit gleicher Geschwindigkeit. In
dem ersten Gerüste lagen drei Vorwalzen übereinander, in den
folgenden je zwei Walzen und jedes Paar drehte sich in umgekehrter
Richtung. Gegen Ende des Auswalzens lief ein Draht durch vier bis
fünf verschiedene Kaliber zugleich; er bewegte sich dabei um Stäbe
im Boden, und Jungen mit Leithaken führten ihn. Der fertige Draht
[881]Mechanische Bearbeitung 1851 bis 1860.
wurde auf eine Trommel aufgewunden, der Drahtkranz schnell ab-
genommen und in einen Kühlcylinder zum langsamen Abkühlen
gebracht. Das Auswalzen eines Drahtes von 130 bis 150 Fuſs Länge
dauerte höchstens 5¼ Minuten.
Aus Auguste Gillons Bericht über die Drahtfabrikation in
Belgien 1) 1855 teilen wir folgendes mit.
Man verarbeitete ein gutes graues Roheisen in einem Puddelofen,
dessen Herdwände mit oolithischem Eisenglanz ausgekleidet waren.
Man walzte den Draht in dem Schnellwalzwerke in der Regel bis
0,0045 m Dicke. Telegraphendraht walzte man bis 4 mm und zog
ihn dann nur einmal durch ein Zieheisen. Viele Walzwerke konnten
aber nur bis 5½ mm Stärke walzen. Der ausgeglühte und abgekühlte
Walzdraht wurde in mit Blei ausgeschlagenen Bottichen in verdünnte
Schwefelsäure (3 kg Säure auf 250 kg Wasser) gelegt und 20 bis
30 Minuten mit Dampf erhitzt. Die anhaftende Säure entfernte man
alsdann durch Eintauchen in Kalkwasser. Das Ziehen geschah mit
der Rolle. In England stand hierbei das Zieheisen in einem Ölbade.
Um dem Draht Glanz und helle Farbe zu geben, zog man ihn naſs,
d. h. man legte den Drahtring auf einen Haspel, der in einen Trog
eintauchte, welcher Wasser, Bierhefe, etwas Schwefelsäure oder Kupfer-
vitriol enthielt. Nach mehrmaligem Durchziehen muſste der Draht
geglüht werden. Dies geschah in Blechcylindern, die 1500 bis
1800 Ringe faſsten und mit Deckeln, die man mit Lehm verschmierte,
geschlossen wurden. Hierin wurden sie 4 Stunden geglüht, wobei
200 bis 250 kg Steinkohlen verbrannt wurden. Das Abkühlen dauerte
18 Stunden. Dieser unterbrochene Betrieb war unvorteilhaft. Cocker
in Liverpool baute deshalb einen Glühofen, der aus einem starken,
guſseisernen Cylinder bestand und in horizontaler Lage eingemauert
war. Beide Enden wurden durch senkrechte Schiebethüren verschlossen.
Die Drahtringe hingen an einer beweglichen Kette ohne Ende, welche
durch den Cylinder ging.
Bemerkenswert ist, daſs damals in Amerika bereits excentrische
Kegelwalzwerke in Vorschlag gebracht wurden 2).
In Deutschland legte H. Thomée zu Ütterlingsen 1852/53 ein
Drahtwalzwerk mit getrennten Vor- und Fertigwalzen an. Die Vor-
walzen hatten 235 mm Durchmesser und machten 200 bis 250 Um-
gänge, die Walzen der vier Paar Fertigwalzen hatten 210 mm Durch-
Beck, Geschichte des Eisens. 56
[882]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
messer und machten 400 bis 500 Umdrehungen. Dieses System fand
groſse Verbreitung. Spannagel bezeichnete es als „deutsches Draht-
walzwerk“ 1).
L. Hill jun. erfand 1849 ein Walzwerk (E. P. 12457), das aus
drei symmetrischen, um eine vertikale Achse gruppierten abgestumpften
Kegeln bestand, deren untere Spitzen so verbunden sind, daſs die Eisen-
luppe, welche man in den von den eisernen Kegeln gebildeten Trichter
legte, allmählich zu einer eisernen Stange ausgestreckt wurde (Fig. 308).
Der Vorzug von Hills Walzmethode sollte darin bestehen, daſs das
Eisen nicht bloſs der Länge nach gestreckt, sondern seine Fasern in
Spiralen gewunden wurden.
Man hatte Kegelwalzwerke dieser Konstruktion schon 1849 in
den Vereinigten Staaten. Die Achsen der Kegel schnitten sich nicht
in einem Punkte, sondern lagen etwas excen-
trisch. Eine in den trichterförmigen Raum
zwischen den Kegeln eingelegte Luppe wurde
daher infolge dieser excentrischen Stellung
der Kegel allmählich gewissermaſsen nieder-
geschraubt, indem zugleich auch die Eisen-
fasern eine Drehung erlitten.
Bei einer Probe mit einem solchen Walz-
werke wurde ein 3 Zoll dicker Eisenkolben in einer Hitze zu einem
einzölligen Stabe ausgewalzt 2).
Von Verbesserungen an Werkzeugen erwähnen wir noch den ver-
besserten Daelenschen Dampfhammer mit zwei Ständern zum Luppen-
schmieden; die zu Buckau fabrizierten Blechscheren mit beweglichem
Tisch für schwere Bleche; das mit besonderer Dampfmaschine betriebene
Stabeisenschneidewerk von Borsig.
Die wichtigsten Entdeckungen und Erfindungen wurden aber in
dieser Periode auf dem Gebiete der Stahlbereitung gemacht. Die
Erfolge des Stahlpuddelns und die Fortschritte der Guſsstahlfabrikation
erregten allgemeines Interesse und die Londoner Weltausstellung lenkte
in hervorragender Weise die Aufmerksamkeit der Fachmänner auf
den Stahl. Krupp hatte nicht nur in seinem groſsen Guſsstahlblock
[883]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
einen Stahlguſs von noch nicht dagewesener Gröſse ausgestellt, sondern
er hatte auch die Verwendung des Guſsstahles für Zwecke, für die
man bis dahin nur Schmiede- oder Guſseisen verwendet hatte, wie für
Eisenbahnwagenachsen und Kanonenrohre, gezeigt, und die Jury sowohl
wie das Publikum begriff alsbald die Tragweite dieser Neuerung. Der
Tiegel-Guſsstahl war aber ein kostbares, teures Material. Das Bedürfnis
nach einem billigeren Ersatzmittel desselben wurde immer dringender.
Gelang es, einen billigen Massenstahl zu bereiten, so würde dieser für
viele Dinge, für die man sich jetzt mit Schmiedeeisen begnügen muſste,
Verwendung finden. Diese Betrachtung war es, die den Erfindungs-
geist auf neue Wege führte. Die Puddelstahlbereitung war der erste, der
mit Erfolg betreten worden war. Es zeigte sich aber bald, daſs sich
durchaus nicht alle Eisensorten zur Puddelstahlfabrikation eigneten,
daſs dieselbe vielmehr ein Roheisen von besonderer Güte und besonderen
Eigenschaften verlangte, wodurch sie in ihrer Anwendung beschränkt
blieb. Auch war der Weg bis zum fertigen Puddelstahl immer noch
ein weiter. Erst muſste in teuren Hochöfen das hochgekohlte Roh-
eisen erzeugt werden, dem man dann in Flammöfen mit groſsem
Brennstoffaufwand wieder einen Teil des Kohlenstoffs entzog. Dies
war ein kostspieliger Umweg. Der direkte Weg mit Umgehung des
Hochofenprozesses versprach groſse Vorteile. Daſs er möglich war,
bezeugten die Katalanschmieden in den Pyrenäen. Diese Betrachtung
war es, die Chenot, Renton, Yates, Gurlt und Andere zur Er-
findung neuer Stahlprozesse führte. Von diesen erregte der von
Chenot das gröſste Aufsehen und die gröſsten Erwartungen, die sich
aber nicht erfüllt haben. Andrien Chenot hat mit Eifer und Be-
geisterung sein ganzes Leben dieser einen Aufgabe gewidmet und
durch Beharrlichkeit und Reklame hat er auch am Schlusse seiner
Laufbahn einen Scheinerfolg erzielt, der aber wenige Jahre nach
seinem Tode in Nichts verschwand. Schon als Student in der École
des mines, 1822, und im folgenden Jahre, 1823, hatte er seine Ver-
suche über direkte Eisengewinnung aus den Erzen begonnen 1). 1831
baute er einen Ofen für Versuche im Groſsen, 1846 hatte er sein Ver-
fahren soweit ausgebildet, daſs er in Frankreich und England Patente
darauf nahm. 1851 stellte er seine in den Werken von Bagenay
\& Komp. durch Reduktion der Erze erhaltenen Eisenschwämme
(éponges metalliques) und Proben von daraus erzeugtem Stahl und
56*
[884]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Eisen in London aus. Obgleich Chenot sich den gröſsten Erfolg
von seinem Prozeſs versprach und versicherte, daſs er danach mit
den halben Anlagekosten billiger ausgezeichnetes Eisen und Stahl
darstellen könne, als man gegenwärtig gewöhnliches Roheisen zu er-
zeugen im stande sei, so erregte seine Erfindung damals in Fach-
kreisen nur geringes Interesse. Dr. Heeren machte 1852 in dem
Hannoverschen Gewerbeverein Mitteilungen über Chenots Eisen-
schwamm „als ein gutes Bindemittel“; über seine Bedeutung für die
Stahlfabrikation bemerkte er nur, „daſs der Eisenschwamm mit einer
entsprechenden Menge Kohlenpulver gemengt und geschmolzen Guſs-
stahl liefern muſs, ist nicht zu bezweifeln, wohl aber, daſs die Methode
ökonomisch ist und einen guten, stets gleichen Stahl liefern werde“.
Nach seiner Angabe wurde die Reduktion durch Wassergas, welches
durch Überleiten von Dampf über glühende Kohlen gebildet war,
bewirkt. Chenot entwickelte aber in den Jahren 1851 bis 1855 eine
auſserordentliche Thätigkeit, seinen Prozeſs durch Versuche, die er
in Clichy und in Ariège anstellte, zu vervollkommnen und ihn in die
Praxis einzuführen, und wirklich gelang es ihm, zwei Werke auf seinen
Prozeſs zu gründen, eins zu Baracaldo bei Bilbao in Spanien, 1852,
und ein zweites zu Clichy-la-Garenne bei Paris, 1855. Es war ihm
gelungen, in Frankreich Interessen und Sympathieen für sich und
seinen Prozeſs zu erwecken und so trat derselbe bei der Welt-
ausstellung zu Paris 1855 weit mehr in den Vordergrund, als dies
1851 der Fall gewesen war. Die Sache wurde sogar von den Franzosen
zu einer nationalen gemacht und als eine der wichtigsten Erfindungen
des Jahrhunderts der Welt verkündet. Selbst Sachverständige, wie
Le Play, bezeichneten sie als die gröſste metallurgische Entdeckung
des Zeitalters. Chenot war ein berühmter Mann geworden und die
Jury erkannte ihm — allerdings in wenig loyaler Weise erst nach
der Abreise der wichtigsten ausländischen Jurymitglieder und trotz
des Protestes Tunners — die höchste Auszeichnung, die groſse
goldene Medaille, zu 1). In Frankreich teilte man die sanguinischen
Hoffnungen des Erfinders. Auf diesem Gipfel des Erfolges erreichte
Chenot das tragische Geschick, daſs er, unmittelbar nach Schluſs der
Ausstellung, durch einen Sturz aus einem Fenster das Leben verlor.
Chenot und nach seinem Tode seine Söhne erwarben in den Jahren
1854 bis 1856 eine Anzahl Patente, vier davon in England. Von
diesen ist das vom 20. März 1854 (Nr. 658) das wichtigste. Der
[885]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
tragische Tod des Erfinders steigerte eher noch das Interesse an
seiner Erfindung. Belgische Kapitalisten erwarben das Privilegium,
gründeten eine Gesellschaft mit 1 Million Franken Aktienkapital und
erbauten 1856 ein Werk zu Couillet bei Charleroi. In demselben
Jahre entstand in Frankreich ein Werk zu Pontcharra (Isère) und
im folgenden legte eine andere Gesellschaft mit 2½ Millionen Aktien-
kapital ein groſses Werk zu Hautmont (Nord) an. Das zu Bogschan
in Ungarn 1858 geplante Werk kam nicht zur Ausführung. Alle
diese Unternehmungen waren darauf gegründet, nach Chenots Ver-
fahren einen billigen, guten Stahl zu bereiten. Nach Chenots An-
gabe sollte sich die Tonne von seinem Stahl einschlieſslich eines
beträchtlichen Gewinnes auf 40 £ stellen. Der gesamte Kohlen-
verbrauch für die 1000 kg Stahlluppen sollte nur 1200 kg betragen.
Die Unternehmer sahen sich aber in ihren Hoffnungen sehr getäuscht.
Es gelang ihnen nicht, einen gleichmäſsigen, brauchbaren Stahl auf
diesem Wege zu erhalten. Nur das Werk bei Bilbao, welches am
ersten in der Lage war, die besten und geeignetsten Erze auszusuchen,
setzte den Betrieb längere Zeit fort, aber in der Art, daſs es den
Eisenschwamm dem Roheisen im Puddelofen zusetzte.
Wir sehen davon ab, die Entwickelung des Prozesses von Anfang
an im einzelnen zu verfolgen und wollen ihn nur schildern, wie er
1855 bei der Pariser Ausstellung beschrieben wurde und wie er dann
später in Clichy in Belgien und zu Hautmont ausgeführt wurde.
Bei der Ausstellung von 1855 spielte eine elektromagnetische
Sortiermaschine, welche auch in dem englischen Patente von 1854
angeführt ist, eine wichtige Rolle. Schon bei den 1851 ausgestellten
Stahlproben gab Chenot die dunkle und etwas bombastische Erklärung,
daſs sie „sans fusion de la fonte, mais par Electromotions, resultants
d’oxydations et de reductions alternatives“ hergestellt seien. Das
elektro-magnetische Rad sollte zur Aufbereitung des durch Röstung
magnetisch gemachten und dann gemahlenen Eisenerzes dienen. Der
Apparat bestand aus einem doppelten, hohlen Cylinder aus Messing-
blech von etwa 2½ Fuſs äuſserem Durchmesser und 1 Fuſs Breite, an
dem von innen etwa 30 durch einen elektrischen Strom periodisch
wirksam gemachte Magnete von etwa 2 Zoll Durchmesser und 4 Zoll
Höhe radial herum verteilt waren. Bei dem Drehen des Rades
wurden die Leitungsdrähte mit den einzelnen Magneten dergestalt
abwechselnd in Verbindung gebracht oder ausgeschaltet, daſs das Rad
an seiner Oberfläche auf der einen lotrechten Hälfte magnetisch
war, auf der anderen nicht. An der magnetischen Seite wurde das
[886]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
gemahlene Eisenerz auf einer endlosen Leinwand dem Rade langsam
entgegengeführt, wodurch die magnetischen Teile an der Oberfläche
des Rades haftend mit in die Höhe gehoben wurden, während sie
jenseits des Radscheitels von der zweiten, nicht magnetischen Radhälfte
frei herabfielen (Tunner). Dieser Apparat erregte zwar groſses
Interesse bei der Ausstellung, bewährte sich aber in der Praxis gar
nicht, und wurde überall
wieder abgeschafft.
Die Reduktion erfolgte in
aufrecht stehenden Retorten
oder viereckigen, schacht-
förmigen Kammern a, in
denen das Erz in kleinen
Stücken mit Holzkohlen
gemischt aufgegeben wurde.
Fig. 309 zeigt den Ofen von
Clichy, welcher mit Gas-
feuerung eingerichtet war.
Eine Charge betrug 1500 kg
geröstetes Erz und 500 kg
Holzkohle. Nach drei Tagen
war die Reduktion beendet.
Alsdann wurde der Ofen
durch Ziehen eines Schie-
bers in einen untergestellten
Kühlapparat (refroidisseur)
b ausgeleert. Hierbei muſste
jeder Zutritt des Sauerstoffs
der Luft sorgfältig vermie-
den werden, weil der Eisen-
schwamm pyrophorisch war
und leicht verbrannte. Gichtdeckel und Kühlkasten hatten deshalb
Wasserverschluſs. Der ganze Vorgang mit dem Kühlen dauerte sechs
Tage. Der reduzierte Schwamm wurde dann in untergestellte Wagen c,
die auf Schienen liefen, entleert. Aus diesen gelangte er in Preſs-
formen d. Er war hellgrau, lieſs sich mit dem Messer schneiden und
brannte am Lichte. Dieser Schwamm wurde alsdann mit einem
Drucke von 3000 Atmosphären auf ⅕ seines ursprünglichen Volumens
zusammengepreſst, wobei groſse Hitze entwickelt wurde. Man konnte
ihn hierbei auch bereits in Formen pressen, z. B. in solche von
[887]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Eisenbahnschienen. Die Preſsstücke wurden in Schweiſsherden mit
Holzkohlen erhitzt und ausgeschmiedet.
Die Reduktion mit Gas bewährte sich indessen nicht. Die Öfen für
die Reduktion mit Holzkohlen waren ähnlich, nur einfacher. Der zu
Clichy war 13 m hoch, die äuſseren Feuerungen lagen 7 m unter der
Gicht.
Die Öfen zu Hautmont bestanden aus rechteckigen, vertikalen
Kammern, 2 m lang, 0,50 m breit und 8,50 m hoch, die sich nach
unten etwas erweiterten und Ähnlichkeit mit den Appoltschen Koks-
öfen hatten 1). Man verarbeitete spanische Erze von Sommorostro, die
durchschnittlich 55 Proz. Eisen enthielten.
Nach Chenots Angaben sollten die Unreinigkeiten durch den
Schweiſsprozeſs gänzlich abgeschieden werden. Dies gelang aber so
unvollkommen, daſs man die oben beschriebene Eisenbereitung mit
der Zeit aufgab und nur noch Guſsstahl zu machen suchte. Hierfür
war die richtige Kohlung des Schwammes von besonderer Wichtig-
keit. Chenot suchte diese dadurch zu bewirken, daſs er den in den
Retorten reduzierten abgekühlten Schwamm in Öl, Teer oder ähn-
liche Substanzen eintauchte, ihn nach Bedürfnis damit tränkte und
den Überschuſs durch Destillation entfernte (Patent vom 20. März
1854). Auch dies Verfahren bewährte sich in der Praxis nicht, man
mischte deshalb den gemahlenen Eisenschwamm mit Holzkohlen sowie
mit Braunstein und Fluſsmittel, preſste das Gemisch in Formen und
zerschlug die gepreſste Masse in Stücke, die man im Schmelztiegel
zu Guſsstahl verschmolz. Hierbei sollten die Unreinigkeiten in eine
dünnflüssige Schlacke übergehen, die auf dem Stahl schwamm und
leicht abgezogen werden konnte.
Chenots Prozeſs, in der Theorie sehr einleuchtend, hatte in
der Praxis wenig Erfolg. Er erforderte so reine Erze, wie sie kaum
irgendwo dauernd zu beschaffen waren; das erhaltene Produkt war
ungleich, unrein und unzuverlässig und die Kosten waren zu groſs.
Tunner hatte dies alles von Anfang an richtig erkannt und voraus-
gesagt. Aber die scheinbare Einfachheit des Verfahrens, das Bedürfnis
nach einem billigen Guſsstahl und die groſsartige Reklame verblendete
viele, so daſs Chenots Prozeſs der Stahlbereitung das gröſste Auf-
sehen und die gröſsten Erwartungen während der 50er Jahre erregte.
Chenots Stahlprozeſs regte aber mancherlei Verbesserungen und
ähnliche Erfindungen an. A. E. L. Bellford nahm im April 1854 in
[888]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
England ein Patent auf die Herstellung von Guſsstahl aus Eisenschwamm,
den er durch Glühen einer Mischung von Erz und Holzkohle in cylin-
drischen Gefäſsen darstellen wollte. Bemerkenswerter war das von
A. Gurlt1) angegebene Verfahren. Dieser ging von der theoretischen
Betrachtung aus, daſs die Erze im Hochofen erst reduziert, dann ge-
kohlt und zuletzt zu Roheisen verschmolzen werden. Diesem muſs
durch die Frischprozesse wieder Kohlenstoff entzogen werden, um es
in Stahl und Stabeisen überzuführen. Das reduzierte Eisen im Hoch-
ofen durchläuft aber bei der Kohlung alle Stadien von weichem Eisen
bis zum Roheisen. Würde man also den Hochofenprozeſs im richtigen
Augenblicke unterbrechen oder ihn nur soweit führen, daſs der ge-
wünschte Kohlungszustand erreicht ist, so lieſse sich das reduzierte
[889]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
und mehr oder weniger gekohlte Erz ohne Schmelzung zu Stahl oder
Schmiedeeisen schweiſsen oder zu Roheisen verschmelzen. Diese ver-
schiedenen Vorgänge im Hochofen wollte Gurlt trennen, indem er die
Reduktion der Erze und die Kohlung in einem geneigten Schachtofen
bewerkstelligte, die Schweiſsung oder Schmelzung des gekohlten Eisens
aber in einem Flammofen vornahm. Zu beiden Prozessen bediente er
sich der Generatorgase. Gurlts Reduktionsofen, Fig. 310, erinnert in
der Form an den Hochofen, welchen Graf Sternberg 60 Jahre früher
angegeben hatte. Gleichzeitig ist er aber eng verwandt mit Chenots
Gasofen. Auch hier lagen seitliche Feuerungen in einer gewissen
Höhe über der Gicht und der Schacht war nach unten verlängert,
um die Masse der Einwirkung der Flamme zu entziehen und sie ab-
zukühlen. Gurlts Gasflammofen ist in Fig. 311 abgebildet. Die Ver-
suche, welche Gurlt auf der Rheinbacher Hütte, zwei Meilen von
Bonn, anstellte, miſslangen aber vollständig. Sowohl die dichten Rot-
eisensteine als die sandigen und thonigen Brauneisensteine, welche
Gurlt verwendete, wurden nur unvollkommen im Reduktionsofen
reduziert und verschlackten sich in dem Flammofen vollständig. Es
trat sowohl beim Ausziehen der Masse aus dem Schachtofen als beim
Einschmelzen im Flammofen eine Verbrennung des reduzierten Eisen-
schwammes ein. Besser gelang der Prozeſs später in Spanien mit sehr
reichen Erzen. Eine Bedeutung hat er aber auch hier nicht erlangt.
Die Versuche, billigen und guten Stahl durch eine verbesserte
Rennarbeit zu erhalten, hatten keinen Erfolg.
Samuel Lucas erhielt am 7. August 1854 ein Patent (Nr. 1730)
auf ein Verfahren, Stabeisen in Stahl dadurch zu verwandeln, daſs er
es in Cementierkisten in einem Pulver von Eisenerz, Braunstein und
Holzkohle glühte. Nach Beendigung des Prozesses sollte sowohl das
Stabeisen als das Erz in Stahl verwandelt sein. Diesen Vorschlag
hatte bekanntlich schon Reaumur gemacht.
Einen anderen Weg, der dem vorher beschriebenen insofern nahe
kommt, als dabei auch Eisenerz mit in Anwendung kam, schlug
Franz Uchatius ein, welcher durch Zusammenschmelzen von Roh-
eisen und oxydischem Eisenerz Guſsstahl darstellte. Den so bereiteten
Stahl nannte Wedding später Erzstahl, damals bezeichnete man ihn als
Uchatiusstahl. Das Verfahren war nicht neu. John Wood hatte
bereits 1761 in England ein Patent auf ein Verfahren, welches mit
dem von Uchatius vorgeschlagenen groſse Ähnlichkeit hat, genommen.
Ende des 18. Jahrhunderts war es Clouet gelungen, auf diese Weise
Stahl zu erzeugen. Später hatte Muchet in England ein Patent auf
Stahlerzeugung durch Zusammenschmelzen von altem Eisen mit Erz
oder Hammerschlag erhalten. William Onions nahm am 7. Februar
1851 ein Patent, Stahl und Eisen mit gepulvertem Hämatit zusammen-
zuschmelzen, um Guſsstahl zu erhalten. Uchatius trat 1854 mit seinem
Verfahren, welches darin bestand, granuliertes Roheisen mit geröste-
tem Spateisenstein im Tiegel zu schmelzen, hervor und erwarb am
1. Oktober 1855 in England und am 13. November 1855 in Frankreich
Patente. Der Patentanspruch erstreckte sich auf die Verwandlung von
Roheisen in Stahl, durch Einwirkung von Sauerstoff, Hitze und Fluſs-
mittel auf das granulierte Metall, wodurch Guſsstahl von bestimmter
Qualität bei einmaligem Schmelzen entstehen und Kohlenersparnis
erzielt werden sollte. Es wird reinstes Roheisen geschmolzen in
kaltes Wasser laufen gelassen und dadurch granuliert. Eine Mischung
des granulierten Metalles mit etwa 20 Proz. geröstetem Spateisenstein
und 4 Proz. Thon (fire clay) wird in Tiegeln in einem Guſsstahlofen
erhitzt. Hierdurch tritt durch die Einwirkung des Oxyds eine teil-
weise Entkohlung des Roheisens ein und zwar in dem umgekehrten
Verhältnis der Dicke der Granalien. Die Unreinigkeiten verschlacken
sich und die Menge des schmelzenden Stahles wird vermehrt durch
das aus dem Erze reduzierte Eisen, welche Zunahme etwa 6 Proz.
beträgt. Durch Zusatz kleiner Mengen von gutem Schmiedeeisen
erhält man weichen Schweiſsstahl, durch Zusatz von Holzkohle
[891]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
harten Stahl. Zur Entkohlung können auch andere Oxyde verwendet
werden.
Uchatius wendete dann auch in der Folge, was in der Patent-
beschreibung nicht angegeben war, stets einen Zusatz von Braunstein
nach folgenden Normalbeschickungen an 1):
Die Schmelzung geschah anfänglich im Thontiegel, später aber,
da diese rasch zerstört wurden, im Graphittiegel. Ein Tiegel, der die
gebräuchliche Form der Guſsstahltiegel hatte, faſste 40 bis 50 kg.
Versuche zu Ebbw-Vale, die Schmelzung in groſsen Gefäſsen, die
mehrere Tonnen halten sollten, auszuführen, hatten keinen Erfolg.
Die Schmelzung dauerte 1½ bis 1¾ Stunden; der Koksverbrauch
betrug das 2,3- bis 3fache des eingesetzten Roheisens.
Durch die groſse Weltausstellung in Paris von 1855 wurde zuerst
die Aufmerksamkeit auf den Uchatiusstahl gelenkt, der in England,
Frankreich und Schweden gröſsere Beachtung fand als in Deutsch-
land. Hierzu trug viel der gewandte Vertreter von Uchatius, Karl
Lenz, bei, welcher in geschickter Weise für die Erfindung Reklame
zu machen verstand. Er veranlaſste zuerst Rennie \& Söhne
auf den Albion Engine Works bei London und Turton in Sheffield.
Versuche damit anzustellen, die sehr günstig ausfielen, und in
Frankreich gelang es ihm, die kaiserliche Regierung für die Sache
zu interessieren. Es wurde eine besondere Kommission, bestehend
aus den General-Bergwerksinspektoren Combes, Lavallois und
Thirria, zur Prüfung derselben ernannt, welche einen sehr günstigen
Bericht erstattete, worin sie namentlich auf die Billigkeit des Ver-
fahrens hinwies. Sie gab an, daſs sich die Tonne Uchatiusstahl
für 400 Franken herstellen lieſse, während ordinärer Guſsstahl
1000 Franken koste.
Auf Grund der günstigen Versuche in England kaufte im Jahre 1856
die Ebbw-Vale-Iron-Company, damals die mächtigste Eisengesellschaft
der Welt, welche 24 Hochöfen auf sieben Eisenwerken besaſs und wöchent-
lich allein 1400 Tonnen Eisenbahnschienen produzierte, das Patent.
Es war ihr gelungen, ein brauchbares Koksroheisen aus Cumberländer
[892]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Roheisenstein zu erblasen, während man bis dahin nur Holzkohlen-
roheisen verwendet hatte. Zu diesem Zwecke hatte die Gesellschaft
eigens das Hüttenwerk Pontypool gekauft und beabsichtigte daselbst
die Fabrikation des Uchatiusstahles in groſsartigem Maſsstabe zu
betreiben. Man plante eine Ofenanlage von 1000 Stahlschmelzöfen
zu zwei Tiegeln, doch wurden von denselben nur 200 fertig-
gestellt. Auf 950 kg Roheisen verbrauchte man 200 kg Erzpulver und
zum Schmelzen 3000 kg Koks. Jede Schmelze von 10 bis 12 kg
Roheisen Einsatz dauerte 105 Minuten. Die Ebbw-Vale-Gesellschaft
verwendete den Uchatiusstahl ausschlieſslich für Eisenbahnmaterial,
namentlich für Schienen. Sie verkaufte die Licenz der Benutzung des
Verfahrens für andere Zwecke. Spencer \& Son in Sheffield erwarben
eine solche für 5000 £. Krupp in Essen machte alsbald bei Spencer
eine Probebestellung auf Qualitätsstahl nach dem neuen Verfahren.
In Frankreich verkaufte Lenz für Uchatius das Patent an
Mancel de Valdauer, der eine Société Uchatius gründete. Diese
errichtete eine Versuchsschmelze auf dem Eisenwerke von Huin
\& Corlassen zu Precy bei Paris, welche im Mai 1857 in Betrieb
kam. Der Hauptzweck der Gesellschaft war aber, Konzessionen zu
verkaufen. Sie verlangte für das Recht der Benutzung des Verfahrens
50000 Franken sofort und 50 bis 100 Franken Tantième für jede
Tonne Stahl. Diese hohen Abgaben standen der Ausbreitung des
Verfahrens sehr im Wege. Später wurde zu Seurin die Uchatius-
stahl-Fabrikation mit algerischem, aus Roteisenstein erblasenem Roh-
eisen eingeführt.
In Spanien erwarb Rumaldo de Avellano und ein Teilhaber
der Eisenwerksgesellschaft Bilbao in Biscaya das Privilegium.
Auch in Österreich bildete sich 1857 eine Gesellschaft von Eng-
ländern und Österreichern, die bei Wien ein groſses Werk für
40000 bis 60000 Ctr. Uchatiusstahl-Erzeugung anlegen wollten.
Ebenso beabsichtigte man 1857, das Uchatiusverfahren in Kladno ein-
zuführen. In Österreich verwendete man weiſses steierisches Holz-
kohleneisen zu der Fabrikation.
Am besten bewährte sich aber schwedisches, aus reinem Magnet-
eisenstein erblasenes Roheisen hierfür und wurde zu Hedemora und
Wikmanshyttan aus einem sehr reinen und siliciumarmen Roheisen
ein sehr guter Erzstahl nach diesem Verfahren dargestellt.
Im ganzen erfüllten sich aber die groſsen Hoffnungen, die man
auf den Uchatiusprozeſs gesetzt hatte, nicht. Was Tunner schon
1855 über denselben gesagt hatte, bewahrheitete sich. An den meisten
[893]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Orten hatte der Prozeſs keinen günstigen Erfolg, weil die Grundstoffe,
aus denen das Produkt gebildet wurde, zu wechselnd waren. Ein
Phosphorgehalt des Roheisens, sowie Schwefel und Silicium gingen
gröſstenteils in den Stahl über. Nur das reinste Roheisen war des-
halb verwendbar. Der Anwendung als Massenguſsstahl, besonders für
Eisenbahnmaterial und Maschinenfabrikation, wofür er hauptsächlich
angepriesen wurde, standen die Gestehungskosten im Wege, welche
durch den Verbrauch von Schmelztiegeln und die groſsen Schmelz-
kosten zu hoch wurden.
Die Fabrikation des Erzstahles nach dem Verfahren von
Uchatius ist deshalb eine beschränkte geblieben.
Das Verfahren der Guſsstahlbereitung, welches Oberstleutnant
Obuchow 1859 auf Slatoustowskischen Hütten einführte, weicht nur
insofern von dem Verfahren von Uchatius ab, als er seiner Mischung
noch arsenige Säure zur Beförderung der Oxydation beifügte. Nach
Wysokys Mitteilung machte Obuchow auf zweierlei Arten Stahl:
1. durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit Stahl- und Eisen-
abfällen, Magneteisenstein, schwarzem Schlich, Arsenik, Salpeter und
Thon; 2. durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit Magneteisen-
stein und Arsenik ohne andere Beimengungen.
Obuchows Stahl wurde für Gewehrläufe verwendet und Ver-
suche damit in St. Petersburg fielen sehr günstig aus.
Man setzte die gröſsten Erwartungen auf dies Verfahren und
verglich den Obuchowstahl mit Krupps Guſsstahl.
In einem Berichte von 1861 heiſst es, die Zeit werde kommen,
wo Obuchows Stahl gröſseren Absatz im Auslande finden werde, als
schwedisches und russisches Stabeisen.
Wie Reaumur schon auf die Erzstahlbereitung hingewiesen
hatte, so hatte er auch das Glühfrischen, als ein beachtenswertes
Verfahren der Stahlbereitung, geschildert. Diese Methode kam eben-
falls in den 50er Jahren zur Anwendung.
Tunner hatte in seinem „wohlunterrichteten Hammermeister“
1846 auf das Glühfrischen aufmerksam gemacht.
Bremme versuchte dasselbe 1849 in Westfalen und Ewald Riepe
erhielt am 29. Januar 1850 ein englisches Patent auf dieses Verfahren.
Es sollte so ausgeführt werden, daſs man entweder Stäbe von Guſs-
eisen mit Thon umkleidet in einem Flammofen lose aufschichtete und
ein bis drei Tage lang der Rotglut aussetzte, oder daſs man Stäbe aus
Guſseisen in einen Cylinder über einer Feuerung einsetzte. Durch
diesen Cylinder leitete man während des Glühens einen Luftstrom durch.
Zu Haspe hatte man Rohstahlstäbe nach dem ersten Verfahren
mit einem Überzuge von Thon geglüht, ohne besondere Resultate zu
erzielen. F. Lohmann in Witten hatte 1851 in London „adduzierten
Stahl“ ausgestellt. Weber in Glattbach und Bilfinger zu Friedrichs-
thal in Württemberg machten 1850 Versuche, schmiedbares Eisen
durch einen Glühprozeſs aus Roheisen darzustellen.
Zu industrieller Bedeutung gelangte aber das Glühstahlfrischen
erst 1855 durch Tunner1), der dieses Verfahren zu Eibiswald und
Leoben durchprobierte und zu dem Schlusse kam, daſs die einfache Ent-
kohlung des Guſseisens durch Luft am zweckmäſsigsten sei. Er be-
schränkte den Luftzutritt durch Einpacken der Guſsstäbe in groben
Quarzsand. Die Stäbe waren aus weiſsem, aus Spateisenstein erblasenem
Roheisen gegossen und 7 bis 9 Linien dick. Das Glühen geschah in
Thonkisten, welche etwa 5000 kg faſsten, in Stahlcementieröfen und
dauerte 15 bis 35 Tage.
Die chemische Veränderung, welche das Roheisen durch den
Glühprozeſs erleidet, wird durch die folgenden zwei Analysen von
Gottlieb in Gratz illustriert 2):
Das Verfahren war sehr billig, man hatte 3 Proz. Abgang und
10 Proz. Ausschuſs. Das Produkt war aber sehr ungleich und
direkt kaum zu verwenden. Zum Umschmelzen zu Guſsstahl dagegen
war es geeignet. Doch hat auch dieses Verfahren, welches ein auſser-
ordentlich reines Roheisen voraussetzt, weil alle Verunreinigungen
in den Stahl übergehen, keine Verbreitung gefunden.
Die Entkohlung des Roheisens durch Oxyde in der Weise der
Darstellung des schmiedbaren Gusses lieſs sich 1852 Jullien paten-
tieren 3). Er verwendete auf der Hütte zu Montataire aus grauem
Roheisen in Sand oder erwärmten Eisenformen stehend gegossene
Stäbe und glühte dieselben in Eisenoxyd oder Zinkoxyd und zwar
hatten sich Hammerschlag oder Galmei dafür am besten bewährt. Die
entkohlten Stäbe wurden direkt ausgereckt und dann durch Cemen-
tation wieder höher gekohlt.
Professor A. K. Eaton in Nordamerika fand in der Kohlen-
säure ein wirksames Entkohlungsmittel des Roheisens. Er beschickte
eine Retorte am Boden mit Kalkstücken und darüber mit Guſseisen-
stücken und erhitzte. Das entweichende Gas war brennbar. Hörte es
auf, sich zu entzünden, so war die Entkohlung beendet und das Roh-
eisen war in Stahl verwandelt.
Für die Massenstahlbereitung war in den 50er Jahren das Stahl-
puddeln das wichtigste Verfahren, welches von Westfalen aus rasche
Verbreitung fand. Im Ruhrgebiete erblühte die Puddelstahlfabrikation
besonders zu Hörde und Haspe. Die Produktion des Hörder Eisenwerkes
war seit 1850 von Jahr zu Jahr gewachsen; 1855 erzeugte es
60000 Ctr. Blech, 80000 Ctr. diverses Stabeisen, 430000 Ctr. Eisen-
bahnschienen, Räder und Achsen und 30000 Ctr. Puddelstahl. Hörde
hat zuerst Radreifen (tyres) aus Puddelstahl hergestellt. Ferner kamen
Eisenbahnschienen mit Puddelstahlkopf in Aufnahme. Sehr wichtig
war auch die Verwendung des Puddelstahles zur Bereitung von Stahl-
blech. In Haspe gingen um 1855 fünf Puddelöfen beständig auf Stahl.
H. Fehland, der 1850 bei Falkenroth \& Komp. in Haspe an-
gestellt war, erwarb sich groſse Verdienste um die Einführung des
Puddelstahlprozesses. Er stellte 1851 auf dem v. Seſslerschen Werke
zu Krieglach den ersten Puddelstahl nach Bremmes Methode in
Österreich dar.
H. Fehland hatte die Puddelstahlfabrikation für die Firma
Lohage, Bremme \& Komp. im Jahre 1851 in Lowmoor in Eng-
land, in St. Maurice bei Paris eingeführt, 1853 setzte derselbe auch
ein kleines Stahlwerk in Hagen in Betrieb, aus dem sich später die
Stahlwerke Asbeck, Osthaus, Eicken \& Komp. entwickelten. Trotz
dieser Erfolge kamen die Erfinder Lohage und Bremme auf keinen
grünen Zweig, woran der ungezügelte Erfindungsdrang Lohages, der
sich auf alle Gebiete warf, schuld war 1).
Der Puddelstahl stellte sich in Westfalen 30 bis 37 Proz. billiger
als roher Schmelzstahl, den er in Westfalen vielfach ersetzte. Seine
Hauptverwendung war aber für grobe Waren, wie Achsen, Kurbeln,
Spurkranzreifen und dergleichen; zu Schneidewaren, Klingen,
Feilen u. s. w. wurde er dagegen nicht verarbeitet. Man hatte es
bei dieser Fabrikation weit mehr in der Hand, harte und weiche
Sorten zu machen, als bei dem Herdfrischen. Man puddelte Mittel-
sorten zwischen Stahl und Eisen, körniges Eisen für Weiſsblech,
[896]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Draht, Gewehrläufe u. s. w. Sehr wichtig war die Einführung des
Puddelstahlprozesses für das Siegerland. 1851 begann man auf der
Staatshütte zu Lohe bei Müsen Stahl zu puddeln. Der hier erzeugte
Puddelstahl erwies sich als ein vortreffliches Rohmaterial für den
Guſsstahl, wofür es von der Firma Friedrich Krupp in aus-
gedehntestem Maſse verwendet wurde. Ebenso wurde zu Geisweid
bei Siegen das Stahlpuddeln mit Erfolg eingeführt und der gewonnene
Stahl vornehmlich zu Blechen verarbeitet.
In England hatte E. Riepe am 29. Januar ein Patent für das
Stahlpuddeln erworben. Er konnte es aber, nach W. Clays Mit-
teilung, nur wenig ausnutzen, weil er sehr kränklich und nicht
im stande war, sich zwei Tage hintereinander mit demselben Gegen-
stande zu beschäftigen. Das Eisenwerk Lowmoor hatte, wie bereits
erwähnt, sein Patent gekauft und machte auch Puddelstahl, ver-
arbeitete denselben aber nicht weiter, sondern verkaufte ihn an Guſs-
stahlfabrikanten. Naylor, Vickers \& Komp. zu Sheffield benutzten
denselben für ihre Guſsstahlglocken. Durchschlagenden Erfolg hatten
die Mersey-Stahlwerke bei Liverpool mit der Puddelstahlfabrikation
nach Riepes Patent, wofür dem Direktor der Werke, William Clay,
das gröſste Verdienst gebührt. Nach Clays eigenen Angaben gelang
es ihm gleich nach den ersten Versuchen, sehr guten Puddelstahl zu
erhalten. Durch Paketieren und Gärben erzielte er ein ausgezeichnet
festes Produkt, das nach den angestellten Proben angeblich sogar den
Kruppschen Guſsstahl übertraf. W. Clay empfahl die Anwendung
dieses Materials für Schmiedestücke und Geschützrohre statt des
spröderen Guſsstahles.
Riepe legte bei seinem Verfahren groſsen Wert darauf, daſs das-
selbe bei niedriger Temperatur erzeugt wurde. Das Einschmelzen sollte
bei Rotglut stattfinden; sobald dasselbe begann, schloſs er schon teil-
weise den Dämpfer. Während des eigentlichen Puddelns, das unter
einer starken Schlackendecke geschah, sollte die Temperatur nicht über
Kirschrotglut, entsprechend der Schweiſshitze des Gärbstahles, sein
und vor Beginn des Rührens wurde der Dämpfer zu ¾ geschlossen 1).
G. Bremme, der früher mit Riepe gemeinschaftlich gearbeitet,
sich dann aber mit diesem überworfen hatte, führte im Gegensatz
hierzu den Puddelprozeſs bei möglichst hoher Hitze und dämpfte die-
selbe erst am Schlusse des Kochens. Auf dieses Verfahren nahm
W. W. Collins im März 1852 ein Patent (Nr. 14033). Bremme
[897]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
erwarb am 31. Januar 1854 durch A. R. Brooman gleichfalls ein
Patent (Nr. 243) für England, das aber verkauft wurde. Es dauerte
nicht lange, so erhob sich ein heftiger Patentstreit zwischen den
Besitzern des Riepeschen und des Bremmeschen Patentes 1).
Broomans Patentbeschreibung beginnt folgendermaſsen: „Wenn
man Stahl im Puddelofen bei Kirschrotglut bereiten will, so scheidet
sich der Kiesel nicht genügend von dem Metall, weil die Schlacke
nicht flüssig genug wird, um unter dem Hammer ausgetrieben zu
werden. Um dies zu erreichen, muſs man Gelbglut, besser noch
Weiſsglut anwenden.“ Nach dieser Methode arbeiteten Thomas
Firth \& Söhne zu Sheffield sehr bald mit Erfolg in groſsem Maſs-
stabe und auch zu Ebbw-Vale puddelte man heiſs. Um zu beweisen,
daſs Bremmes Patent identisch sei mit dem von Riepe, behauptete der
schlaue Anwalt, der eine habe die Farbe der Glut im Sonnenlichte,
der andere im Dunkel gemeint!
Eine verbesserte Einrichtung der Stahlpuddelöfen lieſs sich
J. Spence patentieren (22. September 1858).
In Belgien nahm Seraing erst nach der Erfindung des Puddel-
stahles (1850) die Stahlfabrikation in umfangreicher Weise auf.
Tunner berichtet, daſs 1851 zu Seraing und Sclessin die Tyres
mit Puddelstahl belegt wurden. Sclessin hatte 1855 auf der Welt-
ausstellung in Paris im Puddelofen erzeugtes körniges Gewehreisen,
Puddelstahl und Tyres mit Puddelstahlbahnen ausgestellt.
In Frankreich war zwar bereits 1845 und 1846 von Morel,
Petin \& Gaudet die Puddelstahlbereitung versucht worden, aber
ohne Erfolg. Der Einführung des Stahlpuddelns auf dem Eisenwerke
in St. Maurice-Charenton (Gebr. Doë \& Komp.) haben wir oben
bereits Erwähnung gethan. Erst 1854 und 1855 wurde diese
Fabrikation von deutschen Arbeitern auf den Loirehütten eingeführt 2).
Von J. Holzer zu Unieux wurde sie 1855 ganz wie in Preuſsen
betrieben.
In Österreich, wo die Frischstahlfabrikation ihre klassische Heimat
hatte, schenkte man der Puddelstahlbereitung zunächst nur geringe
Aufmerksamkeit; man sah in derselben nur eine unangenehme Kon-
kurrenz für den heimischen Betrieb. Peter Tunner erkannte aber von
Anfang an ihre Wichtigkeit auch für die österreichischen Alpenländer,
deren Roheisen sich vorzüglich dafür eignete und war besonders seit
Beck, Geschichte des Eisens. 57
[898]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
seinem Besuche der Londoner Ausstellung und der westfälischen
Stahlpuddelwerke im Jahre 1851 eifrig bemüht, durch Versuche und
Belehrung für die Einführung des Prozesses zu wirken 1). Er stellte
solche zu Eibiswald in einem Gaspuddelofen an und erzeugte Puddel-
stahl zu Neuberg, der zu Tyres ausgewalzt wurde.
Seit 1852 wurden auf der v. Friedauschen Hütte zu Mautern
Probefrischen im Flammofen gemacht und in Kärnten bemühte sich
Scheliſsnig um die Einführung des Verfahrens auf den v. Egger-
schen Werken.
Tunner regte ferner Versuche zu Wittkowitz in Mähren an.
Man bediente sich hierbei vielfach des Zusatzes von Schafhäutl-
schem Pulver. Trotz aller dieser Bemühungen hatte Tunner in den
ersten Jahren mit der Einführung des Puddelprozesses keinen Erfolg.
1852/53 wurden zu Leoben eigentümliche Versuche mit dem Stahl-
puddeln gemacht. Man betrieb zwei Puddelöfen zusammen in der
Weise, daſs das Eisen in dem einen dünnflüssig eingeschmolzen wurde,
wenn in dem anderen Luppen gemacht wurden. Diese Luppen wurden
dann in das flüssige Eisenbad des anderen gebracht, wo sie durch
Cementation in Stahl verwandelt werden sollten. Der Erfolg dieser
Versuche war aber ein ungünstiger.
Nach der Münchener Ausstellung von 1854 wies Tunner von
neuem mit Nachdruck auf die wachsende Bedeutung der Puddelstahl-
fabrikation und auf die Verwendung des Puddelstahles für Bleche, für
Beschläge, Galanteriewaren, Achsen, Kurbeln und besonders für Tyres
hin. Die Pariser Industrieausstellung von 1855 gab neue Anregung.
Auf Tunners Betreiben wurde in diesem Jahre die Puddelstahl-
bereitung zu Eibiswald und Neuberg eingeführt. Man verarbeitete
an letzterem Orte luckigen Floſs unter Zusatz von Schafhäutlschem
Pulver und verwendete den Stahl zu Tyres. Der erzeugte Stahl
bewährte sich auch vorzüglich für die Fabrikation der Sensen. Er
lieſs sich sehr gut schweiſsen und gärben. Dieser Gärbstahl wurde
von den Stahlwarenfabrikanten der Stadt Steyr benutzt.
In technischer Hinsicht ist zu erwähnen, daſs die Puddelöfen für
Stahl kleiner waren als die für Eisen; ihr Herd lag tiefer und muſste
gut gekühlt sein, ferner verlangten dieselben eine gut schlieſsende
Esse. Die Chargen waren kleiner, die Chargendauer kürzer. Der
Herdboden wurde sehr angegriffen, wodurch häufige Reparaturen
nötig waren, welche die Fabrikationskosten erhöhten. Es war not-
[899]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
wendig, daſs der Prozeſs sehr gleichmäſsig verlief und die Stahlluppen
rasch aus dem Ofen entfernt wurden 1). Der Prozeſs erforderte ein
reichliches Schlackenbad, weshalb Schlacken zugeschlagen werden
muſsten; reine Schweiſsofenschlacken waren hierfür am besten.
Clay und Benzon nahmen 1858 ein Patent darauf, das Roh-
eisen gleich mit der entsprechenden Menge Hammerschlag oder Gar-
schlacke einzuschmelzen, anstatt diese erst nach und nach zuzusetzen.
Zu Geisweid brachte man die gezängten Luppenstücke in den
Puddelofen zurück.
Von den weiteren, während der 50er Jahre in Vorschlag
gebrachten Verbesserungen beim Stahlpuddeln ist besonders die An-
wendung der Siemensschen Regeneratorfeuerung hervorzuheben.
W. Siemens nahm am 11. Mai 1857 ein wichtiges Patent für die
Anwendung hocherhitzter Luftströme zum Schmelzen und Raffinieren
der Metalle und bei dem Puddelprozesse. Es geschah dies durch die
Anwendung von zwei Regeneratoren nach der oben beschriebenen
Konstruktion von Friedrich Siemens, welche zur Erhitzung der der
Feuerung zugeführten Luft dienten und dadurch eine sehr erhöhte
Schmelztemperatur bewirkten. Bei dem Puddelprozesse, für den diese
Neuerung besonders in Anwendung kommen sollte, hat sie sich aber
nicht bewährt, weil es nicht möglich war, die Temperatur entsprechend
zu regulieren; dagegen fand sie mit Erfolg Anwendung bei den
Schweiſs- und Glühöfen.
In Fig. 273, S. 819, haben wir bereits die Einrichtung eines
Schweiſsofens mit Regeneratorfeuerung aus dem Jahre 1856 2) wieder-
gegeben. Ein nach diesem Princip eingerichteter Ofen kam 1857 in
dem Werke von Marriotte \& Atkinson zu Sheffield zum Wärmen
von Stahl und Eisen in Betrieb und wurden gegen die gewöhnlichen
Glühfeuer angeblich 79 Proz. Brennmaterial erspart. Zu Bolton wurde
ein Puddelofen mit Regeneratorfeuerung erbaut.
Jean J. Fontaine lieſs sich 1855 ein Verfahren patentieren,
welches darin bestand, Chlorgas oder Chlorwasserstoffgas mit einem
heiſsen Luftstrome auf das geschmolzene Metall im Puddelofen zu
leiten. Tessié du Motay und Fontaine vervollkommneten diesen
Prozeſs dadurch, daſs sie erst eine künstliche Schlacke aus kieselsaurer
57*
[900]Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Thonerde, Alkalien und Metalloxyden einschmolzen, in diese dann
das Roheisen einsetzten und puddelten, wobei ein Gemisch von Eisen-
oder Manganoxyd mit den Chloriden von Kalium, Natrium, Calcium,
Strontium oder Baryum zugesetzt wurde.
James Spence konstruierte einen Puddelofen mit zwei hinter-
einanderliegenden Rosten, um leichter nach Bedürfnis eine oxydierende
oder eine reduzierende Flamme zu erzeugen. Die oxydierende Flamme
wurde noch verstärkt durch ein in der Feuerbrücke liegendes Wind-
rohr (Patent Nr. 2134 vom 22. September 1858). Zur Reinigung
schlug er Salmiak oder Kochsalz vor.
Mushet empfahl den Zusatz von 1 bis 20 Proz. Titanerz zu dem
geschmolzenen Eisen während des Puddelns (Patent Nr. 1150 vom
7. Mai 1859), um dadurch die Güte des Stahles zu verbessern; zu
demselben Zwecke schlug er (am 3. Juni 1859) Spiegeleisen vor,
welches entweder geschmolzen kurz vor dem Garwerden oder in fester
Form mit dem Roheisen aufgegeben werden sollte.
Wenn auch das Stahlpuddeln sich bewährt hatte und mehr und
mehr Anwendung fand, so gelang dasselbe doch nicht überall. Es
erforderte ein sehr gutes Roheisen von besonderen Eigenschaften und
sehr geschickte Arbeiter. Deshalb blieb der Prozeſs auf einzelne
Gegenden beschränkt.
Noch war das Problem einer billigen Massenstahlbereitung nicht
gelöst und die Hoffnung und Erwartung auf ein zweckmäſsiges Ver-
fahren hierfür hielt die Eisentechniker in Spannung.
Da hielt Henry Bessemer am 16. August 1856 in Cheltenham
bei der Versammlung der British Association seinen berühmten Vortrag
über einen neuen, von ihm erfundenen Stahlbereitungsprozeſs, durch
den geschmolzenes Roheisen durch Durchblasen von atmo-
sphärischer Luft in flüssigen Stahl, ja sogar in flüssiges Stab-
eisen verwandelt werden könne ohne Anwendung von
Brennmaterial1). Die Nachricht von dieser neuen Erfindung ver-
breitete sich wie ein Lauffeuer durch Europa. Obgleich die theore-
tische Möglichkeit jedem einleuchtete, begegnete sie doch dem
gröſsten Miſstrauen und Unglauben. Es schien undenkbar, daſs ein
so einfacher Prozeſs so lange unbekannt geblieben sein sollte. Wie
weit dies Miſstrauen begründet war, werden wir gleich zeigen.
Bessemers Erfindung zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf
[901]Henry Bessemer und seine Erfindung.
sich und ein Fachschriftsteller jener Zeit schreibt: „Seit langer Zeit
hat im Eisenhüttengewerbe keine Erfindung soviel Aufsehen gemacht,
als diese, über keine sind seit der Mitte des Jahres 1856 so viele
verschiedene Ansichten bekannt geworden.“
Bessemer ist durch seine folgenreiche Erfindung einer der
gröſsten Wohlthäter des Menschengeschlechts geworden. In diesem
groſsen Genie verband sich erfinderischer Geist mit unbeugsamer Be-
harrlichkeit und geschäftsmännischem Blick. Henry Bessemer wurde
am 19. Januar 1813 in Charlton, Hertfordshire, in England geboren.
Sein Vater, wahrscheinlich holländischer Herkunft, der ein bewegtes
Leben hinter sich hatte, besaſs eine Schriftgieſserei, in welcher auch
der Sohn seine ersten technischen Kenntnisse sammelte. 18 Jahre alt
kam er nach London. Sein erfinderischer Geist beschäftigte sich mit
den verschiedenartigsten Gegenständen. Sein erster Erfolg war die
Erfindung einer Stempelmarkenpresse, welche die eingerissene Marken-
fälschung, die dem englischen Staate Verluste von Millionen von Mark
beigebracht hatte, unmöglich machte. Da er aber versäumt hatte,
seine Erfindung patentieren zu lassen, erwarb er keinen Nutzen, sondern
nur Verdruſs davon. In der Folge sah er sich besser vor. Von den
verschiedenartigen Erfindungen der nächsten Jahre schlug die einer
echten Bronzefarbe für Maler und Bronzierer für ihn am günstigsten
ein. Es gelang ihm, diese Farbe, wovon damals das Pfund für 120 Mark
aus dem Auslande bezogen werden muſste, auf eine ganz einfache
Weise so billig herzustellen, daſs er trotz des bedeutend herabgesetzten
Verkaufspreises in den ersten Jahren 1000 £ und einige Jahre immer
noch 300 £ zu verdienen vermochte. Hierdurch kam er zu Wohlstand
und erwarb sich ein mäſsiges Vermögen, das ihm die Mittel zu seinen
weiteren erfinderischen Versuchen gewährte. Diese waren sehr mannig-
faltiger Art. Auf die Stahlfabrikation wurde seine Aufmerksamkeit
erst nach Ausbruch des Krimkrieges 1854 gelenkt. Er erfand nämlich
damals ein Geschütz, dessen Geschoſs ohne Drall in drehende Be-
wegung versetzt werden sollte. Die englische Regierung verhielt sich
ablehnend dagegen, während Napoleon III. sich dafür interessierte.
Der Erfolg hing aber in erster Linie von einem zuverlässigen Material
ab, besser als Guſseisen und billiger als Tiegelguſsstahl. Dies führte
ihn zu den merkwürdigen Experimenten, aus der die segensreiche Er-
[902]Henry Bessemer und seine Erfindung.
findung hervorging. Gerade weil ihm eisenhüttenmännische Fach-
kenntnisse fehlten, folgte er um so vertrauensvoller seinen originellen
Ideen. Hierüber hat er sich später einmal folgendermaſsen geäuſsert:
„Meine Erfahrungen bezüglich Erfindungen zeigen, daſs die intelligenten
Fabrikanten viele kleine Verbesserungen in den verschiedenen Ab-
teilungen ihrer Fabrikation erfinden, aber dieselben stellen im all-
gemeinen nur verhältnismäſsig geringe Fortschritte vor, welche ihrer
Natur nach eng mit dem Verfahren verbunden sind, das sie täglich
ausüben, während im Gegenteil die groſsen Erfindungen von Leuten
gemacht sind, welche keine Fachkenntnisse der betreffenden Fabrika-
tion besitzen.“ Thatsache ist, daſs die Eisenindustriellen gegen
Bessemers Erfin-
dung sich anfänglich
ablehnend verhielten.
Bessemer besaſs aber
neben dem erfinderi-
schen Geist und dem
Enthusiasmus für seine
Erfindungen auch die
groſse Kraft, diese trotz
aller Hindernisse tech-
nisch auszugestalten
und geschäftlich zu
verwerten. Seine bahn-
brechende Neuerung
führte eine Umwälzung
in der Eisenindustrie
herbei. Er ist dadurch
der Begründer des mo-
dernen Eisenhütten-
wesens geworden. Seine rastlose Thätigkeit und seine Schaffenskraft
hat ihn bis in sein hohes Alter nicht verlassen und nicht nur Groſs-
britannien, sondern der ganzen Welt groſsen Segen bereitet. Für
seine Verdienste wurde er 1879 in den Adelstand erhoben. Als am
15. März 1898 Sir Henry Bessemer im 86. Lebensjahre die Augen
schloſs 1), schied mit ihm einer der gröſsten Förderer der Eisenindustrie
und der ganzen Menschheit. Nebenstehende Abbildung zeigt ihn uns
in seinem Alter.
Ehe Bessemer seinen Vortrag in Cheltenham hielt, war er in Fach-
kreisen kaum bekannt, obgleich er seit 1854 mehrere Patente genommen
hatte. Auch war sein Hervortreten vor die groſse Öffentlichkeit nicht ganz
freiwillig und eigentlich verfrüht. Er hat hierüber an P. Barthel
im Jahre 1872 folgende Mitteilung gemacht 1): Vor etwa 17 Jahren
wurde meine Aufmerksamkeit auf Verbesserungen in der Eisen-
fabrikation gelenkt, um ein besseres Material für Waffen herzustellen 2).
Ich machte eine Reihe von Experimenten, die mich über 18 Monate
beschäftigten; ich hatte indessen nur geringen Erfolg. Am Ende
dieser Periode kam mir zum erstenmal die Idee, ob nicht Roheisen
durch Einführung von Luft in die geschmolzene Masse schmiedbar
gemacht werden könne. Indessen stellten sich der Ausführung dieses
Gedankens viele Schwierigkeiten entgegen. Eine der hauptsächlichsten
war die Erzeugung einer genügend hohen Temperatur, um das Roh-
eisen längere Zeit in geschmolzenem Zustande zu erhalten; ich konnte
anfangs diese Temperaturhöhe mit allen bekannten Mitteln nicht
erreichen, bis ich auf experimentellem Wege fand, daſs die nötige
Temperatur ohne weitere Anwendung von Brennmaterial einfach durch
Einleiten atmosphärischer Luft erhalten werden konnte und zwar
erhielt ich eine Temperatur, die viel höher war als ich nötig hatte.
Nachdem ich mit meinem Teilhaber R. Longsdon sechs bis sieben
Monate experimentiert und 3000 bis 4000 £ verlaboriert hatte, nach-
dem ich mich ferner 2½ Jahre fast ausschlieſslich mit meiner Idee,
ohne besonders günstige Resultate zu erzielen, beschäftigt hatte,
wünschte ich auch einmal die Ansicht eines kompetenten Mannes über
meine Arbeiten zu hören und ich lud deshalb R. Rennie ein, meine
Fabrik zu besichtigen. Er that dies sehr gern und gab mir den Rat,
meine ganze Sache vor das Publikum zu bringen. Ich selbst hatte
keine Hüttenwerke, sondern befaſste mich mit der Herstellung von
Bronze. „Was auch Ihre praktischen Schwierigkeiten sein mögen“,
sagte mir Rennie, „dieselben werden in dem Augenblicke überwunden
werden, in dem Sie Ihre wundervolle Erfindung einem praktischen
Hüttenmanne vorlegen. Wir haben in vier Tagen eine Versammlung
der British Association, kommen Sie und teilen Sie der Gesellschaft
Ihr Verfahren mit.“ Ich that dies und meine Mitteilungen erregten
ein groſses Interesse. Das Resultat war, daſs mich eine Menge von
Eisenindustriellen besuchten und mich fragten, was ich zu thun
[904]Henry Bessemer und seine Erfindung.
gedenke. Der Plan, den ich ihnen vorlegte, war folgender. Ich
teilte ganz Groſsbritannien in fünf groſse Distrikte und sagte, ich
wünsche mir in jedem Distrikt einen Hüttenwerksbesitzer, der ein
solches Interesse für die erfolgreiche Ausführung meiner Erfindung
hat, daſs er sich verpflichtet, nur in meinem Interesse, niemals gegen
dasselbe zu handeln. Ich dagegen verpflichte mich, demjenigen Hütten-
besitzer, welcher meine Erfindung in einem der fünf Distrikte zuerst
zur Ausführung bringt, meine Erfindung gegen Bezahlung einer Licenz
zu überlassen, und zwar soll er mir die Licenz nur ein Jahr lang
bezahlen, die übrigen 13 Jahre der Patentdauer sind abgabenfrei. War
meine Erfindung durchführbar, so bot dieser Vorschlag den Hüttenwerks-
besitzern groſse Vorteile; ebenso mir, dadurch, daſs die Kontrahenten
an der Ausnutzung, Aufrechterhaltung und Verteidigung meiner
Patente ein persönliches Interesse gewannen. Es fanden sich denn
auch fünf Unternehmer 1), die meine Vorschläge annahmen. Zwei davon
zahlten mir jeder 10000 £. Die sämtlichen Licenzen, welche ich
binnen drei Wochen, nachdem ich meinen Vortrag in der genannten
Gesellschaft gehalten hatte, baar bezahlt erhielt, brachten mir 26500 £
ein. Sobald dies bekannt wurde, entstand ein groſser Federkrieg.
Viele Leute bestritten die Möglichkeit, eine höhere Temperatur ohne
Mehraufwand von Brennmaterial zu erhalten, vollständig. Es wurden
auf vielen Eisenhütten Versuche nach meinem Verfahren, wie es in
der Patentbeschreibung erklärt war, gemacht, aber alle Versuche fielen
schlecht aus, so daſs die anfangs sehr groſsen Erwartungen einer sehr
kühlen Nüchternheit Platz machten. Jeder behauptete, das Ding
könne nicht gehen. Ich selbst fand auch praktische Schwierigkeiten;
anstatt aber die vielen Einwürfe in der Presse zu beantworten, machte
ich mich vielmehr daran, die Schwierigkeiten zu heben. Ich machte
2½ Jahre lang Versuche in groſsem Maſsstabe, die mich 16000 £
kosteten. Am Ende dieser Periode fand ich die Ursache der Schwierig-
keiten und es gelang mir auch bald, Stahl nach meinem Verfahren
zu machen, der in den Werkstätten Sheffields angewendet wurde und
von den Leuten so gut wie der seitherige sehr teure Stahl befunden wurde.
Ich brachte meine Erfindung in ihrem neuesten Stadium wieder vor
das Publikum, allein die Ungläubigkeit war nur noch viel gröſser
geworden. „Ach, das ist das Ding“, sagte man überall, „das vor drei
Jahren so viel Lärm machte und sich als gänzlich verfehlt heraus-
[905]Henry Bessemer und seine Erfindung.
stellte.“ — Hätte ich nicht durch den Licenzverkauf das zur Er-
richtung einer Fabrik nötige Kapital erhalten, so wäre ich nicht im
stande gewesen, die nötigen Experimente zu machen. Ich hatte zwar
fünf mächtige Freunde erworben, von denen jeder einen jährlichen
Vorteil von 10000 £ vor seinen Kollegen voraus hatte, wenn meine
Sache ging, allein sie thaten nichts dafür, sie betrachteten meine Er-
findung vielmehr, wie die Phrase damals lautete, als „ein Meteor, das
durch die metallurgische Welt geflogen sei, das aber nichts als Funken
hinter sich gelassen habe“. Niemand wollte mehr von meiner Er-
findung etwas wissen und ich hatte unendliche Schwierigkeiten, um
nur einen Industriellen von den Vorteilen meines Verfahrens zu über-
zeugen. Mit diesem, einem Herrn Galloway zu Sheffield, muſste
Bessemer selbst eine Fabrik gründen. — So stand die Sache 1859.
Ehe wir Bessemers Bericht weiter verfolgen, wollen wir den
technischen Verlauf seiner Versuche und Erfindungen näher betrachten.
Er sagt darüber in seinem epochemachenden
Vortrag zu Cheltenham am 16. August 1856 1),
er habe sich seit mehreren Jahren fast aus-
schlieſslich mit Verbesserungen in der Fabri-
kation von Stabeisen und Stahl beschäftigt.
Wiederholt habe er Öfen gebaut, davon groſse
Mengen von Eisen ohne Erfolg behandelt
und sie dann wieder abgerissen. Hierbei
habe er aber zahlreiche Beobachtungen ge-
macht, welche ihn zu ganz neuen An-
schauungen führten, namentlich zu der Er-
kenntnis, daſs man ohne Brennmaterial, durch
bloſses Einblasen von Luft in das flüssige Eisen, eine weit gröſsere
Hitze entwickeln könne als mit den bisherigen Mitteln, wodurch man
nicht nur die Kosten des Brennmaterials spare, sondern auch dessen
nachteiligen Einfluſs auf das Eisen vermeide. Bessemer machte an-
fänglich seine Versuche mit Eisenmengen von 10 bis 20 Pfund, die
ihm, obgleich der Prozeſs mit vielen Schwierigkeiten verbunden war,
das Gelingen desselben nachwiesen. Es geschah dies in einem 40 Pfund
fassenden Thontiegel (Fig. 313) in einem gewöhnlichen Windofen. Nach-
dem 10 bis 12 Pfund Roheisen eingeschmolzen waren, wurde eine Thon-
röhre eingeführt, um einen Windstrom in das geschmolzene Metall
einzublasen. Er erhielt auf diese Weise wirklich Schmiedeeisen, von
[906]Henry Bessemer und seine Erfindung.
dem sich noch eine Probe in der Sammlung des Iron and Steel Institute
befindet. Es war im Juni 1855 im Arsenal zu Woolwich ausgewalzt
worden. Bei diesem Verfahren wurde das Gefäſs noch von auſsen
geheizt. Bei den späteren Apparaten fiel dies weg. Der zweite, den
er entwarf, hatte bereits die Gestalt einer aufgehängten Retorte. Der-
selbe wurde patentiert, gelangte aber damals nicht zur Ausführung.
William D. Allen war H. Bessemers Gehülfe bei seinen ersten
Versuchen und wurde später erster Direktor (chairman) der Firma
Henry Bessemer \& Komp. in Sheffield und Bessemers Schwager.
Am 7. Mai 1890 konnte dieser ihm in der Versammlung des Iron
and Steel Institute die Bessemermedaille überreichen. In seiner
Dankrede teilte Allen mit, daſs der erste Bessemerconverter ein
einfacher Thontiegel gewesen sei, der sich von einem gewöhnlichen
Stahlschmelztiegel nur dadurch unterschied, daſs er einen gewölbten
Deckel hatte, dessen Rand mit Löchern zum Gasabzug versehen war.
Die Düse bestand aus einem Stück Gasrohr, das an einem Ende mit
einem Rüssel, am anderen Ende mit einem elastischen Rohr ver-
bunden war. In besagten Tiegel wurden 30 bis 40 Pfund Roheisen
eingefüllt, der Rüssel wurde in die geschmolzene Masse eingeführt
und durch die eingeblasene Luft das Roheisen in Stahl verwandelt.
Die ersten Versuche miſslangen indes häufiger, als sie gelangen. In
dem unvollkommenen Schmelzofen war es kaum möglich, das Roheisen
in Fluſs zu bringen. Das Eisen war nur zum Teil geschmolzen, als sie
die Düse einführten und ihr Erstaunen war groſs, als nach kaum einer
halben Minute Blasens die ganze Masse in einem schönen, flüssigen
Zustande sich befand; sie bliesen dann noch sieben bis acht Minuten
weiter und fanden darauf das ganze Bad weiſsglühend vor. Mit diesem
Versuche hatten sie festgestellt, daſs mit dem Einblasen der Luft die
Temperatur des Bades erhöht worden, wodurch der Erfolg der Er-
findung gesichert war. Hierauf konstruierte Bessemer einen gröſseren,
feststehenden Apparat, worin er 7 Centner Roheisen im Verlauf einer
halben Stunde in Stabeisen oder Stahl umwandeln konnte. Bei solchen
Quantitäten verschwanden die Schwierigkeiten, die sich bei den kleinen
Mengen im Laboratorium gezeigt hatten.
Die Wärmeentwickelung erklärte Bessemer aus der Verbrennung
des Kohlenstoffs, wobei er irriger Weise annahm, daſs durch-
schnittlich 5 Proz. Kohlenstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbrannt
würden. Je gröſser die Oberfläche sei, die dem Sauerstoff dargeboten
würde, je rascher verlaufe der Prozeſs. Sein neuer Ofen (Fig. 314),
den er auf seinem Versuchswerk in St. Pancraz im August 1856 auf-
[907]Henry Bessemer und seine Erfindung.
stellte, bestand aus einem Blechcylinder, der oben und unten geschlossen
und mit feuerfesten Stourbridge-Ziegeln von 114 mm Dicke ausgemauert
war. Er hatte einen 3 Fuſs hohen Schacht, ähnlich einem Kupol-
ofen, 2 Zoll über dem Boden befanden sich Formen von ⅜ Zoll
Weite; in diese trat der Wind durch sechs bewegliche Röhren aus
dem ringförmigen, guſseisernen Windkasten, der den Ofen umgab,
ein. Auf der einen Seite befand sich eine Öffnung zum Einleiten des
flüssigen Eisens, auf der anderen Seite eine Abstichöffnung, die mit
einem Lehmpfropf verschlossen war. Er empfahl später den Ofen so
groſs zu machen, daſs er 20 bis 100 Ctr. Eisen aufnehmen könne.
Der Gebläsewind müsse eine Pressung von 8 bis 10 Pfund auf den
Quadratzoll haben. Der Ofen wurde erst gut vorgewärmt, alsdann
der Wind angelassen, ehe man das Eisen einlaufen lieſs, damit dieses
nicht in die Formen dringe.
Alsbald begann ein heftiges Auf-
kochen mit starker Flamme und
Funkensprühen. Dies dauerte 15
bis 20 Minuten. Hierbei wurde
der ungebundene Kohlenstoff
(Graphit) ganz, der gebundene
teilweise zerstört. Die Schlacken-
eruption hielt 5 bis 6 Minuten
lang an. Die durch die Ver-
brennung des Kohlenstoffs ent-
wickelte Wärme erhöhte die
Temperatur der Schmelzmasse
so, daſs auch ein Teil des Eisens
zu Oxyd verbrannte, welches
schmolz und sich mit den Erden verschlackte. Doch betrug der Eisen-
verlust nach Bessemers Angabe nur 12 Proz., während er sich bei
dem gebräuchlichen Verfahren auf 18 Proz. belaufe. An der hellen
Flamme erkenne der Arbeiter das Ende des Prozesses, der bei 60
bis 100 Ctr. Roheiseneinsatz 30 bis 35 Minuten dauere. Am wunder-
lichsten sei die groſse Hitze, die durch das Hindurchblasen der Luft
entstehe. Das entkohlte Metall sei durchaus gleichartig. Der Prozeſs
eigne sich ganz besonders zur Darstellung groſser Massen von Stahl
oder Stabeisen. Das Stabeisen zeige ganz dasselbe Verhalten wie der
Guſsstahl, indem es sich wie dieses gieſsen lasse und ein gleichförmiges
Produkt gäbe. Durch Unterbrechung des Prozesses könne man jede
Art von Stahl erhalten.
Bessemer hatte in diesem Vortrage den Verlauf des Prozesses, wie
er sich später entwickelt hat und wie wir ihn kennen, bereits richtig
geschildert. Er hatte aber die Ausführung desselben, welche verblüffend
einfach erschien, als viel zu leicht hingestellt. Das, was er in seinem
Vortrage schilderte, war das, was ihm vorschwebte, keineswegs das, was
er schon erreicht hatte. Wenn er auch damals schon so weit gekommen
war, daſs er von der Ausführbarkeit des Prozesses überzeugt sein
konnte, so hatte er den richtigen Weg für die Ausführung im groſsen
doch noch nicht gefunden. Er war immer noch am Suchen und tappte
noch vielfach in der Irre, wie aus seinen verschiedenartigen Vorschlägen
und Versuchen in den folgenden Jahren hervorgeht. Dadurch, daſs
er seine Erfindung aber als etwas Fertiges schilderte und die Aus-
führung als so leicht hinstellte, trug er selbst zu den zahlreichen und
groſsen Enttäuschungen bei, welche die Versuche Vielen bereiteten
und welche ihm die Gegnerschaft des gröſsten Teils der Eisenhütten-
leute und die absprechenden, ungerechten Urteile über seinen Prozeſs
von allen Seiten in den folgenden Jahren zuzogen. Es entwickelte
sich dadurch, daſs die Versuche, die auf Bessemers Vortrag hin
jeder machen zu können glaubte, den Erwartungen nicht entsprachen,
eine förmliche Animosität gegen Bessemer in der Presse und seine
eigenen Landsleute rissen ihn am meisten herunter und einige, wie
namentlich David Hearne, der einfluſsreiche Redakteur des Mining
Journal in London, gingen so weit, Bessemer jede Originalität und
jedes Verdienst an seiner Erfindung abzusprechen, welche nur eine
Nachahmung des Verfahrens des Amerikaners Jos. Gilb. Martien
von New Jersey sei. Diese Behauptung war ungerecht, unpatriotisch
und absurd.
Henry Bessemers Erfindung war originell in höchstem Grade.
Gerade ihre Originalität, ihre Neuheit erregte das groſse Aufsehen und
rief eine allgemeine Aufregung in der technischen Welt hervor. Kein
Mensch hatte vor Bessemer zu behaupten gewagt, daſs man Roheisen
ohne Brennmaterial in Stahl und Schmiedeeisen verwandeln könne
und daſs man durch bloſses Durchblasen von Luft durch Roheisen
nicht nur dieses in Stahl und Stabeisen verwandeln, sondern auch
eine Hitze erzeugen könne, daſs nicht nur Stahl, sondern auch Stab-
eisen flüssig wie Wasser bleibe. Eine originellere Erfindung ist kaum
jemals gemacht worden und es war auch mehr eine Entdeckung,
welche Bessemer machte, als eine Erfindung. Der technischen Welt
erschien sie mit Recht als ein vollständiges Novum. Keine Erfindung,
die auf bekannten Naturgesetzen beruht, tritt aber ganz unvermittelt
[909]Henry Bessemer und seine Erfindung.
in die Erscheinung und es ist bei der groſsen Wichtigkeit derselben
für die weitere Entwickelung der Eisenindustrie von geschichtlichem
Interesse, die Spuren zu verfolgen, welche auf den rechten Weg
führten. Es sind deren nur wenige. Man hat darauf hingewiesen, daſs
der Schmied glühendes Eisen warm halten kann, wenn er es durch
die Luft schwingt, und daſs die orientalischen Schwertschmiede diesen
Kunstgriff bei der Herstellung ihrer berümten Klingen benutzten, aber,
wenn diese Thatsache auch Bessemer bekannt gewesen wäre, was
wenig wahrscheinlich ist, da er sich vordem nur mit Bronzeguſs
beschäftigt hatte, so konnte sie ihm doch noch nicht den Weg zu
seinem Verfahren zeigen. Noch weniger läſst sich dies von dem Ver-
fahren der chinesischen und japanischen Kesselflicker, welche ihr
geschmolzenes Metall durch heftiges Blasen warm zu halten verstehen
(Bd. I, S. 307), annehmen. Ebensowenig ist es aber auch richtig, daſs
Bessemer seinen Prozeſs dem Verfahren von Joseph Gilb. Martien,
welches am 15. September in England patentiert wurde, entnommen
hat, obgleich dies Hearne 1857 in gehässiger Weise behauptete, und
welche Behauptung damals allgemeine Verbreitung und Glauben fand.
Selbst Percy war von diesem Irrtum angesteckt und Martiens Patent
wurde dadurch eine Wichtigkeit beigelegt und von einem Glorienschein
umgeben, der ihm gar nicht zukommt.
Zwischen Martiens Patent vom 15. September 1855 und H.
Bessemers Patent vom 17. Oktober 1855, in dem er sein Verfahren
bereits mit vielen Einzelheiten beschreibt, liegt auch eine so kurze
Zeit, daſs es gar nicht denkbar ist, daſs Bessemer erst durch
Martiens Patent zu seinen Versuchen angeregt worden wäre und
schon nach wenigen Wochen eine solche Summe praktischer Er-
fahrungen mit seinem Prozeſs gemacht haben sollte, wie solche in
seiner Patentbeschreibung vom 17. Oktober enthalten ist. Martiens
Verfahren war aber auch durchaus verschieden von dem Bessemers.
Es bezweckte nur ein Feinen des Eisens zur Vorbereitung für den
Puddelprozeſs auf eine billigere Art und zwar sollte dies dadurch er-
reicht werden, daſs man das flüssige Roheisen beim Abstich aus dem
Hochofen durch einen guſseisernen Kanal mit doppeltem Boden, dessen
obere Platte durchlöchert war und in den gepreſste Luft oder Dampf
eingeführt wurde, flieſsen lieſs. Die Luft- oder Dampfstrahlen sollten
das flüssige Eisen durchdringen und seine Reinigung bewirken. Das
so gereinigte Metall konnte man dann direkt dem Puddelofen zu-
führen. Nur eine Reinigung bezweckte Martien, an eine weiter-
gehende Entkohlung dachte er gar nicht. Er schlieſst aus seinem
[910]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Patent ausdrücklich die Zuleitung von Dampfstrahlen auf die Ober-
fläche des Eisens im Puddelofen oder die Einführung des Dampfes in
das flüssige Eisen bei dem Puddelprozeſs aus 1), denn dies war James
Nasmyths Patent vom 4. Mai 1854. Auf dieses wird also von
Martien indirekt verwiesen. Nasmyths Verfahren hat vielleicht
Martien die Anregung zu seinem Prozeſs gegeben, möglicherweise
auch Bessemer2). Letzterer hat also seine Gedanken nicht von
Martien geborgt, sondern beide haben vielleicht aus derselben Quelle
ihre Anregung erhalten. Martiens Patent hatte gar keine besondere
Beachtung bei seiner Veröffentlichung in England gefunden. James
Nasmyths Ruhm war aber 1854 bereits auf einer solchen Höhe, daſs
alles, was von ihm ausging, der Beachtung aller gebildeten Techniker
Englands gewürdigt wurde. Nasmyth setzte dabei auf sein Verfahren
die gröſste Hoffnung und viele seiner Freunde teilten dieselbe. Es
wurde in allen Fachkreisen besprochen und kann auch der Auf-
merksamkeit Bessemers kaum entgangen sein. Bessemer begann
seine Versuche um die Zeit, als Nasmyths Patent veröffentlicht wurde,
wie aus seinen oben angeführten Zeitangaben hervorgeht.
Es ist auch richtig, daſs vereinzelte Beobachtungen, die auf
Bessemers Erfindung hinwiesen, schon früher gemacht worden sind.
Wedding erwähnt, daſs Eck auf Königshütte schon 10 Jahre zuvor
durch Zufall beobachtet habe, daſs ein Windstrom, der unter dem
flüssigen Roheisen in einem Puddelofen ausströmte, dieses in heftiges
Kochen versetzte. Später hatte Parry, Direktor der Ebbw-Vale-Eisen-
gesellschaft, welche Martiens Patent erworben hatte, den Versuch
gemacht, die Operation statt in dem von Martien angegebenen Kanal
in dem Puddelofen selbst auszuführen. Die Reaktion, welche dabei
eintrat, war aber so heftig, daſs der Ofen Schaden litt und das Metall
durchbrach, worauf man von einer Wiederholung des Versuchs abstand.
Auch Kelly in Kentucky (Nordamerika) soll sich schon 1851 mit
Versuchen, flüssiges Eisen durch Einblasen von Luft zu entkohlen,
beschäftigt haben. Alles waren aber nur Miſserfolge.
Heinrich Bessemer gebührt deshalb ganz unzweifelhaft allein
das groſse Verdienst der Entdeckung, daſs Roheisen durch bloſses Ein-
blasen von Luft vollständig entkohlt werden kann und dabei soviel
Wärme erzeugt wird, daſs Stahl und Stabeisen so flüssig bleiben, daſs
[911]Henry Bessemer und seine Erfindung.
sie in Formen gegossen werden können. Daſs auch Nasmyths
Patent nicht der Ausgangspunkt von Bessemers Versuchen war, geht
nicht nur aus dessen eigenen Angaben, sondern auch aus seinen ersten
Patenten, die in das Jahr 1855 fallen, hervor; diese zeigen uns deutlich
den Weg, auf dem Bessemer allmählich zu seiner Erfindung kam.
Das erste derselben datiert vom 10. Januar 1855. Der darin vor-
geschlagene Prozeſs ist eine Cementation von sehr reinem Eisen mit
Holzkohlen, welche in einer langen Retorte, deren mittlerer Teil allein
stark geheizt wird, kontinuierlich vorgenommen werden sollte und
zwar sollte dies dadurch geschehen, daſs die Füllungen zwischen
Platten, die sich fortbewegen, eingesetzt werden. Das so erhaltene
Produkt wird gut vorgewärmt in einem Flammofen oder auch in einem
Kupolofen für sich allein oder auch mit Roheisen zu Guſsstahl ge-
schmolzen. Bemerkenswert ist aber bei diesem Patent, daſs das
Eisen, welches er der Cementation unterwirft, mehr gefeint sein
soll, als dies sonst üblich ist und dabei doch noch flüssig
bleiben soll. Hier sehen wir den Anfang des Weges, der Bessemer
zu seiner groſsen Erfindung führte. In der Patentbeschreibung heiſst
es wörtlich, „folgende Substanzen sollen durch Cementation in Stahl
verwandelt werden: 1. Kleine Stücke von gefrischtem oder gefeintem
Eisen, welche man dadurch erhält, daſs man den Feinprozeſs (refining
process) in einem Feineisenfeuer (finery furnace) weiter als ge-
wöhnlich treibt (am besten mit Holzkohle) und das so erzeugte
flüssige Metall in Formen mit Abteilungen gieſst, welche das
nachherige Zerbrechen erleichtern; 2. Puddeleisen, welches man
in einem Puddelofen erhält, wenn man das Metall so lange darin
behandelt, bis es in eine unzusammenhängende Masse, ähnlich wie
Sand, verwandelt ist“ u. s. w.
Ganz denselben Weg verfolgte Bessemer noch in seinem zweiten
Patent vom 18. Juni 1855 (Nr. 1384), in dem ein verbesserter Stahl-
schmelzofen beschrieben ist.
Ein ganz anderes Verfahren enthalten dagegen die folgenden
wichtigen Patente vom 17. Oktober 1855, Nr. 2319, 2321 und 2323.
Das erste derselben bezieht sich auf die Herstellung von Eisenbahn-
schienen aus Guſs- oder Fluſsstahl oder Fluſseisen. Dieses wird in
Formen gegossen, die den herzustellenden Schienen ähnlich sind, so
daſs sie nur noch des Fertigwalzens bedürfen.
Der Patentanspruch bezieht sich „auf das Gieſsen von entkohltem
oder teilweise entkohltem Eisen in Formen, um Ingots zu erhalten,
die zu Eisenbahnschienen ausgewalzt werden“. Das dritte Patent
[912]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Nr. 2323 ist dem ersten ähnlich und bezieht sich auf die Herstellung
von Balken- und Trägereisen aus in entsprechenden Guſsformen ge-
gossenem Guſsstahl. Dabei wird aber gröſserer Wert auf die stahl-
artige Natur des angewendeten Metalls gelegt und das Walzen von
Eingüssen, „die mehr Kohlenstoff als gewöhnliches Stab- oder Platten-
eisen, aber weniger als Stahl enthalten“, mit einbegriffen. Von viel
gröſserer Wichtigkeit ist aber das zweite Patent vom 17. Oktober
1855 (Nr. 2321), welches sich auf den eigentlichen Bessemerprozeſs
bezieht und denselben bereits klar und deutlich beschreibt. Das
Patent bezweckt die Herstellung von Guſsstahl und die Beschreibung
beginnt folgendermaſsen: Ströme von Luft oder Dampf oder beiden,
am besten stark erhitzt, sollen zwischen die Teilchen von geschmolzenem
Guſs- oder Feineisen durchgepreſst werden, bis das Metall, während
es noch flüssig bleibt, die Eigenschaften des Guſsstahls angenommen
hat, worauf es in Formen gegossen wird, um Blöcke (ingots), geschickt
zum Hämmern, Walzen oder um andere Artikel zu bilden, zu erhalten.
Der Prozeſs kann in Öfen oder in Tiegeln, wie sie beim Guſsstahl-
schmelzen gebräuchlich sind, ausgeführt werden. Er empfiehlt und
beschreibt einen von ihm konstruierten Schmelzofen, in dem eine
Anzahl Schmelztiegel gleichzeitig eingesetzt werden können. Das
flüssige Roheisen wird in die Tiegel laufen gelassen und alsdann ge-
preſste Luft durch ein Rohr, welches von oben in das Metall ein-
gesteckt wird, durchgepreſst. Der Sauerstoff der Luft oder des
zersetzten Wasserdampfes vereinigt sich rasch mit dem Kohlenstoff.
Den Verlauf des Prozesses kann man nach den Funken und der aus-
strömenden Flamme, sowie nach Schöpfproben beurteilen. Da Dampf
zu sehr abkühlt, so soll man ihn nur zu Anfang, wenn das Eisen
noch reich an Kohlenstoff ist, anwenden, der Wasserstoff verbindet
sich dann mit dem Schwefel. Später wendet man nur Luft an, wodurch
eine starke Temperaturerhöhung eintritt. Die Tiegel haben unten
Ablaſsöffnungen, die von unten verschlossen sind und in Pfannen oder
Formen, welche auf einem fahrbaren Gestell, das unter dem Schmelz-
ofen herfahren kann, stehen, sich entleeren.
In dem folgenden wichtigen Patent Nr. 2768, das am 7. Dezember
1855 angemeldet wurde, beschreibt Bessemer zwei verschiedene
Verfahren zur Ausführung seiner Erfindung. Das erste ist mehr den
bestehenden Verhältnissen, insbesondere dem Puddelbetrieb, angepaſst
und auf Massenproduktion berechnet. Es zerfällt in zwei Operationen,
in Vorfrischen und Fertigmachen. Das Vorfrischen soll in gröſseren,
aus starkem Eisenblech hergestellten, mit feuerfestem Thon aus-
[913]Henry Bessemer und seine Erfindung.
gekleideten Gefäſsen (Fig. 315 bis 317) geschehen. Die Gefäſse sind in
Achsen gelagert und drehbar, ähnlich den groſsen Gieſspfannen (ladles),
doch sind sie bis auf eine oder zwei Öffnungen geschlossen. Es waren
dies die Vorläufer der Bessemerbirnen oder Konverter. In diesen erfolgt
das Vorfrischen oder Feinen durch Einpressen von Luft durch ein
Rohr aus feuerfestem Thon, oder aus Eisen mit Thon umkleidet, ohne
Anwendung von Brennmaterial. Zu diesem Zweck soll das Gefäſs
nahe dem Stichloch eines Hochofens aufgestellt und beim Abstich das
flüssige Eisen hineingeleitet werden, worauf dann sofort durch das
Rohr Wind durchgepreſst wird. Das Eisen wird dadurch gereinigt,
bleibt aber flüssig, so daſs es in geeignete Formen gegossen werden
kann. — Diese Guſsstücke werden dann einer zweiten Reinigung
unterworfen, indem sie in einem Puddelofen mit groſser Rostfläche
Beck, Geschichte des Eisens. 58
[914]Henry Bessemer und seine Erfindung.
und vertieftem Herd (Fig. 318 bis 320) eingeschmolzen werden und
durch Formen, die seitlich oder am Boden angebracht sind, ebenfalls
wieder Wind durch das flüssige Metall gepreſst wird. Gleichzeitig
arbeitet der Puddler die Masse durch und formt sie dann in Luppen,
die wie üblich weiter behandelt werden; nur soll das Ausheizen oder
Schweiſsen der Blöcke, um nachträgliche Verunreinigung durch die
Feuergase zu vermeiden, in geschlossenen Thonretorten, die in einem
Flammofen liegen, geschehen.
Man kann aber auch
den ganzen Frischpro-
zeſs, und dieses ist das
zweite Verfahren, in
einem zu Ende führen.
Es geschieht dies in
einem Tiegel (Fig. 321),
ähnlich dem oben be-
schriebenen, nur
gröſser, so daſs er mehrere Centner Eisen faſst, das in einem Windofen,
in dem es rings von Koks umgeben ist und in dem durch eine hohe Esse
eine groſse Hitze erzeugt werden kann, eingesetzt wird. Ist der Eisen-
einsatz geschmolzen, so wird das Windrohr eingeführt und das Wind-
frischen erfolgt, wie oben geschildert. Es erfolgt ein heftiges Aufkochen
der Masse, wobei lebhaft Flammen, Funken und Schlacken aus den
Öffnungen des Deckels entströmen. Nachdem die Operation etwa eine
halbe Stunde gedauert hat, „vermindert sich die Flamme und zeigt
dadurch dem Arbeiter an, daſs der Prozeſs vollendet und das Roh-
eisen in fast reines Schmiedeeisen verwandelt worden ist“. Über die
Anwendung des Dampfes, das Abstechen, Gieſsen, Hämmern und
Walzen werden die früheren Angaben wiederholt. „Das entkohlte
Metall kann auch zum Guſs von Gegenständen verwendet werden,
[915]Henry Bessemer und seine Erfindung.
die geschmiedet und
gewalzt werden kön-
nen. Verlangen diese
Güsse ein kohlenstoff-
reicheres Eisen, so
kann der Kohlenstoff
dem Metall durch Ein-
leiten von kohlenstoff-
reichen Gasen oder
durch Eintauchen koh-
lenstoffhaltiger Sub-
stanzen, wie trockenes
Holz, beigebracht wer-
den. Fluſsmittel, be-
sonders Soda oder
Pottasche, können mit
dem Wind eingeblasen
werden.“
Das darauf folgende
Patent Nr. 44 vom
4. Januar 1856 be-
zweckt eine Verbesserung des Vor-
frischens oder Feinens, das bis zur
Umwandlung in flüssigen Stahl
fortgesetzt werden soll. Dies soll
dadurch erreicht werden, daſs das
Eisen in fein verteiltem Zustande
der Wirkung eines Windstromes
ausgesetzt wird. Die Ausführung
geschieht in kleinen Kupolöfen,
58*
[916]Henry Bessemer und seine Erfindung.
die übereinander stehen, so daſs das geschmolzene Metall des einen
Ofens in den anderen flieſsen kann. Das flüssige Eisen soll hierbei
entweder auf einen Stein aufprallen oder durch glühende Koks flieſsen,
in beiden Fällen wird das Metall dadurch verteilt (scattered) und in
einem Regenschauer (in a shower) durch
das hocherhitzte Brennmaterial und den
Windstrom (blast of air) fallen. Das sich
ansammelnde Metall bleibt ebenfalls noch
der entkohlenden Wirkung des gepreſsten
Windes ausgesetzt. Nach einer anderen verbesserten Anordnung soll
man zwei bewegliche Kupolöfen anwenden, welche durch ein hydrau-
lisches Hebewerk (Plunger) hoch und tief gestellt werden können, so
daſs abwechselnd das geschmolzene Metall des einen Ofens in die Gicht
des anderen Ofens flieſsen kann, bis das Metall genügend entkohlt ist.
[917]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Die Windröhren müssen hierbei beweglich sein. In Fig. 325 ist diese
Anordnung dargestellt. Weiterhin schlägt Bessemer für denselben
Zweck rotierende Öfen vor und zwar:
1. Einen cylindrischen oder kugelförmigen Ofen aus Kesselblech
(Fig. 322 bis 324, S. 915) mit feuerfesten Ziegeln und Thon ausgekleidet,
der sich um eine hohle horizontale Achse dreht. Durch die eine hori-
zontale Achse tritt der Wind ein, durch die andere wird Brennmaterial
und das geschmolzene Metall eingelassen. Durch die Drehbewegung
wird das flüssige Metall an den Wänden in die Höhe gehoben und fällt
dann durch das glühende Brennmaterial, wodurch es erhitzt und
gleichzeitig der Wirkung des Windes ausgesetzt wird. Das Empor-
heben des Metalls kann durch Rippen im Ofen befördert werden.
2. Einen cylindrischen Ofen (Fig. 326), der sich um eine vertikale
Achse dreht, indem er in Spindeln, welchen durch ein Zahnradgetriebe
eine rasche Drehbewegung mitgeteilt wird, läuft. Der Wind wird durch
[918]Henry Bessemer und seine Erfindung.
die hohle Spindel oder durch Düsen dicht um die Spindel eingeführt.
Durch die Drehbewegung steigt das flüssige Metall an den Wänden
auf und bietet dem Winde eine groſse Oberfläche dar. Ebenso wird
das glühende Brennmaterial durch die Centrifugalkraft wider diese
gehobene Schicht flüssigen Eisens angedrückt und teilt diesem seine
Hitze mit. Durch die raschere oder langsamere Drehbewegung kann
man die Einwirkung regulieren und immer neue Oberflächen derselben
aussetzen. Es lassen sich auch noch Windröhren am Boden oder an
den Seiten anbringen, wodurch die Luft durch das Metall hindurch-
gepreſst wird.
Die Figuren 326 bis 331 (a. v. S.) zeigen verschiedene Konstruktionen
Bessemers1). Im allgemeinen ist also in diesem Patent mehr die
Wirkung des Windes auf die Oberfläche betont. Um besseren Stangen-
stahl zu erzeugen, sollen die aus dem entkohlten Metall erzeugten
Stäbe cementiert und ausgewalzt werden.
Am 12. Februar 1856 nahm Bessemer ein neues wichtiges Patent
(Nr. 356) 2). In diesem kehrt der Erfinder wieder zu dem Durchblasen
des Windes durch das flüssige Roheisen zurück und versichert hierbei
zum erstenmal bestimmt, daſs hierdurch eine so groſse Wärme ent-
wickelt werde, daſs kein Brennmaterial mehr erforderlich sei 3). Das
Schmelzgefäſs, das er empfiehlt, hat einen cylindrischen Blechmantel
und hängt in hohlen Achsen, durch welche der Wind den Thon-
formen zugeführt wird. Die Ausströmungsöffnung für die Gase soll
so gewunden sein, daſs das in die Höhe geschleuderte Metall wieder
zurückfällt. Das Ausgieſsen geschieht aus derselben Öffnung durch
Kippen des Gefäſses, was ähnlich wie bei Nasmyths Guſspfannen
durch eine Schraube (worm), die in ein an der Achse angebrachtes
Zahnrad eingreift, bewirkt wird. Die Operation dauert eine halbe
Stunde und wird ihr Verlauf nach der Flamme beurteilt. Die Köpfe
der Eingüsse sind oft blasig. Man schneidet diese blasigen Teile ent-
weder ab und schmilzt sie bei einer folgenden Charge mit um, oder
man bearbeitet sie vor dem Auswalzen unter einem Quetschwerk oder
einem Dampfhammer.
In Fig. 332 (a. v. S.) ist der von Bessemer beschriebene Apparat
in verschiedenen Ansichten und Stellungen wiedergegeben, in dem
sich die charakteristischen Eigentümlichkeiten des späteren Konverters
bereits vorfinden, die Aufhängung in gelagerten Achsen, die Zu-
führung des Windes durch die hohle Achse und der Eintritt des
Windes am Boden des runden Gefäſses durch eingesetzte Formen aus
feuerfestem Thon. Auf der anderen Seite zeigt die Konstruktion
noch eine gewisse Unbeholfenheit, namentlich hinsichtlich der Dreh-
bewegung des Konverters, der, um entleert zu werden, ganz herum-
geschwenkt werden muſs, was bei gröſseren Einsätzen einen groſsen
Kraftaufwand erfordern würde.
Auch in diesem Patent formuliert Bessemer nochmals den
Grundgedanken und das Wesentliche seiner Erfindung 1), welche darin
bestehe, daſs Ströme von Sauerstoff (in atmosphärischer Luft oder
sonstwie) auf eine Masse von flüssigem Roh- oder Guſseisen in
geeigneten Gefäſsen und ohne Verwendung von Brennmaterial ein-
wirken und sie in flüssigen Stahl oder Schmiedeeisen umwandeln. Da
die Guſsblöcke häufig blasig werden, so müssen sie nach Bessemer
unter Luppenpressen oder Hämmern bei Schweiſshitze behandelt
werden, um die Wände der Hohlräume zusammenzudrücken und zu
schweiſsen.
Um feinere Stahlsorten zu erzeugen, solle man das entkohlte
Metall in Wasser gieſsen, die Granalien in aufrechtstehenden Retorten
cementieren und den cementierten Stahl in Tiegeln zu Guſsstahl um-
schmelzen.
In dem folgenden Patent vom 15. März 1856 sind verschiedene
Methoden der Ausführung von Bessemers Prozeſs besprochen und
zwar unter Benutzung der in der Eisenindustrie gebräuchlichen Schmelz-
öfen. Es wird vorgeschlagen, die Operation im Herd des Hochofens,
im Kupolofen oder im Frischherd (Feineisenfeuer) vorzunehmen, wobei
man nur noch besondere Blaseformen für das Durchblasen des Windes
durch das flüssige Eisen anbringen müsse. Auſserdem giebt er neue
Konstruktionen von geschlossenen Öfen an, die wir zum Teil später be-
schreiben werden. Da leicht ein Übergaren stattfindet, so schlägt
Bessemer vor, nach Beendigung des Prozesses gekohlte Gase durch-
[921]Henry Bessemer und seine Erfindung.
zuleiten oder das flüssige Metall mit einer Holzstange durchzurühren,
zu polen, wie bei dem Kupfergarmachen, um das etwa gebildete
Oxyd wieder zu reduzieren. Je nachdem man kohlenstoffreichere oder
kohlenstoffärmere Gase einleitet, oder länger oder kürzer polt, soll
man Stahl oder Schmiedeeisen erhalten. Hier ist also schon ein
Überblasen, d. h. die völlige Entkohlung, vorausgesetzt. Bessemer
schlägt auch unter anderem vor, um dichte Güsse zu erhalten, den
unteren Teil des Ofens mit dem unteren Teil der Form so zu ver-
binden, daſs die Eingüsse aufsteigend gegossen werden. Die Formen
der Ingots und des Gerinnes sollen aus zwei Hälften zusammengesetzt
sein, die durch Zapfen und Bolzen zusammengehalten werden. Man
könne auch die luftdicht schlieſsenden Formen mit einer Luftpumpe
luftleer machen und dann das flüssige Metall darin aufsteigen lassen,
wodurch ebenfalls die Blasen vermieden würden.
Über die weitere Behandlung der Guſsblöcke (Ingots) nahm
Bessemer ein besonderes Patent am 31. Mai 1856 (Nr. 1290). Er
wendet zum Auswalzen der Blöcke, die krystallinisch und oft blasig
sind, statt der gewöhnlichen Walzen, unter denen sie leicht brechen,
excentrische Walzensegmente von sehr groſsem Durchmesser an, deren
kannelierte Arbeitsflächen aus Hartguſs oder Stahl bestehen 1).
Diese Walzensegmente erhalten eine hin- und hergehende Be-
wegung und können durch hydraulischen Druck oder Schrauben ein-
ander genähert werden, während der Block rückwärts und vorwärts
durchgewalzt wird. Zwischen diesen Segmenten werden die Blöcke
besser gezängt und dicht gemacht, als zwischen Walzen. Auch sollen
die Walzen so konstruiert sein, daſs die Streckung genau reguliert
und zu starker Druck vermieden werden kann, wofür Bessemer eine
besondere Konstruktion und besondere Vorkehrungen für den Guſs
der Walzen angiebt 2).
Unter demselben Datum nahm Bessemer ein zweites Patent
(Nr. 1292) für die Fabrikation von Eisen und Stahl nach seinem
Verfahren. In diesem beschreibt er eine andere Ofenkonstruktion.
Ein eiserner Cylinder ist mit feuerfesten Formsteinen der Art aus-
gemauert, daſs die senkrechten Wände oben zu einer Kuppel mit einer
engen Öffnung in der Mitte zusammengezogen sind (Fig. 333 a. f. S.);
die Öffnung führt in eine trichterförmige Kammer, welche durch eine
gewölbte Decke verschlossen ist. Am Boden des unteren Gefäſses
[922]Henry Bessemer und seine Erfindung.
mündet eine Anzahl Formen aus feuerfestem Thon, durch welche der
Wind durch das flüssige Roheisen gepreſst wird. Durch die Aufgebe-
öffnung in der oberen Kammer sollen Schmiedeeisenabfälle aufgegeben
werden, welche in der ungeheuren Hitze der ausströmenden Flamme
schmelzen und sich mit dem Metall in dem Konverter („converting
vessel“) vermischen. Auf diese Weise wird zugleich ein Teil der ent-
wickelten Wärme ausgenutzt. Durch Sauerstoff kann man, wenn nötig,
die Hitze sehr steigern. Fluſsmittel und Zu-
schläge können eingeblasen oder oben durch
den Trichter eingetragen werden. Mit einem
solchen feststehenden Konverter führte Besse-
mer seine Versuche auf seinem Werke zu St.
Pancras im Sommer 1856 aus.
Für groſse Eingüsse giebt Bessemer in
demselben Patent eine Guſsform an, deren
Boden aus einem hydraulischen Preſskolben
besteht. Das Metall wird aus der am Boden
befindlichen Öffnung einer Guſspfanne ein-
strömen gelassen. Sobald die Metallmasse er-
starrt ist, wird der ganze Block mittels des Preſs-
kolbens aus der Form emporgepreſst und kann
so in voller Glut unter den Hammer oder die
Walze gebracht werden. Der Preſskolben kann
auch dazu dienen, die noch weiche Metallmasse in der Form zusammen-
zupressen, wobei sie mit einem starken Deckel oben verschlossen
werden muſs. Um dichte Güsse zu erhalten, gieſst Bessemer unter
starkem Gasdruck.
Am 16. August 1856 hielt dann Henry Bessemer seinen be-
rühmten Vortrag in Cheltenham. Aus den angeführten Patenten geht
deutlich hervor, wieviel Arbeit, Zeit und Geld er bereits für seine Er-
findung geopfert hatte. Er durfte wohl überzeugt sein, daſs er auf
dem rechten Wege war, daſs seine Erfindung eine groſse Zukunft
haben würde und in dieser siegreichen Gewiſsheit verkündigte er sie
der erstaunten Welt. Aber er war noch nicht am Ziel; sein Verfahren
war trotz aller Erfolge noch im Versuchsstadium; er unterschätzte die
Schwierigkeiten, welche der Ausführung im Groſsen entgegenstanden.
Bessemer hat selbst später einmal geäuſsert, wenn er Eisenhütten-
mann von Fach gewesen wäre, hätte er die Erfindung nicht gemacht.
Das meinte er deshalb, weil er dann die enormen Schwierigkeiten,
welche sich der praktischen Durchführung seiner Erfindung entgegen-
[923]Henry Bessemer und seine Erfindung.
stellten, deutlicher vorausgesehen und dann schwerlich den Mut für
das Unternehmen gehabt hätte.
Nach Abhaltung seines Vortrages zu Cheltenham nahm Bessemer
im Laufe des Jahres 1856 noch vier weitere Patente 1), die aber zum
Teil von dem Grundgedanken abweichen. Das erste, vom 19. August
1856, bezieht sich auf eine Kombination seines pneumatischen Prozesses
mit dem Puddelprozeſs. Er bedient sich dazu eines gewölbten Ofens
mit zwei Abteilungen; in der einen wird das Roheisen durch Durch-
pressen von Luft entkohlt, wobei ein Zusatz von Eisenoxyd oder
Garschlacke von der vorhergehenden Operation empfohlen wird. Das
entkohlte Eisen wird dann in die andere Abteilung abgestochen und
hier umgerührt, bis es anfängt fest zu werden, worauf es in Luppen
geteilt wird. Diese Arbeit kann auch durch Maschinenkraft ausgeführt
werden, wenn man die zweite Abteilung beweglich macht, als Drehofen.
Das folgende Patent, vom 25. August 1856, bezieht sich haupt-
sächlich auf einen Gasschmelzofen für Kohleneisensteine und ist für
die Geschichte der Erfindung des Bessemerprozesses ohne Bedeutung.
Am 4. November 1856 lieſs sich Bessemer ein Patent erteilen
für die Fabrikation von Eisenbahnschienen aus sehnigem Puddeleisen
und Fluſseisen oder Fluſsstahl und zwar in der Weise, daſs die Puddel-
stäbe in die Form eingelegt werden und das entkohlte flüssige Metall
dann darüber gegossen wird. Die so gebildeten Pakete werden dann
zu Schienen gewalzt. Doch könne man auch das Bessemermetall
erst zu Stäben auswalzen und diese mit Puddelrohschienen paketieren.
Von gröſserer Wichtigkeit ist das Patent vom 10. November
1856. Es bezweckt eine besondere Reinigung des Roheisens durch
heftiges Umschütteln mit flüssiger Schlacke oder anderen Reinigungs-
mitteln. Das Umschütteln geschieht in einem mit feuerfesten Steinen
ausgekleideten cylindrischen Kessel durch eine rasche Schaukel-
bewegung, welche dadurch bewirkt wird, daſs das Gefäſs mit der
Kolbenstange eines Dampfcylinders verbunden ist. Dieser Schüttel-
prozeſs (agitating process) kann in sich abgeschlossen sein und liefert
dann gereinigtes Guſseisen oder er ist die Vorbereitungsarbeit zu
dem Entkohlungsprozeſs (decarbonizing process), dem eigentlichen
[924]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Bessemern. Letzterer kann in einem besonderen Gefäſse oder auch
in demselben mit dem Schüttelprozeſs abwechselnd ausgeführt werden.
Roheisen aus reinen Erzen oder solches, welches Mangan enthält, ist
vorzuziehen. Für den Entkohlungsprozeſs empfiehlt Bessemer die
Anwendung eines auf dem Metall schwimmenden Ziegelsteines zur
Zurückhaltung der strahlenden Wärme. Ferner schlägt er vor, das
Fluſseisen nach dem Ausgieſsen in die Form umzurühren, bis es fest
wird, oder erst flüssige Schlacke in die Form zu schütten und hier-
auf das Metall so zu gieſsen, daſs es in Tropfen- oder Körnerform
in die Schlacke gelangt und mit dieser dann ein inniges Gemenge
bildet. Dieses Gemenge wird dann gepreſst oder erhitzt und aus-
gewalzt. Auch diese Operation bezweckt eine weitere Reinigung des
Metalls.
In einem anderen Patent vom 18. November 1856 tritt der Gedanke
des eigentlichen Bessemerns in den Hintergrund und beschreibt das
Patent ein kombiniertes Puddelverfahren in einem Ofen, welcher
gleichzeitig drei Herde enthält: auf dem einen wird gepuddelt, auf
dem anderen wird Roheisen eingeschmolzen und gefeint und auf dem
dritten wird eine künstliche Garschlacke erzeugt.
Wir sehen, daſs die Patente, welche Bessemer nach seinem
Vortrage in Cheltenham nahm, sich mehr von dem eigentlichen Wind-
frischen entfernen. Der Grund hiervon lag darin, daſs die Versuche,
welche alsbald nach Bessemers Vortrag in gröſserem Maſsstabe aus-
geführt wurden, doch auch den Erwartungen Bessemers nicht ent-
sprachen. Sie waren eine Enttäuschung nicht nur für die hoch-
gespannten Hoffnungen des Publikums, sondern auch für Bessemer
selbst. Deshalb lieſs er den Gedanken, daſs sein Verfahren den
Puddelprozeſs ersetzen und verdrängen sollte, einstweilen teilweise
fallen und suchte ihn mit dem Puddelprozeſs zu verbinden. Es waren
dies Zugeständnisse, die er dem herrschenden Vorurteil machte.
Nach dem Vortrag Bessemers an der British Association ver-
breitete sich rasch die Nachricht von der neuen Erfindung in Europa
und Amerika. Auf vielen Hüttenwerken machte man Versuche mit
dem scheinbar so einfachen Prozeſs, und auf den meisten Werken
miſslangen dieselben. Der Grund lag darin, daſs man die Versuche
fast überall mit ganz ungenügenden Hülfsmitteln, namentlich mit viel
zu schwachen Gebläsen und zu kleinen Einsätzen ausführte. Ein
anderer Grund lag darin, daſs man jede beliebige Sorte Roheisen dazu
nahm und von dem schlechtesten Roheisen besten Stahl erwartete.
Bessemer selbst hatte bis dahin keine genügende Erfahrung ge-
[925]Henry Bessemer und seine Erfindung.
sammelt, wie sich die verschiedenen Roheisensorten bei seinem Ver-
fahren verhielten. Durch glücklichen Zufall mehr als durch Über-
legung hatte er von Anfang an eine sehr reine und für seinen Prozeſs
geeignete Roheisensorte gewählt. Es war dies kalt erblasenes, graues
Roheisen von den Bleanavon-Works. Als man nun geringere Eisen-
sorten der Operation unterwarf, fiel auch das Produkt sehr mangel-
haft aus.
Bessemer glaubte mit seinem Prozeſs guten Werkzeugstahl für
die Sheffielder Stahlindustrie liefern zu können: dies war das Ziel,
das ihm in früheren Jahren vorschwebte und sein Vortrag muſste den
Glauben erwecken, daſs ihm dies gelungen sei. Da nun das Produkt,
welches bei den Versuchen zustande kam, von gutem Guſsstahl noch
sehr weit entfernt war, so war das hüttenmännische Publikum schnell
fertig mit seinem Verdammungsurteil. Dazu kamen noch persönliche
Interessen. Der ganze Puddelprozeſs und damit alle Puddelwerke
schienen durch Bessemers Erfindung, wenn sie sich bewährte, in
ihrem Bestande bedroht. Daſs diese mächtige Industrie, in welcher
damals der Schwerpunkt der Stabeisenbereitung lag, sich von vorn-
herein feindlich dem neuen Verfahren gegenüberstellte, war erklärlich,
und indem sie dasselbe bemängelte und verkleinerte, handelte sie zum
Teil aus Notwehr. Nur hieraus läſst sich die gehässige Stimmung ver-
stehen, welche die Industriellen der neuen Erfindung entgegenbrachten.
Der schlechte Erfolg einiger mangelhafter Versuche genügte in den
meisten Fällen, den Stab über das Verfahren zu brechen. Namentlich
war dies in England der Fall. Geduld und guten Willen zeigte hier
eigentlich nur Bessemer selbst.
Indessen fielen auch in England nicht alle Versuche schlecht
aus. Auf dem groſsen Eisenwerk zu Dowlais, deren Besitzer mit
Bessemer in ein Vertragsverhältnis getreten waren, erzielte man mit
den Versuchen nach des Erfinders Angaben ganz gute Erfolge. Die
Ebbw-Vale-Gesellschaft nahm dagegen eine feindliche Stellung ein.
Ihre Versuche mit dem neuen Verfahren waren nicht günstig aus-
gefallen, auſserdem hatten sie das Patent des Amerikaners Martien
erworben, um es auszubeuten oder, wie andere Stimmen behaupteten,
um damit Bessemers Patent zu umgehen.
Versuche in den Werkstätten der britischen Nordbahn und auf
dem Hüttenwerk St. Pancras waren gleichfalls ungünstig ausgefallen.
Den gröſsten Einfluſs auf das englische Urteil übten aber die Ver-
suche, die seitens der Regierung zu Woolwich mit dem Bessemer-
stahl gemacht wurden. Diese Versuche wurden schon sehr bald nach
[926]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Bessemers Vortrag ausgeführt und bereits am 13. September 1856
veröffentlichte das Mining Journal einen Bericht über dieselben 1).
Die chemische Untersuchung des von Bessemer dargestellten
und gelieferten Metalls fiel nicht ungünstig aus, insofern dasselbe als
ziemlich rein gefunden wurde. Es enthielt 0,3 Proz. Kohlenstoff, keinen
Graphit, kein Silicium, 0,48 Proz. Phosphor und 0,056 Proz. Schwefel.
Das sehr reine Bleanavon-Roheisen, aus dem es bereitet war, ent-
hielt selbst nur 0,48 Proz. Phosphor und 0,062 Proz. Schwefel, woraus
hervorging, daſs nahezu der ganze Phosphor und Schwefel bei dem
Eisen geblieben war. Die mechanischen Proben, welche zu Woolwich
mit dem entkohlten Eisen Bessemers angestellt wurden, fielen
dagegen wenig günstig aus. Die unter dem Dampfhammer aus-
geschmiedeten Blöcke waren im Bruch glänzend krystallinisch und
porös. Das Eisen walzte sich schwer und zeigte nach dem Walzen
noch denselben Bruch. Auch wiederholtes Schmieden und Schweiſsen
erzeugte keine Sehne; es blieb krystallinisch und erschien teilweise
oxydiert. Aus diesem Verhalten folgerte man, daſs das Bessemereisen
vielleicht für manche Zwecke das Guſseisen, nicht aber das Schmiede-
eisen ersetzen könne.
Auf dieses ungünstige Ergebnis stützte E. D. Hearne sein ab-
fälliges Urteil, indem er Bessemer die Originalität der Erfindung
absprach, welche eine Nachahmung des Verfahrens von Jos. Gilb.
Martien aus New Jersey sei und über das erzielte Produkt er sich
dahin äuſserte: Herr Bessemer erzeugt trotz seiner Erwartung, ohne
Feuer zu arbeiten, nichts als ein krystallinisches und zerbrechliches
Eisen, dessen Wert nicht viel gröſser ist, als das bei seinem Versuche
verwendete Roheisen.
Dieses voreilige, ungerechte Urteil wurde von dem englischen
Publikum, nachdem sich die ersten übertriebenen Erwartungen nicht
sofort erfüllt hatten, als richtig angenommen, und Henry Bessemer
erschien danach fast in dem Lichte eines Charlatans oder gar eines
Schwindlers. Selbst hervorragende Autoritäten, wie der Stahlfabrikant
Karl Saunderson zu Sheffield und Truran zu Dowlais, verurteilten
den Bessemerprozeſs. Saunderson sagte, das entkohlte Produkt habe
weder die Eigenschaften des Schmiedeeisens, noch weniger die des
Guſsstahls. Es könne nicht geschmiedet, keine Nadel, keine Feile
daraus gemacht werden, kurz, es werde niemals den Handelswert des
Stahls erlangen. Bessemers Produkt sei ein entkohltes Roheisen,
[927]Henry Bessemer und seine Erfindung.
aber kein Stahl. Ebenso urteilte Truran, der auſserdem der Er-
findung die Originalität absprach.
Im Auslande ging es dem Erfinder meist nicht besser. In Frank-
reich veröffentlichte Pion einen ungünstigen Bericht über den Bessemer-
prozeſs. Er behauptete, daſs nach Versuchen, die in Wales gemacht
worden seien, der Abbrand nicht 12,5, wie Bessemer angäbe, sondern
40 Proz. betragen habe. Er selbst hätte Versuchen beigewohnt, die
zu Ebbw-Vale in einem kleinen Kupolofen mit zwei Öffnungen zum
Eintragen des Eisens und zwei Öffnungen für den Austritt der Flamme,
sieben Düsen am Boden und seitlichem Abstich gemacht worden waren.
Nach 2 Minuten wäre die Reaktion sehr deutlich eingetreten. Das
Ausströmen der Funkengarben dauerte etwa 10 Minuten, der ganze
Versuch nahm etwa 18 Minuten in Anspruch. Das Erzeugnis war
ein Eisen von mittelmäſsiger Qualität, das bei 40 Proz. Abbrand sehr
teuer zu stehen kam. Pion bemerkt übrigens, daſs man schlechtes
Roheisen zu dem Versuch verwendet hätte. Versuche zu Dowlais
sollen aber noch schlechter ausgefallen sein. Die Hitze entstehe
durch verbrennendes Eisen. Kein Ofen habe mehr als drei Chargen
ausgehalten.
Diesem ungünstigen Urteil von Pion schloſs sich der französische
Metallurg Gruner damals an, der den Prozeſs verwarf, weil die Hitze
durch verbrennendes Eisen erzeugt und der Phosphor- und Schwefel-
gehalt des Roheisens nicht entfernt würde, weshalb man aus den
gewöhnlichen Roheisensorten nie ein brauchbares Produkt erhalten
könne.
Die zu Cère (Dep. des Landes) in Frankreich angestellten Ver-
suche hatten auch kein befriedigendes Resultat gegeben.
In Belgien fielen Proben mit Bessemermetall ungünstig aus; es
erwies sich als faulbrüchig. Die Versuche, welche Margesson, der
Inhaber des Privilegiums für Belgien, auf der Hütte zu Esperance
anstellte, sollen dagegen befriedigende Resultate ergeben haben.
Der belgische Ingenieur Gillon veröffentlichte eine längere
Arbeit über Bessemers Erfindung, in welcher er zu dem Schluſs
kommt, daſs das Frischen des Eisens bei diesem Verfahren nur ein
ganz unvollkommenes sei und daſs alle Unreinigkeiten des Roheisens
in dem Metall blieben; daſs es sehr schwer sei, ein bestimmtes
Produkt zu erzielen und daſs das erhaltene Produkt sowohl durch
seine chemische wie seine physikalische Beschaffenheit, seine Unreinheit
und seine körnige Struktur schlecht sei. Ein Hauptnachteil des
Prozesses sei, daſs er ohne Schlacke und viel zu rasch verlaufe, einerlei
[928]Henry Bessemer und seine Erfindung.
ob das Eisen gut oder schlecht sei. Die Unreinigkeiten hätten nicht
Zeit, sich abzuscheiden. Das Produkt sei ein verbranntes Eisen. Die
wenige Schlacke, die dabei auftrete, sei durch das Schmelzen des Ofen-
futters entstanden. Er giebt auch einen Abbrand von 40 Proz. an
und meint, daſs das Verfahren höchstens den Feinprozeſs ersetzen
könne, wie dies schon Martien gethan.
In Deutschland hatte man nur sehr oberflächliche Versuche auf
einigen Werken im Rheinlande und Westfalen und auf der Königshütte
in Schlesien gemacht. Überall wendete man keinen stärker gepreſsten
Wind an, als ihn das Hochofengebläse lieferte. Aus diesem Grunde
blieben z. B. die Versuche zu Königshütte erfolglos. Diese ungenügenden
Versuche reichten aber aus, um in das allgemeine Verdammungsurteil
mit einzustimmen, welchem F. Bädecker in einem im Dezember 1856
in Westfalen gehaltenen Vortrage Ausdruck verlieh. Er behauptete,
die durch die Verbrennung des Kohlenstoffs im Roheisen entwickelte
Wärme reiche bei weitem nicht aus, das Eisen flüssig zu erhalten,
dies müsse durch Verbrennen von Eisen geschehen, was den ganzen
Prozeſs verwerflich mache. Gegen diese Schlagwörter, welche haupt-
sächlich von Frankreich ausgegangen waren, trat noch im Jahre
1856 der Deutsche C. Schinz in Philadelphia auf, der im Gegensatz
zu der technischen Presse der Vereinigten Staaten, welche an der
neuen Erfindung kein gutes Haar lieſs 1), für Bessemer eintrat, indem
er rechnungsmäſsig nachwies, daſs die durch die Verbrennung des
Kohlenstoffs entwickelte Wärme, welche unter den denkbar günstigsten
Bedingungen erfolge, eine sehr bedeutende sei und voll zur Wirkung
komme. Er berechnet, daſs, wenn bei dem Prozeſs 2½ Proz. Kohlen-
stoff zu Kohlenoxydgas und 10 Proz. Eisen zu Eisenoxyd verbrenne,
eine Temperaturerhöhung der Schmelzmasse von 953° C. entstehe,
welche durchaus hinreichend sei, um das entkohlte Eisen flüssig zu
erhalten. Durch diese geistreiche Arbeit wurde ein sehr wichtiger
Punkt klar gestellt und den Gegnern eine Hauptwaffe entwunden.
Ein allgemeiner Fehler war es, daſs anfangs alle Versuche, die
mit dem Bessemerverfahren gemacht wurden, in viel zu kleinem Maſs-
stabe und mit zu kleinen Mengen vorgenommen wurden. Trotzdem
gaben auch solche mit ruhigem Urteil und ohne Voreingenommenheit
angestellte Versuche nicht immer negative Resultate. So stellte
beispielsweise Dr. Ebermeyer zu Heinrichshütte bei Lobenstein solche
Versuche an. Er baute sich ein kleines Öfchen nach Bessemers
[929]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Beschreibung. Da ihm nur ein Winddruck von 20 bis 24 Zoll Wasser
zur Verfügung stand, durfte sein Eisenbad nur 3 Zoll Höhe haben. Er
nahm 25 Pfund weiſses Roheisen. Unter diesen ungünstigen Bedingungen
war der Erfolg nur ein geringer, doch verkochte das Eisen in der
von Bessemer angegebenen Weise und das Produkt war zum Teil
schmiedbar. Dr. Ebermeyer gewann aus seinem Versuch die Über-
zeugung, daſs der Prozeſs Erfolg verspreche und er empfahl Versuche
im groſsen bei 10 Pfund Winddruck auf den Quadratzoll und eine
Eisensäule von 18 bis 24 Zoll zu unternehmen.
Derjenige Sachverständige, der aber von Anfang an ohne Leiden-
schaftlichkeit und mit klarem Blick die groſse Bedeutung der Er-
findung Bessemers erkannte und dafür eintrat, war Peter Tunner
in Österreich. Er kennzeichnete das Verfahren 1856 als „eine Ver-
feinerung des Roheisens, welche bis zu dessen vollkommener Metall-
natur getrieben und wobei der Brennstoff gespart wird“. Durch seine
Autorität und dadurch, daſs er zuerst die Aufmerksamkeit auf die
erfolgreichen Versuche in Schweden lenkte, hat er viel zur Würdigung
und zum richtigen Verständnis des Bessemerprozesses beigetragen.
Die Versuche in Schweden, welche Goran Fredrik Göranson
im Einvernehmen mit Bessemer zu Garpenberg im Jahre 1856 begann,
sind von der gröſsten geschichtlichen Wichtigkeit für die Entwickelung
des Bessemerprozesses geworden. Ehe wir dieselben aber näher
betrachten, wollen wir erst den weiteren Verlauf der Dinge in England
ins Auge fassen.
Bessemers Vortrag und die Veröffentlichung seiner Erfindung
machte ihn über Nacht zu einem berühmten Manne; sie versetzte
ihn aber auch plötzlich aus dem Zustande friedlichen Forschens
und Experimentierens in den Zustand des Kampfes und zwar eines
heftigen und erbitterten Kampfes, denn wo groſse materielle Interessen
in Frage kommen, wird der Kampf immer mit Leidenschaft geführt.
Bessemer hatte durch seinen Vortrag zu groſse Erwartungen erregt;
dieselben hatten sich nicht erfüllt, das Publikum fühlte sich enttäuscht
und so fand er bei diesem keinen Beistand gegen die allseitigen An-
griffe. Er war allein auf sich und seine Kraft angewiesen. Der geringe
Erfolg, den die Versuche im groſsen hatten, war für ihn selbst eine
Enttäuschung, aber er verzagte nicht, wenn ihm auch manchmal in-
folge des Ansturmes von allen Seiten der Mut sank. Durchdrungen
von der Richtigkeit seines Princips schlug er den richtigsten Weg
ein, indem er jede litterarische Fehde vermied, den persönlichen An-
griffen Schweigen entgegensetzte und Kräfte und Mittel zusammen-
Beck, Geschichte des Eisens. 59
[930]Henry Bessemer und seine Erfindung.
faſste, um durch neue Versuche die seinem Verfahren noch anhaftenden
Mängel zu beseitigen und das fachmännische Publikum von der
Wahrheit und Bedeutung seiner Erfindung zu überzeugen. Den
Weg hierzu muſste er freilich noch suchen, und seine Arbeiten un-
mittelbar nach seinem Vortrage zu Cheltenham, die wir allerdings
nur aus seinen Patenten beurteilen können, da andere Veröffent-
lichungen darüber fehlen, machen den Eindruck des Tappens im
Dunkeln. Aus den vier oben angeführten Patenten vom Schlusse des
Jahres 1856 könnte man fast schlieſsen, daſs Bessemer an der
groſsen Bedeutung seines Entkohlungsverfahrens selbst irre geworden
sei, und daſs er, indem er es mit dem Puddelprozeſs zu kombinieren
suchte, ihm selbst nur noch die Bedeutung eines Vorbereitungsprozesses
für den Puddelprozeſs, also eines bloſsen Vorfrischens oder Feinens
beigelegt hätte. Vielleicht wollte er aber auch durch dieses Ein-
lenken die mächtige Gegnerschaft der Stabeisenfabrikanten versöhnen
und sich durch die Erwerbung der Patente jedenfalls für alle Even-
tualitäten sicher stellen. Besondere Verbesserungen des Prozesses selbst
sind in diesen vier Patenten nicht enthalten.
Angeregt durch Martien und Bessemer warf sich auch Robert
Mushet, der Sohn des um die englische Eisenindustrie hochverdienten
David Mushet, auf diesen Gegenstand und erwarb im September
1856 vier Patente für die Verbesserung des durch das pneumatische Ver-
fahren entkohlten Produkts 1). Diese Verbesserungen wollte er zunächst
durch dasselbe Mittel erreichen, welches Heath zur Verbesserung des
Tiegelguſsstahles anwendete, nämlich durch Zusatz eines Gemenges
von Kohle und Mangan. Das pulverförmige Gemisch sollte beim
Beginn oder Schluſs oder während des Verlaufes des Prozesses in
Mengen von 2 bis 10 Proz. zugesetzt werden. (Patent vom 16. Sep-
tember 1856, Nr. 2168.)
Ein zweites Patent (Nr. 2170) von demselben Tage bezieht sich
auf den nachträglichen Zusatz von Kohle zu dem bei dem pneuma-
tischen Prozeſs meistens entstandenen übergaren, d. h. teilweise
oxydierten Eisen. Diese kohlende Substanz könne entweder eingeblasen
oder vor dem Eingieſsen des Roheisens in den Konverter gebracht
werden. — Im weiteren Verfolg seiner Untersuchungen fand Mushet
dann im Spiegeleisen die kohlen- und manganreiche Eisenverbindung,
die am besten seinem Zweck entsprach, und er erwarb am 22. September
1856 dafür das wichtige Patent (Nr. 2219). Das geschmolzene Spiegel-
[931]Henry Bessemer und seine Erfindung.
eisen sollte nach beendigter Entkohlung im Schmelzgefäſs oder in der
Pfanne zugesetzt werden und zwar für Schmiedeeisen 2 bis 3 Proz.,
für Halbstahl 3 bis 5 Proz. und für eigentlichen Stahl je nach der
verlangten Härte 5 bis 20 Proz. Diese Erfindung Mushets ist für
das Gelingen des Bessemerprozesses von gröſster Bedeutung geworden.
Robert Mushet schmolz anfangs 1857 entkohltes Bessemermetall
von Ebbw-Vale in Tiegeln um und setzte zu jedem geschmolzenen
Satz von 44 Pfund 2 Pfund geschmolzenes Spiegeleisen zu. Aus
diesem Gemisch goſs er Blöcke von 500 bis 800 Pfund. Einer dieser
wurde zu Ebbw-Vale zu einer Eisenbahnschiene ausgewalzt, die im
Frühjahr 1857 auf der Station Derby verlegt wurde. Sie lag bis 1873,
nachdem 1250000 Züge und etwa ebensoviel einzelne Lokomotiven
darübergelaufen waren. Das war die erste Bessemerstahlschiene, die
gelegt worden ist.
Das Jahr 1857 war für Bessemer und seine Erfindung ein
besonders schwieriges. Zu dem Miſstrauen gegen seine Erfindung kam
die lähmende Wirkung der von Amerika ausgehenden Geldkrisis,
welche auch auf die europäische Eisenindustrie und den Unter-
nehmungsgeist drückte. Nicht nur in England machte sich diese fühl-
bar, sondern auch in Schweden, wo Göranson infolge davon im
Begriff stand, seine Versuche mit dem Bessemerverfahren aufzugeben.
Bessemer arbeitete mit den Mitteln, welche ihm der Verkauf
seines Patentes gewährt hatte, unablässig an der Vervollkommnung
seines Verfahrens, ohne zu einem entscheidenden Erfolge zu gelangen.
Am 24. Januar 1857 nahm er ein Patent auf ein eigentümliches
Walzverfahren für Platten, Bleche, Stäbe u. s. w. Danach sollte das
flüssige Metall zwischen bewegte hohle Walzen, die durch Wasser
gekühlt waren, gegossen und im Erstarren ausgewalzt werden.
Erst am 18. September 1857 nahm er wieder ein neues Patent
(Nr. 2432) auf die Fabrikation von Guſsstahl nach seiner Erfindung.
Beim Umschmelzen des Roheisens im Kupolofen sollte möglichst
schwefelfreies Brennmaterial, besonders gut entschwefelter Koks ge-
nommen werden. Die ausgeworfenen Schlacken und Eisenmassen sollten
in Kugelmühlen gemahlen und die Schlacke durch einen starken Wind-
strom von den Eisenkörnern getrennt werden. Die Windöffnung solle
am tiefsten Punkte des Konverters und nicht, wie seither, seitlich an-
gebracht werden und könne diese zugleich auch als Abstichloch dienen
(Fig. 334 a. f. S.). Das Gefäſs müsse unten eine parabolische Form
haben und stationär oder in Achsen beweglich sein. Fig. 335 (a. f. S.)
zeigt eine verbesserte Konstruktion derselben Ofenart. Der geschmolzene
59*
[932]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Stahl solle erst in hocherhitzte Tiegel oder Pfannen und von da in
Tiegel, die sich in einem Ofen befinden, gegossen werden, damit die
Gase entweichen können und das Metall ganz ruhig werde, ehe es in
Formen einflieſse. Auch habe man hierbei Gelegenheit, es mit anderem
Stahl, mit Kohle, Mangan oder Mangan-
karburet, zu mischen. Man könne auch
den Stahl über geneigte Flächen in
Wasser gieſsen, um ihn zu granulieren,
und die Körner dann mahlen und glühen,
ehe man sie in die Schmelztiegel mit
oder ohne Zuschläge einsetzte u. s. w.
Einen derartigen Apparat von der
in Fig. 336 dargestellten Gestalt führte
Bessemer auf seinem Stahlwerk in
Sheffield aus und war dies der erste
drehbare Konverter, der im groſsen be-
trieben wurde. Die Entleerung erfolgte
durch die obere Öffnung. In diesem Kon-
verter wurde das Metall
durch und durch ent-
kohlt und aus schwe-
dischem Holzkohlen-
eisen ein sehr reines,
schmiedbares Eisen er-
zeugt, welches, granu-
liert und in Tiegeln
mit Manganoxyd und
Holzkohlenpulver ver-
schmolzen, einen aus-
gezeichneten Guſsstahl
gab.
Am 6. November
1857 nahm Bessemer
ein neues Patent auf
ein Verfahren, dichte
Güsse in rotierenden
Formen herzustellen.
Das Metall soll auf
eine rotierende Scheibe
fallen und wird durch
[933]Henry Bessemer und seine Erfindung.
die Centrifugalkraft in die äuſsere ringförmige Form getrieben, wo es
unter Druck erkaltet. Die ringförmigen Guſsstücke werden in kurze
Stücke geschnitten und unter Hammer und Walzen ausgestreckt.
Bessemer erkannte den Schwefel und Phosphor als die gröſsten
Feinde seines Verfahrens. Letzterer lieſs sich nur aus den Erzen
entfernen und schlug Bessemer hierfür entweder ein chlorierendes
Rösten oder Behandlung der Erze mit verdünnter Salzsäure vor. Die
Schmelzung der Erze sollte mit gereinigten, schwefelfreien Koks ge-
schehen. Um ein möglichst schwefelfreies Roheisen zu erhalten, schlug
er vor, die Reduktion und Schmelzung der Erze mit Gas vorzunehmen.
Im ganzen kam aber Bessemer
trotz seiner Beobachtungen und geist-
reichen Vorschläge mit seinem Pro-
zeſs im Jahre 1857 nicht viel weiter.
Nur erkannte er deutlicher, daſs
durchaus nicht alle Roheisensorten
für seinen Prozeſs geeignet seien, daſs
die wichtigste Vorbedingung für das
Gelingen ein möglichst schwefel- und
phosphorfreies Roheisen sei. Die Aus-
wahl der richtigen Erze beim Hoch-
ofenprozeſs zeigte sich hierfür von
gröſster Wichtigkeit.
Die Verwendung solcher Erze und
des daraus erblasenen Roheisens war auch der wichtigste Grund, daſs
die Versuche mit dem Bessemerverfahren in Schweden so günstigen
Erfolg hatten. Diese Versuche hatte, wie bereits oben erwähnt,
G. F. Göranson aus Högbo im Jahre 1856 zu Garpenberg be-
gonnen. Er war der einzige Industrielle auf dem Kontinent, der
die Versuche mit Ernst, gutem Willen und Vertrauen zur Sache
aufnahm und durchführte. Er wollte nicht bloſs, wie die meisten
anderen, durch einen flüchtigen Versuch sich überzeugen, daſs die
Sache nicht ginge, sondern er wollte wirklich Eisen und Stahl nach
dem neuen Verfahren erzeugen. Deshalb begnügte er sich auch nicht
wie andere damit, nach den kurzen Angaben in Bessemers Vor-
trag seinen Versuchsapparat zu konstruieren, sondern er trat mit
Bessemer in Verkehr und lieſs sich von diesem Rat und Anleitung
geben. Obgleich die ersten Versuche zu Garpenberg unter der Aufsicht
des Ingenieurs Leffler nicht ungünstig ausfielen, so zeigte es sich
doch bald, daſs die zur Verfügung stehende Wasserkraft viel zu schwach
[934]Henry Bessemer und seine Erfindung.
war. Göranson beschloſs deshalb, einen neuen Versuchsofen auf dem
der Firma Elfstrand \& Komp., welche das Patent für Schweden
von Bessemer erworben hatte, gehörigen Eisenwerke zu Edsken in
Gestrickland zu erbauen. Im Mai 1857 reiste er nach England, um
sich mit Bessemer zu beraten und dessen Versuche zu Baxter anzu-
sehen. Er erwarb einen Anteil an Bessemers schwedischem Patent,
sowie eine 24 pferdige Dampfmaschine von Galloway \& Komp. und
einen Konverter nach Bessemers Konstruktion, um sie in Edsken
aufzustellen. Nachdem die baulichen Einrichtungen getroffen waren,
konnte Göranson am 10. November 1857 mit seinen Versuchen
beginnen, die aber nur teilweise befriedigten.
Nach einem Bericht von Troilus war dieser erste Versuchsofen
ein eiserner, ausgemauerter Cylinder von 2,5 Fuſs Durchmesser und
4 Fuſs Höhe, der in 2 Zapfen hing, die in Lagern beweglich waren.
Er hatte 10 Formen in 2 Reihen, in der unteren 6, in der oberen 4.
Die guſseiserne Einguſsform stand auf einem fahrbaren Wagen. Das
Eingieſsen des Roheisens dauerte 2 Minuten. Nachdem der Wind
angelassen war, entströmte unter schwachem Aufkochen eine blaurote
Flamme, diese wurde nach 5 Minuten heller und war nach 8 Minuten von
einem bräunlichen Rauche begleitet. Nun kam die Masse in heftiges
Kochen unter starkem Geräusch und Auswurf eines Stromes heller
Schweiſsfunken, gemischt mit anderen matten rötlichen Funken, die auch
früher erloschen. Dieses Aufkochen dauerte 18 Minuten; es nahm dann
ab und nach weiteren ca. 5 Minuten war die Zeit zum Abstich gekommen;
dieser dauerte 2 Minuten. Das entkohlte Eisen floſs bei der ersten
Charge träge und erstarrte zum Teil schon in den Trichtern; bei der
zweiten Charge war es aber schon dünnflüssiger. Daſs das Eisen so matt
war, lag hauptsächlich daran, daſs man weiſses Roheisen verwendete.
Da dieser Konverter unpraktisch und schwerfällig war 1), so er-
baute Göranson mit dem ihm von Bessemer geschickten englischen
Ingenieur einen neuen, nach demselben Princip, wie Bessemers Ver-
suchsofen zu Baxter House in London, aber auf Bessemers Rat mit
2 Reihen von je 6 Düsen; die untere Reihe am Boden, die obere
einige Zoll darüber. Dieser Ofen ging aber schlecht. Bessemer riet,
den Wind zu verstärken, was Göranson dadurch erreichte, daſs er
die oberen Düsen zustopfte und nur die 6 unteren von je ⅝ Zoll Durch-
messer offen lieſs 2). Der Erfolg war besser, aber unsicher. Das durch
[935]Henry Bessemer und seine Erfindung.
ein Wasserrad betriebene Gebläse gestattete keine weitere Erhöhung
der Pressung. Der englische Ingenieur reiste ab. Göransons Ver-
suche, durch noch engere Düsen und kleinere Chargen mehr zu er-
reichen, waren ebenfalls vergeblich. Die Sache sah recht hoffnungslos
aus, bis Göranson, gegen die Meinung aller Ratgeber, den Versuch
machte, die Pressung zu vermindern und das Windquantum zu er-
höhen. Zu diesem Zwecke ordnete er alle 12 Düsen in einer Reihe
am Boden an und vergröſserte ihre Mündungen auf ⅞ Zoll. Der
Erfolg war überraschend. Er erhielt ein warmes, flüssiges Metall, von
dem sich die Schlacke schön abschied, und das beim Ausgieſsen ruhig
floſs. Die Blöcke waren ganz rein und schlackenfrei und lieſsen sich
sehr gut ausschmieden. Die erste Charge nach diesem Verfahren
wurde am 18. Juli 1858 erblasen. Seitdem war das Bessemern in
Schweden fest begründet. 15 Tonnen von diesem Stahl schickte
Göranson an das Stahlwerk von Bessemer \& Komp. in Sheffield,
wo es sich als ein vorzügliches Material erwies, das sich zu Messern,
Scheren, Rasiermessern, Werkzeugen und Blechen verarbeiten lieſs.
Während Bessemer diesen ersten Triumph in Schweden feierte,
wurden in Schottland auf Coats Eisenwerken bei Glasgow ebenfalls
Versuche im groſsen gemacht, die aber fehlschlugen. Dr. Stevenson
Macadam hat darüber in der Royal Scotsh Society of Arts Bericht
erstattet 1). In dem Versuchsofen zu Dundyvan wurden 13 Ctr. 36 Pfd.
Roheisen Nr. 2 mit kaltem Wind und 15 Pfund Pressung in 89 Minuten
gar geblasen. Man erhielt 3 Ctr. 86 Pfd. entkohltes und 1 Ctr. 96 Pfd.
übergelaufenes Eisen. In dem darauf auf Coats Eisenwerk erbauten
runden Ofen wurden 7 Ctr. Roheisen mit 12 Pfd. Pressung, die aber
bis auf 5 Pfd. sank, in 30 Minuten verblasen. Das Eisen war, wie das
von Dundyvan, kaltbrüchig. Macadam kam zu dem Schluſs, daſs
ein gewöhnliches Feineisenfeuer dieselbe Wirkung habe, wie einer
von Bessemers Öfen, daſs es gar nicht möglich sei, durch diesen
Prozeſs die fremden Substanzen aus dem Roheisen abzuscheiden, und
daſs er sich höchstens als Vorbereitung für den Puddelprozeſs empfehle.
Um dieselbe Zeit sprach sich dagegen Tunner in Österreich schon
ganz entschieden für die Bedeutung, Neuheit und Durchführbarkeit
des Bessemerprozesses aus und sagte bestimmt voraus, daſs durch
denselben früher oder später eine groſse Reform in der Praxis des
Eisenhüttenwesens herbeigeführt werde 2).
Die einzigen Erfolge, die Bessemer im Jahre 1858 erzielte, waren
also die günstigen Ergebnisse der Versuche in Schweden. Die Kunde
von denselben hatte sich rasch verbreitet. Die Augsburger Allgemeine
Zeitung vom 5. Februar 1858 schrieb: „Sicher ist, daſs durch das
Experiment bei Edskens Hochofen das Bessemerproblem zufrieden-
stellend gelöst wurde. Der so bereitete Stahl scheint allen An-
forderungen zu genügen und das Eisenkontor hat zur weiteren An-
wendung der Methode eine Anleihe von 55000 Thalern hergegeben und
zwei Personen aus-
ersehen, welche die
Proben überwachen
und Bericht erstatten
sollen.“ Dieses Ein-
greifen des Jernkon-
tors war von der
gröſsten Wichtigkeit,
denn Göranson
war durch die un-
günstige Geschäfts-
lage des Jahres 1857
zurückgekommen
und auſser Stande,
aus eigenen Mitteln
die Versuche fortzu-
setzen. Hier bewährte
sich wieder einmal
das segensreiche Wir-
ken der schwedischen
Institution der Ge-
nossenschaft der
Eisenhüttenleute für
rechtzeitige Hülfe in
einem wichtigen
Falle, wofür die ganze
Welt Schweden zu
Dank verpflichtet ist. Die Sachverständigen waren Troilus und
Grill, von denen namentlich letzterer sich die gröſsten Verdienste
um die Entwickelung des Bessemerprozesses erworben hat. Er leitete
die Versuche und veröffentlichte regelmäſsige Berichte in Jern-Konto-
rets-Annaler, welche, von P. Tunner ins Deutsche übersetzt, in der
[937]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Österreichischen Zeitschrift für Bergbau und Hüttenwesen veröffent-
licht wurden. Grills erster Bericht ist vom 17. März 1858.
Der Ofen, den man benutzte, war ein feststehender Schachtofen
nach Bessemers Zeichnung. Diese stehenden Öfen waren beschwer-
licher zu reparieren, gaben aber ein besseres Produkt als die beweg-
lichen. Man hatte Verbesserungen an dem Ofen angebracht, nament-
lich eine Vorrichtung zur Windabsperrung, so daſs man den Wind in
dem Moment, in dem die richtige Gare erreicht war, abstellen konnte,
wodurch man nicht mehr unnütz in das gare Eisen blies. Der Erfolg
war, daſs man bereits bis zu ⅔ reine Eingüsse erhielt.
Fig. 337 u. 338 zeigen einen schwedischen Bessemerofen, wie er
sich aus diesen Versuchen entwickelt hat 1).
In dem zweiten Berichte Grills, der Anfang September erschien
und die Ergebnisse der Versuche bis zum Juli mitteilt, wird ge-
meldet, daſs man im
Juni die obere For-
menreihe des Ver-
suchsofens in das
Niveau der unteren
gesenkt habe. Es gab
nur noch eine Formen-
reihe (Fig. 338), alle
Düsen hatten densel-
ben Durchmesser von
¾ Zoll. Hierdurch
wurde ein rascherer
Verlauf des Prozesses
erzielt. Die frühere
hohe Windpressung
von 12 bis 14 Pfd. auf
den Quadratzoll, bei
welcher der Prozeſs
zu gewaltsam vor sich ging, war durch die Düsenerweiterung auf 6
bis 8 Pfd. heruntergegangen. Hierbei verlief der Prozeſs gleichmäſsiger,
der Stahl war beim Auslaufen viel flüssiger wie früher, auch war er
reiner. Man sortierte ihn in 4 Sorten. Eine Charge wog 16 Ctr.; der
Abbrand betrug 12 Proz. Versuche mit erhitztem Wind miſslangen;
die Luft wurde durch die Erhitzung zu sehr verdünnt.
Man war jetzt in Edsken soweit, daſs man einen regelmäſsigen
Betrieb aufnehmen konnte. Derselbe wurde so geführt, daſs man
den Prozeſs unterbrach, sobald die richtige Gare des Stahls er-
reicht war.
Tunner machte in Deutschland Mitteilungen über diese Erfolge
und William Fairbairn sagte in seinem Berichte über die Fortschritte
der mechanischen Technik, den er im September 1858 vor der British
Association erstattete, „seit dem Bekanntwerden des Verfahrens von
Bessemer sind solche Fortschritte darin gemacht worden, daſs jetzt
der Übergangszustand von dem alten Verfahren des Ausschmelzens,
Feinens und Puddelns zu der direkten kontinuierlichen Betriebsweise
eingetreten ist. Stahlplatten und Stahlstangen werden jetzt ohne
Beihülfe eines langwierigen Zwischenprozesses dargestellt, daher mit
Grund anzunehmen ist, daſs das Guſseisen für den Maschinenbau etc.
durch einen ganz neuen Artikel ersetzt werden wird, welcher den
Vorteil einer bedeutend gröſseren Widerstandsfähigkeit gewährt.
Bessemers Entdeckungen haben sich bereits als sehr vorteilhaft für
die Industrie erwiesen und es läſst sich zuversichtlich die Einführung
groſser Verbesserungen erwarten, wodurch Stahl in Platten und Stäben
fast zu demselben Preise erzeugt werden kann, zu welchem wir jetzt
das beste Stabeisen herzustellen vermögen 1)“. Dies war endlich einmal
ein erlösendes Wort aus maſsgebendem Munde in England! Ein solches
war aber auch sehr nötig, denn die Erfahrungen in England waren
sehr zu Ungunsten des Verfahrens ausgefallen, und Bessemer selbst
stand im Sommer 1858 nach Göransons Angabe noch auf dem
Punkte, daſs er das im Konverter erblasene Metall in Wasser goſs und
die erhaltenen Granalien in Tiegeln umschmolz.
Der dritte Bericht von Grill erschien Ende des Jahres 1858. Seit
dem 12. Juli führte man einen ganz regelmäſsigen Betrieb zu Edsken
und wurden vom 12. Juli bis zum 12. Dezember in 143 Betriebstagen
584 Chargen von ca. 9310 W.-Ctr. verblasen. Der Abbrand betrug etwa
12 Proz. Man stellte einen dritten Ofen auf. Das Roheisen wurde aus
reinem Magneteisenstein erzeugt. Der daraus erzeugte Stahl war so
flüssig, daſs man direkt Herzstücke damit gieſsen konnte; dabei war
er leicht zu bearbeiten und vertrug wiederholte Schweiſshitzen ohne
Einbuſse an Festigkeit und Härte. Um blasenfreie Güsse zu erhalten,
goſs man teils mit aufsteigendem Strom, teils leitete man das Metall
mittels eines Trichterrohres bis in die Mitte der Form. Die Guſsblöcke
[939]Henry Bessemer und seine Erfindung.
wurden unter dem Dampfhammer zu Quadratstäben von 2¼ Zoll
Seitenlänge ausgeschmiedet. Diese wurden dann unter Schweiſs- und
Formstreckhämmern weiter verarbeitet. Die Charge wog 15 Ctr. und
war in 7 bis 10 Minuten beendet. Der erhaltene Stahl wurde dem
englischen Guſsstahl gleichgeschätzt.
Mit dem Jahre 1859 begann Bessemers gesunkener Stern wieder
zu steigen. Er hatte sich, nachdem die Versuche, welche die Käufer
seines Patentes angestellt hatten, miſslungen waren und dieselben davon
abstanden, noch weiteres Geld an kostspielige Experimente zu hängen,
gezwungen gesehen, selbst eine Fabrik zu erbauen, um zu beweisen,
daſs die Sache ging. Dies that er in Verbindung mit Longsdon,
Allen und den Herren Galloways zu Sheffield.
Anfangs fiel es ihm schwer, Absatz für sein Produkt zu finden.
Der billige Preis seines Stahls, der auch allmählich besser wurde,
verschaffte ihm aber mit der Zeit doch Kundschaft, und wir sehen
aus der oben angeführten Äuſserung Fairbairns, daſs er im
Herbst 1858 schon ziemliche Fortschritte mit seiner Fabrikation
gemacht hatte.
Nachdem auch die Erfolge in Schweden bekannt geworden waren,
faſste Bessemer den Mut, zum zweitenmal mit seiner Erfindung vor
das groſse Publikum zu treten.
Am 10. und 17. Mai 1859 hielt er zwei Vorträge in der Institution
of Civil Engineers zu London. Er rechtfertigte sein Schweigen durch
sein Bestreben, die Einwürfe seiner Gegner durch praktische Erfolge
zu widerlegen. Man habe die Erfolglosigkeit der ersten Versuche
dem Verbrennen des Metalls, der Abwesenheit von Schlacke und der
krystallinischen Struktur des Produktes zugeschrieben. Dies sei aber
nicht richtig. Die einzige wirkliche Schwierigkeit sei der Gehalt an
Schwefel und Phosphor, die durch das Blasen nicht entfernt würden,
gewesen. 1/10 Proz. Schwefelgehalt mache das Eisen schon rotbrüchig.
Über die Mittel zur Abscheidung dieser Stoffe habe er viele Versuche
gemacht. Dampf und Wasserstoffgas verminderten den Schwefelgehalt
und Flüsse von Eisenoxydul- und Manganoxydulsilikaten bewirkten
eine Verringerung des Phosphorgehaltes. Die gemachten Erfahrungen
führten aber vor Allem zu einer sorgfältigen Auswahl der Roheisen-
sorten und in dieser Richtung habe ihn besonders Herr Longsdon
unterstützt. Mit bestem schwedischem Roheisen habe man vortreff-
lichen Stahl erzeugt. Auf Grund dieser Beobachtung sei ein Werk
in Sheffield errichtet worden und dort Stahl fabriziert, durch dessen
Güte man das herrschende Vorurteil teilweise besiegt habe.
Um besseren Werkzeugstahl zu machen, goſs man den erblasenen
Stahl in Wasser und schmolz die Granalien in Tiegeln zu Guſsstahl um.
In England würde ein für den Bessemerprozeſs sehr geeignetes Roh-
eisen zu Workington (Cumberland) dargestellt, welches in letzterer
Zeit hauptsächlich verarbeitet worden sei. Auch die Werke zu Cleator-
Moor, zu Weardale und Forrest of Dean lieferten gute Roheisensorten.
Der Behälter sei jetzt eine Retorte, die in Achsen hänge. Dieselbe
bestehe aus einem Blechmantel, der innen mit Chausseestaub aus-
gefüttert sei. Ein solches Gefäſs halte 30 bis 40 Stahlchargen aus.
Die Retorte werde beim Beginn der Operation so gekippt, daſs die
Formen über dem Metallbade stünden. Dann lieſs man den Wind an
und richtete das Gefäſs auf. Der Sauerstoff der Luft oxydierte den
Kohlenstoff und das Silicium. In 10 bis 12 Minuten würde die höchste
Hitze erreicht. Die Entkohlung lasse sich mit groſser Genauigkeit
durch eine Gasuhr regulieren, welche auf einem Zifferblatt die Anzahl
der Kubikfuſs der eingeblasenen Luft zeige. Hierdurch könne man
Stahl von jeder Beschaffenheit und Härte mit der gröſsten Sicherheit
darstellen. Sobald das Metall nach der Uhr die gewünschte Entkohlung
erlangt habe, werde das Gefäſs gekippt und das Metall in eine Gieſs-
pfanne, welche am Boden durch einen Pfropf geschlossen war, aus-
gegossen.
Bessemer zeigte viele Proben, namentlich auch Stahlblech vor.
Für die schweren Schiffsbleche, welche bei der seitherigen Fabri-
kation sehr teuer waren, habe es sich besonders bewährt. Ebenso für
Kanonen. Bessemer goſs direkt Cylinder und erhielt so Kanonen-
rohre ohne Schweiſsnähte. Oberst Eardley Wilmot zu Woolwich
habe sich für diese Sache besonders interessiert. In Schweden habe
die Firma Daniel Elfstrand \& Komp. das Patent erworben und
arbeite zu Edsken mit dem besten Erfolge. Ebenso hätten James
Jackson et fils das Bessemerverfahren jetzt in der Nähe von Bordeaux
eingeführt und wollten es auch in groſsem Maſsstabe bei den Hoch-
öfen im Departement des Landes verwenden. Sehr gute Resultate
habe man auch mit Roheisen aus Algier und aus dem Siegerland er-
zielt. In Belgien mache man zu Lüttich Stahl aus dortigem Koks-
roheisen. Es war dies Eisen von der Hütte Esperance, welches ein
Herr Margeston mit Erfolg verarbeitete.
Der Eindruck dieses zweiten Vortrages Bessemers war ein be-
deutender, aber das Miſstrauen gegen das neue Verfahren war in Eng-
land so tief gewurzelt, daſs es trotzdem nur ganz allmählich schwand.
Das energische Eintreten des Obersten Eardley Wilmot für den
[941]Henry Bessemer und seine Erfindung.
Bessemerstahl und die vortrefflichen Resultate, die derselbe in Woolwich
damit erzielt hatte 1), wirkten sehr vorteilhaft für Bessemers Sache.
Ebenso günstig lauteten Grills Berichte aus Schweden von 1859 2).
Dort hatte man bereits durch Erfahrung die geeignetsten Roheisensorten
kennen gelernt und zwar hatte sich hellgraues bis halbiertes am besten
bewährt. Die Kontrolle nach der Blasezeit hatte sich als unzuver-
lässig herausgestellt, weil die Bedingungen zu verschieden waren. Ein
besseres Erkennungszeichen bildete die Erscheinung der Flamme und
der Funken. Vor dem Eintreten des Aufkochens sind die Funken
lang und kometenartig. Bei dem Aufkochen erscheinen weiſse, wollige
Funken mit einem bestimmten Centrum, die beim Fortschreiten des
Prozesses bestimmtere Umrisse erhalten. Später nehmen die Funken
mehr und mehr ab und werden klein, weiſs und rund. Bei gutem
Verlauf zeigt die Flamme gegen das Ende gar keine Funken mehr.
Die ausgeworfenen Eisentropfen sind anfangs dunkelrot und zerspringen
in der Luft, später hell, ohne zu zerspringen.
Nach Tunners Erklärung findet auch bei dem Bessemerprozeſs
ein Schlackenfrischen statt. Aus Eisen und Silicium bildet sich durch
Oxydation basische Eisenoxydulschlacke, deren plötzliche teilweise
Zersetzung durch den Kohlenstoff des Eisens dann das Aufkochen
infolge vermehrter Gasabscheidung bewirkt. Die rasche Abnahme des
Kohlengehaltes gegen das Ende des Prozesses war auch durch Analysen
nachgewiesen worden. Die zuerst durch die Verbrennung von Silicium
und Eisen entwickelte Wärme bleibt ganz in der flüssigen Masse,
während die durch die Oxydation des Kohlenstoffs entwickelte gröſsten-
teils mit den Verbrennungsgasen entweicht. Deshalb findet auch
während der Kochperiode keine Temperaturzunahme statt. Nach Be-
endigung des Entkohlungsprozesses liefert nur noch verbrennendes
Eisen Wärme. Tunner berechnet, daſs von der ganzen eingeblasenen
Luftmenge etwa 75 kg Sauerstoff, bei ca. 1000 kg Einsatz ½ Proz.
Silicium, 3 Proz. Kohlenstoff und 8 Proz. Eisen verbrennen. Es ist
deshalb eine ziemlich groſse Luftmenge nötig, daher der bessere Gang
bei weiteren Düsen und stärkerem Blasen. Ein Mangangehalt erwies
sich als sehr nützlich.
Der Bessemerprozeſs hat die Eisenindustrie von der Handfertigkeit
des Arbeiters unabhängig gemacht und das Frischen ausschlieſslich
der Intelligenz unterstellt.
Die Wirkung der Erfolge von 1859 machten sich 1860 durch eine
[942]Henry Bessemer und seine Erfindung.
immer allgemeinere Anerkennung der groſsen Bedeutung des Bessemer-
prozesses geltend. Fremde Ingenieure kamen nach England, um das
Verfahren kennen zu lernen. Unter diesen befand sich auch der
preuſsische Bergrath Krug von
Nidda und der junge Bergassessor
Dr. Hermann Wedding aus
Berlin, der in den Verhandlungen
des Vereins zur Beförderung des
Querschnitt des Cylinders.
Hintere Ansicht.
Durchschnitt
nach der
Linie A B.
Gewerbefleiſses von 1860 einen Bericht über das Bessemern in England
veröffentlichte. Danach geschah der Prozeſs zu Sheffield in Kipp-
gefaſsen, sogenannten „Birnen“ (converters), die in Achsen hingen.
[943]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Jede Birne verlangte 15 Pferdekräfte für das Gebläse. In 2½ Stunden
wurden 25 Ctr. verblasen, gegossen u. s. w. Der Abbrand belief sich
auf etwa 20 Proz. Der Preis des Bessemerstahls betrug nur zwei Drittel
des gewöhnlichen.
Der Wind wurde durch die hohle Achse dem am Boden fest-
geschraubten Windkasten zugeführt und strömte von da durch ein
System von sieben feuerfesten Formen (Fernen) mit je fünf Öffnungen
in den Schmelzraum. Das Roheisen wurde in einem Flammofen ein-
geschmolzen, in eine Pfanne abgestochen und aus dieser in den ge-
neigten Konverter geschüttet, sodann der Wind angelassen und das
Gefäſs aufgerichtet. Das Blasen dauerte 18
bis 24 Minuten. War der Prozeſs vollendet, so
goſs man wieder, nachdem man den Ofen ge-
neigt hatte, etwas graues Roheisen ein, um die
Masse zu beruhigen, blies einen Augenblick und
kippte dann zum Ausgieſsen in eine Pfanne, die
hydraulisch bewegt wurde. (Aus Dr. H. Wed-
dings ungedrucktem Reisebericht von 1860.)
Am 1. März 1860 hatte Henry Besse-
mer ein Patent (Nr. 578) auf seinen verbesser-
ten Konverter, das retortenähnliche Gefäſs,
welches nach seiner Gestalt als Bessemerbirne
bezeichnet wurde, genommen und dasselbe
genau in Wort und Zeichnung beschrieben.
Diese Beschreibung ist allgemein bekannt und begnügen wir uns
deshalb damit, in Fig. 339 und 340 die Abbildungen davon zu geben.
Hiermit war die Entwickelungsgeschichte des Bessemerprozesses
zu einem vorläufigen Abschluſs gelangt.
Wir wenden uns nun zu den Fortschritten der Cement- und Guſs-
stahlfabrikation in den 50er Jahren.
Die Cementstahlfabrikation bildete noch die wichtige Grund-
lage der Guſsstahlfabrikation; mit der wachsenden Bedeutung der
letzteren hatte auch die erstere sehr zugenommen. Schweden, welches
früher nur das Stabeisen für die Bereitung des Cementstahls geliefert
hatte, stellte nun diesen selbst dar. 1850 exportierte es bereits 43000 Ctr.
Cementstahl. 1851 führte P. Tunner diese Fabrikation auch zu Eibis-
wald in Steiermark ein. Er fand dabei einen Zusatz von ½ Proz.
[944]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Pottasche und Kochsalz für sehr vorteilhaft. In groſsartiger Weise
hatte die Cementstahlfabrikation in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika zugenommen. Pittsburg und Philadelphia lieferten anfangs
der 50er Jahre bereits jährlich 140000 Ctr.
Der amerikanische Professor A. K. Eaton erfand ein Verfahren,
Stabeisen durch Cyangas zu kohlen. Dabei wurden die Stäbe in Holz-
kohlen gepackt, welche mit gelbem Blutlaugensalz oder einer anderen
Cyanverbindung vermischt waren und einer hohen Temperatur aus-
gesetzt. Es geschah dies in Tiegeln.
Eaton erfand auch ein eigentümliches Verfahren, Stahl durch
Entkohlung von Guſseisen zu erhalten. Er entdeckte, daſs, wenn man
Spiegeleisen in geschmolzenem kohlensaurem Natron kochte, es sich
in Stahl verwandelte. Die Operation geschah in guſseisernen Kesseln
und konnte man durch längere oder kürzere Behandlung beliebige
Härtung erzeugen. Gewöhnlich dauerte das Kochen etwa 24 Stunden.
Ein Gemenge von Soda und Aetznatron war am besten.
Eaton bediente sich auch der Kohlensäure als Entkohlungsmittel.
Er brachte in eine Retorte auf den Boden Kalkstücke, darüber Guſs-
eisenstücke, und glühte. Das entweichende Gas war entzündlich. Sobald
es aufhörte, dies zu sein, war der Prozeſs beendigt. Das Verhältnis
von Kohlensäure zu Eisen betrug 66:690 dem Gewichte nach. Zusatz
von Eisenoxyd vermehrte die Menge des erzeugten Gases. Das „Soda-
verfahren“, sowie die anderen erwähnten Methoden von Eaton, wurden
in Amerika im groſsen ausgeführt.
In England suchte man mehrfach die Cementation von Stabeisen
und die Gasfabrikation zu vereinigen (Patent von W. Dick vom
22. August 1850). Auch war man bestrebt, durch die Anwendung von
Retorten einen kontinuierlichen Betrieb zu erzielen (Patent von
Th. W. Dodds am 7. Mai 1853). Ebenso wurde die Cementation
durch Gas immer wieder versucht.
Watson und Proſser wollten die Cementation durch Anwendung
eines elektrischen Stromes verbessern (Engl. Patent vom 1. Januar 1853).
Ch. Binks wollte die Überführung des Schmiedeeisens in Stahl
dadurch bewirken, daſs er die glühenden Bleche während des Durch-
walzens mit stickstoffhaltigen Kohlenstoffverbindungen, am besten mit
Blutlaugensalz, bestreute und dies öfter wiederholte. Es war dies eine
andere Form der gebräuchlichen Verstählung der Oberflächen (Patent
vom 14. November 1856).
Auf dem württembergischen Eisenwerk Friedrichsthal wurde 1855
ein Cementierofen erbaut, der mit Hochofengasen erhitzt wurde. Der
[945]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Gasverbrauch war nicht bedeutend, so daſs mit den abgezogenen
Gichtgasen desselben Hochofens noch ein Feineisenfeuer und ein Warm-
windapparat betrieben werden konnten.
In der Guſsstahlfabrikation leistete Krupp das Gröſste und
erwarb sich hohe Verdienste, sowohl um die vermehrte Anwendung
des Guſsstahles als auch um die Verbesserung seiner Herstellung.
Auf die Verwendung des Guſsstahles zu Eisenbahn- und Schiffsachsen,
zu Radbandagen, Grubengestängen u. s. w., welche Krupp einführte,
haben wir schon früher hingewiesen. Am 21. März 1853 hatte er von
der preuſsischen Regierung ein Patent für Radbeschläge aus Guſsstahl
ohne Schweiſsung erhalten.
Die gröſste Mühe gab er sich, Guſsstahl als Geschützmetall zur
Geltung zu bringen. Er hatte hierbei groſsen Widerstand zu über-
winden und fest gewurzelte Vorurteile zu bekämpfen, aber er lieſs
sich, erfüllt von der allgemeinen und nationalen Bedeutung seines
Unternehmens, keine Mühe noch Kosten verdrieſsen, um sein Ziel zu
erreichen. 1847 bereits schickte Krupp ein 3-Pfünder-Geschütz mit
Guſsstahlkernrohr an das preuſsische Kriegsministerium nach Berlin,
das aber kaum Beachtung fand. Die öffentliche Aufmerksamkeit zog
Krupp zuerst durch seine auf der Londoner Ausstellung von 1851
ausgestellte 6-Pfünder-Kanone von Guſsstahl auf sich. Er machte sie
dem König von Preuſsen zum Geschenk, der sie 1853 im Zeughause
zu Berlin aufstellen lieſs, wo sie allgemeine Bewunderung erregte. In
demselben Jahre besuchte der Prinz von Preuſsen, der nachmalige
deutsche Kaiser Wilhelm I. zum erstenmal die Kruppsche Guſsstahl-
fabrik. Es war dies ein wichtiges Ereignis im Hinblick auf die weitere
Entwickelung beider Männer und die Zukunft Deutschlands. Indessen
war das Vorurteil gegen die Guſsstahlkanonen und die Vorliebe für
Bronzegeschütze damals namentlich in Preuſsen noch zu allgemein.
Der erste höhere Artillerieoffizier, der sich ganz und rückhaltslos
für Krupps Guſsstahlgeschütze aussprach und ihre hohe Bedeutung
für die zukünftige Entwickelung der Artillerie erkannte und verkündete,
war der braunschweigische Oberstlieutenant Georg Orges im Jahre
1854. „Ich stehe nicht an, zu behaupten“, schrieb er nach den Ver-
suchen mit dem ersten Kruppschen 12-Pfünder, „daſs die aus west-
fälischen Erzen gewonnenen Kruppschen Guſsstahlrohre mehr leisten,
als bis jetzt die besten Bronzerohre, daſs ihre Einführung in die
deutschen Feldartillerien den gröſsten Vorteil gewähren, ihre Auf-
nahme in die Festungs- und Belagerungsartillerie, sowie auch vor-
züglich bei den Piro-Schiffsgeschützen von groſsem Nutzen sein,
Beck, Geschichte des Eisens. 60
[946]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
namentlich aber auch dazu dienen würde, der deutschen Eisenindustrie
Millionen zuzuwenden und uns in Beziehung eines wichtigen Kriegs-
bedürfnisses unabhängig vom Auslande zu machen 1).“ Diese Worte
des klarblickenden Mannes haben sich voll und ganz bewahrheitet.
Sie gaben damals wenigstens Veranlassung, daſs die deutschen Bundes-
staaten den Kruppschen Stahlgeschützen erhöhte Aufmerksamkeit
schenkten. Krupps vortreffliche Ausstellung zu München im Jahre
1854 trug hierzu ebenfalls bei. Bayern, Württemberg und Österreich
erkannten Krupps Verdienst durch Auszeichnungen an, während sich
merkwürdigerweise der Chef des Artilleriewesens in Preuſsen, General
von Hahn, ablehnend verhielt, ja sogar sich abfällig über die Guſs-
stahlgeschütze äuſserte.
Krupps glänzende Ausstellung auf der Pariser Weltausstellung
im Jahre 1855 wirkte aber durchschlagend. Der Guſsstahlblock, den
er hier ausstellte, wog 100 Ctr., mehr als das Doppelte von dem, der
in London so groſse Bewunderung erregt hatte. Die 12 pfündige Granat-
kanone übertraf bei dem Probeschieſsen die höchsten Erwartungen. Die
übrige Ausstellung an Guſsstahlartikeln war an Umfang und Mannig-
faltigkeit bedeutender wie jede frühere; sie bildete den Glanzpunkt
der Metallabteilung. In dem preuſsischen Ausstellungsberichte heiſst
es: „Bei den ganz auſserordentlichen Leistungen von Krupp in
der Darstellung von Walzen, Achsen, Bandagen und ganz schweren
Stücken von Guſsstahl von einer vorzüglichen Beschaffenheit ist auf
diese Weise der Beweis geliefert, daſs Preuſsen die Mittel besitzt,
auch künftighin jeder Konkurrenz in der Stahlproduktion entgegen-
zutreten und die Stahlfabrikation in Solingen, Remscheid und der
Enneper-Straſse zu erhalten und mit inländischem Material zu ver-
sorgen.“
Alle gröſseren Staaten Europas machten nun Versuche mit den
Kruppschen Guſsstahlgeschützen. Ägypten war aber der erste Staat,
der eine gröſsere Anzahl von Kanonen bezog. Trotz der Beweise
ihrer Vortrefflichkeit dauerte es bis 1859, ehe man sich zur Ein-
stellung guſsstählerner Geschützrohre in die preuſsische Armee ent-
schloſs und zwar geschah die erste groſse Bestellung von 300 gezogenen
Feldgeschützen aus Guſsstahl auf unmittelbare Veranlassung des da-
maligen Prinz-Regenten, des späteren Kaisers Wilhelm des Groſsen.
Früher hatte Krupp sogenannte Mantelgeschütze verfertigt, bei
denen nur das innere Rohr von Guſsstahl, der Mantel aber von Guſs-
[947]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
eisen war. Nach der Pariser Ausstellung ging man dazu über, das
ganze Rohr mit Schildzapfen aus einem Guſsstahlblock zu schmieden.
1856 erfand Alfred Krupp auch eine Stahllafette für seine Kanonen,
wofür er ein Patent in Preuſsen erhielt.
Um diese Zeit vollzog sich eine wichtige Reform im Artilleriewesen,
indem man zu gezogenen Rohren überging. Hierfür war der Guſs-
stahl besonders geeignet. Wie bei der preuſsischen Artillerie 1851 die
gezogenen Rohre der Handfeuerwaffen auf die Geschütze übertragen
wurden, um ebenfalls eine gröſsere Schuſsweite zu erzielen, so versuchte
man auch das System der Hinterlader bei der Artillerie einzuführen.
Der schwedische Offizier und Hüttenbesitzer Baron von Wahrendorf
hatte schon 1846 ein Hinterladungsgeschütz konstruiert und der von
ihm angegebene Verschluſs mit federndem Stahlring blieb lange Zeit
mustergültig. 1853 erhielt der Amerikaner Eastman ein Patent für
eine Hinterladungskanone mit Schraubenverschluſs, mit welcher die
englische Regierung zu Woolwich Versuche anstellen lieſs, die günstig
ausfielen. Lord Panmure belohnte den Erfinder und kaufte ihm das
Patent ab. Ebenso wendete Preuſsen, welches dieses Princip bei seinen
Handfeuerwaffen bereits angenommen hatte, dieser Frage seine Auf-
merksamkeit zu. Die ersten Guſsstahlblöcke für Hinterlader bestellte
die preuſsische Regierung im Jahre 1855 bei Krupp. Die ersten
Gewehrläufe aus Guſsstahl für die preuſsische Armee lieferte dagegen
Louis Berger in Witten an Dreyse in Sömmerda gegen Ende der
50er Jahre, obgleich Alfred Krupp bereits 1843 eigenhändig zwei Ge-
wehrläufe aus seinem Guſsstahl geschmiedet und dem preuſsischen
Kriegsministerium zugeschickt hatte, das diese aber zurückwies.
Die auſserordentliche Leistungsfähigkeit der Kruppschen Guſs-
stahlfabrik und ihr groſser Aufschwung beruhten hauptsächlich auf
einer einfachen, aber sehr wichtigen Verbesserung Krupps. Es war
ihm gelungen, sich von dem Bezug schwedischen Stabeisens zu eman-
cipieren, indem er statt des Cementstahles den vorzüglichen Puddel-
stahl aus Siegenschem Roheisen als Rohmaterial für seinen Guſsstahl
verwendete. Auf seine Veranlassung wurde 1851 die Puddelstahl-
bereitung auf der königl. Hütte zu Lohe, welcher das beste Roheisen
aus reinem Müsener Grunde zur Verfügung stand, eingeführt und
sicherte er sich die ganze Produktion für seine Guſsstahlfabrikation.
Dadurch verfügte er über ein Material von groſser Güte und Gleich-
mäſsigkeit und wurde vom Auslande unabhängig.
Ebenso verfolgte Krupp aber auch die Entwickelung des Bessemer-
prozesses mit der gröſsten Aufmerksamkeit und machte wiederholt
60*
[948]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Probebestellungen in England, um den Fluſsstahl für den Zweck seiner
Fabrikation zu versuchen.
Tunner würdigte Krupps Verdienste in seinem Bericht über
die Pariser Ausstellung von 1855, indem er ihm nachrühmt, „den
Maschinen- und Massen-Guſsstahl nicht bloſs zur Geltung gebracht,
sondern eigentlich erst erfunden zu haben, indem er es war, welcher
zuerst den Guſsstahl in so groſsen Stücken erzeugte und durch die
Wahl der Materialien, wie durch die Manipulation jene zähe, weiche
Sorte des Guſsstahls zustande brachte, welche im Maschinenbau oft
mehr wert ist, als die vorzüglichsten harten Sorten des Instrumenten-
Guſsstahls“.
Wie sehr die Anwendung des Guſsstahls zunahm, kann man aus
dem raschen Wachstum der Kruppschen Fabrik ermessen. 1851
betrug die Arbeiterzahl 192 und die Produktion von Guſsstahl 560000 kg.
1860 betrug die Arbeiterzahl 1764 und die Produktion 4 Mill. Kilogramm.
Neben der Kruppschen Fabrik entstanden aber noch andere bedeutende
Guſsstahlhütten in Westfalen. Die von Meyer \& Kühne zu Bochum,
welche 1851 die erste Guſsstahlglocke in Deutschland von 50 Ctr.
Gewicht anfertigte, wofür sie 1852 auf der Düsseldorfer Gewerbe-
ausstellung einen Preis erhielt, wurde 1854 in eine Aktiengesellschaft,
den Bochumer Verein für Bergbau und Guſsstahlfabrikation,
umgewandelt und sehr vergröſsert. 1855 stellte dieser zu Paris zwei Guſs-
stahlblöcke, von denen jeder über 70 Ctr. Gewicht hatte, und drei groſse
Guſsstahlglocken, von denen die gröſste 50 Ctr. wog, aus. Diese Guſs-
stahlglocken riefen das gröſste Erstaunen hervor; man wollte nicht
glauben, daſs das Material wirklich Stahl sei, weshalb unter der
Leitung von Dr. Steinbeiſs aus Stuttgart eine der Glocken ver-
schmiedet wurde.
Diese neue Verwendung des Stahls erregte berechtigtes Aufsehen,
wurde aber damals noch als Geheimnis behandelt. Das Material,
welches dafür verwendet wurde, war Tiegelguſsstahl und erfolgte das
Gieſsen bei kleinen Stücken direkt aus den Tiegeln, bei gröſseren
aus einer Gieſspfanne. Der wichtigste Teil des Geheimnisses bestand
in der Formmasse, welche sehr feuerfest sein muſste. Diese Formmasse
war eine Erfindung der Gebrüder Matthias und Johann Brandenburg.
Da der Stahl viel stärker schwand als Guſseisen, so muſste bei der
Herstellung der Formen darauf Rücksicht genommen werden. Man
brachte die Saugtrichter an den stärksten Querschnitten an und gab
durch rasche Entfernung der Formmasse nach dem Guſs dem Stück
Gelegenheit zum unbehinderten Zusammenziehen. Die Herstellung
[949]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
der Stahlgüsse war das Verdienst des Direktors Jakob Meyer. Die
Façonstücke, welche man in Bochum aus Stahl goſs, waren auſser
Glocken besonders Eisenbahnscheibenräder, die getempert wurden.
1855 machten ferner in Westfalen Guſsstahl: Fr. Lohmann und
Berger \& Komp., beide zu Witten, Huth zu Hagen und die Johannis-
hütte zu Dortmund.
Massenguſsstahl zu erzeugen war das allgemeine Streben in dieser
Zeit. Wir haben die Erfindungen von Chenot, Uchatius und
Bessemer bereits beschrieben. Verschiedene Werke suchten ordinären
Massenguſsstahl durch einfaches Zusammenschmelzen von Schmiede-
eisen und Roheisen darzustellen.
Hütteninspektor Stengel zu Lohe bei Müsen hatte schon 1846
und 1847 auf Karstens Veranlassung auf dem Stahlwerk von Huth
zu Geitebrück Versuche in dieser Richtung angestellt 1). Nur mit
Spiegeleisen, welches eine gröſsere lösende Kraft für das Stabeisen
zeigte, erhielt er gute Güsse. Das Schmelzen muſste möglichst heiſs,
das Ausgieſsen rasch geschehen. Für weichen Stahl nahm er auf
25 Pfd. Eisen 2 Pfd. Spiegeleisen, für harten, festen Stahl auf 24 Pfd.
Stabeisen 8 Pfd. Spiegeleisen. Der so bereitete Stahl, auch der weichste,
lieſs sich nur schlecht schweiſsen. Er gab gute Schneiden, hatte aber
geringe Festigkeit und war spröde. Tunner verwarf diese Art der
Stahlbereitung, welche man schon 20 Jahre früher zu Murau versucht
hatte, weil der so erhaltene Stahl keine Festigkeit besäſse.
Auf dem belgischen Eisenwerk zu Seraing wurde anfangs der
50er Jahre ebenfalls ordinärer Guſsstahl aus passenden Mischungen
von Roheisen und Stabeisen erzeugt und 1851 zu London ausgestellt.
Er hatte ein gutes Aussehen. Tunner sprach aber dieser Art der
Fabrikation ebenfalls den Erfolg ab, was sich auch bald bewahrheitete.
Später ging man in Seraing zum Umschmelzen von Puddelstahl über.
1852 gelang es dem Direktor Pasteur, Guſsstahl „ohne jede Ver-
wendung von vegetabilischem Brennstoff“ herzustellen.
Price und Nicholson nahmen am 20. November 1855 in England
ein Patent, Guſsstahl durch Zusammenschmelzen von gefeintem Roh-
eisen und Stabeisen zu erzeugen, und bald darauf schlug Gentle
Brown vor, Guſsstahl aus Schmiedeeisen und Holzkohlenroheisen zu
erzeugen. Stirling (Patent vom 19. März 1856) goſs Guſseisen auf
eine gleiche Menge Schmiedeeisenstückchen und schmolz das Gemenge
in Tiegeln unter Zusatz von Eisenoxyd um.
Von sonstigen Vorschlägen und Verbesserungen der Guſsstahl-
fabrikation erwähnen wir noch die folgenden.
Tunner hatte 1854 durch Versuche auf dem von Friedauschen
Werke zu Mautern nachgewiesen, daſs Guſsstahl in Gasflammöfen
geschmolzen werden könne. Um dieselbe Zeit wurden Gasschmelzöfen
für Guſsstahl, die einige Jahre zuvor bereits in England Eingang ge-
funden hatten, bei Borsig in Berlin eingeführt. In Österreich wendete
man auf den Guſsstahlhütten zu Eisenerz in Steiermark, St. Egidi in
Nordösterreich und Oberfellach in Kärnten vor 1853 überall Schmelz-
stahl (Rohstahl) als Material für die Guſsstahlbereitung an. In den
englischen Guſsstahlhütten war das von Heath vorgeschlagene Mittel,
Zusatz von ca. 1 Proz. Mangankarburet, Mitte der 50er Jahre allgemein
eingeführt.
J. Talabot und J. M. Stirling (Patent Nr. 1967 vom 15. August
1853) wollten verschiedene Sorten von hartem und weichem Guſsstahl
durch Zusatz von Metalloxyden beim Schmelzen des Cementstahls
erhalten. Weil es schwierig ist, die Cementation des Stabeisens gerade
bis auf den richtigen Punkt zu führen, zogen sie vor, dasselbe voll-
ständig mit Kohlenstoff zu sättigen und den Überschuſs desselben
dann durch Zusatz von Oxyden beim Schmelzen zu entfernen. Sie
schlugen hierfür Eisenoxyd, Manganoxyd, Zinnoxyd und Zinkoxyd
vor. Eisenoxyd sollte man 3 bis 4 Proz., Manganoxyd ½ bis 2 Proz.
nehmen; ein Zusatz von 0,1 bis 0,2 Proz. Zinnoxyd sollte den Stahl
hart, und von 0,02 bis 0,04 Proz. Zinkoxyd denselben zähe machen.
J. D. M. Stirling nahm dann am 6. Februar 1854 für sich ein
Patent auf ein Verfahren, Stahl durch Schmelzen von Roheisen mit
Eisenoxyd zu bereiten (Erzstahl), wobei Zusätze von Zink, Zinn
Wismut, Antimon oder Arsenik die Güte des Stahls verbessern sollten.
Der Amerikaner Cumming Thomas erzeugte Stahl durch Zuschlag
eines Gemenges von Kochsalz, Blutlaugensalz und doppeltchromsaurem
Kali zu geschmolzenem Roheisen und glühendem Frischeisen.
Farrar in New York schmolz Holzkohlenstabeisen mit 2 Tln.
Salmiak und 1 Tl. Cyankalium zusammen, wozu er mitunter noch
Mangan setzte. Nach dieser Methode wurde von der Damaskus-Eisen-
und Stahl-Kompanie guter Guſsstahl zu einem Preise von 28 £ die
Tonne geliefert. Diese Methode fand nicht nur in Amerika, sondern
auch in England und Frankreich Eingang.
1858 tauchte der Wolframstahl auf, den Franz Mayr zu Leoben
zuerst im groſsen darstellte. Er war bedeutend schweiſsbarer als
englischer Guſsstahl, erforderte aber dazu einen hohen Hitzegrad.
[951]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Die ersten Versuche zu seiner Darstellung hatten J. Jakob und
Dr. Köller zu Reichramming 1855 gemacht. Rob. Oxland lieſs sich
im Juli 1858 die Wolframstahlbereitung in England patentieren, ebenso
Robert Mushet. 1860 empfahl Schimmelbusch auch die Fabrika-
tion von Wolframpuddelstahl 1).
Verbesserte Konstruktionen für Tiegelstahl-Schmelzöfen haben
James Jackson \& fils zu St. Seurin sur l’Isle angegeben 2). Jullien
konstruierte zu Lorette eine groſse Guſsstahl-Ofenanlage, aus 20 an-
einanderliegenden Öfen, jeder für 9 Tiegel, bestehend.
Früher konnte man den Stahl in den Tiegeln nur mit Koks
schmelzen. Mit Steinkohlen hatte man erst Erfolg, seitdem man mit
Unterwind schmolz. In Frankreich führten dies Petin, Gaudet \& Komp.,
Inhaber des Erfindungspatentes von Debrye, Bouché und Bouillet,
zuerst ein. Dieselben versuchten auch den Centrifugalguſs bei dem
Stahl anzuwenden, jedoch ohne besonderen Erfolg.
Ein wichtiger Gegenstand war ein gutes Zusammenschweiſsen von
Guſsstahl und Schmiedeeisen. Hierfür hatte Saunderson in Sheffield
1853 ein Patent genommen. Er erreichte dies 1. durch Anfertigung
von Eisenstäben mit Vertiefungen, in welche Stahl eingegossen wurde,
2. dadurch, daſs er den Stahl durch einen eisernen Mantel vor dem
Verbrennen während des Schweiſsens schützte; 3. dadurch, daſs er die
rotglühenden, mit Stahl überzogenen Eisenstäbe preſste, statt sie aus-
zuschmieden, und 4. durch besonders konstruierte Stahlschmelzöfen.
In Frankreich erfanden 1853 F. B. Verdié \& Komp. zu
Firminy ein Verfahren, Schmiedeeisen mit Guſsstahl zu vereinigen.
Ersteres wurde glühend in Formen eingelegt und Guſsstahl darüber
gegossen. Auf diese Weise bereitete man Schienen mit einer Kopfplatte
von Guſsstahl, die zu Werkzeugstahl, besonders für Hobeleisen etc.,
ausgewalzt wurden.
Mushet schlug vor, reines Roheisen durch Einleiten von Luft
zu entkohlen, die geschmolzene Masse zu granulieren und die Grana-
lien mit Spiegeleisen im Tiegel zu Guſsstahl zu schmelzen (Patent
vom 16. Dezember 1854). Ein zweites Verfahren bestand darin, reines
Roheisen durch Zerstampfen im glühenden Zustande zu granulieren,
die Körner mit reinen oxydischen Eisenerzen und Spiegeleisen zu
mischen und im Tiegel zu schmelzen. (Patent vom 15. Januar 1859.)
Gegen Ende der 50er Jahre kamen Guſsstahlbleche in allgemeine
[952]Cement- und Guſsstahlfabrikation 1851 bis 1860.
Aufnahme. 1855 hatten Jackson, Pétin und Gaudet einen Dampf-
kessel aus Guſsstahlblech, den ersten in Frankreich gefertigten, auf der
Pariser Weltausstellung ausgestellt. Die französische Regierung er-
nannte eine besondere Kommission zur Prüfung dieser wichtigen
Neuerung.
Die Fabrikation der Stahlschreibfedern, welche seit den 40er
Jahren eine gröſsere Bedeutung erlangte, hatte ihren Hauptsitz in
Birmingham. Dort wurden 1855 bereits 1440 Millionen Stück Federn
fabriziert.
In der Nadelfabrikation waren die wichtigsten Fortschritte die
Herstellung der glatten, eiförmigen Ösen nach dem Patent von Abel
Morral und Karl Schleichers 1858 patentierter selbstthätiger
Schleifmaschine.
Beste Guſsstahlsorten für Werkzeuge suchte Mushet durch Zu-
satz von Wolfram und Titan zu erzeugen.
In den 50er Jahren fing man bereits an, den Stahl an Stelle
von Schmiedeeisen für konstruktive Zwecke zu verwenden. Auf Alfred
Krupps Verdienste um die Verwendung des Guſsstahls für Achsen
und Wellen haben wir bereits hingewiesen; derselbe machte zuerst
Bergwerkspumpengestänge aus Guſsstahl. 1852 wurde ein Schiff aus
Stahlblech für den Rhein erbaut. Das Schiff, mit dem Livingstone
einige Jahre später den Zambesi hinauffuhr, war ebenfalls aus Puddel-
stahl hergestellt. 1858 erbauten Laird \& Komp. zu Greenock den
ersten Seedampfer aus Stahl, dem bald andere folgten 1). 1856/57
empfahlen Shortridge, Howell und Jessop von Sheffield ihren
weichen Homogenstahl für Schiffs- und Dampfkesselbau, und die Ver-
suche, welche die englische Regierung mit diesem Material anstellte,
fielen sehr befriedigend aus. D. Adamson in Manchester machte
aus diesem Stahl in den Jahren 1857 bis 1859 eine Anzahl von
stationären Dampfkesseln; 1859 baute er auch Lokomotivkessel. Die
ersten Stahlschienen in England lieſs Mushet auf den Victoria Works,
Ebbw-Vale, walzen und wurden dieselben auf der Station Derby verlegt.
Die Geschichte der Entwickelung der Eisenindustrie in den ein-
zelnen Ländern können wir in der Hauptsache nur durch statistische
Zusammenstellungen, denen wir kurze Angaben über die wichtigsten
Ereignisse beifügen werden, erläutern.
Überblicken wir die politischen Ereignisse und die Lage Europas
im fünften Jahrzehnt, so war der Anfang desselben noch beherrscht
von den Folgen der Stürme des Jahres 1848. Die Eisenindustrie
war gedrückt, die Preise schlecht. Das groſse Friedenswerk der
Londoner Weltausstellung im Jahre 1851 übte aber eine segens-
reiche Einwirkung auf die gesamte Technik aus und leitete eine
Periode groſsartigen Aufschwunges für die Eisenindustrie ein. Im
Dezember gründete Napoleon III. das zweite Kaiserreich in Frankreich
und verkündete der Welt: l’empire c’est la paix. Diese Versicherung
und die eifrigen Bemühungen Napoleons für die Beförderung der
französischen Industrie, deren Erfolge in der internationalen Aus-
stellung zu Paris im Jahre 1855 der Welt vor Augen geführt wurden,
trugen dazu bei, günstig auf die Entwickelung der Gewerbthätigkeit
einzuwirken. Dieselbe wurde auch nur wenig beeinträchtigt durch den
orientalischen Krieg von 1853 bis 1856, welcher auf das südöstliche
Europa lokalisiert blieb. Dagegen brach im Jahre 1857 in den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika eine groſse Handelskrisis aus, welche
nach und nach auch die europäischen Staaten in Mitleidenschaft zog
und schwer auf Handel und Industrie drückte. Auch die Eisenindustrie
hatte unter den Folgen dieser Krisis zu leiden, was namentlich in
den sinkenden Preisen seinen Ausdruck fand, dazu kam der Ausbruch
des italienischen Krieges im Jahre 1859. Dieser war indessen rasch
beendet und der Abschluſs des Handelsvertrages zwischen Frankreich
und England im Jahre 1860 war der Anfang einer neuen Periode
[954]Die Eisenindustrie der einzelnen Länder 1851 bis 1860.
des Aufschwunges der Industrie der Weltmächte und des übrigen
Europas.
Einen ungeheuren Einfluſs übten die verbesserten Kommunikations-
mittel: die Eisenbahnen, Dampfschiffe und Telegraphen aus. Sie ver-
wischten immer mehr den landschaftlichen Charakter der Eisen-
industrie und machten sie zu einem internationalen Gewerbe.
England beherrschte den Eisenmarkt und seine Hütten erzeugten
mehr Eisen als das ganze übrige Europa zusammen, wie aus folgender
Zusammenstellung zu ersehen.
Eisenerzeugung der europäischen Staaten im Jahre 1850
(nach Öchelhäuser).
Hiervon wurden 2712500 Tonnen = 69 Proz. durch Koks erzeugt.
Nach der Zusammenstellung des Amerikaners J. D. Whitney in Phila-
delphia (The metallic wealth of the United-States) übertraf im Jahre
1854 die englische Eisenproduktion die des übrigen Europas und Nord-
amerikas zusammen, wie aus nebenstehender Tabelle, in welcher
auch die von Whitney berechneten Werte beigesetzt sind, zu er-
sehen ist.
Von Carnall giebt die Eisenproduktion der Erde im Jahre 1854
auf rund 120 Millionen Centner an, wovon entfielen auf Groſsbritannien
48,33, Nordamerika 16,67, Frankreich 9,17, Preuſsen 4,24, Österreich
4,17, Ruſsland 4,16, Schweden und Norwegen 3,33, die deutschen
Zollvereinsstaaten ohne Preuſsen 2,08, Spanien, Italien und die Schweiz
1,67, die übrigen Länder 2,00 Proz.
Eisenproduktion der Kulturstaaten für 1854:
Die angegebene Produktion würde einen Würfel von 303 Fuſs Seite
und einen Cylinder von 600 Fuſs Durchmesser und 100 Fuſs Höhe dar-
stellen; als Schienen könnte man damit zweimal die Erde umspannen.
Der Amerikaner Hewitt hat die Produktion des Jahres 1855 auf
137788000 Ctr. angegeben und den Eisenverbrauch für den
Kopf der Bevölkerung in
1856 betrug die Eisenproduktion in
Hiervon wurde etwa noch ein Drittel mit Holzkohlen dargestellt.
Da die Zölle einen groſsen Einfluſs ausübten, so ist folgende
Zusammenstellung der Eingangszölle für die Tonne Eisen im Jahre
1850 von Interesse:
Einen Überblick über die Preisbewegung im Groſshandel geben
nachstehende Durchschnittspreise von schottischem Roheisen für die
Tonne in Glasgow:
In England hatte die Eisenindustrie im Jahre 1851 noch mit
schlechten Preisen zu kämpfen, und auch 1852 ging das Geschäft noch
flau, so daſs in Schottland 12 Hochöfen ausgeblasen worden waren.
Im Winter 1852/53 stiegen aber die Eisenpreise fast auf das doppelte
und die Industrie nahm einen groſsen Aufschwung.
Die schottische Hochofenindustrie 1) konzentrierte sich in Glasgow.
Dort waren 1851 auf den Hütten von Monkland 9, Dundyvan 9,
Gartsherrie 16 und Calder 6 Hochöfen im Betriebe. Im Jahre 1852
standen in Schottland 113 Hochöfen im Feuer, 15 sollten wieder an-
geblasen werden und 6 neue waren im Bau begriffen. In dem Zeit-
raume von 1851 bis 1854 betrug die durchschnittliche Jahresproduktion
750000 Tonnen.
Es wurden
1860 zählte man in Schottland 175 Hochöfen, von denen 131 im
Betriebe waren.
In Süd-Wales erlangten die Anthracithochöfen eine erhöhte
Bedeutung.
Die merkwürdigste Erscheinung jener Zeit war aber das rasche
Emporblühen der Roheisenerzeugung Nordenglands im Cleveland-
distrikt, in der Umgebung von Middlesborough. Dort waren in
5 Jahren 80 Hochöfen erbaut worden. Die Veranlassung hierzu hatte die
Entdeckung der groſsen Eisenerzlager Clevelands durch John Roseby
1848 gegeben. 1850 erschürften Bolckow und Vaughan die Eston-
Grube und legten 1852 die ersten Hochöfen im Clevelanddistrikt an, denen
bald die Hochofenanlage von Bell Brothers zu Port Clarence folgte.
Eine andere wichtige Gründung war die der Hochofenanlage zu Bar-
row-in-Furneſs, North Lancashire, von Schneider, Hannay \& Komp.
im Jahre 1859.
Stentz machte 1855 in seinem Reiseberichte folgende Angaben
über die Maſse der wichtigsten Hochöfen in Groſsbritannien.
Im Jahre 1850 belief sich die britische Roheisenproduktion auf
2¼ Millionen Tonnen; davon entfielen auf Süd-Wales, wo Anfang
1851 143 Hochöfen im Betriebe standen, 700000 Tonnen, auf Süd-
staffordshire mit 148 Hochöfen, wovon 105 im Betriebe waren, 600000
Tonnen, auf Südschottland ebensoviel. Ferner auf
Eine noch genauere Statistik des britischen Hüttenbetriebes be-
sitzen wir von 1852.
Hochöfen Groſsbritanniens im Jahre 1852.
Die Ausfuhr von Roheisen betrug 238918 Tonnen, an Schmiede-
eisen 779230, die gesamte Eisenausfuhr 1431557, so daſs auf den in-
ländischen Verbrauch 1268443 Tonnen entfielen.
Für die folgenden Jahre liegen folgende Zusammenstellungen der
Eisenproduktion vor:
Dabei waren 1857 von 821 Hochöfen 633 und 1858 von 834 Hoch-
öfen 619 im Betriebe. Die Eisenproduktion von Durham (Cleveland-
distrikt) war seit 1850 fast um das fünffache gestiegen.
Zusammenstellung der Produktion Groſsbritanniens.
Diese Zahlen sind nach der offiziellen Statistik von Hunt zu-
sammengestellt. Etwas abweichend ist die folgende Übersicht der
Roheisenproduktion Groſsbritanniens und Irlands von 1855 bis 1860
nach den einzelnen Bezirken.
Die Einfuhr nach England betrug 1856 an Roheisen 1867 Tonnen,
an Stabeisen (meist aus Schweden und Ruſsland) 51935 Tonnen.
Dagegen wurden ausgeführt
und zwar besonders nach den Vereinigten Staaten, Frankreich, Holland
und Deutschland.
Von dem schottischen Roheisen gingen 1856
Nach allen übrigen Ländern war die Verschiffung geringer.
In den folgenden Jahren betrug die Ausfuhr von Roheisen
Ferner führte Groſsbritannien im Jahre 1859 aus:
Einem dem Verfasser von Geheimrat H. Wedding gütigst zur
Verfügung gestellten Reisebericht aus dem Jahre 1860 sind noch
[961]Groſsbritannien 1851 bis 1860.
folgende technische Einzelheiten, welche zugleich ein Bild von dem
Umfang und der Gröſse der Eisenhütten und der wichtigsten Bezirke
geben, entnommen.
In Südwales wurde damals zu Pontypool „charcoal-pig iron“,
was aber nur beste Sorte Koksroheisen war, mit Holzkohlen in Frisch-
feuern zu den besseren Blechen für die Weiſsblechfabrikation ver-
arbeitet. Diese wurden in Walzen von der ungewöhnlichen Länge
von 3 m ausgewalzt und unter Doppelscheren nach den richtigen
Maſsen geschnitten. Die geschnittenen Bleche wurden geglüht, nochmals
durchgewalzt und kamen dann in die Beize.
Die Verkokung der Steinkohlen geschah noch zum Teil in Haufen,
zum Teil zwischen Mauern (Rogers Patent) nach Art der Schaum-
burger Öfen, oder in flachen Öfen ohne Züge mit Ausziehen durch
Dampfmaschinen. Ferner hatte man zu Pontypool Koksöfen mit
Theergewinnung. Bei diesen lagen zwei Öfen übereinander, in dem
unteren (Dry oven) wurde nur Koks gemacht, er heizte aber zugleich
einen darüber liegenden Destillationsofen (tar oven), aus dem die
Produkte (Wasser, Naphtha etc.) durch ein am höchsten Punkte der
Stirnseite angebrachtes Rohr abgeleitet wurden. Man erhielt von diesen
Öfen monatlich 20000 Gallonen Theer. In den vier Hochöfen verschmolz
man eigene Kohleneisensteine von 30 Proz., Blackband von 45 Proz.,
Forest of Dean Erze von 30 Proz. Eisengehalt und Garutha, ein reiches,
teures, wohl spanisches Erz. Kohleneisenstein und Blackband wurden
geröstet. Die Hochöfen hatten je vier Windformen, wovon aber meistens
nur drei benutzt wurden. Der Wind wurde in schraubenförmig ge-
wundenen Röhren auf mindestens 300° C. erhitzt. Der Winderhitzungs-
apparat wurde mit Gichtgasen gefeuert, die durch sechs Röhren abgeleitet
wurden. Besseres Roheisen wurde mit kaltem Wind erblasen. Die Ge-
stelle bestanden aus Natursteinen (Konglomerat), die übrigen Ofenteile
aus feuerfesten Ziegeln. Die Gicht des Ofens war wegen der Gas-
entziehung mit Parrys Trichter geschlossen. Den Gebläsewind für die
vier Öfen lieferte eine groſse Balanciermaschine von 108 Zoll Durchmesser
des Windcylinders und 8 Fuſs Hub, die 16 Wechsel in der Minute machte.
Die Cwm Celyn und Blaina-Works hatten acht Hochöfen; davon
waren drei rund, von diesen waren zwei mit Blechmänteln, einer mit
Eisenbändern gebunden; zwei ältere Öfen waren viereckig. Ein neuer,
unfertiger war 67 Fuſs (20,44 m) hoch und hatte 20 Fuſs (6,10 m) lichte
Weite im Kohlensack. Er hatte vier Formgewölbe und eine fünfte Form
auf der Brustseite im Arbeitsgewölbe.
Als Gichtverschluſs verdrängte Parrys Doppeltrichter die ältere
Beck, Geschichte des Eisens. 61
[962]Groſsbritannien 1851 bis 1860.
unvollkommene Konstruktion mit Trichter und Deckel. Die Verkokung
geschah meist in freien Haufen, die sich aber an ein Mauerwerk,
in dem Züge angebracht waren, von beiden Seiten anlehnten. Man
schmolz unter Zusatz von ein Viertel roher Kohlen im Hochofen. Die
abgeleiteten Gase waren mehr wie hinreichend für die Dampfkessel-
heizung und Winderhitzung.
Mit einem der Hochöfen war direkt ein Puddelofen, der durch
die abgeleiteten Gichtgase geheizt wurde, verbunden. In dem Walz-
werk heizten je vier Puddelöfen einen stehen-
den Dampfkessel. Die Vorwalzen waren mit
Vor- und Rückwärtsbewegung eingerichtet. Es
geschah dies durch eine Kuppelung, die durch
eine kleine Dampfmaschine ein- und ausgerückt
wurde.
Ebbw-Vale hatte neun Hochöfen. Die
meisten waren ganz cylindrisch, mit eisernen
Reifen, die aber nicht zum Zusammenziehen ge-
richtet waren, bekleidet. Die innere Gestalt und
die Maſse sind aus Fig. 341 ersichtlich. Die
Koksöfen waren mit der Rückseite aneinder-
stoſsende Backöfen, die mittels Gabel und Platte
mit Hülfe eines Krahnes entleert wurden. Das
Rösten geschah in den Seite 235 gezeichneten
geräumigen Schachtöfen. Das Roheisen wurde
gefeint und zwar wurde es entweder direkt
aus dem Hochofen in das Feineisenfeuer ab-
gestochen, oder es wurde sortiert und umgeschmolzen. Im ersteren
Falle brauchte man 5, im zweiten 8 Ctr. Koks für die Tonne Eisen.
Der Einsatz betrug 2 Tonnen; 22 Ctr. Roheisen gaben 20 Ctr. Feineisen.
Die Puddelöfen waren auf drei Seiten aus hohlen, guſseisernen Kästen
gebildet, durch die ein dünner Wasserstrahl floſs. Später versuchte
man es mit Gaspuddelöfen, wobei mit einem Schieleschen Ventilator
Luft unter den Rost und über die Feuerbrücke eingeblasen wurde.
Das Werk besaſs 104 Puddelöfen, 60 Schweiſs- und Glühöfen,
6 Luppen-, 6 Präparier- und 4 Schienenwalzenkasten; 4 Luppen-
quetschen (squeezers), 1 Dampfhammer und 1 Dampfpresse. Die Luppen-
straſse (Bar mill) machte 70, die Vorbereitungswalzen 40 und die Fertig-
walzen 80 bis 120 Umdrehungen. Die Vorwalzen der Schienenstraſse
lagen in einem Triogerüst. In 12 Stunden wurden in einem Ofen
sieben Chargen gemacht. Auf dem dazugehörigen Viktoriawerk wurde
[963]Groſsbritannien 1851 bis 1860.
Stahl gepuddelt. Der Herd des Ofens war mit Roteisenstein ausgesetzt.
Der Einsatz betrug 4 Ctr., man machte fünf Chargen im Tag; die
Luppen wurden gehämmert, geschweiſst und dann erst ausgewalzt.
Nant-y-Glo hatte sechs ältere
Hochöfen und ein groſses Walzwerk.
Eine Patentluppenmühle mit drei
Rollen von George Brown konnte
30 Puddelöfen bedienen.
In dem Weiſsblechwerk Ponty-
Mista wurde graues Roheisen erst
mit Koks gefeint und das Feineisen
dann im Frischfeuer mit Holzkohlen
gefrischt, die Luppe sodann unter
einem Stirnhammer gezängt und
in Schirbel geteilt. Diese wurden
in Wasser gelöscht, in Hollow-fires
erhitzt und dann zu Flachstäben
ausgewalzt, die dann wieder in
Wasser gelöscht, zu Stürzen zer-
schnitten, im Glühofen erhitzt und
zu Blech gewalzt wurden. Dieses
wurde dann mit Schwefelsäure ge-
beizt u. s. w.
Ystalifera hatte elf Hochöfen,
wovon acht im Betriebe waren und
mit Anthracitkohlen schmolzen, doch
wurde meist ein Viertel Koks mit
aufgegeben. Zur Ableitung der Gase
war ein Cylinder von 6 Fuſs Höhe eingehängt, seitlich dessen die Gase
durch gemauerte Öffnungen abgeführt wurden, die Gicht war offen.
Das Stichloch war besonders weit, um die Asche der Anthracitkohlen
ausblasen zu können. Man blies durch neun Formen mit 4 bis 5 Pfd.
Pressung. Die Formen lagen nicht in gleicher
Linie, sondern in Dreieckstellung (Fig. 343) in
zwei Höhen. Die Produktion betrug wöchent-
lich nur 70 bis 80 Tonnen und wurde das
Eisen meist zu Blech für die Weiſsblech-
fabrikation verarbeitet.
Die groſsen Dowlais-Eisenwerke hatten
18 Hochöfen, wovon 16 im Betriebe waren.
61*
[964]Groſsbritannien 1851 bis 1860.
Nur drei waren mit Gasableitungen versehen. Eine Gebläsemaschine
von 500 Pferdekräften bediente acht Hochöfen. Der neueste und
gröſste Ofen hatte das in Fig. 342 dargestellte Profil. Der Ofen hatte
8 Formen in darunter verzeichneter Anordnung von 10 bis 11 cm Weite.
Der Winddruck betrug 2⅞ Pfd. Statt des Wallsteines diente eine
Eisenplatte, die mit Thon hinterstampft wurde. Auſser durch die
Wasserformen wurde das Gestell durch Wasserkästen gekühlt. Es
waren starke, offene Guſseisenkästen mit schmiedeeisernen Deckeln,
welche Öffnungen hatten. Man erhitzte den Gebläsewind bis zu Blei-
schmelzhitze. Ein Theil des Zuschlagkalkes wurde vorher gebrannt.
In dem neuen Hochofen machte man 370 Tonnen in der Woche,
hoffte aber auf 420 Tonnen zu kommen. Das Dach des neuen Walz-
werkes war mit Wellblech gedeckt. Die Dampfkessel waren nicht mehr
mit den Puddelöfen zusammengebaut, sondern von ihnen getrennt. Die
Zahl der Puddelöfen betrug 142, die der Schweiſsöfen 68. Eisenbahn-
schienen waren der Hauptartikel der Fabrikation.
Das Rhymney-Eisenwerk hatte neun Hochöfen und ein Schienen-
walzwerk. Zu Cyfartha lagen sieben Hochöfen in einer Reihe, von
diesen wurden nur zwei mit heiſsem Wind betrieben; die Gase wurden
nicht abgeleitet. Die Gestelle hatten 2,50 bis 3 m Weite.
Der groſse Hochofen von Aberdare (Abernant) war 13 m hoch,
6,10 m im Kohlensack, 2,75 m in der Gicht und 3,05 m im Gestell
weit. Man blies mit sechs Formen von 10 cm Öffnung, wovon je zwei
nebeneinander lagen. Die Wochenproduktion betrug 400 Tonnen.
In Staffordshire gab es eine groſse Zahl von Eisenhütten, aber
keine so umfangreiche Anlagen wie in Südwales. Die Hochöfen hatten
meist noch eine sehr enge Zustellung, z. B. hatte der Hochofen zu
Park-Lane bei 18,30 m Höhe nur 3,35 m Rast — 2,75 m Gicht —
und 0,915 Gestellweite. Neuere Hochöfen, wie z. B. die Blackwells
bei Dudley, waren weiter: 4,76 m die Rast, 3,27 m die Gicht und
2,62 m das Gestell. Die Öfen hatten oft lange Kampagnen, einer
z. B. eine von 11 Jahren. Die Produktion war nicht groſs, etwa
18 Tonnen täglich, die Gase wurden nicht abgezogen. Die Kohlen
wurden in Meilern verkokt, die Erze in Haufen geröstet. Kalk wurde
zuweilen gebrannt aufgegeben. In den Puddel- und Walzwerken heizten
die Puddel- und Schweiſsöfen meist stehende Dampfkessel. Der Ge-
bläsewind wurde in Hosen- oder Ringröhrenapparaten stark erhitzt.
Die Puddelschlacken wurden geröstet und mit den gerösteten Schlacken
die Puddelöfen ausgesetzt.
In Yorkshire wurden auf dem Eisenwerke Low-Moor gute Kessel-
[965]Die Vereinigten Staaten 1851 bis 1860.
bleche und Radkränze (tyres) aus kalt erblasenem, aber gefeintem
Guſseisen gemacht. Die Puddelöfen hatten hinter dem Fuchs einen Vor-
wärmherd. Auf der Bowlinghütte hatte man Hochöfen mit oblonger
Gicht, (1,10 m: 1,51 m). Von fünf Hochöfen waren vier im Betriebe.
Alle gingen mit kaltem Wind. Die kleineren Öfen mit zwei Formen
gaben 76 Tonnen, die gröſseren mit drei Formen 96 Tonnen Roheisen
die Woche. Sonntags wurden die Öfen stillgestellt (stopped). Das Eisen
wurde gefeint und dann zu Qualitätseisen verpuddelt, ganz ähnlich
wie in Low-Moor.
In Newcastle waren auf den Eisenhütten von Losh, Wilson \& Bell
von sechs Hochöfen vier im Betriebe. Die ziemlich groſsen Hochöfen von
13,725 m Höhe, 4,42 m Weite im Kohlensack, 2,29 m in der Gicht,
1,505 m im Gestell, schmolzen bei heiſsem Wind mit Koks aus ver-
schiedenen Erzen, besonders aus schottischem Blackband, 250 bis
260 Tonnen die Woche.
In Schottland waren im Sommer 1863 auf der Govanhütte
von fünf Hochöfen drei im Betriebe. Die Öfen waren groſs: 17,68 m hoch,
6,405 m im Kohlensack, 3,05 m in der Gicht und 2,75 m im Gestell
weit. Die Öfen hatten acht bis neun Düsen und schmolzen mit roher
Steinkohle und heiſsem Wind aus Hämatit und geröstetem Blackband
200 Tonnen per Ofen in der Woche.
Das Walzwerk zählte 48 Puddelöfen mit einer gemeinschaft-
lichen Esse.
Auf dem groſsen Hochofenwerk Gartsherrie waren von 16 Hoch-
öfen von 13,75 bis 19 m Höhe 14 im Gange, alle ohne Gasableitung.
Eine Gebläsemaschine von 500 Pferdekräften lieferte den Wind für
alle Öfen. Im übrigen war der Betrieb wie in Govan.
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika nahmen schon
1850 den zweiten Platz unter den Eisen erzeugenden Ländern der
Welt ein und steigerten ihre Produktion namentlich infolge des Be-
darfes des rasch sich ausdehnenden Eisenbahnnetzes. Dieses umfaſste
1850 eine Länge von 14515 km, 1855 von 29563 km und 1860 von
49291 km, erreichte also nahezu die Länge sämtlicher Bahnlinien
Europas, die 1860 51000 km betrug.
Die Roheisenproduktion schwankte entsprechend der wechselnden
Geschäftslage und betrug:
Die Roheisenerzeugung mit Anthracit und Koks nahm bedeutend
zu, während die mit Holzkohle zurückging. Es wurde produziert
(nach Swank):
Bei weitem der gröſste Teil des Anthracitroheisens wurde in
Pennsylvanien erzeugt (1854: 307710 Tonnen, 1856: 394509 Tonnen).
1856 zählte man in Pennsylvanien 21 und in Maryland 3 Hochöfen,
die mit Koks, sowie 6 Öfen in Pennsylvanien und 13 in Ohio, die
mit roher Steinkohle betrieben wurden.
Den gröſsten Aufschwung nahmen die Puddel- und Walzwerke,
namentlich die Schienenwalzwerke. 1858 gab es in den Vereinigten
Staaten und in Canada 832 Hochöfen, 488 Hammerhütten und 225 Walz-
werke. Unter den Hammerhütten sind die Luppenschmieden (bloomaries)
mit einbegriffen, die am meisten am Champlainsee, in Tennessee und
Nordcarolina verbreitet waren.
Die Erzeugung von Eisenbahnschienen betrug:
1850 40000 Tonnen, 1855 80000 Tonnen, 1860 200000 Tonnen.
Die Einfuhr:
1850 160000 Tonnen, 1855 340000 Tonnen, 1860 150000 Tonnen.
Die Preise standen:
In Pennsylvanien wurden 1853 die groſsen Werke der Cambria-
Eisengesellschaft bei Johnstown angelegt, zunächst um die Schienen
für die Pennsylvaniabahn von Philadelphia nach Pittsburg zu walzen.
George S. King und Dr. Schönberger waren die Hauptgründer.
1856 zählte man in der Grafschaft Alleghany (Pittsburg) 25 Walz-
werke. Der 1859 von Graff, Benett \& Komp. erbaute Clinton-
ofen war der erste Hochofen bei Pittsburg, in dem Koks mit Er-
folg angewendet wurde, doch erst, als man zu Connelsville-Koks
überging.
1850 gab es in Pennsylvanien 298 Hochöfen, 121 Hammerwerke,
6 Luppenschmieden und 79 Walzwerke. In diesem Jahre hatte man
in Pittsburg im ganzen 40 Tonnen Guſsstahl gemacht, allerdings von
geringer Qualität. Erst 1859 gelang es Hussey und Wells, guten
Guſsstahl aus amerikanischem Eisen zu erzeugen.
In Virginia hatte die Holzkohlenindustrie einen groſsen Umfang
angenommen. Nach Lesleys Angabe waren vor 1856 88 Holzkohlen-
hochöfen und 59 Hammerwerke erbaut worden. Viele davon waren
schon vor 1850 wieder eingegangen, doch standen im Jahre 1856 immer-
hin noch 39 Holzkohlenhochöfen und 43 Hammerwerke im Betriebe.
Auſserdem gab es 12 Walzwerke, wovon 7 in der Nähe von Wheeling, dem
Mittelpunkt der virginischen Walzwerksindustrie, und 4 um Richmond
lagen. In Wheeling waren auch groſse Nagelfabriken.
In Nordcarolina befanden sich 1856 40 Luppenschmieden und
einige Frischhütten im Betriebe. Die meisten derselben bedienten sich
noch der Wassertrommelgebläse (trompe); auch gab es einige kleine
Walzwerke mit Wasserradbetrieb.
In Tennessee gab es damals 75 Luppen- und Frischschmieden,
71 Holzkohlenhochöfen und 4 Walzwerke. Von den Hochöfen lagen
29 in Osttennessee, 42 in Mittel- und Westtennessee. Die meisten
lagen am Cumberlandfluſs, wo man einmal 42 Eisenwerke zählte. Die
Luppenschmieden oder Rennwerke befanden sich gröſstenteils in Ost-
tennessee, davon 15 in Johnston County. Sie machten hauptsächlich
Luppen für die Walzwerke. Alle diese Holzkohlenhochöfen, Frischfeuer
und Rennwerke waren 1890 bis auf zwei verlassen. Erst 1857 fing
man in Tennessee an, die ersten Koks zu machen.
In Alabama war die Eisenindustrie vor 1856 nur unbedeutend. In
diesem Jahre zählte man nach Leslie drei Hochöfen, die 1495 Groſs-
tonnen Roheisen machten und 17 Renn- und Frischhütten. Auch hier
waren Wassertrommelgebläse und Holzcylindergebläse (tubs) an der
Tagesordnung.
In Ohio entstand 1852 eine Dampfschmiede. 1854/55 legte man
im Clevelanddistrikt das erste Walzwerk in Verbindung mit einem
direkten Eisengewinnungsprozeſs an, das Unternehmen schlug aber
fehl. Das zweite Walzwerk war die Railroad Rolling Mill für Schienen-
fabrikation.
In Indiana entstand das erste Walzwerk 1857. 1859 gab es
nach Leslie fünf Holzkohlenhochöfen, von denen aber 1860 nur noch
der Richlandofen in Betrieb stand.
In Illinois war 1860 nur der Illinoisofen, der 1856 vergröſsert
worden war, im Betriebe. Die Eisenindustrie von Chicago begann 1857.
Kapitän E. R. Ward von Detroit baute damals ein Walzwerk, um
alte Schienen umzuwalzen. Hieraus entwickelte sich die mächtige
North Chicago Rolling Mill Company.
In Michigan entstanden zwischen 1850 und 1860 drei neue
Hochöfen. Im Süden verschmolz man noch Sumpferze, im Norden fing
man an, die Erze vom Lake Superior zu verhütten. Der Aufschluſs
des Erzgebietes am oberen See bildet einen wichtigen Abschnitt in
der Geschichte der amerikanischen Eisenindustrie. 1855 werden die
ersten Rennwerke bei Marquette am Dead River erwähnt. Roheisen
stellte 1858 Stephen R. Gay in einem kleinen, 8 Fuſs hohen Ver-
suchsofen zuerst dar. Die ersten Hochöfen legte die Pionier-Gesellschaft
bei Negaunee an und zwar kam der Ofen Pionier I im April 1858
und Pionier II im Mai 1859 in Betrieb. Der von Gay 1858 erbaute
Collinsofen war der zweite Hochofen in Michigan. Schon früher waren
aber Erze vom Oberensee auf zwei entfernten Holzkohlenhochöfen bei
Detroit verschmolzen worden, dem Eurekaofen bei Wyandotte, der 1855,
und dem Detroitofen, der 1856 erbaut und im Januar 1857 angeblasen
worden war. Noch früher hatte man schon Erze vom Oberensee nach
Pennsylvanien gebracht und sie versuchsweise verhüttet. Dies ge-
schah zuerst 1850 mit einem Quantum von 5 Tonnen. Die erste
Verwendung dieser Erze im Hochofen war 1853 im Sharpsvilleofen bei
Sharon durch David Agnew erfolgt. Die Sharon-Eisengesellschaft
sollte damals die Jacksongruben kaufen. Ferner wurden im Clayofen bis
zum August 1856 im ganzen 400 Tonnen von diesem Erz verschmolzen.
Diese beiden Hochöfen wurden mit Steinkohlen vom Shenangothal
betrieben. Seit 1856 fand eine regelmäſsige Ausfuhr von Lake-Superior-
Erzen nach Pennsylvanien statt. 1855 wurde das erste Walzwerk in
Michigan, „Eureka“ bei Wyandotte, erbaut.
In Wisconsin war der älteste Holzkohlenhochofen 1848 bei
Mayville in Dodge County erbaut worden, wozu 1858 eine Eisengieſserei
[969]Die Vereinigten Staaten 1851 bis 1860.
kam. 1857 hatte eine deutsche Gesellschaft einen Hochofen am Black
River in Jackson County erbaut. In demselben Jahre wurde ein
dritter Holzkohlenofen zu Ironton in Sauk County von Jonas Tower
erbaut.
In Missouri entstanden bei St. Louis mehrere Walzwerke: 1854
Missouri-Walzwerk, 1855 Allen-, 1856 Pacific- und 1858 Rayners-
Walzwerk. 1859 wurde der Hochofen Ironside-furnace in Washington
County errichtet.
In Texas wurde 1859 der erste Hochofen am N.-O.-Ende von
Caſs County erbaut und ein zweiter bei Hughes Springs angefangen.
In Arkansas war 1850 das erste Luppenfeuer von einem Eng-
länder in Carrol County angelegt, aber nach einigen Jahren durch
eine Flut zerstört worden. 1857 wurde das Rennwerk Big Creek bei
Smithsfield in Lawrence County mit zwei Feuern und einem Hammer
in Betrieb gesetzt. 1857 richtete man die Luppenfeuer mit heiſsem
Wind ein.
In der Verwendung des Eisens leisteten die Vereinigten Staaten
in vieler Beziehung Hervorragendes. Zum Eisenguſs eignete sich das
amerikanische Holzkohlenroheisen in vorzüglicher Weise und waren
infolgedessen die Leistungen der Eisengieſsereien sehr gute. Die in
der Weltausstellung zu London von Edds ausgestellten Hartguſsräder
für Eisenbahnen, welche bereits 4 bis 5 Jahre gelaufen waren, ohne
daſs sich die Laufflächen abgenutzt hatten, erregten Bewunderung.
Im Ofenguſs überflügelten die Amerikaner alle anderen Nationen,
namentlich aber in der Fabrikation praktischer Kochöfen für Holz-
und Steinkohlenfeuerung. Bekanntlich hatte bereits Benjamin Frank-
lin dieser Frage seine Aufmerksamkeit zugewendet und einen zweck-
mäſsigen Kochofen erfunden. Ihm folgten Graf Rumford und dann
Dr. Eliphatel Nolt. Die gröſsten Ofengieſsereien befanden sich zu
Albany, Troy, New York, Boston und Philadelphia. Die Eisengieſserei
von Hayward, Bartlett \& Komp., welche 1844 zu Baltimore ge-
gründet worden war, baute zuerst eiserne Häuser. Die gröſste Gieſserei
für Kunstguſs war die von Robert Wood \& Komp. in Philadelphia.
Nicht minder hervorragend waren die Leistungen in der Werk-
zeugfabrikation. Henry Diston gründete um 1850 die groſsartige
Keystone-Sägenfabrik zu Philadelphia, welche namentlich die besten
Kreissägen lieferte. Freilich muſsten sie ihren Stahl von England
beziehen. Mc. Kelvy und Blair in Pittsburg, die 1850 eine Feilen-
fabrik errichtet hatten, machten dagegen seit 1852 ihren eigenen Stahl.
Sie waren die ersten, die Guſsstahl in gröſseren Mengen herstellten.
[970]Frankreich 1851 bis 1860.
Die gröſste Fabrik für Äxte und Pflugscharen war die von Collins
\& Komp. am Farringtonfluſs zu Collinsville, Connecticut. Für Messer-
waren waren die Werke der Russel Manufacturing Company in Greenfield,
Massachusetts, welche John Russel 1834 gegründet hatte, die ersten.
Sie führten zuerst Maschinenhämmer bei ihrer Fabrikation ein. Wood,
Light \& Komp. zu Worcester, Mass., hatten die berühmteste Fabrik von
Werkzeugmaschinen für Eisenbearbeitung. Im Maschinen- und Schiffs-
bau waren die Leistungen der Amerikaner zum Teil groſsartig. In der
Reading-Dampfschmiede (Pa.) wurden 1856 zwei groſse Wellen für die
Achsen des Dampfschiffs Adriatic von 35½ Fuſs Länge, 27½ Zoll Durch-
messer und 35 Groſstonnen Gewicht geschmiedet und bearbeitet. Die
Kurbeln (cranks) gaben 12 Fuſs Ausschlag und wog jede 8,39 Tonnen.
In diese Zeit fällt auch die Gründung der Columbia Bergakademie
und anderer technischer Lehranstalten. Nicht minder wichtig war die
Gründung der American Iron and Steel Association zu Philadelphia
am 6. März 1855, welche die Eisenstatistik zu einer ihrer Haupt-
aufgaben machte. Durch sie und seitdem besitzt die Union eine vor-
treffliche Statistik ihrer Eisenindustrie.
Die dritte Stelle unter den eisenerzeugenden Staaten nahm
Frankreich ein. Das Kaiserreich unter Napoleon III. förderte die
einheimische Industrie in jeder Weise. Welchen Aufschwung die
Eisenindustrie nahm, läſst sich daran ermessen, daſs die Ausfuhr von
Eisen, Eisenwaren und Maschinen von 1851 bis 1859 von 1 Million
auf 45 Millionen Franken stieg.
Auf der groſsen Weltausstellung zu Paris im Jahre 1855
zeigte sich die französische Eisenindustrie im glänzendsten Lichte.
Eine sehr schöne und vollständige Ausstellung, welche durch ihre
planmäſsige Anordnung sehr instruktiv war, hatten Schneider \& Komp.
zu Creusot vorgeführt. Unter den ausgestellten sieben Sorten Frisch-
eisen befand sich auch Puddelstahl. Den Aufschwung des Werkes
bezeugt die Thatsache, daſs der Wert der Hüttenprodukte von Creusot
1847 700000 Franken und im Jahre 1855 13500000 Franken be-
tragen hatte.
Die brillanteste Ausstellung im Jahre 1855 hatten aber die
Gebrüder Jackson, Petin, Gaudet \& Komp. zustande gebracht.
Diese Firma besaſs damals acht Eisen- und Stahlwerke, von denen die
wichtigsten bei St. Etienne lagen. Auf diesen Werken beschäftigten
[971]Frankreich 1851 bis 1860.
sie 2500 Arbeiter und 1800 HP. Maschinenkräfte. Sie hatten damals
die gröſste Guſsstahlhütte der Welt; auf fünf Hütten (darunter St.
Chommond und Assailly) befanden sich 23 Cementieröfen, 12 groſse
Schmelzöfen für 8 bis 12 Tiegel und 292 Öfen für 2 Tiegel. Die
Produktion wurde auf 1 Mill. kg Guſsstahl, 560000 kg Streckstahl
und 1 Mill. Ctr. Cementstahl veranschlagt.
Bougeret, Martenot \& Komp. war damals die erste Eisenwerks-
gesellschaft Frankreichs. Sie besaſs 13 Kokshochöfen und 23 Holz-
kohlenhochöfen, 88 Puddelöfen und 27 Frischfeuer, mit diesen produ-
zierte sie über 1 Mill. Ctr. Waren. Sie beschäftigte 19000 Arbeiter
und hatte einen Jahresumschlag von 22 Millionen Franken.
Die Gebrüder de Dietrich zu Niederbronn besaſsen sieben Holz-
kohlenhochöfen, die 150000 Ctr. Guſswaren von vorzüglicher Qualität
lieferten; auſserdem fabrizierten sie Eisenbahnräder. Auf der Aus-
stellung erregte eine 7 Fuſs lange, gegossene Eisenplatte, welche so
biegsam war, daſs man sie zuerst für Blech halten muſste, die Be-
wunderung der Sachverständigen. Von den übrigen groſsen Eisen-
werken, welche ausgestellt hatten, nennen wir nur noch die anonyme
Gesellschaft Providence zu Hautmont an der belgischen Grenze, welche
2 Kokshochöfen und 40 Puddel- und Schweiſsöfen betrieb, nur wegen
ihrer vorzüglichen Ausstellung von Façoneisen, namentlich L-, T- und I-
Eisen, welches in Paris bereits vielfach zu Bauzwecken verwendet
wurde. Eine ähnliche Ausstellung hatte Maubeuge. — Audincourt
hatte gewalzte Röhren und gepreſste Holzgefäſse, welche aus einem
vortrefflichen Holzkohleneisen gemacht wurden, ausgestellt. J. Holtzer
in Firminy bei St. Etienne hatte auſser Schmelz-, Gärb- und Cement-
stahl auch Puddelstahl vorgeführt, dessen Fabrikation 1½ Jahr zuvor
der deutsche Ingenieur August Wolf eingeführt hatte.
William Jackson zu St. Seurin, dem Enkel jenes Jackson,
welcher die Guſsstahlfabrikation in Frankreich zuerst mit Erfolg be-
trieben hatte, gebührt das Verdienst der ersten Einführung des
Bessemerprozesses. Er begann seine Versuche schon 1856, aber erst
nach 5 Jahren gelang ihm die erfolgreiche Durchführung des Prozesses.
Für den Chenotprozeſs wurde 1855 die Hütte zu Clichy-la-Garonne
bei Paris erbaut und 1856 wurde dieses Verfahren zu Pontcharra
(Isère) und 1857 zu Hautmont (Nord) eingeführt, wobei spanische
Erze von Sommorostro verarbeitet wurden.
Die kaiserliche Regierung wendete der Eisenindustrie Frankreichs
unausgesetzt lebhaftes Interesse zu und die technischen Fortschritte
hielten gleichen Schritt mit der Zunahme der Produktion.
Von groſser Bedeutung war auch die Verwendung der Minette
auf den lothringischen Hütten. Stiringen hatte damit 1851 den
Anfang gemacht. Die Gesellschaft Vezin-Aulnoye wurde 1858 von
Joseph Sepulchre gegründet.
Die statistischen Angaben über die Produktion der französischen
Eisenwerke in jener Zeit sind sehr lückenhaft. Die meisten Nachrichten
stammen aus den ersten Jahren dieses Zeitraumes.
Die Roheisenproduktion betrug:
Guſseisen zweiter Schmelzung wurde 1851: 822258 M.-Ctr, 1852:
900886 M.-Ctr. erzeugt.
Die Stabeisenproduktion betrug:
1852 wurde 39381 M.-Ctr. Rohstahl, 98084 M.-Ctr. Cementstahl und
43516 M.-Ctr. Guſsstahl erzeugt. Die Dampfmaschinen, welche in
diesem Jahre für Eisenhütten- und Hammerwerke arbeiteten, leisteten
12354 Pferdekräfte.
Den gröſsten Anteil an der Roheisenproduktion mit Holzkohlen
im Jahre 1852 hatten die Departements
an der Roheisenproduktion mit Koks:
Von Stabeisen wurde erzeugt:
Im Jahre 1854 fand eine Zollreduktion für Eisen und Stahl
statt. Am 29. September 1855 betrugen die wichtigsten Zölle in
Frankreich
Die Produktion von Koks-Roheisen 1858 und 1859 wird angegeben
zu 545000 und zu 519000 Tonnen, war also seit 1850 um mehr als
das Dreifache gestiegen. Folgende Zusammenstellung zeigt die Zu-
nahme der Roheisenproduktion mit Koks in Frankreich seit 1825
nach Truran:
Nach Jordan1) betrug die gesamte Roheisenproduktion Frankreichs:
Die geschäftliche Entwickelung der Eisenindustrie in Belgien
war ähnlich wie in England. In technischer Beziehung machten be-
sonders der Flammofenfrischprozeſs und die Stahlerzeugung in dieser
Periode Fortschritte. Zu Seraing wurde zu Anfang der 50er Jahre
eine groſsartige Stahlfabrik angelegt. Der Glanzpunkt der belgischen
Eisenausstellung zu Paris 1855 bildeten die Eisen- und Stahlbleche
in groſsen Tafeln von schönstem Aussehen.
1850 betrug die Produktion
Man zählte 351 Eisenwerke, welche 7511 Arbeiter beschäftigten,
darunter 78 Eisengieſsereien mit 1537 Arbeitern, 99 Frisch- und
Puddelwerke mit 2702 Arbeitern. 86 Hütten mit 516 Arbeitern be-
schäftigten sich mit Eisenverfeinerung.
Die Roheisenproduktion hatte damals den hohen Stand von 1847
noch nicht wieder erreicht, die übrige Eisenfabrikation hatte denselben
überholt.
In der Provinz Lüttich wurden 1852 65000 Tonnen Eisen dargestellt,
wovon ⅓ Guſs- und ⅔ Frischroheisen waren. 1851 wurden daselbst
8000 Tonnen Eisen zu Nägel verarbeitet. 1854 waren 28 Hochöfen
im Betriebe, die 148013 Tonnen Roheisen mit 231352 Tonnen Stein-
kohlen erzeugten. Es gab damals noch 5 Holzkohlenhochöfen, die
sich aber alle auſser Betrieb befanden. Es wurden ferner 62488 Tonnen
Schmiedeeisen und 19282 Tonnen Guſswaren produziert.
1856 zählte man in ganz Belgien 126 Hochöfen, wovon aber
nur 73 betrieben wurden, nämlich 53 Koks- und 20 Holzkohlenöfen.
Letztere entfielen auf die Provinzen Luxemburg (4) und Namur (16).
Es waren 4039 Dampfmaschinen-Pferdekräfte bei dem Hochofenbetrieb
in Anwendung. Die Produktion stellte sich folgendermaſsen:
Groſse Ausdehnung erhielten die Eisenwerke von Seraing in
diesem Zeitraume. 1857 beschäftigten sie 6000 Arbeiter 1). Puddel-
stahl kam gegen Ende der 50er Jahre zu allgemeiner Verwendung,
besonders für Eisenbahnmaterial, für Radreifen und Schienen mit
Laufflächen von Puddelstahl, für Hufeisen, Pflugscharen und Hacken,
welche letztere namentlich in Luxemburg fabriziert wurden.
Die Roheisenproduktion Belgiens betrug:
Die gröſsten Eisenwerke Belgiens, die den übrigen Staaten des
Kontinents, besonders Deutschland, vielfach als Muster dienten, bildeten
zwei Hauptgruppen, die der Maas im Gebiete von Lüttich und die der
Sambre in der Gegend um Charleroi. Zur ersteren gehörten die Werke
von Seraing, Ougrée, Sclessin und Espérance, zur zweiten die Werke
von Monceau sur Sambre, Couillet, Montigny s/S., Providence in
Marchienne, Hourpe s/S. und Chatelineau. Ihre Hochöfen verhütteten
damals noch fast ausschlieſslich belgische Erze. Die groſsartigen Werke
der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing hatten 18603) sechs Hoch-
öfen. Für drei derselben diente eine schiefe Ebene zum Heben des
Schmelzmaterials auf das Gichtniveau, zwei andere hatten einen ver-
tikalen englischen Gichtaufzug mit Dampfbetrieb, wobei die Dampf-
maschine auf der Gicht stand. Von den vier im Betriebe befindlichen
Hochöfen hatte nur einer Gasabführung, und zwar in der in Belgien
[976]Belgien 1851 bis 1860.
gebräuchlichen einfachen Weise, daſs ein eiserner Cylinder (Trémie)
in der Gicht hing und die Gase durch seitliche gemauerte Öffnungen
abgeleitet wurden. Die neuesten Winderhitzungsapparate nach dem
Calder-System hatten ovale Röhren. Die flachen Hosenröhren waren
3,05 m hoch. Die Françoisschen Verkokungsöfen waren nur 1 m breit,
was damals für sehr schmal galt.
In dem Puddel- und Walzwerk waren die meisten Puddelöfen
mit Vorwärmherden versehen. Je zwei Öfen heizten einen Cylinder-
kessel, der dahinter unter dem Boden lag. Eine Luppenmühle und
eine Rohstrecke genügten für 24 Puddelöfen. Die groſsartige Schmiede
von Seraing hatte einen Dampfhammer mit beweglichem Cylinder
(Condiehammer) von 10 Tonnen Fallgewicht und einen mit Dampf be-
triebenen Aufwerfhammer. Die Radfabrikation bildete eine besondere
Abteilung. Der Bau von Lokomotiven und Schiffsmaschinen war sehr
bedeutend und erfolgte in geräumigen Werkstätten.
Die groſse Eisenhütte von Ougrée war terrassenförmig angelegt.
Durch einen Tunnel unter dem Erzplatz wurden die Erze von der
Maas zugeführt und auf den Möllerboden gehoben. Vier Hochöfen
standen in einer Reihe. Bei den Hochöfen hatte man längere Zeit
den Betrieb mit intermittierendem Wind geführt (vergl. S. 837). In
den dreierlei Koksöfen wurden nur durchgerätterte Kleinkohlen verkokt.
Die alten Frommontschen Öfen mit zwei Sohlen hatten nur Seiten-
erwärmung. Das zweite Koksofensystem war mit Sohl- und Seiten-
erwärmung und mit Dampfkesselheizung eingerichtet. Bei der dritten
Ofenart heizten die Gase der einzelnen Abteilungen ihre Nachbar-
abteilungen mittels durchlaufender Züge. Diese hatten das gröſste
Ausbringen im Gewicht und in Prozenten. Für das Bandagenwalzwerk
wurden die Stäbe über einer konischen Walze zu einem cylindrischen
Paket gerollt und dieses dann geschmiedet.
Die Anlage zu Sclessin zählte 6 Hochöfen, wovon 4 im Betriebe
waren, von diesen machten 3 Puddelroheisen (fonte d’affinage),
1 Gieſsereiroheisen (fonte de moulage). Wie auf allen Maſshütten
wurde ein Brauneisenerz (minerai Violet) mit Vorliebe verschmolzen.
Die Kokskohlen wurden hier mit hydraulischen Setzsieben gewaschen.
Die ausgedehnte Koksfabrik umfaſste 5 Batterien von je 48 François-
öfen mit Sohlen- und Seitenerwärmung. Jede Batterie war mit 3 Essen
versehen, zwischen denen Cylinderkessel lagen. Die Gichtgase der
Hochöfen wurden abgeleitet, wie zu Seraing, und zur Winderhitzung
benutzt. Der Calderapparat hatte die Eigentümlichkeit, daſs die Hosen-
röhren an Höhe abnahmen, so daſs das erste am höchsten, das fünfte
[977]Belgien 1851 bis 1860.
am niedrigsten war. 5 Balanciermaschinen, von denen eine als Reserve
diente, lieferten den Gebläsewind. Ein Teil der Gichtgase wurde
zur Kesselheizung benutzt, wobei sie durch einen flachen Spalt über
einen Rost mit glühenden Kohlen eingeführt wurden. Alle 6 Hoch-
öfen hatten eine gemeinschaftliche Gieſshalle, in der noch mehrere
Kupolöfen standen. Es wurden viele Hohlkugeln gegossen. Das Walz-
werk, das hauptsächlich Eisenbahnschienen lieferte, hatte 20 Pudd-
lings-, 9 Schweiſs- und 3 Blechglühöfen. Die Puddlingsöfen hatten
Schüttelroste.
Die Hochofenhütte Espérance lag nicht dicht an der Maas,
aber nahe dabei und unmittelbar an der Hauptbahn. Sie hatte
4 Hochöfen, 1 Kohlenwäsche mit hydraulischen Setzsieben, durch
welche der Aschengehalt der Steinkohlen von 12 Proz. auf 5 bis
6 Proz. vermindert wurde, eine groſse Verkokungsanstalt mit älteren
und neueren Koksöfen. Die zum Verkauf bestimmten Koks wurden
mit einer Drahtseilbahn in die Eisenbahnwagen befördert. Man
unterschied folgende Roheisensorten: moulage (Gieſsereiroheisen) Nr. 1
bis 4, hiervon war Nr. 1 (fer fort) am grobkörnigsten, Nr. 4 hatte
schon weiſse Ränder; das Gieſsereiroheisen wurde in Sand gegossen;
affinage (Puddelroheisen), drei Sorten, affinage grise oder Nr. 5, grau
und feinkörnig, affinage truitée, halbiert, und affinage métise ou tendre,
weiſs, wurde in Coquillen gegossen. Man stach in 24 Stunden dreimal
ab und hatte bei Puddelroheisen oft Abstiche von 8000 kg. Da die
Erze des Maasgebietes blei- und zinkhaltig waren, so hatte man hier,
wie auf den vorgenannten Hütten, mit Gichtschwamm zu kämpfen
und erhielt Blei im Gestell, das entweder mit dem Eisen beim Ab-
stich ausfloſs oder durch ein Loch im Bodenstein von Zeit zu Zeit ab-
gezapft wurde. Zu Espérance erhielt man auf diese Art monatlich 4000
bis 5000 kg Blei. Von den vier Gebläsemaschinen zu je 80 Pferde-
kräften war eine liegend, zwei stehend mit Balancier- und Knaggen-
steuerung und eine stehend und direkt wirkend. Hier hatte man auch
Versuche mit dem Bessemerverfahren gemacht, aber ohne Erfolg.
Von den Eisenwerken in der Gegend von Charleroi hatte Monceau
sur Sambre 4 Hochöfen von 15,25 m Höhe und 2,10 m Gichtweite.
Jeder Ofen hatte drei Formen von 10 cm Öffnung, von denen aber in
der Regel nur die beiden seitlichen benutzt wurden. Man blies mit
5 bis 6 cm Pressung. Die Gichtgase wurden durch drei Öffnungen
abgezogen, der eingehängte Blechcylinder war 1,37 m hoch. Es
waren drei englische Gichtaufzüge mit Ketten ohne Ende, worin die
Förderschalen hingen, und ein Wasseraufzug vorhanden. Man gab
Beck, Geschichte des Eisens. 62
[978]Belgien 1851 bis 1860.
durchschnittlich in einem Ofen 25 Chargen von 520 kg Koks, 560 kg
Kalk und 1385 kg Erz auf und stach alle 12 Stunden ca. 11000 kg
Roheisen ab.
In dem Walzwerk lag direkt über je 2 Puddelöfen 1 Dampf-
kessel. Die 24 Puddelöfen wurden von einem Aufwerfhammer und
einer Rohstrecke bedient. Eine Charge von 220 kg Roheisen gab
195 kg Luppenstäbe. Man machte 7 bis 8 Chargen in 12 Stunden
mit einem Kohlenaufwand von 1300 bis 1400 kg. In den Schweiſsöfen
verbrannte man in 12 Stunden 1600 kg Steinkohlen. In dem Walz-
werk wurden Eisenbahnschienen und starke Bleche gewalzt.
Couillet war eine groſse, schöne Anlage mit sechs Hochöfen, Gieſserei,
Walzwerk und Kesselschmiede. Von den Hochöfen waren vier im
Betriebe, die von vier Balancier-Gebläsemaschinen von je 80 Pferdekräften
bedient wurden; eine fünfte diente als Reserve. Die Hochöfen für
Puddelroheisen bliesen mit zwei, der für Gieſsereiroheisen mit drei Formen,
nur letzterer hatte Winderhitzung. Das Walzwerk lieferte Kesselbleche,
Eisenbahnschienen und Baueisen. Hier wurden auch 1856 Versuche
mit dem Chenotprozeſs gemacht.
Montigny s/S. hatte eine gute Verkokungsanstalt mit Gendebien-
Öfen, die sich durch zweckmäſsige Sohl- und Seitenerwärmung aus-
zeichneten und 75 Proz. Ausbringen gaben. Für Puddelroheisen (fer
fort) setzte man auf 100 kg Erz 30 kg Kalkstein und verbrauchte
1150 kg Koks auf die Tonne Eisen. In 24 Stunden wurden aus
30 Chargen 22000 kg Roheisen geschmolzen. Die Formen waren
12 cm, die Düsen 10 cm weit und ganz geschlossen. Die Windpressung
betrug 10 cm Quecksilber. Für Moulage wurde der Wind in eigen-
tümlichen Hosenröhrenapparaten von Frammont auf 300° C. erhitzt.
Auſser zwei Balanciermaschinen hatte man eine liegende Gebläsemaschine
mit Schieberventil.
Auf der Hütte Providence zu Marchienne hatte man die
Frommont-Koksöfen in Françoisöfen umgebaut. Die drei Hochöfen
waren mit Gasentziehung eingerichtet und war der eingehängte trémie
konisch, entsprechend der Ofenwand. Für affinage erhitzte man den
Wind nur auf 80 bis 100° C. und blies mit 10 bis 12 cm Queck-
silberpressung.
Jeder Hochofen hatte seine Gebläsemaschine, eine davon war liegend
mit Schiebersteuerung (gliessière). Hier, wie auf den übrigen Hütten
dieser Gruppen, lieſs man das Puddelroheisen in Coquillen laufen, die
meist in langer Reihe senkrecht zur Ofenbrust aufgestellt waren. Das
Walzwerk lieferte schönes I-Eisen. Die Walzen für solches von 0,14 m
[979]Belgien 1851 bis 1860.
Breite und 0,30 m Höhe hatten nur 7 Kaliber, 3 in den Vorwalzen
und 4 in den Fertigwalzen; man walzte bis 6 m Länge. Zum Schneiden
des Eisens diente eine Doppelschere.
Das hübsche Walzwerk Bonehill in Marchienne hatte 10 Puddel-
und 4 Schweiſsöfen in einer Reihe. Je 2 Öfen heizten einen liegenden
Dampfkessel. Man walzte hier viel gemustertes Eisen, das meistens
nach Spanien ging, wo es zu Möbeln verwendet wurde. Die Oberwalze
hing in Lagern, die durch eine Schraube verstellbar waren, wodurch
man viele Kaliber sparte.
Auf der Hütte zu Hourpe s/S. hatte man Dulait-Koksöfen.
Bei der Herstellung von Puddelroheisen (fonte d’affinage) stellte
sich die Bilanz wie folgt:
Einnahme:
Ausgabe:
mit 120 kg Koks wurde erzeugt:
Wärmeverbrauch:
Das Walzwerk Zône hatte 14 Puddel- und Schweiſsöfen und
drei Walzenstraſsen mit 3 liegenden Dampfmaschinen. Man walzte be-
sonders grobes Rundeisen, das nachträglich überschmiedet wurde, für
Achsen.
Chatelineau war eine groſse Eisenhütte mit sechs Hochöfen, wovon
drei im Betriebe waren, und einem kleinen Walzwerk. Der Ofen für
moulage war 16 m, die für fonte d’affinage 15 m hoch. Letztere
hatten Gestelle aus Puddlingsteinen, die zum Schutz gegen das Zer-
springen mit feuerfesten Ziegeln umkleidet waren; die Gestelle hatten
viereckigen Querschnitt; das Gestell für Gieſsereiroheisen war ganz
aus künstlichen Steinen gemacht. Man blies nur mit zwei Formen. Der
Wind für moulage war auf 250° C., der für affinage auf 170° C. erhitzt.
Das Walzwerk enthielt ein Feineisenwalzwerk, das von einer 25 pferdigen
Maschine getrieben wurde, während eine 80 pferdige Maschine ein
Schienenwalzwerk bediente.
Der deutsche Zollverein befand sich am Anfang des fünften
Jahrzehnts in einer kritischen Lage und schien der Auflösung nahe
zu sein. Die frühere Einigkeit war verschwunden und es herrschten
tiefgehende Meinungsverschiedenheiten. Diese traten um so schärfer
hervor, als Österreich anfing, freihändlerische Grundsätze zu ver-
kündigen, die innere Zollschranke zwischen Österreich und Ungarn
am 1. Oktober 1850 aufhob und der Minister Freiherr von Bruck
den kühnen Plan eines groſsen mitteleuropäischen Zollverbandes auf-
rollte. Preuſsen sah darin wohl mit Recht nur einen Versuch, den
deutschen Zollverein zu sprengen und die süddeutschen Staaten auch
[981]Deutscher Zollverein 1851 bis 1860.
wirtschaftlich enger mit Österreich zu verbinden. Es verhielt sich
deshalb ablehnend gegen die weitgehenden Projekte Brucks, schloſs
mit Hannover und den mit diesem verbundenen Steuervereinsstaaten
am 7. September 1851 einen Vertrag zur Gründung eines gemein-
schaftlichen Zollverbandes und kündigte sodann am 15. November 1851
die Verträge mit den seitherigen Zollvereinsstaaten auf den 1. Januar
1854, indem es erklärte, nur mit denjenigen Staaten, welche dem
Septembervertrag beitreten würden, in einen Zollbund treten zu wollen.
Mit Österreich trat Preuſsen in Unterhandlung wegen Abschluſs eines
Zollvertrages, der denn auch am 13. Februar 1853 auf sehr liberaler
Grundlage zustande kam. Den dadurch isolierten süddeutschen
Staaten blieb nichts anderes übrig, als sich wieder mit Preuſsen zu
verständigen und so wurden am 4. April 1853 die Zollvereinsverträge
bis zum 31. Dezember 1865 erneuert. Ein neuer groſser Zollbund,
der jetzt ganz Deutschland auſser Österreich und den hanseatischen
Seestädten umfaſste, war dadurch erstanden. Derselbe war mit Österreich
durch den neuen Handelsvertrag in ein freundschaftliches Verhältnis
getreten. Der gegenseitige Zoll auf Roheisen betrug nur 1 Mark für
100 kg, für Stabeisen 4 Mark für 100 kg. Der Ausfuhrzoll auf Roh-
eisen an der Ostgrenze des Zollvereinsgebietes wurde aufgehoben.
Dagegen hatte sich Belgien schon 1852 dazu verstanden, daſs der
Differentialzoll auf Roheisen von 1 Mark auf 1,50 Mark erhöht wurde.
1853 trat dann nach Ablauf des siebenjährigen Begünstigungsvertrages
der allgemeine Zollsatz von 2 Mark und 9 Mark für 100 kg Roh- und
Stabeisen wieder in Kraft. Die kluge Zollpolitik Preuſsens in Ver-
bindung mit der friedlichen politischen Entwickelung in Deutschland
wirkte segensreich auf die Eisenindustrie ein, dazu kamen die technischen
Fortschritte, worunter der Übergang zum Kokshochofenbetrieb, besonders
im Rheinland und Westfalen, einen groſsen Aufschwung der Roheisen-
produktion und der Eisenindustrie überhaupt zur Folge hatte. Diese
günstige Entwickelung findet ihren Ausdruck in der umstehenden
statistischen Tabelle der Roheisenerzeugung, Eiseneinfuhr, -Ausfuhr
und Verbrauch auf Roheisen berechnet.
Aus der oberen Tabelle ist eine starke Zunahme des Eisenver-
brauchs entsprechend dem groſsen Aufschwung der Eisenindustrie bis
1858 ersichtlich, von da ab fand ein Rückschlag statt. Die Entwickelung
war groſsenteils den technischen Fortschritten der Eisenindustrie in den
einzelnen Staaten zu verdanken. Der Bau von Eisenbahnen spielte
dabei eine wichtige Rolle. Die Eisenbahnlinien Deutschlands ver-
mehrten sich von 1850 bis 1860 von 5785 auf 10805 km.
Produktion, Einfuhr, Ausfuhr
und Verbrauch des Zollvereins an Roheisen 1851 bis 1860.
(In Tonnen.)
Produktion von Guſswaren,
Stabeisen, Blech, Draht und Stahl im Zollverein.
(In Tonnen.)
In dem Königreich Preuſsen nahm die Eisenindustrie in den
50er Jahren einen groſsartigen Aufschwung, am meisten in den west-
lichen Provinzen, Rheinland und Westfalen, wozu der Bedarf der
Eisenbahnen und der Eisenbahnbau am meisten beitrug. Von keinem
Staate besitzen wir aus dieser Zeit so genaue und ausführliche
statistische Angaben als von Preuſsen.
1850 wurde ein neues Berggesetz erlassen, welches eine segens-
reiche Wirkung auf Bergbau und Hüttenwesen ausübte. In demselben
Jahre wurde von der preuſsischen Regierung die Vergröſserung der
[983]Preuſsen 1851 bis 1860.
Königshütte in Schlesien durch Neubau von vier Hochöfen angeordnet 1).
Fig. 344 (a. f. S.) zeigt die Königshütte im Jahre 1856 nach einer
Originalskizze von Professor Dürre in Aachen, der sie dem Verfasser
gütigst zur Benutzung überlassen hat.
Ferner wurde auf Antonienhütte ein neuer groſser nach belgischem
Muster erbauter Hochofen angeblasen.
Im ganzen war aber die Lage der Eisenindustrie 1850 eine gedrückte.
Dies war auch 1851 noch der Fall. Die Eisenpreise standen in
diesem Jahre sehr niedrig, doch begann eine hoffnungsvollere Stimmung
platzzugreifen. Im westfälischen Bergamtsbezirk wurde 1850 nur auf
einer (Friedrich-Wilhelmshütte bei Mühlheim a. d. Ruhr), 1851 nur auf
drei Hütten mit Koks geschmolzen. Die Zahl der Hochöfen in Westfalen
betrug 1850 sechs, wovon einer mit Koks und fünf mit gemischtem
Brennmaterial, Holzkohle und Koks, betrieben wurden. 1851 zählte
man acht Hochöfen. Es war nämlich eine neue Eisenhütte bei Borbeck
hinzugekommen, welche Roteisenstein von der Lahn mit Koks ver-
hüttete und bei reichen Erzen und starkem Gebläse die in Deutsch-
land bis dahin unerhörte Produktion von 25 bis 30 Tonnen den Tag
hatte. Der Erbauer des Werkes war der belgische Ingenieur Charles
Detillieux. 1851 wurde auch die Niederrheinische Hütte bei Duisburg
und die Kokshochofenhütte bei Hochdahl gegründet.
Der groſse Aufschwung trat erst im Laufe des Jahres 1852 ein.
Am 1. Juli dieses Jahres entstand die neue Hochofenhütte zu Hörde
als Aktienunternehmen und zwar mit so auſserordentlichem Erfolg,
daſs sie bereits im ersten Jahre, vom 1. Juli 1852 bis 1. Juli 1853,
gegen 300000 Thlr. verdiente und 12 Proz. Dividende verteilt werden
konnten. Das Werk stand damals unter der Leitung des Special-
direktors Wiesenhahn.
Früher war man der Ansicht gewesen, daſs es in dem Kohlen-
gebiete keine Eisenerze gäbe. 1851 wurden aber an der südlichen
und westlichen Grenze derselben Thon- und Brauneisensteinlager und
im Dortmunder Revier bei Sprockhoevel auch Kohleneisenstein (black-
band) entdeckt. Nachdem diese Erze auf der königl. Eisenhütte zu
Sayn probiert worden waren, wurde die Hörder Hochofenhütte zum
Zwecke ihrer Ausbeutung erbaut. Ehe diese aber in Betrieb kam, wurden
die Kohleneisensteine schon auf der Hütte Markana in der Haspe bei
Hagen mit gemischtem Brennmaterial verhüttet. Das Hörder Walz-
werk von Piepenstock \& Komp., welches 1851 noch unter der alten
[[984]]
[985]Preuſsen 1851 bis 1860.
Firma auf der Londoner Ausstellung ein Räderpaar mit Röhrenachsen
und Scheibenräder eigener vorzüglicher Konstruktion ausgestellt hatte,
ging ebenfalls in den Besitz der neuen Aktiengesellschaft über.
1852 wurde auf der Borbecker Hütte der zweite Hochofen an-
geblasen; die neu angelegte Eintrachthütte bei Hochdahl an der Elber-
felder Eisenbahn unter Schimmelbuschs Leitung erzeugte bereits
135000 Ctr. Roheisen.
In Brandenburg setzte Borsig Anfang der 50er Jahre sein neu
erbautes Puddelwerk zu Moabit bei Berlin in Betrieb. Es arbeitete
mit 14 Puddel- und 6 Schweiſsöfen, sowie mit zwei Dampfhämmern
von je 60 Ctr. und fünf von je 20 Ctr. und war für eine tägliche Pro-
duktion von 600 Ctr. eingerichtet. Es verarbeitete schlesisches Roheisen
mit englischen Steinkohlen. Im Sommer 1852 wurde in Schlesien der
nach neuen Grundsätzen erbaute „Schultze-Hochofen“ in Betrieb gesetzt,
welcher der alten Gleiwitzer Hütte zu einer neuen Blüte verhalf.
Ein ausführlicher Bericht über den Betrieb der Hüttenwerke
im preuſsischen Staate im Jahre 1852, in welchem alle Werke auf-
geführt und beschrieben sind, findet sich in v. Carnalls Zeitschrift
für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen Staat, 1854, I.
Das Hörder Walzwerk zählte 1852 35 Puddel-, 25 Schweiſs- und
7 Glühöfen, 2 Quetschwerke, 3 Dampf- und 5 andere Hämmer, 11 Walz-
werke und 12 Dampfmaschinen mit 662 Pferdekräften. Die Dampf-
kessel wurden durch die abgehende Hitze der Flammöfen geheizt. —
Zu Gutehoffnungshütte bei Oberhausen gehörten 40 Puddelöfen; das
Puddlingswerk von Michiels in der Aue bei Eschweiler, meist kurz-
weg Eschweiler-Aue genannt, zählte 33 Puddel- und 11 Schweiſsöfen.
Krupp in Essen hatte 1852 70 Glüh-, Schmelz- und Cementieröfen
6 Hämmer, darunter 1 Dampfhammer von 80 Ctr. Gewicht.
1853 wurden zwei weitere Hochöfen von Detillieux \& Komp.
zu Hochdahl, zwei von J. J. Langen bei Siegburg (Friedrich-Wilhelms-
hütte), einer von Stein \& Göring bei Duisburg erbaut und auf der
Borbecker Hütte wurde der dritte Hochofen angeblasen. Hier wurde
auch eine Berardsche Kohlenwäsche und Koksöfen nach dem System
Fromont erbaut. Diese Hütten verschmolzen groſsenteils nassauische
Erze, von denen in diesem Jahr bereits 1 Mill. Centner nach dem
Niederrhein gingen. Graf Stolberg zu Haus Bruch bei Hattingen
begann ein groſses Hüttenwerk für die Verschmelzung von Kohlen-
eisenstein zu erbauen. Der Hochofen der 1852 angefangenen Carolinen-
hütte bei Altenhunden wurde 1853 angeblasen.
1853 wurden zu Hörde auch sechs Flammöfen zur Puddelstahl-
[986]Preuſsen 1851 bis 1860.
fabrikation erbaut. Diese wurde bereits vordem betrieben zu Haspe,
Limburg a. d. Lenne und Altenhagen in Westfalen, zu Ründeroth,
Geisweid und Olpe im Rheinland und zu Zawadzkiwerk im Kreise
Groſs-Strehlitz in Schlesien.
Hüttendirektor Koruszek führte auch auf dem Graf Renardschen
Eisenwerk Neu-Strehlitz das Stahlpuddeln mit gutem Erfolg ein 1).
Auf die schlesische Eisenindustrie übte der am 19. Februar 1853
mit Österreich abgeschlossene Handelsvertrag eine günstige Wirkung.
Das Jahr 1854 war ein Jahr groſsen Aufschwunges. Die Zahl der
oberschlesischen Hochöfen war von 1847 bis 1856 von 18 auf 27
gestiegen, ihre Produktion von 261000 Ctr. auf 813000 Ctr. Obgleich,
wie hieraus zu ersehen, die Tagesproduktion der schlesischen Koks-
hochöfen zugenommen hatte, so stand sie doch sehr zurück hinter der
der rheinischen und englischen Werke, indem sie nur etwas mehr
als 120 Ctr. den Tag betrug; es lag dies hauptsächlich an der Armut
der Eisenerze. Die Stabeisenerzeugung mit Steinkohlen in Schlesien
erlangte erst um die Mitte und gegen Ende der 50er Jahre gröſsere
Ausdehnung durch Erweiterung älterer und Gründung neuer Anlagen,
unter welchen letzteren namentlich die Pielahütte bei Rudzinitz,
Zawadzkiwerk, Marthahütte, Sophienhütte, Herminenhütte und das
neue Drahtwalzwerk von Hegenscheidt in Gleiwitz zu nennen sind.
In Oberschlesien wurden die neuen Hochöfen der Königshütte
angeblasen, ferner wurde die groſsartige Hüttenanlage Donnersmark-
hütte für den Grafen Guido Henkel von Donnersmark auf Neu-
deck für sechs Hochöfen von 50 Fuſs Höhe unter Leitung des Ober-
hütteninspektors Sack und des Bauinspektors Nottebohm in diesem
Jahre erbaut. 1854 gründete eine Gewerkschaft die Vorwärtshütte zu
Hermsdorf bei Waldenburg, infolgedessen auch der alte Eisenstein-
bergbau zu Schmiedeberg wieder in Aufnahme kam.
1854 vollendete August Borsig in Berlin seine 500. Lokomotive,
welches Ereignis er durch ein groſsartiges Fest für seine Arbeiter feierte.
Kurze Zeit danach, am 6. Juli desselben Jahres, raffte ihn nach
50jähriger erfolgreicher Thätigkeit der Tod dahin.
Um 1854 wurde der Bau von 23 Hochöfen im Rheinland und
Westfalen begonnen. Die Mittel dazu wurden meistens von Aktien-
gesellschaften 2) aufgebracht, welche darin bereits 27184000 Thlr. fest-
[987]Preuſsen 1851 bis 1860.
gelegt hatten, während das Aktienkapital aller übrigen Eisenwerks-
gesellschaften in Preuſsen sich nur auf 6384000 Thlr. belief. Die
bedeutendsten rheinisch-westfälischen Aktiengesellschaften waren die
Concordia zu Eschweiler, die Eschweiler Gesellschaft für Berg- und
Hüttenbetrieb, der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein, Phönix zu
Eschweiler, Friedrich-Wilhelmshütte zu Mühlheim a. d. Ruhr, Gesell-
schaft der Dillinger Hüttenwerke und Stahlfabrik Gaffontaine. In
diesem Jahre kam der erste Hochofen auf der gräflich Stolbergschen
Hütte bei Hattingen (Heinrichshütte) und die Hochöfen der Gesellschaft
Phönix bei Laar-Ruhrort in Betrieb.
Im Siegerland blieb der Holzkohlenbetrieb bei den Hochöfen
herrschend, doch führte man in diesem Jahre auf verschiedenen Hütten
Dampfgebläse zur Unterstützung der Wassergebläse ein und auf der
Haardter Hütte erreichte man die für dortige Verhältnisse erstaunliche
Produktion von 9000 kg in 24 Stunden. Allgemein wurde die Röstung
der Spate angewendet. Auf den Hammerhütten nahm der Frisch-
feuerbetrieb ab, die Blechfabrikation zu.
Im Saargebiet besaſs das Eisenwerk Neunkirchen bei Saar-
brücken damals 3 Hochöfen, welche teils mit Koks, teils mit gemischtem
Brennmaterial betrieben wurden, 2 Kupolöfen, 2 Gieſsereiflammöfen,
1 Weiſsofen, 15 Puddelöfen, 1 Walzwerk und 1 Frischfeuer und be-
schäftigte 800 Arbeiter. Der älteste Kokshochofen der Neunkirchener
Hütte war schon 1842 angeblasen worden, diesem war 1840 der von
Geiſslautern im Saargebiet vorausgegangen.
In Westfalen waren Ende 1854 folgende Hochofenhütten vor-
handen: Westfaliahütte bei Lünen mit 2, Prinz Rudolfhütte bei
Dülmen mit 1, Sundwiger Hütte bei Iserlohn mit 1, Markanahütte
bei Haspe mit 1, Hörder Eisenwerk mit 4 und Henrichshütte bei
Hattingen mit 2 Hochöfen. Letztere waren 54 Fuſs hoch, 15 Fuſs
3½ Zoll im Kohlensack und 9 Fuſs 6 Zoll in der Gicht weit. Die
Kokshochofenanlage bei Haſslinghausen, welche ebenfalls auf Kohlen-
eisenstein begründet war, wurde Ende 1854 begonnen. Die anonyme
Gesellschaft Phönix legte eine groſse Hochofenanlage zu Kupferdreh
bei Langenberg an, welche für 5 Hochöfen projektiert war. Eine
groſsartige Anlage „Phönix II“ mit 12 Hochöfen sollte bei Ruhrort
errichtet werden. Jacoby, Haniel und Huyſsen erbauten bei
Sterkrade zwei neue Hochöfen, welche im Frühjahr, und Concordia
bei Eschweiler ebenfalls zwei, welche im Herbst in Betrieb kommen
sollten. Die Niederrheinische Hütte bei Duisburg, welche nassauische
Erze verschmolz, blies in diesem Jahre ihren ersten Hochofen an.
[988]Preuſsen 1851 bis 1860.
Das Werk war für vier Öfen projektiert. Im ganzen wurden 1854 in
Westfalen 772239 Ctr. Roheisen mit Steinkohlen und 79209 Ctr. mit
Holzkohlen erzeugt, ferner standen 174 Puddelöfen und 98 Schweiſs-
öfen im Betrieb. Ein neues Puddelwerk Phönix II bei Ruhrort wurde
in diesem Jahre mit 34 Puddel- und 14 Schweiſsöfen, von denen
erstere 17, letztere 7 Dampfkessel heizten, in Betrieb genommen.
Stahl und zwar Cementstahl machten vier Werke im Regierungs-
bezirk Danzig aus schwedischem Eisen (2080 Ctr.). In Oberschlesien
lieferte nur Königshuld 1430 Ctr. Rohstahl. Im Kreise Schleusingen
in Thüringen befanden sich acht Rohstahlhämmer mit einer Produktion
von 5856 Ctr. In Westfalen gab es 39 Rohstahlwerke mit 46 Hämmern
und 6 Cementieröfen und wurden 44136 Ctr. Roh- und Cementstahl
produziert. Im Siegerland wurden auf 24 Werken 26541 Ctr. Frisch-
stahl gemacht und das Stahlwerk Gaffontaine im Saarbrückischen
lieferte 3642 Ctr.
Puddelstahl machte Zawadzkiwerk in Oberschlesien 6290 Ctr.;
in Westfalen wurden 41560 Ctr. (14329 Ctr. mehr als im Vorjahre)
erzeugt, wovon Lehrkind, Falkenrod \& Komp. bei Haspe 27000 Ctr.,
Böing, Röhr \& Komp. bei Limburg a. d. Lenne 6000 Ctr., Asbeck,
Osthaus \& Komp. bei Hagen 8560 Ctr. lieferten. Im rheinischen Berg-
amtsdistrikt wurden 33813 Ctr. Puddelstahl auf neun Werken fabriziert.
Davon lieferte das Wickeder Puddelwerk 1363 Ctr., das Ründerother
5317 Ctr., das Meggener 2076, Geisweid 2203. Im ganzen waren 1854
in Preuſsen 81663 Ctr. Puddelstahl, 24608 Ctr. mehr als im Vorjahre,
produziert worden. Die gesamte Rohstahlfabrikation betrug 167549 Ctr.
Guſsstahl lieferten C. F. Werner zu Neustadt-Eberswalde 2902 Ctr.
und Krupp in Essen 25000 Ctr. in 69 Schmelzöfen, 37 Glühöfen,
1 Cementierofen mit 525 Mann. Die von Meyer \& Kühne am 23. Juni
1854 in den Besitz des Bochumer Vereins für Bergbau und
Guſsstahlfabrikation übergegangene Hütte lieferte 18182 Ctr.,
F. Huth in Hagen 3500 Ctr., F. Lohmann in Witten 2727 Ctr.,
Gaffontaine 135 Ctr. Die ganze Guſsstahlerzeugung Preuſsens im Jahre
1854 betrug 52638 Ctr. zu 886023 Thlr., so daſs ein Centner sich auf
16 Thlr. 15 Gr. 7 Pf. oder 100 kg auf 99,14 Mk. stellte. Raffinierter
Stahl wurden 77384 Ctr., 31616 Ctr. mehr als im Vorjahre, hergestellt,
wovon auf die Grafschaft Mark 58269 Ctr. entfielen.
Das Jahr 1855 brachte die groſsartigste Vermehrung der Eisen-
erzeugung 1). Sie betrug im westfälischen Distrikt 337403 Ctr., im
[989]Preuſsen 1851 bis 1860.
rheinischen 167203 Ctr. Neue Werke entstanden und die alten wurden
vergröſsert. Phönix II. bei Ruhrort setzte den vierten Hochofen in
Betrieb, Kupferdreh den zweiten, Henrichshütte bei Hattingen blies
im Juli den ersten an. Die gröſste Produktion hatte der Hochofen
zu Hochdahl mit 153426 Ctr. im Jahre oder 46238 Pfd. in 24 Stunden.
Die Puddelstahlfabrikation nahm sehr zu, im Siegerland von 26946 Ctr.
auf 47225 Ctr. Neue Stahlpuddelwerke entstanden zu Burscheid,
Kreis Solingen, welches 5673 Ctr. produzierte, und Bickenbach mit
5909 Ctr. Die Hermannshütte zu Hörde hatte 55 Puddelöfen im
Betriebe und verarbeitete 638800 Ctr. Roheisen. Daraus fabrizierte
sie 238035 Ctr. Eisenbahnschienen, 44718 Ctr. Blech, 51870 Ctr.
Räder und Achsen und 41809 Ctr. Guſswaren. In diesem Jahre wurde
das Puddel- und Walzwerk zu Wetter nach Dortmund verlegt und
als Paulinenhütte mit 20 Puddelöfen in Betrieb gesetzt.
Das Bochumer Guſsstahlwerk schmolz mit 72 Öfen täglich 200 bis
240 Ctr. Guſsstahl.
Im Kreise Hagen wurden 1855 auf 10 Eisenwerken 1 Hochofen,
30 Puddelöfen, 19 Schweiſsöfen und 10 Kupolöfen und auf 99 Stahl-
werken 31 Stahlfeuer, 129 Raffinierfeuer, 1 Cementierofen und 28 Guſs-
stahlöfen mit 931 Arbeitern betrieben.
Um diese Zeit legte auch Reinhard Mannesmann, der sich
um die Verbesserung der Feilenindustrie in Remscheid groſse Ver-
dienste erworben hatte, in Gemeinschaft mit seinen Brüdern die erste
Guſsstahlfabrik in Remscheid an, und machte sich dadurch von dem
englischen Guſsstahl unabhängig.
Remscheids Bevölkerung war 1807 auf 5509 Seelen gesunken,
1826 betrug sie 8873 und 1853 13464, hiervon kamen auf die eigent-
liche Stadt Remscheid nur 2240. 1854 zählte man in der Gemeinde
Remscheid 21 Raffinierhämmer mit 43 Feuern und 88 Arbeitern,
mehrere Breit- und Amboſshämmer, 2 Eisengieſsereien mit 2 Tiegel-
und 1 Kupolofen, 1 Sensenfabrik und auſser mehreren gröſseren
Fabrikanlagen 757 Schmiedewerkstätten. Für Schleiferei gab es, auſser
2 Werken mit Dampfkraft von 8 und 40 Pferdekräften, 19 Schleif-
kotten mit Wasserkraft. In dem benachbarten Lüttringhausen zählte
man 1853 8525 Einwohner, 24 Stahlhämmer mit 54 Raffinierfeuern.
Die Eisen- und Stahlwarenfabrikation beschäftigte 229 Werkstätten
mit 383 Arbeitern, auſserdem noch 6 Schleifkotten mit 8 Arbeitern.
In Stade vorm Wald gab es damals 1 Frisch- und 7 Raffinierfeuer,
284 Schlosser, Eisen- und Stahlwarenarbeiter und 180 Gehülfen.
Ebenso blühte von alters her das Schmiedegewerbe in der Gemeinde
[990]Preuſsen 1851 bis 1860.
Burg. Anfang März 1848 wurde die von der Seehandlung begründete
groſse Eisengieſserei der Firma Hasenclever, Burlage \& Komp.
zu Burgthal am Eschbach von aufrührerischen Eisenarbeitern zerstört
und niedergebrannt. Auf die Eisengieſsereien hier und in Solingen
hatte sich ganz besonders der Haſs der Schmiedewarenfabrikanten ge-
worfen. Auf der Burger Bach lagen 1853 die Eisen- und Stahlwaren-
fabrik Burgthal, eine Fabrik für Wagenfedern und das Stahlwalzwerk
„Neufabrik“. Auſserdem zählte man in der Gemeinde Burg 4 Stahl-
hämmer mit 8 Raffinierfeuern und 5 Schleifkotten.
Noch gröſser als 1855 war die Produktionszunahme von Eisen
und Stahl im Jahre 1856 in Preuſsen. Sie betrug 2098085 Ctr.
Im westfälischen Distrikt (Oberbergamt Dortmund) wurden
sieben neue Hochöfen angeblasen, darunter der Ofen Nr. II der
Henrichshütte. Zu Mühlhofen a. Rh. in der Nähe von Sayn wurde
eine neue Hochofenhütte angelegt. Wie sehr der Koksbetrieb den
Holzkohlenbetrieb in Westfalen verdrängt hatte, zeigt folgende Zu-
sammenstellung:
Auch im Siegerland hatte der hohe Preis der Holzkohlen damals
viele Hochofenhütten veranlaſst, Koks ganz oder teilweise zu benutzen.
62,7 Proz. der Produktion wurde mit Holzkohlen, 13 Proz. mit Koks
und 24,3 Proz. mit Holzkohlen und Koks gemischt erblasen. Die Hütten-
reisen dauerten viel länger als früher; während man vordem glaubte,
ein Hochofen könne nicht länger als höchstens 30 Wochen betrieben
werden, kamen jetzt Kampagnen von 400 Tagen und mehr vor. —
Auf den Rhein- und Moselhütten wurden ebenfalls Holzkohlen und Koks
gemischt verwendet.
In Westfalen hatte Hörde seine Produktion um 77194 Ctr.
vermehrt. Neue Puddel- und Walzwerke waren die Steinhäuser-
hütte mit 14 Puddel- und 8 Schweiſsöfen, Cosack \& Komp. bei
Hamm mit 6 Puddel- und 3 Schweiſsöfen. Die von Kamp erbaute
Paulinenhütte bei Dortmund war an eine Aktiengesellschaft über-
gegangen.
Die Blechfabrikation nahm einen auſserordentlich groſsen
Umfang besonders in Westfalen und Rheinland an. Es erzeugten
[991]Preuſsen 1851 bis 1860.
1856 Hörde 43875 Ctr., Oberhausen 58082, Siegen auf 11 Werken
112739 Ctr., Phönix zu Eschweiler-Aue 64490 Ctr., Rote Erde bei
Aachen 18285 Ctr., Eberhardshammer 15025 Ctr., Dillingen im Saar-
gebiet 110855 Ctr., auſserdem Borsig zu Moabit 30000 Ctr. Schwarz-
blech; Weiſsblech fabrizierte Dillingen 37884 Ctr., Hüsten 10000 Ctr.
und Neu-Oege 6113 Ctr. Ebenso verhielt es sich mit der Draht-
fabrikation. In Westfalen lieferten 21 Werke 290577 Ctr. = 57,7 Proz.
der Produktion des preuſsischen Staates. Hiervon lieferte F. Thomée
zu Ütterlingsen 47297 Ctr., Kissing und Schmöle zu Menden
30682 Ctr., Cossack \& Komp. zu Hamm 21900 Ctr., Quincke \&
Osterbeck zu Linscheid 22000 Ctr., die Altenaer Drahthütten mit
116 Grob- und 123 Feinzügen 57000 Ctr. Im Siegener Bergamts-
bezirk erzeugten 5 Werke 106119 Ctr. Draht (18281 Ctr. mehr als im
Vorjahre), Rüdinghausen 30682 Ctr., Hüsten 23400 Ctr., Dreſsler III
zu Kreuzthal 20902 Ctr., Ferdinandshammer bei Belecke 16900 Ctr.,
Verein Drahtwerk von Röper 14235 Ctr. und Röper \& Söhne zu
Altena 19055 Ctr. Im ganzen hatte die Drahtproduktion um 131730 Ctr.
(ca. ein Viertel) zugenommen.
Puddelstahl lieferte das Siegerland 56685 Ctr., Westfalen
72183 Ctr.; in Oberschlesien machten die Minervawerke Puddelstahl 1).
Guſsstahl fabrizierte Krupp 52173 Ctr., der Bochumer Verein
21727 Ctr.
1857 war das Jahr der Handelskrisis, welche ein Sinken der
Eisenpreise zur Folge hatte. In diesem Jahre verkaufte Graf Stolberg
die Henrichshütte bei Hattingen an die Berliner Diskontogesellschaft.
Diese Hütte erzielte in diesem Jahre die höchste bis dahin in Deutsch-
land erreichte Produktion eines Hochofens mit 25000 kg in 24 Stunden
mit Roteisenstein, Black-Band und Spaterz.
Im Jahre 1858 machten sich die Folgen der ungünstigen Ge-
schäftslage durch eine Verminderung der Produktionszunahme be-
merkbar. Am 5. Januar wurde der neue Kokshochofen zu Mühlhofen
angeblasen. Ferner wurde in diesem Jahre je ein Hochofen der neu-
gegründeten Gesellschaften Porta Westphalica bei Porta an der Weser,
Teutonia und Blücher zu Aplerbeck in Betrieb gesetzt. Dagegen
lagen im Bergamtsbezirk Essen viele Öfen kalt. Von den vier Öfen
zu Borbeck ging nur einer, von Phönix II zu Ruhrort drei, von
Phönix III zu Kupferdreh nur einer. Die neue Hütte Vulkan bei
Duisburg hatte vier Öfen gebaut, aber nur zwei in Betrieb genommen.
[992]Preuſsen 1851 bis 1860.
Die neue Johannishütte bei Duisburg hatte zwei Öfen fertig gestellt,
blies sie aber wegen der ungünstigen Konjunktur nicht an.
In der Stabeisenindustrie kam die Fabrikation schwerer Träger
für Bauzwecke, sogenannte eiserne Balken, in Aufnahme und zwar
zuerst in dem Walzwerk Eschweiler-Aue, welches Doppel-T-Träger, I,
von 9 Zoll Höhe und 24 Fuſs Länge walzte. Die Blechfabrikation
erreichte in diesem Jahre ihren Höhepunkt. Es wurden in Preuſsen
729643 Ctr. Blech gewalzt, davon lieferte der westfälische Bergamts-
bezirk 325043 Ctr., der rheinische 289802 Ctr.
1859 trat eine empfindliche Stockung im Eisengeschäft ein, wozu
der italienische Krieg und die Mobilmachung in Preuſsen wesentlich
beitrugen.
Auf der Königshütte in Oberschlesien wurde immer noch „Rein-
eisen“ im Gasflammofen gemacht und zwar 33035 Ctr. Die Eisen-
gieſserei hatte ihren Hauptsitz in Berlin. Hier lieferte die könig-
liche Gieſserei 23510 Ctr. und 20 Privatgieſsereien 262769 Ctr.
Guſswaren. Die gröſste war die von Freund. 1860 zählte man in
Berlin bereits 106 Maschinenfabriken, von denen 18 eigene Gieſsereien
hatten. In Westfalen entstanden neue Hochöfen zu Hofolpe und zu
Finnentrop im Sauerland. Die neue Hochofenanlage zu Meppen in
der hannoverschen Provinz Ostfriesland, deren Bau 1857 begonnen
worden war, hatte zwei Hochöfen. Sie war begründet auf die Ver-
schmelzung der Rasenerze der Ems- und Hase-Niederungen mit eng-
lischem Koks, letzterer wurde aber bald durch westfälischen verdrängt.
Im westfälischen Bezirk waren von 402 Puddel- und 250 Schweiſs-
öfen nur 290 Puddel- und 194 Schweiſsöfen im Betriebe.
Im rheinischen Bergamtsbezirk verarbeiteten die fünf groſsen
Walzwerke Phönix I und Eberhard Hösch \& Söhne bei Eschweiler,
Ruetz \& Komp. zu Rote Erde bei Aachen, Englerth \& Cünzer zu
Eschweiler Pumpchen und Eberhard Hösch \& Söhne zu Lenders-
dorf gröſstenteils belgisches Eisen, nur ein kleiner Teil kam von
Concordiahütte, von der Eifel und von Siegen.
Krupps Guſsstahlfabrikation stieg 1859 auf 75000 Ctr.
Im Saargebiet waren bis in die 50er Jahre nur die rheinischen
Erze verhüttet worden. 1851 begann Stiringen mit der Verhüttung
der „Minette“. Die 1856/57 gegründete Burbacher Hütte mit vier
Hochöfen wurde von vornherein auf die Verarbeitung dieses Eisen-
steins eingerichtet. Seitdem hat die Leichtschmelzigkeit und billige
Gewinnung dieses lothringisch-luxemburgischen Erzes auch auf den
übrigen Werken des Saargebietes die einheimischen Erze vollständig
[993]Preuſsen 1851 bis 1860.
verdrängt. Dadurch wurde zugleich eine groſse Steigerung der Pro-
duktion herbeigeführt. Zur Erzielung von Qualitätseisen bezog man
aber siegensche und nassauer Erze. Die auf der Burbacher Hütte in
den ersten Jahren ihres Bestehens durchgeführte Verschmelzung der
Minette mit einem Gemenge von Koks und roher magerer Steinkohle
muſste wegen der Unregelmäſsigkeit des Ofenganges wieder aufgegeben
werden.
Wie beim Steinkohlenbergbau, so datiert auch bei der Eisen-
industrie des Saargebietes der Hauptaufschwung erst von Eröffnung
der das Gebiet durchschneidenden Eisenbahnen zu Anfang der 50er
Jahre. Neue Absatzgebiete wurden dadurch erschlossen. Die Fabrikation
der Eisenbahnschienen war es, welche die neuen groſsartigen Hoch-
ofen- und Walzwerksanlagen zu Stiringen (1848 bis 1851) und zu
Burbach (1856 bis 1857) ins Leben rief.
Im Jahre 1854 — dem zweiten nach Eröffnung der Saarbrücker
Eisenbahn — standen auf den preuſsischen Eisenhütten des Saar-
gebietes 8 Hochöfen (Neunkirchen 4, Geiſslautern 2, Fischbach und
Bettingen je 1) in Betrieb und erreichte die Produktion derselben
196236 Ctr. Roheisen, wovon 80 Proz. bei Koks erblasen waren.
An Schmiedeeisen wurden auf den Hütten zu Neunkirchen, Geiſs-
lautern, Dillingen und Fischbach mit 29 Puddelöfen (Neunkirchen 20,
Geiſslautern 9) und 22 Frischfeuern 42545 Ctr. Eisenbahnschienen (zu
Neunkirchen), 128448 Ctr. sonstiges Stabeisen, 92596 Ctr. Schwarz-
blech und 20916 Ctr. Weiſsblech dargestellt, darunter 2 Proz. des
Stabeisens und 17 Proz. des Bleches mit Holzkohlen. Die Stahlhütte
Gaffontaine produzierte 3642 Ctr. Rohstahl, sowie 2884 Ctr. Raffinier-
stahl und 135 Ctr. Guſsstahl. Alle diese Werke beschäftigten etwa
1750 Hüttenarbeiter.
Im Jahre 1859 beschloſs die königlich preuſsische Regierung die
Gründung einer eigenen Bergakademie in Berlin und berief zunächst
den Bergassessor Lottner von Bochum, der im Wintersemester
1859/60 mit seinen Vorträgen über Bergbaukunde begann.
Der geschäftliche Niedergang dauerte im Jahre 1860 fort. Das
für die rheinische Industrie wichtigste Ereignis dieses Jahres war die
Eröffnung der Deutz-Gieſsener Eisenbahn, wodurch den rheinischen
Hüttenwerken eine bessere Erzzufuhr von der Lahn eröffnet wurde. Im
Juli wurde ein neuer Hochofen „Marie Prudence“ zu Stolberg bei
Aachen von Gillon \& Komp. angeblasen.
Die Entwickelung des preuſsischen Eisenhüttenwesens in diesem
Zeitraume wird durch die nachfolgende Tabelle veranschaulicht.
I. Übersicht der Eisenproduktion in Preuſsen 1851 bis 1860.
(In Tonnen.)
II. Hochofenproduktion in Preuſsen
von 1851 bis 1860.
III. Hochofenproduktion in den preuſsischen Bergdistrikten
1851 bis 1860.
Die Zahl der betriebenen Hochöfen betrug 1851 191, 1852 172,
1853 214. Das Ausbringen eines Ofens belief sich im Durchschnitt 1851
auf 14406 Ctr., 1852 auf 18051 Ctr. 12 Proz. der Hochofenproduktion
bildeten Guſswaren. Mit Koks wurden erzeugt 1851 25,6 Proz., 1852
38,9 Proz., 1853 38,1 Proz., 1854 43,3 Proz., 1855 47,2 Proz., 1856
56,7 Proz., auſserdem wurden in diesem Jahre noch 8,6 Proz. mit ge-
mischtem Brennmaterial geschmolzen, so daſs nur 37,7 Proz. reines
Holzkohleneisen verblieb. Zu Ende des Jahrzehnts betrug die Roheisen-
erzeugung mit Koks an 70 Proz. Schmiedeeisen wurden 1852 70 Proz.,
1856 83,76 Proz. mit Steinkohlen dargestellt. Charakteristisch ist, daſs
bis 1855 die Erzeugung von Schmiedeeisen und Stahl die von Roheisen
noch merklich übertraf. Es kam dies besonders daher, daſs in Rhein-
land und Westfalen viel belgisches Roheisen verarbeitet wurde.
IV. Guſswarenerzeugung in Preuſsen 1851 bis 1860.
V. Stabeisenerzeugung in Preuſsen 1851 bis 1860.
VI a. Stahlerzeugung in Preuſsen 1851 bis 1860.
Hiervon lieferte im Jahre 1852 Westfalen 56,5, Rheinland 37,2,
das übrige Preuſsen 6,3 Proz.; 1856 entfielen auf Westfalen 52,1, auf
Rheinland 44,2 Proz.
VI b. Stahlsorten in Preuſsen 1851 bis 1860.
Während die Guſsstahlerzeugung zunahm, nahm die Verwendung
von Raffinierstahl ab. Letzterer wurde zum gröſsten Teil in Westfalen
(in der Mark und im Bergischen) dargestellt; 1852 entfielen auf
Westfalen 89,3 Proz.
Von Interesse ist auch die schnelle Zunahme der Dampfmaschinen
im Hüttengewerbe Preuſsens. In den Eisenhütten und metallischen
Fabriken einschlieſslich der Maschinenbauanstalten zählte man (nach
Huyſsen):
Preuſsen war durch den Zollverein mit den übrigen deutschen
Staaten wirtschaftlich verbunden. Der Aufschwung der preuſsischen
Eisenindustrie übte seinen segensreichen Einfluſs auch auf die übrigen
Zollvereinsstaaten aus. Allerdings konnte deren Eisenindustrie nicht
gleichen Schritt halten, weil ihr „das tägliche Brot der Industrie“,
die Steinkohle, fehlte oder nur in geringerem Maſse zu Gebote stand.
Nur die Königreiche Sachsen, Bayern und Hannover verfügten über
Steinkohlenablagerungen von nicht groſser Ausdehnung. Die meisten
nichtpreuſsischen Zollvereinsstaaten waren deshalb noch auf Holz-
kohlenbetrieb angewiesen.
In Hannover wurde im Jahre 1856 der Georg-Marien-Berg-
werks- und Hüttenverein zu Osnabrück gegründet. Derselbe hatte
die Beckenroder Hütte mit Holzkohlenhochofen, einem Walz- und
Puddelwerk und einer Kupolofengieſserei, sowie Eisensteinmutungen
erworben und errichtete 1858 in seinem Eisensteingebiet bei Mal-
bergen den ersten Kokshochofen der berühmten Georg-Marien-Hütte.
Bayern hatte nur in der westlichen Rheinpfalz Koksbetrieb.
Die Maximilianshütte, welche 1851 in der Nähe von Regensburg
in modernem Sinne errichtet worden war, sollte hauptsächlich ein
Puddel- und Walzwerk mit Braunkohlenbetrieb sein, bei dem die in
der Nähe gewonnenen Braunkohlen Verwendung finden sollten. Die
Grobkohle wurde getrocknet und sortiert bei den Schweiſsöfen, die
Feinkohle bei den Puddelöfen verwendet. Man verbrannte sie auf
horizontalen Rosten mit Oberwind, der im Aschenfall etwas vorgewärmt
wurde. Zum Puddeln bediente man sich der Doppelöfen. Haupt-
gegenstand der Fabrikation waren Eisenbahnschienen. Der mit dem
Werk verbundene Hochofen wurde mit Holzkohlen betrieben.
Im Jahre 1852/53 hatte Bayern 59 Hochöfen und 15 Blauöfen
und zwar in den Revieren Amberg 11, Bergen 2, Bodenmais 2, Boden-
währ 5, Fichtelberg 6, Königshütte 15 (3 davon lagen kalt), München 1,
Orb 1, Sonthofen 1 (kalt), St. Ingbert 5 u. s. w.
Die Produktion betrug an
Auf den 9 badischen Staats-Eisenwerken befanden sich 5 Hoch-
öfen, 1 Kupolofen und 23 Frischfeuer. Von den 5 Walzenstraſsen waren
3 zu Albbruck, 1 zu St. Blasien und 1 zu Hausen.
Die Eisenproduktion des Königreichs Sachsen betrug
Die gesamte Eisenerzeugung des Zollvereinsgebietes ergiebt sich
aus folgenden Tabellen.
Hochofenproduktion
der deutschen Zollvereinsstaaten 1851 bis 1860.
(In Tonnen.)
Stabeisenproduktion der deutschen Zollvereinsstaaten
1851 bis 1860.
Der Anteil Preuſsens an der Roheisenproduktion des Zollvereins
betrug 1853 67,2 Proz., an der Stabeisenproduktion dagegen 80,3 Proz.
Von dem Roheisen wurden 1853 217406 Tonnen mit Holzkohlen und
88917 Tonnen mit Koks erzeugt; von dem Stabeisen 86208 Tonnen
mit Holzkohlen und 166617 Tonnen mit Steinkohlen. Einfuhr, Ausfuhr
und Verbrauch ergaben sich aus nachfolgender Zusammenstellung, in
welcher alles auf Roheisen umgerechnet ist.
Produktion, Einfuhr, Ausfuhr und Verbrauch von Roheisen
1851 bis 1860.
Von der Roheiseneinfuhr entfiel auf Belgien 1851 48 Proz., 1852
40 Proz., 1853 47 Proz., 1858 betrug die belgische Einfuhr noch
63255 Tonnen = 23 Proz., sank dann aber 1859 auf 32054 Tonnen
= 19 Proz. und 1860 auf 14234 Tonnen = 9 Proz. Fast die ganze
übrige Einfuhr kam von Groſsbritannien.
Die Preise für die Tonne betrugen im Rheinland und Westfalen für
1858 fielen dagegen die Preise rasch. 1857 kostete die Tonne
Holzkohlen-Gieſsereieisen noch Mk. 147,10, 1858 dagegen nur Mk. 118,20.
Im österreichischen Kaiserstaat nahm die Eisenindustrie
in den 50 er Jahren ebenfalls einen groſsen Aufschwung. Diesen
verdankt er zunächst einer besseren Ökonomie der Brennstoffe.
Österreich hatte keine solche Schätze von vortrefflichen Steinkohlen
aufzuweisen, wie die preuſsischen Westprovinzen. Durch eine rationelle
Verwendung der guten Braunkohlen der Alpenländer, sowie des
Torfes und der Holzabfälle, namentlich durch Gasbetrieb, ersetzte es
aber diesen Mangel nach Kräften und hielt durch Intelligenz und
Fleiſs die heimische Eisenindustrie auf der Höhe. Der vortreffliche
Tunner trug viel hierzu bei und erwarb sich groſse Verdienste um
sein Vaterland. Österreich entbehrte aber nicht gänzlich der Stein-
kohlen. Hatte man die Kohlenlager in Mähren schon seit längerer
Zeit für die Eisenindustrie nutzbar gemacht, so geschah dies in den
50 er Jahren auch mit den böhmischen Steinkohlen zu Kladno und
mit den ungarischen zu Reschitza im Banat.
Steiermark war zu Anfang dieser Periode, wie von alters her,
das wichtigste Eisenland Österreichs. 1851 erzeugte es 915305 Ctr.
Roh- und Guſseisen in seinen Hochöfen, davon fielen auf die Staats-
werke, „den Montanärar“, mit 11 Hochöfen 375222 Ctr., auf Private
mit 20 Hochöfen 540083 Ctr. Aus 770722 Ctr. von diesem Eisen
wurden im Lande dargestellt:
Auf Tunners Veranlassung wurde in diesem Jahre zu Eibiswalde
auf Staatskosten die Cementstahlfabrikation eingeführt. 1854 gründete
Franz v. Mayr das erste Tiegelguſsstahlwerk zu Kapfenberg.
In Kärnten lieferten 1851 14 Hochöfen 557276 Ctr. Roheisen,
hiervon wurden
verwendet.
In den Jahren 1850 bis 1854 wurden in den österreichischen
Alpenländern folgende wichtige Neuanlagen gemacht.
In Steiermark erbaute man zu Hieflau einen dritten Hochofen mit
einer Wochenproduktion von 1400 bis 1500 Ctr. Zu Mariazell und
Neuberg wurden zweckmäſsigere Eisensteinröstöfen mit Treppenrosten
zur Benutzung von Kohlenlösche errichtet. Das Mariazeller Guſswerk
wurde gänzlich umgebaut und drei neue Hochöfen für 600 bis 800 Ctr.
Wochenproduktion errichtet. Die Gieſserei wurde durch den Anbau
von vier Flammöfen erweitert und die Kanonenbohrwerkstätte durch
Errichtung von zehn neuen Bohrstraſsen, welche alle von einer Turbine
getrieben wurden, in groſsartiger Weise ausgedehnt. Ebenso wurde
das kaiserliche Eisenwerk zu Neuberg gänzlich um- und neugebaut.
Es wurde ein groſser und zwei kleinere Dampfhämmer und eine neue
Walzenstraſse für starke Kesselbleche aufgestellt. Die Puddel- und
Schweiſsöfen wurden mit Holzgasfeuerung eingerichtet und ihre Über-
hitze zur Dampferzeugung verwendet. Hier wurden gelungene Ver-
suche zur Erzeugung von Puddelstahl für Tyres gemacht.
In Kärnten wurde der Gasbetrieb immer mehr ausgebildet. Prä-
vali gebührt das Verdienst, den Puddel- und Schweiſsprozeſs mit öster-
reichischen Braunkohlen durchgeführt zu haben; auch wurden hier
die ersten Treppenroste in Österreich eingeführt. In Niederösterreich
wurde 1853 bei Hollenstein ein neues Puddel- und Walzwerk errichtet.
In Verbindung mit der oben erwähnten Cementstahlfabrik zu Eibis-
walde wurden zu Crumbach vier geschlossene Frischfeuer zur Erzeugung
[1002]Österreich-Ungarn 1851 bis 1860.
des Materialeisens eingerichtet. In diese Jahre fällt ferner die Er-
bauung der Guſsstahlhütte zu Reichraming für eine Jahresproduktion
von 10000 bis 12000 Ctr. Das Werk kam am 13. Januar 1854 in regel-
mäſsigen Betrieb. Ebenso wurde 1854 in Oberösterreich zu Reichenau
mit dem Bau einer Cement-, Gärb- und Guſsstahlhütte begonnen.
1852 wurden in Österreich 5000 Ctr. Guſsstahl hergestellt und
zwar zu Eisenerz, St. Egidi in Oberösterreich und Obervillach in
Kärnten. Der Maschinen- und Feilenstahl muſste noch von England
bezogen werden.
Zu Kessen in Tirol wurde der erste durchschlagende Erfolg mit
Torfgas im Puddelbetriebe erzielt und im Salzburgischen wurde ein
neues Puddel- und Walzwerk zu Ebenau mit Torf- und Holzgas-
Puddelöfen für die Erzeugung von allen Gattungen von Stabeisen und
Blech errichtet.
In Böhmen produzierte das erste Walzwerk, welches die Fürsten
von Fürstenberg zu Althütten erbaut hatten, im Jahre 1851 44178 Ctr.
1853 besaſs das Werk sechs Puddel- und sechs Schweiſsöfen. Der erste
Puddelofenbetrieb in Böhmen war zu Rostock eingeführt worden. 1851
hatte man zu Kladno und zu Brǎs bei Radnitz den Koksbetrieb bei
den Hochöfen einzuführen versucht, aber mit schlechtem Erfolg. Zu
Brǎs (Brzǎs) hatte Graf Zdenko Sternberg auch ein Puddlings- und
Walzwerk erbaut, ebenso zu Wilkischen bei Pilsen. Der Gaspuddel-
betrieb wurde zu Neuhütten eingeführt. Zu Straschitz errichtete man
einen groſsen Hochofen, welcher wöchentlich 800 Ctr. Roheisen lieferte
und 15 Kubikfuſs Holzkohle für den Centner verbrauchte. Ein weiterer
Fortschritt war die Einführung geschlossener Frischfeuer mit Be-
nutzung der Überhitze zum Vorwärmen des Roheisens und zur Er-
hitzung der Luft, wodurch eine Kohlenersparnis von 3 bis 4 Kubikfuſs
per Centner erzielt wurde. Zu Dobriv wurde ein Feineisenwalzwerk zur
Beseitigung der Streckhämmer und zur Herstellung von besserem und
billigerem Zaineisen für die Nagelfabrikation errichtet. Hollubkau und
Franzensthal brachten den Munitionsguſs zu groſser Vollkommenheit.
In Mähren wurden im Olmützer Handelskammerbezirk 1851
443633 Ctr. Roheisen auf den Werken von Wittkowitz, Friedland,
Zöptau, Riesenburg, Stephanau, Janowitz, Aloisthal und Marienthal
erzeugt. Zöptau walzte in diesem Jahre 300000 Fuſs Gasröhren und
erzeugte 10000 Fuſs hydraulische Preſsröhren.
In Niederungarn fallen die Erbauung des Hochofens zu Theisholz
und die Errichtung der groſsen Puddel- und Walzhütte zu Br̃ezowa
mit Holzgasbetrieb in diese Jahre. Das Walzwerk wurde am 1. Dezember
[1003]Osterreich-Ungarn 1851 bis 1860.
1853 eröffnet und zeichnete sich durch die gelungene Erzeugung von
Schienen mit harten Köpfen aus.
Am 1. Januar 1855 gingen sämtliche dem Montanärar im Temeser
Banate gehörigen Berg- und Hüttenwerke, Forsten und Domänen,
darunter auch die Werke von Reschitza, durch Kauf in das Eigentum
der Staatseisenbahngesellschaft über, welche die Werke von Reschitza,
die im ungarischen Revolutionskriege schwer gelitten hatten, den Fort-
schritten der Technik entsprechend, neu aufbaute und damit den
Grund zu dem berühmtesten Eisenwerke Ungarns legte.
Am 23. Mai 1854 war in Österreich ein neues Berggesetz erlassen
worden.
Im Jahre 1855 erzeugte man in 283 Hochöfen 4287177 Ctr.
Roheisen und 628487 Ctr. Guſswaren erster Schmelzung. Die Eisen-
industrie stand um diese Zeit in hoher Blüte. Zu Lippitzbach waren
18 Gasflammöfen im Betriebe; hinter dem Walzwerk standen 16 Holz-
darröfen. Das Gas wurde aus gedarrtem Holz erzeugt. Inzwischen
hatte auch der Kokshochofenbetrieb groſse Fortschritte gemacht.
Wittkowitz hatte bereits 1851 49784 Ctr. reines Koksroheisen ge-
schmolzen, während man in Stephanau 38264 Ctr. mit einem Gemisch
von Holzkohle und Koks darstellte. Die hohen Holzkohlenpreise ver-
anlaſsten auch die Werke zu Zöptau und Blansko, zum Koksbetriebe
überzugehen. Wittkowitz produzierte 1855 130000 Ctr. Frischroheisen,
16000 Ctr. Guſswaren und über 200000 Ctr. verschiedenes Stabeisen.
1854 hatten die Herren Albert Klein, Lannar und Nowotny in
Kladno eine Hochofenanlage ganz nach belgischem Muster zu bauen
begonnen. Die Anlage war für 10 Hochöfen projektiert. Sie bezogen
sogar für die Gestellsteine belgische Puddlingsteine. Die Produktion
von mineralischem Brennstoff in Böhmen, die 1851 7126050 Ctr. be-
tragen hatte, war 1855 auf 16995143 Ctr. gestiegen.
1855 wurde auch mit der Errichtung eines groſsen Puddelwerkes
zu Kommerau begonnen.
In Steiermark beschäftigte Graf Henkel von Donnersmark
auf dem 1852 erbauten Puddel- und Walzwerk zu Zeltweg 1854 bereits
700 Arbeiter. Erst 1854 begann man in Vordernberg bei den Seſsler-
schen Hochöfen die Gichtgase zur Dampfkessel- und Winderhitzung
zu benutzen. 1855 geschah dies auch bei dem v. Friedauschen Ofen.
Zu Neuberg hatte man das Rösten der Erze mit Kohlenlösche
und das Darren des Holzes mit Cinders auf Treppenrosten ein-
gerichtet. Im Hochofen gab man Schweiſsschlacken mit auf, die etwa
50 Proz. Eisen gaben. Man puddelte auch Feinkorneisen.
Eisenerz produzierte damals im Jahr 400000 Ctr. Roheisen,
50000 Ctr. Herdfrischeisen, 2000 Ctr. Fluſsstahl, 35000 Ctr. Schmelz-
und Gärbstahl und beschäftigte 2000 Arbeiter.
Die Cementstahlfabrikation hatte nicht unbedeutende Fortschritte
in Österreich gemacht 1). Franz von Mayr in Leoben hatte hieran
das gröſste Verdienst. Er führte zuerst die Cementstahlbereitung im
groſsen Maſsstabe ein und verwendete den Cementstahl zur Guſsstahl-
bereitung, während man sich hierfür in Österreich sonst allgemein
des Frischstahles bediente. Er wendete auch zuerst Treppenroste in
Steiermark an. 1855 zählte man schon 12 Cementieröfen in Öster-
reich. In den Jahren 1854 und 1855 waren 30000 bis 40000 Ctr. in
das Ausland zur Guſsstahlbereitung verkauft worden.
Vorzügliche Erfolge hatte durch Verbesserungen der Betriebs-
einrichtungen das von Dickmannsche Radwerk in der Lölling in
Kärnten aufzuweisen, dessen Produktion von 1846 bis 1855 von
174000 Ctr. bis 260000 Ctr. gestiegen war und das nur 65 Pfd. Holz-
kohlen auf 100 Ctr. Eisen verbrauchte.
Die Statistik der österreichisch-ungarischen Eisenerzeugung ist
lückenhaft. Für 1854 wird nachfolgende Hochofenproduktion angegeben:
1856 stieg die Produktion auf 5½ Mill. Ctr. 1857 trat auch in
Österreich ein Rückschlag ein, der 1860 seinen Höhepunkt erreichte.
Österreichs Hochofenproduktion von 1851 bis 1860.
Die Eiseneinfuhr aus dem Auslande war sehr schwankend. Während
sie 1851 nur 30606 Ctr. betrug, stieg sie schon im folgenden Jahre
auf 317520 Ctr. und 1856 auf 1006790. Den höchsten Stand er-
reichte sie 1858 mit 2578830 Ctr., worunter 1562237 Eisenbahn-
schienen und Radkränze waren. In den folgenden Jahren sank sie
wieder und betrug 1860: 600284 Ctr.
Eine gute Übersicht für diesen Zeitabschnitt giebt nachstehende
Zusammenstellung.
Erzeugung und Verbrauch
von Roheisen in Österreich-Ungarn von 1851 bis 1860.
(In Tonnen à 1000 kg.)
Die Entwickelung der Eisenindustrie Schwedens zeigt groſse
Ähnlichkeit mit der der österreichischen Alpenländer, was durch die
ähnlichen Verhältnisse bedingt war. Hier wie dort hatte man vor-
treffliche Eisenerze, war aber durch die Natur auf den Holzkohlen-
betrieb angewiesen. Auch in Schweden suchte man durch die Ein-
führung des Gasbetriebes Brennmaterialersparnis zu erzielen. Die
Erzröstöfen mit Gasbetrieb gingen von Schweden aus und die Motala-
Eisenwerke in Ostgothland stellten bereits 1851 in London ihr in
Gasflammöfen gepuddeltes Eisen aus. Auch wurde dort bereits in
diesem Jahre ein Röhrenwalzwerk nach englischem Muster betrieben.
Ein Nachteil für Schweden war der sehr geteilte Bergwerksbesitz und
die vielen kleinen Hüttenwerke. Dies erschwerte die Anlage gröſserer
Werke mit besseren Einrichtungen. J. Åckerman, der Vorstand
der Bergschule zu Fahlun, ermahnte deshalb in seinem Ausstellungs-
bericht von 1851 die schwedischen Eisenindustriellen, sich zu verbinden
und gemeinschaftlich Walzwerksanlagen zu gründen.
Die Cementstahlfabrikation hatte in Schweden beträchtlich zu-
genommen und wurden 1850 bereits 43000 Ctr. Cementstahl ausgeführt.
Die gesamte Produktion betrug in diesem Jahre an Roheisen 3637985 Ctr.,
an Stabeisen 1937802 Ctr.; die Ausfuhr betrug 2088839 Ctr. Es
wurden 4000 Arbeiter im Eisengewerbe beschäftigt. Im ganzen war
aber die Eisenindustrie Schwedens von der Ausfuhr und deshalb von
den Zufälligkeiten der Handelskonjunkturen abhängig.
Nach Tunner1) betrug
Die Profile der Hochöfen näherten sich zweien mit der Basis auf-
einandergestellten abgestumpften Kegeln. Dieselben hatten meist bis
zum Kohlensack gestampfte Massengestelle und wurden mit 150 bis
250° C. warmem Winde betrieben. Nur das Qualitätseisen in Dannemora
[1007]Schweden 1851 bis 1860.
blies man nach wie vor mit kaltem Winde. Das Roheisen für den
Frischprozeſs machte man stark halbiert. Die Schlacke näherte sich
einem Bisilikat.
Nach Whitney betrug die Roheisenerzeugung Schwedens 1854
2800000 Ctr.; Tunner nimmt dieselbe aber zu über 3 Mill. Ctr. an.
Hinsichtlich der Güte für die Stahlbereitung wurden die schwedischen
Hütten, die Dannemoraerze verschmolzen, in drei Rangklassen geteilt:
Nur die vier erstgenannten Werke arbeiteten mit reinem Dannemora-
erz, die übrigen setzten solches nur zu. Löfsta hatte den gröſsten Ruf.
Sehr wichtig war der Geschützguſs, worin Schweden namentlich
für Ruſsland während des Krimkrieges groſse Lieferungen auszuführen
hatte. Auſser zu Finspång wurden zu Åker und Stafsfö Geschütze
gegossen.
Die schwedische Guſswarenerzeugung betrug:
Die schweren Geschützrohre wurden zu Finspång aus zwei Hochöfen
gegossen, wobei man so rasch laufen lieſs, daſs das Eisen in ½ bis
⅓ Minute aus dem Ofen war.
Die Beschickung für den Kanonenguſs war 1857 folgende:
Zu 9 Tonnen Erz wurden 53 Wiener Kubikfuſs Holzkohlen auf-
gegeben.
Die Stabeisenerzeugung betrug
Der Eisenverbrauch im Inlande war zwar etwas gewachsen, betrug
aber nur 10 Pfd. auf den Kopf der Bevölkerung.
Die Stabeisenausfuhr betrug 1855 554060 Schiffspfund 1). Hiervon
gingen nach Groſsbritannien 260290 Schiffspfd., nach Nordamerika
96355, nach Dänemark 52488, nach Deutschland 58442, nach Frank-
reich 40484 Schiffspfd. In Wiener Centnern betrug die Ausfuhr an
Stabeisen 1344780 Ctr., die gesamte Eisenausfuhr 1457162 Ctr. Man
zählte etwa 1300 Frischfeuer, auſserdem (1856) 14 Puddelöfen, wovon
7 mit Steinkohlen, 1 mit Torf und 6 (3 Doppelöfen) mit Holz be-
trieben wurden. Die ganze Produktion der Puddelöfen betrug aber
nicht über 100000 Ctr.
1856 wird die Roheisenproduktion zu 4 Mill. Ctr., die Stabeisen-
erzeugung zu 2300000 Ctr., die Stabeisenausfuhr zu 1580000 Ctr. an-
gegeben 2). Im Durchschnitt betrug die Ausfuhr von Stab- und
Manufaktureisen in den Jahren 1852 bis 1856 2066259 Ctr., 1857
2310842 Ctr., 1858 1583417 Ctr., 1859 2208882 Ctr., 1860 2512163 Ctr.
Die Produktion betrug von
Ein wichtiges Ereignis nicht nur für Schweden war die erfolg-
reiche Einführung des Bessemerprozesses durch den Konsul F. A.
Göranson. Nach seinen mit groſser Ausdauer in den Jahren 1857
und 1858 fortgesetzten Versuchen gelang es ihm, am 18. Juli 1858
durch Verminderung der Pressung und Vermehrung der Düsenzahl
einen guten Stahl zu erzeugen.
Die statistischen Nachrichten der übrigen eisenerzeugenden Länder
aus jener Zeit sind nur sehr mangelhaft.
In Ruſsland betrug die Eisenerzeugung 1856 auf den Kron-
werken etwa 40000 Tonnen, auf den Privatwerken etwa 150000 Tonnen.
[1009]Ruſsland 1851 bis 1860.
1857 betrug die Produktion Ruſslands von Roheisen 213930 Tonnen,
von Stabeisen 179585 Tonnen, von Stahl 1990 Tonnen. ⅕ hiervon
lieferten die Uralgouvernements Perm, Orenburg, Viatka und Wologda.
Der gröſste Eisenmarkt war die groſse Messe zu Nischnei-Nowgorod,
wo jährlich 60000 bis 100000 Tonnen verkauft wurden. Die inlän-
dische Produktion genügte nicht für den Bedarf. Es machte sich
bereits in vielen Hüttenbezirken Holzmangel fühlbar.
Auch in Ruſsland war man bestrebt, Cementstahl im eigenen
Lande zu bereiten, und zwar zu Wotinsk im Ural. Man hatte englische
Arbeiter aus Sheffield berufen und die Fabrikation in englischer Weise
dort eingerichtet. Der Cementstahl wurde teils für sich, teils zur
Fabrikation von Guſsstahl verwendet.
Polens Eisenproduktion hatte durch die Verwendung der Stein-
kohlen, besonders zu Dombrowa, eine groſse Steigerung erfahren. Es
wurde erzeugt:
In Finnland bestanden 1858 21 Hochöfen und 20 „Blasewerke“,
d. h. Bauern- oder Stücköfen für die 16 Osmundschmieden. Die Er-
zeugung betrug 300000 Ctr. Roheisen und 84000 Ctr. Stangeneisen,
wovon 20000 Ctr. von den Bauernöfen.
Nach einem Bericht von A. Keppen für die Weltausstellung von
Chicago betrug die durchschnittliche Produktion des Russischen Reiches
in den Jahren
Eisenbahnmaterial wurde aus dem Auslande bezogen. Als im
Jahre 1855 mit dem Bau des russischen Hauptbahnnetzes begonnen
wurde, forderte die russische Regierung die heimischen Eisenwerke auf,
Schienenwalzwerke zu errichten. Vier uralische Hütten versprachen
dies, aber nur zwei führten das Versprechen aus und walzten 1856 bis
1860 etwa 53200 Tonnen Schienen. Die Länge der russischen Eisen-
bahnen stieg in der Zeit von 1850 bis 1860 von 468 auf 1490 Werst.
Während früher Ruſsland Eisen ausführte, war es jetzt gezwungen,
groſse Mengen von Eisen und Eisenwaren aus dem Auslande zu be-
ziehen; jedoch erhob man bis 1857 einen Schutzzoll von 15 Kopeken
für das Pud Roheisen und 50 bis 90 Kopeken für das Pud Schmiede-
eisen. Diese Sätze wurden aber 1859 auf 5 Kopeken für Roheisen,
35 Kopeken für Stabeisen, Eisenabfälle und Schienen, 45 Kopeken
für Eisenwaren, 75 Kopeken für Blech und Kesselbestandteile und
70 Kopeken für Stahl herabgesetzt.
Spaniens Eisenproduktion betrug 1850 bis 1853 im Durchschnitt
575400 Ctr. 1) Schmiedeeisen, 161200 Ctr. Guſswaren und 11000 Ctr.
Stahl. 1854 stieg die Eisenproduktion auf 750000 Ctr. Die Eisen-
einfuhr betrug nicht unter 600000 Ctr. — Das erste Walzwerk in
Spanien wurde 1853, die ersten Puddelöfen 1854 auf dem Werke
Santa Ana de Bolueta in Biscaya in Betrieb gesetzt.
Das königliche Eisenwerk zu Truvia, welches hauptsächlich Artillerie-
bedarf lieferte, wurde ebenfalls 1853 sehr vergröſsert, indem ein Puddel-
und Walzwerk mit allen neuen Verbesserungen errichtet wurde. Diese
Hütte umfaſste auſserdem zwei Kokshochöfen, welche mit Koks aus eng-
lischen Steinkohlen betrieben wurden, Flamm- und Kupolöfen und
hatte eine bedeutende Geschützgieſserei.
Das Eisenwerk Mieres in Asturien hatte ebenfalls zwei Koks-
hochöfen und ein Walzwerk.
In Nordspanien war die direkte Eisengewinnung in Catalan-
schmieden noch vorherrschend. Doch war die Zahl der Catalan-
schmieden seit Anfang des Jahrhunderts zurückgegangen und erfuhren
weiteren Rückgang durch die Einführung des Chenotprozesses. Dieser
wurde 1852 zu Baracaldo bei Bilbao zuerst versucht. 1854 wurde
der erste Chenotofen von Ibarra erbaut. 1859 standen auf den
Baracaldowerken bereits acht Öfen im Betriebe.
An den wichtigen Fortschritten des Eisenhüttenwesens in dem
dem Jahre 1860 vorausgegangenen Jahrhundert hatten nur die wenigen
angeführten Länder mehr oder weniger teilgenommen. Die Eisen-
gewinnung in den übrigen Gebieten der Erde, räumlich weitaus den
[1011]Andere Länder 1851 bis 1860.
gröſsten, in der Türkei, in Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika, er-
folgte noch in der ursprünglichen Weise, wie es im ersten Bande
geschildert worden ist. Man gewann unreines schmiedbares Eisen in
Rennfeuern oder Stücköfen unmittelbar aus den Erzen. Letzteres
geschah beispielsweise in der Türkei, besonders in Bosnien. — Die
Versuche, europäischen Betrieb in den übrigen Erdteilen einzuführen,
hatten nur geringen Erfolg.
In Brasilien hatte schon im Jahre 1810 die Provinz S. Paulo zu
Ipanema eine Eisenhütte mit zwei Holzkohlenhochöfen von je 8 m
Höhe, die abwechselnd betrieben wurden, errichtet.
Aufsehen erregte die Anlage eines nach englischem Muster von
dem berühmten Josiah M. Heath für eine Gesellschaft (Indian Steel,
Iron and Chrom Company) Ende der dreiſsiger Jahre zu Porto Novo
bei Beypur in Ostindien erbauten Eisenhüttenwerkes, das einen vor-
züglichen Stahl lieferte. Das Werk hatte Hochöfen und Puddelöfen.
Nach Heaths Tode (1850) machte das Werk ausgangs der fünfziger
Jahre noch einmal durch die erfolgreiche Einführung des Bessemer-
prozesses, zu einer Zeit, als man in England dieses Verfahren noch
sehr abfällig beurteilte, von sich reden. Dennoch kam das Werk
1861 zum Erliegen, hauptsächlich deshalb, weil die schwächlichen
Eingeborenen der beschwerlichen Arbeit nicht gewachsen und eng-
lische Arbeiter zu teuer waren.
Bessemers groſse Erfindung war der Morgenstern einer neuen
Zeit für die Eisenindustrie, der einem hellen Tage in den folgenden
Jahrzehnten voranleuchtete. Die Geschichte dieses glänzendsten Ab-
schnittes der Geschichte des Eisens zu schildern, wird die Aufgabe
des nächsten und letzten Bandes dieses Werkes sein.
Seite 19, Zeile 18 von oben lies Pantz statt Panz.
„ 29, „ 8 „ „ „ Stromeyer statt Strohmeyer.
„ 35, „ 16 „ „ „ Koks statt Kokes.
„ 112, „ 17 „ unten „ Penydarran statt Pennydarran.
„ 138, „ 14 „ oben „ Fothergill statt Fothergil.
„ 190, „ 1 „ „ „ Skebo statt Skabo.
„ 209, „ 15 „ unten „ Duleau statt Dulong.
„ 260, „ 18 „ oben „ à cages statt à cage.
„ 285, „ 5 „ unten „ Savery statt Savary.
„ 371, „ 16 „ oben „ Sykes statt Syks.
„ 380, „ 16 „ „ „ Shuylkill statt Schnylkill.
„ 435, „ 16 „ „ „ Teague statt Teagne.
„ 476, „ 12 „ „ „ Staubkohlenverkokung statt Staubverkokung.
„ 485, „ 5 „ „ „ Berard statt Berhard.
„ 486, „ 18 „ „ „ Wärmeeffekte statt Wärmeeinheiten.
„ 535, „ 14 „ unten „ Steinkohlenroheisen statt Koksroheisen.
„ 545, „ 19 „ „ „ Eisenbahnlinien statt Eisenbahnlien.
„ 554, „ 6, 9, 16 von oben lies Vorglühherd statt Verglühherd.
„ 558, „ 1, 3, 7, 10, 12, 15 von oben lies Vorglühherd statt Verglühherd.
„ 587, „ 16 von unten lies Guenyveau statt Guiniveau.
„ 595, „ 1 „ „ „ Bourdon statt Bourton.
„ 706, „ 2 „ oben „ Bergeborbeck statt Borgeborbeck.
„ 805, „ 15 „ „ „ Kohlensetzsieb statt Kohlensatzsieb.
„ 830, „ 1 „ unten „ Cwm-Celyn statt Cwm-Cellyn.
„ 859, „ 14 „ oben „ Henry Bessemer statt John Bessemer.
„ 1007, „ 15 „ „ „ Stafsjö statt Stafsfö.